Lothar Streblow
Die Bewohner des grünen Planeten
BOJE · WELTRAUMABENTEUER
Inhalt: Lothar Streblow, der für sein Scie...
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Lothar Streblow
Die Bewohner des grünen Planeten
BOJE · WELTRAUMABENTEUER
Inhalt: Lothar Streblow, der für sein Science Fiction Hörspiel „Der Fisch“ mit dem Hörspielpreis der ARD ausgezeichnet wurde, zeigt in seinem ersten Jugendbuch, wie die Zerstörung des natürlichen Gleichgewichts eines Planeten unweigerlich zur Katastrophe führen muß, wenn nicht Vernunft und Verständigungsbereitschaft bei allen Beteiligten die Oberhand gewinnen. Der grüne Planet mit seinem üppigen Pflanzenwuchs und dem feuchtwarmen Klima erweckt bei den Mitarbeitern des Kommandanten Sing Ho kühne Hoffnungen. Alles spricht dafür, daß es ihnen gelingen wird, ihrem Auftrag gemäß Nahrungsreserven für die hungernden Erdbewohner zu erschließen. Nur haben sie weder mit dem empfindlichen Gleichgewicht des Planeten, noch mit dem Starrsinn ihres Koordinators gerechnet. Doch sie finden auf dem fremden Stern ebenso kluge wie sympathische Verbündete. ab 10-13 Jahre
Lothar Streblow
Die Bewohner des grünen Planeten
1. Auflage 1974 © 1974 Boje-Verlag, Stuttgart Gesamtherstellung: J. Ebner, Ulm Umschlag: Klaus Bürgle Printed in Germany · ISBN 3 414 16500 7
Der fremde Planet Salokin Nolnow blinzelte träge in das matte Licht der Kabine. Das gleichmäßige Summen der Raumschiffaggregate machte schläfrig. Aber er durfte nicht mehr schlafen. Vor zwei Minuten hatte die Signalklingel an der Decke die allgemeine Mittagsruhe beendet. Er mußte aufstehen, das war Vorschrift. Er seufzte unwirsch. Alles auf diesem Raumschiff lief peinlich genau nach Vorschrift ab: Schlafen, Wachen, Essen, Freizeit, Konditionstraining, Studienprogramm, alles. Und das seit Wochen. Manchmal kam er sich vor wie eines der Versuchskaninchen im zoologischen Labor: ein Organismus, der nur noch auf Signale reagierte. Er liebte seine Arbeit als Zoologe, aber die Tiere taten ihm leid. Und jetzt ertappte er sich mitunter dabei, daß er sich selber leid tat. So also lebte es sich nach Signalen. Er seufzte wieder und verscheuchte die trüben Gedanken. Eigentlich hatte er allen Grund, froh zu sein. Das war seine erste Weltraumreise, jedenfalls seine erste, die diesen Namen verdiente. Sonst kannte er nur den Pendelverkehr zwischen Erde und Mars, auf dem er geboren war. Doch Reisen im eigenen Sonnensystem galten eigentlich nur als eine Art Vorortverkehr, ähnlich wie man vor Jahrhunderten mal schnell mit der S-Bahn von einem Ende der Stadt zum anderen fuhr. Diese Reise hier war etwas ganz anderes. Und er konnte stolz sein, zu den wenigen ausgesuchten Expeditionsmitgliedern zu gehören – auch wenn außer dem Koordinator* und dem Kommandanten wohl niemand wußte, wohin die Reise führen sollte. Nur der Expeditionsauftrag * siehe alphabetisch geordnete „Worterklärungen“ auf der letzten Seite
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war allgemein bekannt: Ein von der Raumkontrolle neu entdeckter Planet sollte auf seine Eignung als Rohstoff- und Nahrungsreserve für die Erde untersucht werden. Und das war die wichtigste Aufgabe, die es überhaupt gab: die Nahrungsreserven der Erde, von der aus auch die kolonisierten Planeten und Monde des Sonnensystems zum großen Teil mitversorgt wurden, waren nahezu erschöpft. Es klopfte. Und ohne eine Antwort abzuwarten, trat Paolo Monterosa in die Kabine. Ein Lächeln huschte über sein scharfgeschnittenes kupferfarbenes Gesicht, als er Salokin noch auf der Koje liegen sah. „Aha“, sagte er heiter. „Du opponierst mal wieder gegen die Kaninchendressur. Nur gut, daß Nardes keine Stichproben macht.“ Salokin ließ sich sanft von seiner Koje gleiten. „Schön, daß du kommst“, grüßte er. „Aber laß mich bitte mit deinem Boß in Ruhe.“ „Er ist auch dein Boß“, korrigierte Paolo freundlich und setzte sich in einen hydraulischen Sessel. „Immerhin bist du sein persönlicher Assistent“, brummte Salokin. „Ach“, meinte Paolo. „Ich mag ihn eigentlich ganz gern.“ Salokin nickte. „Sofern man einen fleischgewordenen Computer gern mögen kann.“ Mike Nardes war Wirtschaftswissenschaftler und Beschaffungsspezialist, außerdem hatte er eine nicht näher bekannte hohe Funktion im Galaktischen Rat. Zur Zeit leitete er die Expedition als Oberster Koordinator, und es gab eigentlich kaum jemand, der darüber besonders erfreut gewesen wäre. Außer Paolo Monterosa: er verdankte Nardes seine Chance zur Teilnahme an dieser Expedition. Paolo grinste. „Ein hübscher Vergleich. Ich glaube, Nardes hätte gar nichts dagegen.“
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„Das glaube ich auch“, brummte Salokin grimmig. „Ich möchte bloß wissen, ob er unsere zusammengewürfelte Gesellschaft selber ausgesucht hat.“ Paolo schüttelte den Kopf. „Wohl kaum. Er wäre bestimmt nicht darauf verfallen, deinen heißgeliebten Professor Ndanga mitzunehmen.“ „Warum? Weil er Afrikaner ist?“ „Nardes hält Neger für sentimental.“ Salokin lachte. „Dann bin ich auch einer. Ein weißhäutiger mit strohblondem Haar.“ „Du hast immerhin dunkelbraune Augen wie ich“, sagte Paolo lächelnd. „Es ist eigentlich schon ein Wunder, daß er mich als reinblütigen Indio zu seinem Assistenten gemacht hat.“ „Ein fleischgewordener Computer mit Rassenvorurteilen. Nicht zu fassen ist das. Dabei besteht die Menschheit inzwischen zu über acht Zehnteln aus Nichtweißen.“ „Vermutlich hat Nardes einen historischen Tick. Er hat mir mal erzählt, daß seine Vorfahren zu den nordamerikanischen Pionieren gehörten. Also zu jenen, welche die nördlichen Brüder meiner Vorfahren nahezu ausgerottet haben. Ich weiß nicht genau, wie er zu Indianern steht, jedenfalls ist es komisch, daß ich die Stelle bei ihm bekommen habe.“ „Vielleicht eine Art später Wiedergutmachung“, meinte Salokin. Paolo widersprach: „Das sicher nicht. Er wird andere Gründe haben, wer weiß welche. Jedenfalls komme ich ganz gut mit ihm aus. Er akzeptiert mich als Fachmann, das ist mir die Hauptsache.“ Salokin betrachtete Paolo mit leichtem Zweifel. Er mochte den jungen Ökologen mit der kupferfarbenen Haut und den dunklen, etwas schwermütigen Augen. Sie waren ungefähr im gleichen Alter, beide Mitte Zwanzig, und die
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jüngsten an Bord. Das hatte sie wohl von Anfang an zusammengeführt, auch wenn von der übrigen Besatzung kaum einer über vierzig war. Allerdings gehörten sie beide nicht direkt zur Raumschiffbesatzung, sondern zu dem Team von Wissenschaftlern, das den neuentdeckten Planeten untersuchen sollte. Von der Crew des Raumschiffs bekamen sie ohnehin nicht viel zu Gesicht. Die beiden jungen Männer bedauerten das, doch nach der Dienstordnung war das leider nicht zu ändern. Untereinander hatte das Expeditionsteam guten Kontakt, obwohl die meisten sich erst beim Start vom Erdmond kennengelernt hatten. Das galt übrigens auch für Salokin und Paolo. Inzwischen kam es ihnen jedoch so vor, als seien sie schon eine Ewigkeit befreundet. „Möchtest du eine Tasse Algentee?“ fragte Salokin. „Danke“, sagte Paolo. „Ich habe gerade Tee getrunken. Bei Nardes.“ „Sieh da!“ Salokin blickte interessiert auf. „Du warst beim Koordinator? Weißt du schon Genaueres über den Zeitpunkt unserer Landung?“ Paolo machte ein geheimnisvolles Gesicht und grinste. „Wir sind bereits in der Umlaufbahn.“ „Tatsächlich?“ Salokin ließ sich auf die Koje zurückfallen. „Und warum hat uns niemand davon verständigt? Das interessiert doch schließlich alle.“ „Das kommt noch. Du kennst ja Nardes’ einsame Beschlüsse. Und laß dir bitte nicht anmerken, daß ich es dir gesagt habe. Sonst gibt es Ärger.“ „Na schön“, brummte Salokin. „Kennst du eigentlich die Koordinaten?“ „Natürlich nicht. Die kennt außer dem Kommandanten und dem Astrogator nur noch Nardes. Aus Sicherheitsgründen.“ „Hm. Und was weißt du sonst über den neuen Planeten?“
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„Nicht viel“, sagte Paolo. „Er ist der siebte Planet dieses Sonnensystems, ist etwas größer als die Erde und steht seiner Sonne ein wenig näher, wird also auch wärmer sein. Die übrigen elf Planeten hier sind übrigens unbewohnbar, entweder zu nah oder zu weit entfernt von der Sonne. Außerdem hat unser Planet drei kleine Monde. Das ist alles, was ich weiß.“ Salokin verzog das Gesicht. „Du sagtest eben, der Planet solle etwas wärmer sein als die Erde?“ Plötzlich drang eine fremde schnarrende Stimme aus dem Lautsprecher an der Decke und verkündete: „Meine Herren! Sie haben jetzt Gelegenheit, unseren neuen Planeten von der Umlaufbahn aus kennenzulernen, um sich einen Gesamteindruck zu verschaffen. Nutzen Sie die Zeit. In einundzwanzig Minuten werden die Klappen wieder geschlossen.“ Die Stimme verstummte mit leisem Knackgeräusch. Einen Augenblick lang herrschte Stille, dann ertönte ein schwaches Summen. Die Sicherheitsklappen vor den Sichtluken, die während des ganzen Fluges durch den Weltraum zum Schutz gegen Meteoriten geschlossen waren, schoben sich zur Seite und gaben den Blick ins All frei. Rasch traten die beiden jungen Männer an die Spezialglasscheibe. Und sie hatten Glück. Der Blick aus ihrer Kabine bot einen günstigen Sichtwinkel. Unter ihnen lag der neue Planet. „Beim Universum!“ entfuhr es Salokin. „Das ist ja ein Prachtexemplar!“ Er hatte recht. Der fremde Planet unter ihnen leuchtete wie ein grüner Smaragd durch vereinzelte Wolkenfetzen, nur an den Polen besetzt von schwachen Eiskappen. Als das Raumschiff den Planeten weiter umrundete, ging das Grün allmählich in Türkis über: ein riesiger Ozean mit zahllosen grünen Inseln, die wie Pfeiler einer Brücke zu einem zweiten gewaltigen Kontinent hinüberreichten, der genauso grün leuchtete wie der erste.
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„Ein grüner Planet“, murmelte Paolo beeindruckt. Ein verträumter Zug wob sich um seine Mundwinkel. Salokin sah es und lächelte. „Wenn die Fauna dort unten so üppig wuchert wie die Flora, werden wir genügend Arbeit für den Rest unseres Lebens finden“, sagte er nachdenklich. Und es klang so, als freue er sich darüber. Paolo blickte auf. Über seinem Gesicht lag jetzt ein Schatten. „Ein merkwürdiges Gefühl“, sagte er leise. „Ein Planet in seinem natürlichen Gleichgewicht. Genauso ist die Erde einmal gewesen, bevor der Mensch sie systematisch zugrunde richtete. Wer weiß, wie lange er dazu braucht, um auch diesen Planeten zu ruinieren.“ Salokin schluckte. „Du bist Ökologe, Paolo, vielleicht kannst du es verhindern. Du und alle, die wissen, was für die Menschheit davon abhängt.“ Paolo blieb skeptisch. „Das war immer eine Frage der Macht“, sagte er zögernd. „Und du weißt ja, wer unsere Expedition finanziert. Es wird Probleme geben.“ Die beiden schwiegen. Unterdessen zog das Raumschiff weiter seine Bahn. Der erste Kontinent tauchte wieder auf. Und Salokin versuchte, irgendwo Anzeichen von Leben zu entdecken. Aber das Raumschiff war noch zu hoch. Er seufzte. „Von Zivilisation ist nichts bekannt?“ fragte er dann. „Die Raumkontrolle hat keine künstlichen Bauwerke entdeckt. Aber das will nicht viel heißen. Wir vergessen immer wieder, daß andere Intelligenzen auch andere Maßstäbe haben als wir. Falls es sie gibt.“ Salokin lächelte. Er schätzte Paolos sachliche Art. „Lassen wir uns überraschen, Paolo.“ Ehe Paolo antworten konnte, ertönte wieder das schwache Summen. Die Sicherheitsklappen schoben sich langsam vor die Sichtluken. Sie wurden geschlossen, um in den dichteren Schichten der Atmosphäre die Reibungshitze
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von den empfindlichen Spezialgläsern fernzuhalten. Das Landemanöver hatte begonnen.
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In vertrauter Umgebung Kaum jemand an Bord spürte etwas davon, als das Raumschiff sanft aufsetzte. Nur im Kommandoraum registrierten die Instrumente eine leichte Erschütterung. Sing Ho, der Kommandant, nickte befriedigt. Es war alles planmäßig verlaufen. Jetzt blickte er erwartungsvoll auf den Koordinator, der neben ihm stand. Nardes lächelte. Seine Arbeit konnte beginnen. Was dann geschah, war die übliche Routine beim ersten Betreten eines neuentdeckten Planeten. Nardes trat als erster durch die Luftschleuse. Der Helm seines Schutzanzuges glänzte matt im hellen Licht der fremden Sonne. Nach ihm folgte Guy Prontes, der Geochemiker, mit seinen Geräten. Seine Aufgabe war es, als erstes die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre des neuen Planeten zu untersuchen. Von diesen Ergebnissen würde es abhängen, ob und wann sie die Schutzanzüge ablegen konnten. Guy Prontes brauchte nicht lange. Dann sagte er: „Wie zu erwarten: die typische Sauerstoff-Stickstoff-Atmosphäre, wie auf jedem Planeten, der Wasser führt. Erstaunlich ist nur, in wie hohem Maße die Atmosphäre hier unserer irdischen gleicht. Bis jetzt habe ich nur ganz geringfügige Abweichungen feststellen können.“ Die gesamte Besatzung einschließlich aller Expeditionsmitglieder lauschte gespannt den Worten des Geochemikers, die durch sein Helmmikrophon auf sämtliche Lautsprecher im Raumschiff übertragen wurden. Die Sichtluken waren nach der Landung wieder geöffnet, und jeder, der Zeit hatte, sah hinaus auf das fremde Land. Draußen bot sich ein faszinierendes Bild. Das Raumschiff befand sich in einer flachen, weiträumigen Mulde, die ringsum von verhältnismäßig hohen, aber mit dichtem Grün
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überwucherten Bergen umgeben war. Diese Berge zeigten nirgendwo die scharfen Konturen, die man von den Gebirgen der Erde kannte, sondern wirkten eher wie riesige, mit grünem Samt überzogene Hügel, obwohl sie bestimmt mehr als eintausend Meter über dem Meeresspiegel lagen. „Kurios“, bemerkte Einar Lundström, der Botaniker. „So ein verrücktes Gemüse ist mir noch nie begegnet.“ „Wie bitte?“ fragte Professor Ndanga plötzlich hellwach. Er stand zusammen mit dem Botaniker und einigen anderen Expeditionsmitgliedern im Konferenzraum und hatte bis jetzt die Landschaft genossen, die ihn entfernt an seine irdische Heimat Afrika erinnerte. Einar Lundström zeigte erregt auf die Gruppe von Männern tief unter der Lukenreihe des Konferenzraumes auf dem Boden des Planeten. „Sehen Sie doch selbst, Herr Kollege. Man kann kaum ihre Helme erkennen, so hoch ist dieser Pflanzenwuchs. Ich habe den Eindruck, daß er weithin die ganze Gegend bedeckt. Nirgends bekommt man den Planetenboden zu Gesicht; dieses sonderbare Gemüse steht unwahrscheinlich dicht.“ „Da haben wir den Salat“, knurrte Daisuke Kunizaki. Er war Spezialist für Expeditionsfahrzeuge und schien sich gerade überlegt zu haben, wie sich wohl seine Vehikel bei diesem Bewuchs benehmen würden. „Es ist ein Jammer“, brummte Lundström gereizt, „daß ihr Techniker immer gleich an eure unausstehlichen Zivilisationsprodukte denken müßt!“ Professor Ndanga hüstelte belustigt. „Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Herr Kollege“, sagte er freundlich zu dem Botaniker. „Ich werde meine Tierchen jedenfalls hübsch zu Fuß suchen. Außerdem ist das gesünder. Meinst du nicht auch, Salokin?“ Er warf einen bedeutungsvollen Blick auf seinen Assistenten. Und Salokin nickte zustimmend.
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„Abwarten.“ Der Japaner reagierte gelassen. „Wenn meine verehrten Kollegen ihre gesamte Ausrüstung höchst eigenhändig durch die Gegend schleppen sollen, werden sie sicher gern auf meine unsympathischen Vehikel zurückgreifen. Besonders in dieser reizenden Gegend.“ „Hm“, machte Professor Ndanga nachdenklich. „Da hat er eigentlich auch wieder recht.“ Kunizaki lächelte. „Eben.“ Lundström brummelte undeutlich etwas in seinen blonden Strubbelbart und meinte dann bissig: „Hoffentlich bringen die Dinger nicht die ganze Umgebung in Aufruhr.“ „Überhaupt nicht“, erklärte der Japaner. „Sie wissen doch, wir fahren absolut lautlos mit einem elektrischen Spezialantrieb, Herr Kollege. Unsere Transporter sind eine völlig neue Entwicklung und kinderleicht zu bedienen.“ „Wie erfreulich“, bemerkte Professor Ndanga erleichtert. „Meine Herren!“ dröhnte plötzlich die Stimme des Koordinators aus den Lautsprechern. „Unser Mikrobiologe, Professor Schulthes, hat soeben seine bakteriologischen Untersuchungen abgeschlossen. Pathogene Keime wurden nicht festgestellt. Sie wissen, was das für unser Unternehmen bedeutet. In zehn Minuten erwarte ich Sie zu einer Konferenz.“ Es knackte im Lautsprecher. Dann sahen alle durch die Sichtluken zu, wie Nardes und die beiden Wissenschaftler ihre Helme abnahmen. „Allen guten Geistern des Universums sei Dank“, verkündete Einar Lundström pathetisch. „Auf diesem Planeten können wir uns endlich wieder mal wie natürliche Menschen bewegen. Welch eine Wohltat.“ Professor Ndanga strahlte. „Nun, lieber Salokin“, sagte er zu seinem Assistenten. „Ich denke, unter diesen Voraussetzungen dürfen wir wohl auf eine hochinteressante Fauna hoffen.“
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„Aber sicher, Herr Kollege“, mischte sich der Botaniker ein. „Vor allem auf eine bestimmt hochinteressante Spezies von Gemüsefressern. Ich bin wirklich gespannt auf die lieben Tierchen.“ Paolo, der inzwischen zu der Gruppe getreten war, verbiß sich ein Lachen. Er kannte Lundströms Spaß an Sticheleien, mit denen er die beiden Zoologen bei jeder Gelegenheit heimsuchte. Im Grunde aber verstanden sich alle drei ausgezeichnet. Denn der Botaniker hatte auf seinen Versuchsplantagen auf der Venus selbst einen ganzen Zoo einquartiert, Tiere von allen bewohnbaren Planeten, mit denen er wie mit Brüdern unter einem Dach zusammenhauste. Der Koordinator beendete Paolos Überlegungen. Er trat mit elastischen Schritten aus dem Aufzug und erbat sich mit einer Handbewegung Ruhe. Die Herren setzten sich, sie rechneten mit einer längeren Konferenz. Aber darin hatten sie sich getäuscht. Nardes machte sich nicht einmal die Mühe, sich zu setzen. Im Stehen erklärte er: „Meine Herren! Wie bereits gesagt, haben wir auf diesem Planeten geradezu ideale Bedingungen angetroffen. Unsere Pläne, diesen Planeten für die menschliche Zivilisation nutzbar zu machen, sind Ihnen bekannt. Sie wissen, was Sie zu tun haben. Da nach unseren Beobachtungen aus der Umlaufbahn hier nicht mit intelligentem Leben zu rechnen ist, bedarf es keiner besonderen Schutzmaßnahmen. Der Beobachtungsgleiter startet in wenigen Minuten zu Nahluftaufnahmen der engeren Umgebung unseres Landeplatzes. In einer Stunde erwarte ich die Exkursionsvorschläge der einzelnen Gruppen. Die Geologen bleiben gleich hier. Ich danke Ihnen, meine Herren.“ Nardes wandte sich ab und wartete, bis alle außer den Geologen den Konferenzraum verlassen hatten. „Ein sympathischer Zeitgenosse, dieser Nardes“, kommentierte Einar Lundström etwas spöttisch. „Das war keine Konferenz, das war ein Befehlsempfang. Ich bin wirklich
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gespannt, was bei dieser Regie herauskommt.“ Professor Ndanga lächelte. „Etwas voreilig, seine Hypothese, fürchte ich. Als ob Intelligenz grundsätzlich immer auf zwei Beinen herumlaufen und Häuser bauen müßte. Aber warten wir es ab.“ Er nickte dem Botaniker freundlich zu, faßte seinen Assistenten am Arm und verschwand mit ihm in seiner Kabine. Sie hatten einiges zu besprechen. Eine Stunde später saßen sie beide dem Koordinator gegenüber und unterbreiteten ihre Vorschläge. Nardes machte wider Erwarten keine Einwände. Er legte ihnen eine inzwischen vervielfältigte Nahluftaufnahme des Beobachtungsgleiters vor, die vermuten ließ, daß sich jenseits der westlichen Bergkette ein durch Pflanzenbewuchs fast verdeckter Flußlauf der nahen Meeresküste zuwand. Diese Gegend wurde ihnen als Operationsgebiet zugewiesen. Zu ihrer Gruppe gehörten ferner der Botaniker Einar Lundström mit seiner malaiischen Assistentin Li und der Japaner Daisuke Kunizaki, der das Expeditionsfahrzeug führte und für die gesamte technische Ausrüstung verantwortlich war. Der Aufbruch wurde für den nächsten Morgen festgesetzt. Als Salokin sich am Abend dieses ereignisreichen Tages in seine Koje legte, fühlte er sich ganz zufrieden. Die Zusammensetzung der Gruppe hätte nicht besser sein können; sicher hatte Paolo dabei seine Hand im Spiel gehabt. Nur die lange Nacht war nicht ganz nach seinem Geschmack, denn der neue Planet brauchte für eine Drehung um seine Achse ganze zweiunddreißig Stunden. An diesen Rhythmus würde er sich erst gewöhnen müssen.
