Christina Holtz-Bacha (Hrsg.) Stereotype?
Christina Holtz-Bacha (Hrsg.)
Stereotype? Frauen und Männer in der Werbung...
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Christina Holtz-Bacha (Hrsg.) Stereotype?
Christina Holtz-Bacha (Hrsg.)
Stereotype? Frauen und Männer in der Werbung 2., aktualisierte und erweiterte Auflage
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2008 2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Barbara Emig-Roller | Eva Brechtel-Wahl VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: Jacob Leidenberger, Nürnberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-18083-0
Inhalt
Vorwort ............................................................................................................. 7 Christina Holtz-Bacha Falsche (Vor)Bilder? Frauen und Männer in der Werbung ............................................................ 9 Romy Fröhlich Werbung in Deutschland – Auf dem Weg zu einem Frauenberuf?........................................................ 25 Jutta Stender-Vorwachs Frau und Mann in der Werbung – rechtlich betrachtet ........................................................................................ 51 Nicole M. Wilk Die ges(ch)ichtslose Frau – Überlegungen zum Verlust von weiblichen Vorbildern in der Werbung .......................................................................... 62 Angela Vennemann & Christina Holtz-Bacha Mehr als Frühjahrsputz und Südseezauber? Frauenbilder in der Fernsehwerbung und ihre Rezeption ...................... 88 Guido Zurstiege Fit und flott – und ein wenig sexy in schwarz-weiß: Die strukturelle Ambivalenz werblicher Medienangebote .................... 119 Raphaela Dreßler Vom Patriarchat zum androgynen Lustobjekt – 50 Jahre Männer im stern ......................................................................... 136
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Inhalt
Carolin Burgert & Thomas Koch Die Entdeckung der Neuen Alten? Best-Ager in der Werbung.......................................................................... 167 Klaus Moser & Christopher Verheyen Sex-Appeal in der Werbung: Die Entwicklung der letzten Jahre ........................................................... 188 Susanne Merkle & Rebecca Preß Macht sexy Werbung jede(n) an? – Die Dosis macht das Gift! Geschlechtsspezifische Rezeption weiblichen und männlichen Sex-Appeals................................................................................................... 211 Thomas Koch & Lutz Hofer Immer schlanker und kranker? Models in der Werbung .............................................................................. 233 Maria-Lena Gläßel Werbeschönheiten als Vorbild – Beeinflussen die Werbebilder die eigene Körperwahrnehmung von Frauen? .............................................. 260 Alina Kessel Female Marketing Sternstunde der Frauen – Der Kunde ist Königin ................................. 298 Autorinnen und Autoren ............................................................................ 323
Vorwort zur zweiten Auflage
Den Anstoß zu diesem Buch gab eine Tagung, die der Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg Ende April 2007 organisierte. Diese Veranstaltung erhielt finanzielle Unterstützung durch das 'Programm zur Förderung der Weiterentwicklung von Hochschule und Wissenschaft sowie zur Realisierung der Chancengleichheit von Frauen in Forschung und Lehre (HWP)'. Mit der Tagung kamen wir auf ein eigentlich altes Thema zurück, das aber doch immer wieder seine Aktualität beweist. Zudem stellten wir bei der Vorbereitung fest, dass die Forschungslage gar nicht so gut ist, wie man es bei einem solchen Dauerbrenner hätte erwarten können. Grund genug also, einmal wieder nachzufragen, wie es mit der Darstellung von Frauen und Männern in der Werbung aussieht, wie Rezipientinnen und Rezipienten damit umgehen und wo die Verantwortung für die in der Werbung präsentierten Frauen- und Männerbilder liegt. Dieser Band bietet Antwort auf einige der vielen Fragen, die sich zu dem Thema stellen. Mehrere Beiträge dieses Bandes gehen auf die Veranstaltung zurück, andere wurden durch sie angeregt. Ende 2010 war die erste Auflage des Buches vergriffen – auch das spricht dafür, dass das Thema nicht an Aktualität eingebüßt hat und weiter auf leiser Flamme köchelt, wie es in der Einleitung zu dem 2008 erschienenen Band hieß. Für die zweite Auflage wurden mehrere Beiträge unverändert bzw. mit geringfügigen Korrekturen übernommen; Jutta StenderVorwachs sowie Klaus Moser und Christopher Verheyen haben Aktualisierungen vorgelegt; der einleitende Beitrag ist ebenfalls überarbeitet. Neu in diesem Band ist der Aufsatz von Susanne Merkle und Rebecca Preß. Neben dem Dank an alle Autorinnen und Autoren, die in diesem Band mit Beiträgen vertreten sind, geht ein besonderes Dankeschön an Lutz Hofer, der die Organisation der Tagung 2007 in der Hand hatte, sowie an Barbara Merkle, die dabei ebenfalls mitwirkte, und nicht zuletzt an Jacob Leidenberger, der die druckfertigen Manuskripte für beide Auflagen erstellt hat. Christina Holtz-Bacha Nürnberg, im März 2011
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Jahr für Jahr verzeichnet der Deutsche Werberat, das Selbstkontrollorgan der deutschen Werbewirtschaft, zahlreiche Beschwerden wegen Diskriminierung und Herabwürdigung von Frauen. Seit Jahren steht dieser Vorwurf an erster Stelle bei den Beschwerden, die den Werberat erreichen. Im Jahr 2009 gingen beim Werberat insgesamt 584 Beschwerden ein, 146 davon reklamierten eine Form der Diskriminierung. 90 Werbeaktivitäten gerieten in die Kritik wegen einer Diskriminierung von Frauen, sechs Mal ging es um die Diskriminierung von Männern (Deutscher Werberat, 2010, S. 77-80). Bei rund einem Viertel (27%) der Beschwerden wegen Frauendiskriminierung schloss sich das Gremium dem Vorwurf an, fast drei Viertel der Eingaben hielt das Gremium für unbegründet. Der Deutsche Werberat bleibt gegenüber Klagen, die Diskriminierung von Frauen in der Werbung reklamieren, also eher zurückhaltend. Die Ursachen für die hohe Zahl als unbegründet beurteilter Beschwerden sieht der Werberat offenbar in der Persönlichkeit derjenigen, von denen diese Beschwerden kommen: "Biografische Erlebnisse, beobachtete Vorgänge in der persönlichen Umgebung und in der Gesellschaft, kritische Einstellung zur Liberalität in den Bereichen Erotik und Sexualität suchen Ventile und finden sie unter anderem in der Werbung der Unternehmen." (Deutscher Werberat, 2010, S. 77) Dass die permissive Haltung des Deutschen Werberates auch etwas mit der Zusammensetzung des Gremiums zu tun haben könnte, bleibt Spekulation: Seit Jahren ist der Werberat ein Männergremium. Die regulären Mitglieder, die sich aus Vertretern der werbenden Wirtschaft, der Medien, der Agenturen sowie der Werbeberufe rekrutieren, sind Männer; die Wortwahl der Arbeitsgrundsätze verrät, dass bei Vorsitz und stellvertretendem Vorsitz nur an Männer gedacht ist (Arbeitsgrundsätze…, 2009). Weibliche Mitglieder gelangen nur zusätzlich durch Kooptation in den Werberat. Wiederholt stand die Problematik von Geschlechterdarstellungen in der Werbung auch auf der Tagesordnung der europäischen Organisationen.
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Bereits 1984 betont das Ministerkomitee in der Präambel seiner Empfehlung zu den 'Grundsätzen der Fernsehwerbung' deren Auswirkungen auf Einstellungen und Verhalten des Publikums sowie die Relevanz, die der Darstellung von Frauen und Männern in den Medien, besonders aber in der Werbung, zukommt (Committee of Ministers, 1984). Die Parlamentarische Versammlung des Europarates fordert 1994 in einer Entschließung über die 'Gleichstellung von Frauen und Männern' (Parliamentary Assembly, 1994) die Medien allgemein zur Unterstützung in dieser Sache auf und fokussiert schließlich im Jahr 2002 direkt das 'Bild der Frau in den Medien' (Parliamentary Assembly, 2002b). Der Bericht des Ausschusses für die Gleichstellung von Frauen und Männern, der diese Entschließung vorbereitet hat, führt an, "that it is usually men who are shown driving cars, whereas women promote shower gels or shampoos" und zitiert einen Berichterstatter mit der Feststellung, dass die Gesetzgebung kaum etwas getan habe "to prevent agencies from filling the airwaves with increasing numbers of commercials and putting up more and more posters showing naked models 'so as to sell yoghurts and mobile phones'. Women are, he said, all too often presented merely as either mothers or objects." (Parliamentary Assembly, 2002a) Im Sommer 2007 verabschiedet die Parlamentarische Versammlung des Europarates eine Entschließung mit dem Titel "The image of women in advertising". Diese beklagt in heftigen Worten die Art und Weise, wie Frauen in der Werbung dargestellt werden: Immer noch seien Bilder von Frauen gängig, die im krassen Gegensatz zu ihrer tatsächlichen Rolle in der Gesellschaft stehen. "Too often, advertising shows women in situations which are humiliating and degrading, or even violent and offensive to human dignity." Und weiter: "The Assembly is angered by the fact that it is nearly always women who are reduced to the role of mere consumer commodities or sex objects in certain advertisements." (Parliamentary Assembly, 2007b). Der vorbereitende Bericht des Ausschusses für die Gleichstellung von Frauen und Männern hebt Medien und Werbung als "key factors in perpetuating sexist stereotypes" hervor und vermerkt dazu mit einer gewissen Frustration: "There is no disguising the fact that very many countries still have a long way to go. The problem here is that neither policy-makers nor businessmen are genuinely resolved to improve the image of women in advertising and the media in general. The advertising multinationals are largely owned and
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run by men, and are still imposing their visions of women on people throughout Europe." (Parliamentary Assembly, 2007a) Mit einem umfassenden Bericht, einer Empfehlung und einer Entschließung legt die Parlamentarische Versammlung des Europarates 2010 noch einmal nach und verschreibt sich dem 'Kampf gegen sexistische Stereotype in den Medien' (Parliamentary Assembly, 2010a, b, c). Sie bezieht sich hier wiederum allgemein auf die Darstellung der Geschlechter in den Medien, spricht dabei jedoch auch die Werbung erneut an. Die Organe der Europäischen Union haben sich ebenfalls verschiedentlich mit der Darstellung von Frauen und Männern in Medien und Werbung auseinandergesetzt. Ihre Aktivitäten haben mehr Gewicht, weil die EU gesetzgebende Kompetenz hat und für die Mitgliedstaaten verbindliche Regelungen durchsetzen kann. Unter Bezugnahme auf allgemeine Entschließungen des Rates und des Europäischen Parlaments zur Darstellung und Stellung von Frauen in den Medien aus den achtziger Jahren verabschiedet der Rat der EU im Oktober 1995 eine Entschließung, die direkt auf die Darstellung von Frauen und Männern in der Werbung und in den Medien zielt (Entschließung des Rates..., 1995). Diese bekräftigt, "daß geschlechtsspezifische Rollenklischees in Werbung und Medien Teil der Ungleichheiten sind, die die Haltungen gegenüber der Gleichstellung von Männern und Frauen beeinflussen" und "daß Werbung und Medien einen wichtigen Beitrag zur Änderung der Verhaltensweisen in der Gesellschaft leisten können, indem sie die Vielfalt der Rollen und des Potentials von Frauen und Männern, ihre Beteiligung an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und eine ausgewogene Aufteilung der Verantwortung in Familie, Beruf und Gesellschaft zwischen Frauen und Männern widerspiegeln" (Entschließung des Rates..., 1995). Ebenso wie der Europarat setzt auch die EU in diesem Problembereich auf Selbstkontrolle und 'weiche' Maßnahmen wie Kampagnen zur Sensibilisierung von Werbeagenturen, Medien und Öffentlichkeit, in der Ausbildung für die Kommunikationsberufe sowie Appelle zur besseren Beteiligung von Frauen in der Werbe- und Medienbranche. Noch etwas schärfer im Ton, nicht aber in den vorgeschlagenen Maßnahmen ist eine "Entschließung zur Diskriminierung von Frauen in der Werbung", die das Europäische Parlament 1997 verabschiedet (Entschließung zur Diskriminierung..., 1997). Rund zehn Jahre später steht das Thema wieder auf der Tagesordnung des Europäischen Parlaments. Sein Ausschuss für die Rechte der Frau und
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die Gleichstellung der Geschlechter legt im Mai 2008 einen "Bericht über die Auswirkungen von Marketing und Werbung auf die Gleichstellung von Frauen und Männern" vor, der zugleich den Entwurf für eine Entschließung des Parlaments umfasst (Europäisches Parlament, 2008). Der Bericht nennt Stereotypisierung in der Werbung auch ein "Machtinstrument" (S. 11) und warnt vor eng gefassten Geschlechterrollen, die den "Bewegungsraum und die Lebenschancen für Frauen und Mädchen, aber auch für Männer und Jungen" begrenzen (S. 11). Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) reagiert heftig und kommentiert den Entschließungsentwurf: "Die werbefeindlichen Ansichten auf europäischer Ebene überschreiten die Grenze zu Hasstiraden." ("Europäisches Parlament: 'Werbung...", o. J.) Obwohl Entschließungen des Europäischen Parlaments keine rechtliche Verbindlichkeit haben und eher als programmatische Äußerungen zu verstehen sind (vgl. ST, 2003), reagieren die deutschen Medien mit ungewöhnlicher Aufmerksamkeit in den deutschen Medien, als das Parlament Anfang September 2008 die von seinem Gleichstellungsausschuss erarbeitete Entschließung (Entschließung des Europäischen..., 2009) verabschiedet. "EUParlament fordert Fernsehwerbung ohne Heimchen", titelt Spiegel online (hen/dpa, 2008) und führt aus: "Kochende Muttis, waschende Omis, putzwütige Mädchen: Solche Bilder soll es künftig nicht mehr geben." Bei faz.net heißt es: "EU will Hausfrau aus Werbung verbannen" (Kafsack, 2008). Und das ZDF mokiert sich in der heute-Sendung (19 Uhr, 4. September 2008) über das Ansinnen des Europäischen Parlaments, indem es einen frauenverachtenden Spot als Aufhänger für seinen Beitrag einsetzt und dann bei dem Anliegen der Entschließung von Zensur spricht. Ein Bericht des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz zum Einfluss der Werbung auf das Verbraucherverhalten (Europäisches Parlament, 2010), der auch eine Stellungnahme des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter sowie den Entwurf für eine Entschließung des Parlaments umfasst, thematisiert Ende 2010 erneut die Darstellung von Geschlechterrollen in der Werbung. Die Entschließung, die das Europäische Parlament kurz darauf verabschiedet, verweist zwar "mit Nachdruck" darauf, "dass die Werbung oft diskriminierende und/oder entwürdigende Botschaften vermittelt, die auf allen Arten von Geschlechterklischees beruhen und die den Strategien zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern abträglich sind", betont aber zugleich, dass "Werbung ein wirksames Instrument für die Hinterfragung
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von Klischees" sein kann (Europäisches Parlament, 2010). Während also das Europäische Parlament klischeehafte und diskriminierende Darstellungen der Geschlechter anprangert, nimmt es zugleich die Werbung in die Pflicht und setzt auf deren Vorbildfunktion. Der Deutsche Werberat ist stets bemüht, die Problematik von Geschlechterstereotypen und -diskriminierungen in der Werbung herunterzuspielen; die Aktivitäten der europäischen Organisationen dagegen demonstrieren, dass die Darstellung von Frauen in der Werbung nach wie vor ein Thema ist. Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts, bald 40 Jahre nach Betty Friedans Klage über den "Weiblichkeitswahn", den Medien und speziell Werbung schüren (1963), gibt es offenbar Grund zur Kritik an den Frauenbildern, die die Werbung verbreitet, und das immer in dem Bewusstsein, dass die medialen Angebote und mit ihnen die Werbung nicht nur ein Spiegel der Gesellschaft sind, sondern in ihrer Sozialisationsfunktion stets auch prägenden Charakter haben. Jegliche Auseinandersetzung mit den Inhalten der Massenmedien trägt daher wenigstens implizit immer die Frage nach den Wirkungen in sich. Denn da, wo überholte Geschlechterstereotype und diskriminierende Darstellungen zu identifizieren sind, ist zu befürchten, dass sie sich in entsprechenden Bildern beim Medienpublikum niederschlagen. Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts in den Medien waren zuerst ein "Frauenthema" und als solches – gewissermaßen in einer doppelten Diskriminierung – auch gerne abgetan und belächelt. Proteste allgemeiner Art oder gegen spezifische Werbemaßnahmen erfuhren beim Werberat oft eine ähnliche Beurteilung, zumal wenn sich ihr organisierter Charakter offenbarte und einfach als 'Kampagne' abzuqualifizieren war. So prangerte in Deutschland insbesondere Christiane Schmerl wiederholt die offene und versteckte Frauenfeindlichkeit der Werbung an (vgl. Schmerl, 1980; 1990; 1992), was sie umgekehrt zur Zielscheibe der Werbungtreibenden bzw. ihres Selbstkontrollorgans machte und Kontroversen darüber heraufbeschwor, ob Werbung nur einen Spiegel der Gesellschaft darstellt oder auch auf die Gesellschaft einwirkt, indem sie Ein- und Vorstellungen mit prägt. Systematische Analysen der Werbung, deren Ergebnisse Repräsentativität beanspruchen können, sind allerdings bis heute, wenigstens in Deutschland, selten. Das Thema erfreut sich zwar durchaus einiger Beliebtheit, besonders für universitäre Abschlussarbeiten, dann aber mit all den bei solchen Arbeiten notwendigen Beschränkungen; zudem fristen sie dann meist ein Dasein als 'graue Literatur', verstauben in den Archiven der Prüfungsämter oder gelan-
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gen ohne weitere Redaktion auf Hausarbeiten-Portalen im Internet zur 'Veröffentlichung'. Erst recht lässt sich gegenüber solchen Arbeiten das Killerargument Repräsentativität anbringen, obwohl auch ein Mosaik kleinerer und spezifischer Analysen letztlich die Möglichkeit zu Verallgemeinerungen bietet. Ohnehin bedarf die Erregung über Geschlechterdiskriminierungen weder der Repräsentativität noch der Masse, denn auch vermeintliche 'Ausreißer' können Schule machen. Erst vergleichsweise spät kam die Darstellung von Männern in der Werbung in den Blick. Die Pionierstudie dazu legte Guido Zurstiege 1998 vor; quantitativ ist der Forschungsbestand zu diesem Thema nach wie vor klein. Anders als bei Analysen der Darstellungen von Frauen waren Anlass und Ergebnis von Untersuchungen, die den Mann in den Blick nahmen, jedoch nicht etwa Klagen über Diskriminierungen und Herabwürdigungen. Über die Funktion von Werbung als gesellschaftlicher "Resonanzkörper" (Schmidt, 1995, S. 41), der über die Entwicklung von Männerrollen und Männlichkeit Auskunft gibt, hinaus interessiert bei dieser Perspektive insbesondere auch der Vergleich der Darstellung von Frauen und Männern, der es ermöglicht, die Andersbehandlung von Frauen in der Werbung herauszuarbeiten. Auch wenn Geschlechterdarstellungen in der Werbung schon lange ein Thema sind und zu zum Teil heftigen Auseinandersetzungen geführt haben, ist der Forschungsstand in Deutschland bis heute recht begrenzt. In den USA sieht es in dieser Hinsicht ganz anders aus (vgl. z. B den Überblick in Wolin, 2003). Viele Befunde, die Studien aus den USA, aber auch aus anderen Ländern geliefert haben, gleichen den Ergebnissen deutscher Untersuchungen. Allerdings gilt in Bezug auf Werbung mindestens ebenso wie bei anderen massenmedialen Angeboten, dass deren Kulturabhängigkeit in Rechnung zu stellen ist, und zwar für die Inhalte der Werbung ebenso wie für ihre Rezeption. Werbung muss sich, um ihr Ziel zu erreichen, an ihrem Publikum orientieren. Nicht umsonst werden dicke Bücher über interkulturelle Werbung geschrieben. Eine Synopse der deutschen Forschung von Mitte der neunziger Jahre (vgl. Velte, 1995) kam zu dem Schluss, dass die alten Klischees in der Darstellung von Frauen beharrliche Konstanz aufweisen und ihre "idealtypische Präsentation als jung, schön, ledig und wohlhabend" (S. 250) im krassen Widerspruch zu ihrer sozialen Realität steht. Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang Langzeitstudien, die untersuchen, ob und wie sich die Darstellung der Geschlechter gewandelt hat. Eine solche Studie
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stammt von Hans-Bernd Brosius und Joachim Friedrich Staab (1990), die die Anzeigenwerbung des stern für die Jahre 1969 bis 1988 analysierten. Insgesamt konnten sie seinerzeit feststellen, dass es im Laufe der Zeit sehr wohl Veränderungen in den Geschlechterdarstellungen der Werbung und vor allem eine Ausdifferenzierung der weiblichen Rollen gegeben hat. Einmal mehr zeigte die Untersuchung aber auch, dass Bilder von der Ordnung der Geschlechter und deren Eigenschaften auf zwei Ebenen vermittelt werden, nämlich mit der Präsentation manifester und latenter Merkmale in der Darstellung von Frauen und Männern. Die Ebene der manifesten Merkmale bezieht sich auf die Häufigkeiten weiblicher und männlicher Protagonisten und die Rollen, in denen sie in der Werbung auftreten. Mit den latenten Merkmalen sind – in Anlehnung an die Untersuchung von Erving Goffman (1981; zuerst 1976) – die nonverbalen Informationen der Werbebilder gemeint. In dieser Hinsicht gab es für die 20 Jahre, die die Untersuchung von Brosius und Staab (1990) umfasste, kaum Veränderungen, hier spiegelten sich weiterhin die bekannten stereotypen Vorstellungen vom Wesen der Geschlechter. Sarah Klöpffer (2003) führte die Untersuchung von Brosius und Staab fort und prüfte, ob deren Befunde auch für die Zeit zwischen 1989 und 2002 noch Bestand hatten oder ob sich mittlerweile Veränderungen in der Darstellung der Geschlechter in der Werbung ergeben haben. Großenteils bestätigten sich abermals die früheren Ergebnisse, daher lautet Klöpffers Befund zusammengenommen: nicht alles, aber fast alles beim Alten. Auch wenn der stern als allgemeine Publikumszeitschrift besonders gut für eine solche langfristige Analyse geeignet ist, sind diese Untersuchungen jedoch nicht ausreichend, um über die Entwicklung der Geschlechterdarstellungen in der Anzeigenwerbung generell Aussagen zu machen und womöglich Entwarnung zu geben – dafür gibt es immer noch zu viele Gegenbeispiele (vgl. z. B. Magistrat..., 2005). Solche langfristigen und breit angelegten Studien, die die Darstellung von Frauen und Männern vergleichen, fehlen uns für andere und speziellere Zielgruppen ansprechende Printmedien ebenso wie für Fernsehen und Hörfunk. Dass solche Untersuchungen gerade für die Rundfunkmedien ausstehen, hat mit deren Flüchtigkeit zu tun, die insbesondere für deren Werbeanteile gilt: Langfristige systematische Programmaufzeichnungen, die auch die Werbung enthalten und so deren Analyse über einen längeren Zeitraum ermöglichen würden, liegen in der Regel nicht vor. Aussagen über Tendenzen in der Entwicklung der Inhalte und der Gestaltung von Werbung über Jahrzehnte beru-
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hen daher meist auf der exemplarischen Analyse einzelner oder bewusst ausgewählter Spots (vgl. Krohne, 1995; Schmidt & Spieß, 1996; Spieß, 1994), die sehr wohl einen Eindruck vermitteln, wie sich über die Zeit hinweg zum Beispiel Frauen- und Männerbilder verändert haben, aber nicht etwa Aussagen über die Häufigkeit ihres Vorkommens machen können. Wenn wir die Inhalte von Werbung untersuchen, hier also wie Frauen und wie Männer dargestellt werden, dann geschieht das stets vor dem Hintergrund der Doppelrolle von Werbung, in ihrer die Gesellschaft reflektierenden und auf diese wiederum zurückwirkenden Funktion: "In der wissenschaftlichen Diskussion über das Verhältnis von Werbung und Gesellschaft rivalisieren bis heute zwei Typen von Metaphern, die zwei unterschiedliche Modellvorstellungen zum Ausdruck bringen: und zwar einmal Werbung als Spiegel, Barometer oder Resonanzkörper der Gesellschaft, zum anderen Werbung als aktiver Interaktionszusammenhang, der – Abbild und Vorbild zugleich – kollektives Lebensgefühl und Mentalitäten (in) einer Gesellschaft aktiv mitgestaltet" (Schmidt & Zurstiege, 2002, S. 174). Ohne Zweifel ist Werbung ein wichtiger Kulturträger, denn wie Werbung aussieht, wie sie gestaltet ist, mit welchen Strategien sie sich um die Ansprache von Rezipientinnen und Rezipienten bemüht, ist abhängig von dem gesellschaftlichen Kontext, in dem sie steht. Um anzukommen, muss sich Werbung den kulturellen Mustern, Werten und Ideen ihres Publikums anpassen, weil dieses sich sonst nicht angesprochen fühlt und sich nicht mit den Situationen und Personen der Werbung identifizieren kann; das aber ist notwendig, damit die Werbung ihre Wirkung entfalten kann. Werbung ist daher auch wiederholt als ein Indikator bezeichnet worden, an dem sich der kulturelle Wandel einer Gesellschaft ablesen lässt. (Schmidt, 1995, S. 41) Werbung ist aber nicht nur Ausdruck oder Spiegel einer Kultur, sondern Werbung übt selber Einfluss auf diese Kultur aus und arbeitet so am gesellschaftlichen Wandel mit. Das heißt, Werbung dient auch der Orientierung der Menschen, vermittelt Wert- und Normvorstellungen, liefert Verhaltensvorbilder. Damit betreibt Werbung zugleich Bewusstseinsbildung, sie stellt "Wunsch- und Distinktionspotentiale zur Verfügung" (Zurstiege, 2002, S. 129): Die Strategien, die die Werbung einsetzt, um Waren an die Frau und an den Mann zu bringen, haben sich schon früh vom schlichten "Kauf mich" abgewandt und vermitteln statt dessen Hoffnungen, Wünsche und Träume, die sich mit Hilfe der beworbenen Produkte verwirklichen lassen. Insofern macht Werbung Angebote für die soziale und individuelle Identi-
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tätsbildung (vgl. auch Krohne, 1995, S. 138). Werbung erfüllt also auch eine Sozialisations- und Vorbildfunktion. In dem hier interessierenden Zusammenhang heißt das: Werbung führt vor, was eine Gesellschaft für typisch weiblich oder auch typisch männlich hält, welche Rollen den Geschlechtern zugewiesen werden, welche Erwartungen an sie herangetragen werden, welches Verhalten bei Frauen oder Männern akzeptiert bzw. abgelehnt wird. Gerade darauf verweist die kritische Auseinandersetzung mit der Präsentation der Geschlechter und Geschlechterbeziehungen in den Medien. Ebenso wie die Massenmedien generell ist daher auch Werbung ein Instrument der gesellschaftlichen wie der individuellen Wirklichkeitskonstruktion. Sie (ent)steht, da Werbung strategische Kommunikation zum Zweck des Verkaufs der beworbenen Produkte darstellt, jedoch unter spezifischen Bedingungen, die die klischeehafte Darstellung fördern und zu Verzerrungen führen. Dienen Klischees oder Stereotype zunächst einmal nur der Komplexitätsreduktion und sind also solche nicht unbedingt negativ zu bewerten, werden sie zweifelhaft, wo sie mit Vorurteilen zur Diskriminierung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen beitragen. Die Publikationen von Schmerl haben zahlreiche Beispiele für solche Klischees über Frauen geliefert (1980; 1990; 1992; 2006a, b; z. B. auch: Magistrat..., 2005). In der Wiederholung verfestigen sie sich zu stereotypen Bildern der Geschlechter, wobei "der Werbung bis heute zu Recht vorgeworfen [wird], dass sie in aller Regel den männlichen Blick favorisiert und damit die traditionellen Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft perpetuiert" (Schmidt, 2002, S. 106). Sie vermitteln damit Vorstellungen von Wertigkeiten und Möglichkeiten der Geschlechter, die ihren Einfluss auf Selbst- und Fremdbilder nehmen. Die Diskussion über das enge Rollenrepertoire von Frauen im Gegensatz zu einer stärkeren Ausdifferenzierung bei Männern zieht sich nun schon über die Jahrzehnte, ebenso die Klagen über den Jugend- und Schönheitswahn der Werbung. Umso mehr finden dann Brechungen dieser gängigen Werberezepte wie in der Dove-Kampagne oder die so genannte Schockwerbung von Benetton Aufmerksamkeit. Etwas jünger ist die Auseinandersetzung mit den Darstellungen allzu magerer Models und die Untersuchung der Wirkungen solcher fragwürdigen Vorbilder, die sich auch in der Werbung finden. Gerade diese liefern aber noch einmal einen Beleg dafür, dass Werbung keineswegs ein realitätsgerechter und nur ein Spiegel der Gesellschaft ist, wie es der Deutsche Werberat gerne behauptet, sondern sehr wohl Einfluss auf die Standards
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und Vorstellungen, die Frauen und Männer von sich selbst, aber eben auch von einander haben, ausübt. Auch wenn die Forschung in der letzten Zeit festgestellt hat, dass bei der Darstellung der Geschlechter in der Werbung Fortschritte zu verzeichnen sind, bedeutet das noch längst keine Entwarnung. Man braucht nicht lange nach Beispielen zu suchen, die bestimmte Stereotype perpetuieren und die Diskriminierung gerade von Frauen in der Werbung einmal mehr bestätigen. Im Frühjahr 2007 machten die Modedesigner Dolce & Gabbana im Frühjahr 2007 mit einer Werbekampagne von sich reden, die die italienische Gleichstellungsministerin als "Anstiftung zur Gruppenvergewaltigung" (zitiert z. B. in Schrimm, 2007; "Vergewaltigungs-Schick…", 2007; vgl. auch Stender-Vorwachs, 2008 und in diesem Band) bezeichnete. Heftige Proteste in Spanien veranlassten D & G, die Werbung zurückzuziehen. Kurze Zeit später geriet ein anderer Edeldesigner mit seiner Werbung in die Kritik: Armani lancierte eine Kampagne für die Kinderkollektion, dabei ein Foto mit zwei kleinen Mädchen, eines davon mit asiatischen Gesichtszügen, eines mit einem Bikinioberteil, beide mit geschminkten Lippen: "eine klare Verherrlichung von Kinderprostitution und eine 'Einladung zum Sextourismus'", hieß es dazu wiederum in Spanien (Müller, 2007). Solche Art der Sexualisierung von jungen Mädchen ist durchaus gängig, wie auch eine Untersuchung zum "Lolita-Effekt in der Werbung" (Fadler, 2009) gezeigt hat: "Die Mädchen haben blonde, lange Haare, werden meist sensibel und passiv dargestellt" (S. 159). Nicht einmal die seriöse Tagespresse ist davor gefeit: Im Dezember 2009 gaben Frankfurter Allgemeine Zeitung und Neue Zürcher Zeitung im beigelegten Magazin Z – Die schönen Seiten auf Cover und Fotostrecke mit derart sexualisierten Bildern eines jungen Mädchens Empfehlungen für "Festtage und Geschenke". Tatsächlich sorgt die Presse manches Mal für eine gewissermaßen doppelte Diskriminierung, wenn sie nämlich in der Berichterstattung über die Beschwerdebilanzen des Deutschen Werberates oder umstrittenen Kampagnen die fraglichen Motive abermals zeigt, um ihrerseits vom Aufmerksamkeitseffekt zu profitieren. Auch wenn die begleitenden Artikel frauenfeindliche Werbung kritisieren, leisten die eingängigen Bilder wiederum das, was der Text anprangert (z. B. Schubert, 2009); lediglich mit Bildunterschriften versehene Fotostrecken anzüglicher Motive setzen unverhohlen auf den Reiz der Schlüpfrigkeit (z. B. fr-online.de: "Frauenfeindliche Werbung", o. J.; spiegel online: "Umstrittene Werbung", 2009).
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Zu diesem Buch Geht es den Werbungtreibenden – und auch denen, die sich aus der Werbung finanzieren – letztlich nur um eine Wirkung, nämlich den bestmöglichen Absatz ihrer Produkte, dominiert bei der Untersuchung der Werbestrategien aus sozialwissenschaftlicher Perspektive die Frage nach der prägenden Kraft ihrer (Vor-)Bilder, in deren Dienst auch die Analyse der Inhalte steht. Dieser Band versammelt mehrere solcher Studien, die die Darstellung von Frauen und Männern in der Werbung analysieren und ihrer Rezeption sowie Aspekten der Wirkung nachgehen. Verzeichnen die Inhaltsanalysen zum Teil zwar gewisse Fortschritte, zeigen sich doch andererseits auch Kontinuitäten, die deutlich machen, dass sich die Problematik nicht erledigt hat. Die Beiträge, die der traditionellen Überzeugung 'sex sells' nachgehen, demonstrieren, dass es sich dabei keineswegs um ein simples Rezept handelt, das stets den erhofften Effekt erzielt. Nicht zuletzt in Anbetracht der Todesfälle unter Magermodels erhält die Forschung zu Werbebildern mit ungesund dünnen Frauen und Mädchen und vor allem zum Umgang der Rezipientinnen mit solchen Vorbildern besondere Aktualität. Die entsprechenden Überblicke zum Erkenntnisstand zeigen, dass bei diesem Thema noch erheblicher Forschungsbedarf besteht. Frühere Auseinandersetzungen mit den Werbebildern der Geschlechter verbanden diese zum Teil mit der Vermutung, dass das Bild der Frau in der Werbung vor allem das Bild derjenigen sei, die die Werbung machen – und das seien vorwiegend Männer, die, wenn sie nicht die Werbebranche dominieren, so doch an den Entscheidungspositionen säßen. Diesen Zusammenhang sehen auch die Entschließungen der europäischen Organisationen und fordern daher eine bessere Beteiligung von Frauen in der Werbe- und Medienbranche. Der Beitrag von Romy Fröhlich in diesem Band lässt allerdings Zweifel an dem vermuteten Zusammenhang aufkommen. Nach ihren Untersuchungsergebnissen sieht es so aus, als ob das Bild der Frau, das uns die Werbung liefert, womöglich das Bild derjenigen ist, das sich die Auftraggeber von Frauen machen. Jutta Stender-Vorwachs stellt dar, welche Möglichkeiten das deutsche Recht bietet, Werbung zu sanktionieren, die Empörung und Verärgerung provoziert, und bezieht dieses auf eines der umstrittenen Motive der Kampagne von Dolce & Gabbana im Frühjahr 2007. Ihr Fazit, wenigstens in diesem Fall, ist eindeutig: Mit dem Recht ist solchen Bildern nicht beizu-
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kommen. Vielmehr bleiben wir hier auf "Sitte, Anstand und Moral" verwiesen, die auch der Deutsche Werberat (2004) in seinen Grundsätzen zur Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen als Kriterien der Beurteilung nennt; damit allerdings bewegen wir uns auf einem Terrain, das keinen festen Boden bietet. Literatur Arbeitsgrundsätze des Deutschen Werberats. (2009). Deutscher Werberat. Abgerufen am 19. März 2011 von http://www.werberat.de/content/Arbeitsgrundsaetze.php Auswirkungen von Marketing und Werbung auf die Gleichstellung von Frauen und Männern. (2009, 4. Dezember). Entschließung des Europäischen Parlaments vom 3. September 2008 zu den Auswirkungen von Marketing und Werbung auf die Gleichstellung von Frauen und Männern. Amtsblatt der Europäischen Union, (C295E), 43-46. Abgerufen am 22. Februar 2011 von http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri= OJ:C:2009:295E:0043:0046:DE:PDF Brosius, H.-B., & Staab, J. F. (1990). Emanzipation in der Werbung? Die Darstellung von Frauen und Männern in der Anzeigenwerbung des >stern< von 1969 bis 1988. Publizistik, 35, 292-303. Committee of Ministers. (1984). Recommendation No. R (84) 3 of the Committee of Ministers on principles of television advertising. (Adopted by the Committee of Ministers on 23 February 1984 at the 367th meeting of the Ministers' Deputies). Council of Europe. Abgerufen am 11. Juni 2007 von https://wcd.coe.int/com.instranet.InstraServlet? command=com.instranet.CmdBlobGet&InstranetImage=603454&SecMode=1&DocId =681954&Usage=2 Deutscher Werberat. (2004). Grundsätze des Deutschen Werberats zur Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen. Abgerufen am 3. Dezember 2007 von http://www.werberat.de Deutscher Werberat. (2010). Werbung in Deutschland 2010. Berlin: Verlag edition ZAW. Entschließung des Europäischen Parlaments vom 3. September 2008 zur Gleichstellung von Frauen und Männern. (2009, 4. Dezember). Amtsblatt der Europäischen Union, (C295), 35-42. Abgerufen am 2. März 2010 http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri Serv.do?uri= OJ:C:2009:295E:0035:0042:DE:PDF Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 5. Oktober 1995 zur Darstellung der Frau und des Mannes in Werbung und Medien. (1995, 10. November). Amtsblatt, (C 296), 15-16. Abgerufen am 2. März 2010 von http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:41995X1110% 2801%29:DE:HTML
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Werbung in Deutschland – Auf dem Weg zu einem Frauenberuf? Romy Fröhlich
Die fortschreitende Liberalisierung des Rundfunks in Europa seit Anfang der 80er Jahre hat der Werbung in unserem Alltag einen erheblichen Bedeutungszuwachs beschert –– sie "beeinflusst immer mehr unsere tägliche Existenz (…), ist allgegenwärtig – sie ist quasi zur Luft geworden, die wir täglich atmen" (Jhally, 1995, S. 79; Übersetzung R. F.). Die Werbung ist auch ein enormer volkswirtschaftlicher Faktor in Deutschland: Im Boom-Jahr 2000 erreichte das Werbevolumen hier einen Spitzenwert von 33.21 Milliarden Euro und einen Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 1.64 Prozent. Nach den USA und Japan nahm Deutschland damals den dritten Platz unter den werbestärksten Nationen der Welt ein und war in Europa Spitzenreiter bei den Werbeinvestitionen (ZAW, 2002, S. 5–9, 23). Zwar haben sich danach zwischen 2001 und 2003 die Werbeinvestitionen kontinuierlich nach unten entwickelt. Die aktuellsten Zahlen für Deutschland belegen aber für 2006 bereits wieder ein Gesamtwerbevolumen von 30.23 Milliarden Euro. Das entspricht in etwa dem Niveau des Jahres 1998; der Anteil am Bruttoinlandsprodukt macht aber immerhin noch 1.31 Prozent aus. Die also in zweierlei Hinsicht schwergewichtige Branche sieht sich allerdings seit langem schon dem Vorwurf ausgesetzt, sie verfestige bei den Rezipienten durch Stereotype und Überzeichnungen in ihren Werbeprodukten (verzerrende) Frauen-Bilder, Vorurteile und Klischees und trage damit zur Verstärkung der Diskriminierung von Frauen in der Gesellschaft bei. 1 Besonders in den 70er und 80er Jahren beschäftigten sich zahlreiche Studien empirisch mit dem Sachverhalt und belegten die Existenz frauenfeindlicher Werbung in Deutschland. Ihre Relevanz leiten diese Studien vor allem aus der Vermutung ab, dass (Wirtschafts-)Werbung starke Sozialisationseffekte für Individuum und Gesellschaft hat. Vor allem soziologische Untersuchun1 Vgl. auch Studien zur stereotypen Darstellung von Männern in der Werbung (z. B. Kreutzer, 1998; Krohne, 1995; Schmale, 1998; Zahlmann, 2000; Zurstiege, 1998).
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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gen befassten sich mit der Frage, ob und wenn ja, wie und in welchem Ausmaß Sozialisation durch (Wirtschafts-)Werbung möglich ist (vgl. z. B. Hermanns, 1983). Werbung wird also nicht nur als Stimulus verstanden, der das Kaufverhalten beeinflusst und zur Absatzförderung beworbener Produkte und Dienstleistungen beiträgt, sondern als eine Form von Massenkommunikation, die auch Einstellungen festigt und "das soziale Handeln von Menschen insgesamt [beeinflusst]" (Hunziker, 1996, S. 71). Dabei wird vermutet, dass die Wirkungen von Werbung auf die Gesellschaft in Abhängigkeit der weiten Verbreitung von Werbung und ihrer grundsätzlichen ökonomischen Intension überwiegend negativ sind. Mittlerweise gilt die "Tatsache (frauen-)diskriminierender Werbung" als "etablierte(s) Wissen" (Marschik & Dorer, 2002, S. 38). 2 Während KroeberRiel und Esch (2000, S. 27-30) davon ausgehen, dass Marktkommunikation nur effektiv sein kann, wenn sie gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegelt, so die intendierten Zielgruppe adäquat anspricht und Werbeinhalte deshalb gesellschaftliche Trends eigentlich nur aufgreifen, widerspricht Schmerl (1994; S. 145) speziell mit Bezug auf das Frauenbild in der Werbung hier vehement. Sie unterstellt der Werbung einen permanenten "Zerrspiegel" der Gesellschaft. 3 Mit Bezug auf den US-amerikanischen Werbemarkt 4 stellen Lazier und Kendrik (1993) fest, dass Markenartikler und Werbebranche zwar mit viel methodologischem und finanziellem Aufwand Marktforschung betreiben, die Befunde sich dann aber kaum in den Frauenbildern der Werbung niederschlügen, und fragen: "Why are the myths still prevalent over the math?" (S. 206). Vor diesem Hintergrund kann es kaum überraschen, dass schon seit etlichen Jahren und immer noch die Diskriminierung von Frauen durch frauenfeindliche Werbung insgesamt der häufigste Grund für Beschwerden beim Deutschen Werberat ist. 5 Bis 2005 war für einschlägige Beschwerden bei Vgl. Brosius & Staab, 1990; Nickel, 1993; Bergler, 1992; Schmerl, 1983, 1991; Schmidt & Zurstiege, 1999.
2
Schmerl (1994) differenziert zwischen diskriminierenden und beleidigenden Frauendarstellungen und solchen, die "klischeehaft-traditionelle Geschlechterstereotypen" verwenden (S. 143).
3
4
Vgl. hier auch den Klassiker Goffman, 1981.
5 Laut Jahresbilanz 2006 des Deutschen Werberates betraf ein Viertel der 341 kritisierten Werbeaktivitäten frauenfeindliche Werbung. (http://www.interverband.com/dbview/owa/assmenu.homepage?tid= 69392&fcatid=4346&from_home=/werberat [eingesehen am 19.1.2008]
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Rat sogar eine lineare Zunahme zu verzeichnen. Ob ein solcher Anstieg tatsächlich ein Zeichen dafür ist, dass die Werbeindustrie in punkto Frauenbilder immer nachlässiger und sorgloser agiert, oder ob dieser Anstieg stattdessen auch schlicht ein Hinweis darauf ist, dass das Publikum eine höhere Sensibilität gegenüber frauenfeindlicher Werbung entwickelt, ist schwer zu sagen. Schließlich muss man auch davon ausgehen, dass eventuell auch der Beschwerdeweg allgemein bekannter wird. Für letzteres spricht zum Beispiel die Tatsache, dass in Deutschland mittlerweile fast alle kommunalen Frauenund Gleichstellungsinstitutionen das Thema 'frauenfeindliche Werbung' auf ihren Homepages behandeln, dort den Beschwerdeweg beschreiben und explizit dazu auffordern, im Verstoßfall Beschwerden beim Werberat einzureichen. 6 Zahlreiche Städte evaluieren darüber hinaus mittlerweile aufmerksam die Vergabeverfahren für die von ihnen untervermieteten Werbeflächen im öffentlichen Bereich und erzwingen ggf. die Entfernung sexistischer Werbung. 7 Und im Gegensatz zum Deutschen Werberat haben Werberäte in einigen europäischen Ländern mittlerweile reagiert und ihre Richtlinien geschlechterdiskriminierende Werbung betreffend verschärft oder expliziter formuliert. 8 Die Frage, ob und wenn ja, wie und in welchem Ausmaß Werbung tatsächlich Sozialisationseffekte hat, soll und kann hier nicht weiter verfolgt werden. Vor dem Hintergrund des (empirisch gesicherten) Vorwurfs, Werbung in Deutschland sei frauenfeindlich und stelle besonders Frauen in diskriminierender (speziell auch in sexistischer) Weise dar, erscheint stattdessen die Frage sinnvoll, wer Werbung in Deutschland eigentlich macht. Diese vorwiegend in der personalistischen Kommunikatorforschung angesiedelte Frage zieht ihre Relevanz aus der Vermutung, dass die Persönlichkeit und das Handeln eines Kommunikators "in der Medienproduktion zum Siehe z. B. Berlin: http://www.berlin.de/sen/frauen/oeff-raum/werbung/ Münster: http://www.münster.de/stadt/frauenbuero/sex-sells.pdf Darmstadt: http://www.darmstadt.de/gesundheit/frauen/werbung/index.html [alle eingesehen am 19.1.2008]
5
Vgl. z. B. die Stadt Pforzheim: http://www.pforzheim.de/portal/page?_pageid=118,49046&_dad =portal&_schema=PORTAL [eingesehen am 19.1.2008]
6
Vgl. z. B. die aktuelle Anpassung von Grundsatz 3.11. "Geschlechterdiskriminierende Werbung" der Schweizerischen Lauterkeitskommission in ihrer Fassung vom Mai 2007 unter http://www.lauterkeit.ch/ pdf/grundsaetze.pdf [eingesehen am 19.1.2008]. In Schweden und in der Schweiz gibt es darüber hinaus auch Gesetze gegen frauenfeindliche Medieninhalte (vgl. Krimphove, 2002).
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Tragen kommt" (Saxer, 1997, S. 45). Wir kennen die Frage bereits aus anderen Zusammenhängen: Auch von fiktionaler (z. B. Spielfilme) und nicht fiktionaler redaktioneller (z. B. Nachrichten) Medienproduktion wird angenommen, frauenfeindliche, Frauen diskriminierende oder die Belange von Frauen ausblendende Medieninhalte hätten ihre Ursache hauptsächlich in der Tatsache, dass Frauen in der Gruppe der professionell produzierenden Akteure (z. B. Drehbuchautoren, Journalisten usw.) generell und zum Teil eklatant unterrepräsentiert sind. 9 Die Unterrepräsentation weiblicher 'Contentproduzentinnen' in diesen Bereichen ist mittlerweile empirisch auch nachgewiesen (vgl. z. B. Fröhlich & Holtz-Bacha, 1995; Weischenberg, Malik & Scholl, 2006). Für die deutsche Werbebranche vermutet Schmerl (1994) einen ähnlichen Zusammenhang zwischen Berufsfeldstruktur und Darstellung bzw. Inhalt. Sie erklärt sich die Schieflage bei geschlechterstereotypen Frauenbildern in Werbeprodukten mit der Annahme, dass die Kreativen in der Werbung überwiegend Männer sind und vermutet konkret, dass Werbung vorwiegend ein Produkt der Kreativen ist –– also zum Beispiel nicht auf Ideen von Werbeberatern oder Wünschen ihrer Kunden basiert. Deshalb, so ihre Argumentation, sei der (niedrige) Frauenanteil speziell unter den Kreativen in der Werbebranche ein entscheidender Treiber für (diskriminierende) Frauenbilder in der Werbung (vgl. hierzu auch Lazier & Kendrik, 1993, S. 206). Allerdings übersieht eine solche Argumentation, dass Werbung (möglicherweise anders als andere Formen professioneller Massenkommunikation) mit Blick auf eine intendierte spezifische Wirkung ganz bewusst und gezielt Stereotype, Mythen, Vorurteile, Vereinfachungen, Persiflagen, Zuspitzungen usw. konzipiert und einsetzt (Packard, 1976; Schnierer, 1999). Danach würden auch weibliche Werbeprofis Frauen diskriminierende Kreationen schaffen, wenn sie sich in einer spezifischen Zielgruppe spezifische Wirkungen davon versprechen. Die Contentproduktion wäre damit bei der Werbung weit weniger von persönlichen Besonderheiten der kreierenden Profis und den strukturell-organisationalen Bedingungen des Berufsfelds determiniert als viel mehr von den professionellen Anforderungen einer Kommunikationsart, die per definitionem starke persuasive Wirkungsabsichten verfolgt. Wir finden dieses Argument auch für die fiktionale und nicht fiktionale Mediendarstellung von Minoritäten in der Gesellschaft wie zum Beispiel in Deutschland lebende Ausländer (vgl. z. B. Luchtenberg, 1997; Merten, 1987; Scheffer, 1997).
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Im Folgenden soll nun überprüft werden, ob in der deutschen Werbebranche Frauen unter den Berufstätigen tatsächlich in der Minderheit sind und welche Tätigkeiten sie in diesem Berufsfeld speziell ausüben. Basiert also die Vermutung, dass frauenfeindliche Werbung das Produkt eines männerdominierten Berufsfeldes ist, auf empirischen Tatsachen? Kommunikatorforschung im Berufsfeld Werbung: Ein nahezu weißer Fleck Repräsentative berufsstrukturelle Studien zur deutschen Werbebranche geschweige denn geschlechtsspezifisch angelegte liegen bis heute nicht vor. Eine der ersten einfachen Studien glaubte sogar explizit ganz ohne die Befragung von Frauen im Berufsfeld auszukommen: Renate Künzel (1970) befragte 1966/67 242 leitende Werbefachleuten aus 93 Werbeagenturen in Düsseldorf, Köln und Essen zum Berufsbild und Selbstverständnis der Werbebranche. Nach eigenen Aussagen hat sie deshalb ganz bewusst keine Frauen befragt, weil sie von vornherein davon ausging, damals ohnehin kaum Frauen in führenden Positionen zu finden. Wenig stichhaltig, dafür aber verräterisch im Hinblick auf die damals wohl generell vorherrschende Einstellung zum Thema ist ihre darüber hinausgehende Erklärung für die Ausblendung weiblicher Befragter aus ihrer Studie: In der Werbebranche tätige Frauen, so behauptete Künzel lapidar und ohne jede weitere Begründung, befänden sich in einer "andersartige[n] berufliche[n] Situation" (S. 176). Anfang der 90er Jahre beklagte Nerdinger (1991) die bestehende Forschungslücke: "Tatsächlich interessiert sich 'alle Welt' für die Produkte der Werbeindustrie, deren Produzenten, die Werber dagegen bleiben weitgehend unbeachtet." (S. 1) Wenige Jahre später beschreibt Holtz-Bacha (1995) den Forschungsstand der Werbeforschung folgendermaßen: "Die (wissenschaftliche) Werbeforschung weist deutliche Schwerpunkte bei der Untersuchung der Inhalte und der Frage nach den Wirkungen auf; [...]. Wer diese 'Kreativen' sind, erfahren wir hier nicht: Es bleibt also weiteren Studien überlassen, Aufschluß darüber zu geben, welche soziodemographischen Merkmale die Werbeplaner(innen) aufweisen." (S. 351) Diese Forschungslücke ist bis heute nicht wirklich befriedigend geschlossen. Auch in diesem Beitrag kann deshalb bestenfalls eine Annäherung an die Frage geboten werden, wie sich die berufliche Situation von Männern und Frauen in der
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deutschen Werbebranche aktuell darstellt. Dies soll durch einen synoptischen und systematischen Rückgriff auf die wenigen (nicht repräsentativen) Daten zur Werbebranche in Deutschland erfolgen. Institutionelle Bereiche, Tätigkeitsfelder und Berufe Im Berufsfeld Werbung unterscheidet man folgende Tätigkeitsbereiche: (1) Werbende bzw. Werbung treibende Unternehmen, (2) Werbeträger (Medien) und (3) Werbeagenturen (vgl. z. B. Deutscher Sparkassen Verlag & ZAW, 2001, S. 12-13; Weeser-Krell & Ploetz, 1996, S. 4-5). Schweiger und Schrattenecker (2001, S. 127-129) beschreiben neben diesen drei klassischen Bereichen noch spezialisierte Dienstleistungsunternehmen in der Werbebranche, die Teilfunktionen des Werbeprozesses übernehmen oder sich auf spezielle Formen der Marktkommunikation konzentrieren: Werbemittler oder Mediaagenturen erledigen Aufgaben im Zusammenhang mit der Werbemittelstreuung; andere Spezialdienstleister bieten Expertise in den Bereichen Sponsoring, Telefon- und Direkt-Marketing oder Online-/Internetwerbung. In Deutschland arbeitet die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten der Werbebranche in Werbeagenturen. Hier ist das Gros der Kreativen beschäftigt. In den Bereichen (2) und (3) ist nur ein vergleichsweise kleiner Teil in einschlägigen Werbeabteilungen beschäftigt. (Weeser-Krell & Ploetz, 1996, S. 5) Man kann also Werbeagenturen als das klassische Beschäftigungsfeld für WerberInnen bezeichnen. Berufssoziologische Studien konzentrieren sich deshalb auch auf dieses Berufsfeldsegment. Weeser-Krell und Ploetz (1996, S. 49, 80-83) liefern weitere Argumente hierfür: Im Gegensatz zu den beiden anderen Bereichen sind Werbeagenturen hauptsächlich und fast ausschließlich mit der Kreation von Werbung beschäftigt und weisen also einen hohen Spezialisierungsgrad im für unsere Fragestellung relevanten Tätigkeitsbereich der Contentproduktion auf. Werbeabteilungen in Unternehmen sind demgegenüber oftmals nur Kontakt- oder Kontrollstellen, die zudem oft schwer zu unterscheiden sind von klassischen Marketing- und/oder PR-Abteilungen. In der Werbeträgerbranche (Medien) wiederum haben sich werbefachliche Spezialberufe entwickelt, die mit der eigentlichen Contentproduktion und Kreation ebenfalls kaum etwas zu tun haben (z. B. Spezialisten für Anzeigen-Akquise, Abonnentenwerbung usw.).
Werbung in Deutschland – Auf dem Weg zu einem Frauenberuf?
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Professionelle Aufgabenbereiche in Werbeagenturen lassen sich nach folgenden Tätigkeitsfeldern unterscheiden: (1) Kontakt/Beratung, (2) Kreation und (3) Verwaltung/Administration/Sonstiges. Alle drei Tätigkeitsfelder sind im beruflichen Alltag eng miteinander verschränkt – trotz der jeweiligen Spezialisierung von Fertigkeiten und Fähigkeiten des beruflichen Handelns in diesen Feldern und der damit verbundenen insgesamt stark ausgeprägten Taylorisierung 10 der Arbeitsprozesse in einer Werbeagentur. Das Tätigkeitsfeld (3) ist für unsere Fragestellung eher weniger interessant, denn die eigentliche Produktion/Kreation von Werbung erledigen hauptsächlich die Expert/inn/en der Bereiche (1) und (2). Nerdinger (1991, S. 32) unterscheidet hier zwischen "beratenden Berufen" (Kontakt/Beratung) und "gestaltenden Berufen" (Kreation). Beschäftigte in diesen Bereichen übernehmen also die Kernleistung der Contentproduktion in Werbeagenturen. Kontakter/Berater bedienen die Schnittstelle zwischen Auftragnehmern und Auftraggebern, also zwischen Werbeagentur und Kunden. Sie vermitteln einerseits die Interessen und Wünsche der Kunden nach innen an die Agentur und repräsentieren andererseits die Agentur den Kunden gegenüber. Hierbei müssen sie auch die Interessen der Agentur vertreten und dabei stets die besondere Machtbeziehung zwischen Kunde und Agentur berücksichtigen (vgl. auch Nerdinger, 1991, S. 50–54). Diese nicht ganz unproblematische Schnittstellenkonstellation kann den Beratungsprozess durchaus belasten, weshalb in manchen Agenturen die Position des Kontakters/Beraters noch einmal klar getrennt wird in Beratung (konzeptionellstrategisch) und Kontakt (Koordination) und dabei Kontakter hierarchisch unter den Beratern angesiedelt sind. Eine weitere Position, die ebenfalls dem Bereich 'Kontakt/Beratung' angehört und diesem für gewöhnlich übergeordnet ist, ist der/die Etat-Direktor/in. Der/die Etat-Direktor/in leitet und koordiniert in der Regel mehrere Beratungsabteilungen oder zumindest doch Beratungsprojekte und ist oft auch Mitglied der Geschäftsführung. Die Beschäftigten im Bereich 'Kreation' konzipieren und produzieren Werbebotschaften wie Anzeigen oder Radio- und TV-Spots in Abhängigkeit intendierter Wirkungen nach den Vorgaben der Kontakter und Berater. Typische Berufs- und Tätigkeitsbezeichnungen sind hier zum Beispiel Grafik-Designer, Werbetexter, Layouter, Artdirector (Leitungs- und Direktivenverantwortung für eine Gruppe von Grafikern), Kreativ-Direktor (kreative Leitung einer Agentur) 10
Stark arbeitsteilige Produktionsprozesse.
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Romy Fröhlich
usw.11 Während bei der Berufsgruppe der Kontakter und Berater sich die beschriebene Schnittstellenposition als belastend erweisen kann, halten Werber im Kreativbereich vor allem die unterstellte Unprofessionalität und Beliebigkeit der Kunden für problematisch. Sie werfen ihren als überfordert bezeichneten Auftraggebern vor, die (kreative) Leistung der Werber oft nur unprofessionell nach dem eigenen (unmaßgeblichen) Geschmack zu beurteilen (Nerdinger, 1991, S. 83-86). Dies könnte, abweichend von der oben beschriebenen Vermutung Schmerls (1994), ein Hinweis darauf sein, dass für (diskriminierende?) Contentproduktion nicht nur und ausschließlich die Werbekreativen die Verantwortung tragen, sondern vielleicht mehr als allgemein angenommen auch die Auftraggeber auf der Kundenseite, die unter Umständen auf der Basis ihrer Machtposition und ihrer persönlichen (möglicher Weise auch unprofessionellen) Idiosynkrasien die Kreationen der Werber determinieren. Allgemeine Basisdaten im Überblick In Ermangelung unabhängig erhobener repräsentativer Daten ist man bei der Suche nach Strukturmerkmalen für die beschriebenen Berufsfeld- und Tätigkeitssegmente auf die Zahlen der Berufsverbände angewiesen, die diese im Rückgriff auf ihre Mitglieder in regelmäßigen Abständen erheben. Die wichtigsten und verlässlichsten Daten stellen dabei der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V. (ZAW) und der Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) zur Verfügung. Eine besondere Rolle spielen dabei die sogenannten GWA-Monitore – regelmäßig mehrfach im Jahr durchgeführte Umfragen unter den Chefs der führenden deutschen Werbeund Kommunikationsagenturen (GWA-Mitgliedsagenturen) zur Entwicklung und zu aktuellen Themen der Branche (z. B. Geschäftsentwicklung, Kosten- und Renditeentwicklung, Kunden-Agenturbeziehung, Beschäftigungs- und Ausbildungssituation usw.). Die GWA deckt über ihre Mitgliedsagenturen 82 Prozent des relevanten deutschen Agenturmarktes ab. 12
Zu den unterschiedlichen Arbeitsfeldern, Funktionen, Funktionsbezeichnungen und Funktionsbeschreibungen vgl. sehr ausführlich und aktuell http://www.gwa.de/Arbeitsfelder.158.0.html [eingesehen am 19.1.2008]
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12 Zusammenschluss von ca. 500 Kommunikations- und Media-Agenturen, die gut 17.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen repräsentieren.
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Auch der ZAW führt unter seinen Mitgliedsorganisationen 13 regelmäßig Umfragen durch, vorwiegend zu Werbeklima, Werbeumsätzen, Publikumsakzeptanz und zur Arbeitsmarktentwicklung. Nach den aus diesen beiden Verbänden vorliegenden Zahlen markiert das Jahr 2001 für die Werbebranche weltweit einen gravierenden Einbruch; viele Experten machen hierfür den Terroranschlag in New York am 11. September und die im Anschluss daran drastisch sinkenden Werbebudgets und -ausgaben verantwortlich. Nach dem vorangegangenen Boom-Jahr 2000 beschäftigte die deutsche Werbebranche 2001 circa 359.195 Menschen, davon 186.065 Werbefachleute (ZAW, 2002, S. 75). Nach einem über mehrere Jahre andauernden Aderlass waren es 2004 nur noch ca. 352.037 und davon nur noch 131.648 Werbefachleute im Kerngeschäft (Arbeitsmarkt Werbung…, 2004, S. 34). In diesem Bereich gingen also binnen weniger Jahre über 50.000 Stellen verloren. Wie drastisch der Einbruch nach 2001 war, zeigt auch die Entwicklung der Stellenangebote für Werbeberufe zwischen 1993 und 2003 (Abbildung 1). Ab 2005 beginnt sich der Markt zu erholen, der GWA-Herbstmonitor zeigt erstmals einen Trend zum Personalaufbau. Nach mehreren Jahren des andauernden Personalabbaus haben im Zuge dieser Entwicklung sogar 59 Prozent der befragten Agenturen Personalbeschaffungsprobleme, und diese Probleme erstrecken sich über alle Agenturbereiche, konzentrieren sich im Wesentlichen aber auf die Tätigkeitsfelder Beratung, Text und Kreation. Besondere Rekrutierungsprobleme zeigen sich außerdem für Positionen im mittleren Management (GWA Herbstmonitor 2006). Überraschenderweise können die ZAW-Erhebungen für die gesamte Werbebranche diesen Aufwärtstrend nicht bestätigen; die branchenweiten Beschäftigungszahlen bleiben nach den ZAW-Erhebungen nämlich hinter der Entwicklung, wie sie diese Befragungsergebnisse des GWA abbilden, zurück. So steigt nach Angaben des ZAW die Beschäftigungszahl für die Werbefachleute 2006 nur leicht um etwas mehr als 1000 Stellen auf 132.759 an; die Zahl für die Gesamtbranche stagniert gar bei 351.625. 14 Ob sich für 2007 dann eine klarere Trendwende abzeichnet, ist (noch) nicht zu sagen, denn Zahlen zur Entwicklung der Gesamtbeschäftigung 2007 liegen zurzeit Derzeit 42 Verbände der werbenden Unternehmen, der Medien, Werbeagenturen, Werbeberufe und Forschung.
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http://www.gwa.de/files.414.0.html [eingesehen am 19.1.2008]
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noch nicht vor. Immerhin titelte der ZAW im August 2007 auf seiner Website: "1. Halbjahr 2007: Hochkonjunktur für Werbefachkräfte". Abbildung 1: Stellenangebote für Werbeberufe 1993-2003 (absolut) 14000 12593
12000 10505
10000 8000
8047
6000 4000
5308 4163
6046
5961 5193
4370
2503
2000
2370
0 1993
1994
1995
Offerten gesamt
1996
1997
1998
Werbeagenturen
1999
2000
Medien
2001
2002
2003
werbungtreibende Firmen
Quelle: Datenerhebung des ZAW in Arbeitsmarkt Werbung 2003 (2004, S. 34).
Nach eigenen Erhebungen des ZAW wird vor allem Personal für die Werbegestaltung und für die Planung von Medienstrategien gesucht. Insgesamt wurden danach in der ersten Hälfte des Jahres 2007 von der Werbewirtschaft 27 Prozent mehr Arbeitsplätze als im Vergleichszeitraum 2006 angeboten. 15 Und die GWA-Agenturen prognostizierten im Frühjahrsmonitor 2007 ein Umsatzwachstum von fünf bis sechs Prozent; gleichzeitig weisen die Befragten die höchste Zufriedenheit mit der Umsatzentwicklung seit fünf Jahren auf (GWA Frühjahrsmonitor 2007). Im Herbstmonitor 2007 schließlich wurde eine Umsatzsteigerung gegenüber 2006 von 4.2 Prozent bestätigt und Erwartung auf weitere Steigerung für 2008 geäußert (GWA 15
http://www.zaw.de/index.php?menuid=34 [eingesehen am 19.1.2008]
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Herbstmonitor 2007). Man kann annehmen, dass diese Entwicklung sich weiter positiv auf die Stellensituation in der Werbebranche auswirkt. Von einer Situation, wie sie sich vor der Krise 2001 darstellte, ist man in Deutschland aber nach wie vor weit entfernt – vor allem im Kernsegment für Werbefachleute. Wie stark vom Schrumpfungsprozess nach 2001 speziell weibliche Beschäftigte betroffen waren und ob sie möglicherweise von der etwa 2005 einsetzenden Aufwärtsentwicklung des Marktes in besonderem Maßen profitieren, lässt sich nur schwer sagen, denn verlässliche Zahlen hierzu gibt es nicht. Überhaupt ist die Befundlage speziell zur Frage weiblicher Beschäftigter in der Werbebranche lückenhaft und aus methodologischer Sicht auch problematisch, wie im Folgenden zu zeigen sein wird. Geschlechtsspezifische Besonderheiten des Berufsfelds: Schwierige Bestandsaufnahme Nach den Zahlen der Beschäftigten- und Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit hat sich der Frauenanteil unter sozialversicherungspflichtig beschäftigten Werbefachleuten (ohne Personen in Ausbildung, Selbständige und Beamte) von 44 Prozent im Jahr 1999 auf 50 Prozent 2006 erhöht. 16 Wie problematisch und verwirrend die Datenlage ist, zeigen Zahlen der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) (2000, S. 40), die in ihren Veröffentlichungen ebenfalls Erhebungsdaten der Bundesagentur für Arbeit benutzt – und dennoch zu abweichenden Ergebnissen kommt: Nach ZAV lag der Frauenanteil unter sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Werbung 1994 bereits bei 55 und 1999 bei 57 Prozent. Neueste Erhebungen im Rahmen des Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes 17 zeigen, dass der Frauenanteil in der Werbung in den letzten Jahren bei 52 Prozent stagniert (Leicht, 2007, S. 2). Wiederum anderes stellen sich die Verhältnisse dar, wenn man mit Ergebnissen aus empirischen Erhebungen der Branchenverbände arbeitet. 16 Quelle: Berufe im Spiegel der Statistik – IAB Forschungsbereich 7 http://www.abis.iab.de/bisds/data/seite_703_BO_a.htm [eingesehen am 19.1.2008]
Die Zahlen sind umstritten, denn im Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes ist die Definition der Berufsgruppe "Werbefachleute (703)" problematisch. Neben klassischen Werbeberufen zählen im Mikrozensus auch "PR-Fachleute" und "Kreativ-Fachleute" mit dazu, wobei bei Letzterem offen bleibt, was damit genau gemeint ist.
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Romy Fröhlich
Danach lag der Frauenanteil in Werbeagenturen 1997 bei 52.3 Prozent (GWA Sommermonitor 1997), wobei in unabhängigen Agenturen der Anteil leicht überdurchschnittlich (53.7%) ausfiel, in Netzwerkagenturen leicht unterdurchschnittlich (51.7%). Auf die Frage, ob sie 1997 anteilig mehr Frauen beschäftigten als vor fünf Jahren, antworteten damals 43 Prozent der befragten Agenturchefs mit Ja (53% "Nein"; 4% k. A.). Henning von Vieregge, seit 1995 Hauptgeschäftsführer des GWA, zog 1997 folgendes Fazit: "Es gibt in der Werbung keine Frauen-Diskussion und keine Quotenfrauen. Die Geschlechtszugehörigkeit spielt bei der Auswahl in dieser Branche keine Rolle. Es zählt nur die Leistung oder das vermutete Leistungspotential. Frauen werden sich dabei weiter durchsetzen bis hin in die ersten Führungsetagen der Agenturen, wo sie heute noch rar sind." (GWA Sommermonitor 1997) Wenn das stimmt, dann müsste man den nach der aktuellsten GWAStatistik verzeichneten Anstieg des Frauenanteils in der Werbung als Zeichen dafür interpretieren, dass Frauen in dieser Branche wohl die bessere "Leistung" bringen. Demnach liegt nämlich der Frauenanteil in GWAMitgliedsagenturen aktuell bei 57 Prozent – einschließlich Auszubildende, Trainees und Praktikanten. Speziell im Bereich "digitales Marketing/online Kommunikation" liegt der Frauenanteil mit 37 Prozent erwartungsgemäß deutlich darunter (GWA Herbstmonitor 2007, 2008). Andere Daten lassen vermuten, dass von Vieregges Kommentar zum Frauenanteil in der Werbung in der Realität wohl wenig Entsprechung hat: Unter den im Verlauf des Jahres 2005 insgesamt zu verzeichnenden 48.123 Arbeitslosen im Berufsfeld Werbung befanden sich 27.568 Frauen und 20.555 Männer. Und auch im Jahr 2004 zeigt sich ein ähnliches Bild: Unter den insgesamt 59.779 arbeitslos gemeldeten Personen befanden sich 33.817 Frauen und 25.962 Männer (Zentralstelle für Arbeitsvermittlung…, 2006, S. 12). Wenn man nun, wie es die oben präsentierten Beschäftigungszahlen trotz der Abweichungen nahelegen, davon ausgeht, dass der Frauenanteil in der Werbung sich seit Jahren schon um die 50 Prozentquote herum bewegt, dann muss man aufgrund der Arbeitslosenstatistik vermuten, dass Frauen in der Werbung stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind als Männer. Würde das im Rückgriff auf von Vieregges Kommentar dann aber bedeuten, dass Frauen in dieser Branche eher nicht die bessere "Leistung" als Männer erbringen? Wohl kaum. Anzunehmen ist vielmehr, dass die höhere Betroffenheit der Frauen durch Arbeitslosigkeit in diesem Berufsfeld genau die gleichen Ursachen hat wie in fast allen anderen auch: Steigendes Arbeitskräfte-
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angebot bei Frauen durch steigende Erwerbsneigung von Frauen (bei gleichzeitiger Stagnation in der Gruppe der Männer), Ausstieg in der Familiengründungsphase, hoher Anteil an Berufsrückkehrern mit Wunsch nach Teilzeitbeschäftigung in der Gruppe der Frauen usw. Interessant ist auch ein Blick auf den Frauenanteil unter den Selbständigen in der Werbebranche. Leicht (2007, S. 2) hat die Selbständigenquoten für das Jahr 2005 auf Basis der Daten des Statistischen Bundesamtes berechnet und kommt zu folgendem Befund: Der Frauenanteil unter den selbständigen Werbern in Deutschland beträgt 34 Prozent und fällt damit im Vergleich zum Frauenanteil in der deutschen Werbebranche insgesamt unterdurchschnittlich aus. Im Vergleich zum Frauenanteil unter den Selbständigen in der Gesamtwirtschaft (30%) dagegen ist er leicht überdurchschnittlich. Nach weiteren Berechnungen von Leicht liegt die Selbständigenquote untern den weiblichen Berufstätigen in der deutschen Werbebranche bei 26 Prozent, die Selbständigenquote untern den männlichen Berufstätigen dagegen bei 44 Prozent. Für die Werbebranche muss auch die aus anderen Medienberufen bekannte Verteilung der Geschlechter nach Positionen und Gehalt vermutet werden. Die derzeit aktuellsten Zahlen hierzu stammen aus dem Mikrozensus für das Erhebungsjahr 2000 und belegen für hierarchisch gestufte Positionen in der Werbung die übliche Verteilung zwischen den Geschlechtern: Mit steigender Hierarchiestufe nimmt der Frauenanteil ab und der Männeranteil zu (Abbildung 2). Auch nach den aktuellen Erhebungen des GWA ergibt sich im Agentursektor eine geschlechtsspezifische Verteilung nach Positionen (Abbildung 3). In der Gruppe der Frauen arbeiten in allen drei Leistungssegmenten (Beratung, Kreation und Service) die meisten auf Junior- und Seniorpositionen; in der Gruppe der Männer arbeiten die meisten auf Senior- und Leitungspositionen. Für die Frage, ob sich die übliche geschlechtsspezifische Verteilung auch für das Gehalt von Werberinnen und Werbern ergibt, ist die Datenlage sehr dürftig. Hierzu liegen nur Zahlen für die Werbebranche in Bayern vor, die Stöger, Rehberg und Sträter (2001) für das Jahr 1996 berechnet haben: "Bei den weiblichen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten lag das durchschnittliche Jahreseinkommen in der Werbebranche 1996 mit knapp 42.000 DM um rund 7.000 DM unter dem Durchschnitt der bayerischen MedienAbbildung 2: Position von angestellten Werbefachleuten (in Prozent)
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Romy Fröhlich 70 60 50 40 30 20 10 0 einfache Position * mittlere Position * gehobene Position Männer
höhere Position
Frauen
* fehlende Werte: wegen zu geringer Fallzahlen nicht ausgewiesen (Quelle: Statistisches Bundesamt, 2001)
Abbildung 3: Anteil der Frauen und Männer nach Position in den Bereichen Beratung, Kreation, Service (in Prozent) 20
20 18
15
15 13
15
15
15
14
11
11 10
10
10
10
8 7
7
7 6
5
4
4
3
5
4
6
5 4
2
2
0
0
Geschäftsf. / Gruppenleitung
Senioren
Junioren
Ausbld. / Prakt. / Trainees
Service
Kreation
Geschäftsf. / Gruppenleitung
Senioren
Junioren
Ausbld. / Prakt. / Trainees
Beratung
(Quelle: GWA Herbstmonitor 2007, 2008)
wirtschaft. Frauen erreichten rund drei Viertel des Jahresverdienstes der Männer." (S. 121). Es spricht nicht viel dafür anzunehmen, dass die Berufs-
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struktur der Werbebranche in Bayern wesentlich von der im Rest der Bundesrepublik abweicht, und so kann man mit aller Vorsicht annehmen, dass der Befund im Großen und Ganzen so auch für die deutsche Werbebranche insgesamt zutrifft. Zu der Frage, wie sich der durchschnittliche Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen in der Werbung zwischenzeitlich entwickelt hat, liegen leider keine Zahlen vor. Es ist anzunehmen, dass diese geschlechtsspezifische horizontale Segregation entlang der üblichen Hierarchiestufen (vgl. Abbildung 2) im Zusammenhang steht mit geschlechtsspezifischen Tätgkeitscharakteristiken. Auch dieser Effekt ist ja aus anderen Medienberufen hinlänglich bekannt. Die einzigen Befunde, die uns zu dieser Frage für die Werbung derzeit vorliegen, stammen aus einer qualitativen Leitfadenbefragung von Nadine Schmidt (2003) 18 . Sie schreibt: "Die meisten der befragten WerberInnen können typische Frauenberufe in der Werbung ausmachen, der Beruf der Graphikerin wird dabei am häufigsten genannt. Bei der Begründung dieser Vermutung sind sich die Männer einig: Frauen seien emotionaler, kreativer und haben ein feineres Gespür für Gestaltung." (S. 106) Als eine weitere Frauendomäne erweist sich nach den Befunden der Studie Schmidts die Beratung, wobei die meisten der Befragten ausdrücklich betonen, dass gerade Frauen in der Beratung meist in der unteren und mittleren Hierarchieebene beschäftigt seien. Die Feststellung der Befragten, dass unter den Grafikerinnen der Frauenanteil besonders hoch sei, veranlasst Schmidt zu einem Vergleich mit der Theorie der 'Freundlichkeitsfalle', die Fröhlich (2002) für den Journalismus und die Public Relations aufstellte. 19 Schmidt schreibt: "Es scheint beinahe, als gebe es in der Werbung eine besondere Art der 'Freundlichkeitsfalle': Der vermeintliche Vorteil der Frauen besteht in einer ihnen zugeschriebenen besonderen Begabung für gestalterische Berufe. Es liegt nahe in Anlehnung an Fröhlich von einer 'Kreativitätsfalle' zu sprechen: Den Frauen wird – überwiegend von Männern – eine besondere Liebe fürs Detail, hohe Kreativität und ein Gespür für Bilderwelten zugesprochen. Dabei werden den Frauen gleichzeitig Rationalität und strategisch-analytisches Denken abge18 Leitfaden und Tiefeninterviews mit 15 Beschäftigten (feste Anstellung in den Bereichen 'Kontakt/Beratung' oder 'Kreation'), darunter 8 Frauen. 19 Sehr wahrscheinlich spielt die Freundlichkeitsfalle auch im Berufsfeld Werbung eine Rolle: Vgl. hierzu Schmidt, 2000, S. 114 ff.
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Romy Fröhlich
sprochen – Fähigkeiten, die für eine gehobene Position (z. B. KreativDirektor) aber essentiell sind (...)." (S. 106) Vor dem Hintergrund des beschriebenen Hierarchiegefälles zwischen den Geschlechtern und den durchschnittlichen Gehaltsunterschieden ist es verwunderlich, dass der Großteil der Befragten in Schmidts Studie – Männer wie Frauen – die Werbung als eine Branche betrachtet, in der Frauen eine berufliche Karriere leichter fällt als in anderen Branchen. Die Befragten sind nahezu einhellig der Meinung, dass in der Werbung das Geschlecht deshalb nur eine untergeordnete bzw. gar keine Rolle bei Beförderungen spielen kann, weil vor allem die "Leistung des Einzelnen" über eine Karriere entscheidet. Das erinnert an die Ende der 90er Jahre getroffene und bereits weiter oben zitierte Aussage des GWA-Geschäftsführers Vieregge zu den in der Werbebranche angeblich vorherrschenden leistungsorientierten Beförderungs- und Aufstiegskriterien. Die Sichtweise wird im Übrigen auch durch Befragungsergebnisse des GWA-Frühjahrsmonitors 2004 gestützt: "Die Chancen für talentierte Quereinsteiger sind nach wie vor groß: Für 59% der Agenturen spielt in der Kreation der Abschluss keine Rolle. Was zählt ist die erbrachte Leistung." (GWA Frühjahrsmonitor, 2004) Der hier zum Ausdruck kommende unerschütterliche Glaube an die dominante Bedeutung von leistungsbezogenen Kriterien für das berufliche Fortkommen ignoriert empirisch längst belegte geschlechtsspezifische Diskriminierungsmechanismen jenseits von Leistungskriterien. Konfrontiert mit der empirischen Tatsache, dass es trotz der vielbeschworenen streng leistungsorientierten Aufstiegskriterien auch in der Werbung auffallend wenig Frauen in Führungspositionen gibt, fallen auch in Schmidts (2003; S. 111) Studie die üblichen Argumente, mit denen die Befragten nach Erklärungen ringen: Ausstieg von Frauen während der Familienplanung (Karrierebruch), geringe Karrieremotivation von Frauen (v. a. in der Kreation), mangelnde Führungsqualitäten oder explizit auch fehlende "Ellenbogenmentalität". Eine der Befragten sagt: "Und es gibt viele Frauen, die diesen Ameisenjob […] machen … den machen sie perfekt und sie wollen gar nicht unbedingt mehr. […] Die bleiben Ameisen und ziehen das durch." Interessant sind hier besonders auch die Erklärungen, die männliche Befragte liefern: "(Eine) Frau, die im kreativen Bereich ist, möchte sich das gerne bewahren […], dieses Kreativ-Sein. Und auf höheren Ebenen wird einem sehr viel von dem Kreativ-Sein genommen." Oder: "Frauen würden sich in der kühleren Ebene weiter oben im Top-Management nicht wirklich
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wohlfühlen." (S. 111) Oder: "Frauen ticken da anders. Frauen denken eher darüber nach, wie ich mir meine Arbeit so gestalte, dass ich viel Spaß habe, dass ich mit meinen Leuten gut klar komme, dass der Kunde mich mag, und dass jeder mit mir zufrieden ist. Männern sagen, ich will Erfolg und Erfolg heißt Kohle und heißt Titel oder Renommee oder Geschäftswagen. Frauen denken in die Richtung nicht." (S. 113) Das passt zur empirisch unbelegten Feststellung des Werbeprofis Hattemer (1995, S. 30), demzufolge die schlechten Aufstiegschancen für Frauen in Werbeagenturen weitgehend selbstverschuldet seien. Es mangele den Werberinnen schlicht an Selbstsicherheit und Konkurrenzorientierung. Ähnlich argumentiert auch Heike Schmidt (2000, S. 112–114) in ihrem W & V-Artikel "Lady Boss". Sie zitiert von ihr interviewte Werberinnen und Werber, die für den schwierigen Aufstieg von Frauen in der Werbebranche vor allem deren mangelnde Durchsetzungsfähigkeit, ihre Harmonieorientierung und ihre emotionale (statt sachliche) Grundhaltung verantwortlich machen. Wie in vielen anderen Kommunikations- und Medienberufen (vgl. z. B. Fröhlich, 2002) so gibt es auch im Berufsfeld Werbung einen unübersehbar großen Unterschied zwischen dem Frauenanteil in der Ausbildung und dem im Berufsfeld selbst. Schon Mitte der 90er Jahre lag der Frauenanteil mit Ausnahme der Universitäten in allen Ausbildungsbereichen für Werbung bei über 50 Prozent (Abbildung 4). Die aktuell erhältlichen Zahlen des GAW-Monitors zeigen, dass in den Ausbildungsbetrieben mittlerweile noch deutlichere Verhältnisse herrschen: 2004 20 lag der Frauenanteil hier bei 72 Prozent und 2005 21 bei 75 Prozent. 2006 22 fiel der Frauenanteil hier etwas ab auf 69 Prozent. Für 2007 liegen (noch) keine Zahlen vor.
