Edgar Hinkelthein und Christoff Zalpour Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie
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Edgar Hinkelthein und Christoff Zalpour Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie
Edgar Hinkelthein und Christoff Zalpour
Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie Mit 335 Abbildungen und 89 Tabellen
Dr. Edgar Hinkelthein Satower Weg 29 24357 Fleckeby www.osteopathieschule-aon.de www.atz-pur.de
Prof. Dr. med. Christoff Zalpour Professor für Physiotherapie und Direktor des Instituts für angewandte Physiotherapie und Osteopathie INAP/O an der Hochschule Osnabrück
Hochschule Osnabrück
Caprivistr. 1 49076 Osnabrück www.inapo.hs-osnabrueck.de
e Sagen Sie uns Ihre Meinung zum Buch: www. Springer.de/978-3-642-20739-6 ISBN-13 978-3-642-20739-6 Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. SpringerMedizin Springer-Verlag GmbH ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2006, 2012 Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Planung: Marga Botsch, Heidelberg Projektmanagement: Heidemarie Wolter, Heidelberg Umschlaggestaltung: deblik Berlin Satz: medionet Publishing Services Ltd., Berlin SPIN: 80036253 Gedruckt auf säurefreiem Papier
22/2122 – 5 4 3 2 1 0
V
Vorwort zur 2. Auflage Das Konzept von Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie hat viele Leser begeistert, die uns auch vielfältige Rückmeldung hierzu gegeben haben. Dafür vielen Dank! Dies hat uns bestärkt für die 2. Auflage keine wesentlichen Änderungen, wohl aber - hier und da - Verbesserungen vorzunehmen. Auch in dem vorliegenden Buch finden Sie also nach einer kurzen Einführung in die Osteopathie ein komprimiertes Kapitel über Diagnosekonzepte, das die wesentlichen Punkte der osteopathischen Herangehensweise erläutert und systematisch aufbereitet. Danach folgt ein Kapitel über Safety mit Blick auf die Abgrenzungsdiagnostik zu primär nicht osteopathisch behandelbaren bzw. zunächst abklärungspflichtigen Erkrankungen. (Im Anhang ist dazu zusätzlich eine Übersicht von spezifischen Leitsymptomen zu finden.) Der ausgiebigste Teil des Buches ist wieder den Fallbeschreibungen gewidmet, die sehr systematisch aufbereitet und aus didaktischen Gründen topographisch geordnet sind: Nach dem Ort der Primär-Beschwerde geordnet finden sich verschiedene Kasuistiken der unteren Extremität, der Wirbelsäule, der oberen Extremität, der Organe und des Kopfes. Dann folgt ein Kapitel über die osteopathischen Therapie-
konzepte, die wiederum systematisch, strukturiert und komprimiert dargestellt werden. Der Anhang ist zusätzlich zu der systematischen Übersicht der Leitsymptome, den Literaturhinweisen und dem Sachwortverzeichnis (Index) mit einem Glossar versehen, dass die wichtigsten osteopathischen Termini kurz erläutert und auch auf zusätzliche Informationen im Text verweist. Außerdem wurde eine Abkürzungsliste zum schnelleren Auffinden der verwendeten Abkürzungen bzw. ihrer Bedeutung beigefügt. Auch dieses Vorwort wollen wir mit dem Appell beenden, uns gerne Kritik, Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge zuzusenden. Möge die vorliegende zweite Auflage von Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie den Lesern ebenso Erkenntnisgewinn und Freude bringen, wie den von Ihnen behandelten Patienten eine verbesserte Lebensqualität.
Edgar Hinkelthein Christoff Zalpour
Im Juni 2011
VI
Vorwort zur 1. Auflage Liebe Leserinnen und Leser, die Osteopathie ist eine in der Geschichte der Medizin vergleichsweise junge Disziplin, obwohl die Ursprünge manueller Behandlung bereits im Altertum zu finden sind. Heute verstehen Osteopathen ihre Arbeit als sinnvolle Ergänzung zur Schulmedizin, keinesfalls als Ersatz. Gerade die orthopädischen Beschwerden, deren Behandlung einen immensen Kostenanteil im Gesundheitssystem ausmacht, bieten oft einen hervorragenden Ansatz für die osteopathische Behandlung. Nicht umsonst boomt diese Disziplin in den letzten Jahren zunehmend. Bei gestiegener Nachfrage durch die Patienten erkennen immer mehr Therapeuten den Nutzen einer osteopathischen Ausbildung. Das häufigste Anfängerproblem besteht darin, dass die Anwendung von Osteopathie keineswegs nur das Umsetzen vieler einzelner Techniken bedeutet, sondern der Patient in seiner Gesamtheit erfasst und behandelt werden muss. So logisch dies ist, so schwierig ist es gleichzeitig, dieses Vorhaben in die Praxis umzusetzen. Viele Osteopathen sprechen von der »Behandlungskunst«, was keineswegs in eine esoterische Richtung weist, wie Kritiker gerne anmerken, sondern vielmehr zum Ausdruck bringen soll, dass die Diagnostik und Therapie eines Patienten nicht einem Standard entsprechen kann, sondern jeder Patient als Individuum untersucht und behandelt werden muss. Auch in der Schulmedizin wird von der »ärztlichen Kunst« gesprochen; besonders deutlich wird dies bei der Beschreibung von Problemen, nämlich dann, wenn ein »Kunstfehler« passiert ist. Immer wieder wurde von Osteopathiestudenten der Wunsch an die Autoren herangetragen, die Kunst der osteopathischen Diagnose und Therapie nicht nur »live« im Unterricht dargeboten zu bekommen, sondern zum Nachlesen auch in schriftlicher Form zur Verfügung zu haben. Dem Springer-Verlag gebührt
der Dank, diesem Anliegen ein offenes Ohr entgegengebracht und den Autoren mit Rat und Tat kompetent zur Seite gestanden zu haben. Ebenso muss die Lektorin erwähnt werden, die mit Geduld und Ausdauer dazu beigetragen hat, das gedankliche Konzept der Autoren im Text zur Geltung zu bringen. Die hervorragende Arbeit des Zeichners, der unsere Anforderungen geduldig in die optimale grafische Form gebracht hat, hat uns begeistert. Nicht zuletzt gilt unser Dank den Familien, die uns über viele Abende und Wochenenden entbehrt haben, um dieses Buchprojekt Wirklichkeit werden zu lassen, und uns immer wieder Mut zugesprochen haben, das begonnene Projekt weiter fortzusetzen. In der Hoffnung, vielen Leserinnen und Lesern eine Hilfestellung bei der Ausübung der osteopathischen Behandlungskunst zu geben und damit die Qualität der Patientenversorgung zu optimieren, wünschen wir Ihnen viel Spaß und Erfolg im osteopathischen Beruf und stets ein »gutes Händchen« bei der Versorgung der Patienten. Dieses Buch versteht sich auch als Beitrag zur Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Ärzten, ärztlichen und nicht-ärztlichen Osteopathen. Ziel einer wirkungsvollen Osteopathie ist letztlich die Verbesserung der Lebensqualität unserer Patienten. Für Kritik und Verbesserungsvorschläge sind wir jederzeit dankbar, damit Sie und andere Leser aus dem vorliegenden Werk den größtmöglichen Nutzen für Ihre tägliche Praxis ziehen können. »Wer aufgehört hat, sich zu verbessern, hat aufgehört, gut zu sein …«
Edgar Hinkelthein Christoff Zalpour
Im Mai 2005
VII
Inhaltsverzeichnis 1
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1.1 1.2 1.3
Untersuchung und Behandlung in der Osteopathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesundheit aus osteopathischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 1
2
Diagnosekonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.7 2.8 2.9 2.10
Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spezielle Anamnese . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Anamnese. . . . . . . . . . . . . . . . Inspektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inspektion des Körperreliefs . . . . . . . . . . . . Inspektion der Posturologie . . . . . . . . . . . . Thermodiagnostik. . . . . . . . . . . . . . . . . Listening . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . General Listening . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Local Listening . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Palpation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bindegewebs-Zonen/Head-Zonen . . . . . . . . Tender Points (Jones). . . . . . . . . . . . . . . . . Chapman-Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionstests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axiales System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übrige Mobilitäten (parietal und craniosacral). Viszerale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . Neurologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Provokationstests . . . . . . . . . . . . . . . . . Apparative Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3
Safety . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.6 3.6.1
Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Provokationstest. . . . . . . . . . . . . . . . . Apparative Diagnostik . . . . . . . . . . . . . Bildgebende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . Labordiagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bakteriologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Histologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internistische Diagnostik . . . . . . . . . . . Blutdruck/Puls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektrokardiogramm (EKG) . . . . . . . . . . . . Spiroergometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Apparative neurologische Diagnostik . . . Elektroenzephalogramm (EEG) . . . . . . . . .
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3 6 6 9 10 11 11 12 13 13 14 15 15 15 15 17 17 17 19 20 20 20 25 25 25
31 . . . . . . . . . . . . . .
31 31 31 31 41 41 42 42 42 42 48 49 50 50
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.6.2 3.6.3 3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.3 3.8 3.8.1 3.8.2 3.8.3 3.8.4 3.8.5 3.8.6
Elektroneurographie (ENG) . . . . . . . . . . . . Elektromyographie (EMG). . . . . . . . . . . . . Ausgewählte Krankheitsentitäten. . . . . . Krebserkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . Krebs und Immunsystem . . . . . . . . . . . . . Arteriosklerose — Atherosklerose . . . . . . . Safety in der Osteopathie . . . . . . . . . . . Lungenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . Herzerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebererkrankungen. . . . . . . . . . . . . . . . . Bauchspeicheldrüsenerkrankungen . . . . . . Nierenerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . Magen-Darm-Erkrankungen . . . . . . . . . . .
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Kasuistiken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.1.7 4.1.8 4.1.9 4.1.10 4.1.11 4.1.12 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.2.8 4.2.9 4.2.10 4.2.11 4.2.12 4.2.13
Untere Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 1: Belastungsschmerz im linken Sprunggelenk . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 2: Mediale Knieschmerzen rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 3: Lateraler Knieschmerz rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 4: Knieschmerz links . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 5: Schmerzen in dem rechten Großzehengrundgelenk . . . . . . . . . . Kasuistik 6: Rezidivierende Knie- und Leistenschmerzen links . . . . . . . . . . . . Kasuistik 7: Belastungsschmerzen im rechten Knie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 8: Schmerzen beider Füße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 9: Belastungsschmerzen linke Leiste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 10: Schmerzen rechtes Bein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 11: Schweregefühl der Beine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 12: Leistenschmerzen rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rumpf/Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 13: Lumbalgie rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 14: Dorsalgie zwischen den Schulterblättern, Nackenverspannungen Kasuistik 15: Chronische Nackenverspannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 16: Progrediente Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule . . . . . . Kasuistik 17: Chronische lumbale Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 18: Probleme der Kopfdrehung nach links . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 19: Rezidivierende Lumboischialgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 20: Chronische Lumbalgie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 21: Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 22: Akute Kreuzschmerzen rechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 23: Rezidivierende Dorsalgien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 24: Linksseitige Thoraxschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 25: Schmerzhafte Bewegungseinschränkung der HWS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 26: Schmerzen an der Wirbelsäule und den Weichteilen . . . . . . . . . Kasuistik 27: Sternale Schmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 28: Thorakaler Beklemmungsschmerz links rund um die Brust . . . . . Kasuistik 29: Tiefsitzende Kreuzschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Obere Extremität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 30: Schulterschmerzen rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 31: Akute Ellbogenschmerzen links. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 32: Rezidivierende Kribbelparästhesien rechte Hand . . . . . . . . . . . Kasuistik 33: Belastungsschmerz rechter Ellbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.2.14 4.2.15 4.2.16 4.2.17 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4
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50 51 51 51 57 57 60 60 64 67 71 72 77
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144 147 149 151 154 156 156 158 161 163
IX
Inhaltsverzeichnis
4.3.5 4.3.6 4.3.7 4.3.8 4.3.9 4.3.10 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.4.7 4.4.8 4.4.9 4.4.10 4.4.11 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.5.5 4.5.6 4.5.7
Kasuistik 34: Bewegungseinschränkung der rechten Schulter . . . . . . . . . Kasuistik 35: Schmerzen rechte Hand und Unterarm . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 36: Persistierender Handgelenksschmerz rechts . . . . . . . . . . . Kasuistik 37: Schmerzen im linken Mittelfinger . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 38: Schulterschmerzen links . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 39: Persistierende Schulterschmerzen rechts. . . . . . . . . . . . . . Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 40: Kind mit 3-Monats-Koliken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 41: Chronische Müdigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 42: Unregelmäßiger Puls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 43: Kurzatmigkeit mit Leistungsminderung . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 44: Rezidivierendes Sodbrennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 45: Unregelmäßige Herzschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 46: Rezidivierende Diarrhöen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 47: Häufiges Wasserlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 48: Stressinkontinenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 49: Bauchschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 50: Dysmenorrhöen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 51: Kopfschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 52: Schwindel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 53: Kopfschmerzen und Übelkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 54: Sehstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 55: Ohrgeräusche und Hörstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 56: Sehstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kasuistik 57: Kopfschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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166 168 171 173 175 178 180 180 181 185 188 190 193 195 198 200 203 205 207 207 210 212 214 216 218 220
5
Therapiekonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 5.4 5.5 5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4
Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Viszerales System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organspezifische Behandlungsschemata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parietales System (UFK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Craniosacrales System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Therapieansätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kongestion (venös-lymphatischer Stau) und manuelle Lymphdrainage . . Ernährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Akupressur/Akupunktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Psychotherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . .
223 223 224 225 254 254 254 254 257 257 257
Leitsymptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269
X
Abkürzungsverzeichnis A A. ABD ACC ACE ACG ACTH ADD ADH AFP Ak ALAT, ALT ant., Ant. ao AP ARO ASAT/AST ASR ASS AV-Block AV-Knoten az
Arteria Abduktion Acetylcystein Angiotensin-Converting-Enzyme Acronio-Clavicular-Gelenk Aadrenocorticotropes Hormon Adduktion antidiuretisches Hormon ά((Alpha))1-Fetoprotein Antikörper Alanin-Aminotransferase anterior, anterior Aorta alkalische Phosphatase Außenrotation Aspartat-Amino-Transferase Achillessehnenreflex Acetylsalicylsäure Atrioventrikular-Block Atrioventrikular-Knoten V. azygos
CTS CTÜ C.U.
Carpal-Tunnel-Syndrom Cervikothorakaler Übergang Colitis ulcerosa
D DBS DD D-J-Klappe DJJ DNA DSP
Durchblutungsstörung Differentialdiagnostik Duodeno-Jejunale Klappe Duodeno-Jejunale-Junction Desoxyribonukleinsäue Druckscheibenprothese
E ED EDTA EEG EF EKG EMG ENG ERC
ERS Ext., E E/F
Encephalitis dissiminata Ethylendiamintetraessigsäure Elektroenzephalogramm Ejektionsfraktion Elektrokardiogramm Elektromyographie Elektroneurographie Endoskopische retrograde Cholangiographie Endoskopisch retrograde Cholangio-Pankreatikographie Extension, Rotation, Seitneigung Extension, Extension Extension/Flexion
F Fe Flex. , F fT4 fT3
Eisen Flexion Flexion freies Thyroxin Trijodthyroin
G GGG Ggl. GLDH GOT GPT GT
Großzehengrundgelenk Gruppenläsion Glutamatdehydrogenase Glutamat-Oxalacetat-Transaminase Glutamat-Pyruvat-Transaminase Glutamyl-Transferase
ERCP B BE BMI BSG C C, CV CA CAH C.B.R. CCT CEA CED CFS CHE CK CK-MB COPD,COLD CO(P/L)D CPH CRP CRPS CT
Broteinheit Body-Mass-Iindex Blutsenkungsgeschwindigkeit
cervikal bzw. Carcinom bzw. Karzizom chronisch agressive Hepatitis Cranial-Base-Release Cranio-CT carcinogenes embryonales Antigen entzündliche Darmerkrankung chronic fatique syndrome Cholesterinesterase Creatinkinase bzw. Kreatinkinase Creatinkinase-Isoenzym MB chronisch obstruktive Lungenerkrankung chronisch obstruktive Lungenerkrankung chronisch persistierende Hepatitis C-reaktives Protein complex regional pain syndrome Computertomographie
H h Hb HbA1c HCI
Stunde HämoglobinGlycosiertes Hämoglobin Glykohämoglobin Salzsäure
XI
Abkürzungsverzeichnis
HDL HCT/Hk/Hkt HLA-B27 HPV HRCT HSV HWS I IDDM
high density lipoprotein Hämatokrit Histokompatibilitätsantigen B 27 humane-Papilloma-Viren high resolution CT Herpes-somplex-Virus Halswirbelsäule
I-C-Klappe I-C-Region I.E. INR IRO ISG IT K KHK kl Krea
koronare Herzkrankheit Klavikula bzw. Clavicula Kreatinin bzw. Creatinin
L L L-Arginin LAP LDH la/ra LDL li. lig. lpa/rpa LPC lv/rv LWS
Lende Laevo-Arginin Leucin-Amino-Peptidase Lactat-Dehydrogenase linkes/rechtes Atrium low density lipoprotein links Ligamentum linke/rechte Zwerchfellhälfte Lysophosphatidylcholin linker/rechter Ventrikel Lendenwirbelsäule
MRT MS MT
NSAR
Nervus Nicht Insulin-dependenter Diabetes Mellitus Nervenleitgeschwindigkeit Nuklear-Magnet-Resonanz (Kernspin) Nebenniere Stickstoff-Monoxid-Synthase Expression Nicht-steroidale Antirheumatica
O OA OAA OFE OSG OS ox LDL
Oberarm Occiput-Atlas-Axis Oberflächenersatz Oberes Sprunggelenk Oberschenkel oxidiertes LDL
NLG NMR NN NOS-Expression
Insulin-dependenter Diabetes mellitus Ileocaecal-Klappe Ileocaecal-Region Internationale Einheiten International normalized ratio Innenrotation Iliosakralgelenk Intestinum tenue
M M. M. m ma M.C. MCL ML Mm. MRFIT
N N. NIDDM
Musculus Morbus männlich Magenblase Morbus Crohn mediales Kollateralband Manuelle Lymphdrainage Musculi Multiple Risk Factor Intervention Trial Magnet-Resonanz-Tomographie Multiple Sklerose Metatarsale
P P PP pa pAVK PHS PL PNP PNS post., Post. PPP PRIND P.R.M. Proc. Procc. PTFG PVURS p53-Gen
Plasma Prostata-Phosphatase Pulmonalarterienhauptstamm periphere arterielle Verschlusskrankheit Periarthritis humeroskapularis Plexus periphere Polyneuropathie peripheres Nervensystem posterior Posterior Peritoneum parietale posterior prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit Palpation des primär respiratorischen Mechanismus Processus Processii proximales Tibiofibulargelenk Pubo-Vesico-Utero-Recto-Sacrale Gen mit einem Molekulargewicht von 53.000 Dalton
Q QSR
Quadrizeps-Sehnenreflex
R Recess. re. RNA ROKNEP RR
Recessus rechts Ribonukleinsäure Rotations-Knieendoprothese Riva-Rocci
XII
Abkürzungsverzeichnis
S S S SCG SD SH SIAS SIPS sk SN SP S.S.B. ST-Senkung Symph. T T TCM TEP Th TIA T-Negativierung TMG
Serum Sacrum Sterno-Clavikular-Gelenk Schilddrüse Schleimhäute Spina iliaca anterior superior Spina iliaca posterior superior Skapula bzw. Scapula Seitneigung saure Phosphatase Synchondrosis sphenobasilaris ST-Strecken Senkung im EKG Symphysis
TRH TSH TSR TURP T4
thorakal bzw. thoracal traditionelle chinesische Medizin Totalendoprothese Thorax transitorisch ischämische Attacke Negativierung der T-Welle im EKG Temporo-Mandibulär-Gelenk (Kiefergelenk) Scharnier-(Total)-Knieendoprothese Thoracic Outlet KompressionsSyndrom Thyreotropin-Releasing-Hormon Thyreotropin Trizeps-surae-Reflex transurethrale Prostataresektion Thyroxin
U UA UFK U/l US USG UV UVB-Strahlen UW
Unterarm Ursache-Folge-Kette Unit pro Liter Unterschenkel unteres Sprunggelenk Ultraviolett Ultraviolett-B-Strahlen Umwandlungsgeschwindigkeit
TOKNEP TOKS
V V Vv. vcs vci VHF VLDL VZV
Vena Venae V. cava superior V. cava inferior Vorhofflimmern very low density lipoproteins Varizella-zoster-virus
W w WHO
weiblich Weltgesundheitsorganisation
5-HIES 17-OHCS
5-Hydroxy-Indolessigsäure 17-Hydroxy-Corticosteroide
XIII
Herausgeber Dr. med. Edgar Hinkelthein − − − − − − − − − − − − − − − − − −
Bis 1992 Vorpräparant Anatomie, Universität Hamburg und Dozent für Anatomie MediLearn, Marburg 1993 – 1995 Akupunkturausbildung Universität Hamburg 1995 – 2000 Studium Osteopathie IAO, Gent 1998 Zusatzbezeichnung »Sportmedizin« 1999 – 2002 Dozent der Akademie Damp sowie PT-Schule Damp Seit 2000 Pferdeosteopathie nach Ausbildung bei Pascal Evrard 2000 – 2001 Bachelorstudiengang Osteopathie bei BCNO, London mit Abschluss der Westminster-University, London 2000 – 2002 Dozent für Osteopathie IAO, Gent 2002 Facharzt für Orthopädie Seit 2002 in osteopathischer Privatpraxis niedergelassen 2003 – 2009 Gründer und Schulleiter sowie Dozent der Osteopathieschule Damp Seit 2003 Redaktioneller Beirat der Dt. Zeitschrift für Osteopathie 2004 – 2008 2. Vorsitzender (bis 2/2005 kooptiert) des VOD e.V. Seit 2005 Gastdozent für Osteopathie bei der DAOM, Hamm 2006 Zusatzbezeichnung »Naturheilverfahren« Seit 2008 Gründer und Mitgesellschafter des Ausbildungs- und Therapiezentrum für Pferd und Reiter ATZ-pur, Borgwedel (www.atz-pur.de) Seit 2009 Dozent der Tierärztlichen Akademie für Osteopathie (TAO), Hattersheim Seit 2009 Gründer, Mitgesellschafter und Schulleiter sowie Dozent der Akademie für Osteopathie und Naturheilverfahren (AON gGmbH), Fleckeby (www.osteopathieschule-aon.de)
Prof. Dr. med.Christoff Zalpour − − − − −
− − − − − −
Professor für Physiotherapie an der Hochschule Osnabrück (hier auch Sprecher der Fachgruppe Therapieberufe) Direktor des Institutes für angewandte Physiotherapie und Osteopathie INAP/O (http:// www.inapo.hs-osnabrueck.de) Kardiovaskuläre Grundlagenforschung in Stanford/USA Verschiedene ärztliche Tätigkeiten in der Arbeits- und Umweltmedizin, Inneren Medizin und Rehabilitationsmedizin Verschiedene Lehraufträge in Fort- und Weiterbildung, u.a. für die International Academy of Osteopathy, IAO (bis 2006) für die Bereiche Physiologie, Embryologie und Pathologie/ Semiologie für Osteopathen Mitglied der New York Academy of Sciences Mitglied der Performing Artist Medical Association, PAMA Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin DGfMM Mitglied der »AG Bewegungstherapie« bei der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften, DGRW Mitglied des Fachausschusses »Medizin und Gesundheitswissenschaften« bei der Akkreditierungsagentur ACQUIN wichtigste letzte Publikationen: Zalpour C (Hrsg.) 2010 (3. Aufl.) Für die Physiotherapie: Anatomie Physiologie, ELSEVIER, München Zalpour C (Hrsg.) 2010 Springer-Lexikon Physiotherapie, Springer, Heidelberg, Berlin, New York Forschungsschwerpunkte (s.a. www.SCIPOS.hs-osnabrueck.de): Therapieeffektivität, Musikertherapie, Gesundheitsförderung und Prävention
1
1.3 · Vorgehensweisen
Einführung 1.1
Untersuchung und Behandlung in der Osteopathie – 1
Die Anwendung manueller Therapie ist bereits Jahrtausende alt, wie Überlieferungen aus Ägypten, Babylon, China usw. belegen. Der amerikanische Arzt Dr. A.T. Still (1828–1917) nannte sein manuelles Untersuchungs- und Therapiekonzept 1874 »Osteopathie«. Seiner Biographie zufolge entstand dieser Name, weil er bei jedem Patienten (griech.: Pathos=Leiden, Beschwerden) Veränderungen der Haltung/des Bewegungsapparates (griech.: Osteos=Knochen, Bewegungsapparat) feststellte. Leider wird der Begriff oft mit »Knochenkrankheit« übersetzt, was dem Konzept der Osteopathie nicht gerecht wird.
1.2
Gesundheit aus osteopathischer Sicht – 1
1.3
Vorgehensweisen – 1
nander der verschiedenen Fachrichtungen der Schulmedizin, von Osteopathen, Psychologen, Physiotherapeuten, Masseuren (z. B. mittels Lymphdrainage), Akupunkteuren, Homöopathen, Ernährungsberatern, Ergotherapeuten, Logopäden, Sportlehrern usw. ein »conditio sine qua non« – unumstößliche Voraussetzung. Ebenso wenig sinnvoll ist es aus der Perspektive des Osteopathen, generell ausschließlich im parietalen, viszeralen oder craniosacralen System zu arbeiten. Wichtig Der Befund am Patienten bestimmt unsere Therapie, nicht die Vorlieben des Therapeuten.
1.1
Untersuchung und Behandlung in der Osteopathie
Die osteopathische Untersuchung und Behandlung findet überwiegend manuell statt, was den Osteopathen den Spitznamen »Ingenieure des Körpers« eingebracht hat. Ziel der osteopathischen Untersuchung ist es, die Ursachen für die aktuellen und chronischen Beschwerden des Patienten zu finden, um diese Probleme dann ursächlich zu behandeln. Der Osteopath bezeichnet diese Zusammenhänge als Ursache-Folge-Kette, kurz UFK. Ziel der osteopathischen Behandlung ist es, durch Korrektur dieser Ursachen die UFK aufzulösen. So kann der Körper des Patienten seine Selbstheilungskräfte aktivieren und seine mechanische, chemische, psychische und energetische Integrität wiederherstellen.
1.2
Gesundheit aus osteopathischer Sicht
Gesundheit bedeutet aus osteopathischer Sicht, dass der Körper auf allen Ebenen harmonisch zusammenspielt und sich alle Körperstrukturen in einem optimalen Zusammenhang befinden, einem Zustand der Homöostase. Aus diesem Grund kann es keine »Kochrezepte« zur Behandlung bestimmter Symptome geben, vielmehr muss jeder Patient in seiner Individualität erfasst und sein spezifisches Problem dann ebenso individuell behandelt werden. Hieraus ergibt sich unmittelbar die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen therapeutischen Fachrichtungen. Weder der Arzt noch der Osteopath noch irgendein anderer Therapeut wird alle seine Patienten alleine erfolgreich behandeln können. Für den Therapieerfolg ist ein Mitei-
In der Ausbildung lernen zukünftige Osteopathen eine Vielzahl von Untersuchungs- und Behandlungsgriffen, sodass sie jede Region des Patienten sehr genau untersuchen können. Wie bei jeder handwerklichen Tätigkeit werden diese manuellen Fähigkeiten nur praktisch vermittelt. Auch gibt es bereits ausreichend Literatur, in der Untersuchungs- bzw. Behandlungsgriffe für die einzelnen Körperregionen beschrieben werden. Gutes Werkzeug alleine macht jedoch noch keinen qualifizierten Handwerker, er braucht zusätzlich eine differenzierte »Bau- und Reparaturanleitung«. Ein guter Osteopath benötigt neben den einzelnen Grifftechniken, die quasi seine Werkzeuge darstellen, ein klares Konzept, nach dem er seine Untersuchung durchführt, ggf. Zusatzuntersuchungen zur Abklärung evtl. vorhandener Kontraindikationen veranlasst und dann entscheiden kann, ob und welche osteopathische Therapie beim jeweiligen Patienten indiziert ist. Das vorliegende Buch soll Ihnen diesen »roten Faden« für Untersuchung, differenzialdiagnostische Abklärung und Therapie an die Hand geben. Die Grundlagen osteopathischer und allgemein therapeutischer Arbeit darzustellen ist hingegen nicht das Ziel dieses Buches.
1.3
Vorgehensweisen
Die Gliederung des Buches befasst sich zunächst mit der Diagnostik des Patienten (Kapitel 2 »Diagnosekonzepte«). Hierzu gehören sowohl Anamnese als auch die körperliche Untersuchung. Aus Anamnese und Befund soll dann eine Verdachtsdiagnose gebildet werden, die ggf. durch apparative Zusatz-
E. Hinkelthein, C. Zalpour, Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie DOI 10.1007/978-3-642-20740-2_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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2
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Kapitel 1 · Einführung
untersuchungen weiter bestätigt oder aber ausgeschlossen werden kann. Es gibt eine Reihe von wichtigen Untersuchungsbefunden, die der Sicherheit des Patienten dienen, um zu gewährleisten, dass keine fehlerhafte Therapie eingeleitet wird. Diese Untersuchungen werden im Abschnitt Kapitel 3 »Safety« ausführlich dargestellt. Gerade für diese Safety-Untersuchungen ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit unerlässlich. Um das eben geschilderte Vorgehen praxisnah zu erläutern, werden im dann folgenden Kapitel 4 ausgewählte Krankheitsbilder als Kasuistiken vorgestellt und unter osteopathischen sowie schulmedizinischen Aspekten besprochen. Dieses Kapitel soll gleichsam die Verdachtsdiagnostik einschließlich der Safety-Aspekte trainieren und verbessern. Das folgende Kapitel 5 stellt dann Konzepte vor, die bei der osteopathischen Behandlung der Patienten Anwendung finden und wiederum den Leitfaden für die Behandlung bilden. Für die tägliche Praxis sind im Kapitel 6 Leitsymptome aus Anamnese und Befundung tabellarisch den wichtigsten Krankheitsbildern zugeordnet. »Viele Wege führen nach Rom«, sagt ein altes Sprichwort. Ebenso gibt es viele Möglichkeiten, einen Patienten erfolgreich zu therapieren. Gerade in der Osteopathie kann es den »goldenen Therapiestandard« nicht geben. So soll dieses Buch nicht als starres Anleitungsbuch verstanden werden, nach dem Schritt für Schritt verfahren werden muss, sondern ein mögliches Diagnose- und Therapieschema anbieten, welches gleichzeitig größtmögliche Sicherheit für den Patienten wie auch eine hohe Wahrscheinlichkeit des Therapieerfolgs gewährleistet. Selbstverständlich wird jeder Osteopath in Anlehnung an bereits bestehende Verfahren sein eigenes Konzept entwickeln, die Autoren möchten mit diesem Buch Anregungen zu diesem Schritt geben.
2
2.1 · Anamnese
Diagnosekonzepte Edgar Hinkelthein
Spezielle Anamnese – 6 Allgemeine Anamnese – 6
2.5.3 2.5.4 2.5.5
Bindegewebs-Zonen/Head-Zonen – 15 Tender Points (Jones) – 15 Chapman-Punkte – 17
2.2
Inspektion – 9
2.6
Funktionstests – 17
2.2.1 2.2.2
Inspektion des Körperreliefs – 10 Inspektion der Posturologie – 11
2.6.1 2.6.2
2.3
Thermodiagnostik – 11
2.4
Listening – 12
2.6.3 2.6.4
Axiales System – 17 Übrige Mobilitäten (parietal und craniosacral) – 19 Viszerale Funktionen – 20 Neurologie – 20
2.4.1 2.4.2
General Listening – 13 Local Listening – 13
2.7
Provokationstests – 20
2.5
Palpation – 14
2.8
Apparative Diagnostik – 25
2.5.1 2.5.2
Schwellung – 15 Schmerz – 15
2.9
Dokumentation – 25
2.10
Anhang – 25
2.1
Anamnese – 3
2.1.1 2.1.2
Diagnosekonzepte werden erstellt, um einzelne Ursachen für die vom Patienten angegebenen Symptome und Beschwerden ermitteln zu können. Dieses Kapitel soll ein »Leitfaden« für den differenzierten Untersuchungsvorgang sein. In der Osteopathie werden folgende Untersuchungsschritte durchgeführt: 1. Anamnese 2. Inspektion 3. Thermodiagnostik 4. Listening-Techniken 5. Palpation 6. Funktionstests 7. Provokationstests 8. Apparative Diagnostik Wichtig Bei unzureichenden Ergebnissen oder Symptomen, die auf eine Pathologie hinweisen, müssen apparative Untersuchungen die osteopathische Diagnostik ergänzen.
2.1
Während des Befragens können bereits bestimmte Kontraindikationen für eine osteopathische Behandlung ausgeschlossen werden. Ein weiteres Ziel der Anamnese ist es, die Strukturen zu identifizieren, welche Beschwerden auslösen. Um all diese Informationen vom Patienten zu erhalten, ist es wichtig, gezielt zu befragen und mitunter nachzufragen. Damit nicht maßgebliche Aspekte übersehen werden, sollte der Osteopath zunächst Fragen zu den aktuellen Beschwerden des Patienten stellen. Im Anschluss erfolgen Befragungen aus der allgemeinen und speziellen Anamnese. Wesentlicher Teil der Anamnese ist die Frage nach Umständen, welche die geschilderten Beschwerden des Patienten verbessern bzw. verschlechtern. Oft ergeben sich daraus deutliche Hinweise auf die Beteiligung von bestimmten Strukturen, die Auslöser oder Mitverursacher von Symptomen sein können. Beispiel So können z. B. nächtlich-morgendliche Beschwerden, z. T. mit Schwellungsneigung, die sich bei Bewegung rasch verbessern und tagsüber kaum auftreten, ein möglicher Hinweis auf venös-lymphatische Stauungen sein.
Anamnese Anamnesezeichen
Basis für eine Behandlung am Patienten ist die Anamnese. Sie
dient nicht nur dem gegenseitigen Kennenlernen, sondern gibt Hinweise auf den aktuellen und allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten.
Im Folgenden werden für die einzelnen Strukturen typische Anamnesezeichen aufgeführt (. Tab. 2.1).
E. Hinkelthein, C. Zalpour, Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie DOI 10.1007/978-3-642-20740-2_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
4
1
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
. Tabelle 2.1. Strukturen und typische Anamnesezeichen Struktur
Pathologie
Anamnestische Zeichen
Knöchern
Fraktur/Metastase
Progression/Belastungsschmerz/ständige Schmerzen (Dauerschmerz)/Nachtschmerz
Intraartikulär
Entzündung
Progression/Belastungsschmerz/ständige Schmerzen (Dauerschmerz)/Nachtschmerz
Kapsuloligamentär
Verkürzung/ Überdehnung
Dumpfer Schmerz/Schmerz bei gleicher Position über längere Zeit (Ruheschmerz)/Morgensteifigkeit/unbelastete Bewegung verbessert Schmerz/längere und belastete Bewegung verschlimmert Schmerz
Muskulär
Verkürzung/ Überdehnung
Heller Schmerz/Schmerz bei Bewegung (bei Kontraktion oder Dehnung) des Muskels/Schmerzausstrahlung im Muskelverlauf/bei trophischen Änderungen reagiert ein Muskel mit kapsuloligamentärem Schmerzcharakter
7
Vaskulär-arteriell
Arterielle Durchblutungsstörungen
Tiefer Schmerz/Krämpfe/Belastungsschmerz/Kältegefühl/Blässe/Schmerzzunahme bei längerer Bewegung
8
Vaskulär-venös
Kongestion
Ruheschmerz, der sich bei Bewegung verbessert/Schweregefühl/Schwellung/müde Extremitäten/warm/rotblaue Farbe
9
Vaskulär-lymphatisch
Lymphstau
Schweregefühl/starke Schwellung/Kältegefühl/Blässe
Zentralnervös
Sinne/Bewusstsein
Bewusstseinstrübung/Verwirrtheit/Sinnesorgane Hirnnervenfunktion verändert
10
Peripher-nervös
Kraft/Sensibilität
Verminderte Kraft (Paresen)/brennende Schmerzen/Sensibilitätsstörungen/ Ausstrahlung im Verlauf des Nerven
11
Neurovegetativ
Vegetative Reaktion
Allgemein: Transpiration/Nervosität/viel bzw. wenig Schlaf Segmental: Pilomotorik/Transpiration/Bindegewebszonen Quadranten: z. B.: li. Kopf+li. Hals+li. Arm+li. Thorax
Metabolische Belastung
Toxinbelastung
Diffuse, wandernde Beschwerden/bilaterale Beschwerden/cervicothoracale Kongestion (Kissenbildung)
Endokrine Störung
Hormonelle Dysfunktion
Änderung von Schwitzen/Schlaf/Müdigkeit/Konzentration/Durst/Appetit/ Gewicht
Psychisch
Psychische Erkrankungen
Diffuse, wandernde Beschwerden/bilaterale Beschwerden
2 3 4 5 6
12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Knochen
Kapsuloligamentär
Typische Symptome für Knochenpathologien (am häufigsten Frakturen, Metastasen) sind: 5 ständig bestehende Schmerzen, 5 Verstärkung der Schmerzen bei Belastung, 5 die Patienten wachen nachts vor Schmerzen auf, 5 Progredienz der Beschwerden.
Irritationen der kapsuloligamentären Strukturen, wie z. B. Verkürzungen oder Überdehnungen, führen zu folgenden Symptomen: 5 dumpfe Schmerzen, die sich verstärken, wenn die gleiche Position über längere Zeit beibehalten wird, 5 Morgensteifigkeit der Gelenke, 5 Schmerzlinderung bei unbelasteter Bewegung, 5 Schmerzsteigerung bei längerer und belastender Bewegungen.
Intraartikulär Typische Symptome für intraartikuläre Pathologien sind: 5 Funktionseinschränkung im Gelenk, 5 Dauerschmerzen, 5 Schmerzzunahme bei Belastung, 5 Nachtschmerz, 5 Progredienz der Beschwerden.
5
2.1 · Anamnese
Wichtig Sollten diese Anamnesezeichen positiv sein, muss zunächst an eine Kontraindikation für eine osteopathische Behandlung gedacht werden. Vor Beginn einer osteopathischen Behandlung ist daher eine weitere Abklärung notwendig.
Lymphatisch bedingte Schwellungen sind im Vergleich zur venösen Stauung sehr viel stärker ausgeprägt. Wichtig Die Pathogenese des Lymphödems ist entscheidend für den therapeutischen Ansatz.
Muskulär
Zentralnervös
Die Patienten klagen meist über 5 helle Schmerzen, 5 die bei Bewegung (Kontraktion oder Dehnung) des Muskels auftreten und 5 im Muskelverlauf ausstrahlen.
Die Zeichen für zentralneurologische Defizite sind vielfältig und dementsprechend schwierig zu erkennen. Für eine gezielte Diagnostik sind daher genaue Kenntnisse in der Neurologie notwendig. Allgemein zu beachtende Hinweise in der Anamnese sind 5 Veränderungen des Bewusstseins (Verwirrtheit), 5 Veränderungen der Wahrnehmung durch die Sinnesorgane.
Ein bereits trophisch veränderter Muskel (bei langfristig bestehender Dysfunktion) reagiert mit kapsuloligamentärem Schmerzcharakter. Wichtig Verkürzungen oder Überdehnungen der Muskulatur sind eine häufige Ursache für diese Symptome.
Vaskulär-arteriell Charakteristisch für arterielle Durchblutungsstörungen sind 5 tiefe Schmerzen, 5 Neigung zu Krämpfen, 5 verstärkte Belastungsschmerzen, 5 Kältegefühl der betroffenen Extremitätenregion, 5 Blässe der zugehörigen Hautareale.
Vaskulär-venös Betroffene Patienten klagen vor allem über 5 Ruheschmerzen, 5 Linderung der Beschwerden bei Bewegung, 5 Schwere- bzw. Müdigkeitsgefühl der Extremitäten, mit Schwellungsneigung, 5 livide Verfärbung der betroffenen Areale, 5 Temperaturerhöhung der betroffenen Körperregion. Infolge der nachts flacheren Atmung und dem damit verbundenen verminderten venösen Abtransport werden die Beschwerden meist in den Morgenstunden (vor dem Aufstehen) verstärkt und verbessern sich nach dem Aufstehen durch Bewegung.
Vaskulär-lymphatisch Im Gegensatz zur venösen Stauung charakterisiert sich die lymphatische Stauung durch 5 Kältegefühl der betroffenen Region, 5 blasse Hautfärbung, 5 Schweregefühl, 5 Schwellung.
Die Funktion der Hirnnerven muss bei Verdacht auf eine zentralnervöse Störung abgefragt werden. Hierzu zählen Störungen beim Riechen, Sehen, Hören, Schmecken, sowie das Testen von Gleichgewicht, Kau- oder mimischer Muskulatur, vegetativen Reaktionen und der Zungenmotorik. Wichtig Grundsätzlich erfolgt bei jeder Untersuchung eine grob orientierende neurologische Beurteilung. Bei einem positiven Ergebnis muss eine ausführliche neurologische Diagnostik durchgeführt werden.
Periphernervös Bereits in der Anamnese kann der Patient nach 5 ständigem oder zeitweiligem Kraftverlust, 5 Einschränkung seiner Kraft (Paresen), 5 Veränderungen der Sensibilität (Hypo- oder Hypersensibilität), 5 sowie Schmerzausstrahlung im Verlauf des Nerven befragt werden.
Neurovegetativ Störungen des neurovegetativen Systems äußern sich in den folgenden schnellen Reaktionen der Körperfunktionen: 5 Regulation von Herzfrequenz und -rhythmus, 5 Atemregulation, 5 Magen-/Darmfunktion, 5 Drüsensekretion, 5 Durchblutung, 5 Schweißsekretion, 5 Pilomotorik. Es bestehen enge Zusammenhänge mit dem endokrinen System. Die Steuerung beider Systeme erfolgt über das gleiche Hirnzentrum, den Hypothalamus. Je nach Region der Störung kann der Körper wie folgt betroffen sein:
2
6
1 2 3 4 5 6 7 8
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
5 generell: Änderung von Transpiration, Nervosität, Schlafverhalten, 5 in Quadranten: z. B. linker Bauch und linkes Bein, oder 5 segmental: Änderung von Transpiration, Pilomotorik, Bindegewebszonen.
Die folgende . Tabelle 2.2 fasst die besprochenen wegweisenden Anamnesezeichen übersichtlich zusammen.
Metabolisch
In . Tabelle 2.1 wurden den einzelnen Strukturen die jeweils typischen Anamnesezeichen zugeordnet. In der Praxis wird der umgekehrte Weg benutzt: Dem Patienten werden Fragen zur Anamnese gestellt, sodass der Osteopath aus den Antworten auf die betroffenen Strukturen schließen kann. . Tabelle 2.2 soll diese Arbeit erleichtern.
Eine metabolische Belastung äußert sich in: 5 diffusen Beschwerden, die oft bilateral auftreten, 5 typischer cervicothoracaler Kongestion (Kissenbildung), die als Bindegewebsschwellung am cervicothoracalen Übergang auftritt, 5 oft ist die Lokalisation der Beschwerden sprunghaft wechselnd, 5 die Patienten können meist keine Faktoren benennen, die zu einer Linderung der Beschwerden beitragen. Die Frage nach Toxinen wie Medikamente, Genussgifte sowie
Ernährungsgewohnheiten ist besonders wichtig.
Endokrin
9 10 11 12 13 14 15
Störungen des endokrinen Systems äußern sich in veränderten, vorwiegend langsamen Funktionen der Körpersteuerung: 5 vermehrtes/vermindertes Schwitzen, 5 veränderte Schlafgewohnheiten, 5 vermehrte/verminderte Müdigkeit, 5 Konzentrationsstörungen, 5 gesteigerter/verringerter Appetit, 5 vermehrtes/verringertes Durstgefühl, 5 Störungen der Gewichtsregulation. Diese Steuerung wird auch als Grundregulation bezeichnet.
18 19
Wichtig Die Antworten zu den ersten 4 Fragen 5 Schmerzprogredienz, 5 Dauerschmerz, 5 Nachtschmerz, 5 (sofortiger) Belastungsschmerz reichen aus, um eine zumindest relative Kontraindikation zur osteopathischen Behandlung anzunehmen.
Ansonsten ist die Summe aller Antworten richtungweisend. So könnten Wärmegefühl und Schwellungsneigung sowohl für eine Entzündung als auch für einen venösen Stau sprechen. In Kombination mit Ruheschmerzen, rotblauer Verfärbung usw. besteht eher ein Hinweis auf eine venöse Stauung. Wichtig Bei trophischen Änderungen reagiert ein Muskel mit kapsuloligamentärem Schmerzcharakter.
Wichtig Differenzialdiagnostisch sollte bei diesen Symptomen auch an maligne Erkrankungen oder psychosomatische Störungen gedacht werden.
16 17
2.1.1 Spezielle Anamnese
In . Tabelle 2.2 ist die spezielle Anamnese als Fragebogen aufgeführt:
2.1.2 Allgemeine Anamnese
Psychisch Die Anamnese gleicht der von metabolischen Störungen. Eine Abgrenzung ist daher häufig schwer. 5 Patienten klagen über wechselnde Beschwerden. 5 Typisch ist die Negation von Verbesserungen. 5 Oft treten die Beschwerden bilateral auf. 5 Häufig besteht eine lange Vorgeschichte.
20
Wichtig
21
Bei der klinischen Untersuchung stehen oft fasziale Befunde im Vergleich zu sog. »mechanischen Ketten« im Vordergrund.
Zur allgemeinen Anamnese (. Tab. 2.3, Erfassungsbogen) gehören Fragen nach den Grunderkrankungen eines Patienten. Informationen über regelmäßig benötigte Medikamente, die auf den Zeitraum sowie das Ausmaß einer Grunderkrankung schließen lassen, sind ebenfalls wichtige Anhaltspunkte, da die Patienten oft nicht ausreichend über ihre Krankheiten informiert sind und nur unzureichend auf die gestellten Fragen Antwort geben können. Die Frage nach typischen Beschwerden der einzelnen Organsysteme ist notwendig, da eine bestehende Erkrankung nicht zwangsläufig bereits erkannt und therapiert sein muss. Wichtig ist die Abklärung nach vorausgegangenen Erkrankungen, wie z. B. Metastasierungen, Traumen oder Operationen. Mitunter stellen sie eine Kontraindikation für die geplante osteopathische Behandlung dar.
2
7
2.1 · Anamnese
Ruheschmerz
Psychische Erkrankung
Endokrine (Hormonelle) Störung
Metabolisch Toxinbelastung
X
Neurovegetativ Vegetative Reaktion
(Sofortiger) Belastungsschmerz
PNS Kraft/ Sensibilität
X
ZNS Sinne
Nachtschmerz
Lymphatischer Stau
X
Venöser Stau
Dauerschmerz
Arteriell Durchblutungsstörung
X
Muskulär verkürzt/gedehnt
Schmerzprogredienz
Kapsulär/ligamentär verkürzt/gedehnt
Anamnese-Fragen:
Knöchern/artikulär/ -itis/Metastasen
. Tabelle 2.2. Spezielle Anamnese Fragebogen
X X
X
Tiefer Schmerz
X
Dumpfer Schmerz
X
Heller Schmerz
X
Brennender Schmerz
X
Bilateraler Schmerz
X
X
Wandernder Schmerz
X
X
X
X
Längere Bewegung verschlimmert Schmerz
X
X
Belastete Bewegung verschlimmert Schmerz
X
X
Unbelastete Bewegung verschlimmert Schmerz
X
X
Belastete Bewegung verbessert Schmerz
X
Unbelastete Bewegung verbessert Schmerz
X
Schmerz in gleicher Position für längere Zeit
X
Morgensteifigkeit
X
Schmerzausstrahlung im Muskelverlauf
X
X
Schmerzausstrahlung radikulär
X
Schmerzausstrahlung im Nervenverlauf
X
Krampfartiger Schmerz, Krämpfe
X
Diffuser/wechselnder Schmerz Kältegefühl, kalte Haut Wärmegefühl, warme Haut
X X
X X
5 6 7
Müdigkeitsgefühl der Extremitäten
X
Schweregefühl der Extremitäten
X
Blasse Hautfarbe
X
Rotblaue Hautfarbe Schwellung, Schwellneigung
X X
X
X X
Störungen des Bewusstseins
X
9
Kraftmangel (Paresen)
X
Sensibilitätsstörungen
X
12
Änderung des Schwitzens
X
X
X
Änderung des Schlafs
X
X
X
X
X
Änderung der Müdigkeit/Konzentration Änderung des Durstgefühls
X
13
Änderung des Appetits
X
14
Quadrantensymptomatik
Änderung des Gewichts
X
X X
15 16 17 18 19
. Tabelle 2.3. Allgemeine Anamnese: Erfassungsbogen Letzter Arztbesuch
wann
warum
welche
wofür
von Arzt, privat
welche
wofür
von Arzt, privat
welche
wofür
von Arzt, privat
welche
wofür
von Arzt, privat
Medikamente
20
Beschwerden/Erkrankungen
21
Herz/Kreislauf (Herzrasen/-stolpern; Blutdruck; Schwindel)
Bewegungsapparat (Schulter/Ellbogen/Hand; Hüfte/Knie/Fuß; Wirbelsäule)
Lunge/Atmung (Kurzatmigkeit/Husten/Auswurf/Luftnot) Verdauungstrakt (Sodbrennen/Aufstoßen/Durchfall/Blähungen/Verstopfung/Veränderungen beim Stuhlgang)
Psychische Erkrankung
Endokrine (Hormonelle) Störung
X
Störungen der Sinnesorgane
11
Metabolisch Toxinbelastung
X
8
10
Neurovegetativ Vegetative Reaktion
PNS Kraft/ Sensibilität
ZNS Sinne
4
Lymphatischer Stau
3
Venöser Stau
Knöchern/artikulär/ -itis/Metastasen
Anamnese-Fragen:
2
Arteriell Durchblutungsstörung
. Tabelle 2.2. Fortsetzung
Muskulär verkürzt/gedehnt
1
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
Kapsulär/ligamentär verkürzt/gedehnt
8
9
2.2 · Inspektion
. Tabelle 2.3. Fortsetzung Urogenital (Brennen/Schmerzen/Harnverhalt/Inkontinenz/übermäßiger Harndrang, z. B. auch nachts/Blut im Urin/Sexualverhalten/veränderte Mensis) Endokrin (Gewicht/Schweiß/Schlaf/Durst/Appetit/Konzentration/Müdigkeit) Tumoren
Ja/Nein Wenn ja, welche: Was wurde gemacht: Nachtschweiß? Gewichtsverlust?
Traumata
wann wann Bestehen noch Beschwerden?
was was
Operation
wann wann wann Bestehen noch Beschwerden? Zahnärztliche / Kieferorthopädische Maßnahmen?
was was was
Familie
wer wer wer
was was was
Beruf
Hobby/Sport
Größe/cm
Gewicht/kg
Abgeschlagenheit?
Allergien
Genussgifte Ernährungsgewohnheiten Sozialanamnese
Zur Risikoabschätzung ist auch die Familienanamnese wichtig. Dabei wird erfragt, ob Erkrankungen in der eigenen Familie (Blutsverwandte wie Großeltern, Eltern, Geschwister) aufgetreten sind. Informationen über Lebensgewohnheiten und das soziale Umfeld geben Hinweise auf spezielle körperliche aber auch seelische Belastungen. Wichtig Da die Symptome bei einer toxischen Belastung nicht unerheblich sind, gehören Fragen nach Allergien, Genussgiften und ggf. auch Ernährungsgewohnheiten in jede Anamnese.
2.2
Inspektion
Für die weitere Diagnostik entkleidet sich der Patient bis auf die Unterwäsche. Um Bewegungsabläufe sowie Einschränkungen beurteilen zu können, sollte der Patient beim Entkleiden beobachtet werden. Da dies von manchen Patienten als unangenehm empfunden wird, muss der Osteopath den Patienten vorher darüber aufklären, warum er beim Entkleiden beobachtet wird. Um eine gute Ausgangsbasis für die Untersuchung und die spätere Behandlung zu schaffen, ist es wichtig, auf die Wortwahl zu achten. Formulierungen wie: »bitte ziehen Sie Schuhe, lange Hose sowie Pullover und Hemd aus« sind taktvoller als die bloße Aufforderung, »alles bis auf Unterhose und BH« auszuziehen. Wichtig
i Tipps Die Fragen zur speziellen Anamnese (. Tab. 2.2 und 7 Kap. 2.10, Anhang) und der Erfassungsbogen zur allgemeinen Anamnese (. Tab. 2.3 und 7 Kap. 2.10, Anhang) können dem Patienten bereits vor der Behandlung zum Ausfüllen gegeben werden, damit sich der Osteopath in einem anschließenden Gespräch auf die Vorinformationen beziehen kann. In 7 Kapitel 2.10 sind beide Bögen als Kopiervorlagen abgedruckt.
Viele Patienten reagieren zwiespältig auf eine körperliche Untersuchung, deshalb muss darauf geachtet werden, dass der Patient sich zu keinem Zeitpunkt der Untersuchung körperlich und seelisch bloßgestellt oder hilflos fühlt.
2
10
1 2 3 4 5 6
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
Eine genaue und einfühlsame Untersuchung sowie das Ernstnehmen der Problematik führen zum Abbau von Angst und werden vom Patienten als positiv empfunden. Bei der Inspektion achtet der Therapeut auf 3 wichtige Merkmale: 5 Veränderungen der Haut, wie z. B. Farbe, Narben, Ekzeme, Hämatome. 5 Veränderungen des Körperreliefs wie Schwellungen, Einziehungen, Muskelatrophien, Bindegewebszonen. 5 Eine veränderte Haltung (Posturologie), welche einen deutlichen Hinweis auf die Lokalisation der Störung geben kann (7 Kap. 2.2.1 Inspektion der Haut). Zur differenzialdiagnostischen Beurteilung der Haut wird auf die gängigen Lehrbücher und Atlanten der Dermatologie verwiesen. In . Tabelle 2.4 wird kurz auf die häufigsten Ursachen von Hautverfärbungen eingegangen.
einer leeren Anamnese sollten diese Punkte noch einmal in offener Form nachgefragt werden. Die offene Formulierung vermeidet Druck auf den Patienten und trägt so zum ausgewogenen Therapeuten-Patienten-Verhältnis bei. Muskelatrophien können unter anderem ein Hinweis auf unphysiologische Belastungen des Bewegungsapparates sein. Diese »Einziehungen« geben einen direkten Hinweis auf Beund Entlastungszonen. Schwellungen treten sowohl akut als auch chronisch auf. Bei einem fraglichen Befund ist es daher wichtig, den Patienten zu fragen, wie lange die Schwellung(en) bereits bestehen und ob es tageszeitliche Veränderungen gibt. Mögliche Ursachen sind Allergien, venös-lymphatische Stauungen, Toxine, Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis, Störungen der Entgiftungsfunktion von Leber und Nieren oder z. B. auch Traumata.
7 8
Wichtig
2.2.1 Inspektion des Körperreliefs
Eine cervicothoracale Kongestion (Kissenbildung) kann auf Störungen des venösen Rückflusses mit Anreicherungen von Toxinen im Körper hinweisen (näheres siehe 7 Kapitel 4.5.1).
Veränderungen des Körperreliefs können ein wichtiger Hin-
9 10 11 12 13
weis für abgelaufene oder noch bestehende Pathologien sein. Die Ursache für Einziehungen können beispielsweise Narben durch versteckten (z. B. transvaginalen) Operationszugang, fasziale Retraktionen, Stress oder falsche Ernährung sein. Bei
. Tabelle 2.4. Lokalisation und Pathogenese von Hautverfärbungen Hautfarbe
Lokalisation
Pathogenese
Braun
Generalisiert Lichtexponierte Stellen Gesicht, Mamillen, Linea alba, Vulva Narben, druck-/lichtexponierte Stellen Spiegelgleiche Pigmentierung im Gesicht Cafe-au-lait-Haut
genetisch (vermehrt Melanin) Sonnenlicht-Exposition Schwangerschaft
Blass
Generalisiert/fleckig Gesicht/Mund/Nägel Lokalisation des Ödems
Vermindert Melanin (Albinismus/Vitiligo) Durchblutungsstörung/Anämie Ödeme (überlagern Hautfärbungen)
Rot
betroffene Region, Gesicht, Dekolletee
Gefäßerweiterung/Durchblutungssteigerung (auch Entzündung.)/ Kälteeinwirkung, vegetativ bedingt
Gelb
Skleren, Schleimhäute (SH), generalisiert lichtexponierte Stellen, Gesicht (nie Skleren, SH) Handfläche, Fußsohle, Gesicht (nie Skleren, SH)
Ikterus (Lebererkrankung, Hämolyse)
Bronzegrau
generalisiert, Narben
Hämochromatose
Livide/zyanotisch
Betroffenes Abflussgebiet Gesicht, Hände, Füße
Venöser Stau, arterielle Durchblutungsstörung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen Polyzythämie, arterielle Durchblutungsstörungen
14 15 16 17 18 19 20 21
M. Addison/Hypophysentumor Niereninsuffizienz Neurofibromatose
chronische Urämie (Retention von Harnfarbstoffen) Karotinämie (alimentär, Hypophysenunterfunktion)
Bindegewebszonen sind spezifische Gewebeareale, die bei
. Tabelle 2.5. Typologienzuordnung
einem positiven Befund als Schwellungen oder Einziehungen deutlich werden. Sie weisen auf segmentale oder viszerale Irritationen hin (7 Kap. 4.5.3).
Rotationstyp
Seitneigungstyp
Ext-/Flex-Typ
SSB-Strain
SSB-Torsion und TMG
C1-Rotation
C0-/C1-Shift C1-/C2-Shift
C0-bilateral
C2–7 in Ext.
C2–7 in Flex.
WS-Zonen in E (ant.)
2.2.2 Inspektion der Posturologie Die Posturologie unterscheidet je nach Dominanz der Positionsabweichung in der Horizontal-, Frontal- und Sagittalebene folgende Typen:
2
11
2.3 · Thermodiagnostik
T1–5/Costae I–V
WS-Zonen in F (post.)
Rotationstyp
T6–10/Costae VI–X
Übergang C7–T1
Abweichungen in der Horizontalebene um eine craniocaudale Achse. In der Seitenansicht des Patienten zeigen sich diese
Symphysis pubica
T11-Sacrum
Übergang T12–L1
Ilium ARO/IRO
Ilium In-/Outflare/ Upslip
Ilium Ant./Post.
Hüfte ARO/IRO
Hüfte ABD/ADD
Hüfte E/F Knie
USG
Chopart-Gelenk
OSG
Abweichungen am deutlichsten. Gedachte Linien, die beide Calcanei, beide SIPS, beide Scapulae und beide Procc. mastoidei verbinden, laufen normalerweise parallel und bilden keinen Rotationswinkel. Bei Rotationsabweichungen ist trotz exakter Seitenansicht der Blick auf beide Calcanei/SIPS/Scapulae/Procc. mastoidei möglich, da die entsprechende Region außenrotiert steht. Bei normalem Befund verdecken die genannten Strukturen ihr Pendant in exakter Seitenansicht.
Seitneigungstyp Der Seitneigungstyp kennzeichnet sich durch Abweichungen in der Frontalebene um eine anteroposteriore Achse. Bei Betrachtung des Patienten von hinten sind diese Abweichungen am deutlichsten. Eine gedachte Lotlinie von der Sutura sagittalis soll alle Procc. spinosi, die Rima ani sowie die Mitte zwischen beiden Scapulae, beiden Knien und beiden Calcanei treffen.
Ext-/Flex-Typ Kennzeichnend für den Ext-/Flex-Typ sind Abweichungen in der Sagittalebene um eine transversale (laterolaterale) Achse. Am deutlichsten werden sie in der Seitenansicht. Normalerweise liegen äußerer Gehörgang, Schulter, Becken, Knie und Knöchel auf einer gemeinsamen Lotlinie. Teilweise ist der Befund von einer Seite besser zu erkennen als von der anderen. Um Beschwerdeursachen besser einordnen zu können, werden besonders jene Zonen untersucht, die biomechanisch zur entsprechenden Typologie passen. In . Tabelle 2.5 ist die Zuordnung einzelner Regionen zur jeweiligen Typologie aufgeführt. (. Abb. 2.1–2.3) Ein Patient kann durchaus mehrere Ursache-Folge-Ketten (UFK) haben, die verschiedenen Typologien zuzuordnen sind. In diesem Fall gibt die Posturologie keinen richtungsweisenden Befund, sodass andere diagnostische Kriterien weiterführen müssen.
2.3
fasst. In der Osteopathie wurde die Thermodiagnostik von dem Franzosen J.P. Barral entdeckt. Er unterschied je nach Größe und Ausbreitung punktförmige, lineare, bandförmige, zirkuläre und weitere Zonen von Temperaturerhöhungen. Er gab diverse Zuordnungen von Körperabschnitten und thermischen Zonen an, nach denen eine hohe Differenzierung der Problematik über die Thermodiagnostik möglich wurde. Andere Osteopathen haben die Thermodiagnostik in verschiedene Richtungen verändert, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. Pathogenetisch entsteht durch Veränderungen des Gewebestoffwechsels eine lokale Temperaturabweichung, die manuell erfasst werden kann. Die Thermodiagnostik wird als schnelle Hilfe zum Auffinden von Beschwerdeursachen eingesetzt. Bei Unklarheiten oder dem Verdacht auf eine schwere Pathologie darf die Thermodiagnostik kein Ersatz für notwendige schulmedizinische Diagnoseausschlussverfahren sein. Die folgenden thermodiagnostischen Verfahren werden zur schnellen Lokalisation eines Problems durchgeführt: 5 Erster Untersuchungsschritt: Der Patient befindet sich in Rückenlage auf der Untersuchungsbank. In etwa 10 cm Abstand zur Haut bewegt der Osteopath seine Hand langsam und gleichmäßig über dem Patienten hin und her. Auffällig sind umschriebene Bereiche mit erhöhter oder auch geringerer Temperatur. Diese Stellen werden vom Osteopathen registriert und später genauer untersucht. 5 Im zweiten Schritt wird die Untersuchung in 50 cm Abstand zur Haut wiederholt.
Thermodiagnostik
Mit der Thermodiagnostik werden Veränderungen der Temperaturabstrahlung einzelner Körperregionen manuell er-
Die gefundenen Regionen auf 10-cm- bzw. 50-cm-Niveau haben folgende Zuordnung:
12
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
1 2 3 4 5 6 7 8
a
b
. Abb. 2.1. a Rotationstyp hochthoracal. b Rotationstyp Becken
. Abb. 2.2. Seitneigungstyp Beckenshift
9 . Abb. 2.3. Extensions-/Flexionstyp
Wichtig
10
Findet sich während der weiteren Untersuchung kein funktionelles Korrelat zur entsprechenden Zone, muss eine strukturelle Pathologie (insbesondere Entzündung, Tumor) ausgeschlossen werden.
11 12
i Tipps
13
Bei Frauen findet sich bereits in der Frühphase der Schwangerschaft sowohl im 10-cm- als auch im 50-cm-Handabstand ein sog. »Temperatur- Fön« im Bereich des Mittelpunktes zwischen beiden SIAS. Bereits ab dem 5.–7. Tag nach der Befruchtung, während der Einnistung in die Uterusschleimhaut, kann eine Temperaturerhöhung wahrgenommen werden.
14 15 16
2.4
17 18 19 20 21
5 10-cm-Zonen: funktionell mechanische oder strukturell mechanische/chemische Irritationen, wie z. B. Entzündungen etc., 5 50-cm-Zonen: fasziale oder emotionale Irritationen. Die Untersuchung wird anschließend in Bauchlage im 10 cm und 50 cm Abstand zur Haut durchgeführt. Ziel der Thermodiagnostik ist das Lokalisieren von veränderten Temperaturen. Diese Stoffwechselaktivitäten werden als mögliche Ursache für Beschwerden in der weiteren Befunderhebung genauer untersucht.
Listening
Listening (franz.: Écoute) wird sowohl in der Diagnose als auch in der Therapie eingesetzt. Der Ursprung liegt in der faszialen Osteopathie. Mit diagnostischen Listening-Techniken wird versucht, der faszialen Körperspannung zu folgen. Die Lokalisation einer Beschwerdeursache zeigt sich durch einen faszialen Zug zur gleichen Region an. Durch fasziale Spannungen entstehen propriozeptive Aktivitätsmuster. Zur Lokalisationsdiagnostik werden propriozeptive Reizänderungen genutzt. Ziel des diagnostischen Listenings ist die Lokalisation eines Problems.
13
2.4 · Listening
Wichtig Ein Listening gibt keinen Hinweis auf die Art der Störung.
Bei dem diagnostischem Listening wird zwischen dem sog. General Listening (7 Kap. 2.4.1) und dem Local Listening (7 Kap. 2.4.2) unterschieden.
5 Stehen bleiben: Zeigt der Patient eine stabile Position, die meist mit einer leichten Flexion, z. T. auch Seitneigung kombiniert ist, so liegt das Problem ventral subdiaphragmal.
2.4.2 Local Listening Mit dem »Local Listening« wird regional überprüft, ob und wo fasziale Spannungen vorhanden sind.
2.4.1 General Listening Das General Listening nutzt Änderungen der Körperfaszienspannung zur Lokalisationsdiagnostik. Die folgenden Untersuchungsschritte werden beim General Listening beachtet. 5 Der Patient steht auf dem Boden, die Füße stehen parallel etwa 10 cm auseinander. Der Osteopath steht seitlich neben dem Patienten. Eine Hand des Osteopathen wird mit einem sanften Druck von 20–30 Gramm auf den Kopf des Patienten gelegt, während die andere Hand leicht zwischen den Schulterblättern aufliegt. 5 Der Therapeut bittet den Patienten, die Augen zu schließen. Die Reaktion des Patienten wird durch die Lokalisation der Problematik bestimmt. Normalbefund: Nach ca. 4 Sekunden fällt der Patient ohne
weitere Reaktion »wie ein Brett« nach dorsal. Pathologien: Jede Bewegung des Patienten, die nicht vom ganzen Körper in einer Einheit geschieht, ist eine Normabweichung. Oft findet sofort nach dem Schließen der Augen eine Ausweichbewegung statt. Wichtig Als Merkhilfe gilt, dass der Patient durch die Bewegung »auf seine Läsion guckt«. Der Blick wird zur Lokalisation der Problematik gewandt.
Dabei bedeutet: 5 Flexion: Das Problem liegt ventral, daher fällt der Patient nach vorne. Je weiter sich der Patient nach vorne neigt, desto weiter caudal liegt die Problematik. 5 Extension: Das Problem liegt dorsal, daher fällt der Patient nach hinten. Je weiter sich der Patient nach hinten neigt, desto weiter caudal liegt die Problematik. 5 Seitneigung: Das Problem liegt auf der Seite, zu der sich der Patient neigt. Je mehr sich der Patient zur Seite neigt, desto weiter caudal liegt die Problematik. 5 Rotation: Die Rotation verstärkt das Ausmaß der Flexion/ Extension/Seitneigung. Je weiter die Problematik von der craniocaudalen Rotationsachse entfernt ist, desto mehr Rotation entsteht. 5 Einsinken: Der Patient scheint in sich zusammenzusinken, wenn eine Problematik im cranialen Bereich vorliegt. Ist das »Schrumpfen« mit einer Rotation kombiniert, so ist die Ursache meist eine Torsion der spinalen Dura mater.
Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Spannungen zu untersuchen: 5 Die Suche nach dem faszialen Zug (mechanisch) in Rü-
ckenlage. Diese Technik wird als Local Listening in Rückenlage bezeichnet. 5 Die Suche nach der Auswirkung des faszialen Zuges auf die arterielle Durchblutungssituation. Bei dieser Untersuchung wird das Local Listening im Sitz mit Hilfe der sog. Adson-Wright bzw. Sotto-Hall-Tests (. Abb. 2.5) durchgeführt.
Local Listening in Rückenlage Der Patient befindet sich in Rückenlage, während der Therapeut seine Hand mit einem minimalen Druck von ca. 20–30 g nacheinander an vier Positionen auf die ventrale Rumpfseite des Patienten legt. Mit dieser Methode werden die sog. »Faszienzüge« aufgesucht (. Abb. 2.4). Um einen möglichst genauen Befund zu erzielen, wird mit der Untersuchung am Becken begonnen und nach und nach bis zum oberen Thorax fortgefahren. Während der Untersuchung muss der Therapeut auf folgende Befunde achten: 5 Ausgangsstellung der Hände, 5 Abweichungen der Hände von der zu erwartenden Position. i Tipps Findet an der entsprechenden Handposition (. Abb. 2.4, 1–4) keine Abweichung statt, so liegt kein Faszienzug vor. Eine Abweichung zeigt stets in Richtung des Problems. Die Faszie versucht sich der Lokalisation einer Störung anzunähern. Dabei findet eine dreidimensionale Anpassung statt.
Wichtig Bei Lokalisationen unmittelbar unter der Hand, z. B. Pylorus, wird diese in die Tiefe gezogen. Es findet keine Abweichung zur Seite statt.
Local Listening im Sitz (Adson-Wright-/SottoHall-Test) Bei dem Test nach Adson-Wright, der auch als Sotto-Hall-Test bezeichnet wird, kann der Untersucher neben den arteriellen Pulsationen fasziale Irritationen bis zur oberen Thoraxfaszie überprüfen (. Abb. 2.5). Beim Testen werden beide Seiten
2
14
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
. Abb. 2.4. Local Listening in Rückenlage, Handpositionen (Bild 1–4)
1 2 3 4 5
4
3
5 Zunächst wird der Radialispuls bei hängendem Arm geprüft. 5 Anschließend bringt der Therapeut den Arm des Patienten passiv in eine 90°-Schulterabduktion bei gleichzeitiger 90°-Ellbogenflexion. Dabei wird der Oberarm des Patienten auf den Oberschenkel des Therapeuten abgelegt. Aus dieser Position wird die Radialispulsation weiterhin geprüft. i Tipps Um kein falsches Ergebnis zu erzielen, dürfen weder das Handgelenk noch der Schultergürtel des Patienten vom Untersucher abgestützt werden.
2
6 1
7 8 9 10 11
5 Bleibt die Pulsation unverändert, wird die HWS des Patienten vom Therapeuten in Seitneigung und Rotation zur Testseite gebracht. 5 Ist die Pulsation unverändert, besteht keine fasziale Einschränkung der oberen Thoraxfaszien. 5 Der Befund ist positiv, wenn die Pulsation der A. radialis durch die Vordehnung der oberen Thoraxfaszien ausfällt. 5 Zur weiteren Lokalisation sucht der Therapeut den Körper des Patienten Stück für Stück ab, indem er mit der freien Hand regional einen leichten Druck von ca. 40– 50 g ausübt. Der Druck wird direkt in die Tiefe ausgeführt (reines Handauflegen). Dieser Test wird zunächst auf einer Rumpfseite durchgeführt. Untersucht wird die ventrale, laterale und dorsale Rumpfseite von caudal nach cranial bis zu der Höhe, in der eine Pulsation wieder palpiert werden kann. 5 Die aufgefundene, etwa handtellergroße Stelle weist auf das fasziale Geschehen hin. 5 Findet sich auf der getesteten Seite kein Areal, in dem eine Pulsation getastet werden kann, wird die Suche auf der kontralateralen Seite fortgesetzt.
12 13 14
i Tipps
15
Ziel der Listening-Tests ist die Lokalisation der faszialen Irritation. Die Ursache der faszialen Irritation wird beim Listening nicht festgestellt.
16 17 18 19 20 21
2.5
Palpation
. Abb. 2.5. Adson-Wright-/Sotto-Hall-Test, Endposition
im Vergleich untersucht. Störungen der rechten Faszien werden normalerweise an der rechten A. radialis gefunden, während linksseitige Störungen im Bereich der linken A. radialis zu lokalisieren sind.
Durchführung Der Patient sitzt mit hängenden Armen auf der Untersuchungsbank. Der Osteopath steht mit aufgestelltem Bein hinter dem Patienten.
Mit Hilfe der Palpation können folgende Untersuchungsergebnisse erzielt werden: 1. Auffinden von Irritationen im Bereich von Dermatomen oder peripheren Hautnerven. − Ziel der Palpation kann z. B. sein, Störungen im Bereich von zugehörigen Segmenten zu erkennen. − Differenziert wird zwischen zentralen und peripheren Nervenirritationen. 2. Feststellen von Veränderungen des Bindegewebes. − Dabei treten bei trophischen Änderungen oder Irritationen von Organen Bindegewebszonen auf.
15
2.5 · Palpation
− Auch eine vermehrte Lympheinlagerung in bestimmte Hautzonen als Folge von neurolymphatischen Reflexen tritt auf. 3. Ermitteln von Veränderungen des Muskeltonus. − Diese können mechanisch oder nerval bedingt als Tonuserhöhung des gesamten Muskels auffallen. − Tonusveränderungen des Muskels können aber auch als sog. »Tenderpoints« (7 Kap. 2.5.4) oder auch als Mackenzie-Zone auffallen.
2.5.3 Bindegewebs-Zonen/Head-Zonen Da die viszeralen (Organ-) und parietalen (Haut-)Afferenzen im Bereich der Spinalnerven gemischt sind, werden 5 Probleme der inneren Organe auf entsprechende hyperalgische Zonen der Haut als sog. »Head-Zonen« (. Abb. 2.6), durch einen viscerocutanen Reflex projiziert. 5 Das Bindegewebe stellt sich mit seinen sog. »Bindegewebszonen nach Teirich-Leube« (. Abb. 2.7) durch viszeromuskuläre Reflexe, die auch als »muskuläre Maximalpunkte nach Kohlrausch« bezeichnet werden, dar.
2.5.1 Schwellung Schwellungen können posttraumatisch entstehen, mitunter auch nach einem Minimaltrauma aufgrund einer bekannten oder unbekannten Gerinnungsstörung. Häufige Ursache für Schwellungen können Hyper- bzw. Desensibilisierungen eines Dermatoms sein, die Ausdruck einer Störung im zugehörigen Rückenmarks-Segment sind. Alle Strukturen des zugehörigen Segments müssen daher als mögliche Ursache der Beschwerden näher untersucht werden: 5 Angiotom: segmentbezogene arterielle, venöse und lymphatische Gefäße. 5 Dermatom: Haut und Hautanhangsgebilde im jeweiligem Segment. 5 Myotom: Muskulatur im Bereich des Segmentes. 5 Sklerotom: Bindegewebe, Kapseln, Ligamente, Sehnen, Faszien, Lymphknoten, Knorpel, Knochen im Segmentbereich. 5 Viszerotom: Auf das Segment bezogenes Organgewebe. i Tipps Verursacht wird eine Schwellung auch durch die Wirkung von Gewebemediatoren, welche als lokale Antwort auf einen Gewebereiz ausgeschüttet wurden.
Wichtig Wie bereits in 7 Kapitel 2.5.1 erläutert, müssen sämtliche zugehörige Strukturen genau untersucht werden, da sie mitunter eine mögliche Ursache der Beschwerden sind.
Die Projektion der Head- sowie Bindegewebszonen und der muskulären Maximalpunkte ist in den . Abb. 2.6 bis 2.8 dargestellt.
2.5.4 Tender Points (Jones) Als Folge nicht-physiologischer Kontraktionen der Muskulatur entsteht eine Bewegungseinschränkung des betroffenen Gelenkes, die sich auch während einer Palpation als schmerzempfindlicher Bereich mit einer vermehrten Gewebespannung zeigt und als »Tender Point« bezeichnet wird. Ausgelöst wird dieser Zustand durch abnorme Spannungen, die infolge von Irritationen der nicht-adaptiven, tonusregulierenden Kernkettenfasern entstehen.
Zwerchfell
2.5.2 Schmerz Bei Schmerzen wird differenziert, ob der ausgelöste Schmerz der Problematik des Patienten entspricht oder ob ein unbekannter Schmerz besteht, der Folge einer nozizeptiven Sensibilisierung ist. Zur Beurteilung gehört daher immer während einer Palpation die Frage nach Ausstrahlung, Charakter, Stärke sowie Dauer des Schmerzes (7 Kap. 2.1).
Th1 Th2 Th3 Th4
Herz Ösophagus
Th5 Th6 Th7 Th8 Th9
Magen Leber/Gallenwege
Wichtig
Th10
Dünndarm
Wichtig ist es, Schmerzen zu beachten, die nach Beendigung der Palpation noch für einige Zeit (1–3 Minuten) nachklingen. Diese Symptome können ein Hinweis auf Entzündungen oder andere schwere Pathologien sein und stellen oft eine Kontraindikation zur Behandlung dar.
Th11 Th12
Dickdarm Niere/Hoden Harnblase
. Abb. 2.6. Head-Zonen
2
16
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
1 2 3
Armzone Magen
4
LeberGallenzone
5
Darmzone
6
(Dysmenorrhoe)
7
Kopfzone
(Diarrhoe)
Genitalzone
VenenLymphzone
Darmzone
(Obstipation)
Genitalzone
(Hypomenorrhoe)
arterielle Beinzone
Blasenzone
8 9
. Abb. 2.7. Bindegewebszonen
10 11
Bronchien Migräne
Migräne
Trachea
12
Herz
Niere
Herz
13 14
Trachea
Bronchien (Asthma) Pankreas Leber/Galle
Darm
Magen
15
weibl. Genitale Obstipation
16
Leber/Galle
Niere Sigmoid/Rectum
Obstipation (ARO)
17 18 19 20 21
. Abb. 2.8. Muskuläre Maximalpunkte (nach Kohlrausch)
Nach dem Osteopathen L.H. Jones werden die »Tender Point« auch als sog. »Jones-Punkte« oder als »Strain-Counterstrain« bezeichnet. i Tipps Im Zusammenhang mit Tender Points finden sich am Bewegungsapparat oft auch gesteigerte Muskeleigenreflexe.
Jeder Tender Point ist spezifisch für eine bestimmte Läsion. So können mit Hilfe der Jones-Punkte Läsionen gefunden werden, die durch neurophysiologische Irritationen entstanden sind. i Tipps Das Auffinden von Jones-Punkten ist wegweisend für die Therapie einer Läsion.
2
17
2.6 · Funktionstests
Wichtig Parietale Läsionen, die nicht auf Basis neurophysiolgischer Irritationen entstanden sind, können nicht über die Jones-Punkte-Diagnostik gefunden werden.
serkissen« entstehen als Folge einer vermehrten Einlagerung von Lymphflüssigkeit in das Bindegewebe. Die Lokalisation der Organzonen (. Abb. 2.9) sowie die Therapie und Behandlung von Chapman-Punkten sind in Kapitel 5.2 aufgeführt.
Durchführung
2.6
Der entspannt sitzende oder liegende Patient wird vom Osteopathen in den drei Ebenen E/F, Seitneigung und Rotation so positioniert, dass die palpierte Spannung des Punktes nicht mehr wahrnehmbar bzw. minimiert ist. In dieser Position wird der Patient für etwa 90 Sekunden belassen. Anschließend muss der Patient langsam in die neutrale Position zurückgebracht werden. Die Therapie ist erfolgreich, wenn bei der anschließenden Palpation kein Tender Point mehr aufzufinden ist.
Funktionstests stellen die nächste Stufe der Diagnostik dar. Mit Hilfe dieser Tests wird die Funktion der jeweiligen Struktur, wie z. B. Knochen, Gelenke, Muskeln, Kapseln und Bänder, untersucht. Mechanische Dysfunktionen geben einen Hinweis auf eine Störung der Homöostase des Patienten und müssen daher näher untersucht werden.
Funktionstests
2.6.1 Axiales System 2.5.5 Chapman-Punkte F. Chapman hat den Zusammenhang zwischen viszeralen Irritationen und Zonen des Unterhautbindegewebes mit vermehrter Einlagerung von Lymphflüssigkeit als neurolymphatische Reflexe beschrieben. Bei der Palpation von ChapmanPunkten kann an einer für das jeweilige Organ spezifischen Zone eine Art »Wasserkissen« getastet werden. Diese »Was-
Das axiale System besteht aus: 5 den Kopfgelenken, 5 den Wirbelgelenken mit Facetten- und Intervertebralgelenken, 5 Rippenwirbelgelenken, 5 dem Sacrum und dem Sacrococcygealgelenk.
Nasennebenhöhlen (Querfortsätze C3, C4, C5)
Nasennebenhöhlen (1. + 2. Rippe medioclaviculär)
Schilddrüse + Nebenschilddrüse + Herz (Angulus von Ludovici)
Lunge Gallenblase (5. + 6. Rippe rechts!)
Oesophagus (6. Rippe links)
+ Magen Duodenum (6. + 7. Rippe links)
+ Milz Niere (Psoas Höhe L3)
Rectum (vordere Hüftgelenkskapsel)
Uterus + Ovar + Prostata (Vastus lat.)
+ Harnblase (Pubis symph.)
a . Abb. 2.9. Chapman-Punkte
Nebenschilddrüse
Lunge
(dorsale Schultergelenkskapsel)
Gallenblase
Leber (Costotransversalgelenk 6 rechts!)
Oesophagus + Magen
Milz + Pankreas Pankreas
Nebeniere
Herz Herz + Schilddrüse
I-C-Klappe + Caecum (Tr. iliotibialis li. cranial)
+ li. + re. Colon + Sigmoid Duodenum
(Costotransversalgelenk 6 + 7 links)
Harnblase
Duodenum (Costotransversalgelenk 7–10)
Nebenniere( Th12) Niere + Thymus I-C-Klappe + Caecum (Querfortsätze L2- L4)
+ li. + re. Colon + Sigmoid
(OS-Innenseite)
+ IT
b
Rectum + Uterus + Ovar + Uterus + Prostata
18
1 2 3
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
. Tabelle 2.6. Beziehungen des axialen Systems insbesondere zu den Organsystemen Beziehungen
WirbelsäulenSegment
(Organ-)Systeme
Vagus (parasympathisch) Ggl. cervicale superius (orthosympathisch) Augenstellreflex (mechanisch)
C0–2/ OAA
Kopf-/Halsorgane (orthosympathisch/parasympathisch) Herz, Lunge, Thymus, Ösophagus, Magen, Milz, Pankreas, Duodenum, Leber, Gallenblase, Dünndarm, Caecum, Colon ascendens, Colon transversum, Nebennieren, Nieren, oberes 1/3 Ureter (parasympathisch)
Phrenicus (faszial)
C3–5
Kopf-/Halsorgane, Herz, Lunge, Thymus, Ösophagus, Magen, Milz, Pankreas, Duodenum, Leber, Gallenblase, Dünndarm, Caecum, Colon ascendens, Colon transversum, Nebennieren, Nieren, oberes 1/3 Ureter
Lig. cervicopleur (mechanisch) Ggl. cervicale medium (orthosympathisch)
C6–7
Herz, Lunge, Ösophagus, Magen, Milz, Pankreas, Duodenum, Leber, Gallenblase, Nieren
Ggl. stellatum (orthosympathisch) Plexus pulmonalis (orthosympathisch) Plexus cardiacus (orthosympathisch) Truncus sympatheticus (orthosympathisch)
T1–5/Costa 1–5
Kopf-/Halsorgane, Herz, Lunge, Thymus, Ösophagus
Ggl. coeliacum (orthosympathisch) Truncus sympatheticus (orthosympathisch)
T6–9/Costa 6–9
Magen, Milz, Pankreas, Duodenum, Leber, Gallenblase
Ggl. mesentericum superius (orthosympathisch) Truncus sympathicus (orthosympathisch)
T10–11/Costa 10–11
Dünndarm, Caecum
Ggl. mesentericum inferius (orthosympathisch) Truncus sympatheticus (orthosympathisch)
T12–L2/Costa 12
Colon ascendens, Colon transversum, Colon descendens, Sigmoid, Nebennieren, Nieren, Ureter, Beckenorgane, Geschlechtsorgane
Untere Exträmität (mechanisch)
L3
Ilium (mechanisch)
L4
Sacrum (mechanisch)
L5
Plexus sacralis (parasympathisch) Truncus sympathicus (orthosympathisch)
S2–4 Sacrum
Untere 2/3 Ureter, Colon descendens, Sigmoid, Beckenorgane, Geschlechtsorgane
Ggl. impar (orthosympathisch)
Coccyx
Beckenorgane
4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
In . Tabelle 2.6 sind die Beziehungen des axialen Systems zu dem vegetativem Nervensystem sowie den Organsystemen dargestellt.
Irritationen von Wirbeln: Gruppenläsion oder Läsion eines einzelnen Wirbels Gruppenläsionen 5 Gruppenläsionen weisen stets auf eine Irritation im zugehörigen Segment hin. Die entsprechenden Organe, Gefäße, Muskeln, Haut, Bindegewebe und Knochen werden bei einem positiven Befund auf ursächliche Störungen untersucht. 5 Zur Korrektur wird zunächst die ursächliche Struktur erfasst und mobilisiert. Im Anschluss kann die betroffene Wirbelregion behandelt werden.
5 Gruppenläsionen werden als Restriktionen bezeichnet. Restriktionen sind Bewegungseinschränkungen über mehrere Etagen in eine bestimmte Richtung.
Läsionen eines einzelnen Wirbels 5 Die Läsion eines einzelnen Wirbels wird »monolytisch« genannt und tritt oft als Dekompensation auf. Dies geschieht entweder posttraumatisch oder als Folge einer massiven segmentalen Störung, wie z. B. bei einem Pylorusspasmus. 5 Die Korrektur erfasst zunächst den Wirbel. Am besten eignen sich hierfür manipulative Techniken oder JonesTechniken. 5 Einzelne Wirbelläsionen werden als monolytische Läsionen bezeichnet. Monolytische Läsionen sind Blockaden,
19
2.6 · Funktionstests
. Tabelle 2.7. Biomechanik der Wirbelsäule
C0
In der . Abb. 2.10 ist ein Normalbefund des axialen Systems dargestellt, der sich für eine schnelle Befunddokumentation in der täglichen Praxis eignet.
Gruppen-Restriktion
Monolytische Blockade
C0 bilateral Extension oder Flexion
C0 E oder F SXRY
2.6.2 Übrige Mobilitäten (parietal und
C1 RX oder Shift X
Das parietale System wird im Anschluss an das axiale System auf funktionelle oder strukturelle Dysfunktionen untersucht. Neben den einzelnen Tests kann folgender Schnelltest des parietalen Systems durchgeführt werden: 1. Iliosacrale Funktionen − Rotation Ant./Post., − In-/Out-Flare, − ARO/IRO 2. Fibula − cranial/caudal als Überprüfung auf Dysfunktionen und Ursache-FolgeKetten (UFKs) der unteren Extremität. 3. Clavicula − SCG − ACG als Test auf UFKs der oberen Extremität.
C1 C2–T4
Mehrere Wirbel in E oder RXSX
Ein Wirbel in E oder F R XSX
T5–L5
Mehrere Wirbel in NSXRY
Ein Wirbel in E oder F R XSX
die mit einer Bewegungseinschränkung auf einer Etage in eine bestimmte Richtung einhergehen. Um die Gruppenläsionen von einer monolytischen Läsionen zu unterscheiden, wird die biomechanische . Tabelle 2.7 zugrunde gelegt: 5 X und Y bezeichnen die Richtung L=links oder R=rechts, 5 wobei X und Y die entgegengesetzten Richtungen symbolisieren.
craniosacral)
. Abb. 2.10. WS-Normalbefund
2
20
1 2
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
Wichtig Ergibt der Schnelltest des parietalen Systems keine Dysfunktionen an ISG/Fibula bzw. der Clavicula, sind keine funktionell bedeutsamen Läsionen an der entsprechenden Extremität zu erwarten.
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Um das craniosacrale System zu untersuchen, sind verschiedene Methoden möglich. Zur Basisdiagnostik zählt die Palpation des primär respiratorischen Mechanismus (P.R.M.), auf die in diesem Buch jedoch nicht näher eingegangen wird. Da die »Ten Steps Procedure« diagnostische und therapeutische Aspekte vereint, wird sie unter den Therapiekonzepten (7 Kap. 5) ausführlicher beschrieben.
Viszeraler ISG-Inhibitionstest Bei positivem Vorlauftest eines ISG wird der Patient gebeten, seinen Bauch mit beiden Händen leicht anzuheben. Dabei wird erneut der Vorlauftest im Stand ausgeführt. Ist das Vorlaufphänomen bei angehobenem Bauch verschwunden, liegt ein »viszeraler Vorlauf« vor, der mit Hilfe einer Organmobilisation korrigiert werden kann
2.6.4 Neurologie Die neurologische Untersuchung gehört zu jeder klinischen Untersuchung eines Patienten. Stichwortartig wird in den . Tabellen 2.8–2.16 auf einige Systeme hingewiesen, die bei jeder neurologischen Testuntersuchung geprüft werden sollten.
2.6.3 Viszerale Funktionen
2.7
Die viszeralen Funktionen werden über das vegetative Nervensystem ortho- und parasympathisch gesteuert. Bei viszeralen Dysfunktionen sind daher fast immer Irritationen des axialen Systems zu erwarten (7 Kap. 2.6.1, Tabelle »Axiales System«).
Durch Provokationstests soll vor allem ein Ausschluss möglicher Kontraindikationen erfolgen. Das Prinzip der Provokation bleibt dabei für die unterschiedlichen Lokalisationen und Strukturen stets identisch. 5 Dehnung: aktiv und passiv 5 Annäherung: aktiv und passiv 5 Kontraktion: aktiv 5 Kompression: passiv 5 Distraktion: passiv 5 Perkussion: passiv
Zusätzlich können die Faszien, die jedes Organ »wie ein Mantel« umhüllen, bei mechanischen viszeralen Affektionen irritiert werden. Folge einer Faszienirritation ist eine Provokation des N. phrenicus, womit gleichzeitig die Segmente C3–5 gereizt werden. Aufgrund der faszialen Umhüllung lösen fasziale Irritationen viszeral immer auch Zirkulationsprobleme aus. Die Wiederherstellung der viszeralen Mobilität, der sog. Organbeweglichkeit durch die Zwerchfellbewegung, ist daher von großer Bedeutung. Ein weiterer wichtiger Aspekt der viszeralen Funktion ist die Eigenbewegung der Organe, die als Motilität bezeichnet wird. Viszerale Dysfunktionen können mit Hilfe folgender Tests untersucht werden: 5 Untersuchung des axialen Systems (neurovegetativ), 5 Local Listening (faszial), 5 Phrenicus-Provokationstest (faszial), 5 viszeraler ISG-Inhibitionstest (faszial).
Da auf die Untersuchung des axialen Systems (7 Kap. 2.6.1) sowie auf das Local Listening (7 Kap. 2.4.2) bereits eingegangen wurde, werden im Folgenden lediglich der Phrenicus-Provokationstest und der viszerale ISG-Inhibitionstest aufgeführt.
Phrenicus-Provokationstest Der Therapeut drückt mit beiden Zeigefingern zwischen den sternalen und claviculären Kopf des M. sternocleidomastoideus in dorsocaudale Richtung. Normal ist ein unangenehmes dumpfes Druckgefühl. Beschreibt der Patient hingegen einoder beidseitig »helle Schmerzen«, liegen Zeichen einer Irritation des N. phrenicus vor. Ursache hierfür ist oft eine viszerale Irritation.
Provokationstests
Für jeden dieser Tests ist Schmerz ein Hinweis auf eine funktionelle oder strukturelle Störung. Wichtig Vor einer osteopathischen Behandlung muss die Ursache des provozierten Schmerzes gefunden werden.
Erst wenn dem Therapeuten genau bekannt ist, warum der Provokationstest positiv ist, kann und darf er therapeutisch tätig werden. Bestehen Zweifel an der Ursache des Schmerzes, muss zunächst eine weitere Abklärung erfolgen, ggf. mit Hilfe apparativer Diagnostik, wie z. B. Labor, bildgebende Verfahren etc. Die Provokationstests dienen aber auch dazu, eine Verdachtsdiagnose aus den vorangegangenen diagnostischen Maßnahmen zu bestätigen bzw. zu verwerfen.
5 Besteht z. B. der Verdacht dass eine ligamentäre Struktur Ursache der Beschwerden ist, tritt während der aktiven sowie passiven Provokation ein Dehnungsschmerz am Ligament auf. 5 Reagiert die gesuchte Struktur zwar bei aktiver Dehnung mit Schmerz, bei passiver Dehnung jedoch nicht, kann das verdächtigte Ligament ausgeschlossen werden. 5 Sind die aktive Annäherung sowie die aktive Dehnung schmerzhaft, eine passive Annäherung und passive Deh-
21
2.7 · Provokationstests
. Tabelle 2.8. Hirnnerven Hirnnerv
Befunde/Tests
I
Gibt es Störungen bei der Geruchsempfindung/beim Riechen?
II, III, IV, VI
Sehstörungen bekannt, Akkomodation prüfen, Finger-Folge-Versuch, Gesichtsfeldausfälle Pupillenreaktion direkt/indirekt, Nystagmus
V, V1/V2/V3
Nervenaustrittspunkte, Kaumuskulatur palpieren, Masseter-Reflex, (evtl. Kornealreflex)
VII
Wangen aufblasen, Lidschluss, mimische Muskeln palpieren, Tränensekretion, Glabellareflex Geschmack vordere 2/3 Zunge, evtl. Hyperakusis
VIII
Leise sprechen/flüstern, nach Hörstörungen fragen, nach Gleichgewichtsstörungen, lagebedingtem Schwindel fragen
IX
Geschmack hinteres 1/3 Zunge, Würgereflex, Sensibilität hinteres Zungendrittel
X
Reaktion Herz (Herzrasen/-stolpern), Atmung, Darm (Obstipation/Diarrhö) Abweichung Gaumensegel. Heiserkeit
XI
Palpation M. sternocleidomastoideus/M. trapezius, Schulter gegen Widerstand hochziehen
XII
Zunge herausstrecken (Abweichung zur kranken Seite?), Zungenmotorik
. Tabelle 2.9. C1–T2 Segment
Kennmuskel
Muskeltest
C1
Kurze Rotation OAA
»Kleines Ja«
C2
Kurze Rotation OAA
»Großes Ja«
Occiput, hinter dem Ohr
C3
M. levator scapulae
Schulter hochziehen
Gesamter Hals
C4
Zwerchfell
Atemfunktion
Cranial Schulter, Dekolletee
C5
M. deltoideus
ABD Arm/Schulter
Brachioradialisreflex/ N. radialis
Lateral Schulter über Deltoideus
C6
M. biceps brachii
UA Flexion
Bizepssehnenreflex/ N. musculocutaneus
Radialseite OA/UA/Hand: Daumen
C7
M. triceps brachii
UA Extension
Trizepssehnenreflex/ N. radialis
Handmitte, 2.–4. Finger
C8
Mm. adductor pollicis / abductor digiti minimi
Adduktion Pollex in Extension Abduktion digiti minimi
Fingerbeugereflex
Ulnare Handkante, Kleinfinger
T1
Mm. interossei
Gespreizte Finger Adduktion
T2
nung hingegen nicht, ist eine muskuläre Struktur Ursache der Beschwerden, da diese sowohl bei aktiver Dehnung als auch bei aktiver Annäherung mit Schmerz reagiert.
Reflex/Nerv
Sensibilität
Ulnarseite UA Ulnarseite OA
2
22
1
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
. Tabelle 2.10. L1–S5 Segment
Kennmuskel
Muskeltest
Reflex/Nerv
Sensibilität
L1
M. psoas
Hüftbeugung
Cremaster
Suprainguinal+dorsales Band
L2
Adduktoren Hüfte
Hüftadduktion
Cremaster
Infrainguinal Oberschenkel+dorsales Band
L3
M. quadriceps
Knieextension
Adduktoren/ N. obturatorius
Vom Trochanter major zum Knie ziehend
L4
M. tibialis anterior
Fußdorsalflexion
PSR/N. femoralis
Lateraler Oberschenkel, medialer Unterschenkel, medialer Fußrand
L5
Großzehenheber
Großzehenextension
Lateraler Unterschenkel, Fußrücken, Großzehe
6
Tibialis posterior/N. tibialis
S1
Fußbeuger
Fußplantarextension
TSR/N. tibialis
Poplitea, dorsolateraler Unterschenkel, Fußaußenrand
7
S2
Zehenbeuger
Zehenflexion
8
S3
Analreflex
Reithose
S4
Analreflex
Perianal
S5
Analreflex
Anal
2 3 4 5
9
Scrotum, dorsaler Oberschenkel, dorsomedialer Unterschenkel
10 11
. Tabelle 2.11. Differenzierung zentrale/periphere Lähmung Kriterium
Zentrale Lähmung
Periphere Lähmung
Muskelkraft
Vermindert mit Einbuße der Feinmotorik
Vermindert mit peripherem Verteilungsmuster
Muskeltonus
Spastische Tonuserhöhung
Hypotonus
Eigenreflexe
Gesteigert
Hypo- oder Areflexie
14
Fremdreflexe
Abgeschwächt/fehlend
Normal (oder bei gelähmtem Erfolgsmuskel ausgefallen)
15
Pathologische Reflexe
Vorhanden
Keine
Muskelatrophie
Keine
Neurogene Muskelatrophie
12 13
16 17 18 19 20 21
23
2.7 · Provokationstests
. Tabelle 2.12. Pyramidenbahnzeichen (pathologische Reflexe) Pyramidenbahnzeichen
Test
Pathologischer Reflex
Leri-Vorderarmzeichen
Passive Beugung von Fingern und Handgelenk
Mitbewegung des Ellbogens ist physiologisch. Eine einseitige Abschwächung pathologisch
Wartenberg-Daumenzeichen
Aktive Beugung des 2.–4. Fingers gegen Widerstand
Beugung des Daumens
Babinski-Zeichen
Bestreichen des lateralen Fußrandes
Dorsalflexion der Großzehe, Spreizung der 2.–5. Zehe
Gordon-Zeichen
»Kneten« der Wade
Dorsalflexion der Großzehe, Spreizung der 2.–5. Zehe
Oppenheim-Zeichen
Bestreichen der Tibiakante
Dorsalflexion der Großzehe, Spreizung der 2.–5. Zehe
Chaddock-Zeichen
Druck auf Malleolus lateralis
Dorsalflexion der Großzehe, Spreizung der 2.–5. Zehe
Strümpell-Zeichen
Beugung des Knies gegen Widerstand
Supination des Fußes
Bing-Reflex
Beklopfen des Fußrückens am Fußgelenk
Plantarextension des Fußes
Mendel-Bechterew-Zeichen
Perkussion des lateralen Fußrandes
Plantarextension und Spreizung der 2.–5. Zehe
Marie-Foix-Zeichen
Passive Plantarextension der Zehen
Beugung von Knie und Hüfte
Monakow-Zeichen
Bestreichen des lateralen Fußrands
Hebung des lateralen Fußrands
. Tabelle 2.13. Wahrnehmungstests Wahrnehmungstest
Durchführung
Lageempfinden
Der Patient soll mit geschlossenen Augen eine vom Therapeuten an der Gegenseite vorgegebene Position der Extremität nachstellen
Vibrationsempfinden
Wird durch das Aufsetzen einer schwingenden neurologischen Stimmgabel auf hautnahe Knochen geprüft
Bewegungsempfinden
Der Therapeut umfasst seitlich die Endglieder von Fingern oder Zehen und führt passive Beuge- oder Streckbewegungen aus, die der Patient benennen soll
Temperaturempfinden
Kalt-/Warm-Prüfung
Schmerzempfinden
Wird mit spitzer Nadel geprüft
Berührungsempfinden
Das stumpfe Empfinden wird mit Fingerkuppe/Wattebausch/Pinsel geprüft
Zwei-PunkteDiskrimination
Mit einem Stechzirkel wird der Abstand zweier spitzer Punkte so lange vergrößert, bis die zwei Punkte getrennt wahrgenommen werden
2
24
1
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
. Tabelle 2.14. Koordinationstests Koordinationstest
Durchführung
Finger-Nase-Test
Der Patient soll mit geöffneten/geschlossenen Augen in weitem Bogen die Zeigefinger auf die Nase zu bewegen
Finger-Finger-Test
4
Der Patient soll mit geöffneten/geschlossenen Augen in weitem Bogen die Zeigefinger aufeinander zu bewegen, sodass sie sich schließlich treffen
Barany-Test
Der Patient soll mit geöffneten/geschlossenen Augen den erhobenen Zeigefinger von oben senkrecht auf ein Ziel zu bewegen und es treffen
5
Knie-Hacke-Test
Der Patient soll mit geöffneten/geschlossenen Augen die Ferse auf das gegenüberliegende Knie (Patella) bringen und dann damit auf dem Schienbein zum Knöchel herabrutschen
6
Diadochokinese-Test
Der Patient soll schnell aufeinander folgende Pro- und Supinationsbewegungen bei gebeugtem Ellbogen (Glühbirne eindrehen) durchführen
7
Rebound-Test
Der Patient drückt seine Extremität gegen den Widerstand des Therapeuten, der plötzlich mit seinem Widerstand aufhört. Das überschießende Zurückschnellen der Extremität (Rebound) ist Zeichen einer cerebellären Störung
Steh-Prüfung (Romberg)
Der Patient stellt die Füße zusammen und streckt die Arme nach vorne aus. Nach Augenschluss sollte er ruhig stehen bleiben. Bei vestibulären Störungen oder Problemen der Tiefensensibilität ist dies nicht möglich
Unterberger-Tretversuch
In Ausgangsstellung des Romberg-Versuchs soll der Patient auf der Stelle treten. Drehungen über 45° sind pathologisch und deuten z. B. auf eine vestibuläre Störung hin
Sterngang-Test
Der Patient geht mit geschlossenen Augen mehrfach zwei Schritte vor und wieder zurück. Bei Störungen des Vestibulärorgans dreht sich der Patient mehr und mehr zur Seite des Labyrinth-Ausfalls
Gang-Prüfung
Der Patient führt den freien Gang, den Blindgang und den Seiltänzergang vor. Leichte Paresen werden beim Hüpfen deutlicher. Mit geschlossenen Augen fallen spinale Ataxien verstärkt auf. Gangstörungen treten als spinale, cerebelläre oder periphere Ataxien auf
2 3
8 9 10 11 12 13 14
. Tabelle 2.15. Vegetatives Nervensystem
15
Vegetative Funktion
Durchführung
Blasen-/Mastdarm-Funktion
Nach Störungen fragen
16
Puls/Blutdruck
Messung zeigt Unregelmäßigkeiten
Atmung
Atemrhythmus und -frequenz bestimmen
Verdauungsfunktion
Anamnestisch nach Störungen suchen
Dermographismus
Zu lange Rötung der Haut oder blass bleibende Haut sind pathologische Zeichen, die auf eine akute oder chronische Hyperorthosympathikotonie hinweisen
Schweißsekretion
Störungen der Schweißsekretion sind an Armen und Beinen nicht bei Nervenwurzelläsionen, sondern nur bei Plexus- und peripheren Nervenschädigungen zu erwarten
17 18 19 20 21
25
2.10 · Anhang
. Tabelle 2.16. Psychischer Befund
2.8
Psychischer Aspekt
Pathologien
Bewusstsein (Vigilanz)
Klar, benommen, somnolent, soporös, komatös
Orientierung
Zu Person, Ort, Zeit und Situation
Merkfähigkeit (Gedächtnis)
Fragen zur Prüfung von Neu- und Alt-Gedächtnis sowie auf zwischenzeitliche Gedächtnislücken (Amnesien)
Konzentration
Fähigkeit, bestimmte gedankliche Leistungen konsequent und folgerichtig durchzuführen. Störungen sind Fahrigkeit, Abgelenktheit, Schwierigkeiten, sich längere Zeit zu konzentrieren
Spontaner Antrieb
Situationsgerecht, gesteigerter Antrieb (Unruhe, Hektik) oder Antriebsmangel (Lethargie)
Stimmung
Ausgeglichen, depressiv, aggressiv
Affektion
Affektstörungen sind inadäquate Reaktionen (Weinen, Lachen, Schreien, Ängste) auf eine bestimmte Situation
Wahrnehmungsstörungen
Illusionäre Verkennung (Verfälschung realer Objekte in der Wahrnehmung) oder Halluzination (Trugbilder)
Denkvermögen
Verlangsamung (Bradyphrenie) oder Hemmung (Demenz, symptomatische Psychose) des Denkens oder formale Denkstörung (schizophrene Psychose, endogene Depressionen)
Apparative Diagnostik
Die apparative Diagnostik wird ausführlicher in Kapitel 3 »Safety« dargestellt. Sie dient dem Ausschluss von Kontraindikationen bzw. der Differenzialdiagnostik, wenn die vorangegangenen Untersuchungen auf ernsthaftere Erkrankungen schließen lassen oder nicht zu endgültigen Ergebnissen führen konnten.
