J. Lehmann M. Retz M. Stöckle Blasenkarzinom
J. Lehmann M. Retz M. Stöckle
Blasenkarzinom Mit 35 Abbildungen und 23 ...
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J. Lehmann M. Retz M. Stöckle Blasenkarzinom
J. Lehmann M. Retz M. Stöckle
Blasenkarzinom Mit 35 Abbildungen und 23 Tabellen
123
Dr. med. Jan Lehmann
Dr. med. Margitta Retz
Professor Dr. med. Michael Stöckle
Universitätskliniken des Saarlandes Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie Kirrberger Straße 66421 Homburg/Saar
Dept. of Anatomy University of California Box 0452 San Francisco, CA 94143 USA
Universitätskliniken des Saarlandes Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie Kirrberger Straße 66421 Homburg/Saar
ISBN 3-540-20504-7 Springer Medizin Verlag Heidelberg Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer Medizin Verlag. Ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer Medizin Verlag Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Hanna Hensler-Fritton Projektbetreuung: Sabine Pleines Design: deblik, Berlin Titelbild: deblik, Berlin SPIN 10970980 Satz: TypoStudio Tobias Schaedla, Heidelberg Druck: Saladruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem Papier
18/3160 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort In der Öffentlichkeit existiert das weit verbreitete Vorurteil, der medizinische Fortschritt spare das Thema »Krebs« vollständig aus und während der letzten Jahrzehnte habe es auf diesem Feld keine wesentliche Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten gegeben. Kaum ein Vorurteil geht an den vorhandenen Tatsachen weiter vorbei wie dieses, denn es gibt ihn eben doch, den Fortschritt bei der Behandlung der bösartigen Tumoren und es gibt ihn speziell bei den vier wichtigsten Tumoren des Urogenitaltraktes, nämlich dem Hodentumor, dem Prostatakarzinom, dem Nierentumor und eben auch beim Blasenkarzinom. Den dramatischsten Wandel haben wir sicherlich bei den bösartigen Tumoren des Hodens erlebt, wo die Heilungswahrscheinlichkeit im Laufe der letzten zwei bis drei Jahrzehnte fast an 100% herangebracht werden konnte. Beim Prostatakrebs wurde seit der Jahrtausendwende in vielen Industrieländern ein deutlicher Rückgang der tumorbedingten Sterblichkeit dokumentiert, während sie in den Jahrzehnten zuvor stetig angestiegen war. Auch wenn endgültige Beweise ausstehen, so scheint es nicht unwahrscheinlich, dass diese erfreuliche Entwicklung wesentlich durch die verbesserten Möglichkeiten der Früherkennung und der dadurch weitverbreiteten kurativen Therapie bedingt ist. Beim Nierentumor erlaubt die Früherkennung durch den Ultraschall sogar immer häufiger, die betroffenen Patienten bei ausgezeichneter Heilungswahrscheinlichkeit organerhaltend zu operieren. Demgegenüber hat das Blasenkarzinom während der letzten Jahre deutlich weniger Aufmerksamkeit auf sich gezogen, was aber keineswegs bedeutet, dass es nicht auch hier erhebliche Fortschritte gegeben hat: Gerade beim infiltrierenden Blasenkarzinom, einem hochmalignen Tumor, wurden die Behandlungskonzepte zunehmend besser standardisiert. Heilungsraten und postoperative Lebensqualität konnten substantiell verbessert werden, obwohl dieser Tumor noch bis weit in die 80er-Jahre hinein als schwer behandelbar galt. Es liegt also noch nicht lange zurück, dass es weitgehend dem Zufall überlassen war, ob man einem betroffenen Patienten überhaupt eine kurative Therapie angeboten hat und ggf. in welcher Qualität. Aufgrund der zahlreichen technischen Schwierigkeiten hatte die Behandlung des infiltrierenden Blasenkarzinoms für viele Jahrzehnte und deutlich länger als bei den meisten anderen soliden Tumoren den Beigeschmack des verzweifelten Versuchs. Die damit einhergehenden Komplikationen und die oft erhebliche Einschränkung der Lebensqualität wurden als mehr oder minder unvermeidlich in Kauf genommen. Hier hat sich während der letzten beiden Jahrzehnte erhebliches geändert: Die Operation des invasiven Blasenkarzinoms hat schrittweise den Charakter des experimentellen oder der Verzweiflungstat verloren, was für den Patienten mit einem signifikanten Fortschritt einhergeht: Verbesserte Operationsmethoden und verbesserte intensivmedizinische Nachbehandlung der Patienten hatten zur Folge, dass die Operationssterblichkeit, die noch in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts deutlich über 10% lag, in Zentren mit entsprechender Erfahrung inzwischen klar unterhalb von 5% liegt. Dies trug dazu bei, dass solche Operationen auch bei Patienten in höherem Lebensalter oder bei Patienten mit Begleiterkrankungen durchgeführt werden können. Darüber hinaus wurden seit Mitte der 80er-Jahre die zur Verfügung stehenden Harnableitungstechniken immer weiter modifiziert und verbessert, sodass man heute im Grunde jedem betroffenen Patienten eine Harnableitungstechnik anbieten kann, mit denen er die sozialen, sportlichen, kulturellen und – mit gewissen Einschränkungen und Vorbehalten – auch die sexuellen Aktivitäten wieder ausüben kann, die er vor der Operation gewohnt war. Die Radikaloperation des Blasenkrebses hat damit sehr viel vom früheren Charakter des verzweifelten Versuchs oder des experimentellen und verstümmelnden Eingriffs verloren. Die Fortschritte bei der operativen Technik stellen aber nur die augenfälligste Verbesserung im Abklärungs- und Behandlungskonzept des Blasenkarzinoms dar. So steht auf der therapeutischen Seite auch die Chemotherapie inzwischen im Begriff, einen festen Platz im Behandlungskonzept zu erringen. Auf der diagnostischen Seite werden grundlegende Veränderungen meist
VI
Vorwort
als weniger spektakulär empfunden, sie beeinflussen aber trotzdem maßgeblich die Behandlungskonzepte und die Heilungswahrscheinlichkeiten. Aus diesem Grunde wurde den diagnostischen Aspekten in diesem Buch auch breiter Raum zur Verfügung gestellt: Dazu gehört das Kapitel über die histopathologische Beurteilung, in dem auch schon die aktualisierte TNM-Klassifikation vorgestellt wird, die wieder wesentlich stärker auf den fundamentalen Unterschied zwischen invasiven und nichtinvasiven Tumoren fokussiert. In diesen Kontext gehört auch die bildgebende Diagnostik, die von vielen z. B. in Verbindung mit der systemischen Chemotherapie für einen wesentlichen Motor des Fortschritts gehalten wird: Erst die verfeinerte Diagnostik der modernen Schnittbildverfahren soll eine so frühzeitige Diagnose der Tumorprogression nach Radikaloperation erlauben, dass kurative Maßnahmen auch in diesem Stadium möglich werden. Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang auch der gewaltige Zuwachs in unserem Verständnis der molekularen Veränderungen und der molekularen Signalwege in der Tumorzelle zu nennen: Der Erkenntniszugewinn auf diesem Gebiet hat die Behandlung des individuellen Patienten bislang zwar noch nicht nachhaltig verändert. Dies wird in der nahen Zukunft aber sicher nicht so bleiben. Das vorliegende Buch verfolgt das Ziel, nicht nur dem Urologen, sondern auch dem Nichturologen, vielleicht auch dem interessierten Laien eine Übersicht über wichtige Teilaspekte in Diagnostik und Therapie des Blasenkarzinoms zu bieten. Das Buch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ewige Wahrheit. Es stützt sich auf den Kenntnisstand von Herbst 2003 bis Frühjahr 2004. Die Themenauswahl fokussiert vor allem auf die Bereiche, wo die letzten Jahre durch Fortschritte, Veränderungen, aber auch durch Kontroversen geprägt waren. Eine Ausnahme davon ist das Kapitel von T. Kälble über den Zusammenhang zwischen Umweltgiften und Blasenkarzinom. Auch wenn man das Thema aus heutiger Sicht mit dem Satz zusammenfassen könnte, dass derzeit bei der Entstehung von Blasenkrebs kein Umweltgift eine so wichtige Rolle spielt wie der Tabakrauch, sollte nicht in Vergessenheit geraten, dass es das Blasenkarzinom war, an dessen Beispiel die Menschheit während des 20. Jahrhunderts schrittweise den Zusammenhang zwischen Umweltnoxen und Krebsentstehung zu begreifen gelernt hat. Die Autoren der einzelnen Kapitel sind Experten auf ihrem jeweiligen Feld und waren eingeladen, auch ihre persönliche Meinung einfließen zu lassen. Der sorgfältige Leser wird daher sicher auch Widersprüche und divergierende Meinungen entdecken können. Es war durchaus eher beabsichtigt, die bestehenden Kontroversen transparent zu machen, als sie durch den Versuch einer Konsensbildung zu unterdrücken. Die Herausgeber danken den Autoren der einzelnen Kapitel für die Kooperationsbereitschaft und den Mitarbeitern des Springer-Verlags für die stets freundliche Zusammenarbeit, die selbst härteste Geduldsproben überstand. Homburg/Saar, im Juli 2004
VII
Inhaltsverzeichnis
1
Typing, Grading und Staging beim Harnblasenkarzinom: Pathomorphologische Parameter und deren Bedeutung für die Klinik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 S. Störkel
2
Neue Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik beim Harnblasenkarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 M. Uder, M. Heinrich, A. Grgic
3
Umweltfaktoren als wesentliche Ursache des Blasenkarzinoms und seiner Epidemiologie – Ein historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 T. Kälble
4
Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 M. Retz und J. Lehmann
5
Der Einsatz von BCG beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 A. Böhle
6
Das kontrovers diskutierte Tumorstadium pT1G3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 M. Stöckle, J. Lehmann
7
Therapie des muskelinvasiven und des lokal fortgeschrittenen Blasenkarzinoms im Jahr 2004 . . . . . . 81 M. Schostak, K. Miller
8
Harnableitung nach Zystektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 P. Albers
9
Zeitgemäße Pflege von Patienten mit Urostomien, kontinenten und inkontinenten Harnableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 M. Georg
10
Therapie und Prognose des lymphogen metastasierten Urothelkarzinoms – Stellenwert der Lymphknotenchirurgie und der perioperativen systemischen Chemotherapie . . . 109 M. Stöckle, J. Lehmann
11
Systemische Chemotherapie des metastasierten Urothelkarzinoms – eine kritische Analyse . . . . . . . 125 J. Lehmann, M. Retz, M. Stöckle
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
IX
Autorenverzeichnis Albers, Peter
Miller, Kurt
Klinik für Urologie Klinikum Kassel GmbH Mönchebergstr. 41–43 34125 Kassel
Klinik für Urologie der Medizinischen Fakultät Berlin Freie Universität Berlin Hindenburgdamm 30 12200 Berlin
Böhle, Andreas HELIOS Agnes Karll Krankenhaus Am Hochkamp 21 23611 Bad Schwartau
Georg, Marita Universitätskliniken des Saarlandes Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie Kirrberger Straße 66421 Homburg/Saar
Grgic, Aleksander Abt. für Radiodiagnostik der Universitätsklinik des Saarlandes Kirrberger Str. 1 66421 Homburg
Heinrich, Mark Abt. für Radiodiagnostik der Universitätsklinik des Saarlandes Kirrberger Str. 1 66421 Homburg
Kälble, Tilmann Klinik für Urologie und Kinderurologie des Klinikums Fulda Pacelliallee 4 36043 Fulda
Retz, Margitta Dept. of Anatomy University of California Box 0452 San Francisco, CA 94143 USA
Schostak, Martin Klinik für Urologie der Medizinischen Fakultät Berlin Freie Universität Berlin Hindenburgdamm 30 12200 Berlin
Stöckle, Michael Universitätskliniken des Saarlandes Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie Kirrberger Straße 66421 Homburg/Saar
Störkel, Stephan Institut für Pathologie der Universität Witten/Herdecke Helios Klinikum Wuppertal Heusnerstr. 40 42283 Wuppertal
Uder, Michael Lehmann, Jan Universitätskliniken des Saarlandes Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie Kirrberger Straße 66421 Homburg/Saar
Institut für Diagnostische Radiologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg Maximiliansplatz 1 91054 Erlangen
1 Typing, Grading und Staging beim Harnblasenkarzinom: Pathomorphologische Parameter und deren Bedeutung für die Klinik S. Störkel
Typing, Staging und Grading stellen essentielle Parameter der pathologisch-anatomischen Begutachtung von Urothelkarzinomen dar, die ihrerseits als Grundlage für nachfolgende klinische Entscheidungen und Therapieoptionen dienen. Mit der neuen WHO-Klassifikation der Harnblasenkarzinome (Eble et al. 2004) wurden erstmals nichtinvasive und invasive Urothelkarzinome unterschieden, weiterhin neue Entitäten eingeführt und die Nomenklatur vereinheitlicht. Auch das Grading von Urothelkarzinomen wurde neu gestaltet und auf nichtinvasive Tumoren beschränkt. Beim Staging erbringen Substaging-Vorschläge und neue mikroskopische Analyseansätze mehr Information für den Urologen. Die nachfolgenden Ausführungen sollen deshalb ein kurzgefasstes Update der sich wandelnden pathomorphologischen Befundung von Harnblasenkarzinomen geben.
Typing der Tumoren der ableitenden Harnwege Die nachfolgende ⊡ Tabelle 1.1 gibt die WHO-Typisierung der Tumoren der Harnblase in der derzeit gültigen Fassung der 3. Auflage von 2004 wieder (Eble et al. 2004), die nach Zelltyp und Differenzierung unterscheidet. Aus ihr wird ersichtlich, dass die Blasentumoren eine sehr heterogene Gruppe darstellen. Gut 95% der Blasentumoren sind epithelialer Natur, davon sind ca. 80% vom urothelialen
Phänotyp, bis 10% vom plattenepithelialen Phänotyp, ca. 2% vom drüsigen Phänotyp und weniger als 1% undifferenzierte Karzinome. Der Begriff Transitionalzellkarzinom statt Urothelkarzinom gilt als obsolet. Während in der WHO-Typisierung der Tumoren der Harnblase von 1999 (Mostofi et al. 1999) noch tumorähnliche – und Präkursorläsionen aufgelistet waren, wurden diese Veränderungen jetzt nicht mehr in die Darstellung aufgenommen. Einige, für die Klinik wichtige Entitäten betreffende Änderungen gegenüber der alten WHO-Klassifikation werden kurz dargestellt. Die papilläre Neoplasie niedrig-malignen Potentials (PUNLMP) stellt eine 1998 neu definierte Gruppe von papillären Urotheltumoren dar, die mittlerweile allgemein anerkannt wird. Diese Tumoren ähneln den urothelialen Papillomen im Aufbau, weisen aber eine vermehrte Proliferation und Dickenzunahme des Urothels auf. Die Prognose ist gut; es werden weniger Rezidive wie bei hochdifferenzierten nichtinvasiven papillären Urothelkarzinomen beobachtet. Diese Tumoren wurden bislang bei den hochdifferenzierten papillären Urothelkarzinomen Grad 1 subsumiert. Das Urachuskarzinom, das überwiegend als ein Adenokarzinom imponiert, aber auch urotheliale, plattenepitheliale und andere Differenzierungsmerkmale aufweist, wird in der tabellarischen WHO-Systematik 2004 nicht erwähnt. Dennoch ist es hier aufzulisten, da es sich u. a. im mittleren Manifestationsalter und in der Lokalisation vom Adenokarzinom der Harnblase unterscheidet.
2
1
Kapitel 1 · Typing, Grading und Staging beim Harnblasenkarzinom
⊡ Tabelle 1.1. Histologische Klassifikation von Tumoren der Harnblase 1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.1.5 1.1.6 1.2 1.2.1 1.2.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7 1.3.8 1.3.9 1.3.10 1.3.11 1.3.12 1.3.13
Urotheliale Tumoren Noninvasive urotheliale Neoplasien Urotheliales Papillom Urotheliales Papillom, invertierter Typ Nichtinvasive urotheliale Neoplasie mit niedrig malignem Potential Nichtinvasives papilläres Urothelkarzinom »low grade« Nichtinvasives papilläres Urothelkarzinom »high grade« Urotheliales Karzinom in situ Invasive urotheliale Neoplasien Infiltrierendes Urothelkarzinom Infiltrierendes Urothelkarzinom mit plattenepithelialer Differenzierung Infiltrierendes Urothelkarzinom mit glandulärer Differenzierung Infiltrierendes Urothelkarzinom mit throphoblastischer Differenzierung Infiltrierendes Urothelkarzinom nestförmige Variante Infiltrierendes Urothelkarzinom mikrozystische Varinate Infiltrierendes Urothelkarzinom mikropapilläre Variante Infiltrierendes Urothelkarzinom Lymphoepitheliom-ähnliche Variante Infiltrierendes Urothelkarzinom lymphomähnliche Variante Infiltrierendes Urothelkarzinom plasmazytoide Variante Infiltrierendes Urothelkarzinom sarkomatoide Variante Infiltrierendes Urothelkarzinom riesenzellige Variante Infiltrierendes Urothelkarzinom undifferenzierte Variante
ICD-O
8120/3 – – – – – 8131/3 8082/3 – – 8122/3 8031/3 8020/3
2 2.1 2.2 2.3
Plattenepitheliale Neoplasien Plattenepitheliales Papillom Plattenepithelkarzinom Verruköses Karzinom
8052/0 8070/3 8051/3
3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6
Glanduläre Neoplasien Villöses Adenom Adenokarzinom Adenokarzinom mit enteraler Differenzierung Adenokarzinom mit muzinöser Differenzierung Adenokarzinom mit siegelringzelliger Differenzierung Adenokarzinom mit klarzelliger Differenzierung
8261/0 8140/3 – 8480/3 8490/3 8310/3
4 4.1 4.2 4.3
Neuroendokrine Tumoren Kleinzellige Karzinom Karzinoid Paragangliom
8041/3 8240/3 8680/1
5 5.1 5.2
Melanozytäre Tumoren Malignes Melanom Nävus
8720/3 –
6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8
Mesenchymale Tumoren Rhabdomyosarkom Leiomyosarkom Angiosarkom Osteosarkom Malignes fibröses Histiozytom Leiomyom Hämangiom Andere
8900/3 8890/3 9120/3 9180/3 8830/3 8890/0 9120/0 –
7 7.1 7.2
Hämopoetische und lymphatische Tumoren Malignes Lymphom Plasmozytom
– 9731/3
8 8.1 8.2
Verschiedene Tumoren Karzinom der Skenischen-, Cowper- und Littre-Drüsen Metastatische Tumoren und Tumorübergriff von anderen Organen
– –
8120/0 8121/0 8130/1 8130/2 8130/3 8120/2
3 Grading der Tumoren der ableitenden Harnwege
Das spindelzellige Karzinom der Harnblase wird jetzt als Urothelkarzinom, sarkomatoide Variante, bezeichnet. Hierzu zählt auch das Karzinosarkom der Harnblase, das eine Neubildung kennzeichnet, die eine maligne epitheliale Komponente (urothelial, plattenepithelial oder drüsig differenziert) und eine eigenständige heterologe mesenchymale Komponente enthält (meist chondro- oder osteosarkomatös), was den alten Streit, ob Kombinationstumor, Kollisionstumor oder Kompositionstumor, ad acta legt. Das unklassifizierte Karzinom der Harnblase entfällt, da die aktuelle Klassifikation/Systematik der WHO das gesamte Spektrum der möglichen Phänotypien und Genotypien von Harnblasenneoplasien beschreibt. Auch die Atypie unklarer Signifikanz des Urothels wurde in der aktuellen Klassifikation gestrichen, was eine klare Festlegung auf reaktive oder neoplastische Veränderungen des Urothels verlangt und damit dem Urologen eindeutige Aussagen liefert.
Grading der Tumoren der ableitenden Harnwege Das Grading urothelialer Tumoren ist seit Jahrzehnten einem kontinuierlichen Wandel unterworfen und wird wahrscheinlich auch nach dem neuen WHO-Vorschlag weiter lebhaft diskutiert werden. Die auszugsweise Gegenüberstellung der bisherigen verschiedenen Grading-Systeme in ⊡ Tabelle 1.2 dient dem Verständnis und der Transposition der alten Befunde in die aktuelle, international verbindlich festgelegte Systematik. Die Gegenüberstellung zeigt den schnellen Wandel, was Folge der mangelnden Akzeptanz des ISUP/WHO-Grading von 1998 bei Urologen und Pathologen war. Das modifizierte Bergqvist Grading von Malmström et al. (1987) stell-
te die Basis für die Grading-Einteilungen von 1998 und 1999 dar. Vorteilhaft in der WHO-Klassifikation von 2004 ist zwar die terminologische Beschränkung des Gradings auf Urothelkarzinome »low grade« und »high grade«. Es bleibt aber der Zukunft überlassen, ob sich die Auffassung von Cheng u. Bostwick (2000) durchsetzt, dass die Schaffung einer neuen Kategorie in Form des »papillären Tumors mit niedrig malignem Potential« (»low malignant potential«, LMP) für einen tumorbiologisch nicht klar definierten Tumor, der zudem nur schwer vom nichtinvasiven papillären Urothelkarzinom Grad 1 abgrenzbar ist, sich als nicht sinnvoll erweist und im klinischen Gebrauch nicht einführbar sein wird. Prinzipiell müssen beim Grading von Urotheltumoren folgende Voraussetzungen beachtet werden: 1. Das Grading gilt nur für papilläre nichtinvasive Tumoren. 2. Es sollten nur orthograd getroffene Tumorabschnitte zum Grading verwendet werden. 3. Wesentlich ist die in der Übersichtsvergrößerung zutreffende Entscheidung, in wieweit die Textur in den papillären Formationen erhalten ist oder nicht. 4. Das urotheliale Carcinoma in situ ist immer ein niederdifferenziertes Karzinom. Unter diesen Prämissen lässt sich das in ⊡ Abb. 1.1 gezeigte Flussdiagramm aufstellen. Ein unabhängiger prognostischer Wert eines Gradings nach zytologischen oder nukleären Kriterien für invasive Urotheltumoren ist umstritten bzw. fehlt, da mehr als 80% aller muskelinvasiven Urothelkarzinome zytologisch ohnehin hochmaligne Tumoren sind. Ob das Wachstumsmuster der invasiven Komponente (z. B. nodulär, trabekulär oder netzförmig infiltrierend) prognostische Relevanz hat (analog dem GleasonGrading beim Prostatakarzinom) kann bislang noch
⊡ Tabelle 1.2. Gegenüberstellung verschiedener Grading-Systeme (Busch u. Algaba 2002) WHO 1973
Malmström 1987
ISUP/WHO 1998
WHO 2004
Papillom
Grad 1
Papillom
Papillom
Grad 2A
PUNLMP Low-grade-Karzinom
PUNLMP Low-grade-Karzinom
Grad 2
Grad 2B
High-grade-Karzinom
High-grade-Karzinom
Grad 3
Grad 3–4
High-grade-Karzinom
High-grade-Karzinom
Grad 1
1
4
Kapitel 1 · Typing, Grading und Staging beim Harnblasenkarzinom
Urothelkarzinom Grad ?
1
Textur vorwiegend erhalten
Ja
Nein Urothekarzinom
PUN LMP oder Urothelkarzinom WHO I°
WHO II° oder III°
Textur fokal erhalten?
Ja Nein
Texturabweichung leicht erkennbar?
Nein Nein
Ja
PUN LMP
Urothelkarzinom WHO I°
PUN LMP
Urothekarzinom Low grade
Urothelkarzinom WHO II°
Urothelkarzinom WHO III°
Urothelkarzinom High grade
⊡ Abb. 1.1. Flussdiagramm zum Grading des nichtinvasiven Harnblasenkarzinoms. (Mod. nach Busch u. Algaba 2002)
nicht abschließend beurteilt werden. Jiminez et al. (2000) fanden in einer der wenigen Studien zu dieser Problematik eine fast signifikante Tendenz für eine höhere Überlebensrate bei den Urothelkarzinomen, die kein infiltratives Pattern in der invasiven Komponente aufwiesen. Das Spektrum der papillären Urotheltumoren mit ihren für das Grading und das Typing (Klassifikation) wesentlichen mikroskopisch zu erhebenden Veränderungen beschreibt ⊡ Tabelle 1.3.
Staging der Tumoren der ableitenden Harnwege
pM: Mikroskopischer (histologischer oder zytologischer) Nachweis von Fernmetastasen ▬ Fakultativ kann eine Angabe zum Vorliegen oder Fehlen einer Lymphangiosis carcinomatosa (pL0 vs. pL1) oder Haemangiosis carcinomatosa (pV0 vs. pV1) gemacht werden. ▬ Bei multiplen Tumoren ist der am weitesten fortgeschrittene Tumor zu klassifizieren. ▬ Der Zusatz »(m)« soll bei der entsprechenden pT-Kategorie verwendet werden, um das Vorliegen von multiplen Tumoren anzuzeigen. ▬ Der Zusatz »(is)« kann bei jeder pT-Kategorie verwendet werden, um das Vorliegen eines assoziierten Carcinoma in situ anzuzeigen.
Das Staging der Harnblasenkarzinome erfolgt nach der pTNM-Klassifikation der Harnblasenkarzinome der UICC von 2002. Für das Staging gelten die nachfolgend in ⊡ Abb. 1.2 und in ⊡ Tabelle 1.4 aufgeführten Regeln bzw. Erfordernisse. Für das Staging von Harnblasenkarzinomen gelten die nachfolgenden Prämissen: pN: Histologische Untersuchung von t8 regionären Lymphknoten
In der TNM-Klassifikation von 2002 sind für die Tumoren des Nierenbeckens, des Ureters und der Urethra sowie für die Urothelkarzinome der Prostata bzw. der prostatischen Urethra keine Änderungen gegenüber 1997 vorgenommen worden (⊡ Tabelle 1.5). Neben den Beckenlymphknoten zählen auch die inguinalen Lymphknoten zu den regionären Lymphknoten der Urethra, wobei die Seitenlokalisation für die pN-Klassifikation ohne Belang ist.
1
5 Staging der Tumoren der ableitenden Harnwege
⊡ Tabelle 1.3. Grading-Kriterien für papilläre Urotheltumoren (WHO 2004) Kriterium
Papillom
Tumor mit LMP
Low grade
High grade
Urothelbreite
Ausreifung
-
Superfiziale Zellschicht
– ( )
–
() – -
Basale Zellpalisade
++
++
-
Kern-Crowding
Architektur
– ( )
-
Polarität
– -
Kohäsivität
– ( )-
Mitosen
– () basal
– () basales Drittel
-
Kernplasma Relation
-
Kerngröße
– ()
-
Kernpolymorphie
–
-
Nukleolengröße
– ()
-
Riesenzellkerne
-
Chromatingehalt
()
-
Chromatinmuster
vergröbert
Vergröbert – stark vergröbert
LMP Low-malignant-Potential; = nicht vorhanden/fehlt; = normal.
pTis
perivesik. Fettgew.
pTa
pT1
M. propria M. propria (außen) (innen)
pT2a
L. propria
pT2b
Urothel
⊡ Abb. 1.2. Schematische Abbildung der Stadien beim Harnblasenkarzinom
pT3a/b
pT4a/b
perivesikale Organe
6
1
Kapitel 1 · Typing, Grading und Staging beim Harnblasenkarzinom
⊡ Tabelle 1.4. pTNM-Klassifikation der Harnblasenkarzinome
⊡ Tabelle 1.5. pTNM-Klassifikation der Urothelkarzinome der Prostata/prostatischen Urethra
pT pTX pT0 pTa pTis pT1 pT2 pT2a pT2b pT3 pT3a pT3b pT4 pT4a pT4b
pT pTX pT0 pTis pu
Primärtumor nicht beurteilbar Kein Anhalt für ein Karzinom Nichtinvasives papilläres Karzinom Carcinoma in situ Invasion der L. propria Invasion der Detrusormuskulatur Innere Muskelhälfte Äußere Muskelhälfte Invasion von perivesikalem Gewebe Mikroskopische Invasion Makroskopische Invasion Invasion angrenzender Organe Prostata, Uterus, Vagina, Rektum Becken- oder Bauchwand
pTis pd pT1 pT2
pT3
pT4 pN pNX
pN3
Regionäre Lymphknotenmetastasen nicht beurteilbar Keine regionären Lymphknotenmetastasen Solitäre Lymphknotenmetastase d2 cm Solitäre oder multiple LK-Metastasen; >2 cm und d5 cm LK-Metastasen >5 cm
pM pMX pM0 pM1
Fernmetastasen nicht beurteilbar Keine Fernmetastasen Fernmetastasen
pN0 pN1 pN2
Multizentrizität Das primäre pTis ist selten; meist tritt es multifokal und mit einem invasivem Urothelkarzinom assoziiert auf. 80% der pTis-Tumoren gehen in invasive Karzinome über (Adsay et al. 1997). Die Multizentrizität von Urothelkarzinomen geht im Vergleich zu unizentrischen Tumoren mit einer erhöhten Rezidiv- und Progressrate einher (Rezidive bei pT1-Tumoren: 73% vs 46%; Progress zu muskelinvasiven Tumoren: 44% vs. 24% (Lutzeyer et al. 1982).
Lymph- und Blutgefäßinvasion Eine Lymph- und/oder Hämangioinvasion lässt sich bei sorgfältiger Suche unter Anlegung strenger Kriterien (⊡ Tabelle 1.6) in 10–12% von papillären pT1-Karzinomen nachweisen (Lopez u. Angulo 1995; Marchetti et al. 1996). Angioinvasive pT1-Karzinome verhalten sich prognostisch schlechter als solche
pN pNX pN0 pN1 pN2
pM pMX pM0 pM1
Primärtumor nicht beurteilbar Kein Anhalt für ein Karzinom Carcinoma in situ in der prostatischen Urethra Carcinoma in situ in prostatischen Gängen (»ducts«) Invasion des subepithelialen Bindegewebes Invasion des prostatischen Stromas, des Corpus spongiosum oder periurethralem Muskel Invasion des Corpus cavernosum, jenseits der Prostatakapsel oder in den Blasenhals Invasion anderer angrenzender Organe
Regionäre Lymphknotenmetastasen nicht beurteilbar Keine regionären Lymphknotenmetastasen Solitäre Lymphknotenmetastase d2 cm Solitäre LK-Metastase >2 cm oder multiple LK-Metastasen
Fernmetastasen nicht beurteilbar Keine Fernmetastasen Fernmetastasen
ohne Gefäßinvasion (44% Fünfjahresüberlebensrate vs. 81% bei L0/V0). Im Gegensatz zu muskelinvasiven Karzinomen erwies sich der Status der Angioinvasion bei pT1-Tumoren als unabhängiger prognostischer Marker (Lopez u. Angulo 1995). Die Diagnose einer Angioinvasion ist am konventionellen Schnittpräparat durch den Pathologen oft nur schwer zu stellen und mit einer nicht unerheblichen Rate falsch-positiver Diagnosen verknüpft. Mit Antikörpern gegen Gefäßendothelien ließen sich lediglich 14% bzw. 40% der in der Routinefärbung diagnostizierten Angioinvasionen bestätigen (Larsen et al. 1990; Ramani et al. 1991). Zu bedenken ist, dass bislang nur Endothelien von Blutgefäßen sicher darstellbar sind, ein Antikörper gegen Lymphgefäßendothelien steht derzeit kurz vor der Kommerzialisierung. Im blutkapillarreichen Bindegewebsstock von papillären invasiven pT1Urothelkarzinomen sowie im angrenzenden Bindegewebe der Lamina propria oberhalb der diskontinuierlichen M. mucosae lassen sich keine Lymphgefäße nachweisen (Marchetti et al. 1996).
7 Grundsätzliche Anmerkungen zur Problematik des invasiven Wachstums
1
⊡ Tabelle 1.6. Diagnose-/Ausschlusskriterien für eine Lymphhämangioinvasion Pro Angioinvasion
Contra Angioinvasion
Endothel – ausgekleideter Spaltraum
Bindegewebig begrenzter Spalt
Lymphozyten – oder Erythrozyten im Lumen
Optisch leerer Spalt mit der Form des Tumorzellverbandes z. B. in desmoplastischem Stroma
Kranzförmige Anordnung tumor-zellhaltiger Spalten um Blutgefäße
Zahlreiche irregulär dichtliegende Spalträume mit Tumorzellen
Wandadhärenz von Tumorzellen
Keine intra- und/oder perivasale
Tumorthrombus
vitale Reaktion
Gefäß mit Tumorzellen abseits des invasiven Karzinomanteils
Gefäß mit Tumorzellen innerhalb des invasiven Karzinomanteils
CD31, CD34, Faktor VIII positive Auskleidung der Spalten
CD31, CD34, Faktor VIII negative Spalten
Insgesamt ist zu empfehlen, zumindest bei pT1Karzinomen zur Frage der Angioinvasion Stellung zu nehmen.
Grundsätzliche Anmerkungen zur Problematik des invasiven Wachstums des Urothelkarzinoms Die Entscheidung, ob insbesondere bei einem niederdifferenzierten Urothelkarzinom eine Invasion der Lamina propria vorliegt oder nicht, ist therapeutisch von Bedeutung und gehört zugleich zu den schwierigsten Entscheidungen in der urologischen Pathologie. Die Gründe hierfür liegen zum einen in der Art und Qualität der entnommenen Probe, zum anderen in den Besonderheiten des Wachstumsverhaltens urothelialer Tumoren. Kleinere Harnblasentumoren werden in der Regel in der Praxis mit einer sog »kalten« Biopsie entnommen und weisen daher keine Kauterisierungsartefakte auf. Größere Tumoren werden mit der »heißen« Schlinge abgetragen, da sich hierbei die Möglichkeit einer gleichzeitigen Blutstillung ergibt. Bedingt durch die Kauterisierungsartefakte ist eine makroskopische Orientierung bei der Gewebebearbeitung in der Pathologie mit Identifizierung von Detrusormuskelanteilen an diesen fragmentierten Spänen oft nicht mehr sicher möglich, sodass tangentiale Schnitte durch das Tumorgewebe die Beurteilung und insbesondere die Identifizierung eines invasiven Wachstums erschweren. Verdeutlicht wird die Schwierigkeit der Invasionsbeurteilung in der Studie von Abel et al. (1988),
in der bei der Nachbeurteilung von Originalschnitten von Blasentumorbiopsaten in 7 von 24 Fällen (29%) ein »Downstaging« eines pT1 zu einem pTaTumor erfolgte. In der folgenden Übersicht sind Kriterien aufgeführt, die für ein in die Lamina propria infiltrierendes Karzinom sprechen.
Invasionskriterien des Urothelkarzinoms (allgemein). (Mod. nach Jimenez et al. 2000; Rogatsch et al. 1998) ▬ Invasives Epithel – – – –
– – – – – – – – –
Irregulär konfigurierte Nester Einzelzellinfiltration Schlanke fingerförmige Formationen Ausgeprägte Kernpolymorphie und/oder breiteres Zytoplasma der invasiven Zellpopulation als im bedeckenden Urothel Fehlende/irreguläre Basalmembran Stromareaktion Desmoplasie/Sklerose Retraktionsartefakte Fokale Entzündung Angioneogenese mit ektatischen Kapillaren Myxoides Stroma Pseudosarkomatöses Stroma Fehlende Stromareaktion (!)
Der Begriff der Mikroinvasion ist beim Urothelkarzinom nicht verbindlich definiert. Während Farrow et al. (1982) eine Definition von <5 mm als Invasionstiefe angaben (bei einer Letalität von 5,8%),
8
1
Kapitel 1 · Typing, Grading und Staging beim Harnblasenkarzinom
halten Amin et al. (1997) eine Definition für ein mikroinvasives Wachstum von weniger als 2 mm für angemessen. Die Analyse der initialen Invasionsmuster bei Urothelkarzinomen erlaubt eine subtile Unterteilung in 6 verschiedene Muster (s. folgende Übersicht). Zugleich sind folgende mikroskopische Details invasiver Urothelkarzinome zu beachten: die Irregularität der Konturen der Urothelverbände/ Trabekel, die starke Variation in Größe und Form der Urothelnester, die Konfluenz von Nestern zu soliden Urothelverbänden, die sichere Ausdehnung auch rundlich konfigurierter Urothelverbände in die Muscularis propria, das Wachstum in Einzelzellen sowie die Desmoplasie und tumorassoziierte Entzündung im Stroma.
Histologische Muster der Invasion der Lamina propria. (Mod. nach Jimenez et al. 2000) A B C D E F
Cis. mit Mikroinvasion Papilläres Urothelkarzinom mit Mikroinvasion Papilläres Urothelkarzinom mit Invasion des papillären Bindegewebsstockes Lamina propria Invasion bis oberhalb der M. mucosae Lamina-propria-Invasion durch die M. mucosae Urothelkarzinom mit endophytischem plumpen Wachstum und destruktiver Stromainvasion
Substaging der pT1-Kategorie des Urothelkarzinoms Etwa 30% (22–53%) der Patienten mit einem pT1Blasenkarzinom in TUR-Spänen werden einen Progress binnen 5–15 Jahren erleiden (Cheng et al. 1999; Cheng u. Bostwick 1999). Aufgrund dieses Krankheitsverlaufes ist die Erarbeitung von Prädiktoren von großer klinischer Relevanz. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass ein Substaging des T1-Stadiums auf der Basis der Beziehung des Karzinoms zur M. mucosae eine prognostische Aussagekraft hat (⊡ Tabelle 1.7). Dieses Substaging wurde auf der WHO-Konsensus-Konferenz jedoch nicht als zwingender, sondern optionaler Bestandteil des pathologisch-anatomischen Befundes angesehen. Die Gründe für diese Einstufung sind durch eine Reihe von Nachteilen dieses Staging-Prinzips bedingt: 1. Die M. mucosae ist im TUR-Gewebe aus der Harnblase nur inkonstant bzw. diskontinuierlich in ca. 50% (15–83%) nachweisbar. 2. In TUR-Gewebsspänen ist eine orthograde Ausrichtung oft nicht gegeben; eine solche ist zur Beurteilung der Invasionstiefe bzw. der Beziehung des Tumors zur M. mucosae aber erforderlich. 3. Bei destruierend wachsenden soliden Tumoren finden sich z. T. nur noch minimale Residuen glatter Muskulatur, die zudem von einer desmoplastischen Stromareaktion überlagert werden; dies macht eine sichere Differenzierung zwischen M. mucosae oder Anteilen der M. propria (Detrusormuskel) unter Umständen unmöglich. 4. Die Muscularis mucosae kann z. B. als Folge vorausgegangener Eingriffe und inflammatorischer Reaktionen hypertrophieren und somit große Ähnlichkeiten mit Anteilen der M. propria erlangen. 5. Die Interobservervariabilität für die Identifizierung der M.-mucosae-Invasion beträgt aus den genannten Gründen auch unter erfahrenen Pathologen 33–48%. Ein interessanter neuer Ansatz zum Substaging des Blasenkarzinoms an TUR-Spänen des Stadiums pT1 besteht in der morphometrischen Bestimmung der Invasionstiefe (analog zur Bestimmung der Invasionstiefe beim malignen Melanom). In einer retrospektiven Studie an 55 Patienten ergab die von der Basalmembran des Urothels aus gemessene Tiefeninvasion hochsignifikante Unterschiede für die Wahrscheinlichkeit eines fortgeschrittenen (tpT2)
9 Substaging der pT2-Kategorie des Harnblasenkarzinoms
1
⊡ Tabelle 1.7. Substaging des Stadium pT1: prognostische Relevanz Autor Hasui et al. 1994
Angulo et al. 1995
Substaging Kriterium
Patientenzahl
Substagingrate [%]
Ergebnis
88 60 28
100
pT1a: oberhalb M. mucosae pT1b: unterhalb M. mucosae
% Progress 7% 54%
170 44 55
58
pT1a: oberhalb M. mucosae pT1b: unterhalb M. mucosae
Fünfjahresüberlebensrate 86% 52%
83
100
5 Jahre progressfreies Überleben 93% 67%
Cheng et al. 1999a Invasionstiefe = 1.5 mm Invasionstiefe >1.5 mm
Stadiums am Zystektomiepräparat, wenn der Grenzwert bei 1,5 mm festgelegt wurde: 95% der Patienten mit einer Tiefeninvasion von t1,5 mm in den TURSpänen hatten ein definitives pathologisches Stadium von tpT2, entsprechend einem fortgeschrittenen Blasenkarzinom, während Gleiches nur für 44% der Patienten mit einer primären Invasionstiefe von d1,5 mm galt (Cheng et al. 1999; Cheng u. Bostwick 1999). Aufgrund methodischer Schwierigkeiten sollten prospektive Studien zur weiteren Abklärung erfolgen (Herr u. Reuter 1999).
Substaging der pT2-Kategorie des Harnblasenkarzinoms Im Stadium pT2 scheint einer Reihe von Untersuchungen zu Folge die prognostische Relevanz eines weiteren Substaging nach dem Ausmaß der Tiefeninvasion in die M. propria (pT2a und pT2b) gering zu sein. Wertvoller ist möglicherweise die Klassifikation nach dem größten Tumordurchmesser, wobei ein Tumordurchmesser von mehr oder weniger als 3 cm eine diskriminierende Größe darstellt. So beträgt das metastasenfreie und krebsspezifische Überleben für muskelinvasive Tumoren <3 cm 100% bzw. 94% im Gegensatz zu 68% und 73% für Tumoren mit einem Durchmesser von t3 cm (Cheng et al. 1999). Ein weiteres prognostisch potentiell relevantes Kriterium ist das Invasionsmuster innerhalb der L. propria und tieferer Wandschichten. Von den 3 Mustern (I: nodulär; II: trabekulär; III: infiltrativ) ist das letztgenannte Muster mit einer schlechteren Prognose assoziiert als die Muster I und II (Jiminez et al. 2000; ⊡ Abb. 1.3).
⊡ Abb. 1.3. Wachstumsmuster muskelinvasiver Urothelkarzinome. (Nach Jiminez et al. 2000)
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1
Kapitel 1 · Typing, Grading und Staging beim Harnblasenkarzinom
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2 Neue Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik beim Harnblasenkarzinom M. Uder, M. Heinrich, A. Grgic
Nachweis von Blasentumoren Aktuell basiert der Nachweis von Blasenkarzinomen auf der Standardzystoskopie und der Urinzytologie. Die Kombination der beiden komplementären Methoden stellt heute den diagnostischen »Goldstandard« für den Tumornachweis dar (Jichlinski 2003). Bildgebenden Methoden kommt in dieser Frage für den Routineeinsatz bislang keine Bedeutung zu. Eine Ausnahme bildet die i.v.-Pyelographie. Sie ist zwar keine spezifische Prozedur, um die Tumorgröße darzustellen, wird vielfach aber empfohlen, um begleitende Tumoren im oberen Harntrakt, mit denen in 2–5% der Fälle zu rechen ist, ausfindig zu machen und Harnabflussstörungen auszuschließen (Brauers et al. 1999). Aber auch der Wert dieser Methode für das Management von Patienten mit Blasenkarzinom ist aktuell bestritten worden (Goessl et al 1997).
Virtuelle Zystoskopie Die Verbesserung von zeitlicher und örtlicher Auflösung von Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) sowie die Möglichkeit, solche Bilder dreidimensional nachzubearbeiten, hat die Option eröffnet, sekundäre Rekonstruktionen von der Blase zu erstellen, die erscheinen, als würde man das Organ von innen heraus betrachten. Solche virtuellen Zystoskopien sind heute sowohl auf der
Basis von MRT- als auch von CT- Datensätzen möglich. Voraussetzung hierzu ist die Akquisition eines 3-D-Datensatzes, d. h. eine lückenlose Erfassung des Organs. Im Idealfall sollten dabei die entstehenden Volumenbildpunkte (Voxel) isotrop sein, d. h. sie sollten in jeder Raumrichtung identische Ausdehnung aufweisen. Unabhängig davon, ob die Bilder mit der MRT oder der CT erzeugt werden, ist es notwendig, die Blase für die Untersuchung zu distendieren. Dazu kann über einen Blasenkatheter ein Gemisch aus Wasser und jodhaltigem Röntgenkontrastmittel bei der CT-Zystoskopie bzw. einem paramagnetischen Kontrastmittel bei der MR-Zystoskopie eingefüllt werden. Bei der CT-Zystoskopie wird auch die Füllung mit negativen Kontrastmitteln wie Luft und CO2 propagiert (Bernhardt u. Rapp-Bernhardt 2001; Bernhardt et al. 2003; Fenlon et al. 1997; Narumi et al. 1996). Alternativ zur Füllung der Blase über einen Katheter kann das für die jeweilige Untersuchung notwendige Kontrastmittel auch intravenös verabreicht und die Füllung der Blase mit kontrastiertem Urin abgewartet werden. Zur Distension der Blase sollte dann zusätzlich ein niedrig dosiertes Diuretikum eingesetzt werden (Merkle et al. 1998; Beer et al. 2001; Nolte-Ernsting et al. 1999). Die Kernspintomographie bietet zusätzlich die Möglichkeit, auf Kontrastmittel zu verzichten und alleine das hohe Signal von Wasser in T2-gewichteten Bildern für die Darstellung des Harntrakts und die virtuelle Endoskopie zu verwenden (Beer et al. 2001; Zantl et al. 2002). Zur dreidimensionalen Darstellung des
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2
Kapitel 2 · Neue Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik beim Harnblasenkarzinom
Hohlorgans stehen verschiedene Algorithmen wie »Shaded surface display« (SSD) und »Volume rendering« (VRT) zur Verfügung, die Befunde im räumlichen Zusammenhang demonstrieren. Diagnostisch unverzichtbar sind aber immer auch Analysen der Einzelschichten in verschiedenen Raumrichtungen (Zantl et al. 2002; Allan u. Tolley 2001). Im Vergleich zur konventionellen Zystoskopie zeigen die virtuellen Methoden Vorteile, weil sie weniger invasiv sind, die Untersuchung für den Patienten weniger unangenehm und aufwendig ist und weil neben der Blasenoberfläche auch noch die Blasenwand und ihre Umgebung im kleinen Becken beurteilt werden kann. MR-Zystoskopien kommen dazu noch ohne ionisierende Strahlung und bei Verwendung von T2-gewichteten Sequenzen auch ohne intravenöse Kontrastmittelgabe aus. Mit der MR-Zystoskopie lassen sich nach neueren Vergleichsstudien 86–100% der aus der konventionellen Zystoskopie bekannten Läsionen nachweisen (Ballaro et al. 1999; Beer et al. 2001, 2003; Lammle et al. 2002. Mit 85–100% finden sich ähnliche Detektionsraten auch für die CT-Zystoskopie (Bernhardt u. Rapp-Bernhardt 2001; Bernhardt et al. 2003; Kim et al. 2002; Merkle et al. 1998; Narumi et al. 1996; Song et al. 2001; Takebayashi et al. 2000). Diese guten Ergebnisse kommen aber nur dadurch zustande, dass die überwiegende Zahl der Tumoren in diesen Untersuchungen größer als ein 1 cm waren. Kleine Tumoren werden mit der virtuellen Zystoskopie schlecht erfasst und können durch Falten der Blasenwand maskiert werden. In der CT-Zystoskopie wurde für Tumoren kleiner 1 cm eine Detektionsrate von 77% und für Tumoren kleiner 0,5 cm von 60% beschrieben (Narumi et al. 1996; Song et al. 2001). Eine Verbesserung scheinen hier moderne Mehrzeilen-Spiral-CT zu bringen, die eine Reduktion der Schnittdicke bei der Datenakquisition auf 1,25 mm erlauben. Damit können 88% der Tumoren kleiner 0,5 mm nachgewiesen werden (Kim et al. 2002). Die MR-Zystoskopie mit modernen Scannern liefert ähnliche Detektionsraten. Nach einer aktuellen Untersuchung an T2-gewichteten MR-Zystoskopien werden unterhalb von 1 cm Tumordurchmesser 80% der Tumoren entdeckt. Mit den virtuellen Techniken werden allerdings vereinzelt auch Tumoren nachgewiesen, die der Zystoskopie entgangen sind, z. B. weil sie in Divertikeln liegen (Lammle et al. 2002; Song et al. 2001). Die virtuelle Zystoskopie in heutiger Technik erlaubt nur den Nachweis exophytisch-papillärer Läsionen. Flache Malignome und das Carcinoma in situ können nicht detektiert werden. In Verbindung
mit den Problemen beim Nachweis kleiner Tumoren kann die virtuelle Zystoskopie daher auf absehbare Zeit die konventionelle Zystoskopie als generellen »Goldstandard« beim Nachweis von Blasentumoren nicht ersetzen. Allerdings weisen die virtuellen Techniken erhebliches Potential für die Zukunft auf. Mit der neuesten Generation von Mehrzeilen-Spiral-CT mit 40–60 Detektorringen sind Schichtdicken von 0,4–0,5 mm auch über große Volumen anwendbar, was wohl auch den Nachweis kleinerer Tumoren verbessern dürfte. Leistungsfähigere Computer erlauben den zunehmenden Einsatz der rechenintensiven Volume-Rendering-Techniken, mit nachweislicher Verbesserung der Detektionsraten (Kim et al. 2002). Neue Rekonstruktionsalgorithmen, die die Textur der Blasenwand mit berücksichtigen, können möglicherweise bislang unberücksichtigte Parameter ins Oberflächenbild einfließen lassen (Jaume et al. 2003; Zantl et al. 2002).
Tumorstaging Bei der Entdeckung eines Blasentumors und auch im Follow-up der Erkrankung ist ein exaktes Tumorstaging obligat, um die bestmögliche Therapieoption zu wählen.
Lokale Tumorausdehnung und regionäre Lymphknoten In der klinischen Routine sind die wichtigsten Methoden zur Erfassung der lokalen Tumorausdehnung die transuretrale Resektion und die bimanuelle Palpation. Gerade für die Differenzierung zwischen einem superfiziellem (Tis, Ta, T1) und einem muskelinvasiven (T2–4) Tumor haben bildgebende Untersuchungen bislang keine Bedeutung erlangt. Weder mit der transabdominellen Sonographie noch mit Computer- oder Magnetresonanztomographie ist es mit heute verwendeten Geräten möglich, die verschiedenen Schichten der Blasenwand aufzulösen. Die transuretrale Sonographie hingegen scheint eine Muskelinvasion und ein Wandüberschreiten nachweisen zu können (Horiuchi et al. 2000; Tomita et al. 2000). Dies ist allerdings nicht ausreichend evaluiert, sodass die Methode den Sprung in die klinische Routine nicht geschafft hat. Gerade vor dem Hintergrund differenzierter operativer Therapieansätze wie nervschonender Zystektomie und orthotopem Blasenersatz sowie blasenerhaltender Operation kommt dem präthe-
13 Tumorstaging
rapeutischem Nachweis von Infiltrationstiefe und Organüberschreitung besondere Bedeutung zu. In dieser Frage liefert allerdings auch die transuretrale Resektion keine zuverlässigen Ergebnisse. Computer- und Kernspintomographie können zumindest in einigen Fällen zusätzliche Informationen liefern (Brauers et al. 1999; MacVicar 2000). Wichtig ist, dass diese Untersuchungen unbedingt vor der TUR durchgeführt werden sollten, da die Resektion zu Wandödem und Entzündungsreaktion führt und die so bedingte Verdickung der Blasenwand nicht mehr von einer tumorbedingten Verdickung unterschieden werden kann.
Computertomographie Auch für Untersuchungen im Abdomen und im Becken hat die Computertomographie mit kontinuierlichem Tischvorschub (Spiral-CT) klare Vorteile gegenüber der hergebrachten inkrementellen Technik erwiesen. Durch die Verwendung von Scannern mit mehreren Detektorringen, sog. MehrzeilenComputertomographen, ist es möglich geworden, große Volumina in sehr kurzer Zeit abzuscannen. Geräte mit 16 oder mehr Detektorzeilen lassen es zu, das kleine Becken in wenigen Sekunden mit Schichten von unter 1 mm Dicke zu untersuchen. Die entstehenden Volumendatensätze haben Volumenbildpunkte mit einer in allen Richtungen nahezu identischer Ausdehnung (isotrope Voxel) und können daher in jeder Raumebene reformatiert werden. Damit sind auch sagittale, koronare oder dem Verlauf anatomische Strukturen angepasste Ansichten möglich. Die Untersuchungen sollten bei uringefüllter Blase durchgeführt werden. Die früher empfohlene Füllung der Blase über einen Katheter ist heute nur noch in Sonderfällen wie der virtuellen Zystoskopie propagiert. Liegt ein Blasenkatheter, sollte dieser vor der Untersuchung abgeklemmt werden. Zur besseren Differenzierung von Darm und Blase bzw. Lymphknoten sollte ca. 1,5 h vor Untersuchung ein Kontrastmittel-Wasser-Gemisch verabreicht werden. Zusätzlich kann bei großen Tumoren an der Blasenhinterwand und -basis die rektale Instillation von Kontrastmittellösung die Abgrenzung von Rektumwand und Blase erleichtern. Bei weiblichen Patientinnen sollte, wenn möglich, vaginal ein Tampon eingelegt werden. Die Untersuchung des Beckens sollte ca. 70 s nach zügiger (2–4 ml/s), intravenöser Injektion von 100–150 ml jodhaltigem Kontrastmittel durchgeführt werden. Die frühe Ableitung nach Bolusinjektion soll sicherstellen, dass die Blasenwand maximal kontrastiert, aber noch kein Kontrastmittel
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in das Blasenlumen ausgeschieden ist. Das führt zu einem guten Kontrast zwischen Tumor und Urin sowie zwischen Tumor und paravesikalem Fett. Bei schnellen Mehrzeilen-Scannern ist es möglich, während einer Kontrastmittelinjektion auch den Rest des Abdomens mit guter Auflösung zu scannen. Zur Wertigkeit der Computertomographie bei der präoperativen Stadieneinteilung invasiver Blasenkarzinome liegen widersprüchliche Ergebnisse vor. Auf der einen Seite ist gezeigt, dass die Methode insbesondere bei hohen Tumorstadien und extravesikalem Tumorwachstum dem klinischen Staging überlegen ist (Colleen et al. 1981; Frodin et al. 1980; Sager et al. 1983). Die Genauigkeit für die Unterscheidung organbegrenzter von wandüberschreitenden Tumoren wurde mit 81–88% angegeben. Auf der anderen Seite ist aber auch gezeigt worden, dass die Computertomographie die Invasionstiefe nur sehr ungenau erfassen kann und insbesondere die Infiltration in Nachbarorgane der Harnblase wegen der geringen Dichteunterschiede der Strukturen im kleinen Becken nur schlecht nachweisen kann (Koss et al. 1981; Lantz u. Hattery 1984). Nur bei 32–55% der Patienten konnte nach diesen Arbeiten die lokale Tumorausdehnung mit der Computertomographie korrekt festgelegt werden (Voges et al. 1989; Paik et al. 2000). Die Angaben über die Verlässlichkeit der Computertomographie für die Erfassung von Metastasen in regionären Lymphknoten weisen mit einer Spanne von 4–89% eine erhebliche Schwankungsbreite auf (Koss et al. 1981; Morgan et al. 1981; Vock et al. 1982; Voges et al. 1989). Das Hauptproblem liegt dabei in der Erfassung von mikroskopischen Tumorabsiedelungen in Lymphknoten, die nicht vergrößert sind. In allen vorliegenden Studien wurden Untersuchungen ausgewertet, bei denen fast ausschließlich eine inkrementelle CT-Technik verwendet wurde. Die Schichtdicken lagen daher für das Gros der Patienten bei 8–10 mm. Untersuchungen mit modernen Mehrzeilen-Spiral-CT fehlen bislang. Wahrscheinlich würde die Verwendung dünner Schichten und die Möglichkeit zur Erzeugung von Bildern in anderen Raumebenen (multiplanare Reformationen) die Bewertung des lokalen Tumorstadiums verbessern. Der Wert der CT ist somit mit den vorliegenden Daten sicher nicht abschließend festzulegen.
Magnetresonanztomographie Die Magnetresonanztomographie hat sich längst als Methode zur Untersuchung von Abdomen und Becken etabliert. Im Gegensatz zur CT bietet diese Modalität über die kaum noch zu übersehende Anzahl von Sequenzprotokollen vielmehr Möglich-
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Kapitel 2 · Neue Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik beim Harnblasenkarzinom
keiten, den Kontrast der anatomischen Strukturen im kleinen Becken zu variieren. Darüber hinaus kann die Orientierung der Bilder schon bei der Akquisition der Lage des Tumors angepasst werden. Für die Untersuchung des Abdomens sollten heute Scanner mit Feldstärken von mindestens 1T und leistungsfähigen Gradientenspulen verwendet werden. Multiarray Oberflächenspulen sind bei der Ableitung des Signals der sog. Body-Spule weit überlegen. Endorektale Spulen sind für die Untersuchung der Prostata mit Erfolg eingesetzt worden, für die Untersuchung der Harnblase haben sie bislang keine Bedeutung erlangt. Bewegungsartefakte durch die Darmperistaltik sollten durch die Gabe von Buscopan oder Glucagon kurz vor der Untersuchung unterdrückt werden. Respirationsbedingte Bewegungsartefakte spielen für die Darstellung der Beckenstrukturen keine wesentliche Rolle. In der Regel werden T1- und T2-gewichtete Spin-Echo- oder Turbo-Spin-Echo-Sequenzen verwendet. Das Signal des pelvinen Fettgewebes kann selektiv unterdrückt werden, um den Kontrast zwischen Tumor und dem umgebenden Fettgewebe zu erhöhen. Insbesondere in Verbindung mit intravenöser Gabe paramagnetischer Kontrastmittel sollte diese Technik heute verwendet werden. Für die Festlegung des lokalen Tumorstadiums wird eine Genauigkeit der Magnetresonanztomographie von 73–96% berichtet. Mehrfach ist gezeigt worden, dass sich diese Werte durch die Verwendung eines paramagnetischen Kontrastmittels um 9–14% steigern lassen (Barentsz et al. 1999). In kleinen Serien ist die Genauigkeit für den Nachweis von Metastasen in den pelvinen Lymphknoten beim Blasenkarzinom mit 75–90% angegeben (Barentsz et al. 1999; Jager et al. 1996). Insgesamt unterscheidet sich die Genauigkeit von Magnetresonanztomographie und Computertomographie beim lokalen und beim Lymphknotenstaging nicht wesentlich. Allerdings ist auch die Bedeutung der Magnetresonanztomographie für die präoperative Beurteilung von Blasentumoren nicht abschließend festzulegen. Denn die vorliegenden Studien wurden zum großen Teil unter Verwendung der Body-Spule und nicht mit Multi-Array-Oberflächenspulen durchgeführt. Auch Sequenzen mit selektiver Unterdrückung des Fettsignals kamen nicht standardmäßig zum Einsatz.
Sonographie Transabdominelle, transrektale, transvaginale und transuretrale Sonographien wurden zum Staging des Harnblasenkarzinoms herangezogen (Dershaw
u. Scher 1987, 1988; Horstman et al. 1995). Eine Untersuchung von der Bauchdecke aus kann keine wesentlichen Informationen über die Tumorausbreitung liefern. Hiermit kann aber eine begleitende Harnstauung nachgewiesen werden. Lediglich die transuretrale Sonographie hat das Potential, die Infiltrationstiefe des Tumors nachzuweisen, Wandüberschreitungen und Lymphknotenmetastasen können damit aber nicht nachgewiesen werden (MacVicar 2000).
Protonenemissionstomographie Die Protonenemissionstomographie hat eine rasante Verbreitung in der Diagnostik onkologischer Patienten erfahren. Die Methode unterscheidet sich von den anderen besprochenen Modalitäten dadurch, dass sie Stoffwechselprozesse abbildet und nicht nur einfach die Morphologie. Meist macht man sich dabei die in Tumorzellen erhöhte Glykolyse zunutze, die sich mit dem Glukoseanalogon FluordesoxyGlukose (FDG) nachweisen lässt. Zur Wertigkeit der Methode für das Management von Blasentumoren gibt es bislang nur sehr wenige Untersuchungen. Die lokale Tumorausdehnung in der Blase ist bei der geringen Ortsauflösung der Methode und wegen Überlagerungen durch FDG, das mit dem Urin ausgeschieden wird, nicht zu beurteilen. Für die Festlegung des Lymphknoten-Stagings scheint die Methode nach einer Studie an einer sehr kleinen Zahl von Patienten mit einer Genauigkeit von 80% bei einer Sensitivität von 67% und einer Spezifität von 86% der Kernspin- und der Computertomographie überlegen zu sein (Bachor et al. 1999; Hain u. Maisey 2003). Eine Untersuchung zeigte, dass die meisten Tumoren mit 11C-Methionin dargestellt werden können und die Aufnahme dieser Substanz mit dem Grading des Tumors korreliert. Das Staging ließ sich so aber nicht verbessern (Ahlstrom et al. 1996; Hain u. Maisey 2003).
Fernmetastasen Bei ca. einem Drittel der Patienten mit fortgeschrittenem Blasentumor lassen sich autoptisch Lebermetastasen nachweisen. Daher sollte zumindest vor radikaler Operation das Organ mit untersucht werden, wenn der Patient für eine Computer- oder Magnetresonanztomographie des Beckens vorgesehen ist. Für den Ausschluss von Metastasen sind triphasische Untersuchungsprotokolle mit einer Ableitung vor Kontrastmittelgabe sowie zwei Ableitungen in arterieller und portalvenöser Phase nach
15 Literatur
Kontrastmittelgabe einem mono- oder biphasischen Protokoll überlegen. Mit schnellen MultidetektorCT-Scannern ist es dabei möglich, bei nur einer Kontrastmittelinjektion die triphasische Untersuchung des Oberbauchs mit einer biphasischen Untersuchung des Beckens und der Blase zu verbinden. Die meisten MRT-Scanner sind hingegen schon aufgrund der Spulengeometrie nur eingeschränkt in der Lage, sowohl das Becken als auch die Leber in hoher Qualität zu untersuchen. Beim Nachweis von Lungenmetastasen ist die Computertomographie der konventionellen Röntgenaufnahme in zwei Ebenen deutlich überlegen. Mit modernen Spiral-CT werden zunehmend auch Herde von weniger als 10 mm Durchmesser erkannt. Auch bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Blasenkarzinom müssen solitäre Herdbefunde aber nicht zwangsläufig Metastasen entsprechen. Die Protonenemissionstomographie scheint bei unklaren Befunden geeignet, zwischen aktivem Tumorgewebe und Veränderungen anderer Art zu unterscheiden. Dies ist bislang aber überwiegend an pulmonalen Herden größer 10 mm und nicht explizit für Metastasen von Urothelkarzinomen überprüft (Diederich u. Wormanns 2003). Tumoren in den Nebennieren können sowohl mit der Computertomographie als auch mit der Magnetresonanztomographie mit großer Sicherheit nachgewiesen werden. Für die Differenzierung gutartiger Adenome von Metastasen in der Nebenniere ist heute die Computertomographie das überlegene Verfahren. Durch die Auswertung der nativen Bilder und der Kontrastmitteldynamik der Tumoren kann in 96% der Fälle eine Metastase von einem Adenom abgegrenzt werden. Solche Untersuchungsalgorithmen sind problemlos auch in Untersuchungsprotokolle für die tägliche Routine zu integrieren (Caoili et al. 2002). Für die Suche von Knochenmetastasen ist die Knochenszintigraphie nach wie vor die Methode der Wahl. Ansätze in einem Ganzkörperscan die Magnetresonanztomographie als Suchmethode für Tumorabsiedlungen in den Knochen einzusetzen, sind vielversprechend, aber zum heutigen Zeitpunkt sicher noch als experimentell anzusehen.
Fazit Die Therapie des Blasenkarzinoms richtet sich nach Tumorstadium sowie nach Alter und Allgemeinzustand des Patienten. Bislang war für die Wahl des Therapieverfahrens eine bildgebende Diagnos-
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tik nicht notwendigerweise erforderlich. Neuere Therapieansätze mit dem Ziel, die Harnblase zu erhalten, und der differenzierte Einsatz konservativer Therapieoptionen macht es wünschenswert, die Möglichkeiten der präoperativen Stadieneinteilung mit Computer-, Magnetresonanz- und Protonenemissionstomographie zu verbessern. Diese Verfahren haben gerade in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung durchgemacht. Der diagnostische Zugewinn durch Verwendung von Multidetektor-Spiral-CTs und Multiarray-Oberflächenspulen in Verbindung leistungsfähiger Gradienten für die MRT ist für andere Krankheitsentitäten sehr gut dokumentiert. Leider sind solche Optionen für die Stadieneinteilung von Blasentumoren bislang nicht überprüft worden. Dies liegt sicher auch daran, dass die Anforderungen an die Bildgebung gerade vor dem Hintergrund neuer Therapieverfahren nicht differenziert genug definiert sind. Mit der Verbesserung von Ort- und Zeitauflösung in Computer- und Magnetresonanztomographie sind virtuelle Zystoskopien möglich geworden. Diese Verfahren haben ein großes Entwicklungspotential, stellen heute aber, insbesondere weil gerade die kleinen Tumoren noch nicht sicher genug nachgewiesen werden können, keine Methode für den breiten Routineeinsatz dar.