Abbildung 4: Frauen und Männer in der Werbe-Ausbildung (1994/95) (in Prozent) 20http://www.gwa.de/Ausbildungsbeginn_2004_1.1524.0.html?&no_cache=1&sword_list[]=frauen [eingesehen am 19.1.2008] 21 http://www.gwa.de/Ausbildungsbeginn_2005_1.2637.0.html?&no_cache=1&sword_list[]=frauen [eingesehen am 19.1.2008] 22 http://www.gwa.de/Ausbildungsbeginn_2006_1.2678.0.html?&no_cache=1&sword_list[]=frauen [eingesehen am 19.1.2008]
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Romy Fröhlich
Gesamt (N=25000)
Private Kunstschulen (Design)
Kunsthochschule/FH (Design)
Uni (Marketing und Werbung)
FH (Marketing und Werbung)
Werbefachschulen/Akademien Berufsschulen (Fachklasse Werbung)
0%
10%
20%
30% Frauen
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Männer
(Weeser-Krell & Ploetz, 1996)
Auch die Altersverteilung in der deutschen Werbebranche entspricht weitgehend den aus anderen Medien- und Kommunikationsberufen bekannten Mustern (Abbildung 5). In den Altersgruppen bis 35 Jahre dominieren die weiblichen Berufstätigen. Danach sinkt ihr Anteil deutlich. Dieser Befund lässt mit aller Vorsicht zwei unterschiedliche Vermutungen zu. Erste Lesart: Der Trend eines steigenden Frauenanteils in der Werbung ist ein vergleichsweise junger, der in den letzten Jahren auf der Einstiegsebene bei den jungen Berufsanfängern festzustellen ist. Demnach wäre (erst) in den nächsten Jahren zu erwarten, dass sich mit zunehmender Berufszugehörigkeit der weiblichen Anfängerkohorte eine Ausweitung des hohen Frauenanteils über die Einstiegsebene hinaus bemerkbar macht. Zweite Lesart: Genau wie in anderen Medien- und Kommunikationsberufen gehen auch dem Berufsfeld Werbung mit steigender Berufszugehörigkeit Frauen 'verloren'. Dies setzt voraus, dass der hohe Frauenanteil auf Einstiegsebene sich deshalb nicht weiter fortsetzt, weil Frauen nach einer gewissen Zeit der Berufszugehörigkeit wieder aus dem Beruf aussteigen – zum Beispiel wegen Kindererziehungszeiten – und danach nicht wieder in gleichem Maße einsteigen (können). Um hier Klarheit zu erhalten, muss die Entwicklung weiter beobachtet werden. Insgesamt spricht aber nicht viel dafür, dass ausgerechnet die Werbebranche eine Ausnahme machen soll von
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der generell in anderen Medienberufen empirisch gut belegten Tatsache: Der auf Ausbildungs- und Berufseinstiegsebene hohe Frauenanteil setzt sich auch nach statistisch ausreichenden Beobachtungszeiträumen mit zunehmender Berufstätigkeit im Berufsfeld nicht fort. Abbildung 5: Alter der Werbefachleute (Anteile Frauen und Männer in Prozent)
- 65 Jahre* - 55 Jahre - 45 Jahre - 35 Jahre 15-25 Jahre 0%
20%
40% Frauen
60%
80%
100%
Männer
* fehlende Werte: wegen zu geringer Fallzahlen nicht ausgewiesen (Quelle: Statistisches Bundesamt, 2001)
Was die generelle Personallage speziell in der Agenturbranche angeht, so kann man den Eindruck erhalten, als bedauere die Branche den vergleichsweise hohen Frauenanteil unter den Fachkräften. Im GWA-Herbstmonitor 2006 wird aus den offenen Fragen zur Personallage zitiert. Die Agenturchefs sind demnach unzufrieden mit dem Angebot an Fachkräften insgesamt: "Gute Leute sind generell schwer zu finden. Sie gehen heute eher in die Industrie als auf die Agenturseite". Im Besonderen beklagen sie einen 'Männermangel' in der Branche: "Man findet keine Männer mehr" oder "Es ist schwierig, gute und qualifizierte Berater zu finden. Vor allem Männer gehen gerne andere Wege als in die Agentur." 23 Insgesamt scheint es also auch in 23
http://www.gwa.de/Branchenattraktion.2535.0.html [eingesehen am 19.1.2008]
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der Werbung mittlerweile so zu sein, dass sich ein geschlechtsspezifischer Gap entwickelt zwischen dem Agentursektor und dem Arbeitsmarkt auf Seiten der Unternehmen. Wenn man die oben präsentierten GWAAusbildungszahlen der letzten Jahre betrachtet, dann kann man darin Anzeichen dafür sehen, dass sich der Agentursektor mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem 'Frauenghetto' entwickelt, wenn er es nicht bereits ist. Damit hätten wir in der Werbung eine ganz ähnliche Situation wie bereits in den Public Relations. Dort erweist sich der Agenturbereich als klar frauendominiert; der Frauenanteil in PR-Abteilungen von Unternehmen dagegen, wo bessere Gehälter bezahlt werden als in PR-Agenturen, fällt deutlich unterdurchschnittlich aus. (Fröhlich, Peters & Simmelbauer, 2005; Fröhlich & Peters, 2007) Zusammenfassung und Fazit Man kann mit aller Vorsicht davon ausgehen, dass der Frauenanteil in der deutschen Werbebranche aktuell bei mindestens 52 Prozent liegt. Trotz abweichender Datenlage der Erhebungen mit durchaus problematischer Definition der Grundgesamtheit (vor allem beim Mikrozensus) scheint bei Berücksichtigung aller Unwägbarkeiten diese Zahl die tatsächlichen Verhältnisse in der Werbung annähernd widerzuspiegeln. Speziell für den Agentursektor liegt der Frauenanteil derzeit bei 57 Prozent. Hier fand der GenderSwitch wie gezeigt ja bereits Mitte der 90er Jahre statt. Ob sich allerdings der zum Teil sehr hohe Frauenanteil in der Ausbildung in den nächsten Jahren im Berufsfeld niederschlagen wird, bleibt abzuwarten. Die Entwicklungen in anderen Medien- und Kommunikationsberufen lassen eher erwarten, dass das nicht der Fall sein wird – zumindest nicht in vollem Maße. Erwartungsgemäß trifft die klassische horizontale Segregation auch auf die Werbung zu: Der Frauenanteil nimmt auch in diesem Berufsfeld mit steigender Hierarchie ab. Das hat auch Auswirkungen auf die durchschnittlichen Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen in der Werbung und so kann es nicht wundern, dass auch in der Werbebranche Frauen im Schnitt weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Ob sich solche Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern auch dann
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noch zeigen, wenn die klassischen, das Gehalt determinierenden Variablen jenseits von Geschlecht bei der statistischen Berechnung berücksichtigt werden, ist derzeit nicht zu beantworten, weil dazu geeignete Datenerhebungen fehlen. Aller Wahrscheinlichkeit nach trifft auch die geschlechtsspezifische vertikale Segregation auf die Werbebranche zu. Das lassen zumindest die quantitativen Befunde von Schmidt (2003) vermuten, nach denen Werbefachfrauen überwiegend in den Bereichen 'Grafik' und 'Kontakt' tätig sind; der Bereich 'Text' hingegen scheint noch weitgehend eine Männerdomäne zu sein. Letzteres erlaubt es zumindest nicht, für die Werbung eine geschlechtsspezifische Verteilung zwischen 'Technikertätigkeiten' (vorwiegend ausgeführt von Frauen) einerseits und 'Managertätigkeiten' (vorwiegend ausgeführt von Männern) andererseits zu unterstellen, wie es etwa im Berufsfeld Public Relations der Fall ist (vgl. Fröhlich, Peters & Simmelbauer, 2005). Für die Annahme von Schmerl (1994) aber, wonach die geschlechterstereotyp verzerrenden Frauenbilder in der Werbung vor allem darauf zurückzuführen seien, dass die Kreativen in der Werbung überwiegend Männer sind, spricht empirisch nicht viel. Da der Frauenanteil unter den Kreativen gerade in den Bereichen Grafik und Kontakt hoch ist, muss man statt dessen zweierlei vermuten: (1) In einem Szenario, in dem Kunden den Kreativen und Kontaktern freie Hand lassen, sind Frauen an der Produktion frauenfeindlicher Werbung als Kreative aktiv beteiligt und empfehlen eventuell sogar als Kontakter den Werbekunden im Hinblick auf spezifische Zielgruppen und spezielle intendierte Werbewirkungen entsprechende Kreationen. Dazu passt die intersubjektiv nicht überprüfbare Behauptung eines Praktikers: "Frauen achten von Natur aus auf das soziale und gesellschaftliche Umfeld, in dem Werbung eingesetzt wird. Sie vermeiden Polarisierung und sozialschädliche Werbung." (Hattemer, 1995, S. 30) (2) In Szenarien, in denen die Auftraggeber von Werbung den Kreativen keine freie Hand lassen und mit entsprechenden eigenen Vorschlägen und Vorstellungen den Entscheidungs- und Kreationsspielraum der Werbefachleute einschränken, gelingt es Frauen nicht besser als Männern, sich gegen entsprechende – im Einzelfall eventuell sogar unprofessionelle – Vorstellungen der Auftraggeber durchzusetzen. Interessant ist in diesem Zusammenhang übrigens, was Nadine Schmidt (2003, S. 115) zu diesem Aspekt aus ihrer qualitativen Befragung berichtet. Danach fiel ihr auf, dass alle Befragten – Männer wie Frauen
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– mit ihr nur "ungern" über die Frage sprechen wollten, ob Frauen andere Werbung machen (würden) als Männer. Die Frage, ob ein hoher Frauenanteil in der Werbung und hier insbesondere im Bereich Kreation etwas an der verzerrenden und zum Teil diskriminierenden Darstellung von Frauen in der Werbung ändert, ist empirisch ohnehin schwer zu überprüfen. Ein steigender oder hoher Frauenanteil in der Werbung jedenfalls ist kein hinreichendes Kriterium für eine entsprechende Kausalität. Wie bereits eingangs dargelegt, wird ja davon ausgegangen, dass auch Marktkommunikation nur effektiv sein kann, wenn sie gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegelt. Die Adaption eines sich verändernden Frauenbilds auch in der Werbung wäre damit professionelle Notwendigkeit und quasi eine konsequente Entwicklung eines sich stetig weiter professionalisierenden Berufsfeldes. Man kann also einer schlichten Scheinkausalität aufsitzen, wenn man einen direkten Zusammenhang herzustellen versucht zwischen einer nachlassenden diskriminierenden Darstellung von Frauen bei gleichzeitig steigendem Frauenanteil in der Werbung. Die Frage nach dem tatsächlichen Auslöser der zu beobachtenden medialen Contentveränderung muss stattdessen viele andere Determinanten mit berücksichtigen. Dabei wäre streng genommen auch zu klären, welche dieser Determinanten zu welchem Zeitpunkt genau welche Art von Einfluss hatte. Sekundäranalytisch ist das nur mit extrem viel Aufwand und nur auf solider und für Längsschnittuntersuchungen auch historisch retrospektiv angelegter Datenbasis zu operationalisieren. Eine solche Datenbasis zum Berufsfeld Werbung gibt es Deutschland nicht. Bleibt nur zu hoffen, dass man sich in Zukunft endlich auch primäranalytisch mit der Frage zu beschäftigen beginnt, ob eine bessere Repräsentation von Frauen in der massenmedialen Contentproduktion tatsächlich auch zu einer realistischeren, angemesseneren und weniger verzerrenden Darstellung von Frauen in Medienprodukten wie zum Beispiel der Werbung führt. Originäre Kommunikatorforschung durch quantitative und qualitative Befragungen sowie teilnehmende Beobachtung wäre hier gekoppelt mit Produktanalysen das Mittel der Wahl. Darüberhinaus müsste aber im Bereich der Wirkungsforschung parallel dazu geklärt werden, ob Werbung bei Verzicht auf stereotype, simplifizierende, mythenbehaftete, Vorurteile bedienende und verzerrende persuasive Formen der Kommunikation trotzdem die jeweils intendierten Wirkungen erreichen würde. Wenn ja, dann gäbe es zumindest keinen Grund mehr zu behaupten, bestimmte Wirkungen könn-
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ten eben nur über den kreativen Einsatz von Stereotypen, Mythen, Vorurteilen, Vereinfachungen, Persiflagen, Zuspitzungen usw. erzielt werden. Literatur Arbeitsmarkt Werbung 2003. (2004, 23. Juni). ibv – Informationen für die Beratungs- und Vermittlungsdienste der Bundesanstalt für Arbeit, (13), 34-41, 660 KB. Bergler, R., Pörzgen, B., & Harich, K. (1992). Frau und Werbung. Vorurteile und Forschungsergebnisse. Köln: Deutscher Instituts-Verlag. Brosius, H.-B., & Staab, J. F. (1990). Emanzipation in der Werbung? Die Frauen und Männer in der Anzeigenwerbung des "Stern" 1969-1988. Publizistik, 35, 292-303. Deutscher Sparkassen Verlag & Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft. (Hrsg.). (2001). Werbung. Strukturen, Ziele, Grenzen. Stuttgart: Deutscher Sparkassenverlag. Fröhlich, R. (2002). Die Freundlichkeitsfalle. Über die These der kommunikativen Begabung als Ursache für die "Feminisierung" des Journalismus und der PR. In H. Starkulla Jr., U. Nawratil & P. Schönhagen (Hrsg.), Medien und Mittler sozialer Kommunikation. Beiträge zu Theorie, Geschichte und Kritik von Journalismus und Publizistik. Festschrift für Hans Wagner (S. 225243). Leipzig: Leipziger Universitätsverlag. Fröhlich, R., & Holtz-Bacha, C. (1995). Frauen und Medien. Eine Synopse der deutschen Forschung (unter Mitarbeit von Jutta Velte). Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Fröhlich, R., & Peters, S. (2007). PR "bunnies” caught in the agency ghetto? Gender stereotypes, organizational factors, and women's careers in PR agencies. Journal of Public Relations Research, 19, 229-254. Fröhlich, R., Peters, S., & Simmelbauer, E.-M. (2005). Public Relations. Daten und Fakten der geschlechtsspezifischen Berufsfeldforschung. München: Oldenbourg. Goffman, E. (1981). Werbung und Geschlecht. Frankfurt am Main: Suhrkamp. GWA Frühjahrsmonitor 2004. http://www.gwa.de/Ausbildung_Fruehjahr_2004.1675.0.html [zuletzt eingesehen am 19.1.2008] GWA Frühjahrsmonitor 2007. http://www.gwa.de/uploads/media/FM07_Konjunktur.pdf [zuletzt eingesehen am 19.1.2008] GWA Herbstmonitor 2006. http://www.gwa.de/Branchenattraktion.2535.0.html [zuletzt eingesehen am 19.1.2008] GWA Herbstmonitor 2007. http://www.gwa.de/Geschaeftslage_Herbst_200.2975.0.html [zuletzt eingesehen am 19.1.2008] GWA Herbstmonitor 2007. (2008). Mitarbeiter-Struktur der Agenturbranche (unveröffentlichter chart report). Bonn: GWA. GWA Sommermonitor 1997. http://www.gwa.de/Nachwuchs_und_Agentur-Mit.635.0.html [zuletzt eingesehen am 19.1.2008]
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Frau und Mann in der Werbung – rechtlich betrachtet Jutta Stender-Vorwachs
Die folgende Betrachtung will einen Blick auf die rechtlichen Aspekte der Darstellung von Frauen und Männern in der Werbung werfen. Um den Problemen nachzugehen, bedarf es zunächst eines kurzen Überblicks über die gesetzlichen Grundlagen, denen die Werbung unterliegt und die auch ihre Schranken definieren (I.); danach möchte ich auf die einschlägige Rechtsprechung in diesem Bereich (II.) sowie auf die Rolle des Deutschen Werberates (III.) eingehen. Schließlich sollen Kriterien für die rechtliche Beurteilung konkreter umstrittener Werbemaßnahmen entwickelt werden (IV.). 1
Gesetzliche Grundlagen
Gesetzliche Grundlage für Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gegen Werbeproduzenten und auch die Medien, insbesondere die Presse, ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Die Generalklausel des § 1 UWG a.F., die bis 2004 gültig war und Grundlage aller einschlägigen Gerichtsentscheidungen ist, enthielt einen allgemein verfassten Verbotstatbestand, nachdem eine Klage auf Unterlassung oder Schadensersatz vor den Zivilgerichten möglich war, wenn im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs (und damit auch durch Werbemaßnahmen) Handlungen vorgenommen werden, die "gegen die guten Sitten" verstoßen. Das im Jahr 2004 erlassene UWG enthält nun Beispiele für unlauteren Wettbewerb. Trotz vielfältiger Bestrebungen ist die Fallgruppe der frauenfeindlichen Werbung in den Beispielkatalog des § 4 UWG n.F. nicht aufgenommen worden. Allerdings bestimmt dieser unter Nr. 1 Wettbewerbshandlungen als unlauter, wenn diese "geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen" (Hervorhebung d. Verf.). Mit dieser Formulierung wird entsprechend der bisherigen Rechtsprechung klargestellt, dass der
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Richter keine Geschmackszensur vorzunehmen hat. Geschmacklose oder taktlose Werbung ist nicht per se unlauter (vgl. Henning-Bodewig, 1997; Piper, Ohly, & Sosnitza, 2010, UWG § 4 Rdnr. 1/44; Wassmeyer, 2002). Zudem muss die Werbung auch nicht mehr allein eine sachliche Information über das Produkt oder die Dienstleistung enthalten. Zunehmend bestimmen unternehmensorientierte Argumente und weniger sachbezogene Kriterien in der Konsumgüterwerbung das Marktverhalten des Verbrauchers. Die Imagepflege des Unternehmens steht im Vordergrund. Daher ist die bildliche Darstellung des umworbenen Produkts heute nicht mehr Voraussetzung für die Lauterkeit des Wettbewerbsverhaltens (H.I.V.-Positive, 1995, S. 601; Kinderarbeit, 1995, S. 596; Ölverschmutzte Ente, 1995, S. 599). Bei der Auslegung der Begriffe früher der Sittenwidrigkeit und heute der Menschenverachtung sowie des unangemessenen unsachlichen Einflusses der Werbung auf das Entscheidungsverhalten des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsmarktteilnehmers (Köhler & Bornkamm, 2011, UWG § 4, Rdnr. 1.38) bedarf es des Rückgriffs auf das Verfassungsrecht, also auf Normen des Grundgesetzes (vgl. Henning-Bodewig, 1997). Durch den Einfluss der verfassungsrechtlichen Wertungen finden die Grundrechte – hier die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) sowie die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) auf der einen Seite, das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) insbesondere der Frau sowie die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) auf der anderen Seite – Eingang in das Privatrecht. Verwendet der Gesetzgeber wie im UWG Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe, so hat der Richter bei deren Auslegung die Wertungen des Grundgesetzes zu beachten (Busengrapscher..., 1995, S. 594). Bei der Frage, ob eine Werbung unlauter ist und damit untersagt werden kann, ist daher zu prüfen: 1. 2. 3.
Fällt die Werbung in den Schutzbereich eines Grundrechts? Wird mit den Bestimmungen zum Schutz des lauteren Wettbewerbs in diesen Schutzbereich eingegriffen? Gibt es eine Rechtfertigung für diesen Eingriff? Diese Frage beantwortet das Gericht anhand einer Abwägung der Interessen des Werbetreibenden bzw. des vertreibenden Mediums mit den Grundrechten des Persönlichkeitsrechts und der Menschenwürde (vgl. Stender-Vorwachs & Theißen, 2006).
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Zu 1: Wirtschaftswerbung ist durch das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt (Ölverschmutzte Ente, 1995, S. 600; Benetton I. 2001, S. 172), auch wenn sie auf gesellschaftlich und politisch relevante Themen hinweist und diesen damit öffentliche Aufmerksamkeit verschafft. Insofern kann auch "das bloße Anprangern eines Missstandes ein wesentlicher Beitrag zur freien geistigen Auseinandersetzung sein" (Benetton I, 2001, S. 174). Dabei spiele die Kommerzialität der Meinungsäußerung keine Rolle, da die Wirkung einer gesellschaftskritischen Anzeige durch den Werbekontext nicht in Frage gestellt werde (siehe Facius & Leistner, 2010). Die publizistische Verbreitung einer Werbung wird vom Grundrecht der Pressefreiheit in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG umfasst. Der Verlag verhält sich zum Inhalt der Werbung neutral; er will lediglich fremden Wettbewerb fördern, um dadurch eigene Einnahmen zu erzielen (Image-Werbung, 2001, S. 170). Zu 2: Das UWG greift mit seinen Verbotsbestimmungen in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit ein. Die Ordnungsregeln des Wettbewerbsrechts setzen dem Werbenden und den Medienunternehmen Grenzen. Zu 3: Gerechtfertigt ist der Eingriff in die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit, wenn er der Schrankenbestimmung des Art. 5 Abs. 2 GG entspricht. Art. 5 Abs. 2 GG nennt als Schranke insbesondere die allgemeinen Gesetze, also Gesetze, die sich nicht gegen eine bestimmte Meinung richten, sondern dem Schutz anderer Rechtsgüter dienen (Lüth, 1958). Zu diesen Gesetzen gehört das UWG. Seine Bestimmungen, hier also die Unzulässigkeit einer menschenverachtenden oder durch sonstigen unangemessen unsachlichen Einfluss die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers beeinträchtigenden Werbung, sind im Lichte der Bedeutung der Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 GG auszulegen. Das heißt im Klartext: In jedem Einzelfall erfolgt eine Abwägung zwischen Meinungs- und Pressefreiheit einerseits und Persönlichkeitsrecht der Betroffenen andererseits (vgl. Stender-Vorwachs & Theißen, 2006). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird vor allem unter zwei Gesichtspunkten eine Schranke bilden. Zum einen kann aggressiven, insbesondere belästigenden Geschäftspraktiken der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des umworbenen Verbrauchers als verfassungsrechtliches
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Schutzgebot entgegenstehen. Zum anderen setzen das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie seine einfachgesetzlichen Ausprägungen im Rahmen der besonderen Persönlichkeitsrechte einer werbemäßigen Vermarktung von Name, Bild oder sonstigen Persönlichkeitsdetails (Stimme, besondere Eigenheiten der Person) enge Grenzen. 2
Rechtsprechung
Die Zivilgerichte sowie das Bundesverfassungsgericht haben mit der Zeit Fallgruppen unzulässigen unlauteren Wettbewerbs herausgearbeitet, so etwa die gefühlsbetonte Werbung, belästigende Werbung, Werbung mit Angst oder schockierende Werbung. Eine Fallgruppe frauendiskriminierende Werbung hat sich bisher nicht herausgebildet (vgl. Henning-Bodewig, 1997; Stender-Vorwachs & Theißen, 2006; Piper, Ohly, & Sosnitza, 2010, UWG § 4 Rdnr. 1/45). Ein prägnantes Beispiel aus der Rechtsprechung stellt die BGH–Entscheidung "Busengrapscher und Schlüpferstürmer" dar (1995, S. 592). In dieser Entscheidung hat das Gericht die Etiketten zweier Miniatur-Likörflaschen als Verstoß gegen § 1 UWG a.F. beurteilt. Das Etikett "Busengrapscher" zeigt comicartig einen Mann, der einer Frau von hinten an die Brust greift. Das Etikett "Schlüpferstürmer" zeigt ebenfalls comicartig verfremdet eine nackte Frau, die sich gerade ihren Slip auszieht. Der BGH stellt auf die "Wertvorstellungen der beteiligten Verkehrskreise" ab und kommt zu dem Ergebnis, dass beide Etiketten in obszöner Weise den Eindruck der freien Verfügbarkeit der Frau in sexueller Hinsicht vermitteln und zudem der Vorstellung Vorschub leisten, dass die Verfügbarkeit mit dem Genuss alkoholischer Getränke noch verstärkt werde. Die Etiketten werden daher als kränkende Herabsetzung eines Bevölkerungsteils und als Verstoß gegen die Menschenwürde bewertet. Die Werbung wirke daher Ärgernis erregend und belästigend. Insbesondere könne sich der Hersteller nicht auf den Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen, da der Werbung vorliegend nicht der Charakter einer Meinungsäußerung zuzubilligen sei. Das Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung fehle. Das rein kommerzielle Interesse an dem Absatz der Waren habe bei der gebotenen Güterabwägung zurückzutreten, wenn diesem Interesse ein anderes schutzwürdiges Interesse ge-
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genüberstehe. Die Ausführungen des BGH stellen maßgeblich auf die Menschenwürde der Frau ab und nicht allein auf eine Geschlechterdiskriminierung (Stender-Vorwachs & Theißen, 2006). Es müssen also weitergehende Umstände als die der Darstellung der Frau im sexuellen Kontext vorliegen, um die Unlauterkeit der Werbung zu bejahen (Henning-Bodewig, 1997). Die Beurteilung im Einzelfall muss beachten, dass nur diejenigen Interessen der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer Berücksichtigung finden können, die sie in dieser Eigenschaft, also in ihrer Funktion als zukünftiger Käufer oder zukünftige Käuferin, berühren und beeinflussen. Hinzu kommt, dass bei Werbung mit Sachbezug die Umstände, die zu einem "sonstigen unangemessen unsachlichen Einfluss" auf die Kaufentscheidung des Verbrauchers führen, stärker sein müssen als bei einer reinen Imagewerbung. So hat das OLG München (Wodkawerbung, 1997, S. 107) eine Wodkawerbung als vereinbar mit den guten Sitten des § 1 UWG a.F. angesehen. Die strittige Werbung zeigt eine neben einer Wodkaflasche stehende Frau in einem schulterfreien Latexkostüm, das der Gestalt einer Nixe nachempfunden ist. Auf der Vorderseite des Kleides befindet sich ein Reißverschluss. Die Darstellung ist überschrieben mit dem Slogan: "Hätten Sie nicht Lust, sie gleich zu öffnen?". Das Gericht entschied, dass ein erotischer Bezug zwar vorliege, aber kein eindeutiger sexueller Gehalt erkennbar sei. Vielmehr spiele der Slogan mit möglichen Assoziationen. Die Werbung gehe daher nicht über den verbreiteten Einsatz erotischer Anreize oder sexueller Anspielungen hinaus. Die Rechtsprechung stellt also bei ihrer Interessenabwägung darauf ab, ob die gewählten Motive zum Zweck der Werbung von der Allgemeinheit missbilligt oder für untragbar gehalten werden. Eine deutliche Herabwürdigung und Diskriminierung ist dabei nur im Falle der Verletzung der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG, also etwa bei der Darstellung von Frauen als sexuell verfügbar, rechtlich sicher festzustellen. Unterhalb der Schwelle der Menschenverachtung liegende Sachverhalte bedürfen weiterhin einer Abwägung im Einzelfall. So kann die seit Jahren zunehmende Werbung mit sexuellen Motiven im Allgemeinen nicht als wettbewerbswidrig angesehen werden. Angesichts der Enttabuisierung, die das Sexualleben seit langem erfahren hat, und angesichts der damit einhergehenden Erörterung von Fragen der Sexualität in aller Offenheit in den Printmedien und elektronischen Medien empfindet die große Masse des Publikums die Darstellung solcher Themen in Wort und Bild nicht mehr als anstößig, mag sie auch
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noch von Teilen der Bevölkerung für geschmacklos gehalten werden (Piper, Ohly, & Sosnitza, 2010, UWG § 4 Rdnr. 1/44). 3
Deutscher Werberat
In einer Resolution des Europarats wurden 1972 die Mitgliedstaaten der EG aufgefordert, die Werbebranchen in ihren Ländern bei der Gründung selbstdisziplinierender Institutionen zu unterstützen, so dass im Anschluss daran der Deutsche Werberat im gleichen Jahr gegründet wurde (Nickel, 1985). Dieser stellt eine Institution der im Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) zusammengeschlossenen Organisationen der werbenden Wirtschaft, der Medien, der Kommunikationsagenturen sowie der Werbeberufe und der Forschung dar. Grundsätzlich steht es jedem Bürger offen, dem Werberat Beschwerden über Werbemaßnahmen der Wirtschaft vorzulegen. Bei vermuteten Gesetzesverstößen leitet der Werberat den Fall an die zuständigen Bereiche weiter. Wird eine Werbemaßnahme kritisiert, erhält das betroffene Unternehmen zunächst Gelegenheit zur Stellungnahme, die Teil der Entscheidungsgrundlage wird. Bei einer Beanstandung durch den Deutschen Werberat wird das Unternehmen aufgefordert, die Werbemaßnahme einzustellen oder abzuändern. Wird dieser Aufforderung nicht entsprochen, so rügt der Deutsche Werberat das Unternehmen, indem er eine Mitteilung an die Redaktionen von Massenmedien herausgibt. Bereits 1980 forderte der Deutsche Werberat die Wirtschaft auf, Frauen in der Werbung nicht mit diskriminierenden Darstellungen zu entwürdigen. 1991 erließ der Deutsche Werberat eine Verlautbarung über Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen. Diese Grundsatzerklärung weist darauf hin, dass auch die Werbung den grundrechtlichen Schutz der freien Meinungsäußerung und der Kunstfreiheit genieße, aber dennoch sich auch Werbung an die gesellschaftliche Ordnung mit ihrem Prinzip des Schutzes der Menschenwürde zu halten habe. So seien sexuell aufreizende Abbildungen oder entsprechende Texte in der Werbung zu unterlassen. In der Spruchpraxis des Deutschen Werberates sind insbesondere Anzüglichkeiten auf Kosten der Frau und die Degradierung der Frau als Objekt in der Werbung von Bedeutung. Die sexuelle Darstellung einer Frau zu Werbezwecken ist grundsätzlich unproblematisch. Jedoch sanktioniert der Werberat Werbung, in der die Darstellung der Frau (oder auch des Mannes)
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als Lustobjekt keinen Zusammenhang zu dem beworbenen Produkt aufweist. So wurde eine Anzeige für holländische Zwiebeln, die mit dem Slogan "Etwas Scharfes aus Holland" und der Abbildung von nur mit Netzstrümpfen bekleideten Frauenbeinen warb, als Frauen diskriminierend beanstandet (Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft, 1997); ebenso die Werbung auf einer Miniatur-Likörflasche mit der Aufschrift "Scharfer Hüpfer", die eine comicartig verfremdete Darstellung eines nackten Mannes und einer nackten Frau zeigt (vgl. Busengrapscher..., 1995, S. 595). Weitere Beispiele: Ein Baumarkt warb in einer Beilagenwerbung mit einer tief dekolletierten Frau und dem Werbespruch "Viel Holz vor der Hütte – Tolle Preise für knallharte Kerle". Ein Musiksender warb auf Plakaten mit der Abbildung einer jungen Frau, die mit gespreizten Beinen vor einem Fernsehgerät sitzt. Überschrieben war das Plakat mit dem Appell "Kauf mich". Ein großflächiges Plakat an Baustellen eines Dachdeckerunternehmens zeigte einen Facharbeiter, der eine fast nackte Frau auf dem Arm hält. Die Headline darüber lautete: "Wir decken fast alles". Und schließlich: Die doppelseitige Anzeige einer deutschen Publikumszeitschrift mit hoher Auflage zeigte nackte Männer aus Papua-Neuguinea. Diese befanden sich nach dem Text auf einer "Werbeveranstaltung" ihres Heiratsmarktes, auf dem sie ihre Männlichkeit feilbieten. Ihre Penisse sind mit Röhren künstlich verlängert und hochgebunden. Die Zeitschrift wollte Werbefachleute auf ihre enorme Reichweite hinweisen (Nickel, 2002). Andererseits hat der Deutsche Werberat zum Beispiel die folgende Werbung nicht beanstandet: Eine staatliche Lottogesellschaft schaltete Abbildungen der Rückenansicht eines nackten Mannes, vor dem eine bekleidete Frau steht, ihre Augen auf den Genitalbereich gerichtet, mit der Schlagzeile: "Alle Kugeln im ordnungsgemäßen Zustand?". Der Werberat vertrat die Ansicht, diese Anzeige würdige den Mann nicht geschlechtsspezifisch ab. Der Anzeigentext greife in humorvoll-ironischer Weise den bekannten Satz aus der Fernsehsendung "Ziehung der Lottozahlen" auf. Zweites Beispiel: In einer Anzeige einer deutschen Wäschefirma steigt eine Frau aus dem Fond eines Autos. Es ist Abend. Sie trägt einen sehr kurzen Rock, das eine Bein steht schon auf der Straße, das andere stützt sich angewinkelt auf der Türschwelle ab. Die Beine sind in dieser Position weit geöffnet. Der Blick fällt auf ihren Slip. Nach Ansicht des Werberates ist für den verständigen Durchschnittsverbraucher erkennbar, dass die Anzeige auf augenzwinkernde Weise das bekannte Phänomen aufgreife, dass Damen der High Society das
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Aussteigen aus einer Limousine "grundsätzlich für eine mehr oder weniger gelungene Selbstinszenierung" nutzten. Die Anzeige ironisiere durch eine überhöhte Darstellung dieses oft öffentlich diskutierte Szenario. 4
Anwendung auf eine konkrete Werbemaßnahme
Ausgangspunkt soll eine Anzeigenkampagne der italienischen Modemarke Dolce & Gabbana sein. Abbildung 1: Werbeplakat Dolce & Gabbana
Diese Werbung hat in Italien und Spanien zu heftiger Kritik Anlass gegeben, die das Designerduo Stefano Dolce und Domenico Gabbana zum Rückzug ihrer Kampagne veranlasst hat. Der Vorwurf: Es handele sich um eine "Anstiftung zur Gruppenvergewaltigung", um ein neues Beispiel für "verantwortungsloses Werbegebrüll" (Dolce e Gabbana-Werbung..., 2007). Dagegen die Reaktion der Designer: "Was hat ein künstlerisches Foto mit Gewalt gegen Frauen zu tun?" Übrigens haben Dolce & Gabbana 2002 für ihr Parfum ebenfalls mit einer Gewaltanspielung geworben: Zu sehen ist eine attraktive, knapp mit Slip und BH gekleidete Frau, die ein Mann mit nacktem Oberkörper von hinten umfasst und dabei die Hand zur Faust ballt. Es scheint so, als genieße die
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Frau den harten Griff, die geballte Faust (vgl. Marschik & Dorer, 2002). Soweit bekannt, ist diese Werbung nicht beanstandet worden. Die Kampagne von D&G schockiert die einen, liegt jenseits der Geschmacksgrenze für die anderen oder lässt Dritte eher kalt. Das italienische Designer-Paar zeigt eine glänzend polierte Szene, die Körper sind perfekt, das Outfit auch. Nirgends sind Blut oder Tränen zu sehen. Alles wirkt total künstlich. Ist die Werbung also rechtlich nicht zu beanstanden? Die Werbung wird zunächst einmal von der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit geschützt. Etwaige wettbewerbsrechtliche Maßnahmen (Beseitigung oder Unterlassung weiterer Verbreitung) greifen in diese Freiheiten ein. Solche eingreifenden Maßnahmen sind gerechtfertigt, wenn bei einer Gesamtabwägung den Interessen der Verbraucher ein größeres Gewicht einzuräumen ist als den Interessen von Dolce & Gabbana und der Zeitungen, die die Anzeige veröffentlichen. Eindeutig unzulässig ist die Werbung, wenn sie menschenverachtend ist, also die Frau zum Sexualobjekt degradiert wird. Unterhalb dieser Schwelle ist – abhängig von der Sachbezogenheit der Werbung – auf weitere Umstände abzustellen. Mildernd wirken hier ironisierende Darstellungen. Verschärfend können dagegen Elemente der Gewalt herangezogen werden. Ausschlaggebend ist insofern der Kaufanreiz, der bei dem Durchschnittsverbraucher ausgelöst wird. In der Werbung von D & G werden von den Models Jeans der Designermarke getragen. Insofern ist ein sachlicher Bezug vorhanden. Die Werbung ist bewusst künstlich gestaltet. Alles ist "clean". Die Körper sind geradezu unnatürlich gestylt. Die Darstellung von "Gewalt" erfolgt also nicht realitätsnah, sondern überhöht. Insofern kann man die Darstellung mit ironisierender Werbung vergleichen. Dem Betrachter ist klar, dass es sich um ein inszeniertes Bild handelt. Die Frau am Boden wirkt nicht bedrängt. Ihre Frisur sitzt. Sie ist perfekt geschminkt. Diese Szene ist kein Vergewaltigungsbild. Nach meiner Ansicht ist sie nicht wegen unlauteren Wettbewerbs unzulässig.
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Jutta Stender-Vorwachs
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Die ges(ch)ichtslose Frau – Überlegungen zum Verlust von weiblichen Vorbildern in der Werbung Nicole M. Wilk
Der weibliche Körper und das Wissen über diesen Körper haben eine politische Dimension. In den 60er und 70er Jahren war es das Verdienst der zweiten Frauenbewegung, auf die versteckten Bio-Politiken aufmerksam gemacht zu haben. Diese umfassen Praktiken, die Weiblichkeit als Negativ zur körperlos-geistigen Männlichkeit porträtieren. Es ist diese symbolische Unterordnung, die den Rang des männlichen Breadwinners in den heimischen vier Wänden sicherte. Der Aufklärungsslogan "Das Private ist politisch" legte damit einen in der Familiensituation unsichtbar gemachten Machtmechanismus frei: Die unbezahlte Haus- und Erziehungsarbeit konnte im Verhältnis zur Lohnarbeit des Mannes seit der Industrialisierung die prestigearme Rolle der Frau rechtfertigen frei nach dem Motto "Wer das Geld nach Hause trägt, hat auch das Sagen". Das Leitbild der Hausfrauenehe mit seiner verbindlichen geschlechtlichen Arbeitsteilung wird schließlich 1977 durch das Inkrafttreten des Eherechtsreformgesetzes juristisch aufgekündigt. Bald gehören auch gesellschaftlich die traditionellen Leitbilder der Nur-Hausfrau und Mutter der Geschichte an. Seitdem holen Frauen auf. Ende der 90er Jahre schneiden die Absolventinnen aller Schulen und Ausbildungsstätten mit besseren Noten ab als ihre männlichen Mitstreiter, und auch auf dem Arbeitsmarkt steigen immer mehr Frauen auf und behaupten sich in ehemals von Männern dominierten Branchen – auch wenn ihre Gehälter noch immer bis zu einem Drittel unter denen männlicher Kollegen liegen und auch die arbeitsmarktpolitischen Segregationen (glass ceiling und pink bzw. blue files) so manchen Chefsessel für den männlichen Konkurrenten reservieren. Im Jahr 2000 war knapp die Hälfte aller Erwerbstätigen weiblich. In ihrem Streben nach Selbstbestimmung stehen Frauen den Männern in nichts nach, auch wenn in den Berufen, die eine akademische Ausbildung verlangen, nicht selten Kinderlosigkeit als Preis für die Karriere der Frau erscheint. Rund 40 Prozent aller Akademikerinnen bleiben ohne Nachwuchs.
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Die Doppelorientierung vieler Frauen an Markt und Familie fügt sich in das populäre Image des flexibilisierten Unternehmer-Ichs, das sich nicht mehr nur an einer einzigen Berufswahl orientiert. Der in der Sozialpsychologie mit den Begriffen Patchwork- und Bastel-Identität (vgl. Keupp, 1999) gefassten Entwicklung folgt die liberale Forderung der 80er Jahre, der Staat möge sich aus privaten und familiären Entscheidungen heraushalten. Mit sinkenden bzw. stagnierenden Geburtenzahlen sieht sich die staatliche Bevölkerungspolitik jedoch erneut in der Pflicht. Neben dem Rechtsanspruch auf Krippenplätze und Kinderbetreuung diskutieren wechselnde Familienministerinnen (!) auch über andere bevölkerungspolitische Signale wie Mindestlöhne, Klimaschutz und innenpolitische Sicherheit. Diese Suggestionen öffentlicher Verantwortung für die junge Familie werden in kommerziellen Kontexten bereitwillig aufgegriffen und in einen Gebärappell transformiert, der sich mit einer seit den 50er Jahren immer rigider werdenden Schönheitsnorm verbindet – was nicht ohne Widerspruch für die einzelne Frau in ihrer Rolle als mütterliche und/oder berufstätigeVerbraucherin bleibt. Diesen Trend, der sich in Bezug auf das gegenwärtige Frauenbild in Print- und Fernsehwerbung abzeichnet, möchte ich den Trend zur RePolitisierung des weiblichen Körpers nennen (body politics). Ein weiterer Trend, der im Anschluss erläutert werden soll, verfolgt die semiotische Besetzung des Körperinnern, insbesondere des Hirns und eines in Aufruhr geratenen Verdauungsapparats, der sich in seiner Abwehrfunktion als psychosomatisches Symptomorgan herausgebildet hat (Beispiel functional food). 2006 hat die Unterwäschefirma Mey mit einem TV-Spot für Furore gesorgt, der ganz unverhohlen die Frage der Mutterschaft an die weibliche Verführungskraft bindet. Nachdem ein Dutzend Babys auf rotem Samtboden herumgekrabbelt ist, zeigt die Kamera eine überschlanke Frau in kniender Pose, die sich aufrichtet und dabei den vogelperspektivischen Blick auf die am Po weit ausgeschnittenen Hotpants und ihren knappen BH preisgibt. Dazu wird der Slogan eingeblendet: "Mey hat es erkannt. Deutschland braucht mehr Babys. Und Meys’ Beitrag zu diesem Thema ist: Schöne Wäsche" (Abbildung 1). Meys Wäsche schmeichelt und kaschiert nicht, sie fördert die optimale Zurschaustellung eines "gestylten" Körpers. Das Motto "Körper machen Leute", das seit den 70er Jahren die Werbeszene dominiert, verbindet sich hier mit der Chance auf privates Glück. In ironisierender Weise greift die Mey-Werbung ein aktuelles bevölkerungspolitisches Thema auf und versucht es körperpolitisch zu lösen: Der schöne
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Körper ist nicht nur Objekt des Begehrens, sondern Zünglein an der Waage für elementare Lebensentscheidungen. Die pure Lust am Fleischlichen, im 19. Jahrhundert als Feindin jeder Ehe verteufelt, wird nun zum Impuls für die Familiengründung humorig stilisiert. Dabei hüllt sich die symbolische Tiefenschicht in ein heiteres "So läuft es eben!" Mit dieser Einschmeichelung gelingt es dem Spot, etwas als individuelles Attraktivitätsproblem von Frauen zu verhandeln, das eigentlich eine Frage gesellschaftlicher Rahmenbedingungen in Verbindung mit persönlichen Formen der Anerkennung in einer Liebesbeziehung ist (vgl. Honneth, 1998). Abbildung 1: Standbild aus dem TV-Spot der Unterwäschefirma Mey (2007)
Das starre Festhalten an dieser Körpernorm steht den eingangs zitierten Erfolgen der beiden Frauenbewegungen des 20. Jahrhunderts nicht nur entgegen, es deutet zudem darauf hin, dass hier eine Körperfunktion (Gebärfähigkeit) mit einem ästhetischen Reiz kurzgeschlossen wird, der zum Megasignifikanten einer neuen Gefügigkeit avanciert. Dieser Eindruck von Ergebenheit und Hingabe, der sich aus der liegenden und auf dem Boden rekelnden Pose der Frau ableitet, unterscheidet den Spot von seinem Pendant mit männlichem Protagonisten. Dieser, mit einer großzügig geschnittenen schwarzen Unterhose bekleidet, erhebt sich aus einem Stuhl und präsentiert sich in den weiteren Einstellungen stehend. Die Kamera fokussiert ihn aus der Froschperspektive, wohingegen sich die weibliche Darstellerin horizontal um einen Stuhl wickelt, während ihre blonden Locken lasziv im
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Studiowind wehen. Die Frau ergibt sich, der Mann zeigt "Haltung". Sein Körper ist damit nicht in ähnlicher Weise funktional-ästhetisch besetzbar. Die Semiotisierung des weiblichen Körpers hingegen führt dazu, dass für die Frau nichts Geringeres als ihre Weiblichkeit ("mütterlich" und begehrenswert sein) auf dem Spiel steht, wenn sie sich dem Körperideal nicht zumindest symbolisch beugt. Diese Form der Körperaneignung wird ergänzt durch eine Serie von Nahrungs- und Lifestyle-Produkten, die die richtige Einstellung zur "bewussten Ernährung" und zur Fitness katalysieren. Selbst beruflich erfolgreiche Frauen und Mütter – Arbeitnehmerinnen, Selbständige, Akademikerinnen, Managerinnen – messen sich an diesem Schönheitsideal, mit dem sie sich auf Symbolebene "dünne machen". Der stilisierte Frauenkörper steht zugleich für sexual- wie bevölkerungspolitische "Lösungen" zur Verfügung. Die Reproduktionsfrage wird verhandelt über die Arbeit, die die Frau bereit ist, an ihrem Körper zu verrichten. Eine Folge der Funktionalisierung von Organen, Schönheit und Körperform ist der Verlust von Individualität oder bezogen auf die moralische Integrität: der Gesichtsverlust. In diesem Lichte erscheinen die kumpelhaften Ansprachen an das ästhetisierte Verbraucher-Ich als eine Art hysterischer Beschwörung einer Identität, die unter der Erosion gesellschaftlicher Traditionen, Familienbande und Schichtzugehörigkeiten im Begriff ist zu schwinden. Mit ihnen verflüchtigen sich auch die seit den 20er bzw. 50er Jahren viel zitierten und beklagten Stereotype, derer sich Werbung mit Vorliebe bediente. Es entstanden Geschichten voller Klischees von männerfrühstückenden Vamps, femmes fatales, erotischen Bürohäschen, emsigen Hausfrauen und treu sorgenden Müttern. Doch wo tauchen diese Frauentypen heute noch auf? Es wirkt ganz so, als habe die Bewegung der 68er mit ihrer Abkehr von autoritären Vorgaben mit den Geschlechterstereotypen alle Vorbilder und Rollenmodelle gleich insgesamt verabschiedet. Übrig geblieben sind vergeschlechtlichte Körperbilder, relativ frei politisier- und funktionalisierbar. Dabei hat das Denken in Vorurteilen einen sozialpsychologisch nicht zu unterschätzenden Sinn. Es stärkt Überzeugungen, reduziert Handlungsalternativen in komplexen Situationen und strukturiert Beziehungen, indem es Zugehörigkeitsgefühle erzeugt und Abgrenzung ermöglicht – allesamt Aspekte, die für die Konstitution des Selbst eine Schlüsselrolle spielen. Das Mutterbild, das Mey mit Attraktivität verknüpft, ist körpersemiotisch kaum noch mit Fürsorglichkeit assoziiert. Dies belegt auch der Blick
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der 23-jährigen Lara Fritzsche auf ihre eigene Mutter, die dieselbe in einem ZEIT-Interview zum Thema "weibliche Vorbilder" (Rubrik "Leben") zu ihrem Vorbild erklärt. Überraschenderweise gleicht das mütterliche Vorbild einer alterslosen Beauty Queen. Fritzsche begründet in einem Zirkelschluss, dass die Orientierung an der Mutter deswegen leicht falle, weil Mütter heute ähnliche Interessen hätten wie ihre Töchter. Sie gibt folgendes Beispiel: "Eine Freundin beispielsweise muss sich Freitagabends mit ihrer Mama absprechen, damit sich die beiden nicht betrunken an der Bar begegnen" (vgl. Diez, 2007, S. 60). In ihren weiteren Ausführungen schließen sich überwiegend Belege für eine am Körpermaß ausgerichtete Vorbildhaftigkeit an. Dass die Mutter oft sogar eine kleinere Kleidergröße trage als die Tochter, mache sie nur umso mehr zum Vorbild: "Wenn sie das kann, kann ich das auch. Schließlich haben wir die gleichen Voraussetzungen," erklärt die Tochter in Anspielung auf die geteilte genetische Disposition (Diez, 2007, S. 60). Die Mutter ist Vorbild im Wetteifern um ein Körperkapital, dessen Folgen durch Fehl- und Mangelernährung dem, was es bezeichnet (Gesundheit und Fitness), mitunter genau entgegengesetzt ist. Madonna macht es vor. Sie ist das einzige zeitgenössische weibliche Vorbild, das den Artikel optisch flankiert. In einem Interview nannte sich die Popdiva kürzlich eine aktive Schönheit, die im Unterschied zu passiven Schönheiten nicht von Natur aus schön sei, sondern aktiv zur Herstellung ihrer Schönheit beitragen müsse. Für solche "aktiven Schönheiten" designt Madonna die Sommermode 2006 für die schwedische Modekette Hennes & Mauritz (Abbildung 2): Ihre neue Kollektion sei nicht sexy geworden, betont sie, sondern eher klassisch, und sie führt weiter aus, dass sie beim ersten Treffen mit den "Leuten von H&M" ein paar "ältere Kleider" mitgebracht hätte (vgl. Amend, 2007). Die 49-jährige Madonna, ein Megastar, der mit politisch und ethisch provozierenden Videos Aufsehen erregt hat, eine Strategin, die sich in der Ellenbogenbranche des Musikgeschäfts durchgesetzt hat, spricht in einem 15-minütigen Interview über nichts anderes als über ihren Körper und die Mode zu diesem Körper. Das macht stutzig. Das Sprechen über den Körper hat seit der Renaissance seinen Charakter gewandelt. Pierre Bourdieu prägte analog zu den ökonomischen, sozialen und kulturellen Kapitalsorten, die den Habitus eines Menschen bestimmen, den Begriff des Körperkapitals. Die Unternehmermetapher verweist auf das Verhältnis, in das der kapitalistisch geprägte Mensch zu seinem Körper tritt: Es ist ein Besitzverhältnis. Er hat seinen Körper im Unterschied zum Kör-
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persein des Menschen um 1600 und im Unterschied zum heutigen, marktlogisch vermittelten making bodies (analog zum making money). In diesem Sinn wünscht sich der Modemacher Karl Lagerfeld Ende der 70er Jahre, "in der Wahl meiner Figur frei (zu) sein" (zitiert nach Bourdieu, 1982, S. 337). Lagerfelds Sprech- und Lebensstil suggerieren die aktive Körpergestaltung. Im Kontrast zum erforschenden Verhältnis des Technikzeitalters gewinnt der nachindustrielle Mensch ein instrumentell-funktionales Verhältnis zum eigenen Körper: Er geht vom mittelalterlichen Körper-Sein, jener unmittelbaren Art des Körpererlebens, in ein kontrollierendes Körper-Haben über und gelangt in der Nachmoderne zu einem prometheischen Körper-Machen, das, durch medizinische Techniken beflügelt, den freien Zugriff auf Körperformen und -funktionen verspricht. Abbildung 2: Madonnas Kollektion "M" für Hennes & Mauritz, 2007
Während sich Werbung bis in die späten 80er Jahre des 20. Jahrhunderts überwiegend Verlustängste zunutze machte, um Schönheitsprodukte zu verkaufen (vgl. die bildmetaphorisch illustrierte Angst vor Gesichtsverlust, mit der Vichy seine Werbekampagnen bestreitet, Abbildung 3), sind inzwischen die frei herstellbare Schönheit und Jugendlichkeit zur Frage der richtigen Produktanwendung geworden. Körperform gilt als optional. Der Körper wird angeeignet als Ergebnis einer bewussten Wahl mit dem Druck, sich an herrschenden Schönheitsidealen zu messen und mehr noch Werte, Status und Moral am Gelingen der Verschönerungspraxis festzumachen. Option impliziert zudem die volle Verantwortlichkeit für die einmal getroffene Entscheidung. Die vermeintliche Wahlfreiheit wird in den Körperdarstellungen
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der Spots und Anzeigen in soziale Macht überführt. Und natürlich ist der Körper dabei etwas anderes als empfindsames Fleisch. Er ist Symbol für das moderne Selbstverhältnis des männlichen wie weiblichen Menschen, der Fremdzwänge so weit verinnerlicht hat, dass er sich als Schöpfer seines Körper-Ich, seiner körperbasierten Identität imaginiert. Abbildung 3: Drohender Gesichtsverlust (Vichy, Anzeigen 1999 und 2002)
Die Frau in der Werbung wird als Schöpferin ihrer selbst stilisiert. Die Orientierung an Idolen, Leitbildern, -medien und -kulturen gerät gleichzeitig zum allenfalls ironisch zitierbaren Zeichen einer überkommenden Moral und rückwärtsgewandter Wertvorstellungen. Stereotype Rollenmodelle mit normativen Verhaltenserwartungen erscheinen als Ausläufer, und es werden im Gegenteil typisierende Darstellungen des sozialen und moralischen Verhaltens im Scheinwerferlicht einer vollständig flexibilisierten Persönlichkeit eher vermieden. Werbung kreiert keine neuen Typen – die "neue Frau" oder die "Karrierefrau" der 80er Jahre konnten sich nicht durchsetzen – sie zeichnet Blaupausen (die schablonierte Magerfrau), in denen sich Konsumentinnen nach Belieben spiegeln können. Produkte und ihre Maskottchen machen dabei auf kumpelhafte Weise das Angebot, sich narzisstisch zu bestätigen. So zum Beispiel in der Teaser-Kampagne von Opel Corsa (Abbildung 4), die mit Puppen einer fiktiven Band namens C’Mon für radikalen Eigensinn wirbt. Wenn Sängerin Mo empfiehlt: "Live your Life not Mine!", erweist sich die Kampagne als krasse Absage an jede Art der Vor- und Leitbildkultur, die für die postindustrielle Lebensart kennzeichnend ist.
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Abbildung 4: Teaser-Kampagne (2006) von Opel Corsa mit der Band The C’Mons
Niemand soll oder will sich mehr leiten lassen, nicht von Vorbildern und auch nicht von Glaubensinstanzen, die jahrtausendelang den Menschen Maximen für richtiges Handeln vermittelten. Auch die Politik hat ihre revolutionären und konservativen Helden spätestens mit Auschwitz verloren. Während sich der bürgerliche Mensch des Industriezeitalters auf Tugenden wie Sittlichkeit und Affektmäßigung berief, bot parallel die kommerzielle Werbung bis in die 60er Jahre Identifikation und Orientierung (Abbildung 5): "Aber Tantchen, man wäscht doch mit Persil," heißt es belehrend auf einem Werbeplakat von 1927, und die Köchinnen von Maggi und Co. führen vor, was die Familie zusammenhält, was Ehemänner glücklich macht und wie Töchter in Haushaltsangelegenheiten zu unterweisen sind. Bis in die 80er Jahre wird empfohlen, angeraten und belegt – nicht nur für den physikalischen, auch für den sozialen Glanzeffekt: Der Spülmaschinenentkalker lässt es zwischen Nachbarn funken, Deos arrangieren Liebschaften und verwandeln unscheinbare in beliebte Kolleginnen, und schließlich begibt man sich mit einer Vorliebe für erlesene Pralinen, Likörs und Kaffees in allerbeste Gesellschaft. Zusammengefasst setzt Werbung ihre Produkte ein, um Gemeinschaften zu stiften und Geselligkeit zu erzeugen. Im Zeichen eines statistikbasierten Protonormalismus macht die massenmediale Ästhetisierung des Alltagslebens den anderen als Maßstab obsolet. Man misst sich an Durchschnitts-, Richt- und Normwerten. Selbstbestimmung, das Mantra der 70er Jahre, ist zum "Dogma" des 21. Jahrhunderts geworden. Es bricht sich an seriell produzierten Superstars, der Internet-Egomanie und den produktbezogenen Selbstdarstellungen, die individuellen Massengeschmack propagieren. Im Vordergrund steht die Funktion.
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Ihr entsprechen Lebensweisen mit geradezu religiösem Charakter. Die makellose Haut, Körperform und Waage zeigen die Standhaftigkeit des Glaubens an die Produktreligionen an (vgl. Thimm & Wellmann, 2003, S. 291). Nicht überraschend wirkt da ein Umfrageergebnis aus den USA, nach dem McDonalds unter den Jüngeren bekannter ist als Jesus. Image-Einverleibung hat die Hinwendung zum Vorbild oder Erlöser abgelöst. Abbildung 5: Vorbildlich! Werbung bot einst Identifikation und Orientierung (Roeder, 1925; Persil, Emailleplakate, 1927; AEG Plätteisen, Postkarte, 1925)
Das Ideal der ästhetisch stilisierten Selbstbezüglichkeit stützt sich auf die Vorstellung der Person als Ware: "Weil Sie es sich wert sind," wirbt L'Oreal, eine Begründung, die die Ausprägung des beschworenen Wertes offen lässt, so dass ausnahmslos jeder in die Pflicht zur verschönernden Körperpflege gerät. Dieses zum konsumistischen Mainstream mutierte Erbe der 68er, bestehend aus freizeitfüllenden Einverleibungs- und Schönheitsritualen, findet seine Bild gebende Entsprechung in Serien von Körperinnenansichten, mit denen insbesondere Lebensmittelwerbung seit einigen Jahren operiert. Dieser Trend sorgt für eine Segmentierung des weiblichen Körpers, bei der innere Prozesse mit Modellen anschaulich werden. Die Besetzung der Körperinnenräume verläuft nach dem Vogelscheuchenprinzip: Es werden Körperfeinde konstruiert (Schlacken, Ablagerungen, Fette etc.), die mithilfe spezieller Bakterienkulturen und körpereigener Abwehrhelfer
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zu bekämpfen sind (Abbildung 6). Die Innenräume von Magen, Darm, Blut und Arterien gleichen einer Kampfarena, in der sich zwei Waffen kristallisieren: das Wissen im Rahmen einer dietätischen Ernährungsvernunft (z. B. Digestivum Essensis) sowie Produkte, die auf diesem Wissen basieren. Wissenschaftliche Exaktheit verbindet sich mit lifestylebelebten Verwandlungsszenarien, die dem (meist weiblichen) Verbraucher Lust am orthorektischen Gehorsam verschaffen. Die Verpackung mit ihren Infokästen, eingebettet in Erzählstorys über ein glückliches Leben, wird zum Katechismus des vernünftigen Essers. Die für die soziokulturelle Identität produktive Auseinandersetzung mit anderen, deren Wahrnehmung das Bewusstsein über die eigenen Wünsche schärft, wird nach innen verlagert. Als Gegner treten fiktive Körperfeinde auf, aus deren Bekämpfung ein gestärktes narzisstisches Ich hervorgeht. Ein Appell auf der Homepage von Du darfst (Kraft) illustriert diese Verbindung aus Ich-Verliebtheit und Kriegsgeschehen ("Ernstfall"): "Machen Sie es wie die Frau im roten Kleid, flirten Sie mit Ihrem Spiegelbild und sorgen Sie für 'Wow!'-Momente, wann immer sich die Gelegenheit bietet. Das bringt Pluspunkte für die Stimmung und trainiert das Selbstbewusstsein für den Ernstfall" (http://www.dudarfst.de/duDarfstAktuell/tvSpot/index.asp). Abbildung 6: Abwehrkampf im Magen-Darm-Trakt (Optiwell Control, TV-Spot 2007 Actimel , TV-Spot 2006)
Dieser ereignet sich im Inneren der Frau, zumeist in der Körpermitte, der Bauchregion, dem weiblichen Schoß, symbolischer Sitz von Emotionalität und Mütterlichkeit. Trotz aller Ernährungsvernunft ist der weibliche Bauch zum Reizorgan geworden: Er verwertet ungünstig, bläht, schmerzt, schließt sich ab, arbeitet (vermeintlich) zu wenig, erweist sich als widerspenstig. Die Beschwerdezunahme könnte einer durch Schlankheitswelle und Schönheits-
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ideal gesunkenen Toleranz entspringen. Ihre Ursachen liegen sicher auch im Wandel der Ernährungsbedingungen (Ernährungsstile, Produktqualität etc.) sowie in den spezifischen psychosomatischen Symboliken des weiblichen Bauchs. Statistische Zahlen belegen für Deutschland zwar eine Abnahme der Sterbeziffer für Krebserkrankungen der Verdauungsorgane, die mit einem Anteil von 8.3 Prozent an allen Todesursachen die häufigste Krebsart darstellen.1 Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind jedoch zwischen 2002 und 2004 die Krankheitskosten für die bundesdeutschen Krankenkassen um 6.1 Milliarden Euro auf 224.9 Milliarden Euro (+2.8%) gestiegen. Und davon entfallen jeweils 1.8 Milliarden Euro auf Verdauungskrankheiten sowie auf gut- und bösartige Neubildungen, während der Zuwachs an psychischen und Verhaltensstörungen 1.3 Milliarden Euro betrug (vgl. Statistisches Bundesamt, 2006, S. 26). Dass Magen-Darm-Beschwerden für Frauen ein zentrales Thema sind, belegt die steigende Nachfrage an verdauungsfördernden Mitteln. Alternativ zum apothekenpflichtigen Abführmittel hat sich ein Wachstumsmarkt an funktionalen Produkten entwickelt, die dem Zeit sparenden Convenience Food der 80er bis 90er Jahre längst den Rang abgelaufen haben. Functional Food umfasst eine Vielfalt an prä- und probiotischen Lebensmitteln aus dem Kühlregal: Molkedrinks, Quarkspeisen, Joghurts etc. Sie fördern die Gesundheit der Darmmukosa, indem sie gegen Verstopfung helfen (Präbiotika) und das Immunsystem stärken (Probiotika). Laut Ernährungsbericht reduzieren Probiotika unter bestimmten Bedingungen nachweislich die Schwere und Dauer von Erkältungskrankheiten, die Ansteckung als solche aber verhindern sie nicht (Deutsche Gesellschaft für Ernährung, 2004, S. 458). Die verkaufsfördernden Losungsworte dieser Quasiarznei heißen "Kontrolle" (Optiwell Control, Campina), "Abwehr" (Actimel, Danone) und "Entlastung", symbolisiert durch einen von seiner Ess- und Lebensgeschichte unbefleckten "flachen Bauch" (Activia, Danone, Abbildung 7). Diese Produkte wecken die Vorstellung eines Polizeidienstes der weiblichen Abwehr, die gegen feindselige Störungen einschreitet, ausgelöst nicht durch Umweltgifte, sondern durch Regungen aus dem Körperinnern und dem Seelischen, die zunehmend als bedrohlich erlebt werden.
1991 starben durchschnittlich 44.7 je 100 000 Einwohner an Darmkrebs, 2001 waren es nur 36.5, darunter beinahe doppelt so viele Männer wie Frauen (vgl. Deutsche Gesellschaft für Ernährung, 2004, S. 98).
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Der Empfehlungsslogan von Activia "Für ein besseres Bauchgefühl" wehrt die Vorstellung einer im Patriarchat mythisch gewordenen weiblichen Intuition ab und etabliert den Frauenbauch als Symbol einer neuen unverklärten weiblichen Entscheidungskraft. Die Waffe in diesem Gefecht ist ein zum Teil wöchentlich variierendes Wissen über gesundheitsbewusste Ernährungs- und Lebensweisen. Die wechselnden Fakten über die Wirkung der Nahrung überformen das subjektive Körpergefühl und blenden psychosoziale Motive des Essens aus dem Alltagsdiskurs der Ernährung aus. Abbildung 7: Sehnsucht nach "Entlastung" durch Functional Food (Activia, vgl. www.danone.de)
Die körperpolitische Symbolisierung, die sich am Wandel der Bauchsymbolik abzeichnet, deutet m. E. auf die schwindende Relevanz identifizierender Werte hin und hat Distanzierung zur Konsequenz. Coolness, Gleichmut und Distanz zu Helden, Mythen und Tradition sind kennzeichnend für ein in der jüngeren Generation vorherrschendes Lebensgefühl. Eine 19-jährige Abiturientin beschreibt in einem ZEIT-Interview das Laissez-faire ihrer Generation: "Ich denke auch, man sollte die Dinge nicht zu nah an sich ranlassen. Es lohnt sich nicht. Wenn ich abends vor dem Fernseher sitze und Nachrichten gucke, dann sind zehn von elf Meldungen negativ, aber wenn ich mich bei jeder darüber aufregen würde, wie schlecht die Welt ist, dann würde ich irgendwann wahnsinnig werden" (Diez, 2007, S. 61). Die nachmoderne Frau zeigt sich unbeteiligt, um sich zu schützen. Dabei wirkt sie nicht verführerisch kühl wie die den männlichen Jagdinstinkt weckende femme fatale der 80er Jahre. Sie nimmt vielmehr Abstand von den großen Leidenschaften, Empfindsamkeiten und Affekten, die sie über Jahrhunderte hinweg symbolisch auf sich vereinte.
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Um der Unterordnung ihrer Genderrolle unter ein männliches Gesetz zu entgehen, richtet sie ihr Leben an Maßgaben der technischen Produktion wie Optimierung und Effektivierung aus. Körpersemiotisch einschlägige Themen wie "Körperpflege" und "Ernährung" werden diesen Kriterien unterworfen, aber auch die einst weiblich konnotierte "Beziehungspflege" weicht beherrschter Unverbindlichkeit. Eine Anspielung auf diesen Topos liefert der Kaffeeröster Tschibo, der als Telefonanbieter für seinen Service mit dem mehrdeutigen Qualitätsmerkmal "ohne feste Bindung" wirbt. Der ökonomisch inspirierte "Swinger"-Status beinhaltet zudem die Kategorien des permanenten Vergleichs und Wettbewerbs, die in Bezug auf Formideale und Ernährung des weiblichen Körpers eine zentrale Rolle spielen. Die neue Gleichgültigkeit gegenüber Liebesangelegenheiten erscheint in der Werbung nicht selten im Verbund mit Karriereinteressen. Hat diese weibliche Karriere vielleicht den Ariadnefaden zwischen Frau und Mann zerrissen und lässt im Emanzipationskarussell die Frau begehrlich um sich selbst kreisen? Ariadne, die Halbgöttin in Knossos auf Kreta, verliebte sich im griechischen Mythos in den Athener Theseus und half ihm, ihren Stiefbruder, den Stiermenschen Minotaurus, zu töten, dem alle neun Jahre 14 Kinder seines Volkes zum Fraß vorgeworfen wurden. Diesen schrecklichen Tribut hatten die Athener dem König Minos zu zollen, um den Tod von Minos' Sohn Androgeus zu sühnen. Ariadnes Geheiß, das Wollknäuel vom Eingang des Labyrinths her abzuwickeln, ihre Schläue oder Weisheit, machen den Athener Theseus zum Helden (vgl. Schwab 1959, S. 139ff.). Das Geschlechterverhältnis dieser mythologischen Vorlage wird von der aktuellen Werbung außer Kraft gesetzt: Das Band zwischen den Geschlechtern mit der Frau als wegweisender Helferin, die den Fremden zum Helden macht, ist gerissen. Die Frau findet ihre Aufgabe nicht mehr darin, das (männliche) Labyrinth zu beherrschen. Sie "webt" sich ihr eigenes Labyrinth aus kulinarischen Versuchungen und dietätischer Sühne. Doch die mythische Ariadne repräsentiert mehr als nur eine Frauenrolle. Sie ist die Verkörperung des kulturell Weiblichen schlechthin. Ariadne, so eine These des Kulturwissenschaftlers Michel Foucault, tritt als Symbol einer Tradition weiblicher Erinnerungsarbeit in Erscheinung, verbunden mit dem Stricken großer Erzählungen, die der abendländischen Kultur ihr Gepräge aus Wahrheit, Identität und Einheit verliehen. In seinem Essay "Der Ariadnefaden ist gerissen" charakterisiert er sie als Geschichtenerzählerin und Inbegriff der großen abendländischen Erzählungen aus Bibel, Volksmärchen und Mythen,
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die eine Kultur zusammenhalten. Das Reißen des "Ariadne-Fadens" symbolisiert für Foucault die Auflösung dieser narrativen Tradition: Ariadne stranguliert sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts mit dem Faden, der einst die Kultur(en) zusammenhielt, und Theseus verliert die Orientierung: "Ariadne hat sich erhängt. An der aus Identität, Erinnerung und Wiedererkennung verliebt geflochtenen Schnur dreht sich ihr Körper nachdenklich um sich selbst. Der Faden ist gerissen und Theseus kommt nicht wieder. Er rennt und rast, taumelt und tanzt durch Gänge, Tunnel, Keller, Höhlen, Kreuzwege, Abgründe, Blitze und Donner" (Foucault, 1977, S. 7). Die Architektonik traditioneller Machtverteilung gerät mit der Aufkündigung des patriarchalischen Geschlechtervertrags ins Wanken. Dieser war eingelassen in ein soziales Gliederungssystem, dessen Über- und Unterordnung sich in den gesellschaftlichen Sektoren nachzeichnete: Erwerbstätigkeit rangierte über Hausund Erziehungsarbeit, Politik und Wirtschaft über dem Sozialwesen, Öffentlichkeit über Privatheit usw., obwohl alle Bereiche für die Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Lebens gleich wichtig und überdies voneinander abhängig sind (vgl. Becker-Schmidt, 1996, S. 16). Das traditionelle Geschlechterverhältnis, verstanden als Strukturzusammenhang, der Chancen, Prestige und Machtressourcen verteilt, basierte auf der negativen Zuordnung der Frau zum Mann. Dies drückte sich in einer ritualisierten Kommunikation aus, die für die Werbung der 60er Jahre durch eine kurzweilige Studie von Erving Goffman belegt ist. Der Medien- und Sozialforscher geht davon aus, dass Werbung die alltäglichen Rituale zwischen Männern und Frauen überzeichnet (Abbildung 8). Diese Hyperritualisierung weist Goffman an einer Fülle von Printanzeigen nach, in denen sich die Frau dem Mann rituell unterordnet: Er ist Held, Retter in der Not, Reiseleiter, Sportlehrer, Konstrukteur und kühler Planer, ohne den die Frau an seiner Seite aufgeschmissen wäre – wenigstens erscheint es so. Die Frau übernimmt den Ergänzungspart zur männlichen Expertise, unterweisungsbedürftig, orientierungslos und gefügig. Der Körpercode beider Geschlechter steht im Dienste maskuliner Herrschaftsansprüche. Passend dazu werden kindliche Abhängigkeitsbeziehungen übertragen: Sie lässt sich von ihm füttern, er versorgt sie, während sie lustvoll und spielerisch ihre Autonomie opfert. Im Haushalt erweist er sich als völlig ungeschickt. Väter halten ihre Säugling unbeholfen im Arm. Die Frau hingegen tritt als Multitalent mit Kochlöffel und Wischmopp auf, dann wieder putzt sie sich heraus, steigert seine Präsenz und verhält sich in wichtigen Fragen unernst bis ergeben.
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Diese Interaktionsrituale spiegeln die hierarchische Beziehung zwischen Frau und Mann in der Nachkriegszeit auf überaus sympathische Weise wider. Im Vergleich dazu liegt die Dynamik heutiger Werbestorys in der Bezogenheit auf das Produkt bzw. über das Produkt vermittelt in der Beziehung zwischen der Frau und ihrem Körper, auf dessen "Stimme" oder "Töne" sie mit der Produktanwendung reagiert. Abbildung 8: Traditionelle Rituale (Süßstoff Höchst, Plakat um 1900; HB, Anzeige um 1960; Overstolz, TV-Spot, 1956)
Eine knappe Rückblende mag Neuheit und Bedeutung dieser selbstbezüglichen Körperzentrierung verdeutlichen. Zu Beginn der Wirtschaftsreklame in Europa Mitte des 19. Jahrhunderts beruhten die Anzeigen zwar auch auf einer maskulinen Herrschaftslogik, jedoch stützte sich diese primär auf das Zeichensystem der Mode. Der weibliche Körper gewann in der Werbung zwischen 1870 und 1900 Bedeutung als Träger der bürgerlichen Mode (Abbildung 8). Die Körperform fügte sich den neuen Korsage-, Draperie- und Schnürkünsten. Die bürgerliche Frau repräsentierte mit ihren geschnürten Kleidern Rang und Ansehen des Mannes. Plakatwerbung wurde zu einem wichtigen Forum der durch Fabrikbesitz zu Reichtum gelangten Bürgerschicht. Die neuen Bürger hatten nicht wie der Adel Titel, um sich abzuheben. Sie setzten daher ihre modische Erscheinung zur sozialen Distinktion ein. Dabei definierte sich die Frau stets über den Mann. Sie war gekennzeichnet durch eine Reihe polarisierender Gegenbegriffe, mit denen sie die Vorrangstellung des Männlichen sicherte: Natur zu Kultur, Gefühl zu Verstand, Häuslichkeit zu Öffentlichkeit. Die weibliche Mode von Korsetts über Reifröcke bis zu schweren Kleidern signalisierte Bewegungsarmut,
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Abhängigkeit, Sittlichkeit und Unterwürfigkeit. Alles Triebhafte und Erotische wurde weggeschnürt und mittels üppiger Krinolinen und Tournüren zurechtgestutzt. Ab 1890 wird die weibliche Silhouette schmaler. Das Korsett ist im Modesommer 1906 endgültig verschwunden, die Röcke rutschen ab 1910 stetig höher. Sie fügen sich auf charakteristische Weise mit dem Oberteil zur Einheit des Kostüms zusammen, das in der wachsenden Konfektionsindustrie in Serie geht. Mit dem Kostüm wird Passgenauigkeit zum modischen Ideal erhoben. Schließlich befreit die erste Frauenbewegung in den 20er Jahren das weibliche Bürgertum von allen Schnürereien; zugleich erlebt die Schönheitsindustrie einen ungeheueren Aufschwung. Stromlinienförmige Schlankheit, unterstützt durch die Lebensreformbewegung, wird zur Freiheitsutopie schlechthin (vgl. Lehnert, 2003). Hinter dem Hang nach klaren, geradlinigen Formen verbirgt sich eine euphorische Bewunderung für Wissenschaft und Technik, die das Bewusstsein der Epoche und das Selbstverständnis der Frauen nachhaltig geprägt hat. Im Haushalt profitieren vor allem Frauen von den neuen Technologien. Welchen rasanten Aufstieg das Geschäft mit der Schönheit bereits in den 20er Jahren erlebte, belegen Werbe- und sozialpolitische Aktionen. So gab es zum Beispiel Bestrebungen, die Sozialversicherung die Kosten für kosmetische Operationen übernehmen zu lassen, wenn sie zur Herstellung eines für den Arbeitgeber akzeptablen Äußeren notwendig waren. Arbeitsämter führten zudem in den 50er Jahren für arbeitslose Angestellte Schminkkurse durch, die ihnen eine Anstellung über den Umweg der Attraktivitätssteigerung verschaffen sollten. Kosmetische Produkte waren insgesamt nicht länger sozial exklusiv, "Schönheit ist ein guter Empfehlungsbrief", schreibt der Konsumverein 1919, und das konsumgenossenschaftliche Volksblatt dichtet zeitgleich: "Schönheit verblüht, wenn man sich darum nicht müht" (zitiert nach einem Abdruck in Thoms, 1995, S. 274). In dem Maße wie die Kleidung ihre Funktion als Mittel zur Formung der Figur verlor, musste der modellierende Zugriff immer direkter auf den Körper erfolgen. Der Idealkörper erhob sich zum Maßstab für soziale Anerkennung. Durch den richtigen Einsatz des Körperkapitals, so das Versprechen, kann sozialer Aufstieg auch entgegen den eigenen Herkunfts- und Bildungsvoraussetzungen gelingen. In der klassenlos erscheinenden Konsumgesellschaft wird nun körperliche, nicht modische Attraktivität zur Eintrittskarte in eine bessere Berufs- und Familienwelt. Vorbild sind nicht zuletzt sich
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überschlagende Berichte über Liebschaften zwischen Models und Fürsten. Werbung erfüllt stellvertretend Träume, die anderswo zerplatzt sind. An der Schwelle zwischen zwei Weltkriegen beginnen die großen Hoffnungen auf Frieden und Wohlstand zu schwinden, die sich noch bis 1900 mit der Industrialisierung verbanden. Denn bisher nicht gekannte Probleme kamen auf die Menschen zu: neue Formen der Verelendung, Umweltverschmutzung, Anonymität in den Industriestädten usw. In der Zeit des Nationalsozialismus kehrt das Ideal der üppigen Körperformen mit breitem Becken und prallen Brüsten zurück. Die Frau wird auf ihre Mütterlichkeit reduziert. Körper und Schönheit stehen im Dienst von Volk und Rasse. Aus den wenigen qualifizierten Positionen, die Frauen bis dahin besetzten, wurden sie zurück hinter den Herd, später auch in die Fabrik verdrängt. Auch die 50er Jahre bedeuten modisch und lebensweltlich einen Rückfall in althergebrachte Rollenmuster. Das von Modemachern wie Dior propagierte Frauenmodell des New Look bedeutete in vielen Punkten eine radikale Abkehr von den Idealen der 20er bis 40er Jahre, weil Elemente der körpersymbolischen Befreiung ins Gegenteil verkehrt wurden: Die Taille wurde wieder betont, Oberweite war erwünscht, und bei zierlichem Oberkörper galten bauschige Röcke über zerbrechlich wirkenden Beinen als das Ideal schlechthin. Diese "neue Hilflosigkeit" der Frau als Verführerin und Heimchen am Herd in der Wirtschaftswunderzeit stand vollkommen im Gegensatz zu ihrem Einsatz während des Krieges. Konsum befriedigt nach dem Krieg das Bedürfnis nach Heile-Welt-Phantasien, in denen die Frau nur zwei Sorgen hat: was sie anziehen und was sie kochen soll. Das Alltagsidyll der Werbung wird oft als Indiz für die Vergangenheitsverdrängung in der Nachkriegszeit gewertet (vgl. Schmidt & Spieß, 1996, S. 158f.). Aus Rollenmodellen werden im Laufe der 60er Jahre personalisierte Werbehelden, das heißt individuelle Identifikationsfiguren wie Klementine, die flotte Waschfrau, die ab 1968 bis in die 80er Jahre für Ariel wirbt, oder Frau Antje, die von verschiedenen Werbeschauspielerinnen verkörpert wurde. Die 60er Jahre stehen im Zeichen der "sexuellen Revolution", aber auch eines neuen "Diätenwahns". Lust sollte in Idealmaßen genossen werden, auch wenn Frauen für eine freie Persönlichkeitsentfaltung eintraten. Diät und Fitnessratgeber, Kosmetikartikel, Mode, Frisurvorschläge, Schönheitskuren und Kalorientabellen bestimmten das Themenspektrum der Frauenzeitschriften. 1964 kam der Minirock auf, die Strumpfhose wurde erfunden
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und das magersüchtige Topmodel Twiggy schwebte als erste Kindfrau über den Laufsteg. Diese Gleichzeitigkeit von Emanzipation und Magerkeitsideal macht Susi Orbach, Expertin für Essstörungen, skeptisch: "Dieses hyperdünne Schönheitsideal fällt so präzise mit dem Erstarken der feministischen Bewegung zusammen, daß Mißtrauen geboten ist" (Orbach zitiert nach Posch, 1999, S. 46). Die Sisyphusarbeit an der eigenen Schönheit ersetze die Sisyphusarbeit im Haushalt, spöttelt auch Naomi Wolf über den neuen Trend. Dabei ist nicht zu vergessen, dass das propagierte Idealgewicht sowie das Durchschnittsgewicht der Models deutlich über dem heutiger Laufstegschönheiten lag. Die 68er-Bewegung brach mit den traditionellen Werten der bürgerlichen Moral: Lange nackte Körper werden zu Symbolen von Liebe, Freiheit und des Friedens. Szenegruppen wie die Punks boykottierten mit ihren Outfits die Diktate der Mode, weniger jedoch die der Schlankheit. 1973 kauften deutsche Frauen erstmals mehr Hosen als Röcke. Der Sports Look weicht den unpraktischen Gewändern und Kostümen. Der bevorzugte Frauentyp in Mode-, Frauen- und Freizeitmagazinen ist schlank, sportlich und konsumfreudig. "Selbstbestimmung", "Selbstverwirklichung" und "Authentizität" sind die Schlagworte der 70er, während die Fitness- und Aerobic-Welle dem Körperideal die Attribute "muskulös" und "durchtrainiert" hinzufügen. Das Bodystyling verursacht einen Fitness-Boom, und es landen immer mehr Diätrezepte auf deutschen Küchentischen. 1991 haben 52 Prozent aller deutschen Frauen mindestens einmal nach Brigitte und Co. gefastet, heute ist die Diät von der so genannten bewussten Ernährungsweise kaum noch zu unterscheiden. Bis Ende der 70er Jahre hat das Körper- das Modediktat abgelöst. Die Modestile vervielfältigen sich, und im Fokus des ästhetischen Interesses erscheint der fast oder ganz nackte Körper, ein Trend, der von den USA ausgehend unter dem Stichwort Nackt-Look (vgl. Wolf, 1990, S. 91) nach Europa gelangt. Entsprechend werden Lebensmittel vom Joghurt bis zum Müsliriegel von der Light-Welle erfasst. Mit Reue- und Sühne-Rhetorik suggerieren Slogans wie "Du darfst" den körper- und kalorienbewussten Frauen das richtige Maß. Die Fernsehwerbung liefert nicht mehr primär Beweise für die erfolgreiche Wirkung von Markenartikeln, diese werden vielmehr lebensstilspezifisch emotionalisiert. Die beginnende ironische Thematisierung der Werbung und der Einzug wissenschaftlicher Analysen machen viele Verkaufsstrategien immer undurchsichtiger.
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Individualisierung beflügelt die Werbung der 80er und 90er Jahre. Die Begriffe "Spaß- und Ego-Gesellschaft" kommen auf. Mit dem "Tanz ums goldene Selbst" in Werbung und Lifestyle-Magazinen kommt der Typ des verwöhnten Werbegirlies auf, dessen Rebellion sexualisiert und somit unschädlich gemacht wird. Die Bindung an sexuelle und gemeinschaftliche Moralvorstellungen nimmt ab. Anonyme Massenveranstaltungen und Massenmedien locken als Ersatz für zwischenmenschliche Nähe. Trotz Erfolgen im Berufsleben beginnt für viele Frauen eine große Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Extreme Schlankheit, Fitness- und Natural-Look rauben ihnen Energien. Das Schnüren und Kaschieren ist einem konsequenten Enthüllungsdiktat gewichen. Dabei folgt Mode nicht mehr dem Gebot der Passgenauigkeit, es wird im Gegenteil dafür gesorgt, dass wie durch Zauberhand beim Bücken oder Strecken der Blick auf Brust, Bauch und Po freigegeben wird. Damit der scheinbar grenzenlos formbare Körper dem Schönheitsideal so weit wie möglich entspricht, werden neben Kosmetika nun auch Schönheitsoperationen zur erschwinglichen Option. Der Stern informierte im Herbst 2006 in einer Serie über Chancen und Risiken von Schönheitsoperationen, womit das Schönheitsideal bestätigt und seine Bindung an soziale Anerkennung grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird. Dieser Werbetrend hat sich bis heute zu einer weiblichen Selbstinszenierung ausgeweitet, in der sich Frauen in immer neuen Selbstbespiegelungen ein "erleuchtetes" Image mithilfe von Schönheits-, Diät- und auf Distanz verweisenden "Abwehr"produkten an- und einverleiben (Abbildung 9). Der identitätsstiftende Genuss des Produktes, vermittelt über den wissensbasierten Genuss am eigenen Körper, verdrängt dabei die als unsicher empfundenen Anerkennungsprozesse in Situationen von Zweisamkeit und Nähe. Das Band sozialer Rituale lockert sich: Türaufhalten, Feuer reichen, bedienen und Fürsorge greift Werbung allenfalls im ironischen Modus auf. Die Aufkündigung der Geschlechterrituale und die Ausblendung weiblicher Attribute wie Mütterlichkeit, Fürsorge, Bedürftigkeit, Sanftheit und Passivität sind weder für das Frauenbild noch für die institutionellen Anerkennungsstrukturen ganz unproblematisch. Konflikte, die aus dieser Rollenerosion hervorgehen, manifestieren sich in Körper(innen)bildern, die von Metaphern des Kampfes und Abstandhaltens einerseits, von solchen des regressiven Verschmelzens andererseits besetzt sind. Die schöne neue Selbstbezüglichkeit führt allerdings nicht zu einem Gewinn an Selbstwert, sie birgt – paradoxerweise – je mehr sie den individuellen Selbstgenuss
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preist um so mehr die Gefahr einer Desintegration des Selbst, da die Spiegelungen in Produkten und Ideal-Körpern zwar vorübergehend narzisstische Bestätigung versprechen, aber nicht zu echten Identifizierungen führen, auf denen psychologisch ein stabiles Selbst beruht. Wenn weiblicher Selbstwert aus medien- und produktvermittelten "Kommunikationen" hervorgeht, wird Konsum zum Übergangsstadium ohne Rollenschema. Dieser autokommunikative Konsum ist verdammt, sich wahnhaft zu wiederholen, ohne dass in ihm wie in sozialer Interaktion durch die spontanen Reaktionen eines anderen die Selbstwahrnehmung reifen könnte. Abbildung 9: Narzisstische Selbstbespiegelung und Abwehr (Du darfst, Kraft, TV-Spot "Schneewittchen", 2004/05), Actimel, Danone, TV-Spot, 2005)
Die Frau in der Werbung erfährt sich in einer bejahten lustvollen Abhängigkeit von ihrer selbstbezüglichen Körperkontrolle, an die sie ihr ehrgeiziges Streben und zugleich auch ihr Selbstwertgefühl als Frau bindet. Die weibliche Identität wird an der Stelle brüchig, an der ihre historischen Verdrängungsprozesse offenbar werden: am Bauch, der gebären, aber flach bleiben, und der den Wallungen der Intuition eine analytische Rationalität entgegenstemmen soll. Über diesen Konflikt ist er zum symbolischen Symptom- und Reizorgan geworden, der lähmend wirkt. Das aktuelle Spuren verwischende Schönheitsideal tilgt einen Teil der Geschichtlichkeit individuellen Lebens. Weiblichkeit strahlt – ganz wie die Serien der Produkte – als apersonalisiertes Einheitsgesicht, das mit beliebigen Individualitäten ausstaffiert werden kann. Verwandlungskünstlerinnen wie Madonna, die ihr ewige Jugend verheißendes Dorian-Gray-Syndrom zur
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Schau tragen, und die mit 50 Jahren das Lebensziel verfolgen, wie eine Mitte-20-Jährige auszusehen, passen sich in dieses Konzept ein. Raum für neue Rollen bleibt in den Werbestorys kaum. An die Stelle der alten patriarchalischen Bande sind keine alternativen Beziehungsmuster getreten. Die Präsenz der Frauen im Werbefernsehen und in der Anzeigenwerbung ist ungebrochen hoch, Frauen arbeiten und kochen, sie stillen Säuglinge und konkurrieren in der Chefetage, aber sie sind dabei wenig in Kontakt. Ihre Gleichheit mit dem männlichen Ernährer, die sich am Modeund Körperideal abzeichnet, geht auf Kosten der Eigenheit weiblicher Körper. Frauenkleidung kopiert die geraden Linien der Männermode und zeichnet einen von weiblichen Rundungen befreien Kindfraukörper nach. Gesundheits- und Schlankheitsmythen sind für beide Geschlechter verbindlich. Dabei hat die allgegenwärtige Stigmatisierung von Korpulenz weit reichenden Einfluss auf private wie berufliche Entwicklungen genommen. Sie beschneidet Lebenschancen. Schlankheit hat sich zudem in der Überflussgesellschaft zu einer Supermetapher aufgeschwungen. Im Wirtschaftssektor regiert die lean production, in der Politik kursiert die Losung vom Gürtel, der enger geschnallt werden soll, und auch die Pädagogik fordert schlanke Lehrpläne zur standardisierten, effektiven Produktion von Kompetenz. Wissen, Körper und menschliche Eigenschaften gewinnen Warencharakter. Psychologisch wird das Körperkapital mit dem Selbstwert korreliert: Der Selbstwert der Frau leitet sich nicht mehr vom gesellschaftlichen Rang des Mannes ab, sondern von der im Konsumakt optimierten Körperform. Das extreme Schönheitsideal wirkt wie ein neues Korsett für Frauen, weil es Energien absorbiert und mütterliche Attribute ausblendet. Die Androgynisierung der Frau verdeckt auf physiosymbolischer Ebene die Gebärtätigkeit des weiblichen Körpers und bewirkt auf sozialpolitischer Ebene, dass Familienmanagement zur privaten Herausforderung einzelner Frauen wird. Trotz zweier großer Frauenbewegungen bleibt die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere ein Traum. Die Formen des Schuld-undSühne-Konsums bieten sich hier als Ausweichmanöver an, die Interessen hemmen, Essstörungen provozieren und durch ihre Widersprüchlichkeit u. U. nur noch mit Depressionen und Ängsten beantwortet werden können. Die resultierende "Lähmung" wird in den Werbegeschichten erzählt: Ariadne dreht sich um sich selbst, sie lässt sich verführen – von Schokoriegeln und nicht von Männern. Bei Dove Liaison ist sie die Verführte, die ihre Schwangerschaft nur vortäuscht, um sich der Versuchung eines Pralinés
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hinzugeben (Abbildung 10), wobei die Folgen des Genusses unsichtbar bleiben sollen – eine Spirale, in der gezügeltes Ernährungsverhalten zu kontinuierlicher Gewichtszunahme führt, was Profite auf beiden Seiten, der Diätbranche und zugleich der Snack- und Süßwarenindustrie sichert. Abbildung 10: Schokoladige Verführung – der Snack als Don Juan (Kinderriegel, Ferrero; Liaison, Dove; TV-Spots 2006-07)
Dort, in der symbolischen Repräsentation der Fertiggerichte, Pflegeprodukte und Multifunktionsgeräte, in der Welt der wohligen, erlösenden, Vertrauen stärkenden Stoffe, finden sich die "weiblichen" Attribute wieder. Im Konsumakt, im Kontakt mit einem begehrten Produkt, offenbart der Mensch, der weibliche wie männliche, seine Verletzbarkeit, seine Weichheit und seine Unsicherheiten. Die symbolische Verdrängung dieser Momente aus zwischenmenschlichen Kontexten in die Konsumhandlung führt zu völlig neuen Konzepten von psychischer Identität, einer dingpsychologischen, vom Konsum gesteuerten Identitätskonstruktion. Identitätsmerkmale werden an Produkte, die neuen Markenpersönlichkeiten, abgetreten.2 Soziale Orientierung entsteht nicht mehr in der Kommunikation in Gemeinschaften, sondern durch eine selbstbezügliche Kommunikation, die ein Nahrungs- oder Pflegemittel initiiert. Die Produkt-Kommunikation umfasst neben der Beobachtung auch Kontrolle und Regulierung der eigenen KörBeispiele hierfür liefert im Lebensmittelsektor das functional food, Nahrung mit Zusatznutzen für Aussehen und Gesundheit. So kommen gesamtkünstlerisch ideologisierte Bionade-Getränke ebenso wie Smoothies, aus den USA importierte Obstgetränke, nicht mehr als Fließbandprodukte daher, sondern werden mit einer sympathischen Herkunftsgeschichte und eigener Moral ausgestattet. Das deutsche Pendant zur Marke Innocent der Ehrlich Trinken GmbH trägt die sprichwörtlichen Produktnamen Ehrliches Bambi, Ehrlicher Schmetterling oder Ehrliches Murmeltier.
