Atlan - Im Auftrag der Kosmokraten
Nr. 694 In der Sonnensteppe
Diener des Erleuchteten von Hubert Haensel
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Atlan - Im Auftrag der Kosmokraten
Nr. 694 In der Sonnensteppe
Diener des Erleuchteten von Hubert Haensel
Der Kampf mit den unsichtbaren Robotern
Im Jahr 3818 wird Atlan aus seinem Dasein als Orakel von Krandhor herausgerissen. Sein neuer Einsatzort ist die Galaxis Alkordoom, wo eine Entwicklung im Gang ist, die das weitere Bestehen der Mächte der Ordnung in Frage stellt. Bereits die ersten Stunden von Atlans Aufenthalt in Alkordoom zeigen auf, wie gefährlich die Situation ist. Der bestandene Todestest und der Einsatz im Kristallkommando beweisen jedoch Atlans hohes Überlebenspotential. Dennoch hätte der Arkonide längst sein Leben verloren, hätten die Celester, nach Alkordoom entführte Terra‐Abkömmlinge, oder ANIMA, das von den Kosmokraten ausgesandte Raumschiff, nicht zugunsten Atlans eingegriffen. In seinem Bestreben, mehr über die Zusammenhänge in Alkordoom zu erfahren, speziell im Hinblick auf die sogenannten Facetten und deren Lenker, den sogenannten Erleuchteten, ist unser Held bereits große Risiken eingegangen, wie die gewagten Unternehmungen in der Sonnensteppe beweisen. Gegenwärtig operiert Atlan in Janzonborr, dem Sektor von Yog‐Mann‐Yog, in dessen Gewalt er schließlich gerät. Aber auch auf Crynn steht die Lage nicht zum Besten. Flora Almuth alias Zulgea ist in großen Schwierigkeiten, aus denen Arien Richardson, »Feuerwehrmann« der Celester, ihr herauszuhelfen sucht. Arien stellt sich gegen die DIENER DES ERLEUCHTETEN …
Die Hauptpersonen des Romans: Arien Richardson ‐ Der Celester greift die Diener des Erleuchteten an. Mycara ‐ Ariens Helferin und Maskottchen. Flora Almuth ‐ Die neue Facette von Crynn. Colemayn ‐ Der Weltraumtramp beobachtet. Birzgeist, Birzorkan und Birzglut ‐ Drei Pseudo‐Birzer.
Prolog Aus dem Nichts heraus verdichtete sich ein Gefühl, ein vages, verschwommenes Etwas. Noch existierte dieses Etwas nur als unbewußte Regung, sich selbst fremd und gefangen in einem formlosen Klumpen Plasma. Niemand vermochte zu sagen, wieviel Zeit verstrich. Erinnerungen kamen und gingen wie flüchtige Impulse, die festzuhalten unmöglich schienen. Aber mit diesen Erinnerungen kamen auch seelische Schmerzen, und die Schmerzen wurden stärker, drängten sich in den Vordergrund. Das Etwas zuckte zusammen. Es reagierte. Zugleich begriff es seine eigene Existenz. Ich bin, dachte es. Aber was bin ich? Niemand war da, der ihm die Antwort hätte geben können. Sie selbst zu finden, erforderte Mut und Kraft. Schwärze war ringsum, eng begrenzt und unüberwindbar. Und eine warme, weiche Masse, die zuckend reagierte. Mein Körper! Vorübergehend wurden die Schmerzen erträglicher, als es in die Materie hinabtauchte. Zuckende, unförmige Tentakel bildeten sich aus, zerfielen jedoch ebenso schnell wieder, wie ein flüchtiger Gedanke verblaßt.
Furcht drohte es zu lähmen, erneut vergehen zu lassen in dem wohligen Vergessen des Nichtseins. Diese Furcht weckte zugleich die Erinnerung an ein anderes Dasein, an einen geschmeidigen Körper … Indem es sich seines früheren Lebens entsann, hatte es den ersten Schritt getan, sich seiner selbst bewußt zu werden. Du lebst nur einmal, erklang es von irgendwoher. Aber dieses Dasein wurde jäh unterbrochen. Es hörte die Worte nicht, sie entstanden auch nicht in seinen Gedanken, sondern waren einfach da. Garmt – der Begriff formte sich ohne sein Zutun. War das sein Name gewesen? Die Assoziation von Wasser und lebenserhaltenden Stoffen wurden stärker. Aber es konnte sich nicht darauf konzentrieren. Mit seinen noch unerklärlichen Sinnen erfaßte es, daß außerhalb seines Bereichs Dinge von entscheidender Tragweite geschahen. 1. Die Welt sah tatsächlich nicht einfacher aus, und mein Schlaf war kürzer gewesen, als ich gehofft hatte. Einige Sekunden vergingen, ehe ich überhaupt begriff, daß ich nicht mehr auf dem Planeten Birzt im Sektor der Facette Gentile Kaz weilte, sondern mich an Bord einer Wespe im Anflug auf Crynn befand. Ich hatte geträumt – von Birzt und unserem Kampf um die Psi‐ Container, und der durch das Schiff gellende Alarm war schuld daran, daß ich erwachte. Schwankend kam ich auf die Beine, fuhr mir mit den Fingerspitzen über die Schläfen und unterdrückte nur mühsam ein herzhaftes Gähnen. Volkert warf mir einen Blick zu, der alles mögliche bedeuten konnte. Wenn ich mich nicht vorsah, würde er mir – ebenso wie mein älterer Sohn Spooner – ziemlich bald über den Kopf wachsen. Aber ich muß zugeben, daß mir das
nicht einmal so unrecht gewesen wäre. Immerhin glaube ich, daß mein Leben erst dann wirklich erfüllt ist, wenn ich voller Stolz sagen kann, aus meinen Söhnen ist etwas geworden. Ein flüchtiger Blick auf einen der Bildschirme verriet mir, daß wir uns noch im Anflug auf Crynn befanden – einen der acht Planeten der gelbweißen Sonne Kahrmacrynn und zugleich die Hauptwelt der Facette Zulgea von Mesanthor. Obwohl wir die Umlaufbahn des äußeren Planeten längst überquert hatten, scherte die Wespe aus dem Kurs aus. Es war offensichtlich, daß wir beschleunigten, um erneut in den Linearraum zu gehen. »Was ist los?« wollte ich wissen, während endlich das nervtötende Heulen des Alarms verstummte. Der Pilot wandte sich nur kurz zu mir um. Um seine Mundwinkel hatte sich ein Zug von Verbitterung eingegraben. Er schaltete schnell und exakt, ohne dabei in irgendeiner Weise erregt zu wirken. »Jetzt kommt es darauf an«, bemerkte Volkert. »Wir dürfen uns nicht mit den Schiffen der unsichtbaren Roboter messen.« »Drei von ihnen liegen auf Kollisionskurs«, sagte der Pilot. »Sie beschleunigen mit irrsinnig hohen Werten.« Damit hatte wohl niemand gerechnet, nachdem es uns gelungen war, die im Interesse von Crynn so dringend benötigten 50 Container mit Psi‐Potentialen zu erbeuten. Ich wußte nicht, wieviele Behälter die Wespen insgesamt an Bord hatten, da die meisten Schiffe erst nach uns von Birzt gestartet waren, doch waren es wohl mehr als die erforderliche Anzahl. »Distanz noch zweieinhalb Lichtminuten«, meldete Volkert unaufgefordert. Vermutlich war die Schlagkraft der fremden Raumschiffe groß genug, um selbst Planeten zu zerstören. Nicht ohne Besorgnis dachte ich daran, daß ihre Besatzungen im Namen des Erleuchteten, des Juwels aus dem Nukleus der Galaxis Alkordoom, unterwegs waren. Bolletz, der bei den Kämpfen auf Birzt gefallene Thater, hatte
uns davon berichtet, wie die unsichtbaren Roboter auf Kardoll gewütet hatten. Die Raumschiffe von der Form riesiger Diskusse trugen an einer Seite jeweils eine bügelartige, bis zum Mittelpunkt der sphärischen Scheiben vorspringende Konstruktion. Zwölf dieser Schiffe, jedes immerhin mehr als achthundert Meter durchmessend, hatten sich im Orbit um Crynn befunden. Eine deutliche Mahnung an Zulgea von Mesanthor, die geforderten Psi‐ Potentiale bereitzustellen. Acht Tage Frist hatten die Unsichtbaren gesetzt, und diese Zeitspanne war noch nicht verstrichen. Trotzdem gab es für uns keinen Grund, stolz zu sein. Auf den Schirmen der Direktbeobachtung wurden die Diskusse als Zusammenballung funkelnder Linien und Formen erkennbar, die sich rasch von der Anonymität der hinter ihnen stehenden Sterne und kosmischen Gaswolken abhoben. Ihre Flugmanöver offenbarten die Absicht, uns aufzubringen. In dem Moment wurde mein vor kurzem spontan gefaßter Entschluß zur Gewißheit: ich würde in jedem der Psi‐Container eine hochbrisante Zeitbombe anbringen lassen. Auch wenn Flora Almuth, die vor einigen Monaten unbemerkt die Stelle ihrer Zwillingsschwester als Facette Zulgea von Mesanthor eingenommen hatte, gegen ein solches Vorgehen war. Sicher, ihre Maßnahmen führten inzwischen zu ersten sichtbaren Verbesserungen innerhalb ihres galaktischen Sektors, aber sie war zu weich. Nur wenn wir dem Juwel eindeutig zeigten, daß wir nicht länger gewillt waren, seine Herrschaft hinzunehmen, konnten wir durchschlagende Erfolge erzielen. Volkert teilte meine Meinung, und Spooner sicherlich auch. Jetzt war es an der Zeit, zuzuschlagen. Noch fünfzig Lichtsekunden Distanz. Die Vorbereitungen für den Lineareintritt liefen. Es hatte wenig Sinn, den anfliegenden Schiffen die Stirn zu bieten. »Der Klügere gibt nach«, sagte Volkert mit leicht zitternder Stimme, der seine Erregung nur zu deutlich anzumerken war.
Ich konnte nicht umhin, ihn zu fragen: »Hältst du dich für klüger, Sohn?« Erneut bedachte er mich mit einem undefinierbaren Blick. Wenn ich daran dachte, wie wacker er sich auf Birzt geschlagen hatte, erschien mir sein Benehmen gar nicht so unverständlich. Irgendwie mußte er die ungeheure Anspannung loswerden, unter der wir seit Tagen zu leiden hatten. »Automatik übernimmt Eintauchmanöver. Null minus fünf Sekunden.« Unwillkürlich preßte ich die Lippen aufeinander. Wir mußten Crynn erreichen, sollte nicht alles umsonst gewesen sein. In dem Moment, in dem im Bauch der Wespe die Konverter anliefen, zuckten die ersten blendend grellen Blitze vor uns durch den Raum. Selbst die automatisch vorgeschalteten Filter konnten diese Lichtflut kaum dämpfen. Es war, als flögen wir geradewegs in die Protuberanzen einer sich aufblähenden Sonne hinein. Ich hörte Volkert und den Piloten schreien, dann hatte auch ich den Eindruck, von entsetzlichen Kräften zerrissen zu werden. Alles um mich her schien in Auflösung begriffen. Mein einziger Gedanke war, daß die Wespe daran gehindert wurde, in den Linearflug überzugehen. Schlagartig erlosch jede Empfindung. * Wie sie gesessen hatte, als Arien Richardson das Hyperfunkgespräch von Bord der Wespe aus beendete, saß sie noch immer. Dasselbe zurückhaltende Lächeln umspielte ihre Züge. Flora Almuth spürte die Last der Verantwortung, die sie freiwillig auf sich genommen hatte, stärker als je zuvor. Einerseits konnte sie Arien verstehen, der endlich den ersten Schritt auf einem langen und gefahrvollen Weg tun wollte. Andererseits fürchtete sie,
Auseinandersetzungen heraufzubeschwören, für die sie noch lange nicht gerüstet war und die zum augenblicklichen Zeitpunkt nur einer gewinnen konnte, nämlich der Erleuchtete mit seinen Hilfstruppen. Flora hätte viel dafür gegeben zu wissen, was die nahe Zukunft brachte. Aber gerade in dem Punkt ließen ihre hellseherischen Anwandlungen sie im Stich. Sie schreckte aus ihren Überlegungen auf, als ein Integral in den Funkraum schwebte. Der milchigweiße Diskus bewegte sich sehr schnell auf sie zu. Beide dünnen Armpaare waren zu voller Länge ausgefahren, die jeweils vierfingrigen Hände hatten sich als Ausdruck äußerster Erregung ineinander verhakt. Flora erkannte Zopp an der besonderen Anordnung seiner Sinnesmembranen. »Was hast du zu berichten?« fragte sie, weil das Integral bedeutungsvoll schwieg. »Die Schiffe der Unsichtbaren ziehen sich von Crynn zurück.« »Alle?« machte Flora verblüfft. Zopp entwirrte seine Arme und ließ sie nahezu gänzlich in dem knapp einen Meter durchmessenden und dreißig Zentimeter dicken Körper verschwinden. »Bis jetzt drei«, sagte er, sich in eine leicht pendelnde Bewegung versetzend. Die Facette erhob sich seufzend. Sie hatte es nicht sonderlich eilig, zu den Ortungen zu gelangen. »Kurs?« wollte sie wissen. »Die Schiffe werden den äußeren Planeten in einem Abstand von wenig mehr als zwei Millionen Kilometer passieren.« Flora Almuth rief sich die ungefähren astronomischen Daten ins Gedächtnis. Das bedeutete, daß die Unsichtbaren in Richtung Ordardor, den Sektor von Gentile Kaz, flogen und nicht, wie sie vermutet hatte, zum Zentrum von Alkordoom. »Sie planen etwas«, stieß Flora ungehalten hervor. Ungehalten deshalb, weil ihre hellseherischen Fähigkeiten hinsichtlich der zwölf Schiffe noch immer versagten.
Zopp schwieg. Seine ganze Tätigkeit erschöpfte sich darin, vor ihr her zu schweben. »Warum sagst du nichts dazu?« schimpfte Flora. »Du hast mich nicht gefragt, Facette.« Zopp verließ den Funkraum, bog rechterhand in den hell erleuchteten Korridor ein, an dessen Ende sich das Schott zur Zentrale befand. »Dann frage ich dich jetzt«, bemerkte die Frau unwillig. »Die Unsichtbaren handeln niemals ohne triftigen Grund«, gab Zopp zu verstehen. Mehrere Crynn‐Brigadisten bedienten die Ortungen und andere technische Einrichtungen, deren Auswertungen in einer Vielzahl verschiedenfarbiger Hologramme erschienen. Flora Almuth näherte sich einer kugelförmigen Projektion, in der die drei optisch einwandfrei wiedergegebenen Schiffe sich zunehmend der Außenschale näherten. Ein vierter, vergleichsweise winziger Lichtpunkt erschien. Flora deutete mit dem Finger auf diesen Punkt. »Was ist das für ein Schiff?« wollte sie wissen. »Eine Wespe«, lautete die spontane Antwort eines Brigadisten. Unwillig verzog sie die Mundwinkel. Noch vor wenigen Monaten hätte eine solche Mißfallenskundgebung der Facette jeden ihrer Diener in Angst und Schrecken versetzt. Inzwischen aber hatte sich manches verändert. Der Brigadist, ein junger, hellgrün geschuppter Echsenabkömmling, senkte lediglich den Blick. »Die Auswertung läuft noch«, erklärte er. »Energieemission!« hallte es durch die Zentrale. »Im bezeichneten Gebiet werden unwahrscheinlich große Mengen hyperdimensionaler Strukturen aufgebaut.« Flora Almuth zuckte jäh zusammen. Arien und Volkert Richardson befanden sich in Gefahr, das stand für sie außer Frage. Instinktiv hatte sie das schon erfaßt, als Zopp zu ihr gekommen war. Im Hologramm verschmolzen die vier Schiffe zu einem einzigen grell flackernden Punkt.
Die endgültigen Daten bestätigten ihre Ahnung. Die Wespe war von den drei Diskusschiffen am Eintritt in den Linearraum gehindert und aufgebracht worden. »Sie haben Psi‐Container an Bord«, bemerkte der Echsenabkömmling. »Solange die Potentiale nicht auf Crynn lagern, werden die Unsichtbaren sich nicht zufriedengeben.« Aus seinen Worten sprach die Angst, daß Zulgea von Mesanthor letztlich gezwungen sein könnte, die Psi‐Kräfte ihrer Brigadisten abzuzapfen, damit sie die geforderten fünfzig Behälter rechtzeitig zur Verfügung stellen konnte. In der Vergangenheit, unter der richtigen Zulgea oder auch ihren Vorgängern, war dies wohl einige Male geschehen. Was der Brigadist nicht wußte, war, daß die Unsichtbaren selbst Flora gegenüber die Drohung ausgesprochen hatten, notfalls ihre Psi‐Gabe zu rauben. »Ich kann verstehen, welche Bedenken du haben mußt«, sagte Zopp unvermittelt und bewies damit ein überraschendes Einfühlungsvermögen. »Wir sollten die Wachflotte der Celester zu Hilfe rufen.« Für einen Augenblick war Flora versucht, dem zuzustimmen. Dann schüttelte sie den Kopf. »Das Opfer wäre zu groß und die Folgen einer möglichen Niederlage unabsehbar. Ich kann und will den Celestern nicht zumuten, sich mit diesen Schiffen anzulegen.« »Du willst nicht …?« wiederholte Zopp ungläubig. »Nein!« »Du hast dich verändert«, stellte das Integral fest. »Ich weiß nur noch nicht, wieso.« »Hüte dich davor, Nachforschungen anzustellen«, warnte Flora. »Es könnte leicht dein Ende bedeuten.« *
Es ließ sich treiben, versuchte irgendwann, dem engen Kerker zu entfliehen, doch seine Kräfte reichten nicht aus, um die Barrieren zu überwinden. Es spürte, daß hinter der Wandung eine Welt lag, deren Existenz ihm bislang verborgen geblieben war. Erinnerungen streiften sein Bewußtsein; Bilder, mit denen es nur wenig anzufangen vermochte. Sie waren erschreckend und weckten doch zugleich neue Hoffnungen … Zweibeinige Riesen durchstreiften einen Pflanzendschungel. Der Lärm, den sie machten, war schlimmer als der einer Herde wilder Jobbis. Sie besaßen lange, biegsame Stöcke, die sich am vorderen Ende gabelten, und mit diesen Stöcken …Es schrie auf; sein ungewohnter Körper geriet in unkontrollierte Wallungen, schien das Gefängnis sprengen zu wollen. Viele hatten gesagt, es bedeute den Tod, wenn man von den Gabeln der Mhargan gefangen wurde. Viele? Demmach gab es mehr von seiner Art. Vergeblich versuchte es, diesen flüchtigen Gedanken festzuhalten. Aber da waren neue Bilder: kantige, leblose Gebilde, die eine eisige Kälte ausstrahlten; ekelerregende Gerüche wie nach heißem Öl; hohe, steinerne Mauern über denen sich ein unwirklicher Himmel spannte. Und dann die Schmerzen. Es hatte sich gewehrt, hatte verzweifelt versucht, dem Verderben zu entrinnen, indem es seinen Körper abwechselnd zusammenzog und ausdehnte, um sich von dem seltsamen Band her abzuschnellen, auf dem es gefangen gewesen war. Die Erinnerung daran war schrecklich. Aber es erkannte auch, daß es früher einen anderen, einen schönen Körper besessen hatte, mit silbernem, dichtem Pelz, einem kugelrunden, ebenfalls behaarten Schädel, mit Augen, Mund und Nase. Es hatte sehen können, riechen und hören, hatte den warmen Regen gespürt, der das Fell durchnäßte und den säuselnden Wind, der jedes einzelne Haar wieder trocknete.
Und jetzt? Es war verstümmelt und seiner Freiheit beraubt, eingeschlossen in einem Behälter, der ihm den Blick auf die Umwelt verwehrte. Aber es war am Leben. Haß erhielt es am Leben. Der Haß auf jene Fremden, die in seine kleine Welt eingedrungen waren und ihn gequält hatten. Ihn und andere seines Volkes. Bis zu jenem Tag war ihr Leben in friedlichen Bahnen verlaufen, und sie waren mehr gewesen als die Zahl der Sterne am nächtlichen Himmel. Von einem Moment zum anderen geschah etwas, was seinen neuen Körper in Wallung versetzte. Es spürte die Entladungen, die weit schlimmer waren als einst bei einem der gefürchteten Sommergewitter. Wie oft hatte sein Fell sich aufgerichtet, wenn die zuckenden Lichtpfeile in seiner unmittelbaren Nähe einschlugen, Bäume in Brand steckten oder das Gras verkohlten, in dem es sich vor den Fremden versteckt hatte. Gierig sog es die Energien in sich auf, die von außerhalb seines Gefängnisses kamen und ihm ähnlich waren. Es fühlte sich stärker als je zuvor. Seine Kraft wuchs schnell. * Ich erwachte schweißgebadet und mit einem derart flauen Gefühl im Magen, daß ich fürchtete, mich jeden Moment übergeben zu müssen. Krampfhaft bemühte ich mich, das drängende Würgen zu ignorieren, aber erst als ich mehrmals hintereinander tief einatmete und die Luft für kurze Zeit anhielt, wich die Übelkeit. Volkert lag zusammengekrümmt am Boden. Ich untersuchte ihn flüchtig und stellte erleichtert fest, daß er lediglich ohne Bewußtsein war. Immerhin war er erst 21 Jahre alt und besaß noch nicht die körperliche Konstitution, um mit solchen Zwischenfällen leichter
fertigzuwerden. Auch der Pilot rührte sich nicht. Endlos scheinende Reihen von Kontrollampen flackerten in hektischem Rhythmus. Ich legte ein paar Schalter um, drosselte die Energieabgabe für die Konverter – viel mehr konnte ich im Augenblick ohnehin nicht tun. Die Schirme der Direktbeobachtung verrieten mir genug. Wie fette Spinnen, die am Rand ihres Netzes auf Beute lauern, so schwebten die drei riesigen Schiffe im relativen Stillstand im All. Zwischen ihnen spannte sich tatsächlich ein wahrhaft gigantisches, feinmaschiges Netz. Unablässig huschten grelle Lichtreflexe über die Fäden dieses Netzes und vereinten sich auf deren Knotenpunkten in strahlenden Entladungen. Die noch halbwegs funktionierenden Ortungen zeigten, daß dieses Netz aus höherdimensionalen Energien bestand, die von den eigenwillig geformten Auslegern der Diskusschiffe projiziert wurden. Der Abstand zwischen den einzelnen Strahlbahnen betrug nicht einmal zehn Meter. Wie ein Insekt im Spinnennetz hing unser kleines Raumschiff hilflos im Zentrum dieses energetischen Gebildes. Ein unterdrücktes Stöhnen ließ mich herumfahren. Volkert kam soeben schwankend auf die Beine. »Haben sie uns erwischt?« fragte er mit heiser klingender Stimme. Ich nickte nur – was hätte ich auch sagen sollen? Mein Sohn war alt genug, um auf überflüssige Antworten verzichten zu können. Schließlich brauchte er nur auf die Schirme zu sehen. »Was nun?« bohrte er weiter. »Versuchen wir, uns den Weg freizuschießen?« Mit genau demselben Gedanken hatte ich ebenfalls gespielt, ihn aber rasch wieder verworfen, weil er undurchführbar erschien. Unsere Wespe in der Form eines 18 Meter langen Torpedos besaß zwar ein Hochenergiegeschütz am Bug, aber zum einen hatten wir uns mit der Längsseite im Netz verfangen, und außerdem war fraglich, ob wir mit der Leistung unserer Konverter gegen die
ungleich höhere Energieabgabe der Diskusse ankommen konnten. »Wir müssen abwarten«, sagte ich. »Hm«, machte Volkert. Er zog seinen Strahler aus der Halfter, um mit aufreizender Langsamkeit das Magazin zu überprüfen. Auf seine Weise hatte er recht. Wozu hatten wir uns auf Birzt mit Puhlers herumgeschlagen, wenn wir uns nun die erbeuteten Psi‐ Container wieder abnehmen ließen? Der Pilot war nach wie vor ohne Besinnung. Da ich nicht wußte, wie sein fremdartiger Metabolismus auf Medikamente reagieren würde, beließ ich es lieber dabei. Träge tropften die Sekunden dahin, dehnten sich zu endlos langen Minuten. »Du machst mich nervös«, schimpfte ich, als Volkert bereits zum drittenmal das Magazin seines Strahlers herausnahm. Er grinste frech. »Das dort draußen«, sagte er und fuhr mit der Hand durch ein Hologramm, als könne er das Netz auf diese Weise entfernen, »das dort draußen macht mich nervös. Aber im Ernst«, fügte er rasch hinzu, »weshalb rufen wir die Roboter nicht einfach an und fragen, was sie von uns wollen?« »Bitte.« Ich deutete auf das Funkgerät. »Wenn es dir Spaß macht.« Die Sendeenergie verließ nicht einmal die Antennen der Wespe. Offenbar wurde sie von dem Netz aufgesogen. »Die Unsichtbaren kommen«, sagte ich bestimmt. »Falls sie wirklich etwas von uns wollen, werden sie nicht lange auf sich warten lassen.« Ich zeigte auf vier kleine Monitoren, auf denen verschiedene Ausschnitte des Lagerraums zu sehen waren: Noch standen die eineinhalb Meter hohen zylinderförmigen Metallcontainer auf ihren Plätzen. Ich würde eine Veränderung rechtzeitig bemerken. Unter dem geöffneten Kragen meiner Kombination bewegte sich etwas. Unwillkürlich griff ich zu. Meine Finger stießen auf weiches, warmes Fell und einen sechs Zentimeter durchmessenden kleinen Körper, der heftig zusammenzuckte.
