Franz TinnefeId Die Briefe des Demetrios Kydones
Mainzer Veröffentlichungen zur Byzantinistik Herausgegeben von Günter Prinzing
Band 11
2010
Harrassowitz Verlag· Wiesbaden
Franz TinnefeId
Die Briefe des DeInetrios Kydones Themen und literarische Form
2010
Harrassowitz Verlag· Wiesbaden
Auf dem Umschlag ist aus der autographen Briefsammlung des Kydones in der Handschrift Vat. gr. 101 (f. 105v) Brief
326(256) (s. u., 222) zitiert, in dem Kydones
Kaiser Manuel dafür tadelt, dass er seine Briefe sammle und in ein Kopialbuch ein tragen lasse, wodurch er ihn dem Spott der Nachwelt über seinen schlechten Stil preisgebe. Die Vignette auf der Reihentitelseite gibt ein Musterdetail der Kasel des Mainzer Erzbischofs Willigis wieder, die im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum, Mainz, unter der Inventar-Nr. T 005 aufbewahrt wird. Der gelbe byzantinische Sei denstoff, aus dem die Kasel angefertigt wurde, stammt aus der Zeit um das Jahr 1000.
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VORWORT
Kurz vor der Drucklegung dieser seit langem geplanten Untersuchung über die inhaltliche und literarische Gestaltung diverser Themen im Briefcorpus des Demetrios Kydones möchte ich zwei Menschen danken, die zu ihrer Veröffentlichung in einem wissenschaftlichen Verlag wesentlich beigetragen haben, meinem Kollegen Professor Günter Prinzing und seiner Frau Anu scha Monchizadeh. Zuerst danke ich Günter herzlich für seine Anregungen zur Gestaltung des Bandes und für seine Bereitschaft, das Werk in die von
ihm redigierte Reihe "Mainzer Veröffentlichungen zur Byzantinistik" aufzu nehmen. Nicht geringeren Dank verdient aber auch Anuscha, die mir spon tan angeboten hat, aufgrund entsprechender Erfahrung die schwierige Auf gabe der Fonnatierung für den Druck zu übernehmen. Sie hat aber nicht nur diese entsagungsvolle Arbeit, sondern auch die elektronische Erstellung des mehrfach untergliederten Index, zu dem ich nur die Stichwörter zu liefern brauchte, mit großer Geduld, Freundlichkeit und kritischer Aufmerksamkeit erfolgreich durchgeführt. Mit dieser Publikation beende ich meine langjährigen Forschungen zu einem bedeutenden byzantinischen Staatsmann und Literaten, dessen beson deres Verdienst als Vennittler zwischen der byzantinisch-orthodoxen und der abendländisch-scholastischen Geisteswelt des Spätmittelalters sich in der Gegenwart größter Beachtung erfreut. Ich denke hier vor allem an das inter nationale Editions- und Forschungsprojekt "Thomas de Aquino Byzantinus", dem ich gutes Gelingen wünsche. Möge durch meinen Beitrag Demetrios Kydones, der Initiator der byzantinischen Thomasrezeption, als Mensch in seinem sozialen Umfeld deutlichere Konturen annehmen.
München, im April 2010
Franz Tinnefeid
INHALT
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Quellen und der Sekundärliteratur ...................................................................... Einleitung
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XI 1
Vorstellung und Analyse der Briefe nach inhaltlichen Kategorien 1.
Die eigene Person im Mittelpunkt ....................................
1.1
Ratsuche, Bitte um Hilfe oder Gefälligkeit ......................
..
. .
1.1.1
Bitte an Freunde und Bekannte um Rat oder Hilfe .......... .
1.1.2
Bitte an Freunde und Bekannte um Fürsprache
1.1.3
Bitte um die Begutachtung eigener Werke ......................
1.2
Klage über die eigene Situation ........................................
1.2.1
Plagen, Anfeindungen und Intrigen am Kaiserhof ............
1.2.2
Anmahnung ausbleibender Gehaltszahlungen
.
oder Vermittlung beim Kaiser ..........................................
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oder versprochener Geschenke .........................................
.
1.2.3
Privates Unglück ..............................................................
1.3
Dank für empfangene Wohltaten ....................................
1.4
Begründung oder Verteidigung des eigenen Standpunktes
..
. .
oder des eigenen Tuns .......................................................
.
1.4.1
Verteidigung der eigenen Glaubensüberzeugung .............
1.4.2
Verteidigung des eigenen Standpunktes
1.5
Hoffnungen für die eigene Zukunft ..................................
1.6
Zurückweisung von Lob und Bewunderung .....................
.
in anderen Fällen ...............................................................
.
.
.
2. Die angeredete Person im Mittelpunkt .............................................. 2.1
Enkomien; Ausdruck der Zuneigung und Verehrung .......
2.1.1
Enkomien für Personen des Kaiserhauses ........................
2.1.1.1
Kaiser Johannes VI. Kantakuzenos ..................................
2.1.1.2
Kaiserin Helene .................................................................
2.1.1.3
Kaiser Johannes V. ...........................................................
2.1.1.4
Kaiser Manuel Palaiologos ..............................................
2.1.1.5
Andere Angehörige der Kaiserfamilie ..............................
2.1.2
Ausdruck der Zuneigung oder Lob im privaten Bereich ..
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7 7 7 12 20 22 22 26 29 33 39 39 47 52 54 57 57 57 57 63 64 67 75 76
VIII
Inhalt
2.2
Rat und Trost ....................................................................
81
2.2.1
Rat
81
2.2.2
Trost ..................................................................................
2.3
Sorge .................................................................................
2.4
Tadel (Psogos) ...................................................................
102
2.4.1
Kritik an Personen des Kaiserhauses ...............................
102
2.4.1.1
Kaiser Johannes VI. Kantakuzenos ..................................
102
2.4.1.2
Kaiser Johannes V.
104
2.4.1.3
Kaiser Manuel 11. . .
2.4.1.4
Theodoros 1., Despot in Mistras .......................................
2.4.2
Kritik an Personen des öffentlichen Lebens .....................
2.4.2.1
Personen im Staatsdienst ..................................................
2.4.2.2
Angehörige des höheren Klerus ........................................
119
2.4.3
Kritik an Privatpersonen ....................................................
121
2.4.3.1
Rhadenos ..........................................................................
121
2.4.3.2
Johannes Asanes ...............................................................
2.4.3.3
Andere Privatpersonen ......................................................
2.5
Bericht über erfolgte Vermittlung beim Kaiser ................
2.6
Briefe zurückweisenden Inhalts ........................................
2.7
Kommentierung eines dem eigenen Brief
2.8
Einladung ..........................................................................
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beigerugten Geschenkes ...................................................
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3. Dritte Personen im Mittelpunkt .
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3.1
Fürbitte rur Dritte, Empfehlung einer dritten Person .
3.1.1
Eigene Landsleute
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92 96
106 109 111 111
124 127 132 136 138 141 143 143 143
3.1.2
Personen aus dem lateinischen Westen
3.2
Indirekte Kritik an dritten Personen
3.2.1
Kaiser Johannes V. ............................................................
164
3.2.2
Kaiserliche Beamte . .
170
.
3.2.3
Kaiser Manuel
3.2.4
Weitere Personen
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Scherz oder Spott über dritte Personen Trauer um Tote, Kondolenz
3.4.1
Persönliche Nachrufe
3.4.2
Kondolenzbriefe
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3.5.2
Indirektes Lob auf diverse Personen .. ...
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Lob dritter Personen
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164
171 174 177 180
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180 186
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154
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Angehörige des Kaiserhauses
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3.5. 1
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3.5
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3.4
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3.3
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190 190 193
IX
Inhalt
Lob auf historische Verfasser
3.5.3
theologischer Schriften ...................................................... 4. Politische Themen im Mittelpunkt
. .. . ... . . .
.
......
4.1
Außenpolitik
4.1.1
Das Türkenproblem
4.1.2
Plädoyer für eine Zusammenarbeit
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mit den Lateinern gegen die Türken
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194 197 197 197 206
Kritische Stellungnahme
4.2
zur inneren Situation des Reiches
.....
....
.
. . . . .. . . . . ... . .
.. .
5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
.
..
.
. . .. . .
. . . . .....
214 219
5.1
Beurteilung des Briefstils ..................................................
5.1.1
Der eigene Briefstil ............................................................
219
5.1.2
Der Briefstil anderer Personen ..........................................
224
5.2
Schweigen - Das Nichtbeantworten von Briefen .............
5.2.1
Erklärung oder Entschuldigung des eigenen Schweigens ....................................................
232
5.2.2
Das Schweigen des Briefpartners .....................................
239
5.2.2.1
Mahnung des säumigen Briefpartners ............................. .
239
5.2.2.2
Versuch, das Schweigen des B,riefpartners
.
.
.
.
.
.
zu entschuldigen ...............................................................
.
Ergebnisse
219
232
248 252
Anhänge I Demetrios Kydones: Biographische Zeittafel
...................
259
(Loenertz, Cydones I, 10-23) ...............................................
265
... .
11 Demetrios Kydones, Autobiographische Rede an Kaiser Johannes V. Palaiologos, Herbst 1371
Indices 1. Liste der zitierten Briefe
.. . .. . ... .. . . . .. . .. .
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..... . . . . . .. . ... . .. . .
2. Personen I (Zeitgenossen des Kydones)
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. .
. . . ..... ......... . .. . ... . . . ...
3. Personen 11 (antike und spätere Namen vor Kydones) 4. Orte
.
.. . .. . .. . .
.... ..... . .. . ......... . .. . .. . ..... . . . .. . .. . ....... . . . . . . . . .. . ...... . ... . .. . .. . . ........
5. Sachen
..... .
.
. . ... . .. .... . . . .. . .. . .. . .. . .. ...... . . . ... . . .. .
. .. . ... .
.. . . .
. . . . . .. . .. . . . . . . .
291 297 301 302 304
VERZEICHNIS DER ABGEKÜRZT ZITIERTEN QUELLEN UND DER SEKUNDÄRLITERATUR
AT
Altes Testament.
BARKER, Manuel
John W. BARKER, Manuel Brunswick / NJ 1969.
Br. MERCATI (81)
Diesen Brief hat Loenertz, wohl wegen seiner traktatähnlichen Länge und Struktur, nicht in seine Edition der Kydonesbriefe auf genommen. Er wurde ediert in MERCATI, Notizie, 346-355. In mei ner Zählung hat er die Nummer 81 erhalten (TINNEFELD, Kydones I12, 446-469).
CCSG
Corpus Christianorum, Series Graeca.
CFHB
Corpus Fontium Historiae Byzantinae.
DENNIS, Letters Manuel
George T. DENNIS (Hg.), The Letters of Manuel 11 Palaeologus. Text, Translation, and Notes (CFHB VIII), Washington, D.C., 1977.
DENNIS, Reign
George T. DENNIS, The Reign of Manuel 11 Palaeologus in Thes salonica, 1382-1387 (Orientalia Christiana Analecta 159), Romae 1960.
GANCHOU, Kydones
Thierry GANCHOU, Demetrios Kyd6nes, les freres Chrysoberges et la Crete (1397-1407) de nouveaux documents, in: Chryssa A. MALTEZOU / Peter SCHREINER (Hg.), Bisanzio, Venezia e il mondo franco-greco (Istituto Ellenico di Studi Bizantini e Postbi zantini di Venezia / Centro Tedesco di Studi Veneziani, Conve gni, 5), Atti deI Colloquio Internazionale organizzato nel cente nario della nascita di Raymund-Joseph Loenertz 0. P., Venezia, 1-2 dicembre 2000, Venezia 2002, 435-493.
HUNGER I-lI
Herbert HUNGER, Die hochsprachliche profane Literatur der By zantiner, I-lI (Byzantinisches Handbuch im Rahmen des Hand buchs der Altertumswissenschaft XII.5. 1-2), München 1978.
11
Palaeologus (1391-1425), New
KIANKA, Frances KIANKA, The Letters of Demetrios Kydones to Empress Empress Helena Helena Kantakouzene Palaiologina, Dumbarton Oaks Papers 46 (1992) 155-164.
XII
Quellen und Sekundärliteratur
LOENERTZ, Cydones I-lI
Raymond-J. LOENERTZ O. P. (Hg.), Demetrius Cydones, Cor respondance, I-lI (Studi e Testi 186, 208), Citta deI Vaticano 1956, 1960.
LOENERTZ, Recueils
Raymond-J. LOENERTZ, Les recueils de lettres de Demetrius Cy dones (Studi e Testi 131), Citta deI Vaticano 1947.
MERCATI, Notizie
Giovanni MERCATI, Notizie di Procoro e Demetrio Cidone etc. (Studi e Testi 56), Citta deI Vaticano 1931.
MULLETT, Theophylact
Margaret MULLETT, Theophylact of Ochrid. Reading the Letters oj a Byzantine Archbishop (Birmingham Byzantine and Ottoman Monographies 2), Aldershot 1997.
NT
Neues Testament.
PLP
Prosopographisches Lexikon der Palaiologenzeit, hg. von Erich TRAPP, Wien 1976-1996, 12 Faszikel und Registerband. Wird zitiert nach den Nummern der Lemmata.
SCHREINER, Kleinchroniken
Peter SCHREINER (Hg.), Die byzantinischen Kleinchroniken (Chro nica byzantina breviora) I-III (CFHB XII, 1-3), Wien 1975-1979.
TINNEFELD, Briefsamm lungen
Franz TINNEFELD, Zur Entstehung von Briefsammlungen in der Palaiologenzeit, in: IIoAinrAEvp0C; VOVC;. Miscellanea für Peter Schreiner zu seinem 60. Geburtstag, hg. von Cordula SCHOLZ und Georgios MAKRIS (Byzantinisches Archiv 19), München, Leipzig 2000, 365-381.
TINNEFELD, Franz TINNEFELD, Epistolographische Tradition und Individuali Epistolographi tät. Literarische Untersuchungen zu den Briefen des Demetrios sche Tradition Kydones. Ein Arbeitsvorhaben. In: L 'Epistolographie et la poesie epigrammatique: Projets actuels et questions de methodologie, Actes de la 16e Table ronde (...) dans le cadre du XXe Congres international d'Etudes byzantines, 2001, Paris 2003, 97-101. Demetrios Kydones, Briefe. Übersetzt und erläutert von Franz TINNEFELD, Kydones 1/1, V2, TINNEFELD, VI, V2, II, III, IV (Bibliothek der griechischen Lite ratur 12, 16, 33, 50, 60), Stuttgart 1981, 1982, 1991, 1999, 2003. II, III, IV Die Einzelbände enthalten folgende Briefnummern, angeordnet nach der von mir eingefiihrten annähernd chronologischen Zäh lung): VI: 1-48 (33 vacat); V2: 49-0138; II: 0139-0229; III: 2300341; IV: 342-449. TINNEFELD, Rhadenos
Franz TINNEFELD, Freundschaft und IIAL:1EIA. Die Korrespon denz des Demetrios Kydones mit Rhadenos (1375-1387/8), By zantion 55 (1985) 210-244.
Quellen und Sekundärliteratur TINNEFELD,
Vier Prooimien
XIII
Franz TINNEFELD (Hg.), Vier Prooimien zu Kaiserurkunden, ver faßt von Demetrios Kydones, Byzantinoslavica 44 (1983) 13-30, 178-195.
VOORDECKERS / Edmond VOORDECKERS / Franz TINNEFELD (Hg.), Iohannis Can tacuzeni refutationes duae Prochori Cydonii et Disputatio cum TINNEFELD
Paulo patriarcha Latino epistulis septem tradita (CCSG 16), Turnhout, Leuven 1981.
ZGOLL,
Heiligkeit
Christian ZGOLL, Heiligkeit - Ehre - Macht. Ein Modell /Ur den Wandel der Herrschajiskonzeption im Spätmittelalter am Beispiel der byzantinischen Kydonesbriefe (Passauer Historische Forschungen 16), Köln, Weimar, Wien 2007.
N. B.: In den Anmerkungen wird "Brief' bzw. "Briefe" unmittelbar vor einer Nummer zu "Br." abgekürzt.
EINLEITUNG
Das Briefcorpus des Demetrios Kydones, das seit 1960 in vollständiger kriti scher Edition vorliegt, 1 ist wahrscheinlich die umfangreichste überlieferte Briefsammlung in altgriechischer Sprache, zwar nicht, was die Anzahl der 2 Briefe (rund 450), wohl aber, was das gesamte Textvolumen betrifft. Außer dem zeichnet sich dieses Briefcorpus durch besonders hohe inhaltliche Viel seitigkeit aus. Es gibt zwar auch hier eine ganze Reihe von Briefen, die 3 kaum mehr als epistolographische Klischees enthalten, aber die Mehrzahl bezieht sich auf konkrete Situationen. Die hier vorgelegte Analyse des Brief corpus basiert im Wesentlichen auf der von mir erstellten kommentierten 4 deutschen Gesamtübersetzung der Briefe. Eine Ergänzung meines Kommentars durch eine "grundsätzliche Abhand lung zum Briefstil des Kydones" wurde im ersten Halbband, erschienen 5 1981, angekündigt, und diese Ankündigung soll jetzt, nach dem Abschluss des Kommentars im Jahr 2003, wenn auch in abgewandelter Form, eingelöst werden. Ich sehe nun allerdings meine Aufgabe weniger in einer Analyse der Brieftexte nach den Kategorien der antiken Rhetorik; hierzu wurde im Kom-
2 3 4
5
LOENERTZ, Cydones I, II (siehe Verzeichnis Quellen und Sekundärliteratur). Bd. I der Edition enthält die Briefe der Zählung von Loenertz 1-131, Bd. II die Briefe 132--450. Die Edition Loenertz enthält 451 Briefe, von denen aber zwei, Nr. 121 und 122, gemäß LOENERTZ, Cydones I, XVII nicht von Kydones stammen. Einen Überblick über die handschriftlich vorhandenen Briefsammlungen des Kydones gibt LOENERTZ, Recueils. Diese Zahl wird z. B. überschritten von Libanios (4. Jh. n. ehr.: 1605 Br.) und Michael Gabras (14. Jh.: 462 Br.). Immerhin zeigt auch die Untersuchung dieser Klischees (siehe unten, Abschnitt 5) eine bemerkenswerte Vielfalt von Varianten. TINNEFELD, Kydones I-IV. In dieser kommentierten Übersetzung habe ich eine von der Edition Loenertz abweichende Zählung der Briefe gemäß ihrer annähernd chronologi schen Abfolge eingeführt (vgl. dazu TINNEFELD, Kydones VI, 75f.). Daher wird in der vorliegenden Untersuchung jeder Brief mit zwei Ziffern zitiert. Auf die Nummer der Edi tion folgt ohne Leerzeichen jeweils in Klammem die Nummer der Übersetzung. Für die chronologische Abfolge der Briefe ist also jeweils die Zahl in Klammem relevant. Die Nummern der Übersetzung verteilen sich wie folgt auf die Bände I-IV: VI: Br. 1--48, V2: Br. 49-0138, II: Br. 0139-0229, III: Br. 230-0341, IV: Br. 342--449. TINNEFELD, Kydones VI, 86. Siehe auch meine Ausführungen in: TINNEFELD, Epistolo graphische Tradition, 97f.
2
Einleitung
mentar bereits genug gesagt. Vielmehr soll gezeigt werden, auf welche Wei se Kydones die diversen Themen seiner Briefe im Einzelnen behandelte. Ausgangspunkt für die Gliederung der Thematik ist eine übergeordnete Einteilung der Briefe (bzw. längerer Briefabschnitte) je nachdem, welcher Aspekt im Mittelpunkt des Briefes steht: 1. Die eigene Person, 2. die angere dete Person, 3. eine dritte Person, oder 4. eine politisch relevante Frage. Un ter 5. werden die wichtigsten in den Briefen vorkommenden epistologra phisch relevanten Aussagen behandelt, die als solche Klischeecharakter ha ben, aber in ihrer detaillierten Ausgestaltung eine große, nicht unerhebliche Variationsbreite zeigen. Die fünf Kategorien werden jeweils in mehrere thematische Sachgruppen untergliedert. Innerhalb der Kategorie 2 werden die Aspekte 2. 1 (Enkomien) und 2.4 (Tadel) wegen des besonders umfangreichen Materials nach betrof fenen Personen unterteilt. Personen der Kaiserfamilien Kantakuzenos und Palaiologos spielen hier eine besondere Rolle. In Kategorie 3 werden Aspekt 3.2 (Kritische Beurteilung dritter Personen) und 3.5 (Lob dritter Personen) ebenfalls nach betroffenen Personen unterteilt. Innerhalb der thematischen Sachgruppen bzw. Untergruppen werden die jeweils einschlägigen Briefe zunächst inhaltlich und stilistisch (Letzteres ohne Anspruch auf Vollständig keit) ausführlicher skizziert, meistens in der Abfolge der in meinem Kom mentar (Tinnefeid, Kydones I-IV) vorgeschlagenen annähernd chronologi schen Datierung; 6 gelegentlich werden aber auch thematisch aufeinander bezogene Briefe ohne Rücksicht auf die Chronologie unmittelbar nacheinan der angeführt. Inhaltlich oder formal besonders bemerkenswerte Passagen ? werden wörtlich aus meiner Übersetzung zitiert. Am Schluss jeder Sach gruppe folgt unter dem Stichwort "Analyse" ein knapp gehaltener Überblick über die individuellen Aspekte des behandelten Themas, in besonders inte-
6
7
Die von mir eingeführte Zählung (siehe oben, Anm. 4) kennzeichnet Briefe, deren Datierung besonders unsicher ist, mit einer vorgesetzten Null. In diesem Fall verzichte ich in der vorliegenden Untersuchung (im Gegensatz zum Kommentarwerk) auf den Ver such, ein ungefahres Datum anzugeben. Bei allen anderen Briefen wird das im Kommen tar vermutete Datum meist auch dann ohne Einschränkung des Sicherheitsgrades angege ben, wenn ich mich im Kommentar für die Angabe "ca." entschieden habe, denn die Grenze zwischen den Datierungen mit und ohne ca. ist ohnehin fließend. Auslassungen im zitierten Text meiner Übersetzung werden durch drei in Klammem ge setzte Punkte gekennzeichnet. Die dort in spitze Klammem gesetzten Verständnishilfen im übersetzten Text werden unter Verzicht auf die Klammem zitiert. Der Einheitlichkeit wegen sind auch die Zitate aus meiner Übersetzung in die neue Rechtschreibung trans poniert. Es wird also "dass" statt "daß" geschrieben usw. Aus dem Kommentar wird un ter Angabe von Band, Seite und Anmerkung zitiert.
Einleitung
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ressanten Fällen auch über Aspekte der literarischen Durchführung. Die Un tersuchung ist auf ganze Briefe aufgebaut. Einzelne Stellen der Briefe, auf die Bezug genommen wird, werden nicht nach Zeilen zitiert, sondern es wird immer nur der ganze Brief zitiert. Auf diese Weise erspare ich den Benut zern dieser Untersuchung und mir selbst zahllose, den Umfang der Publika tion unnötig erweiternde Detailangaben. In einem Anhang werden dieser Untersuchung hinzugefügt: 1. Eine Zeit tafel zur Biographie des Kydones, die das Verständnis der zahlreichen Brief themen erleichtern soll. 2. Die deutsche Übersetzung einer autobiographi schen Rede des Kydones an Kaiser Johannes V. Palaiologos im Herbst 8 1371, die für das Verständnis der beruflichen Situation des Staatsmannes Kydones nach 1371 von besonderer Bedeutung ist. Abschließend noch eine Bemerkung zu der Frage, in welcher Beziehung diese Untersuchung zu der wohl wichtigsten neueren epistolographischen 9 Publikation von Margaret Mullett steht. Sie behandelt am Beispiel der Briefsammlung des Erzbischofs Theophylaktos von Ohrid (11./12. Jh.) eine ganze Reihe von Aspekten wie z. B. die Stellung seiner Briefe im Rahmen der zeitgenössischen Literatur, ferner das epistolographische Netz, dem The ophylakt zuzuordnen ist, mit einer Differenzierung der Briefe nach der emo tionalen Beziehung des Theophylakt zu seinen Briefpartnern, und anderes mehr. Meine Untersuchung hingegen beschränkt sich auf die Kategorisie rung der Briefinhalte und auf Bemerkungen zum Zusammenhang zwischen dem Inhalt und der literarischen Form der Briefe. Mullett lässt auch diesen Aspekt nicht unberücksichtigt, führt aber nur zwei Beispiele aus dem Vorrat der klassischen Brieftypen an, den Empfehlungsbrief (UVU'tU'tlKTj) und den Trost- und Kondolenzbrief (nuQul-l-v811'tlKTj). Von beiden Kategorien wird lO im einschlägigen Zusammenhang genauer die Rede sein. Außerdem führt Mullett noch zwei Brieftypen an, die nicht zu den klassischen Musterbriefen 8
S. u, Anhang II, Übersetzung nach der Edition des griechischen Textes, LOENERTZ, Cy I, 10-23. In dieser Übersetzung werden die Seiten der Edition (S. + Zahl in Klam mem), die Abschnitte der Edition (Zahl + Punkt) und die Zeilen der Seiten im Fünfer schritt (Zahl in Klammem) angegeben. Zitiert wird nach Seite (Zahl ohne Zusatz), ggf. Zeile (Z. + Zahl) und Abschnitt (§ + Zahl in Klammem). 9 MULLETT, Theophylact. 10 Siehe unten, 3.1 (Empfehlung), 2.2.2 (Trost in verschiedenen Situationen des Lebens). Davon wird unterschieden die Kondolenz unter 3.4, weil hier eine dritte Person, der Ver storbene, im Mittelpunkt des Briefes steht, mag auch der Trost des Adressaten mehr oder weniger dazugehören. MULLETT, Theophylact, 138-144 setzt den Trostbrief (naQaflu811'ILKTl) weitgehend gleich mit dem Kondolenzbrief und vergleicht ihn daher mit der Grabrede (Enl'Il:xq)lO� i\6yo�). dones
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Einleitung
gehören, den Brief anlässlich der eigenen Ankunft an einem bisher fremden Ort und den Brief zur Begrüßung eines offiziellen Besuchers. I I Beide Brief kategorien kommen bei Kydones nicht vor.
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MULLETI, Theophylact,
144-148.
VORSTELLUNG UND ANALYSE DER BRIEFE NACH INHALTLICHEN KATEGORIEN
1. Die eigene Person im Mittelpunkt
Die Untersuchung beginnt mit den Briefen, die sich vorwiegend auf die ei gene Person des Briefschreibers beziehen. Hier werden folgende, in der Aus ruhrung noch weiter unterteilte Kategorien berücksichtigt: 1 . 1 Ratsuche, Bitte um Hilfe oder Gefälligkeit, 1 .2 Klage über die eigene Situation, 1.3 Dank rur empfangene Wohltaten, 1 . 4 Begründung oder Verteidigung des eigenen Standpunktes oder des eigenen Tuns, 1 .5 Hoffnungen rur die eigene Zukunft. 1 . 6 Zurückweisung von Lob und Bewunderung. 1.1
Ratsuche, Bitte um Hilfe oder Gefälligkeit
1 . 1 . 1 Bitte um Rat oder Hilfe an Freunde und Bekannte Nur in einem Fall, der hier zuerst besprochen wird, bezieht sich die Ratsuche eindeutig auf ein religiöses Problem. In der Regel handelt es sich jedoch um materielle Angelegenheiten. Eine religiöse Aporie steht eindeutig im Zent rum des Briefes 378(40), der das rur Kydones so wichtige Thema des Schis mas zwischen der byzantinisch-orthodoxen und der römischen Kirche be trifft. Der Brief ist an einen älteren Theologen gerichtet, den Kydones wie eine in dieser Frage kompetente Respektsperson anredet. Es besteht wohl 1 kein Zweifel, dass es sich um Neilos Kabasilas handelt, seinen Lehrer in 2 jüngeren Jahren, der ein umfangreiches Werk gegen die Lehre der Lateiner (und insbesondere des Thomas von Aquin) über den Ausgang des Heiligen Geistes verfasst hatte. 3 Von der Hand des Kydones liegt auch eine Widerle gung dieses Werkes vor.4 Aus dem Inhalt des Briefes ergibt sich, dass er kurz vor der Konversion des Kydones zur römischen Kirche, also etwa im Jahr 1 3 56, verfasst sein muss.
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Zu seiner Person siehe PLP 1 0 1 02. Neilos Kabasilas war Mönch und von 1 3 6 1 bis zu sei nem Tod 1 363 Metropolit von Thessalonike. Siehe TINNEFELD, Kydones 1/ 1 , 6, Anm 1 5 . Dieses Werk liegt bisher nur in einer Teiledition vor: Emmanuel CANDAL, Nilus Cabasi las et theologia S. Thomae de Processione Spiritus Sancti (Studi e Testi 1 1 6), Citta deI Vaticano 1 945. Das Werk des Kydones ist bislang unediert (siehe TINNEFELD, Kydones 1/ 1 , 63, Nr. 1 . 1. 1 ). Eine kritische Edition im Rahmen des von lohn A. Demetracopoulos organisier ten Arbeitsvorhabens "Thomas de Aquino Byzantinus" ist aber nunmehr in Vorberei tung. Näheres zu diesem Arbeitsvorhaben, siehe unten, 1 94, Anm 17 1 . .
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1. Die eigene Person im Mittelpunkt
Am Anfang steht eine captatio benevolentiae, ein Lobpreis auf die Weis heit und das Wissen, aber auch den edlen Charakter und die Tugend des Ad ressaten sowie eine Beteuerung größter Hochachtung. Dann bittet Kydones um ein persönliches Gespräch zur Klärung einer wichtigen Frage und spricht es bereits vorweg aus, was ihn bewegt. Er will wissen, worin denn eigentlich im Wesentlichen der Streit zwischen Orthodoxen und Lateinern bestehe, und was ein Orthodoxer den Lateinern in einer Disputation ernsthaft entgegen halten könne, ohne sich lächerlich zu machen. Von dem Adressaten erhofft er sich dank seiner Disputationskunst und seiner häufigen Beschäftigung mit dem Problem einen verbindlichen Rat in dieser Angelegenheit. Er bietet je doch am Schluss seinerseits an, seine eigene Kenntnis der lateinischen Theo logie in das Gespräch einzubringen und so der Argumentation des Adressa ten größere Kraft zu verleihen, ähnlich wie im Krieg ein Waffenträger einem gepanzerten Soldaten beisteht und sich an dessen Sieg freut, auch wenn er selbst nicht dafiir geehrt wird. Die Ratsuche ist also in diesem Brief ge schickt (unter Vergleich der eigenen Person mit einem hilfreichen waffen träger) gemischt mit dem Angebot, auch den Berater einschlägig zu beraten. Die große Höflichkeit des Tons und die beteuerte Bereitschaft zum Gespräch können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hinter der scheinbaren Bitte um Beratung eine subtile Ironie verbirgt. 5 Es ist nicht bekannt, ob es zu dem gewünschten Gespräch kam. Jedenfalls hatte sich Kydones bereits vorher seine (positive) Meinung über die römische Kirche gebildet und zog daraus bald durch Konversion die Konsequenz. Der früheste Brief, der sich auf materielle Hilfe bezieht, ist 43( 1 6), den Kydones im Jahr 1 346, im Alter von ca. 22 Jahren, an den Mönch (und spä teren Patriarchen) Isidoros Bucheir6 richtete. Kydones hielt sich damals auf der Flucht vor der Zelotenpartei, die seine Heimatstadt Thessalonike beherr schte, in einer kleinen Stadt in Thrakien auf, nachdem er offenbar auf einer Seefahrt Schiffbruch erlitten hatte. In seiner Not wendet er sich an den jetzt in Konstantinopel weilenden Hesychastenmönch Isidoros, dessen religiös orientiertem Kreis in Thessalonike er einst nahestand. 7 Auch diesen Brief leitet er wie den an Neilos mit einer captatio benevolentiae ein, einem Lob preis auf die "kräftigen Arzneien" seiner Gebete und sein großes Wissen. Dann beschreibt er ihm in kläglichem Ton sein Unglück: Sein Elternhaus sei
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Die Ironie ist hier nicht so deutlich wie in Br. 3 1 4(30 1) (siehe unten, 3.3), geht aber aus dem gleichen Motiv hervor. Zum Zunamen des Patriarchen (wohl eher Bucheir als Bucheiras) siehe TINNEFELD, Ky dones 1/ 1 , 1 60, Anm. 1 . Siehe TINNEFELD, Kydones 1/ 1, 1 6 1, Anm . 1 9.
1. Die eigene Person im Mittelpunkt
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von den Zeloten zerstört worden, und nun sei bereits mehr als ein Jahr ver gangen, seit er fern VOn der Heimatstadt, von seiner Mutter und seinen Ge schwistern leben müsse. 8 Schon lange habe er seinen geistlichen Führer um Rat und Hilfe bitten wollen, aber erst jetzt einen zuverlässigen Briefboten gefunden. So möge er ihm denn in seiner unglücklichen Situation Trost spenden und auch für ihn beten. Wenn Kydones auch scheinbar nur von geistlichem Trost redet, so ist doch zwischen den Zeilen zu lesen, dass er sich vor allem materielle Hilfe, vielleicht eine Einladung nach Konstantino pel, von dem einflussreichen Anhänger des Kaisers Johannes Kantakuzenos und der Palamiten erhoffte, auch wenn zu Zeit der Abfassung des Briefes in Konstantinopel noch die antipalamitische Strömung an der Macht war. In Brief 242(218), 1382, bittet Kydones seinen Freund, den Herrscher VOn Lesbos Francesco Gattilusio, um seine Nachsicht in einer prekären An gelegenheit. Kydones ist von Kaiser Johannes V. zu Verhandlungen mit ihm wegen der Stadt Ainos, die wohl unter der Herrschaft des Usurpators Andro nikos IV. (1376-79) an ihn abgetreten wurde, nach Mitylene gesandt wor den. Er meldet sein Kommen an und bittet ihn um wohlwollende Aufnahme, vor allem aber um Verständnis, dass er das Dringen des Kaisers auf Rück gabe der Stadt für gerecht halte. Die übrigen Briefe, in denen Kydones Rat und Hilfe erbittet, enthalten noch eindeutiger ein materielles Anliegen. So wendet er sich mit Brief 246 (245), 1382/83, an den hochrangigen Richter Thomas Alusianos und bittet ihn dringend, ihm beim Eintreiben einer berechtigten Geldforderung unnach giebig behilflich zu sein. Er charakterisiert die Schuldner als durchtriebene Schurken, die sich "räuberisch" aneignen, was ihm zustehe, und beschwört den Adressaten, sich durch sie nicht täuschen zu lassen. "Da du es also mit Giganten zu tun hast, nimm all deine Kraft zusammen; denn auch so wird es dir wohl nur mit Mühe gelingen, ihre zum Kampf aufgestellte Phalanx ins Wanken zu bringen." Dieser Schlusssatz ist ein Beispiel dafür, dass Kydones wichtigen Stellen seiner Briefe gern durch metaphorische Sprache (Gigan ten, Phalanx) Gewicht verleiht. Um die Rückerstattung einer von Kydones leihweise zur Verfügung ge 9 stellten Geldsumme geht es in Brief 268(0293). Kydones hatte einem treu8
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Der Vater des Kydones war bereits im Jahr 1341 gestorben. Dass er mit Vornamen Ma nuel hieß, hat neuerdings nachgewiesen: Guillaume SAINT-GUILLAIN, Manouel Kydones (vers 1300-1341), diplornate byzantin, pere de Dernetrios Kydones, Revue des Etudes By zantines 64-65 (2006/07) 341-357. Wegen der Stellung des Briefes in der Überlieferung schlage ich im Kommentar eine un gefähre Datierung auf 1382-84(?) vor. Aber vielleicht ist die Überlegung berechtigt, ob
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1. Die eigene Person im Mittelpunkt
en, aus dem eigenen Vaterhaus übernommenen und viele Jahre bei ihm täti gen Diener zur Einrichtung eines Gewerbebetriebes Geld geliehen. Dieser aber starb vor der Rückzahlung ohne eigene Nachkommen, und seine Witwe und deren Verwandte weigerten sich, wie Kydones berichtet, die Schuld ab zulösen. In dieser Situation bittet er einen namentlich nicht genannten Freund, bei seinem Bruder, der von Beruf Richter ist, und bei einem Freund, der im kaiserlichen Dienst steht, rur ihn zu intervenieren, damit er sein Geld zurückerhalte. Darur stellt ihm Kydones seinen Dank in Aussicht und er ist überzeugt, dass dies dem Freund viel bedeute. Es ist bemerkenswert, dass Kydones eingangs die Nutzung persönlicher Beziehungen rur ein materielles Anliegen entschuldigt und beteuert, er habe es immer verabscheut, sich der Gesetze, der Richter und der Gerichte in eigener Sache zu bedienen, sei aber nun doch auf solche persönlichen Kontakte angewiesen. In den späten achtziger Jahren befand sich Kydones in Geldnöten, weil nach seinem Ausscheiden aus dem kaiserlichen Dienst der Kaiser die Zah lung, die ihm jetzt noch zustand, zurückhielt. 10 In dieser Situation wandte er sich mit Brief 234(398) an einen gewissen Pothos, der offenbar selbst eine Stellung im Kaiserpalast bekleidete und sich in einer ähnlichen Situation be fand. Kydones berichtet, er habe Pothos am vorausgehenden Tage im Ge spräch mit einem zuständigen Palastbeamten gesehen, und fragt ihn nun in seinem Brief, ob das Gespräch eine Zahlung zur Folge hatte; denn das würde auch ihn hoffen lassen. Der Brief schließt mit metaphorischen Formulierun gen, welche die Wichtigkeit der Angelegenheit hervorheben: "Wenn den noch der Schimmer einer Hoffnung auf eine Zahlung wie ein Körnchen im tiefen Schlamm verborgen ist, wäre dies eine ,Nahrung rur Kranke und Schwache�, wie Demosthenes gesagt hätte." Medizinische Hilfe gegen Zahnschmerzen erhofft sich Kydones in den beiden Briefen 3 0 1 (0338) und 240(0402). Der erste ist ein kurzes Billett, in dem er seine Leiden schildert und Hilfe erbittet. Ausruhrlicher ist der zweite Brief, mit dem sich der alternde Patient Rat suchend an einen befreundeten Arzt wendet: Er beginnt mit der gern verwendeten captatio benevolentiae, in diesem Fall der Aufzählung seiner ärztlichen Fähigkeiten: Er sei Freunden auf vielerlei Weise nützlich gewesen und habe auch ihm selbst bereits früher das Insistieren des Kydones auf der Rückzahlung der entliehenen Summe nicht besser in die Zeit nach dem Abschied vom kaiserlichen Dienst (also einige Zeit nach Sommer 1 3 86) passt, als fiir Kydones das Geld knapper wurde. Vgl. den nachfolgend besproche nen Br. 234(398). 10 Siehe unten, 1 .2.2 (Anmahnung ausbleibender Geldzahlungen) und 2.4. 1 .2 (Kritik an Kaiser Johannes V.), Br. 386 (382), besprochen in beiden Abschnitten.
1. Die eigene Person im Mittelpunkt
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einmal ein Mittel gegen Schmerzen verordnet, dem allerdings die heilende Natur zuvorgekommen sei. Nun jedoch ergehe es ihm mit seinen Zahn schmerzen schlimmer: "Obwohl diese nur einen Teil des Kopfes betreffen, haben sie ihn doch ganz erfasst und zeigen den Ehrgeiz, ihn zu zerreißen, und von dort wirken sie wiederum weiter, führen Krieg gegen den ganzen Körper und machen ihn untauglich für meine alltägliche Arbeit. Sie verweh ren mir aber auch das Essen und haben mich, der ich ohnehin bereits schlecht schlafe, gänzlich des Schlafes beraubt. Bücher aber sind mir nur eine Belästigung, und wenn jemand hereinschaut und fragt, was mich quäle, geht er ohne eine Antwort davon, weil die Zunge keine Berührung mit den Zähnen zulässt und sich deshalb im Munde nicht bewegen kann. So sitze ich 1 da und habe zwar keinen Ochsen auf der Zunge, 1 halte aber stets die Hand vor den Mund, als ob jeden Augenblick die Zähne herausfallen könnten." Nach dieser überaus anschaulichen Beschreibung erhofft er sich Rat, denn auf die "Natur" könne er sich in diesem Fall nicht verlassen. Der Freund möge ihm aber auch nicht den wegen der Heilungswunder an seinem Grab bekannten heiligen Antipas von Pergamon (spätes 1. Jh. n. Chr.) empfehlen, denn diesen rufe er bereits ständig an, "und er wird Heilung geben, wenn er will. Denn ich bin überzeugt, dass jener Selige alles vermag, weil er bei Christus ist, der alles vermag. Der aber ist nicht neidisch darauf, wenn man Menschliches auch von Menschen erbittet, zumal von denen, auf deren Freundschaft wir uns verlassen können." Kydones will also gern dem Heiligen vertrauen, sieht aber keine unerlaubte Konkurrenz darin, dass der Freund ihm mit rein weltlichen Mitteln zu Hilfe kommt. Dieser Entschluss, lieber doch doppeigleisig zu fahren, lässt eine gewisse Skepsis gegenüber heiligen Wundertätern und eine Tendenz zu aufgeklärtem Denken erkennen, die nicht der Komik entbehrt. Auch die in Brief 232(396), Winter 1387/88, an den Protobestiarios auf Lemnos Theodoros Palaiologos gerichtete Bitte um Zusendung eines Schaf fells, das Kydones am Tag als Kleidungsstück und nachts als Bettdecke ver wenden will, ist zu den Hilfsgesuchen materiellen Inhalts zu zählen. Er be steht aber darauf, dass er dieses Fell auf keinen Fall als Geschenk, sondern 2 nur gegen Bezahlung annehmen werde. 1
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Sprichwörtlich seit Theognis, siehe TINNEFELD, Kydones IV, 1 57, Kommentar, Anm. 2. Zu diesem Thema siehe auch die ironische Mahnung eines kaiserlichen Beamten, ihm ein von Kaiser Manue1 versprochenes Tierfell zuzusenden, siehe unten, 1 .2.2, Br. 404(378).
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1. Die eigene Person im Mittelpunkt
Analyse zu 1.1.1, Bitte an Freunde und Bekannte um Rat oder Hilfe
Charakteristische Elemente der Briefe dieser Gruppe, meistens auf materielle Hilfe bezogen, sind: 1 ) Lob des Adressaten für seine Fähigkeit und bisherige 13 Bereitschaft, Rat oder Hilfe zu geben (captatio benevolentiae). 2) Eine Dar legung der konkreten Angelegenheit (in allen Briefen dieser Gruppe). 3) Die Betonun§ der Schwierigkeit oder Wichtigkeit der angesprochenen Angele l l genheit. 4) Ein Vergleich der eigenen Lage mit der des Adressaten. 5 5) Der l6 Einbau von Metaphern an wichtilfen Stellen der Briefe. 6) Das Angebot ei nes eigenen Lösungsvorschlages. 7 7) Ironischer Zweifel an der Möglichkeit, l einen brauchbaren Rat zu erhalten. 8 8) Beteuerung des Briefschreibers, dass l er juristische Hilfe von Freunden nur ungern beanspruche. 9 9) Zusage des l Dankes oder sogar einer Zahlung20 für die erbetene Hilfe. 2 , 1 . 1 . 2 Bitte an Freunde und Bekannte um Fürsprache oder Vermittlung beim Kaiser Eine besondere Form der materiellen Hilfe ist die Fürsprache oder Vermitt lung beim Kaiser. Dreimal in seinem Leben schied Kydones auf eigenen Wunsch aus dem kaiserlichen Dienst aus, erstmals gegen Ende des Jahres 22 2 1 37 1, das zweite Mal 1 376/77, 3 weil er mit dem Usurpator Andronikos nicht zusammenarbeiten wollte, das dritte und letzte Mal etwa im Sommer 2 1 3 86. 4 1 3 7 1 und 1 3 86 reagierte Johannes V. unfreundlich und mit Schika 2 nen, die Kydones in mehreren Briefen tadelt. 5 Die gespannte Beziehung zum Kaiser gab ihm auch Anlass, diverse Freunde um Fürsprache und Ver mittlung zu birten.
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Br. 378(40), 43( 1 6), 240(0402). Br. 202(2 1 9), 378(40), 43(1 6). Br. 234(398). Br. 246(245), 234(398), 378(40). 240(0402): Metapher in Form eines Zitates. Br. 378(40), 240(0402). Br. 378(40). Br. 268(0293). Br. 232(396). Br. 268(0293). TINNEFELD, Kydones I/l, 27. Kydones hatte sein Ausscheiden aus dem Dienst in einer au tobiographischen Rede an Kaiser Johannes V. erbeten, ed. LOENERTZ, Cydones I, 1 0-23, die unten als Anhang 11 in deutscher Übersetzung vorgelegt wird. 23 Siehe unten, 2.6, Brief 1 54( 1 74). 24 TINNEFELD, Kydones I/l, 38 mit Anm. 2 1 2. 25 Siehe unten, 2.4. 1 .2 (Kritik an Kaiser Joannes V.).
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Im Sommer 1371 hielt sich Johannes V. nach seiner Rückkehr aus Italien für längere Zeit auf der Insel Lemnos auf, anstatt unverzüglich in die Haupt 2 stadt zurückzukehren. 6 In Brief 28(74), verfasst im Sommer 1371, bittet Kydones den Großdomestikos Demetrios Palaiologos, einen Verwandten Jo hannes' V., der mit Kydones an der Romreise des Kaisers im Jahr 1369 teil genommen hatte, den Kaiser zur Rückkehr nach Konstantinopel zu bewegen. Er beginnt mit Lob und Bewunderung für den Freund, geht aber alsbald zum Tadel über, dass er bisher den Kaiser nicht zur Rückkehr nach Konstantino pel überredet habe, obwohl die Stadt bereits in naher Zukunft Sklavendienste 2 werde leisten müssen. 7 Sie sei doch von alters her Sitz der Kaiser und die schönste der Städte unter der Sonne, die es wert sei, kaiserliche Residenz zu 2 bleiben. 8 So möge denn der Adressat wenigstens jetzt dem Kaiser einen ent sprechenden Rat geben, "zumal du ja auch mit der Zunge Nestors Ratschläge erteilst, durch die du wie Terpandel9 sogar Steine bewegen könntest." Ky dones nimmt also das Lob des Freundes noch einmal unter Verwendung an tiker Vorbilder auf, geht aber dann auch zum Kaiserlob über, indem er Jo hannes V. als Zierde seiner Stadt bezeichnet, die ohne ihn eine Witwe und den Frevlern ausgeliefert sei. Vielleicht trug der Brief dazu bei, dass Johan nes V. endlich am 28.10.1371 nach Konstantinopel zurückkehrte. Kydones schrieb wohl deshalb nicht direkt an den Kaiser, weil seine Beziehung zu ihm wegen der Erfolglosigkeit der Italienreise und der praktisch dem Kaiser aufgezwungenen Konversion zur römischen Kirche bereits gespannt war. Nach der Rückkehr des Kaisers zog Kydones die Konsequenz aus der Situa tion und bot mit ausführlicher Begründung in einer Rede an Kaiser Johan nes V. seinen Rücktritt an.3D Der Kaiser gab seinem Ersuchen zwar nolens volens statt; die Beziehung zwischen beiden war aber fortan gestört. Obwohl
26 Wahrscheinlich blieb der Kaiser dort vor allem aus Resignation über den politischen Misserfolg seiner Romreise. Über einen weiteren möglichen Grund für die Verzögerung seiner Rückkehr, der aber mit Kydones nichts zu tun hat, siehe TINNEFELD, Kydones V2, 425, Kommentar, Xl . 27 Konstantinopel wurde bereits damals mehr und mehr von den Osmanen unter Murad I. bedroht. Siehe dazu unten, Abschnitt 4.1.1. 28 Vgl. die Sammlung weiterer Briefstellen des Kydones, wo dieser den Kaiser mit einem Lob auf die Stadt zur Rückkehr nach Konstantinopel bewegen will, bei Erwin FENSTER, Laudes Constantinopolitanae (Miscellanea Byzantina Monacensia 9), München 1968, 229, Anm. 2. 29 Zur wundersamen Wirkung der Gesänge Terpanders siehe unten, 3.5.3, Br. 406(0412) und 5.1.2, Br. 176(177). 30 Siehe unten, Anhang, 11, deutsche Übersetzung der Rede.
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für die Folgezeit auch direkte Briefe an den Kaiser vorliegen, erbat Kydones doch öfters von anderen Personen Vennittlung bei Hofe. Ein erster Brief dieser Art ist 55(99), wohl aus dem Jahr 1372, an einen namentlich nicht genannten Freund, der sich in der Nähe des Kaisers aufhält. Kydones beginnt mit einer Würdigung der Freundschaft, die ihm der Adres sat bisher gezeigt und bewiesen habe. Dann kommt er auf die kaiserliche Ungnade zu sprechen und beklagt sich bitter, vom Kaiser so abweisend be handelt zu werden. Der Freund aber, der ihm, wohl auf Anfrage, mitgeteilt hatte, dass der Kaiser ihm seine frühere Gunst bewahre, möge ihn doch wis sen lassen, woraus er das erschließen könne, denn ihm scheine eher das Ge genteil zuzutreffen. Im zweiten Jahr dieser kaiserlichen Ungnade, also 1373, verfasste Kydo nes nochmals3 1 einen Brief, 168( 146), an Demetrios Palaiologos. Zu dieser Zeit hielt sich sowohl diesel2 wie auch Johannes V. in Thessalonike auf; da her bittet ihn Kydones um seine Vennittlung beim Kaiser. Die Einleitung be ginnt mit einer positiven Bemerkung über den Kaiser, er habe wichtige Maß nahmen zum Wohl der Stadt getroffen. Es folgt ein weiteres Lob für den Ad ressaten; er habe den Kaiser bei seinem Tun für die Stadt maßgeblich bera ten und genieße überhaupt in hohem Grade seine Gunst. Die Einleitung schließt mit einer Erinnerung an die gemeinsame Reise nach Italien und die frühere Freundschaft. Nach dieser in mehrere Richtungen orientierten capta tio benevolentiae kommt Kydones zur Sache: Demetrios möge sich für sei nen Freund (hier spricht er von sich selbst in der dritten Person) beim Kaiser verwenden: "Für diesen sprich mit dem Kaiser und überrede ihn, nicht leichtfertig den Gründen zu glauben, mit denen man seine (sc. des Kydones) Taten tadelt, und nicht zu dulden, dass durch die üble Nachrede der Nichts würdigen die ehrenwerten Männer Schaden erleiden. Denn mit diesem Rat wirst du auch ihm (sc. dem Kaiser) wiederum eine Wohltat erweisen, da du ihm anstelle von schlechten Dienern gute vennittelst, und mich wirst du von den geheimen Verleumdungen befreien, mit denen ich nun bereits im zwei ten Jahr33 bis zur Ennattung zu kämpfen habe." Die Erfüllung der Bitte wer de ihm deshalb erleichtert, meint Kydones, weil der Kaiser sich durchaus noch der Zeit der guten Beziehungen zu seinem Vertrauten erinnere und da her für eine positive Würdigung seiner Person gewiss empfanglich sein dürf te. Erst am Schluss kommt Kydones noch auf ein materielles Anliegen zu sprechen: Die kaiserliche Ungnade bedeute für ihn auch das Ausbleiben jeg3 1 "Nochmals" bezieht sich auf den weiter oben zitierten Br. 28(74). 32 Vgl. unten 2. 1 . 1 .5, Br. 1 06(84). 33 Sc. seit seiner Entlassung im Herbst 1 37 1 .
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Die eigene Person im Mittelpunkt
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licher finanzieller Unterstützung, die ihm aber der Freund durch seine wirk same Fürsprache gewiss werde erwirken können. 34 Ein neues Problem ergab sich, als der nunmehrige Privatmann Kydones eine Reise nach Mitylene auf Lesbos plante, wohin ihn der Genuese Fran cesco Gattilusio, Ehemann einer Schwester des Kaisers, eingeladen hatte; denn Johannes V. war nicht bereit, ihm den Besuch zu gestatten. 35 Schließ lich, im Jahr 1373, jedenfalls vor der Krönung Manuels zum Mitkaiser am 25. September 1373, erhielt Kydones dennoch Erlaubnis, die Reise zu unter nehmen, aber er hatte nach wie vor den Eindruck, dass Johannes V. und mit ihm sogar sein Sohn Manuel sie eigentlich nicht akzeptierten. Dies zeigt deutlich Brief 132(111), geschrieben aus Mitylene an Manuel einige Zeit nach seiner Krönung. Gleich eingangs bittet Kydones um Verzeihung für die Reise und ersucht den kaiserlichen Freund, auch bei seinem Vater Johan nes V. für ihn zu vermitteln und seine stets andauernde loyale Gesinnung in Erinnerung zu bringen.36 Dann könne er hoffen, dass Johannes V. ihm Ver gebung gewähren werde. Gleichzeitig sandte er Brief 133(112) an einen ein flussreichen Freund im Kaiserpalast, den er beauftragte, den vorgenannten Brief dem "neuen" bzw. ,jungen,,37 Kaiser Manuel auszuhändigen und zu gleich zu beobachten, wie er darauf reagiere. Wenn die Reaktion freundlich ausfalle, solle er ihm zu verstehen geben, dass auch er sich über einen Brief von ihm freuen würde. Vor allem aber suche er (Kydones) die Versöhnung mit Manuels Vater, denn er höre viele sagen, der Kaiser, und hier meint er Johannes V., zürne ihm, dass er die Einladung nach Lesbos angenommen habe. Nun gehe es ihm zwar bei Gattilusio gut und er erfreue sich seiner Freundschaft, aber der Gedanke, dass der Kaiser ihm zürne, quäle ihn, und er wünsche von Herzen, mit ihm versöhnt zu sein. So bittet er den Freund, für ihn beim Kaiser zu vermitteln und ihn gnädig zu stimmen, dass er ihm die Reise nach Lesbos nicht nachtrage. Schließlich habe er sie mit seiner Erlaub nis unternommen; so werde der Adressat nicht für einen ganz verhassten Feind eintreten. Offenbar war sich Kydones also auch der Gunst seines geliebten Schülers Manuel nicht ganz sicher. Deshalb fügte er den beiden Briefen, die er von Lesbos an den Kaiserpalast adressierte, auch noch einen weiteren hinzu, 134 34 Eine ihm zustehende Zahlung mahnt Kydones in Briefen aus dieser Zeit auch direkt bei Johannes V. an. Siehe unten, 1.2.2, Br. 70(98) und 139(149). 35 Vgl. dazu auch unten, 2.4.1.2, Br. 117(109). 36 Seine loyale Gesinnung hatte Kydones auch bereits in der zuvor zitierten Rede an den Kaiser beteuert. 37 Das hier verwendete Adjektiv VEOC; kann im Griechischen beides bedeuten.
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( 113), den er an seine stets ihm zugetane38 Gönnerin, die Kaiserin Helene, adressierte. Schon die ersten gefühlsbetont und poetisch formulierten Sätze des Briefes sind ein klares Zeugnis seiner sehr persönlichen Beziehung zu ihr: "Ich besaß vordem ein Gut, ohne es wahrzunehmen, und erst sein Ver lust hat mich belehrt, wie kostbar es ist. Denn die Möglichkeit, wann immer ich wollte, zu dir zu kommen und mich an deiner Stimme zu erfreuen, die Gott den Leidenden als Heilmittel bereitet hat, und, von allen Seiten dem Sturm ausgesetzt, zu deinem Hafen zu fliehen, dessen Windstille niemandem unzugänglich blieb, all das genügte mir nicht, deinen Wert zu erfassen, son dern auch dieser fand wie eine andere alltägliche Sache ungenügende Be achtung (... ). So spürte jetzt auch ich, als ich allem Wertvollen, was mir von dir zukam, entrückt war, welchen Reichtum ich verloren habe; so wenig kann ich nun irgendwo auch nur einen Schatten deiner edlen Eigenschaften finden!" Aus diesem Grund hofft er nun, die Kaiserin bald wiederzusehen, sagt aber ausdrücklich, dass er sich diese Freude wegen der Gastfreund schaft, die er auf Lesbos genießt, noch nicht gönnen kann. Nun aber kommt er auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen: Die Kaiserin möge vermitteln, dass ihm "die göttlichen Kaiser", also Johannes V. und sein Sohn Manuel, nicht mehr wegen seines Aufenthaltes bei Francesco Gattilusio, der doch ein Schwager Johannes' V. sei, zürnten. Er verweist nochmals darauf, dass er die Reise nicht ohne ausdrückliche Erlaubnis der Kaiser unternahm. Schließ lich bittet er nicht nur um Vermittlung, sondern auch um einen Brief der Kaiserin mit einem guten Rat, was er in dieser Situation unternehmen solle.39 Es fiel Johannes V. allem Anschein nach grundsätzlich schwer, seinem treuen Diener das Verreisen zu erlauben, selbst als er sich nach einer weite ren Phase seiner Tätigkeit am Kaiserhof (1379-1386) endgültig aus seinem Dienst verabschiedet hatte. Mit Brief 361(320), 1386/87, wendet sich Kydo nes an einen beim Kaiser einflussreichen Mann und bittet ihn, bei diesem für ihn einzutreten, dass er ihm entweder die Reise (nach Italien) gestatte oder in angemessener Weise für seinen Lebensunterhalt sorge. Das Problem sei, dass der Kaiser ihn zwar auch jetzt noch an seiner Seite halten wolle, aber nicht bereit sei, das auch zu tun, was er ihm verspreche, um ihn zu gewin nen. Der Adressat, der Einfluss auf den Kaiser habe, möge alles versuchen, ihn zu einer klaren Entscheidung zu veranlassen. Als Thessalonike im Winter 1386/87 von den Türken belagert wird, bittet Kydones den Vertrauten Kaiser Manuels Demetrios Kabasilas mit Brief 329 (326), diesem einen Brief von ihm in einem günstigen Moment zu überge38 39
Siehe unten, 1 .3, Br. 222(442). Zu diesem Briefvgl. auch KIANKA, Empress Helena, 1 60f.