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perprozesse. Im isolierten Konsumakt entstehen so Atmosphären, die vormals Anerkennung in Gemeinschaft versprachen, und die nun von den realen anderen unabhängig gemacht werden. Wenn Marken zwischenmenschliche Funktionen erfüllen, wenn sie verführen, Stabilität und Orientierung bieten, wenn sich ihr sozialer Geltungsnutzen körperlich einlöst und die so entstehenden neuen "Körperklassen" das alte demografische Schichtmodell verdrängen, bleibt das nicht ohne Folgen für den lebendigen Körper und die körperbasierte Identität. Der Körper normiert sich im Namen von Emanzipation und Selbstverwirklichung, schlemmt sich schlank, entfaltet scheinbare Individualität im Massenkonsum und verliert damit einen Großteil seines Widerstandspotentials. Auch der Verlust traditioneller Ordnungen schlägt sich in den Selbstbespiegelungen der Werbedamen nieder: Snacking verdrängt die gesellige Mahlzeit, Tanzen, Hüpfen und Cremen ersetzen Interaktionsrituale, und der exklusiven Paarbeziehung wird ein Dauerflirt- und Swingerstatus vorgezogen. Und doch scheint es einen Anreiz zu geben, sich auf verlockend konsequenzlose Weise in der Komödie der Massenproduktion ein individualistisches Image zu verschaffen. Der dabei entstehende Widerspruch verweist auf eine veränderte Lebenssituation, in der traditionell weibliche Werte nur noch ästhetisch stilisiert vorkommen (Mütterlichkeit, Fürsorge, Abhängigkeiten u. a.), obwohl sie wie die marktwirtschaftlich erwünschten Eigenschaften wie Ehrgeiz, Weltzugewandtheit und Temperament in gleichem Maße Teil des gesellschaftlichen Lebens sind. Um diese Widersprüche im Konzept der Weiblichkeit zu konterkarieren, wäre es auf der Ebene der symbolischen Ordnung, der sich Werbung bedient, von entscheidender Bedeutung, die in die Produktwelt abgespaltenen weiblichen Attribute (Sanftheit, Natürlichkeit, Sicherheit, (Für-)Sorge, Vertrauen, Verbundenheit u. a.) wieder in die zwischenmenschliche Kommunikation zwischen Frau und Mann, Jung und Alt, Dick und Dünn, Arm und Reich zurückzubringen. Mit Blick auf die Konnexivität gesellschaftlicher Strukturkategorien wie Gender, Status oder Jugend müssten diese Werte jenseits ökonomischer Effizienzerwägungen (Stichwort Markt- und Kundenorientierung in Ämtern und Schulen) auch institutionell verankert werden. Das Produkt gewinnt ansonsten – das ist die Gefahr – den Charakter einer Persönlichkeitsfüllung, mit der sich der Mensch innenweltlich identifiziert – eine Phantasie, die unter den Kreativen der Werbebranche als besonders originelle Verkaufsstrategie firmiert. Die Essenz dieser neuen Stoßrichtung des (Produkt-)Körpermarketings soll
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abschließend ein Werbeplakat für Dr. Oetkers Müsli Vitalis mit einer durch eine aufspritzende Milchpfütze sprintenden Läuferin aus Müsli illustrieren (Abbildung 11). Es gewann 2006 einen mit 750.000 Euro dotierten Mediapreis (vgl. Gewinner "Best New 18/1"). Abbildung 11: Müslisprinterin (Müsli Vitalis, Dr. Oetker, Plakat 2007)
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Mehr als Frühjahrsputz und Südseezauber? Frauenbilder in der Fernsehwerbung und ihre Rezeption Angela Vennemann & Christina Holtz-Bacha
"Frühjahrsputz und Südseezauber" – unter diesem Titel veröffentlichten Joachim Kotelmann und Lothar Mikos 1981 ihre Befunde zur Darstellung von Frauen in der Fernsehwerbung und über die Art und Weise, wie Rezipientinnen mit diesen Bildern umgehen. Sie brachten damit ihre Befunde auf den Punkt, die zeigten, dass die Werbung im Fernsehen "veraltete Frauenleitbilder" pflegt: Diese "lassen immer noch das dumme, einfache 'Hausputtelchen' vorherrschen, dessen ganzes Sinnen und Trachten auf weiche Wäsche ausgerichtet ist und auf die Vermeidung von Putzstreifen, und die junge Frau, deren Aufgabe es ist, in der Werbung als 'Sexualobjekt' gleichrangig neben dem Produkt zu erscheinen" (Kotelmann & Mikos, 1981, S. 230). Noch nicht einmal vier Prozent der Werbespots präsentierten berufstätige Frauen. Knapp zehn Jahre später befand Mikos (1988) in einer Nachfolgeuntersuchung, dass sich in der Zwischenzeit das Frauenbild der Werbung kaum verändert hatte. Neben Traumfrauen und Hausfrauen war nun aber die "jugendliche androgyne Erscheinung" getreten, mit der sich zugleich ein allgemeiner Trend zum jugendlichen Frauentyp ankündigte. Ein solches begrenztes Rollenrepertoire lässt Zweifel an der – gerade vom Deutschen Werberat mit Bezug auf die Darstellung von Frauen immer wieder hervorgehobenen – Spiegelungsfunktion der Werbung aufkommen. Hinsichtlich ihrer Sozialisationsfunktion gerät die Werbung, die Frauen auf nur wenige und realitätsferne Rollen reduziert, in die Kritik wegen ihrer potentiellen Wirkungen auf das Selbst- und das Fremdbild von Frauen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Analyse von Werbung und die Präsentation der Geschlechter ihre Relevanz, und es gilt zu prüfen, ob sich seit den achtziger Jahren Veränderungen ergeben haben oder ob nach wie vor Kritik angebracht ist. Nach dem Vorbild von Kotelmann und Mikos will die hier
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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berichtete Studie1 also untersuchen, wie Frauen heute im Werbefernsehen dargestellt werden, welche unterschiedlichen Frauentypen zu identifizieren sind und ob sich das Bild der Frau in der Werbung mittlerweile gewandelt hat. Ebenso wie die damalige Untersuchung ergänzt auch diese die Inhaltsanalyse durch Gruppendiskussionen. Während es aber das Ziel von Kotelmann und Mikos war, die Rollenbilder, Phantasien und Wünsche der teilnehmenden Personen zu erforschen, steht hier die Frage im Vordergrund, wie die Rezipientinnen die Frauentypen des Werbefernsehens wahrnehmen und ob die Werbefrauen auf reale Frauen ansprechend wirken. 1
Methodisches Vorgehen
Um ein möglichst breites Spektrum an Frauenbildern in der Werbung zu erfassen, wurde die Werbung der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF sowie der beiden großen kommerziellen Vollprogramme RTL und Sat.1 über den Zeitraum von einer Woche im Frühjahr 2007 jeweils zwischen 17 und 20 Uhr ausgewertet. Nicht berücksichtigt wurden SplitScreens, Sponsoring und Werbung in eigener Sache. Ausgangspunkt für die Gruppendiskussionen sind sechs ausgewählte Werbespots, die verschiedene Frauentypen repräsentieren. Diese Frauentypen wurden durch die Analyse der Fernsehspots identifiziert und für die Diskussionen ausgewählt, die ausschließlich mit Frauengruppen stattfanden. Da insbesondere Alter und die damit zusammenhängende persönliche Erfahrung als einflussreiche Faktoren zu erachten sind, wurden zwei Gruppendiskussionen mit Frauen unterschiedlichen Alters durchgeführt. Das Durchschnittsalter der Gruppe der älteren Frauen liegt bei 60.2 Jahren, das der jüngeren Frauen bei 26.2 Jahren. Die Auswertung der Diskussionen erfolgt zunächst separat für die beiden Gruppen, im zweiten Schritt werden die Befunde zusammengefasst. Neben der Wahrnehmung der Frauendarstellungen anhand der vorgeführten Werbespots lässt sich auch das allgemeine Frauenbild in der Werbung, so wie es die Teilnehmerinnen wahrnehmen, untersuchen.
Dem Beitrag liegt eine Untersuchung zugrunde, die die Autorin für ihre Diplomarbeit am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft (Universität Erlangen-Nürnberg) durchgeführt hat.
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Angela Vennemann & Christina Holtz-Bacha Frauen in der Fernsehwerbung
Die Inhaltsanalyse bezieht sich auf insgesamt 1.583 Werbeclips. Nachdem Ausschluss der Wiederholungen ergab sich eine Basis von 426 unterschiedlichen Clips. 102 Clips (24%) kommen ohne die Darstellung von Menschen in unterschiedlichen Rollen aus. Die beworbenen Produkte stehen hier klar im Mittelpunkt, außerdem treten Animationen häufig auf wie die Abbildung einzelner Körperteile. 88 Werbeclips (21%) zeigen in der Hauptrolle Männer. Diese werben hauptsächlich für Männerkosmetik, Rasierbedarf, Autos, Bier, Fastfood und Baumärkte. Außerdem sind Männer häufig Experten auf verschiedenen Gebieten wie beispielsweise Kaffee, Schokolade, Versicherungen oder Toilettenreiniger. Die verbleibenden 236 Clips (55%) zeigen ausschließlich Frauen, Frauen und Männer zusammen, Frauen und Kinder, Frauen und ihre Familien oder mehrere Frauen zusammen. Die weitere Betrachtung mit dem Ziel, verschiedene Frauenbilder zu identifizieren, bezieht sich daher auf diese 236 Clips. Zunächst fällt auf, dass in immerhin 22 Werbespots (9%) deutsche und internationale Prominente auftreten. Meist handelt es sich dabei um Models und amerikanische Schauspielerinnen, zum Beispiel Penelope Cruz für Elnett Haarspray von L'Oréal, Kate Moss für Bulgari-Parfüm oder Heidi Klum für Douglas-Parfümerien. Auch deutsche Schauspielerinnen kommen häufig vor, je nach Alter werben sie für Anti-Faltencreme (Veronika Ferres für Diadermine) oder für Nahrungsergänzungsprodukte aller Art (Hannelore Elsner für Vitasprint, Senta Berger für Calcium-Sandoz). Schließlich werben deutsche Sportlerinnen für verschiedene Produkte, beispielsweise Rosi Mittermaier für Becel-Margarine oder Anni Friesinger für Dextro Energy. Da diese Frauen aber keine eigentlichen Rollen in der Werbung verkörpern, sondern vielmehr mit ihrer eigenen Prominenz und vorangegangenen Leistungen für ein positives Image der Produkte werben, fallen diese Clips aus der Analyse heraus. Sexobjekt, Objekt und schmückendes Beiwerk Clips, die Frauen eindeutig als Sexobjekt oder als schlichte Dekoration einsetzen, kommen in der vorliegenden Untersuchung 18-mal vor (8%). Ausschlaggebend für die Zuordnung der Spots war vor allem eine erotische
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Komponente der Protagonistinnen, wodurch sie sich auch von Frauen, die in erster Linie bei Freizeitaktivitäten gezeigt werden und dabei jung und hübsch sind, unterscheiden. Vor allem hochpreisige Kosmetika und Parfüms werben mit wunderschönen Models, die sich sexy in der Brandung räkeln (Davidoff), von ganzen Männerscharen angehimmelt werden (Armani) oder sich nackt im Bett räkeln, während neben ihnen ein vollständig bekleideter Mann liegt (Chanel Le Rouge). Weniger offensichtlich ist die SaturnAmazone in ihrem Lederoverall oder auch die rassige Italienerin, die aus völlig unersichtlichen Gründen zur Kirsch-Expertin erklärt wird (Mon Cheri von Ferrero). Auffallend ist schließlich der Clip von Alice, einem Telekommunikationsanbieter. Dieser stellt Alice, einen Telefon- und Internetanschluss, völlig selbstverständlich als schöne junge Frau dar. Sie spaziert in Herrenclubs und auf Partys herum und wird überall freudig begrüßt, da jeder glücklich ist, mit Hilfe dieser tollen Frau oder vielmehr des Produkts jetzt so preiswert telefonieren zu können. Eine Gleichsetzung von Frau und Produkt in dieser Eindeutigkeit kam in der vorliegenden Untersuchung nur dieses eine Mal vor. Die Rolle des Sexobjekts wird insgesamt von relativ jungen Frauen, die zwischen 16 und 30 Jahren alt sind, verkörpert. Sie sind nicht nur schlank und schön, sie besitzen zudem auch eine erotische Ausstrahlung. Hausfrau, Mutter und Familienidylle Auch 2007 treten Frauen noch häufig in häuslicher Umgebung auf. Dort sind sie entweder die fleißige Hausfrau, die fürsorgliche Mutter oder einfach die Frau, die die Idylle des Familienlebens in vollen Zügen genießt. Insgesamt ließen sich 37 Werbespots (16%) dem häuslichen Bereich zuordnen. Bei dem Stereotyp der Mutter zeigen sich verschiedene Facetten in den untersuchten Werbespots. Zum einen gibt es die "Super-Mutti", die als Hobby-Ökotrophologin in der Lage ist, die richtigen und für eine gesunde Ernährung unverzichtbaren Nahrungsmittel für ihre Kinder auszuwählen, so zum Beispiel den Joghurt, der die Abwehrkräfte der Kinder stärkt (Actimel), oder die Bonbons, die die meisten Vitamine enthalten (Storck Nimm2 Lachgummi). Zum anderen gibt es aber auch moderne Interpretationen der Mutterrolle. In der Werbung für Kinderschokolade (Ferrero) unterstützt zunächst die Mutter das Mädchen bei seinem ersten Schultag, später ist es das Mädchen,
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das der Mutter emotionale Unterstützung für einen wichtigen Vortrag bei der Arbeit gibt. So werden beruflicher Erfolg und eine fürsorgliche Mutterrolle miteinander kombiniert und damit wenigstens teilweise die Realität vieler Frauen in der Werbung widergespiegelt. Die Hausfrau stellt sich in den untersuchten Werbeclips als kompetente Fachfrau für alle Eventualitäten des Alltages dar. Sie weiß, welche Produkte zu sauberer Wäsche (Spee) und angenehmen Raumdüften (Febreze) führen. Der Spot für das Geschirrspülmittel Calgonit geht sogar so weit, dass die Frau nicht nur als Haushaltsexpertin erscheint, sondern so selbstbewusst ist, ihren Mann für seine allgemeinen Qualitäten im Haushalt zu loben, auch wenn sie seinen Verzicht auf Calgonit beim Geschirrspülen in Frage stellen muss. Der Spot demonstriert damit, dass Hausarbeit nicht länger die alleinige Aufgabe der Frau ist. Die häufigste Darstellung von Frauen in häuslicher Umgebung präsentiert sie im Kreis der glücklichen Familie in der Freizeit. Familien sehen zusammen fern (Premiere), sie machen Ausflüge (Quelle), sie sitzen zusammen im Garten (Obi) und sie essen zusammen (Iglo Schlemmerfilet). Nicht nur die Frauen sind ausnahmslos glücklich in diesen Darstellungen, auch die Männer und Kinder genießen die ungetrübte Familienidylle. Insgesamt sind alle Frauen, die in häuslicher Umgebung auftreten, zwischen 20 und 35 Jahre alt, sie sind schlank und attraktiv, wirken dabei aber sehr natürlich. Expertinnen und berufstätige Frau Clips, die Frauen als Expertin auf verschiedenen Gebieten oder als Berufstätige präsentieren, kamen im untersuchten Material 14-mal vor (6%). Dabei waren Frauen am häufigsten Experten im Bereich der Zahnpflege. Für Dr. Best, Sensodyne, Kukident und Oral B treten Frauen im weißen Laborkittel auf und preisen das jeweilige Produkt als fachkundige Expertin an. Auch die Werbung für die Apotheken Umschau zeigt eine Frau hinter dem Apothekertresen, die ihre Kunden freundlich berät. Generell sind es oft rezeptfreie medizinische Produkte, für die die Expertinnen werben. Die Bandbreite der Berufe der Frauen reicht weit, so ist eine Frau die Supermarktexpertin von Edeka, eine andere Frau ist Mitglied des Forscherteams von Volkswagen. Eine moderne Kombination von Hausfrau und berufstätiger Frau bietet die Werbung von Vorwerk. Von dem leicht überheblich wirkenden Banker ge-
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fragt, was sie denn beruflich mache, antwortet die Frau, sie führe ein erfolgreiches kleines Familienunternehmen. Vorwerk stellt seine Protagonistin als Expertin in allen Bereichen von Haushalt und Familie dar und macht damit deutlich, dass nicht nur Erwerbsarbeit, sondern auch die Betreuung von Familie und Haushalt Arbeit bedeutet. Insgesamt sind die Frauen, die als Expertinnen auftreten, zwischen 30 und 45 Jahre alt und somit durchschnittlich etwas älter als die Hausfrauen und Mütter. Sie sind schlank und gepflegt und wirken mit dezentem Make-up sehr seriös und vertrauenswürdig. Omas Insgesamt zehn Werbespots zeigen ältere oder alte Frauen in der Rolle der Oma (4%). Neben einzelnen traditionellen Darstellungen alter Frauen sind es vor allem unkonventionelle Omas, die verstärkt in der Werbung auftreten. In klassischen Rollen sitzen zwei ältere Damen beim Kaffee und besprechen ihre Zahnfleischprobleme (Odol Plus), oder die Oma spielt mit ihren Enkelkindern im Garten (Bertolli). Wesentlich häufiger treten alte Frauen in Rollen auf, die eine neue selbstbewusste Art, mit sich selbst und dem Alter umzugehen, widerspiegeln. Für Die Bahn zeigt die ungeliebte Schwiegermutter dem Schwiegersohn, wie einfach man Tickets im Internet bestellen kann und wie leicht es somit für sie ist, die Kinder jetzt öfter zu besuchen. Oder die Oma, die Fruchtzwerge isst und sich dafür nicht im Geringsten zu alt vorkommt. Die wohl ungewöhnlichste alte Frau wirbt für toom Baumarkt und zieht es vor, ins Altersheim zu gehen, als länger bei der Familie zu bleiben, die ihrer Meinung nach in einem hässlichen Haus wohnt. Die Omas sind gepflegt und gut gekleidet, sie sind geistig und körperlich fit und offen für Veränderungen. Die Sportliche Sechs Spots zeigen Frauen beim Sport (3%). Vor allem medizinische Präparate gegen Gelenkschmerzen und Schmerztabletten werben mit Frauen, die dank dieser Produkte keine Beschwerden mehr haben und deshalb ihren sportlichen Aktivitäten wieder ungestört nachgehen können. Während Aspi-
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rin mit jungen Frauen wirbt, sind die Darstellerinnen in der Werbung für Spalt Mobil und Optovit älter, aber trotzdem schlank und fit. Für Ariel fährt eine junge schlanke Frau Fahrrad, im Clip für Campino mit Joghurt von Storck tritt ein ganzes Wasserballettteam auf. Die attraktiven und schlanken jungen Frauen genießen ihren Sport ebenso wie die Bonbons. Eine selbstbewusste junge Frau geht in der Werbung für ein Heuschnupfenmittel (Livocab Direkt) mit dem Sandsack ihres Kickbox-Trainings ebenso unsanft um wie mit ihrem Heuschnupfen und präsentiert sich aktiv und tatkräftig. Insgesamt sind die sportlichen Frauen aktiv und selbstbewusst, schlank und gepflegt und haben sichtlich Spaß an ihrer eigenen Aktivität. Frauen in der Freizeit Die Mehrheit der untersuchten Clips lässt sich keiner der bereits genannten Kategorien eindeutig zuordnen. Daher wurden 91 Spots (38.6 Prozent) zum Thema Freizeit zusammengefasst und dann weiter differenziert. Neben der Darstellung von Freizeitaktivitäten der Frauen zählt auch solche Werbung zu diesem Bereich, in der Frauen mehr oder weniger gar keiner Beschäftigung nachgehen und daher tendenziell funktionslos sind. Die junge hübsche Frau 43 Clips (18%) stellen Frauen als regelrechte Müßiggängerinnen dar. Man findet sie auf Partys (Bacardi), beim Bummeln (Campino Optiwell Control) oder beim Naschen (Storck Chocolat Parvot). Hauptsächlich wirbt dieser Typ der jungen hübschen Frau allerdings für Kosmetika aller Art wie beispielsweise Parfüm (Jil Sander), Damenrasierer (Gilette), dekorative Kosmetik (Maybelline Jade) und Shampoo (Fructis). Diese Frauen sind durchweg jung, zwischen 18 und 30 Jahre alt, attraktiv bis schön, schlank, gepflegt und gut gekleidet und alle scheinen glücklich mit ihrer Situation und den von ihnen verwendeten Produkten.
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Die natürliche Frau Neben der jungen hübschen Frau verwenden 30 Spots (13%) sehr natürlich wirkende Frauen für ihre Produktwerbung. Die natürlichen Frauen werben beispielsweise für Lebensmittel (Leibnitz Butterkeks), rezeptfreie Medikamente (Baldriparan) und Autos (Skoda). Die natürlichen Frauen sind zwischen 18 und 40 Jahre alt und damit teilweise etwas älter als die jungen hübschen Frauen. Auch sie sind stets gepflegt, und wenn auch nicht alle offensichtlich schön sind, so sind sie doch immer attraktiv. Sie wirken entspannt und gelassen und scheinen mit sich selbst im Einklang zu sein und über ein gesundes Selbstbewusstsein zu verfügen. Die Unkonventionelle Schließlich finden sich im Freizeitbereich auch noch Frauenrollen, die sich nicht eindeutig bestimmten Stereotypen zuordnen lassen. Sie sind zusammengefasst unter dem Begriff der Unkonventionellen, wobei diese Kategorie über eine erhebliche Bandbreite verfügt. Insgesamt zeigen 18 Werbespots (8%) unkonventionelle Frauen. Die 'Traurige' kommt nur ein einziges Mal in der Untersuchung vor. Ganz anders als die übrige Werbung, die mit attraktiven und fröhlichen Menschen wirbt, benutzt Dr. Wolffs Plantur 39 (ein Mittel gegen Haarausfall) eine traurige, geradezu verzweifelte Frau, um auf die Dramatik des weiblichen Haarausfalls aufmerksam zu machen. Die schockierende Wirkung dieser Werbung soll vermutlich die Konsumentinnen wachrütteln und zum Handeln bewegen, sie wirkt aber gleichzeitig auch abschreckend, weil sie so gar nicht in das Konzept der heilen Welt der Werbung passen will. Ganz anders dagegen die Spots mit den 'schönen, aber alten Frauen'. Dove Pro Age, Yves Rocher und auch Nivea DNAge werben mit beschwingten und lebenslustigen älteren Frauen. Sie haben teilweise graue Haare und so manche Falte, sind aber gleichzeitig attraktiv, gepflegt und sehr selbstbewusst. Eine weitere Variante der unkonventionellen Frau ist die 'wilde, draufgängerische Frau'. Im Clip für Lätta-Margarine sieht man ein Paar an der Kante eines Wasserfalls stehen. Die Frau beschließt, dass der Platz unterhalb des Wasserfalls viel schöner sei für ein Picknick und springt dann todesmutig den Wasserfall hinunter, obwohl ihr der Mann davon abrät. Anschließend frühstücken die beiden nackt am Flussufer. Die Frau ist
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jung und hübsch, aber gleichzeitig mutig und abenteuerlustig und übernimmt in diesem Spot viel mehr die typische Männerrolle, wohingegen der Mann eher zurückhaltend und ängstlich wirkt. Der Lätta-Spot war der einzige innerhalb der Untersuchung, in der eine Frau in ihrem Verhalten so maskulin wirkt. Auch die 'freche Frau' besitzt teilweise maskuline Verhaltenscharakteristika, diese sind jedoch nicht ganz so stark ausgeprägt wie bei der wilden Frau. Die Frauen sind jung und hübsch, sie sind schlank und gepflegt und unterscheiden sich insofern äußerlich nicht von anderen Frauenrollen. Allerdings können die frechen Frauen ein Selbstbewusstsein vorweisen, das bei keinem anderen Stereotyp in dieser ausgeprägten Form vorkommt. Die junge Frau im Reno-Spot stellt fest, dass Frauen nur eine einzige Problemzone haben, nämlich einen zu kleinen Schuhschrank. Und die Frau im Abendkleid auf der Mumm-Sekt-Party kann der Versuchung nicht widerstehen, dem Mann, der sich vor ihr nach seiner Serviette bückt, einen Klaps auf den Hintern zu geben. Schließlich gibt es auch noch den Typ der 'Anti-Frau'. Diese Frauen wirken entweder dümmlich, so wie die barbiepuppengleiche junge Frau aus der Sparkassen-Werbung, die zusammen mit ihrem Hund und ihrer Mutter bei ihrem Freund einziehen möchte. Dabei bemerkt sie allerdings nicht, dass die Kommentare des Mannes eher darauf schließen lassen, dass er von dieser Idee nicht überzeugt ist. Nachdem die Sparkassen Baufinanzierung für ausreichend Wohnraum gesorgt hat, fällt sie ihm seufzend in die Arme und ist offensichtlich im siebten Himmel. Ein anderer Anti-Typ tritt in der du darfst-Werbung auf. Die schlanke attraktive Frau hat keine Lust, sich beim Taxistand anzustellen und drängelt sich stattdessen einfach vor. Der Mann, der als erstes in der Schlange steht, schaut leicht irritiert in das Taxi, worauf sie ihn fragt, ob sie ihn mitnehmen soll. Auch die sehr dünne Frau, die tanzend und hüpfend im Jogurette-Clip behauptet, sie wurde ständig Schokolade essen, wirkt eher abschreckend als anziehend. Die Anti-Frau ist optisch nicht von anderen Frauenrollen zu unterscheiden, ihr Verhalten lässt aber darauf schließen, dass sie über eher unangenehme Charakterzüge verfügt. Sie ist entweder dümmlich oder überheblich und arrogant und benimmt sich dabei rücksichtslos. Nach der Identifizierung dieser verschiedenen Rollen verbleiben 38 Werbespots (16%), die sich keiner der Kategorien eindeutig zuordnen lassen. Sie zeigen Paare beim Essen (Cremissimo, Géramont), beim Autofahren (Wrigley's) oder auch ein Damenkaffeekränzchen in der Ferne, während Männer den Kaffee rösten (Eilles).
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Insgesamt zeigt sich, dass in der heutigen Fernsehwerbung eine Vielzahl von Frauenrollen vertreten ist. Am häufigsten werden Frauen in Freizeitrollen dargestellt, aber auch Omas, sportliche Frauen und Expertinnen kommen regelmäßig vor. Obwohl immer noch viele Frauen als Hausfrau und Mutter auftreten, hat auch diese Rolle eine Aufwertung erfahren, da die Frauen heute auch im häuslichen Bereich selbstbewusst und zufrieden sind. Allgemein ist festzustellen, dass die Mehrheit der von der Werbung verwendeten Frauenrollen eine positive Entwicklung genommen hat. Die dargestellten Frauen sind selbstbewusst, unabhängig und zielstrebig, dabei aber unbeschwert und lebensfroh. 3
Die Wahrnehmung der Werbefrauen durch Rezipientinnen
Um in der Gruppendiskussion feststellen zu können, wie Frauen auf die stereotypen Darstellungen reagieren, wurden sechs Werbespots ausgewählt, die eine möglichst große Bandbreite der ermittelten Frauenrollen widerspiegeln. Auch sollen die Stereotype nicht zu alltäglich sein, sondern vielmehr polarisieren und damit innerhalb der Gruppen Anlass zu Diskussion geben. Daher kamen Clips mit den häufig vorkommenden Stereotypen der prominenten Frauen, berufstätigen Frauen, sportlichen Frauen, jungen hübschen Frauen und auch natürlichen Frauen nicht in Frage. Die Frauenrollen, die Ausgangspunkt der Diskussion sind, stammen aus den Bereichen Sexobjekt, Mutter, Oma und Frauen in der Freizeit in Form der unkonventionellen Frau. Einen ersten Anhaltspunkt, wie die verschiedenen Frauenrollen dargestellt werden, gibt eine kurze Beschreibung des Inhalts der sechs Spots. 1. Reno – die unkonventionelle Frau Der Werbespot für Reno-Schuhe zeigt keine Spielhandlung, sondern eine junge attraktive Frau, die direkt in die Kamera spricht. "Jede Frau findet ja, dass sie irgendeine Problemzone hat. Zu breite Hüften, zu dicker Po, zu kurze Beine, zu kleiner Busen, zu große Nase. Ist doch alles Quatsch. Es gibt nur eine Problemzone: zu kleiner Schuhschrank." Als sie die "eigentliche" Problemzone der Frauen identifiziert, grinst sie frech und amüsiert sich über den Perfektionismus der meisten Frauen. Die dargestellte Frau ist jung
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und hübsch, sie ist schlank, hat schönes blondes Haar, leuchtende blaue Augen und trägt ein figurbetontes blaues Kleid. Sie wirkt selbstbewusst und eigenständig und verkörpert den Typus der frechen Frau. Der Tenor des Werbespots ist, dass Frauen ganz in Ordnung sind, so wie sie sind, und dass sie mit sich selbst zufrieden sein sollten. 2. du darfst-Sahne – die unkonventionelle Frau Die unkonventionelle Frau in der du darfst-Werbung gehört zu der Kategorie der Anti-Frauen. Eine schlanke brünette Frau kommt im Businesskostüm aus einem Flughafengebäude, sieht die lange Schlange von Männern am Taxistand und stellt sich zunächst hinten an. Die Frau scheint in Eile zu sein und wirkt genervt von der Situation. Dann bemerkt sie ihre eigene Reflexion in den dunklen Scheiben den Flughafengebäudes und betrachtet sich zunächst interessiert, dann mit zunehmender Begeisterung, bis sie schließlich mit ihren Händen ihre perfekte Silhouette nachfährt und kokett mit dem Po wackelt. Beflügelt vom eigenen Aussehen marschiert sie an den wartenden Männern vorbei, die ihr bewundernd hinterherschauen, während die Kamera ihre Rückseite im Fokus hat, wodurch ihre gute Figur besonders zur Geltung kommt. Am wartenden Taxi angekommen, drängelt sich die Frau vor und lässt den Mann, der eigentlich in das Taxi steigen wollte, mit verwirrtem Gesichtsausdruck zurück. Immer noch irritiert, blickt der Mann in das Taxi, in das die Frau bereits eingestiegen ist. Daraufhin fragt sie: "Na, soll ich Sie ein Stück mitnehmen?", wobei sie eine Augenbraue skeptisch hochzieht und dadurch wenig einladend wirkt. Die Protagonistin ist schlank und attraktiv, sie scheint beruflich erfolgreich zu sein, da sie im Businesskostüm am Flughafen auftritt. Allerdings wirkt sie dabei arrogant und überheblich, da sie sich am Taxistand vordrängelt und sich somit allein über die Regeln des Anstands hinwegsetzt. Sie bringt skrupellos ihre schlanke Figur zur Geltung, um für sich selbst einen Vorteil zu erreichen. Insgesamt wirkt sie deshalb abschreckend und unsympathisch.
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3. Dove Pro Age – die unkonventionelle Frau: Im Clip für Pro Age Cremöldusche von Dove tritt eine nackte schlanke Frau mit samtiger, gebräunter Haut auf. Zunächst sieht man nur ihren Hals, danach ihre Taille und schließlich ihren Hals und ihr Dekolleté, während die Worte "Wer sagt, es ist zu spät…" eingeblendet werden. Anschließend zeigt die Kamera Schulter und Rücken der Frau mit der Einblendung "…für schöne, samtige Haut?". Zum Schluss lächelt die Protagonistin in die Kamera, und es ist zu erkennen, dass es sich nicht um eine junge Frau mit schöner Haut, sondern um eine ältere Frau mit schöner Haut handelt. Die dargestellte Frau gehört zu einer neuen Kategorie von unkonventionellen Frauen. Obwohl sie älter ist, wird sie nicht im Kreis der Familie oder als Oma dargestellt, sondern als selbstbewusste und schöne Frau. Sie wirkt sehr weiblich und attraktiv und definiert sich, anders als viele andere ältere Frauen in der Werbung, nicht über ihren Mann und ihre Kinder, sondern allein über sich selbst. In ihrem Verhalten ähnelt sie so der jungen hübschen Frau, und ihr Alter scheint dabei kein Hindernis zu sein. 4. Chanel Le Rouge – das Sexobjekt: Der Spot zeigt ein Bett mit weißen Laken, auf dem sich im Vordergrund eine nackte Blondine räkelt, im Hintergrund ist ein Mann im Anzug zu sehen. Während die Kamera aus unterschiedlichen Perspektiven immer wieder über den nackten Körper der Frau schwenkt, spricht eine weibliche Stimme den Werbetext. "Sag mir, ich muss es wissen, liebst du meine Lippen?" Der Mann hält ihr den Lippenstift entgegen, sie reißt ihn ihm förmlich aus der Hand und trägt den knallroten Lippenstift großzügig auf, während sie direkt in die Kamera schaut. Die dargestellte Frau entspricht sowohl optisch als auch in ihrem Verhalten der Rolle des Sexobjekts. Sie hat einen makellosen Körper, samtige Haut, ein schönes Gesicht und volles blondes Haar. Ihr Verhalten wirkt sexuell aufreizend und verführerisch. Gleichzeitig nimmt sie dem Mann gegenüber eine untergeordnete Rolle ein. Dies kommt vor allem dadurch zum Ausdruck, dass sie nackt im Bett liegt, während er vollständig bekleidet ist. Zusätzlich wirkt der Mann durch sein Business Outfit wie ein erfolgreicher Geschäftsmann, die Frau hingegen scheint nichts zu tun zu haben, außer im Bett auf den Mann zu warten und sich durch seine Aner-
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kennung ihrer Schönheit, vor allem natürlich ihrer schönen Lippen, bestätigt zu sehen. 5. Nimm2 Lachgummi – die Mutter: Die Protagonistin der Lachgummi-Werbung ist eine schlanke junge Frau mit halblangem schwarzem Haar. Sie sitzt auf dem Boden ihres Wohnzimmers und lehnt sich an ein Sofa. Dabei trägt sie Freizeitkleidung und wirkt insgesamt sehr natürlich. Sie spricht direkt in die Kamera und teilt den Zuschauern die Vorzüge der Bonbons mit. "Jeder, der Kinder hat, weiß, dass man kein Kind ohne Süßigkeiten groß bekommt. Insofern versuche ich schon bewusst auf das zu Naschen der Kinder zu achten. Vitamine sind immer wichtig. Wenn sie dann einfach Lachgummi von Nimm2 essen, dann sag ich OK, die sind mit Fruchtsaft gemacht, da sind wenigstens auch noch Vitamine drin. Ja, hat man überhaupt kein schlechtes Gefühl und sagt sich, ach, das ist genau das Richtige." Während ihres Vortrags zeigt die Kamera wechselnde Einstellungen: die Mutter, zwei Kinder, die im Hintergrund spielen oder lustige Figuren mit den Bonbons legen, und das Produkt selbst. Die dargestellte Frau übernimmt eine konservative Mutterrolle. Zum Wohl ihres Nachwuchses hat sie sich ausführlich zum Thema Süßigkeiten informiert und weiß genau, dass die Vitamine in den beworbenen Bonbons negative Eigenschaften wie Zucker wieder gutmachen. Insgesamt versucht der Clip, der dargestellten Frau eine gewisse Kompetenz in Sachen Ernährung zu verleihen und somit die Glaubwürdigkeit der getroffenen Aussagen zu unterstreichen. 6. Die Bahn – die Oma: Um einem Zusammentreffen mit seiner Schwiegermutter zu entgehen, behauptet der Mann im Spot, keine Zeit zu haben, da er noch Bahnkarten im Internet bestellen muss. Im nächsten Moment tritt die Schwiegermutter an seinen Schreibtisch heran, dreht den Laptop in ihre Richtung und sagt: "Das kann doch so schwer nicht sein". Die alte Frau beginnt, die nötigen Informationen von ihrem Schwiegersohn abzufragen und dabei die Buchungsschritte im Internet zu vervollständigen. Schließlich beendet sie nach weni-
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gen Sekunden die Buchung, eröffnet dem Mann, dass alles erledigt sei, nennt den Preis der Tickets und druckt diese aus. In der folgenden Szene sieht man das Paar in die Bahn steigen, die alte Frau steht am Bahnsteig, um sie zu verabschieden. Auf die Äußerung des Mannes, es wäre schade, dass sie nicht mitkommen könne, steigt die Schwiegermutter kurzerhand ein, zückt ihr Handy und bestellt damit in letzter Minute noch ein Ticket für die Fahrt. Die Schwiegermutter gehört in die Kategorie der unkonventionellen Omas. Sie ist zwar alt und hat Falten im Gesicht, trotzdem ist sie gepflegt, gut angezogen und attraktiv. Außerdem ist sie selbstsicher, frech, clever, eigenständig und schlagfertig und vermittelt dem Zuschauer insgesamt das Gefühl, dass man es hier mit einer patenten älteren Frau zu tun hat, die sich sowohl physisch als auch psychisch bester Gesundheit erfreut und Veränderungen des Alltags und technischen Fortschritt handhaben und genießen kann. Die Wahrnehmung der jüngeren Frauen Die jüngeren Frauen empfinden die Darstellung der Frau in der Fernsehwerbung zunächst grundsätzlich als künstlich und unecht, da sie der Überzeugung sind, dass die Werbefrauen nachträglich am Computer überarbeitet werden. Für die Gruppe ist die typische Werbefrau eine junge, schlanke und hübsche Frau, die das vorgestellte Produkt verkaufen soll. Oder sie ist eine Hausfrau mit Kindern, dabei aber ebenfalls schlank und attraktiv. Werbefrauen treten aber auch als Expertinnen auf, sie wissen um die Vorzüge ihres Produkts und vermitteln dem Zuschauer das Gefühl, dass man sich auf ihre fundierte Meinung verlassen kann. Frauen werben insgesamt für die unterschiedlichsten Produkte, für Putzmittel und Autos ebenso wie für Süßigkeiten, und sind damit in fast allen Bereichen der Werbung einsetzbar. Nach Ansicht der Teilnehmerinnen ist die typische Werbefrau entweder Mitte 20 und macht Karriere oder sie ist Mitte 20 und ein Sexobjekt. Im Allgemeinen haben die Teilnehmerinnen keine sehr gute Meinung von den Frauen der Werbung, da sie der Ansicht sind, dass Werbefrauen in erster Linie auf ihren Sexappeal setzen, um sich und das beworbene Produkt anziehend und verführerisch wirken zu lassen. Andere Qualitäten wie Intelligenz oder Wissen treten in den Hintergrund und sind keine wichtigen Eigenschaften für die Werbefrau. Bestätigt sehen die Teilnehmerinnen ihr Empfinden vor allem
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darin, dass Werbung häufig nackte Frauen einsetzt um Produkte aller Art zu verkaufen. Besonders negativ fallen den Probandinnen Werbefrauen auf, die nicht nur jung und sexy sind, sondern darüber hinaus in einer eindeutig sexuellen und teilweise auch lüsternen Weise dargestellt werden. Die Teilnehmerinnen empfinden eine solche Frauendarstellung als geradezu lächerlich. Neben negativen Beispielen identifizieren die Teilnehmerinnen aber auch positive Frauendarstellungen in der Werbung. Die Verwendung natürlicher Frauen wie beispielsweise in der Dove-Kampagne wird als realistisch und begrüßenswert empfunden. Im Gegensatz zu den bereits kritisierten künstlichen Frauendarstellungen zeigt die Dove-Werbung natürlich aussehende und auch ältere Frauen, die eben nicht dem Ideal der jungen schlanken Frau entsprechen. Außerdem gefällt die Darstellung der Familienmanagerin der Vorwerk-Kampagne, die dem Beruf der Hausfrau und Mutter die Bezeichnung Familienmanagerin verleiht und damit aufwertet. Schließlich fühlen sich die Teilnehmerinnen auch von Frauen angesprochen, die frech und selbstbewusst auftreten und sich von anderen Leuten nichts gefallen lassen. Die Wahrnehmung ausgewählter Frauentypen Nach dem allgemeinen Frauenbild in der Werbung geben die folgenden Abschnitte die Meinung der Diskutantinnen zu ausgewählten einzelnen Fernsehwerbespots wieder. Die Reno-Frau Obwohl die Gruppe der Meinung ist, dass es sich bei der Frau aus der RenoWerbung um eine typische junge Frau handelt, stößt sie bei den Teilnehmerinnen auf Ablehnung. Die Werbefrau wird als arrogant und überheblich wahrgenommen, die durch ihre perfekte Figur wieder einmal die Künstlichkeit der Werbung widerspiegelt und dadurch unrealistisch wirkt. Die Werbefrau ist den Teilnehmerinnen durchaus auch sympathisch, vermittelt ihnen jedoch nicht das Gefühl, sehr selbstbewusst zu sein. Die Diskutantinnen empfinden das Aussehen der Reno-Frau als zu perfekt, und da sie selbst über keine Problemzonen verfügt, sollte sie es sich auch nicht anmaßen, über die
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Problemzonen von Frauen zu sprechen, die nicht so makellos aussehen wie die Werbefrau selbst. Ein solch fehlerloses Aussehen empfinden die Teilnehmerinnen als unrealistisch, wodurch auch das Verhalten der Werbefrau, welches in ihrem perfekten Äußeren begründet liegt, unglaubwürdig wirkt. Auch die klischeehafte Vorstellung, Frauen würden ständig nur Schuhe kaufen und hätten dadurch Platzprobleme in ihrem Schuhschrank, wird von den Diskutantinnen aufgegriffen. Die Gruppe ist sich im wesentlichen einig, dass Frauen in der Realität weder einen Schuhtick haben, noch annähernd so viel Wert auf den Kauf neuer Schuhe legen, wie es die Werbung vermitteln möchte. Die Idee, dass Schuhe wichtiger sein könnten als das eigene Aussehen, empfinden die Teilnehmerinnen als absurd. Insgesamt stößt die Reno-Frau bei den Diskutantinnen auf wenig Gegenliebe. Sie erscheint unglaubwürdig und eingebildet und wird von den Teilnehmerinnen als wenig ansprechend wahrgenommen. Auch das Spiel mit dem Klischee, Frauen würden sich nur für Schuhe interessieren, wird nicht als amüsant, sondern vielmehr als beleidigend empfunden. Die du darfst-Frau Die Gruppe sieht einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der schlanken Frau und dem Diätprodukt und empfindet die Besetzung der Rolle im Werbeclip als angemessen. Allerdings sehen die Teilnehmerinnen die Auswahl der schlanken Frau auch kritisch. Sie diskutieren die Möglichkeit, eventuell eine korpulente Werbefrau einzusetzen, finden eine solche Figur allerdings zu extrem für das beworbene Produkt und kommen schließlich zu dem Ergebnis, eine Durchschnittsfrau wäre die geeignete Besetzung für den Spot. Dennoch sind sich die jüngeren Frauen darüber im Klaren, dass die dargestellte Frau sehr viel attraktiver ist als beispielsweise eine Hausfrau mit fettigen Haaren und drei Kindern und dass sie somit auch für die Zuschauer ansprechender ist. Die du darfst-Frau selbst halten die Teilnehmerinnen für sehr jung, fast kindlich. Sie trägt Kleidung, die sie älter erscheinen lässt, als sie tatsächlich ist, und sieht zwar hübsch aus, wirkt dabei aber gleichzeitig lolitahaft. Sie spielt die Rolle der toughen Business-Frau, hat aber keinen Pep und erzielt damit kaum einen Effekt bei den jüngeren Frauen. Wichtiger als ihr Aussehen, das im Zusammenhang mit dem Diätprodukt angemessen erscheint, ist den Teilnehmerinnen allerdings das Verhalten der Werbefrau.
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Passend zu ihrem Äußeren wirkt ihr Auftreten auf einen Teil der Gruppe unreif, kindlich und pubertär und hinterlässt den Eindruck, dass die Werbefrau, ähnlich wie ein Teenager, ihre Grenzen austestet und herausfinden will, wie weit sie mit ihrem Verhalten kommt. Andere Probandinnen empfinden ihr Verhalten als eine Frechheit und halten es für absolut indiskutabel. Sie glauben, die Frau ist eingebildet und arrogant, wobei sich ihre Arroganz auf ihr gutes Aussehen stützt. Einem Vergleich mit der Realität hält die Werbung nicht stand, da sich keine der Teilnehmerinnen derart benehmen würde und es auch nicht kommentarlos hinnehmen würde, wenn eine andere Frau, unabhängig von ihrem Äußeren, ein solches Benehmen an den Tag legen würde. Nach Ansicht der Gruppe ist die Botschaft des Werbespots, dass man durch die Verwendung des Produkts selbstbewusst und attraktiv wird. Dabei zeigt er aber auch, dass die Zuschauerin eben nicht so gut aussieht wie die verwendete Werbefrau, und liefert damit einen Grund, dass Produkt in Zukunft zu kaufen. Zusätzlich vermittelt der Spot den Eindruck, dass gutes Aussehen auch schlechtes Benehmen rechtfertigt, wobei das Verhalten der dargestellten Frau von den Teilnehmerinnen weniger als selbstbewusst, sondern vielmehr als arrogant und eingebildet wahrgenommen wird. Insgesamt hinterlässt die du darfst-Frau einen negativen Eindruck bei den Teilnehmerinnen. Obwohl ihr Benehmen deutlich kritisiert wird, betrachten die Diskutantinnen die Werbung immer aus einer gewissen Distanz und stellen Überlegungen zu Wirksamkeit und gewollten Effekten der Werbung an. Auch bei der Übertragung des Verhaltens in die Realität behalten die Frauen stets den unechten Charakter der Werbung im Blick und nehmen die dargestellte Frau nicht allzu ernst. Die Dove-Frau Die Gruppe nimmt die Dove-Frau sehr positiv wahr. Die verwendeten Ausschnitte des Frauenkörpers zeigen schöne Haut, die darauf schließen lassen könnte, dass eine junge Frau Werbung für Dove macht. Erst in der letzten Einstellung wird durch die sichtbaren Falten in ihrem Gesicht klar, dass es sich um eine ältere Frau handelt. Die Teilnehmerinnen empfinden die ältere Frau als schön, glauben, dass sie mit sich selbst zufrieden ist und sich trotz ihres Alters wohl fühlt. Durch ihr Lächeln wirkt sie glücklich, gleichzeitig aber auch freundlich und sympathisch auf den Zuschauer. Die Diskutantin-
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nen mögen die natürliche, wenig gestylte Ausstrahlung der Frau, die sie pur und normal erscheinen lässt, so dass es sich bei ihr durchaus auch um die eigene Mutter oder die Frau von nebenan handeln könnte. Einen Widerspruch sieht die Gruppe jedoch in der Darstellung der Frau. Die Kombination der straffen Körperhaut mit den tiefen Falten im Gesicht halten die Teilnehmerinnen für untypisch, da Frauen sich entweder komplett, also Gesicht und Körper, oder überhaupt nicht pflegen. Diese Inkonsequenz in der Darstellung wäre nach Ansicht der Gruppe dadurch zu verringern, dass eine grauhaarige Werbefrau auftritt statt der verwendeten schwarzhaarigen Frau mit den Falten im Gesicht. Allerdings ist den Teilnehmerinnen auch bewusst, dass gerade die Gesichtsfalten ein wichtiger Bestandteil der Werbung sind, um im Gegensatz dazu die Wirksamkeit der Körperlotion zu demonstrieren. Neben der dargestellten Dove-Frau diskutiert die Gruppe auch noch andere Frauen der Kampagne, die in der gezeigten Werbung nicht vorkamen. Dove arbeitet dabei mit unterschiedlichsten Frauentypen, zeigt dicke und dünne, alte und junge Frauen. Die Gruppe bewertet die gesamte Kampagne sehr positiv, da sie sich von anderen Werbebildern bewusst abgrenzt und keine rigiden Vorgaben an das Aussehen der Models richtet. Vor allem die Natürlichkeit der Frau und die Tatsache, dass sie schön, wenn auch nicht mehr ganz jung ist, sorgen in der Gruppe für eine hohe Akzeptanz der Werbefrau. Insgesamt sorgen die Natürlichkeit der Frau und das Abweichen von strikt einzuhaltenden Schönheits- und Figurnormen dafür, dass die Dove-Frau von der Gruppe am positivsten wahrgenommen wird. Die Chanel-Frau Die Bezeichnungen für die Chanel-Frau reichen von verführerischer Femme Fatale über ruchlose Lolita, die so jung und unreif wirkt, dass sie wie ein Kind erscheint, über Geliebte bis hin zu Prostituierte und blondes Dummchen. Die Teilnehmerinnen halten die Werbefrau für eine aktive Verführerin, die in ihrer Rolle aufgeht, aber gleichzeitig auch für ein passives Sexobjekt, mit dem ganz gezielt Männer angesprochen werden sollen. Durch die Annahme, dass Männer die Verführung durch die Frau mögen, ergibt sich für die Frau im Werbespot die Rolle der Verführerin, die von den Teilnehmerinnen auch gleichzeitig als ein Vorbild für reale Frauen interpretiert
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wird. Auch bei dieser Frauendarstellung sehen die Diskutantinnen wieder das beworbene Produkt als Grundlage für die (sexuelle) Attraktivität und das Selbstbewusstsein der Frau und damit schließlich auch als die Ursache ihres Verhaltens. Unangenehm fällt auch noch der vermutlich ältere, vollständig bekleidete Herr auf, der neben der Chanel-Frau im Bett liegt. Auch dadurch sehen die Teilnehmerinnen wieder das Klischee der Lolita bestätigt. Die Gruppe ist sich sicher, dass von einer intelligenten Frau, unabhängig davon, ob sie Käuferin der Marke ist oder nicht, keine positive Reaktion auf eine solche Werbung zu erwarten ist. Neben der Darstellung von offensiver Nacktheit im Werbeclip, die den gesamten Spot billig erscheinen lässt, ist es vor allem die Verwendung eines sehr jungen Models, die die Teilnehmerinnen abstößt. Zum einen ist die Gruppe der Meinung, dass grundsätzlich auch ältere Frauen sehr sexy sein können, zum anderen gehen die Probandinnen sogar so weit zu sagen, dass die Darstellung einer älteren Frau den Spot deutlich aufgewertet hätte. Bei der Übertragung des Verhaltens der Werbefrau auf die Realität sind die Teilnehmerinnen der Meinung, dass es durchaus Frauen gibt, die sich so benehmen. Auch finden sie das Verhalten nicht grundsätzlich negativ, da sich das dargestellte Paar nicht in der Öffentlichkeit befindet und ein solches Benehmen dem Freund oder Mann gegenüber durchaus normal ist. Schließlich übertragen die Diskutantinnen die Situation auf ihre eigene Realität und stellen fest, dass das Produkt keinesfalls dafür sorgen kann, das der Konsument ebenso attraktiv wird wie das Model. Insgesamt fällt die Wahrnehmung der Chanel-Frau sehr negativ aus. Die Diskutantinnen fühlen sich durch die Verwendung eines Sexobjekts nicht im Geringsten angesprochen und gehen davon aus, dass auch keine andere intelligente Frau positiv auf die Werbefrau reagiert. Besonders das Bild der Lolita bleibt negativ in Erinnerung und wird von der Gruppe scharf kritisiert. Die Lachgummi-Frau Das Aussehen der Lachgummi-Frau wirkt auf die Teilnehmerinnen natürlich und gepflegt, ohne dabei zu sehr gestylt zu sein. Sie ist um die 30 Jahre alt, hübsch und hat eine gute Figur. Auf die Gruppe wirkt sie im ersten Moment sympathisch und nett. Auch gelingt es ihr, ihre Rolle im Werbespot so zu spielen, dass sie authentisch wirkt und durchaus eine reale Mutter sein könn-
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te. Die Teilnehmerinnen nehmen die Werbefrau als eine gute Mutter wahr, die voll im Leben steht, ihre Kinder gut erzieht und dabei dennoch entspannt bleibt. Allerdings gibt es auch Stimmen innerhalb der Gruppe, die der Meinung sind, dass die Frau zu viel redet und dabei besserwisserisch wirkt. Bei genauerer Betrachtung erscheint die Frau auch als zu jung, um tatsächlich die Mutter der dargestellten Kinder zu sein. Die Botschaft, die der Werbespot vermitteln will, wird von den Teilnehmerinnen kritisch beurteilt. Die Rolle der Ernährungsexpertin wirkt unglaubwürdig und führt sogar dazu, dass die Werbefrau Sympathien verliert. Zum einen hat die LachgummiFrau keinerlei Referenzen, die ihre Qualifikation im Bereich Ernährung stützen, zum anderen sind die Diskutantinnen der Ansicht, dass sich die Rolle der Mutter und die Rolle der Ernährungsexpertin gegenseitig ausschließen und deshalb nicht zusammenpassen. Ingesamt nehmen die Diskutantinnen Natürlichkeit und Authentizität der Werbefrau sehr positiv wahr, sind allerdings von ihren fachlichen Qualifikationen als Ernährungswissenschaftlerin nicht überzeugt. Die Bahn-Frau Die ältere Frau in der Bahn-Werbung wird unterschiedlich wahrgenommen. Einerseits erscheint sie gerade im ersten Teil der Werbung wie eine nette ältere Dame, die deutlich älter als 55 ist. Sie wirkt lustig und sympathisch, gleichzeitig aber auch patent und hilfsbereit. Andererseits ist sie aber gerade auch im zweiten Teil des Spots aufdringlich und besserwisserisch und lässt den Mann durch ihre herrische Art verzweifeln. Sie benimmt sich wie die sprichwörtliche böse Schwiegermutter, gleichzeitig ist die Gruppe auch der Meinung, dass der versierte Umgang mit der Technik für eine Frau in ihrem Alter unglaubwürdig erscheint. Besonders die auf die Gruppe unrealistisch wirkenden Fähigkeiten der Bahn-Frau führen dazu, dass sie in ihrer Rolle insgesamt sehr unglaubwürdig wirkt. Obwohl gerade ältere Leute eher Schwierigkeiten mit der modernen Technik haben, ist die Bahn-Frau in der Lage, der Technik Herr zu werden und kann dadurch deutlich mehr als die meisten Menschen in ihrem Alter. Die Botschaft, dass das System leicht zu bedienen ist, und daher auch alte Leute damit zurechtkommen, wird positiv wahrgenommen, gerade weil ältere Menschen nicht mehr so mobil sind und durch diesen Service Unterstützung erfahren. Das Verhalten der Bahn-Frau
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wird von den Teilnehmerinnen zwar kritisiert, trotzdem empfinden sie es als eine realistische Darstellung älterer Menschen. Insgesamt stellt die BahnFrau eine realistische Verkörperung älterer Frauen da. Obwohl die Teilnehmerinnen sie als etwas fordernd und herrisch empfinden, ist das allgemeine Urteil über die Frau positiv. Zwischenfazit: Grundsätzlich steht die Gruppe der jüngeren Frauen Werbefrauen kritisch gegenüber, da sie sie als unecht und unrealistisch wahrnimmt. Die typische Frau in der Werbung ist nach Ansicht der Teilnehmerinnen jung, schlank und hübsch, dabei wenig intelligent und dient der Produktpräsentation. Oder sie ist eine Hausfrau, dabei ebenfalls jung und hübsch, und für den häuslichen Bereich und die Versorgung der Kinder zuständig. Frauen treten aber auch als für den Zuschauer glaubwürdige Experten auf. Schließlich gibt es noch verführerische Frauen mit reichlich Sexappeal. Allerdings sehen die Teilnehmerinnen auch Abweichungen von diesen weit verbreiteten Stereotypen. Die Darstellung natürlicher Frauen wie in der Dove-Werbung findet große Zustimmung ebenso wie die Verwendung schlagfertiger, selbstbewusster und emanzipierter Frauen wie beispielsweise die ältere Frau in der Bahn-Werbung. Bei aller Natürlichkeit sollten die Frauen trotzdem auf ihre Art attraktiv sein, um den Zuschauer anzusprechen. Eine Einhaltung rigider Figurnormen und strikter Schönheitsideale ist dabei nach Ansicht der Teilnehmerinnen jedoch nicht notwendig. Ablehnend steht die Gruppe der Verwendung zu junger und kindlicher Frauen, Sexobjekten wie bei Chanel und auch der ihrer Meinung nach inflationär eingesetzten Nacktheit in der Werbung gegenüber. Die Wahrnehmung der älteren Frauen Die älteren Teilnehmerinnen identifizieren verschiedene Frauenbilder, die häufig in der Werbung vorkommen. Typische Werbefrauen sind entweder jung und sexy, oder es sind Frauen, die auf meist minderwertig dargestellte Tätigkeiten im Haushalt reduziert sind. Darüber hinaus gibt es auch noch emanzipierte Frauen, die dann aber häufig unsympathisch und besserwisserisch wirken. Schließlich arbeitet die Werbung auch mit prominenten Frauen. Die Teilnehmerinnen sind der Meinung, dass die Werbefrau und das beworbene Produkt zusammenpassen sollen, dass also für Produkte, die sich an eine junge Käuferschicht richten, auch durchaus junge Frauen in der
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Werbung am besten geeignet sind. Gerade die Verwendung älterer Frauen in der Werbung wird von der Gruppe scharf kritisiert. Ältere Frauen werden häufig auf Gesundheitsprodukte und andere Dinge des Alters beschränkt. Eben diese Reduzierung stößt bei den Teilnehmerinnen auf Ablehnung und Unverständnis, da sie der Meinung sind, dass ältere Frauen auch für andere Bereiche Werbung machen sollten und daher nicht von vornherein aus bestimmten Produktkategorien auszuschließen sind. Nach Ansicht der Gruppe stehen ältere Frauen mitten im Leben und sind durchaus erfolgreich, was sich auch in ihrer Darstellung in der Werbung widerspiegeln sollte. Neben der Reduzierung älterer Frauen auf Werbung für Gesundheitspräparate steht auch die häufige Reduzierung der Frau auf ihr Aussehen im Mittelpunkt der Diskussion. Die Teilnehmerinnen haben häufig das Gefühl, dass die (berufliche) Qualifikation einer Frau in der heutigen Gesellschaft eher zweitrangig ist, wohingegen ihr Aussehen, ihre Frisur und ihr Make-up darüber entscheiden, wie eine Frau wahrgenommen wird. Auch die Tatsache, dass selbstbewusste Frauen häufig aggressiv wirken, beschäftigt die Gruppe. Insbesondere vertreten die Teilnehmerinnen die Meinung, dass bei Fragen des Selbstbewusstseins Männer und Frauen unterschiedliche Maßstäbe gelten. Dasselbe Verhalten, das bei Männern toleriert und akzeptiert wird, führt bei Frauen dazu, dass sie kritisiert und schließlich negativ wahrgenommen werden. Als positives Beispiele für eine gelungene Werbung nennen die Diskutantinnen die aktuelle Dove-Kampagne, die nicht mit Idealtypen arbeitet, sondern auch reife, dicke und ältere Frauen zeigt. Die Wahrnehmung ausgewählter Frauentypen Auch hier geben die folgenden Abschnitte zunächst die Eindrücke der älteren Frauen zu den einzelnen Fernsehspots wieder. Die Reno-Frau Die Teilnehmerinnen empfinden die Frau aus der Reno-Werbung als sympathische Darstellung einer jungen Frau. Die Gruppe ist sich weitgehend darüber einig, dass die Frau adrett aussieht und durch ihre witzige Art ihren Werbetext ansprechend vermittelt. Für die Teilnehmerinnen verkörpert die
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Werbefrau eine typische junge Frau, da sie der Ansicht sind, dass sich viele junge Frauen heutzutage genau so benehmen, wie die Werbefrau es demonstriert. Ihre lockere Art wirkt realistisch und verleiht ihr Glaubwürdigkeit, so dass die Gruppe an der Frauendarstellung nichts auszusetzen hat. Insgesamt gefällt der Werbespot den Teilnehmerinnen gut, und die Botschaft, dass es keine Problemzonen außer einem zu kleinen Schuhschrank gibt, wirkt für sie lustig. Allerdings kritisiert die Gruppe den Hinweis auf die Problemzonen der Frau und glaubt, dass die Zuschauerinnen dadurch zum Nachdenken über die eigenen Problemzonen angeregt werden sollen. Bei einigen der Teilnehmerinnen sorgt der Hinweis auf die Problemzonen sogar dafür, dass der Rest des Clips und damit auch die Pointe nicht mehr wahrgenommen werden, da der Begriff Problemzonen derart negativ besetzt ist, dass die Teilnehmerinnen die weiteren Aussagen des Werbespots bewusst ignorieren. Statt der Werbefrau hätte nach Ansicht der Gruppe ebenso gut ein Mann die Rolle im Werbespot spielen können, in der Diskussion identifizieren die Teilnehmerinnen allerdings das Klischee "Frauen kaufen immer Schuhe" und halten schließlich doch die Frau für die passende Besetzung. An dieser Stelle wird die Verbindung zur Realität der Diskutantinnen deutlich, denn wenn der Schuhschrank voll ist, dann muss man einfach ein paar Schuhe entsorgen, um wieder Platz zu schaffen. Hier spiegelt sich der Pragmatismus der Gruppe wider und ihre Fähigkeit, konkrete Problemlösungen zu entwickeln anstatt Probleme nur zu diskutieren. Insgesamt nimmt die Gruppe die Werbefrau sehr positiv wahr und hält sie für realistisch und glaubwürdig. Die Botschaft des Clips führt zu unterschiedlichen Meinungen innerhalb der Gruppe, wobei ein Teil sich darüber amüsiert, ein anderer Teil die Problemzonendiskussion als negativ empfindet und sie deshalb ablehnt. Die du darfst- Frau Das Aussehen der du darfst-Frau erfährt durchweg positive Beurteilung. Die Gruppe sieht in ihr eine gutaussehende, schlanke und begehrenswerte Frau. Darüber hinaus wirkt die Werbefrau schick, elegant und flott. Sie passt gut zu dem beworbenen Produkt und die dargestellten Männer schauen ihr hinterher und bewundern ihr Aussehen. Das Verhalten der Werbefrau führt zu unterschiedlichen Meinungen innerhalb der Gruppe. Während manche der Teilnehmerinnen sich durch die du darfst-Frau an Pretty Woman erinnert
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fühlten, ihr Verhalten als frech, erfolgreich, emanzipiert und selbstbewusst wahrnehmen und ihr gesamtes Auftreten positiv bewerten, ist die Mehrheit der Gruppe der Meinung, dass ihr Verhalten untragbar, schäbig und indiskutabel ist. Sie ist unhöflich und benimmt sich affig, wobei sich ihr Verhalten auf ihr gutes Aussehen stützt. Die Teilnehmerinnen sind der Ansicht, dass ein solch freches Verhalten grundsätzlich nicht in Ordnung ist, ganz egal, wie attraktiv die Frau ist. Ihr aufreizender Gang fällt der Gruppe negativ auf, und da niemand in der Realität so laufen würde, macht sich die Werbefrau damit unglaubwürdig. Schließlich nehmen die Teilnehmerinnen aber auch wieder eine etwas distanzierte Position der Werbung gegenüber ein und geben zu bedenken, dass die Frau sich natürlich extra für den Spot so benimmt und ihr Verhalten somit nicht auf die Realität übertragbar ist. Ihr Benehmen ist also übertrieben, bis auf das unhöfliche Verhalten am Ende des Clips aber durchaus in einem vertretbaren Rahmen. Die Botschaft der Werbung, dass du darfst Frauen schlank macht, sieht die Gruppe durch die Werbefrau gut transportiert. Die Teilnehmerinnen nehmen die Werbefrau als eine sehr attraktive und sehr schlanke Frau wahr. Obwohl ihr Verhalten grundsätzlich Anlass zur Kritik gibt, differenzieren die Diskutantinnen ganz klar zwischen der Welt der Werbung und der Realität, wobei sie der Werbefrau ein Verhalten zugestehen, das für sie in der Realität undenkbar wäre. Die Dove-Frau Das Aussehen der Dove-Frau wird von der Gruppe negativ bewertet. Obwohl die Frau im mittleren Alter ist, lassen sie ihre harten Gesichtszüge deutlich älter erscheinen. Dadurch wirkt sie wenig weiblich und erweckt den Eindruck, eine bissige, abgearbeitete Business-Frau zu sein. Dennoch wirkt die Werbefrau glaubwürdig in ihrer Rolle. Alles in allem sieht die Gruppe die Wahl der Werbefrau als Geschmacksache an, würde persönlich aber einen fraulicheren Typ oder auch einen Großmuttertyp bevorzugen. Anders als die Werbefrau erhält die gesamte Kampagne von Dove eine positiv Bewertung. Die Tatsache, dass bei Dove die Produkte im Mittelpunkt der Werbung stehen, wird ebenso anerkannt wie die Verwendung unterschiedlichster Models, die sowohl dick und dünn als auch alt und jung sind. Dove präsentiert in der Kampagne das richtige Produkt für jeden Typ Frau. Die Teilnehmerinnen sind der Ansicht, dass die Werbung auch kräftige Figuren
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zeigen soll und begrüßen es sehr, dass Dove normale Menschen für die Werbekampagne verwendet und bewusst auf den Einsatz von Idealtypen verzichtet. Die Botschaft von Dove lautet, dass jeder auf seine Art attraktiv sein kann, und dieser Meinung schließen sich die Teilnehmerinnen bereitwillig an. Die Chanel-Frau Die Teilnehmerinnen nehmen die Chanel-Frau ganz klar als Sexobjekt wahr. Das Aussehen der Werbefrau ist ihrer Ansicht nach einwandfrei, sie hat einen perfekten Körper, ist jung und sehr attraktiv. Ihre Art jedoch wirkt auf die Gruppe abstoßend, sie wird als Verführerin, aber auch als Prostituierte wahrgenommen. Sie setzt ihr laszives Verhalten gezielt ein, um ihre Interessen zu verwirklichen. Die Gruppe ist sich darin einig, dass dieses Verhalten durchaus wirklichkeitsnah ist, dass sich also auch reale Frauen so benehmen, um ihre Ziele zu erreichen und Männer dazu zu bewegen, etwas zu bezahlen. Der Einsatz des Sexobjekts zu Werbezwecken ist nach Meinung der Teilnehmerinnen eine billige Masche, die in der Vergangenheit häufig eingesetzt wurde, den Werbungspot heutzutage allerdings völlig unzeitgemäß erscheinen lässt, da das Verhalten der Werbefrau dem Verhalten heutiger realer Frauen nicht entspricht. Insgesamt wird das Aussehen der Chanel-Frau nicht kritisiert, da die Teilnehmerinnen das Äußere der Frau und ihr Verhalten strikt voneinander trennen. Eine Fokussierung der Werbung auf das Produkt ebenso wie die stilvollere Darstellung einer schönen Frau würde die Akzeptanz des Spots innerhalb der Gruppe steigern. Die Lachgummi-Frau Das Aussehen der Frau bewertet die Gruppe durchweg positiv. Die Lachgummi-Frau ist hübsch, schlank, erledigt ihre Aufgaben scheinbar im Handumdrehen und ist dabei gut gelaunt und sitzt entspannt auf dem Sofa. Trotzdem wirkt ihre Art der Produktpräsentation angestrengt und wenig sympathisch auf die Teilnehmerinnen. Ihre Rolle als Übermutter, die stets auf die gesunde Ernährung und das Wohl ihrer Kinder achtet, empfinden die Diskutantinnen als störend. Gleichzeitig wirkt sie auch unglaubwürdig, da sie nach Rechtfertigungen für die angebotenen Süßigkeiten sucht. Dieses
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schlechte Gewissen steht im Widerspruch zu ihrer Rolle als Übermutter. Negativ fällt den Diskutantinnen schließlich auf, dass in der Werbung eine große räumliche, aber auch emotionale Distanz zwischen der Frau und ihren Kindern herrscht, was auf einen gewissen Egoismus trotz der Rolle als Übermutter schließen lässt. Dem Vergleich mit der Realität hält die Werbefrau nicht stand. Echte Mütter sind nicht stets gut gelaunt und entspannt. Für die Teilnehmerinnen ist es darüber hinaus völlig in Ordnung, wenn Mütter ihren Kindern Süßigkeiten geben, wodurch die Rechtfertigungen und ein schlechtes Gewissen überflüssig sind. Obwohl die Diskutantinnen sich selbst nicht als Übermütter wahrnehmen und die Belehrungen der Werbefrau als unangenehm empfinden, sind sie doch der Meinung, dass es in der Realität solche Übermütter gibt, die beim Anbieten der falschen, das heißt ungesunden, Süßigkeiten ein schlechtes Gewissen plagt. Das Aussehen der Werbefrau wird insgesamt positiv wahrgenommen. Durchweg als störend wird jedoch die Rolle der Übermutter empfunden, und die Teilnehmerinnen distanzieren sich bewusst von dieser Darstellung. Die Bahn-Frau Die Gruppe reagiert ausnahmslos positiv auf die Werbefrau der Bahn. Vor allem die Tatsache, dass die ältere Frau nicht dumm erscheint, begrüßen die Teilnehmerinnen, da sie das Gefühl haben, dass alte Frauen in der Werbung sonst häufig ein wenig beschränkt wirken. Zusätzlich ist die Werbefrau auch noch besser und schneller als der dargestellte Mann im Umgang mit der modernen Technik, was die Gruppe ebenfalls positiv bewertet. Die Werbefrau wirkt wie eine vorwitzige alte Dame, die vital, dynamisch und quirlig ist. Sie hat keine Angst vor der Technik und erscheint willensstark, zielstrebig, selbstständig, tatkräftig und zeigt, was sie kann. Die Art, wie die Werbefrau sich den Laptop aneignet und dadurch in die Angelegenheiten des Mannes einmischt, wirkt allerdings auf einen Teil der Gruppe ein wenig zu bestimmt, zu dominant und daher störend, da die Teilnehmerinnen der Meinung sind, dass man das Problem auch charmanter hätte lösen können. Über das Verhältnis der Werbefrau zu dem dargestellten Schwiegersohn entspannt sich eine ausführlich Diskussion. Die Gruppe ist der Ansicht, dass die Bahn-Frau ihm gegenüber eindeutig Position bezieht und dass ihre Stellung in der Auseinandersetzung höher ist als die des Mannes. Der Mann
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versteckt sich vor der nahenden Schwiegermutter, da er sich offensichtlich nicht mit ihr abgeben will. Die Werbefrau durchschaut ihn und reagiert deshalb so dominant auf seinen Versuch, eine unerledigte Aufgabe als Ausrede zu benutzen. Vor diesem Hintergrund betrachtet ist das Verhalten der Werbefrau für die Gruppe verständlich und damit gerechtfertigt. Insgesamt bleibt somit der positive Eindruck der Werbefrau bestehen, sie wirkt auf die Diskutantinnen modern und glaubwürdig, da sich ältere Frauen in der Realität durchaus so benehmen. Als angenehm empfinden die Teilnehmerinnen darüber hinaus den Verzicht auf übermäßiges Make-up und Styling, um die Werbefrau künstlich jung erscheinen zu lassen. Ob ältere Frauen jedoch wissen, was der Werbespot vermitteln will, ist fraglich. Ein Teil der Gruppe traut älteren Frauen dieses Verständnis zu, der andere Teil ist sich nicht sicher, ob Frauen im fortgeschrittenen Alter den Inhalt verstehen. Insgesamt reagieren die Teilnehmerinnen sehr positiv auf die Werbefrau. Sie wirkt natürlich, fit und vital und ist tatkräftig und selbstbewusst. Der Abbau von Vorurteilen älteren Menschen gegenüber liegt der Gruppe, nicht zuletzt wegen der eigenen Betroffenheit, besonders am Herzen, weshalb sowohl das Benehmen als auch die demonstrierten Fähigkeiten der Werbefrau sehr positiv bewertet werden. Zwischenfazit: Die typische Werbefrau ist nach Ansicht der Teilnehmerinnen entweder jung und sexy, oder sie ist Hausfrau und Mutter. Auch emanzipierte Werbefrauen kommen vor, werden jedoch häufig unsympathisch und besserwisserisch dargestellt. Prominente Frauen, die keine Rolle spielen, sondern mit ihrem eigenen Image werben, sind ebenfalls vielfach vertreten. Ältere Frauen werden fast ausschließlich für Gesundheitspräparate eingesetzt, was für die Teilnehmerinnen eine Reduzierung, auch der eigenen Person, auf das Alter darstellt. Abweichungen von diesen Stereotypen begrüßen die Diskutantinnen ausdrücklich. Die Verwendung natürlicher Frauen wie in der Dove-Kampagne, aber auch die Erweiterung des Rollenspektrums für ältere Frauen und ihre selbstbewusste Darstellung sorgen für große Akzeptanz innerhalb der Gruppe, wenngleich das Aussehen der Dove-Frau deutlich kritisiert wird. Der Favorit der Gruppe ist eindeutig die Frau aus der BahnWerbung. Sie wird nicht künstlich jünger gemacht, als sie ist, und wirkt natürlich. Ihr Verhalten lässt sie selbstbewusst und tatkräftig erscheinen, so dass die Bahn-Frau ein gutes Beispiel für ältere Frauen ist, an die eigenen Fähigkeiten zu glauben.
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Die Wahrnehmung der Frauendarstellung durch Rezipientinnen Die Frage nach den unterschiedlichen Frauentypen, die die Werbung verwendet, beantworten beide Gruppen relativ übereinstimmend. Unterschiede zeigen sich jedoch, wenn es darum geht, die Wahrnehmung der einzelnen Typen zu beschreiben. Zunächst ist die ideale Frau der Werbung jung, schlank und attraktiv wie beispielsweise in den Werbespots von Reno und du darfst. Auf die Gruppe der jüngeren Frauen wirkt diese Werbefrau häufig arrogant und überheblich, da ihr Selbstbewusstsein anscheinend in ihrem tadellosen Aussehen begründet liegt. Die älteren Frauen hingegen sehen in diesem Typ Frau eine durchaus realistische Darstellung moderner junger Frauen. Wenngleich das gezeigte Verhalten nicht grundsätzlich akzeptiert wird, gibt das Stereotyp der jungen attraktiven Frau für sie keinen Anlass zur Kritik. Beide Gruppen gehen allerdings davon aus, dass sich das Verhalten der jungen, schlanken und attraktiven Werbefrauen auf ihr gutes Aussehen stützt. Als weitere stereotype Frauendarstellung wird das Bild der Hausfrau und Mutter identifiziert, wie sie beispielsweise in der Lachgummi-Werbung auftritt. Dabei ist die Hausfrau aber nicht weniger attraktiv als der Typ der jungen hübschen Frau. Die Gruppe der jüngeren Frauen findet diese Werbefrau natürlich und authentisch. Auf die älteren Frauen hingegen wirkt sie eher wie eine Übermutter, die versucht, den Zuschauer zu belehren. Darüber hinaus gibt es noch verführerische Frauen, die als Sexobjekt, wie in der Chanel-Werbung, versuchen, die Konsumenten zu überzeugen. Die jüngeren Frauen stehen dieser stereotypen Darstellung kritisch gegenüber, weil die Werbefrau sehr jung ist und lolitahaft wirkt. Die Gruppe der älteren Frauen lehnt das Bild des Sexobjekts ebenfalls ab, vor allem weil es ihnen unzeitgemäß und überholt erscheint. Natürliche Frauen wie in der Dove-Werbung erfahren in der Gruppe der jungen Frauen eine sehr positiv Bewertung. Sie begrüßen ausdrücklich die Abweichung von strikten Schönheits- und Figurnormen. Die älteren Frauen differenzieren ganz klar zwischen der gezeigten Frau und der gesamten Werbekampagne. Auch sie begrüßen die Darstellung von Natürlichkeit und die Aufweichung rigoroser Schönheitsideale, die Werbefrau selbst erscheint ihnen jedoch zu unweiblich, so dass sich die älteren Frauen davon nicht angesprochen fühlen. Die jüngeren Frauen sprechen die Verwendung älterer Frauen in der Werbung zunächst nicht an, sie empfinden die Bahn-Frau jedoch durchweg als positiv. Die Darstellung älterer Frauen in der Werbung wird in der Gruppe der älteren Frau-
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en von Beginn an thematisiert. Vor allem die Reduzierung auf das Alter und die damit verbundenen Produkte empfinden die Teilnehmerinnen als störend. In der Bahn-Frau sehen sie einen gelungenen Gegenentwurf zur stereotypen Darstellung älterer Frauen. Besonders das natürliche und vitale Aussehen der Frau begeistert die Diskutantinnen und in ihrem Verhalten sehen sie den Versuch, Vorurteile alten Frauen gegenüber entgegenzuwirken. Alle Teilnehmerinnen identifizieren aber auch positive Frauendarstellungen in der Werbung. Dazu gehören beispielsweise selbstbewusste Frauen, die sich nichts gefallen lassen. Auch wenn der sonst häufig als minderwertig dargestellte Bereich Haushalt und Kindererziehung eine Aufwertung erfährt, wie bei der Werbung von Vorwerk, zeigen sich die Frauen angetan. Interessant ist vor allem die unterschiedliche Bewertung der gezeigten Werbefrauen. Während die Gruppe der jüngeren Frauen die Verwendung junger attraktiver Frauen deutlich kritisiert, sehen die älteren Frauen in diesen Bildern eine realistische Darstellung der jungen modernen Frau von heute. Vermutlich durch die fehlende persönliche Betroffenheit, die mit ihrem Alter zusammenhängt, fühlen sich die älteren Frauen weniger angegriffen oder kritisiert durch die jungen hübschen Werbefrauen. Die jüngeren Frauen hingegen empfinden diese Darstellungen teilweise als Angriff auf die eigene Persönlichkeit und das eigene Aussehen. Andersherum bewerteten die jungen Frauen die Stereotype der älteren Frauen sehr positiv, wohingegen gerade die Dove-Frau von der Gruppe der älteren Frauen abgelehnt wird. Auch hier dürfte wiederum die eigene Betroffenheit ausschlaggebend sein für die unterschiedlichen Bewertungen. 4
Fazit
Frühjahrsputz und Südseezauber – so einfach ist die Werbewelt im Fernsehen offenbar nicht mehr. Mittlerweile verfügt die Werbefrau über ein größeres Rollenrepertoire. Neben den von Kotelmann & Mikos identifizierten Stereotypen von Hausfrau und Freizeitfrau treten Frauen auch als Omas, sportliche Frauen, Expertinnen und in unkonventionelle Rollen in der Werbung auf. Wenn Frauen dennoch in traditionellen Rollen erscheinen, so haben diese eine deutliche Aufwertung erfahren. Die Frauen in der Werbung sind heute selbstsicher, unabhängig und energisch, dabei aber auch sorglos und heiter. Anders als in den 80er Jahren, als Frauen oft mit typi-
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schen "weiblichen Schwächen" auftraten, bewegt sich das Frauenbild der Werbung heute viel mehr in die Richtung der modernen Superfrau. Die Frau von heute kann so gut wie alles, sie ist interessiert an neuen Dingen und aufgeschlossen neuen Situationen gegenüber. Bei der Wahrnehmung der Werbefrauen zeigt sich allerdings ein anderes Bild. Die Teilnehmerinnen empfinden die Frauen in der Werbung noch immer als eine Bemühung der immer gleichen stereotypen Darstellung, die sich ihrer Ansicht nach in der häufigen Verwendung der Rolle der Hausfrau und Mutter oder der jungen und hübschen Frau widerspiegelt. Auch die angebotenen Alternativen, wie beispielsweise die unkonventionelle Frau, werden von den Teilnehmerinnen nicht grundsätzlich positiv bewertet. So empfand hier die Gruppe der jüngeren Frauen die freche Reno-Frau als untypisch und unangemessen, während die älteren Frauen die oft negative Darstellung emanzipierter Frauen nicht mögen. Allerdings nehmen die Teilnehmerinnen auch die Alternativen zu den klassischen Werbefrauen wahr und bewerten diese dann durchweg positiv. Natürlichkeit, Authentizität, Selbstbewusstsein und das Abrücken von rigiden Schönheits- und Figurnormen sorgen für große Akzeptanz innerhalb der beiden Gruppen. Wie die Diskrepanz zwischen den Befunden aus der Analyse der Fernsehwerbung, wo die Wertung zum Teil recht positiv ausfällt, und dem allgemeinen, eher negativen Urteil der Frauen über die Werbung zustande kommt, ist auf der Basis dieser Untersuchung nicht klar zu beantworten. Diese Studie konzentrierte sich allerdings auf die in der Werbung präsentierten Rollentypen. Allein die Identifikation einer größeren Bandbreite von Frauenrollen bedeutet aber nicht, dass es die lange beklagten Geschlechterstereotypen und auch die subtilen Signale der Ordnung der Geschlechter in der Fernsehwerbung nicht mehr gibt und sich die Klagen nun erledigt haben. Außerdem sind die Befunde für die Fernsehwerbung keineswegs für die Werbung in Printmedien oder die Außenwerbung zu verallgemeinern. Die Frauen, die an den Gruppendiskussionen dieser Studie teilgenommen haben, urteilen also vermutlich über Werbung vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen mit verschiedenen Werbeträgern, beziehen also auch das in ihre Bewertung mit ein, was ihnen auf Plakaten, in Zeitschriftenanzeigen oder in Radiospots begegnet. Daraus ist zu schließen, dass die Werbewelt und das Frauenbild, das sie anbietet, wohl immer noch einigen Anlass zu Kritik gibt, auch wenn sich dieses nun nicht mehr nur auf Frauen bei Frühjahrsputz und Südseezauber beschränkt.
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Literatur Kotelmann, J., & Mikos, L. (1981). Frühjahrsputz und Südseezauber. Die Darstellung der Frau in der Fernsehwerbung und das Bewusstsein von Zuschauerinnen., Baden-Baden: E. Baur Verlag. Mikos, L. (1988). Frühjahrsputz revisited. Das Frauenbild in der Fernsehwerbung hat sich kaum verändert. medium, 18(4), 54-56.
Fit und flott – und ein wenig sexy in schwarz-weiß: Die strukturelle Ambivalenz werblicher Medienangebote Guido Zurstiege
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Verlockende Tat-Sachen
Die Werbung sowie in Folge die mit ihr befasste Forschung haben sich leidenschaftlich dem Geschlechterdualismus verschrieben. Aber warum? Eine mögliche Antwort auf diese Frage lautet, dass die Werbung ein strategisches Interesse an der Unterscheidung zwischen Männlichem und Weiblichem besitzt. Dieses strategische Interesse gründet auf der Tatsache, dass die Unterscheidung männlich/weiblich eine jener gesellschaftlichen Basisdichotomien ist, die stärker als andere Unterscheidungen zum Kernbestand jeder Selbstwahrnehmung zählt und damit eine der wichtigsten Variablen menschlicher Identität und Differenz darstellt. So lautet die gesellschaftliche Norm: Jeder weiß, dass er entweder ein Mann ist oder eine Frau – und in all jenen Fällen, in denen diese Zuordnung nicht reibungslos erfolgt, greifen rigide gesellschaftliche Sanktionsmaßnahmen. Dennoch zeigt sich gerade in diesen Grenzbereichen der "genderbender" und der "sexuellen Überläufer" (Baudrillard, 1992, S. 28), dass es keineswegs so einfach und selbstverständlich ist, ein Mann oder eine Frau zu werden wie ein Mann oder eine Frau zu sein. Männlichkeit und Weiblichkeit werden im Rahmen eines lebenslangen Prozesses immer wieder unter Beweis gestellt und immer wieder neu begründet. Die Sicherheit, mit der sich jederzeit das Geschlecht einer Person bestimmen lässt, ist eine Tatsache und, allem Anschein zum Trotz, zugleich eine Sache der Tat. Und in genau dieser Ambivalenz der Sachen und der Taten liegt aus Sicht der Werbung der strategische Wert des Geschlechterdualismus. Bereits aus Gründen der eigenen Existenzsicherung setzt die Werbung vor allem auf jene Themen, die einer Dauerthematisierung standhalten, weil die Fragen und Antworten in Bezug auf diese Themen enttäuschungsresis-
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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tent sind. Die Werbung, heißt das, greift allem voran jene unbeantwortbaren und unlösbaren Fragen auf, die strukturell unfassbar sind und denen wir uns genau deswegen immer wieder von neuem stellen müssen und stellen können. Diese Fragen bilden gewissermaßen das semantische Rohmaterial der Werbung. Mit Blick auf die hier behandelte Thematik heißt das: Indem die Werbung thematisiert, was männlich und was weiblich ist, setzt sie das intersubjektiv geteilte Tatsachen-Wissen über Männer und Frauen, Männliches und Weibliches voraus. Sie sichert sich auf diese Weise das Verständnis ihrer Zielgruppen und instrumentalisiert zugleich deren tagtägliche Konstruktionsarbeit an dieser Unterscheidung. Aus Sicht der Werbung spricht also eine Reihe von Gründen dafür, auf die verführerische Inszenierung von Männlichkeit und Weiblichkeit zu setzen. Welchen Gewinn aber sollten ernst zu nehmende SozialwissenschaftlerInnen ihrerseits aus der Analyse dieser Inszenierungen ziehen, die ja bekanntlich in aller Regel eben kein wahrheitsgetreues Bild abgeben? Ich möchte hier wiederum eine mögliche Antwort vorschlagen. Es handelt sich um eine Antwort, die der Soziologe Erving Goffman (1981 [1976]) bereits Mitte der 1970er Jahre gegeben hat. Goffman ging es weniger darum, die hyper-ritualisierten Männer- und Frauendarstellungen der Werbung als falsch (und daher als schlecht) zu entlarven, sondern darum, werbliche Darstellungen von Männern und Frauen systematisch zu verwenden, um zu beobachten, was sich im wirklichen Leben eben nicht so deutlich beobachten lässt, weil es vollständig in einem natürlichen Rahmen wahrgenommen und dargestellt wird. Die Werbung, so lässt sich Goffmans Zugang zusammenfassen, ist ein professioneller Beobachter, mit dessen Hilfe nuancierte, im Alltag kaum erkennbare, weil durch Routinen und Selbstverständlichkeitsgebote invisibilisierte Erwartungskomplexe beobachtet werden können. Nicht obwohl, sondern gerade weil die Werbung auf der Grundlage spezifischer Selektions- und Konstruktionsmechanismen, spezifischer Sinn- und Deutungsmuster operiert, ist sie eine so wichtige sozialwissenschaftliche Quelle. Wenn wir also diese Selektions- und Konstruktionsmechanismen, diese Sinn- und Deutungsmuster kennen, erschließen wir uns damit einen aussagekräftigen Zugang zur Beobachtung von Gesellschaft (vgl. Zurstiege, 1998, 2005).
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Werbliche Sinn- und Deutungsmuster
Hier nun wäre es eigentlich die Aufgabe der Kommunikationswissenschaft – jener Wissenschaft also, die sich stolz "die Wissenschaft der Mediengesellschaft" nennt – eine Präzisierung vorzunehmen. Wovon ist also eigentlich die Rede, wenn von Werbung die Rede ist? Welche Sinn- und Deutungsmuster bietet die Werbung an – etwa im Gegensatz zum Journalismus oder zur Public Relations? Einen möglichen und möglicherweise sogar auch einen ersten Ansatz zur Beantwortung dieser Fragen hat der amerikanische Experimentalpsychologe Walter Dill Scott bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorgelegt. Ich beziehe mich auf diesen Vorschlag an dieser Stelle aus drei Gründen sehr ausführlich: 1. 2. 3.
Weil er zeigt, dass die Werbeforschung, wenn auch sie von der Kommunikationswissenschaft bislang deutlich vernachlässigt worden ist, eine lange Tradition besitzt, an die sich gewinnbringend anschließen lässt; weil Scotts früher Diskussionsbeitrag empirisch begründet und damit anschlussfähig an die sozialwissenschaftliche Tradition der kommunikationswissenschaftlichen Forschung ist und weil der Beitrag Scotts seiner Form und seinem Geltungsanspruch nach mit einem Theorieangebot korrespondiert, das in der kommunikationswissenschaftlichen Journalismusforschung seit Mitte der 1960er Jahre im Rahmen der Nachrichtenwertforschung sehr angeregt diskutiert wird.
Welche Eigenschaften muss eine Werbeanzeige also besitzen, um die Aufmerksamkeit in aller Regel schwach involvierter Rezipienten zu gewinnen? So lautete die Frage, auf die Scott (1903) mit seinen sechs Prinzipien der Aufmerksamkeitsgewinnung eine Antwort zu geben versucht hat.
Eindeutigkeit (Alleinstellung): Um die Aufmerksamkeit von Rezipienten zu gewinnen, müssen werbliche Medienangebote eindeutig, also ohne Ablenkung wahrgenommen werden können. Aus diesem Grund, so Scott, lohne es sich aus Sicht der Werbetreibenden etwa, trotz der höheren Schaltungskosten gleich eine ganze Anzeigenseite oder gar eine Doppelseite in einer Zeitschrift oder einer Zeitung zu buchen, weil dies
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Guido Zurstiege die ungeteilte Aufmerksamkeit der Rezipienten und damit den gewünschten Erfolg der Anzeige wahrscheinlicher mache. Eindringlichkeit: Die eindringliche Inszenierung und Gestaltung werblicher Medienangebote erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass ihnen Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im Anschluss an experimentelle Untersuchungen des Psychologen Harlow Gale (1900) dachte Scott hier vor allem an die Verwendung spezifischer Farben, allem voran an die bis heute in der Werbung sowie im Verpackungsdesign alles dominierende Farbe Rot. Daneben erzeugten Bewegungen – "all sorts of movement" (Scott, 1903, S. 14) – sowie die Größe der verwendeten Schrift und andere gestalterische Mittel beim Rezipienten eine eindringliche Wahrnehmungsempfindung. Ungewöhnlichkeit (Kontrast): Werbliche Medienangebote, die sich kontrastreich von ihrem Umfeld abheben, erhalten mit hoher Wahrscheinlichkeit unsere Aufmerksamkeit. "As we turn the pages of a magazine we do not see each page as an independent unit, but we see it in relation to what has gone before. If it is in marked contrast to the preceding there is a sort of shock felt which is in reality the perception of the contrast." (Scott, 1903, S. 16). Bemerkenswert ist diese Beobachtung Scotts noch heute vor allem aus zwei Gründen. (1) Scott hat hier immerhin bereits vor mehr als 100 Jahren festgestellt, dass werbliche und redaktionell betreute Medienangebote Elemente eines Rezeptionszusammenhangs sind. Die Kommunikationswissenschaft von heute neigt jedoch dazu, genau dies durch die Parzellierung ihres Untersuchungsgegenstands (hier Journalismus, dort der Rest des Programms) auszublenden. (2) Scott erkannte klar und deutlich, dass der herausfordernde Bruch mit unseren Wahrnehmungskonventionen eines der wichtigsten werblichen Gestaltungsprinzipien darstellt. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Interessant sind die Beispiele, mit denen Scott seine These illustriert. Hier ist vor allem von der bewussten Verletzung typographischer, also die Schriftart und den Schriftverlauf betreffende LeseKonventionen die Rede. Von Anfang an, heißt das, tendiert die Schrift in der Werbung zum Schrift-Bild, zu einem bewusst eingesetzten grafischen Element – auch daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Verständlichkeit: In einem scheinbaren Widerspruch zum KontrastPrinzip steht Scotts Beobachtung, dass werbliche Medienangebote verständlich sein müssen, um unsere Aufmerksamkeit zu erhalten, und das
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heißt, dass sie zunächst einmal möglichst Bekanntes aufgreifen müssen. "It is difficult to comprehend an entirely new thing or function. From this it follows that a new article should be introduced as a modification of a familiar one, or as something performing a well-known function." (Scott, 1903, S. 18) Das Problem der Vermittlung zwischen dem Bekannten (und daher Verständlichen) und dem Neuen (und daher Aufsehen erregenden) ist ein Problem, das von der Werbung bis heute bearbeitet werden muss. Besonders deutlich lässt sich dieser Mechanismus in der Markenwerbung beobachten. Vor allem bei traditionsreichen Marken, die sich immer wieder erfolgreich einer Verjüngungskur unterzogen haben, erreichen Varietät (das Neue) und Redundanz (das bereits Bekannte) gewissermaßen ihr Maximum. Frequenz: Werbliche Medienangebote, die uns wiederholt begegnen, erhalten unsere Aufmerksamkeit mit höherer Wahrscheinlichkeit als werbliche Medienangebote, die uns seltener begegnen. Auch dieses Prinzip scheint in einem Widerspruch zum Kontrast zu stehen, weil oft Wiederholtes eben nicht ungewöhnlich und daher Aufsehen erregend ist. Auch hier gilt daher zunächst einmal, dass in der Werbung beides, Varietät und Redundanz, angestrebt werden muss. Die häufige Wiederholung werblicher Medienangebote scheint nur in einem Widerspruch zum Kontrast-Prinzip zu stehen, weil die Wiederholung der gleichen Mitteilung ein möglicher Indikator für die besonders hohe Relevanz dieser Mitteilung ist. Das haben die Top-News mit der Werbung gemeinsam – beides begegnet uns als Endlosschleife. Valenz: Werbliche Medienangebote, die emotionale Motive präsentieren, erregen unsere Aufmerksamkeit. "Attention is not merely a process in which the mind grasps a certain fact, but it is also a process in which we feel." (Scott, 1903, S. 29) Dabei eignen sich sowohl negative wie positive Motive, "Joys and Sorrows" (Scott, 1903, S. 30), um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Schockwerbung, heißt das, ist keine Erfindung Benettons oder Oliviero Toscanis, sondern war schon zu Scotts Zeiten eine bekannte Strategie der Aufmerksamkeitsproduktion. Das ValenzPrinzip macht aber auch deutlich, dass es spätestens seit der werbepsychologischen Forschung Scotts nicht mehr nur darum ging, dass werbliche Medienangebote gefallen, sondern dass sie im Sinn definierter Kommunikationsziele und auf der Grundlage strategischer Planung auffallen.