2.9
Dokumentation
Für die Befunddokumentation gibt es 2 Möglichkeiten: 1. Sämtliche Untersuchungsschritte und deren Ergebnisse werden schriftlich dokumentiert. − Dies hat den Vorteil, dass für jeden einzelnen Patienten die Existenz der gesamten Untersuchung für alle physiologischen und pathologischen Befunde im Einzelfall schriftlich festgehalten ist. − Nachteil dieser Methode ist der hohe Zeitaufwand. 2. Es wird schriftlich ein Basisstandard festgelegt, nach dem die Untersuchung jedes einzelnen Patienten abläuft. Schriftlich dokumentiert werden müssen dann beim einzelnen Patienten nur abweichende Untersuchungsstandards sowie Pathologien, die vom Normbefund abweichen. Für den einzelnen Patienten reicht in der schriftlichen Dokumentation dann die Nennung der pathologischen (von der Norm abweichenden) Befunde sowie der Abweichung von dem Untersuchungsstandard. − Ein Vorteil dieser Methode ist der geringe Zeitaufwand und die bessere Übersichtlichkeit.
−
Der Nachteil dieser Dokumentation ist jedoch, dass für den einzelnen Patienten die erhobenen Normbefunde nicht explizit als unauffälliger Befund schriftlich aufgeführt wurden. Dieses wird aber pauschal durch den Praxisstandard festgelegt.
2.10 Anhang Nachfolgend sind die Fragebögen Spezielle Anamnese und Allgemeine Anamnese zum Fotokopieren abgebildet. Um den Fragebogen zur Speziellen Anamnese für Übungszwecke benutzen zu können, ist es sinnvoll, die bereits mit Kreuzen markierte Tabelle (Kontrollbogen) auf eine Folie zu fotokopieren, um sie bei Bedarf als »Kontrollvorlage« zu verwenden. Die Fragebogenformulare zur Speziellen Anamnese und zur Allgemeinen Anamnese können in der Praxis als Fotokopien eingesetzt werden.
2
5 6
X
7 8
Ruheschmerz
X X
X
Tiefer Schmerz
X
Dumpfer Schmerz
X
Heller Schmerz
9
Psychische Erkrankung
(Sofortiger) Belastungsschmerz
Endokrine (Hormonelle) Störung
X
Metabolisch Toxinbelastung
Nachtschmerz
Neurovegetativ Vegetative Reaktion
X
PNS Kraft/ Sensibilität
Dauerschmerz
ZNS Sinne
X
Lymphatischer Stau
4
Venöser Stau
Schmerzprogredienz
3
Arteriell DBS
Anamnese-Fragen:
2
Muskulär verkürzt/gedehnt
. Spezielle Anamnese-Fragen: Kontrollbogen Kapsulär/ligamentär verkürzt/gedehnt
1
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
Knöchern/artikulär/ -itis/Metastasen
26
X
Brennender Schmerz
X
10
Bilateraler Schmerz
X
X
Wandernder Schmerz
X
X
11
Längere Bewegung verschlimmert Schmerz
X
X
12
Belastete Bewegung verschlimmert Schmerz
X
X
13
Unbelastete Bewegung verschlimmert Schmerz
14
Belastete Bewegung verbessert Schmerz
15
Unbelastete Bewegung verbessert Schmerz
X
16
Schmerz in gleicher Position für längere Zeit
X
Morgensteifigkeit
X
X
X
17
X
X
X
Schmerzausstrahlung im Muskelverlauf
X
X
18
Schmerzausstrahlung radikulär
X
19
Schmerzausstrahlung im Nervenverlauf
X
20
Krampfartiger Schmerz, Krämpfe
21
X
Diffuser/wechselnder Schmerz Kältegefühl, kalte Haut Wärmegefühl, warme Haut
X X
X X
2
27
2.10 · Anhang
Müdigkeitsgefühl der Extremitäten
X
Schweregefühl der Extremitäten
X
Blasse Hautfarbe
X
Rotblaue Hautfarbe Schwellung, Schwellneigung
X X
X X
X
X
Störungen der Sinnesorgane
X
Störungen des Bewusstseins
X
Kraftmangel (Paresen)
X
Sensibilitätsstörungen
X
Änderung des Schwitzens
X
X
X
Änderung des Schlafs
X
X
X
X
X
Änderung der Müdigkeit/ Konzentration
Psychische Erkrankung
Endokrine (Hormonelle) Störung
Metabolisch Toxinbelastung
Neurovegetativ Vegetative Reaktion
PNS Kraft/ Sensibilität
ZNS Sinne
Lymphatischer Stau
Venöser Stau
Arteriell DBS
Muskulär verkürzt/gedehnt
Kapsulär/ligamentär verkürzt/gedehnt
Anamnese-Fragen:
Knöchern/artikulär/ -itis/Metastasen
. Spezielle Anamnese-Fragen: Kontrollbogen (Fortsetzung)
5
Schmerzprogredienz Dauerschmerz Nachtschmerz
6
(Sofortiger) Belastungsschmerz
7
Ruheschmerz
8
Dumpfer Schmerz
Tiefer Schmerz
Heller Schmerz
9
Brennender Schmerz
10
Bilateraler Schmerz
11
Längere Bewegung verschlimmert Schmerz
12
Belastete Bewegung verschlimmert Schmerz
13
Unbelastete Bewegung verschlimmert Schmerz
14
Belastete Bewegung verbessert Schmerz
15
Unbelastete Bewegung verbessert Schmerz
16
Schmerz in gleicher Position für längere Zeit
17
Wandernder Schmerz
Morgensteifigkeit Schmerzausstrahlung im Muskelverlauf
18
Schmerzausstrahlung radikulär
19
Schmerzausstrahlung im Nervenverlauf
20
Krampfartiger Schmerz, Krämpfe
21
Diffuser/wechselnder Schmerz Kältegefühl, kalte Haut Wärmegefühl, warme Haut
Psychische Erkrankung
Endokrine (Hormonelle) Störung
Metabolisch Toxinbelastung
Neurovegetativ Vegetative Reaktion
PNS Kraft/ Sensibilität
ZNS Sinne
Lymphatischer Stau
4
Venöser Stau
3
Arteriell DBS
Anamnese-Fragen:
2
Muskulär verkürzt/gedehnt
. Spezielle Anamnese: Fragebogen Kapsulär/ligamentär verkürzt/gedehnt
1
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
Knöchern/artikulär/ -itis/Metastasen
28
2
29
2.10 · Anhang
Müdigkeitsgefühl der Extremitäten Schweregefühl der Extremitäten Blasse Hautfarbe Rotblaue Hautfarbe Schwellung, Schwellneigung Störungen der Sinnesorgane Störungen des Bewusstseins Kraftmangel (Paresen) Sensibilitätsstörungen Änderung des Schwitzens Änderung des Schlafs Änderung der Müdigkeit/ Konzentration Änderung des Durstgefühls Änderung des Appetits Änderung des Gewichts Quadrantensymptomatik
Psychische Erkrankung
Endokrine (Hormonelle) Störung
Metabolisch Toxinbelastung
Neurovegetativ Vegetative Reaktion
PNS Kraft/ Sensibilität
ZNS Sinne
Lymphatischer Stau
Venöser Stau
Arteriell DBS
Muskulär verkürzt/gedehnt
Kapsulär/ligamentär verkürzt/gedehnt
Anamnese-Fragen:
Knöchern/artikulär/ -itis/Metastasen
. Spezielle Anamnese: Fragebogen (Fortsetzung)
30
1
Kapitel 2 · Diagnosekonzepte
. Allgemeine Anamnese: Erfassungsbogen Letzter Arztbesuch
wann
warum
welche
wofür
von Arzt, privat
welche
wofür
von Arzt, privat
4
welche
wofür
von Arzt, privat
welche
wofür
von Arzt, privat
5
Beschwerden/Erkrankungen
2 3
Medikamente
Bewegungsapparat (Schulter/Ellbogen/Hand; Hüfte/Knie/Fuß; Wirbelsäule)
6
Herz/Kreislauf (Herzrasen/-stolpern; Blutdruck; Schwindel) Lunge/Atmung (Kurzatmigkeit/Husten/Auswurf/Luftnot)
7
Verdauungstrakt (Sodbrennen/Aufstoßen/Durchfall/Blähungen/Verstopfung/Veränderungen beim Stuhlgang)
8
Urogenital (Brennen/Schmerzen/Harnverhalt/Inkontinenz/übermäßiger Harndrang, z. B. auch nachts/Blut im Urin/Sexualverhalten/veränderte Mensis)
9
Endokrin (Gewicht/Schweiß/Schlaf/Durst/Appetit/Konzentration/Müdigkeit) Tumoren
10 11
wann wann Bestehen noch Beschwerden? Zahnärztliche / Kieferorthopädische Maßnahmen?
was was
Operation
wann wann wann Bestehen noch Beschwerden?
was was was
Familie
wer wer wer
was was was
Beruf
Hobby/Sport
Größe/cm
Gewicht/kg
13
15 16
Genussgifte
17
Ernährungsgewohnheiten Sozialanamnese
18 19 20 21
Abgeschlagenheit?
Traumata
12
14
Ja/Nein Wenn ja, welche: Was wurde gemacht: Nachtschweiß? Gewichtsverlust?
Allergien
3 Safety Christoff Zalpour 3.1
Allgemein – 31
3.2
Provokationstest – 31
3.3
Apparative Diagnostik – 31
3.3.1
Bildgebende Verfahren – 31
3.4
Labordiagnostik – 41
3.4.1 3.4.2 3.4.3
Labor – 41 Bakteriologie – 42 Histologie – 42
3.5
Internistische Diagnostik – 42
3.5.1 3.5.2 3.5.3
Blutdruck/Puls – 42 Elektrokardiogramm (EKG) – 48 Spiroergometrie – 49
In diesem Kapitel sind wichtige Tests und Untersuchungsmethoden aufgeführt, mit denen die Kontraindikationen für eine osteopathische Behandlung erkannt werden können.
3.1
Allgemein
Voraussetzungen für die sichere Anwendung der Osteopathie am Patienten sind: 5 eine ausführliche Anamnese, 5 die klinische Untersuchung sowie 5 das sichere Durchführen osteopathischer Techniken. Eine weitere Voraussetzung ist es, die Grenzen in der Osteopathie zu erkennen und zu akzeptieren. Wichtig Das wichtigste Qualitätskriterium einer zielgerichteten osteopathischen Behandlung ist die Kenntnis der entsprechenden Kontraindikationen.
3.2
Provokationstest
Die relevantesten Provokationstests sind in 7 Kap. 2, Diagnosekonzepte aufgeführt.
3.6
Apparative neurologische Diagnostik – 50
3.6.1 3.6.2 3.6.3
Elektroenzephalogramm (EEG) – 50 Elektroneurographie (ENG) – 50 Elektromyographie (EMG) – 51
3.7
Ausgewählte Krankheitsentitäten – 51
3.7.1 3.7.2 3.7.3
Krebserkrankungen – 51 Krebs und Immunsystem – 57 Arteriosklerose — Atherosklerose – 57
3.8
Safety in der Osteopathie – 60
3.8.1 3.8.2 3.8.3 3.8.4 3.8.5 3.8.6
Lungenerkrankungen – 60 Herzerkrankungen – 64 Lebererkrankungen – 67 Bauchspeicheldrüsenerkrankungen – 71 Nierenerkrankungen – 72 Magen-Darm-Erkrankungen – 77
3.3
Apparative Diagnostik
3.3.1 Bildgebende Verfahren Eine eigenständige Durchführung und die sichere Interpretation der gängigen bildgebenden Verfahren stehen dem nichtärztlich tätigen Osteopathen mitunter nur eingeschränkt zur Verfügung. Deshalb ist es wichtig, Befundergebnisse, die der Patient dem Osteopathen vorlegt, richtig beurteilen zu können. Bei weiterführenden Untersuchungen, von denen sich der Osteopath einen tieferen Erkenntnisgewinn verspricht, müssen richtige Verfahren ausgewählt werden, die therapieentscheidende Strategien begründen können oder aus denen sich absolute Kontraindikationen für eine osteopathische Behandlung ergeben. i Tipps Die einzelnen Verfahren werden im Folgenden kurz anhand einiger wiederkehrender Kriterien vorgestellt: 1. Welche technische Grundlage liegt dem Verfahren zu Grunde? 2. Welche Strukturen werden bevorzugt dargestellt? 3. Welche typischen Indikationen zur Durchführung des Verfahrens gibt es? 4. Welche Risiken und Nebenwirkungen sind mit dem Verfahren verbunden?
E. Hinkelthein, C. Zalpour, Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie DOI 10.1007/978-3-642-20740-2_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
32
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Kapitel 3 · Safety
Röntgen
Die Dichte des durchstrahlten Materials bestimmt, wie viel Strahlung absorbiert bzw. wie viel durchgelassen wird. Demzufolge sind Strukturen mit hoher Dichte wie Knochen, Zähne, metallische Implantate aber auch röntgendichte Kontrastmittel qualitativ gut darstellbar. Weichteile können aufgrund ihrer geringeren Dichte nur bedingt dargestellt werden. Je nach Weichteildichte sind unterschiedliche Graustufen zwischen dem Rumpf und den Extremitäten beurteilbar.
Eine Röntgendarstellung kann auf dem typischen Röntgenfilm sowie auf digitalen Medien, wie z. B. CD und Internet, erfolgen. Wird die Hinterseite eines Röntgenfilmes von einer starken Lichtquelle erhellt, sind transparente Darstellungen verschiedener organischer und anorganischer Strukturen möglich. Damit können spezifische pathologische Situationen des Patienten, wie z. B. spiralförmige Frakturen eines langen Röhrenknochens oder eine Bocksbeutelform des Herzens als Hinweis auf einen Perikarderguss, beurteilt werden.
. Übersicht Bei der Begutachtung von Röntgenbildern muss grundsätzlich Folgendes beachtet werden: 5 Je dichter das Gewebe, desto heller die Darstellung. 5 Eine helle Darstellung wird als »Verschattung« bezeichnet. 5 Je durchlässiger das Gewebe, desto dunkler die Darstellung. 5 Eine dunkle Darstellung wird »Aufhellung« genannt.
15
Welche technische Grundlage liegt dem Verfahren zu Grunde?
16
Zur Generierung von Röntgenstrahlen ist eine Röntgenröhre erforderlich. In dem luftleeren Glaskolben der Röntgenröhre befinden sich eine Anode sowie ein Heizfaden, der als Kathode eingesetzt wird. Der Heizfaden erglüht, sobald Strom durch ihn hindurchfließt. Damit wird es einigen Elektronen möglich, aus der Metalloberfläche auszutreten und in den Einflussbereich der Anode zu gelangen. Diese energiereichen Elektronen werden in der Anode abgebremst und verlieren ihre Energie zum größten Teil in Form von Wärmeabgabe. Ein kleiner Teil der Bewegungsenergie strahlt jedoch als Photon sog. »Lichtteilchen« ab und tritt als Bremsstrahlung in einem charakteristischen Spektrum aus der Anode als sog. Nutzstrahlenbündel aus. Das Nutzstrahlenbündel wird durch entsprechende Blenden auf den gewünschten Bildausschnitt reduziert. Zusätzlich ist die gesamte Röntgenröhre so ummantelt, dass möglichst wenig unerwünschte Streustrahlung aus der Anode austreten kann.
17 18 19 20 21
Röntgenstrahlen können weder reflektiert noch gebrochen werden, d. h., sie durchdringen das bestrahlte Objekt
Die Technik des Röntgens besteht seit über 100 Jahren. Entdecker der Röntgenstrahlung und Erfinder des Röntgens war der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen (1845–1923). Das erste von W.C. Röntgen angefertigte Bild einer menschlichen Struktur zeigte das Skelett einer rechten Hand. Einzelne Knochen waren in ihrer Größe und Struktur deutlich zu erkennen und voneinander abgegrenzt. Sie zeigten sich als dunkle Gebilde vor hellem Hintergrund. Demzufolge werden die durch Röntgenstrahlen absorbierten Strukturen wie etwa Knochengewebe als sog. Verschattung bezeichnet, während die für Strahlungen durchlässigen Strukturen, wie z. B. Luft, Aufhellungen genannt werden. Diese Nomenklatur geht auf die Einteilung Röntgens zurück und hat sich bis heute gehalten, obwohl inzwischen die Röntgennegativfilme betrachtet werden und nicht mehr wie ursprünglich in der ersten Röntgendarstellung die Röntgenpositive. Der ursprünglichen Bezeichnung Röntgens folgend werden 5 dunkle Strukturen, wie z. B. Luft oder Wasser, als Aufhellung bezeichnet, 5 helle Strukturen, wie z. B. Knochen, Zähne oder metallische Implantate, Verschattung genannt.
und führen so beim Treffen auf das Trägermaterial, dem sog. Röntgenfilm, zu einer Abbildung. Die gewonnenen Abbil-
dungen können mit Hilfe der modernen Technik digitalisiert werden. Damit wird eine schnelle und einfache Weiterleitung von Untersuchungsergebnissen möglich. Wichtig Verschiedene Stellgrößen, wie z.B. die »Härte« der Strahlung, die Belichtungszeit oder die Verwendung von Verstärkerfolien führen zu unterschiedlichen Abbildungsqualitäten.
Welche Strukturen werden bevorzugt dargestellt?
Wichtig Mit Hilfe der Röntgenuntersuchung können differenzialdiagnostische Fragen, wie z. B. nach Art oder Ausmaß der Verletzung von Gelenkknorpeln, Bandscheiben oder Ligamenten, nur indirekt oder gar nicht beantwortet werden.
Typische Indikationen zur Durchführung des Verfahrens Die Anwendung von Röntgenstrahlen zu diagnostischen Zwecken ist trotz ihrer Beschränkungen außerordentlich vielfältig. Die Röntgenuntersuchung gibt bei der Frage nach Frakturen oder anderen Substanzveränderungen des Knochens, wie z. B. einer lokalen oder generalisierten Osteoporose, Osteomyelitis, Knochenmetastasen oder einem Primärtumor
33
3.3 · Apparative Diagnostik
. Abb. 3.1. Nativröntgenaufnahmen posterior-anterior und laterale Projektion Thorax. T Trachea, sk Skapula, kl Klavikula, la/ra linkes/rechtes Atrium, lv/rv linker/rechter Ventrikel, ao Aorta, az V. azygos, vcs V. cava superior, vci V. cava inferior, pa Pulmonalarterienhauptstamm, lpa/rpa linke/rechte Zwerchfellhälfte, ma Magenblase. (Aus: Freyschmidt 2003)
des Knochens im fortgeschrittenem Stadium wichtige erste Hinweise. Zudem kann das grobe Ausmaß, wie z. B. die Beurteilung einer eventuellen Gelenkmitbeteiligung und ob ein Prozess eher akut oder chronisch ist, häufig geklärt werden. Wichtig Osteoporose, Osteomyelitis sowie Knochentumoren sind im Frühstadium auf Röntgenbildern oft nicht zu beurteilen. Bei einem aus der Anamnese gewonnenem Verdacht sollten deshalb noch andere Untersuchungsverfahren, wie z. B. eine Knochenszintigraphie sowie Labordiagnostik (7 Kap. 3.4) erfolgen.
Übersichtsaufnahmen des Brustkorbes (. Abb. 3.1) werden in der Regel in zwei Ebenen durchgeführt, um Organe wie Herz
und Lunge in ihrer Größenausdehnung im Mediastinum beurteilen zu können. Krankhafte Strukturveränderungen des jeweiligen Parenchyms, insbesondere Ergüsse in Pleura und Perikard, Entzündungen, wie z. B. als »klassische Lobärpneumonie« oder Neubildungen bei z. B. einem Pleuramesotheliom nach langjährigem Asbestkontakt, sind mit Hilfe dieser Methode zu erkennen.
Welche Risiken und Nebenwirkungen sind mit dem Verfahren verbunden? Röntgenstrahlen sind energiereiche Strahlen mit erbgutschädigender Wirkung. Vor jeder Röntgenuntersuchung müssen Kontraindikationen wie eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden. Sind Röntgenuntersuchungen nach sorgfältiger medizinischer Abwägung indiziert, müssen die keimbildenden Organe wie Ovarien und Hoden zur Vermeidung einer
Erbgutschädigung durch eine strahlenundurchlässige Abdeckung geschützt werden. Über die routinemäßige Anwendung einer Röntgenreihenuntersuchung, dem sog. Screening, z. B. als Mammographie bei primär gesunden symptomlosen Frauen zwecks Abklärung eines möglichen Mammacarzinomes existieren unterschiedliche Auffassungen. Vorteilhaft ist die Möglichkeit der Früherkennung asymptomatischer Geschwülste, die bei einem positivem Befund frühzeitige Behandlungen und u. U. eine vollständige Heilung gewährleisten. Um den Patienten nicht unnötig einer überflüssigen Strahlenbelastung auszusetzen, müssen diese Untersuchungsmethode und deren Diagnostik jedoch von einem speziell geschulten Radiologen durchgeführt werden. Wichtig Obwohl man auch bei Flugreisen einer erhöhten Strahlenbelastung ausgesetzt ist, sollte das Risiko der Strahlenbelastung durch Röntgen nicht verharmlost werden und jede Röntgenanforderung klinisch begründbar sein.
Computertomographie (CT) Die Computertomographie (CT) wurde von Hounsfield und Cormack, die 1979 den Nobelpreis erhielten, erstmals gebaut. Diese Methode ist auf die Anwendung von Röntgenstrahlen in abgeschwächter und elektronisch aufbereiteter Form zurückzuführen. Als Weiterentwicklung des konventionellen Röntgenverfahrens ist die Computertomographie dem Röntgen in vielerlei Hinsicht überlegen.
3
34
1
Kapitel 3 · Safety
Nachteile des CT gegenüber dem konventionellen Röntgen sind:
3
5 eingeschränkte Verfügbarkeit, 5 höhere Durchführungskosten. Vorteile des CT gegenüber dem konventionellen Röntgen: 5 niedrigere Strahlenbelastung.
4
Welche technische Grundlage liegt dem Verfahren zu Grunde?
2
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Das CT ist in der modernen Verfahrenstechnologie durch eine bessere Bildauflösung und eine geringere Strahlenbelastung weiterentwickelt worden. Es wird zwischen dem sog. Spiral-CT sowie dem HRCT, dem sog. »high resolution CT« unterschieden. Grundsätzlich werden Röntgenstrahlen angewandt, die im Gegensatz zu dem herkömmlichen Röntgen aus unterschiedlichen Perspektiven von einer beweglichen Röntgenröhre auf den in der CT-Röhre liegenden Patienten abstrahlen. Die so gewonnenen Bildergebnisse werden zunächst nicht auf einem Film konserviert, sondern digital in einem Computer aufbereitet. Die aus unterschiedlichen Winkeln aufgenommenen Bilder von überlappend gleichen anatomisch-pathologischen Strukturen werden mit Hilfe der modernen Rechnerfähigkeit als sog. Schichtbilder in unterschiedlich definierten Schichtebenen dargestellt. Je nach gewählter Schichtdicke, die bis zu etwa 1 mm in einer Region betragen kann, ergibt sich die Strahlungsexpositionszeit. i Tipps Bevor die Computertomographie entwickelt wurde, war es üblich, mit dem konventionellen Röntgen sog. Schichtbilder herzustellen. Dieses Verfahren wurde als »Schichten« bezeichnet. Mit dem CT hat diese Methode jedoch nichts gemeinsam und wird in der modernen Medizin nur noch vereinzelt eingesetzt.
Welche Strukturen werden bevorzugt dargestellt? Das CT stellt auf sehr differenzierte Weise die anatomischpathologischen Strukturen des Organismus dar. Besonders dichte Strukturen, wie z. B. Knochen, erscheinen im Bild ebenso weiß und werden als Verschattung bezeichnet wie im konventionellen Röntgenbild. Lufthaltige Strukturen, wie z. B. die Lunge, werden schwarz abgebildet und ebenso wie beim Röntgenverfahren als Aufhellung bezeichnet. Weichteile, Hämatome, verkalkte Lymphknoten, Metastasen usw. werden je nach Dichte in unterschiedlichen Graustufen abgebildet (. Abb. 3.2). Das Prinzip entspricht dem des Röntgenbildes.
Typische Indikationen zur Durchführung des Verfahrens Die in den konventionellen Röntgenaufnahmen mitunter veränderten, aber nicht eindeutig diagnostizierbaren Struk-
. Abb. 3.2. Segmentale Anatomie der Leber im axialen CT
turen lassen sich mit Hilfe des modernen CT in ihrer strukturellen Beschaffenheit genauer darstellen. Orientierende Staging-Untersuchungen sind mit Hilfe des CT besser und differenzierter in Bezug auf ihre Größenausdehnung durchzuführen. Eine Tumordiagnostik (7 Kap. 3.7.1 Krebserkrankungen) wird häufig mit einem ergänzendem Abdomen-, Thorakal- und/oder Cranio-CT (CCT) durchgeführt, um bei einem Patienten mit positivem Tumorbefund zu klären, ob und in welchem Ausmaß eine Absiedelung mit Metastasen vorliegt. Aber auch Pathologien, wie z. B. Ergüsse, Hämatome sowie Fibrosen, sind voneinander zu differenzieren und quantifizieren.
Welche Risiken und Nebenwirkungen sind mit dem Verfahren verbunden? Die Strahlenbelastung mittels Röntgen ist beim CT höher als beim konventionellen Verfahren, jedoch wird durch den stark gerichteten »harten« Strahl der CT die Streustrahlung reduziert. Damit ist die Gesamtstrahlenbelastung nur als mäßig anzusehen.
35
3.3 · Apparative Diagnostik
Besonders empfindliche Zonen wie Augenlinsen oder Gonaden dürfen aufgrund ihrer hohen Strahlengängigkeit nicht dem Strahlengang ausgesetzt sein.
Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) Bloch und Purcell entdeckten 1946 das Phänomen der Kernresonanz. Über Jahrzehnte wurde die Kernresonanz zur Ana-
lyse biophysikalischer und biochemischer Materialien eingesetzt. Infolge der Raumfahrttechnologie ist diese Methode in den 70er-Jahren zur bildgebenden Diagnostik eingesetzt worden. Dieses von Röntgenstrahlen völlig unabhängige Verfahren wird auch als sog. Kernspintomographie bezeichnet. Wichtig Da diese Untersuchungsmethode sehr kostenintensiv ist, sollte die medizinische Notwendigkeit genau hinterfragt werden.
zu gehören Weichteilgewebe, die sehr gut voneinander abgegrenzt werden können, wie z. B. Knorpel, Ligamente, Kapseln, Disci und Menisken. Wichtig Alle Weichteilgewebe können mit der Magnetresonanztomographie besonders gut dargestellt werden.
Typische Indikationen zur Durchführung des Verfahrens Verletzungen, Tumore und Gewebeveränderungen von Rückenmark und Gehirn, Bandscheiben, Faszien u. v. m. können hochselektiv dargestellt werden (. Abb. 3.3). Pathologische Veränderungen an Gelenken erfordern den Einsatz des MRT, da mit dieser Untersuchungsmethode der Krankheitsverlauf anhand einer dreidimensionalen Aufnahme dargestellt werden kann.
Welche technische Grundlage liegt dem Verfahren zu Grunde?
Welche Risiken und Nebenwirkungen sind mit dem Verfahren verbunden?
Das physikalisch wirksame Prinzip ist ein elektromagnetisch hervorgerufenes Magnetfeld, in das der Patient gebracht wird. Wie beim CT ist die technische Apparatur ebenfalls eine Röhre oder Teilröhre.
Biologisch schädigende Effekte sind bisher nicht bekannt. Eine bedingte Kontraindikation können Herzschrittmacher sein. Kontraindikationen für eine MRT-Untersuchung sind aufgrund ihres hohen Eisenanteils und der damit verbundenen Verbrennungsgefahr Tatoos sowie Permanent-Make-up. Eine absolute Kontraindikation stellen sog. Stapes-Plastiken dar.
Befindet sich der Patient in dem durch elektrischen Strom induzierten Magnetfeld, reagieren die körpereigenen Wasserstoffatome, sog. Protonen des Gewebes, indem sie Energie aufnehmen und sich im Magnetfeld wie eine Kompassnadel ausrichten. Diese Reaktion entspricht dem vom Physikunterricht bekannten Versuch, einen Stabmagneten unter eine mit Eisenspänen gefüllte Plastikschale zu halten. Die Eisenspäne richten sich ebenso in eine Position aus, wie die Protonen im Magnetfeld Energie aufnehmen. Nach Abschalten des Magnetimpulses wird ein Teil der Energie abgegeben. Die Protonen »relaxieren« in einen Zustand niedriger Energie. Diese Energieabgabe kann durch entsprechende Instrumente gemessen und ausgewertet werden. Die so entstandenen Bilder werden unterschieden 5 nach ihren Relaxationszeiten, 5 der sog. T1- und T2-Gewichtung und 5 nach der Protonendichte. Wichtig Da die Untersuchung mitunter über 30 Minuten andauert und der Patient sich in dieser Zeit nicht bewegen darf, müssen Kontraindikationen, wie z. B. Platzangst, vor Beginn der Untersuchung abgeklärt werden. Bei geräuschempfindlichen Patienten ist ein Hörschutz erforderlich.
Welche Strukturen werden bevorzugt dargestellt? Jedes Gewebe kann mit Hilfe der Kernspintomographie dargestellt werden. Besonders gut und differenziert sind alle Gewebe, die einen hohen Wasseranteil haben, darzustellen. Da-
Wichtig Aufgrund des starken Magnetfeldes darf weder das Assistenzpersonal noch der Patient metallische Gegenstände, wie z. B. Uhren, Schmuck oder herausnehmbare Zahnprothesen, während der Kernspintomographie mit in den Untersuchungsraum nehmen.
Sonographie Die Sonographie wird auch als sog. »Echographie« oder »Ultraschall« bezeichnet. Diese Untersuchungsmethode erfordert keine besonderen räumlichen Voraussetzungen und Sicherheitsvorkehrungen. Somit kann die bildgebende Darstellung in jedem Untersuchungszimmer eingesetzt und beliebig oft wiederholt werden.
Welche technische Grundlage liegt dem Verfahren zu Grunde? Durch einen Schallkopf werden Schallwellen auf das Objekt ausgesandt. Beim Auftreffen werden die Schallwellen über ein Echo auf halbem Weg zurückgeworfen. Eine Reflexion entsteht. Diese Reflexion wird in Abhängigkeit von der unterschiedlichen Zeit und Intensität, die der Schall beim Zurückkehren benötigt, zur Bilddarstellung genutzt. Ultraschall ist eine mechanisch-elastische Schwingung mit longitudinaler Wellenausbreitung. In der medizinischen
3
36
Kapitel 3 · Safety
. Abb. 3.3. T2-gewichtetes sagittales MRT des Kopfes
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Diagnostik werden Frequenzen zwischen 2 und 20 MHz mit einer Wellenlänge von 7,5×10-4 bis 7,5×10-5 m eingesetzt.
Welche Strukturen werden bevorzugt dargestellt? Pathologische Veränderungen des Weichteilgewebes, wie z. B.
Ergüsse, Zysten, Metastasen, Abszesse, aber auch Strukturen wie Gallengänge und Ligamente können sonographisch besonders deutlich dargestellt werden. Größe, Klappenfunktion und Kontraktilität von Herz und Gefäßen können mit Hilfe des Ultraschalls gut beurteilt werden aber auch Gelenkhöhlen (Arthrosonographie). In der Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchung stellt die Sonographie ebenfalls einen wichtigen Fortschritt dar. Wichtig Um ein Organ oder eine Struktur vollständig darzustellen, muss bei der Durchführung darauf geachtet werden, dass zwischen Schallkopf und Schallobjekt keine Luft gerät. Hohlräume zwischen dem Schallkopf und der zu beschallenden Fläche werden vermieden, indem der Schallkopf in einer Schicht aus Elektrodengel auf der Haut bewegt wird.
Typische Indikationen zur Durchführung des Verfahrens Sämtliche Gewebestrukturen lassen sich je nach Eindringtiefe der Schallwellen darstellen. Die Abgrenzung der einzelnen
Gewebe aufgrund ihrer Dichte und Struktur, insbesondere die differenzialdiagnostische Unterscheidung erfordern langjährige Übung und Erfahrung. Orientierend können in der Abdomen-Sonographie Organsysteme wie Leber, Milz, Gallenblase, Nieren, Nebennieren sowie die Pankreas in ihrer Parenchymstruktur und dreidimensionalen Größenausdehnung erkannt werden (. Abb. 3.4). Pathologische Veränderungen wie Stauungen, Raumforderungen, Entzündungen sowie degenerative Veränderungen können abgeschätzt und verifiziert werden. Gelenke können auf Entzündungen, Ergussbildung oder zur Diagnostik von Ligamenten und Kapseln untersucht werden. In der Neugeborenenuntersuchung wird die Sonographie z. B. auch zur Darstellung der Hüftgelenke eingesetzt, um rechtzeitig eine eventuell bestehende Hüftdysplasie zu erkennen. Wichtig Die Sonographie der Gefäße ist wichtig bei der Ausschlussdiagnostik von Thromben, Verkalkungen und Aneurysmen.
Eine Ultraschalluntersuchung des Herzens wird als Echokardiographie bezeichnet. Diese Untersuchung erfolgt entweder transthorakal oder transösophageal als sog. »Schluckechokardiographie«.
37
3.3 · Apparative Diagnostik
. Abb. 3.4. Sonographie der Niere, parasagittaler Schnitt
Das Verfahren gibt Aufschluss über die Klappentätigkeit, Größe und Funktion des Herzmuskels sowie über mögliche Ergussbildungen im Perikard.
tionsuntersuchung der Schilddrüse wird in Verbindung mit Jod als 131J durchgeführt. Das Ausmaß der radioaktiven Abstrahlung wird mit Hilfe eines Strahlendetektors sichtbar gemacht, der sog. Gamma-
Welche Risiken und Nebenwirkungen sind mit dem Verfahren verbunden?
Kamera.
Die so gewonnenen Bilder reflektieren entweder einzelne Organgebiete, wie z. B. die gesamte Schilddrüse oder beide Hände etc., können aber auch als Ganzkörperszintigramm (. Abb. 3.5) den gesamten Organismus und das gesamte Ske-
Die Sonographie kann bedenkenlos häufig z. B. auch bei Schwangeren eingesetzt werden und wird als harmlose Untersuchungsmöglichkeit angesehen. Zudem ist dieses Verfahren relativ preiswert und nahezu überall durchführbar.
lett von ventral und dorsal zeigen.
Szintigraphie
Welche Strukturen werden bevorzugt dargestellt?
Die Szintigraphie ist ein nuklearmedizinisches Verfahren, bei dem eine quantitativ genaue Messbarkeit radioaktiver Strahlung genutzt wird. Dazu werden radioaktive Substanzen mit kurzer Halbwertszeit an bestimmte Stoffe gekoppelt, die eine Affinität zu spezifischen Geweben haben (Labelung). Das Verfahren kann nur an besonderen Zentren durchgeführt werden, die über eine nuklearmedizinische Einrichtung verfügen. Diese Untersuchungsmöglichkeiten werden z. B. in Universitätskliniken eingesetzt.
Die Labelung bezieht sich immer auf bestimmte Zellen wie Erythrozyten oder Osteoklasten. Dort, wo diese Strukturen besonders häufig vorkommen, wird ein besonders intensives Anreicherungs-Signal sichtbar. Findet die Labelung z. B. an Granulozyten statt, werden Areale, die eine entzündliche Aktivität aufweisen, besonders signalgebend sein. Bei der Darstellung knöcherner Strukturen ist die Anreicherung in Regionen mit Knochenneubildungen und in kalzifizierenden Arealen zu erwarten. Die größte Intensitätsvermehrung wird dabei v. a. in der Spongiosa und etwas weniger in der Kompakta des Knochens beobachtet. Zur Untersuchung der Schilddrüse wird die physiologische Einmaligkeit genutzt, dass dieses Gewebe Jod und daher auch Jod-Isotope wie 131J speichern kann. So wird es möglich, »aktives Schilddrüsengewebe« darzustellen. Die Szintigraphie der Schilddrüse gibt im Zusammenhang mit weiteren Untersuchungsergebnissen wichtige Hinweise auf mögliche maligne Prozesse.
Welche technische Grundlage liegt dem Verfahren zu Grunde? Zur Labelung werden radioaktive Kurzstrahler eingesetzt, die aufgrund ihrer kurzen Halbwertszeit nicht gelagert, sondern direkt hergestellt werden müssen. Gebräuchlich sind z. B. das Isotop Technetium als 99mTc bei der Diagnostik des Knochenmetabolismus. Gekoppelt an Granulozyten wird Technetium bei der Fokussuche entzündlicher Veränderungen eingesetzt. Die Funk-
3
38
Kapitel 3 · Safety
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
. Abb. 3.5. Ganzkörperszintigramm des Sklettsystems von ventral (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. M. Schäfers, Uni-Klinik Münster)
. Abb. 3.6. Ganzkörperszintigramm des Sklettsystems von dorsal (Mit freundlicher Genehmigung von Prof. M. Schäfers, Uni-Klinik Münster)
13 14 15 16 17 18 19 20 21
Typische Indikationen zur Durchführung des Verfahrens Die Szintigraphie kann z. B. zur spezifischen Suche ossärer Läsionen eingesetzt werden. Eine Ganzkörperszintigraphie wird erforderlich, wenn bei einem bereits bekannten Primärtumor der Verdacht auf Metastasen besteht (. Abb. 3.6). Letzteres wird Staging-Untersuchung genannt. Bei der Szintigraphie ossärer Strukturen ist folgende Diagnostik möglich: 5 Auffinden von Primärtumoren des Skeletts, 5 frühzeitiges Erkennen einer Osteomyelitis, 5 Entdecken verborgener Frakturen, 5 Aufdecken von entzündlichen oder degenerativen Gelenkerkrankungen, Osteonekrosen oder Dystrophien. Auch der eher seltene Morbus Paget kann mit Hilfe der Knochen-Szintigraphie entdeckt werden.
Wichtig Erkrankungen wie Osteoporose, Osteomalazie, aber auch Veränderungen des Weichteilgewebes, die entweder mit einer vermehrten Anlagerung von Entzündungszellen einhergehen oder durch eine vermehrte ossäre Ablagerung auffallen, können mit der Knochenszintigraphie diagnostisch relativ sicher erfasst werden.
Welche Risiken und Nebenwirkungen sind mit dem Verfahren verbunden? Bei dieser Untersuchungsmethode werden radioaktive Substanzen mit relativ kurzer Halbwertszeit eingesetzt. Eine vollständige Elimination der Testsubstanzen ist nach wenigen Tagen erreicht. Die eingesetzte Substanzmenge ist hinsichtlich ihres biologischen Potenzials ebenfalls sehr gering. Wichtig Obwohl der Abbau und die Konzentration der eingesetzten Substanzen sehr gering sind, unterliegt der Umgang mit einem schwach radioaktiven Material besonderen Sicherheitsbestimmungen, die stets eingehalten werden müssen.
39
3.3 · Apparative Diagnostik
. Abb. 3.7. Dopplersonographie der Lebervenen, axiale Sicht
Dopplersonographie
Wichtig
Der österreichische Physiker und Mathematiker Christian J.D. Doppler beschrieb erstmals den sog. Doppler-Effekt. Die Doppler-Sonographie ist ein Verfahren der Ultraschalldiagnostik. Im Gegensatz zur Sonographie entsteht die Darstellung jedoch durch die gleichzeitige Nutzung von Ultraschall und dem Doppler-Effekt.
Mit einer Sonderform, der sog. transcraniellen DopplerSonographie, wird der cerebrale Blutstrom durch das Os temporale hindurch dargestellt. Aufgrund der Knochendicke ist diese Untersuchungsmethode an anderen Stellen des Schädels nicht möglich.
Welche technische Grundlage liegt dem Verfahren zu Grunde? Mit dem Doppler-Effekt wird das Phänomen der Frequenzänderung einer Welle beschrieben. Ch. J.D. Doppler entdeckte erstmals, dass bei der relativen Bewegung auf eine Wellenquelle eine Änderung der Wellenfrequenz entsteht. Erkennbar ist dies am Sirenenton eines Feuerwehrautos, der sich ja beim Nähern des Autos anders anhört als beim Entfernen. Mit Hilfe eines Schallkopfes werden Fließbewegungen in Gefäßen hörbar und quantifizierbar gemacht. Bei dieser Methode handelt es sich nicht um ein bildgebendes-, sondern nur um ein tongebendes Untersuchungsverfahren, bei dem die erzeugten Strömungsgeräusche Anhaltspunkte für eventuell pathologische Veränderungen sind. Während der arterielle Blutstrom eher an einem pulsierenden Ton wie »pjiuuu-pjiuuu-pjiuuu« zu erkennen ist, kann die venöse Strömung des Blutes durch einen gleichförmigen »schschschsch«-Ton beurteilt werden. Mit diesem Verfahren kann außerdem die Flussrichtung erfasst werden, sodass z. B. bei einem Subclavia-Entzugssyndrom der retrograde Blutfluss in der A. vertrebralis sinister als pathognomonisches Zeichen dieser Erkrankung dargestellt werden kann.
Welche Strukturen werden bevorzugt dargestellt? Durch das suprasystolische Aufpumpen einer Blutdruckmanschette lassen sich Beeinträchtigungen der arteriellen Fließfähigkeit gut abbilden und quantifizieren (. Abb. 3.7). Bei dieser Methode wird der Druck der Blutdruckmanschette so lange vorsichtig abgelassen, bis der arterielle Puls hörbar und damit der arterielle Verschlussdruck ermittelt ist. Die im Seitenvergleich gewonnenen Werte eignen sich z. B. zur Einschätzung einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK). Ebenso können der Verlauf und das Stadium von Durchblutungsstörungen bzw. Gefäßschwächen kontrolliert werden.
Typische Indikationen zur Durchführung des Verfahrens Beurteilt werden kann: 5 das Ausmaß venöser und arterieller Durchblutungsstörungen, 5 der ortho- und retrograde Blutfluss. i Tipps Bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) dient die Methode zur Verlaufsbeurteilung.
3
40
Kapitel 3 · Safety
1
Welche Risiken und Nebenwirkungen sind mit dem Verfahren verbunden?
2
Ebenso wie bei der Sonographie werden in diesem Verfahren Schallwellen eingesetzt, bei denen keine schädigende Wirkung auf biologisches Gewebe bekannt ist.
3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
i Tipps Als Risiko wird aber die Gewebeerwärmung bei längerer Untersuchungsdauer genannt, die thermische Gewebeschäden z. B. am Embryo erzeugen könnte.
Endoskopie Seit dem Einführen der Endoskopie ist es möglich, Hohlräume und Körperhohlorgane auszuleuchten und zu inspizieren. Neben der Diagnostik besteht während dieser Untersuchung die Möglichkeit, Gewebe für eine Biopsie zu entnehmen oder kleinere Operationen durchzuführen. Die diagnostische Endoskopie kann außerdem in Kombination mit einer Ultraschalldiagnostik, der sog. Endosonographie, oder einer Röntgendiagnostik als ERC oder ERCP eingesetzt werden. Diese Bildeindrücke sind mit Hilfe moderner Technik z. B. auch einem Assistenten durch eine zweite Optik zugänglich. Durch eine Kamera können sowohl der Verlauf wie auch das Einzelbild konserviert und sogar per Videokonferenz, z. B. über das Internet, einem weiteren Publikum zugänglich gemacht werden.
Welche technische Grundlage liegt dem Verfahren zu Grunde? Eine externe Kaltlichtquelle, deren Licht über optische Fieberglasleiter innerhalb sehr flexibler Schläuche bis zur Spitze des Endoskops geleitet wird, stellt die Grundvoraussetzung des Verfahrens dar. Neben der Lichtquelle, durch die eine Bildgebung möglich wird, bestehen weitere Arbeitskanäle, durch die z. B. Probeentnahmen zur feingeweblichen Untersuchung gewonnen werden können. Wichtig
17
Die Möglichkeit der Probeentnahme ist bei der Diagnostik von Krebserkrankungen bzw. deren Ausschluss sehr wichtig.
18
Welche Strukturen werden bevorzugt dargestellt?
19 20 21
Im Gastrointestinaltrakt sind verschiedene Untersuchungsmethoden der Schleimhaut-Beschaffenheit möglich: 5 die Ösophagoskopie, zur Untersuchung der Speiseröhre, 5 Untersuchung des Magens mit Hilfe einer Gastroskopie (. Abb. 3.8), 5 Spiegelung des Dickdarms als sog. Koloskopie. Entzündungsherde sowie maligne Veränderungen sind mit
diesem Verfahren gut zu beurteilen und dadurch frühzeitig zu behandeln. So können z. B. Polypen, die als Vorstufe einer malignen Entartung des Dickdarmes einzustufen sind, zei-
. Abb. 3.8. Endoskopische retrograde Cholangiographie (ERC) der Gallenwege
tig entfernt werden. Diese Behandlung wird als sog. endoskopische Polypektomie bezeichnet.
Zur Entnahme von endobronchialem Sekret oder einer Biopsie wird bei Untersuchungen der Lunge eine sog. Bronchoskopie durchgeführt. i Tipps Endoskopien werden in der Regel in Kurz-Narkose durchgeführt.
Typische Indikationen zur Durchführung des Verfahrens Bei unklaren Oberbauchbeschwerden mit oder ohne Verdauungsstörungen kann untersucht werden, 5 ob eine entzündliche Erkrankung, 5 eine reine Funktionsstörung oder 5 eine Geschwulst, wie z. B. ein gutartiger Polyp oder ein bösartiges Malignom, vorhanden ist. Außerdem sind 5 Fremdkörperingestionen, 5 Blutungen oder 5 Verletzungsfolgen mit dieser Methode gut zu differenzieren. Bei der Ösophagoskopie sind v. a. Erkrankungen wie eine Ösophagitis, die eine wichtige Präkanzerose für das Ösophaguscarzinom ist, Polypen und Malignome diagnostisch erfassbar, aber auch Divertikel, wie z. B. das Zenker-Divertikel. Die Koloskopie wird überwiegend zur Diagnostik von Entzündungen, Divertikeln, Polypen und Malignomen eingesetzt.
3
41
3.4 · Labordiagnostik
. Tabelle 3.1. Normwerte Blutbild Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)
m.: 3–8 mm (1 h) 5–15 mm (2 h), über 50 Jahre: 2. Std.: bis 20 mm. w.: 6–11 mm (1 h) 6–20 mm (2 h), über 50 Jahre: 2. Std.: bis 30 mm.
EDTA
Hämoglobin (Hb)
m.: 8,1–11,2 mmol/l=13–18 g/dl w.: 7,4–9,9 mmol/l=12–16 g/dl
EDTA, Urin
Hämatokrit (HCT/Hk/Hkt)
m.: 41–53 Vol.-%; w.: 36–46 Vol.-%
EDTA
Erythrocytenzahl, Reticulocyten
m.: 4,5–5,9×106/Pl; w.: 4,0–5,2×106/Pl
EDTA
Thrombocytenzahl
150.000–350.000/Pl
EDTA
Leucocytenzahl
4000–10.000/Pl
EDTA, Urin,
Wichtig Absolute Kontraindikationen für eine Koloskopie sind aufgrund der hohen Verletzungsgefahr eine akute Divertikulitis, schwere lokale Entzündungen, wie z. B. Colitis ulcerosa, sowie ein toxisches Megakolon.
In der Bronchoskopie sind neben Fremdkörperaspirationen Schleimhautveränderungen des respiratorischen Epithels
von diagnostischem Interesse. Biopsien, Fremdkörperentfernungen und das Einlegen von Radionukliden sind mit Hilfe der Bronchoskopie möglich.
Welche Risiken und Nebenwirkungen sind mit dem Verfahren verbunden? Das Hauptrisiko während einer Endoskopie ist die Gefahr der Perforation des zu untersuchenden Gewebes. Da die Ergebnisse einer Endoskopie das Vorliegen einer ernsthaften Erkrankung, wie z. B. eines Malignoms, sicher ausschließen oder z. B. die Ursache einer Blutung wie z. B. bei einem Magengeschwür aufdecken können liegt der Nutzen dieser Untersuchungsmethode jedoch weit über dem eventuellen Risiko einer Perforation. Wichtig Um das Risiko einer Perforation weitestgehend ausschließen zu können, sind die genauen Kenntnisse über absolute Kontraindikationen notwendig.
3.4
Labordiagnostik
3.4.1 Labor Die . Tab. 3.1 bis 3.11 stellen die Normwerte der gebräuchlichsten Blut/Urin/Liquor-Parameter dar.
. Tabelle 3.2. Normwerte der Elektrophorese Serum/Liquor (Plasmaproteine insgesamt: 6.6–8,5 g/dl) Im Serum Αlbumin
45–65%
Serum
D1-Globulin
2–5%
Serum
D2-Globulin
7–10%
Serum
E-Globulin
9–12%
Serum
J-Globulin
12–20%
Serum
Albumin
57–76%
Liquor
D1-Globulin
1–7%
Liquor
D2-Globulin
3–12%
Liquor
E-Globulin
7–15%
Liquor
J-Globulin
3–13%
Liquor
Im Liquor
An erster Stelle findet sich jeweils die entsprechende Testsubstanz, anschließend folgt der jeweilige Normwert in der gängigsten Einheit. Sofern es erforderlich ist, sind diese Werte geschlechtsspezifisch aufgeteilt in: weiblich (w.) und männlich (m.). In der letzten Spalte ist die jeweilige Referenzflüssigkeit angegeben: 5 Plasma (P), 5 Serum (S=Plasma — Fibrinogen), 5 EDTA-Blut (=ungerinnbar gemachtes Vollblut mittels Komplexbildner), 5 Urin oder Liquor.
42
Kapitel 3 · Safety
1
. Tabelle 3.3. Normwerte Immuglobuline (Ig) A, D, E, G, MoAntigene
2
IgA
70–500 mg/dl
Serum
IgE
<100 U/ml
Serum
IgG
700–1600 mg/dl
Serum
IgM
m.: 40–230 mg/dl, w.: 40–280 mg/dl
Serum
3 4 5 6 7 8
IgD: auf BoLymphozyten gebildete Antikörper. Die Funktion ist noch nicht geklärt, so dass noch keine einheitlichen Normwerte bestehen.
11
Kleine Tumoren bilden oft so wenig Marker, dass sie mit dieser Untersuchungsmethode nicht gefunden werden können (s. . Tab. 3.4). Bei Schwangerschaft oder Entzündungen können die Werte verändert sein.
. Tabelle 3.4. Tumormarker D1-Fetoprotein (AFP)
<10 ng/ml
Serum
Carcinogenes embryonales Antigen (CEA)
<3 Pg/l
Serum
12 . Tabelle 3.5. Normwerte Gerinnung
13 14
Thromboplastinzeit (Quick/ INRoGerinnung)
15
0,9–1,15 INR (International Normalised Ratio); bei Cumarintherapie: 2,0–3,5
Plasma
16
Wichtig
17
Die INR-Werte können durch eine Vitamin-K-reiche Ernährung beeinflusst werden. Cumarine befinden sich u. a. auch in Waldmeister (s. . Tab. 3.5).
18 19 20 21
Die Erregersuche und das Erstellen des Antibiogramms erfolgen in einem mikrobiologischen Labor.
Wichtig
9 10
beeinflussen. Bei klinischem Verdacht auf eine möglicherweise bakteriell verursachte Entzündung wird entsprechendes Material gewonnen, dass durch spezielle Anzüchtung vermehrt auf seine Ansprechbarkeit gegenüber bestimmten Antibiotika hin getestet werden kann. Die Materialgewinnung kann über die folgenden Wege gewonnen werden: 5 Abnahme einer Blutkultur 5 aus Abstrichen, 5 Punktionen.
3.4.2 Bakteriologie Entzündungen, die durch Erreger ausgelöst werden, gehen meist auf viral oder bakteriell bedingte Infektionen zurück. Während bei der Virusinfektion häufig nur symptomatisch therapiert werden kann, können bakteriell bedingte Entzündungen in den meisten Fällen mit Antibiotika beseitigt werden. Bei Problemkeimen reicht die Verwendung sog. Breitband-Antibiotika oft nicht aus. Nur ein gezieltes Antibiogramm kann das gegen resistente Keime einzusetzende Antibiotikum ermitteln und so den Krankheitsverlauf erfolgreich
3.4.3 Histologie Feingewebliche Untersuchungen werden in der Pathologie
durchgeführt. Nahezu jede Krankheit geht mit einer mehr oder weniger spezifischen Pathophysiologie einher, die eine bestimmte Charakteristik aufweist. Wie bereits beschrieben, können Gewebeproben während einer endoskopischen Untersuchung entnommen und unter dem Mikroskop oder mit gezielten Färbemethoden untersucht werden. Mit der histologischen Untersuchung wird Folgendes differenziert: 5 Degenerationen, 5 gutartige Veränderungen, 5 maligne Entartungen des zu untersuchenden Gewebes. So können z. B. Entzündungen der Schleimhäute im gesamten Verdauungstrakt nachgewiesen werden. Aber auch Speicherkrankheiten, Degenerationen oder Entartungen. Gerade hier ist die Unterscheidung zwischen benignen und malignen Prozessen von hoher therapeutischer Bedeutung und prognostischer Relevanz. Im Abschnitt Krebserkrankungen unter 3.7.1 wird auf die Relevanz der histologischen Ergebnisse genauer eingegangen.
3.5
Internistische Diagnostik
3.5.1 Blutdruck/Puls Die Parameter von Blutdruck und Puls geben sowohl in Ruhe wie auch unter körperlicher Belastung einen wichtigen Aufschluss über den Kreislaufzustand des Patienten. Weitere Daten aus der Anamnese des Patienten wie z. B. Lebensalter, sportliche Aktivitäten, Risikofaktoren usw., geben Hinweise auf das sympathische Erregungsniveau, aber auch auf den Zustand des Gefäßsystems. Andrew Taylor Still sprach von der Bedeutung des »arterial rule« im menschlichen Körper und hatte damit schon
sehr frühzeitig erkannt, dass der Blutversorgung im gesamten Organismus, die letztlich der Versorgung jeder einzel-
3
43
3.5 · Internistische Diagnostik
. Tabelle 3.6. Normwerte Endokrinologie
. Tabelle 3.7. Normwerte der wichtigsten Enzyme (Leber, Pankreas, Muskelzellen)
Thyreotropin (TSH basal), Thyroidea-stimulierendes Hormon
0,3–3,5 mU/l
Serum
Thyreotropin-Releasing-Hormon (TRH), TRH wird in den Kreislauf gespritzt. Dort stimuliert es das TSH, dessen Wert gemessen wird
TRH-Test: TSH 30 min nach TRHGabe 2,5-25 mU/l
Thyroxin (T4)
5–12 Pg/dl
Serum
Freies Thyroxin (fT4)
1,0–2,3 ng/dl
Serum
Trijodthyronin (fT3)
90–200 ng/dl
Serum
Glycosiertes Hämoglobin (HbA1c)
<7% vom Gesamthämoglobin
EDTA
17-Hydroxy-Corticosteroide (17-OHCS)
m.: 5–12 mg/d w.: 3–10 mg/d
Urin
5-Hydroxy-Indolessigsäure (5-HIES)
2–9 mg/d
5-Hydroxy-3-Methoxy-Mandelsäure
0,7–6,8 mg/d
Saure Phosphatase (SP)
Bis 13 U/l Kinder bis 25 U/l
Serum
Prostata-Phosphatase (PP)
Bis 3 U/l (37°C)
Serum
Alkalische Phosphatase (AP)
Bis 190 U/l Kinder bis 700 U/l
Serum
D-Amylase
Bis 53 U/l Bis 350 U/
Serum Urin
Angiotensin-Converting-Enzym (ACE)
12,6–28,5 U/L
P/S
Cholesterinesterase (CHE)
3000–8000 U/l
P/S
Creatinkinase (CK)
m.: 10–80 U/l, w.: 10–70 U/l
Serum
Creatinkinase-Isoenzym MB (CK-MB)
<5 U/l, <6% der Gesamt-CK
P/S
Urin
J-Glutamyl-Transferase (J−GT)
m.: 6–28 U/l w.: 4–18 U/l
Serum
Urin
Glutamat-OxalacetatTransaminase (GOT) =Aspartat-AminoTransferase (AST)
m.: <18 U/l w.: <15 U/l
Serum
Glutamat-PyruvatTrans-aminase (GPT) =Alanin-Amino-Transferase (ALT)
m.: <22 U/l w.: <17 U/l
Serum
Leucin-Amino-Peptidase (LAP)
16–32 U/l
Serum
Lactat-Dehydrogenase (LDH)
120–240 U/l
Serum
Lipase
30–180 U/l
Serum
Serum
nen Zelle des Körpers dient, eine besondere Bedeutung zukommt. Einige osteopathisch relevante Läsionen gehen auf sog. Entrapments zurück, die sich aus einer Behinderung der Blutversorgung oder mangelhaften Beweglichkeit der Gefäße erklären lassen. Die Blutdruckmessung erfolgt nach der Methode von Riva-Rocci (RR). Dazu wird eine Blutdruckmanschette um den Oberarm gebunden, die mit einem Manometer und einer externen Pumpvorrichtung verbunden ist. Die Manschette wird suprasystolisch, d. h. über den zu erwartenden systolischen arteriellen Druck, aufgepumpt, um dann langsam wieder abgelassen zu werden. Gleichzeitig wird in der Armbeuge mit einem Stethoskop der arterielle Pulsschlag unterhalb der RRManschette erhört. Der auf dem Manometer ablesbare Druck, bei dem erstmals ein Pulsgeräusch gehört wird, entspricht dem systolischen Blutdruckwert, der auf die systolische Pumpkraft des Herzens zurückgeht. Dies entspricht dem Druck, der benötigt wird, die Aortenklappe zum Öffnen zu bringen und die Pulswelle durch das arterielle System strömen zu lassen. Das vorsichtige Ablassen des Manometers, bei dem leichte pulssynchrone Schwankungen der Manometernadel sichtbar werden, lässt das Pulsgeräusch plötzlich wieder verschwinden. Der dabei ablesbare Druck entspricht dem diastolischen Blutdruck. Der diastolische Blutdruckwert reflektiert den Wider-
stand, den das verzweigte arterielle Gefäßsystem dem aus
dem linken Ventrikel des Herzens pulsierenden Blut entgegensetzt. Wichtig Bei einer Gefäßverkalkung steigt dieser Widerstand, sodass sich die Starrheit der arteriellen Gefäßwand in ihrer Gesamtheit am diastolischen Blutdruckwert ablesen lässt. An einem gesunden Gefäß ist ein hohes Bewegungsausmaß zu erkennen, während das verkalkte Gefäß eine relative Bewegungsstarre offenbart.
44
Kapitel 3 · Safety
1
. Tabelle 3.8. Normwerte der wichtigsten Enzyme (Leber, Pankreas, Muskelzellen)
. Tabelle 3.10. Normwerte der Blutgase und des Säure-Basen-Haushalts
2
Glucose nüchtern
70–100 mg/dl
P/S
pH
7,35–7,45
Vollblut
Nach 2 h: <140 mg/ dl
P/S
pCO2
35–45 mmHg
Vollblut
3
Oraler Glucose-Belastungstest (75 g Glucose oral)
pO2
65–100 mmHg
Vollblut
C-Peptid
1,1–3,6 Pg/l
Serum
Basenabweichung (»base excess«, BE)
–3 bis +3 mmol/l
Vollblut
Gesamt-Cholesterin
120–240 mg/dl
P/S
Standard Bicarbonat
22–26 mmol/l
Vollblut
LDL-Cholesterin Bei Patienten mit manifester Arteriosklerose (Herzinfarkt, Schlaganfall, pAVK)
<150 mg/dl <100 mg/dl
P/S
O2-Sättigung
90–96%
Vollblut
HDL-Cholesterin
>50 mg/dl
P/S
8
Ammoniak
m.: 19–80 Pg/dl; w.: 25–94 Pg/dl
P/S
9
Bilirubin gesamt
0,2–1,1 mg/dl
P/S
Bilirubin direkt
0,05–0,3 mg/dl
P/S
Bilirubin indirekt
<0,8 mg/dl
P/S
Harnsäure
2,6–6,5 mg/dl
Serum
4 5 6 7
10 11
. Tabelle 3.11. Normwerte Vitamine und Metalle
12
. Tabelle 3.9. Normwerte Wasser- und Elektrolythaushalt
13
Calcium gesamt
2,15–2,75 mmol/l
Serum
Calcium gesamt
4,02–4,99 mmol/l, nicht über 0,1 mmol (4 mg) pro kg Körpergewicht
Urin, 24-Std.-Urin
Chlorid
98–112 mmol/l
P/S
Chlorid
169–178 mmol/24 h
24-Std.-Urin
Harnstoff
11–55 mg/dl, 20–35 g/Tag
Serum, 24-Std.-Urin
Natrium
135–145 mmol/l
Serum
Natrium
120–220 mmol/l, nahrungsabhängig 50– 250 mmol/Tag
Urin, 24-Std.-Urin
Kalium
3,5–5,5 mmol/l
Serum
Kalium
61–79 mmol/l, 50–100 mmol/Tag
Urin, 24-Std.-Urin
Kreatinin
0,5–1,2 mg/dl
Serum
KreatininClearance
80–170 ml/min o altersund geschlechtsabhängig
Serum
Phosphat
0,8–1,55 mmol/l, 23–48 mmol/Tag
Serum, 24-Std.-Urin
14 15 16 17 18 19 20 21
Eisen (Fe)
m.: 80–150 Pg/dl; w.: 60–140 Pg/dl
Serum
Eisenbindungskapazität
250–410 Pg/dl
Serum
Ferritin
30–200 ng/ml
Serum
Transferrin
200–400 mg/dl
Serum
Vitamin A
20–80 Pg/dl
Serum
Vitamin B1
24–62,5 Pg/l
Plasma
Vitamin B2
49–104 Pg/l
Serum
Vitamin B6
3,6–18 Pg/l
Serum
Vitamin B12
310–1100 pg/ml
Serum
Vitamin E
5–20 Pg/ml
Serum
1,25-DihydroxyVitamin-D
30–70 pg/ml
Serum
25-HydroxyVitamin-D
Sommer: 20–120 ng/dl Winter: 10–60 ng/dl
Serum
Zink
55–150 Pg/dl
Serum
Zink
140–800 Pg/dl
Urin
45
3.5 · Internistische Diagnostik
i Tipps Die arterielle Hypertonie ist der Hauptrisikofaktor für den Schlaganfall.
. Abb. 3.9. Axiales CT der Nierenkapseln
Während die arterielle Hypotonie außer in Schocksituation oft einen harmlosen Befund darstellt, der entweder auf einen Trainingsmangel des Patienten hinweist oder aber Garant für ein langes Leben ist, ist die Diagnose der arteriellen Hypertonie sehr wichtig, insbesondere um präventiv primär lebensbedrohlichen Folgeschäden des Bluthochdrucks entgegenzuwirken. i Tipps Zur ganzheitlichen Untersuchung des Patienten gehört die Messung von Blutdruck und Puls.
Bei der Hypertonie liegt nur selten als primäre Ursache eine Nierenarterienstenose oder ein Hormon bildender Tumor (Phäochromozytom) des sympathisch versorgten Nebennierenmarks vor. In 95% der Fälle handelt es sich um eine sog. essenzielle Hypertonie, die ihren Ursprung in sich selber hat. Häufig ist die Erkrankung genetisch bedingt. Nicht selten tritt sie im Zusammenhang mit dem metabolischen Syndrom auf. Nicht der einmalig erhöhte Blutdruck reflektiert eine gefährliche Krankheit, sondern der in Ruhe gemessene, dauerhaft erhöhte Druck im arteriellen System, der zu zahlreichen Folgeschäden in unterschiedlichen Organsystemen führen kann. Besonders betroffen von hypertensiven Folgeschäden, die als sog. »Endorganschäden« bezeichnet werden, sind die folgenden Organe: 5 Nieren (. Abb. 3.9), 5 Augenhintergrund, 5 Herz und 5 Gehirn.
Im Bereich der Nieren kommt es infolge eines dauerhaft zu hohen Systemdruckes zunächst zu Funktionsstörungen, die im weiteren Verlauf zu irreversiblen Strukturschäden bis hin zur Niereninsuffizienz führen können. Häufig lassen sich Funktionsstörungen auch osteopathisch diagnostizieren. Der Augenhintergrund ist die einzige Stelle im menschlichen Körper, an der arterielle und venöse Gefäße nichtinvasiv untersucht werden können. A. und V. centralis retinae sowie der N. opticus, die gemeinsam an der sog. Papille in die Retina eintreten, gewährleisten die Netzhautdurchblutung. Mit einer speziellen Untersuchungsleuchte, kann durch den Glaskörper hindurch auf die Netzhaut und auf die Papillae nervi optici geschaut werden. Gefäßkrankheiten werden durch diese Unersuchungsmethode sehr häufig sichtbar und quantifizierbar. Beim Vorliegen einer hypertensiv bedingten Schädigung spricht man vom Fundus hypertonicus I–III (. Abb. 3.10). Um Folgeschäden an der Netzhaut frühzeitig zu erkennen und ggf. entgegenzuwirken, ist es bei einem Diabetes mellitus wichtig, regelmäßig neben einer Blutdruckkontrolle den Augenhintergrund zu untersuchen. Komplikationen des primär stoffwechselbedingten Diabetes mellitus sind die sog. Mikro- und Makroangiopathie an den Gefäßen. Am Herzen verursacht die arterielle Hypertonie eine sog. hypertensive Herzkrankheit. Dies ist eine Druckbelastung des Herzmuskels, die zur ungewünschten Herzmuskelvergrößerung, zu Herzrhythmusstörungen und/oder zu Krankheiten der Herzklappen führen kann (. Abb. 3.11). Die arterielle Hypertonie zählt außerdem zu den Hauptrisikofaktoren der Arteriosklerose. Eine Verkalkung der Herzkranzgefäße, die zur Ausbildung einer coronaren Herzkrankheit führt, ist häufige Ursache für einen Herzinfarkt. Beim Schlaganfall kommt es ebenfalls zu Veränderungen der arteriellen Blutstrombahn. In ca. 85% entstehen Schlaganfälle als Folge von Gefäßverschlüssen, die ähnlich wie bei einem Herzinfarkt zu einer Mangeldurchblutung und O2Unterversorgung des Gewebes führen. Nur in 15% der Fälle liegt die Erkrankungsursache in einer Hirnmassenblutung, die ebenfalls durch einen zu hohen Blutdruck ausgelöst wird. Wichtig Fast jedem Schlaganfall geht ein »kleines ischämische Ereignis« voraus. Aus diesem Grund ist es wichtig, in der Anamnese sorgfältig nach vorübergehenden motorischen oder sensiblen Ausfällen zu fragen und den Blutdruck zu prüfen.
Um einen Re-Apoplex zu vermeiden, müssen in der Akutversorgung wie in der nachfolgenden lebenslangen Weiterbe-
3
46
Kapitel 3 · Safety
Verändert die Pulswelle ihre Amplitude z. B. im Verlauf des arteriellen Blutstroms oder finden sich Unterschiede im Seitenvergleich, wird von sog. Strömungshindernissen gesprochen, die häufig durch periphere arterielle Verschlusskrankheiten (pAVK) ausgelöst werden. Typische Verschlussstellen sind z. B. über den Etagen der A. femoralis, A. poplitea, A. tibialis posterior, bzw. A. dorsalis pedis zu finden. Eine automatische Puls- bzw. Herzfrequenzerfassung erfolgt bei Langzeit-Blutdruck-Messungen und allen Formen der
1 2 3 4
EKG-Verfahren.
An typischen Stellen, wie z. B. an der distalen A. radialis, kann sich der Untersucher einen allgemeinen Eindruck darüber verschaffen, ob der gemessene Puls regelmäßig ist, d. h. dem Sinusrhythmus des Herzens entspricht, und mit welcher Frequenz dieser auftritt.
5 6
i Tipps
7
Frequenzen unter 50 Schlägen pro Minute werden definitionsgemäß als Bradycardie bezeichnet, sind aber nicht immer pathologisch.
8
Die Arbeitsleistung des Herzens wird als Herzzeitvolumen bezeichnet. Das Herzzeitvolumen ist das Produkt aus Schlagvolumen und Herzfrequenz. Die Herzfrequenz lässt sich leicht durch die periphere Pulswelle messen.
9 10 11
Wichtig
12
Der Puls erlaubt indirekt einen Rückschluss auf die Herzleistung.
13 14 15 16 17 18 19 20 21
. Abb. 3.10. Augenhintergrund (Aus: Tillmann 2004)
handlung eine regelmäßige Kontrolle und ggf. eine entsprechende Therapie des Bluthochdruckes erfolgen.
Puls Pulsmessungen in Ruhe und unter Belastung sind einfach durchzuführen. Bei der manuellen Methode sind arterielle Pulswellen gut an relativ oberflächlich liegende Arterien, die sich gegen einen festen Untergrund komprimieren lassen, zu ertasten. Nur noch schwache Pulsationen werden am besten über die A. carotis, etwa im Verlauf des M. sternocleidomastoideus, palpiert. Geeignete Palpationsstellen sind: 5 A. radialis distal in Höhe des Handgelenks, 5 A. femoralis kurz nach Durchtritt unter dem Lig. ingui-
nale, 5 A. poplitea in der Kniekehle, 5 A. tibialis posterior im Bereich des Malleolus medialis, 5 A. dorsalis pedis im Strecksehnenverlauf der Großzehe.
Die Messung des Schlagvolumens hingegen kann nur über Katheter-gestützte Methoden, wie z. B. mit Hilfe der Laevocardigraphie im Rahmen einer coronarangiographischen Diagnostik mit Kontrastmitteln oder orientierend über eine Echocardiographie untersucht werden. Während der Untrainierte in Ruhe zur Bewältigung einer bestimmten Leistung, wie z. B. Aufrechterhaltung der Körperdurchblutung, nur ein relativ geringes Schlagvolumen mobilisieren kann, steht dem Trainierten ein kräftigerer Herzmuskel zur Verfügung, der mit einem erhöhten Schlagvolumen einhergeht. Demzufolge wird der Untrainierte bei Belastung mit einem stärkeren Pulsanstieg reagieren als der Trainierte. Bedingt durch den niedrigen Ruhepuls verfügt der Sportler außerdem über eine größere Leistungsbreite. Wichtig Sehr niedrige Ruhepulse können zwar Ausdruck eines sehr guten Trainingszustandes sein (der Radfahrer Eddy Merckx hatte angeblich einen Ruhepuls von 35 Schlägen pro Minute), haben mitunter andererseits aber auch eine krankhafte Ursache.
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3.5 · Internistische Diagnostik
. Abb. 3.11. Axiales CT des Herzens
Bei dem sog. »Syndrom des kranken Sinusknoten« (Sick-SinusSyndrom) muss deshalb häufig sogar ein künstlicher Herzschrittmacher implantiert werden. Eine Vielzahl von Medikamenten kann zusätzlich den Puls beeinflussen, wie z. B. Beta-Blocker. Als Ruhenormalwert eines Nicht-Leistungssportlers gilt eine Herzfrequenz von etwa 70 Schläge/min). i Tipps Herzfrequenzen über 100/min werden als Tachycardien bezeichnet.
5 Eine Tachycardie kann physiologisch als Anpassungsreaktion an eine erhöhte cardiovaskuläre Belastung auftreten, ist mitunter aber auch Ausdruck einer Krankheit. 5 Eine Bedarfstachycardie liegt vor, wenn das Schlagvolumen zur Aufrechterhaltung einer bestimmten Leistung infolge einer Herzinsuffizienz nicht erhöht werden kann. 5 Eine Frequenzsteigerung erfolgt nur noch zur Erfüllung der Formel: Herzfrequenz×Schlagvolumen=Herzzeitvolumen. Weitere Ursachen für Tachycardien sind:
5 ein erhöhter Stoffwechsel wie z. B. bei fieberhaften Erkrankungen, 5 eine Erhöhung der sympathischen Aktivität, ausgelöst z. B. durch (psychischen) Stress oder aber durch sympathische Noxen wie Kaffee, Tee, Nikotin oder bestimmte Medikamente. Wichtig Theophyllin, ein dem Koffein chemisch verwandter Stoff, der im Kaffeeextrakt vorkommt und z. B. häufig bei der Behandlung von obstruktiven Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale oder COPD eingesetzt wird, führt zu der unbeabsichtigten Nebenwirkung der Tachycardie.
Entspannungsübungen, wie z. B. progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen, Yoga u. a., eignen sich gut, um die generelle Anhebung des sympathischen Niveaus abzusenken.
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Kapitel 3 · Safety
Auch äußere Stimulationen des N. vagus wirken als parasympathischer Gegenspieler. Die folgenden Maßnahmen sind geeignet: 5 Druck auf den Carotissinus, 5 Eiswasser trinken, 5 vorsichtiger Druck auf den Augapfel. Zur Steigerung der cardiovaskulären Leistungsfähigkeit, aber auch zur langfristigen Senkung eines Hypertonus ist regelmäßiges körperliches Training erforderlich. Dabei muss das Training so ausgewählt werden, dass ein Trainingseffekt eintritt, ohne dabei den Patienten zu überfordern. Um einen optimalen Trainingsplan zu erstellen, wird ein individueller Trainingspuls bestimmt, der sowohl beim Kreislaufgesunden wie beim cardiovaskulär Erkrankten angewendet werden kann. Am besten eignet sich die Bestimmung mit Hilfe eines Ergometers. Die maximale Belastung der Herzfrequenz wird von der Formel 210 minus Lebensalter beim Gesunden und 190 minus Lebensalter beim cardiovaskulär Erkrankten abgeleitet. Bei Patienten, die Betablocker einnehmen, müssen von dem Wert 190 minus Lebensalter nochmals 15% abgezogen werden. Wichtig
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Der jeweilige Trainingspuls liegt dann stets unter dem ermittelten Wert.
11 Langzeit-RR
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Neben der herkömmlichen RR-Messung besteht außerdem die Möglichkeit einer dauerhaften, z. B. 24-h-RR-Messung. Dazu wird die angelegte Blutdruckmanschette mit einem mobilen Aufzeichnungsgerät verbunden, das der Patient mit sich führen kann. Das mobile Aufzeichnungsgerät nimmt in einem regelmäßigen Zeitabstand automatisch Messungen vor und zeichnet diese auf. Um eventuelle RR-Schwankungen bestimmten Belastungen zuordnen zu können, wird der Patient angeleitet, während der 24-h-Messung ein sog. Tagesprotokoll zu führen. 5 Bei der Beurteilung des Blutdruckverhaltens über 24 Stunden ist es nicht nur wichtig, einzelne zu hohe oder zu niedrige Phasen zu analysieren. 5 Ein weiteres diagnostisches Kriterium ist das Erkennen einer typischen sog. Nachtabsenkung des Blutdruckniveaus während der Nachtruhe. i Tipps Mit Hilfe der Langzeit-Blutdruckmessung kann außerdem überprüft werden, ob die medikamentöse RR-Therapie ausreichend ist.
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Kreislauf-Erkrankungen. Die Pumpkraft des Herzmuskels wird durch die Autorhythmie bestimmter erregungsbildender Zellen in einer charakteristischen Abfolge gewährleistet. Dabei werden elektrische Impulse vom Sinusknoten über das Reizleitungssystem, den sog. AV-Knoten, His-Bündel, Tawara-Schenkel und Purkinje-Fasern, in die Myocardzelle geleitet. Dort werden sie in eine Kontraktion umgesetzt. Sowohl die Entstehung des Impulses als auch seine Reizweiterleitung stellen elektrische Ströme dar, die als sog. Potenzialdifferenzen (Ladungsschwankungen) zwischen dem Intra- und Extrazellulärraum der betroffenen Myocardzellen entstehen. Applizierte Körper-Elektroden können nach entsprechender Verstärkung die Potenzialdifferenzen als Abweichung von einer Grundlinie (isoelektrische Linie) nach oben oder unten darstellen. Gebräuchlich sind vielfältige Ableitungen. Bei der Anlage wird zwischen mindestens 3, maximal 12 Ableitungen differenziert. Diese unterscheiden sich nur von der Lage auf dem Körper und damit der Position zum Herzen. Der Vorgang der elektrischen Erregungsausbreitung des Herzmuskelgewebes kann mit dieser Methode aus verschiedenen Positionen bei stets gleicher zeitlicher Reihenfolge abgebildet werden. Auffälligkeiten werden damit in ihren einzelnen Ableitungen den bestimmten Lokalisationen des Herzens zugeordnet. Das herkömmliche Oberflächen-EKG mit 3 oder mehr Ableitungen ermöglicht die folgenden Rückschlüsse: 5 Routinediagnostik über den Herzrhythmus, 5 die Entstehung und Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektrischen Erregung sowohl auf Vorhof- wie auf Kammerniveau, 5 die Bestimmung der elektrischen Herzachse (»Lagetyp des Herzens«). Herzinfarkte können relativ sicher erkannt werden. Bei der Beurteilung wird zwischen frischen und alten Infarkten differenziert.
. Übersicht Für die Untersuchung ist es wichtig, folgende Pathologien zu erkennen: 5 Wie tief ist der Infarkt in die Wandschichten des Herzmuskelgewebes vorgedrungen? 5 Liegt eine Minderdurchblutung der Herzkranzgefäße, insbesondere während eines Belastungs-EKG vor? 5 Besteht eine Verlangsamung oder Beschleunigung des Herzschlages (Bradycardie, Tachycardie)? 5 Liegen Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern oder -flattern, Kammerflimmern oder -flattern vor? 6
3.5.2 Elektrokardiogramm (EKG) Das Elektrokardiogramm ist eine sehr verbreitete Untersuchungsmethode in der komplexen Diagnostik von Herz-
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3.5 · Internistische Diagnostik
Mitunter lassen sich Veränderungen der physiologischen Schlagfolge des Herzens erst nach ausreichender Beobachtungszeit oder nur unter bestimmten Belastungssituationen erkennen. Deshalb sind für eine spezifische Herzdiagnostik neben dem herkömmlichen EKG das Langzeit- und Belastungs-EKG von besonderer Bedeutung.
Üblich ist während der Belastung, die entweder kontinuierlich oder über eine 2-minütige Steigerungs-Stufe erfolgt, eine 12-Kanal-EKG-Aufzeichnung. Die Aufzeichnung erfolgt in der Regel auch in der sog. Nachbelastungsphase, die bis zu 10 Minuten nach der Maximalbelastung andauert. Zusätzlich wird während und im Anschluss an die Untersuchung in regelmäßigen Abständen der arterielle Blutdruck gemessen und protokolliert. Die Belastungssteigerung kann durch verschiedene Methoden erreicht werden, die sich an einem natürlichen Belastungsvorbild orientieren. Gängig ist das Fahrradergometer. Messungen mit Hilfe eines Laufband- oder Ruderergometers sind ebenso möglich. Beim sog. Stufen-Ergometer müssen in einer gleich bleibenden Geschwindigkeit mehrere Stufen hintereinander immer wieder erklommen werden. Das Handkurbelergometer wird z. B. bei Patienten mit Beinamputationen oder bei hochgradiger pAVK eingesetzt.
Langzeit-EKG
Das Belastungs-EKG wird bei folgenden Auffälligkeiten eingesetzt:
5 Fallen Extraschläge deren Ursache im Vorhof liegen (supraventrikuläre Extrasystolen) oder Extraschläge, die auf Kammerniveau stattfinden (ventrikuläre Extrasystolen) auf? 5 Treten Normalschläge und Extrasystolen im Wechsel (Bigeminus) auf? Bestehen Herzvergrößerungen oder Ergüsse im Herzbeutel oder Entzündungen des Herzmuskelgewebes?
Im Langzeit-EKG wird der Patient mit einem transportablen Aufzeichnungsgerät verbunden, das gängig mit 3 Oberflächen-Elektroden versorgt ist. Um einen ganzen Tag wie auch eine Nacht cardiographisch beurteilen zu können, erfolgt die Aufzeichnung in der Regel über 24 Stunden. Moderne Geräte können zusätzlich über Mobilfunkeinheiten entweder direkt oder mit einer gewissen Zeitverzögerung die EKG-Aufzeichnung an räumlich entfernte Diagnosezentren senden. Gängig werden digitale Aufzeichnungen in einem Speichermedium gesichert. Nach der Aufzeichnung können die Ergebnisse am Computer von Experten gelesen und beurteilt werden. Wichtig für die Beurteilung ist, ob klinische Beschwerden, wie etwa »Herzrasen«, »Herzstolpern«, Schwächegefühl usw., einem elektrophysiologischen Korrelat entsprechen. Dazu fertigt der Patient ein Tagesprotokoll an, in dem insbesondere subjektive Symptome vermerkt werden. Diese werden später mit der zeitlichen Abfolge im Langzeit-EKG verglichen. i Tipps Das Langzeit-EKG dient vor allem dazu, schwere Herzrhythmusstörungen von ungefährlichen differenzialdiagnostisch zu beurteilen. Wirkung und mögliche Nebenwirkungen von Herzmedikamenten können mit dem Langzeit-EKG kontrolliert werden.
Belastungs-EKG Im Belastungs-EKG, das auch als Ergometrie bezeichnet wird, soll die cardiale Funktion unter Belastung dargestellt werden. Grundsätzlich können hier sämtliche Pathologien diagnostiziert werden die auch im herkömmlichen EKG oder im Langzeit-EKG vorkommen. Mit Hilfe des Belastungs-EKG werden insbesondere Durchblutungsstörungen des Herzmuskels oder spezielle Rhythmusstörungen, die sich häufig nur unter entsprechender Belastung zeigen, aufgezeigt.
5 beim Verdacht auf eine coronare Herzkrankheit, 5 zur Vorlaufskontrolle einer bestehenden coronaren Herzkrankheit, 5 nach Maßnahmen wie Ballondilatation der Herzkranzgefäße, Bypass-Operationen und sonstigen chirurgischen Eingriffen. Eine Sonderform des Belastungs-EKG ist das sog. »StressEchocardiogramm«. Mit dieser Untersuchungsmethode werden die Vorteile der Herz-Sonographie mit denen der Ergometrie verbunden. Wandbewegungsstörungen sowie das Schadensausmaß einer Minderdurchblutung des Herzmuskelgewebes können mit Hilfe dieser Untersuchung direkt unter der Belastung ausgemacht werden.
3.5.3 Spiroergometrie Diese komplexe Untersuchungsmethode besteht aus der gleichzeitigen Durchführung eines Belastungs-EKG und einer kontrollierten Ein- und Ausatmung, die über ein Mundstück oder eine Atemmaske mit zusätzlicher gemischtvenöser Blutgasanalyse durchgeführt wird. Die Blutgasanalyse erfolgt in der Regel aus dem Ohrläppchen und erlaubt die Beurteilung der cardiopulmonalen Leistungsfähigkeit. Die Methode wird in der Diagnostik von Spitzensportlern ebenso wie zur Differenzialdiagnose von Herz-Kreislauf- und Lungenerkrankungen eingesetzt. Bei Patienten, die z. B. unter einer Dyspnoe leiden, besteht das vorherrschende Problem einer belastungsabhängigen Luftnot, die eine cardiale oder pulmonale Beeinträchtigung zur Folge haben kann. Allgemein verursachen sowohl die coronare Herzkrankheit wie die dilatative Cardiomyopathie, bzw. eine Herzinsuffizienz Luftnot. Häufige Ursachen für Luftnot sind außerdem Asthma bronchiale, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) sowie die Sarkoidose.
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Kapitel 3 · Safety
Mit der Spiroergometrie kann die mögliche Leistungslimitation relativ genau differenzialdiagnostisch qualifiziert werden.
3.6
Spirometrie
Das EEG ist eine Methode zur Registrierung von Potenzialschwankungen des Gehirns. Zur technischen Durchführung
Die Spirometrie wird als einfache, preiswerte, auch mobil mögliche Methode zur Bestimmung der Lungenkapazität und der sog. 1-Sekunden-Ausatmungskapazität (TiffeneauTest) eingesetzt. Dabei werden die erhobenen Messwerte mit einer Normtabelle verglichen, die nach Geschlecht, Alter und Gewicht differenziert. Bei der Einsekundenausatmung wird bestimmt, welcher Anteil der Vitalkapazität innerhalb einer Sekunde ausgeatmet werden kann. Die Vitalkapazität der Lunge setzt sich aus Atemzugvolumen sowie inspiratorischen und exspiratorischen Reservevolumen zusammen. Bei obstruktiven Lungenerkrankungen kann während einer forcierten Exspiration innerhalb der ersten Sekunde bei weniger als 80% der Vitalkapazität ausgeatmet werden. Restriktive Lungenerkrankungen erkennt man an der ver-
Apparative neurologische Diagnostik
3.6.1 Elektroenzephalogramm (EEG)
werden 20 Elektroden an genau definierten Stellen mit paarigen Korrespondenzstellen am jeweils anderen Halbschädel über die Kopfhaut verteilt. Zur Messung sind die Elektroden mit einem Aufzeichnungsgerät, das mit einem Drucker verbunden ist, angeschlossen. Die vom Gehirn als schwache elektrische Ströme ausgehenden Impulse werden nach entsprechender Verstärkung sichtbar gemacht und im zeitlichen Verlauf dokumentiert. Physiologisch werden 4 Grundmuster, die einer bestimmten Gehirnaktivität zuzuordnen sind, unterschieden: 5 Alphawellen (8–13 Hz), 5 Betawellen (13–30 Hz), 5 Thetawellen (4–7 Hz), 5 Deltawellen (–3 Hz).
ringerten Vitalkapazität.
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i Tipps Der Einsekunden-Ausatmungstest ist dann häufig normal.
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Bodyplethysmographie Die Bodyplethysmographie ist zum Aufdecken funktioneller Atemwegserkrankungen die Untersuchungsmethode der Wahl. Mit dieser Methode lassen sich die Schwere und das Ausmaß einer funktionellen Atemwegserkrankung gut quantifizieren. Der sog. Broncholysetest, bei dem die Untersuchung nach Einnahme eines Broncholytikums wiederholt wird, eignet sich außerdem besonders gut zur individuellen Überprüfung von Wirksamkeit und Einnahme-Notwendigkeit der verabreichten Medikamente. In einer nach außen komplett abgedichteten Kammer wird die Ein- und Ausatmung über ein Mundstück kontrolliert. Gleichzeitig werden das Atemvolumen sowie die Drücke und Widerstände gemessen. Das gesamte intrathorakale Gasvolumen kann zudem mit dieser Methode bestimmt werden.
Die Alpha- und Beta-Wellen entsprechen dabei einem Wachzustand der sich bei geöffneten Augen (Beta-Rhythmus) anders darstellt als bei geschlossenen Augen (Alpha-Rhythmus). Im Schlafzustand hingegen dominieren Theta- und Deltawellen. i Tipps Bei der Epilepsiediagnostik sucht man nach charakteristischen Veränderungen, den sog. »spikes« und »waves«, die entweder generalisiert oder über bestimmte Ableitungen besonders deutlich hervortreten.
Da jede Ableitung ein anderes Hirnareal topographisch abbildet, ist eine Fokussuche möglich, die Aufschluss über die zu Grunde liegende Störung gibt. Ursachen können z. B. Hirnmetastasen, Tumoren oder Epilepsien sein. Besonders gut eignet sich das EEG in der Epilepsiediagnostik, da sich die charakteristischen Veränderungen einer Epilepsie nicht nur während eines Anfalls, sondern auch zwischendurch zeigen. Als sog. Langzeit-EEG wird diese Untersuchung auch im Zusammenhang mit Provokationsuntersuchungen verwendet, wie z. B. nach Schlafentzug.
i Tipps Bei Überblähungen der Lunge, wie z. B. dem Lungenemphysem, ist das intrathorakale Gasvolumen erhöht.
Die Bodyplethysmographie wird auch für Provokationstests bei Allergikern eingesetzt. Hierbei werden fakultativ belastete Inhalativa, wie z. B. bestimmte Blütenpollen bei allergisch bedingtem Asthma, kontrolliert eingesetzt, um die Reaktion auf das Allergen zu testen. Weitere Krankheitsbilder, die sich mit dieser Untersuchungsmethode gut quantitativ messen lassen sind: 5 restriktive Lungenerkrankungen, wie z. B. M. Boeck (Sarkoidose), 5 obstruktive Lungenerkrankungen, wie z. B. COPD oder Bronchialasthma.
3.6.2 Elektroneurographie (ENG) Die Elektroneurographie wird zur Bestimmung der Nervenleitungsgeschwindigkeit (NLG) peripherer Nerven eingesetzt. Bei dieser Untersuchung wird zwischen einer motorischen und einer sensiblen NLG unterschieden. Um die motorische NLG messen zu können, muss der Nerv an mindestens zwei Stellen gereizt werden. Die Stimulation erfolgt über zwei Elektroden, die einerseits den peripheren Nerven gezielt reizen und andererseits eine entsprechende motorische Reflexantwort aufnehmen. In der Regel werden für diese Untersuchung Oberflächenelektroden oder Nadelelektroden eingesetzt. Die Leitungsgeschwindigkeit
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3.7 · Ausgewählte Krankheitsentitäten
eines Nervs ist von der Dicke der Myelinscheide abhängig. Krankheiten, die eine Veränderung der Myelinscheide zur Folge haben, lassen sich durch diese Untersuchung besonders gut darstellen. Dies sind z. B. neurale Muskelatrophien, idiopathische Polyneuritiden oder chronische Druckschädigungen peripherer Nerven. Eine Bestimmung der sensiblen NLG erfordert die Anwendung einer elektronischen Mittelwertbildung, die als sog. Averaging-Technik bezeichnet wird. Unter Berücksichtigung der Amplitude, Dauer und Form des Antwortpotenzials dient das sensible NLG zur Beurteilung des Schädigungsgrades eines Nervs bzw. zum Nachweis einer Reinnervation. Erkrankungen, die mit einer Axonschädigung der Nerven einhergehen, wie z. B. die toxische Polyneuropathie, sind nur selten an einer verminderten NLG zu erkennen. Die Leitungsgeschwindigkeit ist bei einem sich regenerierenden Nerv in den ersten Monaten deutlich geringer. In den nachfolgenden Jahren bleibt infolge einer unkompletten Markscheidenregeneration eine Leitungsverzögerung bestehen.
3.6.3 Elektromyographie (EMG) Die EMG ist eine Methode zur Darstellung normaler und pathologisch veränderter Aktionsströme der Muskulatur, die entweder durch eine Willkürinnervation oder elektrische Reizung hervorgerufen werden. Bei Muskelatrophien kann differenzialdiagnostisch zwischen neurogenen Atrophien und Myopathien unterschieden werden. Dazu werden Nadelelektroden in den zu untersuchenden Muskel eingebracht, die Potenzialschwankungen ableiten, welche infolge der Aktivierung einer oder mehrerer motorischer Einheiten hervorgerufen wurden. Mit Hilfe des EMG können folgende Erkrankungen und Symptome differenziert werden: 5 neurogen/myogen bedingte Muskelatrophie, 5 neurogene Paresen, 5 Inaktivitätsatrophien, 5 mechanische Behinderungen, z. B. durch Sehnenriss oder intraartikulär bedingt, 5 psychogene Lähmungen, 5 schmerzreflektorische Ruhigstellung. Neurogene Läsionen können ebenso in ihrem Verlauf beurteilt werden, z. B. in Bezug auf ihren Reinnervationsgrad.
3.7
Ausgewählte Krankheitsentitäten
Der Begriff Tumor bezeichnet eine Geschwulst bzw. eine örtliche Zunahme des Gewebevolumens, die mit den klassischen Entzündungszeichen Rubor (Rötung), Calor (Wärme), Dolor (Schmerz) und Functio laesa (Funktionsausfall) einhergehen kann. Wichtig Grundsätzlich muss zwischen den Entzündungszeichen, die mit einem Tumor einhergehen können, und der malignen Entartung unterschieden werden.
Krebserkrankungen sind vielfältig und können sich theoretisch in allen Geweben manifestieren. Die frühzeitige Diagnose ist entscheidend für die Prognose. Deshalb müssen bei dem Verdacht auf eine maligne Entartung umfangreiche Untersuchungen durchgeführt werden. Um jedoch nicht jeden Patienten einer unnötigen und aufwändigen Apparatemedizin zuzuführen, ist es wichtig, die Kardinalsymptome einer malignen Entartung rechtzeitig zu erkennen und richtig einzuschätzen. Wichtig Die Kardinalsymptome einer malignen Entartung sind: 5 Müdigkeit/Abgeschlagenheit, 5 Nachtschweiß, 5 Gewichtsverlust.
Regressive und progressive Veränderungen Ursache für eine Krebserkrankung ist eine Zellveränderung, welche mit einer entarteten Zellteilung (Mitose) einhergeht. Die unregelmäßig verlaufende Zellteilung und deren Zellteilungsprodukte sind zwar überlebensfähig, können sich aber nicht in die Organisationsordnung des Restgewebes einordnen. Veränderungen an Geweben können grundsätzlich regressiv oder progressiv sein. Bei einer regressiven Veränderung bildet sich Zellgewebe zurück. Diese Art der Veränderung ist bei einer Degeneration, z. B. durch Abnutzung von Knorpelgewebe an Gelenken, ebenso der Fall wie bei einer Atrophie, die z. B. als Folge einer längeren Ruhigstellung auftritt. Eine besondere Form der Regressivität ist die Nekrose, bei der ein Untergang von Gewebe entsteht. Wichtig Ist eine Mangeldurchblutung (Ischämie) die Ursache für eine Nekrose, so wird dies als Infarkt bezeichnet.
3.7.1 Krebserkrankungen Unter einer Krebserkrankung wird die allgemeine Bezeichnung einer bösartigen Neubildung (maligner Tumor) verstanden.
Bei einer progressiven Veränderung bildet sich neues bzw. vermehrtes Gewebe. Eine erwünschte progressive Veränderung ist die Regeneration des Gewebes. Bei der Regeneration kommt es zum Ersatz verloren gegangener Zellen durch Zellneubildung. Im Gegensatz zu einer malignen progressiven Veränderung ent-
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Kapitel 3 · Safety
. Abb. 3.12. Auswirkungen von verdrängendem Wachstum: a) Ausdehnung; b) Kompression von Nachbarorganen; c) Stieldrehung.
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steht bei einer Regeneration des Gewebes keine Zellzahlvermehrung (Hyperplasie). Gewebe das immer wieder einer Zellteilung unterliegt, wird als sog. Wechselgewebe bezeichnet. Zu den Wechselgeweben zählen z. B. die Haut mit einem Regenerationszyklus von ca. 28 Tagen und das Knochenmark mit seiner hohen Proliferabilität. Das Knochenmark dient als Bildungsort der Blutplättchen sowie der roten und weißen Blutkörperchen. Die Ursache einer Krebserkrankung ist immer eine Zellteilung, deren Zellteilungsprodukt zwar auf der einen Seite mangelhaft ist, das aber dennoch zum Überleben und zur weiteren Zellteilung in der Lage ist. Krebs stellt grundsätzlich eine progressive Veränderung dar, wichtig ist allerdings die Einschätzung der sog. Dignität. Unter einer Dignität wird das biologische Verhalten einer Geschwulst verstanden, das nach den Kriterien benigne (gutartig), maligne (bösartig) bzw. semimaligne eingeteilt werden kann. Dignität ist eine Eigenschaft des Gewebes, die letztlich von einer einzelnen Zelle ausgeht. Für den Patienten aber auch für die weitere Therapie ist sie von entscheidender Bedeutung. Der Pathologe hat im Anschluss an eine Gewebeentnahme die Aufgabe, die Dignität des Gewebes zu klären.
Benigne Tumoren Benigne Geschwülste sind nicht selten. In Bezug auf ihre klinische Bedeutung sind sie jedoch als vergleichsweise harmlos einzustufen. Ein klassisches Beispiel für einen benignen Tumor ist ein Polyp, bei dem es sich um eine gutartige Schleimhautwucherung handelt. Diese Wucherung entwickelt sich häufig z. B. im Nasen-Rachen-Raum oder in der Mukosa des Magen-DarmTraktes. Polypen wachsen langsam. Da sie das umliegende Gewebe verdrängen, können chronische Reizzustände und Passagehindernisse in tubulären Organen entstehen, die u. U. mit Blutungen und rezidivierenden Schmerzzuständen einhergehen (. Abb. 3.12). In Abhängigkeit von den klinischen Symptomen, die benigne Tumore verursachen, findet auch eine symptomatische bis kausale Therapie statt, die bis zur chirurgischen Entfernung gehen kann. Unentdeckte gutartige Geschwülste sind ein häufiger Grund für eine Vielzahl von Symptomen. Da benigne Tumoren mitunter die Eigenschaft haben, nach einer gewissen Zeit
maligne zu entarten, sollte eine regelmäßige Tumor-Kontrolle erfolgen.
Primär gutartige Erkrankungen, die eine Voraussetzung für bösartige Erkrankungen darstellen, werden als sog. »Präcancerose« bezeichnet. Folgende Präcancerosen werden unterschieden:
5 fakultative Präcancerosen: Die Umwandlungswahrscheinlichkeit (UW) ist >0, aber <100%; 5 obligate Präcancerosen: Die UW ist gleich 100%. Fakultative Präcancerosen sind z. B. manche Dickdarmpolypen, die mitunter für die Entstehung von Dickdarmkrebs ver-
antwortlich sind und deshalb rechtzeitig chirurgisch entfernt werden sollten. Zu den obligaten Präcancerosen zählt z. B. die familiäre Adenomatosis coli, die auch als Polyposis intestinii bezeichnet wird. Bei dieser Form der Erkrankung wird jeder primär als gutartig einzustufender Polyp im Laufe der Zeit bösartig entarten.
Maligne Tumoren Alle malignen Krebserkrankungen gehen mit einem destruktivem Wachstum einher. Im Gegensatz zum verdrängenden
Wachstum der gutartigen Geschwulst wächst ein maligner Tumor in Organ- und Gewebegrenzen hinein. Malignome haben zudem die Eigenschaft, Tochtergeschwülste, sog. Metastasen, zu bilden. Das Problem der bösartigen Krebserkrankung ist vielfältig. Bei einer malignen Entartung entsteht zunächst lokal an einem bestimmten Ort des Körpers eine Gewebewucherung, die sich nicht an die innere Organisation des Organismus hält, sondern die Energie des Individuums nutzt und zu einer unkontrollierten Ausbreitung führt. Diese Geschwulst wächst selbst durch Strukturen hindurch, die ansonsten solide Grenzen darstellen, wie z. B. in Muskeln, Sehnen oder Knochen. Eine Metastasenbildung entsteht, wenn sich im weiteren Verlauf zusätzlich einzelne Zellhaufen aus diesem Gebilde absiedeln und sich auf unterschiedlichen Wegen innerhalb des Organismus verteilen (. Abb. 3.13). Die Eigenschaft zur Metastasierung ist ein grundlegendes Kennzeichen der malignen Tumore. Das Vorliegen einer oder mehrerer nachweisbarer Metastasen ist für das weitere therapeutische Vorgehen entscheidend, da es die Prognose bestimmen kann. Nicht selten sind Metastasen für Symptome verantwortlich, die den Patienten bei bereits bestehender, aber noch nicht erkannter Krebserkrankung veranlassen, therapeutische Hilfe zu suchen.
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3.7 · Ausgewählte Krankheitsentitäten
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. Abb. 3.13. Wachstumsverhalten von malignen Tumoren: a) Kompression von Nachbarorganen; b) Ummauerung von Hohlorganen; c) Verlegung des Lumens; d) Einwachsen in das Gefäßsystem; e) intrakanuläre Ausbreitung und Ausbreitung im perivaskulären und perineuralen Bindegewebe; f) Ulzeration; g) Tumorfisteln mit Infektion; h) Gefäßarrosion; i) Fistelbildung; j) pathologische Fraktur; k) Blutbildungsstörung bei Knochenmarkbefall; l) Abflußstörung und Organinsuffizienzen (Bsp. Niere); m) papilläres Wachstum; n) ulzerierendes Wachstum; o) polypöses Wachstum; p) multizentrisches Wachstum; q) zystisches Wachstum; r) diffuses Wachstum (in Anlehnung an Riede, Allgemeine und spezielle Pathologie, Thieme)
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Kapitel 3 · Safety
In der osteopathischen Praxis sind besonders Knochenmetastasen von großer Bedeutung. Viel häufiger als die eigentlichen Primärtumoren des Knochens kommen Knochenmetastasen vor. Typische Krebserkrankungen, die mit einer Knochenmetastasierung einhergehen, sind z. B. Prostata- und Bronchialkarzinome des Mannes, Mammakarzinome der Frau, Tumoren im Peritoneum, das sog. »Hypernephrom« der Niere, Schilddrüsen-CA und maligne Melanome.