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ben, um den kaiserlichen Freund durch seinen Brief nicht zur Unzeit zu stö ren. Hier geht es also nicht um ein angespanntes Verhältnis des Kydones zu Kaiser Manuel, sondern um die Bedrohung Thessalonikes durch die Truppen Murads 1., die den Kaiser hindert, seine privaten Kontakte und Interessen zu pflegen. Die häufiger in den Kydonesbriefen berührte Frage einer Konkur renz zwischen kriegerischer und geistiger Betätigung, die im günstigsten Fall von einem Kaiser gleichzeitig bewältigt wird, ist hier aus der Sicht des Ky dones zugunsten der notwendigen Verteidigung entschieden, da er auf kei nen Fall den Kaiser bei der Konzentration auf seine militärischen Pflichten beeinträchtigen will. Erst am Schluss des Briefes betont Kydones seine freundschaftliche Beziehung zu dem Vermittler durch eine Bitte um sein Ge bet und das Versprechen des eigenen Gebets für ihn In Brief 338(332), 1387, an einen einflussreichen Mann am Kaiserhof, zeigt sich der im Sommer 1386 endgültig aus dem kaiserlichen Dienst ausge schiedene Kydones enttäuscht, weil Kaiser Johannes V. es ablehnte, ihm ei ne Audienz zu gewähren, und bittet den Adressaten, für ihn eine Unterre dung mit dem Kaiser zu vermitteln. Eingangs beklagt sich Kydones, dass der Kaiser ihn schlechter behandle als andere, die ihm niemals gedient und ihm sogar in hohem Maße geschadet hätten, während er ihm doch dreißig Jahre 4° lang gedient habe (sc. von 1356 bis 1386 ) und nun anscheinend für seine Treue bestraft werde. Kydones formuliert seine Bitte um eine Audienz nun möglichst bescheiden: "Überrede den Kaiser, einen Bruchteil eines zu be stimmenden Tages für das kurze Treffen anzusetzen." Der Kaiser brauche keine Klagen von ihm zu befürchten. "Du aber verbürge dich beherzt für uns, dass wir den Worten nichts Unliebsames beimischen, sondern nur sagen werden, was treuen Dienern einem gütigen Herrn gegenüber zu äußern ange messen ist." Dann aber fügt er nicht ohne Augenzwinkern hinzu: "Vielleicht wird er aber auch etwas Nützliches zu hören bekommen; das sollte er jeden falls nicht von vorneherein ausschließen." Liest man die übrigen Briefe, in denen das gestörte Verhältnis zwischen Kydones und seinem Kaiser nach 1386 berührt wird, 4 1 dann ist es eher unwahrscheinlich, dass das gewünschte Treffen zustande kam. Aus der Zeit nach 1386 liegen noch zwei weitere Briefe vor, in denen Kydones Vermittlung beim Kaiser erbittet, um versprochene, aber weiterhin ausstehende Zahlungen zu erhalten. Der wahrscheinlich erste von ihnen, 237 40 41
In
dieser Angabe ist die Zeit nach der ersten Abdankung (Ende 1 3 7 1 bis 1 3 74/75) und die der Herrschaft des Usurpators Andronikos 1 376-79 nicht berücksichtigt. Siehe oben, 1 .2.2, Br. 386(382), unter anderem Aspekt besprochen unter 2.4. 1 .2; ferner: 3.2. 1, Br. 36 1 (320), 346(33 1), 377(365), 237(400).
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42 (400), verfasst wohl 1390, ist an Kaiser Manuel gerichtet, der für Kydones bei seinem Vater vermitteln soll. Vor allem beklagt sich Kydones hier, dass Johannes V. anderen "seine Reichtümer hinwerfe", ihn selbst aber nicht ein mal eines geringen Betrages für würdig halte. Dies widerspreche jedenfalls den Zusagen, die ein beim Kaiser hoch angeschriebener Finanzbeamter ihm gegeben habe. Doch dieser Beamte versuche ihm nun aus dem Wege zu ge hen und mache keine Anstalten zu einer Auszahlung. Und er fährt fort: "Wenn aber auch du selbst es für richtig hältst, mich zu übersehen, weil ich bereits einmal zurückgesetzt wurde, werde ich darüber bekümmert sein und diesen Kummer schweigend ertragen, aber versuchen, auch dir meinerseits Kummer zuzurugen und mich für diese Missachtung zu rächen. Halte es aber nicht rur lächerlich, wenn ein Privatmann sogar einem Kaiser droht!" Die Drohung bestand darin, er werde entweder dem Freund durch tägliche Mah nungen auf die Nerven gehen oder sich dieser heillosen Situation durch Aus zug aus seiner Heimat entziehen. Würde man ihn aber daran hindern, dann würde er gewiss Hungers sterben. Dieser scharfe, mit Hyperbeln angerei cherte Ton Kaiser Manuel gegenüber mag überraschen, aber es ist zu beden ken, dass Kydones sich offenbar wirklich in einer Notlage befand. In diesem Fall bestätigt ein erhaltener Brief Kaiser Manuels,43 dass er die gewünschte Zahlung an ihn tatsächlich veranlasste. Aber nach einiger Zeit war offenbar auch dieses Geld aufgebraucht. In zwischen, im Februar 1391, war Johannes V. gestorben. Nun, in Brief 449 (446), war es Kaiser Manuel 11. selbst, den er durch einen am Kaiserhof ein flussreichen Freund mahnen ließ, aber er vermutete, dass ein Intrigant im Hintergrund die Zahlung verhinderte, denn dem Kaiser, sat er, traue er sol ches nicht zu. An dieser Stelle sei noch der weiter unten genauer bespro chene Br. 280(0294) erwähnt, der unter anderem ebenfalls eine Bitte um Vermittlung, allerdings bei einem Patriarchen, enthält. Analyse zu 1.1.2, Bitte an Freunde und Bekannte um Fürsprache oder Vermittlung beim Kaiser
Die Beispiele fiir eine Bitte um Vermittlung bei einer dritten Person haben zweierlei gemeinsam, einmal einen konkreten, nicht immer deutlich ausge sprochenen Grund, warum Kydones es vermeidet, mit der betroffenen dritten Person direkten Kontakt aufzunehmen, dann aber auch das Bemühen, den ausgewählten Vermittler für die Ausruhrung der Bitte freundlich zu stim42 Zu diesem Brief siehe auch unten, 3.2. 1 . 43 DENNls, Letters Manuel, Nr. 1 2, Z . 3f. 44 Siehe unten, 1 .3 .
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men. Kydones wandte sich in zwei Lebensphasen, in denen seine nie ganz unproblematische Beziehung zu Kaiser Johannes V. besonders belastet war, mit der Bitte um Fürsprache oder Vermittlung beim Kaiser an Freunde und Bekannte. In beiden Fällen stehen die Spannungen im Zusammenhang mit einem Ausscheiden aus dem kaiserlichen Dienst auf eigenen Wunsch. Die einschlägigen Briefe enthalten die folgenden dem Thema angepassten Ele mente: 1) Eine captatio benevolentiae durch Bezugnahme auf die Freund schaft mit dem Adressaten.45 2) Klage über die Erfahrung der kaiserlichen Ungnade.46 3) Lob des Kaisers trotz seines ungnädigen Verhaltens.47 4) For mulierung der Bitte, beim Kaiser zu vermitteln.48 5) Die besondere Eignung des Adressaten als Vermittler wird betont.49 6) Der Vermittler soll den Kai ser an die stets loyale Gesinnung seines Dieners Kydones erinnern. 5 0
45 46
47 48
49 50
Br. 55(99), 1 68(146). Br. 1 34( 1 1 3) beschwört besonders eindrucksvoll und mit anspre chenden Metaphern die freundliche Neigung der Kaiserin Helene für Kydones. In Br. 55(99) wird die Behauptung des Freundes, dass der Kaiser ihm doch seine frühere Gunst bewahre, entschieden zurückgewiesen. Br. 1 32( 1 1 1) beschreibt die kaiserliche Un gnade wegen der Reise nach Lesbos als schwer verständlich. Br. 3 6 1 (320) vergleicht das Ausbleiben einer finanziellen Versorgung mit der bei Ä sop beschriebenen Notlage der Zikaden im Winter. In Br. 237(400) an Kaiser Manuel tadelt Kydones Kaiser Johannes, dass er anderen "seine Reichtümer hinwerfe", ihn selbst aber gegen alle Zusagen nicht einmal eines geringen Betrages rur würdig halte. Br. 1 68 ( 1 46). Br. 1 68( 1 46). Hier ist zunächst von einer Entkräftung von Verleumdungen gegen Kydones, am Schluss aber auch von dem Problem der ausbleibenden Besoldung die Re de. In den Briefen 1 32( 1 1 1), 1 3 3 ( 1 1 2) und 1 34( 1 1 3) ist Gegenstand der Vermittlung die Versöhnung mit Johannes V., der Kydones widerstrebend eine Reise nach Lesbos ge währt hatte, ihm aber trotzdem zürnte, die Reise unternommen zu haben. In Br. 1 33 ( 1 1 2) bittet Kydones einen einflussreichen Freund im Kaiserpalast, dem Mitkaiser Manuel den Br. 1 32( 1 1 1) persönlich zu überreichen und seine Reaktion zu erkunden. Wenn sie posi tiv sei, möge er ihm den Wunsch des Kydones, einen Brief von ihm zu erhalten, mittei len. In Br. 1 34( 1 1 3) bittet Kydones die Kaiserin Helene auch um einen Rat, wie er sich gegenüber den zürnenden Kaisern Johannes und Manuel verhalten solle. In einem Brief nach dem endgültigen Ausscheiden aus dem kaiserlichen Dienst ab 1 3 86, 3 6 1 (320), stellt Kydones Johannes V. vor die Alternative, entweder seine finanzielle Versorgung zu si chern oder ihm die Auswanderung nach Italien zu erlauben. Ein am Kaiserhof einfluss reicher Mann wird um Vermittlung gebeten. Br. 1 68( 1 46), 1 34( 1 1 3). Br. 1 32( 1 1 1 ). Seine stets loyale Gesinnung betont Kydones auch in seiner Rede an den Kaiser: LOENERTZ, Cydones I, 1 3 , Z. 28-32.
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1.1.3 Bitte um die Begutachtung eigener Werke Mehrfach schrieb Kydones Begleitbriefe zu eigenen Werken, die er seinen 51 Freunden zur Begutachtung zusandte. Mit Brief 25(92), 1373, widmet er der Kaiserin Helene eine nicht näher bezeichnete Augustinübersetzung. Wahrscheinlich handelt es sich um das von ihm übersetzte pseudoaugustini sche Werk "Monologia sive Soliloquia", ein mittelalterliches Erbauungs 52 buch, verfasst um 12 15. Kydones beginnt mit einem allgemeinen Lob der Kaiserin wegen ihrer "schönen Unersättlichkeit für das Schöne,,53 und ihrer Bereitschaft, die literarischen Studien54 zu fördern. Ihrer Neigung wolle er durch einen eigenen Beitra entsprechen. Wegen mangelnder Begabung, ein � eigenes Werk zu verfassen, 5 habe er sich eine Schrift von anderer Seite aus geliehen, und zwar von Augustinus, der, wie er meint, von den Römern, denen er entstammte, mehr als jeder andere als Gelehrter geehrt werde und dessen Formulierungen die Synoden der Kirche zur Definition der wahren Lehre verwendet hätten. Kydones räumt aber ein, dass die Übersetzung viel leicht nicht perfekt sei, zumal die Handschrift, die ihm vorlag, schlecht zu le sen war. Er hoffe aber, dass auch so der Text seinen Eindruck auf die Kaise rin nicht verfehle. Da Kydones die Auswahl einer Übersetzung mit seiner ei genen Unfähigkeit begründete, musste er die Bedeutung des übersetzten Textes umso mehr betonen. Seinem langjährigen Freund, dem Theologen Nikolaos Kabasilas Chama etos, sandte Kydones eine selbstverfasste Predigt auf den heiligen Lauren tius56 zu und bat im beigefügten Brief 213(0223) um ein kritisches Urteil. Gleich eingangs bezeichnet er seine Schrift mit dem üblichen Bescheiden heitstopos als unwürdig der Sprachkultur und des geistigen Niveaus seines Adressaten und vergleicht sich selbst mit dem homerischen Schwätzer Ther sites (dem Inbegriff des hässlichen, unangenehmen Menschen in der Ilias), 5 1 Zu diesem Briefvgl. auch K1ANKA, Empress Helena, 1 57f. 52 Siehe TINNEFELD, Kydones 112, 499; 111 , 68, Nr. 2. 1.4. Neuedition der Übersetzung (nach Nikodemos Hagiorites 1 799) durch Anna KOLTSIU-NIKETA, L1r/fLT]'rpiov Kv6ciw'l ME'Ta cppao'1 'Wv ljJev6oavyovonvEiov "Soliloquia" (Ti av EiITOL ljJvxit FOV11 ITPO� FOVOV TOV 8eov) (Bv�avnvol
u\6aoc:p0L 1 1), Athen 2005 . 53 . .. TIlv 7IEQl 'ra KaAa KaAi]v a7Ii\TlU'rLav ... 54 Im ersten Absatz des Briefes kommt das Wort A6yos in vierzehn Zeilen nicht weniger als sechsmal vor, einmal im Singular, fünfrnal im Plural (A6yOL), was hier mit "literari sche Studien" wiedergegeben wird. Dieses Spiel mit einem Wort ist in der deutschen Übersetzung nicht erkennbar, weil sich hier unterschiedliche Übersetzungen empfehlen. 55 Die Begutachtung des überreichten Werks wird meist mit einer Geste der Bescheidenheit erbeten. 56 Zu diesem Text siehe TINNEFELD, Kydones 111, 64, Nr. 1.2. 3 .
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Kabasilas hingegen mit dem greisen, aber beredten Nestor. "Da du aber be schlossen hast, um der Freundschaft willen auch das Unangenehme zu kos ten, sende ich sie dir, überzeugt, dass ich daraufhin vorgeladen werde, fiir mangelnde Muse die Strafe zu empfangen, aber dennoch bereit, mich dei nem Befehl zu fügen, in der Gewissheit, dass dein Urteil mir nützen wird." Diese Bitte um konstruktive Kritik und um Hilfe bei der Kürzung des zu lang geratenen Redeschwalls ist aber nicht nur als Bescheidenheitstopos zu verstehen, sondern zweifellos auch ernst gemeint. Sehr allgemein gehalten ist eine weitere kurz gefasste Bitte um Begutach tung eines Werkes in Brief 287(0297), aus der weder der Titel der Schrift noch die Identität des jedenfalls literarisch aktiven Adressaten hervorgeht. Es könnte sich um einen Musterbrief handeln, der die einschlägigen Topoi enthält: Kydones erbittet vom Briefpartner nicht Lob oder Schmeichelei, sondern konstruktive Kritik, wie sie nur der wahre Freund geben könne, und zwar sowohl am Inhalt wie an der literarischen Form, wie es seiner literari schen Erfahrung und seiner Fähigkeit zu objektivem Urteil entspreche. Mit einem weiteren kurzen Brief, 298(0337), teilt Kydones einem na mentlich nicht genannten Freund die Fertigstellung einer Abhandlung unbe kannten Inhalts mit. Diese will er ihm zuerst vortragen und dann zur Durch sicht und Korrektur übergeben. Er begründet die Auswahl seiner Person mit seiner Kenntnis der antiken Autoren und der beiderseitigen Freundschaft und gestaltet seine Bitte gefälliger durch die hübsche Metapher, er möge die Ab handlung wie eine Statue durch Streichungen und Ergänzungen schmücken. Etwas ausführlicher ist Brief 347(0405), der die Sendung eines Buches mit Ausführungen des alexandrinischen Mathematikers Diophantos57 an ei nen mathematisch gebildeten Adressaten begleitete. Kydones hatte diese Sammlung mathematischer Probleme durch Beweise ergänzt, die er der Zah lenlehre Euklids entnahm, 58 und legt sie dem Empfänger zur Begutachtung vor. Vor allem möge er darauf achten, ob es sich wirklich um Beweise und nur um Nachweise von Wahrscheinlichkeiten, also um überflüssiges Ge schwätz (AtlQOL) handele. Sollte es sich aber herausstellen, dass seine Ergän zungen unbrauchbar seien, dann sei er bereit, sie in einen Winkel (YWVlU) zu verbannen. In einen "Winkel verbannen" will Kydones auch, in Brief 343(0404), ei ne selbstverfasste Homilie über die Himmelfahrt Christi, 59 die er einem Be kannten zur Begutachtung hatte zugehen lassen. Er verurteilt nun diese 57 Zu diesem Brief siehe HUNGER 11, 254 mit Anm. 63. 58 Es handelt sich um Euklids "Elementa"; vgl. TINNEFELD, Kydones 111 , 67, Nr. 1 .7.7 59 Siehe TINNEFELD, Kydones 111 , 64, Nr. 1 .2.2.
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Schrift als Geschwätz (epi\uaQLa), das den Freund belästigen könnte und er bittet sie zurück, damit sie in besagtem Winkel verrotte. Es fällt auf, dass ge rade in seinen späten Briefen seine Selbstkritik besonders streng ausfällt. Analyse zu 1.1.3, Bitte um die Begutachtung eigener Werke
Als wichtige Aspekte dieser Thematik sind zu nennen: 1) Lob des Adressa ten wegen literarischer Kompetenz. 60 2) Erläuterung des vorgelegten Wer kes. 6 1 3) Bescheidenheits este: Betonung der eigenen Unfähigkeit. 62 4) Bitte p um ein kritisches Urtei1.6 1.2
Klage über die eigene Situation
1.2.1 Plagen, Anfeindungen und Intrigen am Kaiserhof Aus verschiedenen Lebensphasen des Kydones liegen Klagen über die mü hevolle Arbeit und die Intrigen im Kaiserpalast vor. Im Jahr 1356, als er noch nicht lange im Dienst Kaiser Johannes' V. tätig ist, schreibt Kydones einen Brief 50(42) an Alexios Kassandrenos, einen Freund, der sich zur Zeit des Bürgerkrieges zwischen Johannes V. und seinem Schwiegervater Johan nes Kantakuzenos (1352-54) in Konstantinopel aufgehalten, nach dem Ende des Krieges eine Zeitlang (1355) dort mit Kydones im Manganakloster ge lebt und ihm nun als reicher Privatmann aus Thessalonike geschrieben hatte. Kydones, inzwischen hoher Staatsbeamter Ü.u::aa(,wv) im Dienst Johan nes' V., vergleicht seine alltägliche Plage im Palast64 mit dem Glück des Freundes, in der Heimatstadt, die auch die seine ist, unbehelligt wohnen zu können. Vor allem klagt er darüber, dass er nun jederzeit im Palast zur Ver fügung stehen müsse. Während andere geruhsam ihre Mahlzeiten einnehmen und schlafen gehen könnten, wenn sie müde seien, habe er sich, wenn der Kaiser es wünsche, zu jeder Tageszeit und noch am Abend "durch tiefen Schlamm und noch tiefere Dunkelheit" zum Palast zu begeben. Tagsüber aber bedränge ihn die Schar der Bittsteller, und man müsse sich verstecken, um ihrem Geschrei zu entgehen. Noch mehr aber scheut Kydones die auf dringlichen Bartträger (die Hesychasten), "denen totale Ignoranz mehr als 60 61 62 63
Br. 25(92), 215(0223), 287(0297) und 298(0337). Br. 25(92), 347(0405). Br. 25(90), 215(0223), 343(0404), 347(0405). Br. 2 1 5(0223), 287(0297). Kydones betont in beiden Briefen, dass man ungeschminkte Kritik von einem wahren Freund erwarten könne. 64 Dieser Brief nimmt mit seiner Klage vorweg, was Kydones in seiner autobiographischen Rede an Kaiser Johannes V. als größte Bedrohung seines Lebens darstellt. Siehe LOE NERTZ, Cydones I, 12 (§ 4--5) und deutsche Übersetzung unten, Anhang 11.
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irgendetwas anderes zum Merkmal der Tugend geworden ist", wie er scharf züngig feststellt. Sogar im Kaiserpalast gäben sie ständig ihre Lehrmeinun gen (den Palamismus) zum Besten, so dass inzwischen alle eher über gött liche Angelegenheiten als über ihre eigenen philosophierten. Der gesamte Brief ist in Antithesen aufgebaut, die das Glück des Kassandrenos, das er zu dem selbstsüchtig genieße, und die eigenen Plagen im kaiserlichen Dienst einander gegenüberstellen. Der Gipfel des Glücks, das Kassandrenos nun ge nieße, bestehe aber darin, dass er dem Geschwätz der Hesychasten nicht aus geliefert sei. Der Tadel kulminiert schließlich überraschend in dem Vorwurf, eingeleitet durch "was aber noch schlimmer ist" (,[0 bE bil XElQov), dass er die Briefe des Kydones nicht beantworte. 65 In Brief 187(160), geschrieben 1375 an seinen Schüler und Freund Rha denos in Thessalonike, berichtet Kydones, dass Kaiser Johannes V. ihn (nach seinem Ausscheiden im Herbst 1371) wieder für den Staatsdienst zu gewin nen suche. Offenbar revidiere er sein Misstrauen gegen ihn, das ihm schlech te Ratgeber eingeredet hätten, und mache ihm große Versprechungen, wenn er wieder in seinen Dienst zurückkehre und sein Vorhaben, nach Italien um zusiedeln, aufgebe. Kydones berichtet aber, er habe das verlockende Ange bot mit Zurückhaltung aufgenommen und sich weiterhin die Entscheidung zur Abreise vorbehalten. Bezeichnend für seinen Pessimismus ist aber dann die Bemerkung, er sei vom Unglück geplagt: "Denn das ist ja wohl ein Un glück, gezwungen zu sein, mich entweder einem Kaiser und bittenden Freund zu verweigern oder ihm zwar gefällig zu sein, zugleich aber den ei genen Untergang zu wählen." Nach wie vor sei für ihn der Rückzug ins Pri vatleben die am meisten erwünschte Option. Er ließ sich dann aber doch zur Rückkehr in den kaiserlichen Dienst über reden, sollte jedoch bald einsehen, dass er mit seinen Bedenken Recht hatte. In Brief 218(209), 1381, teilt er Kaiser Manuel einige einschlägige Details mit. Damals hielt sich der Kaiser in Anatolien an der Seite des Osmanenherr schers Murad 1. auf, um diesem zum Dank für geleistete Hilfe gegen seinen Bruder, den Usurpator Andronikos, Kriegsdienste zu leisten. Manuel hatte in einem Brief an Kydones diesen für glücklich erklärt, weil er von einer Krankheit genesen sei. Kydones deutet an, dass es mit dem Glück doch nicht so weit her sei, wie der Kaiser vermute. Er kommt dann zuerst auf eine pri vate Angelegenheit zusprechen, von der weiter unten66 die Rede sein soll. Ein größeres Unglück aber sei der Ärger, den er mit Kaiser Johannes V. we65
Zu diesem epistolographischen Topos (Mahnung des säumigen Briefpartners) Siehe unten, 5 .2.2 . 1 . 6 6 Abschnitt 1 .2.3, Br. 2 1 8(209).
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gen einer Gesandtschaft zum türkischen Bey von Kotyaion (Kütahya) habe: "Der Kaiser glaubte, ich hätte rur meine Gesandtschaft sogar noch Strafe verdient, weil es mir nicht gelang, den Barbaren zu dem zu überreden, was er wollte. Er wünschte aber sogar, dass jener uns mit Schlägen davongejagt hätte, und ist ungehalten, weil er uns wohlbehalten zurückkehren sah." Die Gesandtschaft scheiterte, weil sich besagter Bey nicht von Kydones rur By zanz gewinnen ließ, sondern sich mit dem Bey der Osmanen, also mit Mu rad 1., verbündete. 67 Derselbe Brief berichtet aber dann, dass die Ungnade des Kaisers diesmal nicht lange dauerte, weil er bei Verhandlungen mit den Genuesen Kydones als Dolmetscher brauchte. Es schien, dass er ihm nun wieder die früheren Ehren erweisen wollte, aber seine Gunst war mit der Forderung harter Arbeit verbunden: "Ich aber rieb mich auf und kämpfte mit Schlaflosigkeit, Hunger und Durst. Denn ich kam vor Abend nicht zum Essen, und es wurde mir erst kurz vor Sonnenaufgang gestattet, zu Bett zu gehen, obwohl meine Augen lider und meine Natur sich dagegen wehrten. Wenn ich aber schlafen ging, hatte ich den Fußboden als Liegestatt oder, wie die Komödie sagt, einen gewaltigen Stein, der mir als Kopfkissen diente. 68 Damit hielt ich mich auf recht, denn es war mir nicht gestattet, meine häuslichen Bequemlichkeiten zu benutzen, musste ich doch die ganze Zeit an den Kaiser gekettet bleiben und die Lablrinthe der Genuesen entwirren. Als aber die Vereinbarung zu stande kam6 und der Kaiser seine Widersacher willfährig sah, schien alsbald ich, obwohl ich es war, der sie gewonnen hatte, die Strafe der Widersacher verwirkt zu haben. So ward mir nun statt der erwarteten, nach dem Krieg fälligen Siegespreise ein Versagern gebührender Lohn zuteil." Natürlich ent hält diese Passage Hyperbeln, wirft aber doch ein bezeichnendes Licht auf die auch jetzt nicht gerade erfreuliche Situation des Kydones im kaiserlichen Dienst. Mehrere Briefe des Kydones über Intrigen im Kaiserpalast gegen seine Person sind aus der Zeit nach seinem endgültigen Ausscheiden aus dem kai serlichen Dienst (Sommer 1386) erhalten. Im Herbst 1387 hielt sich Kaiser Manuel am Kaiserhof von Konstantinopel auf, um seinen Vater nach Jahren der Abwesenheit wiederzusehen und sich mit ihm auszusöhnen. Kydones hat von seiner Ankunft erfahren und beklagt in Brief 368(354), dass er ihn noch 67 TINNEFELD, Kydones 1/ 1 , 33, Anm . 1 80. 68 Anspielung auf Aristophanes, Plutos 543 , wonach der Arme nur einen Stein als Kopf kissen hat. 69 Gemeint ist der Waffenstillstand, den im Mai 1 3 8 1 Johannes V. mit den Genuesen und ihrem Parteigänger, seinem Sohn Andronikos, abschloss.
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nicht treffen konnte. Dies führt er auf die Machenschaften von Intriganten am Hof zurück, die sein Wiedersehen mit Manuel auf jeden Fall verhindern wollten. Kydones vergleicht sie mit wilden Tieren, die ihn umkreisten und jede harmlose Bemerkung von ihm belauerten, um sie in eine Flamme zu verwandeln, die höher schlage als die im Feuerofen der babylonischen Jüng linge. Auch in anderen Briefen aus diesen Tagen, 372(355) und 379(359), klagt er über den zerstörerischen Neid ungebildeter Personen, die ihm ein Treffen mit Manuel verwehren, oder ganz allgemein über Gegner, die ihm Betrübliches zufügen. Wie fremd ihm der Kaiserpalast inzwischen geworden ist, zeigt die Beschreibung eines Traumes in Brief 411(390), wohl aus dem Jahr 1389. Kaiser Johannes V. lässt ihn rufen, redet aber in einer unverständ lichen Sprache mit ihm, die Kydones für Indisch hält. Er wagt nicht, ihn an zureden, und als er etwas essen möchte, wendet er sich vergebens an die ihm unbekannten Leute im Palast. Schließlich sucht er Kaiser Manuel, erfährt aber, dass er vor der Stadt lagere und keinesfalls etwas zum Essen für ihn ha be. Dieser Traum zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, dass Kydones nun ein Fremder in dem Palast geworden war, in dem er Jahre lang eine hohe Machtposition bekleidete. Analyse zu 1.2.1, Plagen, Anfeindungen und Intrigen am Kaiserhof
Wichtige Elemente dieser Briefgruppe sind: 1) Vergleich der eigenen uner freulichen Situation mit dem geruhsamen Leben des Adressaten. 7o 2) Be 7 schwerde über die Mühen des Palastdienstes. 1 3) Skeptische Aufnahme 72 eines An?ebotes, in den Palastdienst zurückzukehren. 4) Ärger mit den Pa 7 lamiten. 5) Klage über Intrigen nach dem Ausscheiden aus dem kaiser 7 lichen Dienst. 4 6) Sehnsucht nach einem Leben ohne Verpflichtungen im
70 Br. 50(42), Vergleich in mehreren Antithesen, in Form einer Klimax. 7 1 Br. 50(42). Zu diesen Mühen gehört auch der Ärger über das Scheitern eines Auftrages, als Gesandter des Kaisers einen türkischen Bundesgenossen zu gewinnen, Br. 2 1 8(209). Derselbe Brief schildert aber anschließend in mehreren Hyperbeln auch die Mühen des Palastdienstes, die noch beschwerlicher sind als die in Br. 50(42) beschriebenen. 72 Br. 1 87 ( 1 60). 73 Br. 50(42). 74 Br. 368(354), 372(355), 379(359). Die Intrigen richteten sich vor allem gegen die Bemü hungen des Kydones, seinen Freund Kaiser Manuel anlässlich seines Besuches bei sei nem Vater im Kaiserpalast im Herbst 1 3 8 7 wiederzusehen. Die Intriganten verwandeln jede harmlose Bemerkung des Kydones in eine Feuerflamme, die höher schlägt als die Flamme im Feuerofen der babylonischen Jünglinge - eine eindrucksvolle Metapher in Br. 368(3 54).
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Palast.7 5 7) Schilderung eines nächtlichen Traumes, die eindrucksvoll die Entfremdung des Kydones von Johannes V. skizziert.76 1.2.2 Anmahnung ausbleibender Gehaltszahlungen oder versprochener Geschenke In mehreren Briefen mahnt Kydones seinen zweiten kaiserlichen Herrn, Jo hannes V. Palaiologos, dem er mit Unterbrechungen ca. 30 Jahre lang (1356 bis 1386) in hohen Staatsämtem diente, ihm sein zustehendes Gehalt zu zah len. Diese Mahnungen sind ausschließlich in Zeitphasen nach seinem ersten und letzten Rückzug aus dem kaiserlichen Dienst zu datieren. 77 Einen besonders scharfen Mahnbrief, 70(98), verfasste Kydones etwa im Jahr 1372, nach seinem ersten Ausscheiden aus dem kaiserlichen Dienst. Er beginnt mit den Worten: "Es ist eine Schande, wenn ein Herrscher die Ge rechtigkeit und die Gesetze missachtet. Wenn du also den Anspruch erhebst, ein Herrscher zu sein, erweise auch dem Recht die nötige Beachtung. Die Gerechtigkeit aber haben die Weisen als Tugend definiert, die jedem das Geschuldete zukommen lässt." Mit dieser Gedankenfolge ist Kydones bei dem Punkt angelangt, um den es ihm geht: "Wenn du also auch mir jetzt das Geschuldete auszahlst, wirst du ein Herrscher und ein Ehrenmann sein." Wenn er aber nicht zahle, droht ihm Kydones, habe er den gerechten An spruch auf die Bezeichnung "Herrscher" verwirkt und werde ein schlechter Mensch sein und als solcher erscheinen. Mit Recht hat Ihor Sevcenko78 ange merkt, dass der Ton dieses Briefes ein schlagender Beweis für den Verfall der kaiserlichen Autorität (the weakening of imperial prestige) in diesen Jahren sei. Ein Brief ähnlichen Inhalts ist 139(149), ebenfalls datierbar in die Zeit nach dem ersten Ausscheiden des Kydones aus dem Dienst bei Johannes V. (1372). Hier geht er nicht direkt zum Angriff über, sondern tastet sich mit dem Ausspruch eines lateinischen Weisen79 ("Zweimal gibt, wer schnell 75 Br. 1 87( 1 60). 76 Br. 4 1 1 (390). 77 Siehe oben, 1. 1 .2, am Anfang. 78 Ihor SEVCENKO, Society and Inlelleclual Life in the XIV'h Cenfury, Actes du XIye Congres International des E tudes Byzantines (Bucarest 1 97 1), ed. M. BERZA E. STANES COU, I, Bucure�ti 1 974, 69-92, hier 8 1 , mit Bezug auf diesen Brief, aber auch auf Br. 1 1 5(96) (siehe unten, 3 .2. 1 ) und auf die autobiographische Rede an Johannes Y., LOENERTZ, Cydones I, 20, Z. 1 4-20 (§ 1 9) und deutsche Ü bersetzung unten, Anhang 11. 79 Publilius Syrus ( 1 . Jh. v. Chr.), Sentenz (in lateinischer Sprache) Nr. 23 5 . Kydones beruft sich hier ausdrücklich, aber ohne Namensnennung, auf einen lateinischen Autor (<j>TJui.v i] 1:WV AU1:LVWV uo<j>La). ,
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gibt") an sein Thema heran und lobt den Kaiser dafür, dass er in der Regel den Bittenden mit der Bereitschaft, Gnaden zu erweisen, sogar zuvorkomme. Nur mit ihm, Kydones, mache er hier eine Ausnahme und lasse ihn auf die zustehende Zahlung warten: "Ich sitze da, reich an Hoffnungen statt an Geld. So mache denn ein Ende, Bester der Kaiser, mit dem Versprechen der Gabe und lass uns das Wort vom Gnadenerweis zur Tat werden." Ja, der Kaiser solle ein Einsehen haben, dass Kydones auf seine Wohltat angewiesen sei. So möge er sein Versprechen halten und die Zahlung nicht mehr verschie ben; sonst müsse Kydones das von ihm, dem Schuldner, Geschuldete einkla gen. Denn wer einmal zu geben angekündigt habe, ohne zu geben, sei fortan ein Schuldner. Diese letzte Drohung mag ironisch gemeint sein; sie ist aber auch Ausdruck einer wirklichen Notlage. Einige weitere Mahnbriefe sind in die Zeit nach Kydones' endgültigem Ausscheiden aus dem kaiserlichen Dienst im Jahr 1 3 86 zu datieren. So wen det sich Kydones in Brief 386(382) erneut mit einer Gehaltsmahnung an den 80 Kaiser. Eingangs erinnert er ihn an das Versprechen, er werde ihm Kerzen und Bücher schenken, und fährt fort: "Das Besagte also wirst du mir geben, nachdem ich dich nun erinnert habe." Nun erst kommt er zu seinem eipent 8 lichen Anliegen: "Du wirst aber gewiß auch die sechshundert Stateren hin zufügen. Denn das ist nichts Geringes, weder für dich noch für mich; doch ist auch dies noch eher für dich eine geringe Summe." Und er erinnert ihn, dass er schon zwei Jahre auf diese Summe warte und sich deshalb hoch verschuldet habe: "Wenn du die Schulden nicht alsbald für mich ablöst und die Gläubiger, die schon wie wilde Tiere nach mir schnappen, verscheuchst, bleibt mir fortan nichts, als die Freiheit und mich selbst zu verkaufen, um diese Leute loszuwerden." Nach dieser doppelten Hyperbel für die Gläubiger und die eigene Person zeigt er sich zuversichtlich, dass der Kaiser ihm helfen werde, zumal er ihm früher so große Wohltaten erwiesen habe, und ermahnt ihn, durch seine Großmut alle seine Untertanen zu übertreffen. Auch ein Brief an Kaiser Manuel aus dieser Zeit, 393(375) endet mit einer Anspielung auf diese Situation: Manuel hat sich mit seinem Vater Jo hannes V. ausgesöhnt, und dieser hat ihn mit Gnadenerweisen und Geschen ken bedacht. Daran erfreue sich Manuel nicht allein, erläutert Kydones, sondern er lasse auch die Leute seiner Umgebung und sogar Bedürftige an seinem Reichtum teilnehmen. Da sei es billig, dass auch er, Kydones, von seinem langjährigen Freund Manuel nicht übergangen werde und "nicht als 80 81
Zur Üb ersetzung von Aafl7tMHa mit "Kerzen" siehe TINNEFELD, Kydones IV, 7 1 , Kom mentar, Anm. 5 . Antikisierende Bezeichnung der zeitgenössischen Staurata-Währung.
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einziger von den Argivern ohne Ehrengeschenk bleibe", wie einst Agamem non befürchtete, als er seine Sklavin ChryseYs dem Priester des Apollon, ih82 rem Vater, herausgeben sollte. Aus diesen Jahren sind auch zwei Briefe überliefert, in denen Kydones ein Tierfell anmahnt, das Kaiser Manuel ihm versprochen hatte. In dem ers ten, 404(378), schreibt er im Jahr 1 3 88 einem kaiserlichen Beamten nicht ohne Ironie, offenbar halte man in der Umgebung Kaiser Manuels (auf der Insel Lemnos) Tierfelle im Mai für nützlich, er aber brauche das verspro chene Fell jetzt, im Spätherbst. Diese Jahreszeiten deutet er mit dem Auf bzw. Untergang des Sternbildes der Plejaden an, und er witzelt darüber, dass man den Untergang der Plejaden vielleicht dort wegen zu vielen Schlafens nicht wahrnehme. "Schicke also das Heilmittel gegen den Winter, das der Kaiser mir geschenkt hat, damit wir nicht ihm zwar dankbar sind für das Ge schenk, dich aber tadeln, weil du aus Nachlässigkeit die gnädig gewährte Gabe entwertet hast." Vielleicht hatte Kydones es sich bei diesem Beamten wegen seines un verhohlenen Spottes verscherzt. Jedenfalls schrieb er bald darauf direkt an Kaiser Manuel Brief 397(3 8 1 ) und ließ sich wieder einiges einfallen, um sei ne Mahnung ironisch zu verpacken. Der Kaiser habe ihm ein Bocksfell ver sprochen, aber nun sehe es so aus, als wolle man ihm vorenthalten, was so gar Ziegenhirten beanspruchen könnten. Dabei wisse doch er, Manuel, den Wert der Bildung zu schätzen und verachte noch nicht, wie viele andere, die Träger der Bildung, denen er selbst so viel verdanke. Selbst seine kaiserli chen Vorgänger würden ihm zürnen, wenn er einem, dem er seine Bildung verdanke, nicht Gerechtigkeit widerfahren ließe. Das versprochene Fell sei aber auch ein Geschenk, das eines Herrschers würdig sei, und auf der Insel Lemnos werde es ihm leicht fallen, es für ihn zu beschaffen. Analyse zu 1 . 2.2, Anmahnung ausbleibender Gehaltszahlungen oder ver sprochener Geschenke
Die Mahnungen sind teils an Johannes V., teils an seinen Sohn Manuel ge richtet und ihrem Inhalt nach sehr unterschiedlich. An Johannes V.: 1 ) In ei nem Brief wirft Kydones ihm vor, er vernachlässige durch Verzöferung der 8 zustehenden Zahlungen die Herrschertugend der Gerechtigkeit. 2) Er be ginnt einen anderen Brief mit dem Lob des Kaisers für sein in der Regel rasches Zahlen, welches aber in den Vorwurf mündet, eine Ausnahme von
82 Horner, Ilias, 1, 1 1 8f. 83 Br. 70(98).
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dieser Regel erlaube er sich nur in Fall des Kydones. 84 3) In zwei Briefen aus verschiedenen Zeitabschnitten schildert Kydones dem Kaiser seine persönli che Notlage ausführlicher und spart hier auch nicht mit Übertreibungen. 85 Mahnungen an Kaiser Manuel: 1) Kydones bringt sich bei ihm durch das (dem gebildeten Kaiser natürlich geläufige) Zitat des Agamemnon aus der Ilias, er allein bleibe ohne Ehrengeschenk, in Erinnerung, als Manuel die Aussöhnung mit seinem Vater durch Verteilung von Geschenken an seine Anhänger feiert. 8 6 2) Er mahnt bei ihm ein versprochenes Tierfell an, mit dem ironischen Hinweis, es werde jetzt, im kalten Spätherbst, benötigt, nicht im kommenden Mai.87 Es scheint, dass er diese Mahnung in einem zweiten Brief wiederholen musste; er verstärkt sie nun durch den Hinweis, er werde damit einem Mann, dem er seine Bildung verdanke, Gerechtigkeit erweisen und ihm etwas schenken, was eines Herrschers würdig sei. 88 1.2.3 Privates Unglück Kein Brief des Kydones enthält so gehäuft private Unglücksnachrichten wie Brief 110(50) an den Arzt und Philosophen Georgios, aus der Zeit Febru ar/April 1362. Kydones hat den Tod mehrerer naher Angehöriger und guter Freunde zu beklagen, davon aber dem in Mistras auf der Peloponnes weilen den Freund nicht sofort berichtet, um ihn nicht zu beunruhigen. Dieser hat inzwischen durch andere von den Todesfällen erfahren und Kydones nun brieflich gebeten, ihm genauer darüber zu berichten. Die Pest, die im Jahr 136 1 in Konstantinopel ausgebrochen war, hatte mehreren Freunden des Ky dones, aber auch zweien seiner drei Schwestern den Tod gebracht. Die äl teste dieser drei Schwestern, die wahrscheinlich zusammen mit Kydones in Konstantinopel lebte, starb zuerst, und an ihrer Bestattung nahm eine große Trauergemeinde teil. Die zweite Schwester war Kydones einige Zeit zuvor von seiner sterbenden Mutter (die selbst wohl nicht an der Pest starb) in Thessalonike anvertraut worden, und er hatte sie mit nach Konstantinopel genommen, aber auch sie starb bald nach der älteren Schwester an der Seu che. Offenbar lebte nach dem Tod der Mutter auch die jüngste der drei
84 Br. 139( 1 49). 85 Br. 1 39( 1 49), 386(3 82) . Vor allem in letzterem Brief fmden sich starke Hyperbeln zur Schilderung der Notlage: Seine Gläubiger seien wilde Tiere, und die Not werde ihn zwin gen, sich selbst zu verkaufen. Hier bedroht er am Schluss den Kaiser sogar, die Gesetze gegen ihn anzuwenden, wenn er sein Wort auch weiterhin nicht halte. 86 Br. 393(375). 87 Br. 404(3 78). 88 Br. 397(3 81).
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Schwestern, die (wegen des frühen Todes von Kydones' Vater) damals be reits mindestens 20 Jahre gewesen sein dürfte, in Konstantinopel. Aber die Trauer um die verstorbenen Angehörigen habe sie so sehr erfasst, dass er auch für sie das Schlimmste befürchten müsse: "Die noch überlebende Schwester schließlich, die wegen ihrer Jugend noch größerer Fürsorge be darf, scheint zwar noch zu leben, hat aber nicht aufgehört, um ihre dahinge gangenen Schwestern zu trauern, und sitzt, als ob sie deren Todeskampf noch einmal erlebte, am Grabe, hält ständig ihren Blick darauf gerichtet und weint. So sind wir in Angst, dass auch sie uns neuen Anlass zur Trauer gibt." Alle diese Ereignisse haben Kydones selbst so erschüttert, dass er seit einem Jahr unter psychosomatischen Symptomen wie Schwindel, Herzbeschwerden und Atemnot leidet, die erst allmählich abklingen. In dieser Situation ver misst er den ärztlichen Rat und philosophischen Trost des Freundes, aber er verzichtet lieber darauf, sich anderen Ärzten anzuvertrauen, von denen er keine kompetente Beratung erwartet. Es ist Kydones gelungen, in diesem Brief ein bewegendes Bild der Schicksalsschläge, die ihn und seine Familie getroffen haben, zu entwerfen. Der am meisten berührende Brief, der privates Unglück des Kydones the matisiert, ist aber doch vielleicht 436(431), geschrieben 1391, also in späten Jahren, an den langjährigen Freund Johannes Laskaris Kalopheros. Der ein führende Satz dieses Schreibens lässt bereits das zentrale Motiv anklingen: die enttäuschte Hoffnung auf einen gemeinsam mit ihm verbrachten Lebens abend in Venedig: 89 : "Nichts ist unglückseliger als ein Mensch, der zwar die Hoffnung auf das, was er ersehnte, aufgeben musste, nach der Enttäuschung aber keineswegs aufhörte, es sich zu wünschen. Denn das bedeutet geradezu, ein verzehrendes Feuer ständig in sich zu tragen oder auch, dahinzuwelken wie eine von niemandem begossene Pflanze. So erging es mir nun auch mit dir." Und Kydones blickt zurück auf eine langjährige Freundschaft mit dem gebildeten Kaufmann und Unternehmer, die unterbrochen, wenn auch nicht beendet wurde, als Kalopheros sich auf Reisen begab, die sein Beruf ihm auferlegte, während Kydones ständig an demselben Ort, in Konstantinopel, verweilte, wo er den Untergang des "vielgerühmten Reiches der Rhomäer" miterleben musste. Aber es sei ihm bislang der einzige Trost geblieben, der ihn ermutigte, das Unglück seines Vaterlandes zu ertragen: die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Kalopheros und darüber hinaus auf einen gemeinsamen Lebensabend in Venedig, zu der jener ihn in seinen Briefen ermutigt habe. 89 Vgl. zu diesem Thema vor allem Br. 269(246), unten, 1 .5, in dem Kydones seine Hoff nung auf einen gemeinsamen Lebensabend ausführlich ausmalt, aber auch Br. 3 7 1 (360), unten, 1 .4.2.
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Schließlich kam es tatsächlich zu einer konkreten Vereinbarung, und Kydo nes reiste im Jahr 1390 nach Venedig, um ihn dort zu treffen. Als er aber dort ankam, war Kalopheros nach Zypern abgereist, wo er inzwischen eine zweite Heimat gefunden hatte. Kydones setzt nun in seinem Abschiedsbrief an ihn sein persönliches Unglück und das des byzantinischen Reiches mit einander in Beziehung und fonnuliert folgenden inneren Monolog: ,,An scheinend will das böse Schicksal nicht nur allen Rhomäern insgesamt, son dern sogar jedem Einzelnen auf den Fersen bleiben, dass es ihm in jeder Hinsicht schlecht ergehe. Hat es doch auch mich, der ich vergebens eine weite, mühevolle Reise unternahm, nicht nur um das Ersehnte betrogen, son dern drängt mich auch wieder zur Rückkehr, damit ich, scheint es, mit dem Vaterland untergehen soll." Und er fährt fort: "Ich bin also nun zurückge kehrt (sc. nach Konstantinopel) und lebe mit Menschen zusammen, die sich selbst aufgegeben haben." Es folgt eine längere Klage über die heillose Situation der Hauptstadt, dann teilt er mit, er beginne nun Zypern zu verflu chen, das ihm die Gegenwart des Freundes raube. Aber dann ruft er sich selbst zur Ordnung und ennahnt sich, nicht nach dem Unmöglichen zu ver langen. Aber es bleibe ihm nur noch Ergebung in den Willen Gottes und das beiderseitige Gebet füreinander: "Bete aber du für mich, dass ich dich fortan vergessen kann, damit nicht die Erinnerung, die in meiner Seele wohnt, mich verzehre, wie Feuer das Brennholz verglühen lässt." Und mit schmerzlicher Ironie fügt er hinzu: ,,Allerdings weiß ich nicht, ob du bei Gott solche Rede freiheit hast, dass es dir, wenn du darum betest, auch zuteil wird." Parallel zu diesem Brief ist 443(428) an den Freund Maximos Chryso berges zu lesen, in dem Kydones über seine Seereise nach Venedig 1390/91 berichtet: Sie verlief bei ruhigem Meer und Wind glatt und schnell, der Emp fang in Venedig war freundlich; hohe Ehrungen wurden ihm zuteil, aber dann kam die erste Enttäuschung, als er von dort entsprechend einem Gelüb de nach Rom reisen wollte; deM man riet ihm wegen der unruhigen politi schen Situation in Italien strikt davon ab; er habe das Schlimmste für Leib und Leben zu befürchten. Er habe sich also überreden lassen, auf die Reise zu verzichten, aber auch der Aufenthalt in Venedig habe ihn nun nicht mehr erfreut. Wir wissen aus dem zuvor besprochenen Brief 436(431), was er hier nicht sagt, dass diese Aversion auch mit der Entscheidung seines Freundes Kalopheros zusammenhing, der entgegen ihrer Vereinbarung vor seinem Eintreffen nach Zypern abgereist war. Er hatte also nur noch den einen Wunsch, nach Konstantinopel zurückzukehren. Aber auch hier wurde er ent täuscht, weil sein Adressat Chrysoberges, den wiederzusehen er gehofft hat te, inzwischen in das Dominikanerkloster in Pera Uenseits des Goldenen
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Hornes) eingetreten war. Eine Reise dorthin war ihm versagt, offenbar we gen der Umzingelung Konstantinopels durch die Osmanen. Einige weitere Briefe der Sammlung beziehen sich zwar nicht auf persön liches Unglück, enthalten aber kritische Bemerkungen über Situationen, die an sich eher positiv zu bewerten wären. Kydones zeigt hier eine pessimis tische Tendenz, den negativen Aspekt stärker zu betonen. Ein erster solcher Brief, 135( 1 14), im Herbst 1373 aus Lesbos an einen befreundeten Beamten im Kaiserpalast gerichtet, erweckt zunächst den Eindruck, als freue er sich darüber, auf der Insel als Gast des Francesco Gattilusio die erhoffte Erho lung von seinem gewohnten Alltag in Konstantinopel zu finden. Er beginnt mit einer ironisch gefärbten rhetorischen Frage: "Wirst du glauben können (... )", bezogen auf die für ihn ungewöhnliche Freizeitbeschäftigung, die Jagd, für die er früher den Adressaten getadelt hatte, und er bleibt bei der Selbstironie mit den Worten: "Ich muss sogar befürchten, dass ich in Kürze alles vergesse und in der Jägerei mein Lebensziel finde. Sie hat ja auch et was von der Lust, die gemäß Platon90 die Seele wie ein Nagel an den Körper heftet." Grund dafür, dass die Jagd hier mehr Freude mache als im Bereich Konstantinopels, sei das reichliche Vorhandensein aller notwendigen Gege benheiten: Pferde, Hunde, Jagdgefährten, und als Jagdbeute Rebhühner, mehr als Eulen in Athen. Aber dann folgt doch die kritische Bemerkung, dass er hier notgedrungen Belustigung gegen Bildung9 1 eintausche, denn au ßer dem Herrscher (Francesco Gattilusio) habe die Insel nichts Geistreiches (aU'IELov) und für ihn Erstrebenswertes zu bieten; man könne sich ' nur den Bauch mit der Jagdbeute füllen, und der Intellekt (bLci:VOLlX) gehe leer aus. Auch der Brief aus dem Frühjahr 1382, 202(219), in dem Kydones über das Scheitern einer Gesandtschaft an Francesco Gattilusio von Lesbos be richtet, zeigt die Tendenz zu einer negativen Sicht der Ereignisse. Er beginnt mit dem Bedauern, dass sein Freund Rhadenos gerade zu einer Zeit nach Konstantinopel gereist war, als er selbst sich in Mitylene aufhielt. Der Ort erscheint Kydones nun durchaus unerfreulich. Hier leben Barbaren, die nicht mit dem Griechischen vertraut sind, die Insel ist von Armen bewohnt und im Ganzen recht hässlich. Zudem erweist sich die Gesandtschaft als schwierig, weil die Beziehungen zwischen Johannes V. und seinem Schwager Frances co, dem Ehemann seiner Schwester Maria, nicht mehr die besten sind. So ge stalten sich auch die Verhandlungen zäh. Gegenwärtig muss Kydones einen
90 Phaidon 83d. 9 1 Griech. rnlv 7taLb..av rrii c; 7taLbdac;, WortspielIParonomasie.
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Beschluss des Kaisers abwarten, wie nun zu verfahren ist. Das Warten er 2 höht noch seine Langweile und Unzufriedenheit.9 Analyse zu 1.2.3, Privates Unglück
Wesentliche Elemente dieser Thematik sind: 1) Quälende Trauer um verstor bene Familienangehörige.93 2) Enttäuschte Hoffnung;94 Metaphern der Ent täuschung: sie ist ein verzehrendes Feuer, das man ständig in sich trägt; sie lässt den Betroffenen dahinwelken wie eine von niemandem begossene Pflanze.95 3) Das Un�lück des byzantinischen Reiches wird als persönliches 6 Unglück empfunden. 4) Das Unglück kann durch Ergebung in den Willen 7 Gottes bewältigt werden. 9 5) Während eines Aufenthaltes auf der Insel Les bos spricht Kydones deutlich seine Enttäuschung über das geistlose Klima dort aus. 98 1.3 Dank für empfangene Wohltaten Die bisher behandelten Themenkreise zur eigenen Person gehen eher von ne gativen Tatbeständen aus. Es lassen sich aber auch einige positive beob achten. So wurde bisher gezeigt, dass Kydones sich öfter gezwungen sah, ausbleibende Besoldung beim Kaiser anzumahnen.99 Es ist aber auch eine Reihe von Briefen erhalten, in denen sich Kydones für empfangene Wohlta ten bedankt. Unter diesen enthält Brief 83(0142) auch einmal ausdrücklichen Dank an Johannes V. für eine erfolgte Zahlung. Hier verleiht Kydones sei nen Dankesworten durch eine Klimax von Hyperbeln Nachdruck: Die Zah lung brachte mehrfache Freude, erstens als kaiserlicher Hulderweis, zweitens als Hilfe in finanzieller Verlegenheit und drittens als direkte Reaktion des Kaisers auf seine Bitte, die nicht der Vermittlung bedurfte: "Wir waren nicht gezwungen, die Türen derer zu umschmeicheln, die für uns bitten könnten; denn das scheint wohl allen abscheulich, weil es die Offenheit der Gesin nung verdirbt." Am Schluss fügt Kydones seinem Dank noch den bei ihm so
92 Es sei hier bemerkt, dass Kydones auch das Gefühl der Sorge um seine Freunde mehrfach als persönliches Unglück empfindet; siehe unten, 2.3. 93 Br: 1 1 0(50). 94 Br: 436(43 1), 443(428). 95 Br: 436(43 1). 96 Br: 436(43 1). Vgl. aber zu diesem Thema ausführlicher unten, 4. 1 . 1 . 9 7 Br: 436(43 1). 98 Br: 1 3 5 ( 1 1 4). Vgl. Br: 202(2 1 9) mit deutlicher Kritik an den Bewohnern von Lesbos als "Skythen" und "Barbaren". 99 Siehe oben, 1 .2.2.
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häufigen Topos der Überbietung an: Das empfangene Geld sei ihm aus den genannten Gründen wertvoller als der sprichwörtliche Reichtum des antiken Königs von Lydien, Kroisos. Eine vergleichbare Überhöhung des empfangenen Geschenkes gelingt Kydones auch in dem kurzen Briefchen 128(0 145). Ein Freund hat ihm Öl, zweifellos Olivenöl, geschenkt, und er berichtet ihm, dass er auch anderen etwas von dem Öl gegeben habe, "denn wir meinten, mit dem Öl eines Ge rechten müssten viele gesalbt werden." Dieser Schlusssatz des Briefes ent hält also mit der Anerkennung der geschenkten Menge, die für mehrere Per sonen reichte, zugleich ein persönliches Kompliment für den Geber. Der Dankesbrief 79(85), 1371, für ein Geschenk des Manuel Palaiologos wird ausführlich im Zusammenhang der Enkomien auf ihn behandelt.1 oo In Brief 192(0196) bedankt sich Kydones enthusiastisch für einen (leider nicht erhaltenen) Brief Kaiser Manuels, in dem dieser ihn besonders gelobt hatte. Auch hier steigert Kydones seinen Dank durch eine Reihe von überhö henden Elementen: Ehrung ist als Lohn der Tugend etwas Göttliches. Die Ehrung übertrifft so sehr den tatsächlichen Wert seiner Person, dass sie selbst Platon und Demosthenes hätte erröten lassen. Der Ehrende ist ein Kai ser, der in höchstem Maße dem Ideal Platons entspricht. Er ließ Kydones eine Ehrung zukommen, die sonst nur Kaisern zuteil wird. Daher ist ihm die ser Brief wertvoller als alles Gold über und unter der Erde. Noch wertvoller aber ist er deshalb, weil Kydones den Kaiser liebt und nun von ihm die Be stätigung seiner Gegenliebe erhalten hat. Durch seine Zuneigung fühlt er sich zu höherer Würde erhoben. Es bekümmert ihn nur, dass er nicht adäquat danken kann. Aber dieses Unvermögen, seinem Wohltäter zu vergelten, teilt er mit allen anderen. Als einzige Gegengabe bleibt ihm daher nur das Gebet für den Kaiser. Er will fortan bei Gott ein Herold der Wohltaten sein, die er von Kaiser Manuel empfing. Einen anderen Anlass, Kaiser Manuel zu danken, bezeugt Brief 259(242) aus dem Jahr 1383. Der Kaiser, der sich damals in Thessalonike aufhielt, hatte Kydones auf seinen Wuns,ch eine Platonhandschrift aus einem Athos kloster zukommen lassen. Das Schiff, das sie transportierte, war von türki schen Seeräubern überfallen worden. Wahrscheinlich war es eine Folge dieses Überfalls, dass die Handschrift in sehr beschädigtem Zustand in Ky dones' Hände gelangte. Dieser ist dennoch glücklich, dass sein Wunsch er füllt wurde, und wendet nun in seinem Dankesbrief die rhetorische Figur der Prosopopoiie an, indem er die Handschrift mit der Person Platons gleich-
1 00 Siehe unten, 2. 1 . 1 .4.
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setzt. So beginnt der Brief mit dem Satz: "Mit knapper Not ist der Sohn des Ariston ( Platon) dem Gefängnis, den Fesseln und den Tyrannen (Anspie lung auf das Athoskloster) entkommen und für uns gerettet worden." Dieser Platon aber hat mit dem historischen gemein, dass er in die Hände von See räubern fiel, wie die Legende von ihm berichtet, dann aber wie jener in die Freiheit zurückkehrte, indem er zu Kydones gelangte. Damit lenkt Kydones zu seinem eigentlichen Thema, dem Dank, über, den er die Handschrift selbst aussprechen lässt: "Er dankte dir persönlich für seine Freiheit und be wog uns dazu, jetzt auch die Tatkraft dessen zu bewundern, den wir früher nur wegen seines Wohlwollens lobten." Das Stichwort "Tatkraft" gibt Kydo nes dann Gelegenheit, dem Kaiser zu wünschen, er möge diese auch im Kampf gegen die äußeren Feinde ( die Türken, gegen die er die Stadt Thes salonike verteidigt) beweisen. Als Zeichen seines Dankes und als Gegenge schenk will Kydones nun überall propagieren, dass in der Person Manuels, der die Weisheit über die Maßen liebt, der von Platon geweissagte Philo sophenkönig bzw. -kaiser (cj)lA6aocpoc; ßaaLAflJC;) erschienen sei. Brief 280(0294) ist an einen unbekannten Freund des Kydones gerichtet, dem dieser für seinen leider vergeblichen Versuch, einen Patriarchen von Konstantinopel, wahrscheinlich Neilos I. Kerameus (1380-88), mit ihm zu versöhnen, seinen Dank abstattet. Das eigentliche Anliegen dieses Briefes ist aber der Wunsch, durch eine weitere Vermittlung des Freundes eine von ihm selbst verfasste Schrift zurückzuerhalten, die der Patriarch verurteilt und dann einbehalten habe. 1 0 1 Es besteht Anlass zu der Annahme, dass es sich um das religiöse Testament des Kydones handelt, in dem er sich ausdrücklich zum Filioque bekennt und den Palamismus verwirft. 102 Brief 317(0339) ist an einen Patriarchatsbeamten im Rang eines Megas Chartophylax (Leiter der Patriarchatskanzlei) gerichtet, in dem Kydones sich für eine Gefälligkeit bedankt, die über seinen eigenen Wunsch hinausging. Sein Diener, ein junger Mann, war von einer frechen Schwindlerin betrogen worden, die einen Vertrag zu seinen Ungunsten mit ihm abschloss, und der Chartophylax hatte nicht nur, wie Kydones gewünscht hatte, einen Aufschub der Erfüllung bewirkt, sondern den Vertrag gänzlich annulliert. Wegen der Kritik, die Kydones am Schluss des Briefes an seinem Diener übt, ist es nicht auszuschließen, dass der hier ausgesprochene Dank ironisch gemeint ist. =
=
1 0 1 Wegen dieser Thematik wird der Brief oben, in Abschnitt 1 . 1 .2, bereits erwähnt. 1 02 Zu diesem Werk des Kydones siehe TINNEFELD, Kydones 111 , 67, Nr. 1 .7.2. Die dort vor geschlagene Datierung des Schrift auf die 70-er Jahre des 1 4. Jh. wird in TINNEFELD, Ky dones III, 1 90, Kommentar, II, BKyd auf ca. 1 3 84 korrigiert.