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Kapitel 2 · Neue Möglichkeiten der bildgebenden Diagnostik beim Harnblasenkarzinom
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3 Umweltfaktoren als wesentliche Ursache des Blasenkarzinoms und seiner Epidemiologie – Ein historischer Überblick T. Kälble
Einleitung Die Geschichte des Harnblasenkarzinoms reicht zurück bis in das alte Ägypten 1000 v. Chr., als bereits auf Papyrusblättern klinische Symptome wie Dysurie und Hämaturie beschrieben wurden. Die Araber des Mittelalters sahen in der Hämaturie ein böses Omen, das sich vermutlich aus der schlechten Prognose der Blasentumoren zur damaligen Zeit ableitete. Nachdem im Mittelalter Europas keine Berichte über das Blasenkarzinom zu finden sind, publizierte der Schweizer Chirurg Fabricius Hildinus 1628 die versehentliche Entfernung einer Blasengeschwulst und der Franzose Desault berichtete 1770 über die erste transurethrale Exzision eines Blasentumors. Bardenheuer führte 1887 die erste Zystektomie durch und beließ die Ureter dabei einfach im Becken, worauf der Patient 2 Wochen postoperativ verstarb (Badr 1983). Percival Scott wies 1775 erstmals auf eine mögliche Ursache der Harnblasentumoren hin, indem er eine häufige Assoziation von Blasensteinen und chronischen Harnwegsinfekten mit Blasenkarzinomen beobachtete (Badr 1983). Der Frankfurter Chirurg Ludwig Rehn schließlich publizierte 1895 seine bemerkenswerte Entdeckung der Häufung von Blasenkarzinomen bei Arbeitern der Farbstoffindustrie. Er trug vor dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie eine Hypothese vor, deren Gültigkeit selbst nach mehr als 100 Jahren noch Gültigkeit hat: Für die Mehrzahl der Blasengeschwülste
»kann man sich nur vorstellen, dass in dem von den Nieren ausgeschiedenen Urin Stoffe in Lösungen vorhanden sind, welche durch chemischen Reiz eine Geschwulstbildung hervorrufen« (Rehn 1895). 35 Jahre später gelangen Schär (1930) sowie Perlmann u. Staehler (1933) die tierexperimentelle Induktion von Blasenkarzinomen mittels Naphthylamin. 1954 und 1955 führten Case et al. und Melick et al. den epidemiologischen Nachweis der Blasenkarzinogenität von aromatischen Aminen. Nach intensiven Forschungstätigkeiten, experimentell und epidemiologisch, zählen seit 1967 auch die Nitrosamine zu den potentiellen Blasenkarzinogenen. Weitere Fortschritte auf dem Gebiet der Epidemiologie, Biochemie und vor allem der Molekularbiologie haben zahlreiche Risikofaktoren identifiziert und einen Zusammenhang zwischen Blasenkarzinogenen, dem Metabolismus dieser Karzinogene und mutagenem Potential dieser Substanzen hergestellt. Im Folgenden sollen die wichtigsten als Blasenkarzinogen identifizierten Umweltfaktoren und Substanzen bzgl. der Geschichte ihrer Entdeckung und des Wirkmechanismus beschrieben werden.
Nitrosamine 1956 wiesen Magee u. Barnes die Leberkarzinogenität von Dimethylnitrosamin nach. In grundlegenden Experimenten mit 65 verschiedenen Nitrosaminen an Ratten fanden Druckrey u. Preußmann 1967 eine
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Kapitel 3 · Umweltfaktoren als wesentliche Ursache des Blasenkarzinoms und seiner Epidemiologie
organspezifische Karzinogenität verschiedenster Nitrosamine, wobei Butyl-Nitrosamin (BBN) und Butyl-Hydroxybutyl-Nitrosamin (BBNOH) rein blasenkarzinogen waren. 1969 stellte sich heraus, dass Nitrosamine nicht nur von Menschen aufgenommen, sondern auch eigenständig aus spezifischen Vorläufern im Magen bzw. in Gegenwart einer Harnwegsinfektion auch in der Blase gebildet werden können. So zeigte sich bei einer Infektion der ableitenden Harnwege mit Proteus mirabilis Dimethylnitrosamin im Urin (Brooks et al. 1972). Diese Beobachtung konnte auch für andere Bakterien bestätigt werden, sodass die bakteriell induzierte Synthese von Nitrosaminen als mitursächlich, eventuell sogar entscheidend für ein erhöhtes Blasenkrebsrisiko von Patienten mit chronisch rezidivierenden Harnwegsinfekten angesehen wird. Ein Kausalzusammenhang zwischen der Exposition gegenüber Nitrosaminen und dem Auftreten von Blasenkarzinomen ist jedoch bei Menschen bis heute nicht definitiv belegt. Zwar lassen sich flüchtige Nitrosamine in Tabak, Kautabak, Zigaretten, in der treibstoff- und metallverarbeitenden Industrie etc. nachweisen. Sie müssten jedoch die ableitenden Harnwege erreichen, um dort Mutationen zu bewirken. Vor allem die im Gastrointestinaltrakt resorbierten flüchtigen Nitrosamine unterliegen jedoch aufgrund ihres Eintritts in den Pfortaderkreislauf einer nahezu vollständigen Metabolisierung, sodass sie im Urin nicht nachweisbar sind. Darüber hinaus müssen flüchtige exogene Nitrosamine zunächst in nichtflüchtige und damit wasserlösliche Nitrosamine metabolisiert werden, um in den Urin zu gelangen. Insofern können exogene Nitrosamine noch nicht als gesicherte Blasenkarzinogene des Menschen angesehen werden. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass Nitrosamine im menschlichen Organismus maßgeblich an der Bildung maligner Entartungen beteiligt sind und aufgrund ihres Nachweises im Urin bei Harnwegsinfektionen auch mit einem erhöhten Blasenkrebsrisiko in Zusammenhang zu sehen sind.
Aromatische Amine 1840 erhielt der deutsche Chemiker Fritzsche bei der Ätzkalischmelze des Naturfarbstoffes Indigo eine Verbindung, der er den spanischen Namen des Indigos, Anilin, gab (Fieser u. Fieser 1982b). 1856 gelang Perkin auf der Basis von Anilin die erste Synthese eines künstlichen Farbstoffes, worauf die Ära der aromatischen Amine in der chemischen Industrie,
zunächst Farbstoffindustrie, begründet war (Fieser u. Fieser 1982a). Die gesundheitlichen Auswirkungen des Kontaktes mit diesen Substanzen blieben bis in das 19. Jahrhundert aufgrund der erst später festgestellten langen Latenzzeit unbekannt, bis der Frankfurter Chirurg Ludwig Rehn 1895 bei drei Patienten aus einer Gruppe von 45 Arbeitern, die in einer Frankfurter Farbenfabrik Fuchsin herstellten, Blasentumoren diagnostizierte. Ein weiterer Arbeiter dieser Gruppe, der ebenfalls unter Makrohämaturie litt, war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben. Für die Synthese von Fuchsin wurde Anilin und dessen methylierte Derivate o- und p-Toluidin verwendet. Aus diesem Grund ging Rehn von Anilin als Auslöser der Blasenkarzinome aus, was den Begriff des Anilinkrebses bis in das 20. Jahrhundert hinein prägte. In den Jahren 1930 und 1933 gelangen Schär sowie Perlmann u. Staehler mit Naphthylamin eine Blasenkarzinominduktion bei Kaninchen. Case et al. widerlegten 1954 Rehns Vermutung, dass Anilin Blasenkarzinome induziere, worauf zahlreiche aromatische Amine wie Benzidin, 2-Naphthylamin und 4-Aminobiphenyl als menschliche Harnblasenkarzinogene identifiziert wurden. Unklar war zu diesem Zeitpunkt, warum aromatische Amine ausschließlich Blasenkarzinome induzieren. Mittlerweile ist bekannt, dass die Metabolisierung zu hochreaktiven ultimaten Karzinogenen mit konsekutiver DNABindung für die Karzinogenität und Organotropie der aromatischen Amine verantwortlich sind. Die Initiation der Karzinogenese ist dabei die enzymatisch aktivierte Bildung von Arylnitrenium-Ionen, die mit Nukleinsäuren sämtlicher Organe des Körpers reagieren. Die enzymatische Aktivierung der aromatischen Amine kann sowohl in der Harnblase als auch in der Leber erfolgen, wobei in der Leber durch Konjugation vermutlich eine Detoxifikation stattfindet, wohingegen in der Blase eine Karzinogenese induziert wird. Nachdem weder bei Tieren noch bei Menschen durch Anilin Harnblasenkarzinome induziert werden können, ist Anilin als Blasenkarzinogen auszuschließen. Noch 1981 waren jedoch ca. 28.500 Arbeitern in den USA gegenüber dem Anilin-Derivat o-Toluidin, das als Bestandteil von Farbstoffen sowie als Antioxidans in der Kunststoffproduktion eingesetzt wurde, exponiert. Mittlerweile ist der verbreitetste Kontakt gegenüber o-Toluidin der Zigarettenrauch, der hohe Konzentrationen dieses aromatischen Amins enthält. Experimentelle Studien ergaben eine karzinogene Wirkung des o-Toluidins in der Harnblase von Ratten (Russfield et al. 1973). 1982 wurde eine Studie veröffentlicht, in der Ar-
19 Berufliche Risiken
beiter in der Fuchsin- und Safranin-T-Produktion, bei der o-Toluidin verwendet wird, eine statistisch signifikant erhöhte Anzahl von Harnblasenkarzinomen aufwiesen (Rubino et al. 1982).
Nitrofurane Verschiedene Derivate des Nitrofurans werden seit Mitte der 40er-Jahre als bakterizide und fungizide Chemotherapeutika in der Human- und Veterinärmedizin eingesetzt. Bei einigen nicht als Chemotherapeutikum eingesetzten Nitrofuran-Derivaten konnte eine ausgeprägte Harnblasenkarzinogenität nachgewiesen werden. So kann N-[4-(5-nitro-2-furyl)-2-thiazolyl]-formamid (FANFT) im Tiermodell eine 100%ige Blasenkarzinominzidenz bei verschiedenen Tieren induzieren (Ertürk et al. 1967, 1970). Von dem seit Jahrzehnten eingesetzten Nitrofurantoin jedoch ist weder eine karzinogene noch eine kokarzinogene Wirkung auf das Urothel bekannt, sodass der Mensch diesbezüglich nicht gefährdet zu sein scheint.
Hydroxylierte Aromaten Der hydroxylierte Aromat o-Phenylphenol und sein Natriumsalz Na-o-Phenylphenolat werden in Deutschland als technische Konservierungsmittel und Desinfektionsmittel für Seifen eingesetzt. Zudem sind beide Substanzen für fungistatische Oberflächenbehandlung von Zitrusfrüchten zugelassen (E 231, E 232). o-Phenylphenol kann vom Menschen auch nach beruflicher Exposition im Urin ausgeschieden werden (Dorgelo et al. 1985). Die Karzinogenität des Na-o-Phenylphenolats wurde 1981 aufgedeckt, als 19 von 20 männlichen Ratten nach mehrwöchiger oraler Applikation dieser Substanz Harnblasenkarzinome entwickelten, wohingegen weibliche Ratten wesentlich weniger betroffen waren (Hiraga u. Fujii 1981). Außer bei Ratten erweisen sich o-Phenylphenol und sein Natriumsalz jedoch bei keiner anderen Tierart als blasenkarzinogen (Hasegawa et al. 1990), sodass eine Blasenkarzinogenität beim Menschen fraglich erscheint.
Endogener Tryptophanstoffwechsel Tryptophan ist eine essentielle Aminosäure, die über die pflanzliche Nahrung aufgenommen und im Darm beispielsweise von E. coli synthetisiert wird.
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Tryptophan ist ein wichtiges Substrat für die Proteinbiosynthese z. B. für die Nicotinamidadenindinucleotid-(NAD+-)Synthese. Es wird in der Leber über Zwischenprodukte Vitamin-B6-abhängig in Nikotinsäure umgesetzt. Von 1950 bis 1980 wurde angenommen, dass zwischen dem Abbau des Tryptophans zu Nikotinsäure und der Bildung von Harnblasenkarzinomen ein Zusammenhang besteht, da Blasenkarzinompatienten im Vergleich zu gesunden Personen erheblich größere Mengen an Zwischenprodukten der Nikotinsäuresynthese im Urin ausscheiden und bei 40–70% der Patienten mit Blasenkarzinomen ein abnormer Tryptophanstoffwechsel nachgewiesen werden konnte. Die Ausscheidung von Tryptophanmetaboliten war um das 2- bis 20fache erhöht (Boyland u. Williams 1956; Kochen u. Hochberg 1970). Nach heutigen Erkenntnissen muss jedoch davon ausgegangen werden, dass die vermehrte Ausscheidung von Tryptophanmetaboliten bei Blasenkarzinompatienten Folge und nicht Ursache des Blasenkarzinoms ist. Die Exkretion von Tryptophanmetaboliten korrelierte mit Harnstauungsnieren und befallenen regionären Lymphknoten, wohingegen Patienten mit lokal begrenztem Blasenkarzinom zu 84% einen normalen Tryptophanstoffwechsel aufwiesen (Wich et al. 1989). Wurden die Blasenkarzinome entfernt, verminderte sich danach die Ausscheidung der Tryptophanmetaboliten bei der Mehrzahl der Patienten (Hochberg 1969). Obwohl Tryptophan und seine Metabolite bei Tieren einen eindeutig promovierenden Effekt auf die Karzinogenese durch Steigerung der Karzinominduktion nach Applikation von aromatischen Aminen und FANFT zeigen, muss ein Zusammenhang zwischen Blasenkarzinom und Tryptophanmetabolismus beim Menschen als unbegründet angesehen werden. Es ist anzunehmen, dass die potentiell promovierende Wirkung der Tryptophanmetabolite in der menschlichen Harnblase aufgrund der geringen Menge im Vergleich zu den Tierexperimenten nicht ausschlaggebend ist.
Berufliche Risiken Seit Ende der 60er-Jahre konnten zahlreiche epidemiologische Studien ein erhöhtes Blasenkrebsrisiko bei Arbeitern einzelner Industriezweige ermitteln. Die Karzinome wurden zwischen 1970 und 1986 diagnostiziert, wobei einige Arbeiter bereits vor 1950 gegenüber dem potentiellen Blasenkarzinogenen beruflich exponiert waren. Die Identifizierung der verschiedenen Karzinogene führte zur Einführung
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Kapitel 3 · Umweltfaktoren als wesentliche Ursache des Blasenkarzinoms und seiner Epidemiologie
gesetzlicher Bestimmungen, die eine Reduktion krebserregender Stoffe in der Arbeitsumwelt auferlegten (MAK-Werte). Somit sind die damaligen Arbeitsbedingungen mit den heutigen Verhältnissen in westlichen Industrienationen nicht mehr vergleichbar. In manchen Staaten der 3. Welt und des ehemaligen Ostblocks dürften sich die Belastungen der Arbeiter mit karzinogenen Substanzen seit 1950 jedoch nur geringfügig verändert haben. Für folgende Berufszweige galt/gilt ein erhöhtes Blasenkarzinomrisiko: ▬ Farbstoffindustrie bzw. Industriezweige mit Verwendung von Farbstoffen wie Textilindustrie und Druckindustrie: 1,6- bis 5faches Risiko durch Exposition gegenüber aromatischen Aminen, ▬ Gummiindustrie: 2,2- bis 3,3fach erhöhtes Risiko wegen Exposition gegenüber aromatischen Aminen und Peroxyden, ▬ Plastikindustrie: 2,5- bis 3,4fach wegen aromatischer Amine, ▬ Mineralölindustrie: 2,4- bis 3,5fach wegen aromatischer Kohlenwasserstoffe, ▬ Leder- bzw. Schuhindustrie wegen Verwendung von Azofarbstoffen (Yamaguchi et al. 1991), ▬ Aluminiumindustrie: 2,7fach wegen aromatischer Kohlenwasserstoffe (Theriault et al. 1984). Maler haben durch Azofarbstoffe ein 1,8- bis 2,8fach erhöhtes Blasenkarzinomrisiko, Bergarbeiter wegen des Umgangs mit polyzyklischen aromatischen Aminen und Arsen ein 2,9fach erhöhtes Risiko, LKW-Mechaniker ein 10fach erhöhtes Blasenkarzinomrisiko wegen des Kontakts mit Nitroaromaten im Dieseltreibstoff (Brownson et al. 1987; 69, 79).
Krankheitserreger Bakterien 1963 wurden erstmals Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen chronisch rezidivierenden Harnwegsinfekten und der Ausbildung von Blasenkarzinomen beschrieben (Wynder et al. 1963). Eine weitere Studie bestätigte diese Vermutung und ermittelte ein um das doppelt erhöhte Risiko für Harnblasenkarzinome, sofern die Patienten in der Vergangenheit von mehr als drei Harnwegsinfektionen betroffen waren (Kantor et al. 1984). Dieses Risiko scheint bei Männern und Farbigen stärker ausgeprägt zu sein (Dunham et al. 1968) und wird durch regelmäßigen Zigarettenkonsum (La Vecchia
et al. 1991) und Exposition gegenüber weiteren Karzinogenen wie Phenacetin (Johansson u. Wahlqvist 1977) zusätzlich erhöht. In Screening-Programmen wurde bei bis zu 10–20% von Paraplegikern mit einer urethralen Selbstkatheterisierung über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren Plattenepithelkarzinome entdeckt (Kaufman et al. 1977; Locke et al. 1985). Die mit der chronischen Irritation durch Katheter einhergehende Plattenepithelmetaplasie des Urothels erklärt zwar das ansonsten äußerst seltene Auftreten von Plattenepithelkarzinomen, nicht jedoch die maligne Entartung. So konnte an Ratten nachgewiesen werden, dass eine Irritation des Blasenurothels die Bildung von makroskopisch sichtbaren Papillomen im Rahmen von Harnwegsinfekten nicht steigern kann (Davies et al. 1984). Vielmehr dürften die durch einige Bakterien gebildeten Nitrosamine eine Induktion der Karzinogenese bewirken, die in direktem Kontakt mit dem metaplastischen Plattenepithel stehen.
Viren Von den 60 Typen humaner Papillomaviren (HPV) stehen HPV 16, 18 und 33 im Verdacht, maligne Entartungen zu bewirken (zur Hausen 1989). 1988 wurde bei einer 40-jährigen Patientin mit einem leichten Immundefekt, die vorher an Condylomata acuminata und einem Zervixkarzinom erkrankt war, ein Carcinoma in situ der Harnblase diagnostiziert, in dem HPV 16 nachgewiesen wurde (Kitamura et al. 1988). Ob und in welchem Umfang Papillomaviren eine Induktion der Blasenkarzinogenese bewirken, ist umstritten. Zwar war in zwei Studien in 31% und 62% HPV 16, 18 und 33 in Blasenkarzinomen gegenüber nur 14% in nicht entartetem Blasenurothel nachzuweisen (Anwar et al. 1992; Furihata et al. 1993), in einer anderen Studien jedoch konnte kein Papillomavirus in 100 Biopsaten von Harnblasenkarzinomen detektiert werden (Knowles 1992). Dennoch liegt ein Zusammenhang zwischen Harnblasenkarzinomen und Papillomaviren nahe. Zum einen beeinflussen die HPV-Typen beispielsweise P53. Zum anderen wird auch das vermehrte Auftreten von Harnblasenkarzinomen bei Rindern, die sich von Farnkraut ernähren, auf ein Papillomavirus BPV 2 zurückgeführt (Cmpo et al. 1992). Einen weiteren Hinweis liefert eine epidemiologische Untersuchung, nach der in Ländern mit erhöhten Inzidenzen an Karzinomen der Vagina und Vulva auch vermehrt Harnblasenkarzinome auftreten (Bosch u. Cardis 1990).
21 Iatrogene Karzinogenese
Bilharziose 1911 beschieb Ferguson erstmalig einen Zusammenhang zwischen Schistosomainfektion und Blasenkarzinom. Insbesondere in Ägypten, wo die Prävalenz der Bilharziose am höchsten ist, ist das Blasenkarzinom bei Männern der mit Abstand häufigste Tumor, wobei 30% der bösartigen Tumoren ägyptischer Männer in der Harnblase gefunden werden (Aboul Nasr et al. 1986). Ähnliche Zahlen gelten für den Irak. 60–80% der mit Bilharziose assoziierten Harnblasenkarzinome sind Plattenepithelkarzinome. Der Grund ist primär eine aufgrund einer mechanischen Irritation durch Schistosomaeier hervorgerufene Plattenepithelmetaplasie. Darüber hinaus sind bei 90% der Schistosomainfektionen das flüchtige Nitrosamin Dimethylnitrosamin im Urin nachweisbar sowie weitere flüchtige und nichtflüchtige Nitrosamine, möglicherweise als Folge der mit der Bilharziose einhergehenden bakteriellen Infektion (Tricker et al. 1989). Experimentell konnte bei Pavianen gezeigt werden, dass bei Applikation des Nitrosamins Butyl-(4-Hydroxybutyl)nitrosamin in geringer Dosierung nur dann Blasentumoren entstehen, wenn gleichzeitig eine Schistosoma-haematobium-Infektion vorliegt (Hicks et al. 1980). Der Einfluss der Nitrosamine wird auch dadurch deutlich, dass bei 96% der Patienten mit einem Harnblasenkarzinom und Bilharziose durch Dimethylnitrosamin hervorgerufene Methyl-Addukte der Harnblasen-DNA nachgewiesen werden konnten (Badawi et al. 1992). Insofern scheint der Entstehungsmechanismus geklärt als Kombination von mechanischer Irritation und Karzinogenese durch Nitrosamine.
Pilze Die vermutlich durch Mykotoxine hervorgerufene Balkannephropathie geht mit einem drastisch erhöhten Risiko für Urothelneoplasien einher. Die Balkannephropathie wurde zwischen 1955 und 1957 entdeckt und tritt in ländlichen Regionen des ehemaligen Jugoslawiens, Bulgariens und Rumäniens auf, die in feuchten, von Überschwemmungen bedrohten Flachebenen an größeren Flüssen liegen. Die Prävalenz der Balkannephropathie liegt in diesen Gegenden zwischen 2% und 10%, wobei Frauen etwa 1,6-mal häufiger erkranken (Ceovic et al. 1992). Bei Patienten mit Balkannephropathie ist das Risiko, an einem Urothelkarzinom zu erkranken, 90fach erhöht, wobei das Blasenkarzinomrisiko 12fach und das Nierenbeckenkarzinomrisiko 60fach erhöht ist
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(Chernozemsky 1991; Sostaric u. Vukelic 1991). Der Zusammenhang zwischen Balkannephropathie und Blasenkarzinom ist nicht ganz klar. Zur Diskussion stehen anorganische Substanzen wie Silikate, Chrom und Nickel, die in überdurchschnittlich hohen Konzentration in den Flüssen der endemischen Regionen nachgewiesen werden. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass Pilze eine ätiologische Komponente haben. So enthält das Getreide in den endemischen Gebieten jahresabhängig bis zu 40% das Mykotoxin Ochratoxin A, das auch in Seren von Patienten in den endemischen Gebieten in 3fach höherer Konzentration nachzuweisen ist (Pavlovic et al. 1979; Petkova-Bocharova u. Castegnaro 1991). Auf der anderen Seite beschränkt sich die Karzinogenität von Ochratoxin A experimentell auf Niere und Leber (Huff 1991), sodass die Ochratoxine die Urothelneoplasien bei den Patienten mit Balkannephropathien nicht sicher erklären. So könnte auch bei der Balkannephropathie die meist vorhandene Sekundärerkrankung, die chronisch bakterielle Pyelonephritis, über eine Nitrosamininduktion zu Urothelkarzinomen prädisponieren (Vukelic et al. 1992).
Iatrogene Karzinogenese Alkylanzien Eine Gruppe von alkylierenden Chemotherapeutika, die Oxazaphosphorine, gelten bei Menschen als gesicherte Harnblasenkarzinogene, wobei auf dem deutschen Markt die drei Derivate Cyclophosphamid, Ifosamid und Trofosfamid zugelassen sind. Neben Knochenmarkdepression, Immunsuppression, Alopezie und gonadaler Dysfunktion bewirken die Oxazaphosphorine eine hämorrhagische Zystitis mit interstieller Fibrose der Harnblase, wobei seit 1970 zunehmend auch Harnblasenkarzinome als Sekundärtumoren nach mehrjähriger zytostatischer Therapie beobachtet wurden. So bildeten sich bei bis 5% der mit Cyclophosphamid behandelten Patienten Blasenkarzinome, was gegenüber der Kontrollpopulation einem 9- bis 11fach erhöhten Risiko entspricht (Fairchild et al. 1979). Insbesondere erkranken diejenigen Patienten an Harnblasenkarzinomen, denen Cyclophosphamid in hohen Dosen über einen längeren Zeitraum verabreicht wurde. Die kumulative Gesamtdosis beträgt durchschnittlich etwa 100 g und die Latenzzeit 7–8 Jahre. Die Karzinome sind überwiegend niedrig differenziert mit einer entsprechend schlechten Prognose (Pedersen-Bjergaard et al. 1988).
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Kapitel 3 · Umweltfaktoren als wesentliche Ursache des Blasenkarzinoms und seiner Epidemiologie
Der Mechanismus für die Urotoxizität und Blasenkarzinogenität steht jedoch nicht in Verbindung mit der alkylierenden Wirkung der Oxazaphosphorine, vielmehr konnte der Metabolit, das Acrolein, als verantwortliches Agens identifiziert werden. Die Freisetzung von Acrolein wird durch den Uroprotektor Mesna verhindert, wodurch die urotoxische Wirkung des Cyclophosphamids sowohl beim Menschen als auch tierexperimentell deutlich reduziert werden kann (Schubert 1988). Mittlerweile gilt die Applikation der Oxazaphosphorinchemotherapeutika ohne Mesna als Kunstfehler.
Immunsuppression Bei Patienten nach Organtransplantationen mit konsekutiver medikamentöser Immunsuppression wird eine erhöhte Tumorinzidenz beobachtet, die zwischen 1,3% in Deutschland und 19% in Australien und Neuseeland liegt. Werden die überwiegenden Hauttumoren in Australien von der Untersuchung ausgenommen, so erkranken in Australien und Neuseeland etwa 4,3% gegenüber etwa 1% der Nierentransplantierten in Deutschland an malignen Neoplasien (Kälble et al. 1988; Sheil et al. 1987). Unter anderem wird in dieser Personengruppe auch vermehrt das Auftreten von Harnblasen- und Urothelkarzinomen des oberen Harntraktes beobachtet, wobei die Risiken gegenüber der Normalbevölkerung für Harnblasenkarzinome 4fach und Urterkarzinome 500fach erhöht sind (Kälble et al. 1988; Sheil et al. 1987). Wenngleich eine direkte Karzinogenität immunsuppressiver Substanzen wie Azathioprin, Ciclosporin, die sich in einigen Studien als mutagen erwiesen und Chromosomenschäden bei menschlichen Lymphozyten hervorrufen können, nicht ausgeschlossen werden kann, deuten die bisherigen Erkenntnisse darauf hin, dass die Immunsuppression per se die Bildung der Tumoren begünstigt. So besitzen auch Dialysepatienten ein erhöhtes Karzinomrisiko, das durch die terminale Niereninsuffizienz mit konsekutivem Immundefizit erklärt ist (Matas et al. 1977).
Phenacetinabusus 1950 fiel den Züricher Ärzten Zollinger und Spühler ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten der chronischen interstitiellen Nephritis und dem langjährigen Konsum von Analgetika auf (Spühler u. Zollinger 1953). Später stellte sich heraus, dass vor allem phenacetinhaltige Mischpräparate
für die Nierenveränderungen verantwortlich waren. Obwohl diese Vermutungen seit Ende der 50er-Jahre ausgiebig diskutiert wurden, stieg der Verbrauch an phenacetinhaltigen Schmerzmitteln bis Anfang der 70er-Jahre drastisch an. Beispielsweise wurden allein in Wien im Jahre 1965 schätzungsweise 40 Millionen phenacetinhaltige Tabletten verkauft. Die Ausprägung der sog. Phenacetinnieren ist zeit- und dosisabhängig. Sie werden bei Patienten beobachtet, die in ihrem Leben zwischen 1 kg und mehr als 20 kg dieses Schmerzmittels eingenommen haben. Neben der interstitiellen Nephritis mit entzündlichen Infiltraten und Fibrosierung der Nierenrinde induziert Phenacetin sowohl im Tierversuch als auch beim Menschen Karzinome der ableitenden Harnwege. 8–10% der Patienten mit Phenacetinnieren entwickeln Entartungen des Urothels, die zu über 50% in der Harnblase, zu 25–40% im Nierenbecken und zu 6–20% in den Ureteren lokalisiert sind (McCredie u. Stewart 1988, Mihatsch u. Knusli 1982). Im Gegensatz zur Analgetikanephropathie werden die Malignome des Urothels vermutlich nicht allein durch Phenacetin verursacht. So ist der ungewöhnlich hohe Anteil an Nierenbeckentumoren durch die reine Phenacetinexposition nur schwer zu erklären, da die Kontaktzeit zwischen den renal ausgeschiedenen Karzinogenen und dem Nierenbeckurothel nur sehr kurz ist. So wird auch in diesem Zusammenhang diskutiert, ob die auf dem Boden der durch Phenacetin verursachten Papillennekrosen häufig vorhandenen bakteriellen Superinfektionen über Nitrosaminentstehung karzinogen wirken (Porpaczy 1979). Die bei Phenacetinmissbrauch auftretenden Harnblasenkarzinome wiederum können durchaus durch die Phenacetinmetabolite direkt erklärt werden, da dort eine wesentlich längere Expositionszeit besteht. Dennoch könnte auch hier die Interaktion der bakteriell synthetisierten Nitrosamine mit den Phenacetinmetaboliten das hohe Blasenkarzinomrisiko erklären.
Strahlentherapie Das durchschnittliche Risiko von Patientinnen nach Strahlentherapie beispielsweise wegen invasiver Zervixkarzinome, im Laufe ihres Lebens an Blasenkarzinomen zu erkranken, ist gegenüber nicht betroffenen Frauen um das 2- bis 4fache erhöht. Die Strahlenkarzinome haben eine lange Latenzzeit, Patientinnen mit einer Überlebensrate von 20 bis 30 Jahren erkranken 8-mal häufiger an einem Blasenkarzinom (Boice et al. 1985, 1988). Zudem ist eine eindeutige Dosis-Wirkungs-Beziehung zu verzeichnen. Werden
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die Patientinnen mit über 60 Gy behandelt, ist das Blasenkarzinomrisiko 7fach erhöht. Auch ist das Blasenkrebsrisiko altersabhängig. Es ist 16fach erhöht, wenn die Patientin zu Zeitpunkt der Strahlentherapie 55 Jahre und jünger waren (Boice et al. 1988).
Rauchen Epidemiologische Daten lassen vermuten, dass ca. 50% der mittlerweile auftretenden Blasenkarzinome mit durch Rauchen ausgelöst werden (Harris et al. 1990). In einer Matched-Pairs-Analyse, bei der die Paarung anhand der Lebensgewohnheiten erfolgte, ließ sich für Raucher ein durchschnittlich 2- bis 4fach erhöhtes relatives Risiko nachweisen, wobei das Risiko mit der Zeitdauer des Rauchens, dem Zigarettenkonsum pro Tag und der Zahl der insgesamt gerauchten Zigaretten korrelierte. Umgekehrt nimmt das Risiko mit der Zeit seit Beendigung des Rauchens ab. Je später das Rauchen begonnen wurde, desto geringer ist das Karzinomrisiko (LopezAbente et al. 1991; Slattery et al. 1988). Schwarzer Tabak scheint blasenkarzinogener als blonder Tabak (75), filterlose Zigaretten scheinen gefährlicher als Zigaretten mit Filter (Wydner et al. 1988) zu sein. Der Grund für die Blasenkarzinogenität des Zigarettenrauches ist dessen mutagener Inhalt. So lassen sich bei Rauchern 4-mal häufiger DNA-Addukte im Harnblasenurothel im Vergleich zur Normalpopulation nachweisen. Ferner finden sich Nitrosamine, aromatische Amine, aromatische Kohlenwasserstoffe, heterozyklische Amine und Aldehyde im Zigarettenrauch (Cuzick et al. 1990; Garner et al. 1990). Die Ursachen dürften nicht monokausal sein, wobei den aromatischen Aminen eine zentrale Rolle zugesprochen wird. Das aromatische Amin 4-Aminobiphenyl ist wahrscheinlich das relevante Substrat für die DNA-Addukte, der karzinogenere schwarze Tabak enthält aromatische Amine in größerer Konzentration. Es ist zu vermuten, dass die Induktion von Blasenkarzinomen bei Rauchern durch eine Summierung der Effekte einzelner bekannter und nicht bekannter Karzinogene verursacht wird.
Süßstoffe Cyclamat Ab 1953 etablierte sich eine Mischung von Cyclamat und Saccharin im Verhältnis 10:1 als synthetischer Süßstoff (Ahmed u. Thomas 1992), wobei 1970 Cyc-
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lamat auf dem amerikanischen Markt verboten wurde. Ursache für dieses Verbot war die Beobachtung der Blasenkarzinominduktion durch ein CyclamatSaccharin-Gemisch bei Ratten (Oser et al. 1975). In den vergangenen 30 Jahren wurde mehrfach tierexperimentell und epidemiologisch versucht, die Karzinogenität von Cyclamat zu bestätigen, was keiner weiteren Studie mehr gelang (Ahmed u. Thomas 1992; Schmähl u. Habs 1984). Lediglich bei Mäusen induzieren Cyclamate Blasenkarzinome, wenn es in Cholesterinkugeln direkt in die Blasenwand implantiert wird (Bryan u. Ertürk 1970). Insofern scheint Cyclamat prinzipiell in der Lage zu sein, Urothelkarzinome zu promovieren, wobei es bei Menschen nicht als blasenkarzinogen bewiesen ist und allenfalls von einer schwacher Kokarzinogenität des Cyclamats ausgegangen werden kann.
Saccharin Die erste Synthese von Saccharin, das 400-mal süßer als Zucker ist, gelang bereits 1879. In großem Umfang wurde es nach dem Ende des 2. Weltkriegs produziert. Wegen des bitteren Nachgeschmackes erfolgte 1953 die Einführung einer Mischung aus Cyclamat und Saccharin im Verhältnis 10:1 als Zuckeraustauschstoff bis zum oben erwähnten Verbot von Cyclamat im Jahr 1970 (Ahmed u. Thomas 1992). Es scheint stärker karzinogen zu sein als Cyclamat. Bei Applikation von Saccharin bei einer trächtigen Ratte und fortgesetzter 2-jähriger Applikation induziert Saccharin bei über 30% des Wurfes Blasenkarzinome und Papillome (Schoenig et al. 1985). Bei Applikation über eine Generation hingegen bewirkt Saccharin keine Blasenkarzinome (Ellwein u. Cohen 1990). In der Kombination von FANFT oder Dibutylnitrosamin mit Saccharin entstehen mehr Blasenkarzinome bei Ratten als bei Applikation der Karzinogene allein (Nakanishi et al. 1980; Sakata et al. 1986). Diese Blasenkarzinogenese wird durch einen basischen UrinpH wie bei Ratten gefördert. Da der Mensch keinen basischen Urin-pH hat, fehlen ihm die Voraussetzungen für eine nennenswerte Blasenkarzinogenese. Dennoch kann ein indirekter Einfluss des Saccharins auf eine Blasenkarzinogenese auch beim Menschen nicht definitiv ausgeschlossen werden. Die zur Verfügung stehenden epidemiologischen Daten wiederum schließen ein Blasenkarzinomrisiko durch Süßstoffe weitgehend aus. Die umfangreichste epidemiologische Studie mit 9000 Probanden konnte keinerlei Risikoerhöhung für die Bildung von Blasenkarzinomen bei einer Exposition
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Kapitel 3 · Umweltfaktoren als wesentliche Ursache des Blasenkarzinoms und seiner Epidemiologie
gegenüber Süßstoffen finden (Hoover u. Strasser 1980). Wahrscheinlich ist der Konsum von Saccharin und Cyclamat beim Menschen zu gering, um eine epidemiologisch fassbare Blasenkarzinominduktion hervorzurufen.
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Kapitel 3 · Umweltfaktoren als wesentliche Ursache des Blasenkarzinoms und seiner Epidemiologie
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4 Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms M. Retz und J. Lehmann
Molekulare Prognosemarker – Spielzeug für die experimentelle Urologie oder Werkzeug für die klinische Urologie? In den letzten 10 Jahren ist die Anzahl der Publikationen über Prognosefaktoren des Harnblasenkarzinoms so explosiv angestiegen, dass eine Gesamtübersicht für den klinisch tätigen Urologen kaum möglich ist. Alleine für den Prognosemarker p53 wurden im letzten Jahr über 120 Publikationen zitiert. Zudem wurde die klinische Forschung in den letzten fünf Jahren mit neuen und komplexen Labortechniken konfrontiert. Entscheidend ist die Frage, wann und zu welchem Zweck wir Prognosefaktoren im klinischen Alltag brauchen. Therapieentscheidungen und Nachsorgepläne für Blasenkarzinompatienten richten sich hauptsächlich nach den klassischen histopathologischen Kriterien. Zwar bietet die konventionelle Histopathologie eine gute Risikoabschätzung in Bezug auf Rezidiv- und Prognoseverlauf des Harnblasenkarzinoms, jedoch ist das biologische Verhalten für jeden individuellen Blasentumor nur unzureichend charakterisiert. Im Idealfall braucht der Urologe ein einfaches, in der Klinik anwendbares Testverfahren, das neben der Histopathologie zusätzliche, unabhängige Informationen über die Aggressivität des individuellen Blasentumors bietet. Damit wäre eine maßgeschneiderte Therapie für jeden einzelnen Blasentumorpatienten möglich. Patienten mit einem oberflächlich wachsenden
Harnblasentumor (pTa, pT1) haben trotz lokaler Therapiemaßnahmen mit transurethraler Blasentumorresektion (TUR-B) und ggf. adjuvanter, intravesikaler Immun- oder Chemotherapie eine hohe Rezidivrate von bis zu 70%. Davon entwickeln bis zu einem Drittel aller Rezidive eine Tumorprogression (Helpap et al. 2003; Quek et al. 2003). Die Suche nach neuen Prognosemarkern wäre bei oberflächlichen Blasentumoren wünschenswert, damit einerseits das Rezidivrisiko, andererseits die Gefahr der Tumorprogression sicher bestimmt werden kann. Als Konsequenz würde eine Subgruppe von Patienten eine zusätzliche, intravesikale Immun- oder Chemotherapie erhalten. Demgegenüber würde der Urologe einer Hochrisikogruppe mit einem »aggressiven« oberflächlichen Tumor eine frühzeitige radikale Zystektomie empfehlen. Ein weiteres klinisches Dilemma findet sich auch in der Patientengruppe mit einem muskelinvasiven Blasenkarzinom. Nach den vorliegenden Langzeiterfahrungen entwickeln bis zu 25% aller Patienten mit einem lokal begrenzten Blasentumor innerhalb von 3 Jahren nach radikaler Zystektomie eine systemische Tumorprogression (Stein et al. 2001). Auch in dieser Gruppe fehlen etablierte Prognosemarker, die das wahre biologische Tumorpotential einschätzen können. Dies würde dem Urologen in der weiteren Therapieentscheidung helfen, eine gesonderte Patientengruppe zu erkennen, die neben der radikalen Zystektomie eine adjuvante Chemotherapie benötigt.
28
4
Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
Molekulare Prognosemarker sind nicht nur als Vorhersagewert für den individuellen Krankheitsverlauf wichtig, sondern sie können auch entscheidende Informationen bezüglich der Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie bieten. Für das oberflächliche Blasenkarzinom wäre es wünschenswert, Therapieversager frühzeitig zu identifizieren, die trotz adjuvanter intravesikaler Immun- oder Chemotherapie ein Blasentumorrezidiv oder eine Tumorprogression entwickeln. Für Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Blasenkarzinom wären Prognosemarker unerlässlich, die nach radikaler Zystektomie entscheidende Informationen zur Wirksamkeit einer systemischen Chemotherapie bieten können. Dabei muss zwischen einer primären und sekundären Resistenz gegenüber Zytostatika unterschieden werden. Eine effektive und gezielte Chemotherapie bei Tumorpatienten ist nur dann möglich, wenn man die Wirksamkeit für jede einzelne Zytostatikakomponente bereits vor der Behandlung erfassen kann. Im Gegensatz zu den bisher einheitlichen Chemotherapieprotokollen für alle Blasentumorpatienten, wäre eine individuell angepasste Zytostatikakombination möglich. Neben der primären Chemoresistenz findet sich im urologischen Alltag das Problem der erworbenen Resistenz unter einer laufenden Chemotherapie. Die Etablierung von molekularen Markern zur frühzeitigen Erkennung einer sekundären Chemoresistenz würde dem Urologen erlauben, eine gezielte Änderung des Chemotherapieprotokolls vorzunehmen. Die Entdeckung von neuen molekularen Markern beim Blasenkarzinom hat nicht nur ihren klinischen Stellenwert als Prognostikum, sondern mittlerweile werden sie auch als Targetmoleküle in der Tumortherapie verwendet. Es wurde bereits eine Reihe von neuen Medikamenten entwickelt, die sich derzeit in der klinischen Erprobung befinden, teilweise in Kombination mit klassischen Zytostatika. Das folgende Buchkapitel soll eine Übersicht über die Anwendung und den Einsatz von molekularen Blasentumormarkern in Bezug auf die jeweils klinisch urologische Fragestellung geben. Im ersten Abschnitt des Buchbeitrages wurde eine möglichst einfache und verständliche Darstellung der molekularen und genetischen Veränderungen beim Harnblasenkarzinom beschrieben. Im zweiten Abschnitt wurde der Schwerpunkt auf die klinische Anwendung von Prognosemarkern gelegt. Dabei wurde unterschieden zwischen Prognosemarkern für das oberflächliche und muskelinvasive Blasenkarzinom sowie Markern zur Bestimmung der medikamentösen Wirksamkeit.
Ying und Yang zwischen Zellteilung und programmiertem Zelltod Die Zelle reguliert die Balance zwischen Zellproliferation, Zellarrest und programmiertem Zelltod (Apoptose). Als bestes Beispiel sei hier die Wundheilung zu nennen. Liegt eine Gewebedefekt vor, dann werden spezielle Gruppen von Genen, die Protoonkogene, in der Zelle aktiviert, die die Zellteilung und Gewebeneubildung fördern. Nach Abschluss der Wundheilung wird eine weitere Gruppe an Genen, die Tumorsuppressorgene hochreguliert, die den Zellzyklus und damit auch die Zellproliferation stoppen. Dadurch wird vermieden, dass sich überschießendes Gewebe im Wundbett nach Abschluss der Wundheilung bilden kann. Tumorsuppressorgene sind also wichtige Gegenspieler zu den Protoonkogenen. Stark beschädigte Zellen in der Wunde können durch Reparationsenzyme häufig nicht mehr in eine funktionsfähige Zelle überführt werden. Der Organismus besitzt eine eigenes Regulationssystem, um stark beschädigte Zellen zu eliminieren. Dieser programmierte Zelltod (Apoptose) wird durch eine gesonderte Gruppe von Apoptoseproteinen eingeleitet. Somit ist die Wundheilung ein Balanceakt zwischen proliferationsfördernden und hemmenden Mechanismen in der Zelle.
Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt Bei der Tumorformation bedient sich die Zelle ähnlicher Mechanismen wie bei der Wundheilung. Im Gegensatz zur Wundheilung fehlt jedoch die Balance zwischen Stimulation und Inhibierung des Zellzyklus. Die Tumorbildung kann in drei Hauptabschnitte eingeteilt werden: A Triggerung der Karzinogenese durch Chromosomenalterationen B Unkontrollierte Zellprolifertion infolge des Verlusts der Balance von Zellzyklus und Apotose C Zellinvasion und Metastasierung.
Karzinogenese des Harnblasentumors Die Karzinogenese des Harnblasentumors ist eine Kaskade, die zu frühen und späten Veränderungen in der Chromosomenstruktur führt. Bereits vor 10 Jahren wurde von Spruck und Knowles ein Modell zur Karzinogenese des Harnblasentumors vorgeschlagen. Es wurde zwei Hypothesen aufgestellt:
29 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt
Zum einen erfolgt die Entwicklung des Harnblasentumor über zwei verschiedene Mutationswege. Zum anderen gibt es frühe und späte Mutationsereignisse (Knowles 1995; Spruck III et al. 1994). Im Gegensatz zum normalen Urothelgewebe findet sich in oberflächlichen Blasentumoren (pTa) ein Chromosomenverlust der Region 9p und 9q. Chromosomenverluste in diesen Regionen stellen frühe Ereignisse in der Karzinogenese des oberflächlichen Blasenkarzinoms dar. Erst spätere Chromosomenalterationen wie Verluste in der Region 3p, 8p, 11p, 13q und 17p führen zu invasiven Blasenkarzinomen. Der zweite, alternative Weg in der Karzinogenese wird durch eine frühe p53-Mutation auf Chromosom 17p charakterisiert. Daraus entwickelt sich ein Carcinoma in situ. Spätere Mutationsereignisse führen anschließend zu Chromosomenverluste in der Region 9p und 9q. Im fortgeschrittenen Blasentumorstadium zeigen sich dann weitere typische genetische Veränderungen wie Chromosomenverluste der Region 3p, 8p, 11p und 13q. Eine französische Arbeitsgruppe konnte kürzlich zeigen, dass Genmutationen von FGFR3 (»fibroblast growth factor receptor 3«) frühe Ereignisse in der Karzinogenese des Harnblasenkarzinoms darstellen und überwiegend in oberflächlichen Tumoren (pTa) nachzuweisen sind. Demgegenüber waren in invasiven Blasenkarzinomen nur selten FGFR3-Mutationenen erkennbar. FGFR3 befindet sich auf dem Chromosom 4p16.3. Es gehört zu den Tyrosinkinaserezeptoren und reguliert wichtige Signalwege im Bereich
der Zellproliferation, Zelldifferenzierung, Migration und Angiogenese. Zusammenfassend unterstützt die französische Arbeitsgruppe die Hypothese von Knowles, dass die Karzinogenese über zwei verschiedene Mutationswege erfolgen muss (Bakkar et al. 2003). Das Modell zur Karzinogenese des Blasentumors von Knowles wird in ⊡ Abb. 4.1 in abgeänderter Version dargestellt.
Unkontrollierte Zellproliferation – Verlust der Balance zwischen Zellzyklus und Apoptose Alterationen in der Chromosomenstruktur können zu Veränderungen in speziellen Genabschnitten führen, die letztlich für die Regulation der Signaltransduktion, Zellprolifertion, Zellarrest oder Apoptose verantwortlich sind. Onkogene werden aktiviert und fördern die ungebremste Zellteilung. Die entsprechenden Gegenspieler, die Tumorsuppressorgene werden im Zellzyklus ausgeschaltet und können ihre Funktion als Inhibitor der Zellproliferation nicht mehr erfüllen. Das Gleiche gilt für die Regulation der Apoptose. Einerseits wird die Aktivität proapoptotischer Proteine gehemmt, andererseits werden antiapoptotische Prozesse gefördert. Das führt zum vollständigen Ausfall des Zellzyklusregulationssystems mit der Folge, dass der gesamte Zellablauf auf kontinuierliche Zellteilung programmiert ist. In den folgenden Kapiteln werden die wichtigsten Mecha-
Urothel LOH 9p + 9q
Mutation p53 (17p)
CIS Blasentumor
Ta Blasentumor Muta tio n p LOH 3p 8p 11p 13q
LOH 9p + 9q
53 LOH 3p 8p 11p 13q
Invasives Blasenkarzinom
4
⊡ Abb. 4.1. Karzigonese des Blasenkarzinoms
30
Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
nismen der Zellregulation beschrieben, zudem werden in diesem Kontext Prognosemarker für das Blasenkarzinom aus aktuellen Studien vorgestellt.
Der Zellzyklus – Zentralstation der Zelle (⊡ Abb. 4.2)
4
Zellteilung und Zellarrest werden über den Zellzyklus reguliert. Der Zellzyklus unterteilt sich in 4 Hauptabschnitte. In der S-Phase wird die DNA repliziert, dadurch wird das genomische Material verdoppelt. Die G2-Phase dient als Vorbereitung auf die M-Phase. In der M-Phase kommt es zur Chromosomensegregation mit anschließender Zellteilung. In der G1-Phase finden Zellwachstum und Reifung statt. Der Übergang von der einen Phase in die folgende Zellphase ist ein hochregulatives System. Bevor die Zelle in die nächste Phase eintreten kann, müssen spezielle Proteinkomplexe in der Zelle zum richtigen Zeitpunkt synthetisiert und aktiviert werden. Diese Proteinkomplexe heißen cyclinabhängige Kinasen (CdKs) und bestehen aus zwei Untereinheiten. Nur in Komplexbildung mit Cyclin ist die Kinase als Enzym aktiv. Durch Phosphorylierung oder Dephosphorylierung können die CdK-Komplexe bestimmte Proteine aktivieren oder inhibieren. CdKs bilden daher eine Schlüsselfunktion in der Zellzyklusregulation. Jeder Zellzyklusabschnitt wird durch gesonderte Cdks kontrolliert und sie funktionieren daher als wichtige »Checkpoints« im Zellzyklus. Der CdK4/Cyclin-D-Komplex wird
ausschließlich in der frühen G1-Phase aktiviert und triggert dadurch die Synthese von CdK2/Cyclin E. Nur wenn CdK2/Cyclin E in der Zelle hochreguliert wird, ist es der Zelle erlaubt, von der G1- in die S-Phase überzutreten. Befindet sich die Zelle nun in der S-Phase, dann müssen neue CdK-Komplexe aktiviert werden. CdK2/Cyclin A bildet den nächsten Checkpoint und führt die Zelle in die G2-Phase. Der letzte wichtige Checkpoint ist der Übergang von der G2- in die M-Phase, der von der CdK1/Cyclin-BKinase kontrolliert wird. Spezielle Genmutationen können eine Überexpression von CdK-Komplexen hervorrufen. Eine kontinuierliche Hochregulation und Aktivierung der einzelnen Cdk-Komplexe würde daher zu einer ungehemmten Zellproliferation führen. Zahlreiche Studien haben daher verschiedene Proliferationsantigene als Prognosemarker für das oberflächliche und invasive Blasenkarzinom getestet. Zu den wichtigsten Proliferationsmarkern gehört das Antigen Ki-67. Andere Proliferationsmarker wie PCNA (»proliferating cell nuclear antigen«) und MCM (»minichromosomal maintenance proteins«) spielen nur eine unbedeutende Rolle für das Harnblasenkarzinom.
Proliferationsmarker Ki-67 Ki-67 Antigen wird im Nukleus von proliferierenden Zellen von der G1- bis zur M-Phase exprimiert. Hingegen synthetisieren ruhende Zellen, die sich in der
CdK1
p53 p21 p27
Cyclin B
G2
p27 p21
p53
M CdK4
CdK2 Cyclin A
p53
S
p21 p27 Rb
G1
p16 p27 p21
CdK2 Cyclin E
⊡ Abb. 4.2. Zellzyklus
Cyclin D
p53
31 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt
G0-Phase befinden, kein Ki-67. Die Proteinexpression von Ki-67 wird in der Regel immunhistochemisch nachgewiesen, dabei werden im Allgemeinen monoklonale Antikörper wie Ki-67 oder MIB-1 verwendet. Der Antikörperklon Ki-67 (Ki steht für Kiel und weist auf das Institut für Pathologie der Kieler Universitätsklinik hin), funktionierte nur zuverlässig an Kryostatschnitten. Der Klon MIB-1 (»made in Borstel«) war der erste paraffingeeignete Antikörper, mit dem das Proliferationsantigen auch in der Routinehistologie dargestellt werden konnte. Oberflächliches Harnblasenkarzinom. In mehreren immunhistochemischen Studien korrelierte die Ki-67-Expression in oberflächlichen Blasentumoren mit einer hohen Rezidivrate im Langzeitverlauf. Dabei konnte Ki-67 in mehreren multivariaten Analyse als einen wichtigen, unabhängigen Prognosemarker zur Einschätzung des Rezidivrisikos beim oberflächlichen Blasentumor evaluiert werden (Popov et al. 1997; Oosterhuis et al. 2000; Wu et al. 2000; Gontero et al. 2000; Rodriguez-Alonso et al. 2002; Stavropoulos et al. 2002; Pich et al. 2002; Santos et al. 2003a; Santos et al. 2003b; Rodriguez et al. 2003; Kruger et al. 2003). Demgegenüber war Ki-67 in der multivariaten Analyse von zwei Studien der Arbeitsgruppen Pfister und Liukkonen kein unabhängiger Prognosefaktor (Pfister et al. 1999a; Liukkonen et al. 1999). Im Vergleich zu den zahlreichen Studien, die Ki-67 als Marker zur Abschätzung des Tumorrezidivs analysierten, gibt es nur limitierte Arbeiten, die Ki-67 auch als Progressionsmarker für das oberflächliche Harnblasenkarzinom untersuchten. Die bisher publizierten Studienergebnisse sind so extrem divergent, dass der klinische Einsatz von Ki-67 als Marker zur Risikoabschätzung für den Progressionsverlauf von oberflächlichen Blasentumoren derzeit nicht empfohlen werden kann (Liukkonen et al. 1999; Rodriguez-Alonso et al. 2002; Santos et al. 2003b). Demgegenüber überprüfte eine norwegische Arbeitsgruppe, ob die Kombination aus mehreren Proliferationsmarkern eine verbesserte Vorhersage in Bezug auf den Progressionsverlauf bieten kann. Neben dem schon bekannten Biomarker Ki-67 wurde zusätzlich der MAI- (»mitotic activity index«) und der MNA- (»mean area of the 10 largest nuclei«)Index bestimmt. Im Vergleich zu den klassisch histologischen Risikofaktoren, waren die Markerkombination MNA/Ki-67 oder MNA/MAI in der multivariaten Analyse die stärksten unabhängigen Prognosefaktoren (Bol et al. 2001). Invasives Harnblasenkarzinom. Im Gegensatz zum oberflächlichen Blasentumor gibt es nur eine begrenzte Anzahl an Arbeiten, die Ki-67 auch beim
4
invasiven Blasenkarzinom untersuchten. In zwei Studien korrelierte die Ki-67-Expression in invasiven Blasenkarzinomen mit einer höheren Rezidivund Tumorprogressionsrate. Zudem war Ki-67 in der multivariaten Analyse ein unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die progressionsfreie- und tumorspezifische Überlebensrate (Cohen et al. 1993; Popov et al. 1997).
Tumorsupressorgene – die Bremse des Zellzyklus (s. ⊡ Abb. 4.2) CdK-Inhibitoren sind die Gegenregulatoren im Zellzyklus. Zu den wichtigsten CdK-Inhibitoren zählen die Proteine Rb (Retinoblastom), p21, p27, p16 und p53. Sie gehören auch zur Gruppe der Tumorsupressorgene, bremsen den Zellzyklus und damit die Zellteilung. Tumorsupressorgene können nur dann ihre Funktion als »Bremse« des Zellzyklus verlieren, wenn beide Allele inaktiviert werden. Typischerweise geht das erste Allel durch vollständigen Chromosomenverlust verloren (LOH, »loss of heterozygosity«). Das zweite Allel wird in der Regel durch Genmutation inaktiviert. Dieser Mechanismus wurde von Knudson erstmals 1971 als »Two-hit-Hypothese« beschrieben (Knudson Jr 1971). Zusammenfassend führt nur die Ausschaltung beider Allele zu einem vollständigen Funktionsverlust der Tumorsupressorgene. Als funktionslose Cdk-Inhibitoren können sie den Zellzyklus nicht mehr gegenregulieren, was zu einer ungebremsten Aktivität der CdK/CyclinKomplexe führt. Dadurch wird die Zellteilungsrate drastisch erhöht. Das Rb-Gen ist auf Chromosom 13q14 lokalisiert und kodiert ein nukleäres Phosphoprotein. In seiner aktiven, hypophosphorylierten Form inhibiert es gezielt nur den CDK2/Cyclin-Komplex und blockiert im Zellzyklus den Übergang von der G1- in die S-Phase. Das CDKN2/INK4A-Gen liegt auf Chromosom 9p21 und kodiert den CdK-Inhibitor p16. Es inhibiert spezifisch nur den CdK4/Cyclin-DKomplex und führt zum Zellarrest in der G1-Phase. Demgegenüber können p21 und p27 generell alle zuvor beschriebenen CdK-Komplexe im gesamten Zellzyklus in ihrer Aktivität blockieren. Uneingeschränkt gehört p53 zu den am meisten und intensivsten untersuchten Tumorsupressorgenen beim Harnblasenkarzinom (⊡ Abb. 4.3). Das Gen p53 wurde erstmals 1979 beschrieben, aber erst 1989 als ein Tumorsuppressorgen identifiziert (Smith et al. 2003). Das p53-Gen ist auf Chromosom 17p13.1 lokalisiert. Das Genprodukt ist ein nukleäres Phosphoglykoprotein mit einem Molekulargewicht von 53.000 kDa. P53 kontrolliert im Zellzyklus den
32
Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
p53 DNA Schädigung
Mdm2
P
Thyrosin Kinase
4
p53 aktiv A ktivie
p53
rung la
ng
P
Mdm2
P A ktivie
ru n g k
u rz
p53
Bindung an Promotor von PUMA Gen
Bindung an Promotor von p21 Gen
p53
p53 PUMA-Gen
P21-Gen
Transkription
Transkription
Translation
Translation
PUMA-Protein Aktivierung von Caspasen
+
⊡ Abb. 4.3. Das Tumorsuppressorgen p53
P
p21-Protein Inhibierung von CdK-Cyclin
Caspasen
CdK-Cyclin
Apoptose
Zellarrest
Checkpoint von der G1- in die S-Phase. Im ungestörten, normalen Zellzyklus ist das inaktive p53 an das Protein Mdm2 gebunden. Kommt es zu einer DNASchädigung, dann wird das p53-Protein aktiviert. Es löst sich von der Mdm2-Bindung und wird durch eine Tyrosinkinase phosphoryliert. Die nun aktive p53-Form wandert in den Zellnukleus und bindet an die Promotorregion des p21-Gens. P53 wirkt als Transkriptionsfaktor und bewirkt durch die Promotorbindung eine Aktivierung des p21-Gens, das zur erhöhten Synthese des p21-Proteins führt. P21 bindet an CdK/Cyclin-Komplexe und blockiert dadurch die
CdK/Cyclin-Aktivität im Zellzyklus. Dadurch wird der Zellzyklus in der G1-Phase gestoppt und der Übergang in die S-Phase inhibiert. Beschädigte oder alterierte DNA-Abschnitte können nun in der SPhase nicht mehr repliziert werden. Dafür haben Reparaturenzyme im Zellzyklusarrest die Möglichkeit, beschädigte DNA-Abschnitte zu reparieren. Eine sehr starke Zell- oder DNA-Schädigung führt zu einer verlängerten p53-Aktivierung und letztlich zur Bindung an ein zweites Gen, PUMA (»p53-upregulated modulator of apoptosis«). PUMA gehört zur Bcl-2 Familie und ist ein Proapoptosegen. Die
33 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt
Aktivierung von PUMA durch p53 führt zu einer erhöhten Synthese des PUMA-Proteins, das eine Signalkaskade zur Einleitung der Apoptose triggert. Damit erfüllt p53 zwei wichtige Funktionen: Je nach Ausmaß der DNA-Schädigung induziert p53 entweder einen Zellzyklusarrest mit Aktivierung von Reparaturenzymen oder es leitet den programmierten Zelltod ein. Mutationen von p53 sind in vielen Tumorentitäten sehr häufig. Es handelt sich meistens um Punktmutationen. Alterierte p53-Proteine verlieren ihre Funktion als »Wächter der DNA und des Zellzyklus«, sodass Sicherheitsmechanismen wie Zellarrest und Einleitung der Apoptose ausgeschaltet werden mit der Folge einer ungehemmten Zellteilung.
Tumorsuppressorgene p53, p21, p27 und Rb Oberflächliches Harnblasenkarzinom.
▬ Tumorsuppressorgen p53: Zahlreiche Studien untersuchten p53 als Prädiktor zur Bestimmung der Tumorprogression von oberflächlichen Blasentumoren. Der p53-Protein Wildtyp hat nur eine sehr kurze Halbwertszeit von weniger als 20 min und entzieht sich weitgehend dem p53-Nachweis in der Immunhistochemie. Hingegen findet sich eine verlängerte Halbwertszeit bei den p53-Mutanten, sodass die mutierte p53-Form in der Immunhistochemie als »positive« p53-Färbung erkennbar ist (Smith et al. 2003). Insgesamt wurden 12 größere Studien publiziert, die mit der multivariaten Analyse für p53 keine prognostische Signifikanz zeigen konnten (Thomas et al. 1994; Gardiner et al. 1994; Vatne et al. 1995; Tetu et al. 1996; Burkhard et al. 1997; Liukkonen et al. 1999; Leissner et al. 2001; Stavropoulos et al. 2002; Reiher et al. 2002; Gil et al. 2003; Shariat et al. 2003a; Masters et al. 2003). Demgegenüber wurde p53 in neun Studien als ein unabhängiger Prognosemarker bewertet (Sarkis et al. 1993; Sarkis et al. 1994; Serth et al. 1995; Casetta et al. 1997; Schmitz-Drager et al. 1997; Hermann et al. 1998; Grossman et al. 1998; Malmstrom et al. 1999; Rodriguez-Alonso et al. 2002). Trotz der zahlreichen und umfangreichen Studien gibt es nach wie vor keinen Konsens, ob p53 als ein Prognosemarker für das oberflächliche Blasenkarzinom im klinischen Alltag eingesetzt werden kann. ▬ Kombination von p53 und Rb: Eine Studie von Grossman untersuchte die Expression von zwei Tumorsupressorgenen p53 und Rb in pT1-Blasentumoren. Patienten mit normaler p53-Wildtyp-Expression und normaler Rb-Expression
4
hatten einen exzellenten Langzeitverlauf ohne Hinweis auf ein Tumorrezidiv. Demgegenüber war der Nachweis einer alterierten Expression von nur einem Marker oder beiden Marker mit einer deutlich schlechteren Prognose verbunden (Grossman et al. 1998). Invasives Harnblasenkarzinom.