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Im Vergleich zu Nachrichtenfaktoren lassen sich Werbefaktoren nun wie folgt charakterisieren: Während Nachrichtenfaktoren journalistische Hypothesen in Bezug auf die Welt sind, in der wir leben (vgl. Schulz, 1989), stellen Werbefaktoren werbliche Hypothesen in Bezug auf die Aufmerksamkeit von Rezipienten dar – genauer: Werbefaktoren sind Hypothesen in Bezug auf die Welt, in der Rezipienten leben. Man kann also sagen, dass sich Werbefaktoren zum Aufmerksamkeitswert genauso verhalten wie Nachrichtenfaktoren zum Nachrichtenwert. Dabei verweist jedoch der Nachrichtenwert eines journalistischen Medienangebots auf die tatsächliche Wahrnehmungsleistung von Journalisten, während der Aufmerksamkeitswert eines werblichen Medienangebots nur auf wahrscheinliche Wahrnehmungsleistungen von Rezipienten verweist. Die Werbung, so lässt sich noch einmal festhalten, ist ein aussagekräftiger Indikator für die relevanten Wirklichkeiten relevanter Zielgruppen. Diesen einmaligen Blick auf die Gesellschaft bietet nur die Werbung. Sie bietet ihn in einmaliger Verdichtung und Klarheit, und sie bietet für uns SozialwissenschaftlerInnen damit einen wertvollen Beobachtungszugang – nicht obwohl, sondern gerade weil sie ganz und gar anders beobachtet als die meisten Beobachter im wirklichen Leben. Was also beobachten wir, wenn wir die Werbung beobachten, wie sie die Gesellschaft – hier: die Männer der Gesellschaft – beobachtet? Heften wir uns an die Fersen dieses professionellen Beobachters, dann beobachten wir bestehende kulturelle Praxen, gefärbt durch eine affektive und affirmative Ästhetik, und wir beobachten all dies in höchster Verdichtung. Wie wichtig und wertvoll dieses Beobachtungsinstrument sein kann, wird deutlich, wenn man einen "unverstellten" Blick auf den Mann im Allgemeinen und den schönen Mann im Besonderen wagt. 3
Ist Baldur hetero? Zur kulturellen Programmierung männlicher Sexualität
Eines der wohl einprägsamsten Beispiele einer "tiefsitzenden" Betriebsblindheit in Sachen männlicher Sexualität verdanken wir dem Berliner Bezirksbürgermeister und Familienvater Dipl.-Ing. Baldur Ubbelohde (CDU). Dieser wurde im Bezirkswahlkampf 1989 von der Charlottenburger Alternativen Liste in einer schwul-lesbischen Wahlausgabe der Zeitschrift Stachel geoutet –
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… als Hetero! Der bis zu jenem Zeitpunkt als "anständig schwuler Politiker und Mensch" bekannte Bezirksbürgermeister, so war dort zu lesen, sei in einschlägigen Zehlendorfer Heterosexuellen-Kreisen gesichtet worden. Nur wenig später wurden aufgrund dieser infamen Verleumdung sämtliche Ausgaben des Stachel beschlagnahmt, und Ubbelohde versicherte an Eides statt, dass er weder homosexuell, schwul oder heterosexuell sei. Was ist hier geschehen? Eine mögliche Antwort auf diese Frage lautet, dass hier eine grundlegende Problematik zu Tage tritt, die mit der gesellschaftlichen Handhabung der Unterscheidung zwischen Männlichem und Weiblichem, genauer: der kulturellen Programmierung, dieser für sich zunächst weitgehend arbiträr getroffenen Unterscheidung zusammenhängt. Bereits Georg Simmel sah in dem Dual Mann/Frau eine der wichtigsten menschlichen Unterscheidungen (vgl. Simmel, 1923 [1911]). Wie jede Unterscheidung, so sei auch die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen durch eine Asymmetrie gekennzeichnet, vermittels derer die eine (hier: die männliche) Seite der Unterscheidung gegenüber der anderen mit einer leichten Gewichtung versehen werde, um so die Unterscheidung, wie Simmel sagte, zu tragen oder zu normieren (vgl. Simmel, 1923, S. 65). In diesem Sinne sind die Frauen, wie dann Simone de Beauvoir gegen Ende der 1940er Jahre prominent formuliert hat, das andere Geschlecht (vgl. Beauvoir, 1991 [1949]). Bei Niklas Luhmann findet sich dieser Gedanke in ähnlicher Weise wieder: In Anlehnung an die Differenzlogik George Spencer Browns geht Luhmann in einem von der deutschsprachigen Geschlechterforschung erst spät (siehe Pasero & Weinbach, 2003) kommentierten Artikel davon aus, dass es sinnvoll ist, "Unterscheidungen nicht völlig seitenneutral zu handhaben, sondern durch eine leichte Präferenz für die eine Seite zu markieren" (Luhmann, 1988, S. 56). Welche Folgen ergeben sich nun aus der Tatsache, dass das Männliche in der beschriebenen Weise zum allgemein Menschlichen verallgemeinert wird? Bei genauerem Hinsehen ist dies nur die Kehrseite einer Frage, die im Vorangegangenen bereits kurz gestreift und ansatzweise beantwortet worden ist: Was heißt es, Männer als Männer zu beobachten? Eine vorläufige Antwort lautete: Männer als Männer zu beobachten, stellt eine Herausforderung an das klassische Arrangement der Geschlechter dar. In diesem Arrangement sind eben nicht die Männer, sondern die Frauen das andere Geschlecht. Männer, so kann man in Anlehnung an Elisabeth Klaus, Edgar Forster und Julia Neissl sagen, sind allenfalls das unbestimmte Geschlecht (vgl. Klaus,
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Forster & Neissl, 2005, S. 2). Wer Männer als Männer ansprechen oder erforschen möchte, heißt das, stellt das klassische Arrangement der Geschlechter auf den Kopf: Nun sind die Männer dran, als Sonderfall behandelt zu werden. Es ist eben kein Zufall, dass in den Anfängen der Männerforschung nicht der Mann, sondern spezifische Männer im Zentrum des Interesses standen also etwa: kranke Männer, gewalttätige und kriminelle Männer, junge in Subkulturen eingebundene Männer, homosexuelle, bisexuelle, asexuelle Männer etc. (vgl. etwa Haarkamp, 1998, S. 222). 4
Männer liegen anders! Zur kulturellen Programmierung männlicher Attraktivität
Männer als Männer zu beobachten, so lässt sich das bis zu dieser Stelle Gesagte weiter zuspitzen, heißt, sie zum Objekt einer Beobachtung zu machen, und eben darin haben wir zumindest mit Blick auf Männer wenig Übung, wie ein kurzer Streifzug durch die Bilderwelt eines andern professionellen Beobachters zeigt: die bildende Kunst. Vor dem Hintergrund zahlloser Beispiele aus der Kunstgeschichte hat der britische Autor John Berger (1998 [1972]) darauf hingewiesen, dass wir deutlich mehr Übung darin besitzen, Frauen zum Beobachtungsobjekt zu machen. Wie also werden Frauen zum Objekt? Bergers knappe Antwort lautet: Sie liegen. Eine der Urszenen dieses kulturell eingeübten Geschlechterblicks findet sich bereits etwa in Albrecht Dürers "Der Zeichner des liegenden Weibes" (ca. 1512-1525). Aber auch zahllose Beispiele der jüngeren Kunstgeschichte belegen, wie kulturell verankert und verwurzelt dieser spezifische Blick auf den weiblichen Körper bis heute ist (siehe Abbildungen 1 bis 4).
Fit und flott Abbildung 1: Albrecht Dürer "Der Zeichner des liegenden Weibes", ca. 1512–1525
Abbildung 2: Paul Wunderlich "Liegende Frau", 2000
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Abbildung 3: Kora Jünger "Liegende Frau in Landschaft", 2003
Abbildung 4: Egon Schiele "Liegende Frau mit roter Hose und stehender weiblicher Akt", 1912
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Wie werden nun Männer zum Objekt? Wie liegen Männer? Eine Antwort, die ich vorschlagen möchte, lautet: Männer liegen nicht nur deutlich seltener als Frauen, sie liegen auch anders, und wenn sie liegen, ist die Gefahr groß, dass sie nie wieder aufstehen (siehe Abbildungen 5 bis 8). Auch der liegende Mann, heißt das, wird zum Objekt eines Blicks, aber der hier angebotene Blick ist kulturell ganz und gar anders programmiert als im Falle der liegenden Frau. Man kann sich dies klar machen, wenn man sich die künstlerische Inszenierung männlicher Nacktheit vor Augen führt. Abbildung 5: Stephan Balkenhol "Liegender Mann", 2005
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Abbildung 6: Erwin Wurm "Leopoldstadt", 2004
Abbildung 7: Pierre Legros der Jüngere "Der selige Stanislas Kostka auf dem Sterbebett", 1703
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Abbildung 8: Michelangelo "Pietà", ca. 1500
Anders als es aus den Feuilletons schallt, ist die Inszenierung des nackten Mannes keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, und erst recht ist sie keine Erfindung der Werbung oder der Medien – sie hat es seit der Antike schon immer gegeben. Nacktheit als heroische Pose galt bekanntermaßen bereits den Griechen als äußerer Ausdruck einer inneren Kraft, die den Helden unbesiegbar macht. Bekanntlich wurde diese Ideologie in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts von verschiedenen Künstlern zum Zwecke der Propaganda instrumentalisiert – etwa in den Skulpturen Arno Brekers oder Joseph Thoraks. Der Männliche Akt, steht nicht nur im buchstäblichen, sondern auch im übertragenen Sinn, weil er zwar zum Objekt eines Blicks wird, dabei aber Subjekt (s)einer eigenen Handlung bleibt. 5
Fit und flott – und ein wenig sexy in schwarz-weiß: die strukturelle Ambivalenz werblicher Medienangebote
Auf der Grundlage der bisherigen Darstellungen lässt sich noch einmal das folgende knappe Zwischenfazit ziehen: a) Männliche Sexualität ist strukturell "unbestimmt", und b) die Attraktivität des männlichen Körpers resultiert
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aus und richtet sich auf den Gebrauch in konkreten Kontexten. Aus der Perspektive der Werbung, also jenes professionellen Beobachters, auf dessen Schultern sich bereits Erving Goffman gestellt hat, um kulturelle Praxen zu beobachten, die durch Routinen und Selbstverständlichkeitsgebote im Alltag invisibilisiert sind, lässt sich die Inszenierung männlicher und weiblicher Attraktivität noch einmal kürzer fassen: Männer sind fit und Frauen sind flot(t) (vgl. Abbildungen 9 bis 11). In der Bilderwelt der Werbung wird männliche Attraktivität daher in erster Linie als Sportlichkeit vermittelt. Sportlichkeit ist nie maßlos, sondern "souveräne Beherrschung" (Recaro), sie ist keine Verschwendung, sondern stets für den Gebrauch bestimmt und in diesem Sinne echt männlich. Und mehr noch: Der Sport bildet einen legitimen Rahmen, in dem männliche Attraktivität und zugleich Leistung, Leistungsfähigkeit, Kampf, Auseinandersetzung inszeniert werden können – letztere allesamt wesentliche Komponenten traditioneller Männlichkeit. Die Werbung besetzt auf diese Weise Grenzbereiche zwischen Traditionellem und Innovativem. Neben dem Bezug auf Sport-Kontexte (Athletisierung) tut sie dies allem voran durch Humor (Ironisierung), durch den Bezug auf klassische Vorbilder (Historisierung), durch die Bildung gemischtgeschlechtlicher "Ensembles" (Arrangierung), durch die Naturalisierung der Darstellungen oder deren Ästhetisierung (etwa in Form "künstlerischer" Schwarzweißfotografien) und natürlich dadurch, dass sie den schmachtenden Blick auf den Mann als Objekt der Begierde in erster Linie nur dann zulässt, wenn Männer selbst nicht zur Zielgruppe gehören (Segmentierung). Diese strukturelle Ambivalenz in der werblichen Inszenierung männlicher Attraktivität ist eines der deutlichsten Merkmale werblicher Männerdarstellungen. Sie ist darüber hinaus der wichtigste Schlüssel zum Verständnis der Werbung auf der einen Seite sowie der sozialen Konstruktion von männlicher Attraktivität auf der anderen.
Fit und flott Abbildung 9: Schwarzkopf "Fit und Flot", 1962.
Abbildung 10: Sloggi, "Blumen-Frauen", 2004
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Abbildung 11: Sloggi "Sportskanonen", 2004.
Darüber besteht in der werbebezogenen Diskussion, die sich aus höchst unterschiedlichen Quellen speist, weitgehend Einigkeit: Wie die Poesie betreibt die Werbung unaufhörlich ein "Spiel mit den doppelten Zeichen" (Barthes, 1999 [1985], S. 184f.). Eines der markantesten Kennzeichen der Werbung ist deren fehlende "Sprachwirklichkeit" (Römer, 1980 [1968]). In der Werbung lassen sich die verschiedenen Formen der RezipientenAnsprache mühelos zu einem homogenen Ganzen ineinanderfügen (vgl. Fritz, 1994, S. 65). Bereits den frühen Vorläufern der heutigen Werbung wie etwa der mittelalterlichen Marktplatzrede lassen sich in semantischer Hinsicht "exterritoriale Rechte" bescheinigen (siehe etwa Bachtin, 2003 [1965], S. 194). Ambivalenz schützt die Werbung vor der eigenen Innovationsfreudigkeit ebenso wie vor den tief verwurzelten homophobischen Reflexen des Zielgruppen-Mainstreams, für den der Berliner Bezirksbürgermeister Baldur Ubbelohde nur ein besonders plakatives Beispiel abgibt. Mit Hilfe von Ambivalenz "entschärft" die Werbung Darstellungen nackter männlicher Tatsachen und greift zugleich in vollen Zügen nach der Aufmerksamkeit ihrer Rezipienten, die sie dadurch "triggert", dass sie, wie bereits Walter Dill Scott zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkannte, eingeübte und kulturell verankerte Wahrnehmungskonventionen herausfordert. Also hat die Werbung den Mann als Lustobjekt entdeckt und legt ihn hin und lockt den schmachtenden Blick – … und funkt zugleich aus allen Roh-
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ren: Mann, leg dich nur hin, hab keine Angst, Du wirst nicht sterben! Wir wollen nur spielen! Literatur Bachtin, M. (2003 [1965]). Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Barthes, R. (1999 [1985]). Das semiologische Abenteuer. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Baudrillard, J. (1992). Transparenz des Bösen. Ein Essay über extreme Phänomene. Berlin: Merve. Beauvoir, S. de (1991 [1949]). Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Berger, J. (1998 [1972]). Sehen. Das Bild der Welt in der Bilderwelt. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Fritz, T. (1994). Die Botschaft der Markenartikel. Vertextungsstrategien in der Werbung. Tübingen: Stauffenburg-Verlag. Gale, H. (1900). On the psychology of advertising. Minneapolis: o. V. Goffman, E. (1981 [1976]). Geschlecht und Werbung. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Haarkamp, St. (1998). "My Lifestyle Works For Me". Kunstforum International, (141), 220-233. Klaus, E.; Forster, E.; Neissl, J. (Hrsg.) (2005). Editorial zum Themenheft: Männlichkeiten. Das andere Geschlecht erforschen. MedienJournal, 29(1), 2-4. Luhmann, N. (1988). Frauen, Männer und George Spencer Brown. Zeitschrift für Soziologie, 17(1), 47-71. Pasero, U., & Weinbach, C. (Hrsg.) (2003). Frauen, Männer, gender trouble – systemtheoretische Essays. Frankfurt am Main: Suhrkamp. Römer, R. (1980 [1968]). Die Sprache der Anzeigenwerbung. Düsseldorf: Pädagogischer Verlag Schwann. Schulz, W. (1989). Massenmedien und Realität. Die 'ptolemäische' und die 'kopernikanische' Auffassung. In M. Kaase & W. Schulz (Hrsg.), Massenkommunikation. Theorien, Methoden, Befunde (S. 135-149). Opladen: Westdeutscher Verlag. Scott, W. D. (1903). The theory of advertising. Boston: Maynard. Simmel, G. (1923 [1911]). Zur Philosophie der Geschlechter. Das Relative und das Absolute im Geschlechter-Problem. In G. Simmel, Philosophische Kultur (S. 65-103). Potsdam: Gustav Kiepenheuer. Zurstiege, G. (1998). Mannsbilder – Männlichkeit in der Werbung. Eine Untersuchung zur Darstellung von Männern in der Anzeigenwerbung der 50er, 70er und 90er Jahre. Opladen: Westdeutscher Verlag. Zurstiege, G. (2005). Werbung. Was wir beobachten, wenn wir die Werbung beobachten, wie sie die Gesellschaft beobachtet. Köln: Herbert von Halem.
Vom Patriarchat zum androgynen Lustobjekt – 50 Jahre Männer im stern Raphaela Dreßler
Neueren Ansichten der Kommunikations- und Medientheorie entsprechend, leistet Werbung als ausdifferenziertes Teilsystem der Wirtschaft in nicht unerheblichem Maße einen Beitrag zur Wirklichkeitskonstruktion. Dabei wird eine Wechselbeziehung zwischen Gesellschaft, Wirklichkeit und Werbung postuliert, und zwar dahingehend, dass Werbung nicht nur Spiegel der Gesellschaft ist, sondern selbst als Trendsetter, Impulsgeber und Verstärker gesellschaftlicher Entwicklungen in Erscheinung tritt (vgl. Janick, 2002, S. 753). Lebensformen und Lebensstile, Gefühle und Werte, Erwartungen und Überzeugungen, Wünsche und Bedürfnisse, Selbstbilder und Sehnsüchte müssen sich in der Werbung kongruent widerspiegeln. Dabei kann Werbung nur effektiv sein, wenn sie rechtzeitig und zielgenau den gesellschaftlichen und kulturellen Wandel aufnimmt, den 'Zeitgeist' zeitnah und zeitgemäß erfasst. Die Charakterisierung der Werbung durch Metaphern wie Spiegelbild, Symptom, Resonanzkörper, Barometer und sensibler Indikator sozialen Wandels verweist auf den Umstand, dass das Werbesystem eine interessante Beobachterplattform für Parallelentwicklungen in anderen Sozialsystemen darstellt, damit Wichtiges über die Gesellschaft aufzeigen kann und einen einflussreichen, aussagekräftigen Kulturfaktor moderner Gesellschaften darstellt (vgl. Schmidt & Spieß, 1997, S. 43-48; Zurstiege, 2002, S. 122). Daraus resultiert, dass Werbung einen bedeutenden gesellschaftlichen Effekt hervorbringt, der die Persönlichkeit und das Sozialverhalten der Konsumenten beeinflusst. Sie kann somit als Mittel zur allgemeinen Sozialisation betrachtet werden. Darüber hinaus besitzt Werbung eine Verstärkerfunktion, fungiert als Veränderungsagent und erweist sich als verhaltensorientierende Kraft (vgl. Hastenteufel, 1980, S. 102-103). Von den Massenmedien transportiert, trägt Werbung in besonderem Maße auch zur sozialen Konstruktion der Geschlechterrollen bei. Diese präsentiert und demonstriert Erscheinungsbilder von Frauen und Männern
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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und übt somit prägenden Einfluss auf die Identität, die Verhaltensweisen sowie die Selbst- und Fremdwahrnehmung beider Geschlechter aus (vgl. Fröhlich & Holtz-Bacha, 1995, S. 11). Dabei bilden die Medien Männer und Frauen nicht einfach ab, sondern vermitteln konkrete stereotype Vorstellungen davon, wie Frauen und Männer sein sollen. Sie zeigen zum Beispiel Darstellungen von 'richtigen Männern', 'attraktiven Frauen', 'neuen Vätern', 'Karrierefrauen', diversen Geschlechterbeziehungen und verklärenden Idealen. Mit anderen Worten: "Auf unterschiedliche Weise arbeiten die Medien daran mit, die Beziehungen der Geschlechter zueinander und untereinander ins Bild zu setzen, zu reglementieren, zu verändern, zu stabilisieren oder zu idealisieren" (Forster, 1995, S. 18). Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass Werbung eine wichtige Funktion in unserer Gesellschaft besitzt, da sie gesellschaftliche Veränderungen widerspiegeln und aufzeigen kann und zur Konstruktion von stereotypen Vorstellungen, wie Frauen und Männer sein sollen, beiträgt. Zu klären bleibt die Frage, in welcher Art und Weise die Werbung solche Veränderungen und Vorstellungen aufgreift und umsetzt. Sind die Veränderungen deutlich zu erkennen oder nur marginal? Um dieser Frage weiter nachzugehen, wurde eine Untersuchung von Männerbildern in der Anzeigenwerbung vor dem Hintergrund gesellschaftlichen Wandels von 1950 bis heute unternommen. Dass sich eine entsprechende Bildanalyse lohnen könnte, soll an einem Bildbeispiel aus den Jahren 1953 und 1990 verdeutlicht werden: Die Gegenüberstellung beider Anzeigen aus einem identischen Produktbereich lässt auf den ersten Blick eine Wandlung in der Präsentation des Mannes in der Werbung erkennen. In den 50er Jahren wird der Auftritt des Mannes noch graphisch in schwarz-weiß inszeniert. Maskulin posiert der Mann vornehm mit einer Zigarette in der Hand (siehe Abbildung 1). In den 90er Jahren wird dem Betrachter ein völlig anderes Männerbild gezeigt. Offen für Gleichberechtigung erscheint der Mann lässig mit Gurkenmaske im Gesicht sowie mit Bademantel bekleidet und gibt sich mit geschlossenen Augen dem Genuss einer Zigarette hin (siehe Abbildung 2). Seit den 80er Jahren entwickelte sich eine Männerforschung, die speziell der Frage nach der Position des Mannes in der Geschlechterordnung nachging (vgl. Meuser, 2006, S. 23). Somit rückte sukzessive der Mann in den Mittelpunkt der Forschungsbemühungen. Aufgrund des jungen Forschungsfeldes liegen derzeit noch keine langfristigen systematischen Untersuchungen zum Thema Männer in der Werbung vor. Die bisher veröffent-
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lichten empirischen Arbeiten erstrecken sich lediglich über einen maximalen Zeitraum von 20 Jahren oder untersuchen pro Dekade jeweils nur ein Jahr (vgl. Brosius & Staab, 1990; Dastyari, 1999; Mayer, Schuhmann & Huber, 1981; Zurstiege, 1998). Aus diesem Grund wurde der Versuch einer diachronen systematischen Langzeitanalyse anhand des stern von 1950 bis heute unternommen. Zur Bestimmung der Darstellung und Veränderung des Mannes in einem Langzeitvergleich anhand von Werbeanzeigen bietet sich die Methode der quantitativen Inhaltsanalyse an, mit der die Merkmale der Werbeanzeigen bzw. die Veränderungen der werblichen Männerdarstellung im Zeitverlauf untersucht wurden. Auf die einzelnen Jahrzehnte bezogen ließ sich so empirisch ermitteln, wie sich die Darstellung des Mannes im Laufe der Zeit gewandelt hat. Abbildung 1: Reemtsma OVA 1953
Abbildung 2:
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Quelle: stern, 1953, S. 15
Quelle: Huster, 2001, S. 111
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Für die Analyse der Anzeigenwerbung wurde das Wochenmagazin stern gewählt, da es von Männern und Frauen gleichermaßen gelesen wird, alle Altersgruppen erreicht und mittlerweile mit 7.39 Mio. Lesern pro Woche das reichweitenstärkste Magazin in Deutschland ist. Der Untersuchungszeitraum von 1950 bis heute stellt den längstmöglichen Zeitraum für eine Analyse anhand von Anzeigen in einem deutschsprachigen Magazin dar, da die ersten Werbeanzeigen mit Männern im stern ab dem Jahr 1950 enthalten sind (vgl. Pape, 2007, S. 8-12). Untersucht wurde jeweils die erste MaiAusgabe jedes Jahres. Wie werden Männer in der Anzeigenwerbung dargestellt? Häufigkeit von Männern in Anzeigen Die einschlägige Literatur hatte bereits beschrieben, dass Männer in der Werbung der 50er und 60er Jahre selten vorkommen und erst seit den 70er Jahren die Abbildung multipler Männergestalten zu verzeichnen ist (vgl. Huster, 2001). So kann auch in den Werbeanzeigen des stern für die 50er und 60er Jahre nur eine geringe Anzahl von Männern festgestellt werden, die aber ab den 70er Jahren deutlich zulegt. Mit einem Wert von 5.1 Prozent liegt in den 50er Jahren im Vergleich zu den anderen Jahrzehnten die geringste Anzahl von Werbeanzeigen mit Männern vor. Die 80er Jahre stellen das anzeigenstärkste Jahrzehnt dar (23.3%). Im Vergleich zu den 50er Jahren ist es beinahe zu einer Verfünffachung der Werbeanzeigen mit Männern gekommen. Seit diesem Höhepunkt vollzieht sich nach den 80er Jahren bis zum heutigen Tag ein Rückgang, wobei jedoch im 21. Jahrhundert nur sechs Jahre ausgewertet werden konnten. Warum Männer erst seit den 70er Jahren verstärkt in Anzeigen abgebildet sind, kann auf den generell zunehmenden Anteil an Abbildungen mit Menschen in der Werbung seit diesem Zeitpunkt zurückgeführt werden (vgl. Jainter, 1999, S. 68). Der seit den 90er Jahren zu beobachtende leichte Rückgang lässt sich eventuell auch mit dem Aufkommen des Internets und der Online-Werbung begründen, da Unternehmen ihre Werbemittel auf dieses zusätzliche Werbemedium umschichten können (vgl. Weng, 1998, S. 43). Während in den 50er Jahren neben dem männlichen Hauptakteur im Durchschnitt ein bis zwei Begleitpersonen abgebildet sind, ist in den 80er
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Jahren ein starker Rückgang weiterer Personen zu verzeichnen, welcher bis zum heutigen Zeitpunkt durch die Darstellung von zumeist nur einer oder keiner Begleitperson anhält. Dieser Wandel ist hauptsächlich auf den Rückgang der weiblichen Begleitpersonen von den 50er Jahren bis heute von gut zehn auf ein Prozent zurückzuführen. Die Anzahl männlicher Begleitpersonen ist im Zeitverlauf hingegen nahezu konstant geblieben. Äußeres Erscheinungsbild Mit einem Wert von 44.7 Prozent gehören die meisten Männer der Altersklasse 36 bis 45 Jahre an, gefolgt von den 26- bis 35-Jährigen mit 34.9 Prozent, während die restlichen Alterklassen kaum vertreten sind. Somit liegt das Alter der männlichen Akteure in der Anzeigenwerbung größtenteils zwischen 26 und 45 Jahren, was den leserstärksten Altersklassen des stern entspricht (vgl. Pape, 2007, S. 12). Die in den Anzeigen dargestellten Männer sind hauptsächlich schlank (80.4%), haben kurzes Haar (75.9%), tragen keinen Bart (67.8%) und besitzen zu etwa gleichen Teilen weiche (46.1%) oder markante (35.8%) Gesichtszüge. Wie männlich die Männer in der Anzeigenwerbung tatsächlich sind, stellt das Ergebnis der Auswertung des sozialen Geschlechts dar, das unter den insgesamt 553 Männern in 81 Prozent als sehr männlich, 17.2 Prozent als eher männlich und 1.8 Prozent als kaum männlich einstuft wird. Von 1950 bis heute nimmt die Männlichkeit von durchschnittlich 1.9 auf 1.7 im Bereich sehr männlich bis eher männlich ab. Dabei kommt es insbesondere seit den 70er Jahren zu einer Veränderung in der Darstellung von Männern. Seit dieser Zeit lassen sich mehr Männer mit kaum bzw. eher männlichen Attributen in der Anzeigenwerbung finden. Diese Entwicklung kann insbesondere auf die in den 80er Jahren einsetzende Schönheitspflege und das aufkommende Körperbewusstsein mit Styling und Kosmetik für Männer zurückgeführt werden (vgl. Hurton, 1995, S. 6-9). Die zunehmende Angleichung der Verhaltensstile durch kombinierte Attribute beider Geschlechter verstärkte diese Tendenz in den 90er Jahren zunehmend (vgl. Huster, 2001, S. 79). Die Bekleidung der Männer im stern liefert ebenso informative Ergebnisse. Abbildung 3 gibt einen Überblick über deren Bekleidung in der Anzeigenwerbung.
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Abbildung 3: Bekleidung der Männer (in Prozent) 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 keine
Freizeit Anzug
Beruf
Sport
Festtag
Shorts
Mantel
Am häufigsten tritt der Mann in Freizeitbekleidung (45.5%) und im Anzug (28.0%) in Erscheinung. Da bis zu den 70er Jahren Anzüge sowohl im Beruf als auch in der Freizeit getragen wurden und auf vielen Anzeigen aufgrund des einfarbigen Hintergrundes nicht zu erkennen ist, ob es sich um eine berufliche oder private Situation handelt, umfasst die Unterkategorie Anzug die Darstellung im Beruflichen und Privaten. Die Anteile von Berufs- und Sportbekleidung liegen bei knapp fünf Prozent, sind somit mit den restlichen Bekleidungsarten ähnlich verteilt und ergeben zusammen rund ein Fünftel. Der hüllenlose Mann ist mit einem Wert von 4.6 Prozent im stern vorzufinden. Die werblich in Szene gesetzten Männer werden am häufigsten stehend oder sitzend (90.0%) dargestellt; Abbildungen von hockenden, knienden oder liegenden Männern gibt es relativ selten. Mehrheitlich erscheinen Männer über alle Anzeigen in Frontalansicht (57.5%), jedoch uneinheitlich im Bildausschnitt: Halbfigur (31.3%), Kopfbild (26.0%), Ganzfigur (25.5%) und Rückenansicht (0.7%).
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Der männliche Akteur blickt am häufigsten den Anzeigenbetrachter an (32.2%), vor allem wenn der Bildausschnitt auf das Kopfbild oder die Halbfigur beschränkt ist. Dies gilt ebenso für den zweithöchsten Wert von 23.3 Prozent, bei dem der männliche Handlungsträger ins Leere blickt. Die Werte der Blickrichtung zu einer Frau bzw. einem Gegenstand sind mit rund 15 Prozent weitgehend identisch und verteilen sich auf die verschiedenen Bildausschnitte zahlenmäßig nahezu gleichmäßig. Für die Blickrichtung zu einem anderen Mann oder einem Kind bzw. für die Unterkategorie geschlossene Augen ergeben sich ähnliche Prozentsätze mit Werten von etwa vier Prozent, die sich jedoch unterschiedlich auf die einzelnen Bildausschnitte aufteilen. Freizeit und Beruf Bei der Auswertung des Kriteriums, ob der Mann häufiger in der Freizeit oder im beruflichen Umfeld abgebildet wird, ergibt sich ein klares Resultat: Nur 13.1 Prozent der Anzeigen präsentieren den Mann im Kontext des Berufes, während 39.4 Prozent der Fälle auf die Freizeit entfallen. Diese Tatsache verwundert an sich nicht, soll doch das mit der Werbung intendierte Konsumerlebnis den 'grauen' Arbeitsalltag eher ausblenden (vgl. Opaschowski, 1990, S. 111). Welche private bzw. berufliche Position die Männer in der räumlichen Umgebung Freizeit bzw. Beruf einnehmen, zeigen die Ergebnisse der Rollendarstellung in beiden Bereichen. In den entsprechenden Anzeigen im stern besitzen zwei Drittel der Männer eine Rolle in der Freizeit (70.8%) und ein Drittel im Beruf (29.2%). Zeigt die Werbung den Mann in der arbeitsfreien Zeit, erscheint dieser am häufigsten in den Rollen Ehemann/Partner (40.2%), Freund/Bekannter (24.1%), Vater (14%) und Sportler (10.7%). Die Abbildung des Mannes als Sohn (0.6%), Großvater (0.3%), Hausmann (0.6%), Heimwerker (2.7%) oder Künstler (3.0%) ist dagegen die Ausnahme. Rund ein Fünftel der Männer konnte zwar der Freizeit, jedoch keiner der eben erwähnten Rollen zugeordnet werden. In welchen Rollen die Männer in der Anzeigenwerbung bei Abbildungen im Berufsleben in Erscheinung treten, zeigt Abbildung 4. Da die Darstellung als Polizist (0.7%) und Gastronom (3.0%) äußerst geringe Werte liefert, bleibt diese unberücksichtigt. Mit einem Wert von 28.9 Prozent ist die Darstellung
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des Mannes als Model die am häufigsten vertretene berufliche Rolle im stern. Seit dem Aufkommen der Fit for Fun-Welle der 80er Jahre gewann das Werben mit Models als Konsumleitbildern für Schönheit und Gesundheit generell an Bedeutung und hält bis heute an (vgl. Aufmerksamkeit garantiert, 2005). Das männliche Model präsentiert insbesondere Produkte aus dem Bereich Mode und Kosmetik (66.7%). Da diese Produkte in der Regel von den Akteuren benutzt bzw. getragen werden, nehmen die Models zur Präsentation der Waren eine den Fotomodels entsprechende posierende Haltung ein. Abbildung 4: Berufliche Rollen (in Prozent) 35 30 25 20 15 10 5 0 Model
Angestellter
Manager
Spezialist
Arbeiter
Landwirt
Handwerker
Ebenfalls höhere Werte weisen die Rollen Angestellter (17.0%), Manager (13.3%), Arbeiter (12.6%) und Spezialist (12.6%) auf. Setzt man die Struktur der Leserschaft des stern in Beziehung zu den abgebildeten Berufen Angestellter, Manager und Arbeiter der Anzeigenwerbung, ergibt sich ein prozentual ausgewogenes Verhältnis zwischen den nach sozialen Schichten aufgefächerten Lesern und den beruflichen Darstellungen: Der Status Angestellter spiegelt die Leserschaftsstruktur der mittleren Schicht (38.0%) wider, gefolgt von der Statusgruppe Manager, welche die obere Schicht (35.0%) der stern-Leser repräsentiert, sowie der Rolle Arbeiter, welche die untere Schicht (27.0%) vertritt (vgl. Pape, 2007, S. 14). Die Berufsgruppe Spezialist
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(12.6%) lässt sich dagegen nur schwer einer einzigen Schicht zuordnen, da auf den Anzeigen aufgrund ihrer speziellen Berufsbekleidung nicht ersichtlich ist, welcher gesellschaftlichen Schicht sie angehört. Die Berufe Landwirt (4.4%) sowie Handwerker (4.4%) sind im stern hingegen nur in geringer Zahl vertreten, was auf das spezielle Berufsfeld zurückgeführt werden kann. Männertypen Die Ergebnisse einer Faktorenanalyse anhand von verschiedenen Eigenschaftsmerkmalen ergibt sechs unterschiedliche Männertypen über alle Jahrzehnte, die durch bestimmte, sich nicht wiederholende Attribute charakterisiert sind: 'Der Karrieremann', 'Der Familiäre', 'Der Sonnyboy', 'Der Gesellige', 'Der Abenteurer' und 'Der Sachliche'. In der folgenden Abbildung 5 werden die Häufigkeitsverteilungen der Männertypen graphisch dargestellt. Abbildung 5: Männertypen (in Prozent) 25 20 15 10 5 0
Gesellige
Karrieremann
Familiäre
Abenteuer
Sonnyboy
Sachliche
Angesichts der Tatsache, dass der stern seine stärkste Leserschaft bei den 40bis 49-Jährigen in gehobenen Einkommensklassen hat und anspruchsvolle, kultivierte sowie vermögende Menschen besonders anspricht (vgl. Pape, 2007, S. 12-13, 38), ist eine gewisse Übereinstimmung der Leserklientel mit den Männertypen in der Anzeigenwerbung des stern zu erkennen. So ver-
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wundert es nicht, dass der gesellige Typ (20.4%) und der Typ Karrieremann (20.1%) am häufigsten dargestellt werden. Der familiäre Typ (17.9%), der Abenteurer (16.8%), vor allem jedoch der Sonnyboy (13.4%) und der Sachliche (11.4%) liegen in der Häufigkeit deutlich unter 20 Prozent. Die von diesen Männertypen am häufigsten beworbenen Produktbereiche stellen Dienstleistung (17.4%), Tabak (17.2%), Kosmetik (14.1%) und Alkohol (11.4%) dar. Was lässt sich zusammenfassend über die Darstellung des Mannes in der Anzeigenwerbung im stern sagen? Über den Zeitraum von 56 Jahren zeichnet sich ein deutliches Bild ab: Der Mann wird über alle Jahrzehnte am häufigsten als Karrieremann oder geselliger Typ in der Werbung präsentiert. Dabei ist er mehrheitlich schlank, hat kurzes Haar, keinen Bart, trägt entweder Anzug oder Freizeitbekleidung, ist zwischen 26 und 45 Jahre alt und wirbt am häufigsten für Dienstleistungen, Tabak, Kosmetik und Alkohol. Wird der Mann in der Freizeit dargestellt, tritt er zumeist als Ehemann und Partner in Erscheinung. Beruflich posiert er überwiegend als Model. Signifikant ist der Blick zum Betrachter. Wie haben sich Männer in der Anzeigenwerbung von 1950 bis heute verändert? Darstellung von Männern im Zeitverlauf Ausgehend von der Überlegung, dass Werbung die allgemein-gesellschaftlichen Veränderungen abbildet und transformiert, war der Frage nachzugehen, ob sich die Darstellung des Mannes im Laufe der Zeit in der Anzeigenwerbung verändert hat. In diesem Zusammenhang wurden zum einen die über alle Jahrzehnte ermittelten Männertypen sowie deren äußeres Erscheinungsbild für jedes Jahrzehnt erfasst. Dafür sind für die Darstellung der Männer im Zeitverlauf aufgrund der geringen Materialmenge der ersten und letzten Dekade die Werbeanzeigen der 50er Jahre bzw. des 21. Jahrhunderts mit denen der 60er bzw. 90er Jahre zusammengelegt worden. Die 70er und 80er Jahre wurden getrennt erfasst.
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50er und 60er Jahre Da die Zeit nach Kriegsende insbesondere von einem Bedürfnis nach Harmonie in einer heilen Welt mit Sicherheits- und Wohlstandsstreben bestimmt war und die damalige Werbung Genuss betonende Produkte wie Bier und Zigaretten vorzugsweise abbildete (vgl. Huster, 2001, S. 23-25, 37), erscheint es nicht verwunderlich, dass der gesellige Typ (39.3%) in der Anzeigenwerbung mit Abstand am häufigsten vertreten ist, gefolgt von dem Karrieremann (21.4%), dem Sachlichen (21.4%) und dem Sonnyboy (17.9%). Mit den Eigenschaften humorvoll, zufrieden, gemeinschaftlich und liebenswürdig kann der Gesellige dem in der Werbung der 50er Jahre beschriebenen Familienoberhaupt weitgehend gleichgesetzt werden (vgl. Huster, 2001, S. 41). Abbildung 6: Der Gesellige 1964
Abbildung 7: Der Karrieremann 1966
Quelle: stern, 1964, S. 57
Quelle: stern, 1966, S. 77
Durch die zunehmende Betonung von Besitz in einer sich durch steigende Einkommen entwickelnden Wohlstandsgesellschaft dominiert in den 60er Jahren neben dem Geselligen (34.4%) zusätzlich der Karrieremann (31.1%)
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im stern (siehe Abbildungen 6 und 7). Während mit dem Sachlichen (11.5%) im Vergleich zu den 50er Jahren deutlich weniger geworben wird, tritt der Sonnyboy (23.0%) verstärkt in Erscheinung. Obwohl die Literatur über Werbung den coolen, attraktiven und systemgeformt gestylten Mann als dominierenden Männertyp der 60er Jahre beschreibt, der offensichtlich die Attribute des Sonnyboys besitzt, erscheint er in der Anzeigenwerbung des stern erst an dritter Stelle (vgl. Kriegeskorte, 1992, S. 140). 70er Jahre Beeinflusst durch den Wertewandel und die zunehmende Bedeutung der Frauenbewegung der 70er Jahre, kam es beim Mann zu einer Veränderung seiner männlichen Geschlechtsidentität: Partnerschaft besaß vor dem Beruf den höchsten Stellenwert, weibliche Berufstätigkeit wurde mehr und mehr positiv akzeptiert (vgl. Pross, 1987, S. 61-63, 71-72). Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, beschreibt die damalige Werbung den Mann gemäß dem aufkommenden Pluralismus in neu definierten Rollen (vgl. Huster, 2001, S. 42). Auch die Anzeigenwerbung im stern scheint diesen Wandel aufgegriffen zu haben, indem der Mann in zusätzlichen Rollen wie dem Familiären, dem Abenteurer und dem Sensiblen im Vergleich zu den 60er Jahren auftritt. Unverändert dominiert jedoch der Mann in den 70er Jahren als Geselliger (20.7%) und als Karrieremann (19.0%), aber deutlich weniger häufig als im vergangenen Jahrzehnt. Besonders der Sonnyboy (9.5%), aber auch der Sachliche (7.8%) werden werblich weniger thematisiert. Wird der Karrieremann weiterhin mit den Attributen erfolgreich, einflussreich, kultiviert und wohlhabend gezeigt, treten Veränderungen in der Darstellung des Geselligen auf (siehe Abbildungen 8 und 9). Besitzt dieser in den 50er und 60er Jahren noch Eigenschaften wie humorvoll, zufrieden, gemeinschaftlich und liebenswürdig, weichen die letzten beiden nun dem Attribut friedfertig. Gleiches trifft auf den Sonnyboy zu, der in den 60er Jahren als erotischer, unternehmungslustiger, cooler und attraktiver Mann werblich in Szene gesetzt wird, wobei im darauf folgenden Jahrzehnt das Merkmal kreativ die Eigenschaften unternehmungslustig und attraktiv verdrängt. Etwa gleich häufig erscheinen in diesem Jahrzehnt der Abenteurer (14.7%) und der Sensible (15.5%). Als mutig, unternehmungslustig und sportlich tritt ersterer insbesondere in der Zigarettenwerbung des stern auf,
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ein Phänomen, welches in dieser Zeit auch in anderen Werbemedien zu beobachten war. Daneben wird der romantische und attraktive Mann in der Anzeigenwerbung thematisiert, der dem sensibel und emotional wirkenden Männerbild in der Werbung der 70er Jahre gut entspricht (vgl. Huster, 2001, S. 66). Der fürsorgliche, gefühlsfähige und partnerschaftliche 'Mann mit Baby' wird in der Literatur erst in der Werbung der 80er Jahre beschrieben (vgl. Huster, 2001, S. 93-95), jedoch erscheint in der Anzeigenwerbung des stern der familiäre Typ (13.0%) bereits ein Jahrzehnt früher mit den Rollenattributen kinderlieb, gemeinschaftlich, liebeswürdig und fürsorglich. Abbildung 8: Der Gesellige 1975
Abbildung 9: Der Karrieremann 1972
Quelle: stern, 1975, S. 83
Quelle: stern, 1972, S. 93
80er Jahre Die in den 70er Jahren einsetzenden Veränderungen im Geschlechterarrangement fanden im darauf folgenden Jahrzehnt aufgrund der fortschreitenden Emanzipation ihren Höhepunkt, indem sich der Mann seiner traditio-
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nellen Eigenschaften entledigte und Kinderbetreuung, Haushalt, Emanzipation und Berufstätigkeit der Partnerin positiv akzeptierte (vgl. Volz, 2006, S. 44-47). Aufgrund dieser Entwicklungen wurde der Mann in der Werbung weiterhin auf mannigfaltige Weise in Szene gesetzt. In der Anzeigenwerbung erscheint der Mann unterschiedlich zur Darstellung der vorangegangenen Jahrzehnte: Im Vergleich zu den 70er Jahren nimmt die Abbildung des Karrieremannes (22.5%) wieder zu, erreicht jedoch nicht mehr den Wert der 60er Jahre. Er besitzt alle Eigenschaftsmerkmale wie in den übrigen Jahrzehnten, ist jedoch speziell in den 80er Jahren mit dem zusätzlichen Attribut 'gepflegt' ausgestattet (siehe Abbildung 10). Abbildung 10: Der Karrieremann 1988
Quelle: stern, 1988, S. 43
Der Gesellige (14.7%) erscheint nur noch an fünfter Stelle, jedoch wie in den Jahrzehnten zuvor in neuer Form: Neben den bestehenden Attributen wie humorvoll und zufrieden wird dieser zusätzlich als 'gemeinschaftlich' dargestellt. Der Sonnyboy (13.2%) kann zwar im Vergleich zu den 70er Jahren um knapp vier Prozent zulegen, jedoch wird mit ihm in der Anzeigenwerbung der
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80er Jahre am wenigsten geworben. Ebenso wie der Gesellige tritt dieser in jedem Jahrzehnt in einer anderen Konstellation in Erscheinung. Ähnlich wie in den 50er und 60er Jahren kann er als erotischer, cooler und attraktiver Typ beschrieben werden, jedoch in den 80er Jahren ohne die Eigenschaft 'unternehmungslustig'. Unverändert blieb der Abenteurer (15.5%), sowohl in seinen Eigenschaften als auch in seinem Auftreten. Mit dem aufkommenden Bewusstsein für ökologische und ökonomische Bedrohungen und Krisen in den 80er Jahren wurde die Verantwortung für den eigenen Körper und die Gesundheit zu einem konstanten Leitwert (vgl. Huster, 2001, S.79-81). Die stetig gewachsene Selbstverantwortung sowie die Angleichung der Geschlechterrollen durch höhere Bildung, Berufstätigkeit und wirtschaftliche Unabhängigkeit vieler Frauen mit der Folge einer zunehmend freieren Lebensplanung könnten als Ursache für die neu aufgetretenen Männerbilder in der Anzeigenwerbung der 80er Jahre in Frage kommen (vgl. Beck & Beck-Gernsheim, 1990, S. 27-31, 51). Während im vorangegangenen Jahrzehnt der sensible und sachliche Typ noch werblich in Erscheinung tritt, thematisiert die Werbung der 80er Jahre den partnerschaftlichen (18.6%) und sich selbstverwirklichenden (15.5%) Männertyp als mögliche Antwort auf die gesellschaftlichen Entwicklungen dieser Epoche. Obwohl der Familiäre in den 80er Jahren in der Literatur als neu aufkommender Männertyp beschrieben wird, ist in der Anzeigenwerbung lediglich der Partnerschaftliche zu registrieren, und zwar ohne Rollenattribute des Familienvaters wie kinderlieb und gemeinschaftlich. 90er Jahre und 21. Jahrhundert Die 90er Jahre waren geprägt durch die Widersprüchlichkeit der gesellschaftlichen Anforderungen an Männer und Frauen und eine Verunsicherung der männlichen Identität als Reaktion auf die feministische Bewegung und den technischen Fortschritt. Während der Mann in den 80er Jahren seine althergebrachten Eigenschaften ablegt, erfolgt im darauf folgenden Jahrzehnt eine Neustrukturierung von Rollen und Pflichten. In diesem Zusammenhang kam es jedoch zu einer Unsicherheit in der männlichen Rollenwahrnehmung und zu einer zunehmenden Auflösung der Rolle des selbstsicheren und erfolgreichen Mannes (vgl. Kreutzer, 1998, S. 149).
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Diese Entwicklung setzte die Anzeigenwerbung im stern der 90er Jahre möglicherweise insofern um, als der Karrieremann (16.7%) vom dominierenden Männertyp im vorangegangenen Jahrzehnt hinter den vorherrschenden Geselligen (20.8%) und den Sonnyboy (20.0%) tritt (siehe Abbildungen 11 und 12). Während der Gesellige mit den Attributen humorvoll, zufrieden und gemeinschaftlich unverändert wie in den 80er Jahren in Erscheinung tritt, präsentiert die Werbung den Sonnyboy in neuer Kombination: erotisch, attraktiv und sportlich. Abbildung 11: Der Gesellige 1991
Abbildung 12: Der Sonnyboy 1993
Quelle: stern, 1991, S. 85
Quelle: stern, 1993, S. 89
Der Variantenreichtum der männlichen Abbildungen in der Anzeigenwerbung reicht in den 90er Jahren, neben den bereits beschrieben Männertypen, facettenreich vom Abenteurer (15.8%) über den Familiären (16.7%) bis zu dem bereits in den 80er Jahren aufkommenden sich selbstverwirklichenden Typ (10.0%). Auffallend ist in diesem Jahrzehnt eine relative Gleichverteilung der Männertypen. Lediglich der Selbstverwirklichende wird werblich weniger thematisiert und nimmt im Vergleich zum vorangegangenen Jahr-
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zehnt um rund ein Drittel ab. Der rein partnerschaftliche Typ scheint ein Phänomen der 80er Jahre zu sein, da dieser durch den Familiären in den 90er Jahren abgelöst wird, der sich bereits in den 70er Jahren abzeichnet. Soweit über die aktuellen Männertypen bereits Aussagen gemacht werden können, rückt die Anzeigenwerbung des 21. Jahrhunderts Eigenschaften wie kinderlieb, liebenswürdig und fürsorglich in Form des Familiären (22.2%) in den Mittelpunkt (siehe Abbildung 13). Abbildung 13: Der Familiäre
Quelle: stern, 2001, S. 89
Im Vergleich zu den 90er Jahren bleibt der Karrieremann (16.2%) anteilsmäßig auf seinem alten Niveau, während mit dem Sonnyboy (11.1%) nur noch beinahe halb so oft geworben wird. Der Gesellige (18.2%) sowie der Abenteurer (18.2%) treten in diesem Jahrzehnt in gleicher Häufigkeit auf. Der sich selbstverwirklichende Typ (14.1%) erscheint annähernd so häufig wie in den 80er Jahren.
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Der Literatur zufolge scheint das Bild des Mannes im 21. Jahrhundert immer diffuser zu werden, weshalb sich der Mann auf der Suche nach einer neuen Identität in einem neuartigen Rollenspiel versucht (vgl. Hollstein, 1999, S. 132). Der dominierende familiäre Typ steht teilweise im Gegensatz zu den in der Literatur beschriebenen 'metrosexuellen' bzw. 'übersexualen' Männern seit 2003 bzw. 2006. Als regelmäßiger Anwender von Körperpflegemitteln mit den gegensätzlichen Attributen eines gepflegten Schönlings, Familienvaters und ganzen Kerls vereint der 'metrosexuelle' Mann Attribute zweier Männertypen der Anzeigenwerbung im stern, dem Sonnyboy und dem Familiären (vgl. Maier, 2004). Der 'übersexuale' Mann setzt sich ebenso aus dem Sonnyboy sowie des Weiteren aus dem Geselligen und dem Partnerschaftlichen durch seine ihm zugeschriebene Männlichkeit in Form körperlicher Attraktivität, Selbstbewusstsein, Kommunikativität, Kooperativität, Beziehungsfähigkeit und Sinnlichkeit zusammen (vgl. Frankenfeld, 2005). Einem einheitlichen Männertyp kann demnach weder der 'metrosexuelle' noch der 'übersexuale' Mann zugeordnet werden. Äußeres Erscheinungsbild im Zeitverlauf Seit den 50er Jahren ist die Häufigkeit der dargestellten schlanken Männer mit rund 80 Prozent für jedes Jahrzehnt weitgehend gleich geblieben, wohingegen die Werte dickerer Männer zwischen 3.4 und 24.0 Prozent schwanken. Mit Hageren wird nur bis zu den 70er Jahren mit einem Höchstwert von 8.0 Prozent geworben, während Athletische seit den 70er Jahren mit einem maximalen Wert von 14.8 Prozent in den 90er Jahren in Erscheinung treten. Leistungsstarke und durchtrainierte Männer scheinen in Zeiten des um sich greifenden Gesundheits- und Fitnesskults der 80er Jahre die hageren Figuren in der Anzeigenwerbung abgelöst zu haben (vgl. Huster, 2001, S.79-81). Beeinflusst durch den mit der '68er Revolution' einhergehenden Wertewandel, der unter anderem die Ausdifferenzierung von Mode (Parka und Jeans, Minirock und Hot Pants) sowie die Entstehung von Alternativszenen mit sich brachte (vgl. Schmidt & Spieß, 1997, 242-248, 251), veränderte sich offenbar auch die Haarlänge der werblich in Szene gesetzten Männer. Bis zu den 70er Jahren ist der Mann in der Werbung nur mit Halbglatze oder kurzem Haar dargestellt. Der danach einsetzende Trend zu mittellangem Haar
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(27.5%) erfolgt zu Lasten der Kurzhaarfrisur (62.7%). Wird in den 50er Jahren beinahe jeder Mann mit kurzem Haar (95.5%) abgebildet, trifft dies in den 70er Jahren nur noch auf rund zwei Drittel der Männer zu. Im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte kommt es jedoch zu einem gegenläufigen Trend: Das Tragen von mittellangem Haar (13.8%) ist in der heutigen Zeit nur noch in halb so vielen Anzeigen wie in den 70er Jahren zu beobachten, während Kurzhaarfrisuren (75.8%) in der Anzeigenwerbung erneut verstärkt in Mode kommen. Männer mit Halbglatze (4.6%) treten in der Anzeigenwerbung wieder so häufig wie in den 50er Jahren in Erscheinung. Werbliche Abbildungen von Männern mit Glatze sind dagegen erst seit den 90er Jahren zu beobachten. Ein ähnlicher Trend ist bei der Bartlänge der Männer zu beobachten. Während Männer in der Werbung bis zu den 70er Jahren keinen Vollbart und in nur etwa drei Prozent der Fälle einen Schnurrbart tragen, verändert sich zeitgleich mit der '68er Revolution' auch die Bartlänge werblich abgebildeter Männer im stern. Schnurrbärte erscheinen im Vergleich zu den 50er Jahren fünf Mal häufiger, und auch das Tragen von Vollbärten setzt ein. Während die Männer auf Anzeigen der Nachkriegsjahre bis auf wenige Ausnahmen noch ohne Bart (89.3%) in Erscheinung treten, trifft dies in den 70er Jahren nur noch auf zwei Drittel der Männer zu. Dieser Wert nimmt bis zum heutigen Zeitpunkt um rund fünf Prozent weiter ab. Auch Männer mit Schnurrbärten (8.8%) sind nur noch in halb so vielen Anzeigen wie in den 70er Jahren vorzufinden. Zulegen können im Zeitverlauf Männer mit Bartansatz oder mit Vollbart. Diese Werte vervier- bzw. verdreifachen sich seit dem jeweiligen erstmaligen Erscheinen. Hinsichtlich der Bekleidung der abgebildeten Männer ist kein eindeutiger Trend feststellbar. Bereits in den 50er Jahren erscheint der Mann in allen Bekleidungsarten, in der Hälfte aller Anzeigen stellt ihn die Werbung im Anzug (50.0%) dar. Dabei wird der Anzug sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich getragen. Freizeit- und Berufsbekleidung sind in der Nachkriegsjahren mit einem Wert von 15.4 Prozent identisch verteilt, während Sportbekleidung in knapp acht Prozent und Festtagsbekleidung in nur knapp vier Prozent der Anzeigen getragen wird. Die Bekleidungsarten Anzug (22.0%) sowie Freizeitbekleidung (55.0%) entwickeln sich seit der einsetzenden Freizeitwelle der 70er Jahre gegenläufig und erreichen im 21. Jahrhundert in etwa das Niveau der 50er Jahre der jeweiligen anderen Kategorie. Das Tragen von Berufsbekleidung nimmt bis zum heutigen Zeitpunkt
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um rund ein Drittel ab. Männer mit Festtagsbekleidung werden nicht mehr abgebildet. Lediglich Sportbekleidung kann das Niveau der 50er Jahre halten. Die Entwicklung der Bekleidung im Zeitverlauf ist Abbildung 14 zu entnehmen. Abbildung 14: Bekleidung im Zeitverlauf (in Prozent) 60 50 40 30 20 10 0 50er Jahre
60er Jahre Freizeit
70er Jahre Beruf
80er Jahre Anzug
Sport
90er Jahre
21. Jh.
Festtag
Uneinheitliche Tendenzen liefert die Blickrichtung der abgebildeten Männer. Während in den 50er Jahren die Blickrichtung zu einer Frau (28.6%) dominiert, die bis zum heutigen Zeitpunkt auf rund ein Sechstel des ursprünglichen Wertes abnimmt, überwiegt in den restlichen Jahrzehnten der Blick zum Anzeigen-Betrachter. Am häufigsten wird der Betrachter mit einem Wert von 40.2 Prozent in der heutigen Zeit fokussiert, was einer Vervierfachung gegenüber den 50er Jahren entspricht. Dieser hohe Wert könnte daraus resultieren, dass der seit den 80er Jahren verstärkt gezeigte Bildausschnitt des Kopfes das Blickfeld der dargestellten Männer insoweit einschränkt, als diese meist aus gestalterischen Gründen auf den Betrachter blicken müssen. Während die Blickrichtungen zu einem Gegenstand bzw. ins Leere von den 60er bis zu den 90er Jahren schwanken, sind in den 50er Jahren und in der heutigen Zeit mit rund 15 Prozent bzw. 25 Prozent ähnli-
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che Werte zu beobachten. Die in den 60er und 70er Jahren feststellbaren höchsten Werte der Blickrichtung zu einem Kind können auf die verstärkte Darstellung von Familiensituationen und Kindern in der Anzeigenwerbung zu diesen Zeitpunkten zurückgeführt werden. Die Blickrichtung zu einem Mann (17.9%) tritt am häufigsten in den 50er Jahren in Erscheinung. Danach kann diese nur noch in wenigen Fällen verzeichnet werden. Betrachtet man den Bildausschnitt des Mannes im Zeitverlauf in der Anzeigenwerbung, dann ist die verstärkte Abbildung der Halbfigur in den 50er und 60er Jahren mit Werten von rund 60 Prozent und 50 Prozent und deren konstante Darstellung seit den 70er Jahren auf einem Niveau von 25 Prozent besonders auffällig. Relativ unverändert bleibt der Bildausschnitt der Dreiviertelfigur. Trotz Schwankungen zwischen 1950 und heute kommt dieser im 21. Jahrhundert mit einem Wert von rund 20 Prozent ungefähr so häufig vor wie in den Nachkriegsjahren. Veränderungen zeigen insbesondere die abgebildeten Körperregionen Ganzfigur und Kopfbild. In beiden Fällen liegt eine Verdreifachung in der Anzeigenwerbung im stern von den 50er Jahren bis zum heutigen Zeitpunkt vor. Männer in Freizeit oder Beruf im Zeitverlauf Die bisherige Forschung lässt auf einen zunehmenden Trend der Darstellung des Mannes in der Freizeit schließen (etwa Brosius & Staab, 1990, S. 297; Dastyari, 1999, S. 78; Mayer, Schuhmann & Huber, 1981, S. 30-31), weshalb sich die Frage stellte, ob sich die Darstellung des Mannes im Beruf von den Nachkriegsjahren bis heute zunehmend zugunsten seiner Abbildung in der Freizeit verändert hat. Wie weiter oben bereits ausgeführt, wird der Mann in der Anzeigenwerbung von 1950 bis heute mit einem drei Mal höheren Wert in der Freizeit (39.4%) als im Beruf (13.1%) abgebildet. Im Vergleich zur beruflichen Situation scheint die Darstellung des Mannes in der Freizeit das beliebtere Motiv in der Anzeigenwerbung zu sein. Als positiv besetzter Erlebnisbereich bietet die Freizeit ein vielfältigeres Repertoire an Themen (z. B. Urlaub, Hobbys, Sport, Unterhaltung) zu Werbezwecken, zur Vermittlung von Freude und Genuss am Konsumieren (vgl. Opaschowski, 1990, S. 111-112). Noch im Zeichen der 'Bedarfsdeckung' stellt die Anzeigenwerbung der 50er Jahre den Mann in doppelt so vielen Anzeigen in der Freizeit (66.7%)
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wie im Beruf (33.3%) dar. Durch das Abbilden von Freizeitsituationen schaffte die Werbung nach Kriegsende Anreize für steigenden Konsum bei schnell zunehmendem Warenangebot und präsentierte alsbald Güter des gehobenen Bedarfs (vgl. Jaitner, 1999, S. 116-117). Ein Jahrzehnt später steigt der Anteil der Freizeitdarstellung in der Anzeigenwerbung im stern um weitere zehn Prozent an. Die Abbildung des Mannes im Beruf verringert sich dementsprechend um diesen Wert auf 22.7 Prozent. Aufgrund des zunehmenden Wohlstandes und steigender Einkommen konnten sich erstmals auch Normalverbraucher teure Konsumgüter, Urlaubsreisen und Luxusartikel leisten (vgl. Huster, 2001, S. 18). Neue Bedürfnisse sollten durch die Werbung geweckt, der Lifestyle aufgegriffen und aktuelle Moden und Stile umgesetzt werden (vgl. Jaitner, 1999, S. 48, 56, 118). In den 70er Jahren kommt es zu einer erneuten Zunahme der Darstellung des Mannes in der arbeitsfreien Zeit (79.1%). In beruflichen Situationen erscheint der Mann nur mehr in jeder fünften Anzeige (20.9%). Wachsende Mobilität (Reisewelle – jeder vierte besitzt ein Auto) und die Zunahme der Freizeit in der Gesellschaft könnten die Abbildung des Mannes in Freizeitsituationen weiter begünstigt haben (vgl. Schmidt & Spieß, 1997, S. 242). Nachdem sich das Verhältnis von Männern in Freizeit und Beruf über vier Jahrzehnte stetig zugunsten der Freizeit verschoben hat, ist in den 80er Jahren der Höhepunkt mit einer über fünfmal so häufigen Darstellung in der Anzeigenwerbung erreicht (83.3%). In einer von Sinnenlust geprägten Konsumgesellschaft vermittelte die Werbung dieser Zeit Freude am Konsumieren (vgl. Jaitner, 1999, S. 122-123). In den 90er Jahren erfolgt eine Trendwende. Auf das Niveau der 50er Jahre zurückkehrend, verdoppelt sich die Darstellung des Mannes im Beruflichen auf 34 Prozent. Freizeitsituationen verringern sich auf einen Wert von rund 66 Prozent. Unverändert zu den 90er Jahren besteht dieses Verhältnis im 21. Jahrhundert. In welchem Verhältnis die räumliche Umgebung Freizeit und Beruf in den einzelnen Jahrzehnten zueinander stehen, zeigt Abbildung 15. Einerseits deuten Veränderungen in der Gesellschaft und in der Berufswelt auf diesen Wandel hin: Während die Werbung der 80er Jahre überwiegend die bunten Facetten der Konsumgesellschaft dargestellt hat, verstanden sich Werbefachleute in den 90er Jahren zunehmend auch als 'Sinnproduzenten' mit sozialen und moralischen Ansprüchen in Hinblick auf veränderte soziale Bedingungen (vgl. Schmidt & Spieß, 1997, S. 19-22).
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Abbildung 15: Räumliche Umgebung im Zeitverlauf (in Prozent) 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 50er Jahre
60er Jahre
70er Jahre Freizeit
80er Jahre
90er Jahre
21. Jhd.
Beruf
Nach Jahren fast unerschöpflichen Konsumierens schien die Komplexität der unbegrenzten Erlebniswelten ein Gefühl der Überforderung, Ratlosigkeit und Resignation in den 90er Jahren mit sich zu bringen. Man begab sich auf die Suche nach dem offenbar verlorenen Sinn des Lebens (vgl. Bolz, 1997, S. 43-46). Arbeit als sinnstiftender Teil des Lebens könnte die Veränderung im Verhältnis Freizeit und Beruf in der Anzeigenwerbung erklären, indem Werbetreibende auf die gesellschaftlichen Wandlungen reagiert haben. In Hinblick auf die gestiegenen Arbeitslosenzahlen, insbesondere seit der deutschen Wiedervereinigung 1990, und die 'New Economy' nahm Arbeit einen neuen Stellenwert ein. Die 'New Economy' brachte neue, innovative Unternehmen aus Zukunftsbranchen wie Informationstechnologie, Multimedia, Telekommunikation hervor mit neuartigen Produkten und Ideen (z. B. Kommunikationsmittel, web-basierte Dienstleistungen). Um möglichst vielen Menschen Zugang zu diesen Produkten bzw. informationsund serviceorientierten Diensten zu verschaffen, ist Werbung als Informationsträger ein dafür gut geeignetes Instrument (vgl. Meyer, 2002, S. 217-219). Der enorme Zuwachs an Dienstleistungswerbung im stern in den 90er Jahren und im 21. Jahrhundert, für die der Mann in beruflichen Situationen
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viermal so häufig wie in den 80er Jahren wirbt, könnte das sich wandelnde Verhältnis von Freizeit und Beruf zugunsten des Beruflichen seit den 90er Jahren erklären. Andererseits können die Entwicklungen zur verstärkten Abbildung des Mannes im Beruf seit den 90er Jahren ebenso mit Veränderungen werblicher Darstellungen in der Freizeit begründet werden. Zwischen den 50er und 80er Jahren zählen in der Anzeigenwerbung Alkohol, Tabak und Lebensmittel zu den am häufigsten in der Freizeit von Männern beworbenen Produktbereichen. Die Produktgruppe Genusswaren (Alkohol, Lebensmittel, Tabak) weist seit den 90er Jahren im stern werblich starke Einbrüche auf. Während jeder Produktbereich bis zu den 80er Jahren einen enormen Zuwachs auf über 30 Prozent verzeichnen kann, liegen seitdem die Werte für alle drei Produktbereiche unter 15 Prozent. Der einsetzende Gesundheitsund Fitnesskult, das Aufkommen neuer Medien (vgl. Jaitner, 1999, S. 90) und neue Werbeformen wie Sponsoring (vgl. Schmidt & Spieß, 1997, S. 316) können als mögliche Gründe für diese Entwicklung genannt werden. Auch die bereits weiter oben im Text beschriebene Rollendarstellung des Mannes in Freizeit oder Beruf zeigt einen höheren Anteil von Männern in Freizeitrollen (70.8%) als im Beruf (29.2%) in der Anzeigenwerbung des stern. Da die Darstellung des Mannes in privaten bzw. beruflichen Rollen mit der räumlichen Umgebung in Freizeit bzw. Beruf korreliert, überrascht es nicht, dass die Rollendarstellung ein ähnliches Ergebnis wie die räumliche Umgebung hervorbringt. Dennoch können Unterschiede verzeichnet werden, die daraus resultieren, dass Männer in privaten bzw. beruflichen Rollen auch vor einem künstlichen Hintergrund (fiktional oder pseudoreal) abgebildet werden können. Das Verhältnis der Rollendarstellung in Freizeit oder Beruf ergibt von den 50er bis zu den 80er Jahren ein relativ einheitliches Bild im stern, das den Mann in beruflichen Rollen in nur ungefähr jeder fünften Anzeige zeigt. Seit den 90er Jahren zeichnet sich jedoch eine Veränderung ab: Die berufliche Rolle der dargestellten Männer (43%) verdoppelt sich, die private Darstellung nimmt im Verhältnis entsprechend ab. Eine ähnliche Situation liegt ebenfalls im 21. Jahrhundert vor, wobei die Rollendarstellung in der Freizeit einen etwas höheren Wert verzeichnen kann als in den 90er Jahren. Die Zunahme der beruflichen Rollen ist insbesondere auf die verstärkte Darstellung des Mannes als Angestellter, Manager, Spezialist und Model zurück zu führen, ebenfalls auf die Abbildung des Mannes als Landwirt, der in den
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90er Jahren das erste Mal in der Anzeigenwerbung erscheint. Aufgrund der zunehmenden Dienstleistungswerbung in beruflichen Situationen seit den 90er Jahren steigt demzufolge auch der Anteil an beruflichen Rollen. Der parallel erfolgte Rückgang der am häufigsten in Freizeitsituationen dargestellten Genusswaren kann die abnehmende Rollendarstellung im privaten Bereich erklären. Androgyne Männer im Zeitverlauf Neben den bisher angeführten Resultaten wurde darüber hinaus überprüft, ob die Anzeigenwerbung seit den 70er Jahren bis heute androgyne Männer zunehmend abbildet. Diese Annahme resultiert daraus, dass die bestehende Literatur der Werbung zuschreibt, sie greife aktuelle Moden sowie neue Stile und Trends auf. Mit dem Phänomen Androgynität und ihrer Anspielung auf den geschlechtlich-erotischen Bereich könnte ein solcher Trend durch die Werbung verfolgt werden (vgl. Beyer, Festenberg & Mohr, 1999). Aus sozialpsychologischer und soziokultureller Perspektive ist Androgynität in Hinblick auf die Geschlechterrollenentwicklung seit den 70er Jahren Forschungsgegenstand von Studien (vgl. Bierhoff-Alfermann, 1989, S. 11). In der Literatur wird der Einzug des androgynen Mannes in die Werbung jedoch erst seit den 90er Jahren im Zusammenhang mit einer aus der Emanzipation resultierenden Unsicherheit seiner männlichen Rollenwahrnehmung beschrieben (vgl. Kreutzer, 1998, S. 149). Im 21. Jahrhundert tritt der 'metrosexuelle' Mann offensichtlich als Spezialfall des androgynen Mannes mit femininen Attributen und weiblichen Vorlieben wie manikürten Fingernägeln, Anwendung von Körperpflegemitteln sowie einem Interesse an Lifestyle und Mode werblich in Erscheinung. Trotz seinen weiblichen Neigungen ist er heterosexuell mit den gegensätzlichen Eigenschaften eines gepflegten Schönlings, Familienvaters und ganzen Kerls (vgl. Maier, 2004). Speziell die für Mode und Kosmetik abgebildeten androgynen Männer posieren auf den Werbeanzeigen in sich gekehrt, Gefühl und Körper zur Schau stellend, unaufdringlich, sanft und introvertiert (vgl. Knegendorf, 1989, S. 28-29). Wie die Darstellung androgyner Männer im Zeitverlauf in der Anzeigenwerbung im stern verteilt ist, zeigt Abbildung 16. Da die Werte androgy-
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ner bzw. wenig androgyner Männer unter zehn Prozent liegen, ist die Abbildung für eine bessere Darstellung logarithmisch skaliert worden. Abbildung 16: Androgyne Männer im Zeitverlauf (in Prozent) 100
10
1 50er Jahre
60er Jahre nicht androgyn
70er Jahre
80er Jahre
wenig androgyn
90er Jahre
21. Jhd.
androgyn
Wie Abbildung 16 zeigt, dominiert über den gesamten Untersuchungszeitraum im stern mit weitem Abstand der nicht-androgyne Mann. Obwohl sich bereits ab den 50er Jahren in einigen Anzeigen gewisse androgyne Ausprägungsmerkmale (= wenig androgyn) andeuten, erscheint der androgyne Mann das erste Mal in den 70er Jahren in einer einzigen Anzeige (0.9%) im stern. Parallel zum Aufkommen erster Studien zur Androgynität in den 70er Jahren greift die Anzeigenwerbung somit den androgynen Mann zaghaft auf. Seit den 80er Jahren nimmt die Darstellung androgyner Männer bis ins 21. Jahrhundert von 1.6 Prozent auf 7.1 Prozent der Anzeigen zu. Wird der feminine und gefühlsbetonte Mann von der Literatur erst in den 90er Jahren in der Werbung beschrieben, kann parallel dazu ein Anstieg androgyner Männer im stern festgehalten werden. Während vor 1990 in der männlichen Darstellung bezüglich der androgynen Ausprägung die Merkmalsbeschreibung wenig androgyn überwiegt, dominiert in den letzten 16 Jahren der Merkmalstyp androgyn. Insgesamt ist jedoch die Anzahl der abgebildeten androgynen Männer mit insgesamt 17 von 553 Anzeigen (3.1%) gering.
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Wie Werbung Androgynität und Erotik kombiniert, zeigt Abbildung 17. Durch seine hingebungsvolle weibliche Pose sowie seine vollen Lippen weist der abgebildete Mann neben seiner männlichen muskulösen Statur feminine Züge auf. Abbildung 17: Gucci Envy 1998
Quelle: stern, 1998, S. 52
In der Literatur werden Abbildungen des nackten Mannes als neues Werbemittel seit den 70er Jahren beschrieben. Dabei wird der Mann mehr und mehr unbekleidet, mit makellosem Körper in ästhetisch-erotischer Pose in der Werbung dargestellt. In den 553 Anzeigen aller Jahrzehnte finden sich 41 androgyne/wenig androgyne Männer. Über den gesamten Untersuchungszeitraum betrachtet, weisen die androgynen/wenig androgynen Männer im Verhältnis fast viermal mehr Nacktdarstellungen auf als die nicht-androgynen. Mit der Einschränkung hinsichtlich der geringen Fallzahl von 38 Werbeanzeigen zeigen die vorliegenden Ergebnisse, dass seit den 70er Jahren bis heute die Abbildung nackter Männer in Kombination mit Androgynität von etwa 33 auf rund 15 Prozent in der Anzeigenwerbung im stern abnimmt.
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Obwohl die Darstellung androgyner Männer seit den 70er Jahren (mit Einbeziehung von wenig androgynen Männern) zunimmt, ergibt sich für die Häufigkeit unbekleideter androgyner Männer eine abnehmende Tendenz. Eine ähnliche Beobachtung kann für Werbeanzeigen nicht-androgyner Männer im 21. Jahrhundert gemacht werden, resultierend aus einem Rückgang von zwölf Prozent auf knapp fünf Prozent. Eine mögliche Begründung könnte sein, dass Anzeigen androgyner Männer mit Kopfbild von den 70er Jahren bis heute von 16.7 Prozent auf 66.7 Prozent zugenommen haben und im gleichen Zeitraum die Werte der Ganzfigur von 33 Prozent auf null abgefallen sind. Mit der Darstellung als Kopfbild kann letztlich keine Aussage mehr über den Grad der Nacktheit abgebildeter androgyner Männer getroffen werden. Zusammenfassung und Ausblick Die Analyse von Anzeigen aus dem stern über einen Zeitraum von 56 Jahren erbrachte die folgenden Ergebnisse: 1.
2.
Über den gesamten Untersuchungszeitraum von 1950 bis heute konnten sechs vorherrschende Männertypen ermittelt werden, der Karrieremann, der Familiäre, der Sonnyboy, der Gesellige, der Abenteurer und der Sachliche, wobei der Karrieremann und der Gesellige am häufigsten auftreten. Der Mann in der stern-Werbung erscheint mehrheitlich schlank, mit kurzem Haar, ohne Bart, ist zwischen 26 und 45 Jahre alt, trägt meist Anzug oder Freizeitbekleidung und wirbt am häufigsten für Dienstleistungen, Tabak, Kosmetik und Alkohol. In der Freizeit tritt der Mann überwiegend als Ehemann und Partner, im Beruf zumeist als Model in Erscheinung. Die Auswertung der Männertypen für jedes einzelne Jahrzehnt ergab, dass die Anzeigenwerbung zusätzlich den Sensiblen, den Partnerschaftlichen und den Selbstverwirklichenden thematisiert. Bezogen auf die einzelnen Dekaden variiert die Anzahl der abgebildeten Männertypen zwischen vier und sieben, wobei die Kombination der Eigenschaftsmerkmale des jeweiligen Männertyps differiert.
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4.
5.
Raphaela Dreßler In Hinblick auf die äußere Erscheinung des Mannes zeigen sich im Zeitverlauf Veränderungen, insbesondere in der Haarlänge, im Bartwuchs, der Figur, der Bekleidung, der Blickrichtung und im Bildausschnitt. Die Vermutung, dass sich die Darstellung des Mannes im Beruf von den Nachkriegsjahren bis heute zugunsten seiner Abbildung in der Freizeit verändert hat, ließ sich nicht bestätigen. Zwar lieferte die Auswertung des Anzeigenhintergrundes bis zu den 80er Jahren eine Entwicklung zur Freizeit hin, jedoch mit abnehmender Tendenz in jüngerer Zeit. In der Rollendarstellung des Mannes ist seit den 90er Jahren ein Wandel zugunsten des Berufs festzustellen. Trotz der Einschränkung durch eine geringe Datenbasis kann seit den 70er Jahren eine Zunahme androgyner Männer im stern beobachtet werden. Die Nacktdarstellung in Kombination mit Androgynität scheint trendmäßig eher abzunehmen.
Die Frage, ob sich im Zeitverlauf Veränderungen in der Darstellung des Männerbildes im stern ergeben haben, ist positiv zu beantworten. Betrachtet man die gesellschaftlichen Entwicklungen von 1950 bis heute und die parallel in der Anzeigenwerbung beobachtbaren Wandlungen, ist insgesamt festzuhalten, dass die soziokulturellen Strömungen und der mit ihnen verbundene Zeitgeist vielfach von der Werbung aufgegriffen, teils transformiert und umgesetzt wurden. Die Werbung kann somit als sensibler Indikator sozialen Wandels angesehen werden. Als Spiegel der Moderne selektiert die Anzeigenwerbung zumeist positive Erscheinungen der Konsumgesellschaft, wobei trotz aller Veränderungen die äußere Darstellungsform des Mannes noch häufig in stereotyper Weise präsentiert wird und dadurch Auswirkungen auf die soziale Konstruktion der Geschlechterrollen ausübt. Ob sich der Ende der 90er Jahre aufgrund der Beobachtung der Fernsehwerbung angekündigte Bruch des traditionellen Männerbildes fortsetzen und auch in anderen Medien wirksam werden, und ob sich dadurch vor allem die Identität des Geschlechterverhältnisses grundlegend und langfristig verändern wird, muss die Zukunft zeigen.
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Die Entdeckung der Neuen Alten? Best-Ager in der Werbung Carolin Burgert & Thomas Koch
Vor mehr als zehn Jahren prognostizierte Opaschowski, dass die Jugend als Konsumpionier an Zahl und Bedeutung verlieren und sich eine um so größere Hoffnung auf die Zielgruppe der "Neuen Alten" richten werde, "die über genügend Zeit und Geld verfügen, um ein Leben im Zeitwohlstand führen zu können […] Die Entdeckung der Neuen Alten als Zielgruppe von Wirtschaft und Werbung steht unmittelbar bevor" (1997, S. 25f.). Sicher ist, dass der demographische Wandel in Deutschland dazu führen wird, dass es zukünftig sowohl relativ als auch absolut betrachtet mehr ältere Menschen gibt (vgl. Tews, 1999, S. 138). Hinzu kommt, dass die Älteren1 bereits heute aktiver sind und ein gesünderes, mobileres und längeres Leben führen als noch vor wenigen Jahrzehnten (vgl. Burmeister & Daheim, 2004, S. 179; Fösken, 2006a, S. 40; Hanser, 2006, S. 29). Die Älteren in der Gesellschaft verfügen außerdem über eine höhere Kaufkraft als jüngere Altersgruppen und sind konsumfreudiger, als bisher angenommen wurde; sie besitzen die finanziellen Mittel und die nötige Freizeit, um dementsprechend viel zu konsumieren (vgl. z. B. Gaßner, 2006). Von der Marktforschung wurden diese keineswegs erst in den letzten Jahren "entdeckt", sondern bereits seit den siebziger Jahren zunächst vereinzelt, später relativ regelmäßig als wichtige Konsumentengruppe hervorgehoben – gerieten aber ebenso regelmäßig wieder in Vergessenheit (vgl. Schmidt, 1997, S. 36). Im Hinblick auf das große quantitative wie wirtschaftliche Potential der Best-Ager erscheint eine Eingrenzung der Zielgruppe von Werbung auf die unter 50-Jährigen nicht mehr als sinnvoll. Die 14- bis 49-Jährigen, die insbesondere die kommerziellen Fernsehsender Anfang der neunziger Jahre zur werberelevanten Zielgruppe erklärten, werden dadurch zwar nicht unbedeutend; es ist aber eine an Kaufkraft und Kaufverhalten ebenbürtige Generation als weitere Zielgruppe erwachsen: die über 50-Jährigen. Nachdem die 1
Die Begriffe Ältere und Best-Ager werden hier synonym verwendet.
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Werbetreibenden diese Gruppe jahrzehntelang vernachlässigt hatten, soll seit 2005 "ein regelrechter Best-Ager Hype zu beobachten" sein (TNS Infratest, 2005). Ein solcher Hype müsste sich auch in Werbeanzeigen niederschlagen und dazu führen, dass mehr Produkte für die bislang vernachlässigte Zielgruppe beworben und vermehrt Best-Ager in Anzeigen abgebildet werden. Inwiefern die Werbung die Älteren tatsächlich berücksichtigt oder sie – gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung – immer noch vernachlässigt (vgl. Enslin, 2003, S. 102; Jäckel, Kochhan & Rick, 2002, S. 678; Jankowski & Neundorfer, 2000, S. 73-77; Schönert, 1997, S. 115), soll die hier vorgelegte Untersuchung klären2. Dabei ist es auch relevant zu ermitteln, wie sich die Darstellung der Älteren in den letzten Jahren und Jahrzehnten geändert hat. Existieren bestimmte stereotype oder traditionelle Rollen-Klischees, in denen die Best-Ager immer wieder präsentiert wurden bzw. werden? Werden ältere Frauen auch heute noch weniger vielfältig dargestellt als ältere Männer, wie Hastenteufel (1980) zeigt? Neben der Darstellung der Älteren in der Werbung interessierte außerdem, für welche Produkte Best-Ager werben und ob bei den Anzeigen auf eine altersspezifische Gestaltung geachtet wurde. Zur Beantwortung dieser Fragen diente eine Inhaltsanalyse von Werbeanzeigen mit Best-Agern in deutschen Zeitschriften für einen Zeitraum von 20 Jahren. 1
Best-Ager
Die in diesem Aufsatz verwendete Bezeichnung "Best-Ager" ist kein fest definierter Begriff. Er steht für "die 'Menschen im besten Alter' [und] drückt die positiven Aspekte des Alters aus" (Härtl-Kasulke, 1998, S. 16). Je nach Autor bezeichnet dieser Begriff die Generation ab 45, ab 50, ab 60 oder sogar erst ab dem offiziellen Renteneintrittsalter von 65 Jahren. Diese Studie definiert Best-Ager als alle Personen über 50 Jahre und grenzt sie dadurch von der so genannten werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen ab. Eine solche Definition missachtet zwar, dass die Älteren – genau wie die 14- bis 49-Jährigen – keine homogene Gruppe darstellen und durchaus feiDem Beitrag liegt eine Untersuchung zugrunde, die die Autorin für ihre Diplomarbeit am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Universität Erlangen-Nürnberg durchgeführt hat.
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ner differenziert und in Subgruppen segmentiert werden können (z. B. nach Wertorientierungen; vgl. TNS Infratest, 2005); für die vorliegende Studie ist dies allerdings wenig relevant. Aufgrund sinkender Geburtenzahlen und steigender Lebenserwartung altert die Gesellschaft; diese Entwicklung betrifft nicht nur Deutschland, sondern global alle industrialisierten Länder (vgl. Lehr, 1998; Tews, 1999). Seit 1972 gibt es in Deutschland ein Geburtendefizit: Die Zahl der Geburten ist geringer als die Zahl der Sterbefälle. Betrug die durchschnittliche Geburtenziffer (die durchschnittliche Zahl lebend geborener Kinder je Frau) 1965 in West-Deutschland noch 2.5, so beträgt sie in der heutigen Bundesrepublik lediglich 1.4. Zudem steigt die Lebenserwartung, bedingt durch bessere Ernährung, höheren Wohlstand und Fortschritte in Medizin und Hygiene, stetig: Während sie 1967 für Neugeborene noch 67.6 Jahre (Männer) bzw. 73.6 Jahre (Frauen) betrug, wird für 2004 Geborene schon ein voraussichtliches Durchschnittsalter von 75.9 beziehungsweise 81.5 Jahren errechnet. Auch der vom Wanderungssaldo (die Differenz der Zu- und Fortzüge nach beziehungsweise von Deutschland) ausgehende leichte "Verjüngungseffekt" reicht nicht aus, um das Geburtendefizit auszugleichen (vgl. Burmeister & Daheim, 2004, S. 176f.; Fösken, 2006a, S. 40; Statistisches Bundesamt, 2006). Der Trend der alternden Gesellschaft wird sich – folgt man den Prognosen des Statistischen Bundesamtes – bis 2050 fortsetzen. Mit variierenden Annahmen bezüglich Geburtenzahl, Lebenserwartung und Wanderungssaldo errechnete das Statistische Bundesamt zwölf verschiedene Varianten der zukünftigen demographischen Entwicklung, die alle zeigen, dass das Geburtendefizit weiter steigen und es bei der Lebenserwartung einen weiteren Anstieg (wenngleich geringer als in der Vergangenheit) geben wird. Auch ein angenommenes positives Wanderungssaldo wird die Veränderung der mengenmäßigen Relation zwischen Alt und Jung nicht aufhalten können. Während das Durchschnittsalter eines Deutschen 1990 noch 39 Jahre betrug, lag es 2005 bereits bei 42 Jahren. Für 2050 wird sogar ein durchschnittliches Alter von ca. 50 Jahren errechnet (Burmeister & Daheim, 2004, S. 176f.; Statistisches Bundesamt, 2006). Neben dieser quantitativen Zunahme der Best-Ager haben sich auch deren Kaufverhalten und ihre Kaufkraft im Vergleich zu der früherer Generationen bedeutend verändert (vgl. Fösken, 2006a, S. 40f.; Tews, 1999, S. 153; Wahl, 1994, S. 91). Die Älteren sind "kauferfahren und kritisch, experimentierfreudig und beratungsinteressiert und bereit, für eine entspre-
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chende Leistung mehr auszugeben" (Hanser, 2006, S. 29). Zudem ist das Markenbewusstsein der Best-Ager durchschnittlich höher, das Interesse an Billigprodukten sinkt mit steigendem Alter (vgl. Bauer Media Akademie, 2006, S. 19-24; Fösken, 2006a, S. 41; Kaupp, 1997, S. 44). Die Ausgaben der Älteren für Körperpflege, Wellness und Reisen sind stark gestiegen und die über 50jährigen zum Beispiel. für einen Großteil der Käufe von Fahrzeugen des höheren Preissegments verantwortlich (vgl. Burmeister & Daheim, 2004, S. 180; o.V., 2002, S. 15). Während die Konsumquote bei privaten Haushalten im Jahr 2005 durchschnittlich 75 Prozent des Einkommens betrug, lag die der 60- bis 65-Jährigen mit 80 Prozent deutlich höher, und jene der 65- bis 75-Jährigen betrug sogar 84 Prozent (vgl. BMFSFJ, 2005). Das pro Person berechnete Haushaltsnettoeinkommen der Best-Ager lag 2006 ebenfalls über dem Durchschnitt von 880 Euro. Die 50- bis 64Jährigen hatten pro Person monatlich circa 180 Euro, die über 64-Jährigen etwa 110 Euro mehr zur Verfügung (vgl. Bauer Media Akademie, 2006, S. 9). Insgesamt gesehen sind die Best-Ager, sowohl was ihr Kaufverhalten als auch ihre Kaufkraft betrifft, eine gewichtige Zielgruppe, die noch weiter an Bedeutung gewinnen wird. Ältere weisen einen überdurchschnittlich hohen Medienkonsum auf, was die Werbekontaktchancen mit diesen erhöht; neben dem Fernsehen nutzen sie vor allem Radio, Zeitungen und Zeitschriften ausgiebig (vgl. Bauer Media Akademie, 2006, S. 45ff.; Fösken, 2006b, S. 44; Kaupp, 1997, S. 89). Die über 50-Jährigen sind mit 247 Minuten Fernsehkonsum intensivere Fernsehnutzer als die von den Fernsehsendern angestrebte Gruppe der 14- bis 49Jährigen, die 50 Minuten weniger pro Tag fernsehen, wobei die Dominanz der Älteren bei den Fernsehzuschauern besonders deutlich bei den öffentlich-rechtlichen Sendern auffällt (vgl. Fösken, 2006b, S. 44f.). Das Lesen von Zeitungen und Zeitschriften stellt in dieser Altersgruppe ebenfalls eine regelmäßige Freizeitbeschäftigung dar (vgl. Enslin, 2003, S. 130). 47 Prozent der Best-Ager hatten 2006 mindestens eine Zeitschrift oder Wochenzeitung abonniert; keine andere Altersgruppe weist einen so hohen Anteil an Zeitungs- und Zeitschriftenabonnenten auf (vgl. Bauer Media Akademie, 2006, S. 47ff.). Während die Beliebtheit von Tageszeitungen bei den unter 50Jährigen in den letzten zehn Jahren abgenommen hat, steigt die Nutzung von Tageszeitungen unter Best-Agern: 71 Prozent der Haushalte der 50- bis 64-Jährigen und 76 Prozent der Haushalte der über 64-Jährigen hatten 2006 mindestens eine Tageszeitung abonniert (vgl. Bauer Media Akademie, 2006).