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In zwei Briefen, 4 1 2(04 1 6) und 4 1 6(04 1 9) spricht Kydones jeweils einem Mönch seinen Dank aus. Im ersten Schreiben formuliert Kydones den Dank für erwiesene Dienste mit einem Gebet für den Empfänger. Da dieser ein Mönch ist, betet Kydones für ihn nicht um weltliche Dinge wie Gesundheit und Reichtum, Ehre und Ruhm, sondern um die Bereitschaft, Gottes Willen zu tun und beharrlich den Weg der Tugend zu gehen, was Gott mit der Krone der Gerechtigkeie 03 belohnen möge. Mit diesem Wunsch verbindet Kydones schließlich die Hoffnung, der Mönch werde auch ihm selbst durch seine Gebete einen guten Lebensweg erflehen. Im zweiten Brief, 4 1 6(04 1 9), dankt Kydones in überschwänglicher Weise einem Mönch namens Natha nael, der ihm in einem vorausgehenden Brief sein fürbittendes Gebet ver sprochen hat. Er erbittet sich nun weitere solche Briefe und verspricht, sie zu beantworten, schon als Zeichen der Dankbarkeit, obwohl er bescheiden an deutet, er könne ihm für Gold nur Erz zurückgeben. In der gesamten Korrespondenz des Kydones finden sich aber keine tiefer empfundenen Dankesbriefe als zwei an Kaiserin Helene, Tochter seines ers ten kaiserlichen Herrn Johannes VI. Kantakuzenos und Gattin seines zweiten Herrn, des Kaisers Johannes V. Palaiologos. Seine Dankbarkeit deutet er be reits (in den achtziger Jahren?) in einem kurzen Brief, 256(0262), an. Er ist das Begleitschreiben zu einer von ihm verfassten Lobrede auf den römischen Diakon St. Laurentius 104 (3. Jh. n. Chr.), um deren Zusendung die Kaiserin ihn gebeten hatte. In dem Brief betont Kydones, er komme ihrem Wunsch aus Dankbarkeit für ihre nicht näher beschriebene große Hilfe nach, obwohl seine literarische Leistung als völlig nebensächlich zu beurteilen sei. 105 Etwa zehn Jahre nach diesem Präludium schrieb Kydones Brief 222 (442) 106 an die Kaiserin, den längsten der ganzen Briefsammlung. Hier zieht er eine Bilanz der Dankbarkeit, die er keinem anderen Adressaten auch nur annähernd zukommen lässt. Der in der Edition 204 Zeilen umfassende Brief ist in vier Abschnitte gegliedert. Eingangs fasst Kydones zusammen, was er der Kaiserin zu verdanken hat (Z. 4-32). In einem langen zweiten Teil stellt er die schweren Schicksale dar, die ihr Leben überschatteten und einen Höhepunkt mit ihrer Inhaftierung durch den eigenen Sohn (Andronikos) er reichten (Z. 33-1 25). Dieser Teil ist vor allem deshalb so ausführlich abge fasst, damit Kydones im dritten Teil umso deutlicher zeigen kann, wie wun-
1 03 Anspielung auf NT 2 Tim. 4, 7f. 104 Siehe oben, 1 . 1 .3, Br. 2 1 5(0223 ). 1 05 Dies ist natürlich ein, in den Briefen des Kydones häufig vorkommender, Bescheiden heitstopos. Zu diesem Briefvgl. auch KlANKA, Empress Helena, 1 5 9. 1 06 Zu diesem Brief vgl. auch KlANKA, Empress Helena, 1 6 1-1 63.
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derbar die Kaiserin nach Jahren des Leidens ihr Wohlwollen für ihn bewahrt hat (Z. 125-157). Im vierten und letzten Teil preist Kydones ihren frommen Entschluss, sich nach dem Tode ihres Gatten in ein Kloster zurückzuziehen, und bittet sie, ihm auch dort ihr Wohlwollen zu bewahren und gelegentliche Besuche dort nicht zu verwehren (Z. 15 7-204). Der Dank im ersten Teil beginnt mit einem Vergleich a minore ad maius der Wohltaten, die Gott anderen und Kydones selbst zukommen ließ: ande ren diverse Güter, die ihnen nützlich waren, ihm selbst aber die sorgende Zu wendung der Kaiserin, in der ihm alles Gute zuteil geworden sei, was Men schen sich vorstellen können. Diese Erfahrung ihrer Huld habe ihn sein Leben lang begleitet und ihm alles, ja mehr gegeben, als er sich habe wün schen können. An erster Stelle nennt er großzügige Geldzuwendungen, deren Bedeutung erst vor dem Hintergrund seiner häufigen Klagen über die aus bleibende Besoldung durch Johannes V. verständlich wird. 107 Neben diesen Geschenken nennt er auch Ehrungen, welche die Kaiserin bei ihrem Gatten für ihn erwirkte, und das Lob, das er immer wieder aus ihrem Munde gehört und das auch die öffentliche Meinung zu seinen Gunsten beeinflusst habe. Damit nicht genug, habe sie ihn oft aus schwierigen Situationen und vor sei nen Widersachern gerettet und auch seinen Angehörigen ihr Wohlwollen zukommen lassen. So habe sie nicht nur die menschenfreundlichsten Herr scher, sondern auch die liebevollsten Eltern übertroffen. 108
Die Güte, welche die Kaiserin ihm erwiesen habe, sei aber umso erstaun licher gewesen, als sie auch durch die ständige Abfolge unliebsamer und so gar schreckenerregender Ereignisse in ihrem Leben nicht gemindert worden sei. Gott habe ihre Tugend wie die des Dulders Hiob durch Leiden erprobt und sie dadurch erst als dauerhafte Haltung erwiesen. Vor allem nennt Ky dones als ständig andauernden Schmerz, den ihr das Leben zugefügt habe, einen zerstörerischen Familienzwist, in dem die gütige Kaiserin zwischen den Fronten stand. Kydones denkt hier zuerst an die kriegerischen Ausein andersetzungen zwischen ihrem Vater Johannes Kantakuzenos und ihrem Gatten Johannes Palaiologos, dann aber auch an den Zwist zwischen ihrem Gatten und ihrer beider ältestem Sohn Andronikos. Dieser Zwist eskalierte
107 Die Briefe mit Klagen über ausbleibende Besoldung sind in der vorliegenden Untersu chung je nach ihrem Adressaten und ihrem inhaltlichen Schwerpunkt unter verschiede nen Kategorien eingeordnet. Siehe oben, 1.1.1: Br: 234(298); 1.1.2: Br: 168(146), 237 (400); 1.2.2: Br: 70(98), 139(149),386(382). Siehe auch unten, 2.4.2.1: Br. 407 (0413); 3.2.1: Br. 50(42),115(96),138(117). 108 Zuneigung, welche die von Eltern und anderen nahen Angehörigen übertreffe, ist ein bei Kydones beliebter Topos der Überbietung.
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zur Katastrophe, als Andronikos im August 1376 in Konstantinopel die Macht ergriff und seinen Vater Johannes V. und seine Brüder Manuel und Theodoros inhaftierte. Während dieser Zeit habe sie unbeschreibliche See lenqualen erlitten. Sie habe vergeblich zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln versucht und sich von beiden Seiten nur Vorwürfe zugezogen. Als sich im Juni 1379 Kaiser Johannes und seine beiden Söhne aus der Haft be freien konnten, gab Andronikos seiner Mutter die Schuld daran und ließ nun sie selbst, zusammen mit ihrem Vater, dem Exkaiser und Mönch Johannes Kantakuzenos, mit ihren zwei Schwestern und mit einer Tochter bei seinen Bundesgenossen im genuesischen PeraiGalata jenseits des Goldenen Hornes unter unzumutbaren Bedingungen einkerkern. Es dauerte etwa zwei Jahre, bis sie aus dem Gefängnis befreit wurde. Kydones bemüht sich, diese Haft als so demütigend und qualvoll wie möglich zu beschreiben, um dann das Wiedersehen mit ihr umso bewegender erscheinen zu lassen: Als sie nach ihrer Befreiung ihren Verehrerinnen und Verehrern eine Audienz gewährte, an der auch Kydones teilnahm, erwies sie ihm ihre uneingeschränkte Huld und zeigte, wie er bemerkt, nichts von dem koketten Geziere, das er von an deren vornehmen Damen gewohnt war. Vielmehr ließ sie sich auch durch das vergangene Unglück nicht die Erinnerung an den Freund trüben, sondern schaute ihn gütig an; in ihrem Gedächtnis nahm er seinen altgewohnten Platz ein, und sie bat ihn, auch er möge ihr seine treue Gesinnung bewahren. "Mit den Worten, die du damals sprachst, scheint mir nichts vergleichbar, sondern ich zähle mich zu den glücklichsten Menschen, weil ich solches zu hören be kam." Auch bei dieser Gelegenheit habe sie ihn reich beschenkt und ihm ho he Ehrungen erwiesen. Das überaus positive Bild, das Kydones hier von der Kaiserin zeichnet, wird durch ihren kurz zuvor gefassten Entschluss, nach dem Tod ihres Gat ten im Februar 139 1 ins Kloster zu gehen, vollendet. Sie verteilte nun ihren Besitz an die Armen und bedachte auch noch ein letztes Mal ihren treuen Diener mit einer großzügigen Gabe. Wertvoller aber als alles Materielle und sein kostbarster Besitz, beteuert Kydones, sei ihm die Ehrung durch eine solch edle Frau gewesen. Es gin ge an der Realität vorbei, hier eine subli mierte Romanze oder gar eine vorwiegend materiell motivierte Beziehung zu vermuten. Es ist Kydones vielmehr gelungen, in der schlichten Sprache die ses Briefes eine geistige und zutiefst persönliche Freundschaft mit einer Frau überzeugend darzustellen und eine Dimension der eigenen Persönlichkeit zu zeigen, die sich nur in wenigen anderen seiner Briefe so weitgehend enthüllt.
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Analyse zu 1.3, Dankfor empfangene Wohltaten 1) Eine von Johannes V. empfangene Zahlung wird mit einer Klimax von Hyperbeln gelobt, die in den Topos der Überbietung münden, sie sei kostba rer als der Reichtum eines Kroisos (Krösus). 109 2) Kydones dankt für ein Ge schenk (Olivenöl) durch das ehrende Kompliment für den Geber, er sei ein Gerechter. 110 3) Er dankt für einen Brief von Kaiser Manuel durch eine aus führliche Analyse seines Wertes für den Empfanger1 11 und demselben Kaiser für die Zusendung einer Platonhandschrift, deren Schicksal er mit dem Pla tons gleichsetzt: Kaiser Manuel hat Platon von den Tyrannen (sc. Mönche eines Athosklosters) und zudem noch aus der Hand von Seeräubern be freit. 112 4) Nicht ohne Ironie dankt er einem Patriarchatsbeamten, der seinem unleidlichen Diener größere Gunst erwies, als er für ihn erbeten hatte.l13 5) Einem Mönch dankt er für sein Gebet. 114 6) Im großen Dankesbrief 222 (442) an Kaiserin Helene vergleicht er (a minore ad maius) die Wohltaten, die Gott anderen erwiesen habe, mit den viel größeren, die er ihm selbst durch die Kaiserin zukommen ließ, nämlich Geldzuwendungen, Ehrungen und Hilfe in schwierigen Situationen. Er dankt für ihre unveränderliche Huld auch in Zeiten der schweren Leiden, die sie bedrängten. 1.4
Begründung oder Verteidigung des eigenen Standpunktes oder des eigenen Tuns
1.4.1 Verteidigung der eigenen Glaubensüberzeugung Die Vorliebe für das lateinische Christentum, die Kydones' ganzes Leben prä te, zeichnete sich bereits in dem frühen Brief 378(40) an Neilos Kabasi � las1 5 ab, bei dem er aber, wenn auch bereits auf der Basis der hohen Mei nung, die er sich von der römischen Kirche gebildet hatte, noch Auskunft und Orientierung suchte. In Brief 36(72), geschrieben im Sommer 1370 aus Italien an den hochgestellten Richter Andronikos Oinaiotes, nach der Kon version seines kaiserlichen Herrn zum römischen Glauben, zeichnet sich ein 109 110 111 112
Br. 83(0142). Br. 128(0145). Br. 192(0196). Br. 259(242). Vgl, dazu Franz TINNEFELD,
Demetrios Kydones: His Cultural Back
Macedonian Studies,N.S. 3 (1989) 33-43, hier 38f. 113 Br. 317(0339). 114 Br. 412(0416) und 416(0419). Im ersten Brief spricht Kydones dem Mönch selbst seinen Dank in Form eines Gebetes aus. 115 Ausführliche Analyse des Briefes oben unter 1.1.1, am Anfang. ground and Literary Connections in Thessalonike,
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Konflikt des Kydones mit der byzantinischen Orthodoxie bereits deutlich ab. Eingangs beklagt er sich, dass der Freund ihm auf zwei bereits aus Italien an ihn gesandte Briefe nicht geantwortet habe, und er vermutet: "Anscheinend hat der Lateiner, die allgemeine Pflicht, dieses wilde Tier zu meiden und das fast sichere Verderben aller, die sich mit ihm auf Gespräche einlassen, auch dich dazu gebracht, den früheren Freund zu verleugnen und durch Verzicht auf brieflichen Verkehr mit ihm seinen Verleumdern einen Gefallen zu tun." Kydones spricht also hier in ironischer Weise die Sprache der Antilateiner, in deren Gefolge offenbar auch Oinaiotes j etzt den Kontakt mit dem "Rene gaten" abgebrochen habe. Dann aber lässt er unter Anwendung der Redefi gur der Ethopoiie den Lateiner schlechthin bzw. das alte Rom selbst argu mentieren. In einer fingierten Rede erinnert "der Barbar" (wie Kydones ironisch "den Lateiner" bezeichnet) und zugleich mit ihm die personifizierte Stadt Rom, zunächst an die alten Zeiten, als ihre Herrschaft politisch noch den ganzen bewohnten Erdkreis umspannt habe. Als aber der wahre Gott (Jesus Christus) die falschen Götter besiegte und alle sich ihm als dem wah ren König unterordnen mussten, sei die Macht des alten Rom ungebrochen geblieben, denn es sei nun zur Hauptstadt des Reiches Christi geworden. Nicht ohne Stolz fährt das alte Rom mit seiner Rede fort: "Und erneut wurde für Herrscher und Völker wie zuvor meine Entscheidung zum Gesetz, und es kamen von allen Gesandte zu mir, die auf meinen Wink warteten." Selbst der Adressat Oinaiotes verdanke seinen Titel "Großrichter (Ka8oALKoC; KQL 'tf]C;) der Rhomäer" diesem alten Rom, von dem das darauffolgende (Kon stantinopel) seinen Namen empfangen habe. Und der Brief schließt mit den Worten: "Wenn er (sc. der Lateiner) so spricht, was wirst du von Rechts we gen sagen und zu deiner Verteidigung vorbringen? Sicherlich wirst du ver stummen und zugeben, er rede recht, zumal du siehst, dass ihm ja auch die 116 ganze Welt beipflichtet. Schreib also den Freunden und lass die Nichtse weiterfaseln. Es passt ja nicht zu einem Mann wie du, über die erhabenen Dinge ebenso wie alte Weiber zu denken." Aber nicht nur als Anhänger der römischen Kirche und ihres Universalis mus erregte Kydones bei seinen orthodoxen Zeitgenossen Anstoß, sondern auch als Gegner der 1351 in Koristantinopel dogmatisierten Lehre von den göttlichen Energien, die Gregorios Palamas und seine Anhänger entwickelt hatten und als genuine Lehre der Väter propagierten. In Brief 116(102), 1372/73, an den Großrichter und Palamiten Demetrios Angelos Manikaltes in Thessalonike geschrieben, verteidigt Kydones ausdrücklich die Ableh-
116 Hier argumentiert Kydones mit dem universalen Anspruch der römischen Kirche.
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nung dieser Theologie, die im Zusammenhang mit den mystischen Erfahrun gen der Hesychastenmönche konzipiert worden war. 117 Anlass des Briefes war ein Besuch seines Freundes Konstantinos Asanes in Konstantinopel. Er hatte nicht, wie Kydones hoffte, einen Brief von ManikaYtes mitgebracht, was er mit dessen Äußerung erklärte, Häretikern brauche er nicht zu schrei ben. Dies habe Kydones vor allem deshalb betrübt, weil er fürchten müsse, dass der Adressat selbst an der Krankheit leide, die er ihm vorwerfe, wenn er die Verteidiger der alten und allgemein angenommenen Lehre über Gott Hä retiker nenne. Kydones gibt also die gegen ihn vorgebrachte Anklage an den Ankläger zurück. Er habe seinen Vorwurf zwar nicht ausdrücklich begrün det, aber er gehe davon aus, dass er ihn wegen der Ablehnung der "neuen" Theologie des Palamas tadle. Er lehne diese Theologie allerdings ab, weil sie mit der Annahme einer Vielzahl göttlicher Energien bzw. Gottheiten die Ein heit Gottes in Frage stelle. Der Adressat aber müsse sich entscheiden, ob er an die Einheit Gottes oder an die vielen Energien, die mit dieser unvereinbar seien, glauben wolle. Und Kydones fährt fort: "Wenn du aber wohl akzep tierst, dass wir einen Gott bekennen, aber darüber ungehalten bist, dass wir ihm nicht noch mehrere Gottheiten beigeben, weil du glaubst, die eine Gott heit genüge ihm nicht, sondern er müsse sich ihrer in der Mehrzahl bedienen wie die Reichen ihres Hausrats, so glauben hingegen wir, 0 Wunderbarer,118 in dem Wissen, dass Gottheit und Gott sich überhaupt nicht unterscheiden, mit der Zahl der Gottheiten gehe auch eine Vielzahl von Göttern Hand in Hand. Daher soll, wer von mehreren Gottheiten spricht, nicht denen zürnen, die ihn der Vielgötterei anklagen." Es folgt eine weitere theologische Erörte rung zur Ungereimtheit der Lehre von den Gottheiten (= Energien) Gottes, und Kydones schließt mit dem Gedanken, er wolle den Verteidigern dieser Lehre ihren guten Willen nicht absprechen, aber sie lieferten nur Schatten von Argumenten, mit denen sie sich selbst und die Einfältigeren ihrer Zuhö rer täuschten. So wünscht er, Manikartes würde besser an der vernünftigen und den heiligen Schriften entsprechenden Erkenntnis seines Kinderglaubens 117
seiner autobiographische Rede an Kaiser Johannes V.,Herbst 1371, LOENERTZ, Cydo 18f. (§ 17-18) und unten,Anhang II, Übersetzung,sagt Kydones es ausdrücklich, dass mehr als jeder andere Grund die in der Orthodoxie vorherrschende theologische Richtung, die Gott in Energien bzw. Gottheiten aufspalte (sc. der Palamismus),ihn ver anlasse, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen. Diese Lehre lehnte er selbst ebenso wie sein jüngst verstorbener Bruder Prochoros entschieden ab und sah sich dabei bestätigt durch Thomas von Aquin,dessen Werke er ins Deutsche übersetzte; vgl. unten, 3.5.3. 118 Griech. cD 8aul-1aulE, ironische Anrede des Sokrates an inkompetente Gesprächspartner in Platons Dialogen. In
nes I,
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festhalten, als die neue Lehre zu propagieren. In jedem Fall aber werde er in Kydones nicht weniger als zuvor einen Freund haben. Kydones zeigt sich al so hier großmütiger, als der unbesonnene Ankläger eigentlich verdient hat. 11 In einem weiteren Brief an ihn, 146(0181), nimmt er auf 116(102) Bezug. 9 Der Adressat hatte auf den ersten Brief des Kydones wohl längere Zeit nicht reagiert, was wegen der dort vorgebrachten scharfen Zurückweisung des Vorwurfs, er sei ein Häretiker, nicht verwunderlich ist. Kydones mahnt aber nun eine Antwort an und beginnt diese Mahnung mit einer geschickten Mischung von Lob, Tadel und Selbsttadel, die wohl die intendierte besänfti gende Wirkung nicht verfehlte: "Es ist zwar kühn, einen Richter der Unge rechtigkeit zu zeihen, noch kühner aber, sogar dir dies anzuhängen, über des sen bewundernswerte Gerechtigkeit sich schon für die Zeit vor seiner Tätigkeit als Richter wegen seiner Lebensführung alle einig sind. Daher schreibe ich dein Schweigen mir selbst zu, überzeugt, mich in solcher Weise gegen deine Gerechtigkeit verfehlt zu haben, dass du dich gezwungen sahst, mich so schwer zu bestrafen." Doch wünscht Kydones von Manika'ites nun ausdrücklich den Grund seines Zornes zu erfahren, der ihn, der früher so gern Briefe mit ihm austauschte, zum Schweigen veranlasste. Oder sei der Grund dafür der Brief gewesen, in dem Kydones sich und Konstantinos Asa nes gegen die Anklage der Gottlosigkeit verteidigte, also Brief 116(102)? Freilich habe damals aller Anlass zu einer Selbstverteidigung gegen lügen hafte Vorwürfe bestanden, so dass ein Jurist wie der Adressat daran nicht hätte Anstoß nehmen dürfen. Dennoch müsse Manika'ites einen vernünftigen Grund haben, wenn er das Schweigen als Strafe über Kydones verhänge, 120 denn "wegen einer kleinen Verfehlung,, würde er wohl niemals einem al ten Freunde böse sein. Wenn er aber anderen Freunden zu Gefallen Briefe schreibe, solle er auch seinem alten Freund Kydones einen solchen Freund schaftsdienst nicht verweigern. Die umständliche Argumentation des Brie fes, die sich auch in manchen anderen Schreiben des Kydones findet, ist damit nur in groben Zügen wiedergegeben. Im Zusammenhang dieses Ab schnittes kommt es nur auf die Glaubensüberzeugung des Kydones an, die hinter dieser Argumentation steht; denn die Überlegung des Kydones geht von der Möglichkeit aus, dass Manika'ites die Korrespondenz aus Gefällig keit gegenüber den im palamitischen Sinne orthodoxen Gegnern des Kydo nes unterbrochen habe. In der Zeit um 1371/73, also bald nach der Rückkehr aus Italien, wo Kaiser Johannes V. seine politisch erfolglose Konversion vollzogen hatte, 119 Vgl. TINNEFELD, Kydones 11, 100, Kommentar, I, D. 120 Zitat aus Pseudo-Pythagoras, Aureum Carmen, S. 88 DIEHL.
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schrieb Kydones den polemischen Brief 131 (103) an einen Gegner der Latei ner im Bischofsrang. Dieser hatte bei einem Umtrunk mit Gästen jüngeren Alters einen langen antilateinischen Sermon gehalten. Als ihm von einigen der Anwesenden widersprochen wurde, hatte er aufgrund der zutreffenden Vermutung, dass sie ihre Gegenar:fiumente Demetrios Kydones verdankten, ! diesen als Verderb er junger Leute geschmäht. Kydones erfuhr am nächsten Tag von dem Streitgespräch und setzt sich nun in diesem Brief mit dem Bischof auseinander. Er beginnt mit dem geschickt formulierten Vorwurf, der Adressat habe sich unchristlich verhalten: "Es wäre mir am liebsten ge wesen, du hättest meiner niemals gedacht; sollte dich aber wieder einmal das Schicksal dazu zwingen, dann solltest du es wenigstens nur im Gebet zu Gott tun, da wir von ihm gelehrt werden, das Gute auch für die Feinde zu erbit ten." Er aber habe sich bei einem Trinkgelage das zusätzliche Vergnügen erlaubt, seinen Spott mit Kydones zu treiben, obwohl er doch als Bischof ein Vorbild nüchternen und besonnenen Verhaltens sein sollte. So möge er fort an Gott loben und für das Wohlergehen aller beten, seine Gäste aber statt mit Wein besser mit Wasser bewirten. Wenigstens aber solle er, wenn er schon die Lateiner lästere, von Kydones ablassen: "Es kann dir nämlich passieren, dass du nicht einmal meinen Ruf schmälern wirst, weil es viele gibt, die mich und dich genau kennen; du selbst aber wirst dir schaden, da du unter den Bischöfen als Lästerer dastehst, zumal auch das Fest wohlbekannt ist, an dem du Leute, die keinerlei Unrecht tun, verhöhnt hast." Hier spielt Kydones wahrscheinlich auf die Feier der Passion Christi im Zusammenhang mit dem Osterfest an, denn Jesus Christus wurde ebenfalls als ein Unschuldiger ge schmäht. Der lästernde Bischof befindet sich also in schlechter Gesellschaft. Die ausführlichste an einen Palamiten gerichtete Apologie der eigenen antipalamitischen Position im Briefcorpus des Kydones ist der in der Edition 141 Zeilen umfassende Brief 235(244) an den Metropoliten Isidoros Glabas von Thessalonike, verfasst 1382/83. Die Ausführungen des Briefes basieren auf einem Bericht über Äußerungen des Adressaten zur Person des Kydones, den Freunde ihm haben zukommen lassen. Eingangs wertet es Kydones als erfreulich, dass Glabas sich mehrfach sehr positiv über ihn geäußert habe; aber man habe ihm auch von scharfer Kritik berichtet. So soll er behauptet haben, Kydones habe völlig die religiöse Orientierung verloren und sei de nen ganz ähnlich, "die in der Finsternis umherirren und nicht die j äh abstür zende Wand vor ihren Füßen erkennen, sondern dem Abgrund geradezu ent gegeneilen." Noch schlimmer aber als dieser weitgehende Vorwurf sei die 121 Griech. bLacp8dQElv '(ou<; Apologie,23d und 24c.
VEOU<;.
Anspielung auf die Anklage gegen Sokrates: Platon,
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Behauptung des Glabas, Kydones wolle sich nicht belehren lassen, sondern liefere seine Seele absichtlich dem Verderben aus. Der Bericht seiner Freun de ende aber mit der ernüchternden Einschätzung, dass auch die von den An wesenden als Lob verstandenen Worte des Metropoliten nicht wirklich so gemeint waren, sondern den folgenden Tadel nur objektiver und glaubhafter erscheinen lassen sollten. Kydones beantwortet zunächst die Kritik des Glabas nicht mit offener Zurückweisung, sondern gibt vor, er halte die Berichte darüber für unglaub würdig, weil er Glabas besser kenne und ihm nichts Böses zutraue. Dann aber betont er doch, er müsse den Aussagen derer, die ihm freundlich gesinnt seien, Glauben schenken. Zur Verteidigung des Glabas bringt er aber zu gleich vor, seine Worte könnten pädagogisch und als nützliche, väterliche Zurechtweisung verstanden werden, und er betont, dass er diese Entschuldi gung den Freunden auch tatsächlich entgegengehalten habe. So sei er denn eher geneigt, dem Adressaten für seine frühere positive Beurteilung zu dan ken und die spätere negative als einen Versuch zu deuten, ihn durch Tadel zum Besseren zu lenken. Eines solle Glabas jedenfalls zur Kenntnis nehmen: Wenn er, Kydones, etwas sage, was der Wahrheit widerspreche, geschehe dies nicht aus böser Absicht, sondern infolge seiner Unwissenheit und seiner beschränkten Einsicht, die er bescheiden mit den winzigen Augen einer Fle dermaus vergleicht. Niemand würde doch gegen die eigene Überzeugung das Unwahre verteidigen, noch weniger aber im religiösen Bereich. Er ver sucht aber auch mit folgenden Argumenten den Verdacht zu widerlegen, dass er bestechlich sei und anderen zu Gefallen Unwahres verteidige: Das Interesse seiner Mitbürger an der religiösen und philosophischen Wahrheit sei derzeit so gering, dass niemand Gesinnung für Geld kaufen würde, und selbst wenn man es wollte, verfüge wegen der Raffgier der Türken niemand über das entsprechende Geld. Aber sogar wenn jemand ein hohes Beste chungsgeld zahlen könnte, wäre er doch in Gesinnungsfragen niemals käuf lich. Der Beweis, dass er niemandem zu Gefallen rede, sei ja gerade die Wahrheit, die er vertrete; sie bringe ihm bei seinen Landsleuten nur Ableh nung und Ärger ein. Dennoch werde er auch in Zukunft niemanden außer Gott fürchten. Aber er wolle nochmals konzedieren, dass er vielleicht aus Unwissenheit das für Wahrheit halte, was in Wirklichkeit Irrtum sei. Daher bitte er den Adressaten ausdrücklich, ihn von seiner Verblendung zu heilen. Die hier angebotene Unterwerfung unter die geistige Überlegenheit des Ad ressaten hat allerdings eine Grenze: Als Argumente will Kydones nur Zitate aus der Heilige Schrift und den Vätern sowie allgemein angenommene Sätze bzw. Axiome akzeptieren, nicht aber die Meinungen, Erfahrungen und Ge-
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fühle zeitgenössischer Lehrer. Damit spielt Kydones deutlich auf die visio nären Erfahrungen der Hesychasten an. Er sagt ausdrücklich, dass er die Lehre des Palamas (den er nicht namentlich nennt, sondern nur als den "So undso" bezeichnet) zwar wegen ihres Scharfsinnes und des leichten Weges, den sie zu Gott zeigt, respektiert und sogar bewundert, sie aber wegen der fehlenden Begründung durch Schrift- und Väterzitate oder durch allgemein angenommene Sätze nicht akzeptieren könne. Die zunächst in Aussicht ge stellte Akzeptanz der Unterweisung durch den Adressaten mündet also am Schluss des Briefes in die ausdrückliche Ablehnung jeglicher palamitischen Argumentation. Es ist in diesem Fall zu berücksichtigen, dass eine ursprüngliche, von Kydones ausdrücklich verworfene Fassung dieses Briefes, 235*(244*), exis tiert, die wesentlich konzilianter konzipiert ist. Dies gilt vor allem für die Mittelpassage Z. 18-44, in der Kydones die positive Beurteilung seines Kri tikers bis zum Enkomion steigert und schließlich ankündigt: "Ich werde dich auch in Zukunft weiter loben, auch wenn es nicht leicht ist, für deine Leis tungen die angemessenen Worte zu finden." Allerdings ist er auch schon in dieser ersten Fassung nicht bereit, von seiner theologischen Überzeugung abzurücken. Um die Abgrenzung des eigenen Standpunktes von der palamitischen Lehre geht es auch in Brief 384(0410) an einen ungenannten Freund. Dieser hatte Kydones berichtet, es sei ein von ihm verfasster Text über die Ver 122 kündigung an die Jungfrau Maria in einem größeren Kreis verlesen wor den. Kydones hatte die Predigt einem anderen Freund nur zur privaten Lek türe zugesandt und sich ausdrücklich verbeten, sie öffentlich bekannt zu machen. Dieser aber hatte das Verbot auf besagte Weise ignoriert, und der Adressat hatte Kydones von einer freundlichen Aufnahme des Werkes bei den Zuhörern berichtet. Nur ein einziger Mangel sei getadelt worden, und Kydones kennzeichnet diesen Tadel als palamitisch. Er habe nämlich, sagten die Kritiker, das Gutsein Gottes mit seinem Wesen gleichgesetzt, während es aus der Sicht der Palamiten, wie alle anderen Eigenschaften Gottes, eine der Gottes Wesen gleichsam umhüllenden, aber von diesem verschiedenen Ener gien sei. Kydones hält nun dem Adressaten triumphierend entgegen, dass die kritisierte Äußerung nichts anderes als ein wörtliches Zitat aus einem Werk 123 des angesehenen theologischen Lehrers Basileios von Kaisareia sei. "Des halb sollen sie von mir ablassen und, wenn sie wollen, gegen ihn und seine 122 Siehe TINNEFELD, Kydones 111,64,N r. 1.2.1. 123 Das Zitat ist authentisch; es stammt aus Basileios,De Kydones IV, 172,Kommentar,Anm . 7).
spiritu sancto
(siehe
TINNEFELD,
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Aussagen polemisieren. Ich aber werde, gedeckt mit dem Schild des Basi leios, die Angreifer abwehren." Und er vergleicht seine Kritiker mit Käfern, die sich einen Wettflug mit Adlern anmaßen. In Brief 328(317), etwa im Jahr 1386 an einen Freund in Thessalonike gesandt, begründet Kydones, warum er die Streitschrift des Riccoldo Pennini gegen den Islam ins Griechische übersetzt habe. Er betont, dass der Verfas ser, ein Dominikaner, ein theologischer Experte sei, dessen Werk er nach Byzanz gleichsam einfUhren wolle wie ein Kaufmann seine Waren, zumal er selbst nicht genug im Islam bewandert sei, um Entsprechendes selbst zu ver fassen. Er wertet es als positive Qualität der Schrift, dass sie den Islam der Lächerlichkeit preisgibt, anstatt sich ernsthaft mit ihm auseinanderzusetzen. Den lateinischen Titel des Werkes "Contra legern Sarracenorum" nutzt er zu einem Wortspiel: "Ich schicke dir das Buch, welches gegen das gesetzwid rige Gesetz von einem Mann geschrieben wurde, der in den göttlichen Ge setzen bewandert ist." Die ablehnende Haltung des Kydones gegenüber dem Islam, die auch in anderen Briefen und Werken bezeugt ist, ist politisch und religiös begründet, denn die muslimischen Türken waren aus seiner Sicht die Todfeinde des untergehenden römisch-byzantinischen Reiches und der christlichen Religion.
Analyse zu 1.4.1, Verteidigung der eigenen Glaubensüberzeugung 1) Kydones, von einem Freund als Verräter der Orthodoxie getadelt, nimmt zunächst ironisch die Diktion der Antilateiner an und skizziert den Lateiner als wildes Tier und Verderben der Orthodoxen. Dann aber lässt er in einer Ethopoiie den Lateiner, den er ironisch als "Barbaren" bezeichnet, das alte Rom als die Hauptstadt des Reiches Christi verteidigen. 124 2) Er wendet sich gegen gegen den Vorwurf, ein Häretiker zu sein, weil er die Lehre des Pala mas ablehne, und bezeichnet Palamas seinerseits als Häretiker, weil die "Gottheiten" ( göttliche Energien), an die er glaube, nichts anderes als eine Vielzahl von Göttern seien. 125 Durch eine geschickte Mischung von Lob, Ta del und Selbsttadel versucht er den palamitisch gesinnten Adressaten, der den Brief nicht beantwortete, in einem zweiten Brief zu besänftigen.126 3) Ein Gegner der Lateiner im Bischofsrang hatte Kydones (unter Anspie lung auf die Anklage der Athener gegen Sokrates) als Verderber der Jugend getadelt.127 Kydones hält ihm vor, er habe sich unchristlich verhalten. Zur =
124 125 126 127
Br. 36(72). Br. 116(102). Br. 146(0181). Br. 131(103).
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Zeit der Feier der Passion Christi habe er einen - wie Christus Unschuldigen geschmäht. Stattdessen hätte er für den Geschmähten beten sollen. Außerdem sei er betrunken gewesen. So solle er denn in Zukunft bes ser Wasser trinken. 4) Kydones hatte von Freunden gehört, der Metropolit seiner Heimatstadt Thessalonike Isidoros Glabas habe ihn kritisiert, er sei völlig orientierungslos und liefere sich willentlich dem Verderben aus. Er könne kaum glauben, dass Isidoros dies gesagt habe, könne aber am Wort seiner vertrauten Freunde nicht zweifeln. So müsse er annehmen, Isidoros habe aus väterlicher Sorge gesprochen und ihn konstruktiv zurechtweisen wollen. Jedenfalls widerspreche Kydones dem, was Isidoros für Wahrheit halte, nicht mit böser Absicht. Er sei bereit, sich von ihm belehren zu lassen, akzeptiere aber als Argumente nur Zitate aus der Heiligen Schrift und Leitgedanken aus den Schriften der Väter, die nach seiner Überzeugun eine i Begründung der palamitischen Energienlehre nicht liefern könnten.12 5) In einem Kreis palamitisch gesinnter Theologen war eine Schrift des Kydones kritisiert worden, weil er hier das Gutsein Gottes, nach Auffassung der Pa lamiten eine Energie, mit seinem Wesen gleichsetze. Kydones kann ihnen triumphierend entgegenhalten, dass der beanstandete Satz ein wörtliches Zitat aus einer Schrift des Basileios von Kaisareia ist. So müssen seine Kritiker es sich gefallen lassen, mit Käfern verglichen zu werden, die sich einen Wettflug mit Adlern anmaßen.129 6) Weil zur Lebenszeit des Kydones die Muslime das Reich bedrohen, ist er auf den Islam nicht gut zu sprechen. In einem seiner Briefe130 erläutert Kydones, warum er die antiislamische Streitschrift eines Dominikaners ins Griechische übersetzt habe. Er wolle dessen Werk gleichsam wie ein Kaufmann seine Waren nach Byzanz ein führen, und er wertet es als positive Qualität der Schrift, dass sie den Islam der Lächerlichkeit preisgebe, anstatt sich ernsthaft mit ihm auseinanderzuset zen. Den lateinischen Titel des Werkes "Contra legern Sarracenorum" nutzt er noch zusätzlich zu einem den Islam diffamierenden Wortspiel: "Ich schicke dir das Buch, welches gegen das gesetzwidrige Gesetz von einem Mann geschrieben wurde, der in den göttlichen Gesetzen bewandert ist."
1.4.2 Verteidigung des eigenen Standpunktes in anderen Fällen Auch aus verschiedenen anderen Anlässen hielt Kydones eine Verteidigung des eigenen Standpunktes für notwendig. Vorwürfe seines Bruders Procho ros, dass er nach der Machtübernahme Johannes' V. in den Palastdienst zu1 28 B r. 235(244). 1 29 B r.384(041 0). 1 30 B r. 328(3 1 7).
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rückgekehrt sei, weist er in Brief 38(41), 1356, zurück. Es handle sich nicht um eine freie Entscheidung, sondern er sei dazu gezwungen worden, sc. von Johannes V., der ihn offenbar intensiv bedrängt hatte, in das unter Kantaku zenos versehene Amt zurückzukehren. In einem Brief aus der Zeit seines von Kaiser Johannes V. genehmigten Aufenthaltes auf Lesbos, 132(111), den er im Jahr 1373 an Kaiser Manuel richtete, gratulierte er diesem anläss lich der soeben erfolgten Proklamation zum Mitkaiser (25.9.1373), war aber zugleich bemüht, seinen kaiserlichen Herrn, Johannes V., zu besänftigen, der trotz der zuvor gegebenen Erlaubnis über seine Abwesenheit ungehalten war, und bat Manuel, folgende Gedanken an seinen Vater weiterzugeben: Er habe Kaiser Johannes immer loyal gedient, bewahre ihm diese Gesinnung auch weiterhin, singe überall sein Lob und bringe seine Tadler zum Schweigen. Er habe auch nicht vor, allzu lange auf Lesbos zu bleiben, sondern werde zu gegebener Zeit wieder nach Konstantinopel zurückkehren, wenn der Kaiser es gestatte. Aber auch der gewöhnliche Alltag brachte Ky dones einige Vorwürfe ein, die es zu widerlegen galt. So hatte einer seiner Verehrer ihn getadelt, er habe eine Erkrankung nur vorgetäuscht, weil er sich seinen Freunden entziehen wolle. Kydones, der sogar schwer erkrankt war, fiihlte sich durch die Verdächtigung beleidigt und tadelte in Brief 145(0180) den Tadler, dass er sich nicht nach seinem Befinden erkundigt habe. Sein Tadel mache ihn zum Lügner, seine Gleichgültigkeit gegenüber dem Befin den des Freundes geradezu zum Feind. Mit seinen wirklichen Freunden habe er, Kydones, Gott in einem Gottesdienst fiir seine Genesung gedankt, der Adressat aber habe nur dummes Zeug geschwätzt. In Brief 226(203), verfasst um 1380, erläutert er seinem Freund Simon Atumanos, dem lateinischen Erzbischof von Theben, warum er derzeit des sen freundlichem Rat, sich durch Umsiedlung nach Rom den Intrigen der Pa lamiten zu entziehen, nicht Folge leisten wolle. So vernünftig dieser Rat auch sei, so gebe es doch einen gewichtigen Grund, in Konstantinopel zu bleiben. Gerade weil die falsche Lehre der Palamiten so verderblich sei, sehe er es als seine Pflicht an, zu bleiben und die Irrenden zur Wahrheit zu füh ren. "Man muss nämlich die, die zu bessern sind, denen, die ihnen nützen sollen, beigesellen wie Schüler den Lehrern oder Kranke den Ärzten, wenn jedenfalls die einen Gutes tun, die anderen aber Gutes erfahren sollen." Au ßerdem sei er nicht bereit, sich selbst in Sicherheit zu bringen, während das Vaterland bedroht sei und es seinen Mitbürgern schlecht gehe. Auch Mose habe sich nicht von seinem Volk entfernt, als Gott es zur Strafe fiir seine Un botmäßigkeit durch eine Pestepidemie ausrotten wollte. Es gebe ja auch eine ethische Verpflichtung, bei Geistesgestörten auszuharren und mit ihren Ag-
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gressionen Geduld zu haben. Auch Simon Atumanos habe seinen Bischofs stuhl Theben trotz des ungebührlichen Verhaltens der dort herrschenden Na varresen nicht verlassen, sondern bei ihnen ausgeharrt, um sie von ihrem bö sen Tun abzuwenden, hierin den Propheten des Alten Testamentes ähnlich. "Tadle also weder dich selbst, weil du die Thebaner nicht verlassen hast, noch mich, weil ich mich noch bei den Rhomäern aufhalte, da ich wegen der vorgebrachten Überlegungen die Abreise für höchst verwerflich halte." Es seien aber auch die Gefahren einer solchen Reise zu bedenken, vor allem die Ausbreitung des Bereiches, den die Türken kontrollierten, der Zwist zwi schen Venedig und Genua, von Kydones als "die Streitsucht der Kaufleute" bezeichnet, und das gerade beginnende Große Abendländische Schisma. An gesichts dieser Situation habe jeder, der seine Heimat verlasse, auf seiner Reise noch größere Gefahren als daheim zu erwarten. Aber andererseits pla ne er, Kydones, bereits seit seiner ersten Romreise, der damals erfolgten Ein ladung zu einer Übersiedlung nach Rom zu folgen, aber erst dann, wenn die Zeiten ruhiger seien, vor allem, "wenn die Kaufleute (sc. Venezianer und Genuesen) mit ihrer übertriebenen Streiterei aufgehört haben". Diese Schlussgedanken des Briefes lassen es in der Schwebe, ob eher ethische Überlegungen oder die Angst vor den Gefahren einer Reise die Entschei dung des Kydones, in Konstantinopel zu bleiben, stärker beeinflussten. Eine Begründung und zugleich Entschuldigung des eigenen Verhaltens enthält Brief 371(360), zu datieren auf Winter 1387/88, an den langjährigen Freund Johannes Laskaris Kalopheros. Kydones hatte mit ihm vereinbart, ihn in Venedig zu treffen, um seinen Lebensabend dort mit ihm zu verbrin gen, diese Zusage aber zunächst nicht eingehalten. Er beginnt den Brief mit den Worten: "Ich weiß, du wirst sagen, ich hätte gelogen, weil ich dir bereits im vergangenen Winter versprach, zu dir zu kommen, aber mich nun, da ein Jahr seit der Ankündigung verflossen ist, noch nicht von der Stelle bewegt habe, sondern immer noch die Wirren in der Heimatstadt ertrage." Er gibt nun dem Freund zunächst Recht, wenn er ihn wegen seines Verbleibens in der Stadt, die sich wegen inneren Zwistes und äußerer Bedrohung durch die Türken in einer aussichtslosen Situation befinde, nicht nur als einen Lügner, sondern auch als einen VeITÜckten bezeichnen würde. Aber er bringt dafür mehrere Entschuldigungsgründe vor, zunächst eine Pestepidemie, die vor al lem unter den Seeleuten wütete und die Benutzung eines Schiffes äußert riskant erscheinen ließ; seine Freunde rieten ihm deshalb dringend von einer Seereise ab. Ferner versuche Kaiser Johannes V. ihn trotz seines offiziellen Ausscheidens aus dem kaiserlichen Dienst mit allen Mitteln daran zu hin dern, Konstantinopel zu verlassen. Als weiteren Grund für sein Zögern nennt
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Kydones aber auch das unstete Leben des Freundes, der von Ort zu Ort reise und es nirgends lange aushalte. Da es nun einen anderen Grund, der ihn ver anlassen könnte, nach Venedig umzusiedeln, nicht gebe, als die Hoffnung auf die Gesellschaft des Kalopheros - er habe ja weder eine offizielle Ein ladung von den venezianischen Behörden noch Landbesitz oder Handelskon takte dort -, sei ihm die Verabredung mit dem reiselustigen Freund zu unsi cher. So sehe er sich entschuldigt und bitte den Freund, ihm den Bruch sei nes Versprechens nachzusehen. Es erscheint geradezu als prophetisch, wenn er angstvoll ausmalt, welche Kata�trophe es wäre, wenn er gemäß der Ver einbarung nach Venedig käme und dort den Freund nicht vorfände. Denn so ging es ja schließlich tatsächlich aus, wie wir aus Brief 436(431)131 wissen. Dieser Ausgang lässt im nachhinein seine Angst vor einem Misslingen des Treffens als entscheidenden Rechtfertigungsgrund seines Zögerns durchaus als begründet erscheinen. Im HerbstlWinter 1387/88 hielt sich Kaiser Manuel nach seiner Rückkehr von der ersten Phase des schmachvollen Kriegsdienstes in Kleinasien bei dem Osmanenherrscher Murad I. eine Zeitlang bei seinem Vater in Konstan tinopel auf. Die Beziehung zwischen Vater und Sohn war nach wie vor ge spannt, und Johannes V., eifersüchtig auf die freundschaftliche Beziehung zwischen Manuel und Kydones, suchte ein Treffen der beiden zu verhindern. Trotzdem fand Kydones mehrere Gelegenheiten, Manuel heimlich zu tref fen. Schließlich aber wurde dies dem kaiserlichen Vater von Intriganten an gezeigt, und Kydones verzichtete nun sogar darauf, sich bei Manuel zu ver abschieden, als er auf Anweisung seines Vaters ins Exil nach Lemnos abreis te. In Brief 374(358) erklärt Kydones Manuel diesen Verzicht: Er sei trotz der Nachtzeit und des weiten Weges bereits auf dem Weg zum Hafen gewe sen, um sich zu verabschieden, habe aber befürchten müssen, dass auch dies dem kaiserlichen Vater hinterbracht werde, und sei daher alsbald umgekehrt, nicht aus Angst für sich selbst, sondern um dem Freund nicht zu schaden. So bleibe ihm jetzt nur das Gebet für Manuel, Gott möge ihn auf der Reise schützen und seinen Vater milder stimmen.
Analyse zu 1.4.2, Verteidigung des eigenen Standpunktes in anderen Fällen 1) Gegen die Kritik seines Bruders Prochoros, dass er einige Zeit nach sei nem Rücktritt im Jahr 1354 unter Johannes V. wieder in den Palastdienst zu rückgekehrt sei, gibt er zu bedenken, dass er sich wider Willen dem Wunsch des Kaisers gefügt habe und mit dieser Entscheidung keineswegs glücklich
1 31 Siehe oben, 1 . 2.3.
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sei.132 2) Kydones sucht im Jahr 1373 Kaiser Johannes V., der ihm wegen seiner Reise nach Lesbos zürnte, zu beschwichtigen, indem er beteuert, er habe ihm immer loyal gedient, bewahre ihm diese Gesinnung auch weiter hin, singe überall sein Lob und bringe seine Tadler zum Schweigen. Außer dem werde er bald zurückkehren.133 3) Einer seiner Verehrer hatte Kydones getadelt, er habe eine Erkrankung nur vorgetäuscht, weil er sich seinen Freunden entziehen wolle. Kydones, tatsächlich und sogar schwer erkrankt, fühlt sich durch die Verdächtigung beleidigt und tadelt den Tadler, dass er sich nicht nach seinem Befinden erkundigt habe. Sein Tadel mache ihn zum Lügner, seine Gleichgültigkeit gegenüber dem Befinden des Freundes gera dezu zum Feind134 4) Trotz vieler Ankündigungen verzichtete Kydones viele Jahre lang darauf, sich durch Auswanderung nach Italien den Anfeindungen der Palamiten zu entziehen. In einem Brief an Simon Atumanos,13 5 der ihm zur Reise geraten hatte, begründet er die Entscheidung, in Konstantinopel zu bleiben, mit folgenden Argumenten: Der Gedanke, von Intrigen frei zu le ben, sei zwar verlockend, aber er fühle sich doch verpflichtet zu bleiben, um die Irrenden zur Wahrheit zu führen und sie nicht in ihrem Irrtum zu belas sen, aber auch, weil das Vaterland bedroht sei und es seinen Mitbürgern schlecht gehe. Auch Mose habe sich nicht von seinem Volk entfernt, als Gott es zur Strafe für seine Unbotmäßigkeit durch eine Pestepidemie ausrotten wollte. Am Schluss vergleicht er die palamitischen Glaubensbrüder mit Gei stesgestörten, bei denen man ausharren und mit deren Aggressionen man Geduld haben müsse. Eine Reise nach Italien sei schließlich auch, vor allem wegen des Krieges zwischen Venedig und Genua, gefährlich. 5) Neue Argu mente für sein Verbleiben in Konstantinopel führt Kydones in einem späte ren Brief36 an den langjährigen Freund Johannes Laskaris Kalopheros an. Kydones hatte mit ihm vereinbart, ihn in Venedig zu treffen, um seinen Le bensabend dort mit ihm zu verbringen, diese Zusage aber zunächst nicht ein gehalten, obwohl Konstantinopel sich in einer aussichtslosen Lage befand. Er führt dafür folgende Gründe an: Eine Pestepidemie auf den Schiffen, das Bemühen des Kaisers, trotz seines offiziellen Ausscheidens aus dem Palast dienst seine Abreise zu verhindern, schließlich aber auch das unstete Leben des Freundes, der von Ort zu Ort reise und ihm keine Sicherheit gebe, ihn in Venedig wirklich zu treffen. 6) Eine Verteidigung in eigener Sache ist 1 32 1 33 1 34 1 35 1 36
B I. B I. B I. B I. BI.
38(41 ). 1 32( 1 1 1 ). 1 45(0 1 80). 226(203). 37 1 (360).
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schließlich auch die Erklärung, die er Kaiser Manuel gibt, warum er trotz dessen Besuch in Konstantinopel zur Aussöhnung mit seinem Vater auf ein Treffen mit ihm verzichtete: Er habe befürchten müssen, dass auch dies dem kaiserlichen Vater von Intriganten hinterbracht werde, und sei daher alsbald umgekehrt, nicht aus Angst, sondern um dem Freund nicht zu schaden.137
1.5 Hoffnungen für die eigene Zukunft Nur zwei Briefe des Kydones sind mit Schwerpunkt seinen Hoffnungen für die eigene Zukunft gewidmet. Brief 147(105) ist im Wesentlichen Ausdruck seiner Hoffnung, dass sein gestörtes Verhältnis zu Kaiser Johannes V. in ei ne Phase neuer Huld des Kaisers münden möge; in Brief 269(246) beschreibt Kydones seine Hoffnung auf einen gemeinsamen Lebensabend in Venedig mit seinem Freund Johannes Laskaris Kalopheros. Brief 147(105) an Johannes V. ist auf etwa Mai 1373 zu datieren, in eine Zeit der kaiserlichen Ungnade, auf die Kydones auch in anderen Briefen an spielt. 138 Doch vor allem hier bleibt er nicht bei der Kritik an Johannes V. stehen, sondern entwirft ein Bild der kaiserlichen Huld, die er sich für die Zukunft aufs Neue erhofft. Zunächst sucht er das Verhalten des Kaisers mit den Schwierigkeiten zu erklären, in denen jener sich selbst befindet, und er umschreibt sie mit demselben Bild, das er auch auf die eigene Lage bezieht, dem der brandenden Wogen. 139 Es sei durchaus erklärlich, dass der Kaiser sich nicht um ihn kümmere, denn er habe seine Aufmerksamkeit dringende ren Aufgaben zuzuwenden. Es könne nicht sein, dass der Kaiser ihn geflis sentlich übersehe; das ergebe sich aus den Wohltaten, die er ihm in der Ver gangenheit erwiesen habe. Im zweiten Teil des Briefes stellt er aber seine ei gene Erklärung in Frage, indem er betont, dass man von einem Kaiser mehr erwarten dürfe als nur die Konzentration auf das jeweils Wichtigste, denn die Höhe seiner Stellung fordere, dass er allen Genüge tue. "So soll auch deine Sorge um andere Dinge dein wohlwollendes Gedenken an mich nicht verdrängen, sondern mögest du dich zur Verbesserung meiner Lage auch meiner erinnern." Damit werde der Kaiser Gott, den Herrscher des Alls nachahmen, dem selbst das Wohlergehen der Geringsten nicht gleichgültig sei, weil seine Vorsehung alle umfasse. Der Kaiser aber möge auch beden ken, dass er, Kydones, ja nicht einmal einer der Geringsten sei, sondern kraft
1 37 B r. 374(358). 1 38 Siehe oben, 1 .1 .2, B r. 55(99), 1 68 ( 1 46) u. a. 1 39 Der Vergleich unruhiger Zeiten mit der stürmischen See ist in der byzantinischen Litera tur überaus beliebt.
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kaiserlichen Auftrages Weisungs befugnis über andere Menschen erhalten habe. Von dem gescheiterten Plan des Kydones, an der Seite seines Freundes Johannes Laskaris Kalopheros sein Alter in Venedig zu verbringen, war be reits die Rede. 140 Es liegt aber auch ein Brief vor, in dem Kydones diese Hoffnung konkret ausmalt, 269(246), 1383. Er beginnt mit herzlichen Dan kesworten für einen Brief des Freundes, der ihn sehr erfreut habe, weil er ihn nach dessen langem Umherreisen und Zeiten der Ungewissheit über seinen Aufenthaltsort endlich erhalten habe. Dann geht er auf seinen Vorwurf ein, ihm nicht geschrieben zu haben, der aber durch die Bereitschaft des Kalo pheros, ihm zu verzeihen, abgemildert sei. Dass dieses angebliche Versäum nis mit Gleichgültigkeit zu erklären sei, widerlegt er mit einem ausführlichen Bekenntnis zu den freundschaftlichen Gefühlen, die er für ihn empfindet, vor allem wegen seiner Charakterfestigkeit und seiner untadeligen Lebensfüh rung. Es sei vielmehr mit der Unkenntnis seines jeweiligen Aufenthaltsortes zu erklären, wegen der Reiselust des Freundes, die er ausführlich und nicht ohne Vergnügen an Übertreibungen schildert. Am Schluss steht die Auffor derung: "Höre also damit auf, uns zu verzeihen, und klage dich selbst an, da du uns durch die ständigen Reisen zum Schweigen zwingst." Und er fährt fort: "Es soll also - mit Verlaub - fortan vorbei sein mit diesem ständigen Hin und Her (...). Wählen wir uns vielmehr eine Stadt aus, in der wir den Rest des Lebens unbekümmert verbringen können! Denn zur Genüge haben wir uns geplagt und bedürfen nunmehr der Ruhe, in der man auch das mit viel Schweiß Erworbene, wie du sagst, genießen und sich auf das, was mit Notwendigkeit kommen wird (sc. den Tod), vorbereiten kann. Dazu mahnt uns nämlich auch unser Alter, als würde es selbst die Stimme erheben." Nun seien es nicht mehr Ruhm und Reichtum, um die man sich bemühen müsse, sondern Besinnung und Philosophie und die Erkenntnis des relativen Wertes äußerer Güter. Ein solches Leben in Beschaulichkeit an der Seite des Freun des stellt sich Kydones als das ideale vor. Erst wenn man diesen Lebensent wurf kennt, kann man die herbe Enttäuschung des Kydones verstehen, dass er nicht verwirklicht wurde.
Analyse zu 1.5, Hoffnungen for die eigene Zukunft 1) Kydones beschreibt im Jahr 1373 (also noch als Privatmann nach seinem ersten freiwilligen Rücktritt im Herbst 1371), warum er in einer Zeit kaiserli cher Ungnade erneut auf die kaiserliche Huld hoffen könne. Er erklärt die
1 40 Siehe oben, 1 . 2.3, Br. 436(431 ).
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Ungnade des Kaisers mit der angespannten Zeitlage und erhofft sich neue Huld mit der Entspannung der politischen Situation. Die Wohltaten, die ihm der Kaiser in der Vergangenheit erwiesen habe, lassen ihn hoffen, dass die gegenwärtige Ungnade bald ein Ende findet. Dies sei umso mehr zu erwar ten, als ein Kaiser als Stellvertreter Gottes auf Erden sich nicht durch eine schwierige politische Situation in seiner Sorge für die Untertanen behindern lassen dürfe. Er, Kydones, aber sei zudem kein gewöhnlicher Untertan, son dern habe lange Zeit ein hohes Amt an der Seite des Kaisers bekleidet. 14 1 2 ) Die Erklärung, e r habe seinem Freund Kalopheros nicht geschrieben, weil er wegen dessen vieler Reisen seinen Aufenthaltsort nicht gewusst habe, nimmt Kydones zum Anlass, für die Zukunft ein Verbleiben des Freundes an einem festen Ort zu erhoffen. Dieser Ort soll Venedig sein, wo Kydones in baldiger Zukunft mit dem Freund einen Lebensabend in philosophischer Be schaulichkeit zu verbringen hofft. 142 1.6 Zurückweisung von Lob und Bewunderung Es überrascht nicht, dass eine menschlich und intellektuell bedeutende Per sönlichkeit wie Kydones immer wieder Briefe von Bewunderern erhielt. Sei ne Reaktion auf solche Briefe ist durchweg zurückhaltend, ja abweisend. Es mag sein, dass hier auch Bescheidenheit als rhetorischer Topos eine Rolle spielt, aber es fällt bei Kydones doch die Konsequenz der Zurückweisung auf. Im Folgenden seien einige für die Ablehnung der Bewunderung beson ders charakteristische Briefe besprochen. Das zeitlich früheste Beispiel ist Brief 137(116), 1373. Ein langjähriger Freund hatte während dessen Auf enthaltes auf Lesbos einen Brief an Kydones geschrieben, in dem er sich beschwerte, keine Post von ihm erhalten zu haben, ihn im übrigen aber, viel leicht um ihn über die Ungnade seines kaiserlichen Herrn zu trösten, mit solcher Ehrerbietung anredete, wie Kydones es nach eigenem Bekunden von ihm nicht gewohnt war. Fast hätte er bezweifelt, dass dieser Brief mit seiner plumpen Schmeichelei von dem Genannten stammen könnte, hätte er ihn nicht an seinem anmutigen Stil erkannt. Abschließend betont Kydones, dass man ihn mit übertriebener Ehrung überhaupt nicht erfreuen könne. In Brief 52(0122) tadelt er den ungenannten Empfänger für das zu reichli che Lob, das er in einem sonst sehr gelungenen Brief über ihn ausgesprochen habe. "Die Freundschaft bringt es fertig, zu überzeugen, dass Freunde ihren Freunden alles schulden. Sie hat auch dich dazu gebracht, so viel über mich 1 4 1 Br. 1 47( 1 05). 1 42 Br. 269(246).