▬ Tumorsuppressorgen p53: Das gleiche Dilemma von p53 als Prognosemarker findet sich auch für das invasive Harnblasenkarzinom. In einer Metaanalyse wurden insgesamt 43 Studien von 1993 bis 1999 mit insgesamt 3764 Patienten ausgewertet. Die multivariate Analyse von Patienten mit einem invasiven Blasenkarzinom (pT2pT4) zeigte, dass p53 nur in 2 von 7 Studien einen unabhängigen Prognosemarker in Bezug auf die Tumorprogression darstellte. Auch bei Einschluss aller Tumorstadien (pTa-pT4) konnte nur in 3 von 14 Studien p53 als ein unabhängiger Prognostikator beurteilt werden (SchmitzDräger et al. 2000). Nach Einschätzung vieler Autoren basieren die ausgeprägten Differenzen in der p53-Analyse auf sehr unterschiedliche und nichtstandardisierte Studiendesigns (s. auch Seite 50). ▬ Tumorsuppressorgen Rb: Rb-Mutationen fanden sich überwiegend in muskelinvasiven und entdifferenzierten Blasentumoren (Ishikawa et al. 1991; Takahashi et al. 1991). In zwei Studien war die verminderte Rb-Expression in muskelinvasiven Blasenkarzinomen mit einer deutlich signifikant kürzeren tumorfreien Überlebenszeit assoziiert (Cordon-Cardo et al. 1992; Logothetis et al. 1992). ▬ Tumorsuppressorgen p27: In der univariaten Analyse war eine verminderte p27-Expression mit einer signifikant kürzeren Gesamtüberlebenszeit verbunden (Del Pizzo et al. 1999). Hingegen war nur die Kombination aus Ki-67 und p27 in der multivariaten Analyse ein unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die Gesamtüberlebenszeit (Korkolopoulou et al. 2000). ▬ Kombination der Tumorsuppressorgene p53 und p21: p21 ist ein CdK-Inhibitor und wird im klassischen Weg über p53 aktiviert. Eine p53-Mutation würde also auch zu einer verminderten Expression von p21 führen. Alternativ wurde nun in mehreren Studien auch ein p53-unabhängiger Weg beschrieben, sodass trotz vorliegender p53Mutation eine aktive p21-Expression vorliegen kann (Parker et al. 1995). Eine Reihe von Arbeiten empfahlen daher die Bestimmung beider Marker p21 und p53, um erweiterte Informatio-
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Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
nen zum individuellen biologischen Tumorverhalten zu erhalten. In einer immunhistochemischen Studie mit 242 Patienten mit einem lokal fortgeschrittenem Blasentumor wurde der p53und p21-Status gleichzeitig bestimmt. Patienten mit einer gleichzeitig bestehenden p53-Mutation und p21-negativen Expression hatten in Bezug auf die Tumorrezidivrate und Überlebensrate die schlechteste Prognose im Vergleich zu der Wildtyp-Form. Patienten mit der Kombination aus p53-Alteration und normaler p21-Expression hatten hingegen den gleichen prognostischen Krankheitsverlauf wie Patienten mit normaler p53-Wildtyp-Expression (Stein et al. 1998). Die Studie von Lipponen untersuchte ebenfalls die Expression von p53 und p21 in 186 Blasentumoren. In der univarianten Analyse war weder der alleinige Marker p21 noch die Kombination aus p21 und p53 ein unabhängiger Prognosemarker (Lipponen et al. 1998a). ▬ Kombination der Tumorsuppressorgene p53 und Rb: Eine kombinierte Analyse der zwei Marker p53 und Rb wurde von drei Studien vorgeschlagen, um eine verbesserte Vorhersage zum Krankheitsverlauf zu erhalten. Mutationen beider Marker waren mit einer signifikant schlechteren Prognose verbunden im Vergleich zu den Wildtyp Formen. Patienten mit nur einer Mutation stellten eine intermediäre Risikogruppe dar (Cote et al. 1998; Cordon-Cardo et al. 1997; Primdahl et al. 2000).
Proto-Onkogene – der Motor des Zellzyklus In der normalen Zelle sind Protoonkogene hauptsächlich in der Zellteilung, Zellproliferation und Zelldifferenzierung involviert. Zu der Gruppe der Protoonkogene gehören Kinasen (Enzyme, die spezielle Proteine durch Phosphorylierung aktivieren), G-Proteine (Proteine, die das Nukleotid Guanosin Triphosphat binden), Transkriptionsfaktoren (Proteine, die an spezielle Genabschnitte binden und die Genexpression regulieren), Wachstumsfaktoren und deren Rezeptoren. Mutationen von Protoonkogenen können einerseits zu einer erhöhten Genamplifikation und folglich Überexpression ihrer Proteinprodukte führen. Andererseits können sie auch alterierte Proteinstrukturen bilden mit entsprechend veränderter Funktion in der Zellregulation. Protoonkogene mit alterierten Genabschnitten werden als Onkogene bezeichnet. Im Gegensatz zu den Tumorsuppressorgenen ist bei den Onkogenen nur ein dominantes Mutationsereignis erforderlich.
Als vereinfachte Regel kann gelten, dass Onkogene eine Steigerung der Zellprolifertion, Neoangiogenese und Tumorzellinvasion induzieren. Die wichtigsten Onkogene für das Blasenkarzinom sind die EGF Rezeptor (EGFR) Familie, c-myc (Transkriptionsfaktor) und die Ras-Familie (G-Protein). EGF-Rezeptor (EGFR) Familie. EGFR sind Tyrosinkinaserezeptoren und bestehen aus vier Untereinheiten. Dazu gehören ErbB1 (EGFr/HER1), ErbB2 (HER2/neu), ErbB3 (HER3) und ErbB4 (HER4). EGFR besitzen eine extrazelluläre Domäne mit spezifischen Bindungsstellen für diverse Wachstumsfaktoren, einen transmembranen lipophilen Anteil und eine zytoplasmatische Domäne, die mit einer Tyrosinkinase gekoppelt ist. Wachstumsfaktoren wie z. B. EGF (»epidermal growth factor«) und TGF-alpha (»transforming growth factor-alpha«) binden als Liganden an den extrazelluären EGFRAnteil. Durch die Liganden-Rezeptor-Bindung wird eine Dimerisierung der EGF-Rezeptoren ausgelöst. Gleichzeitig aktivieren die zytoplasmatischen Tyrosinkinasen eine Autophosphorylierung des eigenen EGF-Rezeptors. Der nun phosphorylierte zytoplasmatische EGFR-Anteil bietet durch seine Konformationsänderung neue Bindungsmöglichkeiten für neue Proteinkomplexe wie z. B. Grb2-Sos. Durch die Bindung der phosphorylierten Tyrosinkinase mit spezifischen Proteinkomplexen werden nun mehrere Signalkaskaden getriggert. Bei der ersten Signalkaskade wird das Onkoprotein Ras aktiviert, das in Folge eine erneute Signalkette auslöst und letztlich eine Überexpression von Cdk4/Cyclin D im Zellzyklus bewirkt. Der aktivierte CdK4/Cyclin-DKomplex triggert den Übergang von der G1- in die S-Phase im Zellzyklus mit folgender DNA-Replikation und anschließender Zellteilung. Zusammenfassend wird also über die EGFR-Liganden-Bindung eine aufwendige Signalkaskade initiiert, die zu einer Überexpression von CdK4/Cyclin D führt. Dieser CdK/Cyclin-Komplex wirkt als Motor im Zellzyklus und erhöht die Zellteilungsrate. Bei der zweiten Signalkaskade werden Proangiogenesefaktoren synthetisiert und aktiviert. Dazu zählen VEGF (»vascular endothelial growth factor«), FGF (»fibroblast growth factor«) und IL-8 (Interleukin-8). Diese Faktoren induzieren neue Blutgefäße (Angiogenese) im Gewebe. Eine dritte Signalkaskade führt zu einer erhöhten Synthese von extrazellulären Matrixmetalloproteinasen (MMP). MMP ist ein Enzym, das die extrazelluäre Matrix im Bindegewebe sowie epitheliale Basalmembranen abbauen und zerstören kann. Eine schematische Darstellung über die Funktion der EGF-Rezeptoren zeigt ⊡ Abb. 4.4.
4
35 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt
EGF
Thyrosin Kinase
Thyrosin Kinase
EGF
EGF
Thyrosin Thyrosin Kinase Kinase
Thyrosin Thyrosin Kinase Kinase
P
P
P
P
Dimerisierung + Autophosphorylierung
S S O tein o r EGFR P
S P r OS ot ein
SOS Proteinkomplex
+
+
Ras
VEGF bFGF IL-8
+ Cdk4-Cyclin D
Zellproliferation
MMP-9
Zellinvasion
Angiogenese
⊡ Abb. 4.4. Funktion der EGF-Rezeptoren
Ras-Familie. Die Ras-Familie besteht aus 3 Gruppen,
dazu gehören Ral, Rap und Ras. Weiterhin kann die Gruppe Ras in 5 verschiedene Proteine unterteilt werden, das sind H-Ras, K-Ras, M-Ras, N-Ras und R-Ras (Oxford u. Theodorescu 2003). Ras-Proteine sind G-Proteine und können an Guanosintriphosphat (GTP) binden. Ras-GTP-Bindungen sind energiereiche und aktivierte Formen. Sie erfüllen ihre Aufgaben nicht nur in der Zellzyklus- und Apoptosekontrolle, sondern sind auch wichtige Mediatoren im Prozess der Endo- und Exozytose. Aktivierte Ras-GTP-Bindungen können durch Dephosphorylierung in ihre inaktive Form als Ras-GDP (Guanosindiphosphat) übergehen. Genmutationen von Ras können zu einer Imbalance zwischen der aktivierten Ras-GTP- und inaktivierten Ras-GDP-Form führen. Ein Überangebot an aktivierten Ras-GTPBindungen fördert einerseits die Zellproliferation und hemmt andererseits die Apoptose. Erwähnenswert ist, dass H-ras erstmals 1984 in der Blasentumorzellinie T-24 entdeckt wurde (Feramisco et al. 1984). 20 Jahre nach Erstentdeckung von H-RasMutationen im Blasenkarzinom konnten auch in
zahlreichen anderen Tumorentitäten Genmutationen von H-Ras, K-Ras und N-Ras nachgewiesen werden.
Onkogene Ras, Myc, EGFr/HER1 und HER2/neu Oberflächliches Harnblasenkarzinom. Nur vereinzel-
te Studien mit kleiner Fallzahl haben verschiedene Onkogene als Prognosemarker für das oberflächliche Harnblasenkarzinom untersucht. Insgesamt spielen jedoch Onkogene beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom eher eine untergeordnete Rolle. Invasives Harnblasenkarzinom.
▬ Onkogen Ras: H-Ras-Mutationen sind häufig Punktmutationen im Bereich der Kodons 12 und 13 (Exon 1) und Kodon 61 (Exon2) (Bos 1989). H-Ras-Muationen fanden sich zwischen 3% und 84% aller Blasentumore (Knowles u. Williamson 1993; Saito et al. 1997; Cerutti et al. 1994; Burchill et al. 1994). Es wurden jedoch keine Korrelationen zwischen der H-ras-Mutation und dem Tumorstadium sowie dem Differenzierungsgrad gefunden (Knowles u. Williamson 1993; Leve-
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Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
sque et al. 1993). Zudem konnte bisher keine Studie eine prognostische Relevanz nachweisen (Bittard et al. 1996; Olderoy et al. 1998). Eine aktuelle Studie entdeckte eine neue H-ras-Punktmutation im Kodon 27 (Exon1), die überwiegend in muskelinvasiven und entdifferenzierten Blasentumoren nachzuweisen war. Allerdings liegen bisher keine Nachbeobachtungsdaten zum Krankheitsverlauf vor (Johne et al. 2003). In der Arbeit von Przybojewska wurde in über 80% aller Blasentumorproben neben der H-Ras-Mutation gleichzeitig auch eine N-Ras-Mutationen nachgewiesen. Allerdings ist die Funktion des N-Ras-Onkogens und deren Mutation beim Blasenkarzinom nahezu ungeklärt (Przybojewska et al. 2000). ▬ Onkogen c-Myc: Eine c-myc-Überexpression korrelierte mit dem Tumorstadiums und dem Differenzierungsgrad (Kotake et al. 1990). Jedoch hatte eine c-myc-Expression im Blasenkarzinom keine prognostische Relevanz in Bezug auf die Tumorprogressions- und Überlebensrate (Lipponen 1995; Ejarque et al. 1999; Kee et al. 2001). ▬ Onkogen EGFr/HER1: Im normalen Urothelgewebe findet sich eine EGFr/HER1-Expression ausschließlich in der Basalzellschicht. Hingegen exprimieren Blasenkarzinome EGFr/HER1 in ihrer gesamten Epithelschicht (Messing 1990). Eine Überexpression von EGFr/HER1 in Blasentumoren war signifikant mit dem Tumorstadium und dem Differenzierungsgrad assoziiert (Neal et al. 1985; Sauter et al. 1994). In der Studie von Neal wurde zudem EGFr/HER1 als signifikanter Prognosemarker in Bezug auf die Tumorprogressions- und Gesamtüberlebensrate bewertet (Neal et al. 1990). Allerdings konnten aktuellere Studien EGFr/HER1 nicht als einen unabhängigen Prognosemarker bestätigen (Nguyen et al. 1994; Ravery et al. 1997; Sriplakich et al. 1999). EGFr/HER1 wurde weniger als ein Prognosemarker diskutiert, sondern vielmehr als ein neues Targetmolekül zur Therapie des metastasierten Blasenkarzinoms. Zu den interessantesten Medikamenten gehören sicherlich monoklonale Antikörper gegen die extrazelluläre Domäne von EGFr/HER1 (IMC-C225, CetuximabTM, Imclone/Merck) und Inhibitoren der intrazytoplasmatischen Tyrosinkinase von EGFr/HER1 (ZD 1839, IressaTM, AstraZeneca). (s. Kap. 11) ▬ Onkogen HER2/neu: Eine Reihe von immunhistochemischen Studien zeigten, dass die Über-
expression von HER2/neu mit einer signifikant erhöhten Rezidiv- und Tumorprogressionsrate sowie mit einer verkürzten Gesamtüberlebensrate korrelierte (Miyamoto et al. 2000; Lipponen u. Eskelinen 1994; Moriyama et al. 1991; Sato et al. 1992; Gorgoulis et al. 1995). Demgegenüber konnte in zwei weiteren Studien HER2/neu nicht als unabhängiger Prognosemarker bestätigt werden (Mellon et al. 1996; Underwood et al. 1995). Eine weitere Studie untersuchte die HER2/neu-Expression sowohl im Primärtumor als auch in den korrespondierenden Lymphknotenmetastasen. Weder im Primärtumor noch in den regionären Lymphknotenmetastasen war die HER2/neu-Überexpression ein unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die Überlebensrate (Jimenez et al. 2001). Zusammenfassend ist die Datenlage bisher unzureichend, um HER/neu als einen potentiellen Prognosemarker für das Blasenkarzinom zu empfehlen. Vergleichend zu EGFr/ HER1 wurde auch HER2/neu als ein neues Targetmolekül zur Behandlung des Harnblasenkarzinoms entdeckt. Es wurden monoklonale Antikörper entwickelt, die an die extrazelluläre Domäne des HER2/neu-Rezeptors binden. Zu den bekanntesten Medikamenten gehört hier Trastuzumab (HerceptinTM, Genentech). Ein neuer Hemmstoff der Rezeptortyrosinkinasen, GW572016 (GlaxoSmithKline), wurde kürzlich in einer einarmigen, multizentrischen Phase-IIStudie als Monotherapie in der Second-Line-Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Blasenkarzinom getestet. Die Patientenrekrutierung konnte im August 2003 abgeschlossen werden. Entsprechende Auswertungen der Studie werden derzeit noch evaluiert. (s. Kap. 11)
Apoptose – der programmierte Zelltod Die kontrollierte Zellproliferation im gesunden Organismus wird einerseits durch den Zellzyklus, andererseits durch die Apoptose, den programmierten Zelltod reguliert. Prinzipiell kann der programmierte Zelltod durch die Zelle selbst ausgelöst werden oder sie erfolgt durch externe Signale über FasLiganden. Für die Triggerung bzw. Inhibierung der Apoptose in der Zelle ist eine besondere Gruppe von Proteinen verantwortlich, die zu der Bcl-2-Familie gehören. Innerhalb der Bcl-2-Familie werden zwei Subklassen unterschieden: Proapotoseproteine wie z. B. Bax, Bad, Puma fördern die Apoptose. Antiapoptoseproteine, dazu gehören BcL-2, Bcl-xL, SUR-
37 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt
VIVIN und LIVIN, inhibieren den programmierten Zelltod. Bei Aktivierung des programmierten Zelltods formieren Proapoptoseproteine Kanäle in die Mitochondrienmembran, sodass Cytochrom C aus den Mitochondrien in das Zellzytoplasma heraustreten kann. Cytochrom C aktiviert die Pro-Caspase 9 im Zytoplasma, das anschließend die CaspasenKaskade triggert und letztlich über deren Signalwege den programmierten Zelltod einleitet. Antiapoptoseproteine können den Austritt von Cytochrom C verhindern, indem sie Komplexe mit den Proapoptoseproteine an der Mitochondrienmembran bilden und dadurch die Kanäle verschließen. Bei der Tumorzelle findet sich eine Imbalance zwischen der Proapopstose- und Antiapoptoseproteinaktivität, sodass die Zelle letztlich auf Unsterblichkeit programmiert ist. Zusätzlich kann die Apoptose auch durch externe Signale ausgelöst werden. Zytotoxische T-Lymphozyten und natürliche Killerzellen synthetisieren spezielle transmembrane Proteine, die Fas-Liganden (FasL), die an spezifische Fas-Rezeptoren (Fas) einer Targetzelle binden können. Durch die FasLiganden/Rezeptor-Bindung an der Zellmembran wird im Zellzytoplasma die Pro-Caspase 8 aktiviert, die ebenfalls über die Caspasen-Kaskade den programmierten Zelltod initiiert (Ju et al. 1999). Ein Gruppe von membrangebundenen Fas-Liganden kann durch Proteasen an der extrazellulären Seite gespalten werden, sodass lösliche Fas-Liganden (sFasL) im Serum nachweisbar sind (Tanaka et al. 1996). In der Arbeit von Lee und Mitarbeiter fand sich in 28% aller untersuchten Blasenkarzinomproben eine Fas-Mutation. Die Autoren vermuten, dass eine Fas-Mutation möglicherweise auch mit dem Verlust der Apoptosefunktion einhergehen kann (Lee et al. 1999).
Apoptosemarker Bax, Bcl-2, Bcl-xL, Fas, LIVIN und SURVIVIN Oberflächliches Harnblasenkarzinom.
▬ Bax, Bcl-2, Bcl-xL, Fas, LIVIN und SURVIVIN: Die alleinige Bestimmung des Antiapoptosemarkers BCL-2 konnte bei Patienten mit einem pT1-Blasentumor keinen Hinweis auf das Tumorprogressionsrisiko und der Überlebenswahrscheinlichkeit geben (Plastiras et al. 1999). Demgegenüber zeigte die Untersuchung an 30 Patienten mit einem pT1G3-Blasentumor, dass die Gruppe mit positiver Bcl-2-Immunreaktion eine signifikant kürzere tumorfreie Überlebenszeit hatte (Wolf et al. 2001). In der Studie von Gazzaniga wurde die Genexpression des Proa-
4
poptosemarkers Bax sowie eine Kombination aus den Antiapoptosemarkern Bcl-2, Bcl-xL, LIVIN und SURVIVIN in oberflächlichen Blasentumoren analysiert. In der Langzeitbeobachtung korrelierten die Antiapoptosemarker LIVIN, Bcl-xL und der Bcl-2/Bax-Index signifikant mit der Tumorrezidivrate (Gazzaniga et al. 2003). ▬ Proapoptosemarker Fas und FasL: Serumkonzentrationen an löslichen Fas-Liganden (sFasL) und löslichen Fas-Rezeptoren (sFas) waren in Blasentumorpatienten signifikant höher als in der gesunden Kontrollgruppe. Zudem korrelierten die erhöhten sFasL- und sFas-Serumkonzentrationen signifikant mit der rezidivfreien Überlebenszeit von Patienten mit einem oberflächlichen, papillären Blasentumor (Mizutani et al. 2001; Mizutani et al. 2002). Invasives Harnblasenkarzinom.
▬ Antiapoptosemarker Bcl-2: Immunhistochemische Studien fanden keine Korrelation zwischen der Bcl-2-Expression und dem Tumorstadium sowie dem Differenzierungsgrad (Korkolopoulou et al. 2002; Shiina et al. 1996). Zusätzlich konnte in keiner Studie eine prognostische Relevanz von Bcl-2 in Bezug auf die Gesamtüberlebensrate und tumorfreie Überlebenszeit von Blasentumorpatienten nachgewiesen werden (Korkolopoulou et al. 2002; Shiina et al. 1996; Asci et al. 2001). ▬ Proapoptosemarker Bax: Entsprechend den Bcl2-Daten, korrelierte die Bax-Expression nicht mit den histopathologischen Parametern. In einer multivariaten Analyse von drei verschiedenen immunhistochemischen Studien war die Überexpression von Bax hingegen mit einem signifikant günstigeren Krankheitsverlauf verbunden (Hussain et al. 2003; Korkolopoulou et al. 2002; Giannopoulou et al. 2002). ▬ Proapoptosemarker Fas und FasL: In der Studie von Mizutani wurden die Serumkonzentrationen von löslichen Fas-Rezeptoren (sFas) untersucht und mit der tumorspezifischen Fünfahresüberlebensrate verglichen. Blasentumorpatienten mit erhöhten sFas-Serumkonzentrationen hatten eine signifikant kürzere tumorspezifische Fünfjahresüberlebensrate im Vergleich zu der Gruppe mit niedrigen Serumwerten (Mizutani et al. 1998). Hingegen zeigte eine immunhistochemische Untersuchung, dass die Proteinexpression von Fas im Blasentumorgewebe keine prognostische Signifikanz in Bezug auf den Krankheitsverlauf besitzt (Giannopoulou et al. 2002).
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Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
Zellinvasion und Metastasierung (⊡ Abb. 4.5)
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Der Begriff »Malignität« einer Tumorerkrankung besteht nicht in der lokalen Tumorausdehnung an sich, sondern in der Metastasierung, die letztlich zur lebenslimitierenden Situation führt. Dabei herrscht eine intensive Interaktion zwischen der Tumorzelle und ihrer Umgebung inklusive Fibroblasten, extrazellulärer Matrix, Endothelzellen und immunkompetenten Zellen. Der Prozess der Metastasierung ist eine Kaskade, bestehend aus einer Gefäßneubildung (Neoangiogenese) zur Sicherung der Sauerstoffversorgung im Tumor, einer verminderten Zelladhäsion im Gewebeverband mit folglich erhöhter Motilität von Tumorzellen, der Aktivierung proteolytischer Prozesse zur Steigerung der Tumorzellinvasion in das umgebende Bindegewe-
be, der Tumorzelldisseminierung in das Lymphund Blutgefäßsystem und letztlich die zielgerichtete Metastasierung in periphere Organe durch das Chemokinsystem.
Angiogenese Große Tumormassen müssen mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden, damit der Tumor in seiner gesamten Ausdehnung überleben und auch weiter wachsen kann. Die normale Diffusionsstrecke für Sauerstoff im Gewebe beträgt nur 2–3 mm (Folkman 1992). Daher wird im Tumor eine eigene Gerfäßversorgung (Neoangiogenese) aufgebaut. Die Neoangiogenese ist ein komplexes System, bestehend aus verschiedenen Proteinklassen. Zu dieser Gruppe gehören Wachstumsfaktoren, Zytokine und Chemokine. Dabei sind sie nicht nur Mediatoren für die Angiogenese, sondern erfüllen noch weitere
Apoptose
+
-
Tumorsuppressor Gene
G2
M
S
G1
Pro-Apoptose: Bax, Bad, PUMA, Fas Anti-Apoptose: Bcl-2, Bcl-X L , SURVIN, LIVIN
Onkogene
Angiogenese Zellproliferation Zellinvasion
Zelladhäsion
TumorzellDisseminierung
Proteolyse
Metastasierung
Lokalisation
⊡ Abb. 4.5. Zellinvasion und Metastasierung
+
VEGF, EGF, FGF, TGF-a, COX2
-
TSP-1, TGF-b
-
E-Cadherin, Catenin, Integrin, ICAM, CD44
+
MMP, uPA, Cathepsin, Laminin
-
+
TIMP
Chemokine: IL-8, CXCL12
39 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt
zahlreiche Funktionen in der Regulation der Zellproliferation und Zellmotilität sowie der Apoptose. Wachstumsfaktoren lassen sich unterteilen in fördernde und inhibierende Mediatoren der Angiogenese. Zu der Gruppe der Proangiogenesefaktoren gehören VEGF (»vascular endothelial growth factor«), EGF (»epidermal growth factor«), FGF (»fibroblast growth factor«) und TGF-alpha (»transforming growth factor-alpha«). Inhibitoren der Angiogenese sind TSP-1 (Thrombospondin-1) und TGF-beta (»transforming growth factor-beta«). Im Tumor herrscht ein Ungleichgewicht zu Gunsten der Proangiogenesefaktoren. Zusätzlich werden in Tumorzellen Enzyme überexprimiert, die normalerweise nur in der Wundheilung oder bei Entzündungen hochreguliert werden. Zu dieser Gruppe gehört das Enzym Cycloxygenase-2 (COX-2), das in der Regel unter hypoxischen Bedingungen oder bei Zellschädigung verstärkt synthetisiert wird. COX-2 ist ein wichtiges Enzym in der Synthese von Prostaglandinen. Eine erhöhte COX-2-Enzymaktivität führt zu einer verstärkten Prostaglandinsynthese im Tumorgewebe. Zusätzlich fördert es die Angiogenese sowie Zellproliferation und inhibiert die Apoptose (Pruthi et al. 2003).
Angiogenesemarker MVD (»microvessel density«) Oberflächliches Harnblasenkarzinom. Bei der MVD(»microvessel density«-)Methode werden zunächst immunhistochemisch neugebildete Gefäßendothelien markiert, anschließend wird die Gefäßdichte im Tumor und seiner Umgebung mikroskopisch bestimmt (Offersen et al. 2003). Alle bisher publizierten Studien zeigten eine deutliche Korrelation zwischen dem Grad der MVD und dem Tumorstadium. Allerdings konnte der MVD-Faktor in zwei Studien nicht als unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf Tumorrezidivrate und Progression evaluiert werden (Korkolopoulou et al. 2001; Reiher et al. 2002). Vergleichend dazu wurde in einer größeren Studie von Goddard der MVD-Index an 170 oberflächlichen Blasentumoren bestimmt. Interessanterweise entwickelten hier nur Patienten mit einem hohen MVD-Index einen Progress zum muskelinvasiven Tumorstadium. In der multivariaten Analyse war der hohe MVD-Index ein unabhängiger Prognosefaktor in Bezug auf die tumorrezidivfreie Überlebenszeit (Goddard et al. 2003). Diese Ergebnisse wurden konnten ebenfalls von Ozer an pT1G3Blasentumoren bestätigt werden (Ozer et al. 1999). Invasives Harnblasenkarzinom. Die überwiegende Anzahl an Studien zeigten eine signifikante Korre-
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lation zwischen einem hohen MVD-Index und der Tumorprogression (Dickinson et al. 1994; Philp et al. 1996; Jaeger et al. 1995; Inoue et al. 2000a). In der multivariaten Analyse wurde der MVD-Index zudem auch als unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die tumorspezifische Überlebensrate und Gesamtüberlebenszeit beschrieben (Korkolopoulou et al. 2001; Chaudhary et al. 1999; Bochner et al. 1995). Demgegenüber zeigten zwei Studien von Hawke und Lianes, dass die Analyse der MVD keine prognostische Relevanz im Blasenkarzinom besitzt (Hawke et al. 1998; Lianes et al. 1998).
Wachstumsfaktoren und Inhibitoren der Angiogenese VEGF, FGF, EGF, TGF-alpha und TGF-beta, TSP-1 Oberflächliches Harnblasenkarzinom.
▬ Vascular endothelial growth factor (VEGF): Immunhistochemische Arbeiten konnten keine Assoziation zwischen der VEGF-Proteinexpression in oberflächlichen Blasentumoren und der Tumorrezidivrate erkennen (Santos et al. 2003c; Chow et al. 1999). Hingegen zeigte eine hohe mRNA-Expression von VEGF in oberflächlichen Blasentumoren eine signifikante Korrelation mit der Tumorrezidivrate und Progressionsrate (Crew et al. 1997). Zusätzlich wurden in aktuellen Studien die VEGF-Konzentrationen in präoperativen Urinproben von Patienten mit einem oberflächlichen Blasentumor bestimmt. Hohe VEGF-Urinkonzentrationen waren dabei signifikant mit einer erhöhten Tumorrezidivrate verbunden (Jeon et al. 2001; Crew et al. 1999). ▬ Thrombospondin-1 (TSP-1): Während im normalen Urothelgewebe eine hohe TSP-1-Proteinexpression nachweisbar war, zeigte sich eine verminderte TSP-1-Expression im stark vaskularisierten Blasentumorgewebe (Campbell et al. 1998). In einer immunhistochemischen Studie an 220 oberflächlichen Blasentumoren korrelierte eine verminderte oder fehlende TSP-1-Expression signifikant mit einer kürzeren tumorprogressfreien Überlebensrate (Goddard et al. 2002). Invasives Harnblasenkarzinom.
▬ Vascular endothelial growth factor (VEGF): Die überwiegende Anzahl an publizierten Studien untersuchte die VEGF-Konzentration im Serum von Blasentumorpatienten. Erhöhte VEGF-Serum-Konzentrationen korrelierten zwar mit dem Tumorstadium und Differenzierungsgrad, jedoch war VEGF in der multivariaten Analyse kein unabhängiger Prognosefaktor in Bezug auf die Überlebensrate (Edgren et al. 1999;
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Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
Bernardini et al. 2001). Zusammenfassend ist die Datenlage bisher unzureichend, um VEGF als einen potentiellen Prognosemarker für das Blasenkarzinom zu empfehlen. Hingegen wurde VEGF als Targetmolekül zu Behandlung von soliden Tumoren sehr intensiv in den letzten Jahren diskutiert. Die Idee, dass man durch Blockung von Proangiogenesefaktoren die Gefäßneubildung im Tumor stoppen und praktisch »austrocknen« kann, wurde bereits 1971 von Judah Folkman vorgeschlagen (Kerbel u. Folkman 2002). In den letzten Jahren wurden mehrere humane monoklonale Antikörper gegen VEGF (z. B. Bevacizumab, Avastin, Genentech, San Francisco) entwickelt. Die aktuellen Ergebnisse einer randomisierten Phase-II-Studie bei Patienten mit einem metastasierten Kolonkarzinom zeigten in der Kombination von Bevacizumab mit der Chemotherapie Fluorouracil und Leucovorin eine verbesserte mediane Überlebenszeit von 20,3 Monaten im Vergleich zu 16,6 Monaten mit der alleinigen Chemotherapie (Kabbinavar et al. 2003). Aufgrund der sehr ermutigenden Ergebnisse wurde von der FDA das Zulassungsverfahren für Avastin verkürzt. (s. Kap. 11). ▬ Fibroblast growth factor (FGF): FGF ist nicht nur ein potenter Proangiogenesefaktor, sondern auch ein wichtiger Mediator für die Tumorzellproliferation, Zellmotilität, Chemotaxis sowie Inhibitor der Apoptose. Bisher wurde überwiegend die basische Isoform von FGF (bFGF) in Blasentumoren am intensivsten untersucht (Cronauer et al. 2003). Hohe bFGF-Proteinexpressionen fanden sich überwiegend in entdifferenzierten und fortgeschrittenen Blasentumoren im Vergleich zu einer minimalen Expression im normalen Urothelgewebe und in oberflächlich, papillären Blasentumoren (O’Brien et al. 1997; Cordon-Cardo et al. 1990; Palcy et al. 1995). Zahlreiche Studien haben den prognostischen Wert von bFGF in Urinproben von Blasentumorpatienten getestet. Es fanden sich hohe bFGF-Konzentrationen in Urinproben von Blasentumorpatienten im Gegensatz zur gesunden Kontrollgruppe (Watanabe et al. 1991; Nguyen et al. 1993). Allerdings korrelierte die bFGF-Urinkonzentration nicht mit dem Tumorstadium und dem Differenzierungsgrad (O’Brien et al. 1995). Ebenso konnte auch die Messung von bFGF im Serum von Blasentumorpatienten keine prognostische Relevanz in Bezug auf die Gesamtüberlebensrate zeigen (Edgren et al. 1999). Derzeit werden Inhibitoren von bFGF wie z. B. Thalidomid und Suramin in
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klinischen Phase-I/II-Studien bei Patienten mit Harnblasen- und Prostatakarzinomen getestet (Uchio et al. 2003; Walther et al. 1996). Epidermal growth factor (EGF): Quantitative Messungen der EGF-Genexpression im Blasenkarzinomgewebe zeigten keine Korrelation mit den Tumorstadium und dem Differenzierungsgrad. Im Langzeitverlauf hatten weder die EGFGenexpression noch deren Proteinexpression eine prognostische Bedeutung für den Krankheitsverlauf (Thogersen et al. 2001; Ravery et al. 1997). Transforming growth factor-alpha (TGF-alpha): Während eine Studie von Ravery eine signifikante Korrelation zwischen der TGF-alpha-Proteinexpression im Blasenkarzinom und der tumorspezifischen Überlebensrate nachweisen konnte, hatte TGF-alpha in der Studie von Thogersen keine prognostische Bedeutung (Ravery et al. 1997; Thogersen et al. 1999). Transforming growth factor-beta (TGF-beta): TGF-beta hemmt die endotheliale Zellproliferation und ist damit ein Inhibitor der Angiogenese. Im Vergleich zum normalen Urothelgewebe konnte im Blasenkarzinom eine hohe TGF-betaProteinexpression nachgewiesen werden. Allerdings gab es keine enge Korrelation zwischen der TGF-beta-Expression und dem Tumorstadium sowie dem Differenzierungsgrad (Eder et al. 1997; Izadifar et al. 1999). In der Studie von Kim war die TGF-beta im Langzeitverlauf ein unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die tumorprogressionsfreie Überlebenszeit (Kim et al. 2001). Ebenso zeigte auch die Bestimmung der TGF-beta-Konzentration im Serum von Blasentumorpatienten eine signifikante Korrelation mit der tumorrezidivfreien und tumorspezifischen Überlebenszeit (Shariat et al. 2001a). Thrombospondin-1 (TSP-1): Bisher untersuchte nur eine Studie von Grossfeld die TSP-1-Expression an 163 Zystektomiepräparaten. Patienten mit einer verminderten TSP-1-Expression zeigten eine signifikant erhöhte Tumorprogressionsrate und eine deutlich verkürzte Gesamtüberlebensrate. TSP-1 war in der multivariaten Analyse ein unabhängiger Prognosemarker (Grossfeld et al. 1997).
Angiogenesemarker COX-2 (Cyclooxygenase-2) Oberflächliches Harnblasenkarzinom. Aktuelle immunhistochemische Studien haben eine COX-2Überexpression im Blasenkarzinom verglichen zum
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normalen Urothelgewebe beschrieben. Dabei korrelierte die COX-2-Expression mit dem Tumorstadium und dem Differenzierungsgrad (Mohammed et al. 1999; Komhoff et al. 2000; Ristimaki et al. 2001). Im Langzeitverlauf konnte jedoch keine Korrelation zwischen der COX-2-Expression in oberflächlichen Blasentumoren und der Tumorrezidivrate nachgewiesen werden (Friedrich et al. 2003; Shariat et al. 2003b). Demgegenüber untersuchte die Arbeitsgruppe Kim ausschließlich eine Hochrisikogruppe mit pT1G3-Blasentumoren und konnte COX-2 als einen unabhängigen Prognosemarker in Bezug auf die Tumorrezidivrate evaluieren (Kim et al. 2002). COX-2-Enzyme sind nicht nur in der Neoangiogenese involviert, sondern fördern ebenso die Zellproliferation, Zellmotilität und Invasion, aber hemmen auch Mechanismen der Apoptose. Aufgrund ihrer Multifunktionalität in der Karzinogenese wurden neue COX-2-Inhibitoren in der Tumortherapie entwickelt. Am M. D. Anderson Cancer Center werden derzeit Hochrisikopatienten mit einem oberflächlichen Blasentumor nach TUR-B und BCG-Instillation mit dem COX-2-Inhibitor Celecoxib getestet. Die vom NCI geförderte Phase-II/IIIStudie untersucht dabei die Tumorrezidivrate im Langzeitverlauf (Pruthi et al. 2003). Invasives Harnblasenkarzinom. In zwei Studien war die COX-2-Überexpression im Blasenkarzinom mit einer kürzeren progressionsfreien- sowie tumorspezifischen Überlebensrate assoziiert. Allerdings konnte COX-2 im Vergleich zu den klassisch histopathologischen Kriterien nicht als unabhängiger Prognosefaktor für den Krankheitsverlauf evaluiert werden (Shirahama et al. 2001; Shariat et al. 2003c). Im Gegensatz zu den bisherigen Studien zeigte die Arbeit von Tiguert mit einer Serie von 172 invasiven Blasentumoren, dass die COX-2-Überexpression mit einer signifikant besseren Überlebensrate verbunden ist. Es wurde daraus gefolgert, dass COX-2 in weniger aggressiven Blasentumoren exprimiert wird (Tiguert et al. 2002).
Zelladhäsion Im gesunden Organismus bilden verschiedene Zelladhäsionsproteine eine komplexe Einheit und gewährleisten dadurch den interzellulären Kontakt und die Zellpolarität im Gewebeverband. Zu den wichtigsten Zelladhäsionsmolekülen gehören die Cadherine, Catenine, Integrine, ICAM und CD44. In vielen Tumorentitäten wurde eine fehlende oder verminderte Expression von Zelladhäsionsproteinen beschrieben. Dadurch wird die Ablösung einzelner Tumorzellen aus ihrem Gewebeverband erleichtert.
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Dies führt ebenso zur Steigerung der Zellmotilität und Migration. Das epitheliale Cadherin (E-Cadherin) ist ein transmembranes Glykoprotein und bildet mit ihrer extrazellulären Domäne ein wichtiges Adhäsionsmolekül, das den interzellulären Verband sichert (Gruss u. Herlyn 2001). Catenine sind Zelladhäsionsproteine und ein wichtiges Verbindungsglied zwischen den transmembranen E-Cadherinen und dem intrazellulären Zytoskelett. Es wurden drei Isoformen beschrieben: die alpha-, beta- und gamma-Catenine. Zusätzlich besitzen sie weitere Funktionen in Bereich der Signaltransduktion, Inhibierung der Apoptose sowie Förderung der Zellproliferation und Migration (Polakis 2001). Integrine sind transmembrane Rezeptoren und bestehen aus zwei Hauptdomänen, der alpha und beta Untereinheit. Extrazelluläre Matrixproteine wie Laminin, Kollagen und Fibronektin binden an spezifische Integrin-Rezeptoren. Dadurch wird die Adhäsion, Form und Struktur im Zellverband gewährleistet. Integrine erfüllen aber auch wichtige Aufgaben im Bereich der Zellmotilität und Angiogenese (Hynes 2002). CD44 ist ein transmembranes Glykoprotein und bildet Oberflächenrezeptoren im Urothelgewebe. Es wird zwischen dem Standart CD44 (CD44s) und seiner varianten Isoform (CD44v) unterschieden. Sie bilden wichtige Adhäsionsmoleküle im interzellulären Verband sowie in der Zell-Matrix-Interaktion. Zum anderen erfüllen sie auch wichtige Funktionen in der Lymphozytenaktivierung (Lesley et al. 1993; Haynes et al. 1989).
Adhäsionsmarker E-Cadherin, Catenin, Integrin, ICAM und CD44 Oberflächliches Harnblasenkarzinom.
▬ E-Cadherin: In zahlreichen Studien war der Verlust oder die verminderte E-Cadherin-Expression mit dem Differenzierungsgrad und dem Ausmaß der Tumorinvasion verbunden (Otto et al. 1994; Fujisawa et al. 1996; Bindels et al. 2001; Sun u. Herrera 2002). Immunhistochemische Studien an pTa- und pT1-Blasentumoren zeigten, dass Patienten mit einer verminderterten E-Cadherin-Expression ein signifikant kürzeres rezidivfreies Intervall im Vergleich zu der Gruppe mit normaler E-Cadherin-Expression hatten. In der multivariaten Analyse war E-Cadherin jedoch kein alleiniger unabhängiger Prognosefaktor in Bezug auf die tumorrezidivfreie Überlebenszeit (Lipponen u. Eskelinen 1995).
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Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
In der Studie von Shariat wurde die E-Cadherin-Expression ausschließlich an Blasengewebe mit einem Carcinoma in situ untersucht. Die veminderte E-Cadherin-Expression war in der multivariaten Analyse ein unabhängiger Prognosemarker (Shariat et al. 2001b). Zusätzlich wurde die E-Cadherin-Konzentration im Serum von Blasentumorpatienten gemessen. Hohe ECadherin-Konzentrationen waren mit einer kürzeren rezidivfreien Zeit assoziiert (Griffiths et al. 1996). ▬ CD44: Die bisher größte immunhistochemische Studie von Toma untersuchte die CD44v3–6Proteinexpression an 241 oberflächlichen Blasentumoren (pTa/pT1). Im Langzeitverlauf korrelierte der Verlust der CD44v3–6-Expression signifikant mit der verkürzten tumorrezidivfreien Überlebenszeit von Patienten mit einem pTaBlasentumor. Allerdings konnte die prognostische Relevanz von CD44v3–6 nicht bei Patienten mit einem pT1-Blasenkarzinom bestätigt werden (Toma et al. 1999). Demgegenüber analysierte eine zweite Studie die CD44s Expression in oberflächlichen Blasentumoren in Bezug auf die progressionsfreie Überlebenszeit. In der multivariaten Analyse war CD44s jedoch kein unabhängiger Prognosemarker (Stavropoulos et al. 2001). Invasives Harnblasenkarzinom.
▬ E-Cadherin: Im Langzeitzverlauf war eine verminderte E-Cadherin-Expression im Harnblasentumor mit einer signifikant verkürzten progressionsfreien Zeit oder einer verkürzten tumorspezifischen Überlebenszeit verbunden (Bringuier et al. 1993; Shimazui et al. 1996; Syrigos et al. 1998; Byrne et al. 2001; Nakopoulou et al. 2000). Allerdings zeigte die Studie von Lipponen, dass E-Cadherin im Vergleich zu den klassischen histopathologischen Kriterien keine zusätzlichen Informationen liefert und daher keinen unabhängiger Prognosemarker darstellt (Lipponen u. Eskelinen 1995). Demgegenüber untersuchte eine aktuelle Studie die präoperative E-Cadherin-Konzentration im Serum von Blasentumorpatienten. Dabei korrelierten hohe E-Cadherin-Serumkonzentrationen signifikant mit dem histopathologischen Nachweis einer Lymphknotenmetastasierung und einer kürzeren progressionsfreien Überlebenszeit (Matsumoto et al. 2003). ▬ Catenin: Mehrere immunhistochemische Studien zeigten im Langzeitverlauf, dass eine verminderte oder fehlende Expression der verschiedenen Catenin-Isoformen mit einer kürzeren
Gesamtüberlebensrate verbunden war. In der multivariaten Analyse war jedoch keine der Catenin-Isoformen ein unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die Überlebenszeit (Shimazui et al. 1996; Nakopoulou et al. 2000; Syrigos et al. 1998). ▬ Integrine: Die Rolle der Integrine beim Harnblasenkarzinom wurde bisher nur sporadisch untersucht. Die bisher größte Studie von Grossman untersuchte die Proteinexpression von alpha6/beta4-Integrin an 57 Blasentumorproben. In der Analyse wurden drei unterschiedliche Expressionsmuster jeweils mit fehlender, schwacher oder starker Immunreaktion evaluiert. Patienten mit schwacher alpha6/beta-Integrin-Expression zeigten im Gegensatz zu einer alterierten starken oder fehlenden Expression eine statistisch signifikant verbesserte Überlebensrate (Grossman et al. 2000). Mittlerweile wurden die Integrinrezeptoren als neue therapeutische Targetmoleküle entdeckt. In aktuellen Studien konnte mit der Behandlung von Integrinantagonisten die Angiogenese in soliden Tumoren inhibiert und folglich das Tumorwachstum reduziert werden (Kerr et al. 2002). ▬ Intercellular adhesion molecule-1 (ICAM-1): Immunhistochemische Studien fanden hohe ICAM1-Proteinexpressionen in invasiv wachsenden Blasenkarzinomen, während keine ICAM-1-Expression im normalen Urothelgewebe nachweisbar war (Tomita et al. 1993). Zusätzlich wurde auch lösliches ICAM-1 im Urin (uICAM-1) von Blasentumorpatienten und Kontrollpersonen gemessen. Im Vergleich zu der Kontrollgruppe war die uICAM-1-Konzentration von Blasentumorpatienten signifikant erhöht. Allerdings konnte keine Korrelation zwischen der uICAM1-Konzentration und den histopathologischen Parametern sowie dem Krankheitsverlauf evaluiert werden (Chow et al. 1998). Eine weitere Studie untersuchte die ICAM-1-Serumkonzentration (sICAM-1) von 90 Blasentumorpatienten und 30 gesunden Probanden. Auch in dieser Studie war die sICAM-1-Konzentration von Blasentumorpatienten signifikant höher vergleichend zur Kontrollgruppe. Hohe sICAM-1-Konzentrationen fanden sich überwiegend in entdifferenzierten und großen Blasentumoren mit einem Durchmesser von mindestens 3 cm. Bisher wurden keine Studien publiziert, die auch die sICAM-1 Konzentration mit dem Krankheitsverlauf von Blasentumorpatienten überprüften (Ozer et al. 2003).
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CD44: Im Vergleich zum normalen Urothelgewebe und oberflächlichen Blasentumoren wurde eine deutlich verminderte CD44 s und CD44v Expression in entdifferenzierten und invasiven Blasenkarzinomen gefunden (Ross et al. 1996; Sugino et al. 1996; Hong et al. 1995). Eine hohe Expression der Variante CD44v6 in muskelinvasiven Blasentumoren war mit einem deutlich günstigeren Krankheitsverlauf verbunden. In der multivariaten Analyse war CD44v6 ein unabhängiger Prognosefaktor in Bezug auf die Gesamtüberlebensrate (Lipponen et al. 1998b). Eine aktuelle Studie untersuchte den CD44v8–10/CD44sIndex in präoperativen Spontanurinproben von Patienten mit einem muskelinvasiven Blasentumor. Hohe CD44v8–10/CD44s-Indexwerte im Urin von Patienten mit einem invasiven Blasenkarzinom waren signifikant mit einer verkürzten tumorrezidivfreien Überlebenszeit verbunden. Der CD44v8– 10/CD44s-Index in Spontanurinproben wurde daher als eine effektiver, nichtinvasiver Prognosemarker vorgeschlagen (Miyake et al. 2002).
Proteolyse Epithelzellen bilden mit ihrer extrazellulären Umgebung eine dynamische Einheit und gewährleisten den kontinuierlichen, kontrollierten und lokalen Umbau im Gewebeverband. An den Umbauprozessen ist eine Reihe von verschiedenen proteolytischen Enzyme beteiligt, die in sechs Enzymklassen eingeteilt werden können: Matrixmetalloproteinasen (MMP), Serinproteasen inklusive Urokinase-Plasminogenaktivator (u-PA), Cathepsine, Heparansen, BMP1 Metalloproteinasen und ADAM (»a disintegrin and metalloprotease«). Sie degradieren epitheliale Basalmembranen und extrazelluläre Matrixproteine und bilden verschiedene Abbauprodukte wie Laminin, Kollagen und Fibronektin. Demgegenüber kann eine gesonderte Gruppe von Proteinen die proteolytische Enzymaktivität inhibieren und verhindert dadurch den unkontrollierten Gewebeabbau. Zu den inhibierenden Proteinen gehört unter anderem TIMP (»tissue inhibitor of metalloproteinases«). Im Tumorverband wird das Gleichgewicht zwischen der proteolytischen und inhibierenden Enzymaktivität zu Gunsten der abbauenden Enzyme verschoben. Tumorzellen sezernieren verschiedene Mediatoren wie Chemokine, Cytokine und EMMPRIN (»extracellular matrix metalloproteinase inducer«). Diese Mediatoren stimulieren Fibroblasten in der extrazellulären Matrix und induzieren dadurch die Sekretion von Metalloproteinasen in den Fibroblasten. Gleichzeitig wird die Synthese von inhibierenden Proteinen in stromalen Zellen blockiert,
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sodass nun ein unkontrollierter Gewebeabbau erfolgen kann. Dadurch ist eine ungehinderte Migration und Invasion von Tumorzellen in das umgebende Gewebe und Gefäßsystem möglich (Egeblad u. Werb 2002).
Proteolytische Enzyme und BasalmembranAbbauprodukte: MMP, TIMP, u-PA, Cathepsin und Laminin-P1 Oberflächliches Harnblasenkarzinom.
▬ Matrixmetalloproteinasen (MMP) und Inhibitoren der Metalloproteinasen (TIMP): Eine Überexpression von MMP findet sich überwiegend in entdifferenzierten und muskelinvasiven Blasentumoren (Ozdemir et al. 1999; Bianco Jr et al. 1998; Sumi et al. 2003). Daher wurde MMP als Prognosemarker in oberflächlichen Blasentumoren nur in wenigen Studien untersucht. In der Studie von Hara war eine erhöhte Genexpression von MMP-9 signifikant mit einer kürzeren tumorrezidivfreien Überlebensrate verbunden. Hingegen hatte MMP-2 in der multivariaten Analyse keine prognostische Relevanz (Hara et al. 2001). In einer aktuellen Studie von Durkan wurden die Konzentrationen von MMP9 und deren Inhibitor TIMP-1 in präoperativen Urinproben von Blasentumorpatienten gemessen. Die Analyse zeigte, dass ein niedriger MMP9/TIMP-1-Index signifikant mit einer höheren Tumorrezidivrate assoziiert war (Durkan et al. 2003) Invasives Harnblasenkarzinom.
▬ Matrixmetalloproteinasen (MMP) und Inhibitoren der Metalloproteinasen (TIMP): Mehrere immunhistochemische Studien konnten zwar eine erhöhte Expression von MMP2- und MMP9-Expression in entdifferenzierten und muskelinvasiven Blasentumoren nachweisen, allerdings konnten MMP-2 und MMP-9 nicht als unabhängige Prognosemarker in Bezug auf die progressionsfreie Überlebenszeit evaluiert werden (Ozdemir et al. 1999; Bianco Jr et al. 1998; Grignon et al. 1996; Papathoma et al. 2000). Hingegen zeigten drei Studien, dass eine positive MMP2- bzw. MMP9-Expression signifikant mit einer kürzeren tumorspezifischen Überlebensrate verbunden war (Kanayama et al. 1998; Vasala et al. 2003; Durkan et al. 2003). Zusätzlich wurde in drei Studien die Expression von TIMP2 im Blasentumorgewebe getestet und mit der Überlebensrate verglichen. Übereinstimmend in allen Studien war eine erhöhte TIMP-2-Expression mit einem ungünstigeren Krankheitsver-
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Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
lauf verbunden. Jedoch konnte TIMP-2 in der multivariaten Analyse nicht als unabhängiger Prognosemarker evaluiert werden (Gakiopoulou et al. 2003; Kanayama et al. 1998; Grignon et al. 1996). Zusätzlich wurden in präoperativen Urinproben von Blasentumorpatienten die MMP-2 and MMP-9 Konzentrationen gemessen. Dabei korrelierten hohe MMP Konzentrationen mit dem Tumorstadium und dem Differenzierungsgrad (Gerhards et al. 2001). Im Langzeitverlauf war eine hohe MMP-9 Konzentration im Urin statistisch jedoch nicht mit einer erhöhten Rezidivoder Progressionsrate verbunden (Durkan et al. 2003). Weitere Studien untersuchten auch die präoperativen Serumkonzentrationen von MMP2 und MMP9. Erhöhte Serumkonzentrationen fanden sich insbesondere bei Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen oder lymphogen metastasierten Blasentumor (Guan et al. 2003; Gohji et al. 1998). Eine kombinierte Bestimmung von MMP-2 und deren Inhibitor TIMP-2 im Serum von Patienten mit einem fortgeschrittenen Blasenkarzinom zeigte, dass ein hoher MMP2/TIMP-2-Index mit einer deutlich verkürzten rezidivfreien Überlebenszeit verbunden war. In der multivariaten Analyse konnte der MMP-2/ TIMP-Index als ein unabhängiger Prognosefaktor bestätigt werden (Gohji et al. 1998). Obwohl derzeit keiner der Metalloproteinasen bzw. deren Inhibitoren als Prognosemarker in der Klinik empfohlen werden kann, gibt es jedoch eine Reihe von klinischen Studien, die Metalloproteinasen als Targetmoleküle in der Therapie von soliden Tumoren testen. In einer randomisierten Phase-III-Studie wurde der MMP-Inhibitor, BB2516 (British Biotech, Oxford), an Patienten mit einem fortgeschrittenen Magenkarzinom untersucht und zeigte eine statistisch signifikant verbesserte tumorspezifische Überlebenszeit im Vergleich zur Kontrollgruppe. Ein weiterer MMP-Inhibitor, AG3340, wird derzeit in einer Phase-III-Studie an Patienten mit einem hormonrefraktären Prostatakarzinom getestet (Hidalgo and Eckhardt 2001). ▬ Urokinase-Plasminogenaktivator (U-PA): Die Serinprotease u-PA führt über die Aktivierung von Plasmin zu einem proteolytischen Abbau der extrazellulären Matrix. Eine erhöhte Genexpression von u-PA war überwiegend in invasiven Blasenkarzinomen im Vergleich zu oberflächlichen Blasentumoren nachweisbar (Seddighzadeh et
al. 2002). In der Studie von Hasui war eine hohe u-PA Proteinexpression im Blasentumorgewebe signifikant mit einer kürzeren Gesamtüberlebensrate verbunden (Hasui et al. 1992). Eine aktuelle Studie untersuchte die präoperative u-PA Serumkonzentration von Blasentumorpatienten. Hohe u-PA Serumkonzentration waren insbesondere bei lymphogen metastasierten Blasenkarzinompatienten nachweisbar. Zudem war u-PA ein signifikanter Prognosemarker in Bezug auf die progressionsfreie Überlebenszeit (Shariat et al. 2003d) ▬ Cathepsin: Die bisher publizierten Studien untersuchten überwiegend die Proteinexpression von Catepsin D im Blasentumorgewebe. Zwar konnten mehrere Studien eine Korrelation zwischen der Cathepsin-D-Expression und dem Tumorstadium sowie Differenzierungsgrad zeigen, jedoch hatte Cathepsin in keiner multivariaten Analyse eine prognostische Relevanz in Bezug auf die Gesamtüberlebenszeit (Ioachim et al. 2002; Carrascosa et al. 2002; Iizumi et al. 1997; Dickinson et al. 1995). Eine neue Studie untersuchte auch die Proteinexpression von Cathepsin B im Blasenkarzinomgewebe. Dabei fanden sich überwiegend hohe Cathepsin-B Expressionen in invasiven Blasenkarzinomen. Allerdings liegen keine Daten in Bezug auf den Krankheitsverlauf vor (Eijan et al. 2003). ▬ Laminin-P1: Laminin, eine Hauptkomponente der Basalmembran, wird durch Proteinasen in seine Fragmente Laminin-P1 abgebaut. In der Studie von Mungan waren die Serum-LamininP1-Konzentrationen von Blasentumorpatienten deutlich höher im Vergleich zu gesunden Probanden. Zudem korrelierten erhöhte Serum-Laminin-P1-Werte mit dem Tumorstadium, Tumorgröße und Anzahl der Blasentumoren, aber nicht mit dem Differenzierungsgrad. In der Verlaufkontrolle konnte bei Patienten mit hohen Laminin-P1-Konzentrationen auch erhöhte Tumorrezidivrate nachgewiesen werden (Mungan et al. 1996).
Tumorzelldisseminierung Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Harnblasenkarzinom entwickeln trotz radikaler Zystektomie in bis zu 50% eine systemische Progression in den ersten drei Jahren (Stein et al. 2001). Ursache dafür ist vermutlich eine zum Operationszeitpunkt bereits vorhandene, aber klinisch nicht nachweisbare lymphogene oder hämatogene Metastasierung, die durch lokale Therapiemaßnahmen nicht beein-
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flusst werden kann (Gusterson 1992). Zirkulierende Tumorzellen werden durch das derzeit übliche Tumorstaging nicht erfasst. Die frühzeitige Detektion von disseminierten Tumorzellen im Blut, Knochenmark oder Lymphknoten von Blasentumorpatienten wäre damit ein wichtiger Prognosemarker für das Blasenkarzinom. Durch die Entwicklung der Immunzytologie steht zum Nachweis zirkulierender Tumorzellen im Blut oder Knochenmark eine sensitive, allerdings auch aufwendige Methode zur Verfügung. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Zytokeratine (CK) als integrierte Bestandteile des Zytoskeletts epithelialer Zellen stabil exprimierte Merkmale in Tumorzellen besitzen, die mit spezifischen monoklonalen Antikörpern in einzelnen Karzinomzellen eindeutig nachweisbar sind (Pantel et al. 1996). Die überwiegende Zahl der immunzytologischen Studien haben CK-18 als epithelialen Tumormarker bevorzugt, der in der Regel nicht in mesenchymalem Kompartimenten wie peripheres Blut, Knochenmark und Lymphknoten exprimiert wird. Obwohl verschiedene Arbeitsgruppen die prognostische Relevanz der immunzytologischen Nachweismethode durch prospektive Studien bestätigen konnten (Diel et al. 1996), wurden Zweifel an die Aussagekraft der Methode geäußert. Hauptkritikpunkt war die mangelnde Reproduzierbarkeit dieser angewandten Technik. Das würde auch die sehr unterschiedlichen Detektionsraten von 4–45% erklären, die für das Mammakarzinom publiziert worden sind (Osborne u. Rosen 1994). Daher ist eine Standardisierung dieser Methode unerlässlich, um eine genauere und reproduzierbare Bestimmung der residuellen Tumorzellzahl zu ermöglichen. In den letzten Jahren kamen zusätzlich molekulare Nachweisverfahren auf der Grundlage der Reversen Transkriptase-Polymerasekettenreaktion(RT-PCR-)Technik vermehrt zum Einsatz. Damit ist es möglich, spezielle DNA-Abschnitte von disseminierten Tumorzellen millionenfach zu kopieren, sodass auch geringste Mengen von Tumorzell-RNA für ihren Nachweis ausreichen (Schlimok et al. 1991). Vorraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Tumorzelle spezifische Veränderungen in ihrem Genom aufweist und sich dadurch von den umgebenden hämatopoetischen Zellen unterscheidet. Für das Harnblasenkarzinom wurden bevorzugt gewebsspezifische Marker wie CK-20, Muzin 7 (MUC7), Uroplakin II (UP II) und EGFR gewählt. Das Hauptproblem der RT-PCR-Technik liegt zurzeit in ihrer unzureichenden Spezifität, bedingt durch Amplifikation von Pseudogenen oder die illegitime Expression von
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tumorassoziierter m-RNA in benignen Zellen (Krismann et al. 1995). Selbst wenn in absehbarer Zukunft perfekte Detektionstechniken mit sehr guter Spezifität und Sensitivität vorliegen sollten, darf nicht vergessen werden, dass eine Tumorzelldisseminierung nicht mit einer Metastasierung gleich zustellen ist. Nur eine Subgruppe von disseminierten Tumorzellen führt tatsächlich zu einer klinisch relevanten Metastasierung. Experimentelle In-vivo-Arbeiten zeigten, dass nur 0,02% aller zirkulierenden Tumorzellen im Gefäßsystem zu einer histologisch nachweisbaren Metastasierung führten (Chambers et al. 2002). Nach wie vor ist unklar, welche Bedingungen im mesenchymalen Gewebe wie Knochenmark und Lymphknoten vorliegen müssen, damit vereinzelte Tumorzellen proliferieren und Tumorkolonien ausbilden. Analysen an vereinzelten Tumorzellen zeigten, dass ein Großteil disseminierter Tumorzellen nicht proliferiert und als ruhende Tumorzellen (»tumor cell dormancy«) mit einer langen Latenzzeit ausharren (Pantel et al. 1993). Der folgende Abschnitt stellt die wichtigsten Arbeiten zum Nachweis von disseminierten Tumorzellen im venösen Blut, Knochenmark und Lymphknoten vor.
Immunzytologische Technik zur Detektion von disseminierten Tumorzellen Zytokeratin-18- (CK-18-)Nachweis im Knochenmark.
In der Studie von Hofmann wurden Knochenmarksproben von 128 Blasentumorpatienten und 28 Kontrollpersonen immunzytologisch auf CK-18 untersucht. Alle Kontrollpersonen hatten einen negativen CK-18-Knochenmarksbefund. Hingegen zeigte die Analyse eine signifikant hohe CK-18-positive Detektionsrate im Knochenmark von Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Blasenkarzinom sowie mit lymphogener Metastasierung. Im Langzeitverlauf hatten Patienten mit einem positiven CK-18-Nachweis eine signifikant erhöhte Tumorprogressionsrate im Vergleich zu der CK-18-negativen Gruppe (Hofmann et al. 2003). Zytokeratinnachweis in Lymphknoten. Zwei Studien von Yang und Leissner haben immunhistochemische Analysen mit verschiedenen Zytokeratinantikörpern an histologisch unauffälligen Lymphknoten von Blasentumorpatienten durchgeführt. Im Vergleich zur klassischen Histopathologie, konnten keine zusätzlichen zytokeratinpositiven Tumorzellen oder Mikrometastasen im Lymphknoten detektiert werden (Yang et al. 1999; Leissner et al. 2002).
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Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
RT-PCR-Technik zur Detektion von disseminierten Tumorzellen
Epidermal-growth-factor-receptor- (EGFR-)Nachweis im peripheren Blut. Bisher wurde die EGFR-mRNA-
Zytokeratin-20- (CK-20-)Nachweis im peripheren Blut und Knochenmark. Drei Studien untersuch-
Expression im venösen Blut von Blasentumorpatienten und Kontrollgruppen nur in einer Studie untersucht (Gazzaniga et al. 2001). Alle gesunden Probanden und Patienten mit einer Zystitis hatten in ihren Blutproben einen negativen EGFR-Befund. Die EGFR-Expressionsrate in Blutproben von Blasentumorpatienten zeigte zwar keine enge Korrelation zum Tumorstadium und Differenzierungsgrad, jedoch konnte EGFR als ein wichtiger Prognosemarker in Bezug auf die progressionsfreie Überlebenszeit evaluiert werden.
ten jeweils präoperativ die CK-20-Genexpression im peripheren Blut von Blasentumorpatienten und Kontrollprobanden (Fujii et al. 1999; Güdemann et al. 2000; Gazzaniga et al. 2001). In den Studie von Güdemann und Fujii hatten alle Kontrollpersonen einen negativen CK-20-Befund. Hingegen zeigten die Ergebnisse von Gazzanagia, dass in 4 von 30 venösen Blutproben gesunder Probanden und in 2 von 9 Proben von Patienten mit einer Zystitis eine positive CK-20-Expression nachweisbar war. In dieser Arbeit wurde jedoch keine Isolierung der mononukleären Blutzellen nach der Ficoll-Technik (Soeth et al. 1996) durchgeführt, was bekanntermaßen zu falsch-positiven CK-20-Befunden führt (Jung et al. 1999). In den Studien von Fujii und Güdemann korrelierte die CK-20-Nachweisrate im Blut mit dem Tumorstadium. Vergleichend dazu war in der Arbeit von Gazzanagia die CK-20-Expression weder mit dem Tumorstadium noch mit dem Lymphknotenstatus assoziiert. Des weiteren hatte CK-20 keine prognostische Relevanz im Krankheitsverlauf. Im Gegensatz zu der CK-20-Bestimmung im peripheren Blut, analysierte eine vierte Arbeitsgruppe die CK-20 Genexpression im Knochenmark. Der CK-20-Nachweis gelang in 35% aller untersuchten Knochenmarksproben von Blasentumorpatienten. Allerdings konnte keine enge Korrelation zwischen der CK-20-Detektionsrate und dem Tumorstadium und Differenzierungsgrad nachgewiesen werden (Retz et al. 2001). In der aktuellen Analyse war die tumorspezifische Überlebensrate nach 48 Monaten bei Patienten mit einem CK-20-positiven Knochenmarksbefund mit 38,4% im Vergleich zu der CK-20negativen Gruppe mit 64,6% (p=0,01) signifikant kürzer. In der multivariaten Analyse war CK-20 zusammen mit dem Lymphknotenstatus ein unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die tumorspezifische Überlebensrate (Retz et al. 2004a). Uroplakin-II- (UP II-)Nachweis im peripheren Blut.
In allen Studien war die UP-II-Genexpression im venösen Blut von gesunden Probenden negativ. Demgegenüber lag die UP-II-Detektionsrate in venösen Blutproben von lymphogen metastasierten Blasentumorpatienten nur zwischen 12,5% und 40%. Zudem konnte in einer aktuellen Studie keine Korrelation zwischen der UP-II-Detektionsrate im Blut und der progressionsfreien Überlebensrate gefunden werden (Li et al. 1999; Lu et al. 2000; Gazzaniga et al. 2001).
Muzin-7- (MUC7-)Nachweis im Lymphknotengewebe. In einer aktuellen Studie wurden insgesamt 166
Lymphknoten (LK) bei der radikalen Zystektomie von 25 Blasentumorpatienten und 20 LK von 10 Kontrollpatienten entnommen. Jeweils eine Hälfte des Lymphknotens wurde für die MUC7 RT-PCR und für die konventionelle Histologie verwendet. Alle Kontroll-LK waren MUC7-negativ und alle histologisch nachweisbaren Lymphknotenmetastasen waren MUC7-positiv. Von den 160 histopathologisch unauffälligen LK konnte in 46 LK (29%) von 17 Patienten eine MUC7-Genexpression nachgewiesen werden. Es konnte keine Korrelation zwischen der MUC7 Detektionsrate und dem Tumorstadium sowie Differenzierungsgrad gefunden werden. Im Langzeitverlauf muss evaluiert werden, ob MUC7 ein unabhängiger Prognosemarker für das Blasenkarzinom darstellt (Retz et al. 2004b).