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Best-Ager und Werbung
Mit zunehmendem Alter baut sich eine kritischere Einstellung gegenüber Werbung auf (vgl. Fösken, 2006a, S. 41; Jankowski & Neundorfer, 2000, S. 74f.). Best-Ager empfinden diese teilweise als herablassend und beleidigend gegenüber ihrer Generation, finden sich in der Werbung meist unterrepräsentiert und falsch oder verzerrt dargestellt. An Werbung, die sich speziell an sie richtet, kritisieren Ältere die häufige Verwendung von Stereotypen, die sie nicht mit ihrem Selbstbild vereinbaren können (vgl. Kaupp, 1997, S. 99f.; Nickel, 1994, S. 113). Sie wollen in der Werbung nicht direkt auf ihr Alter angesprochen und nicht durch eine Sonderstellung ausgeschlossen werden (vgl. Auer, Kalweit & Horrion, 1989, S. 68; Fösken, 2006a, S. 41f.). Von Werbung mit ausschließlich jungen Werbemodels fühlen sich Ältere kaum angesprochen und betrachten das beworbene Produkt als eher uninteressant. Ältere bevorzugen Werbung, die Personen verschiedener Generationen darstellt. Am liebsten sehen sie dabei die älteren Werbemodels in der Rolle des Ratgebers. Außerdem sollen die Stärken des Alters wie Erfahrung, erworbenes Wissen und Flexibilität hervorgehoben und Probleme des Alters, wie die verschlechterte Sehfähigkeit, berücksichtigt werden (vgl. Nickel, 1994, S. 113; o.V., 2002, S. 16f.). Die von Best-Agern empfundene Vernachlässigung in der Werbung führen Jankowski und Neundorfer (2000, S. 73-77) auf die mangelnde Identifikation mit Werbeleitbildern zurück. Die ab 50-Jährigen empfinden Werbung in viel geringerer Weise als kreatives Element; der Informationsgehalt und die damit verbundene Ratgeberfunktion sind ihnen wichtiger als der Unterhaltungsaspekt. Dieses Bedürfnis der Best-Ager nach ausführlichen Informationen in der Werbung könnte ein Grund dafür sein, dass sie Printwerbung bevorzugen: Die Einstellung der Älteren gegenüber Printwerbung ist positiver als gegenüber Fernsehwerbung, weil sie bei ihnen als informativer, verständlicher, glaubwürdiger und weniger störend gilt (vgl. Bauer Media Akademie, 2006, S. 59; Enslin, 2003, S. 152f.). Anzeigen bieten eine bessere Gelegenheit zur detaillierten Darstellung von Produkt- und Unternehmensinformationen (vgl. Enslin, 2003, S. 153); zudem ermöglichen Printanzeigen, den Betrachtungszeitpunkt und die Lesegeschwindigkeit und somit die Geschwindigkeit der Informationsaufnahme selbst zu bestimmen und, wenn nötig, diese zu wiederholen (vgl. Bauer Media Akademie, 2006, S. 48; Kölzer, 1999, S. 214). Das ist umso relevanter, als ab dem 45sten Lebensjahr eine Verringerung
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der Lernfähigkeit, bedingt durch eine langsamere Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, auftritt. Bei einer selbst bestimmten Geschwindigkeit der Reizdarbietung können jedoch die gleichen Lernerfolge erreicht werden wie in jüngeren Jahren (vgl. Gündling, 1997, S. 195f.). Enslin (2003) zeigt, dass Frauen unter den Befragten der ab 50-Jährigen gegenüber Werbung kritischer eingestellt sind als Männer. Die befragten Frauen bezeichneten die Werbung öfter als überflüssig und langweilig, wohingegen Männer der Werbung öfter die Begriffe informativ und nützlich zuordneten. Häufig wird von den ab 50-Jährigen bei der Anzeigenwerbung eine zu kleine Schriftgröße, ein diffuser Text-/Bildzusammenhang, ein unsympathischer Werbedarsteller, ein unklarer Produktnutzen und ein nicht ansprechender Erlebniswert kritisiert (vgl. Enslin, 2003, S. 283). Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten der Ansprache Älterer durch die Werbung – die indirekte und die direkte Ansprache. Bei der indirekten Ansprache richtet sich die Werbung nicht ausschließlich an die Best-Ager. Dieser Form liegt die Annahme zugrunde, dass Werte und Produktnutzen vermittelt werden können, die mehrere Altersgruppen ansprechen (vgl. Baumann, 1990, S. 462; Enslin, 2003, S. 284f.; Schönert, 1997, S. 116). Die direkte Ansprache ist dagegen geeignet, wenn sich bezüglich der Nutzenerwartung und der Bedürfnisse große Unterschiede zwischen Best-Agern und den restlichen Zielgruppen ergeben (vgl. Baumann, 1990, S. 462). Es gefällt Älteren zwar, wenn ihnen besondere Aufmerksamkeit in der Werbung gewidmet wird, jedoch lehnen sie eine allzu deutliche "Seniorenwerbung" für zu offensichtliche "Seniorenprodukte" ab, weshalb diese auch kontraproduktiv sein kann (vgl. Brünner, 1998, S. 32; Härtl-Kasulke, 1998, S. 83f.; Kaupp, 1997, S. 118). 3
Best-Ager in der Werbung
Obwohl Unternehmen Best-Ager durchaus als eine interessante Zielgruppe entdeckt haben (vgl. z. B. Jäckel, Kochhan & Rick, 2002; Gündling, 1997, S. 192) werden sie dennoch, gemessen an ihrem Anteil in der Bevölkerung, in ihrer Ansprache durch die Werbung vernachlässigt (vgl. z. B. Enslin, 2003, S. 102; Jäckel, Kochhan & Rick, 2002, S. 678; Schönert, 1997, S. 115). Schon vor 30 Jahren stellt Hastenteufel in Analysen aus den Jahren 1975 und 1977 eine sehr starke Unterrepräsentation der Älteren fest. Brandt et al. (1988, S. 9f.) untersuchen den Anteil von Anzeigen mit älteren Werbemo-
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dels in Hörzu, Bunte und Stern von 1964 bis 1984 und erkennen, dass dieser innerhalb von 20 Jahren sogar gesunken ist. Betrug der Anteil 1964 noch 2.3 Prozent, so sank er 1974 auf 1.6 und 1984 auf lediglich 0.73 Prozent. Die Stichprobe aus dem Jahr 1987 zeigt allerdings einen beachtlichen Anstieg auf 4.9 Prozent, in der ersten Hälfte des Jahres 1988 sogar auf 6.6 Prozent. Seit Mitte der achtziger Jahre besteht wohl die Tendenz, vermehrt mit BestAgern zu werben. Trotzdem waren die Älteren in der Werbung in den Jahren 1987/1988 im Verhältnis zu ihrem Bevölkerungsanteil weiterhin stark unterrepräsentiert (vgl. Brandt et al., 1988). Auch eine Expertise im Auftrag des Bundesministeriums für Familie und Senioren aus dem Jahr 1994 stellt einen Trend dahin fest, mit und für Ältere zu werben, doch auch hier wird einschränkend erwähnt, dass der Umfang von Werbung mit Älteren im Verhältnis zum finanziellen Potential der Best-Ager relativ gering ist (Schmitz-Scherzer, Backes, Friedrich, Karl & Kruse, 1994, S. 94ff.). Diesen Trend erkennen auch Dennersmann und Ludwig (1986, S. 362), die zeigen, dass der Anteil der altersrelevanten Anzeigen in Zeitschriften, vor allem in Fernseh- und Frauenzeitschriften, ab 1985 angestiegen ist. In einer Auswertung von über 5.000 Werbeanzeigen aus dem Jahr 2004 erkennt die Deutsche Direktmarketing Akademie (DDA), dass lediglich 15 Prozent dieser Anzeigen in Bild oder Text einen Bezug zur Generation der ab 50-Jährigen enthielten. Von diesen bewarben wiederum 41 Prozent Produkte, die für alle Altersklassen von Interesse sind. Das heißt, die Älteren wurden angesprochen, obwohl sie nicht die einzige Zielgruppe darstellten (DDA-Studie 2004 zitiert nach o.V., 2005). Die Vernachlässigung der Best-Ager wird zudem am Werbeetat ersichtlich: Im Jahr 2002 entfielen beispielsweise nur 20 Prozent der Gesamtwerbeinvestitionen auf Zeitschriften, die sich an die Zielgruppe der Generation "50plus" richten, obwohl diese Zeitschriftentitel 50 Prozent des Vertriebsmarktanteils ausmachten (vgl. Enslin, 2003, S. 102). Die Gründe für die Vernachlässigung in der werblichen Ansprache sind vielfältig: Zum einen gelten Ältere als verschlossener gegenüber neuen Ideen und Produkten, und man behauptet, dass Best-Ager durch Werbung kaum zu beeinflussen sind (vgl. Enslin, 2003, S. 103f.; Gündling, 1997, S. 195; Kölzer, 1999, S. 210ff.; Schmidt, 1997, S. 36f.). Ältere gelten wegen ihres höheren Alters als Zielgruppe ohne Zukunft; es besteht die weit verbreitete (Fehl-)Annahme, dass es zu wenige Ältere gibt und deren Kaufkraft zu gering sei, um den Aufwand an Werbung zu rechtfertigen. Die Tatsache, dass die meisten Marketingverantwortlichen und Angestellten von Werbeagentu-
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ren noch relativ jung sind, sieht man als weiteren Grund für die Vernachlässigung der Älteren in der Werbung (vgl. Enslin, 2003, S. 103f.; Kölzer, 1999, S. 209ff.; Schmidt, 1997, S. 36f.). Auch befürchten werbende Unternehmen, dass durch Werbung mit Älteren das Produkt oder die Marke alt wird, das heißt, ein altmodisches Image bekommt und somit für jüngere Konsumenten unattraktiv wird (vgl. Enslin, 2003, S. 104; Kölzer, 1999, S. 210). Ältere Werbemodels treten in Anzeigen und Spots oft als Experten oder Wissenschaftler auf, die das beworbene Produkt empfehlen und von dessen Wirkung überzeugen sollen. Das Alter soll Seriosität, Sachlichkeit und Qualität vermitteln (vgl. z. B. Dennersmann & Ludwig, 1986, S. 364ff.; Horn & Naegele, 1976, S. 468f.). Schmitz-Scherzer et al. (1994, S. 94ff.) identifizieren in ihrer Analyse zwei weitere Rollen, die den älteren Werbemodels hauptsächlich zugeschrieben werden: die des aktiven, "jung gebliebenen Alten" und die der hilflosen, pflegebedürftigen Alten, wobei die jeweilige Darstellung mit dem beworbenen Produkt variiert. Auch die Rolle des Genießers nehmen Best-Ager häufig ein (Horn & Naegele, 1976, S. 468f.). In der Werbung mit Best-Agern werden verschiedene genderspezifische Stereotypen genutzt. Spieß (1994) untersucht die Stereotype älterer Frauen in der Werbung von 1954 bis 1991 und stellt die Dominanz eines traditionellen Rollen-Klischees fest. Ältere Frauen treten in der Rolle der bescheidenen und pflichtbewussten Rentnerin mit verminderten sozialen Aktivitäten auf. Dieser Typ Frau verkörpert die Attribute Gemütlichkeit, Mütterlichkeit, Tradition und Anspruchslosigkeit und tritt in familiären oder häuslichen Situationen auf. Neben diesem traditionellen entdeckt Spieß auch einen neuen Frauentypus in der Werbung, der allerdings seltener anzutreffen ist; dieses unkonventionelle Rollen-Klischee älterer Frauen zeichnet sich durch Werbung für diesbezüglich ungewöhnliche Produkte, wie beispielsweise Zigaretten oder Werkzeuge, aus. Zudem zeigen sich diese Frauen nicht im häuslichen Bereich, sondern bei Freizeitbeschäftigungen und in der Öffentlichkeit. Der neue Frauentypus deklariert ältere Frauen als selbstbewusst, aktiv, dynamisch, witzig und lebenslustig (vgl. Spieß, 1994, S. 408ff.). Älteren Männern gesteht man aber insgesamt eine größere Merkmalsvariation zu als älteren Frauen. Männer werben in mehr unterschiedlichen Sozialbeziehungen, vor mehr Hintergrundarten, in einer größeren Typenvielfalt, in mehr unterschiedlichen Berufen, bei einer Vielzahl verschiedener Beschäftigungen sowie für mehr Produktarten. Man schreibt ihnen Erfahrung, Seriosität, Aktivität, Vitalität, Genuss und finanzielle Sicherheit zu. Der ältere
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Mann hat einen – trotz Einschränkungen – weiten Aktionsradius, der sich auf verschiedene Beschäftigungsmöglichkeiten bezieht und eine individuelle Lebensgestaltung bedingt. Der Aktionsradius der Frauen unter den älteren Werbemodels beschränkt sich dagegen meist auf das Zuhause, in dem sie die Rolle der sorgenden Hausfrau und Großmutter übernehmen. Sie sind in der Darstellung ihrer Persönlichkeit eingeengt und sorgen sich meist um ihre Gesundheit. Insgesamt betrachtet, erscheinen die älteren Frauen weitaus weniger vielfältig als die älteren Männer (vgl. Hastenteufel, 1980). Insbesondere der mit dem Altern verbundene Attraktivitätsverlust bei Frauen scheint ein häufig auftretendes genderspezifisches Stereotyp der Werbung, die speziell für Best-Ager konzipiert ist, zu sein. Dieses Stereotyp zeigt sich insbesondere bei der Werbung für Kosmetikartikel, die mit ihren Produkten dem Schönheitsverlust entgegenwirken wollen (vgl. Willems & Kautt, 2002, S. 648f.). Die Unterrepräsentanz der Älteren betrifft insbesondere die älteren Frauen – Männer sind unter den älteren Werbemodels viel zahlreicher vertreten (vgl. Brandt et al., 1988). Die Frage, ob die Darstellung von älteren Werbemodels positiv oder negativ ausfällt, wird sehr unterschiedlich beantwortet. So stellt Härtl-Kasulke (1998, S. 7f.) fest, dass die Werbung durchgehend ein negatives Altenbild entwirft, das sich durch die in den Medien und speziell in der Werbung übliche Fixierung auf ein sehr positives Jugendbild verstärkt. Jugend verbindet man mit Gesundheit, Glück und Lebensfreude – Attributen, mit denen gerne geworben wird. Die Älteren sind im Gegenzug eher mit negativen Eigenschaften besetzt, und sie erscheinen dadurch für die Werbung weniger geeignet als die Jugend. Dennersmann und Ludwig (1986) kommen hingegen zu dem Ergebnis, dass in den untersuchten Anzeigen sehr selten ein negatives Altenbild auftritt und die Best-Ager überwiegend vital dargestellt sind. Auch Schmitz-Scherzer et al. (1994) zeigen, dass Ältere in der Werbung häufig jugendlich wirkende, aktive und gesunde Personen verkörpern. Horn und Naegele (1976.), die 1975 Werbeanzeigen verschiedener Publikumszeitschriften untersuchten, stellen fest, dass insbesondere der Textteil von altersspezifischen Anzeigen, das heißt Inseraten, die sich speziell an Ältere richten und ein für Ältere geeignetes Produkt bewerben, ein negatives Altenbild vermittelt, das durch körperliche Beschwerden, Schwäche und Leistungsabfall gekennzeichnet ist. Die bildliche Darstellung verzichtet dagegen auf dieses abschreckende Altenbild. Die älteren Werbemodels erweisen sich in den altersexklusiven Anzeigen meist als vital, aber eher passiv
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und sozial isoliert. In altersinklusiven Anzeigen (welche sich an alle Altersgruppen richten) verkörpern die gesund, aktiv und integriert wirkenden Älteren aber meist ein positives Altenbild. Zu einem ähnlichen Befund kommt eine Studie der Deutschen Direktmarketing Akademie (DDA, 2002 zitiert nach Enslin, 2003) aus dem Jahr 2002, die zeigt, dass altersexklusive Werbung vor allem sprachlich häufig die defizitären Aspekte des Alters demonstriert. Bei altersübergreifender Werbung wird das Alter dagegen meist positiv dargestellt und mit Würde, Erfahrung und Vertrauen verbunden. Allerdings schränken die Autoren ein, dass 66 Prozent der altersrelevanten Werbung das Alter von der defizitären Seite spiegeln und die altersinklusive Werbung mit dem positiven Altersbild nur einen relativ geringen Anteil ausmacht (vgl. DDA-Studie, 2002 zitiert nach Enslin, 2003, S. 98ff.). Dass sich derartige Untersuchungen sehr durch die Operationalisierung dessen, was eine positive und was eine negative Darstellung ist, beeinflussen lassen, ist zu erahnen, wenn man bedenkt, dass Robinson (1998, S. 71) zu einem konträren Ergebnis kommt und resümiert, dass die älteren Werbemodels sowohl in Anzeigen speziell für ältere Zielgruppen als auch in Werbeanzeigen, die sich an alle Altersklassen richten, größtenteils (zu 95.1% bzw. 98.6%) positiv dargestellt werden. Bei den beworbenen Produkten dominiert der Pharmabereich: Horn und Naegele (1976.) zeigen, dass 90 Prozent der altersspezifischen Anzeigen für Pharmazeutika werben. In einer zehn Jahre danach durchgeführten Analyse weisen Dennersmann und Ludwig (1986) nach, dass der Pharmabereich mit knapp 60 Prozent der Anzeigen mit Best-Agern die Publikumszeitschriften immer noch dominiert, wenngleich nicht mehr so stark. Auch im Jahr 2002 stellt sich der Pharmabereich als dominante Branche im Bezug auf Anzeigenwerbung mit Älteren heraus: Altersexklusive Werbung wirbt zu zwei Dritteln für medizinische Produkte (vgl. DDA-Studie, 2002 zitiert nach Enslin, 2003). 2004 stammen zwar "nur" noch 53 Prozent der Werbung aus der Gesundheitsindustrie, doch dominiert hier immer noch klar diese Branche (DDA-Studie, 2004 zitiert nach o.V., 2005). Neben dem Pharmabereich werben Best-Ager zudem für Spirituosen, Touristik, Verkehr und Versicherungen. Brandt et al. (1988, S. 9f.) stellen bei der Betrachtung der beworbenen Produktkategorien in allen Untersuchungsjahren (1964, 1974, 1984, 1987, 1988) ebenfalls die relativ häufige Verwendung älterer Werbemodels für Speisen und Getränke fest.
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Der Forschungsstand bezüglich Best-Agern in der Werbung ist lückenhaft und unstrukturiert: Es gibt kaum aktuelle Studien (eine Ausnahme bilden die Analysen von Anzeigenwerbung der Deutschen Direktmarketing Akademie, die jedoch nicht frei zugänglich sind), und die Untersuchungen kommen teilweise zu konträren Ergebnissen. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass sich die Studien sowohl auf unterschiedliche Zeiträume als auch auf verschiedene Mediengattungen und -angebote sowie auf unterschiedliche Altersgrenzen für ältere Werbemodels beziehen – dies erklärt wenigstens zum Teil die gelegentlich widersprüchlichen Ergebnisse. Problematisch ist, dass bisher keine Studie die Entwicklung der Werbeanzeigen mit älteren Werbemodels über einen längeren Zeitraum kontinuierlich untersucht hat. 4
Fragestellung und methodisches Vorgehen
Diese Forschungslücke soll die vorliegende Studie schließen. Ziel der Untersuchung ist herauszufinden, inwiefern die Best-Ager – Frauen und Männer – tatsächlich in der Werbung vertreten sind und wie sich ihr Auftreten in den letzten 20 Jahren entwickelt hat. Die Langzeitanalyse von 1987 bis 2006 erlaubt es zu prüfen, ob die von Opaschowski 1997 prophezeite Entdeckung der Zielgruppe der "Neuen Alten" bereits Tatsache ist oder ob die Werbung ihnen womöglich schon vorher Beachtung geschenkt hat. Zunächst wird untersucht, ob es einen Trend bezüglich des quantitativen Auftretens von Älteren in der Werbung gibt, und inwieweit der Anteil der Älteren in der Anzeigenwerbung der tatsächlichen Anzahl Älterer in Deutschland entspricht. Dabei gilt es außerdem zu überprüfen, wie es um das Verhältnis von Männern und Frauen unter den abgebildeten Best-Agern steht: Findet sich immer noch eine Unterrepräsentanz weiblicher Best-Ager in der Werbung, wie sie Brandt et al. (1988) vor 20 Jahren festgestellt haben? Die Analyse soll zudem ermitteln, in welchen Rollenstereotypen und welchem Gesundheitszustand die männlichen und weiblichen Best-Ager jeweils gezeigt werden. Neben der Frage nach der Darstellung älterer Werbemodels ist auch von Interesse, welche Produkte ältere Werbemodels bewerben, ob die Produktbereiche im Untersuchungszeitraum variieren und ob immer noch und kontinuierlich der Pharmabereich dominiert. Besonders interessant ist hierbei, wie sich der Anteil der Werbeanzeigen mit Best-Agern, die für altersexklusive Produkte und Dienstleistungen werben, entwickelt hat.
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Unter der Prämisse, dass Best-Ager häufig zur Zielgruppe von Anzeigen mit älteren Werbemodels gehören, stellt sich die Frage, inwieweit die Anzeigengestaltung auf die körperlichen Einschränkungen und Wünsche dieser Zielgruppe eingeht: Wird in den Anzeigen auf gute Lesbarkeit geachtet, werden schwer verständliche Wörter vermieden und wird dem Wunsch der Älteren nach Nennung rationaler Produktvorteile (vgl. Kölzer, 1999, S. 214) Rechnung getragen? Zur Beantwortung dieser Fragen diente eine quantitative Inhaltsanalyse von Werbeanzeigen in deutschen Zeitschriften von 1987 bis 2006, also über einen Zeitraum von 20 Jahren. Neben einem Nachrichtenmagazin (Der Spiegel) umfasste das Untersuchungsmaterial auch zwei Unterhaltungsillustrierte (Stern und Bunte). Hierbei handelt es sich um die jeweils auflagenstärksten wöchentlich erscheinenden Zeitschriften der betreffenden Gattung mit einer großen Anzahl von Werbeanzeigen. Zudem haben alle diese Magazine einen hohen Anteil von Lesern ab 50 Jahren. Von jeder Zeitschrift wurden pro Jahr drei nach einem Zufallsverfahren ausgewählte Ausgaben für die Untersuchung herangezogen. Aufgreifkriterium für die Analyse einer Anzeige war, dass darin mindestens eine ältere Person, bei der das Gesicht erkennbar war, auftauchen musste. Waren zum Beispiel nur Hände oder Beine zu sehen, wurde die entsprechende Anzeige nicht in die Stichprobe aufgenommen. Ebenfalls keine Berücksichtigung fanden gezeichnete Personen und Menschen, die in Werbeanzeigen lediglich auf einem Zeitschriftentitel, einem CD-Cover oder einem Bucheinband abgebildet waren. Neben der Analyse der Werbeanzeigen mit Best-Agern wurden zudem alle Anzeigen einer Ausgabe gezählt, in denen eine Person, egal welchen Alters, erschien. Indikatoren, um Werbemodels als Best-Ager zu identifizieren, waren nach den Kriterien von Robinson (1989) und Lohmann (1997) folgende: ergrautes Haar, Glatze, faltige Haut, gebrechliche, gebeugte Körperhaltung, Verwendung einer Gehhilfe wie Stock, Rollstuhl oder Treppenlift, Hinweis auf Rolle der Großmutter beziehungsweise des Großvaters, Hinweis auf Pensionierung oder Ruhestand und Nennung des Alters (mindestens 50 Jahre). Neben den üblichen formalen Kategorien erfasste die Analyse zunächst das Produkt, das verschiedenen Gruppen zugeordnet wurde. Zudem war zu codieren, ob die untersuchte Anzeige ein Produkt oder eine Dienstleistung speziell für Best-Ager beziehungsweise speziell für Jüngere bewirbt. Ein Produkt oder eine Dienstleistung wurden als altersexklusiv gewertet, wenn
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sie zur Linderung von Altersleiden beitragen (z. B. Medikament zur Linderung von Blasenschwäche), wenn sie speziell das Leben im Alter erleichtern sollen (z. B. Treppenlift, Seniorenreisen), oder wenn die Anzeige ausdrücklich einen Hinweis auf die entsprechende Altersgruppe (ab 50 Jahre) der Konsumenten enthielt. Als speziell für Jüngere wurden dagegen Produkte und Dienstleistungen gewertet, die für Babys und Kinder hergestellt werden (z. B. Babynahrung oder Windeln, Produkte für den Schulbedarf) und Produkte und Dienstleistungen speziell für Jugendliche(z. B. Gesichtswaschmittel gegen Akne, Berufsberatung für Schulabgänger); als weitere Indikatoren wurden zudem Hinweise auf die entsprechende Altersgruppe der Konsumenten (bis 20 Jahre) sowie der Bezug auf die Lebenssituation als Kindergartenkind, Schüler, Auszubildender oder Studienanfänger gewertet. So war festzustellen, ob Best-Ager für altersexklusive, altersübergreifende oder jugend-/kinderexklusive Produkte und Dienstleistungen werben. Verschiedene Variablen erfassten die Anzeigengestaltung wie Schrifttyp, Schriftgröße und -farbe, die Verwendung von Fremd- & Fachwörtern, Anglizismen und Abkürzungen sowie die Umsetzung des Wunsches der Best-Ager nach Nennung rationaler Produktvorteile in der Werbung. Die abgebildeten Personen wurden, entsprechenden Indikatoren folgend, in drei Altersgruppen (Best-Ager, Kinder/Jugendliche und Personen mittleren Alters) unterteilt und verschiedene Variablen der älteren Werbemodels (z. B. Geschlecht, Face-ism-Index, dargestellter gesundheitlicher Zustand) erfasst. 5
Ergebnisse
Die Ergebnisse beziehen sich auf 604 Werbeanzeigen sowie 741 in diesen abgebildeten älteren Werbemodels. Von den betreffenden Anzeigen stammen 252 aus der Bunten, 199 aus dem Spiegel und 153 aus dem Stern. Darstellung älterer Werbemodels und genderspezifische Unterschiede Der Anteil von Anzeigen mit Best-Agern an allen in den untersuchten Ausgaben enthaltenen Anzeigen mit Personen schwankt im Untersuchungszeitraum zwischen 9.2 (1989) und 19.2 Prozent (1994). Ein eindeutiger Trend in der Entwicklung des Anteils der Anzeigen mit älteren Werbemodels lässt
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sich aus den Daten allerdings nicht herauslesen. In keinem Untersuchungsjahr erreicht der Anteil der Werbeanzeigen mit Best-Agern auch nur annähernd die Höhe des Anteils der ab 50jährigen an der Gesamtbevölkerung Deutschlands, der von 30 Prozent im Jahr 1987 auf 40 Prozent im Jahr 2005 anstieg. Bezogen auf diese Zahlen ist von einer deutlichen Unterrepräsentierung der Best-Ager in der Anzeigenwerbung zu sprechen. Obendrein zeichnet sich in den untersuchten Zeitschriften im Verlauf der 20 Jahre kein Trend zu einer vermehrten Werbung mit Älteren ab. Bezüglich des Geschlechts tritt insbesondere Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre eine starke Dominanz der Männer hervor. Circa drei Viertel der Best-Ager in den untersuchten Werbeanzeigen sind männlich (75.8%), lediglich ein Viertel weiblich (24.2%). Betrachtet man das Verhältnis der Abgebildeten im Zeitverlauf, so wird zu Beginn der Untersuchung sogar eine noch stärkere Dominanz der männlichen Best-Ager deutlich: In den ersten beiden Untersuchungsjahren sind 85 beziehungsweise 88 Prozent der älteren Werbemodels Männer. Die Tendenz des Verhältnisses der männlichen zu den weiblichen älteren Werbemodels ist eindeutig: Die Kluft schließt sich seit dem Ende der neunziger Jahre stetig. In den letzten drei Untersuchungsjahren sind Frauen bereits auf rund 40 Prozent der Werbebilder mit Best-Agern abgebildet. Unter den verschiedenen Rollen, welche die älteren Werbemodels verkörpern, überwiegt mit 26.1 Prozent deutlich die Rolle des Ehepartners. Ebenfalls relativ häufig vertreten sind die Rollen des Arbeitnehmers (15.5%) und des Kunden (14.1%). Während Ende der achtziger Jahre noch die Arbeitnehmer-Rolle dominiert, ist es zu Beginn der neunziger Jahre die Rolle des Kunden. In der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums von 1996 bis 2005 tritt klar die Rolle des Ehepartners in den Vordergrund. Dabei sind Männer wie Frauen am häufigsten in der Rolle des Partners dargestellt, allerdings Frauen zu 48.3 Prozent als Ehefrau, Männer nur zu 19.5 Prozent als Ehemann. Bei Letzteren überwiegt keine Rolle so eindeutig, wie dies bei den weiblichen Abgebildeten der Fall ist: Den Männern gesteht man ein wesentlich breiteres Rollenspektrum zu – als Arbeitnehmer (19.3%), Chef (14.7%) oder Wissenschaftler (8.9%) treten Männer häufig auf, Frauen hingegen nie. Zum gleichen Ergebnis gelangt auch Hastenteufel (1980), der konstatiert, dass Männer in Anzeigen eine größere Merkmalsvariation aufweisen. Frauen werden, neben der stark dominierenden Rolle als Ehefrau, häufig als Kun-
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dinnen (18.2%) präsentiert; in der Rolle der Mutter, der Großmutter oder der Hausfrau findet man sie allerdings nur sehr selten. Betrachtet man die Entwicklung des dargestellten gesundheitlichen Zustands im Untersuchungszeitraum, ist ein Trend zu einer gesünderen Darstellung der Best-Ager zu erkennen. Während es im Jahr 1989 noch eine Tendenz zur eher kranken und schwachen Darstellung der Älteren gibt (Mittelwert von 3.24 auf einer fünfstufigen Skala), liegt der Mittelwert ab 1999 stetig unter dem neutralen Wert von 3.00 und zeigt somit eine Tendenz zur eher gesunden und aktiven Präsentation der Best-Ager. Den niedrigsten Mittelwert von 2.39 gibt es im Jahr 2002. Insgesamt beträgt der Mittelwert für den dargestellten gesundheitlichen Zustand über den gesamten Untersuchungszeitraum 2.84. Der Wert für Frauen liegt bei 2.70, der für Männer bei 2.89. Beide Werte stehen für eine neutrale Bewertung des gesundheitlichen Zustands mit einer Tendenz zur eher gesunden und aktiven Darstellung. Die Frauen wurden insgesamt betrachtet jedoch positiver, das heißt gesünder und aktiver präsentiert als die Männer – dieser Unterschied ist hoch signifikant. Ein weiteres Indiz für eine Andersbehandlung der Frauen ist, dass diese wesentlich häufiger in ihrem Zuhause abgebildet werden. Als weiteren Kennwert für eine genderspezifische Darstellung der Best-Ager dienten die Mittelwerte des Face-ism-Indexes3 bei Männern und Frauen. Dieser Wert gibt Auskunft über die relative Körperbetonung von Frauen und Männern auf Bildern. Ein häufig nachgewiesenes Geschlechterstereotyp ist die stärkere Gesichtsbetonung von Männern und eine stärkere Körperbetonung von Frauen auf Fotos (vgl. Archer et al., 1983; Copeland, 1989; Schmerl, 2004). Diese weichen in der vorliegenden Stichprobe nur geringfügig voneinander ab. Der Wert der Frauen beträgt 0.456, der der Männer 0.439, wobei diese Differenz nicht signifikant ist. Interessant ist der zeitliche Verlauf des Face-ism-Indexes, unterteilt nach Männern und Frauen: Der Face-ism-Index der Frauen lag zu Beginn der Untersuchung bis 1994 fast durchgehend und teilweise sogar extrem über demjenigen der Männer, während der Index der Männer von 1995 bis 2003 nahezu durchgängig höher war. In der jüngeren Vergangenheit überstiegen die Index-Werte der weiblichen Werbemodels wieder die der männlichen.
Der Face-ism-Index errechnet sich durch den Abstand zwischen dem obersten Punkt des Kopfes bis zum Kinn in Millimetern, geteilt durch den Abstand des obersten Punktes des Kopfes bis zu dem untersten sichtbaren Teil der abgebildeten Person in Millimetern.
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Beworbene Produkte Am häufigsten wird in den Anzeigen mit älteren Werbemodels für Produkte aus der Gruppe "Pharmazie & Körperpflege" (36.6%), für Dienstleistungen (18.7%) und für Nahrungsmittel (12.4%) geworben. Eine Dominanz von Pharma- und Körperpflegeprodukten ergibt sich in 17 der 20 Untersuchungsjahre. Diese Ergebnisse stimmen mit denen von Horn und Naegele (1976) aus dem Jahr 1975, von Dennersmann und Ludwig (1986) aus dem Jahr 1985 sowie von der Deutschen Direktmarketing Akademie aus dem Jahr 2002 (vgl. die Angaben dazu bei Enslin, 2003) überein, die alle ebenfalls eine Dominanz des Pharmabereichs feststellen. Der Großteil der Anzeigen aus dem Gebiet "Pharmazie & Körperpflege" wirbt für Produkte aus dem Bereich Gesundheit wie Medikamente, Vitamine und Salben. Bei den Dienstleistungen überwiegen solche aus dem Bereich Finanzen, und bei den Nahrungsmitteln wird hauptsächlich für Genussmittel geworben. Die Produktbereiche Haushalt, karitative Zwecke und Lifestyle bewerben dagegen kaum Best-Ager. Von den untersuchten Anzeigen werben 29 Prozent für altersspezifische Produkte oder Dienstleistungen (Produkte bzw. Dienstleistungen speziell für Best-Ager), die restlichen 71 Prozent der Anzeigen betreffen altersübergreifende Produkte und Dienstleistungen. Den gleichen Anteil stellen auch Dennersmann und Ludwig (1986) für das Jahr 1985 fest. Es scheint, dass sich hier eine Änderung im Vergleich zu den siebziger Jahren eingestellt hat, da in der Untersuchung von Horn und Naegele (1976) aus dem Jahr 1975 noch die altersspezifischen Werbeanzeigen mit knapp zwei Dritteln überwiegen. Keine der Anzeigen mit älteren Werbemodels dieser Stichprobe wirbt für Produkte oder Dienstleistungen, die speziell für Kinder oder Jugendliche gedacht sind. Die meisten Inserate, die sich auf altersexklusive Produkte beziehen, stammen aus dem Bereich "Pharmazie & Körperpflege". Innerhalb dieser Produktgruppe nehmen die altersspezifischen Werbeanzeigen einen Anteil von 67 Prozent ein. Der Anteil der Anzeigen für altersspezifische Produkte an allen Anzeigen, die mit Best-Agern werben, weist eine steigende Tendenz auf – der Anteil der Anzeigen für solche Produkte und Dienstleistungen nimmt kontinuierlich zu.
Die Entdeckung der neuen Alten? Best-Ager in der Werbung
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Anzeigengestaltung In der Inhaltsanalyse wurden die Anzeigen mit älteren Werbemodels auf sechs Aspekte der leichten Lesbarkeit überprüft: die waagerechte Anordnung der Schrift im Fließtext der Anzeige, die Beachtung der GroßKleinschreibung, die Verwendung aufrechter Druckschrift, der Gebrauch von Positiv-Schrift, das Einhalten einer Zeilenbreite von 5.5 bis 7.5 Zentimetern und eine Schriftgröße von mindestens fünf Millimetern. Die meisten Anzeigen beachten die waagerechte Anordnung sowie die Groß-Kleinschreibung (92%). Auch die aufrechte Druckschrift und die Positiv-Schrift berücksichtigen jeweils noch über drei Viertel der Anzeigen. Dagegen findet sich eine angemessene Zeilenbreite in lediglich 19 Prozent der Anzeigen geachtet (es gab sowohl eine Vielzahl von Unter- als auch Überschreitungen der geforderten Zeilenbreite von 5.5 bis 7.5 Zentimetern), die Schriftgröße war nur in vier Prozent der gesamten Annoncen ausreichend groß. Neben der leichten Lesbarkeit interessierte auch die Verständlichkeit der Anzeigen. Als Indikator diente dazu die Verwendung schwer verständlicher Wörter wie Fremdwörter, Fachausdrücke, Anglizismen oder Abkürzungen. 22 Prozent der Anzeigen nutzen mindestens einen schwer verständlichen Begriff. Dabei kommen am häufigsten Fachausdrücke (in 9.8% der Anzeigen) und Anglizismen (8.8 %) vor; doch auch Fremdwörter (3.1%) und Abkürzungen (1.7%) finden sich. Es existiert kein Trend zur Vermeidung dieser Wortwahl. Der letzte Punkt bezüglich der Anzeigengestaltung bezieht sich auf die Nennung rationaler Produktvorteile in Werbeinseraten mit Best-Agern. Fast 70 Prozent der untersuchten Anzeigen nennen rationale Produktvorteile. Bezüglich der Entwicklung über den gesamten Untersuchungszeitraum ist ein leicht steigender Trend, das heißt eine Zunahme der Anzeigen, die rationale Produktvorteile nennen, zu verzeichnen. Am seltensten, lediglich in 55.8 Prozent, werden im ersten Untersuchungsjahr rationale Produktvorteile genannt. Der höchste Anteil (90.5%) liegt gegen Ende des Untersuchungszeitraums im Jahr 2004.
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Carolin Burgert & Thomas Koch Fazit
Die einleitend erwähnte "Prophezeiung" von Opaschowski (1997), dass die Zielgruppe der "Neuen Alten" von der Werbung entdeckt werde, lässt sich hinsichtlich des quantitativen Auftretens von Best-Agern in Anzeigen nicht bestätigen: Über die letzten 20 Jahre betrachtet, findet sich kein Trend, vermehrt mit Älteren zu werben. Die beiden Jahre mit den höchsten Anteilen an Werbung mit älteren Models stammen sogar aus der Zeit vor dem Jahr 1997. Dass Frauen in den Medien unterrepräsentiert sind, ist ein Befund, der sich für verschiedene Medien und Formate immer wieder finden lässt (vgl. z. B. Schmerl, 2002; Velte, 1995; Weiderer, 1993). Best-Ager werden in der Werbung im Allgemeinen, ältere Frauen im Speziellen quantitativ benachteiligt. Kein Rolle, welche die Best-Ager in den Werbeanzeigen einnehmen, dominiert über den gesamten Untersuchungszeitraum, doch existieren drei sehr häufig vertretene Typen: die des Ehepartners, des Arbeitnehmers und des Kunden. Ehemann bzw. Ehefrau ist die meist gespielte Rolle der BestAger und wird von fast der Hälfte der weiblichen Werbemodels dargestellt. Die Rolle des Arbeitnehmers ist nur aufgrund der häufigen Präsentation durch männliche Models hervorgehoben; lediglich drei Prozent der Frauen verkörpern diese Rolle. Neben der Marginalisierung von Frauen gesteht man ihnen außerdem kein so breites Rollenspektrum wie den Männern zu – ganz überwiegend sind sie in der Rolle der Ehefrau abgebildet. Eine Andersbehandlung aufgrund des Geschlechtes findet man also auch bei der Generation 50plus in der Werbung. Allerdings nähert sich in den letzten Jahren zumindest der Anteil älterer weiblicher an den männlicher Models an, wobei aber weiterhin Männer dominieren. Der gesundheitliche Zustand der abgebildeten Best-Ager bessert sich im untersuchten Zeitraum: Diese Entwicklung findet sich insbesondere ab 1997. Bei den beworbenen Produktbereichen überwiegt in den meisten Untersuchungsjahren "Pharmazie und Körperpflege". Der Bereich Nahrungsmittel, der zu Beginn der Untersuchung dominiert, nimmt im Lauf der Zeit dagegen stark ab. Die Untersuchung zeigt einen steigenden Trend bei den Anzeigen für altersexklusive Produkte und Dienstleistungen. Bei der Gestaltung der Anzeigen mit älteren Werbemodels werden die Bedürfnisse und Wünsche der Best-Ager nicht ganz vernachlässigt, doch besteht diesbezüglich noch weiteres Verbesserungspotential. Wichtig wäre, die richtige Zeilenbreite sowie die entsprechende Schriftgröße zu beachten. Schwer ver-
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ständliche Wörter vermeidet ein Großteil der Anzeigen. Fachausdrücke und Anglizismen sollte man noch seltener verwenden. Den Wunsch vieler BestAger nach Nennung rationaler Produktvorteile berücksichtigen bereits 70 Prozent der Anzeigen. Nach Analyse der Daten steht fest, dass die Anzahl von Anzeigen mit Älteren im Verhältnis zu deren finanziellem Potential immer noch relativ gering ist. Jäckel, Kochhan und Rick kündigten schon vor vier Jahren an, "dass die Werbung aufgrund der demografischen Entwicklung gezwungen wird, zukünftig noch deutlichere Akzente zu setzen und verstärkt ältere Menschen in die Werbung einzubinden"(2002, S. 688). Das wird wohl noch dauern; es ist kaum zu erwarten, dass die Werbung ihre Fokussierung auf die junge Zielgruppe in den nächsten Jahren aufgeben wird. Literatur Archer, D., Iritani, B., Kimes, D., & Barrios, M. (1989). Männer-Köpfe, Frauen-Körper: Studien zur unterschiedlichen Abbildung von Frauen und Männern auf Pressefotos. In C. Schmerl (Hrsg.), In die Presse geraten. Darstellung von Frauen in der Presse und Frauenarbeit in den Medien (S. 53-76). Köln: Böhlau. Auer, M., Kalweit, U., & Horrion, W. (1989). Marketing für neue Zielgruppen: Yuppies, Flyers, Dinks, Woopies. Landsberg am Lech: Verlag Moderne Industrie. Bauer Media Akademie. (2006). Kompendium best age 2006: Lebensstil, Konsum, Kommunikation. Abgerufen am 27. September 2007 unter http://www.bauermedia.com/filea-dmin/user_upload/pdf/studien/zielgruppe/bestage/Kompendium_best_age_091006.pdf. Baumann, E. (1990). Zielgruppe "Senioren". Nur ein bisschen "senioren-reif" bei Produkten, Diensten und Kommunikation reicht nicht aus. Marketing Journal, 23, 460-471. BMFSFJ (2005). Mit der steigenden Wirtschaftskraft Älterer rechnen. Abgerufen am 24. September 2007 unter http://www.bmfsfj.de/Kategorien/Presse/pressemitteilungen, did=39282.html. Brandt, A., Geiger, F., Gentsch, W., Jurke, S., Mattes, H., Neufeld, H., Pfeiffer, W., Seeger, K., & Zaborowski, F. (1988). Die Rolle des älteren Menschen in der Werbung. Frankfurt: Universität des 3. Lebensalters. Brünner, B. (1998). Marketing für Senioren. Nur weniges ganz anders, aber vieles einfach ein bisschen besser machen. Marketing Journal, 31, 32-35. Burmeister, K., & Daheim, C. (2004). Demographische Entwicklung – Konsequenzen für Medien und Werbung. Media Perspektiven, (4), 176-183. Copeland, G. (1989). Face-ism and primetime television. Journal of Broadcasting & Electronic Media, 33, 209-214.
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Sex-Appeal in der Werbung: Die Entwicklung der letzten Jahre Klaus Moser & Christopher Verheyen
In seinem Buch, das den Titel "Sex ist dem Jakobsweg sein Genitiv: Eine Vermessung" trägt, schrieb der Entertainer Harald Schmidt (2007) im Vorwort: "Der Abgabetermin machte es notwendig, sich auf die Begriffe Sex, Jakobsweg, Genitiv und Vermessung zu einigen. Eine ziemlich richtige Entscheidung, denn alle belegen auch heute noch vordere Plätze auf den Bestsellerlisten" (S. 12). Sicher nicht zufällig steht "Sex" in dieser Aufzählung an erster Stelle (und ist auf dem Einband mit Abstand am größten gedruckt), denn mit kaum einem anderen Wort lässt sich so viel Aufmerksamkeit erzielen. Doch genügt es tatsächlich, in einen Buchtitel das Wort "Sex" aufzunehmen, damit das Buch sich wie von selbst verkauft? Harald Schmidt scheint dieser Meinung zu sein – ob eine solche Wirkung in diesem konkreten Fall tatsächlich zu beobachten war, haben wir nicht überprüft. Ist es aber tatsächlich so, dass eine beliebige sexuelle Anspielung oder Darstellung dazu beiträgt, ein beliebiges Produkt leichter zu verkaufen? Im Gegensatz zur Popularität dieser Annahme gab es in den letzten Jahrzehnten überraschend wenige Studien, die sich mit dieser Fragestellung wissenschaftlich befassten. Erst in den letzten 15 Jahren ist eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem Thema festzustellen (z. B. Moser, 1997; Reichert, 2002; Reichert & Lambiase, 2003; 2006). Dabei zeigt sich, dass der oft zu vernehmende Slogan "sex sells" (vgl. z. B. Köhler, 2006) keineswegs uneingeschränkt gültig ist und dass zudem erhebliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen, was die Akzeptanz und die Wirkung von sexuellen Darstellungen in der Werbung angeht. Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die Befundlage etwas systematischer zu strukturieren. Zunächst wird auf aktuelle Entwicklungstendenzen der Verwendung eingegangen. Im Anschluss werden wir auf die Aktivierungswirkung von SexAppeal eingehen, danach werden Erinnerungs- und Einstellungswirkung von Sex-Appeal in der Werbung behandelt und schließlich werden weiterführend negative Konsequenzen von Sex-Appeal in der Werbung diskutiert.
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Sex-Appeal in der Werbung: Die Entwicklung der letzten Jahre
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Den Ausgangspunkt der folgenden Ausführungen bildet die Überblicksarbeit von Moser (1997), die den Stand der Forschung bis in die 1990er Jahre berichtete. Wir werden darauf aufbauend die Frage beantworten, welche neuen Erkenntnisse sich seither ergeben haben. Bevor wir uns mit der Wirkung sexueller Darstellungen in der Werbung befassen, stellt sich zunächst die Frage, wie diese eigentlich zu definieren und abzugrenzen sind. Vollständige Nacktheit ist zwar die deutlichste Form der sexuellen Darstellung, jedoch kann Sex-Appeal auch sehr viel subtiler zum Einsatz kommen. Reichert (2002, 2003) nimmt eine Kategorisierung in fünf Gruppen vor (vgl. auch Cortese, 2004, Kap. 2, für eine feinere Einteilung mit vielen Beispielen): Neben dem Einsatz von (1) Nacktheit/Kleidung (siehe Abbildung 1 für ein Beispiel) kann auch (2) sexuelles Verhalten wie Flirten, Posen, Küsse etc. dargestellt sein (siehe Abbildung 2 für ein Beispiel). Ebenso kann alleine die (3) Abbildung physischer Attraktivität eine sexuelle Wirkung haben, wenn zum Beispiel attraktive Gesichter, Haare oder Figuren abgebildet sind. Eine weitere Kategorie umfasst den Einsatz von (4) sexuellen Referenzen, also zum Beispiel Doppeldeutigkeiten und Abbildung 1: Werbeanzeige von Allude
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Klaus Moser und Christopher Verheyen
Abbildung 2: Werbeanzeige von Armani
versteckte Anspielungen sprachlicher Art oder durch den Einsatz von Musik, Beleuchtung oder bei Werbespots von bestimmten Kamera- oder Schnitttechniken. Die letzte Kategorie beinhaltet (5) sexuelle Einbettungen. Dabei handelt es sich um die Darstellung von sexuellen Formen, Wörtern oder ähnlichem in der Werbung, die primär unterschwellig dargeboten werden. Die Wirksamkeit der letztgenannten Form des Einsatzes von SexAppeal in der Werbung ist sehr umstritten, die quantitative Bedeutung dürfte zudem mittlerweile vernachlässigbar sein, auch wenn hierzu konträre Meinungen existieren (Key, 2003). Es gibt Grenzbereiche, in denen es strittig ist, ob entsprechende Stilmittel noch als "Sex-Appeal" oder "erotisch" bezeichnet werden sollten. Beispielsweise ist die Abgrenzung von sexuellen Darstellungen zur Darstellung von "romantischer Liebe" bisweilen schwierig, was oft dazu führt, dass aus forschungspraktischen Gründen möglichst "eindeutige" Definitionen von Sex-Appeal verwendet werden. Dies erklärt zum Beispiel, warum über die Verbreitung und Wirkung romantischer Liebe als Stilmittel in der Werbung kaum Erkenntnisse vorliegen (Huang, 2004).
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Entwicklungstendenzen Bevor man sich mit der Wirkung einer Maßnahme befasst, sollte man zuerst danach fragen, welchen Verbreitungsgrad sie hat (für einen historischen Abriss der Verwendung von Sex-Appeal in Anzeigen vgl. Sivulka, 2003). Mit der durchaus gebotenen Vorsicht – denn stets werden ja nur Stichproben von Werbeträgern betrachtet – können die Ergebnisse verschiedener Inhaltsanalysen seit den 1950er bis Mitte der 1990er Jahre wie folgt zusammengefasst werden (Moser, 1997): Die Darstellung von Sex-Appeal hat zugenommen, sie wurde bis in die 1980er Jahre hinein "freizügiger", und es wurden in der überwiegenden Mehrzahl weibliche Modelle präsentiert. Mit "freizügig" ist nicht gemeint, dass die Modelle vollständig nackt dargestellt werden, diese Tendenz hat sogar seit Ende der 70er Jahre abgenommen (Moser, Bugl, Escher, Paul, Porth & Tietze, 1998). In einer neueren Studie vergleichen Reichert und Carpenter (2004) die ganzseitigen (oder größeren) Werbeanzeigen aus jeweils zwei Frauen-, Männer- und allgemeinen Publikumszeitschriften der Jahre 1983, 1993 und 2003. Dabei zeigt sich, dass der Anteil der sexuellen Motive von 1983 zu 1993 ansteigt, danach aber konstant bleibt oder gar zurück geht. Insgesamt scheint Mitte der 1990er Jahre ein vorläufiger Höhepunkt erreicht worden zu sein, auch wenn diese Interpretation etwas mutig ist, da Reichert und Carpenter für die Jahre 1984 bis 1992 und 1994 bis 2002 keine Daten analysiert haben. Eine von uns durchgeführte Erhebung der Anzeigen in der Frauenzeitschrift Petra und im Männermagazin Playboy (Verheyen & Moser, 2007) analysiert die Anzeigen der Jahrgänge 1974 bis 2006 dieser beiden Zeitschriften. Näher untersucht wurden alle ganzseitigen oder größeren Anzeigen, die als Motiv genau eine Person enthalten. Entsprechend der weiter oben dargestellten Unterscheidung von Reichert (2002, 2003) wurde nur die Kategorie (1) herangezogen, es war also ausschließlich der Bekleidungsgrad des abgebildeten Modells ausschlaggebend dafür, ob eine Anzeige als "mit SexAppeal" oder "ohne Sex-Appeal" bezeichnet wurde. Darstellungen vollständiger Nacktheit sind dabei äußerst selten (weniger als fünf Prozent; vgl. auch Reichert & Carpenter, 2004), es überwiegt die Darstellung leicht bekleideter Modelle. Betrachtet man den Anteil der Anzeigen mit weiblichem Sex-Appeal (siehe Abbildung 3), also leicht oder gar nicht bekleidete Frauen als Motive, so fällt auf, dass im Playboy der überwiegende Anteil der Anzeigen mit weiblichen
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Klaus Moser und Christopher Verheyen
Modellen Sex-Appeal enthielt. In den beiden Zeiträumen 1974 bis 1986 und 1987 bis 1996 liegt der Anteil bei rund zwei Dritteln, in der Periode 1997 bis 2006 steigt er sogar auf mehr als drei Viertel. Überraschenderweise sehen jedoch auch die mehrheitlich weiblichen Leser der Petra immer mehr weiblichen Sex-Appeal in Anzeigen. Lag dieser Anteil im Zeitraum 1974 bis 1986 noch bei 15 Prozent, so beträgt er 1997 bis 2006 schon fast 50 Prozent. Abbildung 3: Anteil der Anzeigen mit Sex-Appeal unter den mindestens ganzseitigen Eine-Person-Motiven in Petra und Playboy für die Perioden 1974-1986, 1987-1996 und 1997-2006 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1974-1986
1987-1996
1997-2006
Männliche Motive in Petra
Weibliche Motive in Petra
Männliche Motive in Playboy
Weibliche Motive in Playboy
Abbildung 3 zeigt, dass der Anteil der Anzeigen mit männlichem SexAppeal, definiert als freizügige Darstellungen von Modellen mit nacktem Oberkörper oder in Unterwäsche bis hin zu vollständiger Nacktheit, im Zeitraum 1987 bis 1996 verglichen mit 1974 bis 1986 deutlich angestiegen, danach allerdings wieder zurückgegangen ist. Dabei ist in der Frauenzeitschrift Petra ein stärkerer Rückgang zu verzeichnen, während der Anteil der
Sex-Appeal in der Werbung: Die Entwicklung der letzten Jahre
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Anzeigen mit männlichem Sex-Appeal im Playboy von der mittleren zur jüngsten Periode weniger stark abgenommen hat. In der öffentlichen Diskussion findet sich gar nicht selten die Behauptung, gerade "männlicher Sex-Appeal" werde doch seit einigen Jahren öfter in der Werbung als Stilmittel eingesetzt. Woraus resultiert eine solche doch recht subjektive und nach unseren Ergebnissen eher verzerrte Wahrnehmung eines starken Anstiegs dieser Werbeform? Tatsächlich ist ihr Anteil nach unseren Ergebnissen in letzter Zeit sogar wieder zurückgegangen. Vermutlich ist hierfür eine Kombination verschiedener Erklärungsfaktoren von Bedeutung. Erstens gab es im Zeitraum 1987 bis 1996 tatsächlich einen Anstieg. Zweitens könnte ein Werbeträgereffekt von Bedeutung sein. Wer Entwicklungen von Werbung über die Zeit hinweg untersuchen will, muss auf Zeitschriften zurückgreifen, die bereits einige Jahrzehnte existieren. Nicht zuletzt deshalb haben wir bei den weiter oben berichteten Analysen auf das Männermagazin Playboy und die Frauenzeitschrift Petra zurückgegriffen. Vielleicht sind diese vergleichsweise "konservativ", während so genannte "Zeitgeist"-Zeitschriften, die aufgrund ihrer Neuigkeit mehr Aufmerksamkeit erfahren, eher mit ungewöhnlichen Werbeideen (und z. B. männlichem Sex-Appeal in der Werbung) hervortreten? Daten aus den 1990er Jahren scheinen diese Vermutung zumindest auf den ersten Blick zu stützen. Wir fanden für den Zeitraum 1990 bis 1997 für die Männerzeitschrift Sportrevue einen höheren Anteil erotischer Männerwerbung als in den Frauenzeitschriften Cosmopolitan und Vogue und den allgemeinen Illustrierten Prinz und Vital (Heinrich, Verheyen & Moser, 2007). Allerdings ist dies vermutlich in erster Linie auf die besondere Zielgruppe der Aktivsportler der Sportrevue zurückzuführen, denn auch die ebenfalls als Zeitgeist-Zeitschrift einzuordnende MännerVogue enthielt sogar weniger männlichen Sex-Appeal in den Werbungen als die Frauenzeitschriften und die allgemeinen Illustrierten. Betrachtet man alle sechs untersuchten Zeitschriften zusammen, so lässt sich also auch für so genannte Zeitgeist-Zeitschriften (der 1990er Jahre) der vermutete Effekt nicht nachweisen und keine Zunahme der Anzeigen mit männlichem Sex-Appeal beobachten. Damit bleibt drittens die Erklärung, dass es sich um eine falsche Annahme handelt, die dadurch entstehen dürfte, dass die Häufigkeit ungewöhnlicher (und aktivierender oder auch schockierender) Werbekonzepte überschätzt wird. Der Nachweis, dass es sich um ein Beispiel einer illusorischen Korrelation (Hamilton & Sherman, 1989) handelt, müsste allerdings noch erbracht werden. Insgesamt kommen wir zu
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Klaus Moser und Christopher Verheyen
dem Fazit, dass eine Überschätzung des Vorkommens vor allem von männlichem Sex-Appeal in der Werbung vorliegt. Diese Überschätzung wurde vermutlich durch einen realen Anstieg Mitte der 1990er Jahre begünstigt und verstärkt, seitdem ist der Einsatz von männlichem Sex-Appeal jedoch eher zurückgegangen. Aktivierungswirkung Von der Verwendung von Sex-Appeal in der Werbung ist vor allem eine nahezu unwillkürliche Aufmerksamkeitslenkung zu erwarten (vgl. bereits Baker, 1961), die mit einer Aktivierungswirkung einhergeht. In seiner Übersichtsarbeit zur Aktivierungswirkung von Sex-Appeal in der Werbung konnte Moser (1997) sieben Studien auswerten. Erwartungsgemäß zeigte sich durchgehend, dass vor allem männliche Rezipienten sich durch (weiblichen) Sex-Appeal stark aktivieren lassen. Die Reaktionen der weiblichen Probanden waren hingegen nicht eindeutig So widerspricht zum Beispiel das Ergebnis von Judd und Alexander (1983), dass weibliche Versuchsteilnehmer sexuellen Stimuli keine aufmerksamkeitssteigernde Wirkung zumessen, den Befunden zweier anderer Studien (Belch, Holgerson, Belch & Koppman, 1982; Sciglimpaglia, Belch & Cain, 1979), in denen Frauen männlichen SexAppeal als interessanter und ansprechender einschätzten als weiblichen. Insgesamt konzentriert sich die bisherige Forschung sehr stark auf die Wirkungen weiblichen Sex-Appeals. Zur Wirkung männlichen Sex-Appeals sind in den letzten zwei Jahrzehnten praktisch keine Wirkungsstudien publiziert worden. Wenn der Befund einer aktivierenden Wirkung von Sex-Appeal in der Werbung akzeptiert wird, stellt sich die Frage, welche weiterführenden Effekte dies hat. Anlass hierfür ist die insbesondere in der Marketingliteratur verbreitete Auffassung, die Aktivierungswirkung von Werbung sei von zentraler Bedeutung für ihren Erfolg (Kroeber-Riel & Esch, 2004). Denn tatsächlich zeigt sich, dass Aktivierung nicht gerade zu einer intensiveren Verarbeitung der Werbebotschaft führt (Moser, 2002). Auch wenn bereits Sandage (1956) auf die Gefahr dysfunktionaler Effekte dieser Aufmerksamkeitslenkung hinwies, ließen systematische Untersuchungen dieses Effekts auf sich warten. Erst Severn, Belch und Belch (1990) konnten zeigen, dass Anzeigen mit Sex-Appeal im Vergleich zu anderen Anzeigen deutlich weni-
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ger das Nachdenken über das beworbene Produkt fördern, auch wenn Werbungen mit Sex Appeal eine weitaus größere Anzahl ausführungsbezogener, verstärkt die erotischen Stimuli thematisierende Gedanken generierten. Dies lässt sich so interpretieren, dass Sex Appeal zwar die Aktivierung der Rezipienten steigert, diese sich aber nicht auf die inhaltlichen Details der Werbung richtet, sondern eher zu einer Ablenkung von den eigentlichen Werbeinhalten führt. Ähnlich fanden Sanbonmatsu und Kardes (1988), dass sich physiologisch stark aktivierte im Vergleich zu in mittlerem Ausmaß aktivierten Versuchspersonen weniger von guten Argumenten beeindrucken ließen, während die Bekanntheit des Modells, das in der betreffenden Werbung zu sehen war, einen stärkeren Einfluss auf die Bewertung der beworbenen Marke hatte. Solche Befunde legen die Annahme nahe, dass auch die Gedächtnisleistung beeinträchtigt wird. Erinnerungswirkung In seiner Überblicksarbeit konnte Moser (1997) auf 17 Untersuchungen verweisen, die sich mit der Erinnerungswirkung von Sex-Appeal in der Werbung befassen. Die Vermutung, dass sexuelle Illustrationen zu geringeren Erinnerungswerten führen, wurde zum Beispiel bereits von Steadman (1969) überprüft, wobei Recalltests für die Markennamen nach 24 Stunden und nach 7 Tagen durchgeführt wurden. Es ergab sich, dass die Erinnerung an die Markennamen bei sexuell illustrierter Werbung nach 7 Tagen deutlich schlechter war als für Markennamen in der Werbung ohne sexuelle Illustration. Drei Faktoren wurden in der Forschung zur Erinnerungswirkung ergänzend untersucht, wobei allerdings keiner zu bewirken scheint, dass die Gedächtnisleistung besonders hoch wird, sondern eher erklärt, wann sie besonders gering ausfällt: Einstellung zu Sex-Appeal in der Werbung, Intensität der erotischen Stimuli und Produktangemessenheit des erotischen Stilmittels. So fand Steadman (1969), dass die Erinnerungswerte mit einer negativen Einstellung zu Sex-Appeal in der Werbung abnahmen, während die unterschiedliche Ausprägung und Menge der erotischen Inhalte der verschiedenen Anzeigen keinen Effekt hatte. Die Resultate von Steadman konnten von Alexander und Judd (1978) repliziert werden, allerdings mit der Ausnahme, dass die Einstellungen der (nur männlichen) Untersuchungspersonen zum Sex-Appeal nun keinen Zusammenhang mit den Erinnerungs-
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werten zeigten. In einer neueren Studie von Parker und Furnham (2007) zeigte sich, dass Männer TV-Werbespots mit sexuellem Inhalt besser erinnerten, während Frauen sich besser an die Inhalte von Spots ohne erotische Elemente erinnerten. Dabei spielte es keine Rolle, ob die TV-Sendung, in die die Werbespots eingebettet waren, sexuellen Inhalts war oder nicht. Entgegen der Hypothese war es für die Erinnerung auch nicht von Bedeutung, ob Inhalt der Sendung und Inhalt des Spots kongruent waren oder nicht. Insgesamt ist es schwierig, die "erotische Intensität" zu messen. Daher ist es auch nicht weiter überraschend, dass in anderen Untersuchungen das Ausmaß des erotischen Inhalts doch Auswirkungen auf die Erinnerungswerte hatte. So fanden Weller, Roberts und Neuhaus (1979), dass mit dem Grad des erotischen Inhalts der Werbung die Recallwerte geringer wurden. Ein Hinweis auf die Bedeutung der "Passung" zum Produkt findet sich in der Studie von Richmond und Hartmann (1982). Sie unterscheiden (1) funktionelle, (2) phantasiebezogene, (3) symbolische und (4) unangemessene Verwendungen von Sex-Appeal. Die entsprechenden Beispiele waren (1) Büstenhalterwerbung, (2) Werbung für ein Getränk, (3) Erwähnung eines Frauennamens (Ella Fitzgerald) und (4) Darstellung einer "oben ohne"-Frau im Zusammenhang mit der Werbung für eine Firma. Richmond und Hartman fanden für die "unangemessenen" Darstellungen die mit Abstand geringsten Erinnerungswerte. Die bisher berichteten Untersuchungen verwendeten Recalltests als Erinnerungsmaße. Nun ist jedoch fraglich, ob dieses Gedächtnismaß tatsächlich angemessen ist und ob nicht Rekognitionstests vorzuziehen sind. So kann es für Konsumenten Situationen geben, in denen bereits ein Ladengeschäft aufgesucht wurde und das Bedürfnis nach einer bestimmten Produktklasse besteht. Die konkrete Auswahl einer von mehreren konkurrierenden Marken mag dann von der Wiedererkennung des Markennamens beeinflusst werden, Reproduktion ist hingegen nicht erforderlich. Zudem profitiert Rekognition im Gegensatz zu Recallwerten von der Aktivierung durch das Stimulusmaterial (Moser, 2002). Dies legt zwar nahe, dass erotische Elemente zumindest die Rekognitionswerte verbessern sollten, doch bereits Chestnut, LaChance und Lubitz (1977) fanden, dass die Präsentation "dekorativer weiblicher Modelle" lediglich die Wiedererkennung der Anzeigen, nicht aber die der Marken erleichterte. Dies spricht erneut dafür, dass die Verwendung "dekorativer Modelle" vor allem zu einer Aufmerksamkeitslenkung auf die Illustrationen führt. Ähnlich berichten Reid und Soley
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(1981), dass sich in solchen Fällen nur die Leserschaftswerte für die Illustrationen erhöhten. Ein vergleichbares Resultat erhielten Reid und Soley (1983), als sie die "noted" und die "read most"-Starchtestwerte von Zigaretten-, Alkohol- und Automobilwerbungen für männliche Leser reanalysierten. Wurden lediglich Frauen als Modelle eingesetzt, dann erhöhten sich die "noted"-Werte im Vergleich zu Werbung, die nur Männer oder Männer und Frauen abbildete. Hingegen ergaben sich keine Unterschiede bei den "read most"-Werten, was darauf schließen lässt, dass die Werbung mit "dekorativen Modellen" zwar öfter beachtet, ihr Inhalt aber nicht öfter gelesen wird. Eine Studie von Bushman (2007) konnte für TV-Werbespots mit sexuellem Inhalt eine verringerte Markenerinnerung nachweisen. Darüber hinaus zeigte sich in der Studie keine Interaktion zwischen dem Inhalt der Sendung, in die die Werbespots geschaltet waren, und dem Inhalt der Werbespots. Der sexuelle Inhalt eines Werbespots hat demnach in einer Sendung mit sexuellem Inhalt die gleiche (negative) Wirkung auf die Markenerinnerung wie in einer neutralen Sendung. Die Studie von Petrevu (2008) kommt allerdings zu abweichenden Ergebnissen. Hier zeigte sich, dass gering involvierte Untersuchungsteilnehmer die mit erotischen Elementen beworbene Marke besser erinnerten als jene mit anderen Elementen. Für hoch involvierte ergaben sich wiederum die auch in anderen Studien gefundenen Effekte. Wir sind der Auffassung, dass die Resultate dieser Studie mit Vorsicht zu interpretieren sind, da sich ein ungewöhnlich hohes Ausmaß an kognitiven Reaktionen, die sich auf die Marken bezogen, auch bei den gering involvierten Untersuchungsteilnehmern fanden. Als Fazit (vgl. weiterführend Moser, 1997; Reichert, 2002) zeigt sich, dass die Verwendung von Sex-Appeal in der Werbung zwar zu einer erhöhten Aufmerksamkeitswirkung führt, dass aber die Aufmerksamkeit nicht der Erinnerung an die beworbene Marke zugute kommt: Textliche Elemente und insbesondere der Markenname werden schlechter erinnert, allenfalls die Rekognition der Werbung scheint sich zu verbessern. Insgesamt gesehen stützt dies die Annahme, dass die kognitive Verarbeitung des Werbungsinhalts beschränkt ist (Baker & Churchill, 1977). Wer die Wirkung von erotischen Stilmitteln in der Werbung also immer noch unterstellen möchte, muss offensichtlich annehmen, dass es auf die kognitive Verarbeitung nicht nur nicht ankommt, sondern dass diese sogar zu vermeiden ist.
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Einstellungswirkung Nach den Untersuchungsergebnissen zu den Erinnerungswirkungen der Verwendung von Sex-Appeal müsste man eigentlich die Schlussfolgerung ziehen, dass man Werbetreibenden von der Verwendung von Sex-Appeal eher abraten sollte. Allenfalls eine verbesserte Erinnerung an die Anzeige kann erwartet werden, Markennamen oder andere "Details" werden in der Regel eher schlechter erinnert. Es gibt allerdings drei Argumente, warum es dennoch lohnenswert ist, die Einstellungsebene zu betrachten. (1) Hohe Erinnerungswerte zu erreichen, ist vor allem bei neu eingeführten, also zuvor unbekannten Marken bzw. Markennamen ein Werbeziel, bei bereits bekannten Marken tritt dies gegenüber anderen Zielen in den Hintergrund (z. B. Vermitteln bestimmter Erlebnisqualitäten, Sicherstellung von Markentreue, Verbraucher zur häufigeren Verwendung eines Produkts bewegen). Erotische Elemente könnten dann beispielsweise im Kontext einer systematischen Werbekampagne eine Rolle spielen. In der Anfangsphase geht es zuerst einmal darum, die Markenbekanntheit zu erhöhen, beispielsweise durch häufige Wiederholungen. Wenn diese gegeben ist, gilt es dann, die Marke emotional "aufzuladen", und an dieser Stelle könnten dann erotische Elemente einstellungsbildend wirken. Die Untersuchungsergebnisse von Smith und Engel (1968) scheinen diesen Optimismus zunächst zu rechtfertigen. Männern und Frauen wurde eine Autowerbung gezeigt. Die Hälfte der Versuchspersonen sah in der Werbung zusätzlich ein attraktives Modell aus dem Playboy. Anschließend beurteilten sie das abgebildete Auto. Das Ergebnis war, dass die Versuchspersonen das Auto mit dem attraktiven Modell als ansprechender, aufregender, jugendlicher, teurer und weniger sicher einschätzten. 90 Prozent dieser Versuchspersonen meinten außerdem, durch das Modell nicht beeinflusst worden zu sein. Gemäß diesem Ergebnis hätte also die Verwendung von mehr oder weniger bekleideten Modellen in der Werbung auch eine Ausstrahlungswirkung auf die Beurteilung des beworbenen Produkts. (2) Nun könnte eingewendet werden, dass auch eine Emotionalisierung nach Sicherstellung der Markenbekanntheit eine Gefahr darstellt, und zwar weil dann die Aufmerksamkeit von den positiven Produktattributen weggeht, die Rezipienten also "verlernen", warum die Marke eigentlich vermeintlich so gut ist. Dem sind allerdings zwei Argumente entgegenzuhalten. Erstens gibt es nur einen geringen Zusammenhang zwischen Erinnerung und Einstellung. Insbesondere scheint eine positive Einstellung nicht vom
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Umfang an positiven Erinnerungen (z. B. an bestimmte Produktmerkmale) abzuhängen (Srull, 1989). Es ist also möglich, eine positive Einstellung sicher zu stellen, auch ohne dass die Rezipienten besonders viel über die Marke wissen. Zweitens kann die Ablenkung vom Werbeinhalt die Überzeugungswirkung insofern unterstützen, als die Bildung von Gegenargumenten verhindert wird (Wilson & Moore, 1979). Gerade im Falle der häufigen Wiederholung von Werbung ist ein Wearout-Effekt denkbar, wenn etwa die Rezipienten zunehmend skeptischer werden. Hier können erotische Elemente nicht nur eine vermeintlich willkommene Abwechslung aus Sicht der Rezipienten sein, sie können auch eine für das Markenmanagement vorteilhafte Unterdrückung negativer Gedanken unterstützen. (3) Die Erinnerungswirkung wenig zu beachten, bietet sich zudem dann an, wenn Werbung lediglich "gefallen" soll und dies unmittelbar Handlungen auslöst, welche dann dazu führen, dass sich eine Einstellung bildet und man etwas über die Marke lernt. Das Werbewirkungsmodell von Batra und Ray (1985) unterstellt dies für sogenannte "low involvement"-Situationen: Werbung soll hier zum Ausprobieren bewegen, und sie ist dann wirksam, wenn sie entsprechende "Impulse" auslöst. Damit stellt sich die Frage, ob Werbung mit Sex-Appeal "gefällt" und ob sie entsprechende Verhaltensanstöße gibt. Leider ist hierzu die Befundlage trotz der Vielzahl von Untersuchungen zur Akzeptanz von Sex-Appeal in der Werbung wenig aufschlussreich. Erstens haben Fragen danach, ob im Falle geringer Akzeptanz die Bereitschaft bestehe, das Produkt bzw. die Firma zu boykottieren, eher suggestiven Charakter, als dass sie ernsthafte Belege dafür sind, dass die Ablehnung einer Werbung zu entsprechendem Verhalten führt. Vielmehr müsste gezeigt werden, dass der Einsatz von Sex-Appeal mit entsprechenden Verhaltenstendenzen (z. B. Ausprobieren des angepriesenen Produkts) einhergeht. Die Akzeptanz von Sex-Appeal in der Werbung unmittelbar zu erfragen, ist hingegen allenfalls als "Meinungsforschung" zu verstehen – und je nach Formulierung der Frage wird man eben mehr oder weniger Zustimmung erhalten. Ob die Werbetreibenden besser daran tun würden, auf den Einsatz von Sex-Appeal zu verzichten, kann aus solchen Ergebnissen kaum abgeleitet werden. Zweitens ist "Akzeptanz" auch nicht mit "Einstellung zur Werbung" gleichzusetzen (Moser, 2002). Wenn Produkte mit "erotischen" Titeln (oder Illustrationen) aufmachen, dann geht es hier um eine sehr einfache, unmittelbare Werbewirkung, nämlich dass Aktivierung (bzw. "Gefallen") zum Kauf führt. Für die Fälle, in
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denen eine quasi "impulsive" Reaktion gewollt und möglich ist, könnte also der Einsatz von Sex-Appeal das Werbeziel erreichen. Die Frage, welche Auswirkungen die Verwendung von erotischen Elementen in der Werbung auf die Einstellungen von Rezipientinnen und Rezipienten zum Produkt bzw. zur Marke hat, ist demnach nicht einfach zusammenzufassen. Drei potentielle Effekte sind zu bedenken, emotionale Aufladung, Unterdrückung negativer Kognitionen zum Produkt bzw. zur Marke und unmittelbares Ausprobieren. Werden nun beispielsweise weibliche Rezipienten mit erotischen Darstellungen von Frauen in der Werbung angesprochen, ist für die emotionale Aufladung vor allem die Angemessenheit der Assoziationen sicher zu stellen und für die Dimension "Ausprobieren" das Gefallen der Anzeige, aber natürlich auch die Möglichkeit unmittelbar zu reagieren. Ob eine emotionale Aufladung tatsächlich erreicht und (vom Werbetreibenden) unerwünschte Kognitionen unterdrückt werden, dürfte insbesondere von der allgemeinen Einstellung zu erotischen Stilmitteln in der Werbung abhängen. Dass Frauen und Männer auf erotische Reize unterschiedlich reagieren, sie sozusagen unterschiedlich "ticken", ist gut belegt (z. B. Chivers, Seto & Blanchard, 2007; Manceau & TissierDesbordes, 2006). Neuere Untersuchungen scheinen zu bestätigen, dass Werbetreibende auf die unterschiedliche Akzeptanz von erotischen Inhalten in der Werbung bei Männern und Frauen Rücksicht zu nehmen scheinen. So stellt Attwood (2006) fest, dass Frauen bei der Bewerbung von explizit sexualbezogenen Produkten wie Dessous, sexuellen Accessoires und Sexspielzeug völlig anders angesprochen werden als Männer: Sind Frauen die Zielgruppe, wird der explizite Bezug zur Sexualität eher abgeschwächt oder mit einem "Lächeln" versehen. Bei Produkten ohne expliziten sexuellen Bezug scheint sich zu zeigen (Moser, 1997), dass bei der Ansprache von Frauen Nacktheit eher dann eingesetzt wird, wenn damit die positive Wirkung des Produktes illustriert werden soll, zum Beispiel bei Kosmetikartikeln. Der bezuglose Einsatz von Erotik erfolgt dagegen fast ausschließlich dann, wenn Männer angesprochen werden sollen (für ein Beispiel siehe Abbildung 4), sei es, dass bei ihnen weniger Akzeptanzprobleme befürchtet werden, oder sei es, dass verstärkt auf Ablenkungseffekte gesetzt wird.
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Abbildung 4: Werbeanzeige von Golfpunk
In welchem Umfang alleine das biologische Geschlecht bereits erhebliche Unterschiede in Einstellungen zu erotischen Stilmitteln in der Werbung zu erklären vermag, ist eine zu diskutierende Frage. Alternativ bietet es sich an, die mit dem Geschlecht einhergehenden Werthaltungen, Einstellungen oder Aspekte des Selbstkonzepts zu untersuchen. Dies deutet sich dann an, wenn ein Wandel in diesen Variablen und damit auch in den Einstellungen zu Erotik in der Werbung zu erwarten ist. In der Tat wurde die Annahme, die Geschlechtsunterschiede in der Akzeptanz von und Einstellung zu Erotik in der Werbung seien zeitlich nicht stabil, sondern Ergebnis gesellschaftlicher Strömungen und Veränderungen, verschiedentlich untersucht. Beispielsweise konnten Smith, Haugtvedt, Jadrich und Anton (1995) belegen, dass "sexuelle Schuldgefühle" einen Einfluss auf die Einstellung zu Werbeanzeigen haben, die nackte Modelle verwenden. Es geht dabei um das Ausmaß der Schuldgefühle, die eine Person aufgrund sexueller Gedanken oder sexuellem Verhalten entwickelt. Erwartungsgemäß fielen die affektiven Reaktionen auf sexuelle Anzeigen von Personen mit wenigen sexuellen Schuldgefühlen positiver aus als die von Probanden mit mehr Schuldgefühlen. Andere Ergebnisse waren jedoch weniger eindeutig, so dass weitere Untersuchungen
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zeigen müssen, welche Erklärungskraft diese Variable tatsächlich hat. Ein weiteres Beispiel für ein Persönlichkeitsmerkmal, das möglicherweise die Verarbeitung von sexuellen Anzeigen beeinflusst, ist das sexuelle Selbstschema, das definiert ist als die kognitiven Generalisierungen der sexuellen Aspekte der eigenen Person. Reichert und Fosu (2005) fanden einen positiven Zusammenhang zwischen dem Selbstschema von Frauen und der Einstellung zur Werbung sowie dem Markeninteresse. Allerdings fand sich kein Zusammenhang zwischen dem Selbstschema und der Kaufabsicht. In einer Studie von Lavine, Sweeney und Wagner (1999) konnte zudem gezeigt werden, dass die Einstellung von Frauen zu sexistischer Fernsehwerbung von der Ausprägung ihrer feministischen Einstellung beeinflusst wird: Die Einstellung zu sexistischer Werbung war bei feministisch orientierten Frauen negativer als bei nicht feministisch orientierten. In die gleiche Richtung weisen die Ergebnisse von Mittal und Lassar (2000), die nachweisen konnten, dass die Einstellung zu einer Werbung mit sexuellem Inhalt vom Grad der sexuellen Aufgeschlossenheit (sexual liberalism) abhängig ist (vgl. ähnlich Sengupta, & Dahl, 2008). Pope, Voges und Brown (2004) konnten im Gegensatz zu den meisten anderen Studien keinen direkten Zusammenhang zwischen Geschlecht und Akzeptanz sexueller Darstellungen finden. Sie führen dies darauf zurück, dass durch die Darstellung nackter Männer in ihren fiktiven Werbeanzeigen bei den Rezipientinnen gar nicht erst der Verdacht aufkam, diese könnten sexistisch motiviert sein. Eine neuere experimentelle Studie von Dahl, Sengupta und Vohs (2009) beschäftigt sich mit der Frage, welche anthropologischen, soziologischen und historischen Konzepte für die unterschiedliche Akzeptanz sexueller Reize in der Werbung bei Männern und Frauen verantwortlich sind. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Männer sexuellen Darstellungen ohne Bezug zum Produkt gegenüber aufgeschlossener sind, weil Sex von ihnen eher als physischer Akt gesehen wird und eher einen Wert an sich darstellt. Im Gegensatz dazu sei die Darstellung des sexuellen Inhalts als Teil einer Beziehung, die auf gegenseitiger Hingabe und Verpflichtung basiert, Voraussetzung für die Akzeptanz bei Frauen. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass verschiedene Persönlichkeitsmerkmale existieren, die einen Einfluss auf die Wahrnehmung, Verarbeitung und Einstellung zu Werbung mit sexuellen Inhalten haben. Jedoch sind Studien, die solche Einflüsse empirisch untersuchen, noch sehr rar und im Wesentlichen innerhalb der letzten Jahre entstanden (z.B. Putrevu, 2008). Es bleibt
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daher abzuwarten, welche Persönlichkeitsmerkmale sich auf längere Sicht als stabile Einflussfaktoren erweisen. Negative Wirkungen? Die geringen Akzeptanzwerte von Sex-Appeal in der Werbung können auch die Frage aufwerfen, ob die Möglichkeiten, Sex-Appeal in der Werbung darzustellen, nicht sogar beschränkt werden sollten. Diese Überlegung ergibt sich aus den eventuellen negativen Wirkungen von Sex-Appeal. Damit ist nicht die ökonomische Seite gemeint – schließlich ist es das Risiko jedes Unternehmens, Geld für Werbung nutzlos zu verpulvern. Vielmehr geht es um weitreichende "sozialisierende" Effekte der Darstellung von Sex-Appeal in der Werbung. Die Einschätzung von Argumenten in der Diskussion um die Beschränkung von Sex-Appeal in der Werbung ist nicht einfach, zumal nicht deutlich genug zwischen verschiedenen problematischen Wirkungen von Werbung unterschieden wird. Dies mag auch eine Ursache dafür sein, warum Werbung mit Sex-Appeal und mit "Sexobjekten" in einem Atemzug genannt wird. Beispiele für diese Art der Diskussion finden sich bei Kilbourne (2005), die bemängelt, dass die zunehmende Freizügigkeit in der Werbung erhebliche negative Konsequenzen für die Entwicklung von Kindern, aber auch für das Selbstverständnis von Frauen und neuerdings auch von Männern habe. Hier wird vor allem kritisiert, dass die zunehmende Sexualisierung Werte wie Liebe, Treue und Partnerschaft in den Hintergrund dränge und stattdessen Oberflächlichkeiten und unverbindlichen Sex propagiere (vgl. auch Cortese, 2004, Kap. 3, für eine kritische Betrachtung des Einsatzes von offenem und verdecktem "Sexismus" in der Werbung). Tatsächlich wurde schon in den 1980er Jahren bemängelt, dass die Werbepraxis dem Rollenwandel und neuen Selbstverständnis der Frau in der Gesellschaft nicht Rechnung trage (Haege, 1988) und so die "unterschwellig sozialisierende Wirkung" traditioneller, veralteter Geschlechtsrollenklischees und stereotype gefördert werde (Schmerl, 1981). Einen Schwerpunkt bildet die ablehnende Haltung gegenüber der Darstellung von Frauen als "Sexobjekt" und die daraus resultierende Reduzierung der Frau auf einen "sexuellen Gebrauchsgegenstand" (vgl. Shields, 1997), wobei nicht nur "nackte Tatsachen", sondern auch sexuell provokative Posen (z. B. Schmollmund) sowie
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zweideutige verbale Anspielungen gemeint sind. Demgegenüber vertrat und vertritt die Werbewirtschaft die Auffassung, dass die Werbung keine Rollenbilder schaffen könne, sondern nur ein "Spiegelbild" der Gesellschaft darstelle und es einem Werbungtreibenden, gleich einem Künstler, freigestellt sein sollte, in welcher Rolle er zum Beispiel eine Frau abbildet (Zentralausschuss der Werbewirtschaft, 1990). Warum soll etwa die Abbildung einer Frau als "Blickfang" in der Werbung per se herabwürdigend oder diskriminierend sein? Außerdem werde, falls eine Werbung mit "erotischem Bezug" das allgemeine "Anstandsgefühl" verletze, selbige vom Deutschen Werberat gerügt. Eine solche Rüge wurde beispielsweise im Jahr 2006 zwei Mal ausgesprochen. Beide Fälle standen im Zusammenhang mit einer "herabwürdigenden" bzw. "diskriminierenden" Darstellung von Frauen (Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft, 2007, S. 53-55). Um etwas Struktur in diese oft aufgeladen und emotionalisiert geführte Debatte zu bringen, sei an dieser Stelle auf eine Unterscheidung zurückgegriffen, die aus der Pornographiediskussion stammt. Linz und Malamuth (1993) haben vorgeschlagen, insgesamt drei Positionen zu unterscheiden: die wertkonservative, die liberale und die feministische. Nach der liberalen Auffassung hängt die Akzeptabilität von Sex-Appeal in der Werbung vor allem mit Fragen der Ästhetik und des Erfolgs zusammen. Die Darstellung von Sex-Appeal in der Werbung ist Ergebnis sexueller Befreiung und Toleranz sowie ein Genuss für die Betrachter. Wen es stört, braucht solche Werbung nicht anzuschauen. Und ist es nicht bezeichnend, dass konservative Menschen Sex-Appeal in der Werbung stärker ablehnen (z. B. Wallace & Wehmer, 1972)? In der Tat ist aus wertkonservativer Sicht ein Verfall der Werte durch die gehäufte Darstellung von Sex-Appeal zu befürchten. Die feministische Position stellt die liberale Argumentation in Frage. Es gehe nicht darum, dass das "Anstandsgefühl" verletzt werde (was ein Argument der wertkonservativen Position sei), sondern dass ein einseitiges Frauenbild in der Werbung vorherrsche: Die Darstellung weiblichen Sex-Appeals trage zur Stabilisierung der Geschlechterstereotypen und letztendlich zur Diskriminierung von Frauen bei. Ein Beleg für die Wirkung, die von der stereotypen Darstellung der Geschlechter in der Werbung ausgeht, wird in folgender Untersuchung demonstriert: Jennings, Geis und Brown (1980) analysierten die Auswirkung der Präsentation unterschiedlicher Rollenbilder in der Werbung auf das Selbstvertrauen und die Unabhängigkeit der Frauen, die diese Werbung
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betrachteten. Sie kamen zum Ergebnis, dass Frauen im Anschluss mehr Unabhängigkeit und ein höheres Selbstvertrauen aufwiesen, wenn in der betrachteten Werbung die traditionellen Geschlechterrollen vertauscht waren (vgl. weiterführend Herrett-Skjellum & Allen, 1996). Ein Experiment von Petersen (2005) zeigte, dass sich Frauen durch die Darstellung (schlanker) Modelle in Werbeanzeigen selbst als weiter entfernt von ihrer Idealfigur sahen und das Idealbild von Frauen allgemein als schlanker einschätzten als eine Kontrollgruppe, die Werbeanzeigen ohne Modell zu sehen bekam. Wie auch immer man zur Diskussion um die möglicherweise negativen und gefährlichen Folgen von sexuellen Darstellungen in der Werbung stehen mag, so scheint eine intensivere Auseinandersetzung damit sinnvoll und notwendig zu sein. Dies ist allein durch die potenziell weitreichenden Folgen, die eine zunehmende Sexualisierung und "Pornographisierung" der Werbung (vgl. z. B. Merskin, 2006) mit sich bringen könnte, geboten. Fazit Wir haben in diesem Beitrag zunächst die Entwicklung des Einsatzes von Sex-Appeal in der Werbung angesehen und insbesondere betrachtet, welche Tendenzen in den Jahren nach Erscheinen der Überblicksarbeit von Moser (1997) zu beobachten waren. Danach haben wir den aktuellen Stand der Forschung bezüglich Aktivierungs-, Erinnerungs- und Einstellungswirkung von Werbung mit sexuellen Inhalten zusammengefasst. Schließlich haben wir mögliche negative gesellschaftliche Folgen thematisiert. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass das Thema Sex-Appeal in der Werbung in Fach- und Laienkreisen gleichermaßen gerne diskutiert ist, verglichen mit dem großen Interesse aber nur wenig empirische Forschung existiert. Reichert (2002, S. 269) merkt in seiner Übersichtsarbeit an, dass jedes Jahrzehnt nicht mehr als neun Studien veröffentlicht werden, die Auswirkungen des Einsatzes von Sex-Appeal berichten. Die im vorliegenden Beitrag zusammengestellten Ergebnisse basieren somit auf vergleichsweise wenigen Untersuchungen und sollten daher mit der gebotenen Vorsicht interpretiert werden. Über die Gründe für diese Zurückhaltung können wir an dieser Stelle nur spekulieren. Eventuell ist eine nach wie vor existierende Tabuisierung sexueller Themen dafür verantwortlich, dass "seriöse" Forscher vor der Beschäftigung mit "unseriösen" Themen wie Sex in der Werbung zurückschrecken.
