NEUKIRCHENER
Gerhard Barth
Die Taufe in frühchristlicher Zeit
2., verbesserte Auflage 2002
N eukirchener
© 1981-...
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NEUKIRCHENER
Gerhard Barth
Die Taufe in frühchristlicher Zeit
2., verbesserte Auflage 2002
N eukirchener
© 1981-2., verbesserte Auflage 2002 Neukirebener Verlag Verlagsgesellschaft des Erziehungsvereins mbH, Neukirchen-Vluyn Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Hartmut Narnislow Gesamtherstellung: Breklumer Druckerei Manfred Siegel KG Printed in Gerrnany ISBN 3-7887-1840-4
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Barth, Gerhard: Die Taufe in frühchristlicher Zeit I Gerhard Barth. 2., verb. Aufl. - Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2002 ISBN 3-7887-1840-4
Inhalt
Einführung
7
1 Der Ursprung der christlichen Taufe
9
1.1
Der Taufbefehl des Auferstandenen
11
1.2 Die Taufe Jesu
15
1.3 Die Johannestaufe 1.3.1 Der Befund 1.3.2 Der religionsgeschichtliche Hintergrund 1.3.3 Folgerungen für die Johannestaufe
20 21 25
30
1.4 Die Entstehung der christlichen Taufe
33
2 Die Christusbezogenheit der Taufe
40
3 Taufe und Geist
55
4
Interpretationen der Taufe
67
4.1
Taufe als Übereignung und Siegel
68
6
4.2 Sakramentalistisches Taufverständnis in hellenistischen Gemeinden
Inhalt
74
4.3 Die Integration der Taufe in Rechtfertigungsbotschaft und theologia crucis bei Paulus ...............................................
85
4.4 Taufe und Wiedergeburt
99
4.5 Taufe als Bitte um ein gutes Gewissen in 1Petr 3,21
103
5 Tauferinnerung und Ermahnung
109
6
Taufvollzug und Taufordnung
117
7 Die Frage nach der Taufe von Kindern in neutestamentlicher Zeit . .. .. .. .. .. .. . ... . ... .. .. .. .. .. .. ... . ... .. .. .. ... .. . .. .. .. .. .. . .. .. . .. ..
12 8
Literatur (Auswahl)
139
Bibelstellen (Auswahl)
143
Einführung
Die Welle der Taufdiskussion in den fünfzig er und sechziger J ahren ist inzwischen merklich verebbt. Nicht, daß sie zu einhelligen und überzeugenden Klärungen geführt hätte; von einigen mageren Änderungen da und dort in Taufordnungen abgesehen, hat sich nicht viel geändert. Die Stille ist eher eine Folge der Ermüdung und des Vordringens anderer Fragen. Dennoch kommt die Tauffrage nicht zur Ruhe. Das Ungenügen an der Säuglingstaufe stößt immer wieder auf. Und wer mit Jugendlichen und namentlich Studenten darüber diskutiert, merkt schnell, wie ungeklärt und verworren weithin die Vorstellungen sind. So bleibt die Bemühung um ein angemessenes Verständnis der Taufe weiterhin der Theologie aufgetragen. Hinzu kommt, daß die exegetische Arbeit seitdem nicht stehengeblieben ist, sondern zu Einsichten und Ergebnissen geführt hat, die nicht nur unser Bild von den Anfängen modifizieren, sondern vielleicht auch da und dort weiterhelfen können. Aus diesen Gründen hatte ich die Anregung meines Kollegen Ferdinand Hahn gerne aufgegriffen, und meine bisherige Beschäftigung mit diesem Thema in einem kleinen Taufbüchlein zusammengefaßt Da dieses inzwischen längst vergriffen war, von Studierenden, Pfarrerinnen und Pfarrern aber immer wieder danach gefragt wird, will ich nun eine zweite, verbesserte Auflage erscheinen lassen. Das Buch will Studierende, Theologinnen und Theologen darüber informieren, was sich derzeit über Entstehung, Entwicklung und Verständnis der Taufe in neutestamentlicher Zeit sagen läßt. Da es sich um exegetisch-historische Information handelt, kann die dogmatische und praktisch-theologische Diskussion hier nicht ausführlich aufgezeigt werden. Daß diese dennoch nie aus dem Blick verloren wird, die verschiedenen exegetisch-historischen Feststellungen vielmehr durchaus auch für unsere gegenwärtigen Fragen Relevanz haben, wird der Leser leicht merken. Das Büchlein ist in der Weise aufgebaut, daß die einzelnen neutestamentlichen Textstellen nicht - wie das häufig geschieht - ihrer kanonischen Reihenfolge nach exegesiert werden, sondern unter thematischen Gesichtspunkten geordnet untersucht und dargelegt werden. Das hat zwar den Nachteil, daß sich Überschneidungen
8
1
Einführung
nicht immer vermeiden lassen, bringt aber den Vorteil, daß die entscheidenden Fragestellungen, Entwicklungen, Tendenzen und Gewichtungen im Neuen Testament besser zu Gesicht kommen. Daß vom Umfang des Büchleins her auf Vollständigkeit in der literarischen Auseinandersetzung verzichtet werden muß, ist selbstredend. Ich hoffe dennoch, nichts Entscheidendes übersehen zu haben. Wuppertal, Februar 2002
Gerhard B arth
1 Der Ursprung der christlichen Taufe.
Nach dem Zeugnis des Neuen Testaments hat die Christenheit offenbar von Anfang an getauft. Wer sich dem neuen Glauben zuwandte, wurde durch die Taufe in die Gemeinde aufgenommen. So fordert nach der Apostelgeschichte der Pfingstprediger Petrus seine fragend gewordenen Zuhörer wie selbstverständlich zur Taufe auf: »Bekehrt euch, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung eurer Sünden ... « (2,38). Und anschließend wird dann festgestellt: »Jene nun, die sein Wort annahmen, ließen sich taufen, und an diesem Tag wurden ihrer Zahl etwa dreitausend hinzugefügt« (2,41). Entsprechend führt die Mission des Philippus in Samarien zur Taufe (8,12). Der Kämmerer aus Äthiopien (8,38) und der Hauptmann Kornelius (10,48), Saulus (9,18), Lydia (16,15) und der Kerkermeister in Philippi (16,38) werden nach ihrer Bekehrung getauft, und der Missionserfolg des Paulus in Karinth zeigt sich nach 18,8 daran, daß »viele gläubig wurden und sich taufen ließen« 1. Überall ist vorausgesetzt, Das schließt nicht aus, daß es auch Ausnahmen gegeben haben mag. Wenn es in Apg 18,25 von Apollos heißt, daß er nur die Taufe des Johannes kannte, dann scheint er die christliche Taufe nicht empfangen zu haben. Daß dies aber als Ausnahme zu verstehen ist, zeigt der nachfolgende Abschnitt 19,1-7 von den Johannesjüngem, die allesamt auf den Namen Jesu getauft werden müssen, um in die Gemeinde aufgenommen zu werden. Wenn bei anderen summarischen Angaben über den Missionserfolg die Taufe nicht erwähnt wird (Apg 5,14; 11,21; 13,43ff; 14,1; 17,4.12), sondern nur davon gesprochen wird, daß viele >>gläubig wurden<<, >>zum Herrn geführt wurden<<, >>sich überzeugen ließen<< und dergleichen, so soll dadurch die Taufe natürlich nicht übergangen oder ausgeschlossen werden. Dem Verfasser liegt nur an der Darstellung des Missionserfolges, nicht an der genauen Schilderung kirchlicher Aufnahmeriten. Dagegen behauptet E. Barnikol, Das Fehlen der Taufe in den Quellenschriften der Apostelgeschichte und in den Urgemeinden der Hebräer und Hellenisten, WZ (H) 6 (1956/57) 593-610, daß die frühen christlichen Gemeinden nach den Quellenschriften der Apostelgeschichte überhaupt keine Wassertaufe gekannt hätten. Die Taufaussagen seien erst durch den im 2. Jahrhundert schreibenden Lukas eingefügt worden. Entsprechend werden von ihm reichlich gewaltsam, aber konsequent, sämtliche Taufstellen als Interpretationen des Lukas erklärt, wobei als Textgrundlage Lesarten des sogenannten >>westlichen<< Textes und anderer späterer Handschriften herangezogen werden, die nach übereinstimmender Überzeugung der heutigen Textkritik nicht den
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1 Der Ursprung der christlichen Taufe
daß man ein Christ durch die Taufe wird. Natürlich kann man fragen, ob das wirklich von allen galt, ob auch die einhundertzwanzig »Brüder«, die nach Apg 1,15 in Jerusalem versammelt waren, und die nach 2, lff wohl auch als die Empfänger des Pfingstereignisses zu denken sind, alle getauft waren, und wenn ja, dann von wem? Und man kann fragen, warum nicht auch von Apollos (18,24ff) die christliche Taufe berichtet wird. Aber solche Fragen ändern nichts an der grundlegenden Übereinstimmung, daß man in die Gemeinde aufgenommen wird durch die Taufe. Das gilt um so mehr, als auch das übrige Neue Testament unisono in den gleichen Chor einstimmt. So kann Paulus die ihm fremden Christen in Rom auf ihr Getauftsein ansprechen: »Oder wißt ihr nicht, daß alle, die wir (Öcrot 2) auf Christus getauft sind, auf seinen Tod getauft sind?« (Röm 6,3). Paulus kennt Christen nur als getaufte Christen: »In einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, ob Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, alle sind wir mit einem Geist getränkt worden« (lKor 12,13). Das Johannesevangelium behauptet gar die Unmöglichkeit, ohne Taufe gerettet zu werden: » ... wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen« (Joh 3,5), und für die Didache gilt es als feste Ordnung, daß an der Eucharistie nur Getaufte teilnehmen können (Did 9,5) 3 . Nirgendwo begegnet hinsichtlich der Taufe auch nur der Schatten eines Zweifels, nirgends gibt es irgend einen Hinweis darauf, daß die Taufe irgendwo in der Frühchristenheit umstritten gewesen wäre oder sich in manursprünglichen Text bezeugen, sondern als spätere Erweiterungen zu gelten haben. Angesichts dieser Gewaltsamkeiten verwundert es nicht, daß sich seine These einer tauflosen Grundschrift der Apostelgeschichte nicht durchsetzen konnte, sondern durchweg auf Ablehnung stieß. Schon vor ihm hatte H. Preisker, Die Vikariatstaufe 1Kor 15,29 - ein eschatologischer, nicht sakramentaler Brauch, ZNW 23 (1924) 298-304, dort 301 die Meinung vertreten, daß man in der Anfangszeit auch ohne Taufe Christ sein konnte, diese Meinung jedoch nü::ht weiter begründet und sie nicht so radikal ausgeweitet wie Barnikol, der in der Einführung der Wassertaufe durch Lukas das Eindringen von Heidentum und überwundener Volksreligion (596) sieht. Schließlich postuliert auch G. Haufe, Taufe und Heiliger Geist im Urchristentum, ThLZ 100 (1976) 566 die Existenz einer frühen christlichen Gemeinde ohne Wassertaufe. Aber sein Verweis auf das Fehlen eines Taufbefehls bei den Aussendungsworten Jesu Mt 10 parund auf den Sonderfall Apollos reichen dazu nun doch nicht aus. 2 Auch ohne nciv'tE<; hat öcrot die Bedeutung >>alle, welche<<; vgl. W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der übrigen urchristlichen Literatur, Berlin 5 1958, 1162. Die gleiche generalisierende Aussage macht Gal 3,27: >>alle, die ihr auf Christus getauft seid ... << 3 Ebenso Justin, Apol. 1,66,1. Nach Hermas sim IX,12,4f wird keiner in das Reich Gottes kommen, der nicht >>den Namen des Sohnes Gottes trägt<<, d.h. getauft worden ist.
1
Der Ursprung der christlichen Taufe
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chen Gegenden und Bereichen des Frühchristentums erst allmählich durchgesetzt hätte 4 . Angesichts dieser einhelligen Übung der Taufe in allen uns bekannten Schichten und Bereichen des Frühchristentums muß man sich fragen, wie es dazu gekommen ist, genauer: kraft welcher Notwendigkeit oder Autorität die Christenheit so übereinstimmend von Anfang an getauft hat. 1.1
Der Taufbefehl des Auferstandenen Diese einhellige Übung der Taufe in frühchristlicher Zeit ließe sich am besten verstehen, wenn wir eine diesbezügliche Anordnung Jesu hätten, mit der er seinen Jüngern diesen Ritus aufgetragen und befohlen hätte. Die Autorität seines Befehls hätte sie dann zu dieser übereinstimmenden Übung der Taufe getrieben. In der Tat liegt ja in Mt 28,19 ein derartiger Taufbefehl des Auferstandenen vor- »geht hin und macht alle Völker zu (meinen) Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch befohlen habe« -, und kirchliche Dogmatik hat seit alters die Taufe mit diesem Taufbefehl begründet. Aber dieser Taufbefehl in Mt 28,19 ist ein relativ später Text, dessen Überlieferung sich nicht bis in die erste Zeit nach Ostern oder gar ins Leben Jesu zurückverfolgen läßt. Schon die Formelhaftigkeit des bereits trinitarisch oder besser triadisch ausgestalteten Taufwortes läßt eine jüngere Entwicklung vermuten. Zwar dürfte das triadische Taufwort von der Abfassung des Matthäusevangeliums an zu seinem Text gehört haben und nicht erst, wie Conybeare meinte, eine spätere Interpolation sein5 . Conybeare wollte das aus dem Fehlen des Taufwortes in den Vornicänischen Schriften Eusebs entnehmen, wo auf den Befehl, alle Völker zu Jüngern zu 4 Das betonen mit Recht K. Aland, Die Vorgeschichte der christlichen Taufe, in: Neues Testament und Geschichte (FS 0. Cullmann), Zürich/Tübingen 1972, 1-14, dort 2f und E. Dink/er, Die Taufaussagen des Neuen Testaments, in: Zu K. Barths Lehre von der Taufe, hg. v. F. Viering, Gütersloh 2 1972, 60-153, dort 67. 5 F.C. Conybeare, The Eusebian Form of the Text Mt 28,19, ZNW 2 (1901) 275-288. Dagegen wandten sich schon E. Riggenbach, Der trinitarische Taufbefehl Mt 28,19 nach seiner ursprünglichen Textgestalt und Authentie untersucht (BFChTh VII, 1), Gütersloh 1903 und K. Kertelge, Der sogenannte Taufbefehl Jesu (Mt 28, 19), in: Zeichen des Glaubens. Studien zu Taufe und Firmung (FS Balthasar Fischer), Einsiedeln I Freiburg/Basel/Wien 19"12u&l~~.
12
1 Der Ursprung der christlichen Taufe
machen, unmittelbar die Worte €v tci> OVOJ.tati J.WU (ohne Taufwort!) folgen und worin er die älteste Textgestalt finden zu können meinte. Seine Hypothese wurde vor allem von E. Lohmeyer6 aufgegriffen und dann von H.B. Green 7 durch weitere Argumente zu festigen gesucht. Green meinte nach Auslassung der Taufworte eine Strophe von vier Zeilenpaaren in 28,18-20 gewinnen zu können, was angeblich für Matthäus typisch sein und die Ursprünglichkeit dieser Textform beweisen solle. Aber abgesehen von dem etwas willkürlichen Umgang mit dem Text, um eine solche Strophe gewinnen zu können 8 , ist Green einem methodischen Kurzschluß erlegen. Denn wenn sich durch die Auslassung von Worten ein bestimmter Rhythmus ergibt, ist das noch kein Beweis für die sekundäre Hinzufügung der Worte. Man könnte genauso gut schließen, daß sie um des besseren Rhythmus willenspäter weggelassen wurden. Für die Ursprünglichkeit der Taufworte im Text von Mt 28 spricht dagegen die einhellige handschriftliche Bezeugung dieser Worte. Eusebius ist in der Tat der einzige, der in einigen seiner Schriften den Tautbefehl ausläßt, was eher auf eine selbstgemachte Abkürzung als auf eine ursprüngliche Textform schließen läßt.
Ist somit der Taufbefehl Mt 28,19 kaum als spätere Interpolation zu erklären, so läßt er sich doch auch nicht hinter die Abfassungszeit des Matthäusevangeliums weiter zurückverfolgen. Matthäus bringt ihn im Rahmen eines Missionsbefehls, den der Auferstandene bei seiner Erscheinung auf dem Berg in Galiläa seinen elf Jüngern erteilt (28,16-20), und der in das Beistandswort einmündet »ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt« (28, 20b). Wie schon ein erster Blick in die Synopse zeigt, gibt es zu 28,16-20 keine direkte synoptische Parallele, aus der eine Textvorlage und damit eine ältere Traditionsstufe erschlossen werden könnte. Man hat zwar verschiedentlich gemeint, daß Matthäus hier Elemente aus dem verlorengegangenen Markus-Schluß aufgegriffen und verarbeitet haben könnte. Aber das ist aus verschiedenen 6 E. Lohmeyer, Das Evangelium des Matthäus, hg. v. W. Schmauch, Göttingen 1956, 419; ders., »Mir ist gegeben alle Gewalt«, in: In memoriam Ernst Lohmeyer, Stuttgart 1951, 28ff. Auch Dinkler, Taufaussagen 65 nimmt diese Vermutung auf, leider jedoch ohne Begründung; ebenso H. v. Campenhausen, Taufen auf den Namen Jesu?, VigChr 25 (1971) 1-15, dort 10 Anm. 48; jetzt in: ders., Urchristliches und Altkirchliches, Tübingen 1979, 197-216, dort 208 Anm. 48. 7 H.B. Green, The Command to Baptize and Other Matthean Interpolations, StEv IV(= TU 102), Berlin 1968, 60-63. 8 So wird das dritte Zeilenpaar von Green an sinnwidriger Stelle getrennt, um ein solches Paar gewinnen zu können, im vierten Zeilenpaar wird das Hilfsverb Etf.li (wohl aus rhythmischen Gründen) einfach gestrichen. Vom Rhythmus der Sätze her bieten sich durchaus auch andere Gliederungen an; und wenn man überhaupt rhythmische Gestaltung im Schlußabschnitt des Matthäusevangeliums sucht, dann muß man doch fragen, ob solche erst mit Vers 18b auftreten soll.
1 Der Ur:sprung der christlichen Taufe
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Gründen unwahrscheinlich, und ob das Markusevangelium überhaupt einen über Mk 16,8 hinausgehenden und verlorengegangenen Schluß enthielt, ist nach wie vor fraglich 9 . Gleichwohl hat Matthäus zweifellos in 28,16-20 gewisse Traditionen verwertet. Das ergibt sich schon aus den strukturellen Übereinstimmungen, die zwischen den Erscheinungsberichten in Mt 28, 16-20, Lk 24,36-49 und Joh 20,19-23 trotz aller Unterschiede im einzelnen bestehen und die auch auf Mk 16,14-18 eingewirkt haben. Denn wie bei Matthäus ist die Erscheinung des Auferstandenen in Lk 24,47ff und Joh 20,21ff mit einem Missionsbefehl oder Sendewort und einem Beistandswort verbunden. Die unterschiedliche Formulierung von Sende- und Beistandswort ist dabei durch die theologische Konzeption des jeweiligen Evangelisten bestimmt. Wenn das Sendewort in Joh 20,21 lautet: »Wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch«, so zeigt sich darin die durchgehende Relation zwischen Vater, Sohn und Jüngern, die das Johannesevangelium auch sonst betont 10 • Bei Lukas ist die Sendung der Jünger in das heilsgeschichtliche Erfüllungsschema einbezogen: Verkündigung von Umkehr zur Vergebung der Sünden, von Jerusalem ausgehend bis zu allen Völkern, ist der schon im Alten Testament dargelegte göttliche Heilsplan, in dessen Dienst die Jünger als Zeugen gestellt werden (Lk 24, 47f)ll. Daß andererseits die Formulierung des matthäisehen Missionsbefehls mit seiner Erwähnung der e~oucria Jesu, mit dem Begriff ,.well'tEUEtV und der Betonung der Lehre Jesu deutlich die Theologie des ersten Evangelisten widerspiegelt, ist längst ausführlich dargelegt worden und bedarfkeiner weiteren Erklärung 12 . Wenn schließ9 Zur Diskussion vgl. G. Barth, Das Gesetzesverständnis des Evangelisten Matthäus, in: G. Bornkamm I G. Barth I H.J. Held, Überlieferung und Auslegung im Matthäusevangelium (WMANT 1), Neukirchen-Vluyn 7 1975, 123; E. Linnemann, Der (wiedergefundene) Markusschluß, ZThK 66 (1969) 255-287; K. Aland, Der wiedergefundene Markusschluß?, ZThK 67 (1970) 313; B.J. Hubbard, The Matthean Redaction of a primitive Apostolic Commissioning: An Exegesis of Matthew 28,16-20, Missoula/Montana 1974; J. Lange, Das Erscheinen des Auferstandenen im Evangelium nach Matthäus, Würzburg 1973. Speziell zum Markusschluß vgl. R. Pesch, Das Markusevangelium (HThK 11,1) Freiburg/Basel/Wien 1976, 40-47; H. W. Bartsch, Der Schluß des Markus-Evangeliums. Ein überlieferungsgeschichtliches Problem, ThZ 27 ( 1971) 241-254. 10 Vgl. Joh 5,23; 10,46f; 15,9; 17,18. 11 Zum Erfüllungsgedanken vgl. Lk 24,26; Apg 1, 16; 13,46f; 17,3; 28,2528. Zum geographischen Aufriß von Jerusalem bis zu allen Völkern vgl. Apg 1,8 und den Aufbau der Apostelgeschichte; zur Wendung jlE'tavota ei~ äq,ecrtv ajlapnrov vgl. Apg 5,31; 11,18; 20,21. Mncivota begegnet in Lk und Apg 11mal gegenüber Mk 1mal, Mt 2mal, Paulus 4mal! 12 Vgl. W. Trilling, Das wahre Israel (StANT 10), München 3 1964 und vor allem G. Bornkamm, Der Auferstandene und der Irdische, in: ders. I G. Barth I H.J.
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1
Der Ursprung der christlichen Taufe
lieh das Beistandswort bei Johannes und Lukas von der Gabe bzw. Verheißung des Geistes, bei Matthäus dagegen von der Gegenwart des Auferstandenen in der Gemeinde (vgl. auch Mt 18,20) spricht, so ist der sachliche Zusammenhang nicht zu übersehen 13 • In der Verbindung von Missionsbefehl und Beistandswort mit der Erscheinung des Auferstandenen vor seinen Jüngern wird man daher eine schon ältere Tradition sehen müssen, die sowohl für Matthäus als auch für Lukas und Johannes bereits vorgegeben war. Sieht man zudem, daß auch für Paulus die Erscheinung des Auferstandenen und die Beauftragung mit dem Apostelamt stets verbunden sind (lKor 9,1; 15,8ff; Gal 1,16), so ist zu schließen, daß diese Verbindung von Ostererscheinung und Sendung eine sehr alte Tradition ist, die bis in die ersten Jahre der Urgemeinde zurückreicht So alt aber auch diese Tradition ist, die Ostererscheinung und Sendung verbindet, in ihr begegnet vor der Abfassung des Matthäusevangeliums nirgends eine Verbindung mit der Taufe oder gar mit einem TaufbefehL Auch in den Aussendungsworten Mt 10 par erscheint sie noch nicht, obgleich diese urchristliche Erfahrungen spiegeln. Erst Matthäus hat den Missionsbefehl durch den Befehl zum Taufen erweitert und damit interpretiert, zweifellos in der Überzeugung, daß die Taufe der Kirche vom Auferstandenen befohlen ist und daß es keine Mission ohne Taufe gibt. Er hat dabei wohl die Taufformel aufgegriffen, die in seiner Kirche in Gebrauch war. Daß diese Taufformel bereits triadisch ausgestaltet war, braucht angesichts des Auftauchens der gleichen triadischen Taufformel in der wenig später entstandenen Didache (Did 7,1.3) nicht zu verwundern; eine solche triadische Formel war offenbar gegen Ende des 1. Jahrhunderts im syrischen Raum bereits in Gebrauch. Aber die Anfänge der christlichen Taufe lassen sich damit nicht erhellen. Mt 28,19 spiegelt nur die Taufpraxis der achtziger oder neunziger Jahre im syrischen Raum wider, wo man die Taufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes als von Jesus eingesetzt und befohlen verstand und demgemäß ausübte. Dieses negative Ergebnis gilt erst recht für das Taufwort, das in Mk 16,16 an den Missionsbefehl 16,15 angefügt ist. Denn daß Mk 16, 9-20 ein späterer sekundärer Zusatz ist, ergibt sich eindeutig aus der Held, Überlieferung und Auslegung im Matthäusevangelium (WMANT 1), Neukirchen-Vluyn 7 1975, 289-310. 13 Eine entsprechende Verbindung von Erscheinung des Auferstandenen im Jüngerkreis, Sendewort und Beistandsmotiv bestimmt auch Mk 16,14-18 und bestätigt damit diese Tradition. Zu beachten ist wohl auch, daß sich sowohl in Mt 28,17 als auch in Lk 24,38. 41 und Joh 20,24-29 das Motiv des Unglaubens oder Zweifels angesichts der Auferstehungsbotschaft findet und daher wohl gleichfalls traditionell sein dürfte.
1 Der Ursprung der christlichen Taufe
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handschriftlichen Überlieferung. Die Entstehung dieses Zusatzes datiert man zumeist in das 2. Jahrhundert, wobei man wohl mit der Verarbeitung älterer Traditionen rechnet, deren zeitliche Einordnung aber problematisch bleibt 14 . Für den Verfasser von Mk 16,16 gehören Verkündigung und Taufe selbstverständlich zusammen, und er versteht deren Verbindung als eine durch den Auferstandenen beim Missionsauftrag gesetzte. Aber für die historische Frage, wie es von den Anfängen der Christenheit an zu der beobachteten einhelligen Übung der Taufe kam, trägt Mk 16,16 nichts bei. 1.2 Die Taufe Jesu
Da sich die Entstehung der christlichen Taufe nicht durch den bei Matthäus (28, 19) tradierten Taufbefehl erklären läßt, fragt man, ob und inwieweit nicht Jesu eigene Taufe durch Johannes die urchristliche Taufpraxis begründet habe. Daß Jesus von Johannes dem Täufer getauft wurde, gehört zu den Nachrichten, deren Historizität kaum zu bezweifeln ist' 5 . So sieht eine Reihe von Forschern in der Taufe Jesu das Vorbild und Urbild und damit die Einsetzung der christlichen Taufe, und in der Erzählung von Mk 1,9-11 (par) die Kultlegende für den christlichen Taufkultus, in ähnlicher Weise, wie es die Erzählung von Jesu letztem Mahl (Mk 14,22-25 par) für die Feier des Herrenmahls ist 16 • 14 Aus der reichlichen Literatur verweise ich vor allem auf R. Pesch, Markusevangelium I, 40ff; II, 544ff sowie die oben in Anm. 9 genannten Arbeiten. W. Schmithals, Das Evangelium nach Markus (ÖTK 2), Gütersloh 1979, 49f.742f versucht Mk 16,15f für eine von ihm postulierte Grundschrift zu retten, die der Evangelist Markus benutzt und am Schluß gekürzt haben soll; doch scheitert diese Hypothese m.E. schon an dem eindeutigen textkritischen Befund. 15 Das wird zwar von E. Haenchen, Der Weg Jesu, Berlin 1966, 60ff, in Frage gestellt. Er meint, daß hier die christliche Erfahrung des Geistempfangs bei der Taufe in das Leben Jesu zurückprojiziert sei. Doch überzeugt diese Erklärung nicht, weil die Tatsache der Taufe Jesu durch Johannes der christlichen Gemeinde - wie die Texte zeigen - erhebliche Schwierigkeiten bereitete und fast als ein pudendum empfunden wurde. Läßt sich doch hier der Größere von dem Geringeren taufen und ordnet sich ihm damit unter (Mt 3,14!) bzw. unterzieht sich der Sündlose einer BuBtaufe (EvHebr; bei Hieronymus, contr. Pelg. III,2). Eine Gemeinde, der die Taufe Jesu solche Kopfschmerzen bereitet, erfindet diese nicht erst. Vgl. dazu H. Braun, Entscheidende Motive in den Berichten über die Taufe Jesu von Markus bis Justin, ZThK 50 (1953) 39-43. 16 So Aland, Vorgeschichte 4; K. Barth, Kirchliche Dogmatik IV,4: Das christliche Leben; Die Taufe als Begründung des christlichen Lebens, Zürich 1967, 57; M. Barth, Sieben Sätze zur Taufe nach dem Neuen Testament, in: D. Schellong (Hg.), Warum Christen ihre Kinder nicht mehr taufen lassen, Frankfurt
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1 Der Ursprung der christlichen Taufe
Dafür scheint zunächst zu sprechen, daß schon in dem ältesten Bericht von der Taufe Jesu im Jordan (Mk 1,9-11) »die für die Taufe der Kirche konstitutiven Elemente verbunden (sind), das Wasser >zur Vergebung der Sünden<, der Geist und die Proklamation der Sohnschaft in der Nachfolge des Sohnes Gottes im eigentlichen Sinn« 17 • Daß hier wie bei der christlichen Taufe Wasserritus und Geistverleihung miteinander verbunden sind, ist nicht zu übersehen. Schwieriger ist das freilich schon bei der Proklamation der Sohnschaft. Daß Taufe und Sohnschaft miteinander verbunden werden können, ist freilich im Blick auf Gal 3,26f nicht zu bestreiten. Fraglicher ist aber schon, ob die »Verleihung der Sohnschaft« in apostolischer und nachapostolischer Zeit schon als »die eigentliche Taufgabe« galt 18 • Vor allem aber ist zu beachten, daß die Bezeichnung der Christen als »Söhne« im Neuen Testament doch eine andere Bedeutung hat als die Sohnesproklamation von Mk 1, 11. Denn die Sohnesproklamation in Mk 1,11 meint doch deutlich die Abhebung Jesu von allen anderen Täuflingen und seine Prädizierung als des einzigen göttlichen Heilsbringers. »Sohnschaft ist hier auch bei juristisch-adoptianischem Verständnis etwas qualitativ anderes als die Sohnschaft der Getauften. Darum ist es ganz konsequent, wenn bei der Wiederholung dieser Himmelsstimme in Mk 9,7 hinzugefügt wird: »auf ihn sollt ihr hören!«, womit diese Sonderstellung des Heilsbringers unterstrichen wird. Eine genauere Untersuchung der Erzählung von der Taufe Jesu (Mk 1,9-11 par) zeigt aber nun, daß diese in neutestamentlicher Zeit noch nicht als Einsetzung der christlichen Taufe oder als deren Kultlegende verstanden wurde. Schon bei Markus ist die Era.M. 1969, 74; R. Bultmann, Die Geschichte der synoptischen Tradition, Göttingen 8 1970, 269; F. Hahn, Die Taufe im Neuen Testament, in: Calwer Predigthilfen: Taufe, Stuttgart 1976, 4; G. Kretschmar, Die Geschichte des Taufgottesdienstes in der alten Kirche, in: Leiturgia V, Kassel 1970, 16; H. Mentz, Taufe und Kirche, München 1960, 59; H. Thyen, ßEcrtv CtJlapnoov, in: Zeit und Geschichte (FS R. Bultmann), Tübingen 1964, 104; weitere Belege bei A. Vögtle, Die sogenannte Taufperikope Mk 1,911, in: EKK.V, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1972, 127 Anm. 67. 17 Kretschmar, a.a.O. 16. 18 Kretschmar, a.a.O. 16. Aus den von ihm genannten Stellen Ga! 4,5; Röm 8,15f; Eph 1,5; TestLevi 18,6-8; TestJuda 24,2-3; OdSal 3,3; 31,4; 42,15. 20 kann ich das nicht entnehmen. Wohl, daß die Christen, d.h. die Getauften, sich als Söhne verstehen, aber nicht, daß die Adoption als die eigentliche Taufgabe galt. Sieht man, wie klar und eindeutig die Verleihung des Geistes, die Sündenvergebung, die Wiedergeburt anderswo als Taufgabe bezeichnet werden, so möchte man im Blick auf »Sohnschaft<< als Taufgabe doch etwas deutlichere Aussagen erwarten. Zur Kritik vgl. auch Dinkler, Taufaussagen 79 Anm. 58.
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wähnung der Taufe Jesu (Mk 1,9) nur Voraussetzung und Auftakt zu der nun folgenden Öffnung des Himmels, Herabkunft des Geistes und zu der Himmelsstimme, die Jesus als den erwählten Gottessohn proklamiert (Mk 1,10f). Die Erzählung hat keineswegs einen doppelten Skopus 19 , sondern hat ihr Schwergewicht ganz eindeutig in der christologischen Aussage, nämlich in der Einsetzung Jesu zum Messias bzw. zum Gottessohn unter Aufnahme traditioneller eschatologischer Elemente wie Öffnung des Himmels, Herabkunft des Geistes, Himmelsstimme und einer an Ps 2, 7 anklingenden Adoptionsformel 20 . Der Taufakt hat demgegenüber nur untergeordnete Bedeutung und wird nur am Rande erwähnt. Noch stärker an den Rand gedrängt erscheint der Taufakt in der nachfolgenden Überlieferung, worauf schon H. Braun aufmerksam machte 21 . Wurde bei Markus die Taufe Jesu noch in einem selbständigen Satz mit einem verbum finitum erwähnt, so erscheint sie bei Lukas nur noch in einem Nebensatz (Lk 3,21; gen. absolutus!), gewissermaßen als Situationsangabe für die nun folgende christologische Offenbarung, auf die allein alles Gewicht fällt. Auch die Erwähnung des Gebetes Jesu (Lk 3,21) entspringt nicht etwa der Einwirkung des Taufritus auf die Darstellung der Erzählung, sondern dem auch sonst häufigen Bestreben des Evangelisten, Jesus als Betenden zu zeigen 22 . In Job 1,29-34 wird die Taufe Jesu über19 So Kretschmar, a.a.O. 16. 20 Vgl. Ph. Vielhauer, Zur Frage der christologischen Hoheitstitel, ThLZ 90 (1965) 584; E. Schweizer Art. 1tVEÜi.W, ThWNT VI, 398; Bultmann, Synoptische Tradition 263-270; H. Conzelmann, Art. Jesus Christus, RGG 3 III, 627; E. Lohse, Grundriß der neutestamentlichen Theologie, Stuttgart 1974, 24. Demgegenüber legt Vögtle, a.a.O. 134 das Gewicht darauf, daß bei der Sohnesproklamation Mk 1,11 das cru Ei betont vorangestellt sei, und sieht darin eine Auseinandersetzung mit den Anhängern Johannes des Täufers, denen gegenüber behauptet werde, daß der >>den Täufer anerkennende Jesus<< dennoch >>der höhere und endgültige Gottesbote ist«. In diesem judenchristliehen Bedürfnis der Abgrenzung gegen die Johannesjünger sieht er den eigentlichen Grund zur Bildung der Taufperikope. Doch frage ich mich, ob man die Voranstellung des >>du bist« so stark betonen darf. Vögtles Deutung ist nur sinnvoll unter der Voraussetzung, daß der Gottessohn-Titel auch für Johannes reklamiert wurde, so daß die Christen nun im Gegenzug betonten: Nicht Johannes, sondern Jesus ist der >>Sohn Gottes«. Aber dafür, daß dem Täufer der Titel >>Sohn Gottes« beigelegt wurde, gibt es keine Hinweise (aus Joh 1,20 könnte man allenfalls Xptcr'to<; erschließen!). Dagegen leuchten Vögtles Einwände gegen Lentzen-Deis' Erklärung mittels der Kategorie der Deute-Visionen unmittelbar ein; vgl. F. Lentzen-Deis, Die Taufe Jesu nach den Synoptikern. Literarkritische und gattungsgeschichtliche Untersuchungen (FTS 4), Frankfurt a.M. 1970 und dazu Vögtle, a.a.O. ll3ff sowie in BZ NF 17 (1973) 115-123. 21 Braun, a.a.O. 39ff. 22 Gegen Bultmann, a.a.O. 270. Schon die Tempusdifferenz zwischen Aorist und Präsens zwischen Taufe und Gebet zeigt, daß das Gebet nicht zum Taufakt
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haupt nicht mehr erwähnt, obwohl die synoptische Tradition von der Taufe Jesu vorausgesetzt ist2 3 und sehr bestimmt und gewichtig von der Herabkunft des Geistes »wie einer Taube« und von der Bedeutung dieses Geschehens gesprochen wird. Ähnlich ist es bei Justin. In seinem Dialog mit Tryphon 88,3 wird der Taufvorgang gleichfalls nur noch in einem Nebensatz genannt Ka'tEA86no<; -rou 'I11<mu btt -ro üömp. Um so stärker wird dann sofort die wunderbare Offenbarung betont, daß Feuer im Jordan aufflammte und der Geist auf ihn herabkam. Wichtig ist für Justin daran nur die wunderbare Offenbarung, wie er denn in 88,8 dann nur noch das Ergehen der Himmelsstimme und das Kommen des Geistes schildert und die Taufe Jesu dabei überhaupt nicht mehr erwähnt. Denn Jesus hatte ja die Taufe überhaupt nicht nötig, erklärt 88,4, wie er auch einen Geistempfang eigentlich nicht nötig hatte. Sieht man, wie hier in der Entwicklung von Markus bis zu Justin die Erwähnung der Taufe Jesu immer mehr an den Rand gedrängt wird, gewinnt man den Eindruck, als habe man die Taufe Jesu fast als ein pudendum empfunden 24 . Unter der Voraussetzung einer Kultlegende für den christlichen Taufkult läßt sich eine solche Entwicklung nicht erklären. Die Tatsache, daß die Erwähnung der Taufe Jesu in der Überlieferung immer mehr an den Rand gedrängt wurde, zeigt, daß zumindest diese Tradenten in der Erzählung von der Taufe Jesu nicht die Begründung und Kultlegende der christlichen Taufe sahen. Bestätigt wird dies durch die Behandlung, die die Erzählung von der Taufe Jesu im Matthäusevangelium und im Hebräerevangelium fand. Matthäus hat bekanntlich in die Tauferzählung den Passus von der Weigerung des Täufers (Mt 3,14f) eingeschoben. Johannes weigert sich, Jesus zu taufen: »Ich hätte nötig, von dir getauft zu werden, und du kommst zu mir?« Matthäus empfindet das Unpassende dieser Taufe. Daß der endgültige Heilsbringer sich mit seiner Taufe dem geringeren Vorläufer unterordnet, ist das Ärgergehört, sondern eine von der Taufe getrennte Vorbereitung auf das folgende Geschehen ist. Die Vorliebe des Lukas für den Gebetsgedanken zeigt sich daran, daß er auch in 5,16; 6,12; 9,18.28; 11,1 ein entsprechendes 1tpocr~::ux~::cr8at gegenüber seiner Vorlage zugefügt hat. 23 Gegen G. Richter, Zu den Tauferzählungen Mk 1,9-11 und Joh 1,32-34, ZNW 65 (1974) 43-56, der bei Johannes eine von den Synoptikern unabhängige Tradition finden zu können meint, in der nur die Herabkunft des Geistes ohne Himmelsstimme erzählt worden sein soll. Aber auf die bei den Synoptikern erwähnte Himmelsstimme bezieht sich doch offenbar die in 1,34 genannte Sohnesprädikation. Ebenso bezieht sich Joh 1,30 (= 1,27) auf Mk 1,7 I Lk 3,16, so daß die Annahme einer von den Synoptikern unabhängigen Tradition unwahrscheinlich ist. 24 So mit Recht H. Braun, a.a.O. 39.
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nis, das diesen Einschub veranlaßte. Das zeigt aber, daß Matthäus in dieser Geschichte nicht die Begründung der christlichen Taufe las. Sonst hätte er nicht diesen Anstoß genommen; oder er hätte zumindest eine andere Antwort gegeben, als wir sie in Mt 3,15 finden, wonach gerade mit solch demütiger Unterordnung »alle Gerechtigkeit« erfüllt wird. Einen bei aller Verschiedenheit doch ähnlichen Anstoß verrät das Hebräerevangelium25 . Hier ist es Jesus, der sich weigert, zur Johannestaufe zu kommen, die doch zur Vergebung der Sünden vollzogen wird: Quid peccavi, ut vadam et baptizer ab eo? Wie kann der sündlose Jesus sich einer Taufe zur Vergebung der Sünden unterziehen? Das ist hier der Anstoß, der zu diesem Einwand führt. Wieder zeigt dieser Anstoß, daß der Verfasser die Tauferzählung gerade nicht als Begründung des christlichen Taufkultus verstanden haben kann; er hätte sonst zweifellos eine andere als die vorliegende Antwort gegeben: Nisi forte hoc ipsum quod dixi, ignorantia est. Erst vom zweiten Jahrhundert an begegnet der Gedanke, daß die Taufe Jesu durch Johannes im Jordan selbst schon die Begründung und Einsetzung der christlichen Taufe gewesen sei. So, wenn es bei lgnEph 18,2 heißt, daß Jesus geboren und getauft wurde, tva 'tcQ nci8Et 'tO üomp Ka8apicr-u; Christus ließ sich taufen, um das Taufwasser für die Christen zu heiligen 26 . Deutlich wird das dann bei Clemens von Alexandrien 27 und Tertullian ausgesprochen: Bei Jesu Taufe kommt der Geist auf das Taufwasser nieder und erkennt es als seinen Ruhesitz an, so daß das Wasser nun für die Taufe geweiht ist 28 • Aber dies ist erst eine spätere Deutung der Taufe Jesu im Jordan, die sich nicht bis in die 25 Nach Hieronymus, contr. Pelag. III,2; Text bei K. Aland, Synopsis Quattuor Evangeliorum, Stuttgart 9 1976, 27. 26 Die Aussage erscheint in einer bekenntnisartigen Formel. Doch ist es fraglich, ob daraus eine ältere Tradition erschlossen werden kann. H. v. Campenhausen, Das Bekenntnis im Urchristentum, ZNW 63 (1972) 249 meint, er habe den Eindruck, >>daß sie (sc. diese Formeln) von Ignatius nicht zitiert, sondern frei geschaffen wurden«. Auffallend ist, daß Ignatius neben der Taufe Jesu noch seine Passion nennt, durch die das Taufwasser geweiht wurde; vgl. dazu W. Bauer I H. Paulsen, Die Briefe des Ignatius von Antiochia und der Polykarpbrief (HNT 18), Tübingen 2 1985, 42. 2 7 Eclogae propheticae 7,1 (GCS 17, 1970): Öta 'toiho 6 crro'tftp eßmt'ticrmo ... tva 'tOt~ avayEVVCDjlEvOt~ "CO ltUV üörop ayuicru; ferner Paedag. 1,6,25f. 28 Tertullian, de bapt. 8f; adv. Jud. 8,14: >>Baptizato enim Christo, id est sanctificante aquas in suo baptismate«. Möglicherweise hat auch der christliche Bearbeiter der TestXIIdie Taufe Jesu bereits als Vorbild der christlichen Taufe verstanden, da er in Testlud 24,2 den Geistempfang bei der Himmelsöffnung mit dem Geistempfang der Glaubenden verbindet. Die christliche Bearbeitung der TestXII wird gegen Ende des 2. Jahrhunderts angesetzt; vgl. J. Becker, Die Testamente der zwölf Patriarchen, in: JSHRZ III, Gütersloh 1974, 23.
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neutestamentliche Zeit zurückverfolgen läßt. Die Art, wie in der frühen Überlieferung die Taufe Jesu nur beiläufig erwähnt und zugunsten der christologischen Aussage an den Rand gedrängt wurde, zeigt, daß in diesem Stadium die Erzählung noch nicht aus tauftheologischem Interesse tradiert und gepflegt wurde und also noch nicht als das die christliche Taufe begründende Geschehen angesehen wurde. Das heißt nicht, daß das Faktum der Taufe Jesu nicht von einer gewissen Bedeutung für die Entstehung der christlichen Taufe gewesen wäre. Wir werden sehen, daß die christliche Taufe von nichts stärker beeinflußt und bestimmt wurde als von der Johannestaufe. Wenn Jesus selbst sich von Johannes taufen ließ, so bedeutet das, daß er die Johannestaufe ausdrücklich anerkannte. Eine solche Anerkennung der Johannestaufe konnte nicht ohne Einfluß auf das Verhältnis der Christen zu diesem Ritus bleiben. Diese Bejahung und Anerkennung der Johannestaufe durch Jesu Verhalten bedeutet aber nicht, daß die neutestamentlichen Tradenten in der Erzählung von Jesu Taufe im Jordan die Einsetzung der christlichen Taufe gesehen hätten. 1.3 Die Johannestaufe Fragen wir nach der Entstehung der christlichen Taufe, so ist nun vor allem auf die Taufe zu achten, die Johannes der Täufer an denen vornahm, die seinem Bußruf folgten. Das gilt nicht nur, weil Jesus sich von Johannes im Jordan taufen ließ und damit die Johannestaufe bejahte und anerkannte. Nach Joh 1,35-42 ist damit zu rechnen, daß zumindest ein Teil der Jünger Jesu aus der Anhängerschaft des Täufers kam und dann wohl auch dessen Taufe empfangen hatte. Schließlich wird die weitere Untersuchung zeigen, daß zu keinem anderen antiken Lustrationsritus die christliche Taufe nach Inhalt und Form so große Nähe aufweist wie zur Johannestaufe. Das war der jungen Christenheit offensichtlich bewußt. Wie sehr ihr dieser Zusammenhang mit der Johannestaufe bewußt war, zeigt sich daran, daß sie geflissentlich christliche Taufe und Johannestaufe voneinander abzuheben suchte (Mk 1,8 par; Joh 1,33; Apg 1,5; 11,16; 19,2-6) 29 • Wir haben daher zunächst 2 9 Eine entsprechende Abhebung vom Proselytentauchbad begegnet dagegen nirgends in der Frühzeit. Dagegen dürfte in !Petr 3,21 und Hebr 9,9f; 10,22 die christliche Taufe gegen andere jüdische Waschungen und Besprengungen abgehoben werden; vgl. unten Kap. 4.5.
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nach Art und Charakter der Johannestaufe zu fragen, um danach zu überlegen, ob und inwieweit von da aus die Entstehung der christlichen Taufe verstehbar wird. Von der Johannestaufe berichtet Markus im Rahmen seiner Ausführungen über Auftreten und Verkündigung des Täufers (Mk 1, 2-8). Seine Aussagen wurden von den Seitenreferenten Matthäus und Lukas bei nur geringen Abänderungen weithin übernommen, aber um einen wichtigen Spruch aus der Logienquelle (Mt 3,11f I Lk 3,16f) ergänzt. Die Erwähnungen der Johannestaufe an anderen Stellen der Synoptiker (Mk 11,30 par; Lk 7,29f) und im Johannesevangelium (1,25-33; 3,23; 10,40) fügen dem nichts Neues hinzu. Da es sich beialldiesen Texten um christliche Berichte über die Johannestaufe handelt und die Christenheit von früh an versuchte, die Gestalt Johannes des Täufers ihrer eigenen Geschichte zu adaptieren und als Vorläufer und Wegbereiter Jesu zu deuten, werden wir auch bei den Aussagen über dessen Taufe immer wieder zu fragen haben, wieweit ursprüngliche Überlieferung und wieweit christliche Interpretation dieser Überlieferung vorliegt. Schließlich ist auch die kurze Erwähnung der Johannestaufe bei Josephus (Ant. 18, 117) zu beachten, wobei gleichfalls zwischen Nachriebt und Interpretation zu unterscheiden sein wird. 1.3.1 Der Befund Nach dem Bericht des Markus verkündigte Johannes »eine Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden« (ßanncrj.!a j.!E'tavotw; Ei~ Ö<\>Ecrtv aj.!apnrov Mk 1,4 I Lk 3,3), und die Menschen kamen aus der ganzen Umgebung bei ihm zusammen und ließen sich von ihm im Jordan taufen, wobei sie ihre Sünden bekannten (Mk 1,5). a) Daraus ist zunächst zu entnehmen, daß die Taufe des Johannes mit der Forderung der Umkehr verbunden war. Das geht nicht nur aus dem gen. qualitatis ßanncrj.!a j.!E'tavota~ (Mk 1,4) hervor und aus der Angabe, daß die Täuflinge ihre Sünden bekannten (Mk 1, 5), sondern entspricht auch der allgemeinen Charakterisierung des Johannes als eines Bußpredigers (Mt 3,7-10 par; 11,18f; 21,32; Mk 6,18; Apg 13,24; 19,4) 30 • Matthäus unterstreicht das in 3,11 dadurch, daß er Johannes sagen läßt: Ich taufe euch mit Wasser Ei~ j.!E'tclVOtaV. 30 Die Aussage des Josephus, Ant. 18,117, daß Johannes die Juden aufforderte, >>nach Tugend zu streben« und >>Gerechtigkeit gegeneinander und Frömmigkeit gegen Gott zu üben<<, ist die für hellenistische Leser bestimmte Umschreibung des gleichen Sachverhalts.
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b) Diese Umkehrforderung ergeht in letzter Stunde angesichts des unmittelbar bevorstehenden Kommens des »Stärkeren« (Mk 1,7), der das Gericht vollziehen wird: »Er hält die Worfschaufel schon in der Hand und wird seine Tenne gründlich säubern; den Weizen wird er in seine Scheune sammeln, die Spreu dagegen mit unauslöschlichem Feuer verbrennen« (Mt 3,12 I Lk 3,17). »Die Axt ist den Bäumen schon an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der keine Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen« (Mt 3,10 I Lk 3,9). Der Ruf zur Umkehr und zur damit verbundenen Taufe verheißt Rettung angesichts dieses bevorstehenden Gerichts. Das ergibt sich deutlich aus der Gegenüberstellung von »Wassertaufe« und »Feuertaufe« in Mt 3,11f I Lk 3,16f, wobei die »Feuertaufe« in Aufnahme alttestamentlicher und apokalyptischer Vorstellungen 31 das kommende Gericht umschreibt 32 • Wie diese Beziehung zwi31 Vgl. Mk 9,43.45; !Kor 3,13; 2Thess 1,8; 2Petr 3,7ff; Jer 43,12; Am 1,4. 7.10 u.ö. Als Feuerstrom oder Feuersee erscheint das Gericht Offb 20,1 0; Dan 7,10; 4Esr 13,10; MekhEx 18,1 (bei Bill. III, 773). 32 Mt 3,11f I Lk 3,16f (~U1t'tlO"Et 1tVEUJ..lU'tt ayi.C(l KUt 7tUpi.) hat gegenüber Mk 1,8 (nur 1tVEUJ..lU'tt ayi.C(l) als ursprünglicher zu gelten. Die kürzere Markusform kann als interpretatio christiana verstanden werden, nachdem Jesus das Feuergericht nicht gebracht, wohl aber nach Ostern die Gabe des Geistes ausgeteilt hatte; vgl. u.a. E. Schweizer, Art. 7tVE'ÜJ..lU, ThWNT VI, 396; R. Pesch, a.a.O. 84f; J. Gnilka, Das Evangelium nach Markus I (EKK Il,l), ZürichiNeukirchenVluyn 1978, 48; B.M.F. van Jersel, He will baptize you with Holy Spirit (Mk 1,8) in: Text and Testimony (FS A.F.J. Klijn), Kampen 1988. Wer dagegen die Markusform für ursprünglicher halten will, muß Kat 7tUpt in Mt 3,11 I Lk 3,16 als christlichen Zusatz und Hinweis auf die Pfingsterzählung Apg 2,3 erklären (so Aland, Vorgeschichte 4). Das scheitert aber nicht nur daran, daß Apg 2,3 nur von Zungen >>wie« Feuer weiß, sondern vor allem daran, daß Lukas selbst die >>Feuertaufe« (Lk 3,16) nach Ausweis von Apg 1,5; 11,16 nicht auf die feurigen Zungen der Pfingstgeschichte bezogen hat. Fragen mag man, ob auch in Mt 3,11 I Lk 3,16 die Worte 1tVEUJ..lU'tt ayi.C(l bereits als christlicher Einschub zu verstehen sind. Hält man sie für ursprünglich, so muß man entweder in der doppelten Bezeichnung der Taufe als durch heiligen Geist und durch Feuer geschehend eine Andeutung auf den doppelten Ausgang des Gerichts sehen (Geistmitteilung = Gnade, Feuer = Strafgericht), oder man muß 7tVE'ÜJ..lU als Wind verstehen und mit >>Feuer<< zu einem Hendiadyoin zusammenfassen und als >>feurigen Hauch<< deuten. Da die direkte Gegenüberstellung von Wasser und Feuer (ohne Nennung des Geistes) als die verständlichere und natürlichere erscheint, könnte man diese für die ursprünglichere halten. Pesch, a.a.O. 84f nimmt deshalb an, daß schon ein vormarkinischer Redaktor 1tUpl durch 1tVEUJ..lU'tt ayt((l ersetzt habe und Mt/Lk durch eine Kombination von Q und Mk entstanden sei. Das ist jedoch aus mehreren Gründen unwahrscheinlich: I. Da Lukas, wie Apg 1,5; 11,16 zeigen, primär an der Markusform interessiert war, läßt sich Lk 3,16 bei ihm nur dadurch erklären, daß ihm der Spruch in dieser Fassung vorlag, aber nicht erst durch Kombination von ihm gebildet wurde. 2. Hätte der Spruch ursprünglich nur die Taufe mit Feuer der mit Wasser gegenübergestellt, so hätte für die Urgemeinde überhaupt kein Anlaß bestanden, ihn auf die Gegenwart zu beziehen; da man den Menschensohn als den kom-
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sehen der »Wassertaufe« des Johannes und dem kommenden Gericht zu verstehen ist, wird noch genauer zu erfragen sein. c) Weiter ergibt sich aus Mk 1,4 ein Zusammenhang von Taufe und Sündenvergebung. Wie dieser Zusammenhang zwischen Umkehr - Taufe - Sündenvergebung im einzelnen zu fassen ist, ist freilich weithin umstritten. Wer die Taufe primär als Ausdruck der Umkehr versteht, sucht Eie; ä<j>ccnv Ol!apnrov nur lose mit der Taufe zu verbinden: »... im Vertrauen darauf, daß es bei dem kommenden Richter auch Vergebung gibt« 33 . Andere verstehen Eie; ä<j>ccnv a11apnrov im streng finalen Sinne als Aussage über die Wirkung und Gabe der Taufe34 . Wir können eine Entscheidung dieser Frage zunächst zurückstellen, da sie sich im Verlauf der Untersuchung vor allem durch den religionsgeschichtlichen Vergleich noch klären wird. Nur so viel sei hier festgehalten, daß sich diese Aussage über die Sündenvergebung kaum als interpretatio christiana verstehen und dadurch abschwächen läßt35 . Die junge Christenheit zeigte sich vielmehr immer wieder bemüht, die Johannestaufe gegenüber der christlichen Taufe abzuwerten, nicht aber sie christlich aufzuwerten. Daß im Mt 3,2 und 11 im Zusammenhang der Johannestaufe die Aussage über die Sündenvergebung fehlt, dürfte möglicherweise als solche Abwertung zu verstehen sein und damit die historische Zuverlässigkeit der Aussage von Mk 1,4 bestätigen 36 . Auch die apologetisch gefärbte Bemerkung des Josephus über die Verkündigung des Johannes (Ant. 18, 117), die Taufe werde die Menschen dann Gott angenehm machen, wenn sie dieselbe nur zur Heiligung des Leibes, nicht aber zur Sühne für ihre menden Weltrichter erwartete (auch bei Markus; vgl. 8,38!), wäre der Spruch wohl einfach auf dessen künftiges Kommen bezogen worden. Zur Änderung und Umdeutung nötigte der Spruch erst dadurch, daß er Geist und Feuer nebeneinander nannte. Denn dadurch war die Assoziation auf die gegenwärtige Geistgabe gegeben, während das Gericht noch ausstand. 3. Unverständlich bleibt bei Pesch, warum der vormarkinische Redaktor das Feuer ausgerechnet durch den heiligen Geist ersetzt haben soll, der ja bei Markus (im Unterschied zu den Lukas-Schriften!) keine besondere Rolle spielt. Traditionsgeschichtlich ist es weit eher verständlich, daß eine ältere Fassung, die Geist und Feuer zusammenbrachte (Mt 3,11 I Lk 3,16) durch Weg1assung des Feuers an die christliche Erfahrung angeglichen wurde, als daß diese doppelte Aussage von der Taufe mit Geist und Feuer erst von christlichen Tradenten aller Erfahrung zuwider durch Kombination gebildet sein sollte. 33 M. Barth, Die Taufe- Ein Sakrament?, Zürich 1951, 124. 34 Thyen, a.a.O. 98; Dink/er, Taufaussagen 63; G. Bornkamm, Die neutestamentliche Lehre von der Taufe, ThBI 17 (1938) 42-52, Nachdruck in: F. Gruenagel (Hg.) Was ist Taufe? Stuttgart 1951, 38-58, dort 40f. 35 So J. Jeremias, Neutestamentliche Theologie I, Gütersloh 1971, 52. 3 6 Vgl. G. Bornkamm, Enderwartung und Kirche im Matthäusevangelium, in: Bornkamm/Barth/Held, Überlieferung und Auslegung im Matthäusevangelium, 13 Anm. 2; Thyen, a.a.O. 103.