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Erste Erkundung Das Expeditionsfahrzeug war ein reichlich sonderbares Gefährt. Von außen betrachtet schien es lediglich aus sechs großen Rädern zu bestehen, die paarweise auf drei Achsen montiert waren. Daisuke Kunizaki, der oben zwischen den Vorderrädern auf dem walzenförmigen Bug stand, bemerkte Salokins etwas ratloses Gesicht. „Ein niedliches Spielzeug, nicht wahr? Und jedes Rad wird einzeln angetrieben und kann auch einzeln gelenkt werden. Wir können uns also auf der Stelle drehen...“ „Eine sehr sinnvolle Beschäftigung“, spöttelte Einar Lundström. „Ich hoffe nur, das gilt nicht symbolisch für unser ganzes Unternehmen ... Übrigens: Einen schönen guten Morgen, meine Herren Kollegen.“ Er stapfte gemächlich um das Vehikel herum und pflanzte sich dann breitbeinig neben Salokin auf. Der Japaner beobachtete ihn amüsiert und erklärte dann: „Schwimmen kann es natürlich auch. Und selbst Sumpfgebiete machen ihm keine Schwierigkeiten. Außerdem ist es hier drin recht gemütlich. Ich denke, die Herren werden zufrieden sein.“ „Unsere Dame hoffentlich auch.“ Der Botaniker blickte sich suchend nach seiner Assistentin um. Li trat gerade zusammen mit Professor Ndanga aus der Luftschleuse. Die beiden hatten noch ein paar Ausrüstungsgegenstände geholt und kletterten jetzt über das Heck ins Fahrzeug. Salokin und Lundström folgten. Dann saßen sie hintereinander in den hydraulischen Sesseln, die nach allen Seiten drehbar waren und mit einem Knopfdruck in bequeme Liegen umgewandelt werden konnten. „XU 7 ist startklar“, funkte Kunizaki, der vorn am Steuerpult saß, an die Leitzentrale im Raumschiff.
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„Start frei, XU 7“, kam die Antwort Paolos, der als Assistent des Koordinators die Abfahrt der Fahrzeuge überwachte. „Gute Fahrt.“ Lautlos setzte sich das Fahrzeug in Bewegung. Wie ein Luftkissenboot glitt es zwischen den mannshohen, grasähnlichen Gewächsen hindurch und nahm Kurs auf die westliche Bergkette. Keiner sprach. Jeder hing seinen Gedanken nach. Aber es waren wohl bei allen die gleichen Gedanken: das Bewußtsein, zum ersten Mal auf einem bisher von irdischen Menschen unbetretenen Planeten zu sein. Und obwohl alle außer den beiden jungen Assistenten schon eine ganze Reihe von Expeditionen auf fremden Planeten mitgemacht hatten, spürten sie doch wieder die gleiche Faszination. Plötzlich zeigte Einar Lundström erregt nach draußen und schrie: „Stop! Dort ist eine Spur!“ Alle blickten wie auf Kommando in die angegebene Richtung, doch Kunizaki fuhr ungerührt weiter. „Beruhigen Sie sich“, sagte er gelassen. „Das waren die Geologen mit ihrem Fahrzeug. Sie sind schon vor uns aufgebrochen. Auch der Koordinator ist dabei.“ „Ah so.“ Der Botaniker entspannte sich. „Das hätte ich mir denken können. Unserem verehrten Herrn Nardes sind die Bodenschätze natürlich das wichtigste.“ „Auch die anderen drei Fahrzeuge sind bereits unterwegs“, bemerkte der Japaner. „Wir sind die letzten.“ Professor Ndanga zog ein wenig ärgerlich die Stirn in Falten. „Hoffentlich werden durch diese Masseninvasion nicht alle Tiere verscheucht“, meinte er besorgt. „Kennen Sie wenigstens das Ziel der anderen Expeditionen, Herr Kollege?“ „Nein“, sagte Kunizaki. „Aber das können wir durch Funk sehr schnell erfahren. Wir können sie auch anpeilen oder mit Radar suchen. Unser Spezialfahrzeug ist mit allem ausgerüstet.“
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„Brrr“, machte Lundström. „Was für ein unsympathischer Dampfer. Ich fürchte, da ist es wieder nichts mit ausbüxen.“ Die anderen lachten. Paolos Stimme meldete sich belustigt aus dem Lautsprecher: „Vorsicht! Feind hört mit!“ „Auch das noch“, seufzte Lundström. „Muß denn unser Mikro dauernd auf Sendung sein?“ „Vorschrift“, sagte der Japaner lakonisch. Lundström grinste. „Na schön, dann steigen wir eben aus, wenn wir uns mal privat unterhalten wollen. In diesen spaßigen Grashälmchen dort draußen wird wohl noch niemand ein Mikro eingebaut haben.“ „Ist das eigentlich Gras?“ erkundigte sich Professor Ndanga. „Was meinen Sie, Lundström?“ „Es ist“, antwortete der Botaniker. „Ich habe mir noch gestern abend ein paar Proben geholt. Li ist zu dem Resultat gekommen, es sei außerordentlich nahrhaft.“ „Eine Nahrungsgrundlage für Pflanzenfresser wäre also gegeben...“ Der Professor unterbrach sich und starrte betroffen nach draußen. Ein etwa rabengroßes fliegendes Tier strich ein Stück vor dem Fahrzeug über die Halme. Aber es war kein Rabe. Es war überhaupt kein Vogel. Es war etwas anderes. „Ein Insekt!“ schrie Salokin erschrocken. „Vermutlich ein Insekt“, bestätigte Professor Ndanga. „Natürlich müssen wir diese Spezies erst noch näher untersuchen, bevor sich Genaueres sagen läßt.“ „Beim Universum!“ rief Lundström. „Das kann ja heiter werden. Ich hoffe nur, daß diese Viecher nicht pieken.“ Er begann sich nervös zu kratzen. Die Assistentin Li machte ein erschrockenes Gesicht. Nur Ndanga lächelte milde. „Wäre das nichts für Ihre
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nette Sammlung, Herr Kollege?“ erkundigte er sich teilnahmsvoll. „Danke verbindlichst“, knurrte Lundström. „Es gibt hier sicher sympathischere Tierchen.“ Professor Ndanga hörte schon nicht mehr zu. Er hatte inzwischen noch einige andere insektenähnliche Tiere entdeckt, keines kleiner als das erste, einige sogar noch etwas größer. Er stieß den hinter ihm sitzenden Salokin an und begann, eifrig Notizen zu machen. Damit war er für die nächste Zeit beschäftigt. Und niemand störte ihn dabei. Als die fremde Sonne etwa im Zenit stand, erreichte die Expedition die ersten Ausläufer der Bergkette. Die Vegetation war reichhaltiger geworden. Großblättrige Pflanzen mischten sich zwischen das langstielige Gras. Auch sperriges Gebüsch zeigte sich vereinzelt. Das Gelände wurde unübersichtlich. Kunizaki fuhr mit äußerster Vorsicht, um nicht plötzlich mit einem verborgenen Hindernis zu kollidieren. „Es wird schwierig werden, in dieser Landschaft Tiere zu beobachten“, meinte Salokin skeptisch. „Bis jetzt haben wir außer diesen merkwürdigen Insekten noch nichts entdeckt.“ „Das kommt noch“, tröstete Professor Ndanga. „Ich fürchte, der Lärm beim Aufsetzen unseres Raumschiffs hat die Tierwelt in diesem Gebiet verscheucht. Außerdem haben wir in unserem Vehikel nicht gerade eine günstige Beobachtungsposition. Wenn wir von unserem Exkursionscamp zu Fuß ausschwärmen, finden wir sicher bessere Möglichkeiten.“ „Viel Vergnügen“, grinste der Botaniker. „Bei diesem Dickicht!“ „Vielleicht finden wir dort eine andere Vegetation.“ „Abwarten“, erwiderte Lundström. Kunizaki änderte plötzlich die Richtung des Fahrzeugs. Bis jetzt waren sie annähernd in gerader Linie auf die Berg-
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kette zugefahren, die sich wie eine sanft aufsteigende Wand am westlichen Horizont entlangzog. Nun bog er in ein bisher durch einen vorgelagerten Höhenzug verdecktes Seitental ab. „Was ist?“ fragte Professor Ndanga. Lächelnd wies der Japaner nach vorn. „Die Instrumente haben einen Paß registriert. Wir können uns sparen, über den steilen Grat zu fahren.“ Etwa eine halbe Stunde später hatten sie den Paß erreicht. Er bildete einen schmalen Einschnitt innerhalb der geschlossenen Gebirgskette und war für das Fahrzeug gut passierbar. Vorsichtig wanden sie sich zwischen den dichtbewachsenen Steilhängen hindurch. Die fremde Sonne brannte unbarmherzig von einem wolkenlosen Himmel. Und trotz der Klimaanlage des Fahrzeugs drang den Insassen der Schweiß aus allen Poren. Das Bordthermometer zeigte sechsundzwanzig Grad Celsius. „Diese Hitze!“ stöhnte Einar Lundström. „Kein Wunder, daß hier alles blüht, wächst und gedeiht.“ „Wo blüht etwas?“ erkundigte sich Li erstaunt. Der Botaniker lachte dröhnend. „Mein liebes Kind, wann werden Sie endlich lernen, mich nicht immer so tierisch ernst zu nehmen?“ „Wieso tierisch?“ fragte Professor Ndanga amüsiert. „Im allgemeinen sind Tiere wesentlich heiterer als wir, lieber Kollege.“ „Ich weiß, ich weiß“, gab Lundström zu. „Aber eigentlich ging es mir eben mehr um die Hitze.“ Er blickte angestrengt nach draußen und begann dann, in sein Notizbuch zu kritzeln. Offenbar hatte er etwas entdeckt. Tatsächlich zeigte die Vegetation jetzt eine Veränderung. Die Steilhänge traten zurück. Das schmale Seitental weitete sich bergabwärts und mündete in ein breites muldenartiges Tal, das sich jenseits der Gipfelkette in ein sanft gewelltes
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Hügelland hinunterzog. Sie hatten das Gebirge hinter sich, und ein leichter Wind bewegte die Halme und Blätter, die das Kabinendach um gut Armeslänge überragten.
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Spuren im Gras Kunizaki stoppte das Fahrzeug und starrte aufmerksam vor sich in das Dickicht aus Gras, Sträuchern und großblättrigen Pflanzen. Es wirkte wie eine Wand aus wucherndem Grün. Der Techniker schien unschlüssig. Endlich sagte er: „Da vorn muß irgendwo Wasser sein, vermutlich ein Flußlauf. Aber in diesem Dschungel ist nichts zu erkennen.“ Professor Ndanga nickte. „Dann sind wir richtig. Es wird der Fluß sein, den wir auf den Luftaufnahmen gesehen haben. Dort in der Nähe sollten wir unser Lager aufschlagen.“ „Lager ist gut“, sagte Lundström grinsend und legte seine Aufzeichnungen weg. „Ich werde mal auf das Kabinendach steigen und mir die Gegend von oben ansehen. Vielleicht kann man von dort über das Gemüse weggucken.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, kletterte er hinauf. Kaum hatte er sich aufgerichtet, stieß er einen Laut der Überraschung aus. „Kaum zu fassen ist das!“ brüllte er in die Kabine hinunter. „Bäume gibt es hier, gegen die sind unsere irdischen die reinsten Streichhölzer. Sehen Sie sich das an! Ich habe den Eindruck, daß auf diesem verrückten Planeten alles viel größere Dimensionen hat. Alles!“ Salokin kletterte ihm nach und staunte. Die vereinzelt in der Landschaft stehenden Bäume hatten einen Durchmesser, in den man bequem ein Haus hineinbauen konnte. Und zwischen den leuchtend roten Blüten in den gewaltigen Kronen wimmelte es geradezu von Rieseninsekten. Aber er entdeckte noch etwas. Nicht weit von ihrem Fahrzeug zog sich eine breite Spur durch das Dickicht. Im ersten Augenblick dachte er, sie stamme von einem der anderen Expeditionsfahrzeuge. Doch dann sah er, daß die Spur einen seltsam unregelmäßigen Zickzackkurs nahm. Es sah aus, als sei der
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Fahrer betrunken gewesen. „Eine Spur!“ rief Salokin erregt. „Keine zwanzig Meter von hier!“ „Welche Richtung?“ fragte der Japaner. „Halblinks!“ Langsam setzte sich das Fahrzeug in Bewegung. Salokin und Lundström beobachteten den Kurs. Sie kamen allmählich näher. Kurz bevor das Fahrzeug die fremde Spur kreuzte, schrie Salokin: „Stop!“ Das Fahrzeug hielt, und die beiden kletterten hinunter. Hoch über ihnen schlugen die Spitzen der Grashalme zusammen. Es machte einige Schwierigkeiten, sich einen Weg zu bahnen. Endlich trafen sie auf die Spur. Salokin beugte sich sofort darüber, und Lundström untersuchte sorgsam die Knickstellen. „Sieht aus, als sei hier eine Dampfwalze durchgefahren“, meinte er. „Ich fürchte nur, so was haben wir überhaupt nicht an Bord gehabt.“ Salokin schüttelte den Kopf. „Es muß ein Tier gewesen sein. Hier sind eindeutig Trittspuren.“ „Aha. Vermutlich ein Nilpferd.“ „Sagten Sie eben Nilpferd?“ kam Professor Ndangas Stimme aus dem Dickicht. Kurz darauf schob er sich selber zwischen den Halmen hindurch und kniete sofort nieder. „Es ist ein Fünfzeher, soweit ich erkennen kann“, sagte Salokin. Ndanga zog ein Meßinstrument aus der Tasche. „Hm, hm“, machte er. „Ein Fünfzeher mit Krallen. Tatsächlich. Und von dieser Größe? Erstaunlich.“ „Wird er uns fressen?“ erkundigte sich der Botaniker mit gespieltem Entsetzen. Professor Ndanga seufzte. „O Sie Witzbold!“ Plötzlich raschelte es zwischen den Halmen. Aber das Geräusch kam nicht aus der Richtung des Fahrzeugs, son-
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dern von der anderen Seite. Irgend etwas wand sich dort durch die Gegend. Etwas, das sehr dicht über dem Boden kriechen mußte, denn die Halmspitzen zeigten kaum eine Bewegung. Salokin schob sich entschlossen zwischen die Halme, zuckte aber sofort zurück. „Eine Schlange!“ flüsterte er heiser. „Zumindest eine Art Reptil. Ich habe nur noch ein Stück vom Schwanz gesehen. Aber es muß ein Riesentier gewesen sein.“ „Ein Reptil?“ fragte Professor Ndanga aufgeregt. „Bist du sicher?“ Salokin zuckte die Schultern. „Soweit ich erkennen konnte, ja.“ Der Professor öffnete gerade den Mund, um etwas zu sagen, da erhob sich nicht weit von der Gruppe im Dickicht ein ziemlicher Lärm. Es hörte sich an wie ein Kampf. Unterholz brach, schwere Körper trampelten auf dem Boden, und irgend etwas peitschte die Halme mit ungeheurer Wucht. Und ein offenbar sehr großes Tier schnaufte und keuchte wie bei einer starken Anstrengung. Dann wurden die Kampfgeräusche allmählich leiser, und ein genießerisches Schmatzen erfüllte die Luft. „Mahlzeit!“ brummte der Botaniker gemütlich. „Wie schön, daß das liebe Tierchen sich nicht gerade uns zum Fraße ausgesucht hat.“ „Kommen Sie, Salokin!“ Professor Ndanga packte seinen Assistenten am Arm und wollte ihn mit in die Richtung der Geräusche ziehen. „Halt!“ rief Kunizaki. Er stand oben auf dem Kabinendach, den Mehrzweckstrahler im Anschlag, und zielte auf die Kampfstätte im Dickicht. „Nehmen Sie gefälligst Ihre Waffe mit, wenn Sie sich in Gefahr begeben!“ „Er hat recht“, sagte Lundströms Assistentin Li, die inzwischen ebenfalls zu der Gruppe gestoßen war und einen kleinen Strahler in der Hand hielt.
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Professor Ndanga zögerte. Dann fragte er streng: „Was haben Sie da geladen? Ich hoffe, lediglich Betäubungs– munition!“ „Selbstverständlich“, sagte der Japaner beruhigend. Li nickte. „Ich gehe mit Ihnen, Herr Professor.“ „Mutiges Mädchen“, lobte Lundström und schloß sich ebenfalls an. Vorsichtig drangen sie in das Dickicht ein. Als sie etwa die Hälfte des Weges zurückgelegt haben mußten, verstummten die Schmatzgeräusche vor ihnen. Rascheln der Halme verriet, daß sich das Tier langsam entfernte. Hatte es sie gewittert? Oder? Die gemächliche Gangart des Tieres deutete nicht auf Flucht. Vermutlich hatte es nur einfach seine Mahlzeit beendet und trollte sich weiter. „Aggressiv ist es offenbar nicht“, flüsterte Salokin dem Professor zu. Professor Ndanga wiegte bedächtig den dunklen Kopf. „Oder es ist satt. Und gesättigte Tiere sind nicht aggressiv, jedenfalls die uns bekannten nicht.“ Den Rest des Weges kamen sie schneller voran, da sie sich jetzt nicht mehr so vorsichtig bewegen mußten. Kurz darauf sahen sie die Stätte des Kampfes. Auf einer Fläche von etwa sechs Quadratmetern waren alle Gewächse niedergestampft und mit Blutflecken übersät. Professor Ndanga bückte sich und hielt triumphierend ein Stück von einem Reptilschwanz in die Höhe. „Das ist es“, bestätigte Salokin. „Soviel etwa habe ich vorhin auch gesehen.“ Aufmerksam suchten die beiden die Kampfstätte nach Spuren ab. Die Trittspuren zeigten die gleichen Merkmale wie die vorhin. Es mußte sich um dasselbe Tier handeln. Und am Rande des Kampfplatzes sahen sie auch eine breite Spur, die weiter ins Dickicht führte, aber nur eine. Offenbar hatte das Tier sich hier etwas ausgeruht, als es von dem
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Reptil angegriffen wurde. Dann war es zum Kampf gekommen, und das Reptil hatte den kürzeren gezogen. „Na also“, sagte Professor Ndanga befriedigt. „Jetzt wissen wir schon eine ganze Menge. Neben den schon früher entdeckten flugfähigen insektenähnlichen Arten gibt es auf diesem Planeten aggressive Reptilien von beachtlichen Ausmaßen. Außerdem fünfzehige Vierbeiner etwa von der Größe ausgewachsener irdischer Braunbären, die sich unter anderem von Reptilien ernähren.“ „Und die vermutlich als eine Art Borstenviecher einzustufen sind“, ergänzte der Botaniker, der sich in der Zwischenzeit aufmerksam mit den niedergetretenen Pflanzen beschäftigt hatte. Professor Ndanga fuhr herum. „Borstenviecher? Wieso?“ „Darum“, schmunzelte Einar Lundström und hielt dem Zoologen eine etwa acht Zentimeter lange gefleckte stachelähnliche Borste unter die Nase. „Das habe ich hier eben zwischen dem Gemüse gefunden. Die Bruchstelle ist noch ganz frisch, und oben an der Spitze ist Blut.“ „Hm“, machte Professor Ndanga, sagte aber nichts. Über seiner Nasenwurzel zeigte sich eine scharfe Falte. Schweigend packte er die Beutestücke zusammen und übergab sie seinem Assistenten. Gemeinsam gingen sie zurück zu ihrem Fahrzeug, wo Daisuke Kunizaki schon ungeduldig auf sie wartete. Trotz der stets einsatzfähigen und recht wirkungsvollen Ausrüstung des Fahrzeugs war er sich allein doch ziemlich verloren vorgekommen. „Und nun?“ Kunizaki blickte fragend von einem zum anderen. „Zum Flußufer, würde ich sagen“, erklärte Professor Ndanga entschlossen. Er sah sich fragend um. Einar Lundström nickte zustimmend. „Falls es passierbar ist.“ „Wir werden sehen“, sagte der Japaner und fuhr los.
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Langsam mahlte das Fahrzeug durch das wuchernde Dickicht, wich einigen der riesenhaften Bäume aus und kam dann in eine Region, in der das Gras und die großblättrigen Pflanzen von einer Art Schilf abgelöst wurden. Plötzlich versank das Fahrzeug bis an die Achsen in einer grünlich schimmernden Flüssigkeit. „Wasser“, kommentierte Lundström. Der Japaner lächelte beruhigend. „Keine Sorge, unser Fahrzeug schwimmt. Sollen wir das Gewässer überqueren und zum jenseitigen Ufer vorstoßen?“ Professor Ndanga nickte. „Wir brauchen ein trockenes Plätzchen für unser Camp.“ Mit gedrosselter Geschwindigkeit glitt das Fahrzeug durch die immer schütterer werdenden Halme, bis es das offene, träge dahinströmende Wasser erreichte. Der Fluß, den sie jetzt hinabfuhren, hatte eine Breite von etwa fünfzig Metern. Die Uferränder waren sumpfig und dicht mit Grün in unterschiedlichen Farbtönen bewachsen. Dazwischen leuchteten rote, gelbe und blaue Blütendolden von eigenartigen Formen. „Hübsch ist es hier“, fand Li. „Bloß ein bißchen feucht“, ergänzte Einar Lundström. „Und es sieht auch nicht so aus, als ob sich das so bald ändern würde. Ich schlage vor, wir kehren an das uns bekannte Ufer zurück und errichten ein Stück landeinwärts unser Lager.“ Die anderen stimmten zu. Als das Fahrzeug wieder festen Grund unter den Rädern hatte, ließ Kunizaki ein Gerät ausfahren, das den Boden in wenigen Minuten von allem Bewuchs säuberte. Die so entstandene Fläche war groß genug für drei Zelte, die durch eine Spezialvorrichtung sich quasi von selbst aufbauten. Nur die Verspannung mußte noch angebracht werden. Aber auch das war kein Problem. In den schwarzen fettigen Boden glitten die Zeltnägel wie in Lehm.