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zusammenzulügen. Oder wäre das keine Lüge, wenn du den Ehrgeiz hast, mich mit Lobesworten zu bedenken, die man kaum Platon zugebilligt hätte?" Brief 152(0183) ist die zurückhaltende Reaktion auf die Beteuerung eines Enthusiasten, er liebe und verehre Kydones mehr als alle und sei bereit, alles für ihn zu tun. Seine Skepsis, lässt er ihn wissen, erkläre sich derzeit daraus, dass die Worte des Verehrers nicht durch entsprechende Taten bestätigt seien. Sollte sich dies in der Zukunft ändern, werde er gern seine Zurück haltung aufgeben. Die Abweisung erfolgt recht mürrisch und barsch und be ginnt mit der Feststellung, nur das Wort Gottes sei grundsätzlich vertrauens würdig, die Worte der Menschen aber müssten durch Taten bewiesen werden, sonst seien sie "reines Geschwätz, würde man sie auch in den Vers maßen Homers und mit der Redegewalt eines Demosthenes geschmückt vorbringen. " Mit Brief 230(0229) bedankt sich Kydones für einen persönlich über brachten Brief und lobt die gute Gesinnung des Verfassers, die schöne sprachliche Form des Briefes und ein beigefügtes Geschenk. Nur ein vierter Aspekt des Briefes habe ihm keine Freude bereitet: Er habe die genannten Vorzüge seines Briefes durch ein Übermaß an Lob für Kydones, seine Tu genden und seine Rhetorik, geradezu besudelt. Maßlosigkeit aber solle man überall meiden, vor allem die in Worten. In Brief 385(362) aus dem Jahr 1387/88 äußert sich Kydones erfreut darüber, dass sein Freund Maximos Chrysoberges auf der Insel Lemnos die Gunst Kaiser Manuels genießt, warnt ihn aber davor, die Verehrung, die er für ihn, Kydones, empfindet, in seiner Umgebung zu offen zu zeigen. "Denn mich selbst wirst du (... ) niemals überreden, höher von mir zu denken, als es den Tatsachen entspricht, jenen aber wirst du lästig fallen, wenn du ihnen Vorträge hältst, die sie ganz und gar nicht erbeten haben (. ). Mich also liebe mit Verlaub schweigend." Ein auf Kreta lebender orthodoxer Mönch namens Athanasios wird sogar in zwei aufeinander folgenden Briefen, 408(0414) und 441(432), 1391, wegen zu großen Lobes getadelt. Im ersten Brief belehrt Kydones den Ad ressaten, dass die Wahrung des Maßes und der Ausgewogenheit eine Grund tugend sei, gegen die er mit seinem Lob verstoßen habe. Er habe ihm Herr scherqualitäten bescheinigt, sich selbst aber zum Sklaven erniedrigt. Dies möge er fortan unterlassen. Anscheinend hatte dieser Appell keinen Erfolg, denn im zweiten Brief stellt Kydones geradezu unwirsch fest, dass Athana sios nichts dazugelernt habe. Dieses maßlose Lob könne er nur als Herab setzung verstehen. "Du aber wirst dir für deine Lügen auch noch den Ruf eines Schmeichlers zuziehen, weil du mir das, was niemand mir zuerkennt, . .
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ohne jeden Grund und nur aus Gefälligkeit zukommen lässt." Erst mit Brief 434(443), 1392, kann Kydones anerkennend bestätigen, dass der Mönch sei ne Lobpreisungen reduziert habe; er möge sie aber fürderhin noch weiter einschränken.
Analyse zu 1.6, Zurückweisung von Lob und Bewunderung Die Zurückweisung des Lobes, der Schmeichelei und übertriebener Ehrer bietung begründet Kydones vor allem mit der Warnung vor Maßlosigkeit und Unehrlichkeit. Durch sie werde auch das gut gemeinte Lob unglaubwür dig und verwandle sich geradezu in eine Belästigung. In einem Fall tadelt er den Adressaten auch für einen Enthusiasmus, den er nicht durch Taten bewiesen habe.143
1 43 Br. 1 52(0 1 83).
2. Die angeredete Person im Mittelpunkt
Die Briefe, in denen die angeredete Person im Mittelpunkt steht, lassen sich in folgende Kategorien einteilen: 2 . 1 Enkomien; Ausdruck der Zuneigung und Verehrung, 2.2 Rat und Trost, 2 . 3 Sorge, 2 .4 Tadel, 2 . 5 Bericht über erfolgte Vermittlung beim Kaiser, 2.6 Briefe zurückweisenden Inhaltes, 2.7 Kommentierung eines dem eigenen Brief beigefügten Geschenkes, 2 . 8 Einladung. 2 . 1 Enkomien; Ausdruck der Zuneigung und Verehrung Die meisten Briefe des Kydones, in deren Mittelpunkt ein Adressat steht, sind die mit enkomiastischem Inhalt. Zu dieser Gruppe gehören vor allem zahlreiche Briefe an Personen des Kaiserhauses. Das reichliche Material soll durch eine Gliederung nach Empfängern des Lobes überschaubarer präsen tiert werden. 2. 1 . 1
Enkomien für Personen des Kaiserhauses
2 . 1 . 1 . 1 Kaiser Johannes VI. Kantakuzenos Die Reihe der enkomiastischen Briefe an Angehörige des Kaiserhauses be ginnt mit dem Kaiserlob der Briefe, die der jugendliche Kydones an den hochrangigen Würdenträger und schließlich selbstemannten Kaiser Johannes Kantakuzenos, einen Freund seiner Familie, richtete. Dieser erhob nach dem Tod Kaiser Andronikos' III. im Juni 1 34 1 Anspruch auf die Regentschaft für den minderj ährigen Kaiser Johannes V. Palaiologos und ließ sich, als die Witwe des Andronikos Anna von Savoyen zusammen mit dem Patriarchen Johannes Kalekas und dem reichen Magnaten Alexios Apokaukos mit die sem Anspruch konkurrierte und Kantakuzenos nach einem Feldzug in die westlichen Reichsgebiete die Rückkehr in die Hauptstadt verwehrte, noch im gleichen Jahr, am 26. 1 0. 1 34 1 , in Didymoteichon zum Kaiser ausrufen. Aus der Zeit kurz nach diesem Ereignis ist ein erster Brief des Kydones, 1 1 (3), aus seiner Heimatstadt Thessalonike an Kantakuzenos erhalten, ein Versuch des damals etwa 1 7-Jährigen, sich bei dem mächtigen Freund der Familie in Erinnerung zu bringen. Er beginnt seinen Brief mit einem stürmischen "Be kenntnis" seiner Zuneigung zu dem erfolgreichen Usurpator: "Etwas Be schwerliches ist ein Liebender, und mächtig überredet die Liebe Menschen,
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die sie einmal beherrscht, sich selbst zu vergessen. Dies meine ich, wenn ich mir meine Kühnheit vorhalte. Kühnheit, sage ich, aber es wäre angemesse ner, von Unverschämtheit zu reden. Erhebt dich doch, Kaiser, deine Würde auf den Gipfel des Zeus." Im Folgenden adressiert er ihn als platonischen Philosophenkönig und preist die "Harmonie" seiner Tugenden, sich selbst aber tadelt er mit einer entsprechenden Bescheidenheitsgeste als törichten Schwätzer Thersites, weil er es überhaupt wage, ihn anzureden. Er betont aber, dass er sich von seiner Sanftmut und Menschenfreundlichkeit, wie sie einem Kaiser anstehe, eine wohlwollende Aufnahme dieses Ausdruckes sei ner Zuneigung und ein baldiges Wiedersehen erhoffe. Auf diesen Brief reagierte Kantakuzenos mit einem nicht erhaltenen wohlwollenden Schreiben, das Kydones mit Brief 1 6(4), Frühj ahr 1 3 42, be antwortete. Er beginnt mit einer Klimax: Die Antwort des Kaisers bedeute ihm bereits als solche höchstes Glück, noch mehr aber deshalb, weil er ihm eigenhändig geschrieben und den vorausgehenden Brief des Kydones aus drücklich gelobt habe. Diese freundliche Reaktion schreibt Kydones aber nicht seiner eigenen Leistung, sondern dem feinen Empfinden des Kaisers zu, das schon auf geringe Reize stark reagiere. Es beHihige ihn gleicherma ßen zu einer visionären Schau der platonischen Idee des Guten, die Kydones mit Gott und mit Christus gleich setzt, aber auch zu bescheidener Herablas sung, dank derer Kantakuzenos die ihm dargebrachte Zuneigung freundlich aufnehme und, weit mehr noch, alle Erdenbewohner an seinen Visionen der vollkommenen Liebe teilnehmen lasse. Von dieser Liebe sei auch die Fähig keit des Kaisers zur Freundschaft geprägt, die Kydones besonders betont, weil er die Freundschaft des Kaisers dringend sucht. Die Anspielung auf die visionäre Veranlagung des Kaisers knüpft vermutlich an die Vorliebe dieses Kaisers für die Hesychastenmönche, ihre Visionen und ihre Theologie an, die Kydones in späteren Jahren entschieden ablehnen sollte. Auf die wiederum nicht überlieferte Antwort des Kantakuzenos antwortet Kydones noch aus Thessalonike mit einem weiteren enthusiastischen Schrei ben, 1 2(5), 1 342/43, in dem er die Rhetorik des Kaisers aufs höchste preist und zugleich seine Fähigkeit bewundert, geistige Betätigung mit den politi schen, forensischen und militärischen Aufgaben eines Kaisers erfolgreich zu verbinden, also Alexander (der Große) und (der Redner) Demosthenes zu gleich zu sein. Kydones überhöht dieses Lob noch dadurch, dass er von der Verlesung des Briefes in einem Kreis von gebildeten Freunden und von de ren stürmischer Begeisterung berichtet. Wiederum betont er die Milde und Sanftmut des Kaisers, dem jegliches Zürnen fernliege, und widerruft die in früheren Briefen geäußerte Furcht, er könne ihm für die Kühnheit seiner An-
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näherung zürnen. Kydones stellt sich nun als Interpret seiner Vorzüge dar, ist sich aber durchaus darüber im Klaren, dass er dem Gegenstand seines Lob preises nicht entsprechen könne. Wenn der Kaiser dies kritisieren müsse, wolle er es getrost und dankbar hinnehmen. Der Brief schließt mit einem Symbol der gelegentlichen Anwesenheit des Kaisers im Elternhaus des Ky dones, dem Bett, in dem er als Gast geschlafen habe, und nennt es einen Mit wisser seiner vielen Nachtwachen, Entschlüsse und Sorgen in der Wahrneh mung seiner politischen Aufgaben. Dieser Anblick lasse ihm, Kydones, das Herz schwer werden und ihn umso mehr die Gegenwart des Kaisers herbei wünschen, der sich wegen der schw�ren Zeiten gezwungen sehe, zum Wohle seiner Untertanen Krieg zu führen. Der Zelotenaufstand in Thessalonike, der gegen die begüterten Schichten gerichtet war, brachte auch Kydones und seine wohlhabende Familie in Schwierigkeiten. Im Jahr 1 345 konnte sich Kydones aus Thessalonike in das nahe Berroia retten, wo Manuel, der jüngere von zwei Söhnen des Johannes Kantakuzenos, damals Statthalter war. Von dort aus schrieb er an den Kaiser drei weitere enkomiastische Briefe. Der erste, 6(7), Juli 1 345, begrüßt den vorübergehenden Sieg der Anhänger des Kantakuzenos in Thessalonike über die Zeloten in übertriebenem Optimismus wie eine endgültige Machtüber nahme. Er vergleicht den gegenwärtigen Zustand mit der einst von Platon gepriesenen Glückseligkeit (Evbaq lOVla), weil Gott nun einem Philosophen die Sorge für den Staat übertragen habe, zur Freude aller Völker, Städte, In seln und Kontinente. Er betont, dass er selbst, ein Anhänger des Kantakuze nos "von Anfang an", die Freude über diesen Erfolg nicht fassen könne und wünsche, dem Kaiser persönlich zu gratulieren. "Dazu begehrte ich die Flü gel des Daidalos, aber auch den geflügelten Wagen des Zeus." Da ihm aber die Natur dies verweigere, tröste er sein Herz mit dem Möglichen; er sei nach Berroia zum Sohn des Kaisers geeilt und lasse nun seine eigene Seele im Ebenbild der Seele des Kaisers ausruhen. Darauf folgt ein kurzes Enko mion auf den jungen Mann, der weit über die Möglichkeiten seines Alters hinaus begabt sei. Hier lebe er, Kydones, wie in einem Heiligtum, aber beim Kaiser selbst zu weilen, wäre natürlich ein noch größeres Glück; es wäre vergleichbar mit der Einweihung in die großen Mysterien. In seinem zweiten Brief aus Berroia, 7(8), etwa August 1 345, betont er noch einmal, Kantakuzenos sei ein idealer Herrscher, der alle guten Eigen schaften in sich vereinige, ein Philosophenkönig im Sinne Platons und ein Kaiser nach dem Willen Gottes, nicht nur, weil er seit langem ein tugendhaf tes Leben führe, sondern auch, weil er tapfer und mit Charakterstärke schwe re Prüfungen bestanden habe. Nun habe er den Sieg über die Feinde errun..
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gen, ohne einen von ihnen zu töten. Er habe sich an seinen Gegnern nicht ge rächt, sondern ihnen Milde erwiesen und so dem Frieden gedient. Aber noch leide Thessalonike unter der Zelotenherrschaft und harre darauf, dass er es befreie. Einige Monate später richtet Kydones aus Berroia einen weiteren Hilferuf an Kantakuzenos, Brief 8 ( 1 0) : Der Kaiser sei in Thrakien (im Umfeld Kon stantinopels) erfolgreich, was Kydones wiederum enkomiastisch preist, aber er möge nun auch Makedonien, also das Gebiet um Thessalonike einschließ lich dieser Stadt, befreien. Am Schluss spricht er deutlich aus, worauf alle Lobpreisungen des Usurpators letztlich zielen: "Wenn du aber befiehlst, ich soll eilends zu dir kommen, gib mir nur einen Wink, und du wirst sehen, dass ich schneller laufe als die, die beim sportlichen Wettlauf den Kranz er halten." Offenbar erhielt Kydones von ihm die erhoffte Einladung, denn in einem Brief an Manuel Kantakuzenos, 1 9( 1 2), schildert er die gefahrvolle Reise im Winter 1 345/46 nach Selymbria, wo der Kaiser damals residierte. Im Früh j ahr 1 346 verließ aber Kantakuzenos Selymbria, um mit der Belagerung Konstantinopels zu beginnen. Diese Abwesenheit des Kaisers nahm Kydo nes zum Anlass, ihm aus Selymbria einen weiteren enkomiastischen Brief, 9 ( 1 3), zu schreiben: Kantakuzenos habe mit seiner Entschlossenheit, nun die Hauptstadt in seine Gewalt zu bringen, sich selbst übertroffen. Aber selbst angesichts dieser schwierigen Aufgabe bleibe er der platonische Philosoph, der sich im Kreise Gleichgesinnter für die schöne Literatur Zeit nehme. Nun wünscht Kydones der Stadt Konstantinopel, dass sie bald ihren "Retter" empfangen könne, sich selbst aber, dann dorthin an seine Seite gerufen zu werden. Diese Sehnsucht lässt er auch in Brief 1 O( 1 4), den er im Spätsom mer 1 346 aus einem kleinen, namentlich nicht genannten Ort in Thrakien an ihn richtete, verlauten. Nach einem fatalen, länger als fünf Jahre andauernden Bürgerkrieg über nahm Kantakuzenos im Februar 1 347 endlich auch in der Hauptstadt die Macht und verheiratete den vierzehnj ährigen Thronfolger aus dem Palaiolo genhause Johannes V. mit seiner Tochter Helene. Kydones verfasste darauf hin zwei enkomiastische Reden auf den siegreichen Usurpator/ und diese waren bald erfolgreich: Kantakuzenos berief den jungen Mann an seine Seite und betraute ihn mit dem ehrenvollen Amt eines Mesazon, eines Leiters der kaiserlichen Kanzlei. Da Kydones nun persönlich dem Kaiser nahe war, bricht die Reihe seiner enkomiastischen Briefe an ihn zunächst ab. Erst als Erste Rede ( 1 347): LOENERTZ, Cydones I, 1-1 0; zweite Rede ( 1 347), ed. G. B yzantinisch-neugriechische Jahrbücher 4 ( 1 923) 77-83.
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sein Schwiegersohn Johannes V., nicht länger gewillt, ihm den ersten Rang der kaiserlichen Macht zu gewähren, sich gegen Kantakuzenos erhob und dieser die kriegerische Herausforderung annahm, ergab sich für Kydones, der in Konstantinopel verblieb, erneut die Gelegenheit, die militärischen Er folge seines kaiserlichen Herrn in zwei Briefen des Jahres enthusiastisch zu preisen. Der erste der beiden, Brief 15(27), verfasst im Sommer 1352, beglück wünscht den Kaiser, der soeben die wichtige Stadt Adrianopel erobert hat, zu seinem überwältigenden Sieg. Nun habe sich erwiesen, dass Gott selbst auf seiner Seite stehe. Er vergleicht ihn mit den großen Helden vor Troja und entsprechend den Hebros (den Fluss, an dem Adrianopel liegt, die heutige Maritza) mit dem Skarnander in der Troas. Wie einst im Skarnander die von Achilleus Erschlagenen dahintrieben, so sehe man jetzt die Leichen der im Kampf um Adrianopel Getöteten im Hebros, und Kydones erlaubt sich den makabren und ziemlich geschmacklosen Vergleich, dass dieser Fluss nun durch diese Toten besser "geschmückt" sei als durch Bäume und Weinberge. Im Folgenden bescheinigt Kydones dem Kaiser ohne Einschränkung, dass er einen gerechten Krieg führe, und bezeichnet seine Gegner, also Johannes V. und seine Anhänger, als Gewalttäter, ohne die legitimen Ansprüche des Pa laiologen auf die Macht auch nur zu erwähnen. Wohl aber lobt er die Güte und Großzügigkeit des Kantakuzenos, der mit seinen Gegnern, also vor al lem mit seinem Schwiegersohn Johannes, große Geduld gehabt habe. Der Brief schließt mit dem bereits mehrfach ausgesprochenen Gedanken, dass Kantakuzenos ein Herrscher im Sinne Platons sei und durch seine Tugend einen noch größeren als den militärischen Sieg errungen habe. In Brief 13(32), dem letzten in der Reihe der enkomiastischen Briefe an Johannes Kantakuzenos, verfasst im Oktober 1352, preist Kydones seinen Herrn für einen weiteren Sieg am Hebros über seine Gegner, den er - Kydo nes - längst vorausgesagt habe, überzeugt, dass Gott seine Tugend durch mi litärische Erfolge belohnen werde. Ein Beweis seiner guten Gesinnung sei aber seine Milde mit den Gegnern, die ihrerseits nur darauf bedacht seien, sich an ihm zu rächen. Die aus seiner Sicht verdiente Niederlage der Gegner aber malt Kydones in einer langen, rhetorisch geformten Passage aus: Sie werden mit Akteuren auf einer Gauklerbühne verglichen; ihre Niederlage ist so vollständig, dass sie verschwunden sind, wie von der Erde verschluckt, und nicht einmal etwas Nennenswertes hinterlassen haben. Ihre Bundesge nossen, Bulgaren, Serben und abendländische Ritter, haben kläglich versagt. All ihr martialisches Gehabe hat sich als leere Prahlerei erwiesen. Kantaku zenos aber hat mit seinen Verbündeten - die anstößige Tatsache, dass es sich
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um "Perser", 2 handelte, beschönigt Kydones mit der Andeutung, Gott selbst habe sie gegen die Anhänger des Palaiologen gelenkt - einen vollständigen Sieg über die "Partei der Bösen", wie Kydones sie nennt, errungen. Wie soll man diese Briefe des jungen Kydones an Kantakuzenos, die er alle vor seinem dreißigsten Lebensjahr schrieb, bewerten? Soll man sie als Ausdruck eines abstoßenden "Byzantinismus" verurteilen? Die früheren Briefe dienten zweifellos dem Aufbau der eigenen Karriere, die späteren der Erhaltung der kaiserlichen Gunst. Muss man den Enthusiasmus, den Kydo nes dem Freund seiner Familie zeigte, unbedingt für verlogen halten? Sieht man einmal von den Übertreibungen in seinen frühen Briefen ab, so scheint die Sympathie des Kydones für den Freund seiner Familie doch echt gewe sen zu sein. Diese freundschaftlichen Gefühle wurden später verletzt, als Kantakuzenos sich mehr und mehr als Anhänger des Palamas elWies und nicht nur an der kirchlichen Verurteilung des Antipalamiten Prochoros Ky dones, Bruder des Demetrios, beteiligt war, sondern sich auch noch in zwei selbstverfassten Abhandlungen3 gegen ihn wandte. Demetrios reagierte auf die Verbreitung dieser Schriften mit dem recht deutlichen Brief 400(93) . 4 In seinen späteren Briefen findet sich aber auch indirektes Lob auf Kantaku zenos, aus dem hervorgeht, dass Kydones seinem einstigen Herrn nicht auf 5 Dauer grollte. A nalyse zu 2. 1 . 1 . 1, Enkomien aufKaiser Johannes
VI.
Kantakuzenos
Von den drei Kaisern, die Adressaten von Briefen des Kydones sind, er hoben zwei einen mehr oder weniger begründeten Anspruch auf eine an der antiken Tradition orientierte literarische Bildung. Natürlich wusste Kydones, als er in jüngeren Jahren an den Freund seiner Familie Johannes Kantaku zenos schrieb, dass er ihm schmeichelte, wenn er ihn mit dem platonischen Herrscher verglich, der König und zugleich Philosoph war, und ihm in die sem Zusammenhang die entsprechenden Herrscherqualitäten, vor allem Sanftmut und Menschenfreundlichkeit, auch gegenüber seinen Feinden, als persönliche Tugend zuschrieb . 6 Die antike Färbung des Lobes wird auch im 1)
2 Antikisierende Bezeic hnung der Türken in B yzanz. 3 Siehe die beiden Refutationes des Kantakuzenos gegen Prochoros, ediert in VOORDE CKERs/TINNE FELD, 1 - 1 05 und 1 07-1 72 . 4 Siehe unten, 2.4. 1 . 1 . Hier spricht Kydones nur v o n einer Schrift gegen Prochoros, wahrscheinlich deshalb, weil in den von Kantakuzenos in Auftrag gegebenen Abschriften, die Kydones in genanntem Brief kritisiert, die beiden Refutationes immer wie eine einzige Abhandlung miteina nder vereinigt sind. 5 Siehe unten, 3.5. 1 . 6 Br. 1 1 (3), 1 6(4), 6(7), 7(8), 8( 1 0), 1 9( 1 2), 1 4(29).
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Vergleich des Kaisers mit dem Göttervater Zeus erkennbar. 7 2) Auf einen ersten Versuch des Kydones, brieflichen Kontakt mit Kantakuzenos aufzu nehlnen, 8 hatte dieser sehr wohlwollend reagiert. Dieses Wohlwollen erklärt Kydones in seiner Antwort9 mit dem feinen Empfinden des Kaisers und der göttlichen Tugend der Liebe, die seine Seele erfiille. 3) Sein Briefstil bewei se, dass er literarische Bildung mit den Aufgaben eines Herrschers und Feld herrn zu verbinden befähigt sei; er sei gleichsam Alexander und Demosthe IO nes in einem. 4) Den Anblick des Kaisers derzeit zu entbehren, falle ihm (Kydones) leichter, weil er sich bei seinem Sohn Manuel, dem "Ebenbild seiner Seele" aufhalte. Dennoch würde ihm, wenn er bei dem Kaiser selbst weilen könnte, dies so viel wie eine Einweihung in höhere Mysterien bedeu II ten. 6) Im Bürgerkrieg mit Johannes V. wird Kantakuzenos von Kydones wegen seiner Tapferkeit und seiner militärischen Erfolge gepriesen. Nach der Eroberung Adrianopels vergleicht er den Fluss Hebros mit dem troj a I nischen Skarnander und den Kaiser mit Achilleus. 2 7) In einem letzten Brief aus der Zeit des Bürgerkrieges trägt Kydones alles Negative zusammen, was ihm über die Gegner des Kantakuzenos einfällt und preist des Kantakuzenos vollständigen Sieg über die "Partei der Bösen". 1 3 2 . 1 . 1 .2 Kaiserin Helene Das ausfiihrlichste Enkomion der Kaiserin Helene Kantakuzene Palaiolo gina, der Gattin Johannes' V., Brief 222(442), wurde oben ( 1 .3) unter der Kategorie der Dankesbriefe bereits besprochen. Das früheste Zeugnis ihrer 14 freundschaftlichen Beziehung zu Kydones ist Brief 3 89(24). Dieser stammt aus der Zeit um 1 3 50, als Kydones noch im Dienst ihres Vaters Johannes Kantakuzenos stand. Helene hatte im jugendlichen Alter von etwa 1 7 Jahren eine Lobrede auf ihren Vater verfasst, fiir die Kydones ihr in diesem Brief seine Anerkennung aussprach. Der Anfang des Briefes lautet: "Herrliche Worte sind einem herrlichen Vater von einer herrlichen Tochter gewidmet worden, angemessen den Zeiten, angemessen aber auch den Taten, von de nen sie gesagt sind. " Durch das Stichwort "herrlich" wird also das Lob fiir
7 8 9 10 11 12 13 14
Br. 1 1 (3), 59(28). Br. 1 1 (3). Br. 1 6(4). Br. 1 2(5). Br. 6(7). Br. 1 5(27). Br. 1 3(32). Zu diesem Brief vgl. auch KIANKA, Empress He/ena, 1 55f.
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sie mit dem auf ihren Vater verbunden. Dann aber folgt die Beschreibung der Freude, die der so geehrte Vater an dem Werk seiner Tochter hat. Als au ßergewöhnlich hebt er hervor, dass es eine Frau war, die eine so bemerkens werte Rede verfasste. Habe doch die Natur solches dem weiblichen Ge schlecht versagt. Ihr aber sei ein Werk gelungen, das den Werken der Män ner weit überlegen sei. Sie übertreffe Init diesem Ausdruck geistiger Schön heit bei weitem die körperliche Schönheit der namensgleichen antiken He lena, die zu nichts nütze gewesen sei, sondern nur Krieg und Verderben ge bracht habe. "Die Schönheit der Worte aber ist unsterblich, und j eder der sie anschaut, gewinnt von ihr etwas Gutes und geht, besser geworden, hinweg." Möge ihr Vater ihr auch weiterhin Anlass zu Sieges gesängen geben "und so doppelt die Freude auskosten: weil er so große Taten vollbracht und weil sei ne so schöne Tochter ihm den Kranz der Worte geflochten hat." Die stilisti sche Leistung dieses Frühwerkes belohnte Kydones damit, dass er ihr meh rere selbstverfasste Schriften widmete. 1 5 A nalyse zu 2. 1 . 1 . 2, Enkomien aufKaiserin Helene
Kydones nümnt ein literarisches Frühwerk der jugendlichen Kaiserin zum 1 Anlass, ihre rhetorische Begabung zu preisen. 6 Aus diesem frühen Aus druck der Sympathie und Hochachtung entstand eine Lebensfreundschaft, wie sich aus einem Dankesbrief des Kydones in späten Jahren ergibt, der die ständige Sorge und Hilfe der Kaiserin rur Kydones ausruhrlieh darlegt. 17 2 . 1 . 1 . 3 Kaiser Johannes V. Nach der erzwungenen Abdankung des Kantakuzenos im Dezember 1 3 54 zugunsten seines Schwiegersohnes Johannes V. Palaiologos schied Kydones zunächst aus dem Staatsdienst aus und zog sich ZUSainmen Init Kantakuze nos in das hauptstädtische Manganakloster zurück. Offenbar sah aber der junge Kaiser bald ein, dass er auf die staatsmännische Erfahrung des Kydo nes angewiesen war. Jedenfalls kehrte Kydones spätestens 1 3 56 in seine staatsmännische Stellung zurück. Doch gelang es ihm offenbar zu keiner Zeit, zu Johannes V. ein so freundschaftliches Verhältnis wie zu Kantakuze nos aufzubauen. In der autobiographischen Rede, mit der er 1 3 7 1 Kaiser Jo hannes V. um Entlassung aus dem Dienst bittet, betont er sehr deutlich, dass
15 Siehe oben, 1 . 1 .3 . 1 6 Br. 3 89(24). 17 Br. 222(442).
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er widerstrebend und von ihm geradezu gezwungen in den Hofdienst zurück. 18 g ekehrt sel. So sind denn auch die Briefe von seiner Hand, in denen er sich lobend über ihn ausspricht, recht rar. Allerdings waren auch die konkreten Anlässe wie vor allem die militärischen Siege des Kaisers - selten. An erster Stelle 19 ist hier das Lob in Brief 89(5 1 ), verfasst 1 364, für einen Sieg des Kaisers über die Bulgaren zu erwähnen. Dieser hielt sich noch in der Nähe des Kriegsgeschehens auf, als Kydones ihm aus der Hauptstadt gratulierte. Hier preist er die Tapferkeit seines Herrn, mehr aber noch seine großzügige Ent scheidung, die von den Besiegten eingeforderten Steuern an seine Mitarbei ter, also auch an ihn, zu verteilen. Er hebt zwei Dinge als besonders lobens wert hervor, dass der Kaiser in noch jugendlichelTI Alter (von ca. 32 Jahren) diesen Sieg errungen habe, aber auch, dass diese Kriegshandlung als Strafex pedition gegen die Aggression der "Barbaren" durchaus berechtigt war. 2 0 Der Brief ist nicht frei von übertriebenelTI Lob, so zum Beispiel, wenn er den Kaiser, der nichts Eigenes schriftlich hinterlassen hat, als gewaltigen Redner (bE Lvo� EV ;\6YOL<;) bezeichnet, der nun aber durch das Lob, das Kydones sei ner GroßlTIut darbringt, "überwältigt" worden sei. Eine noch stärkere Über treibung folgt am Schluss, wenn Kydones sagt: "Gern würde ich noch wei terreden, denn deine beispiellosen Taten geben ja der Zunge eines Homer genügend Stoff." Wenn er im letzten Satz allerdings sagt, die Kaiser hätten keine Zeit, lange Sermone zu lesen, deutet er datTIit wohl auch an, dass Jo hannes V. an solcher Rhetorik wie auch an Literatur überhaupt nicht allzu 1 sehr interessiert war, wie sich aus Äußerungen in späteren Briefen2 ergibt. Einen weiteren Sieg des Kaisers feiert Kydones in dem um 1 3 80 verfass ten Brief 2 1 1 ( 1 99). Es handelt sich mTI eine Seeschlacht gegen die Genue sen, einige Zeit vor dem Friedensschluss im Chioggiakrieg zwischen Vene dig und Genua im Jahr 1 3 8 1 . Der Sieg ist sonst nicht bezeugt, und vielleicht handelt es sich um eine abweichende Bewertung des Ausganges einer See schlacht, über die der genuesische Chronist Giorgio Stella berichtet. In die1 8 LOENERTZ, Cydom?s I, 1 1- 1 3 ( § 3-6). Üb ersetzung unten, Anhang 11. 19 Zur Datierung des Briefes auf Frühjahr/Sommer 1 364 statt 1 3 63, siehe TINNEFELD, Kydo nes IH, 322 (Korrektur zu TINNEFELD, Kydones I12, 323) unter Verweis auf V. GmzELEv, Der letzte bulgarisch-byzantinische Krieg ( 1 364), in W. SEIBT (Hg.), Geschichte und Kultur der Palaiologenzeit, Wien 1 996, 29-34. Entsprechend sind auch die Briefe 1 24 (52) (siehe unten, 2.2 . 1 ) und 1 25(58) (siehe unten 5 .2 . 1 )von 1 363 auf 1 364 umzudatie ren. 20 Ta bE KcX;\;\lCY'WV on KCtl '[0 bU((xlCUC; ITQ0afiv, 0 CPllCYl L'111floCY8 Evl1 c; . Zitat aus der "Kranzrede", or. 1 8, § 3 06. 21 Siehe unten, 3 . 1 . 1 , Br. 239(3 88) und 3 .2 . 1 , Br. 236(399).
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ser Schlacht am 29.9. 1 3 79 besiegten gemäß Stella die Genuesen den mit türkischen Streitkräften verbündeten Johannes V. Wie die Schlacht auch ün mer ausgegangen sein mag, Kydones feiert den angeblichen Sieg des Kaisers in diesem Brief mit dem ganzen Register enkomiastischer Übertreibungen. Er beginnt mit einem Wortspiel: Zwar gehöre er nicht zu denen, die am Sieg des Kaisers Anteil hatten, aber er besiege viele in seiner Freude über den Sieg, 22 der einer von (angeblich) vielen Siegen des Kaisers sei. Seine Freude habe mehrere Ursachen: erstens seine Zuneigung zum Kaiser, um diese Zeit wohl keine Schmeichelei, weil nach der Vertreibung des Usurpators Andro nikos im Jahr 1 3 79 aus der Hauptstadt eine letzte Phase einigennaßen guter Beziehungen zwischen Kydones und Johannes V. begann, zweitens die kata strophale Niederlage des anmaßenden Gegners, drittens die überlegene Kriegskunst der kaiserlichen Annee, die sich mit Miltiades und Themisto kIes habe messen können, viertens der ganz überraschende Erfolg des Kai sers nach mehreren Niederlagen, dank seiner unverzagten Entschlossenheit. So warte nun die Hauptstadt auf den Kaiser, um mit ihm einen glänzenden Triumph zu feiern. Ein letztes Lob widmet Kydones dem Kaiser im Jahr nach seinem Ab schied aus dem Dienst am Kaiserhof, im Frühj ahr 1 3 87, mit Brief 340(33 3) . Johannes V. zürnte ihm offenbar wegen seines Vorhabens, nach Italien zu reisen, und empfing ihn nach einer längeren Unterbrechung der Kontakte endlich am Freitag der Karwoche, zusammen mit einigen anderen Personen, zu einer Audienz. Es entspann sich eine Diskussion unter den Anwesenden, ob das Gebet des leidenden Christus, Gott Vater möge seinen Peinigern ver geben, diesen etwas genützt habe. Nach langer Ratlosigkeit der Anwesenden habe allein der Kaiser die Lösung gefunden: Christus habe, indem er seinen Feinden vergab, ein Beispiel zur Nachahmung gegeben und zugleich dazu ermutigt, Gott zuzutrauen, dass er denen, die uns Unrecht getan haben, die verdiente Strafe erlassen könne. Kydones ist von dem unerwarteten Tiefsinn dieser Lösung beeindruckt und zieht daraus den Schluss, wenn der Kaiser solches von dem Herrscher des Alls, dem er seine Herrschaft verdanke, sa gen könne, werde er selbst ihn auch in der Sanftmut nachahlnen und sich mit Kydones versöhnen. Und er fährt fort: "Wohlan, menschenfreundlicher Kai ser, gestatte uns wieder wie früher, frei mit dir zu reden, was mir, wie ich meine, zu Unrecht versagt wurde ( . . ), und lass uns rückhaltlos die Versöh nung spüren." Aber es scheint, dass Kydones auf diese Versöhnung auch weiter vergebens hoffte. .
22
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A nalyse z u 2. 1 . 1 . 3, Lob für Kaiser Johannes V
1 ) Kydones lobt den Kaiser für einen Sieg über die Bulgaren und für seine Tapferkeit, aber auch für die freigebige Verteilung der von den Besiegten eingenommenen Abgaben an seine Beamten, also auch an ihn. 23 2) Ein beliebter Topos ist die anerkennende Bemerkung, dass der Kaiser zur Zeit dieses Sieges noch jung war, 24 was sein Verdienst erhöht. 3) Der Kaiser ver dient auch Lob, weil seine Strafex edition gegen die Aggression der "Barba :R ren,,2 5 ein "gerechter" Krieg war. 6 4) Das Lob gipfelt in der starken Über treibung, dass die siegreichen Taten des Kaisers einem HOlner genügend Stoff bieten würden. 2 7 5) Der von Kydones gefeierte Sieg des Kaisers in ei ner Seeschlaches war nach anderen Quellen eher eine Niederlage. Trotzdem vergleicht er den Kaiser mit den siegreichen Feldherren der Antike Miltiades (der allerdings nur Sieger in einer Feldschlacht, sc. bei Marathon 490, war) und Themistokles (der j edenfalls als Ratgeber zum Sieg in der Seeschlacht bei Salamis 480 beitrug). 6) Sieht man einmal von der etwas merkwürdig an mutenden Bezeichnung des Kaisers als "gewaltiger Redner" ab, 29 dann ver bleibt nur ein Lob des Kaisers wegen einer geistigen Leistung, nämlich we gen der als tiefsinnig anerkannten Lösung einer theologischen Streitfrage. 3 D 2 . 1 . 1 .4 Kaiser Manuel Palaiologos Keine Person des Kaiserhauses hat von Kydones auch nur annähernd so vie le Briefe erhalten wie Manuel Palaiologos. Den ca. 26 Jahre älteren Kydones verband mit dem literarisch und philosophisch hochbegabten zweiten Sohn und späteren Nachfol9rr J?hanne � ' V seit des � en Jug�ndj a�en eine Le�er : Schüler-Freundschaft, dIe schlIeßlIch zu emem lIteransch kongemalen Briefaustausch zwischen beiden führte. Im Folgenden sind vor allem die Briefe enkomiastischen Charakters zu besprechen, die Kydones an Manuel 23 Br. 89(5 1 ). 24 Br. 89(5 1 ). 25 Obwohl die Bulgaren orthodoxe Christen waren, blieben sie aus der Sicht gerade der intel lektuellen Byzantiner in kultureller Hinsicht Barbaren. V gl. zu dieser Mentalität Sergej A. IVANOV, Vizantijskoe missionerstvo: Mozno li sdelat' iz " varvara " christianina? (Byzantinisches Missionswesen. Läßt sich ein " Barbar " christianisieren?), Moskva 2003 . 26 Br. 89(5 1 ). 27 Br. 89(5 1 ). 28 Br. 2 1 1 ( 1 99). 29 Br. 89(5 1 ) . 30 Br. 340(333). 31 Vgl. TINN E FELD, Kydones 1/ 1 , 1 7, Anm. 93 .
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schrieb, doch soll auch von den Gründen die Rede sein, warum deren Anteil an der Gesamtkorrespondenz weniger hoch ist, als man erwarten würde. Bereits der erste erhaltene Brief des Kydones an Manuel, 2 1 (76), verfasst 1 3 7 1 , ist ein Enkomion. Manuel, der noch den Rang eines Despoten beklei dete, war nach Venedig gereist, um seinem Vater zu Hilfe zu kommen, als dieser am Ende seiner Italienreise32 in finanzielle Schwierigkeiten geraten war. In seinein nach Venedig adressierten Brief preist Kydones, der bereits nach Konstantinopel zurückgekehrt ist, die treue Gesinnung des Sohnes ge genüber Johannes V. Er habe sogar im Winter die weite Reise nicht ge scheut, um seinem Vater finanzielle Hilfe zu leisten. Kydones ist überzeugt, dass er durch seine edle Gesinnung, die man von seiner Jugend - er war da mals 2 1 Jahre alt - nicht erwarte, auch die Lateiner, die er nach byzantini schem Sprachgebrauch "Barbaren" nennt, beeindrucken könne. Die gute Beziehung zwischen Kydones und Manuel dokmnentiert auch Brief 23(83), 1 3 7 1 , vor allem durch die Aussage : "Es gibt nichts, was für uns wichtiger wäre, als von Dir geliebt zu werden und Briefe als Zeichen der Zuneigung zu erhalten. " Seine Freude über Manuels Briefe kann Kydones ihm nach eigenem Bekunden nicht adäquat vergelten, es sei denn durch Ge bete und Lobreden. So habe er denn überall in Italien das Lob Manuels ge sungen, sogar an der römischen Kurie, und alle hätten staunend gehört, welch ein Charakter sich mit dem jugendlichen Alter Manuels verbinde. So gar in Rom, einer Stadt, die genug eigene Vorbilder der Tugend besitze, ha be man Manuel bewundert und für ihn gebetet, Beweis genug, welch eine beeindruckende Persönlichkeit er sei. Zum Dank für seine tatkräftige Hilfe übertrug Johannes V. Manuel die Herrschaft über die Provinzen Makedonien und Thessalien. Das Prooünion für die goldgesiegelte Verleihungsurkunde, das reich an Lobesworten für die Pietät des getreuen Sohnes ist, wurde von Kydones verfasst. 33 Manuel be dankte sich bei ihm mit einem kostbaren Trinkbecher und einer Geldsumme. Kydones bestätigt diese Geschenke in Brief 79(85), verfasst im HerbstIWin ter 1 3 7 1 . Er beginnt mit einer ausführlichen Bescheidenheitsgeste, die ihm Anlass gibt, das Geschenk zunächst zu tadeln, denn es erwecke den Ein druck, als sei er ein Lohndiener. Es bestehe aber für Manuel kein Anlass zum Dank für seine Lobesworte im Prooimion der Urkunde, denn diese sei en nur der Ausdruck des Wohlwollens, das sein Vater Johannes V. für ihn hege, und letztlich nur als ein Echo auf Manuels verdienstvolle Gesinnung zu verstehen. Sollten aber wirklich einige dieser ehrenden Worte auf ihn, 32 Vgl . dazu vor allem unten, 4. 1 .2, Br. 1 03 (69). 33 TINNE FELD, Vier Prooimien, 1 7 8-1 9 1 (Prooimion Nr. 3).
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Kydones, zurückgehen, dann blieben sie j edenfalls weit hinter dem von Ma nuel Geleisteten zurück und hätten deshalb eher Strafe als Dank verdient. Möge er aber getrost durch seine Wohltaten das, was ihln gegeben werde, übertreffen. Seine Zuneigung für ihn werde Manue1 dadurch nicht vergrö ßen1 können: "Denn da, wo man bis zum Äußersten gelangt ist, gibt es kein Darüberhinaus mehr." Diese Worte beeindruckten Manue1 offenbar so sehr, dass er sich noch in einem wohl mehrere Jahre später verfassten Brief auf sie bezog. 3 4 Und Kydones fährt fort: "Deine Gabe aber wird uns ein Erweis da für sein, von dir geliebt zu werden, und das ist wertvoller als alles, was ich auf Erden besitzen kann." Als bemerkenswertes Enkomion darf auch Brief 1 20(0 1 43) gelten. Ge genstand des Lobes ist hier ein literarisch und sachlich gut formulierter Brief des Kaisers, der einem Bedürftigen Hilfe brachte. Kydones sieht hier einen doppelten Anlass, den Kaiser zu loben, für seinen glänzenden Briefstil und für seine Güte, und er dankt mit einem geistreichen Wortspiel J esus Christus, dem göttlichen Wort, dass er einen Staatslenker erwählt habe, der in jeder Hinsicht das Wort zu gebrauchen wisse. 3 5 Im Herbst 1 3 82 hatte Kaiser Manue1 sich nach Thessalonike begeben, um die Stadt gegen die wachsende Bedrohung durch die Türken zu verteidigen. Dort hielt er ün Herbst des folgenden Jahres eine Rede zur Ermutigung der Stadtbewohner, den Kampf mit dem Feind aufzunehmen. Manue1 hatte Ky dones den Text der Rede durch den gemeinsamen Freund Rhadenos zuge sandt, und Kydones lobt ihn in Brief 262(265) als einen Inbegriff rhetori scher Vollendung. Kydones beginnt seinen Brief mit dem ungläubigen Stau nen, das ihn erfasst habe, als Rhadenos ihm mitteilte, Manue1 habe ganz al lein und ohne die Hilfe von Experten der Rhetorik die Ansprache verfasst. Dies sei wieder eimnal ein Beweis, dass Manue1 seine literarischen Kennt nisse keinem Lehrer, sondern allein seiner Begabung verdanke, und dennoch so vollendete Reden schreibe, als sei er ein Echo des Demosthenes. Wenn man dazu noch bedenke, dass Thessalonike rings von Wogen umbrandet sei, dann sei diese Leistung noch erstaunlicher; seien doch Kriegshandwerk und literarische Betätigung kaum miteinander vereinbar. Ein ähnliches Lob hatte Kydones schon dem Großvater Manuels, Johannes Kantakuzenos, zukom men lassen. Kydones fügt aber hier noch die dritte Stufe einer Klimax hinzu. Er behauptet nälnlich, Manue1s Vorfahren hätten nur ein geringes Interesse für literarische Bildung gezeigt. Dies mag am ehesten für Manue1s Vater Jo hannes V. zutreffen und wohl auch für seinen Großvater väterlicherseits, An34 Br. 79(85); dazu TfNN E FELD, Kydones I12, 479, Kommentar, Anm. 8 . 35 TfNN E FELD, Kydones II, 20, Kommentar, Anm. 3 .
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dronikos IH. , nicht aber, wenn man früheren Äußerungen des Kydones glaubt, für seine Mutter Helene Kantakuzene und deren Vater Johannes Kan takuzenos, den Kydones in früheren Jahren kamn weniger enthusiastisch als Manuel wegen seiner rhetorischen und Inilitärischen Fähigkeiten gelobt hatte. 36 Liest man die Passage aber genau, dann wird deutlich, dass hier im Wesentlichen die Verhältnisse am gegenwärtigen Kaiserhof, also unter J 0hannes V., getadelt werden, wie z. B. auch in Brief 236(399). 37 Dennoch habe Manuel sich in einer so bildungsfeindlichen Umgebung zu einem wahr haft literarisch Gebildeten entwickelt, weil seine angeborene Vernunft ihm dies eingegeben habe. Eines jedoch sei bedauerlich: Da seine Rede ein so hohes literarisches Niveau habe, sei nicht damit zu rechnen, dass sie eine breite Akzeptanz finde; es werde dem Kaiser nach einem antiken Sprichwort so gehen, als ob er den Hennesstatuen etwas vorsinge. Manuel solle aber nicht auf die Zahl seiner Hörer schauen, sondern sich die Nachtigallen zum Vorbild nehmen, die als Auditorium ihrer Musik die Einsamkeit wählten, und solle sich mit den wenigen zufrieden geben, die einem solchen literari schen Niveau gewachsen seien. Kydones weist allerdings die Meinung des Kaisers 38 zurück, er habe diese literarische Bildung ihm zu verdanken, so dass er sich als sein Mentor über das Aufkeimen der von ihm gelegten Sa menkörner freuen könne. "Finde ich doch in deinen Reden keine Spur mei ner Bewässerung und meiner Mühen, denn in deinem Inneren sprudelt die Quelle dessen, was du hervorbringst." Nein, er habe seine Freude nicht als Schöpfer, sondern nur als Bewunderer schöner Reden. Allerdings wäre es ihm noch lieber, wenn Manuel in Zukunft Anlass hätte, statt einer beraten den Rede eine Festrede aus Anlass eines glorreichen Sieges zu halten. Dieses Briefenkomion 262(265) enthält also zwei Einschränkungen des rückhaltlosen Lobes : Das literarische Niveau der Rede ist zu hoch für ihren Zweck, ein größeres Publikum zu erreichen, und ihr Thema ist nicht eine Siegesfeier, sondern die Bereitschaft des Kaisers, die Stadt gegen die türki sche Aggression zu verteidigen. Implizit wird damit auch angedeutet, dass der Ausgang des kaiserlichen Engagements ungewiss ist. In der Tat ging der hier ausgesprochene Wunsch des Kydones nicht in Erfüllung; denn es gab fortan kaum noch eine Siegesmeldung, bis Thessalonike im Frühjahr 1 3 8i 9 36 37 38 39
Siehe oben, 2. 1 . 1 . 1 . Siehe unten, 3 .2. 1 . Siehe DENNls, Letters Manuel, NT. 1 1 , Z . 24-26. Die erste Erobenmg Thessalonikes durch die Türken 1 3 87 war seit der Umdatienmg der Notiz einer Kleinchronik von 1 372 auf 1 3 87 durch BARKER, Manuel, 446-456 auf den 9. April datiert worden; außerdem entnahm Barker dieser Notiz, dass Kaiser Manuel drei
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von den Türken erobert wurde. S o verwundert es nicht, dass nun trotz regen Briefaustausches zwischen Kydones und Manuel eine lange Pause in der Reihe der Enkomien auf Manuel eintrat. Bezeiclmend sind in dieser Zeit stattdessen die Versuche des Kydones, Misserfolge des Kaisers aus anderen Ursachen zu erklären. So schreibt er z. B. am Schluss des Briefes 2 7 1 (283), 1 3 84, die militärischen Misserfolge Manuels einem widrigen Schicksal oder eher noch den Sünden der Byzantiner zu. Selbst der beliebte enkOlniastische Topos, der Gepriesene sei Kriegsheld und Literat zu gleich, schien nun nicht mehr passend zu sein. So beginnt zwar Brief 3 04(304), geschrieben 1 3 8 5 , noch eimnal mit diesem Gedanken, schließt aber mit der Mahnung, der Kai ser möge sich j etzt ganz auf die wichtige Verteidigung der Stadt Thessalo nike konzentrieren: "Wenn aber die Zeit für beides nicht reicht, dann gibt es ( . . . ) zum Reden andere günstige Gelegenheiten, die Gegenwart aber sollte ganz den Operationen gegen die Feinde gewidmet werden." Die Redekunst möge er nun hintanstellen bis zu dem Tag, da sie ihm beim Abfassen von Siegesgesängen nützen könne. Allerdings entschuldigte sich Kydones bald darauf, in Brief 309(308), für diese Mahnung mit deIn Argument, der Kaiser sei allerdings in der Lage, literarische und Inilitärische Aktivitäten miteinan der zu vereinbaren, und so sei die Mahnung, sich auf die Verteidigung zu konzentrieren, verfehlt. Auch nach dem Fall Thessalonikes ergab sich kein weiterer Anlass mehr für ein Enkomion, denn Manuels anschließenden Versuch, sich mit dem Gegner Bey Murad 1. zu arrangieren, lehnte Kydones entschieden ab. Er übte nun sogar mehrfach deutlich Kritik an dem kaiserlichen Freund, vor allem in Brief 365(3 5 1 ) und 3 67(3 52), beide verfasst im Herbst 1 3 87. 40 Auch die ver geblichen Versuche Manuels in den folgenden Jahren, sich mit seinem Vater
Tage zuvor, am 6. April, aus der belagerten Stadt geflohen sei (was dort nicht ausdrück lich gesagt ist; es ist nur von einer Abreise die Rede). Die Annahme Barkers (die auf eine Anregung von Loenertz zurückging) wird als nicht genügend begründet von SCHREINER, Kleinchroniken, II, 302-304 (zum Jahr 1 3 72 , mit Bezug auf die Notiz SCHREINER, Klein chroniken, I, 3 5 1 , Nr. 49/6) und II, 3 32f. (zum Jahr 1 3 87) zurückgewiesen. Die Erobe rung Thessalonikes kann somit nicht mehr auf den Tag genau, sondern, wie Schreiner zeigt, nur in die Zeitspanne Ende März bis 7. Mai 1 3 87 datiert werden. Dieselbe Unge nauigkeit gilt nun auch für den Tag, an dem Manue1 Thessalonike verließ. Dass er plante, Thessalonike aufzugeben, ergibt sich aus Br. 342(329), so dass seine Abreise noch vor der Erobenmg der Stadt, nach Lesbos, wie sich aus der Korrespondenz des Kydones, Br. 3 5 0(343) ergibt, sehr wahrscheinlich ist. 40 Vgl . unten, 2.4. 1 .3 (Kritik an Kaiser Manuel), Br. 363(349), 365(35 1 ); 3 .2.3 (indirekte Kritik an Kaiser Manuel), Br. 350(43), 3 52(345), 3 54(347), 3 5 5(348); 4. 1 . 1 (Politische Themen - Das Türkenproblem), hier Br. 365(35 1 ).
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zu versöhnen, boten kaum Stoff für Lobgesänge. Dies bedeutete aber keine Beeinträchtigung der unverbrüchlichen Freundschaft, wie Kydones ihm gern, z. B. in Brief 3 70(3 53), beteuerte. So sehnte er sich denn auch, den Freund wiederzusehen, z. B. in Brief 3 68(3 54), freute sich, als schließlich ein Wiedersehen zustande kam, 3 73 (3 5 6) und 3 8 1 (3 57), oder verzichtete auf ein Treffen, um ihm Ärger mit seinem Vater zu ersparen, 3 74(3 58), und sorgte sich auch um sein weiteres Schicksal, 3 72 (3 5 5). Erst im Winter/Frühj ahr 1 3 87/8 8 gab ihln wieder ein literarisches Werk des Kaisers Anlass, ein Briefenkomion, 3 80(363), auf ihn zu verfassen. Es bezog sich auf eine Abhandlung in Brieffonn zum Thema des menschlichen Leidens und seiner Bewältigung, die Manuel im SOlnlner 1 3 87 auf der Insel Lesbos verfasst und dem Theologen Nikolaos Kabasilas Chamaetos gewid met hatte. Der Originaltext ist erhalten. 4 1 Kabasilas, der mit Kydones seit langem befreundet war, gab die Schrift zwar an Kydones weiter, aber erst nach einigen Wochen oder Monaten, worüber sich Kydones eingangs maß voll beklagt, weil er verstehen kann, dass Kabasilas ein so wunderbar ge lungenes Werk nur ungern aus der Hand geben wollte. Jedenfalls geriet Ky dones bei seiner Lektüre angeblich in einen wahren Freudentamnel über die Schönheit und Klarheit seiner Sprache. IIn übrigen verwendet er aber die auch sonst üblichen enkomiastischen Topoi: Nicht Belehrung, sondern Bega bung, also nach den Worten Pindars42 keine Krähe, sondern nur ein Adler kann so Herrliches hervorbringen. ZudeIn entstand es in kurzer Zeit und trotz extrem schwieriger äußerer Umstände. Dann vergleicht Kydones die Entstehung des Werkes an einem loeus amoenus mit einer Szene des platoni schen Dialoges Phaidros. So wie Sokrates mit Phaidros unter einer attischen Platane über das Schöne philosophierte, so habe Manuel nach eigenem Be kunden unter einer schattenspendenden Eiche und beim Rauschen einer Quelle ein Gespräch über das von ihm gewählte Thema mit seinen Getreuen geführt. In seiner Themenwahl überbiete er, meint Kydones, sogar Platon, denn der Dialog Phaidros enthalte unter anderem auch Anstößiges,43 wäh rend Manuel sich nur mit ehrbaren Gesprächsthemen befasse. Am Schluss ordnet Kydones diese Disputation einer Reihe ähnlicher Gespräche mit Kai-
41 DENNIS, Letters Manuel, Nr. 67. 42 Olympische Ode 2, 1 55-1 5 8 . 4 3 Kydones sagt wörtlich nur, w a s i m Phaidros gesagt werde, könne m a n m i t Recht tadeln. Er meint damit wohl vor allem die Ausführungen des Lysias über den von bloßer Begier de bestümnten Eros, vielleicht aber auch die im Phaidros behandelte Eros-Thematik überhaupt.
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ser Manuel zu, die alle auch der platonischen Akademie Ehre hätten einbrin gen können. Ein weiteres Werk aus der Feder des Kaisers, das Kydones in Brief 398 (3 84) lobt, etwa zu datieren auf 1 3 89, ist ein Brief, den er an seine Mutter, die Kaiserin Helene, richtete. Auch hier wiederholt Kydones den Topos vom literarisch begabten Kriegshelden. Ein hübsches Beispiel dafür, was Kydones seinem Freund an literari schein Eifer zutraute, ist Brief 3 8 8(3 70) aus deIn Jahr 1 3 88, die Antwort auf einen (nicht erhaltenen) Brief Kaiser Manuels, in dem dieser beteuert hatte, in seinein Exil auf der Insel Lemnos seine Zeit nur noch mit der Jagd und ähnlichen Zerstreuungen zu verbringen, nicht aber Init der Abfassung litera rischer Werke. Kydones jedoch kann nicht so recht glauben, was er da von sich behauptet, und traut ihm eher zu, dass er nur die Vorbereitung einer weiteren Schrift ironisch verschleiern wolle, um anschließend Init einer Überraschung aufzuwarten und dann umso mehr gefeiert zu werden. In den Briefen 395(374) und 393(375) des Jahres 1 3 8 8 spricht Kydones die Hoffnung aus, Manuel werde sich bald Init seinem Vater aussöhnen und dann endgültig nach Konstantinopel zurückkehren. Die Hoffnung erfüllte sich gemäß einer Andeutung in Brief 4 1 0(3 86) etwa iIn Herbst 1 3 89. Manuel ist nun in Konstantinopel eingetroffen, und es besteht Hoffnung, dass er nicht nur für sein Vaterland, sondern auch für seinen Vater gegen die Türken kämpfen werde. In die Zeit nach dieser Versöhnun� gehört wohl auch eine Dankrede Manuels auf die Genesung seines Vaters, 4 die Kydones in einem weiteren Briefenkomion, 82(387), sowohl formal wie inhaltlich, vor allem als Zeichen frommer Kindesliebe, preist. Im Februar 1 39 1 starb Kaiser Johannes V., und sein Sohn Manuel über nahm die Alleinherrschaft über sein brüchiges Reich. Bald danach kehrte Kydones von einer Reise nach Venedig zurück. Er war wegen der Strapazen der Reise nicht imstande, Manuel alsbald seine Glückwünsche persönlich auszusprechen und ließ sie ihm daher mit Brief 43 0(427) schriftlich zukom men, in der Hoffnung, den Kaiser bald wiederzusehen. Aber wenig später musste Manuel, um seine Herrschaft wenigstens der Form nach zu retten, dem Osmanenherrscher Bayazid 1 . , Sohn und Nachfolger des 1 3 89 im Um feld der Kosovo-Schlacht ermordeten Murad Bey, schimpfliche Kriegsdiens te leisten. Zu EnkOlnien auf die Kriegstaten des Kaisers gab es seitdem noch weniger Anlass als zuvor. Es folgt nun eine Reihe von Briefen, 432(433), 429(434), 43 1 (435), 43 8(43 7) und 447(43 8), in denen Kydones das Schick-
44 1. BOISSONADE, Anecdota Nova, Paris 1 844, 223-2 3 8 .