4 Wichtig
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Die häufigste maligne Erkrankung des Knochens ist die Fernmetastase.
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Ist eine dieser Krebsarten bereits diagnostiziert, muss bei persistierendem Knochenschmerz an das Vorliegen einer Fernmetastasierung gedacht werden. Kavatyp
Wichtig Um Primärtumoren nicht zu übersehen, sollte bei therapieresistenten Knochenschmerzen stets eine weitere, z. B. bildgebende Diagnostik erfolgen.
Eine Metastasierung kann sich auf unterschiedliche Weise ausbilden. Von einer lymphogenen Metastasierung spricht man, wenn Tumorgewebe lymphatisch drainiert wird und einzelne Tumorzellen über die Lymphbahnen in die nächstgelegenen Lymphknoten gelangen. Sind nur Lymphknoten befallen, die in unmittelbarer Nähe des Primärtumors liegen, wird von einer sog. regionalen Metastasierung gesprochen. Um eine regionale Metastasierung weitestgehend auszuschließen, wird bei der chirurgischen Entfernung eines Tumors das unmittelbare Lymphgewebe mit entfernt. Regelrechte Fernmetastasen entstehen entweder in Folge einer weiteren Verbreitung über die Lymphbahnen oder durch eine hämatogene Ausbreitung über die Blutbahn. Eine Absiedelung von Tumorzellen aus der Blutbahn in spezifische Gewebe hinein findet oft durch eine Strömungsverlangsamung statt. Weitere begünstigende Faktoren, die bisher nicht hinreichend erforscht sind, können zudem eine wichtige Rolle spielen.
Pfortadertyp
. Abb. 3.14. Schema: Metastasierung V.-cava- und vom -portae-Typ
ihre Metastasen folglich hämatogen über die V. portae. Die V. portae gibt ihr Blut mit plötzlicher Strömungsverlangsamung in die Leber ab, die eine hohe Nährstoffdichte hat und gut durchblutet ist (. Abb. 3.14). Bei einer Metastasierung vom Cava-Typ entstehen zunächst aus beiden Vv. cavae Lungenmetastasen. Die Vv. cavae münden in den rechten Vorhof des Herzens und führen das Blut zunächst mit einem hohen Strömungswiderstand durch den rechten Ventrikel hindurch und gelangen schließlich mit einer plötzlichen Strömungsverlangsamung in das Lungengewebe. Von einer Metastasierung per continuitatem wird gesprochen, wenn aus einem bestehenden Tumorzellverband eine unmittelbare Absiedlung in die Nachbarschaft entsteht. Da das Peritoneum der Frau eine Verbindung zu den Ovarien hat, kann es bei einem bestimmten Magenkarzinom zu dem Phänomen der Abtropfmetastasen kommen. Bei diesen Patientinnen entwickelt sich eine Absiedlung von Metastasen durch die freie Bauchhöhle in die Ovarien (KrukenbergTumor).
Semimaligne Tumoren Wichtig Eine hämatogene Metastasierung geht immer mit der Entstehung von Fernmetastasen einher. Die jeweils unterschiedliche Besiedelung lässt sich aus der Anatomie erklären.
Die Metastasierung vom Portae-Typ bezieht sich auf die Entstehung von Lebermetastasen aus dem Drainagegebiet der V. portae, die das venöse Blut der Mesenterialvenen aufnimmt. Tumore des Magens oder des Dickdarmes streuen
Als semimaligne wird eine Gruppe von Tumoren bezeichnet, die zwar alle lokalen Wachstumseigenschaften eines malignen Tumors besitzen, jedoch keine Fernmetastasen ausbilden. Ein nicht seltener semimaligner Tumor ist das Basaliom der Haut, das oft infolge einer verstärkten Sonnenlichtexposition entsteht. Das Basaliom tritt im Anfangsstadium häufig im Gesicht auf. Ohne einen chirurgischen Eingriff wächst das Basaliom beständig weiter und kann Knochendestruktionen, Zerstörungen der Augen oder des Gehirnes zur Folge haben. Rechtzeitig erkannt, ist die Erkrankung vollständig heilbar (. Abb. 3.15).
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3.7 · Ausgewählte Krankheitsentitäten
. Abb. 3.15. Basaliom der Haut (vor/nach der OP) (Aus: Deutsches Ärtzeblatt Jg 102, Heft 20, 2005)
der Prostatakrebs, die höchste Letalität hat das Bronchialkarzinom (2006: 28.898a). Im gleichen Jahr sind demgegenüber 358.953 Menschen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen verstorben, also fast doppelt so viele.a Männer und Frauen erkranken unterschiedlich häufig an bestimmten Tumoren, u. a. weil bereits das Ausgangsgewebe geschlechtsspezifisch ist, wie z. B. Prostata, Mamma, Cervix uteri oder Hoden. Ebenso ist der Umgang mit bestimmten Noxen, wie z. B. Nikotin, unterschiedlich. Bei den Frauen ist mit über 25% der mit Abstand häufigste Tumor das Mammakarzinom (Inzidenz: ca. 57.000a; Letalität: ca. 17.500a). Die Inzidenz von Bronchialkarzinomen ist in den letzten Jahren als Ausdruck des vor etwa 30 Jahren einsetzenden und beständig wachsenden Anteils an inhalativ rauchenden Frauen deutlich angestiegen. Die Verteilung der wichtigsten Tumore ist in . Abb. 3.16 (Quelle: Robert Koch Institut) aufgeführt. Weltweit gesehen, ergibt sich eine etwas andere Verteilung. 2000 starben nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über 6 Millionen Menschen an Krebs. Es wird davon ausgegangen, dass die Zahl der Krebstoten aus Entwicklungsländern in den kommenden Jahren rapide wächst, während sich die Rate in den Industrieländern auf hohem Niveau stabilisiert. Bei den Männern stellen, weltweit gesehen, Lungen-, Darm- und Prostata-Krebserkrankungen mit je über 3 Millionen Erkrankten den größten Anteil dar, während bei den Frauen mit knapp 8 Millionen das Mammakarzinom die häufigste Erkrankungsart ist.
Paraneoplastische Syndrome Epidemiologie Im Jahr 2006 erkrankten in Deutschland 426.800 Menschen an Krebs; für 210.930 war es im selben Jahr die Todesursache, allein 38.990 Menschen starben an Neubildungen von Bronchial- und Lungentumoren. Häufigste Krebsart bei Männern ist
Das Phänomen der paraneoplastischen Syndrome ist differenzialdiagnostisch interessant, häufig aber auch verwirrend.
a
Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum.
. Abb. 3.16. Inzidenz der häufigsten acht geschlechtsspezifischen Krebsarten absolut und in Prozent (2006)a
Alle Altersgruppen Prostata
Mamma
60.120 / 26,23%
57.970 / 29,34% Darm
Darm
36.300 / 15,84%
32.440 / 16,42% Lunge
32.500 / 14,8% Harnblase 19.360 / 8,47%
Lunge 14.600 / 7,37% Uterus 11.140 / 5,64%
Magen 10.620 / 4,62%
Ovarien/Adnexe 9.670 / 3,66%
Nieren 10.050 / 4,37%
Malignes Melanom (Haut) 8.470 / 4,29%
Mundhöhle/Rachen 7.930 / 3,47%
Harnblase 8.090 / 4,09%
Malignes Melanom (Haut) 7.360 / 3,20%
Magen 7.230 / 3,66%
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Kapitel 3 · Safety
Unter einem paraneoplastischem Syndrom wird die Tatsache verstanden, dass viele Tumorarten in der Lage sind, verschiedene Hormone zu produzieren, die nicht dem hormonellen Regelkreis unterliegen und somit zum Teil bizarre klinische Bilder auslösen. Nicht ungewöhnlich ist z. B. bei einem Bronchialkarzinom die regellose Produktion von adrenocorticotropen Hormon (ACTH), das normalerweise die Nebennierenrinde zur Cortisolproduktion stimuliert und das sog. »CushingBild« verursacht. Typischerweise findet sich bei diesen Patienten ein Vollmondgesicht, das nicht zur allgemeinen Tumorkachexie des Patienten passt. Wird das antidiuretische Hormon (ADH) vermehrt produziert, entsteht eine verminderte Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen. Die Folge ist eine erhöhte Reizbarkeit, Verwirrtheit und Schwäche. Im Extremfall können sogar cerebrale Krampfanfälle ausgelöst werden. Von Plattenepithel-Karzinomen wird mitunter eine parathormonähnliche Substanz in der Lunge produziert. Die Folge ist eine Erhöhung des Blutcalciumspiegels. Begleitende Symptome, die infolge des Blutcalciumanstieges entstehen, sind Bauchschmerzen, Verstopfung, gesteigertes Durstgefühl, übermäßiger Harndrang bis hin zur Lethargie. Werden vermehrt Gonadotropine von den Tumorzellen der Lunge produziert, bildet sich bei Männern eine Gynäkomastie, die mit einer Hodenatrophie verbunden ist, aus.
Allgemeine Cancerogenese Die Frage nach der Entstehung von Krebserkrankungen beschäftigt die Wissenschaft und Medizin schon lange, aber selbst die wissenschaftlich am besten belegten Kausalzusammenhänge haben trotz hinreichendem Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung leider zu keiner wesentlichen Verhaltensänderung geführt. Nach wie vor ist das nahezu ausschließlich durch inhalativen Nikotinkonsum hervorgerufene Bronchialkarzinom der zweithäufigste Tumor des Mannes. Statistisch gesehen ist auch die Zuwachsrate (Inzidenzen) bei Frauen, bedingt durch die verstärkte Aufnahme der Rauchgewohnheit in den späten 60er-Jahren als Folge falsch verstandener Emanzipationsbemühungen und der relativ langen durchschnittlichen Expositionszeit von etwa 30 Jahren, zu beklagen. Allgemein gesehen, entsteht eine Krebserkrankung als Folge einer ungünstigen Wechselwirkung zwischen Umwelt-, Erbfaktoren und seelischen Einflüssen. Letztlich ist der Mechanismus multifaktoriell. Als cancerogen gilt eine Vielzahl von Auslösern. In den folgenden Abschnitten werden mögliche Krebs auslösende Faktoren aufgeführt.
Wichtig Das p53-Gen wird als Wächter des Genoms bezeichnet.
In der normalen gesunden Zelle verhindert es die ungezügelte Teilung der Zelle. Man nennt diese Klasse von Genen auch Tumor-Suppressorgene.
i Tipps Der Gegensatz zu den Tumor-Suppressorgenen sind Onkogene, die den Zellteilungszyklus in einer normalen Zelle anregen und Krebserkrankungen begünstigen.
Wie wirkt p53 in der gesunden Zelle? Der Wächter des Genoms p53 verhindert in der normalen Zelle, dass ein DNA-Schaden bei der Zellteilung an die Nachkommen weitergegeben wird. Normalerweise befinden sich nur wenige p53-Moleküle in einem Zellkern. Erst wenn schädigende Einflüsse, wie z. B. UV- oder Röntgenstrahlung, Chemikalien oder Tabakrauch, das Erbgut belasten, wird p53 aktiv und alarmiert weitere Moleküle. Einige von ihnen binden sich an die DNA. Hierbei wird zunächst die Zellteilung gestoppt. Zelluläre Reparaturmechanismen werden über p53 eingeleitet, die den Defekt beheben. Anschließend kann sich die Zelle weiter teilen. Bei einem zu großen Schaden schützt p53 die Körperzelle auf andere Weise vor der Entartung. Ist die DNA so stark geschädigt, dass eine Reparatur aussichtslos scheint, ordnet p53 eine Zellzerstörung, die sog. »Apoptose«, an. Der zerstörten Zelle ist es nicht mehr möglich, ihre Fehler an die Nachkommen weiterzugeben.
Was passiert, wenn p53 ausfällt? Seit 1990 ist bekannt, dass der zelluläre Wächter p53 in nahezu 60% aller menschlichen Tumoren ausgefallen ist. Ein häufiger Grund ist eine Mutation des p53-Gen infolge einer fehlerhaften Veränderung. Veränderungen in den p53-Genen stellen damit die häufigste gemeinsame genetische Entartung in menschlichen Tumoren dar. Folge ist, dass mit einer Veränderung des Eiweißes p53 keine DNA-Bindung mehr entsteht, die eine Zellteilung stoppen könnte, um Reparaturen bzw. die Zellzerstörung einzuleiten. Die Zelle kann sich nach einem DNA-Schaden ungehemmt weiterteilen. Auf diese Weise kann ein Tumor entstehen. Inzwischen ist erforscht, dass p53 bei mehr als 50 verschiedenen Krebsarten ausgefallen ist, so z. B. bei 70% aller Darmtumoren, bei 50% der Lungentumoren und bei 40% der Brustkrebsfälle.
Onkogene Erst seit einigen Jahren ist erforscht, welche molekularen Veränderungen eine normale Zelle zu einer bösartigen Zelle verändern. Ein Grund sind vielfach Mutationen an ganz bestimmten Genen, deren Eiweiße bei der Zellvermehrung und -regulierung eine Rolle spielen. Eines dieser Gene ist das sog. p53-Gen.
Onkoviren Verschiedene Viren lösen nicht nur virale Infektionen aus, sondern können auch für eine Tumorinduktion verantwortlich sein. 5 Humane Papilloma-Viren (HPV) gehören zu einer Virenfamilie von denen das HPV 16 nicht nur Warzen hervor-
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3.7 · Ausgewählte Krankheitsentitäten
ruft, sondern auch das Wachstum von GebärmutterhalsKarzinomen (Cervix-Ca.) auslösen kann. 5 Das Herpes-simplex-Virus II (HSV II), das HPV 18 und andere Viren stehen in dem Verdacht, Ursache für Tumorerkrankungen zu sein. 5 Das Cytomegalie-Virus zählt ebenfalls zur Gruppe der sog. Herpes-Viren. Diese Virusart soll nicht nur an der Entstehung von Cervix-, sondern auch bei Kolon- und Prostata-Karzinomen beteiligt sein. 5 Der Erreger der infektiösen Mononukleose, dem sog. »Pfeifferschen Drüsenfieber«, ist das Epstein-Barr-Virus. Das Epstein-Barr-Virus kann über eine Veränderung der B-Lymphozyten das sog. »Burkitt-Lymphom« verursachen.
fehlerlos seinem Original entspricht, wird dabei nicht »repariert«, sondern unwiderruflich vernichtet. Lange konnte man sich in der Humanbiologie einen Vorgang der Apoptose nicht unter physiologischen Gesichtspunkten vorstellen. Aus der Embryologie ist bekannt, dass die Entwicklung der Extremitäten über die sog. Extremitätenknospe verläuft, aus der durch Abschnürung (Apoptose) die Finger und Zehen entstehen.
Strahlen
Erst wenn die intrazelluläre Qualitätskontrolle unzulänglich gearbeitet hat, können auf einer weiteren Ebene Krebszellen als körpereigene, aber »entartete« Zellen ausgemacht und vernichtet werden. Dem Immunsystem kommt diese Aufgabe zu. Dabei werden das angeborene, unspezifische Immunsystem und das erworbene, spezifische Immunsystem unterschieden. Jedes dieser Teilsysteme besitzt noch eine weitere, eher willkürliche Unterteilung, die sich in einen zellulären und humoralen Bereich gliedert. Das spezifische Immunsystem wird von den Lymphocyten, die den Leucocyten zuzuordnen sind und aus Vorläuferzellen des Knochenmarks stammen, beeinflusst. Diese Lymphocyten erfahren im Laufe ihrer Entwicklung einen Vorgang der Prägung. So genannte T-Lymphocyten werden im Thymus geprägt, die B-Lymphocyten im Knochenmark (engl. »bonemarrow«). T-Lymphocyten, die nicht geprägt wurden, heißen Nullzellen. Zu ihnen gehören die allgemein in englischer Sprache bezeichneten »natural killer cells«, deren Aufgabe es ist, körpereigene, aber entartete Zellen zu erkennen und zu vernichten. Dieser Vorgang ist nicht selten, sondern läuft bei einem intakten Immunsystem immer wieder ab, um vor einer Krebsgeschwulstbildung zu schützen.
Ionisierende Strahlen, Röntgen-Strahlen und UVB-Strahlen, können die Entstehung von Geschwülsten induzieren. Das Organ, das die höchste Neuentstehungsrate aufweist, ist die Haut.
Chemische Cancerogene Knapp 4 Millionen organisch-chemische Verbindungen sind bekannt, von denen etwa 63.000 in praktischer Verwendung sind. Mindestens 18 organisch-chemische Verbindungen sind davon Krebs erregend, wie z. B. Asbest oder die chronische Exposition mit Holzstaub von Eichen und Buchen. In diesem Zusammenhang ist das Berücksichtigen sog. Risikofaktoren wichtig. Als Risikofaktoren werden Einflüsse bezeichnet, die das Auftreten einer bestimmten Krebserkrankung erhöhen. Hierzu zählen neben dem bereits erwähnten Nikotinmissbrauch auch das Lebensalter oder ein schlecht funktionierendes Immunsystem.
3.7.2 Krebs und Immunsystem Da jeder Krebserkrankung eine entartete Zellteilung zugrunde liegt, ist der Zusammenhang zwischen einer malignen Entartung und dem Immunsystem nahe liegend. Bei Mitosen handelt es sich um reine Kopiemechanismen, die mit einer Substratvermehrung einhergehen. Zwei Arten von Fehlern können dabei grundsätzlich entstehen: 5 Eine neue Zelle, die auch als Zellteilungsprodukt bezeichnet wird, kann infolge eines Fehlers völlig unbrauchbar werden. 5 Die neu entstandene Zelle wird durch einen Fehler zwar verändert, aber nicht sofort unbrauchbar. Bei diesem Fehler kann die Zelle überleben, hat aber ihre Orientierung am Gesamtorganismus verloren und ist autonom geworden. Für ihr eigenes Wachstum nutzt sie die Kraft des umgebenden Organismus. Im Organismus selbst haben sich im Laufe der Evolution mehrere Mechanismen entwickelt, die der Qualitätskontrolle dienen und zu einer Schadensbegrenzung beitragen. Ein wichtiges Prinzip ist hierbei die Apoptose, der sog. programmierte Zelltod. Jedes Zellteilungsprodukt, das nicht
Wichtig Die Vernichtung wertvoller Körperzellen findet zum Wohle des Gesamtorganismus bereits intrauterin statt.
Wichtig Eine fehlerhafte Zellteilung — der Ausgangspunkt des Krebses — entsteht ebenso häufig, wie das Immunsystem in der Lage ist, diese zu vernichten. Erst eine Dysbalance aus Entstehungshäufigkeit und korrespondierender Abwehr führt zu einer Krebserkrankung.
3.7.3 Arteriosklerose — Atherosklerose Arteriosklerose ist die Bezeichnung für Verkalkungen arterieller Blutgefäße. Diese Erkrankung wird auch als Atherosklerose bezeichnet und geht mit einer Verhärtung, Verdickung, Elastizitätsverlust sowie einer Lichtungseinengung der Gefäße einher.
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Kapitel 3 · Safety
Die durch eine Arteriosklerose bedingte Strömungsverlangsamung des Blutes kann z. B. zu einer Thrombenbildung führen. Lösen sich diese Thromben von den Gefäßwänden, entsteht eine Thrombose, die Gefäßverschlüsse auslöst. Folge von Gefäßverschlüssen kann eine Infarzierung von z. B. Herzmuskelgewebe (Herzinfarkt), Hirngewebe (Schlaganfall) und anderen parenchymatösen Organen sein. Auch viele chronische Krankheiten, wie z. B. die periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), aber auch verschiedene schleichende Insuffizienzen von Organsystemen sind mitunter auf eine generalisierte Gefäßverkalkung zurückzuführen. Wichtig Weltweit sterben an den Folgen einer Gefäßverkalkung mehr Menschen als an allen anderen Krankheiten.
Die Arteriosklerose stellt eine gewaltige Krankheitsentität dar, da sie eine Vielzahl unterschiedlicher Folgeerkrankungen hervorbringt, denen der gleiche Pathomechanismus zugrunde liegt. Die Gefäßwandveränderungen an sich haben mit Ausnahme der Aneurysmabildung nur einen geringen Krankheitswert. Obstruktionen der betroffenen Arterie mit einer Reduktion der Perfusion der abhängigen Gewebe jedoch bilden die pathophysiologische Grundlage für lebensbedrohliche Krankheitsbilder, wie z. B. Herzinfarkt oder Schlaganfall. Im Jahr 1995 starb in den USA ca. eine Million der menschlichen Bevölkerung an den Folgen cardiovaskulärer Erkrankungen. Auf die Gesamtbevölkerung bezogen waren dies 41,5% der Todesfälle. Die Folgen der Atherosklerose stehen seit 1900 uneingeschränkt an erster Stelle der Mortalitätsstatistik und verursachen so viele Todesfälle wie die nächsten sieben Todesursachen zusammen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Problem der Atherosklerose ist aufgrund des großen volkswirtschaftlichen Schadens, der allein 1998 in den USA mehr als 272 Milliarden US-Dollar betrug, weltweit sehr groß (American Heart Association, 1998; http://www.americanheart.org). Neben der Identifizierung neuer Risikofaktoren und der Charakterisierung bereits bekannter Faktoren spielt die Aufklärung der pathophysiologischen Hintergründe eine entscheidende Rolle. Trotzdem die ersten wissenschaftlichen Beobachtungen mehr als hundert Jahre zurückliegen und seither ein erheblicher finanzieller und personeller wissenschaftlicher Aufwand getrieben wurde, sind viele Details der Pathomechanismen noch unbekannt. Die Möglichkeit, einen bestehenden atherosklerotischen Plaque nichtinvasiv zu therapieren, ist bisher nicht bekannt. Wichtig Präventiv muss durch Kontrolle und Ausschluss von Risikofaktoren eine Entstehung von Plaques verhindert werden.
Risikofaktoren der Arteriosklerose Eine Reihe von Risikofaktoren wird mit der Entstehung einer Arteriosklerose in Zusammenhang gebracht. Zu den Hauptrisikofaktoren zählen: 5 Nikotinkonsum, 5 Hypercholesterinämie, 5 Hyperhomocysteinämie, 5 Diabetes mellitus, 5 arterielle Hypertonie, 5 Adipositas 5 Bewegungsmangel. Ein weiterer Risikofaktor ist eine positive Familienanamnese. Risikofaktoren wie Hyperlipidämien, Adipositas, Nikotinmissbrauch, Hypertonien und Diabetes mellitus lassen sich mitunter gut beeinflussen. i Tipps Die Framingham-Studie zeigte, dass eine Hypercholesterinämie eindeutig mit einer erhöhten Inzidenz zu einer frühzeitigen coronaren Herzkrankheit (KHK) einhergeht.
Das sog. »Multiple Risk Factor Intervention Trial« (MRFIT) konnte ein exponentiell ansteigendes Mortalitätsrisiko für KHK-Patienten in Abhängigkeit vom Cholesterinspiegel aufdecken. Männer mit einem Gesamtcholesterinwert über 240 mg/dl hatten ein mehr als 3fach höheres Risiko, an einer KHK zu erkranken, als Männer mit Werten unter 200 mg/dl. Mit der Zunahme des Cholesterins ist vor allem auch ein Anstieg des Low density lipoproteins (LDL) verbunden, während der Anstieg von Triglyzeriden mit der Zunahme des Very low density lipoproteins (VLDL) korreliert. Ein weiteres wichtiges Lipoprotein ist das High density lipoprotein (HDL), das u. a. aufgrund seiner Funktion, das Cholesterin aus dem peripheren Gewebe zur weiteren Verstoffwechselung in die Leber zu transportieren, als sog. »Antirisikofaktor« betrachtet wird. Während Tabakkonsum diese Funktion vermindert, kann regelmäßige körperliche Bewegung dazu beitragen, das HDL-Cholesterin zu erhöhen. Wichtig Hohe HDL-Cholesterinspiegel verringern nachweislich das Risiko, an einer cardiovaskulären Erkrankung zu sterben.
Ein niedriger Plasma-HDL-Spiegel wird aus diesem Grund ebenfalls zu den Risikofaktoren bzw. Co-Risikofaktoren gezählt. Bei Testpersonen, die unter einem moderat erhöhten LDL-Cholesterinspiegel litten, war ein Anstieg des HDL-Cholesterins um 7,5% nach Gabe des Medikamentes Gemfibrozil möglich. Damit reduzierte sich das Risiko, eine Myocardischämie zu erleiden, um 21%. Die Hyperlipidämie führt durch sauerstoffabhängige Radikale zu einer Erhöhung des oxidativen Stresses auf die Endothelzellen. Als Folge entsteht eine Umsetzung von Tran-
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3.7 · Ausgewählte Krankheitsentitäten
skriptions-Faktoren, die wiederum eine vermehrte Expression von Adhäsionsmolekülen verursachen. Die in die Gefäßwand aufgenommenen LDL-Partikel werden entweder von Macrophagen aufgenommen und intrazellulär oxidiert oder können extrazellulär durch Peroxide oxidieren und chemisch in zweierlei Hinsicht modifiziert werden. Oxidiertes LDL (ox LDL) enthält peroxidierte Lipide, von denen vor allem das Lysophosphatidylcholin (LPC) für die endothelaktivierende und Atherosklerose-unterhaltende Wirkung verantwortlich ist. Zudem sind auch die Prolin-Reste der Apolipoproteine aldehydsubstituiert. Beide Modifikationen verleihen dem LDL proatherogene Eigenschaften. Der größte Anteil des ox LDL wird in der Gefäßwand und in den Plaques gefunden. Der Plasmaspiegel hingegen gibt Aufschluss über das Ausmaß von Plaquesbildungen. Durch das Einwirken von ox LDL wird außerdem die Plättchen-Aggregation beeinflusst. Dabei sind zwei Effekte deutlich: 5 die Verminderung der NOS-Expression sowie 5 eine Unterdrückung der L-Arginin-Aufnahme in die Zielzelle.
Die Entwicklung atherosklerotischer Plaques Die Entstehung einer Arteriosklerose ist mit der »responseto-injury-theory« beschrieben. Bei der »response-to-injurytheory« wird davon ausgegangen, dass krank machende Faktoren, wie z. B. das Low Density Lipoprotein (LDL), Nikotin oder andere Bestandteile des Zigarettenrauches, in Verdacht stehen, eine Schädigung des Endothels und eine Aktivierung der Endothelzellen hervorzurufen. Mit dem Fortschreiten der Endothelschädigung, die sich v. a. an Aufzweigungen und Bifurkationen des arteriellen Gefäßbaumes manifestiert, werden ständig neue Lipoproteine in die Gefäßwand eingelagert. Die Endothelzelle hat auf ihrer Membran Adhäsionsrezeptoren und kann daher die Adhäsion und Extravasation von Monozyten unterstützen. Diese Monozyten nehmen in ihrem Cytosol Cholesterin auf und sondern Entzündungsmediatoren, Wachstumsfaktoren und chemotaktische Substanzen ab. Damit wird der Einstrom von Monocyten aus der Blutbahn aufrechterhalten und vergrößert. Diese fördern wiederum die Proliferation und Migration von glatten Muskelzellen und können das Endothel weiter schädigen. Morphologisch ist das frühe Stadium der Plaqueentwicklung durch die Präsenz lipidbeladener Makrophagen gekennzeichnet. Deshalb wird dieses Stadium auch als Schaumzellläsion bezeichnet. Im Frühstadium gibt es neben der Aktivierung der Endothelzelle auch Hinweise darauf, dass zirkulierende Blutbestandteile Zeichen einer Aktivierung aufweisen. Ursache können entweder dieselben pathogenetischen Faktoren oder sekundär eine Aktivierung und Dysfunktion des Endothels sein. Dieser Zusammenhang wurde insbesondere an Thrombozyten und Monocyten beobachtet. Umfangreiche Hinweise bestätigen, dass die Thrombozyten bei Patienten mit einer Hypercholesterinämie bereits an
der Entstehung des Plaques und der späteren Thrombenbildung beteiligt sind. i Tipps Zirkulierende Thrombocytenkomplexe und neutrophile Granulocyten sind Indikatoren atherosklerotischer Plaques.
An Patienten, die keine klinischen Zeichen einer manifesten Atherosklerose zeigten, konnte ebenfalls eine Aktivierung der zirkulierenden Thrombocyten nachgewiesen werden. Im Tierversuch wurde bereits nachgewiesen, dass die Korrektur einer endothelen Dysfunktion zu einer Reduktion der Plättchenaktivierung führt. Komplexere Läsionen an der inneren Arterienwand stellen echte occlusive Läsionen dar. Diese Läsionen werden als »fibröse Plaques« bezeichnet, die aus Makrophagen und glatten Gefäßmuskelzellen bestehen. Die fibrösen Plaques können an Größe zunehmen und das Lumen der Gefäße vollständig einengen. Folge ist ein Mangel an Blut-Sauerstoff- und Substratversorgung des betroffenen Gefäßbettes. Die Plaque ist durch eine dichte Schicht von glatten Muskelzellen bedeckt und in extrazelluläre Matrix eingebettet. Diese Deckschicht wird als »Cap« bezeichnet und bildet eine mechanische Schutzschicht für die in der Kernregion der Plaques vorhandenen Zelltrümmer und freies Cholesterin. Das in den Plaques enthaltene Cholesterin sowie die Zelltrümmer bilden sich aus den untergegangenen Schaumzellen, T-Lymphozyten und glatten Muskelzellen. Das kontinuierliche Einströmen weiterer Zellen und deren Proliferation führt zu fortschreitenden Läsionen, die schließlich als fibröse Plaques ihren vorläufigen Endzustand erreichen. Wichtig Eine große Gefahr für den Patienten ist das hohe Rupturrisiko dieser komplexen Läsionen.
Läsionen, in denen noch sekretorisch und phagocytotisch aktive Makrophagen zu finden sind, werden als Prädilektionsstellen dieser Rupturen betrachtet. Rupturen und Dissektion der fibrösen Plaques führen zu einer Exposition hochthrombogenen Materials, das die Anlagerung von Thrombocyten und Fibrin fördert und damit die Bildung eines wandständigen Thrombus begünstigt. Klinisch manifestiert sich ein zyklisch gebildeter Thrombus mitunter als instabile Angina pectoris. Wird der Blutfluss nachhaltig beeinträchtigt und das Gefäß vollständig obstruiert, entsteht ein akuter Myocardinfarkt.
Neue Studien lassen annehmen, dass eine Beteiligung entzündlicher Prozesse eine Ursache für das Entstehen der Atherosklerose ist. In diesem Zusammenhang ist das C-reaktive Protein CRP ein begünstigender Faktor für die patholo-
gische Entwicklung atherosklerotischer Manifestationen. Der Finne Pekka Saiku gilt als Begründer dieser Infektionshypothese. Herr Saiku sieht die Zellparasiten Chlamydien als Ursache für Infektion der Arterien an. Verschiede Stu-
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Kapitel 3 · Safety
diengruppen zeigten auf, dass den Chlamydia pneumoniae möglicherweise eine spezielle ätiologische Rolle bei der Entwicklung atherosklerotischer Plaques in Coronararterien zukommt. i Tipps Bis heute ist allerdings noch nicht endgültig nachgewiesen, ob eine Infektion tatsächlich an der Entstehung einer Atherosklerose beteiligt ist oder ob es sich lediglich um ein Epiphänomen handelt.
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Das Gefäßendothel als Ausgangs- und Endpunkt der Atherogenese
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Grundsätzlich stellt die Ausbildung fibröser Plaques als Reaktion der »response-to-injury« des Endothels keine pathogenetische Besonderheit dar. Sie kann als Ausdruck der physiologischen Mechanismen der Wundheilung aufgefasst und erklärt werden. Zwei wesentliche Unterschiede zur Wundheilung der meisten anderen Gewebe und Organe sind dennoch zu differenzieren: 1. Die wichtigste Quelle für Ersatzgewebe der Arterienwand sind nicht Fibroblasten, sondern glatte Gefäßmuskelzellen. 2. jegliche Endothelschädigungen sind chronisch, sodass eine Unterbrechung der Entwicklung von »Fatty streaks« bis hin zu fibrösen Plaques nicht möglich ist.
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Nach der »response-to-injury-theory« ist der Ausgangspunkt des prozesshaften Geschehens am Endothel selbst zu suchen. Zahlreiche Interaktionen des Endothels mit Strukturen wie den glatten Gefäßmuskelzellen, der Media, aber auch andererseits mit zirkulierenden Blutbestandteilen wie Plättchen und Monozyten unterhalten den Vorgang der Atherogenese. Das Ende dieses Prozesses ist eine Ausbildung einer obstruierenden Läsion, die Symptome einer arteriellen Minderperfusion verursacht. Die Ausdehnung einer arteriellen Minderperfusion ist wiederum von der Lokalisation der Plaques im Organismus abhängig.
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3.8
Safety in der Osteopathie
Im Folgenden findet sich, nach Organsystemen aufgegliedert, die Darstellung wichtiger System-Erkrankungen, die Kontraindikationen für eine osteopathische Behandlung darstellen können. Um die Arbeit in einem interdisziplinären Team zu erleichtern, werden außerdem die wesentlichen Diagnostika auch aus schulmedizinischer Sicht beschrieben. Die genannten Krankheitsbilder können nur exemplarisch und keineswegs vollständig behandelt werden, weshalb die zusätzliche Lektüre eines Krankheitslehre-Buches empfohlen wird.
3.8.1 Lungenerkrankungen Grundsätzlich sind hier wie anders ätiologisch neben Traumata, Entzündungen und Tumoren einschließlich Metastasenbildung anderer Primarien auch chronisch-degenerative Prozesse zu nennen. Von Bedeutung sind außerdem Lungenembolien. Traumata können Komplikationen wie den Pneumothorax bedingen und werden wohl kaum in der osteopathischen Praxis angetroffen.
Lungenentzündung Lungenentzündungen (Pneumonien) sind ernst zu nehmende Erkrankungen, die einer sofortigen ärztlichen Therapie bedürfen. Im Vordergrund dieser Therapie stehen die Diagnostik des Erregers und die Auswahl der geeigneten meist antibiotischen Behandlung. Wichtig Eine Pneumonie ist eine entzündliche Veränderung und damit grundsätzlich als Kontraindikation für eine osteopathische Soforttherapie zu sehen.
Sie zeigt sich, bezogen auf das respiratorische System, durch ein entsprechendes Entzündungslabor (7 Kap. 3.4 Labordiagnostik) und eine von allen sonstigen klassischen Entzündungszeichen (Rubor, Calor, Tumor, Dolor) am einfachsten zu erkennende Funktionseinschränkung (Functio laesa). Außerdem imponiert bei den Patienten Fieber (39–40°C, häufig mit Schüttelfrost) und bei der Pneumokokken-bedingten Pneumonie Husten mit häufig rötlich braun tingiertem Auswurf. i Tipps Die Atembewegungen sind schmerzbedingt eingeschränkt.
Auch viral bedingte Pneumonien sind bekannt, allen voran die Varizellen- und Zoster-Pneumonie, die auf den Erreger der Windpocken zurückgeht (Varizella-zoster-Virus). Dieser Erkrankung geht eine typische Hautveränderung voraus, welche sich in Windpocken-Bläschen äußert, die häufig mit kleinen Einblutungen einhergehen. Auch bei diesem Krankheitsbild muss die sofortige ärztliche Hilfe gesucht werden. Als weitere Infektionskrankheit der Lunge kommt der Tuberkulose eine besondere Bedeutung zu, da sie neben ihrem Hauptlokalisationsort, den Atemwegen, auch alle anderen Organsysteme befallen kann, wie z. B. die Knochen. Obwohl sie mittlerweile selten geworden ist, weist sie gegenwärtig wieder eine steigende Inzidenz auf. Klinisch imponieren (trockener) Husten, (subfebrile) Temperaturen sowie ein allgemeines Krankheitsgefühl, verbunden mit Appetitlosigkeit, Nachtschweiß und Gewichtsverlust. Bei Befall des knöchernen Systems kann z. B. über Rückenschmerzen oder um-
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3.8 · Safety in der Osteopathie
schriebene Klopfschmerzhaftigkeit in einem knöchernen Segment geklagt werden. Wichtig Bereits der Verdacht einer ansteckenden Erkrankung muss eine weiter gehende ärztliche Diagnostik nach sich ziehen, die u. a. auch die Meldepflicht der Erkrankung an die Gesundheitsämter mit einschließt.
Bei allen entzündlich bedingten Lungenerkrankungen ist ein orientierende Bildgebung mittels Nativ-Röntgen und gegebenenfalls weiterführenden Untersuchungen z. B. durch CT angezeigt (7 Kap. 3.3).
Lungentumore/Metastasen Bronchialkarzinome gehören nicht nur mit zu den häufigsten Tumoren, sondern außerdem auch zu den Top 5 der Primärtumoren, die bevorzugt in das Skelettsystem metastasieren (7 Kap. 3.7.1). Wichtig Ebenso wie bei entzündlichen Veränderungen ist der Verdacht auf eine Tumorerkrankung abklärungsbedürftig und somit eine Kontraindikation für eine osteopathische Sofort-Behandlung
Nach dem histologischen Befund werden verschiedene Tumore unterschieden, wie z. B. Adenokarzinom, Plattenepithelkarzinom oder kleinzelliges Bronchialkarzinom, die letztlich alle von den Atemwegszellen ihren Ausgang nehmen und in ihrer Prognose unterschiedlich sind. Die Anfangssymptome sind häufig unspezifisch oder fehlen ganz, nicht selten werden Symptome erst durch die Folgen einer späteren Metastasierung (z. B. in das Skelettsystem) sichtbar und nicht durch den Primärtumor selbst. Husten mit (evtl.) blutigem Auswurf (Hämoptysen) kann ein Erstsymptom sein. Zeichen langjährigen Nikotin-Konsums wie graues Hautkolorit und Kachexie-Neigung können weitere Hinweise geben. Der Pancoast-Tumor als Sonderform ist durch seine topographische Lage in der Lungenspitze gekennzeichnet und hat dadurch häufig Gelegenheit, im Zuge seiner Ausdehnung den Plexus brachialis, den sympathischen Grenzstrang, aber auch den N. vagus, den N. laryngeus recurrens sowie die A. und V. subclavia zu affektieren. Daraus ergeben sich die entsprechenden klinischen Symptome, allen voran das Horner-Syndrom (Miosis, Ptosis, Enophthalmus bzw. Anhydrosis) und Schmerzen, Paresen und Parästhesien in Arm und Hand der betroffenen Seite. Neben den bereits erwähnten Diagnostika imponiert hier die Bronchoskopie (7 Kap. 3.3), da sie die Möglichkeit der Pro-
beentnahme und damit der nachfolgenden feingeweblichen Untersuchung bietet. Als paraneoplastische Syndrome bezeichnet man Tumorbegleiterkrankungen, die aufgrund unkontrollierter Hormonausschüttung seitens der Tumorzellen zu ansonsten schwer erklärbaren systemischen Veränderungen führen. Zum Beispiel kann durch Bildung von ACTH (adrenokortikotropem Hormon) die Nebennierenrinde zur gesteigerten Kortisol-Bildung angeregt werden, sodass bei einem ansonsten an Tumorkachexie leidenden Patienten ein Cushing-Syndrom auffällig wird. Neben ACTH können auch ADH (antidiuretisches Hormon), Parathormon und Gonadotropine gebildet werden, die ihrerseits entsprechende Veränderungen hervorrufen. Lungenmetastasen kommen durch den Metastasierungsweg von sog. Cava-Typ zustande, d. h. venöse Drainage hämatogener Metastasen, die über die Vv. cavae inferior et superior zunächst ins rechte Herz und dann über die A. pulmonalis in die Lunge gelangen, wo sie meist wegen der dortigen guten Lebensbedingungen verharren, wachsen und mit der Zeit symptomatisch werden. Häufige Primärtumoren dieser Metastasen sind: 5 Schilddrüsen*-, 5 Mamma*-, 5 Nieren*-, 5 Dickdarm-, 5 Uterus-, 5 Ovarial-, 5 Blasen- und Prostata*-Karzinome. Die mit * gekennzeichneten Tumoren metastasieren neben dem Bronchialkarzinom, ebenfalls bevorzugt ins knöcherne System.
Chronisch degenerative Erkrankungen der Lunge Als chronische Erkrankungen kommen vor allem das Asthma bronchiale, endogen oder exogen bedingt, sowie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD, COLD) in Betracht. Eine Sonderrolle nimmt die Sarcoidose ein, da sie ätiologisch immer noch unklar ist, ebenfalls aber zu den chronischen Verlaufsformen gehört. Wichtig Für die osteopathische Behandlung dieser Erkrankungen bestehen grundsätzlich keine Kontraindikationen, wobei der stadienhafte Verlauf aller drei Erkrankungen durchaus Komplikationen aufweisen kann, die nur ärztlich behandelt werden können, wie z. B. der Status asthmaticus.
Bei Asthma und COPD handelt es sich um obstruktive Erkrankungen, d. h., zur Basisdiagnostik gehört hier neben der Anamnese und körperlichen Untersuchung die Lungenfunktionsprüfung mindestens mittels Spirometrie/TiffeneauTest (7 Kap. 3.5.3). Beim exogen bedingten Asthma bronchiale zeigt der Allergietest, welche exogenen Auslöser bestehen. Viele Patienten führen ein »Asthma-Tagebuch«, aus dem sich ebenfalls Informationen über den Verlauf der Erkran-
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Kapitel 3 · Safety
kung entnehmen lassen, wie z. B. die Einnahmehäufigkeit der Bedarfsmedikation sowie den Verlauf sog. Peak-flow-Messungen. Letztere führen insbesondere Patienten mit wechselnder Symptomstärke/-häufigkeit nach entsprechender Schulung selbstständig ambulant durch und tragen die erzielten Werte in ein Diagramm ein. Durch die Obstruktion ist die Lungenfunktion beim Asthma wie bei der COPD eingeschränkt. Die Lungenfunktion kann anamnestisch grob abgeschätzt werden, indem Dyspnoe bei Belastung abgefragt wird, etwa beim Treppensteigen, bzw. in Relation zu früherer Leistungsfähigkeit gebracht wird. Wichtig ist außerdem, auf Aussagen wie: »Seit 2 Tagen komme ich nicht mehr ohne Pausen in den dritten Stock ...«, zu achten.
5 Angiographie der A. pulmonalis und ihrer Aufzweigungen. 5 CT mit Kontrastmittel 5 Szintigraphie der Lunge. Wichtig Bei Verdacht auf Lungenembolie muss sofort ärztliche Hilfe gesucht werden.
Übersicht: Diagnostik bei Lungenerkrankungen . Tabelle 3.12. Diagnoseverfahren bei Lungenkrankheiten
Wichtig
Diagnostikart
Charakteristika
Cave: Dyspnoe kann auch Symptom einer kardialen Belastung sein.
Anamnese
Obligat
Körperliche Untersuchung
Obligat einschließlich Auskultation
Labor
Entzündungslabor, Blutgasanalyse, Serum-ACE, Tumormarker
Röntgen
Nativ, initial oder im Verlauf, i. d. R. in zwei Ebenen
CT
Z. B. Metastasensuche
Spirometrie
Tiffenau-Test (Restriktion/Obstruktion), Vitalkapazität
Bodyplethysmographie
Funktionsanalyse (Provokationstest möglich)
Spiroergometrie
Differenzialdiagnostische Abgrenzung kardial/pulmonal bedingt Funktionsstörung; Leistungsdiagnostik
Bronchoskopie
Probeentnahme und histologische Aufbereitung
Mediastinoskopie
Darstellung des Mediastinums (Lymphknoten, Metastasen)
Pulmonalis-Angiographie
Kontrastmittel-gestützte Untersuchung der Lungendurchblutung (Perfusion) z. B. bei Verdacht auf Lungenembolie
Lungenszintigraphie
Sowohl Ventilation (Belüftung) wie Perfusion können isoliert oder in Kombination dargestellt werden
Die Lungenfunktion lässt sich apparativ mittels Spirometrie, Bodyplethsymographie und Spiroergometrie darstellen (7 Kap. 3.5.3).
Sarcoidose Die Sarcoidose ist eine Systemerkrankung unklarer Genese mit regelmäßigem Befall der Lunge. Im Gegensatz zu den weiter oben angegebenen chronischen Lungenerkrankungen ist ihre Funktionsstörung meist nicht obstruktiv, sondern restriktiv. Differenzialdiagnostisch hilft hier ebenfalls die Spirometrie. Neben symptomarmen Verläufen sind zahlreiche extrapulmonale Komplikationen bekannt wie Hautveränderungen (Erythema nodosum), Knochenveränderungen, Arthritiden u. a. Die Diagnostik schließt Lungenfunktion, Röntgen und Bronchoskopie ein. Im Serum findet sich gelegentlich neben dem klassischen Entzündungslabor auch ein erhöhter Spiegel des ACE (Angiotensin-Converting-Enzyme), welches von Alveolarzellen gebildet wird.
Lungenembolie Die Lungenembolie ist meist Folge einer tiefen Beinvenenoder Beckenvenenthrombose. Bei vorausgegangenen Knochenfrakturen können auch Fettembolien durch freiwerdende Fettbestandteile aus dem Knochenmark zerborstener Röhrenknochen entstehen. Die Symptome sind bei massiver Ausprägung unspezifisch bis schwerwiegend. Geschätzt wird, dass mindestens 20% aller Lungenembolien unerkannt bleiben, da sie nur vorübergehend auftreten und durch eine körpereigene Lyse beherrscht werden. Die folgenden Untersuchungsmöglichkeiten können wichtige Hinweise auf eine mögliche Erkrankung geben. 5 Auskultation (Galopprhythmus, feuchte Rasselgeräusche), 5 EKG (SI-QIII-Typ bzw. P pulmonale), 5 Blutgasanalyse (pO2 vermindert),
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3.8 · Safety in der Osteopathie
. Tabelle 3.13. Lungenkrankheiten und ihre jeweilige Diagnostik Lungen-Pathologie
Anamnese-Besonderheit, Befundauffälligkeiten
Weiterführende Diagnostik
Pneumonie, allgemein
Fieber, Entzündungszeichen, allgemeines Krankheitsgefühl
Röntgen-Thorax (Verschattungen, Ergüsse), Entzündungslabor, Spirometrie
Pneumokokkenpneumonie
Husten, (rötlich-brauner) Auswurf
Sputumanalyse
Varizella-zoster-Pneumonie
Windpocken-Exanthem
Lungen-Tuberkulose
Trockener Husten, (subfebrile) Temperaturen, allgemeines Krankheitsgefühl, Appetitlosigkeit, Nachtschweiß, Gewichtsverlust
Röntgen-Thorax (Rundherde, Entzündungszeichen, Verkalkungen), Entzündungslabor, Spirometrie, Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum
Bronchialkarzinom, allgemein
Oft unspezifische, bzw. fehlende Symptomatik; später evtl. Husten mit blutigem Auswurf; Zeichen der Kachexie, graues Hautkolorit
Röntgen-Thorax, CT, NMR, Bronchoskopie mit Probenentnahme, histologische Abklärung obligat
Bronchiale Metastase(n)
Wie Bronchialkarzinom
Suche nach dem Primärtumor mittels Röntgen, Sonographie, CT, NMR, Szintigraphie
Pancoast-Tumor
Horner-Syndrom+evtl. allgemeine Zeichen des Bronchialkarzinoms
Wie bei Bronchialkarzinom, allgemein
Paraneoplastische Syndrome
Vielfältig, z. B. Kachexie neben Cushing bei ACTH produzierendem Tumor
Wie bei Bronchialkarzinom, allgemeine Plasma-Untersuchung auf ACTH; freies Kortisol im 24-h-Urin
Chronisch obstruktive Lungenerkrankung CO(P/L)D
Meist Raucher-Anamnese (oder bedingt durch hereditären D1Antitrypsin-Mangel bzw. IgA-Mangelsyndrom) Husten: Der Bronchiker »hustet sich aus seinem Anfall heraus, der Asthmatiker hinein«, s. unten
Spirometrie (Nachweis der Obstruktion durch den Tiffenau-Test=1-Sekunden-Ausatmenkapazität <80% der Vitalkapazität), Röntgen-Thorax, CT, Bodyplethysmographie, Spiroergometrie; Immun-Elektrophorese, Serum-Nachweis des D1Antitrypsin-Mangels
Asthma bronchiale (Nach Ätiologie endogen oder exogen bedingt)
Klinische Zeichen der Obstruktion und verminderten Lungenfunktion, z. B. Giemen und Brummen in der Auskultation
Spirometrie (Nachweis der Obstruktion durch den Tiffenau-Test=1-Sekunden-Ausatmenkapazität <80% der Vitalkapazität), Röntgen-Thorax, Bodyplethysmographie, CT, Spiroergometrie; Bei exogen bedingtem Asthma Allergietest
Sarkoidose
Unspezifische Klinik, extrapulmonale Zeichen: Erythema nodosum, Arthritiden (!)
Spirometrie: Restriktion erkennbar durch verminderte Vitalkapazität (bei normalem Tiffenau-Test); RöntgenThorax, Bronchoskopie, Entzündungslabor, erhöhter ACE-Titer
Lungenembolie
Auskultation (Galopprhythmus) EKG (SI-QIII-Typ bzw. pulmonale), Blutgasanalyse (pO2 vermindert), Angiographie der A. pulmonalis, Szintigraphie
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Kapitel 3 · Safety
3.8.2 Herzerkrankungen
Ventrikels ermöglichen. Angegeben wird hier häufig die Ejektionsfraktion (EF in %), welche der Menge Blut entspricht, die,
Herzerkrankungen sind häufig Begleiterkrankungen komorbider Patienten in der osteopathischen Praxis. Sie umfassen im Wesentlichen 5 Störungen der Herzdurchblutung (koronare Herzerkrankung, KHK), 5 Erkrankungen der Erregungsbildung und -leitung (Rhythmusstörungen), 5 Funktionsstörungen der Herzmuskulatur (Herzinsuffizienzen) oder der Herzklappen (Stenosen, Insuffizienzen) sowie 5 Entzündungen von Herzmuskel, Endokard oder Klappen.
gemessen an der Gesamtfüllung des linken Ventrikels, pro Kontraktion (Systole) ausgeworfen wird. Da niemals das gesamte Volumen systolisch ausgetrieben wird, sind auch die Normalwerte hier immer kleiner als 100%. Der sog. Rechtsherzkatheter ermöglicht u. a. die Beurteilung von Druck und Volumen im rechten Ventrikel bzw. der A. pulmonalis. In Kombination mit einer ergometrischen Belastung kann hier auch die kardiale Belastbarkeit ermittelt werden. Das Belastungs-EKG (7 Kap. 3.5) erlaubt eine gestufte standardisierte Belastung des Patienten unter Kontrolle von EKG, Blutdruck und Puls. Neben der Leistungsfähigkeit können hier auch Rhythmusstörungen, Bluthochdruck und Durchblutungsstörungen des Myokards erkannt werden. Diese wird z. B. durch sog. STSenkungen, oder T-Negativierung deutlich. Da bei einer beginnenden KHK diese erst unter Belastung apparent werden, kommt der Untersuchung eine besondere Bedeutung zu, allerdings v. a. dann, wenn die Patienten tatsächlich ausbelastet werden und nicht die Untersuchung zu früh abgebrochen wird.
Tumorerkrankungen am Herzen sind sehr selten, ebenso die dortige Absiedelung hämatogener Metastasen, welche vielmehr über die Metastasierung vom V.-cava-Typ ihren Weg in die Lunge finden. Die weiter gehende (Differenzial-)Diagnostik und Therapie sämtlicher Herzerkrankungen obliegt natürlich dem Kardiologen. Im Folgenden werden die Erkrankungen zum besseren Verständnis kurz erläutert. Dabei wird auch auf die wichtigsten Diagnostika eingegangen.
Koronare Herzerkrankung Als einer der Folgeerkrankungen der Arteriosklerose, manifestiert sich die KHK bereits bei Patienten im mittleren Lebensalter. Die stabile Form der Angina pectoris wird demzufolge auch häufig in der osteopathischen Praxis angetroffen. Leitsymptom ist die belastungsabhängige Entwicklung von Dyspnoe und retrothorakalem Engegefühl aufgrund fortschreitender Stenosierung der Herzkranzgefäße. i Tipps Hinweis: Anatomisch werden die zwei Aa. coronariae dextra und sinister unterschieden, klinisch aber 3 Gefäße (koronare Drei-Gefäß-Krankheit), da sich die A. coronaria sinister in 2 funktionell bedeutende Äste (Ramus interventricularis anterior, Ramus circumflexus) aufteilt.
Bei vollständiger Verlegung eines dieser Gefäße kommt es zum Herzinfarkt, dem nekrotischen Untergang von Herzmuskelgewebe aufgrund einer Ischämie. Die im Folgenden aufgeführten funktionellen Untersuchungen zur Darstellung der Leistungsfähigkeit des Herzens sind üblich: 5 Belastungs-EKG (Ergometrie), 5 Bildgebung im Herz-Ultraschall, 5 Darstellung der Durchblutungsverhältnisse in Kontrastmittel-gestützten Katheter-Untersuchungen. Der Linksherzkatheter, meist von einer Leistenarterie (oder Oberarmarterie) ausgehend, stellt dabei selektiv die Koronararterien dar und kann mittels der sog. Laevographie eine abschätzende Untersuchung der Kontraktionskraft des linken
Rhythmusstörungen Herzrhythmusstörungen können sich auf vielfältige Weise zeigen und reichen von harmlosen Befunden bis zu u. U. lebensbedrohlichen Komplikationen zugrunde liegender struktureller Herzerkrankungen. Für die osteopathische Basisdiagnostik, die bei jedem Patienten auch die Untersuchung von Blutdruck und Puls beinhalten sollte, reicht es vorerst zu prüfen, ob der Puls im Sinusrhythmus schlägt bzw. regelmäßig ist. Sind Unregelmäßigkeiten feststellbar, die auch dem Patienten neu sind, muss eine kardiologische Abklärung erfolgen. Dazu steht neben dem EKG insbesondere das Langzeit-EKG zur Verfügung. Wichtig Bei Verdacht auf Rhythmusstörungen muss eine kardiologische Kontrolle erfolgen.
Harmlose Extrasystolen beispielsweise sind Extra-Schläge, die vom Patienten sowohl als »Zwischenschlag« oder als »Aussetzer« wahrgenommen und beschrieben werden. Bei dem relativ häufigen Vorhofflimmern (VHF; absolute Arrhythmie, Absoluta) handelt es sich hingegen um eine ernst zu nehmende Komplikation unterschiedlicher zu Grunde liegender Erkrankungen. VHF durch Alkohol-Intoxikation wird als »holiday-heart-disease« beschrieben, häufiger sind strukturelle Veränderungen des Gesamtorgans, z. B. beim hypertensiven Herzen, die Ursache. Mögliche Folge des VHF ist der gefürchtete absolute arterielle Verschluss, der prinzipiell in allen Arterien stattfinden kann, häufig aber in den Beinarterien (z. B. A. poplitea) lokalisiert ist. Bei einem absoluten arteriellen Verschluss sind die folgenden 6 »p’s« ein wichtiges Diagnosekriterium
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3.8 · Safety in der Osteopathie
1. 2. 3. 4. 5. 6.
Pain (Schmerz), Pulslessness (Pulslosigkeit), Paleness (Blässe), Parästhesia (Missempfindungen), Paralysis (Muskelschwäche), Prostration (Schock).
Bei einem absoluten arteriellen Verschluss handelt sich stets um eine Notfall-Indikation zur sofortigen Re-Kanalisierung der arteriellen Strombahn. Dies erfolgt mittels Katheter, LyseBehandlung (medikamentös) oder gefäßchirurgisch. Das VHF selbst kann ebenfalls medikamentös oder mittels Elektroschock (Cardioversion) behandelt werden. Bei Therapieresistenz müssen zur Prävention des akuten arteriellen Verschlusses die Fließeigenschaften des Blutes verbessert werden. Dazu wird Marcumar verwendet, was wiederum eine besondere Bedeutung für die osteopathische Behandlung mit sich bringt. Die Marcumar-Behandlung mit dem Vitamin-K-Antagonisten erfolgt zur »Blutverdünnung«, um die Fließeigenschafen des Blutes zu verbessern. Grundsätzlich bedeutet eine unterdosierte Therapie die Gefahr der Thrombosierung, eine Überdosierung Blutungsneigung. Entgegen der früheren Therapie-Kontrolle mittels sog. Quick-Wert des Blutes wird heute international einheitlich die INR (International Normalized Ratio) bestimmt, die sich aus dem Quickwert und einem Korrekturfaktor der verwendeten Reagenz (Thromboplastin) ergibt. Eine INR von 1 ist normal und entspricht der physiologischen Blutungszeit von 24 s. Das entspricht der Zeit, die bei Bagatellverletzungen durchschnittlich benötigt wird, um eine körpereigene Blutgerinnung zu induzieren. Der Wert ist dimensionslos. Therapeutische Behandlung mit Marcumar findet in sog. Zielbereichen zwischen INR 2 und 4,5 statt. Dies bedeutet, dass die Blutungszeit um den jeweiligen INR erhöht ist (INR 2=48 s, INR 3=72 s usw.). Wichtig Die Behandlung mit Marcumar stellt eine relative Kontraindikation für Manipulationstechniken dar, ebenfalls ist stets Vorsicht bei Weichteiltechniken und Rebound-Techniken geboten, da es u. a. zu Hämatomen in tiefer gelegenen Weichteilgeweben kommen kann.
Herzinsuffizienz Die Herzinsuffizienz kann vielfältig bedingt sein und stellt die häufigste Herzerkrankung dar. Man unterscheidet funktionell die Rechtsherzinsuffizienz von der Linksherzinsuffizienz. Wenn beide Systeme betroffen sind spricht man von der Globalinsuffizienz.
Vereinfacht dargestellt, äußert sich die Rechtsherzinsuffizienz in einem ungenügenden Rückfluss des venösen Blutes zum Herzen und dadurch bedingte Ödembildung, die sich z. B. als Knöchelödeme klinisch manifestieren. Man findet häufig eine Stauung der Jugularvenen und eine vergrößerte
Leber (Hepatomegalie). Die Patienten klagen auch über Gewichtzunahme und nächtliches Wasserlassen (Nykturie). Die Linksherzinsuffizienz geht ebenfalls mit einem Rückstau in die Lungen einher (Belastungsdyspnoe) und ist in der schlimmsten Ausprägung klinisch als Lungenödem auffällig. Zusätzlich besteht eine unzureichende Auswurfleistung des linken Herzens, was sich in Müdigkeit und Leistungsminderung äußert. Zur Diagnostik werden neben der obligatorischen Anamnese auch die klinischen Untersuchungen des Kardiologen mit EKG, Röntgen-Thorax und das Herz-Echo herangezogen.
Funktionsstörungen der Klappen Die vier Klappen des Herzens lassen sich in zwei Atrioventrikularklappen (Trikuspidalklappe und Mitralklappe) aufteilen. Dies sind Segelklappen und zwei Taschenklappen, die in den großen Ausflussbahnen der Pulmonalklappe und Aortenklappe des Herzens liegen. Störungen der Klappenmechanik können sich als Stenose oder Insuffizienz äußern. Aus der anatomischen Lage der Klappen kann man die resultierenden Symptome ableiten. Zur Diagnostik wird das Herz auskultiert, wobei entsprechende Geräuschphänomene vom Kardiologen den einzelnen Funktionsstörungen zugeordnet werden können. Als bildgebende Diagnostik werden das Herz-Echo und das Ösophagus-(Schluck-)Echo angewandt.
Entzündliche Herzerkrankungen Entzündliche Herzerkrankungen gehen mit allgemeinem Krankheitsgefühl, (hohem) Fieber und deutlicher Leistungsminderung einher. Sie müssen unverzüglich einer kardiologischen Behandlung zugeführt werden. Von Bedeutung ist hier auch das rheumatische Fieber, das sich, ausgehend von einer Infektion mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A (Streptococcus pyogenes), primär als Angina tonsillaris, Pharyngitis oder Sinusitis offenbart. Nach einer Latenzzeit von wenigen Wochen kann es zu einer Herzbeteiligung kommen, die mitunter alle drei Wandschichten des Organs betrifft. Als Spätfolge manifestieren sich beispielsweise Funktionsstörungen der Mitralklappe. Am parietalen System finden sich nicht selten vorübergehende (24–48 Stunden) wandernde Arthritiden v. a. der großen Gelenke mit den typischen Entzündungszeichen. Therapeutisch stehen die Früherkennung der Erkrankung im Vordergrund sowie die gezielte antibiotische Therapie (z. B. mit Penicillin). Die kardiologische (Differenzial-)Diagnose umfasst neben den üblichen Verfahren die Entzündungsparameter im Blut (BSG, CRP, Leukozytose) und den Anti-Streptolysintiter. Ein Wert >300 I.E. ist pathognomonisch.
3
66
1 2
Kapitel 3 · Safety
Übersicht: Diagnostik bei Herzerkrankungen . Tabelle 3.14. Auswahl kardiologischer Diagnoseverfahren Diagnostikart
Charakteristika
Auskultation
Rhythmus, Herzgeräusche
EKG
Rhythmus, sämtliche Arrhythmien, Ischämien, frühere und akute Infarkte, Insuffizienzen
Ergometrie
Wie EKG, aber belastungsabhängig ebenso zur Leistungsdiagnostik durchführbar wie zur Aufdeckung von Pathologien
Herzecho (transthoracal)
Zeigt Wandbewegungen, Klappenmechanik und Myocarddicke
Schluckecho (transösophageal)
Ermöglicht die bessere Beurteilung linker Herzanteile
Langzeit-EKG
Rhythmusstörungen über längere Zeiträume
7
Langzeit-Blutdruck-Messung
Blutdruck und Pulsverhalten über längere Zeiträume, z. B. Vorhandensein einer physiologischen Nachtabsenkung
8
Rechtsherzkatheter
Duck und Volumen im Niederdrucksystem
Linksherzkatheter
Darstellung der Koronararterien
Laevogramm
Beurteilung der Füllung und Kontraktionskraft des linken Ventrikels, Abschätzung des Herzzeitvolumens
Spiroergometrie
Kombinierte pulmonale und kardiale Leistungsdiagnostik; differenzialdiagnostische Möglichkeit pulmonale von kardialen Beschwerden zu unterscheiden
3 4 5 6
9 10 11 12
. Tabelle 3.15. Herzerkrankungen und ihre jewilige Diagnostik
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Herz-Pathologie
Anamnese-Besonderheit, Befundauffälligkeiten
Weiterführende Diagnostik
14
Koronare Herzerkrankung, KHK (stabil/instabil)
Belastungsabhängige Dyspnoe, retrosternales Engegefühl
Ergometrie (ST-Senkung, T-Negativierung), Herzecho (Wandbewegungsstörungen) positive Reaktion auf die Gabe von Glyceroltrinitrat (»Nitro«), Koronarangiographie
Herzinfarkt
Prolongiertes retrosternales Engegefühl, das von Todesangst, Kaltschweißigkeit und häufig ausstrahlendem Schmerz z. B. in den linken Arm begleitet wird
Akut: EKG (z. B. ST-Hebung), Troponin-Test im Blut, Zurückliegend: EKG (z. B. prominente Q-Bildung), Herzecho, Koronarangiographie, Laevogramm, CT
Rhythmusstörungen
Regelmäßigkeit des peripher getasteten Pulses nicht gegebenen, Patient berichtet »Aussetzer«, »Stolpern«, »Rasen«
Ursachensuche und Ausmaß-Bestimmung EKG, Langzeit-EKG, Ergometrie, Herz-Echo, Stress-Echo, Labor (z. B. Elektrolyte)
Herzinsuffizienz
Rechtsherzinsuffizienz Jugularvenenstauung, periphere Ödeme, Nykturie, Hepatomegalie
Ursachensuche und Ausmaß-Bestimmung (Belastungs-)EKG, Herzecho (transthoracal, transösophageal), Röntgen-Thorax
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Linksherzinsuffizienz Belastungsdyspnoe, Müdigkeit, Leistungsminderung
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3.8 · Safety in der Osteopathie
. Tabelle 3.15. Fortsetzung Herz-Pathologie
Anamnese-Besonderheit, Befundauffälligkeiten
Weiterführende Diagnostik
Herzklappenstörungen
Kardiologische Auskultation auf spezifische Herzgeräusche, je nach Befund (Stenose oder Insuffizienz) Rückstau nach proximal bzw. mangelnde Auswurfleistung
Ursachensuche und Ausmaß-Bestimmung (Belastungs-)EKG, Herzecho (transthoracal, transösophageal), Röntgen-Thorax,
Entzündliche Herzerkrankung
Allgemeines Krankheitsgefühl, (hohes) Fieber, Leistungsminderung
Ursachensuche und Ausmaß-Bestimmung: EKG, Herzecho, Laboruntersuchung (Entzündungsparameter, Anti-Streptolysin-Titer)
3.8.3 Lebererkrankungen
Hauterscheinungen Juckreiz (Pruritus) entsteht durch Ablagerung von Gallensäu-
Besprochen werden Funktionsstörungen der Leber und ihre Ursachen wie virale Entzündungen, degenerative Veränderungen, Malignome der Leber und Steinleiden der abführenden Gallenwege.
Gemeinsame klinische Zeichen einer Leberfunktionsstörung Unabhängig von ihrer Ätiologie können folgende klinische Veränderungen bei Leberfunktionsstörungen in Abhängigkeit der Schwere der Erkrankung diagnostiziert werden:
(Schmerzhafte) Lebervergrößerung (Hepatomegalie) Die Hepatomegalie kann allerdings auch bei Leberfunktionsstörungen fehlen, wie z. B. bei der Zirrhose, oder aufgrund anderer Erkrankungen bedingt sein (Lebermetastasen, →Rechtsherzinsuffizienz).
Ikterus Bei einer Erhöhung des Bilirubins in den Blutgefäßen erscheinen Haut, Schleimhaut und Skleren gelblich. Verantwortlich für eine Bilirubin-Erhöhung im Serum können prähepatische (z. B. gesteigerte Hämolyse), intrahepatische (z. B. Functio laesa bei Entzündung des Organs) oder posthepatische Prozesse (z. B. Choledocholithiasis) sein. Ab einem Bilirubinwert von >1,2 g/dl erscheinen die Skleren gelb, ab einem Wert von >2,0 g/dl bekommt auch die Haut eine gelbliche Verfärbung.
Urin und Stuhlveränderungen Bei intra- und posthepatischem Ikterus kann sich der Urin dunkel verfärben, der Stuhl hingegen entfärben.
Stauungszeichen Bei fortschreitender Insuffizienz kommt es zur Ausprägung eines Aszites, zur Milzvergrößerung (Splenomegalie) und einer Erweiterung der Venen rund um den Bauchnabel (Caput medusae). Die (Hepato-)Spelenomegalie kann auch extrahepatisch bedingt entstehen, z. B. durch eine Rechtsherzinsuffizienz.
ren unter der Haut und ist somit ein kennzeichnendes Symptom bei Behinderung des Gallenabflusses durch z. B. Steine (Cholestase). Knöchelödeme, bilden sich auch präsacral bei fortgeschrittener Erkrankung durch Verminderung des kolloidosmotischen Druckes durch intravasalen Proteinmangel (verminderte Syntheseleistung der Leber). Spider naevi sind v. a. im Gesicht und am oberen Rumpf befindliche, von einer zentralen Arterie gespeiste Gefäßspinnen. Palmarerythem steht für gerötete Handinnenflächen. Eine Gynäkomastie entsteht beim männlichen Patienten durch die verminderte Abbauleistung weiblicher Geschlechtshormone, die physiologisch in der Nebennierenrinde gebildet werden. Als zusätzliche, aber unspezifische Symptome zeigen sich auch Leistungsminderung, Appetitlosigkeit und Verdauungsprobleme. Als hepatische Enzephalopathie bezeichnet man möglicherweise reversible zerebrale Funktionsstörungen, die aufgrund einer mangelnden Entgiftungsfunktion der Leber entstehen. Das Ausmaß der Erkrankung wird in 4 Grade eingeteilt (. Tab. 3.16).
Leberverfettung, Fettleber, Leberzirrhose Die Leberzirrhose ist der irreversible Endzustand verschiedener chronischer Lebererkrankungen, am häufigsten auf Grund einer Alkoholkrankheit. Die stadienhafte Schädigung des Organs verläuft über die Entwicklung einer Leberverfettung und Fettleber. Neben Leberfunktionsstörungen (s. oben) sind sonographische und laborchemische Befunde richtungsweisend. Sonographisch lassen sich die Organgröße, Parenchymstruktur und ableitenden Gallenwege gut darstellen. Typische Pathologien umfassen die Diagnose von degenerativer Leberverfettung, stärker ausgeprägt auch als Fettleber bezeichnet, Steinleiden oder Metastasen. Laborchemisch kann die Syntheseleistung der Leber durch die Transaminasen-Aktivität abgelesen werden (. Tab. 3.17). Das Enzym GOT (Glutamat-Oxalazetat-Transaminase) wird auch Aspartat-Aminotransferase (ASAT oder AST) genannt. Das
3
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Kapitel 3 · Safety
1
. Tabelle 3.16. Einteilung der hepatitischen Enzephalopathie
2
Stadium
Klinik
I
Verlangsamung, Konzentrationsstörungen, verwaschene Sprache, aber auch Verwirrung, Stimmungsschwankungen, Änderungen der Primär-Persönlichkeit, grobschlägiger Tremor der Hände (»flapping tremor«)
3 4
. Tabelle 3.18. DeRitis-Quotient und klinische Bedeutung GOT/GPT
Mögliche zu Grunde liegende Pathologie
<1
Weniger gravierende Leberschädigung, z. B. häufig bei Hepatitis
>1
Schwere Leberschädigung, z. B. häufig bei alkoholtoxischem Leberschaden
5
II
Zunehmende Schläfrigkeit und Apathie, muskuläre Schwäche, verstärkter »flapping tremor«
Wichtig
6
III
Ständig schlafende, aber erweckbare Patienten, deutliche EEG-Veränderungen
Als deRitis-Quotient bezeichnet man das Verhältnis von GOT zu GPT (. Tab. 3.18).
IV
Komatöse, auch durch Schmerzreize nicht mehr erweckbarer Patienten
7 8
. Tabelle 3.17. Normwerte »Leberlabor«
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
GOT
f.: ≤15 U/L; m.: ≤19 U/L
GPT
f.: ≤19 U/L; m.: ≤23 U/L
J-GT
f.: ≤18 U/L; m.: ≤28 U/L
GLDH
f.: ≤3,0 U/L: m.: ≤4,0 U/L
Quick/INR
100%/1
Bilirubin (gesamt)
≤1,1 mg/dl
Die γ-GT (Gamma-Glutamyltranspeptidase) kommt nicht nur in der Leber, sondern auch in vielen anderen Geweben vor. Gleichwohl ist eine Aktivitätserhöhung fast immer leberspezifisch. Allerdings können die Laborveränderungen später als die eigentliche Schädigung einsetzen und sich auch langsam, nach Beendigung der Schädigung, zurückbilden. 5 Sehr stark erhöhte Werte treten bei einer akuten schweren toxischen Leberschädigung auf, auch bei cholestatischer Hepatitis (Gallenstau mit nachfolgender Leberentzündung) und beim Verschlussikterus. 5 Stark erhöhte Werte sprechen für akute und chronische Hepatitiden (durch Viren, Alkohol oder autoimmunologisch bedingt), alkoholtoxische Zirrhose, hepatozelluläres Karzinom, Lebermetastasierung oder Pankreatitis.
U=Unit (genormte Standard-Einheit bei Enzymen).
Enzym kommt hauptsächlich in den Mitochondrien der Leberzellen vor, aber auch in Herz- und Skelettmuskelgewebe und in Erythrozyten. Eine sehr starke Erhöhung weist auf eine akute Hepatitis oder andere toxische Schädigung der Leber hin. Mittelstarke Erhöhungen können u. a. ein Hinweis auf Myokardinfarkt, Leberstauung, akute Pankreatitis oder Lungenembolie sein. Eine leichte Erhöhung findet sich z. B. bei der infektiösen Mononukleose (Pfeifersches Drüsenfieber) oder bei hoch dosierter Therapie mit Weidenrindenextrakt (Salicylsäure). Die GPT (Glutamat-Pyruvat-Transaminase) wird auch als Alanin-Aminotransferase (ALT, ALAT) genannt. Sie ist leberspezifisch, da sie fast ausschließlich im Zytoplasma der Leberzelle vorkommt. Sehr starke Enzymerhöhungen finden sich bei akuter Hepatitis oder anderer akuter toxischer Schädigung, mittelstarke Erhöhungen bei infektiöser Mononukleose, Zirrhose, Leberstauung und chronisch aktiver Hepatitis. Eine leichte Erhöhung kann auf ein hepatozelluläres Karzinom, diffuse Lebermetastasierung oder hoch dosierte Salizylat-Therapie hinweisen.
Eine leichtere Erhöhung weist auf Stauungsleber, Fettleber, unkomplizierte Hepatitis bzw. chronischen Alkoholabusus hin. Wichtig Klinisch sind erhöhte γ-GT-Werte häufig mit Alkoholabusus vergesellschaftet (»Säuferenzym«).
Die GLDH (Glutamatdehydrogenase) ist weitgehend leberspezifisch. Leichte Erhöhungen sprechen ebenfalls für Fettleber, Alkoholabusus, Zirrhose, unkomplizierte Hepatitis, Lebermetastasierungen, oder hepatozelluläres Karzinom, stärkere Erhöhungen können eine Stauungsleber, einen Verschluss-Ikterus oder eine Intoxikation zur Ursache haben. Auch die Gerinnungsfaktoren der Leber können vermindert synthetisiert werden, was sich in einer Erhöhung der (→) INR bzw. klinisch zu beobachtenden Blutungsneigung zeigt. Albumin als Haupt- (und Reserve-)Eiweiß ist bei verminderter Syntheseleistung ebenfalls häufig vermindert. Die Schwere der Erkrankung wird nach laborchemischen und klinischen Parametern bestimmt. Gebräuchlich ist die Einteilung nach Child (. Tab. 3.19).
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3.8 · Safety in der Osteopathie
. Tabelle 3.19. Bestimmung des Schweregrads der Leberverfettung: Einteilung nach Child Kriterien
1 Punkt
2 Punkte
3 Punkte
Laborchemische Befunde Serum-Albumin in g/l
>3,5
2,8–3,5
<2,8
Serum-Bilirubin in mg/dl
<2
2–3
<3
Quick-Wert in % INR
>70 <1,7
40–70 1,7–2,3
<40 >2,3
Aszites
0
+
++
Hepathische Enzephalopathie
0
Grad I–II
Grad III–IV
. Tabelle 3.20. Einteilung der viralen Hepatitis-Erreger HepatitisVirus-Typ
Besonderheit
A
»Leberschnupfen«, fäkal-oraler Übertragungsweg, Inkubationszeit ca. 3 Wochen, lebenslange Immunität, keine Chronifizierung, Impfung empfohlen
B
Parenterale Übertragung, Inkubationszeit bis zu 6 Monaten; 10% werden Virus-Träger (HbsAntigen), die aber überwiegend klinisch gesund sind.10–30% der Virusträger entwickeln eine chronisch persistierende (CPH) oder chronisch aggressive Hepatitis (CAH). Gefahr: Entwicklung einer Zirrhose, erhöhtes Karzinom-Risiko. CAH-Patienten entwickeln häufig Arthralgien und Leberhautzeichen. Differenzialdiagnostik: CPH/CAH erfolgt histologisch. Heutige Therapieoption: α-Interferontherapie
C
Übertragung wie B; Inkubationszeit mehrere Monate, in 90% asymptomatischer Verlauf. Problem: 80% der manifest Erkrankten entwickeln eine chronische Hepatitis, die zu 30% in eine Zirrhose mündet. Außerdem ist das Risiko, ein Leberkarzinom zu entwickeln, deutlich erhöht
D
Das Hepatitis-D-Virus benötigt zu seiner Vermehrung die Hülle (»envelope«) des B-Virus. Auftreten also nur zusammen mit einer akuten oder chronischen B-Hepatitis. Treten beide Infektionen gleichzeitig auf, entwickelt sich in 2–4 % der Fälle ein fulminanter Verlauf mit Leberversagen
E
Im Prinzip wie A aber bisher nur außerhalb Europas. Allerdings können bei Schwangeren fulminante Verläufe auftreten
Klinische Befunde
Liegt eine Zirrhose vor, kommen meist alle oben beschriebene Symptome, die Ausdruck einer höhergradigen Funktionsstörung sind, zum Tragen. Die Leberverfettung zeigt sich meist als sonographischer Zufallsbefund, der jedoch meistens zu einer bestimmten Lebensstil-Anamnese passt (metabolisches Syndrom). Die Fettleber steht hinsichtlich ihrer Symptome zwischen Leberverfettung und Zirrhose.
Hepatitiden Leberentzündungen sind meistens viral bedingt. Bakterielle Entzündungen sind viel seltener und treten dann meist als eitrige Entzündung (Schmerzen im rechten oberen Quadranten des Abdomens, Fieber und Schüttelfrost) in Zusammenhang mit einer Appendizitis auf. Die viralen Erreger lassen sich als Hepatitis-Virus A–E differenzieren (. Tab. 3.20). Das klinische Erscheinungsbild ist allerdings häufig ähnlich. Man schätzt, dass etwa 75% aller Virushepatitiden inapparent (klinisch unauffällig) verlaufen. Der laborchemische Nachweis ist allerdings möglich. Zu Beginn der Erkrankung (Prodromalstadium) imponiert nach unterschiedlich langer Inkubationszeit ein unspezifischer Symptomkomplex aus Schwäche, Abgeschlagenheit und subfebrilen Temperaturen meist begleitet von Übelkeit, Appetitlosigkeit und epigastrischem Druck. Im weiteren Krankheitsverlauf können sich Ikterus, Pruritus (Juckreiz) und eine Hepatosplenomegalie entwickeln. Die Diagnose erfolgt über Anamnese, klinische Untersuchung und laborchemischen Nachweis (massiv erhöhte Transaminasen, gezielte Suche nach Virus-Antikörpern bzw. VirusDNA/RNA.).
Steinleiden (Cholelithiasis) In den westlichen Industrienationen haben 10–15% der Bevölkerung Gallensteine von denen nur ca. 25% Beschwerden entwickeln. Frauen sind dreimal häufiger betroffen als Männer. Man spricht von den 5 »f« der betroffenen Personengruppe: 5 fat, 5 fourty, 5 fertile, 5 female, 5 fairheaded. Demzufolge ist es auch nicht verwunderlich, dass die meisten Steine aus Cholesterin (mit)gebildet sind. Zusätzlich kommen auch Bilirubin-Steine und Kalksteine vor, Letztere entwickeln v. a. nach entzündlichen Prozessen.
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Kapitel 3 · Safety
Wichtig Von allen Gallensteinen sind nur die kalkhaltigen im konventionellen Röntgenbild schattengebend.
Die Klinik der Steinleiden zeigt sich in kolikartigen Schmerzen, insbesondere wenn der Stein im Ductus cysticus oder choledochus steckt. Schmerzen entstehen insbesondere nach einer Mahlzeit v. a. im rechten Oberbauch, die von Übelkeit und Erbrechen begleitet sein können. Eine Ausstrahlung in den Rücken ist nicht selten. Allerdings findet man ebenso häufig uncharakteristische Beschwerden wie postprandiale Müdigkeit, Völlegefühl sowie Meteorismus (Blähneigung) und hat damit Schwierigkeiten, die Erkrankung von anderen funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen abzugrenzen. Die weiterführende Diagnostik umfasst die Oberbauchsonographie sowie laborchemische Hinweise auf Cholestase (Gallenstau), z. B. Erhöhung von γ-GT, Bilirubin (direkt), Cholesterin und alkalischer Phosphatase (Leber-AP >120 U/L). Die alkalische Phosphatase (AP) lässt sich in verschiedene Iso-Enzyme aufteilen. Der Normwert für die GesamtAP schwankt zwischen 60 und 180 U/L. Man unterscheidet neben der Leber-AP v. a die Knochen-AP. Werte über 90 U/L weisen auf Frakturen, Rachitis, Osteomyelitis oder maligne Knochenerkrankungen hin. Während des Wachstums ist sie physiologisch erhöht. Eine Erhöhung der Plazenta-AP kann auf Malignome hinweisen, ist im letzten Trimenon allerdings physiologisch erhöht. Die Dünndarm-AP weist bei Werten >90 U/L ebenfalls auf Cholestase hin oder aber auf Leberzirrhose oder entzündliche Darmerkrankungen. Die ERCP (endoskopisch retrograde Cholangio-Pankreatikographie) stellt nicht nur die Gallen- und Pankreasgänge dar, sondern reicht in 80% der Fälle, eine gleichzeitige Steinextraktion vorzunehmen.
Malignome der Leber und ihrer Umgebung Gallenblasenkarzinome betreffen mehr Frauen als Männer,
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meist über dem 60. Lebensjahr. Da Frühsymptome oft fehlen, imponieren unspezifische klinische Zeichen wie Abgeschlagenheit, Inappetenz, Gewichtsverlust, Übelkeit und Erbrechen. Ist die (prall gefüllte) Gallenblase als nicht schmerzhafter Tumor am rechten Rippenrand tastbar, ist dies als Courvoisier-Zeichen pathognomonisch. Diagnostisch stehen ansonsten die Sonographie und das CT im Vordergrund. Der Klatskin-Tumor ist an der Papilla Vateri, also der Einmündungsstelle des Ductus choledochus et pancreaticus (Wirsingianus) lokalisiert und verursacht durch Stenosierung nachvollziehbare Beschwerden. Das Leberzellkarzinom ist bei Männern häufiger als bei Frauen und tritt meist jenseits des 5. Lebensjahrzehnts auf. In Afrika ist es die häufigste maligne Erkrankung bei Männern, in Europa findet sich eine deutliche geringe Inzidenz von 3–4/100.000. Hauptrisikofaktor ist das Vorliegen einer Hepatitis-B-Infektion (400fach gesteigertes Risiko), aber auch
chronische Alkohol-Belastung und Aflatoxin-Einwirkungen (Schimmelpilz-Gift). Klinisch imponieren nur uncharakteristische Beschwerden: Druckgefühl im rechten Oberbauch, Zunahme des Bauchumfangs, aber auch Appetitlosigkeit und Gewichtsabnahme. Wichtig Das hepatozelluläre Karzinom entwickelt sich in Europa häufig auf dem Boden einer Zirrhose und entspricht deren klinischem Erscheinungsbild.
Die Diagnose erfolgt mehrschrittig: vom auffälligen sonographischen Befund über die laborchemische Bestimmung des α1-Fetoproteins (Tumormarker, Normalwert ≤10 IU/ml) über den histologischen Nachweis. Zur weiterführenden Untersuchung (Staging) werden Abdomen-CT, Thorax-CT und Skelettszintigraphie durchgeführt. Lebermetastasen sind die häufigste maligne Erkrankung der Leber. Sie entstehen meistens aus einem der im Folgenden aufgeführten Primärtumore: 5 Pankreaskarzinom, 5 Mammakarzinom*, 5 kolorektales Karzinom, 5 Bronchialkarzinom*, 5 Ösophaguskarzinom 5 malignes Melanom. (*metastasieren auch bevorzugt in das Skelettsystem) Zum Teil ist die anatomische Lage, bedingt durch die V. portae (Metastasierung vom Porta-Typ) dafür verantwortlich, z. T. einfach die Tatsache, dass Metastasen in der Leber ideale Wachstumsbedingungen vorfinden.
. Tabelle 3.21. Diagnoseverfahren Diagnostikart
Besonderheit
Anamnese
Obligat, Ernährungs- und Stuhlanamnese
Körperliche Untersuchung
Organgrenzen, CourvoisierZeichen
Labor
Leberaktivität, Belastung, Tumormarker, Cholestase
Sonographie
Organgröße und Parenchymstruktur, Gangsystem, Malignitäten
Abdomen CT
Organgröße und Parenchymstruktur, Gangsystem, Malignitäten
ERCP
Darstellung von Leber- und Pankreasgangsystem, Steinextraktion möglich
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3.8 · Safety in der Osteopathie
Übersicht: Diagnostik bei Lebererkrankungen . Tabelle 3.22. Lebererkrankungen und ihre jeweilige Diagnostik Leber-Pathologie
Anamnese-Besonderheit, Befundauffälligkeiten
Weiterführende Diagnostik
Leberfunktionsstörung, allgemein
Hepato- (Spleno-)megalie, Leistungsminderung, Ikterus, dunkler Urin, entfärbter Stuhl, Gynäkomastie, Appetitlosigkeit, Pruritus, Spider naevi, Palmarerythem, Knöchelödeme, Verdauungsprobleme, Blutungsneigung
Oberbauchsonographie, TransamninasenErhöhung (s. weiter unten), Entzündungszeichen, Bilirubin-Erhöhung, INR n, Albumin p
Hepatitiden
Schwäche, Abgeschlagenheit, subfebrile Temperaturen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, epigastrischer Druckschmerz
Oberbauchsonographie, Leberlabor (GOT nn; GOTnn ; γ−GT nn; GLDH n) Suche nach Viren-DNA/RNA bzw. Viren-Antikörpern
Leberverfettung, Fettleber
Siehe Funktionsstörungen allgemein, aber abgeschwächte bis fehlende Symptomatik
Oberbauchsonographie, Leberlabor (γ−GT n, GLDH n)
Steinleiden
Kolikartige Schmerzen, insbesondere postprandial im rechten Oberbauch
γ−GT nnn (akut), GLDH nn Cholesterin nn; alkalische Phosphatase nn; ERCP
Leberzirrhose
Deutliche Funktionsstörungen (s. oben)
Oberbauchsonographie, Leberlabor (GOT n, GPT n, γ−GT nn, GLDH n)
Leber-Metastasen
Imponieren entweder durch Beschwerden des Primarius oder unspezifisch als Leberfunktionsstörungen
Oberbauchsonographie, Leberlabor (leichte GOT n, leichte GPT n; γ−GT nn, GLDH n) CT, NMR, Histologie
Hepatozelluläres Karzinom
Druckgefühl im rechten Oberbauch, Zunahme des Bauchumfangs, Inappetenz, Gewichtsverlust; »Zirrhosezeichen«
Oberbauchsonographie, Leberlabor (leichte GOT-Erhöhung, leichte GPT n, γ−GT nn, GLDH n) CT, NMR, Histologie
Gallenblasentumor
Abgeschlagenheit, Inappetenz, Müdigkeit, Gewichtsverlust, Courvoisier-Zeichen
Sonographie, CT
3.8.4 Bauchspeicheldrüsenerkrankungen Neben der Leber ist auch die Bauchspeicheldrüse ein wichtiger Lieferant Nahrung-aufspaltender Enzyme, die ebenso durch die Papilla Vateri in das Duodenum abgegeben werden. Bei Erkrankungen des Organs erklärt sich die entsprechende Symptomatik durch die durch Functio laesa bedingte Insuffizienz.
Pankreatitis Entzündungen treten entweder akut auf oder sind als chronische Pankreatitis bekannt. Die akute Pankreatitis manifestiert sich meistens im Zusammenhang mit einem Gallenstein oder durch Alkoholabusus. Klinisch imponiert ein plötzlich einsetzender, gürtelförmig ausstrahlender heftiger Oberbauchschmerz. Damit einhergehen können Erbrechen, Hypotonie, Fieber oder Aszites. Laborchemisch sind die pankreasspezifischen Enzyme und unspezifischen Entzündungsparameter erhöht (. Tab. 3.23).
Abdomenübersichtsaufnahme, Sonographie (häufig keine gute Darstellbarkeit der Pankreas) und CT bzw. Kernspin erweitern das diagnostische Spektrum. Auch bei der chronischen Pankreatitis ist zu etwa 80% ein Alkoholabusus die Ursache. Als Leitsymptom gilt der sehr heftige chronische oder rezidivierende Oberbauchschmerz, meist aus der Tiefe des Abdomens mit bohrendem Charakter und gürtelförmiger Ausstrahlung in den Rücken. Bei einer begleitenden Pankreasinsuffizienz können Fette nicht mehr gut verdaut werden, was u. a. zu Steatorrhoe (Fettstuhl) Diarrhoe, Übelkeit, Erbrechen und Gewichtsabnahme führt. Wichtig Der laborchemische Nachweis der chronischen Pankreatitis gelingt nur im akuten Schub, da es bei fortgeschrittener Erkrankung nicht mehr zu einem Anstieg der Enzyme kommt.
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Kapitel 3 · Safety
. Tabelle 3.23. Laborwerte bei akuter Pankreatitis Pankreas-Enzyme
Spezifika
Normwert
α-Amylase
Aufspaltung in Pankreas bzw. Parotis-Isoenzyme möglich; Messung im Serum oder 12-h-Sammelurin
40–130 U/L (Serum) ≤600 U/L (Urin)
Lipase
Anstieg 5–6 h nach Symptombeginn. Bei akuter Pankreatitis ist die Lipase länger als die Amylase erhöht
<190 U/L
Entzündungsparameter
(s. auch Entzündungslabor)
CRP
Akute-Phase-Protein
<0,5 mg/dl
Leukozytenzahl
Entzündungsparameter
3.800–10.500/μl
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Als bildgebendes Verfahren wird das CT angewendet. Eine exokrine Pankreas-Insuffizienz kann durch Enzym-Untersuchungen (Chymotrypsin, Elastase 1) im Stuhl bzw. Funktionstests (Sekretin-Pankreozymin-Test) nachgewiesen werden
Pankreaskarzinom Das Pankreaskarzinom befällt häufiger Männer als Frauen und tritt meist in der 5. bis 6. Lebensdekade auf. Die klinischen Zeichen sind häufig unspezifisch, Oberbauchschmerzen wie bei chronischer Pankreatitis, Appetitlosigkeit, Völlegefühl, Übelkeit und Erbrechen und daraus resultierendem Gewichtsverlust. Als paraneoplastische Veränderung können vermehrt Thrombosen und Thrombophlebitiden entstehen.
I. Anamnese 1. Störung der Diurese/Miktion (. Tab. 3.25), 2. Schmerzen im Nierenlager (. Tab. 3.26) 3. Ödeme Ödeme können Hinweise auf Glomerulonephritis, nephrotisches Syndrom oder Niereninsuffizienz sein.
. Tabelle 3.24. Erkrankungen des Pankreas und ihre jeweilige Diagnostik Pankreas-Pathologie
Anamnese-Besonderheit, Befundauffälligkeiten
Weiterführende Diagnostik
Akute Pankreatitis
Plötzlich einsetzender, gürtelförmig ausstrahlender heftiger Oberbauchschmerz, evtl. mit Erbrechen, Hypotonie, Fieber oder Aszites einhergehend
D-Amylase n (Serum, Urin), Lipase n(länger n als D-Amylase), CRPn, Leukocytose Röntgenübersicht des Abdomens, Sonographie, CT, NMR
Chronische Pankreatitis
Heftige chronische oder rezidivierende Oberbauchschmerzen, aus der Tiefe des Abdomens mit bohrendem Charakter, gürtelförmig ausstrahlend in den Rücken; Fettstühle, Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsabnahme
Labor: auffällige Enzymveränderungen nur im akuten Schub; Stuhluntersuchungen: auf Chymotrypsin und Elastase 1, Als Funktionstest: Sekretin-Pankreocymin-Test
Oberbauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Völlegefühl, Übelkeit und Erbrechen
(Endo-)Sonographie, ERCP, Abdomenübersicht und HRCT am besten in Kombination; Tumormarker (CA19-9, CA50) nur als postoperative Verlaufskontrolle
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Die hier besprochenen Erkrankungen der Niere stellen lediglich eine Auswahl dar und umfassen Funktionsstörungen (Insuffizienzen), Entzündungen der Niere, bzw. der ableitenden Harnwege, Steinleiden und Tumore. Bei Verdacht auf Nierenerkrankungen empfiehlt sich eine gestufte Diagnostik:
Übersicht: Diagnostik bei Bauchspeicheldrüsenerkrankungen
17 18
3.8.5 Nierenerkrankungen
Pankreaskarzinom
CT als bildgebendes Verfahren der Wahl; Funktionstests
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3.8 · Safety in der Osteopathie
. Tabelle 3.25. Störungen der Diurese und mögliche Befunde Symptom
Befund
(Mögliche) Erkrankung
Polyurie
Harnfluss: >2000 ml/d
Diabetes mellitus, Diabetes insipidus
Oligurie
Harnfluss: <500 ml/d
Niereninsuffizienz
Anurie
Harnfluss: <100 ml/d
Niereninsuffizienz
Pollakisurie
Häufiger Harndrang
Zystitis
Algurie
Schmerzhaftes Wasserlassen
Zystitis, Urethritis
Dysurie
Erschwertes Wasserlassen, schwacher Harnstrahl
Blasenentleerungsstörungen (z. B. bei Prostatavergrößerung)
Hämaturie
Blutbeimengung im Urin
Steinleiden, Malignom
. Tabelle 3.26. Schmerzsymptome im Nierenlager Symptom
(Mögliche) Erkrankung
Akut auftretend, kolikartig, ausstrahlend ins Genitale (evtl. begleitet von Harndrang und Hämaturie
Z. B. Ureterstein
Anhaltend dumpfe Schmerzen im Nierenlager oder Klopfschmerzhaftigkeit des Nierenlagers
Z. B. Pyelonephritis
. Tabelle 3.27. Urin-pH-Werte in Abhängigkeit von Ernährung Saurer Urin
Bei fleischreicher Kost oder bei Azidose
Alkalischer Urin
Vegetarische Kost, wenn die Urinprobe zu lange gestanden hat
4. Kopfschmerzen Kopfschmerzen können durch Hypertonie, Pyelonephritis oder eine Niereninsuffizienz bedingt sein. 5. Fieber Fieber kann ein Hinweis auf eine akute Pyelonephritis sein.
II. Untersuchung 1. Ödeme 2. Hypertonus 3. Paraumbilikales Stenosegeräusch (Hinweis auf Stenose der A. renalis) 4. Tastbarer Nierentumor (z. B. Hypernephrom)
III. Laborbefunde 1.
Urin-pH Der Urin-pH ist nahrungsabhängig zwischen 4–8 (. Tab. 3.27). 2. Proteinurie Sie ist definiert als Ausscheidung von >100 mg Eiweiß/24 h (oder als eine Abweichung vom physiologischen Proteinmuster). Die Mikroalbuminurie bezeichnet eine AlbuminAusscheidung von 30–300/24 h bzw. 20–200 mg/l. (. Tab. 3.28). Sie gilt als typisches Frühsymptom einer durch Diabetes oder arterielle Hypertonie geschädigten Niere. Ein Eiweiß-Nachweis ist über einen Teststreifen orientierend möglich, allerdings wird v. a. Albumin nachgewiesen. Als spezifischeres Verfahren steht die Elektrophorese zur Verfügung, die Proteine wegen ihrer elektrochemischen Eigenschaften qualitativ und quantitativ nachweisen kann. 3. Glukosurie Eine Beimengung von Glukose findet sich im Urin bei Diabetikern durch Überschreiten der Nierenschwelle. Diese liegt bei einem Blutzucker von etwa 160–180 mg/ dl (Hyperglykämie). 4. Urin-Sediment Im Sediment können sich eine Hämaturie (Verdacht auf Glomerulonephritis, Pyelonephritis, Malignom, Niereninfarkt u. a.) zeigen, eine Leukocyturie (Harnwegsin-
. Tabelle 3.28. Proteinurie-Werte Proteinurie
Proteinart
Klinische Bedeutung
30–300 mg/d (Mikroalbuminurie)
Albumin (mengenmäßiger Hauptbestandteil der verschiedenen Proteine)
Beginnende diabetische bzw. hypertensive Nephropathie
Bis 1,5 g/d
Klein-/großmolekulare Proteine
Geringe Tubulo-/Glomerulopathien
1,5–3,0 g/d
Klein-/großmolekulare Proteine
Chronische Glomerulonephritis, Transplantatniere, Nephrosklerose
>3,0 g/d
Großmolekulare Proteine
Nephrotisches Syndrom
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Kapitel 3 · Safety
− Berechnung: Urin-Krea×Urinminutenvolumen/Serum-Krea b. Harnstoff Harnstoff ist das Endprodukt des Eiweißstoffwechsels (. Tab. 3.32). c. Harnsäure Die Harnsäure ist kein empfindlicher Parameter bei einer Niereninsuffizienz. Erhöhte Werte (Hyperurikämie) finden sich allerdings bei Zellzerfall und der Erkrankung Gicht (Arthritis urica).
. Tabelle 3.29. Bedeutung von Zylindern im Sediment Zylinder-Art
Klinische Bedeutung
Hyaline Zylinder
Wie Proteinurie; treten auch nach körperlicher Anstrengung auf
Erythrozytenzylinder
Pathognomonisch für Glomerulonephritis (s. unten)
Leukozytenzylinder
In >80% der Fälle bei chronischer Pyelonephritis
Epithelzylinder
Schrumpfniere, nach akuter Anurie, nephrotisches Syndrom
III. Bildgebende Diagnostik 1.
6 7 8 9 10 11 12 13
fektionen) sowie das Vorliegen verschiedener Zylinder (. Tab. 3.29). 5. Bakteriurie Orientierend kann diese per sog. Mittelstrahlurin bestimmt werden. Als positiv gilt der 2-malige Nachweis von >100.000 Keimen/ml (Kass-Zahl). 6. Untersuchung auf harnpflichtige Stoffe a. Kreatinin − Kreatinin entsteht im Muskel durch Abbau von Kreatinphosphat und wird in der gesunde Niere durch glomeruläre Filtration abgebaut.(. Tab. 3.30). − Die Kreatinin-Clearance entspricht in etwa der glomerulären Filtrationsrate. Sie erfasst als genaue Messung der Nierenfunktion bereits leichte Funktionseinschränkung selbst bei normalem SerumKreatinin (. Tab. 3.31).
2.
3. 4. 5.
Sonographie (evt. als Farbdoppler*) Befundaussagen: Lage und Größe der Nieren, Nachweis von Zysten, Steinen, Tumoren. Nachweis eines getauten Nierenbeckens; Beurteilung der arteriellen/venösen Durchblutung* Röntgen − In der Leeraufnahme Nachweis verkalkter Steine (häufig Zufallsbefund) − Intravenöse Urographie: Nierengröße und Kontur, Nierenbeckenkelchsystem, raumfordernde Prozesse, Obstruktionen, Steine − Miktionszystourethrographie: Reflux, Restharn − Digitale Subtraktionsangiographie (DAS): Nierenarterienstenose − Phlebographie: Nierenvenenthrombose Computertomographie (CT) Tumorsuche, Abszessdarstellung MRT (Kernspin) Ähnlich wie CT Nierenbiopsie Zur differenzialdiagnostischen Abklärung glomerulärer Erkrankungen
14 15
. Tabelle 3.30. Normwerte Kreatin (Krea) Referenzgröße
Normwert
Klinische Bedeutung
16
Kreatinin im Serum
0,6–1,36 mg/dl
Erhöhung: chronische Niereninsuffizienz, akuter Muskelzerfall, akutes Nierenversagen Erniedrigung: verminderte Muskelmasse, Gravidität, vermehrte Nierendurchblutung
17
Kreatinin im Urin
<250 mg/dl
Erhöhung: vermehrte Muskelmasse, akute und chronische Myopathien Erniedrigung: verminderte Muskelmasse, Niereninsuffizienz
18 19
. Tabelle 3.31. Normwerte Kreatin-Clearance
. Tabelle 3.32. Harnstoff im Serum
Geschlecht
Clearance in ml/ min/1,73 m2
Clearance in ml/s
Abweichung vom (Normwert: 10–50 mg/dl)
Klinische Bedeutung
Männer
>95–160
>1,54–2,60
Erhöhung
Frauen
>98–156
>1,59–2,54
Niereninsuffizienz, proteinreiche Kost, Postaggressionsstoffwechsel, Glukokortikoidtherapie
Erniedrigung
Schwere Lebererkrankung, metabolische Azidose
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3.8 · Safety in der Osteopathie
Niereninsuffizienz Niereninsuffizienzen können akut oder chronisch auftreten. Grundsätzlich kommt es neben dem Versiegen der Harnsekretion zu einem Anstieg an sog. harnpflichtigen Substanzen (Harnstoff, Kreatinin) im Blut, was wiederum Sekundärphänomene auslöst. Es handelt sich in jedem Fall um schwere Erkrankungen die ärztlich behandelt werden müssen. Die akute Niereninsuffizienz zeigt zu Beginn noch keine wesentlichen Symptome, entwickelt im Verlauf aber folgende Symptomatik: 5 rasche Ermüdbarkeit, 5 Übelkeit 5 evtl. psychische Auffälligkeiten. Die Ursachen hierfür können vielfältig sein: prärenal: Blutdruckabfall (Schock) oder toxische Schädigungen, renal: entzündlich (z. B. Nephritis) oder vaskulär (z. B. Verschluss der A. oder V. renalis), postrenal: Abflussbehinderung (z. B. durch Steinleiden, s. unten). Die chronische Niereninsuffizienz zeigt sich auch bezüglich ihres Schweregrades in einem stadienhaften Verlauf (. Tab. 3.33). Sie ist durch irreversible Abnahme des Glomerulumfiltrats bei progressivem Untergang von funktionsfähigem Nierengewebe definiert.
Pyelonephritis Die akute Pyelonephritis ist eine bakterielle bedingte Erkrankung des Nierenparenchyms mit klassischer Beschwerde-Tri-
Die chronische Pyelonephritis entsteht meist auf dem Boden von Obstruktionen des ableitenden Harnsystems und/ oder Harn-Reflux. Die Klinik des akuten Schubes einer chronischen Pyelonephritis entspricht der oben beschriebenen akuten Pyelonephritis. Ansonsten findet man eher uncharakteristische Beschwerden wie 5 Abgeschlagenheit, 5 Kopfschmerz, 5 Brechreiz, 5 Gewichtsabnahme, 5 dumpfe Rückenschmerzen.