Zielgerichtete Metastasierung Die Lokalisation von Blasenkarzinommetastasen in periphere Organe wie Lymphknoten, Lunge, Leber und Knochen ist kein zufälliger Prozess in der Metastasierungskaskade, sondern eine zielgerichtete Steuerung durch das Chemokinsystem. Noch vor einigen Jahren galt die Hypothese, dass Tumorzellen in hämatogenen und lymphogenen System zirkulieren, sich im Kapillarsystem peripherer Organe als Tumorembolus mechanisch verankern und neue Kolonien bilden (Bogenrieder u. Herlyn 2003). Aktuelle Arbeiten konnten nun zeigen, dass die zielgerichtete Wanderung von Tumorzellen in periphere Organe durch das Chemokinsystem reguliert wird (Strieter 2001). Chemokine gehören zur Familie der Zytokine und haben eine Molekulargewicht von 8–10 kDa. Sie spielen im gesunden Körper eine entscheidende Rolle in der Immunabwehr und Entzündungsreaktion. Chemokine können als »Lockstoffe« spezielle Chemokinrezeptoren von immunkompetenten Zellen wie z. B. Lymphozyten aktivie-
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ren und sie zu einem definierten Ort lokomotorisch anziehen. Tumorzellen bedienen sich der gleichen Botenstoffe für ihre zielgerichtete Wanderung in periphere Organe. Die eindruckvolle Arbeit von Müller zeigt, dass Mammakarzinomzellen spezielle Chemokinrezeptoren wie CXCR4 and CCR7 hochregulieren, die dagegen in der normalen Drüsenzelle fehlen. Die korrespondierenden Chemokinliganden, CXCL12 und CCL21, werden hauptsächlich in Lunge, Leber, Knochenmark und Lymphknoten in hohen Konzentrationen gebildet. Die Stimulation der Chemokinrezeptoren durch ihre zugehörigen Liganden führte zu einer deutlich erhöhten Migration und zielgerichteten Metastasierung von Mammakarzinomzellen in die entsprechenden chemokinreichen Organe (Muller et al. 2001). Bisher wurden nur wenige Arbeiten über Chemokine und deren Rezeptoren beim Blasenkarzinom publiziert. Jedoch sind die ersten Ergebnisse so ermutigend, dass Chemokine eine neue potentielle Rolle in der Prognose des Blasenkarzinoms darstellen könnten.
Chemokin IL-8 Die Stimulation von Blasentumorzellen mit IL-8 führte zu einer erhöhten Kollagenase- und Matrixmetalloproteinase-Aktivität und folglich zu einer verstärkten Tumorzellinvasion. Zusätzlich fördert IL-8 die Neoangiogenese. Weiterhin konnten IL8-aktivierte Blasentumorzellen im Mausmodell im Gegensatz zur unstimulierten Kontrollgruppe eine spontane lymphogene Metastasierung hervorrufen (Inoue et al. 2000b). In der Studie von Sheryka wurden die IL-8-Konzentrationen im Urin von Blasentumorpatienten und Kontrollgruppen analysiert. Es fanden sich signifikant erhöhte IL-8-Urinkonzentrationen bei allen Blasenkarzinompatienten im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe. Erhöhte IL-8 Urinkonzentrationen korrelierten dabei mit dem steigendem Tumorstadium. Zusätzlich wurden IL-8-Urinkonzentrationen nach TUR-B und abgeschlossener intravesikaler Instillation von oberflächlichen Blasentumoren gemessen. Patienten mit weiterhin nachweisbar hohen IL-8-Konzentration hatten eine signifikant erhöhte Tumorrezidivrate (Sheryka et al. 2003).
Chemokin CXCL12 In einer Screening-Untersuchung wurde die Genund Proteinexpression aller bekannten Chemokinrezeptoren in Blasenkarzinomen und in normalen Urothelzellen analysiert. Von den 18 bekannten Chemokinrezeptoren war ausschließlich CXCR4 im Blasenkarzinom deutlich überexprimiert, hin-
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gegen waren normale Urothelzellen CXCR4 negativ. Weiterhin korrelierte die erhöhte Gen- und Proteinexpression im Blasenkarzinomgewebe mit dem steigendem Tumorstadium. Zudem führte die Stimulation von CXCR4-positiven Blasentumorzellen mit ihrem Chemokinliganden CXCL12 zu einer signifikanten Steigerung der Tumorzellmigration und Invasion in die extrazelluläre Matrix (Retz et al. 2004c).
Molekulare Prognosemarker zur Bestimmung der Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie Molekulare Prognosemarker wurden nicht nur zur besseren Einschätzung des Krankheitsverlaufes von oberflächlichen und muskelinvasiven Blasenkarzinomen evaluiert, sondern auch zur Bestimmung der Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie. Dabei wird zwischen Prognosemarkern unterschieden, die eine Vorhersage zur Wirksamkeit einer intravesikalen Blaseninstillation beim oberflächlichen Blasentumor erlauben und Marker, die die Chemosensitivität von Zytostatika beim fortgeschrittenen Blasenkarzinom vorhersagen können.
Molekulare Prognosemarker zur Bestimmung der Wirksamkeit von intravesikalen Blaseninstillationen beim oberflächlichen Blasentumor In der überwiegenden Anzahl der Studien wurden p53, Ki-67 und Zytokine in oberflächlichen Blasentumoren getestet, um eine bessere Vorhersage über die Tumorrezidiv- und Progressionsrate nach intravesikaler Instillation zu erhalten. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Bestimmung von Prognosemarkern in Blasenbiopsaten vor oder nach Instillationstherapie erfolgte.
Tumorsuppressorgen p53 Bestimmung von p53 in Harnblasenbiopsaten vor intravesikaler Instillationstherapie. Zahlreiche Studi-
en haben die p53-Proteinexpression in Blasentumorgewebe jeweils vor der BCG-Behandlung getestet und mit der Tumorrezidiv- und Progressionsrate verglichen. Jedoch war p53 in der überwiegenden Anzahl der Arbeiten kein unabhängiger Prognosemarker zur Vorhersage über die Wirksamkeit einer intravesikalen BCG Behandlung (Lebret et al. 1998; Pages et al. 1998; Peyromaure et al. 2002; Zlotta et al. 1999;
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Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
Lacombe et al. 1996). Hingegen zeigten zwei Studien mit kleiner Fallzahl, dass die p53-Überexpression in oberflächlichen Blasentumorgewebe signifikant mit der Ansprechrate einer BCG-Behandlung korrelierte (Caliskan et al. 1997; Lee et al. 1997). Eine Studie von Pfister untersuchte die Genmutation von p53 in oberflächlichen, unbehandelten Blasentumorproben. In der univariaten Analyse war die p53-Genmutation signifikant mit der Tumorrezidivrate nach BCG-Therapie assoziiert. Eine multivariate Analyse wurde in dieser Arbeit jedoch nicht durchgeführt (Pfister et al. 1999b). Bestimmung von p53 in Harnblasenbiopsaten nach intravesikaler Instillationstherapie. Drei Studien
untersuchten den p53-Status in Blasenbiopsaten nach abgeschlossener intravesikaler BCG-Behandlung. In den Studien von Ovesen und Ick korrelierte die alterierte p53-Expression in Blasenbiopsaten nach BCG-Behandlung mit der Tumorprogressionsrate (Ovesen et al. 1997; Ick et al. 1997). In der bisher größten Studie mit 98 Patienten konnte in der multivariaten Analyse gezeigt werden, dass die p53-Alteration einen unabhängigen und alleinigen Prognosemarker zur Bestimmung der Tumorprogressionsrate darstellte. Anhand der vorliegenden Daten wurde von den Autoren diskutiert, ob eine radikale Zystektomie bei der Patientengruppe mit bestehender p53-Alteration nach BCG-Therapie empfohlen werden sollte (Lacombe et al. 1996).
wurde in der Studie von Kaempfer die IL-2-Genexpression in mononukleären Blutzellen gemessen. Eine hohe IL-2-Genexpression in mononukleären Blutzellen nach BCG-Therapie war mit einer niedrigen Tumorrezidivrate assoziiert. Zudem konnte IL-2 in der multivariaten Analyse als ein unabhängiger Prognosemarker bestätigt werden (Kaempfer et al. 1996). Interleukin-8 (IL-8). Neben IL-2 untersuchten auch zahlreiche Studien die IL-8-Konzentration in Urinproben nach BCG-Instillation. Allerdings fanden sich hier sehr gegensätzliche Studienergebnisse. Während drei Studien eine signifikante Korrelation zwischen einer hohen IL-8-Konzentration in Urinproben und einem günstigen Krankheitsverlauf mit niedriger Tumorrezidivrate nachweisen konnte (Thalmann et al. 1997, 2000; Kumar et al. 2002) war IL-8 in zwei Studien kein unabhängiger Prognosemarker (Sanchez-Carbayo et al. 2001; Rabinowitz et al. 1997).
Proliferationsantigen Ki-67 Die Proteinexpression von Ki-67 in Blasenbiopsaten wurde mit dem Krankheitsverlauf von Patienten nach abgeschlossener BCG-Therapie analysiert. In der multivariaten Analyse konnte keine Studie Ki-67 als einen unabhängigen Prognosemarker zur Vorhersage der Tumorrezidiv- oder Progressionsrate evaluieren (Lebret et al. 2000; Zlotta et al. 1999).
Zytokine IL-2 und IL-8
Antiapoptosemarker Survivin
Intravesikale Behandlungen mit BCG lösen in der gesamten Blasenschleimhaut eine spezifische Immunreaktion aus. Unter anderem werden dabei eine Reihe von Zytokinen wie z. B. die Interleukine im Urothelgewebe exprimiert und sezerniert. Unter der Annahme, dass eine hohe Zytokinexpression ein Spiegelbild der immunologischen Reaktion in der Blasenschleimhaut darstellt, wurden insbesondere die Gruppe der Interleukine als Prognosemarker im Urin getestet. Interleukin-2 (IL-2). Alle bisher durchgeführten Studien konnte eine signifikante Korrelation zwischen einer hohen IL-2-Konzentration im Urin nach BCGBehandlung und einer niedrigen Tumorrezidivrate zeigen. Die Autoren schlussfolgerten, dass eine hohe IL-2-Konzentration im Urin mit einem günstigen Krankheitsverlauf verbunden ist. Allerdings wurden in allen Studien zum einen nur univariate Analysen durchgeführt, zum anderen wurden die Tumorprogressionsraten nicht bestimmt (Sanchez-Carbayo et al. 2001; de Reijke et al. 1999; Saint et al. 2002). Im Gegensatz zu den Il-2-Messungen in Urinproben,
In einer aktuellen Studie von Hausladen wurde erstmals Survivin in Urinproben jeweils vor und nach Blaseninstillation mit Mitomycin oder BCG gemessen. Hohe Survivin-Urinkonzentrationen vor intravesikaler Therapie korrelierten im Langzeitverlauf mit einer hohen Tumorrezidivrate. Interessanterweise konnte bei Patienten mit kompletter Remission kein Survivin im Urin mehr gemessen werden. Demgegenüber hatten Patienten, die ein Tumorrezidiv entwickelten, erhöhte Survivin-Urinkonzentrationen (Hausladen et al. 2003).
Molekulare Prognosemarker zur Bestimmung der Wirksamkeit von systemischen Chemotherapien beim fortgeschrittenen Blasenkarzinom Glutathion-Transferasen Glutathion-Transferasen sichern die Entgiftung von Umweltsubstanzen und Medikamenten im Organis-
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mus. Durch ihre Enzymaktivität werden verschiedene Substanzen mit Glutathion konjugiert und im weiteren Stoffwechselprozess als Merkaptursäuren ausgeschieden. Über den gleichen Mechanismus werden auch Zytostatika wie z. B. Cisplatin, als Hauptkomponente in der Chemotherapie des Blasenkarzinoms, verstoffwechselt und entgiftet. Experimentelle Daten zeigten, dass eine gesteigerte Enzymaktivität von Glutathion-Transferasen zu einer erhöhten Konjugation von Glutathion mit Cisplatin führt und folglich eine verminderte zytostatische Wirksamkeit der Blasentumorzellen nachweisbar war (Kotoh et al. 1997; Pendyala et al. 1997). In einer klinischen Studie korrelierte die jeweilige Gewebekonzentration von Glutathion im Blasenkarzinom mit der Wirksamkeit einer Cisplatin-basierten Chemotherapie (Yang et al. 1997).
Metallothioneine Metallothioneine sind Proteine mit einem sehr hohem Cystein-Gehalt und besitzen die Eigenschaft, Metalle und freie Radikale in der Zelle zu binden. Experimentelle Studien konnten zeigen, dass eine hohe Metallothionein-Gewebeexpression zu einer verstärkten Cisplatinresistenz führte (Kelley u. Rozencweig 1989; Kotoh et al. 1994; Satoh et al. 1994). In zwei klinischen Studien war die Überexpression von Metallothionein im Blasentumorgewebe mit einer deutlich schlechteren Wirksamkeit der Cisplatin-basierten Chemotherapie beim Blasenkarzinom assoziiert (Bahnson et al. 1994; Siu et al. 1998).
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gewebe von Blasentumorpatienten, die mit mehr als 6 Zyklen nach dem M-VAC-Schema behandelt wurden (Petrylak et al. 1994). Jedoch zeigte der PGlykoprotein-Status im Tumorgewebe bei Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Blasentumor und abgeschlossener Chemotherapie keine prognostische Signifikanz im Krankheitsverlauf (Siu et al. 1998).
Cyclooxygenase-2 (COX-2) Eine aktuelle immunhistochemische Studie untersuchte die COX-2-Proteinexpression in Zystektomiepräparaten und korrelierte den COX-2-Status mit der Überlebensrate von 62 Blasentumorpatienten mit abgeschlossener Chemotherapie. Eine hohe COX-2-Expression im Blasentumor war mit einer signifikant kürzeren Gesamtüberlebensrate (p=0,01) der chemotherapierten Tumorpatienten verbunden (Wülfing et al. 2004).
Tumorsuppressorgen p21 Nur vereinzelte klinische Studien haben den p21Status von Blasentumorpatienten mit deren Krankheitsverlauf nach Chemotherapie verglichen. Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Blasentumor und positiver p21-Expression hatten nach adjuvanter Chemotherapie nach dem M-VAC-Schema eine signifikant bessere mittlere Gesamtüberlebenszeit von 60 Monaten. Demgegenüber lag die mittlere Gesamtüberlebenszeit nur bei 21 Monaten in der p21-negativen Patientengruppe (p<0,005) (Jankevicius et al. 2002).
Multi-Drug-Resistance-P-Glykoprotein
Tumorsuppressorgen p53
Das MDR-P-Glykoprotein ist in der Zellmembran lokalisiert und funktioniert als Efluxpumpe, das toxische Substanzen aus der Zellen nach außen transportiert. Allerdings spielt das MDR-P-Glykoprotein keine entscheidende Rolle für die CisplatinResistenz (Pu et al. 1996). Demgegenüber finden sich Hinweise, dass eine erhöhte MDR-P-GlykoproteinExpression in Blasentumoren zu einer verstärkten Resistenz von Anthrazyklinen und Taxanen führen kann (Pu et al. 1996; Guo et al. 1997). In einer klinischen Studie wurde die P-Glykoprotein-Expression von Blasentumorbiopsaten jeweils vor und nach Chemotherapie nach dem M-VAC- (Methotrexat, Vinbalstin, Doxorubicin, Cisplatin) Protokoll verglichen. Die P-Glykoprotein-Expression war in Gewebeproben nach durchgeführter zytostatischer Behandlung signifikant höher im Vergleich zu den chemonaiven Biopsaten. Allerdings fand sich die höchste P-Glykoprotein-Expression in Metastasen-
p53-Expression bei Patienten mit einem metastasiertem Blasenkarzinom. Mehrere Studien untersuchten
den p53-Status bei Patienten mit einem metastasiertem Blasenkarzinom in Abhängigkeit von der Wirksamkeit einer durchgeführten systemischen Chemotherapie. Die klinischen Daten zeigten übereinstimmend, dass die Chemosensitivität und der Krankheitsverlauf unabhängig von der p53-Expression im Blasentumorgewbe waren (Sengelov et al. 1997; Siu et al. 1998; Kakehi et al. 1998). p53-Expression bei Patienten mit einem organbegrenzten Blasenkarzinom. In zwei Studien wurde der
p53-Status von Patienten mit einem organbegrenzten Blasentumor bestimmt und mit der Wirksamkeit einer neoadjuvanten Cisplatin-basierten Chemotherapie verglichen. Patienten mit einer normalen p53-Expression hatten eine signifikant bessere Ansprechrate und tumorspezifische Überlebenszeit im Vergleich zu der Patientengruppe mit alterierter
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p53-Expression (Sarkis et al. 1995; Kakehi et al. 1998; Koga et al. 2000). Hingegen zeigte eine Studie im adjuvanten Ansatz nach dem M-VAC-Schema, dass der p53-Status bei Patienten mit einem lokal fortgeschrittenem Blasentumor keine prognostische Signifikanz in Bezug auf die Gesamtüberlebenszeit besitzt (Jankevicius et al. 2002). Demgegenüber hatten Patienten mit alterierter p53-Expression und adjuvanter Chemotherapie nach dem CisCA- (Cisplatin, Cyclophosphamid, Adriamycin) Protokoll eine deutlich bessere Ansprechrate und einen günstigeren Prognoseverlauf im Vergleich zu der p53-negativen Gruppe (Cote et al. 1997). Basierend auf diesen Daten wurde die erste prospektiv, randomisierte Studie zur Evaluierung von p53 als Prognosemarker von der Southern California Universität, Baylor College of Medicine und der Chicago Universität initiiert. An der multizentrischen Phase-III- und NCI-gesponserten Studie nimmt zusätzlich die SWOG (Southwest Oncology Group) teil. In dieser Studie wird der p53-Status von Patienten mit einem organbegrenzten Blasentumor (pT1-pT2bpN0M0) nach radikaler Zystektomie bestimmt. Patienten mit normaler p53-Expression werden regulär ohne weitere adjuvante Behandlungen nachgesorgt. Dagegen werden Patienten mit alterierter p53-Expression entweder in den Chemotherapiearm oder im Kontrollarm randomisiert. Bei der ersten Patientengruppe wird nach radikaler Zystektomie eine adjuvante Chemotherapie mit 3 Zyklen nach dem M-VAC-Schema druchgeführt. Die zweite Studiengruppe wird als Kontrollarm ohne Adjuvanz nachbeobachtet. Es handelt sich hierbei um die erste klinische Studie beim Harnblasenkarzinom unter Einbezug eines molekularen Prognosemarkers. Diese Studie soll analysieren, ob Patienten mit einem organbegrenzten Blasentumor und gleichzeitig vorliegender p53-Mutation eine Hochrisikogruppe darstellen und von einer zusätzlichen Chemotherapie profitieren können. Obwohl die Initiierung dieser prospektiv, multizentrischen Studie sicherlich ein erster, richtungsweisender Meilenstein für die Zukunft darstellt, bleibt dennoch die Frage, ob das Studiendesign den aktuellen klinischen Anforderungen erfüllt. Ein Problem ist sicherlich, dass bisher sehr divergente Ergebnisse zu p53 als unabhängigem Prognosemarker vorliegen und viele Institutionen den direkten Übergang in eine klinische Therapieentscheidung scheuen. Zum anderen wurden zwischenzeitlich neue und besser verträgliche Zytostatikakombinationen mit Gemcitabin oder Taxol entwickelt, sodass für viele Kliniker die alte MVAC-Kombination nicht mehr attraktiv erscheint.
Trotz der Kritikpunkte bleibt zu hoffen, dass eine schnelle Patientenrekrutierung mit einer kalkulierten Patientenzahl von 760 stattfinden wird.
Jetzt geht es erst richtig los! Der Vergleich von Äpfel mit Birnen in der klinischen Forschung Uneingeschränkt ist p53 der bisher am intensivsten untersuchte Prognosemarker für das Harnblasenkarzinom. So ist es dennoch verwunderlich, dass trotz der umfangreichen Daten über p53, mit teilweise sehr großen Patientenfallzahlen, immer noch keine Aussage zur »klinischen Tauglichkeit« getroffen werden kann. Am Beispiel der p53-Studie von Masters, mit der bisher größten Fallzahl von 502 Patienten mit einem oberflächlichen Blasentumor, werden die Probleme im klinischen Studiendesign, in der Labormethodik und in der statistischen Auswertung deutlich (Masters et al. 2003). ▬ Einschlusskriterien: Die Patientenauswahl in Bezug auf das Tumorstadium ist in den einzelnen Studien sehr unterschiedlich. Eine Reihe von Studien untersuchte nur Patientengruppen mit ausschließlich pTa- (Casetta et al. 1997; Leissner et al. 2001), pTis- (Shariat et al. 2003a) oder pT1-Blasentumoren (Grossman et al. 1998; Hermann et al. 1998). Hingegen analysierten andere Studien die Gesamtgruppe aller oberflächlich wachsenden Blasentumoren mit Einbeziehung der Stadien von pTaG1 bis pT1G3 (Malmstrom et al. 1999; Masters et al. 2003). Es ist daher nicht erstaunlich, dass bei der Vermischung der Patientengruppen mit unterschiedlichen Tumorstadien auch große statistische Differenzen in Bezug auf die Tumorprogressionsrate entstehen. In der Studie von Masters erreichte die positive p53-Expression nur dann ein statistische Signifikanz in Bezug auf die Tumorprogression, wenn die Variable »Stadium pT1G3« ausgeschlossen wurde. Hingegen war in der multivariaten Analyse nicht p53, sondern das pT1G3-Stadium der stärkste Prognosefaktor. ▬ Therapie: Klinische Studien können nur dann miteinander verglichen werden, wenn auch die Therapie des oberflächlichen Blasentumors einheitlich durchgeführt wird. Fakt ist, dass die Behandlungsformen in den p53-Studien so divergent sind, dass eine vergleichende statistische Auswertung unzulässig ist. Je nach Studiendesign reichte das Therapiespektrum von
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der einmaligen TUR-B, über eine zweite TURNachresektion bis zu den unterschiedlichsten Blaseninstillationsprogrammen. ▬ Auswahl des Antikörpers (AK) für die p53-Immunohistochemie: In den p53-Studien wurden überwiegend vier unterschiedliche Antikörper verwendet, dazu gehören 1801, DO1, D07 und CM1. In der Studie von Masters wurden zwei Antikörper, 1801 und DO7, gleichzeitig getestet. Je nach Einsatz der Antikörper war das Risiko, einen Tumorprogress zu erleiden, in der »1801AK-Gruppe« 2,5fach erhöht, hingegen in der »D07-AK-Gruppe« nur 1,3fach. ▬ Definition der p53-Positivität: Bei der detaillierten Analyse aller p53-Studien wird deutlich, dass unterschiedliche Definitionen für einen »positiven« p53-Tumor vorliegen. Je nach Anteil der positiv gefärbten p53-Zellen im Verhältnis zum gesamten Tumorverband wird ein »Cut-offWert« festgelegt, der die einzelne Tumorprobe als p53-positiv oder -negativ definiert. Die Variationen reichen dabei von >0% (Casetta et al. 1997), 5% (Masters et al. 2003), 10% (Esrig et al. 1994) bis über 20% (Cordon-Cardo et al. 1997). Zusammenfassend liegen zwar umfangreiche Daten zu p53 vor, jedoch gleicht keine Studie im Design der anderen Studie. Es ist also nicht verwunderlich, dass der verzweifelte akademische Versuch, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, leider nicht zum Erfolg führt. Der neu gegründete internationale Verbund »Bladder Tumor Marker Network« hat sich zum Ziel gesetzt, multizentrische, prospektive und standardisierte Studien zur Evaluierung neuer Prognosemarker zu initiieren. Die praktische Durchführung der Standardisierung von Labormethoden ist allerdings nicht zu unterschätzen. Der Verbund »International Bladder Cancer Network« hat eine eigene Qualitätsprüfung in fünf verschiedenen Institutionen zur Bestimmung der p53-Positivität in Blasentumoren durchgeführt. Alle Kliniken erhielten die gleichen 50 Präparate mit einem muskelinvasiven Blasentumor. Nach der »standardisierten p53-Immunfärbung« sollte der Anteil der p53-positiven Tumorzellen im Gewebe bestimmt werden. Zwar zeigten alle Labore eine hohe Konkordanz in der Bewertung von extrem hohen oder niedrigen p53-Anfärbungen, jedoch waren erhebliche Unterschiede in der Bewertung der Grauzone zu erkennen (McShane et al. 2000). Auch wenn derzeit noch anfängliche Schwierigkeiten in der multizentrischen Zusammenarbeit auftreten, sollten in Zukunft nur prospektiv, standardisierte Laborstudien gefördert und anerkannt wer-
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den. Vergleichend zu den vom AUO (Arbeitskreis Urologische Onkologie) empfohlenen klinischen Studien, müssen auch die zukünftigen Laborstudien mit einem Gütesiegel für ihr Studiendesign und ihrer praktischer Durchführung ausgezeichnet werden. Mittlerweile werden in vielen Arbeitsgruppen Tissue Microarrays (TMA) verwendet, die eine verbesserte Standardisierung von immunhistologischen Studien gewährleisten. Bereits vor 18 Jahren entwickelte die Arbeitsgruppe Battifora die Grundlage der Tissue Microarrays. Hier werden aus vielen verschiedenen Paraffinpräparaten Gewebeproben zylindrisch ausgestanzt und in einen gänzlich neuen Paraffinblock überführt (Battifora 1986). Mit diesem Verfahren können bis zu 2500 Gewebeproben von 0,6 mm Durchmesser auf einem Objekträger aufgebracht werden (Kocher et al. 2002). Im Vergleich zu der klassischen Immunhistologie, können mit der TMA große Fallzahlen in nur einem einzigen Arbeitsgang untersucht werden. Die TMA bietet somit identische Versuchsbedingungen für alle untersuchten Gewebeproben, sodass die Ergebnisse durch methodische Unregelmäßigkeiten unbeeinflusst bleiben. Weitere Vorteile der TMA finden sich in der zeit- und kostensparenden Analyse von großen Probenmengen. Allerdings diskutieren Kritiker der TMA aktuell, ob die aus Paraffinblöcken herausgestanzten Gewebezylinder von nur 0,6 mm Durchmesser die Charakteristika des Gesamttumors in vollem Umfang repräsentieren können. Bekannterweise präsentieren histologische Großflächenschnitte von Prostatakarzinomen oder Blasenkarzinomen ein sehr heterogenen Tumormaterial. Vergleichende immunhistochemische Studien haben die p53-Proteinexpression in Prostatakarzinomen mit der TMA-Technik und mit den korrespondierenden Großflächenschnitten untersucht. Dabei war die p53-Expression in der TMA-Technik deutlich abweichend von den konventionellen Großflächenschnitten (Merseburger et al. 2003). Auch wenn Optimierungen in der TMATechnologie weiterhin erforderlich sind, bietet sie bereits heute klare Vorteile gegenüber der klassischen Immunhistologie in Bezug auf methodische Standardisierung sowie zeit- und kostensparende Analytik.
Nach HUGO kommt HUPO Wissenschaftler aus 17 Ländern haben 1988 den Verbund Human Genome Organisation (HUGO) gegründet und sich zum Ziel gesetzt, das gesamte menschliche Genom in 16 Jahren zu entschlüsseln.
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Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
Das wissenschaftliche Projekt, das umgerechnet drei Milliarden Euro kostete, wurde von vielen Beobachtern mit den Anstrengungen der ersten Mondlandung verglichen. Dank der Fortschritte in der Sequenziertechnik konnte bereits nach 11 Jahren, also fünf Jahre früher als erwartet, das gesamte menschliche Genom mit seinen drei Milliarden einzelnen Nukleotiden entschlüsselt werden. Zahlreiche Wissenschaftler waren letztlich doch sehr überrascht, dass die Anzahl der Gene in der hoch entwickelten Spezies Homo sapiens von den anfänglich geschätzten 100.000 Genen auf nur ca. 30.000 Genen zusammenschrumpfte. Immerhin 300 Gene mehr als die gewöhnliche Feldmaus. Mit dieser Erkenntnis mussten sich die Wissenschaftler zudem von ein weiteres Dogma lösen, das der »Ein-Gen-ein-Protein-Hypothese«. Mittlerweile wird angenommen, dass ein einzelnes Gen die Grundmatrize für nahezu 10 verschiedene Proteine enthält. Damit besitzt der Mensch rund 300.000 bis 400.000 verschiedene Proteine. Nach Abschluss der weltweit konzertierten Aktion »Human Genome Project« lautete das Fazit vieler Wissenschaftler: Jetzt geht es erst richtig los! Der Biochemiker Friedrich Lottspeich vom MaxPlanck-Institut für Biochemie in Martinsried hat den aktuellen Stand der Forschung sehr anschaulich erklärt: »Wenn wir die menschliche Zelle mit einer Großstadt vergleichen, ist die Genomsequenz nichts weiter als eine Liste der Einwohner. Wir wissen nichts darüber, was in der Stadt wirklich passiert, wo die Bürger wohnen, wer sich mit wem unterhält, wer welchen Beruf hat usw. Diese Akteure sind im Körper die mehr als eine Million unterschiedlichen Proteintypen, deren Herstellungsrezepte im Genom kodiert sind. In jeder Zelle sind zu jedem Zeitpunkt mehr als 50.000 Proteine aktiv.« Um die Struktur und Funktion aller Proteine (Proteom) im Menschen zu verstehen, haben Proteinforscher am 8. Februar 2001 einen neue internationalen Verbund, die Human Proteomic Organization (HUPO) gegründet. Ziel von HUPO ist die systematische und internationale Erforschung der Proteinsequenzen, Strukturen, Modifikationen, Zelllokalisation sowie Protein-Protein-Wechselwirkungen. Auch wenn inzwischen mit der heutigen Technologie Proteinsequenzen und Molekülstrukturen automatisiert bestimmt werden können, befindet sich die heutige Proteomanalytik noch im frühen »Embryonalstadium«. Nach wie vor fehlen standardisierte und messtechnisch sichere Verfahren, um komplexe Proteinwechselwirkungen und zeitliche Abläufe der einzelnen Proteininteraktionen in der Zelle zu bestimmen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Gründungsstunde von
HUPO unter dem Motto »Genes were easy« eröffnet wurde. Im November 2002 wurde der erste HUPOWeltkongress eröffnet. Wenn man bedenkt, welche überdimensionale Herausforderung HUPO darstellt, so war der Kongress in Versailles, Frankreich, ein durchaus angemessener Tagungsort. Auch wenn die Bedeutung des entschlüsselten Genoms nicht mehr mit der ersten Mondlandung vergleichbar ist, so bleibt doch letztlich ein guter Aspekt für die selbst ernannte Krone der Schöpfung, wie Friedrich Lottspeich abschließend kommentierte: »Dies lässt dem Menschen mehr Freiheit. Die Gefahr, dass das entschlüsselte Genom den Menschen ‚gläsern’ machen könnte, besteht nun auf absehbare Zeit nicht.«
Neue Technologien zwischen Genom und Proteom In den letzten fünf Jahren wurde die klinische Forschung mit neuen, teilweise extravaganten und kostspieligen Labortechniken konfrontiert. Umso schwieriger ist es für den klinisch tätigen Urologen, noch den Überblick in der rasanten Entwicklung zu behalten. Während sich die früheren klassischen Studien noch auf einzelne molekulare Marker beschränkten, können heute mit den neuen Technologien riesige Datensätze von zahlreichen Markern in kurzer Zeit effizient bestimmt werden. Im Vergleich zu den früheren genetischen Untersuchungen, ermöglichen Microarrays (Genchips) die Analyse von bis zu 30.000 Genen in nur einem Versuchsdurchgang. Microarrays besitzen auf ihrer Oberfläche mehr als 500.000 verschiedene Sequenzabschnitte und repräsentieren wichtige tumorassoziierte Gene. Das ursprüngliche Prinzip der Microarrays besteht darin, dass im ersten Schritt die RNA aus einer Tumorprobe in ihre cDNA umgeschrieben wird. Anschließend wird die cDNA radioaktiv markiert und auf einem Genchip aufgetragen. Einzelne cDNA-Abschnitte können nun mit den passenden, komplementären Gensequenzen des Microarrays binden und hybridisieren. Bei der anschließenden Auswertung werden die radioaktiv markierten Punkte genau dem Genabschnitt auf der Microarray-Kartierung zugeordnet. Derzeit werden generell zwei Grundtypen unterschieden: Genomische DNA-Microarrays identifizieren chromosomale Alterationen im Tumorgewebe. Demgegenüber messen Genexpressions-Arrays die unterschiedlichen Expressionshöhen auf RNA-Ebene zwischen Tumorzelle und normaler Zelle (Guo 2003). Nach den bisherigen Erkenntnissen aus früheren Studien
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kann die Analyse von nur einzelnen Genen nicht die wahre biologische Eigenschaft eines individuellen Tumors wiederspiegeln. Die Microarray-Technik bietet nun die Möglichkeit, genetische Veränderungen von komplexen Regulationssystemen und zahlreichen Signalkaskaden zu erfassen. Auch wenn die Genchip-Technologie derzeit zum modernsten und höchsten Standard gehört, dürfen auch hier die potentiellen Fehlerquellen nicht vernachlässigt werden. Unregelmäßige Beschichtungen der Genchipoberflächen, fehlerhafte Auftragung von Gensequenzen und Staubkontaminationen können letztlich die Hybridisierungsvorgänge einzelner Gensequenzen einschränken. Umso verständlicher, dass von zahlreichen Kritikern der Genchiptechnologie die inkonsistente Reproduzierbarkeit bemängelt wird. Experten auf dem Gebiet der Microarray-Technik empfehlen daher eine mindestens dreimalige Wiederholung der Genchipanalyse (Piper et al. 2002; Lee et al. 2000). Eine weitere Limitierung findet sich in der RNAProbenaufarbeitung. Das hochsensitive MicroarraySystem bedarf im Idealfall reinsten RNA-Materials aus Tumorgewebe ohne Kontaminationen mit normalen oder entzündlich veränderten Zellen. In der Regel ist das Blasentumorgewebe jedoch sehr heterogen aufgebaut, sodass die klassische Isolierung von ausschließlich Tumorzellen nahezu unmöglich erscheint. Neue Standards fordern daher die Separation von Tumorzellen mit der Laser-Mikrodissektionstechnik. Allerdings ist die praktische Durchführung der Laser-Mikrodissektion bekanntermaßen sehr zeitaufwendig und kostenintensiv. Häufig ist zudem das separierte Tumormaterial zu gering, um eine ausreichende RNA-Menge für die Microarray-Technologie zu gewinnen (EmmertBuck et al. 1996). Schlussfolgernd sind Microarrays in der Routinediagnostik derzeit nicht geeignet. Die gewonnen Datenmassen lassen häufig mehr Fragen aufkommen, als dass sie uns Antworten liefern. Aktuelle Studien haben sich daher zum Ziel gesetzt, eine begrenzte Anzahl von Genen zu identifizieren, die eine exakte Aussage über das biologische Verhalten des individuellen Tumors erlauben. Eine dänische Arbeitsgruppe untersuchte 40 verschiedene Blasenkarzinomproben mit der Microarray-Technik und analysierte die Expression von über 7500 Genen. Bei der Auswertung konnten 1767 Gene im Blasentumor identifiziert werden, die im Vergleich zum normalen Urothelgewebe ein verändertes Expressionsprofil zeigten. Interessanterweise erlaubte eine weitere Datenanalyse die Eingrenzung der Anzahl auf nur 32 Gene, die eine exakte Vorhersage
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zum Progressionsverlauf von oberflächlichen Blasentumoren ermöglichte (Dyrskjot et al. 2003). Eine amerikanische Arbeitsgruppe untersuchte mit der Microarray-Technik das Expressionsprofil von über 16.000 Genen in Primärkarzinomen verschiedener Tumorentitäten. In dieser Studie wurden Patienten mit einem Mamma-, Lungen- oder Prostatakarzinom sowie Patienten mit Lymphomen und Medulloblastomen eingeschlossen. Aus den großen Datenmassen konnte letztlich ein Cluster von 17 Genen im Primärtumor evaluiert werden, die im Langzeitverlauf mit einer späteren Metastasierung assoziiert war. Patienten mit Nachweis eines veränderten Genclusters im Primärtumor hatten eine signifikant kürzere Überlebenszeit im Vergleich zu der Gruppe ohne alterierte Genexpression. Interessanterweise war das Risikoprofil unabhängig von der Tumorentität (Ramaswamy et al. 2003). Entscheidend scheint also nicht das Sammeln von Datenmassen zu sein, sondern die Extraktion von Schlüsselgenen, die eine bessere Risikoabschätzung für jeden individuellen Tumorpatienten erlauben. In den letzten Jahren fokussierte die klinische Forschung insbesondere auf die Proteomanalyse. Für die Proteinanalytik wird verstärkt die 2-D-Gelelektrophorese (»two-dimensional polyacrylamide gel electrophoresis«, 2-D PAGE) in Kombination mit der Massenspektroskopie eingesetzt. Hierbei werden Proteine in der ersten Dimension nach ihrer Ladung und in der zwei Dimensionen nach ihrem Molekulargewicht gelelektrophoretisch aufgetrennt. Moderne Technologien erlauben es, bis zu 10.000 verschiedene Proteine durch die 2-D-Gelelektrophorese in einem Arbeitsgang aufzutrennen. Anschließend wird die exakte Molekülmasse der einzelnen Proteine mit Hilfe der MALDI-Massenspektroskopie bestimmt. Bei der MALDI (»matrix-assisted laser desorption/ ionization«) Methode wird die Proteinprobe für wenige Nanosekunden mit kurzwelligen Laserlicht bestrahlt. Durch die elektronische Anregungsenergie werden aus der Proteinprobe gasförmige Ionen im Hochvakuum erzeugt. Im Massenanalysator werden dann die Ionen nach ihrem Masse-/Ladungsquotienten (m/z) aufgetrennt. Ein Detektor liefert ein Massenspektrum, aus dem bestimmt werden kann, welche Ionen in welchen relativen Mengen erzeugt werden. Mit diesem Verfahren ist es inzwischen möglich, den Aufbau eines Proteins auch aus kleinsten Probenmengen voll automatisch zu bestimmen (Karas et al. 2000). Mittlerweile werden Genom- und Proteomanalysen kombiniert durchgeführt, um ein umfassenderes Bild auf der Transkriptions- und Transla-
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Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
tionsebene in der Tumorzelle zu gewinnen. Eine dänische Arbeitsgruppe untersuchte nicht nur die chromosomalen Veränderungen in Blasenkarzinomen, sondern auch die verschiedenen Expressionslevels auf RNA- und Proteinebene. Mit Hilfe von genomischen DNA-Microarrays, GenexpressionsArrays sowie der 2-D-Gelelektrophorese mit kombinierter Massenspektroskopie konnten in 11 Regionen chromosomale Alterationen nachgewiesen werden, die ebenfalls konkordante Veränderungen auf der RNA- und Proteinebene zeigten. Veränderte Gen- und Proteinexpressionen im Blasenkarzinom zeigten sich unter anderem für Cytokeratin 17 und 20 sowie Annexin II und IV (Orntoft et al. 2002). Mit der neuen multidimensionalen Analyse ist es nun gelungen, spezifische Gen- und Proteincluster zu identifizieren, die eindeutig oberflächlich, papilläre Blasentumore von einem Carcinoma in situ unterscheiden können. Weiterhin erlaubt die kombinierte Genom- und Proteomanalyse eine exaktere Einschätzung des Progressionsrisikos von muskelinvasiven Blasenkarzinomen (Sanchez-Carbayo et al. 2003). Die ersten kombinierten Analysen zeigen richtungsweisend, dass die zukünftige Forschung aufwendiger und komplizierter wird, denn ohne Genomic gäbe es kein Proteomic und umgekehrt. Medizinische Anwendungen stehen bereits im Mittelpunkt der Proteomforschung und werden vom Bundesforschungsministerium seit Ende 1999 mit über 40 Millionen Euro finanziert.
Als die Bilder laufen lernten In der bisherigen medizinischen Forschung wurden überwiegend statische Analysen auf DNA- und Proteinebene in der Tumorzelle durchgeführt. Klassisches Beispiel hierfür ist die Immunhistologie, bei der durch Immunfärbungen in Formalin fixiertem und Paraffin eingebetteten Gewebe Proteinexpressionen verschiedener Zellmarker untersucht werden, die ggf. Rückschlüsse auf die Biologie der Tumorzelle ermöglichen sollen. Allerdings werden dabei die Charakteristika einer »lebenden Tumorzelle« vollständig außer Acht gelassen. Die konventionellen Techniken geben in der Regel keine Informationen, inwieweit Veränderungen auf DNA- oder Proteinebene auch mit einer alterierten Motilität, Migration oder Invasion von Tumorzellen korrelieren können. Die CVTL (»computerized video time lapse analysis«) gehört zu den ersten Techniken, die das Verhalten von lebenden Tumorzellen in der Zell-
kulturflasche als Film dokumentieren kann. Ein spezielles CVTL-Mikroskop erlaubt die gleichzeitige Beobachtung von 50 verschiedenen Feldern in der Zellkulturflasche und dokumentiert alle 11 Sekunden Bilder von einzelnen Tumorzellen. Die autofokussierte Bilddokumentation von Tumorzellen kann dabei über eine Woche erfolgen. Die einzelnen Bilder werden computergestützt als Film verarbeitet und erlauben dadurch umfassende Analysen über Zellproliferation, Zellfusion, aberrante Mitosen und Apoptoseverhalten von einzelnen Tumorzellen. Arbeitsgruppen an der UCSF (University of California San Francisco) untersuchen derzeit mit der CVTLTechnik das dynamische Verhalten von Blasentumorzellen nach verschiedenen Bestrahlungsbehandlungen in Bezug auf Zellproliferation, Zellzyklusarrest und Apoptose (Leonhardt et al. 1998; Chu et al. 2002) Filmsequenzen über dynamische Zellveränderungen von Blasentumorzellen sind unter der Website http://www.ucsf.edu/cvtl/prev/gallery.html zu finden. Im Gegensatz zu der konventionellen CVTLTechnik im zweidimensionalen Zellkulturmodell wurden neue In-vitro-Techniken entwickelt, die auch die Motilität von Tumorzellen in einem dreidimensionalen Gitternetz beobachten können. Das Gitternetz besteht aus Fibroblasten und Kollagenen und ähnelt nahezu der extrazellulären Matrix (EZM) in vivo. Die deutsche Arbeitsgruppe von Peter Friedl konnte mit der dreidimensionalen In-vitro-Technik ganz neue und spannende Erkenntnisse über das Migrations- und Metastasierungsverhalten von Tumorzellen aufdecken (Friedl u. Wolf 2003). Noch vor kurzem galt die vereinfachte Vorstellung, dass im Prozess der Metastasierung sich einzelne Tumorzellen aus dem Karzinomverband lösen und sie mit Hilfe von EZM degradierenden Enzymen in die Lymph- und Blutsysteme eindringen. Mittlerweile lehren uns die neuen Filmsequenzen, dass neben den vereinzelten Tumorzellen auch ganze Zellkolonien als Verband metastasieren können. Typische Zellkolonien bilden zum Beispiel Melanome, Mammaund Prostatakarzinome. Zusätzlich konnten zwei grundsätzlich unterschiedliche Tumorzellformen identifiziert werden: Der »Mesenchymtyp« ähnelt mit seiner Spindelform eher einer Fibroblastenzelle. Für die Migration benötigt der Mesenchymtyp ein intaktes Zytoskelett inklusive der Aktine, Cadherine und Integrine. Die Zellinvasion in das umgebende Gewebe ist dabei nur mit Hilfe von proteolytischen Enzymen möglich. Zum Mesenchymtyp gehören Fibrosarkome und Glioblastome. Demgegenüber imponiert der Amöboidtyp durch seine rundliche
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Zellform und kann durch seine flexible, hochelastische Formveränderungen durch das dreidimensionale Gitternetz »schlüpfen«. Der Amöboidtyp benötigt für die Migration also kein Aktinzytoskelett und keine Cadherine oder Integrine, ebenso keine proteolytischen Enzyme. Zum Amöboidtyp gehören Lymphome, verschiedene Leukämieformen, kleinzellige Lungen- und Prostatakarzinome. Die Tatsache, dass der Prozess der Metastasierung nicht nur von einem Tumorzelltyp bestimmt wird, eröffnete kürzlich die Diskussion, in wieweit zytostatische Behandlungen einen Einfluss auf die verschiedenen Metastasierungstypen haben. Neue pharmakologische Studien untersuchten das Metastasierungsverhalten von Melanomzellen, die in der Regel als einheitliche Zellkolonie in einem dreidimensionalen Matrix wandern (Hegerfeldt et al. 2002). Je nach Behandlung der Melanomzellen mit verschiedenen Inhibitoren waren die Melanomzellen in der Lage, ihre Zellform und Funktion wie ein Chamäleon zu verändern. Die pharmakologische Blockierung von Cadherinen führte zur Auflösung des Tumorzellkolonieverbandes und die einzelnen Melanomzellen übernahmen die Form und Funktion des Mesenchymtyps. Wurden zusätzlich die Integrine oder alle Proteasen blockiert, dann verwandelte sich die Melanomzelle vom Mesenchymtyp zum Amöboidtyp. Die amöboide Melanomzelle konnte trotz der zahlreichen pharmakologischen Therapien ungehindert weiter durch das Netzwerk wandern. Pharmakologische In-vitro-Studien werden in naher Zukunft das herkömmliche Zellkulturverfahren durch eine dynamische Videomikroskopie mit dreidimensionaler Bilddokumentation ersetzen. Beispielhafte Filmsequenzen sind unter der Website http://cancerres. aacrjournals.org/cgi/content/full/62/7/2125/DC1 zu finden. Neueste Entwicklungen in der MultiphotonMikroskopie erlauben nun auch direkte In-vivoFilmaufnahmen von Tumorzellen im Tiermodell. Damit ist es nun gelungen, die Migration, Invasion und Metastasierung von einzelnen Tumorzellen in lebenden Organismen zu beobachten. Erstaunlich ist vor allem die gemessene Migrationsgeschwindigkeit von Karzinomzellen im lebenden Tiermodell. Mit der Multiphoton-Mikroskopie erreichten Karzinomzellen eine Geschwindigkeit von 3 µm/min, dagegen war die Zellbeweglichkeit im artifiziellen dreidimensionalen Zellkulturmodell dreißigfach langsamer (Condeelis u. Segall 2003). Mit der neuen Technologie kann nicht nur die exakte Tumorzellmigration aus dem Primärtumor beobachtet werden, sondern es erlaubt auch den direkten Vergleich
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zwischen dem Verhalten von nichtmetastasierten und metastasierten Tumorzellen. Am Beispiel des Mammakarzinoms konnte zwei Tumorzelltypen identifiziert werden. Der Amöboidtyp wandert unter dem Einfluss von Chemokinen (s. auch S. 46) zu den Blutgefäßen, formt dort polare Zellausstülpungen (Pseudopodien) und bindet direkt an die Gefäßwand. Durch ihre starke Formflexibilität können sie direkt durch die Gefäßwandspalten wandern und erreichen dadurch zügig die Blutzirkulation. Im Gegensatz dazu formen Karzinomzellen vom Mesenchymtyp keine Pseudopodien entlang der Gefäßwand und besitzen eine geringere Tendenz, in die Blutgefäße einzudringen. Erreichen dennoch Tumorzellen vom Mesenchymtyp die Blutzirkulation, so werden sie durch Scherkräfte in viele Zellfragmente zerstört. Amöboide Karzinomzellen haben dagegen eine stabile Zellform und unterliegen keiner Zellfragmentation (Wang et al. 2002). Mit der Entwicklung von neuen visualisierenden Techniken wie zum Beispiel der Multiphoton-Mikroskopie werden in naher Zukunft nicht nur revolutionäre neue Erkenntnisse in der biomedizinischen Grundlagenforschung zu erwarten sein, sondern sie werden auch in der pharmakologischen Forschung neue Therapieansätze anbieten können.
Zusammenfassung Nach wie vor fehlt für das Harnblasenkarzinom im klinischen Alltag ein geeigneter molekularer Prognosemarker. Therapieentscheidungen und Nachsorgepläne richten sich weiterhin nach den klassischen histopathologischen Kriterien. Während das molekulare Zeitalter beim Prostatakarzinom bereits erreicht ist, bleibt abzuwarten, ob in naher Zukunft auch ein geeigneter »PSA-Marker« für das Blasenkarzinom etabliert werden kann.
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Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms
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5 Der Einsatz von BCG beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom A. Böhle
Einleitung Das Harnblasenkarzinom ist der fünfthäufigste maligne Tumor beim Mann und der siebthäufigste der Frau. Die Inzidenz beträgt ca. 17–19 pro 100.000 Einwohner und ist mit ca. 2–3% aller malignen Tumorerkrankungen der häufigste Tumor der ableitenden Harnwege (Zingg 1982). Das Blasenkarzinom ist insgesamt für etwa 3,5% aller Krebstodesfälle verantwortlich. Als Todesursache beim Mann stehen sie an 6. Stelle, bei der Frau an 8. Stelle aller Todesfälle. In der Urologie ist es nach dem Prostatakarzinom der zweithäufigst anzutreffende Tumor (Hölzel u. Altwein 1992). Die Mehrzahl der Patienten, ca. 70–80%, hat bei Diagnosestellung oberflächliche Tumoren der Stadien pTa, pT1 und CIS. In Abhängigkeit vom Tumorstadium und Differenzierungsgrad rezidivieren jedoch ca. 70% nach ausschließlicher transurethraler Resektion und bis zu 25% der Patienten erleiden einen Progress im Sinne eines höheren Tumorstadiums bzw. schlechteren Differenzierungsgrads im Rezidiv (Lutzeyer et al. 1982). Die korrigierte Fünfjahresüberlebensrate für Patienten mit pTa-Tumoren beträgt 95%, für das Tumorstadium pT1G1/2 81% und für das Tumorstadium pT1G3–4 64% (Rübben et al. 1990). Tritt ein Rezidiv auf, verschlechtert sich die Prognose bei pTa-Tumoren auf 77,7%, bei pT1G1/2-Tumoren auf 78,6% und bei pT1G3/4-Tumoren auf 38,7%. Darüber hinaus sind der Differenzierungsgrad und die Multifoka-
lität des Primärtumors von prognostischer Bedeutung: Während hochdifferenzierte Tumoren nur in 0–6% eine Invasion der Lamina propria und damit eine Progression aufwiesen, zeigten 22–52% der mittelgradig differenzierten Tumoren und 5–82% der niedrig differenzierten Tumoren im Verlauf nach transurethraler Resektion ein invasives Wachstum. Primär multifokale Tumore, mehr als zwei Tumore bei Erstdiagnose, ein begleitendes Carcinoma in situ und eine Tumorgröße von >5 cm beeinflussen die Prognose ebenfalls im Sinne einer Verschlechterung (Cutler et al. 1982). Weitere wichtige Prognoseparameter für das oberflächliche Urothelkarzinom, unabhängig von Tumorstadium und Differenzierungsgrad, wurden von Kurth und Mitarbeitern der EORTC ermittelt. Neben dem Behandlungsjahr und der Erfahrung des behandelnden Arztes wurde insbesondere der Status des Patienten nach 3 Monaten, unabhängig von einer adjuvanten Behandlung, als prognostisch ungünstig herausgestellt (Kurth et al. 1995). Aus den genannten Daten zur Rezidiv- und Progressionswahrscheinlichkeit oberflächlicher Tumore ergibt sich die Notwendigkeit einer adjuvanten Therapie. Lediglich primäre monofokale Tumore im Stadium pTa G1 bedürfen aufgrund der niedrigen Rezidivund Progressionswahrscheinlichkeit keiner adjuvanten Therapie; bei allen anderen oberflächlichen Tumoren wird eine intravesikale Rezidivprophylaxe empfohlen (Böhle et al. 2000). In Deutschland kommen die intravesikale Zytostatika- sowie die intrave-
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Kapitel 5 · Der Einsatz von BCG beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom
sikale BCG-Instillation zur Rezidivprophylaxe zum Einsatz. Nachfolgend soll der wissenschaftliche Hintergrund der BCG-Therapie, die praktische Durchführung der Behandlung, die Nebenwirkungen der Therapie sowie der Stellenwert der Behandlung im Vergleich zu anderen Therapieverfahren dargestellt werden.
Historische Entwicklung der intravesikalen BCG-Therapie
5
Nachdem die sog. Blasenpapillomatose noch in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts als eine Infektionskrankheit betrachtet wurde und mittels Desinfektion der Blase behandelt wurde (Kirwin 1943), dauerte es bis zur Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts bis eine klinisch relevanten Immuntherapie für das Blasenkarzinom eingesetzt wurde. Angeregt durch das als »Coley’s Toxin« bekannt gewordene Bakterienextrakt des amerikanischen Chirurgen W.B. Coley, der die Heilung eines rezidivierenden Lymphosarkoms nach Erysipelinfektion bereits Ende des 19. Jahrhunderts beobachtete und danach in die adjuvante Karzinomtherapie eingeführt hat (Coley-Nauts et al. 1953), wurden weitere mikrobielle Substanzen untersucht, die zur Rückbildung von malignen Tumoren führten. Basierend auf der Beobachtung, dass eine chemisch bzw. radiogen induzierte Lymophopenie als prognostisch ungünstiges Zeichen bei Blasenkarzinompatienten zu werten war (Bubenik et al. 1970) und dass ein Zusammenhang zwischen der Progression von Blasentumoren und Immunsuppression bestand, entwickelte sich die Überlegung, dass die Stimulation des Immunsystems, also eine Immuntherapie, auch eine mögliche Form der Therapie beim Harnblasenkarzinom darstellen könnte. Neben dem »Coley’s Toxin«, dem Rabies-Virus und dem Corynebacterium parvum wurde besonders das Bacillus Calmette-Guérin (BCG) erfolgreich in der Therapie von malignen Melanomen bei intraläsionaler Injektion sowie bei systemischer Immunisierung bei Leukämien eingesetzt. 1935 beschrieb Holmgren erstmals die antineoplastische Wirkung von BCG. Die stark immunogene Wirkung mykobakterieller Präparationen wurde von Freund erforscht und angewendet (Freund 1956). 1966 zeigten Coe und Feldman, dass die Harnblase genau wie die Haut in der Lage ist, eine Immunantwort vom verzögerten Typ (»delayed-type hypersensitivity«, DTH) auf einen antigenen Reiz auszulösen. 1976 berichteten Morales et al. erstmals über die erfolg-
reiche topische Anwendung von BCG beim Harnblasenkarzinom durch Instillation von viaben BCG. Alle Untersuchungen zum Wirkmechanismus ergaben bisher, dass eine Reihe immunologischer Phänomene involviert ist. Die komplexe Immunantwort mit Beteiligung humoraler und zellulärer Immunmechanismen auf die BCG-induzierte Infektion persistiert langfristig in der Harnblasenwand (Böhle et al. 1992). Neben einer charakteristischen Zytokinsekretion in den Urin, die signifikant unterschiedlich zu einer unspezifischen Zystitis ist, kommt es zur Ausbildung eines so genannten BCG-induzierten Granuloms in der BCG behandelten Harnblasenwand (Böhle et al. 1990a,b). In-vitro-Untersuchungen zum Wirkmechanismus konnten zytotoxische Effektorzellen die sog. BCG-aktivierten Killerzellen (BAK-Zellen) in Analogie zu den Lymphokin-aktivierten Killerzellen (LAK-Zellen) charakterisieren, die in der Lage sind, in vitro Blasentumorzellen abzutöten. Die Induktion von BAK-Zellen durch Stimulation von mononukleären Zellen mit BCG ist offensichtlich sehr komplex und unterscheidet sich deutlich von der durch IL-2 induzierten LAK-Zellen (Böhle et al. 1993). Nach neusten Kenntnissen handelt es sich bei dieser Effektorzelle um eine stimulierte natürliche Killer-(NK-)Zelle.
Verabreichung von BCG Die intravesikale Instillation von BCG bei Patienten mit Harnblasenkarzinom wurde erstmalig von Morales, Eidinger und Bruce 1976 publiziert. In einer offenen Studie mit 9 Patienten wurde BCG einmal wöchentlich 6 Wochen lang verabreicht. Das Therapieschema wurde gewählt, weil zum damaligen Zeitpunkt BCG in 6 Ampullen pro Packung verschickt wurde. Die wiederholte Instillation in wöchentlichen Abständen hat sich jedoch als so effektiv herausgestellt, dass eine Verbesserung dieses sog. »Induktionszyklus« nur schwer in umfangreichen klinischen Studien zu beweisen wäre. Die initial durchgeführte simultane intrakutane Applikation (Skarifikation) zeigte keine Verbesserung des Therapieerfolges verglichen mit der intravesikalen Instillation alleine, sodass heute keine Notwendigkeit zu ihrer Durchführung mehr besteht (Lamm et al. 1990). Eine Intrakutantestung vor BCG-Therapie mittels eines Multistempeltests ist zwar prinzipiell sinnvoll, um die Immunkompetenz des Patienten zu dokumentieren. Im klinischen Alltag ist es jedoch in
69 Nebenwirkungen
der Regel vollständig ausreichend, wenn der behandelnde Arzt durch eine sorgfältige Anamnese eine relevante zelluläre Immunschwäche ausschließt. Hierzu zählen Fragen nach einer medikamentösen Immunsuppression nach, angeborenen Immunmangelsyndromen, Leukämien, einer HIV-Positivität oder nach einer aktiven Tuberkulose. Ebenfalls sollten transplantierte Patienten kein BCG erhalten. BCG sollte zudem nicht in der Schwangerschaft und Stillphase zum Einsatz kommen (Böhle u. Jocham 1998).
Induktionszyklus Nach vollständiger transurethraler Elektroresektion des Blasentumors wird 7–21 Tage bei weitestgehender Granulation der Resektionswunde der Behandlungszyklus mit BCG begonnen. Er erstreckt sich über einen Zeitraum von 6 Wochen mit je einer Instillation pro Woche. Dabei wird dem Patienten über einen Einmalkatheter eine Suspension von 1–5u108 viablen Keimen gelöst in 50 ml NaCl in die Blase appliziert, in der sie über zwei Stunden verbleiben sollte. Zu beachten ist dabei, dass eine ausreichende, aber nicht zu große Menge sterilen Gleitmittels verwendet wird, um die atraumatische Katheterisierung zu ermöglichen, nicht jedoch durch die antibakteriellen Komponenten des Gleitmittels die Viabilität von BCG zu gefährden (Böhle et al. 1996). In jüngster Zeit wird die Anwendung von sog. »Low-dose-Protokollen« mit der Applikation z. B. einer halbierten Dosis geprüft, wobei in ersten Studien vergleichbare Resultate erzielt werden konnten (Pagano et al. 1991). Im Vergleich zur Literatur zeigte sich eine Verringerung der irritativen Blasenbeschwerden und des Fiebers. Die routinemäßige Übernahme derartiger Protokolle, insbesondere bei Hochrisikopatienten, kann vor dem Hintergrund einer möglicherweise zu geringen Effektivität von BCG zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfohlen werden (Morales et al. 1992). Vor dem theoretischen Hintergrund der wiederholten Stimulation (Boosterung) des Immunsystems zur Verbesserung der Immuntherapie wurden Auffrischungsinstillationen durchgeführt. Das optimale Schema einer wiederholten Instillation was lange unklar. In kleinen Studien konnte zunächst ein verbesserter Effekt der Erhaltungstherapie gezeigt werde, allerdings wurde dieser mit einer Verstärkung der Nebenwirkungen erkauft (Lamm 1985). Die wichtigste prospektiv randomisierte Studie zu dieser Thematik wurde von der Southwest Onco-
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logy Study Group (SWOG) durchgeführt. 660 Patienten mit schnell rezidivierenden Tumoren (Ta, T1, Tis) erhielten einen 6-wöchigen Standardinduktionszyklus BCG. Die Patienten wurden anschließend in einen Nachbeobachtungs- und einen Erhaltungstherapiearm randomisiert, in dem 3 BCG-Instillationen in wöchentlichen Abständen jeweils zum Zeitpunkt 3 und 6 Monate und anschließend halbjährlich bis zu 3 Jahren gegeben wurden. Es zeigte sich, dass sowohl das rezidivfreie als auch das progressionsfreie Überleben bei Patienten mit Erhaltungstherapie signifikant verlängert war. Ein Problem stellt jedoch die mit der Erhaltungstherapie verbundene erhöhte Nebenwirkungsrate und die verlängerte Dauer der BCG-induzierten Zystitis dar, die nur 16% der Patienten im Erhaltungstherapiearm die kompletten 8 geplanten Erhaltungskurse vollenden ließ (Lamm et al. 2000). Trotzdem sind die Vorteile der Erhaltungstherapie so eindeutig, dass sie heute zumindest bei Patienten mit erhöhtem Rezidivrisiko, die nach einem BCG-Induktionszyklus rezidivfrei sind, die Methode der Wahl darstellt. Eine Übersicht über die vergleichenden randomisierten Studien von BCG mit intravesikaler Chemotherapie zeigt ⊡ Tabelle 5.1. Gegenüber Doxorubicin, Epirubicin und Thiotepa konnten alle Studien einen statistisch signifikanten Vorteil für BCG belegen. Studien zum Vergleich von BCG mit Mitomycin C erbrachten hingegen unterschiedliche Ergebnisse: Sechs Studien verglichen BCG mit Mitomycin C. Diejenigen, die als optimale Therapie im BCG-Arm eine langfristige Erhaltungstherapie durchführten, zeigten einen statistisch signifikanten Vorteil für BCG (⊡ Tabelle 5.2; Böhle et al. 2003).
Nebenwirkungen Etwa 60–80% der BCG-behandelten Patienten erleiden Nebenwirkungen. Hauptsymptom ist eine Zystitis, die als eine normale Reaktion auf die intravesikale Therapie angesehen werden kann und deren Fehlen in Einzelfällen sogar auf ein Ausbleiben der immunologischen Reaktion und fehlende Wirksamkeit schließen lassen. Ein weiteres häufiges Symptom ist ein etwa 3–4 h nach Instillation auftretender geringgradiger Temperaturanstieg, der innerhalb von 24–48 h spontan rückläufig und nicht behandlungswürdig ist. Die Hospitalisation aufgrund von Nebenwirkungen ist selten und trat nur bei 2% der BCG-behandelten Patienten in einer Zusammenfassung der Nebenwirkungen einer internatio-
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Kapitel 5 · Der Einsatz von BCG beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom
⊡ Tabelle 5.1. BCG vs. Chemotherapeutika – vergleichende randomisierte Studien
5
Autor
Therapie
Patienten [n]
CR [%]
Signifikanz
Mori et al. 1986 (SWOG)
BCG ADM
88 83
81 46
p <0,001
Martinez-Pineiro et al. 1990
BCG ADM Thiotepa
67 53 56
87 57 64
p <0,002 p <0,003
Rintala et al. 1989 (FinnbladderI)
BCG MMC
40 36
97 91
p<0,001
von der Meijden et al. 1990
BCG-RIVM MMC
170 167
67 71
n.s.
Lamm et al. 1991 SWOG (pTa, pT1) (CIS)
BCG ADM BCG ADM
63 68 64 67
37 17 45 18
Lamm 1992 (SWOG)
BCG MMC
190 187
81 67
p=0,005
Melekos 1993
BCG EPI Kontr.
62 67 32
68 60 41
p<0,05 (BCG/Kontr.) n.s. (EPI/Kontr.)
Vegt 1995
BCG Tice BCG RIVM MMC
140 149 148
36 54 57
p=0,01 (MMC/Tice) p=0,01 (RIVM /Tice) n.s. (MMC/Rivm)
Lundholm 1996
BCG MMC
125 125
49 34
p <0,03
Melekos 1996
BCG Epi
46 48
65 54
n.s
Krege 1996
BCG MMC Kontr.