»Au«, erklang ein zirpendes Stimmchen. Mycara! Sie hätte ich beinahe erneut vergessen. Ich mußte mich erst daran gewöhnen, daß die Birzerin wie ein lebender Schal um meinen Hals lag. Sie war ein beinloses Schlangenwesen, 32 Zentimeter lang, mit einem silbergrauen, dichten, kurzhaarigen Pelz. Ihr kugelförmiger, zehn Zentimeter durchmessender Kopf steckte unter meiner Kombination. Mycara besaß eine kleine Schnauze mit scharfen Zähnen, vor denen ich allerdings nicht zurückschreckte, weil ich um ihre Friedfertigkeit wußte. Da ihr Gesicht ebenfalls fast vollständig von Fell bedeckt wurde, war ihre schwarze Stupsnase kaum zu erkennen. Durch einen Strahlschuß, der ihren Pelz teilweise versengt hatte, war Mycara erblindet. Hatte ich sie deshalb mit mir genommen, weil ich Mitleid mit ihr empfand? Schließlich hatte sie uns helfen wollen. »Hast du Hunger?« fragte ich und verwünschte im selben Moment meine unbeholfene Reaktion. »Kannst du mir Maarl und Garmt besorgen?« wisperte Mycara. Sie meinte wohl die Früchte von Birzt. »Richtig«, bestätigte sie, ohne daß ich eine entsprechende Frage ausgesprochen hätte. »Alles was du willst, nur leider keine Früchte«, sagte ich. »Dann habe ich auch keinen Hunger.« Langsam hob sie den Kopf, streckte sich, bis sie mit meinem Gesicht auf derselben Höhe war. Sie wirkte putzig, und ich konnte schon zweimal nicht verstehen, wie Gentile Kaz nur ihrer geringen Psi‐Potentiale wegen auf diese possierlichen Geschöpfe hatte Jagd machen können. Obwohl Mycaras blinde Augen mit einem Pflaster vor Infektionen geschützt waren, schien ihr Blick mich zu durchdringen. Sie zappelte ein wenig hin und her, bis sie endlich eine bequeme Haltung gefunden hatte. Im nächsten Moment stieß sie ein leises Fauchen aus und entblößte ihre beiden scharfen Zahnreihen. »Sieh dich vor«, warnte Volkert. »Wenn sie zuschnappt, brauchst du einen guten Kosmetikchirurgen und eine Nase aus Bioplasma.«
Aber Mycara dachte nicht daran, mich anzugreifen. »Gefahr!« raunte sie, ringelte sich blitzschnell zusammen und war in Sekundenbruchteilen gänzlich unter meiner Kombination verschwunden. Die drei Diskusschiffe hatten ihren Standort zwar nicht verändert, aber schließlich hatten wir auch keine Ahnung, wie die Robotbesatzung aus dem Orbit heraus nach Crynn und ins Pyramidon der Facette gelangt waren. Genauso unbemerkt konnten sie sich inzwischen auf der Wespe herumtreiben. Volkert hielt seinen Strahler entsichert in der Hand. Sein Gesichtsausdruck wirkte verbissen. Endlich kam der Pilot zu sich. Beim Anblick der Bildschirme stieß er ellenlange Flüche in seiner für uns unverständlichen Muttersprache aus. Erst nach einer Weile schien er sich dessen bewußt zu werden und verlegte sich auf das Alkordische. »Ich beschleunige«, sagte er. »Haltet euch fest, falls die Absorber verzögert reagieren. Wenn es gelingt, die Wespe zu drehen, können wir hoffentlich zwischen den Maschen hindurchschlüpfen.« Seine Art gefiel mir. Er machte nicht viele Worte. Versagten allerdings die Absorber, würden wir uns so oder so auf dem Boden wiederfinden. Dumpfe Vibrationen, vom Haupttriebwerk ausgehend, durchliefen das Schiff. Ich blickte wohl nicht minder angespannt drein als meine beiden Begleiter. Dann rastete der Triebwerksschalter mit hörbarem Klicken aus. Als der Pilot den Antrieb erneut aktivieren wollte, schlug ein blaues Leuchten aus der Konsole hervor, huschte gedankenschnell über das Pult, ließ die Bildschirme verblassen und zog sich sogar an seinem Arm empor. Umgeben von einer zuckenden, irrlichternden Aura fiel er schreiend im Sessel zurück. Die Beleuchtung erlosch. Nicht einmal das Notaggregat arbeitete, denn selbst das allgegenwärtige leise Summen der Luftumwälzug, das man sonst kaum bewußt
wahrnahm, verstummte. Fassungslos starrte Volkert den Piloten an, dessen Schreie allmählich leiser wurden – im selben Ausmaß, in dem sein Körper sich zu zersetzen schien. Gleich darauf lag nur noch ein bleiches, blau schimmerndes Gerippe vor uns. Von irgendwoher ertönte eine dumpfe, durchdringende Stimme. »Das war nur eine Warnung«, dröhnte sie. »Wer sich widersetzt, wird vernichtet.« Ich hatte diese Stimmen schon einmal vernommen. Auf Crynn. Sie gehörten den unsichtbaren Robotern. »Sie bluffen«, bemerkte Volkert zögernd. Mir blieb nur ein Schulterzucken. Es war nicht anzunehmen, daß die Maschinen die Psi‐Container, die wir an Bord hatten, leichtfertig zerstören würden. Andererseits hatten sie ihre Kampfkraft im Pyramidon bewiesen, als zwar das Überraschungsmoment auf unserer Seite war und wir einige von ihnen sichtbar machen konnten, sie uns aber schließlich trotz unserer guten Ausrüstung zurückwarfen. Die Roboter waren rund zwei Meter hoch und halb so breit, mit vier Waffenarmen und einer Reihe anderer Gliedmaßen oder Sensoren, die sich unkontrolliert bewegt hatten. »Was wollt ihr von uns?« fragte ich laut. »Wir befinden uns im Anflug auf Crynn und werden uns bei der Facette beschweren.« »Tut das«, lautete die grollende Antwort, von lautstarkem Gelächter begleitet. Die ganze Zentrale schien in Schwingungen zu geraten. Obwohl ich mir die Ohren zuhielt, wurde das Geräusch dadurch kaum erträglicher. Ich konnte nicht erkennen, ob sich Unsichtbare in unserer Nähe aufhielten, oder ob ihre Stimmen lediglich mittels technischer Spielereien projiziert wurden. »Komm!« rief ich Volker auf deutsch zu. »Sehen wir im Lagerraum nach.« Hier konnten wir ohnehin nichts tun. Der Energieausfall war vollkommen. Wir mußten die Schotte mit Hilfe der schwergängigen Handschaltungen öffnen. Der schmale, zum Heck führende Korridor lag in völliger Finsternis. Dennoch
tasteten wir uns zielsicher vorwärts und betraten endlich den Lagerraum. Die winzige Flamme eines Feuerzeugs zuckte auf. Der zuckende Lichtschein reichte gerade aus, um Volkerts Arm, sein Gesicht und einen Teil der Ersatzteilschränke aus der Dunkelheit herauszulösen. Er fand sehr schnell, wonach er gesucht hatte, und warf mir eine der Stablampen zu. Die Lichtkegel wanderten über die Reihen der zu zweien übereinandergestapelten Container. Nichts schien sich verändert zu haben. Meine Anspannung wurde mir erst bewußt, als ich den Geschmack von Blut auf der Zunge wahrnahm. Ich hatte mich auf die Lippe gebissen. »Hier!« hörte ich Volkert aufgeregt rufen. Er war zwischen zwei Containerstapeln verschwunden. Ich war nicht sonderlich überrascht, einen gewaltsam geöffneten Behälter vorzufinden. Die metallene Wandung war im oberen Drittel glatt aufgeschnitten und zurückgeklappt – verschiedene technische Innereien, mit denen ich herzlich wenig anzufangen wußte, hingen wirr durcheinander. Vermutlich hatten sie dazu gedient, das enthaltene Bioplasma zu ernähren, von dem ein Großteil als klebrig‐zähe, unansehnliche Masse außen am Behälter hinabtropfte und sich in größer werdenden Lachen über den Boden ausbreitete. »Sie haben unsere Ladung kontrolliert«, sagte Volkert völlig überflüssig. Die Roboter wußten also nun, daß Zulgea von Mesanthor die geforderten fünfzig Psi‐Container von außerhalb herbeischaffen ließ. Von dieser Erkenntnis zur Folgerung, daß die Potentiale einer anderen Facette abgejagt worden waren, war eigentlich nur ein sehr kurzer Schritt. Die Frage blieb, wie die Unsichtbaren sich verhalten würden. »Das Zeug lebt noch«, stieß Volkert überrascht hervor. Das Plasma hatte dünne Tentakel ausgebildet, die sich langsam an seinen
Stiefeln emporzogen. Vergeblich versuchte er, sich davon zu befreien. Mir erging es nicht anders. Als er den Strahler hob, legte ich ihm die Hand auf den Arm und drückte die Waffe zur Seite. Schließlich waren die Psi‐Anteile einiger hundert Birzer in dem Plasma gefangen. »Zieh die Stiefel aus, und dann komm«, sagte ich. »Aber Beeilung, wenn ich bitten darf.« Als wolle das Plasma uns zurückhalten, begann es heftig aufzuwallen. Auch aus dem Innern des Behälters griffen nun armdicke Fortsätze nach uns. Aber wir waren schneller. Ein ungewohntes Gefühl, nur in Strümpfen durch das Raumschiff zu laufen. »Autsch!« rief Volkert plötzlich. »Warte!« Er hatte sich die Zehen an einem Schottrahmen angestoßen und humpelte mit schmerzverzerrtem Gesicht hinter mir her. »Mutter würde schimpfen, weil sie wieder Socken stopfen muß.« »Wenn du keine anderen Sorgen hast«, erwiderte ich amüsiert. Noch bevor wir die Zentrale erreichten, hallte erneut die dumpfe Stimme durch das Schiff. Der Klang erzeugte unangenehme Vibrationen. »Ihr dürft passieren«, erklang es scheinbar unmittelbar vor mir, und von irgendwo schräg unter der Decke wurde hinzugefügt: »Sagt Zulgea von Mesanthor, daß die acht Tage bald verstrichen sind. Dann holen wir die fehlenden Container.« Noch während die Lichtkegel unserer Stablampen vergeblich suchend über die Wände huschten, flammte die gewohnte Beleuchtung wieder auf. Außerdem mußte jemand den Antrieb hochgeschaltet haben. Dafür, wie der Pilot zuletzt ausgesehen hatte, wirkte er doch recht lebendig. Offenbar hatte das irrlichternde blaue Leuchten lediglich eine Art Röntgeneffekt bewirkt, der die Macht der Unsichtbaren demonstrieren sollte. Ich muß zugeben, daß ihnen das voll und ganz gelungen war. Hätte ich noch Zweifel über mein weiteres Vorgehen
gehegt, so wäre ich mir spätestens jetzt vollends sicher gewesen: die Diskusschiffe mußten vernichtet werden. Auf den Bildschirmen zeigte sich die sternenübersäte endlose Schwärze des Weltraums. Das gleißende Netz war verschwunden. Wir beschleunigten, legten eine relativ kurze Distanz im Linearraum zurück und schwenkten in einen weitgezogenen Landeorbit über Crynn ein. Die ebenfalls in einer Kreisbahn befindlichen Diskusschiffe der Unsichtbaren schienen keine Notiz mehr von uns zu nehmen. Unter uns zogen die durch natürliche Landbrücken miteinander verbundenen Kontinente dahin. Und dann kam die höchste Erhebung des Planeten, der Berg Mauntenn mit dem Pyramidon, in Sicht. 2. Der Himmel war von einem strahlenden Blau. Erst dicht über dem Horizont färbte er sich türkis. Vereinzelt bildeten sich Schönwetterwolken, deren Schatten langsam mit dem Wind über das Land dahinzogen. Crynn war zwar eine hochtechnisierte, kalte Welt mit vielen Fabrikationsanlagen, Raumhäfen und Werften, doch in der Nähe des Äquators hatte sich ein wenig ihrer Ursprünglichkeit bewahrt. Hier lag das Rückzugsgebiet für Ackerbau und Viehzucht. Die Jukter – die ursprüngliche Bevölkerung des Planeten – besaßen heute keine nennenswerte Bedeutung mehr. Die pygmäenähnlichen Wesen waren zu Fronarbeitern abgestempelt, deren einzige Sorge der Aussaat und dem Einbringen ertragreicher Ernten galt. Südlich des Pyramidons erstreckten sich ausgedehnte Anbaugebiete – überwiegend Monokulturen, die mit Hilfe gentechnischer und chemischer Manipulation vor zu großem Schädlingsbefall geschützt wurden. Das leise Summen eines Lastengleiters stieg über den Horizont
herauf. Wenig später kam die Maschine scheinbar aus der noch tief stehenden Sonne heraus. Sie flog nur wenige Meter über den Getreidefeldern und versprühte einen feinen Nebel gelblicher Flüssigkeit, der langsam auf die Ähren herabsank. Aufgescheuchte Vogelschwärme flatterten kreischend umher. Die Tiere hatten sichtlich Mühe, durch den Nebel hindurchzufinden. Vermutlich würden viele von ihnen nach der Berührung mit dem Kontaktgift qualvoll verenden. »Wen kümmertʹs?« murmelte der einsame Beobachter vor sich hin und spie den Grashalm aus, auf dem er seit einiger Zeit gedankenvoll herumkaute. »Die Jukter befolgen ausschließlich ihre Befehle, und die Crynn‐Brigaden und Integrale scheren sich einen Dreck darum, was aus der Natur eines einzelnen Planeten wird. Schließlich gibt es Milliarden davon in Alkordoom.« Wie schon so oft vorher, suchte sein Blick den Himmel ab. Er wartete. Die Vögel zogen krächzend über ihn hinweg. Vielleicht waren einige sogar immun gegen das Gift und würden ihre Immunität weitervererben. Dann mochte es sein, daß auf Crynn selbst in zwanzig Jahren noch Vögel anzutreffen waren. »Ich werde die Entwicklung im Auge behalten«, murmelte der Mann. Er saß am Rand eines naturbelassenen Rains im Gras und beobachtete. Der Gleiter war wieder nach Süden abgebogen, und es würde wohl noch gut eine Stunde dauern, bis die Maschine ihm nahe kam. Mit umständlichen Bewegungen öffnete er den dunkelgrünen Rucksack, den er neben sich abgestellt hatte, und holte eine dünne Stange Kautabak daraus hervor, von der er genüßlich abbiß. Den Rest verstaute er wieder, überlegte es sich dann aber doch, zog die Stange erneut hervor, brach sie in zwei Hälften und steckte die eine davon grinsend in eine Tasche seiner aus Fellen bestehenden Kleidung. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, ließ er sich zurücksinken.
Er hatte Zeit, nichts hetzte ihn. Die Frage war nur, ob alle anderen ebenfalls Zeit hatten. Die Geschehnisse eskalierten allmählich. Ein dumpfes Brausen übertönte das leise Säuseln des Windes. Gleich darauf zeichnete sich ein winziger metallischer Reflex im Zenit ab, der innerhalb von Sekunden zur Größe einer von Zulgeas Wespen anwuchs. Das Raumschiff schien in unmittelbarer Nähe des Pyramidons landen zu wollen. Arien Richardson und sein Sohn Volkert kehrten von Birzt zurück. Vermutlich brachten sie die so dringend benötigten Psi‐Container mit. Colemayn, der Weltraumtramp, erhob sich und schnallte den Rucksack auf die Schultern. Flüchtig schweiften seine Gedanken nach Birzt zurück. Er war ebenfalls auf jener Welt gewesen, hatte mit Birzern geredet und ihnen die Hoffnung gebracht, daß eines Tages das rücksichtslose Jagen aufhören würde. Die kleinen, schlangenähnlichen Geschöpfe waren ein nettes Volk, wie man es selten fand. Insbesondere mußte er an Mycara denken. Ob sie es wohl geschafft hatte, ihre Welt zu verlassen? Colemayn würde es herausfinden. Er dachte an so vieles, als er langsam durch das hohe Gras der Feldraine schlenderte. Noch hatte niemand bemerkt, daß ein Fremder auf Crynn weilte. * Sofort nach unserer Landung suchte ich um eine Unterredung mit der Facette nach. Zwei Integrale geleiteten mich zu Floras Privaträumen. Sie wandte mir den Rücken zu, als ich eintrat, und schien mich nicht bemerkt zu haben. Oder wollte sie mich nicht bemerken? Schließlich hatte ich mich nicht von meinem Vorhaben abbringen lassen und vorgeschlagen, wir sollten in aller Ruhe noch einmal darüber reden.
Wie gebannt blickte Flora auf einen großen Bildschirm, über den Nachrichten aus irgendeinem Randgebiet ihres Sektors Kontagnat flimmerten. Es waren – wie konnte es anders sein? – Bilder von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen zwei insektoiden Völkern. Bilder, die sich immer wieder glichen. Manchmal hatte ich es satt, immer nur mit Leid und Tod konfrontiert zu werden. Ich räusperte mich vernehmlich. Zögernd wandte Flora Almuth sich zu mir um. Sie schnippte mit den Fingern, und der Bildschirm erlosch, versank in der Wand und wurde von einer dreidimensionalen Abbildung der Kugelgalaxis Alkordoom verdeckt. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht«, sagte sie in einem Tonfall, der mich aufhorchen ließ. Sie meinte es offenbar zweideutig. »Unkraut vergeht nicht«, antwortete ich ausweichend. »Du weißt, mich wird man nicht so schnell los.« »Was ist mit den Containern?« »Sobald die weiteren Schiffe ebenfalls eingetroffen sind, werden sie in den Lagerraum gebracht, aus dem die Roboter des Erleuchteten schon die anderen Behälter mit den Psi‐Potentialen abgeholt haben.« »Schön«, nickte Flora. »Dann läuft also alles reibungslos.« »Wenn man davon absieht, daß die Unsichtbaren unsere Ladung kontrolliert haben …« »Ich dachte mir etwas Ähnliches.« »Einer der Behälter wurde geöffnet und offenbar untersucht.« »Wir haben genug davon.« Flora zuckte mit den Schultern, ohne weiter über die Sache nachzudenken. »Für diesmal«, fügte ich hinzu. »Aber die Roboter werden wiederkommen. Achtmal achtzig Container in jedem Jahr des Erleuchteten – du solltest dich fragen, woher wir diese beachtliche Menge an Potential beziehen wollen. Birzt scheidet mit Sicherheit in Zukunft für uns aus.«
Endlich hatte ich sie da, wo ich sie haben wollte. Ihre Augen funkelten mich wütend an. »Die Sache mit den Bomben gefällt mir nicht.« Sie winkte heftig ab, machte in der Erregung ein paar Schritte auf mich zu, blieb stehen, wandte sich wieder um. »Was gefällt dir nicht?« Ohne dazu aufgefordert worden zu sein, ließ ich mich in den nächsten Sessel sinken und schlug die Beine übereinander. Ich kannte Flora gut genug, um zu wissen, daß ich sie damit ein klein wenig mehr aus der Fassung brachte. Aber schließlich ging es darum, dem Erleuchteten zu zeigen, daß wir nicht länger gewillt waren, nach seinen Regeln zu spielen. Die Roboter hatten verstört reagiert, als wir vor einigen Tagen trotz ihrer Unsichtbarkeit angegriffen hatten. Mindestens ebenso verstört würde hoffentlich der Erleuchtete sein, wenn es uns gelang, die großen Diskusschiffe zu vernichten. »Es ist ein Gefühl, eine böse Vorahnung«, sagte Flora bestimmt. »Was gewinnen wir, wenn Crynn im Atombrand untergeht?« »Soviel ich weiß, hat nie zuvor eine Facette gewagt, die Unsichtbaren anzugreifen. Gentile Kaz zum Beispiel hätte allen Grund dafür gehabt, als er nicht schnell genug ausreichend Potential liefern konnte. Glaubst du, wir hätten nur eine winzige Chance, wenn wir die Roboter mit leeren Händen fortschicken?« Unbewegt beobachtete ich Flora, wie sie zum Servoautomaten ging und ihre Bestellung eingab. Augenblicke später erschien ein bis zum Rand mit goldgelber Flüssigkeit gefülltes Glas vor ihr. Sie schüttelte sich, nachdem sie den Inhalt hastig getrunken hatte. »Willst du auch einen?« fragte sie mich. »Danke«, wehrte ich ab. Vorsichtig nahm sie das Glas zwischen zwei Finger und ließ es demonstrativ in den Abfallverwerter fallen. »Ich verspreche mir nichts Gutes von deinem Vorhaben«, sagte sie. »Irgendwie wird der Erleuchtete von dem Angriff auf seine Hilfstruppen erfahren. Was dann geschieht, kann keiner beurteilen.«
Wenn sie glaubte, theatralisch werden zu müssen – ich konnte es zumindest ebensogut. Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte ich mich zurück und blickte sie herausfordernd an. »Ich will sogar, daß der Erleuchtete davon erfährt. Mindestens ein Schiff sollte unseren Angriff überstehen, um ihm die Nachricht zu überbringen, daß er fortan nicht mehr damit rechnen kann, aus dem Sektor Kontagnat Psi‐Potentiale zu erhalten.« »Du mußt verrückt sein«, fuhr Flora Almuth auf. »War unser Husarenstreich auf Birzt verrückt?« gab ich im selben Tonfall zurück. »Ich bin mir des Risikos durchaus bewußt, das ich eingehe. Aber schließlich handeln wir in erster Linie für dich und dein Vorhaben, Kontagnat zu befreien. Weder New Marion noch die Celester sind in irgendeiner Weise direkt davon betroffen. Und der Erleuchtete erfährt so oder so, daß du nicht mehr liefern willst.« Sie nickte schwer. »Du bist also der Meinung, mir bleibt keine andere Wahl«, sagte sie. »Vielleicht hast du recht, möglicherweise aber auch nicht.« »Keine hellseherische Anwandlung?« Sie blickte mich lange und durchdringend an. »Nur eine Vision schwerer Zerstörungen auf Crynn und im Pyramidon.« »Demnach beharrst du auf deinem Nein.« »Ich bin nicht meine Zwillingsschwester, daß ich es übers Herz brächte, unschuldiges Leben zu töten – auch solches, das in die Dienste des Erleuchteten gezwungen wurde. Aber …« Flora machte eine kurze Pause, »Roboter sind kein Leben in dem Sinn. Du hast meine Zustimmung. Verfüge über Crynn‐Brigadisten und Integrale, wie du es für richtig hältst. Nur enttäusche mich nicht.« »Danke«, sagte ich und fügte rasch hinzu: »Ich glaube, jetzt habe ich ebenfalls einen guten Schluck nötig.« Zulgea von Mesanthor alias Flora Almuth lachte so herzhaft, wie ich es schon lange nicht mehr von ihr gehört hatte. Eigentlich nicht mehr, seit sie im Alter von ungefähr zwanzig Jahren in das Pflegeheim eingewiesen worden war.