Glomerulonephritis Die Glomerulonephritis kann sich als primäre Nierenerkrankung nur an den Glomeruli abspielen oder im Sinne einer Systemerkrankung die renale Manifestation z. B. einer Kollagenose etc. sein. Auf die Darstellung der einzelnen Subformen wird hier verzichtet. Als gemeinsame Klinik können Erythrurie, Proteinurie, Hypertonie bis hin zu Niereninsuffizienz und nephrotischem Syndrom auftreten. Wie alle hier vorgestellten Krankheitsbilder müssen auch diese fachärztlich (Internist oder Nephrologe) behandelt werden.
Nephrotisches Syndrom Beim nephrotischen Syndrom handelt es sich in erster Linie um einen Proteinverlust der Niere mit dadurch bedingten Folgeproblemen (. Tab. 3.34). Die syndromale Erkrankung entsteht auf dem Boden anderer Grunderkrankungen, allen voran die Glomerulonephritis, aber auch Diabetes mellitus, Plasmozytom, Kollagenosen u. a.
as:
Urolithiasis
1. Fieber (Schüttelfrost), 2. Dysurie 3. (Klopf-)Schmerz im Nierenlager.
Steinleiden (Urolithiasis) in Niere und ableitenden Harnwegen
Als typische Fehldiagnosen werden Lumbago, Ischialgien und Abdominalerkrankungen angegeben. . Tabelle 3.33. Stadien der chronischen Niereninsuffizienz
sind relativ häufig. Die meisten Steine sind aus verschiedenen Kalziumsalzen aufgebaut, seltener finden sich z. B. Harnsäuresteine. Nierensteine können asymptomatisch sein, aber auch bei Einklemmung heftige Koliken verursachen. Sonographie und . Tabelle 3.34. Charakteristische Befunde beim nephrotischen Syndrom
Stadium
Beschreibung
Klinische Bedeutung Symptom
Bedeutung
I
Kompensiertes Dauerstadium
Kreatinin-Clearance leicht eingeschränkt, (noch) normale Retentionswerte
Starke Proteinurie
>3,0 g/d
Kompensierte Retention
Kreatinin bis 6 mg/dl ohne klinische Urämie
Hypalbuminämisches Ödem
Präterminale Niereninsuffizienz
Kreatinin >6 mg/dl; ab >8 mg/dl Auftreten urämischer Symptome (odekompensierte Retention)
Wenn Serum-Albumin <2,5 g/d
Hyperlipoproteinämie
Cholesterin- und Triglyzeriderhöhung
Evtl. IgG-Mangel
Terminale Niereninsuffizienz
Kreatinin >10 mg/dl; Urämie-Folgen; Therapie: Dialyse, Transplantation (NTx)
Infektanfälligkeit bei Eiweißverlust
(Renaler) Antithrombin-IIIMangel
Thrombembolische Komplikationen
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IV
Hypoproteinämie
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Kapitel 3 · Safety
Ausscheidungsurogramm gehören zur weiterführenden Diagnostik. Uretersteine entstehen meist aus Nierensteinen, die in den Ureter gespült werden und dort stecken bleiben. Auch hier treten dann kolikartige Schmerzen auf. Genaueren Aufschluss gibt wieder das Ausscheidungsurogramm. Harnblasensteine können zu einer Blutbeimengung im Urin führen (Hämaturie) und fallen meist durch die Symptomatik einer Begleitzystitis (s. unten) auf. Neben der Sonographie steht diagnostisch auch die endoskopische Untersuchung der Blase (Zystoskopie) zur Verfügung.
Zystitis Eine Zystitis kommt bei Frauen wegen der im Vergleich sehr kurzen Urethra häufiger als bei Männern vor. Der ätiologische Zusammenhang mit dem Geschlechtsverkehr wird durch den Begriff der Honeymoon-Zystitis verdeutlicht. Natürlich kommen auch viele andere Ursachen in Betracht. Bei dem häufigen unkomplizierten Harnwegsinfekt stehen klinisch Dysurie (Schmerzen beim Wasserlassen), Pollakisurie (Vielharnen), manchmal auch Hämaturie im Vordergrund der Beschwerden. Der komplizierte Harnwegsinfekt variiert bezüglich seiner Symptomatik mit folgenden Symptomen 5 supra- oder retropubische Schmerzen, 5 Lumbalgien, allgemeines Krankheitsgefühl, evtl. Fieber, 5 Harnverhalt, Inkontinenz, Nykturie (nächtliches Wasserlassen),
12 13 14
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Nierentumore sind eher selten. Bekannt ist der im Kindesalter (Häufigkeitsgipfel im 3.–4. Lebensjahr)auftretende Wilms-Tumor, der auch als Nephroblastom bezeichnet wird. Die Klinik besteht aus einem tastbarem Abdominaltumor, Abdominalschmerzen, Appetitlosigkeit, Erbrechen, evtl. Fieber und Hämaturie. Die erweiterte Diagnostik umfasst Sonographie, CT, NMR und Angiographie.
Hypernephrom Das Nierenzellkarzinom, das auch Hypernephrom genannt wird, betrifft Männer häufiger als Frauen und hat seinen Häufigkeitsgipfel um das 50. Lebensjahr. Das Hypernephrom kennt keine spezifischen Frühsymptome. In 60% der Fälle handelt es sich um asymptomatische, sonographische Zufallsbefunde. Deshalb muss jede Hämaturie sonographisch abgeklärt werden. Als Spätsymptome gelten Flankenschmerz mit unklarem Fieber, Varikozele des linken Hodens bei Einbruch des Tumors in die linke V. renalis, paraneoplastische Syndrome. Bevorzugte Metastasierungsorte sind neben dem Skelett die Lunge, Leber und das Hirn.
Nieren-Pathologie
Anamnese-Besonderheit, Befundauffälligkeiten
Weiterführende Diagnostik
Niereninsuffizienz
Abhängig vom Stadium der Insuffizienz: Rasche Ermüdbarkeit, Übelkeit, psychische Auffälligkeiten
Labor: Anstieg harnpflichtiger Substanzen im Blut (Kreatinin, Harnstoff ), eingeschränkte Kreatinin-Clearance
Pyelonephritis
Akut: Fieber, Dysurie und klopfschmerzhaftes Nierenlager Chronisch: im Schub wie oben, ansonsten eher unspezifisch mit Abgeschlagenheit, Kopfschmerz, Brechreiz, Gewichtsabnahme und dumpfen Rückenschmerzen
Leukocytenzylinder
Glomerulonephritis
Arterielle Hypertonie, Zeichen der Niereninsuffizienz
Urin: Erythrozyten n, Proteinn
Nephrotisches Syndrom
Folgeproblem des Proteinverlustes in den Urin; Ödeme, Infektanfälligkeit bei Eiweißverlust, thromembolische Komplikationen
Proteinurie, Hypoalbuminämie, Hyperlipoproteinämie (Cholesterin, Triglyzeride nn Antithrombin III im Urin: nn
Urolithiasis
Nierenkoliken
Sonographie, Ausscheidungsurogramm
Zystitis/unkomplizierter Harnwegsinfekt
Dysurie, Pollakisurie (Hämaturie)
Urinstatus, Bakterienkultur, Zystoskopie
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Nephroblastom
. Tabelle 3.35. Nierenerkrankungen und ihre jeweiligen Diagnostik
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Diagnostisch wird ein Urinstatus durchgeführt und ggf. eine Bakterienkultur mit Antibiogramm angefertigt.
Übersicht: Diagnostik bei Nierenerkrankungen
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5 verzögerter Miktionsbeginn bei männlichen Patienten, auch schwacher Harnstrahl.
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3.8 · Safety in der Osteopathie
. Tabelle 3.35. Fortsetzung Nieren-Pathologie
Anamnese-Besonderheit, Befundauffälligkeiten
Weiterführende Diagnostik
Komplizierter Harnwegsinfekt
Allgemeines Krankheitsgefühl, Fieber, Lumbalgien(!), supra-/retropubische Beschwerden, Harnverhalt, Inkontinenz, Nykturie
Urinstatus, Bakterienkultur, Entzündungslabor
Nephroblastom/Wilms
Tastbarer Abdominaltumor (im Kindesalter) Abdominalschmerzen, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Fieber
Hämaturie, Unterbauchsonographie, CT, NMR, Angiographie
Hypernephrom
Häufig Zufallsbefund (!), Hämaturie (cave: Skelettmetastasen), Flankenschmerz mit unklarem Fieber, Varikozele des linken Hodens
Hämaturie, Unterbauchsonographie, CT, NMR
3.8.6 Magen-Darm-Erkrankungen Wichtige gastroenterologische Erkrankungen werden im Folgenden topographisch von kranial nach kaudal dargestellt. Nach einer Kurzbeschreibung einzelner Krankheitsentitäten folgt die entsprechende Darstellung der Diagnostik. Zum Verdauungstrakt gehört auch der Ösophagus. Das Leitsymptom hier angesiedelter Erkrankungen ist die Dysphagie (Schluckstörung).
Refluxkrankheit Ein ebenso häufiges und ernst zu nehmendes Problem ist die Refluxkrankheit. Während auch Gesunde nach dem Genuss fettreicher, weinhaltiger Mahlzeiten gelegentlich über Reflux klagen, stellt der gehäufte Reflux eine eigene Krankheitsentität dar, die über eine Reflux-Ösophagitis bis hin zum Ösophaguskarzinom führen kann. Die häufigsten Beschwerde-Konstellationen, die durch Bücken, Pressen, Rückenlage, Anstrengung und Stress noch verstärkt werden, umfassen die in . Tab. 3.36 aufgeführten Symptome.
. Tabelle 3.36. Klinik der Refluxkrankheit
Die (erweiterte) Diagnostik umfasst neben der Anamnese-Erhebung die endoskopische Untersuchung mit Probeentnahme, da dadurch eine gezielte Diagnosestellung erfolgen kann. Als Spezialuntersuchung steht zusätzlich die LangzeitpH-Metrie zur Verfügung.
Ösophagusdivertikel Ösophagusdivertikel sind Ausstülpungen entweder der ge-
samten Wand des Verdauungstraktes oder bedingt durch Muskellücken nur auf die Mukosa bezogen (Pseudodivertikel, z. B. Zenker-Divertikel). Das Zenker-Divertikel findet man v. a. bei Männern und im höheren Lebensalter. Typische Klinik ist 5 Druckschmerz, 5 gurgelndes Geräusch beim Trinken, 5 Dysphagie, 5 Regurgitation, 5 Hustenreiz bei Nahrungsaufnahme. Neben Mundgeruch (Foetor ex ore) findet sich auch häufig morgens ein (regurgitierter) Speiserest im Bett. Die erweiterte Diagnostik besteht im Röntgen mit Kontrastmittel bzw. Endoskopie.
Ösophaguskarzinom Das Ösophaguskarzinom befällt hauptsächlich Männer im höheren Lebensalter. Hauptlokalisationsorte sind die drei physiologischen Ösophagus-Engen. Typische Frühsymptome existieren leider nicht. Leitsymptom ist die Dysphagie, evtl. begleitet von Gewichtsverlust und/oder Schmerzen retrosternal oder im Rücken.
Symptom
Häufigkeit/Besonderheiten
Sodbrennen
Bei (75%), brennender retrosternaler Schmerz, besonders im Liegen und nach den Mahlzeiten, Druckgefühl hinter dem Proc. xiphoideus; cave DD: Angina pectoris (!)
Luftaufstoßen
(60%)
Dysphagie
(50%)
Wichtig
Regurgitation von Nahrungsresten
(40%)
Epigastrischer Schmerz
Begleitet von Brennen im oberen Bauchraum
Eine Dysphagie bei Patienten > 40 Jahren muss stets Anlass sein, ein Ösophaguskarzinom diagnostisch auszuschließen, da es in diesem Alter die häufigste Ursache einer Speiseröhren-Verengung darstellt.
Übelkeit, Erbrechen
Die erweiterte Diagnostik umfasst die Röntgenkontrast-Untersuchung, die Endoskopie (Ösophagoskopie, Bronchosko-
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Kapitel 3 · Safety
pie) sowie eine Thorax-CT. Eine hämatogene Metastasierung wird v. a. durch Oberbauchsonographie (Leber) und Röntgen der Lunge erfasst Der Tumormarker SCC-Antigen hat für den Verlauf in der Nachsorge Bedeutung, dient jedoch nicht als Screening-Parameter.
Gastritis Eine Gastritis kann akut oder chronisch auftreten. Die akute Form zeigt sich durch Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen Aufstoßen, Druckgefühl im Oberbauch, epigastrischen Druckschmerz und unangenehmen Geschmack im Mund. Diagnostisch steht neben der Anamnese (auch Eruierung auslösender Noxen, wie z. B. Alkohol-Exzess, kontaminierten Nahrungsmitteln oder Kortikosteroiden) die Endoskopie mit Probeentnahme zur Verfügung. Eine chronische Gastritis verläuft wesentlich symptomärmer, zeigt sich manchmal nur durch unspezifische Oberbauchbeschwerden (v. a. bei Befall durch den Erreger Helicobacter pylori) mit postprandialem Völlegefühl und Blähungen. Handelt es sich um die sog. Autoimmungastritis Typ A, kann zusätzlich durch mangelnde Bildung von Intrinsic-factor ein Vitamin-B12-Mangel entstehen der mit perniziöser Anämie und funnikulärer Myelose einhergeht. Die chronische Gastritis wird endoskopisch (Gastroskopie) mit Probeentnahme und histologischer Untersuchung diagnostiziert. Ein Helicobacter-pylori-Befall kann nicht nur histologisch, sondern auch im sog. 13C- bzw. 14C-Atemtest oder serologisch als Antikörper- (Ak-)Nachweis erfolgen. Bei der oben beschriebenen Typ-A-Gastritis werden Auto-Ak gegen Parietalzellen und Intrinsic-factor bestimmt sowie der Vitamin-B12-Spiegel im Serum. Die gastroduodenale Ulcus-Krankheit ist als Defekt der Mukosa charakterisiert (Erosion oder tiefer reichende Ulzera) und geht mit Blutungen und Schmerzen einher. Duodenal-Ulzera sind etwa dreimal so häufig wie Magen-Ulzera, bei Ersteren sind Männer dreimal häufiger als Frauen betroffen, bei Letzteren ist das Geschlechterverhältnis ausgewogen. Letztlich handelt es sich ätiologisch immer um ein gestörtes Gleichgewicht zwischen aggressiven Faktoren (Helicobacter pylori, Stress, Rauchen, nichtsteroidale Antiphlogistika, Kortikosteroide u. a.) und Schutzmechanismen der Schleimhaut. Die Klinik ist häufig nicht diagnoseleitend, grundsätzlich aber bestehen beim Ulcus duodeni eher Spät-, Nachtund Nüchternschmerzen im Epigastrium, die sich nach Nahrungsaufnahme verringern, und beim Ulcus ventriculi eher ein Sofortschmerz nach Nahrungsaufnahme oder nahrungsunabhängige Schmerzen und periodische Neigung zu Rezidiven. Diagnostisch steht hier ebenfalls die Gastroskopie mit evtl. Nachweis des Helicobacter pylori im Vordergrund.
Magenkarzinom Das Magenkarzinom weist in West-Europa und den USA eine kontinuierliche Häufigkeitsabnahme auf, während es in
China und Japan weiterhin sehr häufig ist. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen, der Gipfel liegt jenseits des 50. Lebensjahres. Klinisch ist keine spezifische Frühsymptomatik bekannt, im Gegenteil behaupten sogar manche Patienten bisher einen »Ochsenmagen« gehabt zu haben. Uncharakteristische Symptome umfassen allgemeine Hinweise auf Tumorerkrankungen wie Gewichtsabnahme, Leistungsknick und subfebrile Temperaturen. Auf die Lokalisation Magen weisen 5 Brechreiz, 5 Druckgefühl im Oberbauch 5 plötzlicher Widerwille gegen Fleisch hin. Als Zeichen der Metastasierung können Hepatomegalie, Aszites und ein tastbarer supraclaviculärer Lymphknoten links auftreten, der sog. Virchow-Lymphknoten. Die Metastasierung erfolgt lymphogen, hämatogen (Leber→Lunge→Knochen→Hirn, per continuitatem (Ösophagus, Duodenum, Kolon, Pankreas), als Bauchfellkarzinose mit Aszites oder in der Sonderform des Krukenberg-Tumors. Hierbei handelt es sich um Abtropfmetastasen, die sich bei Frauen am linken Ovar wieder ansiedeln. Diagnostisch ist wiederum die Gastroskopie mit Probeentnahme und anschließender histologischer Klärung von höchster Bedeutung.
Diarrhoe und Obstipation Veränderungen der Stuhlgewohnheiten sind grundsätzlich
ein Symptom, dem weiter nachgegangen werden muss. Allerdings gilt ebenso, dass bezüglich der Darmentleerung eine große individuelle Varianz vorherrscht. Wichtig Regelmäßige Stuhlentleerungen können von 3/Woche bis 3/Tag physiologisch sein. Eine plötzliche Änderung der Stuhlgewohnheit weist häufig auf eine Erkrankung hin.
Stuhlproben, Entzündungslabor und gegebenenfalls Spezialuntersuchungen ergänzen die weitere Diagnostik zur Ursachenfindung einer Diarrhoe. Die Obstipation geht häufig auf einen vorbestehenden Laxanzien-Abusus zurück und steht nicht selten in Zusammenhang mit Bewegungsmangel und falscher Ernährung. In Kombination mit Blutbeimengung im Stuhl muss eine weiterführende fachärztliche Diagnostik (Koloskopie, Röntgen der Magen-Darm-Passage) eingeleitet werden. Als chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED) werden v. a. der M. Crohn und die Colitis ulcerosa verstanden. Beide Erkrankungen weisen einige Gemeinsamkeiten, aber auch abgrenzbare Unterschiede auf (. Tab. 3.37). Ihr Häufigkeitsgipfel liegt zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, insbesondere beim M. Crohn findet sich eine familiäre Häufung. Der
79
3.8 · Safety in der Osteopathie
. Tabelle 3.37. Differenzialdiagnostische (DD) Übersicht: M. Crohn und Colitis ulcerosa DD-Kriterium
M. Crohn
Colitis ulcerosa
Lokalisation
Colon
Gesamter
Rektumbeteiligung
>95%
20%
Ileumbeteiligung
Selten (Backwash-Ileitis)
Bis 80%
Ausbreitung
Kontinuierlich, von distal (Rektum) nach proximal
Diskontinuierlich von proximal (terminales Ileum) nach distal
Niveau
Mukosa
Transmural (alle Wandschichten)
Klinik
Blutig-schleimige Durchfälle
Abdominalschmerzen und Durchfälle meist ohne Blut. Evtl. tastbare Resistenzen im rechten Unterbauch
Extraintestinale Symptome
Selten
Häufig
auch als Enteritis regionalis bezeichnete M. Crohn ist als diskontinuierlich segmental auftretende Entzündung auch der tiefen Wandschichten des gesamten Gastrointestinaltraktes (meist terminales Ileum, proximales Kolon) definiert und durch folgende Klinik gekennzeichnet: 5 abdominelle Schmerzen, 5 Durchfälle ohne Blutbeimengung, 5 Flatulenz, 5 Symptome wie Appendizitis, kolikartige Schmerzen im rechten Unterbauch, 5 druckschmerzhafte Resistenzen. Als extraintestinale Symptome sind ein Erythema nodosum, Arthritis, Spondylitis ankylosans und Malabsorptionssyndrom (Vitamin B12) bekannt. Als typisches Erstsymptom gilt das Auftreten von (Anal-)Fisteln. Der Verlauf der Erkrankung kann progredient oder schubweise sein. Die weiterführende Diagnostik besteht in der Endoskopie mit Biopsie, Röntgen (mit Kontrast) und Labor (BSG-Erhöhung, Leukozytose, evtl. Anämie). Bei der Colitis ulcerosa handelt es sich um eine chronisch entzündliche Darmerkrankung mit kontinuierlicher Ausbreitung (von distal im Rektum nach proximal) und Ulzeration der oberflächlichen Schleimhautschichten. Die Klinik imponiert durch 5 blutig, schleimige Durchfälle (Leitsymptom), 5 krampfartige Abdominalschmerzen, 5 subfebrile Temperaturen. Man unterscheidet folgende Verlaufsformen: 5 chronisch rezidivierend (85%), 5 chronisch kontinuierlich (10%) und 5 akut fulminat (5%). Diagnostisch steht ebenfalls die Endoskopie (mit Histologie) und laborchemische Kontrolle der Entzündungsparameter im Vordergrund.
Das Reizdarm-Syndrom (»irritable bowel syndrome«) wird auch als spastisches Colon bezeichnet; es ist eine nicht seltene Erkrankung, die Frauen etwa doppelt so häufig wie Männer betrifft. Klinisch werden die folgenden Symptome beschrieben 5 Obstipationen, 5 auch im Wechsel mit Diarrhöen, 5 abdominale Schmerzen mit krampfartigem, brennendem Charakter, 5 Druckgefühl im Unterbauch, 5 Völlegefühl und Besserung der Beschwerden nach der Stuhlentleerung. Bei der körperlichen Untersuchung findet sich häufig ein cförmiger Bereich. Die weiterführende Diagnostik ist im Grunde eine Ausschlussdiagnostik anderer schwerwiegender Darmerkrankungen (entzündlich, tumorös) und bezieht sich auf Entzündungslabor und Colondiagnostik mittels Endoskopie. Zum Ausschluss von Blutbeimengungen im Stuhl wird der Haemoccult®-Test durchgeführt. Bei der Divertikulose, -itis handelt es sich um eine Zivilisationskrankheit durch ballaststoffarme Ernährung, meist mit Bildung von Pseudodivertikeln (Ausstülpung der Darmschleimhaut durch Muskellücken). Man unterscheidet die symptomlose Divertikulose (80%) von der symptomatischen Divertikulitis (20%). Letztere zeigt bei Sigma-Befall die folgenden Symptome: 5 Spontanschmerz, 5 »Linksappendizitis«, 5 Stuhlunregelmäßigkeiten, 5 tastbare druckschmerzhafte Walze, 5 subfebrile Temperaturen 5 Entzündungslabor (Leukozytose, BSG- und CRP-Erhöhung).
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Kapitel 3 · Safety
Bei Caecum-Befall imponieren Schmerzen im rechten Mittel- und Unterbauch (»Appendizitis trotz Appendektomie«). Die Diagnose erfolgt endoskopisch (Coloskopie und radiologisch).
Colon-Karzinom Das Colon-Karzinom ist das zweithäufigstes Karzinom von Männern und Frauen zusammen. (Inzidenz: 30/100.000) und tritt in 90% der Fälle jenseits des 50. Lebensjahres auf. Als Risikofaktoren gelten 1. kolorektale Adenome, 2. eine positive Familienanamnese, 3. Colitis ulcerosa, 4. familiäre Adenomatosis coli (Polyposis intestinii). Ätiologisch werden neben genetischer Prädisposition auch Ernährungsverhalten (zu hoher Konsum von Fett, Fleisch, bzw. zu geringer Konsum von Ballaststoffen), Nikotin- und Alkohol-Abusus diskutiert. Die Lokalisation ist zu 60% im Rektum, 20% im Sigma, 10% im Caecum/Colon ascendens und 10% im übrigen Colon. Auch bei diesem Karzinom kommt es bezüglich der Prognose auf die frühzeitige Diagnosestellung an, allerdings fehlen typische klinische Zeichen. Deshalb ist jeder Blutbeimen-
17
Diagnostisch steht neben der rektalen Austastung die Coloskopie mit Biopsie und anschließender histologischer Untersuchung im Vordergrund. Ist eine vollständige Coloskopie nicht möglich, kann diese um eine Röntgen-DoppelkontrastUntersuchung erweitert werden. Als Tumormarker ist bei manchen Patienten das carcinoembryonale Antigen (CEA) in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung erhöht. Die Bestimmung eignet sich in der Nachsorge als Rezidiv-Kontrolle, nicht aber als ScreeningMethode.
Übersicht: Diagnostik bei Magendarmerkrankungen . Tabelle 3.38. Gastroenterologische Erkrankungen und ihre Diagnostik Gastrointestinale Pathologie
Anamnese-Besonderheit, Befundauffälligkeiten
Weiterführende Diagnostik
Refluxkrankheit
Retrosternaler Schmerz besonders postprandial und im Liegen Verstärkung des »Brennens« in der Speiseröhre durch Pressen, Bücken, Rückenlage und Stress; Druckschmerz hinter dem Proc. xiphoideus (cave: DD Angina pectoris)
Endoskopie mit Probeentnahme Langzeit pH-Metrie
Zenker-Divertikel
Druckschmerz und gurgelndes Geräusch beim Trinken, Dysphagie, Regurgitation, Hustenreiz bei Nahrungsaufnahme
Röntgen mit Kontrastmittel, Endoskopie
Ösophaguskarzinom
Dysphagie, Gewichtsverlust, (retrosternales Brennen, Rückenschmerzen)
Röntgen mit Kontrastmittel, Endoskopie mit Probeentnahme und histologischer Klärung, Thorax-CT, Oberbauchsonographie, Tumormarker (SCC-Antigen) nur in der postoperativen Nachsorge von Bedeutung
Gastritis
Akut: Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Aufstoßen, Druckgefühl im Oberbauch, epigastrischer Druckschmerz, unangenehmer Geschmack im Mund Chronisch: Postprandiales Völlegefühl mit Blähungen Bei Autoimmungastritis Typ A: funnikuläre Myelose, (perniziöse) Anämie
Gastroskopie mit Probeentnahme, 13C- bzw. 14C-Atemtest, Antikörpertest gegen Helicobacter pylori,
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gung im Stuhl und jeder Änderung der Stuhlgewohnheit besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Es werden auch konstant üble Windgerüche und ungewollte Stuhlentleerungen bei Windabgängen beschrieben. Spätsymptome sind: 5 Leistungsminderung, 5 Müdigkeit, 5 Gewichtsverlust, 5 Darmverschlüsse, 5 tastbarer Tumor.
18 19 20 21
Autoantikörpertest bei Autoimmungastritis
81
. Tabelle 3.38. Fortsetzung Gastrointestinale Pathologie Gastroduodenale Ulkus-Krankheit
Anamnese-Besonderheit, Befundauffälligkeiten Ulcus ventriculi: Sofortschmerz nach Nahrungsaufnahme bzw. von der Nahrungsaufnahme unabhängiger Schmerz Ulcus duodeni: Spät-, Nacht- und Nüchternschmerz im Epigastrium, verringert sich bei Nahrungsaufnahme
Weiterführende Diagnostik
Gastroskopie mit Probeentnahme, 13C- bzw. 14C-Atemtest, Antikörpertest gegen Helicobacter pylori
Magenkarzinom
Unspezifische Symptomatik: Gewichtsabnahme, Leistungsknick und subfebrile Temperaturen; Brechreiz, Druckgefühl im Oberbauch und plötzlicher Widerwille gegen Fleisch, Zeichen der Metastasierung als Virchow-Lymphknoten, Aszites, Krukenberg-Abtropfmetastase
Gastroskopie mit multiplen Probeentnahmen, zur Metastasensuche Abdomen Sonographie, CT und RöntgenThorax
Colitis ulcerosa
Abdominelle Schmerzen, Durchfälle ohne Blutbeimengung, Flatulenz, Symptome wie Appendizitis, kolikartige Schmerzen im rechten Unterbauch und druckschmerzhafte Resistenzen
Rekto-/Koloskopie, Labor: evt. Anämie, Leukozyten n, BSG n
M. Crohn
Blutig, schleimige Durchfälle, krampfartige Abdominalschmerzen und subfebrile Temperaturen
Kolo-Ileoskopie mit Biopsien, Dünndarmeinlauf mit Röntgen (Doppelkontrastdarstellung des Kolons); Labor: evtl. Anämie, Leukozyten n, BSG n
Colon irritabile
Obstipationen, auch im Wechsel mit Diarrhöen, krampfartige, brennende abdominale, Druckgefühl im Unterbauch, Völlegefühl und Besserung der Beschwerden nach der Stuhlentleerung; schmerzhaft kontrahierter Strang im Bereich des Sigmas tastbar
Kolonkontrasteinlauf, Koloskopie
Divertikulitis
»Linksappendizitis« bzw. »Appendizitis trotz Appendektomie«
Entzündungslabor: BSG n, CRP n, Leukozyten n
Kolonkarzinom
Veränderung der Stuhlgewohnheit, Spätsymptome: Leistungsminderung, Müdigkeit, Gewichtsverlust, Darmverschlüsse, und tastbarer Tumor
Haemoccult-Test auf Blutbeimengung im Stuhl, evtl. CEA n, Koloskopie mit Probeentnahme
3
83
Kasuistiken Edgar Hinkelthein, Christoff Zalpour 4.1
Untere Extremität – 84
4.3
Obere Extremität – 156
4.1.1
Kasuistik 1: Belastungsschmerz im linken Sprunggelenk – 84 Kasuistik 2: Mediale Knieschmerzen rechts – 87 Kasuistik 3: Lateraler Knieschmerz rechts – 89 Kasuistik 4: Knieschmerz links – 91 Kasuistik 5: Schmerzen in dem rechten Großzehengrundgelenk – 94 Kasuistik 6: Rezidivierende Knie- und Leistenschmerzen links – 95 Kasuistik 7: Belastungsschmerzen im rechten Knie – 98 Kasuistik 8: Schmerzen beider Füße – 100 Kasuistik 9: Belastungsschmerzen linke Leiste – 103 Kasuistik 10: Schmerzen rechtes Bein – 105 Kasuistik 11: Schweregefühl der Beine – 108 Kasuistik 12: Leistenschmerzen rechts – 111
4.3.1 4.3.2
Kasuistik 30: Schulterschmerzen rechts – 156 Kasuistik 31: Akute Ellbogenschmerzen links – 158 Kasuistik 32: Rezidivierende Kribbelparästhesien rechte Hand – 161 Kasuistik 33: Belastungsschmerz rechter Ellbogen – 163 Kasuistik 34: Bewegungseinschränkung der rechten Schulter – 166 Kasuistik 35: Schmerzen rechte Hand und Unterarm – 168 Kasuistik 36: Persistierender Handgelenksschmerz rechts – 171 Kasuistik 37: Schmerzen im linken Mittelfinger – 173 Kasuistik 38: Schulterschmerzen links – 175 Kasuistik 39: Persistierende Schulterschmerzen rechts – 178
4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.1.7 4.1.8 4.1.9 4.1.10 4.1.11 4.1.12
4.2
Rumpf/Wirbelsäule – 113
4.2.1 4.2.2
Kasuistik 13: Lumbalgie rechts – 113 Kasuistik 14: Dorsalgie zwischen den Schulterblättern, Nackenverspannungen – 115 Kasuistik 15: Chronische Nackenverspannungen – 118 Kasuistik 16: Progrediente Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule – 122 Kasuistik 17: Chronische lumbale Schmerzen – 124 Kasuistik 18: Probleme der Kopfdrehung nach links – 127 Kasuistik 19: Rezidivierende Lumboischialgie – 129 Kasuistik 20: Chronische Lumbalgie – 133 Kasuistik 21: Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule – 134 Kasuistik 22: Akute Kreuzschmerzen rechts – 137 Kasuistik 23: Rezidivierende Dorsalgien – 140 Kasuistik 24: Linksseitige Thoraxschmerzen – 142 Kasuistik 25: Schmerzhafte Bewegungseinschränkung der HWS – 144 Kasuistik 26: Schmerzen an der Wirbelsäule und den Weichteilen – 147 Kasuistik 27: Sternale Schmerzen – 149 Kasuistik 28: Thorakaler Beklemmungsschmerz links rund um die Brust – 151 Kasuistik 29: Tiefsitzende Kreuzschmerzen – 154
4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.2.7 4.2.8 4.2.9 4.2.10 4.2.11 4.2.12 4.2.13 4.2.14 4.2.15 4.2.16 4.2.17
4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.3.6 4.3.7 4.3.8 4.3.9 4.3.10
4.4
Organe – 180
4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.4.7 4.4.8 4.4.9 4.4.10 4.4.11
Kasuistik 40: Kind mit 3-Monats-Koliken – 180 Kasuistik 41: Chronische Müdigkeit – 181 Kasuistik 42: Unregelmäßiger Puls – 185 Kasuistik 43: Kurzatmigkeit mit Leistungsminderung – 188 Kasuistik 44: Rezidivierendes Sodbrennen – 190 Kasuistik 45: Unregelmäßige Herzschläge – 193 Kasuistik 46: Rezidivierende Diarrhöen – 195 Kasuistik 47: Häufiges Wasserlassen – 198 Kasuistik 48: Stressinkontinenz – 200 Kasuistik 49: Bauchschmerzen – 203 Kasuistik 50: Dysmenorrhöen – 205
4.5
Kopf – 207
4.5.1 4.5.2 4.5.3 4.5.4 4.5.5
Kasuistik 51: Kopfschmerzen – 207 Kasuistik 52: Schwindel – 210 Kasuistik 53: Kopfschmerzen und Übelkeit – 212 Kasuistik 54: Sehstörungen – 214 Kasuistik 55: Ohrgeräusche und Hörstörungen – 216 Kasuistik 56: Sehstörungen – 218 Kasuistik 57: Kopfschmerzen – 220
4.5.6 4.5.7
E. Hinkelthein, C. Zalpour, Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie DOI 10.1007/978-3-642-20740-2_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
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Die Therapierichtung ergibt sich unmittelbar aus der osteopathischen Betrachtung; deshalb wird hier auf eine Darstellung möglicher Therapieziele und –maßnahmen bewusst verzichtet
7 8 9 10
Dieses Kapitel soll anhand von Fallbeispielen aus der täglichen Praxis darstellen, wie der Osteopath aufgrund der vom Patienten geschilderten Beschwerden auf die jeweilige Ursache der angegebenen Symptome schließen kann. Diese Vorgehensweise ist für das Planen und Durchführen eines entsprechenden Therapiekonzepts wichtig. Jedes Fallbeispiel wird nach folgendem Schema aufgeführt: 5 Die Begutachtung des Patienten in der Front-, Seit- und Rückansicht ermöglicht einen ersten Eindruck über die Haltung und eventuelle Normabweichungen. Stärkere Abweichungen der Posturologie können so bereits vor dem Anamnesegespräch erkannt werden. 5 Eine Zusammenfassung des Anamnesegespräches wird analog zu dem in 7 Kap. 2 »Diagnosekonzepte« aufgeführten Schema dargestellt. 5 Neben dieser Anamnesedarstellung ist eine Marginalie abgedruckt, in der die Schlagworte der Anamnese hervorgehoben sind. Je nach Ausbildungsstand und Lernziel kann der Leser diese Marginalie zunächst abdecken oder direkt mit dem Anamnesetext verknüpfen, um zu lernen, wie die wichtigsten Aspekte aus der Anamnese zu erkennen sind. 5 Der Untersuchungsbefund wird in gleicher Weise aufgeführt, sodass auch hier der Leser entscheiden kann, ob er die zusammenfassende Marginalie während des Lesens oder als anschließende Lernkontrolle nutzen möchte. 5 Eine Abbildung des Local Listening vervollständigt den Untersuchungsbefund. 5 Schließlich werden die Verdachtsdiagnose sowie denkbare Differenzialdiagnosen aufgeführt. 5 Die Kasuistik wird durch eine osteopathische und eine schulmedizinische Betrachtung abgeschlossen. 5 Die Kasuistiken sind regional nach der Lokalisation der Beschwerden aufgeführt.
11 4.1
12
4.1.1 Kasuistik 1: Belastungsschmerz im linken Sprunggelenk
13 14 15
Anamnese Belastungsschmerz linker OSG 6 Monate, keine Progredienz, dumpf, Belastung verschlechtert
16 17 Scharnier-Knie-TEP vor 4 Jahren
18
Kein Trauma
19 20 21
Untere Extremität
Spazierengehen (Hund)
Ein 71-jähriger Patient kommt mit Belastungsschmerzen im linken Sprunggelenk, die seit etwa 6 Monaten bestehen, zur Behandlung. Anamnestisch schleichender Beginn, wechselnde Intensität, die abhängig ist vom Ausmaß der Belastung, kaum Ruheschmerz, Beschwerden nach längerer Bewegung verstärkt, dumpfer Schmerzcharakter. Lindernd wirken warme Fußbäder. Keine Beschwerden an Rumpf, Wirbelsäule oder oberer Extremität (. Abb. 4.1). Medikamente: Mit Diuretika gut eingestellter, vom Hausarzt vierteljährlich kontrollierter arterieller Hypertonus. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine weiteren Erkrankungen bekannt, keine Beschwerden an den übrigen Organsystemen. Operationen/Verletzungen: Appendektomie mit 11 Jahren, Tonsillektomie mit 13 Jahren, Innenmeniskusresektion links mit 64 Jahren, Scharnier-Knieendoprothese links mit 67 Jahren, keine Traumata. Familienanamnese: Bruder Gicht, Tante an Apoplex verstorben, Mutter und Großmutter arterieller Hypertonus. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Patient ist Rentner, kein Sport, regelmäßiges Spazierengehen mit seinem Hund. Größe 1,75 m, Gewicht 72 kg, keine Allergien, eine Flasche Bier pro Tag, kein Nikotin. Keine besonderen Ernährungsgewohnheiten, normale Mischkost.
Befund Inspektion: Diskrete Schwellung der Knöchelregionen, reizlose Narbe über dem linken Knie, unauffällige Posturologie.
85
4.1 · Untere Extremität
L3
a
b
c
. Abb. 4.1a–c. Ansicht, Patient 1
Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlungüber dem linken Sprunggelenk. Listening ohne Besonderheit (. Abb. 4.2). Palpation: Linksseitig Druckschmerz über dem proximalen Fußrücken, der zur Tibia und den Malleolen hinzieht. Keine Bindegewebszonen/Jones-/Chapman-Punkte. Axiales System: Bei der Untersuchung des axialen Systems findet sich eine Blockade L3ERSL, die Mobilität des linken OSG ist in Dekoaptation und Dorsalflexion endgradig eingeschränkt, Beweglichkeit linkes Knie E/F 0/0/110°.Bei den Provokationstests sind aktive und passive Plantarextension schmerzauslösend. Viszeral und neurologisch keine Auffälligkeiten. Vom Orthopäden wurden Röntgenbilder des linken Sprunggelenks in 2 Ebenen veranlasst, die einen altersentsprechend unauffälligen Befund zeigen.
Verdachtsdiagnose Kapsuloligamentäre Reizung linkes Sprunggelenk infolge Scharnier-Knieendoprothese links.
Osteopathische Betrachtung Anamnestisch Hinweis auf kapsuloligamentäre Reizung, die Provokation bestätigt dies. Die Mobilität des OSG ist nur endgradig eingeschränkt. Beschwerden vor allem bei längerer Belastung: Bei einer OSG-Blockade wären die Beschwerden hingegen auch nach kurzer Belastung zu erwarten. Wegen der Scharnier-Knieendoprothese ist die Rotationskomponente der Tibia in der geschlossenen Kette aufgehoben. Folge ist eine Aufhebung der Rotationskomponente des OSG. Diese veränderte Mechanik führt zu einer vermehrten Kapselspannung während des Gehens (. Abb. 4.3). Osteopathisch lässt sich das Problem nicht lösen, da die Scharnier-Knieprothese nicht in ihrer Biomechanik verändert werden kann. Anstelle einer osteopathischen Therapie kann versucht werden, symptomatisch für eine verbesserte Ver- und Entsorgungsbedingung (Zirkulation) der betroffenen Region zu sorgen (s. hierzu auch 7 Kap. 4.2.3 »Kasuistik 15«).
. Abb. 4.2. Local Listening, Patient 1
Überwärmung und Druckschmerz linkes OSG
L3ERSL OSG-Mobilität nur gering vermindert Provokation kapsuloligamentär
4
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
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KnieEndoprothese li
8 9 10
OSG li
a
b
c
. Abb. 4.3. Osteopathische UFK, Patient 1
11 Schulmedizinische Betrachtung
12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Die biomechanischen Verhältnisse versuchen die Prothesenhersteller zu berücksichtigen, indem verschiedene Modellprinzipien hergestellt werden. Im Wesentlichen verwendet die Knieendoprothetik die folgenden Varianten: 5 Oberflächenersatz (OFE) (#Schlittenprothese) 5 Rotations-Knieendoprothese (ROKNEP) 5 Scharnier- (Total-)Knieendoprothese (TOKNEP) Die Wahl der entsprechenden Prothesenvariante richtet sich nach der Indikation und den Gegebenheiten des Patienten-Kniegelenks: 5 Ist nur das mediale oder das laterale Kompartment geschädigt, besteht die Möglichkeit, nur den zerstörten Kniegelenkanteil mit einem monocondylären Schlitten separat zu ersetzen (»überkronen«). 5 Sind mehrere Kompartments oder das femoropatellare Gleitlager betroffen, kommt ein bicondylärer Schlitten zu Anwendung. Früher wurde auch im medialen und lateralen Kompartment jeweils ein monocondylärer Schlitten eingesetzt. Oft waren diese nicht gut aufeinander abgestimmt und verursachten persistierende Schmerzen. Wichtig Der Oberflächenersatz sitzt bei einer Schlittenprothese wie eine Krone auf einem Zahn, anstatt im Röhrenknochen verankert zu werden. Damit erzeugt der OFE wesentlich kleinere Knochendefekte als die Vollprothesen (ROKNEP oder TOKNEP).
5 Ebenso wie für den mono- oder bicondylären OFE ist auch für die ROKNEP ein intakter Seitenbandapparat die Voraussetzung für ihre Verwendung. Aufgrund geringerer Knochendefekte wird der bicondyläre Schlitten einer
87
4.1 · Untere Extremität
ROKNEP vorgezogen. Die ROKNEP wird vorwiegend bei Prothesenwechsel nach einem bicondylären OFE eingesetzt, wenn das Knochenlager so geschädigt ist, dass nicht erneut ein OFE sicher verankert werden kann. Eine ROKNEP ist so konstruiert, dass die biomechanisch gegebene Rotationskomponente der Tibia bei Beugung und Streckung des Kniegelenks erhalten bleibt. Somit wird das Sprunggelenk weniger belastet. 5 Ist der Seitenbandapparat des Kniegelenks so instabil, dass eine Führung des Kniegelenks nicht mehr gegeben ist, wird die (gekoppelte) Scharnierprothese TOKNEP verwendet. Mit dieser Scharnierprothese ist nur eine reine Beugeund Streckbewegung möglich, während die normalen Rotationskomponenten aufgehoben sind. Mögliche Folgen sind Schmerzen im Knie oder OSG, jedoch stellt dieser Ersatz eine bessere Lösung dar, als ein instabiles Kniegelenk, mit dem der Patient nicht stabilisiert gehen könnte.
Knöchelödem bei arterieller Hypertonie Die arterielle Hypertonie ist eine häufige internistische Begleiterkrankung. Bedingt durch einen hohen Systemdruck können in der Peripherie vermehrt Ödeme sichtbar werden, die dann aber beidseits zu erwarten wären. Viele Organsysteme können bei einem lang andauerndem Krankheitsverlauf betroffen sein. Eine Herzbeteiligung hat mitunter eine weit reichende Einschränkung der Lebensqualität zur Folge. Von einer hypertensiven Herzerkrankung wird gesprochen, wenn sich der linke Ventrikel aufgrund der chronischen konzentrischen Druckbelastung vergrößert. Langfristig entsteht daraus eine Herzinsuffizienz. Bei einer bestehenden Herzinsuffizienz, insbesondere einer Rechtsherzinsuffizienz, sind beidseitige Knöchelödeme ebenfalls typische Klinikzeichen (s. hierzu auch 7 Kap. 4.2.3 »Kasuistik 15«).
4.1.2 Kasuistik 2: Mediale Knieschmerzen rechts
Anamnese Eine 32-jährige Sportstudentin leidet seit über 1 Jahr an rechtsseitigen Schmerzen im Bereich der Knieinnenseite. Beim Joggen oft Beschwerdezunahme, gelegentlich sogar mit Kreuzschmerzen. Bei langem Sitzen auch rechtsseitige Kreuzbeschwerden, darunter verstärkte Knieschmerzen, dumpf ziehend (. Abb. 4.4). Medikamente: Orale Kontrazeption seit 1 1/2 Jahren, vorher Intrauterinpessar. Im Frühjahr Einnahme von oralen Antihistaminika bei Pollinosis. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Neigung zu Obstipation, gelegentlich Völlegefühl nach den Mahlzeiten. Übrige Organsysteme unauffällig. Operationen/Verletzungen: Keine Traumata, keine Voroperationen. Familienanamnese: Ohne pathologischen Befund. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: 1,78 m groß, 73 kg schwer, Allergien gegen Penicillin und Spätblüher, kein Alkohol, 5–10 Zigaretten täglich, Ernährung ausgewogen, gerne Süßigkeiten.
Knieinnenseite rechts dumpf ziehende Schmerzen, auch Kreuzschmerz
Pollinosis Obstipation, Völlegefühl
Allergien, Nikotin, Süßigkeiten
Befund Inspektion: Beckenverwringung rechts anterior, Knie und Fuß rechts in Valgusstellung. Im Liegen aufgehobene Konkavität der Bauchdecke, vermehrte Wärmeabstrahlung über dem rechten Unterbauch und dem rechten medialen Tibiaplateau. Listening zeigt eine Lokalisation im rechten Unterbauch (. Abb. 4.5). Palpation: Druckschmerz im Bereich des rechten Unterbauches sowie am rechten Knie unterhalb des Gelenkspaltes. Keine Bindegewebszone/Jones-Punkt. Chapman-Punkt rechter Oberschenkel proximal. Axiales System: Im axialen System Restriktion Ilium anterior rechts, L4ERSR, T11FRSR. Tonuserhöhung des rechten M. semitendinosus.
Ilium anterior rechts mit Knie/Fuß valgus
Druckschmerz rechter Unterbauch, Pes anserinus Chapman L4ERSR,T11FRSR
4
88
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3 4 5 6 b
a
7
. Abb. 4.4a,b. Ansicht, Patient 2
8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Caecum
. Abb. 4.5. Local Listening, Patient 2
Viszeral: Fixation des Caecum gegen den M. iliacus rechts. Neurologisch: Kein pathologischer Befund. Positiver Provokationstest für die Flexion mit IRO des rechten Knies gegen Widerstand.
Verdachtsdiagnose Pes-anserinus-Reizung rechts durch Semitendinosus-Dehnung bei Ilium anterior rechts infolge Caecumirritation.
Osteopathische Betrachtung Wahrscheinlich alimentär bedingte Caecumirritation mit Fixation der Caecumfaszie gegen die M.-iliacus-Faszie. Die dadurch bedingte Hypertonie des M. iliacus verursacht eine Restriktion Ilium anterior rechts, welche die ischiocrurale Muskulatur dehnt und somit reflektorisch deren Tonus erhöht. Der M. semitendinosus zieht nun verstärkt an seinem Ansatz, dem Pes anserinus, wodurch eine Insertionstendopathie entsteht (. Abb. 4.6). T11 ist das Repräsentationsgebiet des Caecum, während L4 meist in Folge der Iliumrestriktion blockiert. Bei dieser Patientin wäre auch eine L3-Blockade als Reaktion auf die Knie-/ Fußirritation möglich gewesen. Posturologisch führt ein Ilium anterior rechts absteigend zu einer Hüft-IRO mit einer Valgusstellung von Knie und Fuß. i Tipps Bei vielen Patienten wird ein Zusammenhang zwischen Irritationen der Organsysteme Haut/Lunge/Darm beobachtet. Allergische Affektionen sind häufig.
Schulmedizinische Betrachtung Die Haut, Lunge sowie das Darmsystem stellen mit ihren jeweiligen Verbindungen zu den Primärorganen erhebliche Kontaktflächen zur Außenwelt dar. Die Haut hat bei einem Erwachsenen je nach Körpergröße und -gewicht eine Austauschfläche von bis zu 2 m2. Im Gegensatz dazu hat die Lunge eine Austauschfläche von 140 m2 und der Darm etwa 200 m2. Der Darm stellt durch seine beiden entgegengesetzten Öffnungen (oral und anal) ein im Inneren des Körpers liegendes Hohlorgan mit einer erheblichen Kontaktfläche nach außen dar. Auseinandersetzungen mit der
89
4.1 · Untere Extremität
Caecum
Pes anserinus re
a
b
c
. Abb. 4.6. Osteopathische UFK, Patient 2
Umwelt finden an diesen Arealen besonders intensiv statt, sodass eine Vielzahl von allergischen Reaktionen auftreten kann. Embryologisch lässt sich die Verwandschaft der Gewebe ableiten und eine gemeinsame Reaktionsweise nachvollziehen. Die Lungenknospe, welche der Ausgangspunkt für die weitere Differenzierung in die einzelnen luftführenden Strukturen und deren umgebenden Gewebe bis hin zu den Alveolen ist, entstammt der Darmrohranlage. Die Darmrohranlage ist entodermalen Ursprungs. Etwa zum Ende der 3. Embryonalwoche wird die Lungenknospe als ventrale Abschnürung aus dem Darmrohr sichtbar. Die Haut selbst entstammt aus dem Ektoderm.
4.1.3 Kasuistik 3: Lateraler Knieschmerz rechts
Anamnese Ein 33-jähriger Patient kommt mit lateralem Knieschmerz rechts zur Behandlung. Der Schmerz besteht seit etwa 8 Wochen. Vorausgegangen war ein Supinationstrauma rechts beim Fußballspielen vor etwa 9 Wochen. Die Röntgenuntersuchung durch den Orthopäden (rechtes Knie in 3 Ebenen) war ebenso unauffällig wie die im Anschluss durchgeführte Kernspintomographie des rechten Knies. Beschwerdezunahme beim Gehen und Laufen, Verbesserung durch Ausruhen, z. B. auf dem Sofa (. Abb. 4.7). Medikamente: Keine Medikamente. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Vorerkrankungen, keine Organbeschwerden. Operationen/Verletzungen: Keine Voroperationen, keine Traumata. Familienanamnese: Varicosis bekannt.
Rechts lateral Knieschmerz nach Supination
Bewegung verschlechtert, Ruhe verbessert
4
90
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3 4 5 6 a
7
b
. Abb. 4.7. Ansicht, Patient 2
. Abb. 4.8. Local Listening, Patient 3
8 Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Beruflich Bankkaufmann, Fußball auf Bezirksliganiveau, 1,84 m groß, 86 kg schwer, keine Allergien, mäßiger Alkoholgenuss, Nikotin bei Feiern, ausgewogene Vollkosternährung.
9 10
Befund Ilium posterior rechts
11
rechter Fuß Varus
12
PTFG rechts schmerzhaft
13
L3ERSR Ischiocrurale Muskeln rechts hyperton
14
Provokation bei Dorsiflexion
15 16 17 18
Inspektion: Unauffälliges Relief. Posturologisch Beckenverwringung rechts posterior mit dem Fuß in Varusstellung. Thermodiagnostik: Ohne wegweisenden Befund. Im Listening keine Abweichung der Norm (. Abb. 4.8). Palpation: Palpationsschmerz am rechten proximalen Tibiofibulargelenk (PTFG), keine Bindegewebszonen/Jones-/Chapman-Punkte. Axiales System: Im axialen System Blockade L3ERSR, eingeschränkte Dorsalflexion des rechten OSG, Ischiocruralmuskulatur rechts hyperton, Meniskustests negativ. Bei Dorsalflexion (aktiv und passiv) provozierter Schmerz rechte Knieaußenseite. Viszeral und neurologisch unauffälliger Befund.
Verdachtsdiagnose PTFG-Fixation caudal nach Supinationstrauma mit UFK zum Ilium posterior rechts
Osteopathische Betrachtung Infolge des Supinationstraumas Fixation der rechten Fibula nach caudal, damit Funktionsstörung im rechten PTFG, die sich durch Schmerzen bemerkbar macht. Der Patient ist Fußballer und hat eine hypertone Ischiocruralmuskulatur, dadurch entsteht eine Dekompensation Höhe PTFG (. Abb. 4.9).
Schulmedizinische Betrachtung
19 20 21
Die familiäre Häufung des Krampfaderleidens (Varikosis) ist nicht ungewöhnlich, scheint aber den Patienten selbst noch nicht zu betreffen. Möglich ist eine spätere Manifestation, verbunden mit einer rückläufigen Bewegungsintensität und einer begleitenden Gewichtszunahme im höheren Lebensalter. Beide Lebensgewohnheiten gelten bei einer vorbestehenden Disposition als begünstigende Faktoren. Die Thrombosegefahr nimmt bei einer bestehender Varikosis deutlich zu. Funktionell handelt es sich um Ektasien der oberflächlichen Venen, über die etwa 10% des venösen Rückflusses hindurchströmen, während die anderen 90% über das tiefe Beinvenensystem drainiert werden. Die Ektasien gehen mit einer zunächst
91
4.1 · Untere Extremität
PTFG re
OSG re
a
b
c
. Abb. 4.9. Osteopathische UFK, Patient 3
verringerten und schließlich vollständig aufgehobenen Funktion der Venenklappen einher. Als hilfreich werden Rosskastanienpräparate in der konservativen Behandlung angesehen, als Ultima Ratio hilft of nur die chirurgische Entfernung der Varizen, nachdem die Perforansvenen, die eine Verbindung zu den tiefen Beinvenen gewährleisten, unterbunden worden sind.
4.1.4 Kasuistik 4: Knieschmerz links
Anamnese Eine 28-jährige Patientin kommt mit Belastungsschmerzen des linken Knies in die Behandlung. Anfangs fielen die Beschwerden nach dem Joggen auf, mittlerweile auch beim Treppensteigen oder nachmittags bei der Arbeit. Kein Ruhe- oder Nachtschmerz, Beschwerden während und nach der Belastung. Schmerzcharakter dumpf bis stechend, im vorderen Bereich des Knies lokalisiert (. Abb. 4.10). Medikamente: Außer oralem Ovulationshemmer keine regelmäßigen Medikamente. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Bis auf wiederkehrende Verstopfungen sind die Organsysteme ohne Beschwerden. Operationen/Verletzungen: Keine Traumata, Tonsillektomie mit 7 Jahren. Familienanamnese: Gicht bekannt, bei der Patientin bisher keine Podagra. Lebensund Ernährungsgewohnheiten: Beruflich Schuhverkäuferin, in der Freizeit Fitnesstraining und Joggen, 1,68 m groß, 58 kg schwer, keine Allergien bekannt, keine Genussgifte, ausgewogene Vollkosternährung, dabei viel Milchprodukte.
Retropatellarer Belastungsschmerz links Kein Nacht-/Ruheschmerz
Verstopfung
Viel Milch
Befund Inspektion: Aknehaut, unauffälliges Relief, posturologisch Beckenverwringung links posterior.
Aknehaut
4
92
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3 4 5 6 a
7
b
. Abb. 4.10. Ansicht, Patient 4
. Abb. 4.11. Local Listening, Patient 4
8 Linker Unterbauch
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
L2ERSL Ilium posterior links M. rectus femoris Sigmoid Retropatellare Schmerzen
Thermodiagnostik: Überwärmung im linken Unterbauchsowie im linken Knie. Das Listening zeigt eine Lokalisation im linken Unterbauch (. Abb. 4.11). Palpation: Druckschmerz im linken Unterbauch sowie an der lateralen Patellafacette links. Axiales System: Im axialen System finden sich L2ERSL, L5ERSL, Restriktion Ilium posterior links, Hypertonie linker Psoas und M. rectus femoris. Viszeralbefund: Fixation vom Colon sigmoideum gegenüber Psoas. Schmerzprovokation durch aktive Knieextension gegen Widerstand sowie passive Knieflexion. Neurologisch unauffälliger Befund.
Verdachtsdiagnose Retropatellarer Schmerz links infolge einer M.-rectus-femoris-Hypertonie mit vermehrtem Anpressdruck der Patella bei Restriktion Ilium posterior links aufgrund einer Sigmoidirritation
Osteopathische Betrachtung Aknehaut sowie Verstopfungen können ein Hinweis auf Irritationen des Colon sigmoideum sein. Als Folge von Verklebungen der Faszie des Colon sigmoideum mit der Psoasfaszie entsteht eine Restriktion Ilium posterior links mit einer aus der Iliumrestriktion resultierenden Blockade L5ERSL. Gleichzeitig entsteht eine Blockade L2ERSL als Reaktion auf die Sigmoidirritation. Durch die Iliumrestriktion wird der M. rectus femoris gedehnt und erhöht reflektorisch seinen Tonus. Diese Komponenten (Dehnung und Tonuserhöhung) verstärken den Anpressdruck der Patella. Folglich entstehen bei Belastungen des Femoropatellargelenks, wie z. B. bei Kniebeugen oder Joggen, Schmerzen (. Abb. 4.12).
Schulmedizinische Betrachtung
19 20 21
Die Frage, was eine Verstopfung ist, wird kulturell sehr unterschiedlich beantwortet. Gerade im angloamerikanischen Kulturkreis ist die Notwendigkeit zur möglichst täglichen Darmentleerung aus Angst vor einer evtl. »inneren Vergiftung« verbreitet, während in der Gastroenterologie spontane Entleerungen von 3-mal täglich bis zu alle 3 Tage als normal angesehen werden, wenn sie einer individuell variablen, aber stabilen Gewohnheit entsprechen. Besteht jedoch eine Änderung der Stuhlgewohnheit, wie z. B. eine plötzliche Frequenzänderung ohne äußeren Anlass, ist stets an eine weitere Abklärung zu denken, da sich hinter diesen Symptomen immer auch ein Frühsymptom des Dickdarmkarzinoms verbergen kann.
93
4.1 · Untere Extremität
Colon Sigmoid
Patella li
a
b
c
. Abb. 4.12. Osteopathische UFK, Patient 4
Verstopfungen sind häufig bei »metabolischen« Patienten zu finden. Symptome des sog. metabolischen Syndroms sind u. a. Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Fettstoffwechselstörung und Fettleber. Auch sind Bewegungs- und Flüssigkeitsmangel neben einer überkalorischen Ernährung begünstigende Faktoren für eine Obstipation. Nicht selten findet sich bei dieser Patientengruppe eine Hyperurikämie. Der erhöhte Harnsäurespiegel im Blut (Normwert <7 mg/dl) manifestiert sich klinisch durch Gicht. Als Podagra bezeichnet man die ausgesprochen häufige Lokalisation des akuten Gichtanfalls im Großzehengrundgelenk. Ursachen für Hyperurikämien sind entweder eine vermehrte Harnsäureproduktion, oder eine verminderte renale Harnsäureausscheidung. Eine vermehrte Harnsäureproduktion entsteht durch folgende Faktoren: 1. Zufuhr purinreicher Nahrungsmittel wie Hülsenfrüchte, Fleisch und Innereien, 2. Psoriasis, 3. Zytostatikatherapie, 4. Hämoblastosen. Einer verminderten renalen Harnsäureausscheidung liegen folgende Faktoren zugrunde: 1. chronische Nierenerkrankungen, 2. Alkoholkonsum, 3. nahrungsbedingte Azidosen, infolge einer Ernährung mit übermäßigem Verzehr von Zucker und Zuckerprodukten (hoher glykämischer Index), Milch und Milchprodukten sowie Fleisch und Fleischprodukten, 4. Ketazidosen durch Fasten oder Diabetes mellitus, 5. Medikamente, wie z. B. Saluretika, 6. Intoxikation durch z. B. Blei oder Beryllium.
4
94
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Manifestationen der Gicht sind die Arthritis urica, die Gichtniere sowie sog. »Gichttophi«, die sich in Form von Gichtknötchen im Bindegewebe, z. B. an der Ohr-
1
muschel, zeigen. Betroffen sind überwiegend Männer (m:f=7:1).
2 3
4.1.5 Kasuistik 5: Schmerzen in dem rechten
Großzehengrundgelenk
4 5
Anamnese Schmerzen im rechten Großzehengrundgelenk
6 7 8 9 10
Antialkoholiker, Veganer
Ein 45-jähriger Goldschmied kommt wegen chronisch persistierender Schmerzen im Großzehengrundgelenk des rechten Fußes, die vor allem bei längerem Laufen entstehen, erstmalig in die osteopathische Praxis. Ein Röntgenbild ist bisher noch nicht angefertigt worden, der letzte Arztbesuch liegt Jahre zurück (. Abb. 4.13). Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Trümmerfraktur der linken Tibia mit 36 Jahren, nachdem er auf einem Parkplatz angefahren worden war. Osteosynthetische Versorgung mit einem Fixateur externe mit nachfolgender endgültiger Beschwerdefreiheit 2 Jahre später. Familienanamnese: Mutter seit vielen Jahren Rheuma, der Vater ist ebenso wie ein Bruder an Leukämie gestorben. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Der Patient ist strikter Antialkoholiker und Veganer, er wiegt 89 kg bei einer Größe von 1,87 m. In seiner Freizeit engagiert er sich für die Zeugen Jehovas, deren Mitglied er ist.
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 a
b
. Abb. 4.13. Ansicht, Patient 5
c
95
4.1 · Untere Extremität
Befund Inspektion: Rechtsentlastendes Gangbild, unauffällige Posturologie. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung über dem rechten Großzehengrundgelenk (GGG), Listening ohne Normabweichungen (. Abb. 4.14). Palpation: Druckschmerz über dem rechten GGG. Keine Bindegewebszonen, keine Jones-/Chapman-Punkte. Axiales System: L3ERSR, eingeschränkte Dorsalextension der rechten Großzehe. Craniosacral und viszeral unauffälliger Befund. Der Einbeinzehenstand ist rechts nicht möglich.
Verdachtsdiagnose Hallux rigidus.
Osteopathische Betrachtung Osteopathisch kein relevanter Befund. Beim Hallux rigidus als arthrotischer Veränderung können zirkulatorische Maßnahmen sowie lokale manuelle Techniken, wie z. B. Mobilisationen, zur Linderung der Beschwerden beitragen. Ein ursächlicher Ansatz ist nicht möglich.
Schulmedizinische Betrachtung
. Abb. 4.14. Local Listening, Patient 5
Auf die hier ätiologisch in Frage kommende wichtige Arthritis urica ist bereits im zuvor diskutierten Fall eingegangen worden. Die Anamnese dieses Patienten verdeutlicht aber, dass Arthrosen im Großzehengrundgelenk nicht immer auf eine Hyperurikämie zurückzuführen sind. Es können ursächlich auch posttraumatische Zustände, Osteochondrosen oder letztlich Gelenkaffektionen ohne erkennbare Ursache zu Grunde liegen. Die Diagnose wird dadurch gestellt, dass die Dorsalextension im Großzehengrundgelenk behindert (<90°) und schmerzhaft ist. Der Zehenstand ist nicht möglich. Oft sind auch druckdolente Osteophyten dorsal palpabel. Da die Schmerzen vor allem beim Abrollen entstehen, während die Großzehe in Dorsalextension gedrückt wird, finden häufig Ausweichbewegungen, wie z. B. eine verstärkte Außenrotation des Fußes, statt. Die konservative Behandlung sieht angepasstes Schuhwerk, z. B. mit einer sog. »Abrollhilfe« vor. Als Ultima Ratio sind je nach Befund verschiedene chirurgische Maßnahmen möglich.
4.1.6 Kasuistik 6: Rezidivierende Knie- und Leistenschmerzen
links Anamnese Ein 42-jähriger Buchhalter kommt aufgrund rezidivierender ziehender Schmerzen in der linken Leiste und dem linken Knie zur Behandlung. Teilweise treten die Leisten- und Knieschmerzen kombiniert, teilweise auch einzeln auf. Nach Angaben des Patienten entstehen die Schmerzen bei Bewegung, aber teilweise auch in Ruhe. Kein Nachtschmerz, keine Sensibilitätsstörungen oder Kraftminderung. Die Beschwerden bestehen seit etwa 1 Jahr, anfangs sehr unregelmäßig und selten aufgetreten, in den letzten 7 Wochen regelmäßig Beschwerden (. Abb. 4.15). Medikamente: Keine weiteren Medikamente. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Anamnestisch keine Beschwerden der Organsysteme. Regelmäßige Arztbesuche, da seit fast 30 Jahren ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus besteht. Operationen/Verletzungen: Vor 2 Jahren bei Glatteis Sturz auf das Gesäß, seitdem selten auftretende rechtsseitige Kreuzschmerzen, die unter Anwendung von Wärmepackungen rasch wieder verschwinden. Bisher keine Operationen. Familienanamnese: Ohne pathologischen Befund.
Ziehende Schmerzen linke Leite/linkes Knie
Seit 1 Jahr
Diabetes mellitus
Vor 2 Jahren Sturz auf Gesäß Selten rechtsseitiger Kreuzschmerz
4
96
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3 4 5 6 7 8 9 a
10
b
c
. Abb. 4.15. Ansicht, Patient 6
11 Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: In der Freizeit Spaziergänge mit dem Hund. 1,83 m groß, 86 kg schwer, Allergie gegen Penicillin, 8–10 Zigaretten täglich, ausgewogene Ernährung. Insulingabe auf die Nahrung abgestimmt nach Blutzuckerbestimmung gemäß intensivierter Insulintherapie. Letzter HbA1c-Wert (vor 4 Wochen): 5,7 %, unauffälliges Routinelabor zuletzt vor 4 Monaten.
12 13
Befund
14 15 16 17
Ilium-Upslip links Tonuserhöhung linkes Bein
Inspektion: Beckenschiefstand. Thermodiagnostisch und beim Listening keine Besonderheiten (. Abb. 4.16). Palpation: Leisten- und Trochanterdruckschmerz links. Keine Bindegewebszonen/ Jones-/Chapman-Punkte. Axiales System: L4FRSL, Ilium-Upslip links 2,0 cm, Hüftgelenke seitengleich frei beweglich, Tonuserhöhung M. rectus femoris und Ischiocruralmuskulatur links. Bei den Provokationstests keine Schmerzprovokation möglich, insbesondere kein Stauchungsschmerz des linken Beins. Viszeral und neurologisch keine Auffälligkeiten.
18
Verdachtsdiagnose
19
Reizung der linken Hüftgelenkskapsel bei Ilium-Upslip links sowie Tonuserhöhung der linken Oberschenkelmuskulatur durch Dehnung bei Ilium-Upslip links.
20 21
Osteopathische Betrachtung Das Ilium-Upslip entsteht posttraumatisch und bedeutet eine Subluxation des Iliosacralgelenks, bei der das Ilium nach cranial subluxiert. Kompensatorisch findet daraufhin im Hüftgelenk eine Distraktion statt. Diese Kompensation ermöglicht dem Bein den Bodenkontakt. Gleichzeitig entsteht eine Dehnung der Hüftgelenkskapsel, die den ziehenden Leistenschmerz sowie Leisten- und Trochanterdruckschmerz erklärt (. Abb. 4.17).
97
4.1 · Untere Extremität
Ilium
Hüfte li
Knie li
. Abb. 4.16. Local Listening, Patient 6
a
b
. Abb. 4.17. Osteopathische UFK, Patient 6
Wichtig Infolge der beschriebenen Mechanik wird die gesamte zweigelenkige Oberschenkelmuskulatur gedehnt. Dadurch erhöht sich der Tonus und verursacht im Kniebereich ziehende Schmerzen.
i Tipps Beim Ilium-Upslip klagen Patienten oft über Kreuzschmerzen, die meist auf der kontralateralen Seite auftreten. Ursache hierfür ist eine relative Hypermobilität des »gesunden« ISG. Da das subluxierte ISG an der Beckenbewegung nicht mehr teilnehmen kann, wird die Bewegung von dem kontralateralen ISG ausgeführt, welches mechanisch die betroffenen Kapselrezeptoren reizt und zur Nozizeption veranlasst.
Schulmedizinische Betrachtung i Tipps Aus der embryologischen Entwicklung gehören die Hüft- und Kniegelenke zum gleichen Segment (L3). Hüftprobleme werden demzufolge oft auf das Knie projiziert. Die Patienten klagen über Knieschmerzen. Aus diesem Grund ist es wichtig, bei Kniebeschwerden des Patienten immer auch die Hüftgelenke mit zu untersuchen. Bei Kindern gilt der Rat, bei Knieschmerzen auch die Hüftgelenke einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Dies gilt ebenso für Erwachsene.
Der Patient leidet neben den oben beschriebenen parietalen Problemen an Diabetes mellitus. Beim Diabetes mellitus werden die Typen 1 und 2 unterschieden. Bei diesem Patienten handelt es sich um den Typ-1-Diabetes, der die Folge einer Autoimmunkrankheit ist. Mit der Autoimmunerkrankungen wurden die Inselzellen
c
4
98
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
des Pankreas derart beschädigt, dass kein Insulin mehr produziert werden kann. Der Typ-1-Diabetes wird daher auch als Insulin-dependenter Diabetes mellitus (IDDM) bezeichnet. Die einzig wirksame Therapie besteht bei einem IDDM in der vollständigen Substitution des fehlenden Hormons. Durch die heutigen technisch relativ einfachen Bestimmungsmethoden des Blutzuckerspiegels im Blut kann eine auch auf wechselnde Ernährungsgewohnheiten abgestimmte sog. intensivierte Insulintherapie durchgeführt werden. Diese Therapiemethode ermöglicht dem Patienten mehr Freiräume im Alltag als die früher übliche Methode der Spritz-Ess-Schemata. Das Manifestationsalter dieses Diabetestyp ist meist im Jugend- und jungen Erwachsenenalter. So wird der Typ-1-Diabetes auch als juveniler Diabetes bezeichnet. Die betroffenen Patienten sind meist schlank, können allerdings durch einen übermäßigen Kohlenhydratkonsum und entsprechende Insulingaben durchaus auch in kurzer Zeit adipös werden. Der Diabetes Typ 2 wird in 7 Kap. 4.1.8 »Kasuistik 8« ausführlich besprochen.
1 2 3 4 5 6 7
4.1.7 Kasuistik 7: Belastungsschmerzen im rechten Knie
8
Anamnese Ziehender Schmerz, rechtes Knie
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Lustlosigkeit Schläft schlecht, schwitzt nachts
Ein 15-jähriger Junge wird von seinem Vater wegen ziehender Schmerzen im rechten Knie vorgestellt. Die Beschwerden bestehen seit mindestens 4 Wochen und sind sowohl in Ruhe als auch unter Belastung vorhanden. Die Schmerzen sind tendenziell eher zunehmend. Hüpfen und Springen erhöht die Beschwerden. Außerdem wirkt der Junge lustlos und müde. Darauf angesprochen, berichtet der Patient, nicht gut zu schlafen, manchmal auch nachts zu schwitzen. Beim Arzt ist er deshalb bisher noch nicht gewesen. Der Besuch beim Kinderarzt war vor 8 Jahren wegen Windpocken (. Abb. 4.18). Medikamente: Bisher keine regelmäßigen Medikamente. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Keine Operationen, keine Traumata. Familienanamnese: Migräne bei Mutter und Großmutter. Ein Onkel ist an Kehlkopfkrebs mit 58 Jahren gestorben. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Der Patient ist 1,79 groß und wiegt 72 kg, spielt im Verein Wasserball und fährt regelmäßig Rennrad. Keine Allergien, kein Nikotin, kein Alkohol. Vom Vater beim Haschischrauchen ertappt worden.
Befund Inspektion: Blasse Hautfarbe, posturologisch leichte Rechts-Seitneigung der LWS. Thermodiagnostik: Wärmegefühl über dem rechten Tibiakopf, Listening rechter Thorax (. Abb. 4.19). Palpation: Druckdolente umschrieben tastbare Verdickung im Bereich der Tuberositas tibiae. Axiales System: L3ERSR, T1–4FRSR, parietal endgradige Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks. Schmerzprovokation am rechten Knie durch Perkussion sowie aktiven und passiven Zug am Lig. patellae rechts. Viszeral unauffälliger Befund.
Verdachtsdiagnose Osteosarkom, Überlastungssyndrom. DD: Osgood-Schlatter.
Osteopathische Betrachtung
21
Beim Patienten kommt in dieser Anamnese- und Befundkonstellation eigentlich nur ein maligner Prozess in Frage. Aus osteopathischer Sicht ist das Weiterleiten zum Arzt zur radiologischen Abklärung notwendig.
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4.1 · Untere Extremität
L3 1
a
b
c
. Abb. 4.18a–c. Ansicht, Patient 7
Schulmedizinische Betrachtung Persistierende Knochenschmerzen, die langsam zunehmen und auch nachts vorhanden sind, evtl. begleitet von vegetativen Symptomen, sollten immer ein Anlass sein, das Vorliegen eines malignen Prozesses in Betracht zu ziehen. Zwar sind Primärtumoren des Skeletts insgesamt eher selten, treten aber bevorzugt wie bei diesem Patienten auch in jungen Jahren auf. Auch die Lokalisation, nahe des Kniegelenks ist nicht untypisch. Die wichtigsten bösartigen Primärtumoren des Skeletts nach ihrer Häufigkeit sind: 5 Das Osteosarkom tritt zwischen dem 10. und 25. Lebensjahr auf. Bevorzugte Lokalisation: an der knienahen Femur- und Tibiametaphyse. Der Tumor hat aufgrund seines aggressiven Wachstums und seiner raschen Metastasierung (bevorzugt in die Lunge) eine äußerst schlechte Prognose. Das sich verschlechternde Allgemeinbefinden des Patienten mit der vegetativen Begleitsymptomatik kann ein erstes Symptom für eine metastatische Absiedlung in die Lunge sein. 5 Das Chondrosarkom tritt erst im Erwachsenenalter nach dem Epiphysenschluss auf. Lokalisation: Bevorzugt stammnahe Lokalisation, z. B. Becken, Rippen, Schultern, Hüfte. Vorausgehend kann eine (benigne) kartilaginäre Exostose (=Osteochondrom) sein, die sich aus der noch nicht verschlossenen Epiphysenfuge entwickelt. Die kartilaginäre Exostose wird meist erst dann operativ therapiert, wenn sie symptomatisch wird. Die Prognose gegenüber dem Osteosarkom ist etwas besser. Dies wird auch auf die eher späte und langsame Metastasierungsneigung zurückgeführt. 5 Das Ewing-Sarkom gilt als der bösartigste Knochentumor, der vor allem zwischen dem 10. und 30. Lebensjahr auftritt. Lokalisation: häufig im Bereich der Diaphysen von Femur, Tibia, Humerus, Rippen oder knöchernem Becken. Eine Verwechselung des Krankheitsbildes mit dem der Osteomyelitis ist nicht selten, weshalb bei einem ausreichendem Verdacht auf ein Ewing-Sarkom eine Probeentnahme von verdächtigem Material zur feingeweblichen Untersuchung durchgeführt werden muss.
. Abb. 4.19. Local Listening, Patient 7
100
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Wichtig
1
Für alle bösartigen Geschwülste des Knochens gilt, dass sie zwar sehr selten sind, aber in der Regel relativ junge Menschen betreffen. Wichtig ist gerade deshalb auch die frühzeitige Diagnosestellung und Überführung in ein dafür spezialisiertes Zentrum.
2 3
Obwohl Primärtumoren des Skeletts relativ selten auftreten, sind Metastasierungen in das Skelett aufgrund anderer Primaria ausgesprochen häufig und sicherlich insgesamt viel häufiger als das Auftreten aller Primärtumoren des Knochens zusammen. Siehe dazu auch 7 Kap. 4.2.5 und 4.2.7 »Kasuistik 17 und 19« sowie 7 Kap. 3 »Safety«, allgemeiner Teil Krebs. Das differenzialdiagnostisch angeführte Überlastungssyndrom reagiert auf Schonung und zeigt keine Beschwerdezunahme. Die Insertionsstelle des Lig. patellae an der Tuberositas tibiae ist eine der häufigsten Lokalisationen. Diese wird auch als M. Osgood-Schlatter bezeichnet. Häufig werden die Beschwerden von Jungen im Alter zwischen 10 und 15 Jahren angegeben. Die Schmerzen sind bei der körperlichen Untersuchung meist sehr genau auf der Tuberositas tibiae lokalisiert. Bereits ein leichter Druck oder das Hinknien kann zu Schmerzen führen. Gelegentlich springt die Tibia leicht hervor. Eine diagnostische Bestätigung stellt das Röntgenbild dar. Bei einem positivem Befund ist auf dem Röntgenbild eine Sklerosierung der Apophyse der Tuberositas zu erkennen, die sich je nach Ausmaß des Defektes in einem »scholligem Zerfall« darstellt. Die normale Verknöcherung der betroffenen Epiphysenfuge ist bei einem M. Osgood-Schlatter gestört, u. U. bleiben einzelne Knochenkerne isoliert im Lig. patellae liegen. Nach Abschluss des Wachstums heilt die Erkrankung meist spontan aus. Bis dahin wird eine konservative Therapie bevorzugt. Ideale Maßnahmen sind: Schonung, lokale Antiphlogistika und ggf. Ruhigstellung durch Schienung oder Tapeverband. Bei einer Persistenz, die über den Zeitraum des Epiphysenschlusses hinausgeht, kann eine operative Entfernung der nicht verschmolzenen Knochenkerne erfolgreich sein.
4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
4.1.8 Kasuistik 8: Schmerzen beider Füße
Anamnese
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Schmerz beidseitig an Füßen
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Gefühlsstörung
17
Harnsäuren
18 19 20 21
Mutter: Niereninsuffizienz Familienanamnese: Adipositas Übergewicht Alkohol, fettreiche Ernährung
Ein 48-jähriger Bäcker kommt mit rezidivierenden Schmerzen im Bereich beider Fußsohlen zur Behandlung. Verbesserung der Beschwerden durch Fuß- Wechselbäder. Ein auslösender Faktor für Verschlechterung wurde nicht beobachtet. Gelegentlich hat der Patient auch Gefühlsstörungen bemerkt (. Abb. 4.20). Medikamente: Einnahme von Allopurinol aufgrund erhöhter Harnsäurewerte. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Vorerkrankungen, übrige Organsysteme unauffällig. Operationen/Verletzungen: Leistenhernie links vor 1 Jahr. Familienanamnese: Mutter dialysepflichtig wegen Niereninsuffizienz. Insgesamt Neigung zu Adipositas. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Adipositas. Rauchabstinenz seit 5 Jahren, nach Angaben des Patienten dadurch Gewichtszunahme von 10 kg. Kein Sport, Hobby Skatspielen, 1,75 m groß, 103 kg schwer, keine Allergien, Alkohol sehr regelmäßig. Fettreiche Ernährung.
Befund Trockene Fußhaut
Inspektion: Trockene Haut an den Füßen, adipöser Patient. Thermodiagnostik ohne deutlichen Befund, Local Listening Richtung Leber (. Abb. 4.21). Palpation: Empfindlich in der Abdominalregion, keine Bindegewebszonen/Jones-/ Chapman-Punkte.
4
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4.1 · Untere Extremität
4
Th 6–9
a
b
c
. Abb. 4.20. Ansicht, Patient 8
Axiales System: Restriktion T6–9, parietal keine Mobilitätsstörungen der Füße. Viszeral: Kongestioniert. Neurologischer Befund: Beidseits fehlender Trizeps-surae-Reflex (TSR) Sensibilitätsstörungen beider Füße bis hin zu den mittleren Unterschenkeln. Herabgesetztes Vibrationsempfinden beider Füße. Keine Schmerzprovokation möglich. Röntgen beider Füße in 2 Ebenen ohne pathologischen Befund.
Verdachtsdiagnose Diabetische Polyneuropathie bei metabolischem Syndrom. DD: alkoholische Polyneuropathie.
Osteopathische Betrachtung Neurologisch klarer Befund, siehe auch schulmedizinischen Betrachtung. Auffallend ist das Fehlen einer Schmerzprovokation. Auch der Patient kann keine verschlechternden Faktoren angeben. Ein osteopathisch eher unspektakulärer Befund. Keine Mobilitätsprobleme am Fuß, dennoch Schmerzen. Bei metabolischen Störungen, wie z. B. Mesenchymbelastungen, können Patienten oft keine Angaben zu verschlechternden Faktoren machen. Allerdings sind bei metabolischen Störungen meist deutliche Schmerzen provozierbar.
Schulmedizinische Betrachtung Die vorliegende Befundkonstellation lässt sich als metabolisches Syndrom zusammenfassen. Mit metabolischen bzw. stoffwechselbedingten Symptomen ist gemeint, dass sich bei einer entsprechenden Disposition mit überkalorischer und falscher Ernährung eine Erkrankung entwickelt. Bei einem ungünstigen Verlauf kann das metabolische Syndrom eine Erblindung, Nierenversagen oder die Amputation von Gliedmaßen zur Folge haben. Neben dem Diabetes mellitus (s. hierzu auch 7 Kap. 4.1.6 »Kasuistik 6«) ist bei einem metabolischen Syndrom immer eine Adipositas vorhanden, die häufig von einer Fettstoffwechselstörung begleitet wird. Hierbei können sowohl Hypertriglyzeridämien, Hypercholesterinämien und α-1Hypo-Lipoproteinämien bzw. Kombinationen aus allen sowie eine Hyperurikämie vorkommen (7 Kap. 4.1.4 »Kasuistik 4«). Das zentrale Stoffwechselorgan, die Leber, ist dauerhaft überlastet. Dies äußert sich nicht nur in der Kongestion, son-
. Abb. 4.21. Local Listening, Patient 8
Leber, T6–9 Kongestion Neurologisch: beidseitig fehlende TSR Sensibilitätsstörungen Vibrationpp Keine Provokation
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
dern auch anhand der Leberfunktionsparameter, wie z.B. einer Erhöhung der sog. Transaminasen GOT, GPT und γ-GT. Leberveränderungen lassen sich laborchemisch, palpatorisch und sonographisch darstellen. Patienten mit einem metabolischem Syndrom leiden häufig auch unter einem Schlaf-Apnoe-Syndrom (7 Kap. 4.5.1 »Kasuistik 51«). Der Diabetes mellitus wurde bereits in 7 Kap. 4.1.6 »Kasuistik 6« angesprochen. Bei dieser Symptomatik handelt es sich jedoch um den noch nicht weiter charakterisierten Typ-2-Diabetes, der auch als (primär) nicht-Insulin-dependenter Diabetes mellitus (NIDDM) bezeichnet wird. Bei dem Typ-2-Diabetes steht nicht wie bei dem Typ-1-Diabetes der Insulinmangel, sondern eine Insulinresistenz im Vordergrund. Folge ist, dass die Wirksamkeit des Hormons bei sonst ausreichender Produktion nachlässt. Ursache für die mangelhafte Hormonwirksamkeit ist eine Ermüdung des Systems bei lang andauernder und kohlenhydratintensiver Hyperalimentation. In der Abgrenzung zum Typ-1-Diabetes wird der Typ-2-Diabetes auch als Alters- oder Erwachsenendiabetes bezeichnet, obwohl die Erkrankung in immer Jünger werdenden beobachtet wird. Eine genetische Prädisposition für diese Erkrankung ist unumstritten. Zur Krankheitsprogression kommen in erster Linie verhaltensbedingte Faktoren hinzu. So ist im Frühstadium der Erkrankung eine wirksame Therapie allein durch verstärkte körperliche Bewegung, begleitet von einer Ernährungsumstellung, hocheffektiv. Werden die entsprechenden Verhaltensmaßnahmen vom Patienten nicht beachtet, muss im weiteren Krankheitsverlauf eine medikamentöse Therapie bzw. eine gezielte Insulingabe erfolgen. Bei beiden Diabetesformen ist mit jeder Untersuchung eine sorgfältige Kontrolle des Blutzuckers und der sog. Langzeitparameter sowie die gezielte Suche nach diabetestypischen Folgeerkrankungen notwendig. Bei der Parameterkontrolle muss Folgendes beachtet werden: 5 Als Langzeitparameter bildet der HbA1c-Wert die Blutzuckereinstellung der letzten 3 Monate ab 5 Der sog. Fructosamin-Wert bildet die Parameter der letzten Wochen ab (Normwerte s. Anhang). Die vielfältigen Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus sind pathogenetisch zu verstehen, wenn die erhöhte Glucose im Blut als Noxe verstanden wird, die bei einem Gesunden durch eine Insulingegensteuerung unter dem Grenzwert gehalten wird. Bei einer nicht ausreichenden Insulinversorgung oder bei einer Insulinresistenz steigt die Blutglucose. Ein Blutglucoseanstieg hat langfristig Gefäß- und Nervenschäden zur Folge. Schulmedizinisch werden dem Diabetes Schädigungen sowohl großer als auch kleiner Gefäße (Makro- und Mikroangiopathie) zugeschrieben. Gefäßschädigungen führen bei andauernder, nicht ausreichend behandelter Zuckerkrankheit zu sog. Endorganschädigungen, von denen die wichtigsten kurz aufgeführt werden:
Diabetische Neuropathie Bei einer Neuropathie kann jeder Teil des Nervensystems, auch das autonome Nervensystem, betroffen sein. Oft tritt jedoch eine beidseitige periphere Polyneuropathie (PNP), mit Taubheit, Parästhesien, Hyperästhesien und Schmerzen auf.
Diabetisches Fußsyndrom Zeichen eines diabetischen Fußsyndroms ist ein gestörtes Schmerzempfinden und eine veränderte bzw. aufgehobene Schmerzleitung. Folge ist eine gestörte Propriozeption, die sich zunächst durch Gangstörungen, später auch in skelettalen Fußdeformitäten äußert. Ein Beispiel ist der sog. »Charcot-Fuß«, der mit einem Verlust des Fußgewölbes und Frakturen der Tarsalknochen einhergeht.
4.1 · Untere Extremität
103
Wichtig Die beschriebenen Veränderungen führen bei Nichtbeachtung zu schweren Ulzerationen, die im weiteren Verlauf Amputationen der entsprechenden Gliedmaßen zur Folge haben.
Autonome Neuropathie Eine autonome Neuropathie äußert sich im Gastrointestinaltrakt mit verzögerten Schluckstörungen, Magenentleerungsstörungen, Obstipation oder Diarrhö. Ebenso können Blasenfunktionsstörungen und Impotenz vorkommen. ! Cave Gefährliche Folge einer autonomen Funktionsstörung ist, dass sog. »diagnostische Vorboten« einer Durchblutungsstörung des Herzmuskels oder des Hirnkreislaufes fehlen. Bei diesen Patienten treten daher Herzinfarkte und Schlaganfälle wie »aus heiterem Himmel« auf.
i Tipps Die Polyneuropathie wird zu über 50% entweder durch Diabetes oder chronische Alkoholintoxikation verursacht.
Folgende Befundkriterien sind zum Erkennen einer peripheren Polyneuropathie wichtig: 5 Verminderung des Vibrationsempfindens, 5 verminderte bzw. aufgehobene Sehnenreflexe. Infolge einer Schädigung der kleinen Gefäße kann sich bei dieser Patientengruppe eine diabetische Nephropathie ausbilden, die über Jahre symptomlos verlaufen kann. Erstes Anzeichen einer Nephropathie ist eine zunächst minimale Proteinurie Die sog. Mikroalbuminurie mit >20mg/dl gibt hier erste Hinweise. Häufig betroffen sind außerdem die Gefäße des Augenhintergrundes. Da die diabetische Retinopathie eine der häufigsten Ursachen für eine Erblindung ist, sollte der Augenhintergrund regelmäßig untersucht werden. Merkmale für eine fortgeschrittene diabetische Retinopathie sind: 5 Sehstörungen, 5 Gesichtsfeldausfälle, 5 Lichtblitze.
4.1.9 Kasuistik 9: Belastungsschmerzen linke Leiste
Anamnese Eine 42-jährige Patientin kommt mit anhaltenden Belastungsschmerzen in der linken Leiste zur Behandlung. Die Beschwerden bestehen schon seit mehreren Jahren, allerdings seien die schmerzfreien Intervalle im letzten halben Jahr immer kleiner geworden, auch habe die Schmerzintensität zugenommen. Seit etwa 3 Monaten träten auch Ruheschmerzen auf. Die Patientin gibt an, die Schmerzen besonders während der ersten Schritte sowie nach längeren Gehstrecken zu haben. Ebenso entstehen die Beschwerden bei sportlicher Belastung auf. Das Tanzen habe sie deswegen schon seit etwa 6 Monaten nicht mehr genießen können. Unter Einnahme von Aspirin seien die Schmerzen deutlich besser gewesen, aber sie wolle nicht ständig Medikamente einnehmen müssen (. Abb. 4.22). Medikamente: Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Erkrankungen, keine Beschwerden an den Organsystemen. Operationen/Verletzungen: Keine Traumata oder Operationen. Familienanamnese: Unauffällig.
Belastungsschmerz linke Leiste
Anlauf-/Ruheschmerz Tanzen schmerzt ASS verbessert die Beschwerden
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
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. Abb. 4.23. Local Listening, Patient 9
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a
Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Beruf Apothekerin, Hobbys Tanzen und Sportgymnastik, 1,75 m groß, 64 kg schwer, keine Allergien, keine Genussgifte, ausgewogene Vollkosternährung.
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Befund BLD –0,5 links Linke Leiste Druckschmerz Leiste/ Trochanter
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c
. Abb. 4.22. Ansicht, Patient 9
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b
L3ERSL Hüftbeweglichkeit fast frei Stauchungsschmerz links
Inspektion: Beckenschiefstand links –0,5 cm. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung über der linken Leiste. Beim General Listening Faszienzug zur linken Leiste, Local Listening ohne Normabweichungen (. Abb. 4.23). Palpation: Druckschmerz linke Leiste sowie Trochanterregion links. Keine Bindegewebszonen, keine Jones-/Chapman-Punkte. Axiales System: L3ERSL, parietal Hüftgelenksbeweglichkeit E/F rechts 10/0/145, links 10/0/140, ABD/ADD rechts 50/0/40, links 40/0/35, ARO/IRO rechts 50/0/40, links 45/0/20. Deutliche Schmerzprovokation beim Fersenfall oder der axialen Stauchung des linken Beines. Viszeral und neurologisch unauffälliger Befund.
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Verdachtsdiagnose
19
Osteopathische Betrachtung
20 21
Coxarthrose links wahrscheinlich bei Zustand nach Hüftdysplasie.
Klar ist ein kapsuloligamentärer Schmerz des linken Hüftgelenks mit typischer Provokation (Leisten-/Trochanter-Druckschmerz, Stauchungsschmerz), der seit Jahren langsam progredient fortschreitet. Die osteopathische Therapie ist begrenzt, da die Arthrose die Ursache der Beschwerden ist. Zur Linderung der Symptome können z. B. Atemtechniken durchgeführt werden, die unterstützend auf die Zirkulation, besonders auf den venöslymphatischen Rückfluss, wirken. Um eine optimale Therapieplanung interdisziplinär zu ermöglichen, sollte zunächst das Stadium der Coxarthrose radiologisch erfasst werden.
105
4.1 · Untere Extremität
Schulmedizinische Betrachtung Da die Hüftgelenksbeweglichkeit fast frei erscheint, die Patientin zudem noch sehr jung für eine primäre Coxarthrose ist, liegt wahrscheinlich eine sekundäre Coxarthrose auf Basis einer Hüftdysplasie vor. Differenzialdiagnostisch kommen auch ein abgelaufener M. Perthes oder eine Epiphysioloysis capitis femoris in Frage. Diese Erkrankungen treten jedoch häufiger bei Jungen als bei Mädchen auf und verursachen typischerweise bereits beim Auftreten der Primärerkrankung Symptome. Die Basis für eine Coxarthrose könnten außerdem eine Hüftkopfnekrose, Frakturen, eine abgelaufene Coxitis oder rheumatische Grunderkrankungen sein. Abhängig vom Ausmaß der Arthrose (radiologischer Befund) ist die Therapie zu wählen. Beim Gelenkersatz wird zwischen den verschiedenen Verankerungsverfahren für Totalendoprothesen (TEP) unterschieden. Mögliche gängige Methoden sind die Druckscheibenprothese (DSP), der Mayo-Schaft, eine zementfreie oder zementierte Versorgung bzw. Hybrid-TEP (Kombination einer zementierten und einer zementfreien Komponente).
4.1.10 Kasuistik 10: Schmerzen rechtes Bein
Anamnese Ein 48-jähriger Kfz-Meister kommt mit Schmerzen im rechten Bein zur osteopathischen Behandlung. Eine orthopädische und physiotherapeutische Behandlung (8 Monate ambulant, anschließend stationäre Heilbehandlung bei drohender Erwerbsminderung) erbrachte keine Beschwerdelinderung. Die Beschwerden hätten als blitzartig ziehende Schmerzen in den rechten Fuß begonnen. Bei Belastung seien auch Rückenschmerzen aufgetreten, jedoch überwiegen die Beinschmerzen deutlich. In der Folge ist ein taubes Gefühl am rechten Fußaußenrand sowie der Wade hinzugekommen. Mittlerweile habe er wiederholt Kraftminderungen beim Gasgeben oder Bremsen im Auto bemerkt (. Abb. 4.24). Regelmäßige Behandlung beim Orthopäden, der zuletzt die osteopathische Therapie empfohlen hat, weil ein bestehender Bandscheibenvorfall L5/S1 nicht operiert werden solle. Medikamente: Ibuprofen-Präparat seit 6 Monaten, zum Magenschutz Omeprazol. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: An den Organsystemen außer verzögerter Verdauung (Stuhlgang etwa alle 2–3 Tage) keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Keine Traumata, Gallenblasenentfernung vor 6 Jahren. Familienanamnese: Bekannte Erhöhung der Blutfette bei Neigung zu Adipositas. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Hobbys sind Skat und Kegeln, 1,74 m groß, 83 kg schwer, keine Allergien, 2–3 Bier und etwa 20 Zigaretten täglich. Die Ernährung ist fett- und fleischreich.
Ischialgie rechts Therapiersistenz Sensibilitätsstörung S1 rechts Paresen
BS-Prolaps L5/S1
Stuhlgang 2–3 Tage Gallenblasenentfernung Adipositas Alkohol/Nikotin
Befund
Keine posturologische Abweichung Leber
Inspektion: Rechtsentlastendes Gangbild. Posturologisch keine Besonderheit. Thermodiagnostik: Überwärmung der Leberregion, General Listening zum rechten Oberbauch, Local Listening Leber (. Abb. 4.25). Palpation: Bindegewebszone Leber, kein Jones-/Chapman-Punkt. Axiales System: Gruppenläsion T6–9, L4ERSR, Ilium anterior Rechts-Restriktion. Bei den Mobilitätstests freie Beweglichkeit. Craniosacral keine Normabweichung. Viszeral: Ptose der Leber bei Hepatomegalie, Caecumrestriktion. Neurologisch: 5 Rechts positiver Laseque bei 50°, Bragard (Dorsalflexion) und Bonnet (HüftIRO) positiv, Kernig (Kinn auf Brust) negativ. Sensibilitätsminderung am rechten Fußaußenrand sowie dem gesamten rechten dorsalen Unterschenkel. Kraftminderung des rechten Fußhebers (3 von 5). Reflexe (QSR und TSR) seitengleich gut auslösbar.
T6–9-Gruppe Ilium anterior rechts C-S frei Caecumrestriktion Laseque, Bragard, Bonnet S1-Sensibilitätsstörung L4-Parese Reflexe o.B. Langsitz o.B. Druckschmerz/Klopfschmerz LWS Kompressionsschmerz LWS
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
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3 4 5 6 7 8
. Abb. 4.25. Local Listening, Patient 10
9 10
a
b
c
. Abb. 4.24. Ansicht, Patient 10
11 5 Im Sitz geprüfte Extension der Kniegelenke beidseits bis zur vollen Streckung möglich. Mäßiger, kurz anhaltender Druck- und Klopfschmerz über L4 bis S1, Kompressionsschmerz der unteren LWS, kein Distraktionsschmerz.
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Röntgen/NMR/EMG/NLG: o.B.
Röntgen: LWS in 2 Ebenen zeigt Steilstellung der LWS mit altersentsprechendem Verschleiß der Facettengelenke ohne wesentliche Achsabweichungen. Im NMR der LWS findet sich eine Protrusion L5/S1 ohne Bedrängung radikulärer Strukturen, kein Hinweis auf spinale Enge oder Facettenarthrose. Bei EMG und NLG findet sich ein regelrechter Normbefund.
Verdachtsdiagnose
16 17 18 19 20 21
Simulation Ischialgie. DD: radikuläre Irritation, bestehende Leberptose.
Osteopathische Betrachtung Im Wesentlichen sind diese einzelnen Befunde bei einem Patienten mit einer Nervenwurzelreizung wieder zu finden (. Abb. 4.26). Bei dem oben beschriebenem Patienten gibt es jedoch anhand der Befunddemonstration Hinweise, die den Verdacht auf eine Simulation erhärten: 5 Bei einem positivem Laseque ist der Langsitz nicht schmerzfrei möglich, da die gestreckten Knie im Sitz einem Laseque-Test von 90° entsprechen. 5 Bei positivem Laseque sind Bragard (Nervenwurzeldehnung), Bonnet (Piriformis-Entrapment des N. ischiadicus) und Kernig (meningeale Reizung) Differenzierungstests, bei der die Art und Lokalisation der Pathologie unterschieden wird. So ist in der Regel nur einer dieser Tests positiv. 5 Während die Sensibilitätsstörung der Nervenwurzel S1 entspricht, demonstriert der Patient eine Kraftminderung der Nervenwurzel L4. Dieser Befund ist nicht stimmig. Eine L4-Schwäche kann nicht durch eine Bandscheibenproblematik L5/S1 hervorgerufen werden.
107
4.1 · Untere Extremität
Leber
Caecum
ISG re
a
b
c
. Abb. 4.26. Osteopathische UFK, Patient 10
5 Es findet sich weder eine Beeinflussung der Reflexe noch eine Einschränkung von EMG und NLG. Diese wäre aber bei einer bereits seit ca. 9 Monaten bestehenden Krankengeschichte aufgrund einer veränderten Stoffwechselsituation der nervalen Strukturen zu erwarten. 5 Die bildgebenden Verfahren zeigen keinen Befund, der die Nervenwurzel so irritiert, wie es die Symptome anzeigen. Exkurs 5 Natürlich liegt bei vielen Patienten neben mehr oder weniger deutlichen Befunden auch eine Unstimmigkeit im Sinne der oben beschriebenen Punkte vor. In der hier vorliegenden Häufung und mit dem »Simulationstest« als führendem Zeichen für einen demonstrierten Laseque-Test muss die Symptomatik allerdings als Simulation gelten. 5 Dabei sind Rückenbeschwerden beim Patienten gut vorstell- und auch erklärbar: Der Patient ernährt sich nicht gut, ist übergewichtig und hat eine ptosierte Leber, welche für einen venösen Rückstau im Verdauungstrakt sorgt. Dadurch erklärt sich die Restriktion des Caecum, welche über den M. iliacus eine Restriktion Ilium anterior rechts hervorruft und dann in einer UFK für die L4-Blockade sorgt.
Durch eine Blockade L4ERSR wiederum kommt es zu einer Provokation der Bandscheiben L3/4 und L4/5, welche langfristig durch die Blockade geschädigt werden können. Biomechanik der LWS ist NSXRY, der blockierte L4 folgt der Biomechanik ERSR, wodurch es zur Rotationsbelastung der benachbarten Bandscheiben kommt.
4
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Beim Abbau dieser osteopathischen Problematik wäre dem Patienten gut zu helfen, allerdings besteht der dringende Verdacht, dass der Patient andere Ziele mit dem Besuch beim Osteopathen bezweckt, wie z. B. eine Erwerbsminderung, und daher keinen Therapieerfolg wünscht. Für die geschilderten Beschwerden gibt es nach osteopathischen Gesichtspunkten zunächst keine schlüssige Erklärung, sodass eine weitere Diagnostik folgen müsste, z. B. nach zentralneurologischen Erkrankungen.
1 2 3
Schulmedizinische Betrachtung
4
Das Wesentliche ist bereits unter »Osteopathische Betrachtung« aufgeführt.
5
4.1.11 Kasuistik 11: Schweregefühl der Beine
6 7
Anamnese Schweregefühl der Beine seit Jahren Kribbelparästhesien
8 9 10
Besserung durch Hochlegen
11 12
Adipositas und Krampfaderleiden in der Familienanamnese
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Befund Adipositas Beinödeme Schulterprotraktion Thorakale Kyphose
17 Gruppenläsion in Flexion T1–5
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Eine 29-jährige OP-Schwester stellt sich mit einem Schweregefühl in beiden Beinen, das von gelegentlichen Kribbelparästhesien begleitet wird, vor. Die Beine fühlen sich nach Angaben der Patientin manchmal ganz taub an. Dieses »taube Gefühl« sei schon mehrmals vorgekommen. Ein befreundeter Arzt, mit dem sie auch beruflich zu tun hat, meinte, dass die Symptome durch den stehenden Beruf ausgelöst werden und daher keine Möglichkeit der Linderung bestünde. Die Beschwerden sind seit Jahren mal mehr oder weniger stark ausgeprägt. In den letzten 2 Wochen haben sie sich jedoch verschlimmert. Beim Hochlegen der Beine bessern sich die Beschwerden (. Abb. 4.27). Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Die Patientin leidet außerdem an einer Neurodermitis, die seit über 10 Jahren dermatologisch mit verschiedenen Externa behandelt wird. Operationen/Verletzungen: Keine Operationen, keine Traumata. Familienanamnese: Die Mutter ist stark übergewichtig und mehrfach an ihren Krampfadern operiert, der Vater Alkoholiker. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Gesunde Mischkost, aber überkalorisch. Größe 1,74 m, Gewicht 91 kg. Hobby: Motorradfahren. Allergien sind nicht bekannt. Die Patientin raucht seit ca. 15 Jahren zwischen 20 und 25 Zigaretten am Tag. Alkohol bei Feiern, bevorzugt Mixgetränke.
Inspektion: Adipöse Patientin mit Ödemen beider Beine, keine Seitenbetonung. Livide Färbung der Beine. Protraktion beider Schultern bei vermehrter thorakaler Kyphose. Thermodiagnostik: Unauffälliger Befund. Listening im Bereich des Oberbauches zentral (. Abb. 4.28). Palpation: Ödeme beider Unterschenkel, eher warme Extremitäten. Axiales System: Gruppenläsion in Flexion von T1–5 bei überwiegender Bauchatmung. An den Extremitäten keine Funktionsstörungen. Neurologisch unauffälliger Befund. Viszeral: Die Provokation durch den hepatojugulären Refluxtest ist positiv.
Verdachtsdiagnose Venöser/lymphatischer Stau. DD: Schwangerschaft (mit cavaler Kompression).
Osteopathische Betrachtung
21
Die vermehrte thorakale Kyphose ist eine häufige Ursache für venös-lymphatische Stauungen. Ursache hierfür ist die verminderte Hubleistung des Zwerchfells als wichtigste venös-lymphatische Pumpe (. Abb. 4.29): 5 Die Hubleistung des Zwerchfells beträgt bei reiner Bauchatmung weniger als 5 cm pro Atemzug. Bei einer Thoraxatmung wird eine Hubleistung von ca.