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„Wieder mal zu Hause.“ Professor Ndanga ließ einen zufriedenen Blick über das fertige Camp schweifen. „Ich bin sehr gespannt, was wir hier erleben werden.“ „Ich auch“, verkündete der Botaniker. „Der Planet gefällt mir. Er ist so herrlich unzivilisiert.“
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Seltsame Tiere Die fremde Sonne verscheuchte die Morgendämmerung über den Zeltfirsten des Camps, da ertönte plötzlich ein schriller Schrei. Schlaftrunken fuhr Li hoch und tastete nach ihrem Hals. Etwas Feuchtes, Schlüpfriges glitt über ihre Haut. Entsetzt zuckte sie zurück und blieb wie erstarrt liegen. „Was ist, Li?“ zischte Salokin aus der anderen Ecke des Zeltes. „Komm schnell“, flüsterte Li. „Ein Tier!“ Salokin war mit ein paar Sätzen über die anderen Schläfer hinweg bei ihr. Was er im undeutlichen Dämmerlicht des Zeltes sah, ließ ihn wie angewurzelt stehenbleiben. Quer über Lis Hals kroch eine armdicke, etwa einen halben Meter lange schwarze Schlange. Entschlossen griff er zu, packte das Tier direkt hinter dem Kopf und schleuderte es durch den offenen Zelteingang ins Freie. „Bist du verletzt, Li?“ fragte er besorgt. „Nein“, sagte Li erleichtert. „Nur erschrocken.“ „Dann komm!“ rief Salokin hastig und lief durch den Zelteingang zu der Stelle, wo das Tier aufgeschlagen sein mußte. Aber es war nicht mehr da. Ein paar Meter weiter stand Daisuke Kunizaki vor dem Eßzelt und zielte mit dem Strahler auf etwas am Boden. „Nicht schießen!“ dröhnte plötzlich Professor Ndangas Stimme. Halb angezogen und mit wirrem Haar beugte er sich zusammen mit Salokin über das seltsame Tier und brummte nach einem kurzen Blick verwundert: „Das ist ja ein Wurm!“ „Scheint so“, sagte Einar Lundström, der von dem Lärm erwacht und ebenfalls zu der Gruppe getreten war. „Und
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zwar ein ganz stattliches Bröckchen. Wieder ein Beweis für meine These, daß auf diesem Planeten alles wesentlich größere Dimensionen hat als auf der Erde.“ Er schüttelte mißbilligend den Kopf. „Trotzdem hätte das Viech mit seinem Erscheinen warten können bis nach dem Frühstück. Ich habe so was nicht gern auf nüchternen Magen.“ Professor Ndanga schmunzelte. „Welch ein Glück für Sie, mein lieber Kollege, daß Ihre Pflanzen nicht zu Ihnen ins Zelt krabbeln. Übrigens: Wer hat denn den Zelteingang offen gelassen?“ „Ich“, sagte Kunizaki verlegen. „Ich war schon ins Eßzelt gegangen, um das Frühstück vorzubereiten. Es ist fertig.“ „Großartig“, freute sich Lundström und stampfte zum Eßzelt hinüber. Die anderen folgten, bis auf Professor Ndanga, der es sich nicht nehmen ließ, erst den sonderbaren Wurm höchstpersönlich in einen Sicherungsbehälter zu stecken. Nach dem Frühstück wollte er gleich mit der Untersuchung beginnen und auch die gestrigen Funde genauer ansehen. Später erklärte Einar Lundström, daß er ebenfalls im Camp bleiben und sich den bisherigen Pflanzenproben widmen wolle. Salokin, Li und Kunizaki sollten inzwischen die nähere Umgebung des Camps erforschen. Gleich nachdem sie sich gestärkt hatten, zogen sie los: Salokin vornweg, Li in der Mitte, der Japaner bildete die Nachhut. Langsam bewegten sie sich flußabwärts durch das Dickicht und bemühten sich, möglichst jedes Geräusch zu vermeiden. „Ein unheimliches Gefühl“, bemerkte Li. „Man sieht kaum etwas in diesem Pflanzengewirr. Und überall kann irgendein Untier lauern.“ Die Assistentin hatte den Schock von vorhin noch nicht überwunden. Außerdem war es ihre erste Exkursion auf einem fremden Planeten. Doch als sie sich ein paar hundert
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Meter durch das Dickicht gekämpft hatten, wurde es lichter. Hier überwogen die breitgefächerten großblättrigen Pflanzen, auf die sie vereinzelt schon früher gestoßen waren. Man konnte unter ihren mehr als mannshohen Kronen fast bequem hindurchschlüpfen. Mit einemmal stutzte Salokin. Zwischen den kahlgefressenen untersten Zweigen einer dieser Pflanzen sah er am Boden einen wirren dunklen Haufen, der sich anscheinend bewegte. Er bewegte sich tatsächlich. Es war ein ganzer Klumpen dieser riesigen schwarzen Würmer, von denen sie einen im Zelt gehabt hatten. Offenbar ein Nest. An einer Seite war der Haufen jedoch gewaltsam auseinandergerissen, und einzelne Wurmteile lagen verstreut herum. Vermutlich hatten die Würmer einem Tier zum Fraße gedient, das durch ihre Schritte verscheucht worden war. Auch eine seitlich landeinwärts führende breite Spur deutete darauf hin. „Wir werden dieser Spur folgen“, sagte Salokin bestimmt. Jetzt kamen sie gut voran. Das Tier hatte einen regelrechten Trampelpfad gebahnt, auf dem hin und wieder weiche dunkle Kotknollen lagen. Sie waren von unterschiedlicher Größe, so daß Salokin zu dem Schluß kam, daß hier mehrere Tiere gelaufen sein mußten. Er nahm sich vor, einige der Knollen mit ins Camp zu nehmen, um die Zusammensetzung der Nahrung zu untersuchen. Dem Geruch nach konnte es sich allerdings nur um Fleischfresser handeln, also um Raubtiere. Da war äußerste Vorsicht geboten. „Achtung! Rieseninsekten!“ meldete Li plötzlich. Sie blickten nach oben. Ein Stück weiter vorn über der breiten Tierspur schwirrten einige der rabengroßen Insekten dicht über den Pflanzenspitzen. Als sie näher kamen, hörten sie deutlich ein tiefes, leicht an- und abschwellendes Summen; dazwischen ein ängstliches Quieken, wie von einem Ferkel. Salokin beschleunigte seine Schritte. Endlich hatte er
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die Stelle erreicht und blieb betroffen stehen. Fünf der rabengroßen Insekten saßen auf einem vierbeinigen Tier von der Größe eines Ferkels und versuchten, ihm ihre spitzen Rüssel in das dicht mit Stacheln besetzte Fell zu bohren. Offenbar war das Tier schwer verletzt, denn es streckte alle viere von sich und zuckte nur noch schwach bei jedem Einstich, während ein nur wenig größerer Artgenosse aufgeregt quiekend nach den Peinigern schnappte. Dabei wurde er von zwei weiteren Insekten heftig von hinten attakiert. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wann auch der zweite Vierbeiner ein Opfer der riesigen Insekten würde. Wortlos zog Kunizaki seinen Strahler und richtete ihn auf die Angreifer, die wie vom Blitz getroffen taumelnd zu Boden stürzten. Das vierbeinige Tier zeigte keinerlei Angst vor den Menschen. Ohne sich um sie zu kümmern, begann es seinen Gefährten zu stupsen und zu lecken. Doch das am Boden liegende Tier rührte sich nicht mehr. Aufmerksam beobachtete Salokin die Szene. Die etwa ferkelgroßen Tiere waren allerdings alles andere als Ferkel. Sie hatten eher Ähnlichkeit mit irdischen Igeln, nur waren sie mehr als doppelt so groß. Aber ihre spitzen Schnauzen, die Knopfaugen, die krummen Beine und der typische Stachelpelz hatten eindeutig etwas Igelartiges. Plötzlich ließ das erregte Tier von seinem leblosen Gefährten ab und hob den Kopf. Es schien sich der Gegenwart der Menschen bewußt zu werden. Trotzdem wandte es sich nicht zur Flucht. Im Gegenteil, es trippelte ohne Scheu auf Salokin zu, beschnupperte ihn kurz, stupste ein paarmal energisch gegen seinen Schuh und lief dann zu seinem toten Gefährten zurück. Verwundert folgte Salokin dem Tier und beugte sich hinab. Vorsichtig betastete er den starren Körper, während das andere Tier jede seiner Bewegungen aufmerksam verfolgte. Es schien so, als sei es mit Salokins Bemühungen zufrieden.
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„Nichts mehr zu machen“, murmelte Salokin leise. „Der Kleine ist tot.“ „Wie schade“, sagte Li bedauernd. „Ich finde die Tierchen sympathisch. Und so was wird von den ekligen Insekten umgebracht. Scheußlich.“ „Was nun?“ fragte der Japaner sachlich. „Wir nehmen sie mit“, erklärte Salokin. „Den toten Vierbeiner und zwei der Insekten. Ich werde mich auch um dieses muntere Kerlchen hier kümmern.“ Kunizaki nickte und verstaute die Tiere in vorbereitete Behälter, die er sich auf den Rücken schnallte. Der Vierbeiner beobachtete ihn dabei neugierig. „Und nun zu dir“, sagte Salokin freundlich und kniete vor dem Tier nieder. Jetzt geschah etwas Merkwürdiges. Das seltsame Geschöpf, das Salokin für eine Art Igel gehalten hatte, setzte sich plötzlich auf die Hinterbeine und legte seine kleinen fünfzehigen Pfoten übereinander auf den Bauch. Es sah aus, als wolle es sich mit ihm unterhalten. Und tatsächlich spürte Salokin so etwas wie ein dankbares Gefühl, das von dem possierlichen Kerl aus zu ihm überströmte. Spontan streckte er die Hände aus und nahm das Tier hoch. Es wehrte sich nicht. Vertrauensvoll drückte es sich in Salokins Arm und begann, spielerisch auf dessen Daumen herumzukauen. Und es ließ sich auch nicht stören, als Salokin zusammen mit den anderen den Weg zum Camp einschlug. Sie waren zufrieden. Die erste Exkursion hatte sich mehr als gelohnt. Auf eine solche Ausbeute hatte man nicht zu hoffen gewagt. Aber das Ganze war wohl eher ein günstiger Zufall gewesen. Trotzdem: Professor Ndanga würde staunen. Lächelnd betrachtete Salokin das Tier auf seinem Arm. Es hatte die spitze kleine Schnauze in seine Armbeuge geschoben und war eingeschlafen. So was hatte er noch
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nie erlebt, jedenfalls nicht bei einem völlig wilden Tier. Er war gespannt, was die näheren Untersuchungen ergeben würden. Gegen Mittag trafen sie wieder im Camp ein. Schon von weitem hörten sie einen erregten Disput der beiden Wissenschaftler aus dem Laborzelt. Offenbar stritten sie sich über den Schwanz des Reptils. Lundström bemerkte die Ankömmlinge als erster. „Bei allen galaktischen Geistern!“ brüllte er aus dem Zelteingang. „Ich glaube, Salokin hat uns ein Wickelkind mitgebracht!“ Professor Ndanga sagte vorerst gar nichts. Er betrachtete das Tier auf dem Arm seines Assistenten wie ein kleines Weltwunder und hörte sich ohne Zwischenfrage Salokins Bericht an. „Hm“, machte er nachdenklich. „Dann wollen wir den Kerl mal ein wenig untersuchen.“ Er wollte die Hand heben, um nach dem Tier zu greifen. Aber er kam nicht dazu. Es zog plötzlich seinen Kopf aus Salokins Armbeuge und musterte den Professor aufmerksam mit seinen dunklen Augen. Dann nickte es wie zustimmend und ließ sich ohne Widerstreben von Professor Ndanga auf den Arm nehmen. Unter leisen Tönen des Wohlbehagens kuschelte es sich dort zurecht. „Welch hübsches Spielzeug ist doch so ein Teddybär!“ sagte Einar Lundström grinsend. Professor Ndanga schmunzelte nur. Gelassen stapfte er mit seinem Schützling zum Laborzelt. Salokin folgte ihm mit den Tierbehältern. Die anderen blieben zurück. Sie wußten, daß sie die beiden nicht eher zu sehen bekamen, bis sie ihre Arbeit beendet hatten.
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Besuch im Camp Drei Stunden später kam Professor Ndanga über das ganze Gesicht strahlend mit seinem Assistenten aus dem Laborzelt und versammelte die übrigen Expeditionsmitglieder um sich. „Meine Herrschaften“, erklärte er zufrieden. „Ich glaube, wir haben einige bedeutsame Entdeckungen gemacht. Beginnen wir mit der unfreundlicheren Tierart. Bei dieser Spezies handelt es sich tatsächlich um Insekten mit allen typischen Merkmalen, wobei sich der vermeintliche schwarze Wurm von heute morgen als deren Larve herausgestellt hat. Die Körper haben allerdings eine gewisse Ähnlichkeit mit auf der Erde bekannten Spinnenarten, was übrigens auch für die acht dicht behaarten Beine gilt. Sie besitzen zwei Paar Flügel, die ihnen erlauben, auch größere Strecken im Flug zurückzulegen. Außerdem verfügen sie über einen stachelartigen Saugrüssel, mit dem sie ihren Opfern das Blut aussaugen. Sie ernähren sich übrigens ausschließlich von Blut, möglicherweise also auch von Menschenblut. Und da diese Insekten außerordentlich groß sind – jedes der untersuchten wog allein über ein Kilo –, können schon drei Exemplare davon auch einem Menschen gefährlich werden, sofern nicht durch eine sofortige Transfusion der Blutverlust ausgeglichen werden kann. Blutverlust – und zwar ein nahezu vollständiger – ist auch die Todesursache des Vierbeiners, den wir untersucht haben. Hervorgerufen wurde er durch insgesamt sieben Einstiche eben dieser Rieseninsekten. Bei dieser zweiten Tierart handelt es sich eindeutig um warmblütige Säugetiere, die entfernt an eine Kreuzung zwischen Igel und Bären erinnern, allerdings mit einem erstaunlich großen und äußerst kompliziert gebauten Hirn, das auf einen für Tiere außerordentlich hohen Intelligenzgrad schließen läßt.
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Unsere beiden Exemplare – das leider tote weibliche und das sehr vitale männliche – sind ihrer Entwicklung nach kaum dem Säuglingsalter entwachsen. Ich vermute, daß die gestern entdeckten großen Trittspuren von erwachsenen Exemplaren derselben Art stammen. Dem Gebiß nach scheinen sie Raubtiere zu sein. Der Mageninhalt des sezierten Tieres enthielt unter anderem Reste von Schlangen und interessanterweise auch von den wurmartigen Insektenlarven, die ihrerseits reine Pflanzenfresser sind. Somit ergibt sich grob gesehen folgende Nahrungskette: die pflanzenfressenden Insektenlarven werden von den Igelartigen verzehrt, während deren Blut wiederum den fertigen Rieseninsekten als Nahrung dient. Sie halten ihren Bestand also gewissermaßen gegenseitig im Gleichgewicht. Soweit in groben Zügen die ersten Ergebnisse unserer Untersuchungen. Einzelheiten bitte ich meinem späteren ausführlichen Bericht zu entnehmen. Ich danke Ihnen.“ Professor Ndanga machte die Andeutung einer Verbeugung. „Meinen Glückwunsch, Herr Kollege“, gab Lundström liebenswürdig zurück. „Und wie lautet der Name des entzückenden Tierchens, von dem Sie uns da erzählten? Vielleicht Igelbär?“ Professor Ndanga zog kurz die Brauen hoch und lächelte: „Igelbär? Warum nicht? Bleiben wir vorläufig dabei. Einen korrekten wissenschaftlichen Namen werde ich mir dann später noch einfallen lassen.“ Plötzlich ertönte ein heftiges Poltern aus dem Laborzelt. Und noch ehe jemand sich umwenden konnte, um nach der Ursache zu sehen, kam der soeben als Igelbär bezeichnete Vierbeiner aus dem Zelteingang spaziert und blickte sich suchend um. Dann tappte er geradewegs auf Salokin zu. „Es ist nicht zu fassen“, murmelte Professor Ndanga verblüfft. „Und wir hatten uns eingebildet, das kleine Biest sei absolut ausbruchsicher untergebracht. Offenbar ist es noch wesentlich intelligenter, als ich vermutet habe.“
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„Und es reißt nicht etwa aus, es läuft zu Salokin“, meinte Li kopfschüttelnd. Inzwischen war der kleine Igelbär herangekommen, richtete sich auf den Hinterpfoten auf und begann mit Vorderpfoten und Nase heftig gegen Salokins Schienbein zu stupsen. Dabei quiekte er aufgeregt, als habe er etwas sehr Dringliches mitzuteilen. „Na, hör mal“, murmelte Salokin ziemlich ratlos, beugte sich hinunter und streckte die Hand aus, um das Tier unterm Kinn zu kraulen. Darauf schien der Kleine gewartet zu haben. Blitzschnell packte er mit seinen spitzen Vorderzähnen Salokins Zeigefinger und versuchte, ihn in eine bestimmte Richtung zu ziehen. Als das Tier merkte, daß Salokin ihm folgte, ließ es den Finger los und trippelte eilig vor ihm her. Offenbar wollte es ihm etwas zeigen. „Halt, Salokin!“ Professor Ndangas Stimme überschlug sich. „Keinen Schritt weiter!“ Erschrocken blickte Salokin auf und erstarrte. Keine zehn Schritte von ihm entfernt am Rande des Dickichts verharrte bewegungslos ein hoch aufgerichtetes Tier und betrachtete ihn aufmerksam aus großen dunklen Augen. Es war eine ins Unheimliche gesteigerte Ausgabe des Kleinen, dem er eben so vertrauensvoll gefolgt war, und hatte etwa die Größe eines kapitalen Braunbären. Dennoch zeigte es eher Ähnlichkeit mit einem Igel, mit einem sehr friedlich gestimmten Igel: seine Stirnstacheln lagen glatt nach hinten. Und es machte keinerlei Anstalten, Salokin anzugreifen. Im Gegenteil. Es schnüffelte bedächtig und stieß dann ein leises Grunzen aus. Für den kleinen Igelbären schien das ein Signal zu sein. Er sauste, so schnell ihn seine kurzen Beine tragen konnten, zu dem Großen und leckte eifrig dessen dunkle feuchte Nase. Offenbar war es seine Mutter. Salokin seufzte erleichtert. Doch dann geschah etwas
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sehr Seltsames. Es war ihm, als registriere sein Hirn Gedanken, die nicht von ihm stammen konnten. Ein fremdes Wesen drang in sein Hirn und teilte sich ihm mit. Es wußte bereits alles, was heute geschehen war, wußte vom verzweifelten Kampf der beiden Kleinen gegen die Rieseninsekten, vom Tod des einen und der Rettung des anderen durch die Menschen, und dieses Wesen war freundlich und dankbar. Wie in Trance ging Salokin auf das mächtige Tier zu und streichelte ihm über den weichen Nasenrücken. Und das Tier leckte behutsam seine Hand. Salokin hatte begriffen: diese Tiere konnten sich nicht nur untereinander verständigen, sie konnten es auch mit Menschen. Und sie bedienten sich dazu einer Art Telepathie. Der Gedanke kam ihm phantastisch vor, aber er fand keine andere Möglichkeit der Erklärung – es sei denn: Einbildung. Doch die schloß sich eigentlich von selbst aus, denn das Verhalten der Tiere bestätigte eindeutig seine Vermutung. Das Muttertier hörte plötzlich auf, Salokins Hand zu lecken. Es hob den Kopf, als suche es seinen Blick. Eine kurze Weile sahen sie sich stumm in die Augen. Dann nickte es ihm vertrauensvoll zu und wandte sich zurück zum Dikkicht, wo es gemächlich auf seiner alten Spur verschwand. Der kleine Igelbär, der die ganze Szene aufmerksam beobachtet hatte, stieß freudige Laute aus und eilte seiner Mutter nach. Kurz darauf waren beide verschwunden. Salokin blickte auf. Es war ihm, als habe er soeben geträumt. Doch er wußte: das war kein Traum. Professor Ndangas Stimme riß ihn aus seinen Gedanken. Er war unbemerkt neben ihn getreten und sagte leise: „Es ist ein Phänomen, Salokin. Die Tiere haben zu uns gesprochen. Ich habe es ganz deutlich gespürt.“ „Ich auch“, murmelte Salokin. Einar Lundström, Li und der Japaner kamen heran. Kunizaki machte ein ganz verstörtes Gesicht. Auch in Lis
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Zügen nistete noch das Staunen. Nur der Botaniker sagte trocken: „Das glaubt uns kein Mensch.“ Professor Ndanga nickte. „Das fürchte ich auch, Lundström. Obwohl jeder von uns die anderen als Zeugen hat. Trotzdem werden wir versuchen müssen, dieses Phänomen glaubhaft zu machen. Jetzt haben wir ein Problem.“ „Und was für eins“, seufzte Einar Lundström. „Vor allem, wenn wir bedenken, zu welchem Zweck unsere Expedition auf diesen Planeten gekommen ist. Man kann diese Tiere doch nicht einfach abschießen und zu Fleischkonserven verarbeiten!“ „Hören Sie auf!“ sagte Professor Ndanga aufgebracht. „Es reicht schon, daß man zu diesem Zweck die Delphine auf der Erde nahezu ausgerottet hat, von allen anderen inzwischen vernichteten Tierarten ganz zu schweigen. Auf diesem Planeten müssen wir eine Wiederholung einer solchen Tragödie auf jeden Fall verhindern.“ „Aber wie?“ Li sah fragend in die Runde. „Wir müssen uns eben etwas einfallen lassen“, murmelte Salokin. Professor Ndanga wandte sich entschlossen dem Lager zu. „Kommen Sie, meine Herren“, sagte er energisch. „Setzen wir die Beratung im Zelt fort. Wir müssen einen exakten Plan erarbeiten.“ Die anderen folgten ihm. Im Zelt angekommen, fragte Lundström: „Was für einen Plan, Professor?“ Der Zoologe ließ sich schwerfällig auf einem Klappstuhl nieder. „Zunächst einmal ist festzustellen, daß intelligentes Leben in unserer Galaxis nicht gerade häufig vorkommt. Und diese Tatsache hat den Menschen in seiner Anmaßung stets aufs neue bestärkt, sich für das intelligenteste Lebewesen des Universums zu halten – obwohl, wie Sie wissen, daran berechtigte Zweifel bestehen. Schließlich zeugt die Ruinierung des eigenen Sonnensystems nicht gerade von
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überragender Intelligenz. Hier auf diesem Planeten aber haben wir es mit einer Intelligenz ganz anderer Art zu tun, wie man sie bisher nicht für möglich gehalten hat. Und auch ein so vollkommener Ignorant wie unser verehrter Koordinator wird nicht bestreiten können, daß es sich bei dieser neu entdeckten Spezies um intelligente Wesen handelt.“ „Das wird ihm aber gar nicht gefallen“, meinte Lundström skeptisch. „Der betrachtet sich doch quasi als eine Art galaktischer Proviantmeister. Und folglich interessiert ihn nur, was man der Menschheit in den Magen stecken kann.“ Professor Ndanga lächelte vieldeutig. „Genau das ist das Problem“, sagte er. „Wir werden ihm liefern, was er von uns verlangt, strikt nach Auftrag. Wir müssen es nur erst suchen. Was wir bisher entdeckt haben, kommt für diesen Zweck nicht in Frage. Klar?“ Alle lachten, sogar Kunizaki, dem man als Techniker keine übergroße Neigung zu Tieren nachsagen konnte. „Köstlich“, kicherte Einar Lundström vergnügt. „Die Igelbären werden einfach von der Speisekarte gestrichen. Und wo wollen wir nun nach eßbaren Objekten suchen?“ „Flußabwärts, der Küste zu. Und wenn die riesigen Ozeane dieses Planeten nur halb so viele Fische enthalten wie früher die irdischen Meere, ist der Eiweißbedarf mindestens für die nächsten Generationen gesichert. Von der Meeresflora, die in Ihr Ressort fällt, mal ganz abgesehen.“ „Gut“, sagte der Botaniker. „Nach unseren bisherigen Beobachtungen könnte Ihre Vermutung zutreffen. Damit ist zwar das Gesamtproblem noch nicht gelöst, aber dazu wird uns schon auch noch etwas einfallen. Wann soll es losgehen?“ „Morgen früh“, antwortete Professor Ndanga kurz.