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sal des Kaisers, ün Feindesland Kriegdienste zu leisten, beklagt und seine baldige Rückkehr erhofft. Aber es ist auch ein Brief darunter, 445(43 6), in dem Kydones den soeben aus Anatolien eingetroffenen Brief Manuels als li terarisches Kunstwerk preist und seiner Naturbegabung zuschreibt, ein letz tes EnkOlnion, das von seinen Kriegstaten im Dienst des Türkenherrschers Bayazid schweigt. Wiederum kein Enkomion ist hingegen der chronologisch wahrscheinlich letzte in der Reihe dieser Briefe, 447(438), in dem Kydones eingangs nochmals Bezug auf die schimpfliche Situation des Freundes nimmt und dann die Hoffnung äußert, ilun, da er ihn zum Schreiben ermun tert habe, durch seinen Brief wenigstens ein Schattenbild von Freude4 5 zu vennitteln, wenn er sich auch schmerzlich bewusst sei, wie weit er hinter dem antiken Stilideal zurückbleibe. Das Beste, was er ihm in der j etzigen Si tuation anbieten könne, sei das Gebet, das er Tag und Nacht für ihn Gott dar bringe. A nalyse zu 2. 1 . 1 . 4, Enkamien aufKaiser Manuel Palaialagas
Kydones lobt seinen Freund Manuel wegen folgender Qualitäten: 1 ) Zuerst und vor allem ehrt er ihn als glänzenden Literaten, 46 der er auch tatsächlich war, besonders, wenn man ihn mit anderen kaiserlichen Persönlichkeiten sei ner Zeit vergleicht. Mehrmals betont Kydones, dass er sein Stilniveau nur seiner Begabung und keinem Lehrer verdanke. 4 7 Trotz notwendiger militäri scher Aktivitäten bleibe sein literarisches Niveau, das er mit dem eines De mosthenes vergleicht, 48 unverändert49 ; und auch die Bildungsfeindlichkeit seiner kaiserlichen Vorfahren5 0 habe seine intellektuellen Fähigkeiten nicht 1 beeinträchtigen können. 5 Kydones bezeichnet ihn auch als Philosophen, der mit einem Sokrates zu vergleichen sei. 5 2 2) Kydones ist zeit seines Lebens
Griech. : 'lbovTic; 'tlVOC; dbwAov. Br. 1 20(0 1 43), 262(265), 3 80(363), 3 88(370). Br. 262(265), 3 80(363), 445(436). Br. 262(265). Br. 262(265), 3 80(363), 398(384). Hier ist vor allem an Manuels Großvater, Andronikos III., und Vater, Johannes V., zu den ken. 5 1 Br. 262(265). Kydones sagt hier wörtlich: "Deine kaiserlichen Vorfahren liebten und lobten mehr die anderen Fertigkeiten und taten insofern recht daran, weil sie glaubten, dass die Mühen um die Bildung Kennzeichen einer trägen Natur seien." ( Üb ers. TIN
45 46 47 48 49 50
NEFELD, Kydones III, 1 1 4, nach LOENERTZ, Cydom'!s II, 1 68 , Z. 45-47). Er versucht also, um keinen Anstoß zu erregen, deren Bildungsscheu zu entschuldigen. 52 Br. 3 80(363).
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mit Manuel trotz gelegentlicher Differenzen5 3 in einer tiefen persönlichen Freundschaft verbunden. 54 So ist es keine leere Rhetorik, wenn Kydones er klärt, Manuels edler Charakter übertreffe j ede Möglichkeit, ihn zu loben. 55 Diesem Charakter entspreche auch seine treue Gesinnung gegenüber seinem Vater. 5 6 3) Kydones ist ihm dankbar für seine Hilfsbereitschaft gegenüber Personen, die er ihm empfohlen hat. 5 7 4) Militärische Misserfolge Manuels während seines Aufenthaltes in Thessalonike ( 1 3 82-87) sind nicht ihm, son dern dem launischen Schicksal oder den Sünden der Byzantiner anzulasten. 5 8 2 . 1 . 1 . 5 Andere Angehörige der Kaiserfamilie Etwa im Herbst 1 3 7 1 schrieb Kydones aus Konstantinopel Brief 1 06(84) an den Großdomestikos Demetrios Palaiologos, 59 der sich zur Zeit der Abfas sung dieses Briefes im Dienst des Manuel Palaiologos (damals noch Despot) in Thessalonike aufhielt. Hier spricht Kydones die tiefe Wertschätzung aus, die er für ihn empfindet, und beklagt seine nun erfolgte Übersiedlung nach Thessalonike. Unter seinen guten Eigenschaften preist er vor allem seine hervorragende rhetorisch-literarische Begabung, die ihm auch auf der ge meinsmTI mit dem Kaiser unternommenen, letztlich erfolglosen Italienreise 1 3 69/70 ein Trost gewesen sei. Nun könne er seine Fähigkeiten als Redner, Feldherr und Ratgeber in den Dienst Manuels stellen und ihlTI als Lateiner freund die Vorzüge der Abendländer erläutern. An ein anderes Mitglied der Kaiserfamilie, den Despoten Michael Palaio logos, den dritten Sohn Johannes ' V., 6 0 ist nur Brief 1 48(0 1 82) überliefert, adressiert an dessen Aufenthaltsort Mesembria am Schwarzen Meer, wie sich aus Andeutungen des Briefes erschließen lässt. Die Herrschaft über die se Stadt und das umliegende Gebiet war ihm von seinem Vater im Jahr 1 3 72 53 Siehe unten, 2.4. 1 .3 . 54 Br . 3 70(3 53), 3 68(3 54), 3 73 (3 56), 3 8 1 (3 57). Diese Zuneigung findet vielleicht d e n tiefs ten Ausdruck in einer Bemerkung des Kydones in Brief 79(85), 1 3 7 1/72, Manuel werde sie durch Wohltaten nicht vergrößern können, denn da, wo man bis zum Äußersten ge langt sei, gebe es kein Darüberhinaus mehr. Manue1 zitiert diese Bemerkung, die ihn wohl sehr beeindruckte, in einem Brief an Kydones, DENNI S, Letters Manuel, Nr. 5, Z. 2f. 55 Br. 79(85). 56 Br. 2 1 (76). Nicht ein direktes Enkomion ist Br. 23(89), sondern ein Bericht des Kydones über das Lob auf Manue1 und seine edle Gesinnung, das er bei seinem Aufenthalt in Ita lien und insbesondere in Rom gesungen habe. Treue Sohnes liebe lobt auch Br. 82(3 87). 57 Br. 1 20(0 1 43). 58 Br. 27 1 (283). 59 Zur Person siehe oben, 1 . 1 .2, Br. 1 68( 1 46) und TINNE FELD, Kydones I12, 426--428 . 6 0 Zur Person siehe P L P 2 1 522 und P. SCHREINER, Studien z u den BPAXEA XPONlKA (Miscellanea Byzantina Monacensia 6), München 1 966, 1 5 1 - 1 5 5 .
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urkundlich übertragen worden, und Kydones hatte das ProoiInion der Urkun 1 de verfasst. 6 Kydones hat von eineIn gewissen Pegonites positive Nachrich ten über die staatsmännischen Fähigkeiten Michaels erhalten und er betont, dass er seine Bewäluung als Herrscher stets vorausgesehen habe. Im Übrigen wünscht er ihm in diesem Sinne auch für die Zukunft alles Gute. Leider ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung, denn Michael wurde 1 376/77 von seineIn bulgarischen Schwager und Rivalen Terteres (Terter) 62 ermordet. Seine Zuneigung für Theodoros, den j üngsten Sohn lohannes ' V., seit 1 3 82 Despot auf der Peloponnes, 63 spricht Kydones vor allen in Brief 3 3 6 (3 1 8) aus, zu datieren auf S Olmner 1 3 86. Eingangs klagt er, dass wegen der Unzuverlässigkeit der Briefboten mehrere an Theodoros adressierte Briefe bei diesem nicht angekOlnmen seien. Theodoros habe aber, obwohl er sich in kriegerischen Auseinandersetzungen lnit den lateinischen Baronen auf der Peloponnes befinde, in einem freundlichen Schreiben an ihn, Kydones, be tont, dass er auch weiter von seiner freundschaftlichen Gesinnung überzeugt sei. Diese positive Einstellung wünscht sich Kydones weiter von ilun, zmnal er eine weite Reise (sc. nach Venedig) vor sich habe. Sein stetes Gedenken werde ihm im femen Land ein großer Trost sein. Analyse zu 2. 1 . 1 . 5, Enkom ien auf andere A ngehörige der Kaiseljamilie
1 ) Demetrios Palaiologos: Kydones preist sein intellektuelles Niveau, das er 4 auf der gemeinsamen Reise nach Italien kennen lernen durfte. 6 2) Despot Michael Palaiologos: Von den Söhnen Kaiser lohannes ' V. war Kydones dieser wohl am wenigsten persönlich bekannt; das Lob seiner staatsmänni schen Fähigkeiten erhielt er aus zweiter Hand. 6 5 3) Despot Theodoros Palai ologos : Kydones lobt seine Befähigung als Redner, Feldherr und Ratgeber in schwieriger Zeit und seine freundlichen Briefe trotz vieler kriegerischer Aus. emandersetzungen. 66 2 . 1 .2 Ausdruck der Zuneigung oder Lob im privaten Bereich Die vorausgehenden enkomiastischen oder freundschaftlichen Briefe an Per sonen der Kaiserfamilie geben wohl in den meisten Fällen die wahren, unge heuchelten Gefühle des Kydones wieder. Er neigt hier aber doch mehr oder
61 62 63 64 65 66
Siehe TINNE FELD, Vier Prooimien, 1 9 1 - 1 95 (Prooimion Nr. 4). Zur Person siehe PLP 27584 . Zur Person siehe P L P 2 1 460. Br. 1 06(84). Br. 1 48(0 1 82). Br. 3 36(3 1 8).
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weniger zu den Übertreibungen der höfischen Rhetorik, welche in privaten Freundschaftsbekundungen weniger zu elwarten sind. lln Folgenden werden zunächst die Briefe an Freunde besprochen, deren intellektuelles Niveau zu den freundschaftlichen Gefühlen, die Kydones ih nen entgegenbringt, wesentlich beiträgt. Zu den engsten Freunden des Kydo nes zählte ein gewisser Tarchaneiotes, dessen Vornamen Kydones selbst nie mals nennt, aber es spricht einiges dafür, dass er mit einem Manue1 Tarcha neiotes, der in einer Athosurkunde erwähnt wird, identisch war. 67 An ihn schrieb er den Brief 1 83(0 1 94). Hier preist er seinen vorzüglichen Briefstil, der seine Betätigung als Krieger vergessen lasse. 68 Er verstehe sich so auf das Schreiben, dass es geradezu heuchlerisch klinge, wenn er Kydones um die Korrektur seines Stils bitte. Nein er könne auch viele andere in der Sprachkunst unterweisen und werde so nicht nur Init Waffen, sondern auch mit Worten seiner Vaterstadt Wohltaten erweisen. Kydones ergänzt dieses Lob mit einer kurzen Betrachtung, wie unentbehrlich die Wortkultur (der 'Ao yo� und das KcxrreX Aoyov) für j eden Lebensbereich ist. Die Barbarei eines an maßenden Dumlnkopfes, die dem Freunde zu schaffen mache, werde sich aber erst dann bezwingen lassen, wenn sie ihrer selbst überdrüssig werde und sich nach Geist und Weisheit sehne. Der vorliegende Fall sei allerdings hoffnungslos, und auch er, von dem der Freund Hilfe erhofft, werde da, wie sogar die sieben Weisen, 69 nichts ausrichten können. Natürlich gehören auch zahlreiche auf gleiche intellektuelle Interessen bezogene Briefe, die Kydones an seinen Schüler und Freund Rhadenos schrieb, in diesen Zusmnmenhang. 70 Da aber andere Aspekte in diesen Brie fen dominieren, werden sie weiter unten unter 2 . 2 (Rat und Trost), 2 . 4 (Ta deI) und 3 . 1 (Fürbitte für andere) eingeordnet. Geistige Interessen j unger Leute geben Kydones auch sonst Anlass zum Lob. So spricht er einem ge wissen Iakobos Pyropulos in Brief 2(0 1 3 9) seine Anerkennung aus, dass er eine Demostheneshandschrift, die er ihm ausgeliehen hatte, nicht nur ober flächlich durchsah, sondern auch tatsächlich studierte, wie er durch einen Brief unter Beweis stellte. Auch Brief 1 64(0 1 89) lobt einen literarisch gebildeten Freund. Er hat Ky dones mit tiefer Empfindung seine Zuneigung mitgeteilt und damit nicht nur ihn, sondern auch die Freunde, denen Kydones den Brief vorlas, begeistert. 67 Siehe TINN E FELD, Kydones II l , 220, Kommentar, Anm . 1 4 . 68 Z u diesem enkomiastischen Topos siehe oben, 2 . 1 . 1 . 1 (Briefe a n Kantakuzenos), Analyse, Nr. 3, und 2. 1 . 1 .4 (Briefe an Kaiser Manuel), Analyse, Nr. 1 . 69 Anspielung auf ein seit der Antike bekanntes Sagenmotiv. 70 Vgl. TINNEFELD, Rhadenos, passim.
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Kydones hebt es besonders hervor, dass er eine bedeutende Persönlichkeit und, auch nach dem Urteil seiner Freunde, ein hervorragender Staatsmann ist. Aber er hält sich selbst für zu unbedeutend, um ihn zu loben, sondern will das Lob an einen ganzen Chor von Menschen abtreten. Freilich will er nicht zögern, auch selbst etwas dazu beizutragen, zumal er wie kein zweiter seine Qualitäten kennt. Wohl um das Jahr 1 3 80 schrieb Kydones Brief 209(0222) an den damals noch jugendlichen Centurione Ir. Zaccaria, später ( 1 404-30) Fürst des latei nischen Staates Achaia auf der Peloponnes. Die eingangs vorgebrachte Be schwerde des Kydones, er habe ihn betrogen, leitet geschickt das folgende Lob ein, denn der "Betrug" besteht nur darin, dass Centurione vor seinem Freund Kydones lange seine literarischen Fähigkeiten verborgen hielt und ihm nur als leidenschaftlicher Jäger bekannt war, nun sich aber durch einen Brief an ihn als glänzender Kenner des Griechischen erwies. "Denn dein Brief war eher das Werk eines Rhetors als eines Hasenj ägers." Aber wahr scheinlich sei j enem inzwischen in den Wäldern und Bergen der Peloponnes wie einst dem Dichter Hesiod eine Muse begegnet und habe ihn zum Rhetor gemacht. "Jedenfalls redest du nicht mit menschlicher Kunstfertigkeit und Weisheit, sondern wie es Gotterleuchteten zukomillt." Er lllöge diese Gabe in Zukunft aber auch durch Übung vertiefen. Jedenfalls wolle ihn Kydones nun aus der Zunft der Jäger streichen und ihn als seinen eigenen "Zunftge nossen" in Zukunft mehr als früher lieben. Allerdings solle er Kydones auch mit seiner Redegabe erfreuen und statt wie ein Lakonier solle er j etzt redseli ger als ein Komödiant werden. "Sei also um das Studium von Büchern be müht und gib deinem Geist täglich die Lektüre der Alten zu kosten; dann versuche in ähnlicher Weise wie sie zu reden ! " Hier verbindet Kydones also mit dem Lob die Ennahnung, auf dem begonnenen Wege fortzuschreiten. Ein beeindruckendes Dokument der intellektuell orientierten Freund schaft aus späteren Jahren ( 1 3 87/88) ist auch sein Brief 3 7 5 (364). Kydones, aus dem kaiserlichen Dienst ausgeschieden, hatte sich sehr auf die Rückkehr des rhetorisch glänzend begabten Freundes nach dessen längerer Abwesen heit gefreut, musste aber die Erfahrung machen, dass Intriganten, wahr scheinlich neidische Kollegen atll Kaiserhof, ein Treffen mit ihm systema tisch verhinderten. Er vergleicht seine Situation mit der eines Dürstenden, der bereits den Becher erfasst hat, aber am Trinken gehindert wird, und er beklagt sich bitter, dass man ihm in Hofkreisen nichts mehr gönne, was ihn erfreuen könnte. Es bleibe ihm nur noch die Auswanderung in ein fremdes Land, wo hoffentlich sogar die Kyklopen es besser mit ihm meinen würden als seine eigenen Mitbürger.
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Auch im Falle eines Mannes, der seine Freundschaft suchte und ihm durch seinen Freund Konstantinos Asanes empfohlen worden war, spielte sein intellektuelles Niveau gemäß dem an ihn gerichteten Brief 3 66(0408) eine Rolle bei der Entscheidung des Kydones, seine Freundschaft anzuneh men. Zwar reagiert Kydones hier zunächst mit Bescheidenheit und wendet ein, er habe keine wertvollen Eigenschaften zu bieten und könne allenfalls Menschen mit geringen Ansprüchen beeindrucken. Dann aber äußert er seine Freude und seinen Dank über die entgegengebrachte Zuneigung, auch wenn er berurchtet, dass der andere eines Tages von ihm enttäuscht sein und sich von ihm abwenden werde. "Mir aber wird die Begegnung auch in der Zeit bis zu diesen Vorwürfen keinen geringen Gewinn einbringen ( . . . ) . Ich bin aber überzeugt, dass daran auch du deine Freude haben wirst, wenn du siehst, dass deine Worte den Freund positiv beeinflussten ( . . . ). Wir wollen also das Angenehme, das wir einander geben können, uns gegenseitig nicht neiden, sondern vielmehr darauf hinwirken, dass es zunehme." Mit einem anderen Freund, Maximos Chrysoberges, der als DOlninika nennönch in einem Kloster auf der Insel Chios lebte, verband Kydones die Zugehörigkeit zur Kirche Roms und sein Interesse an der lateinischen Litera tur. So sprach er ihm in Brief 428(44 1 ) seine Freude und sein Lob rur einen Brief in lateinischer Sprache aus, den er ihm geschrieben hatte, und rur die Beherrschung beider Sprachen, Griechisch ("Attisch") und Lateinisch, deren er sich nun rühmen könne. Und er vergleicht ihn mit dem Philosophen Ze non von Kition, dem Begründer der Stoa, der wegen seiner geistigen Viel seitigkeit als der Mann mit der zwiefachen Zunge (CqlcpO'rEQOyi\wouoc;) ge priesen wurde. Seltener sind Freundschaftsbriefe des Kydones, in denen ausdrücklich oder stillschweigend keine intellektuellen Ansprüche erhoben werden. Der früheste von ihnen ist Brief 1 00(65), 1 3 65, an einen Arzt Kaiser Johan nes ' V. Der Adressat war zu Schiff von Konstantinopel nach Thessalonike gereist und hatte Kydones seine glückliche Ankunft dort mitgeteilt, vor al lem aber hatte er ihm zum Tod seines Freundes Georgios Synadenos Astras l wenigstens mit einem kurzen Brief kondoliert. 7 Kydones scheint aber auch ihm selbst in herzlicher Freundschaft verbunden zu sein, denn der Brief be ginnt nicht nur mit den Worten "Ich empfinde es schmerzlich, dass der Fluss Deiner Stimme mir nicht die Seele erquickt" ( . . ), sondern er schließt auch mit der Bitte : "Schicke uns brieflichen Beistand gegen den Schmerz und zei ge, dass nichts stärker ist als deine Worte: weder Leid noch Trauer noch .
71 Vgl. den enkomiastischen Nachruf des Kydones auf seinen Freund Georgios Synadenos Astras, Br. 98(64); siehe unten, 3 .4. 1 .
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Gram." Die Wertschätzung, die Kydones hier für seine Briefe ausspricht, zeigt, dass auch hier im Hintergrund noch das Intellektuelle mitschwingt. Brief 1 63 (0 1 88) ist an den Sohn eines verstorbenen Freundes gerichtet, der ihn durch einen Verwandten Kaiser Johannes ' V. hatte grüßen lassen. Kydones erwidert den Gruß, verbindet damit alle guten Wünsche für ihn und wünscht sich selbst vor allem, er möge ihm, Kydones, die gleiche Zuneigung entgegenbringen wie j ener, der ihn als Freund den eigenen Verwandten vor zog. Die Beteuerung einer Freundschaft, die Verwandtschaftsbande übertref fe, ist bei Kydones ein beliebter Topos und nicht unbedingt ein Beweis für deren Intensität. Hier geht es also um eine persönliche Beziehung, die vom Vater gleichsam auf den Sohn übergeht und frei von weiteren Ansprüchen ist. Auf einzigartige Weise wird das Gefühlsleben des Kydones dokumentiert durch einen Brief, 1 99(2 1 7), 1 3 8 1 , an einen jungen Mann, der bereits seit vier Jahren dessen Freundschaft gesucht hatte. Konkreter Anlass des Briefes ist die zurückhaltende Reaktion des Kydones am Vortage auf einen erneuten Freundschaftsantrag des Mannes. Kydones erklärt, er habe der Wahrhaftig keit seiner Gefühle keinen Glauben geschenkt, andererseits aber seine tiefe Enttäuschung über die Ablehnung wahrgenommen, die ihn sehr berührt ha be. Er schreibe diesen Brief, um die Gründe für seine Zurückhaltung klar darzulegen. Eingangs betont er, dass er nun nicht mehr an der Aufrichtigkeit seiner Zuneigung zweifle. Er sei vielmehr von der Lauterkeit seines Charak ters überzeugt, die er seit langem habe prüfen können. Ferner habe der Ad ressat sich in den vier Jahren ihrer Bekanntschaft nie widersprochen, sondern seine Zuneigung immer klar zum Ausdruck gebracht. Die einzige Verände rung habe in der ständigen Vertiefung seiner Zuneigung bestanden. Wenn Kydones dennoch gezögert habe, diese Freundschaft anzunehmen, so sei es erstens das jugendliche Alter des Verehrers gewesen; denn von der Jugend könne man keine große Beständigkeit erhoffen. Der zweite Grund seien ihrer beider ungleiche Interessen und Lebensumstände. Er selbst fülle seine Frei zeit mit geistiger Betätigung aus, der Angeredete aber gehe vor allem gern auf die Jagd. Allerdings sei ilun (Kydones) inzwischen klar geworden, dass Jugend nicht immer mit Unzuverlässigkeit gepaart sein müsse. Auch solle man ungleiche Interessen nicht allzu hoch bewerten, denn wichtiger sei es, dass die beiden Partner in ihrem Wesen übereinstimmten. So habe er im Ge spräch des Vortages noch ein letztes Mal gezögert, j etzt aber alle Zweifel verscheucht und festes Vertrauen in die Worte des Adressaten gesetzt, so dass er seinem Wunsch voll entsprechen könne . Nur erbitte er sich, dass er seine Zuneigung fortan nicht mehr mit solcher Heftigkeit zeige, sondern
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auch in dieser Hinsicht Vernunft walten lasse und der Tugend ergeben sei, die fortan ihre Beziehung bestimmen solle. Man geht wohl nicht fehl, diesen in der Sammlung einzigartigen Brief des Kydones mehr als jeden anderen aus seiner Feder, auch in der Korrespondenz Init Rhadenos, als ein Doku ment sublimierter Erotik zu verstehen. Andererseits steht dieser Brief in äu ßersteln Gegensatz zur enkomiastischen Topik anderer Freundschaftsbriefe, welche die wahren Geruhle eher ün Unklaren lässt. A nalyse zu 2. 1 . 2, A usdruck der Zuneigung oder Lob im privaten Bereich
Wie in den Briefen an Kaiser Manuel7 2 wird auch die persönliche Zuneigung des Kydones zu anderen Personen von ihrem intellektuellen Niveau einer seits und ihrer charakterlichen Fähigkeit zu tieferen freundschaftlichen Emp findungen andererseits bestimmt. 1 ) Das intellektuelle Niveau als bestün mendes Elelnent der Freundschaft spielt in der Mehrzahl der Freundschafts briefe eine Rolle, 73 in einem Fall auch rur den Beginn einer Freundschaft. 74 2) Weniger zahlreich sind die Briefe, in denen die real empfundenen freund schaftlichen Geruhle und nicht die � eistigen Interessen im Vordergrund ste hen. 7 5 Unter ihnen nünlnt ein Brief, 6 der die Überlegungen des Kydones, ob er eine ihm angebotene Freundschaft annehmen soll, ausruhrlieh themati siert, eine Sonderstellung ein. Der Adressat ist ein junger Mann, der aus drücklich nicht die geistigen Interessen des Kydones teilt, aber ihn durch die Aufrichtigkeit seiner Geruhle überzeugt. 2 .2 Rat und Trost Von den vorwiegend dem "Du" gewidmeten Briefen sind die, in denen Ky dones Rat und/oder Trost spendet oder seine liebevolle Sorge ausdrückt, be sonders zahlreich. 2.2. 1 Rat
Unter den frühesten Briefen Init Ratschlägen rur Adressaten findet sich ei 77 ner, 1 24(52), 1 3 64, in dem Kydones seinen Freund Nikolaos Kabasilas Chamaetos zugleich mit der Kondolenz zum Tode seines Vaters berät, wie er 72 Siehe oben, 2 . 1 . 1 .4. 73 Br. 1 83 (0 1 94); Briefe an Rhadenos; 2(0 1 39), 1 64(0 1 89), 209(0222), 375(3 64), 3 68 (0408), 428(44 1 ). 74 Br. 3 68(0408). 75 Br. 1 00(65), 1 63 ( 0 1 8 8), 1 99(2 1 7). 76 Br. 1 99(2 1 7). 77 Zur Umdatierung des Briefes von 1 363 auf 1 364 siehe oben, 2. 1 . 1 .3, Anm. 1 9.
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sich seiner habgierigen Verwandten erwehren könne. Kydones nennt sie "Bestien" (811QLa), die sich "schlimmer als ein Wolkenbruch auf die Über reste des Hauses" stürzen, in dem der Verstorbene gelebt hat, "und wenn keiner sie aufhält, stehen die Kinder der Verstorbenen am Ende nackter da als Schiffbrüchige." Kydones betont, dass er aus Erfahrung spreche, weil es ihm nach dem Tode des eigenen Vaters nicht anders ergangen sei. Er emp fiehlt dem Freund, sich "mit den Waffen der Philosophie" zu wappnen und darauf zu vertrauen, dass sein Vater ihm nun aus der anderen Welt noch grö ßere Sorge zuwenden werde als zu seinen Lebzeiten. Er solle gegen die "Bestien" allerdings auch mit Rhetorik und den Gesetzen, also mit Rechts mitteln, vorgehen, aber sich keinen Anwalt nehmen, sondern selbst sein Recht ausfechten, ohne sich von diesen "Schurken" abhängig zu machen. Wie sich aus einem etwas späteren Brief, 1 25 (5 8), ergibt, ist der Brief beim Adressaten nicht angekommen. Er sollte durch ein Schiff zugestellt werden, das die Stadt Thessalonike Kaiser Johannes V. zur Unterstützung in einer 8 kriegerischen Auseinandersetzung zur See 7 zur Verfügung gestellt hatte. Dieses Schiff ging auf dem Rückweg von Konstantinopel nach Thessalonike aus unbekannten Gründen unter. Als Kydones davon erfuhr, sandte er dem Freund als Ersatz Brief 1 25(58). Hauptthema sind wieder dessen habgierige Verwandte nach dem Tod des Vaters; Kydones rät ihm aber diesmal, nach Konstantinopel zu kominen; denn allein mit den Gesetzen gegen diese "Bes tien" zu kämpfen, sei zu wenig; in Konstantinopel aber könne er sich zusätz liche Hilfe vom Kaiser erhoffen. Der Thematik einer habgierigen Verwandtschaft, die sich widerrechtlich eine Erbschaft aneignet, ist auch Brief 264(258) aus dem Jahr 1 3 8 3 , adres siert an den etwa 25 Jahre jüngeren Johannes Asanes 7 9 gewidmet. Asanes war von Konstantinopel abgereist, um auf der Peloponnes von seinem na mentlich nicht genannten älteren Bruder, der dort ein Landgut besaß, einen Anteil am Familienerbe zu erhalten, den sein verstorbener Vater für ihn be stimmt hatte. Unterwegs war Johannes aber, weil es offenbar Probleme mit der Übergabe des Geldes gab, bei seiner Schwester auf Euboia eingekehrt und dort zunächst verblieben. Kydones beantwortet einen Brief, in dem Jo hannes ihn von Euboia aus über die anstehenden Schwierigkeiten unterrich tet hatte: Der Bruder hatte inzwischen das von ihrer beider Vater für Johan nes reservierte Geld in sein eigenes Landgut und vor allem in die Anschaf fung eines größeren Viehbestandes investiert. Diesen aber hatte wiedenIm 78 Es handelt sich wohl um das Unternehmen gegen die Bulgaren, das auf 1 364 ist; siehe den Verweis in der vorausgehenden Anmerkung. 79 Zur Person siehe PLP 9 1 3 7 1 .
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ein auf der Peloponnes herrschender byzantinischer Despot8 0 beschlagnahmt, so dass eine Auszahlung der Summe an Johannes durch Verkauf des erwor benen Viehs, auch wenn der Bruder sich dazu hätte bequemen wollen, nun gar nicht mehr möglich war. Daher rät Kydones dem Adressaten dringend davon ab, die geplante Reise zur Peloponnes durchzuführen. Nicht nur sei deren Erfolg aus dem genannten Grund fraglich, sondern sie sei wegen der Bedrohung des Reiseweges durch Räuber auch gefährlich. Außerdem sei ei ne längere Abwesenheit des Johannes von Konstantinopel riskant, weil er dort über ein Haus und Grundstück verfüge, das wegen der Gleichgültigkeit oder gar Böswilligkeit seiner Diener allmählich in Verfall geraten sei. We gen seiner langen Abwesenheit könne es sogar eines Tages von der staatli chen Finanzbehörde bzw. vom Kaiser selbst beschlagnahmt werden. Dies sei umso mehr zu befürchten, als er kürzlich einen Gesandten des Kaisers durch undiplomatisches Verhalten brüskiert habe. Nur durch die Beteuerung, dass Asanes bald zurückkehren werde, habe er (Kydones) sein Besitztum in Kon stantinopel bislang noch retten können. An dieser Stelle des Briefes betont Kydones seine aufrichtige Gesinnung: Es gehe ihm nicht um seinen eigenen Vorteil, sondern nur um die Sache des Freundes, und er vergleicht sich mit einelll Arzt, der, wenn sein eigenes Kind erkranke, nicht warte, bis er geru fen werde, sondern ihm ohne Zögern Rat und Hilfe zur Heilung anbiete. Der wichtigste Rat aber sei, dass Johannes schleunigst nach Konstantinopel zu rückkehren solle. Anderenfalls werde er wegen der Unterbrechung seiner Dienstverpflichtungen die kaiserliche Unterhaltszuwendung, dazu aber noch sein Anwesen in Konstantinopel verlieren; denn der Kaiser werde dann nicht länger seine schützende Hand über ihn halten, und er werde "Bestien" in die Hände fallen, die nur darauf warten, andere durch Verleumdungen beim Kai ser um ihr Hab und Gut zu bringen. Die geschuldete Summe aber werde statt seiner die auf Euboia wohnende Schwester mit sanfter Gewalt dem Bruder 1 abringen können, 8 und selbst wenn sie keinen Erfolg hätte, könne Johannes Asanes doch wenigstens beruhigt sein, sein Eigentum in Konstantinopel ge rettet zu haben. Es ist Kydones, wie er ausdrücklich sagt, bewusst, das Maß
80 Gemeint ist wahrscheinlich Demetrios, ein Sohn des Matthaios Kantakuzenos (TINNE FELD, Kydones IH, 96f., Kommentar, H, X4; PLP 1 096 1 ). 8 1 Wamm Kydones trotz der vorher erwähnten Beschlagnahmung des Viehbestandes durch einen Despoten die Auszahlung der Summe an Johannes dennoch durch Intervention der Schwester für möglich hält, wird nicht recht klar.
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eines Briefs 82 überschritten zu haben, aber für sein langes Gerede sei die Zu neigung für Asanes verantwortlich. Gelegentlich ergab es sich auch, dass Kydones seinem langjährigen Freund, dem reisefreudigen Kaufmann J ohannes Laskaris Kalopheros, in schwierigen Situationen beratend zur Seite stand. Seit 1 365 hatte sich dieser der Gunst des Königs von Zypern Peter I. Lusignan erfreut, 83 doch geriet er nach dessen Ermordung 1 369 aus welchen Gründen auch immer in Gefan genschaft, aus der er erst durch Intervention Papst Gregors XI. ün Mai 1 3 7 1 freigelassen wurde. In einem bald darauf verfassten Brief 3 7(86) an ihn nünlnt Kydones Bezug auf seine Befreiung. Er äußert sich kritisch über sei ne Gegner und rät ihln, nun Zypern zu verlassen und sich nach Italien zu begeben. Auch er selbst werde im komlnenden Jahr eine Reise in den Wes ten, und zwar nach Frankreich, unternehmen (wohl vor allem, um in Avig 4 non seinen Freund8 Papst Gregor XI . . , zu treffen) und hoffe, auch Kalopheros auf dieser Reise zu sehen. Trost und vor allem ausführlichen guten Rat spendete Kydones seinem Freund Kalopheros auch wiederum in Brief 223(2 1 5), den er imn 1 3 8 1 an seinen damaligen Aufenthaltsort Methone/Peloponnes sandte. Ein Briefbote hatte berichtet, dass sich Kalopheros trotz guten Allgemeinbefindens be drückt und deprimiert fühle. Kydones bedauert, dass Kalopheros ihln bisher die Ursache seiner Depression nicht mitgeteilt habe. Das erschwere es ihln, geeignete Worte des Trostes zu finden, und er müsse sich verhalten wie ein Arzt, der einen Patienten aus der Ferne behandle, und sich auf allgemeine Ratschläge beschränken. An erster Stelle sei dies die Mahnung, das Unver meidliche zu ertragen und es entweder als Gottes Ratschluss anzunehmen oder einzusehen, dass Betrübnis wie ein schädliches Gift ein erlittenes Übel nicht verringern, sondern nur verschlimmern könne. Vielmehr solle man sei nen Kummer durch die heilende Arznei des Frohsinns zu heilen versuchen. Man solle also den Blick nicht auf die erlittene Kränkung richten, sondern in Betracht ziehen, worin man anderen überlegen sei. Dies könnten bei Kalo pheros innerliche Vorzüge wie Bildung und Lebenserfahrung sein, nicht we niger aber auch der große Reichtuln, den er sich als Kaufmann erworben, so82 Überlänge eines Briefs galt als literarischer Regelverstoß, den man aber oft durch Angabe eines Grundes zu erklären versuchte. 83 Siehe TINNEF ELD, Kydanes 1/2, 393, KOlmnentar, II, BE; doch war gemäß David JACOBY, Jean Lascaris CalapJu?ros, Chypre ef la Marie, Revue des Etudes Byzantines 26 ( 1 968) 1 92- 1 94 die Stellung des Kalopheros auf Zypern nicht so bedeutend wie der dort zitierte Biograph des Kalopheros Ambrosius Eszer annahm. 84 Zu dieser Freundschaft siehe unten, 4. 1 .2, Anm. 27.
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wie die hohen Ehrungen, die e r überall i m Übermaß erfahren habe . Hinzu kOlnme aber auch, dass ilun das Erleben der heillosen Situation Konstantino pel � erspart bleibe und er ohne An� st und Furc�t s � hlafen könne. Der gerin� ; fügige Schmerz aber, den er zu leIden habe, seI WIe der Stachel des Paulus von Gott zugelassen, damit er nicht durch das Übermaß des Glücks seine Be sonnenheit verliere. Ein Dasein ohne j ede Beeinträchtigung sei ja allein Gott vorbehalten, den Menschen aber werde das Glück nur mit Einschränkung zu teil. Nun aber wendet sich Kydones doch der möglichen Ursache für die be drückte StiInlnung des Freundes zu und vermutet, dass er sich auf der Pelo ponnes als Fremder unter Fremden fühle, Init denen er sich kaum verständi gen könne und von denen er auch eine Bedrohung seines Lebens aus Hab gier befürchten müsse. So sei es sicher zu empfehlen, wenn er seine ihln ver trauten Diener von Konstantinopel zu sich kommen lasse, die ihn vor Gefahr beschützen und ilun die Einsamkeit erleichtern könnten. Die Sorge, dass er sie zu teuer bezahlen müsse, sei unbegründet. Auf j eden Fall würde sich die se Zahlung lohnen, zumal die Byzantiner mit einer geringeren Besoldung als abendländische Arbeitskräfte zufrieden seien. Als treuen Diener einpfiehlt er ilun vor allem einen gewissen Agallon, mit dem er zudem verwandt sei und auf den er sich verlassen könne. "Das sage ich aber, weil es mein dringender Wunsch ist, daß du dich gegen die Hinterlist der Peloponnesier, gegen ihre Streitlust und Mordgier vorsiehst. 86 " Etwas anderes aber werde es sein, wenn er sich entschließen könne, "eine der wohlgeordneten Städte in Italien" zum Wohnsitz zu wählen. 87 Dort könne er nämlich auch ohne Austausch seiner Dienerschaft in Sicherheit leben und Kydones von den Sorgen, die er für ihn empfinde, befreien. In eine schwierige Lage geriet auch der Theologe Johannes Kyparissio tes, ein Anhänger des Nikephoros Gregoras und Wortführer der Antipalami ten nach dessen Tod. Er wurde von den Anhängern des Palamas schließlich gezwungen, Konstantinopel zu verlassen, und floh nach Zypern. Dorthin schreibt ihm Kydones, ebenfalls ein Gegner des Palamismus, aus Konstanti nopel Brief 3 5(87). Er nimmt schmerzlichen Anteil daran, dass der Freund aus seiner Heimat vertrieben wurde, in Armut geriet und schließlich ernst85 Der Apostel Paulus beklagt sich in NT 2 Kor. 1 2 , 7 über einen "Stachel im Fleisch", der ihn quäle, wohl Anspielung auf eine Versuchung. 86 Anspielung auf die unmhige politische Situation auf der Peloponnes; vgl. TINNE FELD, Ky dones H, 1 86 , Kommentar, H, ZO. 87 Über den Plan des Kydones, mit Kalopheros in Venedig seinen Lebensabend zu verbrin gen, siehe oben, 1 .5 , Br. 269(246).
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haft erkrankte. Anscheinend wollte man ihm in Konstantinopel 88 wegen sei ner theologischen Einstellung den Prozess machen, was Kydones als "Gipfel aller Missgeschicke" bezeichnet, zumal zuvor seinem Bruder Prochoros dort ebenfalls eine kirchliche Verurteilung zuteil geworden war. Deshalb kann Kydones seinem Freund von der Rückkehr nach Konstantinopel nur drin gend abraten. Er vergleicht seine Gegner in ihrer Unerbittlichkeit mit Stand bildern und die Stadt mit einem Abgrund (ßGtQa8Qov). Besser solle der Freund auf Zypern arm, aber in Sicherheit vor seinen Gegnern leben, als auf der Flucht vor dem Rauch (dem kleineren Übel) der Flamme (dem größeren Übel) verfallen. Zur Bewältigung seines Leidens solle er auch Trost bei der Weisheit der Philosophie suchen, die dem Feuerbrand des Empfindens gleichsam die Materie entziehe. Zuletzt kommt Kydones auf die Überlegung des Freundes zu sprechen, in Italien Zuflucht zu suchen. Dort gebe es zwar Menschen edlen Charakters, aber Kyparissiotes werde dort Schwierigkeiten haben, weil er das Lateinische nicht genügend beherrsche : "Wer aber ihre Vorzüge genießen will, muss ihre Sprache kennen; denn wenn man unver ständliches Zeug redet und mit Gebärden ihre Meinung zu ergründen sucht, wie viel unterscheidet sich das von einem Leben in einer Rinder- oder Esel herde? Man wird keinerlei Gewinn davon haben und noch dazu den Trost, den geistige Beschäftigung bringt, verlieren." Der Brief ist ein Dokument der realistischen Einstellung, mit der Kydones seine Ratschläge erteilt. Ky parissiotes begab sich aber bald darauf dennoch nach Italien und scheint sich dort auch auf Lateinisch gut verständigt zu haben. Wahrscheinlich kehrte er 1 37 8/79 nach Konstantinopel zurück.8 9 In dem ersten erhaltenen Brief, 1 59( 1 5 8), den Kydones 1 3 75 an seinen Freund und Schüler Rhadenos richtete, diskutiert er mit ihm nach dessen Ab reise aus Konstantinopel die Frage, ob er in Thessalonike bleiben oder bald zu ihm zurückkehren solle. Er betont, er wolle seine Entscheidung nicht be einflussen, erinnert ihn aber daran, dass er versprochen habe, sie ihm mitzu teilen. Seine folgenden Ausruhrungen lassen aber erraten, dass er die Ent scheidung, seine Studien bei ihlTI fortzusetzen, doch rur die bessere halten würde. Es folgt die verhaltene Drohung, er würde ihm ein weiteres Zurück halten der gewünschten Information sowohl als Trägheit wie auch als Un dankbarkeit anrechnen. Mit Brief 2 1 6(0225) antwortete Kydones seinem Freund Manuel (?) Tar chaneiotes in Thessalonike, als dieser ihn um Hilfe rur einen verbannten Abt gebeten hatte, der bei seinem Oberen (dem palamitisch gesinnten Patriarchen 88 Nicht auf Zypern, wie mein Kommentar irrig angibt (TINNEF ELD, Kydones V2, 485). 89 Siehe TINN E FELD, Kydones II, 94.
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Philotheos 7) in Misskredit geraten war. Kydones beginnt den Brief mit der Bemerkung, anscheinend habe Tarchaneiotes übersehen, dass er nicht mehr den gleichen Einfluss bei Hofe wie in früheren Jahren habe. Jedenfalls weist Kydones damit eine Intervention für den Abt zurück. Angeblich habe dieser sich, wie er von informierter Seite erfahren habe, todeswürdiger Vergehen schuldig gelnacht. Für diese habe besagter Oberhirte seine Verbannung durchgesetzt und alle mit dem Kirchenbann bedroht, die ihn nach Thessalo nike zurückzuholen versuchten. Aus Furcht vor dieser Drohung sei nun nie mand bereit, sich für den Abt einzusetzen, zulnal eine Phalanx fanatischer Palmniten dem Oberhirten zur Seite stehe. Kydones zeigt sich allerdings ge genüber diesen Anklägern skeptisch und überlässt Tarchaneiotes die Ent scheidung, ihnen zu glauben oder sie für Lügner und Schurken zu halten. Wenn er aber eine solche Entscheidung vermeiden wolle, möge er dem Abt deutlich sagen, dass er weder von ihm noch von Kydones Hilfe erhoffen, sondern sich allein auf die Bestechung seiner Gegner verlassen solle. "Wenn also der Säckel ziemlich prall gefüllt ist, wird man gewiss bald sehen, wie er sie, die jetzt Init ihm ihr Spiel treiben, sogar gegen ihren Willen an der Nase herumführt, wie der Fluch sich für ihn in Segen verwandelt und alle Gesetze für ihn sprechen, mit denen ihn früher seine Verfolger angriffen." So mäch tig sei inzwischen in Byzanz das Geld geworden. Natürlich ist der Rat, der Abt solle sich auf Bestechung verlassen, ironisch gemeint. Wenn ihm aber Kydones Bestechung zutraut, scheint er ihn trotz seiner palamitischen An kläger wohl kaum positiv einzuschätzen. Anders als dieser erteilt der auf 1 3 83-86 datierbare Brief 3 2 3 (2 80) an Muzalon, einen hohen Beamten im Dienst Kaiser Manuels Ir. in Thessaloni ke, j edoch wieder ernsthaft gemeinten Rat. Muzalon hatte sich über die Schwierigkeit seines Dienstes anlässlich der türkischen Bedrohung beklagt, und Kydones ermahnt ihn, gelassen zu bleiben und zu bedenken, dass ihln, als er sein Amt übernahm, das Türkenproblem bereits bekannt war. "Wenn aber, wie du sagst, das Unglück überhand nimmt und die Wellen stärker als alle Seemannskunst sind, setze du dennoch dem Übennaß des Schreckens die Hoffnung auf Gott entgegen; dann wirst du spüren, dass sie mehr den Ausschlag gibt als die Waffen." Um Gott als Bundesgenossen zu haben, sol le der Beamte sich um Gerechtigkeit bemühen und der Habgier entsagen, denn wer nur an sich selbst denke, müsse mit der Strafe Gottes rechnen, der sich der Armen annehme, aber auch darauf gefasst sein, dass das Volk sich an ihm rächen werde. Freilich sei Kydones überzeugt, dass Muzalon dieses
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Rates nicht ?edürfe, sondern kei�eswegs die B elange der Arme � verfoesse. . So könne er 11m nur ennahnen, semer guten GeSInnung treu zu bleIben. In deIn etwa auf die gleiche Zeit datierbaren Brief, 300(28 1 ), warnt Ky dones einen hohen kaiserlichen Finanzbeatnten, der ihm ein Geschenk hatte zukOlmnen lassen, denn er fürchtet, dass ihln diese Geste der Freundschaft von Denunzianten negativ ausgelegt wird: "Sie werden ( ... ), wenn sie das Geschenk sehen, darin nicht die Gesinnung eines Freundes erkennen, der Inir alles aus seinem persönlichen Eigentum hat zukominen lassen, sondern die betrügerische Hinterlist eines Mannes, der seinen Freunden lnit deIn gefällig ist, was er dem kaiserlichen Fiskus unterschlägt." Es sei aber zu befürchten, die kaiserliche lustizbehörde werde sich diese Interpretation gern zu Eigen 1 machen. 9 Unter den Briefen beratenden Charakters nümnt 342(329) an Kaiser Ma nuel in Thessalonike, 1 3 87, eine Sonderstellung ein, weil er ausdrücklich dieseln Thema gewidmet und sehr ausführlich ist. Eingangs betont Kydones, dass er seinem kaiserlichen Herrn nur auf dessen ausdrückliches Ersuchen Ratschläge in seiner verzweifelten Lage kurz vor der Eroberung der Stadt durch die Truppen Murads 1. erteile, ihln aber, selbst wenn er Kalchas, der berühmte Vogelschauer der homerischen Ilias wäre, die Entscheidung nicht abnehinen könne. Die Lage des Kaisers zu beurteilen sei ihm unmöglich, zu mal er in Konstantinopel, bei Manuels Vater lohannes V. in Ungnade gefal len, von allen Informationen abgesclmitten sei. So könne er nur allgelneine Überlegungen anstellen. Die erste und wichtigste Erkenntnis sei, dass dem Kaiser in seiner Situation nur die Wahl zwischen mehreren Übeln verbleibe. "Was aber die Gegenwart betrifft, so müssen wir versuchen, wenigstens den schlimlnsten der uns umgebenden Übel zu entgehen, da aus meiner Sicht schon genug gewonnen ist, wenn wir nicht gänzlich untergehen." Von drei Möglichkeiten sei das Verbleiben in Thessalonike als eine Alternative, die für Manuel nicht in Frage kOlnme, auszuschließen. Von den beiden anderen, der Flucht in ausländisches Territorium und dem Verbleiben im byzantini schen Machtbereich, kOlnme aus der Sicht des Kydones die erste nicht in Frage; denn Manuel könne nicht damit rechnen, ün Ausland wie ein Kaiser geehrt zu werden, und werde sich dort nicht von einein gewöhnlichen Bitt steller unterscheiden. Auch würde das Gefolge des Kaisers es kamn ertragen, ein Leben fern der Heimat führen zu müssen. Hier ist die unausgesprochene 90 Etwa für den gleichen Zeitabsclmitt ist noch Br . 2 8 1 (0295), siehe unten, 2 . 5 , zu nennen, der einen Bericht über erfolgte Vermittlung beim Kaiser mit guten Ratschlägen verbin det. 91 Vgl. die Klagen des Kydones über Intrigen am Kaiserhof, oben, 1 .2 . 1 .
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Furcht des Kydones herauszuhören, Manuel kölme sich, der Not gehorchend, dem Machthaber der Osmanen unterwerfen, eine Befürchtung, die Kydones zunächst nur in den Briefen an Rhadenos offen aussprach. 92Aber selbst von dem Versuch, auf der byzantinischen Peloponnes ün Herrschaftsbereich sei nes Bluders Theodoros Zuflucht zu suchen, rät Kydones illln strikt ab. Die bescheidene wirtschaftliche Situation dieses Gebietes würde zum Unterhalt Manuels und seiner Gefolgschaft nicht ausreichen und nur zu Reibereien mit dem Bruder führen. Unter Berufung auf einen zuverlässigen Infonnanten nennt Kydones ihm nun die aus seiner Sicht allein aussichtsreiche Alterna tive: "Es bleibt dir also nur, dich deIn anzuvertrauen, der zugleich dein Vater und Kaiser ist, nicht nur weil es - zumal in einer so heillosen Lage - sicherer ist, sondern weil es dir auch als solches lnehr als alles andere Freude und Nutzen einbringt. Ist doch nichts dem Vater lieber als sein Kind, nichts dem Sohn ehr- und vertrauenswürdiger als sein Vater." Kydones sieht allen Grund zur Hoffnung, dass Johannes V., der seinem Sohn seit dessen Aufent halt in Thessalonike zürnt, il1l1 in Gnaden aufnelunen werde, wenn er sich ihm als deIn regierenden Kaiser von Byzanz unterwerfe und seine durchaus erfüllbaren Wünsche erfülle. So werde er wohl von ilun verlangen, von seinem großen Gefolge nur die wenigen mitzubringen, denen er Vertrauen schenke. Es sei aber auch zu erwarten, dass seine Mutter, die Kaiserin He lene, ihren positiven Einfluss für ihn einsetzen werde. Auch werde wegen seiner schwachen Gesundheit der Kaiser in Kürze ohnehin auf seinen treuen Sohn angewiesen sein, deIn nach seinem Tod ja auch die höchste Macht zu fallen werde. Aus der weiteren Korrespondenz des Kydones lnit Manuel und lnit Rhadenos ist bekannt, dass Manuel diesen Rat zunächst nicht befolgte und wahrscheinlich wegen der unnachgiebigen Haltung seines Vaters auch nicht befolgen konnte. Um die gleiche Zeit schrieb Kydones einen Brief, 345 (3 3 0), lnit Rat schlägen an seinen Freund, den Kaufmaml Johannes Laskaris Kalopheros. 93 Hier sprach er seine Enttäuschung aus, dass dieser, anstatt, wie er in Aus sicht gestellt hatte, auf Dauer in Venedig zu verbleiben, sich bereits wieder auf Reisen begeben hatte, und er befürchtete deshalb, dass der Plan, mit ihm gemeinsam dort seinen Lebensabend zu verbringen, scheitern könne. Aber noch hoffte er, ihn mllZustill1lnen, und gab ihm lnit den Worten des pseudo pythagoreischen Auremn Carmen94 den Rat, fortan einen maßvollen, zwi92 Siehe unten, 2 . 3 . 9 3 Zur Person dieses Adressaten siehe oben, i n diesem Abschnitt, Br . 73 (54), 223(2 1 5); 1 .4.2, Br . 3 7 1 (360); 1 .2. 3 , 436(43 1 ). 94 Zum Zitat siehe TINNE FELD, Kydones III, 297, Kommentar, Anm. 7.
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schen Bewegung und Ruhe ausgewogenen Lebensstil zu führen. Er solle sich nicht, um sein Vermögen ünmer mehr zu vergrößern, ohne Not weitreichen den Verpflichtungen ausliefern, sondern seine Unabhängigkeit genießen, wenn er nicht geradezu ein Bedürfnis nach selbst verschuldetem Unglück habe. Er solle auch bedenken, dass das Glück nicht lange den Erfolgreichen treu bleibe, sondern plötzlich wie ein ungebärdiges Pferd seinen Reiter abwerfe oder gar zerstampfe. "Sollte es also nicht vernünftig sein, dass auch du, der du bis jetzt vermuten konntest, das Schicksal feiere ein Fest mit dir, dich zum Rückzug von den Geschäften entschließt ( . ), zumal dir der Ru hestand zahlreichere und größere Vorteile bringen kann? Einem Mann, der in Wissenschaft und Weisheit bewandert ist, ist j a ein großartiger Schatz innerlicher Freuden und Beglückungen aufbewahrt, bei weitem kostbarer als die nur so genannten Freuden ( . . . ).Wenn daher auch du die wahren und dau ernden Freuden mit ganzer Seele genießen willst, musst du das weite Um herreisen und deine nutzlose Geschäftigkeit aufgeben, die allein den Bedürf tigen, welche die Not nicht schlafen lässt, angemessen ist." Jedenfalls könne er selbst, Kydones, es sich nun leisten, sein Leben in Muße und bei philoso phischen Studien zu verbringen. So möge Kalopheros seinem Beispiel fol gen, und Kydones verspricht ihm: "Dann wirst du, wenn du dich von dem vielen Getriebe erholt hast, nicht nur eine wunderbare Stille verspüren, son dern auch die reinen Freuden genießen, die deiner Natur gemäß sind." Nun aber kOlnmt er auf den eigentlichen Grund dieser Ratschläge zu sprechen: "Du wirst aber auch mich an deiner Seite haben und hören, wie ich dich für das, was du nun gewählt hast, lobe, mich aber auch mit dir über dein täg liches Wachsen in der Tugend freue ( . . . ). Damit du also auch erlangst, was ich dir zu geben habe, entschließe dich, das Leben in Ruhe wahr zu machen, und schreibe mir, wo du deine Bleibe nehmen willst ! " Ernst gemeinten9 5 guten Rat erteilt Kydones auch seinem Freund Tarcha neiotes mit Brief 41 7(0420). Hier antwortet er unter andereln auf seine An frage, wie er Kaiser Johannes V. ein Anliegen präsentieren könne. Kydones warnt ihn davor, allein auf seine, des Kydones, Vennittlung zu vertrauen, und rät ihm, sich mit einem persönlichen Schreiben an den Kaiser zu wen den, "damit er mich nicht für einen Schwätzer hält, weil ich ihm, während du dich in Schweigen hüllst, die Sache allein vortrage, als wollte ich dich mir dadurch zu Dank verpflichten. Dieses Gesetz gilt jedenfalls für die, welche beim Kaiser etwas Gutes für sich erreichen wollen. Die von dir mit wenigen Worten vorgebrachte Schmeichelei hingegen, mit der du bereits gewonnenes . .
95 Im Gegensatz zum eher ironisch gemeinten Rat an Tarchaneiotes in Brief 2 1 6(0225), wei ter oben in diesem Abschnitt.
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Spiel zu haben glaubtest, wird dir wohl keine Gunst einbringen." Der Kaiser reagiere nämlich nicht mehr auf Schmeicheleien, weil er täglich viele Lob preisungen, und ansehnlichere als die des Tarchaneiotes, zu hören bekomme. Mehr könne ein deutlich formulierter Bittbrief erreichen. 96 An diesen Brief knüpft Brief 4 1 9(042 1 ) an. Er nimmt auf die Unzuver lässigkeit des Boten David Bezug und stellt lobend fest, dass ein zweiter Bo te des Tarchaneiotes, Aplesphares, sich besser bewährt habe. Diesmal könne er deshalb mit einem guten Ausgang der Angelegenheit rechnen, zumal Ky dones, der noch im kaiserlichen Dienst steht und mit dem kaiserlichen Wohl wollen rechnen kann, sich beim Kaiser für ihn verwandt habe. In einem der letzten Briefe, die Kydones hinterlassen hat, 437(449), etwa aus dem Jahr 1 3 94, erteilt er seinem Schüler und Freund Manuel Kalekas den Rat, sich zu schonen, solange er einen kranken Fuß 97 habe. Der Rat be zieht sich auf die Tätigkeit, die Kalekas für ihn durchführte, eine heute noch handschriftlich in eod. Vat. Urbin. gr. 1 3 3 erhaltene Kopie seiner autogra phen Briefsammlung. Diese Arbeit hat Kalekas wegen des erkrankten Fußes unterbrechen müssen, befindet sich aber schon auf dem Weg der Besserung. Kydones freut sich darauf, dass er das Werk bald fortsetzen und vollenden könne, und ermahnt ihn: "Überfordere aber nicht vorzeitig deinen Fuß, son dern bleibe zu Hause und warte ab, bis die Natur so weit ist. Sie wird dir sanft deine Fessel lösen, wenn du Hippokrates vertraust, der (sc. in der Schrift De fracturis) als Heilmittel für den kranken, wahrscheinlich gebro chenen, Fuß die Ruhigstellung verordnete." Vielleicht darf man aus dieser Bemerkung schließen, dass Kalekas seine Kopie an einem anderen Ort als zu Hause anfertigte (in einer Bibliothek oder Schreibstube?). Analyse zu 2.2.1, Rat
Es lassen sich zwei Gruppen von beratenden Briefen unterscheiden, die sachlich und die religiös-philosophisch orientierten. Themen der häufiger vorkommenden sachlich orientierten Beratungsbriefe sind: 1 ) Das Verhalten in Erbfällen, vor allem der Ulngang mit habgierigen Verwandten, die mit Raubtieren verglichen werden. 98 2) Die Vermeidung von Konflikten mit per sönlichen Gegnem. 99 3) Ratschläge, die dem eigenen Interesse des Ratgebers
96 Zum Thema des unzuverlässigen Briefboten David in diesem Brief siehe unten, 3.2.4. 97 Das hier stehende griechische Wort noue;; kann "Fuß" oder auch "Bein" bedeuten. Mangels zusätzlicher Angaben bleibt es hier offen, was gemeint ist. 98 Br. 1 24(52), 1 25(58), 264(25 8). 99 Br. 3 7(86), 3 5(87).