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4.1 · Untere Extremität
Th 1–5
a
b
c . Abb. 4.28. Local Listening, Patient 11
. Abb. 4.27. Ansicht, Patient 11
Thorax
Beine + OSG
a
b
c
. Abb. 4.29. Osteopathische UFK, Patient 11
10–15 cm erreicht. Ideal ist die kombinierte Bauch- und Thoraxatmung mit einer Hubstrecke bis zu 20 cm. 5 Allerdings ist die thorakale Kyphose häufig Folge einer Kompensation oder Dysfunktion. Neben Organirritationen der Thoraxorgane (Projektion auf T1–5) oder Oberbauchorgane (Projektion auf T6–9) finden sich vielfach fasziale Retraktionen, die den Patienten in die kyphotische Haltung ziehen. Dabei
4
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1 2 3
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
sind Retraktionen des Omentum minus (emotionale Zone) sowie Retraktionen der ventralen Körperfaszien besonders erwähnenswert. 5 Therapeutisch ist eine Balancierung der Atemfunktion äußerst wichtig. Zur Normalisierung sollte daher die richtige Atemtechnik vom Patienten mehrfach täglich trainiert werden. Dem Patienten muss erklärt werden, dass der Behandlungserfolg entscheidend von seiner Compliance abhängt. Eine gute Aufklärung über die Pathophysiologie des venös-lymphatischen Staus durch den Therapeuten hilft dem Patienten, wichtige Zusammenhänge zu erfassen.
4 Wichtig
5
Die Unterscheidung zwischen unilateralen (meist linksseitigen) und beidseitigen Stauungen ist diagnostisch von großer Bedeutung:
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5 Einseitige Stauungen haben ihren Ursprung distal der Teilungsstelle der V. cava inferior in die Vv. iliacae. Häufigste Ursache für eine linkseitige Stauung ist eine Irritation des Sigmoids mit kontraktem Mesocolon sigmoideum, welches die linke V. iliaca komprimieren kann. 5 Beidseitige Stauungen haben ihren Ursprung proximal der Teilungsstelle der V. cava inferior in die Vv. iliacae. Ursache können sein: − eine Leberptose, die die V. cava inferior komprimieren kann, − Zwerchfelldysfunktionen, − ein erhöhter Druck auf den venösen Schenkel, der z. B. durch einen Thorax in Exspiration entsteht, − kardiale Pathologien.
11
Schulmedizinische Betrachtung
12
Die Patientin wird als adipös bezeichnet. Adipositas ist durch einen Body-Mass-Index (BMI) von >30 kg/m2 definiert und wird in drei Grade eingeteilt: Grad I: bis 35,
13 14 15 16 17 18 19 20 21
Grad II: bis 40 und Grad III: >40 kg/m2. Der BMI löst die alte Einteilung nach Broca ab und errechnet sich aus Körpergewicht in kg durch Körpergröße in m2. Hier beträgt er 30,06 kg/m2. Die Krankheit weist ein familiäres Vorkommen auf, wobei nicht immer eindeutig ist, ob eine genetische Ursache zugrunde liegt oder familiäre Ernährungsgewohnheiten Auslöser sind. Folgekrankheiten einer Adipositas sind z. T. in 7 Kap. 4.1.4 »Kasuistik 4« genannt. Adipositas ist außerdem ein Risikofaktor für die Entstehung einer venösen Insuffizienz, da jede Zunahme von Körpergewebe mit einer zusätzlichen arteriellen Durchblutung und venös/lymphatischen Drainage einhergeht. Von der Mutter der Patientin ist ein Varizenleiden bekannt. Eine venöse Insuffizienz kann zwar mit und ohne Adipositas vorkommen, wird aber durch Übergewicht begünstigt. Die chronisch venöse Insuffizienz entsteht infolge einer dauerhaften venösen Hypertonie, wie z. B. eines Krampfaderleidens, aber auch bei mangelnder Betätigung der Wadenmuskelpumpe durch häufiges Stehen bzw. Bewegungsmangel oder nach abgelaufenen Thrombosen. Im Frühstadium bilden sich reversible Ödeme, die durch nächtliches Hochlagern der Beine vollständig ausgeschwemmt werden. Im weiteren Verlauf treten durch Kapillarschädigungen Extravasationen von Blutbestandteilen wie Eiweiße oder Erythrozyten in die Peripherie hinzu. Folge ist, dass die Ödembildung noch verstärkt wird. Eine vermehrte Ablagerung von Fibrinogen führt nach dessen extravasaler Umwandlung in Fibrin zur Gewebeverhärtung der Haut und Unterhaut (venöse Induration). Die interstitielle Eisenablagerung stammt aus den vermehrt ausgetretenen und hämolysierten Erythrozyten. Sie führt zur typischen farblich tingierten Hyperpigmentation der Haut. Eine weiße Atrophie (»atrophie blanche«) tritt auf, wenn sich derblich weiße Bezirke auf Grund einer Kapillarthrombosierung ausbilden. Unbehandelt entsteht im
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4.1 · Untere Extremität
weiteren Verlauf eine lokale kutane Ischämie, die mit der Ausbildung eines venösen Ulcus cruris einhergehen kann. Im Frühstadium der Erkrankung kann eine Kompensation der Drainage noch über das Lymphsystem erfolgen. Im weiteren Verlauf wird das Lymphsystem jedoch von den beschriebenen strukturellen Umbauvorgängen erfasst, sodass sich zusätzlich ein Lymphödem ausprägt. Das Lymphödem ist ein begünstigender Faktor bei der Bildung eines Erysipels. Grundsätzlich können Stauungsprobleme eine kardiale Ursache haben. Eine kardiale Ursache besteht z. B., wenn die Pumpleistung des Herzens eingeschränkt ist (7 Kap. 4.4.4 »Kasuistik 43«). Auch schwangere Frauen können durch die ungewohnte Komprimierung der Leibesfrucht auf die V. cava inferior eine Stauungssymptomatik aufweisen.
4.1.12 Kasuistik 12: Leistenschmerzen rechts
Anamnese: Ein 35-jähriger Bauarbeiter kommt mit seit 4 Monaten bestehenden, ziehenden bis stechenden Schmerzen in der rechten Leistenregion in die osteopathische Praxis. Erstmalig traten die Beschwerden während der Sanierung eines Resthofes auf, bei der der Patient oftmals in gebückter Haltung schwere Steine verrücken musste. Eine Ausstrahlung der Beschwerden wird ebenso verneint wie das Vorhandensein neurologischer Auffälligkeiten (. Abb. 4.30). Medikamente: Keine Medikamente, gelegentlich Anabolika im Fitnessstudio. Sonstige Erkrankungen / Beschwerden: keine. Operationen: Leistenhernie links vor fünf Jahren mit Netzeinlage. Familienanamnese: Mütterlicherseits Diabetes mellitus, väterlicherseits unauffällig. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Kraftsport im Studio seit 12 Jahren. 173 cm, 88 kg. Täglich Bier, Nikotin 30-40 Zigaretten pro Tag.
Anamnese: Leistenschmerzen rechts, Bauarbeiter, Zustand nach LeistenhernienOP links
Befund: Inspektion: Bei der Inspektion Rechtsdeviation lumbal ohne wesentliche Achsabweichung bei stämmigem Typ. Thermodiagnostik: keine Auffälligkeit. Listening ohne Normabweichung (. Abb. 4.31).
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a . Abb. 4.30. Ansicht, Patient 12
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c . Abb. 4.31. Local Listening, Patient 12
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
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Leiste li
6 7 8 9 10 a
11
b
c
. Abb. 4.32. L2 rechts Adduktorenansatz
12 13 14 15
Blockade L2FRSR, Adduktorenspasmus rechts
Palpation: Spasmus der rechten Adduktoren, insbesondere des M. add. long., sowie Weichteilschwellung über L2. Axiales System: Blockade L2FRSR. Viszeral: unauffälig.
Verdachtsdiagnose: Blockade L2 mit Adduktorenspasmus sowie Ansatz-Tendinitis
Osteopathische Betrachtung:
16 17 18 19 20 21
Es findet sich eine monolytische Dekompensationsblockade L2 mit Spasmus der rechtsseitigen Adduktoren und einer Ansatztendinose (. Abb. 4.32). Wahrscheinlich hat der Patient sich bei schwerem Heben in gebückter Haltung den Wirbel L2 blockiert (in F, also gegen die natürliche Lordose der LWS in einer Dekompensation), was einen Adduktorenspasmus nach sich ziehen kann. Dieser wiederum erzeugt eine Ansatztendinose, welcher ebenso Leistenschmerzen hervorrufen kann wie eine Leistenhernie oder eine Fehlbelastung des Hüftgelenks.
Schulmedizinische Betrachtung: Die Leistenhernie gehört zu den am häufigsten operationspflichtigen Erkrankungen überhaupt. (Inzidenz der operativen Hernien-Korrektur in Deutschland: > 200.000/a). Es handelt sich um eine Ausstülpung des Peritoneums durch einen angeborenen oder erworbenen Defekt, die Männer bis zu 8 mal häufiger betrifft als Frauen. Ihre Entstehung wird durch das Zusammenwirken von intraabdomineller Druckerhöhung (z. B. durch chronische Obstipation, Schwangerschaft, Adipositas) auf anatomischen Schwachstellen erklärt. Die Hinterwand des Leistenkanals wird von der Fascia transversalis ausgekleidet, durch die beim Mann der Ductus deferens mit Begleitgefäßen und –nerven zieht, bei der Frau das Lig. rotundum.
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
113
Man unterscheidet indirekte (auch laterale genannt, weil sie lateral der epigastrischen Gefäße lokalisiert sind) von direkten Leistenhernien (medialen, weil diese eben medial der epigastrischen Gefäße liegen): Bei der indirekten Form stülpt sich Bauchfell in den erweiterten Leistenkanal was auf einen insuffizienten muskulären Verschlussmechanismus am Eingang des Leistenkanals zurückzuführen ist, bei der indireken Form liegt die Hernie am Ausgang des Leistenkanals und hat nicht den »Umweg« durch diesen genommen. Diagnostik: Es dominieren Schmerzen in der Leistengegend, meist in Zusammenhang mit körperlicher Belastung, später auch in Ruhe. Unter Belastung (Erhöhung des intraabdominellen Druckes) ist dann auch eine Schwellung sichtbar, die sich im Liegen wieder zurückbildet. Kommt es bei dem Vorhandensein einer Leistenhernie zu einer Einklemmung von Darmanteilen aus dem Bruchinhalt in der Bruchlücke (Inkarzeration) ist dies mit heftigen Schmerzen verbunden und muss sofort operativ korrigiert werden (Notfallindikation). Eben wegen dieser Gefahr ist die heutige Standardtherapie einer Leistenhernie die elektive Operation, entweder offen oder laparoskopisch mit und ohne Netzimplantation.
4.2
Rumpf/Wirbelsäule
4.2.1 Kasuistik 13: Lumbalgie rechts
Anamnese Ein 35-jähriger Polizist kommt mit seit ungefähr 6 Wochen bestehenden Lumbalgien zur Behandlung. Beim Liegen, Gehen oder Stehen verschlechtern sich die Beschwerden, im Sitzen werden sie besser. Kein Nachtschmerz, keine Ausstrahlungen. Eher dumpfer Schmerz, nach rechts ins Kreuz ziehend, keine Gefühlsstörungen (. Abb. 4.33). Medikamente: Keine Medikamente. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Bei regelmäßigen betriebsärztlichen Untersuchungen keine Auffälligkeiten. Keine Beschwerden der Organsysteme. Operationen/Verletzungen: Keine Wirbelsäulentraumata. Vor etwa 11 Wochen bei einer Demonstration mit dem rechten Fuß umgeknickt, radiologisch ohne Folgen. Familienanamnese: Keine Besonderheiten. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Regelmäßig Fußball und Leichtathletik, 1,86 m groß, 82 kg schwer, keine Allergien, keine Genussgifte, ausgewogene Vollkosternährung.
Lumbalgie rechts seit 6 Wochen Liegen/Gehen/Stehen ist schlecht, Sitzen gut Dumpfer Schmerz
Supinationstrauma rechter Fuß
Befund Inspektion: Kräftiger Patient, posturologisch Rotation Becken posterior rechts. Thermodiagnostik: Geringe Überwärmung im Bereich der rechten Fußwurzel, General Listening dreht rechtes Bein in ARO, Local Listening unauffällig (. Abb. 4.34). Palpation: Druckschmerzhaftes rechtes ISG, keine Bindegewebszonen, keine Jones-/Chapman-Punkte. Axiales System: L3ERSR, Restriktion Ilium posterior rechts, Fibula caudal rechts, hypertoner M. biceps femoris rechts, im Seitenvergleich um 15° verminderte Dorsalflexion rechtes OSG. Schmerzprovokation bei Prüfung der ventralen Faserbündel des ISG sowie bei forcierter Dorsalflexion des rechten OSG. Craniosacral, viszeral und neurologisch keine Besonderheiten.
Verdachtsdiagnose Ilium posterior rechts infolge Supinationstrauma rechtes OSG.
Osteopathische Betrachtung Durch das Supinationstrauma des rechten OSG wurde die Fibula nach caudal gezogen und dort fixiert. Dadurch entsteht ein vermehrter Zug des Fibulaköpfchens
L3ERSR Ilium posterior rechts Fibula caudal M. biceps femoris Dorsalflexion rechtes OSG weniger ISG-Irritation rechts
4
114
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3 4 5 6 7
a
b . Abb. 4.34. Local Listening, Patient 13
. Abb. 4.33. Ansicht, Patient 13
8 9 10 11 12 13 14 ISG re
15 16 17 OSG re
18
a
b
c
. Abb. 4.35. Osteopathische UFK, Patient 13
19 20 21
am M. biceps femoris rechts nach caudal, der reaktiv seinen Tonus erhöht, dabei das Ilium nach posterior rotiert und in Restriktion verbleibt. Da das Ilium bei Hüftbeugung (Sitzen) nach posterior dreht, ist dies die entlastende Position für den Patienten, während Hüftstreckungen (Gehen, Stehen, Liegen) das Ilium nach anterior drehen. Da das Ilium rechts posterior restriktiv steht, ist diese anteriore Rotation nicht möglich, sodass sich die Beschwerden verschlechtern (. Abb. 4.35). L3 ist blockiert, weil die ursächliche Störung im Bereich »Hüfte/Knie/Fuß« liegt.
115
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Schulmedizinische Betrachtung Supinationstraumata sind ausgesprochen häufig. Pathogenetisch steht oft nicht eine besondere Gewalteinwirkung im Vordergrund, sondern die Kombination aus Vorwärts-/Drehbewegungen, einem unglücklichen »Fehltritt« oder eine fehlerhafte propriozeptive Steuerung. Ein stabiles oberes Sprunggelenk setzt ein intaktes Lig. talofibulare anterius, Lig. calcaneofibulare und Lig. talofibulare posterius voraus. Obwohl das Lig. talofibulare anterius das schwächste der drei Bänder ist, macht dessen Verletzung eine weiter gehende Läsion der anderen Bänder überhaupt erst möglich. Aus diesem Grund beziehen sich die Funktionstests in erster Linie auf die Überprüfung des Lig. talofibulare anterius. Als Schubladen-Zeichen wird die Verschieblichkeit des Talus nach vorn bezeichnet. Bei einem intaktem Lig. talofibulare anterior kann das Schubladenzeichen nicht ausgelöst werden. Testdurchführung: Der Patient wird mit locker herunterhängenden Beinen auf die Untersuchungsliege gesetzt. Die eine Hand des Untersuchers fixiert die Tibia, während die andere die Ferse von hinten umfasst und versucht, den Talus gegen die fixierte Tibia nach vorn zu schieben.
4.2.2 Kasuistik 14: Dorsalgie zwischen den Schulterblättern,
Nackenverspannungen Anamnese Ein 44-jähriger Patient stellt sich mit rezidivierenden Schmerzen zwischen den Schulterblättern vor. Neben diesen Schmerzen leide er häufig an Nackenverspannungen und Wirbelblockaden. Er sei schon des Öfteren vom Hausarzt am Hals eingerenkt worden (. Abb. 4.36). Verbesserung der Beschwerden im Urlaub, wo er praktisch keine Probleme hätte, obwohl er dann mehrere Stunden täglich Golf spielen würde. Verschlechternde Faktoren kann der Patient nicht benennen. Medikamente: Keine Medikamente, regelmäßige Einnahme von Selen und Vitamin E sowie eines Mineralstoffpräparates, welches ihm von einem Sportkollegen empfohlen wurde. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Bei starker beruflicher Belastung kommt Sodbrennen vor, sonst keine Irritationen der Organsysteme. Operationen/Verletzungen: Keine Traumata, keine Voroperationen. Familienanamnese: Ohne Auffälligkeiten. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: In der knappen Freizeit Golf und Segeln, 1,80 m groß, 73 kg schwer, etwa 30 Zigaretten täglich, Alkohol gelegentlich, ausgewogene Ernährung. Beruflich Manager einer Telekommunikationsfirma. Allergien gegen Penicillin und Tierhaare.
Dorsalgie zwischen Scapulae Nackenverspannung HWS-Manipulation Verbesserung Urlaub
Sodbrennen
Nikotin Manager Allergien
Befund Inspektion: Bei der Inspektion Linksrotation des mittleren Thorax. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung linker Oberbauch. Listening zum linken Oberbauch (. Abb. 4.37). Palpation: Druckschmerz und Abwehrspannung linker Oberbauch, heller Schmerz in der Pylorusregion. Bindegewebszone Magen, kein Jones-Punkt. ChapmanPunkte der Nebenniere ventral und dorsal positiv, es fällt nach der Palpation eine lang anhaltende Hautrötung auf. Axiales System: Gruppenläsion T6–11, Blockade T7FRSL. Leichter Druck- und Klopfschmerz T6–11, keine Kompressions- oder Distraktionsschmerzen. Viszeral: Magenirritation, Pylorusspasmus, Hypomobilität von Nebenniere und Niere links, Phrenicus-Provokationstest links positiv.
Linksrotation Thorax Linker Oberbauch
T7FRSL Magen, Pylorus, NN links, Phrenikus links
4
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 4
3 4
Th 6–9
5 6 7 8
a
b
c . Abb. 4.37. Local Listening, Patient 14
. Abb. 4.36. Ansicht, Patient 14
9 Verdachtsdiagnose
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Irritation T6–9 infolge Magen-Irritation bei Stressbelastung.
Osteopathische Betrachtung Red-Reflex-Test
Der Patient ist beruflich gestresst. Anzeichen dafür ergeben sich u. a. aus dem Untersuchungsbefund, bei dem die Stresszeichen Red-Reflex-Test, Nebenniere auffallen. Diese Anzeichen können eine Magenirritation (Listening, Posturologie, axiale Segmente) zur Folge haben. Viszerale Reizungen sorgen mechanisch für eine fasziale Afferenz des N. phrenicus, der die cervicalen Segmente C3–5 irritiert sowie neurovegetativ parasympathisch eine Vagusafferenz verursacht. Eine Vagusafferenz irritiert die Segmente C0–2. und löst die vom Patienten angegebenen Nackenverspannungen aus. Die Segmente T6–9 für den Magen und T9–11 für die Nebenniere werden hingegen von den neurovegetativ-orthosympathischen Afferenzen irritiert. Beim Patienten treten in diesen Segmenten mechanische Irritationen mit Rückenschmerzen zwischen den Schulterblättern auf (. Abb. 4.38). Wichtig Die Manipulation von Halswirbeln ist nicht sinnvoll, da die Irritationen der HWS Folge der viszeralen Störungen ist. An der HWS liegen ursächlich keine Blockaden vor. Therapeutisch ist eine Stressbewältigung neben der osteopathischen Therapie unbedingt erforderlich.
Schulmedizinische Betrachtung Stress ist als Kausalfaktor in der Krankheitsentstehung schon lange bekannt. Der Begriff selbst jedoch ist problematisch. Unterschieden wird zwischen dem »heilsamen« Stress (Eustress) und dem krank machendem Dystress. Allgemein handelt es sich bei Stress um eine unspezifische Reaktion des Körpers auf eine Anforderung, der mit einer Readaptation an die neue Situation begegnet wird. Der Stressforscher Selye beschrieb den folgenden phasenhaften Verlauf:
117
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Th 6–9
Magen
Stress
a
b
c
. Abb. 4.38. Osteopathische UFK, Patient 14
5 Alarmreaktion: Tritt auf, wenn keine ausreichende Adaptation auf äußerliche Umstände vorhanden ist. Symptome können Tachykardie, verringerter Muskeltonus, und niedriger Blutdruck sowie ein Abfall der Körpertemperatur sein, worauf eine sog. Gegenschockreaktion zu einer entsprechenden Gegenregulation führt. In dieser Phase wird die Kortisol-Ausschüttung verstärkt. 5 Widerstandsphase: Eine Anpassung an die belastenden Bedingungen entsteht. Dies hat ein Verschwinden der Anfangssymptome zur Folge. Der Widerstand gegenüber anderen Belastungen ist in dieser Phase bereits vermindert, sodass sich bei weiterer andauernder Belastung oder hoher Belastungsintensität die letzte Phase ausprägt. 5 Phase der Erschöpfung. Obwohl die Art der Belastung sehr unterschiedlich sein kann, ist die Bereitschaft eines Patienten, auf bestimmte Belastungen zu reagieren, auf andere jedoch nicht, ebenfalls sehr variabel. Dass sich, wie bei diesem Patienten, körperliche wie seelische Belastung auf den Gastrointestinaltrakt auswirken, ist ebenfalls ein häufiges Projektionsfeld. Typische Wirkungen sind dabei Kontraktilitätsstörungen der Speiseröhre, eine verzögerte Magenentleerung, verlängerte Transitzeiten im Dünndarm und die beschleunigte Kolonpassage. Geeignete Maßnahmen zur Stressbewältigung sind vielfältig und sollten individuell angepasst bzw. empfohlen werden. Wenn allerdings tiefer liegende psychische Konflikte die Ursache für somatisierte Beschwerden sind, müssen diese aufgedeckt und qualifiziert behandelt werden. Diese Patienten sollten vom Therapeuten darüber aufgeklärt werden, dass allgemeine Stressbelastungen nicht mit Drogen, wie z. B. Alkohol und Nikotin, sondern mit einem körperlichem Ausgleich oder mit Maßnahmen zur Verbesserung der Einheit von Körper, Seele und Geist begegnet werden sollten. Da Studien belegen, dass körperliches Training für
4
118
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
einen guten Stressausgleich sorgt, ist eine individuelle Beratung des Patienten therapeutisch sinnvoll.
1
! Cave
2
Das Symptom »Schmerzen zwischen den Schulterblättern« kann auf ein Aneurysma der thorakalen Aorta hinweisen. Da die Beschwerden bei dem hier vorgestellten Patienten lange rezidivierend bestehen, liegt nicht unbedingt eine akute Gefahr vor. Der Nikotinkonsum ist allerdings ein prädisponierender Faktor für eine Arteriosklerose.
3 4 5
4.2.3 Kasuistik 15: Chronische Nackenverspannungen
Anamnese
6 Nackenverspannungen
7 8
Cervicocephalgien 15 Jahre, progredient
9
RR n
10 11 12
Dyspnoe
Schwere Lungenentzündung Verdauungsstörungen Nykturie 4-mal Varizenoperation
13 14
Adipositas
15
Eine 61-jährige Patientin kommt mit chronischen Verspannungen im Nacken zur Behandlung. Sie sei wiederholt manipuliert worden, anschließend wurde sie zur Massage geschickt. Trotzdem hielt der Erfolg dieser Therapie jeweils nur kurze Zeit an. Gelegentlich träten auch Kopfschmerzen auf, die vom Nacken über den Kopf zur Stirn zögen. Insgesamt leidet die Patientin bereits seit fast 15 Jahren an diesen Beschwerden, die jedoch in letzter Zeit immer häufiger und intensiver auftreten (. Abb. 4.39). Die Patientin ist aufgrund eines erhöhten Blutdruckes in regelmäßiger ärztlicher Behandlung. Medikamente: Diuretika und ein ACE-Hemmer, Medikamente bei erhöhten Blutfetten. Früher etwas kurzatmig, mit Einnahme des ACE-Hemmers Verbesserung der Symptome. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Vor 5 Jahren schwere Lungenentzündung. mäßige Verdauung, daher je nach Bedarf Einnahme von Früchtewürfeln oder ähnlichem. Nykturie etwa 4-mal pro Nacht. Operationen/Verletzungen: Keine Traumata, zweimaliges Varizen-Stripping, Entfernung von Gallenblase und Uterus. Appendektomie in der Kindheit. Familienanamnese: Diabetes mellitus bei Mutter, Bruder, mehreren Tanten und Onkeln. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Verwaltungsangestellte, Hobbys: Backen und Kochen, kein Sport, 1,63 m groß, 81 kg schwer, selten Alkohol, kein Nikotin, reichhaltige Ernährung. Keine Allergien bekannt.
Befund
16
Witwenbuckel
17
Rechts-thorakal Omentum minus
18
Cervicothoracale Schwellung
19 20 21
T1–5-Flexion C0-Extension Flache Atmung Rechte Pleura !!
Inspektion: »Witwenbuckel«. Posturologisch deutlich vermehrte hochthorakale Kyphose und Hyperlordose der HWS. Thermodiagnostik: Rechts-thorakal vermehrte Wärmeabstrahlung. General Listening führt in Kyphose, Local Listening rechter Thorax sowie zentral im Oberbauch in die Tiefe mit leichter Schlussdrehung (. Abb. 4.40). Palpation: Schwellung mit trophischer Änderung im Nacken über der cervicothorakalen Region, hypertone HWS-Streckmuskulatur, occipitaler Ansatz der Nackenmuskeln schmerzhaft. Bindegewebszonen unauffällig, keine Jones-/ChapmanPunkte. Axiales System: T1–5 in Flexion, C0 bilateral in Extension, beide Schultern stehen mäßig protrahiert, sehr flache Atmung. Viszeral: Allgemeine Kongestion der Abdominalorgane. Bei der provozierten Einatmung unter Vordehnung der rechten Pleura Schmerzauslösung in der rechten Nackenregion. Neurologisch unauffälliger Befund.
4
119
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Th 1–5
1
a
b
c
. Abb. 4.39. Ansicht, Patient 15
Verdachtsdiagnose BWS-Kyphose bei Pleuraretraktion rechts mit kompensatorischer Hyperlordose der HWS (OAA).
Osteopathische Betrachtung Bei der Patientin besteht eine Verkürzung der rechten Pleura, die z. B. nach einer Lungenentzündung entstanden sein kann. Die Pleuraverkürzung ist neben einer mechanischen Irritation der Wirbel C6–7 über die Pleuraaufhängung durch das Lig. cervicopleurale für einen rechtsseitigen Zwerchfellhochstand verantwortlich. Ein faszialer Zug im mittleren Oberbauch wird wahrscheinlich durch das Omentum minus ausgelöst und verstärkt die thorakale Kyphose. Bei einer eingeschränkten Zwerchfellfunktion kommt es bei den Symptomen Retraktion rechte Pleura sowie BWS-Kyphose zu einer allgemeinen venös-lymphatischen Stauung der Abdominalorgane. Auch die Funktion des Zwerchfells als »Motor« der viszeralen Mobilität ist gestört. Zeichen des venösen Staus ist auch das cervicothorakale »Kissen«, welches durch die verstärkte BWS-Kyphose noch zusätzlich betont wird (. Abb. 4.41). Durch die thorakale Kyphose wird eine Hyperlordose der Kopf-Hals-Region erzwungen, damit die Patientin weiterhin geradeaus sehen kann. Behielte die HWS eine normale Stellung bei, würde der Blick durch die vermehrte thorakale Kyphose schräg auf den Boden gerichtet werden. Durch eine Tonuserhöhung der Nackenmuskulatur wird eine Hyperlordose der Kopf-Hals-Region erzeugt, der Blick richtet sich wieder auf. i Tipps Radiologische Untersuchungen ergeben bei solchen Patienten meist eine Steilstellung der HWS (Delordosierung) bei gleichzeitiger Extension der Kopfgelenke. Daraus wird abgeleitet, dass die Hyperlordose nur aus der OAA-Region kommen kann. Andere Untersucher beziehen sich auf die Ergebnisse ihrer manuellen Untersuchungsbefunde, die eine Hyperlordose der HWS an sich zeigt, und kritisieren die Röntgenaufnahmen als Abweichung der Patientenhaltung zu einer vom Röntgenpersonal geforderten Positionierung.
. Abb. 4.40. Local Listening, Patient 15
120
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 HWS
2 3
Pleura re
4 5 6 7 8 9 10
a
b
c
. Abb. 4.41. Osteopathische UFK, Patient 15
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Die Extension der Kopf-Hals-Region ist auf eine vermehrte thorakale Kyphose zurückzuführen, sodass der osteopathische Ansatz in der Beseitigung dieser Fehlfunktion liegt. Bei dieser Patientin müssen die pleurale Retraktion und der ventrale fasziale Caudalzug durch das Omentum minus korrigiert werden. Ziel ist es, dauerhaft eine Abweichung der BWS in Richtung Flexion zu verhindern. Die alleinige Korrektur der BWS wäre hier sicher nicht erfolgreich. Gerade für diese Patienten empfehlen sich Atemtechniken, sodass die Übungen in Eigenregie mehrfach täglich durchgeführt werden können. Dabei ist eine entsprechende Compliance Voraussetzung für den osteopathischen Therapieerfolg. Die Behandlungsdauer kann durchaus 3–6 Monate in Anspruch nehmen.
Schulmedizinische Betrachtung Am Beispiel dieser multimorbiden Patientin sind gleich mehrere Krankheitsentitäten und Kardinalsymptome von Bedeutung.
Kopfschmerzen Die häufigste Schmerzangabe von Patienten bezieht sich auf den Kopf. Ätiologisch spielen dabei viele Faktoren eine Rolle. Differenzialdiagnostisch lassen sich jedoch zwei wesentliche Gruppen unterscheiden: 5 symptomatischer und 5 idiopathischer Kopfschmerz. Sind die Schmerzen streng auf das Ausbreitungsgebiet eines Nervens, wie z. B. auf den N. trigeminus, beschränkt, wird von einer Neuralgie gesprochen. Beim symptomatischen Kopfschmerz steht die Diagnose und Therapie der Grundkrankheit im Vordergrund. Häufig finden sich im Gegensatz zum idiopathischen Kopfschmerz vegetative Begleitsymptome wie Übelkeit, Licht/Lärm-Empfindlichkeit, Schwindel und Doppeltsehen. Einige Beispiele hierfür werden in den noch folgenden Kasuistiken aufgeführt.
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Auch internistische Grunderkrankungen können mit Kopfschmerzen einhergehen, wie z. B. Veränderungen des Blutdruckes. Dabei sind Kopfschmerzen eine mögliche Folge bei einer Hypo- oder Hypertonie. Hypotoniebedingte Kopfschmerzen, die z. B. ein Zeichen von Trainingsmangel sein können, sind anhand der Angaben nicht von dem wesentlich häufigeren hypertoniebedingtem Kopfschmerz zu unterscheiden. Wichtig Zu jeder Kopfschmerzabklärung gehört auch die Blutdruckmessung.
Regelrechte Kopfschmerzanfälle werden in den folgenden Fällen beobachtet:
5 hypertensive Krisen, 5 akuter diastolischer Blutdruckanstieg von über 25%, 5 unter der Schwangerschaft auftretende Eklampsie. Als metabolisch-toxische Ursachen kommen Hypoglykämien, Sauerstoffmangel wie z. B. infolge eines Schlaf-Apnoe-Syndroms oder Kohlenmonoxydbelastung durch z. B. Rauchen in Frage. Auch von anderen Drogen ist eine Kopfschmerzinduktion bekannt. Die Wirkung von Medikamenten ist ausgesprochen vielfältig und kann hier nicht detaillierter aufgeführt werden. Folge von regelmäßigen Medikamenteneinnahmen ist der sog. medikamenteninduzierte Kopfschmerz, der bei Patienten mit chronischen Kopfschmerzen als Folge eines langen Schmerzmittelkonsums entsteht. Ein Circulus vitiosus wird z. B. auch mit der Einnahme von Kombinationspräparaten ausgelöst, da gerade diese Medikamente häufig Koffein enthalten und die Wirkung des Präparates noch verstärken. Dieser Kreislauf kann nur durch eine Behandlung durchbrochen werden, in der über mehrere Wochen eine »Entgiftung« durch eine absolute Medikamentenabstinenz erfolgt. Als Nitratkopfschmerz bezeichnet man Kopfschmerzen, die nach der Einnahme von vasodilatierenden Nitraten auftreten. Vasodilatierende Nitrate sind Medikamente, wie z. B. Nitro-Spray, Isosorbidmononitrat und Molsidomin. Diese Präparate werden zur symptomatischen Therapie z. B. bei koronarer Herzkrankheit eingesetzt. Während symptomatische Kopfschmerzen eher Einzelereignisse sind, treten idiopathische Kopfschmerzen häufig nach gleichem Muster immer wiederkehrend auf. Die Migräne wird in 7 Kap. 4.5.3 »Kasuistik 53«, die Sinusvenenthrombose in 7 Kap. 4.5.7 »Kasuistik 57« thematisiert. ! Cave Plötzlicher Kopfschmerz von bisher nicht gekannter Intensität (Schmerzen wie noch nie), oft von okzipital nach frontal hin ausstrahlend, können Ausdruck einer akuten Subarachnoidalblutung sein. Eine unverzügliche fachneurologische Untersuchung und Behandlung sind in diesem Fall dringend erforderlich.
Nykturie Eine Nykturie, die regelmäßig mit vier Episoden in der Nacht auftritt, muss weiter abgeklärt werden. Mitunter ist sie Ausdruck einer Herzinsuffizienz, die durch begleitende Faktoren wie Adipositas oder eine prädiabetische Stoffwechsellage begünstigt wird. Zur genaueren Diagnostik sollte dazu nicht nur ein Nüchtern-Blut-GlukoseWert bestimmt werden, sondern auch ein Glukosetoleranztest erfolgen. Bei dem Glukosetoleranztest werden 75 g Glukose getrunken, nachdem zuvor der Nüchternwert bestimmt worden ist (Norm <110 mg%). Darauf folgt eine weitere Bestimmung nach 1 und 2 Stunden. Der neu gemessene Wert muss beim Ge-
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4
122
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1
sunden <140 mg% sein. Werte darüber werden als pathologische Glukosetoleranz (prädiabetische Stoffwechsellage) eingestuft. Herzinsuffizienzen werden in 7 Kap. 4.4.4 »Kasuistik 43« ausführlicher bespro-
2
chen. Bleibt eine arterielle Hypertonie längere Zeit unerkannt und unbehandelt, ist die Entwicklung einer hypertensiven Herzerkrankung nachzuvollziehen. Bei der beschriebenen Patientin kann dies zu einer Insuffizienz des Herzmuskels geführt haben. Genauere Hinweise ergäbe eine Echokardiographie. Die medikamentöse Behandlung mit ACE-Hemmern ist bereits zielgerichtet, da mit dieser Therapie nicht nur der Bluthochdruck gesenkt wird, sondern auch die Herzmuskelhypertrophie in eine Regression gebracht werden kann. ACE ist die Abkürzung für Angiotensin-Converting-Enzyme. ACE ist ein Enzym, das sog. Angiotensin I, welches in der Leber aus der Vorstufe Angiotensinogen unter dem Einfluss des Nierenhormons Renin entsteht und sich zu Angiotensin II umwandelt. Diese Umwandlung findet in der Lunge statt. Damit wird die Einbeziehung unterschiedlicher Organsysteme in diesen Regelkreis und die wichtigste Nebenwirkung, nämlich das Auftreten von trockenem Husten, deutlich. Die vorgestellte Patientin nimmt außerdem ein Diuretikum ein. Ein diureseförderndes Medikament gilt als nebenwirkungsarme Basistherapie der Hypertonie. Weitere häufig eingesetzte Therapeutika sind β-Blocker und Kalziumantagonisten.
3 4 5 6 7 8 9
4.2.4 Kasuistik 16: Progrediente Bewegungseinschränkung der
Wirbelsäule
10
Anamnese
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Schmerzen tief lumbal auch in Ruhe Stress Durchfälle
Ein 28-jähriger Referendar für Sport und Latein stellt sich wegen Rückenschmerzen im unteren Lumbalbereich erstmalig in der Praxis vor. Die Schmerzen bestehen bereits beim Aufwachen und können sich belastungsabhängig verschlimmern. Außerdem hat er seit 6 Monaten etwa 3,5 kg an Gewicht verloren und führt dies auf den Stress zurück, den er seit Beginn seines Referendariats durch die für ihn sehr neue und belastende Konfrontation mit den Schülern hat. Seit Beginn des Referendariats leidet er auch an gelegentlichen Durchfällen, die er ebenfalls auf die Stresserfahrung zurückführt (. Abb. 4.42). Medikamente: Keine regelmäßigen Medikamente. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Als Kind nicht bestätigte Milcheiweißallergie. Operationen/Verletzungen: Bisher keine Operationen. Im Rahmen des Sportstudiums, Leistungsgebiete Schwimmen, Volleyball und Tischtennis, mehrfach Prellungen und Bagatelltraumata, aber keine nachhaltigen Verletzungen. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Er ist 1,85 m groß und 72 kg schwer. Nichtraucher, seltener Alkoholkonsum nur zu Feierlichkeiten, seit 5 Monaten wegen der gelegentlichen, aber rezidivierenden Durchfälle abstinent.
Befund Inspektion: Leicht vermehrte thorakale Kyphose und verminderte lumbale Lordose. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung im rechten Unterbauch, Listening weist ebenfalls zum rechten Unterbauch (. Abb. 4.43). Palpation: Erhöhter Tonus des unteren Rückenstreckers. Axiales System: Gruppenläsion T10–12, L4FSRR, Hypomobilität beider ISG, insgesamt Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule. Die Provokation der iliosacralen Bänder zeigt eine entzündliche Reaktion mit nachklingendem Schmerz, insbesondere im Bereich der dorsalen Ligamentanteile. Viszeral: Tonuserhöhung in der I-C-Region mit erhöhter palpatorischer Empfindlichkeit.
123
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Th 1–5
a
b
c
. Abb. 4.42. Ansicht, Patient 16
Verdachtsdiagnose Morbus Bechterew. DD: Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Arthritiden.
Osteopathische Betrachtung Die Hypomobilität beider ISG sowie die eingeschränkte Wirbelsäulenmobilität des Patienten werden in der Osteopathie als eine beginnende strukturelle Veränderung angesehen. Eine funktionelle Läsion bzw. Dysfunktion im Sinne der Osteopathie wäre z. B. ein in eine Richtung begrenzt bewegliches Ilium. Die Gruppenläsion T10–12 weist auf eine Irritation des Dünndarmes hin, der mit den übrigen Befunden als Störung in der Ileozäkalregion imponiert. Als Ursache können sowohl strukturelle als auch funktionelle Störungen vorliegen. Stress als Auslöser der anamnestisch bekannten Durchfälle ist grundsätzlich typisch, jedoch würden bei dieser Ursache Zeichen einer Nebennierenbelastung wie eine veränderte Hautreaktion (Red-Reflex-Test) und die sog. »Pupillen-Pump-Funktion« bei der Testung der direkten Pupillenreaktion auffallen. Bei diesem Patienten kann eher von einer Irritation des Dünndarmes ausgegangen werden. Osteopathisch ist eine ursächliche Therapie bei strukturellem Problemen, wie z. B. einem Morbus Bechterew nicht möglich, dennoch können bestimmte Strategien die Progredienz verlangsamen: 5 Mobilisationstechniken für akut betroffene hypomobile Zonen müssen vermieden werden, da hier die Gefahr einer strukturellen Verschlechterung besteht. In dem aufgeführten Beispiel dürften die ISG nicht mobilisiert werden. In Regionen, die zwar hypomobil sind, aber nicht akut entzündlich reagieren, können Mobilisationen die Progredienz der Erkrankung verlangsamen. Wirbelsäule und Rippen sollten daher im nicht irritierten Stadium mobilisiert werden. 5 Um die Belastung des Gewebes mit Toxinen sowie Gewebe-Übersäuerungen in Grenzen zu halten bzw. zu verbessern, sind Ernährungshinweise sinnvoll. 5 Die Zirkulation muss optimiert werden, um arteriell eine gute Nährstoffversorgung und venös-lymphatisch einen verbesserten Abtransport von Stoffwechselendprodukten und Toxinen zu gewährleisten. Wichtig hierfür ist eine ungestörte Zwerchfellfunktion.
. Abb. 4.43. Local Listening, Patient 16
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
5 Die freie Funktion des thorakolumbalen Übergangs (T12) sollte so lange und gut wie möglich gesichert werden, da hier das sog. »Torsionszentrum« liegt. Dysfunktionen von T12 behindern die normale Torsion zwischen BWS und LWS. Die T12-Torsion ist beim Gehen Voraussetzung für das gleichzeitige und gegensinnige Mitbewegen von Schulter und Becken.
1 2 3
Schulmedizinische Betrachtung
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Die Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) befällt bevorzugt Männer zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr. Diese Erkrankung verläuft meist relativ schleichend und chronisch progredient. Die Entzündung bezieht sich auf den gesamten Bandapparat der Wirbelsäule und die Amphiarthrose der Iliosacralgelenke. Im Bereich der Iliosacralgelenke führt die Entzündung zu Verkalkungen. Im weiteren Verlauf werden paravertebrale Verknöcherungen als typische »Bambusstabwirbelsäule« im Röntgenbild sichtbar. Die bambusartige Verknöcherung führt zur Einmauerung und Versteifung der Wirbelsäule in einer Kyphosestellung. Gelegentlich können auch die Hüftgelenke befallen sein. Anfangssymptome sind (wechselnde) Kreuzschmerzen, die auch nachts und am Morgen auftreten können. Die genetische Prädisposition der Erkrankung wird durch den häufigen Nachweis der sog. Histokompatibilitätsantigene als HLA B27 deutlich. Allerdings gibt es Morbus-Bechterew-Patienten, die einen negativen HLA-B27-Wert haben, während auch Gesunde Merkmal-positiv sein können. Da die Symptome bei Frauen deutlich geringer ausfallen, wird dieses Krankheitsbild bei den weiblichen Patienten häufig übersehen. Diagnostisch stehen der klinische Befund und die entsprechende Bildgebung im Vordergrund. Eine kausale Therapie ist nicht bekannt. Die symptomatische Therapie stützt sich auf die Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika sowie kontinuierlicher Bewegungstherapie. Als Ultima Ratio werden bei sehr schlecht verlaufenden Verknöcherungen Osteotomien der Wirbelsäule durchgeführt. Außerdem besteht eine Vergesellschaftung mit den sog. chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, wie z. B. Colitis ulcerosa und Morbus Crohn (7 Kap. 4.4.7 »Kasuistik 46«). Symptome wie Gewichtsverlust und Durchfälle können ein möglicher Hinweise sein. Zum Thema Stress und Gastrointestinaltrakt s. auch 7 Kap. 4.2.2 »Kasuistik 1«.
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4.2.5 Kasuistik 17: Chronische lumbale Schmerzen
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Anamnese
16 17
Lokalisierter Schmerz in Höhe des Bauchnabels, vermutlich L3
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Nachtschmerz
Chronische Raucherbronchitis
Karzinome in der Familienanamnese
In die Praxis kommt auf Empfehlung eines Gastes eine 49-jährige kinderlose selbstständige Wirtin, die in der Innenstadt eine Szene-Kneipe betreibt. Sie beklagt einen lokalisierten dorsalen Schmerz im Bereich des Lendenwirbelkörpers etwa in Höhe des Bauchnabels. Die Patientin befindet sich bereits in Behandlung ihres Hausarztes, der ihr ein Analgetikum verschrieben hatte, das zwar zur vorübergehenden Linderung, nicht aber zu substanzieller Verbesserung geführt hat, sodass die Patientin teilweise nachts vor Schmerzen aufwacht (. Abb. 4.44). Medikamente: Verschiedene antiobstruktive Medikamente, die jedoch nicht regelmäßig eingenommen werden. Einnahme von Acetylcystein (ACC) zur Schleimlösung. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Chronische Bronchitis seit vielen Jahren. Operationen/Verletzungen: Patellafraktur rechts als 44-Jährige mit Zuggurtung versorgt, restitutio ad integrum. Familienanamnese: Die Mutter der Patientin ist an den Folgen eines Mammakarzinoms gestorben, der Vater an Prostatakrebs.
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4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Th 1–5
a
b
c
. Abb. 4.44. Ansicht, Patient 17
. Abb. 4.45. Local Listening, Patient 17
Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Die Bronchitis wird von der Patientin auf die Raucher in der Kneipe zurückgeführt, nicht aber mit ihrer chronischen Rauchgewohnheit seit dem 14. Lebensjahr von mittlerweile 30–40 Zigaretten pro Tag in Zusammenhang gebracht. Kein Sport, Hobby: Saxophon spielen. Die Patientin ist 1,72 groß und wiegt 77 kg.
Befund Inspektion: Rechtsrotierter Thorax. Thermodiagnostik: Punktuell deutlich vermehrte Wärmeabstrahlung über der Medialseite der rechten Brust in Mamillenhöhe (wie ein Fön). Das Listening weist zur rechten Thoraxseite (. Abb. 4.45). Palpation: Berührungsschmerz am Dornfortsatz von L3. Axiales System: Gruppenläsion der 2.–5. Rippe rechts mit T2–5ERSL, parietal Protraktion der linken Schulter, untere Extremitäten frei, Zwerchfellhochstand, mäßige Kongestion. Provokationstests: Klopf- und Stauchungsschmerz in Höhe L3, wobei der Schmerz nach Beklopfen noch etwa eine Minute anhält.
Verdachtsdiagnose Metastase. DD: Osteoporose.
Osteopathische Betrachtung Bei deutlich positiven Safety-Tests ist Vorsicht geboten: 5 Nachtschmerz in der Anamnese, Klopfschmerz mit anhaltender Symptomatik für etwa 1 Minute im Anschluss an den Reiz. 5 Deutliche segmentale Reizung in Höhe L3 (Berührungs-/Klopf-/Stauchungsschmerz) ohne mechanische Einschränkung. Ebenfalls keine mechanische Einschränkung der unteren Extremitäten, die eine Irritation von L3 verursachen könnten. 5 Thermodiagnostisch punktuelle Wärme (Fön) weist auf eine erheblich gesteigerte Stoffwechselaktivität hin.
Nachklingender Schmerz
4
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
. Übersicht Bei dieser Patientin weisen folgende diagnostische Befunde auf eine Irritation der rechten Thoraxorgane (Lunge) hin: 5 Rechtsrotation des Thorax in der Posturologie mit mechanischer Blockade der 2.–5. Rippe rechts und daraus resultierender Blockade T2–5ERS links entsteht meist durch eine Problematik im Bereich Lunge oder Pleura. 5 Ein Zwerchfellhochstand wird meist durch eine intrathorakale Störung mit einer faszialen Retraktion der intrathorakalen Faszien, wie z. B. rechte Pleura, verursacht. 5 Ein Zwerchfellhochstand kann aber auch durch eine Irritation des N. phrenicus verursacht werden.
Schulmedizinische Betrachtung Die Befunde weisen deutlich auf das Vorliegen eines strukturellen knöchernen Problems hin. Strukturveränderungen des Knochens können als Osteoporose, lokalisiert, z. B. als radiologisches Kennzeichen eines Morbus Sudeck (7 Kap. 4.3.6 »Kasuistik 35«) oder generalisiert vorkommen. Neben traumatisch oder entzündlich bedingten Veränderungen muss immer auch an das Vorliegen eines malignen Geschehens gedacht werden.
9 Wichtig
10
Strukturveränderungen des Knochens sind stets (relative bis absolute) Kontraindikationen für eine osteopathische Behandlung.
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Tumore des Knochens können grundsätzlich benigne, semimaligne oder maligne sein (s. dazu 7 Kap. 3 »Safety«). Einige der häufigen Primärtumore des Skeletts werden in den 7 Kap. 4.2.9, 4.2.11 »Kasuistik 21 und 23« sowie in den 7 Kap. 4.3.10 »Kasuistik 39« und 4.5.1 »Kasuistik 51« vorgestellt. ! Cave Skelettmetastasen zählen zu den häufigsten malignen Knochenveränderungen.
Osteoporose Als weitere Befunde für eine Osteoporose neben dem Witwenbuckel wären das sog. »Tannenbaumphänomen« (tannenbaumartige Hautfalten bei der Inspektion des unbekleideten Rückens) und die nur im Röntgenbild zu erkennende Veränderungen der Wirbelkörper zu nennen: Sinterungsfrakturen komprimieren infolge der dorsalen Verstärkung des Processus spinosus meist ventral, sodass eine typische Keilwirbelform entsteht. Durch Frakturen der Grund- und Deckplatten mit Einbruch des Bandscheibenmaterials entstehen typische Fischwirbel. Klinisch imponieren diese Frakturen selten durch plötzliche spektakuläre schmerzhafte Episoden. Sie sind eher auffällig durch einen schleichenden Verlauf mit der Angabe von chronischem Schmerz. Eine vorbeugende Maßnahme zur Vermeidung von Osteoporose ist die regelmäßige körperliche Bewegung. Zur Entstehung der Osteoporose bestehen zwischen schulmedizinischer und osteopathischer Sichtweise zum Teil eklatante Unterschiede, insbesondere in Bezug auf den Milchkonsum als Kalziumlieferant in der Primär- und Sekundärprävention der Erkrankung. Nach schulmedizinischer Auffassung wirkt ein hoher Milchund Milchproduktekonsum vorbeugend. Im Gegensatz dazu steht, dass Menschen mit einer Milchunverträglichkeit, z. B. Asiatinnen, jedoch ausgesprochen selten an einer Osteoporose leiden. Unumstritten ist die Osteoporose aber die häufigste generalisierte Knochenerkrankung. In Deutschland sind bis zu 6 Millionen, weltweit
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
127
etwa 200 Millionen Menschen betroffen. Die Inzidenz für Osteoporose-bedingte Frakturen im Alter von 60 Jahren liegt bei Frauen um 7-20%, bei Männern bei ca. 3%. Die Stabilität und Elastizität des Knochens wird durch eine funktionell einwandfreie Bewegung und Belastung gewährleistet. Die Stabilität setzt den ausreichenden Einbau von Kalksalzen in den Knochen voraus. Dieser ist alimentär bedingt und hormonell gesteuert. Etwa 65% der Knochensubstanz bestehen aus Mineralsalzen (Hydroxylapatit) die restlichen 35% aus organischen Komponenten wie Kollagen, Prokollagen und Proteoglykanen, die die Knochenmatrix, das sog. Osteoid, bilden. Die Makrostruktur des Knochens gliedert sich in kortikale (etwa 80%) und trabekuläre Spongiosaanteile (etwa 20%). Das gesamte Skelett unterliegt einem ständigen Ab- und Wiederaufbau (Remodelling), der vom Beginn der Resorption bis zur vollständigen Restitution 3–5 Monate andauert. Mit zunehmendem Lebensalter setzt eine gewisse »Entkalkung« des Knochens ein, die bereits zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr beginnt und als »physiologische Altersosteopenie« bezeichnet wird. Normalerweise führt diese nicht zu Frakturen. Bei der Osteoporose jedoch besteht ein Missverhältnis zwischen Knochenneubildung und Knochenresorption zugunsten einer verstärkten Resorption. Daraus resultiert nicht nur ein pathologischer Knochenmasseverlust, sondern auch ein Strukturverlust der verbliebenen Knochensubstanz. Die Folge ist eine reduzierte mechanische Belastbarkeit. In 95% der Fälle handelt es sich um sog. »primäre Osteoporosen«. Seltener spielen andere Konditionen eine Rolle, die dann zu einer sekundären Osteoporose führen. Auslöser für eine sekundäre Osteoporose sind folgende Faktoren: 5 Hormonmangel, wie z. B. Mangel an Wachstumshormonen, 5 Medikamente, wie z. B. Kortison, Heparin, Marcumar, Zytostatika, 5 Dauernoxen wie der inhalative Konsum von Nikotin, 5 das Vorliegen bestimmter Erkrankungen, die mit einer verschlechterten Aufnahme von Kalzium einhergehen wie − Malabsorption durch chronisch entzündliche Darmerkrankungen, 7 Kap. 4.4.7 »Kasuistik 46«). − Primär entzündliche Erkrankungen (primär-chronische Polyarthritis, 7 Kap. 4.3.8 »Kasuistik 37«). − Neoplasmatische Erkrankungen, wie z. B. Plasmozytom (7 Kap. 4.5.1 »Kasuistik 51«).
4.2.6 Kasuistik 18: Probleme der Kopfdrehung nach links
Anamnese Eine 26-jährige Physiotherapeutin kommt in die Behandlung, weil sie seit zwei Tagen den Kopf nicht mehr nach links drehen kann. Die Beschwerden bereiten ihr vor allem beim Autofahren Probleme. Ein Kollege habe sie bereits mit Strain/ Counterstrain-Techniken am Hals behandelt, was allerdings nur für kurze Zeit eine Besserung ergab. Sie habe wenig Schmerzen, bei der Kopfdrehung nach links jedoch ein muskuläres Ziehen. Keine sensiblen oder motorischen Ausfälle. Die Patientin hatte vorgestern einen neurologischen Patienten auffangen müssen, der bei der Gangschulung plötzlich das Gleichgewicht verlor. Sie hätte danach aber keine Beschwerden gehabt (. Abb. 4.46). Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Vorerkrankungen, keine Beschwerden der Organsysteme. Operationen/Verletzungen: Keine weiteren Traumata. Tonsillektomie und Appendektomie in der Kindheit. Familienanamnese: Ohne Auffälligkeiten.
Akute Bewegungseinschränkung HWS nach links Jones ohne bleibenden Erfolg Keine neurologischen Ausfälle
Trauma: musste Patienten auffangen
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
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Th 1–5
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8
b
c . Abb. 4.47. Local Listening, Patient 18
. Abb. 4.46. Ansicht, Patient 18
9 Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Hobbys sind Reiten und Jazzgymnastik, 1,74 m groß, 59 kg schwer, keine Allergien, keine Genussgifte, ausgewogene Leichtkost.
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Befund
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Rechtsrotation Thorax T2ERSL 2. Rippe rechts
Inspektion: Rechte Skapula nach dorsal. Thermodiagnostik: Rechts hochthorakal leicht vermehrte Wärmeabstrahlung. General Listening dreht den Oberkörper nach rechts, im Local Listening hochthorakaler Zug nach rechts (. Abb. 4.47). Palpation: Keine Auffälligkeit. Axiales System: T2ERSL, Blockade der 2. Rippe rechts. Aktive und passive HWSRotation nach links eingeschränkt, wenig schmerzhaft. Viszeral und neurologisch unauffälliger Befund.
Verdachtsdiagnose Blockierte 2. Rippe rechts.
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Osteopathische Betrachtung Normalerweise wird bei einer Kopfdrehung sowohl die HWS als auch der Thorax in die Drehrichtung mitbewegt, sodass die HWS und der Thorax die Rotation gemeinsam ausführen. Aufgrund der Blockade der 2. Rippe rechts führt der ganze Thorax eine leichte Rechtsrotation durch (. Abb. 4.48). Die Folge ist eine Einschränkung der Linksdrehung des Kopfes, weil bei der Bewegung nur noch die HWS folgen kann, während die durch die Rippenblockade ausgelöste Rechtsrotation des Thorax das Drehen des Kopfes bremst. Da nur noch die HWS mitdreht, die Patienten normalerweise aber ihre Bewegungen nicht vermindern, wird der Bandapparat der HWS chronisch überlastet, woraus eine Hypermobilität der HWS resultiert. ! Cave Häufig werden diese Patienten wegen HWS-Irritationen im Bereich der hypermobilen HWS manipuliert, anstatt die Hypomobilität am Thorax zu korrigieren und somit die Ursache für die HWS-Hypermobilität zu behandeln.
129
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
HWS
2. Rippe re
a
b
c
. Abb. 4.48. Osteopathische UFK, Patient 18
Die Therapie besteht in einer Korrektur der 2. Rippe rechts, mit einer eventuell anschließenden Korrektur des 2. Brustwirbels (T2).
Schulmedizinische Betrachtung Alles Wesentliche ist bereits unter der osteopathischen Betrachtung aufgeführt.
4.2.7 Kasuistik 19: Rezidivierende Lumboischialgie
Anamnese Ein 63-jähriger Postbeamter kommt aufgrund von tief sitzenden, dumpfen Rückenschmerzen, die seit mehreren Jahren bestehen, in die Behandlung. Im letzten halben Jahr sind zusätzlich stechende, ins Bein einschießende Schmerzen aufgetreten. Die Beschwerden verstärken sich beim Stehen, während Sitzen die Schmerzen verringert (. Abb. 4.49). Beim Spazierengehen entsteht ein vorübergehendes Taubheitsgefühl im rechten Bein, das jedoch ohne Kraftminderung einhergeht. Am Ende eines Arbeitstages treten oft Schwellungen im Bereich beider Knöchel auf. Nach intensiver sportlicher Betätigung (Tennisspiel) sind die Beschwerden für mehrere Stunden verschwunden. Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Bei den regelmäßigen betriebsärztlichen Untersuchungen normgerechte Befunde. Organe: keine Beschwerden an den Organsystemen. Operationen/Verletzungen: Zustand nach Transurethraler Resektion der Prostata (TURP) bei Prostatahyperplasie vor 7 Jahren, keine Traumata, keine weiteren Operationen. Familienanamnese: Familiär Herzschwäche bekannt. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: 1,84 m groß, 81 kg schwer, keine Allergien, kein Alkohol, etwa 15 Zigaretten täglich, Vollkost ohne Einschränkungen.
Chronischer Kreuzschmerz Neu Ischialgie Stehen verschlechtert Sitzen besser
Sport verbessert deutlich
4
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3 4 5 6 7 8
. Abb. 4.50. Local Listening, Patient 19
9 a
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. Abb. 4.49. Ansicht, Patient 19
11 Befund
12
Flachrücken Besenreiser
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T4FRSL, L1FRSL, L5FRSR, Sacrum P.B., Ilium outflare beidseitig, Lumbale Dura, Kompressionsschmerz und bei LWSExtension Perineum NMR: Spinalkanalstenose
Inspektion: Flachrücken, delordosierte LWS, Besenreiser-Zeichnung an beiden Oberschenkeln. Thermodiagnostik: Kein deutlicher Befund, General Listening mit Hüftflexionsbewegung, Local Listening nicht deutlich (. Abb. 4.50). Palpation: Druckschmerz an den lumbalen Dornfortsätzen, Bindegewebszone über L5 und Sacrum, keine Jones-/Chapman-Punkte. Axiales System: T4FRSL, L1FRSL, L5FRSR, Sacrum posterior bilateral, Ilium outflare, Druck- und Klopfschmerz L3 bis Sacrum, Kompressionsschmerz lumbosacral, kein Distraktionsschmerz, Schmerzprovokation durch forcierte lumbale Extension während der Extension. Viszeral: Vermehrter Tonus des Perineum. Craniosacral/Neurologie: Craniosacrale Irritation der lumbalen Dura mater. Neurologisch keine Sensibilitätsstörungen oder Paresen. Beidseits erloschener Achillessehnenreflex (ASR). Im NMR zeigt sich eine degenerative Spinalkanalstenose mit Spondylarthrose, Hypertrophie der Ligg. flavae und Osteophytenbildung der Wirbelkörper. Keine Bandscheibenvorfälle, keine Frakturen, kein Hinweis auf Osteoporose.
Verdachtsdiagnose Nervenwurzelkompression durch radikuläre Schwellung bei venös-lymphatischer Abflussstörung und Spinalkanalstenose.
Osteopathische Betrachtung
21
Bei diesem Patienten liegen deutliche Hinweise auf eine Spinalkanalstenose vor. Dennoch ist dieser Patient osteopathisch sehr interessant, da er mit der Angabe, dass die Beschwerden nach dem Tennisspielen vollständig verschwunden sind, bereits anamnestisch einen entscheidenden Hinweis zu einem osteopathisch möglichen Behandlungserfolg aufzeigt (. Abb. 4.51).
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4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Thorax Zwerchfell
Bein re
a
b
c
. Abb. 4.51. Osteopathische UFK, Patient 19
i Tipps Zwar liegen mechanische Kreuzschmerzen und Irritationen der Nervenwurzeln vor, der Patient kann aber mit der durch das Tennisspielen verstärkten Atemtätigkeit und dem damit verbesserten venös-lymphatischen Abfluss für eine ausreichende Abschwellung der lumbalen Nervenwurzeln sorgen. Durch den venös-lymphatischen Abtransport sind bei dem Patienten die neurologischen Symptome vollständig verschwunden. Aus diesem Grund besteht in diesem Fall trotz einer degenerativen Stenose keine Indikation zur operativen Sanierung. Die funktionelle Therapie ist noch ausreichend effektiv.
Osteopathisch sollte die Zirkulation, besonders des venös-lymphatischen Abflusses, optimiert werden, um den Patienten effektiv behandeln zu können. Hierfür muss auch die Blockade T4 korrigiert werden, da sie die freie Thoraxentfaltung hemmt und damit den venösen Abtransport bremst. Zusätzlich hat der Patient eine viszerale UFK, bei der durch die Prostatairritation neurovegetativ die Segmente L1 (orthosympathisch) und S2–4 (parasympathisch) betroffen sind. Mechanisch und neurologisch (S2–4) wird das Perineum irritiert und erhöht den Tonus. Die Folge ist eine Läsion des Sacrum nach posterior bilateral und ein beidseitiges Ilium outflare. Dabei unterstützt das Sacrum die Delordosierung. Eine Delordosierung ist aufgrund der Spinalstenose entlastend für den Patienten, während die Iliumläsion, bei der die Outflare-Komponente biomechanisch mit Ilium anterior kombiniert ist, bevorzugt eine Hüftextension einnehmen würde. Dies zeigt auch, warum diese UFK zwar osteopathisch interessant, für diesen Patienten aber derzeit nicht wichtig ist. Die Blockade T4 entsteht wahrscheinlich auf der Basis sog. »Mathematischer Linien«, die den mechanischen Zusammenhang zwischen T4 und dem craniocervicalen sowie lumbosacralen Übergang erklären.
4
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Schulmedizinische Betrachtung Die Spinalkanalstenose (Claudicatio spinalis) entspricht einer ätiologisch nicht immer eindeutigen Verengung des lumbalen Spinalkanals und stellt ein chronisches Kompressionssyndrom dar. Mögliche Ursachen sind 1. kongenitale Veränderungen, einschließlich einer konstitutionellen Prädisposition, 2. degenerative Veränderungen, wie z. B. die Spondylolisthesis oder die Entwicklung von Osteophyten bei Spondylarthrosen, die meist im höheren Lebensalter auftreten (7 Kap. 4.2.8 »Kasuistik 20«). Die folgenden klinischen Symptome sind typisch: 5 Kreuzschmerzen mit radikulärer Ischiasbeteiligung. 5 Hyp- und Parästhesien sowie eine meist vorübergehende Schwäche der Beine. Diese Symptome können von Krämpfen begleitet sein und werden oft als Schmerz beim Stehen wahrgenommen, der bis in die Beine ausstrahlt. 5 Die Beschwerden können sich auch in einer typischen Claudicatio intermittens beim Gehen äußern. 5 Die Beschwerden verschwinden rasch nach dem »Stehen bleiben« bzw. nach einem Lagewechsel im Sitzen oder Liegen. Auslöser kann eine verstärkte Lordose der lumbalen Wirbelsäule (Stehen, Abwärtsgehen) sein, während die Kyphose (Sitzen, vornüber gebeugte Haltung) regelmäßig Erleichterung bringt. Als Pathomechanismus wird eine vorübergehende Ischämie von den durch das Gehen stark beanspruchten Nervenwurzeln infolge der Stenose vermutet. Die bildgebende Diagnostik (7 Kap. 3 »Safety«) umfasst das Röntgenbild, CT und ggf. eine Myelographie (Kontrastmitteldarstellung des Spinalmarks). Periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) Die häufigere periphere arterielle Verschlusskrankheit wird differenzialdiagnos-
tisch von der Spinalkanalstenose unterschieden. Bei diesem Krankheitsbild ist eine fortgeschrittene Arteriosklerose der peripheren Becken-Bein-Gefäße Ursache für die Beschwerden. In der Anamnese muss nach den typischen Risikofaktoren gesucht werden. Besonders ein langjähriger inhalativer Nikotinkonsum stellt eine Gefahr für die Gefäße dar. Aber auch Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck und Diabetes mellitus sind mitverantwortlich für die Entstehung der Erkrankung. Folgende Symptome sind klassisch: 5 schmerzhafte Einschränkung der Gehstrecke, 5 positionsabhängige Schmerzen, 5 belastungsunabhängige Schmerzen.
16
Wichtig
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Der ursächliche Zusammenhang mit dem fast immer bestehenden Nikotinkonsum wird sehr häufig seitens der Patienten negiert.
18 19 20 21
Das regelmäßige Gehtraining zur Anregung einer Angioneogenese ist neben dem Management der Risikofaktoren die klassische konservative Therapie.
Prostatahyperplasie Eine Prostatahyperplasie, die mit einer transurethraler Prostataresektion (TURP) operativ behandelt worden ist, hilft zur differenzialdiagnostischen Abklärung nicht weiter. Die Erkrankung kommt beim Mann jenseits des 50. Lebensjahres regelmäßig vor und geht bei den Betroffenen zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr häufig mit Blasenentleerungsstörungen einher. Die Inzidenz der benignen Prostatahyperplasie liegt bei 65%. Hiervon ist das seltenere, aber bedrohlichere Prostatakarzinom abzugrenzen. Bei dem Prostatakarzinom besteht ebenso wie bei der Prostatahyperplasie ein Geschwulstleiden (7 Kap. 3 »Safety«).
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4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Bei über 70-jährigen Männern ist das Prostatakarzinom der häufigste bösartige Tumor. Da dieser Tumor extrem langsam wächst und klinisch nicht unbedingt auffällt, wird die Diagnose häufig erst beim Vorliegen von Metastasen gestellt. Pathologische Frakturen z. B. der Wirbelkörper können die Folge von Knochenmetastasen sein. Durch die Beteiligung des Knochenmarks können außerdem Anämien und eine verminderte Nierenfunktion entstehen.
4.2.8 Kasuistik 20: Chronische Lumbalgie
Anamnese Eine 28-jährige Sportlehrerin kommt mit chronisch rezidivierenden Kreuzschmerzen zur osteopathischen Behandlung. Bei längerem Verharren in einer Position (z. B. langes Stehen) entsteht eine Verschlechterung der Beschwerden. Moderate Bewegungen verringern die Problematik. Keine Nachtschmerzen, keine Progredienz (. Abb. 4.52). Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Vorerkrankungen, keine Beschwerden der Organsysteme. Operationen/Verletzungen: Keine Traumata. Tonsillektomie mit 11 Jahren. Familienanamnese: Familiär keine Belastungen. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Aktive Balletttänzerin, in der Jugend Turnerin, 1,65 m groß, 56 kg schwer, keine Allergien, keine Genussgifte, ausgewogene Ernährung.
Chronisch rezidivierende Kreuzschmerzen bei langem Stehen
Ballett, früher Turnerin
Befund Inspektion: Unauffällig. Thermodiagnostik: Dorsal im lumbosacralen Übergang Wärmeabstrahlung, Listening ohne Normabweichung (. Abb. 4.53).
Lumbosacral
. Abb. 4.53. Local Listening, Patient 20
a
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. Abb. 4.52. Ansicht, Patient 20
c
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1
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
L5 in Extension hypermobil Sacrum posterior bilateral
2
Verdachtsdiagnose
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Spondylolisthesis.
Osteopathische Betrachtung
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Bei typischen Risikofaktoren (in der Kindheit Turnen, jetzt Ballett) liegt eine Spondylolisthesis zwischen L5 und S1 vor, bei der das Sacrum in Kontranutation steht und der L5 nach ventral (in Extension) abgeglitten ist. Dort bewegt er sich, der Biomechanik eines Wirbels folgend, in Extension (ERS), blockiert dabei aber nicht, sondern ist in beide Richtungen hypermobil.
5 6
i Tipps Die klassische Physiotherapie hat die Delordosierung der LWS zum Ziel, um ein weiteres Abgleiten des cranialen Wirbels zu vermeiden. Dabei wird aber das hypermobile Übergangssegment (L5/S1) mechanisch noch stärker belastet, sodass sich die Beschwerden in der Regel noch verstärken. Um die biomechanische Fehlbelastung der lumbalen Bandscheiben zu korrigieren und gleichzeitig die mechanische Belastung des Übergangssegmentes zu verringern, ist die Korrektur von beiden Komponenten das Ziel der Behandlung.
7 8 9
Wichtig
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Die Korrektur erfolgt in Bauchlage als Sacrummobilisation in Richtung Nutation. Die Arme werden bei der Durchführung nicht wie sonst üblich zur Verstärkung der lumbalen Lordose mit einer maximalen Anteversion der Schultern, sondern mit weniger als 90° Anteversion gelagert (z. B. Hände neben dem Becken).
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Schulmedizinische Betrachtung Die Spondylolisthesis ist entweder die Folge eines Ermüdungsbruches der Interartikulärportion eines lumbalen Wirbelbogens (Spondylolyse) oder eine Fehlentwicklung der dorsalen Anteile im lumbosacralen Übergang. Beschwerden können bereits während der Kindheit auftreten, manifestieren sich aber oft erst später. In der Anamnese werden häufig Bagatelltraumata berichtet. Meistens ist L5 betroffen. Typisch ist die Verstärkung der Beschwerden durch wiederholte schwere Belastungen, wie z. B. Rudern, Turnen, Ballett. Eine Besserung der Symptome kann bei verminderter körperlicher Aktivität beobachtet werden.
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4.2.9 Kasuistik 21: Schmerzen in der gesamten Wirbelsäule
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Anamnese
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Langjährige Rückenschmerzen
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Kribbelparästhesien rechtes Bein Kopfschmerzen
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Palpation: Schwellung über L5 und Sacrum, keine Jones-/Chapman-Punkte. Axiales System: L5 in Extension hypermobil, Sacrum posterior bilateral, Kompressions-, Druck- und Klopfschmerz lumbosacral. Viszeral und neurologisch unauffällig.
In die Praxis kommt ein 61-jähriger Bauleiter mit chronisch rezidivierenden Rückenschmerzen, die seit 25 Jahren bestehen. In den letzten 6 Monaten haben die Beschwerden zugenommen und treten inzwischen auch in Ruhe und beim Autofahren auf. Manchmal sind die Beschwerden von Kribbelparästhesien vor allem des rechten Beines oder Empfindungsstörungen an der Außenseite desselben Beines begleitet. Außerdem klagt der Patient über wiederkehrende quälende Kopfschmerzen ohne bekannten Auslöser (. Abb. 4.54). Früher habe er stark geraucht (40 Zigaretten täglich über 35 Jahre lang), dies aber vor 11 Jahren aufgegeben. Damals habe er ebenfalls häufig Kopfschmerzen gehabt, dies aber im Zusammenhang mit der Rauchgewohnheit gesehen.
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4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
a . Abb. 4.54. Ansicht, Patient 21
b . Abb. 4.55. Local Listening, Patient 21
Linderung der Rückenschmerzen regelmäßig durch heiße Bäder. Verstärkung der Beschwerden in unterschiedlichen Situationen. Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Bei der letzten berufsgenossenschaftlichen Untersuchung vor 4 Monaten wurde eine Schwerhörigkeit festgestellt. Seit etwa einem halben Jahr schmeckt ihm das Essen fad. Operationen/Verletzungen: Operative Revision einer Phimose mit 4 Jahren, Appendektomie mit 7 Jahren. 1987 Sturz vom Gerüst mit distaler Tibiafraktur links, medialer Claviculafraktur rechts und stumpfem Bauchtrauma. Damals stationäre Aufnahme mit osteosynthetischer Versorgung der Tibia. Restitutio ad integrum, seit dem keine weiteren Arztkontakte bis auf die gesetzlich vorgeschriebenen berufsgenossenschaftlichen Kontrolluntersuchungen. Vor kurzer Zeit Kopfverletzung (Schürfwunde) durch heruntergefallene Dachlatte. Der Patient trug keinen Schutzhelm, da dieser nach Angaben des Patienten nicht mehr passt. Familienanamnese: Mutter gesund, seinen Vater hat der Patient nie kennen gelernt. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Hobby früher Fußball, bis zum 45. Lebensjahr auch als Schiedsrichter, seitdem kein Sport bis auf Kegeln. Er ist 1,82 groß und wiegt 105 kg. Regelmäßiger Alkoholgenuss in Form von Feierabendbier. Vollköstige Ernährung.
Schwerhörigkeit Geschmacksstörung
Helm passt nicht mehr
Befund Inspektion: Leichte thorakale Rechtsrotation und Beckenverwringung rechts anterior. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung über dem Kopf sowie gering über der rechten Thoraxseite, ebenso über der Wirbelsäule. Das General Listening zeigt ein Schrumpfen des Patienten, Local Listening zeigt rechten Unterbauch sowie rechten Oberbauch (. Abb. 4.55). Palpation: Erhöhter Tonus der kurzen Nackenmuskeln sowie vergrößerte Leber. Axiales System: Gruppenläsion T6–9NSRR, bilateral C0ESR, L5ERSR, Restriktion Ilium anterior rechts und Ilium posterior links. Abdominale Kongestion. Provokationstests mit Druckschmerz in Höhe L5. Viszeral: Colonirritation und Leberptose. Craniosacral: Deutliche Einschränkung des P.R.M. Neurologisch: Sensibilitätsstörung L5 rechts und leichte Großzehenheberschwäche rechts. Beim Entkleiden des Oberkörpers fällt ein Schwanken auf.
Wärme Kopf
P.R.M. pp Neurologie L5
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Verdachtsdiagnose Morbus Paget.
Osteopathische Betrachtung Anamnestisch Ruheschmerz, Beschwerdeprogredienz, Verschlimmerung durch unterschiedliche Positionen als Hinweise auf Safety-relevante Pathologien. Diagnostisch weisen Thermodiagnostik, General Listening, P.R.M. und Hypertonie der kurzen Nackenmuskeln auf eine intracranielle Störung hin. Local Listening und die Wirbel T6–9 zeigen die leichte thorakale Rechtsrotation als Folge einer subdiaphragmalen Organirritation der Leber, die ihrerseits eine abdominale Kongestion auslöst und für eine Colonirritation sorgt. Die Colonirritation erzeugt die Beckenverwringung Ilium anterior rechts und Ilium posterior links. Daneben bestehen eine radikuläre Irritation von L5 sowie Gleichgewichtsstörungen, die sich durch Schwanken beim Entkleiden äußern. Veränderungen des Geschmacks werden häufig durch eine Störung des N. olfactorius ausgelöst und sollten neurologisch abgeklärt werden. Der anamnestische Hinweis auf eine Vergrößerung des Kopfumfangs ist außerdem ein sehr wichtiger Aspekt, der alle »Alarmglocken« schrillen lassen sollte.
Schulmedizinische Betrachtung Der Morbus Paget (oder Osteodystrophia deformans) ist ein nicht selten auftretendes Krankheitsbild, das aber anders als bei diesem Patienten häufig asymptomatisch verläuft und als radiologischer Zufallsbefund diagnostiziert wird. Die Inzidenz beträgt etwa 4% im mittleren Lebensalter und steigt auf bis zu 10% im 9. Lebensjahrzehnt an. Männer sind etwas häufiger als Frauen betroffen. Bei dieser Erkrankung entsteht eine herdförmige Störung des Skelettumbaus unklarer Ätiologie. Die Klinik kann bei den symptomatischen Verlaufsformen sehr vielfältig sein: 5 In erster Linie werden Schmerzen beklagt, die sich im Bereich der Wirbelsäule und der unteren Extremität bei Belastung verstärken. 5 Man findet auch reaktive Knochenneubildungen, die mit einer erhöhten Hauttemperatur über den betroffenen Arealen einhergehen. 5 Als Folge der Knochenverbreiterungen kann es zur Einengung des Wirbelkanals mit nachfolgenden Wurzelsyndromen, Rückenmarkskompressionen und Affektionen der Hirnnerven kommen. 5 Vor allem sind die Hirnnerven N. olfactorius (I.), N. opticus (II.), N. trigeminus (V.), N. facialis (VII.) und N. vestibulocochlearis (VIII.) betroffen. Diagnostisch stehen folgende Untersuchungen im Vordergrund: 5 Röntgenuntersuchung, 5 laborchemische Bestimmung der alkalischen Phosphatase (Marker für Osteoblastenaktivität als reaktive Knochenneubildung), 5 Messung der Hydroxyprolinkonzentration im 24-Stunden-Sammelurin (Maß für den Kollagenabbau infolge der Knochenresorption), 5 beim Vorliegen von mehreren Herden kann das Erkrankungsausmaß auch szintigraphisch erfasst werden. Eine kurative Therapie ist bisher nicht bekannt. Symptomatisch werden vor allem die Schmerzen mit wirksamen Analgetika behandelt. Bei progredienten Knochendeformierungen und bei Frakturen erfolgen operative Maßnahmen. Viele Patienten sprechen auf die Gabe von Calcitonin an. Als Komplikation kann sich in etwa 1% der Fälle ein Knochensarkom mit schlechter Prognose entwickeln. Die Entwicklung einer Herzinsuffizienz mit klassischen Stauungszeichen ist bei einem ausgeprägtem Morbus Paget ebenfalls möglich.
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4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
4.2.10 Kasuistik 22: Akute Kreuzschmerzen rechts
Anamnese Ein 55-jähriger Patient kommt mit akuten rechtsseitigen stechend-bohrenden Kreuzschmerzen zur Behandlung. Die akuten Beschwerden bestehen seit 3 Tagen, nachdem der Patient bei einem Waldspaziergang mit dem rechten Fuß umgeknickt ist. Bereits seit Jahren sind rezidivierend auftretende, wechselseitige dumpfe Kreuzschmerzen bekannt, so schlimm wie dieses Mal seien sie aber noch nie gewesen (. Abb. 4.56). Unter Einnahme von Ibuprofen und mit einer Wärmflasche seien die Schmerzen ein klein wenig besser geworden, aber schon nach 20 Minuten täte es genauso weh wie vorher. Medikamente: Der Patient ist aufgrund von Alterszucker in regelmäßiger hausärztlicher Therapie. Neben den oralen Antidiabetika nimmt er noch Allopurinol und Lipidsenker ein, gelegentlich auch Laxanzien. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Unregelmäßige Verdauung mit Neigung zu Verstopfungen. Operationen/Verletzungen: Keine Voroperationen. Familienanamnese: Familiär Diabetes bei mehreren Verwandten 1. und 2. Grades bekannt. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Beruflich als Lagerist in einem Versandhandel tätig, Hobbys sind Kartenspielen und Spaziergänge mit dem Dackel. 1,76 m groß, 98 kg schwer, keine Allergien, kein Nikotin, Alkohol regelmäßig (Bier), Ernährung ohne besondere Diät.
Akut stechend-bohrender Kreuzschmerz rechts Nach Supinationstrauma rechts Vorher beidseitig Kreuzschmerzen Alterszucker Blutfette n Harnsäure n
Verdauungsstörungen
Alkohol
Befund Inspektion: Rechtsrotation des Thorax, Gesäß weit nach hinten herausgeschoben (»Enten-Popo«), vernarbte Gesichtshaut (Aknehaut), ausgeprägter Bauchansatz. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung über dem rechten ISG sowie vermehrt über der rechten Beckenschaufel und dem rechten Oberbauch, General Listening knickt in der rechten Hüfte in Flexion ein, Local Listening zeigt auf rechten Unterbauch, rechten Oberbauch (. Abb. 4.57).
Rechtsrotation des Thorax Aknehaut Rechtes Becken
Th 6–9
a . Abb. 4.56. Ansicht, Patient 22
b
c . Abb. 4.57. Local Listening, Patient 22
4
138
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 Leber
3 Caecum Sigmoid
4 5
ISG re
6
ISG re
ISG li
7 8 9
OSG re
a
10
b
c
. Abb. 4.58. Osteopathische UFK, Patient 22
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Rechts ISG!!! Bindegewebszone von Leber Chapman C3–5, T6–9NSRR, T11-L2NSRL, L5FRSR, Ilium posterior beidseitig, Fibula caudal, Provokation ISG Darm, Caecum!!, Sigmoid
Palpation: Sehr empfindliches rechtes ISG, Bindegewebszone von Leber, kein Jones-Punkt, Chapman zeigt beiderseits über den Tractus iliotibialis eine neurolymphatische Reflexzone. Axiales System: Irritation C3–5, Gruppenläsion T6–9NSRR, T11–L2NSRL, Blockade L5FRSR, Ilium posterior links und Ilium posterior rechts, OSG-Dorsalflexion eingeschränkt, Fibula caudal fixiert. Die Extension der rechten Hüfte erzeugt einen stechenden Schmerz auf der rechten Kreuzseite, ebenso die Provokation der rechten iliosacralen Bänder. Viszeral: Leberkongestion mit Kongestion des gesamten Dünn- und Dickdarms, Fixation des Caecum gegen den M. iliacus, auch Sigmoid gegen Psoas.
Verdachtsdiagnose Dekompensationsläsion Ilium posterior rechts nach Supinationstrauma bei eigentlich bestehendem Ilium anterior rechts infolge Caecumfixation sowie Ilium posterior links infolge Sigmoidfixation bei Leberkongestion und venösem Stau im Darm.
Osteopathische Betrachtung Dieser Patient hat seit langem rezidivierende wechselseitige Kreuzschmerzen. Hervorgerufen sind die Beschwerden mal durch das linke und mal durch das rechte ISG. Beide sind aufgrund der Darmirritation in Restriktion. Rechts fixiert sich das Caecum am M. iliacus und zieht das Ilium nach anterior. Links fixiert sich das Sigmoid am Psoas und zieht das Ilium nach posterior. Je nach Belastung reagiert entweder das rechte oder das linke Ilium. Ursache für die Darmirritation ist die schlechte Ernährung des Patienten sowie eine Irritation der Leber. Durch die Abflussstörung der Leber entsteht eine venöse Kongestion sämtlicher Verdauungsorgane, die mit einer verminderten Stoffwechselleistung einhergeht (. Abb. 4.58). Akut wird die vorbestehende Situation durch das Supinationstrauma des rechten OSG dekompensiert. Infolge des Traumas am rechten OSG wird die Fibula caudalisiert und das rechte Ilium durch den M. biceps femoris nach posterior ge-
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
zogen. Da das rechte Ilium aufgrund der vorbestehenden viszeralen UFK eigentlich in einer anterioren Rotation steht, löst der Zug über dem M. biceps femoris eine akute Dekompensation aus, die mit akuten, stechenden Schmerzen einhergeht. Zunächst muss die Dekompensation behoben werden. In der weiteren Therapie können dann die zugrunde liegenden UFK abgebaut werden. Es wäre nicht sinnvoll, diese in der ersten Therapiesitzung abzubauen, da sich die Beschwerden infolge der UFK nur noch verschlimmern würden.
Schulmedizinische Betrachtung Die Grunderkrankungen des metabolischen Syndroms sind bereits in anderen Kasuistiken besprochen worden (7 Kap. 4.1.4 und 4.1.8 »Kasuistik 4 und 8«). Dieser Patient leidet zusätzlich an einer Fettstoffwechselstörung, auf die bisher nur kurz eingegangen wurde. Im Rahmen des metabolischen Syndroms kommt eine Fettstoffwechselstörung regelmäßig vor und ist meist alimentär bedingt. Allerdings kann eine Fettstoffwechselstörung auch unabhängig von der Ernährung auftreten. Eine ernährungsunabhängige Fettstoffwechselstörung ist Ausdruck einer entsprechenden Disposition. Die drei häufigsten, auch kombiniert auftretenden Veränderungen, werden im Folgenden näher erklärt:
Hypercholesterinämie Die Cholesterinsynthese ist nur zu etwa 50% nahrungsabhängig. Cholesterin ist für den Körper z. B. zur Bildung von Geschlechtshormonen essenziell. Physiologischerweise steuert die Leber die Synthesevorgänge. Man unterscheidet die im Blut nachweisbaren Messgrößen Gesamtcholesterin, LDL- und HDL-Cholesterin. Das HDL-Cholesterin wird im weiteren Text besprochen. Das LDL-Cholesterin ist ein Cholesterin, das an ein Lipoprotein geringerer Dichte (Low-density-Lipoprotein) gebunden ist und durch die Blutbahn transportiert wird. Dieses Cholesterin ist einer der wichtigsten Risikofaktoren der Gefäßverkalkung und sollte <165 mg/dl beim ansonsten Gefäßgesunden betragen. Haben Patienten bereits eine Manifestation einer Herz-Kreislauf-Erkrankung, z. B. einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder die pAVK, darf der Zielwert von <100 mg/dl nicht überschritten werden. Durch eine Diät oder Dauermedikation kann dieser Wert erreicht werden. Gängige Präparate sind z. B.: Zocor®, Sortis® oder Pravasin®. i Tipps Die jeweiligen Medikamente werden stets abends eingenommen, da die Hauptsyntheseleistung der Leber in der Nacht erfolgt und daher die höchste Wirksamkeit erreicht wird.
Hypertriglyceridämie Die Erhöhung der Neutralfette wird als Hypertriglyceridämie bezeichnet. Sie kann bereits nach einem ungewöhnlich opulenten Mahl ohne weiteren Krankheitswert beobachtet werden, kommt aber auch regelmäßig bei Typ-II-Diabetes, Adipositas oder als isolierte Störung vor. Auch ein chronischer oder übermäßiger Konsum von Alkohol kann die Ursache für laborchemische Veränderungen sein. Neben einer gezielten Diät und Ernährungsberatung kann eine medikamentöse Therapie mit den sog. Fibraten erfolgen.
α-1-Hypolipoproteinämie Nicht nur erhöhte LDL-Cholesterin-Werte schädigen die arteriellen Gefäße, sondern auch ein vermindertes HDL- (High-density-Lipoprotein-)Cholesterin. Das High-density-Lipoprotein hat als Teil der »Blutfettfraktion« eine Schutzfunktion bei der Arterioskleroseentwicklung. So stellt ein zu geringes HDL-Cholesterin einen eigenen Risikofaktor dar und kann z. B. durch vermehrtes körperliches Training angehoben werden. Die Maxime von A.T. Still findet in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung: Leben ist Bewegung.
139
4
140
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
4.2.11 Kasuistik 23: Rezidivierende Dorsalgien
1
Anamnese
2 3
Nächtliche Schmerzen in der unteren Wirbelsäule (Vermutlich L3)
4 5
Acetylsalicylsäure gibt symptomatische Erleichterung
6 7 8 9 10 11
In die Praxis kommt ein 15-jähriger Junge in Begleitung seiner Mutter. Diese berichtet, dass ihr Sohn vor allem nachts heftig auftretende Schmerzen im Bereich der unteren Wirbelsäule habe. Der Junge zeigt spontan auf den Schmerzpunkt, der sich recht lokalisiert im Bereich des Wirbelkörpers L3 befindet. Er selbst beschreibt den Schmerz als stechend-bohrend. Die Beschwerden bestehen schon seit etwa 4 Monaten und wurden von der Mutter, die von Beruf Altenpflegerin ist, bereits in der ersten Nacht in Ermangelung anderer Medikamente mit Acetylsalicylsäure (ASS) behandelt, was ausgesprochen effektiv war. Mittlerweile machen sich beide aber Sorgen darüber, dass bei Absetzen der ASS-Behandlung die Schmerzen stets zurückkehren. Weitere Symptome bestehen nicht. Eine ärztliche Konsultation hat bisher nicht stattgefunden (. Abb. 4.59). Medikamente: Außer ASS werden keine Medikamente eingenommen. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Keine schweren Traumata in der Vergangenheit, Tonsillektomie mit Adenektomie im Alter von 6 Jahren. Familienanamnese: In der Familie des Jungen besteht eine Neigung zu Adipositas, er selber ist aber hoch aufgeschossen und schlank, 1,75 m groß, 68 kg schwer. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Keine Besonderheiten bezüglich der Ernährung, kein Allergien, keine Genussgifte.
Befund Inspektion: Steilstellung der LWS. Thermodiagnostik: Lokal vermehrte Wärmeabstrahlung über L3. Listening unauffällig (. Abb. 4.60).
Lokale Wärme L3
12 13 14 15 16 17 18 19 20
. Abb. 4.60. Local Listening, Patient 23
21 a
b
. Abb. 4.59. Ansicht, Patient 23
c
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Palpation: Deutlicher paravertebraler Hartspann. Axiales System: Delordosierende Gruppenläsion T11–L5, Sacrum bilateral in Kontranutation (Basis posterior). Schmerzprovokation bei Stauchung und Beklopfen von L3. Viszeral und craniosacral: Unauffällige Befunde, keine neurologischen Ausfälle.
Verdachtsdiagnose Osteoidosteom. DD: lumbaler Scheuermann aufgrund der Delordosierung.
Osteopathische Betrachtung Anamnestisch ist der Nachtschmerz Hinweis auf ein knöchernes Geschehen. Die weiteren Befunde ergeben keinen Hinweis auf eine lokale Irritation des L3. Eine reflektorische Schutzfunktion zeigt sich durch den paravertebralen Hartspann, der mit einer Delordosierung der LWS und bilateraler Kontranutation des Sacrum einhergeht. ! Cave Bei einem derartigen Befund sollte der Osteopath den Patienten zur weiterführenden Diagnostik entweder zum Radiologen oder zum Orthopäden weiterleiten.
Schulmedizinische Betrachtung Die Beschwerden sind für ein Osteoidosteom sehr typisch: 5 nächtlicher knöcherner Schmerz, 5 gute Ansprechbarkeit auf Salicylate. Untypisch ist jedoch die Lokalisation. Etwa 50% aller Osteoidosteome treten im Bereich von Femur und Tibia auf. Seltener betroffen sind auch andere Röhrenknochen sowie Talus, Os naviculare, Kalkaneus und die lumbale Wirbelsäule. Osteoidosteome an der Wirbelsäule lösen nicht selten sog. »sekundär schmerzhafte Skoliosen« aus. Zur weiteren Diagnostik dieses gutartigen Knochentumors ist neben einem möglicherweise unauffälligen Röntgenbild die Fokussuche im CT sinnvoll. Bei einer operativen Entfernung des Tumorgewebes wird stets eine histologische Abklärung durchgeführt. Wichtig Die Suche mit Hilfe einer Nadelbiopsie führt oftmals zu keinem Ergebnis, da der Fokus zu klein ist, um spontan ohne vorherige bildgebende Diagnostik gefunden zu werden.
Eine operative Therapie bewirkt eine rasche Beschwerdefreiheit, sofern der Nidus (Kern des Tumors) komplett entfernt wurde. Bei dieser Tumorart ist auch das Zuwarten möglich, da Osteoidosteome häufig im Laufe der Jahre spontan verknöchern und ein weiteres verdrängendes Wachstum nicht mehr möglich ist. In diesem Zeitraum, der bis zu 4 Jahre andauern kann, bleibt die Erkrankung symptomatisch, da der verdrängende Wachstumsprozess knöcherne Schmerzen verursacht. In dem oben aufgeführten Fall wäre differenzialdiagnostisch aufgrund der Wirbelsäulendelordosierung auch ein lumbaler Morbus Scheuermann möglich. Die anamnestische Salicylatabhängigkeit ist jedoch so eindeutig, dass diese DD allenfalls als Begleiterkrankung in Betracht zu ziehen ist.
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DS/KS L3 ohne Blockade
4
142
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
4.2.12 Kasuistik 24: Linksseitige Thoraxschmerzen
1
Anamnese
2 3
Eine 48-jährige Fischhändlerin hat seit 2 Tagen Schmerzen in der linken Brusthälfte. Sie beklagt, nichts Schweres mehr heben zu können, sofort bräche ihr der Schweiß aus und sie habe ziehende Schmerzen. Gestern habe sie hohes Fieber gehabt, sei allerdings heute morgen fieberfrei erwacht. Gesundheitliche Probleme seien ihr ansonsten völlig fremd, nur die üblichen Kinderkrankheiten hätte sie gehabt. Seit 4 Jahren ist die Patientin in den Wechseljahren, die ohne wesentliche Beschwerden verlaufen (. Abb. 4.61). Medikamente: Aufgrund der Neigung zum Schwitzen Einnahme eines Johanniskrautpräparates nach hausärztlicher Verordnung. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Keine Operationen, keine Traumata. Familienanamnese: In ihrer Familie sind Herzerkrankungen bekannt, die Mutter leidet an einer Herzschwäche, der Bruder hat einen Herzschrittmacher wegen Rhythmusstörungen. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Normale Mischkost. Die Patientin ist 1,67 m groß und wiegt 75 kg. Sie fährt gerne Fahrrad.
Schmerzen in der linken Brusthälfte Schweißausbrüche Wechseljahre
4 5 6 Herzinsuffizienz bei der Mutter
7 8
Befund
9
Inspektion: Diskrete Adipositas. Thermodiagnostik: Vermehrte bandförmige Wärmeabstrahlung über der 4. Rippe links, das Listening weist zur linken Brustseite (. Abb. 4.62). Palpation: Axilläre Lymphknotenschwellung links. Axiales System: Unauffällig, Schmerzprovokation durch Hautberührung sowie Bewegungstests der 4. Rippe und T4. Viszeral und craniosacral: Unauffälliger Befund.
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
. Abb. 4.62. Local Listening, Patient 24
20 21
a
b
. Abb. 4.61. Ansicht, Patient 24
c
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Verdachtsdiagnose Zoster. DD: Intercostalneuralgie, Herzinfarkt.
Osteopathische Betrachtung Zunächst besteht mechanisch der Verdacht einer Rippenblockade, die ähnliche Beschwerden verursacht. Eine Rippenblockade hat jedoch weder einen bandförmig verlaufenden Rippenschmerz noch bandförmige Berührungsschmerzen der Haut zur Folge. Klarheit gibt hier der Untersuchungsbefund, in dem eine mechanische Störung nicht zu finden ist. Mögliche neurologische Pathologien wären eine reine Intercostalneuralgie sowie ein Herpes zoster, der mit einer begleitenden Intercostalneuralgie einhergehen kann. Wichtig Bei einer Intercostalneuralgie finden sich keine Lymphknotenschwellungen im Abflussgebiet der Brusthälfte.
Bei dieser Patientin gibt die Anamnese zusätzlich den entscheidenden Hinweis auf einen im Zusammenhang mit den Symptomen aufgetretenen Fieberschub. Diese Symptomkombination deutet daher eher auf eine Herpes-zoster-Erkrankung hin.
Schulmedizinische Betrachtung Beim Herpes zoster handelt es sich stets um eine vorangegangene Infektion mit dem Varizella-zoster-Virus (VZV). Beim Erstkontakt manifestiert sich die Erkrankung klinisch oft als Varizelleninfektion (Windpocken). Das VZV gehört zur Gruppe der Herpesviren, ebenso wie z. B. der Herpes-simplex-Virus I, II oder das Zytomegalievirus. Symptomatisch haben alle Herpeserkrankungen ein gleiches »bläschenförmiges Auftreten« in der Primäreffloreszenz. Bei den Windpocken spricht man vom typischen »Sternenhimmel«, womit das Nebeneinander von Bläschen in einem unterschiedlichen »Reifezustand« gemeint ist. Die Bläschenbildung reicht von den mit infektiöser Flüssigkeit prall gefüllten Bläschen bis hin zur Verkrustung nach deren Platzen und die Neigung zur Neurotropie. Die Herpesviren nisten sich bevorzugt in Nervengewebe ein, wo sie dann zeitlebens verharren. Dauereinnistungsorte sind meist die Spinalganglien. Bei einer abgeschwächter Immunität kann sich eine retrograde Verbreitung entlang eines peripheren Nerven ausbilden. Das klinische Bild charakterisiert sich deshalb meist durch einen segmentalen Befall. Zur Diagnosestellung der Erkrankung gehört immer auch die Suche nach Gründen für die abgeschwächte Immunität. Vorboten eines Herpes zoster können auch als Intercostalneuralgie apparent werden, die ihrerseits aber auch davon unabhängig auftreten kann. Die Beschwerden können zur differenzialdiagnostischen Verwechselung mit einer Angina Pectoris führen, insbesondere wenn sie linksseitig angegeben werden. Typisch für eine Angina Pectoris ist infolge einer relativen Enge der Koronararterien, dass bei einem spontanem Verschluss (Koronarthrombose) ein schmerzhaftes Druck- und Engegefühl hinter dem Sternum entsteht. Die plötzlich auftretenden Schmerzen sind nicht belastungsabhängig. Begleitend treten häufig typische Schmerzausstrahlungen in den linken (manchmal auch rechten) Arm oder in den Unter- und Oberkiefer auf. Die Ursache für eine Angina Pectoris liegt meist im Vorliegen klassischer Risikofaktoren einer Arteriosklerose. Risikofaktoren sind Nikotin, Hypercholesterinämie, Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Bewegungsmangel.
143
4
144
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Wichtig
1
Ein akuter Infarkt kann ähnliche Beschwerden verursachen, wird jedoch oft von Kaltschweißigkeit, Angst und Vernichtungsgefühl begleitet. Verschwinden die Beschwerden unter der Gabe von Glyceroltrinitrat (Nitro-Spray), handelt es sich meist um eine Angina Pectoris. Bei einer Persistenz der Beschwerden muss ein akuter Herzinfarkt vermutet werden. Ein Infarkt kann durch typische EKG-Veränderung und den laborchemischen Nachweis von »Herzenzymen« bestätigt werden. Mittlerweile gibt der einfach durchzuführende Troponin-Test eine valide Auskunft über das Vorliegen und Ausmaß eines Infarktes.
2 3 4 5 6
4.2.13 Kasuistik 25: Schmerzhafte Bewegungseinschränkung
der HWS
7 8 9 10
Anamnese Rezidivierende Bewegungseinschränkung HWS mit hellen Schmerzen! Muskuläre Verspannung Stress!! Zustand nach Gastritis
11 12 13 14
Zustand nach Duodenalulcus
Allergien
15
Eine 39-jährige Anästhesistin kommt mit rezidivierend auftretender schmerzhafter Bewegungseinschränkung der HWS zur Behandlung. In der Kernspintomographie sind ein Bandscheibenvorfall ebenso wie strukturelle Anomalien ausgeschlossen worden. Der orthopädische Kollege habe von Myogelosen gesprochen und Physiotherapie empfohlen, die stets Linderung brachte, jedoch bisher keinen bleibenden Erfolg erzielen konnte. Sie habe selbst das Gefühl, muskuläre Verspannungen zu haben. Die Schmerzen sind hell und seitlich am Hals lokalisiert (. Abb. 4.63). Medikamente: In Stresssituationen bedarfsweise Einnahme von Protonenpumpenhemmern. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Letzte Gastritis vor 4 Monaten. Verdauungsunregelmäßigkeiten mit Neigung zu Diarrhöen und Sodbrennen in Stressphasen. Obstipationsneigung in Erholungsphasen. Operationen/Verletzungen: Keine Traumata. Vor 5 Jahren endoskopische Sanierung eines Duodenalulcus. Familienanamnese: Familiär keine Belastungen. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: In der Freizeit Triathlon, 1,73 m groß, 65 kg schwer, Allergien gegen Tierhaare, Nickel und Milcheiweiß, 1 Glas Wein, etwa 15–20 Zigaretten täglich, Ernährung wechselhaft (oft Kantinenkost).
Befund
16
Linksrotation des Thorax
17 18
Magen!!! T6–9, C0–2, C3–5 Seitliche Halsmuskulatur
19 20
Phrenicus links
Inspektion: Linksrotation des Thorax (linke Scapula steht dorsal). Thermodiagnostik: Gesteigerte Wärmeabstrahlung im Bereich des linken Oberbauches sowie im Bereich der HWS. General und Local Listening weisen zum linken Oberbauch (. Abb. 4.64). Palpation: Hypertone Nacken- und seitliche Halsmuskulatur, Bindegewebszone Magen, kein Jones-Punkt, Chapman-Punkt ventral in Höhe der 6. Rippe. Axiales System: Gruppenläsion T6–9 sowie C0–2 und C3–5. Bei aktiver und passiver Rotation der HWS provozierbarer heller Schmerz der seitlichen Halsmuskulatur. Craniosacral: Abgeschwächter P.R.M. Viszeral: Magenirritation mit Fixation zur kleinen Kurvatur. Neurologisch: Positiver Phrenicus-Provokationstest links.
Verdachtsdiagnose
21
HWS-Muskelhypertonie durch viszerale Irritation (Vagus- und Phrenicus-vermittelt).
145
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Th 6–9
a
b
c
. Abb. 4.63. Ansicht, Patient 25
Osteopathische Betrachtung Bei der Patientin besteht seit Jahren chronischer Stress, der bereits wiederholt den Magen irritiert hat. Diese Irritation wird neurologisch an die Ursprungssegmente der HWS weitergeleitet (. Abb. 4.65):
. Übersicht 5 Neurovegetativ parasympathisch (Vagus) wird eine Irritation des Organgewebes an die Segmente C0–2 weitergeleitet. 5 Faszial afferent (Phrenicus) wird eine mechanische Irritation des Organs an die Segmente C3–5 weitergeleitet. 5 Neurovegetativ orthosympathisch (Grenzstrang) wird eine Irritation des Organgewebes an die Segmente T6–9 und Rippe 6–9 weitergeleitet.
Bei dieser Patientin stehen eine Beratung zum Stress-Handling sowie die Behandlung der viszeralen Ursache und damit der HWS-Irritation im Vordergrund.
Schulmedizinische Betrachtung Die letzte Gastritis trat vor 4 Monaten auf. Offenbar besteht ein chronisches Problem, sodass zur Linderung der Symptome Protonenpumpenhemmer eingenommen werden. Diese modernen Medikamente senken die Säurebildung des Magens und sind allgemein gut verträglich, wie z. B. das gängige Präparat Pantozol®. Die Säure scheint aufgrund einer Cardiaschwäche manchmal retrograd in den Ösophagus vorzudringen (Sodbrennen) oder aber den Pylorus in größeren Portionen zu überwinden. Früher haben diese Vorgänge häufig zur Entwicklung eines Duodenalulcus geführt. Gastritiden werden in die Typen A, B und C unterteilt.