* Über diesem Teil des Planeten lag noch der Morgen. Die gegenüber der Norm längere Rotationsdauer von 25,8 Stunden wirkte sich allerdings kaum aus. Ich hatte auf einen Transmittersprung zur Wespe verzichten und es statt dessen vorgezogen, mit einem offenen Antigravgleiter zum Landeplatz hinauszufahren. Die frische Luft tat mir gut, kühlte meine brennende Haut und ordnete meine Gedanken. Crynn mußte einst eine schöne Welt gewesen sein. Zu meiner Rechten erstreckten sich scheinbar endlos weite Felder. Die wogenden goldgelben Ähren erinnerten mich an New Marion und an die Heimat meiner Vorfahren, die Erde. Atlan hatte viel von Terra berichtet, aber auch mindestens ebenso viele Fragen offengelassen. Vielleicht würde es uns eines nicht mehr fernen Tages möglich sein, von Alkordoom aus in die heimatliche Milchstraße zu fliegen – dann zumindest, wenn der Arkonide seinen Auftrag erfüllt hatte. In gewisser Weise wünschte ich diesen Tag herbei. Ich hatte Sehnsucht nach der Erde. Inzwischen waren acht weitere der insgesamt zwanzig Wespen gelandet, Volkert erwartete mich mit allen Anzeichen sichtbarer Ungeduld. »Spooner hat sich gemeldet«, rief er, kaum daß ich den Gleiter verlassen hatte. »Sein Flottenverband hat die Verfolger aus Ordardor aufgerieben und unseren letzten Schiffen Geleit gegeben. Er will in den Ortungsschutz einer nahen Sonne gehen und sich bereithalten, falls wir die Kampfkraft seiner Raumer gegen die zwölf Diskusse brauchen.« »Hat er das genau so gesagt?« erschrak ich. Volkert schüttelte den Kopf. »Angedeutet. Ich wußte allerdings sofort, was er meint.«
Für einen Moment hatte ich tatsächlich geglaubt, mein Ältester würde eine solche Dummheit begehen und vergessen, daß es Dechiffriercomputer gab. Ich hätte ihm mehr zutrauen sollen. Vom Pyramidon her näherten sich die ersten Brigadisten mit schweren Lastengleitern. »Hast du etwas erreichen können?« fragte Volkert und deutete auf die Maschinen. Ich nickte. »Wir bringen die Container in den Lagerraum und bauen in jeden eines von den tückischen kleinen Dingern ein, die die schreckliche Angewohnheit besitzen, zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt zu detonieren und dabei alles in ihrer Umgebung mit in die Luft zu jagen.« »… oder in den Weltraum«, grinste Volkert. »Möglicherweise sogar die Schiffe der Unsichtbaren.« »Die sogar ganz bestimmt«, fügte ich hinzu. »Buster wird sich freuen, endlich mal wieder was Vernünftiges tun zu können, nachdem er zuletzt unser Empfehlungsschreiben für die Fabrik auf Birzt so perfekt gefälscht hat.« Volkert hatte einen Impulsgeber aufgetrieben, mit dem er die Schleusen der Wespen von außen öffnen konnte. Wir wollten zuerst das Schiff entladen, mit dem wir gekommen waren, alles weitere war dann Arbeit für die Brigadisten. Wenn wir gewußt hätten, wieviel Zeit uns blieb, wäre mir wohler gewesen. Von den acht Tagen waren erst sechs und einige Stunden verstrichen, aber die Unsichtbaren hatten leider herausgefunden, daß wir die geforderten Container inzwischen besaßen. Ich konnte nur hoffen, daß sie die Psi‐Potentiale nicht schon vor Ablauf der Frist holen würden. In einem gerichteten Antigravfeld schwebten wir zur Schleusenkammer hinauf. Unter uns landete soeben der erste Lastengleiter. Zwei kräftige Thater sprangen ab – und unser Medizinmann Buster McMooshel. Es war eine Marotte von Buster, sich so nennen zu lassen. Vielleicht, weil er mit seiner Größe von nur 1,57 Meter, dem Buckel
auf seiner rechten Schulter und seinem sehr gebeugten Gang tatsächlich fast so aussah, wie man sich einen Medizinmann oder Geisterbeschwörer gemeinhin vorstellt. Indes galt er als führende Kapazität auf wissenschaftlichem Gebiet und beschäftigte sich in erster Linie mit Krankheiten, Psi‐Effekten und biologischen Problemen. Äußerlich fiel es nicht auf, daß sein linker Arm ab dem Ellbogen aus einer Prothese bestand. Die ebenfalls künstliche Hand konnte er durch eine im Handballen untergebrachte Mikromechanik mit Positronik fast normal benutzen und mit den Kunstfingern zudem übergroße Kräfte entwickeln. Nur wenige wußten, daß sich im Unterarm neben der dünnen Steuerung mehrere Hohlräume befanden, in denen McMooshel stets seine wichtigsten Utensilien, medizinische Stoffe und ein kleines Allroundtestgerät für Untersuchungen mitführte. »He«, rief Buster mir zu. »Ich kann mir vorstellen, du benötigst einen hervorragenden Spezialisten.« »Woher weißt du …?« Ich war einigermaßen überrascht. Der Medizinmann deutete auf Volkert. »Dein Sohn hat mich angerufen und etwas von hochbrisantem Sprengstoff erwähnt. Ich nehme an, du willst die Container präparieren.« »Na ja«, machte Volkert, »ich dachte mir, jede Minute sei kostbar. Und außerdem dachte ich, du kriegst Flora sowieso rum.« Obwohl ich mir eine Bemerkung verbiß und statt dessen Buster aufforderte, zu uns hochzukommen, kreisten meine Gedanken vorübergehend nur um eines: wahrscheinlich wurde ich alt, obwohl ich mich mit meinen 44 Jahren noch nicht so fühlte. Ich dachte mir nichts mehr dabei, wenn ich sie in gefährliche Einsätze schickte, aber falls einer von ihnen in Kleinigkeiten schneller handelte als ich, fühlte ich mich irgendwie übergangen. Doch wehe dem, der behauptet hätte, ich sei nicht stolz auf meine Söhne. Mycara hatte sich zuletzt ruhig verhalten, nun schob sie überraschend ihren Kopf unter meinem Kragen hervor. »Du bist eifersüchtig«, wisperte ihr hohes Stimmchen. Zum Glück
so leise, daß weder Volkert noch Buster sie verstehen konnten. Unwillkürlich packte ich zu, umfaßte ihren dünnen, pelzigen Leib und hielt sie fest. Es konnte kein Zufall sein, daß die Birzerin sich ausgerechnet mit einer solchen Bemerkung meldete. Noch dazu hatte sie recht, ich war eifersüchtig. Wahrscheinlich, weil ich mich in meinen Söhnen wiederzuerkennen glaubte. Aber was war mit Mycara? Während ich ausschritt, starrte ich sie unablässig an. Kannst du alle meine Gedanken lesen? dachte ich intensiv. Sie gab mit keiner Regung zu verstehen, daß sie mich verstand. Welche Psi‐Fähigkeiten besitzt du? fragte ich lautlos. Wenn du mich verstehst, sage es mir! Medizinmann Buster McMooshels homerisches Gelächter schreckte mich aus meinen Gedanken auf. Mir war völlig entgangen, daß wir schon den Laderaum der Wespe erreicht hatten. Buster stand vor den beiden Stiefelpaaren und schien sich auf unsere Kosten glänzend zu amüsieren. »Der Größe nach zu schließen, gehört das eine Paar dir«, stellte er unumwunden fest, als er bemerkte, daß ich ihn ansah. »Wolltest du in den Behälter hineinsteigen, oder bist du herausgekommen?« Das Plasma lebte nicht mehr. Ein eigenartiger, fauliger Geruch ging von der zusammengesunkenen Masse aus. Damit waren wohl auch die Psi‐Potentiale einiger hundert Birzer abgestorben. Allerdings hatte ich keine Ahnung, wie wir das hätten verhindern können. Bislang kannten wir weder die Funktionsweise der Potentialorter und Psi‐Zapfer, die diese Behälter beschickten, noch die der Container selbst. »Du kennst die Aufgabenstellung«, sagte ich zu Buster. »Mach was daraus. Und zwar so, daß unsere Manipulationen auf keinen Fall bemerkt werden.« »Du verlangst viel«, stellte er fest und fuhr sich mit beiden Händen über seinen kahlen, wie poliert wirkenden Schädel. »Bis ich damit fertig bin, sind mir längst goldene Haare gewachsen.«
»Wenn du einen Fehler machst, sehen wir New Marion wahrscheinlich nie wieder«, fügte ich erbarmungslos hinzu. Er stöhnte leise. »Warum habe ich mich nur je mit dir eingelassen?« * Auf dem kleinen Raumhafen zu Füßen des Berges entstand vorübergehend hektische Betriebsamkeit. Sämtliche Container wurden umgeladen und zum Pyramidon gebracht. Die Brigadisten arbeiteten schnell und genau. Schon nach wenig mehr als zehn Minuten schwebten die letzten Gleiter davon. Niemand sah den Mann, der einige Kilometer entfernt auf einem umgestürzten Baumstamm saß und beobachtete. Sein faltiges, dunkelrotes Gesicht wirkte besorgt, als er das Fernglas für kurze Zeit von den Augen nahm, um sich ein neues Stück Kautabak in den Mund zu schieben. Leise brabbelte er vor sich hin, dann widmete er sich wieder dem Geschehen auf dem Landeplatz.
Arien und Volkert Richardson kamen in sein Blickfeld. Den dritten Mann kannte er nicht – obwohl sein Äußeres recht eigenartig wirkte, schien es sich doch um einen Celester zu handeln. Alle drei verschwanden ebenfalls in Richtung auf das stählerne Bauwerk auf dem Gipfel des Berges. Colemayn setzte das Fernglas ab, sicherte die hochempfindliche Optik vor Staub und verstaute es wieder in seinem Rucksack. Die Dinge entwickelten sich zusehends. Ohne Zweifel war Arien Richardson die treibende Kraft und dazu von beinahe übertriebener Konsequenz. Colemayn konnte sich gut vorstellen, daß der Celester in seinem Eifer irgendwann über das Ziel hinausschoß. Einerseits wäre der Tramp der Letzte gewesen, der ein solches Vorhaben mißbilligte, solange es zweckdienlich blieb, zum anderen wußte aber auch er nicht, welche Gefahren Arien unter Umständen heraufbeschwor. Die Handlanger des Erleuchteten, mit denen er sich offenbar anzulegen gedachte, waren keine leichten Gegner. * Da standen sie nun in Reih und Glied – fast einhundert zylinderförmige, metallene Behälter. Wenn ich nur daran dachte, wieviel Leid sie über die Bevölkerung eines Planeten gebracht hatten, stieg Übelkeit in mir auf. Jedes Lebewesen, das seines Psi‐ Potentials beraubt wurde, sank auf eine tierische Entwicklungsstufe ab, falls es den Eingriff überstand. Je höher zuvor die Intelligenz gewesen war, desto verheerender wirkte sich der Verlust des Psi‐ Potentials für die Betroffenen aus. Noch hatte keiner von uns herausgefunden, wozu die ungeheuren Mengen an Psi‐Material benötigt wurden. Nachforschungen hatten lediglich ergeben, daß die Potentialorter, Psi‐Zapfer und Psi‐ Conserver aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Nukleus, dem Zentrumsgebiet von Alkordoom, stammten. Versuche, ihre
technischen Geheimnisse zu entschlüsseln, führten stets zur Selbstzerstörung der Maschinen. Die gefüllten Container wurden in regelmäßigen Abständen von Hilfskräften des Erleuchteten abgeholt und vermutlich in den Nukleus geschafft. Es hieß, daß dort eine gewaltige Macht im Entstehen begriffen war. Aber nur der Name dieser Macht war bekannt: EVOLO. »Mehr als die geforderten fünfzig Container benötigen wir nicht«, sagte Medizinmann Buster McMooshel unvermittelt. »Die anderen sollten wir separat lagern, um sie für den nächsten Liefertermin oder für Untersuchungen parat zu haben.« »Kommt nicht in Frage«, widersprach ich heftig. »Wir präparieren alles, was wir haben.« Buster verlegte sich aufs Jammern. Er nörgelte gern und hatte oft zu kritisieren, meinte es aber nur in den seltensten Fällen ernst. Ich ließ ihn reden, weil ich längst herausgefunden hatte, daß er dann sehr schnell wieder aufhörte. »Wie soll ich das schaffen«, stöhnte er. »Es sind zu viele Behälter.« »Fang erst einmal an«, riet ich großzügig. »Allein vom Herumstehen ist noch nie etwas Vernünftiges entstanden.« Seine Augen weiteten sich ungläubig. Er starrte mich an, als wolle er mich mit seinem Blick durchbohren und schnappte förmlich nach Luft. »Das sagst du mir, Arien, ausgerechnet mir. Du solltest mich besser kennen. Wo bleiben denn die Hilfskräfte, die du mir versprochen hast?« »Die Crynn‐Brigadisten stehen bereit. Du mußt nur sagen, wie sie eingesetzt werden sollen.« »Thater, hä?« ächzte Buster. »Was soll ich mit diesen plumpen, grobschlächtigen Kerlen? Sobald die einen Behälter anfassen, dürfte er platt sein wie Walzstahl.« »Das ist dein Problem.« »Müssen wirklich alle Container mit Sprengsätzen versehen
werden?« »Alle«, nickte ich. »Wenn du es nicht schaffst, wer sonst? Je größer und kostbarer die Fracht ist, desto sicherer können wir sein, daß sie über mehrere Schiffe verteilt wird. Weshalb, glaubst du, sind gleich zwölf Raumer erschienen? Ich kann das Risiko nicht eingehen, daß wir nur einen oder zwei von ihnen zerstören.« Buster McMooshel sah sich suchend um. »Wo ist der leere Container?« wollte er wissen. »Komm«, sagte Volkert. »Ich zeige ihn dir.« 3. Zwei Etagen über dem Lagerraum befand sich ein vollständig eingerichtetes Labor. Dorthin hatte ich den aufgeschnittenen Metallzylinder bringen lassen. Unser Medizinmann wählte doch tatsächlich einen Thater und einen Echsenabkömmling mit feingliedrigen und mit Saugnäpfen versehenen Fingern als Hilfskräfte aus. Natürlich würden auch Volkert und ich assistieren. Prüfend klopfte Buster mit den Knöcheln gegen den Behälter. Das Metall gab so gut wie kein Geräusch von sich. Zwei jeweils einen halben Zentimeter starke Platten und ein mit vorerst undefinierbaren Aggregaten gefüllter Zwischenraum bildeten die Ummantelung, innerhalb derer das Bioplasma gelagert war. »Laserschneider!« Buster McMooshel streckte fordernd die Hand aus. Volkert reichte ihm das gewünschte Gerät. Vorsichtshalber setzten wir Schutzbrillen auf. Der mikrofein gebündelte Strahl traf auf den Behälter und glitt funkensprühend davon ab. Buster hielt seine Hand so ruhig, wie es sonst wohl nur ein Roboter konnte. Ich sah jedenfalls nicht, daß er nur den Bruchteil eines Millimeters gezittert hätte.
Eine eigenartige Spannung erfaßte mich. Ich ertappte mich dabei, wie ich unablässig auf den Punkt starrte, an dem der Laser wirksam wurde. Das Material hätte längst schmelzen oder zumindest zähflüssig werden sollen – aus welchem Grund es Buster den Gefallen nicht tat, war schwer zu sagen. Zumindest verfärbte es sich allmählich, nahm einen kräftigen Blauton an. Angenehm weich lag Mycara um meinen Hals geschlungen. Ich hatte mich inzwischen so daran gewöhnt, daß ich unwillkürlich zusammenzuckte, als sie sich plötzlich bewegte. »Aufhören!« schrillte ihr dünnes Stimmchen in mein Ohr. Das Blau hatte an Intensität zugenommen, begann leicht zu flackern. »Stop!« schrie ich Buster an. Als er nicht sofort reagierte, griff ich zu und riß ihm den Laserschneider aus der Hand. Er starrte mich entgeistert an. »Bist du verrückt geworden? Was soll das?« Er deutete auf die nun rasch verblassende Färbung. »Einige Sekunden noch, und ich wäre durchgekommen.« »Oder du hättest uns alle umgebracht.« Auch Volkert schien nun zu befürchten, ich könnte – gelinde ausgedrückt – etwas durcheinander sein. Wäre er zehn Jahre jünger gewesen, für den Blick, mit dem er mich bedachte, hätte ich ihn übers Knie gelegt. »Woher willst du das so genau wissen?« fragte Buster leise. »Du bist Raumfahrer, kein Wissenschaftler.« »Mycara hat mich gewarnt«, gab ich zu. »Mycara?« Jetzt musterte auch er mich unter zusammengekniffenen Brauen. Mit einer Hand umfaßte ich die Birzerin unmittelbar unterhalb ihres Kopfes und hielt sie ihm entgegen. Den zuckenden Schlangenleib sehen und einen raschen Schritt zurückweichen, war für ihn eins. »Was ist das?«
»Mycara«, sagte ich. Das pelzige Geschöpf wickelte seinen Schwanz um meinen Unterarm und entblößte seine spitzen Zähnchen, als wisse es genau, daß es Buster auf diese Weise erschrecken konnte. Tatsächlich machte er einen zweiten Schritt zurück. »Beißt er?« »Nur Wissenschaftler«, erklärte ich. »Außerdem ist es eine Sie. Die Psi‐Potentiale in den Containern stammen ausschließlich von Angehörigen ihres Volkes.« Allein das Wörtchen Psi ließ Busters Abneigung verschwinden. »Ich nehme an, sie ist dir auf Birzt zugelaufen. Welche Fähigkeiten besitzt sie?« »Als ich sie mitnahm, blieb mir keine Zeit, auch nur einen Moment lang daran zu denken. Aber es hat den Anschein, als könnte sie zumindest Gedanken lesen.« »Interessant«, bemerkte Buster McMooshel und streckte zögernd die linke Hand aus. Schnurrend schmiegte Mycara sich an ihn, Augenblicke später wand sie sich wie eine Klette um seinen Arm. Neugierig betrachtete er das Pflaster über ihren Augen. »Sie ist erblindet«, sagte ich. »Ich fühle mich daran nicht ganz unschuldig.« Buster hörte meine Erklärung bereits nicht mehr. Vorsichtig fuhr er mit den Fingerspitzen über den Container. Nichts hatte sich verändert. »Materialprüfung!« ordnete er an. Der Thater schob ein auf Rollen fahrbares, gut drei Meter hohes, plump wirkendes Aggregat heran. An der Vorderseite besaß es zwei Reihen kleiner Bildschirme, die im Moment lediglich Null‐ Amplituden zeigten. Im Innern des Geräts flimmerte ein energetischer Vorhang – die Öffnung war groß genug, um den Behälter darin unterzubringen. Ehe Buster es sich versah, hatte Mycara sich von ihm gelöst und saß auf der oberen Schaltkonsole. »Einwände?« fragte der Medizinmann. »Nein«, quietschte die Birzerin.