102 113 122
53 58 40
n.s. (MMC/BCG) p <0,05 (MMC/TUR) p <0,05 (BCG/TUR)
p=0,015 p<0,001
ADM Adriamycin, MMC Mitomycin
nalen multizentrischen Serie von 2602 Patienten auf (Lamm et al. 1989; s. ⊡ Tabelle 5.2). Obwohl über 95% der Patienten die Therapie ohne schwere Nebenwirkungen tolerieren, müssen sie auf das Auftreten von lokalen Beschwerden hingewiesen und vor Instillationsbeginn ausführlich darüber aufgeklärt werden, dass diese als ein Bestandteil des Wirkmechanismus zu verstehen sind. Lokale Beschwerden können gut durch nichtstero-
idale Antiphlogistika oder Acetylsalicylsäure (ASS) beherrscht werden, ohne die Wirkung von BCG zu beeinflussen. Eine regelmäßige Antibiotikapropylaxe sollte wegen einer möglichen Interferenz mit der Viabilität von BCG nicht durchgeführt werden. Bei nachgewiesenem Harnwegsinfekt sollten aus diesem Grund möglichst keine Gyrasehemmer verabreicht werden, es sei denn, die inhibitorische Wirkung auch auf BCG ist erwünscht (Durek et al. 1999).
71 Zukunftsaussichten
5
⊡ Tabelle 5.2. Optimale Behandlung mittels Erhaltungstherapie in vergleichenden Studie BCG vs. Mitomycin C (MMC) Studie
Therapie
Erhaltungstherapie
Dauer
Zeit bis Rezidiv im Vergleich zu MMC unterschiedlich?
Debruyne 1992
BCG (RIMV) MMC (30 mg)
nein ja
– mo./6 Mo.
nein –
Vegt 1995
BCG (Tice) BCG (RIVM) MMC (20 mg)
nein nein ja
– – mo./6 Mo.
– nein –
Krege 1996
BCG MMC (20 mg) Kontrolle
nein (zu kurz) ja –
(mo./4 Mo.) 2-wö./1 J. 4-wö./2 J.
nein – –
Rintala 1989
BCG (75 mg) MMC (20–40 mg)
ja ja
mo./2 J. mo./2 J.
p <0,01 –
Lamm 1995
BCG (Tice) MMC (20 mg)
ja ja
mo./1 J. mo./1 J.
p < 0,017
Lundholm 1996
BCG MMC (40 mg)
ja ja
mo./1 J. 3-mo./2 J.
p < 0,03
Schwere systemische Nebenwirkungen mit persistierendem Fieber und generalisierten Erscheinungen (Arthritis, Hautausschlag) bis zur Sepsis sind selten (Sepsis in 0,4%), die jedoch einer raschen und adäquaten Therapie bedürfen. Standardtherapie ist die tuberkulostatische Tripeltherapie mit Isoniazid, Rifampicin und Ethambutol (Lamm et al. 1991). Die zusätzliche Gabe von Kortikosteroiden muss zur Beherrschung der hyperergen Komponente bei generalisierter BCG-Infektion (BCG-itis) empfohlen werden (DeHaven et al. 1992).
Stellenwert der BCG-Therapie Welche Rolle spielt BCG in der Behandlung des oberflächlichen Harnblasenkarzinoms? In den Leitlinien der DGU wird eine intravesikale Rezidivprophylaxe bei Patienten mit niedrigem Progressionsrisiko entweder mit einer Chemotherapie oder der Immuntherapie mit BCG als gleichwertig empfohlen. Patienten mit hohem Progressionsrisiko (G3-Tumoren, Rezidivtumore) sollen mit intravesikalen BCG mittels eines Induktionszyklus und einer Erhaltungstherapie behandelt werden. Patienten mit pT1G3-Tumoren sollten nach vollständiger TUR einer BCG-Therapie zugeführt werden und im Falle eines Rezidivs innerhalb von 3–6 Mo-
naten eine radikale Zystektomie erhalten. Patienten mit einem Carcinoma in situ sollten obligat primär eine medikamentöse Therapie mit BCG erhalten, bei Therapieversagen ist auch hier die radikale Zystektomie indiziert (Böhle et al. 2000).
Zukunftsaussichten Die Einführung von BCG stellt eine wesentliche Bereicherung der Therapieoptionen beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom dar. Aufgabe in der Zukunft wird sein, die Nebenwirkungen dieser Therapie zu vermindern und damit auch die Akzeptanz zu erhöhen. Dies kann auf klinischer Studienebene möglicherweise durch kontrollierten Einsatz von »Low-dose-Anwendungen« und/oder in Kombination mit Chemotherapeutika oder anderen Immunmodulatoren (Interferon-alpha) erfolgen. Darüber hinaus kann die Effektivität der Therapie mit entsprechender Reduktion von Nebenwirkungen auch durch die gezielte Modulation von BCG selbst (gentechnisch verändertes rekombinantes BCG) auf der Grundlage der Umsetzung von Forschungsergebnissen zum Wirkmechanismus erreicht werden. Erst die gemeinsame Anstrengung von Grundlagenwissenschaftlern und klinisch tätigen Urologen wird hier einen weiteren Fortschritt ermöglichen.
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Kapitel 5 · Der Einsatz von BCG beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom
Literatur
5
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6 Das kontrovers diskutierte Tumorstadium pT1G3 M. Stöckle, J. Lehmann.
Seit fast 20 Jahren wird kein Aspekt des Blasenkarzinoms so kontrovers und so emotional diskutiert wie die Tumorentität pT1G3. Die Kontroverse speist sich aus zahlreichen Quellen: Vordergründig betrachtet, liegt pT1G3 genau auf der Trennlinie zwischen den oberflächlichen und dem invasiven Blasenkarzinom. Bei noch genauerer Betrachtung erkennt man aber, dass der Tumor pT1G3 je nach Sichtweise zu jeder dieser beiden Tumorentitäten gehört, die sich eigentlich gegenseitig auszuschließen scheinen: Zahlreiche Urologen, die sich als »Spezialisten« für die Behandlung des oberflächlichen Blasentumors empfinden, definieren oberflächlichen Blasentumor als jeden Blasentumor, der nicht oder noch nicht muskelinfiltrierend wächst. Entsprechend dieser Definition gehört pT1G3 eindeutig zu den oberflächlichen Tumoren. Dem entspricht auch die urologische Alltagserfahrung, dass es operationstechnisch häufig keinen Unterschied macht, ob man einen eindeutig nichtinvasiven Tumor oder einen pT1G3-Tumor endoskopisch (transurethral) abträgt. Die technisch problemlose transurethrale Angehbarkeit dieser Tumoren war also fraglos eine der historischen Wurzeln, die dazu geführt haben, dass das Tumorstadium pT1G3 bei den »oberflächlichen« Blasentumoren subsumiert wurde. Betrachtet man hingegen das Aggressivitätspotential des pT1G3-Tumors und der »echten« oberflächlichen Tumoren, so erkennt man zwanglos, dass hier grundlegend unterschiedliche Tumoren
vorliegen. Die meisten der »echten« oberflächlichen Tumoren würden auch ohne jede Behandlung häufig über Jahre hinweg in ihrem oberflächlichen Stadium verharren: Das bedeutet, dass sie, wenn man sie unbehandelt ließe, langsam größer würden, dabei im Regelfall sicherlich zunehmend mehr subjektive Symptome verursachten, beispielsweise rezidivierende Blutungen, aber eben nicht invasiv wachsen und auch nicht metastasieren. Der beunruhigte Patient wird im Regelfall natürlich dafür Sorge tragen, dass der Tumor zur Verhinderung weiterer Beschwerden abgetragen wird, womit die Möglichkeit nicht mehr besteht, den natürlichen, vom Urologen unbeeinflussten Krankheitsverlauf zu studieren. Gelegentlich gibt es aber doch den Einzelfall, wo ein Patient sich aus irgendwelchen Gründen über Jahre hinweg bei Vorliegen solcher Tumoren der Behandlung entzieht. Dann entdeckt man gelegentlich, dass oberflächliche Blasentumoren ein Gewicht bis zu einem Kilogramm erreichen können, aber trotzdem weiterhin oberflächliche Blasentumoren geblieben sind. Dem gegenüber ist der natürliche Krankheitsverlauf des Tumors pT1G3 ein völlig anderer: Tumorbiologisch betrachtet, handelt es sich bei dieser Tumorentität eben nicht um einen oberflächlichen Tumor im Sinne des oben beschriebenen Krankheitsverlaufs, sondern um das Anfangsstadium des invasiven Tumors: Unbehandelt wird der pT1G3Tumor die Blasenwand infiltrieren, er besitzt die Fähigkeit zur frühzeitigen Metastasierung, und er
74
6
Kapitel 6 · Das kontrovers diskutierte Tumorstadium pT1G3
kann im Extremfall die Lebenserwartung des betroffenen Tumorträgers auf 1–2 Jahre limitieren. Aufgrund dieser unterschiedlichen Tumorbiologie ist es im Grunde nicht abwegig, das Tumorstadium pT1G3 a priori nicht mehr den oberflächlichen Blasentumoren zuzurechnen, sondern es von vornherein wie einen invasiven Tumor zu behandeln, also durch eine Radikaloperation. Einer der ersten Vorstöße in Richtung aggressivere Behandlung des pT1G3-Tumors war die vom Autor dieses Kapitels verfasste Veröffentlichung »Radical cystectomy – often too late?« im Jahr 1987 (Stöckle et al. 1987). Bei 246 Patienten, die sich einer Zystektomie unterzogen hatten, war die Vorgeschichte analysiert worden: Patienten, die sich der Radikaloperation nach dem ersten Nachweis eines infiltrierenden Blasentumors (im Extremfall also eines pT1G3-Tumors) unterzogen hatten, wurden als »früh« zystektomiert eingestuft. Alle Patienten, bei denen der Zystektomie zunächst der Versuch einer endoskopischen (transurethralen) Heilung eines infiltrierenden (im Regelfall pT1G3) Tumors vorausgegangen war, bevor man sich aufgrund eines Tumorrezidivs zur Radikaloperation entschlossen hatte, wurden als Patienten mit später Zystektomie zusammengefasst. Die Überlebenswahrscheinlichkeit der früh zystektomierten Patienten lag um fast 30% günstiger als die der Patienten nach später Zystektomie. Dieser 30%-Unterschied war selbst in der Subgruppe der Patienten nachweisbar, bei der zu keinem Zeitpunkt ein höheres Tumorstadium als pT1 nachgewiesen war: Hier lag die Überlebenswahrscheinlichkeit der früh zystektomierten Patienten um 90%, die der übrigen Patienten, die sich erst nach einem pT1-Rezidiv eines ursprünglichen transurethral behandelten pT1-Tumors der Zystektomie unterzogen hatten, hingegen um 30% ungünstiger. Schlussfolgerung der Arbeit war dementsprechend, dass der Versuch einer endoskopischen Therapie von pT1G3-Tumoren gegenüber der sofortigen Zystektomie mit einer schlechteren Prognose einhergeht und dass die Patienten darüber aufgeklärt werden sollten, dass die Zystektomie zumindest dem Patienten, für den die maximale Heilungswahrscheinlichkeit ausschlaggebendes Kriterium der Entscheidungsfindung ist, als Therapie der ersten Wahl empfohlen werden sollte. Die Veröffentlichung wurde vor allem zum damaligen Zeitpunkt von vielen Lesern als provozierend empfunden: Zum einen war der Stellenwert der Zystektomie zum damaligen Zeitpunkt in vielen Kliniken keineswegs so unumstritten, wie wir es heute empfinden. In vielen Kliniken lag die Operations-
sterblichkeit noch im zweistelligen Bereich, Harnableitungstechniken, die heute verbreiteter Standard sind, waren vielerorts überhaupt noch nicht etabliert oder aufgrund mangelnder Erfahrung mit erheblichen Komplikationsraten behaftet. Harnableitungstechniken, wie beispielsweise die Ureterokutaneostomie, die heute als weitestgehend obsolet gelten, waren daher vielerorts noch Standardkonzept. Dies macht verständlich, warum es in den Augen zahlreicher Leser befremdlich erschien, einen Eingriff, der vielerorts prinzipiell als gefährlich und fragwürdig angesehen wurde, plötzlich als Standardbehandlung für ein »oberflächliches« Tumorstadium zu empfehlen, das ja auch mit einer simplen endoskopischen Abtragung selbst dann keine so schlechte Prognose hatte, wenn man die oben erwähnten Überlebenswahrscheinlichkeiten von etwa 60% zu akzeptieren bereit war. Da sich auf dem Sektor Operationssterblichkeit und Lebensqualität mit den modernen Harnableitungstechniken Wesentliches geändert hat, wird der Stellenwert der Zystektomie von der heutigen Urologengeneration anders empfunden, als dies noch 1987 der Fall war. Die Arbeit »Radical cystectomy – often too late?« wird vom Urologen des Jahres 2004 sicherlich mit etwas anderen Augen gelesen als im Erscheinungsjahr 1987. Diese Arbeit hat zugegebenermaßen aber auch durch methodische Unzulänglichkeiten provoziert, die sich bei solchen retrospektiven Analysen nie ganz vermeiden lassen. So ist nicht zu bestreiten, dass die früh zystektomierten Patienten nur bedingt mit den spät zystektomierten verglichen werden können, weil natürlich nur die Patienten spät zystektomiert wurden, bei denen die transurethrale Resektion versagt hat, während erfolgreich behandelte Patienten zwangsläufig unberücksichtigt blieben, da sie ja nie zur Zystektomie zugewiesen wurden. Bei methodisch korrektem Vorgehen hätte man diese Patienten aber eigentlich in der Gruppe der »spät« zystektomierten Patienten mitanalysieren müssen. Anders formuliert: Würde die transurethrale Resektion eines pT1G3-Tumors 90% aller betroffenen Patienten definitiv und für alle Zeiten heilen, würde wahrscheinlich jeder eine Verschlechterung der Heilungswahrscheinlichkeit bei den verbleibenden 10%, die dann einer verspäteten Zystektomie bedürften, als unvermeidlich in Kauf nehmen. Läge die Rezidivrate und damit die Wahrscheinlichkeit einer verspäteten Zystektomie nach transurethraler Resektion eines pT1G3-Tumors hingegen eher bei 100%, dann wären 30% Prognoseverschlechterung bei verspäteter Zystektomie natürlich ein gravierendes Ergebnis.
75 Kapitel 6 · Das kontrovers diskutierte Tumorstadium pT1G3
Dieses Problemgebiet (was leistet die transurethrale Resektion beim Vorliegen eines Tumorstadiums pT1G3 und wie hoch ist die damit verbundene Heilungswahrscheinlichkeit?) ließ sich andererseits zum damaligen Zeitpunkt natürlich anhand der verfügbaren Literatur recht gut ausleuchten, denn die transurethrale Resektion war ja weitestgehend unbestrittene Standardbehandlung, die Ergebnisse somit problemlos nachlesbar. Und in der Tat lagen die Überlebenswahrscheinlichkeiten nach transurethraler Resektion tendenziell sogar eher etwas schlechter als oben nach verspäteter Zystektomie beschrieben: Die verfügbare Literatur zeigte in recht guter Übereinstimmung Fünfjahresüberlebenswahrscheinlichkeiten von etwa 50%, womit sich ein Plädoyer für die frühzeitige Zystektomie eben doch gut untermauern ließ (⊡ Tabelle 6.1). Darüber hinaus sind die bis zum damaligen Zeitpunkt publizierten Arbeiten zur Leistungsfähigkeit der transurethralen Resektion möglicherweise repräsentativer als die später verfassten Veröffentlichungen: Da die transurethrale Resektion bis 1987 eben unbestrittener Standard war, hatte wohl keiner der Autoren die Notwendigkeit oder das Bedürfnis empfunden, hier bessere Ergebnisse zeigen zu »müssen«. Nach 1987 hatte sich die Welt diesbezüglich aber verändert: Wer weiterhin schlechte Überlebenswahrscheinlichkeiten mit der transurethralen Resektion veröffentlichte, sah sich unweigerlich mit der Frage »warum nicht frühzeitigere Zystektomie?« konfrontiert. Anders formuliert: Wer am Konzept der organerhaltenden Therapie festhalten wollte, musste bessere Ergebnisse liefern. Daraus resultiert sicherlich ein gewisser Publikationsbias, der bei der Interpretation neuerer Arbeiten berücksichtigt werden muss.
6
Bei den Überlebenswahrscheinlichkeiten nach transurethraler Resektion musste zusätzlich berücksichtigt werden, dass keineswegs alle Patienten, die durch eine transurethrale Resektion von pT1G3-Blasentumoren geheilt werden konnten, sich langfristig einer funktionstüchtigen Blase erfreuen konnten. Fast die Hälfte der überlebenden Patienten musste sich schlussendlich doch einer verzögerten Zystektomie unterziehen. Bezogen auf die im Jahre 1987 vorliegenden Zahlen konnte das therapeutische Dilemma also in etwa so zusammengefasst werden: Die sofortige Zystektomie heilt ca. 90% der betroffenen Patienten, nach alleiniger endoskopischer Tumorabtragung (transurethrale Resektion) überlebten ungefähr 50% der Patienten, wovon aber wiederum ungefähr die Hälfte sich einer verzögerten Zystektomie unterziehen musste. Der Preis für die hohe Heilungsrate bei den frühzeitig zystektomierten Patienten wiederum war die zu frühe Operation in ungefähr der Hälfte der Fälle (zu früh soll heißen: die gleiche Operation hätte den Patienten auch zu einem späteren Zeitpunkt noch heilen können) und die überflüssige Zystektomie bei ca. 25–30% der betroffenen Patienten (überflüssig soll heißen: 25–30% der betroffenen Patienten hätten auch mit funktionstüchtiger Blase langfristig überlebt, natürlich ohne dass man im Einzelfall hätte voraussagen können, welcher Patient schlussendlich zu dieser Subgruppe gehören würde). Seit 1987 hat es sowohl auf Seiten der Radikaloperation als auch auf Seiten der organerhaltenden Therapie Fortschritte gegeben, die aber beim pT1G3Tumor die Entscheidungsfindung nicht vereinfacht, sondern vielleicht sogar komplexer gemacht hat. Befürworter der frühzeitigen Radikaloperation können
⊡ Tabelle 6.1. Überlebensraten von Patienten mit T1G3-Karzinomen nach transurethraler Resektion (TUR) Autor
Überlebensrate [%]
Überlebensdauer [Jahre]
Summers et al. 1981
52
5
Lutzeyer et al. 1982
57
3
Bandhauer u. Nemeth 1983
39
5
Jakse et al. 1987
50
10
Rübben et al. 1988
40–60
5
Norming et al. 1992
48
5
76
6
Kapitel 6 · Das kontrovers diskutierte Tumorstadium pT1G3
auf das gesunkene Operationsrisiko und die erheblich verbesserte Lebensqualität durch die modernen Formen der Harnableitung verweisen, auf die in anderen Kapiteln eingegangen wird. Befürworter der organerhaltenden Therapie verweisen ebenfalls auf bessere Ergebnisse im Vergleich zu den alten Serien, wobei die besseren Überlebenswahrscheinlichkeiten zum einen dem vermehrten Einsatz von BCG als Rezidivprophylaktikum, zum anderen vielleicht auch den sorgfältigeren Resektionstechniken im Rahmen der endoskopischen Tumorabtragung zugeschrieben werden. ⊡ Tabelle 6.2 gibt einen Überblick über Rezidiv- und Tumorprogressionsraten in zeitgenössischen Serien nach transurethraler Resektion und BCG-Instillationsprophylaxe. Zu BCG ist allerdings kritisch anzumerken, dass zwar einerseits kein Zweifel an der Effizienz des Wirkstoffs bezüglich der Verminderung des Tumorrezidivrisikos in der Blase bestehen kann, andererseits konnte aber in keiner Einzelstudie mit allerletzter Sicherheit bewiesen werden, dass BCG auch die Tumorprogression, also das Fortschreiten eines bereits vorhandenen Tumors zu höheren Tumorstadien und/oder zur Metastasierung verhindern kann. Erst eine 2002 publizierte Metaanalyse (Sylvester et al. 2002), die sich auf die veröffentlichten Daten von 24 klinischen Studien mit 4863 Patienten mit oberflächlichen Blasenkar-
zinomen (Tumorstadien pTa, pT1 und/oder pTis) stützte, konnte den Einfluss von BCG auf das Progressionsrisiko dieser Tumorstadien in etwa quantifizieren: Patienten ohne BCG-Behandlung hatten ein Progressionsrisiko von 13,8% im Vergleich zu 9,8% mit BCG. Der Unterschied von nur 4% war bei der hohen Fallzahl signifikant und entspricht einer Senkung des Progressionsrisikos um 27%. Geht man bei pT1G3-Tumoren von einem Progressionsrisiko von 30% aus, dann sollte BCG unter der Annahme gleicher Wirksamkeit das Progressionsrisiko um 8,1% (27% von 30%) auf 21,9% absenken können. Man kann aber nur darüber spekulieren, ob BCG bei pT1G3-Tumoren tatsächlich die gleiche Effektivität besitzt wie bei den nichtinvasiven Tumorstadien: Da die Wirksamkeit von BCG nach derzeitigem Kenntnisstand nur bei direktem Kontakt zwischen Tumorzelle und Wirkstoff gegeben zu sein scheint, bliebe zu klären, ob nicht gerade die gefährlichen und entscheidenden Formen von pT1G3-Tumoren, bei denen Tumorzellen bereits in Lymphspalten eingedrungen sind, für den Zugriff von BCG nicht schon zu weit fortgeschritten sind. Es lässt sich also nur mutmaßen, ob die oben durchgerechnete Extrapolation der Metaanalysedaten auf die pT1G3-Situation das therapeutische Potential des Wirkstoffs BCG adäquat wiedergibt oder nicht.
⊡ Tabelle 6.2. Rezidiv- und Progressionsraten nach transurethraler Resektion von pT1G3-Tumoren mit nachfolgender BCG-Instillation. (Mod. nach Pansadoro et al. 2002) n
Rezidiv [%]
Progression [%]
Nachbeobachtung (Monate)
Samodai et al. 1991
62
20
0
46
Cookson u. Sarosdy 1992
16
44
19
59
Mack u. Frick 1995
21
29
k.A.
60
Pfister et al. 1995
26
50
27
54
Vicente et al. 1996
95
40
11
46
Baniel et al. 1998
78
28
8
56
Lebret et al. 1998
35
24
12
45
Hurle et al. 1999
51
25
18
85
Brake et al. 2000
44
27
16
43
Pansadoro et al. 2002
81
33
15
76
77 Kapitel 6 · Das kontrovers diskutierte Tumorstadium pT1G3
Von daher ist nach wie vor nicht auszuschließen, dass ein besseres Problembewusstsein um das pT1G3-Karzinom und eine von daher resultierende sorgfältigere endoskopische Tumorresektion wesentlicher dazu beigetragen haben, dass einige zeitgenössische Serien über bessere Ergebnisse der organerhaltenden Therapie berichten. Insbesondere fordern zeitgemäße Leitlinien natürlich, dass im abgetragenen Gewebsmaterial zwingend Blasenmuskulatur enthalten und die Tumorfreiheit dieses Muskelgewebes dokumentiert sein muss, um nicht a priori fortgeschrittenere Tumorstadien zu übersehen. Es ist nicht auszuschließen, dass in den älteren Serien der Ausschluss höherer Tumorstadien nicht mit der gleichen Konsequenz betrieben worden war, und dass es schon genügt, den Anteil übersehener muskelinvasiver Tumoren in den organerhaltend behandelten T1G3-Serien zu reduzieren, um damit die Prognose erheblich zu verbessern. Wenn man sich heute also bei einem T1G3-Tumor zum organerhaltenden Vorgehen entschließt, dann muss der Nachweis tumorfreien Muskelgewebes obligater Bestandteil des Konzepts sein, darüber hinaus wahrscheinlich auch eine Zweitresektion, mit der dokumentiert wird, dass bei der ersten Tumorabtragung kein vitales Tumorgewebe zurückgeblieben ist. Darüber hinaus ist die konsequente lebenslange Nachsorge unverzichtbar im Kontext eines jeden organerhaltenden Behandlungskonzepts bei pT1G3-Tumoren, weil die Patienten natürlich auch jenseits der Fünfjahresgrenze weiterhin vom Rezidivtumor bedroht sind. Vergleicht man zeitgenössische Serien der frühzeitigen Zystektomie mit anderen Serien, bei denen die Patienten organerhaltend behandelt werden, darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass sowohl die Stadieneinteilung wie auch die Einteilung des Malignitätsgrades durch den befundenden Pathologen mit einem erheblichen Unsicherheitsfaktor belastet sind: Entsprechende Untersuchungen haben gezeigt, dass es sowohl bei wiederholter Befundung eines Präparates durch ein- und denselben Pathologen Abweichungen in der Stadien- und Gradierungseinteilung geben kann, die natürlich noch wesentlich stärker zum Tragen kommen, wenn verschiedene Pathologen einen Tumor einzustufen haben (Ooms et al. 1983). In der Praxis bedeutet dies wiederum, dass man sich auf eine pT1G3-Diagnose als betroffener Patient und auch als verantwortlicher Operateur nicht mit letzter Gewissheit verlassen sollte, insbesondere dann nicht, wenn der Patient mit dem Befund eines auswärtigen Pathologen, dessen Befundungsverhalten man nicht persönlich kennt, zur Operation zugewiesen wird. In diesem Falle sollte
6
man zumindest versuchen, im »Kleingedruckten« des histopathologischen Befundes nachzulesen, aufgrund welcher histomorphologischer Kriterien des Tumors der befundene Pathologe die Diagnose pT1G3 gestellt hatte. Werden »harte« Kriterien, wie Tumorzelleinbruch in Lymphspalten oder eine Einzelzellinfiltration der Submukosa beschrieben, kann am invasiven Potential des Tumors kein Zweifel bestehen. In weniger eindeutigen Fällen (z. B. »plumpe Tumorzapfen drängen in die Submukosa vor«) sollte man sich aber auch nicht scheuen, vor einer endgültigen Indikationsstellung zur Zystektomie einen Referenzpathologen zu Rate zu ziehen. Die Grauzone mit einem nicht unerheblichen Ermessensspielraum, in der sich die histopathologische Begutachtung »oberflächlicher« Blasentumoren abspielt, kann sich, insbesondere in der Interaktion mit dem von den Befunden abhängigen Urologen, sehr schnell zu einem systematischen Bias auswachsen: Der Pathologe, der mit einem »aggressiven« Urologen zusammenarbeitet, wird sich früher oder später mit der Frage konfrontiert sehen, ob er möglicherweise aufgrund einer zu großzügigen Diagnose von pT1G3-Tumoren mitverantwortlich ist für die eine oder andere zu frühe, vielleicht auch überflüssige Radikaloperation. Er wird deswegen zurückhaltend mit der Diagnose pT1G3 umgehen und die Diagnose pT1G3 nur noch dann stellen, wenn an dem hohen Malignitätspotential des Tumors und am infiltrativen Wachstum keine Zweifel bestehen können. In der Folge wird der Urologe, der gegenüber dem pT1G3-Tumor eine aggressive Therapieeinstellung vertritt, bei der Durchsicht seiner Daten feststellen, dass es sich beim pT1G3 tatsächlich um einen vergleichsweise aggressiven Tumor handelt. Hat es der Pathologe umgekehrt mit einem eher konservativ eingestellten Urologen zu tun, wird er früher oder später mit Einzelfällen von Tumorprogression konfrontiert sein, die man vielleicht hätte vermeiden können, hätte man den allerersten Tumor aggressiver therapiert. In einem solchen Umfeld kann der Pathologe die entsprechende Verantwortung leicht auf den Urologen zurückdelegieren, wenn er eher großzügig mit der Diagnose pT1G3 umgeht, d. h. das Malignitätspotential des einen oder anderen Tumors höher angibt als er es tun würde, wenn er wüsste, dass dies sofort die Zystektomie nach sich zieht. Der konservativ eingestellte Urologe wird in seinem Datenmaterial also doch den einen oder anderen Tumor finden, der beim aggressiver eingestellten Urologen gar nicht in der Rubrik pT1G3 aufgetaucht wäre. Dementsprechend werden sich in seinen Händen die entsprechend eingestuf-
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Kapitel 6 · Das kontrovers diskutierte Tumorstadium pT1G3
ten Tumoren auch weniger aggressiv verhalten. Dies wiederum bedeutet, dass gerade das Bewusstsein um die Problematik des pT1G3-Tumors Einfluss nimmt auf die schlussendlichen Behandlungsergebnisse. Retrospektive Studien, in denen einzelne Kliniken oder gar einzelne Operateure ihre Ergebnisse bei der Behandlung des pT1G3-Tumors demonstrieren, werden deshalb zwangsläufig immer stärker durch das gewachsene »pT1G3-Bewusstsein« verfälscht. Solche Serien sind von daher auch nicht länger hilfreich für die Entwicklung einer konsensfähigen Behandlungsstrategie beim pT1G3-Tumor. Verfechter der konservativen Therapie mit transurethraler Resektion und anschließender BCGBehandlung, deren Ergebnisse in ⊡ Tabelle 6.2 zusammengefasst sind, interpretieren ihre Daten daher genauso als Beleg für die Sinnhaftigkeit ihrer Behandlungsphilosophie wie umgekehrt die Verfechter der frühzeitigen Zystektomie in ihren Daten den Beleg dafür zu finden scheinen, dass zwischen dem ersten Nachweis eines invasiven Tumors und der Zystektomie ein Maximalintervall von 3 Monaten nicht überschritten werden sollte (Hautmann u. Paiss 1998) In der Regel werden in der Medizin solche Fragen mit Hilfe prospektiv randomisierter Studien gelöst. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass gerade bei solch problematischen Kontroversen die prospektive Studie nicht durchführbar ist, da keine ausreichende Zahl von Patienten bereit sein dürfte, das Zufallsprinzip über die Wahl der Behandlung entscheiden zu lassen, wenn zwischen den zur Diskussion stehenden Behandlungsalternativen ein scheinbar unüberbrückbarer Abstand klafft. Wesentlich wahrscheinlicher erscheint es von daher, dass die pT1G3-Kontroverse irgendwann dadurch ein Ende findet, dass die Behandlung der fortgeschritteneren Tumorstadien effektiver wird. Wenn der Patient nicht mehr zwangsläufig um sein Leben fürchten muss, wenn er sich beim Tumorstadium pT1G3 zum Zuwarten und zum Versuch einer organerhaltenden Therapie entschließt und nur noch das Risiko in Kauf nimmt, vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt aggressiver behandelt werden zu müssen, als dies mit sofortiger Zystektomie der Fall gewesen wäre, würde das Konzept der primären Zystektomie sicher wieder an Attraktivität verlieren. Die Ergebnisse zeitgenössischer Zystektomieserien zeigen ja bereits für die lokal fortgeschrittenen Tumorstadien Überlebenswahrscheinlichkeiten, von denen man vor 15 Jahren nicht einmal zu träumen wagte. Dazu zählen beispielsweise Fünfahresüberlebensraten zwischen 50% und in einzelnen Serien bis zu 80% für organü-
berschreitende Tumoren ohne Lymphknotenbefall. Dazu gehören auch dokumentierte Überlebensraten von knapp über 40% in einer multizentrisch-prospektiven Studie für Patienten mit nachgewiesenen Lymphknotenmetastasen, eine Patientengruppe, die bis vor wenigen Jahren als unheilbar galt (Lehmann et al. 2003). Die Ursachen für diese erhebliche Verbesserung der Behandlungsergebnisse werden an anderer Stelle genauer beleuchtet. Im Wesentlichen sind es wahrscheinlich aber drei Faktoren, die zu dieser Verbesserung der Ergebnisse beitragen: die bessere und besser standardisierte Operationstechnik, die sorgfältigere und konsequentere Ausräumung der regionären Lymphknoten und die Möglichkeit der adjuvanten Chemotherapie. Hier sind in naher Zukunft sicherlich weitere Fortschritte zu erwarten. Befürworter der frühzeitigen Zystektomie werden natürlich weiterhin argumentieren, dass die erfreulich angestiegenen Überlebenswahrscheinlichkeiten der heutigen Zystektomiepatienten aber auch durch eine konsequent frühzeitige Indikationsstellung und eher weniger durch die verbesserte Operationstechnik bedingt sind: Selbst bei lokal fortgeschrittenem Tumorstadium scheinen die Patienten die deutlich bessere Prognose zu haben, die keine Vorgeschichte von vergeblichen organerhaltenden Therapieversuchen aufweisen. Unter diesem Blickwinkel wäre es schlussendlich am ehesten die adjuvante Chemotherapie, in noch fernerer Zukunft vielleicht sogar die Chemotherapie beim Auftreten von Metastasen, die in ihrer Effektivität so weit gesteigert werden müssten, dass man beim Stadium pT1G3 prinzipiell guten Gewissens abwarten kann, ob sich nach organerhaltender Therapie ein höheres Tumorstadium entwickelt oder nicht.
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79 Literatur
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7 Therapie des muskelinvasiven und des lokal fortgeschrittenen Blasenkarzinoms im Jahr 2004 M. Schostak, K. Miller
Einleitung Überschreitet oder erreicht das Harnblasenkarzinom die Grenze der Blasenmuskulatur, steigt die Wahrscheinlichkeit einer weiteren lokalen Progression und/oder Metastasierung rapide an. Im Gegensatz zu den oberflächlichen Tumoren der Harnblase gilt die radikale Zystektomie in diesen Fällen heutzutage als Goldstandard. Die lokale Effektivität bei auf das Organ begrenzten Tumoren ist hoch, wie zahlreiche Serien weltweit eindrucksvoll belegen. Wird das Stadium pT3a überschritten, zeigen sich jedoch schlechtere Überlebensraten (Gschwend 2002). Da einerseits für einen Teil der Patienten dieses Verfahren nicht in Frage kommt oder der Eingriff abgelehnt wird und andererseits 50% aller zystektomierten Patienten im weiteren Verlauf an einer hämatogenen Metastasierung versterben (Gschwend 2002; Mameghan et al. 1992; Lerner et al. 1992; Kulkarni 2003), ist die Frage nach Alternativverfahren gerechtfertigt. Im Folgenden werden die heute zur Verfügung stehenden Techniken kritisch bewertet.
Radikale Zystektomie Die radikale Zystektomie in Kombination mit einer pelvinen Lymphadenektomie ist ein hocheffektives Verfahren in der Therapie des muskelinvasiven, klinisch organbegrenzten Blasenkarzinoms. Dies wurde in zahlreichen Serien belegt (Bassi 2000; Blandy
et al. 1984; Bollack et al. 1989; Bosl et al. 1994; Chang et al. 2001; Frazier et al. 1992; Gschwend 2002; Gschwend et al. 2000; Lebret et al. 2000; Mathur et al. 1981; Montie et al. 1984; Roehrborn et al. 1991; Skinner et al. 1984; Stein et al. 2001). Liegt ein nur oberflächlich infiltrierender Tumor (pT2a) ohne Lymphknotenmetastasierung vor, besteht eine ausgesprochen gute Prognose (mittlere Fünfjahresüberlebensrate ca. 75%). Zeigt der pathologische Befund ein organüberschreitendes Wachstum, so verschlechtert sich die Prognose für den Patienten deutlich. Gleiches gilt für das Vorliegen einer Lymphknotenmetastasierung (Amling et al. 1994; Gschwend 2002; Gschwend et al. 2000; Lebret et al. 2000; Stein et al. 2001; Stein 2000; Takashi et al. 1989, 1992). Die Optimierung der operativen Technik, verbunden auch mit dem Einsatz neuerer Instrumente (Stapler, Elektrische Schere, Ligasure-Gerät u. a.; Dubuc-Lissoir 2003; Landman et al. 2003; Matthews et al. 2001; Heniford et al. 2001) sowie ein verändertes Anästhesie-Management (Ahlering et al. 1983; Parekh et al. 2002; Ryan 1982; Whalley u. Berrigan 2000) haben dazu beigetragen, dass die perioperative Mortalität heutzutage nur noch bei 1–4% liegt und die Morbidität akzeptable Werte erreicht hat (Gschwend 2002; Gschwend et al. 2000; Finlayson u. Birkmeyer 2001; Chang et al. 2002a,b). Finlayson zeigte dabei, dass die Mortalität eine Altersabhängigkeit zeigt (Finlayson u. Birkmeyer 2001; ⊡ Tabelle 7.1). Akute Komplikationen können dabei durch die Komorbidität, durch die Zystektomie bzw. die Ex-
82
Kapitel 7 · Therapie des muskelinvasiven und des lokal fortgeschrittenen Blasenkarzinoms im Jahr 2004
enteration im kleinen Becken oder durch die Verwendung des Darmsegmentes für die Harnableitung bedingt sein. Spätkomplikationen betreffen in den meisten Fällen die Harnableitung (Bassi 2000; Chang et al. 2001; Lerner et al. 1992; Parekh et la. 2002; Cancrini et al. 1996; Game et al. 2001). Erste Berichte über eine radikale Zystektomie in laparoskopischer Technik, z. T. mit Anlage der Harnableitung ebenfalls in laparoskopischer oder roboterassistierter Technik, zeigen vielversprechen-
⊡ Tabelle 7.1. Altersabhängige Mortalität bei der Zystektomie. (Mod. nach Finlayson et al. 2001)
7
Alter [Jahre]
Prozent
65–69
2,3
70–74
3,7
75–79
5,5
80–84
7,5
85–99
9,3
Gesamt
4,4
de Ergebnisse. In Anbetracht der kurzen Nachbeobachtungszeit und der geringen Patientenzahl kann dieses Verfahren jedoch noch nicht als ebenbürtig zum Standard der offenen radikalen Zystektomie eingestuft werden (Turk et al. 2001a,b; Beecken et al. 2003; Menon et al. 2003; Simonato et al. 2003; Smith 2003; Peterson et al. 2002; Abdel-Hakim et al. 2002; Matin u. Gill 2002). Durch die heute übliche, sehr frühzeitige Mobilisation ist die Wahrscheinlichkeit der Ausbildung einer tiefen Beinvenenthrombose ebenso wie die der Ausbildung einer Atelektase und/oder Pneumonie deutlich gesunken. Das Risiko einer Lungenarterienembolie liegt bei 2%. Analog zum heutigen Vorgehen bei der radikalen Prostatektomie kann die radikale Zystektomie bei Männern mit erhaltener Potenz inzwischen ebenfalls nach den von Shlegel, Walsh und Marshall veröffentlichten Modifikationen nerverhaltend operiert werden (Schlegel u. Walsh 1987; Walsh 1987; Marshall et al. 1991). Dies führt über die o. g. Faktoren hinaus zu einer verbesserten Akzeptanz des Eingriffs. Analog zu den Daten nach Durchführung einer radikalen Prostatektomie ist dabei der entscheidende Faktor für den erfolgreichen Erhalt der Potenz das Alter des Patienten. Bei Patienten unter 60 Jahren sind die Ergebnisse deutlich besser, bei Patienten über 70 Jahre deutlich schlechter (Schoenberg et al. 1996; ⊡ Tabelle 7.2).
⊡ Tabelle 7.2. Potenz nach nerverhaltender radikaler Zystektomie. (Mod. nach Schoenberg et al. 1986) Pathologisches Stadium
20–29 Jahre
40–49 Jahre
50–59 Jahre
60–68 Jahre
70–79 Jahre
Gesamt
pT0
–
2/2
5/7
2/4
–
9/13 (69%)
pTa
–
1/2
–
1/3
–
2/5 (40%)
pTis
–
–
0/2
2/6
–
2/8 ( 25%)
pT1
–
2/3
0/2
2/4
–
4/9 (44%)
pT2
–
2/2
1/2
1/1
–
4/5 (80%)
pT3a
–
1/2
1/1
–
0/1
2/4 (50%)
pT3b
–
0/2
1/4
1/3
1/4
4/14 (29%)
pT4
1/1
–
1/1
–
–
1/1 (100%)
Gesamt
1/1 (100%)
8/13 (62%)
9/19 (47%)
9/21 (43%)
1/5 (20%)
28/59 (48%)
83 Radikale Zystektomie
Operative Technik der radikalen Zystektomie beim Mann Um die Dauer des transperitonealen Vorgehens auf das Ausschalten des ilealen Darmsegments zu begrenzen, bevorzugen wir ein primär extraperitoneales Vorgehen analog zur radikalen Prostatektomie. Oft gelingt es, das Peritoneum bis zur endgültigen Entnahme des Präparates inklusive der Lymphadenektomie geschlossen zu halten (Kulkarni et al. 1999; Serel et al. 2003). Zunächst wird eine pelvine Lymphadenektomie im Bereich der externen und internen Iliakalgefäße sowie der Fossa obturatoria durchgeführt. Anschließend werden die Harnleiter beidseits aufgesucht und bis zum Trigonum präpariert. Danach wird die endopelvine Faszie eröffnet und die Prostata analog zur radikalen Prostatektomie präpariert. Nun werden die lateralen Blasenpfeiler zwischen Ligaturen, Clips oder LigaSure-Schweißstellen durchtrennt und das Präparat entnommen. Liegt präoperativ keine Probe der prostatischen Harnröhre vor, so sollte die Tumorfreiheit der Urethra intraoperativ mittels Schnellschnitt untersucht werden. Ist sie befallen, so muss eine Urethrektomie durchgeführt werden (Lebret et al. 1998; Wood et al. 1989; Freeman et al. 1994; Ahlering et al. 1984), vorzugsweise über den präpubischen Zugangsweg (Zhang 1997; Hiebl et al. 1999). Dies erspart eine Umlagerung des Patienten und eine weitere Operationswunde im Perineum. Nach Anlage der Harnableitung kann in vielen Fällen das Peritoneum wieder verschlossen werden. Diese Rekonstruktion der Kompartimente trägt dazu bei, die Morbidität zu senken. Kommt es zu einer Urinleckage, einer Hämatom- oder Abszessbildung im Verlauf, so handelt es sich um ein rein extraperitoneales Problem, das in vielen Fällen ohne operative Intervention z. B. durch eine Pigtail-Einlage erfolgreich behandelt werden kann.
7
trennt. Das Vaginaldach wird nun nach distal bis zum Meatus urethrae, der umschnitten wird, reseziert (⊡ Abb. 7.1). Nach Entfernung des Präparates wird die Vaginalwand mit einer quer verlaufenden Naht fortlaufend wieder verschlossen (⊡ Abb. 7.2).
⊡ Abb. 7.1. Situs nach Entnahme des Operationspräparates mit Resektion der Vaginalvorderwand. (Mit freundl. Genehmigung aus Wammack 1997)
Operative Technik der radikalen Zystektomie bei der Frau Im Gegensatz zur Operation beim Mann wird primär transperitoneal vorgegangen. Eine Ovarektomie sowie Hysterektomie werden routinemäßig durchgeführt. Bei jüngeren Frauen können jedoch ohne Erhöhung des onkochirurgischen Risikos die Ovarien erhalten werden (Chang et al. 2002c; Horenblas et al. 2001). Zusätzlich wird das vordere Vaginaldach reseziert. Nach Eröffnung der Vagina im Fundus werden die Blasenpfeiler zwischen Ligaturen, Clips oder LigaSure-Schweißstellen schrittweise durch-
⊡ Abb. 7.2. Vaginalrekonstruktion durch Vernähen des umgeschlagenen kranialen Abschnitts der Vaginalwand mit den Resektionsrändern. (Mit freundl. Genehmigung aus Wammack 1997)
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Ist ein orthotoper Blasenersatz geplant, so sollte allerdings nicht nur die Urethra, sondern auch die Vaginalwand erhalten bleiben. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit einer suffizienten Miktion (Stenzl u. Holtl 2003; Chang et al. 2002d). Ein Wachstum des Karzinoms im Bereich des Blasenhalses geht mit der erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Befalls der Urethra einher. Eine Metaanalyse zeigte allerdings jüngst, dass der Befall der weiblichen Urethra mit 3,6% wesentlich unwahrscheinlicher ist als bei Männern mit 6,2% (Stenzl et al. 2002). Die Tumorfreiheit des Blasenhalses als proximalem Absetzungsrand und der verbleibenden Urethra sollte intraoperativ mit Hilfe eines Kryoschnittes gesichert werden (Stenzl u. Holtl 2003; Darson et al. 2002).
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Pelvine Lymphadeneketomie Die pelvine Lymphadenektomie ist ein integraler Bestandteil der radikalen Zystektomie. Sie ermöglicht einerseits ein exaktes Staging (Herr 2003), andererseits führt die Entfernung gering tumorbefallener Lymphknoten zu höheren Überlebensraten (Gschwend 2002; Roehrborn et al. 1991; Skinner u.Lieskovsky 1984; Mills et al. 2001 )1,15,63–65. Die Wahrscheinlichkeit einer Lymphknotenmetastasierung steigt mit dem lokalen Fortschritt der Erkrankung (pT2a 10,5%, pT2b 26,7%, pT3b 58%, pT4 90%) (Leissner et al. 2000). Smith zeigte, dass bei Patienten, die eine radikale Zystektomie erhielten, vor allem die Lymphknoten der Obturatorius-Loge und der Iliaca-externa-Region betroffen sein können. Die Gruppe der Lymphknoten entlang der A. iliaca communis und die präsakrale Gruppe sind nur selten involviert. Aus diesem Grund kann auf die Entfernung der Lymphknoten in diesen Bereichen verzichtet werden (Smith u. Whitmore 1981). Sherif berichtete erstmals von der Möglichkeit, Metastasen in Sentinellokalisationen nachzuweisen. Die geringe Patientenzahl der Studie lässt jedoch noch keine weitergehende Beurteilung zu (Sherif et al. 2001).
et al. 1997; Henry et al. 1988; Herr 1987), so muss diese Technik dennoch als verlassen bezeichnet werden. Prinzipiell erlaubt die primäre transurethrale Operation bei pT2-Tumoren in 47% eine Resektion ins Gesunde, weitere 30% sind durch bis zu drei Nachresektionen zu entfernen. Liegt ein organüberschreitendes Wachstum vor, so kann nur noch in 40% Tumorfreiheit erzielt werden. Die erhebliche Gefahr eines Understagings von 50% bedingt eine komplizierte Selektion. Zudem hat sich gezeigt, dass das Auftreten eines schlecht differenzierten Rezidivs die Fünfjahresüberlebenswahrscheinlichkeit um mindestens 20% senkt. Als alleinige Maßnahme kann die TUR daher nur bei kleinen, gut differenzierten, jedoch muskelinvasiven Tumoren in Betracht gezogen werden (Herr 2001). Diese Tumorkonstellation ist jedoch höchst selten. Wird eine Radiochemotherapie (s. unten) geplant, ist in jedem Fall eine transurethrale R0-Resektion anzustreben (Dunst et al. 2001; Rodel et al. 2002).
Harnblasenteilresektion Eine Harnblasenteilresektion hat heute nur noch in ausgewählten Einzelfällen ihren Platz: Divertikelkarzinome, kleine Tumore der Vorderwand oder des Blasendaches bei Patienten in grenzwertigem Allgemeinzustand oder hohem Alter sowie Tumore, die ausschließlich das Ostium betreffen, sodass eine Harnleiterneuimplantation notwendig wird. Weiterhin kann sie eine Therapievariante bieten, wenn eine TUR, z. B. wegen Koxarthose o. Ä. nicht möglich ist. Die Indikationsstellung beschränkt sich heute jedoch auf weniger als 5% der Fälle. Größere Serien stammen aus den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts und zeigen schlechtere Fünfjahresüberlebensraten als nach radikaler Zystektomie (25– 60%) (Pontes u. Lopez 1984; Resnick u. O’Conor 1973; Sweeney et al. 1992; Utz et al. 1073). In jedem Fall sollte die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes von ca. 1 cm möglich sein. Die Tumorfreiheit der Absetzungsränder sollte intraoperativ mittels Schnellschnitt bewiesen werden.
Transurethrale Resektion Neoadjuvante Chemotherapie Wenngleich einige Autoren bis in die späten 90erJahre des letzten Jahrhunderts große Serien präsentieren, in denen Patienten durch eine alleinige »radikale« transurethrale Resektion Fünfjahresüberlebensraten erreichten, die mit der offenen Chirurgie vergleichbar sind (Solsona et al. 1998; Roosen
Ob eine neoadjuvante Chemotherapie vor geplanter radikaler Zystektomie Vorteile bringt, wird kontrovers diskutiert. Einerseits könnte sie eine Operation durch die Verkleinerung eines grenzwertig operablen Tumors überhaupt erst ermögli-
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chen und zudem die Chemosensitivität des Tumors demonstrieren. Andererseits wird das Gesamtüberleben wahrscheinlich nur minimal beeinflusst. Es gibt Hinweise, dass eine Mikrometastasierung mit kleinem Tumorvolumen durch eine neoadjuvante Behandlung kontrolliert werden kann (Raghavan et al. 1984; Fagg et al. 1984; Soloway et al. 1981). Die mit Abstand besten Resultate wurden jüngst von Grossman et al. beschrieben. In der prospektiven, randomisierten Studie an 317 Patienten wurde eine neoadjuvante Therapie mit MVAC mit konsekutiver Zystektomie gegen eine alleinige Zystektomie verglichen. Die Ergebnisse dieser Studie müssen allerdings erheblich in Frage gestellt werden, da nur ein einseitiges Testverfahren angewendet wurde. Die Autoren beschreiben eine signifikante Verlängerung des medianen Überlebens von 46 auf 77 Monate. Die Fünfjahresüberlebensrate lag bei 57% gegenüber 43% in der Kontrollgruppe. Besonders erfolgreich war die Therapie bei den Patienten, bei denen im Zystektomiepräparat ein Stadium pT0 bestand. In dieser Subgruppe wurde sogar ein medianes Fünfjahresüberleben von 85% erreicht. Die Applikation der MVAC-Chemotherapie senkte das Risiko, an der Tumorerkrankung zu versterben, um 33% (Grossmann et al. 2003). Eine aktuelle Metaanalyse zeigte hingegen schlechtere Ergebnisse: Randomisierte Studien mit einer platinhaltigen neoadjuvanten Chemotherapie an insgesamt 2688 Patienten wurden auf ihren Effekt hin untersucht. Es ergab sich ein Fünjahresüberlebensvorteil von nur 5% bei Patienten, die eine medikamentöse Kombination mit Cisplatin erhalten hatten. Wird Cisplatin als Monotherapie eingesetzt, besteht kein signifikanter Überlebensvorteil (Anonymus 2003). Die Toxizität der Therapie und damit die Lebensqualität wird im Rahmen der Analyse jedoch nicht beurteilt. Im Übrigen muss bedacht werden, dass die histopathologische Beurteilung und damit das exakte Staging durch eine neoadjuvante Therapie beeinträchtigt wird. Es bleibt daher weiterhin unklar, welcher Patient einen Vorteil von einer Vorbehandlung haben könnte (Stadler u. Lerner 2003). Junge Patienten ohne Komorbidität profitieren wahrscheinlich von dieser Therapie, allerdings sind die Vorteile einer primären Operation, eines genauen Stagings und gegebenenfalls einer adjuvanten Therapie möglicherweise noch höher. Ältere, schon wegen der Komorbidität nicht operable Patienten erleiden unter Umständen eine Einschränkung der Lebensqualität durch die Therapie selbst als Preis für einen minimalen Überlebensvorteil. Kritisch muss weiterhin bemerkt werden, dass es in o. g. Metaanalyse
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scheint, der Vorteil der medikamentösen Therapie sei unabhängig von der Art der lokalen Therapie (Radiatio oder Operation). Unbestritten ist jedoch, dass die lokale Tumorkontrolle bei einer Zystektomie höher ist als bei einer Bestrahlung. Das Risiko eines Lokalrezidivs ist entsprechend geringer (Stadler u. Lerner 2003; Lerner u. Skinner 2000).
Radiotherapie Das Urothelkarzinom der Harnblase ist prinzipiell strahlensensibel (Dunst et al. 2001; Rodel et al. 2002; Wijnmaalen et al. 1997). Ob eine alleinige Strahlentherapie jedoch vergleichbare Ergebnisse wie eine radikale Zystektomie erwarten lässt, kann nicht abschließend beurteilt werden. Es gibt keinerlei direkte Vergleiche, in denen moderne Methoden der Radiotherapie (primäre 3D-Feld-Bestrahlung) mit der Operation verglichen wurden. Aus älteren Studien sind enttäuschende Ergebnisse bekannt (Blandy et al. 1988; Wallace u. Bloom 1976; Jenkins et al. 1988; Fossa et al. 1988; Hayter et al. 2000). Dies lag jedoch sicherlich zum einen an der ungünstigen Selektion, da nur Patienten der Radiotherapie zugeführt wurden, für die keine operative Maßnahme mehr in Frage kam, zum anderen an der gegenüber dem heutigen Standard veralteten Technologie. Heutzutage ist durch den Einsatz von Hochvoltgeräten und computergestützter 3D-Planung die Wahrscheinlichkeit von Akut- und Spätreaktionen, vor allem am Dünndarm, zwar gesunken (Mohiuddin et al. 1985), jedoch besteht nach wie vor ein ungünstiges Verhältnis der Nebenwirkungen einer Radiomonotherapie gegenüber der onkotherapeutischen Wirksamkeit (Shipley et al. 1999). Die alleinige Radiotherapie sollte Indikationen rein palliativer Zielsetzung bei inkurablen Tumoren vorbehalten sein.
Radiochemotherapie Liegen schwerwiegende Faktoren vor, die gegen die Durchführung einer Zystektomie sprechen (erhebliche Komorbidität, hohes Lebensalter oder der ausdrückliche Wunsch nach Blasenerhalt), müssen blasenerhaltende Verfahren diskutiert werden. Im Falle eines muskelinvasiven oder lokal fortgeschrittenen Tumors sind Radiotherapie, TUR oder Chemotherapie als Monotherapie der radikalen Zystektomie in der Frage der lokalen Tumorkontrolle deutlich unterlegen (Shipley et al. 1999). Bestehen zwar wenig oder keine lokalen Symptome, aber eine Mikrome-
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tastasierung, so kann der Vorsprung der Operation jedoch in den Hintergrund treten. Diese Konstellation würde ohnehin den adjuvanten Einsatz einer Chemotherapie implizieren. Weiterhin können Chemotherapeutika synergistisch die Wirkung der Strahlentherapie erhöhen. Der kombinierte Einsatz der Verfahren (TUR mit Nachresektion, nach Möglichkeit bis zum Status R0, adjuvante Radiochemotherapie) zeigte eine Fünfjahresüberlebensrate zwischen 49 und 93%. Die besten Ergebnisse wurden dabei von Eapen durch eine intraarterielle Gabe von Cisplatin erzielt. Die Toxizität sei dabei gering (Dunst et al. 2001; Rodel et al. 2002; Shipley et al. 1999; Hussain et al. 2001; Eapen et al. 1998; Rotman et al. 1990). In einigen dieser Studien wurde jedoch im Falle eines Nichtansprechens nach TUR und Radiochemotherapie eine SalvageZystektomie durchgeführt. Die Wahrscheinlichkeit eines definitiven Blasenerhaltes lag schließlich nur bei 38–43%. Bei Patienten, die auf die Therapie ansprachen, war die Prognose gut. ⊡ Tabelle 7.3 zeigt die Ergebnisse der wichtigsten Studien. Die Toxizität des kombinierten blasenerhaltenden Vorgehens entspricht den zu erwartenden
Risiken und Nebenwirkungen nach Radiatio und systemischer Chemotherapie (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Fatigue-Syndrom, Neutropenie, radiogene Zystitis, erektile Dysfunktion u. a.). Insbesondere die cisplatinhaltigen Schemata weisen hohe emetische Potenz auf. Neuere Chemotherapeutika, eventuell in Kombination mit den bewährten Substanzen, könnten die Aussicht auf eine effektive Therapie bei gleichzeitiger Reduktion der möglichen Nebenwirkungen verbessern (Hussain et al. 2002; Hussain u. James 2002). Es gibt bis dato keine prospektiv randomisierten direkten Vergleiche zwischen dem Goldstandard der radikalen Zystektomie und dem o. g. blasenerhaltenden, trimodalen Vorgehen. Das ungünstige Verhältnis zwischen unklarer lokaler Tumorkontrolle und erheblicher Toxizität spricht jedoch gegen die blasenerhaltende Kombination. Wegen des schlechten Ansprechens auf die Therapie sollte die trimodale Therapie nicht bei Vorliegen eines Carcinoma in situ angewandt werden. ⊡ Tabelle 7.4 stellt klare Indikationen zur radikalen Zystektomie und Konstellationen, die einen Blasenerhalt prinzipiell erlauben, gegenüber.
⊡ Tabelle 7.3. Erfolg verschiedener Radiochemotherapieregimes Autor (Jahr)
Patienten [n]
Therapieregime
Ergebnisse [%] CR
Sauer (1990)
67
Cisplatin + RTX
76
Hussain (2001)
53
Cisplatin + 5Fu + RTX
51
Eapen (1998)
24
Cisplatin i.a. + RTX
93
Rotman (1990)
19
5Fu +/– Mito + RTX
74
⊡ Tabelle 7.4. Indikationsstellung für bzw. gegen einen Blasenerhalt Zystektomie
Blasenerhaltende Strategie
Pathologisches Stadium
T3/T4
T2
Ausdehnung
Multifokaler Tumor oder CIS
Monolokulär und kleiner Tumor
Status oberer Harntrakt
Harnstauung
Keine Harnstauung
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Palliative Maßnahmen bei lokal fortgeschrittenem Tumor Liegen systemische Metastasen oder ein lokal weit fortgeschrittenes Stadium vor, so ist die Prognose quo ad vitam stark eingeschränkt. Zusätzlich kann eine Reihe von Symptomen auftreten, die eine palliative Therapie notwendig machen.
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Schmerztherapie Eine medikamentöse Schmerztherapie sollte großzügig nach dem 3-Stufen-Eskalationsschema der WHO verabreicht werden. Die Gabe von Acetylsalicylsäure oder andere Thrombozytenaggregationshemmern ist dabei jedoch zu vermeiden.
Palliative Strahlentherapie Blutende Tumorblase Besteht eine Makrohämaturie bei Vorliegen eines metastasierten oder organüberschreitenden Tumors, sollten zunächst alle konservativen Maßnahmen ausgeschöpft werden. Nach instrumenteller Ausräumung einer evtl. vorliegenden Tamponade und Anlage einer Dauerspülung sollten die Gerinnungssituation und der Hämoglobinwert überprüft und ggf. korrigiert werden. In vielen Fällen ist bereits zum Ausräumen der Tamponade ein Eingriff in Narkose notwendig. In gleicher Narkose sollte eine transurethrale Resektion, jedoch nur bis in das oberflächliche Niveau durchgeführt werden. Führen diese Maßnahmen nicht zu einer deutlichen Besserung, sollte als nächstes eine Instillation mit Alaun 1% (Aluminiumkaliumsulfat) oder bei Versagen mit 1–5% (–10%) Formalinlösung erfolgen. Ein vesikorenaler Reflux muss jedoch im Vorfeld ausgeschlossen werden. Bleibt es trotz aller o.g. Maßnahmen bei der schweren Makrohämaturie, so müssen eine transarterielle Embolisation des Tumors und als operative Ultima Ratio eine Salvage-Zystektomie in Betracht gezogen werden.
Harnstauung Eine Harnstauung in der palliativen Situation sollte nur behoben werden, wenn dadurch Symptome verschwinden oder der Patient es ausdrücklich wünscht. Insbesondere im Falle einer ansonsten asymptomatischen Urämie kann diese Entscheidung sehr schwierig sein. Liegen Koliken, eine Infektion vor oder ist eine Chemotherapie in weiterer Folge geplant, so sollte zunächst ein perkutaner Nierenfistelkatheter und/oder ein Doppel-J-Katheter eingelegt werden, s.g. »Tumor-Stents« mit einer möglichen Liegezeit bis zu 35 Monaten bieten dabei die meisten Vorteil bezüglich der Lebensqualität (Weissbach 2001; Kulkarni u. Bellamy 2001).
Besonders effektiv ist eine Strahlentherapie, die sich gegen durch Knochenmetastasen ausgelöste Schmerzen richtet. Eine fraktionierte Bestrahlung in hoher Gesamtdosis (z. B. 12-mal 3 Gy) führt schnell zum Erfolg. Mittelfristig kann im betroffenen Bereich auch die Frakturgefahr günstig beeinflusst werden.
Metastasenchirurgie Können durch begrenzte operative Eingriffe schwere Folgeerscheinungen wie Frakturen usw. vermieden werden, so sollten diese durchgeführt werden. Die Resektion chemotherapierefraktärer Metastasen bietet jedoch insbesondere bei asymptomatischen Patienten keinerlei Überlebensvorteil und beschränkt sich daher auf Einzelfälle (Otto et al. 2001).
Chemotherapie mit palliativem Ansatz In sorgfältiger Abwägung möglicher Risiken und Nebenwirkungen mit der zu erwartenden Symptomminderung kann der Einsatz moderner Chemotherapeutika mit geringer Toxizität (Gemcitabine, Taxane usw.) erwogen werden (Kaufman et al. 2000; Garcia del Muro et al. 2002).
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Kapitel 7 · Therapie des muskelinvasiven und des lokal fortgeschrittenen Blasenkarzinoms im Jahr 2004
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8 Harnableitung nach Zystektomie P. Albers
Einleitung Vor nahezu 120 Jahren wurden erstmals Versuche unternommen, nach Entfernung der Harnblase den Urin über Darmsegmente abzuleiten. Die naheliegendste und zugleich erste kontinente Form der Harnableitung war die Ureterosigmoidostomie. Erst Mitte der 30er-Jahre des letzten Jahrhunderts wurde der Urin über ein Darmsegment auf die Haut umgeleitet (Ileumkonduit) und erst vor etwa 20 Jahren erfolgte die Entwicklung orthotoper Ersatzblasen oder kontinenter kutaner Urinreservoire. Nach vielfachen Modifikationen der unterschiedlichen Techniken ist heutzutage die orthotope Ersatzblase aus Dünndarmsegmenten die kontinente Harnableitung erster Wahl bei Mann und Frau. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird die inkontinente Harnableitung in Form eines Ileumkonduits ihren Stellenwert als komplikationsarme Operation bei multimorbiden Patienten behalten. Die modifizierte Ureterosigmoidostomie in ein detubularisiertes Darmreservoir avanciert als technisch einfache Alternative einer kontinenten Harnableitung bei beiden Geschlechtern. Nach den oft dogmatisiert geführten Diskussionen über die optimale Form der Harnableitung kristallisiert sich heutzutage ein durchaus differenziertes Spektrum möglicher Operationen heraus, die dem individuellen Patientenwunsch angepasst werden können. Daher ist es erforderlich geworden, dass operative Zentren unterschiedliche Formen der Harnableitung
anbieten müssen, um höchsten Qualitätsansprüchen zu genügen. Die folgende Übersicht soll die unterschiedlichen Indikationen der verschiedenen Formen der Harnableitung beschreiben, die unterschiedlichen Komplikationen aufzeigen und letztlich helfen, für den einzelnen Patienten die optimale Harnableitung auswählen zu können.
Patientenselektion Grundsätzlich müssen alle Patienten mit dem Verlust der Harnblase oder der Harnblasenfunktion mit einer Harnableitung versorgt werden. Das wichtigste Ziel jeder Harnableitung bleibt dabei der Schutz des oberen Harntrakts, d. h. das Verhindern einer terminalen Niereninsuffizienz mit Dialyse. Eine Niereninsuffizienz bildet sich aus, wenn Harntransportstörungen und/oder ein Reflux des Urins in die Niere zu rezidivierenden Entzündungen oder Druckschädigungen der Niere führen. Sekundäre Ziele der Harnableitung sind die Lebensqualität und Funktionalität der Harnableitung (kontinent, inkontinent). Diese Ziele werden beeinflusst durch die Häufigkeit von Stoffwechselstörungen, die Größe des Reservoirs, die Implantationstechnik der Ureteren und die Kontinenz des sog. »outlets«. Nicht alle Patienten profitieren von einer Harnableitung in gleichem Maße. Die Vor- und Nachteile der jeweiligen Harnableitungsform machen es unabdingbar, dass den Patienten die unterschiedlichen Formen
92
Kapitel 8 · Harnableitung nach Zystektomie
der Harnableitung in ihrer individuellen Situation dargelegt werden müssen (Selektion).