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Überraschung am Meer Als die fremde Sonne am nächsten Morgen über dem grünen Planeten aufging, war das kleine Expeditionsteam schon lange unterwegs. Die Zelte und einen Teil der nicht benötigten Ausrüstung hatten sie im Camp zurückgelassen, in das sie so bald wie möglich zurückkehren wollten, um den Kontakt mit den Igelbären wieder aufzunehmen. So führten sie nur das Notwendigste für einen Kurzaufenthalt mit sich. Wie eine Miniaturrakete brauste das Spezialfahrzeug auf der Mitte des Flusses dem Meere zu. Ohne die Unwegsamkeiten des Pflanzendschungels erreichte das Fahrzeug fast die zehnfache Geschwindigkeit. Dabei berührte es kaum die Wasserfläche und fuhr nahezu geräuschlos, so daß die Wissenschaftler ungestört ihre Beobachtungen machen konnten. Kunizaki genoß sichtlich die Glanzleistung seiner Maschine. Nur an besonders interessanten Stellen stoppten sie kurz. Dabei stellten sie fest, daß Pflanzenwelt und Tierwelt wesentlich reichhaltiger und vielfältiger waren, als sie bisher vermutet hatten. Und je näher sie der Küste kamen, desto mehr verstärkte sich dieser Eindruck. Der Fluß war durch zahlreiche Nebenflüsse inzwischen zu einem Strom geworden, in dem es von Fischen nur so wimmelte. „Man sollte diesem Planeten den Namen Dionysos geben“, meinte Professor Ndanga versonnen. „Nach dem alten Gott der Fruchtbarkeit.“ „Sie können es Nardes ja vorschlagen“, empfahl Einar Lundström bissig. „Ich fürchte nur, daß es mit der Fruchtbarkeit bald vorbei sein wird, wenn unsere lieben Mitmenschen diesen unschuldigen Planeten auf dieselbe Art zivilisieren wie die gute alte Erde.“ Keiner gab darauf eine Antwort. Der Anblick der Land-
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schaft in ihrer ursprünglichen Natürlichkeit rief ihnen nur allzu deutlich ins Bewußtsein, welche Verheerungen der Mensch auf sämtlichen bisher besiedelten Planeten angerichtet hatte, trotz aller Warnungen besonnener Wissenschaftler. Seit Jahrhunderten hatte der Mensch jeden bewohnbaren Planeten rücksichtslos ausgebeutet und verseucht und dann nach neuen gesucht, wie auch jetzt. Und wenn nicht etwas Entscheidendes geschah, würde es sich hier wiederholen. Plötzlich schrak Salokin aus seinen Gedanken. Die Landschaft hatte sich verändert, die Ufer traten weit zurück, und das Wasser zeigte eine starke Gegenströmung. Das mußte die Mündung sein. „Welches Ufer soll ich ansteuern?“ erkundigte sich Daisuke Kunizaki. Sie einigten sich auf die linke Seite. Der Japaner drosselte die Antriebsaggregate, das Fahrzeug verlangsamte seine Fahrt. Plötzlich deutete Li ins Wasser. „Ein Seeungeheuer! Dort!“ Ein massiges fischähnliches Tier war zu sehen, das offensichtlich vergnügt das Fahrzeug umkreiste, sich unversehens spielerisch in der Luft überschlug und dabei seltsam schnalzende Geräusche von sich gab. „Nanu!“ Professor Ndanga war überrascht. „Das könnte ja fast ein Delphin sein!“ Er beobachtete gespannt das erstaunliche Schauspiel. „Allerdings ist der Bursche wesentlich größer; sein Verhalten scheint aber dem von Delphinen nicht unähnlich. Es würde mich nicht wundern ...“ Plötzlich schwieg er betroffen. Alle hatten das gleiche seltsame Gefühl: Jemand sprach zu ihnen. Endlich sagte Salokin: „Er teilt uns mit, daß sie uns erwartet haben. Die Igelbären haben uns angekündigt.“ „Ich habe es verstanden“, sagte Professor Ndanga leise. Gedankenversunken starrte er auf den Delphin, der sich
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langsam seewärts entfernte. Es sah aus, als gäbe das Tier ihnen ein Zeichen, ihm zu folgen. „Soll ich den Kurs ändern?“ fragte Daisuke Kunizaki. Auch er hatte das Verhalten des Delphins so aufgefaßt. „Nein“, antwortete Professor Ndanga. „Wir fahren zunächst zum Ufer. Ich muß das alles erst einmal verdauen.“ Einar Lundström schüttelte ungläubig den blonden Kopf. „Kommunikation zwischen artfremden Tieren, und nicht nur mit uns? Wer hätte das für möglich gehalten?“ „Ich glaube, wir werden hier noch verdammt viel lernen müssen“, sagte Ndanga nachdenklich. „Eins jedenfalls steht fest: die natürlichen Kommunikationsmittel dieser Lebewesen sind unseren technischen weit überlegen.“ „Welche Reichweite sie wohl haben?“ fragte Kunizaki beeindruckt. „Was würden Sie schätzen?“ Professor Ndanga hob die breiten Schultern. „Keine Ahnung. Wir müssen jedenfalls damit rechnen, daß auch unsere Gedanken, ob ausgesprochen oder nicht, von diesen Lebewesen empfangen werden. Vermutlich wirken unsere Hirnströme wechselseitig wie eine Art Sender, beziehungsweise Empfänger.“ Lundström nickte zustimmend. „Und das hat Konsequenzen. Es bedeutet nämlich, daß auch jede beabsichtigte Aggression vorzeitig erkannt werden kann. Ich fürchte, unser Koordinator wird darüber nicht sonderlich erbaut sein.“ Professor Ndanga sah überrascht auf. „Ein interessanter Schluß, Lundström“, sagte er. „Und vermutlich auch zutreffend. Damit dürfte sich manches Problem leichter lösen lassen.“ Einar Lundström verzog sein Gesicht, als habe er in eine saure Frucht gebissen. „Abwarten“, meinte er skeptisch. „Ich habe da meine Zweifel.“ Ehe er jedoch seine Ansicht näher begründen konnte,
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meldete sich Kunizaki vom Steuerpult: „Pardon, meine Herren. Ich würde vorschlagen, hier an Land zu gehen. Das Ufer scheint mir gut geeignet.“ Professor Ndanga blickte nach vorn. Der Japaner hatte recht. Die bis jetzt üppige Vegetation der Ufer wurde von spärlicherem Bewuchs abgelöst. Zwischen den vereinzelt stehenden, etwa mannshohen Grasbüscheln leuchtete weißlich schimmernder Seesand. Und kaum hundert Meter weiter schlug eine schwache Brandung an den flachen Strand. „Fahren Sie den Strand entlang!“ rief Professor Ndanga nach vorn. Langsam glitt das Fahrzeug aus dem Wasser auf festen Boden. Von hier aus hatten die Insassen einen guten Überblick. Der Strand dehnte sich in weitgeschwungenem Bogen bis zum Horizont. Landeinwärts wucherte unübersichtliches Pflanzendickicht. Die Landschaft war schön, aber sie wirkte leer und verlassen. Vermutlich lag das daran, daß es auf diesem Planeten offensichtlich keine Vögel gab; jedenfalls hatten sie bis jetzt noch nirgendwo welche entdeckt. Aber auch sonst war hier weit und breit kein Tier zu sehen, zumindest kein größeres. Nur im Sand krabbelten ein paar mausgroße schwarzglänzende Käfer, die sich beim Nahen des Fahrzeugs eilig zurückzogen. So kamen sie schnell voran, bis Kunizaki plötzlich ruckartig anhielt. „Nanu?“ fragte Einar Lundström. „Hat Ihnen jemand die Vorfahrt geschnitten?“ Daisuke Kunizaki zeigte nach vorn. „So etwas Ähnliches. Sehen Sie mal, dort liegen einige recht seltsame große rundliche Gegenstände am Strand. Und sie liegen dummerweise so, daß ich die Stelle nicht passieren kann, ohne den einen oder anderen zu überfahren. Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen, damit Sie vorher untersuchen können, was es ist.“ Salokin und Li waren schon vom Fahrzeug gesprungen und eilten darauf zu. Auf den ersten Blick hatten sie die selt-
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samen Gegenstände für große Steine gehalten. Sie sahen graubraun aus, waren teilweise mit Sand bedeckt und wirkten leblos. Aber es waren keine Steine. Eines der seltsamen Dinger bewegte sich plötzlich. Sand rieselte von der gewölbten Oberfläche. Und ein mehr als faustgroßer Kopf schob sich langsam aus dem Gebilde hervor. Es war der Kopf eines Reptils. Und der Kopf musterte sie aufmerksam aus großen mandelförmigen dunklen Augen. „Eine Schildkröte!“ rief Salokin überrascht aus. Daisuke Kunizaki hatte das Fahrzeug inzwischen lautlos herangefahren. Ndanga und Lundström kletterten heraus. „Tatsächlich, eine Schildkröte“, sagte der Professor leise. „Jedenfalls eine den irdischen Schildkröten offensichtlich verwandte Art. Nur der Kopf ist außergewöhnlich groß. Ganz außergewöhnlich.“ „Hmhm“, machte Einar Lundström beeindruckt. Doch plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er schien auf etwas zu lauschen. Auch die anderen sahen sich verwirrt an. Sie spürten alle deutlich einen fremden Impuls. Ein unbekanntes Wesen sprach zu ihnen. „Es muß die Schildkröte sein“, sagte Salokin erregt. „Sie teilt uns mit, daß man den Strand wegen unseres Kommens geräumt hat. Nur sie selbst könnten nicht weg, wegen ihrer Eier, die sie im Sand vergraben haben.“ „Es stimmt exakt, Salokin“, bestätigte Ndanga. „Ich habe die gleiche Nachricht empfangen.“ „Ich auch“, sagte der Botaniker. Auch Li nickte zustimmend. Nur Kunizaki zog ein ratloses Gesicht; ihm war das alles ziemlich unheimlich. „Und was nun?“ fragte er mit belegter Stimme. Professor Ndanga lächelte. „Immer langsam, lieber Freund. Zunächst einmal möchten wir uns ein wenig mit diesem Phänomen beschäftigen. Und dann werden wir den
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Tieren bestimmt nicht ihre Eier kaputtfahren. Haben wir uns verstanden?“ Der Japaner stellte schweigend die leise summenden Aggregate des Spezialfahrzeugs ab. Salokin machte sich seine eigenen Gedanken. Es war ganz offensichtlich, daß die Worte des Professors weniger für Kunizaki als für die Schildkröten bestimmt waren. Sie sollten indirekt über seine Absichten informiert werden. Aber warum tat er das auf diese Weise? Scheute er sich, als Mensch und Zoologieprofessor das Wort direkt an ein Tier zu richten? Oder fürchtete er, sich vor den anderen lächerlich zu machen? Oder war es nur einfach das Ungewohnte der neuen Situation, in der selbst ein so fähiger Mann wie Professor Ndanga nicht recht wußte, wie er sich verhalten sollte? Und Salokin fragte sich, wie er selbst sich wohl verhalten würde. Immerhin hatten die Tiere bis jetzt jeden Gedankenimpuls verstanden, der auf sie gerichtet war. Es bedurfte eigentlich gar keiner Worte. Danach hatte Professor Ndanga also durchaus folgerichtig gehandelt. Oder? Ndanga nahm ihm die Antwort ab. Er wandte sich der Schildkröte zu und begann ihr behutsam den Hals zu kraulen. Leise sagte er: „Keine Angst, meine Gute. Niemand wird euer Gelege zerstören.“ Das Tier schien sich unter der kraulenden Hand des Professors wohl zu fühlen. Es schob den Hals noch ein Stück weiter aus dem Panzer und legte den Kopf ein wenig schief. Das war ein eindeutiger Vertrauensbeweis, zumal von einem Tier, das noch nie einem Menschen begegnet sein konnte. Es mußte spüren, daß dieser Mensch kein Feind war. Und es hatte vermutlich auch die Mitteilung verstanden. Dann tätschelte der Professor dem Tier abschiednehmend den Panzer, richtete sich auf und ging zum Fahrzeug. „Wollen Sie denn kein Exemplar mitnehmen?“ fragte Kunizaki erstaunt. „Nein. Die Tiere sollen in ihrer natürlichen Umgebung
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bleiben. Wir können sie später hier an Ort und Stelle beobachten. Jetzt fahren wir zurück zum Fluß.“ Im gleichen Augenblick trat auch Lundström, der mit Li am Strand Pflanzenproben gesammelt hatte, zum Fahrzeug und sagte: „Vermutlich haben Sie auch den Eindruck, daß wir so schnell wie möglich zurückkehren sollten?“ Professor Ndanga nickte bestätigend. „Ich glaube, wir werden gerufen.“ Salokin atmete auf. Er hatte deutlich einen Impuls gespürt, war aber nicht sicher gewesen, wie die anderen reagieren würden. Dann brauste das Fahrzeug mit Höchstgeschwindigkeit über den Strand zum Fluß und nahm Richtung aufs Landesinnere.
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Ernster Zwischenfall Am Spätnachmittag erreichte das Expeditionsteam wieder die Nähe des Camps. Die Fahrt flußaufwärts war ohne Zwischenfall verlaufen. Nur einmal hatten sie über sich in der Luft einen zu Tausenden zählenden Schwarm der Rieseninsekten gesehen. Als das Fahrzeug in die Schneise einbog, die es bei der Ausfahrt im Uferdickicht hinterlassen hatte, flüchteten einige große Echsen ins Wasser. Aber niemand nahm sich die Zeit, diesen Vorfall zu kommentieren. Ihre Gedanken konzentrierten sich auf die Frage, wer sie gerufen haben könnte. „Woher wissen wir eigentlich so genau, daß wir ausgerechnet ins Camp zurückkehren sollen?“ fragte Lundström skeptisch. Professor Ndanga runzelte nachdenklich die Stirn. „Merkwürdig“, murmelte er. „Das ist für mich überhaupt keine Frage. Ich bin da ganz sicher.“ „Na schön, lassen wir uns überraschen.“ Der Botaniker drehte nervös einen Grashalm zwischen seinen Fingern. Auch die anderen hatten gespannte Gesichter. Je näher sie dem Camp kamen, desto beunruhigter wurden sie. Es war eine eigenartige Situation. Sie waren gerufen worden, aber sie wußten nicht, von wem. Sie spürten nur, daß ihnen einiges bevorstand. Endlich sahen sie die Firste ihrer Hauszelte über das Pflanzendickicht ragen. Das Camp stand also noch. Ein paar Augenblicke später rollte das Fahrzeug auf den äußersten Rand der freigemähten Fläche. Der Japaner stoppte ruckartig. „Was ist?“ wollte Einar Lundström fragen. Aber ein Blick genügte ihm, um zu begreifen, warum Kunizaki nicht weitergefahren war.
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In der Mitte des freien Platzes zwischen den Zelten kauerte ein stattlicher ausgewachsener Igelbär. Und er kauerte so, wie irdische Igel es bei Gefahr tun. Seine Stacheln starrten spitz nach allen Seiten. Nur die dunkle Nase und die jetzt tief im Stachelpelz sitzenden Augen verrieten, daß das Tier ihnen entgegensah. Offenbar hatte es sie erwartet. „Bleiben Sie hier“, sagte Professor Ndanga ruhig. „Ich gehe zu ihm.“ Er stieg aus dem Fahrzeug und ging langsam auf das Tier zu und streckte ihm freundlich die Hand entgegen, um ihm zu zeigen, daß er in friedlicher Absicht kam. Er wußte, daß jetzt alles darauf ankam, die ursprüngliche Vertrautheit ihrer ersten Begegnung mit den Igelbären wiederherzustellen. Wenn das gelang und das Tier auf seine Bemühungen einging, würde auch eine Verständigung möglich sein. Als er sich dem Tier bis auf etwa einen Meter genähert hatte, blieb er stehen. Das war nicht ohne Risiko. Er wäre einem eventuellen Angriff des Igelbären völlig schutzlos ausgeliefert. Ein Hieb mit einer der mächtigen, krallenbewehrten Pfoten oder ein schneller Fangbiß konnten einen Menschen augenblicklich erledigen. Ndanga wußte das. Aber er wußte auch, daß das Tier es wußte. Es sollte spüren, daß es keinen feindseligen Akt zu befürchten hatte. Plötzlich glätteten sich die bisher steil aufgerichteten Nackenstacheln des Igelbären. Das Tier hob langsam den Kopf. Seine starken, leicht angegrauten Schnurrbarthaare zitterten leicht. Und es blickte ihn aus seinen großen dunklen Augen aufmerksam an. Professor Ndanga fühlte, daß er gewonnen hatte. Dann spürte er deutlich einen fremden Impuls. Das Tier sprach zu ihm. Und was er erfuhr, war schlimmer, als er für möglich gehalten hatte. Kurz nach ihrer Abreise am Morgen war ein dem ihren sehr ähnliches Fahrzeug ein Stück flußaufwärts auf eines der Tiere aus der Sippe der Igelbären gestoßen, mit der sie gestern Kontakt aufgenommen hatten. Das Tier war
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in dem Glauben, ihn und sein Team vor sich zu haben, nicht davongelaufen, sondern hatte sich vertrauensvoll genähert. Plötzlich hatte einer der Männer aus dem Fahrzeug auf das ahnungslose Geschöpf geschossen und es verletzt. Nur mit Mühe war es ihm gelungen, sich durch eilige Flucht zu retten. Dabei hatten ihm die Männer noch einige Schüsse nachgeschickt, die aber glücklicherweise nicht trafen. Als die übrige Sippe davon erfuhr, glaubten die Igelbären zuerst, daß es sich um unser Fahrzeug handle. Später stellten sie dann unbemerkt fest, daß es ein fremdes Fahrzeug mit fremden Männern gewesen war. Daraufhin hatten die Tiere den Wissenschaftlern Nachricht zur Rückkehr zukommen lassen, um zu erfahren, ob sie in ihnen Freunde oder Feinde sehen mußten. „Wir sind glücklich, eure Freunde sein zu dürfen“, sagte Professor Ndanga so laut, daß auch die anderen im Fahrzeug es hören konnten. „Und wir werden alles tun, um diese Freundschaft zu erhalten. Euer Gefährte ist vermutlich durch ein Mißverständnis verletzt worden. Die Menschen, die auf ihn schossen, haben wahrscheinlich Angst vor ihm gehabt. Und Angst ist ein schlechter Ratgeber.“ Das Tier zeigte auf Professor Ndangas Worte zunächst keinerlei Reaktion. Der Zoologe überlegte fieberhaft, was das bedeuten könnte. Hatte es wirklich nur seine Worte verstanden? Oder konnte es auch seine tieferen Gedanken erfassen? Sollte es vielleicht sogar begreifen, daß nicht Angst die Schüsse ausgelöst hatte, sondern ganz primitive Jagd nach frischem Fleisch? Wenn das der Fall war, mußte das Tier auch an ihm zweifeln. Und dieser Zweifel konnte alles zerstören. Er durfte kein Mißtrauen aufkommen lassen. Eindringlich sagte er: „Wo ist dein verletzter Gefährte? Wir möchten ihm helfen. Führe uns zu ihm.“ Einen Augenblick zögerte das Tier. Dann nickte es bedächtig und wandte sich zu einer breiten Trittspur im Dickicht.
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„Salokin!“ rief Professor Ndanga zum Fahrzeug. „Ich brauche den Koffer mit den medizinischen Instrumenten. Und dann folgt mir bitte.“ Ohne Zögern schritt er hinter dem gewaltigen Tier her. Es war noch um einiges größer als das Muttertier, das gestern ins Camp gekommen war, um sein Junges zu holen. Vielleicht war es der Vater, auf jeden Fall wohl ein männliches Tier. Und es wandte ihm arglos seinen stachelbewehrten Rücken zu, obwohl es wußte, daß seine Stacheln nicht vor den vernichtenden Strahlern der Menschen schützten. Offenbar war es überzeugt, nichts befürchten zu müssen. „Ich habe alles“, sagte Salokin hinter ihm. Schweigend stapften sie weiter. Das Tier hatte die Richtung flußaufwärts eingeschlagen. Hier war die Vegetation abwechslungsreicher als in der Nähe des Camps. Nach etwa zwanzig Minuten trat der Igelbär auf einen kleinen, von großblättrigen Pflanzen überdachten Platz. Das Gras war niedergestampft und mit Blättern bedeckt. Von hier aus zweigten zahlreiche ausgetretene Gänge ins Dickicht ab. Sie befanden sich in einer Art Siedlung. Plötzlich blieb das Tier stehen und bedeutete ihnen, hier zu warten. Kurz darauf raschelten die Zweige im Dikkicht. Ein etwa halbwüchsiger Igelbär kam langsam und mit schleppendem Schritt aus einem der Gänge. Die linke Ohrmuschel hing zerfetzt herab, das Gesicht war mit getrocknetem Blut verklebt. Das Tier stöhnte leise. In seinem Blick lag mühsam unterdrückte Angst. „Komm zu mir“, sagte Professor Ndanga behutsam. „Ich will dir helfen.“ Folgsam trat das Tier näher. Seine Nase, die bei gesunden Tieren immer feucht ist, war trocken und rissig. Es hatte offensichtlich Fieber. „Schnell, die Tasche, Salokin. Du kannst mir assistieren.“ Und zu dem Tier sagte er: „Es wird etwas weh tun,
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aber du mußt stillhalten.“ Dann machte er sich ans Werk, beseitigte zerstörte Haut- und Knorpelfetzen, nähte ein paar Venen und bestrich die Wunde anschließend mit einer Heilsalbe. Der Schuß hatte keine lebenswichtigen Organe getroffen, aber die Verletzung war sicher sehr schmerzhaft. Trotzdem hielt das Tier mucksmäuschenstill, als wisse es genau, worum es ging. „Zum Glück nichts Ernsteres“, meinte Salokin mitfühlend und kraulte den verletzen Igelbären behutsam am Hals. „Aber den Rest seines Lebens wird er wohl mit einem Ohr herumlaufen müssen.“ Professor Ndanga richtete sich auf. „So, das hätten wir“, brummte er befriedigt. „Wenn du ein paar Tage Ruhe hältst, wirst du bald wieder auf den Beinen sein.“ Er stutzte, denn er spürte deutlich einen fremden Impuls. Und er sagte zu Salokin: „Der Große, der uns vorhin geführt hat, ist der Vater dieses Jünglings hier. Er ist sehr froh, daß wir seinem Sohn geholfen haben.“ Der verletzte Igelbär seufzte erleichtert und leckte Professor Ndanga dankbar die Hand. Da raschelte es im Gebüsch. Eine ganze Horde kleiner Igelbären kam hervor und umkreiste sie laut schnüffelnd. Auch der Kleine, den sie gestern vor den Rieseninsekten gerettet hatten, war dabei. Er ließ sich von Salokin auf den Arm nehmen und begann sofort, zutraulich auf dessen Daumen herumzukauen. Vermutlich hatten sie nur auf ein Zeichen von dem erwachsenen Tier gewartet. Die Mutter war nirgends zu sehen. Und auch der große Igelbär war mit einemmal verschwunden. „Offenbar leben die Tiere in richtigen Siedlungen“, sagte Salokin nachdenklich, „und zwar in Familienverbänden. Was meinen Sie, ob wir uns bei ihnen mal ein wenig einquartieren können?“ Die Kleinen fanden das offenbar sehr lustig. Sie nickten eifrig mit ihren spitzen Schnäuzchen. Und dann war auch deutlich die Antwort des Alten zu spüren. Er freue sich,
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meinte er. Sie könnten jederzeit kommen. Plötzlich tauchte er wieder aus einem der Gänge auf. Zwischen den Zähnen trug er eine ungefähr drei Meter lange dickleibige Schlange. Er legte sie Professor Ndanga vor die Füße als Gastgeschenk. „Vielen Dank“, sagte Professor Ndanga überrascht. „Das ist wirklich ein prächtiges Exemplar.“ Er zögerte einen Moment. „Und falls ihr wieder einmal fremden Menschen begegnen solltet, seid vorsichtig. Und achte bitte auf deinen verletzten Kleinen. Wir werden dafür sorgen, daß so etwas nicht wieder passiert.“ Er nickte den Igelbären freundlich zu, nahm die tote Schlange über die Schulter und wandte sich zum Gehen. Salokin folgte ihm mit dem Instrumentenkoffer. Als sie ein Stück von der Tiersiedlung entfernt waren, fragte Salokin vorsichtig: „Wie wollen Sie verhindern, daß die Leute von unserem Raumschiff weiter auf die Tiere Jagd machen? Ich fürchte, das wird eine Menge Schwierigkeiten geben.“ „Zweifellos“, antwortete Professor Ndanga kurz. „Aber es darf nie mehr dazu kommen. Und ich habe auch schon einen Plan. Wir sprechen im Camp darüber.“
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Kraftprobe Am nächsten Morgen rüsteten sie zeitig zum Aufbruch. Einar Lundström, der zusammen mit Professor Ndanga die Exkursion leitete, war mit dem Plan einverstanden. Sie wollten so schnell wie möglich zurück zum Raumschiff und den Koordinator dazu bringen, eine Konferenz einzuberufen, auf der Professor Ndanga seine Beobachtungen vortragen konnte. Dabei wollten sie versuchen, ein allgemeines Jagdverbot durchzusetzen, zumindest bis zum Abschluß der Untersuchungen. Danach würde man weitersehen. Einar Lundström kratzte sich seinen blonden Schädel. „Das ist ein absolutes Novum“, brummte er skeptisch. „So was hat es noch bei keiner Erstlandung gegeben. Nardes wird uns glatt für verrückt erklären.“ „Sicher“, lächelte Professor Ndanga milde. „Ganz sicher sogar.“ Seine Zuversicht wirkte ansteckend. Sogar Kunizaki, der als Techniker in der Tierwelt eher ein Überbleibsel aus grauer Vorzeit sah, zeigte lebhaftes Interesse an den Igelbären. Gerade diese Tatsache registrierte Professor Ndanga mit besonderer Genugtuung. Schließlich bestand der schwierigste Teil ihrer Aufgabe darin, Skeptiker zu überzeugen. Trotzdem sahen sie alle der Begegnung mit dem Koordinator mit sehr gemischten Gefühlen entgegen. Immerhin brachen sie eine von Nardes angeordnete Exkursion auf eigene Faust ab. Das war zwar durchaus möglich, aber nur mit Genehmigung des Koordinators. Auf die hatten sie jedoch aus guten Gründen verzichtet. Sie waren sicher, daß er Professor Ndangas Begründung als unzureichend abgelehnt hätte. So blieb nur übrig, Nardes vor vollendete Tatsachen zu stellen.