5 Typ A stellt eine Autoimmunkrankheit dar, die bevorzugt Belegzellen des Magens zerstört. Folge ist, dass der Magen anazid wird. Dadurch können Infektionen häufiger auftreten. Eine daraus typisch resultierende Erkrankung ist die Ausbildung einer perniziösen Anämie, die durch eine mangelnde Aufnahme von Vitamin B12 entsteht und u. U. mit der Ausprägung einer funikulären Myelose einhergeht. Symptome einer funikulären Myelose sind z. B. Sensibilitäts-
. Abb. 4.64. Local Listening, Patient 25
4
146
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 HWS
2 3 4
Magen
Stress
5 6 7 8 9 10
a
b
c
. Abb. 4.65. Osteopathische UFK, Patient 25
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
störungen, Parästhesien, Dysästhesien, Abschwächung der Reflexe sowie eine besonders in der Dunkelheit auftretende deutliche Gangunsicherheit. 5 Typ B kennzeichnet das vermehrte Auftreten des krankheitsauslösenden Keimes Helicobacter pylori. Der Helicobacter pylori ist ein Verursacher von Magengeschwüren (Ulcera ventriculi) und Geschwüren des Zwölffingerdarms (Ulcera duodeni). Wegen der ätiologisch wichtigen Bedeutung des Helicobacter kann z. B. eine einfache Bestimmung mit Hilfe eines 13C-HarnstoffAtemtests erfolgen. Bei positivem Befund und klinischer Symptomatik wird eine sog. Eradikationstherapie mittels einer Antibiose durchgeführt. Der Behandlungserfolg kann durch den 13C-Harnstoff-Atemtest gesichert werden. 5 Die Typ-C-Gastritis entsteht infolge einer chronischen Einwirkung von Noxen, wie z. B. die Dauermedikation mit Acetylsalicylsäure, nichtsteroidalen Antiphlogistika oder Zytostatika, sowie chronischer Alkohol- und/oder Nikotinbelastung. Die Diagnostik umfasst neben der sorgfältigen Anamnese eine endoskopische Befundsicherung. Typische klinische Zeichen sind Übelkeit, Erbrechen, saures Aufstoßen, Schmerzen im Epigastrium und Appetitlosigkeit. Bei der Typ-A-Gastritis steht die Vitamin-B12-Substitution im Vordergrund. Zusätzlich sollten regelmäßige endoskopische Kontrollen erfolgen, da bei dieser Gastritis ein erhöhtes Karzinomrisiko besteht. Eine Typ-B-Gastritis wird durch eine Eradikation von Helicobacter pylori therapiert. Die Typ-C-Gastritis wird durch Weglassen der Noxen inklusive Stressabbau bzw. verbesserter Stressbewältigung und symptomatisch mit Antazida (Protonenpumpeninhibitoren) behandelt. Eine toxische Belastung der Patientin liegt vor allem durch den inhalativen Nikotinkonsum, aber auch durch den regelmäßigen Alkoholgenuss und die Ernährung mit häufig vorgefertigter (Kantinen-)Kost vor. Die großen Resorptions- und Kontaktflächen zur Außenwelt haben bereits mit Widerwillen gegen Milcheiweiß
147
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
(Darm), gegen Nickel (Haut) und gegen Tierhaare (Lunge) reagiert. Näheres hierzu ist in 7 Kap. 4.1.2 »Kasuistik 2« aufgeführt. Auch die sportliche Betätigung als Triathletin spricht für die Suche nach Extrembelastung, mit dem sog. »Hunger nach Stress«.
4.2.14 Kasuistik 26: Schmerzen an der Wirbelsäule und den
Weichteilen Anamnese Eine 42-jährige Krankenschwester kommt mit immer wiederkehrenden Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule sowie der Schulterregion und der Oberschenkel zur Behandlung. Dabei seien die Weichteile verspannt, teilweise verkrampft. An der Wirbelsäule besteht in Ruhe und bei Belastung ein eher dumpfer Schmerz. Bei starker beruflicher Belastung sind die Beschwerden eher verbessert. Faktoren für die oft plötzlich auftretende Verschlechterung können von der Patientin nicht benannt werden (. Abb. 4.66). Medikamente: Eigenmedikation mit NSAR und Analgetika nach Bedarf. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Neigung zum Schwitzen, oft Einschlafstörungen, welche die Patientin auf den Schichtdienst zurückführt. Operationen/Verletzungen: Keine Traumata. Im Alter von 8 Jahren Tonsillektomie und kurz danach Appendektomie. Familienanamnese: In der Familie Rheumatismus. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Kein Sport, Hobbys Stricken und Handarbeiten, 1,66 m groß, 62 kg schwer, Pollinosis, etwa 35–40 Zigaretten täglich, Alkohol wenig, Ernährung hauptsächlich von Fertigkost.
Schmerzen Wirbelsäule, Schulter, Oberschenkel Verspannung
Schwitzen, Schlafstörung
Rheuma Pollinosis, Nikotin, Schlechte Ernährung
Befund Inspektion: Stark vernarbte Haut. Posturologisch thorakale Kyphose. Thermodiagnostik: Kältegefühl im Abdominalbereich, Listening von Lunge, Leber und Niere (. Abb. 4.67). Palpation: Berührungsschmerz der Schulter-Nacken-Region sowie der Flanken und Oberschenkel, derbe Bindegewebsveränderungen, cervicothorakales Kissen. Bindegewebszone von Leber und Niere, Chapman-Punkt des Colon positiv.
Hautnarben Thorakale Kyphose Lunge, Leber, Niere Berührungsschmerzen!!
Th 1–5
a . Abb. 4.66. Ansicht, Patient 26
b
c . Abb. 4.67. Local Listening, Patient 26
4
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2
Thorax
3 WS Schulter OS
4 5 6 7 8 9 a
10
b
c
. Abb. 4.68. Osteopathische UFK, Patient 25
11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Schmerzhaftigkeit demon-striert wirkend P.R.M. schnell und schwach Colon
Axiales System: T1–5 in Flexion, keine segmentalen Blockaden, insgesamt rigide Wirbelsäule, generalisierte Muskeltonuserhöhung. Provokationstests aufgrund starker, z. T. etwas demonstriert wirkender Schmerzhaftigkeit, nicht beurteilbar. Craniosacral: Beschleunigter P.R.M. mit verringerter Amplitude. Viszeral: Fixation der linken Lunge, mechanische Irritation des linken Leberlappens. Fixation der rechten Niere/Nebenniere, Hypomobilität des gesamten Colonrahmens mit Kongestion. Neurologisch: Unauffälliger Befund.
Verdachtsdiagnose Fibromyalgiesyndrom/Weichteilrheumatismus auf Basis einer metabolisch-toxischen Gewebebelastung. DD: Kongestion bei Kyphose BWS.
Osteopathische Betrachtung Bei der Patientin liegt eine generalisierte Reizung des Gewebes vor, die mit einer vermehrten Schmerzreaktion einhergeht. Begünstigende/auslösende Faktoren sind Stressbelastung und die Belastung aller Entgiftungsorgane wie Lunge, Leber, Niere, Darm, Haut. Infolge der Stressbelastung entsteht eine Gewebeübersäuerung, die eine verstärkende Wirkung auf Gewebemediatoren hat, während eine Belastung der Entgiftungsorgane den Abtransport von Stoffwechselprodukten und alimentär zugeführten Toxinen behindert. Die dadurch entstehende Gewebebelastung führt dazu, dass der Körper mit Schwellungsneigung und vermehrter Schmerzempfindlichkeit reagiert (. Abb. 4.68). Ziel der osteopathischen Behandlung ist das Eliminieren von gewebebelastenden Substanzen durch folgende Maßnahmen: 5 Verbesserung der Zirkulation zum Abtransport aus dem Gewebe, 5 Optimieren der Funktion von Entgiftungsorganen zur Elimination aus dem Körper.
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
149
Unbedingt notwendig ist es dabei, die Zufuhr von gewebebelastenden Substanzen drastisch zu verringern. Maßnahme hierzu ist die reichliche Zufuhr von Wasser bei gleichzeitiger Vermeidung von Tee, Kaffee, Nikotin, zuckerhaltigen Produkten, tierischen Eiweißen etc. Über die Bewegung wird zusätzlich die Zirkulation in den betroffenen Geweben verbessert, sodass der Patient Fortschritte seiner eigenen Belastbarkeit bemerken wird.
Schulmedizinische Betrachtung Das Fibromyalgiesyndrom zählt in den Formenkreis des Weichteilrheumatismus. Das Leitsymptom des Weichteilrheumatismus ist eine generalisierte Schmerzangabe (»Es tut überall weh«). Eine Abgrenzung zu anderen Erkrankungen wie beginnende Gelenkaffektionen oder Infektionskrankheiten ist nicht immer sofort möglich. Schmerzen am Bewegungsapparat reflektieren nach schulmedizinischer Sicht häufig eine bestimmte Lebensweise die u. a. durch sog. »statische Insuffizienzerscheinungen« geprägt ist. Unter statischen Insuffizienzerscheinungen wird die Häufung von Beschwerden in den Bereichen Fuß, Beckengürtel, Lendenwirbelsäule und Schultergürtel verstanden. Diese sind typische Regionen, in denen die meisten orthopädischen Beschwerden vorgebracht werden. Wahrscheinlich sind die statischen Insuffizienzerscheinungen Ausdruck der noch nicht vollständig konsolidierten entwicklungsgeschichtlich bedingten Übergangsphase vom Modell des Vierfüßlers zum aufrecht Gehenden. Sie beschreibt eine Entwicklung, die auch in der Ontogenese vom Embryo über das Kleinkind zum Erwachsenen hin durchlaufen wird. Viele der Fibromyalgiepatienten und -patientinnen sind stark übergewichtig und wirken schlapp und hypoton. Häufig finden sich Prädilektionsstellen für Muskelschmerzen und Muskelansatzschmerzen, sog. Triggerpunkte. Folgende Triggerpunkte sind typisch: 5 Schultergürtel und Nacken, vor allem am M. trapezius, 5 Beckenkamm, paravertebral, am M. glutaeus maximus und seinen Ansätzen sowie am Trochanter major. Triggerpunkte bilden sich auch an den Extremitätengelenken, insbesondere am Schulter- und Ellbogengelenk, sowie im Bereich der gesamten Rückenmuskulatur aus. Etwa bohnengroße Verhärtungen in der Muskulatur, die nicht nur spontan, sondern auch auf oberflächlichen Druck und Zusammendrücken hin schmerzen, werden als Myogelosen bezeichnet. Typische schmerzverstärkende Faktoren sind Kälte und Feuchtigkeit, die als sog. »klassische Rheumatrigger« bezeichnet werden. Eine Linderung der Beschwerden wird meist durch Wärme, Massage und Bäder erreicht.
4.2.15 Kasuistik 27: Sternale Schmerzen
Anamnese Ein 36-jähriger Fernfahrer kommt mit seit ca. 3 Monaten zunehmenden stechenden Schmerzen im Bereich des Brustbeines zur osteopathischen Behandlung. Bei Bewegungen der Arme oder bei tiefer Atmung nehmen die Beschwerden zu. In Ruhe verbessern sich die Symptome. Nachts treten beim Umdrehen gelegentlich stechende sternale Schmerzen auf (. Abb. 4.69). Medikamente: Keine Medikamente. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Vor einem halben Jahr litt der Patient an einer schweren Lungenentzündung, die fast 3 Wochen lang mit Antibiotika behandelt wurde. Die letzte Kontrolle beim Hausarzt vor 2 Monaten war aber unauffällig. Eine erneute Lungenentzündung als Ursache der Beschwerden wurde ausgeschlossen.
Stechender Schmerz sternal seit 3 Monaten, bewegungs-/atemabhängig
Pneumonie vor 6 Monaten
4
150
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3
Th 1–5
4 5
2
6
1
7 a
8
10 Familiär Herzerkrankungen
12 13
Nikotin
16 17
. Abb. 4.70. Local Listening, Patient 27
Operationen/Verletzungen: Keine Beschwerden an den Organsystemen, keine Traumata. Zwei Voroperationen bei Leistenhernie links, zuletzt mit Netzeinlage. Familienanamnese: In der Familienanamnese mehrere Verwandte mit Herzerkrankungen, Stent-Einlage bei Vater und Bruder. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Patient ist 1,78 m groß, 84 kg schwer, keine Allergien, etwa 50 Zigaretten täglich, wenig Alkohol, durchschnittliche Ernährung.
Befund Thorax in Exspiration Stufe 2. Rippe
14 15
c
. Abb. 4.69. Ansicht, Patient 27
9
11
b
T2–3FRSL, C6ERSR, C7FRSL Provokation: thorakale Flexion Lig. cervicopleurale links Pleura links!!!
Inspektion: Thorax in Exspirationsstellung, Stufenbildung der 2. Rippe beidseits am Angulus von Ludovici. Posturologisch Flexionstypologie. Thermodiagnostik: Lunge links, Listening zeigt in die linke Thorakalregion (. Abb. 4.70). Palpation: Druckschmerz am sternochondralen Übergang der 2. und 3. Rippe links mehr als rechts, keine Bindegewebszone, keine Jones-/Chapman-Punkte. Axiales System: T2–3FRSL, C6ERSR, C7FRSL. Bei forcierter thorakaler Flexion (aktiv und passiv) Schmerzverstärkung. Viszeral: Verkürztes Lig. cervicopleurale links, starke Pleuraretraktion links, Zwerchfellhochstand links, mittelgradige abdominale Kongestion. Neurologisch: Unauffälliger Befund.
Verdachtsdiagnose Tietze-Syndrom bei BWS-Kyphose T2–3 infolge Lungenentzündung.
18 19 20 21
Osteopathische Betrachtung Bei Flexionsläsionen der BWS kommt es zur Exspirationsstellung der zugehörigen Rippen, was eine sternochondrale Kompression auslöst. Geht diese Kompression mit Schmerzen einher, wird sie schulmedizinisch als Tietze-Syndrom bezeichnet (. Abb. 4.71). Bei diesem Patienten liegt eine Irritation der Segmente T2–3 vor, die viszeral an die Organe Lunge, Herz, Ösophagus gekoppelt sind. Gleichzeitig besteht ein Listening der linken Pleura mit starker Retraktion, die eine mögliche Folge der Lungenentzündung ist. Nach caudal bringt die Retraktion das Zwerchfell links in Hochstand und überträgt nach cranial eine Spannung auf das linke Lig. cervicopleurale. Diese Spannung zieht mechanisch den Wirbel C7 nach FRSL und C6 nach ERSR.
151
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Lunge li
Sternocostalgelenk 2–3
a
b
c
. Abb. 4.71. Osteopathische UFK, Patient 27
Osteopathisch muss die Ursache der Flexionsläsion T2–3 gelöst werden. Um das zu erreichen, wird faszial die Pleuraretraktion links korrigiert. Daneben sollte im parietalen System eine Korrektur der Wirbel T2–3 erfolgen.
Schulmedizinische Betrachtung Das costosternale (Tietze-)Syndrom ist eine ohne erkennbare Ursache langsam entstehende, umschriebene Schwellung der knorpeligen Verbindung zwischen Sternum und einer der oberen Rippen. Spontanheilungen sind möglich.
4.2.16 Kasuistik 28: Thorakaler Beklemmungsschmerz links rund
um die Brust Anamnese: Ein 55-jähriger Investmentbanker kommt in die osteopathische Praxis mit seit fünf Wochen bestehenden, teilweise stechenden Schmerzen in der linken Brust mit Engegefühl, die zuerst beim einem Halbmarathon plötzlich bei km 18,5 auftauchten. Der Patient ist den Halbmarathon noch zu Ende gelaufen, was wegen der Schmerzen unangenehm war, aber keine wesentliche Leistungsminderung aufwies. Der Hausarzt hat den Patienten dann zum Kardiologen überwiesen, die Ergebnisse der Untersuchungen liegen aktuell noch nicht vor (. Abb. 4.72). Medikamente: Omeprazol 20 1x1 seit 8 Jahren, keine weitere Medikation. Sonstige Erkrankungen / Beschwerden: Regelmäßige Magenbeschwerden, stress abhängig. Operationen: Leistenhernie rechts vor 3 Jahren. Familienanamnese: Vater an Herzinfarkt verstorben, Großvater sowie Mutter mit bekannter Herzerkrankung.
Angina pectoris links, Halbmarathon möglich, Magenbeschwerden, familiär Herzerkrankungen
4
152
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2
Schulter re
3 Leber
4 5 6 7 8
. Abb. 4.73. Local Listening, Patient 27
9 10
a
b
c
. Abb. 4.72. Ansicht, Patient 27
11 Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Ausdauersport seit Studium, Nichtraucher, kein Alkohol. 185 cm, 68 kg.
12
Befund:
13
Inspektion: Bei der Inspektion Linksrotation des Thorax mit auffälliger Hauterhöhung in der Axillarlinie Höhe der 4. Rippe links, gut bemuskelter, schlanker Patient. Listening unauffällig (. Abb. 4.73). Palpation: Druckdolente, erhabene 4. Rippe links, erhöhter Tonus der kurzen Nackenmuskeln beidseits. Thermodiagnostik: keine Auffälligkeit. Axiales System: Blockade der 4. Rippe links mit Druckschmerz am Rippenköpfchen sowie im Verlauf der 4. Rippe links an deren Unterrand. Viszeral: Gewebeschwellung im Bereich des unteren Ösophagus sowie der Cardiaregion ohne auffällige fasziale Spannung.
14 15 16 17 18 19 20 21
Verdachtsdiagnose: Blockade 4. Rippe li., Linksrotation Thorax, Ösophagus/Cardia
Blockade der 4. Rippe links mit Angina pectoris-ähnlichen Thoraxschmerzen, NB stressinduzierte Magenirritation, medikamentös kompensiert.
Osteopathische Betrachtung: Der Patient betreibt seit langem Ausdauersport, keine Genussgifte. Akut aufgetretene Beschwerden während einer Ausdauerbelastung könnten sowohl auf (familiär bekannte) Herzprobleme hinweisen, vielmehr aber auch auf eine (z. B. durch Verdrehung des Oberkörper entstandene) Rippenblockade (. Abb. 4.74). In der Akutanamnese spricht der fehlende Leistungsknick gegen eine akute Herzerkrankung, dies wird durch die Ergebnisse der kardiologischen Untersuchung zu stützen sein. Der osteopathische Befund am Ösophagus / Cardia könnte Hinweise für eine angepasste Lebensführung sein, gleichwohl kompensiert diese Schwachstelle medikamentös offensichtlich recht gut, es gibt z. B. dort keine fasziale Spannung.
153
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Rippe li
Thoraxschmerz li
a
b
c
. Abb. 4.74. Rippe links, Thoraxschmerz links
Wichtig Wenn ein Patient mit Thoraxbeschwerden in die osteopathische Praxis kommt, und sich ein parietaler Befund findet, der diese Beschwerden erklärt (hier: 4. Rippe links), muss trotzdem eine ärztliche Abklärung erfolgen, weil sich auch vom Herzen ausgelöste Beschwerden (selbst durch einen Herzinfarkt!) durch eine parietale Behandlung für einige Stunden stark gelindert werden kann, was dem Herzen allerdings nicht weiterhilft…
Schulmedizinische Betrachtung: Trotz der sportlichen Lebensweise ohne regelmäßigen Gebrauch von Genussgiften bestehen deutliche Risikofaktoren für eine kardiologische Ursache der Beschwerden: die positive Familien- und Stressanamnese. Kardiologische Probleme während eines Marathons kommen immer wieder vor, auch wenn die überwiegende Anzahl der Teilnehmer herzgesund das Ziel erreicht. Die Angina pectoris äußert sich in einem meist belastungsabhängigen Engegefühl des Thorax, das aber eben auch auf parietale Ursachen zurückzuführen sein kann. Hier ist eine abwägende Differentialdiagnostik angezeigt und zwischen parietaler und viszeraler Ursache zu unterscheiden. Näheres siehe auch Kasuistik 4.2.13. Zu den typischen Symptomen der häufigsten Herzerkrankungen siehe auch . Tab. 3.15, zur Diagnostik Abschnitt 3.5.2. Ein weiteres parietales Problem am Thorax, das gelegentlich als kardiogen fehlgedeutet wird, ist das Tietze-Syndrom, das eine druckdolente Schwellung (u. U. mit Schmerzausstrahlung und vegetativen Begleiterscheinungen wie Tachycardie oder Hitzegefühl) im Bereich des sternalen Ansatzes der 2. oder 3. Rippe ohne weitere Entzündungszeichen beschreibt. Die Ursache ist ebenso unbekannt, wie der Grund für die folgenlose Rückbildung nach einigen Monaten.
4
154
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
4.2.17 Kasuistik 29: Tiefsitzende Kreuzschmerzen
1
Anamnese:
2
mittiger Kreuzschmerz, ziehender Nackenkopfschmerz, zyklusabhängig
3 4 5 6 7
Befund:
8 9 10
Eine 39-jährige Hebamme stellt sich mit tiefsitzenden mittigen Kreuzschmerzen vor, die sich zyklusabhängig verstärken und oft von ziehenden Nackenkopfschmerzen begleitet werden. Es werden, auch auf gezielte Nachfrage, keine neurologischen Auffälligkeiten geschildert. Zyklus regelmäßig 28 Tage, zu Beginn oft heftige Menses (. Abb. 4.75). Medikamente: Keine regelmäßige Medikation. Sonstige Erkrankungen / Beschwerden: Berufsbedingt unregelmäßiger Tagesablauf, häufig Stresssituationen, dadurch abgeschlagen, Müdigkeitsgefühl. Operationen: Appendektomie vor 25 Jahren, ACG-Plastik rechts bei Schultereckgelenkssprengung (Tossy III) vor 14 Jahren. Familienanamnese: unauffällig. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Kein Sport, kein Alkohol, 15-25 Zigaretten täglich, 174 cm, 68 kg.
T12-L2, Sacrum ant. bilat., Lig. latum uteri bds., Lig. uterosacrale bds
11
Inspektion: Bindegewebszone Sacrum, ansonsten unauffällig. Listening: Zug in den Unterbauch mittig ins Becken (. Abb. 4.76). Palpation: Druckschmerz im thorakolumbalen Übergang, erhöhter Tonus der kurzen Nackenmuskeln beidseits. Thermodiagnostik: vermehrte Wärmeabstrahlung mittig im Unterbauch. Axiales System: Restriktion T12-L2 sowie Sacrum anterior bilateral (Sacrum in Nutation). Viszeral: Fasziale Spannung im Becken sowie Affektion des Lig. cardinale (latum uteri) und des Lig. uterosacrale beidseits.
12 13 14 15 16 17 18 19 20
. Abb. 4.76. Local Listening, Patient 29
21 a
b
. Abb. 4.75. Ansicht, Patient 29
c
155
4.2 · Rumpf/Wirbelsäule
Occiput T12 - L 2
Uterus
Sacrum
a
b
c
. Abb. 4.77. Uterus zum Sacrum und zu T12-L2 sowie Sacrum zum Occiput weiter
Verdachtsdiagnose: Uteruspathologie (z. B. Myom) mit Zug des Lig. uterosacrale, dadurch Sacrum ant. bilateral und Durazug zum Occiput
Osteopathische Betrachtung: Die UFK stellt sich wie folgt dar: Durch eine Uterusvergrößerung (z. B. ein Myom) wird ein Zug auf die Ventralseite des Sacrum ausgeübt, welcher in diesem Falle eine Dysfunktion des Sacrum in Nutation (also anterior bilateral) erzeugt. Der Uterus wird von T12-L2 sympathisch sowie S2-4 parasympathisch innerviert, weswegen hier die entsprechenden Dysfunktionen ebenso zu finden sind wie die typische »gynäkologische« Bindegewebszone (siehe auch . Abb. 2.7.). Über die Dura mater erzeugt eine Nutationsdysfunktion des Sacrum Spannung am Occiput, welche reaktiv eine Kontraktur der kurzen Nackenmuskeln auslöst (. Abb. 4.77). Zusätzlich ist das Lig. latum uteri auffällig, was für eine vermehrte Spannung des Uterus in seinen Haltebändern erzeugt. Bei dieser Patientin fehlt die in so einem Falle ebenfalls typische Tonuserhöhung des Perineum, welches auch zu den Halte- und Stützgeweben des Uterus zählt.
Schulmedizinische Betrachtung: Uterusmyome (Leiomyome und Fibromyome) sind gutartige Wucherungen der glatten Gebärmuttermuskulatur, die zwar bei etwa der Hälfte der Frauen im gebärfähigen Alter vorhanden sind, jedoch nur manchmal, dann aber z. T. sehr heftige Beschwerden bereiten. Myome differieren in ihrer Größe, von münzgroß bis melonenschwer. Man unterscheidet nach ihrer Lokalisation, die auch die führende Klink erklärt, subseröse, intramurale und submuköse Myome. Subseröse Myome entwickeln sich direkt unter der den Uterus umkleidenden Tunica serosa uteri (viszerales Peritoneum) und dehnen sich vor allem nach außen aus. Am häufigsten aber findet man intramurale Myome, die inmitten der glatten Uterus-Muskulatur wachsen. Submuköse Myome entwickeln sich noch weiter im Inneren des Ute-
4
156
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
rus, nämlich direkt unter der Gebärmutterschleimhaut die die Uterushöhle von innen auskleidet. Dadurch erklärt sich auch ihre Klinik: verstärkten Regelblutungen (Hypermenorrhoe), eventuell Unfruchtbarkeit bzw. Fehlgeburten. Die wichtigsten Symptome bei einem Myom-Leiden sind in . Tab. 4.1 aufgelistet.
1 2 3
. Tabelle 4.1. Die wichtigsten Symptome eines Myom-Leidens im Überblick
4
Symptom
Bemerkung
Sehr starke und lang andauernde Regelblutung
(Hypermenorrhoe)
5
Schmerzen oder Druckgefühl im Becken
6
Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
(Dyspareunie)
Bei Druck auf die Blase
ständiger Harndrang (Pollakisurie), Harninkontinenz oder Blasenentleerungsstörung
Bei Druck auf den Darm
Verstopfung (Obstipation) und / oder Blähungen (Flatulenz)
Vergrößerter Bauchumfang
täuscht unter Umständen Gewichtszunahme vor
7 8 9 10
Die fachärztliche gynäkologische Diagnostik umfasst die Feststellung von Lage und Größe des Uterus inklusive sonographischer Untersuchung von Lokalisation und Ausdehnung möglicher Myome. Gegebenenfalls differentialdiagnostische Abklärung bösartiger Veränderung. Symptomlose Myome kann man halbjährlich bis jährlich per Ultraschall-Untersuchung beobachten. Liegen aber Beschwerden vor sind verschieden Therapieverfahren etabliert, deren Wahl auch von der Stärke der Beschwerden und der Lebenssituation der Patientin abhängt (z. B. Kinderwunsch/ Familienplanung). Grundsätzlich können Myome offen (laparotomisch) oder laparoskopisch/hysteroskopisch entfernt werden bis hin zur Gebärmutterentfernung (Hysterektomie). Nicht-operativer Verfahren umfassen eine hormonelle Behandlung oder auch die therapeutische Anwendung von fokussiertem Ultraschall.
11 12 13 14 15
4.3
16
4.3.1 Kasuistik 30: Schulterschmerzen rechts
17
Anamnese Rechts Schulterschmerzen
18 19
Dumpf-stechend Ventrolateral, keine Ausstrahlung
20 21
Obere Extremität
Cholezystektomie
Eine 44-jährige Schauspielerin kommt mit Schulterschmerzen rechts zur Behandlung. Seit ca. 6 Wochen nehmen die Schmerzen zu. Die Beschwerden treten vor allem bei Elevationsbewegungen auf. Ebenso wird die Patientin nachts vor Schmerzen wach, wenn sie sich auf die rechte Seite dreht. Die Schmerzen werden als dumpf-stechend empfunden. Sie befinden sich ventrolateral an der rechten Schulter ohne Ausstrahlung in den Arm (. Abb. 4.78). Medikamente: Keine regelmäßige Medikation, öfter Aspirin nach feucht-fröhlichen Feiern. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Erkrankungen, keine Beschwerden an den Organsystemen. Operationen/Verletzungen: Keine Traumata. Vor 4 Jahren Cholezystektomie. Familienanamnese: In der Familie chronisch obstruktive Lungenerkrankungen.
157
4.3 · Obere Extremität
Th 6–9
a
b
c
. Abb. 4.78. Ansicht, Patient 30
. Abb. 4.79. Local Listening, Patient 30
Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: In der Freizeit Joggen, 1,72 m groß, 70 kg schwer, keine Allergien, regelmäßig Wein, etwa 30 Zigaretten pro Tag, wechselnde Ernährung.
Befund Inspektion: Protraktion der rechten Schulter, leichte Rechtsrotation des mittleren Thorax. Thermodiagnostik: Hinweis auf den rechten Oberbauch, das Listening weist ebenfalls zum rechten Oberbauch (. Abb. 4.79). Palpation: Druckschmerz ventrolaterale Schultergelenkskapsel rechts und im rechten Oberbauch, Bindegewebszone Leber. Axiales System: Gruppenläsion T6–9NSRR, eingeschränkte Retroversion und Elevation der rechten Schulter. Bei den Provokationstests Schmerzverstärkung bei aktiver und passiver Dehnung der ventrolateralen Kapsel. Viszeral: Pleuraretraktion rechts, Leberptose. Neurologisch: Keine Auffälligkeiten.
Verdachtsdiagnose Viszerale Schulter rechts bei Leberptose.
Osteopathische Betrachtung Hinweis auf eine Leberptose sind die Befunde T6–9NSRR, Ptose Leber, Pleuraretraktion. Aufgrund der Leberptose entsteht ein faszialer Zug zur rechten Schulter, der die Bewegung dort einschränkt und eine entzündliche Reaktion der rechten Schultergelenkskapsel provoziert. Diese Konstellation wird als »viszerale Schulter« bezeichnet, da die Ursache der Schulterbeschwerden im faszialen Zug der »viszeralen« Leber zu suchen ist (. Abb. 4.80). Therapeutisch ist neben der osteopathischen Behandlung der Leber auch eine Ernährungsberatung notwendig, um die Belastung des Entgiftungsorgans Leber zu minimieren. Zur Förderung der Entgiftung kommen auch medikamentöse oder homöopathische Rezepturen in Frage.
Protraktion rechte Schulter Rechter Oberbauch Ventrolaterale Kapsel Bdgw.-Zone Leber T6–9NSRR
Pleura rechts, Leberptose
4
158
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2
Schulter re
3 Leber
4 5 6 7 8 9 a
10
b
c
. Abb. 4.80. Osteopathische UFK, Patient 30
11 Schulmedizinische Betrachtung
12
Der Gebrauch von Genussgiften und die offenbar damit verbundene gelegentliche Einnahme von Medikamenten stellen eine höhere Stoffwechselanforderung an die Leber dar. Der häufigste Grund ist eine erhöhte alimentäre Belastung insbesondere durch zu hohen Alkoholkonsum und belastende Ernährung. Bei einer chronischen Überbelastung neigt das Organ zur Vergrößerung und degenerativen Einlagerung von Fett. Je nach Grad der Ausprägung spricht man von einer Leberverfettung oder eine Fettleber. Eine weitere degenerative Veränderung unter chronischer Überbelastung führt zum irreversiblen bindegewebigen Umbau, der sog. Leberzirrhose. Laborchemisches Korrelat der Erkrankung ist z. B. die Erhöhung der Transaminasen (GOT, GPT). Der gesteigerte γ-GT Wert wird als relativ spezifisch für die chronische Überlastung mit Alkohol angesehen.
13 14 15 16
Wichtig
17
Eine Transaminasenerhöhung kann auch Ausdruck eines Steinleidens (Lithiasis) der galleabführenden Wege sein.
18 19
4.3.2 Kasuistik 31: Akute Ellbogenschmerzen links
20 21
Anamnese Akute Schmerzen im linken Ellbogengelenk Früher ähnliche Beschwerden im Fuß
Ein 47-jähriger Mann kommt im Anschluss an ein Sommerfest mit akuten Schmerzen im linken Ellbogengelenk zur osteopathischen Behandlung. Er weist sofort auf das Gelenk, um auf die Schwellung aufmerksam zu machen. Wenige Stunden zuvor wurde er immer wieder zum Mittrinken animiert. Jetzt aber hat er ein schmerzverzerrtes Gesicht und gibt an, solche Beschwerden schon mehrmals, allerdings im Fuß gehabt zu haben. Angaben darüber, auf welcher Seite die Beschwerden bevor-
159
4.3 · Obere Extremität
Th 1–5
a
b
c
. Abb. 4.81. Ansicht, Patient 31
zugt auftreten und wie lange das letzte Ereignis zurückliegt, kann der Patient nicht machen. In ärztlicher Behandlung ist er seit über 10 Jahren wegen Bluthochdrucks und eines obstruktiven Schlaf-Apnoe-Syndroms. Die Schlaf-Apnoe wird nach mehrfachen erfolglosen Diätversuchen nun zusätzlich mit einer nächtlichen Maskentherapie behandelt (. Abb. 4.81). Medikamente: Betablocker, ein Diuretikum und ein ACE-Hemmer. Früher habe er außerdem einmal Allopurinol eingenommen, warum er dieses Medikament einnehmen musste, kann der Patient nicht mehr sagen. Insgesamt macht er den Eindruck, dass er seine Medikamente nur sporadisch einnimmt. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Supinationstrauma rechtes OSG als 35-Jähriger, Supinationstrauma links 2 Jahre später. Das rechte wurde damals noch operativ versorgt, das linke konservativ mit einer Aircast-Schiene. Zwei Operationen aufgrund von Leistenhernien linksseitig, die erste während seines Wehrdienstes, die zweite etwa 10 Jahre später. Familienanamnese: Beide Eltern des Patienten leben nicht mehr, der Vater ist an einem Schlaganfall gestorben, die Mutter mit dem Auto verunfallt. Ein Bruder des Patienten ist zuckerkrank. Dieser Bruder wie auch eine Schwester des Patienten leiden unter Bluthochdruck. Alle in der Familie neigten zur Körperfülle. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Selbstständiger Schlachter von Beruf, Größe 1,73 m, Gewicht 125 kg. Kein regelmäßiger Sport, keine Allergien. Angesprochen auf seine Ernährung gibt er an, »dies ist mein wunder Punkt, ich esse und trinke so gern, am liebsten Fleisch und Bier«.
Befund Inspektion: Vermehrte thorakale Kyphose mit kompensatorischer Hyperlordose der HWS/OAA, delordosierter LWS sowie Beckenverwringung rechts anterior. An der Ohrmuschel einige Tophi. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung über dem linken Ellbogen, der Leber sowie dem Colon sigmoideum. General Listening zeigt zum Oberbauch rechts, Local Listening weist zum rechten Oberbauch und linken Unterbauch (. Abb. 4.82). Palpation: Berührungsempfindliche überwärmte Schwellung am rechten Ellbogen. Axiales System: T1–5 in Flexion, T6–9NSRR, L4ERSL, Ilium anterior rechts, Ili-
. Abb. 4.82. Local Listening, Patient 31
Bekannte arterielle Hypertonie und SchlafApnoe-Syndrom Antihypertensiva Allopurinol?
Supinationstrauma links und rechts Leistenhernie, 2-mal operiert
Familie: Metabolisches Syndrom
4
160
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
um posterior links, schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Ellbogens in alle Richtungen. Schmerzprovokation durch Bewegung und Berührung am linken Ellbogen. Viszeral: Leberschwellung und -ptose sowie Sigmoidfixation gegenüber dem Psoas und Caecum in Bezug zur rechten Beckenschaufel. Hepatojugulärer Refluxtest positiv.
Verdachtsdiagnose Gicht-Arthritis.
Osteopathische Betrachtung Die akuten Beschwerden am rechten Ellbogen sind entzündlich bedingt. Daher stellen sie eine Kontraindikation zur lokalen osteopathischen Behandlung dar. Eine Erklärung hierzu ist in der schulmedizinischen Betrachtung aufgeführt. Osteopathische Befunde bei diesem Patienten sind eine relative thorakale Enge (Kyphose) mit erhöhtem Druck auf den venösen Schenkel des Kreislaufs, ein venöser Rückstau zur Leber, die geschwollen und ptosiert ist, sowie von dort ein venöser Rückstau des gesamten Darmes. Gleichzeitig wird der Darm des Patienten alimentär belastet, sodass verstärkt Probleme erzeugt werden. Die Beschwerden äußern sich in der Ausbildung eines Ilium posterior links als Folge der Psoaskontraktur bei Sigmoidfixation. Das Ilium anterior rechts ist durch eine Iliacusverkürzung bei Caecumfixation entstanden. Wichtig Der positive hepatojuguläre Refluxtest zeigt eine deutliche Belastung des venösen cardialen Systems.
Schulmedizinische Betrachtung Die Arthritis urica kann durch eine Hyperurikämie im Laborbefund dargestellt werden. Sie kommt als isoliertes Krankheitsbild oder als Teil des metabolischen Syndroms vor und wurde bereits in 7 Kap. 4.1.4 »Kasuistik 4« besprochen. Männer sind zu 90% betroffen. Bei der Arthritis urica besteht zwar eine genetische Prädisposition, die Auslöser der Erkrankung sind aber meist alimentär. Diese Erkrankung ist daher in den sog. »entwickelten Staaten« wesentlich häufiger als in Entwicklungsländern. Die wichtigsten Auslöser werden im Folgenden aufgeführt: 5 zu hohe Harnsäurewerte. Diese entstehen beim Abbau von purinhaltiger Nahrung, wie z. B. Fleisch, Innereien oder Hülsenfrüchten. Alkoholkonsum hemmt den Purinabbau, sodass gerade die Kombination aus fleischreicher Kost und Alkoholkonsum zur Krankheitsmanifestation führt. i Tipps Eine Hyperurikämie kann auch Ausdruck einer Niereninsuffizienz sein.
Bei einer Niereninsuffizienz ist weniger die Suche nach spezifischen Auslösern relevant, sondern die weiterführende Diagnostik. Oft besteht im Laborbefund eine gleichzeitige Erhöhung der Retentionsparameter Kreatinin und Harnstoff. Harnstoff wird ebenfalls beim Abbau von Proteinen gebildet. Der Harnstoffanteil wird, wie das Kreatinin aus dem Muskelstoffwechsel, im Serum bestimmt. Mit den ermittelten Werten kann die Funktionstüchtigkeit der Nieren dargestellt werden (Normwerte 7 Kap. 3).
161
4.3 · Obere Extremität
4.3.3 Kasuistik 32: Rezidivierende Kribbelparästhesien rechte
Hand Anamnese Eine 36-jährige Serviererin kommt mit seit 8 Monaten rezidivierend auftretenden Kribbelparästhesien sowie schmerzbedingter Minderbelastbarkeit der rechten Hand, teilweise auch des Unterarmes, zur Behandlung. Vor allem abends während der Arbeit sowie gegen Morgen treten die Beschwerden auf. Oft kann sie kaum die Teller tragen. Verbunden mit den Kribbelparästhesien ist ein Schwellungsgefühl der Hand. Die Schmerzen sind schlecht lokalisierbar und eher dumpf. Verbesserung nach dem Aufstehen, Verschlechterung während und nach Belastungen (. Abb. 4.83). Medikamente: Keine Medikation. Sonstiges Erkrankungen/Beschwerden: Keine Erkrankungen. Häufiger Verdauungsprobleme mit Obstipationsneigung. Operationen/Verletzungen: Appendektomie mit 15 Jahren, vor 2 Jahren Operation am linken Carpaltunnel. Familienanamnese: Familiär leere Anamnese. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Hobbys Basteln und Fernsehen, 1,70 m groß, 71 kg schwer, Tierhaarallergie, selten Alkohol, kein Nikotin, viel Fertigkost.
Kribbelparästhesien/rechte Hand/UA mit Schmerzen Belastung und morgens diffus/dumpf
Obstipation CTS-Operation links 2 Jahre
Befund Inspektion: Vermehrte hochthorakale Kyphose mit Protraktion beider Schultern. Thermodiagnostik: Unauffälliger Befund, Listening weist zur rechten Schulter (. Abb. 4.84). Palpation: Bindegewebsschwellung am cervicothorakalen Übergang (Kissenbildung). Axiales System: T1–4FRSL, parietal rechtes ACG in posteriorer Rotation, Flexions-/ Valgusstellung des rechten Ellbogens mit Caput radii posterior, Ulnardeviation des Radiokarpalgelenkes durch Caudalisierung des Radius gegenüber der Ulna. Bei den Provokationstests zeigt die Traktion am leicht retroflektiertem rechten Arm eine Abschwächung der A.-radialis-Pulsation. Die Provokationstests des Carpaltunnels sind negativ. Neurologisch: Bei der Untersuchung kein pathologischer Befund.
Kissen C-T-Ü T1–4FRSL, Rechtes ACG posterior Caput radii posterior Ulnardeviation rechte Hand Eden-Test positiv rechts
Th 1–5
a . Abb. 4.83. Ansicht, Patient 32
b
c . Abb. 4.84. Local Listening, Patient 32
4
162
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3 Thorax
4 5
Hand
6 7 8 9 10
a
b
c
. Abb. 4.85. Osteopathische UFK, Patient 32
11 Verdachtsdiagnose
12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Thoracic-Outlet-Kompressions-Syndrom (TOKS) bei venösem Stau. DD: Carpaltunnel-Syndrom (CTS).
Osteopathische Betrachtung Grundsätzlich gibt es drei mögliche Entrapment-Stellen im Bereich des »Thoracic Outlet« (. Abb. 4.85): 5 die costoclaviculäre Enge (zu 80% Ursache), 5 die Scalenuslücken (zu 15% Ursache) und 5 die coracothoracopectorale Enge (zu 5% Ursache). i Tipps Die costoclaviculäre Enge ist deshalb so häufig betroffen, weil sehr viele fasziale Irritationen die Clavicula beeinflussen und thorakale Geschehen über die 1. Rippe Einfluss auf diese Enge haben.
Die verstärkten Beschwerden am Morgen weisen auf eine venöse Rückflussstörung hin. Da bei dem Beschwerdebild der Patientin auch der Unterarm betroffen ist, kann ein Carpaltunnelsyndrom ausgeschlossen werden. Infolge einer venösen Rückflussstörung entsteht eine Schwellung der distal gelegenen Weichteile, die den N. medianus komprimieren kann. Bei dieser Patientin findet sich die folgende absteigende UFK:
1. Thorax in vermehrter Kyphose. 2. Der Thorax bringt beide Schultern in Protraktion. 3. Bei einer Rotation des oberen Thorax nach links entsteht eine Posterior-Stellung des rechten SCG mit einer Posterior-Rotation des rechten ACG. 4. Gleichzeitig bringt eine IRO der rechten Schulter das glenohumerale Gelenk in Retroflexionsposition. 5. Der Ellbogen steht in Flexions-/Valgusposition.
4.3 · Obere Extremität
163
6. Das Caput radii fixiert nach posterior, der Radius verschiebt nach distal gegenüber der Ulna. 7. Daraus resultiert eine Ulnardeviation des Handgelenks.
Schulmedizinische Betrachtung Das Thoracic-outlet-Syndrom ist in der osteopathischen Betrachtung bereits abgehandelt worden. Das Carpaltunnelsyndrom ist das häufigste Engpasssyndrom eines peripheren Nerven. Häufig tritt es ohne eine erkennbare äußere Ursache auf. Prädisponierende Faktoren sind Adipositas, chronische Polyarthritis, Diabetes mellitus, Gicht, Akromegalie u. a. Immer dann, wenn der Inhalt des Carpaltunnels vermehrt wird, z. B. durch eine (chronische) Entzündung, ödematöse Schwellungen oder Eiweißablagerungen, entsteht eine Kompression des N. medianus. Kardinalsymptome äußern sich anfänglich in sensiblen, später auch in motorischen Störungen. Klinisch sind Kribbelparästhesien oder Taubheitsgefühl im Bereich des Ausbreitungsgebietes des N. medianus (D1–3 und radiale Seite von D4) sowie eine Daumenballenatrophie mit einer konsekutiven Schwäche der Greiffunktion (Opposition der Daumen) relevant. Pathognomonisch ist nächtliches Aufwachen durch Schmerz oder Kribbeln, das sich häufig durch »Ausschütteln« oder Halten der Hand unter kaltes Wasser verbessert. Klinische Tests beziehen sich auf die Schmerzempfindung beim Beklopfen des Karpaltunnels von ventral (Tinel-Zeichen) und das Testen bzw. Befragen, ob eine zunehmende Unfähigkeit der vollen Kraftentfaltung z. B. beim Halten einer Flasche (Flaschenzeichen) besteht. Neurologisch wird die Nervenleitgeschwindigkeit des N. medianus bestimmt, Latenzen charakterisieren die Erkrankung. Physikalische Therapie ist oft hilfreich, kann aber eine chirurgische Intervention mittels Spalten des Retinaculum flexorum nicht immer verhindern.
4.3.4 Kasuistik 33: Belastungsschmerz rechter Ellbogen
Anamnese Eine 44-jährige Chefsekretärin kommt mit seit etwa 2 Jahren bestehenden, in der Intensität wechselnden Schmerzen am rechten Ellbogen zur Behandlung. Die Beschwerden sind teilweise so stark, dass sie eine Kanne Kaffee oder Tee nicht mehr anheben könne. Ziehende Schmerzen, Ausstrahlung in Richtung Unterarm. Gelegentlich auch Kribbeln in der linken Hand (. Abb. 4.86). Medikamente: Regelmäßige Medikation wegen Epilepsie seit mehr als 30 Jahren, medikamentös gut eingestellt. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Erkrankungen, keine weiteren Beschwerden an den Organsystemen. Operationen/Verletzungen: Vor 3 Jahren bei Glatteis gestürzt, damals das rechte Handgelenk verstaucht. Keine Voroperationen. Familienanamnese: Ohne Auffälligkeiten. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: In der Freizeit Walking, 1,66 m groß, 62 kg schwer, keine Allergien, gelegentlich Wein, kein Nikotin, vegetarische Ernährung.
Schmerz rechter Ellbogen Ziehend, zum Unterarm ausstrahlend Kribbeln linke Hand Epilepsie
Sturz auf rechte Hand vor 3 Jahren Verstauchung
Befund Inspektion: Linksrotation des oberen Thorax mit Protraktion der rechten Schulter, lumbale Seitneigung nach rechts. Thermodiagnostik: Rechtes Handgelenk, Listening ohne Normabweichung (. Abb. 4.87).
Protraktion rechte Schulter, Linksrotation Thorax
4
164
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3 4 L 1–2
5 6 7 a
8
b
c . Abb. 4.87. Local Listening, Patient 33
. Abb. 4.86. Ansicht, Patient 33
9 10 11 12 13
Druckschmerz Epicondylus radialis Druckschmerz Handgelenk Caput radii posterior, ACG posterior rechts, 1. Rippe links Inspiration Provokationstest Epicondylus radii
Palpation: Druckschmerz am Epicondylus radialis humeri rechts, über dem rechten Radiocarpalgelenk, am Köpfchen der 1. Rippe links. Keine Bindegewebszonen, Jones- oder Chapman-Punkte. Axiales System: Gruppenläsion T11–L5NSRL, parietal Caput radii posterior rechts, rechtes ACG posterior Rotation, 1. Rippe links Inspiration und rechts Exspiration, T2–5FRSL. Schmerzprovokation am rechten Ellenbogen bei Streckung des rechten Zeige- und Mittelfingers gegen Widerstand. Viszeral und neurologisch: Unauffälliger Befund.
Verdachtsdiagnose Epicondylitis radialis humeri rechts infolge aufsteigender UFK.
14 15
Osteopathische Betrachtung Der Sturz auf das rechte Handgelenk ist neben den anamnestischen Faktoren (Chefsekretärin) ein typisches Epicondylitis-auslösendes Ereignis für eine UFK (. Abb. 4.88).
16 17 18 19 20 21
. Übersicht Anschließend entstand die folgende Läsionskette: 5 Caput radii posterior rechts, Ellbogenflexion und Valgusstellung rechts, 5 Ulnardeviation des Radiocarpalgelenks rechts, 5 IRO der rechten Schulter mit Protraktion bei Exspirationsstellung der rechten und Inspirationsstellung der linken 1. Rippe bei sonstiger Flexionsstellung der oberen BWS, 5 Posterior-Rotation des rechten ACG und Rechtsseitneigung der lumbalen Wirbelsäule.
Denkbar wäre auch eine absteigende UFK. Dabei wäre eine Rippenblockade links oder eine Kyphosierung der BWS ein Auslöser der Läsion Caput radii posterior rechts mit Epicondylitis radialis humeri. Bei einer solchen Dysfunktion wäre allerdings ein verändertes Listening zu erwarten.
165
4.3 · Obere Extremität
Ellbogen
Handgelenk
a
b
c
. Abb. 4.88. Osteopathische UFK, Patient 33
Das gelegentlich auftretende Kribbeln der linken Hand weist auf eine costoclaviculäre Enge hin. In diesem Fall tritt die Einengung bei der Inspirationsstellung der linken 1. Rippe auf. Wäre eine Blockade Ursache für die Einengung, wäre die Symptomatik konstanter, nicht nur gelegentlich.
Schulmedizinische Betrachtung Die Epicondylitis radialis humeri (»Tennisellbogen«) stellt ein häufiges Überlastungssyndrom der Streckmuskeln des Unterarms dar. Die Mehrzahl der Extensoren hat eine gemeinsame Ursprungssehne am Epicondylus lateralis, bei ungewohnter Dauerbelastung kann sich hier eine schmerzhafte Reizung entwickeln, deren Symptome sich bei Dorsalextension des Handgelenks gegen Widerstand oder bei kräftigem Faustschluss verstärken. Neben der Hohmann-Operation als Ultima Ratio stehen physikalische Maßnahmen und anfängliche Ruhigstellung im Vordergrund. Die seit Jahren bestehende und behandelte Epilepsie gibt keine richtungweisende Information. Grundsätzlich wird bei Epilepsien zwischen denen, die von Kindheit an bestehen, und den sog. symptomatischen Epilepsien unterschieden. Die symptomatischen Epilepsien werden meist nach dem 20. Lebensjahr klinisch apparent. Hierbei handelt es sich meist um das Symptom einer Hirnerkrankung wie Entzündungen, Tumoren oder Metastasen. Bei einer derartigen Erkrankung sollte stets weiter nach der zu Grunde liegenden Krankheit gefahndet werden.
4
166
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3
Th 1–5
4 5 6 7 a
8
b
c . Abb. 4.90. Local Listening, Patient 34
. Abb. 4.89. Ansicht, Patient 34
9 10
4.3.5 Kasuistik 34: Bewegungseinschränkung der rechten
Schulter
11 12 13
Anamnese Bewegungsminderung rechte Schulter seit 7 Wochen Einschränkung ABD Schulter-Nacken-Verspannungen
14 15 Joggen
16
Befund
17 IRO rechte Schulter
18 19 20 21
Eine 36-jährige Sportlehrerin stellt sich mit seit 7 Wochen bestehender, progredienter Bewegungseinschränkung in der rechten Schulter vor. Die Bewegungseinschränkung besteht in der Abduktion-Elevation und endgradig auch in der Anteversion-Elevation. Dabei habe sie kaum Schmerzen, eher das Gefühl einer Verspannung im Schulter-Nacken-Bereich (. Abb. 4.89). Medikamente: Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Vorerkrankungen, keine Beschwerden der Organsysteme. Operationen/Verletzungen: Keine Operationen, keine Traumen. Familienanamnese: Keine Besonderheiten. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: In der Freizeit Joggen, Größe 1,75 m, Gewicht 64 kg, keine Allergien, keine Genussgifte, ausgewogene Vollkosternährung.
1. Rippe links Jones T1ERSR ACG posterior Rotation rechts ABD <110° rechte Schulter
Inspektion: Protraktion der rechten Schulter bei Linksrotation der oberen Thoraxapertur. Thermodiagnostik: Dorsal cervicothorakaler Übergang, Listening unauffällig (. Abb. 4.90). Palpation: Druckschmerz am 1. Rippenköpfchen links, keine Bindegewebszonen, Jones-Punkt der 1. Rippe links positiv, kein Chapman-Punkt. Axiales System: T1ERSR sowie Blockade der 1. Rippe links, parietal Protraktion der rechten Schulter in IRO mit ACG rechts in posteriorer Rotation. Die passive und aktive Abduktion ist in der rechten Schulter ab ca. 110–125° eingeschränkt. Viszeral und neurologisch: Unauffälliger Befund.
Verdachtsdiagnose Protraktion rechte Schulter infolge Rippenblockade links.
167
4.3 · Obere Extremität
Rippe li
Schulter re
a
b
c
. Abb. 4.91. Osteopathische UFK, Patient 34
Osteopathische Betrachtung Durch die Blockade der 1. Rippe links entsteht eine Protraktion der rechten Schulter mit Innenrotation. Bei einer Protraktion geht die Scapula in eine Lateralisationsposition. Damit wird das Drehen der Scapula für die Elevationsbewegung erheblich einschränkt. Das Vorhandensein eines Jones-Punktes weist auf eine neuromuskuläre Ursache der Rippenblockade hin, auch wenn die Patientin sich an kein Trauma erinnern kann (. Abb. 4.91). Therapeutisch ist es notwendig, die Blockade der 1. Rippe links zu lösen, um die veränderte Biomechanik zu normalisieren. Geeignet dafür sind z. B. Strain-/ Counterstrain-Techniken. Mit der Beseitigung der Blockade wird gleichzeitig auch die Verspannung der Schulter-Nacken-Region normalisiert, die sich bei vielen Patientin in Form von Nackenbeschwerden äußert. Oft werden diese Schulter-Nacken-Verspannungen mit einer HWS-Blockade verwechselt und fälschlicherweise mit einer HWS-Manipulation therapiert.
4
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1
. Übersicht Die absteigende UFK baut sich auf die blockierte 1. Rippe links auf, 5 indem der obere Thorax in Linksrotation kommt, 5 das rechte SCG posterior fixiert, 5 während das rechte ACG in posteriorer Rotation fixiert. 5 Die rechte Schulter kommt in Protraktion und IRO, glenohumeral besteht eine Retroflexionstendenz. 5 Das Caput radii rechts blockiert nach posterior, der rechte Ellbogen steht in Flexions-/Valgusstellung. Durch die Caudalisierung des rechten Radius gegenüber der Ulna kommt es zur Ulnardeviation im Radiocarpalgelenk rechts.
2 3 4 5 6
Schulmedizinische Betrachtung Vielfach werden Probleme der Schulter unter globalen Diagnosen wie Periarthritis humeroscapularis (PHS), Schulter-Arm-Syndrom, Impingementsyndrom, Frozen Shoulder, Entesiopathien usw. beschrieben. Der eigentlichen Ursache wird dabei oft nicht weiter auf den Grund gegangen. Gängige schulmedizinische Methoden sind Analgesien und/oder Krankengymnastik sowie bei Resistenz Narkosemobilisation oder Arthroskopie.
7 8 9
4.3.6 Kasuistik 35: Schmerzen rechte Hand und Unterarm
10
Anamnese
11 12
Diffuse schmerzen im rechten Unterarm mit nächtlicher Verstärkung und Kribbelparästhesien
13 14 15 16
Vor 8 Wochen distale Radiusfraktur rechts, konservativ behandelt, folgenlos – radiologisch gesichert – ausgeheilt
17 18 19
Befund
20 21
Eine 41-jährige arbeitslose Ergotherapeutin stellt sich mit diffusen Schmerzen im rechten Unterarm vor, die seit ca. 1 Woche dauerhaft bestehen und vor allem nachts sogar noch zunehmen. Am Anfang war der Schmerz eher brennend, z. Z. wird er als diffus und schlecht lokalisierbar empfunden. Begleitet werden die Schmerzen von Kribbelparästhesien im rechten Unterarm und an der rechten Hand (. Abb. 4.92). Medikamente: Keine regelmäßige Medikamenteneinnahme bis auf orale Kontrazeptiva seit 25 Jahren. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Keine Operationen in der Vergangenheit. Keine zurückliegenden bedeutsamen Traumata. Vor 8 Wochen Sturz auf die rechte Hand mit unkomplizierter distaler Radiusfraktur, die konservativ behandelt wurde und folgenlos ausgeheilt ist. Ein zum Abschluss der Behandlung angefertigtes Röntgenbild zeigte ein gutes Zusammenwachsen der Fraktur, sodass der Gipsverband dauerhaft entfernt werden konnte. Familienanamnese: Ohne Hinweis. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Keine sportliche Betätigung, Hobby Bildhauerin, vor allem mit Steinbearbeitung. Die Patientin ist 1,60 groß und wiegt 72 kg. Sie ist allergiefreie Vegetarierin. Gelegentlicher Konsum leichter Alkoholika, chronische Rauchgewohnheit mit ca. 20 Zigaretten pro Tag. In der Vergangenheit mehrfache, langfristig aber erfolglose Abstinenzversuche.
teigige Schwellung schmerzhafte Bewegungseinschränkung
Inspektion: Ausgeprägte dorsal betonte Schwellung des rechten Unterarms bei lividem Hautkolorit. Thermodiagnostik: Überwärmter Unterarm rechts, im Listening keine Auffälligkeit (. Abb. 4.93). Palpation: Teigige Schwellung des betroffenen Unterarms sowie Hautfeuchtigkeit. Axiales System: Restriktion von C7–T2FRSR, schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Armes. Schmerzprovokation bei passiver mehr als bei aktiver Bewegung. Craniosacral: Abgeschwächter P.R.M.
169
4.3 · Obere Extremität
. Abb. 4.93. Local Listening »normal«, Patient 35
a
b
c
. Abb. 4.92. Ansicht, Patient 35
Verdachtsdiagnose Morbus Sudeck. DD: Cervicobrachialgie/TOKS.
Osteopathische Betrachtung Ohne dass deutliche mechanische Befunde bestehen, liegen bei dieser Patientin erhebliche Bewegungseinschränkungen, Zeichen venöser Stauungen sowie Zeichen einer vegetativen Dysregulation (Hautfeuchtigkeit) vor. Anamnestisch besteht ein Dauer-/Nachtschmerz, der Hinweis auf eine entzündliche Komponente oder knöcherne Pathologie ist. ! Cave Bei der Sudeck-Dystrophie, die im moderneren Sprachgebrauch auch als »complex regional pain syndrome« (CRPS) bezeichnet wird, ist von einer ursächlichen neurovegetativen Regulationsstörung auszugehen. Manche Osteopathen sehen darin eine Kontraindikation zur osteopathischen Behandlung, da eine Verschlechterung der Befunde nicht sicher ausgeschlossen werden kann. Andere betrachten gerade die neurovegetative Ursache als eine klare Indikation zur osteopathischen Behandlung.
Der Morbus Sudeck wird osteopathisch nach folgendem Konzept behandelt: 5 Craniosacrale Behandlung zur Normalisierung der zentralen neurovegetativen Schaltstellen (Hypothalamus, Hypophyse) mit tonussenkenden Techniken (7 Kap. 5.2). 5 Periphere Behandlung des cervicothorakalen Überganges und der oberen Rippen sowie der OAA-Region zur Normalisation von ortho- und parasympathischen Schaltstellen (7 Kap. 5.2). 5 Venös-lymphatisch entstauende Techniken an der oberen Thoraxapertur und dem Zwerchfell. 5 Vermeidung lokaler Techniken, da hier eine Kontraindikation besteht.
4
170
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
! Cave
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
In jedem Fall sollten Techniken der manuellen Lymphdrainage eingesetzt werden.
Schulmedizinische Betrachtung Der Morbus Sudeck hat viele Synonyme, wie z. B. die sog. Kausalgie, sympathische Reflexdystrophie oder posttraumatische Dystrophie. Kardinalsymptom dieser Erkrankung ist eine Trias aus sensiblen, autonomen und motorischen Störungen, die wie folgt beschrieben wird: Sensibel:
Meist wird über Spontanschmerzen in der Tiefe einer distalen Extremität mit schlechter Lokalisierbarkeit geklagt. Der Schmerzcharakter kann sich während der Erkrankung verändern (Schmerzwechsel). Hochlagerung bewirkt häufig Linderung, während das »Arme-herunterhängen-Lassen« eine Verschlechterung zur Folge hat. Die nächtliche Schmerzverstärkung ist häufig. Hypo- und Hyperästhesien kommen ebenso vor wie die Angabe von Schmerzen bereits bei leichter Berührung (Allodynie). Autonom: Auffälligstes Erstsymptom des Morbus Sudeck ist ein Ödem der distalen Ex-
tremität, das meist glänzend, rötlich bis livide tingiert und auf der dorsalen Seite betont ist. Im Seitenvergleich besteht meist eine Überwärmung auf der betroffenen Seite (Thermodiagnostik). Die Schweißsekretion (orthosympathisch) ist gestört. Mit Hilfe eines sog. »Ninhydrin-Schweißtest« kann diese Veränderung dargestellt werden. Motorisch: Im Frühstadium der Erkrankung zeigt sich stets ein eingeschränkter Bewegungs-
umfang, der mit einer Verminderung der groben Kraft einhergeht. In 50% der Fälle besteht bei Befall der oberen Extremität auch ein Aktionstremor. Die Erkrankung verläuft in den folgenden 3 Stadien: 5 Stadium 1 (1–8 Wochen): teigige Weichteilschwellung, glänzend livid verfärbte, schwitzende Haut, nächtlicher Ruheschmerz, herabgesetzter Tonus, vermehrtes Haar-/Nagelwachstum. 5 Stadium 2 (8–52 Wochen): Nachlassen des Schmerzes (!), Zunahme der trophischen Veränderungen. Die Haut erscheint jetzt eher blass und kühl, die Weichteile beginnen zu schrumpfen. Im Röntgenbefund lässt sich bereits eine fleckige Entkalkung darstellen. 5 Stadium 3 (>1 Jahr): Einsteifung der Gelenke infolge schwerer Weichteilschrumpfung und Muskelatrophie. Die Haut ist dünn und gespannt. Radiologisch findet sich eine diffuse Osteoporose. Dieses Stadium ist irreversibel.
16 Wichtig
17
Wichtig ist die richtige Diagnosestellung und entsprechende Therapie im Stadium 1, um eine weitere Entwicklung in die Stadien 2 oder 3 zu verhindern.
18 19 20 21
In der Diagnostik ist die Anamnese ausschlaggebend. Beim Befragen ist die Suche nach einem auslösendem Ereignis wichtig, da diese Erkrankung meist posttraumatisch auftritt. Der klinische Befund (s. oben) kann mit einer seitenvergleichenden Hauttemperaturmessung und einem Ischämietest (s. unten) bestätigt werden. Bei einem Ischämietest wird eine RR-Manschette zum Erzeugen eines suprasystolischen Druckes an der betroffenen Extremität distal und proximal angelegt. Der Test ist positiv, wenn wenige Minuten nach Eintritt der Ischämie ein Verschwinden des Schmerzes beobachtet wird, der nach dem Lösen der Kompression in gleicher Weise wieder auftritt. Die Therapie besteht aus einer intravenös regionalen Sympathicusblockade mit Guanethidin. Auch chirurgisch kann eine Blockade des Ganglion stellatum bzw.
4.3 · Obere Extremität
171
des lumbalen Grenzstranges vorgenommen werden. Die Vorgehensweise richtet sich dabei nach dem entsprechenden Befund. i Tipps Die frühzeitige Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika ist oft eine wirksame Prophylaxe.
4.3.7 Kasuistik 36: Persistierender Handgelenksschmerz rechts
Anamnese Eine 62-jährige Patientin kommt mit persistierenden Belastungs- und Ruheschmerzen der rechten Hand zur Behandlung. Sie hatte sich vor 5 Monaten bei einem Sturz eine distale Radiusfraktur rechts zugezogen, die konservativ versorgt wurde und nach Angaben des Chirurgen gut ausgeheilt ist. Der Hausarzt habe die Beschwerden auf Muskelschwund und fehlendes Belastungstraining zurückgeführt, die behandelnde Krankengymnastin empfahl der Patientin bei Therapieresistenz zur weiteren Abklärung und Behandlung einen Osteopathen. Die Schmerzen treten vor allem bei Bewegung der Hand auf, sind aber auch in Ruhe vorhanden. Bereits früher habe die Patientin oft Nackenverspannungen gehabt (. Abb. 4.94). Medikamente: Regelmäßig Cortisonpräparate aufgrund von Asthma, daneben auch Theophyllin. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Erkrankungen, Beschwerden an den Organsystemen werden nicht beklagt. Operationen/Verletzungen: Cholezystektomie vor 3 Jahren, Hysterektomie vor 7 Jahren. Familienanamnese: Familiäre Belastung mit Atemwegserkrankungen bei mehreren Geschwistern und Onkeln bzw. Tanten bekannt. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Beruflich ehemalige Laborassistentin, jetzt im Ruhestand, Hobbys sind Kochen und Backen sowie Gartenarbeit, 1,70 m groß, 78 kg schwer, Allergien gegen Hausstaub sowie Spätblüher, regelmäßiger Konsum von Wein (ca. 1/2 Flasche täglich), kein Nikotin, deutsche Hausmannskost.
Persistierender Schmerz rechte Hand, Zustand nach distaler Radiusfraktur
Bewegungs-/Ruheschmerz Oft Nackenverspannung Asthma: Cortison/Theophyllin
Kochen/Backen/Gartenarbeit Pollinosis Alkohol
Befund Inspektion: Rechtsrotation des Thorax bei vermehrter Kyphose, die Haut zeigt Vernarbungen wie nach Aknehaut. Thermodiagnostik: Wärmeabstrahlung über dem rechten Thorax sowie dem rechten Handgelenk, Listening mit Zug zum rechten Thorax (. Abb. 4.95). Palpation: Druckschmerz am Handgelenk, cervicothorakal mäßige Bindegewebsschwellung mit Kissenbildung, Lungenzone, kein Jones-/Chapman-Punkt. Axiales System: T1–4FRSR, parietal Dysfunktion des rechten Radiocarpalgelenks mit mäßiger Ulnardeviation. Anhaltende Schmerzen durch Druck auf die Tabatière sowie nach Radialabduktion der Hand. Viszeral: Pleuraretraktion rechts mit Zwerchfellhochstand rechts. Neurologisch: Unauffälliger Befund. Die mitgebrachten Röntgenbilder des rechten Handgelenks in 2 Ebenen zeigen eine ausgeheilte distale Radiusfraktur rechts vom Typ B1 mit minimaler Stufenbildung des distalen Radius von weniger als einem Bild-mm.
Verdachtsdiagnose Scaphoidfraktur neben distaler Radiusfraktur rechts. Zudem Lungenbelastung rechts (wahrscheinlich allergisch bedingtes Asthma).
Osteopathische Betrachtung Bei der Patientin liegt eine osteopathisch gut therapierbare Diagnose (allergiebedingte Lungenerkrankung) vor, deretwegen die Patientin jedoch nicht zur Behandlung kommt. Im Vordergrund steht der Verdacht auf eine Scaphoidfraktur, die
Rechtsrotation Thorax bei Kyphose Aknehaut
C-T-Ü-Kissen T1–4FRSR Ulnardeviation rechts Druckschmerz Tabatière Pleura rechts
Zustand nach distaler Radiusfraktur B1 Stufe <1 mm
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3 Th 1–5
4 5 6 7 a
8 9 10 11 12 13 14 15 16
b
c . Abb. 4.95. Local Listening, Patient 36
. Abb. 4.94. Ansicht, Patient 36
wahrscheinlich eine Pseudarthrose ausgebildet hat. Bei einem derartigen Verdacht muss die Patientin zum Traumatologen zurückgeschickt werden, um die radiologische Diagnostik mit Nativ-Tomographie oder CT durchzuführen.
Schulmedizinische Betrachtung Die Patientin beklagt persistierende Bewegungs-, aber auch Ruheschmerzen der rechten Hand. Die Beschwerden sind bei der klinischen Untersuchung anhaltend und insbesondere durch Druck auf die Tabatière auslösbar. Die beschriebenen Symptome sind klassische Zeichen einer Os-scaphoideumFraktur, die keineswegs durch das Vorliegen einer distalen Radiusfraktur ausgeschlossen werden kann. Wichtig Auch die Röntgenaufnahmen des Handgelenks zeigen diese Fraktur oft nicht, sodass bei einem klinischen Verdacht (Tabatière-Druckschmerz) die Anfertigung einer Nativtomographie »Scaphoid-Quartett« oder noch besser eines CT zwingend notwendig ist.
17 18 19 20 21
. Übersicht 5 Die Scaphoidfraktur ist die häufigste Handgelenksfraktur und gleichzeitig auch die am häufigsten übersehene Fraktur der Hand. 5 Wegen der hohen Mobilität des Os scaphoideum heilt eine Scaphoidfraktur nur langsam. Eine sehr lange Ruhigstellung ist notwendig. 5 Die distale Radiusfraktur ist die häufigste Fraktur im Erwachsenenalter überhaupt. 5 Sie kann oft konservativ versorgt werden, teilweise sind operative Maßnahmen notwendig. 5 Die Indikation muss dabei das Alter und die Aktivität des Patienten ebenso berücksichtigen wie die knöcherne Situation. 5 Die gängige Einteilung erfolgt nach den Richtlinien der AO-Gesellschaft in Klassen A, B und C, die jeweils mit Ziffern in Schweregrade untergliedert werden.
4.3 · Obere Extremität
173
Asthma bronchiale Das Asthma bronchiale gehört wie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD oder COLD) zu den obstruktiven Lungenerkrankungen. Die Patienten haben Probleme bei der Ausatmung. Langfristig kann deshalb eine Überblähung, das sog. Lungenemphysem, entstehen. Folge einer verringerten Ausatmung ist eine ebenfalls verminderte Einatmung, die eine reduzierte Belastbarkeit erklärt. Während die COPD fast immer durch jahrelangen Nikotinabusus ausgelöst und unterhalten wird, hat das Asthma verschiedene Ursachen, die nicht auf inhalatives Rauchen zurückzuführen sind, dadurch jedoch stets verschlimmert werden. Leider ist die Anzahl der rauchenden Lungenkranken sehr hoch. Bei dieser Patientin, die eine allergische Disposition aufweist, scheint ein sog. exogenes Asthma vorzuliegen. Bei dieser Form ist es wichtig, die genauen Auslöser zu erkennen und diese im Alltagsverhalten möglichst zu meiden. Häufig ist die Erkrankung mit anderen allergischen Manifestationen wie Neurodermitis oder Heuschnupfen vergesellschaftet. Auslösende Faktoren des sehr oft vorkommenden exogenen Asthmas sind feuchte, kalte Luft, Rauch und Staub. Diese Reaktionen sind jedoch nicht auf eine Allergie zurückzuführen. Grundprinzipien der chronischen, anfallsartigen Erkrankung ist die Gabe von Bronchienöffnern (β2-Sympathomimetika), die entweder dauerhaft oder mindestens als Bedarfsmedikation bei einem Anfall gegeben werden, sowie die dauerhafte Medikation zur Eindämmung der entzündlichen Komponente. Dies geschieht mit Hilfe von inhalierbarem Cortison, das die Grunderkrankung zwar gut therapiert, langfristig aber eine Osteoporose verursachen kann. Möglicherweise war in diesem Fall die Entwicklung der Scaphoidfraktur durch das Cortison zusätzlich begünstigt. Typische Frakturlokalisation bei einer Osteoporose ist die klassische Schenkelhalsfraktur. Weitere Lokalisationen sind in 7 Kap. 4.2.3 »Kasuistik 15« aufgeführt.
4.3.8 Kasuistik 37: Schmerzen im linken Mittelfinger
Anamnese Ein 42-jähriger Werftarbeiter kommt wegen einer seit 3 Tagen bestehenden schmerzhaften Bewegungseinschränkung im Mittelfinger der linken Hand. Obwohl er sich an kein auslösendes Trauma erinnert, nehmen die Beschwerden weiter zu. Betroffen ist neben dem Fingergrundgelenk auch das Mittel- und Endgelenk, die restlichen Gelenke sind symptomfrei. Beschwerden dieser Art hat der Patient bisher nicht gehabt (. Abb. 4.96). Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Vor 6 Jahren Operation einer Dupuytren-Kontraktur an der anderen Hand mit gutem Primärergebnis. Familienanamnese: Schwester des Patienten unklare Gelenkbeschwerden, sonst unauffällige Familienanamnese. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Der Patient ist von athletischem Körperbau, wiegt 99 kg und ist 1,92 m groß. Er trinkt regelmäßig Bier und legt Wert auf eine fleischreiche Ernährung. Gelegentlich raucht er Pfeife, Allergien sind nicht bekannt. In seiner Freizeit geht er gerne angeln.
Schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit im linken Mittelfinger
Befund Inspektion: Rechtsrotation des oberen Thorax, an den Knien und Streckseiten beider Ellenbogen fallen gerötete Hautbezirke, die zum Teil mit silbrigweißen Schuppen bedeckt sind, auf. Nach Angaben des Patienten lösen diese einen zeitweise starken Juckreiz aus.
Hautirritation Knie und Ellbogen
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3 Th 1–5
4 5 6 7 a
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b
c . Abb. 4.97. Local Listening, Patient 37
. Abb. 4.96. Ansicht Patient 37
Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung über dem linken Mittelfinger sowie beiden Ellbogen und Knien, ebenso über der rechten Lunge. Das Listening weist zum rechten Thorax und linken Unterbauch (. Abb. 4.97). Palpation: Schwellung des linken Mittelfingers. Axiales System: Gruppenläsion der 2.–4. Rippe rechts, parietal schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Mittelfingers in allen Gelenken. Schmerzprovokation bei endgradiger Bewegung des linken Mittelfingers. Craniosacral: Fixation des Os nasale.
Verdachtsdiagnose Psoriasis-Arthritis. DD: Arthritiden, PcP, Polyarthrose.
Osteopathische Betrachtung Sowohl aus osteopathischer Sicht als auch nach der Lehre der Traditionell Chinesischen Medizin (TCM) sind Hauterkrankungen ein Zeichen für Störungen der Organe Lunge und Darm. Diese Organe weisen große Schleimhautflächen auf. Dabei sind die Lunge und der Darm, embryologisch betrachtet, aus der gleichen Zellanlage entstanden, womit die enge Beziehung zueinander erklärt werden kann. Bei diesem Patienten finden sich anamnestisch Hinweise auf die Belastung des Darms (Bier, Fleisch) und der Lunge (Rauchen). Darüber hinaus weist der craniosacrale Befund auf eine Schleimhautbelastung der Nasennebenhöhlen (NNH) hin. Die entsprechende Hautveränderung zeigt sich an Ellbogen und Knien.
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. Übersicht 5 Um eine Psoriasis-Arthritis (strahlweiser Befall der Akren) osteopathisch zu therapieren, muss grundsätzlich die Belastung der zugehörigen Organsysteme Lunge, Darm und NNH berücksichtigt werden und daher Mittelpunkt der Therapie sein. 5 Für die Akutphase der Beschwerden sind außerdem Techniken zur Verbesserung der Zirkulation, vor allem des venös-lymphatischen Rückflusses, auszuwählen. 5 Von lokalen Techniken an der betroffenen Hand sollte abgesehen werden, um keine vermehrte Reizung zu erzeugen.
4.3 · Obere Extremität
175
Schulmedizinische Betrachtung Arthritiden und Schuppenflechten (Psoriasis) treten bei etwa 5–10% der Erkrankten gemeinsam auf. Meistens sind die peripheren Gelenke betroffen, aber auch das Sacroilicalgelenk kann befallen sein. Als seronegative Spondylarthritiden werden die häufig mit der HLA-B27 assoziierten Gelenkerkrankungen Psoriasis-Arthritis, Spondylitis ankylosans, Morbus Reiter und enteropathische Arthritiden bezeichnet. Meist gehen die Gelenkbeschwerden den Hautveränderungen voraus. Die typischen Befallsmuster zeigen sich in folgender Weise: 5 oligoartikulär, wie z. B. der Befall einzelner Finger- oder Zehengelenke, 5 im ganzen Strahl, 5 Befall eines großen Gelenkes, wie z. B. Knie, 5 asymmetrischer polyarthritischer Befall mit Bevorzugung der Finger- und Zehenendgelenke. i Tipps Die Spondylitis sacroiliaca kommt ebenfalls vor, ist aber selten.
Bei dieser Erkrankung sind im Blut keine Rheumafaktoren vorzufinden. Obwohl die Spondylarthritiden seronegativ sind, weisen einige Laborbefunde typische Befunde auf: 1. Nachweis der Lymphozyten-Oberflächenstruktur HLA-B27 ist in 90% der Fälle positiv. 2. Die Blutsenkung kann erhöht sein. 3. Es kann eine leichte Anämie bestehen. Eine anerkannte Therapie ist die Gabe von nichtsteroidalen Antiphlogistika und Kortison sowie regelmäßige Bewegung, z. B. auch durch Physiotherapie.
Dupuytren-Kontraktur Die Dupuytren-Kontraktur kommt häufig bei Patienten mit einer Vorliebe für regelmäßigen Alkoholkonsum vor. Oft entsteht die Kontraktur zunächst an der führenden Hand. Mit einer zeitlichen Verzögerung kann sie jedoch auch an beiden Händen auftreten. Auch sind Diabetiker häufiger betroffen. Bei der Dupuytren-Kontraktur handelt es sich um eine fortschreitende Verdickung der Palmaraponeurose. Der viel seltenere Befall der Plantaraponeurose am Fuß wird als Morbus Ledderhose bezeichnet. Ein noch unangenehmerer Befall ist die sog. Induratio penis plastica, bei der eine Fibrose der kavernösen Hüllen entsteht, die mit einer Kontraktur der den Schwellkörper umgebenden Faszie einhergeht.
4.3.9 Kasuistik 38: Schulterschmerzen links
Anamnese Ein 38-jähriger Geschäftsführer kommt mit seit etwa 4 Wochen permanent bestehenden ziehenden Schmerzen in der linken Schulter, die zeitweise auch in die linke Thoraxseite ausstrahlen, zur Behandlung. Er hatte bereits früher öfter in Stresssituationen ähnliche Beschwerden, die sonst jedoch stets nach einigen Tagen wieder vollständig verschwunden waren. Der Hausarzt hatte dabei mehrfach das Herz in Verdacht. Die angefertigten EKGs zeigten jedoch keine abnormen Veränderungen. In seiner körperlichen Belastbarkeit fühlt sich der Patient eingeschränkt, da er viele Dinge wegen der Schulterschmerzen nicht konzentriert ausführen kann. Einen »Leistungsknick« habe er jedoch nicht festgestellt (. Abb. 4.98). Medikamente: Keine regelmäßigen Medikamente.
4 Wochen Schulterschmerz links, z. T. linker Thorax Schon öfter ähnliche Beschwerden gehabt EKG o.B. Leistung normal geblieben
4
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
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Th 6–9
5 6 7 a
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b
c . Abb. 4.99. Local Listening, Patient 38
. Abb. 4.98. Ansicht, Patient 38
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Sodbrennen, Aufstoßen, Retrosternales Brennen Familiär Herz!
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Nikotin!!!
Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Öfter Sodbrennen, teilweise auch saures Aufstoßen, gelegentlich retrosternales Brennen. Unruhiges Schlafverhalten, das der Patient auf seine berufliche Stressbelastung zurückführt. Operationen/Verletzungen: Keine Traumata, keine Voroperationen. Familienanamnese: Familiär sind Herzerkrankungen bekannt, der Vater verstarb mit 46 Jahren am Herzinfarkt. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Hobbys sind Golf und Segelfliegen, die der Patient aus beruflichen Gründen jedoch nur selten ausüben kann. 1,89 m groß, 83 kg schwer, keine Allergien, unregelmäßig Alkohol, Nikotin etwa 40–50 Zigaretten täglich, unregelmäßige Ernährungsgewohnheiten.
Befund Linksrotation Thorax Linker Oberbauch
Magen! Nebenniere! Phrenicus links Omentum minus Spasmus der Darmsphincteren
Inspektion: Linksrotation des mittleren Thorax. Thermodiagnostik: Zeigt zum linken Oberbauch, das Listening ebenfalls, Local Listening weist zusätzlich auf die linke Pleura (. Abb. 4.99). Palpation: Druckschmerz der ventrolateralen Schulterregion links, Bindegewebszone Magen, kein Jones-Punkt, Chapman-Punkte für Magen und Nebenniere positiv. Axiales System: C3–5 irritiert, T6–11NSRL, parietal ACG anterior Rotation links, SCG links anterior, positiver Phrenicus-Provokationstest links. Viszeral: Magenfixation, Cardiaspasmus, Omentum minus in Retraktion mit Zug der ventralen Körperfaszie vor allem links, Fixation der linken Niere/Nebenniere, Spasmus von Pylorus, D-J-Ü und I-C-Klappe. Neurologisch: Unauffälliger Befund.
Verdachtsdiagnose Viszerale Schulter links bei Magenirritation infolge von Stress.
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4.3 · Obere Extremität
Schulter li
Magen
Stress
a
b
c
. Abb. 4.100. Osteopathische UFK, Patient 38
Osteopathische Betrachtung . Übersicht 5 Der Patient ist chronisch stressbelastet. Dies irritiert die Nebennieren und führt außerdem dazu, dass der Magen empfindlich auf die Belastungen reagiert. Alle Sphincteren des Darmes (Kaumuskeln, Cardia, Pylorus, duodenojejunaler Übergang, Ileocaecalklappe, Perineum) sind hyperton, teilweise sogar spastisch. 5 Der fasziale Zug der linksseitigen Organe irritiert die linke Schultergelenkkapsel, insbesondere die ventrolaterale Region. Durch die fasziale Irritation ist auch die mittlere HWS (C3–5) beeinträchtigt und der Phrenicus-Provokationstest positiv.
Die osteopathische Therapie beginnt mit faszialen Techniken, um anschließend die gesamte UFK nacheinander aufzulösen. Gleichzeitig ist eine Stressbewältigung für den Patienten dringend erforderlich, um eine dauerhafte Verbesserung der Symptomatik zu erreichen (. Abb. 4.100). Die Segmente T6–9 gehören zum Organ Magen, während T9–11 den Nebennieren zugeordnet werden.
Schulmedizinische Betrachtung Der Zusammenhang zwischen Stress und Gastrointestinaltrakt ist bereits im 7 Kap. 4.2.2 »Kasuistik 14« aufgeführt worden. Aus Tierversuchen ist relativ gut belegt, dass Stress vor allem dann entsteht, wenn Individuen einen Verlust der Kontrolle über ihre Lebensbedingungen erfahren. Stresshormone, wie besonders das Cortisol, führen zu einer Bereitstellung von
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Glucose durch eine Hemmung der Glucoseaufnahme in die Zellen und einer vermehrten Synthese von Glucose z. B. aus Muskeleiweiß. Akuter Stress führt zu einem erhöhten kardiovaskulären Tonus, bewirkt gleichzeitig aber auch eine erhöhte kognitive Leistungsfähigkeit. Während der Stressreaktion werden hingegen Verdauung, Wachstum, Immunsystem und die Reproduktion gehemmt. Diese wichtigen Körperfunktionen können in einer akuten Notfallsituation (Stresssituation) auf später verschoben werden. Bei Dauerstress entsteht jedoch eine sog. »Funktionsschädigung«. Die folgenden Langzeitwirkungen von Stress sind typisch: 5 Myopathien, 5 Ermüdungssyndrome, 5 Entwicklung eines Diabetes mellitus (Steroiddiabetes), 5 Blutdruckanstieg, 5 langfristige Entwicklung einer arteriellen Hypertonie mit den bekannten Folgeerkrankungen (7 Kap. 4.1.1 »Kasuistik 1«).
1 2 3 4 5 6 7
Die kurzfristige Erhöhung der kognitiven Leistungsfähigkeit (inklusive der erhöhten Alertheit in der Akutsituation) geht langfristig mit einem neuronalen Zelltod einher. Weitere Folgen sind eine gehemmte Sexualfunktion (Amenorrhö, Libidoverlust, Potenzstörung), eine abgeschwächte Immunlage sowie eine gestörte Verdauung. Die wichtigsten Risikofaktoren neben chronischem Stress sind Noxen in Form von Nikotin, Alkohol und Kaffee. Langfristig kann sich durch diese Kombination im Verdauungstrakt ein stressbedingtes Ulcus entwickeln. Da dieser Patient über längere Zeit Cortison erhalten hat, ist ein zusätzlicher medikamentöser »Magenschutz« notwendig, um rechtzeitig blutende Geschwüre zu vermeiden.
8 9 10 11
4.3.10 Kasuistik 39: Persistierende Schulterschmerzen rechts
12 13
Anamnese Akuter Schulterschmerz rechts mit persistierender Belastungseinschränkung
14 15 16 17 Supraspinatussyndrom links vor 1 Jahr
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Rheuma in der Familienanamnese
In die Praxis kommt ein 17-jähriger Bauschlosserlehrling mit rechtseitigen Schulterschmerzen, die seit etwa 1 Woche bestehen. Seit dieser Zeit hat er Urlaub und wollte mit einem Freund Steilwandklettern, hat dies aber wegen der Beschwerden bereits am 1. Tag abgebrochen und sich seitdem geschont. Die Schmerzen werden bei Belastung, z. B. Tragen einer Kiste Wasser, schlimmer. In der kommenden Woche muss er wieder arbeiten und macht sich nun Sorgen, da die Schmerzen trotz Schonung nicht abgenommen haben, sondern eher noch zunehmen. Zum Teil wacht der Patient auch nachts vor Schmerzen auf (. Abb. 4.101). Sonstiges Erkrankungen: Grippe ein halbes Jahr zuvor. Operationen/Verletzungen: Ein aktuelles Trauma der Schulter hat nicht stattgefunden. Der linkshändige Patient ist bereits vor einem Jahr in der Praxis gewesen, damals ist in der linken Schulter eine Supraspinatussyndrom erfolgreich behandelt worden. Medikamente: Medikamente werden nicht eingenommen. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Keine Operationen, keine Traumata. Familienanamnese: Mütterlicherseits Rheuma. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Nikotin mit 5 Zigaretten pro Tag, Alkohol (Bier) nur zu Feierlichkeiten. Keine Allergien.
Befund
21
Inspektion: Schonhaltung der rechten Schulter ohne größere posturologische Abweichungen. Thermodiagnostik: Über der rechten Schulter erheblich vermehrte Wärmeabstrahlung, deutliches Listening zur rechten Schulter ziehend (. Abb. 4.102).
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4.3 · Obere Extremität
. Abb. 4.102. Local Listening, Patient 39
a
b
c
. Abb. 4.101. Ansicht, Patient 39
Palpation: Ausgeprägter Schmerz bei Berührung der ventromedialen Kapsel, der fast 1 Minute nach Palpation anhält. Axiales System: Kyphotische Zone von C7–T2, Schmerzprovokation bei Palpation sowie bei Bewegung.
Verdachtsdiagnose Chondroblastom.
Osteopathische Betrachtung Die richtungsweisenden anamnestischen Hinweise (Schmerzprogredienz, Nacht-/ Dauer-/Ruheschmerz) und der Untersuchungsbefund (Schonhaltung, thermodiagnostisch erheblich vermehrte Wärmeabstrahlung, anhaltender Palpationsschmerz) weisen auf eine Pathologie hin, die zunächst mit bildgebenden Verfahren abgeklärt werden muss.
Schulmedizinische Betrachtung Weder der Hinweis auf die rheumatische Erkrankung in der Familie noch das kontralaterale Supraspinatussyndrom vor 1 Jahr erklären hinreichend die bestehende Symptomatik. Die geschilderte Befundkonstellation passt zu einem Chondroblastom. Hierbei handelt es sich um einen primär gutartigen, aber schmerzhaften Knorpeltumor, der bei Jugendlichen häufig kurz vor dem Epiphysenschluss entsteht. Bevorzugt wächst diese Tumorart im proximalen Humerus, aber auch in der proximalen Tibia und dem distalen Femur. Auslöser für die schmerzhafte Symptomatik könnte das ungewohnte Bewegen infolge des Steilwandkletterns sein. Der Tumor hatte bereits zuvor bestanden, war bis dahin aber asymptomatisch geblieben. Weiteren Aufschluss ergeben ein Röntgenbild, ggf. CT sowie die bei Verdacht auf Tumorerkrankungen immer notwendige feingewebliche Untersuchung. Therapeutisch steht die chirurgische Ausräumung im Vordergrund.
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
4.4
1
Organe
4.4.1 Kasuistik 40: Kind mit 3-Monats-Koliken
2 3 4
Anamnese 26 Tage alter Junge, schreit viel 3-Monats-Kolik Geburt 16 Stunden
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Nur gestillt
9
Torticollis
Eine junge Mutter stellt sich mit ihrem 26 Tage alten Sohn zur Behandlung vor, weil das Kind tagsüber und besonders in der Nacht viel schreit und kaum mehr als 3 Stunden am Stück schläft. Der Kinderarzt habe von 3-Monats-Koliken gesprochen, eine Freundin habe der Mutter dann geraten, zum Osteopathen zu gehen. Die Geburt dauerte 16 Stunden und verlief laut Angaben aus dem Mutterpass »normal«. Die Schwangerschaft verlief ohne Komplikationen oder anamnestische Besonderheiten. Der kleine Patient hat eine 2 Jahre ältere Schwester, bei der keine Probleme während oder nach der Geburt auftraten. Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Keine Operationen, keine Traumata. Familienanamnese: Familiär keine Erkrankungen bekannt. Größe/Gewicht/Ernährung: 48 cm, 3080 g, bisher nur gestillt.
Befund
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C1ShiftL C-S ohne pathologischen Befund Tonuserhöhung Darm
Inspektion: Kopfschiefhaltung nach rechts, die der Mutter bisher nicht aufgefallen ist. Thermodiagnostik: Die Kopfzone sowie die Abdominalregion weisen eine vermehrte Wärmeabstrahlung auf, das Local Listening zeigt keine Auffälligkeit. Axiales System: Irritation C1/2-Shift links. Parietal und craniosacral: Normalbefund. Keine Bandinstabilität der HWS, kein muskulärer Torticollis, keine Kontraindikation zur Anwendung muskulärer Reflexmanipulationstechniken. Viszeral: Tonuserhöhung des Darmes. Neurologisch: Regelrechte Entwicklung.
Verdachtsdiagnose KISS mit Atlas-Shift und Nervus-vagus-Reizung.
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Osteopathische Betrachtung . Übersicht 5 Beim Passieren des Geburtskanals kommt es zu einer Reihe von Einwirkungen auf Kopf und HWS eines Säuglings, sodass bestimmte mechanische Irritationen häufig auftreten. 5 Hierzu zählt besonders die seitliche Verschiebung des Atlas, durch die eine mechanische Irritation des N. vagus ausgelöst wird. 5 Diese Reizung ist für eine parasympathische Aktivierung der Organe verantwortlich. 5 Parallel dazu sind Läsionen des craniosacralen Systems häufig.
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Bei diesem Säugling liegt ein Atlas-Shift vor, der über die N.-vagus-Reizung eine Tonuserhöhung des Darmes induziert (. Abb. 4.103). Die Entspannung des Säuglings erfolgt oft bereits so unmittelbar auf die muskuläre Reflexmanipulationstechnik, dass das Kind im Anschluss an die Korrektur noch auf der Therapieliege einschläft.
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4.4 · Organe
Kopfgelenk
Darm !
a
b
c
. Abb. 4.103. Osteopathische UFK, Patient 40
Schulmedizinische Betrachtung Bauchschmerzen und Blähungen, die in den ersten 3 Lebensmonaten auftreten, werden als 3-Monats-Koliken bezeichnet. Der Säugling schreit bei diesen Beschwerden oft und zieht ruckartig die Beine an. Die kolikartigen Anfälle treten vor allem nachmittags und abends auf. Meist verschwinden die Beschwerden gegen Ende des 4. Monats von selbst. Solange der Säugling normal trinkt und an Gewicht gewinnt, besteht kein Grund zur Besorgnis. Ursache von Koliken kann das Verschlucken von Luft beim Schreien oder Trinken sein. Auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten, z. B. gegen Milch oder Quellmittel in Fertignahrung, können Koliken auslösen. Beschwerdelinderung wird u. a. durch Bauchmassage, Fencheltee und Einreibungen des Bauches mit Kümmelöl erzielt. Eine vorbeugende Maßnahme ist z. B. das sog. »Bäuerchen«, um verschluckte Luft entweichen zu lassen.
4.4.2 Kasuistik 41: Chronische Müdigkeit
Anamnese Eine 34-jährige Physiotherapeutin kommt wegen chronischer Müdigkeit zur Behandlung. Keine Schmerzen, Gefühlsstörungen der Hände und Füße, ab und zu stressinduzierte Sehstörungen. Stress verschlechtert die Symptomatik, Urlaub verringert die Müdigkeit (. Abb. 4.104). Medikamente: Keine Medikamente. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Normale Stuhlgewohnheiten, bei Stress Neigung zu breiigen Stühlen. Operationen/Verletzungen: Keine Traumata, Voroperationen: Tonsillektomie vor 25 Jahren.
Chronisch müde, Gefühlsstörung Hände/ Füße, Sehstörung Diarrhö
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
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Th 6–9
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c . Abb. 4.105. Local Listening, Patient 41
. Abb. 4.104. Ansicht, Patient 41
9 10 Vegetarierin
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Familienanamnese: Ohne Auffälligkeiten. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Sport: Reiten, 1,74 m groß, 56 kg schwer, keine Allergien, keine Genussgifte, Vegetarierin.
Befund Blasse Haut Linker Oberbauch Chapman: Magen
Inspektion: Blasse Hautfarbe, posturologisch Linksrotation thorakal. Thermodiagnostik: Weist auf den linken Oberbauch, das Listening ebenfalls (. Abb. 4.105). Palpation: Bindegewebszone Magen, kein Jones-Punkt, Chapman-Punkt, 6. Rippe links ventral sowie das Costotransversalgelenk 6. Axiales System: C0ESRR, T6–9NSRL, keine Mobilitätseinschränkung an den Händen, am linken Fuß Blockade des 2. Zehengrundgelenks. Negative Provokationstests. Viszeral: Mobilitätseinschränkung des Magens. Neurologisch: Sensibilitätsstörung beider Hände und Füße mit gestörtem Vibrationsempfinden. Laborchemisch Ausschluss einer Schilddrüsenfunktionsstörung.
Verdachtsdiagnose Anämie bei Gastritis. DD: Hypothyreose, CFS (metabolisch), Tumor, Psyche, MS.
Osteopathische Betrachtung Bei dieser Patientin besteht osteopathisch der Hinweis auf eine Magenirritation, die allerdings nicht eine chronische Müdigkeit erklärt. Die Ursache für die Müdigkeit muss im Ausschlussverfahren unter den möglichen Ursachen (s. Verdachtsdiagnosen) gesucht werden. Für eine Gastritisanämie spricht die Beziehung zum Magen. Bei einer CFS (=Chronic-Fatique-Syndrom) wäre segmental nicht nur T6–9 irritiert, sondern auch aufgrund der metabolischen Belastung eine Beziehung zum Magen hergestellt.
Schulmedizinische Betrachtung Schilddrüsenerkrankungen sind bereits laborchemisch ausgeschlossen worden. Für diese laborchemische Ausschlussdiagnostik wird orientierend der TSHbasal-Wert bestimmt (Thyroidea-stimulierendes Hormon; Normwerte s. Anhang). Ist dieser Wert normal, sind Über- und Unterfunktion der Schilddrüse unwahrscheinlich. Die sog.
4.4 · Organe
Struma stellt die häufigste Schilddrüsenveränderung dar. Das Struma tritt als eine
mitunter von außen sichtbare Vergrößerung des Organs auf und ist oft auf einen alimentären Jodmangel zurückzuführen, andere Ursachen sind jedoch auch möglich. Typische Symptome sind Enge- und Druckgefühl im Hals sowie Schluckbeschwerden. Bei einer Kompression der Halsweichteile können Luftnot und obere Einflussstauungen hinzukommen. Die genaue Abklärung der Stoffwechsellage (eu-, hypo- oder hyperthyreot) ist unabhängig vom Befund der Schilddrüsenvergrößerung und muss daher ärztlich erfolgen.
Hyperthyreose Eine Hyperthyreose kann das Symptom einer entzündlichen Veränderung sein und z. B. bei der Autoimmunkrankheit Hashimoto-Thyreoiditis auftreten. Sie äußert sich mit einem klassischen Morbus Basedow. Eine sog. Merseburger Trias besteht, wenn folgende 3er-Befund-Konstellation vorliegt: 1. Exophthalmus, 2. Tachykardie, 3. Struma. Es existiert eine Vergesellschaftung mit anderen Erkrankungen, wie z. B. chronische Polyarthritis, Diabetes mellitus Typ I und die sog. endokrine Orbitopathie. Diese Erkrankung ist für den »Basedow« pathognomonisch, kann aber auch ohne Schilddrüsenerkrankung auftreten, wie z. B. 5 als Thyreoiditis nach einer Strahlenbehandlung oder 5 als sog. Thyreoiditis de Quervain, die häufig nach vorausgegangenen viralen Infekten entsteht. Auch funktionelle Autonomien und Tumoren können mit einer Hyperthyreose einhergehen. Symptome der Hyperthyreose sind: 5 Appetitsteigerung, 5 Gewichtsverlust, 5 Wärmeintoleranz, 5 Hyperaktivität, 5 vegetative Labilität, 5 Konzentrationsschwäche, 5 warme Haut mit erhöhter Schweißneigung, 5 Hypertonie, 5 Tachykardien, 5 Neigung zu Herzrhythmusstörungen. In einigen Fällen treten Muskelschwäche oder Osteoporose auf. Im gastrointestinalen System sind Diarrhöen, im Nervensystem feinschlägiger Tremor, gesteigerte Reflexe, Unruhe und Schlafstörungen richtungsweisend.
Hypothyreose Bei der Hypothyreose muss zwischen der angeborenen und der erworbenen Form unterschieden werden. Die angeborene Hypothyreose ist die häufigste Stoffwechselerkrankung des Neugeborenen (1/4000). Zur Primärdiagnostik und Prävention bleibender Schäden wird der TSH-Screeningtest am 5. Lebenstag durchgeführt. Erworbene Hypothyreosen können vielfältige Ursachen haben, wie z. B. Schilddrüsenoperationen, Zustand nach Thyreoiditis, Medikamente, Strahlenbehandlung sowie extremer Jodmangel oder ein Jodexzess. Symptome der Hypothyreose sind: 5 körperlicher und geistiger Leistungsabfall, 5 Schwäche, Müdigkeit, Apathie,
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
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Kälteintoleranz, Gewichtszunahme, kühle, trockene, schuppige Haut, brüchige Nägel, glanzlose Haare mit vermehrtem Ausfall.
Als pathognomonisch gilt das sog. Myxödem, bei dem eine typische periphere teigig-blassgelbe Hautverdickung und ein Gesichtsödem mit periorbitaler Betonung auftreten. Meist kommt eine Vergrößerung der Zunge hinzu, die zu einer verwaschenen Sprache führt, während die Stimme rau und heiser wird. Eine verminderte Darmmotilität mit Obstipationsneigung gehört ebenso zum Krankheitsbild wie Bradycardie, Hypotonie, Durchblutungsstörungen und eine evtl. herabgesetzte Nierenfunktion mit aufsteigenden Harnwegsinfekten. Oft wird auch über sog. »rheumatische« Beschwerden geklagt.
Müdigkeit
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Müdigkeit als Symptom kann vielfältige Ursachen haben. Die einfachste Ursache ist Schlafentzug. Nicht selten jedoch besteht eine Anämie. Die Gründe hierfür sind ebenfalls vielfältig, scheinen sich aber im vorliegenden Fall auf das gastrointestinale System zu beziehen. In dem vorliegenden Fall ist der Magen besonders betroffen. Aus diesem Grund kommen 2 wesentliche Mechanismen in Betracht: 5 Die große Schleimhautfläche (ca. 200 m2) des Gastrointestinaltraktes ist zum Zweck der Resorption außerordentlich gut durchblutet. Entzündungen z. B. der Magenschleimhaut gehen auch immer mit dem klassischen Entzündungszeichen und einer Funktionseinschränkung einher. Bei einer Entzündung der Mucosa kann dies stets auch eine Blutung zur Folge haben. Besteht eine obere gastrointestinale Blutung, kommt es zu Hämatemesis (Bluterbrechen). Werden die Blutprodukte nach der weiteren Passage durch Dünn- und Dickdarm zersetzt und verdaut, bildet sich ein typischer Teerstuhl (Meläna) aus. 5 Durch die chronische (Sicker-)Blutung ist eine Anämie nicht selten. Ein Test auf verborgenes Blut ist der sog. Hämoccult-Stuhltest, der unsichtbar gewordenes verdautes Blut identifiziert.
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Eine Functio laesa kann bei der Gastritis auch eine Einschränkung von Resorptions- und Syntheseleistung der Mucosa sein. Wichtigstes Produkt der Syntheseleistung zur Blutbildung ist die Herstellung von »intrinsic-factor« zur Resorption von
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Vitamin B12 (Cobalamin). Diese Aufgabe haben die Belegzellen des Magens übernommen. Normalerweise sind Belegzellen mit der Herstellung von Salzsäure (HCl) zur Aufrechterhaltung des sauren Magen pH-Wertes beschäftigt.
16 Wichtig
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Das Vitamin B12 ist das einzige Vitamin, das zu seiner im terminalen Ileum stattfindenden Resorption einen zweiten »intrinsic-factor« benötigt.
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Fehlt dem Organismus Vitamin B12 z. B. durch einen alimentären Mangel an »intrinsic factor« oder infolge einer verringerten Aufnahme an der Resorptionsstelle, kann eine perniziöse (bösartige) Anämie entstehen (7 Kap. 4.2.4 »Kasuistik 15«). Weitere Symptome können die der funnikulären Myelose sein, da auch hier das Vitamin B12 eine wichtige Rolle spielt. Folgende Symptome sind befundtypisch: 5 Taubheitsgefühl, 5 Kribbeln oder Ameisenlaufen an den Händen, 5 nächtliche, durch Verlust der visuellen Kontrolle bedingte Gangunsicherheit, 5 Verlust des Vibrationsempfindens.
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4.4 · Organe
i Tipps Ein auffälliges Symptom des Vitamin-B12-Mangels ist außerdem das Zungenbrennen (Glossitis).
Die Symptome treten erst bei einem chronischem Krankheitsgeschehen auf, da die Leber bei einer Halbwertszeit von ca. 400 Tagen das Cobalamin recht lange speichern kann.
Multiple Sklerose Die multiple Sklerose (MS) die auch Encephalitis disseminata (ED) genannt wird, zeigt ein klinisch sehr variables Bild. Sie wird daher auch als »Krankheit mit den tausend Gesichtern« bezeichnet. Die MS kommt bei dieser Patientin ebenfalls differenzialdiagnostisch in Betracht. Sie wird in 7 Kap. 4.5.6 »Kasuistik 56« näher besprochen.