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Sünden anwendeten, verrät indirekt, daß die Erwartung der Sündenvergebung mit der Johannestaufe verbunden wurde. d) Im Blick auf den Ritus der Taufhandlung ergibt sich aus der Passivkonstruktion eßmni/;;ov·to {m' GU'to'Ü Mk 1,5, daß die Handlung durch den Täufer vollzogen wurde. Der Täufling taufte sich also nicht selbst, und Johannes war auch nicht nur Taufzeuge 37 bei dem Taufvorgang, sondern der Täufling war, trotz seines aktiven Kommens zur Taufe, an der Taufe selbst nur passiv beteiligt: Er wurde von Johannes getauft. e) Diese Taufe war ein Wasserritus, der im Jordan vollzogen wurde. Ob dies durch volles Eintauchen bzw. Untertauchen geschah oder in der Weise, daß der Täufling in das fließende Wasser trat und die eigentliche Taufhandlung durch Übergießen mit Wasser, eine sog. perfusio, vollzogen wurde, läßt sich aus den Texten nicht mit letzter Sicherheit entnehmen. Dinkler38 meinte, daß nur eine perfusio der Aktivität des Täufers gerecht werde. Doch läßt sich die mit Recht betonte Aktivität des Täufers auch in der Weise verstehen, daß der Täufer den Täufling im Wasser untertauchte. Und der konstante Gebrauch von ßmnil;;nv/ßartncrlla39 zur Bezeichnung dieses Wasserritus spricht auf dem Hintergrund der Entwicklung der frühjüdischen Tauchriten eher dafür, an ein volles Eintauchen bzw. Untertauchen zu denken 40 • 3 7 So irrtümlich J. Jeremias, Theologie I, 58, der sich durch die Proselytentaufe zu dieser Annahme verleiten läßt. Auch K. Rudolph, Die Mandäer I, Göttingen 1960, 231 meint unter Berufung auf H. v. Martin, The primitive Form of Christian Baptism, EvTh 7 (1947/48) 160-163, daß die Johannestaufe eine Selbsttaufe in Anwesenheit des Täufers gewesen sei. Doch spricht dagegen die eindeutige Passivkonstruktion im' aircoii in Mk 1,5; man vgl. auch die Passivkonstruktion Mk 1,9; Mt 3,13f; Lk 7,30; Apg 19,3f. Zur Auseinandersetzung mit Rudolph vgl. auch Thyen, a.a.O. 97 Anm. 3; E. Dinkler, Art. Taufe, RGG3 VI, 628 und Ph. Vielhauer, Art. Johannes der Täufer, RGG 3 III, 805. 3 8 E. Dinkler, Die Taufterminologie in 2Kor 1,21f, in: Neotestamentica et Patristica (FS 0. Cullmann), Zürich/Tübingen 1962, 173-191, besonders 183. 39 Bei Josephus, Ant. 18,117: ßmmcrf.u:\<; und ßa7tncrt<;. 40 Die Bestimmungen über die mannigfachen im Alten Testament befohlenen Waschungen wurden bekanntlich im Frühjudentum rigoros verschärft. Dazu gehört, daß aus den einfachen »Waschungen« nun in vielen Fällen ein Vollbad wurde, für das die Menge und Qualität des Wassers festgelegt wurde; vgl. Bill. I, 108f; W. Brandt, Die jüdischen Baptismen, Gießen 1910. Hieß es Lev 15,16 »er wasche(= yn1, LXX: AOUOf.lat) seinen ganzen Leib mit Wasser<<, so versteht man das nun so, daß so viel Wasser nötig sei, daß der ganze Leib darin eingetaucht werden kann (Erub 4b bei Bill. I, 108). Diese verschärfende Tendenz zeigt sich auch in der Terminologie. Während das Alte Testament für die rituellen Waschungen durchgängig 0::1::1 piel =reinigen, abwaschen (Lev 11,25.39f; 14,8; l5,5f.1l.21; Num 19,7f.19.21; LXX: 1tA.uvw) oder yn1 =abspülen, waschen (Ex 29,4; Lev 15,21; 16,4.24; Num 19,7.16.19; LXX: A.oUOf.lat) gebraucht, nirgends jedoch ?::1~ =tauchen(= ßa7t'tW), werden diese Waschungen nun in der Mischna als i11{':;ltfl,
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f) Schließlich ist zu sagen, daß die Johannestaufe offenbar als eine einmalige Handlung zu verstehen ist. Das wird zwar nirgends ausdrücklich gesagt, folgt aber schon aus der Tatsache, daß sie keine Selbstwaschung war, sondern von Johannes vollzogen wurde, vor allem aber folgt es aus der Gegenüberstellung von Johannestaufe (= Wassertaufe) und eschatologischer Feuertaufe (Mt 3,11 I Lk 3, 16). Der Einmaligkeit der kommenden Feuertaufe entspricht die Einmaligkeit der von Johannes vollzogenen Wassertaufe. Sind mit Umkehr und Sündenvergebung angesichts des bevorstehenden Gerichts, Untertauchen im Wasser, Einmaligkeit und Vollzug durch einen Täufer auch die wesentlichen Elemente der Johannestaufe genannt, so ist damit doch noch nichts über deren Verhältnis untereinander entschieden, vor allem nicht in der entscheidenden Frage des Verhältnisses von Umkehr und Sündenvergebung zur Taufe. Hier führen dogmatische Grundkonzeptionen zu durchaus unterschiedlichen und widersprüchlichen Aussagen. Für die einen ist die Johannestaufe primär ein Zeichen der Buße41 in der Hoffnung auf Gottes künftige Vergebung, für die anderen ist sie die sakramentale Zueignung der Vergebung und eine Versiegelung angesichts des kommenden Gerichts 42 . Wegen der Offenheit dieser Frage haben wir nun nach dem religionsgeschichtlichen Hintergrund der Johannestaufe zu fragen, um aus den Vorstellungen und Lustrationsriten, die Johannes evtl. bestimmt haben können, eine Antwort zu finden. Und in der Tat führt dieser Vergleich zu einer sehr eindeutigen Antwort, obwohl oder gerade weil die Parallelen zur Johannestaufe nur sehr spärlich ausfallen.
1.3.2 Der religionsgeschichtliche Hintergrund
Der religionsgeschichtliche Hintergrund zur Johannestaufe ist wiederholt und eingehend untersucht worden 43 . Es genügt deshalb hier eine zusammenfassende Sichtung der Ergebnisse. als Eintauchung, Tauchbad bezeichnet. >>Zum Tauchen hinabsteigen<< wird nun >>der technische Ausdruck für das Vornehmen der rituellen Lustration<< (Brandt, a.a.O. 46). Angesichts dieser Entwicklung kann man den konstanten Gebrauch von ßmt'tt~Etv für die Johannestaufe nur so verstehen, daß auch bei ihr völliges Eintauchen zumindest intendiert war. Vgl. dazu auch Kretschmar, a.a.O. 9. 41 So etwa M. Barth, Taufe 124; K. Barth, KD IV,4, 63; W. Bieder, Die Verheißung der Taufe nach dem Neuen Testament, Zürich 1966, 53; Lentzen-Deis, a.a.O. 93. G. Beasley-Murray, Art. Taufe, TBLNT 11,2, 1207 will beides verbinden: Sie sei einerseits Ausdruck der Umkehr und andererseits Vorwegnahme der Feuertaufe. 42 Vgl. oben Anm. 34. 4 3 Aus der Fülle der Literatur nenne ich nur J. Leipoldt, Die urchristliche Taufe im Licht der Religionsgeschichte, Leipzig 1928; R. Reitzenstein, Die Vorge-
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a) Hier sind zunächst die alttestamentlichen Lustrationsriten zu beachten. Das Alte Testament kennt eine Reihe von Fällen, in denen der Israelit sich rituell verunreinigt hat und deshalb seine kultische Reinheit durch festgesetzte Waschungen wiederherstellen muß: Berührung von Toten, Geschlechtsverkehr, Menstruation, Geburt, Aussatz und andere krankhafte Erscheinungen verunreinigen den Israeliten und ebenso der Kontakt mit Menschen oder Gegenständen, die Träger dieser Unreinheiten sind44 . Da der Israelit mit einer gewissen Regelmäßigkeit von solchen Verunreinigungen betroffen wird, spielen die rituellen Waschungen im Leben des Israeliten eine erhebliche Rolle, wovon die Mischna-Traktate des Seder Toharoth ausgiebig Kenntnis geben. Charakteristisch für diese Waschungen ist: 1 . Sie gelten nicht nur einzelnen Körperteilen, sondern dem ganzen menschlichen Körper (Lev 15,16) und wurden deshalb in frühjüdischer Zeit von den Rabbinen nicht nur als Abwaschung, sondern als völliges Untertauchen im Wasser gefordert. Sie werden deshalb als »Tauchbad« bezeichnet45 . 2. Der Israelit vollzieht diese Waschungen selbst an sich; es sind Selbstwaschungen, Selbsttaufen. 3. Diese Waschungen wiederholen sich im Leben des Israeliten bzw. finden mit einer gewissen Regelmäßigkeit statt. 4. Sie vermitteln kultische Reinheit. Nirgends geht es um Sünde und Sündenvergebung, sondern um die Beseitigung von kultischer Unreinheit, die durch Berührung mit Toten, Aussätzigen, Menstruierenden usw. entstanden ist und der Teilnahme am Kult im Wege steht. Daher kann es verschiedene Grade von Verunreinigung geben, denen verschiedene Stufen oder Steigerungen der Reinigungsriten entsprechen. Die Berührungen mit der Johannestaufe sind daher recht gering. Sie beschränken sich im Grunde auf das Untertauchen im Wasser zu religiösem Zweck bzw. auf das Wissen, daß eine Teilnahme am schichte der christlichen Taufe, Leipzig 1929 (= Darmstadt 1967); G. BeasleyMurray, Die christliche Taufe, Kassel 1968, 13-69; J. Jeremias, Der Ursprung der Johannestaufe, ZNW 28 (1929) 312-320; J. Michaelis, Zum jüdischen Hintergrund der Johannestaufe, Jud 7 (1951) 81-120; 0. Betz, Die Proselytentaufe der Qurnransekte und die Taufe im Neuen Testament, RQ I (1958) 213-234; J. Gnilka, Die essenischen Tauchbäder und die Johannestaufe, RQ 33 (1961) 185-207; H. Braun, Qumran und das Neue Testament II, Tübingen 1966, 1-29; H. Kraft, Die Anfänge der christlichen Taufe, ThZ 17 (1961) 399-412; 0. Böcher, Wasser und Geist, in: Verborum Veritas (FS G. Stählin), Wuppertal 1970, 197-209. 44 Lev 11,24-40; 14,1-8; 15,1-31; 16,4.24; Num 19,1-24; Josephus, c. Apion 198.203; MekhEx 19,10 bei Bill. I, 102. Zum Ganzen vgl. Brandt, a.a.O. 19ff.37ff sowie J. Neusner, The Idea of Purity in Ancient Judaism, Leiden 1973. 45 Vgl. MekhEx 19,10 bei Bill. I, 102 sowie oben Anm. 40.
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Kult und also. ein Bestehen vor Gott ohne mit Wasser vollzogene Reinigungsriten nicht möglich ist. Die übrigen Merkmale trennen mehr die Johannestaufe von diesen Waschungen, als daß sie verbinden: An die Stelle wiederbalter Waschungen tritt bei Johannes ein einmaliges Geschehen, an die Stelle der Selbstwaschungen bzw. Selbsttaufen tritt die Taufe durch den Täufer, und anstelle von kultischer Reinheit wird von Vergebung der Sünde angesichts des kommenden Gerichts gesprochen. b) Häufig sah man das unmittelbare Vorbild für die Johannestaufe im Proselytentauchbad, dem sich der zum Judentum übertretende Heide zu unterziehen hatte46 • Doch sind auch hier die Beziehungen zu gering, als daß sich die Johannestaufe von daher erklären ließe. Dabei soll gar nicht auf das fragwürdige Alter des Proselytentauchbades rekurriert werden. Eine Reihe von Forschern nimmt jedenfalls an, daß sie zur Zeit des Johannes und möglicherweise schon früher in Übung war47 • Nicht das Alter, wohl aber die inhaltlichen Differenzen zwischen Johannestaufe und Proselytentaufe setzen einer Beeinflussung Grenzen. Denn beim Proselytentauchbad geht es nicht um Sündenvergebung48 , sondern um Vermittlung der kultischen Reinheit bzw. um Beseitigung der dem über46 So etwa J. Jeremias, Die Kindertaufe in den ersten vier Jahrhunderten, Göttingen 1958, 28ff; Bill. I, 102; Böcher, a.a.O. 202; Leipoldt, a.a.O. 26; 0. Cullmann, Die Tauflehre des Neuen Testaments, Zürich 2 1958; W.F. Flemington, The New Testament Doctrine of Baptism, London 1948, 16-19; A. Oepke, Art. ßan'tw K'tA., ThWNT I, 527-544, dort 535. 4 7 Jeremias, Kindertaufe 29-34; Bieder, a.a.O. 28f; Böcher, a.a.O. 202 rechnen sogar mit einer Entstehung in spätprophetischer Zeit. E. Dinkler, Art. Taufe, RGG 3 VI, 628 urteilt über ihr Alter zurückhaltender, ebenso R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 5 1965, 42; Beasley-Murray, Taufe 36ff; Gnilka, Markus I, 46. Namentlich im vorigen Jahrhundert wurde eine vorchristliche Entstehung des Proselytentauchbades bestritten; ältere Literatur dazu bei E. Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi III, Leipzig, 4 1909, 182 Anm. 84; neuerdings S.J.D. Cohen, Is »Proselyte Baptism<< mentioned in the Mishnah?, in: John C. Reeves et al. (ed.) Pursuing the Text (JSOTS 184), Sheffield 1994, 278-292. 48 J. Jeremias meinte zwar aus QohR 1,8 ableiten zu können, daß beim Proselytentauchbad ein Sündenbekenntnis gesprochen wurde; aber die Stelle gibt das nicht her. QohR 1,8 (Text bei Jeremias, Kindertaufe 40 Anm. 7) spricht von einer Frau, die zum Judentum übertreten wollte und bei ihrer Anmeldung nach ihren Taten gefragt wurde. Dabei ist zu beachten, daß die Frage nach der Vergangenheit der Frau, worin Jeremias die Aufforderung zum Sündenbekenntnis sehen möchte, nicht bei der Taufhandlung, sondern bei der Anmeldung zum Unterricht erfolgt und damit eher der Prüfung entspricht, der sich der Bewerber für das Katechumenat nach der Kirchenordnung Hippolyts zu unterziehen hat; vgl. The Treatise on the Apostolic Tradition of St. Hippolytus of Rome, ed. G. Dix, Vol. 1, London 1937, 23f. Vor allem ist es die in QohR 1,8 fehlende Sündenvergebung, die es unmöglich macht, hier von Sündenbekenntnis zu reden.
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tretenden Heiden als Heiden anhaftenden kultischen Unreinheit. Das zeigt deutlich der Streit zwischen den Schulen Hillels und Schammais 49 , bei dem das Proselytentauchbad ganz in die Reihe der sonstigen kultischen Waschungen eingeordnet und die Verunreinigung des Heiden analog zur Verunreinigung durch einen Toten verstanden wird. Damit verliert aber auch die Einmaligkeit des Proselytentauchbades an Bedeutung. Gewiß ist es insofern einmalig, als es ein Initiationsritus ist, durch den der Heide in das Judentum aufgenommen wird (der heidnische Mann nach der Beschneidung, die heidnische Frau allein durch das Proselytentauchbad). Aber für den Proselyten müssen auf diese Waschung bei der nächsten Verunreinigung weitere Waschungen folgen, so daß nicht im strengen Sinne von Einmaligkeit gesprochen werden kann, sondern nur von einer grundlegenden erstmaligen Waschung, der später weitere Waschungen folgen. Vor allem aber ist auch die Proselytentaufe eine Selbsttaufe. Die beiden Gelehrtenschüler, die nach Jeb 47a während des Ritus zugegen sein sollen, haben nicht die Funktion des Täufers, sondern sind einerseits Zeugen und tragen andererseits ein Stück aus der Tora vor50 . Die Differenzen zur Johannestaufe sind also auch hier größer als die Übereinstimmungen. Das schließt nicht aus, daß nicht auch vom jüdischen Proselytentauchbad und seinen Ordnungen gewisse Einflüsse auf die christliche Taufe erfolgt sein können 51 , aber Wesen und Charakter der Johannestaufe läßt sich von da her nicht erklären. c) Weiter meinte man, in den Waschungen der Qumran-Gemeinschaft das bestimmende und auslösende Vorbild für die J ohannestaufe finden zu können. Eschatologische Erwartung und Toraverschärfung (Bußruf) verbinden zweifellos Qumran und den Täufer. Dazu scheinen die Waschungen für die Gemeinschaft zentrale Bedeutung gehabt zu haben. So berichtet nicht nur Josephus von täglichen den gemeinsamen Mahlzeiten vorangehenden Waschungen der Essener52 , sondern auch die Damaskusschrift53 und vor allem die Gemeinderegel 54 von Qumran zeigen die Bedeutung dieser Wa49 Text bei Bill. I, 102f. 50 Text bei Bill. I, llOf; vgl. auch Bieder, a.a.O. 32. 51 So fällt auf, daß die zum Unterricht sich anmeldenden Konvertiten sowohl bei Hippolyt (Dix, a.a.O. 23) als auch bei den Rabbinen (Jeb 47a bei Bill. I, 110) nach ihren Motiven gefragt werden sollen. Die rabbinische Bestimmung, daß die Frauen vor dem Tauchbad ihre Haare auflösen und den Schmuck ablegen sollen (bBQ 82ab; vgl. Jeremias, Kindertaufe 37), findet sich ähnlich bei Hippolyt (Dix, a.a.O. 33). 52 Josephus, Bell. II, 129. 53 CD 10,10-13; 11,22. 54 1QS 3,4-9; 4,20f; 5,13; 6,6f.22.
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schungen, die bis dahin reicht, daß eine der wiederholt genannten Disziplinarmaßnahmen im Ausschluß von »der Reinheit der Vielen«, d.h. von den Reinigungsbädern bestand55. Aber inzwischen ist auch hier die anfängliche Hochstimmung, die überall Parallelen und Vorbilder zu finden hoffte, einer distanzierteren und differenzierteren Haltung gewichen56 . Auch bei den Qurnran-Waschungen geht es nicht um Vergebung der Sünden, sondern um eine Intensivierung der alttestamentlichen Ievitischen Reinheitsforderung. Zwar wird in lQS 3,6ff im Zusammenhang damit auch von Sünden und deren Reinigung und Sühnung gesprochen. Aber solche Reinigung von den Sünden geschieht durch »den heiligen Geist (, der) der Gemeinschaft in seiner Wahrheit (gegeben ist)«57 durch den »Geist der Rechtschaffenheit und Demut«, sie geschieht gerade nicht durch die Waschungen. Wie sehr die Waschungen im kultisch-rituellen Sinn verstanden sind, zeigen die Bestimmungen über die verschiedenen Wasserqualitäten CD 10,10--13 und die Unterscheidung zwischen Flußwasser, Meereswasser, sonstigem Wasser und dem aus Num 19,9.13.20f; 31,23 bekannten »Reinigungswasser« (i1";J~ '9). Dazu kommt, daß es sich um regelmäßig zu wiederholende, und zwar um tägliche Waschungen handelt. Man hat zwar gemeint, in Qurnran zwei Arten von Bädern erkennen zu können: ein Erstbad, analog der Proselytentaufe als Initiationsritus, und danach die täglichen Waschungen58 • Aber die Texte, vor allem lQS 3,4ff, lassen eine solche Unterscheidung nicht erkennen, und diese Meinung hat sich daher nicht durchsetzen können59 ; im übrigen wäre auch dann von dieser Erstwaschung dasselbe zu sagen, was oben zum Proselytentauchbad festgestellt wurde.
Vor allem aber gilt von den Waschungen in Qumran, daß sie Selbstwaschungen sind. Es gibt keinen Täufer. d) Schließlich sind noch verschiedene religiöse Gruppen im Umkreis des Judentums zu nennen, bei denen Waschungen oder Tauchbäder eine entscheidende Rolle spielen, die aber nur schwer faßbar sind. So erfahren wir von einem gewissen Bannus, bei dem sich Josephus60 drei Jahre aufhielt und der sein Eremitenleben mit mehrmaligen täglichen Waschungen verband. Von Hegesipp und ande55 lQS 6,25; 7,3.16.19; 8,17.24; CD 9,21.23. 56 Zusammenfassende Sichtung der diesbezüglichen Untersuchungen am besten bei H. Braun, a.a.O. 1-29. 57 Übersetzung von E. Lohse, Die Texte aus Qumran. Hebräisch und deutsch, München 1964. 58 0. Betz, a.a.O. 59 Zur Auseinandersetzung vgl. J. Gnilka, Essenische Tauchbäder 189-191 und vor allem Braun, a.a.O. 3ff. 60 Josephus, Vita 11.
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ren 61 werden Hemerobaptisten und Masbotheer als religiöse Gruppen des Judentums genannt. Aus der Bezeichnung als Hemerobaptisten ist auf tägliche Tauchbäder zu schließen und der Name Masbotheer ist wohl von aramäisch ma~buctä »Taufe« abzuleiten62 . Aber darüber hinaus erfahren wir über diese Gruppen so gut wie nichts. In den Mandäern wird man einen späten Ableger und Nachkömmling dieser am Rande des Judentums aufsprießenden Tauchbewegungen sehen können, wenngleich ein direkter Zusammenhang mit der Johannestaufe sicher nicht gegeben ist63 . Alle diese Gruppen zeigen nur das gesteigerte Interesse an einem Wasserkultus, an Lustrationsriten und Tauchbädern im Judentum des ersten nachchristlichen Jahrhunderts, sie zeigen den allgemeinen Rahmen, in dem dann schließlich auch die Johannestaufe zu sehen ist, können aber ihre konkrete Gestalt und Eigenart nicht erklären, weil die Differenzen nicht zu übersehen sind.
1.3.3 Folgerungen für die Johannestaufe Alle diese Versuche, den religionsgeschichtlichen Hintergrund der Johannestaufe aufzuhellen und diese aus den verschiedenen Waschungen und Tauchriten der Umwelt abzuleiten, haben dazu geführt, die Unterschiedenheit der Johannestaufe alldiesen Waschungen gegenüber nur noch stärker herauszustellen. V-/ ohl muß man sagen, daß die Johannestaufe in den Rahmen dieser verschiedenen Lustrationsriten der Umwelt mit ihrem Untertauchen im Wasser hineingehört Durch das allseits verbreitete Interesse an religiösen Waschungen ist zumindest die Verstehensmöglichkeit der Hörer für das von Johannes Geforderte und Dargebotene vorbereitet. Aber angesichts dieser allgemeinen Ortsbestimmung treten die Unterschiede nur um so deutlicher hervor und zeigen, was das Spezifische der Johannestaufe ist, das, was sie von allen anderen Waschungen und Tauchbädern unterscheidet. Bei allen uns aus der Umwelt bekannten Lustrationsriten geht es um Selbstwaschungen und Selbsttaufen. Überall tauft und wäscht sich der Fromme selbst, nirgends wird er durch einen anderen ge61 Eusebius, Rist. eccl. IV, 22,7; ferner PsClem Recogn 1,44ff; Apost Const VI,6; Epiphanius, Haer. 17, 1. Justin, Dial. 80,4 spricht von aptcraioov Kat Bamtcr-rcöv (varia lectio: aptcraioov Banncrtcöv). V gl. dazu Brandt, a.a.O. 50f; Rudolph, a.a.O. 222-252; J. Thomas, Le mouvement baptiste en Palestine et Syrie, Gembloux 1935. 62 Rudolph, a.a.O. 228 Anm. 2. 63 Zur Auseinandersetzung mit dieser These Reitzensteins vgl. M. Dibelius, ThLZ 56 (1931) 128-133 und Rudolph, a.a.O. passim.
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tauft (auch nicht beim Proselytentauchbad). Gerade dies aber geschieht bei der Johannestaufe, wie die Texte eindeutig bezeugen: Die Menschen kamen zu Johannes Kat eßa7t'ti~OV't0 1m' au·wu EV 'tql 'Iopöavn 7tO'tall0 (Mk 1,5; vgl. Lk 7 ,30); entsprechend heißt es von Jesus, daß er »von Johannes getauft wurde« (Mk 1,9), und Johannes wehrt sich nach Mt 3,13fmit den Worten: »Ich müßte von dir getauft werden, und du kommst zu mir?« Daß hier nicht der Fromme sich selbst tauft, sondern durch einen anderen, nämlich Johannes, getauft wird, das erschien der an Taufen und Waschungen wahrlich nicht armen Umwelt als neu und fremdartig, ja als das Charakteristikum64 dieser Handlung und dieses Mannes, was ihm dann auch den Beinamen »der Täufer« einbrachte. Dieser Beiname begegnet nicht nur in christlichen Quellen, sondern ebenso bei Josephus 65 und zeigt damit, was nicht nur Christen, sondern allgemein den damaligen Zeitgenossen als das hervorstechendste und ihn von anderen unterscheidende Merkmal des Johannes erschien. Die anderen Charakteristika hängen offenkundig mit diesem Hauptmerkmal zusammen. Weil es um die vom Täufer vollzogene Taufe angesichts des bevorstehenden Gerichts geht, darum ist sie eine einmalige Handlung66 . Überall sonst dagegen geht es um wiederholte und um häufig wiederholte Waschungen; selbst das Proselyteiltauchbad ist nur eine erstmalige Waschung, der danach weitere, wiederholte Waschungen folgen werden. Von einer wirklichen Einmaligkeit läßt sich dagegen erst bei der Johannestaufe sprechen. Weil nicht der Büßer sich selbst tauft, sondern von einem anderen getauft wird, darum kann es nun auch um Vergebung der Sünden und nicht nur um Vermittlung kultischer Reinheit gehen. Oder besser umgekehrt: Weil es um Vergebung der Sünden angesichts des bevorstehenden Zorngerichts geht, darum genügen hier keine Selbstwaschungen, sondern wird der umkehrende Sünder vom Täufer getauft. Es ist bezeichnend, daß in Qurnran der Gedanke der Sündentilgung im Zusammenhang mit den Waschungen wohl auftaucht (lQS 3,6ff), aber von 64 Das betont mit Recht J. Becker, Johannes der Täufer und Jesus von Nazareth (BSt 63), Neukirchen-Vluyn 1972, 38; Thyen, a.a.O. 97 Anm. I; Reitzenstein, a.a.O. 225 Anm. I; Dibelius, ThLZ 56 (1931) 131. 65 ßmtncr'tJl~ (Mt 3,1; 11,11; 14,2.8, 16,14; 17,13; Lk 7,20.33; 9,19; Mk 6,25 [?] und 8,28). Markus bevorzugt offenbar 6 ßmt'ti~cov (Mk 1,4; 6,14.24). Josephus, Ant. 18,116 liest wiederum ßmtncr'tJl~. 66 Die Bezeichnung des Johannes als iJJ.l.Epoßanncr'tJl~ in PsC!em Horn 11,23,1 hat geschichtlichen Wert nur für das Verständnis der Pseudoklementinen selbst, in denen tägliche Waschungen eine besondere Rolle spielen. Auch Petrus nimmt jeden Morgen ein Reinigungsbad (Horn X,1; XI,!).
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dem Wasserritus selbst sorgfältig getrennt wird: Der Geist der Rechtschaffenheit und Demut ist es, der die Sünden tilgt, nicht die Selbstwaschung. Bei Johannes dagegen ist an die Stelle der Selbstwaschung die Taufe durch den Täufer getreten, und in Konsequenz dazu wird die Gabe der Sündenvergebung nicht einer anderen Größe zugeschrieben, sondern direkt mit der Taufe verbunden67; sie geschieht Ei<; ä<)>Ecrtv CtJ.lapn&v.
Von diesem der Umwelt in die Augen springenden Hauptmerkmal der Johannestaufe her, daß sie nämlich keine Selbstwaschung, sondern Taufe durch einen Täufer war, entscheidet sich damit auch die in der heutigen Taufdebatte vielumstrittene Frage, ob sie primär als Ausdruck der Umkehr, und damit als Bekenntnis und Antwort des Menschen68 , oder primär als Zueignung der Sündenvergebung, und damit sakramental, zu verstehen sei. Alle anderen Waschungen lassen sich als Frömmigkeitsübungen oder als Bekenntnishandlungen verstehen, die der Mensch zu vollbringen hat. Auf einer noch stärker magisch bestimmten Stufe beseitigt der Mensch dämonische Verunreinigungen durch die Kraft reinigenden W assers 69 . Auf einer aufgeklärteren Stufe kann der magische Hintergrund fast ganz verschwinden und die Waschung zu einem reinen Akt des Tomgehorsams werden, wie es in dem Ausspruch des R. Jochanan b. Zakkai zum Ausdruck kommt: »Bei eurem Leben, nicht der Tote verunreinigt und nicht das Wasser macht rein, aber es ist eine Verordnung des Königs aller Könige; Gott hat gesagt: Eine Satzung habe ich festgesetzt, eine Verordnung habe ich angeordnet; kein Mensch ist berechtigt, meine Verordnung zu übertreten« 70 . Hier ist die Waschung ganz als Ausdruck des Gehorsams verstanden. 67 Es ist daher verfehlt, wenn Gnilka, Markus I, 45 behauptet, daß bei Johannes die Sündenvergebung an die Buße und nicht an die Taufe gebunden sei. Er entnimmt das primär der Analogie zu den Qumran-Waschungen, übersieht aber völlig die entscheidende Differenz zwischen Johannestaufe und Qumran-Waschungen. Die Taufe selbst solle nach Gnilka dem Umkehrenden nur die Gewißheit geben, >>daß seine Umkehr gültig ist und vor Gott anerkannt wird ... vorausgesetzt, daß die Umkehr echt ... ist« (RQ 3 [1961] 203f). Hier kommt der heillose Selbstwiderspruch einer solchen Deutung ans Licht. Denn eben, ob die Umkehr >>echt« ist, kann der Täufer nicht bestätigen, also dann auch keine >>Gewißheit« vermitteln. Mt 3,7-10 par zeigt, daß Johannes seine Taufe gegen das Mißverständnis schützen mußte, als könne durch sie Heil auch ohne Umkehr erlangt werden. Daß aber dieses Mißverständnis überhaupt aufkommen konnte, zeigt, daß die Johannestaufe gerade nicht den Sinn haben konnte, den Gnilka ihr zuschreiben möchte. 68 Vgl. K. Barth, KD IV,4, 81: >>Die christliche Taufe ist das Menschenwerk des grundlegenden Bekenntnisses, in welchem sich die christliche Gemeinde mit den neu zu ihr Hinzutretenden und in welchem sich diese mit ihr zusammenfinden«. 6 9 Böcher, a.a.O. 197f; vgl. dazu auch ders., Christus Exorcista. Dämonismus und Taufe im Neuen Testament (BWANT 96), Stuttgart 1972. 70 Pesiq 40b (Text bei Bill. I, 719).
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Johannes hat diese so verbreitete Frömmigkeitsübung umgedreht: Der Täufling tauft sich nicht selbst, sondern er wird getauft. Nicht der Täufling ist der Agierende; seine actio beschränkt sich darauf, daß er zur Taufe kommt; aber die Taufe vollzieht nicht er selbst, sondern sie wird an ihm vollzogen, er erfährt sie passiv 71 • Wohl zeigt sich seine Umkehr darin, daß er zur Taufe kommt. Aber die Taufe selbst ist nicht Ausdruck seiner Umkehr oder seines Bekenntnisses, sondern ist Ausdruck eines Geschehens, das ihm passiv widerfährt, das ihm zugeeignet wird. Das ist nach Mk 1,4 die Vergebung der Sünden72 . 1.4 Die Entstehung der christlichen Taufe
Wir fragten nach Ursprung und Entstehung der christlichen Taufe und wurden über den Taufbefehl des Auferstandenen (Mt 28, 19) und die Taufe Jesu im Jordan (Mk 1,9-11) zur Johannestaufe geführt. Daß die Johannestaufe den christlichen Taufkult in hohem Maße beeinflußt hat, ergibt sich nicht nur aus den geschichtlichen Zusammenhängen. Sowohl Jesus als auch ein Teil seiner Jünger, der aus der Anhängerschaft des Johannes kam, hatten die Johannestaufe empfangen. Die Frühchristenheit war sich offensichtlich dieses Zusammenhangs bewußt und grenzte ihre Taufe geflissentlich von der Johannestaufe ab: »Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet mit heiligem Geist getauft werden« (Apg 11,16; 1,5; vgl. auch Mk 1,8 und Apg 19,1-5). Vor allem aber zeigt sich der Zusammenhang, wenn man die charakteristischen Merkmale der Johannestaufe mit denen der christlichen Taufe vergleicht. Als charakteristische Merkmale der Johannestaufe fanden wir, daß sie a) durch einen Täufer vollzogen wird und also keine Selbsttau71 Das betonen mit Recht Kretschmar, a.a.O. 18 und L. Hartman, Baptism >>into the Name of Jesus<< and Early Christology, StTh 28 (1974) 21--48, vor allem 29. 7 2 Fragen mag man, ob diese Zueignung der Sündenvergebung so zu verstehen war, daß die Wassertaufe im Jordan die eschatologische Feuertaufe vorwegnehmen sollte; so Thyen, a.a.O. 98 im Anschluß an C.H. Kraeling, John the Baptist, London 1951. Becker, a.a.O. 39 wendet dagegen ein, daß die Feuertaufe als totaler Gerichtsakt den Sünder vernichtet, die Johannestaufe dagegen ihn durch Vergebung von seiner sündigen Vergangenheit befreit und eben dadurch rettet. Vor allem ist zu beachten, daß die Gegenüberstellung von Wassertaufe und Feuertaufe in Mt 3,11 parnicht die soteriologische Funktion der Johannestaufe klären, sondern die Überlegenheit des nach Johannes Kommenden unterstreichen will, der Gedanke einer Antizipation klingt nicht an.
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feist, b) daß es sich um einen einmaligen Ritus im Unterschied zu wiederholten Waschungen handelt, c) daß sie durch Eintauchen im Jordan vollzogen wird, d) daß sie mit der Forderung der Umkehr verbunden ist angesichts des nahe bevorstehenden Gerichts und e) daß sie dem Täufling Vergebung der Sünden zuspricht. Von der Handhabung als Untertauchung abgesehen, die wir vor allem aus einer parallelen Entwicklung bei den jüdischen Waschungen und der dabei gebrauchten Terminologie erschließen, handelt es sich dabei durchweg um Merkmale, die die Johannestaufe von anderen in der Umwelt üblichen Waschungen und Tauchbädern unterscheiden, die also die charakteristische Besonderheit der Johannestaufe markieren. Eben diese für die Johannestaufe charakteristischen Merkmale begegnen nun Zug um Zug auch bei der christlichen Taufe: a) Auch die christliche Taufe ist keine Selbsttaufe, sondern wird durch einen Täufer vollzogen. So tauft Apg 8,38 Philippus den Eunuchen, Petrus läßt Apg 10,48 das Haus des Kornelius taufen, und Paulus ist nach 1Kor 1,14-16 froh, in Karinth nur Krispus, Gaius und das Haus des Stephanus getauft zu haben, damit die Korinther nicht etwa auf die Idee kommen könnten, sie seien an ihn als ihren Täufer gebunden. Entsprechend werden in Did 7 Anweisungen für den Vollzug der Taufe gegeben und ausdrücklich zwischen Täufer (6 ßmt'tismv) und Täufling (6 ßa7tnsÜ!lEVo~) unterschieden 73 • b) Die christliche Taufe ist ebenso wie die J ohannestaufe eine einmalige Handlung. Das folgt vor allem aus ihrem Charakter als lnitiationsritus, durch den der Täufling in die eschatologische Heilsgemeinde aufgenommen wird (Apg 2,41; 16,15.33; 1Kor 12,13) 74 . Aber auch die ganze spätere Auseinandersetzung um die Möglichkeit einer zweiten Buße nach der Taufbuße im Hebräerbrief1 5 und beim Hirten des Hermas 76 ist nur denkbar aufgrund der unbestrit-
7 3 Bestätigt wird das schließlich durch den durchgehenden Gebrauch des Passivs in Apg 2,38.41; 8,12f.l6; 9,18; 16,15.33; 18,8; 19,5; Röm 6,3; !Kor 10, 2; 12,13; Gal 3,27; Did 9,5; Herrn vis 111,7,3. Nach Justin, Apol. I,61,3 werden die Täuflinge auch zum Wasser >>geführt<<. 7 4 Doch wird man die Johannestaufe nicht als Initiationsritus zu verstehen haben, weil Johannes offenbar keine geschlossene Gemeinde gründen, sondern angesichts des nahenden Gerichts den einzelnen Israeliten, die seinem Bußruf folgten, Rettung anbieten wollte. Vgl. dazu Becker, a.a.O. 39. 7 5 Hebr 6,6; 10,29. 7 6 Herrn mand IV ,3, lf: >>Herr, ich habe von einigen Leuten gehört, daß es keine andere Buße gebe als die von damals, als wir ins Wasser hinabstiegen und Vergebung unserer früheren Sünden empfingen. Er antwortete mir: Da hast du ganz recht gehört; so verhält es sich auch.<<
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tenen Voraussetzung, daß die Taufvergebung, und damit auch die Taufe, eine einmalige Möglichkeit ist77 • c) Wie die Johannestaufe wurde auch die christliche Taufe in der Regel durch Untertauchen vollzogen. Man hat zwar gemeint, aus der Aktivität des Täufers entnehmen zu sollen, daß der Täufling nur in das fließende Wasser trat und die eigentliche Taufhandlung durch eine perfusio vollzogen wurde 78 . Aber diese Folgerung ist keineswegs schlüssig. Für die Johannestaufe wurde das oben 79 aus der parallelen Entwicklung der jüdischen Tauchbäder und der dabei gebrauchten Terminologie aufgezeigt. Für die christliche Taufe ergibt sich das eindeutig aus den Taufanweisungen der Dictaehe. Dort heißt es (Did 7 ,lff): »So sollt ihr taufen: Nachdem ihr dies alles zuvor gesagt habt, tauft (sie) auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes in fließendem Wasser. Wenn du aber kein fließendes Wasser hast, so taufe in anderem Wasser; kannst du nicht in kaltem (taufen), dann in warmem. Hast du aber beides nicht, so gieße dreimal Wasser auf das Haupt im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.« Das Übergießen des Kopfes mit Wasser wird hier als Ausnahme genannt für den Fall, daß nicht genügend Wasser vorhanden ist. Daraus ergibt sich, daß das zuerst genannte Taufen ev üöan oder Ei<; üömp als ein Eintauchen bzw. Untertauchen zu verstehen ist. Man weiß, daß solches Untertauchen nicht immer möglich ist, und nennt darum als Ausweg das Übergießen mit Wasser; aber die Tendenz geht doch zum Untertauchen in fließendem Wasser, auch wenn dies nicht zur conditio sine qua non gemacht wird. Dabei zeigt die Reflexion über den möglichen Gebrauch von warmem Wasser, daß die jüdischen Bestimmungen über die Beschaffenheit des Taufwassers80 im Hintergrund stehen, aber nicht mehr als bindend betrachtet werden. Nichts deutet darauf hin, daß hier erst eine spätere Entwicklung zu Ende des ersten Jahrhunderts vorliege. Auch die stereotype Rede vom »Hinabsteigen ins Wasser« und »Aufsteigen aus dem Wasser« (Barn 11,11; Herrn sim IX,16,4; mand IV,3,1; Ev Phil 59.101.1 09) läßt sich nur auf diesem Hintergrund recht verstehen. d) Wie die Johannestaufe ist auch die christliche Taufe mit der Umkehr in eschatologischer Stunde verbunden. Es sind Umkeh77 Als später das Buch Elchesai den Sündern anbot, sich ein zweites Mal taufen zu lassen, wurde das von der Großkirche als eine schwere Ketzerei angesehen (Hippolyt, Refut. IX, 15). 78 Dinkler, Taufterminologie 183. 7 9 Vgl. oben Anm. 40. 80 Vgl. Bill. I, 109; Para 8,9: Geschlagenes Wasser (salzhaltiges oder warmes Wasser) ist ungeeignet.
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rende bzw. Glaubende, die zur Taufe kommen. So sagt Petrus in Apg 2,38: »Kehrt um, jeder von euch lasse sich taufen ... « Und Hermas sagt, daß es keine andere Umkehr gebe als die von damals, »als wir ins Wasser hinabstiegen« (mand IV,3,1). Christlicher Verkündigung und Terminologie entsprechend wird dabei häufiger von »Glaube« als von »Umkehr« gesprochen. So heißt es von den Samaritanern Apg 8,12: »Als sie dem Philippus, der das Evangelium vom Reich Gottes und vom Namen Jesu Christi predigte, glaubten, ließen sie sich taufen ... « Selbst der Zauberer Sirnon glaubte und ließ sich taufen (8,13). Von dem Gefängniswärter in Philippi wird gesagt, daß er und die Seinen sich taufen ließen, nachdem sie zum Glauben an Gott gekommen waren (1tE1ttO"'tEUKOO~ 'tfQ 8Ef\} Apg 16,33f); und ähnlich Apg 18,8: »Viele Korinther, die es hörten, glaubten und ließen sich taufen.« Daß sich taufen läßt, wer zum Glauben gekommen ist, das ist nicht nur in der Apostelgeschichte die gängige Voraussetzung (Apg 8,36; 9,18; 16,14f; 19,5; 22,16), sondern wird auch bei Paulus und im übrigen Neuen Testament vorausgesetzt (lKor 6,11; Gal 3,26f; Hebr 6,lf; Mt 28,19) 81 und schließlich in Mk 16, 16 in dem bündigen Satz zusammengefaßt: »Wer glaubt und getauft wird, der wird gerettet werden ... « e) Wie der Täufling nicht aktiv sich selbst tauft, sondern passiv die Taufe empfängt, so ist sein Tun nicht primär die Erfüllung eines göttlichen Gebotes oder einer religiösen Leistung, sondern das Empfangen einer Gabe. Diese Gabe wird wie bei der Johannestaufe als Vergebung der Sünden bezeichnet. Die Taufe geschieht »zur Vergebung der Sünden« (Ei~ ä<j>Ecrtv tffiv OJ.Lapn&v); sie eignet dem Täufling die Vergebung der Sünden zu, wie wiederum schon in der Pfingstpredigt des Petrus programmatisch erklärt wird (Apg 2,38). Sie ist deshalb to ßanttc1Jla to <)>tpov ä<)>Ev (Barn 11, 1), was in Barn 11,11 ausdrücklich dahingehend erklärt wird, »daß wir hinabsteigen ins Wasser, beladen mit Sünden und Schmutz, und emporsteigen im Herzen Frucht tragend und Hoffnung auf Jesus im Geist tragend«. Sie ist das 1mE:p a<)>EcrEro~ aJlapnffiv ... lvoutp6v (Justin, Apol. 1,66,1; vgl. 61,10), durch das wir E:AE
3,1).
Sie ist die »Reinigung von den früheren Sünden« (2Petr 1,9), durch die Christus uns gereinigt hat, durch das Wasserbad im 8 1 Beachte auch den Zusammenhang von J.Üa nicrw; und ev ßanncrJla in Eph 4,5 und die interessante Formulierung von Justin, Dia!. 138,2, wonach die Christen das Geschlecht sind, das wiedergeboren wurde öt' üömoc; Kat nicr'tEcoc; Kat suA.ou.
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Wort« (Eph 5,26), so daß wir »durch Besprengung gereinigt sind von dem schlechten Gewissen (Hehr 10,22). Und wenn Paulus 1Kor 6, 11 erklärt: »Ihr seid abgewaschen, geheiligt, gerechtfertigt worden im Namen unseres Herrn Jesus Christus«, so verbindet er da die urchristliche Taufterminologie, die von Abwaschung der Sünden spricht (vgl. Apg 22,16) mit seiner eigenen Rechtfertigungsterminologie. Daß die Taufe Vergebung der Sünden vermittelt, läßt sich durch die ganze Breite der frühchristlichen Literatur verfolgen und führt dazu, daß »Vergebung der Sünden« (ä<j>E
8 2 Vgl. E. Käsemann, Eine urchristliche Taufliturgie, in: FS R. Bultmann, Stuttgart 1949, 141 = Exegetische Versuche und Desinnungen I, Göttingen 2 1960, 45; E. Lohse, Die Briefe an die Kolosser und an Philemon (KEK IX,2), Göttingen 1968, 76. 8 3 Zur geschichtlichen Relevanz der in Joh 1,35ff enthaltenen Aussage vom Übertritt einiger Täuferjünger zu Jesus vgl. R. Bultmann, Das Evangelium des Jo-
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dest diese Jünger gleichfalls die Johannestaufe empfangen hatten. Das verstärkt das Gewicht der Johannestaufe für die junge Gemeinde, reicht aber gleichfalls zur Erklärung der Entstehung der christlichen Taufe in Wiederaufnahme der Johannestaufe nicht aus.
Am leichtesten ließe sich die nachösterliche Taufpraxis erklären, wenn schon der irdische Jesus in der Nachfolge des Johannes getauft hätte oder durch seine Jünger hätte taufen lassen. Nun berichtet in der Tat Job 3,22 und 26, daß Jesus unter großem Volkszulauf im Jordan taufte, und eine Reihe von Forschern sah deshalb in diesem Taufen Jesu das Bindeglied zwischen Johannestaufe und christlicher Taufe84 . Aber der geschichtliche Wert dieser Angaben des Johannesevangeliums ist fraglich. In Joh 4,1 werden sie dahingehend korrigiert, daß nicht Jesus selbst, sondern seine Jünger tauften. Zwar braucht man aus dieser Korrektur noch nicht notwendig auf die Ungeschichtlichkeit der ganzen Aussage über die Tauftätigkeit Jesu bzw. seiner Jünger zu schließen. Man könnte durchaus mit K. Aland eine Delegierung des Taufvollzuges annehmen, wie sie auch bei Paulus (1 Kor 1, 14-17) und Petrus (Apg 10,48) anzunehmen ist. Problematisch aber ist das völlige Schweigen der gesamten synoptischen Tradition über irgend eine Tauftätigkeit Jesu. Man kann dieses Schweigen nicht mit dem theologischen Interesse der Synoptiker erklären. K. Aland meinte, daß die Synoptiker sich verpflichtet fühlten, die Taufe Jesu im Jordan als Vorbild der christlichen Taufe zu bringen, und daß sie deshalb die durch die christliche Taufe inzwischen überholte Tätigkeit der Jünger verschwiegen hätten 85 • Aber diese Erklärung überzeugt nicht. Wir sahen ja, daß die Taufe Jesu von den Synoptikern noch gar nicht als Vorbild der christlichen Taufe verstanden wurde. Vor allem aber ließe sich so allenfalls das Fehlen eines direkten Berichtes über die Tauftätigkeit Jesu bzw. seiner Jünger erklären. Es geht aber nicht nur um das Fehlen eines solchen Berichtes, sondern darum, daß auch das breite und umfangreiche Material der synoptischen Überlieferung keinerlei direkten oder indirekten Hinweis oder Bezug auf eine Tauftätigkeit Jesu erkennen läßt, während es solche Bezüge auf die Johannestaufe durchaus enthält (Mk 11,30 par; Lk 7, 29; Mt 21,32). Daß sich in der Verkündigung Jesu wohl Bezugnahmen auf die Johannestaufe, aber nirgends irgend eine Anspielung oder Bezugnahme auf seine eigene Tauftätigkeit erhalten haben, spricht sehr stark gegen den historischen Wert der Angaben von Joh 3,22.26; 4,1f. Im Johannesevangelium hat die Erwähnung der Tauftätigkeit Jesu eine deutlich polemische Tendenz: hannes, Göttingen 11 1950, 76; R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium I (HThK IV,l), Freiburg/Basel/Wien 2 1967, 307. 84 So Böcher, a.a.O. 206; Aland, Vorgeschichte 6; ders., Taufe und Kindertaufe, Gütersloh 1971, 10; J. Jeremias, Theologie I, 52f; Beasley-Murray, TBLNT 11,2, 1207; ebenso R. T. France, Jesus the Baptist, in: J.B. Green et al. (eds.) Jesus of Nazareth, Lord and Christ, Carlisle 1994, 94-111. 85 Aland, Vorgeschichte 12.
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Jesus tauft mehr Menschen als Johannes (Joh 4,1; 3,26); es soll die Überlegenheit der Tauftätigkeit Jesu und damit der christlichen Taufe gegenüber der des Johannes demonstriert werden, wie denn die Pointe des Abschnittes in dem Wort des Johannes besteht: »Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen« (Joh 3,30). Da der Bericht des Johannesevangeliums sich also eher aus theologischen Interessen erklären läßt als das Schweigen der Synoptiker, ist damit zu rechnen, daß Jesus bzw. seine Jünger vor Ostern keine Taufpraxis übten 86 .
Dieses Ergebnis erleichtert unsere Aufgabe, die Entstehung der christlichen Taufe zu verstehen, freilich keineswegs und läßt sich doch kaum umgehen. Fest steht, daß die Urchristenheit nach Ostern offenbar problemlos und ausnahmslos zu taufen begann, daß sie mit dieser Taufe die wesentlichen Grundmerkmale der Johannestaufe aufnahm, daß dafür aber kein Befehl des irdischen Jesus überliefert ist und wohl auch Jesus selbst vor seiner Gefangennahme offenbar keine Taufpraxis übte. Die Entstehung der christlichen Taufübung muß also ganz aus den Ereignissen selbst erklärt werden, die den Jüngern widerfuhren, die sie zur Mission drängten und zur Aufnahme der von Johannes geübten Taufe, freilich mit einer gewichtigen Modifikation, wie wir gleich sehen werden. Es ist die Erfahrung der heilschaffenden Nähe und Gnade Gottes in der Begegnung mit Jesus, durch die Ereignisse von Karfreitag und Ostern erst in ihrer letzten, äonenwendenden Relevanz offenbart, die die Jünger zur Aufnahme der Taufe veranlaßte. Denn wozu sie sich nach den Ostererscheinungen gesendet und beauftragt wissen, ist, diese heilvolle Zuwendung Gottes zu den Menschen zu bezeugen. Dazu mußte sich die von Johannes geübte Taufhandlung als Mittel der Bezeugung geradezu anbieten. Denn die Johannestaufe sagte dem Umkehrenden Gottes Vergebung zu und konnte deshalb als ein Mittel der Heilszusage aufgegriffen werden. Das gilt um so mehr, als die Jünger nun- im Unterschied zu Johannes - diese Taufe »auf den Namen des Herrn Jesus« (Ei~ 'tO övo,.w 'tOU Kupiou 'IT]crou) vollzogen, sie dadurch mit dem erfahrenen Heilsgeschehen verbanden und die Taufe also christologisch ausrichteten. Zugleich behaupteten sie, daß hier der heilige Geist empfangen werde. Welche Bedeutung die Taufformel »auf den Namen Jesu Christi« für das Verständnis der Taufe hat und wie die Verbindung von Taufe und Geistmitteilung zu verstehen ist, wird uns in den kommenden Abschnitten zu beschäftigen haben.