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Ohne Funkkontakt, den Kunizaki durch einen geschickten Eingriff bereitwillig unterbrochen hatte, fuhren sie los. Das Camp hatten sie einfach stehenlassen, wie es war. Es sollte so aussehen, als seien sie in der Nähe auf Exkursion, falls zufällig ein anderes Fahrzeug auf das Lager stoßen sollte. Diesmal kamen sie schneller voran als auf der Hinfahrt. Daisuke Kunizaki steuerte das Fahrzeug auf der alten, noch gut erkennbaren Spur zurück, die erst schwächer wurde, als sie den Gebirgspaß überquerten. Kurz bevor sie in Sichtweite des Raumschiffs kamen, stellte der Japaner den Funkkontakt wieder her. Er horchte aufmerksam, ob sie inzwischen gesucht worden waren. Aber nichts deutete darauf hin. Plötzlich klang die Stimme des diensthabenden Funkers von der Zentrale des Raumschiffs aus dem Lautsprecher: „XU 7! XU 7! Bitte melden!“ Das war die Nummer ihres Fahrzeugs. Die Funkzentrale hatte sie entdeckt. „Hier XU 7“, meldete Kunizaki vorschriftsmäßig. Und Professor Ndanga fügte fragend hinzu: „Ist Koordinator Nardes anwesend?“ „Danke, XU 7. Der Koordinator kam vor einer Stunde mit dem Beobachtungsgleiter zurück. Soll ich Sie anmelden?“ „Nein, danke“, sagte Professor Ndanga. „Wir melden uns selbst.“ Einar Lundström verzog den Mund zu einem breiten Grinsen. „Also, meine Freunde, der Tanz kann losgehen.“ Wenig später stoppte das Fahrzeug neben dem Raumschiff. Professor Ndanga wandte sich lächelnd an den Botaniker: „Kommen Sie mit, Lundström?“ Dieser nickte spontan: „Klar. Den Zirkus lasse ich mir nicht entgehen.“ Gemeinsam betraten sie die Luftschleuse und ließen
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sich vom Lift in den Konferenzraum hinauffahren. Darüber lag der Arbeitsraum des Koordinators. Er saß an seinem Schreibtisch, in Tabellen vertieft. Nardes starrte sie an, als sehe er eine Geistererscheinung. „Sie hier?“ fragte er unwirsch. „Wie Sie sehen“, sagte Professor Ndanga betont ruhig. „Wir haben triftige Gründe. Und aus eben diesen Gründen möchte ich Sie ersuchen, alle leitenden Wissenschaftler zu einer Konferenz einzuberufen.“ Er setzte sich behaglich in einen der hydraulischen Sessel. Einar Lundström folgte seinem Beispiel. Sie ignorierten einfach den frostigen Empfang. Der Koordinator schwieg einen Augenblick verblüfft. Dann sagte er eisig: „Ich kann mich nicht entsinnen, Sie zurückgerufen zu haben. Eine Anfrage um Erlaubnis zur Rückkehr liegt auch nicht vor. Ich stelle fest, daß Sie den Anweisungen laut Instruktionsplan, der für alle Expeditionsmitglieder verbindlich ist, zuwidergehandelt haben. Sie wissen, das kann Konsequenzen haben.“ Professor Ndanga ließ sich nicht beeindrucken: „Ich habe Sie eben ersucht, eine Konferenz einzuberufen. Würden Sie bitte die Freundlichkeit haben, meine Gründe anzuhören?“ Nardes erhob sich steif: „Ihre Gründe interessieren mich nicht. Mich interessiert vor allem die Einhaltung der Disziplin.“ „Aha, Disziplin!“ Für Einar Lundström schien das eine Art Stichwort zu sein. „Dann sind wir also auf diesen hübschen Planeten gekommen, um die Einübung der Disziplin zu betreiben. Wie schön! Naiverweise hatte ich bisher geglaubt, wir sollten den Planeten erforschen, um ihn der Menschheit dienstbar machen zu können.“ „Sie wagen es?“ brauste Nardes auf. Er suchte mühsam nach Worten, um seiner Empörung Ausdruck zu geben.
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„Setzen Sie sich bitte“, versuchte Ndanga einzulenken. „Setzen Sie sich und hören Sie zu: Wir haben intelligentes Leben entdeckt!“ Vermutlich ohne es zu wollen setzte Nardes sich tatsächlich. Er sah aus, als habe er einen schweren Schlag erlitten. „Intelligentes Leben?“ murmelte er betroffen. „Intelligentes Leben auf diesem Planeten?“ Sein Gesichtsausdruck verriet, daß ihm Professor Ndangas Mitteilung alles andere als angenehm war. Wo es intelligentes Leben gab, war mit Komplikationen zu rechnen. Dort konnte der plötzlich auftauchende Mensch nicht einfach den Planeten annektieren und nach eigenem Gutdünken schalten und walten. Und das paßte absolut nicht in Nardes’ ehrgeizige Pläne. „Sind Sie nun bereit, die Konferenz einzuberufen?“ unterbrach Professor Ndanga seine Gedanken. Der Koordinator nickte mechanisch. „Das wird wohl nicht zu umgehen sein. Zunächst aber möchte ich wissen, um welche Art intelligentes Leben es sich handelt. Doch wohl nicht um eine technische Zivilisation?“ „Nein, wohl eher um eine tierische“, antwortete der Professor. Nardes starrte ihn einen Augenblick sprachlos an, dann schnaubte er: „Wollen Sie mich zum Narren halten?“ Einar Lundström schüttelte energisch den Kopf. „Nichts weniger als das“, korrigierte er freundlich. „Mein Kollege hat mit seiner Formulierung gar nicht so unrecht. Ich konnte mich selbst davon überzeugen.“ Nardes schluckte. Mühsam beherrscht sagte er: „Vielleicht wollen die Herren sich endlich etwas deutlicher erklären.“ „Genau das war meine Absicht“, begann der Professor. „Es handelt sich eindeutig um Mammalia. Und zwar um eine Art, der wir vorläufig die Bezeichnung Igelbären gegeben
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haben. Wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes. Ein Exemplar habe ich sezieren können. Seine Hirnstruktur...“ Nardes unterbrach ihn mit einer Handbewegung. „Genug! Die Existenz irgendwelcher Säugetiere auf diesem Planeten rechtfertigt in keiner Weise Ihr disziplinwidriges Verhalten. Ich werde...“ „Sie werden jetzt die Konferenz einberufen“, unterbrach Professor Ndanga. „Denn eben diese Igelbären verfügen über eine Intelligenz, die nach meiner vorsichtigen Schätzung der unseren zumindest um einiges überlegen ist.“ Er lehnte sich in seinen Sessel zurück und genoß es, den verblüfften Gesichtsausdruck des Koordinators zu betrachten. „Das ist eine ungeheuerliche Behauptung“, sagte Nardes nach einer langen Pause. „Und die werden Sie beweisen müssen.“ „Selbstverständlich“, lächelte Ndanga. „Deshalb bin ich ja hier. Dazu ist es allerdings notwendig, daß Sie für alle Expeditionsmitglieder ein absolutes Schießverbot erlassen.“ Nardes hob hochmütig die Brauen. „Schießverbot? Ich verstehe nicht. Wieso? Es handelt sich doch, wie Sie eben sagten, um Tiere. Um Säugetiere, also jagdbares Wild. Und eine unserer Aufgaben ist es, neue Frischfleischvorräte zu erschließen. Ein Schießverbot würde unseren Interessen völlig zuwiderlaufen.“ Das Lächeln in Professor Ndangas dunklem Gesicht erlosch. „Lassen wir den Streit darüber, wo das Tier aufhört und der Mensch beginnt. Zoologisch ist der Mensch ein Säugetier. Ein Säugetier mit Intelligenz. Genau das aber trifft auch auf die auf diesem Planeten entdeckten Igelbären zu. Wenn Sie diese zu Frischfleisch verarbeiten wollen, könnten Sie das genausogut mit unseresgleichen machen.“ „Was Sie da sagen –“, Nardes suchte krampfhaft nach Worten. Endlich stieß er hervor: „Das ist ungeheuerlich!“
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„Exakt das wäre es“, bekräftigte Einar Lundström gelassen. „Nämlich dann, wenn weiter geschossen wird. Kollege Ndanga hat sich ihnen gegenüber für das Schießverbot verbürgt.“ Der Koordinator starrte den Botaniker an, als zweifle er an dessen Verstand. „Wem gegenüber?“ fragte er heiser. „Den Igelbären natürlich.“ Nardes biß sich auf die Lippen. Er glaubte wohl, nicht richtig gehört zu haben. Dann fragte er lauernd: „Wollen Sie etwa behaupten, daß Sie mit diesen Tieren gesprochen haben?“ „Man könnte es so nennen“, bestätigte Ndanga. „Obwohl ,sprechen’ vielleicht nicht ganz die zutreffende Bezeichnung ist. Ich würde sagen: wir haben uns miteinander verständigt.“ Nardes schob seinen Kopf vor. „Und wie?“ fragte er dann rauh. „Durch eine Art Gedankenübertragung. Diese Igelbären verfügen über eine geistige Kraft, die es ihnen ermöglicht, sich selbst artfremden Wesen exakt mitzuteilen. Das Erstaunliche ist jedoch, daß selbst wir – und zwar ohne ausgesprochene Worte – uns ihnen verständlich machen konnten. Es ist also zwischen ihnen und uns eine völlig problemlose Kommunikation möglich, die allerdings durch den Feuerüberfall einer anderen Exkursionsgruppe auf eines der Tiere gefährdet wurde. Trotzdem sind seine Artgenossen uns nicht feindselig begegnet, sondern haben sich um Verständigung bemüht und schließlich unsere Hilfe angenommen. Ich konnte das verletzte Tier behandeln und habe dem Sippenältesten, der übrigens der Vater des verletzten Jungen ist, zugesagt, mich für das Schießverbot einzusetzen.“ Der Koordinator hatte den Worten Professor Ndangas schweigend zugehört. Nichts in seinem Gesichtsausdruck verriet, was er darüber dachte. Nur seine Augen wanderten
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unruhig von einem zum anderen. Offenbar versuchte er abzuschätzen, wie der Botaniker dazu stand. Einar Lundström schien das zu bemerken. „Genauso war es“, bestätigte er gelassen. Nardes nickte befriedigt. „Damit dürfte der Fall klar sein“, sagte er langsam. „Es handelt sich vermutlich bei Ihnen um eine Art Geistesverwirrung, deren Ursache noch festgestellt werden muß.“ Er hob die Stimme. „Meine Herren, Sie unterliegen ab sofort der Quarantäne!“ Vorsichtig tastete er nach einem der Schaltknöpfe auf seinem Schreibtisch, um die Sicherheitsabteilung zu alarmieren. Einar Lundström sah die Bewegung und warf sich blitzschnell über den Tisch. Seine kräftige Hand packte zu, drehte den Arm des Koordinators auf den Rücken und hielt ihn fest. „Der hält uns für verrückt“, knurrte er grimmig. „Genau wie ich vorausgesagt habe. Aber Einsperren kommt nicht in Frage, sonst geht hier alles zum Teufel. Geben Sie ihm eine Spritze, Professor!“ „Das ist Meuterei!“ keuchte Nardes schwer atmend. Wortlos zog der Professor eine Spritze mit Ampulle aus der Brusttasche seines Khakihemdes, machte sie fertig und injizierte die glasklare Flüssigkeit in den Unterarm des Koordinators.
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Vergebliche Lektion „Setzen Sie sich!“ befahl Einar Lundström. Der Koordinator setzte sich gehorsam. Er wirkte wie eine willenlose Puppe. „Und was nun?“ fragte Professor Ndanga. Statt einer Antwort stellte der Botaniker eine Gegenfrage: „Was haben Sie ihm gegeben?“ „Das Übliche, Für die nächsten zwei Stunden wird er alles tun, was wir von ihm wünschen.“ „Ausgezeichnet. Dann werden wir gemeinsam einen kleinen Ausflug unternehmen. Zum Camp. Und dem Herrn Koordinator unsere neuen Freunde vorstellen. Vielleicht läßt er sich dann überzeugen.“ „Gut. Und wie?“ „Wir drei nehmen den Beobachtungsgleiter. Kunizaki kann fliegen. Salokin und Li folgen mit unserem Fahrzeug.“ Professor Ndanga nickte kurz. „Also los.“ Widerstandslos begleitete Nardes sie nach unten. Es sah fast so aus., als herrsche zwischen den drei Männern völliges Einverständnis. Nur der etwas abwesende Gesichtsausdruck des Koordinators verriet seinen Zustand. Doch niemand begegnete ihnen. „Kommen Sie, Kunizaki!“ sagte Einar Lundström unten zu dem Japaner, der es sich hinter seinem Steuerpult bequem gemacht hatte. „Wir fliegen mit dem Koordinator zum Camp. Sie steuern den Gleiter.“ Kunizaki stieg aus dem Fahrzeug und folgte Einar Lundström, der mit Nardes vorausging. Vom Zustand des Koordinators schien er nichts zu bemerken. Professor Ndanga trat inzwischen an das Fahrzeug und gab Salokin und Li seine Anweisungen. Die beiden verstanden ihn sofort. Sie wußten, worauf es jetzt ankam. Dann ging
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er schnell zum Gleiter hinüber, der augenblicklich abhob. Sekunden später waren sie außer Sichtweite des Raumschiffs. Niemand schien Verdacht geschöpft zu haben. „Hallo, G 01!“ kam die etwas verblüffte Stimme des diensthabenden Funkers der Zentrale aus dem Lautsprecher. „G 01, bitte melden!“ „Hier G 01 mit Koordinator Nardes auf dem Flug zum Camp Ndanga-Lundström“, meldete Kunizaki korrekt. „Danke, G 01. Guten Flug.“ „Danke.“ Der Japaner lächelte undurchsichtig. Einar Lundström sah es, sagte aber nichts. Er war zufrieden, daß der Techniker ohne weiteres mitgespielt hatte. Denn daß hier etwas nicht ganz der Routine entsprach, mußte er inzwischen schon längst gemerkt haben, zumindest an Nardes’ ungewöhnlich schweigsamem Verhalten. Den ganzen Flug über wurde, außer ein paar technischen Anmerkungen, nichts gesprochen. Denn jedes Wort im Gleiter war in der Leitzentrale zu hören. Und sie wollten nicht gestört werden, bevor sie ihr Unternehmen beendet hatten. Allerdings dauerte der Flug nicht sehr lange. Als sie dicht neben dem Camp auf dem freien Platz aufsetzten und die Kabine verließen, schmunzelte Professor Ndanga. „Der diensthabende Funker wird sich vermutlich sehr über unsere permanente Funkstille gewundert haben.“ Kunizaki lächelte verständnisvoll. „Und was soll mit dem Gleiter werden?“ fragte er. „Den lassen wir vorläufig hier stehen.“ Einar Lundström setzte den Koordinator auf einen Klappstuhl vor die Zelte und erklärte: „Von diesem Logenplatz aus kann er sich fabelhaft mit unseren Freunden unterhalten. Wir müssen sie nur erst herzitieren.“ Doch das erwies sich als nicht mehr nötig. Plötzlich raschelte es im Dickicht. Und an der Stelle, wo die breite Trittspur zur Siedlung der Igelbären führte, tauchte ein
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stachliger Kopf auf. Das Tier gab zu verstehen, daß sie inzwischen das Camp bewacht und zwei Schlangen aus den Zelten geholt hätten. Professor Ndanga dankte und erkundigte sich nach dem Sippenältesten. Er wisse schon Bescheid, kam die Antwort. Und er würde mit seinem verletzten Sohn gleich hier eintreffen. „Na also“, brummte Einar Lundström befriedigt. Als kurz darauf der Sippenälteste auf den Lagerplatz trat und sie mit freundlichem Kopfnicken begrüßte, wollte Professor Ndanga ihm das Ergebnis ihrer Unternehmung erklären. Aber der Igelbär meinte, sie seien bereits über alles informiert. „Auch über das Gespräch im Raumschiff?“ fragte Professor Ndanga. Er war sehr gespannt auf die Antwort. Der alte Igelbär schien zu lächeln: Sie wüßten, was sie von Nardes zu halten hätten. Aber ihnen würden sie vertrauen. Das Team könnte auf ihre Unterstützung rechnen, auf jeden Fall. „Danke“, sagte Professor Ndanga erleichtert. Doch der Sippenälteste berichtete: Vor langer Zeit, bevor sie gelernt hatten, sich zu verständigen, habe es unter den Igelbären ebenfalls Kämpfe gegeben, Sippe gegen Sippe. Und weil sie zu sehr mit Kämpfen untereinander beschäftigt gewesen waren, hätten die Rieseninsekten fast alle ihre ungeschützten Jungen getötet und die Igelbären beinahe ausgerottet. Danach seien sie endlich zur Vernunft gekommen und hätten sich gemeinsam gegen ihre schlimmsten Feinde, die Rieseninsekten, die sich inzwischen unheimlich vermehrt hatten, zur Wehr gesetzt. Dabei hätten sie gelernt, sich untereinander zu verständigen. Seitdem herrsche Frieden unter ihnen und auch mit den meisten anderen Tieren. Und sie wünschten sehr, auch mit den Menschen in Frieden zu leben.
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Der Koordinator machte plötzlich eine Bewegung. Einar Lundström, der neben ihm stand, erkundigte sich höflich: „Nun, Herr Koordinator? Sind Sie wieder aufnahmebereit?“ „Ja“, antwortete Nardes knapp. „Schön. Und haben Sie schon etwas mitbekommen?“ „Alles“, murmelte Nardes. „Alles, seit wir hier gelandet sind. Es ist ein Alptraum.“ „Sie irren“, korrigierte der Botaniker. „Es ist Wirklichkeit, absolute Wirklichkeit. Auch wenn sie nicht in Ihren Bürokratenschädel paßt.“ Nardes’ Gesichtsausdruck veränderte sich plötzlich, wurde hart und hochmütig. Sein Ton war wieder ganz der alte, als er rief: „Schaffen Sie mir endlich dieses Viehzeug aus den Augen! Es reicht! Sie können die Komödie aufgeben.“ „Komödie? Wieso?“ Professor Ndanga überlegte noch, wie das gemeint war, da erklärte ihm schon der Sippenälteste: Dieser Mensch glaubt, die Droge, die ihr ihm gespritzt habt, rufe Halluzinationen hervor, mit deren Hilfe ihr ihn überzeugen wollt. Und er meint, diesen Trick durchschaut zu haben. „Aufhören!“ brüllte Nardes. „Ihr sollt endlich aufhören mit diesem verdammten Theater! Ich befehle es!“ „Da haben wir’s!“ knurrte Einar Lundström verbittert. Professor Ndanga schüttelte den Kopf. „Nur keine Aufregung, es gibt genügend Beweise. Von ihnen wird sich schließlich auch Herr Nardes überzeugen lassen müssen. Auch wenn es ihm schwerfällt.“ Gelassen ging der Professor auf den verletzten jungen Igelbären zu und führte ihn behutsam vor den Stuhl des Koordinators. „Schaffen Sie dieses Vieh weg, Ndanga!“ empörte sich Nardes.
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Der Zoologe blieb hartnäckig: „Alles zu seiner Zeit, Herr Koordinator. Zunächst möchte ich Sie bitten, sich die Verletzungen am Ohr genau anzusehen. Es sind die Folgen eines Strahlers. Auf dieses Tier wurde geschossen.“ Ohne sich weiter um Nardes zu kümmern, begann Professor Ndanga das verletzte Ohr zu untersuchen. Er reinigte die Wunde sorgfältig und strich frische Salbe darauf. Dann streichelte er dem Tier freundlich über den pelzigen Nasenrücken und schickte es zu seinem Vater zurück. „Nun, haben Sie gesehen, Herr Koordinator?“ „Na und?“ fragte Nardes. „Was soll das beweisen?“ „Zunächst einmal, daß es notwendig ist, ein generelles Schießverbot zu erlassen...“ „Ich sehe dazu keine Notwendigkeit!“ unterbrach Nardes brüsk. „Weil Sie nicht sehen wollen. Aber folgen Sie bitte mal einer ganz einfachen Überlegung: Wenn man mit intelligenten Wesen in Verbindung treten will, kann man nicht gleichzeitig auf sie Jagd machen. Das ist doch einleuchtend.“ Ungeduldig erhob sich Nardes. „Verschonen Sie mich mit Ihren Hypothesen! Im übrigen bin ich ein Mensch, falls Sie das vergessen haben sollten. Und als Mensch habe ich keinerlei Veranlassung, mit irgendwelchen Tieren Kommunikation zu treiben. Ganz gleich, ob hier oder anderswo. Meine Aufgabe lautet, Nahrung zu beschaffen. Und genau das ist auch Ihre Aufgabe. Sie stehen unter meinem Befehl. Ist das klar?“ Professor Ndanga schwieg. Er kannte Nardes lange genug, um zu wissen, wie er ihn einzuschätzen hatte. Trotz allem hatte er gehofft, ihn zu überzeugen. Dies hier war schließlich ein einmaliges Phänomen, das auch Nardes begreifen konnte, selbst wenn er von Zoologie keine Ahnung hatte. Doch darin hatte er sich offenbar getäuscht. Wenn Nardes sich auf seine Befehlsgewalt berief, drohte eine
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Katastrophe. Es konnte zur Massenschlächterei unter den Igelbären kommen, ganz abgesehen von den weiteren Folgen. Und er, Ndanga, würde es nicht verhindern können. Der Mensch hatte im entscheidenden Moment wieder einmal versagt, wie schon so oft in seiner Geschichte. Zornbebend starrte er in das abweisende Gesicht des Koordinators, der langsam auf den verlassenen Beobachtungsgleiter zuging. Der Japaner war nirgends zu sehen. „Sollen wir ihn ziehen lassen?“ fragte Einar Lundström bitter. Der Zoologe reagierte nicht. Es war ihm, als wolle der alte Igelbär ihm etwas mitteilen. Aber er begriff die Mitteilung nicht; sie schien ihm zu absurd. Nur eins verstand er: Sie sollten Nardes nicht hindern. Gedankenverloren nickte er. Nardes stand grimmig lächelnd in der offenen Kabinentür des Gleiters. „Zu gütig, meine Herren“, sagte er voller Hohn. „Ansonsten habe ich Sie noch darüber zu informieren, daß Sie sich ab sofort als Meuterer zu betrachten haben. Sie wissen, was das für Konsequenzen hat.“ Die Kabinentür schloß sich hinter dem Koordinator. Schon wenige Augenblicke später war der Gleiter am Horizont verschwunden.