Inkontinente Harnableitungsformen Ureterokutaneostomie/ Transureterokutaneostomie
8
Die Implantation des Ureters in die Haut ist zwar die naheliegendste Form der inkontinenten Ableitung, doch aufgrund ihrer Nachteile bleibt sie eine Harnableitung, die für »Notfälle« reserviert ist. Fast alle Ureterokutaneostomien müssen langfristig mit Ureterenkathetern geschient werden, um Ureterhautstenosen zu therapieren. Auch Modifikationen der Ureterhautanastomose (ovaläres Einnähen, sog. »Rodecklappenbildung«) können dies nicht zuverlässig verhindern. Da kein Darmsegment ausgeschaltet werden muss, werden derartige Harnableitungen bei palliativer Indikation (inoperable Tumoren des kleinen Beckens mit Urinfistelbildung) verwendet, um bei ohnehin durchgeführter operativer Exploration mit geringem Aufwand eine bessere Lebensqualität zu erreichen. In fast all diesen Fällen ist zumindest ein Ureter prävesikal dilatiert und dementsprechend einfach kann der kontralaterale Ureter in Form einer Transureteroureterokutaneostomie auf den dilatierten Ureter aufgenäht werden. Technik der Ureterokutaneostomie/TUUC. Die Ureteren werden vor der Blase abgesetzt, das proximale Ende wird bei z. B. 6 Uhr SSL mit einem 3–0 VicrylHaltefaden markiert, um spätere Verdrehungen auszuschließen. Der linke Ureter wird vorsichtig nach proximal freigelegt. Dabei sollten alle von medial einmündenden Versorgungsgefäße des Ureters (z. B. aus der A. iliaca communis) erhalten werden, weil bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, insbesondere aber bei bestrahlten Patienten die periureterale Gefäßversorgung nicht immer gewährleistet ist. Trotzdem ist es das Ziel, den linken (oder rechten) Ureter oberhalb des Abgangs der A. mesenterica inferior über die Aorta zu führen, damit ein Abknicken durch möglichste gerade Führung vom Nierenbecken zur kontralateralen Seite resultiert. Dies verhindert auch eine rasche Obstruktion durch eher paraaortal oder parakaval distal progrediente Lymphknotenmetastasen. Der dilatierte Ureter sollte möglichst als »Implantationsureter« verwendet werden. Dazu wird dieser dilatierte Ureter distal ovalär spatuliert und ein entsprechend konfigurierter kongruent ovalär exzidierter Vollhautlappen wird nach innen rotiert und mit dem
dilatierten Ureter anastomosiert (5–0 resorbierbares monofiles Nahtmaterial, z. B. Monocryl). Dann wird der kontralaterale Ureter ebenfalls spatuliert und auf eine mindestens 0,5 cm lange Inzision ca. 2 cm proximal des Bauchwanddurchtritts mit zwei fortlaufenden monofil resorbierbaren Nähten (z. B. 5–0 Monocryl) anastomosiert. Zuvor wurde nur der kontralaterale Ureter mit z. B. einem CH 7 MonoJ-Ureterkatheter geschient. Die Schiene kann nach etwa 7 Tagen entfernt werden. Häufig müssen im weiteren Verlauf bilaterale Ureterschienen eingelegt werden, weil Harntransportstörungen auftreten. Dies beeinträchtigt aber im Allgemeinen nicht die Effektivität dieser palliativen Harnableitung.
Ileumkonduit Das Ileumkonduit ist die Form der inkontinenten Harnableitung, bei der kein Risiko der Hautanastomosenenge besteht, weil zwischen Ureter und Haut Darm interponiert wird. Ein ideales Segment stellt das etwa 20 cm präterminal gelegene Ileum dar, das meist durch eine getrennte Arkade aus der A. mesenterica superior oder A. ileocolica versorgt und somit leicht vom Ileozökalsegment auslösbar ist (⊡ Abb. 8.1). Technik des Ileumkonduit. Durch Diaphanoskopie wird die Gefäßversorgung des Konduits gesichert,
⊡ Abb. 8.1. Ileumkonduit (schematisiert, hier mit BrickerImplantation)
93 Inkontinente Harnableitungsformen
der orale Mesenterialabschnitt muss nur so lange präpariert werden, dass die Ureteren spannungsfrei anastomosiert werden können. Dies erfolgt nach Durchzug des linken Ureters oberhalb der A. mesenterica inferior über die Aorta und V. cava nach rechts. Grund hierfür ist die Vermeidung einer Abknickung des Ureters und der möglichst direkte Urintransport der linken Niere in das Konduit. Ein Überführen des linksseitigen Ureters über die Iliakalgefäße birgt besonders bei erfolgter iliakaler und paraaortaler Lymphadenektomie das Risiko einer Ureterstenose aufgrund perivaskulärer Narbenbildungen. Die Durchtrennung der kleinen Arkadengefäße muss in respektablem Abstand zu den hauptversorgenden Gefäßen am besten mit 4–0 Ligaturen erfolgen, um eine Beeinträchtigung der Gefäßversorgung sowohl der ileoilealen Anastomose als auch des Konduits zu vermeiden. Grundsätzlich sollte das Ileumkonduit den Urin ohne Gegendruck als sog. »Nulldruckableitung« von den Ureteren zur Haut befördern. Dies gelingt nur, wenn das ausgewählte Darmstück nicht zu lang ist (meist ca. 10 cm) und einen direkten Weg von der Ureterimplantation zur Haut nehmen kann ohne zu knicken (»kinking«). Eine ausreichend weite (meist kreuzförmig inzidierte) Faszienöffnung ist dafür notwendig. Selbstredend müssen die Ureteren auf das orale Ende des ausgeschalteten Segments anastomosiert werden, um die beibehaltene Darmperistaltik isoperistaltisch nutzen zu können. Die Ureterimplantation ist refluxiv und in verschiedenen Techniken möglich. Am einfachsten ist das Vernähen der spatulierten Ureteren auf eine gemeinsame »Endplatte« und das End-zu-End-Anastomosieren auf das orale Konduitende (nach Wallace, fortlaufend z. B. 5–0 Monocryl). In der Originaltechnik nach Bricker wurden beide Ureteren getrennt voneinander End-zu-Seit zum Darmende anastomosiert, das blind verschlossen wurde. Die Ureterenimplantation wird üblicherweise mit Ureterenkathetern etwa 10 Tage geschient, um ein sicheres Einheilen zu gewährleisten. Die wesentlichste Vorbereitung des Patienten auf eine solche Harnableitung ist das Anzeichnen der zukünftigen Stomaöffnung. Dies muss am sitzenden Patienten geschehen, idealerweise durch »Probekleben« eines Urostomabeutels, der mit Wasser gefüllt ist. Nur so kann verhindert werden, dass das Stoma akzidentell in einer Hautfalte zu liegen kommt, die ein wasserdichtes Kleben des Beutels verhindert. In diesen Fällen muss nicht selten das Stoma neu angelegt werden, was für die Patienten eine vermeidbare Komplikation darstellt. Die Exzision der Hautöffnung sollte lediglich den spannungsfreien Durchtritt des Konduits gewährleisten (etwa
8
3 cm im Durchmesser). Das aborale Konduitende wird durch die kreuzförmige Inzision des vorderen und hinteren Faszienblatts des M. rectus abdominis hindurchgeführt, die Muskelfasern werden dabei nur verdrängt. Die Öffnung muss so weit sein, dass keine Einengung des Konduits beim Faszien- oder Muskeldurchtritt erfolgt. Eine Fixation des Konduits im Faszienbereich unter Aussparung des Konduitmesenteriums verhindert sowohl die Retraktion als auch die Hernienbildung (die Fasziennähte sollten nicht weiter als 1 cm auseinanderliegen). Das aborale Konduitende wird ca. 3 cm über das Hautniveau durchgezogen und evertierend so in die Haut eingenäht, dass es überstülpend aus dem Hautniveau ragt, um den Beutel besser kleben zu können. Obwohl am Ende eines oft langwierigen Eingriffs gelegen, ist die minutiöse Implantation des Konduits in die Haut ein wesentlicher Schritt für eine komplikationslose Beutelversorgung. Das Ileumkonduit ist nicht mehr die Harnableitung erster Wahl. Trotzdem bestehen gute Indikationen, z. B. bei Patienten, die aufgrund körperlicher oder geistiger Schwächen nicht in der Lage sind, ein kontinentes Reservoir zu beherrschen (Miktionskontrolle, Katheterismus). Auch als relativ schnelle und komplikationslose Ableitung aus palliativer Indikation (fortgeschrittene und inoperable Tumoren des kleinen Beckens, vornehmlich gynäkologische Tumoren) wird das Ileumkonduit seinen Stellenwert behalten. In vielen Abteilungen liegt die Rate der inkontinenten Ableitung in Form eines Ileumkonduits aus o. g. Indikation bei 50%. Zu dieser Form der Harnableitung gibt es nur wenige Kontraindikationen: z. B: ausgeprägter Aszites bei Leberzirrhose, komplett radiogen geschädigtes Ileum, bereits vorhandenes Kurzdarmsyndrom. Bei radiogen vorgeschädigtem Ileum kann als inkontinente alternative Harnableitung das Kolonkonduit aus meist nicht strahlengeschädigtem Colon transversum angeboten werden. Die Komplikationsrate unterscheidet sich nicht wesentlich von der des Ileumkonduits und wird bestimmt durch die Form der Ureterimplantation (antirefluxive Implantation mit dann aber auch höherer Stenoserate). Da das Kolonkonduit aufgrund der aufwendigeren Präparation der Gefäßversorgung zeitintensiver ist, wird es den wenigen Fällen vorbehalten bleiben, bei denen eine Kontraindikation zum Ileumkonduit besteht. Auch Patienten mit einem vermeintlich einfachen Ileumkonduit müssen insbesondere vonseiten des oberen Harntrakts nachgesorgt werden. Neuere Arbeiten zeigen eine erhebliche Rate von Nierenfunktionseinschränkungen im Langzeitverlauf.
94
Kapitel 8 · Harnableitung nach Zystektomie
Auch diese Tatsache sollte dazu führen, dass Konduitableitungen vornehmlich Patienten mit einer eingeschränkten Lebenserwartung angeboten werden (also z. B. keine Kinder oder junge Patienten mit neurogenen Blasenentleerungsstörungen).
Kontinente Harnableitungsformen Orthotope Ersatzblasen Ileumneoblase
8
Das aus detubularisierten Ileumanteilen geformte Urinreservoir mit Anschluss an den Harnröhrenstumpf nach Entfernung der Harnblase ist die Harnableitungsform erster Wahl bei Männern und jüngeren Frauen. In Ermangelung autologer Ersatzmaterialen für die Harnblase stellt diese »Ersatzblase« das zur Zeit physiologischste Urinreservoir dar. Für die Patienten ist es schlichtweg am attraktivsten in der Grenzsituation einer kompletten Organentfernung so operiert zu werden, dass die körperliche Integrität und gleichzeitig das übliche Wasserlassen nicht wesentlich verändert werden. Nach jahrzehntelanger Diskussion über die Wahl der optimalen Darmanteile, die refluxive oder antirefluxive Implantation und die Buchstabenvariation der Darmschlingenadaptation hat sich grundsätzlich eine Form der Ersatzblase durchgesetzt, die aus reinen Ileumanteilen mit nichtantirefluxiver Ureterimplantation besteht. Ausschlaggebend dafür waren letztlich die einfache Handhabung des Dünndarms versus des Dickdarms sowie die guten Langzeitergebnisse der Berner Klinik und in den letzten 5 Jahren auch der Ulmer Klinik bezüglich der nichtantirefluxiven Implantation (Studer u. Zingg 1997). Das Prinzip der funktionierenden Dünndarmersatzblase besteht in der Detubularisierung von 40–60 cm präterminalen Ileums und der Rekon-
figuration entsprechend des Hagen-Poiseuille-Gesetzes, sodass ein möglichst großer Hohlraum mit hoher Compliance entsteht, der ein Niedrigdruckreservoir darstellt. Nur damit ist das primäre Ziel einer Harnableitung, der Schutz des oberen Harntrakts vor aufsteigenden Infektionen und Druck, gewährleistet. Schwachstellen jeder Ersatzblase sind die Ureterimplantation einerseits und der Sphinkter bzw. die Kontinenz andererseits. Die Ureterimplantation verfolgte zunächst das Prinzip der antirefluxiven Implantation. In den USA wird häufig der orthotope Kock-Pouch verwendet, der durch die Implantation der Ureteren in einen invaginierten Ileumnippel den Reflux verhindert. Diese besondere Implantationstechnik ist jedoch auch die Schwachstelle dieser Harnableitung, die orthotop angewendet zu einer relativ hohen Rate von Ureterstrikturen führt (Shaaben et al. 2003). Die Berner Klinik um Urs Studer hat schon zu Beginn der Entwicklung der Ersatzblase auf dieses Prinzip verzichtet und die Ureteren in ein nichtdetubularisiertes orales Ende des ausgeschalteten Ileums implantiert (vgl. Ileumkonduit Ureterimplantation). Die Langzeitergebnisse zeigen, dass es nicht zu einer erhöhten Rate renaler Komplikationen kam (⊡ Tabelle 8.1). Dementsprechend hat auch die Ulmer Klinik um Richard Hautmann in den letzten Jahren die Ureterimplantation zugunsten einer nichtantirefluxiven Technik geändert. Die ursprünglich verwendete antirefluxive Implantation nach Le Duc zeigte im Langzeitverlauf wie alle anderen Formen der antirefluxiven Implantation eine Stenosierungsrate um 7%, die durch Verzicht auf diese Technik deutlich reduziert werden kann (Hautmann et al. 2002). Die guten Kontinenzraten beider Verfahren zeigen, dass die mathematischen Volumenberechnungen der unterschiedlichen Konfiguration (U- versus W-Pouch) nicht sicher auf die Realität zu übertragen sind. Solange ein ausrei-
⊡ Tabelle 8.1. Ureterimplantationsstenosen und Reflux im Literaturvergleich Studer AUA 2001 n=52 (5 Jahre) »Nesbit«
Athen AUA 2001 n=52 (5 Jahre) »Nesbit«
Hautmann 1999 n=363 (5 Jahre) »Le Duc«
Abol-Enein 2001 n=344 (3 Jahre) »Hasan«
Ureterstenose
<1%
<1%
9%
4%
Reflux
alle
alle
3%
3%
Pyelonephritis
3%
0%
7%
3%
95 Kontinente Harnableitungsformen
chendes Volumen und damit ein niedriger Druck erreicht werden, haben die unkoordiniert vorhandenen Kontraktionen der Ersatzblase keine klinische Relevanz. In beiden Fällen bleiben etwa 5% der Patienten nachts inkontinent oder müssen nachts die Ersatzblase entleeren, weil die Kontraktionen den erschlafften Sphinkter überwinden (⊡ Tabelle 8.2). Weitreichende ultrastrukturelle Untersuchungen der Ulmer Klinik belegen, dass sich die ileale Mukosa im Laufe der Zeit so umwandelt, dass sich die resorptive Kapazität der Schleimhaut langfristig zugunsten einer wenig resorbierenden Speicherfunktion ändert. Eine gut entleerende Ileumneoblase zeigt eine nur geringe Rate an nachweisbaren intraluminalen Bakterien. Nur im Falle eines notwendig werdenden Einmalkatheterismus sind Harnwegsinfektionen zu beobachten, die bei symptomatischen Patienten behandelt werden müssen. In den wenigen Fällen rezidivierend auftretender Schleimtamponaden kann ein regelmäßiges Ausspülen der Neoblase erforderlich werden, um rezidivierende Harnverhalte und Harnwegsinfekte zu umgehen. Untersuchungen zur Lebensqualität nach verschiedenen Formen der Harnableitung sind nur schwer interpretierbar. Die Lebensqualität wird vornehmlich durch die Therapieergebnisse der zugrunde liegenden Erkrankung bestimmt und die Form der
8
Harnableitung spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Vergleichende Untersuchungen zu Lebensqualität wurden zwar unternommen, doch in der zu favorisierenden Form der individuell zu wählenden Harnableitung müssen diese Untersuchungen ins Leere laufen. Patienten, die sich nach guter Aufklärung in ihrer Situation (vielleicht auch in Ermangelung von Alternativen) für eine inkontinente Form der Harnableitung entschieden haben, werden je nach Erfolg der Behandlung der Grunderkrankung eine oft hervorragende Lebensqualität berichten. Patienten, bei denen z. B. die mentalen Fähigkeiten zur Handhabung einer Neoblase präoperativ unterschätzt wurden, werden mit dieser vermeintlich optimalen Form der Harnableitung manchmal so schlecht zurecht kommen, dass eine so genannte »undiversion« erforderlich werden kann (s. ⊡ Abb. 8.9 und 8.10). Im Laufe der letzten 20 Jahre hat sich die Ileumneoblase als zunächst zu favorisierende Form der Harnableitung herauskristallisiert. Unterschiedliche Dogmen sind nicht mehr zu halten: Auch Patienten mit lokal fortgeschrittenen Karzinomen profitieren von einer Ersatzblase, auch Patienten mit kompensierter Niereninsuffizienz muss diese Form der Harnableitung nicht in jedem Fall vorenthalten werden. Die Rate der urethralen Rezidive ist klinisch vernachlässigbar (⊡ Tabelle 8.3) und auch
⊡ Tabelle 8.2. Kontinenzersatzblase im Literaturvergleich Studer 1995 n=100
Elmajian 1996 n=154
Hautmann 1996 n=290
Abol-Enein 2001 n=355
Tagsüber
92%
65%
84%
93%
Nachts
80%
44%
66%
80%
CIC m w
2% –
9% –
2% –
0% 10%
⊡ Tabelle 8.3. Lokalrezidivraten und urethrale Rezidivraten im Literaturvergleich Studer 1995 n=100 Ileum NB
Leissner 1999 n=103 MZ P I NB
Echtle AUA 2001 n=217 Ileum NB
Abol-Enein 2001 n=344 Ileum NB
Lokalrezidiv
4%
5%
24%
17%
Urethrales Rezidiv
6%
4%
6%
5%
96
8
Kapitel 8 · Harnableitung nach Zystektomie
präoperative Histologien aus der Prostataloge können diese in etwa 6% auftretenden Rezidive nicht verhindern (und sind damit entbehrlich). Die Zystektomie in erektionsnervenerhaltender Form hat Einzug gehalten (Stenzl et al. 2001) und es werden bereits prostata- und samenblasenerhaltende Zystektomieverfahren propagiert, um die Potenz und Funktion des Sphinkterapparats bei einer Neoblase besser erhalten zu können. Letztgenannte Optionen entbehren vorerst der Langzeitbeobachtung und die onkologische Radikalität und damit der eigentliche Grund für die Operation sind damit in Frage gestellt (Colombo et al. 2004; Valancien et al. 2002). Der Nervenerhalt während der Zystektomie führt bei Männern nicht nur zu einem möglichen Erhalt der erektilen Funktion, sondern nach einigen Autoren auch zu einer verbesserten Kontinenz (Turner et al. 1997). Bei der Zystektomie der Frau ist der paravaginale Nervenerhalt zwingend erforderlich, um eine gute Funktion der Ersatzblase zu gewährleisten (Stenzl et al. 2001). Weitere technische Verbesserungen beziehen sich auf die Verwendung laparoskopischer und z. T. auch roboterassistierter Operationstechniken zur Zystektomie, aber auch vereinzelt zur Bildung der Harnableitung. Das operative Trauma und auch die Operationszeit sollen dadurch reduziert werden (Menon et al. 2003). Bis zur Entwicklung besserer Formen der Ersatzblase ist die Neoblase aus Ileum zurzeit in den meisten Kliniken der Standard der orthotopen Harnableitung. Technik Ileumneoblase. Die Isolation des Mesenteriums und des z. B. für eine »Studer-Neoblase« erforderlichen Ileumanteils von ca. 50 cm geschieht
minutiös wie beim Ileumkonduit beschrieben (⊡ Abb. 8.2). Auf ein ausführliches Spülen des ausgeschalteten Segments kann m. E. bei erfolgter Darmvorbereitung (am Tag vor der Harnableitung osmotische Laxanzien, am besten zwei Tage zuvor bereits Flüssigkost) verzichtet werden. Die Schlingen werden entweder gedoppelt oder als drei etwa 15 cm lange Strecken aneinandergelegt. Die Detubularisierung geschieht am besten über einer Holzrinne oder einem Katheter mit dem Elektrokauter antimesenterial. Zum besseren Anschluss an die Urethra empfiehlt sich das asymmetrische Zuschneiden einer »Tülle« am Übergang von der 1. zur 2. oder von der 2. zur 3. Schlinge (⊡ Abb. 8.3). Nach Einlage eines Katheters gelingt mit wenigen Einzelknopfnähten (z. B. 4–0 PDS) das Ausformen eines stulpenförmigen Urethraanschlusses. Die medialen Seiten der aneinandergelegten Schlingen werden am schnellsten mit einer geraden Nadel (z. B. 4–0 Maxon) adaptiert (fortlaufend, überwändlich, Abstand ca. 3–4 mm). Die oralen 5–8 cm werden nicht detubularisiert und dienen der Ureterimplantation nach Wallace oder Nesbit (s. oben, fortlaufend 5–0 Monocryl). Die Ureteren werden mit 8 CH Mono-J-Ureterkathetern oder Ureterenkathetern geschient, die z. B. mit 3–0 Vicryl rapid am Darm fixiert werden. Nach extravulnärem Einbringen einer CH-12-Silikon-Zystostomie (Dauerkatheter mit Ballon) und jeweils getrenntem und extravulnärem Ausleiten der Ureterschienen wird die Vorderwand der Neoblase in oben genannter Weise verschlossen. Dabei ist aus meiner Sicht zwar theoretisch sinnvoll, die Neoblase kugelig zu formen, praktisch gesehen spielt dies jedoch keine so ent-
⊡ Abb. 8.2. Ausgewähltes Dünndarmsegment für eine Ersatzblase
⊡ Abb. 8.3. Formen einer »Tülle« zum Anschluss der Ersatzblase an die Urethra
97 Kontinente Harnableitungsformen
scheidende Rolle und auch eine ovalär zylindrisch geformte Neoblase weist geringe Binnendruckverhältnisse und mit 45 cm ausgeschaltetem Ileum eine ausreichende Kapazität auf. Wichtig hingegen ist die Fixation der Neoblase im kleinen Becken (z. B. am rechts stehenden Peritonealrand). Ein dreimal täglich stattfindendes Ausspülen der Neoblase mit Kochsalz verhindert eine Schleimtamponade. Nach 10 Tagen können die Ureterschienen sukzessive entfernt werden. Ein Zystogramm ist m. E. entbehrlich und birgt die Gefahr einer iatrogen ausgelösten Pyelonephritis bei noch geringer Kapazität und Reflux bei ggf. zu hohem Druck der Kontrastmittelfüllung. Erstgradige Nierenbeckenkelchdilatationen in den ersten 8 Wochen sind nicht pathologisch (bis ca. 10 mm Kelchhalsweite), sollten danach aber vollständig regredient sein. Zunächst 2-wöchentlich Kontrollen des Säure-Base-Status (»base excess« venös) über 8 Wochen und ggf. entsprechende Alkalisierung oral sind sinnvoll.
Orthotope Mainz-Pouch-Ersatzblase Aus der ursprünglichen Entwicklung eines kontinenten kutanen Reservoirs im Sinne des »Le Bag« wurde im Zuge der Popularisierung orthotoper Ersatzblasen der Anschluss eines ileozökalen Reservoirs an die Urethra abgeleitet. In der Weiterentwicklung des »Le Bag« über den Indiana-Pouch zum so genannten Mainz-Pouch I (s. unten). wurde auf das efferente »outlet« verzichtet und der aus dem terminalen Ileum und dem Colon ascendens gebildete Pouch mit dem Zökalpol an die Urethra angeschlossen. Der wohl einzige Vorteil dieser orthotopen Neoblase gegenüber der Ileumneoblase ist die grundsätzliche Möglichkeit der antirefluxiven Implantation der Ureteren. Mit der seit Publikation der Berner Daten gereiften Erkenntnis, dass der obere Harntrakt zumindest bei Ersatzblasen nicht langfristig durch eine antirefluxive Implantation geschützt sein muss, verliert dieser Vorteil an Bedeutung. Nachteilig gegenüber der Ileumneoblase bleiben bei der Verwendung ileozökaler Darmanteile für ein Urinreservoir der Verlust der Ileozökalklappe mit konsekutiv bestehender Gefahr einer erhöhten Stuhlfrequenz, die relativ umständliche Mobilisation der gesamten rechten Flexur, der Verlust des terminalen Ileums und die fehlende Mobilität des zökalen Mesenteriums bei adipösen Patienten. Jüngste Publikationen über eine Modifikation der ileozökalen Neoblase durch Belassen eines nichtdetubularisierten proximalen Ileumsegments zur Ureterimplantation und der Verwendung nur einer Ileumschlinge zur Pouchbildung mit kurzer Nahtzeit (sog. »B-Pouch«)
8
können die grundsätzlichen Nachteile der Ausschaltung der Ileozökalregion nicht aufwiegen.
Kontinenter kutaner Pouch Mainz-Pouch I und Modifikationen Als grundsätzliche Alternative zur Bildung einer Ersatzblase wurde Ende der 1970er-Jahre ein kutanes Urinreservoir aus ileozökalen Darmanteilen zum Anschluss an den Nabel entwickelt. Aus zweierlei Gründen wurde dabei die Verwendung von Dickdarmsegmenten ausgewählt: Zum einen war eine antirefluxive Implantation der Ureteren in den Pouch möglich, zum anderen bestand die Möglichkeit, die differenziert zu präparierende Kolonwand zur Implantation eines kontinenten Stomas (»Nippel«) zu verwenden. Die wichtigsten Modifikationen des kontinenten kutanen Reservoirs sind der Indiana-, der Tiflis- und der Mainz-Pouch (Rowland et al. 1987). Sie unterscheiden sich in der Verwendung der Darmsegmente (z. B. vornehmlich Dickdarm bei Indiana- und Tiflis-Pouch) sowie in der Bildung des efferenten Stomas (Appendix, »getapertes« Ileum). Insgesamt sind alle kontinent kutanen Reservoire mit einer relativ hohen Komplikationsrate behaftet, die im Langzeitverlauf bei etwa 25% liegt (Mansson et al. 2003). Alle Kliniken, die in die Versorgung von Patienten mit potentieller Harnableitung nach Zystektomie eingebunden sind, müssen als Alternative zur orthotopen Ersatzblase eine Variante des kutanen kontinenten Reservoirs beherrschen, um den Patienten ein Optimum der Harnableitung anbieten zu können. Die prädestinierte Patientengruppe für ein kontinentes kutanes Reservoir sind Patienten mit komplexen neurologischen Störungen (z. B. rollstuhlgebunden), für die eine Entleerung des Urins über ein orthotopes Reservoir nicht in Frage kommt. Auch bei Frauen sollte ein kutanes kontinentes Reservoir als Alternative zur Ersatzblase angeboten werden, denn die bei Frauen häufiger als bei Männern auftretende so genannte »Hyperkontinenz« (etwa 30%) führt nach Ersatzblasen nicht selten zur Notwendigkeit des sterilen Einmalkatheterismus. Das dann regelmäßig erforderliche Katheterisieren der Urethra ist für viele Frauen wesentlich unangenehmer als das geplante Katheterisieren des Nabels. Patienten mit ausgeprägten malignen Tumoren des kleinen Beckens (Sarkome, gynäkologische Tumoren) stellen eine dritte Gruppe dar, für die eine kontinente kutane Ableitung eine wesentlich besser akzeptable Alternative darstellt als die inkontinente
98
Kapitel 8 · Harnableitung nach Zystektomie
⊡ Abb. 8.4. Technik der Invagination des Ileum-Outlets beim Mainz-Pouch I (mit Staplern)
8
Harnableitung in Form eines Konduits. Zusammengenommen stellen diese drei Patientengruppen einen nicht unwesentlichen Anteil von Patienten für eine Harnableitung in einer operativ ausgerichteten urologischen Klinik dar, sodass zumindest ein Verfahren der kutanen kontinenten Harnblasenrekonstruktion angeboten werden sollte. Technik des Mainz-Pouch I. Exemplarisch soll der Mainz-Pouch I mit seinen aktuellen Modifikationen dargestellt werden. Nach vollständiger Mobilisation der rechten Flexur werden etwa 15 cm des Colon ascendens inklusive Zökalpol an der Gefäßversorgungsgrenze von A. ileocolica zur A. mesenterica superior ausgeschaltet und antimesenterial detubularisiert. In der Originalversion werden dann zusätzlich zwei Schlingen des präterminalen Ileums im Bereich der A. ileocolica ausgeschaltet (je 15 cm) und ebenfalls detubularisiert. Je nach Wahl des »outlets« wird dabei die Ileozökalklappe in die antimesenteriale Eröffnung miteinbezogen oder nicht. In der Originalversion des Mainz-Pouch I wurde die Ileozökalklappe nicht durchtrennt, sondern zur Fixation und Verstärkung des Kontinenzmechanismus eines intussuzeptierten (invaginierten) Ileumanteils verwendet. In den späteren Versionen wurde die Ileozökalklappe durchtrennt, denn der kontinente »Nippel« wurde entweder aus der submukös in den Zökalpol integrierten Appendix vermiformis oder aus verschmälerten (getaperten) Ileumanteilen gebildet, die ebenfalls in die Kolonwand integriert wurden. Dies hatte eine größere Pouchkapazität zur Folge. Als Vorteil des Ileozökalpouchs zählt nach wie vor die Möglichkeit zur antirefluxiven Implantation der Ureteren in die Kolonwand (submuköse Tunnelung in sog. »Open-end-« oder »Button-hole-
Technik« nach Goodwin-Hohenfellner). Bis heute gibt es keine schlüssigen Daten, ob auf diese relativ aufwendige Implantation bei kutanen kontinenten Reservoiren verzichtet werden kann. Alle kutan katheterisierbaren kontinenten Reservoire leiden unter einer relativ hohen Komplikationsrate des Stomas. Auch in neueren Serien werden Komplikationsraten bis 50% beschrieben, die bis zur Hälfte der Fälle offen revidiert werden mussten (Stomastenosen oder Inkontinenzen des Nippels). Zu dieser spezifischen Komplikation addiert sich ein Risiko für Ureterdarmstenosen von etwa 8%. Andere Pouch-bedingte Komplikationen wie Perforation, Schleimtamponade und Steine fallen bei den heutigen Varianten des Ileozökalpouchs unter Verzicht auf »stapler« nicht mehr ins Gewicht (⊡ Abb. 8.5 bis 8.10). Die verlässlichste und komplikationsärmste Form des Kontinenzmechanismus stellt die Verwendung der Appendix vermiformis dar. Eine sehr geringe Rate an Inkontinenzen wird durch die gut erhaltende Durchblutung der mesenterial gefensterten Appendiximplantatation erreicht. Durch einen ovalär exzidierten Nabelanschluss kann die Rate der Haut-Nippel-Stenosen deutlich reduziert werden. Eine weitere Modifikation der Implantation der Ureteren in den nichtdetubularisierten proximalen Ileumanteil kann die Rate der Ureterimplantations-
⊡ Abb. 8.5. »Flap-valve-Implantation« der Appendix als Outlet des Mainz-Pouch I in den Zökalpol
99 Kontinente Harnableitungsformen
engen sicher reduzieren, doch bislang fehlen Daten, die den Verzicht auf einen Refluxschutz absichern. Eine vorhandene Appendix und die End-zu-Endoder End-zu-Seit-Implantation der Ureteren in der Form einer Wallace- oder Bricker-Implantation macht den kontinenten Ileozökalpouch zu einer relativ komplikationsarmen, leicht durchführbaren
8
und schnellen Form der kontinenten Harnableitung. Sobald die Appendix durch die Bildung eines Ileums oder Kolonnippels (z. B. getapert, Monti/Yang, SaoPaulo oder Roth/Lampel) ersetzt werden muss, steigt die Komplikationsrate des »outlets« und die Harnableitung wird zeitaufwendiger. Auch andere
⊡ Abb. 8.8. Fertiggestellter Mainz-Pouch I mit Nabelanschluss
⊡ Abb. 8.6. Fertiggestellter Zökalpouch mit Appendix-Outlet
⊡ Abb. 8.7. Präparation des submukösen Tunnels zur Implantation der Appendix (Gefäßversorgung mesenterial gefenstert)
⊡ Abb. 8.9. »Undiversion« eines Ileumkonduits in einen Mainz-Pouch I
100
8
Kapitel 8 · Harnableitung nach Zystektomie
⊡ Abb. 8.10. Katheterisieren des Mainz-Pouch I
Sonderformen wie z. B. die Bildung eines kutanen kontinenten Reservoirs aus Colon-transversumoder Colon-descendens-Anteilen mit Neoappendix bei z. B. vorbestrahlten Patienten erhöhen den operativen Aufwand. Allerdings sind diese Modifikationen sehr sinnvoll, denn die Lebensqualität der oft jungen Tumorpatienten (besonders gynäkologische Tumoren nach Radiochemotherapie) steigt mit einer kontinenten Form der Harnableitung deutlich. Bei allen Formen der kontinenten Harnableitung unter Verwendung von Ileozökalanteilen sind potentiell Langzeitrisiken durch eine geänderte Stoffwechselsituation zu bedenken. Grundsätzlich kann ein Malabsorptionssyndrom zu einer Erhöhung der Stuhlfrequenz und das Ausschalten des terminalen Ileums zu messbaren Reduktionen im B12-Spiegel führen. Auch der Säure-Basen-Haushalt ist häufig durch die hohe Resorptionskapazität des Kolons in Richtung einer hyperchlorämischen Azidose verschoben. Nur selten jedoch stellen diese Stoffwechselveränderungen ein klinisches Problem dar und können in den wenigen klinisch relevanten Fällen leicht durch Gabe von Cholestyramin, Substitution von B12 oder die Gabe von alkalisierenden Substanzen behandelt werden.
Rektosigmoidpouch (Mainz-Pouch II) Nachdem das Verfahren der Ureterimplantation in den Darm historisch gesehen zunächst die Harnableitung begründet, aber dann auch durch recht schnellen Verlust der renalen Funktion (refluxbe-
dingt) in Misskredit gebracht hat, konnte durch eine geringfügige Modifikation (Detubularisierung des Sigmas) zu Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts ein »revival« dieser Harnableitung erreicht werden. Die Mainzer Klinik (Fisch/Hohenfellner) inaugurierte das Adaptieren von zwei Sigmaschlingen mit antimesenterialer Eröffnung, angelehnt an die kutanen Reservoire und die Implantataion der Ureteren in das somit gestaltete Niederdruckreservoir (Fisch et al. 1996; D’Elia et al. 2004). Die Stuhlkontinuität wurde gewahrt und das Stuhl-UrinGemisch kann sich in einem Sigmapouch sammeln. Zu Beginn der Entwicklung wurde eine minutiöse Messung des analen Verschlussdrucks für erforderlich gehalten und das Verfahren wurde zunächst als einfache Form der kontinenten Harnableitung für Frauen propagiert. Zwischenzeitlich avancierte diese sehr einfache Form der Harnableitung zu einer Alternative einer kontinenten Ableitung auch bei Männern und vor allem auch bei älteren Patienten, bei denen zunächst aufgrund der vermeintlich nachlassenden Sphinkterfunktion Bedenken bestanden (⊡ Abb. 8.11) (Bastian et al. 2004). Die Vorteile des Verfahrens liegen nach einer nunmehr über 10-jährigen Beobachtungszeit vor allem in der nur geringgradig erforderlichen Darmmobilisierung und der Schnelligkeit des Operationsverfahrens. Technik des Mainz-Pouch II. Zwei Sigmaschlingen werden im kleinen Becken gedreht u-förmig aneinanderlegt, antimesenterial eröffnet und dann zunächst zur Bildung der Pouch-Hinterwand mit ihren dorsal liegenden Medialseiten anastomosiert. Die Anastomose der Vorderwand erfolgt nach stattgehabter Ureterimplantation. Die Implantation der Ureteren erfolgt in Goodwin-Hohenfellner-Technik antirefluxiv. Dabei ist die Lokalisation des Mesenterialdurchtritts der Ureteren bei ausreichend weiter Öffnung eher unerheblich. Erheblicher ist die sicher antirefluxive Implantation zur Verhinderung des Refluxes des Stuhl-Urin-Gemischs. Dieser Aspekt stellt das einzige wesentliche Problem der Harnableitung dar, denn, wie bei allen Formen der antirefluxiven Implantation von Ureteren in Darm, sind zu je 8% Ureterstenosen oder Reflux zu beobachten, der sich klinisch in rezidivierenden Pyelonephritiden äußert. In beiden Fällen muss der Ureter neu implantiert werden. In den meisten Fällen finden sich als Ursache für das Problem Durchblutungsstörungen des weit distal präparierten Ureters. Andererseits erlaubt der beidseits erhaltene Ureter eine mögliche Umwandlung dieser Harnableitung in eine kutane kontinente oder inkontinente Form der Harnableitung. Die
101 Literatur
8
das Auftreten von Adenokarzinomen an der Implantationsstelle der Ureteren im Darm. Sporadisch wurden hier Fälle berichtet, die zur allgemeinen Empfehlung einer jährlichen koloskopischen Kontrolle beginnend mit dem 5. Jahr der Nachsorge geführt haben.
Zusammenfassung
⊡ Abb. 8.11. Rektosigmoidpouch (Mainz-Pouch II)
Naht der Hinter- und Vorderwand geschieht – wenn von der Lokalisation her möglich – mit der geraden Nadel (z. B. Maxon 4–0), sonst fortlaufend überwändlich mit z. B. 4–0 PDS allschichtig. Die Ureterimplantation in Button-hole-Technik setzt einen suffizienten submukösen Tunnel von ca. 4 cm voraus. Die Implantation erfolgt mit zwei sog. Ankernähten (z. B. 4–0 PDS) und die Adaptation der Ureter- an die Darmmukose mit z. B. 5–0 Monocryl. Als Ureterschiene sollten mindestens 90 cm lange CH-7- oder CH-8-Ureterschienen gewählt werden, die transanal ausgeleitet werden (neben einem Darmrohr für etwa 5 Tage). Die Fixation der Schienen am Darm erfolgt mit z. B. 3–0 Vicryl rapid, sodass diese etwa nach 10 Tagen entfernt werden können und sich nicht vorher von alleine lösen. Neuere Untersuchungen dieser Harnableitung zeigen, dass sie aufgrund des geringen operativen Traumas grundsätzlich auch bei multimorbiden und alten Patienten geeignet ist und damit dem Ileumkonduit in dieser Situation Konkurrenz macht (Bastian et al. 2004). Nachteilig ist die relativ hohe Rate von Patienten, die dauerhaft alkalisierende Substanzen einnehmen müssen (im ersten Jahr 30%, langfristig >10%). Die Rückresorptionskapazität des nicht ausgeschalteten Darms verändert sich im Unterschied zu allen anderen Harnableitungsformen nicht. Erwähnenswert ist, dass bei erforderlich werdenden Chemotherapien bei bestehendem Sigma-Rektum-Pouch diese Rückresorptionskapazität bedacht werden muss. Eine weitere Besonderheit ist
Die orthotope Ersatzblase ist bei Mann und Frau zunächst erste Wahl bei der Beratung über die Harnableitung. Alternativ klären wir auch über die Möglichkeit eines Sigma-Rektum-Pouches auf (geringes operatives Trauma, geringere Operationszeit). Ein Ileumkonduit wird als weitere Alternative mit besonders geringer Komplikationsrate genannt. Für besondere klinische Fälle kommen kutane kontinente Reservoire in Frage. Bei palliativer Indikation gewinnt auch die kontinente Ableitung in Form eines Mainz-Pouch II mehr und mehr an Bedeutung. Am wichtigsten erscheint, dass es keine ideale Harnableitung für alle Patienten gibt. Dies impliziert, dass mehrere Varianten (zumindest eine Form der Ersatzblase, eine Form der kutanen kontinenten Ableitung, der Rektosigmoidpouch und das Ileumkonduit) der Harnableitung beherrscht werden müssen, um den individuellen Ansprüchen der Patienten und der individuellen klinischen Situation gerecht werden zu können.
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102
Kapitel 8 · Harnableitung nach Zystektomie
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8
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9 Zeitgemäße Pflege von Patienten mit Urostomien, kontinenten und inkontinenten Harnableitungen M. Georg
Zeitgemäße Pflege bedeutet, dass die Versorgung der Patienten bedürfnisorientiert ist, sich nach den neuesten pflegewissenschaftlichen und hygienischen Erkenntnissen richtet und auch dem Gebot der Wirtschaftlichkeit Rechnung trägt. Durch die Vielzahl der Versorgungsartikel auf dem heutigen Markt, ist es möglich, jedem Patienten, hinsichtlich seiner körperlichen, motorischen und geistigen Fähigkeiten, seinen Bedürfnissen und seinen Gewohnheiten die notwendigen Pflegeartikel bereit zu stellen (⊡ Abb. 9.1).
⊡ Abb. 9.1. Stomaversorgungsartikel unterschiedlicher Hersteller
Pflege der inkontinenten Harnableitungen Für die Rehabilitation der Stomaträger ist die bedürfnisorientierte, qualifizierte Pflege und die Qualität der Stomaanlage von größter Bedeutung. Nur wenn beide Kriterien erfüllt werden, kann der Patient wieder ein selbstbestimmtes Leben führen.
Pflegeanamnese und Pflegeberatungsgespräch Nach der ärztlichen Aufklärung über die geplante Operation und die Form der Harnableitung sollte ein Pflegeberatungsgespräch des Stomatherapeuten oder der Stomatherapeutin mit dem Patienten durchgeführt werden. Es dient dem Pflegenden als Informationssammlung und Ausgangslage zur Pflegeplanung und soll eine Vertrauensbasis für die nachfolgende Zeit aufbauen. Das Beratungsgespräch sollte folgende Punkte beinhalten: ▬ Allergieanamnese: Wenn Allergien vorhanden sind, sollte unbedingt ein Allergietest der gängigen Versorgungsartikel an der Innenseite des Unterarmes durchgeführt und im Allergiepass des Patienten vermerkt werden. ▬ Was ist ein Stoma?
104
Kapitel 9 · Zeitgemäße Pflege von Patienten mit Urostomien, kontinenten und inkontinenten Harnableitungen
▬ Welche pflegerische Versorgungsmöglichkeiten gibt es nach der Stomaanlage?
▬ Informationen über individuelle Hilfsmittel. ▬ Wie kann man die gewohnte Lebensqualität wiedererlangen?
▬ Informationen über Selbsthilfeorganisationen und, wenn gewünscht, Gespräch mit einem Stomaträger vermitteln. ▬ Individuelle Fragen des Betroffenen beantworten. ▬ Betreuung nach der Operation ansprechen mit Zielformulierung. ▬ Wie sieht die familiäre Situation aus? Das Gespräch sollte auf Wunsch des Patienten auch mit dem Partner oder Angehörigen zusammen geführt werden.
Stomamarkierung
9
Ziele sind ein sicherer Sitz der Stomaversorgung und das Sichern der Selbstversorgung des Patienten. Damit die Harnableitung optimal angelegt werden kann, muss die Markierung der Stomaposition vor der Operation erfolgen. Dies sollte im Idealfall mit dem Operateur zusammen geschehen. Die Markierung wird mit einem wasserfesten Stift durchgeführt und der Patient muss darüber informiert werden, dass die Markierung nachgezeichnet werden soll, falls beim Duschen oder Baden vor der Operation die Farbe verblasst. Kriterien zur Stomamarkierung (⊡ Abb. 9.2): ▬ Markierung im Musculus rectus abdominis, ▬ nicht an Knochenvorsprüngen (Beckenkamm und Rippenbogen beachten), ▬ nicht an Narben, Falten und Muttermalen, ▬ Markierung im Sitzen, Kontrolle im Stehen und Liegen, ▬ Patient sollte Markierung im Sitzen oder Stehen einsehen können, damit er sich selbst versorgen kann. Das Einritzen mit einer Kanüle zur Markierung sollte nicht mehr erfolgen, da es schmerzhaft für den Patienten ist und auch ein Infektionsrisiko für die Operation darstellt. Das so genannte »Probetragen« einer Stomaversorgung wird auch nicht mehr durchgeführt. Der Patient hat keine Wahl, sich für eine andere Form der Harnableitung zu entscheiden, es ist unrealistisch und unwirtschaftlich. Wenn die Auswahlkriterien berücksichtigt werden, genügt es, die Position mit dem Stift zu markieren, damit
⊡ Abb. 9.2. Stomamarkierung Ileumkonduit
die Versorgung sicher haftet und der Patient sich selbst versorgen kann.
Auswahl der Versorgungssysteme und postoperative Pflege Grundsätzlich müssen alle gängigen Hilfsmittel der verschiedenen Hersteller vorrätig sein oder kurzfristig besorgt werden können, um patientenorientiert pflegen zu können. Es steht zum einen die einteilige und zum anderen eine zweiteilige Versorgung zur Auswahl. In den ersten Tagen nach der Operationen ist es von Vorteil, Einteiler (⊡ Abb. 9.3) zu benutzen, da man keinen Druck auf den frisch operierten Bauch beim Urostomiebeutelwechsel ausüben muss. Man kann auch zweiteilige Systeme verwenden, bei denen man die Basisplatte untergreifen kann oder bei denen der Urostomiebeutel nur auf der Basisplatte aufzulegen und mit einem Verschlusssystem am Rand zu befestigen ist (⊡ Abb. 9.4) Ein Versorgungswechsel ist spätestens am 3. postoperativen Tag erforderlich, weil der Urin die hygroskopische Basisplatte permanent ausspült. Bei Harnableitungen mit Darmsegmenten muss täglich der Schleim am Stoma entfernt werden, um das Stoma auf Nekrosen, Blutungen oder Retraktion beobachten zu können. Die Harnleiterschienen, die so genannten Splinte, werden entweder getrennt aus dem Beutel geleitet oder im Beutel zusammen in einen Urinbeutel abgeleitet. Von prophylaktischen Spülungen der Splinte ist wegen des Infektionsrisikos eher abzuraten, vielmehr ist auf eine ausreichende Diurese zu achten.
105 Pflege der inkontinenten Harnableitungen
Der Patient sollte von Beginn an, unter Berücksichtigung seiner körperlichen und seelischen Verfassung, am Versorgungswechsel beteiligt werden. Spätestens nach der intensivmedizinischen Überwachung, in der Regel am 5. postoperativen Tag, sollte mit der Anlernphase begonnen werden. Der Patient sollte zuerst lernen, wie er den Nachtbeutel dekonnektiert und wieder anschließt. Danach kann beim zweiteiligen System mit dem Beutelwechsel begonnen werden. Hier sollte unbedingt auf die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Patienten geachtet und die Entscheidung über das endgültige System zusammen mit dem Patienten getroffen werden. Da die Systeme sich qualitativ kaum, aber im Urinauslass sowie in der Form und Struktur der Basisplatte unterscheiden, ist die bedürfnisgerechte Auswahl auch hinsichtlich der Stomaanlage erforderlich. Wenn der Patient die Auswahl zwischen
⊡ Abb. 9.3. Ideales Ileumkonduit, Einteiler, Compact Urostomiebeutel, Fa. Hollister
⊡ Abb. 9.4. Zweiteilige Versorgung, Assura, Fa. Coloplast
9
ein- und zweiteiligen Systemen hat, wird häufig von jüngeren Patienten der Einteiler gewählt, da er unter der Kleidung unauffälliger wirkt. Viele Patienten fühlen sich damit auch sicherer, weil er täglich gewechselt wird. Verbreitet ist das Vorurteil, dass durch den täglichen Wechsel die Haut angegriffen wird: richtig ist eher das Gegenteil. Die Haut kann täglich inspiziert, gepflegt werden und bei den heutigen dünnen Adhäsivmaterialien wird die parastomale Haut dabei im Regelfall nicht beeinträchtigt. Zum Versorgungswechsel werden folgende Standardmaterialien benötigt (⊡ Abb. 9.5): ▬ neue Basisplatte mit Urostomiebeutel oder Einteiler, ▬ ca. 10 unsterile Vlieskompressen, davon ca. 4 mit Wasser befeuchten, ▬ Entsorgungsbeutel, ▬ evtl. milde Waschlotion, ▬ Handschuhe, ▬ evt. Einmalrasierer. Vorgehensweise: ▬ Patient über Versorgungswechsel informieren, ▬ Vorbereitung der Materialien, ▬ Patient vor Blicken schützen und nur soviel von der Kleidung aufdecken, wie zum Wechsel benötigt wird, ▬ alte Versorgung mit Handschuhen von oben nach unten vorsichtig entfernen, ▬ Reinigung der parastomalen Haut zuerst mit den feuchten Kompressen kreisförmig um die Stomaöffnung nach außen hin, ▬ behaarte Stellen müssen rasiert werden, da sonst die Haftfähigkeit der Platte leidet, ▬ Trocknen der Haut mit den restlichen Vlieskompressen, ▬ Anbringen der neuen Versorgung von unten nach oben, ▬ evtl. Verbindung mit dem Nachtbeutel herstellen. Da bei den Urostomien immer Urin fließt, sollte man den Versorgungswechsel am besten morgens vor dem Frühstück vornehmen, weil die Urinausscheidung durch die verminderte Flüssigkeitszufuhr in der Nacht dann spärlicher ist. Diese Maßnahme reicht in der Regel aus, um einen sicheren Wechsel durchzuführen. Zusätzlich können auch Tampons oder Pflasterspray empfohlen werden, um den Urinfluss kurzfristig zu stoppen. Es gibt Materialien, die bei der Stomaversorgung nicht benutzt werden dürfen, da sie den Säureschutzmantel der parastomalen Haut angreifen. Dies sind Kernseife, Waschbenzin, Äther und alle
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Kapitel 9 · Zeitgemäße Pflege von Patienten mit Urostomien, kontinenten und inkontinenten Harnableitungen
Wird eine Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt, sollte der Patient einen Pflegeüberleitungsbogen mit in die Klinik nehmen, damit dort die Selbstversorgung weiter erlernt werden kann.
Pflege der kontinenten Harnableitungen Präoperative Maßnahmen
⊡ Abb. 9.5. Vorbereitung zum Versorgungswechsel im Liegen, mit Urinprobeentnahme mittels Nelaton-Einmalkatheter
9
gerbenden Substanzen oder Farblotionen. Keimverschlepper sind Waschlappen und Schwämme. Auch das Fönen der Haut ist obsolet. Die Hilfsmittelindustrie bietet eine Vielzahl von zusätzlichen Pflegeutensilien und Materialien an. Es gilt auch in der Stomapflege der Grundsatz »weniger ist mehr«. Wenn das Zubehör gezielt eingesetzt wird, das heißt, nur wenn eine Notwendigkeit vorliegt, kann es seinen Zweck erfüllen. Grundsätzlich benötigt nicht jeder Stomaträger einen zusätzlichen Gürtel oder eine Pflegecreme. Nur der gezielte Einsatz ist wirtschaftlich und patientengerecht. Wenn der Stomaträger den Versorgungswechsel nicht alleine durchführen kann, sollten der Partner oder Familienangehörige in Rücksprache mit dem Patienten mit angeleitet werden. Es besteht auch die Möglichkeit, eine häusliche Pflege zu beantragen, was aber nur in Ausnahmefällen geschehen sollte. Zur Krankenhausentlassung müssen verschiedene Dinge geklärt sein. Die Entlassungsversorgung muss organisiert werden. Es sollten nur Versorgungsmaterialien für 4 Wochen bestellt werden, da sich die Stomagröße nochmals verändert. Das Stoma wird kleiner; deshalb muss die Größe der Stomaöffnung nach dieser Zeit neu ausgemessen und die Versorgung angepasst werden. Auch sollte zu diesem Zeitpunkt besprochen werden, wie der Patient mit der Handhabung der Materialien zurecht kommt. Folgende Standardmaterialien sollten vorrätig sein: ▬ Basisplatten und Urostomiebeutel oder einteilige Urostomieversorgung für 30 Tage, ▬ Vlieskompressen, ▬ Entsorgungsbeutel, ▬ Zubehör nur bei Bedarf.
Wenn Darm als Harnableitung verwendet werden soll, muss dieser für die Operation sauber sein. Für den Patienten bedeutet dies am Tag vor der Operation, dass abführende Maßnahmen durchgeführt werden müssen, heute nur noch in Form fertiger Trinklösungen. Bei den Harnleiter-Darm-Implantationen müssen die Patienten an verschiedenen Tagen Halteeinläufe bekommen, davon einen zur Nacht. Dabei werden die Speicherfunktion des Rektums und die Schließmuskelfunktion getestet. Hierzu werden 250 ml körperwarme Kochsalzlösung über einen im Rektum geblockten (10 ml) Blasenkatheter in einem Zeitraum von 30 Minuten eingebracht. Nach Entfernung des Katheters sollte der Patient die Lösung mindestens 2 Stunden halten können. Das Ergebnis muss dokumentiert werden. Patienten, die eine Neoblase bekommen sollen, müssen in der Lage sein, sich selbst zu katheterisieren, falls es später nicht gelingt, die Blase mittels Bauchpresse restharnfrei zu entleeren. Ist ein Nabelstoma geplant, muss der Nabeltrichter gründlich gereinigt werden. Alle anderen Urostomien müssen angezeichnet werden. Die katheterisierbaren Pouche, die nicht im Nabel liegen, befinden sich normalerweise im rechten Unterbauch. Auch sollte im Hinblick darauf, dass keine kontinente Harnableitung angelegt werden kann, z. B. bei intraoperativen Komplikationen, immer ein Stoma mitmarkiert werden.
Postoperative Pflege Auch bei den kontinenten Harnableitungen sind die Anastomosenstellen durch Splinte geschützt. Bei den Harnleiter-Darm-Implantationen werden sie transanal und bei der Ileumneoblase transkutan ausgeleitet. Auf eine ausreichende Diurese ist zu achten. Das größte Problem beim Blasenersatz durch Darm ist die Schleimbildung. In einigen Kliniken werden mukolytische Substanzen in den Pouch instilliert, um den zähen Schleim zu lösen. Sinnvoller
107 Lösungen für Probleme in der Versorgung
erscheint eine tägliche Spülung mit einer Blasenspritze über den Ballonkatheter mit 100 ml Kochsalzlösung. Der Patient sollte wissen, dass er vielleicht später auch seinen Pouch spülen muss, wenn es notwendig ist. Nach dem Entfernen des Ballonkatheters am 21. postoperativen Tag, beginnt die Anlernphase bei einem Patienten mit kontinentem Stoma. Es muss jetzt nach der Uhr katheterisiert werden, auch in der Nacht, da der Pouch an steigende Füllmengen gewöhnt werden muss. Es wird ein 4-stündiger Rhythmus angestrebt mit einem 6- bis 8-stündigem freien Intervall in der Nacht. Der Patient muss den sauberen Katherterismus erlernen, d. h., sterile Einmalkatheter werden unter hygienischen Bedingungen benutzt. Der Nabeltrichter sollte anfangs desinfiziert werden, später, wenn die Wundheilung abgeschlossen ist, kann man darauf verzichten. Die Industrie bietet eine große Anzahl verschiedener Katheter an, unter anderem auch so genannte Pouchkatheter. Dem Patienten sollte man die Möglichkeit geben, verschiedene Materialien auszuprobieren (⊡ Abb. 9.6. und 9.7).
9
Nach dem Katherisierungsvorgang schützt eine Kompresse oder ein spezielles Pflaster, das auch zum Baden oder Schwimmen verwendet werden kann, den Pouch vor äußeren Einflüssen (z. B. Supla, Fa. Rüsch). Der Patient mit einer Ileumneoblase muss ebenfalls nach der Uhr entleeren, auch in der Nacht, damit die Blase nicht »überläuft«. Bestehen nach der Miktion hohe Restharnmengen oder tritt eine vermehrte Schleimbildung auf, muss sich auch dieser Patient intermittierend katheterisieren. Dies erfolgt mit dem Erlernen des sauberen Katheterismus, wofür verschiedene Materialien zur Verfügung stehen. Wir unterscheiden zum einen die hydrophilen Katheter, die mit Kochsalzlösung gleitfähig gemacht werden. Zum anderen die Katheter, die ein Gleitmittel in der Verpackung haben, das aufgebracht werden muss oder das durch Vorschieben des Katheters auf diesem haften bleibt. Die Lebensqualität der Betroffenen ist ein ganz wichtiger Maßstab nach Anlage einer Harnableitung. Im Beratungsgespräch vor der Harnableitung muss bei den kontinenten Ableitungen auf die Wichtigkeit einer lebenslangen Disziplin bei der Entleerung der Pouche und auf die Insuffizienz des Analsphinkters bei zunehmendem Alter unbedingt hingewiesen werden.
Ernährung bei Urostomien
⊡ Abb. 9.6. Verschiedene Einmalkatheter mit Tiemann- und Nelatonspitze
Grundsätzlich brauchen keine speziellen Diäten eingehalten werden. Der Patient kann und sollte alles essen und trinken, was er möchte. Es ist nur auf eine ausreichende Diurese zu achten. Die Urinausscheidung sollte 1,5 l pro Tag betragen. Positiv wirken sich Preiselbeersaft oder Preiselbeerdragees (Cranberry, Fa. Medical Service) auf die Schleimreduzierung aus.
Lösungen für Probleme in der Versorgung
⊡ Abb. 9.7. Intermittierender Selbstkatheterismus (ISK), Katheter: LoFric 14 CH, Fa. Astratech
Auch wenn alle prä- und postoperativen Kriterien für die Stomaanlage und Stomaversorgung berücksichtigt werden, kann es zu Problemversorgungen kommen. Sei es durch Veränderung der Bauchdecke infolge von Hernien oder einfach durch Gewichtszu- oder -abnahme nach der Operation oder durch Nachlässigkeit in der Pflege der parastomalen Haut bei fehlender Kontrolle (⊡ Abb. 9.8). ▬ Ileumkonduit, konvexe Versorgung mit zu großem Ausschnitt der Basisplatte.
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Kapitel 9 · Zeitgemäße Pflege von Patienten mit Urostomien, kontinenten und inkontinenten Harnableitungen
Lösung: z. B. plane Basisplatte mit Alginatkompresse auf dem Ulkus. ▬ Ileumkonduit, Warzenbildung parastomal, Waschfrauenhaut, plane Basisplatte mit zu großem Ausschnitt, Wechsel der Basisplatte jede 8 Tage über Jahre hinweg (⊡ Abb. 9.9). Lösung: z. B. konvexe einteilige Versorgung mit genau angepasstem Ausschnitt, Wechsel der Versorgung täglich.
▬ Ileumkonduit mit Hernie, zweiteiliges System führte häufig zu Undichtigkeiten (⊡ Abb. 9.10). Lösung: einteiliges System, das sehr flexibel ist und sich der parastomalen Haut anpasst, spezielles Bruchband mit Öffnung für die Stomaversorgung. Das Bruchband muss im Liegen angezogen werden, damit die Passform stimmt und es seinen Zweck erfüllen kann, nämlich den Bruch am Heraustreten zu hindern.
9 ⊡ Abb. 9.10. Bruch
⊡ Abb. 9.8. Mazeration der Haut und Ulkus parastomal
⊡ Abb. 9.11. Hernienbandage mit vorgefertigter Öffnung: Stomacare Bandage, Fa. Basko
⊡ Abb. 9.9. Waschfrauenhaut
10 Therapie und Prognose des lymphogen metastasierten Urothelkarzinoms – Stellenwert der Lymphknotenchirurgie und der perioperativen systemischen Chemotherapie. M. Stöckle, J. Lehmann
Im Jahre 1950 beschrieben Leadbetter und Cooper die Technik der regionären Lymphknotenausräumung (»pelvine Lymphadenektomie«) als Ergänzung zur totalen Zystektomie (Leadbetter und Cooper, 1950). Die Kombination aus pelviner Lymphadenektomie und totaler Zystektomie wird heute üblicherweise als radikale Zystektomie bezeichnet. Die Einführung der pelvinen Lymphadenektomie markiert dementsprechend auch den Beginn einer systematischen Auseinandersetzung mit dem Thema Lymphknotenbefall, denn eine zuverlässige Diagnose von Lymphknotenmetastasen setzt die operative Entfernung der relevanten Lymphknotengruppen und die damit verbundene Möglichkeit der histopathologischen Begutachtung voraus. Es brauchte in der Folgezeit aber mehr als drei Jahrzehnte, bis sich allmählich herauszukristallisieren begann, dass die regionäre Lymphknotenausräumung nicht nur eine exaktere Stadieneinteilung des Blasenkarzinoms erlaubt, sondern für den betroffenen Patienten vielleicht auch einen therapeutischen Nutzen hat. Bis in die frühen 80er-Jahre hinein lagen die Heilungsraten radikal operierter Patienten mit tumorbefallenen Lymphknoten kaum über 10% (⊡ Tabelle 10.1; Gschwend et al. 2000). Die aussagekräftigste Arbeit über die Heilungswahrscheinlichkeiten von Patienten aus jener Behandlungsepoche wurde von Smith und Whitmore 1981 veröffentlicht (Smith und Whitmore, 1981): Berichtet wurde über eine Gesamtzahl von 135 radikal zystektomierten Patienten mit Lymphknotenbefall. Von insgesamt
30 Patienten mit dem Tumorstadium pN1 hatten fünf (17%) überlebt, von 104 Patienten mit dem Tumorstadien pN2 bis pN4 (das Tumorstadium pN4 charakterisierte damals den juxtaregionären Lymphknotenbefall und wird in der derzeit gültigen TNM-Klassifikation schon unter der Rubrik M+ als Fernmetastase klassifiziert) überlebten 4 von 104 Patienten (3,8%). Damit lag die Operationssterblichkeit der Zystektomie damals wahrscheinlich höher als die eventuelle Heilungswahrscheinlichkeit der Patienten mit Lymphknotenbefall. Folgerichtig hat sich aus dieser Beobachtung heraus das Konzept etabliert, die pelvine Lymphadenektomie nur als diagnostischen Akt anzusehen. Erwiesen sich im Rahmen einer geplanten radikalen Zystektomie die Lymphknoten in der intraoperativen Schnellschnittdiagnostik als tumorbefallen, wurde die Operation abgebrochen, weil man das potentielle Risiko für den Patienten höher einstufte als den potentiellen Nutzen. Bereits ein Jahr nach Smith und Whitmore publizierte Skinner aber eine Serie von 36 Patienten mit tumorbefallenen Lymphknoten, von denen 13 (35%) überlebt hatten (Skinner 1982). Diese Publikation markiert den Beginn einer kontroversen Auseinandersetzung über das Thema Lymphknotenmetastase, die im Grunde bis auf den heutigen Tag anhält. Skinner interpretierte seine damals als erstaunlich empfundene Heilungsrate als Ergebnis einer besonders sorgfältigen, »metikulösen« Technik der Lymphknotenausräumung. Die meisten Kli-
110
Kapitel 10 · Therapie und Prognose des lymphogen metastasierten Urothelkarzinoms
⊡ Tabelle 10.1. Überlebensraten zystektomierter Patienten mit tumorbefallenen Lymphknoten vor 1980
10
Autoren
Periode
Patienten
pN+ [%]
Strata
Überleben bei pN+ >5 Jahre [%]
Whitmore u. Marshal 1962
1940–55
230
55 (24%)
Gesamt
4
Dretler et al. 1973
1955–67
302
54 (13%)
Gesamt
17
Reid et al. 1976
1966–74
135
24 (18%)
Gesamt
26
Bredael et al. 1980
1964–73
174
26
Gesamt
4
Smith u. Whitmore 1981
1966–77
662
134 (20%)
pN1 pN2 pN3 pN4
17 5 5 0
niken hielten die Arbeit von Skinner im Jahre 1982 aber für nicht reproduzierbar und hielten dementsprechend am Konzept des Operationsabbruchs beim Nachweis von Lymphknotenmetastasen fest, einige Kliniken sogar bis zum heutigen Tag. Kritischerweise muss man tatsächlich auch einräumen, dass Skinner im Jahre 1982 den therapeutischen Einfluss der Lymphadenektomie sicherlich etwas überschätzt hat: Dies mag z. T. daran gelegen haben, dass nicht alle seine 36 Patienten bereits eine Nachbeobachtungszeit von 5 Jahren hatten, teilweise mag es auch daran gelegen haben, dass ein Teil dieser Patienten bereits frühe und experimentelle Formen der adjuvanten Chemotherapie erhalten hatte. Die Grenze dessen, was man operativ bei Patienten mit tumorbefallenen Lymphknoten erreichen kann, lässt sich am besten aus einer aktualisierten Arbeit der Skinner-Arbeitsgruppe ablesen: Patienten mit Lymphknotenbefall, die nur operiert, aber nicht adjuvant chemotherapiert waren, hatten »nur« eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 29%, mit adjuvanter Chemotherapie hingegen lag die Überlebenswahrscheinlichkeit bei 39% (Stein et al. 2003). Es beginnt sich aber allmählich abzuzeichnen, dass eine Salvage-Therapie, bestehend aus Sekundäroperationen und unter Umständen auch sekundärer Chemotherapie bei Nachweis einer Tumorprogression, diese Grenzen möglicherweise weiter wird verschieben können. Die genannten drei Säulen der Behandlung beim lymphogen metastasierten Tumorstadium (Lymphadenektomie – perioperative Chemotherapie – Salvage-Therapie) sollen im Folgenden genauer beleuchtet werden.