Ich verstand wenig von den Schaltungen, die Buster vornahm. Er benötigte gut zehn Minuten, bis die ersten Amplituden mehr oder weniger unregelmäßige Ausschläge nach beiden Seiten zeigten. »Energiezufuhr erhöhen!« Buster beobachtete angespannt. »Abgabeleistung konstant halten!« Er befahl, die beiden Crynn‐Brigadisten führten aus, Volkert und ich machten uns eine gemütliche halbe Stunde. So jedenfalls würde es anschließend heißen. Plötzlich sprang Buster McMooshel wie von der Tarantel gestochen auf, grapschte mit beiden Händen nach Mycara und küßte sie stürmisch auf ihr schwarzes Stupsnäschen. Da war keine Spur mehr von Furcht oder Zurückhaltung. »Du bist ein Goldkind«, triumphierte er. Volkert schüttelte nur noch den Kopf. »Wir würden uns gerne mit dir freuen«, sagte ich. »Natürlich.« Der Medizinmann hielt abrupt inne. Ein Lächeln huschte über seine Züge, als er sich Mycara in den Nacken legte, doch die Birzerin blieb nicht dort, sondern floh vor seiner Zudringlichkeit mit beachtlicher Geschwindigkeit die nächste Wand hinauf, wo sie sich außerhalb seiner Reichweite in einer Ecke zusammenrollte. Jeden Moment wartete ich darauf, daß sie herunterfiel, aber ich sorgte mich umsonst. »Ein eigenwilliges kleines Geschöpf«, bemerkte Buster. »Tausend von ihnen auf New Marion, und unsere Kinder hätten intelligente Spielzeuge.« »Bin kein Spielzeug«, schrillte es von oben herab. »Merk dir das, du Zweibeiner.« »Ob so oder so, wir sind dir jedenfalls zu Dank verpflichtet«, sagte der Medizinmann. Und an uns gewandt, fuhr er erklärend fort: »Die Wandung des Containers besteht aus einer molekülverdichteten Legierung unbekannter Art. Ich weiß nicht, was es ist, und ich sehe auch keine Chance, das in absehbarer Zeit herauszufinden –
allerdings können wir das Problem als zweitrangig abhaken. Wichtig ist einzig und allein, daß das Material kumulierend auf von außen auftreffende Energien wirkt und diese ab einem bestimmten Sättigungsgrad in einer spontanen Entladung wieder freisetzt. Ich vermute, daß es sich dabei um eine Schutzvorkehrung handelt, die verhindern soll, daß Unbefugte die Behälter öffnen. Eine Reflexion des Laserstrahls hätte für uns recht unangenehme Folgen gehabt.« »Damit gibt es aber ein neues Problem«, stellte ich fest. In der Tat hatte ich mir die ganze Sache einfacher vorgestellt. Die Sprengkörper im Innern der Container zu verbergen, schied also aus. »Oder hast du schon eine Ahnung, wie wir die Legierung unbeschadet durchdringen können?« fragte ich Buster. »Die Herausforderung reizt mich«, gestand er. »Sicher finden wir eine Lösung – nur eben nicht vor Ablauf der Acht‐Tage‐Frist. Das heißt, wir müssen improvisieren. Dabei kommt uns allerdings die verstärkende Wirkung der Behälter selbst zugute. Ich schlage vor, Flüssig‐ oder Plastiksprengstoff zu verwenden und außen anzubringen.« »Weil die Roboter blind sind«, stellte ich sarkastisch fest. »Was willst du eigentlich?« fuhr Buster auf. »Sonst heißt es immer, ich sei derjenige, der nur nörgelt.« »Ich will einzig und allein Erfolg haben.« »Dann laß mich nach meinen Vorstellungen machen. Das Zeug wird so transparent sein, wie du es dir wünschst. Falls du nicht gerade mit den Fingern reintappst, wirst du es nicht einmal bemerken.« * Ich hatte mir vorgenommen, mich überraschen zu lassen, und es wurde tatsächlich eine Überraschung, als Medizinmann Buster McMooshel nach mehr als zwei Stunden in Klausur mit einer
Petrischale in der Hand auf mich zukam. Auf den ersten Blick erschien es mir, als sei die Schale leer; auch auf den zweiten konnte ich nichts feststellen. Erst als Buster sie hochhob, brach sich das Licht in eigenartigen Schlieren. »Überzeugt?« fragte er. Unschlüssig zuckte ich mit den Schultern. Zugegeben, die Masse war glasklar, und in der Hinsicht hatte er keineswegs zuviel versprochen, aber das besagte noch lange nichts über deren Sprengkraft. »Hier!« Buster reichte mir die Schale. »Nimm!« Bevor ich zugreifen konnte, rutschte sie ihm aus der Hand. Mir blieb fast das Herz stehen. Aber nichts geschah, als das Glas am Boden aufschlug. Mycara, die die ganze Zeit über unbeweglich in ihrer Ecke gekauert hatte, ließ sich herabfallen und suchte ihren gewohnten Platz unter meiner Kombination wieder auf. »Ein schlechter Scherz«, raunte sie mir zu. »Das Zeug ist wirklich gefährlich.« Die Kleine wurde mir immer sympathischer. Allerdings fragte ich nicht mehr, woher sie ihre Kenntnisse bezog. Falls sie es mir sagen wollte, würde sie es über kurz oder lang wohl von selbst tun. Ich nahm jedenfalls als gegeben hin, daß sie über besondere Fähigkeiten verfügte, die sie entweder schon immer besessen hatte, oder die sich erst allmählich entwickelten, seit sie Birzt verlassen hatte. »Wir benötigen Zeitzünder«, erinnerte ich Buster. »Die zwölf Schiffe könnten zu schnell in den Hyperraum oder in den Linearflug gehen … Aber wie willst du die Zünder unsichtbar anbringen?« »Vergiß das alles getrost«, sagte McMooshel. Es klang sarkastisch. »Aber …« Er winkte lässig ab. »Der Sprengstoff wird von selbst detonieren, wenn es soweit ist.« Ein flüchtiger Blick galt seiner Armbanduhr. »Noch zehn Minuten. Wir sollten uns beeilen.« Nachlässig hob er die unbeschädigte Petrischale auf und ließ sie in einer Tasche seiner einteiligen weißen Kombination verschwinden.
»Was hast du vor?« erkundigte sich Volkert. Buster McMosshel lächelte listig. »Wir werden das Pyramidon kurz verlassen.« Wieder sah er auf seine Uhr. Ich konnte erkennen, daß die Stoppanzeige rückwärts lief. Im Hangar wartete ein startbereiter Gleiter auf uns; die Echse saß hinter den Steuerkontrollen. Buster gab Anweisungen, nach Norden zu fliegen. Bald erstreckte sich unter uns nur mehr eine karge, eintönige Felswüste. Hie und da erhob sich die glänzende Kuppel einer kleinen Überwachungsstation. Immer öfter blickte der Medizinmann auf die Uhr. Ich schätzte, daß wir noch drei Minuten hatten, was immer geschehen würde. Vermutlich wollte Buster die Wirkung seines Sprengstoffs demonstrieren. Unter uns fiel die Felswüste zurück, als der Gleiter weiter an Höhe gewann. Noch zwei Minuten. Buster zog die Petrischale aus seiner Tasche hervor. Während er sie unschlüssig in Händen hielt, verlor der Inhalt seine Transparenz und begann sich milchig‐weiß zu verfärben. »Dein Sprengstoff macht sich selbständig«, wies ich ihn darauf hin. Ruckartig wandte Buster sich vom Höhenmesser ab. Ungläubiges Erstaunen zeichnete sich in seinem Gesicht ab. Er holte weit aus und schleuderte die Petrischale mit einem deftigen Fluch über Bord. »Festhalten!« rief er. »Möglich, daß es gleich stürmisch wird.« Höchstens fünfhundert Meter unter uns schien eine neue Sonne aufzugehen. Eine heftige Druckwelle erfaßte den Gleiter und trieb ihn vor sich her wie der Herbststurm ein welkes Blatt. Der Pilot hatte alle Hände voll zu tun, um die Kontrolle über die Maschine nicht zu verlieren. Für einige Sekunden hatte ich das flaue Gefühl im Magen, in einem rasend schnell in die Tiefe fallenden Aufzug zu sitzen. Dann wurde aus dem Sturz eine Taumelbewegung, und endlich schoß der Gleiter mit höchsten Beschleunigungswerten
geradeaus. Zurückblickend sah ich ein grelles Lodern weit hinter uns, das jedoch rasch in sich zusammenfiel. »Wolltest du uns umbringen?« wandte ich mich an Buster, der ein sorgenvoll zerknirschtes Gesicht machte. »Eine Minute, acht Sekunden«, murmelte er. »Ich verstehe nicht, wie eine derart große Abweichung möglich ist. Es hätten höchstens Sekunden sein dürfen.« »Abweichung wovon?« wollte ich wissen. Buster befahl den Rückflug zum Pyramidon, bevor er auf meine Frage einging. »Der Sprengstoff ist selbstzündend«, erklärte er. »Je nach Mischungsverhältnis dauert es nur wenige Sekunden bis zu einigen Tagen, bis der kritische Punkt erreicht wird. Maßgeblich ist der Grad der Diffusion im subatomaren Bereich. Das heißt, es werden ansonsten kurzlebige Materiebausteine am Zerfall gehindert und angereichert, was wiederum direkt proportional der Ordnungszahl der als Träger verwendeten Elemente …« Ich unterbrach ihn einfach. »Ist eine verständliche Auskunft zuviel verlangt?« »Ich kann wiederholen, was ich eben …« »Vergiß es«, wehrte ich entschieden ab. Während unseres Rückflugs gab Buster sich schweigsam und in sich gekehrt. Mit Hilfe eines Mikrocomputers, den er seiner Unterarmprothese entnahm, stellte er eine Reihe von Berechnungen an. Erst als sich die Hangarschleuse hinter uns schloß, wandte er sich erneut mir zu. »Ich nehme an, du willst eine Zeitzugabe nach Ablauf der Acht‐ Tage‐Frist.« »Vierundzwanzig Stunden«, überlegte ich. »Damit dürften alle Eventualitäten ausgeschlossen sein.« »Minus zehn Stunden Sicherheitsreserve«, sagte er. »Für eine bessere Genauigkeit kann ich nach dem Zwischenfall nicht garantieren.«
Ich überschlug kurz alle wichtigen Punkte, damit ich sicher sein konnte, nichts außer acht gelassen zu haben. Die unsichtbaren Roboter würden pünktlich sein. Wir liefen also kaum Gefahr, daß die Explosionen in unmittelbarer Nähe von Crynn erfolgten. »Einverstanden«, nickte ich. »Da wäre noch etwas«, fügte er hinzu. »Für den Fall, daß eine vorzeitige Explosion erforderlich wird, können wir den Sprengstoff selbstverständlich auch durch Hyperfunksignale innerhalb eines bestimmten Frequenzbereichs zünden.« * Es wußte nicht, wieviel Zeit verstrich, aber es fühlte, daß es wuchs und in dem Maß stärker wurde, in dem es sich selbst begreifen lernte. Früher war vieles anders gewesen. Es hatte sich verändert. Wir …! hallte es in ihm nach. Wir haben uns verändert, sind eins geworden. Eine Weile war Stille. Es lauschte in sich hinein. Die Gewißheit, nicht länger allein zu sein, erfüllte es mit Genugtuung. Die Einsamkeit war sein schlimmster Feind gewesen, nachdem eine fremde Macht es trotz aller Gegenwehr aus seinem angestammten Körper entfernt hatte. Sein eigener Name war vergessen, war mit dem Verlust des Körpers unwichtig geworden. Die wohltuende Nähe anderer seiner Art ließ seine Fähigkeiten wachsen. Sie waren eins, gefangen in einer Masse lebender, wenn auch stumpfsinniger Zellen. Außerhalb ihres Gefängnisses spürte es andere Schwingungen. Das mußten die Fremden sein, die seinen Körper geraubt hatten. Der Haß wuchs, seine Gedanken tasteten nach einem der Zweibeiner. Ohne Augen zu haben, konnte es sich plötzlich vorstellen, wie sie aussahen.
Komm! dachte es, schrie den Befehl förmlich hinaus. Komm zu mir! Es spürte, daß der Zweibeiner in seiner Tätigkeit innehielt. Komm! Der Fremde näherte sich dem Behälter, das war unverkennbar. Du mußt mich befreien, mußt … Die Anspannung war zu groß. Erschöpft zog es sich zurück, spürte aber wohl, daß es die Kraft besaß, den Fremden unter seinen Willen zu zwingen. Es mußte lernen, diese Kraft richtig einzusetzen. Der Zweibeiner verharrte noch eine Weile unschlüssig, berührte mit zweien seiner Arme den Behälter und nahm schließlich die unterbrochene Arbeit wieder auf. »Was ist mit dir, Yorka?« fragte einer der anderen, die so aussahen wie er. Es war überrascht, den Sinn der Worte zu verstehen. »Ich weiß nicht«, antwortete Yorka zögernd. Seine Hände begannen, die Schläfen zu massieren. »Mir war übel, das ist alles. Ist schon wieder vorbei.« Es triumphierte. Wir besitzen Macht über die Fremden! hallte es in ihm dutzendfach wieder. Wir werden sie vernichten und Rache nehmen für alles, was sie uns angetan haben. Sein Geist, vereint aus vielen seiner Art, war stark. Wir brauchen einen Namen. Die Zweibeinersollen erfahren, wem sie ihren Untergang verdanken. Nennen wir uns Birzgeist – nach unserer Heimat Birzt. Ich bin Birzgeist, dachte es. Und Birzgeist nahm nicht nur die Anwesenheit der Fremden wahr. Da waren auch Geschöpfe, die ihm glichen, die ebenfalls eine verschwommene Erinnerung an ihr früheres Dasein besaßen. In anderen der mit Plasma gefüllten Behälter … *
Für einen Moment war ich versucht zu glauben, daß die Unsichtbaren gekommen waren, als der Crynn‐Brigadist unvermittelt seine Arbeit im Stich ließ und zu einem der noch nicht mit Sprengstoff präparierten Container hinüberging. Er wirkte wie in Trance. Aber schon Sekunden später schüttelte er sich ab, als sei nichts gewesen. Obwohl ich ebenfalls Übelkeit verspürte, riß ich mich zusammen. Die transparente, knetbare Masse erzeugte ein fürchterliches Jucken auf der Haut. Leider durften wir nicht mit Handschuhen arbeiten, weil deren synthetisches Material sich ungünstig ausgewirkt hätte. Den Rest des vergangenen Tages und die ganze Nacht hatte Buster McMooshel benötigt, um die erforderliche Menge Sprengstoff herzustellen. Daß ihm inzwischen fast die Augen vor Müdigkeit zufielen, konnte ihn jedoch nicht davon abhalten, uns weiterhin behilflich zu sein. Mehr als zwei Stunden hatten wir allein für die ersten vierzig Behälter benötigt. Zum Glück sprang ihr Rand jeweils um gut fünf Zentimeter über die Bodenplatte vor, so daß wir den Sprengstoff nur in die Ecke zu drücken brauchten. Ich hatte keine Ahnung, auf welche Weise die Unsichtbaren die Container an Bord ihrer Schiffe holten. Sofern sie deren Lage nicht veränderten, bestand kaum eine Gefahr, daß unsere Maßnahmen entdeckt würden. Kurz vor dem Mittag hatten wir es endlich geschafft. Mein erster Weg führte unter die Dusche. Bis zu den Ellenbogen hinauf hatte die Haut sich blasenwerfend gerötet. Selbst das kalte Wasser brannte wie Feuer. Einzig die Thater unter den Crynn‐Brigadisten schienen davon nur gering betroffen zu sein. Wie hatte Atlan zu mir gesagt? Die Thater ähnelten den Halutern in der heimatlichen Milchstraße, waren nur nicht ganz so stark und unangreifbar. Was mußten diese Haluter für eine mächtige Rasse sein. Während ich das meinen Körper umspülende Naß allmählich als kühler empfand, gab ich mich der Vision hin, eine Flotte von
Halutern unter Führung der Arkoniden würde in Alkordoom eindringen und endlich für Ordnung sorgen. Die lebenden Kampfmaschinen würden die Wachtruppen der Facetten und des Erleuchteten regelrecht überrennen. Buster McMooshel schreckte mich aus meinen Überlegungen auf. »Du solltest deine Arme mit Wundspray behandeln«, sagte er. »Ein besseres Mittel gegen den Juckreiz kenne ich nicht.« »Vielleicht fliegen wir mit in die Luft, sobald die Container detonieren«, bemerkte Volkert. Buster lachte schallend wie über einen gelungenen Witz. »Du brauchst keine Angst zu haben, Junge«, sagte er dann. »Die Rötung wird nicht durch Reste des Sprengstoffs hervorgerufen, sondern lediglich durch einen ungefährlichen Ionenaustausch.« Wir duschten ausgiebig und ließen uns anschließend mit Wundspray behandeln. Inzwischen waren die Integrale damit beschäftigt, eine Vielzahl unterschiedlicher Überwachungseinrichtungen im Lagerraum anzubringen. Alles sollte so unauffällig wie möglich sein. Ich verzichtete auf das ausführliche Mittagsmahl, das Flora Almuth aus natürlichen Erzeugnissen des Planeten hatte zubereiten lassen, sondern begnügte mich statt dessen mit mehreren vitamin‐ und nährstoffreichen Konzentratpillen. Eine abschließende Inspektion des Lagers fiel zu meiner vollen Zufriedenheit aus. Die einzige Mikrokamera, die ich entdeckte, war absichtlich so angebracht worden. Ob die Roboter damit rechneten, überwacht zu werden? Im Schutz ihrer Unsichtbarkeit mußten sie sich derart überlegen fühlen, daß sie wohl nicht in Erwägung zogen, Zulgea von Mesanthor könnte es ein zweitesmal wagen, sie anzugreifen. 4.
Abwechselnd blickte ich auf die Bildschirme, die das Lager in unverändertem Zustand zeigten, und auf Mycara, die vor mir auf einem kleinen, runden Antigravtisch kauerte und einen Berg zarter Wurzeln in sich hineinschlang. Anders konnte ich angesichts ihres Heißhungers kaum sagen. Sie entwickelte eine unglaubliche Geschicklichkeit, die ineinander verflochtenen Wurzeln nur mit Hilfe ihrer Zähne zu trennen und auszusortieren. Der kleiner Körper zuckte hektisch hin und her. »Maarl und Garmt wären mir lieber«, quietschte sie kauend. »Aber ich will nicht undankbar sein. Immerhin bin ich bei dir, Arien.« Mein Sohn stieß einen anerkennenden Pfiff aus, und ich glaube, ich lief zum erstenmal in meinem Leben rot an. »Du hältst mich wirklich für ein sympathisches kleines Biest?« Jetzt war ich mir endgültig sicher, daß Mycara telepathische Fähigkeiten entwickelte. Allerdings war es nicht eben die feine Art, meine geheimsten Gedanken hinauszuposaunen. Mit einer blitzschnellen Bewegung krümmte sie sich zusammen, schnellte sich auf meinen Arm und zog sich in meinem Nacken hoch. »Ich kann noch mehr«, raunte sie mir ins Ohr. »Du wirst dich wundern. Ich glaube, daß mein Psi‐Potential – so nennt man es doch? – ständig zunimmt.« Wieso ausgerechnet jetzt und nicht schon früher? fragte ich lautlos. Ich hätte versuchen können, meine Gedanken abzuschirmen, immerhin war ich auf natürliche Weise mentalstabil. Aber andererseits hatte ich keine Geheimnisse vor der kleinen Birzerin. »Vielleicht bewirkt mein Heimweh das Anwachsen meiner Kräfte«, wisperte Mycara. »Meine Welt ist im Augenblick unerreichbar fern. Oder …«, sie zögerte, »daß ich mich zu dir hingezogen fühle.« Ich kannte zumindest noch eine dritte Möglichkeit. Mycara war blind. Jedes Lebewesen, das einen seiner Sinne verlor, entwickelte zum Ausgleich eine besondere Schärfung anderer Wahrnehmungen.
In der Geschichte der Menschen und bei uns Celestern gab es dafür genügend Beispiele. Weshalb sollte die Birzerin nach dem Verlust ihres Augenlichts nicht im ohnehin vorhanden gewesenen parapsychischen Bereich außergewöhnliche Fähigkeiten entwickeln? »Sie kommen!« rief Mycara unvermittelt. Ich benötigte einige Sekunden, um zu begreifen, daß sie die Unsichtbaren meinte. Auf den Überwachungsschirmen blieb alles ruhig. Wegen der damit verbundenen stärkeren Ortungsgefahr hatten wir darauf verzichtet, Masse‐, Energie‐ oder Bewegungssensoren einzubauen. Unvermittelt flammte ein Energiestrahl scheinbar aus dem Nichts heraus auf und schien auf uns zuzurasen. Ein Bildschirm erlosch. Er gehörte zu jener Optik, die wir absichtlich unverdeckt angebracht hatten. »Wenn ich sie nur sehen könnte«, schimpfte Buster. Einer der Psi‐Container löste sich vom Boden und schwebte schwerelos zur Stirnseite des Lagers. Ich war überzeugt davon, daß die unsichtbaren Roboter den Behälter hochgehoben hatten. Ohne daß irgendeine optische Wahrnehmung möglich gewesen wäre, verschwand der Behälter höchstens zwei Meter vor der Wand spurlos. Die weiteren Container folgten. Keine fünf Minuten später war der Lagerraum leer. Und wir hatten nicht den geringsten Hinweis darauf erhalten, wie die Roboter vorgingen. »Das warʹs dann wohl«, stellte Volkert betreten fest. »Das einzig Gute ist, sie scheinen nichts bemerkt zu haben.« »In frühestens vierzehn Stunden werden sie ihr blaues Wunder erleben«, bemerkte Buster McMooshel nach einem flüchtigen Blick auf sein Armbandchronometer. Ich aktivierte das Bildsprechgerät, das ich seit kurzem bei mir trug, und das auf eine Privatfrequenz von Flora Almuth eingestellt war. Fast augenblicklich erschien ihr Abbild auf dem winzigen 3‐D‐
Monitor. »Die Container wurden abgeholt«, sagte ich. »Es gab nicht den geringsten Zwischenfall.« Die Facette nickte anerkennend. »Hoffentlich bleibt es dabei, Arien.« »Ich bin überzeugt.« »Dein Wort in Gottes Ohr.« Sie unterbrach die Verbindung von sich aus. »Gehen wir«, schlug Buster vor. »Es kann nichts schaden, wenn wir uns im Lager genauestens umsehen.« Einige Korridore, ein Antigravschacht, dann hatten wir unser Ziel erreicht. Mycara sang leise vor sich hin – eine wunderschöne, einschmeichelnde Melodie. Eng schmiegte sie sich an meinen Hals, daß ich das Schlagen ihres kleinen Herzens deutlich fühlte. Ein eigenartiger Geruch wehte uns entgegen, als das Schott aufglitt. Wenn ich mich nicht täuschte, hatten sich hochgespannte Energien in dem Raum ausgetobt. Die Luftumwälzung arbeitete auf Hochtouren. Der Wärmetaster, den unser Medizinmann einsetzte, brachte keine überwältigenden Ergebnisse. Was immer die Roboter unsichtbar machte, unterband zugleich jede Strahlung. Einigermaßen brauchbare Prints waren lediglich von den Psi‐Containern vorhanden, aber diese Spuren endeten abrupt. »Hexen können sie nicht«, schimpfte Buster. »Sie müssen sich simpler Technik bedient haben.« »So simpel auch wieder nicht«, wehrte Volkert ab. »Was ist deiner Meinung nach geschehen?« ereiferte Buster sich. »Die Behälter wurden mit Hilfe eines Transmitters entfernt«, sagte Volkert. »Vermutlich haben die Roboter ein tragbares Gerät mitgebracht.« Buster McMooshel wiegte abschätzend den Kopf. »Das würde bedeuten, daß die Unsichtbaren von Bord ihrer Schiffe aus durch einen einpoligen Transmitter nach Crynn gelangt sind. Obwohl ich
eine solche Möglichkeit von Anfang an in Erwägung gezogen habe, erscheint sie mir unwahrscheinlich. Inzwischen bin ich mehr zu der Überzeugung gelangt, daß hier irgendwo ein fest installierter Transmitter steht, den die Roboter in aller Seelenruhe benutzen können.« »Flora hätte ihn längst entdeckt.« »Wenn er ebenfalls unsichtbar ist?« »Unsinn«, wehrte ich ab. »Irgendjemand stolpert eines Tags darüber. Das läßt sich nicht vermeiden.« In keiner Weise ging Buster auf meinen Vorwurf ein. Er lächelte wissend. Zumindest war es das Lächeln eines Mannes, der überzeugt davon ist, die richtige Spur gefunden zu haben. »Ich gehe sogar noch weiter«, sagte er. »Ich behaupte, daß der Transmitter in diesem Raum steht.« Jetzt wußte ich, worauf er hinauswollte. Einige rasche Schritte brachten mich ziemlich genau an den Platz, an dem sämtliche Container verschwunden waren. Nichts geschah. »Wo ist das Gerät?« wollte ich wissen. »Es dürfte mehr Volumen einnehmen als nur einen oder zwei Kubikmeter.« »Ich habe nicht behauptet, daß der Transmitter da gestanden hat, wo du dich befindest«, erwiderte Buster. »Es genügt, wenn das Abstrahlfeld dort wirksam wurde.« »Was einen engen räumlichen Zusammenhang voraussetzt.« »Der vorhanden ist, wenn alle erforderlichen Bauteile in die Wand integriert sind. Ich bin gerne bereit, den Beweis dafür anzutreten.« Warum nicht, dachte ich. Neue Erkenntnisse hatten nie geschadet. Ich rief Flora Almuth an und bat, uns Helfer mit den erforderlichen Geräten zu schicken. »Seid vorsichtig«, warnte sie. »Die Diskusschiffe stehen nach wie vor im Orbit über Crynn. Ich weiß nicht, was sie vorhaben, kann mich aber eines unguten Gefühls nicht erwehren.« Buster McMooshel und mein Sohn Volkert hatten mitgehört.