86 So mit Recht Thyen, a.a.O. 106; Dinkler, Taufaussagen 66; Hahn, a.a.O. 3 Anm. 13.
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Der vorangehende Abschnitt zeigte, daß die junge Christenheit offenbar von Anfang an - die von Johannes geübte Taufpraxis aufnahm und fortführte. Die grundlegenden Merkmale der Johannestaufe, die diese von den sonstigen religiösen Waschungen in der Umwelt unterscheiden, begegnen samt und sonders auch bei der christlichen Taufe. Gleichwohl findet sich doch auch von früh an eine Abhebung und Unterscheidung von der Johannestaufe. Und zwar einmal durch die Betonung, daß bei der christlichen Taufe der Geist empfangen werde- »Johannes hat (nur) mit Wasser getauft, ihr aber werdet mit heiligem Geist getauft werden« (Apg 1,5; 11,6; vgl. 19,1-6; Mk 1,8 par) -, wovon weiter unten noch zu reden sein wird, zum anderen durch die ausdrückliche Bezugnahme auf das Christusgeschehen, die sich in der Wendung »taufen auf den Namen des Herrn Jesus« (oder ähnlich) ausdrückt. So fordert schon Petrus in der Pfingstpredigt seine Hörer auf, sich taufen zu lassen E7tt t{\l 6v6~tatt 'IT\croü Xptcrtoü (Apg 2,38), und nach Apg 10,48 ließ er das Haus des Komelius Ev t(\>6v611att 'Illcroü Xptcrtoü taufen. In der Regel aber ist der Name Christi im Taufzusammenhang mit der Präposition d~ verbunden: Die Christen in Sarnaria (Apg 8,16) ebenso wie die sogenannten Johannesjünger von Ephesus (19,5) wurden d~ to övo11a toü Kupiou 'Illcroü getauft. Did 9,5 spricht von den ßanttcr9EvtE~ d~ to övo11a toü JCupiou und ähnlich Herrn vis III,7 ,3 vorn ßanttcr9fivat d~ to övo11a toü JCupiou. Die gleiche Wendung vorn »Taufen auf den Namen Christi« ist jedoch auch bei Paulus an mehreren Stellen vorausgesetzt. Wenn Paulus die sich nach Parteihäuptern benennenden Korinther ironisch-polemisch fragt, ob sie etwa d~ to övo11a IlauA.ou getauft worden seien, so hat diese Frage nur dann Sinn, wenn die Taufe eben auf den Namen Christi vollzogen wurde (lKor 1,13.15). Wahrscheinlich steht diese Wendung vorn »Taufen auf den Namen Christi« auch hinter dem kürzeren Ausdruck ßanncr9fivat d~ Xptcrtov (Gal 3,27; Rörn 6,3). In Mt 28,19 und Did 7,1.3 begegnet schließlich die volle triadische Taufformel »auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes«, die dann vorn 2. Jahrhundert an allgernein in Gebrauch kornrnt87 • 87
V. Campenhausen, Taufen auf den Namen Jesu lOff.
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Obwohl die Namensnennung differiert und von dem einfachen »Christus« über »Jesus Christus«, »Herr Jesus« bis zum trinitarischen Namen führt, fällt doch die stereotype Formelhaftigkeit der Wendung »taufen auf den Namen ... « auf. Daher sieht die Forschung schon seit langem in dieser Wendung eine alte Taufformel, diezunächst eingliedrig nur den Namen Jesu bzw. Christi nannte und dann allmählich zu der trinitarischen Taufformel ausgebildet wurde. Daß die christliche Taufe zunächst »auf den Namen Jesu« gespendet wurde, ist freilich von H. v. Campenhausen bestritten worden 88 . Er meint, daß in der Anfangszeit die christliche Taufe überhaupt nicht von der Johannestaufe unterschieden worden sei und auch überhaupt keine Taufformel als Bestandteil des Taufvollzuges in Übung gewesen sei. Gegen Ende des 1. Jahrhunderts habe sich dann gleich die trinitarische Taufformel durchgesetzt. Daß aber vor dem Sieg der trinitarischen Formel eine eingliedrige Taufformel »auf den Namen Jesu« schon eine allgemeine, feststehende Übung gewesen sei, erscheint ihm ausgeschlossen 89 . Seine Gründe für diese Bestreitung sind folgende: a) Er meint zeigen zu können, daß auch Paulus in 1Kor 1,13.15 den Gebrauch einer Taufformel nicht voraussetze. b) Dann bleibe aber als einzige neutestamentliche Schrift, die die Taufformel »auf den Namen Jesu« kenne, nur die Apostelgeschichte übrig, deren Aussage nicht verallgemeinert werden dürfe. c) Schließlich zeige die Taufe des Eunuchen in Apg 8,38, daß auch die Apostelgeschichte Taufen ohne den Gebrauch dieser Formel kenne. Diese Einwände sind es wert, daß darauf eingegangen wird, auch wenn sie nicht wirklich überzeugen können. Zu a) Paulus befaßt sich in 1Kor 1,11-17 mit den Spaltungen in Korinth, wo Christen sich nach Paulus, Apollos oder Kephas nennen. Um die Absurdität dieser Parteiungen und der Benennung nach solchen Namen zu kennzeichnen, fragt er: »Ist etwa Paulus für euch gekreuzigt worden, oder seid ihr etwa auf den Namen des Paulus getauft worden?« Nun ist freilich eine Taufformel »auf den Namen Christi« nicht direkt genannt; aber sie ist doch deutlich vorausgesetzt. Wie die rhetorische Frage »Ist etwa Paulus für euch gekreuzigt worden?« nur deshalb sinnvoll ist und nur deshalb ihr argumentatives Ziel erreichen kann, weil in der Tat nicht Paulus, sondern Christus für uns gekreuzigt wurde, so gilt gleichfalls von der zweiten Frage, daß sie nur deshalb ihr Ziel erreichen kann, weil es unbestritten ist, daß die Taufe eben »auf den Namen Christi« 88 89
Vgl. oben Anm. 87 und Anm. 6. A.a.O. 16.
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vollzogen wird 90 • Das Argument ist dazu noch um so überzeugender, je stärker Paulus sich an einen feststehenden liturgischen Brauch anlehnt, den jeder kennt und den niemand bestreitet. In ähnlicher Weise greift Paulus in der ersten Frage (»ist etwa Paulus für euch gekreuzigt worden«) mit dem »für euch« eine feststehende Formulierung aus dem Credo 91 auf, das in der Gemeinde bekannt und unbestritten ist. Gewiß ist also die Formel nicht expressis verbis genannt, aber sie ist doch unverkennbar vorausgesetzt, und zwar als ein allgemein anerkannter Brauch. Und nur weil diese Taufformel als allgemein bekannt von ihm vorausgesetzt werden kann, ist es für ihn auch möglich in abgekürzter Redeweise vom Getauftwerden Eie; XptcHÜv (Gal 3,27; Röm 6,3) zu sprechen, wiederum im Sinne einer allgemein anerkannten Sache. Zu b) Als weiteres Argument weist v. Campenhausen darauf hin, daß der »Name« Jesu im Neuen Testament zwar überaus häufig begegne, die Taufformel »auf den Namen Jesu« aber nach Abzug von 1Kor 1,13.15 strenggenommen nur in der Apostelgeschichte sich finde. Für die Annahme einer allgemeinen Verbreitung der Taufformel erscheint diese statistische Feststellung nicht gerade günstig, auch wenn wir nun feststellen müssen, daß zur Apostelgeschichte noch Paulus und der Umkreis seiner Gemeinden kommt. Bei einer genaueren Untersuchung solcher statistischer Angaben erscheint das spärliche Vorkommen der Taufformel freilich nicht mehr so ungewöhnlich. Die Formel »auf den Namen ... « erscheint im Zusammenhang der Taufe nämlich immer mit dem Verb »Taufen« (ßan'ti v ), niemals jedoch mit dem Substantiv »Taufe« (ßan'ttcrl.ta) verbunden. So oft auch von der Taufe die Rede ist, das Verb erscheint, wo es nicht auf die Johannestaufe bezogen ist, nicht viel häufiger als die genannte Taufformel.
stt
90 V. Campenhausen, a.a.O. 5: >>Daran, daß Paulus seinen eigenen Namen bei der Taufe wörtlich proklamiert hätte, ist natürlich nicht gedacht. Etwas derartiges ist für den Sinn einer Taufe >auf den Namen< Pauli also nicht notwendig und legt einen entsprechenden Brauch somit auch für den Namen Jesu keineswegs nah.<< Diese Argumentation ist höchst seltsam und geht an der des Paulus eindeutigvorbei, weil sie die Parallelität der beiden rhetorischen Fragesätze nicht beachtet, die für die paulinische Argumentation allein entscheidend ist. Die Erwägung darüber, wie viele oder wie wenige Korinther von Paulus selbst getauft wurden, ist dagegen nur ein Hilfsgedanke, der mit dem Hauptargument nicht vermengt werden darf. 91 Zu den Glaubens- oder Pistisformeln vgl. H. Conzelmann, Was glaubte die frühe Christenheit?, in: ders., Theologie als Schriftauslegung, München 1974, 106-119; W. Kramer, Christos - Kyrios - Gottessohn (AThANT 44 ), Zürich 1963, 22ff; K. Wengst, Christologische Formeln und Lieder des Urchristentums (StNT 7), Gütersloh 1972 ('1974), 55ff.
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In den Deuteropaulinen, im Hebräerbrief, in den Petrushriefen und Johannesbriefen, in der Offenbarung; im Judas-, Jakobus-, Barnabas-, Polykarp- und 1. und 2. Clemensbrief fehlt ßmttisEt v überhaupt, so daß also auch nicht die Taufformel erwartet werden kann. Von den drei Stellen in den lgnatiusbriefen beziehen sich zwei auf die Taufe Jesu durch Johannes 92 , erst die 3. Stelle auf die christliche Taufe, ohne daß jedoch ein Grund zu sehen wäre, weshalb hier die Taufformel genannt werden müßte (Sm 8,2). An der einzigen Stelle, an der ßantisEtv bei Hermas vorkommt (vis III,7,3), erscheint dagegen auch die Formel Ei<; to ÖVOJ.la tou Kupiou, und die Dictaehe kennt neben der triadisch ausgebildeten Taufformel (Did 7,1.3) auch die kürzere Formel Ei<; to ÖVOJ.la Kupiou (Did 9,5), die entweder als eine Abkürzung der ausgebildeten triadischen Formel oder als Nachhall der kürzeren älteren Formel verstanden werden kann. Das Schweigen der übrigen neutestamentlichen und nachneutestamentlichen Schriften hat also einen anderen Grund und kann nicht gegen die Verbreitung der Taufformel »auf den Namen ... « ins Feld geführt werden.
Angesichts dieses Tatbestandes gibt die Bezeugung in der Apostelgeschichte, im Umkreis der paulinischen Gemeinden sowie bei Hermas und in der Dictaehe eine genügende Basis ab, um Existenz und Gebrauch dieser Formel erkennen zu lassen. Zu c) Auch das Fehlen der Formel bei der Taufe des Eunuchen Apg 8,38 verwundert den Exegeten keineswegs, sofern er nur den formgeschichtlichen Charakter dieser Erzählung beachtet. Denn nicht in der Schilderung der Taufe liegt das Interesse der Erzählung Apg 8,26-40, so daß die liturgischen Einzelheiten der Taufe von Belang wären, sondern in der Schilderung der wunderbaren Bekehrung des ersten Heiden durch Gottes überlegene Führung. Wer diesen eigentlichen Charakter der Erzählung beachtet, wird die Taufformel kaum vermissen93 . 92 IgnEph 18,2; Sm 1,1. 93 V. Campenhausen verweist zwar auf die westlichen Textzeugen, die V. 37 einfügen, weil sie - nach seiner Meinung - den liturgischen Ablauf der Taufhandlung vervollständigen wollten, und die dabei nicht die Taufformel, sondern ein kurzes Taufbekenntnis einfügten. Dazu ist zu sagen, daß dies keineswegs notwendig aus liturgischem Interesse am Taufablauf geschehen sein muß. Der Interpolator kann genausogut eine eindeutige Bekundung des Glaubens vermißt und deshalb den Einschub gemacht haben. Aber selbst wenn der Einschub aus liturgischem Interesse erfolgt sein sollte, könnte er allenfalls bezeugen, daß es auch Gegenden gab, in denen die Taufformel nicht üblich war. Damit aber wird man ohnehin rechnen müssen. Kretschmar zeigt in seiner Geschichte des Taufgottesdienstes (a.a.O. 35), daß die Taufformel vor allem im Osten verbreitet war, während im Westen bei Hippolyt und Tertullian Tauffragen begegnen. Schon die dem Historiker gebotene Vorsicht und Zurückhaltung wird davor warnen, anzunehmen, eine solche Taufformel sei überall und in jeder Gemeinde liturgischer Brauch gewesen. Das darf aber andererseits nicht dazu verleiten, die weite Verbreitung dieser Taufformel in der Frühzeit überhaupt zu bestreiten.
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Ausall dem ergibt sich, daß die Formel »taufen auf den Namen ....« schon früh allgemein verbreitet war. Schon bei Paulus und in sei'nen Gemeinden begegnet sie, und selbst in der ihm fremden Gemeinde in Rom kann er sie als bekannt voraussetzen (Röm 6,3). Das wiegt um so mehr, als es sich bei den Paulusbriefen um die ältesten literarischen Zeugnisse der Christenheit überhaupt handelt. Gewiß kann es Gemeinden gegeben haben, in denen sich diese Taufformel nicht durchsetzte; mit dieser Möglichkeit muß man rechnen. Das ändert aber nichts an dem Ergebnis, daß schon die älteste literarische Schicht des Frühchristentums die weite Verbreitung dieser Taufformel zeigt. Man mag nun fragen, wie man sich den Gebrauch dieser Taufformel vorstellen soll. Heißt das, daß diese Worte jeweils beim Vollzug der Taufe gesprochen wurden, also gewissermaßen ein Stück der Taufliturgie waren? Oder soll man sie als eine Definition verstehen, die nicht beim Taufakt selbst, sondern dann gebraucht wurde, wenn man über die Taufe redete und die christliche Taufe von anderen Waschungen unterscheiden wollte? Die Wendung wäre dann aus der theologischen Diskussion zu verstehen und gehörte nicht in die Taufliturgie94 . Nun wird unsere Untersuchung zwar gewiß zeigen, daß die Taufformel etwas mit der Abgrenzung der christlichen Taufe von anderen Waschungen, vor allem der Johannestaufe, zu tun hatte. Gleichwohl läßt sich doch ihr Sitz im Leben nicht auf die theologische Debatte beschränken. Denn eine Reihe von Stellen zeigt deutlich, daß die Taufformel beim Taufakt wirklich ausgesprochen wurde. Wenn es in Did 7,3 heißt: »dann gieße dreimal Wasser über seinen Kopf im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes«, dann ist das doch als eine liturgische Anweisung zu verstehen, wonach die triadische Taufformel beim Vollzug der Taufhandlung selbst zu sprechen ist. Ähnliches bezeugt Justin, Apol. I,61,10ff: » ... so wird ... im Wasser über dem, der nach der Wiedergeburt Verlangen trägt und sein Vergehen bereut hat, der Name Gottes, des Allvaters und Herrn, ausgesprochen ... Aber auch im Namen Jesu Christi ... und im Namen des Heiligen Geistes ... wird der, welcher die Erleuchtung empfängt, abgewaschen.« Auch hier ist vorausgesetzt, daß die triadische Taufformel bei der Taufhandlung selbst gesprochen wird. An diese Nennung des »Namens« bei der Taufe ist doch wohl auch gedacht, wenn in Jak 2,7 und Herrn 94 SoL. Hartman, >>Into the Name of Jesus«. A Suggestion conceming the earliest Meaning of the Phrase, NTS 20 (1973/74) 432-440; auch v. Campenhausen, a.a.O. 6 scheint den Sinn dieser Wendung in der Apostelgeschichte ähnlich zu verstehen.
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sim VIII,6,4 die Christen an den »Namen« erinnert werden, der über ihnen »angerufen« wurde (to E1ttl(A;ll8Ev E.n' a\rtoüc;). Schließlich sahen wir bereits oben, daß auch in 1Kor 1,13.15 Paulus wohl auf einen den Lesern bekannten und unbestrittenen liturgischen Brauch Bezug nimmt, wenn er sie daran erinnert, daß sie eben nicht »auf den Namen« des Paulus getauft wurden. All dies spricht dafür, daß wir es bei dieser Formel doch nicht bloß mit einer in theologischen Debatten gebrauchten Definition zu tun haben, sondern daß sie offenbar in der Tat beim Taufakt ausgesprochen wurde 95 . Um so wichtiger wird die Frage nach dem Sinn dieser Formel. Nach vereinzelten Vorarbeiten96 hatte sich vor allem Wilhelm Reitmüller in seiner breit angelegten Untersuchung »Im Namen Jesu« (1903) dieser Aufgabe angenommen. Heitmüller unterschied zunächst zwischen den Phrasen ßamisnv F-v und E1tt -re\) ovÜJ.ta'tl und ßan-ri1~nv Ei~ -ro ÖVOJ.W. Während i:.v und E1tt -rij OVOJ.lO'tl auf semitischem Sprachhintergrund als Wiedergabe des hebr. otli::l zu verstehen sind und besagen, daß die Taufe »unter Nennung des Namens Jesu«97 vollzogen wurde, gilt dies nicht für die Wendung ßamisnv Ei~ -ro övoJ.La. Diese ist vielmehr aus der Profangräzität und speziell aus der hellenistischen Umgangsund Geschäftssprache zu verstehen, wo im Girowesen die häufige Phrase begegnet: einen Geldbetrag Ei~ -ro ÖVOJ.la nv6~ einzuzahlen oder zu überweisen98 .
Reitmüller entnimmt daraus, daß die Wendung »auf den Namen« die Überweisung ausdrücke; bei der Taufe bedeutet das, daß dadurch der Zweck und Erfolg des Taufens angegeben wird; der Täufling tritt »in das Verhältnis der Zugehörigkeit, des Eigentums zu Jesus« 99 . Reitmüllers Deutung der Taufformel »auf den Namen« hat die folgende Forschung entscheidend geprägt. Seine Ableitung von der hellenistischen Giroformel mit dem Ergebnis, daß durch diese Worte die Übereignung des Täuflings an Christus ausgedrückt werde, wurde von vielen Forschern übernommen 100 • Selbst solche 95 So mit Recht Kretschmar, a.a.O. 33; G. Delling, Die Zueignung des Heils in der Taufe, Berlin 1961, 68; H. Bietenhard, Art. ÖVOJ.la, ThWNT V, 275,23f; W. Heitmüller, Im Namen Jesu, Göttingen 1903, 118. 96 Vgl. J. Boehmer, Das biblische »Im Namen<<, Gießen 1898; W. Brandt, ÖVOJ.la en de Doopsformule in het Nieuwe Testament, Theologisch Tijdschrift 25 (1891) 565-610; A. Deißmann, Bibelstudien, Marburg 1895, 143-145; ders., Neue Bibelstudien, Marburg 1897, 25; ders., ThLZ 25 (1900) 73f. 97 Heitmüller, a.a.O. 127. 9 8 Heitmüller, a.a.O. 102ff. 99 Heitmüller, a.a.O. 127. 100 So Oepke, a.a.O. 537; Dink/er, Taufaussagen 117; Bornkamm, Taufe 48; Bultmann, Theologie 140; J. Schneider, Die Taufe im Neuen Testament, Stuttgart 1952, 32; F.M. Rendtorff, Die Taufe im Urchristentum, Leipzig 1905, 9f; F.
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Forscher, die der Ableitung aus der hellenistischen Geschäftssprache nicht folgen wollten und die Wendung von einem semitischen Sprachhintergrund zu verstehen suchten, nahmen doch Reitmüllers Ergebnis, nämlich den Übereignungsgedanken 101 , auf. Dabei hat die folgende Forschung nicht nur weitere Belege aus der hellenistischen Geschäftssprache ans Licht gebracht 102 , sondern auch Reitmüllers Grundvoraussetzung, daß die Wendung »auf den Namen« in der hellenistischen Umgangssprache zu einer festen Formel geworden sei, ernsthaft in Frage gestellt. Es zeigte sich nämlich, daß man von einer Übereignungsformel Ei~ to övoJla kaum sprechen kann. Feststehende Wendung ist lediglich der Gebrauch von övoJla als Bezeichnung der Kontospalte, die auf den Namen jemandes geführt wird und auf die dann Beträge eingezahlt werden können, die aber ebenso auch »belastet« werden kann 103 . Die Präposition Ei~ gewinnt die Bedeutung der »Übereignung« nicht durch die Verbindung mit ÖVOJ.l.a, sondern erst durch die Verbindung mit einem diesbezüglichen Verbum, das den Übereignungsvorgang deutlich anzeigt 104 • Ob dies auch für die Verbindung mit ßan:tist::tv zu gelten habe, ist höchst fraglich. Da außerhalb des Giro-Verkehrs die Wendung Ei~ tÜ ÖvoJla zur Bezeichnung eines Übereignungsvorgangs nicht belegt ist, wird man die Bedeutung, die diese Wendung im Giro-Verkehr hat, kaum einfach in die religiöse Kultsprache übertragen können 105 •
Schon vor Reitmüller hatte W. Brandt versucht, die Taufformel von dem hebräischen zeschem bzw. aramäischen zeschum (= mit Rücksicht auf ... ) her zu verstehen. In der Folgezeit wurde dieser Deutungsversuch vor allem von P. Billerbeck und R. Bietenhard 106 weiter ausgebaut, entwickelte sich zu einer Alternativlösung gegenüber Reitmüllers Ableitung aus der hellenistischen Geschäftssprache und gewann gleichfalls eine ganze Reihe von Anhängern 107 , Hahn, a.a.O. 5; E. Haenchen, Die Apostelgeschichte, Göttingen, 10 1956 zu Apg 2,38; W. Bauer, Wörterbuch 1134. 10 1 Bill. I, 1055: »So liegt auch in dem ßmttiset v Eie; to övoJla to\i 7tatp6c; etc. der Gedanke, daß der Täufling dem dreieinigen Gott zugeeignet werden soll.<< Ebenso Bietenhard, a.a.O. 275, 24; E. Lohse, Theologie 66; L. Goppelt, Theologie des Neuen Testaments 2, hg. v. J. Roloff, Göttingen 1976, 331; BeasleyMurray, a.a.O. 126. 102 F. Preisigke, Das Girowesen im griechischen Ägypten, 1910; ders., Wörterbuch der griechischen Papyrusurkunden II, Berlin 1927, 183ff; Delling, a.a.O. 28ff. 103 V gl. ßapecrat to EJlOV ÖVOJla bei Preisigke, Wörterbuch II, 183. 104 V gl. die Belege bei Bietenhard, a.a.O. 245. 105 Bietenhard, a.a.O. 275; Delling, a.a.O. 32. 106 Bill. I, 1054ff; Bietenhard, a.a.O. 242-283. 107 So Beasley-Murray, a.a.O. 125; Lohse, Theologie 66; Goppelt, Theologie 331; Jeremias, Kindertaufe 35; J. Ysebaert, Greek Baptismal Terminology. Its
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bot sie doch die Möglichkeit, die Entstehung der Taufformel in die aramäischsprechende Urgemeinde zurückzuverfolgen. Daß die Wendung »auf den Namen« zumindest an einigen Stellen im Neuen Testament als wörtliche Wiedergabe des semitischen zeschem betrachtet werden muß, ist allgemein anerkannt 108 • Versucht man freilich auch die Wendung »taufen auf den Namen« von dem semitischen zeschem her zu verstehen, so stößt man gleichfalls auf Schwierigkeiten. Schon dies ist zu beachten, daß l'schem eine reine Präposition ist, bei der der »Name« selbst keine eigene Bedeutung hat. Ob man auch die Taufformel so verstehen darf, daß der »Name« dabei keine eigene Rolle spielt, ist zumindest zu fragen 109 . vor .allem aber ist zu sehen, daß das präpositionale l'schem mehrdeutig ist, es kann sowohl kausale wie finale Bedeutung haben: mit Rücksicht darauf, daß etwas ist(= Grund), und: mit Rücksicht darauf, daß etwas sein soll(= Zweck). Daher kann auch der Rückgriff auf l'schem zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen führen. Bietenhard möchte die Aussage final im Sinne der Übereignung verstehen, obwohl er zugibt, daß sich im Blick auf Mt 18,20 ein kausales Verständnis nahelegt 110 • Bieder möchte finalen und kausalen Sinn kombinieren 111 , und Delling stellt fest, daß, wenn man schon l'schem heranziehen wolle, man es nur kausal verstehen könne 112 • Zur Klärung der Frage nach dem Sinn der Taufformel führt also der Rückgriff auf das semitische l'schem nicht weiter: Da l'schem mehrdeutig ist und erst durch den jeweiligen Kontext präzisiert wird, sieht sich der Exeget auch bei der Frage nach der Taufformel auf deren jeweiligen Kontext zurückverwiesen.
Da also weder die Annahme einer feststehenden griechischen Ei~ 'tO övo11a-Wendung noch der Rückgriff auf das präpositionale Origins and Early Development, Nijmegen 1962, 50; Kretschmar, a.a.O. 32; Bieder, a.a.O. 109f; Hartman, NTS 434ff. 108 So eindeutig Mt 10,41: jemanden aufnehmen Ei.c; 1:0 ÖVOJ.ta 7tpoqn1'tou bzw. OtKaiou oder JlU9Tt'tO'Ü = mit Rücksicht darauf, daß er ein Prophet, Gerechter oder Jünger ist. Auch Mt 18,20: »WO zwei oder drei versammelt sind Ei.c; 1:0 EJlOV ÖVOJlU<< könnte von daher erklärt werden: » ... mit Rücksicht auf mich<<. Dazu kommen noch Hehr 6,10 und lgnRöm 9,3. Zur Diskussion vgl. Heitmüller, a.a.O. 113f; Bietenhard, a.a.O. 274; Delling, a.a.O. 39f. 109 Taufen »auf den Namen Christi<< wäre dann dasselbe wie taufen »auf Christus<<, und Paulus hätte dann den Hehraismus Ei.c; 1:0 övo11a in Röm 6,3 durch das >>griechischere<< bloße Eie; ersetzt, vermutet Bietenhard, a.a.O. 275. Dagegen meint Delling, a.a.O. 41, daß dem >>Namen<< eine größere Bedeutung zukomme, >>der zweisprachige Paulus jedenfalls (habe) Eie; 1:0 övo11a auf den Namen Christi bezogen<<. 110 Bietenhard, a.a.O. 274; wie er deuten auch Bill. I, 1055; Lohse, Theologie 66; Beasley-Murray, a.a.O. 126; Ysebaert, a.a.O. 50 final im Sinne einer Übereignung. 111 Bieder, a.a.O. 110. 112 Delling, a.a.O. 39.
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ze schem zu einer überzeugenden Erklärung der Taufformel führte, war es nur konsequent, daß G. Delling 113 bei seiner erneuten und breit angelegten Untersuchung primär die Beachtung des Kontextes in den Vordergrund stellte. Und zwar in doppelter Hinsicht: zunächst im Blick auf den Gebrauch von »Name« außerhalb der Taufaussagen, danach bei der Taufformel selbst. Seine Untersuchung der zahlreichen Wendungen außerhalb des Taufzusammenhangs zeigt zunächst, daß Motive eines »Namensglaubens«, der dem Namen zauberkräftige Wirkung zuschreibt, im Neuen Testament allenfalls am Rande vorliegen. Nicht die Anwendung des Namens Jesu an und für sich ist von Bedeutung, sondern der Bezug auf die mit dem Namen Jesu angedeutete Heilswirklichkeit Denn der »Name« steht weithin als Zusammenfassung des an den Namen Jesu gebundenen Heilshandeins Gottes 114 • »Absolutes auf Jesus bezogenes >im Namen< außerhalb der Taufaussagen heißt überwiegend >unter Beziehung auf den Namen<, und der angegebene Name bezeichnet den Heilsträger« 115 • Diese Verwendungsweise des »im (auf den) Namen« als zusammenfassender Ausdruck für das Heilshandeln Gottes ist gegenüber der Septuaginta weithin neu und nach Delling nur in einem schmalen Ausschnitt des palästinischen Schrifttums vorbereitet 116 • Die gleiche Bedeutung hat der »Name« auch in der Taufformel, wie durch ausführliche Erörterung des jeweiligen Kontextes zu zeigen versucht wird 117 . Für das Verständnis der Taufformel ergibt 113 V gl. oben Anm. 95. 114 Besonders deutlich in Lk 24,47; Joh 1,12; 3,18; 20,31; Apg 4,12.17; 5,28.40; 9,27; Röm 1,5; !Kor 1,10; 6,11; Kol 3,17. 115 Delling, a.a.O. 67. 116 Delling meint eine ähnliche Verwendung des »im Namen« nur in den sog. Bilderreden der Henochapokalypse (äthHen 37-71) finden zu können (a.a.O. 64ff). 117 Überzeugend ist vor allem die Erörterung von !Kor 1,13ff. Die nächste Assoziation, die sich für Paulus mit dem Getauftwerden >>auf den Namen Christi<< verbindet, ist die, daß Christus für uns gekreuzigt wurde (bzw. daß nicht Paulus für uns gekreuzigt wurde, wie wir ja auch nicht auf den Namen des Paulus getauft wurden); vgl. Delling, a.a.O. 70f. Damit zu vergleichen ist !Kor 6,11: >>Ihr wurdet abgewaschen, geheiligt, gerechtgesprochen f.v 1:qi ovÜJ.lan 1:oü Kupi.ou 'IT]croü Xptcr't:OÜ Kat EV 'tql1tVEUJ.lO'tt 't:OÜ eeou llJ.lWV.<< Wie der Verweis auf den Geist Gottes die gegenwärtige Gültigkeit und Wirksamkeit unserer Heiligung und Rechtfertigung begründet, so begründet der Verweis auf den >>Namen des Herrn Jesus Christus<< das Zustandekommen unserer Rechtfertigung in der Vergangenheit, wobei mit >>abgewaschen<< deutlich die Frucht der Taufe umschrieben ist. Auch hier umschreibt also der >>Name<< deutlich 'das ganze Heilsgeschehen. Von da aus erklärt sich auch, daß Paulus in !Kor 10,2 in abgewandelter und abgekürzter Weise davon sprechen kann, daß die Israeliten eil; 1:ov Mroücrfjv getauft worden waren. >>Mose<< ist hier in ähnlicher Weise als Sigle für das rettende Handeln Gottes an seinem
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sich daraus, daß durch diese Worte die Taufhandlung in Beziehung zu dem an den Namen Jesu gebundenen Heilsgeschehen gesetzt wird. Es wird getauft »auf das Christusgeschehen hin« 118 . In den Rahmen dieses Verständnisses der Taufformel passen dann auch die Wendungen EV 1:4'\ 6v611an und E:rrt 1:4'\ 6v611an (Apg 10, 48; 2, 38): Es wird getauft aufgrund des mit dem Namen Jesu angedeuteten Heilsereignisses. Delling hat danach dieses Ergebnis noch weiter untermauert durch eine Untersuchung, die dem Bezug der Präposition Ei<; auf Vorgegebenes nachgeht; Ei<; erhält dann den Sinn von »hinsichtlich«, »bezüglich«, »aufgrund von« 119 •
Trotz mancher Einwände, die man zu einzelnen seiner Ausführungen haben kann 120 , ist das Ergebnis der Untersuchung Dellings im ganzen doch überzeugend. Für das Verständnis der Taufe hat dieses Ergebnis erhebliche Konsequenzen. Denn wenn durch die Taufformel »auf den Namen« die Taufhandlung auf das an den Namen Jesu gebundene Heilsgeschehen bezogen wird, so wird diese Taufformel das Unterscheidungsmerkmal, das christliche Taufe von anderen Taufen und religiösen Waschungen abhebt und unterscheidet121. Sie ist dasjenige Element der Taufhandlung, das die religiöse Waschung zu einer christlichen Taufe macht. Daß die Taufformel bei der Taufhandlung auch wirklich ausgesprochen wurde, müßte man daraus notwendig folgern, wenn sich das nicht schon längst aus lKor 1,13; Did 7,3; Justin, Apol. 1,61,10ff und anderen Stellen ergeben hätte. Der Bezug auf den Namen Christi ist das Unterscheidungsmerkmal, das die christliche Taufe von anderen Tauchbädern unterscheidet. Volk gesetzt, das sich in der Exodusgeschichte eben mit dem Namen Mose verbindet. 118 Delling, a.a.O. 75. 119 G. Delling, Die Bezugnahme von Neutestamentlichem Ei~ auf Vorgegebenes, in: Verbarum Veritas (FS G. Stählin), Wuppertal 1970, 211-223. 120 So einleuchtend es ist, wenn Delling daraus, daß die Taufe >>auf das Christusgeschehen hin« geschieht, folgert, daß damit das Christusgeschehen dem Täufling zugeeignet wird, so schießt er doch weit über das Ziel hinaus, wenn er deswegen bestreitet, daß der Täufling auch Christus zugeeignet wird (a.a.O. 71). Beides wird man kaum voneinander trennen können, weil die Teilhabe am Heilsgeschehen zugleich die Versetzung in den Herrschaftsbereich Christi ist (!Kor 3,23; 6,19f; Kol 1,13 u.ö.). In Ga! 3,29 ist das Xptcr'tou eivat die Konsequenz der Taufaussage Ga! 3,27, und in !Kor 1,12f folgt aus der Tatsache, daß keiner auf den Namen des Pau!us getauft wurde, die Erkenntnis, daß keiner sagen kann: eyoo EtJ.Lt ITauA.ou. Recht hat Delling damit, daß der Übereignungsgedanke nicht die primäre Aussage der Taufformel ist. Das braucht aber nicht auszuschließen, daß sich gleichwohl der Übereignungsgedanke damit verbinden konnte. 121 Delling, a.a.O. 71, vgl. auch Flemington, a.a.O. 77: die Formel >>taufen auf den Namen<< sei >>characteristic of Christian baptism<<.
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Daß die Taufformel von den neutestamentlichen Autoren selbst in diesem Sinne als Unterscheidungsmerkmal verstanden wurde, zeigen Apg 19,1-6 und 1Kor 10,2. Apg 19,1-6 berichtet von den zwölf »Jüngern« in Ephesus, die nur die Johannestaufe kannten. Die schwierige Frage, was sich historisch hinter diesem Bericht verbirgt, ob es sich um Johannesanhänger handelte, die Lukas zu »Christen in embryonalem Zustand umstilisierte« 122 oder ob es sich um Jesusanhänger handelte, die in einem vorösterlichen Stadium stehengeblieben waren 123 , braucht hier nicht im einzelnen untersucht und entschieden zu werden. Uns interessieren hier nur die Wendungen, die im Zusammenhang der Taufe begegnen. Paulus fragt diese »Jünger«, ob sie den heiligen Geist empfangen hätten. Auf ihre verneinende Antwort fragt er weiter: Eie; ti oliv f:~anticr8TJtE. Bezeichnend an dieser Frage ist nicht nur, daß sie einen Zusammenhang von Taufe und Geistempfang voraussetzt, sondern vor allem, daß sie nach dem »Woraufhin« (Eie; ti) der Taufe fragt, die sie empfangen hatten. Dieses Eie; ti ist ganz eindeutig durch die christliche Taufterminologie bestimmt. Denn auf die Antwort hin, nur die Johannestaufe empfangen zu haben, tauft Paulus sie Eie; to övo1w toü Kupiou 'ITJcrOü. Die hier vorliegende Taufterminologie bestimmt bereits die vorangehende Frage Eie; tt f:~anticr8TJtE, nur daß der Verfasser bei der Johannestaufe nicht von einem »Namen« sprechen konnte, auf den hin getauft wurde, weil die Johannestaufe auf keinen »Namen« erfolgte 124 • Auf diese schon die Frage bestimmende christliche Taufterminologie ist auch die auffallende Formulierung der Antwort in 19,3 zurückzuführen: Eie; to 'Imavvou ~anttcrJ.la. Vorausgesetzt ist dabei deutlich, daß die Taufe durch den »Namen« determiniert wird, auf den sie erfolgt. Deshalb werden selbst die Johannesjünger nach dem Eie; ti ihrer Taufe gefragt. Die Taufformel »auf den Namen des Herrn Jesus« wird hier als das Unterscheidungsmerkmal verstanden, das christliche Taufe von anderen Taufen unterscheidet. Derselbe Sachverhalt läßt sich 1Kor 10,2 beobachten. Paulus will den Korinthern zeigen, daß der Empfang der Sakramente noch keine Garantie des Heils gibt, sondern den Gehorsam des Glaubens ermöglicht. Daß der Empfang der Sakramente noch keine Heilsgarantie ist, sucht er am Beispiel der Israeliten zu zeigen, wozu er den Aufenthalt unter der Wolke und den Durch122 E. Käsemann, Die Johannesjünger in Ephesus, ZThK 49 (1952) 144-154 = Exegetische Versuche und Sesinnungen I, Göttingen 2 1960, 158-168, dort 167. 123 Aland, Vorgeschichte 5-11; ders., Taufe und Kindertaufe 15-18. 124 Haenchen, Apostelgeschichte z.St. meinte zwar der Stelle entnehmen zu können, daß auch die Johannestaufe >>in Johannes<< vollzogen wurde, ebenso wie die christliche Taufe >>in Jesus<<. Aber gerade das sagt die Stelle nicht. Die Jünger antworten gerade nicht, daß sie >>auf Johannes<< getauft wurden, sondern >>auf die Taufe des Johannes<<. Entsprechend werden sie 19,3 nicht gefragt: Ei<; ti.va EßaJtticr9T]te, sondern gefragt: et<; 'tl EßaJtti.cr9TJ'te. Daß an die Stelle des zu erwartenden Maskulinums das ungewöhnliche Neutrum tritt, zeigt, daß die Johannestaufe nicht auf einen >>Namen<< vollzogen wurde. Hier ist vielmehr christliche Terminologie auf die Johannestaufe angewandt worden.
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zug durch das Meer typologisch als »Taufe« interpretiert. Auffallenderweise erklärt er aber nun nicht nur, daß die Israeliten alle getauft wurden in der Wolke und im Meer, sondern daß sied<; 'tOV Mmücrijv getauft wurden. Diese Formulierung ist deutlich dem christlichen Getauftwerden d<; Xptat6v (Gal 3,27; Röm 6,3) nachgebildet. Sie bestätigt dabei nicht nur die Interpretation Dellings, wonach der »Name« das mit diesem Namen verbundene Heilshandeln Gottes (hier die mit dem Namen Mose signalisierte Befreiung aus Ägypten) bezeichnet 125 , sondern zugleich zeigt sie, daß der Name diese Taufhandlung von anderen Taufen abhebt, die im Meer und in der Wolke erfolgte Taufe der Israeliten von der christlichen Taufe unterscheidet 126 • Auch hier ist also der Name, auf den hin die Taufe geschieht, als das sie von anderen Taufen unterscheidende Charakteristikum verstanden.
Wird durch die Formel »auf den Namen Jesu« die Taufhandlung als christliche Taufe definiert und von anderen Taufe abgehoben, so hat das Folgen für die Frage nach dem Alter dieser Taufformel. Solange man meinte, sie als Übereignungsformel aus dem hellenistischen Girowesen ableiten zu sollen, legte sich nahe, mit der Entstehung der Taufformel erst in der hellenistischen Christengemeinde zu rechnen, während sie die palästinische Urgemeinde noch nicht gekannt und gebraucht hätte 127 . Ist die Taufformel dagegen als das verstanden worden, was das Tauchbad erst zu einer christlichen Taufe machte und also diese von anderen religiösen Tauchbädern unterscheidet, so ist zu erwarten, daß sie in einer Situation und Umwelt entstand, die eine solche Unterscheidung notwendig erscheinen ließ. Das gilt aber für die palästinische Christenheit weit eher als für die hellenistische. Vor allem das Gegenüber zur Johannestaufe, aus der die christliche Taufe ja gewissermaßen herausgewachsen war, nötigte zu einer solchen Unterscheidung und Abgrenzung, und das um so mehr, je mehr die Anhängerschaft des Johannes von den Christen als eine eigene religiöse Gruppe empfunden wurde. Die Initiationsriten der hellenistischen Mysterienreligionen 128 dürften dagegen kaum die Christen zu einer sol125 Delling, a.a.O. 79. 126 Die Pointe des paulinischen Vergleichs ist ja nicht, daß die Taufe der Israeliten genau dasselbe ist wie die christliche Taufe, sondern daß zwar alle Israeliten dieses Sakrament erhielten, aber nicht alle davon Nutzen hatten, vielmehr die meisten in det Wüste umkamen. Vorausgesetzt ist ein allgemeines Verständnis sakramentaler Handlungen, innerhalb deren zwischen >>Taufe auf Christus<< und >>Taufe auf Mose<< unterschieden werden kann. 127 Vgl. Bultmann, Theologie 42.139f. 128 Unser Wissen über die Initiationsriten der sogenannten Mysterienreligionen ist leider allzu bruchstückhaft. Da frühchristliche Autoren (Justin, Apo!. 1,62; Firmicius Maternus, de errore prof. rel. 22; Tertullian, de bapt. 2.5; de praescr. 40) in ihren Waschungen teuflische Nachäffungen der christlichen Taufe sahen, ist aber zu erschließen, daß sie doch stärkere Parallelen zur christlichen
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chen Unterscheidungsformel genötigt haben, wie sie in dem »taufen auf den Namen« vorliegt. Ist aber mit einer Entstehung der Taufformel in der palästinischen Urgemeinde zu rechnen, so muß man doch wieder nach einem hebräisch-aramäischen Äquivalent für die Wendung Eie; 'tO ÖVOJla suchen und stößt dann wieder auf das präpositionale t•schem!l'schüm. Hier könnte aber die Arbeit von L. Hartman 129 weiterführen, der die weite und neutrale Bedeutung von zeschem betont, sich auf eine Entscheidung zwischen kausal und final nicht festlegen lassen möchte und statt dessen auf einige Stellen hinweist 130 , in denen l'schem dazu gebraucht wird, eine kultische Handlung zu qualifizieren. »In these ritual cases the phrase ze schem - ze schüm is used to introduce the type, reason or purpose of the rite as well as its intention«131. Das rabbinische t•schem bezeichnet bei Kulthandlungen »their fundamental reference«, die diese von anderen Kulthandlungen unterscheide. In entsprechender Weise gehe das »im Namen« bei der Taufformel auf zeschem zurück und sei eingeführt worden, um die christliche Taufe von anderen W aschungen, speziell von der Johannestaufe, zu unterscheiden. An dieser Stelle trifft sich die Arbeit von L. Hartman mit dem Ergebnis, das sich uns aus der Untersuchung von G. Delling ergab 132 . Freilich ist zu beachten, daß bei dem präpositionalen zeschem der »Name« selbst keine Rolle spielt, wohingegen bei der neutestamentlichen Taufformel der »Name« offen-
Taufe boten, als es die spärlichen Andeutungen antiker Autoren (Apuleius, Metarn. XI,21 ,6; 23,2.8; 24,4; Livius 39,9; Juvenal 6,522ff; Tibull 1,3,23ff; Philostrat, Apoll. III,17) erkennen lassen. Vgl. dazu Leipoldt, a.a.O. 38ff; Reitzenstein, Vorgeschichte 3lff; ders., Die hellenistischen Mysterienreligionen, Leipzig 1927 (= Darmstadt 1966); Hamburg, Art. Ka9apJl6~, PRE X/2, 2513-2519; M. Dibelius, Die Isisweihe bei Apuleius und verwandte Initiationsriten, in: ders., Botschaft und Geschichte II, Tübingen 1956, 30-79; Oepke, a.a.O. 528-532. 129 Siehe oben Anm. 94 und 71 sowie ders., Auf den Namen des Herrn Jesus. Die Taufe in den neutestamentlichen Schriften (SBS 148), Stuttgart 1992. 13 0 Die rabbinischen Stellen, auf die er sich beruft (NTS 438), sind vor allem Zeb 4,6: Ein Opfer soll mit Rücksicht auf Gott (Dtliil otli?) dargebracht werden; bChullim 40: Ein Opfer soll dargebracht werden »With respect to mountains«; Nedarim 5,6: »We know in whose name we have vowed« (1ll1l '1:1 otli?). 131 Hartman, NTS 439. 13 2 Um so auffallender ist die herbe Polemik Hartmans gegen Delling (NTS 433f), die seiner Arbeit nicht gerecht wird. Er wirft Delling vor, die Bedeutung, die der Name Jesu an einigen Stellen der Apostelgeschichte habe, unbesehen auf das ganze Neue Testament und auch auf die Taufstellen zu übertragen. Er übersieht, daß Delling diese Bedeutung des >>im Namen« auch bei den Taufstellen jeweils durch sorgfältige Untersuchung des Kontextes zu erheben sucht. Der Vorwurf, den Hartman gegen Delling erhebt, trifft eher seine eigene Untersuchung, in der auf eine Analyse der neutestamentlichen Taufstellen weithin verzichtet wird und die für I' schem eruierte Bedeutung einfach auf die Taufformel übertragen wird. Diese Vernachlässigung des Kontextes der Taufformel führt dann dazu, daß Hartman die dadurch ausgedrückte >>fundamental reference« inhaltlich durch die Verkündigung des irdischen Jesus zu füllen sucht (StTh 3lff).
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bar die gleiche gefüllte Bedeutung hat, die der Name Christi auch sonst im Neuen Testament erkennen läßt. Diese Spannung ließ ja Delling vor der Ableitung von l'schem zurückschrecken 133 . Doch muß man fragen, ob diese Spannung wirklich so schwerwiegend ist. Auch sonst trifft es sich ja verschiedentlich, daß Begriffe und Wendungen im Zuge ihrer Tradierung und ihres theologischen oder gottesdienstlichen Gebrauchs ihre Bedeutung geändert und neue Inhalte in sich aufgenommen haben 134 • So wäre es durchaus denkbar, daß die Wendung »taufen auf den Namen ... « im Zuge ihres gottesdienstlichen Gebrauchs den Bedeutungsumfang in sich aufgenommen hat, den der Name Jesu sonst im Neuen Testament hat, eine Bedeutung, die das ursprüngliche ze schem noch nicht hatte, die sich aber notwendig einstellen mußte, wenn die Frühchristenheit das in Jesus Ereignis gewordene Heilshandeln Gottes mit dem Namen Jesu zusarnmenfaßte.
Sowohl Dellings wie Hartmans Untersuchung führen also zu dem Ergebnis, daß die Formel »auf den Namen Jesu« dasjenige Element ist, das die Taufhandlung erst zu einer christlichen Taufe macht und von anderen Waschungen abhebt. Dann kann man aber in der Zufügung der Taufformel nicht ein zweites »Motiv« sehen, das zu dem primären Motiv der Sündenabwaschung später erst hinzugefügt wurde. Die Taufformel »auf den Namen ... « fügt nicht ein sekundäres Motiv, einen zweiten Gedanken zu dem ursprünglichen, durch die Handlung ausgedrückten Motiv der Abwaschung, so daß sie ein mit dem »Tauchbad konkurrierendes selbständiges Sakrament« wäre 135 , sondern sie interpretiert die Waschung, indem sie sie auf das an den Nameri Jesu gebundene Heilsgeschehen bezieht. Hier ist noch einmal zu beachten, daß es ja im wesentlichen der Ritus der Johannestaufe ist, den die Urgemeinde aufgenommen hat. Versprach die Johannestaufe in eschatologischer Stunde dem umkehrenden Sünder die Vergebung seiner Sünden und damit die Rettung im Jüngsten Gericht, so griff die Urgemeinde diesen Ritus auf, vollzog ihn aber nun »auf den Namen Jesu Christi hin«, d.h. aufgrund des Heilshandeins Gottes, das an diesen Namen gebunden ist. Damit wird einerseits gesagt, inwiefern dieser Ritus wirklich Vergebung der Sünden zueignen kann, andererseits wird dadurch der von Johannes übernommene Taufritus zu einem Mittel, um das auszusagen, was das an den Namen Jesu gebundene Geschehen für den Umkehrenden bedeutet. Durch die Taufformel »auf den Namen Jesu Christi« wird also einerseits klargestellt, daß 13 3 Delling, a.a.O. 38. 134 Man denke nur etwa an den Bedeutungswandel, den der Hosanna-Ruf erfahren hat (vgl. R. Pesch, Markusevangelium 11, 183; T. Lohmann, Art. Hosianna, BHH II, Göttingen 1964, 752), oder an die christologischen Titel »Herr<< oder >>Sohn Gottes<<. I 3 5 So Bultmann, Theologie 139f in Anschluß an Heitmüller.
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die in der Sündenvergebung bestehende Gabe der Taufe allein in Jesu Tod und Auferstehung begründet ist, andererseits wird dadurch die Taufe zu einer Weise der Heilsverkündigung, zu einem Mittel, um dem umkehrenden Sünder mitzuteilen, was Jesu Tod und Auferstehung für ihn bedeuten. Reitmüller und Bietenhard hatten je auf ihre Weise die Taufformel dahingehend verstanden, daß dadurch der Täufling seinem Herrn Jesus Christus übereignet werde, und sie hatten mit dieser Deutung breite Zustimmung gefunden. Die nachfolgende Forschung hatte dagegen gezeigt, daß weder aus der hellenistischen Giro-Terminologie noch aus dem rabbinischen zeschem der Übereignungsgedanke als ursprünglicher Sinn der Taufformel abgeleitet werden kann, diese vielmehr das Taufgeschehen in Beziehung zu dem an den Namen Jesu gebundenen Heilsgeschehen setzt. Wir werden in einem späteren Kapitel sehen, daß sich durchaus auch der Übereignungsgedanke mit der Taufe verbinden konnte. Reitmüller und die ihm folgenden Ausleger hatten insofern durchaus etwas Richtiges gesehen. Nur war dieser Übereignungsgedanke nicht der ursprüngliche Sinn der Taufformel, sondern ein sekundärer Gedanke, der sich erst danach mit der Taufe verbunden hat. Als eine weitere Interpretation des Taufgeschehens wird der Übereignungsgedanke an seinem Ort noch zu beschreiben sein, muß aber zugleich von dem eigentlichen Sinn der Formel »taufen auf den Namen ... « unterschieden werden.
3 Taufe und Geist
Schon im Vorangehenden stießen wir darauf, daß für das Frühchristentum Taufe und Geist zusammengehören. So überliefert die Gemeinde ein Logion, wonach Johannes gesagt habe, er taufe mit Wasser, aber der nach ihm Kommende werde mit heiligem Geist taufen (Mk 1,8). Es ist offenbar die gleiche Tradition, die in Apg 1,5 nun als ein Wort des Auferstandenen erscheint: »Johannes taufte mit Wasser, ihr aber werdet mit heiligem Geist getauft werden.« Wird schon in diesem Traditionsstück der Geist als das genannt, was christliche Taufe von der Johannestaufe unterscheidet, so begegnet darüber hinaus im Neuen Testament eine Reihe von Aussagen, in denen nicht nur Geist und Taufe miteinander verbunden sind 136 , sondern auch der Geist als die Gabe der Taufe erscheint, so daß Taufe und Geistempfang zusammengehören 137 . Diese Verbindung von Taufe und Geistempfang prägt dann weithin das Taufverständnis der alten Kirche und findet ihren liturgischen Ausdruck in dem Ritus der Handauflegung bei der Taufe, wobei der Bischof über dem Täufling um die Gabe des heiligen Geistes betet 138 . Angesichts des desolaten Zustandes volkskirchlicher Kindertaufpraxis nimmt es nicht wunder, daß gerade diese Verbindung von Taufe und Geistempfang in der neueren Taufdebatte als höchst problematisch empfunden werden mußte. Ist nicht der Heilige Geist diejenige Macht Gottes, die die Gotteserkenntnis eines Menschen und darum auch seinen Glauben und seine Umkehr allererst möglich macht 139 ? Und bedeutet eine Verbindung von Taufe und 136 Joh 3,5; Apg 8,15-17; 9,17f; 10,44-48; !Kor 12,13; 6,11; Tit 3,5. 13 7 Apg 2,38; 19,3ff; 2Kor 1,22. 13 8 So in der apostolischen Tradition Hippolyts XXII,! (Dix, a.a.O. 38); gleichfalls im äthiopischen Text der Kirchenordnung Hippolyts (hg. v. H. Duensing, 1946, 59) und im koptischen Text der Kirchenordnung Hippolyts (hg. v. Till/Leipoldt, 1954, 23) sowie bei Tertullian, de bapt. 8. Vgl. auch Irenäus, Epid. 42: »da der Heilige Geist in ihnen ist und dauernd weilt, der in und mit der Taufe gegeben wird ... << (übers. v. S. Weber, BKV 2 1912) und Clemens, Paedag. 1,6,30. 13 9 V gl. dazu vor allem K. Barth, KD IV ,4, 29ff, aber auch Luthers Erklärung des 3. Artikels im Kleinen Katechismus.
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Geistempfang nicht, daß dieses den Menschen erneuernde und rettende Wirken Gottes nun manipulierbar wird, von Menschen bzw. von der Kirche gehandhabt wird? Versucht hier nicht die Kirche über das freie Wirken des Heiligen Geistes zu verfügen? Kein Wunder, daß diese Stellen, in denen Taufe und Geist verbunden sind, ein besonderes Ärgernis hervorrufen mußten. Sie müssen deshalb in der Tat besonders beachtet werden. Symptomatisch für die Verlegenheit, die durch die Verbindung von Taufe und Geist an den genannten neutestamentlichen Stellen hervorgerufen wird, ist die strikte Unterscheidung zwischen Wassertaufe und Geisttaufe, die sich bei mehreren neueren Forschern findet und die vor allem K. Barths Alterswerk über die Taufe bestimmt140. Aus dem Täuferwort Mk 1,8: »ich habe euch mit Wasser getauft, er aber wird euch mit heiligem Geist taufen« bzw. aus dem Jesuswort aus Apg 1,5: »Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet mit heiligem Geist getauft werden« wird die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Wassertaufe und Geisttaufe entnommen und diese Unterscheidung zum hermeneutischen Schlüssel für das Verständnis aller anderen Taufstellen gemacht 141 . Die Geisttaufe ist dabei die Gabe des heiligen Geistes, die allein Gottes Werk ist, und den Menschen erneuert zu Glauben, Umkehr, Bekenntnis und neuem Leben, die also allein den Menschen rettet. Das Wort »Taufe« ist hier nur uneigentlich, nur bildlich gemeint. Diese Geisttaufe ist streng zu unterscheiden von der »Wassertaufe«, also der kirchlichen Taufhandlung, bei der ein Täufling durch einen menschlichen Täufer im Wasser getauft wird und die eine betont menschliche Handlung ist, nämlich ein Zeichen der Umkehr und des christlichen Bekenntnisses 142 . 140 K. Barth, KD IV,4, der sich darin weithin an seinen Sohn M. Barth, Die Taufe- ein Sakrament?, Zürich 1951 anschließt. Die gleiche Unterscheidung begegnet auch bei Bieder, a.a.O. 118-139; Beasley-Murray, TBLNT II,2, 1907; Barnikol, a.a.O. 593ff und schon bei G. Kittel, Die Wirkungen der christlichen Wassertaufe nach dem Neuen Testament, ThStKr 87 (1914) 25-53. 141 So muß nach M. Barth, a.a.O. 353 da, wo eine neutestamentliche Stelle der Taufe >>eindeutig kausative Kraft und Wirkung<< zuspricht, von der Geisttaufe und also nicht von der Wassertaufe die Rede sein. 142 >>Die christliche Taufe ist das Menschenwerk des grundlegenden Bekenntnisses, in welchem sich die christliche Gemeinde mit den neu zu ihr Hinzutretenden und in welchem sich diese mit ihr zusammenfinden<< (K. Barth, a.a.O. 81). Kittel, a.a.O. 48: >>Die Taufe ist dem Apostel eine symbolische Darstellung des Übertritts zum Christentum und bringt insbesondere zum Ausdruck, daß der Übertretende verpflichtet und gewillt ist, die Sünde in ihm selber unerbittlich zu bekämpfen.<< Bieder, a.a.O. 137: >>Die christliche Wassertaufe ist Bekenntnisakt, von Gott befohlenes Bestätigungszeichen, Zeugnis der Umkehr für jeden einzelnen.<<
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Aber bei dieser Unterscheidung zwischen Geisttaufe und Wassertaufe wird nicht nur das Logion über die Johannestaufe aus seinem geschichtlichen neutestamentlichen Kontext herausgerissen und zur Basis einer dogmatischen Unterscheidung gemacht, an die bei diesem Spruch überhaupt nicht gedacht ist, es werden auch die übrigen Textstellen, an denen Taufe und Geist miteinander verbunden sind, nicht auf das hin befragt, was sie mit ihrer Aussage über den Geist wirklich sagen wollen, sondern einer dogmatischen Gesamtkonzeption unterworfen, die zwar in der heutigen Situation einsichtig und verständlich sein mag, die aber den neutestamentlichen Texten nicht gerecht wird, weil sie ungeschichtlich mit ihnen umgeht. Wenn es in Apg 1,5 heißt: »Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet mit heiligem Geist getauft werden«, so wird damit ja nicht eine innerchristliche Unterscheidung von zwei Taufarten, einer Wassertaufe und einer Geisttaufe, eingeführt, sondern es wird die Taufe, die die Christen empfangen, von der Taufe unterschieden, die Johannes gespendet hat. Es geht also um eine heilsgeschichtliche Unterscheidung: Die Johannestaufe konnte das noch nicht geben, was christliche Taufe gibt. Dabei hat der Spruch Apg 1,5 - wie oben schon angedeutet - bereits eine längere traditionsgeschichtliche Entwicklung hinter sich, bei der diese heilsgeschichtliche Unterscheidung noch deutlicher wird. In Mk 1, 8 erscheint der Spruch nicht als ein Wort Jesu, sondern des Täufers: »Ich habe euch mit Wasser getauft, er wird euch mit heiligem Geist taufen.« Und wie sich aus Mt 3,11 I Lk 3,16 ergibt, enthielt die Logienquelle offensichtlich eine noch ältere Fassung, wonach der nach Johannes Kommende nicht nur mit heiligem Geist, sondern auch mit »Feuer« taufen, d.h. das Letzte Gericht bringen werde. Da Jesus aber nicht das Letzte Gericht, wohl aber als der Auferstandene den Geist brachte, ist schon bei Markus die Aussage über die »Taufe mit Feuer« weggelassen, d.h. das ursprüngliche Johanneswort an die christliche Gemeindeerfahrung adaptiert worden 143 . Dabei werden der Täufer und der nach ihm Kommende heilsgeschichtlich einander gegenübergestellt, genauer: die Taufe des Johannes und die Taufe, die der nach ihm Kommende spenden wird, und zwar als »taufen mit Wasser« und »taufen mit heiligem Geist«. Da aber die Urgemeinde offenbar nie daran gedacht hat, den Wasserritus des Johannes durch einen wasserlosen Geistritus zu ersetzen, kann sie diesen Spruch nur so verstanden haben, daß die Johannestaufe »nur« mit Wasser geschah, bei der christlichen Taufe dagegen das im Spiel ist, was allein eschatologisches 143 Über das Verhältnis von Mk 1,8 zu Mt 3,11 I Lk 3,16 vgl. oben Anm. 32. Auch Joh 1,33 kennt diese Tradition mit der gleichen Kürzung, die schon Mk 1,8 aufweist. Daraus ist zu folgern, daß nicht erst Markus, sondern schon die Tradition vor ihm die Worte Kat 1tupi aus dem Täuferwort gestrichen hat.