Therapeutisches Potential der Lymphadenektomie Wie bereits erläutert, hat sich der Stellenwert der Lymphknotenausräumung im Rahmen der radikalen Zystektomie während der letzten Jahre allmählich gewandelt. Bis in die frühen 80er-Jahre bestand Konsens, dass ein Lymphknotenbefall beim Blasenkarzinom eine so schlechte Prognose bedeutet, dass eine Radikaloperation nicht mehr gerechtfertigt war, weil die Heilungswahrscheinlichkeit des betroffenen Patienten niedriger lag als das Risiko, schon an den Operationsfolgen zu sterben. Die 1982 von Skinner formulierte Hypothese, dass man mit einer »metikulösen« Lymphadenektomie deutlich bessere Resultate erzielen könne und dass sich dadurch die radikale Zystektomie auch beim Patienten mit tumorbefallenen Lymphknoten lohne, stieß über Jahre hinweg allenfalls auf verhaltene Akzeptanz. Es dauerte bis in die späten 80er-Jahre, bis einige weitere Kliniken zumindest das Konzept des Operationsabbruchs beim Lymphknotenbefall aufgaben, was aber im Regelfall nicht damit einherging, dass man auch gleichzeitig der Philosophie Skinners einer ausgedehnten und sehr sorgfältigen Lymphadenektomie folgte. Der Stellenwert der ausgedehnten Lymphadenektomie wurde nach wie vor von der Mehrzahl der Autoren skeptisch beurteilt, zumal damit natürlich auch eine Verlängerung der Operationszeit, möglicherweise auch des Komplikationsrisikos einherging. Im Wesentlichen waren es andere Gesichtspunkte, die schrittweise dazu führten, dass man das Konzept des Operationsabbruchs aufgab:
111 Therapeutisches Potential der Lymphadenektomie
Zum einen lag die Operationssterblichkeit Ende der 80er-Jahre bereits deutlich unterhalb von 10%. Damit hatte sich, selbst wenn sich an der Prognose des lymphknotenpositiven Patienten seit den frühen Arbeiten von Smith und Whitmore nichts geändert haben sollte, zumindest das Schaden-Nutzen-Verhältnis zum Nutzen gewandelt, selbst wenn die Heilungswahrscheinlichkeit in der Zwischenzeit nicht besser geworden wäre als die dort gezeigten 9 von 134 überlebenden Patienten. Vor diesem Hintergrund gewann dann auch der palliative Nutzen der Zystektomie an Bedeutung: Nach einem Operationsabbruch stand den betroffenen Patienten nicht selten ein schmerzhaftes Siechtum bevor, geprägt durch die Komplikationen des lokal fortschreitenden Primärtumors. Blutungskomplikationen mit Blasentamponaden konfrontierten die Patienten häufig mit unerträglichen Schmerzen. Darüber hinaus war gelegentlich der Gestank durch nekrotische Tumoranteile, die sich teilweise spontan über die Harnröhre entleerten und teilweise auch über Katheter ausgeräumt werden mussten, derart unerträglich, dass selbst nahe Angehörige Probleme im Umgang mit den betroffenen Patienten hatten. Demgegenüber genossen zystektomierte Patienten, selbst wenn sie durch die Zystektomie nicht geheilt waren, in der Regel einen beschwerdefreien Zeitabschnitt von durchschnittlich 18 Monaten, bevor es zu Symptomen des Tumorprogresses kam. Die durchschnittliche weitere Lebenserwartung betrug dann in der Regel nicht mehr als vier Monate. Die Beschwerden dieses letzten Lebensabschnittes, zumeist metastasenbedingte Schmerzen, ließen sich durch die morphingestützte Schmerztherapie im Regelfall soweit beherrschen, dass auch eine häusliche Pflege ohne ständige Hospitalisation möglich war. Es dürfte nicht zuletzt dieser palliative Gesichtspunkt gewesen sein, der fast alle deutschen und amerikanischen urologischen Kliniken nach und nach bewogen hat, vom Konzept des Operationsabbruches beim Tumorbefall der Lymphknoten Abstand zu nehmen. Zum zweiten keimte nach dem Aufkommen der systemischen Chemotherapie natürlich auch eine gewisse Hoffnung, die schlechte Ausgangsprognose der Patienten mit tumorbefallenen Lymphknoten vielleicht durch eine perioperative Chemotherapie verbessern zu können. Auch wenn – wie im nachfolgend zu zeigen sein wird – die Geschichte der perioperativen Chemotherapie sicherlich mehr durch Ernüchterung und Zweifel und weniger durch motivierende Erfolgserlebnisse geprägt war, genügte im Grunde schon die Hoffnung auf eine zusätzliche Be-
10
handlungsmöglichkeit, um zu verhindern, dass Patienten mit tumorbefallenen Lymphknoten, wie bis dato üblich, von vornherein aufgegeben wurden. Die frühen 90er-Jahre waren dann zunächst geprägt durch die Ernüchterung bezüglich der offenkundig zu hoch gesteckten Erwartungen an die systemische Chemotherapie. Insbesondere die Ergebnisse mit der neoadjuvanten Chemotherapie, also der Vorbehandlung der Zystektomiepatienten, die von vielen Pionieren der Chemotherapie während der späten 80er-Jahre favorisiert worden war, wurden als enttäuschend empfunden: Ein Teil der Studien zeigte keinerlei Prognoseverbesserung durch die Vorbehandlung, ein anderer Teil nur so geringe Fortschritte, dass dieses Konzept mehr und mehr als perspektivlos empfunden wurde. Auf diese Problematik wird im nächsten Abschnitt genauer einzugehen sein. Hinzu kam weiterhin, dass man schmerzhaft zu begreifen hatte, dass die Chemotherapie bei Vorliegen von Fernmetastasen, also bei ihrer eigentlichen Standardindikation, kein kuratives Potential besaß, sieht man vielleicht von vereinzelten Patienten mit Solitärmetastasen oder einem nur minimalen Befall retroperitonealer Lymphknoten ab. Die mit diesen Erkenntnissen einhergehende Ernüchterung bezüglich der Chemotherapie führte dazu, dass die Frage nach der generellen Sinnhaftigkeit dieser Behandlungsmodalität plötzlich durchaus wieder legitim wurde und man wieder über die Frage nachzudenken begann, ob nicht von einer weiteren Verbesserung des operativen Standards vielleicht sogar ein größerer therapeutischer Nutzen als von der Chemotherapie zu erwarten sein könnte, zumal in der Zwischenzeit für eine Reihe anderer Tumoren wesentlich präzisere Leitlinien und Standards über Technik, Ausdehnung und Stellenwert der Lymphknotenausräumung existieren. Die dänische Arbeitsgruppe um Poulsen griff als erste diesen alten Gedanken einer Prognoseverbesserung durch eine Erweiterung der Lymphknotenausräumung wieder auf (Poulsen et al. 1998). Die Autoren stellten eine persönliche Serie des Erstautors vor, der von Januar 1990 bis September 1997 bei 194 Patienten eine radikale Zystektomie durchgeführt hatte. Die ersten 68 Patienten, operiert bis März 1993, hatten eine Standardlymphadenektomie erhalten, deszendierend beginnend an der Iliakabifurkation. Bei den anschließend operierten 126 Patienten war eine erweiterte Lymphadenektomie durchgeführt worden, an der Aortenbifurkation beginnend. Die Fünfjahresüberlebensrate lag bei der Patientengruppe mit ausgedehnter Lymphadenektomie bei 62%, bei der Patientengruppe mit
112
10
Kapitel 10 · Therapie und Prognose des lymphogen metastasierten Urothelkarzinoms
Standardlymphadenektomie bei 56%. Dieser Unterschied war statistisch insignifikant und erlaubt sicherlich in keiner Weise die Schlussfolgerung auf eine verbesserte Heilungswahrscheinlichkeit durch eine Erweiterung der Lymphadenektomie, zumal es einer allgemeinen Erfahrung entspricht, dass bei Vergleichsgruppen aus unterschiedlichen historischen Behandlungsjahren immer die Patienten aus der kürzer zurückliegenden Epoche die bessere Heilungsrate zu haben scheinen. Trotzdem sprechen die Autoren bereits im Titel ihrer Veröffentlichung von einem verbesserten Überleben durch die ausgedehnte Lymphadenektomie. Als Begründung für diese These verweisen sie auf eine Verbesserung des rezidivfreien Überlebens in der Subgruppe der Patienten mit organbegrenzten Primärtumoren. Innerhalb dieser Patientengruppe lag die Fünfjahresrezidivfreiheitsrate bei 72 Patienten nach ausgedehnter Lymphadenektomie bei 85% im Vergleich zu 64% bei 45 Patienten nach begrenzter Lymphknotenausräumung. Dieser Unterschied war statistisch signifikant (p <0,02). Trotzdem erscheint es aus verschiedenen Gründen mehr als gewagt, aus diesem Unterschied die Schlussfolgerung auf eine signifikante Verbesserung des Überlebens durch eine ausgedehnte Lymphadenektomie abzuleiten: Zum einen waren beide Vergleichsgruppen, da sie ja historische Kollektive repräsentieren, durch extrem unterschiedliche Nachbeobachtungszeiten charakterisiert (median 1,96 Jahre für die Patienten nach ausgedehnter Lymphadenektomie versus 5,14 Jahre für die Patienten nach begrenzter Lymphadenektomie). Die längste Nachbeobachtungszeit bei einem Patienten nach ausgedehnter Lymphadenektomie lag bei 4,73 Jahren, sodass sich die Frage aufdrängt, ob es technisch überhaupt möglich ist, eine Fünfjahresrezidivfreiheitsrate zu berechnen, wenn bei keinem einzigen Patienten ein Nachbeobachtungsintervall von fünf Jahren dokumentiert ist. Die genauere Analyse der Daten zeigt darüber hinaus, dass von den 72 Patienten, die bei organbegrenztem Primärtumor ausgedehnt lymphadenektomiert worden waren, 34,4% im Zystektomiepräparat keinen nachweisbaren invasiven Tumor (histopathologisches Stadium pT0, pTa oder pTis) hatten. In der Patientengruppe mit begrenzter Lymphadenektomie hingegen lag der Prozentsatz ohne Nachweis von invasivem Tumor hingegen nur bei 17,7%. Die Patientengruppe mit einer ausgedehnten Lymphadenektomie umfasste also fast 17% mehr Patienten mit einer a priori fast bei Null liegenden Metastasierungswahrscheinlichkeit als die Vergleichsgruppe. Dieser ausgeprägte Bias dürfte zwar sicherlich nicht allein
für die Überlebensdifferenz von 21% (85% versus 64%) verantwortlich sein. Der Bias lässt aber bereits erkennen, wie zurückhaltend man bei der Bewertung der gezeigten Unterschiede sein sollte und dass die Schlussfolgerung der Autoren, dass die ausgedehnte Lymphadenektomie die Überlebenswahrscheinlichkeit eines Patienten mit organbegrenztem Blasenkarzinom verbessert, sicherlich mit dieser Arbeit nicht als bewiesen gelten kann. Darüber hinaus muss man aus rein mathematischen Gründen postulieren, dass die von den Autoren nicht gezeigten Überlebenskurven für Patienten mit organüberschreitenden Tumoren sogar eine schlechtere Prognose nach ausgedehnter Lymphadenektomie zeigen müssen, weil sich die Prognoseverbesserung bei den Patienten mit organbegrenzten Tumoren ansonsten sehr viel stärker auch im Sinne einer Prognoseverbesserung der Gesamtgruppe niederschlagen müsste (konkretes Rechenexempel: Verbessere ich durch eine neue Therapiemaßnahme die Überlebenswahrscheinlichkeit bei 2/3 meiner Patienten um 21%, und bleibt die Überlebenswahrscheinlichkeit beim verbleibenden Drittel unbeeinflusst, dann muss die Überlebenswahrscheinlichkeit in der Gesamtgruppe um ungefähr 14% [2/3 von 21%] ansteigen. Steigt sie aber, wie im vorliegenden Fall, nur um 6% an, dann geht die Gleichung nur dann auf, wenn die Überlebenswahrscheinlichkeit im Patientendrittel mit organüberschreitendem Primärtumor nach der ausgedehnten Lymphadenektomie sogar schlechter geworden ist). Die Herleitung weitgehender Schlussfolgerungen aus Subgruppenanalysen ist selbst im Rahmen prospektiver Studien als problematisch anzusehen (Sylvester u. Collette 2001) und wird daher bei retrospektiven Studien, noch dazu auf der Grundlage historischer Vergleichsgruppen, doppelt fragwürdig. Noch problematischer wird eine Subgruppenanalyse im vorliegenden Fall, wenn zusätzlich das pN-Stadium für die Definition von Subgruppen herangezogen wird, wie die Autoren das bei der weiteren Analyse ihrer Daten getan haben: Poulsen und Mitarbeiter haben bei den Patienten mit organbegrenzten Tumoren in dieser weiteren Analyse alle Patienten herausgerechnet, bei denen ein Lymphknotenbefall nachgewiesen worden war. Dies betraf 4 von 45 (8%) der Patienten nach begrenzter Lymphknotenausräumung und 9 von 72 (12,5%) der Patienten nach ausgedehnter Lymphknotenausräumung. Es verbleiben somit 63 bzw. 41 Patienten ohne nachgewiesenen Lymphknotenbefall. Der Überlebensunterschied steigt in dieser Analyse nun auf 29% (90% versus 71%). Eine derartige Analyse ist als Hinweis auf eine verbesserte therapeutische
113 Therapeutisches Potential der Lymphadenektomie
Extremfall sogar dazu führen, dass sich die Prognose in beiden Subgruppen zu verbessern scheint, auch wenn man keinen einzigen zusätzlichen Patienten geheilt hat. Betrachtet man dementsprechend in einem solchen Fall die Überlebenskurve des Gesamtkollektivs, wird man im Vergleich zu einer Vergleichsgruppe, bei der die Stadienzuordnung auf herkömmliche Weise erfolgt war (im vorliegenden Beispiel also per begrenzter Lymphknotenausräumung), überhaupt keine Prognoseverbesserung feststellen, obwohl beide Subgruppenanalysen dies unter Umständen in dramatischer Weise zu suggerieren scheinen (s. ⊡ Abb. 10.1). Will Rogers (1879–1935), US-amerikanischer Entertainer des letzten Jahrhunderts, hat dieses auf den ersten Blick paradox anmutende Phänomen mit einem völkerkundlichen Beispiel auf humoristische Art plausibel gemacht: »Als die Okies in den Jahren der »Großen Depression« (1930er Jahre) von Oklahoma nach Kalifornien übersiedelten, ist der durchschnittliche Intelligenzquotient in beiden Bundesstaaten angestiegen«. Das Beispiel soll deutlich machen, dass die erweiterte Lymphadenektomie also nicht nur ein neues Therapieverfahren darstellt, sondern auch eine neue Staging-Methode. Analysen von Subgruppen hinischtlich einer höheren Therapieeffizienz werden daher in dem Moment unzulässig, wo die neue Operationstechnik zugleich eine Stadienverschiebung nach sich zieht und damit Einfluss auf die Zuordnung des einzelnen Patienten zu einer dieser Subgruppen bekommt (⊡ Abb. 10.2). Zusammenfassend erlaubt die Arbeit von Poulsen also keine wesentlichen Rückschlüsse auf den therapeutischen Nutzen einer erweiterten Lymphknotenausräumung. Die kritische Analyse der Daten erweckt im Gegenteil sogar den Eindruck, dass die Erweiterung der Lymphknotenausräumung allen-
Effizienz der erweiterten Lymphadenektomie aber unbrauchbar und somit unstatthaft, wie im Folgenden gezeigt werden soll: Die erweiterte Lymphadenektomie stellt im Kontext einer solche Analyse nämlich nicht nur einen therapeutischen Akt dar, sondern führt auch zu einer Stadienverschiebung, sodass Vergleichsgruppen entstehen, die man nicht mehr miteinander vergleichen kann. Im vorliegenden Beispiel ergibt sich das ja auch zwanglos daraus, dass in der Patientengruppe mit ausgedehnter Lymphadenektomie der Prozentsatz nachgewiesener Lymphknotenmetastasen bei 12,5%, in der Patientengruppe mit begrenzter Lymphadenektomie aber nur bei 8% lag. Da die Patienten mit tumorbefallenen Lymphknoten im Zweifelsfall diejenigen sind, die schlussendlich am Tumor versterben werden, wird man selbstverständlich in der Gruppe der verbleibenden Patienten ohne nachgewiesene Lymphknotenmetastasen ein um so besseres Überleben nachweisen könne, je subtiler man zuvor Lymphknotenmetastasen ausgeschlossen hat. Der subtilere Nachweis von Lymphknotenmetastasen wird also in der verbliebenen Patientengruppe ohne nachgewiesene Lymphknotenmetastasen auch dann zu einer Verbesserung der Überlebenskurve führen, wenn die erweiterte Lymphadenektomie keinen einzigen zusätzlichen individuellen Patienten geheilt hat (⊡ Abb. 10.1). Dieses Phänomen (vorgetäuschte Überlebensverbesserung in Subgruppen durch Stadienverschiebung) ist in der wissenschaftlichen Literatur schon seit längerer Zeit als »WillRogers-Phänomen« beschrieben (Feinstein et al. 1985; Wishnow u. Tenney 1991). Wenn man durch die geänderten Staging-Methoden die schlechtesten Patienten aus einer Subgruppe mit im Prinzip günstiger Prognose in eine andere Subgruppe mit sehr viel schlechterer Prognose verschiebt, kann dies im
1 3
1 2 2
2 2 3
pN0 (Mittelwert=2)
1
1 2 2
2
pN0 (Mittelwert =1,6)
6
6 5
4 Standard Lymphadenektomie
(2,3,3)
4
Extensive Lymphadenektomie
6 5 3
pN+ (Mittelwert=5)
6 3
6 5
3
10
6 5 3
2
pN+ (Mittelwert=4,3)
⊡ Abb. 10.1. Veranschaulichung des WillRogers-Phänomens: Die jeweilige Prognose der Gruppen pN0 (»Mittelwert 1,6 vs 2,0«) und pN+ (»Mittelwert 4,3 vs 5,0«) verbessert sich durch die ausgedehntere Lymphadenektomie im Rahmen der Zystektomie, ohne dass sich notwendigerweise die individuelle Prognose des einzelnen Patienten verbessert. Individuelle Patienten sind in Form von Schulnoten dargestellt, wobei »1« Patienten mit einer sehr guten Prognose bis »6« einer sehr schlechten Prognose entsprechen.
114
Kapitel 10 · Therapie und Prognose des lymphogen metastasierten Urothelkarzinoms
Standard Lymphadenektomie
pN0 Vergleich pN0 Subgruppe unzulässig
⊡ Abb. 10.2. Vergleichbarkeit von Gesamtund Subgruppen nach radikaler Zystektomie und unterschiedlicher Ausdehnung der regionalen Lymphadenektomie
10
pN+ Vergleich Gesamtgruppe zulässig
pN0
falls einen marginalen Effekt auf die Prognose eines Zystektomiepatienten hat. Die Arbeit von Poulsen ist nichtsdestoweniger von besonderem Interesse, weil sie die einzige ist, und wahrscheinlich auch die einzige bleiben wird, die – wenn auch mit den gezeigten methodischen Schwächen – den Einfluss der erweiterten Lymphadenektomie studiert hat, ohne dass die Patienten mit schlechter Prognose eine zusätzliche adjuvante Chemotherapie erhalten haben. Genau dies war aber bei den anderen drei im Folgenden zu diskutierenden Arbeiten der Fall, sodass es dort natürlich noch schwieriger wird, den therapeutischen Nutzen, der von der erweiterten Lymphadenektomie als operativem Akt ausgeht, zu trennen von dem therapeutischen Nutzen, der unter Umständen erst dadurch entsteht, dass man tumorbefallene Lymphknoten erst durch die Erweiterung der Lymphknotenausräumung entdeckt und Patienten erst dadurch der adjuvanten Chemotherapie zuführt. Die kürzlich erschienene Arbeit von H. W. Herr (2003) erläutert diese Problematik in der Diskussion in gut verständlicher Form, unternimmt andererseits aber keinen Versuch, den eventuellen Nutzen durch die zusätzliche Chemotherapie zu quantifizieren. Zahlen bezüglich der Indikation und der Frequenz einer adjuvanten Chemotherapie werden nicht genannt, obwohl in der Diskussion darauf hingewiesen wird, dass den Patienten mit einem hohen Rezidivrisiko (im Regelfall also wohl den Patienten mit dem Nachweis tumorbefallener Lymphknoten) die adjuvante Chemotherapie routinemäßig angeboten wird. Diesen wesentlichen Unterschied im Vergleich zur Arbeit von Poulsen und Mitarbeitern muss man berücksichtigen, wenn man
Vergleich pN+ Subgruppe unzulässig
pN+ Extensive Lymphadenektomie
die wesentlich eindrucksvolleren Überlebensunterschiede interpretiert: In der Arbeit von Herr zeigen sich signifikante Unterschiede nämlich nicht nur in Subgruppen, sondern auch im Gesamtkollektiv von insgesamt 637 Patienten, die der Autor persönlich im Zeitraum von 1979 bis 1995 operiert hat: Die Fünfjahresüberlebensrate bei Patienten, bei denen der Pathologe nur 0 bis 5 eingesandte Lymphknoten dokumentiert hat, lag bei 33%. Bei 6 bis 10 dokumentierten Lymphknoten stieg sie auf 44%, bei 11 bis 14 auf 73% und bei mehr als 14 schlussendlich auf 79%. Zusätzlich werden auch in dieser Arbeit Subgruppenanalysen für die lymphknotenpositiven und für die -negativen Patienten in Abhängigkeit von der Zahl der operativ entfernten Lymphknoten gezeigt. Eine solche Analyse ist aus bereits genannten Gründen (»Will-Rogers-Phänomen«, s. oben) im Grunde unzulässig. Es erstaunt von daher nicht, dass die gezeigten Unterschiede in beiden Subgruppen die der Gesamtgruppe noch zu übertreffen scheinen. Die drastischen Prognoseunterschiede in der Gesamtgruppe belegen aber eher als bei Poulsen, dass hier nicht nur statistische Artefakte gemessen wurden und dass es sich von daher lohnt, über diese Ergebnisse genau nachzudenken. Nichtsdestoweniger hat diese Arbeit ebenfalls methodische Schwächen, die die Interpretation der Ergebnisse erheblich erschweren: Das Ausmaß der Prognoseverbesserung übertrifft das in der Arbeit von Poulsen et al. gezeigte erheblich. Es ist zum einen nicht unwahrscheinlich, dass bei den von Herr behandelten Patienten die adjuvante Chemotherapie wesentlich zu diesen Unterschied beigetragen hat. Es wäre von daher von erheblichem Interesse, wie viele Patienten unter
115 Therapeutisches Potential der Lymphadenektomie
welcher Indikationsstellung die adjuvante Chemotherapie tatsächlich erhalten haben, was aber leider nicht mitgeteilt wird. Zum zweiten erstreckt sich der Beobachtungszeitraum dieser retrospektiven Studie zurück bis in das Jahr 1979. Bei der Studie werden also Patienten aus extrem unterschiedlichen Behandlungsepochen analysiert. Vor 1982 wurden wahrscheinlich keine ausgedehnten Lymphadenektomien durchgeführt, weil die Lymphknotenausräumung damals noch als diagnostischer Akt galt, um den Patienten mit tumorbefallenen Lymphknoten prinzipiell die Operation zu ersparen. Von daher ist davon auszugehen, dass die Patienten aus dieser ganz frühen Behandlungsepoche durchweg eine begrenzte Lymphknotenausräumung erhalten hatten und dass sich unter diesen Patienten aus Gründen der damaligen Patientenselektion auch nur wenige mit tumorbefallenen Lymphknoten finden. Die adjuvante Chemotherapie wiederum wurde wahrscheinlich überwiegend bei Patienten aus der zweiten Hälfte des Beobachtungszeitraumes durchgeführt, da sie früher auch nicht zur Verfügung stand. Aus den genannten Gründen wäre es interessant zu wissen, wie sich das Ausmaß der Lymphknotenausräumung während des Beobachtungszeitraumes von immerhin 17 Jahren verändert hat. Es würde keineswegs erstaunen, wenn sich dabei zeigen würde, dass die Zahl der ausgeräumten Lymphknoten im Beobachtungszeitraum stetig zugenommen hat, dass die Patienten, bei denen eine große Zahl befallener Knoten entfernt und dokumentiert worden ist, also überwiegend aus dem letzten Beobachtungszeitraum stammen, wo sie aufgrund eines natürlich stetig verbesserten Behandlungskonzeptes ohnehin eine bessere Prognose hatten. Man kann also nicht ausschließen, dass in dieser retrospektiven Analyse ungleiche Verteilungen wesentlich zur gezeigten Prognoseverbesserung von überragenden 46% in der Überlebensrate (beim Vergleich der Patienten mit 0–5 ausgeräumten Lymphknoten versus Patienten mit mehr als 14 ausgeräumten Lymphknoten) beigetragen haben. Ähnlich wie die Arbeit von Herr ist auch die im Jahre 2000 von Leissner et al. publizierte Arbeit konzipiert. Diese Arbeitsgruppe hatte eine Gesamtzahl von 302 Zystektomiepatienten nachbeobachtet und operiert im Zeitraum von 1986 bis 1997. Dabei wurde die Zahl der im Rahmen der Lymphknotenausräumung dokumentierten Lymphknoten mit der Prognose der Patienten assoziiert. Auch an dieser Klinik war es üblich, den Patienten mit organüberschreitenden Primärtumoren und/oder tumorbefal-
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lenen Lymphknoten eine adjuvante Chemotherapie zu empfehlen, ohne dass in der Arbeit aber exakt quantifiziert wird, wie viele der betroffenen Patienten diese Chemotherapie tatsächlich erhalten haben. Die Autoren haben ihre Patienten zwei Vergleichsgruppen zugeteilt, nämlich die, bei denen mehr als 15 Lymphknoten entfernt worden waren, im Vergleich zu der übrigen Gruppe mit weniger als 15 entfernten Lymphknoten. In der Gesamtgruppe zeigt sich zwischen beiden Gruppen ein Unterschied von 14% im tumorspezifischen Überleben (65% versus 51%). Auch in dieser Arbeit werden Subgruppenanalysen durchgeführt, die aufgrund des Will-Rogers-Phänomens zumindest problematisch sind: So bleiben bei der Analyse der Patienten mit organbegrenzten Primärtumoren alle Patienten mit gleichzeitigem Lymphknotenbefall unberücksichtigt, das Ausmaß der Lymphknotenausräumung entscheidet also mit darüber, welche Patienten Berücksichtigung finden und welche nicht. Bei den so definierten Patienten mit organbegrenzten Primärtumoren ohne tumorbefallene Lymphknoten zeigt sich dann nicht ganz überraschend mit 20% erneut ein größerer Überlebensvorteil, als er für die Gesamtgruppe berechnet wurde (rezidivfreies Überleben 85% versus 65% in Abhängigkeit davon, ob mehr oder weniger als 15 Lymphknoten bei der Operation entfernt worden waren). Gleichermaßen problematisch ist auch die Analyse der Patienten mit 1 bis 5 tumorbefallenen Lymphknoten, wo sich neuerlich und nicht ganz überraschend eine eindrucksvolle Überlebensdifferenz von 12% (35% versus 23% zu Gunsten der Patienten mit einer größeren Zahl ausgeräumter Lymphknoten) zeigt. Auch diese Arbeit konfrontiert den Leser mit dem Problem der retrospektiven Analyse, der Berücksichtigung der Patienten aus unterschiedlichen Behandlungsepochen und der Empfehlung einer adjuvanten Chemotherapie auf der Grundlage des durch die erweiterte Lymphknotenausräumung veränderten Stagings. Dies macht es erneut unmöglich, aus dieser Arbeit den direkten therapeutischen Nutzen der erweiterten Lymphadenektomie herauszurechnen. Hinzu kommt, dass die drei bisher analysierten Arbeiten auch untereinander deutlich heterogene Ergebnisse zeigen: Die Ergebnisse von Leissner et al. sind sicherlich eher als die von Poulsen geeignet, einen Überlebensvorteil durch die erweiterte Lymphknotenausräumung zu belegen, da nicht nur in den problematischen Subgruppen, sondern auch in der Gesamtgruppe eine um 14% verbesserte Überlebensrate gezeigt wird. Auf der anderen Seite sind die Überlebensunterschiede in der Arbeit von Leissner et al. deutlich
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geringer als in der von Herr, trotz einer ähnlichen Behandlungsphilosophie. Die vierte Veröffentlichung, die in diesem Kontext von Interesse ist, wurde kürzlich von Stein et al. aus der Arbeitsgruppe von Skinner veröffentlicht (Stein et al. 2003). Bei dieser Analyse hat man aus der Gesamtzahl von 1054 Patienten, die sich im Zeitraum von 1971 bis 1998 einer Zystektomie unterzogen hatten, die 244 herausgesucht, bei denen tumorbefallene Lymphknoten nachgewiesen wurden. Von diesen Patienten hatten 139 (57%) irgendeine Form einer adjuvanten Chemotherapie erhalten. Bei der Analyse dieser 244 Patienten ist man dann neuerlich der Frage nachgegangen, ob die Gesamtzahl der bei der Operation entfernten Lymphknoten die Prognose beeinflusst. Diese Analyse unterscheidet sich aber in Patientenauswahl und Methodik in vielerlei Hinsicht von den drei anderen vorgestellten Arbeiten: Man hat hier also nicht versucht, das Ausmaß der Lymphknotenausräumung zu vergrößern, vielmehr hatten sich alle Patienten von Anfang an einer standardisierten ausgedehnten Lymphadenektomie unterzogen, denn Skinner propagierte als einziger bereits seit den 70er-Jahren gleichbleibend eine standardisierte ausgedehnte und »metikulöse« Lymphadenektomie, deszendierend beginnend knapp oberhalb der Aortenbifurkation. Die verschiedenen Behandlungsepochen, die in den anderen analysierten Serien sicherlich nachhaltigen Einfluss auf das Ausmaß und die Konsequenz der Lymphknotenausräumung hatten, dürften bei den von Stein et al. beschriebenen Patienten also in geringerem Umfang Einfluss auf die anatomischen Felder und die Sorgfalt der Lymphknotenausräumung gehabt haben, denn es wurde ja nicht, wie in der Arbeit von Poulsen beschrieben, das Ausmaß der Lymphknotenausräumung während des Untersuchungszeitraumes verändert. Die konsequente Ausräumung eines erweiterten Feldes kommt u. a. im Median von 30 entnommenen Lymphknoten zum Ausdruck. Zum Vergleich: In der Serie von Leissner et al. waren durchschnittlich 14,6 Lymphknoten entfernt worden, in der Arbeit von Herr schwankte die mediane Zahl entnommener Lymphknoten je nach Untersuchungsjahr zwischen 9 und 13 und in der Serie von Poulson et al. lag die mediane Zahl entnommener Lymphknoten bei ausgedehnter Lymphknotenausräumung bei 25 im Vergleich zu 14 bei begrenzter Lymphknotenausräumung. Die SkinnerGruppe hat also zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt als andere Gruppen damit begonnen, größere Lymphknotenfelder auszuräumen. Dies resultiert in einer ungefähr doppelt so hohen Zahl entnomme-
ner Lymphknoten als in den anderen analysierten Serien. Die Autoren gehen also der Frage nach, wie unterschiedlich die Lymphknotenzahl ist, die sich in dem so definierten, aber gleichbleibend einheitlichen Feld findet und ob diese Unterschiede, die also eher anatomisch angeboren und weniger durch die Qualität der Operation bedingt sein müssten, Einfluss auf die Prognose haben. Zum zweiten wurden hier nur Patienten berücksichtigt mit dokumentiertermaßen befallenen Lymphknoten, also auch wieder eine Subgruppe, die aber insofern unproblematischer ist, da alle Lymphknoten aus einem einheitlich ausgedehnten Operationsfeld stammen. Alle Patienten hatten also die gleiche Operation. Das rezidivfreie Überleben nach fünf Jahren bei diesen 244 Patienten mit tumorbefallenen Lymphknoten lag bei 35%, wobei die relativ große Zahl betroffener Patienten die Möglichkeit bot, weitere Subgruppen mit besserer oder schlechterer Prognose zu definieren. Solche zusätzlichen Prognosefaktoren waren beispielsweise organbegrenzte versus organüberschreitende Primärtumoren bei Vorliegen von Lymphknotenmetastasen (Überlebensraten 44% versus 30%), die Zahl befallener Lymphknoten (Überlebenswahrscheinlichkeit bei weniger als 8 betroffenen Lymphknoten 40% im Vergleich zu 10% bei mehr als 8 befallenen Lymphknoten) oder die adjuvante Chemotherapie (Überlebenswahrscheinlichkeit mit Chemotherapie 39% im Vergleich zu 29% ohne Chemotherapie). Wie erwähnt, stand aber die Zahl der im Operationsfeld vorgefundenen und entnommenen Lymphknoten im Mittelpunkt der Arbeit: Patienten mit 15 oder weniger entnommenen Lymphknoten hatten eine Wahrscheinlichkeit von 25%, nach 10 Jahren rezidivfrei zu leben, im Vergleich zu 36% bei Patienten mit mehr als 15 entnommenen Lymphknoten. Wie erwähnt, ist dieses Ergebnis insofern erstaunlich, als bei dieser Arbeitsgruppe mehr als bei allen anderen davon ausgegangen werden kann, dass die anatomischen Felder, die man vom Lymphgewebe befreit hat, während des gesamten Untersuchungszeitraumes wohl sehr gleichförmig gewesen sein dürften. Von daher müsste man bei so deutlichen Unterschieden in der Zahl der entnommenen Lymphknoten tatsächlich davon ausgehen, dass sich offenkundig die Patienten in der Zahl vorhandener Lymphknoten voneinander unterscheiden. Dementsprechend würde eine geringere Zahl vorhandener Lymphknoten mit einer schlechteren Heilungswahrscheinlichkeit einhergehen. Als neues Prognosekriterium haben die Autoren den Begriff der »Lymphknotendichte« (»lymph
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node density«) eingeführt. Dieses Kriterium wird dergestalt berechnet, dass man die Zahl der tumorbefallenen Lymphknoten durch die Zahl der entnommenen Lymphknoten teilt. Auch diese Lymphknotendichte erwies sich in dieser Analyse als statistisch signifikantes Prognosekriterium: Bei einer Lymphknotendichte von 20% oder weniger betrug die Zehnjahresüberlebensrate 43% im Vergleich zu 17% bei einer Lymphknotendichte größer als 20%. Die Arbeit von Stein markiert für den Patienten mit nachgewiesenem Lymphknotenbefall sicherlich die Grenze des mit der derzeitigen Therapie Erreichbaren: Das Ausmaß der Lymphknotenausräumung übertrifft zumindest im langjährigen Durchschnitt alle vergleichbaren Serien um den Faktor 2. Der Anteil an zusätzlich chemotherapierten Patienten lag bei Beachtung des historischen Gesamtzeitraumes relativ hoch, das damit erzielte Ergebnis ist klar definiert. Bei Betrachtung dieser Ergebnisse fällt auf, dass es mit den so definierten Behandlungsmodalitäten offenkundig schwierig, wenn nicht unmöglich ist, die Heilungswahrscheinlichkeit eines Patienten mit tumorbefallenen Lymphknoten wesentlich über 40% zu steigern. Zusammenfassend kann im Prinzip also zwar kein Zweifel daran bestehen, dass die Lymphknotenausräumung per se einen therapeutischen Effekt hat, denn auch ohne adjuvante Chemotherapie überlebt ein Teil der Patienten, bei denen tumorbefallene Lymphknoten ausgeräumt worden sind. In der Arbeit von Stein et al. erreicht diese Heilungsrate immerhin 29% (Stein et al. 2003). Auf der anderen Seite erscheint es aber nicht unwahrscheinlich, dass sich eine Ausweitung der Lymphknotenausräumung über die Iliakabifurkation hinweg nach kranial nur in Verbindung mit einer adjuvanten Chemotherapie heilungsverbessernd auswirkt. Für diese Annahme sprechen im Wesentlichen drei Gründe: 1. Die einzige Veröffentlichung, in der die begrenzte mit der erweiterten Lymphknotenausräumung verglichen worden ist, ohne dass die Patienten eine adjuvante Chemotherapie erhalten haben (Poulsen et al. 1998) lässt in der Gesamtgruppe keine signifikante Verbesserung der Prognose erkennen. Ob der gezeigte Unterschied in der Subgruppe der Patienten mit organbegrenzten Tumoren reproduzierbar und von Relevanz ist, muss zumindest bezweifelt werden. 2. In den zwei Serien, die auch in der Gesamtgruppe eine Prognoseverbesserung durch eine Ausweitung der Lymphknotenausräumung zeigen (Leissner et al. 2000; Herr 2003) wurde ein erheblicher, aber nicht genau spezifizierter Teil
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der Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren adjuvant chemotherapiert. 3. Eine zur Veröffentlichung eingereichte multizentrische Studie aus Deutschland, in deren Rahmen allen Patienten mit organüberschreitenden und/oder lymphknotenpositiven Tumoren zwei verschiedene Formen der adjuvanten Chemotherapie vorgeschlagen wurden, zeigt für die lymphknotenpositiven Patienten eine rezidivfreie Überlebensrate nach 5 Jahren von 41% und Gesamtüberlebensraten um 35%. Damit liegt die Heilungswahrscheinlichkeit dieser Patienten nahezu deckungsgleich mit denen von Stein et al., obwohl in der deutschen Studie nur eine begrenzte Lymphknotenausräumung vorgeschrieben war (Lehmann et al. 2003). Aufgrund des multizentrischen Charakters dieser Studie muss man bei 40 teilnehmenden Zentren davon ausgehen, dass die Qualität der Lymphknotenausräumung selbst innerhalb des vorgeschriebenen begrenzten Feldes sicherlich weitaus heterogener war als in den hier analysierten unizentrischen Serien. Wenn man in dieser Serie dann trotzdem gleiche Überlebensraten findet, liegt die Vermutung nahe, dass die adjuvante Chemotherapie ein höheres therapeutisches Potential besitzt als die Ausweitung der Lymphadenektomie, auch wenn man natürlich sehr vorsichtig sein sollte, aus dem Vergleich verschiedener Behandlungsserien zu weitgehende Schlussfolgerungen zu ziehen.
Perioperative Chemotherapie vor und nach Zystektomie Das Jahr 1985 markiert sicherlich eine ganz wichtige Zäsur in der Entwicklung der systemischen Chemotherapie des Urothelkarzinoms: In den Jahren zuvor war die Wahrscheinlichkeit, dass ein Blasenkarzinompatient mit einem solchen Behandlungskonzept in Kontakt kommen würde, äußerst gering: Nur wenige, meist universitäre Einrichtungen hatten damit begonnen, die Chemotherapie des Urothelkarzinoms in Form früher und experimenteller Studien zu testen. Das änderte sich schlagartig, als 1985 Sternberg et al. ihre ersten und präliminären Ergebnisse mit der neuen Viererkombination M-VAC (Methotrexat, Vinblastin, Adriblastin und Cisplatin) veröffentlichten (Sternberg et al. 1985): Auch wenn in dieser Veröffentlichung nur über 24 Patienten mit noch dazu sehr kurzer Nachbeobachtungszeit berichtet wurde, beflügelte die Gesamtansprechrate von 71% und die komplette Remissionsrate von 50%
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die Phantasie der Leser: Die Uro-Onkologie war zu diesem Zeitpunkt noch sehr stark geprägt durch die von der Chemotherapie induzierten dramatischen Fortschritte bei der Behandlung des Hodentumors, die man gut ein Jahrzehnt früher erlebt hatte. Dementsprechend war man in sicherlich etwas unkritischer Weise empfindsam für alle Nachrichten, die eine Wiederholung dieser »Erfolgsgeschichte« für andere Tumoren des Urogenitaltraktes ankündigten. Das mag verständlich machen, warum die Publikation von Sternberg et al. trotz kleiner Fallzahl und kurzer Nachbeobachtungszeiten fast über Nacht dazu geführt hat, dass sich die Behandlungskonzepte beim Blasenkarzinom nachhaltig geändert haben: Lag vor 1985 die Wahrscheinlichkeit für einen Blasenkarzinompatienten fast bei null, dass er im Verlauf seiner Erkrankung eine Chemotherapie erhalten würde, so drehten die Dinge anschließend fast diametral: Nach 1985 lag die Wahrscheinlichkeit fast bei null, keine Chemotherapie zu erhalten. Es gibt in der Geschichte der Medizin wahrscheinlich nur wenige vergleichbare Beispiele, dass so wenige Daten ausgereicht haben, eine völlig neue und darüber hinaus durchaus toxische Therapie sofort unter den verschiedensten Indikationen einzusetzen. Spöttisch könnte man formulieren, dass es Spekulationsblasen nicht nur an der Börse gibt. Inzwischen ist allgemein akzeptiert, dass die systemische Chemotherapie einen Patienten mit Fernmetastasen im Regelfall nicht heilen kann. Die mediane Lebenserwartung eines solchen Patienten dürfte derzeit bei 12 Monaten liegen, wobei es Gegenstand kontroverser Diskussion ist, ob diese Verdoppelung der Überlebenszeit gegenüber der Vorchemotherapieära tatsächlich eine Folge der Chemotherapie oder vielleicht auch nur eine Folge verbesserter Diagnoseverfahren ist: Insbesondere die bildgebenden Methoden sind in den letzten Jahren deutlich empfindlicher geworden, sodass eine im Entstehen begriffene Tumormetastasierung heute sicherlich früher nachweisbar ist als in früheren Jahren. Dies führt ganz zwangsläufig dazu, dass die Lebenserwartung eines Patienten mit nachgewiesenen Fernmetastasen selbst dann länger ist als in früheren Jahren, wenn überhaupt keine weitere Therapie durchgeführt wird (»Lead time bias«) Ein populäres Konzept in der Frühphase der Chemotherapieeuphorie war der des Organerhalts. Man versprach sich von der Chemotherapie so nachhaltige Effekte, dass man die Hoffnung hegte, die Chemotherapie könnte zukünftig vielleicht die von vielen als problematisch und verstümmelnd empfundene Zystektomie ersetzen. Dieses Konzept
hat sich im Laufe der folgenden Jahre nie als Standard etablieren können, wurde aber gerade von vielen Pionieren der Chemotherapie, insbesondere auch von Frau Sternberg selbst nachdrücklich unterstützt. Die Vision des Organerhalts war sicherlich einer der Hauptgründe dafür, warum in der Frühphase der perioperativen Chemotherapie, die ja im Mittelpunkt dieses Kapitels steht, die neoadjuvante Konzeption (also die Vorbehandlung der Zystektomiepatienten vor der Operation) weitaus mehr Popularität genoss und deswegen auch in wesentlich größeren und auch wesentlich zahlreicheren Studien untersucht wurde ist als die adjuvante Therapie (Nachbehandlung des Zystektomiepatienten nach der Operation), obwohl die adjuvante Chemotherapie aus noch zu erläuternden Gründen wahrscheinlich die erfolgversprechendere Konzeption gewesen wäre. Die neoadjuvante Philosophie wurde als denkbarer Einstieg in Richtung Organerhalt empfunden, mit der adjuvanten Philosophie hingegen bestand die »Gefahr«, den Stellenwert der Zystektomie zu festigen. Rückblickend erstaunt es daher möglicherweise nicht, dass sich in praktisch allen neoadjuvanten Studien gar kein oder allenfalls ein marginaler prognostischer Unterschied zwischen chemotherapeutisch vorbehandelten und sofort operierten Patienten zeigte. Da man heute trotzdem davon ausgehen kann, dass die Chemotherapie sehr wohl die Überlebenswahrscheinlichkeit einzelner Patienten verbessern kann, muss man die Ursache für die Negativergebnisse vieler neoadjuvanter Studien vielleicht eher im Studienkonzept selbst und einer nicht optimalen Patientenselektion und weniger in der Ineffizienz der Therapie selbst suchen. Die negativen oder marginalen Ergebnisse reflektieren also vielleicht eher die Schwächen im Studienkonzept und in der Patientenauswahl, die sich im Wesentlichen mit zwei Schlagworten erläutern lassen:
»Non-responder Effect« Das Konzept einer Vorbehandlung vor einer geplanten Tumoroperation ist um so erfolgversprechender, je größer die voraussichtliche Ansprechrate auf den Tumor ist. Beispiele für eine sehr erfolgreiche Implementierung eines neoadjuvanten Konzepts sind der kindliche Wilms-Tumor oder der lymphogen metastasierte Keimzelltumor des Mannes. Beides sind Tumoren, bei denen man mit fast 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit mit einem Ansprechen auf die Chemotherapie rechnen kann. Dementsprechend
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kann man eben auch davon ausgehen, dass man bei kaum einem Patienten durch das behandlungsbedingte Hinauszögern der Operation eine Verschlechterung der Überlebenswahrscheinlichkeit in Kauf nehmen muss. Genau diese Voraussetzung war beim Blasenkarzinom aber nicht gegeben. Realistischerweise dürfte die Ansprechwahrscheinlichkeit des Blasenkarzinoms auf M-VAC oder vergleichbare Kombinationen bei maximal 50% liegen. Dieses wiederum bedeutet zwanglos, dass man mit dem Konzept der neoadjuvanten Therapie bei einem Teil der Patienten die Prognose vielleicht verbessern kann, bei dem anderen Teil mit Chemotherapieunempfindlichen Tumoren wird man sie hingegen eher verschlechtern, denn der Vorbehandlungszeitraum, um den man die Zystektomie zugunsten einer evtl. unwirksamen Vorbehandlung hinauszögert, liegt (bei 4 Zyklen M-VAC) immerhin bei etwa fünf Monaten. In der Endkonsequenz bedeutet dies, dass auch eine für einen Teil der untersuchten Patienten segensreiche Vorbehandlung beim gewählten Studiendesign im untersuchten Gesamtkollektiv sogar zu einer Prognoseverschlechterung führen kann, was aber trotzdem keineswegs die prinzipielle Unwirksamkeit der Therapie beweist. Dieser Non-responder-Effekt wirkt sich um so nachhaltiger aus, je günstiger die Ausgangsprognose des untersuchten Patientenkollektivs ist, weil hier das Risiko der Prognoseverschlechterung eine viel höhere Verwirklichungswahrscheinlichkeit hat als die Chance der Prognoseverbesserung. Dies erklärt auch, dass es durchaus kein Zufallsphänomen sein muss, wenn sich in ein und derselben Studie unter der neoadjuvanten Therapie die Prognose der Patienten mit T2-Tumoren zu verschlechtern, bei T3-Tumoren hingegen zu verbessern scheint. Beim adjuvanten Therapieansatz hingegen wird die Zystektomie nicht hinausgezögert, da die Chemotherapie anschließend verabreicht wird. Bei diesem Szenario riskiert man also zumindest bei keinem Patienten eine Prognoseverschlechterung durch Verschieben der definitiven Therapie
»Verdünnungseffekt« Geht man von der Hypothese aus, dass eine zusätzliche perioperative Chemotherapie die Wahrscheinlichkeit der Tumorprogression um ein Drittel reduzieren kann, dann ist die Ausgangswahrscheinlichkeit, mit der eine solche Progression ohne zusätzliche Therapie auftreten wird, wahrscheinlich die wichtigste Variable für die Planung einer kli-
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nischen Studie, mit der man den Effekt oder den Nichteffekt einer zusätzlichen Therapie beweisen will. Wählt man dementsprechend eine Patientengruppe mit einem Progressionsrisiko von 20% für eine solche Studie aus, dann kann man im besten Falle (keine tumorunabhängigen Todesfälle, keine Patienten, die die Teilnahme an der Studie nachträglich verweigern usw., also Faktoren, die die Daten weiter verwässern) damit rechnen, dass man die Prognose der behandelten Patientengruppe um 6–7% (ein Drittel von 20%) verbessern kann. Um darüber hinaus die statistische Signifikanz eines solchen Überlebensvorteils belegen zu können, bedarf es bei einem so geringen Überlebensvorteil eines Studienkollektivs von ungefähr 1000 Patienten, von denen 500 die zusätzliche Chemotherapie erhalten müssten und deren überlebensverbessernder Effekt bewiesen werden soll. Im günstigsten Falle, nämlich dann, wenn das angestrebte Ziel einer Überlebensverbesserung von 6–7% tatsächlich erreicht wird, sieht die Bilanz bei den 500 Patienten mit der zusätzlichen Behandlung folgendermaßen aus: 400 Patienten wären auch ohne die zusätzliche Chemotherapie geheilt worden, sie haben also eine zusätzliche Therapie erhalten, aus der sie keinerlei Nutzen, möglicherweise aber eine nicht unerhebliche Toxizität als Negativeffekt gezogen haben (das unter I) beschriebene Non-responder-Problem ist dabei nicht einmal mitberücksichtigt, denn dieses gilt nur für die neoadjuvante Situation, während der hier beschriebene Verdünnungseffekt für die adjuvante wie die neoadjuvante Situation gleichermaßen gilt). Die verbliebenen 100 Patienten wären ohne die zusätzliche Chemotherapie gestorben. Da die zusätzliche Chemotherapie aber nur jeden dritten dieser Todesfälle verhindert, werden 67 Patienten trotz der zusätzlichen Chemotherapie versterben, so dass auch diese sich einer Zusatzbehandlung unterzogen haben, die ihnen keinen Nutzen gebracht hat. Bei diesem Rechenbeispiel muss man also 500 Patienten chemotherapieren, von denen nur 33 tatsächlich davon profitieren. Führt man die gleiche Studie hingegen bei einer Patientengruppe durch, bei der man von einem Progressionsrisiko von 90% ausgeht, dann hat man bei gleichem Studiendesign und gleicher vermuteter Wirksamkeit der Chemotherapie die Chance, die Heilungswahrscheinlichkeit um ein Drittel von 90%, also um 30% zu verbessern. Im konkreten Fall würde dies bedeuten, von 10% auf 40%. Um hier den Nachweis einer statistischen Signifikanz führen zu können, würde ein Kollektiv von 160 Patienten wahrscheinlich mehr als ausreichen. Der
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Einfachheit halber soll das Beispiel aber im Folgenden mit 200 Patienten »durchgerechnet« werden. Im Behandlungsarm müssten 100 Patienten die zusätzliche Chemotherapie erhalten. Von diesen 100 Patienten wären 10 ohnehin geheilt worden. Von den verbleibenden 90 Patienten würden bei Erreichen des erhofften Studienziels ein Drittel, also 30 weitere Patienten geheilt werden, die verbleibenden 60 Patienten würden mit und ohne zusätzliche Therapie an ihrer Erkrankung versterben. Bei diesem Szenario beträgt für den individuellen Patienten die Wahrscheinlichkeit, sich einer zusätzlichen Behandlung zu unterziehen, von der man keinen Nutzen zieht, also 70%, die Wahrscheinlichkeit, davon zu profitieren, beträgt 30%. Das letztere Szenario ist von daher als klinische Studie sicherlich wesentlich sinnhafter als das zuerst genannte und zwar aus zwei Gründen: Zum einen ist die statistische Wahrscheinlichkeit, die erhoffte Prognoseverbesserung tatsächlich auch beweisen zu können, bei dem Patientenkollektiv mit ungünstiger Ausgangsprognose weitaus größer als beim Patientenkollektiv mit günstiger Ausgangsprognose. Darüber hinaus ist der Aufwand weitaus geringer und die Studie kann im Zweifelsfall wesentlich schneller durchgeführt werden. Zum zweiten scheint eine Studie ethisch schwer zu rechtfertigen, bei der man im günstigsten Fall eine nutzlose, im Fall einer systemischen Polychemotherapie darüber hinaus aber auch erheblich toxische Therapie in 94% der Fälle in Kauf nehmen muss, um die Heilungswahrscheinlichkeit vielleicht um 6% zu steigern. Das Szenario bei schlechter Ausgangsprognose erscheint mit 70:30 weitaus akzeptabler. Genau an diesem Punkt liegt aber die zweite konzeptionelle Schwäche praktisch aller derzeit publizierten neoadjuvanten Therapiestudien: Die Einschlusskriterien waren durchweg muskelinvasive Blasenkarzinome, wobei sowohl klinisch organbegrenzte (T2) als auch klinisch organüberschreitende Tumoren (T3) akzeptiert wurden. Der Anteil der T2-Tumoren lag teilweise bei über 50%. Da man davon ausgehen kann, dass das klinische T2Karzinom auch mit der alleinigen Zystektomie in bis zu 80% der Fälle geheilt werden kann, wird offensichtlich, in welch erheblichem Ausmaß hier der beschriebene Verdünnungseffekt zum Tragen kommt. Man hat also Studien konzipiert, bei denen man von vorneherein im besten Falle mit einer Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit um 10% rechnen konnte. Darüber hinaus war der Fallzahlbedarf natürlich erheblich. Bis zum Jahre 2003 wurden schlussendlich mehr als 10 neoadjuvante Therapiestudien mit zusammen mehr als 3000 Pa-
tienten publiziert, von denen 8 keinen eindeutigen Nutzen der neoadjuvanten Chemotherapie zu belegen schienen, während sich in zwei, die aber zu den zahlenmäßig größten zählten, eine Prognoseverbesserung der Größenordnung von 5–6% abzeichnete, die von statistisch grenzwertiger Signifikanz war. Erst eine im Juni 2003 publizierte Metaanalyse, die sich auf individuelle Datensätze von mehr als 2000 Patienten aus insgesamt 10 publizierten und teilweise auch unpublizierten Studien stützen konnte, förderte ein klares Ergebnis zutage (Advanced Bladder Cancer Meta-analysis Collaboration 2003). Lediglich die 317 Patienten aus der Studie der amerikanischen SWOG- (South-West-Oncology-Group-) Studie 8710 konnten bei dieser Metaanalyse nicht auf der Grundlage individueller Datensätze mitanalysiert werden (Grossman et al. 2003). Die riesige Fallzahl dieser Metaanalyse zeigte nun im Behandlungsrahmen tatsächlich eine Reduktion des Todesfallrisikos um 13% gegenüber dem Kontrollarm, woraus eine Überlebensverbesserung von 5% nach 5 Jahren resultiert. Aufgrund der Größe der Fallzahl ist der gezeigte Unterschied allerdings hoch signifikant, womit zumindest eine wesentliche Kernfrage als beantwortet gelten kann, nämlich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, die Heilungswahrscheinlichkeit mit einer perioperativen Chemotherapie zu verbessern. Die Antwortet lautet nun eindeutig: Es ist möglich. Gemeinsam mit dieser Metaanalyse wurde auch ein sehr differenzierter Kommentar von Stadler und Lerner abgedruckt, die das aus dieser Arbeit resultierende Hauptdilemma klar ansprechen: Würde man aus dieser Arbeit die Schlussfolgerung ableiten, dass jeder Patient, der mindestens einen muskelinvasiven Blasentumor hat, eine präoperative Chemotherapie erhalten soll, würden von 100 behandelten Patienten nur 5 einen Nutzen ziehen (Stadler und Lerner 2003). Es ist offensichtlich, dass eine solche generelle Empfehlung unsinnig wäre, auch wenn heute Chemotherapiekombinationen zur Verfügung stehen, die weniger toxisch sind als M-VAC. Leider zeichnet sich auch nicht ab, dass man Tumorcharakteristika definieren könnte, die das Ansprechverhalten auf die Chemotherapie vielleicht exakter voraussagen könnten. Es bleibt im Grunde also nur der Ausweg, die Entscheidung für oder gegen die zusätzliche Chemotherapie vor allem von der Wahrscheinlichkeit der Tumorprogression abhängig zu machen, die sich derzeit natürlich im Wesentlichen auf der Grundlage des histopathologischen Tumorstadiums beurteilen lässt. Nur so ist es im Regelfall gewährleistet, dass die zusätzliche Chemotherapie
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auf die Patienten beschränkt bleibt, bei denen eine sinnvolle Relation von potentiellem Nutzen und potentieller Übertherapie gegeben ist. Da die Information des histopathologischen Tumorstadiums aber nur nach der Zystektomie zur Verfügung steht, bleibt natürlich nur noch die Option der adjuvanten Chemotherapie. Wir sind also mit dem paradoxen Ergebnis konfrontiert, das es nach mehr als 15 Jahren zwar gelungen ist, einen Überlebensvorteil durch die neoadjuvante Chemotherapie zu beweisen, dass dieser Beweis aber im Regelfall eher die Empfehlung einer adjuvanten Therapie nach sich ziehen wird. Eine klare Indikation zur primären Chemotherapie besteht aber sicherlich beim klinisch inoperablen oder nur fraglich operablen Primärtumor, weil hier die Vorbehandlung die Wahrscheinlichkeit eines Operationsabbruchs oder einer Operation mit inkompletter Tumorresektion deutlich reduzieren kann. Diese Situation ist aber in Deutschland relativ selten geworden. Man sollte in diesem Fall wohl auch eher von einer induktiven, weniger von einer neoadjuvanten Therapie sprechen, weil hier sicherlich die Wiedergewinnung der Operabilität erstrangiges Behandlungsziel ist.
Adjuvante Chemotherapie Die bisherigen Erfahrungen mit der adjuvanten Chemotherapie stellen sozusagen den Negativabdruck der neoadjuvanten Erfahrung dar. Vieles lässt sich zwanglos aus dem ableiten, was bereits zur neoadjuvanten Therapie ausgeführt worden ist. Die Favorisierung der neoadjuvanten Strategie durch die Meinungsbildner der nationalen und internationalen Studienverbände, wie SWOG (South West Oncology Group) in den USA oder EORTC (European Organisation for Treatment and Research of Cancer) in Europa ließ über Jahre hinweg keinen Raum für die Testung der adjuvanten Chemotherapie auf multizentrischer Basis. Aus diesem Grunde wurden bis 2003 zum Thema »Adjuvante Polychemotherapie« nur einige unizentrische Studien publiziert, die wegen ihrer methodischen Schwächen und ihrer kleinen Fallzahl kritisiert oder zumindest kontrovers diskutiert wurden. Drei dieser Studien (Skinner et al. 1991; Stöckle et al. 1992; Freiha et al. 1996) zeigten jedoch eine signifikante Verbesserung im progressionsfreien Überleben für die Patienten, die eine adjuvante Chemotherapie erhalten hatten, im Vergleich zu den Patienten nach alleiniger operativer Therapie. Die drei genannten Studien hatten bei der Patientenaus-
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wahl eine wichtige Gemeinsamkeit: es wurden nur Zystektomiepatienten mit organüberschreitendem Tumorwachstum (organüberschreitender Primärtumor und/oder Lymphknotenbefall) in die Studie aufgenommen. Ungefähr 50% der rekrutierten Patienten hatten tumorbefallene Lymphknoten. Bei diesen Studien bestand somit aufgrund des relativ hohen Progressionsrisikos der analysierten Patienten von vornherein eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, eine evtl. erreichbare Prognoseverbesserung auch nachweisen zu können als bei den oben beschriebenen neoadjuvanten Studien. Da aufgrund der beschriebenen neoadjuvanten Metaanalyse als prinzipiell bewiesen gelten kann, dass man mit einer perioperativen Chemotherapie die Prognose verbessern kann, erscheint es rückblickend betrachtet auch konsistent, dass man bei diesen drei adjuvanten Studien deutlichere Unterschiede zugunsten der chemotherapierten Patienten findet als in den zitierten neoadjuvanten Serien. Wahrscheinlich konnte in allen drei Serien eine statistische Signifikanz des gezeigten Prognoseunterschiedes auch nur aufgrund des hohen Anteils lymphknotenpositiver Patienten gezeigt werden. Bei den lymphknotennegativen Patienten wird die Ausgangsprognose bereits wieder so günstig, dass aufgrund des oben beschriebenen »Verdünnungseffektes« deutlich geringere Effekte erreicht werden, deren statistische Signifikanz nur bei wesentlich größerer Fallzahl nachzuweisen wäre. Einige andere publizierte adjuvante Therapiestudien, die keinen signifikanten Prognoseunterschied zeigen, unterscheiden sich bezüglich der Patientenselektion vor allem dadurch, dass man nur einen geringeren Anteil lymphknotenpositiver Patienten oder gar keine lymphknotenpositiven Patienten eingeschlossen hat. Auch in der derzeit wohl bestdokumentierten unizentrischen Zystektomieserie, nämlich der der Skinner’schen Arbeitsgruppe, fand sich bei mehr als 1000 Patienten nur in der Subgruppe der Patienten mit tumorbefallenen Lymphknoten ein statistisch signifikanter Unterschied zu Gunsten der Patienten mit adjuvanter Chemotherapie: Die Überlebenswahrscheinlichkeit bei dieser Patientengruppe lag bei 39% und damit um 10% besser als ohne Chemotherapie (Stein et al. 2003). Ergebnisse der ersten zu Ende geführten multizentrischen adjuvanten Polychemotherapiestudie wurden kürzlich vorgestellt (Lehmann et al. 2003): In dieser Studie waren insgesamt mehr als 320 Patienten in knapp 40 deutschen Kliniken rekrutiert worden, wobei allerdings unter Verzicht auf einen unbehandelten Kontrollarm zwei verschiedene For-
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Kapitel 10 · Therapie und Prognose des lymphogen metastasierten Urothelkarzinoms
men der Chemotherapie (M-VAC versus Cisplatin/ Methotrexat) miteinander verglichen worden waren. In dieser Studie lag die progressionsfreie Fünfjahresüberlebensrate der lymphknotenpositiven Patienten bei ca. 41% und damit sogar eher etwas günstiger als in der Serie von Skinner, obwohl man bei sicherlich weniger sorgfältiger Lymphknotenausräumung und bei heterogenem Standard der unterschiedlichen teilnehmenden Kliniken eher mit einem etwas schlechteren Ergebnis gerechnet hätte. Die Urologische Universitätsklinik Ulm ließ im gleichen Behandlungszeitraum auch die Patienten mit Lymphknotenbefall ohne adjuvante Chemotherapie. Die Überlebensraten von 118 Patienten mit Lymphknotenbefall, die mit einer Ileumneoblase versorgt waren, wurden zuletzt publiziert (Gschwend et al. 2004): Das progressionsfreie Überleben nach 5 Jahren lag bei 22,5%, also etwa 18% schlechter als in der multizentrischen Serie von Lehmann et al. Erneut sollte man vorsichtig mit dem Vergleich unterschiedlicher Behandlungsserien sein: Bedenkt man aber, dass die Ulmer Patienten in einem überregionalen Überweisungszentrum behandelt wurden und dass innerhalb dieser Serie auch nur die Patienten mit einer Neoblase, also im Zweifel die fittesten und die motiviertesten, analysiert wurden, so würde man aufgrund der mehrfachen Positivselektion eigentlich bei den Ulmer Patienten im Zweifel die besseren Überlebensraten erwarten. Dass es umgekehrt ist, ist zumindest als deutlicher Hinweis auf die Wirksamkeit der adjuvanten Chemotherapie zu interpretieren.