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Evakuierung Einar Lundström atmete tief und stieß dann geräuschvoll die Luft aus. „Ich fürchte, das lief nicht ganz nach Programm“, brummte er. „In unserer jetzigen Situation können wir wirklich nicht mehr viel tun.“ „Das fürchte ich auch“, murmelte Professor Ndanga niedergeschlagen. Der Botaniker versuchte ein schwaches Grinsen. „Immerhin kann man es auf diesem Planeten einigermaßen aushalten. Und das ist einem Zwangsaufenthalt im Raumschiff entschieden vorzuziehen.“ Professor Ndanga war der gleichen Meinung. „Solange wir in Freiheit sind, ergibt sich vielleicht doch eine Möglichkeit, etwas zu unternehmen. Schließlich sind nicht alle so verbohrt wie Nardes. Und auf eine Meuterei mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr an.“ „Stimmt“, sagte Lundström, der allmählich seine meist unverwüstlich gute Laune wiederfand. „Nur müßten wir so schnell wie möglich von hier verschwinden. Wenn wir uns nicht selbst stellen, haben wir in spätestens ein paar Stunden die Sicherheitsabteilung samt ihrem Chef Ian Moss auf dem Hals. Und das hätte ich gar nicht so gern.“ Professor Ndanga runzelte die Stirn. „Schnell ist gut, mein Lieber. Noch haben wir ja kein Fahrzeug. Ich hoffe nur, daß Nardes nicht auf die Idee kommt, Salokin und Li mit unserem Fahrzeug per Funk zum Raumschiff zurückzudirigieren. Die beiden haben schließlich keine Ahnung, was inzwischen vorgefallen ist. Und wir besitzen hier im Camp kein so weitreichendes Funkgerät, um sie warnen zu können.“ Plötzlich mischte sich der alte Igelbär ein: das sei bereits erledigt. Seine Gefährten in den Bergen hätten die beiden
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informiert. Sie kämen mit Höchstgeschwindigkeit zum Camp zurück. „Danke.“ Professor Ndanga schien erleichtert, und Lundström lachte durchtrieben. „Na also. Funk haben wir auch. Den besten, den es je gab. Absolut störungsfrei und abhörsicher.“ Professor Ndanga achtete nicht auf seine Heiterkeit. Beunruhigt fragte er: „Haben Sie eine Ahnung, wo Kunizaki steckt?“ „Kunizaki? Beim Universum! Auf den hat kein Mensch geachtet. Der war einfach plötzlich verschwunden.“ „Und seit wann? Wissen Sie das?“ Einar Lundström schüttelte bedauernd den Kopf. „Kurz nach der Landung hat er noch mit uns gesprochen. Er erkundigte sich, was mit dem Gleiter werden soll. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen. Er wird doch nicht etwa mit Nardes zurückgeflogen sein?“ „Das glaube ich nicht. Schließlich hat er sich während der ganzen Aktion uns gegenüber sehr loyal verhalten. Was sollte er für einen Grund gehabt haben, seine Haltung zu ändern?“ „Vielleicht fürchtete er Konsequenzen, als er merkte, worauf das alles hier hinausläuft.“ Die beiden Männer sahen sich an und schwiegen. Sie kannten sich schon lange, hatten bereits manche Planetenexpedition gemeinsam überstanden. Sie wußten, daß sie sich aufeinander verlassen konnten, in jeder Situation. Und das galt auch für ihre Assistenten. Nur Kunizaki, der Techniker, war neu in ihrem Team. Nardes hatte ihnen den Mann zugeteilt. Von ihm wußten sie so gut wie nichts. Aber sie hatten Daisuke Kunizakis stille, unauffällige, zuverlässige Art schätzen gelernt. „Nein“, sagte Ndanga aus seinen Gedanken heraus. „Ich glaube es einfach nicht.“
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Kurz darauf sollte seine Vermutung sich bestätigen. Der Japaner kam zwischen den Zelten hervor auf sie zu. In der Hand trug er ein kleines Funkgerät. „Ich habe inzwischen alles zusammengepackt“, erklärte er ruhig. „Nur die Zelte müssen noch abgebaut werden. Das ist schnell gemacht, wenn die beiden mit dem Fahrzeug eingetroffen sind. Und Funkkontakt werden wir auch bald haben: Ich habe einen Zusatzverstärker eingebaut.“ Lundström bekam einen roten Kopf. Im stillen schämte er sich wegen seines Verdachts. Unbeholfen fragte er: „Woher wußten Sie –?“ Kunizaki lächelte. „Kombination. Ich habe doch recht mit der Annahme, daß wir hier nicht bleiben können?“ „Ich danke Ihnen“, sagte Professor Ndanga herzlich. „Für alles. Es ist gut zu wissen, daß man sich auf jemand verlassen kann. Ich fürchte, unsere Situation wird nicht einfach sein.“ „Ich weiß“, nickte der Japaner. „Aber ich bin überzeugt, daß Sie richtig gehandelt haben.“ Einar Lundström besah verlegen seine Fingerspitzen. „Hm“, brummte er. „Das stimmt ja direkt hoffnungsvoll, daß auch andere das noch einsehen. Übrigens: wann können wir mit dem Eintreffen unseres Fahrzeugs rechnen?“ Statt einer Antwort hielt Kunizaki ihm das Funkgerät hin. „Sprechen Sie!“ „Hier Camp“, sagte der Botaniker ins Mikrofon. „XU 7, bitte melden!“ „Hier XU 7“, kam die Stimme Salokins. „Wir nähern uns dem Fluß. Bis gleich.“ Lundström gab dem Japaner das Funkgerät zurück. „Na also. Kümmern wir uns inzwischen um die Zelte.“ Zu dritt machten sie sich an die Arbeit, zogen Zeltpflöcke und rollten Leinen auf. Kurze Zeit später lagen Eßzelt und Laborzelt wohlverpackt am Boden. Als sie gerade dabei
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waren, das Schlafzelt zusammenzulegen, raschelte es hinter ihnen im Dickicht. Das Fahrzeug rollte auf die Lichtung und stoppte direkt neben den Packen und Geräten. Salokin sprang heraus. „XU 7 zur Stelle“, meldete er. „Nardes hat uns unterwegs angefunkt: Wir sollten zum Raumschiff zurückkehren. Aber wir hielten es für besser, den Signalen der Igelbären zu folgen. Gesehen haben wir allerdings keinen.“ „Gut gemacht, Salokin!“ Professor Ndanga strahlte. „Wie du siehst, sind wir bereits im Aufbruch. Packt gleich mit zu, damit wir hier wegkommen.“ „Was?“ erkundigte sich Li, die hinter Salokin aus dem Fahrzeug geklettert war. „Es wird doch bald Nacht! Wollen wir denn im Dunkeln fahren?“ „Wir werden’s schon überleben“, redete Lundström dem Mädchen zu. Plötzlich mischte sich der alte Igelbär ein. Was er mitteilte, klang sehr beruhigend: Sie seien überwiegend Nachttiere. Für sie sei es keine Schwierigkeit, im Dunkeln ihren Weg zu finden. Das Fahrzeug brauche sich nur an ihre Spur zu halten. „Wollt ihr denn mit?“ Vor Verblüffung sprach Professor Ndanga die Frage laut aus. Der Igelbär bestätigte das, gab aber keine Erklärung. Offenbar hielt er das für selbstverständlich. Nach einer halben Stunde hatten sie alle Ausrüstungs– gegenstände im Fahrzeug verstaut und waren startbereit. Kunizaki ließ die Antriebsaggregate anlaufen und folgte den beiden Igelbären, die ihre alte Spur durchs Dickicht in Richtung auf ihre Siedlung einschlugen. Von dort ging es ohne Aufenthalt weiter zum Fluß. „Merkwürdig“, sagte Professor Ndanga nach einer Weile gedankenvoll. „Wir folgen ihnen, ohne zu fragen, wo die Fahrt enden wird. Ist Ihnen klar, daß wir damit das Denken
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den Tieren überlassen haben? Ich glaube, das ist noch nie dagewesen in der Geschichte der Menschheit.“ Der Botaniker lächelte. „Ich muß gestehen: ich fühle mich durchaus wohl dabei.“ Ihr Gespräch wurde unterbrochen. Das Fahrzeug hatte das Flußufer erreicht. Als es ins Wasser glitt, schoben sich die beiden Igelbären, die offenbar ausgezeichnet schwimmen konnten, jeder an eine Seite. Sie schienen dem technischen Wunderding der Menschen nicht recht zu trauen und hielten sich bereit, ihnen zu Hilfe zu kommen, falls etwas passieren sollte. „Sie übernehmen den Begleitschutz!“ rief Salokin überrascht. „Ähnlich wie Delphine, die einen Schwächeren in die Mitte nehmen.“ „Wahrscheinlich haben sie keine sehr hohe Meinung von unseren technischen Errungenschaften“, vermutete Lundström. „Sie ahnen ja gar nicht, was die Menschen noch alles für Teufelszeug erfunden haben.“ „Und sie werden es hoffentlich nie erfahren“, meinte Li. „Sie haben es schon erfahren“, sagte Professor Ndanga ernst. „Denken Sie nur an die Schüsse auf den Sohn unseres Freundes.“ Das Fahrzeug hatte inzwischen den Fluß überquert. Die beiden Tiere strebten auf eine breite Trittspur zu, die am jenseitigen Ufer durch das Dickicht landeinwärts führte. Es sah so aus, als sei vor kurzer Zeit eine ganze Herde hier gegangen. „Was mag das zu bedeuten haben?“ wunderte sich Einar Lundström erstaunt. „Dieser Trampelpfad läßt auf eine wahre Völkerwanderung schließen. Verstehen Sie das, Professor?“ „Nicht ganz. Aber ich denke, man wird uns zur rechten Zeit darüber informieren. Auf jeden Fall hängt es wohl mit der Anwesenheit von Menschen auf diesem Planeten zusam-
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men. Die Tiere reagieren auf ihre Weise.“ Professor Ndanga schwieg. Doch sein Gesichtsausdruck verriet, daß ihn das Problem weiter beschäftigte. Plötzlich begann es zu regnen. Der fremde Himmel hatte sich mehr und mehr bezogen, ohne daß jemand darauf geachtet hatte. Die grüne Dämmerung unter dem Pflanzengewirr wurde noch dichter. Naß peitschten die Halme gegen das Kunstglasdach des Fahrzeugs. Auf den Scheiben bildeten sich kleine Rinnsale, behinderten die Sicht nach draußen. Aber das Fahrzeug setzte mit unverminderter Geschwindigkeit seine Fahrt fort, immer weiter einem unbekannten Ziele zu. „Wir haben Kurs Nordwest“, meldete Kunizaki vom Steuerpult. „Wenn wir diesen Kurs beibehalten, müßten wir in spitzem Winkel auf die Küste treffen, allerdings ziemlich weit nördlich.“ „Lassen wir uns überraschen“, murmelte Professor Ndanga. Er spürte mit einemmal eine starke Müdigkeit. Der Tag war aufregend gewesen. Und er beschloß, den hydraulischen Sessel zum Liegen einzurichten. Aufatmend streckte er sich aus. Aber er konnte nicht einschlafen. Immer wieder ertappte er sich dabei, wie er nach draußen lauschte. Doch da war nur das bekannte leise Summen der Antriebsaggregate, deren Geräusch etwas zugenommen hatte. Sie mußten sich auf einer Steigung befinden. Und die Steigung hielt an, wurde offensichtlich immer steiler. Er blinzelte. Es war Nacht geworden, stockfinstere Nacht. Nur vom Armaturenbrett schimmerten ein paar Lichter. Sonst war nichts zu sehen. In der Kabine wurde es still, die letzten Gespräche verstummten. Alle hatten es sich auf den Liegesitzen bequem gemacht, bis auf Kunizaki am Steuerpult. Endlich schlief auch Professor Ndanga ein, während das Fahrzeug, geleitet von zwei fremdartigen Wesen, dem unbekannten Gebirge zusteuerte.
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Sackgasse Nardes saß in seinen Sessel zurückgelehnt hinter dem Schreibtisch. Mit verbissenem Gesicht betrachtete er die vier Männer, die ihm gegenüber Platz genommen hatten: sein Assistent Paolo, der Raumschiffkommandant Sing Ho, der Bordarzt Dr. Sendar, ein dunkelhäutiger Inder, und der Sicherheitschef Ian Moss, ein Mulatte aus Jamaika. Er hatte sie zu einer Lagebesprechung zusammengerufen. Nachdem er berichtet hatte, trommelte er unwirsch mit den Fingerspitzen auf die Schreibtischplatte und erklärte: „Ich begreife das alles nicht. Sie vielleicht, meine Herren?“ Alle schwiegen, niemand schien sich angesprochen zu fühlen. Endlich bequemte der Sicherheitschef sich zu einer Antwort. „Nein.“ „Sind Sie alle der gleichen Meinung?“ Der Bordarzt nickte. „Ich denke schon. Vom medizinischen Standpunkt aus ...“ „Danke, Doc!“ unterbrach Nardes ungeduldig. „Ihren medizinischen Standpunkt können Sie sich schenken. Der hilft uns hier auch nicht weiter.“ „Ich denke doch“, entgegnete der Mediziner und fixierte den Koordinator eindringlich durch seine scharfe Brille. „Was Sie uns da berichtet haben, schließt einen medizinischen Aspekt keineswegs aus. Im Gegenteil. Auf jedem neuen Planeten stehen auch wir vor völlig neuen Problemen. Und Sie vermuteten ja anfänglich ebenfalls eine Art Geistesverwirrung bei den beiden. Professor Ndanga ist bekannt als ein ebenso gründlicher wie besonnener Wissenschaftler und neigte jedenfalls bisher niemals zu irgendwelchen Eigenmächtigkeiten. Dasselbe gilt für den Kollegen Lundström. Wenn die Handlungsweise der beiden Herren
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tatsächlich in so ungewöhnlichem Maße von ihrem sonstigen Verhalten abweicht, müssen dafür triftige Gründe vorliegen...“ „Worauf wollen Sie eigentlich hinaus, Doc?“ unterbrach Nardes gereizt. Der Arzt maß ihn kühl. „Auf eine sachliche Argumentation. Ich wehre mich gegen Ihre Vereinfachungen.“ „Es war eindeutig Meuterei“, sagte Moss scharf. „Natürlich“, knurrte der Mediziner. „Für Sie ist immer alles eindeutig.“ Sing Ho, der bis jetzt scheinbar unbeteiligt zugehört hatte, mischte sich ein: „Meine Herren! Sie verwenden hier laufend den Begriff Meuterei. Dazu sind Sie überhaupt nicht berechtigt. Zu beurteilen, wann es sich um Meuterei handelt und wann nicht, ist ausschließlich Sache des Kommandanten dieses Raumschiffs. Und der bin bekanntlich ich. Und ich stelle fest, daß mir von einer Meuterei auf meinem Schiff nichts bekannt ist.“ „Was? Sie stellen sich gegen mich?“ schrie Nardes. Der Chinese lächelte höflich und undurchdringlich. „Sie irren, Herr Koordinator. Ich stelle lediglich klar, daß Sie Ihre Kompetenzen überschreiten. Eine Meuterei richtet sich immer gegen einen Kommandanten. Sie sind aber nicht der Kommandant. Folglich kann auch niemand gegen Sie meutern.“ Nardes starrte Sing Ho einen Augenblick sprachlos an. Dann sagte er in wegwerfendem Ton: „Verschonen Sie mich mit Ihren Spitzfindigkeiten, Sing Ho. Hier geht es um Fakten, um schwerwiegende Vorkommnisse.“ „Mag sein“, sagte der Kommandant gelassen und stand auf. „Aber Ihre Fakten haben weder etwas mit Meuterei zu tun, noch gehen sie mich etwas an. Ich empfehle mich, meine Herren.“ Er verbeugte sich leicht gegen die Anwesenden und wandte sich zur Tür.
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„Halt!“ schnaubte Nardes empört. „Bleiben Sie hier! Ich habe die Besprechung noch nicht beendet.“ Sing Ho verzog spöttisch den schmalen Mund. „An Bord meines Schiffes hat mir niemand Befehle zu erteilen, Herr Koordinator. Niemand! Guten Tag, meine Herren.“ Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß. Einige Sekunden lang herrschte betretenes Schweigen. Nardes mußte seine Niederlage offenbar erst verdauen. Und die anderen dachten, allerdings aus sehr unterschiedlichen Gründen, nicht daran, ihm aus der Verlegenheit zu helfen. Endlich schien er sich gefaßt zu haben. Und sein Ton war um einige Grade verbindlicher, als er begann: „Meine Herren, kehren wir zu den Tatsachen zurück. Wir müssen zu einer Entscheidung kommen.“ Er blickte sie alle der Reihe nach erwartungsvoll an. Paolo wurde es langsam unbehaglich. Er hatte sich bis jetzt überhaupt noch nicht geäußert und war immerhin Nardes’ Assistent. Er mußte etwas sagen, um nicht selber in Verdacht zu geraten. Seine Freundschaft mit Salokin und seine besondere Sympathie für Professor Ndanga waren allgemein bekannt. Aber was sollte er sagen? Schon die wenigen ihm zugänglichen Tatsachen hatten ihm bewiesen, daß Professor Ndangas Exkursionsteam überzeugende Argumente für seine Handlungsweise besaß. Anders war ihr Verhalten gar nicht zu erklären. Aber wie dachten die anderen darüber? Der Sicherheitschef stand eindeutig auf der Seite des Koordinators. Sing Ho hatte Nardes einen außerordentlich erfreulichen Dämpfer gegeben und war gegangen, schied also aus. Blieb noch der Bordarzt, der als ebenso geradliniger wie vorsichtiger Mann bekannt war. Seine Worte vorhin hatten das wieder einmal bewiesen. Paolo unterdrückte einen Seufzer und beschloß, auf seine taktische Klugheit zu vertrauen. „Welche Art Entscheidung meinen Sie?“ fragte er. Nardes warf ihm einen abschätzenden Blick zu, dann
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nickte er. „Es muß entschieden werden, in welcher Richtung die Suche fortgesetzt werden soll. Nach sechs erfolglosen Tagen müssen wir endlich zu einem greifbaren Resultat kommen.“ „Fünf“, wandte Ian Moss ein. „Wieso fünf? Es sind heute genau sechs Tage!“ „Fünf“, wiederholte der Sicherheitschef. „Fünf Tage, an denen wir gesucht haben. Am ersten Tag hat es dermaßen gegossen, daß wir nichts unternehmen konnten. Und dieser Regen hat alle Spuren gelöscht. Deshalb unsere Erfolglosigkeit.“ Nardes runzelte mißbilligend die Stirn. „Trotzdem bleibt es unbegreiflich.“ „Das hatten Sie eingangs schon festgestellt“, bemerkte der Mediziner trocken. „Hören Sie auf, Doc!“ fauchte Nardes ihn an. „Oder haben Sie vielleicht eine brauchbare Erklärung für das Verschwinden von Ndangas Exkursionsteam?“ „Bedaure, nein.“ „Und Sie, Paolo?“ „Leider nein.“ „Also Sie, Moss!“ Nardes heftete den Blick auf sein Gegenüber. „Sie haben als Sicherheitschef alle Hilfsmittel zur Verfügung. Sie kennen die Höchstgeschwindigkeit der Fahrzeuge. Sie kennen den Aktionsbereich des gesuchten Fahrzeugs innerhalb des fraglichen Zeitraums. Sie hätten es finden müssen!“ Ian Moss legte sein Gesicht in gekränkte Falten. Selbst vom Koordinator ließ er sich nur ungern Kritik gefallen, zumal noch vor anderen. Und er hatte wirklich alles Menschenmögliche getan. Plötzlich sagte er: „Falls es noch existiert.“ Nardes stutzte. „Sie meinen ...?“ „Genau das. Nach allem können wir die Möglichkeit
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nicht ausschließen, daß das gesuchte Fahrzeug verlorengegangen ist.“ „Und wie stellen Sie sich das vor, Moss? Unseres Wissens gibt es in diesem Bereich des Planeten nichts, was unseren Fahrzeugen gefährlich werden könnte.“ „Da bin ich anderer Meinung“, widersprach der Sicherheitschef. „Das Fahrzeug kann als Fluchtweg den Fluß benutzt haben. Ich halte es sogar für sehr wahrscheinlich, weil es auf dem Wasser schneller vorankommt. Und der Teufel weiß, was dieser unbekannte Fluß für Tücken hat. Schließlich führte er nach dem wolkenbruchartigen Regen Hochwasser. Das Fahrzeug kann leckgeschlagen und gesunken sein.“ Nardes schüttelte ablehnend den Kopf. „Unsere Fahrzeuge sind so konstruiert, daß sie nicht leckschlagen können. Das wissen Sie genauso gut wie ich, Moss!“ „Weiß ich“, knurrte der Sicherheitschef ungerührt. „Es muß ja nicht unbedingt ein Loch im Boden gewesen sein. Vielleicht hatten sie nur das Kabinendach nicht völlig dicht gemacht, sind von einem Strudel erfaßt und in die Tiefe gerissen worden. Sie müssen zugeben, daß jedes unserer Fahrzeuge auf diese Weise absaufen könnte.“ „Das stimmt“, räumte Nardes widerstrebend ein. „Aber das Fahrzeug wurde schließlich nicht von Idioten bedient. Nein, Moss, das kaufe ich Ihnen nicht ab. Sie versuchen nur, sich ein Alibi für Ihr Versagen zu konstruieren.“ Der Sicherheitschef gab keine Antwort. Auch die anderen schwiegen. Nach einer unbehaglichen Pause äußerte Dr. Sendar: „Verzeihen Sie, wenn ich wieder den medizinischen Aspekt zur Sprache bringe. Aber könnte es nicht sein, daß die Besatzung durch irgendwelche Einwirkungen von außen physisch oder psychisch nicht mehr in der Lage war, das Fahrzeug zu beherrschen? Unter solchen Umständen könnte
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die Erklärung des Sicherheitschefs durchaus zutreffen.“ Nardes horchte auf. „Sie denken an diese Riesenviecher, an diese Igelbären, wie Ndanga sie nennt?“ „Nein, das weniger. Diese Tiere scheinen mir nach allem, was wir bis jetzt über sie wissen, relativ harmlos. Ich denke an ein Phänomen, das mich von Tag zu Tag mehr beunruhigt. Ich meine: die Rieseninsekten. Sie sind ausgesprochen gefährlich, und täglich werden es mehr. Haben Sie die gewaltigen Schwärme beobachtet, die immer wieder unser Raumschiff umkreisen? Sie verfolgen auch unsere Exkursionsfahrzeuge, wie man mir berichtet hat...“ „Was?“ rief Nardes erregt dazwischen. „Und wieso weiß ich nichts von diesen Vorfällen?“ „Sie waren intensiv mit der Verfolgung des verschwundenen Fahrzeugs beschäftigt“, antwortete Paolo vorsichtig. „Unsinn!“ donnerte Nardes wütend. „Sie hätten die Meldung sofort an mich weiterleiten müssen!“ Paolo zuckte resigniert mit den Schultern. „Das habe ich versucht. Aber Sie haben erklärt, Sie hätten jetzt Wichtigeres zu tun, als sich um Insekten zu kümmern.“ Nardes schoß das Blut ins Gesicht. „So“, grunzte er undeutlich. „Vermutlich sind Sie gerade im ungeeignetsten Moment aufgetaucht. Aber egal. Weiter, Doc!“ „Diese Rieseninsekten sind nicht giftig“, erläuterte der Arzt. „Aber sie saugen mit den stachelartigen Rüsseln ihren Opfern das Blut aus: pro Exemplar etwa ein Viertelliter, wie ich feststellen konnte ...“ „Woher wissen Sie das so genau?“ fragte Nardes. „Ich hatte bereits einen solchen Fall.“ „Wo? Hier?“ „Natürlich hier“, bestätigte Sendar. „Anderswo ist diese Spezies meines Wissens unbekannt. Der Betroffene, übrigens der Geologe Barsakow, war während einer Exkursion außerhalb seines Fahrzeugs von einigen solcher Insek-
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ten überfallen worden. Sie haben – und das erscheint mir besonders schwerwiegend – mühelos durch seine Kleidung hindurchgestochen. Glücklicherweise hat er, kurz bevor er das Bewußtsein verlor, eines der Tiere noch erschlagen können. Man brachte es zusammen mit ihm in meine Ordination. So hatte ich Gelegenheit, es eingehend zu untersuchen und dabei festzustellen, daß bereits drei bis vier dieser Rieseninsekten genügen, einem Menschen lebensgefährliche Mengen Blut zu entziehen, falls er nicht sofort eine Transfusion erhält.“ Nicht nur der Koordinator, auch die anderen beiden Männer blickten betroffen auf den Arzt. Endlich würgte Nardes hervor: „Das ist ja ungeheuerlich.“ Dr. Sendar erläuterte weiter: „Und wenn man sich vorstellt, daß eine kleine Gruppe von Menschen von einem ganzen Schwarm der Insekten angegriffen wird, kann man sich ausrechnen, welche Überlebenschancen für sie bestehen. Selbst wenn es gelingen sollte, einen Teil der Tiere durch Strahler zu vernichten. Und genau diese Befürchtungen hege ich in bezug auf unseren Kollegen Ndanga und sein Team. Sie müssen zugeben, daß dies nicht ganz unbegründet ist.“ „Hm“, machte Nardes unbehaglich. „Der Kollege Ndanga ist Zoologe. Er wird sich ebenfalls mit diesen Viechern beschäftigt haben und sich darauf einzurichten wissen.“ Der Mediziner blieb skeptisch. „Falls er dazu noch Gelegenheit hatte.“ „Das werden wir herausfinden, Moss!“ sagte Nardes entschlossen. „Sie bringen mir Ndanga und seine Leute, egal wie. Und das Fahrzeug auch. Und achten Sie auf die Insekten. Ab sofort trägt alles Schutzanzüge. Klar?“ „Klar.“ Mit einem Kopfnicken entließ Nardes seinen Sicherheitschef. Dann wandte er sich an den Arzt: „Eine Frage noch, Doc! Wie erklären Sie sich die plötzliche Häufigkeit
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der Rieseninsekten? Wir haben doch in den ersten Tagen kaum etwas von ihnen gemerkt. Und angegriffen wurde auch niemand.“ „Offen gestanden ich weiß es nicht“, antwortete Dr. Sendar. „Aber ich fürchte, weder die Ursache noch die Folgen werden sehr angenehm für uns sein.“
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Versteck in den Bergen Ein fahler Dunst lag über dem schmalen Tal. Die Berggipfel ringsum waren von dichten Wolken verhüllt. Aber die Morgensonne fraß sich schnell durch das Grau, machte es gleißend und hell. Auch dieser Tag würde strahlend schön werden wie alle anderen vorher. Professor Ndanga trat aus dem Zelt und reckte sich. Tief atmete er die frische Bergluft ein. Dann stapfte er vergnügt vor sich hinpfeifend durch das Pflanzengewirr zum Eßzelt. Er hatte Hunger. „Guten Morgen, Professor“, grüßte ihn Li, die heute Küchendienst hatte. „Der Kaffee ist fertig.“ „Er wird bloß nicht mehr lange reichen“, meldete sich Lundström, der eben mit einem Pflanzenbündel durch den Zelteingang trat. „Als ich gestern die Ehre des Küchendienstes hatte, habe ich mir erlaubt, unsere Bestände zu prüfen. Es sieht verdammt lausig aus. Und das Gemüse dieses entzückenden Planeten läßt sich zwar zu allem möglichen Nahrhaften und Schmackhaften verarbeiten, aber nicht zu Kaffee.“ „Verhungern werden wir jedenfalls nicht“, tröstete Li lächelnd. Kurz darauf kamen Salokin und Kunizaki herein. Jeder trug eine prall gefüllte Tragetasche und setzte sie triumphierend auf dem Klapptisch ab. „Von unseren Freunden, den Delphinen“, schmunzelte Salokin. „Sie haben wieder für ein ausgezeichnetes Fischfrühstück gesorgt. Und zwar genau die Fischsorten, von denen sie wissen, daß sie uns am besten schmecken.“ Professor Ndanga stieß einen komischen Seufzer aus. „Der Zoologe läßt sich von Tieren ernähren“, murmelte er kopfschüttelnd. „Nicht er sorgt für sie, sondern sie für ihn.