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Heil gewähren kann, sie geschieht mit (oder durch) den heiligen Geist 144 • Die den Spruch überliefemde christliche Gemeinde hat ihn also als eine Aussage über die christliche Taufe im Unterschied zur Johannestaufe verstanden.
Nun hat freilich der Verfasser der Apostelgeschichte den in Apg 1, 5 aufgenommenen Spruch auf die Geistausgießung am Pfingstfest gedeutet 145 , an dem der Geist ja auf die wartende Gemeinde ausgegossen wurde, ohne daß von einer Taufhandlung berichtet wird. Das zeigt aber nur, daß für ihn die Taufhandlung kein unabdingbares Mittel für den Geistempfang ist. Der Geist ist in seinem Wirken frei, und da die Tradition dem Verfasser die Pfingstgeschichte als den Anfang kirchlicher Existenz bietet, kann er den damit gegebenen heilsgeschichtlichen Einschnitt auch mit dem Spruch verbinden, der das Werk des Johannes von dem Jesu abhebt. Daß der Verfasser der Apostelgeschichte den Spruch noch im gleichen Sinne verstanden hat wie die Tradition vor ihm und also die »Taufe mit dem Geist« auf die christliche Taufhandlung bezog, zeigt Apg 11,16. Da begegnet der gleiche Spruch- »Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet mit heiligem Geist getauft werden«- in der Rede des Petrus zur Begründung dafür, weshalb dem heidnischen Hauptmann Kornebus und seinem Haus die christliche Taufe (mit Wasser) nicht verwehrt werden konnte, nachdem sie bereits den heiligen Geist empfangen hatten und anfingen, mit Zungen zu reden (Apg 10,44ff). Christliche Taufe und Gabe des Geistes gehören (im Unterschied zur Johannestaufe) zusammen; deshalb kann die Taufe da nicht verwehrt werden, wo der Geist schon empfangen wurde. Gehören also für die Frühchristenheit Empfang des Geistes und Taufe zusammen und sah sie darin den Unterschied zwischen christlicher Taufe und Johannestaufe, so ist weiter zu fragen, was mit dieser Aussage, daß bei der Taufe der Geist empfangen wird bzw. Taufe und Geist zusammengehören, gemeint ist. Es empfiehlt sich nun, zunächst die übrigen Texte zu beachten, in denen Geist und Taufe zusammen genannt werden, und bei der Apostelgeschichte fortzufahren, mit der wir uns im Vorangehenden ja ohnehin schon befassen mußten. Schon in seiner Pfingstpredigt verbindet Petrus (Apg 2,38) die Aufforderung zur Taufe mit der Verheißung des Geistempfanges: 144 Bei dem von M. Barth u.a. vertretenen Verständnis des Täuferwortes hätte die Urgemeinde konsequenterweise die Wassertaufe ganz aufgeben müssen. Daß sie dies nicht tat, zeigt, daß sie dem Täuferwort nicht den grundsätzlichen Gegensatz von Wassertaufe und Geisttaufe entnahm, sondern den heilsgeschichtlichen Unterschied zwischen Johannestaufe und christlicher Taufe. 145 Durch den kurzen Zusatz >>schon in wenigen Tagen« in 1,5.
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»Kehrt um, und ein jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, so werdet ihr die Gabe des heiligen Geistes empfangen«. Der Empfang des heiligen Geistes wird hier als eine Folge von Umkehr und Taufe verheißen146, gewiß nicht als eine automatische Folge, aber doch so, daß das eine wie das andere normalerweise zusammengehören. Dabei wird in 2,39 ausdrücklich auf das zurückverwiesen, was zuvor in 2,16ff über die Geistausgießung gesagt worden war. Wurde dort die Geistausgießung als Erfüllung der Joel-Verheißung und damit als Zeichen eschatologischer Heilsnähe ausgegeben, so heißt es nun in 2,39, daß diese Verheißung den Hörern und ihren Kindern und allen Fernen und Nahen gelte. Der Empfang des Geistes bedeutet die Begabung mit einer göttlichen Kraft, die den Empfänger zu besonderen Taten wie Glossolalie und Prophetie befähigt, und ist damit Zeichen des Eschatons. Noch deutlicher ist die Verbindung von Taufe und Geistempfang in Apg 19,1-6. Paulus begegnet da einigen »Jüngern« - was immer damit gemeint sein mag 147 - und fragt sie, ob sie den heiligen Geist empfangen hätten, als sie zum Glauben kamen. Auf ihre verneinende Antwort hin fragt er weiter, »worauf« (Eie; 'tt) sie denn getauft worden seien. Schon hier ist vorausgesetzt, daß sie bei entsprechender richtiger Taufe den Geist empfangen haben müßten. AJs sie daher antworten, nur die Johannestaufe empfangen zu haben, werden sie noch einmal getauft, nunmehr »auf den Namen des Herrn Jesus«. Daraufhin heißt es in 19,6: »Und als Paulus ihnen die Hände auflegte, kam der heilige Geist auf sie, und sie redeten in Zungen und prophezeiten.« Neben der Feststellung, daß wieder 146 Kat ATU.l\j!E0"9E 'tTJV öoopE<'xv 'tOÜ ayiou ltVEU!!a'toc;;. Besonders nach Imperativen oder Wendungen imperativischen Charakters dient Kai zur Einführung der Folge. Das Kai ist hier also ein Kai-consecutivum; vgl. Bauer, Wörterbuch 775; F. Blass I A. Debrunner I F. Rehkopf, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen, 14 1976, 442,2. Die Vertreter einer strengen Trennung von Geisttaufe und Wassertaufe müssen diesen Zusammenhang zu zerreißen suchen. G. Kittel versucht das durch die Einführung einer anderen Interpunktion, die den Nachsatz 38b (Kat ATtl.l\jiEcr9E ... ) von dem Vordersatz 38a trennen soll. Die Gewaltsamkeit solcher Operationen wird nur noch durch die Blindheit übertroffen, die nicht merkt, daß sich auch so der Zusammenhang von Geistverheißung und Aufforderung zur Taufe nicht beseitigen läßt. Nicht viel besser verfährt M. Barth, der behauptet, daß 38b in »syntaktischer und logischer Unabhängigkeit« neben der Aufforderung zur Taufe stehe (a.a.O. 143), was dem unbefangenen Leser weder syntaktisch noch logisch einleuchtet. Im übrigen gibt er zu, daß ein Zusammenhang zwischen Wassertaufe und Verleihung des Geistes bestehe, daß die Wassertaufe aber keine >>Bewirkung<< oder >>Garantie<< (a.a.O. 142) der Geisttaufe sei, was gewiß zutrifft, aber von der Gegenseite auch gar nicht behauptet wird. 14 7 Zu dem Problem, das mit dem Ausdruck l.la9TJ'tai hier gegeben ist; vgl. oben Anm. 122.123.
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der Empfang des Geistes mit der Taufe verbunden ist, bleibt hier noch zweierlei zu beachten. Einmal wird die Wirkung des Geistempfanges in der gleichen Weise geschildert wie bei der Pfingstgeschichte und bei der Korneliusgeschichte: Der Empfang des heiligen Geistes äußert sich in außergewöhnlichen Begabungen wie Glossolalie und Prophetie und ist damit ein eschatologisches Zeichen. Zum anderen erfahren wir hier von einem Ritus der Handauflegung, bei dem der Täufling den Geist empfängt. Der Ritus der Handauflegung, der dann bei Hippolyt und Tertullian 148 als ein festes Element der Taufordnung erscheint, ist bereits hier - d.h. zumindest bei dem Verfasser der Apostelgeschichte und den Gemeinden seiner Umgebung gegen Ende des 1. Jahrhunderts - mit der Taufhandlung verbunden 149 . Mit einer Handauflegung verbunden ist der Empfang des heiligen Geistes auch in Apg 8,17 150 , gewissermaßen als Nachtrag zu der zuvor genannten Taufe (8,12.16). Von der Mission des Philippus in Samaria wird in 8,12 zusammenfassend gesagt, daßMännerund Frauen sich taufen ließen, als sie zum Glauben gekommen waren. Davon erfahren nun die Apostel in Jerusalem und schicken Petrus und Johannes, um den neugewonnenen Christen unter Gebet und Handauflegung den heiligen Geist zu bringen. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als seien Taufe und Geistempfang hier weit voneinander getrennt: Die Taufe wird durch Philippus vollzogen, beim Geistempfang wirken Petrus und Johannes mit und beides ist durch einen gewissen Zeitabstand voneinander getrennt. Bei genauerem Zusehen ergibt sich jedoch, daß erst das Wissen um die grundsätzliche Zusammengehörigkeit von Taufe und Geistempfang diese etwas komplizierte und uneinheitliche Erzählung 151 ermöglichte. 148 Tertullian, de bapt. 8; Hippolyt, trad. Apost. XXI,l (Dix, a.a.O. 38). 149 Vgl. dazu J. Behm, Die Handauflegung im Urchristentum, Leipzig 1911 (= Darmstadt 1968), 19ff; Kretschmar, a.a.O. 2lf. 150 Vgl. dazu N. Adler, Taufe und Handauflegung. Eine exegetisch-theologische Untersuchung von Apg 8,14-17 (NTA 18,1), Münster 1951; ferner Behm, a.a.O. 24ff. 15 1 Zu der Verbindung von Philippus-Mission und Apostelbesuch kommt noch die Erzählung von dem Zauberer Sirnon und seinem Versuch, die Vollmacht zur Geistmitteilung käuflich zu erwerben. Dabei fällt eine Reihe von Spannungen im Text auf: 1. Das wundertätige Wirken des Philippus in 8,7f läßt nicht erwarten, daß er den Geist nicht mitteilen kann (was doch Ananias in 9,18 kann!). Die Angabe, daß die Samaritaner den Geist nicht empfangen hatten, kommt daher in 8,16 völlig unvermittelt. 2. In 8,5-13 ist Philippus die Hauptfigur, wie ebenso in 8,26-40; wieso verschwindet er in 8,14-25 völlig sang und klanglos? 3. Daß Sirnon über die Wundertaten des Philippus staunt, kommt nach seiner Taufe zu spät (8,13); hier wird also ein Bruch sichtbar. 4. In der Bitte Simons (8,18) liegt ein innerer Widerspruch: Wenn er die Gabe der Geistverleihung kaufen will, muß
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Denn Sinn der Sendung von Petrus und Johannes ist es doch, diese neugegründete Gemeinde in die Einheit der apostolischen Kirche einzubeziehen. Die Möglichkeit dazu bot der offenbar bereits übliche liturgische Brauch, innerhalb der Tauffeier den Geistempfang einem besonderen Akt der Handauflegung zuzuordnen. Indem die beiden Apostel diese Handauflegung nachholen, bringen sie die vorangegangene Taufe erst richtig zum Abschluß und machen sie erst wirklich gültig. Daher bezeugt selbst Apg 8, 14ff die grundsätzliche Zuordnung von Taufe und Geistempfang 152 , wie dies übrigens auch aus Apg 9, 17 zu entnehmen ist. er sie für wertvoll halten; das ist sie aber für einen Nichtchristen nicht (vgl. 2,13!). Ein Christ aber kann nicht auf den Gedanken kommen, diese Gabe kaufen zu können. Das alles spricht für einen komplizierten Redaktionsprozeß. Am einleuchtendsten ist die Hypothese Haenchens (Apostelgeschichte z.St.; ähnlich H. Conzelmann, Die Apostelgeschichte [HNT 7], Tübingen 2 1972, z.St.), daß Simon ursprünglich Wundermacht kaufen wollte. Dazu paßt sowohl die Betonung der Wundertätigkeit des Philippus (8,6ff) als auch die Tatsache, daß das Staunen des Sirnon nach seiner Taufe zu spät kommt. Bekehrung und Taufe des Sirnon sind daher sekundär. Ursprünglich begegnete wohl der Zauberer Sirnon dem größeren Wundertäter Philippus, wollte ihm die Vollmacht abkaufen und wurde abgewiesen. Erst sekundär wurde dies umgedeutet in den Versuch, den Aposteln die Macht der Geistmitteilung abzukaufen. Dazu mußte dann zuvor Simons Bekehrung und Taufe erzählt werden. Der Grund zu dieser Umdeutung wird aus der Einführung der beiden Apostel ersichtlich: a) Die Aufnahme der Samaritaner wird als ein neuer Schritt der Mission von den Jerusalemer Aposteln legitimiert. b) Samaria wird dadurch Jerusalem »Unterstellt«. c) Eine Gefahr der Philippusgeschichte wird dadurch beseitigt, die darin bestand, daß Mission als ein Übertrumpfen durch Wunder, als eine >>Zauberei höherer Ordnung<< (Haenchen, a.a.O. 226) erscheinen konnte. Voraussetzung aber zur Einführung der Apostel zur Legitimierung der Samaria-Mission war, daß sich die zur Taufe gehörige Geistverleihung durch Handauflegung doch als ein besonderer liturgischer Akt vom Wasserritus trennen ließ. Der Redaktor dieser Erzählung kannte also die Taufe in der Weise, daß auf den Wasserritus die Handauflegung folgte, mit der man die Geistverleihung verbunden dachte. Nichts spricht gegen die Annahme, daß der Verfasser der Apostelgeschichte auch der Redaktor dieser Erzählung war. 152 Kretschmar, a.a.O. 21f macht darauf aufmerksam, daß Handauflegung nach dem Taufbad im lateinischen Westen vom Ende des 2. Jahrhunderts an verbreitete Taufordnung ist, deren Anfänge er wohl mit Recht in Apg 8,14ff und 19,1-6 bezeugt findet. Im Osten dagegen findet sich später eine mit der Ölsalbung verbundene Geistverleihung vor dem Tauchbad (ActThom 121.157f; vgl. Kretschmar, a.a.O. 24f.). Wenn Kretschmar freilich auch diesen Brauch schon in Apg 10,44ff angedeutet sehen will, so erscheint mir das recht problematisch. Daß bei der Korneliusgeschichte die Geistverleihung der Taufe vorausgeht, hat ja doch eine ganz andere Funktion: Erst dadurch wird die Taufe des Heiden Komelius wirklich zwingend. Daraus auf eine liturgische Ordnung zu schließen, erscheint mir überspitzt. Entsprechendes gilt von der Taufe des SauJus (Apg 9,17f). Hier legt Ananias ihm die Hände auf und erklärt, der Herr habe ihn gesandt, damit SauJus wieder sehend und mit dem heiligen Geist erfüllt werde. Darauf berichtet 9,18, daß SauJus wieder sehend wurde und sich taufen ließ. Schon dies muß man fragen, ob hier die
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An all diesen Stellen ist der Empfang des Geistes als die Begabung mit einer Kraft verstanden, die zu außergewöhnlichen Taten befähigt, wobei vor allem Glossolalie und prophetisches Reden genannt werden. An keiner der Stellen ist der Geist als dasjenige göttliche Wirken verstanden, das die Umkehr und den Glauben des Menschen allererst ermöglicht. Es sind vielmehr die bereits Glaubenden, die nun zusätzlich die Kraft des heiligen Geistes empfangen, der ein Zeichen des Eschatons ist. Dieses eschatologische Verständnis des Geistes tritt zwar bei Lukas zurück. Angesichts der Parusieverzögerung sucht er den Geist als das Charakteristikum der Kirche und als Kraft zur Mission zu zeigen 153 • Dennoch wird deutlich, daß die von ihm aufgenommene Tradition den Empfang des Geistes als eschatologisches Ereignis, als Erfüllung der Joel-Verheißung (Apg 2,16ff) verstand, als ein Phänomen der Endzeit, wie ja auch das palästinische Judentum von der Endzeit die Begabung der Gerechten mit Gottes Geist erwartete 154 • Daß der Geist die Gabe der Endzeit ist, wird vor allem bei Paulus deutlich. Er ist die »Erstlingsgabe« (a7tapxrr Röm 8,23) der kommenden Erlösung, d.h. das, was der Glaubende von der kommenden Erlösung schon jetzt empfangen darf. Es sind die Kräfte der kommenden Welt, die in den Glaubenden schon jetzt wirken. Darum ist der Geist auch das Pfand (appaßci'iv: 2Kor 1, 22; 5,5; Eph 1,14) der kommenden Erlösung: »die Wirklichkeit des gegenwärtigen Geistes bürgt für die Wirklichkeit des Kommenden« 155 • Dieses VerHandauflegung zur Heilung oder zur Geistmitteilung dient? Doch zumindest zunächst zur Heilung. Jedenfalls würde die Intention der Aussage verkannt, wollte man aus dem genannten Ablauf auf einen Brauch schließen, bei dem die der Geistmitteilung dienende Handauflegung der Taufe vorausging (Kretschmar, a.a.O. 24; Behm, a.a.O. 23). Die zeitliche Vorordnung der Handauflegung ist ja dadurch bedingt, daß SauJus zunächst wieder sehend werden muß. Nur dies kann man aus Apg 9,17f entnehmen, daß hier gleichfalls Taufe und Geistempfang zusammengehören. Eher kann man die später im Osten sich findende Vorordnung der Handauflegung vor dem Wasserritus in !Joh 5,8 finden, wenn man mit W. Nauck, Die Tradition und der Charakter des ersten Johannesbriefes (WUNT 3), Tübingen 1957, 147-182, die drei >>Zeugen« 'tO nvE'Ü!la Kat 'tO üömp Kat 'tO al11a auf Geistverleihung (= Handauflegung), Taufe und Eucharistie bezieht. Doch ist diese Deutung nicht unumstritten; vgl. R. Schnackenburg, Die Johannesbriefe (HThK XIII,3), Freiburg/Basel/Wien 4 1970, 263; K. Wengst, Der erste, zweite und dritte Brief des Johannes (ÖTK 16), Gütersloh 1978, 210. 153 Vgl. E. Schweizer, Art. 7tVE'Ü!la, ThWNT VI, 407ff; H. Conzelmann, Die Mitte der Zeit (BHTh 17), Tübingen 1954 CI964) 81.129; ders., Grundriß der Theologie des Neuen Testamentes, München 1967 CI991), 171; H. v. Baer, Der Heilige Geist in den Lukasschriften (BW ANT 3,3), Stuttgart 1926, 78ff. 154 V gl. Schweizer, a.a.O. 383f; G. Gerleman, Art. Geist 111: Geist und Geistesgaben im Judentum, RGG3 II, 1272; J.S. Vos, Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur paulinischen Pneumatologie, Assen 1973, 41ff. 155 Schweizer, a.a.O. 420.
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ständnis des Geistes als eschatologische Gabe teilt Paulus durchaus mit den Gemeinden um ihn herum und mit der Urgemeinde 156 .
Wenn der Täufling den heiligen Geist empfängt, so bedeutet das also, daß er Anteil bekommt an den Kräften der kommenden Welt. Das erwartete Heil bleibt für ihn nicht eine vage Hoffnung, sondern wird für ihn zu einer gegenwärtigen Wirklichkeit, an der er schon jetzt Anteil bekommt. Die Aussage, daß bei der Taufe der Geist empfangen werde, meint also, daß der Glaubende hier wirklich empfängt, was er anderswo nur erhofft. Von diesem Verständnis des Geistes her ist auch jener Spruch zu verstehen, der die christliche Taufe von der Johannestaufe darin unterschieden sieht, daß Johannes nur mit Wasser taufte, die Christen aber mit heiligem Geist getauft werden sollen (Apg 1,5; 11, 16; Mk 1,8). Verhieß die Johannestaufe Rettung im kommenden Gericht, so besagte das, daß die in der Taufe zugesagte Vergebung der Sünden im kommenden Gericht ratifiziert werden sollte. Wird nun demgegenüber von der christlichen Taufe gesagt, daß sie den Geist verleihe - der die Gabe des Eschatons, das Pfand der kommenden Erlösung ist -, so meint das, daß hier die kommende Erlösung wirklich verbürgt ist, die Zusage der Vergebung nicht mehr unbestimmte Hoffnung bleibt, sondern wirklich Gültigkeit hat. Betont die christliche Gemeinde, daß bei ihrer Taufe der Geist gegeben werde, so meint sie damit nicht, daß ihre Taufe noch etwas anderes gebe als die Johannestaufe, auch nicht, daß sie den Geist Gottes kultisch manipulieren und über ihn verfügen könne, sondern daß die von der Johannestaufe verheißene Vergebung der Sünden hier wirklich gilt und Gegenwart ist. Doch ist zunächst zu zeigen, daß diese Verbindung von Taufe und Geistempfang sich nicht auf die Apostelgeschichte beschränkt, sondern auch außerhalb der Apostelgeschichte verbreitet ist. Ganz eindeutig ist der Zusammenhang von Taufe und Geistempfang in 1Kor 12,13 vorausgesetzt: »Denn durch einen Geist wurden wir alle zu einem Leib getauft ... « Der Satz will die in ihrer Einheit bedrohte korinthische Gemeinde an ihre Taufe erinnern, bei der sie alle ein und denselben Geist empfingen 157 und so in die 156 Vgl. Schweizer, a.a.O. 420; Bultmann, Theologie 43f.l57 .336; Conzelmann, Theologie 54; E. Käsemann, Art. Geist IV: Geist und Geistesgaben im NT, RGG 3 II, 1273. 157 Man hat zwar verschiedentlich gefragt, ob der Geist hier als Mittel oder als Gabe verstanden sei (Dinkler, Taufaussagen 88). Aber diese Frage reißt auseinander, was nicht zu trennen ist. Zweifellos ist ev ev\. 1tVeUf!U'tt nicht nur modal, sondern instrumental zu verstehen (vgl. A. Schlaffer, Paulus, der Bote Jesu. Eine Deutung seiner Briefe an die Korinther, Stuttgart 4 1969, 345; Schweizer, ThWNT
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eine Gemeinde, in den einen Leib eingegliedert wurden. Spezifisch paulinisch ist dabei nur, wenn von der Gemeinde als dem »Leib« gesprochen wird, was hier wohl nicht nur bildhafter Vergleich ist (vgl. 12,27 und 10,17); alles andere entspricht traditionellen Vorstellungen. Nur durch die Erinnerung an das, was unter Christen allgemein bekannt und anerkannt ist, nämlich daß in der Taufe alle ein und denselben Geist empfangen und so in die Kirche eingegliedert werden, kann dieses Argument überhaupt überzeugen. Paulus spricht hier aus, was fraglos alle Christen wissen und zugeben. Die gleiche Verbindung zeigt wahrscheinlich 2Kor 1,22, wo es heißt, daß Gott uns »gesalbt« und »versiegelt« und uns das Pfand des Geistes gegeben hat. Da in nachpaulinischer Zeit »Siegel« als eine stehende Bezeichnung für die Taufe begegnet 158 , ist es zumindest möglich, wenn nicht gar wahrscheinlich, daß auch in 2Kor 1,22 an die Taufe zu denken ist, wenn es da heißt, daß wir »versiegelt« wurden und das Pfand des Geistes erhielten 159 . Sicher an die Taufe zu denken ist, wenn Tit 3,5 von dem »Bad der Wiedergeburt« spricht, durch das Gott uns gerettet hat. Und wenn dann weiter hinzugefügt wird: »und der Erneuerung durch den heiligen Geist« (Kat avaKatVOOO'Effil:; 1tVEUjla'tOI:; ayiou), dann ist der Geist offensichtlich als die Macht verstanden, die solche Erneuerung und Wiedergeburt bewirkt 160 • Ein ähnliches Verständnis des Geistes liegt Joh 3,5 vor, wo Nikodemus auf seine verwunderte Frage, wie jemand denn von neuem geboren werden könne, wenn er alt ist, die Antwort erhält: »Amen, Amen, ich sage dir, wenn einer nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen.« Man hat zwar verschiedentlich gefragt, ob nicht die Worte »Wasser und« üoaToc; Kat erst ein späterer Zusatz sein möchten, der dann die ursprüngVI, 424): Der Geist gliedert in den Leib Christi ein. Geschieht diese Eingliederung in den Leib Christi aber bei der Taufe, so ist der Geist zugleich Gabe der Taufe. Fraglich ist, ob sich auch in 12, 13c die Worte Kat nav'tE~ nvEi:illa tnoticr911!1EV auf die Taufe beziehen sollen (so Lietzmann und J. Weij3, z.St.) oder auf das Abendmahl (E. Käsemann, Anliegen und Eigenart der paulinischen Abendmahlslehre, EvTh 7 [1947/48] 263-283 = Exegetische Versuche und Resinnungen I; Göttingen 2 1960, 11-34, dort 15; Schlatter, a.a.O. 346; L. Goppelt, Art. no1:i~oo, ThWNT VI, 160). So oder so ist in 13c an die Gabe des Geistes gedacht. 158 Vgl. Herrn sim IX,16,3f; VIII,2,2; 6,3; 2Clem 8,6; ActPaul 25; ActThom 120; Tertullian, de paenit. 6,14f; siehe zudem unten im folgenden Kapitel. 159 Vgl. dazu Dink/er, Taufterminologie 183ff und Haufe, a.a.O. 562; anders G. Fitzer, Art. (J(jlpayi~, ThWNT VII, 952f. 160 V gl. dazu G. Ho/tz, Die Pastoralbriefe (ThHK XIII), Berlin 1965, 233f; V. Hasler, Die Briefe an Timotheus und Titus (ZBK 12), Zürich 1978, 96; F. Büchse/, Art. naA.tyyEvEcria, ThWNT I, 688; Käsemann, RGG 3 II, 1273 sowie die Ausführungen unten in Kap. 4,4.
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liehe Rede von der Geburt aus dem Geist auf die Taufe bezog 161 ; aber die handschriftliche Überlieferung gibt dazu jedenfalls keinen Anlaß 162 . Zumindest in der durch den Redaktor des Johannesevangeliums geschaffenen Endfassung standen die Worte »durch Wasser und Geist«. Dadurch aber wird die aus dem Geist bewirkte neue Geburt an die Taufe gebunden; der Mensch erfährt sie konkret in der Taufe 163 . Der Überblick zeigt, daß für die Frühchristenheit durchgehend Taufe und Geist zusammengehören. Das ist zumeist so verstanden, daß bei der Taufe der Geist empfangen wurde (Apg 2,38; 19,1-6). Zwar ist der Geist frei; er kann der Taufe ebenso vorausgehen (Apg 10,44ff) wie nachfolgen (Apg 8,14ff), und nirgends ist es die Meinung, daß der Empfang des Geistes durch die Taufhandlung etwa erzwungen werden könne. Aber normalerweise gehören Taufe und Geistempfang zusammen. Christliches Leben gilt als durch den Geist bestimmt, und da der Beginn christlicher Existenz normalerweise mit der Taufe zusammenfällt, so werden auch Taufe und Geistempfang zusammengesehen 164 . 161 Vgl. Bultmann, Johannesevangelium z.St.; dort weitere Literaturverweise. 162 Vgl. Schnackenburg, Johannesevangelium 383; C.K. Barrett, Das Evangelium nach Johannes, Göttingen 1990, 230. 163 Die Zusammengehörigkeit von Taufe und Geist ist auch vorausgesetzt, wenn in Barn 11,9-11 die Getauften als >>Gefäß des Geistes« bezeichnet werden. Herrn sim IX,l3 legt in breiter Allegorese dar, daß es Bedingung zur Erlangung des Heils ist, von den zwölf Jungfrauen bekleidet zu werden, die als >>heilige Geister« und >>Kräfte des Sohnes Gottes« gedeutet werden. Wer nur den Namen des Sohnes Gottes trägt, seine Kraft aber nicht hat, gewinnt nicht das Heil. Ohne Bild gesprochen: Taufe ohne Geistempfang nützt nichts. Wieder wird deutlich, daß Taufe und Geist zusammengehören, zugleich aber auch, daß der Vollzug der Taufhandlung nicht per se den Empfang des Geistes garantiert. Schließlich ist auf !Kor 6,11 zu verweisen, wo das >>ihr wurdet abgewaschen« zweifellos an die Taufe denkt. Diese Abwaschung wird dann erläutert einmal mit der Wendung >>im Namen des Herrn Jesus Christus«, zum anderen mit >>und durch den Geist unseres Gottes<<. Dabei ist mit dem >>Namen des Herrn Jesus Christus<< die objektive, mit dem >>Geist<< die subjektive Ursache unserer Abwaschung und Rechtfertigung genannt (vgl. Schweizer, ThWNT VI, 424). Verbunden sind Taufe und Geistempfang auch EvPhil 59; vgl. dazu H.G. Gaffron, Studien zum koptischen Philippusevangelium unter besonderer Berücksichtigung der Sakramente, Diss. Bonn 1969, 128ff. 164 Haufe, a.a.O. 561-566 betont, daß die Verbindung von Taufe und Geist nicht einheitlich sei. Er unterscheidet: a) Geist als Bestätigung der Heilwirkung der Taufe, b) Geist als Ursache der Heilswirkung der Taufe, c) Geist als Taufgabe, d) Geist als Bestandteil der triadischen Taufformel und e) Geist als Teilhabe an dem durch die Taufe vermittelten Auferstehungsleben. Doch ist diese Differenzierung m.E. überzogen. Die unter a), c) und e) genannten Zuordnungen fallen zusammen. Wo der Geist als Gabe der Taufe empfangen wird, kann er sowohl als Bestätigung der Heilswirkung wie als Teilhabe am Auferstehungsleben (bei den korinthischen Enthusiasten) verstanden werden. Wichtiger ist die Unterscheidung zwi-
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Doch ist noch mehr gemeint. Denn die Gabe des Geistes ist ein Zeichen des Kommenden, Pfand und Bürge der kommenden Erlösung. Durch den Geist ist die noch ausstehende Vollendung doch an einer Stelle schon gegenwärtige Realität geworden, aus der Ungewißheit zager Hoffnung zur gewißmachenden Erfahrung geworden. Wenn die junge Gemeinde daher gegenüber der Johannestaufe betont, daß die Taufe auf den Namen Christi den Geist bringe, so will sie damit sagen, daß hier wirklich empfangen wird, was anderswo vage Hoffnung blieb. Es soll die volle Gültigkeit der im Evangelium verkündeten Heilsgabe dadurch bezeugt werden. Erst auf einer weiteren Reflexionsstufe wird der Geist als dasjenige gegenwärtige Wirken Gottes verstanden, durch das in einem Menschen Erkenntnis Gottes, Glauben und christliche Existenz überhaupt erst möglich werden. Schon bei Paulus zeigt sich dieses Verständnis des Geistes 165 , und entsprechend wird der Geist nun nicht mehr nur als Gabe der Taufe verstanden, sondern zugleich als die göttliche Kraft, die die in der Taufe zugesagte Rechtfertigung und Erneuerung des Menschen begründet und bewirkt (lKor 6,11; 12, 13; vgl. Tit 3,5; Joh 3,5). Aber auch hier ist die Intention der Aussage ganz allein darauf gerichtet, die Größe der Heilsgabe zu unterstreichen. Der Gedanke, daß der Mensch etwa durch die Ausübung der Taufhandlung über Gott verfügen zu wollen versucht sein könnte, taucht an keiner dieser Stellen auf. Wohl kennt bereits Paulus die Gefahr, daß Christen dazu neigen, Taufe und Herrenmahl als eine Garantie des Heils zu verstehen. Wir werden darauf im nächsten Kapitel ausführlicher einzugehen haben. Doch kann soviel schon hier vorweggenommen werden: So gewiß Paulus dieser Versuchung entschieden entgegentritt, denkt er doch nicht daran, der Taufe die Gabe des Geistes abzusprechen und ihre Bedeutung auf eine rein menschliche Bekenntnishandlung zu reduzieren. Die Taufe bleibt für ihn die Zueignung des an den Namen Christi gebundenen Heilsgeschehens, mit dem die Gabe des Geistes verbunden ist, der dieses Heilshandeln Gottes erst recht erkennen und erfassen läßt. sehen Geist als Gabe der Taufe und als Mittel oder Ursache der Heilswirkung, eine Unterscheidung, die weniger historisch als theologisch zu erklären ist, weil sie aus einem theologisch entwickelteren Geistverständnis resultiert. 165 165 Vgl. Schweizer, ThWNT VI, 422ff, Bultmann, Theologie 335ff. Bei Paulus fehlt zwar verbaliter die Aussage, daß der Geist den Glauben schenkt, was Bultmann (a.a.O. 331) besonders betont. Aber der Geist ist für Paulus nicht nur die Macht, die das Leben der Glaubenden begründet (Röm 8,9. 13f; lKor 12,3; Ga! 5,5.16.25), sondern die auch die Erkenntnis der in Christus geschehenen Heilstat erst ermöglicht (!Kor 2,10-16). J.S. Vos, a.a.O. 144f sucht zu zeigen, daß Paulus auch hier einen breiten Traditionsstrom aufgreift und weiterführt.
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G. Kretschmar meint, daß ein Christ des 3. Jahrhunderts, wenn man ihn nach der zentralen gottesdienstlichen Handlung der Kirche gefragt hätte, nicht vom sonntäglichen Herrenmahl, sondern von der Taufe gesprochen hätte 166 . Nun darf man gewiß nicht einfach die Verhältnisse des 3. Jahrhunderts in das 1. Jahrhundert zurücktragen. Gleichwohl ist doch auch für die apostolische und die nachapostolische Zeit zu beachten, daß die Taufe für das Leben der Christen eine weit größere Bedeutung hatte, als das einem heutigen Christen im Blick auf die Rolle der Taufe in der Volkskirche in den Sinn käme, weit mehr auch, als das ja nicht allzu häufige Vorkommen des Verbs »taufen« oder des Substantivs »Taufe« erkennen läßt. Die Frühchristenheit kennt eine ganze Reihe von Chiffren und Umschreibungen für die Taufe, die dem heutigen Leser auf den ersten Blick undeutlich oder unverständlich, dem damaligen Leser aber völlig geläufig und eindeutig waren. Gerade an diesen Umschreibungen kann man die hohe Bedeutung der Taufe für die Frühchristenheit erkennen; denn je bedeutsamer ein Sachverhalt für eine soziologische Gruppe ist, um so mehr zieht dieser Sachverhalt weitere Benennungen und Umschreibungen an, wobei die neuen Benennungen nicht selten auch neue Interpretationen mit sich bringen. Man kann sich diesen Sachverhalt auf einer anderen Ebene an der Vielzahl christologischer Titel klarmachen, mit denen die Frühchristenheit die Bedeutsarnkeit Jesu auszudrücken suchte. Entsprechend stoßen wir auch bei der Taufe auf verschiedene Bezeichnungen und Umschreibungen. So wird die Taufe verschiedentlich als »Bad« (A.ompov Eph 5,26; Tit 3,5; Justin, ApoI. 1,61 ,3; 66, 1; ActThom 25) bezeichnet. Der Vorgang des Taufens wird mit »abgewaschen werden« (chroA.ouoJ.Lat 1Kor 6,11; Apg 22,16) umschrieben, und die Getauften sind die M:A.oucrJ.LEVOt (Hebr 10,22). »Ins Wasser hinabsteigen« erscheint in Barn 11,8.11; Herrn mand IV,3,1; sim IX,16,4 als eine stehende Umschreibung der Taufe, die abgekürzt auch einfach to üömp 166
Kretschmar, a.a.O. 5.
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genannt werden kann (Herrn sim IX, 16,4; vis 111,3,5; Justin, Dial. 138,2; vgl. auch Joh 3,5). Sicher ist an die Taufe gedacht, wenn 2Petr 1,9 von einem solchen blinden und kurzsichtigen Christen spricht, der den Ka8aptcrllo~ 'tffiv miA.at a\rcoü O!lapnffiv vergessen hat 167 • In Joh 2,20. 27 ist es freilich nicht sicher, ob bei dem xp'icr11a, das die Leser empfangen haben, an die Taufe zu denken ist oder nicht 168 . Bei Justin erfahren wir, daß die Taufe »Erleuchtung« (<j>roncr116~) genannt wurde (Apol. I,61,12; vgl. auch 65,1; Dial. 122,5), eine Bezeichnung, die im Neuen Testament für die Taufe noch nicht begegnet 169 •
Da das Aufkommen und Sichdurchsetzen neuer Bezeichnungen und Umschreibungen für die Taufe oft Hand in Hand geht mit einem besonderen Verständnis der Taufe, müssen wir uns zwei Begriffen besonders zuwenden, einmal der Bezeichnung der Taufe als »Siegel« und zum anderen als »Wiedergeburt«. Weiter ist zu beachten, daß neue Interpretationen keineswegs nur an neue Benennungen gebunden sind. Sie können sich auch ebenso an alte Begriffe anschließen, diese aber in einer neuen Umwelt neu und anders interpretieren. Bezeichnend ist hier, wie die enthusiasti~ sehen Pneumatiker in Korinth die Taufe und das Herrenmahl verstehen, und auf welche Weise Paulus auf deren Sakramentsverständnis antwortet. 4.1 Taufe als Übereignung und Siegel Heitmüller und Bietenhard hatten seinerzeit die Taufe als Übereignung des Täuflings an seinen Herrn Jesus Christus verstanden und 167 Vgl. K.H. Schelkle, Die Petrusbriefe, der Judasbrief (HThKXIII,2), Freiburg/Basel/Wien 3 1970, 191; W. Grundmann, Der Brief des Judas und der zweite Brief des Petrus (ThHK XV) Berlin 1974, 74; H. Windisch I H. Preisker, Die katholischen Briefe, Tübingen 3 1951, 87. 168 Sicher ist, daß mit dem xp'icrjla, das die Leser empfangen haben, der Geist gemeint ist, der ja nach allgemein christlicher Vorstellung bei der Taufe empfangen wurde. Fraglich aber ist, weshalb dafür der ungewöhnliche Ausdruck xp'icrlla (= Salböl oder Salbung) gebraucht ist. Ist damit nur eine allgemeine bildhafte Umschreibung des Geistes gebraucht (so Wengst, z.St.; W. Grundmann, Art. xpiro KtA.., ThWNT IX, 568), oder ist dieser Ausdruck im Blick auf ein Concretum gewählt, also im Blick auf die Taufe (so R. Bultmann, Die drei Johannesbriefe [KEK XIV], Göttingen 1967, 42; Schnackenburg, Johannesbriefe 153) oder gar im Blick auf eine zur Taufe gehörende Ölsalbung (so Nauck, a.a.O. 94f.147ff)? Dinkler, Taufterminologie 180ff sieht auch in dem xpicra~ il!lti~ 2Kor 1,21 einen Ausdruck für die Taufe. 169 Vgl. H. Conzelmann, Art. lj>cö~ KtA.., ThWNT IX, 349. Doch beschränkt sich die Bezeichnung der Taufe als >>Erleuchtung« keineswegs auf Justin und seinen Umkreis. Wie sich aus Clemens, Paedag. I,26.30 ergibt, handelt es sich um eine im 2. Jahrhundert verbreitete Bezeichnung.
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dieses Taufverständnis an der Taufformel »taufen auf den Namen ... « festgemacht. Die Forschung danach hatte zwar gezeigt, daß sich der Übereignungsgedanke nicht aus der Wendung »taufen auf den Namen ... « entnehmen läßt, diese Formel vielmehr das Taufgeschehen in Beziehung zu dem Heilsgeschehen setzt, das an den Namen Jesu gebunden ist. Gleichwohl hatten jene Forscher doch nicht so ganz unrecht, wenn sie die Taufe als Übereignung verstanden. Denn in der Tat findet sich eine Reihe von Stellen, an denen die Taufe so verstanden ist, daß in ihr der Täufling Jesus Christus als seinem neuen Herrn übereignet wird, sich seiner Herrschaft unterstellt und fortan als Eigentum Jesu Christi unter seinem Schutz und in seinem Dienst steht. Nur ist dieser Übereignungsgedanke nicht aus der Taufformel zu entnehmen, sondern eine sekundäre Interpretation, die die Taufe schon sehr früh an sich gezogen hat. Schon in lKor 1,12ff begegnet dieser Übereignungsgedanke bei der Taufe. Wenn die in Parteien sich spaltenden Korinther sagen »ich gehöre zu Paulus, ich zu Apollos, ich zu Kephas« (1,12) und Paulus dem entgegnet, daß ja nicht Paulus für sie gekreuzigt wurde und sie nicht »auf den Namen des Paulus« getauft wurden, so heißt das doch, daß der Kreuzestod als Heilsgeschehen ebenso wie die Taufe als dessen Zueignung eine Zugehörigkeit begründen. Wären sie auf den Namen des Paulus getauft worden, so könnten sie mit Recht behaupten, zu Paulus zu gehören. Da sie aber auf den Namen Christi getauft wurden, gehören sie nur und ausschließlich Christus. Ihre ganze Freiheit, die sie als Christen haben, gründet in dieser Bindung: »Alles ist euer, es sei Paulus oder Apollos oder Kephas oder die Welt, es sei Leben oder Tod, Gegenwärtiges oder Zukünftiges: Alles ist euer, ihr aber gehört Christus ... « (lKor 3,22f). Daß die Taufe für Paulus die Zugehörigkeit zu Christus begründet, zeigt auch Gal 3,27. Im Zuge seiner Darlegung, daß die das Heil bringende Abrahamskindschaft für die Heidenchristen nicht durch Gesetz und Beschneidung, sondern durch den Glauben gewonnen wird, verweist Paulus in 3,27 auf die Taufe: » ... denn alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.« Daraus wird zunächst entnommen, daß hier »in Christus« die Unterschiede zwischen Juden und Griechen usw. aufgehoben sind (3,28), und dann die Schlußfolgerung gezogen: » ... wenn ihr aber Christus gehört, dann seid ihr auch Nachkommen Abrahams und Erben entsprechend der Verheißung« (3,29). Einzelheiten dieses hochinteressanten Textes können wir hier beiseite lassen, da wir uns ihm ohnehin noch weiter zuwenden müssen. Es genügt hier zu beachten, daß sich für Paulus die Aussage »ihr gehört Christus« (3,29) aus der Taufe (3,27) ergibt.
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Zum Verständnis dieses Gedankens, daß der Täufling Jesus Christus als seinem neuen Herrn übereignet wird, dessen Eigentum er fortan ist, muß man sich vor Augen halten, daß das dem Glaubenden gewährte Heilsgut im Neuen Testament ja weithin als Herrschaftswechsel verstanden ist. Der gekreuzigte Jesus von Nazareth wurde durch die Auferstehung zum Herrn über alle Mächte und Gewalten erhöht (Mt 28,18; Phil 2,9f; Hebr 1,3f; 1Petr 3,22), die ihm daher schon jetzt unterworfen sind (Eph 1,2lf; Kol 2,10) oder doch in Kürze unterworfen sein werden (lKor 15,24). Wie die himmlischen, irdischen und unterirdischen Mächte huldigend vor ihm die Knie beugen und ihn als ihren Herrn anerkennen müssen (Phil 2,10f), so bekennt auch die Gemeinde in ihren Gottesdiensten das »Herr ist Jesus« (Kupto~ 'I11crou~ Röm 10,9; 1Kor 12,3) und unterstellt sich mit diesem Akklamationsruf dem, dem alle Mächte unterworfen sind 170 . Entsprechend ist auch das Heilsgut als Herrschaftswechsel verstanden. Die Gemeinde preist Gott, »der uns erlöst hat von der Renschaft der Finsternis und versetzt hat in das Reich seines geliebten Sohnes« (Kol 1,13). Die Christen waren einst tot unter den Mächten dieser Welt (Eph 2,lff), sie waren einst in der Finsternis, sind nun aber von Gott zum Licht berufen und zum Volk seines Eigentums gemacht worden (1Petr 2,9f). Die Glaubenden sind ja der Herrschaft der Sünde (Röm 6,6ff), des Todes (Röm 5,14), der »Vergänglichkeit« (<j>Sopci Röm 8,21; 2Petr 2,19), der Finsternis (Eph 5,8), der »Weltelemente« (Gal 4,3.9) und der »Götter, die in Wirklichkeit keine sind« (<j>ucrEt llft ÖV'tE~ 8t::oi Gal 4,8), entnommen und nun zur Freiheit berufen (Gal 5, 1.13). Diese Freiheit gibt es für sie aber nur in der Unterstellung unter ihren neuen Herrn, im Dienst für Christus (Röm 6,12ff, vgl. auch Mt 12,43ff). Darum sind sie nun »Knechte Christi« (oouA.ot Xptcrwu 1Kor 7,22; Eph 6,6) bzw. »Knechte Gottes« (oouA.ot 8t::ou 1Petr 2,16; 2Clem 20,1; Herrn mand V,2,1; VI,2,4; VIII,10). Bezeichnend ist, daß von dieser Heilserfahrung mit den Bildern und in der Terminologie des Sklavenloskaufs gesprochen wird: »Ihr wurdet teuer erkauft; werdet nicht wieder Sklaven der Menschen«(lKor 7,23)l7l. Waren sie einst Sklaven der Mächte, der 170 Zur Akklamation >>Kyrios Jesus« vgl. H. Conzelmann, Was glaubte die frühe Christenheit 112; Kramer, a.a.O. 62; Wengst, Christologische Formeln 132. 171 Vgl. ferner !Kor 6,20; lPetr 1,18; 2Petr 2,1; Offb 5,9; 14,3f. Zum Loskaufgedanken vgl. W. Eiert, Redemptio ab hostibus, ThLZ 72 (1947) 265-270; E. Pax, Der Loskauf. Zur Geschichte eines neutestamentlichen Begriffes, Antonianum 37 ( 1962) 239-278; G. Barth, Der Tod Jesu Christi im Verständnis des Neuen Testaments, Neukirchen-Vluyn 1992, 71ff.
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Sünde und des Todes, so sind sie nun von dieser Sklaverei frei geworden und gehören dem Herrn, der sie durch seinen eigenen Tod losgekauft und sich zum Eigentum erworben hat (Tit 2,14). Schon Israel verstand sich ja als das Volk, das Jahwe zu seinem Eigentum erwählt hat (Ex 19,5; Dtn 7,6; Ps 135,4), dessen Heil und Zukunft darin besteht, dem Herrn zu gehören 172 ; und die junge Christenheit hat diese ekklesiologischen Ehrentitel Israels bewußt aufgegriffen und sich selbst nun als das Volk verstanden, das Gott sich durch Christus zum Eigentum erworben hat (Tit 2,14; 1Petr 2,9; Eph 1,14). Diese Wende aber, in der ein Mensch von der Herrschaft der Sünde und des Todes befreit und unter die Herrschaft Christi versetzt wird, manifestiert sich im Leben des einzelnen konkret in der Taufe, durch die er in das eschatologische Heilsvolk aufgenommen wird. In der Taufe wird das befreiende Werk Christi dem Glaubenden zugesprochen, und dieser erkennt Christus als seinen Herrn an. Es konnte daher gar nicht ausbleiben, daß die Taufe nun auch als eine Übereignung des Täuflings an Christus als seinen Herrn verstanden wurde. So bedeutet für Justin die Taufe, daß »wir nicht Kinder des Verhängnisses (der avciyKTJ) und der Unwissenheit bleiben, sondern Kinder der freien Wahl und der Einsicht ... werden« (Apo I. I,61, 10). Die avciyKTJ bezeichnet dabei jene Schicksalsmächte, denen der Mensch mit »Notwendigkeit« versklavt ist. Von ihrer Herrschaft wird er befreit und gehört einem neuen Herrn. Nun wurde schon im Alten Testament die Ausrufung des Namens über einer Person oder einer Sache als ein Rechtsakt verstanden, durch den diese zum Eigentum dessen erklärt wurde, der seinen Namen über ihr ausrufen ließ 173 . Durch die Taufformel »auf den Namen Christi«, die die Taufe auf das Heilsgeschehen bezieht, wird aber der Name Christi über dem Täufling ausgerufen. Es kann daher nicht verwundern, daß dies nun auch als ein Rechtsakt verstanden werden konnte, durch den das Eigentums- und Herrschaftsrecht Christi über dem Täufling ausgerufen und also der Täufling Christus übereignet wurde - obwohl dies nicht der ursprüngliche Sinn der Taufformel war. Die Getauften »tragen« deshalb den Namen des Gottessohnes (Herrn sim IX,16,3), sie sind die, über denen der »gute Name ausgerufen« wurde (Jak 2,7; Herrn sim VIII,6,4), 172 Vgl. Jes 44,5: >>Da wird der eine sprechen: >ich bin des Herrn< ... und wieder einer schreibt auf seine Hand: >dem Herrn eigen< ... << 173 Vgl. K. Galling, Die Ausrufung des Namens als Rechtsakt in Israel, ThLZ 81 (1956) 65-70; Bietenhard, a.a.O. 252: >>Wer einen Namen über eine eroberte Stadt (2Sam 12,28) oder über Länder (Ps 49,12) ausruft, macht sein Eigentumsrecht über sie geltend<<.