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Ebenso ist denkbar, dass die viel zitierte Weisheit "sex sells" auch bei vielen Forschern so selbstverständlich als wahr anerkannt wird, dass eine weitere Beschäftigung mit dem Thema nicht lohnend erscheint. Tatsächlich müsste es auch im Interesse der werbetreibenden Firmen und Institute liegen, mehr über die tatsächlichen Wirkungen auf Erinnerung, Einstellung und Verhalten zu erfahren. Insbesondere zur Wirkung von männlichem Sex-Appeal liegen nach wie vor kaum Studien vor. Interessant ist zudem, dass nach den von uns berichteten Daten der Anteil der Anzeigen mit männlichem Sex-Appeal in den letzten Jahrzehnten starken Schwankungen ausgesetzt war. Es wäre sicherlich interessant zu erfahren, warum in den Jahren 1987 bis 1996 in den Zeitschriften Petra und Playboy deutlich mehr nackte und leicht bekleidete Männer zu sehen waren als in den Vergleichszeiträumen davor und danach. Betrachtet man die oftmals leidenschaftlich geführte Debatte um mögliche negative Wirkungen sexualisierter Werbung auf gesellschaftlicher Ebene, so ist auch hier ein Defizit an empirischer Forschung zu konstatieren. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass die öffentliche Diskussion um Für und Wider "sexueller Werbung" nicht zurückgehen wird, zumal die weiter an Bedeutung gewinnende Online-Werbung im Internet stark auf aufmerksamkeitslenkende Elemente setzen muss, um in der großen Vielfalt der Stimuli überhaupt noch wahrgenommen zu werden (vgl. Lambiase, 2003). Umso bedenklicher ist es, dass sich diese Diskussion kaum auf empirisch fundiertes Wissen stützen kann. Literatur Alexander, W. M., & Judd, B. (1978). Do nudes in ads enhance brand recall? Journal of Advertising Research, 18, 47-50. Attwood, F. (2006). Mode und Leidenschaft. Frauen und die Vermarktung von Sex. Zeitschrift für Sexualforschung, 19(2), 118-132. Baker, S. (1961). Visual persuasion. New York: McGraw-Hill. Baker, J. M., & Churchill, J. R. G. (1977). The impact of physically attractive models on advertising evaluations. Journal of Marketing Research, 14, 538-555. Batra, R., & Ray, M. L. (1985). How advertising works at contact. In L. F. Alwitt & A. A. Mitchell (Eds.), Psychological processes and advertising effects (pp. 13-44). Hillsdale, NJ: Erlbaum.
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Macht sexy Werbung jede(n) an? – Die Dosis macht das Gift! Geschlechtsspezifische Rezeption weiblichen und männlichen Sex-Appeals Susanne Merkle & Rebecca Preß
"You want to know what comes between me and my Calvins? Nothing." Diese Aussage war Teil einer Werbekampagne für Jeans der Marke Calvin Klein aus dem Jahr 1980. Die Werbung löste damals einen Skandal aus und sorgte für eine kontroverse Debatte in den Medien. Umstritten war die Tatsache, dass Brooke Shields – gerade einmal fünfzehn Jahre alt – als Model der Werbekampagne in Print und Fernsehen posierte (Abbildung 1). Stimmen wurden laut, dass ein Teenager nicht in einer derart offensiven und frivol anspielenden Weise sexy sein dürfte. Die Wissenschaft stellte die Frage nach den Wirkungen und Effekten der Werbekampagne auf Rezipienten. Zieht der Einsatz von Sex-Appeal die Aufmerksamkeit der potentiellen Kunden auf das beworbene Produkt und bewirkt eine positive Reaktion? Oder führt die Darstellungsweise der jungen Frau zu einer negativen Wirkung, löst sie eventuell sogar ein abstoßendes Gefühl gegenüber der Werbung aus? Seit der kontrovers diskutierten Jeanswerbung sind über 30 Jahre vergangen, und Sex-Appeal in der Werbung scheint sich verstärkt nach der vielberedeten Formel "Sex Sells" quer durch alle Branchen und Produktarten zu ziehen. Doch der vermehrte Einsatz von Sex-Appeal bedeutet nicht zugleich, dass sich Verbraucher an diese Strategie der werbetreibenden Unternehmen, Aufmerksamkeit zu gewinnen, gewöhnt haben. Nach wie vor werden zahlreiche Werbekampagnen heftig diskutiert und verschwinden häufig letztendlich nach einer gewissen Zeit in den Medien. Im Fall mancher Marken haben es sich Werbetreibende sogar zur Strategie gemacht, mit aufsehenerregenden Kampagnen zu polarisieren und kontroverse Diskussionen hervorzurufen. Seit jener Werbekampagne mit Brooke Shields etwa haftet Calvin Klein ein fragwürdiges Image an: Es ist Teil einer übergreifenden
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0_10, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Werbestrategie der Modemarke, mit provokativen Kampagnen – meist aufgrund sexueller Bilder und Inhalte – die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erregen und die Gemüter zu erhitzen. Beispielsweise durfte 2006 ein Werbespot mit Eva Mendes nicht im US-amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt werden, da zu viel nackte Haut und laszive Posen gezeigt wurden. Dabei ist das Paradebeispiel der Calvin Klein-Werbekampagnen natürlich kein Einzelfall. In den letzten Jahren kam es international vermehrt und immer wieder zu Beschwerden der Öffentlichkeit über grenzwertige Werbekampagnen, die nicht selten dazu führten, dass ein Hersteller aus Angst vor Umsatzverlusten seine Kampagne gänzlich einstellte oder aber zumindest abänderte (Philipps & Donn, 2004). Abbildung 1:
Werbeanzeige von Calvin Klein Jeans, 1980
In Deutschland etwa gingen im Jahr 2009 insgesamt 225 Beschwerden von Bürgern gegen Werbekampagnen beim Deutschen Werberat ein. Dabei fielen gerade Werbeaktivitäten der Medienbranche mit 32 kritisierten Fällen am stärksten ins Gewicht. Die Beschwerden aus der Bevölkerung betrafen darüber hinaus Werbung aus den Bereichen Dienstleistungen (28 Beschwerden), Bekleidung (23) und Lebensmittel (20) (Deutscher Werberat, 2010a). Hauptgrund für Kritik an Werbemaßnahmen ist seit Jahren traditionell die diskriminierende und herabwürdigende Darstellung von Frauen. Im ersten Halbjahr 2010 fiel dieser Vorwurf mit 41 Prozent aller Beschwerden (64
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Kampagnen) ins Gewicht, der Vorwurf der Diskriminierung von Männern war dagegen gerade einmal bei einem Prozent der Beschwerden (eine Kampagne) Grund für Kritik (Deutscher Werberat, 2010b). Diese Entwicklungen, diverse Verbote von Werbung und die Zunahme öffentlicher Diskussionen darüber werfen aus wissenschaftlicher Sicht die Frage auf, unter welchen Bedingungen Rezipienten Sex-Appeal in der Werbung akzeptieren oder ablehnen und in welchen Zusammenhängen sie diesen als passend oder deplatziert bzw. als angenehm oder unangenehm empfinden. Die Forschung nimmt sich des Themas Sex-Appeal und Werbung erst seit einigen Jahren intensiv an (vgl. Moser & Verheyen, 2008). Die Ergebnisse diverser Untersuchungen zeigen, dass Sex-Appeal als Werbestrategie durchaus nicht generell zum Erfolg führt (vgl. Moser, 1997; Reichert, 2002; Reichert & Lambiase, 2003; 2006). Folglich stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen Rezipienten Sex-Appeal in der Werbung akzeptieren und somit als positiv ansehen. Dabei spielt insbesondere das Geschlecht der Rezipienten eine signifikante und entscheidende Rolle. Es existieren, abhängig vom Geschlecht, vielfältige Unterschiede bei der Wahrnehmung, Rezeption und Wirkung von Sex-Appeal in der Werbung. Eine bedeutende Einflußgröße ist in diesem Zusammenhang die Art und Weise der Darstellung von Sex-Appeal in der Werbung. Speziell im Bereich der Printwerbung nahm Reichert (2002; 2003) mittels Inhaltsanalyse eine Kategorisierung unterschiedlicher Darstellungsweisen von Sex-Appeal in der Werbung vor. Dabei unterscheidet er fünf verschiedene Kategorien: (1) Darstellung von Körper(teilen) (2) sexuelles Verhalten, (3) kontextbezogene Faktoren, (4) sexuelle Referenzen und (5) sexuelle Einbettung und Symbolismus. In die Kategorie Darstellung von Körper(teilen) fallen Darstellungen von Nacktheit unterschiedlichen Grades und physische Attraktivität. Sexuelles Verhalten umfasst sexuelle Aktionen zwischen Personen oder laszive Sprache und Betonung (etwa die Art und Weise, in der Wörter ausgesprochen werden). Setting, Schnitt, Film- und Produktionstechniken sind Elemente der Kategorie kontextuelle Faktoren. Sexuelle Referenzen können durch anzügliche und/oder doppeldeutige Verbalisierungen ausgedrückt werden. Sowohl Sexuelle Einbettung als auch Symbolismus sind subliminale Techniken in der Werbung. Einbettung kann beispielsweise bedeuten, dass ein kleines Bild, auf dem weibliche Brüste zu sehen sind, in eine Printwerbung eingearbeitet ist. Ein Beispiel für Symbolismus wäre etwa ein Gegenstand, der ein Genital imitieren soll. Diese letzte Kategorie kann jedoch vernachlässigt werden, da
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derartig konzipierte Werbung heute kaum bzw. gar nicht mehr in der Praxis existiert. Zudem ist die Wirkung von subliminaler Werbung dieser Art sehr umstritten (Reichert, 2002; 2003). Vergleicht man die Einteilung der Kategorien und deren entsprechende Definitionen von Moser und Verheyen (2008) sowie von Reichert (2002), ergeben sich zwei Unterschiede. Moser und Verheyen teilen die Kategorie Darstellung von Körper(teilen) auf und bilden an ihrer Stelle die beiden Kategorien Nacktheit/Kleidung und physische Attraktivität. Die vorliegende Studie konzentriert sich insbesondere auf die Kategorien Nacktheit/Kleidung, physische Attraktivität und sexuelles Verhalten. Im Folgendem werden diese daher nach Reichert erläutert und definiert (entsprechende Erläuterungen nach Moser und Verheyen, in diesem Band). Die Kategorie Darstellung von Körper(teilen) lässt sich oberflächlich als Nacktheit in der Werbung interpretieren. Gemäß real existierenden Werbeanzeigen ist die Kategorie jedoch eher als Menge und Stil der von den Models getragenen Bekleidung (also dem Grad der Bekleidung bzw. der Nacktheit) zu verstehen. Dabei erfährt der Körper des meist attraktiven Models durch die getragene Kleidung eine Akzentuierung, die die Proportionen entsprechend betont (vgl. Reichert, 2002, S. 244). Dies soll nicht bedeuten, dass in realen Werbeanzeigen keine nackte Haut zu sehen ist. Vielmehr stellt diese Kategorie eine raffinierte Mischung bzw. ein visuell geschickt arrangiertes Zusammenspiel von nackter Haut und Kleidung dar. Komplette frontale Nacktheit oder die Abbildung von Genitalien ist in der Werbepraxis daher eher selten der Fall. Nackte weibliche Brüste hingegen sind häufiger in Werbeanzeigen zu finden (vgl. Reichert, 2002, S. 244). Dementsprechend fand die Unterscheidung zwischen den Kategorien Nacktheit und physische Attraktivität in der vorliegenden Studie Anwendung. Die Kategorie Nacktheit wurde in dieser Untersuchung repräsentiert durch Werbeanzeigen mit teilweise nackten Models, das heißt, es sind ein oder mehrere Körperteile bzw. der ganze Körper (ohne Abbildung der Genitalien) offensichtlich entblößt. Werbeanzeigen mit attraktiven, gut aussehenden Models, die jedoch keine nackten Körperteile zeigten, fielen dagegen in die Kategorie physische Attraktivität. Für die Darstellung der Kategorie sexuelles Verhalten gibt es unterschiedliche Möglichkeiten (Reichert, 2002, S. 245). Eine Variante sind hierbei etwa sexuell provokative Handlungen und Aktionen eines oder mehrerer Models in Werbeanzeigen. Beispiele für sexuelle Interaktionen mehrerer Personen sind Küssen, Umarmen, Streicheln, Simulation von Sex, Striptease oder
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Voyeurismus. Als eine weitere Möglichkeit für die Darstellung von sexuellem Verhalten führt Reichert (2002) Bewegungen, Haltungen und Aussagen von Models auf, die sexuelles Interesse vermitteln oder sexuelle Assoziationen beim Rezipienten hervorrufen sollen. Auch Verhaltensweisen wie Augenkontakt mit der Kamera bzw. dem Betrachter und Körperbewegungen, die zum Flirten auffordern sollen, wie Lächeln, ein geneigter Kopf oder ein freigelegter Nacken (Givens, 1983) sind hier zur Verdeutlichung angeführt. Sprachliche sexuelle Bezüge können dabei allerdings nur in Werbung mit der Möglichkeit zur auditiven Unterstützung eingesetzt werden, also in Fernseh- und Radiowerbung. Hierzu zählen auch eine laszive Sprache und Betonung von Wörtern. Dies ist der Fall, wenn hauchend, stöhnend oder mit leiser Stimme gesprochen wird, um dadurch bei den Rezipienten sexuelle Assoziationen hervorzurufen. Ein Forschungsschwerpunkt innerhalb des Themenbereichs Sex-Appeal in der Werbung liegt auf geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Rezeption und Wirkung. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass weiblicher SexAppeal auf männliche Rezipienten (Sex-Appeal einer weiblichen Person) aktivierend wirkt, das heißt körperliche Erregung verspüren oder positive Reaktionen hervorgerufen werden (Brosius & Fahr, 1996; Chivers, Seto, & Blanchard, 2007; Hagstolz, 1990; Judd & Alexander, 1983; LaTour, Pitts, & Snook-Luther, 1990; Moser, 1997). Außerdem spricht weiblicher Sex-Appeal Männer mehr an als Frauen (Bello, Pitts, & Etzel, 1983; Sciglimpaglia, Belch, & Cain, 1979). Die Untersuchung von Bello, Pitts und Etzel (1983) zeigte insbesondere, dass Frauen weitaus stärker negativ auf eine Fernsehwerbung mit weiblichem Model reagierten, welches starke sexuelle Andeutungen verbalisierte, als Männer dies taten. Männer assoziieren mit weiblicher Nacktheit positive Gefühle, während diese bei Frauen negative Empfindungen erzeugt (LaTour, 1990, S. 78). Die Reaktionen von Frauen auf männlichen SexAppeal sind bisher nicht eindeutig geklärt (Moser & Verheyen, 2008). Laut einer Studie von Judd und Alexander (1983) stehen Frauen sexuellen Andeutungen und Nacktheit generell negativer gegenüber als Männer. Den Ergebnissen anderer Untersuchungen zufolge haben Frauen ein stärkeres Interesse an männlichem als an weiblichem Sex-Appeal (Belch, Holgerson, Belch, & Koppman, 1982; Sciglimpaglia, Belch & Cain, 1979). Dagegen fanden Chivers und Blanchard (2007) in ihrer Untersuchung heraus, dass weibliche Versuchspersonen auf Videos, die sexuelle Aktivitäten beider Geschlechter als Stimuli zeigten, reagierten, unabhängig davon, ob das ge-
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zeigte Video weibliche oder männliche Darsteller beinhaltete. Männer hingegen zeigten nur Reaktionen, wenn es sich bei der/den Person(en) im Film um (eine) Frau(en) handelte. Auch wenn die bisher aufgezeigten Ergebnisse diverser Studien unterschiedliche Forschungsgebiete und -hintergründe aufweisen, so lässt sich zusammenfassend feststellen, dass Frauen anders als Männer auf SexAppeal in der Werbung reagieren und folglich hinsichtlich der Verwendung von Sex-Appeal in Werbung auf unterschiedliche Art und Weise angesprochen werden sollten. Gleichzeitig stimmen die Untersuchungen überein, dass die Akzeptanz zudem entscheidend von verschiedenen gestalterischen und kontextuellen Faktoren abhängig ist. Eine zentrale Rolle spielen hier natürlich der Grad des Sex-Appeals und die Art und Weise seiner Darstellung sowie das Geschlecht des Models. Darüber hinaus wurden in bisherigen Forschungsarbeiten weitere elementare Einflussgrößen für Rezeption und Akzeptanz von Sex-Appeal in Werbekampagnen identifiziert, wie etwa die Rolle des beworbenen Produktes. Die Ergebnisse von Moser (1997) und Attwood (2006) können dabei als Indiz für die Bedeutsamkeit der Produktpassung für weibliche Rezipienten gewertet werden. Wenn keine offensichtliche Verbindung von Sex und Produkt besteht, akzeptieren Frauen komplette Nacktheit nur, wenn sie den positiven Effekt, beispielsweise von einer Anti-Aging-Körpercreme, verdeutlichen soll (Moser, 1997). Darüber hinaus ist es auch nach Schmerl (1991) unwahrscheinlich, dass Rezipientinnen eine Werbung akzeptieren, in der kein Zusammenhang zwischen dem Produkt und dem Einsatz von Sex-Appeal zu erkennen ist. Eine Passung von SexAppeal und Produkt scheint bei folgenden drei Produkten vorhanden zu sein: Bekleidung (Bello, Pitts, & Etzel, 1983; LaTour & Henthorne, 1994), Parfum (LaTour, 1990; Reichert, Heckler, & Jackson, 2001) und Unterwäsche (Richmond & Hartmann, 1982). Richmond und Hartmann (1982) beschäftigten sich in ihrer Studie ebenfalls explizit mit der Produktpassung. Sie fanden heraus, dass die Erinnerungswerte in Bezug auf Werbekampagnen bei Rezipienten beider Geschlechter höher waren, wenn die Bewerbung mit Sex-Appeal zum Produkt passte. Einen geschlechtsspezifischen Unterschied hinsichtlich der Rezeption von Werbung in Abhängigkeit von der Produktpassung konstatierten darüber hinaus bereits Peterson und Kerin (1977). Die Ergebnisse zeigten, dass die Probanden bei Gesamtbetrachtung eher negativ antworteten, wenn starker weiblicher Sex-Appeal, insbesondere Nacktheit, in Printwerbung für
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ein Produkt ohne sexuellen Bezug zum Einsatz kam. Dagegen reagierten sowohl Männer als auch Frauen bei mildem Sex-Appeal in Verbindung mit einem passenden Produkt am positivsten. Werden die Ergebnisse nach Geschlecht separiert, reagierten männliche Versuchsteilnehmer insgesamt positiver auf irrelevanten weiblichen Sex-Appeal unterschiedlichen Grades (bei Anzeigen für ein Produkt ohne sexuellen Bezug, die mit mildem bis starkem Sex-Appeal warben) als weibliche Testpersonen. Simpson, Horton und Brown (1996) wiederholten die Studie von Peterson und Kerin (1977) mit männlichen Models. Die Ergebnisse zeigten, dass Frauen eher von männlichem Sex-Appeal angezogen werden als Männer. Fasst man die Ergebnisse beider Studien zusammen, so lässt sich folgern, dass Rezipienten positiver auf Sex-Appeal des jeweils anderen Geschlechts reagieren. Die Untersuchung Die Grundannahme für die vorliegende Untersuchung ging davon aus, dass weibliche und männliche Rezipienten Sex-Appeal unterschiedlich wahrnehmen und aufnehmen. Daraus leitet sich für die vorliegende Untersuchung schließlich folgende zentrale Forschungsfrage ab: Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Rezeption von Sex-Appeal in Werbeanzeigen? Aus dieser Fragestellung wurden drei Hypothesen entwickelt: Hypothese 1:
Es gibt geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Akzeptanz verschiedener Arten von Sex-Appeal. Hypothese 2: Es gibt geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Akzeptanz von Sex-Appeal mit und ohne Produktpassung. Hypothese 3: Männliche und weibliche Rezipienten reagieren jeweils positiver auf Sex-Appeal des anderen Geschlechts. Hypothese 3.1: Männer reagieren positiver auf weiblichen als auf männlichen Sex-Appeal. Hypothese 3.2: Frauen reagieren positiver auf männlichen als auf weiblichen Sex-Appeal. Zur Überprüfung von Hypothese 1 wurden die verschiedenen Kategorien von Sex-Appeal herangezogen. Zunächst war zu klären, wie die Rezipienten die fünf Kategorien von Sex-Appeal in Werbeanzeigen einstufen und ob
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bereits hier eine unterschiedliche Beurteilung zwischen Männern und Frauen vorliegt. Grundlage bildeten die Kategorisierungen von Sex-Appeal nach Reichert (2002) sowie Moser und Verheyen (2008). Hypothese 2 basiert auf Erkenntnissen der Studien von Reichert (2002), Moser und Verheyen (2008) sowie Sengupta und Dahl (2008). Demnach reagieren Frauen anders auf Sex-Appeal in der Werbung als Männer, wenn keine Produktpassung vorhanden ist (vgl. auch Peterson & Kerin, 1977). Produktpassung wird in dieser Studie folgendermaßen definiert: Der vorhandene Sex-Appeal ist relevant für das Produkt oder für die Auswirkung bei der Verwendung des Produkts und/oder deren Auswirkungen. Produkte, für die eine Bewerbung mit Sex-Appeal passend erscheint, sollten also direkt oder indirekt sexuellen Bezug aufweisen. Damit sind Produkte gemeint, die entweder mit Sex und Erotik zu tun haben (Sexspielzeug, Verhütungsmittel) oder den eigenen Sex-Appeal durch die Benutzung/Anwendung des Produkts steigern können. Dies sind in der Regel sämtliche Produkte, die mit dem Körper eines Menschen zu tun haben, wie etwa Parfum, Kleidung, Unterwäsche, Hygieneartikel. Als unpassend werden solche Produkte eingestuft, für die kein sexueller Bezug naheliegt und daher der Einsatz von Sex-Appeal überflüssig und unangebracht erscheint (wie etwa Werkzeug). Sengupta und Dahl zufolge ist überflüssiger Sex-Appeal gegeben, wenn "[…] the sexual image is either unnecessarily explicit, and/or has little to do with the product being advertised" (2008, S. 63). Als Grundlage für Hypothese 3 dienten die Erkenntnisse der Studien von Peterson und Kerin (1977) sowie Simpson, Horton und Brown (1996). Peterson und Kerin stellten unter anderem fest, dass weiblicher Sex-Appeal von Männern generell besser aufgenommen wird als von Frauen. In der Nachfolgestudie bestätigten und ergänzten Simpson, Horton und Brown diese Ergebnisse im Umkehrschluss für männlichen Sex-Appeal; das heißt, Frauen akzeptierten diesen eher als Männer. Zur Überprüfung der Hypothesen kam ein Fragebogen zum Einsatz, der diverse Printanzeigen als Stimuli und entsprechende Fragenkomplexe enthielt. Die Befragung der Probanden fand online statt. Je nach Hypothese wurden die Reaktionen der Teilnehmer mittels fünf- und siebenstufiger Likertskalen sowie ergänzend in einer Reihe offener Fragen erhoben. Als Stimulusmaterial dienten reale und bereits veröffentlichte Printwerbeanzeigen. Die Auswahl der Stimuluswerbung erfolgte für die Fragenkomplexe zu Hypothese 1 entsprechend der fünf Kategorien von Sex-Appeal nach Rei-
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chert (2002) sowie Moser und Verheyen (2008) (zur Übersicht siehe Tabelle 1). Weitere Einschränkungen und Auswahlkriterien ergaben sich zudem aus einschlägigen Vorgängerstudien zum Thema. So wurde etwa auf jegliche Anzeigen, die Prominente abbilden, verzichtet, um Verzerrungen aufgrund von Konditionierungseffekten zu vermeiden, wie bei Sanbonmatsu und Kardes (1988) beschrieben. Demnach könnte die individuelle Meinung eines Probanden gegenüber einer bestimmten bekannten Person die Meinung über die Werbeanzeige beeinflussen und überlagern (Halo-Effekt). Darüber hinaus war die Berücksichtigung beider Geschlechter in den ausgewählten Beispielen ein elementarer Bestandteil der Untersuchung, der durch die zugrunde liegende Forschungsfrage nach der unterschiedlichen Rezeption durch weibliche und männliche Rezipienten vorgegeben war. So wurden männlichen und weiblichen Teilnehmern für die Fragenkomplexe zur Überprüfung von Hypothese 1 Anzeigen als Stimulusmaterial vorgelegt, die jeweils Models des anderen Geschlechts zeigten. Diese Entscheidung basiert insbesondere auf Forschungsergebnissen, nach denen Männer generell eher auf weiblichen Sex-Appeal reagieren und umgekehrt Frauen stärkere Reaktionen auf männlichen Sex-Appeal zeigten (Chivers, Seto, & Blanchard, 2007). Tabelle 1: Hypothesen und entsprechende Stimuli Hypothese
Stimulusmaterial
Hypothese 1
Werbeanzeigen mit unterschiedlichen Kategorien von Sex-Appeal nach Reichert (2002; 2003), Moser & Verheyen (2008) - mit weiblichem Model - mit männlichem Model - mit weiblichen und männlichen Models
Hypothese 2/ Hypothese 3
Werbeanzeigen mit Produktpassung - mit weiblichem Model - mit männlichem Model Werbeanzeigen ohne Produktpassung - mit weiblichem Model - mit männlichem Model
Die Befragung fand unter Studierenden statt. Die Stichprobe umfasste 237 Befragte, davon 144 (60,8%) weiblich und 93 (39,2 %) männlich. Die Alters-
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spanne reicht von 18 bis 58 Jahren, dabei liegt das mittlere Alter der Befragten bei 33 Jahren (Standardabweichung 7,0). Ergebnisse Um Hypothese 1 zu überprüfen, wurden fünf Werbeanzeigen entsprechend der fünf Kategorien ausgewählt. Der Aufbau der Frage war so konzipiert, dass die Probanden zuerst einen Text lasen, der dazu aufforderte, sich die folgenden fünf Werbeanzeigen anzusehen. Danach erschienen die fünf Abbildungen. Bei den Kategorien Nacktheit/Kleidung, physische Attraktivität und sexuelle Doppeldeutigkeit bekamen Frauen und Männer jeweils eine andere Variante vorgelegt. Männern sahen Anzeigen mit weiblichen, Frauen Anzeigen mit männlichen Models. Nach Ergebnissen von Chivers, Seto und Blanchard (2007) reagieren Männer auf männlichen Sex-Appeal nicht, sehr wohl aber auf weiblichen Sex-Appeal. Um also die tatsächliche Rezeption der fünf verschiedenen Kategorien von Sex-Appeal messen zu können und Verzerrungen aufgrund des Geschlechts der Models in den Anzeigen zu vermeiden, erschien für die männlichen Teilnehmer Werbung mit weiblichem Sex-Appeal. Im Umkehrschluss wurden den Frauen in diesen drei Kategorien nur Werbeanzeigen mit männlichem Sex-Appeal angeboten, da die Studie von Simpson, Horton und Brown ergab, dass Frauen stärker auf männliche Nacktheit reagieren als Männer (1996). Für die Kategorien sexuelles Verhalten (Abbildung eines gemischtgeschlechtlichen Paares) und sexuelle Einbettung (Nachahmung von weiblichem Sex-Appeal) bekamen alle Teilnehmer einheitlich die gleichen Printanzeigen vorgelegt. Durch diese Auswahl bei der Kategorie sexuelles Verhalten ließ sich gewährleisten, dass beide Rezipientengruppen gleichermaßen angesprochen wurden. Auch nach intensiver Recherche der Autorinnen nach Printanzeigen in der Kategorie sexuelle Einbettung war keine geeignete Anzeige mit männlichem Sex-Appeal aufzufinden. Die erste Abbildung für die männlichen Probanden zeigte Werbung für halterlose Strümpfe. Diese sollte die Kategorie Nacktheit/Kleidung verkörpern. In dieser Anzeige posiert ein weibliches Model, das bis auf einen halterlosen Strumpf gänzlich nackt ist. Von ihrem Gesicht ist nur der leicht geöffnete Mund sichtbar. Trotz der Nacktheit des Models sind weder primäre noch sekundäre Geschlechtsteile – Rundungen der Brust sind zu er-
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kennen – direkt zu sehen. Diese Stellen werden aufgrund der Haltung des Models (Bedecken der Brust durch die Arme) verdeckt. Die weiblichen Probanden bekamen eine Anzeige für Unterwäsche vorgelegt, die ein männliches Model zeigt. Der Mann ist bis auf eine Unterhose nackt, von seinem Gesicht ist auch hier nur der Mund zu sehen. Die Stimulusanzeige für die Kategorie sexuelles Verhalten wirbt für einen Modehersteller. Darin sind ein weibliches und ein männliches Model zu sehen, die sich lasziv in die Augen blicken, während die Frau den Gürtel des Mannes öffnet. Der Oberkörper des Mannes ist nackt und nur mit einer geöffneten Strickjacke bekleidet. Die Frau trägt ein knappes Kleid. Die dritte Anzeige wirbt für Parfum und verkörpert die Kategorie physische Attraktivität. Die Anzeige, die den männlichen Probanden vorlag, zeigt das Portrait eines weiblichen Models. Die Haare sind nass, eine Strähne fällt in das Gesicht. Mit laszivem Blick und leicht geöffnetem Mund flirtet das Model mit der Kamera bzw. dem Rezipienten. Die weiblichen Teilnehmer sahen die entsprechende Zwillingsanzeige, also das männliche Pendant der Werbeanzeige, die ein attraktives männliches Model in identischer Pose zeigt. Für die Kategorie sexuelle Referenzen im Sinne einer Doppeldeutigkeit wurde für die männlichen Probanden eine Werbung für Bekleidung gewählt. Zu sehen ist ein Frauenkörper vom Bauchnabel bis zu den Oberschenkeln. Die Frau trägt ein Höschen und eine geöffnete Bluse. In einer Hand hat sie einen bis zum Kern angebissenen Pfirsich, den sie sich zwischen die Beine hält. Es ist offensichtlich, dass der Pfirsich das Genital darstellen soll. Die entsprechende Anzeige für die weiblichen Teilnehmerinnen in dieser Kategorie wirbt ebenfalls für Bekleidung (der gleichen Marke). Abgebildet ist ein Mann, der mit offenem Hemd, Hose und Sonnenbrille auf einem Bett liegt. Er hat eine Sektflasche in der Hand, die er sich zwischen die Beine hält. Die Flasche soll das Genital imitieren und stellt somit ebenso eine Doppeldeutigkeit dar. Die fünfte Anzeige wirbt für Ketchup und ist ein Beispiel für die Kategorie sexuelle Einbettung. In der Werbung ist ein Teller zu sehen, auf dem verschiedene Lebensmittel so angerichtet sind, dass sie eine Frau mimen sollen, die frivol mit angewinkelten Beinen und geöffneten Mund auf dem Rücken liegt. Nachdem sich die Probanden alle Anzeigen angesehen hatten, waren die fünf Abbildungen mittels einer fünfstufigen Likertskala (1=gar nicht sexy bis 5=sehr sexy) zu beurteilen. Die Auswertung fasste wegen der sehr geringen Fallzahlen in den einzelnen Klassen die Stufen 'sehr sexy' und 'sexy' sowie 'gar nicht sexy' und 'weniger sexy' zusammen, was die Variable auf
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drei Ausprägungen reduzierte: 'weniger/nicht sexy', 'neutral' und 'eher sexy/sehr sexy'. Damit ließ sich eine höhere Aussagekraft der einzelnen Ergebnisse zu den Einstufungen erreichen, da das Erkenntnisinteresse in diesem Fall weniger bei den Nuancen zwischen den einzelnen Abstufungen lag, sondern eher bei der Tendenz, ob die Anzeige als sexy oder nicht sexy eingestuft wird. Die Ergebnisse zeigten, dass beiden Geschlechtern sexuelles Verhalten am besten gefiel, gefolgt von Nacktheit/Kleidung und physischer Attraktivität. Als am wenigsten sexy empfanden die Probanden sexuelle Referenzen und sexuelle Einbettung (Tabelle 2). Bei der Differenzierung zwischen den Ergebnissen von Frauen und Männern entstand dieselbe Reihenfolge. Überraschend ist, dass auch bei Frauen die Kategorie Nacktheit/Kleidung an zweiter Stelle steht, obwohl in der Studie von Judd und Alexander (1983) Frauen Nacktheit negativ beurteilten. Es liegt die Vermutung nahe, dass Frauen Nacktheit in der vorliegenden Untersuchung als gut befanden, da es sich nicht wie in den anderen Studien um ein weibliches, sondern um ein männliches Model in der Werbeanzeige handelte (somit entspricht das Ergebnis den Erkenntnissen von Belch, Holgerson, Belch, & Koppman, 1982 und Sciglimpaglia, Belch, & Cain, 1979). Die Tatsache, dass die Kategorie sexuelle Einbettung allgemein als am wenigsten sexy bewertet wurde, ist ein Hinweis, dass sowohl Frauen als auch Männer keine Reaktion auf nicht-menschlichen Sex-Appeal zeigen. Es verwundert daher nicht, dass diese Kategorie zu vernachlässigen ist und heute kaum bzw. keinen Einsatz in Werbekampagnen findet (Moser & Verheyen, 2008; Reichert, 2002). Tabelle 2: Rangliste der fünf Kategorien von Sex-Appeal bei Frauen und Männern
Rang
Kategorien von Sex-Appeal
1 2
Sexuelles Verhalten Nacktheit/Kleidung
3
Physische Attraktivität
4
Sexuelle Referenzen
5
Sexuelle Einbettung
Der Überprüfung von Hypothese 2 diente eine Liste von 18 Produktkategorien (basierend auf der Einteilung des Zentralverbands der deutschen Wer-
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bewirtschaft (ZAW) (2009) und erweitert), aus der die Teilnehmer die Produktarten auswählen sollten, für die sie Sex-Appeal in der Werbung als passend empfanden. Tabelle 3 zeigt die fünf von den Probanden meistgenannten Kategorien. Tabelle 3: Top 5 der Produktkategorien, die als passend eingestuft wurden Rang 1 2 3 4 5
Produktkategorie Unterwäsche und Bademoden Parfum und Duftprodukte Bekleidung (Oberbekleidung) Gesichts- und Körperpflege, Kosmetik Fahrzeuge (Autos, Motorräder)
Sex-Appeal ist passend Anzahl 231 221 169 166
Prozent 86 82 63 62
145
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Die Ergebnisse unterstützen bisherige Befunde, nach denen Rezipienten Sex-Appeal in Werbung allgemein eher akzeptieren, wenn ein Bezug zum beworbenen Produkt besteht. Überraschend ist dagegen, dass sich die Kategorie 'Fahrzeuge' unter den fünf meistgenannten Produktkategorien befindet. 54 Prozent der Probanden gaben an, dass sie Sex-Appeal in Werbung für Fahrzeuge als passend empfinden. Eine Erklärung hierfür könnte eine Beeinflussung der Rezipienten durch die gängige Werbepraxis für diese Produktkategorie sein. Insbesondere Automobilhersteller werben vermehrt nach dem Motto "Sex sells". Auch abseits von klassischen Werbekampagnen finden Präsentationen neuer Fahrzeuge, etwa auf Fachmessen, fast ausnahmslos unterstützt von jungen gutaussehenden Frauen statt, die nett lächelnd neben den Neuheiten platziert werden – und das meist in knapper Bekleidung. Als eine plausible Erklärung, dass die Produktkategorie Fahrzeuge so hoch in der Liste rangiert, könnte also die Möglichkeit einer Konditionierung der Rezipienten durch die gängige Werbepraxis dienen. Zur weiteren Überprüfung von Hypothese 2, nach der sich – je nachdem ob für ein Produkt mit oder ohne sexuellen Bezug geworben wird – die Reaktionen von Männern und Frauen auf Sex-Appeal in der Werbung unterscheiden, wurden den Teilnehmern Printwerbung zu folgenden Produktkategorien bzw. Dienstleistungen vorgelegt, die sexuellen Bezug aufweisen:
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Parfum (jeweils Anzeigen mit weiblichem und mit männlichem Sex-Appeal), Unterwäsche (Anzeigen mit männlichem Sex-Appeal). Für Produktarten, bei denen kein sexueller Bezug erkennbar ist bekamen die Probanden als Stimulus Werbung für Bier (Anzeigen mit männlichem Sex-Appeal), Lieferservice für Kühlprodukte (Anzeigen mit weiblichem Sex-Appeal), Radiosender (Anzeigen mit männlichem Sex-Appeal) sowie Spielzeug (Anzeige mit weiblichem Sex-Appeal) zu sehen. Die Teilnehmer sollten die jeweilige Werbeanzeige betrachten und anhand siebenstufiger Likertskalen einordnen, ob der Sex-Appeal in der Werbeanzeige zum einen als 'passend/unpassend' und zum anderen als 'angenehm/unangenehm' empfunden wurde. Diese Art der Fragestellung orientiert sich an den Konzepten der beiden Studien von Peterson und Kerin (1977, S. 60) sowie Richmond und Hartman (1982, S. 54) (für eine Übersicht aller Ergebnisse siehe Tabelle 4 und 5). Tabelle 4:
Prozentanteile der Probanden, die Sex-Appeal in unterschiedlichen Anzeigen mit und ohne Produktpassung als 'passend' empfanden
Sex-Appeal
Kategorie
Männer
Frauen
Signifikanz
in Prozent Produktpassung weiblich weiblich männlich männlich
Nacktheit Phys. Attraktivität Phys. Attraktivität Nacktheit
Keine Produktpassung männlich Nacktheit weiblich Phys. Attraktivität/ Nacktheit männlich Nacktheit, Humor weiblich Sexuelles Verhalten
44 84 65 25
42 91 89 57
----*** ***
50 16
66 7
** ---
47 53
38 32
--**
N = 237; *** höchst signifikant; ** sehr signifikant; --- keine Signifikanz
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Tabelle 5: Prozentanteile der Probanden, die Sex-Appeal in unterschiedlichen Anzeigen mit und ohne Produktpassung als 'angenehm' empfanden Sex-Appeal
Kategorie
Männer
Frauen
Signifikanz
in Prozent Produktpassung weiblich weiblich männlich männlich
Nacktheit Phys. Attraktivität Phys. Attraktivität Nacktheit
Keine Produktpassung männlich Nacktheit weiblich Phys. Attraktivität/Nacktheit männlich Nacktheit, Humor weiblich Sexuelles Verhalten
41 84 53 16
32 91 89 55
----*** ***
42 39
65 17
*** ***
36 83
36 43
--***
N = 237; *** höchst signifikant; ** sehr signifikant; --- keine Signifikanz
Die Ergebnisse zeigen, dass bei Produktpassung weiblicher Sex-Appeal in der Werbung in Form von Nacktheit sowohl von Männern als auch von Frauen eher als 'passend' (Männer: 44 Prozent, Frauen: 43 Prozent) eingestuft wird. Es besteht in diesem Fall kein signifikanter geschlechtsspezifischer Unterschied in der Rezeption, die Antworten von männlichen und weiblichen Teilnehmern lieferten nahezu identische Ergebnisse. Dementsprechend empfand ein Drittel aller männlichen und weiblichen Befragten den weiblichen Sex-Appeal in diesem Fall als 'unpassend'. Dagegen beurteilten Männer weiblichen Sex-Appeal bei Produktpassung tendenziell eher als 'angenehm' (41 Prozent), während nur 32 Prozent der Frauen entsprechend antworteten. Wie auch bei der Frage nach der Angemessenheit (passend/unpassend) des Sex-Appeals ergeben sich bei Betrachtung der Teilnehmer, die negativ geantwortet haben, für beide Geschlechter vergleichbare Ergebnisse. So empfanden 34 Prozent der Männer und 32 Prozent der Frauen den Sex-Appeal als 'unangenehm'. Für diese Kombina-
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tion aus Produktpassung und weiblichem Sex-Appeal (Nacktheit) kann Hypothese 2 demnach widerlegt werden. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn mit weiblichem Sex-Appeal in milderer Form – in diesem Fall physische Attraktivität – für ein passendes Produkt (Parfum etc.) geworben wird. Generell fand der abgeschwächte Sex-Appeal bei Männern wie Frauen eine deutlich höhere Akzeptanz und wurde als passender eingestuft: 84 Prozent der befragten Männer und 91 Prozent der Frauen gaben an, dass ihnen diese Form weiblichen Sex-Appeals als 'passend' erscheint. Gleichermaßen verhält es sich mit den Verteilungen für die weiblichen und männlichen Teilnehmer, die angaben, dass sie den SexAppeal als 'angenehm' empfinden. Daraus lässt sich schließen, dass bei Produktpassung abgemilderter SexAppeal besser ankommt und als passender akzeptiert wird als offensichtlicher und deutlicher Sex-Appeal – und zwar unabhängig vom Geschlecht der Rezipienten (wenn auch Männer eine geringfügig höhere Akzeptanz zeigten). Darüber hinaus bestätigt sich die Annahme, dass besonders Frauen auf milden Sex-Appeal positiver reagieren (zu vergleichbaren Ergebnissen kamen auch Judd & Alexander, 1983). Der weiteren Hypothesenprüfung dienten analog auch Kombinationen von männlichem Sex-Appeal und Produktpassung: Den Probanden wurden vergleichbare Werbeanzeigen mit starkem sowie mit mildem männlichen Sex-Appeal vorgelegt. Dabei ergab sich in allen Fällen ein signifikanter Unterschied, sowohl bei der Frage nach der Passung als auch bei der Einstufung des Sex-Appeals als 'angenehm' oder 'unangenehm'. So fielen die Reaktionen der Frauen deutlich positiver aus als die der Männer. Während 57 Prozent weiblichen Teilnehmerinnen starken männlichen Sex-Appeal (Nacktheit) als 'passend' empfanden, waren es bei den Männern lediglich 25 Prozent (dagegen stuften 56 Prozent diese Art von Sex-Appeal als 'unpassend' ein, im Vergleich zu 30 Prozent der Frauen). Als 'angenehm' nahmen den männlichen Sex-Appeal 55 Prozent der weiblichen Probanden wahr, dagegen gaben dies gerade einmal 16 Prozent der männlichen Testpersonen an. Die Reaktionen auf männlichen Sex-Appeal in Form von physischer Attraktivität unterscheiden sich ebenfalls signifikant. Insgesamt betrachtet wird auch hier wie schon im Fall von weiblichem Sex-Appeal der abgemilderte männliche Sex-Appeal von beiden Geschlechtern besser aufgenommen als starker männlicher Sex-Appeal. Während 89 Prozent der Frauen angaben, dass sie relevanten männlichen Sex-Appeal in milder Form als 'passend'
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empfinden, waren nur 65 Prozent der Männer dieser Meinung. Darüber hinaus war der Anteil der Frauen, die diese Form von Sex-Appeal mit passendem Produkt als 'angenehm' bezeichneten genauso hoch (89 Prozent). Dagegen sinkt der Prozentsatz der Männer, die diese Kombination als 'angenehm' wahrnahmen im Vergleich zur Aussage, die Anzeige sei 'passend', auf 53 Prozent. Handelt es sich um Werbung ohne Produktpassung (Bier), die männlichen Sex-Appeal in Form von Nacktheit (Oberkörper) zeigt, unterscheiden sich die Antworten zwischen Männern und Frauen signifikant. 50 Prozent der Männer und 60 Prozent der Frauen halten den Sex-Appeal für 'passend'. Als unangebracht empfinden ihn 40 Prozent der Männer, jedoch nur 21 Prozent der Frauen. Das Ergebnis überrascht, da Frauen Nacktheit nur akzeptieren, wenn es sich um ein passendes Produkt handelt (Moser, 1997). Eine Erklärung liefern die Ergebnisse von Simpson, Horton und Brown (1996), die besagen, dass Frauen männlichen Sex-Appeal positiver bewerten als Männer. Betrachtet man weiter die Ergebnisse zur Frage, ob der dargebotene Sex-Appeal 'angenehm' oder 'unangenehm' ist, stützen die Resultate erneut die Aussagen von Simpson, Horton und Brown, denn es bestehen höchst signifikante Differenzen zwischen Männern und Frauen. So empfanden mehr Frauen (65 Prozent) als Männer (42 Prozent) den präsentierten SexAppeal als 'angenehm'. Umgekehrt antworteten 31 Prozent der Männer und nur 15 Prozent der Frauen mit 'unangenehm'. Es lässt sich feststellen, dass Männer männlichen Sex-Appeal bei fehlender Produktpassung als 'unangenehm' und 'unpassend' beurteilen. Frauen sehen anscheinend über eine NichtPassung hinweg, wenn Werbung männlichen Sex-Appeal demonstriert. Bei weiblichem Sex-Appeal (Nacktheit/physische Attraktivität) zu einem (augenscheinlich völlig) unpassenden Produkt (Fleischwaren/Transport) besteht Einigkeit unter den Geschlechtern. Insgesamt empfanden 84 Prozent aller Teilnehmer (78 Prozent der Männer; 87 Prozent der Frauen)den weiblichen Sex-Appeal als 'unpassend'. Hingegen gaben lediglich elf Prozent der Probanden (16 Prozent Männer, sieben Prozent Frauen) an, der SexAppeal sei in diesem Fall 'passend'. Während also hinsichtlich der Frage nach der Passung des Sex-Appeals zum Produkt eine Übereinstimmung vorliegt, so unterscheiden sich Männer und Frauen jedoch höchst signifikant, wenn es darum geht, den Sex-Appeal als 'angenehm' oder 'unangenehm' zu beurteilen. 39 Prozent der Männer, aber nur 17 Prozent der Frauen stuften den Sex-Appeal der Anzeige als 'angenehm' ein. Umgekehrt emp-
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fanden mehr Frauen (56 Prozent) als Männer (35 Prozent) die Anzeige als 'unangenehm'. Diese Ergebnisse bekräftigen die Annahme aus Hypothese 3, dass Frauen negativ, Männer dagegen positiv auf weiblichen Sex-Appeal bei fehlender Produktpassung reagieren. Eine weitere Anzeige ohne Produktpassung (Radiosender) präsentierte männlichen Sex-Appeal in Form von Nacktheit. Wiederum bestehen keine signifikanten Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Probanden, wenn männlicher Sex-Appeal keine Produktpassung aufweist. Auch ist keine Mehrheitsmeinung festzumachen, und so antworteten insgesamt 42 Prozent aller Teilnehmer mit 'passend' und wiederum 42 Prozent aller Teilnehmer mit 'unpassend'. Bei diesem Beispiel ergaben sich auch hinsichtlich der Frage, ob der Sex-Appeal als 'angenehm' oder als 'unangenehm' empfunden wurde, keine signifikanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Sowohl 36 Prozent der Frauen als auch 36 Prozent der Männer bezeichneten die Anzeige als 'angenehm'. Ähnlich gleichmäßig verteilen sich die Ergebnisse zur Antwortmöglichkeit 'unangenehm': So antworteten 41 Prozent der männlichen und 38 Prozent der weiblichen Teilnehmer. Eine Besonderheit ist in diesem Fall, dass der eben beschriebene männliche SexAppeal auf humorvolle Art und Weise dargestellt war. Dies lässt vermuten, dass Humor und Witz die Einschätzung von Passung und Gefallen von SexAppeal beeinflusst. Es ist demnach möglich, dass individuell wahrgenommener Humor stärkeren bzw. vorrangigen Einfluss auf das Empfinden von Sex-Appeal nimmt, das heißt, die Wirkung von Humor in der Werbung verzerrt die Wirkung von Sex-Appeal in der Werbung. Bei einer weiteren Anzeige, die weiblichen Sex-Appeal (sexuelles Verhalten) zu einem unpassenden Produkt (Spielzeug) beinhaltete, zeigten sich signifikante Differenzen zwischen den Antworten von Männern und Frauen. So stuften mehr Männer (53 Prozent) als Frauen (32 Prozent) den in der Werbung präsentierten Sex-Appeal als 'passend' ein. Gleichzeitig empfanden mehr Frauen (49 Prozent) als Männer (37 Prozent) die Werbung als 'unpassend'. Auch auf die Frage, ob der gezeigte Sex-Appeal als 'angenehm' empfunden wurde, unterschieden sich die Antworten von Männern und Frauen höchst signifikant. Fast doppelt so viele Männer (83 Prozent) wie Frauen (43 Prozent) bejahten dies. Der gegenteiligen Meinung waren mit 27 Prozent mehr als dreimal so viele Frauen wie Männer (8 Prozent). Diese Ergebnisse bestätigen, dass Frauen der Produktpassung eine größere Bedeutung
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beimessen als Männer. Darüber hinaus wird die Aussage bekräftigt, dass Männer weiblichem Sex-Appeal positiver gegenüberstehen als Frauen. Fazit Bei der Bewertung der Kategorien von Sex-Appeal nach 'sexy/unsexy' ergab sich sowohl für Männer als auch für Frauen die gleiche Rangfolge der Kategorien. Demnach sprechen die Kategorien sexuelles Verhalten und Nacktheit/Kleidung sowohl Frauen als auch Männer positiv an. Folglich sind keine Unterschiede in der Rezeption unterschiedlicher Kategorien von Sex-Appeal zwischen männlichen und weiblichen Rezipienten zu verzeichnen. Die Annahmen von H1 sind deshalb hier zu verwerfen. Ähnlich wie bei den Kategorien von Sex-Appeal verhielt es sich bei der Frage nach Produktkategorien, für die der Einsatz von Sex-Appeal in der Werbung als passend angesehen wird. Auch hier ließen sich keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern feststellen. Am passendsten erschien beiden Geschlechtern die Kategorie Unterwäsche und Bademoden. H2 kann somit nicht angenommen werden. Die Frage nach Passung und Angemessenheit von Sex-Appeal in Abhängigkeit von der Produktpassung erbrachte viele interessante Ergebnisse. Bei Produktpassung unterscheiden sich Männer und Frauen in ihrer Rezeption und Akzeptanz von Sex-Appeal. Dabei spielt das Geschlecht des Models eine entscheidende Rolle. Handelt es sich um offensichtlichen weiblichen Sex-Appeal in Form von Nacktheit, reagierten sowohl Männer als auch Frauen ähnlich positiv. War der Stimulus dagegen männlicher Sex-Appeal derselben Kategorie, nahmen dies Frauen weitaus positiver auf als Männer. Daraus lässt sich schließen, dass Frauen sowohl männlichem als auch weiblichem Sex-Appeal bei Produktpassung offen gegenüberstehen. Dagegen bewerten Männer weiblichen Sex-Appeal in diesem Kontext positiv, männlichen jedoch negativ. Am deutlichsten wird dieser geschlechtsspezifische Unterschied in der Kombination der Produktkategorie Parfum mit physischer Attraktivität. Betrachtet man die Ergebnisse für Produkte ohne Passung, zeigen sich erneut geschlechtsspezifische Unterschiede: Wenn keine Produktpassung vorliegt, das Model aber männlich ist, empfinden Frauen den präsentierten Sex-Appeal im Gegensatz zu Männern trotzdem als 'passend' und 'ange-
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nehm'. Umgekehrt verhält es sich identisch: Wird weiblicher Sex-Appeal zusammen mit einem unpassenden Produkt gezeigt, beurteilen Männer diesen als 'passend', Frauen dagegen eher als 'unpassend'. Diese Ergebnisse widerlegen H2, bestätigen aber H3. Einen Sonderfall stellt in diesem Zusammenhang die Kombination von humorvoller Darstellung männlichen Sex-Appeals und einem nicht passenden Produkt dar. In dieser speziellen Konstellation empfinden Männer männlichen Sex-Appeal als passend, sogar passender als Frauen. Dies lässt vermuten, dass die Wirkung von Humor die Wirkung von Sex-Appeal verzerrt. Um eine solche Beeinflussung beweisen zu können, müsste dies in weiteren Studien explizit untersucht werden. Abgesehen von dieser Ausnahme reagierten Männer und Frauen aber jeweils positiver auf Sex-Appeal des anderen Geschlechts. Folglich bestätigen sich beide Annahmen aus Hypothese 3. Aus der Gesamtheit der Ergebnisse zeigt sich schließlich, dass Frauen und Männer für eine positive Beurteilung des dargebotenen Sex-Appeals, unabhängig davon ob Produktpassung vorliegt oder nicht, prinzipiell auf unterschiedliche Art und Weise angesprochen werden sollten. Folglich ist von einem pauschalen Einsatz von Sex-Appeal als Werbestrategie abzuraten. Vielmehr spielt eine Kombination diverser Einflussfaktoren – insbesondere die Kategorie des Sex-Appeals und das Geschlecht des Models – eine bedeutende Rolle bei der Rezeption von Sex-Appeal in der Werbung durch Männer und Frauen. Es wäre also ratsam, männliche und weibliche Zielgruppen geschlechtsspezifisch anzusprechen Literatur Attwood, F. (2006). Mode und Leidenschaft. Frauen und die Vermarktung von Sex. Zeitschrift für Sexualforschung, 19(2), 118-132. Belch, M. A., Holgerson, B. E., Belch, G. E., & Koppman, J. (1982). Psychophysiological and cognitive responses to sex in advertising. In A. Mitchell (Hrsg.), Advances in consumer research (Vol. 9, S. 424-427). Ann Arbor, MI: Association for Consumer Research. Bello, D. C, Pitts, R. E., & Etzel, M. J. (1983). The communication effectiveness of controversial sexual content in television programs and commercials. Journal of Advertising, 1(2), 32-42. Brosius, H.-B., & Fahr, A. (1996). Werbewirkung im Fernsehen – Aktuelle Befunde der Medienforschung. München: R. Fischer.
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Immer schlanker und kranker? Models in der Werbung Thomas Koch & Lutz Hofer
Es gibt eine mit Regelmäßigkeit und Vehemenz in den Massenmedien geführte Diskussion darüber, ob die mediale Darstellung so genannter "Magermodels" insbesondere für junge Frauen als eine Art Vorbild dienen könnte und spezifische Wirkungen nach sich zöge, etwa negative Körperbilder, Magersucht oder Anorexie. Die Debatte um diese oft als Tatsache gehandelte Frage und um mögliche (auch politische) Abhilfe fand erneut ihren Höhepunkt, als die Jury der Pro7-Sendung Germany's Next Topmodel einer für den Normalbürger wohl als schlank geltenden Teilnehmerin erklärte, sie sei zu dick. Und so fragten ein weiteres Mal Öffentlichkeit und Politik den Models und ihren Auftraggebern Sommerlöcher in den Bauch, ob das denn so sein müsse und nicht auch anders gehe. Offenbar geht es anders, zum Beispiel durch Selbstkontrolle innerhalb der Branche: Für die Schau im Februar 2007 etwa schlossen die Veranstalter der Madrider Modewoche krankhaft magere Models von der Teilnahme aus – wie der Spiegel schreibt als Reaktion auf "eine Empfehlung des spanischen Parlaments von 1999 und anhaltende Proteste von Verbraucherverbänden" (ffr, 2006). Die Entscheidung fiel im Schatten des auf Mangelernährung zurückgeführten Todes des brasilianischen Topmodels Ana Carolina Reston im November 2006. Bereits im August 2006 löste der Tod des 22-jährigen uruguayischen Models Luisel Ramos eine Diskussion über Magersucht in der Modebranche aus. Ihre 18-jährige Schwester Eliana Ramos, ebenfalls als Model arbeitend, starb im Alter von 18 Jahren nur wenige Monate später. Auch ihr Tod wurde öffentlich auf Mangelernährung zurückgeführt (vgl. jjc, 2007). Die Debatte flammte neu auf, wiederum auch im politischen Raum, als im Sommer 2007 eine neue Plakatkampagne der schwedischen Modekette H&M erschien, die mit extrem mageren Models für ihre Winter- und Herbstkollektion warb. Und wieder die Frage: Wie geht es anders? Das wohl prominenteste Beispiel für Gegenmaßnahmen aus der Werbung selbst lieferte schon vor Jahren der Kosmetikhersteller Dove: Im Frühjahr 2004 startete
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0_11, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Dove, getragen vom Unilever-Konzern, seine Werbekampagne mit eher molligen bzw. durchschnittlichen Models. Die Kampagne, die selbst von sich behauptet, mit ihrer "Initiative für wahre Schönheit" gesellschaftlichen Wandel auslösen zu wollen, wurde weithin begrüßt, allerdings vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ebenso kritisiert. So zitiert Scharfenberg (2007) den Verbandssprecher Volker Nickel: "Werbung hat keine Voodoo-Wirkung. Magersucht hat verschiedene Ursachen, und die muss man sich ansehen". Und schließlich: Wo die Politik selbst Grenzen setzen kann, macht sie es bisweilen auch. Spanien hat sich selbst an die Spitze zur Bekämpfung von Magersucht durch Modewerbung gesetzt und in einer Vereinbarung mit den größten Modemarken Spaniens die Einführung einheitlicher Konfektionsgrößen, das Verbot von zu dünnen Schaufensterpuppen sowie der Abschaffung der Spezialabteilung "große Größen" in Kaufhäusern durchgesetzt (AFP, 2007). Derweil all dies zunächst als belangloses Füllmaterial für Spalten und Sendeminuten scheint, ist die Debatte über Magermodels jedoch Ausdruck eines über diese konkreten Fälle hinaus gehenden Verhältnisses von Werbung und Gesellschaft – und als solcher beachtenswert: Zum einen ist Werbung als Teilsystem des Wirtschaftssystems und als Teilsystem öffentlicher Kommunikation ein durch "Ausblendungsregeln" (Schmidt & Spieß, 1994, S. 18) verzerrtes Spiegelbild von Gesellschaft – davon, wie Gesellschaft sich sehen will, ein Spiegelbild ihrer idealen Selbstbilder (vgl. Belk & Pollay, 1985, S. 888). Zum anderen aber wirkt Werbung zugleich prägend, einerseits auf Individuen – durch die subjektiv bedeutsame Vermittlung bestimmter (aus Werbesicht omnipositiv konstruierter) Rollenbilder, Verhaltensmuster, Normen, Werte etc. – und andererseits auf Gesellschaft als Ganzes – durch die Etablierung des Vermittelten auf Makroebene. Werbung ist damit Sozialisationsinstanz. Die durch sie geschaffenen Werbewelten dienen als "Reservoir sozialer Distinktionspotentiale" dem individuellen wie gesellschaftlichen "Identitätsmanagement" (Zurstiege & Schmidt, 2003, S. 494). Beide Aspekte, Werbung als gesellschaftlicher Indikator und als gesellschaftlicher Prägefaktor, spielen im öffentlichen Diskurs über Werbung stets eine gewichtige Rolle, wenn mit ihnen Kritik an möglichen gesellschaftlich unerwünschten Wirkungen durch Werbung verbunden ist, sei es durch eine unterstellt falsche Widerspiegelung gesellschaftlicher Realität, sei es durch Individuen und/oder Gesellschaft unterstellt schadende Bedeutungsverleiher. Vor allem die Kritik an der stereotypen Darstellung von Frauen und
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Männern sowie insbesondere an den in der Werbung vermittelten Körperdarstellungen hat hierbei, vor allem unter Wirkungsaspekten, ein beachtliches Ausmaß medialer Aufmerksamkeit erfahren. Als personaler Referenzpunkt für diese Art der Selbstbeobachtung von Gesellschaft und die Fremdbeobachtung von werbebezogenen Einflussfaktoren auf Gesellschaft hinsichtlich des Vorwurfs eines werbeinduzierten "Schlankheitswahns" dienen dabei aus journalistischer wie wissenschaftlicher Perspektive Models, also Personen, die berufsmäßig zu Werbezwecken für fotografische oder filmische Aufnahmen posieren. Sie sind als professionalisierte Vermittler bestimmter Rollenbilder, Verhaltensmuster und damit transportierter Normen, Werte etc. die in der Werbung öffentlich sichtbaren Akteure. Der Charakter des Öffentlichseins macht sie dabei sowohl zum Gegenstand von je nach Beobachtungsagentur systematischen oder unsystematischen Beobachtungen als auch zu den exponiertesten einer Reihe von Adressaten (darunter Modelagenturen, Werber, Auftraggeber), an die sich die durch Beobachtungen gewonnenen Erkenntnisse, Bewertungen und nicht selten auch Forderungen richten. So ist es mit Blick auf die beispielhaft angeführten Debatten nicht weiter verwunderlich, dass vor allem die Modebranche mit ihren Models bei diesen Betrachtungen im Zentrum der Kritik und der Zuweisung von Verantwortung steht, mitunter weil Modemodels – auch durch ihre Präsenz in anderen Formaten außerhalb von Werbung (siehe Germany's next Topmodel) – prominent und stark wahrnehmbar sind. Damit werden insbesondere der Modewerbung jene nachteiligen Wirkungen auf die Körperbilder und das Gesundheitsverhalten ihrer Rezipienten zugeschrieben. Welche gesamtgesellschaftlichen Folgen eine Flut an stereotyp-schlanken Körperdarstellungen in der Werbung haben könnte, lässt sich bislang nur vermuten. Dies ist auch seltener die öffentlich vorgetragene Sorge. Häufiger stehen, auch aufgrund einer leicht zu personalisierenden Berichterstattung, Befürchtungen um individuelle Wirkungen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Hierzu liegt hingegen eine Fülle an Untersuchungen vor. Aufgrund theoretischer wie methodischer Unterschiede lässt diese jedoch kein einheitliches Forschungsprogramm erkennen. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass je nach Herangehensweise und theoretischem Hintergrund sowohl negative, neutrale als auch positive Wirkungen von schlanken Models auf Rezipienten angenommen bzw. diagnostiziert werden. Diese Schwierigkeiten der mit Wirkungen befassten Studien stellen wir im Folgenden dar. Der Fokus des vorliegenden Beitrags richtet sich jedoch vielmehr auf die Prob-
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lematik des Ausgangspunktes aller Wirkungsanalysen, auf ihre Grundannahme mithin, die der Hauptmotor der öffentlichen Debatte und der bisherigen Forschungsbemühungen ist. Diese scheint zunächst profan: Bevor sich Wirkungen überhaupt entfalten können, muss ein Stimulus gegeben sein. Das Erkenntnisinteresse wie auch die Anlagen der zahlreichen Studien basieren stets auf eben jener Wahrnehmung, dass die Medien im Übermaße sowie in stetig zunehmender Weise Bilder von (zu) schlanken Werbemodels präsentieren. Freilich ist dies nicht ununtersucht geblieben. Doch bei gerade dieser Grundlagenbildung für weiterführende Wirkungsstudien treten in eklatanter Weise Schwächen auf. So kann zwar die Annahme von der Schlankheit der Models zum Teil bestätigt werden, fraglich allerdings bleibt, ob die als "Models" untersuchten Personen tatsächlich als solche zu bezeichnen sind, ob Schlanksein oder Dürrsein valide operationalisiert ist und ob die vorgebliche Identifikation von Trends den tatsächlichen Befunden entspricht. Wir sehen in diesen Punkten die maßgeblichen, wenngleich nicht unauflösbaren Schwachstellen der gegenwärtigen Forschung über Darstellung und Wirkung von Werbemodels. 1
Wirkungen schlanker Werbemodels – Anlagen und Schwierigkeiten
Die Forschungslage zur Wirkungsfrage in dieser Sache gestaltet sich diffus. Die Studien verweisen zum Großteil auf negative und mit Ausnahmen auch auf positive Wirkungen. Letztere wären ein erhöhter Zufriedenheitsgrad von Probandinnen bezüglich ihres Aussehens, der auf den Vorbildcharakter der Medienakteure zurückzuführen sei oder etwa geringere Level von Depression und höhere Level positiver Affekte (vgl. Myers & Biocca, 1992). Schemer (2006, S. 13) nennt als mögliche negative Wirkungen eine "verzerrte Wahrnehmung des eigenen Körpers als zu dick; geringere Zufriedenheit mit dem eigenen Körper; negative Gefühle wie Schuld, Scham oder depressive Stimmung; geringere Einschätzung der eigenen Attraktivität; geringeres körperbezogenes Selbstwertgefühl; ausgeprägtes Schlankheitsbedürfnis", aber auch (unter Verweis auf Harrison, 2003 sowie Rossmann & Brosius, 2005) eine erhöhte Bereitschaft zu Schönheitsoperationen. Verschiedene Korrelationsstudien (siehe auch Kapitel 1.2) verweisen auf einen positiven Zusammenhang zwischen Medienkonsum und der Körperun-
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zufriedenheit. So sind Vielseherinnen mit der eigenen Figur weniger zufrieden als Vergleichsgruppen (vgl. Wartella, Scantlin, Kotler, Huston & Donnerstein, 2000), sie empfinden sich selbst häufiger als zu dick, ihren Busen zu klein (vgl. Hofshire & Greenberg, 2002). Inzwischen liegen auch Studien zu solchen Zusammenhängen vor, die sich jüngeren Rezipientinnengruppen widmen. So zeigen etwa Dohnt und Tiggemann (2006), dass Mädchen bereits ab einem Alter von sechs Jahren eine dünnere Figur als Ideal anstreben, wobei die Autoren für die Ausbildung von Körperunzufriedenheit sowohl Einflüsse von Freunden wie auch die Mediennutzung (insbesondere die Rezeption von Musikvideos, Teenmagazinen, Magazinen für erwachsene Frauen und generell Magazinen, deren Focus auf Äußerlichkeiten lag) verantwortlich machen. Experimentelle Studien belegen, dass die Rezeption von besonders attraktiven oder schlanken Frauen (zur problematischen Nichtdifferenzierung dieser Begriffe, s. u.) dazu führen kann, dass Probandinnen weniger zufrieden mit dem eigenen Körper sind (vgl. z. B. Champion & Furnham, 1999; Turner, Hamilton, Jacobs, Angood & Dwyer, 1997), ein geringeres körperbezogenes Selbstwertgefühl haben (vgl. Thornton & Maurice, 1999) beziehungsweise etwa "eine größere Diskrepanz zwischen ihrem realen und idealen Körperschema wahrnehmen" (Petersen, 2005, S. 54). Groesz, Levine und Murnen (2002) unterziehen 25 Experimente (mit N = 2292) einer Meta-Analyse und überprüfen Effekte von Darstellungen eines schlanken Schönheitsideals auf die Körperzufriedenheit bei Frauen. Über die untersuchten Studien hinweg bestätigt sich hochsignifikant, dass sich bei Probandinnen, die schlanke Models betrachten, eher der unmittelbare Eindruck eigener Körperunzufriedenheit erhöht als bei Probandinnen, die durchschnittliche oder übergewichtige Models oder aber nicht-personale Medienbilder sehen. Ferner zeigt sich, dass Frauen, die vormals schon mit Essstörungen konfrontiert waren oder bereits hohe Werte an Körperunzufriedenheit aufweisen, stärker empfänglich für negative Effekte schlanker Medienbilder sind. Die Autoren interpretieren diesen (signifikanten) Effekt dahingehend, dass die Wahrnehmung solcher Bilder ein bereits internalisiertes schlankes Schönheitsideal aktivieren würde. Gleichfalls signifikant bestätigt wurde die Annahme, dass Frauen unter 19 Jahren stärker empfänglich für negative Effekte durch Schlankheitsdarstellungen seien als Frauen über 19 Jahren. Allein die Hypothese, dass eine höhere Dosierung des Stimulusmaterials einen stärker negativen Effekt auslösen würde als niedrigere Dosen an Stimuli, konnte nicht bestätigt werden. Im Gegenteil scheint
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es so, dass eine häufigere Exposition mit einer geringeren Effektstärke einhergeht. Es lässt sich resümieren, dass es eigenständige negative Effekte nach dem Betrachten schlanker Medienbilder gibt; deren Intensität hängt vom Geschlecht, Alter und der Anfälligkeit für die Aktivierung von Schlankheitsschematas ab. Dies stützt eher eine soziokulturelle Perspektive, in welcher der medialen Vermittlung schlanker Körperideale gewiss Bedeutung zukommt, aber es stützt weniger eine Hypothese unmittelbarer Medienwirkungen (vgl. Groesz, Levine & Murnen, 2002). Monokausale Erklärungen sind bei einem so komplexen Forschungsgebiet sicher nicht hinreichend. So dürfen all diese Befunde nicht losgelöst von Randbedingungen bewertet werden, in die dann auch andere Sozialisationsinstanzen einzubeziehen sind. Gründe für die diffuse Forschungslage liegen zum einen in unterschiedlichen theoretischen Grundlagen der Wirkungsannahmen bestehender Studien und einem Mangel an begrifflicher Schärfe, wenn es um die Bestimmung der interessierenden Variablen geht. Zum anderen zeigen sich verschiedenartige und verschieden geeignete methodische Herangehensweisen. Theoretische Hindernisse Noch immer beruht das Gros der Forschung, wie die medial transportierte Alltagsbeobachtung auch, weitgehend auf der Annahme eines eher simplen und zumeist auf Monokausalitäten bauenden Wirkungsparadigmas. Diese nimmt dabei häufig die Perspektive des Kultivationsansatzes ein und wurde aufgrund ihres Mangels an Erklärungskraft hinsichtlich des Einflusses psychologischer Anlagen der Rezipienten sowie konkreter Wirkungsprozesse verschiedentlich kritisiert und um Verweise auf soziale Lerntheorie, Kontrasteffekte oder die Theorie sozialer Vergleichsprozesse erweitert (vgl. Schemer, 2003). So betont die soziale Lerntheorie die Bedeutung von Umweltfaktoren gegenüber intrapsychischen Verhaltensdeterminanten, ohne aber die psychologische Verfassung des Subjekts im Prozess der Informationsverarbeitung während des Lernprozesses aus den Augen zu verlieren. Sie geht von der Grundannahme aus, dass durch Beobachtungslernen am Modell über drei Stadien (vgl. Liebert & Spiegler, 1974) Wissen über eine dadurch sub-
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jektiv interpretierte Umwelt sowie Erwartungen und Erwartungswerte angeeignet werden (vgl. Rotter, 1954), welche ein situationsspezifisches verstärkendes oder nicht-verstärkendes Verhalten bestimmen können. Dies wiederum ist abhängig von der individuellen Erfahrungsgeschichte und Erwartungslage, den am Modell beobachteten positiven oder negativen Konsequenzen sowie den Persönlichkeitseigenschaften des Modells und seiner Beziehung zum Beobachter (vgl. Bandura, Ross, & Ross, 1963). So werden Wirkungen durch indirektes, interpersonal geprägtes oder aber unmittelbares Beobachtungslernen an Modellen als mit positiven Konsequenzen assoziierten und so idealisierten Personen etwa durch das Vorhandensein von Live-Modellen stärker begünstigt als durch symbolische Modelle (vgl. Bandura & Mischel, 1965). Studien, die auf der Grundlage von Kontrasteffekten Wirkungsannahmen zu überprüfen trachten, gehen davon aus, dass als Grundvoraussetzungen für die Bildung eines sozialen Urteils kognitive Repräsentationen von Stimuli und Vergleichsstandards zu ihrer Bewertung nötig sind. Dabei beeinflusst die Kontextabhängigkeit der Repräsentation von Reizen die Wahrnehmung nachfolgender Reize. In dem Fall, dass die verfügbaren Informationen tatsächlich relevant für den Zielstimulus sind und Bestandteil der Repräsentation werden, verursacht der Kontextstimulus je nach Kategorisierung der repräsentierten Information eine Verschiebung des Bezugsrahmens. Dies kann derart geschehen, dass andere Stimuli in einer dem Kontext entgegengerichteter (Kontrast) oder aber in gleichgerichteter (Assimilation) Weise bewertet werden. Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse schließlich (vgl. grundlegend Festinger, 1954) mitsamt ihren Erweiterungen (vgl. u. a. Goethals, 1986; Hyman, 1968; Merton, 1957) sieht, ähnlich den Studien zur sozialen Lerntheorie und zu Kontrasteffekten, soziale Vergleiche als Informationsquelle zur Orientierung für angemessenes Verhalten in der sozialen Umwelt an, berücksichtigt dabei aber intrapsychische Komponenten sowie Motivationen von Rezipienten in der Zuwendung zu Reizen wie etwa zu Werbemodels als sozialen Vergleichspersonen. Diese Zuwendung erfüllt dabei für die Rezipienten entweder eine Evaluationsfunktion (Validierung und Selbstbewertung), eine selbstwertdienliche Funktion (Demonstration) oder eine selbstwerterhöhende Funktion (Selbstverbesserung) (vgl. Wood, 1989). Als Bewertungstendenzen lassen sich Abwärts- oder Aufwärtsvergleiche identifizieren.
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Diese Ansätze erlauben so aus ganz unterschiedlichen Perspektiven mögliche Fragestellungen zur Wirkungsweise von schlanken Werbemodels auf Rezipientinnen und Rezipienten. Dabei ist die Vielfalt an theoretischen Sichtweisen durchaus vielversprechend, diese erschwert jedoch die Zusammenführung und den Abgleich ihrer Hypothesen und Ergebnisse. Methodische Grenzen Es sind aber nicht nur die theoretischen Optionen, welche die Vergleichbarkeit gegenwärtig vorliegender Studien schwierig machen. Während sich zwei unterschiedliche Herangehensweisen herauskristallisieren – anhand von Befragungsdaten durchgeführte Korrelationsstudien einerseits (vgl. z. B. Botta, 1999; Cusumano & Thompson, 1997; Kluge & Sonnenmoser, 2001) und experimentelle Designs andererseits (vgl. z. B. Cash, Cash & Butters, 1983; Irving, 1990; Peters, 2005; Richins, 1991; Stice & Shaw, 1994) – erweisen sich bei Vergleichen etwaige Unschärfen in Begriffen und Konstrukten als problematisch. Korrelationsstudien stellen auf deskriptive und überzeugende Weise Zusammenhänge zwischen Mediennutzung und Selbstwahrnehmungen bzw. der Ausbildung von (etwa Attraktivitäts-) Vorstellungen, Einstellungen und sozialen Orientierungen her, jedoch ohne dafür eine eindeutige UrsacheWirkungs-Relation anführen zu können. Die Berechnung von Korrelationen etwa von Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper sowie daraus folgender Anfälligkeit für Essstörungen mit bestimmten Mustern der Mediennutzung zeigt etwa, dass Frauen, die vermehrt Magazine lesen, häufiger über Essstörungen berichten (vgl. Field, Carmago, Taylor et al. 1994). Auch Dohnt und Tiggemann (2006) verweisen auf Studien, die positive Zusammenhänge von Fernsehkonsum bzw. Zeitschriftennutzung und Essstörungen aufzeigen (Harrison, 2000; Sands & Wardle, 2003; Taylor, Sharpe, Shisslak, Bryson, Estes, Gray, McKnight, Crago, Kraemer & Killen, 1998; Tiggemann, 2003; Vaughan & Fouts, 2003). Ob aber häufiges Magazinlesen (und wenn ja, welche spezifischen Inhalte?) oder hoher Fernsehkonsum für vermehrte Essstörungen verantwortlich zeichnen oder ob Esstörungen für eine bestimmte erhöhte Zuwendung zu bestimmten Medienangeboten führen oder aber ob andere Faktoren zu diesem Zusammenhang beitragen, bleibt bei dieser Herangehensweise in der Regel ungewiss. Korrelationsstudien werfen
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damit interessante Fragen auf und richten den Spot auf möglicherweise tatsächlich kausal begründbare Variablenbeziehungen. Ein Nachweis von Kausalzusammenhängen ist mit Korrelationsstudien indes nicht möglich. Zu klaren Kausalaussagen zu gelangen, ist hingegen explizites Bestreben und ebenso Möglichkeit experimentell wie quasiexperimentell angelegter Studien. Doch auch hier gilt es bei der Interpretation der Ergebnisse einiges zu beachten. So muss zum einen bekanntlich die artifizielle Darbietungssituation berücksichtigt werden. Das Betrachten von Models in Werbeanzeigen unter Laborbedingungen entspricht nun einmal nicht dem normalen Rezeptionsverhalten. Zum anderen charakterisiert die meisten Experimente, dass sie in der Regel mit kleinen und oft nicht allzu heterogenen Probandengruppen (etwa leicht und preiswert zu rekrutierenden Studierenden) auskommen müssen, sowie damit einhergehend, ein geringer Grad an Generalisierbarkeit. Darüberhinaus kommt es auf die Wahl des experimentellen Designs an. So finden Groesz, Levine und Murnen (2002, S. 11) in ihrer Meta-Analyse einen signifikanten Beleg dafür, dass die von ihnen über 25 Experimente hinweg untersuchten Effektgrößen der Darstellungen schlanker Models auf die Körperzufriedenheit von Frauen insgesamt größer sind, wenn Posttest-between- oder Pre-Posttest-between-Designs (im Gegensatz zu Within-subjects-Designs) angewendet werden. Schließlich erscheint bei experimentellen Studien, über den Mangel an Klarheit und Vergleichbarkeit bei der Festlegung der zu untersuchenden Variablen als Attraktivität oder Schlankheit oder anderes hinaus, die Validität des Stimulusmaterials problematisch: Diese ist in der Regel schwer nachvollziehbar, da zumeist nicht angegeben wird, wie das Material genau konstruiert wurde. Üblicherweise werden die dargebotenen Bilder schlicht durch Konsensbildung im Forscherteam bestimmt. Jedoch, darauf verweist die Studie von Martin & Kennedy (1993), wird die Bewertung der Attraktivität der Models von Probanden nicht nur an körperlichen Faktoren festgemacht, sondern auch an der Kleidung. Damit stellt sich zwangsläufig die Frage, wie wohl die Autoren selbst bei ihrer Festlegung des Stimulusmaterials die Models wahrgenommen haben. So scheint es ein aus dieser Perspektive fast schon zwangsläufiger Missstand, dass in vielen Studien das Stimulusmaterial bunt zusammengewürfelt wird aus Werbebildern und Nicht-Werbebildern "of the sort commonly found in women's magazines such as Glamour, Cosmopolitan, and Vogue" (Henderson-King & Henderson-King, 1997).
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Valide Aussagen über Wirkungen von Models in der Werbung werden so zusätzlich erschwert. Gleich welche methodische Herangehensweise gewählt wird, zeigen sich Unwegsamkeiten in der Definition der Variablen, mit denen die vorliegenden Arbeiten operieren. Dies gilt indes für beide Variablenseiten. So werden bei der Bestimmung der unabhängigen Variable die Begriffe schlank/nichtschlank, attraktiv/unattraktiv und Models/Werbemodels/ Medienschönheiten/Medienpersonen in jeder nur denkbaren Variante miteinander verbunden. Da mit den Begriffen jedoch verschiedenes gemeint und folglich gemessen wird, wäre hier eine stringentere Differenzierung dringend vonnöten. An begrifflicher Klarheit mangelt es auch, wenn es darum geht, worauf sich die Wirkungen beziehen: Die teilweise simultane Verwendung der Termini "Körperbild" (Schemer, 2003), "Körperschema" (Petersen, 2005), "Körperkonzept" (Harrison & Cantor, 1997), "Körperzufriedenheit" (Cash, Cash, & Butters, 1983), "Körperwertgefühl" (Henderson-King & Henderson-King, 1997) oder "Selbstwahrnehmung physischer Attraktivität" (Richins, 1991) bei der abhängigen Variable sorgt bedauerlicherweise dafür, dass diese in bisherigen Untersuchungen in solch einem Maße variieren, dass die Vergleiche der Ergebnisse schwierig erscheinen. Desiderata Trotz des Umfangs der bisherigen Forschung zu den Effekten von mageren Models auf Rezipientinnen und Rezipienten bleiben etliche Aufgaben zu lösen, von denen nur einige allgemeinere hier genannt sein sollen. So stellen etwa die meisten Wirkungsstudien auf Effekte der Darstellung von Frauen auf Frauen ab. Dies ist mit Blick auf ein sich geschlechtsspezifisch entwickelndes Körperbild, das ein stärkeres Wirkungspotential bei Frauen nahe legt, zwar durchaus plausibel. Jedoch ist zum einen das Körperbildkonzept nicht immer Ausgangspunkt dieser Studien, zum anderen werden so mögliche differentielle Effekte zwischen Männern und Frauen vernachlässigt. Gleichfalls zu wenig wird das Zusammenspiel der für die Entstehung von Wirkungen relevanten Variablen in den Blick genommen. Von der Regel, nur einzelne Einflussfaktoren zu berücksichtigen, ohne dabei hinreichend Randbedingungen bzw. andere Einflussgrößen einzubeziehen, liegen inzwischen immerhin einige Ausnahmen vor (vgl. u. a. Martin & Kennedy, 1993;
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Schemer, 2007). Während die Brisanz von Wirkungsstudien zu diesem Thema zweifellos in den möglichen negativen Wirkungen liegt, ist indes unverständlich, warum ebenso gut mögliche positive Effekte mit wenigen Ausnahmen bislang vernachlässigt werden. Und schließlich: Während schon – gewiss nur für in bestimmter Weise dispositionierte Rezipientinnen – die einmalige Darbietung von attraktiven Werbemodels zu kurzfristigen Salienzeffekten und Veränderungen sozialer Vergleichsstandards hinsichtlich Attraktivität führen kann (vgl. Martin & Kennedy, 1993; Richins, 1991), mangelt es an Studien zu langfristigen und möglicherweise kumulativen Effekten der Wahrnehmung von schlanken Werbemodels auf das Körperbild oder andere Variablen wie Selbstwahrnehmung und Selbstbewusstsein. Solche längsschnittlich angelegten Untersuchungen wie auch kulturelle Einflussfaktoren berücksichtigende ländervergleichende Analysen sind durchaus wünschenswert. 2
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Allen skizzierten Untersuchungen liegt implizit die Befürchtung zugrunde, dass die durch Medien – und insbesondere durch Werbung – vermittelten Bilder von sehr schlanken Körpern bei Rezipientinnen Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper auslösen oder diese zumindest verstärken können. Diese Unzufriedenheit wäre wiederum ursächlich für weitere negative Wirkungen, wie zum Beispiel Essstörungen. Ausgangspunkt von Analysen, die sich mit dem Einfluss von Medienakteuren auf das Körperselbstbild von Frauen beschäftigen, ist meist die (vermeintliche) Beobachtung, dass weibliche Medienpersonen in den letzten Jahren immer schlanker geworden seien. Betrachtet man die Studien, die darüber Auskunft geben sollen, jedoch genauer, so zeigen sie durchgehend erhebliche Schwächen: Die Stichproben der Analysen sind nicht repräsentativ, die Erhebungsinstrumente teilweise unbrauchbar, oder sie sollten zumindest kontrovers diskutiert werden, der Erhebungszeitraum liegt oftmals weit in der Vergangenheit, und die Ergebnisse sind keinesfalls generalisierbar. Wie wichtig es ist, sich mit den Inhaltsanalysen auseinanderzusetzen, zeigt sich exemplarisch, wenn man die Plausibilität der Literaturverweise von Petersen (2005) und Schemer (2007) zum Phänomen, dass weibliche Medienakteure schlanker geworden seien, überprüft. Petersen (2005, S. 55)
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stützt seine Behauptung, dass weibliche "Models in Werbeinseraten in den letzten Jahren immer mehr dem Ideal eines sehr schlanken Körpers entsprechen", auf eine Studie von Bretl und Cantor aus dem Jahr 1988, die in ihrer Inhaltsanalyse Daten aus dem Jahr 1985 auswerten. Wie 20 Jahre alte Messwerte eine Entwicklung "in den letzten Jahren" aufzeigen können, ist schon alleine ein Mysterium. Viel gravierender scheint allerdings, dass Bretl und Cantor in ihrer Inhaltsanalyse überhaupt keine Indikatoren erheben, die auch nur im weitesten Sinne etwas mit den Körpermaßen von Medienakteuren zu tun haben. Petersens Verweis auf diese Studie macht also nicht viel Sinn. Die übrigen Aufsätze und Bücher, die Petersen (2005, S. 56) später heranzieht, um zu demonstrieren, dass Models in Werbeinseraten schlanker werden (Garner, Garfinkel, Schwartz & Thompson, 1980; Seid, 1989; Silverstein, Perdue, Peterson & Kelley, 1986; Wolf, 1991) sind ebenfalls unzweckmäßig, und zwar aus drei Gründen: Zunächst sind auch diese Studien keinesfalls aktuell und können somit keinen Trend in den letzten Jahren belegen. Zum Zweiten untersuchen die Studien nicht Models in Werbeinseraten (allenfalls erfassen Silverstein, Perdue, Peterson & Kelley, 1986, in ihrer Analyse der Zeitschriften unter anderem Werbung, wobei sie diese nicht von redaktionellen Inhalten unterscheiden; s. u.). Zum Dritten gelingt es nicht allen der aufgeführten Autoren, eine solche Entwicklung valide nachzuweisen, oder sie versuchen dies erst gar nicht. Dem Fehler, diese spezifische Entwicklung anzunehmen, sitzt aber nicht nur Petersen auf. Schemers (2007, S. 58) Aussage, dass im Laufe der Zeit "mediale Schönheitsideale zunehmend schlanker geworden" seien, stützt er zwar auf eine aktuellere Studie (Katzmarzyk & Davis, 2001), doch gelingt den zitierten Autoren gerade nicht der Nachweis, dass die untersuchten Medienpersonen dünner wurden. Ohnehin sind Aussagekraft und Generalisierbarkeit der Studie zu diskutieren (s. u.), doch das Ergebnis bezüglich der Entwicklung ist unverkennbar: "there were no trends in either the BMI or WHR over the last 20 y[ears]". So ist die Behauptung Schemers, dass Medienakteure im Laufe der Zeit dünner geworden seien, zumindest mit diesem Literaturverweis keinesfalls belegt. Das folgende Kapitel stellt exemplarisch verschiedene Untersuchungen vor, um zu ermitteln, ob es eine Entwicklung hin zu schlankeren Werbemodels gibt. Da zu diesem spezifischen Thema bislang kaum geforscht wurde, greifen wir bei der Literaturdurchsicht allgemein auf Studien zurück, die einem solchen Trend bei weib-
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lichen Medienakteuren nachgehen. Am Ende des Kapitels werden Stichproben und Erhebungsinstrumente analysiert und diskutiert. Analysen von in Zeitschriften abgebildeten Frauen Die oben angeführte Untersuchung von Katzmarzyk und Davis (2001) ist in ihrer methodischen Umsetzung simpel und einfallsreich1: Sie analysieren für einen Zeitraum von 20 Jahren (1978-1998) verschiedene Daten (Alter, Größe, Gewicht und Maße) von 240 Models, die in der Heftmitte des Playboys abgebildet waren2. Daraus berechnen sie den jeweiligen Body-Mass-Index (BMI: Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch die quadrierte Größe in Metern) und das Verhältnis der Taille zur Hüfte (engl.: Waist-to-Hip-Ratio, WHR: Quotient aus Taillen- und Hüftumfang). 77.5 Prozent der abgebildeten Frauen waren mindestens 15 Prozent unter ihrem Normalgewicht. Die Models hatten einen durchschnittlichen BMI von 18.1, wobei eine Person (unabhängig ob Mann oder Frau) mit einem Index zwischen 17.00 und 18.49 (welchen über 70% der untersuchten Playmates hatten) nach Maßstäben der WHO als leicht untergewichtig gilt (vgl. WHO, 2007). Auch andere Autoren zeigen, dass Playmates leicht untergewichtig sind bzw. weniger wiegen als – in Alter und Größe vergleichbare – durchschnittliche Frauen (z. B. Garner, Garfinkel, Schwartz & Thompson, 1980, S. 484; Wiseman, Gray, Mosimann & Ahrens, 1992, S. 87). Fraglich ist jedoch, ob die Untersuchungen einen Trend hin zu dünneren Models in den letzten Jahren oder Jahrzehnten finden. Garner, Garfinkel, Schwartz & Thompson (1980) belegen einen signifikanten Gewichtsrückgang der Models von 1959 bis 1978. Die Berechnung, die die Autoren vornehmen, ist umständlich: Anstatt den durchschnittlichen BMI der Models für jedes Jahr zu berechnen, setzen sie das Gewicht der Models in Beziehung zum Durchschnittsgewicht einer vergleichbaren Bevölkerungsgruppe (Frauen des gleichen Alters und der gleichen Größe) aus dem Jahr 1959 und messen so für jedes Untersuchungsjahr, inwieweit sich Hier ist anzumerken, dass die beiden Autoren nicht die "Erfinder" dieser Messmethode waren, sondern viele andere Forscher sich bereits ähnlicher Messungen bedienten (z. B. Garner, Garfinkel, Schwartz & Thompson, 1980; Wiseman, Gray, Mosimann & Ahrens, 1992).