4.4.3 Kasuistik 42: Unregelmäßiger Puls
Anamnese Ein 26-jähriger Polizist kommt mit seit 7 Wochen bestehenden Pulsunregelmäßigkeiten zur Behandlung. Die Unregelmäßigkeiten sind dem Patienten beim Sporttraining während der Pulskontrolle aufgefallen. Erstmalig sind diese Veränderungen nach einem Kampfsportseminar deutlich geworden. Akut bestehen keine Schmerzen. Aus der Vorgeschichte sind Nackenirritationen bekannt. Eine Leistungsminderung ist dem Patienten nicht bewußt geworden. Die regelmäßigen Vorstellungen beim Betriebsarzt waren ohne Besonderheiten (. Abb. 4.106). Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Organsysteme anamnestisch unauffällig. Operationen/Verletzungen: Keine Voroperationen, keine Traumen. Familienanamnese: Unauffällig. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: In der Freizeit Joggen und Fitnesstraining, 1,89 m groß, 85 kg schwer, keine Allergien, keine Genussgifte, ausgewogene Vollkosternährung.
Pulsstolpern Nach Kampfsportseminar Rezidivierende Nackenprobleme Kein Leistungsverlust
Befund Inspektion: Keine Auffälligkeiten. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung in der Nackenregion, unauffälliges Listening (. Abb. 4.107). Palpation: Leichter Druckschmerz am craniocervicalen Übergang, keine Bindegewebszonen/Chapman-Punkte, Jones-Punkt C0 positiv. Axiales System: C0ESRR, erhöhter Tonus der kurzen Nackenmuskeln, sonst unauffällige Funktionstests. Provokationstests lösen bei der Kopfvorneigung eine Empfindlichkeit links am craniocervicalen Übergang aus. Blutdruck 115/75 mmHg, Puls 64 pro Minute unregelmäßig.
Verdachtsdiagnose Herzrhythmusstörungen durch Irritation des linken N. vagus.
Osteopathische Betrachtung Bei dem Patienten besteht eine Fixation des linken Facettengelenks C0/1, die den linken N. vagus affektiert. Wahrscheinlich ist die Facettenfixation Folge eines Kampfsporttraumas (. Abb. 4.108). Da der linke N. vagus den AV-Knoten innerviert, können durch Affektionen des linken N. vagus 5 Herzrhythmusstörungen ausgelöst werden. Bei Affektionen des rechten N. vagus können durch die Beeinflussung des Sinusknotens Herzfrequenzveränderungen beobachtet werden.
Nackenregion
Jones C0 C0ERSR
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
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. Abb. 4.107. Local Listening, Patient 42
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a
b
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. Abb. 4.106. Ansicht, Patient 42
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Kopfgelenk li
13 Herz
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b
. Abb. 4.108. Osteopathische UFK, Patient 42
c
4.4 · Organe
Wichtig Da ein Jones-Punkt zu finden ist, liegt der Irritation C0/1 eine neuromuskuläre Störung zugrunde. Demzufolge kann die Irritation durch eine Jones-Technik behandelt werden.
Schulmedizinische Betrachtung Rhythmusstörungen haben viele Ursachen, sie können von einem harmlosen (Zufalls-)Befund bis hin zur ernst zu nehmenden lebensgefährlichen Krankheit variieren. Der Grundrhythmus des Herzens entsteht durch die Aktivität des Sinusknotens. Dieser Grundrhythmus funktioniert auch beim isolierten Herzen, d. h. ohne eine Steuerung durch übergeordnete Systeme, wie z. B. dem Gehirn. Die beiden Exekutivorgane des vegetativen Nervensystems, der N. vagus und Orthosympathicus haben allerdings steuernden Einfluss. Während die normale Herzfrequenz des Erwachsenen in Ruhe zwischen 50 und 100 bpm (=Schläge/beats pro Minute) beträgt, ist sie bei kleineren Lebewesen beträchtlich höher (Spitzmaus: 600 bpm) und bei größeren niedriger (Elefant: 25 bpm). Die Frequenz ist proportional zu 1/Masse0,25. In Ruhe sind beide Anteile des autonomen Nervensystems aktiv, wobei die parasympathische Hemmung dominiert. Bei einer experimentellen Blockade beider Systeme liegt die intrinsische Aktivität eines jungen Erwachsenen in Ruhe etwa bei 105 bpm. Als Sinusarrhythmie (respiratorische Arrhythmie) wird die physiologische Bradycardie während der Inspiration bezeichnet. Bei Kindern und Jugendlichen ist diese oft besonders ausgeprägt. Grund dafür ist eine von den Lungendehnungsrezeptoren ausgelöste Steigerung der Vagusaktivität. Bei den sog. Extrasystolen wird zwischen den zusätzlichen Herzschlägen auf Vorhofniveau (supraventrikuläre Extrasystolen) und denjenigen, die auf der Kammerebene gebildet werden (ventrikuläre Extrasystolen) unterschieden. Das Auftreten zusätzlicher Herzschläge außerhalb des Normalrhythmus ist möglich, da die Vorläuferzellen des Herzmuskelgewebes entwicklungsgeschichtlich in der Lage waren, nicht nur kontraktile Zellen (spezifische Herzmuskelzellen), sondern auch Zellen zur Erregungsbildung (Sinus-, AV-Knoten, His-Bündel) und Erregungsleitungen (z. B. Tawara-Schenkel, unterschiedliche Faszikel, Purkinje-Fasern) hervorzubringen. Diese Fähigkeit ist auch beim ausgewachsenen Herz erhalten. Häufig entsteht zwischen der ventrikulären Extrasystole und dem nachfolgenden Normalschlag eine (kompensatorische) Pause, weshalb der Patient subjektiv ein »Aussetzen« der Herzaktivität beschreibt. In der Regel werden diese Veränderungen nicht wahrgenommen. Als Herzblöcke (AV-Block I–III) werden Veränderungen der Überleitung zwischen Vorhöfen und Kammern bezeichnet. 5 Während ein AV-Block I noch relativ harmlos ist, da er lediglich die Verlängerung der Zeit zwischen Vorhof- und Kammerkontraktion darstellt, 5 kann der AV-Block II durch das völlige Fehlen einer geordneten Abfolge von Vorhof- und Kammeraktivität mit plötzlichen Ohnmachtsanfällen (Adam-Stokes-Anfälle) einhergehen, die u. U. lebensgefährlich sein können. 5 Dem AV-Block III wird durch das Implantieren eines künstlichen Herzschrittmachers entgegengewirkt. So genannte kreisende Erregungen (»re-entry«-Tachycardien) werden meist als paroxysmale Tachycardien apparent. Hierbei entsteht ein anormaler Leitungskreislauf, wie er z. B. auch beim WPW-Syndrom (Wolff-Parkinson-White) vorkommt. Bei dieser Symptomatik bekommen die Patienten plötzlich Herzrasen mit Frequenzen bis zu 200/min. Je nach Ausprägungsgrad der Erkrankungen können kathetergeführte
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Ablationen oder aber medikamentöse (Bedarfs-)Therapien weiterhelfen. Manche Patienten setzen sich im Bedarfsfall starke Vagusreize, wie z. B. Druck auf den Augapfel, oder trinken Eiswasser. Diese Vagusreize führen ebenfalls zu einer Normalisierung der Frequenz.
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. Übersicht 5 Während das Kammerflimmern ein lebensbedrohlicher Zustand ist, der nur mit Hilfe einer sofortige Intervention, z. B. durch Defibrillation, aufgehoben werden kann, 5 ist das Vorhofflimmern eine häufige Rhythmusstörung, die nicht selten unerkannt bleibt, aber dennoch viele Komplikationen hat (7 Kap. 4.4.6 »Kasuistik 45«).
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4.4.4 Kasuistik 43: Kurzatmigkeit mit Leistungsminderung
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Anamnese
Dyspnoe bei Belastung seit Monaten Nikotin seit über 40 Jahren Nykturie: 2- bis 3-mal regelmäßig Schläft mit erhöhtem Oberkörper
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Herzinfarkte bei den Geschwistern, Schlaganfall beim Vater
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Befund Adipös
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In die Praxis kommt in Begleitung seiner Frau ein 58-jähriger LKW-Fahrer aufgrund von Leistungsminderung. Die Schwäche geht mit einer in den letzten Monaten verstärkt aufgetretenen Luftnot bei Anstrengung einher. Das Ehepaar wohnt im 3. Stock eines Mietshauses. Die Frau äußert besorgt, dass ihr Mann die 3. Etage nur noch mit mindestens 2 Pausen erreichen kann. Er selbst führt seine Beschwerden auf seinen seit 44 Jahren bestehenden Nikotinkonsum mit mittlerweile 30–40 Zigaretten pro Tag zurück. Verdauung, Appetit und Schlaf sind unverändert gut, allerdings berichtet er auf Nachfrage, nachts regelmäßig 2- bis 3-mal zum Wasserlassen aufzustehen. Seitdem er mit leicht erhöhtem Oberkörper schläft, kann er schnell wieder einschlafen. Am Morgen fühlt er sich einigermaßen ausgeruht. Allerdings bemerkt er während des Tages eine gewisse Schlappheit und Lustlosigkeit. Er galt bisher immer als zäh, jetzt aber kann er es während der Arbeit kaum abwarten, nach Hause zu kommen, um sich hinzulegen. Fieber hat er nicht. Er scheut Arztbesuche, vor allem aus Angst, eine Krebsdiagnose gestellt zu bekommen (. Abb. 4.109). Medikamente: Als Eigenmedikation Acetylcystein (ACC) bei Luftnot. Eine wesentliche Besserung wird dadurch nicht erzielt. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Bisher keine wesentlichen Traumata. Appendektomie mit 12 Jahren. Familienanamnese: Die Mutter verstarb an den Folgen eines Mammakarzinoms. Bruder und Schwester erlitten einen Herzinfarkt, der Vater einen Schlaganfall. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Keine Hobbys mehr, früher hatte er einen Schrebergarten, den er jedoch aufgab, weil es ihm zu viel wurde. 1,74 m groß, 94 kg schwer, normale Mischkost, wenig Alkohol.
4.–5. Rippe links, T6–9NSRL, T11–L2NSRL Leberptose, Kongestion Hepatojugulären Refluxtest Auskultation schwach
Inspektion: Adipöser Patient mit thorakaler Linksrotation und Rechtsrotation des Oberbauches sowie Beckenverwringung rechts anterior. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung über dem linken Thorax sowie dem rechten Oberbauch. Das Listening weist zur linken Thoraxseite sowie dem rechten Oberbauch (. Abb. 4.110). Palpation: Vermehrte Kongestion abdominal sowie Fußrücken- und Knöchelödeme beidseits. Axiales System: Blockade der 4. und 5. Rippe links mit T4–5ERSR, T6–9NSRL, T11–L2NSRL, Ilium anterior rechts und Ilium posterior links.
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4.4 · Organe
Th 6–9
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. Abb. 4.109. Ansicht, Patient 43
. Abb. 4.110. Local Listening, Patient 43
Viszeral: Leberptose, Kongestion des Darmes, Fixation des Caecum in der rechten Fossa iliaca sowie des Sigmoids gegenüber dem linken Psoas. Deutlich positiver Befund beim hepatojugulären Refluxtest. Bei der Auskultation kaum hörbares Atemgeräusch mit erschwerter forcierter Exspiration. Craniosacral: Abgeschwächter und verlangsamter P.R.M.
Verdachtsdiagnose Herzinsuffizienz. DD: Dyspnoe bei Lungenerkrankung (Asthma, Ca., COPD).
Osteopathische Betrachtung Bei diesem Patienten stehen die Symptome einer Herzinsuffizienz (Knöchelödeme, Belastungsdyspnoe) mit der daraus resultierenden Leistungsminderung im Vordergrund. Folge der Herzerkrankung sind die Leberptose und die abdominale Kongestion. Wichtig Bei anamnestischen Zeichen einer Herzinsuffizienz und deutlich positivem hepatojugulären Refluxtest besteht eine zumindest relative Kontraindikation zur Behandlung, da die aus osteopathischer Sicht notwendigen hämodynamisierenden Techniken eine zusätzliche Herzbelastung zur Folge haben.
Erst im Anschluss an eine erfolgreiche medikamentöse Einstellung der Herzinsuffizienz wird zum Abbau der bestehenden UFK osteopathisch behandelt.
Schulmedizinische Betrachtung Die Herzinsuffizienz hat viele Ursachen, von denen bei dem hier vorgestellten Patienten eine Vorschädigung durch einen langjährigen Hypertonus möglich sein kann. Folgende Ursachen sind häufig: 5 ischämische Herzkrankheit (Herzschwäche durch Mangeldurchblutung, koronare Herzerkrankung), 5 toxische Schädigungen z. B. durch Alkohol, 5 postentzündliche Zustände, häufig z. B. nach virusbedingter Myokarditis,
P.R.M schwach
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
5 angeborene Disposition zur dilatativen Kardiomyopathie. 5 Auch Klappenfehler, Lungenembolien, Hyperthyreose oder der plötzliche Abbruch einer antihypertensiven medikamentösen Therapie können zur Herzinsuffizienz führen.
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Die Pumpleistungsschwäche kann sich isoliert in dem Niederdrucksystem des Herzens offenbaren (Rechtsherzinsuffizienz). Bei einer Rechtsherzinsuffizienz besteht ein Rückstau über das venöse System in die Peripherie. Das klassische Symptom sind bilaterale periphere Ödeme, Stauungsleber und Hepatomegalie. Die Linksherzinsuffizienz betrifft das Hochdrucksystem und offenbart sich durch eine Dyspnoe, meist in Form einer Orthopnoe. Ein Befundkriterium ist die Angabe der erleichterten Atmung durch Oberkörperhochlagerung. Die Dyspnoe entsteht durch vermehrte Wassereinlagerung in der Lunge, weshalb auch Husten ein Symptom der Herzinsuffizienz sein kann. Bei einem derartigen Befund sind während der Auskultation feuchte Rasselgeräusche als Ausdruck dieses Lungenödems wahrnehmbar. Eine genaue Diagnostik ist die Domäne der Kardiologie, insbesondere weil wirksame Therapien sich nach der Erkennung der Grundkrankheit richten. Die zielführende Diagnostik ist über EKG, Belastungs-EKG (Ergometrie) Echokardiographie (Herzultraschall) und Koronarangiographie zu erreichen. Weitere Zusatzuntersuchungen sind die Myokardszintigraphie und die Rechtsherzkatheteruntersuchung. Das Leitsymptom Dyspnoe kann ebenso gut durch eine Lungenerkrankung erklärt werden. Bei diesem Patienten ist eine COPD durch die langjährige Rauchgewohnheit nicht unwahrscheinlich. Differenzialdiagnostisch gibt die sog. Spiroergometrie besonderen Aufschluss darüber, ob eine Dyspnoe eher kardial oder pulmonal bedingt ist. Diese Untersuchungsmethode wird in Fachkliniken und besonderen Zentren durchgeführt. Zur Differenzierung der häufigen obstruktiven Lungenerkrankungen COPD und Asthma bronchiale s. auch 7 Kap. 4.3.7 »Kasuistik 36«.
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4.4.5 Kasuistik 44: Rezidivierendes Sodbrennen
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Anamnese
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Rezidivierendes Sodbrennen
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Vater: Ösophaguskarzinom Bruder: ebenfalls Sodbrennen Konsumiert Alkohol, Nikotin, Kaffee
Ein 35-jähriger Fensterputzer kommt aufgrund von immer wiederkehrendem Sodbrennen in die Praxis. Bereits mehrfach wurde das Sodbrennen symptomatisch mit Medikamenten (Protonenpumpeninhibitoren) behandelt. Allerdings erhofft sich der Patient durch osteopathische Behandlung von seiner Dauermedikation befreit zu werden. Eine Gastroskopie hat er bislang abgelehnt (. Abb. 4.111). Medikamente: Protonenpumpeninhibitoren. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Appendektomie und Tonsillektomie in der Kindheit, Mittelhandfraktur vor 7 Jahren, folgenlos ausgeheilt. Familienanamnese: Nervöse Magenbeschwerden in der Familie bekannt, sein Vater ist an den Folgen eines Tumors der Speiseröhre verstorben, sein 8 Jahre älterer Bruder hat seinen Alkoholkonsum wegen ständigen Sodbrennens stark reduziert. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Regelmäßig Alkohol und reichlich Kaffee. Allergien sind keine bekannt, Unverträglichkeit gegen rote Früchte. Seit dem 15. Lebensjahr raucht er ca. 20 Zigaretten täglich. In seiner Freizeit schaut er sich gerne Autorennen an.
Befund Inspektion: Linksrotation der Region T6–9. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung über dem linken Epigastrium, Listening weist zum linken Oberbauch (. Abb. 4.112).
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4.4 · Organe
Th 6–9
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. Abb. 4.111. Ansicht, Patient 44
Palpation: Abwehrspannung im Oberbauch, Druckempfindlichkeit der Cardiaregion, hypertones Zwerchfell. Axiales System: C0ESRL, C3–5ERSL, T6–9NSRL, parietal geringe Protraktion der linken Schulter. Viszeral: Palpationsschmerz der fixierten Cardia sowie Retraktion der kleinen Curvatur. Schmerzprovokation durch Loslassen der nach cranial angehobenen Cardia mit etwa 50 Sekunden nachklingendem hellen Schmerz.
Verdachtsdiagnose Refluxösophagitis. DD: Hernia hiatalis/Cardiafixation/Cardiaspasmus.
Osteopathische Betrachtung Neben den aus der Anamnese bekannten Belastungsfaktoren für Ösophagus und Magen (Alkohol-, Kaffee-, Nikotinabusus) besteht außerdem eine familiäre Belastung. Das osteopathische Untersuchungsergebnis weist ebenso wie das Sodbrennen auf Probleme von Ösophagus und Magen hin. Die ortho- und parasympathischen Segmente dieser Organe sind ebenso (T6–9 sowie C0) wie die zugehörigen faszialen Strukturen affektiert (C3–5).
. Abb. 4.112. Local Listening, Patient 44
Zwerchfell hyperton C0ESRL, C3–5ERSL, T6–9NSRL Cardiafixation
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
. Übersicht 5 Die Cardiafixation weist ebenso auf eine funktionelle Hernia hiatalis hin wie auf eine entzündliche Reaktion in dieser Region. Da der Provokationstest einen 50 Sekunden nachklingenden hellen Schmerz zur Folge hatte, ergeben sich bei diesem Patienten gleich 2 Hinweise auf eine entzündliche Pathologie. Dieses Untersuchungsergebnis stellt somit eine Kontraindikation zur sofortigen Behandlung dar. 5 Eine Entzündungsreaktion in dieser Region kann durch osteopathische Techniken behandelt werden, indem die Zirkulation optimiert wird. Bei einer relativen Kontraindikation sollte vor einer osteopathischen Behandlung das Ausmaß sowie die Schwere der Entzündung bestimmt werden. Eventuell muss zunächst medikamentös vorbehandelt werden. Mittel der Wahl für diese Abklärung ist die Gastroskopie. 5 Bei einer nicht-akuten Entzündung und stabiler Situation der Schleimhäute ist eine osteopathische Behandlung indiziert und zeigt gute Erfolge.
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Schulmedizinische Betrachtung Mit Refluxkrankheit ist der Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre (Ösophagus) gemeint, eine Erkrankung die ihren Ausgang häufig an der auch osteopathisch wichtigen Region des Durchtritts der Speiseröhre durch das Zwerchfell (Hiatus oesophageus) in den Magen (genauer die Cardia) nimmt. Die Folgen dieser Erkrankung können bei langjährigem Fortbestehen Schleimhautveränderungen des Ösophagus induzieren und das sog. Barrett-Ulcus auslösen. Diese Entwicklung kann zu einem Ösophaguskarzinom beitragen. Die Ösophagitis geht auf eine Schwäche der Cardia (Sphinctermuskulatur) zurück, die normalerweise nur dann eine Passage aus der Speiseröhre in den Magen erlaubt, wenn Nahrungsbestandteile kurzfristig nach aboral transportiert werden. Wenn der Mageninhalt z. B. nach dem Genuss unverträglicher Noxen so schnell wie möglich wieder hinausbefördert werden soll, entsteht ein beabsichtigter umgekehrter Transport. Der Reflux entsteht meist infolge einer Cardiainsuffizienz, die auf eine axiale Gleithernie zurückzuführen ist. Ursache ist das Erschlaffen der bandartigen Fixierung unterhalb des Hiatus oesophageus, die mit einem konsekutivem Gleiten der Cardia und unter Mitnahme des Peritonealüberzuges in den Thoraxraum zurückgeht. Eine axiale Gleithernie ist die häufigste aller Hiatushernien und kommt vor allem im mittleren bis höheren Lebensalter vor. In den meisten Fällen bleibt die Gleithernie zwar symptomlos, doch wenn sie von einer Insuffizienz des unteren Ösophagussphincters begleitet wird, entsteht der Reflux von Säure in ein Gebiet, das keine Säure verträgt. Bei einer sog. paraösophagealen Hernie gleitet der obere Magenanteil (Fundus oder große Curvatur) unter Mitnahme des Peritonealüberzuges durch den erweiterten Hiatus in den Thorax. Die Funktion des unteren Ösophagussphincters ist dabei meist regelrecht. Zunächst sind diese Veränderungen asymptomatisch, verursachen aber mit der Zeit die folgenden unspezifischen Symptome: 5 Völlegefühl, 5 Unwohlsein, 5 Schmerzen im linken Thoraxbereich. Als Komplikation können Entzündungen und Erosionen, z. T. mit Blutungen, auftreten. Bei einer Hernieninkarzerierung wird ein Teil der Magenwand infolge der mechanisch verursachten Ischämie nekrotisch. Daraus resultieren massive Schmerzen sowie Blutungs- und Schockgefahr.
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4.4 · Organe
i Tipps Bei Verdacht muss eine gastroenterologische Diagnostik mit Hilfe einer Endoskopie oder kontrastmittelgeführten Röntgendiagnostik erfolgen.
4.4.6 Kasuistik 45: Unregelmäßige Herzschläge
Anamnese Während der Skifreizeit eines Sportvereines sucht ein 25-jähriger Sportler einen Osteopathen auf. Nach einem ausufernden Fest der vergangenen Nacht, in dem auch reichlich Alkohol getrunken wurde, fühlt sich der sonst gut trainierte, gesunde, junge Mann stark leistungsgemindert. Der Patient gibt an, bei den üblicherweise wenig anstrengenden Alltagsverrichtungen in Schweiß auszubrechen und unter Herzrasen zu leiden. Auch ist er sich nicht sicher, ob sein Herz überhaupt regelmäßig schlägt und ob es nicht viel zu schnell sei. Er habe so etwas noch nie gehabt (. Abb. 4.113). Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Keine Operationen, keine Traumata. Familienanamnese: In der Familie des Patienten sind keine Herzerkrankungen bekannt, allerdings hat ein Onkel seit kurzem eine künstliche Herzklappe. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Normale Mischkost, 1,85 m groß, 79 kg schwer, Sportler.
Herzrasen nach Alkohol mit Rhythmusstörung
Befund Inspektion: Blasse Haut, posturologisch unauffällig. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung über der Herzregion, das Listening weist zum linken Thorax (. Abb. 4.114). Palpation: Unregelmäßiger Pulsschlag.
. Abb. 4.114. Local Listening, Patient 45
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. Abb. 4.113. Ansicht, Patient 45
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
T4FRSL Keine Belastbarkeit
Axiales System: T4FRSL. Provokation bereits durch leichte körperliche Belastung. Sonst unauffälliger Befund.
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Verdachtsdiagnose
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Osteopathische Betrachtung
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Vorhofflimmern mit Tachyarrhythmia absoluta.
Osteopathisch recht unauffällig. Dieser Patient muss an einen Kardiologen weitergeleitet werden.
Schulmedizinische Betrachtung Die Tachyarrhythmie kann durch unterschiedliche Noxen auftreten. In diesem Fall liegt die Ursache in dem exzessivem Alkoholgenuss. Diese Erkrankung wird als sog. »holiday-heart-disease« bezeichnet, kann häufig aber auch Ausdruck eines strukturellen Herzproblems sein. Folgende Faktoren kommen als Ursachen in Frage: 5 Hypertrophe Herzen, z. B. durch langjährig bestehenden Bluthochdruck, 5 Ischämische Herzkrankheiten, die z. B. auf eine Arteriosklerose der Herzkranzgefäße zurückzuführen sind. i Tipps Eine kardiologische Abklärung ist stets notwendig, wenn Unregelmäßigkeiten im Herzschlag diagnostiziert werden.
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Liegt nicht nur ein unregelmäßiger, sondern auch zu schneller Herzschlag vor, stehen frequenzsenkende Maßnahmen im Vordergrund. Stets muss auch die zu Grunde liegende Herzerkrankung gesucht und entsprechend therapiert werden. Die »Absoluta« kann selbstlimitierend, intermittierend und chronisch sein. Therapeutisch kann mit Medikamenten, wie z. B. β-Blockern, oder elektrischer Gegenstimulation (Kardioversion) eingegriffen werden. Sind mehrfache Kardioversionsversuche in den Sinusrhythmus ebenso erfolglos wie die medikamentöse Konversion, wird die Erkrankung als chronisch angesehen.
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Wichtig
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Diese Erkrankung ist der wichtigste Risikofaktor für einen akuten arteriellen Verschluss.
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Bei dieser Komplikation gelangt thrombogenes Material auf arteriellem Wege mit hoher Geschwindigkeit und hohem Druck in die peripheren Gefäße. Kardinalsymptome des akuten arteriellen Verschlusses sind durch die sog. 6 »P« gekennzeichnet. Diese Symptome beginnen alle im englischem Sprachgebrauch mit dem Buchstaben P. 6-P-Kardinalsymptome:
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Pulslessness (Pulslosigkeit), Pain (Schmerz), Paleness (Blässe), Paralysis (motorische Schwäche), Parasthesia (Empfindungsstörung), Prostration (Schock). Wichtig Insbesondere bei chronischem Vorhofflimmern ist daher eine Behandlung mit Antikoagulanzien angezeigt.
4.4 · Organe
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. Übersicht 5 Als oral wirksame Therapie ist die Behandlung mit Marcumar (Phenprocumon), einem sog. Vitamin-K-Antagonisten, etabliert. Vitamin K ist der Kofaktor bei einigen (II, VII, IX und X) der in der Leber synthetisierten (insgesamt 13) Gerinnungsfaktoren. Dies sind Eiweiße, die neben den Thrombozyten das System der Blutgerinnung gewährleisten. 5 Marcumar senkt als Antagonist die Gerinnungsaktivität, hebt sie aber nicht auf. Früher wurde das Ausmaß der eingeschränkten Gerinnungsfähigkeit nach dem Erstbeschreiber der Methode mit Hilfe eines sog »Quick-Tests« gemessen. Diese Methode wurde durch die sog. INR (International Normalized Ratio), die als ein international gültiger und vergleichbarer Wert gilt, abgelöst. 5 Die normale Blutungszeit bei einer Bagatellverletzung dauert etwa 24 Sekunden, was einer INR von 1 (Normalwert) entspricht. Bei Marcumar-Einnahme ist dieser Wert, je nach Indikation, auf bis zu 4 erhöht. Andere Indikationen zur Marcumar-(Dauer-)Therapie können z. B. vorausgegangene Venenthrombosen, Lungenembolien oder (künstliche) Herzklappenoperationen sein. 5 Beim Vorhofflimmern wird üblicherweise eine INR von 2,5 angestrebt.
4.4.7 Kasuistik 46: Rezidivierende Diarrhöen
Anamnese In die Praxis kommt ein 41-jähriger selbstständiger Psychologe. Er ist in der Personalentwicklung tätig, die mit der Schulung von Mitarbeitern in überregionalen Wochenendseminaren einhergeht. Der Patient ist daher viel mit dem Auto oder Flugzeug unterwegs und arbeitet in der Regel mindestens 65 Stunden pro Woche. Es belastet ihn, dass er so oft von zu Hause weg ist und nicht bei seiner Frau sein kann, die zum 2. Mal schwanger ist. Bis vor etwa 5 Jahren hat der Patient sehr regelmäßig Tennis gespielt, außerdem viel gejoggt. Dazu kommt er jetzt aus beruflichen Gründen überhaupt nicht, worunter er leidet, da für ihn der Sport früher ein guter Ausgleich war. Das primäre gesundheitliche Problem besteht in rezidivierenden breiigen Durchfällen mit bis zu 7 Stuhlgängen pro Tag. Blut- oder Schleimbeimengungen sind bisher nicht beobachtet worden, die Entleerungen sind schmerzlos. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Bekannter Knirscher. Vor 1 Jahr war er während eines Vortrages in den USA beim Kardiologen, da ihm plötzlich »schwummerig« wurde und er das Gefühl hatte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Eine umfangreiche Untersuchung hatte keinerlei auffällige Befunde ergeben, die Beschwerden sind seither auch nie wieder aufgetreten (. Abb. 4.115). Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Appendektomie mit 12 Jahren, sonst keine Operationen. Familienanamnese: Vater, ein berühmter Psychologieprofessor, ist an einem Magenkarzinom gestorben, seine Mutter hat ein Glaukom. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Die Ernährung war früher sehr gesundheitsbewusst (wenig Fett, viel Obst und Gemüse), ist jetzt aber, bedingt durch die vielen Aufenthalte in Hotels, fettreicher und ballaststoffärmer geworden. Allergien sind nicht bekannt. Der Patient trinkt wenig Alkohol, schafft es aber nicht, mit dem Rauchen aufzuhören (mittlerweile 40 Zigaretten pro Tag seit etwa 21 Jahren). Er ist 1,89 m groß und 98 kg schwer.
Beruflicher und privater Stress
Rezidivierende Durchfälle
Überlastung während einer Vortragsreise
Früher viel Sport und gesunde Ernährung, jetzt Bewegungsarmut und zu fettreiches Essen Starker Raucher
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
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Th 6–9
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c . Abb. 4.116. Local Listening, Patient 46
. Abb. 4.115. Ansicht, Patient 46
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Befund Magen NN/Niere Chapman-NN
T9–11NSRbds., C0ESRbilateral, C3–5ERSL, T5FRSL, T8FRSL, T12ERSbds. TMG
Inspektion: Vermehrte Extension der Region T9–11. Thermodiagnostik: Erhöhte Wärmeabstrahlung über der Magenregion sowie den Nebennieren und der I-C-Klappe, das Listening weist zu beiden Nierenlagern (. Abb. 4.116). Palpation: Deutliche Tonuserhöhung aller Sphincteren des Darmes, positive Chapman-Punkte 2 cm cranial und lateral des Bauchnabels. Axiales System: T9–11NSRbds., C0ESRbilateral, C3–5ERSL, T5FRSL, T8FRSL, T12ERSbds., Sacrum posterior bilateral, Hypertonie von Cardia, Pylorus, D-J-J, I-C-Kl., Perineum. Craniosacral: Dysfunktion des TMG bei Hypertonie der Kaumuskulatur.
Verdachtsdiagnose Stress (Orthosympathicotonus). DD: entzündliche Darmerkrankung.
Osteopathische Betrachtung Aus der Anamnese gehen deutliche Stressauslöser hervor. Symptomatisch können diese sich durch Magenirritationen, Sodbrennen, Herzrhythmusstörungen oder -rasen, nächtliches Knirschen bis hin zu Verdauungsstörungen mit Diarrhöeneigung äußern (. Abb. 4.117). Typisch ist die orthosympathisch regulierte Tonuserhöhung aller Darmsphincteren (von Kaumuskeln bis zum Schließmuskel). Darüber hinaus sind die Nebennieren als endokrines Erfolgsorgan belastet, und die Magenregion ist gereizt. Bei moderatem Stress reagieren viele Patienten mit dünneren, oft breiigen Stühlen. Bei einer Stresszunahme kommen Symptome des Magens sowie Herzens dazu.
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4.4 · Organe
Stress
Magen + Darm
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. Abb. 4.117. Osteopathische UFK, Patient 46
. Übersicht Therapeutisch ist es wichtig, zunächst balancierend auf das neurovegetative und endokrine System einzuwirken: 5 craniosacrale Beruhigung von Hypothalamus/Hypophyse, 5 Korrektur der para- und orthosympathischen Schaltstellen (OAA, Sacrum, BWS, Rippen), 5 Mobilisation der Nieren und Nebennieren, 5 lokale Techniken an allen anderen irritierten Strukturen,
von Anfang an begleitende Beratung hinsichtlich Stressbewältigung.
Schulmedizinische Betrachtung Die wichtigsten chronisch entzündlichen Darmerkrankungen sind der Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa. Sie haben viele Gemeinsamkeiten, aber auch klar voneinander abzugrenzende Charakteristika. Die Ätiologie ist unklar. Am ehesten wird von einer genetischen Prädisposition ausgegangen, wobei auch ernährungsbedingte Faktoren, wie etwa raffinierter Zucker, als auslösender Faktor gelten, ebenso wie eine autoimmunologische Entstehung. Beim Morbus Crohn (M.C.) besteht ein Befallsmuster, das alle Abschnitte vom Mund bis zum Anus betreffen kann (mit 30% am häufigsten das terminale Ileum). Bei der Colitis ulcerosa (C.U.) ist stets nur der Dickdarm betroffen. Die Erkrankung beginnt am Rektum und breitet sich nach proximal aus. Histologisch sind von der Entzündung beim M.C. alle 5 Wandschichten des stets nach dem gleichen Muster aufgebauten Gastrointestinaltraktes affektiert. Der identische Aufbau ist der Grund für eine Fistelbildungstendenz in die Nachbarorgane.
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Bei der C.U. hingegen sind nur die oberen Schleimhautschichten betroffen.
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Leitsymptome beider Erkrankungen sind folgende Symptome:
5 Durchfälle, 5 krampfartige Bauchschmerzen (Tenesmen), 5 häufig Gewichtsverlust und Mangelzustände, wie z. B. Vitamin-B12-Mangel (7 Kap. 4.4.2 »Kasuistik 41«).
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Bei der C.U. sind die Durchfälle typischerweise schleimig-blutig. Beim M.C. ist der Schmerz im rechten Unterbauch durch eine Entzündung des terminalen Ileums typisch und häufig als schmerzhafte Resistenz tastbar. Die Fistelbildung in Nachbarorgane sowie Darmstenosen sind gleichzeitig ein typisches Cha-
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rakteristikum und Komplikation des M.C.! In der Diagnostik steht das Ermitteln der Laborwerte (Entzündungszeichen) und das Auswerten der bildgebenden Verfahren (Dünndarmkontrasteinlauf) im Vordergrund. Endoskopien bzw. Koloskopien werden nur im schmerzfreien Intervall durchgeführt.
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5 M.C.: segmentaler, landkartenartiger Befall, 5 C.U.: kontinuierlicher Befall, der vom Rectum ausgeht.
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Typische Untersuchungsergebnisse sind:
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. Übersicht Eine vorrangige Komplikation ist bei der C.U. das sog. toxische Megacolon, das mit »septischen Temperaturen« und heftigen abdominellen Schmerzen einhergeht. Beim M.C. besteht die größte Komplikation in der Neigung zur Fistelbildung, die mit einer Ausbildung von Abszessen einhergehen kann. Weitere Komplikationen sind Malabsorptionssyndrome und bei einem Colonbefall die Gefahr der malignen Entartung, die auch bei der C.U. nicht ausgeschlossen ist (ca. 3fach erhöhtes Colon-Karzinom-Risiko). Der wichtigste Therapieansatz liegt in der Entzündungshemmung, die mit 5-Amino-Salicylsäure-Präparaten, Cortison und Azathioprin erreicht werden kann. Wichtig sind außerdem beim M.C. chirurgische Abszesssanierungen und Fistelkorrekturen. Bei der M.C. werden diese chirurgischen Maßnahmen jedoch nur rein symptomatisch durchgeführt, während die Colektomie mit der sog. »kontinenzerhaltenden ileoanalen Pouch-Anlage« besonders bei jungen Patienten mit C.U. eine kurative Therapieoption darstellt. Eine Arthritis bzw. ankylosierende Spondylitis ist als extraintestinales Symptom bei beiden Erkrankungen zu beobachten. Die Symptome stehen meist in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Schubaktivität der Darmentzündung.
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4.4.8 Kasuistik 47: Häufiges Wasserlassen
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Anamnese
Schmerzen in der rechten Flanke, »vom Rücken kommend« Chronische Rückenschmerzen seit Jahren Dauerhaft Paracetamol
Eine 55-jährige Fabrikarbeiterin kommt erstmalig in die Praxis. Sie beklagt Schmerzen in der rechten Flanke, die sie als »irgendwie vom Rücken kommend« beschreibt. Bei der Arbeit muss sie in gebückter Haltung Maschinenteile aufnehmen und im Sitzen montieren. Sie leidet seit vielen Jahren unter chronischen Rückenschmerzen, die sie auf ihre Arbeitsbedingungen zurückführt (. Abb. 4.118). Medikamente: Mindestens 3-mal pro Woche nimmt sie deswegen Paracetamol-Tabletten ein, was ihr eine gewisse, wenn auch nur vorübergehende Erleichterung verschafft.
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4.4 · Organe
. Abb. 4.119. Local Listening, Patient 47
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. Abb. 4.118. Ansicht, Patient 47
Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: In letzter Zeit sehr häufiges Wasserlassen, das jedoch nicht von Schmerzen oder Brennen begleitet ist. Sie ist in regelmäßiger hausärztlicher Behandlung wegen der Rückenschmerzen. Das aktuelle Problem mit dem häufigen Wasserlassen hat sie bisher dort nicht vortragen können. Operationen/Verletzungen: Als Jugendliche hatte sie einen unkomplizierten Oberarmbruch. Supinationstrauma links vor etwa 8 Monaten. Familienanamnese: Ohne Befund. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Kein regelmäßiger Sport, aber ausgedehnte Spaziergänge mit ihrem Hund. Sie ist 1,57 m groß und wiegt 71 kg. Keine Allergien, keine Besonderheiten in der Ernährung. Bis vor 8 Jahren hat sie ein Päckchen Zigaretten pro Tag über ca. 20 Jahre geraucht.
Häufiges Wasserlassen
Supinationstrauma links vor 8 Monaten
Befund Inspektion: Delordosierte LWS. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung über beiden Nierenlagern, Listening weist zur Nierenregion (. Abb. 4.119). Palpation: Erhöhter Tonus der Rückenstrecker sowie Druckschmerz über L1. Axiales System: C0ESRbilateral, L1FRSL, parietal beidseits hypertoner Psoas mit delordosierter LWS. Viszeral: Unauffälliger Befund, keine Nierenfixation. Craniosacral: Starker Durazug Richtung spinaler Dura mater.
Verdachtsdiagnose Diabetes insipidus, Harnwegsinfekt.
Osteopathische Betrachtung Osteopathisch findet sich wahrscheinlich eine Ursache der Rücken- und Flankenschmerzen, nicht jedoch für das häufige Wasserlassen.
Nieren C0ESRbilateral, L1FRSL, Psoas hyperton
Nieren mobil Durazug spinal
4
200
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Zur Therapie der Rücken- und Flankenschmerzen wäre eine craniosacrale Behandlung sinnvoll. Ebenso könnte der Osteopath die neurovegetativ-segmentalen Blockaden (C0 und L1) korrigieren. Da keine mechanische viszerale Ursache zugrunde liegt, muss die Patientin mit entsprechenden schulmedizinischen Maßnahmen (s. unten) auf ihre Beschwerden hin behandelt werden.
1 2 3
Schulmedizinische Betrachtung Der Diabetes mellitus ist u. a. in den 7 Kap. 4.1.6 und 4.1.8 »Kasuistiken 6 und 8« aufgeführt worden. Frühsymptome des Diabetes können Polydipsie (Durst) und Polyurie (Erhöhung der Harnausscheidung) sein. Die Polyurie kann aber auch Symptom eines Harnweginfektes oder eines Diabetes insipidus sein. Ursache des Diabetes insipidus ist eine ungenügende oder fehlende Produktion des antidiuretischen Hormons (ADH), das im Hypothalamus aufgrund der dort vorhandenen Osmorezeptoren gebildet wird und im Anschluss an die Speicherung in der Neurohypophyse (Hypophysenhinterlappen) gezielt von dort ausgeschüttet wird. Störungen in diesem Bereich können z. B. durch Tumoren, wie beispielsweise dem Hypophysenadenom, ausgelöst werden, aber auch (post)entzündlich sein. Diese Verdachtsdiagnose würde auch durch eine Angabe, wie z. B. Kopfschmerzen, unterstützt werden. Die Therapie richtet sich nach der Grunderkrankung.
4 5 6 7 8 9
4.4.9 Kasuistik 48: Stressinkontinenz
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Anamnese Stressinkontinenz
12 13 14 15
Vor 2 Jahren Operation an Gebärmutter deswegen Arterieller Hypertonus: Diuretika Verstopfung: Laxanzien Nykturie 2- bis 3-mal Zeitweise Rückenschmerz
16 17 Adipositas
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Eine 64-jährige Patientin kommt auf Empfehlung ihrer Schwester zur osteopathischen Behandlung, weil sie seit einigen Jahren unter einer Stressinkontinenz leidet. Sie schildert, dass sie beim Niesen oder Husten einige Tropfen Harn verliert und sich bei Feierlichkeiten nicht mehr zu lachen traut, da sie dann ebenfalls inkontinent ist. Sie mag nicht ständig Vorlagen tragen und erhofft sich nun Hilfe. Vor 2 Jahren ist die Patientin vom Gynäkologen wegen dieser Symptomatik an einer Gebärmuttersenkung operiert worden, damit diese keinen Druck mehr auf die Harnblase ausübt. Die Beschwerden haben sich jedoch nach der Operation praktisch nicht verändert (. Abb. 4.120). Medikamente: Regelmäßig Diuretika bei arteriellem Hypertonus sowie häufige Anwendung von Laxanzien bei Neigung zu Verstopfungen. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Nykturie 2- bis 3-mal pro Nacht, gelegentlich Rückenschmerzen lumbal, keine weiteren Störungen der Organsysteme. Operationen/Verletzungen: Keine Traumata, Operationen waren Appendektomie und Tonsillektomie in der Kindheit. Familienanamnese: Keine Besonderheiten. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Die Patientin ist berentet, Hobbys sind Handarbeiten und Tanzkaffee, 1,67 m groß, 77 kg schwer, keine Allergien, kein Nikotin, wenig Alkohol, vollwertige Ernährung.
Befund
19
Adipositas
20 21
T12–L2NSRL, Sacrum posterior bilateral, Perineum beidseitig hypoton! Ligg. pubovesicalia Linke >rechte Lamina PVURS
Inspektion: Adipöse Patientin, die in der LWS delordosiert steht. Thermodiagnostik: Weist zu den Organen an des kleinen Beckens, ebenso das Listening (. Abb. 4.121). Palpation: Bindegewebsschwellung über dem Sacrum, Bindegewebszone Blase. Axiales System: T12–L2NSRL, Sacrum posterior bilateral, parietal beidseits hypotones Perineum. Viszeral: Verkürzte Ligg. pubovesicaliae, irritierte Lamina pubo-vesico-utero-recto-sacralis links mehr als rechts. Neurologisch: Regelrechter Befund.
201
4.4 · Organe
. Abb. 4.121. Local Listening, Patient 48
a
b
c
. Abb. 4.120. Ansicht, Patient 48
Verdachtsdiagnose Perineumschwäche und verkürzte Ligg. pubovesicalia.
Osteopathische Betrachtung Durch eine Perineumschwäche entsteht eine relative Inkontinenz, bei dieser Patientin provozieren verkürzte Ligg. pubovesicalia zusätzlich die Harnblase. Die Innervation des Perineums kommt aus den sacralen Nervenwurzeln, sodass zur Kräftigung des Perineums die Sacrumläsion zu korrigieren ist. Diese hängt allerdings neurovegetativ (parasympathisch) mit den Beckenorganen zusammen. Außerdem weist die orthosympathische Verbindung der Beckenorgane von T12–L2 ebenfalls auf eine viszerale Ursache hin, ebenso wie die Bindegewebszone der Blase (. Abb. 4.122). Um die Ursache der Problematik therapieren zu können, muss bei dieser Patientin primär viszeral behandelt werden. Unterstützend sollte die Patientin zu Kräftigungsübungen für den Beckenboden angeleitet werden.
Schulmedizinische Betrachtung Eine regelmäßige Harninkontinenz (häufiger als 2-mal im Monat) betrifft Männer wie Frauen in jedem Alter, allerdings in unterschiedlicher Inzidenz: 5 1,6% der Männer im Alter von 15–64 Jahren, 5 8,5% der Frauen im Alter von 15–64 Jahren, 5 6,9% der Männer im Alter von über 65 Jahren, 5 11,6% der Frauen im Alter von über 65 Jahren [Aus Roe und Williams (1997)] Bei der Harninkontinenz werden 4 Formen unterschieden: 5 Dranginkontinenz, 5 Stressinkontinenz, 5 Abflussobstruktion, 5 neurogene Blase.
4
202
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3 4
Perineum + Lig. pubovesicale
5 Harnblase
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a
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. Abb. 4.122. Osteopathische UFK, Patient 48
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Die Dranginkontinenz tritt gehäuft bei älteren Menschen mit den Symptomen des
überwiegend nächtlichen Harndranges und häufigem Wasserlassen auf. Die drängende Blasenentleerung entsteht ohne Vorwarnzeit und führt zur imperativen Blasenentleerung, häufig bevor eine Toilette erreicht werden kann. Eine Stressinkontinenz findet sich häufig bei Frauen. Sie steht meist im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Geburt, Übergewicht, Menopause, Prolaps und Schwäche der Beckenbodenmuskulatur. Die Schwäche der Beckenbodenmuskulatur gilt als pathomechanische Endstrecke, da Stressauslöser wie Husten, Niesen, Aufstehen von einem Stuhl oder Aerobic-Übungen Verursacher einer plötzlichen Steigerung des intraabdominellen Druckes sind und bei fehlender Blasenkontraktion zu einem unfreiwilligem Urinabgang führen. Bei Männern tritt dieses Problem nur selten auf. Ursache für diese Schwäche ist beim Mann z. B. Zustand nach Prostataoperationen oder chronischem Harnverhalt. i Tipps Eine Blasenkapazität von 400–600 ml wird bei diesen Patienten als normal angesehen. Die Abflussbehinderung der Urinpassage kann z. B. infolge einer Prostatahypertro-
phie, Stenose oder Striktur (Verengung durch Narbenbildung) der Harnröhre oder durch chronische Obstipation verursacht werden. Symptome sind eine verzögerte Miktion, ein abgeschwächter Harnstrahl und postmiktotisches Harnträufeln. Symptome wie Nykturie, häufiges Wasserlassen und Harndrang können auf eine Abflussbehinderung hinweisen. Kommt es bei chronischem Verlauf zu einer unzureichenden Blasenkontraktion mit unvollständigen Blasenentleerungen, können daraus sog. »Überlaufinkontinenzen« und wiederholte Harnwegsinfekte resultieren. Es kommt zu häufigen Entleerungen geringer Harnmengen und manchmal auch zu konstantem Harnträufeln. Eine neurogene Blase ist durch schlaffe Blasenmuskulatur bzw. mangelnde Empfindung für eine Blasenfüllung gekennzeichnet. Charakteristisch sind große
203
4.4 · Organe
a
b
. Abb. 4.123. Ansicht, Patient 49
. Abb. 4.124. Local Listening, Patient 49
Restharnmengen (500–2000 ml). Ursachen sind Nervenschädigungen, wie sie bei der diabetischen Neuropathie, multiplen Sklerose oder Schädigungen des unteren Rückenmarks auftreten.
4.4.10 Kasuistik 49: Bauchschmerzen
Anamnese Ein 53-jähriger Finanzbeamter kommt erstmals in die Praxis. Er beklagt Bauchschmerzen, eher in der unteren Hälfte seines Abdomens. Beschwerden dieser Art hat er bereits 2-mal in diesem Jahr verspürt, diese sind bisher jedoch nicht so heftig wie jetzt gewesen, immer nach wenigen Tagen geringer geworden und schließlich ganz verschwunden. Nun bestehen die Schmerzen seit 3 Tagen, er hat keinen Appetit mehr, seit 3 Tagen keinen Stuhlgang, aber ungewollten Windabgang (. Abb. 4.123). Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Appendektomie und Tonsillektomie in der Jugend. Familienanamnese: Keine Besonderheiten. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Er ist 1,89 m groß und wiegt 105 kg, trinkt gerne Wein und isst zu fettreich. Allergien sind nicht bekannt.
Seit 3 Tagen Schmerzen im Unterbauch
Appetitlosigkeit, Obstipation, Flatulenz
Adipositas
Befund Inspektion: Posteriore Rotation des linken Ilium und vermehrte Belastung des linken Fußaußenrandes. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung im linken Unterbauch, das Listening weist zur linken Beckenschaufel (. Abb. 4.124). Palpation: Vermehrte Abwehrspannung der Bauchdecke sowie druckschmerzhafte Walze im Bereich der linken Beckenschaufel. Axiales System: T12–L2NSRR, Restriktion Ilium posterior links bei Psoashypertonie links. Viszeral: Kongestion des Colon descendens und Sigmoid sowie erhebliche Schmerzprovokation bereits bei leichter Palpation.
Verdachtsdiagnose Divertikulitis.
Abwehrspannung Bauchdecke T12–L2NSRR, Ilium posterior links, Sigmoid
4
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Osteopathische Betrachtung Die Irritation von Colon descendens und sigmoideum weist in ihrer Intensität auch auf eine entzündliche Pathologie hin. Insbesondere die Abwehrspannung der Bauchdecke zeigt eine deutliche regionale Reaktion auf den Reiz. Gleichzeitig ist der osteopathische Befund weder lokal viszeral noch in der vegetativen Versorgung so ausgeprägt, dass hier die Ursache für die akuten Beschwerden zu erwarten wäre. Derartige Entzündungsreaktionen könnten durch eine akute monolytische Blockade ausgelöst werden. Zunächst muss eine laborchemische Abklärung der Entzündungsparameter erfolgen. Bei einem positivem Befund werden in der Akutversorgung entzündungslindernde Maßnahmen eingeleitet. Nach dem Abklingen der akuten Beschwerden sollte erneut gründlich nach osteopathischen Läsionen im Bereich des Colon descendens/sigmoideum gesucht werden, um eine Rezidivprophylaxe zu betreiben.
Schulmedizinische Betrachtung
7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Die Divertikulitis wird auch »Linksappendizitis« genannt, weil sie oft eine ähnliche Symptomatik wie eine Blinddarmentzündung aufweist, jedoch am linken Unterbauch lokalisiert ist. Das Vorliegen von Divertikeln, bei denen es sich um Ausstülpungen der Darmwand handelt, wird Divertikulose genannt. Eine Divertikulose hat erst dann einen eigenen Krankheitswert, wenn sich die Divertikel entzünden. Entzündungen in diesen Bereichen führen zu einem schmerzhaften Druckgefühl, meist im Verlauf des Colon sigmoideum. Mit Hilfe einer Koloskopie können die Art und das Ausmaß der Darmwandveränderung besser ermittelt werden als mit dem früher noch gebräuchlicheren Kontrasteinlauf. Wichtig Bei Divertikulitisbeschwerden sollte immer auch an ein Kolonkarzinom gedacht werden.
Die modernen Möglichkeiten der coloskopischen Untersuchung ermöglichen endoskopische Probeentnahmen, durch die maligne Prozesse rechtzeitig erfasst werden können. Im akuten Stadium kann jedoch aufgrund der erhöhten Perforationsgefahr nicht endoskopiert werden. Im Labor lassen sich häufig die Zeichen einer akuten Entzündung nachweisen. Bei einem positivem Befund sind die folgenden Werte erhöht bzw. verändert: 5 BSG-Erhöhung, 5 CRP-Erhöhung, 5 Blutbild mit Leukozytose. Die Divertikulose ist eine weit verbreitete Erkrankung. In der Altersgruppe der über 70-Jährigen sind etwa 70% betroffen. Etwa 20% der Patienten, die eine symptomlose Divertikulose haben, entwickeln entzündliche Komplikationen meist durch Stuhlstau mit nachfolgender entzündlicher Darmwandveränderung. Der beschriebene eher bewegungsarme und übergewichtige Patient hat klassische Risikofaktoren wie ballaststoffarme Ernährung und dauernde sitzende Tätigkeit. Je nach Grad der Ausprägung kann entweder konservativ mit Analgesie und einer ballaststoffreichen Ernährung therapiert werden oder eine chirurgische Resektion der Divertikel tragenden Darmanteile mit vorübergehendem künstlichen Darmausgang (Stoma) erfolgen.
205
4.4 · Organe
. Abb. 4.126. Local Listening, Patient 50
a
b
c
. Abb. 4.125. Ansicht, Patient 50
4.4.11 Kasuistik 50: Dysmenorrhöen
Anamnese Eine 28-jährige Patientin kommt wegen unregelmäßiger Menses, die fast immer mit starken Unterleibs- und Rückenschmerzen verbunden ist, zur Behandlung (. Abb. 4.125). Medikamente: Regelmäßige Iodthyrox-Einnahme aufgrund einer Schilddrüsendysfunktion, außerdem immer wieder Magenschutzpräparate bei rezidivierenden, stressbedingten Gastritiden. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Schlafstörungen und vermehrte Müdigkeit. Operationen/Verletzungen: Keine Operationen oder Traumata. Familienanamnese: Schilddrüsenfunktionsstörungen bei der Mutter und 2 Tanten. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Beruflich als Chefstewardess beschäftigt, viel auf Interkontinentalflügen eingesetzt. Hobbys sind Joggen und Tanzen, 1,69 m groß, 61 kg schwer, keine Allergien, kein Nikotin, wenig Alkohol, unregelmäßige, aber ausgewogene Ernährung.
Dysmenorrhöen mit viel Schmerzen Schilddrüsendysfunktion Gastritiden Schlafstörungen Müdigkeit Stewardess Interkontinentalflüge!
Befund Inspektion: Keine deutliche posturologische Abweichung. Thermodiagnostik: Hals, Mittelbauch beidseits und Organe des kleinen Beckens beidseits. Das Local Listening zeigt Halsorgane, Magen und Beckenorgane an (. Abb. 4.126). Palpation: Bindegewebszone Magen. Axiales System: C0ESRR, C7FRSL, T6–9NSRL, T12–L2NSRR, Blockade der 12. Rippe links. Craniosacral: Irritation des Tentorium cerebelli. Viszeral: Irritation der kleinen Kurvatur des Magens sowie der rechten mehr als der linken Adnexe. Neurologisch: Unauffällig.
Hals, Mittelbauch, Beckenorgane Magen C0ESRR, C7FRSL, T6–9NSRL, T12–L2NSRR Tentorium cerebelli
Adnexe beidseits
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 Stress
2 3
Hypophyse
4 Ovarien
5 6 7 8 9 10
a
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. Abb. 4.127. Osteopathische UFK, Patient 50
11 Verdachtsdiagnose
12 13 14 15 16
Stressinduzierte Dysmenorrhöen. DD: Folge der unregelmäßigen Lebensweise als Stewardess auf Interkontinentalflügen.
Osteopathische Betrachtung . Übersicht Die Dysmenorrhö entsteht meist durch Regulationsstörungen des endokrinen Systems. Diese können auf folgende Faktoren zurückzuführen sein: 5 craniosacrale Läsionen, z. B. der Hypophyse (Tentorium cerebelli), 5 viszerale Irritationen der anderen endokrinen Organe (z. B. SD, NN etc.), 5 axiale Irritationen der Segmente T10–L2 oder Sacrum (z. B. durch Darmirritationen etc.).
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Bei dieser Patientin kann auch die Anstrengung, die mit dem repetitiven Zeitzonenwechsel verbunden ist, verantwortlich für eine endokrine Regulationsstörung sein (. Abb. 4.127). Ziel der Therapie ist es, die Irritationen der betroffenen endokrinen Organe (SD, NN, Adnexen) sowie des Stressorgans (Magen) zu normalisieren. Bei einer Beschwerdepersistenz sollte eventuell auch an eine Veränderung der beruflichen Belastung gedacht werden.
Schulmedizinische Betrachtung Dysmenorrhöen sind mitunter stressbedingt, können aber auch auf Grunderkrankungen, wie z. B. eine Endometriose, hinweisen. Bei einer Endometriose handelt es sich um funktionelles Endometriumgewebe, das außerhalb der Uterushöhle liegt und zyklusabhängig Beschwerden berei-
207
4.5 · Kopf
tet. Typische Lokalisationen sind die peritonealen oder serösen Flächen der abdominellen Organe wie: 5 Ovarien, 5 Lig. latum, v. a. posterior, 5 hinterer Douglas-Raum, 5 uterosacrale Bänder, 5 seröse Flächen von Dünn- und Dickdarm, Ureteren, Harnblase und Vagina. Operationsnarben, Pleura und Perikard sind eher selten betroffen. Wahrscheinlich handelt es sich bei dieser Erkrankung um eine Verschleppung der Zellen aus der Uterushöhle. 25–50% der unfruchtbaren Frauen haben eine Endometriose. Bei aktiv menstruierenden Frauen wird die Inzidenz mit 10–15% angegeben.
. Übersicht 5 Wesentliche klinische Befunde sind Schmerzen und Resistenzen im kleinen Becken, an der Mittellinie lokalisierte Unterbauchschmerzen, insbesondere während der Menstruation, die auch und vor allem nach Jahren schmerzfreier Perioden (Dysmenorrhö) entstehen. 5 Herde im Dickdarm verursachen Schmerzen beim Stuhlgang, die Ovarien können vergrößern, Knötchen im Douglas-Raum tastbar sein. 5 Die Therapie richtet sich nach dem Grad der Erkrankung, Kinderwunsch und Alter der Patientin. Sie reicht von der medikamentösen Unterdrückung der Menstruation bis zur chirurgischen Entfernung des Uterus (Hysterektomie).
4.5
Kopf
4.5.1 Kasuistik 51: Kopfschmerzen
Anamnese In die Praxis kommt ein 52-jähriger Triathlet, der bereits mehrfach osteopathisch behandelt wurde. Er arbeitet als Sport- und Geographielehrer. Die bestehenden Weichteil- bzw. Gelenkbeschwerden konnte er bisher recht gut lokalisieren und beschreiben. Dieses Mal jedoch beklagt der Patient ein eher unspezifisches Unwohlsein, das sich vor allem in Kopfschmerzen und einem allgemeinen Leistungsknick äußert. Das sonst sehr gewissenhaft absolvierte Training hat er abgebrochen. Er fühlt sich lust- und kraftlos. Bisher kannte er keine Kopfschmerzen, jetzt aber sind Schmerzen im Hinterkopf aufgetreten. Seit einigen Tagen hat er auch Dauerschmerzen im Bereich der Wirbelsäule (. Abb. 4.128). Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Auf Nachfrage berichtet er, nicht gut zu schlafen, manchmal wache er auf, weil er sich Sorgen über seine Krankheit mache, er träume auch schlecht und sei teilweise schweißgebadet. Operationen/Verletzungen: Vor 18 Jahren unkomplizierte Fraktur des Ringfingers links mit folgenloser Ausheilung. Familienanamnese: Der Vater leidet an einer chronisch-venösen Insuffizienz. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Allergien sind nicht bekannt, kein Gebrauch von Genussgiften. Die Ernährung erfolgt gesundheitsbewusst. Er ist 1,87 m groß und wiegt normalerweise 78 kg konstant, hat aber in den letzten Wochen 2 kg abgenommen.
Allgemeines Krankheitsgefühl mit Leistungsknick Kopfschmerzen occipital Dauerschmerzen im Bereich der Wirbelsäule
Schlafstörungen, Nachtschweiß
Gewichtsverlust
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3 4 5 6 7 8
. Abb. 4.129. Local Listening, Patient 51
9 10
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. Abb. 4.128. Ansicht, Patient 51
11 Befund
12 13
Punktuelle Überwärmungen der Wirbelsäule
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P.R.M. abgeschwächt anhaltend heller Schmerz
Inspektion: Unauffälliger Befund. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung über dem Occiput sowie punktuell über den Bereichen C6–7, T3–4, T10–11 sowie L2–3, auch über dem Sacrum. Das General Listening zeigt ein Schrumpfen des Patienten, im Local Listening findet sich in allen 4 Positionen ein Zug mittig in die Tiefe (. Abb. 4.129). Palpation: Tonuserhöhung der langen Rückenmuskeln. Axiales System: Keine monolytischen Störungen. Craniosacral: Abgeschwächter P.R.M., erhebliche Schmerzprovokation durch Kompression der Wirbelsäule bzw. Beklopfen der Dornfortsätze, die sich mit anhaltenden hellen Schmerzen äußert.
Verdachtsdiagnose Plasmozytom.
Osteopathische Betrachtung Neben den typischen Anamnesezeichen: 5 Dauer-/Nachtschmerz, 5 Beschwerdeprogredienz, 5 Abgeschlagenheit, 5 plötzlicher Gewichtsverlust, 5 Nachtschweiß, weist auch der osteopathische Befund auf eine schwerwiegende Pathologie hin: 5 Deutliche Provokation durch Klopf-/Kompressionstest mit hellen und andauernden Schmerzen bei mechanisch unauffälligem Befund. 5 Listening zeigt Reaktion der gesamten Wirbelsäule, ebenso muskuläre Reaktion bei mechanisch unauffälligem WS-Befund. 5 Punktuell vermehrte Wärmeabstrahlung über mehreren Regionen der Wirbelsäule bei mechanisch unauffälligem Befund.
4.5 · Kopf
Wichtig Diese Diskrepanz zwischen mechanischem Befund und den übrigen diagnostischen Kriterien muss dringend vor einer osteopathischen Therapie weiter abgeklärt werden (7 Kap. 2).
Schulmedizinische Betrachtung Nachtschweiß kann durch psychischen Stress, wie z. B. Kummer etc., entstehen, aber auch das Kennzeichen einer malignen Erkrankung sein. Bei der vorliegenden Befundkonstellation ist eine sofortige weitere medizinische Abklärung notwendig, da es wahrscheinlich ist, dass die Beschwerden dieses Patienten durch ein sog. Plasmozytom (syn. multiples Myelom, Morbus Kahler) verursacht werden. Das multiple Myelom ist die häufigste maligne Neoplasie von Knochen bzw. vom Knochenmark. Die Inzidenz wird mit 4–6 auf 100.000 angegeben. Da diese Patienten regelmäßig über Knochenschmerzen klagen, kann dieses Krankheitsbild auch in der osteopathischen Praxis vorkommen. Ätiologisch handelt es sich um die maligne Entartung eines B-Zell-Klons in den Immunzellen des Knochenmarkes, die normalerweise Antikörper zur stabilen Fremdkörperabwehr produzieren. i Tipps Diagnostisch lassen sich diese falschen Antikörper bzw. Fragmente im Urin und im Blut z. B. als Bence-Jones-Proteine nachweisen. Auswirkungen finden sich in verschiedenen Organsystemen: Im Knochenmark entstehen »Plasmazellnester«, die verdrängend auf eine normale Blutbildung wirken. Dies führt zur Anämie und einer verminderten Abwehrbereitschaft. In den Knochen selber kommt es zur Osteoklastenaktivierung, die Osteolysen
vor allem am Schädel, den Wirbelkörpern, den Rippen, den Beckenknochen und an proximalen langen Röhrenknochen verursachen. Die Nieren sind in 50% der Fälle meist in Form eines Funktionsverlustes betroffen, der bis zum akuten Nierenversagen (Myelomniere) gehen kann. Frühsymptome sind meist unspezifisch:
5 5 5 5 5 5
Leistungsabfall, allgemeines Krankheitsgefühl, Knochenschmerzen, Gewichtsverlust, subfebrile Temperaturen, Nachtschweiß.
Später kommen Spontanfrakturen, Nierenversagen und hyperkalzämische Krisen als Komplikationen hinzu. Die Diagnostik kann sich zusätzlich auf eine meist charakteristisch stark erhöhte Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) und Gesamteiweißerhöhung in der Elektrophorese stützen. In der Bildgebung finden sich die oben erwähnten Osteolysen. Am Schädel ist dies oft typisch als sog. »Schrotschussschädel« zu erkennen, der Kopfschmerzen verursachen kann. Die Therapie besteht aus einer zytostatische Chemotherapie und Glucocorticoidgabe.
Bei der Sonderform des »smoldering« Myeloms wird ein sehr langsamer Verlauf beobachtet, bei dem die Patienten schließlich an völlig anderen Krankheiten oder altersbedingt versterben.
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
1 2 3
Th 1–5
4 5 6 7 a
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b
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. Abb. 4.130. Ansicht, Patient 52
. Abb. 4.131. Local Listening, Patient 52
9 4.5.2 Kasuistik 52: Schwindel
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Anamnese
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Eine 54-jährige Patientin kommt mit chronisch persistierenden Schwindelattacken zur Behandlung, nachdem HNO-Arzt und Neurologe keine Ursache finden konnten. Bereits 2-mal ist sie umgekippt, weil sie sich nicht rechtzeitig festhalten oder hinsetzen konnte. Die Patientin hat in den letzten 4 Jahren viel Stress gehabt, weil sie ihre kranke Mutter bis vor 4 Monaten zu Hause gepflegt hat (. Abb. 4.130). Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Die Patientin berichtet, seit der Pflege ihrer Mutter und ihrer eigenen Operation oft ein Druckgefühl im Oberbauch zu haben. Bei körperlicher Anstrengung wird sie kurzatmig. Operationen/Verletzungen: Vor 1 Jahr Teilnaht des Magens aufgrund eines Geschwürs, das durchzubrechen drohte. Familienanamnese: Mutter verstarb vor 4 Monaten an Darmkrebs. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Beruflich Hausfrau, keine Hobbys, 1,58 m groß, 56 kg schwer, keine Allergien, keine Genussgifte, vegetarische Ernährung.
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Befund
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Vertigo, HNO und Neurologe o.B. Stress
13 14
Druck im Oberbauch, kurzatmig Magenoperation
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Thorakal Kyphose, Hyperlordose HWS Omentum minus!!
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T1–5-Flexion, C0-Extension bilateral Abdominale Kongestion
Inspektion: »Witwenbuckel«, posturologisch deutlich vermehrte thorakale Kyphose und Hyperlordose der HWS. Thermodiagnostik: Abdominal zentral vermehrte Wärmeabstrahlung. General Listening führt in Kyphose, Local Listening zentral im Oberbauch in die Tiefe mit leichter Schlussdrehung (. Abb. 4.131). Palpation: Schwellung mit trophischer Änderung im Nacken über der cervicothorakalen Region, hypertone HWS-Streckmuskulatur, occipitaler Ansatz der Nackenmuskeln schmerzhaft, Bindegewebszonen unauffällig, keine Jones-/ChapmanPunkte. Axiales System: T1–5 in Flexion, C0 bilateral in Extension, beide Schultern stehen mäßig protrahiert, flache Atmung. Viszeral: Allgemeine Kongestion der Abdominalorgane. Neurologisch: Unauffälliger Befund.
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4.5 · Kopf
Gleichgewichtsorgan
HWS
Thorax
a
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c
. Abb. 4.132. Osteopathische UFK, Patient 52
Verdachtsdiagnose HWS-(OAA-)Extension bei BWS-Flexion infolge einer Omentum-minus-Retraktion.
Osteopathische Betrachtung Die osteopathische Situation entspricht im Wesentlichen der vom Patienten in 7 Kap. 4.2.3 bereits aufgeführten »Kasuistik 15«. Bei der hier dargestellten Patientin kommen jedoch noch Schwindelattacken hinzu (. Abb. 4.132). i Tipps Der Schwindel entsteht meist infolge einer Durchblutungsstörung der A. vertebralis, welche bei einer vermehrten Extension von Kopfgelenken und/oder HWS durch eine Dehnung des Gefäßes mit Verringerung des Durchmessers entsteht. Diesen Zustand nennt man vertebrobasiliäre Insuffizienz.
Therapeutisch ist es deshalb notwendig, die ventrale fasziale Retraktion (Omentum minus) zu korrigieren. Im Anschluss wird die thorakale Kyphose normalisiert, damit die gefäßverengende vermehrte HWS-(OAA-)Extension verringert wird.
Schulmedizinische Betrachtung Schwindel ist stets eine diagnostische Herausforderung, da dem viele Ursachen zu Grunde liegen können und eine sichere ätiologische Klärung nicht immer möglich ist. Da sich das Vorhandensein des Symptoms auf die Angaben des Patienten stützt und nur unzureichend anders objektiviert werden kann, gehört der Schwindel auch zu den klassischen (Falsch-)Angaben bei der Rentenneurose. Grundsätzlich kann Schwindel als Missempfindung wie bei Verwirrtheit, Trunkenheit, depressiver Verstimmung und Demenz oder aber im Sinne von Schwachheits- oder Ohnmachtsgefühl (engl. Dizziness), sowie als Drehschwindel (engl. Vertigo) empfunden werden.
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Folgende Erkrankungen gehen häufig mit dem Symptom Schwindel einher:
1
5 periphere Vestibularisstörung, z. B. durch Virusinfektion, Allergie, Verletzung, Migräne, oder Morbus Menière, 5 Akustikusneurinom mit Minderung des Hörvermögens, 5 Hirnstammischämie mit unterschiedlichen Begleitsymptomen, wie z. B. Apoplex, 5 multiple Sklerose, die oft mit einem »bunten Bild« einhergeht (7 Kap. 4.5.5 »Kasuistik 55«), 5 Thalamusischämie mit Sensibilitätsverlust, Ataxie, 5 Temporallappentumoren mit epileptischen Anfällen.
2 3 4
Blutdruckabnormalitäten wie ein medikamentös überkorrigierter Bluthochdruck
5
oder infolge falscher Medikamenteneinnahme zu niedriger Druck können ebenfalls Schwindel hervorrufen.
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i Tipps Die Messung von Blutdruck und Puls gehört zur Primärdiagnostik, wenn über das Symptom Schwindel geklagt wird.
7
Handelt es sich um eine harmlose orthostatische Dysregulation, tritt der Schwindel auf, wenn der Patient zu schnelle Positionswechsel z. B. aus dem Sitzen, Liegen, Hocken in die Senkrechte usw. vornimmt. Bei dieser Symptomatik reicht es aus, den Betroffenen anzuleiten, die Positionswechsel langsamer durchzuführen. Bei einem benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel reagieren die Patienten sehr empfindlich auf Lageveränderungen. Meist ist der Schwindel von einem horizontalen Nystagmus begleitet. Ein Nystagmus in vertikaler Richtung weist dagegen auf eine Hirnstammläsion hin. Ist die Schädigung peripher lokalisiert, dominiert die Schilderung einer Kreisel- oder Drehbewegung. Zentral verursachter Schwindel (ZNS) wird meist als Schwanken und Entstabilisierung empfunden. Patienten mit Kleinhirnerkrankungen lokalisieren die Störung in den Beinen und verneinen eine Wahrnehmung des Schwindelgefühls im Kopf.
8 9 10 11 12 13
. Übersicht Das Vorhandensein weiterer Begleitsymptome kann ebenfalls Aufschluss über die Genese des Schwindels geben: 5 Ohrenschmerzen, vermindertes Hörvermögen oder Tinnitus weisen auf Erkrankungen des Ohres bzw. des N. vestibulocochlearis hin. 5 Hirnstammläsionen im Bereich der Vestibulariskerne gehen oft mit Schmerzempfindung, Taubheitsgefühl oder Kribbeln im Gesicht, Gliederschwäche oder Ataxie, Sensibilitätsverlust am Körperstamm, Dysphagie, Dysarthrie, Heiserkeit oder einem Horner-Syndrom einher. Auch Kopfschmerzen können hinzukommen.
14 15 16 17
Die eindeutige Klärung des Symptoms und damit die Chance zur Behandlung der Grunderkrankung ist häufig multidisziplinär und bezieht die Expertise von Neurologen, Augen-, HNO-, und Zahn-Ärzten und Internisten mit ein.
18 19
4.5.3 Kasuistik 53: Kopfschmerzen und Übelkeit
20
Anamnese
21
Anfallsartige halbseitige Kopfschmerzen meist in Zusammenhang mit der Menses
In die Praxis kommt eine 42-jährige Sozialarbeiterin mit anfallsartigen linksseitigen Kopfschmerzen, die meist während ihrer Regelblutung auftreten, erstmalig im Alter von 14 Jahren. Sie ist deswegen schon bei verschiedenen Ärzten gewesen und hat einige Medikamente ausprobiert, die jedoch nur eine symptomatische Lin-
213
4.5 · Kopf
. Abb. 4.134. Local Listening, Patient 53
a
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c
. Abb. 4.133. Ansicht, Patient 53
derung ergaben, die Auftretenswahrscheinlichkeit der Beschwerden jedoch nicht beeinflusst haben (. Abb. 4.133). Medikamente: Zurzeit keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Als 7-Jährige von der Schaukel gefallen, ansonsten keine Traumata bis auf eine Sectio caesarea bei der Geburt ihrer 1. Tochter. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Die Patientin ist 1,69 m groß und wiegt 72 kg. Ihre Hobbys sind Reisen, insbesondere in Entwicklungsländer, in denen sie sich für Kinderprojekte engagiert. Bei vollköstiger Ernährung werden Verdauungsstörungen nicht beklagt, wohl aber eine gewisse Übelkeit während der Kopfschmerzepisoden. Keine Allergien. Nach dem Genuss von Rotwein oder Schokolade scheinen sich die Kopfschmerzen häufiger einzustellen.
Übelkeit Rotwein und Schokolade sind Trigger
Befund Inspektion: Delordosierte LWS. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung über beiden Adnexen sowie zwischen den Augenbrauen, das General Listening zeigt eine Schrumpfung der Patientin, das Local Listening weist zu beiden Ovarien (. Abb. 4.134). Palpation: Erhöhter Tonus der kurzen Nackenmuskeln. Axiales System: C0ESRR, C7FRSL, L2ERSL, Sacrum posterior bilateral. Viszeral: Unauffälliger Befund. Craniosacral: Erhebliche Spannung des Tentorium cerebelli.
Verdachtsdiagnose Migräne.
Osteopathische Betrachtung Für Migräneattacken kommen osteopathisch-mechanische ebenso wie andere endokrine, vaskuläre, metcholische, etc.) Ursachen in Frage. Dementsprechend viel-
Delordosierte LWS
Ovarien Kurze Nackenmuskeln C0ESRR, C7FRSL, L2ERSL, Sacrum posterior bilateral Tentorium cerebelli
4
214
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
fältig sind die therapeutischen Ansätze und auch deren Erfolg. Einige Patienten reagieren auf osteopathische Therapien mit einem bleibend guten Behandlungserfolg, bei anderen bleibt ein Therapieeffekt aus. Bei dieser Patientin liegt der Migräne offensichtlich eine hormonelle Ursache zugrunde.
1 2 3
. Übersicht Daher greift die Therapie die osteopathischen Befunde des endokrinen Systems auf: 5 Craniosacral: Die erhöhte Spannung des Tentorium cerebelli birgt die Gefahr eines Entrapment für den Hypophysenstiel. Folge kann eine Regulationsstörung des endokrinen Systems sein. 5 Viszeral: Dysfunktionen bestehen nicht, die axialen Irritationen sind durch die endokrine Situation bedingt. Parietal: Dysfunktionen der neurovegetativen Segmente C0/C7 für die Kopforgane sowie L2/Sacrum für die Ovarien stören ebenfalls die normale Funktion des endokrinen Regulationssystems.
4 5 6 7 8
Wichtig
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Gerade bei Migränepatienten ist der osteopathische Befund sehr vielfältig. Der Behandlungserfolg hängt davon ab, wie korrekt die jeweiligen osteopathischen UFKs interpretiert und aufgelöst werden.
10 11
Schulmedizinische Betrachtung Die Migräne (Hemicranie) ist eine seit langem bekannte, aber dennoch nicht ganz geklärte Erkrankung. Unter einer Migräne wird ein periodisch auftretender Kopfschmerz verstanden, der von vegetativen Symptomen und vorübergehenden neurologischen Reiz- und Ausfallsymptomen begleitet ist. Die Inzidenz liegt bei 5–10% der Bevölkerung. Kommt es während eines Migräneanfalls zu zerebralen Herdsymptomen, wird von einer sog. Migraine accompagnée gesprochen. Das gelegentliche Vorkommen einer Aura lässt einen Vergleich mit der Epilepsie zu. Ebenso wie bei der Epilepsie haben Migränepatienten eine bestimmte unmittelbare Vorahnung, wann der Erkrankungsanfall ausbricht. Typische Trigger sind in der Kasuistik bereits aufgeführt. Die Diagnostik stützt sich auf eine meist typische Anamnese mit dem anfallartigen Auftreten und der vegetativen Begleitsymptomatik. Therapiert wird überwiegend mit einer Bedarfsmedikation aus den unterschiedlichen Substanzgruppen. Gängige Substanzgruppen sind z. B. Triptane, Ergotamin-Präparate oder β-Blocker. Kopfschmerzen allgemein sind im 7 Kap. 4.2.3 »Kasuistik 15« aufgeführt.
12 13 14 15 16 17 18 19
4.5.4 Kasuistik 54: Sehstörungen
20
Anamnese
21
Ein 55-jähriger Baumaschinenführer stellt sich mit einem Problem im rechten Arm vor. Er ist Rechtshänder und muss mit dieser Hand die Schalthebel für seinen Saugbagger bedienen. Am Tag zuvor, als er noch arbeiten musste, war dies bereits bei Arbeitsbeginn nicht so wie gewohnt möglich.
Eingeschränkte Feinmotorik rechts
215
4.5 · Kopf
Th 1–5
a
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c . Abb. 4.136. Local Listening, Patient 54
. Abb. 4.135. Ansicht, Patient 54
In der Nacht zuvor, als er seiner Frau etwas erzählen wollte, hatte er kein Wort herausbekommen, außerdem war der rechte Arm irgendwie kraftlos gewesen. Eine Stunde später waren die Symptome verschwunden. Der Patient scheut Arztkontakte und ist bisher außer bei der Musterung niemals bei einem Arzt gewesen (. Abb. 4.135). Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Keine Operationen, keine Traumata. Familienanamnese: Der Vater ist vor 5 Jahren an einem Schlaganfall verstorben, ein Bruder hat eine Nierenkrankheit und muss regelmäßig an die Dialyse, ein weiter Bruder ist wegen starker Sehbehinderung frühverrentet. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Der Patient ist 1,85 m groß und wiegt 115 kg. Vollkosternährung. Kein Sport, Basteln als Hobby.
Vorübergehende Aphasie mit Parese des rechten Arms
Apoplex beim Vater 1 Bruder nierenkrank 1 Bruder mit Sehstörungen Adipositas
Befund Inspektion: Vermehrte Kyphose thorakal sowie gerötetes Gesicht. Thermodiagnostik: Kein richtungsweisender Befund, das Listening ist auch ohne Befund (. Abb. 4.136). Palpation: Etwas schwitzige Haut am Rücken sowie an den Handflächen. Viszeral: Deutliche Kongestion. Neurologisch: Dysdiadochokinese rechtsseitig. Blutdruck wird bei 180/110 mmHg gemessen, Puls 84/Minute.
Kyphose
Kongestion
Verdachtsdiagnose Arterieller Hypertonus bei Zustand nach transitorisch ischämischer Attacke (TIA).
Osteopathische Betrachtung Der osteopathische Befund zeigt vor allem bei Koordinationsaufgaben noch geringe neurologische Reststörungen der rechten oberen Extremität. Der Blutdruck ist deutlich erhöht, der mechanische Befund unauffällig. Insgesamt liegt eine neurologische Erkrankung (TIA) auf Basis eines arteriellen Hypertonus vor. Die Therapie bleibt der schulmedizinischen Betrachtung vorbehalten.
Arterieller Hypertonus
4
216
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Schulmedizinische Betrachtung
1
Bluthochdruck ist gefährlich, da diese Erkrankung lange Zeit symptomlos ist und häufig unerkannt bleibt. Da viele Patienten keine besondere Compliance zeigen und sich bei lange bestehendem Bluthochdruck Folgeerkrankungen ausbilden, ist das Gesamtbild schwerwiegend.
2 3
. Übersicht 5 Bluthochdruck ist der Haupt-Risikofaktor des Schlaganfalls, der im schlimmsten Fall tödlich sein kann. Befragt man Patienten, die einen Schlaganfall überlebt haben, sorgfältig, schildern die meisten, dass ihrem Anfall ein kleinerer »Schlag« vorausgegangen war. Daher muss diesen vorübergehenden Störungen in der Anamnese eine besondere Bedeutung beigemessen werden. 5 Handelt es sich um eine kurze, nur wenige Minuten bis zu 24 Stunden andauernde Mangeldurchblutung, wird von einer sog. transitorisch ischämischen Attacke (TIA) gesprochen. 5 Passagere Symptome aus dem Versorgungsgebiet der Arteria cerebri media sind Schwächegefühl einer Hand, eines Beines oder auch Aphasien. Ist die Arteria ophthalmica der Ursprungsort, finden sich vorübergehende plötzliche Blindheit oder Schleiersehen auf einem Auge. 5 Störungen des vertebrobasilären Systems offenbaren sich am häufigsten durch Sprachschwierigkeiten, Schluckstörungen, Extremitätenataxie, Schwindel, Missempfindung des Gesichts und Doppeltsehen.
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Die Familienanamnese gibt bei diesem Patienten deutliche Hinweise auf eine arterielle Hypertonie: Tod des Vaters durch Schlaganfall, bei den Brüdern liegen eine Nierenschädigung und eine Augenhintergrundsschädigung vor. Alle Erkrankungen lassen sich als Folgeerkrankung einer familiär bestehenden arteriellen Hypertonie interpretieren. Die sofortige antihypertensive Therapie ist kurzfristig, eine Beratung zur Gesundheitsbildung und Lebensveränderung wie Gewichtsreduktion und regelmäßige körperliche Bewegung sind mittel- bis langfristig angezeigt. Folgeerkrankungen des Bluthochdruckes sind auch im 7 Kap. 4.2.3 »Kasuistik 15« näher erläutert.
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4.5.5 Kasuistik 55: Ohrgeräusche und Hörstörungen
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Anamnese Eingeschränkte Hörfähigkeit seit Silvester Tinnitus Konzentrationsstörungen
Eine 32-jährige Sängerin und Flötistin beklagt seit dem letzten Silvesterfest eine eingeschränkte Hörfähigkeit. Bei Chorproben und Aufnahmen im Tonstudio bemerkt sie regelmäßig, dass ihre Hörfähigkeit für bestimmte Töne nachgelassen hat. Im Alltag beklagt sie ein Geräusch im rechten Ohr, das manchmal über Stunden anhält und nicht zu unterdrücken ist. Seitdem leidet sie auch unter Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit (. Abb. 4.137). Medikamente: Keine Medikamenteneinnahme. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Als Kind hatte sie eine Mittelohrentzündung links, die folgenlos ausgeheilt ist. Operationen/Verletzungen: Keine Operationen, keine Verletzungen. Familienanamnese: Mutter Bluthochdruck durch erhöhte Blutfette, Vater Typ-IDiabetes. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Sie ist 1,72 groß und wiegt 68 kg. Seit 13 Jahren vegetarische Ernährung, Verzicht auf Alkohol. Gelegentlich wird eine Zigarette geraucht, aber nicht inhalativ. Neben hobbymäßigem Fotografieren macht sie regelmäßig Yoga.
217
4.5 · Kopf
. Abb. 4.138. Local Listening, Patient 55
a
b
c
. Abb. 4.137. Ansicht, Patient 55
Befund Inspektion: Vermehrte Extension des Nackens. Thermodiagnostik: Vermehrte Wärmeabstrahlung über der Occipitalregion, Listening weist zur HWS (. Abb. 4.138). Palpation: Tonuserhöhung der kurzen Nackenmuskeln. Axiales System: C0ESRL. Provokation der Hörstörung durch Positionierung des Kopfes in den Nacken, Verbesserung durch Neigen des Kinns auf die Brust. Viszeral und craniosacral: Unauffälliger Befund.
Verdachtsdiagnose Tinnitus.
Osteopathische Betrachtung Tinnitus hat ebenso wie Vertigo viele verschiedene Ursachen. Eine häufige Ursa-
che ist eine vermehrte Extension der Kopfgelenke bzw. der HWS, die eine Durchblutungsstörung im Versorgungsgebiet der Arteria vertebralis erzeugt (7 Kap. 4.5.2 »Kasuistik 52«). Betroffen hiervon sind vor allem: 5 Innenohr, 5 Gleichgewichtsorgan, 5 z. T auch Abschnitte der Sehbahn. Wichtig Osteopathisch steht die Korrektur der HWS-Läsion im Vordergrund. Bei einem ausbleibenden Therapieerfolg sollte der Patient direkt in stationäre Therapie weitergeleitet werden, um die Erfolgschance einer medikamentösen Therapie (s. unten) nicht zu schmälern.
HWS-Extension
Kurze Nackenmuskeln C0ESRL Extension provoziert Hörstörung
4
218
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Schulmedizinische Betrachtung
1
Ein Tinnitus kann vielfältige Ursachen haben. Da die Beschwerden bei dieser Patientin seit Silvester vorhanden sind, besteht höchstwahrscheinlich ein sog. »Knalltrauma«, das zu einer Innenohrschädigung führt. Aber auch sämtliche Arten von intracerebralen Durchblutungsstörungen oder Infektionen können ein Dauerohrgeräusch hervorrufen, das nicht selten durch eine besondere Stressbelastung ausgelöst wird. Geht der Tinnitus mit einem plötzlichen Hörverlust einher, wird von einem Hörsturz gesprochen, der mit sofortigen durchblutungsfördernden Infusionen und Ruhe erfolgreich behandelt werden kann.
2 3 4 5
4.5.6 Kasuistik 56: Sehstörungen
6
Anamnese
11
Eine 31-jährige norwegische Kunststudentin kommt wegen rezidivierender Sehstörungen in die Praxis. Sie ist bereits als Kind in Norwegen aufgrund von retropatellaren Belastungsschmerzen osteopathisch behandelt worden. Sie gibt an, seit etwa 4 Wochen gelegentlich Doppelbilder für 2–3 Stunden zu sehen (. Abb. 4.139). Medikamente: Regelmäßig orale Kontrazeptiva, sie war in Deutschland bisher nur deswegen beim Gynäkologen, aber sonst bei keinem Arzt. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Mit 5 Jahren Tonsillektomie. Folgenlos ausgeheiltes Schleudertrauma der HWS 10 Jahre später. Familienanamnese: Keine Besonderheiten. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Die Patientin ist 1,83 m groß und wiegt 69 kg. Neben Joggen, Eishockey- und Tennisspielen geht sie regelmäßig Segeln. Sie isst gerne und viel Fisch. Keine Allergien.
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Befund
7 8
Doppelbildersehen seit 4 Wochen
9 10
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Mechanisch unauffällig Durazug, ZNS-Zeichen, Stress verschlechtert
Inspektion: Normale Posturologie. Thermodiagnostik: Leicht vermehrte Wärmeabstrahlung über der oberen HWS, das Listening weist keine Besonderheit auf (. Abb. 4.140). Palpation: Tonuserhöhung der langen Handflexoren. Axiales System: Keine Auffälligkeiten, parietal Restriktion linkes Scaphoid. Craniosacral: Erhebliche Rigidität der Dura mater, abgeschwächter P.R.M., Kribbelparästhesien der linken Hand, positives Leri- und Wartenberg-Zeichen, Provokation der Sehstörung in Stresssituationen.
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Verdachtsdiagnose
17
Osteopathische Betrachtung
18 19 20 21
Encephalitis disseminata (ED), multiple Sklerose (MS).
Es besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen dem neurologischem und dem mechanisch-osteopathischen Befund. Neurologische Befunde sind: Sehstörungen, Pyramidenbahnzeichen, Tonuserhöhung (Spastik) und Sensibilitätsstörungen der oberen Extremität. Die Therapie der Grunderkrankung erfolgt schulmedizinisch, während alle mechanischen Befunde begleitend osteopathisch behandelt werden können.
Schulmedizinische Betrachtung Die Multiple Sklerose (MS), auch als Encephalitis disseminata (ED) bezeichnet wird, ist eine der häufigsten Nervenkrankheiten. Diese Erkrankungsform stellt eine entzündliche Hirnerkrankung dar. Die Erkrankungshäufigkeit nimmt bei Angehörigen der weißen Rasse auf der nördlichen Halbkugel mit wachsender Entfernung zum Äquator zu, wobei sie in bestimmten Regionen besonders häufig ist.
219
4.5 · Kopf
. Abb. 4.140. Local Listening, Patient 55
a
b
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. Abb. 4.139. Ansicht, Patient 55
Prädilektionsalter ist das 20–40. Lebensjahr, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Befallen wird aus nach wie vor unklarer Ursache die weiße Substanz des gesamten ZNS (Entmarkungskrankheit). Die Entmarkungsherde sind stecknadelkopf- bis 1-€-Stück groß. Häufig sind sie entlang größerer Venen und an den Seitenventrikeln lokalisiert. Als Ursache der Erkrankung wird eine Autoimmunerkrankung aufgrund einer viralen Genese diskutiert. Wenn zerfallende Markscheiden durch Neuroglia ersetzt werden, findet eine Sklerosierung statt. Prädilektionsstellen sind:
5 5 5 5 5 5
Sehnerven, Hirnstamm, Kleinhirn, Pyramidenbahn, Boden des IV. Ventrikels, Hinterstränge des Rückenmarks.
Die Hirnrinde, Stammganglien sowie die Substantia grisea sind seltener betroffen. Der typische Verlauf der chronischen Erkrankung ist schubweise mit unterschiedlich langen Remissionen (Monate bis 15 Jahre). Nur bei einem sehr geringen Anteil der Betroffenen ist ein chronisch-progredienter Verlauf zu beklagen. Die gesamte Symptomatik zeigt ein sehr vielfältiges Bild. Charakteristisch sind: 5 Flüchtige Augenmuskellähmungen mit Doppelbildern, häufig ohne Kopfschmerzen. 5 Der N. abducens (VI. Hirnnerv) ist oft betroffen, die Lähmungen sind meist einseitig und nie symmetrisch. 5 Weitere Symptome an den Augen wie die Neuritis nervi optici können hinzukommen. 5 Auch der N. facialis (VII. Hirnnerv) oder der sensible Teil des N. trigeminus (V. Hirnnerv) können beteiligt sein. 5 Sensibilitätsstörungen und Blasenstörungen kommen ebenfalls sehr häufig vor.
4
220
Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
Der zerebelläre Befall offenbart sich als sog. Charcot-Trias: 1. Nystagmus, 2. Intentionstremor, 3. skandierende Sprache.
1 2
Psychisch kann eine Euphorie imponieren.
3 4
. Übersicht Typische Befundkombinationen sind: 5 Gefühlsstörungen an den Händen und spastische Paraparese der Beine, 5 spastisch-ataktischer Gang mit Missempfindungen und Blasenstörungen, 5 inkomplettes Querschnittssyndrom mit Nystagmus und skandierendem Sprechen, 5 rezidivierende, flüchtige Augenmuskellähmungen.
5 6 7
Da die Leitfähigkeit der zentralen Nervenbahnen bei der MS stark von der Temperatur abhängt, trägt Wärme zu einer Verschlechterung bei, während Abkühlung zur Besserung der Symptome führt. Die Diagnostik ergibt sich fast niemals anhand eines pathognomonischen Symptoms allein. Neben der Anamnese und einer gründlichen klinischen Untersuchung stehen der Liquorbefund und das CT des Schädels im Vordergrund. Eine kausale Therapie ist bei einer ätiologisch unklaren Krankheit nicht möglich. Die symptomatische Behandlung ist vor allem entzündungshemmend orientiert und schließt im akuten Schub die Gabe von Cortison nicht aus. Eine symptomatische Therapie bezieht die regelmäßige physiotherapeutische Behandlung mit ein. Die Prognose ist weitaus besser, als gemeinhin angenommen. Die mittlere Krankheitsdauer beträgt zurzeit 20–25 Jahre. In über 50% der Fälle nimmt diese Erkrankung einen gutartigen Verlauf. Die Lebenserwartung nach Diagnosestellung liegt bei über 30 Jahren.
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4.5.7 Kasuistik 57: Kopfschmerzen
Anamnese
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Rechts retroaurikuläre Kopfschmerzen mit Ausstrahlung in die rechte Schulter Fieberhafter Infekt vor 6 Wochen
Eine 33-jährige Feuerwehrfrau stellt sich in der Praxis wegen Kopfschmerzen mit Ausstrahlung in die rechte Schulter vor. Die Schmerzen hatte sie so noch nie vorher wahrgenommen. Die Patientin beschreibt ein Druckgefühl hinter dem rechten Ohr mit stechendem bis bohrendem Schmerzcharakter, der sich bei Aktivität verstärkt. Ansonsten gibt sie an, immer gesund gewesen zu sein, bis auf einen vor etwa 6 Wochen diagnostizierten fieberhaften Infekt. Auf Grund dieses Infektes wurde sie vom Hausarzt symptomatisch mit Bettruhe und Antipyretika (Paracetamol) behandelt und für 14 Tage arbeitsunfähig geschrieben. Eine Temperaturerhöhung besteht zurzeit noch immer (. Abb. 4.141). Medikamente: Keine weiteren Medikamente außer den bereits aufgeführten. Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Keine weiteren Auffälligkeiten. Operationen/Verletzungen: Keine Operationen, keine Traumata. Familienanamnese: Unauffällig. Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: Die Patientin ist 1,68 m groß und wiegt 72 kg. Sie arbeitet seit 11 Jahren bei der Betriebsfeuerwehr eines Chemiekonzerns und ist zeitweise wegen ihrer sportlichen Aktivität als erfolgreiche SynchronSchwimmerin freigestellt. Sie hat bisher keine Kinder, ernährt sich mit gesunder Mischkost, raucht nicht und trinkt gerne Sekt.
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4.5 · Kopf
. Abb. 4.142. Local Listening, Patient 57
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. Abb. 4.141. Ansicht, Patient 57
Befund Inspektion: Athletische Patientin mit normaler Posturologie. Thermodiagnostik: Keine Besonderheit, im General Listening schrumpft die Patientin, das Local Listening ist normal (. Abb. 4.142). Palpation: Erhöhter Trapeziustonus. Axiales System: Restriktion C0ESRbilateral. Craniosacral: Erhebliche membranöse Spannung. Neurologisch: Zentrale Facialisparese.
Verdachtsdiagnose Sinus-Venenthrombose.
Osteopathische Betrachtung Neurologische Ausfälle wie die bestehende zentrale Facialisparese müssen zunächst schulmedizinisch abgeklärt werden, bevor eine osteopathische Therapie als Alleinmaßnahme eingeleitet wird. In diesem Fall einer wahrscheinlich vorliegenden Sinus-Venenthrombose ist während der schulmedizinischen Basistherapie eine begleitende osteopathische Therapie vor allem mit craniosacralen Techniken sinnvoll.
Schulmedizinische Betrachtung Im Anschluss an einen fieberhaften Infekt im Kopf-Hals-Bereich hat sich bei dieser Patientin über die venöse Leiter eine Sinus-Venenthrombose entwickelt. Häufige Auslöser sind Infektionen in folgenden Bereichen: 5 Ohren, 5 Nasennebenhöhlen, 5 Gesicht und Kopfhaut.
Trapeziushypertonie C0ESRbilateral Membranöse Spannung Craniosacral Zentrale Facialisparese
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Kapitel 4 · Diagnosekonzepte
In den Quellgebieten der thrombosierten Hirnvenen kommt es zu Abflussstauungen, Blutungen und u. U. zu hämorrhagischen Infarkten. Hämorrhagische Infarkte gehen mit Begleitödemen einher, die zu einem intracraniellen Druckanstieg führen. Daraus sind einige Allgemeinsymptome zu erklären: 5 Kopfschmerzen, 5 Übelkeit, 5 Erbrechen, 5 Nackensteifigkeit, 5 Bewusstseinsstörungen, 5 Stauungspupille, 5 epileptische Anfälle. Die Therapie besteht aus einer Antibiose und Maßnahmen zur Hirndrucksenkung. Bei ausgeprägten Befunden werden neurochirurgische Maßnahmen notwendig. ! Cave Ein Leitsymptom der Subarachnoidalblutung sind die Angaben des Patienten »Kopfschmerzen wie noch nie« zu haben. Bei einer derartigen Äußerung sollte lieber einmal zu viel als zu wenig neurologisch untersucht werden.
5 Therapiekonzepte Edgar Hinkelthein 5.1
Allgemein – 223
5.2
Viszerales System – 223
5.2.1 5.2.2
Allgemeine Bezüge – 224 Organspezifische Behandlungsschemata – 225
5.3
Parietales System (UFK) – 254
5.4
Craniosacrales System – 254
Nachdem im 7 Kapitel 2, Diagnosekonzepte Untersuchungswege und Ursachen für die jeweiligen Beschwerden des Patienten vorgestellt wurden, sind in diesem Kapitel sog. Therapiekonzepte aufgeführt, die deutlich werden lassen, welche Strukturen bzw. Systeme der Osteopath in seiner Therapie bedenken muss, um dem Patienten effektiv helfen zu können. Dabei ist nicht die Darstellung einzelner Techniken, sondern der »rote Faden« der gesamten Therapie das Ziel dieses Kapitels.
5.1
Allgemein
Das axiale System (7 Kap. 2.6.1) ist der zentrale Punkt der Be-
handlung. Dabei werden dessen monolytische Läsionen, die Folge von Traumata oder massiven segmentalen Störungen sind, direkt korrigiert. Voraussetzung dafür ist, dass keine Kontraindikationen bestehen. Zur Behandlung von Gruppenläsionen des axialen Systems werden die zugehörigen Strukturen wie Organe, Gefäße, Muskeln, Haut, Bindegewebe und Knochen korrigiert (7 Kap. 5.2). Im Anschluss können korrigierende Mobilisationen des axialen Systems zur Anwendung kommen. Bei Dysfunktionen des parietalen Systems bestehen häufig typische Adaptationen in Form von UFKs, die, von der Ursache ausgehend, mit entsprechenden Behandlungstechniken abgebaut werden (typische UFKs sind in 7 Kap. 5.3 aufgeführt). Generell muss der Therapeut zwischen Adaptationen und Dekompensationen unterscheiden. Zu den Adaptionen gehören: 5 UFKs, 5 monolytische Läsionen innerhalb einer UFK, 5 Gruppenläsionen. i Tipps Chronische Beschwerden entstehen meist auf der Basis einer Adaptation.
5.5
Weitere Therapieansätze – 254
5.5.1
Kongestion (venös-lymphatischer Stau) und manuelle Lymphdrainage – 254 Ernährung – 257 Akupressur/Akupunktur – 257 Psychotherapie – 257
5.5.2 5.5.3 5.5.4
Zu den Dekompensationen zählen 5 alle anderen monolytischen Läsionen. i Tipps Akute Beschwerden sind fast immer die Folge einer Dekompensation.
Obwohl viele Patienten chronische Beschwerden infolge einer Adaptation haben, sucht die überwiegende Zahl der Patienten den Osteopathen aufgrund von akuten Problemen auf. Bei der Behandlungsplanung muss daher der folgende Aufbau beachtet werden: 1. Liegt eine Dekompensation vor, sollte in der ersten Behandlung zunächst diese korrigiert werden. 2. In den weiteren Therapien kann die gesamte UFK (Adaptation) abgebaut werden. ! Cave Behandelt der Therapeut zuerst die Adaptation, verschlechtern sich oft die Beschwerden, weil sich die Dekompensation verstärkt.
Als Nächstes folgt die Korrektur bestehender Dysfunktionen im Bereich des craniosacralen Systems (7 Kap. 5.4). Ergänzend kommen weitere therapeutische Maßnahmen wie Ernährungsberatung, Akupunktur, Psychotherapie als Empfehlung in Frage (7 Kap. 5.5).
5.2
Viszerales System
Das Therapiekonzept zeigt aufgegliedert Regionen an, die der Therapeut bei der Behandlung eines Organs bedenken sollte. Die Techniken müssen nur dann ausgeführt werden, wenn Bewegungseinschränkungen vorliegen. Der Therapeut hat mit seiner Therapie sicherzustellen, dass alle Strukturen, die eine Beziehung zum betroffenen Organ haben, normal funktionieren. Eine feste Reihenfolge, nach der die einzelnen Strukturen behandelt werden müssen und von der nicht abgewichen werden darf, gibt es nicht. Es ist jedoch sinnvoll, zunächst die
E. Hinkelthein, C. Zalpour, Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie DOI 10.1007/978-3-642-20740-2_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
224
1 2
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
Ver- und Entsorgung eines Organs sicherzustellen, bevor z. B. mobilisiert wird. Eine venöse Stauung könnte bei der Mobilisation des jeweiligen Organes Toxine freisetzen, die nicht zu den Entgiftungsorganen transportiert würden. Dies kann die Beschwerden des Patienten eher verstärken, anstatt zu helfen.
3 5.2.1 Allgemeine Bezüge
4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19
In der allgemeinen Erklärung sind die gesamten Regionen mit ihren entsprechenden Bezügen dargestellt, während in den Organ-Tabellen die für das jeweilige Organ gültigen Regionen genannt werden.
Neurologisch (faszial)
. Übersicht 5.1: Techniken zur zentralen Regulation der Grundfunktionen Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression/CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift/C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale/S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift/S.S.B.-Lift
Mechanische Dysfunktionen der Thorax-/Oberbauchorgane erzeugen über eine Phrenicus-Irritation Störungen im Bereich C3–5 sowie in der SCG-Region. Vereinzelt findet sich in der anatomischen Literatur auch die Beschreibung von Phrenicus-Fasern bis hin zu den Beckenorganen, die jedoch nicht allgemein anerkannt sind und hier nicht berücksichtigt werden.
gesamt wirken diese Techniken ausgleichend auf die sympathische bzw. parasympathische Funktion, dennoch ist der Einfluss auf beide Systeme zusammen je nachdem, welche der Techniken ausgewählt wird, mehr stimulierend oder mehr beruhigend. Bei gestressten Patienten sollten so eher beruhigende Techniken zum Einsatz kommen, während beim Schläfrigen eher stimulierende Maßnahmen sinnvoll sind (. Übersicht 5.1).
Neurovegetativ (sympathisch)
Vaskulär (arteriell)
Alle Strukturen, die einen Einfluss auf die sympathische Funktion des Organes haben: 5 Wirbelgelenkblockaden in Höhe C7–L2 über sensible Innervation der Kapsel und die Radix dorsalis per Interneuron auf das Seitenhorn, 5 HWS-Rotationsblockaden (Extension) in Höhe C1, C6, C7, 5 Rippenblockaden, 5 Psoas-Spasmus, 5 Sacrum-Rotationen, 5 sacrococcygeale Dysfunktionen mit mechanischer Dehnung des Truncus sympathicus, 5 Mechanische Irritation der vegetativen Plexus (Pl. pulmonalis, Pl. cardiacus, Pl. coeliacus, Pl. mesentericus sup. und inf.)