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entsprechen. l oo 4) Der Rat, keine Geschenke zu geben, die als Bestechung ausgelegt werden könnten. 1 0 1 5 ) Der Rat, auf das Engagement für eine Inora lisch zweifelhafte Person zu verzichten. l 02 6) Ausführliche Überlegungen zu der Frage, wie Kaiser Manuel sich angesichts der bevorstehenden Eroberung Thessalonikes durch die Türken zu verhalten habe. l 0 3 7) Beratung, wie der Adressat mit Kaiser Johannes V. umzugehen habe, um ein Anliegen zu errei S chen. 1 04 8) Rat an den Adressaten, sich gesundheitlich zu schonen. l O Religiös-philosophischen Rat erteilt Kydones Briefpartnern 1 ) gegen per sönliche Depressionen, 106 2) gegen die Angst vor der Bedrohung durch die Türken. 1 07 2 . 2 .2 Trost l 0 8 Ein nmnentlich nicht bekannter Antipalamit, wahrscheinlich Mönch, ist der Adressat von Brief 99(0 1 32), der wegen seiner theologischen Überzeugung aus Konstantinopel verbannt wurde. Kydones lobt seine frollline Sanftmut und Geduld Init seinen Gegnern und verheißt ihln Hilfe durch Gottes Ge rechtigkeit, die ihm bereits bei einer früheren Gelegenheit förderlich gewe sen sei. Er berichtet nun, dass er sich beim Kaiser für ihn eingesetzt habe, und dieser habe schon eine Rehabilitierung des Verbamlten beschlossen, sei aber durch Intrigen eines Palamiten (wahrscheinlich Patriarch Philotheos) an einer schnellen Erledigung der Angelegenheit gehindert worden. Zu den Trostbriefen ist auch Brief 48(0 1 20) an einen gewissen Phakrases zu zählen, der sich bei Kydones über vielerlei im Einzelnen nicht beschrie bene Intrigen seiner Gegner beklagt hatte. Jedenfalls tröstet ihn Kydones mit den Worten: "Wir aber halten dich für einen guten Menschen und sehen in deiner jetzigen Annut oder Inisslichen Lage ein Zeichen deiner seelischen Schätze. Denn wer in einer solchen Situation ständig die geziemende Den kungsart zu bewahren weiß, gehört wirklich zu den Glücklichen." Im weite1 00 Br. 1 59( 1 58) (Rat an den Schüler Rhadenos, nach Konstantinopel zu kommen, weil ihm seine Anwesenheit persönlich angenehm ist). Br. 345(330) (Rat an einen Freund, sein mheloses Leben aufzugeben, weil Kydones mit ihm seinen Lebensabend verbringen will.) 1 0 1 Br. 300(2 8 1 ). 1 02 Br. 2 1 6(0225). 1 03 Br. 342(329). 1 04 Br. 4 1 7(0420), 4 1 9(042 1 ). 1 05 Br. 43 7(449). l 06 Br. 223(2 1 5), hier verbunden mit verschiedenen praktischen Vorschlägen. 1 07 Br. 323(280). 1 08 Trostbriefe anlässlich eines Todesfalles sind unten unter 3 .4.2 eingeordnet.
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ren Verlauf des Briefes spricht Kydones auch die Hoffnung aus, dass die Gegner des Adressaten ihre verdiente Strafe erhalten werden. Brief 1 74( 1 7 1 ), 1 3 76, an den Freund Tarchaneiotes in Thessalonike ist weniger der Kategorie der Kondolenzbriefe zum Tode dritter Personen (3 .4) als vielmehr den Briefen zuzuordnen, die Trost iln Unglück spenden. Eine Epidemie hat Angehörige und Freunde des Tarchaneiotes dahingerafft, und Kydones stellt nun Überlegungen über die positiven Aspekte der Seuche an. Erfreulicherweise habe Tarchaneiotes sich, aus Furcht vor Ansteckung bei seinen Handelspartnern, der Wissenschaft zugewandt, was seiner Moral för derlich gewesen sei. Überhaupt kömle man sagen, dass die größere Todes nähe und die Angst um das eigene Leben die Menschen zur Besinnung auf das allein Wichtige gelangen lasse. So habe der Freund auch Fortschritte in der Philosophie und der Frölllinigkeit lnachen kölmen und werde weiter aus deIn Studimn der Bücher Kraft schöpfen, auch lnit einem widrigen Schicksal fertig zu werden. ltn Herbst 1 3 82 hatte sich Kaiser Manuel H. nach Thessalonike begeben, um die Stadt vor dem Ansturm der Türken zu retten. Im Herbst des folgen den Jahres hatte er in dieser Auseinandersetzung eine elnpfindliche Nieder lage zu beldagen, die Kydones in Brief 282(268) an den Kaiser als schmach volle Tragödie bezeichnet. So beginnt er denn auch lnit einer erschütteinden Klage über das Los seiner Heimatstadt. Dann aber versucht er die schwere Depression, die ihn befallen hat, durch Erinnerung an die Vorsehung Gottes zu bewältigen. Nichts treibe einsam und ohne ihre Sorge umher, und so ver berge sich hinter dem Schlechten und Widerwärtigen oft auch etwas Positi ves, das sich erst nach einiger Zeit offenbare. Der Mensch müsse sich j eden falls mit der Veränderlichkeit seines Schicksals abfinden, und auch das un besiegliche Reich der RhOlnäer lnüsse eimnal VOln Entgegengesetzten kosten und an der allgemeinen Hinfälligkeit teilhaben. "So gibt es in dieser Situa tion genug Tröstliches, wenn man es vom natürlichen Lauf der Dinge her betrachtet." Gemäß Kydones münden alle Bewegungen in dieser Welt in die eine unbewegliche Ursache, und dort sei der Sinn der Dinge zu finden, die hier als widersinnig erschienen. Es sei der Gute und Gerechte, der das Nega tive über die Menschen komlnen lasse, denn dieses könne entweder Strafe für vergangene oder Einschränkung zukünftiger Verfehlungen sein oder wie eine Arznei heilende Wirkung haben. Am Schluss entschuldigt sich Kydo nes, falls es so aussehe, als wolle er den wohl beratenen Kaiser belehren. Er wolle ihn vielmehr zum Selbstvertrauen ennuntenl wie Kinder, die lnit ihren Zurufen Wettläufer anfeuerten. Wie weder sie zur Schnelligkeit der Athleten beitragen könnten noch der gläubige Beter Gott umstilnmen werde, und es
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doch so scheine, als könnten sie etwas bewirken, so erlebe es auch Kydones, wenn er den Kaiser zum Vertrauen auf die Vorsehung Gottes ermahne. Etwa im Winter 1 3 84/85 richtet Kydones noch einmal einen Trostbrief, 299(289), an Kaiser Manuel in Thessalonike. Er beginnt mit der Beschrei bung vergleichbarer Situationen von Städten in der Geschichte der Mensch heit, um zu zeigen, wie das Schicksal Init den Menschen sein Spiel treibe, und so die Situation Thessalonikes zu relativieren: "Wir wollen uns also nicht wundem, wenn es auch Thessalonike zuteil wurde, das zu erfahren, was oft im Leben geschieht; wir wollen die freudigen Hoffnungen nicht wie Anker kappen und uns selbst dem Sturm ausliefern, sondern den Wellen ent gegenblicken, vor den Augen der Feinde der Verzagtheit trotzen und das Un abänderliche zu ertragen versuchen, weil wir wissen, dass wir wegen unserer jetzigen Betrübnis das bestehende Ungemach um nichts verringern, sondern, von ihr befangen, nicht einmal etwas Gutes, wenn es uns widerfährt, in ange messener Weise genießen können." Zur Überwindung der Betrübnis emp fiehlt Kydones vor allem, die Hoffnung nicht aufzugeben, die letztlich im Vertrauen auf Gott ihren Grund habe. Gott lasse geschehen, was unseren Wünschen widerspricht, um uns zu prüfen, um vergangenes Unrecht zu stra fen, bestehendes zu heilen und zukünftiges abzuwehren. Aber er lasse nicht das Unerträgliche zu, sondern gebe mit der Prüfung auch den guten Aus gang. I 09 Wie das Schicksal anderer Städte in bedrohter Lage sich gewendet habe, so könne dies auch im vorliegenden Fall zutreffen, umso mehr, da Kai ser Manuel sich bemühe, ein guter und gerechter Staats lenker zu sein, aber auch dank der Güte Gottes und der Fürsprache des Stadtpatrons von Thes salonike, des hl. Demetrios. Etwa um dieselbe Zeit (Herbst 1 3 83) ist Kydones auch bemüht, einem Freund, der in einer von Feinden bedrohten Stadt lebt, wohl ebenfalls Thes salonike, mit einem Brief, 272(270), Trost zuzusprechen. Auch hier interpre tiert Kydones die heillose Situation als Strafe für die eigenen Sünden bzw. als göttliche Pädagogik, die dem Leiden reinigende Kraft gibt, will aber gleichwohl Erlösung aus dieser furchtbaren Situation erbitten. Im Jahr 1 3 8 8 schrieb Kydones an seinen Freund Maximos Chrysoberges, der sich bei Kaiser Manuel im Exil auf der Insel Lemnos aufhielt, einen Trostbrief, 3 87(369), weil er sich über die bescheidene Wohn- und Ernäh rungssituation auf dieser Insel beklagt hatte. Zunächst rät er ihln, nicht alles Unerfreuliche, was er erlebe, dem derzeitigen Aufenthaltsort zuzuschreiben, "denn überall wirst du Lemnos und seine Übel finden, solange der Wirbel1 09 Vgl . NT l Kor. 1 0, 1 3 . .
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strom des Schicksals die Geschicke der Menschen auf- und niederwogen lässt, vor allem j etzt, da alles, was rings um unser Land geschieht, die Hab gier der Barbaren wie eine Wolke umfangt, aber auch alle Vorgänge im In neren von ihrem Gutdünken gelenkt werden, alles voll ist von Zwietracht und Misstrauen und nur ein Weg zum Überleben verbleibt: ein perfekter Schurke zu werden. Wenn also überall Klippen aufragen, wollen wir das nutzlose Klagen aufgeben und gegen das wogende Meer Gott anrufen. Weil er gut ist, wird er uns erhören; er wird den Sturm beruhigen und es denen, die auf ihn hoffen, gewähren, einen Hafen zu erreichen." Kydones versucht also, Maximos mit dem Hinweis auf die allgemeine Gegenwart des Un glücks, über das er sich beklagt hat, zu trösten und spinnt diesen Gedanken noch weiter mit der Überlegung, dass er es mit vielen "vortrefflichen" Men schen teile. "Ja, ist es denn nicht auch mit Genugtuung verbunden, wenn man zusammen mit einem solchen Kaiser in eine Notlage gerät?" Wenn also der Freund leide, dann sei er in dieser Hinsicht wenigstens in guter Gesell schaft und sollte es als eine Ehre empfinden, dass er Init dem Kaiser leiden dürfe, zumal man sich erhoffen dürfe, dass Gottes Vorsehung der gegenwär tigen Notlage ein baldiges Ende bereiten werde, weil die tapfere Gesinnung Kaiser Manuels dies durchaus verdiene. Analyse zu 2.2.2, Trost
Die von Kydones verfassten Trostbriefe sind naturgemäß eher religiös-philo sophisch orientiert. Trost spendet man, wenn guter Ratschlag teuer ist. I) So hat diese Form des Trostes ihren Platz, angesichts der unabwendbaren Be drohun? Thessalonikes durch die Türken, in Briefen an Kaiser Manuel und andere, 10 aber auch im Brief an Maximos Chrysoberges, der sich über das raue Exil auf der Insel Lemnos, das er mit Kaiser Manuel nach deIn Fall Thessalonikes teile, beklagt hatte. I I I 2) Dem Freund Tarchaneiotes, der in Thessalonike von einer Epidemie betroffen ist und durch sie Angehörige und Freunde verloren hat, spendet Kydones Trost, indem er ihm die positive Wir kung dieser Katastrophe auf seine persönliche religiös-geistige Entwicklung beschreibt. I I 2 3) Rein sachlich orientiert ist nur der Trostbrief des Kydones, der einem Adressaten über seine persönliche Vermittlung für ihn beim Kai ser berichtet. 1 13 Zum Thema Trost siehe auch unten, 3 . 4.2, Kondolenzbriefe. 1 1 0 Briefe a n Kaiser Manuel: 282(268), 299(289). Trostbrief zu demselben Thema a n einen Freund, 272(270). 1 1 1 Br. 3 87(369). 1 1 2 Br. 1 74( 1 7 1 ). 1 1 3 Br. 99(0 1 32).
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2 . 3 Sorge VOlwiegend von der Sorge um das Leben und Wohlbefinden des Adressaten geprägt ist eine Reihe von Briefen des Kydones an seinen Schüler und Freund Rhadenos. Ca. Anfang November 1 3 82 war Kaiser Manuel in Thes salonike eingetroffen, um die Stadt gegen die Türken zu verteidigen. 1 1 4 Rha denos, der einige Zeit vorher von Konstantinopel in seine Heimatstadt Thes salonike zurückgekehrt war, gewann bald die Gunst des Kaisers und wurde in dessen engere Gefolgschaft aufgenommen. Bereits früh äußerte Kydones in seinen Briefen Bedenken gegen diese Bindung des Rhadenos an den Kai ser. 1 1 5 Was ihn vor allem beunruhigte, war die Bedrohung Thessalonikes durch die Türken, durch die er auch das Leben des jungen Mannes gefährdet sah. In Brief 248(259), verfasst ün Späts Ollliner 1 3 83, spricht er diese Sorge erstmals aus. 1 16 Eine ernsthafte Gefahr für Thessalonike begann aber erst nach der Eroberung von Serres durch die Türken am 1 9.9. 1 3 83 . Bereits der erste Brief an Rhadenos, der dieses Ereignis ausdrücklich voraussetzt, 289 (272), bezeugt die erhöhte Besorgnis seines Mentors : "Dein Schicksal lastet auf mir und nagt an meiner Seele ( . . . ). Daher hätte ich dir, wäre ich nicht si cher, den Kaiser zu kränken, wenn ich ihn eines Mannes beraube, dessen Anwesenheit ihn erfreut, längst geraten, dem alles erfassenden Brand zu ent fliehen; denn ihn wird allein der bändigen können, der den Feuerofen von Babylon lnit Tau löschte (sc. Gott) ." 1 1 7 Der folgende Brief 324(275) an denselben Adressaten, verfasst zwischen Febnmr und Mai 1 3 84, lässt erkennen, dass die Sorge des Kydones unverän deli andauert: "Ich ( . . . ) bin, was dich betrifft, ünmer derselben Ansicht: Du sollst nicht Träumen nachgeben, sondern aus dem Feuer springen, solange es dir noch freisteht." Und er betont, dass der Kaiser ihn nicht hindern werde, denn er habe sogar schon Mönchen die Flucht aus der bedrohten Stadt nach Konstantinopel erlaubt, obwohl man doch von diesen erwarten könne, am längsten dort zu verweilen. Und der Brief schließt mit den Worten: "Da ich also ( . . . ) um dein Wohl besorgt bin, habe ich dir bereits früher geraten und 1 1 4 TINNE FELD, Rhadenos, 2 1 9. 1 1 5 TINNE FELD, Rhadenos, 220 (zur Dreieckssituation des mit Manuel und Rhadenos be freundeten Kydones). Siehe auch Br. 270(269); hier stellt Kydones missbilligend fest, dass Rhadenos vom Kaiser "gekostet" habe; er werde aber von dieser "Speise" nach der Sättigung auch wieder einmal Unlust verspüren. Wesentlich sicherer sei die Gemein schaft im Geistigen, die ihn mit Kydones verbinde. 1 1 6 TINNE FELD, Rhadenos, 220. 1 1 7 Anspielung auf die Babylonischen Jünglinge im Buch Daniel des Alten Testaments. Zu ilmen ausführlich TINNE FELD, Kydones IV, 33, Kommentar, Anm. 2.
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empfehle es dir auch jetzt ( . . . ), alles zu wagen, wodurch du die Sklaverei vermeiden kannst. Wenn du aber vor den Wogen keine Furcht hast, weil du angeblich, wann du willst, aus ihnen herausschwimmen kannst ( . . . ), tadle uns ( . . . ) nicht dafür, dass wir dich lieben und grundlos um dich besorgt sind ( . . . ). Ich bete aber, dass deine Flucht nicht in den Winter oder auf einen Sabbat I 18 falle." Im August 1 3 84 war die Sorge des Kydones so angestiegen, dass er dem jungen Mann androhte, dieser Brief 273 (284) sei der letzte, den er an ihn schreibe. Er könne j a fortan nicht mehr auf ein Wiedersehen hoffen, "denn die Habgier der Barbaren trennt uns, die wie ein auf alles übergreifendes Feuer l 19 nur Gott und seine Macht löschen kann." Als aber in den folgenden Monaten die Lage sich einigermaßen beruhigte, wichen die extremen Äuße rungen der Sorge wieder der gewohnten Skepsis, ob Rhadenos sich jemals zu der erhofften Flucht nach Konstantinopel werde entschließen können, so vor allem in Brief 305(305) von Mai/Juni 1 3 85 und in Brief 3 1 6(3 1 1), ver fasst Herbst 1 3 85/Frühjahr 1 3 86. In einem nur ungefähr auf 1 3 85/86 datier baren Brief, 3 3 5 (3 1 5), knüpft Kydones an eine ihm zugegangene Nachricht an, Kaiser Manuel habe Thessalonike zu Schiff verlassen (wenn auch viel leicht nur vorübergehend, zu einer diplomatischen Begegnung), und gibt Rhadenos den Rat, die Gelegenheit zu nutzen und selbst aus der Stadt zu fliehen. Aber erst Brief 3 3 2(328) an Rhadenos lässt ein erneutes Aufflmn men der Sorge erkennen, er werde bald in türkische Sklaverei geraten und nicht nur das Schicksal, sondern auch den Tod eines Sklaven erleiden. "Denn wenn du einmal der Grausamkeit der Barbaren ausgeliefert bist, kann man sich keine Übeltat vorstellen, mit der du nicht zu rechnen hättest." Und Kydones hält ihm das Schicksal mehrerer Städte vor Augen, die bereits Op fer der türkischen Okkupation wurden. Deutlich genug sprechen die Tatsa chen und überzeugen alle, "dass sie sich aus der Stadt wie aus einer Feuers brunst zu retten haben, vor allem aber jeder, der wie du von Literatur und Bildung gekostet hat; denn es ist unmöglich, sie ohne Freiheit zu genie ßen ( . . . ). Da sich nun das Schicksal Thessalonikes dem Ende zugeneigt hat ( . . . ), da die Schönste der Städte - wehe Inir - sich den schlimmsten Frevlern zum Sklavendienst ergeben hat und dem Kaiser fortan kein Fluchtweg mehr offensteht, ist es nun an der Zeit, dass du daran denkst, wenigstens eine Ent scheidung zu deiner eigenen Rettung zu treffen, durch die du selber dem Verderben entgehen und zugleich ihm gegenüber deine Verpflichtung ein1 1 8 Anspielung auf NT Mt. 24, 20. 1 1 9 Man beachte den mehrfachen Vergleich der Gefahr mit einem Feuerbrand, wie hier i m zuvor zitierten Brief 324(275) und im weiter unten zitierten Brief 3 32(328).
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halten kannst." Falls sich Kaiser Manuel nun selbst nach Konstantinopel be geben wolle, könne er sich ihm anschließen; aber er dürfe ihm auf keinen Fall folgen, wenn er sich zum Umherreisen von Ort zu Ort entschließe, denn das sei vergleichbar mit dem Versuch, zu Fuß eine raue See zu durchschrei ten, und werde mit ihrem sicheren Untergang enden. Die rechte Konsequenz aus der Situation wäre nun nach Ansicht des Ky dones gewesen, wenn Rhadenos den Kaiser verlassen und sich nach Kon stantinopel begeben hätte. Dazu konnte er sich aber nicht entschließen, und so finden wir ihn im Sommer 1 3 87 an der Seite Kaiser Manuels, mit dem zu sammen er Thessalonike kurz vor der Eroberung durch die Türken verlassen hatte, auf der Insel Lesbos, wohin Kydones nun seinen Brief 3 50(343) ad ressiert, zutiefst besorgt über die Entscheidung des jungen Mannes, weil er befürchtet, dass Kaiser Manuel sich bald mit dem siegreichen Herrscher der Osmanen Murad 1. arrangieren und so mitsamt seiner Gefolgschaft in die Sklaverei begeben werde. Rhadenos hat zwar, wie sich aus dem Brief ergibt, Kydones eine schriftliche Mitteilung zukommen lassen, sich aber zu seinen Ratschlägen nicht geäußert und als Entschuldigung für sein längeres Schwei gen nur seine Tätigkeit im Dienst des Kaisers angeführt. Einige Zeit später erhielt Kydones dann von ihm die Hiobsbotschaft, er werde nicht zu ihm nach Konstantinopel kommen, sondern definitiv an der Seite Kaiser Manuels verbleiben. Kydones antwortete darauf im Sommer/Herbst 1 3 87 mit Brief 3 52(345), der die nunmehrige Anwesenheit des Kaisers und seines Gefolges auf der kleinen Insel Tenedos unweit der kleinasiatischen Küste voraussetzt. Nach Angabe des Rhadenos unterhielt Kaiser Manuel nun Verhandlungen mit Murad 1., dem Bey der Osmanen, von denen er sich offenbar eine Ver besserung der Lage erhoffte. Kydones hält von solchen Verhandlungen nichts und drückt seine höchste Besorgnis aus, dass Rhadenos, wenn er bei Manuel bleibe, in einen Abgrund stürzen werde, aus dem es keine Wieder kehr gebe. Solange Kaiser Manuel auf der Insel verweile, könne er bei ihm bleiben. Sobald der Kaiser aber zu den "Barbaren" überlaufe, dürfe er ihm auf keinen Fall folgen, denn "leichter ( . . . ) würde einer, der in einen Krater stürzt, der Vernichtung entgehen, als wenn er sich diesen ausliefert, die ihm außer allem anderen Guten, das unser Leben sinnvoll erscheinen lässt, auch die Freiheit rauben werden." Der Brief endet mit dem Appell: "Zerreiße wie Spinnweben, was dich j etzt festhält, komm eilends zu uns, dass wir uns wie der dem altgewohnten beglückenden Studium zuwenden können, und lass die, welche dich in den Abgrund stürzen wollen, wehklagen ! " Die Besorgnis des Kydones u m Rhadenos steigert sich noch i n den bei den Briefen 3 54(347) und 355(348), beide kurz nacheinander geschrieben im
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S Ollliner/ Herbst 1 3 87, als Kaiser Manuel, wie von Kydones befürchtet, an scheinend bereits beschlossen hatte, sich Murad 1. zu unterwerfen. Brief 3 54(347) beginnt mit den Worten: "Ich wollte, j a, ich wünschte mir instän dig, niemals Init dir ins Gespräch gekommen zu sein, mehr noch, dich von vorneherein gar nicht kennen gelernt zu haben ! Denn dann würde ich nicht wie j etzt zwar mein eigenes Unglück oft vergessen, um dich aber mich nicht ständig ängstigen. Kannst du dir also vorstellen, wie ich leide, wenn ich an sehen muss, dass der Kaiser sich gezwungen sieht, zu den Türken überzulau fen, du aber nicht imstande oder vielleicht nicht einmal bereit bist, ihn zu verlassen?" Diese treue Ergebenheit des Rhadenos für Kaiser Manuel, die Kydones zuvor begrüßt hatte, erweist sich nun als fatal, weil sie ihn verges sen lässt, "dass er in die Netze der Türken geraten wird, aus denen, wie wir wissen, nielnand ohne hohe Lösegelder befreit wird." Rhadenos solle sich nicht dadurch beeindrucken lassen, dass die türkischen Gesandten Murads während der Verhandlungen den Kaiser wie einen Kaiser und Herrn höflich und respektvoll anredeten. "Wenn sie aber selbst die Herren geworden sind und uns wie Bittsteller empfangen, werden sie das Theater aufgeben, den alt gewohnten Hass gegen die Christen offen hervorkehren und wie Init Han deIssklaven auch mit denen umgehen, die bei euch etwas gelten ( . . . ). Möge ( . . . ) ich nicht hören Inüssen, dass du mit dem Zweig eines Bittstellers in der Hand an der Pforte der Barbaren hockst. Wäre das denn nicht unerträglicher als eine Schlinge?" Auch vor Gott werde sich Rhadenos verantworten müs sen, denn schon der bloße Aufenthalt bei den Ungläubigen sei mit vielen ab scheulichen Gräueln verbunden. "Wenn man nämlich beständig hört, wie sie den wahren Gott lästern, ohne gewillt zu sein, ihn zu verteidigen, oder, was Pflicht wäre, ilmen kühn zu widersprechen, sondern sich schweigend nieder beugt und die Beschimpfung erträgt, unterscheidet sich das wohl wenig von offenem Verrat des Glaubens." Aus diesem Grund warnt Kydones den jun gen Mann strikt davor, sich in diese Gefahr zu begeben, und legt ihm noch eimnal dringend nahe, den Kaiser zu verlassen und nach Konstantinopel zu kommen. "Sieh also, dass du dein ursprüngliches Vorhaben wieder auf nimmst und Gott das Seinige gibst; denn dem Kaiser haben wir bereits ge 120" nug zugestanden. Der bald darauf folgende Brief 3 5 5(348) sollte der letz te sein, den Kydones an Rhadenos schrieb. Er beginnt mit dem Bild vom un gebeten kOlnmenden Arzt, das bereits itn Brief 264(25 8) an Johannes Asanes 121 einmal verwendet wurde: Wie es für Ärzte peinlich sei, ungerufen Kranke 120 Anspielung auf das Jesuswort NT Mk 1 2 , 1 7: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist." 1 2 1 Siehe oben, 2.2. l .
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zu besuchen, so auch für den Ratgeber, wenn sein Rat nicht erbeten wurde. Dennoch fühle man sich genötigt einzugreifen, wenn Freunde, die man als sein anderes Selbst ansehe, auf einen Abgrund zueilten, den sie nicht wahr nehlnen, und man müsste sie notfalls auch gegen ihren Willen zu lenken ver suchen. So würde ein Arzt, wenn seine Angehörigen erkranken, nicht lange warten, sondern auch unangemeldet zu ihnen eintreten. Kydones will nun, da sein Freund sich nicht überzeugen lässt, sogar Gewalt anwenden, die sich in der ständigen Wiederholung derselben Mahnung manifestiert: "Mensch, denke an dein eigenes Wohl und verrate nicht die Ehre und zugleich die Freiheit. (Ich zögere nämlich zu sagen: auch deine Seele, der du durch dei nen Aufenthalt bei den Türken zuerst schaden wirst.) Nicht das Geringste können die Gottlosen dir nützen, nicht das Geringste die Feinde, nicht das Geringste die, die durch unser Unglück nur gewinnen können." So be schwört Kydones seinen Freund und entwirft ein Schreckensszenario, wie die Türken seine Vaterstadt entvölkern, seine Familie und seine Freunde ver sklaven und überall Verderben bringen. Wenn er aber der alltäglichen ge ringfügigen Vorteile wegen seine Freiheit aufgebe, handle er nicht anders als damals, als er es vorzog, anstatt seine Studien bei Kydones fortzusetzen, in der Heimatstadt Thessalonike im Geschäft seines Vaters den kleinen Gewinn und Ruhm zu suchen. Damals habe er schon unvennerkt seine frühere Kraft verloren, j etzt aber bestehe Gefahr, dass er seinen Verlusten auch noch die Freiheit hinzufüge. So könne Kydones nur noch hoffen, dass Gott ihn das Richtige finden lasse. Nicht allzu lange nach diesem Brief ist Rhadenos, wohl an einer plötzli chen Erkrankung, gestorben. Mit Brief 363 (349), Herbst 1 3 87, der bereits die Ankunft Manuels im Bereich des Türkenherrschers voraussetzt, hat Ky dones ihm einen bewegenden Nachruf gewidmet. 122 Aber es ist während dieser Jahre nicht Rhadenos allein, mn den er in Thessalonike bangt. Als die baldige Eroberung der Stadt bereits nahe bevor stand, 123 schrieb er an den langjährigen Freund Tarchaneiotes einen nicht weniger besorgten Brief, 362(325), der mit den Worten beginnt: "Ich weiß, dass du Init Betrübnis diesen Brief empfangen und lesen wirst, da auch mich selbst, der ich ihn schreibe, der Jamlner überkam und ich nicht mehr an mich halten konnte, sondern reichliche Tränen über mein Schreibheft vergoss, bei dem Gedanken, welcher Sturm, welche Wogen dich umtoben, die sich über haupt nicht mehr beruhigen, sondern ( . . . ) dich ( . . . ) gänzlich zu verschlingen 1 22 Siehe unten, 3 .4. 1 . 1 2 3 Zur Datierung der Erobenmg Thessalonikes durch die osmanischen Türken siehe oben, 2 .l . 1 .4, Anm. 39.
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drohen, e s sei denn, gleichsam aus dem Schlaf seiner allzu großen Langlnut würde der Lenker aller Dinge Jesus aufwachen ( . . . ) und den noch überleben den RhOlnäern und dir ein ruhiges Meer bescheren. Denn gegenwärtig ist al les dahin, die Gesamtheit des Reiches oder vielmehr dessen müdes Schatten bild ( . . . ). Das schneidet mir in die Seele, das nimmt lnir den Ateln, das lässt mir Licht, Schlaf, Speisen, Studien und alles, was die Menschen erfreut, un leidlich werden. Wenn ich mir außerdem noch deine Situation vorstelle ( . . . ), ist es mir fortan sogar eine Last zu leben, und ich würde lieber aus deIn Le ben scheiden. " Abschließend sei noch auf Brief 267(257) des Kydones a n den jugendli chen Leichtfuß Johannes Asanes hingewiesen, in dem sich die Sorge um ihn mit heftigem Tadel mischt. Er wird unter der Kategorie "Kritik an Johannes Asanes" eingeordnet. 124 Analyse zu 2.3, Sorge
Kydones sorgt sich um Rhadenos aus folgenden Gründen: 1 ) Er fürchtet den Freund wegen seiner zu starken Bindung an Kaiser Manuel zu verlieren. 125 2) Er ist besorgt, weil Rhadenos in Thessalonike in einer von den Türken Murads I. bedrohten Stadt lebe26 und daher nach der Eroberung Thessaloni kes in türkische Sklaverei geraten könne. 1 2 7 Daher rät er ihm dringend zur Flucht nach Konstantinopel. 12 8 3) Als Rhadenos mit Kaiser Manuel das bela gerte Thessalonike kurz vor der Eroberung verlassen und sich mit ihm zu nächst nach Lesbos und dann nach Tenedos begeben hat, ist es die Hauptsor ge des Kydones, dass Manuel sich dem Murad Bey unterwerfen und Rhade nos mit ihm nicht nur in Sklaverei geraten, sondern auch vom christlichen Glauben abfallen könnte. 1 29- Die Sorge hingegen, die Kydones in einem Brief an den Freund Tarchaneiotes kurz vor dem Fall Thessalonikes aus spricht, ist zwar auch auf dessen Person, mehr aber noch auf das Schicksal bezogen, das seiner Heimatstadt droht. 1 30
1 24 1 25 126 1 27 1 28 1 29 130
Siehe unten, 2.4.3 .2. Br. 270(269), 350(343), 3 52(345). Br. 248(259), 2 89(272), 324(275), 273 (284), 305(305), 3 1 6(3 1 1 ), 3 3 5(3 1 5), 3 32(328). Siehe vor allem die Briefe 324(275) und 332(328). Br. 289(272), 324(275), 335(3 1 5) , 332(328). Br. 3 50(343), 352(345), 3 54(347), 3 5 5 (348). Br. 362(325).
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2.4 Tadel (PsogoS) 1 3 1 Der offene Tadel ist naturgemäß ein genauerer Spiegel der realen Geruhle ei ner Person als das Lob. Auch Personen des Kaiserhauses, in dem Kydones lange Zeit seinen Dienst versah, bleiben trotz aller seiner Lobreden auf sie von seinem Tadel nicht verschont. 2.4. 1
Kritik an Personen des Kaiserhauses
2.4. 1 . 1 Kaiser Johannes VI. Kantakuzenos Der früheste Brief Init tadelndem Inhalt an eine kaiserliche Persönlichkeit ist wohl 400(93), geschrieben 1 37 1 /72 an den Exkaiser Johannes Kantakuze nos, der numnehr als Mönch den Namen Joasaph trägt. Er ist zugleich ein Dokument zutiefst persönlicher Geruhle des Kydones, denn hier geht es um den Mönch Prochoros, seinen einzigen Bruder, der etwa zwei Jahre nach sei ner Verurteilung im Jahr 1 3 68 auf einer Kirchensynode in Konstantinopel im vierten Jahrzehnt seines Lebens gestorben war, und es war Kantakuzenos gewesen, der durch die Abfassung einer Widerlegung seiner Äußerungen gegen die Lehre des Gregorios Palamas an dem Urteil maßgeblich beteiligt war. 1 32 Da Kydones mit seinem Bruder die kritische Einstellung gegenüber dem sogenannten Palamismus teilte, entspricht seine Kritik an der Schrift des Kantakuzenos seiner eigenen religiösen Überzeugung, deren Verteidi gung er als seine Pflicht ansieht. Der Brief beginnt Init den Worten: "Ich hät te viele gerechte Einwände gegen die Schrift vorbringen können, die du kürzlich gegen Prochoros, viel mehr aber noch gegen die Wahrheit, veröf fentlicht hast, hielt mich aber zurück, weil ich alles, was mich dazu bewegte, gegenüber der Ehrfurcht vor dir rur zweitrangig hielt." Im weiteren Verlauf des Briefes sagt Kydones deutlich, dass die Wahrheit, gegen die der Exkaiser verstoßen habe, Jesus Christus selbst sei, dessen Gottheit er durch die pala mitische Distinktion von Wesen und Energie in Frage gestellt sieht. Die Ehr furcht, die ihn bisher zurückgehalten hat, sich offen gegen die Streitschrift des Kaisers zu äußern, erklärt sich durch seine Tätigkeit in einem hohen Staatsamt während der Herrschaft des Kantakuzenos ( 1 347-54), der auch ein 131
Griech.: lf6yo� (psogos), i n der antiken Rhetorik das Gegenteil des EYKC0f.1l0V (enkomion, Lobrede). 1 32 Gemäß VOORDECKERS/TINN E FELD, XV-XVII verfasste Kantakuzenos zwei Refutationes gegen Prochoros, davon die erste vor der Synode von 1 368. Er ließ diese zusammen mit der zweiten in mehreren Abschriften kopieren, so dass der Eindmck entstehen konnte, es handle sich um ein einziges Werk. So erklärt sich wohl, dass Kydones im vorliegenden Brief nur von einer Sclrrift spricht.
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guter Freund seiner EltelTI gewesen war. Im Jahr 1 3 5 1 , also noch während der Regierungszeit des Kantakuzenos, fand unter dessen Vorsitz in Konstan tinopel eine Synode statt, auf der die Lehre des Palamas zum kirchlichen Dogma erklärt wurde. Kydones sah aber nun Anlass, sein Schweigen über die Polemik des Kantakuzenos zu brechen, weil dieser einen großen Auf wand an Propaganda betrieb, um rur seine Position in der Öffentlichkeit breite Zustimlnung zu erlangen. Er habe, berichtet Kydones, seine Streit schrift nicht nur in öffentlicher Lesung vorgestellt, sondern sie auch in zahl reichen Kopien an Interessenten in der griechischsprachigen Welt verteilt. ] 33 Ihn aber (sc. Demetrios Kydones) habe er weder zu der öffentlichen Lesung seines Werkes eingeladen, noch ihm eine der Kopien zukommen lassen. So habe er ihln die Möglichkeit versagt, zu seiner Position Stellung zu nehmen und ihn eventuell rur seinen Standpunkt zu gewinnen. In diesem Zusammen hang geht Kydones nun zum offenen Angriff über: "In dem Bewusstsein aber, dass deine Abhandlung viele Schwächen hat, setzt du ihr keine ver nünftigen Menschen als Zuhörer hin, sondern lädst bloß die ein, die sie aus Einfalt schon gutheißen werden; du lässt viele Abschriften davon Inachen und verschickst sie als Geschenk überallhin an Leute, die sie akzeptieren werden; du befiehlst, sie zu lesen und nötigst sie noch dazu, Lobsprüche auf sie auszubringen." Er aber, Kydones, habe es bisher vermieden, die schwe ren Fehler der Schrift öffentlich anzuprangern. Diese faire Haltung könne er aber nicht beibehalten, wenn Kantakuzenos weiter Propaganda rur seine Schrift betreibe. Und er schließt mit den Worten: "Wenn du selbst aber mein Schweigen nicht als Entgegenkommen, sondern als eine Verpflichtung ver stehst und dir daher die Erlaubnis gibst, uns zu schmähen, werden wir zwar den Kaiser ehren, uns aber gegen deine Schrift als Verteidiger Gottes und unserer selbst verteidigen." Kydones bewahrt also seinem ehemaligen kai serlichen Herrn noch als Exkaiser den schuldigen Respekt, gibt ihm aber deutlich zu verstehen, dass die Wahrheit und seine eigene Selbstachtung diesem Respekt Grenzen setzen. 1 3 4
1 3 3 Diese Kopien sind, j edenfalls zum Teil, durch die heute noch vorliegenden zeitgenössi schen Abschriften repräsentiert, die als Basis der kritischen edifio princeps von VOOR DECKERS/TINNE FELD dienen. 1 34 Dass Kydones trotz dieser Enttäuschung dem Exkaiser zu Lebzeiten wie nach seinem Tod weiter seine Verehnmg bewahrte, ergibt sich aus zwei späteren Briefen, 2 4 1 (23 1 ) und 222(442); dazu Kydones VI, 9 7 mit Anm. 66-69.
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Analyse zu 2.4.1.1, Kritik an Kaiser Johannes VI. Kantakuzenos
Der Bezug des hier vorgebrachten Tadels ist ein doppelter: In seiner zwei teiligen Streitschrift gegen Prochoros Kydones hat der Exkaiser nicht nur ge gen Prochoros, den Bruder des Demetrios Kydones, polelnisiert, sondern mehr noch durch die Verteidigung seines palamitischen Standpunktes den rechten christlichen Glauben, wie Kydones ihn versteht, verfälscht. Deutlich erkemlbar ist das Bemühen des Kydones, bei aller Kritik seinem eheInaligen Herrn gegenüber fair zu bleiben, aber der Respekt findet seine Grenze dort, wo Kydones einen Angriff auf den wahren Glauben zu erkennen glaubt. 2.4. 1 .2 Kaiser Johannes V. Ein Teil der Kritik, die Kydones an seineIn zweiten kaiserlichen Herrn, dem Palaiologen Johannes V., äußerte, wurde bereits unter 1 .2.2 im Zusammen hang der Thematik "Klage über die eigene Situation" behandelt. Es ging dort um die Anmahnung ausbleibender Geldzahlungen, die auch mit einiger Kri tik am Finanzgebaren des Kaisers verbunden ist. Es bleiben aber noch einige andere Formen unangelnessener Behandlung zu besprechen, für die Kydones seinen kaiserlichen Herrn zu tadeln sich nicht scheute. In Brief 1 1 7( 1 09), verfasst wahrscheinlich im Herbst des Jahres 1 372, ta delt der bereits aus dem Dienst beurlaubte Kydones Kaiser Johannes, weil er ihm hartnäckig die Erlaubnis zu einer Reise verweigerte. Er beginnt lnit deIn Bedauern darüber, dass Kaiser Johannes V. ilun zürne. So jedenfalls deute er sein Verbot, nach Lesbos zu reisen, obwohl der Herrscher der Insel, Frances co 1. Gattilusio, sein Schwager sei. 135 Kydones ist von den Staatsgeschäften entbunden und sieht daher nicht ein, was noch gegen eine Erlaubnis, der Ein ladung des Gattilusio zu folgen, sprechen könne. Er meint, eigentlich hätte er, beurlaubt von jeder Dienstverpflichtung, den Kaiser j a gar nicht fragen müssen; er habe dies aber aus Loyalität doch getan. Nun werde er lnit einem Verbot bestraft, obwohl viele andere, ohne zu fragen, zum Beispiel zu den Türken gereist seien und sich mit ihnen gegen den Kaiser verbündet hätten, ohne dafür gerügt zu werden. 1 36 Er selbst aber wolle zu einem Christen rei sen, der noch dazu des Kaisers Freund sei, und es werde ihm verboten, weil man ihn feindlicher Gesinnung gegen den Kaiser verdächtige. Gegen diesen Vorwurf verwahrt sich Kydones, und er erinnert an die lange Zeit (etwa 1 6 1 3 5 Gattilusio war mit Maria, einer Schwester des Kaisers, verheiratet. Siehe TINN E FELD, Kydones 112, 5 5 8 . 1 3 6 Kydones spielt hier vermutlich auf die Anfange der Verschwörung an, d i e der Mitkaiser Andronikos IV., der älteste Solm Johamles' V., zusammen mit einem Sohn von Murad Bey gegen seinen Vater initiierte. Vgl . TINN E FELD, Kydones 1/2,5 5 5 .
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Jahre, von 1 3 5 5 bis 1 3 7 1 ) seines treuen Dienstes bei ilun. 1 3 7 Gar nichts finde sich in seinein vergangenen Leben, was einen solchen Verdacht rechtfeliige. Auch aus juristischer Sicht sei die Haltung des Kaisers anfechtbar, denn er bestrafe Kydones, ohne ihn zuvor überfuhrt zu haben, und beraube ihn der Freiheit, die er doch von Rechts wegen allen garantieren und bewahren 8 sollte. 1 3 Es finde sich aber keiner, der ihn, Kydones, verteidige, weil j eder es von vorneherein ausschließe, dass der Kaiser einen Unschuldigen strafe; ha be er doch sogar denen das Leben geschenkt, die sein Leben bedroht hät ten. 1 39 Und der Brief gipfelt in dem Aufschrei: "Wenn du aber beschlossen hast, mich hier anzunageln, gewähre mir Unterhalt und ein Gefängnis. Ich werde nämlich auf keinen Fall freiwillig bleiben, wenn ich dir weiter ver dächtig erscheine, sondern wie Krates von Theben 1 40 werde ich auch den De metrios von Thessalonike 1 4 1 selbst befreien, zumal ich eine Stadt Ineide, in der ich gezwungen werde, das Unglück der Bewohner zu teilen, aber ihren Annelunlichkeiten nur als Zuschauer beizuwohnen. ,, 1 42 Und der Brief schließt Init deIn Appell an den Kaiser, seine schlechte Meinung von ilun aufzugeben und seinen Verleumdern nicht zu glauben. In Brief 153 (0 1 84) beklagt sich Kydones, dass Joh31mes V. ihn nach ei ner Jagd bei der Aufteilung der Beute allzu bescheiden bedacht habe. Ein gangs betont Kydones, dass er dem Kaiser nach wie vor, wenn auch nicht allzu oft, zu Diensten sei, ohne dafür etwas zu bekOlnmen, während die an deren, die einen größeren Teil der Beute erhielten, fur ihre Dienste olulehin bezahlt würden. Er habe zwar Anteil an der Beute erhalten, aber einen so ge ringen, dass das Geschenk keine Anerkennung fur uneigennützige Dienste, sondern eine Beleidigung sei. Andererseits bekundet er seinen Neidern iro nisch Dankbarkeit, weil sie ihm vom erlegten Wild wenigstens ein kleines
1 3 7 In großer Ausführlichkeit behandelt Kydones dieses Thema in seiner im Herbst 1 37 1 an Kaiser Johannes V. gerichteten autobiographischen Rede, in der er um seine Entlassung aus dem kaiserlichen Dienst nachsucht. Siehe LOENERTZ, Cydones I, 1 0-23 und die deutsche Übersetzung unten, Anhang II. 1 3 8 Der Kaiser als Garant der Freiheit seiner Bürger, eine fast modeme Vorstellung! 1 3 9 Wohl Anspielung auf sein großzügiges Verhalten gegenüber seinem Schwiegervater Johannes Kantakuzenos und dessen Solm Matthaios, nachdem er sie besiegt hatte. 1 40 Krates (ca. 3 65-285 v. ehr.) war ein kynischer Philosoph, der auf seinen Besitz verzich tete und sich dadurch "befreite". Vgl. TINNEFELD, Kydones I12, 557, Kommentar, Anm. 14. 1 4 1 Kydones, der aus Thessalonike stammte, meint hier sich selbst. 1 42 Kydones ist nur Zuschauer der Annehmlichkeiten Konstantinopels, weil der Kaiser sie ihm vorenthält..
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Mahl gönnten und nicht mit ihren Intrigen beün Kaiser sogar seine Bestra fung durchsetzten. In die Zeit nach dem zweiten Ausscheiden aus deIn kaiserlichen Dienst ( 1 3 86) zu datieren ist Brief 3 86(3 82) . Offenbar rechnete Kydones mit einer Art Pension, die aber zunächst ausblieb. Nun aber wmiet er schon etwa zwei Jahre auf die Zahlung und dazu noch auf versprochene Kerzen und Bücher. Die Erinnerung ist zunächst moderat fonnuliert. Sie geht von der angeblich positiven Erfahrung mit Kaiser Johannes V. aus, dass er bisher seine Ver sprechen alsbald erfüllt habe, was wohl eher als eine captatio benevolentiae zu verstehen ist. Dann aber geht Kydones zu einer Drohung über: "Wenn du die Schulden nicht alsbald für mich ablöst und die Gläubiger, die schon wie wilde Tiere nach mir schnappen, verscheuchst, bleibt mir fortan nichts, als die Freiheit und mich selbst zu verkaufen, mn diese Leute loszuwerden." Da nach kehrt er aber doch wieder zur moderaten Mahnung zurück. Er betont sein Vertrauen auf die noble Gesinnung des Kaisers und schließt Init dem Gedanken, dass ein �uter Herrscher seinen Untertanen auch an Großmut überlegen sein sollte. I 3 Analyse zu 2.4.1.2, Kritik an Kaiser Johannes V
Abgesehen von der bereits unter 1 .2.2 ausführlicher besprochenen Kritik an ausbleibenden Geldzahlungen und Geschenken ist hier nur noch die Kritik des Kydones an der hartnäckigen Weigerung des Kaisers zu nennen, ihm einen Besuch seines Freundes Francesco 1. Gattilusio zu erlauben. 2.4. 1 . 3 Kaiser Manue1 H. Direkte Kritik an seinem Schüler und Freund Manue1 Palaiologos, Mitkaiser seit 1 373 , findet sich in der großen Zahl der an ihn gerichteten Briefe des Kydones relativ selten. Wenn er ihn doch einmal tadelte, dann verband er doch meistens den Tadel mit einem Lob. So lobt er in Brief 262(265), 1 3 83, eine stilistisch hervorragende Rede des Kaisers an die Bürger von Thessalo nike, bedauert aber, dass ihr Niveau für einen durchschnittlichen Zuhörer zu hoch sei, so dass man befürchten müsse, sie werde nicht verstanden, und es werde dem Kaiser mit ihr nach einem antiken Sprichwort so gehen, als ob er den Hermesstatuen etwas vorsinge. 1 44 Brief 3 04(304), adressiert an den Kai1 43
Vorliegender Brief wurde auch bereits in Abschnitt 1 .2.2 besprochen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Briefe mit indirektem Tadel an Kaiser Johannes V. gegenüber dritten Personen hinzuweisen; siehe unten, 3 .2 . 1 . 1 44 Dieser Brief aus dem Jahr 1 3 83 ist ausführlich besprochen unter 2 . 1 . 1 .4 (enkomiastische Briefe an Kaiser Manuel).
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ser in Thessalonike 1 3 85, 1 45 beginnt mit überströmenden Lobeshymnen auf die stilistische Vollkommenheit eines von ihm zugesandten Briefes und der Anerkennung, dass der Kaiser trotz der Bedrohung der Stadt Zeit für so schöne literarische Äußerungen finde. Er schließt aber den Brief mit der kri tischen Bemerkung: "Wenn es dir also möglich ist zu reden, ohne die Zeit für das dringend Notwendige zu beschneiden, nutze deine Begabung, die dir in vieler Hinsicht nützen kann. Wenn aber die Zeit für beides nicht reicht, dann gibt es - bei Gott - zum Reden andere günstige Gelegenheiten, die Ge genwart aber sollte ganz den Operationen gegen die Feinde gewidlnet wer den. Denn allen ist es wichtiger, sich ihrer Bedränger zu entledigen, als das Angenehme zu genießen. Wie du also auf anderes verzichtest, was dich be geistern oder deinen Rumn mehren könnte, so zügle auch die an sich gute Begierde und enthalte dich jetzt auch der Reden." Erst wenn er nach dem Sieg über seine Feinde Siegeslieder anzustiInlnen habe, sei wieder Zeit für rhetorische Betätigung. Man kann sich vorstellen, dass eine solche Ennah nung den Kaiser verstimmen konnte. Kydones hielt es daher auch bald dar auf für notwendig, sich mit Brief 309(308) dafür zu entschuldigen. Der wichtigste Anlass zur Kritik an Kaiser Manuel war aus der Sicht des Kydones dessen Versuch einer Annäherung an Murad 1. , den Eroberer Thes salonikes, nach dem Fall der Stadt im Frühj ahr 1 3 87. Er hatte seine Beden ken gegen diese Politik des Kaisers zunächst in seinen Briefen an Rhadenos geäußert, 1 46 aber Brief 363(349) an Kaiser Manuel, verfasst im Herbst 1 3 87, erwähnt erstmals einen nicht erhaltenen Brief, in dem er diese Kritik an dem Kaiser, der sich inzwischen in der Umgebung von Murad Bey aufhält, offen ausgesprochen hatte. Allerdings versucht er in Brief 363(349) die Kritik wie der zu entschärfen. Erst mit dem etwas später, ebenfalls noch im Herbst 1 3 87, verfassten Brief 365(3 5 1 ) liegt ein erstes Dokument direkt geäußerter Kritik an der Un terwerfung des Kaisers unter den türkischen Sieger vor. Kydones spricht hier gleich eingangs von einer verfehlten Politik Manuels, die auf breite Ableh nung stoße, und von einer drohenden Katastrophe auch für Konstantinopel. Eine Änderung der verfahrenen Situation sei nur zu erhoffen, wenn Manuel sich mit seinem Vater arrangiere und mit ihln zusammen die türkische 1 45 Im gleichen Jahr 1 3 85 schrieb Kydones einen kritischen Brief, 3 02(302), an Kaiser Ma nuel im Zusammenhang mit einer Gesandtschaft, die dieser nach Rom zu Papst Ur ban VI. entboten hatte. Dieser Brief wird ausführlich besprochen unter 4. 1 .2, Plädoyer für eine Zusammenarbeit mit den Lateinern gegen die Türken. 1 46 Siehe oben, 2 . 3 , Br. 3 5 0(343), 352(345), 3 54(347) (Sorge um Rhadenos); siehe unten, 2.4.3 . 1 , 3 53(346) (Tadel des Rhadenos).
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Bedrohung abwehre. "Jetzt aber, da ein neidischer DäIllon euch voneinander getrennt hat, besteht die Gefahr, dass auch das bislang noch sichtbare zarte Schattenbild der Freiheit wie ein Traumgesicht verschwinden wird. So muss te anscheinend nunmehr, damit nicht Unglaubliches unverwirklicht bleibe, die führende Stadt des Erdkreises 1 47 sich schändlich unter die Sklaven reihen und sie, die als erste den Christen die Freiheit brachte, jetzt - wehe Illir verfluchten Menschen dienstbar werden." Auch in Briefen an Kaiser Manuel, die vorwiegend lobenden Charakter haben, findet sich gelegentlich Tadel an ihm, allerdings mit anderem Bezug, so vor alleill in Brief 380(363), der die Abhandlung in Dialogform Kaiser Manuels an Nikolaos Kabasilas über das Thema der Leidensbewältigung l 48 begeistert preist, aber kritisch anmerkt, dass er, Kydones, nicht auch eine Abschrift der stilistisch wie inhaltlich vorzüglichen Abhandlung erhalten ha be. So habe er erst viel zu spät davon erfahren, als sie ihill Kabasilas nach längerer Zeit, die er zur Lektüre brauchte, habe zukommen lassen. Wichtiger ist ihill aber ein anderer Gesichtspunkt, der aus seiner Sicht Tadel verdient hat: Auf die Frage, was das schlimmste Unglück sei, hatte der fingierte Dia logpartner Manuels "unverdientes Leiden" geantwortet, während Manuel selbst im Dialog antwortete, Illit schlechtem Gewissen zu leiden sei schlim mer als unschuldig zu leiden. Er hatte als Beispiel des unverdienten Leidens implizit sein eigenes Leiden aufgrund der Kränkungen, die ihm sein Vater Johannes V. zufügte, angeführt und dabei angedeutet, dass er jenen von j eder bösen Absicht freisprechen wolle. Kydones Illeint dazu, er sei mit seineill Vater zu nachsichtig und gebe, um ihn zu ehren, seine eigene Ehre preis. Analyse zu 2.4.1.3, Kritik an Kaiser Manuel
Kydones tadelt Kaiser Manuel l ) für das zu hohe, für einfache Menschen un verständliche Stilniveau einer Rede an die Bürger von Thessalonike, 1 49 2) für seine Politik der Unterwerfung unter den Osmanenbey Murad nach dem Fall I SO Thessalonikes, und 3) für zu große Nachsicht Illit seinem unversöhnlichen Vater Johannes V. 1 5 1
1 47 Hier ist natürlich Konstantinopel, nicht Thessalonike, gemeint. Kydones will andeuten, dass Kaiser Manuel mit seiner Unterwerfung unter Murad auch das militärisch noch nicht eroberte Konstantinopel zum Sklavendienst verurteilt. 1 48 DENNls, Leffel's ManueI, Nr. 67. Vgl. oben, 2 . 1 . 1 .4, Text mit Anm. 4 1 . 1 49 Br. 262(265). 1 50 Br. 363(349), 365(3 5 1 ). 1 5 1 Br. 3 80(363).
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2 .4 . 1 .4 Theodoros 1. , Despot in Mistras
Kydones unterhielt zu Theodoros Palaiologos, deIn vierten und jüngsten Sohn Johannes ' V. und seiner Gattin Helene, eine ähnliche Mentorenbezie hung wie zu dessen Bruder Manuel, wenn auch weit weniger intensiv. 1 52 Er kritisiert ihn deutlich in seinem zweiten erhaltenen Brief an ihn, 293 (273), geschrieben im Sommer/Herbst 1 3 84 wegen folgender Angelegenheit: Theo doros hatte Kydones eine Handschrift des akademischen Philosophen Plu tarch versprochen, sie ihin aber dann doch nicht geschickt und versucht, dies zu entschuldigen, indem er Leuten aus seiner Umgebung die Schuld für die Einbehaltung des Manuskriptes gab. Diese Entschuldigung lässt Kydones nicht gelten. Er kann sich nicht vorstellen, dass sich in der Umgebung des Despoten j elnand findet, der diesen Kodex "wie ein heiliges Kleinod" achtet und "wie die glückbringende Tyche auf der Akropolis" aufbewahren will. Aber auch dem Despoten selbst könne der Kodex jetzt nicht so wichtig sein, denn die ihn nach dessen eigenem Bekunden bedrängenden Staats geschäfte dürften ihn wohl daran hindern, ihn zu studieren. Dann fährt Kydones mit bitterer Ironie fort: "Ganz gewiss bedürfen j etzt die Peloponnesier der Lek türe wegen ihrer allzu großen Muße; haben sie doch aufgehört einander nachzustellen, zu bekriegen und auszurauben." Sie hätten j a, stellt Kydones fest, "auch die anderen Bücher des alleredelsten, ün höchsten Maße den Stu dien ergebenen Despoten l 53 ( . . . ) wie verrotteten Kehricht verschleudert und gratis an Banausen gegeben." Kydones spricht also über das Bildungsinte resse in der Umgebung des Despoten ein vernichtendes Urteil aus und betont noch durch eine Reihe rhetorischer Fragen, wie unwahrscheinlich es sei, dass auch nur einer von diesen Leuten den Despoten an der Herausgabe des Kodex habe hindern wollen: "Doch gerade in meinem Fall ist für sie, wie sie sagen, das Buch zur Kostbarkeit geworden? Warum behaupten sie dann nicht auch, dass Waffen für Feiglinge, ein Pflug für Seeleute und eine Leier für Unmusische kostbar sind? Wer aber von ihnen würde überhaupt einen Einspruch wagen, wenn es dein Wille wäre, mir das Buch zu geben? Denn wie sollten dieselben, die sich schon, um dir einen kleinen Gefallen zu tun, von ihrem wertvollsten Besitz trennen, etwas dagegen haben, etwas Wertlo ses für dich aufzugeben, zumal die Sache gar nicht ihnen gehört? Wir wer den doch wohl nicht behaupten, dass sie die Erben der schönen Dinge sind, die dem Despoten gehörten?" Und Kydones fügt hinzu: "Nun, da du diese 1 52 S iehe Tinnefeid, Kydones III, 35, Kommentar zu Br. 25 1 (238), II, BKyd. 1 53 Gemeint ist der Vorgänger des Theodoros, Manuel Kantakuzenos, den Kydones sehr schätzte.
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Leute förderst, schätzt du anscheinend das Wichtige gering ein. Ich aber müsste nun davon überzeugt werden, dass ich nicht einmal der Dinge wert bin, die Inan gering schätzt. Denn das (sc. die Geringschätzung) trifft j a nun bei den Rhomäem (sc. in Byzanz) für Bücher und Studien zu . " Nach diesen scharfen Worten hält er dem Despoten außerdem noch sei nen Bruder Manuel als Vorbild vor Augen. Er erwähnt lobend seine tatkräf tige Hilfe bei der Beschaffung einer Handschrift vom Berge Athos mit Wer ken Platons 1 5 4 und fährt fort: "Ebenso dankbar ( . . ) wäre ich dir, wenn du mir gegenüber die gleiche Bereitwilligkeit zeigtest. Da du dich aber dazu nicht entschließen kannst, will ich dich dafür zwar nicht tadeln, weil ich dir für an deres dankbar bin und es sich auch nicht gehört, darüber ungehalten zu sein, wenn j emand mir von seinem Eigentum etwas nicht herausgeben will." Ky dones stellt also nach so reichlicher Kritik in Abrede, dass er den Geschmäh ten tadeln wolle, aber bereits im nächsten Satz (in dem das "aber" mit dem "zwar" des vorausgehenden Satzes korrespondiert) setzt er den Tadel fort, indem er auf Besserung seiner Gesinnung hofft: "Ich möchte aber wünschen, dass der Plutarch bei dir nicht wie derzeit im Winkel verrottet, sondern Gele genheit zu freier Rede erhält und mit seinen Ermahnungen deine Gesinnung bessert." Kydones schließt den Brief mit der Zuversicht, nun von einem seiner Freunde eine Plutarchhandschrift zu erhalten, die er dann gemeinsmn mit dem Philosophen Georgios studieren könne. Die Erwähnung dieses gelehrten Freundes gibt ihm noch einmal Gelegenheit, die hoffnungslose Situation der literarischen Studien auf der Peloponnes zu beklagen, die es ihm verbiete, dem Philosophen die Peloponnes als Aufenthaltsort zu empfehlen. Jedenfalls habe Triboles, ein Freund des Kydones in der Uingebung des Despoten The odoros, sein Interesse von den literarischen Studien auf das Kriegshandwerk verlegt, weil ihm dies helfe, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Vom Hof des Despoten sei nämlich jedes geistige Interesse verbannt worden. Ein im folgenden Jahr 1 3 85 von Kydones an Theodoros gesandter Brief, 3 1 3 (309), bezieht sich auf einen Tadel des Theodoros wegen ausbleibender Post. Kydones weist den Tadel unter Erwähnung des soeben besprochenen Briefes zurück, in dem er die Einbehaltung der Plutarchhandschrift kriti sierte. Offenbar hatte Theodoros diesen Brief nicht erhalten. In dem folgen den Brief 322(3 1 3), ebenfalls aus dem Jahr 1 3 85, teilt Kydones mit, der Des pot habe zwar einen schönen, aber leider nur kurzen Brief geschrieben und sich zur Frage seines früheren Schweigens nur unzureichend geäußert. Die .