Salvage-Lymphadenektomie bei lymphogenem Tumorprogress Die cisplatingestützte Chemotherapie des Urothelkarzinoms allein scheint im Regelfall also die betroffenen Patienten nicht heilen zu können. Ein überlebensverbessernder Effekt konnte bislang im Wesentlichen also für die Patientengruppe gezeigt werden, bei der zum Zeitpunkt der Operation mit dem Vorliegen von Mikrometastasen zu rechnen war. Es scheint also, dass die Chemotherapie die soliden Tumoranteile zwar häufig verkleinern, im Regelfalle aber nicht vollständig sterilisieren kann. Bei Mikrometastasen und/oder zirkulierenden Tumorzellen scheint dies hingegen in einem Teil der Fälle zu gelingen. Dies eröffnet natürlich umgekehrt auch die Perspektive, Tumorstadien, die man bislang operativ als inoperabel oder als inkurabel eingestuft hat, durch die Kombination aus primärer
Chemotherapie und sekundärer Operation zu therapieren. Erste veröffentliche Serien lassen erkennen, dass auch solche Patienten im Sinne einer definitiven Heilung von solchen sekundären Operationen profitieren können, auch wenn im Operationspräparat noch vitale Tumorreste gefunden werden (Herr et al. 2001). Mit diesen Ergebnissen wird auch die Frage relevant, ob die Ausräumung tumorbefallener retroperitonealer Lymphknoten oder zahlenmäßig begrenzter Fernmetastasen in Kombination mit der Chemotherapie oder nach dem Ansprechen auf eine Chemotherapie als zusätzliches neues Therapieprinzip mit kurativem Anspruch etabliert werden kann. Eine erste kleine Serie von 11 derart behandelten Patienten wurde kürzlich veröffentlicht (Sweeney et al. 2003), wobei sich aber die Perspektive einer langfristigen Heilung nur für vier Patienten zu zeigen scheint, bei denen histopathologisch keine Tumorreste mehr (n=2) oder maximal zwei befallene Lymphknoten mit vitalem Tumornachweis (n=2) fanden. Die 11 beschriebenen Patienten wurden im Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York und im M.D. Anderson Cancer Center in Houston, also in zwei der größten uro-onkologischen Zentren der Welt behandelt. Wenn zwei so große Zentren sich zusammenschließen müssen, um auf eine Serie von 11 Patienten zu kommen, dann erweckt dies natürlich den Eindruck, dass Patienten, die für eine solche Behandlung in Betracht kommen, extrem selten sind. Berücksichtigt man dann noch eine Überlebenswahrscheinlichkeit von maximal 40%, dann mag der Eindruck entstehen, dass mit dem Konzept einer sekundären retroperitonealen Lymphknotenausräumung nach Chemotherapie eine Kuriosität, aber kein wirklich für den klinischen Alltag relevantes Behandlungskonzept beschrieben wird. Der Eindruck mag aber täuschen: Mit einem etwas anderen chemotherapeutischen Grundkonzept wurden in der eigenen Klinik innerhalb relativ kurzer Zeit inzwischen acht derartige Patienten sekundär operiert. Es deutet sich an, dass mit dieser Konzeption, die derzeit auf einer Gemcitabine-gestützten Vorbehandlung fußt, auch Patienten mit deutlich mehr als zwei tumorbefallenen Lymphknoten noch eine kurative Chance haben. Sollte es mittelfristig also doch gelingen, das Konzept einer solchen Salvage-Therapie zu etablieren, dann hätte das natürlich wahrscheinlich auch Rückwirkung auf die Diskussion über das sinnvolle Ausmaß der Lymphknotenausräumung im Rahmen der Primärtumoroperation. Erste Ergebnisse der eigenen Salvage-Operationen wurden 2004 publiziert (Hack et al. 2004).
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11 Systemische Chemotherapie des metastasierten Urothelkarzinoms – eine kritische Analyse J. Lehmann, M. Retz, M. Stöckle
Die mediane Überlebenszeit des unbehandelten metastasierten Urothelkarzinoms beträgt weniger als 6 Monate. Obwohl zahlreiche Kombinationstherapien seit mehr als 30 Jahren geprüft werden, konnte bisher keine der Therapien einen Anspruch auf langfristige Heilung erfüllen. Seit Mitte der 80erJahre des letzten Jahrhunderts wird in Phase-IIIStudien die systemische Kombinationstherapie des fortgeschrittenen Urothelkarzinoms im Hinblick auf Verträglichkeit, Reduktion des Tumorvolumens und Verlängerung der Überlebenszeit untersucht.
Entwicklung der systemischen Chemotherapie für das fortgeschrittene, inoperable Urothelkarzinom Im Jahre 1985 berichteten Cora Sternberg und Kollegen aus dem Memorial Sloane Kettering Cancer Center erstmals über Ergebnisse der MVAC-Polychemotherapie (Methotrexat, Vinblastin, Adriamycin und Cisplatin) in der Behandlung des metastasierten Urothelkarzinoms (Sternberg et al. 1985). Die Gesamtansprechrate, d. h. eine Reduktion der Tumorlast um mindestens 50%, lag in dieser Untersuchung bei über 70% (17/24 Patienten). Die Rate kompletter Remissionen, d. h. klinisch bzw. bildgebend kein nachweisbarer Tumor, lag sogar bei 50% (12/24 Patienten). Damit wurde über Nacht die Hoffnung auf eine dauerhafte Heilbarkeit des metastasierten Urothel-
karzinoms geweckt, unabhängig vom Tumorstadium und der Metastasenlokalisation. Allerdings wurde gleichzeitig deutlich, dass ein Behandlungserfolg nur unter Inkaufnahme einer hohen Toxizität zu erreichen war: In der initialen Phase-II-Studie von Sternberg und Mitarbeitern wurden vier therapiebedingte Sepsisfälle verzeichnet, von denen ein Patient aufgrund dieser Komplikation starb. Eine therapiebedingte Todesrate von bis zu 4% unter MVAC Kombinationstherapie wurde im Verlauf weiterer Studien bestätigt (Sternberg et al. 1989, 2001). MVAC oder die in Deutschland bevorzugte Kombination MVEC, bei der das kardiotoxische Anthrazyklin Adriamycin durch Epirubicin ersetzt wird, wurde in der Folgezeit relativ unkritisch und meist außerhalb kontrollierter Studien bei verschiedenen Patientengruppen eingesetzt. Später wurde in nordamerikanischen PhaseIII-Studien das MVAC-Schema zum einen mit der CISCA-Kombination, bestehend aus Cisplatin, Cyclophosphamid und Adriamycin (Logothetis et al. 1990), und zum anderen mit der Cisplatin-Monotherapie (Loehrer et al. 1992) verglichen. Gemessen an den Gesamtremissionsraten (MVAC 65% versus CISCA 46% und MVAC 39% versus Cisplatin 12%) und den Überlebensraten (medianes Überleben MVAC 48,3 Wochen versus CISCA 36,1 Wochen und MVAC 12,5 Monate versus Cisplatin 8,2 Monate) erwies sich MVAC in beiden Studien als die jeweils signifikant überlegene Kombination (Logothetis et al. 1990; Loehrer et al. 1992). Diese
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11
Kapitel 11 · Systemische Chemotherapie des metastasierten Urothelkarzinoms – eine kritische Analyse
Ergebnisse verliehen der MVAC-Kombinationstherapie somit für über ein Jahrzehnt das Prädikat »Goldstandard« der systemischen Chemotherapie des Urothelkarzinoms, was durch weitere Phase-IIIStudien gegenüber anderen Kombinationstherapien wie IFN-alpha-2b/Fluorouracil/Cisplatin (SiefkerRadtke et al. 2002), Docetaxel/Cisplatin (Bamias et al. 2004) oder Carboplatin/Paclitaxel (Dreicer et al. 2003) bestätigt werden konnte. Die zunächst hochgesteckten Erwartungen an MVAC hinsichtlich der Heilbarkeit metastasierter Urothelkarzinome konnte bei längerfristiger Nachbeobachtung jedoch nicht erfüllt werden. Insbesondere in der multizentrischen Intergroup-Studie »Cisplatin versus MVAC« wurde für den MVAC-Arm eine Überlebensrate von nur 3,7% nach 6 Jahren berichtet (Saxman et al. 1997). Dauerhafte Remissionen fanden sich nur bei Patienten mit lokal fortgeschrittenen Harnblasenkarzinomen oder Nachweis von lediglich lymphogen metastasierten Tumoren. Patienten mit viszeralen Fernmetastasen bzw. Knochenmetastasen verstarben alle innerhalb der ersten 30 Monate. Eine Intensivierung der Standard-MVAC-Therapie wurde in einer europäischen Phase-III-Studie bei 263 Patienten untersucht. Dabei wurde in einem Hochdosis-MVAC-Behandlungsarm (HD-MVAC) die übliche Zykluslänge von 4 Wochen auf die Hälfte der Zeit unter Verwendung von G-CSF (Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor) bei gleicher Dosierung der Chemotherapeutika reduziert. Im HD-MVAC-Arm wurde bei 62% der Patienten ein Ansprechen auf die Chemotherapie beobachtet (21% komplette Remissionen). Demgegenüber lag die Gesamtremission im Standard-MVAC-Arm bei 50% (9% komplette Remissionen). Insgesamt wurde über weniger Toxizitäten und weniger Dosisverschiebungen im HD-MVAC berichtet. Ein signifikanter Vorteil für den HD-MVAC-Arm wurde neben der kompletten Ansprechrate auch für die progressionsfreie Überlebenszeit (mediane progressfreie Überlebenszeit 9,1 Monate HD-MVAC versus 8,2 Monate Standard-MVAC) gesehen, jedoch nicht für die Gesamtüberlebenszeit (Sternberg et al. 2001). Zusammenfassend hat sich die HD-MVACKombination bei nur geringfügiger Verbesserung im Langzeitverlauf jedoch weiterhin unverändert hoher toxizitätsbedingter Todesrate (HD-MVAC 3% versus Standard-MVAC 4%) nicht auf breiter Ebene durchsetzen können. Die bisher größte und einflussreichste PhaseIII-Studie zur Behandlung des fortgeschrittenen Urothelkarzinoms wurde Ende der 90er-Jahre unter
Beteiligung von weltweit 99 Zentren aus 19 Ländern durchgeführt (von der Maase et al. 2000). In dieser prospektiv randomisierten Studie wurde die Kombination Gemcitabin/Cisplatin gegenüber MVAC bei 405 Patienten mit metastasiertem bzw. lokal fortgeschrittenem inoperablen Urothelkarzinom untersucht. Etwa 18 Monate nach Randomisierung des letzten Patienten ergab die Auswertung keinen signifikanten Unterschied bezüglich der Gesamtüberlebenszeit (median Gemcitabin/Cisplatin 13,8 Monate und MVAC 14,8 Monate) bzw. hinsichtlich der tumorprogressionsfreien Überlebenszeit (median 7,4 Monate für beide Therapiearme). Die Gesamtansprechraten waren mit 49% bei Gemcitabin/Cisplatin-behandelten Patienten und 46% bei MVAC-behandelten Patienten ebenfalls nicht signifikant unterschiedlich. Die vorab hochgesteckte Studienhypothese, dass eine Kombinationstherapie mit Gemcitabin/Cisplatin gegenüber MVAC das mediane Gesamtüberleben von 12 auf 16 Monate verbessert, konnte bei der Fallzahl von 405 randomisierten Patienten nicht entsprochen werden. Hingegen lassen es die nahezu deckungsgleichen Überlebenskurven als wahrscheinlich erscheinen, dass beide Kombinationen gleich wirksam sind, auch wenn eine Äquieffektivität aufgrund einer rechnerisch unzureichenden Fallzahl statistisch nicht gesichert ist (Cohen u. Rothmann 2001). Als häufigste Nebenwirkungen wurden in beiden Behandlungsarmen hämatologische Toxizitäten beobachtet mit Grad-III/IV-Anämie (MVAC 18% vs. Gemcitabin/Cisplatin 27%) und Thrombopenie (MVAC 21% vs. Gemcitabin/Cisplatin 57%). Das günstigere Toxizitätsprofil für MVAC wurde in diesem Fall aber als klinisch nicht relevant interpretiert, da sich daraus keine signifikant höhere Transfusionsrate von Erythrozyten oder Thrombozyten bzw. keine häufigeren Blutungsereignisse für Patienten im Gemcitabin/Cisplatin-Behandlungsarm ergaben. Demgegenüber traten unter der MVAC-Therapie signifikant häufiger Grad-III/IV-Neutropenien (Gemcitabin/Cisplatin 71% vs. MVAC 82%) mit Episoden neutropenischer Sepsis (Gemcitabin/Cisplatin 1% vs. MVAC 12%) bzw. fieberhafter Neutropenie (Gemcitabin/Cisplatin 2% vs. MVAC 14%) auf. Entsprechend war in der MVAC-Gruppe der durchschnittliche Verbrauch von parenteralen Antibiotika pro Zyklus (MVAC 2,4fach häufiger als Gemcitabin/ Cisplatin), Antimykotika (MVAC 2,6fach häufiger als Gemcitabin/Cisplatin) und knochenmarkstimulierenden Substanzen (MVAC 11,3fach häufiger als Gemcitabin/Cisplatin) höher mit entsprechend län-
127 Entwicklung der systemischen Chemotherapie
gerer Krankenhausverweildauer (3 Tage pro Gemcitabin/Cisplatin-Zyklus versus 4 Tage pro MVAC-Zyklus). Aufgrund dieser Vorteile im Toxizitätsprofil bei wahrscheinlich vergleichbarer Wirksamkeit hat sich Gemcitabin/Cisplatin auch in internationalen Folgestudien gegenüber MVAC als die neue Standardkombination etabliert. Die erste Phase-III-Studie, bei der MVAC nicht mehr als Standardarm eingesetzt wird, randomisiert seit 2001 im Rahmen eines EORTC-Protokolls (European Organisation for Research and Treatment of Cancer). In dieser Studie wird mit dem Behandlungsarm Gemcitabin/Cisplatin/Paclitaxel gegenüber Gemcitabin/Cisplatin eine Verbesserung der Überlebenszeit für Patienten mit einem fortgeschrittenen Urothelkarzinom angestrebt. Laut Studienhypothese soll die Überlebenszeit mit der Triplettherapie um 4 Monate von 14 auf 18 Monate verbessert werden, woraus sich eine Fallzahl von insgesamt 610 Patienten errechnet. Zuvor war im Rahmen einer spanischen Phase-II-Studie mit der Kombination Gemcitabin/Cisplatin/Taxol eine bemerkenswert hohe Gesamtansprechrate von 78% (45/58 Patienten) beobachtet worden (Bellmunt et al. 2000). Als Preis für diesen hohen Wirkungsgrad traten in dieser Phase-II-Studie Grad-III/IV-Neutropenie bei 55%, Grad-III/IV-Thrombozytopenie bei 22%, febrile Neutropenie bei 11% der Patienten sowie ein therapiebedingter Todesfall auf. Eine mediane Gesamtüberlebenszeit war nach Ablauf von 24 Monaten noch nicht erreicht. Während auf der einen Seite mit aggressiveren Therapieregimen wie der Gemcitabin/Cisplatin/Paclitaxel-Kombination versucht wird, Ansprechraten und Überlebenszeiten zu verbessern, gibt es andererseits Bestrebungen, verträglichere Chemotherapien mit einer Reduktion des Toxizitätsprofils zu etablieren. Eine Reduktion des 4-Wochen Schemas auf einen 3-wöchigen Zyklus zeigte für die Kombination Gemcitabin/Cisplatin bereits beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom eine Verbesserung der Verträglichkeit ohne wesentlichen Wirkungsverlust (Soto Parra et al. 2002). Für das Urothelkarzinom wurde diesbezüglich zwischen 1/1999 und 6/2000 eine Phase-II-Studie in Deutschland mit 45 Patienten durchgeführt. Dabei konnte ähnlich wie beim 4-Wochen-Schema (von der Maase et al. 2000) mit dem 3-wöchigen Schema eine Gesamtansprechrate von 47% erreicht werden bei reduzierter hämatologischer Toxizität. Die mediane Überlebenszeit betrug 14,1 Monate (C. Lippert, persönliche Mitteilung).
11
Weitere gut verträgliche Kombinationen wie Paclitaxel/Carboplatin, die besonders im Hinblick auf eine problemlose ambulante Durchführbarkeit attraktiv erscheinen, wurden ausgiebig in PhaseII-Studien untersucht (Redman et al. 1998; Vaughn et al. 1998; Zielinski et al. 1998; Small et al. 2000). Allerdings ist aus den frühen Phase-II-Studien zur Monotherapie des fortgeschrittenen Urothelkarzinoms mit Carboplatin (Mottet-Auselo et al. 1993) bekannt, dass das nierenverträglichere Carboplatin in der Therapie des Urothelkarzinoms hinsichtlich der Wirksamkeit nur eine nachgeordnete Rolle im Vergleich zu Cisplatin spielt (⊡ Tabelle 11.1). Somit ist es nicht verwunderlich, dass sowohl die Kombination Paclitaxel/Carboplatin als auch Carboplatin/Gemcitabin gegenüber einer Cisplatin-haltigen Kombinationstherapie als unterlegen erscheinen (Carteni et al. 2003). Eine nordamerikanische Phase-III-Studie mit der Kombination Paclitaxel/Carboplatin versus MVAC-Therapie wurde aufgrund mangelnder Patientenrekrutierung vorzeitig abgebrochen. Ergebnisse dieser Studie unterstreichen dabei weiterhin den Trend, dass die in Nordamerika sehr populäre Kombinationstherapie mit Paclitaxel/Carboplatin in seiner Wirksamkeit gegenüber MVAC und somit wohl auch Gemcitabin/Cisplatin unterlegen ist (Dreicer et al. 2003). Zurzeit scheint sich die neue Substanz Pemetrexed (Alimta) neben etablierten Substanzen wie Gemcitabin, Cisplatin, Carboplatin und den Taxanen (Paclitaxel, Docetaxel) u. a. für die Chemotherapie des Urothelkarzinoms profilieren zu können. Pemetrexed erhielt bislang im Februar 2004 die Zulassung für die Behandlung des malignen Pleuramesothelioms durch die Food and Drug Administration in den USA. Als Primärtherapie des fortgeschrittenen Urothelkarzinom konnte Pemetrexed in der Monotherapie Gesamtansprechraten von 32% (9/28 partielle Remission) sowie Stabilisierung des Krankheitsverlaufes bei weiteren 36% (10/28) erreichen (Paz-Ares et al. 1998). In einer US-amerikanischen Studie wurde mit der Pemetrexed-Monotherapie ebenfalls eine Ansprechrate von über 30% bestätigt (Sweeney et al. 2003a), die mit Gemcitabin nur in einer von sieben Studien erreicht werden konnte (Zai et al. 2003). Allerdings imponierte in der spanischen Monotherapiestudie eine inakzeptabel hohe Sterberate von 11% vor allem als Folge von therapiebedingter neutropenischer Sepsis, sodass eine weitere klinische Evaluierung dieser Substanz in Frage stand. Interessanterweise trat in der US-amerikanischen Studie unter Substitution von Folsäure
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Kapitel 11 · Systemische Chemotherapie des metastasierten Urothelkarzinoms – eine kritische Analyse
⊡ Tabelle 11.1. Wirksamkeit der Mono-Chemotherapie beim fortgeschrittenen Urothelkarzinom
11
Substanz
Ansprechrate
95% Konfidenzintervall
Literatur
Adriamycin
16% (27/174)
11–22
Merrin et al. 1975; Yagoda et al. 1977; Fossa u. Gudmundsen 1981; Knight et al. 1983; Gagliano et al. 1983
Carboplatin
15% (45/308)
11–19
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Cisplatin
21% (66/320)
16–26
Soloway et al. 1983; Khandekar et al. 1985; Troner et al. 1987; Hillcoat et al. 1989; Loehrer et al. 1992
Cyclophosphamid
52% (11/21)
30–74
Merrin et al. 1975
Docetaxel
22% (13/59)
12–35
McCaffrey et al. 1997; de Wit et al. 1998
5-Floururacil
17% (16/92)
10–27
Fossa u. Gudmundsen 1981; Smalley et al. 1981; Knight et al. 1983
Gemcitabin
26% (51/197)
20–33
Pollera et al. 1994; Moore et al. 1997; Stadler et al. 1997; Lorusso et al. 1998; Gebbia et al 1999; Albers et al. 2002, Zai et al. 2003
Ifosfamid
20% (11/56)
10–32
Witte et al. 1997
Methotrexat
31% (63/201)
25–38
Altman et al. 1972; Hall et al. 1974; Turner et al. 1977; Yagoda 1980; Natale et al. 1981; Oliver et al. 1984
Paclitaxel
34% (21/62)
22–47
Roth et al. 1994; Dreicer et al. 1996; Papamichael et al. 1997; Yang et al. 2000
Pemetrexed
33% (15/45)
20–49
Paz-Ares et al. 1998; Sweeney et al. 2003a
Vinblastin
18% (5/28)
6–37
Blumenreich et al. 1982
und Vitamin B12 kein therapiebedingter Todesfall mehr auf und die Rate der Grad-III/IV-Neutropenie (<1000/µl) konnte durch diese Maßnahme auf nur 14% reduziert werden (Sweeney et al. 2003a). Die Rekrutierung einer europäischen Phase-IIStudie zur Kombinationstherapie von Pemetrexed und Gemcitabin mit Folsäure und Vitamin-B12-Supplementierung bei Patienten mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom wurde Anfang 2004 abgeschlossen, sodass erste Ergebnisse noch im gleichen Jahr zu erwarten sind. Grundsätzlich ist bei allen Studien zur systemischen Therapie des fortgeschrittenen Urothelkarzi-
noms zu berücksichtigen, dass es sich in der Regel um eine sehr heterogene Patientenpopulation mit unterschiedlichem prognostischen Profil handelt. Bajorin und Mitarbeiter haben bezüglich der Lebenserwartung von Patienten mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom eine umfangreiche Analyse prognostischer Faktoren am Memorial Sloane Kettering Cancer Center in New York durchgeführt. In einem Kollektiv von annähernd 200 Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom, die mit MVAC behandelt worden waren, konnten dabei als entscheidende negative prognostische Faktoren viszerale Metastasen und ein Karnofsky-Index von weniger als 80 iden-
129 Entwicklung der systemischen Chemotherapie
11
⊡ Tabelle 11.2. Phase-III-Studien zur systemischen Chemotherapie des metastasierten bzw. fortgeschrittenen inoperablen Urothelkarzinoms Literatur
Rekrutierungszeitraum
Arm A [n]
Arm B n
Gesamtansprechraten (p-Wert)
Mediane Überlebenszeit [Monate] (p-Wert)
Logothetis et al. 1990
8/85–2/89
MVAC 55
CISCA 55
65% vs. 46% (<0,05)
11,2 vs. 8,3 (0,003)
Loehrer et al. 1992, Saxman et al. 1997
11/84–5/89
MVAC 120
Cisplatin 126
39% vs. 12% (0,0001)
12,5 vs. 8,2 (0,0002)
von der Maase et al. 2000
11/96–9/98
MVAC 202
Gemcitabin/ Cisplatin 203
46% vs. 49% (n.s.)
14,8 vs. 13,8 (n.s.)
Sternberg et al. 2001
6/93–11/98
MVAC 129
HD-MVAC 134
50% vs. 62% (n.s.)
14,1 vs. 15,5 (n.s.)
Siefker-Radtke et al. 2002
10/92–9/99
MVAC 86
IFN alpha-2b, Fluorouracil, Cisplatin 86
59% vs. 42% (n.s.)
12,5 vs. 12,5 (n.s.)
Dreicer et al. 2003
9/98–6/00 (abgebrochen)
MVAC 44
Carboplatin/ Paclitaxel 41
36% vs. 28% (n.s.)
15,4 vs. 13,8 (n.s.)
Bamias et al. 2004
6/97–5/2002
MVAC 109
Docetaxel/ Cisplatin 111
54% vs. 37% (0,017)
14,2 vs. 9,3 (0,025)
tifiziert werden. In dieser Analyse betrug die Fünfund Zehnjahresüberlebensrate von 65 Patienten mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom ohne Vorliegen viszeraler Metastasen und einem gutem Karnofsky-Score (≥80) 33% bzw. 24% (Bajorin et al. 1999). Diese Beobachtung konnte von der Arbeitsgruppe Bellmunt an einem europäischen Patientenkollektiv bestätigt werden (Bellmunt et al. 2002). Aufgrund dieser Daten ist festzuhalten, dass grundsätzlich Studienergebnisse im Hinblick auf Patientenselektion bzw. Stratifikation kritisch zu prüfen sind. Unabhängig davon lässt sich in den bisher veröffentlichten Phase-III-Studien mit MVAC als Vergleichsarm ein Anstieg der medianen Überlebenszeit von weniger als 12 Monate (Logothetis et al. 1990) im Jahre 1990 auf fast 15 Monate (von der Maase et al. 2000) im Jahre 2000 für Patienten mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom ablesen (⊡ Tabelle 11.2). Aufgrund von Verbesserungen der bildgebenden diagnostischen Verfahren sowie der Supportivtherapie erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass die
Verlängerung der Überlebenszeit um etwa drei Monate weniger auf eine effektivere Chemotherapie, sondern wahrscheinlich überwiegend durch einen Fortschritt der diagnostischen Methoden bedingt ist: Je früher ein Tumorrezidiv entdeckt wird, desto länger ist die verbliebene Lebenserwartung auch ohne jede weitere Therapie, was mit dem Begriff »lead-time bias« subsummiert wird. Trotz dieser Steigerung der medianen Überlebenszeit konnte allerdings eine Steigerung der langfristigen Heilungsrate nach den bisherigen Erfahrungen nicht erreicht werden. Möglicherweise zeigen aber aktuelle Kombinationskonzepte von systemischer Chemotherapie und einer kompletten Metastasenresektion mit kurativem Ansatz einen Weg auf, das denkbar kurative Potential der Chemotherapie besser auszuschöpfen. Nachdem zunächst eine operative Therapie des metastasierten Urothelkarzinoms nur dann indiziert war, wenn eine palliative symptomatische Linderung möglich erschien (Otto et al. 2001), finden
130
11
Kapitel 11 · Systemische Chemotherapie des metastasierten Urothelkarzinoms – eine kritische Analyse
sich derzeit ermutigende Berichte über die Metastasenresektion in kurativer Absicht (Sweeney et al. 2003b; Siefker-Radtke et al. 2004). Eine retrospektive Erhebung an vier Deutschen Urologischen Zentren zeigte, dass eine kurativ beabsichtigte Metastasenresektionen bei insgesamt 15 Patienten mit einem Urothelkarzinom eine mediane Überlebenszeit von 33 Monaten ab Diagnosestellung der Fernmetastasierung bzw. 24 Monate ab Zeitpunkt der Metastasenresektion beobachtet werden konnte. Dabei handelte es sich ausschließlich um lymphogen metastasierte Patienten mit vorausgegangener Chemotherapie. Bei histologischem Nachweis von vitalem Tumorgewebe im Resektat (12/15 Patienten) wurde in der Regel eine Nachbehandlung mit weiterer Chemotherapie durchgeführt (Hack et al. 2004). Dieses Konzept ähnelt somit der Therapie fortgeschrittener Keimzelltumoren, bei der die Chemotherapie eine induktive Rolle im Sinne einer Vorbehandlung und Volumenreduktion des Tumors erfüllt. Weiterhin scheint unter Verwendung von gut verträglichen Medikamenten, wie z. B. Paclitaxel und Gemcitabin, eine Erhaltungstherapie über das übliche Maß von 6 Zyklen hinaus möglich und vielleicht auch sinnvoll zu sein. Im eigenen Krankengut finden sich mittlerweile vier Patienten mit einem fernmetastasiertem Urothelkarzinom, die länger als 12 Monate (14, 16, 23 und 29 Monate) systemisch chemotherapiert wurden, mit dem Ziel einer längerfristigen Stabilisierung ihrer Tumorerkrankung. Dabei lagen die kumulativen Absolutdosen für Gemcitabin zwischen 12,1 g und 88,5 g (8 bis 41 Dosisapplikationen). Die kumulative Absolutdosis für Paclitaxel lag zwischen 2,2 g und 2,9 g (6 bis 19 Dosisapplikationen). Gemcitabin und Paclitaxel wurden in der Erhaltungstherapie nur dann abgesetzt, wenn unter der Chemotherapie ein Tumorprogress nachweisbar war oder Unverträglichkeiten zwangsweise zu einem Abbruch führten. Ein Tumorprogress nach Chemotherapie hingegen bewies nach unseren Erfahrungen nicht zwangsläufig eine Chemoresistenz des Tumors, da ein erneutes Ansprechen auf die gleichen Medikamente möglich war. Über Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Erhaltungstherapie unter Verwendung gut verträglicher Medikamente wie Gemcitabin bzw. Paclitaxel liegen insbesondere für das Urothelkarzinom keine systematischen Berichte vor. Aktuell werden Studien zur Frage der Erhaltungstherapie beim fortgeschrittenen Urothelkarzinom im Rahmen des Klinikverbundes Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie durchgeführt.
Einzug der Targettherapie in der Behandlung des metastasierten Urothelkarzinoms Tumorzellen haben die Eigenschaft, sich unbeeinflusst von wachstumshemmenden Signalen unkontrolliert zu teilen, den programmierten Zelltod (Apoptose) zu umgehen, die Neoangiogenese zu unterhalten, Gewebe zu infiltrieren und in periphere Organe zu metastasieren. Während konventionelle Chemotherapien als relativ unspezifische Zellgifte sowohl Tumorzellen als auch normale Zellen schädigen, werden in der modernen »Targettherapie« gezielte molekulare Signalkaskaden blockiert, die spezifisch den Tumorprozess fördern. In den letzten Jahren haben sich vor allem Tyrosinkinaserezeptoren und Mediatoren der Angiogenese als interessante Zielmoleküle für eine pharmakologische Intervention herausgestellt. Zu der wichtigsten Gruppe der Tyrosinkinaserezeptoren gehört die EGF-Rezeptorfamilie (s. Kap. 4). Verschiedene Wachstumsfaktoren wie z. B. EGF (»epidermal growth factor«), FGF (»fibroblast growth factor«) und TGF-alpha (»transforming growth factor alpha«) binden als Liganden an den extrazellulären EGFR-Anteil und lösen eine intrazelluläre Signaltransduktion aus. Dabei führt die Rezeptor-Liganden-Bindung in Tumorzellen zu einer vermehrten Zellproliferation, Neoangiogenese und Zellmotilität bei gleichzeitiger Inhibierung der Apoptose. Aus der Gruppe der EGFR-Familie gehören die Rezeptoren ErbB-1 (EGFr/HER1) und ErbB-2 (HER2/neu) zu den wichtigsten Kandidaten in der Targettherapie des Harnblasenkarzinoms. EGFr/HER1 wird im normalen Urothelgewebe ausschließlich in der Basalzellschicht exprimiert. Hingegen war die Überexpression von EGFr/HER1 im Blasenkarzinom vor allem mit dem Tumorgrad und Tumorstadium assoziiert (Mellon et al. 1996). Allerdings konnte eine Reihe von Studien EGFr/ HER1 nicht als einen unabhängigen Prognosemarker identifizieren (Nguyen et al. 1994; Ravery et al. 1997; Sriplakich et al. 1999). Die Überexpression von HER2/neu im Blasenkarzinom korrelierte hingegen signifikant mit einer erhöhten Rezidiv- und Tumorprogressionsrate sowie einer kürzeren Überlebenszeit (Moriyama et al. 1991; Sato et al. 1992; Lipponen u. Eskelinen 1994; Gorgoulis et al. 1995; Miyamoto et al. 2000). Zurzeit werden zwei Strategien der Anti-EGFRTherapie verfolgt: Zum einen werden monoklonale Antikörper gegen die extrazelluläre Domäne der
131 Einzug der Targettherapie in der Behandlung des metastasierten Urothelkarzinoms
EGF-Rezeptoren eingesetzt, zum anderen wurden Inhibitoren entwickelt, die den intrazytoplasmatischen Anteil der Tyrosinkinase binden. Trastuzumab (Herceptin), ein monoklonaler Antikörper gegen den HER2/neu-Rezeptor, wurde kürzlich in einer nordamerikanischen Phase-II-Studie bei Patienten mit einem fortgeschrittenen Urothelkarzinom getestet. Dabei wurde Trastuzumab (Herceptin) in Kombination mit Paclitaxel, Carboplatin und Gemcitabin untersucht (Hussain et al. 2003). Bei 47% (25/53) der Screening-Patienten konnte eine Überexpression von HER2/neu immunhistochemisch nachgewiesen werden. Bei den letztlich 18 behandelten HER-2-positiven Patienten zeigte die Kombination aus Chemo- und Targettherapie letztlich ein ungewöhnlich hohes Ansprechen von 88% (15/17). Aussagen bezüglich eines Zugewinns an Wirksamkeit durch den Her2/neu Antikörper in Kombination mit Chemotherapie können allerdings aus dieser Studie mit kleiner Fallzahl nicht abgeleitet werden. Eine zweite Substanz ZD1839 (Iressa), die an der intrazytoplasmatischen Domäne der Tyrosinkinase von EGFr/HER1 bindet, wurde in einer Monotherapiestudie bei Patienten mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom und Tumorprogression nach chemotherapeutischer Vorbehandlung untersucht. Es konnte nur bei einem von 27 dokumentierten Patienten ein partielles Ansprechen beobachtet werden und nach 6 Monaten war lediglich nur einer von 27 dokumentierten Patienten progressionsfrei (Petrylak et al. 2003). Die Untersucher schlussfolgern daher, dass weitere Untersuchungen zur Secondline-Monotherapie des nach Chemotherapie progredienten Urothelkarzinoms mit ZD 1839 daher nicht lohnenswert erscheinen. Im Rahmen von Untersuchungen bei anderen Tumorentitäten wie dem Mammakarzinom konnten synergistische Effekte durch eine Kombination von EGFR-Antagonisten und konventionellen Chemotherapeutika verzeichnet werden (Pegram u. Slamon 1999). Daher wurde in einer großen Phase-III-Studie beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom die Möglichkeit einer Wirkungssteigerung durch diese Kombination untersucht (Giaccone et al. 2004). In der bei über 1000 randomisierten Patienten durchgeführten Studie konnte allerdings durch die simultane Kombinationstherapie von ZD1839 (Iressa) mit Gemcitabin und Cisplatin enttäuschenderweise keine Überlebensverlängerung erzielt werden. Beim fortgeschrittenen Urothelkarzinom rekrutiert seit Anfang 2004 eine internationale dreiarmig, randomisierte Phase-II-Studie insgesamt 125 Patienten, bei denen Gemcitabin/Cisplatin simultan
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oder sequentiell mit ZD1839 (Iressa) im Vergleich zu Gemcitabin/Cisplatin allein untersucht wird. Mit diese Studie soll evaluiert werden, ob eine Sequenztherapie mit ZD1839 (Iressa) im Anschluss von 6 Zyklen Chemotherapie einer simultanen Applikation von ZD1839 (Iressa) und Chemotherapie überlegen sein könnte. Während mit ZD1839 (Iressa) in der Monotherapie des vortherapierten nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms Ansprechraten bis zu 19% ohne wesentliche Überlebensverlängerung erreicht werden konnten, zeigte sich im Rahmen einer Phase-IIIStudie bei einem vergleichbaren Patientenkollektiv durch die Substanz Erlotinib (Tarceva) eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit (Shepherd et al. 2004). Durch dieses Ergebnis wurden ganz aktuell Spekulationen und Hoffnung für die Therapie anderer solider Tumoren wie dem Urothelkarzinom stimuliert. Eine weiterer Tyrosinkinaseinhibitor, der bereits beim fortgeschrittenen Urothelkarzinom erprobt wird, ist GW572016. Bei diesem Molekül handelt es sich um einen dualen, reversiblen Inhibitor der erbB-1- (EGFR-) und erbB-2- (HER2-)Rezeptoren aus der Familie der Typ-I-Rezeptortyrosinkinasen. Eine kombinierte Überexpression dieser Rezeptoren konnte beim Urothelkarzinom in bis zu 34% der Fälle festgestellt werden (Chow et al. 2001). In Tierversuchen hatte sich eine gute Bioverfügbarkeit der Substanz GW572016 zwischen 45–60% gezeigt mit einem guten Toxizitätsprofil insbesondere ohne kardiale Toxizitäten bei hoher Dosierung über drei Monate. In einer Phase-II-Studie wurde daher zwischen 2002 und 2003 bei knapp 60 Patienten mit einem progredienten fortgeschrittenen Urothelkarzinom eine Second-Line-Behandlung nach Cisplatin-haltiger Chemotherapie durchgeführt. Diese in Europa multizentrisch geführte Studie zeigte in einer Zwischenauswertung der ersten 30 Patienten nach klassischen Ansprechkriterien zwar nur bei einem Patienten ein bestätigtes partielles Ansprechen mit Reduktion des Tumors um mehr als die Hälfte, allerdings konnte bei weiteren 8 Patienten eine Stabilisierung des Erkrankungsverlaufes, d. h. Stillstand des Tumorwachstums nachgewiesen werden (Machiels et al., 2004). Die zweite in intensiver klinischer Erprobung befindliche Substanzgruppe aus der Gruppe der Targettherapeutika sind die Angiogenesehemmer. Das Prinzip dieser Therapieform besteht darin, dass Mediatoren der Tumorangiogenese inhibiert werden und dadurch die Gefäßneubildung im Tu-
132
Kapitel 11 · Systemische Chemotherapie des metastasierten Urothelkarzinoms – eine kritische Analyse
mor blockiert und dieser praktisch »ausgetrocknet« wird. Die Substanz Bevacizumab (Avastin) ist ein monoklonaler Antikörper, gerichtet gegen den Proangiogenesefaktor VEGF (»vascular endothelial growth factor«). Durch eine Kombinationstherapie mit Bevacizumab konnte bei Patienten mit metastasiertem Kolorektalkarzinom eine signifikante Überlebensverlängerung erzielt werden (Hurwitz et al. 2004). Hingegen zeigte eine Monotherapiestudie beim metastasierten Nierenzellkarzinom zwar eine signifikante Verlängerung der Zeit bis zum weiteren Krankheitsprogress gegenüber Plazebo, allerdings konnte kein signifikanter Gesamtüberlebensvorteil erreicht werden (Yang et al. 2003). Für das Urothelkarzinom liegen derzeit noch keine systematischen Studienergebnisse zur Therapie mit dieser Substanzklasse vor.
Lebensqualität und Kosten-NutzenRechnung in der Therapie fortgeschrittener Tumorerkrankungen
11
Lebensqualität ist ein deskriptiver Begriff für das emotionale, soziale und physische Wohlbefinden eines Menschen. Die gesundheitsbezogene Lebensqualitätsanalyse untersucht den Einfluss von Erkrankung und Behandlung auf holistische Aspekte des Lebens. Untersuchungen haben bestätigt, dass Einschätzungen der Lebensqualität (Bestimmung des Karnofsky-Index bzw. WHO-Performance-Status) durch außen stehende Beobachter wie z. B. Angehörige oder medizinisches Personal nicht gut mit der Selbsteinschätzung des Patienten zur Lebensqualität korrelieren. Daher ist die selbstbewertete Lebensqualität von Patienten der Fremdeinschätzung hinsichtlich der Reliabilität und Konsistenz überlegen (Presant 1984; Slevin et al. 1988; Velikova et al. 2001). Die Lebensqualitätsmessung kann dazu beitragen, über die Auswirkungen einer Therapie für den individuellen Patienten zu informieren und folglich die Wahl zwischen verschiedenen Behandlungsoptionen zu erleichtern bzw. Erfolg und Misserfolg einer Therapie aus Sicht des Patienten zu überwachen. Als unspezifische, so genannte »generische« Fragebögen zur Lebensqualitätsmessung steht eine Reihe von Questionnaires zur Verfügung, wie z. B. SF36, Nottingham Health Profile, Health Assessment Questionnaire, Sickness Impact Profile (SIP) oder Missoula-VITAS Quality of Life Index (MVQOLI). Weiterhin wurden validierte krankheitsspezifische-
re Fragebögen für onkologische Patienten (EORTCQLQ-C30), aber auch Patienten mit einschränkenden chronischen Krankheitsbildern entwickelt (z. B. »arthritis impact measurement score«, »asthma quality of life questionnaire«, »inflammatory bowel disease questionnaire«). Der globale EORTC QLQ-C30 Fragebogen (Aaronson et al. 1993) wurde bislang schon bei über 2000 Studien zur Erfassung von Lebensqualität bei Krebspatienten eingesetzt. Er beinhaltet fünf funktionelle Skalen (physische, kognitive, emotionale, soziale Funktion und Rollenfunktion), drei Symptomskalen (Müdigkeit, Schmerzen und Übelkeit/ Erbrechen), einen globale Gesundheitsskala, und Skalen zu weiteren typischen krebsbedingten Symptomen wie Dyspnoe, Appetitverlust, Schlaflosigkeit, Obstipation, Diarrhö sowie antizipierte finanzielle Auswirkungen der Erkrankung. Um individuelle Daten der Lebensqualitätserhebung durch EORTCFragebögen auch zwischen verschiedenen Studien vergleichbar zu machen, werden die Rohwerte üblicherweise in eine Skala von 0 bis 100 transformiert. Obwohl nach Aussage international führender Zulassungsbehörden wie der Food and Drug Administration (FDA) in den USA, die Lebensqualität als Studienendpunkt alleine als Basis einer Medikamentenzulassung dienen kann (O’Shaughnessy et al. 1991), steckt die Lebensqualitätsforschung im Bezug auf das metastasierte Urothelkarzinom weiterhin in den Kinderschuhen. Im Gegensatz zu anderen Tumorentitäten mit umfassender Literatur zum Thema Lebensqualität wie Melanom, Lungen-, Mamma-, und Ösophaguskarzinom existiert für das fortgeschrittene Urothelkarzinom nur eine informative Publikation, die sich mit dem Einfluss der systemischen Chemotherapie auf die Lebensqualität von Patienten beschäftigt (Roychowdhury et al. 2003). Dieser Untersuchung lagen Erhebungen der Lebensqualität mit dem EORTC QLQ-C30 Fragebogen von 364 Patienten aus der bislang größten abgeschlossenen Phase-III-Studie zur Chemotherapie (Gemcitabin/Cisplatin vs. MVAC) des fortgeschrittenen Urothelkarzinoms zugrunde (von der Maase et al. 2000). Überraschenderweise hat sich dabei die weniger toxische Gemcitabin/Cisplatin-Kombination gegenüber dem MVAC-Schema mit ingesamt kürzerer Hospitalisierungsdauer und geringerem Verbrauch supportiver Maßnahmen nicht in dem Ergebniss der Patientenselbsteinschätzung zur Lebensqualität widergespiegelt. Es wurde lediglich eine Verbesserung im Bezug auf Müdigkeit/Abgeschlagenheit zu Gunsten der Patientengruppe im Gemcitabin/Cisplatin-Arm festgestellt, allerdings
11
133
0.8 0.6 0.4
Lebensqualität
0.2 0.0
ohne statistische Signifikanz. Insgesamt erwiesen sich jedoch die Lebensqualitäts-Scores für physische Funktion und Rollenfunktion sowie Appetitlosigkeit als unabhängige prognostische Variablen für das Gesamtüberleben der Patienten in dieser Studie. Ein Nachteil des EORTC QLQ-30-Fragebogens findet sich in der fehlenden Spezifität hinsichtlich Tumorerkrankung und Behandlung. Daher ist der Einfluss von relevanten chemotherapiebedingten Nebenwirkungen wie Mukositis und neutropenischer Sepsis, die insbesondere Patienten unter der MVAC Chemotherapie betreffen, nicht gesondert berücksichtigt. Ein allgemeines Problem in der Erhebung der Lebensqualität von onkologischen Patienten besteht darin, dass Patienten sich aufgrund von Behandlungstoxizitäten oder Krankheitsprogression zu krank fühlen, Fragen zur Lebensqualität zu beantworten, sodass ein Bias mit Verschiebung zu Gunsten positiver Ergebnisse entstehen kann. Wie paradox sich die Messung der Lebensqualität gestalten kann, wird deutlich, wenn bei der Auswertung der 364 chemotherapierten Patienten mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom eine Verschlechterung der sozialen Rollenfunktion mit einem längeren Überleben assoziiert ist. Eine mögliche Interpretation dieses Zusammenhanges lautet, dass insbesondere Patienten mit einer starken Rollenfunktion und entsprechend höherem Performancestatus, den Verlust ihrer gesellschaftlichen Funktion unter der systemischen Chemotherapie stärker wahrnehmen als Personen mit nur gering ausgeprägten Rollenfunktionen (Roychowdhury et al. 2003). Speziell in der palliativen Therapie von Tumorerkrankungen stellt sich grundsätzlich die Frage, inwieweit die Nebenwirkungen einer Therapie durch eine Verlängerung der Lebenszeit aufgewogen werden können bzw. ob sich das »Erkaufen« von zusätzlicher Lebenszeit durch eine nebenwirkungsreiche Therapie hinsichtlich der Lebensqualität »lohnt«. Um dieser Frage gerecht zu werden, wurde der Begriff der QALYs (»quality-adjusted life years«) eingeführt, der als arithmetisches Produkt der verbliebenen Lebenszeit und Messwert der Lebensqualität in dieser Zeit definiert wird (⊡ Abb. 11.1). Dabei entspricht üblicherweise ein Lebensjahr in gesundheitlich vollständigem Wohlbefinden dem Wert »1«. Demgegenüber wird am anderen Ende der Skala der Tod mit dem Wert »0« definiert. Allerdings sind auch gesundheitliche Zustände möglich, die negative Werte aufweisen können, wie z. B. Bettlägerigkeit einhergehend mit chronischen Schmerzen,
1.0
Lebensqualität und Kosten-Nutzen-Rechnung in der Therapie
0
1
2
3
4
5
Jahre ⊡ Abb. 11.1. Beispiel für die Berechnung von QALY (qualityadjusted life years): 1 Jahr u 0,6 + 2 Jahre u 0,8 + 1 Jahr 0,6+1 Jahr x 0,2=3 QALYs. 5 Jahre verbliebene Lebenszeit entsprechen somit 3 QALYs (aus www.biostat.wisc.edu/training/ courses/542slides/09-qol.pdf )
die somit ungünstiger als der Tod bewertet werden (Torrance 1987). Für die Gesundheitsökonomie entsteht durch den Begriff der QALYs eine Art gemeinsame Währung, mit deren Hilfe Kosten aus dem Gesundheitssektor auf eine gemeinsame Zielgröße vereinheitlicht werden können. Sowohl für prophylaktische, diagnostische wie auch therapeutische Maßnahmen im Gesundheitswesen können nunmehr Preise angegeben werden, die zur Generierung eines theoretisch gesundheitlich unbeeinträchtigten Lebensjahres führen (Kosten pro QALY). So existieren innerhalb des zentralisierten Gesundheitssystems in Großbritannien bereits seit längerer Zeit Angaben über Kosten pro QALY für verschiedenste medizinische Maßnahmen. Beispielhaft zu nennen sind £ 220,– pro QALY für eine präventive Serumcholesterinbestimmung, £ 1100,–/ QALY für eine Herzschrittmacherimplantation, £ 4710,–/QALY für eine Nierentransplantation und für eine neurochirurgische Intervention bei bösartigen Hirntumoren £ 107.780,–/QALY. Zu berücksichtigen ist dabei grundsätzlich, dass QALYs sehr stark dem Einfluss von Alter, sozioökonomischen Status und Lebensumständen (Verantwortungsbereiche etc.) unterliegen können. Dennoch liefern diese Instrumente für Entscheidungsträger im Gesundheitswesen in zunehmendem Maße Argumentationshilfen für die Zuweisung finanzieller Ressourcen in der Gesundheitsversorgung. Im folgenden Abschnitt soll ein konkretes Beispiel für die Kosten-Nutzen-Kalkulation bei Vorliegen von zwei Therapien für eine Erkrankung gerechnet werden.
134
Kapitel 11 · Systemische Chemotherapie des metastasierten Urothelkarzinoms – eine kritische Analyse
Eine Kosten-Nutzen-Analyse zur Phase-III-Studie Gemcitabin/Cisplatin versus MVAC (von der Maase et al. 2000) für die Länder England und Wales zeigte, dass die durchschnittlichen Mehrkosten der Gemcitabin/Cisplatin-Therapie gegenüber MVAC am Beispiel England und Wales £ 2976,– (ca. € 4460,–) pro Patient betrugen. Dabei sind diese Mehrkosten trotz Einsparungen durch kürzere Hospitalisierungszeit und geringerem Verbrauch von Supportiva im Wesentlichen auf die höheren Primärkosten für das Medikament Gemcitabin zurückzuführen (im Mittel GC 4,65 Zyklen und MVAC 3,92 Zyklen). Die ICER betrug dabei £ 22.925,– mit einem 95%igen Konfidenzintervall von £ 12.911,– bis 33.589,–(entsprechend ca. € 34.360,–; 95%-Konfidenzintervall € 19.350,– bis 50.343,–) pro QALY, bedingt durch die Wahl der nebenwirkungsärmeren Gemcitabin/Cisplatin-Therapie im Vergleich zu MVAC. Nach Berichten des britischen »National Institute for Clinical Excellence« (www.nice.org. uk) wird derzeit eine Kostenschwelle von maximal ca. £ 20.000,– bis 30.000,– pro QALY als gesundheitspolitisch akzeptabel bewertet. Die Autoren schlussfolgern, dass die Kombinationstherapie Gemcitabin/Cisplatin-Regime somit eine ausreichend kostengünstige Therapieform darstellt (Robinson et al. 2004).
Wenn man einen therapeutischen Nihilismus ablehnt, der keine und somit die niedrigsten Kosten verursachen würde, sollte nach ⊡ Tabelle 11.3 der Therapie A die höchste Priorität eingeräumt werden, da sie das niedrigere Kosten-EffektivitätsVerhältnis (CER = »cost effectiveness ratio«) hat. Wenn aber diskutiert wird, ob Therapie B, die statistisch signifikant mehr QALYs generieren konnte, in einem Gesundheitssystem finanziert werden soll, so kommt der Kenngröße »ICER« (»incremental costeffectiveness ratio«) die wesentlichere Bedeutung zu (⊡ Tabelle 11.4). Die Kenngröße ICER entspricht dem finanziellen Mehraufwand für ein QALYs in der Therapie B gegenüber der Therapie A. In dem konkreten Beispiel kostet ein QALY durch die Therapie B 600,– mehr im Vergleich zu Therapie A. Auch im onkologischen Bereich werden zunehmend Anstrengungen unternommen, die komplexen Kalkulationen ambulanter und stationärer Chemotherapien zu berechnen. Einerseits müssen direkte Kosten wie Medikamente, Arbeitszeit des medizinischen Personals etc., andererseits indirekte Kosten wie Arbeitsausfall des Patienten berücksichtigt werden. In der onkologischen Literatur wurden bereits konkrete Berechnungen zur Kosteneffektivität (Launois et al. 1996) und Kosten-Nutzen-Analyse (Robinson et al. 2004) beschrieben und diskutiert.
11 ⊡ Tabelle 11.3. Kosten-Nutzen-Kalkulation: Therapie A Kosten
QALY
Kosten-Effektivitäts-Verhältnis
Keine Therapie
0
0
0
Therapie A
100.000
1500
66,6
Therapie B
160.000
1600
100
⊡ Tabelle 11.4. Kosten-Nutzen-Kalkulation: Therapie B Kosten
QALY
∆Kosten
∆QALY
ICER = ∆Kosten/∆QALY
Keine Therapie
0
0
0
0
0
Therapie A
100.000
1500 60.000
100
600
Therapie B
160.000
1600
135 Literatur
Fazit Während aus medizinischer Sicht Untersuchungen zur Effektivität und Verträglichkeit systemischer Therapien des fortgeschrittenen inoperablen Urothelkarzinoms im Vordergrund stehen, wird unter dem zunehmenden Kostendruck im Gesundheitswesen die Frage nach der Kosten-Nutzen-Analysen intensiver diskutiert. Die klinisch-onkologische Forschung für das fortgeschrittene Urothelkarzinom wäre gut beraten, neben Untersuchungen zur Wirksamkeit und Toxizität von systemischer Chemotherapie auch zunehmend Aspekte der Lebensqualität zu berücksichtigen. Im Interesse der Patienten sollten diesbezüglich zusätzliche Anstrengungen unternommen werden, bevor Gesundheitsleistungen aus Mangel an wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr finanziert werden.
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11
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Kapitel 11 · Systemische Chemotherapie des metastasierten Urothelkarzinoms – eine kritische Analyse
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Stichwortverzeichnis
A Acetylsalicylsäure (ASS) 70 Acrolein 22 Adhäsionsmarker 41 Adriamycin 70, 125 Alkylanzien 21 Amine, aromatische 18, 23 Angiogenese 34, 38 Angiogenesehemmer 131 Angiogenesemarker 39, 40 – MVD 39 – COX-2 40 Angioinvasion 6 Anilin 18 Annexin 54 Antiapoptosemarker – Bcl-2 37 – Survivin 48 Anti-EGFR-Therapie 130 Antiphlogistika 70 Aortenbifurkation 116 Apoptose 28, 36, 129 Apoptosemarker 37 Appendix – Outlet 99 – vermiformis 98 Aromat, hydroxyliertes 19 Azathioprin 22 Azidose, hyperchlorämische 100
B Bacillus Calmette-Guérin (BCG) 67, 68 – Induktionszyklus 69 – Instillation 76 – Nebenwirkungen 69 – Stellenwert 71 – Verabreichung 68 Bakterien 20 Balkannephropathie 21 Ballonkatheter 107 Bevacizumab 131 Bilharziose 21 Blaseninstillation, intravesikale 47 Blasenkrebsrisiko 19, 20 Blasenpapillomatose 68 Blasenspritze 107 Blasentumor, s. Harnblasenkarzinom, Urothelkarzinom Blutgefäßinvasion 6 Boosterung des Immunsystems 69 B-Pouch 97 Bruchband 108 Butyl-Hydroxybutyl-Nitrosamin (BBNOH) 18 Butyl-Nitrosamin (BBN) 18
C Cadherin 41 Carboplatin 127 Carcinoma in situ, primäres 6 Catenin 41, 42 Cathepsin 43 CD44 41–43 Chemokine 38, 46, 55 – CXCL12 47 – IL-8 47 Chemotherapie 28, 78 – adjuvante 110, 114, 121 – mit palliativem Ansatz 87 – neoadjuvante 84, 111 – perioperative 111, 117 – systemische 86, 111, 118, 125, 133 Chromosomenverlust 29 Ciclosporin 22 Cisplatin 49, 85, 122, 125–127, 130, 134 Coley’s Toxin 68 Computertomographie 13 CVTL (computerized video time lapse analysis) 54 Cyclamat 23 Cyclooxygenase-2 (COX-2) 40, 449 Cyclophosphamid 125 Cytochrom C 37
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Stichwortverzeichnis
D Diaphanoskopie 92 Dimethylnitrosamin 17 Docetaxel 127 DTH (delayed-type hypersensitivity) 68 Dünndarmersatzblase 94
E E-Cadherin 41, 42 EGF-Rezeptorfamilie 34, 35, 130 – Funktion 35 Enzym, proteolytisches 43 Epidermal growth factor (EGF) 40 – Nachweis im peripheren Blut 46 Erlotinib 131 Ersatzblase, orthotope 94
F Fas-Ligand 37 Faszie, endopelvine 83 Fernmetastasen 14 Fibroblast growth factor (FGF) 40 Ficoll-Technik 46 Flap-valve-Implantation der Appendix 98 Folsäure 127 Fuchsin 18
G 2-D-Gelelektrophorese 53 Gemcitabin 122, 126, 127, 128, 130, 134 Genmutation 30 Genom 52 Glutathion-Transferase 48 Grading-Systeme Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor (G-CSF) 126 Guanosindiphosphat 35 GW572016 131
H Hagen-Poiseuille-Gesetz 94 Harnableitung – inkontinente 92 – – Pflege 103 – kontinente 94 – – Pflege 106 – – präoperative Maßnahmen 106 – nach Zystektomie 91 – Patientenselektion 91 Harnblasenkarzinom (s. auch Urothelkarzinom, Blasentumor) – Bacillus Calmette-Guérin (BCG) 67 – berufliche Risiken 19 – bildgebende Diagnostik 11 – Epidemiologie 17 – Grading 1, 3 – heiße Schlinge 7 – histologische Klassifikation 2 – kalte Biopsie 7 – Karzinogenese 28 – Krankheitserreger 20 – molekulare Prognosemarker 27 – nichtinvasives – – Grading 4 – spindelzelliges 3 – Stadien 5 – Staging 1, 4 – Typing 1 – Umweltfaktoren 17 Harnblasenteilresektion 84 Harnleiter-Darm-Implantation 106 Harnleiterschiene (Splint) 104 Harnstauung 87 Hernienbandage 108 Hochdosis-MVAC-Behandlung (HDMVAC) 126 Human Proteomic Organization (HUPO) 52 Hyperkontinenz 97 Hysterektomie 83
I Ileozökalklappe 98 Ileozökalpouch 99 Ileumkonduit 91–93 – Komplikationen 93
– Stomamarkierung 104 Ileumneoblase 94, 96, 107 Ileum-Outlet 98 Iliakabifurkation 117 Immunsuppression 22 Inhibitor der Metalloproteinasen (TIMP) 43 Integrin 41, 42 Intercellular adhesion molecule-1 (ICAM-1) 42 Interleukin – IL-2 48 – IL-8 48 Invasion der Lamina propria 7, 8 Iressa 130
K Karnofsky-Index 128, 131 Karzinogenese, iatrogene 21 Keimzelltumor, lymphogen metastasierter des Mannes 118 Killer-Zellen – BCG-aktivierte (BAK-Zellen) 68 – Lymphokin-aktivierte (LAK-Zellen) 68 Kinase, cyclinabhängige (CdK) 30 Kinking 93 Knochenmetastasen 15 Knochenszintigraphie 15 Kock-Pouch, orthotoper 94 Kolonnippel 99 Kontinenzersatzblase 95 Kosten-Effektivitäts-Verhältnis 134
L Laminin-P1 44 Laser-Mikrodissektion 53 Lebensqualität 131 – Fragebögen 132 Ligasure-Gerät 81 Loss of heterozygosity (LOH) 31 Lungenmetastasen 15 Lymphadenektomie 110 – pelvine 84, 109 – ausgedehnte 112, 115 Lymphgefäßinvasion 6 Lymphhämangioinvasion – Diagnose-/Ausschlusskriterien 7
141 Stichwortverzeichnis
Lymphknoten 84 – regionäre 4 Lymphknotenausräumung 111, 112, 116 – regionäre 109 – retroperitoneale 122 Lymphknotenbefall, juxtaregionärer 109 Lymphknotendichte (lymph node density) 116 Lymphknotenmetastasen 78, 110, 116
M Magnetresonanztomographie 13 Mainz-Pouch – I 97–99 – II (s. auch Rektosigmoidpouch) 100 – orthotope Ersatzblase 97 Makrohämaturie 87 Malabsorptionssyndrom 100 MALDI (matrix-assisted laser desorption/ionization) 53 Massenspektroskopie 53 Matrix, extrazelluläre (EZM) 54 Matrixmetalloproteinase (MMP) 43 Mehrzeilen-Computertomographie 13 Mehrzeilen-Spiral-CT 12 Melanomzelle 55 Metallothioneine 49 Metastasenchirurgie 87 Metastasenresektion 128 Metastasierung 38, 46 11C-Methionin 14 Methotrexat 122 Microvessel density (MVD) 39 Mikroinvasion 7 Mikrometastasierung 85, 122 Mitomycin 70, 71 Multiarray-Oberflächenspule 14 Multidetektor-CT-Scanner 15 Multi-Drug-Resistance-P-Glykoprotein 49 Multiphoton-Mikroskopie 55 Multizentrizität 6 Muzin-7-Nachweis 46 M-VAC-Schema 50, 85, 117, 120, 125, 132
N Na-O-Phenylphenolat 19 Naphthylamin 18 Neoangiogenese 38, 47, 129 Neoappendix 100 Neoblase 106, 122 – ileozökale 97 Niereninsuffizienz 95 Nitrofuran 19 Nitrosamin 17, 21, 22 – exogenes 18 Non-responder-Effekt 118, 119 Nulldruckableitung 93
O Ochrotoxin A 21 Onkogen 34 – c-Myc 36 – EGFr/HER1 36 – HER2/neu 36 – Ras 35 Organerhalt 118 Ovarektomie 83 Oxazaphosphorine 21
P Paclitaxel 127, 128 Palpation, bimanuelle 12 Papilläre Neoplasie niedrig-maligne Potentials (PUNLMP) 1 Papillomavirus, humaner (HPV) 20 Pemetrexed 127 Pflegeanamnese 103 Pflegeberatungsgespräch 103 P-Glykoprotein 49 Phenacetin 20 – Abusus 22 Phenacetinniere 22 o-Phenylphenol 19 Pigtail-Einlage 83 Pilze 21 Plattenepithelmetaplasie 20, 21 Polychemotherapie – adjuvante 121 – systemische 120 Potenz 82
D–R
Pouch – kontinenter kutaner 97 – Mainz-Pouch I 97 – Rektosigmoidpouch 101 Proangiogenesefaktoren 39 Proapoptosemarker – Bax 37 – Fas 37 – FasL 37 Proapoptoseprotein 36 Prognosemarker, molekulare 27, 28, 47 Prognoseparameter 67 Proliferationsmarker, Ki-67 30, 31 Prostektomie, radikale 82, 83 Proteolyse 43 Proteom 52 Protonenemissionstomographie 14 Protoonkogen 28, 34 Pseudopodie 55 pT1G3-Tumor 73, 74 – BCG-Behandlung 76 – Malignitätspotential 77 – Überlebenswahrscheinlichkeit 75 PUMA (p53-upregulated modulator of apoptosis) 32 i.v.-Pyelographie 11 Pyelonephritis 97
Q QALY (quality-adjusted life years) 132
R Radikaloperation 74, 75 Radiochemotherapie 85, 86 Radiotherapie, s. auch Strahlentherapie 85 Ras-Familie 35 Rauchen 23 Reflux 94 Rektosigmoidpouch 100, 101 Resektion, transurethrale (TUR) 12, 75, 76, 84 Reservoir, ileozökales 97 Retinoblastom 31
142
Stichwortverzeichnis
Reverse Transkriptase-Polymerasekettenreaktion 45 RNA-Probenaufarbeitung 53 Rodecklappenbildung 92
S Saccharin 23 Salvage-Lymphadenektomie 122 Salvage-Zystektomie 87 Schere, elektrische 81 Schistosomainfektion 21 Schmerztherapie, medikamentöse 87 Schnellschnittdiagnostik 109 Sepsis 71 Shaded surface display (SSD) 12 Sigma-Rektum-Pouch 101 Signalkaskade 34 Skarifikation 68 Sonographie 14 Splint 104, 106 Standardlymphadenektomie 112 Standardzystoskopie 11 Stapler 81 Stoma – Anlage 103, 107 – Entlassungsversorgung 106 – Markierung 104 – – Ileumkonduit 104 – postoperative Pflege 104 – Versorgung 107 – Versorgungsartikel 103 – Versorgungssysteme 104 – Versorgungswechsel 105 Strahlentherapie 22 – palliative 87 Studer-Neoblase 96 Süßstoff 23
T Targettherapie 130 Taxane 127 Taxol 127 Thrombospondin-1 39, 40 Tissue Microarray (TMA) 51 O-Toludin 18 Toxizität, hämatologische 126
Transforming growth factor-alpha 40 Transitionalzellkarzinom 1 Transureterokutaneostomie 92 Trasuzumab 130 Tryptophanstoffwechsel, endogener 19 Tumor, muskelinvasiver 9 Tumorblase, blutende 87 Tumordurchmesser 9 Tumorprogress, lymphogener 122 Tumorstadium pT1G3 73 Tumorstaging 12 Tumorsuppressorgen 28, 31 – p21 48 – p27 33 – p53 31–33, 47, 48 – – Immunohistochemie 51 – – Positivität 51 – Rb 33 Tumorzelldisseminierung 44 Tumorzellform – Amöboidtyp 54 – Mesenchymtyp 54 Two-hit-Hypothese 31 Tyrosinkinase 130 – Rezeptor 29
U Urachuskarzinom 1 Ureterimplantationsstenose 94 Ureterokutaneostomie 92 Ureterosigmoidostomie 91 Ureterstenose 93 Urethrektomie 83 Urinzytologie 11 Urokinase-Plasminogenaktivator (U-PA) 44 Uroplakin-II-Nachweis 46 Urostomie 105 – Ernährung 107 Urothelkarzinom (s. auch Harnblasenkarzinom, Blasentumor) 1 – Angioinvasion 6 – Grading-Kriterien 5 – invasives Wachstum 7 – lymphogen metastasiertes 109 – metastasiertes 129 – – Targettherapie 129 – Mikroinvasion 7
– – – – – – –
Multizentrizität 6 muskelinvasives – Wachstumsmuster 9 sarkomatoide Variante 3 Substaging – der pT1-Kategorie 8, 9 – der pT2-Kategorie 9
V Vascular endothelial growth factor (VEGF) 39, 131 Verdünnungseffekt 119, 121 Viren 20 Volume rendering (VRT) 12
W Waschfrauenhaut 108 WHO-Klassifikation 3 Will-Rogers-Phänomen 113, 114 Wilms-Tumor, kindlicher 118
Z Zelladhäsion 41 Zellinvasion 38 Zellproliferation, unkontrollierte 29 Zellzyklus 30 Zökalpol 98 Zökalpouch 99 Zweitresektion 77 Zystektomie 74, 75, 96, 110, 111 – altersabhängige Mortalität 82 – Potenz 82 – radikale 81 – – operative Technik 83 Zystitis 69 Zystoskopie, virtuelle 11 Zytokeratin 45 – 17 54 – Nachweis in Lypmphknoten 45 Zytokine 38 – IL-2 48 – IL-8 48