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Alter, Größe, Gewicht und Maße der in der Heftmitte abgedruckten Models werden im Playboy stets auf den sog. "playmate datasheets" veröffentlicht.
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das Gewicht der Playmates vom Durchschnittsgewicht unterscheidet. Die Tatsache, dass die Bevölkerungsgruppe, mit der die Models verglichen wurde, im Untersuchungszeitraum um ca. 2.5 Kilo zunahm (vgl. S. 488), spielt dabei keine Rolle, da die Vergleiche stets den Wert von 1959 heranziehen. Die Autoren stellen einen Gewichtsrückgang von 91 Prozent im Jahr 1959 auf 84 Prozent im Jahr 1978 relativ zur Bevölkerung fest, wobei die Models durchschnittlich sogar größer wurden. Allerdings stellen gerade diese Werte extreme Ausreißer dar: Hätten die Autoren ein Jahr später mit ihrer Analyse begonnen und diese ein Jahr früher beendet, hätten Ausgangs- und der Endwert beide Male um die 90 Prozent gelegen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass man über den gesamten Untersuchungszeitraum einen signifikanten Trend hin zu schlankeren Playmates beobachten kann. Mazur (1986) meint, die Analyse von Garner, Garfinkel, Schwartz und Thompson (1980) um weitere fünf Jahre (1979-1983) ergänzen zu können; sein Ergebnis, dass es eine signifikante Gewichtsabnahme von 52.5 kg auf 50.6 kg gab (Mazur, 1986, S. 295), ist aber unbrauchbar, da er das Durchschnittsgewicht von Garner, Garfinkel, Schwartz und Thompson (1980) aus den 20 Untersuchungsjahren nimmt und mit seinem Fünfjahreszeitraum vergleicht. So ist vollkommen unklar, ob es ab 1978 einen weiteren Trend gab. Ein Blick in die Grafik, die Mazur (1986, S. 291) beifügt, zeigt überdies, dass sich in diesen fünf Jahren weder Größe noch Gewicht der Models veränderten – der Autor reproduziert lediglich das Ergebnis von Garner, Garfinkel, Schwartz & Thompson (1980), ohne eine neue, weitergehende Entwicklung aufzudecken. Während man demnach bis 1978 einen Trend hin zu schlankeren Playmates erkennen kann, finden Wiseman, Gray, Mosimann und Ahrens (1992) von 1978 bis 1988 keine Verringerung des BMI, und auch Katzmarzyk und Davis (2001) bestätigen dieses Ergebnis: Sie stellen zwischen 1978 und 1998 ebenfalls keine Entwicklung hin zu dünneren Models fest und finden keine Korrelation zwischen Erscheinungsdatum und BMI. Spitzer (1999), der die Daten von Playmates von 1977-1997 analysiert3, und Sypeck, Gray, Etu, Ahrens, Mosimann und Wiseman (2006), die in ihrer Analyse den Zeitraum von 1979 bis 1999 auswerten, entdecken keine signifikante Änderung des BMI, auch wenn die Autoren betonen, dass die abgebildeten Models (weiterhin) sehr schlank sind. Eine andere Studie, die die Spitzer berechnet die durchschnittlichen BMIs für vier Zeiträume, und man erkennt, auch ohne dies nachrechnen zu müssen, dass es keinen Trend hin zu dünneren Playmates gibt. BMI von 1977-1982: 18.12; BMI von 1983-1988: 17.91; BMI von 1989-1994: 18.40; BMI von 1995-1997: 18.03.
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Daten von Playmates auswertet, stammt von Freese und Meland (2002), die zwar die ausführlichste Datensammlung vornehmen (von 1953-2001), jedoch nur die WHR der Models bestimmen, weshalb man keine Aussagen darüber treffen kann, ob die Models tatsächlich dünner wurden (s. u.). Nach Durchsicht der verschiedenen Studien erweist sich, dass Playmates vom Ende der 50er Jahre bis zum Ende der 70er Jahre schlanker wurden, wobei dies kein besonders intensiver, wohl aber signifikanter Trend ist. Seit Beginn der achtziger bis Ende der neunziger Jahre gab es keinen Trend hin zu dünneren Models im Playboy (Katzmarzyk & Davis, 2001; Spitzer, 1999; Wiseman, Gray, Mosimann & Ahrens, 1992). Die Playmates sind zwar sehr bzw. zu dünn (nach WHO-Standard; vgl. WHO, 2007), das gilt allerdings bereits seit Anfang der achtziger Jahre. Eine Studie von Silverstein, Perdue, Peterson und Kelley (1986) zeigt exemplarisch, vor welche Probleme Forscher gestellt werden, wenn sie versuchen, einmal nicht auf Daten des Playboy zurückzugreifen, sondern Körpermaße in anderen Printmedien messen möchten. Die Autoren legten das Lineal an die Fotos von Frauenkörpern, die in Vogue und im Ladies Home Journal von 1901 bis 1981 abgedruckt waren (vgl. dazu auch Silverstein, Peterson & Perdue, 1986). Sie bezogen nur Bilder von Frauen in Unterwäsche oder Badebekleidung in ihre Stichprobe mit ein, damit die Messung nicht durch weite Kleidung ungenau wird; zudem mussten die Abgebildeten eine bestimmte Körper-, Arm- und Beinhaltung vorweisen. Das Brust-TailleVerhältnis sank zunächst bis 1925, stieg daraufhin bis 1949 und fiel bis 1981 wieder ungefähr auf den Wert, der bereits 1925 vorlag. Die Autoren führen diese Messung in erster Linie mit dem Ziel durch, "to obtain a measure of changes in the standards of bodily attractiveness for women over time" (Silverstein, Perdue, Peterson & Kelley, 1986, S. 526). In ihrer Ergebnisdiskussion sprechen sie von einem Trend hin zu weniger kurvenreichen Frauen ("more noncurvaceous"; S. 531), den sie – unter den oben angeführten Einschränkungen – auch nachgewiesen haben. Doch folgern Silverstein, Perdue, Peterson und Kelley (1986, S. 531) fälschlicherweise, dass die in den Magazinen abgebildeten Frauen dünner geworden seien, und einige Autoren (u. a. Petersen, 2005, S. 56; Signorielli, 1995, S. 154) folgen dieser irrigen Annahme. Dies ist aber keineswegs der Fall: Die Autoren haben zwar einen interessanten Trend aufgedeckt und konnten Veränderungen von Attraktivitätsstandards präsentieren, doch geben die Messungen keine Auskunft darüber, dass Frauen dünner geworden sind (vgl. Kapitel 2.5). Da die Forscher
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nicht zwischen Werbemodels und sonstigen in den Zeitschriften abgebildeten Frauen differenzieren, lassen sich noch nicht einmal präzise Aussagen über veränderte Attraktivitätsstandards von Models treffen. Analysen weiblicher Fernsehakteure Ebenso gibt es keine Untersuchungen darüber, ob Models, die in der Fernsehwerbung auftreten, im Laufe der Zeit schlanker wurden; auch Studien, die eine solche Entwicklung allgemein bei weiblichen Fernsehakteuren überprüfen möchten, sind rar. Silverstein, Perdue, Peterson und Kelley (1986, S. 521ff.) lassen 206 männliche und weibliche TV-Akteure von fünf Codierern auf einer fünfstufigen4 Skala von dünn bis dick bewerten und deren Alter schätzen. Jede Person aus der Stichprobe wird von jeweils zwei Codierern beurteilt; die Intercoderreliabilität liegt zwischen .71 und .96 – das sind überraschend gute Werte für die Codierung von Bildern; allerdings ist dies sicherlich auch der nur fünfstufigen Skala zu verdanken. Nach Altersgruppen aufgeteilt, erkennt man, dass weibliche TV-Akteure viel häufiger schlank sind als die männlichen. Da es sich hierbei um eine Querschnittsstudie handelt, ist keine Aussage darüber treffen, ob es einen Trend hin zu schlankeren Frauen im Fernsehen gibt. Eine Längsschnittuntersuchung führen Silverstein, Perdue, Peterson und Kelly (1986) hingegen bei bekannten Schauspielerinnen durch. Dafür stellten sie aus Umfragen, die von 1932 bis 1979 jährlich die Top 10 Stars der Schauspielbranche ermittelten, eine Stichprobe zusammen. Da diese Auflistung beide Geschlechter einschließt, überrascht es kaum, dass die Listen sehr viel mehr Männer enthalten als Frauen. Zudem schlossen die Forscher einige der gelisteten Schauspielerinnen aus anderen Gründen aus (z. B. weil sie zu jung waren oder keine brauchbaren Fotos zur Verfügung standen). Demzufolge enthält das Sample insgesamt nur 37 Frauen, was die Generalisierbarkeit der Ergebnisse sehr einschränkt. Aus der Messung des Verhältnisses von Brustumfang zur Taille (vgl. zur fraglichen Messung dieses Kennwertes die Diskussion in Kapitel 2.5) schließen sie wiederum, dass die Stars weniger kurvenreich und dünner wurden ("have become thinner in Über Fotos wurde im Vorfeld festgelegt, was unter den Begriffen "dick" bzw. "dünn" zu verstehen ist. Die Skala hatte zunächst nur vier Ausprägungen; allerdings führten die Autoren für besonders dicke Medienakteure noch zusätzlich eine fünfte Ausprägung ein.
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the past"; S. 531). Diese Schlussfolgerung aus einer Stichprobe von weniger als 37 Frauen5 zu ziehen, deren Brust-Taillen-Verhältnis gemessen und eigentlich relevante Kennwerte wie Größe, Gewicht, Fettanteil vollkommen vernachlässigt wurden, ist waghalsig und keinesfalls zufrieden stellend. Zwar gilt für das Fernsehen, dass die dort gezeigten Frauen weitaus jünger und attraktiver sind als die durchschnittliche Rezipientin (vgl. Velte, 1995, S. 187), und außerdem, dass im Fernsehen auftretende Frauen schlanker sind als ihre männlichen Kollegen (vgl. Weiderer, 1993, S. 107ff.); ob es allerdings einen Trend hin zu schlankeren Frauen im Fernsehen gibt, ist nach wie vor unklar. Sonstige Analysen Neben den Untersuchungen von in Zeitschriften abgebildeten und im Fernsehen auftretenden Frauen werten einige Forscher Daten von Miss-Wahlen aus. Garner, Garfinkel, Schwartz und Thompson (1980) sowie Wiseman, Gray, Mosimann und Ahrens (1992) finden einen signifikanten Gewichtsrückgang bei Miss-America-Kandidatinnen und -Gewinnerinnen von 1959 bis 1978 bzw. von 1979 bis 1988. Auch Spitzer (1999) zeigt, dass der BMI von 1953 bis 1988 kontinuierlich abnimmt. Allerdings ist ungewiss, ob sich durch solche Messungen die Frage, ob weibliche Medienakteure im Zeitverlauf schlanker wurden, valide beantworten lässt. Die Begründung, dass (zumindest nationale) Miss-Wahlen mediatisierte Ereignisse sind und im Fernsehen übertragen und die Kandidatinnen auch in Zeitschriften präsentiert werden, mag zwar auf den ersten Blick plausibel erscheinen, doch nehmen diese Ereignisse auf dem Bildschirm kaum Platz ein. Zudem enden auch diese Analysen Ende der achtziger Jahre, so dass man aktuelle Trends nicht aufdecken kann. Eine Messung ganz anderer Art nehmen Morris, Cooper und Cooper (1989) vor, die die Daten von neu eingestellten Models einer Londoner Modelagentur über einen Zeitraum von 20 Jahren (1967-1987) auswerten6. Da Zeitschriften die von der Agentur vertretenen Models regelmäßig abbilden 5
Vor dem Signifikanztest schlossen die Autoren noch alle Schauspielerinnen der dreißiger Jahre aus.
Weil die Agentur nicht alle Daten archiviert hatte, konnten die Forscher allerdings nur Daten aus acht Jahren nutzen (1967, 1970, 1973, 1981, 1983, 1985, 1987).
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und sie folglich in den Medien präsent sind, ist der Untersuchungsansatz geistreich und viel versprechend. Die Forscher weisen nach, dass im untersuchten Zeitraum die Models stetig größer werden, der Taillenumfang signifikant zunimmt und auch der Brustumfang wächst (wenngleich nicht signifikant). Beim Hüftumfang erkennen sie hingegen keinen Trend. Die Autoren lesen aus diesen Daten eine Entwicklung hin zu einem "röhrenförmigen" Körper, weil Brust- und Hüftumfang relativ zur Taille abnehmen (S. 596). Es ist unklar, warum die Autoren nicht das Gewicht der Models erheben. Da sie darüber keine Aussage treffen, weiß der Leser nicht, ob die Agentur keine Daten zur Verfügung stellte oder ob es die Autoren nicht interessierte. Eine Aussage, dass die Models schlanker geworden sind, kann mit diesen Daten wieder nicht getroffen werden. Tovée et al. (1997) erheben hingegen den BMI von so genannten Fashion- und Glamour-Models und vergleichen diesen mit den jeweiligen Indizes durchschnittlicher, magersüchtiger und bulimischer Frauen. Die Models sind nach WHO-Standard leicht untergewichtig, wobei sich deutlich zeigt, dass die Fashion-Models noch schlanker sind (BMI: 17.57) als die Glamour-Models (BMI: 18.09). Da sie allerdings nur zu einem Zeitpunkt messen, können sie eine mögliche Entwicklung des BMI nicht nachweisen. Kritik an den bisherigen Stichproben Es gibt also eine ganze Reihe von Studien, die sich mit den Körpermaßen von Playmates auseinandersetzen (z. B. Freese & Meland, 2002; Garner, Garfinkel, Schwartz & Thompson, 1980; Katzmarzyk & Davis, 2001; Mazur, 1986; Spitzer, 1999; Wiseman, Gray, Mosimann & Ahrens, 1992), und man fragt sich, warum das Männermagazin immer wieder herangezogen wird, wenn es gilt zu prüfen, ob Medienakteure dünner wurden. Der Playboy als Special-Interest-Magazin ist in keiner Weise repräsentativ für alle Zeitschriften, Printmedien oder gar alle Medien. Der Grund für die zahlreichen Inhaltsanalysen auf dieser Datenbasis liegt auch weniger in der Qualität oder der Auflage des Blattes, noch in den bevorzugten Lesegewohnheiten der Forscher, sondern darin, dass die Daten leicht verfügbar sind. Auf Basis des Magazins kann man eine Langzeitstudie über 50 Jahre durchführen und bekommt Gewicht, Größe und Maße der abgebildeten Frauen auf den "datasheets" mitgeliefert. Es ist freilich wenig sinnvoll, Daten einer Zeit-
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schrift zu entnehmen, deren Stammleserschaft Männer sind, wenn die Wirkungsforschung auf diesem Gebiet größtenteils Effekte auf Frauen, insbesondere junge Frauen, untersucht: Bei diesen ist die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper weiter verbreitet, und daher treten Essstörungen häufiger auf (vgl. Schemer, 2003, S. 524). Auf dieser Datenbasis Studien zu rechtfertigen, welche die Wirkung auf Frauen untersuchen, scheint sehr bedenklich. Daher ist es der weitaus bessere Weg, Schauspielerinnen oder in Modemagazinen abgebildete Frauen zu analysieren, wie Silverstein, Perdue, Peterson und Kelley (1986) dies tun. Doch helfen auch diese Studien wenig, wenn man herausfinden möchte, ob Models in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten schlanker wurden. Um generelle Aussagen über die Körperentwicklung in den Medien geben zu können, sollten verschiedene Mediengattungen berücksichtigt und der Fokus nicht vorrangig auf Magazine gerichtet werden. Ein weiteres Desiderat bisheriger Stichproben ist die Fokussierung auf US-amerikanische Medien. Für den deutschsprachigen Raum liegen keine verlässlichen Daten vor. Das Argument, dass die Frauen, die in US-Zeitschriften abgedruckt werden, doch die gleichen oder denen in Deutschland zumindest sehr ähnlich seien, kann nicht gelten – ebenso reicht hier keine Alltagsbeobachtung. Methodische Probleme bei der "Vermessung" von Medienakteuren Die oben präsentierten Studien zeigen exemplarisch, wie einfallsreich Forscher sein können und müssen, wenn es darum geht, Körpermaße von Medienakteuren im Zeitverlauf zu messen. Welche Indikatoren eignen sich aber, um einen Trend hin zu schlankeren Models nachzuweisen? Das Gewicht als alleinigen Indikator zu nehmen, ist unzulässig, da eine Entwicklung hin zu leichteren Models nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass diese dünner geworden sind. Das Gewicht ist zumindest in Relation zur Körpergröße der Medienakteure setzen. Der Body-Mass-Index ist ein recht brauchbarer Kennwert, den man allerdings nur ermitteln kann, wenn Größe und Gewicht der jeweiligen Person zur Verfügung stehen. Doch sagt dieser Index nichts über den gesundheitlichen Zustand des Körpers aus. Eine muskulöse Person könnte nach diesem Index durchaus als übergewichtig eingestuft werden, ein Bodybuilder sogar als fettleibig, obwohl dieser in Wirklichkeit kaum Fett am Körper hat. Die Grenzen des BMI wurden ziemlich willkür-
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lich durch die WHO festgesetzt, die Einstufung berücksichtigt weder Körperbau noch Alter noch Geschlecht (vgl. Donner, 2005). Genau genommen, müsste ergänzend auch der Körperfettanteil der Person bestimmt werden, doch diesen findet man weder im Playboy noch auf Setcards von Models, und die Teilnehmerinnen von Miss-Wahlen veröffentlichen ihren Körperfettanteil gleichfalls nicht. Ob eine Messung des WHR tatsächlich eine Aussage darüber trifft, ob Frauen schlanker oder dicker werden, halten wir für äußerst bedenklich. Dies liegt zunächst an der Logik des Index, der ja ein Verhältnis abbildet: Eine Frau mit ausladender Hüfte und normaler Taille würde den gleichen Wert erreichen wie eine Frau mit normaler Hüfte und enger Taille. Das Taille-Hüft-Verhältnis trifft eine Aussage über die Körperfettverteilung (so wird insbesondere zwischen der androiden und der gynoiden Fettverteilung differenziert) und ist ein wichtiger Wert, um einen (Teil-)Aspekt der Attraktivität im Ansatz zu messen. Wie wenig aussagekräftig die WHR bei der Beantwortung der Frage ist, ob die abgebildeten Frauen dünner oder dicker wurden, zeigt sich, wenn man bedenkt, dass die WHR von durchschnittlichen Frauen (0.74) der von magersüchtigen (0.77) viel ähnlicher ist, als der von Fashion-Models (0.71) oder Glamour-Models (0.69) (vgl. Tovée, Mason, Emery, McCluskey & Cohen-Tovée, 1997, S. 1475). Die WHR steht in keiner bestimmten Relation zum BMI, daher haben magersüchtige Frauen, deren BMI durchschnittlich bei bedrohlichen 14.72 liegt, eine WHR, die der einer durchschnittlichen Frau (mit einem BMI von 21.86) recht nahe kommt. Dabei ist eine Messung dieses Wertes keineswegs per se unsinnig: Neben dem BMI ist die WHR ein Schlüsselindikator, um die körperliche Attraktivität einer Frau zu bestimmen: Mit ihm kann der Wandel kultureller Vorstellungen von Schönheit dargestellt, das Ideal einer bestimmten Epoche beschrieben werden. Doch einen eindeutigen Wandel der Schönheitsvorstellung in eine bestimmte Richtung scheint es bei den angeführten Studien nicht zu geben, wenn man bedenkt, dass man bei Playmates ein steigendes und bei den Miss-America-Teilnehmerinnen im gleichen Zeitraum ein abnehmendes Taille-Hüft-Verhältnis findet (vgl. Freese & Meland, 2002; Garner, Garfinkel, Schwartz & Thompson, 1980). Für das Brust-Hüft-Verhältnis gelten dieselben gerade angeführten Einschränkungen; dessen Messung mit einem Lineal erachten wir indessen für sogar noch problematischer, weil man den Brustumfang auf zweidimensionalen Bildern nicht valide bestimmen kann. Ob eine von vorne abgebildete
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Frau große oder kleine Brüste hat, lässt sich nicht mit einem Lineal messen. Das ernüchternde Fazit lautet daher, dass Taillen-Hüft- und Brust-TaillenUmfang zwar Veränderungen in Attraktivitätsstandards ausdrücken können; Aussagen darüber, wie schlank Frauen tatsächlich sind, lassen sich mit diesen Indices aber nicht treffen, zumal in den Fällen, in denen die Messung in äußerst bedenklich erscheinender Weise mit dem Lineal vorgenommen wird. Verschiedene Studien präsentieren jedoch Möglichkeiten, die man in Zukunft weiterentwickeln sollte. Morris, Cooper und Cooper (1989) zeigen durch die Auswertung von Model-Setcards, wie man den BMI auch im Zeitverlauf unkompliziert berechnen könnte. Dass die Autoren diese Chance nicht wahrnehmen, ist unglücklich – dies bietet Raum für weitere Studien. Da Tovée et al. (1997) bereits die BMIs von Fashion- und Glamourmodels aus dem Jahr 1997 ermittelt haben, wäre es unkompliziert, Setcards der gleichen Agentur zehn Jahre später zu sammeln und zu ermitteln, ob signifikante Unterschiede existieren. Auch das Vorgehen von Silverstein, Perdue, Peterson und Kelley (1986, S. 521ff.), die die Figuren von Fernsehakteuren von mehreren Codierern auf einer fünfstufigen Skala schätzen lassen, wirkt viel versprechend. Die guten Intercoderreliabilitätswerte weisen daraufhin, dass es durchaus möglich ist, Medienakteure auf Rating-Skalen beurteilen zu lassen. 3
Fazit
Die öffentliche Sorge um mögliche schädliche Wirkungen der Darstellung (zu) schlanker Werbemodels ist durchaus berechtigt. Die Ergebnisse bisheriger Wirkungsstudien legen nahe, dass für bestimmte Rezipientinnen und Rezipienten unter bestimmten Umständen bestimmte Wirkungen eintreten können. Dies ist zusammengefasst so vage, wie es für das gegenwärtig derart unstrukturierte Arbeitsfeld kommunikationswissenschaftlicher Wirkungsforschung zu so genannten Magermodels präzise ist. So können aufgrund teils widersprüchlicher, teils differenzieller Effekte die Befürchtungen denn auch nicht mit einfacher Klarheit bestätigt oder entkräftet werden. Das an sich ist zunächst alles andere als schlimm, trägt es doch vielmehr zu einer feingliedrigen Deskriptionsleistung bei. Problematisch ist jedoch, dass die einzelnen Erkenntnisse aufgrund theoretischer Scheuklappen und studienübergreifend
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mangelnder methodischer Stringenz noch zu unverbunden nebeneinander stehen. Gleiches gilt in ähnlicher Weise für die Studien, die zum Teil unkritisch verwendet einen möglicherweise fehlleitenden Ausgangspunkt für Wirkungsanalysen darstellen. So ist die Behauptung, dass weibliche Medienakteure im Zeitverlauf zunehmend schlanker geworden seien, keineswegs ausreichend bewiesen, obwohl Studien existieren, die einen Gewichtsrückgang zeigen. Garner, Garfinkel, Schwartz & Thompson (1980) erkennen, dass Playmates von 1959 bis 1978 schlanker geworden sind. Auch Teilnehmerinnen von Miss-Wahlen wurden im Zeitverlauf schlanker (vgl. auch Spitzer, 1999; Wiseman, Gray, Mosimann und Ahrens, 1992), doch sagt dies nur bedingt etwas darüber aus, ob weibliche Medienakteure allgemein oder speziell Werbemodels dünner wurden. Die verschiedenen Analysen des Playboys legen nahe, dass wohl Deckeneffekte eingetreten sind und sich das Gewicht der Playmates seit Beginn der 80er Jahre kaum noch ändert. Dass die Medien bestimmte Schönheitsideale verbreiten und dadurch auch Attraktivitätsstandards mitbestimmen, scheint evident. Zahlreiche Analysen zeigen, dass die in den Medien dargestellten Frauen schlank bzw. zu schlank sind (vgl. z. B. Katzmarzyk & Davis, 2001; Wiseman, Gray, Mosimann & Ahrens, 1992), ein Ergebnis, das man auch bei Models findet (vgl. Tovée, Mason, Emery, McCluskey & Cohen-Tovée, 1997). Aufgrund der Stichproben sind die Untersuchungen in ihrer Aussagekraft allerdings stark begrenzt. Weiterhin ist unklar, ob Models (oder Medienakteure im Allgemeinen) in den letzten Jahren tatsächlich dünner wurden, oder ob es sich hierbei um eine Alltagsbeobachtung handelt, die implizit vielen Studien zu Grunde liegt und teilweise explizit und unreflektiert wissenschaftlichen Arbeiten vorangestellt wird. Auch wenn einige Forscher meinen, es sei plausibel, dass Models in der Werbung immer dünner werden, ist ein Nachweis dafür sehr schwer zu erbringen. Die Auswahl der oben angeführten Studien zeigt die Schwierigkeit, eine aus einer Alltagsbeobachtung abgeleitete oder durch Berichterstattung provozierte Annahme ("weibliche Medienakteure werden immer schlanker") durch inhaltsanalytische Untersuchungen zu bestätigen. Die Möglichkeiten der Inhaltsanalyse stoßen hier zumindest teilweise an ihre Grenzen. Die einfachsten Wege, wie Berechnungen der Maße von Playmates oder das Anlegen eines Lineals an in Zeitschriften abgebildete Medienakteure, sind hingegen nicht geeignet, um die Frage zu beantworten.
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Werbeschönheiten als Vorbild – Beeinflussen die Werbebilder die eigene Körperwahrnehmung von Frauen? Maria-Lena Gläßel
"Kein Wunder, dass unsere Auffassung von Schönheit verzerrt ist." (Evolution, 2007) Dies ist die Übersetzung des Slogans eines Aufklärungsspots über die Entstehung von Werbebildern. Ist das so? Und wenn ja, inwieweit werden Rezipientinnen von der verzerrten Schönheit auf Werbebildern beeinflusst? Tatsächlich ist derzeit eine gesellschaftliche Fokussierung des Themas "weibliche Schönheit" zu beobachten. Hierbei rückt die Rolle der Medien als Hauptlieferant relevanter Informationen zur Bildung der öffentlichen Meinung und Sozialisation in den Mittelpunkt des Interesses. Die in den Massenmedien dargestellten Frauen zeichnen sich hauptsächlich durch ihre Schönheit aus. Durch die unablässige Konfrontation mit diesen Vorbildern werden deren Eigenschaften von den Rezipienten verinnerlicht und als eigene Idealvorstellungen akzeptiert (vgl. Deuser, Gläser & Köppe, 1995, S. 82). Für immer mehr Menschen wächst durch diesen medial propagierten Körperkult die Relevanz der eigenen Schönheit zu einem zentralen Lebensinhalt heran (vgl. Bauernfeind, Fauster & Lang, 2002, S. 83). Dabei spielen die visuellen Medien eine herausragende Rolle, deren Bilder mehr als Worte Einfluss auf gesellschaftliche Ansichten und Überzeugungen nehmen (vgl. Kroeber-Riel & Esch, 2001, S. 177). Die Omnipräsenz der Medienbilder stellt ein zentrales Kriterium des heutigen gesellschaftlichen Alltags dar (vgl. Schäfer, 2003, S. 6). Die Bildmenge steigt stetig an, jedoch entwickelt sich im Gegensatz hierzu die Qualifikation der Rezipienten im Umgang mit Bildern nicht im gleichen Maße weiter (vgl. Doelker, 1999, S. 11). Dies findet seine Begründung im visuellen Wahrnehmungssystem der Menschen. Der Konsum bildlicher Kommunikationsinhalte setzt "keine über das alltägliche Kommunikationsverhalten hinausgehende Fähigkeiten" (Hunziker, 1996, S. 6) der Rezipienten voraus. Die
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0_12, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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hohe Geschwindigkeit der Informationsübermittlung, die emotionalisierende Kraft (vgl. Moser, 2002, S. 158) und die durch Passivität und Beiläufigkeit gekennzeichnete Rezeptionssituation von Bildern (vgl. Hunziker, 1996, S. 6f.) führt dazu, dass Menschen deren suggestiven Einflüssen unterliegen (vgl. Reiche, 2003, S. 10). Diese Tatsache macht sich die Werbewirtschaft effektiv zu Nutze. In der Werbung wird die Beeinflussung potentieller Konsumenten vornehmlich durch die eindruckvolle Inszenierung der Warenästhetik erzielt (vgl. Hunziker, 1996, S. 68), was diese durch den verstärkten Einsatz hauptsächlich weiblicher Modelle auf Werbebildern, die das heutige Schönheitsideal repräsentieren, realisiert (vgl. Moser, 1997, S. 118). "Frauen sind dem gesellschaftlichen Schönheits- und Schlankheitsideal mehr unterworfen als Männer." (Experteninterview 1)1 Das weibliche Schönheitsideal wurde im Laufe der Emanzipation und Gleichstellung der Frau zunehmend schlanker (vgl. Sanford & Donovan, 1994, S. 345), so dass auf Werbebildern weibliche Models immer dünner und jünger abgebildet sind. Dabei ist die Darstellung idealer Frauenkörper absolut unabhängig von dem beworbenen Produkt. Werbeschönheiten scheinen für den Werbeerfolg heute unentbehrlich zu sein. Auf Werbebildern ist die Verknüpfung der äußeren Schönheit mit inneren Werten (vgl. Posch, 1999, S. 109) ein wichtiges Gestaltungselement. "Es soll gezeigt werden, wie attraktiv, schön, beliebt etc. eine Person ist, wenn sie das Produkt trägt, gebraucht, besitzt usw." (Moser, 1997, S. 119) In der heutigen Gesellschaft sind sich Frauen der Tatsache bewusst, dass ihr äußeres Erscheinungsbild ihren sozialen Wert mitbestimmt (vgl. Deuser, Gläser & Köppe, 1995, S. 103). Dies ist auf den Halo-Effekt zurückzuführen, der besonders in der Werbung zur Erschaffung stereotyper Vorstellungen bei den Rezipienten eingesetzt wird (vgl. Ebner, Gathmann & Wiedermann, 2002, S. 203) und zum Beispiel besagt, dass schöne Menschen prinzipiell als sympathischer erscheinen als Menschen mit einem weniger attraktiven Erscheinungsbild (vgl. Waschina, 2002, S. 115). Werbeschönheit dient dem Betrachter dabei als Vorbild (vgl. Experteninterview 1). Daher zeigt Werbung nicht nur auf, wie man selbst zu der erträumten Schönheit gelangt, zum Beispiel im Falle von Kosmetikartikeln, sondern verspricht zudem noch soziale Vorteile eines schönen weiblichen Körpers. Dieser scheint zum Bestehen in der heutigen Gesellschaft unabdingbar. So werden Frauen täglich auf die Mängel des eigenen Körpers hinFrau H. ist auf Essstörungen spezialisierte Sozialpädagogin und wurde im Rahmen dieser Arbeit als Expertin interviewt.
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gewiesen, die aber durch die werblich angepriesenen Lösungsverfahren angeblich leicht zu beheben sind (vgl. Posch, 1999, S. 115). In Bezug auf den eigenen Körper erscheint heute alles möglich. Das Aussehen ist nicht mehr naturgegeben, sondern optional gestaltbar. Der Wunsch nach einem schöneren Körper zeigt sich neben alltäglichen verschönernden Maßnahmen, wie Kosmetik, Kleidung, Sport oder Diäten, auch in extremeren Ausprägungen wie Schönheitsoperationen, deren Nachfrage trotz der teils erheblichen gesundheitlichen Risiken in den letzten Jahren enorm stieg (vgl. Experteninterview 2)2. Auch die Zahl der an Essstörungen erkrankten Frauen stieg in den letzen Jahren kontinuierlich an (vgl. Experteninterview 1). Aus der Ansicht heraus, den eigenen Körper frei gestalten zu können, kann ein instrumentelles Verhältnis zum eigenen Körper entstehen, das den Frauen die volle Verantwortung für ihr eigenes äußeres Erscheinungsbild überträgt, die sich auch auf eigentlich unabänderliche und genetische bedingte Aspekte, wie zum Beispiel den Körperbau oder die Form einer Nase, bezieht. Folglich wird der Eindruck erweckt, dass Frauen, die nicht wie das Ideal anmuten, dies selbst verschuldet haben, obwohl auch ein Schönheitschirurg "aus einer Frau Meier keine Claudia Schiffer machen" (Experteninterview 2) kann. Dennoch können Werbebilder durch diese permanenten indirekten Schuldzuweisungen Frauen unter enormen Druck setzen (vgl. Experteninterview 1). Es ist aber unbedingt erforderlich, sich der Tatsache bewusst zu werden, dass Werbung kaum realistische Optionen bietet. Sie kommuniziert positive Botschaften und bildet meist nur das Perfekte ab. Für die Darstellung weiblicher Schönheitsideale auf Werbebildern werden nur Frauen herangezogen, die den teilweise ungesunden Idealvorstellungen von Schlankheit und Makellosigkeit weitestgehend entsprechen (vgl. Experteninterview 3)3. Nur ca. fünf Prozent aller Frauen weisen hierfür überhaupt die biologischen Voraussetzungen auf (vgl. Deuser, Gläser & Köppe, 1995, S. 38). Zusätzlich führt "die kontinuierliche Verbesserung des bereits Optimalen" (Zurstiege, 2002, S. 132) in der Werbung dazu, dass die abgebildeten Frauen durch nachträgliche Bildbearbeitung nochmals perfektioniert werden. Da Bilder von schönen Menschen auf Betrachter stark emotionalisierend wirken, kann die Ansprache von Rezipienten mit manipuHerr Dr. med. K. ist Facharzt für Chirurgie, plastische und ästhetische Chirurgie und wurde im Rahmen dieser Arbeit als Experte interviewt.
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Herr F. ist Werbefotograf und Herr P. arbeitet im Marketing. Beide wurden im Rahmen dieser Arbeit als Experten interviewt.
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lierten Bildern effektiver erfolgen (vgl. Experteninterview 3). Aus diesem Grund wird alles, was nicht hundertprozentig perfekt erscheint, nachträglich durch digitale Retusche egalisiert. Die auf Werbebildern dargestellten Frauen existieren daher in der Realität nicht (vgl. Experteninterview 3) und "es ist anschließend eigentlich nicht mehr der Mensch, der fotografiert wurde, sondern eine Schaufensterpuppe" (Experteninterview 3). Dies bedeutet, dass Frauen der heutigen Gesellschaft täglich mit einer "Invasion schöner Menschen" (Posch, 1999, S. 101) konfrontiert sind, die ein weibliches Schönheitsideal propagiert, das nicht nur ungesund ist, sondern auch absolut unerreichbar. Die Manipulation der Schönheitsideale erweist sich als Bedrohung für Rezipientinnen, da durch die unrealistische Überzeichnung weiblicher Schönheit die Entstehung einer realistischen Einschätzung des eigenen Körpers der Frau verhindert wird (vgl. Experteninterview 1). Die Verbreitung solcher Leitbilder wird erst durch die Tatsache problematisch und gesellschaftlich relevant, dass sich die Rezipientinnen mit den dargestellten Werbeschönheiten vergleichen. Werbemacher nutzen dies, um in der Rezeptionssituation auf die von den Frauen als unangenehm erlebten Mängel des eigenen Körpers mit einer Lösungsmöglichkeit zu reagieren (vgl. Harrison, Taylor & Marske, 2006, S. 511). Dabei stellt der soziale Vergleich ein allgegenwärtiges soziales Phänomen dar (vgl. Buunk & Gibbons, 2006, S. 28). Menschen vergleichen sich mit anderen, um eigene Fähigkeiten, Eigenschaften oder auch das äußere Erscheinungsbild einschätzen zu können (vgl. Mussweiler, Rüter & Epstude, 2006, S. 33) und aus dem Wunsch heraus bestimmten Gruppen, wie zum Beispiel der Gruppe der schönen Frauen oder auch der Gesellschaft als solche, anzugehören. Unrealistische Schönheitsideale stellen dabei ein unerreichbares und somit ungleich besseres Vergleichsobjekt dar. Diese dienen Frauen nicht nur zu einem direkten Vergleich, vielmehr sind sie für jeden sozialen Vergleich bzgl. der weiblichen Schönheit von größter Bedeutung, da auch bei der Einschätzung anderer die verglichenen Ausprägungen an einem relevanten Standard gemessen werden (vgl. Mussweiler, Rüter & Epstude, 2006, S. 36). So sind die weiblichen Schönheitsideale selbst bei Vergleichen unter Frauen aus dem Alltag gegenwärtig. Besonders in Vergleichssituationen ist das negative Beeinflussungspotential von weiblichen Schönheitsidealen auf Werbebildern besonders hoch, da hierbei unmittelbar die Tatsache ins Bewusstsein gerückt wird, dass der eigene Körper dem dargestellten Ideal nur in den seltensten Fällen entspricht (vgl. Experteninterview 1). Aus einem solchen Vergleich mit Überle-
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genen können positive Emotionen wie Optimismus, Bewunderung oder Inspiration resultieren, wenn der wahrgenommene Unterschied als leicht zu beheben empfunden wird. Scheint der Unterschied zum Ideal jedoch permanent zu sein, können Emotionen wie Ärger, Neid, Niedergeschlagenheit oder Scham entstehen (vgl. Smith, 2000, S. 176). Es liegt die Vermutung nahe, dass sich die Folgen des sozialen Vergleichs auch auf die wahrgenommene Schönheit des eigenen Körpers von Frauen auswirken (Posch, 1999, S. 100). Zudem waren alle interviewten Experten der Überzeugung, dass weibliche Schönheitsideale auf Werbebildern die eigene Körperwahrnehmung von Frauen beeinflussen. Forschungsfrage und methodisches Vorgehen Die enorme gesellschaftliche Bedeutung der Werbung, deren Fokus auf weiblicher Schönheit und das Beeinflussungspotential von Werbebildern lassen Bedenken hinsichtlich der von Frauen erlebten Folgen der Rezeption dieser Ideale Bedenken aufkommen. Daher ist es wichtig, der Frage nachzugehen, inwieweit die über Werbebilder kommunizierten weiblichen Schönheitsideale die eigene Körperwahrnehmung von Frauen beeinflussen. Dieser Beitrag behandelt daher Einflüsse von Werbebildern, welche die Frauen und deren Körpererleben unmittelbar berühren. In Bezug auf den Einfluss der weiblichen Schönheitsideale auf die eigene Körperwahrnehmung von Frauen werden vier zentrale Fragen definiert. Erstens galt es zu erforschen, inwieweit Frauen das über Werbebilder kommunizierte weibliche Schönheitsideal internalisieren. Die Relevanz dieses Aspekts liegt in der Tatsache begründet, dass verinnerlichte Ideale bei der Entstehung und Veränderung des eigenen Körperbildes von zentraler Bedeutung sind (vgl. Myers & Biocca, 1992, S. 116f.). Weiteres Ziel war herauszufinden, inwieweit Frauen selbst diesem Schönheitsideal entsprechen wollen, da es sich um ein für die Durchschnittsfrau unerreichbares Ideal handelt. Zudem war zu untersuchen, wie die Selbstwahrnehmung von Frauen in der Rezeptionssituation von Werbeidealen ausfällt, mit welchen sich die Rezipientinnen identifizieren und welche sie als Vorbild heranziehen. Hierfür war der direkte Vergleich zwischen den dargestellten Frauen und den Rezipientinnen erforderlich. Schließlich ging die Studie der Frage nach, inwieweit in der unmittelbaren Rezeptionssituation durch den sozialen Ver-
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gleich mit weiblichen Schönheitsidealen auf Werbebildern Emotionen evoziert werden, die für den Körper der Rezipientinnen von direkter Bedeutung sind, vor allem dann, wenn sie sich wie beispielsweise Neid auch auf das eigene Aussehen beziehen. Schließlich war die Untersuchung der Rolle, welche die Bildmanipulation von Werbebildern für die Frauen spielt, von Interesse. Diese perfektioniert die dargestellten Schönheitsideale nochmals und konfrontiert so Frauen mit Idealen, die im Computer entstanden und in dieser Form nicht real sind. Deshalb war zu prüfen, inwieweit ein Bewusstsein über solche Manipulationstechniken vorhanden ist, welche Einstellungen Frauen dazu haben und ob dieses Wissen für sie etwas verändert. Zur Untersuchung der genannten Forschungsfrage eignen sich qualitative Verfahren. Die Rezeption von Werbebildern und besonders deren Folgen für das eigene Körpererleben sind durch die individuelle Sinngebung des jeweiligen Rezipienten ein subjektiver Prozess, der in die alltägliche Lebenswelt der Rezipienten integriert ist (vgl. Theunert, 1994, S. 393). Jeder Mensch weist daher individuelle Deutungsmuster auf, welche mittels standardisierter Methoden nicht adäquat zu erfassen und auszuwerten sind. Zudem ist hier das äußerst heikle Thema der eigenen Körperwahrnehmung von Frauen berührt. Aufgrund der heutigen Relevanz von weiblicher Schönheit stehen Frauen unter einem enormen Anpassungsdruck. Im Rahmen der Studie werden Frauen aufgefordert, "einen tiefen Blick in die Intimsphäre zu gewähren, bzw. […] Material zugänglich zu machen, das als schmerzhaft empfunden wird" (Cropley, 2002, S. 56). Die eigene Körperwahrnehmung ist für Frauen ein sehr intimes Thema, so dass die qualitativen Verfahren inhärente Einzelfallbezogenheit (vgl. Brüsemeister, 2000, S. 55) von großem Vorteil war. Sie ermöglichte das erforderliche Einfühlen in die Untersuchungssituation und interessierende Person (vgl. Lamnek, 1995, S. 40). Das problemzentrierte Einzelinterview stellte die geeignetste Methode zur Bearbeitung der Forschungsfrage dar. Die Problemzentrierung bezog sich auf zwei Aspekte. Zum einen betraf der Untersuchungsgegenstand ein gesellschaftliches Problemfeld nämlich die sich stetig intensivierende Spirale des propagierten Körperkultes und der damit einher gehenden unrealistischen und unerreichbaren weiblichen Schönheitsideale. Zum anderen galt es, die Schwierigkeiten, mit welchen die Frauen konfrontiert werden, im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Problemstellung zu erforschen Die Problemzentrierung ermöglichte die Erfassung komplexer Handlungs- und Bewertungsmuster, indem die individuellen Ansichten und Relevanzstrukturen der
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unmittelbar betroffenen Frauen erhoben wurden. Durch die Realisierung des Prinzips der Explikation erhielten die Probandinnen die Möglichkeit, ihre eigene Perspektive zu vermitteln. Dies wurde durch einen neutralen bis weichen sowie weitgehend flexiblen Interviewstil und eine angenehme Gesprächsatmosphäre unterstützt, der sich die Frauen ernst genommen fühlen ließ und ihnen keine Implikationen über erwünschte oder unerwünschte Antworten suggerierte. (Vgl. Lamnek, 1995; Witzel, 1982) Um den Forschungsprozess zu dokumentieren und Überprüfbarkeit zu gewährleisten, wurden alle problemzentrierten Einzelinterviews mit einer Videokamera aufgezeichnet. Dadurch wurde die Miteinbeziehung der Körpersprache der Probandinnen in die Auswertung der transkribierten Interviews ermöglicht. Für die Erstellung des Leitfadens wurden die für den untersuchten Problembereich relevanten Aspekte in einem komprimierenden Prozess zu einem theoretischem Konzept verlinkt (vgl. Lamnek, 1995, S. 75). Der Leitfaden war in Komplexe untergliedert, die den Themenschwerpunkten der Studie entsprachen, und teilte sich in zwei große Blöcke. Während der erste Aspekte der weiblichen Schönheit abfragte, widmete sich der zweite konkret den Werbebildern. Die Reihenfolge ist so gewählt, dass ein leichterer Gesprächseinstieg über lebensnahe Themen der befragten Frauen möglich ist. Der Gesprächseinstieg in das problemzentrierte Interview wurde den Versuchspersonen so leicht wie möglich gemacht, so dass an erster Stelle eine lebensnahe und leicht zu beantwortende Frage stand, die keinen heiklen Aspekt ansprach (vgl. Hron, 1982, S. 124). Neben der Einstiegsfrage waren drei Fragebatterien enthalten. Die erste bezog sich auf das Engagement für die eigene Schönheit, das offenlegt, welche Rolle die Verschönerung des eigenen Körpers im alltäglichen Leben spielt. Die zweite Fragenbatterie widmete sich der Körperwahrnehmung der Frauen. Dies war wichtig, um Hinweise auf die eigene Körperzufriedenheit der Frauen bzw. eine verzerrte Körperwahrnehmung zu erlangen. Die letzten Fragen von Block 1 betrafen das aktuelle weibliche Schönheitsideal. Der zweite Block des Leitfadens wurde mit einer zum Thema der über Werbebilder kommunizierten Schönheitsideale hinführenden Frage eingeleitet. Daneben bestand Block 2 aus fünf Fragebatterien. Die erste beinhaltete einen Recall (vgl. Moser, 2002, S. 106), bei dem sich die Rezipientinnen aktiv an Frauen aus der Werbung erinnern sollten. Da die Beurteilung der werblich kommunizierten weiblichen Schönheitsideale sowie die durch diese
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ausgelösten Emotionen bei den jeweiligen Rezipientinnen einen relevanten Teil der Forschungsfrage darstellten, war es wichtig, diese methodisch zugänglich zu machen. Der Rückbezug zur Ursache der Reaktion von Rezipientinnen in Bezug auf vergangene Rezeption gestaltet sich oftmals schwierig (vgl. Fox, 2004, S. 33). Um authentische Informationen über Rezeptionsvorgänge zu erlangen, war es daher sinnvoll, die Frauen unmittelbar in einer Rezeptionssituation zu befragen, da hier Emotionen evoziert und diese der Probandin und so auch der Forscherin leichter zugänglich werden. Aus diesem Grund wurden den Frauen während der Interviews Werbebilder mit unterschiedlichen Frauendarstellungen mit Beispielcharakter vorgelegt. Hierfür dienten Werbebilder aus Frauenzeitschriften, da sie den Standard der Konsumgüterwerbung repräsentieren (vgl. Kroeber-Riel, 1993, S. 8) und zu den größten Kommunikatoren der soziokulturellen Schönheitsideale zählen (vgl. Lokken, Lokken Worthy & Trautmann, 2004, S. 363). Für die Vorlagen wurden Bilder ausgewählt, die in der Originalgröße mindestens eine Seite groß waren und keinen ablenkenden Hintergrund enthielten. Der Markenname bzw. das Produkt auf den Werbebildern wurde entfernt, so dass keine Sympathien oder Antipathien gegenüber Marken die geäußerten Eindrücke und Emotionen beeinflussten. Um eine Ablenkung durch dargestellte soziale Rollen zu verhindern, wurden nur Werbebilder ausgewählt, die keine sozialen Rollen darstellten. Die abgebildeten Frauen sollten auf der Werbung weitestgehend ganz zu sehen sein, da sich Körperunzufriedenheit auf jegliche Körperpartie beziehen kann. So empfahl es sich, verschiedene Darstellungen weiblicher Schönheit vorzulegen, wie Abbildung 1 demonstriert. Zunächst gab es die natürliche Schönheit, die wie eine reale, alltägliche Frau anmuten soll. Sie entsprach dem aktuellen weiblichen Schönheitsideal und war in natürlichen Posen, Mimik sowie mit einem dezenten Styling abgebildet. Zum anderen wurde die stilisierte Schönheit als Kategorie definiert, die sich durch die Künstlichkeit der Darstellung auszeichnete. Sie entsprach ebenfalls dem aktuellen Schönheitsideal, war aber in unnatürlichen Posen sowie extrem gestylt dargestellt. Schließlich wurde die realistische Schönheit als Kategorie aufgenommen. Hierbei handelte es sich um kaum gestylte Frauen in natürlichen Posen, die dem aktuellen Schönheitsideal nicht entsprachen, sondern eher den Bevölkerungsdurchschnitt repräsentierten. Da Frauen aus verschiedenen Altersklassen befragt wurden, enthält dieser Kategorie das Bild einer älteren Frau. Die drei Kategorien waren mit je zwei Werbebildern besetzt.
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Abbildung 1: Werbebilder als Vorlagen für problemzentrierte Einzelinterviews
Um die Gedanken und Ansichten der Frauen über die Vorlagen zu ermitteln, waren diese aufgefordert, die Bilder zu beschreiben. Dies bezog sowohl eine Bewertung sowie die Zuweisung von Relevanz auf bestimmte Merkmale mit ein. Anschließend sollten die Versuchspersonen ihre Gefühle beim Betrachten der Vorlage schildern. Durch diese Introspektionsfragen konnte ein ganzheitlicher Eindruck bezüglich der Wirkung der Werbebilder geschaffen werden. Dabei gilt jedoch zu berücksichtigen, dass emotionale Wirkungen von Werbung nur sehr schwer zu erfassen sind und verbale Methoden oft keine ausreichenden Informationen liefern (vgl. Moser, 2002, S. 161). Aus diesem Grund ist nochmals die Relevanz der Berücksichtigung der Körpersprache zu betonen. Die nächste Fragebatterie war der Selbstwahrnehmung der befragten Frauen in Bezug auf die vorgelegten Werbebilder gewidmet. Zum einen wurde hier die Identifikation mit den abgebildeten Frauen, zum anderen die Orientierungsfunktion der auf Werbebildern dargestellten Frauen abgefragt. Um auszuschließen, dass geschilderte Ansichten und Emotionen aus einer negativen Grundhaltung gegenüber Werbung
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resultieren, galt es in der anschließenden Fragebatterie, die Einstellung der Versuchspersonen bzgl. Werbung im Allgemeinen zu erfassen. Die Fragen zur digitalen Bildbearbeitung standen am Schluss von Block 2. Bei den Fragen zur Manipulation wurde der Aufklärungsspot "Evolution" von Dove (vgl. Evolution, 2007) vorgeführt, um über die tatsächliche Werbebildgestaltung zu informieren. So war garantiert, dass alle Versuchpersonen bei der anschließenden Einschätzung und Wertung der Manipulation über ein annähernd gleiches Wissen bzgl. der digitalen Bildbearbeitung verfügten. Dem Leitfaden war ein Datenbogen zur standardisierten Erfassung der soziodemographischen Daten und der medialen Nutzung der Versuchspersonen angehängt, der auch den Body-Mass-Index (BMI) der Probandinnen erfasste, um einen objektiven Vergleichsmaßstab zu den Selbsteinschätzungen der Frauen heranziehen zu können. Bei einem BMI zwischen 20 und 25 kann von Normalgewicht gesprochen werden. Ein BMI zwischen 25 und 30 zeigt leichtes und über 30 starkes Übergewicht an. Bewegt sich der BMI in einem Wertebereich unter 20, liegt Untergewicht vor (vgl. Pils, Stocker & Wrba, 2002, S. 257) und ab "einem Wert von 18,5 werden Menschen von der Weltgesundheitsorganisation als unterernährt eingestuft" (Mühlen-Achs, 2003, S. 83).4 Für die Auswahl der Versuchspersonen fand das Theoretical Sampling Anwendung, das heißt, sie wurden durch eine bewusste Auswahl anhand spezifischer vordefinierter Kriterien bestimmt, um möglichst unterschiedliche Fälle abzubilden (vgl. Flick, 2005, S. 111). Das Kriterienraster bezog sich hier einerseits auf das Alter und andererseits auf das gefühlte Körpergewicht der Frauen. Das individuell empfundene Körpergewicht ging hier ein, weil zum Beispiel eine Frau, die sich zu dick fühlt, ebenso gravierende Probleme mit dem eigenen Körper haben kann wie eine Frau, die tatsächlich an Übergewicht leidet (vgl. Deuser, Gläser & Köppe, 1995, S. 115). Befragte waren daher Frauen, die sich zu dick fühlten, Frauen, die sich normalgewichtig fühlten, und solche, die größten Wert auf ihre Schlankheit legten. Die Ermittlung des BMI erlaubte den Vergleich mit der eigenen Körperwahrnehmung. Die Vermutung, dass Werbebilder und so auch über diese kommunizierten weiblichen Schönheitsideale unterschiedliche Wirkungen auf Frauen verschiedener Altersklassen evozieren, liegt nahe (vgl. Mayer & Illmann, Dies sind nur Richtwerte für die Interviewerin, an welchen sie sich bei der Einschätzung der Versuchspersonen orientiert. So wird zum Beispiel bei einem BMI unter 20 von Untergewicht gesprochen, jedoch von einer Bewertung im Sinne einer individuellen Bedenklichkeit Abstand genommen.
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2000, S. 615), daher wendete sich die Befragung an Frauen zwischen 20 und 70 Jahren. Frauen unter 20 Jahren blieben ausgeklammert, weil diese noch von dem veränderten und neuen Körperempfinden, das durch die Pubertät verursacht wird, betroffen sein können (vgl. Maier, 2005, S. 410). Durch Interviews festgestellte Veränderungen der eigenen Körperwahrnehmung wären daher nicht eindeutig auf Werbebilder zurückzuführen. Frauen über 70 Jahren wurden ebenfalls nicht einbezogen, da sie dem sozialen Druck, den Gesellschaft, Medien und so auch Werbung ausüben, nicht mehr so intensiv ausgesetzt sind. Die Aufteilung in Jahrzehnte ergibt fünf Altersklassen. Bezieht man die drei Wahrnehmungsmuster des eigenen Körpergewichts mit ein, resultieren 15 zu besetzende Kombinationsmöglichkeiten bzgl. der zwei Auswahlkriterien, weswegen in dieser Untersuchung 15 Frauen interviewt wurden (vgl. Abbildung 2). Abbildung 2: Verteilung der Versuchspersonen hinsichtlich der Rekrutierungsmerkmale und des BMI
Da es sich bei den vorliegenden empirischen Daten um individuelle Schilderungen subjektiver Wirklichkeit handelt, empfahl sich eine hermeneutische Auswertung. Der subjektive Sinn wird fremdverstanden und so soziale Wirklichkeit rekonstruiert. Dies erfolgte in vier Arbeitsschritten: durch die Festlegung der relevanten Auswertungskategorien, die Reduktion der Da-
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tenmenge die Analyse der einzelnen Interviews und schließlich die vergleichende Systematisierung und Typisierung. Ergebnisse Die Verinnerlichung des Schönheitsideals Die befragten Frauen waren aufgefordert, das aktuelle weibliche Schönheitsideal zu beschreiben, um herauszufinden, inwieweit sie dieses internalisiert haben; dreizehn von ihnen konnten ein Schönheitsideal beschreiben. Die ideale Frau sollte groß und schlank, teilweise sogar mager sein und lange Beine haben. Sie ist jung, sportlich und hat gepflegte, schöne Haare. Zudem wirkt ihre Schönheit natürlich und makellos. Von besonderer Auffälligkeit ist die Tatsache, dass alle Frauen, die ein Schönheitsideal beschrieben, das Kriterium "schlank" nannten. Diese einheitliche Verknüpfung von Schönheit mit Schlankheit ist bezeichnend dafür, welche interindividuelle Relevanz dieser Aspekt in Bezug auf die weibliche Schönheit spielt. Zudem betonten sieben der Probandinnen diesen Aspekt besonders stark und mit negativer Konnotation, indem sie zum Beispiel durch Wörter wie "dürr" (VP12) oder "Hungerhaken" (VP4) auf den aktuell vorherrschenden "Schlankheitswahn, den wir ja überall vorgespielt bekommen" (VP13), hinwiesen: "Also, früher war es noch okay, wenn man - - normal einfach ausgesehen hat und jetzt muss man ja an der Grenze zum Ungesunden sein, um in den Augen der Gesellschaft gut auszusehen, also dünn zu sein." (VP15) Neben der reinen Beschreibung äußerer Attribute weiblicher Schönheit erwähnten sechs Probandinnen die Relevanz innerer Werte. In diesem Zusammenhang ist beachtenswert, dass bis auf eine alle Frauen, die von sich aus innere Werte ansprachen, bereits über vierzig Jahre sind. Diese Frauen könnten in ihrem Leben bereits viele Erfahrungen bezüglich die Schönheit an Wichtigkeit übersteigender Ereignisse und Schicksalsschläge gesammelt haben. Auf diese Weise spielt die äußerliche Attraktivität keine so große Rolle in ihrem Leben. Dieses Phänomen wird auch dadurch gestützt, dass auch VP11 bereits in jungen Jahren eine Phase der Neuorientierung nach einem Schlüsselerlebnis hinter sich hat. Eindeutig ist, dass sich weibliche Schönheitsideale hauptsächlich durch deren Kommunikation über Massenmedien und Werbung gesellschaftlich
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manifestieren. Zwölf Probandinnen, und damit eine auffallende Mehrheit der befragten Frauen, gaben an, dem Schönheitsideal in den Massenmedien zu begegnen. Die Werbung wurde von der Mehrheit der Versuchspersonen als Kommunikator weiblicher Schönheitsideale genannt. Der Wunsch, dem Ideal zu gleichen Der Konsum von medialen Schönheitsidealen kann bei Frauen den Wunsch erzeugen, diesem selbst nahe zu kommen (vgl. Lokken, Lokken Worthy & Trautmann, 2004, S. 375f.). Deswegen war von Interesse, inwieweit die befragten Frauen gerne so aussehen würden wie das beschriebene Ideal. In Abbildung 3 sind die mittels der vergleichenden Analyse erschlossenen Typen systematisierend dargestellt. Abbildung 3: Typen bzgl. des Wunsches, dem Schönheitsideal zu entsprechen
Die Zufriedene: Ein überraschendes Ergebnis ist darin zu sehen, dass nur eine einzige Versuchsperson auf diese Frage mit einem klaren "Nein" antwortete. VP9 ist sehr zufrieden mit ihrem Aussehen. Dies ist auch daraus
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ersichtlich, dass VP9 sich von keiner der vorgelegten Werbeschönheiten hinsichtlich ihres Stylings beraten ließe. Diese Haltung steht vermutlich in Zusammenhang mit ihrem Beruf. Als international erfolgreiche Schauspielerin ist anzunehmen, dass sie sich selbst weniger an Schönheitsidolen orientiert, als vielmehr selbst eines verkörpert. "Ich war immer so schön – mein ganzes Leben lang so schön." Die Realistinnen: Bei zwei Befragten, beide über 40 Jahre, ließ sich kein deutlicher Wunsch, dem Ideal zu entsprechen, ausmachen. Sie zeigten eine sehr realistische Einschätzung ihrer Situation. In den Augen von VP2 und VP8 stellt das Schönheitsideal keine reale Option dar, denn ob man selbst dem Ideal entspricht, "(lächelt zwinkernd) das kann man sich nicht aussuchen." (VP2). Zudem sprach VP8 die Unerreichbarkeit des Ideals für die Durchschnittsfrau an: "Da komm' ich ja nie ran." (VP8) Dennoch erfolgt eine Orientierung am Schönheitsideal. "Man versucht halt das Beste aus dem zu machen, was du mitbekommen hast. – Es bleibt einem ja nichts anderes übrig." (VP2) Die Unentschlossenen: Drei der befragten Frauen gaben keine eindeutige Antwort auf diese Frage. Sie schienen in einem Konflikt zu stehen, der besonders bei VP11 in der Interviewsituation erkennbar war. Sie seufzte, blickte in die Kamera, versuchte der Frage auszuweichen und antwortete nach längerem Zögern: "Ich glaub' nicht. – Also, – ich würd's vielleicht mal anprobieren wollen, - - ich glaub' nicht." (VP11) Zwar tendierte VP11 zu einer negativen Antwort, doch zeigt das zögerliche Verhalten, der sprunghafte Meinungswechsel und schließlich auch das abschließende Schulterzucken ihre Unentschlossenheit bei diesem Aspekt. VP12 meinte zwar zunächst, dass sie nicht dem weiblichen Schönheitsideal entsprechen möchte, da ihr dies zu perfekt erscheint, erwähnte jedoch kurz darauf: "bloß die Medien können des halt so perfekt machen und manche denken dann halt, dass sie auch so aussehen wollen wie die." VP12 gab schließlich zu, dass sie selbst ebenfalls von diesem Denkschema betroffen ist. Diese Aussage war ihr sichtlich unangenehm. VP10 dagegen erwähnte, dass sie gerne etwas größer wäre, sich aber bereits mit ihrer Körpergröße abgefunden hat. Die drei unentschlossenen Frauen verbinden die Eigenschaften, sich normalgewichtig zu fühlen und mit ihrem Körper zufrieden zu sein. Der Wunsch nach einem idealen Erscheinungsbild würde ihren Werthaltungen widersprechen. Dies zuzugeben, würde für die Frauen bedeuten, ihren Körper doch nicht in der angegebenen Weise anzunehmen.
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Die Wollenden: Neun der fünfzehn befragten Frauen wiesen Tendenzen oder gar den konkreten Wunsch auf, einem Schönheitsideal zu entsprechen. Bei den vorliegenden Ergebnissen ließen sich nochmals drei Untergruppen bilden. Die Wollenden A: Vier Versuchspersonen gaben an, so aussehen zu wollen, wie das aktuelle Schönheitsideal, denn "es ist ja das Schönheitsideal. – Gut, wer möchte denn nicht so aussehen? Wenn man die Wahl hätte, (zuckt mit den Schultern) – wer würde denn da nein sagen?" (VP15) Auffällig ist, dass alle Wollenden A den beiden jüngsten Altersklassen angehören. Auch die Studie von Bergler, Pörzgen und Harich (1992, S. 196) belegt, dass jüngere Frauen einen stärkeren Wunsch verspüren, den Frauendarstellungen auf Anzeigen zu gleichen. Das Ergebnis ist plausibel, da die jüngeren Generationen aufgrund der Bilderflut durch visuelle Kommunikation und so auch durch Werbebilder stärker geprägt werden als ältere Generationen (vgl. Röll, 1995, S. 142). Ein weiterer Grund für die Orientierung an einem jugendlichen Ideal ist darin zu sehen, dass soziale Vergleiche vornehmlich mit ähnlichen Vergleichsobjekten stattfinden (vgl. Wheeler, 1991, S. 11). Die Wollenden B: Bei zwei Probandinnen fiel ein interessantes Reaktionsmuster auf. Beide antworteten auf die Frage, dem aktuellen Schönheitsideal gleichen zu wollen, zunächst mit "Nein". Bei der Rezeption der Vorlagen äußerten sie aber, wie das abgebildete Ideal aussehen zu wollen. Hieraus wird deutlich, dass die Frauen, die beide über 40 sind, in der unmittelbaren Konfrontation mit Werbeschönheiten deren suggestiven Einfluss unterliegen. Ein möglicher Grund hierfür ist darin zu sehen, dass mit dem Älterwerden heutzutage oftmals ein Attraktivitätsverlust verbunden wird und dieser natürliche Prozess zu einem ästhetischen und psycho-sozialen Problem werden kann (vgl. Willems & Kautt, 2002, S. 649). Die Orientierung älterer Frauen an jugendlichen Idealen ist daher nicht verwunderlich. Zudem ist die Wirkmächtigkeit von Schemabildern anzusprechen, deren Effekte biologisch verursacht und somit willentlich nicht kontrollierbar sind (vgl. Brosius & Fahr, 1998, S. 41). Hieraus ist ersichtlich, dass der unmittelbare Einfluss von Werbebildern langfristig gebildeten Einstellungen durchaus überlegen sein kann. Die Wollenden C: Diese Untergruppe umfasst drei Frauen. Diese wollten zwar nicht dem aktuellen jugendlichen Ideal nahe kommen, jedoch orientierten sie sich an einem für sie relevanten Ideal, dem der älteren, aber dennoch gut aussehenden Frau über 50. Als Beispiele hierfür wurden Iris
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Berben und Jane Fonda genannt, die bereits Ende der siebziger Jahre während des Aufkommens der Aerobic-Welle ein Schönheitsideal darstellte (vgl. Halves, 2000, S. 71). Von diesen Frauen wurde die realistische Schönheit 2 als Idol gesehen. Dass diese ebenfalls ein Schönheitsideal darstellt, zeigt sich in folgender Aussage: "Also, sie zeigt einfach, dass sie im Alter denn auch - fast, – ja fast perfekt ist." (VP6) Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass das geschilderte Ideal zwar ein fortgeschrittenes Alter aufweist, es sich aber dennoch um überdurchschnittlich gut aussehende Frauen handelt. Die genannten Beispiele wurden stets im Zusammenhang mit Werbebildern erinnert, das heißt, dass auch dieses Ideal über Werbebilder kommuniziert und internalisiert wird. Den drei Frauen ist gemeinsam, dass sie alle über 50 Jahre sind. Dies ist wahrscheinlich auch der ausschlaggebende Grund für ihre Orientierung an einem älteren Schönheitsideal, da der soziale Vergleich mit ähnlichen, also älteren, Frauen nützlichere Informationen zur Selbsteinschätzung liefert (vgl. Wheeler, 1991, S. 11). Bei näherer Betrachtung der Wollenden fällt auf, dass keine tatsächlich der Kategorie "normalgewichtig" zuzuordnen ist. VP6 wurde zwar in diese Kategorie aufgenommen, doch stellte sich im Verlauf des Interviews heraus, dass sich VP6 eigentlich zu dick fühlt. Von daher tendierten nur Frauen, die entweder großen Wert auf ihre Schlankheit legten oder aber sich zu dick fühlten, dazu, ein Schönheitsideal erreichen zu wollen. Hieraus lässt sich schließen, dass sich ein solcher Wunsch nur bei Frauen manifestiert, die sich intensiv mit ihrem eigenen Körper und zur Beurteilung ihrer selbst auch mit den Schönheitsidealen auseinandersetzen. Man kann also vermuten, dass eine stärkere individuelle Fokussierung des Themas weiblicher Schönheit durch die Konzentration auf das eigene äußere Erscheinungsbild den Wunsch, dem Ideal zu entsprechen, positiv beeinflusst. Dieses Forschungsergebnis lässt sich auf die Frauen, die sich zu dick fühlen und somit eine geringere Körperzufriedenheit aufweisen, übertragen. Bei den Versuchspersonen VP1, VP14 und VP15 kann angenommen werden, dass sie diesen Wunsch aufgrund der hohen Relevanz, die sie ihrer eigenen Schlankheit zuschreiben, verspüren, da sie sich hierfür stark in ihren Körper engagieren und um ihren Erfolg zu messen, mit Idealen vergleichen.
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Die Bewertung der Werbebilder Die positive, negative oder neutrale Resonanz auf die einzelnen Bilder erleichtert die Interpretation der nächsten Auswertungsschritte hinsichtlich Selbstwahrnehmung und die durch die Vorlage der Werbebilder evozierten Emotionen der Probandinnen. Diese Informationen lassen sich der Abbildung 4 entnehmen. Abbildung 4: Allgemeine Beurteilung der vorgelegten Werbebilder
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Selbstwahrnehmung der Probandinnen in Relation zu den Werbebildern Ein Ziel der Untersuchung war herauszufinden, inwieweit sich die Probandinnen in Relation zu den vorgelegten Werbebildern selbst wahrnehmen. Diesem Aspekt liegt die Theorie des sozialen Vergleichs zugrunde. Auffällig war, dass über zwei Drittel der Befragten unaufgefordert einen Vergleich mit den Vorlagen ansprachen, sich mit diesen identifizierten, betonten, dies nicht zu können oder den Wunsch äußerten, so auszusehen wie die abgebildeten Modelle. Die Tatsache, dass vier der Frauen von sich aus keinen Vergleich ansprachen, erklärt sich bei näherer Betrachtung der einzelnen Probandinnen. Bei VP6 handelt es sich um eine ältere Dame, die sich, ihren
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Körper und ihr Alter weitestgehend akzeptiert. VP9 weist ebenfalls eine hohe Körperzufriedenheit auf und stellt seit jungen Jahren selbst ein Schönheitsideal dar. Aufgrund dessen sucht sie wahrscheinlich keinen Vergleich mit anderen. VP11 und VP12 gehören zu den jüngsten beiden Altersklassen, sind untergewichtig, fühlen sich jedoch normalgewichtig, was eine verzerrte Selbstwahrnehmung indiziert. Die zwei Frauen sprachen sich im Laufe der Interviews mehrmals für eine höhere Akzeptanz normaler Körper aus. Vielleicht versuchen sie bewusst, Vergleiche zwischen sich und den Schönheitsidealen zu vermeiden. Neben der freien Ansprache des sozialen Vergleichs wurde dieser im Laufe der Interviews auch durch die Frage, welche der dargestellten Frauen am ehesten dem eigenen Körpergefühl der Probandinnen entspricht, abgefragt. Durch die so ermittelte Identifikation mit den Werbemodellen, die sowohl wichtig für den sozialen Vergleich wie auch für die Werbewirkung ist (vgl. Messaris, 1997, S. 44), konnten Rückschlüsse auf die Selbstwahrnehmung der befragten Frauen gezogen werden. Natürliche Schönheiten Die natürliche Schönheit 1 diente vier der befragten Frauen zur Identifikation, die natürliche Schönheit 2 nur einer. Interessant ist, dass alle diese Frauen ein Problem mit ihrem Körper, jedoch keine verzerrte Selbstwahrnehmung haben. VP3 und VP4 empfinden sich selbst als zu dick und sind tatsächlich übergewichtig. Beide Frauen betonten im Interviewverlauf, dass die natürliche Schönheit 1 weniger ihrem eigenen Körpergefühl als vielmehr ihrer Wunschvorstellung entspricht. Da die natürlichen Schönheiten dem aktuellen und äußerst schlanken Schönheitsideal entsprechen, verwundert es nicht, dass sich alle untergewichtigen Frauen mit diesem Ideal identifizierten. Jedoch schränkten VP11 und VP12 ihre Aussage etwas ein, da beide auch die realistischen Schönheiten 1 als Vergleichsobjekt wählten. Hierbei ging es VP11 um die Einstellung dieser Frauen. Sie betonte jedoch, dass sie nicht so aussehen möchte wie die realistischen Schönheiten. VP12 meinte, dass die natürliche Schönheit 1 "halt zu perfekt" ist, die realistischen Schönheiten 1 jedoch "nicht so schlank" sind.
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Stilisierte Schönheiten Während sich nur VP9 mit der stilisierten Schönheit 1 identifizierte, wurde die stilisierte Schönheit 2 nie genannt. Auch bei dieser Antwort kann der Beruf als Schauspielerin als Erklärung herangezogen werden. Während sich alle anderen Frauen wahrscheinlich wegen der Künstlichkeit der stilisierten Schönheit 1 nicht mit dieser identifizieren konnten, scheint eben das Artifizielle die VP9 anzusprechen. Von einer verzerrten Selbstwahrnehmung kann auch hier nicht gesprochen werden, zumal die VP9 auch in der realistischen Schönheit 2, die in etwa ihrem eigenen Alter entspricht, Identifikationspotential sieht. Realistische Schönheiten 1 Die realistischen Schönheiten 1 wurden von den Probandinnen am häufigsten zur Identifikation herangezogen. Über die Hälfte der Frauen fand sich selbst in der Darstellung wieder. Diese Versuchspersonen unterschieden sich sowohl von den Altersklassen als auch von dem gefühlten Gewicht. Da die abgebildeten Modelle selbst unterschiedliche Frauentypen repräsentieren und durch ihre natürliche und realistische Anmutung eine breite Masse der Rezipientinnen ansprechen sollen, verwundert es nicht, dass dies tatsächlich der Fall war. Im Gegensatz zu den natürlichen und stilisierten Schönheiten, die hauptsächlich aufgrund ihrer Schönheit zur Identifikation dienten, wurden die realistischen Schönheiten 1 aufgrund ihrer "Bäuchle" (VP1), ihrer "Problemzonen" (VP14) oder weil sie "Spaß am Leben" (VP2) vermitteln, ausgewählt. Der Grund für den hohen Zuspruch der realistischen Schönheiten 1 liegt daran, dass mit steigender wahrgenommener Ähnlichkeit eine Identifikation wahrscheinlicher wird (vgl. Brickman & Bulman, 1977, S. 163). Die Ähnlichkeit ist bei realistischen Darstellungen verständlicherweise am größten. Die meisten Probandinnen schätzten sich selbst korrekt ein. Nur bei VP7 war dies nicht der Fall. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sich VP7 als zu dick sieht, wobei sie sich aber an der Schwelle zum Untergewicht befindet. "Also, ich fühle mich ja im Moment zu kräftig. Ich habe zu viel Bauch, ich habe zu viel Oberschenkel und zu viel Hintern." VP7 leidet daher unter einer verzerrten Selbstwahrnehmung, die sich bei ihr hauptsächlich auf das Gewicht und den Körperumfang bezieht.