Für das jeweilige organversorgende Gefäß sind Engstellen (Entrapments) eines oder mehrerer Gefäße ein mögliches
Neurovegetativ (parasympathisch) Alle Strukturen, die einen Einfluss auf die parasympathische Funktion des Organes haben: 5 craniosacrale Dysfunktionen mit Irritation der Hirnnerven III, VII, IX (bei Kopforganen), 5 Blockaden C0–2 (OAA) und Sutura occipitomastoidea mit Irritation des Hirnnerven X (bei Thorax-/Abdominalorganen bis auf linkes Colon), 5 Sacrum-Dysfunktionen mit Irritation der Nn. pelvini splanchnici (bei Beckenorganen und linkem Colon).
20
Neurovegetativ (zentral vegetativ)
21
Die zentral übergeordneten Steuereinheiten des vegetativen Nervensystems und des hormonellen (endokrinen) Systems können zur zentralen Regulation der Grundfunktionen des Körpers mit craniosacralen Techniken behandelt werden. Ins-
Problem in der Organdurchblutung.
Vaskulär (venös) Für das jeweilige organentsorgende Gefäß stellen Entrapments mögliche Probleme bei der Organentsorgung dar. Übergeordnet ist die sog. venöse Kongestion (Stau) durch Enge des Brustkorbes, die durch eine vermehrte thorakale Kyphose entsteht, und Zwerchfell-Dysfunktionen, die eine verminderte Pumpleistung des Zwerchfells als venös-lymphatische Pumpe zur Folge haben.
Vaskulär (lymphatisch) Für das jeweilige organentsorgende Gefäß stellen Entrapments und Veränderungen der Lymphknoten mögliche Probleme bei der Organentsorgung dar. Überlastungen können postraumatisch oder als Folge von Entzündungen entstehen. Übergeordnet ist ein lymphatischer Stau durch Zwerchfell-Dysfunktionen. Folge ist eine verminderte Pumpleistung des Zwerchfells als venös-lymphatische Pumpe und Abflusshindernisse durch Narben, Bestrahlungen, Erkrankungen von Lymphknoten/-gefäßen usw.
Mobilität (Organ/Umgebung) Die Mobilität ist eine passive Bewegung eines Organs, die durch eine Zwerchfellbewegung verursacht wird. Die Mobilität des Organs selbst muss ebenso kontrolliert und ggf. normalisiert werden wie die Mobilität der organumgebenden Strukturen. Die entsprechenden Strukturen werden jeweils stichwortartig aufgelistet.
225
5.2 · Viszerales System
Listening (fasziales Écoute) Mit der Therapie eines Organs werden immer auch dessen Faszien behandelt. Insbesondere bei stark irritierten Organen ist es sinnvoll, den Patienten zunächst durch sanfte fasziale Techniken »vorzubereiten«, um später Mobilisationen durchführen zu können.
Energetisch (Akupunktur-Meridian) In diesem Abschnitt soll nicht die TCM erklärt werden, bekannt sind jedoch die Zusammenhänge zwischen Organirritationen und den Meridianen (Energieflussbahnen) des Körpers. Gelenkblockaden auf diesen Meridianen können zusätzliche Störungen darstellen, sodass die Gelenke im Meridianverlauf kontrolliert und ggf. deblockiert werden sollten.
Energetisch (Motilität) Die aktive Eigenbewegung (Motilität) jedes Organs kennt zwei Erklärungsmodelle. Energetisch: Da die Motilität jedes Organs in den zwei Stunden seiner Meridianzeit am größten ist, wird der Ursprung dieser Bewegung energetisch erklärt. Embryologisch: Da die Bewegung der Motilität exakt den embryologischen Drehungen entspricht, wird der Ursprung dieser Bewegung als Wiederholung der embryologischen Bewegungen mit sehr kleiner Amplitude erklärt.
Häufig können diese während der Behandlung durch sanfte kreisende Bewegungen »wegmassiert« werden. Lassen sich die Chapman-Punkte beseitigen, ist die Behandlungsprognose günstig. Wichtig Sollte die Chapman-Zone trotz dieser Technik bestehen bleiben, ist dies ein prognostisch ungünstiger Faktor. Bei diesen Patienten ist häufig eine größere Therapieanzahl notwendig.
Neurovaskuläre Reflexe (Kopfregion) Aufgrund von neurovaskulären Reflexen kann es bei Dysfunktion eines Organs zur Irritation im Bereich bestimmter Kopfzonen kommen. Diese können durch Techniken an den Suturae z. B. craniosacral korrigiert werden.
5.2.2 Organspezifische Behandlungsschemata In den folgenden Tabellen werden die Behandlungsschemata für die einzelnen Organe bzw. Organsysteme alphabetisch geordnet dargestellt, damit ein rasches Finden des gesuchten Schemas möglich wird.
Energetisch (Kennmuskel) Aus der Applied Kinesiology nach Goodheart sind energetische Beziehungen zwischen bestimmten Organen und Muskeln bekannt. So kann unterstützend zur Therapie eine auf den entsprechenden Muskel abgestimmte Behandlung und ggf. Training des Patienten als Hausaufgabe erfolgen.
Os ethmoidale Os sphenoidale
Pars basilaris Squama occipit
Embryologie (verwandte Strukturen) In diesem Bereich ist eine stichwortartige Auflistung der Organe/Gewebe aufgeführt, die eine embryologische Beziehung zu dem jeweils zu behandelnden Organ haben, wie z.B. die Lunge und der Darm. Bei einer Störung des einen Organsystems bewirkt die Mitbehandlung des embryologisch korrespondierenden Organs oft einen Therapievorteil.
Atlas Duraanheftung
Vertebrae cervicales II Dura mater spinalis
Neurolymphatische Reflexzone (Chapman-Zone)
2. Sakralgelenk
Die neurolymphatischen Reflexe, nach ihrem Entdecker auch als Chapman-Reflexe bezeichnet, repräsentieren jeweils eine vordere und eine hintere Zone, in deren organspezifischer Region eine lymphatische (Unter-)Hautschwellung auftritt.
Filum terminale . Abb. 5.1
5
226
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.1. Organ: Caecum und I-C-Klappe System
Untergliederung
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial Sympathisch
1. T10-11 2. Rippe X-XI 3. Plexus mesentericus superius
Parasympathisch
C0-2 OAA: Occiput-Atlas-Axis, Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 (Compression ventricle-4) 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. (cranial base release) Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift (S.S.B.: Synchondrosis sphenobasilaris)
Arteriell
Arteria mesenterica superior
Venös
Vena mesenterica superior zur Vena portae
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
Caecum, I-C-Klappe (Ileocoecal-Klappe), Dünndarm, Colon ascendens, Omentum majus, re. Ovar (Ligamentum v. Clado)
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Dickdarm: Zeigefinger, M.adductor pollicis, Tabatière, Radius, Epicondylus lateralis, Bursa subacromialis, ACG (Acronio-Clavicular-Gelenk), M. sternocleidomastoideus, Nasolabialfalte
4 5 6 7 Vaskulär
8 9 10 11
Strukturen
12
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. tensor fasciae latae
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Lunge, Kloakenmembran, Urogenitalsystem
14
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Truncus iliotibialis re. cranial Posterior: Querfortsatz L2-4
15
Neurovaskulär
Kopf-Region
Os parietale dorsolateral
13
16 17 18 19 20 21
227
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.2. Organ: Colon links System
Untergliederung
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
Strukturen
Sympathisch
1. L1-2 2. Psoas / Coccyx 3. Plexus mesentericus inferius
Parasympathisch
Sacrum (S2-4), Lamina PVURS, Perineum
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria mesenterica inferior
Venös
Vena mesenterica inferior zur Vena portae
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
Colon descendens/transversus, Flexura coli sinistra, Sigmoid, Omentum majus, Mesocolon sigmoideum, linke Niere, Magen, Milz, DJJ, PPP, Recess. costodiaphr., Zwerchfell
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Dickdarm: Zeigefinger, M.adductor pollicis, Tabatière, Radius, Epicondylitis lateralis, Bursa subacromialis, ACG, M. sternocleidomastoideus, Nasolabialfalte
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. tensor fasciae latae
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Lunge, Kloakenmembran, Urogenitalsystem
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Tractus iliotibialis links mittig und caudal Posterior: Querfortsatz L2-4
Neurovaskulär
Kopf-Region
Os parietale dorsolateral
5
228
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.3. Organ: Colon rechts System
Untergliederung
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial Sympathisch
1. T11-12 2. Rippe XI-XII 3. Plexus mesentericus superius
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria mesenterica superior
Vaskulär
Venös
Vena mesenterica superior zur Vena portae
Mobilität
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Organ / Umgebung
Colon ascendens/ transversum, Flexura coli dextra, Omentum majus, rechte Niere, Duodenum, Pankreas, Leber, Gallenblase, Zwerchfell, PPP, Recessus costodiaphragmaticus
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Dickdarm: Zeigefinger, M.adductor pollicis, Tabatière, Radius, Epicond. lat., Bursa subacromialis, ACG, M. sternocleidomastoideus, Nasolabialfalte
4 5 6 7 8 9 10 11
Strukturen
12
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. tensor fasciae latae
13
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Lunge, Kloakenmembran, Urogenitalsystem
14
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Tractus iliotibialis re. mittig und caudal Posterior: Querfortsatz L2-4
Neurovaskulär
Kopf-Region
Os parietale dorsolateral
15 16 17 18 19 20 21
229
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.4. Organ: Dünndarm (Intestinum tenue) System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. T10-11 2. Rippe X-XI 3. Plexus mesentericus superius
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria mesenterica superior
Venös
Vena portae
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
Dünndarm, Zwerchfell, Leber, Omentum minus, Magen, Omentum majus, Duodenum, Oddi, DJJ, Radix mesenterii, I-C-Klappe, Nieren, Uterus, Colon
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Dünndarm: Kleinfinger, Pisiforme, Hamatum, Epicondylus medialis, dorsale Schulter, Scapula, 1. Rippe, TMG (Temporo-Mandibulär-Gelenk (Kiefergelenk))
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. rectus femoris, Bauchmuskeln
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Lunge, Kloakenmembran, Urogenitalsystem
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: OS-Innenseite sowie Rippenbogen VII-X Posterior: Costotransversalgelenk VII-X
Neurovaskulär
Kopf-Region
Sutura sagittalis
5
230
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.5. Organ: Duodenum System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. T6-9 2. Rippe VI-IX 3. Pl. solaris
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Truncus coeliacus, Arteria mesenterica superior
Venös
Vena portae
Lymphatisch
Ductus thoracicus
4 5 6 7
Vaskulär
8 9
Mobilität
Organ / Umgebung
Duodenum, Magen, Omentum minus, Zwerchfell, Leber, Oddi, DJJ, PPP (Fascia v.Treitz), Pankreas, Nieren, Omentum majus
10
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Akupunktur-Meridian
Magen: 2. Strahl Fuß, Cuneiforme II / III, Naviculare, Talus, Tibiavorderkante, Ligamentum patellae, Patella, vastus lateralis, Leiste, SIAS, Rectus-Scheide, Rippen (MCL (mediales Kollateralband)), Clavicula, SCG (Sterno-Clavikular-Gelenk), Cartilago thyroidea, Mandibula, TMG, Maxilla
11 12
Energetisch
Kennmuskel (AK)
M. rectus femoris, Bauchmuskeln
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Lunge, Kloakenmembran, Urogenitalsystem
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Oberschenkel-Innenseite sowie Rippenbogen VII-X Posterior: Costotransversalgelenk VII-X
Neurovaskulär
Kopf-Region
Sutura sagittalis
13 14 15 16 17 18 19 20 21
Motilität Organ
231
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.6. Organ: Gallenblase System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. T6-9 2. Rippe VI-IX 3. Pl. solaris
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Truncus coeliacus
Venös
Vena portae
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
Gallenblase, Leber, Omentum minus, Duodenum, DJJ (Duodeno-Séjunale-Junction), Oddi, Pankreas, PPP (Faszia v. Treitz), rechte Niere, Flexura coli dextra, Colon transversum, Omentum majus
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Gallenblase: 4. Strahl Fuß, Cuboid, OSG (Oberes Sprunggelenk), Fibula, lateral Knie, lateral Oberschenkel, Rippen seitllich, Schulter, Trapezius, Parietale, retroaurikulär, TMG
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. Popliteus
Embryologie
Verwandte Strukturen
Pankreas, Leber, Darmrohr, Lunge
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Rippe V-VI rechts Posterior: Costotransversalgelenk V-VI
Neurovaskulär
Kopf-Region
Medialer Kniegelenkspalt
5
232
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.7. Organ: Harnblase System
Untergliederung
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
4 5
Sympathisch
1. L1-2 2. Psoas / Coccyx 3.
Parasympathisch
Sacrum (S2-4), Lamina PVURS, Perineum
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria iliaca (interna / communis)
Venös
Vena iliaca (interna / communis)
Lymphatisch
Ductus thoracicus
6 7
Vaskulär
8
Strukturen
9
Mobilität
Organ / Umgebung
Harnblase, Uterus / Prostata, Rectum, Lamina PUVRS, Perineum, Niere, Ureter, Urachus, Ilium, Lig. pubovesicale, Lig. umbilicale mediale
10
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Blase: Frontale, Parietale, Querfortsätze WS, Angulus posterior costae, Sacrum, ISG (Iliosakralgelenk), Ischiocrurale Muskeln, Poplitea, Wade, Fibula, OSG, Cuboid, 5. Strahl Fuß
11 12
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. tibialis anterior
13
Embryologie
Verwandte Strukturen
Urogenital, Kloake, Darm
14
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Symphysis pubis Posterior: Raum von Greenfeld (unterhalb der 12. Rippe neben dem Erector trunci)
Neurovaskulär
Kopf-Region
Seitlich Glabella in Mitte der Augenbrauen
15 16 17 18 19 20 21
233
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.8. Organ: Herz System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. C7-T5 2. OAA, C6, C7, Rippen I-V 3. Plexus cardiacus
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Aa. coronariae
Venös
Sinus coronarius
Lymphatisch
Venenwinkel (Subclavia / jugularis)
Mobilität
Organ / Umgebung
Herz, Perikard, Pleura, Lungen, Lig. sternopericardium, Lig. vertebropericardium (C3-T4), Mediastinum, Halsfaszien, oberer Thorax (CTÜ (Cervikothorakaler Übergang), T1-5, Rippen I-V), Sinus costomediastinalis, Zwerchfell
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Herz: Kleinfinger, Pisiforme, Hamatum, Ulna, Epicondylus mediale, Axilla
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. subscapularis
Embryologie
Verwandte Strukturen
Neuralleiste
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Angulus von Ludovici Posterior: Querfortsatz C7, Costotransversal-Gelenk I
Neurovaskulär
Kopf-Region
Lambda
5
234
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.9. Organ: I-C-Klappe und Caecum System
Untergliederung
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
4 5
Sympathisch
1. T10-11 2. Rippe X-XI 3. Plexus mesentericus superius
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria mesenterica superior
Venös
Vena mesenterica superior zur Vena portae
Lymphatisch
Ductus thoracicus
6 7
Vaskulär
8
Strukturen
9
Mobilität
Organ / Umgebung
Caecum, I-C-Klappe, Dünndarm, Colon ascendens, Omentum majus, rechtes Ovar (Lig. v. Clado)
10
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Dickdarm: Zeigefinger, M. adductor pollicis, Tabatière, Radius, Epicondylus lateralis, Bursa subacromialis, ACG, M. sternoclaidomastoideus, Nasolabialfalte
11 Motilität Organ
12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Kennmuskel (AK)
M. tensor fasciae latae
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Lunge, Kloakenmembran, Urogenitalsystem
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Tractus iliotibialis rechts cranial Posterior: Querfortsatz L2-4
Neurovaskulär
Kopf-Region
Os parietale dorsolateral
235
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.10. Organ: Intestinum tenue (Dünndarm) System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. T10-11 2. Rippe X-XI 3. Plexus mesentericus superius
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria mesenterica superior
Venös
Vena portae
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
Dünndarm, Zwerchfell, Leber, Omentum minus, Magen, Omentum majus, Duodenum, Oddi, DJJ, Radix mesenterii, I-C-Klappe, Nieren, Uterus, Colon
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Dünndarm: Kleinfinger, Pisiforme, Hamatum, Epicondylus medialis, dorsale Schulter, Scapula, 1. Rippe, TMG
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. rectus femoris, Bauchmuskeln
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Lunge, Kloakenmembran, Urogenitalsystem
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: OS-Innenseite sowie Rippenbogen VII-X Posterior: Costotransversalgelenk VII-X
Neurovaskulär
Kopf-Region
Sutura sagittalis
5
236
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.11. Organ: Leber System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. T6-9 2. Rippe VI-IX 3. Pl. solaris
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Truncus coeliacus
Venös
Vena portae
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
Leber, Zwerchfell, Gallenblase, Lig. teres hepatis, Lig. falciforme, Omentum minus, Duodenum, DJJ, Oddi, Niere, Flexura coli dextra, Pankreas, Omentum majus, Mesenchymbelastung (Intoxikation !!)
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Leber: 1. Strahl Fuß, OSG, medialer Unterschenkel, Knie, medialer Oberschenkel, 7. Rippe lateral
4 5 6 7
Vaskulär
8 9 10 11 12
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
Pars sternalis M. pectoralis
13
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Lunge, Gallenblase, Pankreas
14
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Rippe VI rechts Posterior: Costotransversalgelenk VI
Neurovaskulär
Kopf-Region
Sutura coronale laterale (über Mitte der Augenbrauen)
15 16 17 18 19 20 21
237
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.12. Organ: Lunge System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. C7-T5 2. OAA, C6, C7, Rippen I-V 3. Plexus pulmonalis
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria bronchialis
Venös
Vena bronchialis
Lymphatisch
Venenwinkel (Subclavia / jugularis)
Mobilität
Organ / Umgebung
Lunge, Pleura, Perikard, oberer Thorax (CTÜ, T1-5, Rippe I-V ), Halsfaszien, Mediastinum, Fissurae pulmonales, Cupula pleurae, Sinus costodiaphragmaticus (Recessus inferior), Sinus costomediastinalis, Leber, Magen
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Lunge: Daumen, Scaphoid, Radius, Radiusköpfchen, ACG, M. subclavius
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. deltoideus, M. serratus anterior
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Kloakenmembran, Urogenitalsystem
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Sternocostalgelenk II-IV Posterior: Costotransversalgelenk I-II
Neurovaskulär
Kopf-Region
Lambda
5
238
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.13. Organ: Magen System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. T6-9 2. Rippe VI-IX 3. Plexus solaris
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Truncus coeliacus
Venös
Vena portae
Lymphatisch
Ductus thoracicus
4 5 6 7
Vaskulär
8 9
Mobilität
Organ / Umgebung
Magen, Omentum minus, Duodenum, Oddi, DJJ, Ösophagus, Cardia, Pylorus, Pankreas, Nieren, Colon transversum, Omentum majus
10
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Magen: 2. Strahl Fuß, Cuneiforme II / III, Naviculare, Talus, Tibiavorderkante, Lig. patellae, Patella, M. vastus lateralis, Leiste, SIAS (Spina iliaca anterior superior), Rectus-Scheide, Rippen (MCL), Clavicula, SCG, Cartilago thyroidea, Mandibula, TMG, Maxilla
11 12
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
Pars clavicularis M. pectoralis
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Lunge, Kloakenmembran, Urogenitalsystem
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Rippe VI links Posterior: Costotransversalgelenk VI
Neurovaskulär
Kopf-Region
Lateral von Glabella in Mitte der Augenbrauen
13 14 15 16 17 18 19 20 21
239
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.14. Organ: Milz System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. T6-9 2. Rippe VI-IX 3. Plexus solaris
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Truncus coeliacus
Venös
Vena portae
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
Milz, Zwerchfell, Magen, Omentum minus, Leber, Lunge, Duodenum, Oddi, DJJ, PPP (Peritoneum parietale posterior) (Fascia v. Treitz), Pankreas, Niere, Flexura coli sinistra, Omentum majus
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Milz/Pankreas: 1. Strahl Fuß, Os naviculare, OSG, medialer US, mediales Knie, M. gracilis, Rippen
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. triceps brachii, M. latissimus dorsi
Embryologie
Verwandte Strukturen
Leber, Gallenblase, Pankreas, Darmrohr, Lunge
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Rippe VI-VII li. Posterior: Costotransversalgelenk VI-VII li.
Neurovaskulär.
Kopf-Region
Sutura squamosa
5
240
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.15. Organ: Nasennebenhöhlen (NNH) System
Untergliederung
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial Sympathisch
1. C7-T1 2. OAA, C6, C7
Parasympathisch
III, VII, IX, X Hirnnerv (C-S, OAA, Sutura occipitomastoidea)
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria carotis (communis / externa)
Venös
Vena jugularis interna
Lymphatisch
Venenwinkel (Subclavia / jugularis)
Mobilität
Organ / Umgebung
C-S: membranöses System, Suturae, Gesichtsschädel, Ggl. sphenopalatinum Lunge/Darm: alle Abschnitte, besonders Colon Mesenchym: Zirkulation verbessern, Toxinzufuhr begrenzen, Toxinausscheidung fördern
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Magen: 2. Strahl Fuß, Os cuneiforme II / III, Os naviculare, Talus, Tibia-Vorderkante, Lig. patellae, Patella, vastus lateralis, Leiste, SIAS, Rectus-Scheide, Rippen (MCL), Clavicula, SCG, Cartilago thyroidea, Mandibula, TMG, Maxilla
4 5 6 7
Vaskulär
8 9 10
Strukturen
11 12
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
Halsmuskulatur
13
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Lunge
14
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Rippe I-II medioclaviculär Posterior: Querfortsatz C3-5
Neurovaskulär
Kopf-Region
Masseter
15 16 17 18 19 20 21
241
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.16. Organ: Nebenniere System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. T9-12 2. Rippe IX-XII
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Aorta abdominalis
Venös
Vena cava inferior
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
(Neben-)Niere, Psoas, PPP, Zwerchfell, Ureter, Milz, Magen, Leber, Gallenblase, Duodenum, Colon, Pankreas, Harnblase, Hypothalamus, Hypophyse, Schilddrüse, Ovar/Testikel, Mesenchym (Zirkulation, Toxin-/Streßabbau)
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Kreislauf/Sexus: Mittelfinger, Carpaltunnel, Membrana interossea ventral, Ellenbeuge, Biceps, M. pectoralis minor
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. piriformis, M. glutaeus (maximus/medius/minimus)
Embryologie
Verwandte Strukturen
Rinde: Zölomepithel (Pleura, Peritoneum, Perikard) Mark: Neuralleiste
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Höhe L2 (2cm lateral der Medianlinie) Posterior: Costotransversalgelenk T12
Neurovaskulär
Kopf-Region
Lambda
5
242
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.17. Organ: Neben-Schilddrüse (Parathyroidea) System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. C7-T1 2. OAA, C6, C7 3.
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea, Nervus laryngeus superior / recurrens
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria thyroidea aus Arteria carotis externa
Venös
Vena thyroidea zur Vena jugularis interna
Lymphatisch
Venenwinkel (Subclavia / jugularis)
4 5 6 7
Vaskulär
8 9
Mobilität
Organ / Umgebung
(Neben-)Schilddrüse, Halsfaszien, Kehlkopf, Hyoid, Trachea, Thymus, Hypothalamus, Hypophyse, Nebenniere, Ovar/Testikel
10
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Lunge: Daumen, Scaphoid, Radius, Radiusköpfchen, ACG, M. subclavius
11
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. levator scapulae
Embryologie
Verwandte Strukturen
Schlund, Tonsillen, Schilddrüse, Thymus
13
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Angulus von Ludovici Posterior: dorsale Schultergelenkskapsel
14
Neurovaskulär
Kopf-Region
Lambda
12
15 16 17 18 19 20 21
243
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.18. Organ: Niere System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. T9-L1 2. Rippe IX-XII, Psoas 3.
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea teilweise: Sacrum / Perineum / Lamina PVURS
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Aorta abdominalis
Venös
Vena cava inferior
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
(Neben-)Niere, Psoas, PPP, Zwerchfell, Ureter, Milz, Magen, Leber, Gallenblase, Duodenum, Colon, Pankreas, Harnblase, linker Ovar / Testikel
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Niere: Metatarsale-Köpfchen II, Os cuneiforme I/Metatarsale-I; Os naviculare, USG (unteres Sprunggelenk), OSG, Achillessehne, medialer Unterschenkel, mediales Knie, Adduktoren, Perineum, M. rectus abdominis, Sternocostalgelenke, SCG
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. Iliopsoas
Embryologie
Verwandte Strukturen
Urogenital
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Psoas Höhe L3 Posterior: Querfortsatz T12-L1
Neurovaskulär
Kopf-Region
Linea nuchae ossis occipitalis
5
244
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.19. Organ: Oesophagus (Speiseröhre) System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. C7-T5 2. OAA, C6, C7, Rippe I-V 3. Plexus ösophageus
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria ösophagea
Venös
Vena portae / Vena azygos
Lymphatisch
Venenwinkel (Subclavia / jugularis)
4 5 6 7
Vaskulär
8 9
Mobilität
Organ / Umgebung
Ösophagus, Mediastinum, Zwerchfell, Cardia, Magen, Omentum minus, Perikard, Pleura, Ösophagusengen (Kehlkopf, Trachea/Aorta, Zwerchfell)
10
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Magen: 2. Strahl Fuß, Os cuneiforme II / III, Os naviculare, Talus, Tibiavorderkante, Lig. patellae, Patella, vastus lateralis, Leiste, SIAS, Rectus-Scheide, Rippen (MCL), Clavicula, SCG, Cartilago thyroidea, Mandibula, TMG, Maxilla
11 12
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
Pars clavicularis M. pectoralis major
13
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Lunge, Kloakenmembran, Urogenitalsystem
14
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Rippe VI li. Posterior: Costotransversalgelenk VI
Neurovaskulär
Kopf-Region
Lateral von Glabella in Mitte der Augenbrauen
15 16 17 18 19 20 21
245
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.20. Organ: Ovar (Eierstock) System
Untergliederung
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
Strukturen
Sympathisch
1. L1-2 2. Psoas / Coccyx 3.
Parasympathisch
Sacrum (S2-4), Lamina PVURS, Perineum
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria iliaca (interna / communis)
Venös
Vena iliaca (interna / communis)
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
Ovar, Eileiter, Uterus, Niere links, Psoas, Lig. latum uteri, Lig. suspensorium ovarii, Lig. ovarii propium, Lig. v. Clado (Appendix), Hypothalamus, Hypophyse, Nebenniere
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Kreislauf/Sexus: Mittelfinger, Carpaltunnel, Membrana interossea ventral, Ellenbeuge, Biceps, M. pectoralis minor
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. piriformis, M. glutaeus (maximus/medius/minimus)
Embryologie
Verwandte Strukturen
Urogenital
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: M. vastus lateralis / Symphysis pubis Posterior: ISG
Neurovaskulär
Kopf-Region
Lambda-Naht
5
246
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.21. Organ: Pankreas System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. T6-9 2. Rippe VI-IX 3. Plexus solaris
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Truncus coeliacus
Venös
Vena portae
Lymphatisch
Ductus thoracicus
4 5 6 7
Vaskulär
8 9
Mobilität
Organ / Umgebung
Pankreas, Duodenum, DJJ, Oddi, Zwerchfell, Leber, Gallenblase, PPP (Fascia v. Treitz), Omentum minus, Omentum majus, Magen, Milz
10
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Milz/Pankreas: 1. Strahl Fuß, Os naviculare, OSG, medialer US, mediales Knie, M. gracilis, Rippen
11 Motilität Organ
12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Kennmuskel (AK)
M. triceps brachii, M. latissimus dorsi
Embryologie
Verwandte Strukturen
Leber, Gallenblase, Darmrohr, Lunge
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Rippe VI-VII li. Posterior: Costotransversalgelenk VI-VII li.
Neurovaskulär
Kopf-Region
Sutura squamosa
247
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.22. Organ: Parathyroidea (Neben-SD) System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. C7-T1 2. OAA, C6, C7 3.
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura mastoideaoccipitale, Nervus laryngeus superior / recurrens
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria thyroidea aus Arteria carotis externa
Venös
Vena thyroidea zur Vena jugularis interna
Lymphatisch
Venenwinkel (Subclavia / jugularis)
Mobilität
Organ / Umgebung
(Neben-)Schilddrüse, Halsfaszien, Kehlkopf, Hyoid, Trachea, Thymus, Hypothalamus, Hypophyse, Nebenniere, Ovar/Testikel
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Lunge: Daumen, Scaphoid, Radius, Radiusköpfchen, ACG, M. subclavius
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. levator scapulae
Embryologie
Verwandte Strukturen
Schlund, Tonsillen, Schilddrüse, Thymus
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Angulus von Ludovici Posterior: dorsale Schultergelenkskapsel
Neurovaskulär
Kopf-Region
Lambda
5
248
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.23. Organ: Prostata System
Untergliederung
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial Sympathisch
1. L1-2 2. Psoas / Coccyx
Parasympathisch
Sacrum (S2-4), Lamina PVURS, Perineum
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria iliaca (interna / communis)
Venös
Vena iliaca (interna / communis)
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
Prostata, Perineum, Harnblase, Rectum, Symphysis pubis, Coccyx, Hypothalamus, Hypophyse
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Kreislauf/Sexus: Mittelfinger, Carpaltunnel, Membrana interossea ventral, Ellenbeuge, Biceps, M. pectoralis minor
4 5 6 7
Vaskulär
8 9 10
Strukturen
11
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. piriformis, M. glutaeus (maximus/medius/minimus)
Embryologie
Verwandte Strukturen
Urogenital
13
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: M. vastus lateralis / Symphysis pubis Posterior: ISG
14
Neurovaskulär
Kopf-Region
Lambda-Naht
12
15 16 17 18 19 20 21
249
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.24. Organ: Rectum System
Untergliederung
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
Strukturen
Sympathisch
1. L1-2 2. Psoas / Coccyx 3.
Parasympathisch
Sacrum (S2-4), Lamina PVURS, Perineum
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria iliaca (interna / communis)
Venös
Vena iliaca (interna / communis)
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
Rectum, Uterus, Ovar/Eileiter, Prostata, Harnblase, Perineum, Lamina PVURS (Pubo-Vesico-Utero-Recto-Sacrale), Lig. latum uteri, Os coxae, Sacrum, Coccyx,
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Dickdarm: Zeigefinger, M.adductor pollicis, Tabatière, Radius, Epicondylus lateralis, Bursa subacromealis, ACG, M. sternocleidomastoideus, Nasolabialfalte
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
Ischiocrurale Muskulatur
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Lunge, Kloakenmembran, Urogenitalsystem
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: vordere Hüftgelenkskapsel Posterior: ISG
Neurovaskulär
Kopf-Region
Lambda
5
250
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.25. Organ: Schilddrüse System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. C7-T1 2. OAA, C6, C7 3.
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea, Nervus laryngeus superior / recurrens
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria thyroidea aus Arteria carotis externa
Venös
Vena thyroidea zur Vena jugularis interna
Lymphatisch
Venenwinkel (Subclavia / jugularis)
4 5 6 7
Vaskulär
8 9
Mobilität
Organ / Umgebung
(Neben-)Schilddrüse, Halsfaszien, Hyoid, Kehlkopf, Trachea, Thymus, Hypothalamus, Hypophyse, Nebenniere
10
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
3-fach Erwärmer: Ringfinger, Lunatum, Membrana interossea dorsal, M. anconeus, Sulcus zwischen Biceps und Triceps, Scapula, Infraspinatus/Supraspinatus, Os Temporale, retroauriculär
11 12
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. infraspinatus
13
Embryologie
Verwandte Strukturen
Schlund, Tonsille, Neben-Schilddrüse, Thymus
14
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Angulus von Ludovici Posterior: Costotransversalgelenk I
Neurovaskulär
Kopf-Region
Os Temporale
15 16 17 18 19 20 21
251
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.26. Organ: Sigmoid System
Untergliederung
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
Strukturen
Sympathisch
1. L1-2 2. Psoas / Coccyx 3.
Parasympathisch
Sacrum (S2-4), Lamina PVURS, Perineum
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria mesenterica inferior
Venös
Vena mesenterica inferior zur Vena portae
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
Sigmoid, Colon, Rectum, Psoas links, Mesocolon sigmoid., Ureter links, linke Niere, linkes Ovar, Vena iliaca (communis / externa) links, selten M. iliacus links
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Dickdarm: Zeigefinger, M.adductor pollicis, Tabatière, Radius, Epicondylus laterale, Bursa subacromialis, ACG, M. sternocleidomastoideus, Nasolabialfalte
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. tensor fasciae latae
Embryologie
Verwandte Strukturen
Darmrohr, Lunge, Kloakenmembran, Urogenitalsystem
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Tractus iliotibialis links cranial Posterior: Querfortsatz L2-4
Neurovaskulär
Kopf-Region
Os parietale dorsolateral
5
252
1 2 3
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.27. Organ: Thymus System
Untergliederung
Strukturen
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
C3-5 (Phrenicus)
Sympathisch
1. C7-T1 2. OAA, C6, C7 3. Plexus cardiacus
Parasympathisch
C0-2 (OAA), Sutura occipitomastoidea
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria thoracica interna
Venös
Vena brachiocephalica
Lymphatisch
Venenwinkel (Subclavia / jugularis)
Mobilität
Organ / Umgebung
Thymus, Mediastinum, Perikard, Pleura, Trachea, Sternum, Halsfaszien
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
3-fach Erwärmer: Ringfinger, Lunatum, Membrana interossea dorsal, M. anconeus, Sulcus zwischen Biceps und Triceps, Scapula, Infraspinatus/Supraspinatus, Os Temporale, retroauriculär
4 5 6 7
Vaskulär
8 9 10 11
Motilität Organ
12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Kennmuskel (AK)
M. infraspinatus
Embryologie
Verwandte Strukturen
Schlund, Tonsille, (Neben-)Schilddrüse
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: Posterior: Costotransversalgelenk XII, Querfortsatz L1
Neurovaskulär
Kopf-Region
Übergang Manubrium / Corpus sterni
253
5.2 · Viszerales System
. Tabelle 5.28. Organ: Uterus System
Untergliederung
Neurologisch Neurovegetativ
Faszial
Strukturen
Sympathisch
1. L1-2 2. Psoas / Coccyx
Parasympathisch
Sacrum (S2-4), Lamina PVURS, Perineum
Zentral vegetativ
Hypothalamus 5 Stimulierend: Parietale Kompression / CV-4 5 Beruhigend: Parietale Lift / C.B.R. Hypophyse 5 Stimulierend: Alternierende Rotation Temporale / S.S.B.-Kompression 5 Beruhigend: Temporale Lift / S.S.B.-Lift
Arteriell
Arteria iliaca (interna / communis)
Venös
Vena iliaca (interna / communis)
Lymphatisch
Ductus thoracicus
Mobilität
Organ / Umgebung
Uterus, Ovar/Eileiter, Lig. latum uteri, Rectum, Lamina PVURS (Lig. sacrouterinum), Harnblase, Perineum, Hypothalamus, Hypophyse
Listening
Fasziales Écoute
Je nach faszialem Befund
Energetisch
Akupunktur-Meridian
Kreislauf/Sexus: Mittelfinger, Carpaltunnel, Membrana interossea ventral, Ellenbeuge, Biceps, M. pectoralis minor
Vaskulär
Motilität Organ Kennmuskel (AK)
M. piriformis, M. glutaeus (maximus/medius/minimus)
Embryologie
Verwandte Strukturen
Urogenital
Neurolymphatischer Reflex
Chapman-Zone
Anterior: M. vastus lateralis / Symphysis pubis Posterior: ISG
Neurovaskulär
Kopf-Region
Lambda-Naht
5
254
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.29. Monolytische Dekompensationen der WS
1 2 3 4 5 6 7
WS-Region
Dekompensation
Adaptation oder Dekompensation
C0
F SXRY
Bilaterale Läsion
C1
Shift
Rotations-Läsion
C2-7
F R XSX
E RXSX
T1-4
E RXSX
F R XSX
T5-12
E RXSX
F R XSX
L1-5
F R XSX
E RXSX
Sacrum
KontranutationsLäsion Depressed Sacrum
Nutations-Läsion
8 5.3
9 10 11 12 13 14 15 16 17
Parietales System (UFK)
Dysfunktionen des axialen Systems haben, wie bereits in 7 Kap. 2.6.1 und 7 Kap. 5.1 erwähnt, vielfältige Beziehungen, die bei der Therapie bedacht werden müssen. So sollte z. B. bei einer Gruppenläsion T6–9NSR rechts eine Störung der zugehörigen Strukturen wie Organe, Gefäße, Muskeln, Haut, Bindegewebe und Knochen als Ursache behandelt werden. Bei monolytischen Läsionen ist es wichtig, Dekompensationen zu erkennen, die auf jeden Fall korrigiert werden müssen. Als Richtlinie dienen die Angaben in . Tab. 5.29. Um das übrige parietale System erfolgreich behandeln zu können, ist die Kenntnis der typischen UFKs wichtig (. Tab. 5.30). In . Tab. 5.31 sind die typischen Auslöser für ISG-Dysfunktionen aufgeführt: Die . Tab. 5.32 gibt einen Überblick über die Ursachen für Schulterbeschwerden.
5.4
Craniosacrales System
18
Die craniosacrale Osteopathie in allen Einzelheiten und unter allen therapeutischen Gesichtspunkten zu beschreiben würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Hierzu wird auf die entsprechende Literatur verwiesen.
19
i Tipps 5 Grundsätzlich ist jedoch bei dieser Therapieform zu be-
20 21
achten, dass die therapeutischen Möglichkeiten stark vom Lebensalter des Patienten abhängen. 5 Bei Kindern und Jugendlichen sind die Suturae noch gut beweglich, weswegen insbesondere suturale Läsionen frühzeitig korrigiert werden sollten. Bei Erwachsenen sind die meisten Suturae relativ starr, deshalb sind vor allem die Techniken erfolgreich, die auf das membranöse System des Schädels wirken.
. Übersicht 5.2: »Ten-Steps Procedure« (J.E. Upledger) 1. CV-4 2. Diaphragmen (Becken, Zwerchfell, Thoraric outlet, Hyoid, Schädelbasis) 3. Frontal Lift 4. Parietal Lift 5. S.S.B. 6. Temporal Lift 7. Temporale (alternierende Rotation, Mastoid Rock) 8. TMG 9. Spinale Dura (Sacrum, Coccyx) 10. CV-4
Als allgemeines Therapiekonzept für das craniosacrale System entwickelte J.E. Upledger die sog. »Ten-Steps Procedure« (. Übersicht 5.2). Ihre Anwendung war primär für medizinische Laien gedacht, sie ist aber als erste Annäherung auch für Osteopathen nutzbar. i Tipps Nach Meinung der Autoren kann bei einer osteopathischen Behandlung, bei der die Diaphragmen bereits korrigiert sind, der zweite Schritt entfallen.
Ist die craniosacrale Läsion primär im Bereich der spinalen Dura, so ist es sinnvoll, Schritt 9 an zweiter Stelle bzw. zuerst auszuführen. Bei bestimmten Problemen, wie z. B. einer Pollinosis, ist die Behandlung des Gesichtsschädels unbedingt erforderlich. Jedoch ist die Gesichtsbehandlung nicht Bestandteil der »Ten-Steps-Procedure«.
5.5
Weitere Therapieansätze
Es gibt zahlreiche weitere Therapiemethoden und Denkmodelle, die in die Therapie des Patienten einbezogen werden können. Ein Osteopath, der seine Therapie als »ganzheitlich« versteht, sollte stets an die Integration anderer Methoden in seine Behandlung denken. Im Folgenden werden einige dieser Methoden und Denkmodelle in ihrem Bezug zur Osteopathie vorgestellt, ohne dabei einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen.
5.5.1 Kongestion (venös-lymphatischer Stau)
und manuelle Lymphdrainage Die Kombination osteopathischer Techniken zur Integration in die manuelle Lymphdrainage (ML) ist ebenso interessant wie umgekehrt das Anwenden von Griffen aus der ML in einer osteopathischen Behandlung.
255
5.5 · Weitere Therapieansätze
. Tabelle 5.30. Typische UFK‘s
obere Extremität
untere Extremität
Absteigende UFK
Aufsteigende UFK
ob. BWS in FRSR o Links-Rotation Thoraxo SCG Posterior rechts o ACG Posterior-Rotation rechts o SchulterIRO rechts o Ellbogen-Flexion / Valgus rechts / Caput radii posterior re o Radius cranial gegen Radial o Ulnardeviation Radiocarpalgelenk
Sturz aufs Handgelenk o Radius caudal o Ellbogen-Flexion / Valgus o 1.) Verkürzung M. pronator teres 2.) Radial-Deviation Radiocarpalgelenk 3.) Schulter-IRO o a.) ACG Posterior-Rotation b.) BWS-Flexion c.) Rippe Inspiration heterolaterale und Exspiration homolat. d.) lumbale SN homolateral
blockierte Rippe li. o Links-Rotation Thorax o SCG Posterior rechts o ACG Posterior-Rotation rechts o SchulterIRO rechts o Ellbogen-Flexion / Valgus rechts / Caput radii posterior rechts o Radius cranial gegen Ulna o Radialdeviation Radiocarpalgelenk
Sturz auf den Ellbogen o Radius caudal o Ellbogen-Varus o 1.) Verkürzung M. supinator 2.) Ulnar-Deviation Radiocarpalgelenk 3.) Schulter-ARO o a.) ACG Anterior-Rotation b.) BWS-Extension c.) Rippe Inspiration homolateral
Il. Ant. o Zug am 1.) M. biceps femoris o PTFG cranial (Irritation N. peronaeus) o Dorsalflexion mit Zug M. peroneus longus (Cuboid-IRO) und Zug M. tibialis posterior (NavicularARO) o Plattfuß 2.) M. semitendinosus o Ansatzreizung Pes anserinus 3.) M. semimembranosus o a.) Fixation des IM nach dorsal b.) Knie-Flexion und IRO c.) Kapselspannung Kniegel. d.) Hüft-Extension 4.) vord.Bündel M. glutaeus medius/minimus o Hüft-IRO o Talus-Valgus o Fußinnenrand vermehrt belastet L4ERShomolateral
Pronationstrauma o Eversion o Tibia-IRO o 1.) Talus-Valgus o Fußinnenrand vermehrt belastet (wegen Supination/ ABD im Chopart-Gelenk) 2.) Knie-Valgus o Hüft-IRO (Protrusionshüfte, schlecht wegen hohem Druck auf Gelenkknorpel) o Ilium anterior o absteigende UFK
Ilium Posterior o Zug am 1.) M. rectus femoris o Schmerz femoropatellar / Patellaspitze / Patellasehne / M. Osgood-Schlatter 2.) M. sartorius o Ansatzreizung Pes anserinus 3.) M. tensor fasciae latae o a.) Spannung Tractus iliotibialis n b.) Schmerz Knieaußenseite 4.) hinteres Bündel M. glutaeus medius/minimus o HüftARO o Talus-Varus o Fußaußenrand vermehrt belastet L5ERShomolateral
Supinationstrauma (Spitzfuß) o Inversion o 1.) PTFG dorsolateral o Zug M. biceps femoris o Ilium posterior o absteigende UFK 2.) Torsion OSG (Talus-IRO gegen Tibia-ARO) 3.) Cuboid-IRO (Plattfuß) Supinationstrauma (Neutral) o Inversion o Tibia-ARO 1.) Knie-Varus o Hüft-ARO (Expulsionshüfte, schlecht wegen Kongruenzmangel im Gelenk) o hinteres Bündel M. glutaeus medius/ minimus o Ilium posterior o absteigende UFK 2.) Talus-Varus o mediales Fußgewölbe betont (wegen Pronation/ ADD im Chopart)
5
256
1 2 3 4
Kapitel 5 · Therapiekonzepte
. Tabelle 5.31. Ursachen von ISG-Dysfunktionen Ilium anterior
Ilium outflare
Ilium posterior
Ilium inflare
M. iliacus (viszeral) M. quadratus lumborum M. sartorius M. rectus femoris Hüft-Außenrotatoren (viszeral)
Perineum (viszeral) Lig. sacro-spinale Lig. sacro-tuberale
Psoas (viszeral) M. glutaeus maximus Ischiocrurale Muskeln (Bauchmuskeln)
Lig. iliolumbale
5 . Tabelle 5.32. Ursachen von Schulterbeschwerden
6
Evtl. Ursache
Befunde / Tests
ZNS Stau, Tumor / Metastase, Malazie
Craniosacral (Test: Palpation PRM) spastische Parese, Pyramidenbahnzeichen Störungen der Sinnesorgane
Radikulär Blockade, Tumor / Metastase, muskulär, Bandscheibe, Posturologie
Monosegmental (Schmerz, Sensibilität, schlaffe Parese, Reflex-Abschwächung), oberhalb C8 bzw. unterhalb L2 keine Störung der Pilomotorik / Schweißsekretion Parietal (axiales System, aktive/passive Mobilität, Provokation) viszeral (Phrenicus-Provokat., Zwerchfell, Local listening, Thermodiagn)
Plexus TOKS, Tumor / Metastase, muskulär, vaskulär, Schwellung
Pluriradikulär, kein WS-Schmerz TOKS (Sotto-Hall [Scalenus], Eden [Costoclaviculär], Wright [Coraco-thorako-pectoral]) Fasziale Retraktion, viszerale Probleme
Peripherer Nerv Zug, Druck, Tumor / Metastase, vaskulär, muskulär, Schwellung
Motorisch / sensibel schlaffe Lähmung mit Störung der Schweißsekretion / Pilomotorik im betroffenen Versorgungsgebiet Nerv Entrapment (Narbe, vaskulär, muskulär, metabolisch, Tumor / Metastase)
Psychisch funktionell, strukturell
Allgemeine Symptome, keine deutlichen Untersuchungsbefunde Heftige (demonstrierte) Beschwerden
Metabolisch toxisch / endokrin
Allgemeine Symptome, keine deutlichen Untersuchungsbefunde Heftige (demonstrierte) Beschwerden
15
Myopathie degenerativ, entzündlich, toxisch, endokrin, metabolisch, genetisch
(Deutliche) Progredienz Verschlimmert bei jeder Bewegung
16
Faszial Narben, fasziale Retraktionen, Kollagenosen
Viszeral (Phrenicus-Provokat., Zwerchfell, local listening, Thermodiagnostik) General / Local Listening, Sotto-Hall-Test, Faszientest: Hyoid/Clavicula/intrathorakale Faszien
Mechanisch Schultergelenke, UFK
Parietal (aktive/passive Mobilität, Provokationstests), Posturologie, UFK Viszeral (Phrenicus-Provokat., Zwerchfell, Local listening, Thermodiagn)
7 8 9 10 11 12 13 14
17 18 19 20 21
257
5.5 · Weitere Therapieansätze
Im Unterschied zur ML, die bemüht ist, nur den lymphatischen Rückstrom zu fördern, stimulieren osteopathische Techniken den venös-lymphatischen Rückfluss, indem folgende Bereiche korrigiert werden: 1. Abflussgebiet − Vv. cavae, Venenwinkel (C-T-Ü, T1–5, Rippe1–5) 2. Zwerchfell − venös-lymphatische Pumpe (C3–5, T6–12, Rippe6–12) 3. Portales System − Leber (bei abdominaler Kongestion) 4. Extremitätenabflusswege (Thoracic Inlet bzw. Becken) Für venös-lymphathische Stauungen der Kopf-Hals-Region kommen zusätzlich craniosacrale Techniken zur Anwendung, die das membranöse System korrigieren.
5.5.2 Ernährung Bei Beschwerden, die auf Störungen des Verdauungstraktes zurückzuführen sind, sind Empfehlungen in Bezug auf eine bewusste Ernährung sinnvoll. Hierbei muss eine Vielzahl von Komponenten beachtet werden. Die unterschiedlichsten Gedankenansätze der Ernährungswissenschaftler machen dies in einer Vielzahl von Büchern über verschiedenste Ernährungsratschläge deutlich, z. B. Säure-Basen-Haushalt, Energetik (5-Elementen-Ernährung), glykämischer Index, Mineral- und Vitaminhaushalt, Belastung mit Candida, Dysbiose der Darmflora usw. Die Kunst besteht darin, die Ernährungsproblematik des Patienten zu erkennen und individuell abgestimmt Ratschläge zu erteilen.
5.5.3 Akupressur/Akupunktur Das energetische Denkmodell der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), auf dessen Meridianumlaufbahnen die Akupunktur beruht, kann durch mechanische Dysfunktionen empfindlich gestört werden. Neben den klassischen Therapiemethoden der TCM bietet die Osteopathie die Möglichkeit, mit artikulären und faszialen Manipulationstechniken Einfluss auf die Akupunkturpunkte und damit das energetische System des Patienten auszuüben.
5.5.4 Psychotherapie Den Zusammenhang zwischen Störungen des emotionalen Erlebens und Verarbeitens auf der einen Seite und körperlichen Beschwerden auf der anderen Seite ist der Schulmedizin als »Psychosomatik« bekannt. Die Osteopathie betrachtet die Faszien als das System, welches emotionale Belastungen aufnimmt und konserviert. Der Osteopath J.E. Upledger bezeichnet das Lösen solcher faszialen Dysfunktionen als »Somato-Emotional Release«. Durch die Anwendung von faszialen Techniken können emotionale Blockaden gelöst werden, andererseits allerdings auch psychische Belastungen beim Patienten wieder ausgelöst werden. ! Cave Aus diesem Grund ist es wichtig, bei Anwendung dieser Techniken als Therapeut entweder selbst das Freiwerden psychischer Belastungen profesionell auffangen zu können oder aber mit entsprechenden Therapeuten eng zusammenzuarbeiten, sodass Patienten in ihrer Emotionalität begleitet werden können.
5
6 Leitsymptome Christoff Zalpour
In diesem Kapitel sind Leitsymptome aus Anamnese und Befundung nochmals tabellarisch den wichtigsten Krankheitsbildern zugeordnet. Genauere Erklärungen zu den jeweiligen Leitsymptomen wurden bereits im Kapitel 3, Safety, besprochen. Nachfolgend finden Sie eine Übersicht über die wichtigsten Leitsymptome in der klinischen Praxis und ihre Bedeutung. Leitsymptom
(Mögliche) Begleitsymptome
(Mögliche) Grunderkrankung
Weiterführende Maßnahmen
Anämie (Absinken der Erythrozytenzahl, Hämoglobinkonzentration oder des Hämatokrits unter die Norm)
Blässe, anamnestisch Blutverlust bekannt
Akute Blutungsanämie
Sofortige ärztliche Abklärung
Trockene schuppige Haut, Zungenbrennen, brüchige Nägel, Dysphagie
Eisenmangel, chronische Blutungsanämie
Ärztliche Abklärung
Symptome der Niereninsuffizienz, Leberzirrhose oder von Malignomen oder Malabsorption
Sekundäre Anämie
Ärztliche Abklärung
Ikterus, Splenomegalie
Hämolytische Anämie
Ärztliche Abklärung
Knochenschmerzen
Maligne Erkrankung mit Knochenmarksinfiltration
Ärztliche Abklärung, u. a. Röntgen
Neurologische Symptome, Parästhesien
Perniziöse Anämie
Ärztliche Abklärung, u. a. Vitamin B12-Spiegel im Blut
Vor allem morgens, chronischer Husten, Hämoptysen, Dyspnoe, Zyanose, Rechtsherzbelastung
Bronchieektasien
Ärztliche Abklärung
Abgeschlagenheit, Brustschmerzen, Bluthusten
Bronchialkarzinom
Ärztliche Abklärung
Atemnot, feuchte Rasselgeräusche in der Auskultation der Lungen, Brodeln
Lungenödem
Sofortige ärztliche Abklärung
Sodbrennen, Thoraxschmerzen
Refluxkrankheit
Ärztliche Abklärung
Dyspnoe, feine Rasselgeräusche
Lungenfibrose
Ärztliche Abklärung
Heiserkeit
Larynxkarzinom
Ärztliche Abklärung
Sodbrennen, Aufstoßen
Refluxkrankheit
Ärztliche Abklärung
Wechsel der Beschwerden von Mahlzeit zu Mahlzeit
Funktionelle Störung
Gleichbleiben oder Progredienz der Beschwerden
Organische Ursache
Auswurf (Sputum)
Dysphagie
E. Hinkelthein, C. Zalpour, Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie DOI 10.1007/978-3-642-20740-2_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
Ärztliche Abklärung
260
1
Kapitel 6 · Leitsymptome
Leitsymptom
(Mögliche) Begleitsymptome
(Mögliche) Grunderkrankung
Weiterführende Maßnahmen
Dysphagie (Forts.)
Fieber, Halsschmerzen, akuter Beginn
Tonsillitis
Ärztliche Abklärung
Begleitet von neurologischen Ausfällen
Schlaganfall, multiple Sklerose
Dringende ärztliche Abklärung
Akute Thoraxschmerzen, einseitig aufgehobenes Atemgeräusch, anamnestisches Trauma der oberen Körperhälfte
Pneumothorax
Sofortige ärztliche Abklärung
Husten, akutes Auftreten beim Essen
Aspiration
Sofortige ärztliche Abklärung; Heimlich-Handgriff
Parästhesien, evtl. Pfötchenstellung, ansonsten guter Allgemeinzustand
Hyperventilation
Maßnahmen zur Rückatmung von CO2 (Plastiktüte, Hohlhand)
Giemen, Brummen
Asthmaanfall
In erster Linie beruhigen; ärztliche Hilfe suchen
Nächtliche Orthopnoe (Schlafen mit erhöhtem Oberkörper), Nykturie
Linksherzinsuffizienz
Ärztliche Abklärung
Blässe, Tachycardie, Tachypnoe
Anämie
Ärztliche Abklärung
Sehr leises Atemgeräusch
Lungenemphysem
Ärztliche Abklärung
Schluckbeschwerden, Druckgefühl, Dyspnoe
Retrosternale Struma
Ärztliche Abklärung
12
Dyspnoe, Übelkeit, Inappetenz, Ödeme
Rechtsherzinsuffizienz
Ärztliche Abklärung
13
Retrosternaler Schmerz, Dyspnoe, Husten, Stridor, Heiserkeit
Aortenaneurysma
Dringende ärztliche Abklärung
14
Nachtschweiß, subfebrile Temperaturen, Gewichtsverlust, Lymphknotenschwellung
Lymphome (Hodgkin, Non-Hodgkin)
Ärztliche Abklärung
Unruhe, Nervosität, Tremor (feinschlägig), Schweißneigung
Hyperthyreose
Ärztliche Abklärung
16
Pulsierender Exophthalmus
Sinus-cavernosus-Aneurysma
Dringende ärztliche Abklärung
Nebenhöhlenaffektion
Ärztliche Abklärung
17
Kopf- und Augenschmerzen, druckschmerzhafte Nasennebenhöhlen, Fieber Fieber, Abgeschlagenheit, Halsschmerzen
Infekt
Ärztliche Abklärung
19
Zahnfleischbluten, Zahnschmerzen
Gingivitis
Zahnärztliche Abklärung
20
Azetongeruch
Diabetes mellitus
Ärztliche Abklärung
Foetider (eitriger) Geruch
Lungenabszess
Ärztliche Abklärung
2 3 Dyspnoe
4 5 6 7 8 9 10 11
15
18
21
Einflussstauung
Exophthalmus
Foetor (ex ore)
261
6 · Leitsymptome
Leitsymptom
(Mögliche) Begleitsymptome
(Mögliche) Grunderkrankung
Weiterführende Maßnahmen
Gangstörung
Vorübergehend, Schwindel, Ataxie, Sehstörungen (z. B. Doppelbilder), Hörstörung, Amnesie
Transitorisch ischämische Attacke (TIA)
Dringende ärztliche Abklärung (Apoplexrisiko!)
Halbseitige Lähmung
Apoplex
Dringende ärztliche Abklärung
Breitbeiniger, schwankender Gang
Kleinhirnerkrankung
Ärztliche Abklärung
Steppergang
Periphere Fußheberschwäche
Ärztliche Abklärung
Durchfälle
Colitis ulcerosa, Sprue (M. Whipple)
Ärztliche Abklärung
Ikterus
Hepatitis
Ärztliche Abklärung
Trockene (Schleim-)Haut, Konjunktivitis
Sjögren-Syndrom
Ärztliche Abklärung
Konjunktivitis, Urethritis, Skleritis; anamnestisch: zurückliegender Infekt (gastrointestinal, urogenital)
Reitersyndrom
Ärztliche Abklärung
Erythema nodosum
Colitis, Sarkoidose
Ärztliche Abklärung
Iritis, Konjunktivitis, Skleritis
Chronische Polyarthritis
Ärztliche Abklärung
Iritis
M. Bechterew (Spondylitis ankylosans)
Ärztliche Abklärung
Raynaud-Syndrom
Sklerodermie
Ärztliche Abklärung
Nächtlicher rauer Husten, Schmerzen im Bereich von Kehlkopf und oberem Thorax
Laryngitis, Tracheitis
Ärztliche Abklärung
Schmerzen, Dysphagie, Gewichtsverlust, Lymphknotenschwellung
Malignom
Dringende ärztliche Abklärung
Infektanfälligkeit, Halsschmerzen
Chronische Tonsillitis
Ärztliche Abklärung
Berufliche »Vielsprecher«, z. B. auch Sänger
Stimmbandknötchen
HNO-ärztliche Abklärung
Herzjagen, -rasen
Tachykardie
Kardiologische Abklärung
Herzstolpern, Aussetzer
Extrasystolie
Kardiologische Abklärung
Synkopen
Bradykardie
Kardiologische Abklärung
Hämmern im Halsbereich
Ventrikuläre Extrasystolen, AV-Knotentachykardien
Kardiologische Abklärung
Dyspnoe, Tachykardie
Herzinsuffizienz
Kardiologische Abklärung
Muskelschwäche, Laxanzien-, Diuretikaabusus
Hypokaliämie
Kardiologische Abklärung
Harnflut
Supraventrikuläre Tachykardie
Kardiologische Abklärung
Gelenkbeschwerden
Heiserkeit
Herzrhythmusstörung
6
262
1
Kapitel 6 · Leitsymptome
Leitsymptom
(Mögliche) Begleitsymptome
(Mögliche) Grunderkrankung
Weiterführende Maßnahmen
Ikterus
Weißfleckung, z. B. an den Armen, M. Dupuytren, Feminisierung bei Männern
Alkoholbedingte Leberfunktionsstörung
Ärztliche Abklärung
2 3
Belastungsdyspnoe, Appetitlosigkeit, Druckgefühl in der Leber
Rechtsherzinsuffizienz
Kardiologische Abklärung
4
Splenomegalie, Lymphknotenschwellung, Anämie
Lymphom, Leukose
Ärztliche Abklärung
5
Rezidivierende Koliken
Cholelithiasis
Ärztliche Abklärung
Gewichtsabnahme, palpable Knoten
Lebermetastasen
Ärztliche Abklärung
Lokale Schwellung, Fieber, Krankheitsgefühl (meist Kinder)
Ewing-Sarkom, Osteomyelitis
Dringende ärztliche Abklärung inklusive Röntgen
Ziehende Schmerzen in der Tibia, Klopfschmerzhaftigkeit
Brodie-Abszess
Dringende ärztliche Abklärung inklusive Röntgen
Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk v. a. bei Jungen
M. Perthes
Dringende ärztliche Abklärung inklusive Röntgen
(Multiple) Knochenschmerzen, Verkrümmungen Gewicht tragender Knochenteile
M. Paget, Osteoporose
Dringende ärztliche Abklärung inklusive Röntgen
Rückenschmerzen, pathologische Frakturen, neurologische Begleitsymptomatik, bekannte Primärtumorerkrankung (z. B. Mamma, Bronchial, Prostata, Thyroidea, Hypernephrom)
Skelettmetastase
Dringende ärztliche Abklärung inklusive Röntgen
Trockene (Schleim-)Haut und Zunge
Exsikkose
Flüssigkeit geben
Schwermut, Verzweiflung
Depression
Ärztliche Abklärung
Leistungsknick, Gewichtsverlust
Malignom
Dringende ärztliche Abklärung
Gewichtsverlust, Polydipsie, -urie
Erstauftreten eines Diabetes mellitus Typ 1
Ärztliche Abklärung
16
Blässe von (Schleim-)Haut, Dyspnoe, Tachykardie
Anämie
Ärztliche Abklärung
17
Zyanose, Dyspnoe, Tachykardie, Ödeme
Herzinsuffizienz
Ärztliche Abklärung
18
Fieber
Infektion
Ärztliche Abklärung
Nächtliche Atemstillstände (Fremdanamnese), Schnarchen
Schlaf-Apnoe-Syndrom
Ärztliche Abklärung im Schlaflabor
Belastungsabhängige Schwäche der Gesichts- (Augen-)Muskulatur
Myasthenia gravis
Dringende ärztliche Abklärung
Adipositas, Kälteintoleranz
Hypothyreose
Ärztliche Abklärung
6
Knochenschmerzen
7 8 9 10 11 12 13 14 15
19 20 21
Müdigkeit
263
6 · Leitsymptome
Leitsymptom
(Mögliche) Begleitsymptome
(Mögliche) Grunderkrankung
Weiterführende Maßnahmen
Schwindel
Ohne äußeren Anlass auftretend, mit Fallneigung und vegetativer Begleitsymptomatik (Übelkeit, Erbrechen, Kollapsneigung), Tinnitus
Morbus Menière
Dringende HNO-ärztliche Abklärung
Kurze Schwindelattacken (ausgelöst durch Positionswechsel bzw. Bewegungen in der HWS), flüchtige Sehstörungen, Kopfschmerzen, Hirnstammsymptome
Transitorisch ischämische Attacke (TIA)
Dringende ärztliche Abklärung (Apoplexrisiko!)
Sekunden anhaltender Drehschwindel bei Kopfbewegungen
Zervikaler Schwindel
Schwankschwindel mit demonstrativer Unsicherheit, Taumeligsein, Hin- und Herschwanken insbesondere beim Gehen, u. U. mit vegetativer Begleitsymptomatik
Psychisch bedingter Schwindel
Neurologische Vorstellung, psychische Entlastung
Schwindel von ca. 30 s Dauer nach Lagewechsel
Paroxysmaler benigner Lagerungsschwindel
Neurologische Vorstellung
Drehschwindel, Schwankschwindel, Lageschwindel, oft als rezidivierende Attacken
Multiple Sklerose
Ärztliche Vorstellung
Diskreter systematischer Schwindel (provoziert durch rasche Körperbewegungen, progredienter Hörverlust), einseitiger Tinnitus
Akustikusneurinom
Dringende fachärztliche Vorstellung
Drehschwindel, Ohrenschmerzen mit Hörverlust, Bläschen im Gehörgang, Erbrechen
Herpes zoster oticus
Ärztliche Vorstellung
Rotes Gesicht, Hitzewallungen
Flush (Hautröte des Gesichts und des oberen Brustbereiches verbunden mit Hitzegefühl)
Ärztliche differenzialdiagnostische Abklärung
Schwitzen v. a. palmar und axillär
Hyperhidrosis emotionalis
Nachtschweiß, verbunden mit Gewichtsverlust
Malignom (oder Tuberkulose)
Dringende ärztliche Abklärung
Lymphknotenschwellung
Maligne oder entzündliche Prozesse
Dringende ärztliche Abklärung
Struma, Tremor, Schlafstörungen, Nervosität
Hyperthyreose
Ärztliche Abklärung
Bei Frauen in der 4. bis 5. Dekade: mit vegetativer Symptomatik, Stimmungsschwankungen und Regelunregelmäßigkeiten
Klimakterium
Schwitzen
6
264
1
Kapitel 6 · Leitsymptome
Leitsymptom
(Mögliche) Begleitsymptome
(Mögliche) Grunderkrankung
Weiterführende Maßnahmen
Sodbrennnen
Krampfartige Schmerzen nach der Nahrungsaufnahme
Ulkusleiden
Ärztliche Abklärung
Nach Nahrungs- oder Alkoholexzess, begleitet von Übelkeit, Brechreiz und Appetitlosigkeit
Akute Gastritis
Ärztliche Abklärung
3 4
Aufstoßen, Reflux von Mageninhalt
Hiatushernie
Ärztliche Abklärung
5
Regurgitation von Mageninhalt
Zenker-Divertikel
Ärztliche Abklärung
Unruhe, Nervosität, Herzklopfen, Schweißausbruch (Einnahme von Antidiabetika, z. B. Insulin)
Hypoglykämie
Sofortige Gabe von (Trauben-) Zucker
Feinschlägiger Tremor, Herzklopfen, allgemeine Unruhe und Rastlosigkeit
Hyperthyreose
Ärztliche Abklärung
Ikterus, Palmarerythem, Spider naevi
Leberzirrhose
Ärztliche Abklärung
Muskelzuckungen, Alkoholabusus oder Mangelernährung
Magnesiummangel
Ärztliche Abklärung
10
Erhöhter Muskeltonus (Rigor) mimische Starre
M. Parkinson
Ärztliche Abklärung
11
Ataxie, Gangstörung, Nystagmus, Sprachstörung
Zerebelläre Erkrankung
Ärztliche Abklärung
12
Sehstörungen, Doppelbilder, Schwindel, Miktionsstörungen, pathologische Reflexe
Multiple Sklerose
Ärztliche Abklärung
2
Tremor
6 7 8 9
13 14 15 16 17 18 19 20 21
265
Glossar F. Chapman hat den Zusammenhang zwischen viszeralen Irritationen und Zonen des Unterhautbindegewebes beschrieben mit vermehrter Einlagerung von Lymphflüssigkeit als neurolymphatische Reflexe beschrieben. Bei Palpation der Chapman-Punkte kann an einer für das Organ spezifischen Zone die vermehrte Einlagerung von Lymphflüssigkeit (»Wasserkissen«) getastet werden. (s.a. Abschnitt 5.2) Gruppenläsion Im Gegensatz zur monolytischen Läsion, der Läsion eines einzelnen Wirbels, betrifft die Gruppenläsion nicht nur mehrere Wirbel, sondern weist stets auf eine Irritation in den zugehörigen Segmenten hin. Diese Bewegungseinschränkung über mehrere Etagen wird auch als Restriktion bezeichnet Hypermobilität Über das normale Bewegungsausmaß hinausgehende Beweglichkeit Hypomobilität Bewegungseinschränkung; Beweglichkeit unterhalb des normalen Bewegungsausmaßes Jones-Punkt Eine als Folge nicht-physiologischer Kontraktionen der Muskulatur entstehende Bewegungseinschränkung des betroffenen Gelenkes, die sich auch während der Palpation als schmerzempfindlicher Bereich mit eine erhöhten Gewebespannung offenbart wird als Tender-Point bzw. nach dem Osteopathen LH Jones eben »Jones-Punkt« oder »strain-counterstrain« bezeichnet Jones-Technik Strain-Counterstrain-Techniken, nach ihrem Entdecker LH Jones bezeichnet Kennmuskel Muskel, der zu >80% aus einem Segment innerviert wird und deshalb bei nervaler Störung des Segmentes eine Parese zeigt als Kennung für das betroffene Segment Läsion, monolytische Im Gegensatz zur Gruppenläsion (s.o.) betrifft die monolytische Läsion stets nur einen Wirbel. Sie ist also eine Blockade mit Bewegungseinschränkung auf einer Etage in eine bestimmte Richtung (s.a. Abschnitt 2.6.1) Chapman-Punkt/ Chapman-Zone
Listening (auch franz. als »écoute« bezeichnet) ist eine Begriff aus der faszialen Osteopathie. Mit dem Listening versucht der Therapeut der faszialen Körperspannung zu folgen im Sinne einer Lokalisationsdiagnostik. Das »general Listening« nutzt eine orientierende Grobuntersuchung im Stehen mit geschlossenen Augen, das »local listening« die regionale Suche z.B. in Rückenlage. (s.a. Abschnitt 2.4.1 und 2.4.2) Motilität Eigenbewegung der inneren Organe mit kleiner Amplitude in einer Frequenz von 7 pro Minute Neuropathie, auto- Eingeschränkte Nervenfunktion nome autonomer Nerven Organirritation a) Störung der Organmobilität b) Störung der Organgewebes P.R.M. Primär respiratorischer Mechanismus, auch C.R.I. (cranial rhythmic impulse) Posturologie Lehre von Abweichungen der normalen Haltung Primärtumor Ausgangspunkt einer malignen Krebserkrankung (im Gegensatz zu dadurch hervorgerufenen Metastasen) Ptose Senkung Tenderpoint (Jones) s. Jones-Punkt Thermodiagnostik Mit der Thermodiagnostik, die auf den franz. Viszeral-Osteopathen JP Barral zurückgeht, werden Veränderung der Temperaturabstrahlung einzelner Körperregionen manuell erfasst. (Einzelheiten s. Abschnitt 2.3) UFK Ursache-Folge-Kette, s. 1.1 Listening, general/ local
E. Hinkelthein, C. Zalpour, Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie DOI 10.1007/978-3-642-20740-2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
267
Literatur
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269
Stichwortverzeichnis A Abfluss − venös-lymphatischer 131 Abflussobstruktion 201 Abwehrspannung 204 ACE (Angiotensin-Converting-Enzyme) ACE-Hemmer 122 Acetylsalicylsäure (ASS) 140 ACG-Plastik 154 ACTH 61 Adam-Stokes-Anfälle 187 Adaptationen 224 Adduktoren Hüfte 22 Adduktorenspasmus 112 Adenomatosis coli 52 ADH 61, 200 Adson-Wright-/Sotto-Hall-Test 13 Affektion 25 Aknehaut 92, 137 Aktivität − sympathische 47 Aktivitätsmuster − propriozeptive 12 Akupressur 258 Akupunktur 258 Akustikusneurinom 212, 264 Alarmreaktion 117 Albinismus 10 Albumin 68 Algurie 73 Alkohol 178, 191 allgemeine Anamnese 8 Allodynie 170 Alphawellen 50 Altersosteopenie − physiologische 127 α-Amylase 43, 72 Anämie 10, 182, 184, 260, 261, 263 − hämolytische 260 − perniziöse 145, 260 Anämie, perniziöse 78 Anamnese 3 − Anamnesezeichen 3 Anamnese Fragebogen 7 Anamnesezeichen − Anamnesezeichen 4 Aneurysma 118 − Sinus-cavernosus- 261 Angina pectoris 143, 151, 152 Angiotensin-Converting-Enzym 43 Angiotom 15 Anreicherung 37 Ansatz-Tendinitis 112 Anti-Streptolysintiter 65 Anurie 73 Aortenaneurysma 261 Apoplex 262 Apoptose 56, 57
62
Beta-Blocker 47 Betawellen 50 Bewegungsempfinden 23 Bewusstsein (Vigilanz) 25 Bilirubin 44 Bindegewebszonen 14, 16 Bing-Reflex 23 Blase − neurogene 201, 202 Blasenkapazität 202 Blasenstörungen 219 Blasenzone 16 Blutdruck 42 Blutdruckmessung − Langzeit- 48, 66 Blutdruckwert − diastolischer 43 − systolischer 43 Blutgasanalyse 62 Bluthochdruck 216 Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG) 209 Blutstrom − arterielle 39 − venöse 39 Body-Mass-Index (BMI) 110 Bodyplethysmographie 62 Boeck, M. 50 Bonnet 105 Bradycardie 46 Bradykardie 262 Bragard 105 Brennen − retrosternales 176 Brodie-Abszess 263 Bronchialkarzinom 63 Bronchieektasien 260 Bronchoskopie 40, 62 BSG 41
A. radialis 14 Armzone 16 Arteriosklerose 45, 57 − Risikofaktoren 58 Arthritis 79, 94 Aspiration 261 Asthma − exogenes 173 Asthmaanfall 261 Asthma bronchiale 61, 173, 63 Aszites 67, 69 Atemtätigkeit 131 Atemtechniken 104 Atemtest − 13C-Harnstoff- 146 Atherosklerose 57 Atlas-Shift 180 atrophie blanche 110 Atrophien − neurogene 51 Aufhellung 32 Augenhintergrund 45 Augenstellreflex 18 Ausweichbewegung 13 Auswurf 260 Autoimmungastritis 78 Autoimmunkrankheit 97 AV-Block I–III 187 A. vertebralis 211 AV-Knoten 185 AV-Knotentachykardien 262 Axiales System 17
B Babinski-Zeichen 23 Bakteriologie 42 Bambusstabwirbelsäule 124 Barany-Test 24 Barrett-Ulcus 192 Basaliom 55 Basedow 183 Basisstandard 25 Bauchspeicheldrüsenerkrankungen BE 44 Beckenschiefstand 104 Bedarfstachycardie 47 Befund − psychischer 25 Beinzone − arterielle 16 Belastbarkeit − kardiale 64 Belastungsschmerz 26 Bence-Jones-Proteine 209 Berührungsempfinden 23 Beschwerden − akute 224 − chronische 224
C 71
E. Hinkelthein, C. Zalpour, Diagnose- und Therapiekonzepte in der Osteopathie, DOI 10.1007/978-3-642-20740-2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
Caecum 227, 235 Cafe-au-lait-Haut 10 Calcium 44 Cancerogenese 56 Cap 59 Caput medusae 67 carcino-embryonale Antigen (CEA) 80 Carcinogenes embryonales − Antigen (CEA) 42 Cardiafixation 192 Cardiaspasmus 191 Carpaltunnelsyndrom 162 Cervicocephalgien 118 CFS 182 Chaddock-Zeichen 23 Chapman-Punkte 17
270
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Stichwortverzeichnis
Chapman-Zone 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232 Charcot-Trias 220 Chlorid 44 Cholelithiasis 69, 263 Cholesterin 44 − HDL- 139 − LDL- 139 Cholesterinesterase 43 Chondroblastom 179 Chondrosarkom 99 chronische Urämie 10 Claudicatio intermittens 132 Colitis 262 Colitis ulcerosa 123, 124, 81, 191, 197, 79 Colon 228, 229 Colon irritabile 81 Coloskopie 204 Complex regional pain syndrome (CRPS) 169 Computertomographie (CT) 33 COPD 173 Cortisol 177 Coxarthrose 104 Coxitis 105 Craniosacral 19, 221 − membranöse Spannung 221 Creatinkinase 43 CRP 59, 72 Cushing-Bild 56
D Darmerkrankung − entzündliche 78 Darmzone 16 Dauerschmerz 26 Daumenballenatrophie 163 Dekompensation 18 − monolytische 255 Dekompensationen 224 Deltawellen 50 Denkvermögen 25 Depression 263 DeRitis-Quotient 68 Dermatom 15 Diabetes − juveniler 98 − Typ-1- 97, 102 − Typ-2- 102 Diabetes insipidus 199 Diabetes mellitus 45, 95, 97, 261, 263 − Insulin-dependenter 98 − (NIDDM) nicht-Insulin-dependenter 102 Diadochokinese-Test 24 Diagnostik − apparative 31 − Epilepsie- 50 − internistische 42 − Labor- 41 − neurologische 50 Diarrhoe 78 Dignität 52
− benigne 52 − maligne 52 − semimaligne 52 Divertikel 40 Divertikulitis 203, 81 Divertikulose 79, 204 Dokumentation 25 Doppelbilder 218 Doppler-Effekt 39 Dopplersonographie 39 Doppler-Sonographie − transcraniellen 39 Drehschwindel (engl. Vertigo) 211 Druckanstieg − intracranieller 222 Druckscheibenprothese (DSP) 105 Dünndarm 230, 236 Duodenum 231 Dupuytren 175 Durchblutungsstörung 10 − arterielle 10 Durchfall − breiiger 195 Dysmenorrhö 206 Dysphagie 77, 260, 77 Dyspnoe 118, 190, 261 Dysregulation − orthostatische 212 Dystress 116 Dysurie 73
E Echokardiographie 36 Écoute 226 − fasziales 227, 228, 229, 230, 231, 232 EDTA-Blut 41 Eierstock 246 Einflussstauung 261 Eisen (Fe) 44 Eisenmangel 260 Eiweiß − tierisches 149 Ejektionsfraktion 64 EKG 62 − Belastungs- 49, 64 − Langzeit- 49, 66 Ektoderm 89 Elektroenzephalogramm (EEG) 50 Elektrokardiogramm (EKG) 48 Elektrolythaushalt 44 Elektromyographie (EMG) 51 Elektroneurographie (ENG) 50 Elektrophorese 41 Embryologie 226 Encephalitis disseminata (ED) 218 Endokrin 6 Endokrinologie 43 Endometriose 206 Endometriumgewebe 206 Endoskopie 40 Endothelschädigung 59 Energetisch
− Akupunktur-Meridian 226 − Kennmuskel 226 − motilität 226 Enge − coracothoracopectorale 162 − costoclaviculäre 162, 165 Entartung − Kardinalsymptome einer malignen 51 Entodermal 89 Entrapments 43 Entzündung − Zeichen einer akuten 204 Entzündungsmediatoren 59 Entzündungszeichen 51 Enzephalopathie − Hepathische 69 − hepatische 67 Enzyme 43 Epicondylitis radialis humeri 164, 165 Epiphysioloysis capitis femoris 105 ERCP 70 Ergometrie 49, 66 Erkrankung − zerebelläre 265 Ernährung 258 Erythema nodosum 79 Erythrocytenzahl 41 Eustress 116 Ewing-Sarkom 99, 263 Exophthalmus 261 Exsikkose 263 Extensions-/Flexionstyp 12 Ext-/Flex-Typ 11 Extrasystole − supraventrikuläre 187 − ventrikuläre 187 Extrasystolen − ventrikuläre 262 Extrasystolie 262
F 5 »f« 69 Facialisparese − zentrale 221 Fascia transversalis 112 Fernmetastase 54 Ferritin 44 α1-Fetoprotein (AFP) 42, 70 Fettleber 67, 158, 71 Fibromyalgiesyndrom 148, 149 Fieber − rheumatisches 65 Finger-Finger-Test 24 Finger-Nase-Test 24 Fischwirbel 126 Fistelbildung 198 Flaschenzeichen 163 Flush 264 Foetor (ex ore) 261 Fundus hypertonicus 45 Funktionstests 17 Fußbeuger 22
271
Stichwortverzeichnis
Fußsyndrom − diabetisches
102
G Gallenblase 232 Gallenblasenkarzinome 70 Gallenblasentumor 71 Gang-Prüfung 24 Gangstörung 262 Ganzkörperszintigramm 37 Gastritis 78, 144, 80, 143 − akute 265 − chronische 78 − Typ-A- 146 − Typ-B- 146 − Typ-C- 146 Gastroskopie 40 Gefäßverkalkung 43 Gelenkbeschwerden 262 Genitalzone 16 Gerinnung 42 Gesamteiweißerhöhung 209 Geschmacksstörung 135 Gewebemediatoren 15, 148 Gewebeübersäuerung 148 Ggl. cervicale 18 Ggl. coeliacum 18 Ggl. impar 18 Ggl. mesent.ericum inferius 18 Ggl. mesentericum superius 18 Ggl. stellatum 18 Gicht 94, 160 Gichtniere 94 Gichttophi 94 Gingivitis 261 GLDH 68 Gleithernie − axiale 192 Globulin − α1- 41 − α2- 41 − β- 41 − γ- 41 Glomerulonephritis 75, 76 Glucose 44 Glukosetoleranztest 121 Gordon-Zeichen 23 GOT 43, 67 GPT 43, 68 Großzehengrundgelenk 95 Großzehenheber 22 Gruppenläsionen 19, 224 γ-GT 68 gynäkologische Bindegewebszone Gynäkomastie 67
H Hallux rigidus 95 Hämatemesis (Bluterbrechen) Hämatokrit 41
184
155
Hämaturie 73 Hämoccult-Stuhltest 184 Hämochromatose 10 Hämoglobin 41 Harnblase 233 Harnblasensteine 76 Harninkontinenz 201 Harnsäure 44, 74 Harnstoff 44, 74 Harnwegsinfekt 199 − komplizierter 77 Hauterkrankungen 174 Hautverfärbungen 10 HbA1c 43 HDL 44 Heiserkeit 262 Helicobacter pylori 146 Hepatitiden 69, 71 Hepatitis 69, 262 − virale 69 Hepatitis-Virus-Typ − A 69 − B 69 − C 69 − D 69 − E 69 Hepatomegalie 65, 67 Hernia hiatalis 191 − funktionelle 192 Hernie − paraösophageale 192 Hernieninkarzerierung 192 Herpes zoster 143 Herpes zoster oticus 264 Herz 234 Herzblöcke 187 Herzecho 66 Herzerkrankung − entzündliche 65, 67 − hypertensive 87 − (KHK) koronare 64 − koronare 66 Herzfrequenzveränderung 185 Herzinfarkt 45, 48, 66 Herzinsuffizienz 65, 66, 189, 262, 263 − Links- 190, 261 − Rechts- 190, 261, 263 Herzklappenstörungen 67 Herzkrankheit − hypertensive 45 Herzrasen 193 Herzrhythmusstörung 185, 262 Hiatushernie 265 High density lipoprotein (HDL) 58 High resolution CT 34 Hirnmassenblutung 45 Hirnnerven 21 Hirnstammischämie 212 Hirnstammläsionen 212 Histologie 42 HLA B27 124 Holiday-heart-disease 64, 194
Hormon − (ACTH) adrenocorticotropes 56 − (ADH) antidiuretisches 56 24-h-RR-Messung 48 Hüftdysplasie 104 HWS − hypermobile 128 − Steilstellung der 119 Hybrid-TEP 105 Hypercholesterinämie 59, 139 Hypercholesterinämien 101 Hyperhidrosis emotionalis 264 Hypermenorrhoe 156 Hypernephrom 76, 77 Hyperpigmentation 110 Hyperthyreose 183, 261, 264, 265 Hypertonie − arterielle 87 Hypertriglyceridämie 101, 139 Hyperurikämie 93, 101 Hyperventilation 261 Hypoglykämie 265 Hypokaliämie 262 α1-Hypo-Lipoproteinämien 101 Hypophysenunterfunktion 10 Hypothalamus 5 Hypothyreose 183, 263 − angeborene 183
I I-C-Klappe 227, 235 Ikterus 10, 67, 263 Ilium 18 Ilium posterior 138 Immunsystem 57 − spezifisches 57 − unspezifisches 57 Induratio penis plastica 175 Infarkt 51 Infekt 261 Infektion 263 Inkarzeration 113 Inkontinenz − Drang- 202 − Stress- 201, 202 − Überlauf- 202 INR 195 Inspektion 9 Insuffizienz − venöse 110 − vertebrobasiliäre 211 Insulinresistenz 102 Insulintherapie − intensivierte 98 Intentionstremor 220 Intercostalneuralgie 143 Intestinum tenue 230, 236 Intoxikation 68 Intraartikulär 4 Intrinsic-factor 78, 184 Irritable bowel syndrome 79 Ischämie 51
272
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Stichwortverzeichnis
Ischämietest 170 Ischialgie 129 ISG-Dysfunktion 257
Kyphose − thorakale 109
L J J.P. Barral 11 Juckreiz (Pruritus)
67
K Kaffee 47, 149, 178, 191 Kalium 44 Kammerflimmern 188 Kapselspannung 85 Kapsuloligamentär 4 Karotinämie 10 Karzinom − Colon- 80 − hepatozelluläres 70, 71 − Kolon- 81 Kausalgie 170 Kavatyp 54 Keilwirbelform 126 Kennmuskel 227, 228, 229, 230, 231, 232 Kernig 105 Kernkettenfasern 15 Kernspintomographie 35 KISS 180 Knieendoprothese 85 Knie-Hacke-Test 24 Knöchelödem 67, 87 Knochen 4 Knochenmetastasen 54 Knochenschmerzen 263 Koloskopie 40 Kongestion 254 − venöse 138, 225 Kontraindikationen 31 Konzentration 25 Koordinationstest 24 Kopfschmerz 120, 134, 207, 220 − idiopathischer 120 − medikamenteninduzierter 121 − Nitrat- 121 − periodisch auftretender 214 − symptomatischer 120 − wie noch nie 222 Kopfumfang 136 Kopfzone 16 Körperrelief 10 Kortisol-Ausschüttung 117 Krämpfe 5 Kreatin 74 Kreatin-Clearance 74 Kreatinin 44, 74 Kreatinin-Clearance 44, 74 Krebserkrankungen 51 Kreuzschmerz − chronischer 129 Kreuzschmerzen 154 Kribbelparästhesie 108, 134, 161, 163, 168
Labelung 37 Labor 41 Laevocardigraphie 46 Laevogramm 66 Laevographie 64 Lageempfinden 23 Lähmung − periphere 22 − zentrale 22 Längere Bewegung verschlimmert Schmerz 26 Langzeit-RR 48 L-Arginin 59 Larynxkarzinom 260 Läsion − funktionelle 123 Läsionen − monolytische 18, 19, 224 Latum uteri 154 LDH 43 LDL 44 Leber 237 Leberfunktionsstörung 67, 263 Leber-Gallenzone 16 Leberkongestion 138 Lebermetastasen 70, 263 Leber-Metastasen 71 Leberptose 157, 189 Leberstauung 68 Leberverfettung 67, 158, 71 Lebervergrößerung 67 Leberzirrhose 67, 158, 152, 71 Leistenhernie 111, 112 Leistenkanals 112 Leistenschmerzen 111 Leistungsknick 152 Leistungsminderung 151 Leri-Vorderarmzeichen 23 Leucocytenzahl 41 Leukose 263 Lig. cardinale 154 Lig. cervicopleur 18 Lig. uterosacrale 154 Linksappendizitis 204 Linksherzinsuffizienz 65 Linksherzkatheter 64, 66 Lipase 43, 72 Listening 12, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232 − General 13 − Local 13 Listening-Techniken 3 Low density lipoproteins (LDL) 58 Luftaufstoßen 77 Lumbalgie 113 Lumbalgien 76 Lunge 238 Lungenabszess 261
Lungenembolie 62, 63 Lungenemphysem 173, 261 Lungenentzündung 60 Lungenerkrankung 60 − chronisch obstruktive 63 − obstruktive 50 − restriktive 50 Lungenfibrose 260 Lungenkapazität 50 Lungenödem 260 Lungenszintigraphie 62 Lungen-Tuberkulose 63 Lungentumore 61 Lymphdrainage − manuelle 170 Lymphom 263 Lymphome 261
M 3-Monats-Kolik 181 M. Addison/Hypophysentumor 10 Magen 239 Magenkarzinom 78, 81 Magnesiummangel 265 Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) 35 Malignom 40, 262, 263, 264 Marcumar 65, 195 Marie-Foix-Zeichen 23 Mathematische Linien 131 Mayo-Schaft 105 M. Bechterew 262 M. biceps brachii 21 M. Crohn 79, 81 M. deltoideus 21 Mediastinoskopie 62 Megacolon − toxisches 198 Mendel-Bechterew-Zeichen 23 Merkfähigkeit (Gedächtnis) 25 Merseburger Trias 183 Mesenchymbelastungen 101 Metabolisch 6 Metalle 44 Metastasen 52, 61 − bronchiale 63 Metastasierung − hämatogene 54 − lymphogene 54 − per continuitatem 54 − regionale 54 − vom Portae-Typ 54 Migraine accompagnée 214 Migräne 121, 213 Mikroalbuminurie 73, 103 Milz 240 Mitose 51 M. levator scapulae 21 Mm. adductor pollicis / abductor digiti minimi 21 Mm. interossei 21 Mobilität 224, 227, 228, 229, 230, 231, 232 Monakow-Zeichen 23
273
Stichwortverzeichnis
Mononukleose − infektiöse 68 Morbus Basedow 183 Morbus Bechterew 123 Morbus Crohn 123, 124, 197 Morbus Kahler 209 Morbus Ledderhose 175 Morbus Menière 264 Morbus Paget 38, 136 Morbus Sudeck 169, 170 Morgensteifigkeit 4 Motilität 227, 228, 229, 230, 231, 232 M. Paget 263 M. Parkinson 265 M. Perthes 105, 263 M. psoas 22 M. quadriceps 22 M. tibialis anterior 22 M. triceps brachii 21 Müdigkeit 184, 263 − chronische 181 Multiple Sklerose (MS) 185, 218, 261, 264, 265 Muskelatrophien 10 Muskulär 5 Myasthenia gravis 263 Myelom − multiples 209 Myelomniere 209 Myelose − funikuläre 145 − funnikuläre 78, 184 Myogelosen 149 Myom 155, 156 Myopathien 51 Myotom 15 Myxödem 184
N Nachbelastungsphase 49 Nachtabsenkung des Blutdruckniveaus 48 Nachtschmerz 26, 125 Nachtschweiß 209 Nackenkopfschmerzen 154 Nasennebenhöhlen 241 Natrium 44 Natural killer cells 57 Nebenhöhlenaffektion 261 Nebenniere 242 Neben-Schilddrüse 243 Neben-SD 248 Nekrose 51 Nephroblastom 76, 77 Nephropathie − diabetische 103 Nervenleitungsgeschwindigkeit (NLG) 50 Nervensystem − vegetatives 24 Nervenwurzelreizung 106 Nervus vagus 180 Neuralgie 120 Neurodermitis 173
Neurofibromatose 10 Neuroglia 219 neurologisch − faszial 225 Neuropathie − autonome 103 − diabetische 102 Neurotropie 143 neurovegetativ − parasympathisch 225 − sympathisch 225 − zentral vegetativ 225 Neurovegetativ 5 Neutralfette 139 Niere 244 Nierenerkrankungen 72 Niereninsuffizienz 10, 75, 160, 76 − akute 75 − chronische 75 Nierenschwelle 73 Nierensteine 75 Nierenversagen − akutes 209 Nikotin 47, 149, 178, 191 Ninhydrin-Schweißtest 170 NLG − motorische 50 − sensible 51 NNH 241 Normwerte Leberlabor 68 Nykturie 65, 118, 121 Nystagmus 220 − horizontaler 212 − vertikaler 212
O O2-Sättigung 44 OAA 21 OAA-Region 119 Oberbauchbeschwerden − unklare 40 Oberflächenersatz (OFE) 86 Obstipation 78, 93, 161 Oesophagus 245 Oligurie 73 Omentum minus 110, 211 Onkogene 56 Onkoviren 56 Oppenheim-Zeichen 23 Orientierung 25 Osgood-Schlatter 98, 100 Ösophagitis 192 Ösophagoskopie 40 Ösophagusdivertikel 77 Ösophagus-Engen 77 Ösophaguskarzinom 192, 80 Osteoidosteom 141 Osteomyelitis 263 Osteopathie 1 − faszialen 12 Osteoporose 126, 263 Osteos 1
Osteosarkom Ovar 246
98
P 6 »P« 194 6-P-Kardinalsymptome 194 p53 56 Palmarerythem 67 Palpation 14 Pankreas 247 Pankreaskarzinom 72 Pankreatitis 71 − akute 71, 72 − chronische 71, 72 Parathyroidea 243, 248 Parietal 19 Pathos 1 pAVK 132 pCO2 44 Peak-flow-Messungen 62 Perineumschwäche 201 peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) 39 Periphernervös 5 Pes anserinus 88 Pfortadertyp 54 pH 44 Phäochromozytom 45 Phosphat 44 Phosphatase − alkalische 43, 70 − Prostata- 43 − saure 43 Phrenicus 18 Phrenicus-Irritation 225 Phrenicus-Provokationstest 20, 177 Plaques 59 Plasmozytom 208 Pleuramesotheliom 33 Plexus cardiacus 18 Plexus pulmonalis 18 Plexus sacralis 18 Pneumonie 60, 63 Pneumothorax 261 pO2 44 Podagra 93 Pollakisurie 73 Polyarthritis − chronische 262 Polydipsie 200 Polyneuropathie 101 Polypen 40 Polyposis intestinii 52 Polyurie 200, 73 Polyzythämie 10 Posturologie 11 Präcancerose 52 − fakultative 52 − obligate 52 Prädilektionsstellen 59 Primär respiratorischer Mechanismus (P.R.M.) 20
274
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21
Stichwortverzeichnis
Probeentnahme 40 Produkte − zuckerhaltige 149 Prostata 249 Prostatahyperplasie 132 Prostatakarzinom 132 Proteinurie 73 Protonenpumpenhemmer 145 Provokationstest 20 Pseudarthrose 172 Pseudodivertikel 79 Psoaskontraktur 160 Psoriasis 174 Psychisch 6 Psychotherapie 258 Pulmonalis-Angiographie 62 Puls 42 Pulsstolpern 185 Purinabbau 160 Pyelonephritis 73, 75, 76 − akute 75 − chronische 75 Pyramidenbahnzeichen 23
R Radiusfraktur 168 − distale 172 Rebound-Test 24 Rechtsherzinsuffizienz 65, 87 Rechtsherzkatheter 64, 66 Rectum 250 Red-Reflex-Test 116 Reflex − neurolymphatischer 227, 228, 229, 230, 231, 232 − sympathischer 170 − viscerocutanen 15 Reflexe − neurolymphatische 15, 17 − neurovaskuläre 226 − pathologische 23 Reflexzone − neurolymphatische 226 Refluxkrankheit 77, 260, 80 Refluxösophagitis 191 Refluxtest − hepatojuguläre 160 − hepatojugulärer 189 Regeneration 51 Regurgitation 77 Reizänderungen − propriozeptive 12 Reizdarm 79 Reizleitungssystem 48 Renarterienstenose oder ein Hormon bildender Tumor (Phäo 45 Response-to-injury-theory 59 Restriktionen 18 Retentionsparameter 160
Retinopathie − diabetische 103 Rheumatrigger − klassische 149 Rhythmusstörung 187, 193 Rhythmusstörungen 64, 66 ROKNEP 86 Röntgen 32 Rotationstyp 11, 12 Rückfluss − venös-lymphatischen 104 Rückflussstörung − venöse 162 Ruheschmerz 26
S Sacrum 18 Sacrum anterior 154 Sacrummobilisation 134 Safety 31, 60, 136 Salicylatabhängigkeit 141 Salicylsäure 68 Sarcoidose 50, 61, 62 Sarkoidose 63 Scalenuslücken 162 Scaphoidfraktur 171 Scaphoid-Quartett 172 Schaumzellläsion 59 Scheuermann-Krankheit 141 Schichtbilder 34 Schilddrüse 251 Schilddrüsenerkrankung 182 Schlaganfall 45, 216, 261 Schlagvolumen 46 Schlittenprothese 86 Schluckbeschwerde 183 Schluckecho 66 Schmerz 15 − andauernder 208 − Bauch- 203 − bilateraler 26 − brennender 26 − Dauer- 6 − dumpfer 4, 26 − epigastrischer 77 − heller 5, 26 − im Knie 95 − in der Leiste 95 − nachklingen 15 − nachklingender heller 192 − Nacht- 6 − -progredienz 6 − provozierter 20 − retropatellarer 92 − Ruhe- 5 − Schulter- 175 − stechend, in der linken Brust 151 − tiefer 5, 26 − wandernder 26 Schmerzempfinden 23 Schmerzprogredienz 26 Schnelltest des parietalen Systems 19
Schrotschussschädel 209 Schubladen-Zeichen 115 Schulter − Protraktion 166 Schulterbeschwerden 257 Schwachheits- oder Ohnmachtsgefühl (engl. Dizziness) 211 Schwangerschaft 10, 12 Schwellung 10, 15 − teigige 168 Schweregefühl 108 Schwerhörigkeit 135 Schwindel 210, 264 − Begleitsymptome 212 − paroxysmaler benigner 264 − zervikaler 264 Schwitzen 264 Sehstörungen 218 Seitneigungstyp 11, 12 Selye 116 Sensibilitätsstörungen 219 Sick-Sinus-Syndrom 47 Sigmoid 252 Sigmoidfixation 138, 160 Sigmoidirritation 92 Simulation 106 Simulationstest 107 Sinusarrhythmie 187 Sinusknoten 185 Sinusrhythmus 46 Sinus-Venenthrombose 221 Skandierende Sprache 220 Skelettmetastase 263 Sklerotom 15 Sodbrennen 77, 190, 265 Somato-Emotional Release 258 Sonographie 35 Speiseröhre 245 Spezielle Anamnese − Kontrollbogen 26 Spider naevi 67 Spikes 50 Spinalkanalstenose 130 Spiral-CT 34 Spiroergometrie 49, 62, 190, 66 Spirometrie 50, 61, 62 Splenomegalie 67 Spondylarthritiden − seronegative 175 Spondylitis ankylosans 79 Spondylolisthesis 134 Spondylolyse 134 Spontaner Antrieb 25 Sprue (M. Whipple) 262 Staging-Untersuchung 34, 38 Standard Bicarbonat 44 Stau − lymphatischer 225 − venöser 162 − venöser/lymphatischer 108 − venös-lymphatischer 254 Stauung − beidseitige 110
275
Stichwortverzeichnis
− einseitige 110 − venöse 3 − venös-lymphatische 108 Stauungsleber 68 Stauungszeichen 67 Steh-Prüfung (Romberg) 24 Sterngang-Test 24 Stimmung 25 Strain-Counterstrain 16 Stress 116, 145, 148, 176, 195, 196, 206, 210 − Langzeitwirkungen 178 Stresshormone 177 Stressinkontinenz 200 Struma 183 − retrosternale 261 Strümpell-Zeichen 23 Stuhlgewohnheit − Änderung der 92 Subarachnoidalblutung 222 Subclavia-Entzugssyndrom 39 Sudeck-Dystrophie 169 Supinationstrauma 90, 113, 115, 137, 138, 199 Sympathicusblockade 170 Syndrom − Carpaltunnel- 163 − Cushing- 61 − Horner- 61 − Malabsorptions- 79 − metabolisches 101 − nephrotisches 75, 76 − paraneoplastisches 61, 63 − Schlaf-Apnoe- 263 − Supraspinatus- 178 − Thoracic-outlet- 163 − Tietze- 150 − WPW- 187 Syndrome − paraneoplastische 55 System − axiales 224 − (UFK) parietales 255 − vertebrobasilären 216 − viszerales 224 Szintigraphie 37, 62
T Tachyarrhythmia absoluta 194 Tachycardien 47 − paroxysmale 187 − re-entry- 187 Tachykardie 262 − supraventrikuläre 262 Tannenbaumphänomen 126 TCM 258 Technik − hämodynamisierende 189 Tee 47, 149 Teerstuhl (Meläna) 184 Temperaturempfinden 23 Temperatur- Fön 12 Temporallappentumoren 212
Tender Points (Jones) 15 Tennisellbogen 165 Ten-Steps Procedure 20, 255 Thalamusischämie 212 Theophyllin 47 Thermodiagnostik 3, 11, 12 Thetawellen 50 Thoracic Outlet 162 Thrombocytenzahl 41 Thromboplastinzeit (Quick/ INR) 42 Thrombosegefahr 90 Thymus 253 Thyreoiditis 183 Thyreoiditis de Quervain 183 Thyroxin (T4) 43 TIA 215 Tietze-Syndrom 153 Tiffeneau-Test 50, 61 Tinel-Zeichen 163 Tinnitus 216, 217 TOKNEP 86 TOKS 162 Tonsillitis 261 Tophi 159 Torsionszentrum 124 Torticollis 180 Tossy III 154 Trainingspuls 48 Transaminasenerhöhung 158 Transferrin 44 transitorisch ischämischen Attacke (TIA) 215, 216, 262, 264 Tremor 265 TRH 43 Triggerpunkte 149 Troponin-Test 144 Truncus sympatheticus 18 Truncus sympathicus 18 TSH basal 43 TSHbasal-Wert 182 TSH-Screeningtest 183 Tumor − Krukenberg- 54, 78 − Pancoast- 61, 63 − Wilms- 76 Tumordiagnostik 34 Tumoren − benigne 52 − maligne 52 − semimaligne 54 Tumormarker 42
U UFK 1, 164, 224, 256 − absteigende 162, 164, 168, 256 − aufsteigende 256 Ulkusleiden 264 Ulkus-Krankheit − gastroduodenale 81 Unterberger-Tretversuch 24 Upslip 96 Ureterstein 73, 76
Urinpassage − Abflussbehinderung 202 Urin-pH-Werte 73 Urolithiasis 75, 76 Ursache-Folge-Kette 1 Uterus 254 Uterusmyome 155
V Vagus 18 Varikosis 90 Varizelleninfektion 143 Vaskulär − arteriell 225 − lymphatisch 225 − venös 225 Vaskulär-arteriell 5 Vaskulär-lymphatisch 5 Vaskulär-venös 5 Vegetative Nervensystem − orthosympathisch 20 − parasympathisch 20 Venen-Lymphzone 16 Veränderung − progressive 51 − regressive 51 − strukturelle 123 Verfahren − bildgebende 31 Verschattung 32 Verschluss − absoluter arterieller 64 − arterieller 194 Verstopfung 91 Vertigo 210, 217 Vestibularisstörung − periphere 212 Vibrationsempfinden 23 Virchow-Lymphknoten 78 Virus − Cytomegalie- 57 − Epstein-Barr- 57 Viszerale Funktionen 20 Viszeraler ISG-Inhibitionstest 20 Viszerale Schulter 157 Viszerotom 15 Vitalkapazität 50 Vitamin − A44 − B1 44 − B2 44 − B6 44 − B12 44 − B12 (Cobalamin) 184 − D 44 − E 44 Vitiligo 10 Vorhofflimmern 64, 188, 194 − chronisches 194
W Wahrnehmungsstörungen 25 Wärme − (Fön) thermodiagnostisch punktuelle 125 Wärmeabstrahlung − punktuell vermehrte 208 Wartenberg-Daumenzeichen 23 Waves 50 Widerstandsphase 117 Wirbel 18 − Gruppenläsion 18 − monolytisch 18 Witwenbuckel 118, 210 Wolff-Parkinson-White 187
Z Zehenbeuger 22 Zeichen − Leri- 218 − Wartenberg- 218 Zenker-Divertikel 77, 80 Zentralnervös 5 Zentralneurologische Defizite 5 Zink 44 Zirkulation 85, 104, 123, 131, 192 Zoster 143 Zungenbrennen (Glossitis) 185 Zwei-Punkte-Diskrimination 23 Zwerchfell 21 − Dysfunktionen 225 − Funktion 119 − Hubleistung 108 Zwerchfellhochstand 126 Zylinder − Epithel- 74 − Erythrozyten- 74 − Hyaline 74 − Leukozyten- 74 Zystitis 76
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