»Hoffentlich kommen die Roboter nicht zurück«, erschrak der Medizinmann. »Warte bitte einen Moment«, rief ich Flora zu und schaltete die Tonaufnahme ab. »Hältst du es für möglich, daß wir über den Transmitter an Bord der Schiffe gelangen können?« fragte ich Buster. »Was hast du vor?« antwortete er mit einer Gegenfrage. »Ja oder nein?« drängte ich. »Natürlich. Es dürfte jederzeit …« Ich hörte schon nicht mehr hin, sondern wandte mich erneut an die Facette: »Was liegt hinter dem Lagerraum?« Sie kannte sich in ihrem eigenen Domizil offenbar noch nicht so gut aus, daß sie auf Anhieb hätte antworten können. »Der Freizeit‐ und Erholungspark«, sagte sie endlich. Ich konnte mir ein zufriedenes Lachen nicht verkneifen. »Das dürfte die Roboter kaum interessieren. Wenn wir von dieser Seite her anfangen, die Wand abzubauen, gehen wir wohl kein Risiko ein.« »Sobald die zwölf Schiffe den Orbit verlassen, informiere ich euch«, versprach Flora. »Danke.« Diesmal schaltete ich ab, um möglichen Fragen vorzubeugen. Schließlich trug ich mich mit einem bestimmten Gedanken und hielt es für das beste, die Facette vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ich war mir sicher, daß sie zum augenblicklichen Zeitpunkt ihre Zustimmung verweigert hätte. Buster bedachte mich mit einem eigenartigen Bück. Er ahnte ebenso wie Volkert, dem die Vorfreude auf ein neues handfestes Abenteuer ins Gesicht geschrieben stand, was ich vorhatte. *
Wir waren die einzigen im Erholungspark, der nach dem Vorbild unverfälschter crynnʹscher Natur gestaltet worden war. Über uns hing eine gelbweiße Kunstsonne am blauen Firmament. Der Blick ging scheinbar in endlose Weiten – ein raffinierter technischer Trick, der die räumliche Begrenztheit des Pyramidons rasch vergessen ließ. Es gab Wälder, Wiesen und sogar einen kleinen See, der zum Baden einlud. Die Wand zum Lagerraum hatten wir auf höchstens fünfzig Zentimeter Dicke geschätzt. Verblüfft mußten wir feststellen, daß sie hinter künstlichen Hügeln verborgen lag. Das Integral Zopp, das zusammen mit den benötigten Geräten und vier Crynn‐Brigadisten schon wenige Minuten nach uns eintraf, erklärte, daß sich im Innern der Hügel sämtliche Vorrichtungen befanden, die zum Erhalt der Kunstlandschaft und ihrer Pflanzen dienten. Kimnon war einer der Brigadisten. Wir kannten den Thater, einen erfahrenen Raumfahrer, von unserer Mission auf Birzt. Zusammen mit Houlart und dem leider ums Leben gekommenen Bolletz war er die ursprünglich treibende Kraft gewesen. Daß er auch Transmitterkenntnisse besaß, hatte ich nicht gewußt. Unterstützt wurde er von Hink, einem knapp einen Meter großen, affenartigen Wesen mit schneeweißem, dichtem Pelz. Allein die Tatsache, daß dieses Wesen zu den Brigadisten gehörte, bewies seine Intelligenz und besonderen Fähigkeiten. Von Atlan wußte ich, daß in der Vergangenheit auf der Erde oft der Fehler gemacht worden war, Menschen nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Wir Celester waren toleranter. »Das ganze Gerumpel muß weg?« Kimnon deutete auf die bis zu acht Meter hohen Felshügel. »Was hast du eigentlich vor, Arien? Die Facette erwähnte etwas von einem Transmitter der Unsichtbaren. Sollen wir ihnen die Psi‐Container wieder abjagen?« Unwillkürlich mußte ich lachen. Kimnon wäre zweifellos sofort bereit gewesen, einen solchen Vorschlag in die Tat umzusetzen. »Vorerst«, sagte ich ausweichend, »genügt es, unsere Vermutung
bestätigt zu sehen.« Stein für Stein wurde der erste Hügel abgetragen. Es war eine Wonne, zuzusehen, wie die Thater die zentnerschweren Brocken ohne Antigravvorrichtung handhabten. Sicher gab es Revisionsöffnungen, durch die wir hätten eindringen können, doch war unsere einhellige Meinung, daß wir weder bei der Wasseraufbereitung noch bei der Anlage für die Durchlüftung des Erdreichs fündig geworden wären. Die unbekannten Konstrukteure hatten wohl dafür gesorgt, daß Energieerzeugung und Strukturwandler des Transmitters unzugänglich blieben. Schon nach einer halben Stunde glich die geräumige Halle eher einer Großbaustelle als einem Erholungsgebiet. Ähnlich hatte es bis vor wenigen Jahren auf New Marion ausgesehen, als Maschinen sich immer weiter in unberührte Natur hineingefressen und diese systematisch zerstört hatten. Und das alles für Rohstoffe und Mineralien, die sich mit ein wenig mehr Aufwand und gutem Willen auch anders hätten gewinnen lassen. Das komplizierte tragende Gerüst wurde sichtbar. Wir mußten atomare Schneidbrenner einsetzen, um die molekülverdichteten Stahlträger zu lösen. Dann kam ein Gewirr von Rohren und Leitungen, anfangs meterdick, sich jedoch tiefer in die Halle hinein vielfach verzweigend wie das Adernsystem eines Lebewesens. Was wir fanden, ließ sich leicht mit einem Wort umschreiben: Nichts. Sollten wir uns getäuscht haben? Mit einer Vielzahl von Meßgeräten rannte Buster umher, war mal hier, mal dort, und schüttelte immer heftiger den Kopf. »Transmitterdurchgänge in der beobachteten Anzahl, obwohl sie nur bis in den Orbit führten, benötigen eine beachtliche Menge an Energie«, sagte er. »Die Konverter müssen sich anmessen lassen.« Wie die Maulwürfe wühlten wir uns weiter – bis, völlig unerwartet, der Anruf von Flora Almuth kam. Sie klang äußerst
erregt. * Groß und drohend hingen die zwölf Diskusraumschiffe mit den hakenförmigen Auslegern über Crynn. Selbst jetzt, da sie hatten, weshalb sie gekommen waren, trafen ihre Besatzungen keine Anstalten, den Orbit zu verlassen. Ständig waren die Ortungen des Pyramidons auf die Raumer gerichtet, die wie Geisterschiffe den Planeten umkreisten. Sie registrierten, zeichneten auf und waren bereit, jede Veränderung zu melden. Doch es gab keine Veränderung. Flora Almuth hatte den Ruheraum aufgesucht. Zumindest versuchte sie, sich zu entspannen, während sie zwischen den Antigravbändern einer ihrer Körperform angepaßten Liege hing. Leise sphärische Klänge unterstrichen das Gefühl, schwerelos dahinzuschweben. Aber Flora schaffte es nicht, sich vollends gehenzulassen. Auf einem Monitor, unmittelbar über ihr, waren Ausschnittvergrößerungen der fremden Schiffe zu erkennen. Bewußt hatte sie darauf verzichtet, die Übertragung abzuschalten. Plötzlich war da eine künstlich erzeugte Stimme. »Du hast mehr Container geliefert als erforderlich«, erklang es grollend. »Wir nehmen sie als Ausgleich für die entstandene Verzögerung.« Der Sprecher mußte unmittelbar vor Flora stehen, dennoch konnte sie ihn nicht ausmachen. »Der Erleuchtete wird mit mir zufrieden sein.« Sie tippte auf den Schalter, der die Antigravbänder erlöschen ließ, und richtete sich auf. Es war fast wie beim erstenmal, als die Unsichtbaren bei ihr erschienen waren. Flora bedauerte es, keine Helfer zur Seite zu haben. »Zufrieden?« echote es durch den Raum. »Du mißverstehst die
Gnade des Erleuchteten.« »Wir setzen nur einmal eine Frist«, kam es aus der Richtung des Eingangs. »Deshalb sind wir gekommen, um dich zu warnen. Halte in Zukunft die geforderten Psi‐Potentiale bereit, oder wir werden deine Welt verändern.« »Was wollt ihr tun?« fragte Flora, bemüht, die Erregung in ihrer Stimme zu verbergen. »Crynn war vor Urzeiten, bevor er sich verdichtete, ein glühender Gasball. Das kann sehr schnell wieder geschehen.« Eine Weile saß Flora Almuth noch da, unfähig, etwas zu unternehmen. Die Roboter schienen so spurlos verschwunden zu sein, wie sie erschienen waren. Flora verspürte Angst, obwohl die Unsichtbaren von den Sprengsätzen an den Containern offensichtlich nichts bemerkt hatten und ihnen allem Anschein nach auch egal war, woher die Psi‐Potentiale stammten. Erst als die Schiffe im Orbit zu beschleunigen begannen, stellte sie eine Verbindung zu Arien Richardson her. * »Du mußt dein Vorhaben aufgeben, Arien!« Im ersten Moment glaubte ich, nicht richtig gehört zu haben. »Weshalb?« fragte ich. »Was ist geschehen?« Flora berichtete hastig vom neuerlichen Besuch der Unsichtbaren. Buster, Volkert und ich blickten uns gegenseitig an. »Das ist unmöglich«, stellte Kimnon fest. »Wenn sie wirklich durch einen hier installierten Transmitter gekommen wären, hätten wir es bemerken müssen.« »Bitte, Arien«, wiederholte die Facette. »Ich flehe dich an, unternimm nichts gegen die Helfer des Juwels.« »Es ist zu spät«, sagte ich. »Die Container sind verladen.« »Du mußt die Zündung des Sprengstoffs verhindern!«
Ich schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Die Ladungen detonieren zu einem bestimmten Zeitpunkt von selbst, ohne daß wir den geringsten Einfluß darauf hätten. Wir können sie höchstens früher zur Explosion bringen.« »Das darf nicht wahr sein«, stöhnte Flora auf. »Ich dachte …« »Es ist aber wahr«, unterbrach ich. »Tut mir leid.« Sie schluckte krampfhaft. »Du kannst eins tun«, fügte ich hinzu. »Hoffen, daß wir Erfolg haben.« »Ich verwette meinen Kopf«, rief Buster McMooshel. »Da ist ein Transmitter – ich weiß es genau.« »Was soll ich mit deiner Glatze?« wehrte ich ab. Er musterte mich durchdringend. »Falls das ein Witz sein sollte, war es ein ziemlich schlechter.« »Ich weiß«, pflichtete ich bei. »Du wartest schon lange darauf, daß dir goldene Haare wachsen.« Jovial winkte er ab. »Kimnon hat mich mit seiner Bemerkung darauf gebracht: was würdet ihr sagen, wenn der Transmitter der Unsichtbaren keine eigene Energieversorgung besitzt?« »Irgendwoher muß er den Saft beziehen«, meinte Volkert, »Richtig. Das tut er aus dem Netz dieser Station, die früher vielleicht einmal ein flugfähiges Raumschiff gewesen ist.« Kimnon vollführte eine Geste, die seine Skepsis deutlich ausdrückte. »Ein solcher Energieverbrauch wäre den Integralen oder der Facette längst aufgefallen.« »Nicht in jedem Fall«, wehrte Buster ab. »Ein als Puffer wirkendes Speichersystem, das im Lauf der Monate mit minimaler Leistung aufgeladen wird, hilft jede Messung zu umgehen. Vergiß nicht, daß der Transmitter nur hin und wieder in Funktion tritt.« Keine halbe Stunde später wurden wir tatsächlich fündig, da wir uns nur noch auf die Energieversorgung konzentrierten. Ohne zu wissen, wonach wir suchen sollten, wäre uns der zusätzliche Schaltkreis kaum aufgefallen, so aber folgten wir seinem Verlauf bis
zum Ende und stießen auf kompakte Aggregatblöcke in Mikrobauweise, die zweifellos zum gesuchten Transmitter gehörten. Von da an war es nicht mehr schwer, die komplette Schaltanlage aufzuspüren. Der Transmitter war für einen wechselseitigen Durchgang programmiert. Hin in Betrieb zu nehmen, würde keineswegs schwerfallen. Zusammen mit dem Thater Kimnon stellte Buster eine Vielzahl von Berechnungen an. Übereinstimmend kamen beide zu dem Schluß, daß die Reichweite des Geräts auf vier oder fünf Lichtjahre beschränkt war. »Wir müssen einen Stoßtrupp aus kampferprobten Brigadisten zusammenstellen«, sagte ich. »Solange die Diskusschiffe sich noch innerhalb unserer Reichweite befinden.« Kimnon lachte mich an. »Das übernehme ich«, erklärte er. »Demnach müssen wir unsere Sprengladungen unter Umständen vorzeitig zünden«, bemerkte Buster. »Sobald die Schiffe Anstalten treffen, in den Linearraum zu gehen«, stimmte ich zu. »Wir greifen dann nur die unzerstörten Einheiten an. Es wäre ein nicht abzuschätzender Erfolg, gelänge es, einige von ihnen zu erobern.« Die Brigadisten verließen die Halle im Laufschritt. Kimnon wollte eine schlagkräftige Truppe zusammenstellen und im Lager versammeln, in dem das Entstofflichungsfeld wirksam werden würde. »Natürlich ist dein Sohn mit von der Partie«, erklärte Volkert. »Wo sind die Schiffe jetzt?« Ich zog das Sprechgerät aus der Tasche, um Flora Almuth anzurufen. Aber Mycara kam mir zuvor. »Sie entfernen sich langsam von Crynn in Richtung auf den nächsten Planeten«, rief die Birzerin mit ihrer hohen, pfeifenden Stimme. Für einen Augenblick vergaß ich mein Vorhaben. »Woher willst du das wissen?«
»Mycara erkennt vieles«, lautete die nichtssagende Antwort. Sie hockte jetzt auf meiner rechten Schulter und rieb ihren Kopf an meinem Ohr. Die Versuchung war groß, von Flora eine Bestätigung einzuholen. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß die Birzerin in der Lage sein sollte, eine hochkomplizierte Hyperortung zu ersetzen. Wären Lebewesen an Bord der Schiffe gewesen, hätte sie vielleicht über die Distanz von nur wenigen Lichtminuten hinweg deren Gedanken erfaßt. Aber bei Robotern war das schlicht unmöglich. Dafür las Mycara wieder in meinen Überlegungen wie in einem offenen Buch. »Ich spüre die Schiffe«, sagte sie. »Wie ich auch vieles andere spüre und weiß, wie es aussieht oder was geschieht, ohne daß ich auf meine Augen angewiesen bin.« Die Erklärung erschien mir noch immer zu dürftig – sie warf mehr Fragen auf, als sie letztlich beantwortete. Ich zweifelte nicht daran, daß Mycara parapsychisch begabt war, aber konnte sie wirklich mit ihren Sinnen bis in den Weltraum vorstoßen? Womöglich vermengte sie ihre Wahrnehmungen mit einer gehörigen Portion Phantasie. Immerhin mußte die für sie fremde Umgebung Eindrücke hervorrufen, die nur schwer zu verarbeiten waren. Mycara kicherte leise. »Welchen Beweis willst du, Arien? Die Schiffe nähern sich dem nächsten Planeten. Diese Welt besitzt drei Monde, kahle Felsbrocken ohne jedes Leben.« Zumindest die letzte Aussage war richtig. Allerdings konnte Mycara die Daten meiner Erinnerung entnommen haben. »Gleich wird die Facette dich anrufen. Sie ist wütend, weil sie bemerkt hat, daß die Brigadisten sich für eine Auseinandersetzung vorbereiten.« Ein durchdringender Summton ging von dem Sprechgerät aus, das ich nach wie vor in der Hand hielt. Flora Almuth war die Anruferin. »Was ist eigentlich los?« platzte sie heraus, noch bevor das Bild
sich stabilisierte. »Über die Crynn‐Brigadisten befehle allein ich. Wenn du etwas zu sagen hast, Arien, sage es mir, aber gebe nicht hinter meinem Rücken Losungen aus, die ich nicht gutheißen kann.« »Die Zeit ist zu knapp«, versuchte ich eine Rechtfertigung. »Ich hätte dich später verständigt, Facette.« »Wenn ich nichts mehr ändern kann?« Sie steigerte sich in eine Erregung hinein, die mir an ihr fremd war. »Wir wollen versuchen, eines der Schiffe zu erobern.« Flora schnappte nach Luft. »Du überforderst meine Gutmütigkeit. Erwartest du tatsächlich, daß ich einem solchen Selbstmordkommando zustimme?« »Dir bleibt keine andere Wahl.« »Das werden wir sehen.« Irgend jemand außerhalb des Erfassungsbereichs beanspruchte plötzlich Flora Almuths Aufmerksamkeit. Ich vernahm einen überraschten Ausruf, dann vorübergehend nichts mehr. »Soeben wurden die drei Monde des Nachbarplaneten zerstört«, ließ Mycara mich wissen. Eine Machtdemonstration der Unsichtbaren. Ich hatte mit einem ähnlichen Vorfall gerechnet. Als die Facette sich Sekunden später wieder mir zuwandte, wirkte sie selbst auf dem winzigen Monitor um Jahre gealtert. »Ich weiß, was geschehen ist«, schnitt ich ihr von vornherein das Wort ab. »Vergiß nicht, daß die drei Monde nur der Anfang gewesen sein könnten. Wir müssen die Schiffe vernichten oder in unsere Gewalt bringen.« Endlich schien sie zu begreifen. Ihr zustimmendes Nicken kam trotzdem nur zögernd. »Die Diskusse beschleunigen«, sagte sie. »In spätestens zwei bis drei Minuten werden sie im Linearraum verschwunden sein.« Und damit aus unserer Reichweite, fügte ich in Gedanken hinzu. Wir waren gezwungen, den vorzeitigen Zündimpuls zu geben. Buster öffnete bereits seine Unterarmprothese und entnahm ihr
den Sender, dessen Impuls von der Funk‐ Station des Pyramidons verstärkt und abgestrahlt werden würde. Einen kurzen Moment zögerte er, bevor er entschlossen den einzigen Schalter in seine Fassung drückte. 5. »Sie sind explodiert«, stellte Mycara fest. »Acht Schiffe wurden vollständig vernichtet.« »Dann los«, nickte Volkert. »Kommst du, Dad?« Während ich zur Funkstation eilte, begab er sich in den Lagerraum. Alles lief ab, als hätten wir es von langer Hand vorbereitet und nicht erst während der letzten zwanzig Minuten improvisiert. Es gab weder Hektik noch Zwischenfälle. Hundertzwanzig Crynn‐Brigadisten, überwiegend Thater, standen in raumtauglichen Kampfanzügen bereit. In Gruppen zu je dreißig Mann würden sie abgestrahlt werden. Die Kontrollen des Transmitters waren leicht verständlich, da ohnehin ausschließlich auf die Empfangsstationen auf den Diskusschiffen justiert. Buster McMooshel hatte begonnen, diese der Reihe nach anzuwählen. Um unseren eingeschleusten Truppen Rückendeckung zu geben und vor allem die Roboter abzulenken, starteten die zwanzig Wespen, die schon über Birzt im Einsatz gewesen waren. Zudem rief ich die celestische Wachflotte, die im Ortungsschatten einer nahen Sonne stand. Mein Sohn Spooner meldete sich: »Wir haben ein nettes Feuerwerk im Kahrmacrynn‐System angemessen. Was ist los bei euch?« Ich erklärte es ihm möglichst knapp, doch so umfassend wie möglich. »Wir sind spätestens in fünfzehn Minuten an Ort und Stelle«, rief er. »Diese verdammten Roboter sollen uns nicht so schnell
vergessen.« »Denk daran, daß unsere eigenen Leute an Bord der Diskusse sind«, erinnerte ich. »Auch dein Bruder und dein Vater.« Die Verbindung war kaum abgebrochen, rannte ich bereits wieder zum Lager zurück. Das Laufband im Korridor erschien mir zu langsam – ich hastete mit weitausgreifenden Schritten darüber hinweg. Ich sah gerade noch Volkert und mehrere Brigadisten als letzte im Transmitter verschwinden und warf mich hinter ihnen her in das unsichtbar bleibende Entstofflichungsfeld. In der Eile hatte ich versäumt, mir eine vollständige Kampfausrüstung anzulegen – aber das war nur ein Gedanke am Rand, während der kurze, ziehende Schmerz der Entstofflichung meinen Körper durchpulste. * Birzgeist fühlte sich zunehmend stärker. Er war inzwischen bereit, sich mit jedem Gegner zu messen. Er wollte Rache für alles, was man seinem Volk und ihm angetan hatte, selbst wenn er dabei seine eigene Existenz gefährdete. Aber keiner der Fremden, die sich längere Zeit in seiner Nähe aufgehalten hatten, kehrte zurück. Es hilft ihnen nichts, sich zu verbergen, dachte Birzgeist. Bald werde ich sie beeinflussen können, egal wie weit sie entfernt sind. Er spürte die Anwesenheit einiger hundert Gegner. Sie gehörten mehreren Völkern an, die zum Teil grundverschiedene Bedürfnisse besaßen. Doch alle atmeten dieselbe Luft. Etwas tastete nach ihm. Im ersten Erschrecken wollte Birzgeist sich abkapseln, dann nahm er wahr, daß es ihm ähnelte. Es wuchs in seiner unmittelbaren Nähe. Die Psi‐Potentiale anderer Birzer, die ebenfalls gelernt hatten, sich zusammenzuschließen? Wer bist du? fragte Birzgeist auf seine lautlose Art. Früher, entsann
er sich, hatte er sich anders verständigen können – mit mechanisch hervorgebrachten Lauten, wie es die Fremden ebenfalls taten. Das, was ihm glich, zog sich vorübergehend zurück. Birzgeist ließ es gewähren. Aber schon wenig später kam der andere wieder. Wer bist du? wiederholte Birzgeist. Ich nenne mich Orkan, erhielt er zur Antwort. Wir sollten uns im Kampf gegen die Unterdrücker verbünden. Nenne dich Birzorkan, damit du unsere Herkunft nie vergißt. Der Behälter, in dem Birzgeist sich befand, wurde von unsichtbaren Händen angehoben und transportiert. Vorübergehend erloschen seine Wahrnehmungen und er fürchtete schon, sein Geist solle auch aus dem neuen, noch klumpenförmigen Körper vertrieben werden. Dann stellte er fest, daß lediglich seine Umgebung sich verändert hatte. Die Ausstrahlungen der Gegner waren nicht mehr zu erfassen. Was ist geschehen? erklang Birzorkans lautlose Stimme. Fast alle Materie ist verschwunden. Unmittelbar neben uns beginnt eine Zone, die ich nur schwer deuten kann. Das war ein dritter ihrer Art. Wer bist du? fragte Birzgeist überrascht. Wer ich früher war, ist mir entfallen. Jetzt bin ich Birzglut. Woher weißt du, daß nahezu alle Materie verschwunden ist? Ich kann sie fühlen, wie ich in der Lage bin, im Umkreis von sechs Längen der Behälter, in denen wir gefangen sind, jede Materie extrem zu erhitzen, vielleicht sogar zu verdampfen. Du bist dir nicht sicher? forschte Birzgeist. Ich hatte keine Möglichkeit, meine Fähigkeiten zu erproben, erwiderte Birzglut. Die wirst du bald bekommen. Wenn deine Schilderung zutrifft, befinden wir uns in einem Raumschiff der Fremden. Du kennst die feuerspuckenden Häuser, die hin und wieder auf unserer Welt niedergingen? Das ist richtig, stimmte Birzorkan zu. Wir sind von einem Bündel von Gravitationsfeldern umgeben, aber weiter entfernt werden sie so schwach,
daß ich sie kaum wahrnehme. Er unterbrach sich und fügte nach einer Weile hinzu: Am unteren Rand der Behälter sind die Schwerkraftlinien unterbrochen. Irgendeine Masse, die sich anders verhält, wurde nachträglich angebracht. Eine gefährliche Masse, pflichtete Birzglut bei. Ich stelle fest, daß sie ziemlich bald ungeheure Temperaturen entwickeln wird, deren Freisetzung uns töten kann. Dann müssen wir unser Gefängnis verlassen, rief Birzgeist. Zerstörungskraft und Hitze werden groß genug sein, das Raumschiff zu vernichten. Wozu besitzt ihr eure Fähigkeiten? brauste Birzgeist auf. Setzt sie ein! Sollen wir die Masse entfernen? fragte Birzorkan. Birzgeist schickte ihm einen schroff ablehnenden Impuls. Öffnet die Behälter! Birzglut soll ihre Hülle aber nur so stark erhitzen, daß das Plasma verschont bleibt. Du wirst die Materie anschließend aufbrechen. Sie benötigten einige Zeit, in der sie lernten, mit ihren Fähigkeiten umzugehen. Der erste Behälter, der aufplatzte, war der von Birzgeist. Zähflüssig quoll das Bioplasma daraus hervor, verteilte sich über den Boden und begann nach einer Weile, sich zuckend zusammenzuballen. Ein Gebilde entstand, das sich stetig veränderte. Zuerst erinnerte es an eine plumpe, dreischwänzige Schlange, gleich darauf wuchsen seitlich eine Vielzahl undefinierbarer Gliedmaßen, auf denen Birzgeist sich immerhin schon mit einiger Geschicklichkeit bewegte. Birzorkan und Birzglut hatten anfangs mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen. Umgib alle Behälter mit einem Schwerefeld, wandte Birzgeist sich an Orkan. Es darf nichts von der Explosion nach außen dringen. Schnell stellte sich heraus, daß Birzorkan allein zu schwach war. Alle drei mußten ihre Kräfte vereinen, um ein wirklich sicheres Gravitationsfeld zu erzeugen. Sie hatten es kaum geschafft, als Birzgeist feststellte, daß sich jemand näherte. Rasch verformten sie ihre Plasmakörper zu dünnen Fladen, die sich mit wellenförmigen Bewegungen an den glatten Wänden emporzogen.