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wodurch sie zum Gehorsam gegenüber ihrem Herrn und einem entsprechenden Wandel verpflichtet wurden 174 . Es braucht daher nicht zu verwundern, daß die Taufe schon bald als das »Siegel« bezeichnet wurde. Denn das Siegel gilt seit alters als das Eigentumszeichen, durch das der Siegelbesitzer etwas als sein Eigentum markiert und damit zugleich unter seinen Schutz stellt 175 . Bei Hermas (sim IX,l6,3) heißt es: »So empfingen auch diese, die entschlafen waren, das Siegel des Gottessohnes und gingen in das Reich Gottes hinein. Denn bevor ein Mensch den Namen des Gottessohnes trägt, ist er tot; wenn er aber das Siegel erhält, dann legt er das Totsein ab und empfängt das Leben. Das Siegel nun ist das Wasser; in das Wasser steigen sie tot hinab und lebend herauf. Auch jenen wurde nun dieses Siegel gepredigt, und sie haben es angenommen, um in das Reich Gottes zu gelangen.« Daß mit dem Siegel die Taufe gemeint ist, wird hier ausdrücklich ausgesprochen. Daher ist auch an den anderen Stellen, wo Hermas von dem »Siegel« spricht, an die Taufe zu denken (sim VIII,2,2; 6,3; IX,l6,5.7; 17,4). In den Acta Pauli et Theclae 25 bittet Thecla: »Gib mir das Siegel in Christo ... «, und Paulus antwortet ihr: »Thecla, habe Geduld, und du wirst das Wasser empfangen.« Der 2. Clemensbrief ermahnt dazu, das »Siegel zu bewähren« (7,5) bzw. »rein zu bewahren« (8,6); daß wiederum die Taufe damit gemeint ist, geht schon daraus hervor, daß parallel dazu ermahnt wird, »die Taufe rein zu bewahren« (6,9) 176 • Der gleiche Sprachgebrauch findet sich auch in den Thomasakten, wenn dort (ActThom 120) Mygdonia um das »Siegel Jesu Christi« bittet und daraufhin die Taufe empfängt, die mit Ölsalbung und Eucharistie verbunden ist 177 • Ebenso ist wohl im Martyrium des heiligen Apostels Paulus 5 und 7 178 mit dem »Siegel« die Taufe gemeint. 17 4 Daß die Nennung des Namens Christi den Täufling zum Dienst Christi und zum Gehorsam verpflichtet, zeigt deutlich Herrn sim VIII,6,4: Vom Glauben abzuc fallen und den Herrn mit Sünden zu lästern ist gleichbedeutend mit dem SichSchämen des Namens des Herrn, der über einem ausgerufen wurde. Zu Jak 2,7 vgl. F. Mußner, Die Tauflehre des Jakobusbriefes, in: Zeichen des Glaubens. Studien zu Taufe und Firmung (FS Balthasar Fischer), Einsiedeln I Freiburg/Basel/Wien 1972, 61-67. 17 5 Vgl. dazu F. Dölger, Sphragis (Studien zu Kultur und Geschichte des Altertums 5,3.4) Paderborn 1911 (= New York I London 1967); W. Heitmüller, :EPArn:, in: Neutestamentliche Studien für G. Heinrici, Leipzig 1914, 40-59; G. Fitzer, Art. mppayi~, ThWNT VII, 939-954; Dink/er, Taufterminologie 184f. 176 So mit Recht Dink/er, Taufterminologie 184 gegen Fitzer, a.a.O. 952. 177 In ActThom 25ff liegt freilich ein komplizierterer Sprachgebrauch vor. Nachdem der Apostel Christus im Gebet um die Taufe des Königs gebeten hat, bittet König Gundafor um das Siegel, das einmal auch >>Siegel des Wortes« genannt wird, und erklärt: >>Denn wir haben dich sagen hören, daß der Gott, den du predigst, seine Schafe an seinem Siegel erkenne.« Der Apostel erteilt ihm das Siegel, das offensichtlich die mit Ölsalbung und Eucharistie verbundene Taufe ist. Danach wird aber in 27 von einer zusätzlichen Versiegelung des Siegels (etttcr<)lpaytcrlla 'tfi~ cr<)lpayioo~) gesprochen, die durch eine Ölsalbung empfangen wird. Mit der Taufe scheint hier eine doppelte Ölsalbung, einmal vor und einmal
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Da sich so in nachapostolischer Zeit »Siegel« als eine gängige Bezeichnung der Taufe erweist, muß man fragen, ob nicht auch in 2Kor 1,22 an die Taufe zu denken ist, wenn es dort heißt, daß Gott uns auf Christus hin befestigt und gesalbt hat und uns »versiegelt und das Pfand des Geistes in unsere Herzen gegeben hat«. Die Einmaligkeit des Vorgangs, die nicht nur dem Bild vom Versiegeln selbst inhärent ist, sondern auch durch den Aorist betont wird, läßt in der Tat an die Taufe denken. Dazu kommt, daß auch die Gabe des Geistes nach allgemein-christlicher Vorstellung mit der Taufe verbunden ist 179 . Beachtet man die Zusammengehörigkeit von Taufe und Geistempfang, dann wird man auch in Eph 1,13 und 4,30 an die Taufe denken dürfen, wenn es dort heißt, daß die Leser durch den heiligen Geist »versiegelt« wurden 180 . Diese Beobachtungen zeigen nicht nur, daß der frühchristliche Leser an einer Reihe von Stellen an die Taufe dachte, über die der heutige Leser leicht hinwegsieht, sie machen auch deutlich, daß die Taufe weitere Interpretationen und Ausdeutungen an sich zog. Das kann nicht verwundern, wenn das zutrifft, was oben über Sinn und Bedeutung der Taufformel festgestellt wurde. Denn wenn durch die Taufformel die Taufhandlung in Beziehung zu dem an den Namen Christi gebundenen Heilsgeschehen gesetzt und damit die Taufe zu einem Mittel gemacht wurde, um dem Glaubenden das zuzusprechen und zuzueignen, was Jesu Tod und Auferstenach der Taufhandlung, verbunden zu sein. Gleichwohl wird der ganze Ritus als >>Siegel<< bezeichnet. 178 Text in Acta apostolorum apokrypha I (ed. R.A. Lipsius), Braunschweig 2 1891 (= Darmstadt 1972); E. Rennecke I W. Schneemelcher, Neutestamentliche Apokryphen II, Tübingen 3 1964, 265ff. 179 So wird 2Kor 1,22 von Dinkler, Tauftenninologie 183ff auf die Taufe bezogen, ebenso von Nauck, a.a.O. 95; Grundmann, ThWNT IX, 549; Bultmann, Theologie 141; H. Windisch, Der zweite Korintherbrief (KEK VI), Göttingen, 9 1924 (Nachdruck, hg. v. G. Strecker, 1970), 73. Dagegen bestreitet Fitzer, a.a.O. 950 hier wie in Eph 1,13; 4,30 den Bezug auf die Taufe. Ob man freilich bei der Ausdeutung von 2Kor 1,22 so weit gehen darf wie Dinkler, der hier einen zweiteiligen Taufritus mit Übergießen des Täuflings (= xpicrw;) und Stirnsignierung (cr<j>paytcrc.iJ.LEVO~) finden möchte, ist doch sehr fraglich. Die drei Partizipien xpicra~, cr<j>paytcrc.iJ.LEVO~ und öou~ sollen doch wohl den gleichen Vorgang umschreiben. Zur Kritik vgl. Kretschmar, a.a.O. 26 Anm. 32. 180 Fraglich ist, ob auch an die Taufe zu denken ist, wenn in Offb 7,3.4.5.8 von der Versiegelung der Knechte Gottes geredet ist und in 9,4 von denen, die das Siegel Gottes an der Stirn tragen. Während Dinkler, a.a.O. 186 und H. Kraft, Die Offenbarung des Johannes (HNT 16a), Tübingen 1974, 126 an die Taufe denken, wird ein solcher Bezug von Fitzer, a.a.O. 951 und W. Bousset, Die Offenbarung Johannis (KEK XVI) Göttingen 1906 (= 1966), 281 bestritten. Da das Siegel in 7,2ff von einem Engel und unmittelbar vor den eschatologischen Strafgerichten gegeben wird, scheint mir hier nicht an die Taufe gedacht zu sein.
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hung für ihn bedeuten, dann konnte es nicht ausbleiben, daß auch die verschiedenen Interpretamente, mit denen die Gemeinde die Bedeutung dieses Heilsgeschehens zu erfassen suchte, mit der Taufe verbunden wurden. Im Verständnis der Taufe spiegelt sich so das Verständnis des Heilsgeschehens überhaupt - eine Beobachtung, die sich durch die ganze Kirchen- und Theologiegeschichte verfolgen läßt. 4.2 Sakramentalistisches Taufverständnis in hellenistischen Gemeinden
Es ist ein bleibendes Verdienst der Arbeit R. Bultmanns, auf Wesen und Eigenart der hellenistischen Gemeinden vor und neben Paulus hingewiesen, ihre Verkündigung von der palästinischen Urgemeinde einerseits und der Theologie des Paulus andererseits unterschieden und als ein notwendiges und entscheidendes Glied in der Kette frühchristlicher Verkündigung und Theologie verstehen gelehrt zu haben. Die nachfolgende Forschung ist auf diesem Weg konsequent weitergegangen und hat stärker noch als Bultmann innerhalb der hellenistischen Gemeinden unterschieden zwischen hellenistischem Judenchristentum und Heidenchristentum, wobei dem hellenistischen Judenchristentum nicht nur die Vermittlung zwischen Urgemeinde und Heidenchristentum zufällt, sondern auch innerhalb dieser Vermittlung eine entscheidende Rolle in der Ausbildung und Ausprägung frühchristlicher Theologie zuteil wird. Wieviel von dem bisher dargelegten Taufverständnis des Frühchristentums speziell dem Einfluß des hellenistischen Judenchristentums zuzuschreiben ist, läßt sich freilich nicht immer eindeutig feststellen. Zumindest bei der festen Verbindung von Taufe und Geistempfang wird man mit dem Einfluß des hellenistischen Judenchristentums zu rechnen haben. Deutlicher läßt sich erkennen, daß in heidenchristliehen Gemeinden sich ein Taufverständnis entwickelt, das unter dem Einfluß hellenistischen Denkens einen entscheidenden Schritt· über das bisherige hinausgeht. Im 1. Korintherbrief muß Paulus sich gegen die Meinung wenden, als gewähre die Teilnahme an Taufe und Herrenmahl den Teilnehmern unabhängig von deren sittlichen Verhalten einen unverlierbaren Charakter, der sie gegen jeden Verlust oder auch nur Gefährdung des Heils feit. Im Zuge seiner Beantwortung der Frage, ob ein Christ an heidnischen Opfermahlen teilnehmen dürfe 181 , 181 Ich bin nicht der Meinung, daß 1Kor 10,1-22 gegenüber 1Kor 8,1-9,23 und 10,23 - 11,1 ein früheres Stadium der Auseinandersetzung darstellt und des-
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erinnert Paulus in IO,lff an das Schicksal Israels: »Ich möchte euch, Brüder, nicht in Unkenntnis lassen, daß unsere Väter alle unter der Wolke waren und alle durch das Meer hindurchgingen und alle auf Mose getauft wurden in der Wolke und im Meer und alle dieselbe geistliche Speise aßen und alle denselben geistlichen Trank tranken; sie tranken nämlich aus einem geistlichen Felsen, der ihnen folgte; der Felsen aber war Christus. Aber an den meisten von ihnen fand Gott kein Wohlgefallen, denn sie wurden in der Wüste niedergestreckt.« An diesen Sätzen hat die Exegese vor allem die typologische Deutung interessiert. Paulus deutet die wunderbare Speisung mit Manna (Ex 16,4ff) und die Tränkung mit Wasser aus einem Felsen (Ex 17,6; Num 20,7-13) als eine Vor-Abbildung 182 des Herrenmahls. Wieweit bereits die jüdische Ausdeutung und Ausmalung des Exodusgeschehens der paulinischen Interpretation vorgearbeitet hat, braucht uns hier nicht lange aufzuhalten 183 • Schon Philo deutete die Felsenquelle auf die präexistente Weisheit (leg. alleg. 11.86), deren Prädikate ja schon vor Paulus im hellenistischen Judenchristentum auf Christus übertragen wurden. Und die Legende, daß der Felsen dem Volk Israel auf der Wanderschaft nachfolgte, findet sich auch im Targum Onkelos zu Num 21,19. Entscheidend ist, daß Paulus in dieser Speisung und Tränkung eine typologische Parallele zum Herrenmahl sieht: Die Israeliten erhielten damit ebenso ein :n:veuJ.!attKov ßp&Jla und ein :n:vEUJ.l.U'ttKÜv :n:ÜJ.l.a, wie es die Christen im Herrenmahl empfangen. halb einem früheren Brief zuzuordnen wäre, wie seit J. Weiß, Der erste Korintherbrief (KEK V), Göttingen 1910 (= 1970), XLI verschiedentlich behauptet wurde. H. v. Soden, Sakrament und Ethik bei Paulus. Zur Frage der literarischen und theologischen Einheitlichkeit von !Kor 8-10, in: ders., Urchristentum und Geschichte I, Tübingen 1951, 239-275 hat überzeugend dargelegt, daß 1Kor 10,122 nicht ein früheres Stadium der Debatte, sondern ein im Zusammenhang der drei Kapitel unverzichtbares Argumentationsglied darstellt. Solange seine Argumente nicht wirklich überzeugend widerlegt und durch bessere überwunden sind, wird man an der Einheitlichkeit von I Kor 8-10 festzuhalten haben; vgl. auch G. Bornkamm, Herrenmahl und Kirche bei Paulus, in: ders., Studien zu Antike und Urchristentum (Gesammelte Aufsätze II), München 3 1970, 138-176, dort 173f. Aber selbst wenn man auf der Zuordnung von 1Kor 10, 1-22 zu einem früheren Brief bestehen sollte, ändert das weder etwas an dem Zusammenhang mit der Götzenopferfrage, noch an der Relevanz von 10,1-13 für das in Korinth gängige Taufverständnis. 18 2 Daß dieses Geschehen als 'tU7to~ zu verstehen ist, sagt 10,6; ebenso wiederholt 10,11, daß dieses den Israeliten 't'U7tt KC:Ü~ widerfuhr. Vgl. dazu L. Goppelt, Typos, Gütersloh 1939 (= Darmstadt 1969), 173ff; ders., Art. 'tU7tO~ K'tA., ThWNT VIII, 251 f. 183 Vgl. dazu die Kommentare, vor allem H. Lietzmann I W.G. Kümmel, An die Korinther (HNT 9), Tübingen 5 1969; H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther (KEK V), Göttingen 1969 sowie W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther (EKK VII,2), Neukirchen-Vluyn 1995, z.St.
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In gleicher Weise findet Paulus in der Exodusgeschichte auch eine typologische Parallele zur Taufe, nämlich in Israels Zug durch das Meer und in seinem Aufenthalt unter der Wolke. Wieder knüpft er an jüdische Weiterbildungen der Exodusgeschichte an. So erzählte man die Errettung am Schilfmeer nicht bloß in der Weise, daß das Wasser rechts und links wie eine Mauer stand (so Ex 14,22), sondern so, daß das Wasser wie eine Wölbung, wie ein Tunnel wurde, durch den die Israeliten hindurchzogen 184 und die Wolke zog Israel nicht bloß voran, wie Ex 13,21 sagt, sondern bedeckte das Volk auch, wie schon Ps 104,39 (LXX) weiß 185 •
Das Tertium comparationis von Taufe und Exodusgeschehen ist offenbar das Bedecktwerden mit Wasser, durch das die Empfänger gerettet wurden. So kann Paulus direkt von einem Getauftwerden der Israeliten im Meer und in der Wolke sprechen; wobei er die Parallelität noch dadurch betont, daß er wohl in bewußtem Anklang an die Taufwendung »auf Christus« (Ei~ Xptcr'tov) nun formuliert »auf Mose sind sie getauft worden« (Ei~ 'tOV Mooücrfjv eßa1t'ticr811crav) 186 • Man hat gefragt, ob Paulus hier an ein wirkliches, alttestamentliches Sakrament oder nur an eine Vor-Abbildung denke 187 • Aber eine derartige Alternative würde den Kern der paulinischen Argumentation verfehlen. Zwar geht es gewiß bei dem alttestamentlichen Geschehen um ein vorausweisendes Geschehen (einen 'ttmo~ V. 6 und 11 !), aber doch so, daß das, was die Israeliten mit ihrem »Getauftwerden auf Mose« und ihrer »geistlichen Speise« empfingen, keine geringere Heilsqualität hatte als das, was Christen in Taufe und Herrenmahl empfangen. Denn Paulus will, wie der Zusammenhang zeigt, die Korinther vor einer falschen Sicherheit 184 MekhEx 14,6 bei Bill. III, 405. 185 So auch TargJerusch I zu Ex 13,20ff bei Bill. III, 405. Jeremias, Kindertaufe 34 meint, Paulus habe hier einen rabbinischen Schriftbeweis für die Proselytentaufe übernommen, der nur noch bei Paulus überliefert, sonst aber verlorengegangen sei. W.G. Kümmel, Korintherbriefe (HNT 9), 181 wendet mit Recht dagegen ein, daß die spätere rabbinische Tradition um einen solchen Schriftbeweis recht verlegen war und daß es daher unwahrscheinlich sei, daß ein so alter Schriftbeweis - wenn es ihn im Rabbinat gegeben hätte - verlorengegangen sein soll. Da Paulus auch das Herrenmahl im Exodusgeschehen vor-abgebildet sieht, wozu es sicher kein rabbinisches Vorbild der Beweisführung gab, ist wohl damit zu rechnen, daß Paulus selbst diese typologische Auslegung im Anschluß an den Midrasch geschaffen hat. 186 Einige Handschriften (P 46 , B, K, P und eine Reihe von Minuskeln) lesen eßa1t'ttO"UV'tO statt eßa1t'tt0"8Tlcrav, was möglicherweise ursprünglicher ist. Doch ist bei der Beurteilung des Mediums Vorsicht geboten, da der Sprechgebrauch abgeschliffen ist; vgl. dazu Conzelmann, a.a.O. 193 Anm. 1. 187 So Conzelmann, a.a.O. 196.
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aufgrund der empfangenen Sakramente warnen, und das Beispiel der Wüstengeneration kann diesen warnenden Zweck nur dann erreichen, wenn die Israeliten damals nichts Geringeres empfingen als die Korinther mit Taufe und HerrenmahL Eben darum bezeichnet Paulus den Zug der Israeliten durch das Meer und unter der Wolke direkt als ein »Getauftwerden auf Mose«; die Israeliten hatten damals auch schon eine für sie bestimmte »Taufe«, wie sie auch schon eine geistliche Speise und geistlichen Trank hatten. Obwohl Paulus den Begriff des »Sakraments« noch nicht kennt, faßt er hier nicht nur Taufe und Herrenmahl zusammen, sondern subsumiert sie auch schon unter einer übergeordneten Kategorie von Heilsvermittlung und sucht von da aus nach Entsprechungen im Alten Testament. Er denkt von den gegenwärtigen Gegebenheiten von Taufe und Herrenmahl zurück ins Alte Testament, will aber nicht die neutestamentlichen Sakramente vom Alten Testament her begründen oder gar die alttestamentlichen Vorbilder Zug um Zug ausdeuten. Doch ist nun vor allem zu beachten, was sich aus dieser Argumentation für das Sakramentsverständnis der Korinther ergibt. Mit dem Hinweis auf das Geschick Israels warnt Paulus vor dem Mißverständnis, als gewähre die Taufe eine Garantie des Heils unabhängig vom Verhalten des Getauften. Wie die Israeliten durch Götzendienst, Hurerei und andere Sünden (10,6ff) die Heilsgabe verscherzten, so können auch die Christen durch ihren Ungehorsam die in der Taufe gewährte Heilsgabe aufs Spiel setzen und verlieren. Denn wie die Taufe darauf zielt, daß ihre Gabe im Glaubensgehorsam ergriffen wird, so kann sie auch durch Ungehorsam verscherzt werden 188 . Eben von diesem Zusammenhang zwischen Taufe und Gehorsam wollen die Korinther nichts wissen. Für sie wirkt die Taufe offenbar naturhaft-feiend und verleiht kraft der vollzogenen Handlung einen character indelebilis. Eben deshalb verstehen sie sich in so massivem Sinne als Pneumatiker (2, 13.15; 3,1; 14,37), denen nichts, auch kein Götzenopferdienst, etwas anhaben kann und für die der Leib und aller leiblicher Gehorsam (6,12-20) irrelevant geworden sind 189 . Ihr pneumatisches Selbst188 >>Paulus sagt nicht, daß das Sakrament erst durch den Gehorsam wirksam werde, sondern im Gegenteil, daß das wirksame Sakrament zum Gericht genossen wird, wenn man es durch Ungehorsam mißbraucht<< (Conzelmann, a.a.O. 197). 189 Auch die Mißstände beim Herrenmahl (IKor 11,17ff) passen in dieses Bild. Es ficht die Wohlhabenden offenbar überhaupt nicht an, wenn sie selbst sich satt essen, während die ärmeren Gemeindeglieder, die so zeitig nicht kommen können, hungrig bleiben; von dem für sie allein entscheidenden sakramentalen Teil der Mahlfeier bleiben sie ja nicht ausgeschlossen. Dahinter steht keine gewollte Profanierung des Herrenmahls (so W. Schmithals, Die Gnosis in Ko-
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verständnis hängt, wie die Argumentation des Apostels zeigt, mit ihrem Verständnis von Taufe und Herrenmahl offenbar eng zusammen. Für sie ist die Taufe eine Weihehandlung, die himmlische Wesenheit vermittelt, und zwar kraft der vollzogenen Handlung und unabhängig vom Glaubensgehorsam des Empfängers. Wie die Korinther Taufe und Herrenmahl verstanden, läßt sich daher wohl am besten mit der einprägsamen Wendung umschreiben, die ein halbes Jahrhundert später lgnatius von Antiochien für das Herrenmahl prägte, wenn er dieses ein <j>cipllaKOV a8avacriw;, avttÖOV'tEI; tOÜ llTJ ano8avdv, eine Arznei der Unsterblichkeit, ein Gegengift gegen das Sterben (lgn Eph 20,2), nannte. Ignatius war mit diesem Eucharistieverständnis durchaus kein Einzelfall 190, und daher läßt sich verschiedentlich auch für die Taufe ein analoges oder ähnliches Verständnis finden. So heißt es von der Taufe bei dem Gnostiker Menander: resurrectionem enim per id, quod est in eum baptisma, accipere eius discipulos, et ultra non posse mori, sed perseverare non senescentes et imc mortales (lrenäus adv. haer. 1,23,5). Verleiht hier die Taufe dem Täufling die Unsterblichkeit 191 , so ist das damit zu vergleichen, daß die Korinther meinen, rinth [FRLANT 66], Göttingen 3 1969, 239ft), sondern ein massiver Sakramentalismus, für den die Gemeinschaft mit dem Bruder und seinen leiblichen Bedürfnissen irrelevant geworden ist. Vgl. Bornkamm, Herrenmahl 143.175f. 190 So spricht ActThom 135 von der >>Arznei des Lebens<<, die der Apostel bringt. Wenn kurz zuvor von der Eucharistie gesagt wird, daß diejenigen, die davon essen, a8civa'tot yevow'tat (133), so zeigt sich, daß mit der >>Arznei des Lebens<< nicht nur ein harmloses Bild gebraucht ist, sondern doch wohl zugleich etwas über das Verständnis der Sakramente und die Art der Heilsvermittlung gesagt wird. Man vergleiche damit auch das Sakramentsverständnis in den Excerpta ex Theodoto 82: Kat 6 äp'tO<; Kat 'tO EA.awv aytci~E'tat 'tij ÖUVclJlEt 'tO'Ü OVOJla'tO<; 'tO'Ü 8EO'Ü, 'tO a\m't Öv'ta Ka'ta 'tO (jlatvÜJlEVOV Ota eA.i](jl8rr aA.A.a ÖUVclJlEl Ei<; 8UvaJltV nvEuJlanKi]v JlE'taßeßA.T]'tat. oÜ'too<; Kat 'tO ü8oop, Kat 'to e~oplCl~oJlEvov Kat 'tO ßanncrJla yt VOJlEVOV' ou JlOVOV xoopi~El 'tO XE'ipov' aA.A.a Kat aytacrJlOV npocrA.aJlßavn. Hiernach werden die Elemente von Eucharistie und Taufe verwandelt und erhalten so eine neue pneumatische Qualität, kraft deren sie den Menschen verändern. Was bei lgnatius naiv bildhaft, aber einprägsam mit >>Arznei der Unsterblichkeit<< ausgedrückt ist, wird hier bereits begrifflich entfaltet. Doch ist auch des Irenäus Eucharistieverständnis - bei allen sonstigen Differenzen - in diesem Zusammenhang zu sehen: >>Denn wie das von der Erde stammende Brot, wenn es die Anrufung Gottes empfängt, nicht mehr gewöhnliches Brot ist, sondern die Eucharistie, die aus zwei Elementen, einem irdischen und einem himmlischen, besteht, so gehören auch unsere Körper, wenn sie die Eucharistie empfangen, nicht mehr der Verweslichkeit an, sondern haben die Hoffnung auf Auferstehung<< (adv. haer. IV,l8.5; übers. v. Klebba, BKV 2 1912). Weitere Belege sind EvPhil 43.97.101; dazu Gaffron, a.a.O. 126ff. Zur gnostischen Polemik gegen sakramentalistisches Taufverständnis in Test. Ver. 69,7-32 vgl. Koschorke, Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche Christentum, Leiden 1978, 138ff. 191 Man vgl. damit Clemens, Paedag. 1,26,1: >>Durch die Taufe werden wir erleuchtet, durch die Erleuchtung werden wir an Kindes Statt angenommen, durch die Annahme an Kindes Statt werden wir vollendet, durch die Vollendung werden wir unsterblich gemacht<< (übers. v. 0. Stählin, BKV 2 1934 ).
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den irdischen Anfechtungen enthoben bereits in ein himmlisches Wesen versetzt zu sein (!Kor 4,8) und einer zukünftigen Auferstehung nicht mehr zu bedürfen (I Kor 15) 192 • Naturhaft-feiend ist die Taufe auch verstanden, wenn in ActThom 157 der Apostel bei der zur Taufe gehörenden Ölsalbung betet:» ... Jesus, es komme deine sieghafte Kraft und lasse sich auf dieses Öl nieder ... «, und wenn dabei von dem Öl gesagt wird, daß es die Kraft ist, durch welche die Menschen, die damit gesalbt werden, ihre Gegner besiegen. Die Taufe verleiht dem Getauften eine Kraft, die ihn gegen alle Bedrohungen von hier und dort unangreifbar macht, und sie bewirkt das offenbarkraftder besonderen Qualität, die der Handlung und den dabei gebrauchten Elementen innewohnt. Sie wirkt - darin ist der Ausdruck des lgnatius durchaus zutreffend- in etwa so, wie eine Medizin wirkt.
Nun ist es gewiß kein Zufall, daß dieses Verständnis der Taufe als einer Kulthandlung, die naturhaft-feiend dem Teilnehmer himmlisches Wesen und Unsterblichkeit als einen unverlierbaren Charakter mitteilt, zuerst in einer hellenistisch-heidenchristliehen Gemeinde des paulinischen Missionsbereichs begegnet. Denn gerade im Hellenismus kennt man in einigen der sogenannten Mysterienreligionen kultische Weihehandlungen und Initiationsriten, die den Teilnehmern bzw. Eingeweihten ein qualifiziertes »Leben« sowohl im Diesseits wie im Jenseits vermitteln. Korinth dürfte ein Zentrum der Isis-Mysterien gewesen sein; hier spielt in Apuleius' Metamorphosen die Einweihung des Lucius 193 , der in einer geheimnisvollen Weihehandlung zu einem höheren Leben wiedergeboren (renatus: met. XI,l6,2; 26,6) wird. Und nicht weit von Korinth wurden die berühmten 192 Zu den Auferstehungsleugnern von lKor 15 vgl. vor allem J. Schniewind, Die Leugner der Auferstehung in Korinth, in: ders., Nachgelassene Reden und Aufsätze, Berlin 1952, 110-139; G. Brakemeier, Die Auseinandersetzung des Paulus mit den Auferstehungsleugnern in Korinth, Diss. Göttingen 1968; G. Barth, Erwägungen zu lKor 15,20-28, EvTh 30 (1970) 515-527; B. Spörlein, Die Leugnung der Auferstehung (BU 7), Regensburg 1971. Spörleins Meinung, die Korinther hätten überhaupt keine Hoffnung für die Toten, sondern nur für die Lebenden (nämlich durch Teilnahme an der Parusie) gehabt, überzeugt freilich nicht. Auf eine eingehende Erörterung muß hier aber verzichtet und statt dessen auf meine oben genannte Arbeit und die von G. Brakemeier verwiesen werden. 193 Metam. XI; Korinth wird in X,35,3 als Ort des Geschehens genannt. Zur Sache vgl. Dibelius, Isisweihe 30-79; H. Braun, Das >>Stirb und Werde<< in der Antike und im Neuen Testament, in: Libertas Christiana (FS F. Delekat), München 1957, 9-29; G. Haufe, Die Mysterien, in: Umwelt des Urchristentums I, hg. v. J. Leipoldt I W. Grundmann, Berlin 3 1971, 125ff; P. Nilsson, Geschichte der griechischen Religion II, München 1950, 606ff; F. Cumont, Die orientalischen Religionen im römischen Heidentum, Darmstadt 5 1969, 89ff; H. Krämer, Die Isisformel des Apuleius (Met XI,23,7) - eine Anmerkung zur Methode der Mysterienforschung, WD 12 (1973) 91-104; Reitzenstein, Mysterienreligionen 220ff; J. Dey, PALIGGENESIA (NTA 17,5), Münster 1937, 86ff.
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Mysterien von Eleusis begangen, die seit Jahrhunderten Scharen von Menschen anzogen 194 • Im Blick auf Eleusis wird immer wieder beteuert, daß nur die Eingeweihten, die der heiligen Schau teilhaftig geworden sind, frohe Hoffnungen für das Leben im Jenseits haben dürfen; nur ihnen sei es verliehen, wahrhaft zu »leben« 195 . Ob und wieweit mit diesen Einweihungen bestimmte ethische Forderungen verbunden waren, mag fraglich sein 196 • Zumindest in weiten Volkskreisen wurde ihre Wirkung rein magisch verstanden. Das lehrt schon der Spott des Kynikers Diogenes: »Der Dieb Pataikion wird ein besseres Los haben als Epameinondes« (der bedeutende Heerführer und Held von Theben, 4. Jahrhundert), »weil er die Weihen erhielt« 197 . Das gleiche Wissen um das verbreitete magische Verständnis der Weihehandlungen zeigt schon Platon: »Und scharenweise haben sie von Musaios und Orpheus ... Bücher bei der Hand, nach denen sie ihre Gebräuche verrichten und nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Städte überreden, daß es Lösungen (A.ucrnc;) und Reinigungen (Ka9apf.!ot) von Verbrechen durch Opfer und ergötzliche Spiele gebe, und zwar für Lebende nicht nur, sondern auch noch für Verstorbene, welche sie Sühnungen ('tEAEcr'tac;) heißen und welche uns von den dortigen Übeln be194 Zu Eleusis vgl. E. Rohde, Psyche I, Tübingen 9 1925, 278-300; Nilsson, a.a.O. 329ff; Haufe, a.a.O. 103ff. 195 Aristophanes schildert in den >>Fröschen<< das dunkle Dasein der Toten im Hades, wovon das Schicksal der Eingeweihten absticht: >>Dann wird dich süßer Flötenhauch umwehn und schönstes Sonnenlicht, wie hier, und Haine von Myrten, wo in sel'gen Scharen Frauen und Männer ziehn mit Sang und Händeklatschen<< (155ff; übers. v. L. Seeger, hg. v. H. Newiger, Darmstadt 1970). Auf die Frage, wer diese seien, lautet die Antwort: >>Das sind die Eingeweihten ... << Vgl. ferner das Epigramm des Krinagoras (Beginn des 1. Jahrhunderts): >> ... geh nach Kekropia hin und sieh dort die Nächte der großen heiligen Demeter dir an, wenn man die Weihen begeht, Weihen, die hier schon im Leben von Leid dich erlösen und später auch im Totenreich sorglos dir stimmen das Herz<< (Anthologia Gracca XI, 42; übers. v. H. Beckby, München 2 1965). 196 E. Rohde meint: >>Von einer sittlichen Wirkung kann kaum zu reden sein; die Alten selbst, bei aller Überschwenglichkeit im Preise der Mysterien und ihres Wertes, wissen davon so gut wie nichts<< (a.a.O. 299). Andererseits gehörte zur Hauptfeier in Eleusis auch die np6pp1]cru;, durch die die Barbaren und Mörder fortgewiesen wurden (Haufe, a.a.O. 105). Bei der lsisweihe des Apuleius ist von einer ausgesprochenen Verpflichtung des Mysten die Rede (Metam. XI,6,4; 15,5; 19,3; 27,2); doch betont Braun, a.a.O. 20, daß es sich dabei nur um kultisch-rituelle Observanzen und eine bestimmte Sexualaskese handelt. 197 KpEhova J.wipav E~Et llm:atKimv 6 KAE7t't1]~ 11 'Erta!!Etvrovöa~. ön I!EI!UT]·tat (Plutarch, quomodo adulescens poetas audire debeat, 4 p 2lf). Dasselbe bei Diogenes Laertius VI,39f: >>Als die Athener ihn (Diogenes) aufforderten, sich den heiligen Weihen zu unterziehen, und sagten, im Hades hätten die Geweihten den Vorrang, erwiderte er: >Das wäre doch lächerlich, wenn ein Agelsilaos und Epameinondas sich im Pfuhle herumtreiben, dagegen nichtige Gesellen, nur weil sie die Weihe empfingen, auf den Inseln der Seligen wohnen<<< (übers. v. 0. Apelt, Berlin 1955).
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freien« 198 . Platos Äußerung umfaßt zwar nicht nur Weiheriten, sondern darüber hinaus das ganze Gebiet der Kathartik, zeigt aber damit denselben Trend und die gleiche Grundrichtung, die vor allem in der spöttischen Bemerkung des Diogenes, aber auch in der satirischen Darstellung des Aristophanes 199 zum Ausdruck kommt: Man kennt Weihehandlungen, die dem Eingeweihten ein besseres Los im Jenseits vermitteln, und zwar weithin unabhängig von seinem ethischen Verhalten.
Es kann kein Zweifel bestehen, daß zwischen diesem Denken und dem Sakramentsverständnis der Korinther gewisse Zusammenhänge bestehen. Hellenistisches Denken hat hier auf frühchristliche Tauftraditionen eingewirkt, sie interpretiert und weitergebildet und so zu dem Taufverständnis geführt, wie es oben für die korinthischen Christen zu zeigen versucht wurde. Andererseits läßt sich nicht übersehen, daß die frühchristlichen Tauftraditionen bereits einen Ansatzpunkt enthalten mußten, der eine derartige Weiterentwicklung überhaupt erst ermöglichte. Bereits die Tradition, die die Korinther empfingen, muß das Wesen der Taufe als Zuspruch und Zueignung verstanden haben. Nur so läßt sich verstehen, daß unter dem Einfluß hellenistisch-magischen Denkens daraus eine »Arznei der Unsterblichkeit« (
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Zuge seiner Argumentation gegen die Leugnung der Auferstehung der Toten verweist Paulus in 15,29 auf dl.e in Korinth bestehende Übung, sich zugunsten oder anstelle von Verstorbenen taufen zu lassen: »Denn was werden die tun, die sich für die Toten (imE.p 'tffiv VEKpffiv) taufen lassen? Wenn Tote überhaupt nicht auferstehen, was lassen sie sich dann für sie taufen?« Der Sinn im Zusammenhang des Argumentationsganges ist eindeutig. Es ist ein Argument, das den Korinthern die Widersprüchlichkeit ihres Verhaltens deutlich machen soll: Man kann nicht die Auferstehung der Toten leugnen und zugleich sich für Verstorbene taufen lassen 201 . Dabei zeigt sich Paulus über die Strömungen in Korinth durchaus gut informiert. Er weiß, daß es dort Christen gibt, die sich anstelle oder zugunsten von Verstorbenen taufen lassen (imE.p nov vEKpffiv) 202 , um damit diesen die Frucht der Taufe zugute kommen zu lassen. Wenn gleichwohl diese Stelle wie kaum eine andere eine Vielzahl differierender, teil einfallsreicher, teils obskurer Auslegungsversuche erfahren hat203 , so liegt das nicht an der mangelnden Klarheit des Paulustextes, sondern daran, daß man den Korinthern ein so massiv magisches Taufverständnis doch nicht zutrauen wollte und noch weniger sich damit abfinden mochte, daß Paulus eine derart magische Taufsitte einfach hingenommen haben sollte, ohne ihr zugleich zu widersprechen oder sie zurecht zu rücken 204 . Doch kann auch dogmatische Rücksichtnahme nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Satz deutlich von einem stellvertretenden Sich-taufen-Lassen korinthischer Christen für Verstorbene spricht205 . Daß es auch keineswegs abwegig ist, den Korinthern einen solchen Brauch zuzutrauen, zeigen die Aussagen der Kirchenväter über entsprechende oder ähnliche Handlungen. for the Dead (I. Cor 15,29): Insights from Archeology and Anthropology JBL 114 (1995) 661-682. 201 Man kann deshalb nicht, wie Spörlein, a.a.O. 82f versucht, AuferstehungsleugneT und Vertreter der Vikariatstaufe als zwei verschiedene Gruppen trennen. Paulus redet vielmehr die ganze Gemeinde an, auch wenn es nur >>einige<< (15,12) sein mögen, die die Auferstehung leugnen. 202 Daß das unep hier nicht finale Bedeutung haben kann, haben Spörlein, a.a.O. 79 Anm. 1 und Conzelmann, a.a.O. 328 Anm. 121 gegen Raeder, a.a.O. 258ff überzeugend dargelegt. Aber auch, wenn man das unep mit >>zugunsten von<< übersetzen wollte, so läuft das doch darauf hinaus, daß sie sich >>anstelle<< der Toten taufen ließen. 203 Einen instruktiven Überblick gibt Rissi, a.a.O. 6-51. 204 Typisch Staab, a.a.O. 445: >>Wie hätte Paulus einen Brauch, der eine rein magische Wirkung des Sakraments voraussetzt, erwähnen können, ohne ihn zu verurteilen?<< Ähnlich Rissi, a.a.O. 59; Raeder 258; Preisker 299. 205 So u.a. Lietzmann!Kümmel, a.a.O. 82.194; J. Weiß, a.a.O. 363; Conzelmann, a.a.O. 327f; Brakemeier, a.a.O. 73ff; Spörlein, a.a.O. 79f.
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So berichtet Johannes Chrysostomus über eine stellvertretende Taufe für verstorbene Katechumenen bei den Marcioniten. Wenn bei den Marcioniten ein Katechumene gestorben sei, dann trete man an das Bett des Toten und frage ihn, ob er die Taufe empfangen wolle. An Stelle des Toten antworte dann ein anderer Teilnehmer, der sich unter dem Bett verborgen habe, daß er getauft werden wolle, worauf dann dieser an Stelle des Toten getauft werde 206 . Man spürt dem Bericht des Chrysostomus an, welchen Genuß es ihm bereitet, delikate Einzelheiten dieser seltsamen Handlung auszubreiten, um die verhaßten Marcioniten der Lächerlichkeit preiszugeben. Das berechtigt jedoch nicht dazu, die Nachricht über eine Vikariatstaufe bei den Marcioniten selbst in Frage zu stellen, zumal diese Nachricht auch von Didymus von Alexandria und dem Armenier Eznik von Kolb bestätigt wird 207 • Epiphanius von Salamis berichtet von einer solchen Vikariatstaufe bei den Anhängern des Kerinth208 , und Filastrius weiß davon, daß bei den Montanisten Tote getauft wurden 209 • Zwar muß man beachten, das in diesem Falle nicht ein Lebender an Stelle des Toten, sondern der Tote selbst getauft wurde. Gleichwohl gehört dieser Brauch in den gleichen Zusammenhang; denn es soll hier ebenso wie bei der Vikariatstaufe die Frucht der Taufe einem Toten zugute kommen; es liegt auch das gleiche magische Sakramentsverständnis vor. Diese Sitte, an Toten, die offenbar nicht mehr rechtzeitig vor ihrem Sterben getauft werden konnten, noch nachträglich die Taufe zu vollziehen, hat sich 206 Johannes Chrysostomus, In Epist. 1. ad Cor. Horn. XL (Migne, PG 61, 347): 'Em:töav yap w; Ka'tllXOUJlEvo~ aJtEA.SlJ 1tap' au'to'i~, 'tov ~öiV'ta u1to 'ti]v KAt VllV 'tOÜ 'tE'tEAE811KO'tO~ KpU'JiaV'tE~, 1tpocriacrt 't<ji VEKp<ji Kat OtaAEYOV'tat Kat JtuveavoV'tat, Ei. ßouA.ot'to A.aßE'iv 'to ßaJtncrJla· Ei.'ta EKEivou JlllOEv aJtoKptvoJlEvou, 6 KEKpUJlJlEVO~ KO'tW8Ev aV't' EKEivou <Jlllcriv, ön öi] ßouA.ot'to ßa1t'ttcr8fivm· Kat oihw ßaJt'ti~oucrt v au'tov UV'tt 'tOÜ a1tEA.86V'to~ ... Des Chrysostomus eigene Deutung von lKor 15,29 ist dagegen die Gleichsetzung von VEKpöiv mit crroJlri'tWv: die Christen lassen sich für ihre toten Leiber taufen, damit die toten Leiber der Auferstehung teilhaftig werden. Diese sich auch bei anderen Kirchenvätern findende Deutung (vgl. Staab, a.a.O. 447f) zeigt deutlich die gekünstelte apologetische Reaktion auf die bei den Irrlehrern vertretene Vikariatstaufe, die für die Kirchenväter natürlich nicht akzeptabel war. 207 Belege zu Didymus von Alexandria (gest. 381) bei K. Staab, a.a.O. 8 und Spörlein, a.a.O. 85. Eznik von Kalb, Wider die Irrlehren IV,l5 (BKV 2 1927, übers. v. S. Weber): » ... und nicht wie Mareion faselt, daß an Stelle eines verstorbenen Katechumenen sein Nachbar getauft werde ... << Möglicherweise ist Eznik bei dieser Notiz von Chrysostomus abhängig. Auch die Auslegung der Stelle, die er selbst vertritt, entspricht der des Chrysostomus. Ob auch Tertullian an den beiden Stellen, an denen er auf lKor 15,29 eingeht (de resur. carnis 48 und adv, Mareionern V,lO), die Kenntnis von Gruppen, welche Vikariatstaufe übten, voraussetzt, ist fraglich; vgl. Spörlein, a.a.O. 86 Anm. 1; Thompson, a.a.O. 656, und Staab, a.a.O. 444. 208 Epiphanius, Panarium I,28 (Migne PG 41, 384): w~ nvöiv JlEV ltap' aU'tOt~ 1tpo<j>8avov'tWV 'tEAE'U'ti;crat ÜVE'U ßalt'ttcrJla'tO~, äUou~ OE UV't' au'töiV Ei.~ ÖVOJla EKEtVWV ßa1t'tl~Ecr8at, UltEp 'tOÜ Jlll Ev 't1) avacr'tacrEt avacr'tOV'tE~ au'tOU~ ÖtKllV öoüvat 'ttJlropia~, ßaJtncrJla Jlll Ei.A.ll<JlÜ'ta~ ... 209 Filastrius, Diversarum haereseon liber 49,4 (CCL 9, 1957): Hi mortuos baptizant ...
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auch in der Großkirche noch lange gehalten. Gegen diese Sitte nimmt das 3. Konzil von Karthago (397 n.Chr.) im Kanon 6 ausdrücklich Stellung210 , und noch Fulgentius von Ruspe (467-533) muß in seinem 12. Brief ausführlich die Frage behandeln: Mortui cur non baptizentur211 • Andererseits kann man darin auch nicht einen erst in späterer Zeit entstandenen Brauch sehen. Schon Irenäus weiß ähnliches von gnostischen Gruppen des 2. Jahrhunderts zu berichten212, und schließlich darf man nicht vergessen, daß man auch in der heidnischen Umwelt zwar keine Taufe für Verstorbene, aber doch gewisse Weihehandlungen und Sühnehandlungen für Verstorbene kennt213 .
Alle diese Belege zeigen, daß es durchaus nicht abwegig ist, den Korinthern eine so magische Handlung wie die stellvertretende Taufe für verstorbene Verwandte oder Bekannte zuzutrauen. Sowohl die Umwelt als auch christliche Gruppen der nachfolgenden Zeit kennen derartige Begehungen. Dazu kommt, daß das magische Denken dieses Brauchs durchaus zu dem korinthischen Sakramentalismus paßt, den man aus den Warnungen des Apostels in 1Kor 10 erschließen muß. Man versteht dort die Taufe als eine sakramentale Handlung, die allein schon kraft ihres Vollzugs dem Täufling übernatürliche Qualitäten verleiht, ihm Leben und Unsterblichkeit bringt und ihn gegen mögliche Gefahren schützt. Daß Paulus die Sitte der Vikariatstaufe 1Kor 15,29 nur eben erwähnt, ohne sofort dazu Stellung zu beziehen und sich von solchem magischen Taufverständnis abzusetzen, läßt sich dagegen leicht verstehen, wenn man beachtet, daß es sich in 15,29 nur um ein weiteres beiläufiges und ad hominem gerichtetes Argument 21 0 Deinde cavendum est, ne mortuos etiam baptizari posse fratrum infirmitas credat, quibus nec eucharistiam dari animadverterit (Text bei H. Kraft, Texte zur Geschichte der Taufe [KlT 174], Berlin 1953, 18). 211 Migne, PL 65, 388. 212 Irenäus, adv. haer. 1,21,5: Alii sunt, qui mortuos redimunt ad finem defunctionis, mittentes eorum capitibus oleum et aquam, sive praedictum unguentum cum aqua, et supradictis invocationibus, ut incomprehensibiles et invisibiles principibus et potestatibus fiant (Migne, PG 7,1, 666). 213 Die Belege sind seit langem bekannt (vgl. u.a. Lietzmann/Kümmel, Korintherbriefe 82; Oepke, ThWNT I, 540). Es handelt sich um Orph. Fr. 232 (Kern 245), wo vom stellvertretenden Begehen der dionysischen Orgien für ungeweiht Verstorbene die Rede ist: Öpyta 't' EK'tEAEcroucrt, A.ucrtv 1tpoyovwv a8Eilt<J'tWV llatÜ!lEvot; vgl. dazu E. Rohde, a.a.O. II, 128 Anm. 5. Ferner gehört hierher eine orientalische Inschrift aus dem 2. Jahrhundert n.Chr.: ... 'A1toA.A.oovto~ Mllvoöoopou tlltEp dtovucriou 'tOU aöeA.<jloii, Eltet Ka'teAOU<JE'tO Kat OUK E'tftPll<JE 'tTJV 1tpo8Ecr11iav 'tij~ 8eoii, clltE'tEAE<JE'tO au'tov ... (Text bei Reitzenstein, Vorgeschichte 43; Oepke, ThWNT I, 540). Dazu kommt die bereits oben zitierte Aussage in Platos Staat 11,364e. Daß dieses Denken auch in das hellenistische Judentum eindrang, geht aus 2Makk 12,43ff hervor, wonach Judas für die in der Schlacht Gefallenen ein Sühnopfer darbrachte, damit sie noch nachträglich von den Folgen ihrer Sünden erlöst würden.
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handelt, das er durch jede derartige Einschränkung oder Zurechtrückung nur in seinem argumentativen Wert geschwächt hätte. Seine Warnung vor einem falschen Vertrauen auf Taufe oder Herrenmahl wird in 1Kor 10,1ff klar zum Ausdruck gebracht. Doch werden wir uns seiner eigenen Interpretation der Taufe in Aufnahme überkommener Traditionen und in Auseinandersetzung mit anderen Strömungen noch besonders zuwenden müssen. Es wird uns dabei noch eine weitere Ausprägung hellenistisch-christlichen Taufverständnisses begegnen, die aber so sehr mit des Apostels eigener Interpretation verwoben ist, daß es sich empfiehlt, sie erst in diesem Zusammenhang, innerhalb der Ausführungen über des Apostels eigenes Taufverständnis, darzustellen. · 4.3 Die Integration der Taufe in Rechtfertigungsbotschaft und theologia crucis bei Paulus Die geschichtliche Bedeutung des Paulus liegt mehr noch als in seinem missionarischen Wirken darin, daß er mit Abstand der profiherteste Theologe der Frühchristenheit war. Daher verwundert es nicht, daß man häufig meinte, nun endlich bei ihm eine ausgeprägte und ausgeführte Theologie der Taufe finden zu müssen. Sollte nicht in den Briefen des großen Theologen der Urchristenheit auch eine gründliche Belehrung über die Taufe, über ihren Sinn, ihr Wesen und ihren Vollzug und also eine fundierte Tauflehre zu finden sein? Allein, solche Erwartungen werden enttäuscht, sobald man sich näher mit seinen Briefen beschäftigt. Nirgends hat Paulus so etwas wie eine Theologie der Taufe entwickelt. Er setzt die Taufe voraus; er hat auch selbst gelegentlich die Taufe vollzogen (vgl. 1Kor 1,14ff); und er bezieht sich wiederholt auf die Taufe (Röm 6,3ff; 1Kor 6,11; 12,13; 2Kor 1,22; Gal 3,27). Aber die Taufe steht nicht im Mittelpunkt seines theologischen Denkens. Sein theologisches Denken dreht sich um den Gekreuzigten, der als der Auferstandene Zukunft und Gegenwart bestimmt; und es dreht sich um die Konsequenzen, die dieses Heilshandeln Gottes hat: für die Soteriologie, für die Mose-Tora, für das »Israel nach dem Fleisch« (l<:a'ta mip1m), für Begründung und Wesen christlicher Existenz und Hoffnung. Aber von der Taufe spricht er bei all dem nur am Rande. Er beruft sich auf die Taufe, wo er mit ihrer Hilfe etwas verdeutlichen kann, wo er mit ihrer Hilfe eindringlicher und deutlicher machen kann, was dem Glaubenden von Christus her widerfahren ist, was er empfangen hat. Aber nirgends wird dabei die Taufe selbst zum Thema. Immer bleibt sie ein Mittel, um das auszusagen, was für Paulus das eigentliche The-
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ma ist. Sie wird integriert in seine Rechtfertigungsbotschaft und seine theologia crucis. Besonders bezeichnend für die Stellung der Taufe innerhalb seines theologischen Denkens und Wirkens ist die Aussage des Apostels in 1Kor 1,14ff. Angesichts des Parteienunwesens in Karinth, bei dem offenbar auch die Beziehungen zwischen Täufling und Täufer eine gewisse Rolle spielten, schreibt Pau1us, er danke Gott, daß er in Karinth außer Krispus, Gaius und dem Haus des Stephanas niemand sonst getauft habe: »... damit nicht einer sagen kann, ihr wäret auf meinen Namen getauft« (1,15). Und er fügt dann hinzu: »Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkündigen« ( 1, 17), was dann gleich im Sinne der theologia crucis polemisch zugespitzt wird: »... nicht mit klugen Worten, damit nicht das Kreuz Christi um seine Kraft gebracht wird«. So gewiß mit der Gegenüberstellung von »taufen« und »Evangelium verkündigen« keine sich ausschließenden Gegensätze gemeint sind- Paulus hat ja selbst getauft! -und man auch keine Geringschätzung oder Verachtung der Taufe in diese Worte hineinlesen darf, so deutlich wird hier doch die Relation aufgezeigt, in der die Taufe zu sehen ist: Sie ist der Evangeliumsverkündigung einzuordnen und unterzuordnen. Paulus kann sich deshalb auf die Evangeliumsverkündigung konzentrieren und die Taufe der meisten korinthischen Christen seinen Mitarbeitern überlassen - so wird man es wohl zu verstehen haben, wenn der Apostel selbst nj.lr wenige taufte. Wenn Paulus sich nicht gesandt weiß zu taufen, sondern das Evangelium zu verkündigen, so setzt das aber auch voraus, daß die Taufe keine größere Gabe und kein höheres Maß der Vergewisserung mitzuteilen vermag, als es auch die Evangeliumsverkündigung gibt. Die Evangeliumsverkündigung ist die übergeordnete Größe, in die auch die Taufe einzuordnen ist. Daß die Briefe des Apostels keine explizite Lehre von der Taufe bieten, gilt auch im Blick auf den Text, der weithin als locus classicus für die Tauflehre gilt, für Röm 6,1-11. Auch hier geht es Paulus nicht darum, über die Taufe zu belehren. Das ist schon daraus zu ersehen, daß wichtige zur Taufe gehörende Aussagen und Sachbereiche überhaupt nicht genannt werden. So erfahren wir nichts über die Verleihung des Geistes bei der Taufe oder über die Eingliederung des Täuflings in die Gemeinde als den Leib Christi (1Kor 12,13), nichts über die Vorbereitung des Täuflings, Taufvollzug und Ritus. Vor allem aber ist zu beachten, daß das eigentliche Thema von Röm 6 ein anderes ist, nämlich die Begründung des neuen Wandels in der Freiheit von der Macht der Sünde. Und nur unter dem Aspekt dieses Themas spricht Paulus von der Tau-
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fe: Der Getaufte ist mit Christus gestorben und darum tot für die Sünde und von ihrer Herrschaft frei. Man muß diese durch Kontext und Thema gegebene Begrenzung beachten. Nur dann kann man davor bewahrt bleiben, in den Text Aussagen hineinzulesen, die er gar nicht machen will. Beachtet nian aber diese Grenzen, dann erschließt sich gerade die charakteristische Eigenart, in der Paulus von der Taufe spricht, und in der er frühchristliche Traditionen aufgreift, in seine Theologie eingliedert und dabei zugleich auf seine Weise interpretiert. Denn Traditionen übernimmt und verarbeitet Paulus auch in Röm 6, 1-11. Das gilt schon von dem Grundgedanken, daß die Taufe dem Täufling Anteil am Geschick Jesu Christi, an seinem Tod und seiner Auferstehung gibt. Dieser Grundgedanke ist nicht erst von Paulus gebildet und entwickelt worden 214 , sondern ist offensichtlich schon das Taufverständnis der hellenistischen Christengemeinden vor und neben Paulus, eine Tradition, die Paulus hier aufgreift2 15 . 214 So A. Schlauer, Die Theologie der Apostel, Stuttgart 1922, 305; P. Althaus, Der Brief an die Römer (NTD 6), Göttingen, 9 1959, 56; in gewisser Weise auch R. Schnackenburg, Das Heilsgeschehen der Taufe nach dem Apostel Paulus, München 1950, 158; ders., Todes- und Leidensgemeinschaft mit Christus. Neue Studien zu Röm 6,1-11, in: ders., Schriften zum Neuen Testament, München 1971, 361-391, dort 378ff. Schnackenburg meint, daß Paulus diesen Gedanken auf der Grundlage der jüdischen Vorstellung von der corporate personality ausgebildet habe. 215 So Bultmann, Theologie 143f; G. Bornkamm, Taufe und neues Leben (Röm 6), in: ders., Das Ende des Gesetzes (Gesammelte, Aufsätze 1) München 5 1966, 34-50, dort 37 Anm. 5; Dinkler, Taufaussagen 72, Anm. 4; N. Gäumann, Taufe und Ethik. Studien zu Röm 6, München 1957, 47; Lohse, Theologie 67.104f; G. Eichholz, Die Theologie des Paulus im Umriß, Neukirchen-Vluyn 1972, 207; E. Käsemann, An die Römer (HNT 8a) Tübingen 1973 e1974). Ob man freilich diese Tradition mit Hahn, Taufe IOf, K.H. Schelkle, Taufe und Tod. Zur Auslegung von Röm 6,1-11, in: Vom christlichen Mysterium (0. Casel-Gedächtnis), Düsseldorf 1951, 9-20 und 0. Kuss, Zur Frage einer vorpaulinischen Todes taufe, in: ders., Auslegung und Verkündigung 1, München 1963, 162-186 auf Lk 12,50 und Mk 10,38f zurückführen darf, erscheint mir sehr fraglich. Das dunkle Wort von der Taufe, mit der Jesus getauft werden muß (Lk 12,50; Mk 10,38f), ist bis jetzt nicht genügend geklärt; vgl. dazu auch G. Delling, Bam:tcr~J.a ßanncr9fivat, in: ders., Studien zum Neuen Testament und zum hellenistischen Judentum, Göttingen 1970, 236-256. Denn wohllassen sich zu der Wendung vom Kelch-Trinken (Mk 10,38) genügend Parallelen erbringen, die zeigen, daß es sich hier um eine geläufige und verständliche Metapher handelt. Gleiches gilt aber nicht für die Worte: »ich muß mit einer Taufe getauft werden<<; deshalb muß Schelkle zugeben, daß diese Worte von den damaligen Zuhörern Jesu kaum verstanden werden konnten. Ob diese Worte von Jesus in dieser Form gesprochen werden konnten, erscheint mir daher nach wie vor fraglich. Doch würde dies eine eigene Untersuchung erfordern, die in diesem Rahmen nicht möglich ist.
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Darauf, daß Paulus ein Taufverständnis aufgreift, dessen Kenntnis er in Rom voraussetzen darf, kann schon die einleitende Frage 11 ayvod tE in Röm 6,3 hinweisen. Zwar haben 0. Kuss und andere216 darauf hingewiesen, daß das 11 ayvoEt 'tE nicht notwendig auf konkrete Traditionen hinweisen müsse, sondern auch einfach pädagogische Funktion haben könne. Doch wird dabei übersehen, daß für die Frage der Anknüpfung an feste Traditionen diese Wendung nur ein Indiz neben anderen ist; andere Beobachtungen wiegen schwerer.