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Welch eine Lektion!“ Er war in den letzten Tagen immer nachdenklicher geworden. Fünf Tage lagerten sie nun schon in diesem versteckten Bergtal. Zwei Tage und Nächte hatten sie gebraucht, um vom alten Camp am Fluß durch den dichten Pflanzendschungel hierher zu gelangen. Aber in der ganzen Zeit waren alle wichtigen Entschlüsse von den Tieren ausgegangen. Sie hatten die Marschroute bestimmt und die Lagerplätze ausgesucht, sie hatten für Verpflegung gesorgt und schließlich für sie diesen Schlupfwinkel gefunden, in dem sie bestimmt niemand aufspüren würde. Es schien, als wüßten die Igelbären ganz genau, worauf es ankam. Selbst der Standplatz ihres Berglagers hätte nicht besser gewählt sein können. Das Tal lag etwa achthundert Meter über dem Meer, hinter einer Steilküste, der ein verhältnismäßig schmaler Sandstrand vorgelagert war. Mit ihrem Fahrzeug konnten sie mühelos an einem kleinen Bach, der das Tal durchzog, zum Strand gelangen, der von Schildkröten, Meerechsen und anderen Kriechtieren nur so wimmelte. Und sie konnten mit den Delphinen vor der Küste unmittelbar Kontakt aufnehmen. Dabei gab es keinerlei Schwierigkeiten. Die Tiere waren, soweit es in ihrer Macht stand, außerordentlich hilfsbereit. So hatten die Delphine schon bei ihrem ersten kläglichen Versuch, sich selbst ein paar Fische zu fangen, sofort eingegriffen und ihnen die Mühe abgenommen. Seitdem lieferten sie ihnen jeden Morgen zwei Tragetaschen voll frischer Fische, die sie pünktlich an den Strand brachten, sobald Salokin und Kunizaki mit dem Fahrzeug auftauchten. Aber auch die Igelbären sorgten auf ihre Weise für den Lebensunterhalt der kleinen Gruppe. Sie hatten sehr schnell herausgefunden, daß eine bestimmte Art Schlangen sich ausgezeichnet zum Grillen eignete, und jeden Tag brachten sie ihnen einige Exemplare. Denn in diesem dichten Pflanzengewirr Schlangen zu jagen, war für die Menschen so gut
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wie unmöglich. Die Tiere wußten das. Und sie benahmen sich wie verantwortungsbewußte Erwachsene, die für ihre unerfahrenen hilflosen Kinder sorgen. Aber sie ließen niemals Überlegenheit spüren. „Professor, Ihr Kaffee wird kalt“, mahnte Li freundlich. Professor Ndanga schreckte aus seinen Gedanken auf und lächelte verlegen. „Entschuldigen Sie“, murmelte er leise. „Mir ging nur gerade etwas im Kopf herum.“ „Mir auch“, sagte der Botaniker. „Ich bin nämlich mit meinen Untersuchungen hier so ziemlich fertig. Von sämtlichen Pflanzen dieses Gebietes habe ich Präparate. Zwar könnte ich mich noch mit der Meeresflora dieses Strandabschnitts beschäftigen, aber dazu fehlt mir die nötige Ausrüstung, die im Raumschiff lagert. Von mir aus könnten wir also aufbrechen. Und wie steht es mit Ihnen?“ Professor Ndanga nickte langsam. „Ich verstehe, Lundström. Aber ich bin leider noch nicht soweit. Im Gegenteil. Je weiter ich mit meinen Untersuchungen komme, desto schwieriger wird das Einordnen der Erkenntnisse. Und jeden Tag kommt eine Fülle neuer hinzu. Außerdem, scheint mir, dürfte ein Standortwechsel für uns recht problematisch werden. Und nicht nur für uns.“ Einar Lundström faßte sich gedankenvoll ans Kinn. „Daran habe ich auch schon gedacht“, gab er zu. „Jedenfalls scheinen unsere Gastgeber von sich aus nicht daran zu denken, mit uns in neue Reviere überzuwechseln. Das kann Gründe haben, die nicht direkt mit uns zu tun haben. Ich werde aber das Gefühl nicht los, daß diese ganze Völkerwanderung durch uns ausgelöst worden ist, zumindest aber mit der Landung unseres Raumschiffs zusammenhängt, beziehungsweise mit irgendwelchen Aktivitäten seiner Besatzung. Kurz: mir sieht das alles nach einer Art Evakuierung aus. Und uns hat man praktischerweise gleich mitgenommen.“ „Hm. Werden Sie bitte etwas deutlicher.“
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„Also gut. Unsere Gastgeber umsorgen uns wie die Henne ihre Küken. Und in unserer Situation könnte uns eigentlich gar nichts Besseres widerfahren. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie uns auch ohne weiteres ziehen lassen würden, falls wir das wünschen.“ Professor Ndanga blickte verblüfft auf. „Sie meinen, sie würden uns hier festhalten? Gewissermaßen als Geiseln?“ Lundström nickte. „Es wäre immerhin denkbar. Warum sollen schließlich nur Menschen auf die Idee kommen, andere gefangenzuhalten?“ „Und zu welchem Zweck?“ „Als Sicherheit gegen mögliche Angriffe durch die Besatzung unseres Raumschiffs. Das ist ja schon vorgekommen. Und vergessen Sie nicht, daß zumindest der Sippenälteste über die Jagdabsichten unseres selbstherrlichen Koordinators Bescheid weiß.“ Ndanga schüttelte den Kopf. „Gerade das scheint mir eher für das Gegenteil zu sprechen“, sagte er ernst. „Denn er weiß ja genau, daß wir nur deshalb in Schwierigkeiten kamen, weil wir bei Nardes ein uneingeschränktes Jagdverbot durchsetzen wollten. Wir sind also nicht ihre Gefangenen, sondern ihre Gäste, die ihren Schutz und ihre Hilfe genießen.“ Salokin hatte bis jetzt schweigend zugehört. „Pardon“, mischte er sich plötzlich ein. „Ich glaube, ich habe eine bemerkenswerte Neuigkeit, die im Zusammenhang mit Ihren Überlegungen stehen könnte. Als wir heute morgen an den Strand kamen, um die Fische zu holen, machten wir eine seltsame Beobachtung. Nicht nur wir erhielten Fische von den Delphinen, sondern auch die Igelbären. Und zwar ziemlich große Mengen. Sie schlugen sich erst die Bäuche voll, spießten die restlichen Fische dann auf ihre Stacheln und trabten damit auf unserem Trampelpfad landeinwärts. Es sah aus, als wollten sie die ganze Kolonie mit Fisch versorgen.“
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Der Botaniker machte ein erstauntes Gesicht. Aber Professor Ndanga sagte bereits lebhaft: „Mit Fisch? Unsere Igelbären verzehren Fisch? Das ist allerdings eine bemerkenswerte Entdeckung. Soweit uns bekannt, besteht ihre Nahrung üblicherweise aus den wurmartigen schwarzen Larven der Rieseninsekten und in geringem Maße aus Schlangen. Wenn sie jetzt von ihrer Lieblingsspeise plötzlich auf Fisch umsteigen, muß das einen Grund haben. Und zwar aller Erfahrung nach einen sehr triftigen.“ Lundström schien diese Überlegungen nicht zu teilen. „Vielleicht sind sie durch uns auf den Geschmack gekommen?“ „Kaum anzunehmen“, wehrte der Professor ab. „Ich vermute eher, daß das eine Art Notbehelf ist. Bei der plötzlichen Konzentration der Igelbären in diesem Gebiet wird der Vorrat an Insektenlarven allmählich knapp geworden sein. Und Schlangen gibt es hier ohnehin nicht sehr viele. Da bot sich als Ersatznahrung Fisch an. Und vielleicht haben tatsächlich wir sie auf die Idee gebracht, falls sie nicht vorher gelegentlich schon Fisch verzehrt haben.“ „Aber was soll das mit unserem Problem zu tun haben?“ fragte Lundström borstig. „Es gibt überall Zusammenhänge, Herr Kollege. Ihnen brauche ich das nicht zu sagen. Ein Zusammenhang jedoch ist ganz offensichtlich. Die plötzliche Fischversorgung der Igelbären durch die Delphine ist kein Zufall, sie ist vorgeplant. Das bedeutet, daß die Igelbären bestimmt nicht die Absicht haben, diese Gegend so bald zu verlassen. Und das gilt folglich auch für uns.“ Lundström war immer noch nicht überzeugt. „Das Nächstliegende wäre doch, daß die Burschen weiterziehen, wenn sie ihre Lieblingsspeise hier nicht mehr finden, nicht?“ „Normalerweise ja. Aber das hier ist eine Ausnahmesituation. Sie werden sicher ihre Gründe haben.“
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„Und warum fragen wir sie nicht einfach?“ „Ich glaube, das ist nicht mehr nötig“, meinte der Professor bedeutungsvoll. Er sollte recht behalten. Als sie am nächsten Morgen alle zum Strand hinunterfuhren, um die Fischversorgung der Igelbären mit eigenen Augen zu beobachten, erlebten sie eine Überraschung. Das Fischfrühstück war offenbar schon vorbei oder sollte erst später stattfinden. Dafür entdeckten sie am Strand eine merkwürdige Versammlung. Etwa ein Dutzend älterer Igelbären saßen mit einigen ebenfalls betagten Schildkröten im Halbkreis gegen das offene Meer zu, wo im seichten Wasser nahe dem Strand etliche Delphine lagen. Und offensichtlich war zwischen den Tieren ein lebhafter Gedankenaustausch im Gange, von dem die Neuankömmlinge allerdings ausgeschlossen blieben. Plötzlich wandte der Sippenälteste, der ebenfalls zur Versammlung am Strand gehörte, sich der Gruppe zu. Mit seinen dunklen Augen betrachtete er die Menschen aufmerksam. Und dann spürte Professor Ndanga deutlich einen Impuls. Er brauchte keine Fragen zu stellen. Der Alte wußte Bescheid. Und er informierte sie bereitwillig über alles, was sie wissen wollten. Professor Ndanga war zufrieden. Nachdem das Team die tägliche Fischration von den Delphinen in Empfang genommen hatte, fuhr es zum Camp zurück. Unterwegs brummte der Botaniker: „Mein Kompliment, Herr Kollege. Sie haben die Lage genau richtig eingeschätzt. Nur, viel schlauer komme ich mir jetzt auch nicht vor.“ „Wirklich nicht?“ fragte der Zoologe verwundert. „Ich denke, die Bestätigung unserer Vermutungen bedeutet schon eine ganze Menge. Und noch etwas Wesentliches haben wir erfahren: die Rieseninsekten haben ebenfalls ihre festen Jagdreviere. Deshalb sind sie den Igelbären, deren Junge ihre Hauptnahrung bilden, nicht gefolgt. Und deshalb
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mußten sich die Igelbären, nachdem sie den Larvenbestand hier dezimiert hatten, auf Fisch umstellen.“ „Na und? Was haben wir davon?“ wollte Lundström wissen. „Zunächst mal einige neue Fakten, die jetzt näher untersucht werden müssen.“ „Schön. Aber wie es nun weitergeht, hat uns das liebe alte Stacheltier nicht verraten.“ „Im Grunde doch, lieber Kollege. Er hat mitgeteilt, daß wir vermutlich bald zu unserem Raumschiff zurückkehren könnten. Es würde sich in Kürze alles regeln.“ Einar Lundström zuckte ungläubig die Schultern. „Da bin ich aber gespannt.“
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Die Invasion Drei Tage nach der letzten Konferenz hatte Nardes die gleichen Leute wieder um sich versammelt. Es herrschte eine gedrückte Stimmung. Der Koordinator wirkte nervös, als er begann: „Meine Herren, Sie wissen, warum ich Sie gerufen habe. Unsere Situation hat sich radikal verändert. Wir stehen vor schwerwiegenden Entscheidungen.“ Er machte eine bedeutungsvolle Pause, die Dr. Sendar gleich nutzte. „Bitte fassen Sie sich kurz“, drängte er. „Meine Station ist überfüllt, darunter sieben sehr schwere Fälle. Meine Patienten brauchen mich.“ „Ich weiß“, sagte der Koordinator ernst. „Deshalb sind wir ja hier. Sonst haben wir bald noch mehr Patienten ...“ „Oder einen Massenfriedhof!“ fuhr Sing Ho erregt dazwischen. „Verzögerungen sind nicht mehr zu verantworten. Als Kommandant dieses Raumschiffes bin ich für sofortigen Start.“ Der zierliche Chinese wischte sich den Schweiß von der Stirn. Als Kommandant hatte er den Befehl des Koordinators, außerhalb des Schiffes Schutzkleidung zu tragen, abgelehnt und war prompt von einigen der Rieseninsekten überfallen worden. Durch den Blutverlust stark geschwächt, hatte er seine gewohnte Ruhe verloren. „Ich schließe mich der Auffassung des Kommandanten an“, sagte der Bordarzt. Nardes richtete sich kerzengerade auf. „So geht es nicht, meine Herren! Wären meine Befehle strikt befolgt worden, hätten wir weniger Verluste.“ „Aber das ist Unsinn“, entgegnete der Mediziner. „Auf diesem Treibhausplaneten die Besatzung permanent in Schutzanzügen herumlaufen zu lassen, führt lediglich zu einer Überbelastung des Kreislaufs. Als Schutz sind sie völlig
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wirkungslos. Die Insekten stechen glatt hindurch.“ Paolo bestätigte das zögernd. „Einziger Effekt ist, daß die Schutzanzüge unbrauchbar werden.“ Nardes schluckte heftig. „Das kann ich mir einfach nicht vorstellen!“ „Bitte“, sagte Paolo leise und legte einen Schutzanzug auf Nardes’ Schreibtisch, „sechs glatte Durchstiche. Der Mann, der ihn trug, ist tot.“ „Der Vierzehnte!“ bemerkte Dr. Sendar. „Er hatte praktisch kaum noch einen Tropfen Blut in den Adern.“ Der Koordinator war bleich. „Wie ist so etwas nur möglich?“ „Sehr einfach“, antwortete der Arzt. „Bei einem Überfall von Hunderten dieser Rieseninsekten ist der einzelne Mensch wehrlos. Auch der Strahler nützt ihm dann nichts. Er kann nur noch versuchen, ins Fahrzeug zurückzufliehen. Doch nach dem ersten, übrigens äußerst schmerzhaften Stich ist er vor Angst und Schmerz kaum noch handlungsfähig, er wird eine leichte Beute der übrigen.“ Sing Ho beugte sich vor, blickte dem Koordinator ins ausdruckslos gewordene Gesicht und sagte dann schneidend: „Es ist Ihre Schuld, Nardes! Schon als Ndanga und seine Leute verschwanden, hätten Sie handeln müssen. Vernünftig handeln! Statt dessen haben Sie rücksichtslos und ohne Vorsichtsmaßnahmen weitere Forschungsteams in die Gegend geschickt. Und Sie haben entgegen Ndangas Rat eine idiotische Jagd auf diese mysteriösen Igelbären befohlen. Und mit welchem Erfolg? Bis heute hat noch keiner von uns auch nur einen Igelbären zu Gesicht, geschweige denn vor die Mündung bekommen. Nicht wir haben Igelbären gejagt, sondern die Rieseninsekten uns. Und vierzehn hochqualifizierte Leute sind dabei umgekommen. Spätestens nach dem ersten Angriff der Rieseninsekten hätten Sie Vorkehrungen treffen müssen, um weitere Verluste zu vermeiden.“
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Der Koordinator wandte Sing Ho sein fahles Gesicht zu. „Ich habe einen Auftrag“, sagte er starrsinnig. „Ich habe den Auftrag vom Galaktischen Rat, diesen Planeten zu erforschen, unter allen Umständen und mit allen Mitteln, um neue Nahrungsquellen zu erschließen, also auch Fleisch. Das habe ich versucht. Und dazu gehört, daß ich gegen Disziplinwidrigkeiten, die den Erfolg meines Auftrags gefährden, schärfstens einschreite. Auch das habe ich versucht. Alles andere sind unvorhersehbare Folgen, die sich aus der Durchführung meines Auftrags ergaben. Ich habe mir nichts vorzuwerfen.“ In den schmalen Augen des Kommandanten blitzte es. „Sie hätten auf Ndangas Rat hören sollen. Schließlich haben Sie zu diesem Zweck Experten an Bord. Und ohne Grund hat er Ihnen das Schießverbot bestimmt nicht empfohlen.“ „Sicher“, versetzte Nardes. „Ich glaube aber kaum, daß zwischen dem Fall Ndanga und unserer jetzigen Situation irgendein Zusammenhang besteht.“ „Wir wissen es nicht“, schaltete sich der Bordarzt wieder ein. „Wir wissen aber, daß Ndanga mit seinem Team verschollen ist. Wobei merkwürdigerweise ihr Verschwinden mit dem der Igelbären zusammenfällt. Und – wenn auch mit kurzem zeitlichem Abstand – mit der plötzlichen Häufigkeit und Aggressivität der Insekten.“ Nardes zuckte mit den Schultern. „Ist das nicht doch etwas zu konstruiert, Doc?“ „Schließlich habe ich nichts behauptet, sondern lediglich Fakten festgestellt.“ „Der Doc hat recht“, sagte Sing Ho mit Nachdruck. „Über Fakten zu streiten, ist müßig. Aber wie stellen Sie sich unter den jetzigen Umständen eine weitere Forschungsarbeit vor? Von unseren Fahrzeugen aus lassen sich keine wissenschaftlichen Daten sammeln, jedenfalls nicht alle, die wir brauchen. Dafür sind sie nicht geeignet. Um Bodenproben, Messungen und dergleichen vorzunehmen, müssen die
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Leute raus ins Freie. Das aber ist wegen der Rieseninsekten unmöglich. Oder wollen Sie noch mehr Menschen in den Tod schicken?“ „Nein“, sagte Nardes leise. „Was wollen wir dann also noch hier?“ Sing Ho griff wieder nach seinem Taschentuch. „Meinen Auftrag durchführen!“ Nardes hob die Stimme. „Und Sie werden mir dabei helfen. Es muß Mittel und Wege geben, die Angriffe der Insekten zu stoppen. Lassen Sie sich etwas einfallen. Dann gibt es keinen Grund mehr, über den Abbruch der Expedition zu diskutieren.“ „Das ist Wahnsinn“, murmelte der Kommandant. Plötzlich dröhnte eine Stimme durch die Sprechanlage: „Ich muß sofort den Koordinator sprechen! Sofort. Eine Katastrophe!“ Die Männer im Konferenzraum starrten sich an. Keiner sagte etwas. Da wurde die Tür aufgerissen. Der Gleiterpilot Kosta stürmte herein. Sein schmales Gesicht war kreidebleich, seine Worte überstürzten sich. „Ich habe XU 3 entdeckt, ganz in der Nähe, kaum drei Meilen entfernt. Sie sind tot. Alle! Ich habe es mit angesehen. Als ich sie sichtete, waren sie gerade neben dem Fahrzeug, machten Messungen. Da kam plötzlich ein Schwarm Rieseninsekten. Die Leute flüchteten in die Kabine. Aber die Insekten waren schneller, drangen mit ihnen ein und machten sie fertig. Alle fünf! In der Kabine, bei halbgeschlossenem Dach. Als sie weg waren, bin ich runter, um zu sehen, ob noch etwas zu retten war. Sinnlos. Keiner hatte weniger als ein Dutzend Einstiche. Keiner.“ Der Pilot hielt erschöpft inne. Seine Augen flackerten. Er hatte offensichtlich einen Schock. „Gehen Sie hinunter auf meine Station“, sagte der Arzt beruhigend. „Ich komme gleich nach.“ Wortlos verließ der Pilot den Raum.
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„Das war voreilig, Doc!“ brauste Nardes auf. „Ich hatte noch ein paar Fragen.“ „Da gibt es nichts mehr zu fragen, Koordinator“, entgegnete Sendar niedergeschlagen. „Und noch etwas: durch die ständig notwendigen Transfusionen sind unsere Blutkonserven stark dezimiert. Wir haben bereits über die Hälfte des mitgeführten Vorrats verbraucht, um die zahlreichen Verletzten zu retten. Über die Hälfte! Berücksichtigen Sie das bei Ihren Entscheidungen.“ Er stand auf und trat zur Tür. „Und vergessen Sie nicht, daß die Blutkonserven auch noch für andere Notfälle gebraucht werden könnten.“ Als die Tür sich hinter dem Arzt geschlossen hatte, herrschte einen Augenblick lang Stille. Durch die Panzerglasluken sah man die tiefstehende Sonne des fremden Planeten. Davor eine kleine dunkle Wolke. Eine Wolke aus Insekten. Sing Ho blickte Nardes fordernd ins Gesicht. „Sie sind dran, Koordinator! Sie müssen sofort ein striktes Verbot durchgeben, das Raumschiff zu verlassen. Sofort!“ Nardes nickte mechanisch, drückte eine Taste und gab seine Anweisungen. Dann sagte er matt: „Ich fürchte, durch die letzten Ereignisse hat sich unsere Situation wesentlich verschlechtert. Ohne Blutkonserven sind wir verloren. Wir müssen die Lage neu überdenken.“ „Also Start!“ folgerte der Kommandant und erhob sich abrupt. „Überdenken, sagte ich!“ Nardes’ Stimme bekam wieder ihre gewohnte Festigkeit. „Dazu gehört die Frage, mit welchen Ergebnissen wir von hier aufbrechen. Und welche Voraussetzungen zu erfüllen sind, um eine spätere Rückkehr und Erschließung dieses Planeten ohne Schwierigkeiten zu ermöglichen.“ „Rückkehr?“ fragte Sing Ho verblüfft und setzte sich
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wieder. „Wie stellen Sie sich das vor? Dieser Planet gehört den Rieseninsekten, er wird von ihnen beherrscht. Je der Versuch einer Erschließung, bei dem Außenarbeiten ja nicht zu vermeiden sind, wäre glatter Selbstmord!“ Nardes blieb ruhig. „Unter den gegebenen Umständen, ja. Aber die lassen sich ändern. Ich denke an Insektizide. Da wir über einige Exemplare der Rieseninsekten verfügen, wird es unseren Zentrallabors sicher möglich sein, brauchbare chemische Bekämpfungsmittel herzustellen, um diese gefährlichen Blutsauger auszurotten.“ Paolo beugte sich vor. „Insektizide?“ sagte er mit mühsam unterdrückter Erregung. „Und was dann? Das Resultat wäre ein ebenso verseuchter Planet wie alle die anderen, auf denen Insektizide zum Einsatz kamen und die danach zum großen Teil unbewohnbar wurden. Gerade die Erde dürfte dafür ein warnendes Beispiel sein. Für die menschliche Ernährung scheiden solche Planeten jedenfalls aus.“ Nardes erwiderte: „Ich möchte Ihre Meinung als Ökologe keineswegs anzweifeln, Paolo. Aber diese Frage muß die zuständige Expertenkommission entscheiden. Ich jedenfalls werde dort meine Vorschläge unterbreiten.“ Sing Ho erhob sich endgültig. „Wann starten wir?“ „Einen Augenblick!“ fuhr Paolo auf. „Und was soll aus Professor Ndanga und seinem Team werden? Wollen wir sie vielleicht hier zurücklassen?“ Der Koordinator wandte sich langsam um. „Sie gelten als verschollen“, sagte er kalt. „Seit ihrem Verschwinden haben wir kein Lebenszeichen mehr von ihnen erhalten. Sämtliche Bemühungen um Kontaktaufnahme waren ergebnislos. Wir lassen sie für tot erklären.“ Paolo schüttelte den Kopf. „Wir haben keine Leichen gefunden, und nicht mal das Fahrzeug. Im übrigen ist die Frist noch nicht abgelaufen.“
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„Sie läuft in drei Tagen ab. So lange können wir nicht warten.“ Aber Paolo gab nicht auf. „Wir haben es noch nicht mit dem Notrufsignal versucht. Jetzt haben wir eine solche extreme Situation: den Abbruch unserer Expedition. Vorschriftsgemäß müssen wir den Notruf jetzt einsetzen. Das ist unumgänglich.“ „Das stimmt, Koordinator“, pflichtete der Kommandant ihm bei. „Ohne den vorherigen Notruf bekommen Sie bei der beabsichtigten Toterklärung Schwierigkeiten. Und ich ebenfalls. Ich starte nicht eher, bis das Signal gegeben und die vorgeschriebene Reaktionsfrist abgelaufen ist.“ Nardes hob die Schultern. „Ich halte das zwar für reine Energieverschwendung, aber bitte. Paolo, veranlassen Sie alles Notwendige.“ Paolo nickte erleichtert. Er glaubte noch an eine Chance. Mit raschen Schritten verließ er den Raum.