Die Fremden, die kamen, waren halb so breit wie hoch und besaßen außer vier kräftigen Armen eine Reihe weiterer Gliedmaßen. Zielsicher schritten sie auf die Behälter zu, blieben unmittelbar vor der kreisförmigen Zone stehen, innerhalb der die wesentlich erhöhte Schwerkraft wirksam war. Ihre kantigen Schädel mit den feurig glühenden Augen ruckten herum; Birzgeist hatte das Gefühl, daß sie ihn anstarrten. Gleichzeitig rissen sie ihre Arme hoch. Vernichtet sie! schrie Birzgeist auf. Zwei der Fremden wurden von unwiderstehlichen Kräften in die Knie gezwungen. Ihre Arme brachen aus den Schultern heraus und polterten zu Boden. Aber kein Tropfen Blut floß, nur heißes, stinkendes Öl. Birzgeist kannte diesen Geruch. Nahm er ihn wirklich wahr, oder brach nur ein weiteres Stück der Erinnerung auf? Es sind Maschinen, warnte er. Künstliche Geschöpfe ohne Leben. Durch schnell wechselnde Gravitationsfelder zerlegte Birzorkan den nächsten Roboter in nahezu sämtliche Einzelteile, während Birzglut die beiden letzten über den Schmelzpunkt hinaus erhitzte. Erst zerflossen ihre Schädel, dann sanken ihre Körper in sich zusammen wie Wachs in der Sonne. Der Bodenbelag begann blasenwerfend zu verdampfen. Im nächsten Moment erfüllte eine unbeschreibliche Helligkeit den Raum. Sämtliche Container vergingen in einer gemeinsamen Detonation. Birzgeist erkannte, daß die freigewordenen Energien ausgereicht hätten, das Raumschiff zu zerstören. Für eine verschwindend kurze Zeitspanne war ihm, als höre er Tausende seiner Artgenossen aufschreien. Vielleicht waren es die gefangenen Psi‐Potentiale, die ohne Körper vergingen. Birzorkan benötigte Hilfe. Die anstürmenden Kräfte waren zu gewaltig, als daß er allein die Gravitationsbarriere hätte erhalten können. Die drei Plasmakörper vereinten sich zu einem großen Klumpen. Erst als das Lodern der Explosion schwächer wurde und Birzorkan die
Schwerkraftfelder zusammenfallen ließ, wurde ihnen das Geschehene bewußt. Aus unzähligen feinen Öffnungen in der Decke sprühte ein feiner Nebel herab, der das rasch um sich greifende Feuer erstickte. Das Plasma reagierte mit unkontrollierbaren Zuckungen auf die Flüssigkeit. Birzglut brannte ein Loch in die neben ihm befindliche Wandung, durch die der gemeinsame Körper sich in einem armdicken Strang hindurchzwängte. * Wir materialisierten in einer langgestreckten Halle, bei der es sich offenbar um einen außen liegenden Hangar handelte – die gekrümmte Längswand gestattete keine andere Folgerung. Überrascht und verblüfft zugleich ließ ich meinen Blick über die Verwüstungen schweifen. Keine fünf Meter vor mir begann ein kreisförmiger Fleck, auf dem der Plastbelag des Bodens geschmolzen und in bizarren Mustern wieder erstarrt war. Ungeheure Temperaturen mußten sich hier auf engstem Raum ausgetobt haben. Näher zur Innenwand lagen die ausgeglühten, fast bis zur Unkenntlichkeit zerschmolzenen Wracks zweier Roboter. Dicht daneben drei funktionsunfähige Maschinen, die den Anschein erweckten, als habe man sie mit einem riesigen Vorschlaghammer zertrümmert. Kimnon und seine Brigadisten wühlten bereits in den Trümmern herum. Unvermittelt hob der Thater ein Bruchstück hoch, dessen Form unverkennbar war. Das Teil eines der Psi‐Container. »Sie müssen explodiert sein«, sagte Volkert zögernd. »Verrate mir nur, warum die Wirkung so eng begrenzt ist.« »Ich weiß nicht mehr als du.« Ich zuckte mit den Schultern.
»Immerhin wurden acht Schiffe vollständig zerstört. Wir mußten von Anfang an damit rechnen, daß nicht auf allen Raumern genügend präparierte Container sind.« Kimnon kam auf uns zu, während die Brigadisten mit angeschlagenen Waffen und aktivierten Suchgeräten ausschwärmten. Wir waren ständig gegenwärtig, von Unsichtbaren angegriffen zu werden. »Vielleicht haben die Roboter hier die Sprengladung noch rechtzeitig entdeckt und entschärft«, vermutete der Thater, schien diese Möglichkeit aber selbst nur ungern in Betracht zu ziehen. Sie hatte einen großen Schönheitsfehler. »Und wer oder was hat die Roboter zerstört?« fragte ich. »Wohl kaum Auswirkungen der Explosion.« Hink machte uns auf eine schmale Öffnung in der Innenwand aufmerksam. Sie befand sich an so ungewöhnlicher Stelle und führte auf einen Korridor hinaus, daß ein Sinn nicht zu erkennen war. Zudem waren die Ränder derart unregelmäßig ausgezackt, daß man annehmen mußte, jemand habe zum Spaß mit einem Schneidbrenner herumhantiert. Was ist mit dir, Mycara? dachte ich angestrengt. Kannst du eine Gefahr wahrnehmen? »Gefahr ist überall«, antwortete sie orakelhaft. »Aber Roboter sind nicht in der Nähe.« Wir versuchten uns zu orientieren. Die Zentrale lag vermutlich im Mittelpunkt des Schiffes. »Über uns befinden sich starke Energieerzeuger«, erklärte die Birzerin. »Fünfzig Meter höher, würdest du sagen.« »Dann müssen wir nach unten«, stellte ich fest. Das Schiff machte auf mich einen überaus sterilen Eindruck. Alles wirkte kahl, kalt und unfreundlich, was natürlich kein Wunder war, solange die Besatzung nur aus Robotern bestand. Möglicherweise waren wir die ersten lebenden Wesen, die sich an Bord aufhielten. Dagegen sprach lediglich, daß es eine atembare Atmosphäre gab.
Ein dumpfes Dröhnen erfüllte die Luft. In gleichbleibenden Abständen kehrte es wieder. Selbst der Boden und die Wände begannen zu vibrieren. »Die Wespen schwirren draußen umher«, gab Mycara zu verstehen. »Sie haben einen schweren Stand.« Ich verstand. Die Roboter hatten das Feuer auf die vergleichsweise winzigen Angreifer eröffnet. »Eines der Schiffe von Crynn wurde getroffen und schwer beschädigt. Es dreht ab.« Wie machte sie das? Unter anderen Umständen hätten Mycaras besondere Fähigkeiten mich wohl schaudern lassen. Jetzt blieb mir kaum Zeit, darüber nachzudenken. Die Kleine konnte für uns von entscheidender Bedeutung sein. »Ich habe Angst um unsere Wachflotte«, sagte Volkert. »Wir müssen den Feuerleitstand erobern.« »Wahrscheinlich liegt er ebenfalls in der Schiffsmitte«, vermutete Kimnon. »Wartet!« rief Mycara. »Das ist nicht richtig.« Ich gab den Befehl weiter. »Was soll das?« machte Kimnon verärgert. »Woher will dieses Geschöpf wissen, wie es an Bord aussieht? Du hättest den Pelzwurm auf Crynn lassen sollen.« »Ich bin Ariens Satellit!« protestierte die Birzerin schrill. »Außerdem erfolgt die Steuerung der Geschütze von einem Raum gut zweihundert Meterschräg über uns.« Kimnon blickte sie ungläubig an. »Wenn du ihr glaubst, nimm dir die Hälfte der Brigadisten«, sagte er zu mir. »Ich bleibe dabei, daß die Zentrale wichtiger ist.« »Zwei Roboter kommen!« schrie Mycara. Unvermittelt öffnete sich eine Wand, wo bis eben nicht die Spur eines Schottes zu erkennen war. Die beiden Maschinen, die auf den Gang heraustraten, waren für uns sichtbar und offenbar noch überraschter als wir, obwohl ihre positronischen Gehirne um ein
Vielfaches schneller reagieren sollten. Ehe ihre Waffenarme hochzuckten, eröffneten wir das Feuer. So widerstandsfähig ihre metallenen Körper sein mochten, gegen konzentrierten Punktbeschuß konnten sie nicht bestehen. Zwei heftige Detonationen rissen ihre Rümpfe auf und ließen die technischen Innereien als Wust verschmorter, unbrauchbar gewordener Schaltkreise und Speicherelemente hervorquellen. »Die Roboter waren auf ihre Art verblüfft«, sagte Mycara. »Sie hätten es für unmöglich gehalten, daß jemand wagen könnte, ihr Schiff zu betreten.« »Was kann die Kleine sonst noch?« fragte Kimnon erstaunt. »Gedankenlesen«, erwiderte ich. »Gefahren, Gegenstände und Energiequellen ausfindig machen. Du hast es eben miterlebt. Am ehesten würde ich ihre Fähigkeiten als eine Art Allroundortung bezeichnen.« Der Thater gab seinen Männern einen Wink, daß sie weitergehen sollten. »Es bleibt trotzdem dabei. Wir schlagen uns zur Zentrale durch, während ihr den Waffenleitstand besetzt.« Er sagte es so bestimmt, als stünde von vorneherein fest, daß meine Gruppe Erfolg haben mußte. * Nacheinander erschienen die Schiffe der celestischen Wachflotte im Umkreis von wenigen Lichtsekunden. Spooner Richardson hatte die Situation richtig eingeschätzt und die Kugelraumer in weit gestaffelter Formation durch den Linearraum anfliegen lassen. Jederzeit konnte er die Umschließung enger ziehen und die Fremden am Entkommen hindern. Ein stärker werdendes Energiegewitter durchtobte den Raum. Die meisten Waffenstrahlen waren lichtschnell und für die
Angegriffenen nur über die Hyperortung sichtbar. Ausweichmanöver wurden bei den geringen Restgeschwindigkeiten und den kurzen Distanzen ohnehin unmöglich. Spooner Richardson leitete die Koordination von Bord seines Flaggschiffs aus, der MARY CELESTE II. Jeweils zwei oder drei seiner Einheiten stürzten sich auf einen Diskus, rasten über und unter den riesigen Scheiben hinweg und feuerten dabei aus allen Rohren. Noch standen die Diskusse relativ unbeweglich im Randgebiet des Kahrmacrynn‐Systems, und ihre Abwehr war wohl nur halbherzig. Spooner fürchtete den Moment, in dem die Giganten mit geballter Kraft zurückschlagen würden. Schon jetzt wurden die Schirme seiner Einheiten mitunter erschreckend hohen Belastungen ausgesetzt. »Neue Auswertungen«, hallte es durch die Zentrale. »Zwei der Raumer sind erheblich beschädigt. Den Energieemissionen nach zu
urteilen, haben sie bereits Schwierigkeiten, ihre Schirmfelder ausreichend zu stabilisieren. Aus eigener Kraft werden sie nicht fliehen können.« Spooner schaltete auf Flottenrundspruch und befahl, ausschließlich die beiden anderen Einheiten anzugreifen. »Hat sich mein Vater schon gemeldet?« wandte er sich an den Funker. Der Mann schüttelte lediglich den Kopf. »Hoffentlich ist nichts schiefgelaufen«, befürchtete Spooner. »Wir müssen versuchen, ihre Schutzschirme aufzubrechen.« Der Angriff der Kugelraumer konzentrierte sich mehr und mehr auf die beiden noch voll einsatzfähigen Diskusse. Sie wurden dabei von den schnellen, wendigen Wespen der Facette unterstützt. »Enterkommandos bereitmachen!« befahl Spooner Richardson. »Sobald die ersten Lücken geschaffen sind, dringen wir ein.« * Je weiter wir kamen, desto lauter wurde die uns umgebende Geräuschkulisse. Ich vermutete einen ursächlichen Zusammenhang mit den Angriffen, die unsere Schiffe und die der Facette inzwischen flogen. Mycara bestätigte meine Annahme sofort. Eine heftige Erschütterung ließ mich taumeln. Volkert wurde gegen eine Wand geschleudert, während die Thater den Stoß mühelos hinnahmen. Irgendwo über uns mußte es zu einer schweren Explosion gekommen sein. »Einige Speicheraggregate der Schirmfeldprojektoren sind durchgebrannt«, erklärte Mycara. Als ich sie entgeistert musterte, fügte sie rasch hinzu: »Du würdest es jedenfalls so nennen. Ich habe die Bezeichnungen deinen Gedanken entnommen.« Wenn ich daran dachte, daß sie bis vor kurzem in einer Welt ohne jede Technik gelebt und sich in Erdhöhlen oder unter den
Wurzelstöcken von Bäumen wohl gefühlt hatte, lernte sie sehr schnell. Ihre Intelligenz und ihr Auffassungsvermögen mußten beträchtlich sein. »Danke«, wisperte sie. »Ich bin gerne bei dir, Arien.« Was würde wohl meine Frau sagen, wenn ich mit der Birzerin nach Hause kam? »Oh«, zirpte sie in mein Ohr. »Ich bin nicht eifersüchtig. Ich kann gut verstehen, daß du mit einer deines Volkes …« Ich hörte nicht mehr hin, sondern lief weiter den Gang entlang. Daß der erwartete Alarm ausblieb, bewies mir, daß dieses Schiff wirklich nur für Roboter gebaut worden war. Die Maschinen erhielten alle erforderlichen Instruktionen vermutlich unmittelbar von der Schiffspositronik. Mehrere Abzweigungen ließen wir unbeachtet. »Nicht weitergehen!« schrie Mycara plötzlich. Ich blieb sofort stehen. Die Thater sicherten mit ihren Strahlern und Projektilwaffen nach allen Seiten. »Was ist los?« kam Volkert auf mich zu. »Ich weiß es noch nicht. Mycara hat mich gewarnt.« Leer und verlassen lag der Gang vor uns. Ich konnte beim besten Willen nichts entdecken, was die Warnung gerechtfertigt hätte. »Eine Energiesperre«, sagte Mycara. »Keine fünfzehn Meter vor uns.« Ohne zu überlegen, zog ich mein Feuerzeug aus der Tasche und ließ es über den Boden schlittern. Sekundenlang flammte ein hellgrünes Leuchten auf, dann war beides verschwunden: Leuchten und Feuerzeug. Eine Desintegratorsperre. Es hatte wenig Sinn, mit unseren Waffen auf den Schirm zu feuern, um ihn zu überlasten. Aber vermutlich lagen die Feldprojektoren in der Wand verborgen. Wir zogen uns bis zur letzten Einmündung des Korridors zurück. Ich schoß mit meinem Strahler auf die Wand unmittelbar vor dem Desintegratorschirm. Innerhalb weniger Sekunden begann der Stahl in dicken, zähen Tropfen abzuschmelzen. Auch die Brigadisten
hatten ihre Waffen auf Salventakt geschaltet – eine glutende Hölle jagte den Gang entlang und fraß sich tief in die Wände vor. Eine unangenehm werdende Hitze schlug uns entgegen. Dann traten die schweren Projektilwaffen in Aktion. Wir konnten uns gerade noch im Seitengang zu Boden werfen, bevor die Druckwellen der ausgelösten Explosionen über uns hinwegfegten. »Die Sperre ist beseitigt«, raunte Mycara mir zu. »Weiter!« Ich raffte mich auf und hastete vorwärts. Auf eine Länge von gut zehn Metern glich der Korridor einem Trümmerfeld. Aus ihren Verankerungen herausgerissene, halb zerschmolzene und zu skurrilen Gebilden verbogene Stahlplatten bildeten zusammen mit Trägern und Versorgungsleitungen ein wirres Durcheinander. Von irgendwoher versprühte heißes Wasser in dünnem Strahl und ließ den Boden schlüpfrig werden. Die Thater zwängten sich vor mir durch die Trümmer. Nur Sekunden nachdem Mycara mich auf heranrückende Roboter aufmerksam machte, erschienen die schweren Kampfmaschinen vor uns. Sie verzichteten auf den Schutz der Unsichtbarkeit – für mich ein deutlicher Beweis dafür, daß sie nicht damit gerechnet hatten, an Bord ihrer eigenen Schiffe angegriffen zu werden. Die Maschinen zögerten einen Sekundenbruchteil zu lange. Drei von ihnen wurden schon beim ersten Feuerstoß der Crynn‐Brigadisten von den Explosivgeschossen schwer beschädigt. Als die verbleibenden vier sich zur Wehr setzten, lagen wir bereits in halbwegs sicherer Deckung. Zwei weitere Roboter explodierten. Vorübergehend nahm schwerer dunkler Qualm uns jede Sicht. Wir schossen blindlings weiter, bis die Gegenwehr erlahmte. Sämtliche Kampfmaschinen waren zerstört. Ein Gefühl der Genugtuung ergriff von mir Besitz. Es tat gut zu wissen, daß die Diener des Erleuchteten keineswegs unbesiegbar waren. Mycaras ständigen Hinweisen folgend, erreichten wir den Waffenleitstand ohne weiteren Zwischenfall. Vermutlich hatten die
Diskusse trotz ihrer imponierenden Ausmaße jeweils nur wenige Dutzend Roboter an Bord. Eine bessere Erklärung dafür, daß wir nicht massiver angegriffen wurden, hatte ich nicht. »Auf den anderen Schiffen wird weitaus heftiger gekämpft«, ließ Mycara mich wissen. »Aber ich kann dir nicht sagen, was dort anders ist.« Nur zwei Roboter hielten sich im Waffenleitstand auf. Sie standen unbeweglich – selbst als wir ihnen bis auf wenige Meter nahekamen. Dann bemerkte ich, daß das Glühen ihrer Sehzellen erloschen war. Das gesamte Waffensystem des Diskusses wurde vollautomatisch gesteuert. Eine Vielzahl holographischer Projektionen bildete eine nahezu halbkugelförmige Bildwand über unseren Köpfen. Die Wiedergabe war derart realistisch, daß ich sekundenlang tatsächlich glaubte, frei im Weltraum zu schweben. Dann hatte ich mich allerdings daran gewöhnt, und das Gefühl, in eine endlose Leere zu stürzen, verschwand. Ich sah unsere Einheiten der celestischen Wachflotte und die Wespen der Facette gemeinsam angreifen. Vergeblich suchte ich nach einer Möglichkeit, die Abwehreinrichtungen lahmzulegen. Einige der vorhandenen manuellen Schaltungen waren leicht zu deuten, bei den anderen überwog eine Fremdartigkeit. Ich erreichte herzlich wenig damit, daß ich Schalter betätigte und Sensorkreise abschaltete. Obwohl ich die Absicht hatte, das Schiff möglichst unbeschädigt in unsere Hand zu bekommen, war ich gezwungen, auf die Schaltpulte zu schießen. Der Erfolg zeigte sich dann rasch. Nur noch einzelne Strahlgeschütze entluden ihre todbringenden Energien ungezielt in den Weltraum. Volkert und die Brigadisten hatten inzwischen einen der Roboter aufgeschweißt. Sein Innenleben bestand aus einem unentwirrbaren Knäuel verschmorter Schaltelemente, das nur mehr Bruchteile seines normalen Volumens einnahm. »Sieht ganz so aus, als wäre er kurzzeitig einer enorm hohen Schwerkraft ausgesetzt gewesen«, vermutete einer der Brigadisten.