Schon dies muß auffallen, daß Paulus hier, wo es darum geht, die Begründung des sittlichen Wandels in der Taufe begreiflich zu machen, nicht an die weit mehr verbreitete Verbindung von Taufe und Geistempfang anknüpft 217., sondern an ein Taufverständnis, das, wenn er es nicht als auch in anderen Gemeinden bekannt voraussetzen kann, von ihm doch ausführlicher begründet und dargelegt werden müßte. Vor allem aber fällt auf, daß er den Gedanken von der durch die Taufe vermittelten Teilhabe an Christi Tod und Auferstehung nicht in seiner einfachen und nächstliegenden Form, sondern nur eigenartig gebrochen und korrigiert verwendet. Wenn man die Taufe als Teilhabe an Christi Tod und Auferstehung versteht, so müßte eigentlich daraus folgen, daß der Getaufte wie mit Christus gestorben, so auch mit Christus auferstanden ist. Denn beide Geschehnisse, an denen der Täufling Anteil empfängt, liegen ja in der Vergangenheit. So wird entsprechend auch in Kol 2,12; 3,lff; Eph 2,6 nicht nur von unserem Mitgestorbensein, sondern auch von unserem Mitauferwecktsein in der Form der Vergangenheit geredet. Paulus dagegen spricht in Röm 6,1-11 nur von unserem Mitgestorbensein im Aorist (6,4.6.8.) bzw. Perfekt (6,5), von unse~ rem Mit-Leben mit Christus dagegen betont im Futur (6,5.8) 218 • Dieser Bruch innerhalb der Vorstellung wäre unverständlich, wenn Paulus dieses Taufverständnis als Teilhabe an Christi Tod und Auferstehung erst selbst entwickelt hätte; es erklärt sich aber, wenn er ein bereits bestehendes Taufverständnis aufgreift und leicht modifiziert bzw. korrigiert. Das gilt um so mehr, als diese Modifizierung zu dem eigentlichen Anliegen des Abschnittes in Spannung 216 0. Kuss, Der Römerbrief I, Regensburg 1957, 297; H. Frankemölle, Das Taufverständnis des Paulus. Taufe, Tod und Auferstehung nach Röm 6 (SBS 47), Stuttgart 1970, 39f; H. Schlier, Der Römerbrief (HThK VI), Freiburg/Basel/Wien 1977, 192. 217 Zur Begründung des neuen Wandels im Geistempfang vgl. Röm 8,4ff; Gal 5,25. 218 Daß es sich dabei nicht um logische Futura, sondern echte, eschatologische Futura handelt, zeigt deutlich 6,8 und wird von Bornkamm, Taufe und neues Leben 43; Dink/er, Taufaussagen 74f; Conzelmann, Theologie 299 und Käsemann, Römerbrief 157 betont.
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steht. Denn Paulus geht es ja um die Begründung des sittlichen Wandels in der Gegenwart. Dem würde die Aussage, daß wir mit Christus nicht nur gestorben, sondern auch bereits auferstanden sind und deshalb das neue Leben führen sollen, weit besser dienen als die jetzigen futurischen Aussagen mit ihrer Differenzierung zwischen der Teilhabe am Tod Christi und der an seiner Auferstehung. Da diese Spannung bzw. Differenzierung zwischen bereits geschehenem Mit-Gestorbensein und noch ausstehendem Mit-Leben also weder durch den gegenwärtigen Kontext hervorgerufen noch ursprünglich sein kann, läßt sie sich nur so verstehen, daß Paulus ein bereits vorhandenes und verbreitetes Taufverständnis aufgegriffen und aus bestimmten Gründen korrigiert hat219 • Blickt man auf die Erfahrungen, die Paulus mit den Enthusiasten in Karinth machen mußte, so wird diese Korrektur auch sofort verständlich. Denn dort in Karinth begegneten ihm Christen, die in dem Wahn lebten, durch den Empfang der Sakramente in ein himmlisches, engelgleiches Wesen versetzt zu sein, so daß die Belange der irdischen Leiblichkeit für sie irrelevant, eine künftige Auferstehung überflüssig wurde 220 . Die Taufe vermittelt nach der Meinung dieser Enthusiasten also primär Teilhabe an der Auferstehungsherrlichkeit Jesu Christi 221 • Solchem Enthusiasmus gegenüber betont Paulus, daß die Auferstehung der Glaubenden noch aussteht und von der Zukunft erwartet wird, die Gegenwart dagegen unter dem Zeichen des Kreuzes Christi steht222 • Es ist offenbar die Abwehr dieses enthusiastischen Mißverständnisses der Taufe, die Paulus auch in Röm 6,1-11 zu den genannten Korrekturen an dem Entsprechungsschema zwischen Christus und den Getauften führt: Die Teilhabe an der Auferstehung Christi steht für den Glaubenden noch aus; Gegenwart ist die Teilhabe am Tod Christi. Und die einzige Art, in der das noch ausstehende Auferstehungsleben bereits in die Gegenwart hinein vorweggenommen werden kann, ist der sittliche Wandel, in dem der Glaubende aufgrund seines Mitgestorbenseins mit Christus schon jetzt so lebt, wie 219 So zurecht Bornkamm, a.a.O. 43; Dinkler, Taufaussagen, 74f; Gäumann, a.a.O. 48; Käsemann, Römerbrief 157; Conzelmann, Theologie 299; Lohse, Theologie 105; Eichholz, a.a.O. 209; J. Roloff, Neues Testament (Neukirchener Arbeitsbücher), Neukirchen-Vluyn 2 1979, 241. 220 Vgl. die Ausführungen des vorigen Kapitels oben S. 77ff. 221 V gl. Eph 2,6: >>er hat uns mit Christus auferweckt und uns mit ihm einen Platz im Himmel gegeben«. Vgl. ferner das >>Tauflied« Eph 5,14 und Irenäus, adv. haer. 1,23,5 (Text oben Anm. 190). Nach Irenäus, epid. 3 ist die Taufe das Siegel des ewigen Lebens, und selbst in Herrn sim IX, 16,2ff ist die Wirkung der Taufe primär die Überwindung des Todes und Gabe des Lebens. 222 Vgl. 1Kor 4,8ff; 15,23ff; 2Kor 4,10ff; 5,4ff; Phi! 3,10ff.
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es einst in der Auferstehung an den Tag kommen wird. Durch diese leichte Korrektur wird aber nicht nur einem Mißverständnis gewehrt, es wird dadurch zugleich eine bestehende Tauftradition hellenistischer Gemeinden 223 in die paulinische theologia crucis 223 Von hellenistischen Gemeinden ist hier nicht nur deshalb zu sprechen, weil dieses Taufverständnis uns, wie die Paulusbriefe zeigen, primär in hellenistischen Christengemeinden begegnet, sondern auch, weil es nur auf hellenistischem Hintergrund verständlich wird. Es ist hier von dem religionsgeschichtlichen Hintergrund dieser Vorstellung vom sakramental vermittelten Mitsterben und Mitauferstehen zu sprechen, ein Hintergrund, den man doch wohl in der Gedankenwelt der sogenannten Mysterienreligionen zu suchen haben wird. So u.a. Bornkamm, Taufe und neues Leben 37 Anm. 5; Bultmann, Theologie 142f; Conzelmann, Theologie 66; Dinkler, Taufaussagen 72, Anm. 41; G. Friedrich, Art. Römerbrief, RGG3 V, 1141; Gäumann, a.a.O. 37ff; Käsemann, Römerbrief 151ff; W.G. Kümmel, Die Theologie des Neuen Testaments nach ihren Hauptzeugen, Göttingen 1969, 190; Kuss, Römerbrief, 344ff.377f; Lohse, Theologie 67; Oepke, ThWNT I, 539; Roloff, a.a.O. 241; Wengst, Christologische Formeln 39f. Anfängliche starke Überschätzung eines Einflusses der Mysterienreligionen führte nicht nur zu Ernüchterung, sondern auch zu Gegenreaktionen und heftiger Ablehnung. Einen solchen Einfluß verneinen u.a. Althaus, Römerbrief 56ff; M. Barth, Taufe 187ff; Beasley-Murray, a.a.O. 170; Frankemölle, a.a.O. 100; E. Larsson, Christus als Vorbild, Lund 1962, 22f; H. W. Schmidt, Der Brief des Paulus an die Römer (ThHK VI), Berlin 1962, 105ff; Schnackenburg, Heilsgeschehen 192ff; G. Wagner, Das religionsgeschichtliche Problem von Röm 6,1-11 (AThANT 39), Zürich 1962, 281ff; U. Wilckens, Zu Römer 6, in: Theologisches Gespräch 1-2, Kassel 1979, 11-22. Man betont einerseits, daß die Parallelen zwischen Röm 6 und den Begehungen der Mysterienreligionen so eng nicht seien (so Wagner, a.a.O. passim), und hebt andererseits die Unterschiede zwischen paulinischer Theologie und Mysteriendenken hervor (so etwa Althaus, a.a.O. 56ff). Nun sind diese Unterschiede überhaupt nicht zu bestreiten. Was Paulus verkündigt, unterscheidet sich in mehrerer Hinsicht ganz eindeutig von der Gedankenwelt der Mysterien. Gleichwohl kann man über allen Unterschieden doch nicht übersehen, was beide verbindet. Nicht ohne Grund haben die Kirchenväter diese Beziehung gesehen und deshalb von einer teuflischen Nachäffung der christlichen Sakramente in den Mysterienreligionen gesprochen (so Justin, Apo!. I,62; Tertullian, de bapt. 5; de praescript. 40; Firmicius Maternus, de errore prof. rel. 18, I; 22,1 ff). Es geht hier vor allem um die Grundvorstellung, daß der Kultteilnehmer durch eine kultische Handlung Anteil an dem Geschick der Gottheit erhält. Ein solcher Gedanke ist für das Israel des Alten Testaments und auch für das Judentum schlechterdings unmöglich. Jahwe hat kein Geschick, an dem der Israelit Anteil durch kultische Handlungen erhielte. Auch der Verweis auf die Anschauung von der corporate personality (Schnackenburg, Todes- und Lebensgemeinschaft 378 mit Bezug auf H. W. Robinson, The Hebrew Conception of Corporate Personality, in: Werden und Wachsen des Alten Testaments [BZA W 66], Berlin 1936, 49-66) kann den fehlenden alttestamentlichen Hintergrund nicht ersetzen. Zwar repräsentiert dort der Patriarch das von ihm abstammende Volk; aber gerade der entscheidende Punkt fehlt, nämlich daß der Fromme durch eine kultisch-sakramentale Handlung Anteil an dem Geschick des Patriarchen erhält - ganz abgesehen davon, daß für die hellenistischen Christengemeinden Christus nicht bloß ein Patriarch, sondern ein göttliches Wesen ist. Ebenso unzureichend ist der Ver-
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einbezogen und von ihr her interpretiert: Es ist das Kreuz Christi, an dem der Glaubende Anteil empfängt und d~s seine Gegenwart bestimmt. Doch sind wir damit bereits mitten in das Zentrum dieses vielbesprochenen und problemgeladenen Textes geraten. Paulus sucht darzulegen, inwiefern die durch Gottes Heilshandeln in Christus Gerechtfertigten (5,1) nun auch von der Macht der Sünde frei sind. Der Einwand, mit dem Röm 6 beginnt, greift dabei deutlich den Schluß von Röm 5 auf: Wenn das gilt, was 5,20 behauptet, dann brauche man ja nur kräftig weiter zu sündigen, um der Gnade um so mehr Gelegenheit zum Erweis ihrer Größe zu bieten. Möglicherweise handelt es sich hier um einen Einwand, der Paulus tatsächlich von gegnerischer Seite gemacht wurde 224 . Paulus weist den Einwand strikt ab: Wer für die Sünde gestorben ist, kann nicht mehr für sie leben (6,2). Eben diese These wird nun mit dem Hinweis auf die Taufe begründet: »Oder wißt ihr nicht, daß wir alle, die wir auf Christus getauft wurden, auf seinen Tod getauft wurden?« Wahrscheinlich ist dabei das Eit; Xpunov E.ßmt'ttcr8TU.J.EV als eine abkürzende Anspielung auf die Taufformel (taufen auf den Namen Christi) zu verstehen225. Nur dann wird nämlich die Argumentation für den Leser stringent; such von Wilckens, a.a.O. 21, den religionsgeschichtlichen Hintergrund in den Nachfolgeworten Jesu zu suchen, die ja von einer Schicksalsgemeinschaft des Jüngers mit seinem Herrn sprechen. Wieder ist der entscheidende Punkt übersehen: Nirgends geht es in diesen Sprüchen um eine kultisch-sakramental vermittelte Teilhabe an Jesu Tod und Auferstehung. Eben dieser Gedanke aber, daß der Gewinn des Heils von einer kultisch-sakramental vermittelten Teilhabe des Frommen am Geschick seiner Gottheit abhänge, findet sich, bei allen Differenzen im Einzelnen, doch bei verschiedenen hellenistischen Mysterienreligionen (vgl. Cumont, a.a.O. 46.55.64.9lf.201; Plutarch, Über Isis und Osiris I. Text, Übersetzung und Kommentar v. Th. Hopfner, Darmstadt 1967, 70; Haufe, Mysterien 103ff). Daß die hellenistischen Christengemeinden bei der Entwicklung des Gedankens, daß die Taufe Anteil an Christi Tod und Auferstehung gebe, von dieser in der hellenistischen Umwelt virulenten Vorstellung nicht mitbeeinflußt worden sein sollten, ist schwer vorstellbar. Unbestritten bleibt, daß deshalb das hellenistisch-christliche Taufverständnis nicht einfach mit Mysteriendenken gleichgesetzt werden darf, schon deshalb nicht, weil die Taufe nicht am Geschick einer zeitlosen Naturgottheit, sondern an dem eines geschichtlichen Menschen Anteil gibt. Gerade auf dem Hintergrund einer gemeinsamen Grundvorstellung werden die Unterschiede um so deutlicher. Aber es wird hier eine Vorstellung aufgegriffen, die der hellenistische Hörer kennt und verstehen kann und die geeignet ist, in überraschend neuer Weise zu sagen, was die Taufe bedeutet und was christliche Existenz heißt. Um so bezeichnender ist es, daß Paulus noch ein weiteres Mal dieses hellenistische Taufverständnis korrigiert und weiterbildet. 224 Dafür spricht vor allem Röm 3,8; vgl. auch Käsemann, Römerbrief z.St. 225 So Delling, Zueignung 73; Schnackenburg, Todes- und Lebensgemeinschaft 374; Gäumann, a.a.O. 74; Frankemölle, a.a.O. 43ff.
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denn daß die Taufe nach dem Ausweis der Taufformel »auf Christus« geschah, kann niemand bestreiten. Die Fortsetzung Eie; tov 8avatov autou €~mtticr8ruu:.v interpretiert diese Taufformel: Wir sind in seinen Tod getauft. Wie dieses »in« (Eie;) zu verstehen sei, ist freilich unter den Auslegern umstritten. Nach Ausweis der folgenden Verse bedeutet es, daß wir nun mit Christus gekreuzigt (6,6), gestorben (6,8), ja, mit Christus begraben (6,4) sind. Es umschließt also ein volles Mithineingenommensein in seinen Tod. Manche Ausleger schlossen daraus, daß schon die Taufformel dc; Xptcrtov (6,3) eine Übereignung an Christus beinhalte. Doch zeigte sich uns oben (S. 45ff), daß die Taufformel von Haus aus diesen Sinn nicht hat. Delling 226 zog daraus die Folgerung, daß wir, wie die Taufformel besagt, »auf das Christusgeschehen hin« getauft wurden, und daß so auch hier das dc; tov 8avatov autou meine, daß wir auf seinen Tod hin getauft wurden. Das ist wohl sachlich zutreffend, doch fragt sich, ob Paulus nicht das dc;, statt so abstrakt, wesentlich konkreter, nämlich lokal als Einfügung in Christus als den neuen Adam verstanden haben mag. Beachtet man, daß Christus für Paulus der eschatologische Adam (Röm 5,12ff; 1Kor 15,21f) ist, in den die Glaubenden eingefügt sind, so daß sie seinen Leib bilden (1Kor 10,17; 12,13.27), und daß nach Gal 3,27 die Taufe bedeutet, mit Christus wie mit einem Gewand bekleidet zu werden, so kann man diese Möglichkeit nicht ausschließen 227 • Das eben genannte Verständnis der Taufformel braucht dem nicht zu widersprechen; denn Paulus bringt ja mit Eie; 'tOV 8avatov autou €~amicr8TU.J.EV bewußt seine eigene Interpretation der vorangehenden Formel.
Vers 4 zieht daraus die Folgerung: Wir sind also mit Christus begraben durch die Taufe auf den Tod 228 , um in einem neuen Leben zu wandeln. Was die erste Vershälfte betrifft, so fällt auf, daß Paulus nicht bloß vom Tod, sondern vom Mitbegrabensein mit Christus spricht. Nachdem frühere Ausleger diesen Ausdruck durch den Ritus des Untertauchens hervorgerufen sahen229 , wird dies von neuerer Forschung in Frage gestellt230 . Nach antikem Denken wird 226 Delling, Zueignung 74ff. 227 Vgl. Käsemann, Römerbrief 156. Zur Frage des religionsgeschichtlichen Hintergrundes der Adam-Christus-Spekulation vgl. E. Brandenburger, Adam und Christus (WMANT 7), Neukirchen-Vluyn 1962; 0. Betz, Art. Adam I, TRE I (1977) 414ff. 228 Die Worte eic; 'tOV eava'tOV in 6,4 wird man besser nicht mit <J"UVE'tU$T]JlEV (so Zahn, z.St.; Kuss, 298; Bornkamm, Taufe und neues Leben 38 Anm. 6; Delling, Zueignung 78), sondern mit ou1 'tOU ßmt'tt<Jfla'tOt; verbinden (so Käsemann, Schlier, Lietzmann, Schmidt, z.St.; Schnackenburg, Heilsgeschehen 30; Gäumann, a.a.O. 74 Anm. 58; Frankemölle, a.a.O. 54). Die dagegen erhobenen grammatikalischen Einwände, daß dann der Artikel wiederholt und ein mi'tou stehen müßte, sind nicht stichhaltig (vgl. Blass/Debrunner/Rehkopf, § 272,3), und der Satzduktus spricht für die Verbindung mit ßmt'tt<Jfla'tOt;. 229 So Althaus, Lietzmann, Schmidt, Kuss, z.St.; Kümmel, Theologie 192. 230 So Käsemann, a.a.O. 155; Schnackenburg, Todes- und Lebensgemeinschaft 371; E. Stommel, >>Begraben mit Christus<< (Röm 6,4) und der Taufritus,
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das Sterben erst durch das Begräbnis definitiv. Doch dürfte Paulus wahrscheinlich kaum »mitbegraben« (cruvE'ta<j>T]jlEV) statt »mitgestorben« (cruvartE8avojlEv) gesagt haben, wenn ihm nicht das »er wurde begraben« (E'ta<j>T]) der Pistisformel 1Kor 15,4 vor Augen gestanden hätte, wo das Begrabensein gleichfalls die Endgültigkeit des Gestorbenseins unterstreicht. Wieder ist also die Aussage des Apostels durch die Tradition, diesmal durch das Credo, geprägt231 • Doch ist V. 4a nur die Prämisse für die Aussage der zweiten Vershälfte, auf der das eigentliche Gewicht liegt: Wir wurden mit Christus begraben, »damit, wie Christus von den Toten erweckt wurde durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in der Neuheit des Lebens wandeln«. Die Entsprechung »wie Christus ... , so auch wir« hat dabei sachlich begründende Bedeutung 232 . Durch die Auferstehung Christi ist dem Getauften die Möglichkeit des neuen Lebens erschlossen, die er im sittlichen Wandel ergreifen soll. Auf die spannungsvolle Beziehung zu den futurischen Aussagen in V. 5 und V. 8 wurde bereits hingewiesen. An den futurischen Aussagen zeigt sich, daß das neue Leben eine eschatologische Größe ist, die erst bei der kommenden Auferstehung der Toten wirklich offenbar werden wird. Gleichwohl ist den Getauften doch schon jetzt die Wirklichkeit dieses eschatologischen Lebens erschlossen und will im gehorsamen Wandel ergriffen und angeeignet werden. Mit anderen Worten: »Die Taufe ist die Zueignung des neuen Lebens, und das neue Leben ist die Aneignung der Taufe« 233 . Diese in 6,4 entwickelte These, daß unserer Teilhabe am Tod Christi die an seiner Auferstehung entspricht und zu einem neuen Wandel verpflichtet, wird nun in den folgenden Versen in auffallender Weise wiederholt. Für das Verständnis der folgenden Verse ist dabei die Beobachtung von G. Bornkamm234 entscheidend, daß die Verse 57 und 8-10 parallel aufgebaut sind und einander entsprechen. Beide Male wird zunächst aus unserer Anteilhabe an Christi Tod gefolgert, daß wir auch an seiner Auferstehung Anteil haben werden (vgl. 6,5 mit 6,8). Beide Male folgt darauf eine die Folgen dieses Geschehens herausstellende
RQ 49 (1954) 1-20. Neben den von Schnackenburg genannten Argumenten ist auch das ouv zu beachten: Der Satz will eine Folgerung aus dem Vorangehenden sein. Wäre dagegen bei T\JlEV an das Untertauchen bei der Taufe gedacht, so ginge es in 4a um eine Erläuterung von 3b, und man müßte ein yap erwarten. 231 Das betonen Michel und Schlier, z.St.; Eichholz, a.a.O. 207; Conzelmann, Theologie 297; Frankemölle, a.a.O. 56f. 232 Ähnlich in 5,12.15ff; vgl. Käsemann, z.St. 233 Bornkamm, Taufe und neues Leben 50. 234 A.a.O. 39; mit Recht aufgegriffen von Frankemölle, a.a.O. 24 und Gäumann, a.a.O. 83.
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Erläuterung: Unser alter Mensch ist rnitgekreuzigt, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, so daß wir nicht mehr der Sünde dienen (6,6). Der Parallelsatz 6,9 zeigt die Folge für Christus auf: Christus, von den Toten auferstanden, stirbt nicht mehr, der Tod herrscht über ihn nicht mehr. Schließlich wird diese Folgerung in beiden Aussagereihen noch einmal begründet: In 6,7 durch die Aufnahme eines rabbinischen Rechtssatzes, daß der Tote von der Sünde frei ist235 , in 6,10 durch eine christologische Aussage: »Denn was er gestorben ist, ist er der Sünde gestorben ein für alle Mal; was er aber lebt, lebt er für Gott«. Die Parallelität beider Aussagereihen wird durch die gleichen Konjunktionen Ei (6,5 und 8), ytvrooKovtec; ön bzw. Eiö6'tec; Ö'tt (6,6 und 9) und yap (6,7 und 10) hervorgehoben 236 • Erst auf dem Hintergrund der Parallelität der beiden Aussagereihen heben sich ihre Unterschiede recht hervor. Denn während die erste Reihe (6,5-7) anthro235 Vgl. Bill. III, 232; K.G. Kuhn, Römer 6,7, ZNW 30 (1931) 305-310. 236 Die Parallelität der Aussagen von 6,5-7 und 6,8-10 ist wohl auch für das Verständnis von V. 5 entscheidend. Dieser etwas schwierige Vers gehört zu den meistumstrittenen des Römerbriefes, und er hat vor allem deshalb so sehr das Interesse angezogen, weil man in ihm eine bündige Definition der Taufe finden zu können meinte. Doch hat die Diskussion immerhin einige wichtige Klärungen gebracht. So dürfte inzwischen sicher sein, daß der Dativ tc\J Of!OtWiJ.an nicht instrumental zu verstehen (so noch Lietzmann, z.St.: »durch die Nachbildung seines Todes mit seinem Tod zusammengewachsen<<), sondern soziativ und also direkt mit crUIJ.<j>Utot yqovaf!EV zu verbinden ist: Wir sind mit dem Ofl.OÜOIJ.a seines Todes verbunden worden (die weite und abgehlaBte Bedeutungsbreite von crUIJ.<j>'UtO~ betonen besonders Kuss und Käsemann, z.St.). Da die beiden Satzhälften einander entsprechen (Ei ... yqovaf!EV- at..:J..a Kat ... E:cr61J.t::9a), muß in der 2. Satzhälfte zu tfi~ avacrtcicrt::ro~ noch einmal tt\l Ofl.OlWflU'tt gedanklich ergänzt werden. Aus dieser Entsprechung folgt aber, daß mit dem Of!OtWiJ.a nicht die Taufe gemeint sein kann (so K. Barth, Die kirchliche Lehre von der Taufe [ThSt 14], Zürich 1947, 6, der daraus ein rein kognitives Verständnis der Taufe ableitet, weil die Taufe hier als »Gleichnis<< oder »Abbild<< des Todes Jesu bezeichnet werde; vgl. auch Michel und Lietzmann, z.St.). Denn wenn das Of!OtWfla seines Todes die Taufe wäre, was sollte dann das Of!OtWiJ.a der Auferstehung sein? So spitzt sich alles auf den Begriff Of!OtroiJ.a zu, der außer Offb 9,7 nur bei Paulus (Röm 1,23; 5,14; 6,5; 8,3; Phi! 2,7) begegnet. Und hier setzt sich mehr und mehr die Überzeugung durch, daß OiJ.OtWiJ.a nicht abstrakte Bedeutung haben könne (»Gleichheit<<, >>Ähnlichkeit<<), sondern ein Concretum bezeichnen müsse, am besten zu übersetzen mit >>Gestalt<< (Bornkamm, a.a.O. 42; Dinkler, Taufaussagen 73; Gäumann, a.a.O. 50ff; Schnackenburg, a.a.O. 367ff; Kuss, a.a.O. 301; Frankemölle, a.a.O. 69f). Frankemölle hat für das Verständnis auf den Kontext hingewiesen. Da wird das O"Ufl<jl'U'tot YEYOVUIJ.EV von 6,5 umschrieben durch 0"'\JVE'tO<j>T]IJ.EV autc\J (6,4), 0"'\JVEO"ta'UpW'tTJ (6,6), a7tt::9civof1EV cruv Xptcrtc\J (6,8). Dabei ist es überall der gekreuzigte Christus selbst, mit dem der Täufling verbunden wurde. Man wird deshalb die >>Gestalt seines Todes<<, mit der wir verbunden wurden, entweder auf Jesu Kreuzigung bzw. Kreuzestod zu beziehen haben (so Dinkler, Schnackenburg und Frankemölle) oder gar direkt als Umschreibung für den >>Gekreuzigten<< verstehen dürfen (so Bornkamm, a.a.O. 42), was dann auch zu der Entsprechung in 5b besser passen würde: Wenn wir mit ihm als dem Gekreuzigten (mit der Gestalt seines Todes) verbunden sind, so werden wir es auch mit ihm als dem Auferstandenen (der Gestalt seiner Auferstehung) sein.
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pologisch ausgerichtet ist, ist es die zweite Reihe christologisch. Während 6,6 vom alten Menschen und vom Leib der Sünde redet, spricht der parallele V. 9 von Christi Auferstehung. Darum spricht 6,6 vom Ende der Sündenherrschaft, 6,9 dagegen vom Ende der Todesherrschaft Dann kann aber das Verhältnis beider Reihen zueinander nur so verstanden werden, daß die erste (anthropologische) Reihe durch die zweite (christologische) Reihe begründet wird. Das zeigt deutlich ein Vergleich zwischen 6,7 und 6,10. Die Aussage, daß der Tote von der Sünde frei ist, erhält ihre befreiende Kraft für den Glaubenden erst dadurch, daß Christus ein für alle Mal für die Sünde gestorben ist.
Im Blick auf diesen parallelen Aufbau wird deutlich, daß das Taufgeschehen (6,5-7) zu dem Christusgeschehen (6,8-10) nicht nur im Verhältnis der Analogie steht, so daß wir in der Taufe sterben würden, so wie Christus am Kreuz starb. Das Taufgeschehen ist auch nicht eine Wiederholung des Christusgeschehens, wie man aus der Nähe zu Mysterienvorstellungen vielleicht entnehmen könnte, sondern Taufgeschehen und Christusgeschehen sind miteinander identisch, »das Christusgeschehen (ist) im Taufgeschehen gegenwärtig ... Der Tod, den der Täufling und Christus sterben, ist nur einer, d.h. der Tod Christi selbst und eben dieser wird durch die Taufe des Glaubenden Tod 237 . Andererseits hat die Taufe aber diese Kraft nicht aus sich selbst, sie gibt das Heil nicht kraft einer in ihr selbst liegenden Qualität, sondern ausschließlich durch ihre Bezogenheit auf das Christusgeschehen, das sie begründet. Das wird aus der Zuordnung der beiden Aussagereihen (6,5-7 und 8-10) zueinander ganz deutlich: Das Christusgeschehen begründet das Taufgeschehen. Die Taufe gibt Freiheit von der Sündenherrschaft und Anteil an der eschatologischen Gabe des Lebens, indem sie mir Christi Tod und Auferstehung ansagt und zueignet. Und diese Zueignung von Tod und Auferstehung Christi will im neuen Leben des Glaubens ergriffen und angeeignet werden. Wir sahen, daß sich Paulus in Röm 6 auf die Taufe bezieht, um die mit der Offenbarung der Gottesgerechtigkeit (3,21ff) gegebene Freiheit von der Macht der Sünde darzulegen und also die Notwendigkeit des neuen sittlichen Wandels aufgrund der empfangenen Rechtfertigung zu begründen. Taufe und Rechtfertigungsbotschaft sind nicht nur miteinander verbunden, sondern jene ist in diese integriert, sie ist ein Stück des zur justificatio impii zugespitzten Evangeliums. Daß Paulus die Taufe der Evangeliumsverkündigung ein- und unterordnet, war uns bereits in 1Kor 1, 17 auf237
Bornkamm, Taufe und neues Leben 41.
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gefallen. Diese Einordnung zeigt sich vor allem darin, daß Paulus über Taufe und Evangeliumsverkündigung weithin parallele Aussagen macht 238 . Wie der neue Wandel in Röm 6 durch die Taufe begründet wird, so in Phil 1,27 durch das »Evangelium« 239 . Ebenso wird in Gal 5, 13-25 der neue Wandel mit der Verkündigung des Evangeliums begründet240 . Das gleiche Gefälle zwischen Indikativ und Imperativ, zwischen Heilszusage und Aufforderung zu sittlichem Wandel, wie wir es in Röm 6 beobachteten, bestimmt auch die Ausführungen von Gal 5,13-25. Und die gleiche Spannung zwischen Gegenwart und Zukunft des Heils, wie wir sie bei den Ausführungen über die Taufe in Röm 6 beobachteten, bestimmt auch die Darlegung der Rechtfertigungsbotschaft in Phil 3,9ff. Die Parallelität, in der Paulus von Taufe und Verkündigung spricht, zeigt sich weiter darin, daß nach 1Kor 12,13 der Geist bei der Taufe empfangen wird 241 , nach Gal 3,2 durch die »Predigt vom Glauben« (ax:oi) 7ttcr'tEro<;). Wie man nach 1Kor 6,11; 12, 13; Gal 3,27 ein Christ durch die Taufe wird, so nach 1Kor 4, 15; 15,lf durch das Evangelium, durch die Predigt vom Glauben (Gal 3,2ff) bzw. durch den »Glauben« (Gal 3,26). Nach 1Kor 6,11 wird die Rechtfertigung mit der Taufe empfangen, nach 2Kor 5, 19ff durch das Wort von der Versöhnung (Myo<; 'tfi<; x:maA.Aayfic;). Und wie es nach Gal 3,27-29 eine Folge der Taufe ist, daß die Christen nun Söhne Abrahams sind, so ist es nach Gal 3,7 eine Folge des Glaubens, der ja aus der »Predigt vom Glauben« (Gal 3,2) kommt. Unmittelbar verbunden werden Taufe und Glaube nur in Gal 3, 26~27. Das mag uns, denen im Zeichen von Volkskirche und Kindertaufe das Verhältnis von Glaube und Taufe als das eigentliche theologische Problem erscheint, ein wenig verwundern. Doch müssen wir uns hier vor Anachronismus hüten. Was für uns ein Problem sein mag, war es offenbar für Paulus nicht. Auch in Gal 3,27 ist die Taufe nicht das eigentliche Thema. Thema ist vielmehr die Abrahamskindschaft und die damit verbundene Heilsgewißheit 238 Zum Folgenden vgl. vor allem E. Lohse, Wort und Sakrament in der paulinischen Theologie, in: Zu K. Barths Lehre von der Taufe, hg. v. F. Viering, Güterstob 2 1972, 44-59. 239 Wenn es in Phi! 1,27 heißt: >>Führt euren Wandel würdig des Evangeliums von Christus«, so ist dabei das Evangelium nicht nur Norm, sondern auch Grund des Wandels. 240 Gal 5,13 denkt mit E:n' EAEU8Epic;x E:KA.J18rp:E deutlich an die mündliche Verkündigung. 241 Zu !Kor 12,13 vgl. oben Anm. 157.
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Nachdem Paulus von 3,6 an zu zeigen versuchte, daß die Abrahamskindschaft nicht durch das Gesetz, sondern durch den Glauben gewonnen wird, und dabei zu recht weit gehenden Aussagen über Grenze und Funktion des Gesetzes geführt wurde, bringt er in 3,26-29 den Argumentationsgang zum Abschluß: Die Gefangenschaft unter dem Gesetz ist zu Ende. »Denn ihr seid alle Söhne Gottes durch den Glauben in Christus Jesus 242 . Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Hier gibt es nicht Jude oder Grieche ... , ihr seid alle einer in Christus Jesus. Wenn ihr aber Christus gehört, dann seid ihr auch Abrahams Nachkommen ... « (3,26-29). Es fällt zunächst auf, daß die Taufe hier ein »Anziehen« Christi (vgl. Röm 13,14) bewirkt. Diese Aussage ist zweifellos mit !Kor 12,13 zusammenzuhalten, wonach die Taufe den Täufling in den Leib Christi eingliedert243 . Was dort in ekklesiologischer Blickrichtung gesagt wurde, das wird hier christologisch ausgedrückt: Durch die Taufe wird der Täufling so sehr mit Christus verbunden, daß er Christus wie ein Kleid angezogen hat und also nun »in« Christus ist. Wie schon in Röm 6,3 steht dahinter wohl die Vorstellung, daß Christus der neue Adam ist, der den Glaubenden umschließt und bestimmt, wie er zuvor von dem ersten Adam bestimmt wurde. 242 Die Folge ou't 'tfi<; Jtt
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Weiter fällt das eigenartige Verhältnis auf, in dem 3,27 zu 3,26 steht. Begründet 3,26 die Freiheit der Galater vom Gesetz damit, daß sie alle in Christus Söhne Gottes sind durch den Glauben, so soll 3,27 diese These offenbar erläutern (yap): Durch die Taufe haben sie Christus angezogen. Söhne Gottes sind sie, weil sie »in Christus« sind, d.h. Christus angezogen haben. Dadurch wird aber die Aussage über den Glauben (3,26) völlig parallel neben die Aussage über die Taufe (3,27) gestellt.
Glaube und Taufe sind nicht dasselbe, aber sie sind zusammen die Mittel, durch die die Gotteskindschaft empfangen wird. Das läßt sich dann aber nur so verstehen, daß der Glaube das subjektive Mittel der Aneignung des Heils ist wie die Taufe das objektive Mittel der Zueignung des Heils. Beide bedingen einander. Keines kann ohne das andere bestehen. Aber man wird das nicht so verstehen können, daß der Glaube als Bedingung der Taufe vorangehen müsse - so gewiß in der Urchristenheit in der Regel Glaubende zur Taufe kamen und also der Glaube zeitlich der Taufe vorausging. Ebensowenig aber läßt sich der Glaube als eine Taufgabe verstehen, die im Vollzug der Taufe dem Täufling (gewissermaßen automatisch) mitgeteilt wurde. Vielmehr bleibt die Taufe ebenso auf die subjektive Aneignung im Vollzug des Glaubens im neuen Wandel angewiesen, wie der Glaube von der objektiven Zusage und Zueignung des Heils abhängt. Wieder zeigt sich, welche völlig parallelen Aussagen Paulus über Taufe und Evangeliumsverkündigung macht; denn das Verhältnis zwischen Taufe und Glaube nach Gal 3,26f ist dasselbe wie zwischen Verkündigung und Glaube. Bereits für das vorpaulinische Christentum war die Taufe nach Ausweis der Taufformel eine Weise der Heilsverkündigung, ein Mittel, dem Umkehrenden mitzuteilen, was Christi Tod und Auferstehung für ihn bedeuten (vgl. oben S. 46f). Paulus steht in derselben Tradition. Auch für ihn ist die Taufe eine Weise der Heilsverkündigung 244 . Die Verbindung von Taufe und Ethik, Taufe und neuem Wandel (Röm 6,3ff; 1Kor 6,11; 12,13; vgl. 10,1-13!) ist nur eine Konsequenz der Einordnung der Taufe in die Evangeliumsverkündigung überhaupt. Das spezifisch Paulinische ist daran nur, daß er radikaler und konsequenter über die Bedeutung des Kreuzes Jesu nachgedacht hat und dies eben auch seine Taufaussagen bestimmt.
244 Im Blick auf das Herrenmahl wird das einmal ausdrücklich formuliert: »Sooft ihr dieses Brot eßt und von diesem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt« (!Kor 11,26). Paulus könnte das zweifellos auch von der Taufe sagen.
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4.4 Taufe als Wiedergeburt Eine weitere Interpretation der Taufe wird man in ihrer Bezeichnung als Wiedergeburt zu sehen haben. Trotz unterschiedlicher Terminologie 245 ergeben die verschiedenen Stellen doch ein relativ einheitliches Bild. So wird bei Justin, Apol. 1,66, 1 die Taufe als das zur Wiedergeburt führende Bad (Ei<; avayEVVTJO"tV AO'U'tpov) bezeichnet. Die Täuflinge werden bei der Taufe wiedergeboren: »Sie werden von uns an einen Ort geführt, an dem Wasser ist, und werden wiedergeboren (avayEvvrovwt) nach der Art der Wiedergeburt, mit der auch wir wiedergeboren wurden« (61,3). Entsprechend heißt es wenig später (61,10): » .... so wird ... im Wasser über dem, der nach der Wiedergeburt Verlangen trägt und seine Vergehen bereut hat, der Name Gottes ... ausgesprochen«. Daher sind die Christen das Geschlecht, das von ihm (d.h. Christus) wiedergeboren wurde »durch das Wasser, den Glauben und das (Kreuzes-)Holz« (8t' üömo<; Kat nicr'tEffi<; Kat ~uA-ou Dial. 138,2). Bezeichnend ist die dreifache nähere Bestimmung und Erläuterung, wobei die Präposition öui eine dreifach verschiedene Bedeutung erhält: Bezeichnet öu1 ~uA.ou die heilsgeschichtliche Ursache unserer Wiedergeburt im Kreuzestod Christi, so öt' üöato~ die objektive und öu1 1ttcrtEro~ die subjektive Vermittlung der Wiedergeburt.
245 Bei Justin, Apo!. 1,61,3.10; 66,1; Dia!. 138,2; Tatian 5,3; ActThom 132; 1Petr 1,3.23 findet sich avayevviicr8at bzw. avayevvTJcru;, bei Tit 3,5 1taA.tyyEVTJcria und bei Joh 3,3 yevvTJ8fivat ävoo8Ev. Auch Jak 1,18 a1tEKUTJO"EV lillii<; wird man in diesem Zusammenhang sehen müssen. Die Stellen, an denen von einem YEVVTJ8fivat EK eeou (Joh 1,13; lJoh 2,29; 3,9; 4,7; 5,1 u.ö.) die Rede ist, können hier außer Betracht bleiben. - Der religionsgeschichtliche Hintergrund der Wiedergeburtsvorstellung braucht nicht erneut dargestellt zu werden; vgl. dazu J. Dey, PALIGGENESIA (NTA 17,5), Münster 1937; F. Büchse/, Art. yevvcioo K'tA.., ThWNT I, 664ff.671f.685ff; L. Goppelt, Der erste Petrushrief (KEK XII,l), hg. v. F. Hahn, Göttingen 1978, 92ff. Deutlich ist jedenfalls, daß alttestamentlich-jüdische Vorstellungen zur Erklärung nicht ausreichen. Alttestamentlich-jüdisches Denken kennt die Vorstellung der Neuschöpfung, aber nicht die der Wiedergeburt. Auch der verschiedentlich herangezogene Ausspruch des R. Jose (um 150), daß ein Proselyt wie ein eben geborenes Kind sei, spricht, wie schon Billerbeck (II, 423; vgl. auch I, 929f) betont hat, nicht von einer Wiedergeburt. Wohl aber begegnen Vorstellung und Terminologie der Wiedergeburt im hellenistischen Bereich, und zwar sowohl im allgemein profanen, im philosophischen als auch im religiösen Sprachbereich. Die Aufnahme dieser hellenistischen Vorstellung (Dey, a.a.O. 175) dürfte aber durch die Vertrautheit des Neuen Testaments mit der alttestamentlich-jüdischen Vorstellung von der »Neuschöpfung« erleichtert worden sein.
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Im Neuen Testament wird die Taufe am eindeutigsten in Tit 3,5 als »Wiedergeburt« (hier 1taA.A.t yyevecria) bezeichnet. Vorangehende Paränese wird in 3,4f durch die Erinnerung an Gottes Heilshandeln begründet: »... nicht weil wir Werke der Gerechtigkeit getan hätten, sondern nach seinem Erbarmen rettete er uns durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung durch den heiligen Geist, den er reichlich über uns ausgegossen hat durch Jesus Christus, unseren Retter«. Daß hier von der Taufe geredet ist, geht eindeutig aus dem Begriff »Bad« (Ao'U'tpov) hervor. Dabei wird die Taufe als »Bad der Wiedergeburt« (A.o'U'tpov JtaA.tyyevecria~) bezeichnet, was offenbar durch die folgenden Worte »und der Erneuerung durch den heiligen Geist« (Kat avaKatVolO"Effi~ 1tVEUJ.La't0~ ayiou) weiter erläutert wird. Wiedergeburt heißt Erneuerung, und zwar eine durch den heiligen Geist bewirkte Erneuerung246 . Bezeichnend ist weiter, in welcher Beziehung hier die Taufe zu Gottes Heilshandeln steht. Gottes Rettungshandeln (E.crmcrev TJila~) wird vermittelt durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung, und eben dieses ist wirksam im Menschen durch den über ihm ausgegossenen Geist. Geist als Gabe der Taufe und Geist als wirkende Kraft bei der Taufe sind hier eng miteinander verbunden. Als Wiedergeburt ist die Taufe auch in Joh 3,3.5 verstanden. Dem suchenden Nikodemus wird zunächst gesagt: »Amen, amen, ich sage dir, wenn einer nicht von neuem 247 geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen« (3,3) . Auf die verständnislose Frage des Nikodemus hin wird die These noch einmal in leichter Variation wiederholt (3,5): »Amen, amen, ich sage dir, wenn einer nicht aus Wasser 248 und Geist geboren wird, kann er nicht ins Reich Gottes kommen«. Wie sich im Blick auf das Geborenwerden Wasser und Geist zueinander verhalten, ist offenbar nicht weiter reflektiert. Deutlich aber ist, daß sich das Wasser dabei nur auf die Taufe beziehen kann, und daß das Von-neuem-geboren-Werden als ein Geborenwerden aus Wasser und Geist interpretiert und also an die Taufe gebunden wird. Schließlich wird man auch an den beiden Stellen, an denen im 1. Petrushrief von Wiedergeburt gesprochen wird, an die Taufe zu 246 Der Genitiv 1tVEUJ.ta'tO<; ayiou ist als gen. auctoris (so Holtz, Pastoralbriefe 234) oder besser noch als gen. causativus (Haufe, Taufe und Geist 563) zu verstehen. Bei naA.tyyEvEcria<; dagegen wird man von einem Genitiv des Zweckes (Blass/Debrunner/Rehkopf, § 166,1) sprechen müssen. 247 Daß ävro9Ev hier nicht »Von oben« (so F. Büchse/, Art. ävro K'tA.., ThWNT I, 378; Schnackenburg, Johannesevangelium I, 381f), sondern >>Von neuem<< (so Zahn, Bultmann, Strathmann, Schutz, z.St.) bedeutet, ergibt sich eindeutig aus der Frage des Nikodemus in 3,4. 248 Zur Frage, ob die Worte ÜÖa'tO<; Kat späterer Zusatz sind, vgl. oben S. 64f.
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denken haben. Zwar wird an beiden Stellen (lPetr 1,3-und 23) die Taufe nicht ausdrücklich genannt. Aber Bezüge auf die Taufe begegnen auch sonst im 1. Petrusbriet"249 , und die Wiedergeburt wird in 1,3 durch den Aorist als ein einmaliges Geschehnis bezeichnet. Vor allem aber ist zu beachten, daß an den wenigen Stellen, an denen überhaupt im Frühchristentum der Gedanke der Wiedergeburt begegnet, er so gut wie immer mit der Taufe verbunden ist250 . Es ist deshalb in hohem Grade wahrscheinlich, daß auch bei 1Petr 1,3.23 an die Taufe gedacht ist251 . In 1,3 wird Gott gepriesen, der »nach seiner großen Barmherzigkeit uns wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten«. Die Wiedergeburt hat ihren Grund in der Auferstehung Jesu Christi; ähnlich wird in 3,21 die Auferstehung Jesu Christi ausdrücklich als Grund der Taufe genannt. Gerade diese gleiche Begründung zeigt, daß auch in 1,3 die Wiedergeburt als an die Taufe gebunden zu denken ist. Bezeichnend ist dabei die Spannung zwischen Gegenwart und Zukunft des Heils in 1,3. Impliziert schon der Begriff der Wiedergeburt, daß das neue Leben als gegenwärtig verstanden wird, so besteht dieses neue Leben doch nach 1,3 gerade im Ausgerichtet-Sein auf die Zukunft: Wir wurden zur Hoffnung wiedergeboren! Eine ähnliche Spannung zwischen Gegenwart und Zukunft fanden wir bereits bei der Beachtung von Röm 6 252 - bei der Nähe, in der der erste Petrushrief auch sonst zur Paulusschule steht, nicht verwunderlich. In 1Petr 1,23 wird an die (bei der Taufe empfangene) Wiedergeburt erinnert, um die vorangehende Paränese zu begründen. Ein solches Verhalten, wie es in 1,22 beschrieben wird, sollen und kön249 Vor allem 1Petr 2,2 und 3,21. Die verschiedenen Bezüge auf die Taufe führten eine Reihe von Forschern zu der Annahme, daß der Brief eine Taufansprache enthalte; so R. Perdelwitz, Die Mysterienreligionen und das Problem des 1. Petrusbriefes, Gießen 1911; Windisch, Katholische Briefe 82; J. Schneider, Die Briefe des Jakobus, Petrus, Judas und Johannes (NTD I 0), Göttingen 1961, 41; Vielhauer, Urchristliche Literatur 585; W. Marxsen, Einleitung in das Neue Testament, Gütersloh 1963, 200; in der 4. Auflage 1978, 233 möchte Marxsen lieber von >>einem (Tauf-)Katechismus« reden. Bisweilen wurde gar die Liturgie eines Taufgottesdienstes vorausgesetzt; so H. Preisker in der 3. Auflage von Windischs Kommentar, Tübingen 1951; L.F. Cross, Peter. A Pascha! Liturgy, London 1954; A.R.C. Leaney, Peter and the Passover, NTS 10 (1963/64) 238-250. 250 So Joh 3,5; Tit 3,5; Justin, Apo!. 1,61,3.10; 66,1; Dia!. 138,2; ActThom 132; Irenäus, Epid. 3.7. 251 So Windisch!Preisker, z.St.; Knopf, Petrushriefe 42; Schelkle, Petrushriefe 28; Goppelt, Der erste Petrushrief 95.132; N. Brox, Der erste Petrushrief (EKK XXI), Zürich/Neukirchen-Vluyn 1979, 61; Dinkler, Taufaussagen 120; Dey, a.a.O. 152. 252 Vgl. oben S. 89.
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nen die Leser deshalb zeigen, weil sie »wiedergeboren (wurden) nicht aus vergänglichem, sondern unvergänglichem Samen, nämlich durch das lebendige und bleibende Wort Gottes«. Interessant ist, wie das im Begriff der Wiedergeburt enthaltene Bild hier aufgegriffen und ausgewertet wird. Jede Geburt erfolgt ja aufgrund der Erzeugung mittels eines Samens, der die Eizelle befruchtet. Dieser im Bild enthaltene Teilaspekt wird nun ausgewertet: Der Samen, durch den es zu unserer Wiedergeburt kam, ist kein menschlich-vergänglicher Samen, sondern der Samen des Wortes Gottes, das lebendig und bleibend ist, was dann durch ein Zitat aus Jes 40,6ff belegt wird. Weil es kein vergänglicher, sondern in Ewigkeit bleibender Samen ist, darum ist auch das neue Leben, zu dem wir wiedergeboren wurden, kein vergängliches Leben mehr, sondern ein in Ewigkeit bleibendes Leben. Die Kraft, durch die wir wiedergeboren wurden, ist damit als das Wort Gottes bezeichnet. Das braucht der obigen Beobachtung, daß bei der »Wiedergeburt« wohl an die Taufe zu denken ist, nicht zu widersprechen. Ist auch hier an die Taufe zu denken, so bedeutet das, daß das Wort Gottes die Kraft der Taufe ist253 • Bereits oben waren wir auf den engen Zusammenhang von Taufe und Verkündigung gestoßen (S. 86.95f). Auch in 1Petr 1,23 wird die Taufe in das Geschehen des Wortes Gottes einbezogen und unter das Wort Gottes subsumiert. Taufe kann deshalb nicht als eine magische Kulthandlung verstanden werden, die ex opere operato wirkt; ihre Kraft ist vielmehr das Wort, das im Glauben und im Gehorsam des neuen Wandels ergriffen werden will. Darum sind auch hier Taufe und Ethik miteinander verbunden: Es gilt, das durch die Wieder253 Eine ähnliche Aussage macht Jak 1,18: >>Nach seinem Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit geboren<< ((lnEKUT]crEv); doch ist dort nicht von >>Wiedergeburt<<, sondern einfach von >>Geburt<< die Rede. Mußner, Tauflehre des Jakobusbriefes 61-67 rechnet damit, daß auch hier an die Taufe zu denken ist. Ebenso rechnet Ysebaert, a.a.O. 139f anoK'\JEC.O (Jak 1,18) zur Taufterminologie. Eine interessante Verbindung von Taufe und Wort liegt in Eph 5,26 vor, wo von der Kirche gesagt wird, daß Christus sie gereinigt habe >>durch das Wasserbad im Wort<< ('tc\) A.ompc\) 'tou üomo~ F.v pi]~J.an). Hier ist freilich strittig, was mit pfi~J.a gemeint ist. Einige beziehen es auf die Taufformel (Dink/er, Taufaussagen 106; H. Schlier, Der Brief an die Epheser, Düsseldorf 4 1963, 257; J. Gnilka, Der Epheserbrief [HThK X/2], Freiburg/Basel/Wien 1971, 282). Doch begegnet pfi~J.a nirgends als Bezeichnung der Taufformel, aber verschiedentlich als allgemeine Umschreibung des Evangeliums (Röm 10,8; Eph 6,17; Hebr 6,5; 1Petr 1,25). Daher liegt es näher, pfi~J.a auf die mit der Taufe verbundene Verkündigung zu beziehen; so M. Dibelius I H. Greeven, An die Kolosser, Epheser, an Philemon (HNT 12), Tübingen 3 1953, 94f; v. Campenhausen, Taufe auf den Namen Jesu 4. Bezieht man pfi~J.a auf die Evangeliumsverkündigung, dann macht Eph 5,26 eine ähnliche Aussage wie lPetr 1,23: Die Reinigung durch die Taufe geschieht >>im Wort<<, d.h. kraftdes Wortes. Auch in Eph 5,26 ist dann das Wort die Kraft der Taufe.
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gehurt geschenkte neue Leben im konkreten sittlichen Wandel zu ergreifen. Erwägt man, was die Aufnahme der Wiedergeburtsvorstellung für das Verständnis der Taufe bedeutet, so ist nicht nur zu sehen, daß hier ein weiterer Begriff aus der hellenistischen Umwelt aufgegriffen ist, ein den hellenistischen Hörern bekannter Begriff, sondern vor allem, daß damit der radikale Bruch zwischen einst und jetzt betont und dadurch die Größe der Heilsgabe unterstrichen wird. Der Akzent fällt nun stärker als bei den bisherigen Interpretamentell undialektisch auf die Gegenwart christlicher Existenz. Was die Taufe gibt, ist nicht nur ein neuer Anfang, sondern ein schlechterdings neues Leben, eine neue Geburt. 4.5 Taufe als Bitte um ein gutes Gewissen in 1Petr 3,21 Eine besonders auffällige und in ihrem Verständnis umstrittene Aussage über die Taufe findet sich in 1Petr 3,21. Ihr müssen wir uns deshalb gesondert zuwenden. Es heißt dort: »Als Gegenbild rettet euch jetzt die Taufe, die nicht eine Beseitigung von körperlichem Schmutz, sondern eine Bitte an Gott um ein gutes Gewissen ist, durch die Auferstehung Jesu Christi«. Diese Übersetzung enthält natürlich bereits eine Interpretation. Denn wir haben dabei das griechische Wort ErtEpO:rtl]J.W mit »Bitte« übersetzt, und eben dies, was ErtEpO:rtl]J.W bedeutet, ist vor allem strittig. Schwierig ist aber auch der Zusammenhang, in dem diese Taufaussage steht. Wir werden deshalb zunächst die Einordnung in den Kontext und danach die Bedeutung von ErtEpO:rtl]J.W zu klären suchen. 1Petr 3, 13 ff bringt eine Leidensparänese: Verfolgungsleiden sind durchaus nicht sicher, wenn die Christen Gutes tun (3,13). Aber selbst wenn sie leiden müssen, sind sie selig zu preisen; sie sollen sich nicht fürchten, sondern sich offen zu ihrer Glaubenshoffnung bekennen (3,15) und vor allem bei ihrem guten christlichen Wandel beharren (3,16f). Diese Ermahnung zum Beharren im Gutestun, auch wenn sie leiden müssen, unterstreicht der Verfasser in 3, 18f durch die Anfügung eines festgeprägten Traditionsstückes, eines Liedfragmentes 254 , das vom Leiden Christi spricht: Auch Christus hat gelitten, der Gerechte für die Ungerechten. Wie aber die 254 Vgl. R. Bultmann, Bekenntnis- und Liedfragmente im ersten Petrusbrief, in: ders., Exegetica, Tübingen 1967, 285-297; Wengst, Christologische Formeln, 161-164.