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Realistische Schönheiten 2 Die realistische Schönheit 2 diente vier Versuchspersonen als Vergleichsobjekt. Die Tatsache, dass diese Frauen alle über 50 Jahre alt sind, überrascht nicht, da das Alter ein zentrales Kriterium für die Identifikation darstellt (vgl. Mayer & Illmann, 2000, S. 601). Tatsächlich begründeten die Frauen ihre Entscheidung mit dem Alter der abgebildeten Frau. Hier liegt in allen Fällen eine realistische Selbstwahrnehmung vor. Neben der Identifikation der Probandinnen mit den vorgelegten Werbebildern wurde auch danach gefragt, von welcher der dargestellten Frauen sie sich beraten ließen, wenn es um ihr Styling ginge. Diese Frage, die eine Orientierungsfunktion bzw. eine Tendenz zu einem Vorbild aufdecken sollte, war so indirekt formuliert, da der eigene Körper von Frauen ein äußerst heikles und intimes Thema darstellt. Es ergaben sich interessante Ergebnisse, da sich vier Fünftel der befragten Frauen auf nur zwei Werbebilder aufteilten. Zum einen ergab sich ein Fokus bei der natürlichen Schönheit 1. Sieben der Frauen sahen in diesem Werbebild ein Vorbild in Bezug auf ihr Styling, wobei nach den Begründungen tatsächlich das Aussehen und die Aufmachung der natürlichen Schönheit 1 im Vordergrund stand. Zum anderen zeigte sich, dass sich viele der Frauen, die bis auf eine über 50 Jahre alt waren, gerne von der realistischen Schönheit 2 beraten ließen. Neben dem Alter wurden hier besonders die assoziierten vertrauenerweckenden Wesenszüge der realistischen Schönheit 2 als Grund angegeben: "Da habe ich einfach das größte Vertrauen, dass sie ganz ehrlich mit mir umgehen würde." (VP5) Diese duale Ballung spiegelt die Internalisierung und Orientierung der befragten Frauen an werblich kommunizierten weiblichen Schönheitsidealen. Während die natürliche Schönheit 1 das aktuelle jugendliche Ideal verkörpert, stellt die realistische Schönheit 2 das ältere Schönheitsideal dar. Interessant ist, dass sich zwar die meisten Frauen mit den realistischen Schönheiten 1 identifizierten, diese allerdings nicht als Vorbild dienten. Durch Werbebilder evozierte Emotionen Die Abfrage der durch die vorgelegten Werbebilder evozierten Gefühle der Versuchspersonen ist von größter Wichtigkeit, da emotionale Reaktionen
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auf Werbebilder nahezu automatisch und kaum kontrollierbar erzeugt werden. Durch diese gefühlten Reaktionen werden diese für die Rezipienten subjektiv relevant und können sich auf das Selbst der Frauen beziehen. Abbildung 5 zeigt alle ermittelten Emotionen zusammenfassend. Hieraus ist ersichtlich, dass sich die von Smith (2000) geschilderten Emotionen, die aus sozialen Vergleichen resultieren können, weitestgehend in den Reaktionen der Probandinnen finden. Abbildung 5: Durch Werbebilder evozierte Emotionen
Natürliche Schönheit 1 Sechs der Probandinnen hielten sich bei der Vorlage der natürlichen Schönheit 1 neutral. Nur zwei reagierten mit positiven Emotionen. Sie empfanden Sympathie für die abgebildete Frau. Dagegen reagierte die Mehrzahl der Versuchspersonen mit negativen Emotionen. Während aus den Äußerungen
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der VP9 Antipathie zu lesen war, ärgerte sich VP11 über die Darstellung, da diese ihrer Ansicht nach hauptsächlich für Männerblicke konzipiert wurde. Jedoch war die häufigste Emotion bei der natürlichen Schönheit 1 Neid wegen ihres Aussehens. Dieses Ergebnis entspricht der Studie von Richins (1991, S. 75). Manche Frauen sprachen ihre Neidgefühle konkret an: "Fast schon a bissl Neid. (nickt) - - - (beugt sich tief über das Bild, deutet auf den Bauch der natürlichen Schönheit 1) Weißt’ so an Bauch. - - - Die hat a mehr Busen wie ich. - - Net bloß so Mitesser wie ich." (VP3) Bei diesem Zitat wird deutlich, dass der empfundene Neid für den eigenen Körper enorm negativ empfunden wird, da sich VP3 selbst, bzw. die eigene Brust, herabwürdigend kommentierte. VP1 und VP12 äußerten ihre Neidgefühle nicht direkt. Dennoch kann auf ihr Vorhandensein durch deren Aussagen und Verhalten geschlossen werden. VP1 vermutete, dass andere Frauen neidisch auf die natürliche Schönheit 1 werden, was auf das Vorliegen eines Third-Person-Effektes schließen lässt. Zudem bestätigen dies ihre sehr leise ausgesprochenen Worte: "So warste vielleicht auch a mal, ne? Da möchte' mer noch a mal so jung sein. - - Ja. - (blickt zur Seite, sehr leise) Noch mal so schöne Unterwäsche anhaben." Durch das Abwenden des Blicks und die sehr leise Aussprache wird deutlich, wie unangenehm dieses Gefühl der VP1 war. Bei den negativen Emotionen, die durch die natürliche Schönheit 1 hervorgerufen wurden, ist auffällig, dass sechs der acht Probandinnen, die aus allen Altersklassen stammen, ein Problem mit ihrem Körper haben. VP3 und VP4 leiden an Übergewicht, VP7, VP11 und VP12 an einer verzerrten Selbstwahrnehmung, und VP14 weist eine starke Körperunzufriedenheit auf. VP1 und VP9, beide über 50 Jahre, scheinen kein Problem mit dem eigenen Körper zu haben, achten aber extrem auf ihre Schlankheit. Hieraus ist zu schließen, dass durch das Vorlegen der natürlichen Schönheit 1 hauptsächlich bei den Frauen negative Gefühle evoziert wurden, die ein Problem mit dem eigenen äußeren Erscheinungsbild haben oder sich stark mit diesem auseinandersetzen und somit ein starkes Körperbewusstsein aufweisen. Natürliche Schönheit 2 Bevor auf die Gefühle, die durch die natürliche Schönheit 2 hervorgerufen wurden, eingegangen wird, gilt es, zu erwähnen, dass dieses Werbebild eine
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wesentlich jüngere Zielgruppe als die untersuchte Stichprobe ansprechen soll. Somit erklären sich die hauptsächlich neutralen Reaktionen auf die natürliche Schönheit 2. Nur vier der neun Frauen, die dieses Werbebild sahen, zeigten Gefühle. Hierbei empfand VP13 zwar Sympathie für das abgebildete Modell, beneidete es aber zugleich. VP3 empfand Antipathie für die natürliche Schönheit 2. Bei VP12 zeigte sich eine interessante emotionale Reaktion: "Ja, also ich find' jetzt, dass ich hübscher bin, wie die zum Beispiel (legt sich eine Hand auf die Brust, lächelt)". VP12 freute sich darüber, aus einem sozialen Vergleich als Bessere hervorgegangen zu sein. Dies kann als Stolz interpretiert werden. Auffällig reagierte auch VP15 auf die natürliche Schönheit 2. Sie, die selbst stark untergewichtig ist, sorgt sich um das dargestellte Modell, weil es ihr magersüchtig vorkam. Auch wenn VP15 vorher betonte, sich nicht mit der natürlichen Schönheit 2 wegen deren zu jungen Alters zu identifizieren, schien sie auf unangenehme Weise mit ihrem eigenen Körperproblem konfrontiert zu sein. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die natürliche Schönheit 2 das einzige Bild war, bei dem die VP15 negative Emotionen zeigte. Übergreifend kann festgestellt werden, dass alle Frauen, die bei der natürlichen Schönheit 2 emotional reagierten, ein Problem mit ihrem eigenen Körper hatten, da sie entweder extrem übergewichtig oder aber untergewichtig waren. Stilisierte Schönheit 1 Bezeichnend für die stilisierte Schönheit 1 ist, dass keine der Frauen mit positiven Gefühlen reagierte und die Mehrheit der Probandinnen keine Emotionen zeigte. Diese Tatsache ist auf die negative Bewertung des Bildes, das vornehmlich als künstlich betitelt wurde, zurückzuführen. Vier der Versuchspersonen empfanden Antipathie, was durch Adjektive wie "tussimäßig" und "furchtbar" oder Bezeichnungen wie "Zicke" zum Ausdruck kam. Diese Antipathie kann auf die Unähnlichkeit zwischen der abgebildeten Frau und den Probandinnen und somit der mangelnden Relevanz für die individuelle Lebenswelt zurückgeführt werden (vgl. Baszczyk, 2003, S. 146). Zwei Frauen äußerten Neid. Auch hier wird Neid als für das Selbst unangenehm erlebt, was sich in folgendem Zitat spiegelt: "Hm. (reibt sich mit einer Hand den Nacken, wendet den Kopf zur Seite) - - - Ja, schon ein bisschen Neid. - Neid, sag' ich jetzt mal. - - - […] Ja, weil die auch so perfekt is'. - Ja,
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schöne Kleider, schöne Tasche, die Haare so schön (deutet auf ihre Haare) – und ich find' schon, dass die hübsch is'. (verzieht die Mundwinkel nach unten, beugt sich tief über das Bild)" (VP12) Stilisierte Schönheit 2 Die stilisierte Schönheit 2, die sieben Probandinnen vorgelegt wurde, löste bei VP14 und VP15 keine Emotionen aus. VP13 empfand Antipathie für das abgebildete Modell. Auch VP7 äußerte ablehnende Emotionen, die sich jedoch nur auf den dargestellten Körper der stilisierten Schönheit 2 bezogen. Deren Gesicht dagegen erschien ihr, wie auch VP6, VP11 und VP12, sympathisch: "Wenn ich den Kopf betrachte (deckt mit beiden Händen das restliche Bild ab), dann fühle ich schon Freude oder Lebenslust, was sie mir ja vermitteln möchte. Seh' ich aber nur auf die Arme und Beine (deckt nur den Kopf der stilisierten Schönheit 2 ab), dann sehe ich wieder nur dieses Kalte. – Wenn ich mir das so anschau', die Beine, das eine ist so komisch abgespreizt, das wirkt so richtig verdreht, so richtig wie eine Barbiepuppe. – (stützt ihren Kopf auf eine Hand auf.) Wirkt eher skurril." (VP7) Auffällig ist, dass die Sympathie, die der stilisierten Schönheit 2 entgegengebracht wurde, ausschließlich ihrem freudigen Gesichtsausdruck zuzuschreiben ist, da alle vier Versuchspersonen diesen Aspekt betonten. Aufgrund des Umstandes, dass sich alle positiven Emotionen nur auf den Gesichtsausdruck der stilisierten Schönheit 2 bezogen und nicht etwa auf deren Körper oder Aussehen, ist bei diesem Bild eine ähnliche Antworttendenz wie bei der stilisierten Schönheit 1 festzustellen, das sich vornehmlich in neutraler Haltung bis negativen Emotionen äußert. Realistische Schönheiten 1 Am auffälligsten bei den realistischen Schönheiten 1 ist die Tatsache, dass alle Versuchspersonen Gefühle zeigten und nur eine Probandin ausschließlich mit negativen Emotionen, nämlich Antipathie, auf das Bild reagierte. Dagegen empfanden fast zwei Drittel der Versuchspersonen die abgebildeten Modelle als sympathisch, was unter anderem durch Äußerungen wie: "Ich muss sagen, ich finde die ansprechend. – Ich könnte mir vorstellen,
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dass man sich mit denen gut unterhalten kann." (VP10) zum Ausdruck kommt. Sechs der Frauen freuten sich über die Darstellung oder empfanden die von den realistischen Schönheiten 1 ausgestrahlte Lebensfreude als ansteckend: "Also, was ich empfinde, - - dass ich direkt auch mitlachen muss, ne?" (VP6) VP8 und VP15 empfanden beim Betrachten dieses Werbebildes Optimismus. Hierunter ist in diesem Zusammenhang ein Gefühl zu verstehen, durch das sich die Probandinnen in ihrem Äußeren bestätigt fühlen oder ermutigt, zu sich selbst zu stehen: "Das ist nicht alles super und alles dünn, sondern man kann einfach mal so sein, wie man ist. Das ist gut." (VP15) Diese überaus positiven emotionalen Reaktionen auf die realistischen Schönheiten 1 zeigen, dass authentische Werbebilder mit durchschnittlichen Frauen von Rezipientinnen vorwiegend freudig aufgenommen werden. Im Rahmen der Einzelinterviews entstand der Eindruck, dass realistische Frauendarstellungen die Rezipientinnen bezüglich ihres eigenen Aussehens und Körpers bekräftigen und somit positive Effekte auf deren subjektives Körpergefühl und -erleben haben können, da soziale Vergleiche mit realistischen Frauen in lateraler Weise stattfinden und so das individuelle Wohlergehen gesteigert werden kann (vgl. Wills, 1991, S. 53). Ein weiteres positives Gefühl, das die realistischen Schönheiten auslösten, ist Schadenfreude im Fall der VP9: "Ich schmunzle, – ich schmunzle gewaltig, – weil das einzige, (lacht) – das ich daraus sehe, ist Reality." Diese Belustigung in Verbindung mit der Äußerung, dass die abgebildeten Frauen in ihren Augen Mut haben, "sich so zu zeigen mit ihren Bäuchen, (greift sich mit einer Hand an den Bauch) – sich mit ihren Wampen dahin zu stellen und sich fotografieren zu lassen" (VP9), zeigt Schadenfreude resultierend aus einem Vergleich mit Unterlegenen an. Neben diesen positiven Emotionen zeigten sich zwei der befragten Frauen durch das Betrachten der realistischen Schönheiten 1 äußerst unangenehm berührt. Beide verrieten durch ihre Körpersprache und ihre leise Aussprache, wie unangenehm es ihnen war, über dieses Thema zu sprechen. Sie sahen sich auf diesem Bild mit ihrer eigenen Figur konfrontiert. Was bei anderen Versuchspersonen zu Sympathie und Optimismus führte, löste bei diesen Befragten eher das Gegenteil aus, nämlich Frustration und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper: "Also, auf der einen Seite bejahe ich das, aber auf der anderen Seite sehe ich hier halt wieder mein Problem. (verzieht die Mundwinkel nach unten, nickt) - - Ich sehe mein Problem. Ich werde hier einfach mit meiner Figur konfrontiert. (nickt, blickt starr auf den Tisch)" (VP5) "Das ist Frust. - - - Das ist Frust, – weil diese - - Unfähig-
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keit von mir, dieses Problem anzugehen, das frustriert mich. (blickt starr auf die Bilder)" (VP5) Daraus geht hervor, dass der empfundene Frust sehr tief gehen kann.VP5 und VP7 hatten gemeinsam, dass sie sich zu dick fühlten und Schwierigkeiten hatten, den eigenen Körper zu akzeptieren. Hieraus wird ersichtlich, dass realistische Frauendarstellungen keineswegs ausschließlich positive Gefühle evozieren. Jedoch gilt zu bedenken, dass beide Frauen das aktuelle Schönheitsideal internalisiert haben und beide einem Schönheitsideal gleichen möchten, so dass diese unerreichbaren Ideale auch in einer lateralen Vergleichssituation in den Köpfen der Frauen als Vergleichsstandard zugegen sind. Realistische Schönheit 2 Auch bei der realistischen Schönheit 2 zeigten alle Versuchspersonen emotionale Reaktionen. Die Mehrheit der befragten Frauen äußerte Sympathie gegenüber der realistischen Schönheit 2 und drei empfanden Optimismus: "Es macht Mut, es macht echt Mut" (VP5) und stimmt "froh, dass endlich mal so eine Werbung kommt." (VP11) Interessant ist die Bewunderung, die fünf der Probandinnen der realistischen Schönheit 2 entgegenbrachten. Die älteren Frauen (VP1, VP6) betrachteten das abgebildete Modell als "Vorbild" (VP1): "Also, die Frau muss ich bewundern." (VP6) Dagegen hofften die jüngeren Probandinnen, die sich noch nicht von dem Alter der realistischen Schönheit 2 berührt fühlten, selbst noch so auszusehen, wenn sie älter werden: "Also, da fällt mir die alte Dame wieder ein, wo ich mir denke, irgendwie wünsche ich mir zum Beispiel, dass – ich in dem Alter vielleicht auch so bin, dass ich zufrieden mit mir selber bin, dass ich das so akzeptieren kann, dass ich älter geworden bin, aber dennoch immer noch schön bin auf meine Art und Weise." (VP15) Diese Bewunderung ist zwar ein positives Gefühl für die Versuchspersonen, illustriert aber zugleich die Bedeutung, die weibliche Schönheit auch in fortgeschrittenem Alter hat. Dies ist nicht nur ein Zeichen für die enorme Relevanz der weiblichen Schönheit, sondern indiziert zugleich, dass es nicht selbstverständlich ist, auch in späteren Lebensjahren gut auszusehen. Der Alterungsprozess scheint für zwei Versuchspersonen mit einem Attraktivitätsverlust einherzugehen. Dass dies auch mit negativen Gefühlen einhergehen kann, zeigt sich deutlich in den Reaktionen, die Angst vor dem Älterwerden deutlich machen: "Dann denke
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ich mir: 'Wie lange wird's noch dauern?' (verzieht erst die Mundwinkel nach unten, lacht dann) Bis ich auch so alt bin." (VP2) Da VP2 privat und durch ihren Beruf als Sachbearbeiterin für Sportförderung der körperlichen Fitness und ihrem Aussehen einen relativ hohen Stellenwert beimisst, jagte ihr der drohende Verlust Angst ein. Ebenso wie VP2 empfand auch VP12 etwas "Negatives. - - Also, das ist net so schön, weil man halt weiß, dass man einfach nicht mehr so ist wie früher." (VP12) Hieraus ist ersichtlich, dass die Angst vor dem Älterwerden bereits in relativ jungen Jahren evident ist. VP12 war zum Zeitpunkt des Interviews erst 30 Jahre. Bei VP2 schlug die geäußerte Angst in Wut um. Es verärgerte sie, sich damit "auseinandersetzen zu müssen über dieses Altern und welche Rolle das Altern in der Gesellschaft spielt teilweise, - - dann wecken, – weckt vor allem dieses Bild, – ähm, – bei mir deshalb negative (gestikuliert mit zur Faust geballten Hand) – oder Wut einfach." (VP2) Es wird deutlich, dass das Älterwerden als gesellschaftlich sanktioniert empfunden und deswegen als Belastung erlebt wird. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die vorgelegten Bilder bei allen Versuchspersonen Emotionen ausgelöst haben. Diese waren vom jeweiligen Werbebild und individuellen Faktoren wie Körpererleben oder Beruf der Probandinnen abhängig. Bei den drei verschiedenen Kategorien von Werbebildern ergaben sich eindeutige Antworttendenzen. Die Emotionen, die durch die natürlichen Schönheiten hervorgerufen wurden, waren vorwiegend negativ. Bei den stilisierten Schönheiten zeigten sich die Versuchspersonen meist neutral. Dagegen lösten die realistischen Schönheiten hauptsächlich positive Emotionen aus. Diese Reaktionen lassen sich durch die Art der Werbebildgestaltung erklären, wobei folgende Zusammenhänge vermutet werden: Da die stilisierten Schönheiten (vorwiegend die stilisierte Schönheit 1) als künstlich bewertet wurden, scheinen diese für die reale Lebenswelt der Probandinnen nicht allzu relevant zu sein und sie zeigten deshalb kaum Emotionen. Die natürlichen Schönheiten (vorwiegend natürliche Schönheit 1) scheinen in der realen Welt in der abgebildeten Weise tatsächlich vorkommen zu können, deshalb erscheinen sie für die Rezipientinnen relevanter und sie reagieren daher auch emotionaler. Hier spielt die Ähnlichkeit zwischen den Vergleichsobjekten im Rahmen des sozialen Vergleichs eine wichtige Rolle (vgl. Wheeler, 1991, S. 11). Da die Frauen so auf die Differenzen zwischen ihnen und dem Vergleichsobjekt hingewiesen werden und dabei meist schlechter abschneiden als das dargestellte weibliche Schönheitsideal, fielen die gefühlsmäßigen Reaktionen negativ aus. In
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den realistischen Schönheiten können sie sich dagegen am besten finden, da es sich um durchschnittliche Frauen handelt, die nicht dem aktuellen jugendlichen Schönheitsideal entsprechen. In diesem Fall handelt sich um einen lateralen Vergleich, bei welchem die Vergleichsobjekte in etwa die gleiche Merkmalsausprägung aufweisen. Ein solcher Vergleich kann das subjektive Wohlergehen steigern (vgl. Wills, 1991, S. 53), was sich in den vorwiegend positiven evozierten Emotionen der Frauen zeigte. Die Rolle der Bildmanipulation Es ergab sich ein hohes Bewusstsein über die Bildmanipulation. Zwei Drittel der Frauen sprachen auf unterschiedliche Weise an, dass "man bescheid weiß und aufgeklärt ist" (VP7). Dieses Ergebnis stimmt mit dem Befund von Messaris (1997, S. 158) überein, der herausfand, dass ein Bewusstsein über die Bildmanipulation weit verbreitet ist. Bei den interviewten Frauen ist jedoch auffällig, dass dieses aufgeklärte Bewusstsein hauptsächlich die jüngeren und mittleren Altersklassen betraf, da alle Probandinnen, die nicht erwähnten, über die Manipulation bescheid zu wissen, über 50 Jahre alt waren. Zudem gingen diese keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach, da sie im Ruhestand waren, und VP9, als Schauspielerin, ebenfalls eine besondere Position bezog. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen diesen Probandinnen ist die Tatsache, dass sie nie das Internet nutzten. Dieser Zusammenhang ist logisch, da sich jüngere Generationen bzw. im Berufsleben stehende Frauen mit neuerer Technik wie Computern auseinandersetzen müssen und so auch ein Bewusstsein über die Manipulationsmöglichkeiten entwickeln. Neben dem allgemeinen Bewusstsein bezüglich der Bildmanipulation war es interessant, deren Akzeptanz durch die befragten Frauen näher zu betrachten. Hierbei ließen sich drei Reaktionsmuster unterscheiden: Frauen, die der Bildmanipulation offen gegenüber standen, Frauen, die diese eigentlich ablehnten, aber dennoch ein gewisses Verständnis aufbrachten, und schließlich Frauen, welche die Bildmanipulation strikt ablehnten. Wie auch Messaris (1997, S. 158) berichtet, steht ein Großteil der Versuchspersonen der Manipulation von Werbebildern mindestens teilweise ablehnend gegenüber. Hierbei sollte der B-Gruppe der Frauen, die Manipulation strikt ablehnen, besondere Beachtung geschenkt werden. Sie reagierten äußerst emotio-
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nal, was sich einerseits bei VP11 und VP12 in Wut äußerte und sich andererseits in einer von der Bildmanipulation verursachten Belastung für die Frauen manifestierte, die als "niederschmetternd" (VP14) oder als Druck (vgl. VP15) erlebt wurde. Das "Bild der Frau, - - - das kann jetzt ja nicht perfekter werden. – Also, jetzt ist ja das Maximum erreicht. – Was kommt denn dann? Oh Gott! (erschaudert, schüttelt den Kopf, schließt die Augen)" (VP11) Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass die vier Frauen, die hier sehr emotional und ablehnend reagierten, den jüngsten beiden Altersklassen angehörten. Eine weitere Gemeinsamkeit der vier jungen Frauen war der erlebte soziale Anpassungsdruck, den diese offensichtlich empfanden. Alle schilderten Situationen, in welchen sie vor soziale Erwartungen hinsichtlich ihres Aussehens gestellt wurden, die sie als unangenehm wahrnahmen. Die Gemeinsamkeiten dieser vier jungen Frauen erscheinen plausibel, da zum einen junge Menschen den durch visuelle Kommunikationsinhalte vermittelten Körperkult stärker wahrnehmen, fehlt ihnen doch eine Vergleichsmöglichkeit aus früheren Zeiten. Zudem gewinnt das "Körper-für-andere-sein", das mit dem sozialen Druck zusammenhängt, in der heutigen Zeit an Relevanz (vgl. Maier, 2005, S. 30f.). Vor dem Hintergrund des Dranges nach Gruppenzugehörigkeit (vgl. Festinger, 1989, S. 120) ist dieser empfundene soziale Anpassungsdruck erklärbar. Auffällig ist zudem, dass alle Frauen, die eine Konfrontation mit unrealistischen Schönheitsidealen strikt ablehnten, ein Problem mit dem eigenen Körper hatten. Während sich VP3 und VP6, beide über 60 Jahre, zu dick fühlten und tatsächlich übergewichtig waren, litten VP11, VP12 und VP15 an Untergewicht. Bei allen dreien liegt wahrscheinlich eine verzerrte Selbstwahrnehmung vor, da sich VP11 und VP12 als normalgewichtig einstuften und VP15 mit massivem Untergewicht in ihren Augen ihr Wohlfühlgewicht aufwies. Auch VP14 hat offensichtlich Probleme mit dem eigenen Körper, da sie sich bereits einer Schönheitsoperation unterzog und zugibt, niemals zufrieden mit ihrem Äußerem zu sein. Hieraus lässt sich folgern, dass die Frauen die unablässige Konfrontation mit unrealistischen weiblichen Schönheitsidealen auf Werbebildern als Belastung erleben. Fünf der Probandinnen gaben an, dass das Wissen um die Bildmanipulation etwas für sie beim Betrachten von Werbebildern verändert. Ihre Aussagen stimmten alle dahingehend überein, dass sie dieses Wissen als Beruhigung empfinden. "Es lässt mich ruhiger schlafen." (VP4) VP7 nannte es sogar "ein Alibi, zu sagen, dass es schon okay ist, wenn ich nicht so aus-
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schaue". Es fanden sich bei allen fünf Frauen im Laufe der Interviews Schilderungen zu dem als negativ erlebten sozialen Anpassungsdruck an ein bestimmtes Schönheitsideal. Dies ist insoweit erklärbar, als das Wissen, dass es sich bei den Werbeschönheiten um unrealistische Darstellungen handelt, den Druck schmälern kann. Hierdurch wird das werblich kommunizierte Schönheitsideal zu einem nicht existenten und daher für die Realität irrelevanten Vergleichsobjekt. Ein weiterer beachtenswerter Aspekt liegt bei VP4 und VP7, die ihren Lebenspartnern nicht zutrauten, manipulierte Frauendarstellungen als unrealistisch zu erkennen. Diese Aussagen stimmen mit dem Befund von Goodman & Walsh-Childers (2004, S. 665) überein. Interessant ist des Weiteren, dass mehr als die Hälfte der Probandinnen von sich aus ansprachen, dass die Kommunikation von manipulierten Werbebildern negative Konsequenzen für Frauen haben kann, weil "viele, viele Frauen dadurch wirklich Probleme bekommen, weil sie sich überhaupt nicht wohl in ihrer Haut fühlen und wirklich zum Teil unglücklich sind." (VP11) Auch aus dem Experteninterview 3 ging die Überzeugung hinsichtlich einer Einflussnahme der manipulierten Werbebilder auf Frauen hervor. Die Frauen sorgten sich einerseits um die Jugend, sprachen andererseits aber auch den konkreten Einfluss auf sich selbst an. Übergreifende Analyse Es ergaben sich logische Verbindungen zwischen dem Antwortverhalten der Probandinnen auf die Frage, inwieweit sie selbst dem Ideal entsprechen möchten und ihrer Bewertung der Bildmanipulation. Die Zufriedene (VP9) war sich der digitalen Bildbearbeitung nicht bewusst, brachte aber ein gewisses Verständnis dafür auf. Diese Haltung ist durch ihren Beruf, durch welchen sie selbst oft als Schönheitsideal auf Bildern dargestellt wurde, und ihrer Zufriedenheit mit dem eigenen Körper erklärbar. Auch die Haltung der Realistinnen gegenüber der Bildmanipulation ist logisch, da sie aufgrund ihrer gesunden Selbsteinschätzung und einer relativ hohen Akzeptanz des eigenen Körpers mit ihrem Aussehen im Reinen sind und die manipulierten Idealbilder für sie keine realistische Option darstellten. So erstaunt es nicht weiter, dass sich VP2 und VP8 zwar durchaus über die Bildmanipulation im Klaren waren, aber dennoch ein gewisses Verständnis aufbrachten und diese nur teilweise ablehnten. Auch die Unentschlossenen, die sich nicht eindeutig
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festlegten, ob sie dem Ideal entsprechen möchten oder nicht, waren sich der Manipulation von Werbebildern bewusst, lehnten diese aber tendenziell eher ab. Bei VP10 spiegelte sich die Unentschlossenheit auch in ihrer ambivalenten Haltung gegenüber der Bildmanipulation. Während sie noch etwas Verständnis für die Bildbearbeitung im privaten Bereich aufbrachte, lehnten VP11 und VP12 die Manipulation strikt ab. Dies lässt sich durch das bereits angesprochene kritische Verhältnis der Probandinnen zu ihrem eigenen Körper erklären, da sie sich beide offensichtlich verzerrt wahrnahmen und zudem über einen relativ hohen erlebten sozialen Anpassungsdruck berichteten. Ähnlich verhält es sich mit denjenigen, die dem aktuellen Schönheitsideal entsprechen wollten und gleichzeitig unter 40 Jahre alt waren, den Wollenden A. Diese hatten alle Schwierigkeiten mit dem eigenen Körper, sei es, weil sie diesen als zu dick und somit verzerrt wahrnahmen (VP7), tatsächlich zu viel wogen (VP13) oder sich sehr auf ihr Äußeres fixierten und sich extrem dafür engagierten (VP14, VP15). Sie alle waren sich über die Möglichkeiten der Bildmanipulation im Klaren, lehnten diese teilweise oder strikt ab und empfanden Aufklärung darüber als befreiend. Dieser Zusammenhang ist plausibel. In ihrem Wunsch, dem aktuellen Ideal zu gleichen, findet sich der geschilderte soziale Anpassungsdruck der vier Versuchspersonen wieder. Da das Bewusstsein über die Manipulation und somit die eigentliche Irrelevanz der Ideale für die reale Lebenswelt der Frauen Erleichterung schaffen kann, wird Druck von den Frauen genommen. Dies erklärt ihre ablehnende Haltung gegenüber der Manipulation sowie den Wunsch nach Aufklärung. Bei den Wollenden B und C ließen sich keine einheitlichen Antwortstrukturen aufdecken. (Vgl. Abbildung 6) Interessant ist der Zusammenhang zwischen den Wollenden und ihrer Einstellung gegenüber der Bildmanipulation. Denn es zeigt sich, dass das Wissen um die Manipulation zwar allgemein erwünscht ist und auch positive Effekte auf die Frauen haben kann, da sie diese als befreiend erlebten, jedoch widerspricht dieses Wissen anscheinend nicht ihrem Wunsch, dem Ideal zu entsprechen. Obwohl sich viele der befragten Frauen im Klaren darüber waren, dass es sich bei den werblich kommunizierten weiblichen Schönheitsidealen um manipulierte Vorbilder handelt, tendierten sie doch dazu, diesen gleichen zu wollen.
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Abbildung 6: Zusammenhang zwischen dem Wunsch, dem Ideal zu entsprechen, und der Bildmanipulation
Fazit In dieser Studie, die nicht repräsentativ ist, wurde dennoch ersichtlich, dass der Großteil der befragten Frauen das über Werbebilder kommunizierte aktuelle weibliche Schönheitsideal internalisiert hat und sich dieses für sie vornehmlich durch das Kriterium der Schlankheit auszeichnet. Dieses verinnerlichte Ideal ist für die eigene Körperwahrnehmung von Frauen in zweierlei Hinsicht von großer Bedeutung. Zum einen dient es bei der Selbsteinschätzung der Frauen hinsichtlich ihrer eigenen Schönheit als direktes Vergleichsobjekt, zum anderen dient es aber auch als Vergleichsstandard bei sozialen Vergleichen mit anderen Frauen. Durch das Aufdecken dieser Internalisierung wird deutlich, dass der Einfluss von Werbeschönheiten über die unmittelbare Rezeptionssituation hinausgeht. Das heißt, das Ideal entwickelt sich zu einem abrufbaren und somit stets präsenten Wissen der Rezipientinnen. Aufgrund der Tatsache, dass neben der Werbung noch
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weitere massenmediale Kommunikatoren dieses Ideals (vgl. Schnierer, 1999, S. 259), wie zum Beispiel die Pop-Kultur, die Modewelt oder Filme existieren, kann der Einfluss der Schönheitsideale nicht allein den Werbebildern zugeschrieben werden. Es lässt sich daher sagen, dass die Probandinnen ein vermitteltes Schönheitsideal verinnerlicht haben, dieses jedoch nicht ausschließlich der Werbung beizumessen ist, was die Ergebnisse dieser Untersuchung stützen. Aufgrund dessen wäre es interessant, die Herkunft internalisierter Schönheitsideale in künftigen Studien noch differenzierter zu erforschen, um zu ermitteln, welche konkrete Rolle die Werbebilder bei der Verfestigung gesellschaftlicher Ideale neben anderen Quellen spielen. Es zeigte sich, dass der Wunsch, dem vermittelten Ideal zu gleichen, unter den interviewten Frauen weit verbreitet war. Dies betraf aber nur die Probandinnen, die sich intensiv mit dem Thema weiblicher Schönheit auseinandersetzten und sich entweder selbst als zu dick empfanden oder aber größten Wert auf die eigene Schlankheit legten. Dieses Ergebnis erscheint ebenso wie die verschiedenen gefundenen Typen der Zufriedenen, Realistinnen, Unentschlossenen und Wollenden überzeugend zu sein. Doch wäre für valide und repräsentative Aussagen eine quantitativ ausgelegte Untersuchung dieser Kategorien vonnöten. Darüber hinaus ist eine qualitative Studie zur tiefgründigeren Untersuchung weiterer verinnerlichter Schönheitsideale interessant, da diese Studie neben dem aktuellen jugendlichen Ideal noch ein weiteres, reiferes Schönheitsideal aufdeckte. Besonders vor dem Hintergrund der zunehmend alternden Gesellschaft rückt dieses ältere Schönheitsideal stärker in den kommunikationswissenschaftlichen Fokus. Zudem zeigte sich, dass dem sozialen Vergleich bei der Rezeption von Werbebildern eine hohe Relevanz zukommt. Die meisten Frauen verglichen sich unaufgefordert mit den vorgelegten Werbebildern. Dies indiziert, dass es sich dabei um einen weitgehend automatisierten und deswegen unvermeidbaren Vorgang bei der Rezeption von Schönheitsidealen handelt. Im Gegensatz zu anderen Autoren (vgl. z. B. Myers & Biocca, 1992) zeigte die Rezeption von Werbeschönheiten keinen verzerrenden Einfluss auf die Selbstwahrnehmung der interviewten Frauen, da sich diese weitestgehend mit ihrem äußeren Erscheinungsbild entsprechenden Frauendarstellungen identifizierten. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass trotz einer korrekten Selbsteinschätzung die Vorbildfunktion bei den weiblichen Schönheitsidealen nicht etwa bei realistischen, sondern bei idealisierten Frauendarstellungen lag. Warum erstreben Frauen realistische Abbildungen, wenn sie
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sich nicht an diesen orientieren? Zur Klärung dieser Frage wäre eine tiefer gehende Untersuchung der Divergenz zwischen der Identifikation und der Auswahl der persönlichen Vorbilder interessant. Es ist bemerkenswert, dass bei der Vorlage der Werbebilder bei allen befragten Frauen Emotionen festzustellen waren. Tendenziell reagierten sie auf die natürlichen Schönheiten mit negativen, auf die stilisierten Schönheiten mit keinen und auf die realistischen Schönheiten mit positiven Gefühlen. Dies lässt sich durch die Tatsache erklären, dass für soziale Vergleiche hauptsächlich dem Selbst ähnliche Vergleichsobjekte herangezogen werden. Durch die künstliche und unnatürliche Darstellungsweise der stilisierten Schönheiten scheinen diese für die Lebenswelt der befragten Rezipientinnen keine Bedeutung zu haben und evozieren daher auch keine Emotionen. Demgegenüber erwecken die realistischen und natürlichen Schönheiten den Eindruck, in der wirklichen Welt vorzukommen, und sind so relevante Vergleichsobjekte. Da soziale Vergleiche mit den natürlichen Schönheiten für die Probandinnen zumeist negativ ausfielen, riefen sie hauptsächlich unangenehme Gefühle hervor. Dagegen waren die Vergleiche mit den realistischen Schönheiten von meist lateraler Natur, so dass das subjektive Wohlempfinden gesteigert und positive Emotionen verursacht werden konnten. Das am häufigsten geschilderte positive Gefühl war Sympathie. Die am häufigsten genannten negativen Emotionen waren Antipathie und Neid. Während Sympathie und Antipathie als von der eigenen Körperwahrnehmung unabhängig empfunden werden können, stellt Neid ein Gefühl dar, das auf dem Unterschied zwischen dem Selbst und dem Vergleichsobjekt basiert und somit beim Vergleich mit der eigenen Schönheit für die eigene Körperwahrnehmung von äußerster Relevanz ist. Die Tatsache, dass für subjektive Vergleiche nur Objekte herangezogen werden, die als existent und daher relevant erscheinen (vgl. Hoffman, Festinger & Lawrence, 1989, S. 193), erklärt, warum hauptsächlich die natürliche Schönheit 1 negative Auswirkungen auf das subjektive Wohlempfinden haben kann. Sie kann als tatsächlich erreichbar und die individuelle Diskrepanz zu ihr als umso schmerzhafter erlebt werden. Es zeigt sich, dass auch hier noch weiterer Forschungsbedarf besteht, wobei eine qualitative Ausdifferenzierung der evozierten Emotionen einer quantitativen Untersuchung zur Übertragung der Ergebnisse auf die Allgemeinheit voranzustellen wäre. Die Untersuchung der Rolle der Bildmanipulation ergab, dass unter den Befragten ein hohes Bewusstsein über die Manipulation vorlag, diese aber
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kaum akzeptiert wurde. Ein Drittel der Frauen erlebte die direkte Aufklärung über die Manipulation von Werbebildern durch den Evolution-Spot als befreiend und erleichternd. So scheint eine stärkere gesellschaftliche Diskussion der Bildgestaltungsmethoden bei Werbebildern eine Möglichkeit zu sein, negative Auswirkungen von weiblichen Schönheitsidealen auf Werbebildern auf die eigene Körperwahrnehmung von Frauen zu vermeiden oder zu reduzieren, denn "Werbung lügt […] nur dann, wenn wir ihr glauben." (Brehm, 2003, S. 74) Auf der anderen Seite ist die "Kluft zwischen den rationalen Erkenntnissen und ihren Emotionen […] bei den Frauen riesengroß" (Deuser, Gläser & Köppe, 1995, S. 243). Dies kam in den Ergebnissen zum Ausdruck, dass die Frauen wider besseren Wissens, dass Werbebilder unrealistische Schönheitsideale darstellen, dennoch den Wunsch verspürten, diesen zu entsprechen und von ihnen in ihrem Gefühlsleben beeinflusst wurden. Dieses Ergebnis zeigt, wie automatisiert Vergleiche ablaufen und wie wenig diese willentlich beeinflussbar sind. Daher sollte die Aufklärung über die Bildgestaltungsmöglichkeiten intensiver ausfallen, als vielleicht zunächst anzunehmen war. Hierfür wäre aber noch die Untersuchung konkreter Wirkungsunterschiede zwischen manipulierten und nicht manipulierten Werbebildern empfehlenswert. Literatur Baszczyk, E. (2003). Werbung. Frau. Erotik. Marburg: Tectum. Bauernfeind, B., Fauster, A., & Lang, N. (2002). Negative Auswirkungen des Schönheitskultes. In A. Hergovich (Hrsg.), Psychologie der Schönheit. Physische Attraktivität aus wissenschaftlicher Perspektive (S. 83-99). Wien: WUV. Bergler, R., Pörzgen, B., & Harich, K. (1992). Frau und Werbung. Vorurteile und Forschungsergebnisse. Köln: Deutscher Instituts-Verlag. Brehm, T. (2003). W wie Werbung. In Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (Hrsg.), Bilder, die lügen (S. 80-81). Bonn: Bouvier. Brickman, P., & Bulman, R. J. (1977). Pleasure and pain in social comparison. In J. M. Suls & R. L. Miller (Hrsg.), Social comparison processes. Theoretical and empirical Perspectives (S. 149186). Washington: Hemisphere Publishing Corporation. Brosius, H.-B., & Fahr, A. (1998). Werbewirkung im Fernsehen: Aktuelle Befunde der Medienforschung. Reihe angewandte Medienforschung. Band 1 (2. Auflage). München: Fischer. Brüsemeister, T. (2000). Qualitative Forschung. Ein Überblick. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
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Female Marketing Sternstunde der Frauen – Der Kunde ist Königin Alina Kessel
Gestatten Sie mir bitte einen kleinen, aber bezeichnenden Scherz am Anfang: Es treffen sich zwei Männer. Der eine fragt den anderen, wie es ihm denn geht. Seine Antwort: "Schlecht. Meine Frau ist mit meinem besten Kumpel unterwegs. Und es ist alles so sinnlos ohne ihn." Sind denn Frauen so uninteressant? Zum ersten Mal in der Geschichte ist eine Frau für Deutschland verantwortlich. "Bundeskanzlerin" wurde zum Wort des Jahres 2005. Und die Frauen-Fußballmannschaft hat es tatsächlich geschafft, 2007 erfolgreich ihren Weltmeistertitel zu verteidigen. Ein Zeitzeichen, mehr nicht? Nur der Kunde ist König, wer achtet auf die Königin? Lange haben Männer die Entwicklung im Marketing bestimmt. Sie prägten den Auftritt von Unternehmen, ihr Image, ihre Qualität, ihre Innovationen, ihre Markenwerte, Produkte, Werbekampagnen. Auch, wenn es um Marken und Marketing für Frauen ging. Im Kern war die gesamte Kommunikation von Männern für Männer gemacht. Konsumentinnen wurden nicht extra bedacht. Dabei sind sie doch so anders. Sie stehen auf eigenen Füßen und haben wahrlich einen eigenen Kopf. Auch Marketingforschung und -lehre stellten die Frau eher nicht in den Mittelpunkt des Interesses. Alles verpasste Chancen. Alle Arten der Kommunikation, Corporate Culture, Businessstrategien, Reports zum Branding, die meisten Marktforschungsstudien kennen nur ihn: den Konsumenten, den Verbraucher, den Investor, den Händler, den Agenten, den Promotor. Der Kunde wünscht, er entscheidet, er kauft, er ist der User. Als ob nicht längst Frauen über 70 Prozent der privaten Konsumausgaben entscheiden, wie Experten schätzen.
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0_13, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Female Marketing
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Bisher bezieht das Marketing seine Inhalte aus der Männerwelt, im Denken wie im Fühlen, in Wort und Bild. Die Werte orientieren sich an maskulinen Vorstellungen. Männer geben die Werte vor. Höchste Zeit, dass sich das ändert. Zukunftsforscher wie Matthias Horx (2004) und John Naisbitt (1993) rufen das "Jahrhundert der Frauen" aus. Der globale Megatrend heißt Female Power. Und er wird nicht bloße Theorie bleiben, sondern ganz entscheidend Marketing und Markenführung bestimmen. Die Wirtschaft ist heute schon weiblich, nur das Denken noch nicht! Tabelle 1: Frauen sind Deutschlands Entscheider Möbel
88.3%
Geld und Kapitalinvestment
64.4%
Große Elektrogeräte
83.6%
Urlaub
81.7%
Versicherung
63.0%
Gartenpflege
77.9%
Autos
50.7%
Quelle: AWA 2005, 33.84 Mio. Frauen; Anteil der Frauen, die alleine oder hauptsächlich entscheiden
Wissen: Warum übersieht Marketing die Frauen? Es ist höchste Zeit für Konsumgüterindustrie, Handel und Dienstleistungen, das Thema "Female Marketing" ernst zu nehmen und sich darauf auszurichten. Hatten wir das nicht schon einmal? In den 70er Jahren, auch in den 80ern. Vielleicht auch früher? Erinnern Sie sich noch an den Slogan "Bauknecht weiß, was Frauen wünschen"? Das war nur so lange erfolgreich, wie Frauen sich um Heim und Herd kümmerten. Die Schwierigkeitsgrade des Female Marketings sind bekannt. MarketingRoutine, alte Klischees und verstaubte Frauenbilder gehören gründlich renoviert. Dafür braucht Marketing sensiblere Macher und einfühlsamere Methoden. Gestern: Marketing sieht die Frau als Konsumentin, wenn es um ihre Familie geht. Als unabhängig und eigenständig wird sie einfach nicht bemerkt. Das Interesse an der Zielgruppe "Frauen" ist noch lange nicht geweckt. Im Fokus des Marketings steht sie nur dann, wenn Unternehmen ihr
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Geld in frauennahen Branchen wie Mode, Kosmetik, Gesundheitspflege, Kinderbedarf oder mit typischen Produkten für den Haushalt verdienen. Unisex-Strategien sind das Nonplusultra. Sie sind das Ergebnis einer auf die Spitze getriebenen Vereinfachung. Heute: Die Zeiten haben sich geändert. Es ist verblüffend, wie sehr sich die Ziele von Frauen und Männern gleichen: Tabelle 2: Wichtige Dinge im Leben
Familie und Partner Finanzielle Unabhängigkeit Private Anerkennung Professionelle Anerkennung Wenn möglich sollten Frauen einen Job haben
Frauen % 98.5 97.8 94.9 80.5 85.9
Männer % 97.8 98.2 94.8 96.2 78.2
Quelle: Verbraucheranalyse 2005/l; Basis: 64.89 Mio.
Jetzt stehen Frauen ganz anders da. Neurobiologen, Evolutionstheoretiker, Zukunftsforscher und Wirtschaftswissenschaftler zeigen ein neues Bild der Frau auf. Ihre empirischen Studien stellen die Frau ins Zentrum des Konsumentenverhaltens und sehen sie (endlich) in ihren immer neuen, vielfältigeren Rollen. "Multitasking" beschreibt ihre Rolle und gibt die Antwort auf die Menge ihrer alltäglichen Herausforderungen. Die Folge: Frauen entwickeln eine enorme gesellschaftliche Dynamik. Sie sind immer selbständiger, selbstbewusster und unabhängiger. Bessere Ausbildung, ein eigenes Einkommen, individuelle Möglichkeiten geben ihnen Sicherheit. Für ihren persönlichen Lebensentwurf formulieren junge Frauen heute viel ehrgeizigere Ziele als noch ihre Mütter. Frauen stehen auf eigenen Beinen. Sie besetzen Kompetenzfelder, wo immer sie sich engagieren. Im Beruf, im Sport und in der Freizeit, in Partnerschaften, in der Politik, im sozialen und kulturellen Bereich und auch in der Familie. Überall nimmt ihr ohnehin großer Einfluss auf Kaufentscheidungen weiter zu. Und sie investieren in Autos, Flatscreens, Investmentfonds, Bohrmaschinen und vieles mehr, das bisher als Männerdomäne galt.
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Laut einer britischen Studie werden im Jahr 2020 mehr Frauen als Männer finanzielle Entscheidungen wie die über Fondsanlagen treffen. Fakten: Die Welt der Frau im Zahlenspiegel "Die Konsumwelt ist weiblich, und sie wird es immer mehr", verkündet Faith Popcorn, Ikone der internationalen Trendforschung. Ein Blick auf die Fakten – und wir geben ihr Recht: Tabelle 3: Die Zahlen sprechen für sich 80% 60% 51% 86% 57% 50% 31% 44%
Aller Konsumgüter werden von Frauen gekauft aller automobilen Entscheidungen werden von Frauen getroffen aller Immobilienbesitzer sind Frauen aller Frauen sind haushaltsführend aller Single-Haushalte sind weiblich (8 Mio. Frauen) aller Frauen in Doppelverdienerhaushalten verdienen das Gleiche, wie ihr Partner aller Frauen sind Haupteinkommensbezieher aller Investmentfonds Besitzer sind Frauen
(TdW 2006/7) (A.T. Kearney 07) (TdW 2006/7) (A.T. Kearney 07) (Statis 2006) (Allianz 2007) (TdW 2006/7) (TdW 2006/7)
Quelle: Typologie der Wünsche
Frauen sind immer besser ausgebildet. Die Zahl der Frauen mit Universitätsabschluss stieg in zehn Jahren um 30 Prozent an. 2006 waren 49.4 Prozent der Studienanfänger weiblich. Schon 2004 besuchten mehr Mädchen als Jungen die deutschen Gymnasien und Realschulen. Immer mehr Frauen sind berufstätig und haben ihr eigenes Einkommen. Das macht sie unabhängig, selbstbewusst. Für den aktuellen Arbeitsmarkt sind gut ausgebildete Frauen unverzichtbar. Frauen wollen weniger perfekt sein: 93 Prozent ist es wichtiger, dass sich alle wohl fühlen, als dass der Haushalt perfekt gemacht wird. (www.dudarfst.de, 2004)
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Alina Kessel Frauen erreichen (noch) nicht das Einkommensniveau von Männern. Aber sie holen in fast allen Berufssparten auf, verringern den Abstand zu ihren Kollegen. Frauen entscheiden über den täglichen Konsum. 80 Prozent aller Haushaltsführenden sind weiblich. Frauen leben länger. Davon profitiert das Marktsegment der Master Consumer. Die Zielgruppe 50plus umfasst mehr Frauen als Männer. 2003 in Deutschland geborene Mädchen haben eine Lebenserwartung von 81.4 Jahren. Frauen lieben neue Medien. 70 Prozent aller Frauen im Alter von 14 bis 49 Jahren nutzen das Internet, im Durchschnitt 45 Minuten pro Tag. Und fast jeder zweite Onlinekäufer ist weiblich. Nur ältere Frauen der 50plus-Community können diesem Trend noch nicht folgen. Am liebsten kaufen Frauen Bücher, Modeartikel, Eintrittskarten für Veranstaltungen und Kosmetik im Internet. (VA 2005/2; Fittkau & Maass). Frauen sind sportlich aktiv. Ab dem 35. Lebensjahr treiben Männer weniger, Frauen zunehmend mehr Sport. Von acht Mio. Walker und Wanderern in Deutschland sind 70% weiblich (Brigitte Kommunikationsanalyse 2004, Deutsches Walking Institut).
Aber manches ändert sich auch nicht:
Frauen lieben immer noch das Anprobieren. Die Bundesbürgerinnen verbringen im Alter von 14 bis 49 Jahren durchschnittlich 109 Stunden jährlich in Umkleidekabinen (Emnid). Und die Männer sind tapfer und warten während ihres Lebens ein Jahr lang vor Umkleidekabinen und im Auto (www.welt.de, Juli 2007, Studie in GB).
Und übrigens : 77 Prozent der Frauen würden lieber einen Flachbildschirm-Fernseher annehmen als ein Collier. 86 Prozent würden lieber eine digitale Videokamera besitzen als Designerschuhe (www.welt.de, Nov. 05). Hätten Sie's gedacht? Das heißt: Kein Produkt ist vor Frauen sicher!
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Hirnforschung: Tiefer Blick in neue Consumer Insights Die aktuelle neurobiologische und neurophysiologische Konsumverhaltensforschung bringt die Markenkommunikation auf einen neuen Wissensstand. Durch die funktionelle Kernspintomographie, ein bildgebendes Verfahren, können Wissenschaftler die Gehirnaktivitäten der Konsumenten beobachten und messen. Sie bestätigen: Es gibt gravierende Unterschiede im emotionalen und rationalen Verhalten von Frauen und Männern. Was Fakt ist, kann nun "sichtbar" erklärt werden. Und das wird den Marken und ihrer Kommunikation helfen. Frauen denken und fühlen wirklich anders als Männer. Und Gleichberechtigung macht aus Männern und Frauen eben nicht biologisch gleiche Menschen. Schon gar nicht gleiche Konsumenten. Eine Banalität, die mit ihrem Wahrheitsgehalt die Marketingwelt erschüttern muss. Noch – politically correct – ist die Gleichheit von Mann und Frau oberstes Gebot. Jetzt gilt es, den Kurs in der Kommunikation mit Konsumentinnen neu zu bestimmen. Abbildung 1: Frauen haben einen weiteren Blick als Männer – erkennen mehr Farben, Details, Nuancen
Female Marketing steht vor vielen Fragen: Warum spielen Emotionen eine so wichtige Rolle im Leben der Frau? Warum sind Frauen so kommunikativ im Vergleich zu Männern? Warum bevorzugen Frauen Werbung, die mit interessanten Geschichten unterhält? Warum kaufen Männer gezielt ein, und warum können Frauen stundenlang anregendes
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Shopping genießen? Und welche Erkenntnisse der Hirnforschung sind ökonomisch überhaupt relevant? Was Female Marketing nutzen kann ... Mit dem Institut life & brain und Professor Elger in Bonn hat Grey die Hirnaktivierung durch Werbemotive bei 39 Frauen und Männern im Computertomographen gemessen. Als Stimulusmaterial wurden den Probanden Marken-Logos, emotionale und rationale Brand Value Signals aus Fernsehspots und Anzeigen gezeigt, um herauszufinden, wie unterschiedlich Brand Value Signals wirken. Dieser Test lieferte für die Marken-Kommunikation das Idealergebnis: "Emotionale Stimuli sind rationalen Stimuli eindeutig überlegen". Female Marketing findet hier den Schlüssel zum Markenerlebnis der Frauen, die Kreation den Wirkungsbeweis für die emotionale Tonalität in der Marken-Kommunikation. Die Befunde aus der Hirnforschung sind wichtig für eine sensiblere Markenführung:
Frauen zeigen eine direkte emotionale Reaktion ihres Gehirnes, wenn sie Werbemotive sehen. Sie mögen sie. Oder sie mögen sie nicht. Frauen haben eine emotionale Bindung an vertraute Marken. Gerade die berühmten Classic Brands können daher mit Emotionalität kräftig punkten. Frauen beurteilen auch prominente Persönlichkeiten eher emotional. Die Marken-Kommunikation sollte das künftig noch intensiver umsetzen, wenn sie Vorbilder oder Testimonials sucht. Frauen wollen Belohnung spüren, auch ihre Imagination anstoßen, wenn sie Key Visuals von Marken emotional bewerten.
Fazit: Der Spagat der Marken wird in Zukunft noch größer, noch markanter. Männer sehen den rationalen Benefit. Frauen reagieren mit Gefühl. Um genauer zu wissen, wie Konsumentinnen "ticken", werden nun Forschungsgebiete wie empirische Konsumentenforschung, Gehirnforschung, Psychologie und Marketingforschung verknüpft. Marketing und Markenführung haben Berge von neuem Wissen abzuarbeiten. Dazu einige Stichworte:
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Frauen sind Web-Thinker. Sie erfassen mehrere Dinge zugleich. Männer sind Step-Thinker, sie erledigen eins nach dem anderen (Häusel, 2004). Das weibliche Gehirn hat eine herausragende sprachliche Flexibilität. Und es besitzt eine übernatürliche Fähigkeit, Gefühle und Stimmungen an Gesichtsausdruck und Tonfall abzulesen. Es kann auch Konflikte entschärfen. Frauen kommunizieren gern, teilen Probleme und Erlebnisse mit anderen. Sie differenzieren stärker. Frauen sprechen 7.000 Wörter am Tag, Männer 2.000. Jene Gehirnareale, die "Bauchgefühl" aufnehmen, sind bei Frauen größer und empfindlicher. Sie ahnen intuitiv. Frauen erinnern sich besser an emotionale Einzelheiten. Frauen begeistern sich für offene und Phantasie anregende Produktbeschreibungen, Männer für Hard Facts.
Oder … um es kurz zu machen:
Frauen kombinieren und sammeln. Männer gehen auf die Jagd und wollen Ordnung, in der sie sich schnell zurechtfinden. Frauen mögen Geschichten, Männer lieben klare Regeln. Frauen wollen dazugehören, Männer sind lieber unabhängig. Frauen mögen Anerkennung, Männer wollen Autorität. Frauen denken empathisch, Männer systematisch. (Simon Baron Cohen)
Diese Consumer Insights sind Koordinaten einer neuen Roadmap im Female Marketing. Sie helfen dabei, die Einzigartigkeit und Individualität der Frau als Konsumentin zu entdecken. Konsumforschung: Female Types and Lifestyles "Was fasziniert die Deutschen?" Das wussten Marktforscher und Psychologen schon 1987 (Ires Absatzwirtschaft). Ein Porsche und die Olympischen Spiele sind etwas für Männer. Frauen sind fasziniert von Gold, Mozart und dem SOS Kinderdorf – damals. Neurobiologen und Psychologen können diese Einstellung jetzt genauerer klären: Männer bauen Dominanz auf, wenn sie
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Porsche fahren und sich mit Olympia-Siegern identifizieren. Gold und SOS Kinderdorf sind Symbole für das weibliche Streben nach Sicherheit, nach Bewahren und Bindung. Ein einfacher Blick auf die Hitliste der Top-10-Kinofilme 2006: Ihre Eindeutigkeit überrascht. Abbildung 2:
Top Ten Kinofilme 2006
Quelle: FFA Filmförderungsanstalt German Federal Film Board 2006
Im Sog von Zeitgeist und gesellschaftlichem Wandel entdecken Marktforscher neue Lebenswelten, neue Lebensstile. Und bis heute kreieren sie wie vom Fließband neue Typologien. Die sind genau so vielfältig und individuell, wie Frauen nun einmal sind:
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GfK Euro-Socio-Styles beschreiben Frauen als die "Kritischen – Bodenständigen – Träumerinnen – Weltoffenen". Und eine GfK-Jugendstudie nennt junge Männer und Frauen "gebildete Menschenfreunde, erfolgsorientierte Spirituelle" und auch "geldorientierte Phlegmatiker". Consumer Eyes, Marketingfirma aus New York, präsentiert 2007 neun auf den Zeitgeist zugeschnittene Konsumententypen. Sie heißen unter anderem Karma Queen, Geek Gods, Denim Dad oder Ms. Independent. Die Karma Queen beispielsweise interessiert sich für Marken und Produkte, die Körper, Geist und Seele wohl tun. Ihr Idealauto ist der durch fließende Formen bestechende VW Beetle. Sie ist die Frau zwischen 40 und 50 Jahren. Wellness ist ihr Trend. Das Zukunftsinstitut glaubt an das Ende der Normalbiographien im Leben der Menschen und ruft das "Zeitalter der Multigraphie" aus. Die Studie "Lebensstile der Zukunft 2020" geht davon aus, dass Biographien zukünftig nicht mehr wie in unserer Generation üblich den Lebensverlauf linear abbilden. Das Marketing übernimmt nach Ansicht des Instituts daraus Lifestylegruppen wie "urbane Penner, Inbetweeners, LatteMacchiato-Familien oder Tiger Ladies". Das Rheingold Institut arbeitet mit V.E.N.U.S-Frauentypen. Fünf psychologische Dimensionen machen Einstellungen, Denk- und Verhaltensweisen deutlich: virtueller Schöpfungswahn, elementares Realitätsbedürfnis, narzisstischer Rebellionstick, unermüdliche Identitätssuche, sinnstiftende Orientierungssehnsucht. Daraus leitet Rheingold sieben Frauentypen ab wie "Super Girls, Self Designerinnen oder Golden Ladies". Frauen sind finanziell frei. Jede zweite entscheidet komplett oder überwiegend allein in Geld- und Kapitalangelegenheiten (AWA 2005).
Praxis: Female Marketing als Evolution Über Jahre hinweg ist Management-Guru Tom Peters immer wieder gefragt worden: Welche Unternehmen sind perfekt im Female Marketing? Wer macht alles richtig? Seine Antwort kommt genervt: "I know of none!" Natürlich erkennen Unternehmen heute, dass Frauen eine riesige Chance für ihr Geschäft und ihren Erfolg bedeuten. Deshalb drehen sie immer schneller an den Stellschrauben des Marketings. Aber Frauen durchschauen jede Marketing-
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Abbildung 3: Emotionale Ansprache im Zeitgeist
Quelle: Glamour - August 2007
kosmetik und alle ausgefuchsten Tricks. Tom Peters fordert in seinem Buch "Re-Imagine – Business Excellence in a Disruptive Age", dass die Company auf allen Managementebenen, bis ins letzte Büro, "female driven" denkt und arbeitet. Und das gilt für Männer und Frauen. Wie schwer das ist, zeigt folgendes Beispiel: So – glauben Männer – sehen Topthemen für Frauen aus: Fallbeispiel: Lenor weckt Begehren Das Ausgangsszenario Der Weichspüler Lenor von Procter & Gamble ist seit über 40 Jahren Marktführer in Deutschland. Von Anfang an lebte die Marke mit dem Wandel der Konsumgesellschaft. Millionen Frauen sind mit ihr groß geworden. Und immer hat sich Lenor behutsam dem Zeitgeist anpassen müssen. Nur wenige Marken haben die Individualität, die vielfältigen Rollen der Frauen, ihre Wünsche und Lebensgewohnheiten, ihren Lifestyle so gut verstanden wie Lenor. Und dann in Marketingexzellenz umgesetzt. So entstand Überlegenheit im Wettbewerb.
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Der Champion kämpft Ab 2002 wird es ungemütlich in den Konsumgütermärkten. Preisaggressiver Wettbewerb verschont auch die Marke Lenor nicht: Absatz, Marktanteile und Gewinnmargen geraten unter Druck. Der Preis wird zur schärfsten Waffe. Markenwerte, Produktdifferenzierung und das Profil der Marken verlieren in einem nur noch taktisch geführten Alltagsgeschäft an Gewicht. Der Markt dreht in Richtung Massenware. Die Discountwelle macht Marken austauschbar. Auch markenloyale Lenor-Kundinnen wandern ab. Der Brand Value zählt plötzlich nicht mehr. Es ist Mode und ein Sport, den Preis zu jagen und sonst nichts. Konsumenten werden zu "Switchern". Der Preis wird zur schärfsten Waffe im Überlebenskampf der Marken und Produkte. Das trifft auch die Markenkommunikation von Lenor ins Herz. Im Januar 2004 bedrohen Hard-Discounter und NoName-Artikel des preisaggressiven Einzelhandels die Königin des Weichspülermarktes. Ein Drama? Nicht für Procter & Gamble. Abbildung 4: Emotionale Ansprache im Zeitgeist
60er Modernisierung
70er Emanzipation
80er 90er 2000er Umweltbewusstsein/ Selbstwertgefühl/ -verträglichkeit Luxus
2004: Strategiewechsel wird zum Befreiungsschlag Jetzt muss sich der Marktführer aus der Umklammerung durch Wettbewerber lösen. Nur Innovationskraft, Einzigartigkeit und Brand Value können der Marke die Führungsposition sichern. Die Markenführung weiß aus aktuellen tiefenpsychologischen Untersuchungen: Beim Weichspülen geht es nicht um
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die Kleidung, es geht mehr um die Frau! Sie will im Zentrum des Weichspülerlebnisses stehen. Sie will Gefühl, nicht waschen. 2004 entscheidet sich das Lenor-Team für eine neue Strategie: Das Commodity Product, der hygienisch positionierte Bedarfsartikel für Bekleidung, soll sich zu einem Produkt wandeln, das "Begehren" weckt. Die Marke muss vor allem die Herzen der Verbraucherinnen erobern. Als strategisches Ziel ist zu ereichen: Lenor will die emotionale Verbindung zu den Verbraucherinnen vertiefen, die Markentreue erhöhen und somit das "Switching" verringern. Mit diesem Ansatz des "Begehrens" verlässt Lenor die Welt der rationalen Waschprozesse, es tritt nun ein in die Welt des Parfums. Das hat Logik. Denn die Aufladung der Marke mit Duft- und Kosmetikflair kann Procter & Gamble mit reicher Erfahrung aus diesen Branchen begleiten. Aber erreicht Lenor damit die Zielgruppe? Was erwarten 25- bis 55-jährige Frauen im Jahr 2005 von ihrem Weichspüler? Die Einstellungen und Wünsche der Frauen haben sich inzwischen dramatisch verändert. Frauen sind kritischer, bestehen auf ihrer Eigenständigkeit. Sie konzentrieren sich mehr denn je auf ihren Körper und ihr Aussehen. Verwöhnen ist angesagt. Unberechenbares Kaufverhalten ist chic: hier Sparsamkeit, dort sich etwas gönnen. Erst Discount und dann gleich Luxus. Und nicht zuletzt schätzen diese Frauen die Natur als positive Energiequelle. Die Lenor-Strategie des "Begehrens" trifft eine Zielgruppe, die auf der Suche nach einem natürlichen, aber exklusiven Dufterlebnis ist. Frau wünscht einen Weichspüler, der nicht an den Alltag erinnert, sondern inspiriert. Sie möchte ihre Bindung zu Lenor genießen, sich wohl fühlen im Einklang mit der Natur. Das Sinnliche soll die Banalität des Alltags verdrängen. Die Marke spricht das deutlich aus: "Lenor verführt Sie mit der Sinnlichkeit der Natur." Dazu holt sich die neue Kampagne ihre Bilder aus der extrem sinnlichen Welt des Parfums. Da das Fernsehen wirkungsstark Emotionen übertragen kann, wird es zum zielführenden Medium. Alle vorgegebenen Ziele der neuen Markenstrategie werden erreicht und übertroffen: Lenor ist die klare Nr. 1 im Markt vor den Handelsmarken und Discountern. Die Marktpenetration nimmt signifikant zu. Die Markentreue steigt schon 2005 um acht Prozent, aus Switchern werden loyale Anhängerinnen der Marke. Immer mehr Konsumentinnen "begehren" die Marke Lenor. "Hilft mir, gut auszusehen und mich in meiner Kleidung wohl zu fühlen", das sagen 2005 schon 18 Prozent mehr Frauen als 2003. Erfolg ist sexy. Das Markenmanagement will mehr davon. Vor allem die Steigerung des Markenwertes.
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2006: Lenor besetzt das Premiumsegment Gibt es in dieser Zeit überhaupt noch unerfüllte Wünsche der Konsumentinnen? Ist denn Premium im Weichspülersegment überhaupt machbar? Bislang dachte keine Marke daran, mit einem extrem sinnlichen Dufterlebnis Kundinnen emotional zu aktivieren. Nicht so Lenor. Die Marke nutzt konsequent das Flair der Düfte, um auch Premiummarke zu werden. Im September 2006 wird die Premiumweichspülerlinie "Lenor Mystery" eingeführt. Wie in der Mode spricht das Lenor-Management von einer "Kollektion" der Düfte. Sie ist 33 Prozent teurer als die Lenor-Basisprodukte und 72 Prozent teurer als der Hauptwettbewerber. Diese unternehmerische Entscheidung löst gleich mehrere positive Entwicklungen aus: Lenor differenziert Premium- und Basisgeschäft. Abstrahleffekte von der Premium-Range auf die Basisprodukte schaffen auch im Markt der Massenware neuen Gestaltungsspielraum für die Preispolitik. Und Lenor wird durch die Mystery-Kollektion viel attraktiver für Neuverwenderinnen, verhindert Kannibalisierung im eigenen Portfolio. Im Businessplan steht ein ehrgeiziges Ziel: Schon nach einem Jahr soll Lenor Mystery rund zehn Prozent des gesamten Lenor-Geschäftes erreichen. Dazu muss die Konsumentin als Partnerin gewonnen werden. Frauen, die sich selbst erleben wollen und nicht "nur" perfekte Mutter oder Hausfrau sind. Die Lenor-Kampagne für das Basisgeschäft kannte nur die "Alltägliche Natur". Die Premiumkollektion "Lenor Mystery" muss einen Schritt weiter gehen. Sie kommuniziert über die "Geheimnisse" der Natur und spricht: "Lenor Mystery verführt Sie mit den unentdeckten Geheimnissen der Natur". Und wiederum findet diese Verführung im Fernsehen statt mit der Markenkommunikation "Mystery of Nature". Für die Konsumentin kommt das emotionale Marken-Naturerlebnis in die vertraute, häusliche Umgebung. Eine stolze Bilanz des Female Marketings Die Marke Lenor hat innerhalb von drei Jahren den rasanten Aufstieg von einem durch Preiskämpfe bedrohten Commodity Brand bis in die Höhen der Premium Products geschafft. Gleichzeitig wurde eindrucksvoll die Marktführerschaft gefestigt und ein neuer Wertschöpfungsprozess eingeleitet. Die Weichspülermarke Lenor wurde mehr als ein Weichspüler. Sie wurde Verwöhnen.
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Abbildung 5: Value-Markenanteile in Prozent – Lenor und Hauptwettbewerber 50 Lenor
40
30
20
Vernel Handelsmarken Softlan
10
Kuschelweich
0 2004
2005
2006
Quelle: Nielsen Market Share
Dieser Erfolg wäre ohne genaue Kenntnis der Consumer Insights und die Umsetzung dieses Wissens in ein markenwertfokussiertes Female Marketing nicht möglich gewesen. Lenor hat den Gesamtmarktanteil seit 2004 um 40 Prozent gesteigert. Die Handelsmarken um 30 Prozent zurückgedrängt, die neue Kollektion Lenor Mystery trägt kräftig zur Steigerung der Wertschöpfung bei, verantwortet 2007 schon nach vier Monaten 10 Prozent des gesamten Lenor-Geschäftsvolumens. Lenor hat zu Millionen Frauen eine neue Beziehung aufgebaut. Die Strategie "Differenzierung über Sinnlichkeit" hat alle Ziele erreicht. Trendforscherin Faith Popcorn kennt das Geheimnis im Inneren des Erfolgs: "Women don't buy brands. They join them." Fallbeispiel: Deichmann entdeckt den Wert von Qualität Rückblende: Die Mehrzahl der Frauen kauft Schuhe preisorientiert, wenn auch mit Blick auf die Marken. Sie beschreiben das mit: "Ich habe eine be-
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Abbildung 6: Deichmann Image (%-Punkte) Graceland Zielgruppe 40
36.6 35.5 35
31.2 30,3
29.8
30
29.3
05/05 10/06
27.2 25.9 25
20 vielfältige Auswahl
gute Qualität
modisch-aktuell
kaufe gerne bei D. ein
Quelle: Deichmann
stimmte Auswahl von Marken, unter denen ich diejenige aussuche, die gerade besonders preisgünstig ist. Ich wähle immer das preisgünstigste Angebot, ohne auf die Marke zu achten". Mit dieser Einstellung gehen 60 Prozent der deutschen Frauen auf Shoppingtour (Brigitte Kommunikationsanalyse 2006). Die Geiz-ist-geil-Mentalität ist spätestens 2004 in deutschen Schuhgeschäften angekommen. Im wertevernichtenden Wettbewerb scheuten Hard-Discount-er und neue Vertriebskanäle auch vor Dumpingpreisen nicht zurück und setzten Deichmann unter Druck. Die Preisspirale einfach weiter herunterzudrehen konnte keine Lösung sein. Deichmann musste als größter europäischer Schuh-Einzelhändler seine eigene Strategie finden, um sich von der "Billigmasse" zu differenzieren. 2004 startet Deichmann eine so noch nie praktizierte Qualitätsoffensive. Mit großem Erfolg: Der Umsatz steigt nun jährlich um fünf bis zehn Prozent. Deichmann spürte aber auch seine Grenzen. Seine ausschließlich auf Eigenmarken basierenden Angebote hatten nicht immer genügend Kraft, Qualität glaubwürdig in alle breit gefächerten Zielgruppen zu transportieren und neue, kaufkräftige Käufergruppen
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zu gewinnen. Bei über 20 Millionen Stammkunden und einem Absatz von 62 Millionen Paar Schuhen ist es auch keine leichte Aufgabe, Qualität für jeden relevant zu machen. Teenager, Mütter von Kleinkindern oder ihre Ehemänner haben ganz unterschiedliche Vorstellungen von Qualität. Speziell, wenn es um den ersten Babyschuh, High-Heels oder Sportschuhe geht. Auch ein anspruchsvolles und kritisches Fachhandelspublikum oder ein preisorientierter Discount-Käufer haben sehr verschiedene Vorstellungen. Für eine effektive Kommunikationsansprache fokussiert sich Deichmann deshalb 2006 bei seinen weiblichen Käufern auf zwei Zielgruppen: Junge Frauen und junge Mütter. Zielgruppen, mit denen Deichmann gut 50 Prozent des Umsatzes macht. Grund genug, tief in die Consumer Insights der Konsumentinnen zu schauen: Female Marketing also Junge Frauen sind noch in der Lebensphase der Selbstfindung und -orientierung. Sie schauen auf ihre besten Freundinnen und suchen gemeinsam nach Leitbildern. In der Musikszene finden sie Künstler, mit denen sie sich identifizieren. Sie suchen Vorbilder aus der Mode- und Musikszene, denen sie sich anschließen können. Prominente Personen, das kann die Hirnforschung nachweisen (life & brain), werden von Frauen viel stärker emotional beurteilt als von Männern. Für das persönliche Erscheinungsbild sind Schuhe in dieser Zielgruppe sehr wichtig. Junge Frauen wollen modisch auftreten. Sie suchen damit Sicherheit innerhalb der Gruppe und nach außen. Vom "Self-Design" der Frauen spricht das Rheingold Institut für qualitative Markt- und Medienanalysen. Deichmann folgert daraus: Qualität bedeutet in diesem Segment "High-End-Fashion". Dazu kommt eine alte Erfahrung: Junge Frauen verfügen nur über ein relativ geringes Einkommen. Ihre Wünsche erfüllen sie sich über Preis-Leistungs-Schnäppchen. Deichmann setzt in dieser Zielgruppe auf seine Trendeigenmarke Graceland und führt die Star-Collection ein. Die Idee: Stars wählen aus der Graceland-Kollektion ihre Favoriten. Sie sagen jungen Frauen, welche Schuhe stylish und angesagt sind – ein "Must Have" von Deichmann. Die 50 Modelle umfassende Star-Collection ist geboren, und Begehrlichkeit hat einen neuen Namen. Als Celebrity und Leitbild aus der Musikszene wird zunächst Yvonne Catterfeld für die Mar-
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kenkommunikation engagiert. Da Mode aber stark vom Wechsel bestimmt wird, folgt schon ein Jahr später die Showband Pussycat Dolls. Junge Mütter sind überzeugt, dass die Qualität der ersten Schuhe für die gesunde Entwicklung ihres Babys und für seine zukünftige Fußgesundheit entscheidend ist. In dieser Einstellung lassen sie sich durch nichts erschüttern. Kinderschuhqualität bedeutet also "gesunde Entwicklung". Deshalb sparen junge Mütter niemals an der Qualität der ersten Babyschuhe. Und sie sind markentreu bei mittlerem bis hohem Haushaltsnettoeinkommen. Shopping bei Deichmann? Das konnte sich die große Mehrheit der Mütter mit Kleinkindern bis zu acht Jahren nicht vorstellen. Es fehlte einfach das Angebot. Hier kam der Zufall zu Hilfe. Deichmann konnte die Traditionsmarke Elefanten erwerben, Deutschlands bekannteste, beliebteste und kompetenteste Kinderschuhmarke. Elefanten wird im oberen Preissegment positioniert. Sie setzt sich im Qualitätsniveau für Kunden erkennbar von den Eigen-Marken ab. Dank seiner Einkaufskonditionen kostet nun aber der teuerste Elefanten-Schuh mit knapp 40 Euro so viel wie früher der preiswerteste. Dennoch: Junge Mütter vom Fachhandel in die Geschäfte eines Dauerniedrigpreisanbieters zu holen, ist kein leichter Marketingjob. Von der Kommunikation werden Spitzenleistungen erwartet. Die Hauptlast trägt dabei die Marke Elefanten. Über Consumer Insights findet die Kommunikation den Weg in die "Herzen" der Konsumentinnen:
Das Einkaufsverhalten speziell der "jungen Mütter" wird durch Fürsorge- und Bindungshormone gesteuert. Frauen begeistern sich für offene, phantasieanregende Produktbeschreibungen. Sie lieben Kommunikation, die Geschichten erzählt. Junge Mütter suchen Sicherheit und Bestätigung in der Familie, in der Gruppe und bei ihren Freundinnen.
Die Marke Elefanten entscheidet sich für den Aufbau einer emotionalen Markenwelt mit überlegenen Produkt-Features. Die Werte der Marke werden glaubwürdig weitergeführt. Damit wahrt die Marke ihre Identität, sie hält ihren Kurs: Elefanten bleibt Elefanten, auch unter dem Dach von Deichmann. Diese Strategie passt exakt zu der 2004 gewählten Deichmann-Markenbotschaft: "Der Schuh ist der Hero. Die Qualität ist die Botschaft. Der Preis
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die Überraschung." Die Ziele wurden nicht nur schneller als erwartet erreicht, sondern auch über alle Erwartungen hinaus gesteigert. Bei Spendings, die nur einen Bruchteil dessen ausmachen, was vergleichbare Handelsunternehmen investieren, stieg in einem Jahr der Paarverkauf von Kinderschuhen um zehn Prozent, der Jahresumsatz in dieser Kategorie um 21 Prozent. Und 58 Prozent der Nichtkundinnen haben heute eine bessere Meinung von Deichmann (mediascore). Abbildung 7: Deichmann: Jahresumsatz gesamte Kinderschuhe
+21%
2005
2006
Quelle: Deichmann 2007
Das f.e.m.a.l.e.-Konzept: Was muss das Management umsetzen? Im richtigen Leben, auch im stressigen Geschäftsalltag funktioniert Female Marketing nur als ganzheitliches Konzept – oder gar nicht. Unvorstellbar, dass zwar die Werbung, vielleicht noch der Außendienst, weibliches Denken, Fühlen und Handeln versteht, aber Produktentwicklung, Service, Distribution im alten Trott weitermachen. Und der Super-GAU droht, wenn das Topmanagement beim Thema "Frauen als Zielgruppe" zerstritten ist. Wer den Wandel im Unternehmen beherrschen will, schreibt in seine Agenda den Imperativ: Female Marketing ist Philosophie für alle! Lässt sich das Universum der Frauen nun einfach 1:1 übertragen? Genügt es, zu wissen, dass Frauen im Jahr durchschnittlich 200 Kilometer beim Shopping zurücklegen, 30 Mal am Tag an Sex denken und 13.1 Paar Schuhe besit-
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zen? Nein. Frauen erfinden ihren Lebensweg selbst. Sie beginnen gelassener mit ihrer "Unperfektheit" umzugehen. Sie genießen ihre neuen Freiheiten. Es kommt auf die Umsetzung dieses Wissens an. Female ist kein Etikett, mit dem schnell mal eine neue Kampagne überklebt wird. Female ist Inspiration, Vitalität und Substanz für das Marketing der Zukunft. Gibt es Benchmarks für Female Marketing? Wie gewinnen Unternehmen nun die Sympathie und das Vertrauen ihrer Kundinnen? Hier sind sechs Tipps für die Kommunikation an Frauen: Sei Feminin! Männer und Frauen erleben die Welt unterschiedlich. Frauen haben den größeren "Radar" und machen sich ein umfassenderes Bild von ihrer Umgebung.
Frauen wollen Details. Frauen wollen ein Umfeld, das in sich stimmig ist. Frauen wollen in allen ihren Sinnen angesprochen werden.
Ausgangspunkt kann die Produktentwicklung sein: Der amerikanische SkiProduzent K2 entschied sich für eine technische Innovation, die Entwicklung der T:Nine-Serie. Diesen Ski sollten Frauen aller sportlichen Leistungsklassen fahren können. Ein weibliches Entwicklungsteam, die K2 Women's Alliance hatte freie Hand. Die Entwicklerinnen wussten selbst am besten: Der Schwerpunkt liegt im Körper der Frau tiefer als bei Männern. Hier setzte das Team an. Eine völlig neue, rasant wachsende Produktkategorie eroberte den Markt. Gleich im ersten Jahr nach Einführung der neuen Modelle stieg der Absatz um 25 Prozent. (K2 Corporation; Spiegel, 2007). Sei Emotional! Gefühle und Empfindungen verbinden Frauen mit der Welt, in die sie gehören wollen.
Frauen wollen Seele. Frauen wollen Gefühle.
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Die Rasierermarke Gillette Venus nutzte dafür eine starke Brand Identity. Der antiken Göttin Venus verdankt die Marke ihren Namen. Diese Brand Identity soll in jeder Frau das Gefühl für die eigene, in ihr ruhende göttliche Schönheit wecken. Der Brand Character von Venus beschreibt das so: Die VenusKundin ist zeitlos schön – in Körper und Geist. Sie wirkt inspirierend. She is fun-loving. Sie geht temperamentvoll und selbstsicher ihren Weg. Sie verkörpert die Weiblichkeit ihrer Zeit. Wie Venus aus dem Meer erhebt sich das feminisierte Produktdesign des Gillette Damenrasierers aus den überschäumenden Sortimenten des Handels. Das Gerät wurde so geformt, dass es problemlos Fußknöchel, Knie, Unterarme einer Frau rasiert. Um der Markteinführung jede offensive Schärfe zu nehmen, wählte Gillette eine eher abgekühlte Signalfarbe, das Türkis. Erst nach bestandener Generalprobe kam der Rasierer in einer Pinkversion auf den Markt. Gillette besetzt mit Venus das Thema "Schönheit als Selbstwert der Persönlichkeit". Sei Motivierend! Unterstützen Sie Ihre Zielgruppe. Frauen strengen sich sehr an, um sich in all ihren Rollen auszuzeichnen.
Frauen wollen Einfühlungsvermögen. Frauen wollen motiviert werden. Frauen wollen respektiert werden.
Eine internationale Studie der Unilever-Kosmetikmarke Dove schockt 2002 mit dem Ergebnis: 50 Prozent aller Frauen sagen, dass ihr Körper sie abstößt. Im Geschäft mit der Schönheit eine hohe Hürde. Dove bricht die Regeln und kreiert einen neuen Realitätskult in der Werbung. Statt Models aus einer Traumwelt setzt die Kosmetikmarke echte, normal gewichtige Frauen in ihrer Werbung ein. Dove kitzelt das Selbstbewusstsein von Millionen Frauen weltweit – und motiviert. Endlich widersteht eine Marke dem täglichen Schönheitswahn. Sie zeigt Respekt, Einfühlungsvermögen und startet die "Initiative für wahre Schönheit". Das bringt Anerkennung, Imagegewinn und geschäftlichem Erfolg.
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Sei Authentisch! Frauen möchten realistische Träume. Sie möchten in Geschichten einbezogen werden, die von Menschen handeln, mit denen sie sich identifizieren können.
Frauen wollen Glaubwürdigkeit. Frauen wollen Ehrlichkeit. Frauen wollen sehen, dass sie verstanden werden.
Mit dem ersten Satz seiner Unternehmensgrundsätze schreibt Vorwerk das Briefing für Female Marketing: "Wir wollen für unsere Kundinnen stets erstklassige Leistungen erbringen." Welche Hausfrau hat nicht von den technischen Vorzügen der Staubsaugermarke Vorwerk gehört? Kalte Perfektion oder hat die Marke auch eine Seele? In einer mit dem Institut für Demoskopie Allensbach 2005 und 2006 durchgeführten Studie sagen 84 Prozent der deutschen Frauen, dass ihre Arbeit rund um Haushalt und Kinder von der Öffentlichkeit nicht genügend gewürdigt wird. Das sind 15 Millionen "FamilienManagerinnen". Hier setzt das Unternehmen an. Seit 2004 zeichnen Vorwerk und die Zeitschrift Hörzu "Die Familien-Managerin des Jahres" aus. Dieses Ereignis wird zur Story von hoher gesellschaftspolitischer Bedeutung. Es vertieft die Bindung zwischen Marke und Zielgruppe. Frauen identifizieren sich mit Frauen, die gleiche realistische Träume haben. Die VorwerkMarkenkommunikation arbeitet geschickt mit dem Kultsatz: "Ich führe ein sehr erfolgreiches, kleines Familienunternehmen." Diese Botschaft klingt in den Ohren jeder Hausfrau wie eine Hymne. Eine Gemeinschaft entsteht. Zeige "Linkage"! Frauen mögen Beziehungen. Sie möchten nicht aus der Menge herausstechen, sie brauchen Zugehörigkeit. Sie bauen starke Bindungen auf, wenn sie Ähnliches mit gleich gestimmten Menschen teilen.
Frauen wollen Teil eines Ganzen sein. Frauen wollen in der Gruppe willkommen sein.
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Der Haarpflegemarkt ist highly competitive und extrem segmentiert. Hier kaufen Frauen überwiegend mit der Einstellung "Geiz-ist-geil". Wie kann die Haarpflege-Marke Pantene Pro-V in dieser ungemütlichen Gemengelage neues Wachstum erzeugen? Die Haarfarbe ist für Frauen der ultimative Ausdruck für Veränderung und Verwandlung. 73 Prozent der Frauen färben ihr Haar. Pantene Pro-V greift als erster Anbieter im Massenmarkt den Wunsch "Perfekte Pflege für individuellen Haarton" auf. Positioniert sein Programm innovativer Produkte im oberen, mittleren Preissegment. Das Preispremium gegenüber der BasisLinie beträgt 40 Prozent. Kann das erfolgreich sein? Die Marke fixiert erstmalig ihre Zielgruppe psychografisch: Diese Frauen genießen das Leben aktiv, intensive Pflege ist ein Muss. Haar ist Ausdruck einer facettenreichen Persönlichkeit. Pantene Pro-V will Partnerin der Konsumentin sein. Die Marke führt den Dialog mit Verwenderinnen im 360ºMarketing-Mix über TV-, Print-, Outdoor-, Instore-, PR- und OnlineKommunikation. Pantene spricht über Probleme, weckt Neugier. Nun folgt Beratung – speziell online. Glaubwürdigkeit wird wichtig, Experten bauen Vertrauen auf. Erst in der heißen Phase wird das Begehren ultimativ gesteigert. Colour Expressions lösen das entscheidende Must Have aus. Über vier Stufen der Kommunikation ist Pantene Pro-V ein perfektes Linking-in gelungen. Sei "Entertaining"! Frauen mögen menschliche Geschichten, Klatsch, Romantik und Dinge, über die sie lachen können.
Frauen wollen Geschichten hören. Frauen wollen lachen.
Entertainment kann für Frauen zu einem Mehrwert werden, der das ProduktNutzen-Versprechen der Marke noch übertrifft. Aber die Inszenierungen der Marketingmanager dürfen sich nicht in Luft auflösen. "Worldmaking" fordert Dierk-Mario Boltz (1998) von der Markenkommunikation. Marken wie CocaCola, adidas, Mini, Red Bull, VW mit der Autostadt u. a. haben ihre eigene Erlebniswelt erschaffen. Sie nutzen die Faszination des Entertaining. Mit
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Spaß, Spannung, Entspannung, Abwechslung genießen Frauen gern das inszenierte Bad der Gefühle. Auf der Prämien- und Erlebnisplattform CokeFridge praktiziert Coca-Cola virtuelles Entertainment und perfektes Linking-in. Millionen junger Frauen lieben den spielerisch gestalteten Dialog mit Marken online: per Handy oder am Computer. Perspektiven: Sternstunden für Markenmacher Benchmarks für exzellentes Female Marketing sind rar wie gute Trüffel. Das wäre nicht weiter aufregend, würden Markenchefs die Chancen einer neuen, feminineren Kultur in globalen Märkten erkennen und innovative Lösungen mit aller Konsequenz vorantreiben. Längst sind Frauen die entscheidende Einkaufsmacht. Leider haben Industrie, Handel, Banken oder Versicherungen das noch nicht mitbekommen. In vielen Konsumgüterkonzernen entfällt mehr als die Hälfte der Umsätze auf Einkäufe von Frauen. Fragen wir lieber nicht, wie viel Frauen in den Global Boards sind. Und auch im ganzen Dax gibt es nur ein weibliches Vorstandsmitglied. Kaum eine Organisation ist auf Kundinnen zugeschnitten. Oft passt wenig bis nichts, um erfolgreich und zur allgemeinen Freude auf Frauen zuzugehen. Unter 20 Executives in den Boards sind oft gerade mal zwei oder drei Frauen. Nun deutet deren Aufgabenprofil nicht darauf hin, dass sie auch die Macht haben, im Konzern Female Power zu entfesseln. Blind gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen fährt auch die Autoindustrie hochtourig an den attraktivsten Kundinnen vorbei. Wen wundert das, wenn die Strategiearbeit von Vorständen geleistet wird, die als Männer ihre Geschlechtsgenossen erreichen wollen. Dabei sind Frauen auch in diesem Markt ein Riesenpotential, nicht nur für Kleinwagen. Zeit für ein Umdenken. Wie kann es sein, dass Frauen die Hauptkäufer fast eines jeden Produktes sind. Und gleichzeitig Männer die Entscheider in nahezu jeder Firma? Unternehmen, die das nicht realisieren wollen und entsprechend handeln, bestraft der Markt. Es ist eben mehr als "shrink it and pink it". Kluge Unternehmensführung begreift die neue Macht der Frauen als Chance. Vorstände, Geschäftsführer und Markenverantwortliche müssen begreifen, dass die Wirtschaft heute schon weiblich ist. Nur das Denken hinkt noch hinterher. Es gilt, Wege zu den Herzen ihrer "Königinnen" zu finden. Die Zeiten sind günstig.
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Autorinnen und Autoren
Burgert, Carolin (Jg. 1981); Dipl. Sozw., Studium der Sozialwissenschaften mit den Schwerpunktfächern Kommunikationswissenschaft und Marketing an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Von September 2007 bis Dezember 2010 im Produktmanagement der Molkerei Weihenstephan in Freising tätig. Seit März 2011 im Marketing der zooplus AG in München für die Produkt- und Markenpositionierung zuständig. Dreßler, Raphaela (Jg. 1981); Dipl.-Kffr., Studium der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Regensburg und Erlangen-Nürnberg mit den Schwerpunktfächern Kommunikationswissenschaft, Marketing und Internationales Management. Nach dem Studium von 2007 bis 2009 in der Werbeund Marktforschungsbranche in Hamburg tätig; seit Herbst 2009 im Account Management bei der BSN medical GmbH beschäftigt. Fröhlich, Romy; Professorin für Kommunikationswissenschaft am Institut für Kommunikationswissenschaft der LMU München. Studium der Kommunikationswissenschaft, Neueren Deutschen Literaturgeschichte und Theaterwissenschaft in München. Berufliche Tätigkeit: 1985-86 Wiss. Mitarbeiterin der GfK Nürnberg und 1986-93 des Instituts für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik und Theater Hannover; Promotion 1993 zum Thema "Rundfunk-PR"; visiting scholar 1989 der Ohio State University in Columbus, USA, und 2002 an der University Newcastle, Australien; 1993/94 Senior Consultant bei der PR-Agentur 'Kroehl Identiy Consultants' Frankfurt; 1998-2000 Professorin für Journalistik und Öffentlichkeitsarbeit an der Ruhr-Universität Bochum. Mitglied des (Associate) Editorial Board der wissenschaftlichen Fachzeitschriften Feminist Media Studies, Journalism Educator und Communication, Culture and Critique. 20022006 Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK). Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Public Relations, Frauen in Medienberufen/Berufsrollenforschung PR, Inhalte der Medien (bes. Nachrichten und hier Kriegsberichterstattung).
C. Holtz-Bacha (Hrsg.), Stereotype?, DOI 10.1007/978-3-531-93358-0, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Autorinnen und Autoren
Gläßel, Maria-Lena (Jg. 1981) ist Diplomkauffrau. Sie studierte in Nürnberg BWL mit den Schwerpunkten Marketing, Kommunikationswissenschaft und Wirtschafts- & Betriebspsychologie. Hofer, Lutz (Jg. 1979), MA; Studium der Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft und Soziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (B.A., 2003), anschließend Masterstudium in European Communication Studies an der Universiteit van Amsterdam (MA, 2005). 2004 bis 2006 wissenschaftliche Leitung des Düsseldorfer Forum Politische Kommunikation. 2006 bis 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg. Seit Januar 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand an der Universiteit van Amsterdam. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Politische Kommunikation, komparative Kommunikationswissenschaft, Rezeptions- und Wirkungsforschung. Holtz-Bacha, Christina (Jg. 1953), Dr. phil.; Studium der Publizistik, Politikwissenschaft und Soziologie in Münster und Bonn. Promotion 1978 in Münster und Habilitation 1989 in Hannover. 1979 bis 1981 Pressereferentin an einem Meinungsforschungsinstitut. 1981 bis 1991 Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Akademische Rätin am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität München. 1986 Gastdozentin an der University of Minnesota in Minneapolis/USA. 1991 bis 1995 Professorin an der RuhrUniversität Bochum. 1995 bis 2004 Professorin am Institut für Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 1999 Fellow am Shorenstein Center/John F. Kennedy School of Government, Harvard University in Cambridge/USA. Seit 2004 Inhaberin des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit 1989 Mitherausgeberin der Publizistik. Forschungsschwerpunkte: Politische Kommunikation, Mediensystem, Medienpolitik. Kessel, Alina, Chief Executive Officer von Grey Düsseldorf. Studierte "Business Administration" an der Boston University mit Abschluss Bachelor of Science. Anschließend Tätigkeit im Bereich Marketing and Sales von Pioneer Concrete, Sydney/Australien. Ihre Karriere in der Werbung begann 1990 bei Ogilvy & Mather Direct in New York. Ab 1993 bei DMB&B Deutschland;
Autorinnen und Autoren
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seit 1994 bei Grey zunächst als Account Executive, ab 2001 Managing Director und ab 2005 CEO. Seit Ende 2010 CEO der DDB Tribal Group. Koch, Thomas (Jg. 1980), Dr. rer. pol., M.A.; Studium der Medien- und Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Rechtswissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. April 2006 bis März 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit April 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im Mai 2010 Promotion zum Dr. rer. pol. und Ernennung zum Akademischen Rat. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Rezeptions- und Wirkungsforschung, Darstellung von Politiker(inne)n in den Medien, persuasive Kommunikation. Merkle, Susanne (Jg. 1981), Diplom-Sozialwirtin, 2000-2009 Studium der Sozialwissenschaften mit den Schwerpunkten Kommunikationswissenschaft und internationale Beziehungen an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der Politikwissenschaft in Straßburg/Frankreich sowie der Medien- und Kommunikationswissenschaft in Loughborough/Vereinigtes Königreich. Seit September 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Politische und internationale Kommunikation, Genderforschung, Verfahren der Inhaltsanalyse, Rezeptions- und Wirkungsforschung. Moser, Klaus (Jg. 1962), Prof. Dr.; Studium der Psychologie und Wissenschaftslehre an der Universität Mannheim; 1986-1995 Wissenschaftlicher Angestellter an der Universität Hohenheim, Stuttgart; 1995-1998 Inhaber des Lehrstuhls für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen; seit 1998 Inhaber des Lehrstuhls für Psychologie, insbes. Wirtschafts- und Sozialpsychologie an der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu verschiedenen Themen der Wirtschaftspsychologie, u. a. zu Werbewirkungsmodellen, Kaufentscheidungen und Methoden der Marktforschung.
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Autorinnen und Autoren
Preß, Rebecca (Jg. 1983), Diplom-Sozialwirtin, Studium der Sozialwissenschaften mit den Schwerpunkten Kommunikationswissenschaft und internationales Management an der Friedrich-Alexander-Universität ErlangenNürnberg. Seit August 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Rezeptions- und Wirkungsforschung, Unternehmenskommunikation. Stender-Vorwachs, Jutta (Jg. 1954), LL.M. (USA, University of Virginia), Prof. Dr.; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bielefeld. Erste Juristische Staatsprüfung im Mai 1978. Master of Laws-Studium an der University of Virginia School of Law, Virginia, USA. Abschluss mit dem Titel LL.M. im April 1977. Tätigkeit bei der Anwaltskanzlei Northcutt Ely, Washington, DC. Referendariat beim Landgericht Bielefeld. Zweites Juristisches Staatsexamen im Mai 1981. 1981 bis 1987 Akademische Rätin a. Z. am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre, Prof. Dr. Udo Steiner, an der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg. Promotion zum Dr. iur. im Februar 1988. 1987 bis 1997 Anwältin in Regensburg, Bielefeld und Hamburg. 1997 bis 2003 Assistentin auf einer C-1- Stelle am Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Hannover. Lehrtätigkeit auf den Gebieten des Öffentlichen Rechts (Staatsrecht, Baurecht, Polizei- und Ordnungsrecht, Medienrecht). 2003 Habilitation. 2003 bis 2007 Oberassistentin an der Juristischen Fakultät der Universität Hannover. Lehrtätigkeit im Telekommunikations- und Medienrecht, Staatsrecht, Polizeirecht, Wirtschaftsverwaltungsrecht und allgemeinem Verwaltungsrecht. 2008 außerplanmäßige Professorin an der Juristischen Fakultät der Leibniz Universität Hannover. Im Wintersemester 2010/11 Gastprofessur an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes. Veröffentlichungen zum Europäischen Verfassungsvertrag, zum Persönlichkeitsrecht der Frau in den Medien, zur EG-Richtlinie für Audiovisuelle Mediendienste, Frauen in der Wissenschaft, Wort- und Bildberichterstattung über Prominente sowie Vorratsdatenspeicherung, Onlinedurchsuchung und Videoüberwachung. Herausgeberin der Hannoveraner Schriften zum Medienrecht. Vennemann, Angela (Jg. 1979); Dipl.-Kffr., Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit den Studienschwerpunkten Marketing, Unternehmensführung und Kom-
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munikationswissenschaft. 2004 Bachelor of Arts with Honours in Business Studies an der University of Hull, Kingston upon Hull, Großbritannien. Seit 2009 als Projektmanagerin und Vertriebsleiterin bei Online-Agenturen in Österreich und Deutschland. Verheyen, Christopher (Jg. 1973); Studium der Sozialwissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg mit den Schwerpunkten Wirtschafts- und Sozialpsychologie, Kommunikationswissenschaft, Volkswirtschaftslehre, Soziologie und Auslandswissenschaften (englischsprachige Kulturen); seit 2003 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Psychologie, insbes. Wirtschafts- und Sozialpsychologie, der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Forschungsschwerpunkte: Teilnahmeverhalten bei Befragungen, Online-Forschung, Stimmungsinduktion, Sex-Appeal in der Werbung. Wilk, Nicole M. (geb. 1975), Dr.; Juniorprofessorin am Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Paderborn. Während des Studiums der Germanistischen Sprachwissenschaft und Sozialpsychologie in Hannover Tätigkeit als freie Journalistin. 2001 Promotion über die psychoanalytischen und semiotischen Konzepte von Körper- und Leiblichkeit in der Sprachverarbeitung. 2000 Stipendiatin an der Internationalen Frauenuniversität 'Technology and Work'. Weitere Arbeiten zu Frauen- und Körperbildern in den Massenmedien sowie zum kulturpsychologischen Hintergrund von Ernährungsstilen in der Wissensgesellschaft. 2004-2007 Mitarbeiterin am Institut für deutsche Sprache und Literatur der Universität Hildesheim. Forschungsschwerpunkte: Kultursemiotik des Essens in der Wissensgesellschaft; Körperbilder in der Werbung; Vertextungsstrategien des Lebendigen im Experiment 'in silico'; Diskursanalyse und szenische Grammatik. Zurstiege, Guido (Jg. 1968), Prof. Dr.; Studium der Kommunikationswissenschaft, Anglistik und Wirtschaftspolitik an der Westfälischen WilhelmsUniversität in Münster, Promotion 1997 über Männer und Männlichkeit in der Werbung. 2004 Habilitation für Kommunikationswissenschaft. Lehraufträge und Gastprofessuren in Münster, Berlin, Greifswald, Zürich und Wien. Seit 2009 Professor für Medienwissenschaft an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Werbung und Konsum.