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Sieg der Vernunft Die Schatten zwischen den Zelten wurden allmählich länger. Nur noch eine Handbreite stand die fremde Sonne über den dicht bewachsenen Berggraten. Bald würde die lange Abenddämmerung einsetzen. Es war schön hier und friedlich. Ein würziger Duft schwebte über dem Tal. Professor Ndanga seufzte behaglich. Der kleine Igelbär, den sie vor den Rieseninsekten gerettet hatten, saß bei ihm und ließ sich zufrieden brummelnd kraulen. Die beiden verstanden sich ausgezeichnet. Manchmal führten sie lange Gespräche miteinander. So half der Kleine ihm unbewußt, ihn und seinesgleichen besser zu verstehen. Und die Alten hatten offenbar nichts dagegen. Sie vertrauten ihnen. Lächelnd beugte sich der Zoologe über das Tier, das ihn aufmerksam anschaute. Plötzlich zerschnitt ein schrilles Geräusch die Stille des Camps. Blitzschnell igelte der Kleine sich ein. Professor Ndanga zuckte zusammen. Er wußte, was das Geräusch bedeutete. Da sah er schon, wie Kunizaki eilig aus dem Laborzelt stürzte und zum Fahrzeug hinüberlief. In gemäßigterem Gang folgte Einar Lundström, der ihm freundschaftlich zuwinkte. „Wie finden Sie das?“ fragte er nicht sonderlich beunruhigt. „Darauf habe ich schon lange gewartet. Jetzt greift Nardes zum letzten Mittel, um uns aufzustöbern. Hoffentlich ist das keine Falle.“ „Wohl kaum. Da würde der Kommandant nicht mitmachen.“ „Na schön. Also melden wir uns.“ „Schon geschehen!“ rief der Japaner vom Fahrzeug herüber. „Ich habe eben unsere Position durchgegeben. Paolo ist dran. Es ist tatsächlich ein Notruf. Kommen Sie bitte.“
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Wortlos gingen die beiden Wissenschaftler hinüber und kletterten in die Kabine. Die Zentrale im Raumschiff hatte inzwischen von Notruf auf Kurzwelle umgeschaltet. Paolos Stimme war gut zu verstehen. Mit kurzen Worten berichtete er über die letzten Ereignisse, die ausweglose Situation und den geplanten Notstart. Er forderte sie auf, sich bereitzuhalten. Ein Gleiter würde hergeschickt, um sie abzuholen. Professor Ndanga zögerte einen Augenblick. Dann sagte er entschlossen: „Wir geben in einer halben Stunde unsere Entscheidung bekannt. Bis dahin ist Funkstille. Ende.“ Ohne weitere Fragen schaltete der Japaner die Anlage aus. „Merkwürdig“, brummte Einar Lundström nachdenklich. „Keine Frage, warum wir uns nicht gemeldet haben, nach unserer eigenen Situation oder so was. Nichts. Denen muß wirklich der Teufel im Nacken sitzen. Und wir bekommen hier kaum noch eines dieser blutsaugenden Ungeheuer zu Gesicht.“ Ndanga nickte grüblerisch. „Ich glaube, ich beginne allmählich zu begreifen. Nur vermute ich, daß da unser guter alter Igelbär etwas nachgeholfen hat. Und jetzt dürfte eine kleine Konferenz fällig sein. Sehen Sie, da ist er schon.“ Der Sippenälteste hatte sich gelassen neben dem Fahrzeug niedergesetzt und blickte ihnen aufmerksam entgegen. Gleich darauf erfuhren sie, daß er über alles Bescheid wußte. Und daß er die Uneinsichtigkeit der Menschen bedauere, die ohne zwingenden Grund zu solchem Unheil geführt hatte. Das alles sei vermeidbar gewesen, meinte er. Und es sei auch in Zukunft zu vermeiden, wenn die Menschen ihre Vernunft gebrauchten. Dann erklärte er ihnen die Zusammenhänge und entwickelte einen Vorschlag, den sie dem Koordinator unterbreiten sollten. Professor Ndanga bedankte sich und gab Kunizaki ein Zeichen, die Anlage wieder einzuschalten. Genau zum verabredeten Zeitpunkt meldete sich die Funkzentrale des
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Raumschiffs. Aber es war nicht Paolos Stimme, vielmehr erkundigte sich der Astrogator Karolow nach ihrer Entscheidung. „Wir sind bereit“, sagte Professor Ndanga kurz. „Der Gleiter ist schon unterwegs“, teilte der Astrogator mit. „Bereiten Sie bitte alles zur Landung vor.“ „Kein Problem“, antwortete Kunizaki. „Alle Geräte sind eingeschaltet. Leitstrahl liegt auf Landeplatz.“ „Danke, XU 7. Ende.“ „Und was nun?“ fragte Salokin, der inzwischen mit Li herangekommen war. Auf seiner Schulter saß ein Igelbärenbaby, das genüßlich in seinen Haaren herumwühlte. Einar Lundström grinste. „Wir kriegen Besuch. Sie kommen eigens her, um dieses entzückende Familienidyll zu bewundern.“ „Wer kommt?“ fragte Li beunruhigt. „Weiß ich nicht. Jedenfalls ein Gleiter, um uns abzuholen. Lassen wir uns überraschen.“ Es wurde tatsächlich eine Überraschung. Als der Gleiter kurz vor Einbruch der Nacht auf der freien Fläche zwischen den Zelten aufsetzte, erkannten sie in der Kabine neben Paolo auch den Koordinator und den Kommandanten. Der Sicherheitschef stand in der Ausstiegluke, einen Strahler schußbereit im Anschlag. „Stecken Sie Ihre Kanone ein, Moss!“ rief Lundström. „Hier gibt es nichts zu schießen!“ Zögernd wandte Ian Moss sich zu seinem Vorgesetzten um. Der Koordinator nickte zustimmend und stieg, sich vorsichtig nach allen Seiten umblickend, aus der Luke. Der Kommandant sprang hinter ihm heraus, dehnte genießerisch seine Glieder und rief begeistert: „Frische Luft und keine Insekten. Welche Wohltat! Ich komme mir vor wie auf einem anderen Planeten. Wie haben Sie das gemacht, Professor Ndanga?“
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Nardes gebot mit einer Handbewegung Ruhe. „Sie sind verhaftet, Ndanga! Sie und Ihre Leute! Leisten Sie keinen Widerstand!“ Der Sicherheitschef nahm bei Nardes’ Worten seine Waffe wieder in Anschlag. Die Mündung zeigte genau auf die Brust des Professors. Der Zoologe blieb ruhig. „Darf ich den Grund erfahren?“ erkundigte er sich. „Selbstverständlich. Die Situation zeigt deutlich, daß Sie zur Durchsetzung Ihrer Forderungen die Rieseninsekten gegen die Besatzung des Raumschiffs eingesetzt haben. Das ist Grund genug.“ „Sie sind wohl übergeschnappt, Nardes!“ fuhr Lund– ström auf. „Bevor Sie solche ungeheuerlichen Behauptungen aufstellen, sollten Sie sich erst mal über die Fakten informieren. Ich rate Ihnen wirklich, Vernunft anzunehmen. Andernfalls können Sie den Erfolg Ihrer Expedition in den Rauch schreiben.“ Nardes war blaß geworden. Aber ehe er dazu kam, etwas zu entgegnen, mischte der Kommandant sich ein: „So geht es nicht, Koordinator. Als Kommandant und damit für diesen Fall zuständiger Richter spreche ich Ihnen die Befugnis ab, ohne Übereinstimmung mit mir Verhaftungen vorzunehmen. Bis jetzt haben Sie nichts als einen sehr subjektiven Verdacht. Lundström soll erklären, was er mit seinen Worten gemeint hat.“ „Danke, Kommandant“, sagte Lundström. „Aber das wird Professor Ndanga tun. Folgen Sie uns bitte zum Zelt.“ Der Botaniker wollte vorangehen. „Halt!“ brüllte der Sicherheitschef von der Luke des Gleiters her. „Legen Sie erst Ihre Waffen ab!“ Einar Lundström lachte amüsiert. „Wir haben gar keine bei uns, Moss. Die brauchen wir hier nämlich nicht. Und Ihnen würde ich raten, Ihre Kanone endlich wegzustecken.
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Unsere Freunde sehen so etwas nicht gern.“ Ohne sich weiter um den verdutzten Sicherheitschef zu kümmern, ging er zum Eßzelt hinüber, das Li und Kunizaki inzwischen für eine Konferenz vorbereitet hatten. Die anderen folgten ihm wortlos. Den Schluß bildeten Paolo und Salokin, die froh waren, sich endlich wiederzusehen. Paolo verlangsamte seinen Schritt und faßte Salokin am Arm. „Du glaubst gar nicht, wie erleichtert ich bin, daß du noch lebst“, sagte er mit belegter Stimme. „Wir hatten euch schon aufgegeben.“ „Du auch?“ fragte Salokin und fügte dann leiser hinzu: „Schön zu wissen, daß sich jemand um einen sorgt.“ „Wir sind schließlich Freunde“, erklärte Paolo mit Nachdruck. „Und vielleicht war das einer der Gründe, weshalb ich nicht an euren Tod glauben konnte, obwohl eigentlich alle davon überzeugt waren und für sofortigen Start eintraten.“ „Hmhm“, machte Salokin nachdenklich. „Und wer ist auf die Idee mit dem Notsignal gekommen?“ „Ich“, sagte Paolo leise. Salokin blickte seinen Freund aufmerksam an. „Also verdanken wir im Grunde dir, daß man uns nicht auf diesem Planeten zurückgelassen hat?“ Paolo nickte stumm. Dann fragte er, seine Verlegenheit überspielend, hastig: „Und jetzt erzähl mir, was bei euch inzwischen geschah. Wie seid ihr überhaupt hierher gekommen?“ „Das wirst du gleich erfahren, Paolo. Komm, gehen wir zu den anderen.“ Mit raschen Schritten erreichten sie den Zelteingang, in dem die anderen gerade verschwunden waren. Als sie eintraten, hörten sie die Stimme des Kommandanten. „Sie haben doch nichts dagegen, daß ich den Vorsitz führe?“ erklärte Sing Ho selbstsicher und setzte sich an das
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obere Ende des Tisches. „Nehmen Sie bitte Platz, meine Herren. Professor Ndanga hat das Wort.“ Der Zoologe lächelte dankbar. „Meine Herren“, begann er mit eindringlicher Stimme. „Die Vorgeschichte dieser Entwicklung darf ich als bekannt voraussetzen, die Zusammenhänge wohl weniger. Begonnen hat alles mit der Absicht des Koordinators, zum Zweck der Frischfleischversorgung auf die Igelbären Jagd machen zu lassen. Damit löste er eine Kette von Ereignissen aus, die dann gewissermaßen automatisch abliefen, ohne daß es uns möglich gewesen wäre, Einfluß darauf zu nehmen.“ „Würden Sie das bitte näher erklären“, unterbrach der Kommandant. „Selbstverständlich. Ihnen allen ist bekannt, daß Planeten ohne technische Zivilisation in natürlichem Gleichgewicht leben...“ „Sie stehen unter Anklage, Ndanga!“ fuhr Nardes wütend dazwischen. „Halten Sie uns hier gefälligst keine Vorträge über Ökologie!“ Nachsichtig schüttelte der Professor den Kopf. „Das wird sich leider nicht ganz vermeiden lassen. Denn die Lehre von den Beziehungen der Lebewesen zu ihrer Umwelt ist genau das Problem, mit dem wir uns hier beschäftigen müssen. Nur so sind die Zusammenhänge der Ereignisse zu begreifen. Ich sagte eben, daß Planeten ohne technische Zivilisation in natürlichem Gleichgewicht leben. Das gilt auch für diesen Planeten. Oder besser: es galt. Bis zu unserem Eintreffen. Damit ereignete sich die erste Störung, von der wir allerdings nichts bemerkten. Diese Störung hätte jedoch keine tragischen Folgen gehabt, wenn der Koordinator nicht unverantwortlicherweise die Jagd auf die Igelbären angeordnet hätte, ohne sich vorher zu vergewissern, um welche Art Lebewesen es sich handelt. Diese Spezies ähnelt nämlich nur rein äußerlich dem, was wir nach irdischen Begriffen als Tier bezeichnen. Tatsächlich aber sind sie uns geistig
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nicht nur ebenbürtig, sondern sogar überlegen – und zwar auf eine für uns bisher unbekannte Weise.“ Ein Raunen ging durch die Versammlung. Der Kommandant schaltete sich erregt ein: „Das werden Sie uns beweisen müssen, Professor!“ „Die Igelbären werden Ihnen das selbst beweisen. Und nicht nur sie. Zunächst bitte ich Sie jedoch, mir weiter zuzuhören. Kehren wir also zu den Ereignissen zurück. Der erste von Expeditionsmitgliedern abgegebene Schuß zeigte den Igelbären die Folgen des Kontakts mit den Menschen. Leider ignorierte der Koordinator meinen dringenden Appell, ein absolutes Jagdverbot zu erlassen. Und er tat dies in Gegenwart des Sippenältesten, dessen Sohn ich nach der Schußverletzung behandelt und der die Folgen des Schießbefehls in der eigenen Familie erlebt hatte. Jetzt wußten sie also, was ihnen durch die Menschen bevorstand. Sie hätten Nardes und uns ohne weiteres vernichten können, wenn sie nicht ganz bewußt auf Gewaltanwendung verzichtet hätten. Sie ließen Nardes unbehelligt zum Raumschiff zurückkehren, obwohl sie bereits genau wußten, daß er ihre Ausrottung bedenkenlos betreiben würde. Damals konnte ich ihre Entscheidung nicht begreifen und fürchtete, daß blutige Auseinandersetzungen unvermeidlich wären. Doch diese von Grund auf friedlichen Lebewesen vermieden jede Konfrontation. Sie gebrauchten ihre Vernunft und zogen sich einfach in weiter entfernte Gebiete zurück. Und uns nahmen sie mit, wobei sie zusammen mit den Delphinen in verständnisvoller Weise für unseren Lebensunterhalt sorgten.“ Nardes, der die ganze Zeit nervös auf seinem Klappstuhl hin- und hergerutscht war, sprang plötzlich auf und schrie: „Versuchen Sie doch nicht, uns Märchen aufzutischen! Kommen Sie endlich zur Sache!“ „Ich bin bereits dabei“, korrigierte Professor Ndanga. „Dadurch, daß der Koordinator mit seinem Schießbefehl
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die Abwanderung der Igelbären verursachte, provozierte er gleichzeitig die Angriffe der Rieseninsekten auf die mit dem Raumschiff gelandeten Menschen. Eine Gefahr, die zu diesem Zeitpunkt allerdings für niemand voraussehbar war, auch für uns nicht. Wir wußten lediglich, daß zwischen den Igelbären und den Rieseninsekten eine bestimmte Abhängigkeit besteht. Die Igelbären ernähren sich nämlich hauptsächlich von den Larven der Rieseninsekten, während die Rieseninsekten ihrerseits das Blut der noch wehrlosen jungen Igelbären bevorzugen. Sie sind also ernährungsmäßig aufeinander angewiesen und halten so gleichzeitig den Bestand beider Tierarten in gewissen Grenzen. Hinzu kommen noch ein paar Besonderheiten: beide Spezies sind nämlich weitgehend reviergebunden, wie wir das auch von einigen irdischen Arten kennen. Die vernunftbegabten Igelbären können jedoch notfalls ausweichen und sich vorübergehend auf andere Nahrung, zum Beispiel auf Fisch, umstellen. Die Rieseninsekten hingegen bleiben aus noch unerforschten Gründen in ihrem Revier und machen auf alle Warmblüter Jagd, denen sie mit ihren Saugstacheln beikommen können. Also, wie sich inzwischen unglücklicherweise herausgestellt hat, auch auf Menschen. Das übrige, meine Herren, wissen Sie ja selbst.“ Professor Ndanga schwieg. Alle standen noch unter dem Eindruck seiner Worte. Nur Nardes konnte sich nicht entschließen, seinen Gegenspieler aus den Klauen zu lassen. Wütend schrie er: „Wollen Sie allen Ernstes behaupten, daß diesem barbarischen Vernichtungsfeldzug gegen meine Mannschaft kein raffiniert ausgeklügelter Plan zugrunde lag?“ Betroffen blickte Professor Ndanga auf, aber er schwieg weiter. An seiner Stelle antwortete Einar Lundström: „Sie hätten besser zuhören sollen, Nardes. Haben Sie denn immer noch nicht begriffen? Indem Sie durch Ihren Schießbefehl die Igelbären aus dem Gebiet rund um das Raumschiff ver-
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trieben, haben Sie die Rieseninsekten sich buchstäblich selber auf den Hals gehetzt.“ „Es ist so“, bestätigte Paolo. Auch der Kommandant war überzeugt. „Ich denke, der Fall ist klar, meine Herren.“ „Nun gut“, erklärte Nardes mühsam beherrscht. „Bleiben noch die Konsequenzen: die Rieseninsekten werden durch Insektizide vergast, die Igelbären abgeschossen. Dann hat der Spuk auf diesem Planeten ein für allemal ein Ende. Ich denke nicht daran, mir meine Handlungsweise noch einmal von diesen Bestien vorschreiben zu lassen. Wir können starten, Kommandant!“ „Einen Augenblick noch, meine Herren“, sagte Professor Ndanga ruhig. „Ich glaube kaum, daß Koordinator Nardes mit seinem Plan beim Galaktischen Rat durchkommen wird. Und das ist gut so. Denn wir können es uns nicht leisten, wertvolle Planeten um einer zeitlich begrenzten und obendrein sehr fragwürdigen Nutzung willen zu verseuchen und alles organisch gewachsene Leben dort auszurotten. Im Gegenteil. Wir brauchen Planeten, mit deren Bewohnern wir in gutem Einvernehmen stehen und mit denen wir kooperieren können, um dadurch die Ernährung der Weltbevölkerung auf Dauer sicherzustellen.“ Er blickte kurz in die Runde und hob dann die Stimme. „Diese Möglichkeit ist hier gegeben. Ich bin beauftragt, Ihnen eine Botschaft zu übermitteln: die Igelbären haben sich zusammen mit einigen anderen Tierarten einverstanden erklärt, diesen Planeten durch Menschen nutzen zu lassen. Allerdings unter der Voraussetzung, daß weder durch Giftstoffe noch durch andere Eingriffe unsererseits das natürliche Gleichgewicht des Planeten gestört wird. Bei Zusage absoluten Schießverbots werden die Igelbären in ihre angestammten Reviere zurückkehren und dort für eine natürliche Dezimierung der Rieseninsekten sorgen. In diesen und anderen dafür geeigneten Gebieten können
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dann von Wildwuchs umsäumte Plantagen mit Nutzpflanzen angelegt werden, auf denen Menschen unter dem Schutz der Igelbären relativ gefahrlos arbeiten können. Ferner sind die Delphine bereit, den Fischreichtum der hiesigen Meere für den Menschen nutzbar zu machen, indem sie in vertretbarem Maße für uns Fischfang betreiben, so daß wir uns teure und umweltverschmutzende Fangflotten sparen. Damit wären genau die Ziele erreicht, deretwegen wir auf diesen Planeten gekommen sind.“ Nachdem Professor Ndanga geendet hatte, herrschte eine Weile Schweigen. Schließlich erhob sich Sing Ho und drückte dem Zoologen feierlich die Hand. „Die Menschheit wird es Ihnen zu danken wissen“, erklärte er ernst. Auch der Koordinator stand langsam auf. Die Muskeln in seinem Gesicht waren gespannt. Er hatte begriffen, daß die Entscheidung gegen seine Überzeugung gefallen war. Und er wußte, daß das Konsequenzen haben würde: Konsequenzen für ihn. Die nächste Expedition zu diesem Planeten würde ein anderer Koordinator leiten. Er, Nardes, mochte zwar einige Fehler haben, doch ein schlechter Verlierer war er nicht. Mit etwas verkrampftem Lächeln trat er auf Professor Ndanga zu und reichte ihm seine Rechte. „Wir waren Gegner – und Sie haben gewonnen“, sagte er mit rauher Stimme. „Und vielleicht ist es besser so, besser für diesen Planeten. Sie haben gegen meinen Willen auf eine Ihnen gemäße Weise dazu beigetragen, den Auftrag zu erfüllen. Dafür ist Ihnen auch der Koordinator dieser Expedition zu Dank verpflichtet.“ „Danken Sie nicht mir“, wehrte Professor Ndanga ab. „Danken Sie den Geschöpfen dieses Planeten, die durch ihre Umsicht und Vernunft uns davor bewahrt haben, einen nicht wieder gutzumachenden Fehler zu begehen. Sollte unser Plan Wirklichkeit werden, wird es seit Beginn der technischen Zivilisation zum erstenmal sein, daß der Mensch mit seiner Umwelt in Einklang lebt.“
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Er erhob sich langsam, wandte sich zum Zelteingang und trat hinaus in die dufterfüllte Nacht des fremden Planeten. Ein kleiner Igelbär näherte sich und schaute zutraulich zu ihm auf. Ndanga strich ihm freundlich über die pelzige Stirn. Dann gingen sie wie alte Freunde nebeneinander am Rande der sich kaum merklich regenden, üppigen Pflanzenwildnis entlang.
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Worterklärungen Astrogator: Weltraumfahrer, eine Art Steuermann des Raumschiffs Fauna: Tierwelt Flora: Pflanzenwelt Geochemie: Wissenschaft von (chemischer) Beschaffenheit, Gesetzmäßigkeiten und Veränderungen der Erde sowie anderer Himmelskörper Insektizide: Insektengifte, Chemikalien, die schädliche Insekten in allen Entwicklungsstadien vernichten Koordinaten: Angaben, durch die die Lage eines Planeten im Raum bestimmt wird Koordinator: Beauftragter, der Planung und Ausführung verschiedener Programme aufeinander abstimmt Leitstrahl: Navigationshilfsmittel per Funk Mammalia: Zusammenfassende systematische Bezeichnung für alle Säugetiere; aus dem Lateinischen Mikrobiologie: Wissenschaft von den mikroskopisch kleinen Lebewesen (Mikroben, Viren, Bakterien) Ökologie: Wissenschaft von der Beziehung der Lebewesen zu ihrer Umwelt und den Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Organismus Pathogene Keime: Krankheitserreger
Spezies: Tier- oder Pflanzenart
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