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Zitierung von Liedstrophen dazu verführt, sie auch dann noch weiter zu zitieren, wenn ihr Inhalt nicht mehr unmittelbar das Thema betrifft, so auch hier. Die Liedstrophe spricht auch von Christi Hadespredigt nach seinem Leiden, und der Verfasser läßt sich davon animieren, das mit eigenen Worten zu erläutern: Bei den »Geistern im Gefängnis« (3, 19) handelt es sich um die Generation Noahs, als Noah die Arche baute und durch die Sintflut hindurch gerettet wurde (3,20) 255 • Dabei bietet die Sintflut ihm das Stichwort, um von der Taufe zu sprechen. Vom Thema der Leidensparänese hat sich der Verfass er inzwischen weit entfernt (erst in 4,1 nimmt er sie wieder auf) . Während aber die erste Abschweifung (3,20) als notwendige Erläuterung der vorangehenden dunklen Worte der Liedstrophe verstanden werden kann, läßt sich für die zweite Abschweifung (3,21) keine ähnliche Notwendigkeit erkennen. Ihre Anfügung kann nur durch den Inhalt von 3,21 selbst und also durch das Thema der Taufe und das Interesse am Taufthema bedingt sein. Mit anderen Worten: Das Taufthema ist dem Verfasser so wichtig, daß er um seinetwillen den konkreten Zusammenhang der Leidensparänese verläßt und diesen kurzen Exkurs über die Taufe einfügt256 • Anlaß dazu, von der Taufe zu reden, bot die Erwähnung der Sintflut. Denn die Taufe kann als »Gegenbild« (av'tt 'tU7to<;) zum Sintflutgeschehen verstanden werden. Bei der Sintflut und bei der Taufe geht es um zwei einander entsprechende Vorgänge, so daß das eine das andere im voraus abbilden und auf es hinweisen kann 257 . 255 Vgl. H.J. Vogels, Christi Abstieg ins Totenreich und das Läuterungsgericht an den Toten (FfhST 102), Freiburg/Basel/Wien 1976. 256 Erst die Erwähnung der Auferstehung Jesu Christi als Grund für die rettende Kraft der Taufe gibt ihm dann die Möglichkeit, zu den festgeprägten Wendungen des zitierten Traditionsstückes zurückzukehren (3,22). 257 Zu av'Ü'nnto<; vgl. Goppelt, Typos 188f; ders., ThWNT VIII, 254. Fraglich ist, worauf das Relativpronomen ö zu Anfang von 3,21 zu beziehen ist. Man hat es auf das unmittelbar vorangehende öt' üömo<; (3,20) bezogen, was grammatikalisch am nächsten liegt (so u.a. Windisch, z.St.). Dann wäre es das Wasser, das im Gegenbild der Taufe rettet. Dagegen hat man eingewandt, daß das Wasser bei der Sintflut keine rettende, sondern bedrohende Funktion habe, öt' ÜÖa'to<; also nicht instrumental, sondern lokal zu verstehen sei (so Knopf und Goppelt, z.St.). Nach einer rabbinischen Tradition (GenR zu 7,7 bei Goppelt, ThWNT VIII, 254) sei Noah erst in die Arche gegangen, als das Wasser ihm schon bis zu den Knien reichte, so daß er also durch das Wasser hindurch in die Arche gerettet wurde. Infolgedessen sei das ö nicht auf öt' ÜÖa'to<;, sondern auf den ganzen Vorgang des Sintflutgeschehens zu beziehen. Schelkle, Petrushriefe 108 Anm. 2 hält diese Deutung doch für etwas zu gelehrt. Immerhin ist das Argument, öt' ÜÖa'to<; könne nicht instrumental gemeint sein, nur auf den ersten Blick einleuchtend. Das antike Judentum hat das Wasser der Sintflut nicht nur als bedrohende Macht verstanden, sondern zugleich auch als einen kathartischen Akt, als reinigende, läuternde
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Eine ähnliche typologische Entsprechung der Taufe fanden wir schon lKor lO,lff im Durchzug der Israeliten durchs Meer, und die Folgezeit wird noch weitere solcher Entsprechungen aufzuzeigen suchen (vgl. Tertullian, de bapt. 3f.9). Dabei soll das alttestamentliche Geschehnis die christliche Taufe nicht begründen, wohl aber ankündigen und den gegenwärtigen Leser an die Taufe erinnern. Auch der Verfasser des 1. Petrusbriefes nutzt den alttestamentlichen Anlaß, um seine Leser an die Taufe zu erinnern. Die Taufe rettet (cr0sn) die Leser, erklärt V. 21a, was dann offenbar in V. 21b erläutert werden soll: Die Taufe ist nicht eine Beseitigung von körperlichem Schmutz (crapKÜ<; an68Eat<; pt'mou), sondern »Bitte zu Gott um ein gutes Gewissen« ( O"UVEtÖTJO"Effi<; aya8fj<; E1tEpci:J8ru.w Ei<; 8Eov), und sie ist das durch die Auferstehung Jesu Christi. Strittig ist vor allem die Bedeutung von E1tEpW8TJf.La. Seine Grundbedeutung ist »Frage«, »Anfrage«, wofür es zahlreiche Belege von Herodot an über Thukydides bis zu Hermas und Justin gibt258 . Wie das Verb E1tEpün:aro, kann auch E1tEpW8TJf.la geradezu die Anfrage an ein Orakel bezeichnen (Herrn mand XI,2; Sir [36] 33,3) und dann zugleich auch den Orakel-Entscheid urnfassen 259 • Die Bedeutung »Bitte« ist für E1tEpW8TJf.La zwar nicht belegt, eine Verschiebung in dieser Richtung legt sich aber in dem Augenblick nahe, wo sich die »Anfrage« an Gott richtet, zumal das Verb E1tEpro1:aro neben »anfragen«, »fragen« auch »bitten« bedeuten kann 260 . Wegen der philologisch schmalen Basis für die Bedeutung »Bitte« haben andere Exegeten eine Spezialbedeutung aufgegriffen, die das Wort vom 2. Jahrhundert n.Chr. an in juristischen Texten erhalten kann. Da kann E1tEpW8TJf.La als Äquivalent für lat. stipulatio eintreten und bezeichnet dann die förmliche Anfrage, ob jemand etwas förmlich geloben wolle, und daher dann auch die Angelobung, das Versprechen, die Verpflichtung 261 • Die Taufe wäre dann in lPetr 3,21 als Versprechen, Gelübde oder als Verpflichtung verstanden. Namentlich in der englischsprachigen Literatur findet man diese Deutung heute bevorzuge62 • Macht (Belege bei 0. Böe her, Dämonenfurcht und Dämonenabwehr [BWANT 90], Stuttgart 1970, 20f), so daß die Entsprechung zu dem reinigenden und rettenden Wasser der Taufe durchaus verständlich wird. 258 Zu em::pffi9ru.w vgl. H. Greeven, Art. epu:miro K'tA., ThWNT II, 682-686; B. Reicke, The disobedient Spirits and Christian Baptism (ASNU 13) Kopenhagen 1946, 182-186; G. Selwyn, The First Epistle of St. Peter, London 1949, 205f; ferner die Kommentare von Windisch und Goppelt, z.St. 259 Greeven, ThWNT II, 686. 260 So Ps 163,3 LXX; Mt 16,1; vgl. Greeven, ThWNT II, 685f; Bauer, Wörterbuch 564. 261 Die Belege sind ausführlich bei Reicke, a.a.O. 184 zusammengestellt. 262 So bei Reicke, a.a.O. 185; Selwyn, a.a.O. 205, Liddell/Scott, A GreekEnglish Lexicon s.v. (S. 618); O.S. Brooks, 1. Peter 3,21 - The Clue to the Li-
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Wenn wirtrotz der philologisch schmalen Basis die Bedeutung »Bitte« für die wahrscheinlichere halten 263 , so nicht nur deshalb, weil f:rcEproeru.t.a in der Bedeutung von stipulatio erst vom 2. Jahrhundert an aufwärts 264 und nur in juristischen Texten begegnet, sondern vor allem wegen des Kontextes von lPetr 3,21. Denn die Aussage über die Taufe in 3,21 ist durch die Antithese OU crapKÜ<; arc69mu; pUTCO'U aUa cruvnöi]crEffi<; aya9Tj<; ETCEpffieru.t.a Ei<; 9E6v bestimmt. Diese Antithese erfordert, daß der Genitiv cruvnöi]crEffi<; in der 2. Zeile genauso als gen. obj. zu verstehen ist wie der von purcou in der 1. Daran aber scheitert der Versuch, ErcEpffiSruw als Verpflichtung oder Gelübde zu verstehen. Denn zu einem guten Gewissen kann man sich nicht verpflichten. Daher der gequälte Versuch dieser Ausleger, den Genitiv auvnöi]crEro<; so zurechtzubiegen, daß er mit EnEpffieruw verbunden werden kann265 • Die Bedeutung von auvEiÖTJat<; ist durch den Gegensatz zu crapKo<; purcou bestimmt. Die gleiche Entgegenstellung findet sich mehrfach im Hebräerbrief (Hebr 9,9f.l3f; 10,lf.22). Nach Hebr 9,13fbringt der alttestamentliche Opferkult nur eine Ka9ap6TI]<; 'tii<; crapK6<;, eine äußere, rituelle Reinheit, das Opfer Christi dagegen Ka9aptd 'tllV cruvEiÖTJatV llJ.l.<ÜV, reinigt das Gewissen, was nach Hebr 9,22.26; 10,2.4.11 Beseitigung und Vergebung der Sünden bedeutet. Entsprechend wird Hebr 9,9f gesagt, daß der alttestamentliche Kult nicht Kata cruvEiÖTJatV weihen könne, sondern nur ÖtKatCÜJ.l.am crapK6<; enthalte. Dabei werden zum alttestamentlichen Kult ausdrücklich auch die öta<j>opot ßarcncrJ.l.Ot gezählt, wie es umgekehrt die christliche Taufe ist, die den Christen so am Opfer Christi teilhaben läßt, daß sein Herz von der cruvEiöTJcrt<; nOVTJpa gereinigt wird (Hebr 10,22). Wie die gleiche Gegenüberstellung von crapl; und cruvEiöTJat<; in lPetr 3, 21 zeigt, steht hinter dieser Stelle und dem Hebräerbrief eine gemeinsame katechetische Tradition, die den Kultus des Alten Testaments in Gegensatz zum Kultus des neuen Bundes stellt und diesen Gegensatz durch die Gegenüberstellung von crapl; und cruvEiöTJcrt<;, äußere, rituelle Reinigung und Reinigung des Gewissens, klarmache 66 . terary Structure of the Epistle, NT 16 (1974) 290-305; R.E. Nixon, The Meaning of »Baptism<< in 1. Peter 3,21, StEv IV(= TU 102), Berlin 1968, 437-441; aber auch Dinkler, Taufaussagen 119f; Brox, Petrushrief 164; Hartman, Im Namen des Herrn Jesus 112ff. 263 Mit Greeven, a.a.O.; Chr. Maurer, Art. cruveiol]crt<;, ThWNT VII, 918; Goppelt, Schelkle, Windisch, Knopf, z.St.; W. Schrage, Der erste Petrushrief (NTD 10), Göttingen 1993, z.St.; M. Barth, Taufe 512; Bauer, Wörterbuch 564. 264 Die Mehrzahl der von Reicke, a.a.O. 185 gesammelten Belege stammt erst aus dem 6. Jahrhundert. 265 So Reicke, a.a.O. 185: >> ... an undertaking to a loyal attitude of mind<<; Selwyn, a.a.O. 206: >>a pledge to god proceeding from a clear conscience<<. Reicke, der den gen. obj. beibehält, muß cruveiol]crt<; zu einer >>loyal attitude<< abschwächen; Selwyn muß aus dem gen. obj. einen gen. auctoris machen. Brox kann cruveiol]crt<; praktisch überhaupt nicht mehr übersetzen und muß sich mit der Auskunft begnügen, es stehe >>für die gesamte Verpflichtung<< zu einem veränderten Leben (a.a.O. 178). 266 Diese Tradition läßt sich auch in späterer Zeit noch erkennen. So erklärt Justin, Dia!. 14,1, daß die Taufe von der Sünde heilt, die jüdischen Waschungen
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Dieser Tradition entsprechend erklärt lPetr 3,21, daß die Taufe nicht eine Beseitigung des äußeren Schmutzes, nicht nur eine äußere, rituelle Reinigung ist. Die dieser negativen Feststellung entsprechende positive Aussage bleibt nun von der gedanklichen Voraussetzung abhängig, daß es um eine an68Ecrtc;, um eine Beseitigung eines Mangels oder Übels geht; Hebr. 10,22 würde sagen: um die Beseitigung des schlechten Gewissens. lPetr 3,21 sagt statt dessen: O''UVElÖTJO'ECOc; ayaSijc; E7tEproSrula Eie; SEOV.
Im Zusammenhang von 1Petr 3,21 wird man daher das Wort E7tEpffi8ru.w als »Anfrage« bzw. »Bitte« um ein gutes Gewissen verstehen können. Dieser traditionsgeschichtliche Zusammenhang erklärt auch, weshalb in V. 21c ausdrücklich auf die Auferstehung Jesu Christi als den Grund des Taufgeschehens verwiesen wird: Wenn es bei der Taufe nicht bloß um rituelle Reinigung, sondern um die Vermittlung eines guten Gewissens geht, kann in der Taufe nur Gottes Heilshandeln selbst in Christi Tod und Auferstehung solches bewirken. Angesichts dieses Zusammenhangs fällt es dann freilich erst recht auf, daß die Stelle nicht direkt von der Herstellung eines guten Gewissens oder von der »Gabe« eines guten Gewissens spricht, sondern dies so zurückhaltend umschreibt: Anfrage, Bitte um ein gutes Gewissen. Offenbar soll der Eindruck vermieden werden, als sei das gute Gewissen vor Gott automatisch und selbstverständlich mit dem Empfang der Taufe verbunden. Um die Gabe des guten Gewissens kann der Mensch von sich aus Gott nur bitten, nur anfragen. Gewiß hört Gott auf diese Bitte - wie die Gewißheit der Gebetserhörung zu den immer wieder betonten Grundaussagen des Glaubens gehört -, aber Gott bleibt darin doch frei; der Mensch kann über Gottes Vergebung nicht verfügen, auch nicht mittels der Taufe. So richtet sich diese eigenartige Formulierung also gegen ein magisches Verständnis der Taufe 267 . Daß ein sakramentalistisch-magisches Mißverständnis der Taufe in frühchristlichen Gemeinden virulent und entsprechende Warnungen daher nötig waren, hatte sich schon oben an Hand von 1Kor 10,lff gezeigt. Auch 1Petr 3, 21 ist in dieser Frontstellung zu sehen 268 . Wohl gilt, daß die Taufe dagegen nur die crcips reinigen (vgl. auch Dial. 29,1). Noch im 3. Jahrhundert schreibt der kappadokische Bischof Firmilian an Cyprian, daß die jüdischen Taufen lediglich dazu dienen, den Schmutz abzuwaschen (Cyprian, Ep. 75,13). 267 Das betont mit Recht Dink/er, Taufaussage 119. 268 Unklar bleibt, ob der Verfasser konkrete Anlässe dazu in seinen Gemeinden hatte oder ob auch diese Warnung vor magischem Mißverständnis schon traditionell ist. Es paßt zwar in die gleiche Richtung, wenn in 1,23 das Wort Gottes als die Kraft der bei der Taufe erfahrenen Wiedergeburt betont wird. Aber für einen massiven Sakramentalismus gibt es sonst keine Hinweise im 1. Petrusbrief. 2,16 warnt vor einem falschen Freiheitsverständnis und wendet sich damit gegen ein
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rettet. Sie bringt nicht bloß äußere, rituelle Reinheit, sondern gewährt das gute Gewissen. Aber sie tut das nicht ex opere operato, nicht automatisch, sondern durch die Treue Gottes, der auf unsere Bitte hört. Der Grund ihrer rettenden Kraft liegt nicht im Element des Wassers oder im Vollzug der Handlung, sondern in Gottes Heilstat: Sie rettet aufgrund der Auferstehung Jesu Christi.
ähnliches Mißverständnis, das auch Paulus (Ga! 5,13) bekämpft; auch da, ohne daß ein direkter Anlaß erkennbar wäre. Es ist daher durchaus denkbar, daß auch die Warnung vor einem magischen Taufverständnis schon traditionell ist.
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Schon oben (S. 67) mußte darauf hingewiesen werden, daß die Taufe im Leben der frühen Christenheit eine erheblich größere Rolle spielte, als die wenigen ausführlichen Tauftexte erkennen lassen. Wir suchen heute zumeist eine ausführliche Belehrung über Sinn und Wesen der Taufe, sind dann enttäuscht, eine solche explizite Tauflehre nicht zu finden, und übersehen, wie ungeheuer häufig unter den verschiedensten Begriffen und Umschreibungen auf die Taufe Bezug genommen wird. Immer wieder werden die Leser frühchristlicher Schriften an ihre Taufe erinnert, wird im Rahmen paränetischer oder sonstiger theologischer Erörterungen auf die Taufe Bezug genommen. Solche Bezugnahmen sind zuweilen so kurz und andeutungshaft, daß sie nur verständlich sind unter der Voraussetzung, daß die angedeuteten Gedanken der Gemeinde längst bekannt waren und mündlich breiter entfaltet wurden. Das heißt aber, daß die in den neutestamentlichen Briefen immer wieder begegnende Tauferinnerung nur eine schwache Abspiegelung von dem ist, was in den frühchristlichen Gemeindeversammlungen vor sich ging, in denen Tauferinnerung und Ermahnung im Blick auf die Taufe offensichtlich eine weit größere Rolle spielten, als uns dies heute bewußt ist. Im Folgenden muß das kurz zusammenfassend gezeigt werden, auch wenn sich dabei leichte Wiederholungen nicht vermeiden lassen. Vor allem im Zusammenhang der Paränese wird immer wieder an die Taufe erinnert. Daß Paulus in Röm 6 keine allgemeine Belehrung über die Taufe geben, sondern die Notwendigkeit des neuen Wandels und also christliche Ethik begründen will, haben wir bereits oben gesehen (S. 86f). Eben weil die Christen in der Taufe mit Christus gestorben und also für die Sünde tot sind, können sie nicht mehr der Sünde dienen, sondern nur noch in der Neuheit des durch die künftige Auferstehung bestimmten Lebens wandeln. Die Erinnerung an die Taufe dient der Begründung des neuen Wandels. Auch in 1Kor 6,11 erinnert Paulus seine Leser an die Taufe, um sie zu einem Wandel zu motivieren, der ihrem neuen Sein entspricht. Korinthische Christen haben sich in häßliche Streitereien eingelas-
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sen, die bis vor heidnische Gerichte führten (6,lff). Der Apostel verurteilt solches Prozessieren nicht nur scharf, sondern setzt es auch mit dem Verhalten der Heiden gleich, das er in einem Lasterkatalog (6,9-10) exemplifiziert. Doch diese heidnische Vergangenheit ist nun für die Korinther vorbei: »aber ihr wurdet abgewaschen, geheiligt, gerechtfertigt ... « (6,11). Mit »abgewaschen« wird deutlich auf ihre Taufe Bezug genommen. Das neue Sein, das ihnen zugeeignet wurde, kommt nirgends so deutlich zum Ausdruck wie bei der Taufe. Eben darum werden sie an ihre Taufe erinnert als Mahnung, ihrem neuen Sein entsprechend zu leben269 . Gleiche Funktion hat der Taufbezug in 1Kor 12,13. Hier sieht Paulus die Einheit der Gemeinde durch das Verhalten einiger Pneumatiker bedroht. Er verweist dazu nicht nur auf die Einheit des Leibes im Sinne des stoischen Organismusgedankens, wobei Bild und Sache ineinander übergehen, weil die Gemeinde nicht nur »Wie« ein Leib, sondern der Leib Christi 270 selbst ist (12,27), sondern er erinnert dazu wieder an die Taufe: Eben durch die Taufe wurden sie in die Einheit des Leibes Christi aufgenommen. Wie können die, die durch die Taufe in die Einheit des Leibes Christi eingefügt wurden, nun durch ihr Verhalten diese Einheit gefährden? Selbst in 1Kor 1,13ff hat die Bezugnahme auf die Taufe paränetische Funktion: Wie können die, die auf den Namen Christi getauft wurden, sich in Parteien spalten und nach anderen Namen nennenein ebenso absurdes Unternehmen, wie der Gedanke absurd wäre, man könnte etwa auf den Namen des Paulus oder eines anderen getauft sein. Schon die Erinnerung an die Taufe müßte das den Korinthern doch deutlich machen. Daß auch bei der »Versiegelung« in 2Kor 1,22 konkret an die Taufe zu denken ist, hat E. Dinkler wahrscheinlich gemacht271 . Die Anspielung auf die Taufe dient hier der Vergewisserung des Heils. Das von Paulus verkündigte Heilshandeln Gottes ist kein »Ja und Nein« (1,18), sondern das eindeutige und klare Ja Gottes zum Menschen. Eben diese Gewißheit hat Gott selbst uns gegeben, indem er uns in der Taufe »versiegelt« und das Pfand des Geistes gegeben hat (1 ,22). Die Erinnerung an die Taufe dient hier also zur Begründung der Heilsgewißheit 269 Die durchgehende Begründung der Paränese durch den Verweis auf die Taufe betont vor allem H. Halter, Taufe und Ethos. Paulinische Kriterien für das Proprium christlicher Moral (FThSt 106), Freiburg/Basel/Wien 1977. 270 Zum Begriff des Leibes Christi und seinem religionsgeschichtlichen Hintergrund vgl. die in Anm. 243 angegebene Literatur. 271 Dinkler, Taufterminologie 181; vgl. oben S. 73.
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In Gal 3,27 dagegen dient die Tauferinnerung dazu, einen theologischen Sachverhalt zu erläutern: Daß wir zu Christus und damit zu Abrahams Nachkommenschaft gehören, wird durch den Verweis auf die Taufe erläutert272 • War es in Röm 6; 1Kor 1,13ff; 6,11; 12,13 der christliche Wandel, so in 2Kor 1,22 und Gal 3,27 die Gewißheit des Heils, zu deren Begründung Paulus an die Taufe erinnert. Derart wiederbaltes Erinnern der Leser an die Taufe setzt sich in den Deuteropaulinen fort. So werden die Christen in Kolossä im Zusammenhang einer Irrlehrerbekämpfung auf die Taufe verwiesen. Sie sollen sich nicht verführen lassen von falschen und irrigen Lehren, die den Christusglauben mit einer Verehrung der Weltelemente verbinden wollen (Kol 2,8ff) 273 • Christus hat sich die Mächte und Elemente der Welt längst unterworfen (2,15); die ganze Fülle der Gottheit wohnt allein in ihm (2,9), und die Christen haben vollen Anteil an dieser Heilsgabe, denn sie wurden mit ihm begraben in der Taufe und in ihm auch mitauferweckt durch den Glauben an die Macht Gottes, der ihn von den Toten auferweckte (2,12). Wenn sie aber mit Christus den Weltelementen gestorben sind, wie sollten sie sich dann noch ihren Vorschriften unterwerfen können (2,20)? Auffallend ist dabei die Nähe zu den Taufaussagen von Röm 6. Sie zeigt sich nicht nur in der Aussage über das Begrabensein mit Christus in der Taufe (Kol 2,12; vgl. Röm 6,4), sondern auch in der Konsequenz, die daraus in Kol 2,20 gezogen wird. Zugleich merkt man doch auch die leichte Differenz gegenüber Paulus. Denn während Paulus unser Mitauferwecktwerden mit Christus der Zukunft vorbehält, spricht der Verfasser des Kolosserbriefes davon im Aorist als von einem schon bestehenden Tatbestand (2,12; 3,1) 274 • 272 Vgl. oben S. 69.96f. 273 Zu den Irrlehren in Kolossä vgl. G. Bornkamm, Die Häresie des Kolosserbriefes, in: ders., Das Ende des Gesetzes (Gesammelte Aufsätze 1) München 1952 CI966), 139-156; H.-M. Schenke, Der Widerstreit gnostischer und kirchlicher Christologie im Spiegel des Kolosserbriefes, ZThK 61 (1964) 391-403; W. Foerster, Die Irrlehrer des Kolosserbriefes, in: Studia Biblica et Semitica (FS Th.C. Vriezen), Wageningen 1966, 71-80; F.O. Francis I W.A. Meeks, Conflict at Colossae, Cambridge/Mass. 1973; J. Lähnemann, Der Kolosserbrief. Komposition, Situation, Argumentation (StNT 3), Gütersloh 1971 sowie die diesbezüglichen Exkurse in den Kommentaren von E. Lohse, a.a.O. 146ff.186ff und E. Schweizer, Der Brief an die Kolosser (EKK 12) Zürich!Neukirchen-Vluyn 1976, IOOff. 2 7 4 Gleichwohl hält doch auch der Kolosserbrief an einem eschatologischen Vorbehalt fest. Denn wenngleich die Christen schon mit Christus auferweckt wurden, so gilt doch, daß ihr Leben mit Christus >>verborgen ist in Gott«. >>Wenn aber Christus, unser Leben, offenbar werden wird, dann werdet auch ihr mit ihm in Herrlichkeit offenbar werden« (3,3f).
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Noch auffallender aber ist, daß in dem Kol 2,12 vorausgehenden Vers 2, 11 die Taufe offenbar mit der Beschneidung gleichgesetzt wird: »In ihm (d.h. Christus) wurdet ihr beschnitten mit einer nicht mit Händen vollzogenen Beschneidung, durch das Ausziehen des Fleischesleibes, durch die Beschneidung Christi« (2, 11 ). In diesem Satz wird die nicht mit Händen vollzogene Beschneidung erläutert als »Ausziehen des Fleischesleibes«; und da damit nicht das Ablegen der irdisch-vergänglichen Leiblichkeit, sondern nur das Töten des Sündenleibes (vgl. 2, 13!) gemeint sein kann, wird mit dieser »Beschneidung« der gleiche Sachverhalt umschrieben, von dem in 2,12 im Blick auf die Taufe gesprochen wird: wir sind mit Christus begraben, der Leib der Sünde ist damit gestorben, so daß wir nicht mehr den Mächten der Welt dienen können. Kol 2, 11 ist die einzige Stelle im Neuen Testament, an der Taufe und Beschneidung miteinander verbunden werden. Da diese Verbindung nicht theologisch-heilsgeschichtlich entwickelt, sondern völlig abrupt und polemisch eingeführt wird, ist anzunehmen, daß diese Gleichsetzung von Taufe und Beschneidung durch die Bekämpfung der Irrlehrer veranlaßt wurde 275 . Bei den Irrlehrern scheint neben jüdischen Speisegesetzen und Festkalendern (2,21ff) auch die Beschneidung eine gewisse Rolle gespielt zu haben, so daß den Lesern nun gesagt werden muß: ihr habt das alles nicht mehr nötig, ihr habt längst eine viel höherwertige Beschneidung, habt längst den Leib der Sünde abgelegt, ihr seid doch getauft! Die danach in Kol 3 folgende ausgedehnte Paränese wird gleichfalls mit der Taufe begründet: »Wenn ihr nun mit Christus auferweckt wurdet, so trachtet nach dem, was oben ist ... , denn ihr seid ja gestorben ... « (3, 1.3). Dieses Mit-Christus-gestorben-und-auferweckt-Sein aber ist ja nach 2,12 mit der Taufe verbunden. 275 So mit Recht Dink/er, Taufaussagen 100; Lohse, a.a.O. 153; Dibelius/ Greeven, a.a.O. 30; H. Conzelmann, Der Brief an die Kolosser (NTD 8), Göttingen 1976, 190. Bestritten wird dieser polemische Bezug von Schweizer, a.a.O. 111. Schweizer weist zwar mit Recht auf den biblischen Hintergrund der Vorstellung von der »Beschneidung des Herzens« hin; aber dieser traditionsgeschichtliche Hintergrund schließt ja konkreten Bezug auf gegnerische Vorstellungen und Riten nicht aus. Bei Schweizers Bestreitung dieses polemischen Bezuges wird aber völlig unverständlich, was den Verfasser veranlaßte, diese sich ja nicht gerade leicht einfügende Aussage hier einzuschieben. Völlig abwegig ist auch der Versuch von Jeremias, Kindertaufe 47, aus Kol 2,11 zu entnehmen, das Frühchristentum habe die Taufe gehandhabt wie das Judentum die Beschneidung und habe also auch schon die Säuglinge getauft. Abgesehen davon, daß die Beschneidung im Unterschied zur Taufe nur an männlichen Kindern bzw. Erwachsenen vollzögen wurde, wird von Jeremias gänzlich der konkrete Kontext der Auseinandersetzung mit Irrlehrern in Kol 2,11 übersehen.
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Tauferinnerung bestimmt auch die Paränese des Epheserbriefes. Die ausführlichen Ermahnungen zu einem Wandel in Liebe und in Abkehr von allen Lastern (5,lff) als Kinder des Lichtes (5,8) werden in 5,14 unterstrichen durch das Zitat eines Dreizeilers, dessen Sitz im Leben offensichtlich der Taufgottesdienst war: »Wach auf, der du schläfst, und steh auf von den Toten, und aufstrahlen wird dir Christus.«
Die Aufforderung, aus dem Sündenschlaf zu erwachen und von den Toten aufzuerstehen, gehört nach den Aussagen von Röm 6,4 und Kol 2,12 sachgemäß zur Taufe. Auch die Bezeichnung Christi als das Licht des Menschen findet sich speziell mit der Taufe verbunden276. Fraglich ist nur, ob man es in Eph 5,14 mit dem Fragment eines Taufliedes oder einem Stück aus einer Taufliturgie, einem liturgischen Zuruf, zu tun hat2 77 • So oder so werden die Leser durch die Erinnerung an die Taufe zu dem Wandel motiviert, von dem der Abschnitt redet. Selbst in der anschließenden Haustafel 5,21 - 6,9 wird die Taufe wieder erwähnt (5,26). Die Männer sollen ihre Frauen so lieben, wie Christus die Kirche liebte, als er sich für sie hingab, um sie zu heiligen und zu reinigen »durch das Wasserbad im W ort« 278 , d.h. durch die Taufe. Die in der Taufe empfangene Heiligung und Reinigung bleibt der Bezugspunkt auch für die eheliche Liebe. 276 Zahlreiche Belege bei Dibelius/Greeven, a.a.O. 91 und Gnilka, a.a.O. 260 sowie R. Deichgräber, Gotteshymnus und Christushymnus in der frühen Christenheit (StUNT 5), Göttingen 1967, 84f. Zu erinnern ist auch daran, daß die Taufe bei Justin, Apo!. 1,61,12 als cj>roncrf.!Ü<; bezeichnet wurde. 277 Ein Tauflied erkennen in dem Dreizeiler Dibelius/Greeven, z.St. Dagegen sehen Dink/er, Taufaussagen 108; H.F. Weiß, Taufe und neues Leben im deuteropaulinischen Schrifttum, in: Taufe und neue Existenz, hg. v. E. Schott, Berlin 1973, 53-70, dort 55; Vielhauer, Urchristliche Literatur 39 in ihm nicht ein Tauflied, sondern einen Zuruf an den Täufling. Deichgräber, a.a.O. 22 spricht von einem »Weckruf<<, E. Käsemann, Art. Formeln II: Liturgische Formeln im NT, RGG 3 II, 994 von einem (fragmentarischen?) Heilsruf über dem Täufling. Conzelmann, NTD 8, z.St. läßt die Frage offen, ob es sich um einen Taufspruch oder um ein Bruchstück aus einem Tauflied handelt. G. Schille, Frühchristliche Hymnen, Berlin 1965, 95f spricht von einem liturgischen Weckruf, zu dem er auf Parallelen in Mysterienreligionen (Aristophanes, Ranae 340ff) verweist. E. Norden, Agnostos Theos, Darmstadt 5 1971, 258 vermutet gar eine christliche Konkurrenzformel zu Isismysterien. Daß es sich jedenfalls um einen gottesdienstlichen Text aus der Tauffeier, ob nun Lied oder Zuruf, handelt, ist allgemein anerkannt. 278 Zu der auffallenden Wendung >>Wasserbad im Wort<< vgl. bereits oben Anm. 253.
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Ausdrücklich genannt wird die Taufe bei der Ermahnung zur Einigkeit in Eph 4,3-6, wo auf die die Mahnung begründenden Hinweise auf den einen Leib, den einen Geist und die eine Hoffnung die kurze Trias folgt: »ein Herr, ein Glaube, eine Taufe«. Daß neben dem einen Geist, dem einen Herrn und dem einen Gott und Vater (4,6) auch die Taufe genannt wird, ist gewiß auffallend, erklärt sich aber aus der paränetischen Zielsetzung: Da alle ein und dieselbe Taufe empfangen haben und durch die Taufe in den einen Leib aufgenommen wurden (vgl. 1Kor 12,13), kann die Ermahnung zur Einigkeit des Geistes (4,3) gerade durch den Hinweis auf die Taufe unterstrichen werden 279 . Eine Anspielung auf die Taufe - wenn diese auch nicht ausdrücklich genannt wird liegt sicher auch in Eph 2,6 vor, wenn dort von unserem Mitauferwecktwerden mit Christus gesprochen wird. Sind es im Epheserbrief vorwiegend paränetische Zusammenhänge, in denen auf die Taufe verwiesen wird, so gilt dies auch von Tit 3,5 280 . Wieder werden die vorausgehenden Ermahnungen begründet durch den Verweis auf Gottes Heilshandeln, das den Menschen konkret in der Taufe erreicht, in dem »Bad der Wiedergeburt und Erneuerung durch den heiligen Geist«. Auf die verschiedenen Taufverweise im 1. Petrushrief wurde schon oben hingewiesen (S. lOOf und 105ff). Da wird nicht nur in 3,21 ausdrücklich von der Taufe gesprochen, sondern auch in 1,3 und 23 mit der Rede von der »Wiedergeburt« auf die Taufe angespielt, in 1,23 deutlich zur Begründung der Paränese. Entsprechend wird dann die in 2, lff folgende Ermahnung damit begründet, daß die Leser ja »neugeborene Kinder« (2,2) seien, die als solche nach der »unverfälschten Milch« verlangen und wachsen sollen. Die häufigen Verweise auf die Taufe haben bei einigen Forschern dazu geführt, den ganzen Brief als die Verarbeitung einer Taufansprache oder gar der Liturgie eines Taufgottesdienstes zu verstehen 281 . Nun ist letztere Hypothese zweifellos überzogen und unwahrscheinlich282, und auch der Annahme einer Taufansprache bedarf 279 Das spricht gegen die Vermutung von Vielhauer, Urchristliche Literatur 34, der Verfasser habe die Trias >>ein Herr, ein Glaube, eine Taufe« schon vorgefunden und als Zitat aufgegriffen. Daß der Verfasser sich an die bekannte el~ Akklamation anlehnt, bleibt davon unberührt. 280 Vgl. oben S. 100. 281 Vgl. oben Anm. 249. 282 Nach Preisker, HNT 15, 156ff soll der Taufgottesdienst mit einem Gebetspsalm (1,3-12) begonnen haben, an den sich eine belehrende Rede (1,13-21) anschloß. Zwischen 1,21 und 22 habe der Taufakt stattgefunden, der aus Gründen der Arkandisziplin weggelassen worden sei. Darauf folge ein Taufvotum (1,2225), ein dreistrophiges Festlied (2,1-10), eine Paränese (2,11 - 3,12), eine Of-
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es nicht, um die häufigen Taufbezüge zu erklären 283 . Wir sahen ja, daß die Erinnerung an die Taufe auch in anderen neutestamentlichen Briefen keineswegs selten ist. Was der 1. Petrushrief in dieser Hinsicht bietet, geht kaum über das hinaus, was wir auch anderwärts an Taufbezügen finden. Der 1. Petrushrief unterstreicht nur auf seine Weise, welche Bedeutung der Verweis auf die Taufe für die frühchristliche Ermahnung und das Gemeindeleben überhaupt hatte. Stammten die bisher beachteten Belege aus den Paulusbriefen und aus dem Einflußbereich paulinischer Theologie, so bleibt nun noch kurz zu zeigen, daß sich auch jenseits dieses Einflußbereiches ein ähnliches Bild bietet. Auch der Hebräerbrief verweist in 10,22 auf die Taufe, wo er zum Festhalten am Glauben, am Bekenntnis und an den Gemeindeversammlungen ermahnt (10,19-25). Der 2. Petrushrief ruft in 1,5-8 zu einem tugendhaften und frommen Wandel auf und stellt daraufhin fest, daß derjenige, der einen solchen Wandel nicht führt, nicht nur blind ist, sondern die »Reinigung« von seinen früheren Sünden, d.h. die Taufe vergessen hat. In seinem Brief an Polykarp (6,2) bezeichnet lgnatius die Taufe als die Waffe, die neben Glaube, Liebe und Geduld den Christen in ihrem Kampf gegeben ist. Wieder kann das nur heißen, daß sie sich an ihre Taufe erinnern sollen, um so Stärkung im Kampf zu empfangen. Wiederholt wird dazu ermahnt, die Taufe zu »bewahren« bzw. rein und unbefleckt zu bewahren (2Clem 6,9; 7,8; 8,6; Herrn sim VIII,6,3; ActPaul 6), d.h. die empfangene Taufgnade nicht zu verscherzen. Wenn Irenäus später schreibt: »Der Glaube ... mahnt ... uns zu gedenken, daß wir die Taufe zur Nachlassung der Sünden .. . empfangen haben ... und daß diese Taufe das Siegel des ewigen Lebens und der Wiedergeburt in Gott ist« 284 , so bringt fenbarungsrede (3,13 - 4,7a), Schlußgebet und Doxologie (4,7b-11), zweimal unterbrochen von einem Christuslied (2,21-24 und 3, 18f.22). Das Ganze sei in 4,12- 5,14, mit einem Briefschluß versehen, den Gemeinden zugeschickt worden. Aber: Ist es schon nicht verstehbar, wie eine Liturgie ohne die ihre Stücke verbindenden Regieanweisungen ( vgl. dagegen Did 9-10!) niedergeschrieben und als Brief verschickt worden sein soll, und ist schon die Umwandlung von 4,7-11 in ein Schlußgebet recht gewaltsam, so ist es gänzlich unverständlich, daß die Paränese (2,11 - 3,7 [Haustafel]) und die Offenbarungsrede (3,13- 4,7a) von den beiden Christusliedern in ihrem Zusammenhang unterbrochen statt eingerahmt worden sein sollen. Die Berufung auf die Arkandisziplin kann angesichts von Did 7 gleichfalls nicht überzeugen. 283 Die Hypothese der Aufnahme einer Taufansprache wird daher auch von neueren Forschern wie Goppelt, a.a.O. 40; Brox, a.a.O. 22; Schrage, a.a.O. 60 und H.M. Schenke I K.M. Fischer, Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments I, Berlin/Gütersloh 1078, 206 abgelehnt. 284 Epid. 3; übers. v. S. Weber, BKV 2 1912.
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er damit nur diesen Rückbezug des Glaubenden auf seine Taufe zum Ausdruck, den wir in den genannten Texten immer wieder beobachten konnten. Der reditus ad baptismum, die Rückwendung zur Taufe, ist für die frühe Christenheit eine immer wiederholte Mahnung und Wirklichkeit.
6 Taufvollzug und Taufordnung
Wir fragten bisher nach der Entstehung der christlichen Taufe und nach ihrem Verständnis in den frühen Gemeinden. Doch bliebe das dabei gewonnene Bild unvollständig, würden wir nicht zugleich nach Ordnung und Vollzug der Taufe fragen. Auch in der Art, wie die Taufe geordnet und vollzogen wurde, drückt sich ja ein Stück des Taufverständnisses aus. Einzelne Aspekte des Taufvollzuges sind zwar im Vorangehenden schon immer wieder einmal zur Sprache gekommen und behandelt worden - so daß sich auch hier leichte Überschneidungen nicht vermeiden lassen -, doch gilt es nun über sporadische Bemerkungen hinaus das zusammenzutragen, was sich über Ordnung und Vollzug der Taufe in der frühen Zeit erkennen läßt. Dabei ist der Neutestamentler in einer ungünstigeren Lage als der Patristiker, dem zumindest vom 3. Jahrhundert an erheblich ergiebigere Quellen zur Verfügung stehen285 • Der Patristiker kann Entwicklungslinien, die er im 3. und 4. Jahrhundert feststellt, bis in die Anfangszeit zurückzuverfolgen suchen. Der Neutestamentler wird solche Anregungen gewiß dankbar beachten, muß aber auch aus seiner Sicht neutestamentlicher Zusammenhänge heraus zuweilen solchen Rekonstruktionsversuchen zurückhaltender gegenüberstehen. Es gibt nicht nur Spuren, die sich im Sande verlaufen, sondern auch Traditionen, die sich neu entwickeln, ohne bis ins Neue Testament zurückverfolgt werden zu können. Es kann daher auch nicht die Aufgabe dieses Kapitels sein, alle diesbezüglich entwickelten Thesen und Hypothesen zu referieren, sondern nur, das zusammenzutragen, was sich als einigermaßen sicher oder zumindest wahrscheinlich erwiesen hat. Charakteristisch für die altkirchliche Taufpraxis ist, daß ihr ein ausgedehnter Taufunterricht vorausgeht, der um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert bereits so fest institutionalisiert ist, daß er 285 Für die nachneutestamentliche Zeit sei hier noch einmal auf die profunde Arbeit von G. Kretschmar, Die Geschichte des Taufgottesdienstes in der alten Kirche, in: Leiturgia V, Kassel 1970, 1-348 verwiesen.
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zur Entstehung eines eigenen Katechumenenstandes als einer Form des Christseins vor der Taufe führte 286 . Justin kennt um die Mitte des 2. Jahrhunderts diese Unterscheidung eines besonderen Katechumenenstandes zwar noch nicht, wohl aber bezeugt er deutlich diesen der Taufe vorangehenden Taufunterricht (Apol. 1,61,2). Auch 2Clem 17,1 weist offenbar auf den Katechumenenuntericht hin 287 , und die etwa zu Beginn des 2. Jahrhunderts entstandene Dictaehe läßt ihrer Taufanweisung nicht nur die sog. Zweiwegelehre vorausgehen, sondern führt dann auch die sich anschließende Taufanweisung mit den Worten ein: 'ta'Üta 7tavta 7tpOEt7tOVtEc; ... , d.h. sie setzt gleichfalls einen der Taufe vorangehenden Unterricht als gültige Ordnung voraus (Did 7,1).
Die Frage ist daher, wie weit sich ein solcher der Taufe vorangehender Taufunterricht auch in die frühere Zeit der neutestamentlichen Schriften zurückverfolgen läßt. An sich läßt schon die Art, wie in Did 7,1 auf diesen der Taufe vorangehenden Unterricht Bezug genommen wird, vermuten, daß dahinter bereits eine gewisse Tradition und Übung steht. Man kann auch auf die Parallelen bei der Proselytentaufe und bei der Aufnahme in die Qurnran-Gemeinschaft288 verweisen, die es der jungen Christengemeinde nabelegen mußten, gleichfalls eine Vorbereitungs- und Unterrichtszeit der Taufe vorangehen zu lassen. Gleichwohl bleibt dann doch noch die Frage nach direkten Hinweisen im Neuen Testament selbst. Daß die Apostelgeschichte über eine der Taufe vorangehende Unterweisung schweigt, vielmehr auf die Bekehrung des Kornelius (10,48), des Saulus (9,18), der Lydia (16,15) und des Kerkermeisters (16,33) unmittelbar die Taufe folgen läßt, ist freilich kein Gegenbeweis. Von der ganzen Zielsetzung der Apostelgeschichte her ist das nicht anders zu erwarten. Denn sie will ja kein Handbuch für das Gemeindeleben bieten, sondern die Missionserfolge zeigen; dabei würde die penible Erwähnung eines Taufunterrichts nur stören. Der Missionserfolg wird viel deutlicher, wenn auf die Verkündigung hin die Bekehrung und danach als Bestätigung und Besiegelung die Taufe genannt wird. 286 Vgl. Kretschmar, a.a.O. 66. 287 >>Denn wenn wir Gebote haben, daß wir auch dies tun sollen, von den Götzen abzuziehen und Katechumenenunterricht zu geben ... <<, übersetzt R. Knopf, Die Lehre der zwölf Apostel, die zwei Clemensbriefe (HNT Ergänzungsband I), Tübingen 1920, z.St. das Katl)XE"iv in 17,1. 288 Zur Vorbereitung auf die Proselytentaufe vgl. Bill. I, 110f; Jeremias, Kindertaufe 34ff. Zu den Essenern bzw. Qumran vgl. Josephus, Bell. II,138; 1QS 6, 16ff; Kretschmar, a.a.O. 64. Selbst bei Apuleius, Metam. XI, 19ff geht der Einweihung des Lucius in die Isis-Mysterien eine gewisse Vorbereitungszeit voraus.
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Wohl aber findet sich ein deutlicher Hinweis auf den der Taufe vorangehenden Katechumenenunterricht in Hebr 6,lff. Wenn dort von christlicher Elementarlehre ('tfi~ apxfi~ 'toii Xptcnou Aüyo~) und Grundlegung (8E!1EA.tov Ka-raßaA.M!lEVOt) gesprochen wird, die der Verfasser nicht wiederholen möchte, um vielmehr zu voll" kommeuerer Lehre zu führen, und wenn als Inhalt solcher Elementarlehre die Abkehr von toten Werken, Glaube an Gott, Tauflehren, Handauflegung, Totenauferstehung und ewiges Gericht genannt werden, so ist damit deutlich die Grundunterweisung genannt, die einen Christen zum Christen macht und der Aufnahme in die Gemeinde vorausgeht. Hier wird also auf eine der Taufe vorangehende Grundunterweisung Bezug genommen 289 . Wenn Paulus von der in 1Kor 15,3ff zitierten Formel sagt, daß er den Korinthern nur übergeben und überliefert habe, was er selbst empfangen habe, und sie dabei an die Anfangszeit ihres Christwerdens und das Fundament ihres Christseins (15,1f) erinnert, so setzt das voraus, daß ihrem Christwerden und damit auch ihrer Taufe eine gewisse Unterweisung und Übergabe von grundlegenden Traditionen vorausging 290 . Von daher erklärt sich auch, daß Paulus nach 1Kor 1,14ff die Taufe der neu gewonnenen Anhänger zumeist seinen Mitarbeitern überlassen hat. Denn eben die Taufe setzt eine gewisse Unterweisung voraus, die seine Mitarbeiter übernehmen konnten, während er selbst sich primär der Mission widmete. Man muß daher damit rechnen, daß bereits in den Gemeinden des Apostels Paulus der Taufe eine gewisse Unterweisung vorausging. Daß ein solcher Taufunterricht noch im Anfangsstadium, gewissermaßen in den Kinderschuhen steckte und mit dem späteren Katechumenat nicht einfach gleichgesetzt werden kann, ist selbstredend. Gleichwohl ist es für das Taufverständnis doch nicht unwesentlich, wenn ihr ein gewisser Unterricht vorausging. Wir fragen weiter, was sich über den äußeren Vollzug der Taufe in der Frühzeit feststellen läßt. 289 A. Strobel, Der Brief an die Hebräer (NTD 9), Göttingen 11 1975, 136 spricht deshalb im Blick auf Hebr 6,1ff von >>Katechumenenunterricht«; ähnlich 0. Michel, Der Brief an die Hebräer (KEK VIII), Göttingen 6 1966, 236; Kretschmar, a.a.O. 63; G. Bornkamm, Das Bekenntnis im Hebräerbrief, in: ders., Studien zu Antike und Urchristentum (Gesammelte Aufsätze II), München 3 1970, 190; Lohse, Theologie 67.H. Windisch, Der Hebräerbrief (HNT 14), Tübingen 2 1931, 49 erwägt die Aufnahme von Stücken aus einem jüdischen Proselytenkatechismus. 290 Dagegen sollte man die Erwähnung der Lehre in Mt 28,20 nicht auf den Taufunterricht beziehen. Nicht nur wird der Auftrag zur Lehre hier nach dem Taufbefehl genannt, es ist auch die ganze Intention eine andere. Bei Matthäus wird das ganze Christenleben als >>Schülersein« und damit als Unterweisung und Einübung in die Lehre Jesu verstanden.
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Daß die christliche Taufe keine Selbsttaufe oder Selbstwaschung war, sondern durch einen Täufer am Täufling vollzogen wurde, ist bereits oben (S. 24.34) dargelegt worden. Philippus tauft Apg 8, 38 den äthiopischen Eunuchen, Petrus läßt Apg 10,48 das Haus des Kornelius (durch seine Mitarbeiter) taufen, Paulus nennt 1Kor 1,14ff die Personen, die er selbst in Korinth getauft habe, und Did 7 unterscheidet bei ihren Anweisungen klar zwischen Täufling und Täufer. Nicht ganz so sicher läßt sich sagen, ob die Taufe durch Ein- oder Untertauchen vollzogen wurde. Man hat gemeint, aus der Aktivität des Täufers entnehmen zu sollen, daß der Täufling nur in das fließende Wasser trat und die eigentliche Taufhandlung mit einer perfusio vollzogen wurde, durch Übergießen mit Wasser. Auch das wurde bereits oben eingehend diskutiert (S. 24.35). Sowohl die parallele Entwicklung der jüdischen Tauchbäder als auch die Terminologie zeigen, daß die Tendenz doch zum Untertauchen ging, und Did 7 nennt dann ausdrücklich das Untertauchen als die Regel und das Übergießen mit Wasser als die Ausnahme für den Fall, daß nicht genügend Wasser vorhanden war. Weiter zeigte sich uns, daß die Wendung »taufen auf den Namen Christi« nicht bloß eine in der theologischen Auseinandersetzung gebrauchte Definition der christlichen Taufe zur Unterscheidung von anderen Tauchbädern war, sondern daß es sich dabei um eine liturgische Formel handelte, die beim Taufvollzug selbst gesprochen wurde (vgl. oben S. 44). Das geht nicht nur eindeutig aus Did 7,3 und Justin, Apol. 1,61, 1Off hervor291 . Auch die Argumentation des Apostels Paulus in 1Kor 1,13ff wird erst auf dem Hintergrund einer allgemein bekannten und unumstrittenen liturgischen Formel wirklich stringent. Und daher können die Christen an den »Namen« erinnert werden, der über ihnen »ausgerufen« wurde (Jak 2,7; Herrn sim VIII,6,4). Man kann natürlich fragen, ob diese Taufformel überall und in allen Gemeinden in Übung war, aber darüber läßt sich leider keine Auskunft geben. G. Kretschmar meint, im 3. Jahrhundert zwischen zwei Traditionsströmen mit Taufformel im Osten und Tauffragen im Westen unterscheiden zu können 292 • 291 J.N.D. Kelly, Altchristliche Glaubensbekenntnisse. Geschichte und Theologie, Göttingen 1972, 70 meinte freilich die Anweisung von Did 7,3: »dann gieße dreimal Wasser über seinen Kopf im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes<< dahingehend deuten zu können, daß bei der Taufe dreimal die Frage gestellt werden solle: »Glaubst du ... << Doch ist dies eine unzulässige Rückdatierung späterer Taufliturgien in eine erheblich frühere Zeit. Der Text selbst gibt zu dieser Deutung keinen Anlaß. 292 A.a.O. 35.
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Aber eine ähnliche Unterscheidung oder Einschränkung läßt sich für das 1. Jahrhundert nicht erkennen. Dazu fließen unsere Quellen zu spärlich.
Was läßt sich darüber hinaus weiter über Taufvollzug und Taufliturgie erkennen? Schon 1903 versuchte A. Seeberg die Ordnung des Taufgottesdienstes in neutestamentlicher Zeit zu rekonstruieren293. Formgeschichtliche Forschung hat dann in den vergangenen Jahrzehnten eine Fülle festgeprägter Formeln, Lieder und liturgischer Stücke im Neuen Testament entdeckt, als deren Sitz im Leben man oft nicht nur den Gottesdienst, sondern speziell den Taufgottesdienst meinte angeben zu können. Aber die anfängliche Euphorie, die ganze Liturgien von Taufgottesdiensten finden zu können meinte, ist inzwischen doch einer realistischeren Zurückhaltung und Skepsis gewichen294 . Liturgische Formulare, wie sie in 1Kor 11,23ff; 16,20ff für das Herrenmahl vorliegen, finden sich für die Taufe im Neuen Testament nicht. Nur liturgische Einzelelemente, kurze Formeln, allenfalls Liedfragmente lassen sich aus dem Taufgottesdienst mit einiger Sicherheit feststellen. Solche Zurückhaltung gilt vor allem auch im Blick auf die zahlreichen Hymnen und Lieder, die ganz oder fragmentarisch aufgezeigt werden konnten. Daß sie ihren Sitz im Leben im urchristlichen 293 A. Seeberg, Der Katechismus der Urchristenheit (1903), hg. v. F. Hahn (TB 26), München 1966. 294 Der Versuch von Preisker, Cross u.a., im 1. Petrushrief die Aufnahme der Liturgie eines Taufgottesdienstes nachzuweisen, wurde bereits besprochen (vgl. oben Anm. 282 und 249). Käsemann, Taufliturgie, 34-51 suchte zu zeigen, daß der vorchristliche Hymnus Kol 1,15-20 in Kol 1,12-14 in eine urchristliche Taufliturgie eingebettet worden sei. Daß Anspielungen auf die Taufe vorliegen, dürfte zutreffen; vgl. Schweizer, Kolosser 49; Lohse, Kolosser 74; Bornkamm, Bekenntnis 196f. Aber für eine richtige Liturgie fehlt der dafür charakteristische Wechsel von Sprecher und Antwort bzw. Responsion (vgl. !Kor 16,20ff; Did 10,6f). Wollte man dagegen an ein Fragment aus einem liturgischen Teilstück denken, so bliebe dies kaum einzuordnen. Aufnahme von geprägter Taufterminologie ist aber auch möglich, ohne daß deshalb der Abschnitt gleich zu einer Taufliturgie wird. G. Schille, Katechese und Taufliturgie, ZNW 51 (1960) 112-131, hier 129meinte hinter Hebr 11 eine Vorlage eruieren zu können, die ursprünglich am Anfang einer Taufliturgie gestanden habe; zur Kritik vgl. E. Gräßer, ThR 30 (1964) 153f. Hinter dem Epheserbrief vermutet er ein größeres Stück einer Taufliturgie, das der Verfasser des Briefes zur Basis seines Schreibens bestimmt habe (Schille, Hymnen 102f). Aber die Zuordnung zur Taufe geschieht recht pauschal. Sowohl Eph 2,14-18 als auch 2,4-10 und 2,5b, von ihm als >>Erlöserlied«, >>lnitiationslied<< oder >>Taufzuruf<< bezeichnet, werden generell der Taufe zugeordnet, ohne daß dies im einzelnen begründet würde. Hinzu kommt, daß auch die Häufung hymnischer Fragmente noch keine Liturgie ergibt. Die skeptische Zurückhaltung oder Ablehnung dieser Hypothese ist daher verständlich; vgl. die Rezension durch W. Wiefel, ThLZ 90 (1965) 118-121; ferner Gnilka, Epheserbrief 24ff; Wengst, Christologische Formeln 22.