Ein heller, sich rasch ausbreitender Glutball auf der noch halb funktionierenden Bildkuppel ließ uns zusammenzucken. Einer der Diskusse war explodiert – mit unseren Männern an Bord. »Die meisten haben es überlebt«, ließ Mycara mich wissen. »Sie konnten sich in ihren Raumanzügen rechtzeitig in Sicherheit bringen.« 6. Auf unzähligen Pseudogliedmaßen bewegte sich der Plasmaklumpen durchs Schiff. Wo immer Birzorkan und Birzglut der Fremden ansichtig wurden, schlugen sie zu. Ihren Weg säumten ausgeglühte Wracks. Sie besaßen kein bestimmtes Ziel, weil sie keine konkrete Vorstellung vom Raumschiff hatten. Aber ihr Wunsch, Rache zu nehmen, trieb sie vorwärts. Allerdings zögerten sie, größere Zerstörungen einzuleiten, weil sie instinktiv ahnten, daß ein Vakuumeinbruch ihre Existenz gefährdet hätte. Irgendwann nahm Birzgeist die Nähe lebender Wesen wahr, die wie aus dem Nichts heraus erschienen waren. Wir folgen ihnen! gab er zu verstehen. Vorsichtig tastend streckte Birzgeist seine hypnotischen Fühler aus. Keiner der Fremden bemerkte den fladenförmigen Körper, der ihnen mit wellenartigen Bewegungen dicht unter der Decke folgte. Was hast du vor? fragte Birzorkan. Ausgerechnet in dem Moment wandte das kleinste der Wesen, ein pelziges Geschöpf, sich um. Wer bist du? vernahm Birzgeist die lautlose Frage des Fremden. Wir sind entdeckt! schrie Birzgeist entsetzt auf. Die Furcht ließ ihn blitzschnell handeln. Nacheinander brachen die Zweibeiner zu Boden, stemmten sich vergeblich gegen eine höher werdende Schwerkraft. Ihre Gesichter
verzerrten sich, die Augen traten aus ihren Höhlen hervor, als unvermittelt ein Vielfaches ihres Körpergewichts auf ihnen lastete. Töte sie nicht! mahnte Birzgeist. Wir brauchen ihr Wissen. Der kleine Pelzige war ein schwacher Telepath, trotzdem wehrte er sich vergeblich gegen Birzgeists Versuche, in sein Bewußtsein einzudringen. Was der Pseudobirzer in Erfahrung bringen konnte, war überraschend. Die Fremden bekämpfen sich gegenseitig. Welche Gründe sie dafür haben mochten, interessierte ihn zwar nicht im geringsten, wohl aber, daß auf einem nahen Planeten viele ihrer Art lebten. Der Weg zu jener Welt stand offen. Dieses Ding, das sie Transmitter nennen, wird bewacht, gab Birzglut zu bedenken. Die Fremden werden uns vernichten, sobald sie uns zu Gesicht bekommen. Sie werden uns nicht erkennen, erwiderte Birzgeist heftig. Weil wir die Gestalt dieser beiden annehmen. Der Plasmaklumpen teilte sich. Teilnahmslos, ihres eigenen Willens beraubt, sahen der Pelzige und der Anführer der Zweibeiner zu, wie ihre genauen Ebenbilder aus amorphen, zuckenden Massen entstanden. Birzorkan und Birzglut bildeten nicht nur den Thater, sondern auch dessen Kleidung bis ins Detail nach. Birzgeist verwandelte sich in das Wesen namens Hink, das ihn ein klein wenig an seinen früheren Körper erinnerte. Bald wäre niemand mehr in der Lage gewesen, sie auseinanderzuhalten. Birzgeist war zufrieden. Noch ein wenig unsicher auf seinen neuen Beinen, befahl er den Fremden, sie zum Transmitter zu führen und die erforderlichen Schaltungen für einen Sprung nach Crynn vorzunehmen. Was machen wir mit Kimnon und Hink? fragte Birzglut. Ihre Anwesenheit würde uns verraten. Wir brauchen sie nicht mehr, erwiderte Birzgeist. Wir nehmen nur die anderen mit.
Sekundenbruchteile bevor sie von dem sich aufbauenden Transmitterfeld entstofflicht und nach Crynn befördert wurden, verbrannten ihre Originalkörper in sengender Hitze zu Asche. * »Sucht den Raum nach Überlebenden ab!« Wie versteinert starrte Spooner Richardson auf den Panoramaschirm, auf dem zu erkennen war, daß glühende Überreste des zerstörten Diskusses rasch auseinandertrieben. Er war eines der beiden noch intakten Schiffe gewesen. Spooner schluckte krampfhaft. Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er mußte sich zwingen, aus dem Sessel aufzustehen und zur Speicherung der Positronik zu gehen. Es war nicht zu erkennen gewesen, ob der Diskus durch Treffer des angreifenden Verbands oder von innen heraus vernichtet worden war. »Befürchte nicht gleich das Schlimmste, Spooner«, sagte die Frau hinter den Ortungen. »Dein Vater und dein Bruder sind bestimmt auf dem anderen Schiff.« Und wenn nicht? Er durfte nicht daran denken. Die MARY CELESTE II scherte zusammen mit einigen kleineren Schiffen aus dem Kampfverband aus. Schwache Funksignale wiesen ihr den Weg. Etliche Schiffbrüchige schwebten Hunderte von Kilometern von den Wracktrümmern entfernt im Raum. Fünf Minuten später hatte die MARY CELESTE II die überlebenden Thater mit Traktorstrahlen an Bord geholt. Die Crynn‐ Brigadisten gaben an, daß die Roboter, in die Enge getrieben, die Selbstzerstörungsanlage ihres Schiffes gezündet hatten. Von Arien und Volkert Richardson wußten sie nur zu sagen, daß diese mit einer anderen Gruppe durch den Transmitter gegangen waren. »Wenn die Roboter eines ihrer Schiffe sprengen, besteht die Gefahr, daß sie das auch mit anderen tun«, erschrak Spooner. »Wir
müssen die Einsatztrupps warnen. Sie sollen sich augenblicklich zurückziehen.« * »Dein Sohn Spooner hat die überlebenden Thater aufgenommen«, ließ Mycara mich wissen. »Ich kann ihren Gedanken entnehmen, daß die Roboter selbst das Schiff vernichtet haben. Die Gefahr besteht, daß auch die drei verbliebenen Schiffe gesprengt werden.« Für einen Moment zweifelte ich daran, daß die Birzerin das Geschehen richtig interpretierte. Ich wollte nicht daran glauben, daß die Diener des Erleuchteten vor allem die Psi‐Container aufgaben. Volkert mußte meinem Gesicht angesehen haben, mit welchen Überlegungen ich mich herumschlug. »Weißt du, was für Geheimnisse die Raumer bergen, die auf keinen Fall Dritten in die Hände fallen dürfen?« fragte er. »Es ist nur logisch, wenn die Roboter sich opfern. Sie sind leicht zu ersetzen, ebenso wie die Psi‐ Potentiale, die dabei verlorengehen. Jedenfalls wird der Erleuchtete den Verlust eher ertragen als eine mögliche Schwächung seiner Machtposition.« Er hatte recht. Wenn ich nicht wollte, daß die Crynn‐Brigadisten unnötig in Gefahr gerieten, mußte ich den Befehl zum Rückzug geben – auch wenn es mir schwerfiel. Leben zu erhalten, hatte auf jeden Fall Vorrang vor dem materiellen Gewinn. Ich ließ mir von einem der Thater dessen Funkgerät geben. Es war auf die Frequenz der Helmempfänger eingestellt. Wenn nicht gerade starke Störfelder die Übertragung behinderten, mußte jeder mich hören können. »Hier spricht Arien Richardson«, sagte ich. »Ich fordere alle Brigadisten auf, nach Crynn zurückzukehren. Benutzt die Transmitter – falls das nicht möglich ist, versucht, in den Weltraum zu gelangen. Es muß damit gerechnet werden, daß die Roboter ihre
Schiffe sprengen.« Dreimal wiederholte ich den Aufruf mit ähnlichen Worten. Dann sagte Mycara, daß auch von der Flotte ein entsprechender Funkspruch erging. Wir zogen uns ebenfalls zurück. Auf demselben Weg, den wir gekommen waren. »Wo sind Kimnon, Hink und die anderen?« fragte ich. »Sie müssen das Schiff schon verlassen haben«, meinte Mycara. »Ich spüre ihre Anwesenheit nicht mehr.« Dann war es gut. Ich machte mir Vorwürfe. Mit meiner Erfahrung hätte ich eher erkennen müssen, was geschehen würde. Auch Flora Almuth würde mir Vorwürfe machen. Ich hätte auf sie hören sollen, anstatt zu versuchen, meine Vorstellungen durchzusetzen. Wenn ich Pech hatte, würde nun keines der Schiffe zum Erleuchteten in den Nukleus zurückkehren. »Der zweite Diskus ist soeben in einer atomaren Explosion verglüht«, sagte Mycara. »Von den Brigadisten war keiner mehr an Bord.« Nachdenklich wog ich das Funkgerät in Händen. Ich fragte mich, ob es möglich war, damit die Roboter zu erreichen. Obwohl die Bedrohung durch die zwölf riesigen Schiffe nicht mehr existierte, betrachtete ich alles andere inzwischen als Niederlage. Vielleicht gelang es mir, wenigstens einen Achtungserfolg zu erzielen. Nachdem wir uns erneut durch den halb zerstörten Gangabschnitt hindurchgewunden hatten, blieb ich stehen. Volkert bemerkte es erst, als er schon gut zwanzig Meter weiter war. Hastig kam er zurück. »Was ist los, Dad? Worauf wartest du?« Ich winkte ihm zu, er solle weiterlaufen, aber er wollte nicht verstehen. »Verschwinde!« rief ich. »Sieh zu, daß du heil nach Crynn kommst.« Er reagierte nicht darauf, sondern blickte mich herausfordernd an. Von wem hätte er die Sturheit haben sollen, wenn nicht von mir. Schließlich war er mein Sohn.
Ohne ihn länger zu beachten, versuchte ich auf verschiedenen Frequenzen, Kontakt zu den Robotern zu bekommen. Erneut verblüffte mich Mycaras Fähigkeit der Allroundortung, als sie behauptete, die richtige Wellenlänge herausgefunden zu haben, auf die die Empfangsgeräte in der Zentrale ansprachen. Tatsächlich erklang schon nach wenigen Sekunden eine überlaute mechanische Stimme aus dem Empfänger. »Bereut die Facette Zulgea von Mesanthor ihren Angriff auf die Gesandten des Erleuchteten?« Es verschlug mir fast die Sprache. Die Roboter waren drauf und dran, sich selbst ins Vakuum zu sprengen und hielten sich trotzdem für unbesiegbar. »Die Facette fürchtet euch nicht«, sagte ich sinnigerweise und ärgerte mich zugleich, daß mir nur diese Banalität einfiel. Die erwartete Antwort blieb aus. »He«, rief ich. »Sprichst du nicht mit jedem, oder hast du endlich eingesehen, daß du auf der falschen Seite stehst? Ich weiß nicht einmal, wie ich dich nennen soll.« »Ich besitze keinen Namen«, erwiderte die Stimme barsch. Offenbar waren die Roboter doch zu Gefühlsregungen fähig. »Außerdem würde es ohnehin keine Rolle mehr spielen.« »Weil das Schiff bald gesprengt wird?« fragte ich rasch. »Das ist richtig«, bestätigte der Roboter. »Ich verbiete es dir. Der Erleuchtete wäre mit einer solchen Handlungsweise äußerst unzufrieden.« Gelächter drang aus dem Lautsprecher. »Der Erleuchtete billigt unser Tun mit allen sich ergebenden Konsequenzen.« »Beeile dich, ehe es zu spät ist«, rief Volkert ungeduldig. »Die ganze Sache ist es nicht wert, daß du dein Leben riskierst.« Ich bedeutete ihm, er solle endlich verschwinden, doch er blieb hartnäckig. Wir hatten hoch gesetzt bei diesem Spiel – und die schlechteren Karten gezogen. Nun galt es, das Beste daraus zu
machen. »Der Erleuchtete wird euch verfluchen …«, begann ich. Ich mußte die sicherlich vorhandene Neugierde des Roboters wecken, um zu verhindern, daß er die Verbindung abbrach. »Die Vernichtungsschaltung wurde soeben aktiviert«, begann er. Mir lief es abwechselnd heiß und kalt den Rücken hinunter. Endlich begriff auch Volkert in aller Konsequenz, worauf er sich eingelassen hatte. »Noch zwei Minuten«, eröffnete der Roboter. Viel zuwenig, um den Hangar zu erreichen. Aber zumindest die Crynn‐Brigadisten würden entkommen. »Dieses Schiff darf nicht vernichtet werden«, sagte ich, mühsam die Fassung bewahrend. Am liebsten hätte ich losgebrüllt. »Der Erleuchtete …« »… muß die Botschaft der Facette Zulgea von Mesanthor erhalten.« »Die Vernichtungsschaltung wird nicht unterbrochen.« Also war es zumindest möglich, den eingeleiteten Vorgang aufzuhalten. Auf gewisse Weise fiel mir ein Stein vom Herzen. Ich war Mycara dankbar, daß sie schwieg, denn das mußte ich allein durchstehen. »Sage deinem Herrn, daß er aus dem Sektor Kontagnat künftig keine Psi‐Potentiale mehr erhält.« »Der Erleuchtete wird es erfahren, sobald der Zeitpunkt für unsere Rückkehr in den Nukleus verstrichen ist.« »Komm schon!« drängte Volkert. »Vielleicht schaffen wir es doch noch.« »Eine Minute …«, stellte der Roboter sachlich fest. »Das dritte Schiff ist soeben explodiert«, wisperte Mycara in mein Ohr. »Ich will es dir nicht verheimlichen. Alle Brigadisten waren bereits von Bord.« Für einen Moment kniff ich die Augen zu und schüttelte den Kopf, um die aufkommenden panikartigen Gedanken zu verdrängen. Es
gelang mir nur unvollkommen – ich hatte Angst. »Der Erleuchtete soll sich hüten, den Kampf gegen die Facette Zulgea und die Völker von Kontagnat aufzunehmen«, stieß ich wütend hervor. »Wir besitzen die Mittel, um jeden Angriff erfolgreich abzuschlagen.« Der Roboter schwieg. Insgeheim zählte ich die Sekunden, die uns noch blieben. Volkert war merklich bleich geworden. »Mutter wird uns vermissen«, brachte er tonlos hervor. Ich schluckte krampfhaft. Höchstens noch vierzig Sekunden. Wie oft hatte ich dem Tod schon ins Auge geschaut? Einige Male – zuletzt auf Birzt. Aber nie war ich so hilflos und von den Entscheidungen meiner Gegner abhängig gewesen wie diesmal. Zumeist hatten mich die eigene Geschicklichkeit und Reaktionsschnelligkeit vor einem schlimmen Schicksal bewahrt. »Die Botschaft ist in der Tat bedeutsam für den Erleuchteten«, erklang es unvermittelt aus dem Lautsprecher. »Wir haben beschlossen, sie zu überbringen und aus dem Grund die Vernichtungsschaltung aufgehoben.« Das Herz pochte mir bis zum Hals. Ich glaube, ich stand einige Sekunden lang wie erstarrt. »Jetzt aber nichts wie raus hier!« schrie ich Volkert zu. Der Diskus beschleunigte bereits. Wir spürten die rasch stärker werdenden Vibrationen der Schiffszelle. Flüchtig spielte ich mit dem Gedanken, Spooner anzurufen, verwarf ihn aber sofort wieder, weil wir nur Zeit verloren hätten. »Es sind keine Roboter vor euch«, ließ Mycara mich wissen. »An Bord halten sich ohnehin höchstens noch vier oder fünf funktionsfähige Maschinen auf.« Wenn sie gewußt hätte, wie egal mir das im Moment war. Nachträglich besehen glaube ich sogar, sie wußte es. Warum sonst hätte die Birzerin von da an bis zu unserem Transmitterdurchgang erneut geschwiegen? Es waren zwar nur wenige Minuten, doch sie
hätte uns wenigstens darauf vorbereiten können, daß der Diskus den Linearflug einleitete. Schon unmittelbar nach unserer Ankunft im Pyramidon auf Crynn erfuhren wir, daß das große Schiff spurlos verschwunden war. Es ist auf dem Weg zum Erleuchteten, durchzuckte es mich. 7. Zögernd schaltete Colemayn den Bildschirm ab, dann lehnte er sich im Kontursessel zurück und starrte ins Leere – so ruhig und gelassen, als gäbe es weder Integrale noch die Brigadisten der Facette, die ihn jeden Moment entdecken konnten. Er befand sich in einem längst nicht mehr benutzten Kontrollraum in der unteren, im Berg versenkten Spitze des Pyramidons. Was er gesehen und erfahren hatte, genügte ihm, sich ein umfassendes Bild der Geschehnisse zu machen. Colemayn hatte erkannt, daß der Celester Arien Richardson zweifellos in Atlans Fußstapfen trat. Und er war sehr schnell zu der Überzeugung gelangt, daß es für den Arkoniden eine große Hilfe bedeuten mochte, würde Arien ihn näher unterstützen. Auch die Entwicklung Mycaras psionischer Fähigkeiten war dem Weltraumtramp nicht verborgen geblieben. Ein Akt der Nächstenliebe trug hier ungeahnte Früchte. Diese »Veränderung« Mycaras war ein äußerst willkommener Zufall, der aus Arien Richardson ein starkes Unterstützungselement für Atlan machen konnte. Mitunter bringt ein winziges Samenkorn die größten Früchte hervor, dachte Colemayn. Der Tramp streckte die Beine aus und legte die Absätze seiner Sandalen auf die Konsole, schloß die Augen und döste. Er träumte. Von einer Galaxis Alkordoom, in der der Erleuchtete seine Macht verloren hatte und die vielen tausend Völker in Frieden miteinander
lebten. Das alles war schön. Aber leider nur ein Traum. * Allein saß ich der Facette Zulgea von Mesanthor alias Flora Almuth gegenüber. Das heißt, so allein war ich nun auch wieder nicht, denn Mycara lag wie ein dicker Schal um meinen Hals. Man mußte schon mit ihren Besonderheiten vertraut sein, um sie als Lebewesen zu erkennen. Sogar ich wußte nicht, ob sie gerade eine Ruheperiode durchmachte oder sich nur von allen äußeren Einflüssen abkapselte. »Der Erfolg war mäßig«, bemerkte Flora spitz. »Ich hätte es dir vorher sagen können. Wo ist das Schiff, das du erobern wolltest?« Müde winkte ich ab. »Es ist manches anders gelaufen als erwartet.« »Also ein Fehlschlag auf der ganzen Linie.« »Das nicht«, wehrte ich ab, ging aber geflissentlich darüber hinweg, welche Vorteile meiner Meinung nach für uns entstanden waren. »Verdammt«, platzte Flora Almuth recht unweiblich heraus. »Wann wirst du endlich einsehen, daß ich nicht nur um Volkert und dich Angst hatte? Jeder meiner Crynn‐Brigadisten bedeutet mir ebensoviel wie ein Celester. Ich bringe es nun mal nicht fertig, sie in sinnlose Kämpfe zu schicken.« »Wir hatten fast keine Ausfälle«, bemerkte ich. Sie nickte flüchtig. »Das ist auch schon alles. Darauf brauchst du nicht stolz zu sein.« Im Grunde genommen meinte sie es nicht so. Ich kannte Flora gut genug, um das beurteilen zu können. Aber sie trug die Verantwortung für einen Raumsektor von 37.000 Lichtjahren Seitenlänge. Wenn ich impulsiv handelte, um erst hinterher zu
fragen, wie sie mir schon vorgeworfen hatte, mußte sie, kraß gesprochen, jede Entscheidung erst von allen Seiten unter die Lupe nehmen. Um nichts in der Welt wollte ich mit ihr tauschen. Ich hätte mich eingeengt gefühlt. Unwillkürlich zuckte ich zusammen, als Mycara sich zu bewegen begann. Ihr Kopf tauchte unter dem Kragen meiner Kombination auf. »Gefahr!« stieß sie hervor. »Die Geschütze …« Ein dumpfes, aus der Tiefe zu uns heraufdringendes Rumoren verriet, daß die Energieaufbereitung für die Geschützbänke angelaufen war. Nur Sekunden später begannen die ersten Kanonen zu feuern. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie die meterdicken Strahlbahnen die Atmosphäre aufrissen und die Luft ringsum zum Kochen brachten. Noch vor Flora verließ ich den Raum. Mein Ziel war das peripher gelegene Kraftwerk der Station mit den Energiewandlern, den Umformern für Schirmenergie und den umfangreichen Speichern. Ich fragte mich, was geschehen würde, wenn die nach unten gerichteten Geschütze in den Berg hinein zu feuern begannen. »Du hast keine Ahnung, was dich erwartet«, rief Mycara. »Die Roboter haben eine Falle aufgebaut.« »Roboter?« erwiderte ich verblüfft und blieb stehen. »Unsichtbare?« »Sie befinden sich in der Nähe des Haupteingangs zum Kraftwerk.« »Dann sind sie im Schutz ihrer Unsichtbarkeit erneut durch den Transmitter gekommen.« Flora Almuth stöhnte unterdrückt. »Weißt du, was das bedeutet?« Ich biß mir auf die Lippen, bis ich den leicht metallischen Geschmack von Blut verspürte. Wieviele? fragte ich in Gedanken. »Zehn, vielleicht sogar fünfzehn«, gab Mycara leise zurück. »Ich kann es nicht genau feststellen, weil irgend etwas mich behindert.