1 54 Siehe dazu oben, 1 .3 , Br. 259(242).
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seit langem erbetene Plutarchhandschrift liege nach wie vor in Mistras, wo sie nieinandem nützen könne. Es sei bedauerlich, dass der Despot seine Freundschaft nicht auch durch Geschenke beweisen wolle. In dem bereits ISS besprochenen Brief 3 3 6(3 1 8), 1 3 86, bedauert Kydones, dass Theodoros wegen der Unzuverlässigkeit der Briefboten offenbar mehrere Briefe nicht erhalten habe. Analyse z u 2.4.1.4, Kritik an Despot Theodoros 1.
Der in diesen Briefen mehrfach wiederholte Tadel, dass der Adressat mit der Herausgabe einer versprochenen Handschrift so sehr knausere, wird noch leichter verständlich, wenn man beriicksichtigt, dass vor der Erfindung der Buchdruckerkunst Bücher etwas sehr Seltenes und daher Wertvolles waren, und so waren auch die byzantinischen Literaten auf das Ausleihen und den Austausch von Handschriften geradezu angewiesen. Kydones trifft mit sei nem Vorwurf, weder der Despot selbst noch seine Ulngebung könnten mit der Handschrift etwas Vernünftiges anfangen, den wunden Punkt, der die Verweigerung des Kodex in der Tat schwer verständlich erscheinen lässt. Da von Kydones kein Dankesbrief für einen endlich doch erfolgten Empfang der Handschrift überliefert ist, ist anzunehmen, dass der Despot auch nach dieser Korrespondenz die Handschrift nicht herausgab. 2.4.2
Kritik an Personen des öffentlichen Lebens
2 .4.2. 1 Personen im Staatsdienst Zu den Personen des öffentlichen Lebens, mit denen Kydones befreundet war, gehörte auch der Architekt Georgios Synadenos Astras, der seit 1 3 5 8 in der Provinzverwaltung tätig war, als Gouverneur (cXQXwv) von Ainos, von Lemnos und zuletzt, seit SOlnmer 1 3 65, von Thessalonike, wo er bereits nach wenigen Monaten an der Pest starb . 1 56 lIn Frühjahr 1 3 65 musste er sich von Kydones auch einmal, in Brief 96(60), scharfe Kritik gefallen lassen. Es ging um keinen Geringeren als Kydones' Bruder Prochoros, und in diesem Fall verstand Deinetrios keinen Spaß. 1 5 7 Schon der Anfang des Briefes ist heftig: "Ich habe von dem Sturm um meinen Bruder erfahren und dass er von wilden Tieren zerrissen wurde, du aber es dir wohl sein ließest." Als "wilde Tiere" werden Mönche auf dem Berg Athos bezeichnet, die Init der romfreundlichen und gegen Palamas gerichteten Theologie ihres Mönchs1 5 5 Siehe oben, 2. 1 . 1 . 5. 1 56 Siehe den biographischen Exkurs über Astras: TINNE FELD, Kydones 1/1 , S . 250-254. 157 Siehe oben, 2.4. l . 1 , Br. 400(93).
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bruders in der Megiste Laura, dem ehrwürdigsten Kloster auf dem Heiligen Berg, nicht einverstanden waren und ihn deshalb heftig angriffen. Demetrios hatte Astras, der vom Kaiser mit der Oberaufsicht über den Athos betraut war, in der Angelegenheit um Intervention gebeten und war enttäuscht, dass er nichts unternOlnmen hatte. Nun sucht er die Gründe für das passive Ver halten des Adressaten und vermutet, er habe sich durch Jakobos Trikanas, den dmnaligen Abt der Laura, der Prochoros, feindlich gesonnen war, ein schüchtern lassen. Es wäre aber gerade seine Pflicht als Aufseher des Heili gen Berges gewesen, sich einein Oberen zu widersetzen, der offensichtlich seine Macht missbrauchte, so wie er zuvor als Gouverneur von Ainos und Lemnos Recht und Gerechtigkeit zu wahren bemüht gewesen war. Stattdes sen habe er sich nur um das leibliche Wohl, das Vieh und die Ländereien der Mönche gekümmert. So verdiene er den Vorwurf Platons, die athenischen Staatsmänner sammelten Reichtum und Schiffe für die Stadt, übersähen aber dabei, wie faul, feige und geschwätzig sie geworden seien, wie Ärzte, die auf die Ernährung des Körpers bedacht seien, anstatt ihn zu heilen. 1 5 8 Jetzt kom Ine es allein darauf an, zu verhindern, dass dieser Abt weiter seine Macht missbrauche und damit nicht nur Prochoros, sondern auch vielen anderen Schaden zufüge. Am Schluss deutet Kydones an, er könne auch selbst die Angelegenheit durch eine Intervention beün Kaiser regeln, 1 5 9 unterlasse dies aber, um sich in den Aufgabenbereich des Freundes nicht einzumischen. Die freundschaftliche Beziehung zwischen Kydones und Astras endete so mit ei nem Missklang, denn nicht allzu lange nach dem Antritt seiner Tätigkeit in Thessalonike ist Astras an der Pest gestorben. Eher scherzhaft zu verstehen ist in Brief 1 42( 1 52) die Kritik, die Kydones an einem Hofbeamten namens Andreas (?) 1 60 Asanes übt, der, wie vor ihm Kydones selbst, den Kaiserpalast verlassen und sich in eine ländliche Ge gend zurückgezogen hatte. Der Brief beginnt mit ernst geineinter Kritik an dem plötzlichen Verschwinden des Freundes, ohne ein Wort des Abschiedes zu hinterlassen. Zu datieren ist der Brief wahrscheinlich auf Winter 1 3 74/75, jedenfalls auf eine Zeit, als Kydones nach seinem vorübergehenden Rückzug aus dem Staatsdienst wieder in den Palast zurückgekehrt war, denn er betont, dass mit ihln der ganze Palast das Verschwinden des Asanes bedaure : "Nun aber sind alle betroffen, und es ist eine einhellige Streitfrage im Palast, was 1 5 8 Anspielung auf Platon, Gorgias, 5 1 7c-5 1 9a; 504e-505a . . 1 59 E s bestehen allerdings Zweifel a n der Realität des hier vorausgesetzten Einflusses; siehe TINNE FELD, Kydones V2, 368f. , Kommentar, Anm. 30. 1 60 Zur Frage nach der Identität des Adressaten siehe TINN E FELD, Kydones 11, 36, Kommen tar, I, E.
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den Asanes veranlasst habe, statt des Palastes und der Großen Stadt den See und die Frösche dort zu wählen." Kydones zählt nun mehrere Vermuhmgen auf, aus welchem Grund der Adressat sich zu seinein ländlichen Aufenthalt entschlossen habe, seine Jagdleidenschaft, die gesunde Luft auf dem Lande, seinen Hang zur Muße, und er endet mit dem Klatsch, der über ihn, vor al lem durch Laskaris, den Onkel des Kaisers, verbreitet werde: "Er gibt einer Chry sei's 1 61 und ihren Zauberkünsten die Schuld an der Vernachlässigung der Freunde und meint, unter dem Einfluss der Berückungen würdest du Schlalmn, Winterwetter und Regenbäche für nichts achten. Von solchen Rei zen umgarnt, würdest du beinahe das Schicksal der Schiffbrüchigen Initten ün ebenen Land erleiden. Wenn er dies sagt, hat er nur wenige, die ihm wi dersprechen." Es macht Kydones, der es selbst zeitlebens entschieden ab lehnte zu heiraten, 1 62 hier unverkennbare Freude, die Verstrickung des Kolle gen in ein Liebesabenteuer unter Verwendung einer Metapher aus der anti ken Literatur auszmnalen. Er verschont auch besagten Laskaris nicht mit seinem freundlichen Spott, indem er betont, es spreche für dessen Glaubwür digkeit, dass er wie der Adressat in Liebesangelegenheiten bewandert sei, und er fährt fort: "Schon aber hat er auch beün Kaiser Lobesworte für seinen Scharfsinn erhalten, weil er das, was die anderen nicht wussten, als einziger sicher herausgefunden habe." Nun aber betont Kydones, wieder nicht ohne Ironie, dass nur er, Kydones, dieser Erklärung seiner Abwesenheit nicht glauben wolle. Freilich könne er sich mit dieser abweichenden Meinung nicht durchsetzen, und Asanes müsse durch seine schleunige Rückkehr be weisen, dass die Interpretation des Laskaris unzutreffend sei. Etwa im Jahr 1 3 8 3 richtete Kydones einen Brief, 26 1 (25 1 ), an einen kai serlichen Beamten, der die Aufsicht über das Fischereiwesen in Konstantino pel wahmahm. 1 63 Kydones tadelt ihn hier, er missbrauche seine Amtsbefug nis zum Schaden der Fischer und ihrer Kunden. Gleich mit den ersten Wor ten des Briefes kOlnmt er zu seinem Thema, der Anklage, ohne deren Gegen stand sofort zu verraten: "Ob du auch bei den Gesunden in schlechtem Ruf stehst, weiß ich nicht. Jedenfalls klagen wir Kranken dich an und verfluchen dich sogar. Noch mehr aber hast du Entsprechendes von den Angehörigen 1 6 1 Kydones gibt der Frau, von der Asanes bezaubert ist, ironisch den Namen der Geliebten des Königs Agamamnon, der Tochter des Apollonpriesters Chryses in Homers Ilias ( 1 , 1 1 1-1 1 5). 1 62 In seiner Rede an Johannes V. Palaiologos im Herbst 1 3 7 1 nennt Kydones die Ehe ein Joch, dem er sich nicht beugen wolle (LOENERTZ, Cydones I, 1 5 , Z. 29; siehe auch die Übersetzung, unten, Anhang 11). 1 63 Ausführliche Analyse des Briefes in: TINNE FELD, Epistolographische Tradition, 99-1 0 1 .
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der Kranken zu erwarten ( . . . )." Der Tadel erfolgt in drei Stufen: von den weniger betroffenen Gesunden zu den Kranken, von der Anklage zu Fluch, von den Kranken zu deren Angehörigen, ihren Kindern, Ehegatten und Ge schwistern, die in noch höherem Grade betroffen sind, weil sie, wie sich noch zeigen wird, durch die Schuld des Aufsehers hilflos und verzweifelt zu sehen Inüssen, wie ihre Kranken dahinsterben. Jetzt erst, nachdem Kydones eine sich steigernde Reihe von Anklägern vorgestellt hat, nennt er den Inhalt der Anklage : "wegen des Unrechts, das du uns ( . . . ) zufügst, weil du durch deine Zwangsmaßnahmen gegen die unglücklichen Fischer unsere Genesung verhinderst." Das tadelnswerte Verhalten des Aufsehers richtet sich also in erster Linie gegen die ihm anvertraute Berufsgruppe, die Fischer, aber die negativen Konsequenzen wirken sich auf die Kranken, zu denen Kydones auch sich selbst zählt, und auf deren Angehörige aus; denn Fische sind durch die hohe Besteuerung des Fischfanges so teuer geworden, dass Personen, die auf Fischdiät angewiesen sind, praktisch unversorgt bleiben. "So lässt du die ärztliche Kunst scheitern und nünmst den Kranken jede Hoffnung auf Gene sung." Dies ist Ulnso gravierender, als der nahe Bosporos unerschöpflich reich an Fischen ist und jeden B edarf decken könnte. Doch wird dies durch die Maßnahlnen des Aufsehers verhindert. Kydones setzt also in dieseln Psogos auf pathetische Übertreibung (amp lificatio), und er baut sie im Folgenden noch weiter aus : Der Aufseher muss zur Kenntnis nehlnen, dass sein Verhalten nicht nur Schaden anrichtet, son dern auch unlauteren Motiven entspringt, denn er handelt nicht in Erfüllung seiner Pflicht sondern "aus schändlicher Habsucht" . Mit der Erwähnung ei ner bisher nicht genannten Personengruppe, die von diesen Maßnamen an vorderster Front, nämlich beim Einkauf, betroffen ist - es sind die Hausdie ner, die Fische einkaufen sollen, aber mit leeren Händen zurückkehren und dafür noch bestraft werden -, dehnt Kydones die negativen Folgen der rigo rosen Marktkontrolle auch auf Leute aus den unteren sozialen Schichten aus. Eine unbeabsichtigte Folge dieser Kontrolle ist auch die Tatsache, dass Fi sche nur noch gegen hohe Bestechungsgelder, also zu Schwarzmarktpreisen, zu haben sind. Um der Strafverfolgung ihres Schwarzhandels zu entgehen, lassen die einschlägigen Verkäufer sich eidlich zusichern, dass man sie nicht an den Aufseher verrät. Kydones aber tadelt nicht die Schwarzhändler, son dern nur den Rigorismus des Aufsehers, und macht ihn geradezu zum Ge setzgeber: "Denn die Gesetze, die du jetzt gegen die Fischer erSOilllen hast, übertreffen noch die gegen Mörder; Fesseln und Hinrichhmg sind dem ge wiss, der nach nächtlichem Kampf mit Wellen und Stürmen etwas von dem, was doch sein ist, beiseite schafft und sich auch selbst einen Lohn für seine
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Plage wünscht." Der Aufseher überbietet also mit seinem rigorosen Vorge hen sogar die Strafe, die das Gesetz gegen Mörder erlassen hat. Aber von Fesseln und Hinrichtung für das "Hinterziehen" von Fischen ist im Folgen den nicht mehr die Rede. Kydones beschreibt zwar, wie der unglückliche Fi scher, wenn er dennoch einen Teil seines Fanges zurückgehalten hat, vor dem grausamen Aufseher zittert, aber der Aufseher begnügt sich, wenn er fündig geworden ist, offenbar mit dem Triumph, den Fund zu beschlagnah men, um ihn dann selbst ohne Skrupel feilzubieten. Hier nun geht Kydones noch über seinen eigenen Tadel hinaus, indelll er versucht, den hohen Beam ten, der sich zum Fischhändler erniedrigt, der allgemeinen Verachtung preis zugeben: "Sobald du den Fang erspähst, freust du dich wie ein Löwe, der ein großes Beutetier erhascht hat, und bietest mit lautem Schreien die Fische feil, wie Räuber die Sklaven feilbieten, und hältst es nicht für eine Schande, wenn der hohe Beamte von seinem Wagen herabsteigt, sich zum Fischhänd ler erniedrigt und seiner senatorischen Ehre den schnöden Mammon vor zieht." Es kommt Kydones aber letztlich nicht auf den Tadel an, sondern er hofft den Angeprangerten zur Revision seines Tuns zu bringen. Deshalb hält er ihm alll Schluss seines Briefes vor, dass er sich durch seinen Rigorisillus nur selber schade. Er habe sich in der ganzen Stadt verhasst gemacht, obwohl ihm der Gewinn, den er sich erhoffe, nicht einmal sicher sei, weil er als Be amter ja im Auftrag des Kaisers handele. Was er aber zu erwarten habe, wenn er sein Verhalten nicht ändere, malt Kydones nun in kräftiger Meta phorik aus : Das Volk werde aufwallen wie das sturmgepeitschte Meer, sich auf das Schiff des Frevlers stürzen, es zum Kentern bringen und es vernich ten. Er aber werde sich vor dem Unwetter nur schützen können, wenn er als bald die Abgaben, die für Fische zu entrichten sind, erheblich senke. Ein zweites Mal in diesem Brief gibt Kydones also seinem Tadel eine soziale Färbung, hier in Form einer Drohung, bei der Schilderung des Dieners aber, der mit leeren Händen vom Markt kommt, in der Form des Bedauerns. Ob diesem mit so eindrucksvoller Rhetorik vorgebrachten Appell des Kydones Erfolg beschieden war, ist leider nicht bekannt. Kydones leitete eine Zeitlang das Finanzressort des Reiches, l 64 machte aber selbst mehrfach schlechte Erfahrungen mit Finanzbeamten und war des halb zumindest in den späteren Jahren seines Lebens auf diesen Berufsstand nicht gut zu sprechen. Das zeigt sich am deutlichsten in seinem Brief 3 3 9 (276) a n einen Freund, der i n den achtziger Jahren a m Hof Kaiser Manuels
1 64 Siehe TINN E FELD, Kydones 1/ 1 , 277, Kommentar, Anm. 1 5 .
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in Thessalonike eine Position als Finanzbemuter erhalten hatte. Nach Mei nung des Kydones wirkte sich dies negativ auf seinen Charakter aus, denn er hatte den früher so guten Kontakt mit ihm abgebrochen. Am Schluss des Briefes aber steht eine Beluerkung, die beweist, dass Kydones die neue Auf gabe des Freundes ohnehin negativ bewertete: "In anderer Hinsicht aber bin ich mu dich betrübt, weil eine philosophische Natur gezwungen wird, ein Krämerleben zu führen. 16s " Ähnliche Skepsis gegenüber dem schnöden Mammon zeigt Kydones in Brief 1 77 ( 1 68), 1 3 76, wenn er seinem Schüler Rhadenos, der in das Geschäft seines Vaters eintreten will, androht, er werde das Leben eines Philosophen luit dem eines "Krämers" vertauschen. Mehrfach hat Kydones Schreiben kritischen Inhalts wegen konkreter Ver fehlungen an namentlich nicht genannte Finanzbeamte hinterlassen. Wahr scheinlich der früheste von ihnen ist Brief 245(0260). Hier bezieht sich Ky dones auf ein nicht eingehaltenes Versprechen und beginnt entsprechend mit scharfer Ironie: "Du scheinst von einem Wahrsager gehört zu haben, dass du, wenn du die Wahrheit sprichst, sterben musst; sonst hättest du dich nämlich nicht auf so spektakuläre Weise der Einhaltung deiner Versprechungen ent zogen." AlU vorausgehenden Tage hatte der Adressat imu nämlich mündlich, schriftlich, unter Eid und von seinen Beisitzern bestätigt eine finanzielle Zu sage gegeben, diese jedoch verleugnet, als Kydones seinen Diener zu ihm schickte, die zugesagte Smnme abzuholen. Er habe den Abgesandten nicht nur beschimpft, sondern ihm auch das entsprechende Dokument abgenom men und ihn wie einen Schwätzer stehen lassen. Kydones betont aber, dass er Besseres auch nicht von ihm erwartet und sich nicht einmal von der schriftlichen Zusicherung etwas erhofft habe. Er habe nun wenigstens die Genugtuung, dass er sich über den Charakter des Adressaten nicht getäuscht habe. Er aber werde nun zu befürchten haben, dass der Kaiser iml für den Missbrauch seiner Macht zur Verantwortung ziehen werde. Ähnlichen Inhalts ist Brief 407(041 3). Hier tadelt Kydones einen Finanz beamten, ihn bei der Austeilung einer allgemeinen Sonderzuwendung des Kaisers übergangen zu haben. Er beginnt den Brief mit der Drohung, der Adressat zwinge ihn, in Zukunft das Gegenteil von seinem früheren Urteil über ihn zu glauben und zu verbreiten. Er werde es zwar diesmal noch sanft mütig ertragen, von ihm übergangen zu werden, in Zukunft aber den Kaiser darüber informieren. Es werde dem Adressaten aber nicht günstig sein, wenn der Kaiser erfahren müsse, dass jener die Personen, die er, der Kaiser, be schenkt habe, daran hindere, ihm, dem Kaiser, dafür dankbar zu sein. Außer1 65 Griech. : l
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dem Inöge er bedenken, dass er, Kydones, seine, des Adressaten, Berufung in das Amt eines hohen Finanzbeamten seinerzeit befürwortet habe. Er möge also gegenüber seinem alten Freund in Zukunft die Gerechtigkeit wahren. 1 66 Schließlich bleiben noch zwei Briefe zu besprechen, in denen Kydones zwei Personen aus dem Richterstand tadelt, und zwar wegen ihres ungerech ten Verhaltens. Der frühere von beiden ist Brief 3 5 8(322), etwa aus dem Jahr 1 3 86, an einen unbekannten Richter, den Kydones seinen Freund nennt. Die ser hatte Manuel Chrysoloras (geb. ca. 1 3 50), den Kydones ebenfalls zu sei nen Freunden zählte, getadelt, weil er ein Buch, das Schriften lateinischer Autoren enthielt, von ihm zurückgefordert habe, und hatte ihn deshalb der übennäßigen Vorliebe für die Lateiner l 67 bezichtigt. Dieser Vorwurf falle al lerdings, Ineint Kydones, auf ihn, den Richter, selbst zurück, wenn er das entliehene Buch bei sich behalte, anstatt es zurückzugeben. Er müsse über dies bedenken, dass die Kritik, die er an Chrysoloras übe, wegen ihrer beider freundschaftlicher Beziehung und ihrer gemeinsmnen geistigen Interessen auch ihn, Kydones, treffe. Der zweite Brief, 440(440), etwa iln Jahr 1 3 92 an den Großrichter 1 68
Thomas Dukas Alusianos gerichtet, beginnt Init der Überlegung, dass auch Freundschaft wie der menschliche Körper erkranken könne. So sei ihrer bei der Freundschaft nun aus einem geringfügigen Anlass bedroht, weil der Ad ressat einem jungen Mann, den Kydones Freund nenne, erheblichen Schaden zugefügt habe. Er habe ihn nicht nur aus der Liste der vom Kaiser zu entloh nenden Personen gestrichen, sondern ihn damit auch der Ehre beraubt, die man ihm allerseits erwiesen habe. An seiner Stelle habe Alusianos Leute mit sklavischer Gesinnung als kaiserliche Diener bevorzugt. Das habe der ge nannte Mann nicht verdient, der bereits bei Johannes V., nach dessen Tod aber auch bei Kaiser Manuel ll. , sehr beliebt und angesehen gewesen sei. Seit aber Alusianos den Vorsitz im Grelnium derer führe, denen offenbar auch die Auswahl des Personals am Kaiserhof zukomme, habe sich "eine größere Zahl von ziemlich nichtsnutzigen Elementen, die bis j etzt allen un bekannt waren ( . . . ), nun erstmals in die Reihen der Hofbeamten eingeschli chen", bemerkt Kydones, "und zwar aus keinem anderen Grund als dem, dass sie dich über die Maßen lobten. Den Angesehenen aber und denen, die durch kaiserliche Erlasse geehrt worden waren, wurde teils mehr als die Hälfte ihres Unterhaltes gekürzt, teils sind sogar ihre Namen wie die von Ge1 66 Die finanzielle Situation des Kydones ist vergleichbar mit der, die der unten, 3 .2. 1 , be sprochene Br. 237(400) voraussetzt. 1 67 Griech. : (>la 'r�V acj:>obQav 71QOC; ACX'rLVOUC; cj:>u\LCXV. 1 68 Griech. : Kcx8oAu(oC; KQl�C; 'rWV 'PW/-lCXLWV.
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ächteten und Räubern ausgemeißelt ( . . . ). Diese wirre Situation bekam auch unser Freund zu spüren, dem durchaus, hätte er nicht bereits vorher dem kai serlichen Beamtenstab angehört, die Voten der Kaiser und seine Qualifika tion, die allen wohlbekannt ist, für die Aufnahme genügt hätten." Kydones sei aber selbst von dieser unehrenhaften Behandlung seines Schützlings be troffen, der durch die Maßnahme des Alusianos praktisch auf Dauer völlig kaltgestellt wurde. Er bitte daher seinen Freund Alusianos dringend, seine Maßnahme zu revidieren. Sollte er aber bei seiner Entscheidung bleiben, dann würde Kydones zwar sein Freund bleiben, aber er werde nichts haben, was er bei seinen Anklägern zu seiner Verteidigung vorbringen könne. A nalyse zu 2.4.2.1, Kritik an Personen im Staatsdienst
I) Seinen Freund Astras, damals kaiserlicher Oberaufseher des Berges Athos, der es versäumt hat, dort für den Bruder des Kydones zu intervenie ren, vergleicht er mit den von Platon wegen ihres Vers agens getadelten poli tischen Führern von Athen. 1 69 2) Kydones tadelt einen Freund, weil er sich ohne Verabschiedung auf Reisen begeben hat, nimmt aber das Gerücht, er habe sich von einer Frau, die er mit der Geliebten Agamemnons vergleicht, bezaubern lassen, zum Anlass, sich über ihn lustig zu machen. 1 7 0 3) Ein ein drucksvolles Beispiel einer gelungenen Tadelrede (Psogos) ist der Brief an einen Aufseher der Fischerei in Konstantinopel, der sein Amt durch über höhte Besteuerung des Fischfanges missbraucht. Kydones führt gegen ihn an, dass er den Kranken ihre Fischdiät vorenthält, sich als habsüchtig er weist, den Bediensteten das Einkaufen von Fischen erschwert, den Schwarz handel mit Fischen fördert, Verstöße gegen seine Vorschriften unverhältnis mäßig hoch bestraft und sich erniedrigt, indem er die beschlagnahmten Fi sche selbst zum Verkauf feilbietet. Es sei zu befürchten, dass er mit seinem Verhalten schließlich einen Volksaufstand provozieren werde. 1 7 1 4) Kydones bewertet den Beruf des Finanzbeamten so negativ, dass er ihm bereits als solchem eine charakterschädigende Wirkung zuschreibt. l 7 2 In Briefen an Fi nanzbeamte kritisiert er das Ausbleiben ihm zustehender und bereits zuge sagter Zahlungen 1 7 3 oder beschwert sich, er sei bei der Auszahlung einer Sonderzuwendung an Beamte übergangen worden. 1 74 5) Einem Richter, der 1 69 1 70 171 1 72 1 73 1 74
Br. Br. Br. Br. Br. Br.
96(60). 1 42( 1 52). 261 (25 1 ). 3 3 9(276). 245(0260). 407(04 1 3).
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die berechtigte Zurückforderung eines entliehenen Buches mit dem unquali fizierten V Olwurf zu unterlaufen versuchte, Kydones zeige eine übermäßige Vorliebe für lateinische Autoren, zahlt er seinen Vorwurf mit gleicher Mün ze heim, indem er ihn ironisch der gleichen Vorliebe verdächtigt. 1 7 5 6) Kydo nes kritisiert den Großrichter Alusianos, der seinen Freund unverdienterma ßen aus der Liste der Hofbeamten gestrichen und ihIn dadurch sehr gescha det, aber auch bei der Auswahl der Beamten, mit der er leitend befasst war, keineswegs eine glückliche Hand gehabt habe. 1 7 6 2.4.2.2 Angehörige des höheren Klerus
Wohl einen der schärfsten Briefe mit tadelndein Inhalt, 1 29(68), schrieb Ky dones um den 1 . April 1 3 68 an Patriarch Philotheos, der soeben seinen Bru der, den Athosmönch Prochoros, in einer kirchlichen Gerichtsverhandlung wegen häretischer Gesinnung verurteilt hatte. Vor allem wurde Prochoros die strikte Ablehnung der in Byzanz 1 3 5 1 dogmatisierten Energienlehre des Gregorios Palamas vorgeworfen. Philotheos hatte sich in der Angelegenheit lange im Hintergrund gehalten und war erst soeben zum offenen Angriff übergegangen. Darauf bezieht sich der - natürlich ironische, j a sarkastische - Anfang des Briefes: "Jetzt hast du doch endlich einmal eine männliche Tat vorzuweisen, da du es nicht länger aushältst, den Zorn im Inneren zu verber gen, sondern offen auf uns deine Wut losgelassen hast! " Philotheos hatte nämlich ursprünglich Prochoros zu einem Gespräch unter vier Augen einge laden, ihm aber stattdessen den Prozess gemacht und ihn zusammen mit ei ner Reihe von Gesinnungsgenossen zu einer Gerichtsverhandlung vorgela den, die ihn als Häretiker verurteilte. Damit aber hatte Philotheos seine Ab machung mit Kaiser Johannes V. gebrochen, der nur bereit war, seine zweite Erhebung auf den Patriarchenthron im Jahr 1 364 zu unterstützen, wenn er feierlich gelobte, keinem Antipalamiten ein Leid zuzufügen. Philotheos hielt sich j edoch nur so lange an die Ablnachungen, wie der Kaiser im Lande war, nutzte aber eine kürzere Abwesenheit des Herrschers zur Einberufung des kirchlichen Gerichtes, das Prochoros verurteilte. Die überraschende Kon frontierung des Prochoros mit seinen Gegnern interpretiert Kydones als be sondere Feigheit des Patriarchen, der sich nicht getraut habe, mit ihm ein ernsthaftes theologisches Gespräch zu führen. Nun habe er allen Grund, sich zu fürchten, denn Gott werde die Gerechtigkeit zum Sieg führen und ihn, wie er es verdient habe, strafen.
1 75 Br. 3 5 8(322). 1 76 Br. 440(440).
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Ein weiterer Brief, 1 5 1 (94) an Theodoros Meliteniotes, einen hohen Kle riker mit dem Titel "Oberster Lehrer" (DLDamca.AOC; 'tWV DLDamcMwv) im Patriarchat von Konstantinopel, gerichtet, ist ebenfalls der Auseinanderset zung mn die palamitische Theologie und der Affäre um Prochoros Kydones gewidlnet. Der Adressat war einer der Unterzeichner des im April 1 368 über Prochoros verhängten Kirchenbannes wegen Häresie gewesen. Der Brief setzt die Rückkehr des Kydones aus Italien im Frühjahr/SOlnmer 1 3 7 1 vor aus. Vom Tode des Prochoros (der jedenfalls vor der Rückkehr des Kydones erfolgte) ist wie von einem noch nicht lange zurückliegenden Ereignis die Rede. So ist der Brief wohl auf SomlneriHerbst 1 3 7 1 zu datieren. Kydones bezieht sich auf eine öffentliche Versamlnlung (Z. 4), die den Charakter ei ner Trauerfeier hatte (Z. 25-28). Loenertz veliritt in einen1 Typoskript mit kurzen ReSülnees des Inhalts der Briefe l 77 die Meinung, dass diese Trauer feier sich wahrscheinlich auf einen palmnitischen Theologen bezog. Ich bin l 8 allerdings jetzt 7 überzeugt, dass es sich um ein Gedächtnis nach Jahresfrist in Anwesenheit des Demetrios Kydones für seinen Bruder Prochoros handel te. Das Totengedenken nach einem Jahr war in Byzanz üblich, 1 7 9 und es ist durchaus wahrscheinlich, dass es auf Wunsch des Demetrios begangen wur de, weil er bei der (unehrenhaften) Bestattung seines Bruders noch auf der Italienreise weilte. Das ergibt sich aus Z. 26-2 8 : "Denn es ist lächerlich zu glauben, man könne durch Schmähung des Hingeschiedenen die trösten, die aus deinseiben Anlass (sc. wegen des Hingeschiedenen) in Trauer sind." Es befanden sich also auf der Trauerfeier Personen, die einen Verstorbenen be trauerten, während derselbe von anderen Anwesenden geschmäht wurde. Da es sich bei dem Geschlnähten mn Prochoros handelte, muss er auch der Be trauerte gewesen sein. Auf dieser Feier hatte Meliteniotes j edenfalls die Ge dächtnisrede gehalten, in der er sich abfällig über die Rechtgläubigkeit des Prochoros äußerte und dmnit auch Deinetrios selbst beleidigte. Kydones er innert an die Zeit, als er Init Meliteniotes in Freundschaft verbunden war, und betont, dass weder er selbst noch sein Bruder, ein Mann von tadelloser Lebensführung und überragender Bildung, seine jetzt so feindliche Haltung
1 77 Raymond-Joseph LOENERTZ, Demetrius Cydones, Lettres, Sommaires, vol . II, S. 1 62 . Zu diesem Typoskript siehe TINNEFELD, Kydones 1/ 1 , S. 294. 1 78 Im Kommentar zu Br. 1 5 1 (94) (TINNEFELD, Kydones 1/2, S . 506) spreche ich noch von der Trauerfeier für einen Unbekannten, der wohl eine angesehene Persönlichkeit gewe sen sei, weil Angehörige des Kaiserpalastes anwesend waren (Z. 22-24). 1 79 Margaret ALEX IO U , The ritual lament in Greek tradition, Cambridge 1 974, 32 mit Anm. 39; A. S IDERAS, Die byzantinischen Grabreden. P1'Osopographie, Datierung, Überliefe rung (Wiener Byzantinistische Studien, 1 9), Wien 1 994, 66.
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durch unrechtes Tun verschuldet habe. Er könne seinen peinlichen Auftritt auf der Trauerfeier nur dadurch wieder gut machen, dass er fortan die üble Nachrede gegen Prochoros einstelle. "Wenn du aber unbedingt deinen Näch sten verlemnden Inusst, lass wenigstens ihn in Ruhe und wende dich gegen mich ( . . ) . Sein Versuch aber, Prochoros noch über das Grab hinaus zu schlnähen, sei niedelirächtig, zumal er vorher nicht gewagt habe, ihm offen zu widersprechen. Allenfalls würden Weiber und Schwächlinge ihre Über zeugung durch Schlnähungen verteidigen; ein Mann im Rang eines Obersten Lehrers wie Meliteniotes sei hingegen verpflichtet, Andersdenkende mit Ar gmnenten zu überzeugen. Kydones empfiehlt ihm daher das Studium der Schriften des Prochoros und die Abfassung einer schriftlichen Entgegnung, die dann von einer kOlnpetenten Jury beurteilt werden sollte. Er selbst will jedenfalls - wie sein Bruder - die haltlosen Schmähungen des Adressaten nicht Init Schmähungen beantworten. .
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Analyse zu 2.4.2.2, Kritik an Angehörigen des höheren Klerus
Beide Briefe des Kydones, in denen er hohe Kleriker tadelt, haben ilu-en Umgang mit seinem Bruder Prochoros zum Thema. Der eine ist ein Doku Inent des Zornes über seine von Patriarch Philotheos hinterhältig inszenierte 8 kirchliche Verurteilung. 1 o Der andere bezieht sich auf eine Gedächtnisfeier für Prochoros nach Jahresfrist, auf welcher der Adressat sich abfallig über .. 181 1'lu1 ge auß ert h atte. 2.4.3 Kritik an Privatpersonen
Weniger heftig als die vorausgehenden Invektiven ist die Kritik des Kydones an einer Reihe von Privatpersonen. Unter ilmen niInlnt Rhadenos aus Thes salonike einen bevorzugten Rang ein. 2.4. 3 . 1 Rhadenos
8 Kydones unterhielt zu Rhadenos, einem wesentlich jüngeren 1 2 Landslnann, Sohn eines Getreidehändlers in Thessalonike, die Beziehung eines Mentors zu seinem Schüler, die zugleich von persönlicher Zuneigung geprägt war. Gegen Ende seiner ersten Vakanz vom kaiserlichen Dienst ( 1 3 74/75) hatte er Rhadenos, vielleicht durch Velmittlung seines in Thessalonike lebenden
1 80 Br. 1 29(68). 1 8 1 Br. 1 5 1 (94). 1 82 Rhadenos ist ca. 1 3 52-54 (siehe TINN E FELD, Rhadenos, 2 1 3f.), Kydones ca. 1 324/25 ge boren.
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Freundes Tarchaneiotes, 1 8 3 kennen gelernt, ihn mit dein philosophischen Denken, vor allem mit der Ethik, vertraut gemacht und ihm die Einsicht ver mittelt, dass sich aus diesen Erkenntnissen auch eine bestimmte Lebensfüh 8 rung ergebe. Rhadenos kehrte etwa im Herbst 1 3 75 1 4 auf Wunsch seines Vaters nach Thessalonike zurück, und mit Brief 1 59 \ 1 5 8) begann ein erster 8 Austausch von Briefen zwischen Kydones und ihm. 5 Das Hauptthema in dieser Phase ist die Frage, ob Rhadenos gemäß einer Vereinbarung zwischen beiden weiter bereit sei, ein philosophisches Leben zu führen, oder es vorzie he, das Geschäft seines Vaters, eine Getreidehandlung, zu übernehmen. In einem dieser Briefe, 1 70( 1 64), Herbst/Winter 1 3 75/76, beschwert sich Kydones, dass er keine klare Antwort auf diese ihm ausdrücklich gestellte Frage erhielt: "Als ich aber auch das suchte, was ich dringend zu erfahren wünschte, fand ich, dass du nichts Klares über j ene Dinge sagen wolltest, sondern deine Worte zu diesem Thema eher ins Unklare gewendet hattest und mir zu raten aufgabst, ob wir dich wohl einmal nach ganz langer Zeit zu sehen bekämen. Vielmehr ließest du uns, soweit es deinen Worten zu ent nehmen war, sogar gänzlich ohne Auskunft darüber." Er hat allerdings auch eine Erklärung für diese Unklarheit, den Berufswunsch seines Vaters für ihn, der ihn an einer eigenen Entscheidung hindere. Diese aber erwartet Kydones von ihm, wie sie auch imlner ausfallen möge. Auf keinen Fall solle er glau ben, er könne sie dem Zufall überlassen oder auf unbestimmte Zeit aufschie ben. Nicht lange danach schrieb Kydones Brief 1 7 1 ( 1 65), in dem er seine Verärgerung ausspricht, dass Rhadenos ihm seine Entscheidung immer noch nicht mitgeteilt habe; er sagt aber nun deutlich, dass er die Wahl eines Le bens als Geschäftsmann als eine Entscheidung für geistige Knechtschaft an sehen würde. Als bald darauf sogar ein Freund des Rhadenos ohne Post von ihln aus Thessalonike eintraf, drohte er in Brief 1 72 ( 1 66) mit dem Abbruch der Korrespondenz, schob aber alsbald ein moderateres Schreiben, 1 73 ( 1 67), nach, in dem er ihm die Wahl wieder ausdrücklich anheimstellte, und fügte noch Brief 1 77( 1 68) hinzu, in dem er noch einmal alle Argumente für ein philosophisches Leben zusammenfasste, was er aber mit Brief 1 69 ( 1 69) wie der zurücknahm, denn hier befürwortete er wieder eindringlich das baldige Kommen des Rhadenos. Dieser traf einige Zeit später, im Frühjahr/Frühsom mer 1 3 76, in Konstantinopel ein, wo er bis August des Jahres verweilte. Er verließ Konstantinopel wegen der politischen Lage - Andronikos IV. , der äl teste Sohn Johannes ' V., hatte in Konstantinopel die Macht übernominen -, 1 83 TINNEFELD, Rhadenos, 2 1 1 -2 1 3 ; Br. 1 82( 1 47), Z. 3 3 f. ; 1 74( 1 7 1 ), Z. 5-7. 1 84 TINNEFELD, Rhadenos, 2 1 5 . 1 85 TINNE FELD, Rhadenos, 237f.
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8 versprach aber, bald wiederzukommen. 1 6 In Wirklichkeit blieb der Kontakt nun ca. fünf Jahre lang, bis 1 3 8 1 , unterbrochen. Erst in einem Brief von etwa März 1 3 8 1 , bezeugt durch Brief 1 96(206), nahm ihn Rhadenos wieder auf. Er teilte Kydones den Fortgang seiner Studien mit, kondolierte ihm zum Tod seiner Schwester und kündigte ihm seinen baldigen Besuch an. Kydones reagierte freundlich mit Brief 1 96(206). Als aber Rhadenos dann doch nicht, wie angekündigt, im April kam, ging Kydones im Mai 1 3 8 1 zu neuem Tadel über, zunächst in Brief 1 98(2 1 0) wegen seines Ausbleibens, schärfer aber in Brief 2 1 9(2 1 1 ), weil er damals Konstantinopel aus Angst vor der politischen Lage verlassen habe. Kydones ließ aber bald darauf Brief 207(2 1 2) folgen, um den scharfen Ton des ersteren Briefes abzumildern. Große Verärgerung zeigt er dann wieder in Brief 227 (2 1 6), wohl zu datieren auf S Ollliner/Herbst 1 3 8 1 , weil Rhadenos auf mehrere Briefe nicht geantwortet habe. Als nun Rhadenos, wahrscheinlich im Frühjahr 1 3 82 , doch nach Konstantinopel kam, hielt sich Kydones gerade für kurze Zeit im Auftrag des Kaisers zu Verhand lungen mit Francesco 1. Gattilusio auf Lesbos auf. Dies ergibt sich aus Brief 202(2 1 9), in dem Kydones bedauert, dass Rhadenos ihn in Konstantinopel nicht angetroffen habe, und ihn bittet, auf seine Rückkehr zu warten. Wahr scheinlich reiste Rhadenos aber nun nach Lesbos, mn Kydones dort zu tref 8 fen. 1 7 Der nächste Brief des Kydones an Rhadenos, 248(259), ist erst auf Sommer 1 3 8 3 zu datieren. Rhadenos ist längst nach Thessalonike zurückge kehrt und inzwischen in den engen Beraterkreis Kaiser Manuels, der sich seit Herbst 1 3 82 in Thessalonike aufhielt, aufgenommen worden. Kydones emp 88 fand zwar diese Beziehung bereits bald als problematisch, 1 tadelte Rhade nos aber zunächst nicht dafür. Auch die folgenden Briefe an Rhadenos aus dieser Zeit sind zwar von Sorge geprägt, enthalten aber keinen offenen Ta del. Zu diesem ging Kydones erst wieder über, als Rhadenos ihn im Winter 1 3 84/85 kurz besucht und für das Frühj ahr 1 3 8 5 einen weiteren Besuch in Aussicht gestellt hatte. Dieser Besuch fand nicht statt, und Kydones machte 8 ilnn nun in Brief 303(303) den harten Vorwurf, er habe gelogen. 1 9 Er ist über sein Fernbleiben - und auch über seine vorausgehende rasche Abreise so verärgert, dass er sogar froh ist, von Rhadenos zu erfahren, der Brief, den er kürzlich dennoch an ihn geschrieben habe, sei nicht angekommen. In Brief 3 05(305), verfasst im Mai/Juni 1 3 85 , bekundet er ausdrücklich, dass er eine Beteuerung des Rhadenos, nun dennoch ein philosophisches Leben zu 1 86 1 87 1 88 1 89
TINNE FELD, Rhadenos, TINNE FELD, Rhadenos, TINN E FELD, Rhadenos, TINNE FELD, Rhadenos,
239. 2 1 8. 2 1 9f. 223.
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führen, nicht mehr ernst nehmen könne. Die Quintessenz seiner Enttäu schung über Rhadenos fasst Kydones in deIn kurzen Brief 3 5 3 (346) zusam men: ,,0 weh, was für einen hässlichen Kopf hast du einem schönen Körper aufgesetzt, als du jene vielen glänzenden Versprechungen so hässlich und schlecht zugleich ausgehen ließest( . . . ) Dein Verhalten ( . . .) erscheint allen als verwerflich, weil du die Treue zu deinen Freunden für schäbigen Gewinn verkauft hast. Aber auch dein Verhalten gegenüber Gott ist nicht frei von Ta del, weil du dir den erhofften Nutzen mit Lästerungen gegen ihn erkauftest. So bedenke, dass auch dies dir nicht frommen wird, denn noch niemandem hat es je einen Vorteil gebracht, gegen Gott Krieg zu fiihren." Dieser tadeln de Brief ist ein starker Gefühlsausbruch des Kydones, diktiert von tiefer Ent täuschung und sogar Verzweiflung. Worauf er hier anspielt, ist die Politik Kaiser Manuels, sich den Türken zu unterwerfen, der Rhadenos sich ange schlossen hat. So würde der Tadel eigentlich Kaiser Manuel gebühren, aber in den gleichzeitigen Briefen an ihn drückt sich Kydones vorsichtiger aus. 1 90 Die restlichen Rhadenosbriefe aus der Zeit sind mehr von der Sorge als von Tadel und Kritik bestünmt. 191 .
Analyse zu 2.4.3.1, Kritik an Rhadenos
Die Hauptvorwürfe des Kydones gegen Rhadenos sind folgende: 1 ) Seine Unsicherheit in der Entscheidung für einen philosophischen Lebensweg, wie Kydones ihn wünscht. l92 2) Seine Unzuverlässigkeit bei der Ankündigung von Besuchen in Konstantinopel. 193 3) Seine unregelmäßige Korrespondenz Init Kydones. 194 4) Seine Absicht, sich als Gefolgsinann Kaiser Manuels dem Herrscher der OSlnanen zu unterwerfen und so, wie Kydones es sieht, seinen Glauben zu verraten. 195 2.4. 3 . 2 Johannes Asanes
Weitere Briefe tadelnden Inhalts sind an verschiedene Personen gerichtet, von denen nur Johannes Asanes Inehr als einen Brief dieser Art erhielt. Die ser Johannes Asanes 196 war ein jüngerer Bruder oder ein Neffe 1 97 des Kon-
1 90 Siehe oben, 2.4. 1 . 3 , Br. 363(349). Deutliche Kritik übt Kydones erst in Br. 365(3 5 1 ). 1 9 1 Siehe oben, 2.3, Br. 248(259) bis 35 5(348). Bald nach diesem letzten Brief an Rhadenos ist dieser gestorben; siehe unten, 3 .4. 1 , Br. 3 63(249), Herbst 1 3 87. 1 92 Br. 1 70( 1 64), 1 72( 1 66), 1 73(67), 1 77 ( 1 68), 3 05(305), 353 (346). 1 93 Br. 1 98(2 1 0), 2 1 9(2 1 1 ), 303(303). 1 94 Br. 227(226). 195 Br. 3 53(346). 1 96 Zur Person PLP 9 1 3 7 1 .
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stantinos Asanes und wie dieser ein Verwandter (wohl ein Vetter) der Kaise rin Helene, der Gattin Johannes ' V. Kydones unterhielt zu Johannes Asanes eine freundschaftliche Beziehung, die aber, vor alleIn wegen seines leichtsin nigen Charakters, nicht unproblematisch war. Die Probleme der Beziehung sind z. B. aus Brief 229(0228) ersichtlich. Joham1es hatte Kydones (lnünd lich oder schriftlich) seiner Freundschaft versichert und hinzugefügt, er sei sogar auf der Jagd, die ihln über alles gehe, in Gedanken bei ihm. Diese Be teuerung habe, wie er berichtet, Kydones zunächst überzeugt, später aber ha be er, wie er nicht ohne hinterglündige Ironie belnerkt, den Eindruck gewon nen, er werde von Asanes nur auf eine Stufe Init seinen treuen Hunden ge stellt, die ihn auf der Jagd begleiteten, und er schließt den Brief Init den Worten: "Um dich aber tut es lnir leid, wenn für dich die Hunde ein Maßstab deiner Freundesliebe sein sollten." Ernstere Zweifel an der Freundschaft des Asanes äußert Kydones in dem wohl etwas später geschriebenen Brief 255(2 3 9), Winter 1 3 82/83 . Asanes ist vor einiger Zeit zur Insel Euboia abgereist und hat Kydones von dort noch keine Zeile geschrieben, sondern sich, wie angekündigt, seiner Jagdleiden schaft hingegeben, obwohl er vor der Abreise seine Freundschaft für Kydo nes eindringlich beteuerte. Das jetzige Schweigen lasse sich, meint Kydones, nur Init seinem Leichtsinn erklären, für den er ilun am liebsten, wenn er ihn fassen könnte, die Haare zausen und Ohrfeigen geben möchte. Dies ist natür lich übertreibende, kOlnisch wirkende Ironie, hinter der aber die ernsthafte Verärgerung spürbar wird. Der Leichtsinn des Johannes Asanes ist auch Thema von Brief 267(25 7), geschrieben iIn Sonllner 1 3 8 3 . Er hatte Kydones seine Rückkehr auf einer venezianischen Galeere von Euboia nach Konstantinopel angekündigt, und Kydones hatte sich zu Pferd zum Hafen begeben, um ihn abzuholen, fand ihn aber nicht unter den Passagieren. Einige Informierte unter diesen teilten ihm nun mit, Asanes habe seinen Plan geändert und sich auf die Pelo� onnes begeben, um sich dort seinen Anteil am väterlichen Erbe zu sichern. 9 8 Ky dones tadelt ihn nun heftig, dass er diese Änderung weder ihm noch dem Kaiser noch seinein Onkel rechtzeitig mitgeteilt habe, nicht eimnal einein der Passagiere, unter denen auch ein Gesandter des Kaisers war. Ja, er habe sich am Tag der geplanten Abreise überhaupt nicht in der Öffentlichkeit se1 97 Zur Frage ob Johannes Asanes ein Neffe oder ein j üngerer Bruder des Konstantinos Asanes war, siehe TINNE FELD, Kydones 1II, 88, Kommentar, X l ; siehe auch ebd. IV, 1 98, Kommentar, X l . Wegen widersprechender Angaben der Quellen muss die Frage offen bleiben. 1 98 Zu dieser Angelegenheit siehe oben, 2 . 2 . 1 , Br. 264(258).
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hen lassen, obwohl dort ein großes Volksfest gefeiert wurde. Um das Fehl verhalten des Asanes weiter auszumalen, schildert er die Reaktion auf die Nachricht im Kaiserpalast: "Deine Freunde waren bleich und stumm ( . . . ), deine Feinde aber lachten und jubelten." Vor allem der Kaiser habe sich ver letzt gefühlt, weil nicht einmal sein Gesandter infonniert worden war, und Kydones habe ihn auch durch Hinweis auf die jugendliche Unbedachtheit des Asanes nicht beruhigen können. So bittet er nun das enfant terrible um eine Erklärung für sein Verhalten, die er seinen Kritikern mitteilen könne. Sein Verhalten habe ja nicht nur seinen, des Kydones, Tadel, sondern auch den der Kaiserin verdient, die seine Verwandte und zugleich sein Vonnund sei. "Wenn du also auf diese Weise alles, was dich betrifft, Hals über Kopf im Stich lässt, kannst nicht einmal du selbst absehen, worauf du dich sehen den Auges einlässt. Jedenfalls solltest du den j ähen Sturz in den Abgrund fürchten, der bei solchem Verhalten absehbar ist! Ich fürchte aber, dass die Untätigkeit Ursache deines schlechten Benehmens ist und du, weil du dich aus der Gesellschaft der Guten zurückziehst, unversehens durch schlechten Umgang verdorben wirst. Das beunruhigt mich zutiefst, und ich fürchte, es könnte dir künftig etwas zustoßen, was deine Freunde dir nicht wünschen und was dir heillosen Schaden, deinen Freunden aber Kummer ohne Ende einbringt. Möge Gott dies verhüten ! Jetzt aber, du Ausbund von Leichtsinn, der du, als du hier warst, so viel mündlich versprochen hast, es in Abwesen heit aber anderen überließest, deine Versprechungen einzulösen, komin ent weder schleunigst zurück, um dich ( . . ) selbst vom schlechten Ruf zu be freien, oder teile uns, wenn du dort bleibst, wenigstens schriftlich mit, was in aller Welt man den Anklägern zu deiner Verteidigung sagen soll. Ich j eden falls bin es leid, Entschuldigungen für dich bei j enen zu erfinden, die be haupten, dass du geradezu den Verstand verloren hast." Mit diesen deutli chen Worten schließt der Brief, in dem sich der Tadel engstens mit der Sorge um den jugendlichen Leichtfuß verbindet. Der Leichtsinn des Johannes Asanes ist auch das Theina des vielleicht letzten Briefes, den Kydones an ihn schrieb, 423(0424) . Kydones hatte ihn am Vortage eingeladen, zusaminen mit ihm an einem Nachtgebet in der Ha gia Sophia zu Ehren des hl. Johannes Chrysostomos teilzunehmen und auch seinen Onkel mitzubringen. Kydones tadelt ihn nun für sein Fernbleiben, weil er damit die Bitte eines nicht ffianz unbedeutenden Mannes missachtet habe, der zugleich sein Freund sei, l 9 ferner habe er auch den Heiligen ge ring geschätzt und sich selbst und seinen Onkel um die Festfeier gebracht. Ja .
1 99 Damit meint Kydones sich selbst.
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sogar er selbst, Kydones, habe auf eine Teilnahme verzichtet, weil er nicht ohne sie das Fest begehen wollte. An all diesem sei die Jagdleidenschaft schuld: "Es schließt dich aber von jeder Nachsicht aus, dass du all diesen wichtigen Dingen einen einzigen Hasen vorzogst, den du nicht einmal gefan gen, sondern - wie lächerlich ! - dir nur erhofft hattest." Und er fährt fort: ,,0 du ausgemachter Leichtfuß, der sich selbst vernachlässigt und den Dingen, die ihm nützen könnten, ausweicht, als ob sie ihm schaden könnten, da aber, wo gescherzt wird, die Sache ernst nimmt ! " Und er schließt mit der Mah nung, statt der Spuren der Tiere solle er besser die Spuren Gottes verfolgen. Analyse zu 2.4.3.2, Kritik an Johannes Asanes
Leichtsinn und Unzuverlässigkeit, insbesondere aber seine Leidenschaft für die Jagd, sind die Fehler, die Kydones dem wesentlich jüngeren Freund Jo hannes Asanes in seinen Briefen mehrfach vorhält. Wenn er seine Kritik auch zum Teil ins Scherzhafte zu ziehen versucht, so ist doch dahinter der Ernst seiner Verärgerung deutlich. 2.4. 3 . 3 Andere Privatpersonen
In Brief 1 27(0 1 44), kritisiert Kydones einen gewissen Kaloeidas, 2 0o er habe von ihm keine Briefe erhalten. Er stellt hier so ausführliche Überlegungen über den Grund seines Schweigens an, dass man den Brief nicht einfach als ein banales Beispiel des epistolographischen Klischees "Mahnung des säu Inigen Briefschreibers, ,2 0 I abtun kann. Kaloeidas war von Konstantinopel nach Lesbos gereist, um dort eine ihm (durch Erbe?) zustehende Liegen schaft in Besitz zu nehmen. Kydones hatte für ihn beim Herrscher von Les bos Francesco 1. Gattilusio interveniert, und dieser hatte sehr freundlich auf das Anliegen reagiert und eine positive Entscheidung in Aussicht gestellt, so dass ein erfolgreicher Ausgang der Reise zu erwarten war. Danach aber hatte sich Kaloeidas nicht mehr gemeldet, und Kydones nennt zwei denkbare Gründe für sein Schweigen: Er habe entweder das Gewünschte doch nicht erreicht, was aber mit der freundlichen Reaktion des Francesco kaum zu ver einbaren sei, oder das Erhoffte erhalten und seinen Fürsprecher vergessen, was ihm aber nicht zuzutrauen sei. So komme also nur die erste Möglichkeit in Frage. Jedenfalls wünsche er, Kydones, von ihm über den Ausgang infor miert zu werden, denn er wolle dem Herrscher von Lesbos entweder, wenn er Wort gehalten habe, für die gewährte Wohltat danken oder ihn andernfalls tadeln. 200 Zur Person PLP 1 05 5 1 . 2 0 1 Siehe dazu unten, 5 .2.2. 1 .
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Mit besonderer Schärfe kritisiert Kydones in Brief 252(026 1 ) einen Lebe mann, der sich plötzlich, trotz völliger Unfähigkeit, zum Staatslnann berufen fühlte. Würde man seinen extrelnen Mangel an Selbsteinschätzung zum Maßstab erheben, dann müsste man fortan, meint er, die von Geburt Blinden den klar Sehenden bei der Bestimlnung der Farben vorziehen. Die bisherige Lebensführung des Kandidaten stehe j edenfalls in vehelnentem Gegensatz zu einer verantwortlichen Haltung. Habe er doch bisher Gespräche mit ernst haften Leuten wie die Bisse wilder Tiere gemieden und sein Leben haupt sächlich Init Fressen und Huren verbracht. Sein derzeitiger Anspruch auf staatsmännische Tugend sei jedenfalls so zu werten, als wolle ein Wolllüst ling wie der Assyrerkönig Sardanapal als Sieger bei den Olympischen Spie len geehrt werden. Er habe nur Gelächter verdient, wie man es den Affen zolle, wenn sie Inenschliches Tun nachahinten. Die Identität der Person, die Kydones hier so extrem negativ beurteilt, ist leider nicht bekannt, aber auch die Adresse "An jemanden" (nvl) lässt den Grad seiner Geringschätzung für den Adressaten ahnen. In Brief 8 1 (0 1 4 1 ) äußert Kydones seine Enttäuschung über saure Äpfel, die ein Freund ihin hatte zukominen lassen, und nicht ohne Heiterkeit liest man die Beschreibung der Früchte: "Sie waren wie Säuglinge, die Inan vor zeitig von der Mutterbrust gerissen hat, schwächlich geraten, und die Süße ihres Saftes hatte sich ins Gegenteil gewandelt." Dennoch reagiert Kydones nicht verärgert, sondern zögert nicht, ihin wesentlich bessere Äpfel zu schi cken: "Diese aber, da sie bei ihren Müttern geblieben sind und die von der Natur bestimmte Nahrung genossen haben, schmecken denen, die sie kosten, süß und sind denen, die sich an ihnen sättigen, keineswegs schädlich, so dass nicht einmal ein Arzt es tadeln würde, wenn man reichlich von ihnen essen will. Die geringe Größe des Geschenks aber wollest du nicht verachten. Denn das Schöne ist überall rar, und zugleich hat die gegenwärtige Jahres zeit den Ertrag dieser Bäume eingeschränkt." Während der Zeit großer Bedrängnis Konstantinopels durch die Türken, etwa 1 3 87-89, tadelt Kydones in Brief 3 69(3 66) einen befreundeten Mönch, weil er der Stadt nur Unglück prophezeie, anstatt Gott um dessen Abwen dung zu bitten. Er selbst zeigt sich überzeugt, dass Gott sich seiner Diener erbarmen und ihnen das Heil gewähren werde, um das sie ihn bitten. Gelegentlich spricht es Kydones deutlich aus, wenn ihm die Anhänglich keit eines Verehrers auf die Nerven geht. So ergeht es vor allem dem Unbe kannten, an den er im Jahr 1 3 8 8 Brief 3 90(367) schreibt. Wie auf Kydones selbst, so wirkt es auch auf den heutigen Leser des Briefes lächerlich, dass dieser Mann einem Bekannten n31nens Angelos ein Schaf, das anscheinend
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sein kostbarstes Eigentum war, geschenkt hatte, dalnit er Kydones veranlas se, ihm einen Brief zu schreiben. Aber Kydones treibt seinen Scherz mit dem Verehrer, indem er ihm zuerst vorrechnet, welchen Wert das Schaf für ihn habe, nälnlich einen höheren als es das �oldene Lamm haben könnte, das Euripides als Speise der Götter erwälmt, 2 0 und das wolle er nun für seine ei genen wertlosen Briefe opfern ! Stattdessen rät er ihm, das kostbare Haustier zu behalten und wie ein Juwel zu hüten. Müsse er es aber aus Hunger den noch schlachten, dann möge er es geruhsam verzehren. Nun aber gehen die Ratschläge des Kydones ins Groteske. Er kOlnmt darauf zu sprechen, dass auch Angelos ein Schaf besitze, und rät ihm, dies zu stehlen, vielleicht auch noch ein zweites, wenn er es habe. "Du siehst also, dass die gegenwärtige Zeit es nicht erlaubt, allzu viel Philosophie zu betreiben, sondern Unver schälntheit und Diebstahl sind das Gebot der Stunde, vielleicht aber auch Gewalt, wenn zu vermuten ist, dass jemand j etzt gerade schwächer ist als wir." Und der Brief schließt mit den Worten: "Für meine Briefe aber gib nichts aus und wirf für solche unbedeutenden S achen dein Geld nicht leicht fertig weg. Denn ich will dir von ihnen sogar gratis einige zukommen lassen und so deinen Hunger stillen, falls du es denn fertig bringst, ihn mit Literatur zu besänftigen, wenn er in deinein Magen laut schreit. Es ist nämlich nicht so leicht, seiner Unersättlichkeit Einhalt zu gebieten." Hier siegt der Humor, wenn auch die Kritik an der lächerlichen Ergebenheit des Adressaten im Hintergrund erkennbar ist. Wohl etwa aus dieser Zeit stammt auch Brief 3 76(0409) an einen unge nannten Freund, der ihn beredt gegen einen Verleumder verteidigt hatte. Ky dones dankt ihIn für seine Treue, bittet ihn aber, er möge in Zukunft, bevor er für ihn Partei ergreife, zuerst darauf achten, wie er selbst, Kydones, auf ei ne negative Äußerung zu seiner Person reagiere. Er pflege nämlich in einem solchen Fall zunächst die Vorwürfe im Einzelnen auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Falls er dann feststellen müsse, dass die Anklage berechtigt sei, bemühe er sich, sein Verhalten entsprechend zu ändern. Falls aber der An kläger lüge, könne er die Verwirrung seiner Seele nur bedauern. In Zukunft Inöge also der Freund, wenn er Negatives über ihn höre, Init ihm Rückspra che nehmen. Es hätte sich dann ergeben, dass auch im vorliegenden Fall eine Intervention für ihn überflüssig gewesen sei, denn der Ankläger habe gelo gen und sich dadurch so unbeliebt gemacht, dass er allein dadurch nun genug gestraft sei.