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Gottesdienst hatten, ist deutlich. Natürlich können sie dann auch in einem Taufgottesdienst gesungen worden sein. Aber Lieder, die speziell für den Taufgottesdienst geschaffen wurden, ließen sich mit Ausnahme von Eph 5,14 nicht überzeugend nachweisen; und bei Eph 5,14 ist es fraglich, ob es sich bei dem zitierten Stück um ein Liedfragment oder um einen liturgischen Zuruf handelt2 95 . Anders ist dies bei der Feststellung einer kurzen Taufhomologie. G. Bornkamm hat recht überzeugend gezeigt, daß der Verfasser des Hebräerbriefes seine Gemeinde wiederholt zu ihrem Taufbekenntnis zurückruft (Hebr 3,1; 4,14; 10,19ff) und sie damit an »eine für ihren Christenstand grundlegende, Verpflichtung und Verheißung umschließende Entscheidung erinnert und zum >Festhalten< an dieser einmaligen Entscheidung aufruft« 296 . Schon A. Seeberg hatte erkannt, daß in Hebr 4,14 die Worte »Jesus, der Sohn Gottes« Wiedergabe dieses Bekenntnisses sein müssen 297 , und der verschiedentliehe Gebrauch des Gottessohntitels an anderen Stellen des Briefes bestätigt das 298 . Im Umkreis des Hebräerbriefes und seiner Gemeinden gehörte also zur Taufe das Ablegen einer »Homologie«, die im Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes bestand. Dieses Taufbekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes war offensichtlich auch anderwärts üblich. So wurden die Leser des 1. Johannesbriefes im Kampf gegen Irrlehrer an ihre Homologie, daß Jesus der Sohn Gottes ist, erinnert (lJoh 4,15; vgl. 5,5), wobei wohl gleichfalls an das Taufbekenntnis zu denken ist2 99 . In die gleiche 295 Vgl. oben Anm. 277. G. Friedrich, Ein Tauflied hellenistischer Judenchristen. 1Thess 1,9f, ThZ 21 ( 1965) 502-516 meint, in 1Thess 1,9f ein Tauflied nachweisen zu können. Aber der Gedanke der Bekehrung und der Errettung vor dem kommenden Zorngericht reichen noch nicht aus, das sicher traditionelle Stück zu einem ausgesprochenen Tauflied zu machen. Die gleichen Aussagen passen auch in jeden anderen Gottesdienst. W. Nauck, Eph 2,19-22- Ein Tauflied?, EvTh 13 (1953) 362-371 suchte zu zeigen, daß Eph 2,19-22 ein Tauflied aus drei Tristicha vorliege, was von P. Pokorny, Epheserbrief und gnostische Mysterien, ZNW 53 ( 1962) 183f übernommen wurde. Aber sein Verweis auf parallele Begriffe in lPetr 2,4ff sowie die Parallelen zwischen Kol 1,13-20 und Eph 2,11-16 (!) reicht zur Begründung nicht aus; zur Kritik vgl. Schlier, Epheserbrief 140 Anm. I; Gnilka, Epheserbrief 152. Auch die Zuordnung von Röm 3,23-25; Tit 3,3-7; 2Tim 1,9f; Tit 2,11-14; Offb 1,5f zur Taufe bei Schille, Hymnen 60ff ist nicht überzeugend, weil entweder der Taufbezug oder der hymnische Charakter fraglich ist. Auf die Besprechung weiterer Hypothesen sei hier verzichtet. Taufterminologie läßt sich an manchen Stellen wahrscheinlich machen; doch von da bis zur Feststellung ausgesprochener Tauflieder ist noch ein weiter Weg. 296 Bornkamm, Bekenntnis 191. 297 Seeberg, a.a.O. 143ft. 298 Vgl. Bornkamm, Bekenntnis 190. 299 So Wengst, Christologische Formeln 108ft; Vielhauer, Urchristliche Literatur, 25ft. Von ihrer Funktion als Taufbekenntnis her versteht Bornkamm,
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Tradition gehört es auch, wenn in einer Reihe von Handschriften vorwiegend des »westlichen« Textes 300 in Apg 8,37 ein Zusatz eingeschoben ist, der das Taufbekenntnis des äthiopischen Eunuchen bringt: »Ich glaube, daß Jesus Christus der Sohn Gottes ist«. Natürlich handelt es sich hier um einen späteren Zusatz, in dem sich aber doch eine Tradition zeigt, die nach dem Ausweis des Hebräerbriefes und des 1. Johannesbriefes erheblich älter ise 01 • Zeigte sich, daß das Bekenntnis »Jesus ist der Sohn Gottes« zumindest in weiten Gebieten der Frühchristenheit zur Tauffeier gehörte, so fragt sich, ob sich Entsprechendes nicht auch von anderen Fortnein sagen läßt302 • Seit H. Conzelmanns Aufsatz »Was glaubte die a.a.O. 191 Anm. 8 das Auftauchen dieser Formel in solchen Perikopen, in denen einzelne ihren Glauben bekennen (vgl. den Zusatz bei Mt 16,16 gegenüber Mk 8,29; ferner Mk 15,39; Job 1,34.49; 11,27). Bezeichnend ist, daß im l. Johannesbrief die Formel >>Jesus ist der Sohn Gottes« (4,15; 5,5) gleichbedeutend durch die Formel >>Jesus ist der Christus« (5, 1; vgl. 2,22) ersetzt werden kann. 300 So in einer Reihe von Itala-Handschriften, bei E, der syrischen Harclensis, Irenäus, Tertullian u.a. 301 Das wird von v. Campenhausen, Das Bekenntnis im Urchristentum 226f bestritten. Auch er setzt zwar die Entstehung dieses Zusatzes im 2. Jahrhundert an, bestreitet aber, daraus auf eine liturgische Sitte schließen zu dürfen. Der Zusatz wolle nur die >>übereilte Hurtigkeit« abschwächen, mit der die Taufe des Kämmerers vollzogen wurde und die den Späteren eine Verlegenheit bereitete. Unverständlich bleibt dann aber, weshalb der Interpolator zur Beseitigung dieser Verlegenheit gerade diese Formel benutzte, die auch nach v. Campenhausen zu den ältesten Bekenntnissätzen gehörte. Das kann die Leser doch nur dann über ihre >>Verlegenheit<< hinwegbringen, wenn diese Formel für sie zum ordnungsgemäßen Vollzug der Taufe gehörte und also Sitte war. V. Campenhausen bestreitet auch, daß die >>Homologie<< des Hebräerbriefes das Taufbekenntnis sei (a.a.O. 232ff). Aber seine Behauptung, die OJloA.oyia werde im Hebräerbrief niemals auf die Taufe bezogen, sondern nur einmal in 10,22 mit ihr in eine >>lockere Verbindung<< gebracht (a.a.O. 234 Anm. 136), ist schlechthin irreführend. Denn der Aufruf, an der Ü!loA.oyia festzuhalten, wird ja doch durch die vorangehenden Aussagen (10,19-22), die im Verweis auf die Taufe ausmünden, gerade begründet! Nur unter Mißachtung eindeutiger exegetischer Zusammenhänge läßt sich die Zusammengehörigkeit von Taufe und Homologie in Hebr l0,22f bestreiten. 302 Fraglich ist, ob auch bei der Ü!loA.oyia, die nach !Tim 6,12f von Timatheus vor vielen Zeugen gesprochen wurde, an das Taufbekenntnis zu denken ist, wie Kelly, a.a.O. 27.32 betont; ähnlich Seeberg, a.a.O. 99; G. Wohlenberg, Die Pastoralbriefe (KNT XIII), Leipzig 3 1923, 211. Andere möchten hier eher an ein Ordinationsgelübde denken; so E. Lohse, Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament, Göttingen 1951, 85; E. Käsemann, Das Formular einer neutestamentlichen Ordinationsparänese, in: ders., Exegetische Versuche und Resinnungen I, Göttingen 2 1960, 101-108; Hasler, z.St.; M. Dibelius I H. Conzelmann, Die Pastoralbriefe (HNT 13), Tübingen 3 1955, 66 und Ho/tz, Pastoralbriefe 139 verbinden beides in der Weise, daß bei der Ordinationsermahnung auf die Taufe Bezug genommen werde. Die Frage ist schwer zu entscheiden, da sich die Ermahnung wohl an einen Gemeindeleiter richtet und also an die Ordination denken läßt, dabei aber auch Elemente der Taufparänese (Absage von den Lastern, Mah-
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frühe Christenheit?« 303 hat sich die Unterscheidung zwischen »Homologie« und »Credo« bzw. »Pistisformel« als nicht nur hilfreich, sondern auch notwendig durchgesetzt. Hat die Homologie die gegenwärtige Würdestellung Jesu zum Gegenstand, die von den Sprechenden öffentlich und verbindlich anerkannt wird, so bietet das Credo eine kurze Zusammenfassung des entscheidenden Heilsgeschehens in der Vergangenheit, wobei unterschieden werden kann zwischen Formeln, die von der Auferweckung Jesu handeln (z.B. Röm 10,9 u.ö.), die seinen Tod deuten (vgl. Röm 5,8; 8,32; Gal1,4 u.ö.), und solchen, die Tod und Auferstehung Jesu kombinieren (vgl. 1Kor 15,3ff; 2Kor 5,15; 1Thess 4,14; Röm 4, 25? 04 . Da die Homologie »Jesus ist der Sohn Gottes« als zur Tauffeier gehörig erkannt wurde, mag man fragen, ob auch der gleichfalls zu den Homologien zu rechnende Akklamationsruf »Herr ist Jesus« (Kupto~ 'I11croii~: Röm 10, 9; 1Kor 12,3; Phil 2,11) bei der Tauffeier gesprochen wurde. Das ist natürlich nicht einfach auszuschließen305; doch fehlt es dazu an konkreten Hinweisen. Der normale Sitz im Leben dieses Akklamationsrufes war offenbar der Gemeindegottesdienst306 . Fraglich ist auch, ob und wieweit die sogenannte Pistisformel bei der Tauffeier eine Rolle spielte. Da sie eine Zusammenfassung der wesentlichen Aussagen des christlichen Heilsglaubens bietet, genung zur Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glaube, Liebe, Verheißung des ewigen Lebens [6,11 f]) aufgreift. 303 Vgl. oben Anm. 91. 304 Zur weiteren Information sei hier auf die oben in Anm. 91 genannten Arbeiten von Conzelmann, Kramerund Wengst verwiesen. Eine abgewogene Zusammenfassung gibt Vielhauer, Urchristliche Literatur 14-27. Grundsätzlich bestritten wurden diese Ergebnisse von v. Campenhausen, Bekenntnis im Urchristentum 224ff, der geschichtlich orientierte Bekenntnisse nicht vor dem Beginn des 2. Jahrhunderts gelten lassen will. Die von uns als >>Credo<< oder >> Pistisformel<< bezeichneten Sätze werden von ihm überhaupt nicht als feste Formeln oder Traditionsstücke anerkannt, sondern zu >>schlagwortartigen, geprägten Thesen<< verharmlost; sie seien >>ein bestimmter religiöser Jargon<< (a.a.O. 232), wie er sich in jeder Sekte und jedem Konventikel finde. Das setzt nicht nur ein fragwürdiges Verständnis des Lebens in Sekten und Konventikeln voraus, sondern übergeht gänzlich die kombinierten Formeln wie Röm 4,25 oder lKor 15,3ff, die mit ihrem Parallelismus membrorum und ihrem festgefügten Aufbau schlechterdings nicht mehr als >>religiöser Jargon<< abgetan werden können. Bei allem berechtigten Bestreben, Auswüchsen bei der Formelsuche entgegenzutreten, wird hier nun doch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. 305 So meinte Bultmann, Theologie 137, daß der Täufling bei der Taufe das Bekenntnis Kupto<; 'I11croii<; Xptcr'tÜ<; gesprochen habe; ebenso Roloff, a.a.O. 229; Lohse, Theologie 67. Auch Kramer, a.a.O. 78 bezieht die Kyrios-Akklamation nicht nur auf den Gottesdienst, sondern auch auf die Taufe. 306 Vgl. Conzelmann, a.a.O. 112; Vielhauer, a.a.O. 27.
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hört sie in den der Taufe vorangehenden Unterricht und dürfte sicher im Taufunterricht gelehrt worden sein 307 . Dafür spricht schon die Art, wie Paulus sich in lKor 15,lf auf die 15,3ff zitierte Formel als ein festes Traditionsstück beruft, das den Korinthern zu Beginn ihres Christseins übergeben wurde. Ob dieses Credo aber dann auch bei der Tauffeier selbst »abgefragt und aufgesagt« wurde 308 , ist fraglich. Gewiß legt sich dieser Gedanke nahe. Wenn Irenäus gegen Ende des 2. Jahrhunderts davon spricht, daß bei der Taufe die »Richtschnur der Wahrheit« empfangen wurde 309 , und wenn bei Hippolyt dem Täufling in den Tauffragen die einzelnen Artikel vorgehalten werden, auf die er mit »ich glaube« antwortee10, so muß das ja doch auch seine Vorstufen gehabt haben, die zu dieser Entwicklung hinführten. Aber konkrete Hinweise darauf, daß das Credo bei der Taufe auch in neutestamentlicher Zeit schon »abgefragt« oder »aufgesagt« wurde, haben wir nicht 311 • Doch selbst wenn das Credo bei der Tauffeier selbst nicht gesprochen worden sein sollte, bleibt der Bezug der Taufe auf das Credo doch dadurch gewahrt, daß dieses offensichtlich zum vorangehenden Taufunterricht gehörte. Insofern gehören doch Taufe und Credo zusammen.
Gehören Taufe und Homologie zusammen und ist die Taufe ebenso mit dem vorangehenden Taufunterricht verbunden, in den neben ethischen Unterweisungen auch das Credo gehört - ob es nun bei der Taufe abgefragt wurde oder nicht -, so wird dadurch der Verbindlichkeitscharakter der Taufe herausgestellt. Dem Täufling wird Gottes Heilshandeln in Christus zugesprochen, über ihm wird der Name Christi ausgerufen, was dann schon früh als Übereignung an Christus verstanden wurde, und auf dieses Geschehen hin sprach der Täufling offenbar seine verbindliche Antwort. Das darf gewiß nicht so verstanden werden, als sei die Antwort des Täuflings die Hauptsache bei der Taufe oder als sei die Taufe selbst wesentlich als Bekenntnisakt zu verstehen 312 • Davon kann keine Rede sein, nachdem deutlich wurde, daß der Täufling primär pas307 Vgl. dazu Kelly, a.a.O. 45: Sie >>gehörten von Rechts wegen zu der dem Sakrament voraufgehenden katechetischen Vorbereitung.<< 308 So vermuten Conzelmann, a.a.O. 113 und Vielhauer, a.a.O. 2lf; vgl. auch E. Dinkler, Art. Taufe, RGG 3 VI, 630; E. Kamlah, Art. Bekenntnis, III: Im NT, RGG 3 I, 992 und Kelly, a.a.O. 47. 309 Irenäus, adv. haer. 1,9,4. 310 XXI, 12ff (ed. Dix, a.a.O. 36ft); vgl. auch Kretschmar, a.a.O. 86ff. 3 11 Eichholz, Theologie des Paulus 208 schließt aus dem Zusammenhang, der zwischen den Aussagen von Röm 6,3ff und dem Credo !Kor 15,3ff besteht, daß bei der Taufe ein entsprechendes Credo gesprochen wurde. Doch ließe sich dieser Zusammenhang auch durch die Verwendung des Credos im Taufunterricht erklären. 312 So K. Barth, KD IV,4, 81.
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siv die Taufe und damit die Zueignung der Heilsgabe empfängt. Aber es darf nun auch nicht übersehen oder unterschlagen werden, daß der Täufling offenbar auf die Taufgabe seine verbindliche Antwort sprach. Gewiß nicht nur bei der Taufe; auch im gewöhnlichen Gemeindegottesdienst antwortet die Gemeinde auf die empfangene Heilsgabe mit der Akklamation »Herr ist Jesus« und unterstellt sich damit ihm als ihrem Herrn. Eine solche Antwort gehörte aber, wie wir feststellen mußten, offenbar auch zum Taufgottesdienst. Ein kleines Fragment aus einer frühchristlichen Taufordnung konnte 0. Cullmann313 wahrscheinlich machen. Er zeigte, daß sich hinter der Frage des äthiopischen Kämmerers in Apg 8,36: »Was hindert, daß ich getauft werde?« ('ti KroA.un !lE ßamtcr8fivat) wohl eine geprägte Wendung der Taufzulassung verbirgt. Der gleiche Begriff KwA.unv begegnet nicht nur wiederholt im Taufzusammenhang (Apg 10,47; 11,17), sondern auch als deutliche liturgische Formel in PsClem Horn XIII,5, 1; 11 ,2. Dort fragt die Mutter des Clemens nach der Predigt des Petrus: 'ti ouv KwA.un m'U.tEpov llE ßanncrSfivm. Nach einem weiteren Gespräch, in dem geprüft wurde, ob die Voraussetzungen für die Taufe gegeben sind, heißt es dann in 11,2: OUKOÜV ou8ev KülAUEl UU'tTJV ßanncrSfivat.
Wir stoßen hier auf eine liturgische Tradition, die in der Apostelgeschichte erstmals begegnet, in den Pseudoclementinen wiederkehrt und sich danach offenbar im Sand verliert. Gewiß gehören die Befragungen und Prüfungen der Taufbewerber, die sich vom 3. Jahrhundert an allenthalben finden, in den weiteren Zusammenhang dieser Tradition, sie gebrauchen aber, soweit ich sehen kann, nicht mehr diese direkte Frage: »Was hindert, getauft zu werden?« Das Auftauchen dieser Frage nach Taufhindernissen schon in der Apostelgeschichte zeigt aber, daß schon in dieser Zeit die Zulassung zur Taufe nicht dem Belieben überlassen wurde. Es wurde offenbar nach gewissen Voraussetzungen gefragt, deren Fehlen die Zulassung zur Taufe hindern konnte. Auch hier zeigt sich, daß die Taufe einen gewissen Verbindlichkeitscharakter hatte, der auch in der Taufordnung zum Ausdruck kam. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß der Verfasser der Apostelgeschichte bereits eine zum Taufgottesdienst gehörende und doch vom Wasserritus zu unterscheidende Handauflegung kannte, mit der die Geistverleihung verbunden gedacht war. So heißt es in Apg 19,6, daß Paulus die zuvor genannten Personen taufte, »und als 3 13
Cullmann, Tauflehre 65ff; vgl. auch Jeremias, Kindertaufe 66f.
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Paulus ihnen die Hände auflegte, kam der heilige Geist auf sie«, was sich dann in Glossolalie und Prophezeiungen auswirkte. Hier wird die Handauflegung zur Geistmitteilung deutlich neben dem Wasserritus genannt. Die gleiche Trennung von Wassetritus und Handauflegung ist auch die Voraussetzung für die etwas komplizierte Erzählung Apg 8,4-24, in der die Apostel Petrus und Johannes durch Handauflegung (8, 16f) die Geistmitteilung nachholen, die bei der Taufe der Samaritaner (8, 12) gefehlt haben soll. Eben die dem Redaktor bekannte liturgische Trennung von Wasserritus und Handauflegung gab ihm die Möglichkeit, die von Philippus bewirkte Mission Samarias apostolisch abzusegnen und damit in die Jerusalemer una sancta einzubeziehen. Da dies schon oben ausführlich dargelegt wurde 314 , braucht hier nur noch einmal daran erinnert zu werden. In späterer Zeit erscheint die Handauflegung als ein festes Element des Taufgottesdienstes 315 • Diese Verbindung von Taufe und Handauflegung begegnet uns erstmalig beim Verfasser der Apostelgeschichte 316 . Durch sie wird zweifellos die mit der Taufe verbundene Geistverleihung besonders hervorgehoben.
314 Vgl. oben S. 60 und vor allem Anm. 151. 315 Tertullian, de bapt. 7; Hippolyt, trad. apost. (ed. Dix) XXII,lf. 3 16 Ob auch die in Apg 9, 17f genannte Handauflegung zur Taufe gehört, ist unsicher; vgl. dazu oben Anm. 152. Fraglich erscheint mir auch, ob die in Hebr 6,2 genannte Handauflegung als ein Bestandteil der Taufe gedacht ist (so Kretschmar, a.a.O. 22). Zwar wird die Handauflegung hier neben ßamtcrJ.lroV lhoaxii~ genannt, steht dazu aber in keiner anderen Beziehung als die daneben genannten Lehrgegenstände Abkehr von toten Werken, Glaube an Gott, Auferstehung der Toten und ewiges Gericht. Es handelt sich also um eine einfache Aufzählung wichtiger Lehrstücke des Elementarunterrichts.
7 Die Frage nach der Taufe von Kindern in neutestamentlicher Zeit
Es bleibt uns noch, der Frage nachzugehen, ob in dem von den Schriften des Neuen Testaments abgedeckten Zeitraum die Taufe auch schon an Kindern, und speziell an Kleinkindern, vollzogen wurde. K. Aland 317 hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß diese Frage von der modernen Forschung noch bis in die dreißiger Jahre hinein allenfalls am Rande berührt und dann durchgehend negativ beantwortet wurde. Erst mit K. Barths Infragestellung der kirchlichen Praxis der Säuglingstaufe318 kam es hier zu einer auffallenden Wandlung. Nun entstand eine Vielzahl von Veröffentlichungen, die nicht nur die Berechtigung und Notwendigkeit der Kindertaufe zu beweisen suchten, sondern auch, daß diese bereits in den neutestamentlichen Gemeinden praktiziert worden sei. Alle diese Arbeiten und Artikel aufzuführen, ist hier nicht der Platz und auch nicht nötig. Doch sind die wichtigsten Argumente aufzugreifen und zu prüfen, mit denen man zu beweisen suchte, daß die Übung der Kindertaufe nicht erst im 2. und 3. Jahrhundert aufgekommen sei, sondern sich bis in die frühe Zeit der neutestamentlichen Gemeinden zurückverfolgen lasse. Als am charakteristischsten für diese Denkrichtung und auch als am einflußreichsten wird man die bereits verschiedentlich erwähnte Arbeit von J. Jeremias 319 zu nennen haben. Jeremias meinte zeigen zu können, daß schon von Anfang an beim Übertritt von Erwachsenen die zur Familie gehörenden Kinder mitgetauft worden seien. Aus lKor 7,14 meinte er zwar entnehmen zu sollen, daß man anfangs die nach der Bekehrung geborenen Kinder zunächst ungetauft gelassen habe; doch sei die Kirche zwischen 60 und 70 n.Chr. 3 17 Die Säuglingstaufe im Neuen Testament und in der alten Kirche (TEH 86), München 1961, 7f. 318 K. Barth, Die kirchliche Lehre von der Taufe (ThSt 14), Zürich 3 1947; ders., Zur Frage nach der Taufe. Ungedruckte Ergänzung zu K. Barth, >>Die kirchliche Lehre von der Taufe«, EvTh 9 (1949/50) 187-189; ferner seine späteren Äußerungen in KD IV,4 und die oben in Anm. 16 und 33 genannten Arbeiten seines Sohnes M. Barth. 319 Vgl. oben Anm. 46.
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dazu übergegangen, außer den Kindern der Übertretenden auch die in der Gemeinde geborenen Kinder, und zwar als Säuglinge, zu taufen 320 . Es sind vor allem vier Argumente, mit denen er diese Sicht der Dinge zu beweisen sucht und die in der folgenden Debatte immer wieder auftauchen: a) die sogenannte »Üikosformel«, b) das Vorbild des Proselytentauchbades, c) die Aussage von Apg 2,39 und d) Mk 10,13-16. a)
Die sogenannte »0ikosformel« 321
An verschiedenen Stellen wird im Neuen Testament davon gesprochen, daß ganze »Häuser« getauft wurden. So schreibt Paulus in 1Kor 1,16, daß er das »Haus des Stephanas« getauft habe; in Apg 16,15 heißt es von Lydia: »als aber sie und ihr Haus getauft worden waren ... «, und dem Kerkermeister wird in Apg 16,31 gesagt: »glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus gerettet«, worauf es dann in 16,33 heißt, daß er und »alle die Seinen« sich taufen ließen. Hierher gehört auch Apg 11, 14, wonach Kornelius durch einen Engel gesagt wird, daß Petrus zu ihm Worte reden werde, »durch die du und dein ganzes Haus gerettet werden wirst«. Daß bei diesem »Gerettetwerden« auch an die Taufe zu denken ist, dürfte sicher sein, da es ja in dem ganzen Abschnitt darum geht, die Taufe des Heiden Kornelius zu rechtfertigen 322 • An all diesen Stellen ist von der Taufe ganzer »Häuser« geredet, wobei mit »Haus« zweifellos die Familie oder Hausgemeinschaft gemeint ist323 . J. Jeremias sah nun in Anschluß an E. Stauffer in der Wendung »N.N. und sein Haus« eine feste Formel aus der alt320 Kindertaufe 51-68. 321 Zur Debatte vgl. Jeremias, Kindertaufe 23ff; ders., Nochmals: Die Anfänge der Kindertaufe (TEH 101), München 1962; Aland, Säuglingstaufe 60ff; E. Stauffer, Zur Kindertaufe in der Urkirche, DtPfrBl 49 (1949) 151-154; P. Weigandt, Zur sogenannten >>Üikosformel«, NT 6 (1963) 49-74; G. Delling, Zur Taufe von >>Häusern<< im Urchristentum, NT 7 (1964) 285-311; A. Strobel, Der Begriffdes >>Hauses« im griechischen und römischen Privatrecht, ZNW 56 (1965) 91-100; eine Zusammenfassung der Debatte gibt L. Schenke, Zur sogenannten >>Oikosformel<< im Neuen Testament, Kairos 8 (1971) 226-243. 322 Entsprechend heißt es in Apg 10,2 von Kornelius, daß er fromm und gottesfürchtig war >>mit seinem ganzen Hause<<. Etwas schwieriger ist die in Apg 18, 8 sich findende Angabe, daß der Synagogenvorsteher Krispus >>dem Herrn glaubte mit seinem ganzen Hause<<. Da Paulus in 1Kor 1,14 nur von der Taufe des Krispus als einer Einzelperson berichtet, muß man entweder annehmen, daß die Apostelgeschichte hier verallgemeinert oder daß das >>Haus<< des Krispus, d.h. die übrige Familie, nicht von Paulus, sondern von seinen Mitarbeitern getauft wurde. 323 Vgl. dazu Bauer, Wörterbuch 1110; 0. Michel, Art. oho~ K'tA., ThWNT V, 132f; Schenke, a.a.O. 227.
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testamentliehen Ritualsprache, bei der die Kleinkinder notwendig miteinbegriffen seien. »Paulus und Lukas« hätten die Oikosformel unter keinen Umständen verwenden können, wenn sie hätten sagen wollen, daß nur Erwachsene getauft wurden 324 . Die Zuversicht, die sich auf den Gebrauch dieser Oikosformel gründete, ist freilich inzwischen erheblich erschüttert worden. So zeigte P. Weigandt in Auseinandersetzung mit E. Stauffer, daß keineswegs an allen Stellen, an denen im Alten Testament von »N.N. und seinem Haus« gesprochen wird, die Kinder und speziell Kleinkinder miteingeschlossen sind 325 . Von einer festen Formel kann jedenfalls nicht gesprochen werden. Weiter zeigte G. Delling, daß sich die Wendung »N.N. und sein Haus« auch im griechischen und lateinischen Sprachbereich findet, es daher völlig unberechtigt ist, von einem spezifisch biblischen Sprachgebrauch zu reden. A. Strobel untersuchte den Begriff des »Hauses« im römischen und im griechischen Privatrecht mit dem Ergebnis, daß im römischen Recht das »Haus« die rechtsfähigen Glieder der Familie umfaßt, nicht aber die unmündigen Kinder und schon gar nicht die Säuglinge326. Nach Strobel war das griechische Privatrecht in diesem Punkt dem römischen völlig analog. Nun kann man zwar mit L. Schenke fragen, wie weit diese Analogie wirklich reicht 327 , und man kann natürlich weiter fragen, ob Paulus und Lukas den Begriff des »Hauses« im Sinne des römischen oder griechischen Privatrechts verstanden haben müssen; eindeutig bleibt jedenfalls, daß die Wendung »N.N. und sein Haus« Kinder und speziell Säuglinge nicht einzuschließen braucht. Ob also bei der Taufe von Häusern auch Kinder und Kleinkinder mitgetauft wurden, läßt sich vom Begriff des »Hauses« her nicht entscheiden. Allenfalls könnte der Kontext darüber eine Auskunft geben. K. Aland nahm diese Untersuchung des Kontextes der genannten Stellen vor und kam zu einem durchweg negativen Ergebnis. Man mag fragen, ob seine Argumentation nicht zuweilen 324 Jeremias, Kindertaufe 26. 325 So sind in lSam 1,2lf Hanna und der noch nicht entwöhnte Samuel nicht eingeschlossen, wenn Elkana »mit seinem ganzen Hause<< zum Tempel hinaufzieht. Nach Gen 7,1 geht Noah >>und sein ganzes Haus<< in die Arche, womit nach lPetr 3,20 nur Erwachsene gemeint sein können; vgl. auch Gen 50,8 und lChr 10,6. 326 A.a.O. 94. 327 Das hängt davon ab, ob die strenge Unterscheidung von familia (= Personen und Sachen, also auch Sklaven umfassend) und domus (= verwandtschaftliche Einheit von Personen) auch für das griechische Recht galt. Strobel meint, daß das Begriffspaar domus - familia eine Entsprechung in o'l KO<; - oi Kia haben könne (a.a.O. 94). Aber das Neue Testament macht bei der Verwendung von ohoc; und oiKia keinen Unterschied; vgl. Schenke, a.a.O. 236f.
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überspitzt ist, zweifellos aber hat er darin recht, daß nirgends direkt Kinder genannt oder erwähnt werden, die zu demjeweiligen »Haus« gehört hätten - und nur ein derart positiver Beweis könnte ja in dieser Frage weiterhelfen 328 • Doch wird man mit L. Schenke noch weiter zu gehen haben. Denn im Blick auf Form und Intention der Missionserzählungen der Apostelgeschichte ist es geradezu verfehlt, von ihnen eine genaue Auskunft darüber erwarten zu wollen, ob jeweils nur Erwachsene oder auch Kleinkinder mitgetauft wurden. Denn bei all diesen Erzählungen geht es dem Erzähler darum, Missionserfolge herauszustreichen, d.h. es geht ihm nicht um einen genauen Bericht über Anzahl und Alter der Taufteilnehmer, sondern eben um Erfolgsmeldungen, und diese würden durch Erwägungen über eventuell auch mitgetaufte Säuglinge eher eingeschränkt. Da der Erzähler an dieser Frage nicht interessiert ist, darf man ihn auch nicht danach befragen. · Anders ist dies in 1Kor 1, 16. Denn hier geht es Paulus in der Tat um eine genaue Angabe darüber, wer alles in Korinth von ihm getauft wurde. Deshalb verbessert er seine Aussage von 1,14, außer Krispus und Gajus niemand sonst getauft zu haben, in dem Augenblick, wo ihm einfällt, daß er auch das Haus des Stephanas ('tOV L'tE<j>ava oh:ov) getauft habe. Von dem gleichen Haus des Stephanas schreibt er dann in 1Kor 16,15 (da: oiKia L'tE<j>ava), daß es sich in den Dienst der »Heiligen«, d.h. der Gemeinde gestellt habe, und er fordert die Gemeinde auf, sich diesen Leuten ('tOt~ 'tOtOU'tOt~ 16, 16) unterzuordnen. Das zeigt aber, daß Paulus bei dem Haus des Stephanas jedenfalls nicht an Kinder, sondern an Erwachsene gedacht haben muß. An der einzigen neutestamentlichen Stelle also, die auf wirklich historische Angaben Wert legt, zeigt sich, daß bei dem Begriff des »Hauses« an Kinder nicht gedacht ist. Von einer sogenannten »Oikosformel« her läßt sich daher eine Übung der Kindertaufe in neutestamentlicher Zeit nicht wahrscheinlich machen. 328 So werden im Blick auf das Haus des Kornelius in Apg 10,7 Haussklaven. in 10,24 seine Verwandten und nächsten Freunde genannt, die er rufen läßt. Natürlich können diese Verwandten auch Kleinkinder gehabt haben. Ausschließen läßt sich das natürlich nicht; aber noch weniger läßt sich behaupten, daß Kleinkinder dabeigewesen sein müssen und mitgetauft wurden. Ähnlich ist das bei der Purpurhändlerin Lydia in Apg 16,14f. Da sie die Berufsbezeichnung trägt, ein im Hintergrund stehender Ehemann also ausfällt, müßte sie entweder ledig oder Witwe gewesen sein. Natürlich können dann immer noch Enkelkinder und dergleichen zu ihrem Haus gehört haben. Aber auf diesem Weg kommt man allenfalls zu Spekulationen, nicht jedoch zu einer tragfähigen Basis für die Frage, ob Kleinkinder mitgetauft wurden.
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Das Vorbild des Proselytentauchbades
Die Übung der Kindertaufe schon in frühester Zeit meint J. Jeremias weiter aus der Parallelität zum jüdischen Proselytentauchbad entnehmen zu können 329 . Beim Übertritt eines Heiden zum Judentum wurden auch die minderjährigen Kinder dem Tauchbad unterzogen330. Nun wurde bereits oben (S. 27) das Proselytentauchbad in seinem Verhältnis zur J ohannestaufe und zur christlichen Taufe ausgiebig behandelt. Es zeigte sich da, daß die Unterschiede weit schwerwiegender als die Parallelen sind und darum die Entstehung der Johannestaufe (und damit auch der christlichen Taufe) nicht vom Proselytentauchbad her erklärt werden kann. Damit aber fällt die ganze diesbezügliche Argumentation von J. J~remias in sich zusammen. Da die christliche Taufe nicht aus dem Proselytentauchbad hervorging, ist es auch unzulässig, aus dem Mitgetauftwerden von Kindern beim jüdischen Proselytentauchbad zu folgern, daß auch bei der christlichen Taufe die Kinder hätten mitgetauft werden müssen. Eine stärkere Beeinflussung der christlichen Taufe vom Proselytentauchbad her läßt sich erst um die Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert feststellen 331 • c)
Apg 2,39
Wenig überzeugend ist auch die Berufung auf Apg 2,39, wo es im Anschluß an die Aufforderung zu Umkehr und Taufe nun heißt: »Denn euch und euren Kindern (tEKvotc;) gilt die Verheißung und all denen in der Ferne, die der Herr, unser Gott, herbeirufen wird«. Jeremias sieht wegen des Bezugs auf die vorangehende JoelVerheißung (Apg 2,17 = Joel 3,1) in den »Kindern« nicht die Nachkommen, sondern die Söhne und Töchter der Hörer, und versteht den Satz als Aufforderung, auch die Kinder taufen zu lassen332. Doch wird diese Deutung gerade durch den Bezug auf die Joel-Verheißung widerlegt. Denn in der Joel-Verheißung wird von den »Söhnen« und »Töchtern« gesagt, daß sie prophetisch reden und Gesichte schauen werden (Apg 2,17); es sind dort also gerade keine Kleinkinder gemeint. Hinzu kommt, daß in 2,39 die Verheißung an »eure Kinder« parallel steht zu der an die »in der Ferne« und durch diesen Kontext interpretiert wird. Wird mit »denen in der Ferne« die geographische Erstreckung, so mit »euren Kin329 330 331 332
Kindertaufe 28-47. A.a.O. 44f. Vgl. oben Anm. 51. Kindertaufe 48.
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dern« die zeitliche Erstreckung der Verheißung angesprochen. Das alles zeigt, daß mit den »Kindern« von 2,39 nicht ein Altersbegriff, sondern ein Generationsbegriff gemeint ist; es sind die Nachfahren, denen diese Verheißung ebenso gilt wie den Menschen in der Ferne. d) Mk 10,13-16 Schließlich wird zur Begründung der Kindertaufe in neutestamentlicher Zeit auf die Perikope von der Segnung der Kinder (Mk 10, 13-16 par) hingewiesen. Auf den Abwehrversuch der Jünger antwortet Jesus: »Laßt die Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht daran (!liJ KffiA:uE'tE mha); denn Menschen wie ihnen ('tc:öv yap 'tOtoU'tffiV) gehört das Reich Gottes. Amen, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen« (Mk 10,14f). Jeremias verweist nicht nur darauf, daß bereits zur Zeit Tertullians mit dieser Perikope die Kindertaufe begründet wurde 333 , er meint auch zeigen zu können, daß bereits der Evangelist Markus sie auf die Kindertaufe bezogen habe 334 • Vor allem zwei Argumente sind für ihn maßgebend: 1. In den Worten Jesu »hindert sie nicht daran« (!liJ KffiAUE'tE au'ta Mk 10,14) werde ein Terminus technicus aus dem Taufritual aufgenommen 335 • Nun wurde bereits oben (S. 126) gezeigt, daß bei den Worten des Eunuchen in Apg 8,36: »Was hindert, daß ich getauft werde?« ('tt KffiAUEt llE ßmtncr8fjvm) in der Tat ein Stück Taufliturgie aufgenommen sein dürfte. Das ergibt sich nicht nur aus dem Taufzusammenhang Apg 8, 36, sondern vor allem daraus, daß die gleiche Frage in PsClem Horn XIII,5,1 gleichfalls in einem Taufritual begegnet. Völlig abwegig aber ist es nun, daraus zu folgern, daß Mk 10,13-16, weil das Verb »hindern« (KffiAUEtv) dort 333 Tertullian, de bapt. 18,5. Tertullian bestreitet freilich, daß man damit die Taufe von Kleinkindern begründen könne, doch scheint gerade seine Bestreitung zu zeigen, daß seine Kontrahenten mit dieser Perikope argumentierten. Aber dies ist dann eine Deutung zu Beginn des 3. Jahrhunderts, und ob sich dieses Verständnis von Mk 10,13ff auch bis ins 1. Jahrhundert zurückverfolgen läßt, ist die Frage. L. Ludolphy, Zur Geschichte der Auslegung des Evangelium infantium, in: Taufe und neue Existenz, hg. v. E. Schott, Berlin 1973, 71-86, dort 71 stellt fest, daß weder >>in der alten Kirche noch im Mittelalter in den untersuchten Kommentaren bzw. einer Homilie eine Verbindung zwischen unserem Text und der Kindertaufe festgestellt« werden konnte. Dagegen finde sie sich vom 4. Jahrhundert an in liturgischen Formularen (a.a.O. 74). 334 Jeremias, Kindertaufe 61 weiß natürlich, daß die Perikope ursprünglich nichts mit der Taufe zu tun hatte, sondern >>vorsakramental« gewesen sei; aber bereits Markus habe sie auf die Taufe bezogen. 335 Jeremias, Kindertaufe 66f.
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vorkommt (im Neuen Testament insgesamt 23 mal!), sich auf die Taufe beziehen müsse. Zudem begegnet in Mk 10,14 gerade nicht die Frage »was hindert es?«, sondern der Imperativ »hindert nicht!«, der überall da, wo er sonst im Neuen Testament begegnet (Mk 9,39; Lk 9,50; 1Kor 14,39 vgl. Lk 6,29) mit der Taufe rein gar nichts zu tun hat. 2. Aber Jeremias' Hauptargument ist, daß Mk 10,15 der gleichen Tradition angehöre, die sich auch in Joh 3,5 finde. Spricht Joh 3,5 davon, daß ins Reich Gottes nur kommen könne, wer aus Wasser und Geist geboren und also wiedergeboren (vgl. 3,3) werde, so enthalte Mk 10,15 dazu die durch semitische Sprachtradition geprägte Parallele, indem dort vom »Wieder-Kind-Werden« 336 als Einlaßbedingung zum Reich Gottes gesprochen werde. Da also »Wieder-Kind-Werden« (Mk 10,15) dasselbe sei wie Wiedergeburt (Joh 3,5) =Taufe, so sei auch in Mk 10,13-16 an die Taufe gedacht. Aber dabei wird die Aussage von Mk 10,15 deutlich vergewaltigt. Denn Mk 10,15 spricht gar nicht vom »Wieder-Kind-Werden« (was dann eine semitische Variante des Wiedergeburtsgedankens wäre), sondern vom Empfangen des Gottesreiches »wie ein Kind«, d.h. so wie Kinder es annehmen. Von Neugeboren-Werden ist überhaupt nicht die Rede, sondern vom Verhalten der Kinder, die sich beschenken lassen, weil sie ohnehin nur von fremder Hilfe leben können. Daß bereits Markus diese Perikope auf die Kindertaufe bezogen habe, läßt sich also nicht beweisen, ist vielmehr eher unwahrscheinlich. Etwas anderes ist es, wenn man später, unter der Voraussetzung der Kindertaufe, diese in Jesu Worten in Mk 10,14f bestätigt sah. Bei Markus selbst aber und auch bei seinen Seiter;treferenten Matthäus und Lukas ist ein Bezug auf die Kindertaufe nicht erkennbar. Daß in neutestamentlicher Zeit Kinder und speziell Säuglinge getauft oder mitgetauft wurden, läßt sich also nicht erweisen. Freilich läßt sich auch nicht das Gegenteil beweisen, daß Taufen von Kindern nicht vorgekommen sein können. Die Quellen geben darüber keine Auskunft. Aber selbst wenn sich das eine oder andere, das 336 Jeremias, Kindertaufe 64f verweist dazu besonders auf die Parallele Mt 18,3. Aber auch Mt 18,3 spricht nicht vom >>Wieder-Kind-Werden«, sondern von Umkehr, die darin besteht, daß man wird >>wie die Kinder<<. Seinen Versuch, Justin, Apo!. 1,61,4 als ein Zwischenglied in der Tradition zwischen Mk 10,15 und Joh 3,5 heranzuziehen, hat bereits Aland, Säuglingstaufe 69 widerlegt. Schließlich ist auch sein Verweis darauf, daß Lk 10,15 das nmöia durch ßpe<Jrrt ersetzt habe (a.a.O. 67), wohinter eben die Praxis der Säuglingstaufe stehe, untauglich. ßpe<Jnt kommt im lukanischen Werk sechsmal vor, im ganzen übrigen Neuen Testament nur zweimal. Es handelt sich einfach um ein Vorzugswort des Lukas, aus dem sich keine Rückschlüsse auf die Säuglingstaufe ziehen lassen.
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Vorkommen oder gänzliche Nichtvorkommen, historisch feststellen ließe, wäre dem Theologen damit noch nicht geholfen. Denn eine eventuelle Faktizität des Vorkommens gewisser Übungen in der Frühzeit kann deren theologische Berechtigung noch nicht begründen. Man kann sich das am einfachsten an der in lKor 15,29 bezeugten sogenannten Vikariatstaufe klarmachen. Daß sich in Karinth Christen stellvertretend für Verstorbene taufen ließen, wird man historisch nicht bestreiten können. Aber ob das eine dem Wesen der Taufe gerecht werdende oder gar nachahmenswerte Sitte war, wird man doch sehr in Zweifel ziehen müssen. Nicht alles, was in der Frühzeit praktiziert wurde, kann bloß seines Alters wegen schon als normativ gelten. Wir haben deshalb die Frage nach dem Vorkommen von Kindertaufen nicht an den Anfang, sondern an den Schluß der Darstellung gestellt. Denn für unsere heutige Taufproblematik ist nicht die historische Frage entscheidend, ob das damals schon vorkam oder nicht, sondern allein die theologische Frage nach dem Wesen des neutestamentlichen Taufverständnisses und nach den Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Und hier zeigte die Untersuchung doch recht eindeutige Ergebnisse. Die christliche Taufe wurde offensichtlich von Anfang an als ein Mittel der Heilszusage und Heilszueignung verstanden 337 • Das ergibt sich nicht nur aus der Taufformel, die den Ritus an das mit dem Namen Jesu Christi verbundene Heilsgeschehen bindet, das zeigt sich ebenso deutlich bei Paulus und an anderen Stellen. Bei Paulus können die Aussagen über die Taufe immer wieder mit denen über die WOrtverkündigung parallelisiert werden, so daß die Taufe ebenso wie das Herrenmahl als eine Weise der Heilsverkündigung erscheint. Dabei ist Verkündigung nicht bloß ein Reden oder Informieren über das Heil, vielmehr ist das Heil selbst im Vollzug der Verkündigung bzw. der Taufe gegenwärtig: Der Tod Jesu Christi wird in der Taufe des Täuflings eigener Tod (Röm 6, 3ff). Nur weil die Taufe so als Zueignung des Heils verstanden wurde, konnte es zu dem magisch-sakramentalistischen Mißverständnis der Korinther kommen, als garantiere die Taufe ewiges Leben unabhängig vom Verhalten des Empfängers. Paulus muß nachdrücklich darauf hinweisen, daß die Gabe der Taufe eben keine magisch wirkende Garantie bietet, sondern im Gehorsam des Glaubens ergriffen und im neuen Leben angeeignet werden will. Bei all den verschiedenen Interpretationen, Spielarten und Diffe337
Die Taufe ist also nicht die Antwort des Glaubens, wie neuerdings wieder
J. Vollmer, Ist die Taufe von Unmündigen schriftgemäß, EvTh 58 (1998) 332-
350, dort 339 ohne zureichende exegetische Begründung behauptet.
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renzen, die sich im einzelnen da und dort feststellen lassen, zeigt sich doch eine beherrschende Mitte, die sich so gut wie überall durchhält und die darin besteht, daß die Taufe als eine Weise der Heilsverkündigung verstanden wurde. Einige Nachbemerkungen: Es ist nicht die Sache des Exegeten, nun in extenso aufzuzeigen, welche Konsequenzen sich aus diesem im Neuen Testament sich durchhaltenden Taufverständnis für die heutige Taufproblematik ergeben. Gleichwohl kommt er um einige Hinweise und Andeutungen nicht herum. So hat sich zunächst eindeutig gezeigt, daß die Taufe in ihrem Wesen nicht der Bekenntnisakt des Täuflings oder der Gemeinde ist. Die Antwort des Täuflings gehörte zwar offenbar zur Taufe hinzu, wie die Antwort der Gemeinde zu jedem Gottesdienst und zu jeder Herrenmahlsfeier gehörte, weil die Heilszusage auf diese Antwort wartet. Aber sie konstituiert nicht das W esen der Taufe. Konstitutiv fÜr die Taufe ist ihre Heilszusage, aber nicht das Bekenntnis des Täuflings. Daraus folgt zunächst, daß auch die Säuglingstaufe, trotz fehlender Antwort des Täuflings, gültige Taufe ist. Doch ist das nicht alles, was zu sagen ist. Denn wenn auch die bei uns in der Volkskirche praktizierte Säuglingstaufe gültige Taufe ist, so bleibt doch die Frage, ob sie eine dem Wesen der Taufe angemessene Ordnung findet. Ist die Taufe eine Weise der Heilsverkündigung, so ist auch ihre Ordnung daran zu messen, ob sie dem Verständnis der Heilsverkündigung dient. Eine Schwäche der Säuglingstaufe liegt darin, daß von einer Vernehmbarkeit der Heils zusage für den Täufling selbst nicht gesprochen werden kann (nur für seine Eltern und Paten), geschweige denn von einer möglichen Antwort des Täuflings. Nun kann man natürlich darauf verweisen, daß das Verstehen und Begreifen der Heilszusage und die Antwort auf sie der Taufe auch noch nachfolgen können und nie bloß eine einmalige Angelegenheit bleiben dürfen- wie denn auch im Neuen Testament die Gemeinde immer wieder zu ihrer Taufe zurückgerufen, an sie erinnert und also zum glaubenden Ergreifen der Taufe ermahnt wird. Aber diese die christliche Paränese bestimmende Erinnerung an die Taufe wäre für den Getauften zweifellos eindringlicher und faßbarer, wenn die Taufe für ihn etwas wäre, woran er sich auch selbst erinnern kann und wovon er nicht nur durch seinen Taufschein und seine Anwesenheit bei der Taufe anderer weiß. So mindert unsere Taufpraxis die Effektivität der Paränese. Und natürlich kann man darauf verweisen, daß gerade durch die Säuglingstaufe das Prä der Gnade Gottes vor allen menschlichen
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Aktionen und Leistungen bezeugt werden kann. Nur wird dieses Prä der vorauslaufenden Gnade bereits durch die Taufe selbst und nicht erst durch das Alter des Täuflings bezeugt. Andererseits wird man fragen müssen, wie weit nicht die Säuglingstaufe auch dem Mißverständnis Vorschub leisten kann, als sei die Taufe ein ex apere operato oder gar magisch wirkendes Mittel, dem Kind einen besonderen Schutz zu verleihen - um so mehr, wenn die Getauften dann auf Jahre hinaus der Gemeinde fernbleiben. Daß dieses Mißverständnis in weiten Kreisen der Bevölkerung verbreitet ist, kann man immer wieder feststellen. Die Gefahr des magischen Mißverständnisses wäre weniger gegeben, wenn auch bei uns, wie in manchen jungen Kirchen der Dritten Welt, die Mütter nach der Taufe ihre Kleinkinder regelmäßig weiter zum sonntäglichen Gottesdienst mitbrächten, gleichgültig ob sie es schon verstehen oder nicht; eines Tages bleibt schon einiges haften, und wer wollte entscheiden, von wann ab ein Kind etwas von Gottes Liebe erfassen kann? Auch die Säuglingstaufe bliebe dann als eine weise der Verkündigung deutlicher eingebunden in die ganze V erkündigung der Kirche, und der Täufling selbst in das gottesdienstliche Leben der Gemeinde. Andererseits wäre der Sache aber auch nicht gedient, wenn man die Säuglingstaufe generell verbieten oder abschaffen wollte. Die Situation der Urkirche, in der man erst dann sich taufen ließ, wenn man sich dem neuen Glauben, von dem man bisher nichts wußte, zuwandte, läßt sich nicht wiederholen. Wir leben nun einmal in einer Gesellschaft, die seit Generationen durch das Wissen um die christliche Botschaft - wie unvollkommen oder gar rudimentär dieses Wissen auch sein mag- mitgeprägt ist. Eine generelle Verweigerung der Säuglingstaufe, die also nicht nur bloß in der jeweiligen Situation, z.B. der mangelnden Bereitschaft der Eltern und Paten zu christlicher Erziehung, gründet, sondern überhaupt die Taufe von Kleinkindern verbietet, liefe Gefahr, den Glauben, der sich täglich und lebenslang auf die Taufe beziehen soll, zu einem einmaligen Bekenntnisakt zu verkürzen und zu einer Leistung zu verfälschen. Statt dessen müssen wir Wege suchen, die dem Mißverständnis der Taufe nach der einen wie nach der anderen Seite hin zu wehren sucht. So sollte man sich etwa um eine Auflockerung der Taufpraxis in der Weise bemühen, daß man in bestimmten Fällen für einen Taufaufschub eintritt und dazu Mut zu machen sucht, mit der Taufe der Kinder zu warten, bis diese etwas weiter herangewachsen sind und selbst ihren Willen äußern können. Bemühungen um solchen bewußten Taufaufschub sollte man nicht nur widerwillig konzedieren, sondern vor allem die Gemeinden stärker über das
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Wesen der Taufe informieren, damit sie einen solchen Taufaufschub als einen Schritt der Verantwortlichkeit achten lernen und nicht bloß als Zeichen von Gleichgültigkeit oder Unchristlichkeit verurteilen. Da es aber zweifellos auch viele Eltern gibt, die in sehendem Glauben ihre Kinder schon in frühem Alter taufen lassen, weil sie sie möglichst früh in die Gemeinschaft des Leibes Christi, in der sie leben, hineinnehmen möchten, wäre zu fragen, ob nicht auch bei uns solche Formen des Gottesdienstes entwickelt oder ausgebaut werden können, in die junge Eltern auch ihre Kleinkinder ungeniert mitnehmen können. Die Kluft zwischen der Taufe des Säuglings und der erst Jahre danach (vielleicht!) beginnenden Teilnahme am gottesdienstlichen Leben der Gemeinde könnte vielleicht doch verkleinert oder überbrückt werden und es könnte vielleicht etwas davon deutlicher werden, daß die Taufe als eine Weise der Heilsverkündigung nur in unlöslichem Zusammenhang mit dem übrigen gottesdienstlichen Leben der Kirche verstanden und vom Täufling empfangen werden kann. Die Bemühung um eine bessere Einbettung der Taufe in das gottesdienstliche Leben der Gemeinde bleibt uns aufgegeben.
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3,9 22 3, 16f 21-23.25.57 3,21 17 7,20 31 7,29f 21.24.31.38 7,33 31 9,19 31 12,50 87 24,36ff 13 24,47ff 13.48 Johannes 1,25ff 21 1,29ff 17 1,33 20.57 1,35ff 20.37 3,3.5 10.55.64-66. 99-101.134 3,22f 21.38 3,26 38 3,30 39 4,1 38 10,40 21 20,19-23 13 Apostelgeschichte 1,5 20.22.33.40. 55-58 1, 15f 10 2,lff 10 2,3 22 2,16ff 59.62.132 2,38f 9.34-36.40. 49.55 .58f. 65.132f 2,41 9.34-36 5,14 9 8,5ff 60f 8, 12f 9.34-36.60. 127 8, 14ff 55.60f.65
40.60.127 43.60 36.126.133 43.123 9.34.41.43. 120 9, 17f 9.34.36.55. 61.118.127 10,44ff 55.58.61. 65 10,48 34.38.40.49 11,14 129 11,16 20.22.33. 40.58.63 11,21 9 13,24 21 13,43ff 9 14,1 9 16,14f 9.34.36. 118.129.131 129 16,31 16,33 9.34.36. 138.129 17,4.12 9 18,8 9.34.36.129 18,24ff 10 19,1-6 20.33.50. 55.59.61. 65.126f 19,3 24 21 19,4 34.36.40 19,5 22,16 36f.67 8,16 8,26ff 8,36 8,37 8,38
Römer 3,23ff 122 5, 12ff 92 86-95 6,1-11 10.34.40.42. 6,3 44.47.51.85. 135
144 6,5 8,23 10,9 13,14
Bibelstellen (Auswahl)
88.93-95 62 124 97
1. Korinther 40-42.45. 1, 11ff 49.69 34.38.401, 14ff 42.45.85f. 110.119f. 129 129.131 1,16 1,17 86 79.89 4,8 4,15 96 6,11 36.48.55.6567.85.96.110 128 7,14 14 9,1 48-50.7410,1ff 77.84f.105. 107 64.92 10,17 98 10,26 124 12,3 10.34.55. 12,13 63.66.86. 92.96f.11 0 12,27 64.92.110 79.125 15,1ff 15,3ff 93.119.125 15,21f 92 15,23ff 89 81-84 15,29 131 16, 15f
3,2 3,6f 3,26ff
96 96 16.36.9698 10.34.40.42. 3,27 51.69.85.92. 96.111 4,5 16 5, 13ff 96 5,25 88 Epheser 1,5 16 1,13 73 1,14 62.71 2,1ff 70 2,4ff 121 2,6 88f 2, 19ff 122 4,3-6 36 4,30 73 5,1ff 113 5,14 89.113.122 5,26 37.67.102. 133 Phitipper 1,27 2,11 3,9ff
96 124 89
Kolosser 1, 12ff 2,8ff 2,11 2,12 3,1ff
70.121 111 112 88 88.111f
2. Korinther
55.62-64. 68.73.85.110 4,10ff 89 5,4ff 62.89 96 5, 19ff 1,21f
Galater 1,16
1. Thessalonicher 1,9ff 122 1. Timotheus 6,12f
123
2. Timotheus
14
1,9f
122
Titus 2,11-14 122 3,5 55.64.66f.99f Hebräer 3,1 122 4,14 122 6,1f 36.119.127 34 6,6 6,10 47 9,9f 20.106 9, 13f 106 9,22.26 106 10,2.4.11 106 10,19ff 122 10,22 20.37.67. 106.123 34 10,29 Jakobus 1,18 2,7
99.102 44.71.120
1. Petrus 1,3 99.101f 1,23 99.101-103. 114 2,2 101.114 2,9f 70f 3, 13ff 103f 3,21 20.101.103108.114 2. Petrus
1,5-8 1,9
115 36.68
1. Johannes 2,20.27 4,15 5,8
68 122 62
Offenbarung 1,5f 7,3ff 9,4
122 73 73