Aber nur ein Teil von ihnen ist im Kraftwerk.« Drei Integrale schwebten heran. Flora erteilte eine Reihe von Befehlen. Ihr war klar, daß die Roboter so schnell wie möglich gestellt und vernichtet werden mußten. »Sage ihnen, sie sollen Kimnon und möglichst viele Brigadisten mit Projektilwaffen hierher führen«, verlangte ich. »Außerdem brauche ich einen Plan sämtlicher Räumlichkeiten um das Kraftwerk. Welche rückwärtigen Zugänge existieren?« »Zwei, wenn du es genau wissen willst.« Volkert kam uns aus dem Wohnbereich entgegen und schwenkte mehrere Folienausdrucke. So schnell wie er konnte eigentlich nur jemand reagieren, der von der Anwesenheit der Roboter gewußt hatte. »Ich habe befürchtet, daß einige Unsichtbare nach Crynn gelangen könnten«, sagte er. »Es entspräche nicht dem bisherigen Auftreten der Maschinen, würden sie vor uns kapitulieren.« Mir blieb nicht viel Zeit, die Pläne zu studieren. Kimnon, Hink und gut ein Dutzend Brigadisten stürmten heran. »Die Hälfte zum Hauptschott«, ordnete ich an. »Lenkt die Angreifer ab, aber riskiert nicht zuviel. Die anderen folgen mir.« In gewisser Weise übernahm Mycara die Führung, indem sie mir aufgrund der Pläne und ihrer eigenen Feststellungen sagte, wohin wir uns zu wenden hatten. Die Geschütze des Pyramidons feuerten in immer kürzeren Abständen. Je näher wir der Außenhülle kamen, desto bedrückender wurde die Geräuschkulisse. Wir zwängten uns zwischen mächtigen Aggregatblöcken hindurch. Ozongeruch lag in der Luft. Hin und wieder spürte ich, wie mir unter dem kurzfristigen Einfluß elektrischer Entladung die Haare zu Berge standen. Natürlich gab es Sicherheitseinrichtungen, von denen manche jeden ungebetenen Eindringling in Staub verwandelt hätten. Nur Flora Almuths Gegenwart bewahrte uns vor einem solchen Schicksal. Ich brauchte mich nicht zu fragen, wie es den Robotern gelungen war, die Sperren zu überwinden – sie hatten schon zuvor
unter Beweis gestellt, daß sie sich zu jeder Zeit ungehindert im Pyramidon bewegen konnten. Die teils riesigen Speicherblöcke, Turbinen und Projektoren waren derart verschachtelt angeordnet, daß die Sicht zeitweise kaum weiter als drei oder vier Meter reichte. Ohne Mycaras Hilfe wären wir gezwungen gewesen, uns vorsichtig vorzutasten. Sie warnte mich, als uns noch knapp zwanzig Meter von den Robotern trennten. Ich gab das vereinbarte Funksignal. Sekunden später stürmten die Brigadisten unter Kimnon gegen das Hauptschott an. »Es sind fünf Roboter«, stellte Mycara fest. »Sie bewegen sich ohne den Schutz ihrer Unsichtbarkeit – vermutlich weil die Energieversorgung von ihren Schiffen fehlt. Es bestand eine komplizierte Wechselwirkung, die ich leider nicht erklären kann.« Sie brauchte nicht zu befürchten, daß die Roboter uns hören konnten – dazu war der Lärm ringsum zu groß. Vor uns wurde geschossen. Wir huschten weiter. Sekunden später sah ich, daß das Hauptschott sich zur Hälfte geöffnet hatte und der Mechanismus dann durch Strahlschüsse zerstört und blockiert worden war. Im Nu waren die Brigadisten zwischen den Maschinen verschwunden. Nur Flora und Volkert blieben unmittelbar neben mir. »Das ist nichts für Frauen«, raunte ich der Facette zu. »Sieh zu, daß du dich in Sicherheit bringst, ehe es richtig losgeht.« Ihr Lächeln war entwaffnend. Ehe Volkert es sich versah, hatte sie zugegriffen und ihm die Waffe abgenommen. »He«, protestierte er aufgeregt. »Was soll das?« »Aufpassen!« schrie Mycara. Zwei der Roboter wandten sich zu uns um. Ihre Waffenarme mit den flimmernden Abstrahlmündungen ruckten hoch. Fast gleichzeitig feuerten Flora und ich. Fauchend verließen die Explosivgeschosse die Mündung, die beiden Roboter wurden in
wabernde Glut gehüllt. Blindlings jagte ich eine weitere Salve hinterdrein. Auch von den Seiten her schossen nun die Brigadisten auf die Maschinen. Das Ganze war die Angelegenheit weniger Sekunden. Mir blieb nicht einmal die Zeit, mir auszumalen, welche Folgen Fehlschüsse haben konnten. Mit ihrem überhasteten Handeln hätte Flora uns an den Rand einer Katastrophe bringen können. »Urteilst du nicht ein wenig vorschnell?« wisperte Mycara in mein Ohr. Ich wandte mich Flora Almuth zu, die meinem Sohn gerade die langläufige Waffe zurückgab. »Was hast du dir bloß dabei gedacht?« fuhr ich sie wütend an, ohne darauf zu achten, daß einige Brigadisten mich überrascht musterten. Vermutlich erlebten sie zum erstenmal, daß jemand die Facette derart anherrschte. Flora lächelte noch immer. »Willst du mir mein Recht absprechen, das Pyramidon zu verteidigen?« erwiderte sie lauernd. »Wenn du uns alle dabei in Gefahr bringst …« Sie schien gar nicht gehört zu haben, was ich sagte. »Die Waffe schießt hervorragend«, wandte sie sich wieder an Volkert. »Ich werde mir ebenfalls eine besorgen.« »Was hast du vor?« fragte ich. »Wieviele Roboter geistern noch hier herum? Fünf, zehn, oder mehr? Ich habe sie nicht hergebeten.« Ihre Worte troffen vor Zynismus. Mir war klar, daß sie mich damit treffen wollte. Aber – auch wenn sie womöglich darauf wartete – ich sah keinen Anlaß, mich zu entschuldigen. Dafür wichen unsere Standpunkte zu weit voneinander ab. Wo sind die anderen Roboter? dachte ich, für Mycara bestimmt. Wir müssen sie schnellstens unschädlich machen. *
Die Maschinen waren über das halbe Pyramidon verstreut. Noch bevor wir ihre Standorte anhand der Pläne bestimmen konnten, durchliefen zwei heftige Erschütterungen das Bauwerk. Wenig später erfuhren wir, daß die Wasserspeicher gesprengt worden waren. Das Wasser stand zum Teil kniehoch in einigen Räumen. Wir bildeten etliche Gruppen, die Jagd auf die Roboter machten. Mycara erwies sich dabei mehr als bisher schon als unschätzbare Hilfe. Sie stellte Ortsveränderungen der Roboter ziemlich rasch fest, und ich gab die betreffenden Daten über Funk weiter. Innerhalb einer halben Stunde gelang es uns so ohne eigene Verluste, vier weitere der ehemals Unsichtbaren zur Strecke zu bringen. Besonders Kimnon und seine Gruppe taten sich dabei hervor. Daß von den Robotern nicht viel mehr als ausgeglühte Wracks übrigblieben, war zwar bedauerlich, doch unter den gegebenen Umständen nicht zu ändern. Ich mußte schon froh sein, wenn wir mit einem blauen Auge davonkamen. An eine Untersuchung der Maschine zu denken, wäre der reine Hohn gewesen. Dann wurde es ruhiger. Die verbliebenen drei Roboter schienen wie vom Erdboden verschluckt zu sein. Selbst meine kleine pelzige Gefährtin konnte sie nicht mehr aufspüren. Die Vermutung lag nahe, daß die Gegner das Pyramidon verlassen hatten. Über diesem Teil des Planeten war inzwischen die Nacht hereingebrochen. Eine Suche nach den Maschinen mußte trotz modernster Technik zwangsläufig der berüchtigten Suche nach der Nadel im Heuhaufen gleichen. »Wenn ich nur daran denke, was die Roboter auf Crynn für Schäden anrichten können, finde ich keine Ruhe«, sagte Flora Almuth. »Wir müssen sie aufspüren und unschädlich machen.« Selbst die Wespen wurden für die Suche eingesetzt. Mit ihren Ortungen tasteten die Raumschiffe jeden Quadratmeter des Kontinents ab. Uns war allerdings von vorneherein klar, daß dennoch nur ein Zufall Erfolge bescheren würde. Es gab genügend
Metallansammlungen auf und unter der Oberfläche, in deren Nähe die Roboter verborgen bleiben konnten. Selbst die Energietaster lieferten unter solchen Voraussetzungen keine brauchbaren Ergebnisse. Die mit Crynn‐Brigadisten besetzten Gleiter, die mit Infrarotoptiken den Berg Mauntenn und die Umgebung bis zu zwanzig Kilometer im Umkreis absuchten, hatten anfangs bessere Voraussetzungen. Später machten vor allem die Ausstrahlungen der Triebwerke jede Wärmemessung zur Farce. »Da ist etwas, was ich nicht deuten kann«, sagte Mycara zum wiederholten Mal. »Ich spüre die Anwesenheit einer starken Kraft.« »Hat sie mit den Robotern zu tun?« wollte ich wissen. Mycara kam zu keiner Antwort mehr, denn im selben Moment schien jenseits des Horizonts der Himmel aufzureißen. Kilometerhoch stieg ein sich ausdehnender Glutball in die Atmosphäre und bildete den typischen Explosionspilz. Feuerschein erhellte in Sekundenschnelle das halbe Firmament. Ich zog den Gleiter, in dem Flora, Volkert und ich saßen, höher. Meine Finger verkrampften sich um den Steuerknüppel. Mit uns stiegen andere Maschinen auf, flogen ebenfalls nach Westen. »Das war das Kraftwerk am Fluß«, sagte die Facette tonlos, »einer der wichtigsten Energieerzeuger nahe dem Äquator.« Obwohl wir uns dem Ort der Explosion rasch näherten, konnten wir wegen der von dort ausgehenden Blendung nur sehr wenige Einzelheiten erkenne. Kein einziges der kuppelförmigen Gebäude stand noch – die Feuersbrunst tobte auf einem Areal von gut zwei Quadratkilometer. »Zum Glück hat es keine Verluste an Leben gegeben«, ließ Flora mich wissen. »Das Kraftwerk wurde vollautomatisch betrieben.« Während die ersten Löschmannschaften eintrafen und verzweifelte Anstrengungen unternahmen, den Brand zumindest einzudämmen, zog ich den Gleiter in weiten Kreisen allmählich tiefer.
Fast zugleich sprachen die Ortungen an, und Mycara meldete sich. Die Massetaster zeigten eine kleine Metallansammlung am Rain eines üppig im Halm stehenden Getreidefeldes. Und die Birzerin sprach vom Wrack eines Roboters, das sie eben erst entdeckt hatte. Nicht einmal tausend Meter vom Feuer entfernt, landete ich den Gleiter unmittelbar neben dem verkohlten Häufchen Schrott, das noch vor kurzem ein furchteinflößender massiger Roboter gewesen war. Ungeheure Kräfte hatten ihn zusammengedrückt. Obwohl sein Energiespeicher nicht explodiert war, hatten doch Flammen seine Hülle geschwärzt. Auch dieser Roboter schien kurzzeitig einer ungemein hohen Gravitation ausgesetzt gewesen zu sein – ähnlich wie an Bord des Diskusraumers. Volkert sprach aus, was ich dachte. »Kimnon, Hink und einige andere werden sich ebenfalls daran erinnern«, fügte er hinzu. Mit dem Funkgerät des Gleiters versuchte Flora, den Thater zu erreichen. Was sie dabei in Erfahrung brachte, war nicht gerade erfreulich. Kimnon hatte sich zuletzt mit seiner Suchmannschaft in der Nähe des Explosionsortes befunden – seither gab es kein Lebenszeichen mehr von ihnen. * Flora Almuth kehrte zwar ins Pyramidon zurück, doch Volkert und ich machten es uns im Gleiter bequem. Gegen Mitternacht brachten die Löschtrupps das Feuer endlich unter Kontrolle. Abermals Stunden später fanden sie zwischen den Ruinen der zerstörten Gebäude den Torso eines vierarmigen Roboters, und kurz darauf die dritte der gesuchten Maschinen, von der kaum mehr als ein zerschmolzener Klumpen Metall übrig war. Volkert zeigte sich skeptisch. »Ich kann nicht glauben, daß es uns so leichtgemacht wird«, sagte er mehrmals. »Wer weiß, wo sich
noch Roboter verborgen halten.« Mycaras Einwand, daß sie keine der Maschinen mehr aufspüren könne, tat er mit einem Schulterzucken ab. Ich verstand, daß er sich sorgte, wog allerdings den Worten der Birzerin weit mehr Gewicht bei. Um so mehr überraschte mich in den frühen Morgenstunden die Hiobsbotschaft, daß auf das Beiboot des Pyramidons ein Anschlag verübt worden sei. Nicht nur das Boot, sondern auch der Hangar waren dabei schwer beschädigt worden. Volkerts Blick verriet deutlich, daß er sich in seiner Behauptung gestärkt fühlte. Wir ließen alle Nachforschungen in den Trümmern des Kraftwerks sein. Noch auf dem Rückflug erreichte uns die Nachricht von weiteren Vorfällen. Der gesamte Hyperfunk war für längere Zeit lahmgelegt. Ebenfalls von den Anschlägen betroffen waren die Schutzschirmprojektoren und die Lufterneuerungsanlage. Auf den ersten Blick konnte man den Eindruck gewinnen, daß der oder die unbekannten Gegner ziemlich planlos vorgingen. Trotzdem glaubte ich, daß hinter all dem ein System steckte. »Da ist eine eigenartige Ausstrahlung, die ich nicht identifizieren kann«, ließ Mycara mich wissen. »Aber sie kommt mir bekannt vor.« Flora Almuths Anruf hatte ich erwartet. Nur daß sie Volkert und mich aufforderte, sofort zu ihr zu kommen, überraschte mich ein wenig. Noch verwunderter war ich allerdings, als wir ihre Privaträume betraten, Buster McMooshel bei ihr antrafen und er ohne Umschweife sofort zur Sache kam. »Wir haben Verräter in unseren eigenen Reihen.« Ich schwieg, weil ich auf eine nähere Erklärung wartete. Tatsächlich fuhr Flora fort: »Der Anschlag auf die Lufterneuerungsanlage hat ein Leben gekostet. Die Art und Weise, wie der Brigadist umkam, läßt nur die Folgerung zu, daß er selbst der Attentäter war.« »Habt ihr an Bord des Diskusses außergewöhnliche Beobachtungen gemacht?« wollte Buster wissen. »Nein«, sagte ich. »Wieso?«
»Weil der Thater, der ums Leben kam, einer aus eurer Gruppe war.« »Das hat nicht viel zu bedeuten«, wehrte ich ab. »Wirklich nicht?« fragte Flora lauernd. »Auch nicht, daß Kimnon offenbar spurlos verschwunden ist?« Was sollte die Frage? Bislang hatten wir allen Grund anzunehmen, daß der Thater und einige seiner Männer bei der Explosion des Kraftwerkes umgekommen waren. Flora Almuth rief eine Aufzeichnung über einen Monitor ab. Ich erkannte, daß es sich bei den Maschinen auf der Wiedergabe um die Filter der Luftumwälzung handelte. Der Schädel eines Thaters erschien am seitlichen Bildrand. »Das ist Borruwetz«, stellte Volkert fest. »Einer von den Männern, die zusammen mit Kimnon verschwunden sind«, nickte Flora. Das Bild erlosch. Mir war klar, daß nur Borruwetz diese Optik abgeschaltet haben konnte. »Kann es sein, daß die Brigadisten an Bord des Diskusraumschiffs in irgendeiner Weise beeinflußt wurden?« Ich zuckte mit den Schultern. »Möglicherweise bist du ebenfalls davon betroffen«, fuhr Buster fort. »Und Volkert auch.« »Woran denkst du? An Drogen oder Hypnose?« »Die Obduktion des Leichnams wird uns hoffentlich Klarheit verschaffen.« Mycara, die nach wie vor um meinen Nacken lag und den Kopf in meiner Kombination verbarg, zuckte jäh zusammen. »Eine der Wespen auf dem Raumhafen wurde soeben zerstört«, schrillte sie in höchstem Diskant. »Außerdem nehme ich jene Ausstrahlung wieder wahr – sie ist stärker geworden.« Ohne auf Flora Almuths befehlende Rufe zu hören, warf ich mich herum und hastete zum Hangar zurück. Volkert folgte mir unmittelbar auf den Fersen.
Kaum hatte sich das Außenschott weit genug geöffnet, jagte ich den Gleiter mit aufheulenden Triebwerken ins Freie. Der kleine Raumhafen, eigentlich mehr ein befestigtes Landefeld, lag nicht weit entfernt. Dunkler Rauch und Feuerschein hüllten das Gelände ein. Zwei weitere Wespen glühten von innen heraus auf, während wir uns noch im Landeanflug befanden. Es herrschte ein vollkommenes Chaos. Niemand schien zu wissen, was geschehen war. Einige Brigadisten versuchten offenbar zu retten, was noch zu retten war. Im Alarmstart hoben nacheinander fünf der kleinen Raumschiffe ab. Die entstehenden Turbulenzen wirbelten unseren Gleiter haltlos umher. Dabei konnten wir noch von Glück reden, daß man uns nicht gerammt hatte. Der Schweiß brach mir in Strömen aus, bis ich den Gleiter endlich dicht über dem Boden abfangen konnte. Zwei oder drei Sekunden später, und wir wären mit ziemlicher Geschwindigkeit am Rand der Landepiste zerschellt. »Da ist es wieder«, rief Mycara schrill aus. »Irgendwo vor uns. Ich nehme es stärker wahr als je zuvor.« »Roboter?« machte Volkert entgeistert. »Nein«, erwiderte die Birzerin. »Etwas, was … lebt. Aber es ist zugleich kein Leben in dem Sinn, wie ihr es euch vorstellt.« Die langläufigen Waffen mit Explosivgeschossen im Anschlag, verließen wir den Gleiter. Mycara wies die Richtung, in die wir uns zu wenden hatten. Niemand nahm Notiz von uns. Einzelne Abschnitte des Raumhafens sahen aus wie nach einem Bombenangriff – in gleichbleibenden Abständen war die Piste in metertiefen Kratern abgesackt. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie diese Schäden entstanden sein sollten. Ein Löschfahrzeug überholte uns und bog zwischen zwei Wespen ab. Im selben Moment setzte der Motor aufheulend aus. Die Vorderfront des Fahrzeugs wurde wie von einer unsichtbaren Presse eingedrückt. Mit allen Anzeichen des Entsetzens sprang die
Mannschaft aus der Fahrerkabine, die nur Sekunden später von einer grellen Stichflamme zerrissen wurde. »Zwischen den Landebeinen der Wespe …«, schrillte Mycara. Vermutlich hätte ich ohne ihren Hinweis die Gestalt im Schlagschatten des Raumschiffs nicht bemerkt. Ich mußte ohnehin zweimal hinsehen. Es war Kimnon! Etwas stimmte nicht, das spürte ich jetzt überdeutlich. Man brauchte wahrlich kein Hellseher zu sein. Ich rannte los. Volkert hatte die Situation ebenfalls erfaßt und versuchte, die Wespe zu umrunden. Falls Kimnon zu den Attentätern gehörte, mußten wir ihn an einer Flucht hindern. Ich war keine zwanzig Meter mehr entfernt, als der Thater auf mich aufmerksam wurde. Ich sah das Erstaunen in seinem Blick, zugleich schienen meine Beine schwer wie Blei zu werden. Jeder Schritt kostete mehr Anstrengung, als sei die Luft plötzlich ein zähflüssiges Medium, das mich behinderte. Mycara schrie gellend auf. Da war auch Hink. Woher er so unvermittelt gekommen war, konnte ich nicht erkennen. Flüchtig durchzuckte mich der Gedanke, er sei aus dem Nichts heraus entstanden. Etwas Fremdes tastete durch meinen Schädel. Instinktiv wehrte ich mich dagegen und spürte, wie das Unbekannte für einen kurzen Moment zurückschreckte. Nimm deine Waffe hoch! hämmerte es in mir. Zerstöre! Vernichte! Ich zitterte, aber ich widerstand dem Befehl. Volkert allerdings jagte sein volles Magazin mit Explosivgeschossen gegen die Wandung einer der nächststehenden Wespen. Vorübergehend übertönte das Stakkato der Detonationen jedes andere Geräusch. Mycara löste sich von mir, ließ sich fallen und schlängelte sich blitzschnell auf Kimnon zu. »Birzer!« hörte ich sie schreien. »Es sind Birzer!« Kimnon und Hink wandten sich ihr zu. Augenblicklich wich das
Fremde wieder von mir – auch Volkerts verkrampfte Haltung löste sich. Ich glaubte, meinen Augen nicht mehr trauen zu dürfen, als die beiden Brigadisten ihre Gestalt verloren und zu einer amorphen, heftig wallenden Masse wurden. Bioplasma! Schlagartig dämmerten mir die Zusammenhänge, obwohl ich vieles noch nicht verstand. »Ihr jagt nicht die Feinde unseres Volkes«, hörte ich Mycara sagen. »Arien, die Facette, die Brigadisten – alle sind Freunde, die uns Birzern helfen wollen.« Das Plasma floß zusammen, wölbte sich auf und formte die Gestalt einer gut drei Meter hohen, pelzigen Schlange mit kugelförmigem Schädel und schwarzer Stupsnase. »Nein!« schrie Mycara auf. Was sie meinte, bemerkte ich erst, als von mehreren Seiten glutende Thermostrahlen heranschossen und das Plasma schlagartig verdampften. In der folgenden Stille hätte man eine Nadel fallen hören können. Mycara war eine Weile wie erstarrt, dann begann sie heftig zu schluchzen. Ohne auf die näherkommenden Brigadisten zu achten, ging ich zu ihr hin und nahm sie vorsichtig auf meine Hände. Der dünne Schlangenleib zitterte heftig. Ich trug die Birzerin zum Gleiter zurück, legte sie auf einen der Sitze, sie schmiegte sich dankbar an meine Hand. Bruchstückweise erfuhren Volkert und ich dann die Zusammenhänge, daß einige der von Birzern stammenden Psi‐ Potentiale Intelligenz entwickelt und sich zusammengeschlossen hatten. Die ihr artverwandte geistige Ausstrahlung hatte Mycara anfangs nicht deuten können, und die psionischen Kräfte der drei Pseudo‐Birzer wären stark genug gewesen, ganz Crynn in ein Schlachtfeld zu verwandeln. »Der einzige Fehler von Birzgeist war, daß er die von ihm beeinflußten Brigadisten aus der Hypnose freigab, als er mich sah«, sagte Mycara. »Als sie ihre Strahler auf das Plasma richteten, war es für ihn zu spät. Aber er, Birzglut und Birzorkan starben in der Gewißheit, endlich Freunde gefunden zu haben. Ihre letzten Gedanken baten mich, dir ein Versprechen
abzunehmen.« »Welches?« fragte ich verwundert. »Du sollst alles tun, was uns Birzern und unserer Heimatwelt wirklich zur Freiheit verhelfen kann.« Ich nickte schwer. Wenn auch nicht heute und morgen, aber ich würde es schaffen. Mycara wußte das. Ohne daß ich viele Worte darum machte. Epilog Ein leises Klopfen an der Seitenscheibe des Gleiters schreckte mich auf. Als ich mich umwandte, sah ich ein dunkelrotes, bartloses Gesicht vor mir. Über einer markanten Hakennase strahlten mich zwei ehrlich wirkende Augen an. Ich war mir sicher, diesen Mann nie zuvor gesehen zu haben. Offenbar war es nicht schwer, meine Gedanken zu erraten. »Ich bin Colemayn«, sagte der Fremde. Der Name elektrisierte mich – Atlan hatte ihn mehrfach erwähnt. Meine verblüffte Reaktion entlockte dem Weltraumtramp ein spöttisches Lächeln. Er machte auf mich den Eindruck eines Menschen, der weit über den Dingen steht. »Was gedenkst du zu tun?« fragte er. Ich zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich werde ich alles versuchen, um den Birzern zur Freiheit zu verhelfen.« »Das muß warten«, sagte Colemayn hart. »Atlan befindet sich in der Gefangenschaft des Zwillings Yog‐Mann‐Yog, und ANIMA bangt um ihre Existenz. Sie brauchen Hilfe. Entscheide dich, Arien. Bis morgen hast du Zeit.« ENDE
Im Atlan‐Band der nächsten Woche blenden wir wieder um in den Sektor Janzonborr. Dort ist, wie wir wissen, der Arkonide in der Gefangenschaft der Facette Yog‐Mann‐Yog. Yog‐Mann‐Yogs Hauptquartier ist der Adlerhorst – und dort muß Atlan, wie schon so oft in seinem langen Leben, beweisen, was in ihm steckt. Während die Facette ihn zu ihrem Handlanger zu machen trachtet, sinnt er auf die Flucht aus dem Adlerhorst … FLUCHT AUS DEM ADLERHORST – so lautet auch der Titel des Atlan‐ Bandes 695, als dessen Autor Peter Griese zeichnet.