202 Euripides, Orestes, 8 1 2-8 14.
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Nur aus drei Sätzen besteht Brief 409(04 1 5), in dem sich Kydones sar kastisch bei einem ungenannten Intimfeind bedankt: "Dir ist von uns kein Unrecht geschehen, und du hast beschlossen, uns zu schaden, als müsstest du dich gegen uns verteidigen. Ein anderer aber hat den Schaden geheilt, indem er dir seinerseits schadete. Ich j edenfalls bin beiden dankbar, ihm für seine gute Gesinnung, dir aber, dass du mir deinen wahren Charakter gezeigt hast, damit ich fortan weiß, vor wem ich mich hüten muss." Ein lästiger Verehrer, ähnlich wie der oben Genannte, der ein Schaf für einen Brief des Kydones opfern wollte, ist auch der Mönch Athanasios auf Kreta. Die Kritik an seinem übertriebenen Lob rur Kydones wurde an ande rer Stelle2 03 behandelt. In dem letzten erhaltenen Brief an ihn, 434(443) stellt Kydones zwar zufrieden fest, dass er sein Lob gemäßigt habe, aber nun missfällt ihm, dass der Mönch, der auf Kreta als Elementarlehrer des Grie chischen tätig war, in den Altersruhestand eintreten will. Offenbar schätzt Kydones die didaktischen Fähigkeiten des Mönchs sehr und glaubt, dass die kretische Jugend ihm viel zu verdanken habe. "So wundere ich mich denn auch, dass die Väter deiner Schüler, als sie von deiner Absicht erfuhren, dir nicht Fesseln anlegten und dich festhielten, was ihnen und ihren Söhnen in Zukunft großen Nutzen bringen würde. Ich glaube aber, dass sie gar bald den Schaden bemerken und dich bitten werden, wieder zurückzukehren und der eigenen Muße den Nutzen der vielen Kinder vorzuziehen." Und er ermahnt ihn: "So folge denn dem göttlichen Paulus (sc, dem Apostel) und richte dei nen Blick nicht nur auf das persönliche Wohl, sondern auch auf das der vie len anderen, und nimm statt der häuslichen Muße die Mühen zum Nutzen der Allgemeinheit auf dich." In Brief 448(445) aus den frühen neunziger Jahren wendet sich Kydones gegen einen Ungenannten, den er einst für einen Freund gehalten und erst spät als Intriganten durchschaut hatte. Nun bedauert er, sich einst beim Kai ser und seinen Vertrauten für ihn eingesetzt und ihn für ein hohes Amt vor geschlagen zu haben, denn er habe nun seine schlechte Gesinnung deutlich gezeigt. Allerdings sei er Gott, der den Erfolg seiner Machenschaften verhin dert habe, dankbar, dass er seine böse Absicht mit Schwäche verbunden und so mit Erfolglosigkeit bestraft habe. Den späten Brief 439(448) adressierte Kydones etwa im Jahr 1 394 an ei nen jungen Mann namens Paulus, der aus Mailand stammte. Er war zum Stu dium griechischer Texte nach Konstantinopel gekommen und Kydones hatte sich für ihn verwandt. 2 04 Nun aber musste er erleben, dass der Adept der 203 Siehe oben, 1 .6, Br. 408(04 1 4) und 44 1 (432). 204 Siehe unten, 3 . 1 . 1 , Br. 360(3 1 9) und 435(394).
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Wissenschaft ein Geschäftsmann geworden war, der ihm soeben Geschenke ohne einen Begleitbrief hatte zukommen lassen. Mit diesem wortlosen Ge denken ist Kydones ganz und gar nicht einverstanden. Der geistige Kontakt, den ein Brief vermittelt, ist ihm unendlich viel wertvoller als ein Geschenk. So erklärt er zwar den Verzicht auf einen Brief mit dem Zeitmangel des jun gen Kaufmannes, bittet ihn aber dringend, mit dem Schenken aufzuhören und ihlTI stattdessen zu schreiben. "Wenn du aber wieder zu träge bist und dein Schweigen von uns mit Geschenken erkaufen willst, als ob uns diese statt der Briefe genügten, dann lass dir sagen, dass wir sie ganz gewiss weg werfen und über den Absender privat und öffentlich alles Schlechte erzählen werden. ,,2 0 5 Analyse zu 2.4.3.3, Kritik an diversen Privatpersonen
Der Tadel in den Briefen an diverse Privatpersonen zeigt eine bunte Palette von Charaktereigenschaften des Kydones: 1 ) Er zeigt sich enttäuscht, wenn er für j emanden interveniert, dieser aber anschließend nicht mitteilt, ob die Fürsprache erfolgreich war. 206 2) Einem Mann, der sich für einen begabten Politiker hält und die Fürsprache des Kydones für die Berufung in ein hohes Amt erbeten hat, gibt er unmTIwunden zu verstehen, dass er völlig unfähig sei. 2 07 3) Ein Mönch muss sich sagen lassen, es sei nicht seine Aufgabe, der Stadt Konstantinopel Unglück zu prophezeien, sondern Gott um die Abwen 8 dung des Unglücks zu bitten. 2 0 4) Auf die Bereitschaft eines Verehrers, sein einziges Lamm zu opfern, um von ihm einen Brief zu erhalten, reagiert Ky dones mit sarkastischer Ironie . 209 5) Er ersucht einen Freund, der ihn gegen einen Vorwurf verteidigt hatte, mit tadelndem Unterton, in Zukunft zuerst mit ihm Rücksprache zu nehmen, weil er die gegen ihn vorgebrachten Kritik immer zuerst auf ihre Berechtigung zu prüfen pflege. 2 1 0 6) EinelTI Unbekann ten dankt er ironisch, dass er ihm durch unverdiente Zufügung von Schaden 1 sein wahres Wesen gezeigt habe, 2 1 und er dankt Gott für den Misserfolg der Machenschaften eines Intriganten gegen seine Person. 212 7) Einen Mönch auf Kreta tadelt Kydones, dass er seinen unter venezianischer Herrschaft drin205 206 207 208 209
Zur indirekten Kritik an dritten Personen siehe unten 3 . 2 . BI. 1 27(0 1 44). BI. 252(026 1 ). Br. 3 69(366). Br. 390(367). Dieser Brief ist ein weiteres Beispiel dafür, wie zuwider Kydones jegliche Lobhudelei war. Vgl. oben, 1 .6, Zurückweisung von Lob und Bewunderung. 2 1 0 Br. 376(0409). 2 1 1 BI. 409(04 1 5). 2 1 2 Br. 448(445).
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gend notwendigen Griechischunterricht für die Kinder der griechischen Be völkerung aus Altersgründen beenden wolle. 213 8) Scharf getadelt wird ein junger Mann, der Kydones ein Geschenk ohne Begleitbrief zukommen ließ. Da ihm ein Brief wesentlich wertvoller sei als Geschenke, werde er in Zu kunft Geschenke ohne Brief einfach wegwerfen und sein Verhalten auch öf fentlich tadeln? 1 4 9) Er treibt mit einein unerfreulichen Geschenk seinen Scherz und "revanchiert" sich mit einer besseren Gabe. 2 1 5 2 . 5 Bericht über erfolgte Vermittlung beün Kaiser
Kydones wurde dank seiner hohen Stellung am Hof nicht selten um Vennitt lung beün Kaiser gebeten. Es sind einige Briefe von ihtn erhalten, in denen er über die erfolgte Vermittlung berichtet. An seinen Freund Kalopheros, der sich in einer schwierigen Situation be fand, schrieb Kydones im Jahr 1 3 63 Brief 73(54). Hier beklagt er "das ge fühllose Schicksal, das heftiger als jeder Orkan auf ihn einstürmte", und ent schuldigt gleichzeitig mit einer schweren Erkrankung, dass er dem Freund "das Geschoss, das ihn traf, noch nicht aus der Wunde gezogen und noch keinen heilsatnen Balsam aufgelegt", also in der Angelegenheit noch nicht für ihn interveniert habe. Allerdings habe Kalopheros Kaiser Johannes V. so schwer gekränkt, dass eine Fürsprache für ihn zunächst nicht einfach gewe sen sei. Das Vergehen des Kalopheros bestand darin, dass er einige Zeit zu vor ( 1 3 6 1 /62) Maria, eine Tochter des Matthaios Kantakuzenos, geheiratet und sich dadurch mit dem ehemaligen Rivalen2 I 6 des regierenden Kaisers verschwägert hatte. Die Heirat wurde daher als ein feindlicher Akt gedeutet, der einem Hochverrat gleichkam. 2 1 7 Kalopheros hatte von der schroffen Re aktion des Kaisers erfahren und sich vor drohender Haft durch die Flucht in ein auswärtiges Herrschaftsgebiet gerettet, zu "unbedeutenden Barbaren",2 1 8 die nicht näher benannt werden. 2 1 9 Kydones beurteilt diese Flucht als Einge213 214 215 216
Br. 434(443). Br. 439(448). Br. 8 1 (0 1 4 1 ) . Matthaios (PLP 1 0983), der älteste Sohn des Johannes Kantakuzenos, wurde im Februar 1 3 54 zum Kaiser gekrönt und widersetzte sich nach dem Rücktritt seines Vaters von der Kaiserwürde im Herbst 1 354 noch einige Jahre lang dem legitimen Kaiser Johannes V . Von einem serbischen Statthalter Kaiser Joham1es V. ausgeliefert, legte e r im Dezember 1 3 57 die Kaiserwürde ab. 2 1 7 TINN E FELD, Kydones 1/2, 3 34, KOlmnentar, II, BE, mit Verweis auf Br. 73(54), Z. 47f. 2 1 8 Griech. : ßC
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ständnis der Schuld und daher als großen Fehler. Er betont aber, dass er nach seiner Genesung entschieden für ilm eingetreten sei. So bestehe nun Hoff nung, dass der Kaiser nicht auf die Gegner und Verleumder des Kalopheros hören, sondern ihin Gnade eiweisen werde. Kalopheros müsse aber in Zu kunft alles vermeiden, was den Kaiser provozieren könne. Aus einein späte ren Brief des Kydones an Kalopheros, 325(67), zu datieren auf Winter 1 3 65/ 66, ergibt sich, dass Kalopheros es fortan aber doch vorzog, das Herrschafts gebiet des Kaisers zu meiden. Liest man Brief 1 76( 1 77), 1 3 78, dann will es zunächst so scheinen, als weise Kydones eine Bitte des (Manuel) Tarchaneiotes zurück, bei dem kai serlichen Beamten Amarantos für ihn zu vermitteln. Der langjährige Freund hatte Kydones gebeten, bei deIn Bemnten die Ausstellung eines Chrysobulls zu erwirken, welche ihm für seine Tätigkeit im kaiserlichen Dienst ein Dorf in der Nähe seines Wohnortes Thessalonike auf Lebenszeit übereignen soll te. Kydones war einst der Vorgesetzte des Amarantos gewesen. Nun aber, teilt er Init, sei j ener der entscheidende Vermittler von Bittgesuchen beim Kaiser. Er selbst, Kydones, habe j eden Einfluss auf ihn verloren und werde von ihm kaum eines Wortes gewürdigt. Die veränderte Situation erklärt sich wohl daraus, dass um diese Zeit nicht Johannes V., sondern der Usurpator Andronikos IV. , dem Kydones den Dienst verweigert hatte, herrschender Kaiser war. 22 0 Dann aber lässt Kydones den Freund wissen, er habe von Amarantos erfahren, der Kaiser habe Tarchaneiotes das gewünschte Chryso bull bereits ausstellen lassen. Diese Mitteilung wird durch das erhaltene Ori ginal der Urkunde, eines in der Athos-Laura aufbewahrten, von Andronikos im Mai 1 3 7 8 ausgestellten Chrysobulls, bestätigt. 22 1 Um 1 3 79/80 wandte sich ein ungenannter Mann aus Thessalonike, der ei ne angesehene Stellung bekleidete, mit der Bitte an Kydones, er möge ihm bei Kaiser Johannes V., der nach dreij ähriger Herrschaft seines Sohnes, des Usurpators Andronikos, seit 1 379 wieder an der Macht war, eine finanzielle Unterstützung vermitteln. Kydones antwortete ihm mit Brief 206( 1 97). 222 Er berichtet dem Adressaten, er habe den Brief, den er ihm, Kydones, geschrie-
220 Siehe unten, 2.6, Br. 1 54( 1 74). 22 1 Siehe TINN E FELD, Kydones II l , S . 220, Anm. 1 4 . 2 2 2 Meine Annahme im Kommentar zum Brief (TINNE FELD, Kydones H, 1 29 oben), der Bittsteller könnte Manuel Tarchaneiotes sein, verliert an Wahrscheinlichkeit, wenn man bedenkt, dass Tarchaneiotes, wie in dem zuvor besprochenen Brief gezeigt, durch eine Urkunde des Usurpators Andronikos bereits finanziell abgesichert war und sich deshalb wohl kaum so bald danach als Bittsteller an dessen Vater Johannes V. gewandt haben dürfte.
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ben habe, dem Kaiser überreicht, der ihn alsbald gelesen habe. Er habe den Kaiser an die treue Gesinnung des Bittstellers erinnert, und auch daran, wie sehr er seinen Sturz beklagt und sich über seine Rückkehr gefreut habe. Es sei aber nicht leicht gewesen, Johannes V. zu überzeugen, weil er sich über das Desinteresse gerade der Stadt Thessalonike an seiner Rückkehr auf den Thron zutiefst geärgert habe. Auch habe es ihn beleidigt, dass der Adressat ihn nicht direkt um Hilfe gebeten habe. Kydones berichtet nun, er habe ver sucht, das Versäumnis des Adressaten mit seiner Notlage zu erklären. Hatten doch Serben bei einem Überfall auf Thessalonike seinen Besitz geplündert, so dass er völlig verarmt sei. Der Kaiser akzeptiere aber diese Entschuldi gung nicht und werde sich wohl erst durch ein persönliches Schreiben des Adressaten umstilnmen lassen. Um die Zeit 1 3 83/84 sandte der Philosoph Georgios Gabrielopulos, des sen Verhältnis zu Johannes V. seit langem gespannt war, von seinem Aufent haltsort "bei den Barbaren" über Kydones einen Brief an den Kaiser, um sich mit ihln zu versöhnen. Kydones las den Brief dem Kaiser vor und legte ein gutes Wort für ihn ein. Er konnte tatsächlich erreichen, dass der Kaiser sei ner Rückkehr zustimmte. Dennoch rät ihm Kydones in Brief 344(264) von einer Rückkehr ab, weil er in Konstantinopel weder mit einer Verbesserung seiner materiellen Lage rechnen, noch ein größeres Verständnis für seine geistigen Interessen erhoffen könne als bei den "Barbaren", wo er sich j etzt aufhalte. Dass dieser Aufenthaltsort die Peloponnes ist, ergibt sich aus Brief 293(273), den Kydones im Sommer/Herbst 1 3 84 an den Despoten Theodo ros 1. in Mistras schrieb. Hier teilt er mit, dass sich Gabrielopulos zwar in Konstantinopel aufhalte, aber dort nicht bleiben dürfe, weil sein Lebensun terhalt dort nicht gesichert sei. Man könne ihm aber auch die Peloponnes als Aufenthaltsort nicht elnpfehlen, weil dort Krieg herrsche223 und ein Gelehr ter kaum Förderung erwarten könne. Brief 28 1 (0295) ist an einen unbekannten Freund des Kydones adressiert, der sich um eine Stelle am Kaiserhof beworben hatte. Kydones hatte ihn, wie er eingangs betont, Kaiser Johannes V. elnpfohlen: "Was ich in deinem Auf trag mit dem Kaiser besprechen sollte, habe ich ihln ausführlich und oft vor getragen und ihn Init reichlichem Lob für dich überzeugen können, dass es ilun nützen werde, wenn er dich in seine Dienste nimmt." Allerdings stellte der Kaiser die Bedingung, der Bewerber müsse ZUln Abschluss eines Vertra ges persönlich erscheinen, dmnit er ihn kennen lerne. Kydones kann ihm aber nicht garantieren, dass der Kaiser sich an diese grundsätzliche Zusage 223 Hier spielt Kydones auf die Eroberungszüge der sog. Navarresischen Kompanie an, mit denen der Despot sich auf längere Zeit auseinandersetzen musste.
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halten werde. Dennoch rät er ihm, sich weiter um die Stelle zu beInühen. Konstantinopel sei zwar gefahrdet, noch schlimmer aber sei die Lage der Stadt, in der er sich aufhalte. 224 Außerdem verfüge Konstantinopel über eine größere Zahl "vortrefflicher Leute". "So tu auch du dir selbst einen Gefallen, versuche dem, was absehbar ist, zu entgehen, halte dich lieber an die siche ren Hoffnungen und komln, um den Besten zu dienen ! " I n Brief 297(03 3 6) berichtet Kydones über eine Intervention beim Kaiser in sehr metaphorischer Sprache, vielleicht aus Furcht, die Nachricht könne in falsche Hände geraten. Obwohl der ungenannte Freund ihn nicht darum ge beten hatte, hatte Kydones, von einem gemeinsamen Freund beider infor miert, für ihn beim Kaiser vermittelt. Er vergleicht den hilfreichen Freund mit Herakles, sich selbst mit Herakles ' Gefahrten Iolaos und Intriganten am Kaiserhof mit der Hydra, der er selbst (lolaos) die Köpfe ausgebrannt habe. "Das ging nicht ohne Schweiß, da allenthalben viele nachwuch sen. Du wirst aber vielleicht hören, dass wir nicht nur Feuer, sondern auch ein Schwert gegen die Köpfe verwendeten. So liegt nun das Tier da und ist tot." Der von den Intriganten befreite Freund möge sich nun auch durch Treue deIn Kaiser dankbar erweisen. Kydones selbst wünscht keinen Dank, denn er fühlt sich dem Freund so eng verbunden, dass dieser seine Hilfe nicht anders als Selbsthilfe verstehen möge, für die man auch nicht zu dan ken habe. Analyse zu 2.5, Bericht über erfolgte Vermittlung beim Kaiser 1 ) Kydones vergleicht die Voraussetzung der Vermittlung, die Ungnade des
Kaisers, mit einem Orkan und mit einem Geschoss, das eine schwere Ver wundung erzeugt hat. Sein Eintreten beim Kaiser vergleicht er mit ärztlicher 5 Behandlung einer Wunde. 22 2) Mehrfach erwähnt Kydones die Schwierig keiten, mit denen er sich bei seiner Fürsprache konfrontiert sah: die Verärge rung des Kaisers über eine Verfehlung des Bittstellers 226 oder über dessen Verzicht darauf, sich persönlich an ihn zu wenden, 22 7 seine, des K�dones, nachlassende Macht am Kaiserho :f2 8 oder Intrigen seiner Gegner. 22 3) Im Fall des Philosophen Gabrielopulos rät Kydones trotz erfolgreicher Vennitt224 Hier ist vielleicht die Stadt Serres vor ihrer türkischen Eroberung im September 1 3 83 gemeint. 225 Br. 73(54). 226 Br. 73(54), 206( 1 97). 227 Br. 2 8 1 (0295). 228 Br. 1 76 ( 1 77). 229 Br. 297(0336). Hier verwendet Kydones Metaphern aus der Mythologie, vennutlich, um die Mitteilung vom Erfolg seiner Intervention vor unbefugten Lesern zu schützen.
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lung beim Kaiser dem Adressaten von einem Aufenthalt in Konstantinopel ab, da die dort herrschende Situation geistiger Enge einen kritischen Geist wie diesen Philosophen nicht tolerieren werde. 230 4) In metaphorischer Spra che deutet Kydones einem anderen Bittsteller an, dass er dessen intrigante Gegner zum Schweigen gebracht und den Kaiser für seinen Wunsch, in seine . . D Ienste emzutreten, gewonnen habe. 23 1 2.6 Briefe zurückweisenden Inhalts Die Ineisten Briefe dieser Kategorie232 enthalten die Zurückweisung einer Bitte. Von besonderer Bedeutung ist unter diesen Brief 1 54( 1 74), verfasst im Jahr 1 3 77, der ein besonders günstiges Licht auf seinen Charakter wirft. Hier erteilt er dem Usurpator Andronikos IV. , der ihn in einein Gespräch am Vor tage wegen seiner staatsmännischen Erfahrung für sich hatte gewinnen wol len, eine klare Abfuhr. Andronikos hatte im August 1 3 76 in Konstantinopel die Macht ÜbeITI01ll1nen und seinen Vater Johannes V. eingekerkert. Bei deIn Versuch, Kydones zur Mitarbeit zu gewinnen, hatte er seine ganze Über redungskunst angewandt und offenbar zunächst sogar eine halbherzige Zu stünmung des Staatsmannes erreicht. Als Kydones aber in der folgenden Nacht die Angelegenheit überdachte, wurde ihm klar, dass er sich von dem Usurpator hatte überrmnpeln lassen. So lässt er ihn in deIn vorliegenden Ab sagebrief klar und deutlich wissen, dass ein Eintritt in seinen Dienst für ihn nicht in Frage komme. "Ich kam1 einer deiner Diener wohl nieinals werden, solange ich bei Verstand bin, da es nicht einmal einen Grund gibt, der Inich zu solcher Ehrlosigkeit (a'I q.üa) treiben könnte. Denn ( . . . ) ich halte es für ge schmacklos, über die von allen mir erwiesene Ehre hinaus noch größere zu suchen. Die aber, die du versprichst, wird offenbar die vorhandene beein trächtigen, da sie mir unter der Bedingung der Knechtschaft gegeben wird ( . . . ) . Außerdein erklärt er, er wolle gegenwärtig ohnehin nicht in Konstan tinopel bleiben, sondern einer Einladung des Papstes folgen, der ihn in Rom erwarte, und Andronikos werde ihn an der geplanten Reise nicht hindern können. Allerdings stellt er vage in Aussicht, nach der Reise zurückzukehren und ihm dann eventuell doch noch nützlich zu sein. Diese Abschwächung seiner Absage erscheint zunächst befremdlich, aber Kydones musste wohl befürchten, dass Andronikos ihn im Falle einer strikten Zurückweisung hin"
230 Br. 344(264). 23 1 Br. 297(0336). 232 Briefe, deren Inhalt die Zurückweisung von Lob und Bewundenmg der Adressaten ist, wurden bereits, weil bei ihnen die eigene Person des Kydones im Mittelpunkt steht, oben unter 1 .6 besprochen.
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dem würde, die geplante Reise durchzuruhren. Doch deutet er am Schluss des Briefes bereits vorsichtig an, dass mit seiner Rückkehr - wegen der Un gewissheit aller Inenschlichen Planung - nicht sicher zu rechnen sei. Im vorausgehenden Abschnitt (2 .5) war von Briefen die Rede, in denen Kydones über die von ihm erbetene Vennittlung beim Kaiser berichtet. In ei nigen Fällen weist er aber auch eine Bitte mn Vennittlung beim Kaiser oder anderen Personen zurück. Nur von einer ursprünglich beabsichtigten Zurück weisung, die er aber sp äter revidierte, berichtet er in dem bereits besproche nen Brief 1 76( 1 77). 23 In Brief 1 66( 1 56), etwa aus dem Jahr 1 3 74/75 , rea giert Kydones ablehnend auf die Bitte des Manuel Raul Metochites, er möge sich bei Kaiser Johannes V. und dessen Sohn Manuel rur seinen inhaftierten Verwandten einsetzen, mit der Begründung, er könne wegen Verlust seines Einflusses mn Kaiserhof in der Angelegenheit nichts erreichen. Er verweigerte auch eine Bitte um Vennittlung in Brief 1 5 8(0 1 85) an De metrios Angelos Manikai'tes. Dieser hatte Kydones gebeten, er möge ün Pa last rur eine Äbtissin eintreten, deren Stellung aus nicht genannten Gründen gefährdet war. Er betont auch hier seine derzeit schwache Position am Hof, mehr aber noch seine Enttäuschung über den Freund, der zwar Briefe zu er halten wünsche, aber nur denen Briefe zukOlnmen lasse, die ihm nützlich sein könnten. So sei er auch nicht bereit, dem Wunsch des Adressaten zu entsprechen, j edenfalls nicht unentgeltlich, wie j ener erwarte. Mit Brief 1 30( 1 73), verfasst zur Zeit der Herrschaft des zuvor erwähnten Usurpators Andronikos, weist Kydones die Bitte seines Freundes Georgios Gabrielopulos, der sich zu der Zeit auf Lesbos aufhält, zurück, rur einen sonst Unbekannten mit dem Vornamen Johannes bei Patriarch Makarios ( 1 3 77-79) zu intervenieren. Philotheos, der Vorgänger des Makarios, hatte besagtein Johannes untersagt, seine Verlobte zu heiraten, wahrscheinlich we gen zu enger Verwandtschaft, und Kydones sollte nun bei Makarios eine Dispens rur die Ehe erwirken. Kydones lehnt dies ab, weil er Init deIn Patri archen weder je gesprochen habe noch in Zukunft zu sprechen gedenke. Die se abrupte Ablehnung erklärt sich aus der Tatsache, dass besagter Makarios dem Usurpator Andronikos seine Stellung als Patriarch verdankte, 234 denn Kydones hatte j a, wie soeben gezeigt, deIn Usurpator die Zusmnmenarbeit verweigert. 235 Jedenfalls hält es Kydones rur Erfolg versprechender, wenn 233 Siehe oben, 2 . 5 . 234 Siehe Franz TINNEF ELD, Faktoren des A ufttieges zur Patriarchenwürde i m späten By zanz, Jahrbuch der Ö sterreichischen Byzantinistik 36 ( 1 986) 89- 1 1 5 , hier 1 1 0 mit Anm. 1 65 . 235 Siehe oben, Br. 1 54( 1 74).
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Johannes sich direkt an den Metropoliten von Melitene auf Lesbos wende. Es sei auch nicht unbedenklich, vom Patriarchen Hilfe zu erhoffen, denn der müsste sich nach dem vorliegenden Ehehindernis erkundigen und würde zwangsläufig erfahren, dass ein solches tatsächlich vorliege. "Dies habe ich zur Verteidigung gegen deinen etwaigen Einspruch gesagt, weil ich nicht nur keine Chance sehe, in dieser Angelegenheit zu intervenieren, sondern sogar, vernünftige Vorschläge zu machen." Persönliche Enttäuschung ist der Grund, warum Kydones mit Brief 32 1 (29 1 ) etwa im Jahr 1 3 85/86 ein Freundschafts- und Hilfsangebot des Herr schers von Lesbos, Francesco H. Gattilusio, Sohn seines verstorbenen Freun des Francesco I., barsch zurückweist. Er sei nicht in einer Notlage, und sollte er in eine solche geraten, dann könne er nichts Gutes von ihm erwarten, wenn er an die "trefflichen" Ratgeber denke, mit denen er sich umgebe. "Halten sie doch Ineinen Schaden rur ihren Gewinn, haben aber auch schon oft versucht, deinen Vater gegen Inich aufzuhetzen. Freilich gelang es ihnen nicht, was sie neidisch planten, weil er Inich kannte und sie nur zu gut durch schaute. Hätte ihn aber nicht vorzeitig der Tod hinweggerafft ( . . . ) , dann wä ren jene wegen ihrer Verleumdungen gegen mich als Schurken durchschaut und schon längst aus dem Lande gej agt worden." Francesco H. aber habe sie nicht verj agt, sondern sich zum Schaden des Kydones ihrein Einfluss ausge liefert. Analyse zu 2. 6, Briefe zurückweisenden Inhalts
1 ) Das Ansinnen des Kaisers Andronikos, 236 nach der Revolte gegen seinen
Vater Johannes V. in seine Dienste zu treten, weist Kydones nicht ohne Zi vilcourage aus grundsätzlichen politisch-moralischen Erwägungen ab. 2) Dreimal lehnt er eine Bitte um Vermittlung ab, zweimal, weil sein Ein fluss am Kaiserhof nicht mehr bestehe, 23 7 einmal wegen seiner Distanz zum Usurpator Andronikos? 3 8 3) Einmal weist Kydones einen Adressaten ab, weil er seinem Freundschaftsangebot misstraut. 23 9 2.7 Kommentierung eines dem eigenen Brief beigerugten Geschenkes
Die Begleitbriefe zu Geschenken von der Hand des Kydones beziehen sich ausschließlich auf Äpfel oder andere Erträgnisse seines kleinen Grundstücks. In der Regel versucht er dem Geschenk einen tieferen Sinn zu geben. Mit 236 237 238 239
Br. Br. Br. Br.
1 54( 1 74). 1 66( 1 56), 1 5 8(0 1 85). 1 3 0( 1 73). 32 1 (29 1 ).
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Brief 295(03 34) kommentiert er Äpfel aus seinem Garten, die er einem Mönch zukommen lässt. Zwar habe dieser selbst keinen Mangel an Äpfeln, aber er schicke sie ihm, damit er sich an ihn erinnere und für ihn bete. Und er schließt mit den Worten: "Wenn du so Gott, den Geber der Früchte, an flehst, wird er uns helfen, Früchte der Buße zu bringen." Hier bezieht sich Kydones auf eine Mahnung Johannes ' des Täufers an die Hörer seiner Pre digt. 24 0 Früchte aus seinem Garten schickt er auch an zwei ihm befreundete Damen und bemerkt dazu im Begleitbrief 296(03 3 5), er wolle sie, die mit einander verbunden seien, auch durch das Geschenk zusammenbinden: Es handle sich um "Erstlingsfrüchte ,,24 1 seines Gartens, mit denen er ihnen seine Zuneigung beweisen wolle. Die geringe Menge erkläre sich aus deIn be scheidenen Umfang des Grundstücks, das ihIn der "Senat der Rhomäer" überlassen habe. Mit einem etwas später in diesem Zeitraum verfassten Brief ähnlichen Inhalts, 405(379), kOlnmentiert er ein gleiches Geschenk, das er ebenfalls den beiden Damen zukommen ließ. Wiederum erklärt er, warum er sie beide gemeinsam beschenkt: weil sie durch die Natur miteinander ver bunden sind und weil das Geschenk so geringfügig ist, "denn alles, was ich besitze, ist bescheiden und gering, weil es der wackere Kaiser so will." Vie les spricht dafür, dass Kydones dies nach seinem Rückzug in den Ruhestand, also nach Sommer 1 3 86, schreibt, mit dem auch sein Dienst bei Kaiser Jo hannes V. sein Ende findet. 242 Der Brief schließt mit der Bemerkung, dass er ihnen das Geschenk wegen vieler großer Gefälligkeiten schulde. In zwei Briefen unterschiedlichen Charakters kommentiert Kydones je ein Geschenk aus dem eigenen Garten für einen Kaiser. Brief 424(3 89), im Herbst 1 3 89 an den befreundeten Kaiser Manuel adressiert, bezieht sich auf Früchte, die aber nur durch eine Umschreibung angedeutet werden: "Emp fange hiermit gemäß der Jahreszeit ( . . . ) kleine Anzeichen großer Zunei gung." Er vergleicht seine Zuneigung zu dem Kaiser mit den Feldfrüchten, die nach festen Regeln kommen und gehen, und stellt fest, dass sie von ande rer Art ist, beständig wie Pflanzen, die das ganze Jahr hindurch grünen. In gleicher Beständigkeit möge auch das Wohlwollen des Kaisers für ihn an dauern. Der zweite Brief, 23 3(397), 1 3 87-89, Begleitschreiben zu einer Sendung von Rosen aus dem eigenen Garten an Kaiser Johannes V., lässt die ge240 NT Luk. 3 ,8 : 7TOL�aCX'IE ouv KCXQ7TOUC; a.�lOVC; 'tllc; flE'WVOlac;. 24 1 Griech. : a.7TCXQXCX� die in der Antike als Spende für die Götter bestimmt waren. . 242 E s sei aber auch a n die früher datierbare Beschwerde des Kydones i n Br. 1 43 ( 1 53) an Kaiserin Helene erinnert, dass die Kaiser Johannes V. und Manuel H. Früchte (Mispeln) aus seinem Garten beschlagnahmten. Siehe unten, 3 .2 . 1 .
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spannte Beziehung des Kydones zu diesem Kaiser nach seinem Ausscheiden aus dem kaiserlichen Dienst spüren. Er beginnt mit den Worten: "Meinen Platz bei dir ahlnen auch die Früchte Ineines Gartens nach. Denn ich selber bin bei dir der Letzte von allen", und so sei es auch Init den Früchten seines Gartens bestellt: Wenn die Früchte aller anderen Gärten schon längst geern tet seien, ständen die Pflanzen bei ihm nicht einmal in Blüte. So gehe es nun auch Init seinen Rosen; sie blühten erst lange nach den Rosen in anderen Gärten, wenn niemand mehr darnit rechne. Dieses unerwartete Geschehen ennutige ihn aber auch, nicht zu verzweifeln und vielmehr seine jetzige Ver nachlässigung durch den Kaiser als Zeichen dafür anzusehen, dass er seine schlechte Beziehung zu ihm auch noch eimnal zum Positiven verändern und sich wie die unerwartet blühenden Rosen überraschend ihIn zuwenden kön ne, ihm, der früher einmal mehr als jeder andere geehrt worden sei, nun aber weder geachtet noch auch nur wahrgenOlnmen werde. Ein wertvolles Geschenk war zur Zeit des Kydones jedes wanne Klei dungsstück, mit dem der Beschenkte die kalte Winterzeit besser überstehen konnte. Mit einem solchen Geschenk suchte Kydones auch den Despoten Theodoros Palaiologos in Mistras zu erfreuen. !In Begleitbrief, 427(3 93), ge schrieben 1 3 89/90, bedauert er eingangs die politisch unsicheren Zeiten, die bereits mehrmals den Verlust eines seiner Briefe an Theodoros verursachten. So hegt er auch Zweifel, ob dieser Brief ankommen werde, aber es bestehe Anlass zur Hoffnung, dass er diesmal sein Ziel erreiche, weil ihn ein zuver lässiger Bote überbringe, der sich nach dem von ihm nicht verschuldeten Verlust eines früheren Briefes nun besonders um die sichere Zustellung be mühen wolle. Kydones wagt daher nun auch einen Pelz als kostbaren Dank für früher von Theodoros erhaltene Wohltaten beizufügen. Allerdings erlaubt er sich die nicht ernst gemeinte Bemerkung, er solle das Geschenk weiterge ben, aber es bleibt offen, an wen, an seine Freunde, um sie zu erfreuen, oder an seine Feinde, um sie zu besänftigen. Jedenfalls werde er von bei den bela gert. Die "Freunde" sind die aufsässigen Barone auf der Peloponnes, die "Feinde" wohl die Osmanen. Analyse zu 2. 7, Kommentierung eines dem eigenen Brief beigefügten Geschenkes
Wie eingangs bereits beobachtet, enthalten alle Begleitbriefe zu Geschenken in der Regel eine Anspielung auf deren symbolische Bedeutung. 1 ) Einem Mönch schickt Kydones Früchte aus seinem Garten, damit er ihm durch sein
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Gebet helfe, "Früchte der Buße" zu bringen. 243 2 ) Eine Sendung von Äpfeln als gemeinsames Geschenk an zwei Damen deutet er in zwei Briefen als Zeichen ihrer Verbundenheit. 244 3) Die rasche Verderblichkeit von Früchten aus dem Garten, die er seinein Freund Kaiser Manuel zukommen lässt, stellt er in Gegensatz zur Dauerhaftigkeit seiner Zuneigung. 2 4 5 4) Ein Geschenk spätblühender, gleichsam letzter Rosen an Kaiser Johannes deutet er zu nächst als Symbol seiner eigenen Stellung bei ihm als "der Letzte", nachdein er bei ihm in Ungnade gefallen ist. Wie aber die Rose zu einer nicht erwarte ten Zeit blühe, so bestehe auch Hoffnun � , dass der Kaiser ihm unerwartet aufs Neue seine Gunst zuwenden werde. 46 5) Mit der ironisch gemeinten Empfehlung, ein Geschenk weiterzugeben, deutet Kydones an, dass der Ad ressat sowohl von sogenannten Freunden wie von erklärten Feinden bedroht wird und nach Möglichkeit versuchen sollte, womöglich beide durch das Ge. sch enk zu gewmnen. 2 47 2 . 8 Einladung
Wenn ich recht sehe, sind von Kydones nur zwei Briefe überliefert, in denen er eine Einladung ausspricht. Eine erste Gelegenheit dazu ergab sich, als er in Brief 87( 1 8) seinen Freund Nikolaos Kabasilas zu überreden versuchte, im Jahr 1 347 deIn Wunsch des Kaisers Johannes Kantakuzenos zu folgen, er möge wie Kydones zu irnn nach Konstantinopel kOlnmen. Kydones hatte die Ankunft des offenbar bereits vorher von Kantakuzenos eingeladenen Freun des zu Schiff erwartet, war aber enttäuscht worden. Wo sich Kabasilas da lnals aufhielt, ist unsicher. Kydones spielt darauf an, dass Gott während der Zelotenherrschaft in Thessalonike seine schützende Hand über ihn hielt. Da mit deutet er wohl an, dass Kabasilas im Anschluss an eine Gesandtschaft zu Manuel Kantakuzenos nach Berroia ( 1 345) dort blieb, zumal in Thessalonike die Zelotenherrschaft noch andauerte. Jedenfalls lädt Kydones den Freund nun nocrnnals ün Namen des siegreichen Kaisers nach Konstantinopel ein. Diesmal war die Einladung erfolgreich, wie aus einem Brief des Kabasilas hervorgeht. 248 Eine ausdrückliche Einladung nach Konstantinopel ließ Kydo nes durch Brief 1 98(2 1 0) im Jahr 1 3 8 1 auch seinem in Thessalonike woh nenden Schüler und Freund Rhadenos zukommen. Rhadenos hatte ihm sei243 244 245 246 247 248
Br. 295(0334). Br. 296(03 3 5), 405(379). Br. 424(3 89). Br. 233(397). Br. 427(393). TINNEF ELD, Kydones 11 1 , 1 67.
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nen Besuch zum Beginn des Frühj ahrs 1 3 8 1 zugesagt, war aber bis Mai noch nicht in Konstantinopel erschienen. Kydones mahnt nun den Besuch an und spricht gleichzeitig - unter Verweis auf die einst iln Pantokratorkloster ver brachten gemeinsamen Studien - die Einladung aus, weil die Zeit für einen Besuch nun besonders günstig sei: Der Krieg zwischen Genua und Venedig sei nun beendet, und auch Kaiser Johannes habe mit seinem Sohn Androni kos einen Waffenstillstand abgeschlossen. "Komm also, um die Annemn lichkeiten des Friedens zu genießen, da du j a glücklicherweise die Unbilden des Kampfes nicht gekostet hast." Analyse zu 2.8, Einladung
1 ) In einem Brief an Kabasilas24 9 unterstützt Kydones die Einladung des Jo
hannes Kantakuzenos, er möge nach Konstantinopel zu kOlnmen: Er schil dert seine Vorfreude und zugleich seine Enttäuschung, dass er bisher ausge blieben sei. Nun ennahnt er ihn ironisch, er solle sich Platon zum Vorbild nehmen, der dem Herrscher von Sizilien zuliebe eine gefahrvolle Seereise nicht scheute. Mit seinem Kommen werde Kabasilas zugleich deIn Kaiser gehorchen, seinen Freunden eine Freude machen und von der Sorge um sei nen Lebensunterhalt befreit sein. 2) Kydones beginnt die Einladung an Rha denos25 o mit Ironie: Hätte Rhadenos sich mit Ptolemäus beschäftigt, dann wüsste er, dass längst der Frühling begonnen habe, für den er eine Reise nach Konstantinopel geplant habe. Dann zählt er auf, was dafür spreche, jetzt nach Konstantinopel zu kommen.
249 Br. 87( 1 8). 250 Br. 1 98(2 1 0).
3 . Dritte Personen im Mittelpunkt
Diese Briefkategorie wird wie folgt untergliedert: 3 . 1 Fürbitte für Dritte, Empfehlung einer dritten Person, 3 .2 Kritische Beurteilung dritter Personen, 3 . 3 . Scherz oder Spott über dritte Personen, 3 .4 Trauer um Tote, Kondolenz, 3 . 5 Lob dritter Personen. 3.1
Fürbitte für Dritte, Empfehlung einer dritten Person
3 . 1 . 1 Eigene Landsleute Kydones nahm über eine lange Zeit, von 1 347 bis 1 3 86, mit Unterbrechun gen in den Jahren 1 3 54-56, 1 3 7 1-75 und 1 3 76-79, eine leitende Stellung am Kaiserhof ein, die ihm unter anderem auch die Bearbeitung von Bittgesuchen an den Kaiser zuwies. Die erhaltenen Empfehlungsbriefe des Kydones für dritte Personen an diverse hochgestellte Persönlichkeiten sind als Bestand teile einer Smninlung von Privatbriefen keine amtlichen Dokumente, lassen aber wohl die professionell bedingte Übung des Kydones in der Bearbeitung und Befürwortung von Bittgesuchen erkennen. Sein erstes überliefertes Empfehlungsschreiben, Brief 86( 1 9), stammt aus deIn Jahr 1 347, als er soeben von Kaiser Johannes VI. Kantakuzenos an den Hof in Konstantinopel berufen worden war. Es ist an Isidoros Bucheir ge richtet, der zuvor in Thessalonike sein Lehrer gewesen und nun soeben Patri arch von Konstantinopel geworden war. Ihm empfiehlt er den aus einfachen Verhältnissen stammenden Kleriker Pepagomenos für ein Amt in der Patri archatskanzlei. I Er beginnt den Brief mit deIn in metaphorischer Sprache formulierten Gedanken, dass es ün konkreten Fall eigentlich keiner Fürspra che bedürfe, weil die Sorge eines Patriarchen für seine bewährten Kleriker selbstverständlich sei: "Es ist töricht, für einen kriegstüchtigen Soldaten beim Feldherrn Fürbitte einzulegen, unsinnig aber auch, einen Chorführer zur Sorge für einen seiner Tänzer zu ermahnen." Zudem verdiene der Emp fohlene die erbetene Zuwendung in besonderem Maße, weil er ein Mann von Charakter und hohem Bildungsniveau sei, der sich bereits hervorragend als Lehrer bewährt habe. Sein uneigennütziger Dienst als Geistlicher sei ihm
Zu diesem Brief vgl. auch Christof Rudolf KRAus, Kleriker im späten Byzanz (Mainzer Veröffentlichungen zur Byzantinistik 9), Wiesbaden 2007, 1 4 1 f.
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aber bisher schlecht gelohnt worden, denn seine Vorgesetzten2 hätten ihn gleichsam übersehen und jedenfalls nicht seinen Fähigkeiten entsprechend eingesetzt. PepagOlnenos habe darunter sehr gelitten und sich als Patriarchen einen Mann wie Isidor gewünscht, was sich nun ja auch verwirklicht habe. "Wenn er aber so von deinem Erfolg träumte, wie soll es dann gerecht sein, da es nun so gekommen ist, den Mann noch in dem früheren Dunkel zu las sen und einen Wohltäter für ihn zu suchen, obwohl es dich gibt und Gott dir die Macht gegeben hat, ihm größere Dienste zu erweisen, als er erbittet?" Uln den Patriarchen für den Bittsteller zu gewinnen, betont also Kydones zu nächst, dass dieser ihn schon lange verehre. Abschließend fasst Kydones dann noch einmal die Gründe zusammen, warum der Mann eine bessere Po sition verdiene, und fügt noch hinzu, dass er auch seine, des Kydones, Ge lehrsamkeit bewundere, die er zweifellos seinem Lehrer Isidor verdanke. "Bewundert er dmnit nicht umso lnehr, was von dir kOlnmt? Denn wer den Strom lobt, hebt doch offenbar der Quelle den größeren Anteil des Lobes auf." Hier stellt Kydones in metaphorischer Sprache eine weitere Beziehung des Bittstellers zu dem Patriarchen her, indem er dessen Lob, das ihm, Kydo nes, gilt, geschickt auf diesen lenkt. Außerdem betont er noch, dass Pepago menos keine hohen Ansprüche erhebe. "Er sucht nur irgendeine Stellung in deiner Nähe." Gegen eine solche Stellung spreche nicht seine bescheidene Abkunft, die durch seine Bewährung im geistlichen Amt ausgeglichen wer de. Und Kydones betont, dass Isidor sich durch die Beförderung des Kandi daten nicht zum ersten Mal als gerecht erweisen werde. Das ganze Schreiben ist also eine meisterhafte Mischung von Argumen ten für die Gewährung der erbetenen Beförderung und von Schmeichelei für die Person des adressierten Patriarchen, die wohl kaum ihre Wirkung ver fehlt haben dürfte. 3 Das vielleicht zeitlich nächste Empfehlungsschreiben des Kydones ist ein kaum genauer zu datierender Brief, 1 56( 1 04), den er wahrscheinlich in den siebziger Jahren des 1 4 . Jhs. verfasste, zugunsten des Klosters Megiste Laura auf dem Berg Athos, dem auch sein Bruder Prochoros bis zu seinein Tod um 1 3 70 angehört hatte. Der Adressat ist ein Freund, der am Kaiserhof Einfluss 2
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Gemeint ist wohl vor allem, wenn auch, wie Kraus zutreffend annimmt, nicht allein, Pa triarch Johannes XIV. Kalekas ( 1 3 3 4-47), der Vorgänger des hier angesprochenen Isido ros. Ob der Brief Erfolg hatte, lässt sich jedoch nicht mit Sicherheit sagen, weil gemäß PLP 223 5 1 die Identifizienmg des Empfohlenen mit einem später (für die Zeit von 1 364-69) bezeugten Patriarchatsbeamten (Protonotarios) Pepagomenos (PLP 223 54) zwar möglich, aber nicht beweisbar ist.
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hat. Kydones wendet sich wohl an ihn, weil er selbst gerade keinen Einfluss auf den Kaiser hat, was auf die früheren siebziger Jahre passt. Er bittet ihn, beim Kaiser, wohl Johannes V., für eine Delegation von Mönchen der Laura zu intervenieren, die sich wegen einer finanziellen Unterstützung ihres Klosters vergebens an den kaiserlichen Finanzminister gewandt hatten. Sie blieben "ohne Ehrengeschenk" (aYEQaurrol) wie einst König Agamemnon, 4 und er vermutet, dass sich diese Benachteiligung durch Verleumdung erklä ren lasse. "Denn wenn der Kaiser Preise für Tugend verteilte, wären sie Leh rer der Tugend für alle auf dem Berg", und sie verdienten daher, meint Ky dones, größere Anerkennung als die Mönche aller anderen Klöster, aber auch wegen ihrer früheren uneigennützigen Zuwendungen an die Staats kasse. Auch j etzt hätten sie den Finanzminister Init einem Geschenk bedacht, aber sie Inüssten vergeblich auf ein Zeichen der Erkenntlichkeit von seiner Seite warten. 5 Nun solle der einflussreiche Adressat ermitteln, waruin man sie übergehe, datnit sie nicht länger vergeblich watien Inüssten. In Brief 1 5 7( 1 5 7), verfasst 1 3 7 5 , empfiehlt Kydones seinen Schüler Rha denos einem Freund, deIn Großdomestikos Demetrios Palaiologos, der in Thessalonike eine leitende Stellung bekleidet. 6 Er beginnt Init der betrübten Feststellung, von ihm lange Zeit keinen Brief mehr erhalten zu haben, und beschwört die alte Freundschaft. Dann wendet er sich seinem Hauptthema Rhadenos zu, der sich noch bei ihm in Konstantinopel aufhält und in seine Heünatstadt Thessalonike zurückreisen will. Dieser habe schon früher, als er noch in Thessalonike war, die hervorragende Redekunst des Adressaten be wundert. Nun aber erleichtere ihm die Vorfreude, in seiner Umgebung wei len zu können, den Abschied von Kydones. Der Adressat möge ihm fortan mit Rat und Tat zur Seite stehen, und er, Kydones, werde ihm dafür dankbar
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Das zitierte Adj ektiv aYEQaU'TOC; verweist auf die Klage König Agamemnons (Ilias 1 , 1 1 9f. ), er müsse als einziger Angehöriger seines Volkes "ohne Ehrengeschenk" blei ben, weil der Priester Kalchas von ihm die Rückgabe seiner Sklavin Chryseis an ihren Vater verlangt hatte. Kydones verwendet die Anspielung in seiner Korrespondenz öfters, so in Br. 47(45) an den Freund Astras, der sich vom Kaiser finanziell übergangen fühlte, in Br. 393(375) mit Bezug auf persönliche Benachteiligung durch den Kaiser (siehe oben, 1 .2.2) und in Br. 4 1 7(0420) mit ironischem Bezug auf Staatsbeamte, die Beste chungsgelder als verdiente Ehrengeschenke für ihre Tugend interpretieren (siehe TINNE FELD, Kydones IV, 1 9 1 mit Anm. 5). Kydones spricht hier offenbar von Bestechungsgeldern und tadelt bedenkenlos, dass sie ihre Wirkung verfehlten. Er hielt sich dort seit 1 37 1 offenbar in der Funktion eines kaiserlichen Gouverneurs auf; vgl . TINN E FELD, Kydones 1/2, 427 mit Anm. 22. Demetrios begleitete Kydones und Kai ser Johannes V. auf der Reise nach Italien 1 369. Vgl. oben, 1 . 1 .2, Br. 2 8(74).
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sein, denn der junge Mann bedeute ihm mehr als ein eigener Sohn. Um sich dankbar zu erweisen, werde Rhadenos dem Palaiologen über Kydones be richten können, "deml er hat mit mir Gemeinschaft in Worten und Taten". Einige Monate später wurde Brief 1 8 8( 1 6 1 ) an denselben Adressaten ge schrieben. Rhadenos, in Thessalonike angekOlnmen, hat Kydones in einein Brief über seine Kontakte mit dem Palaiologen berichtet und ihm mitgeteilt, Demetrios Palaiologos habe sein Schweigen mit der Unfähigkeit, stilistisch gute Briefe zu schreiben, entschuldigt. Aber nun habe er Kydones doch ge schrieben, und dieser gibt ironisch Rhadenos die Schuld fiir die Weitergabe der unzutreffenden Entschuldigung des Palaiologen, der ihm doch einen sti listisch vollendeten Brief geschrieben habe. Dieses Lob hat auch die Funk tion einer captatio benevolentiae, denn Kydones erbittet nun die Vermittlung des Adressaten in einer unerfreulichen Angelegenheit: Dessen Solm Johan nes Palaiologos habe Rhadenos finanziellen Schaden zugefii gt, und der Va ter, Demetrios, möge ihn nun veranlassen, Rhadenos alsbald zu erstatten, was er ihm schulde. Er, Kydones, fiih le sich von diesem Unrecht auch selbst betroffen, denn was Rhadenos gehöre, sei auch sein. Dieser Brief ist der letzte erhaltene Brief des Kydones an den Palaiologen. So bleibt es auch unbekannt, wie jener die Intervention in der Angelegenheit des Rhadenos aufnahm. In Brief 2 1 2(200), zu datieren auf die Zeit zwischen 1 3 79 und 1 3 82, legt Kydones bei Kaiser Manuel Palaiologos Fürbitte fiir Johannes Asanes ein. Dieser hatte sich durch einen heftigen Zornesausbruch wegen einer dritten Person beim Kaiser unbeliebt gemacht. Kydones beginnt mit dem geschickt angewandten Vorbehalt, Asanes sei eigentlich ein Verwandter des Kaisers, er wolle ihn aber vor seiner Versöhnung mit dem Kaiser nicht so nennen. Al lerdings schäme und betrübe sich der Delinquent fiir sein damaliges unbe herrschtes Verhalten, das von seinem Zorn über einen gewissen Andronikos Sebastopulos bestünmt gewesen sei, der ihn und seine Familie (und damit auch den Palaiologenkaiser) beleidigt habe. Kydones betont aber nun, dass die Beleidigung des Kaisers der eigentliche Anlass fiir den Zorn des Asanes war; er habe die Herabsetzung seines kaiserlichen Mentors Manuel, den er über alles liebte und verehrte, nicht ertragen können und sei deshalb aus der Rolle gefallen. Geschickt fiigt Kydones hier einen Vergleich seiner grenzen losen Zuneigung mit dem Wasserschwall des unbändigen Nilstromes ein: "Der Versuch den Liebenden Gesetze zu geben, ist j a so ähnlich, wie wenn man ehrgeizig versuchen wollte, dem Fluss der Ägypter im SOlnmer Gren zen zu setzen, den, wenn er anschwillt, nichts fassen kann." Und noch ein mal wiederholt Kydones mit stärkeren Formulierungen, wie sehr Asanes
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Kaiser Manuel liebe und wieviel er ihm als seinem Lehrer verdanke. Aller dings habe Asanes den Kaiser beleidigt, weil er bekundet habe, ihm nicht mehr dienen zu wollen, weil er nicht gegen den Lästerer Andronikos einge schritten sei. Manuel möge das seiner Jugend zugute halten Wenn Manuel dennoch eine Strafe für notwendig halte, möge er sie außerhalb der Öffent lichkeit an ihm vollziehen, aber von dem Schlimmeren absehen, nämlich ei ne schlechte Meinung von ihm zu haben. Etwa aus der Zeit zu Beginn der 80-er Jahre stammt das Brieffragment 2 1 0(205), in deIn Kydones seinem Kaiser Johannes V. einen gewissen Theo doros Kaukadenos empfiehlt, vermutlich für ein Staats amt, mit dem Argu ment, er sei ein tüchtiger Mann und geschickter Redner, den er lieb gewon nen habe und schätze. Als Hauptargument für ihn führt er aber an, dass er ständig auf das Lob des Kaisers bedacht sei, in allen Bereichen der Öffent lichkeit, und sogar für sich allein, wenn er keinen Zuhörer habe, denn er hal te es "nicht für verfehlt, vor sich selbst die Lobreden auf dich (sc. den Kai ser) zu deklmnieren, wie eine Nachtigall, die in der Einsamkeit ihrem na türlichen Trieb folgt. Es bringt ihn aber in diesem Eifer nicht einmal die Nacht zur Ruhe, sondern er erzählt sogar, wenn Schlafenszeit ist, seinem Hausdiener von dir." Mit diesen Worten bricht der Brief ab, bevor das ei gentliche Anliegen zur Sprache gekommen ist. Vielleicht hat Kydones ein gesehen, dass er mit seiner an Ironie grenzenden Lobhudelei hier doch etwas übertrieben hat, und den Brief verworfen.7 Allerdings geht aus einem wohl späteren Brief des Kydones, 2 1 5(0224), hervor, dass er den Kaiser anschei nend doch für ihn gewinnen konnte. Die guten Absichten des Kaisers seien aber, wie derselbe Brief berichtet, von Intriganten durchkreuzt worden. Mit Brief 3 57(32 1 ) wendet sich Kydones 1 3 86/87 an den Mesazon8 Gu deles (der wahrscheinlich nach des Kydones Rückzug ins Privatleben sein Nachfolger in diesem Amt geworden war), um erneut für Theodoros Kauka denos zu intervenieren, der trotz loyaler Gesinnung und gewissenhaften Vor gehens gegen Korruption sein Amt durch Intrigen und Verleumdungen9 ver loren hat und nun auf Vermittlung des Gudeles bei Johannes V. hofft. Kydo nes leitet sein Thema mit einem Lobpreis auf die "allumfassende Güte des herrlichen Kaisers" ein, der sogar seinen größten Feinden und denen, die ihr 7
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Für diese Annahme spricht auch, dass der Brief in Codex Vat. Urbin. gr. 1 33 (U), der von dem Kydones-Schüler Manuel Kalekas erstellten Abschrift von der autographen Briefsammlung des Kydones in Vat. gr. 1 0 1 (A), nicht vorhanden ist. Bezeichnung eines leitenden Hofbeamten in der Palaiologenzeit. Vgl. TINNE FELD, Kydo nes VI, 1 1 mit Anm. 54. Von diesen ist auch in Br. 2 1 5(0224) die Rede.
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Amt missbraucht hätten, seine Gunst erweise, und gelangt a minore ad ma ius zu dem Schluss, dass mnso mehr seine Getreuen luit seinem Wohlwollen rechnen könnten. Zu diesen gehöre auch Kaukadenos, dem seine Treue ZUlU Kaiser schlecht gelolmt worden sei, denn er sei gegen die Mächtigen aus dem Kreis seiner eigenen Velwandtschaft, "die durch rechtswidrige Über griffe gegen das Kaisertum ihren eigenen Besitz mehrten", vorgegangen, diese aber hätten mit ihren Intrigen seine Absetzung erreicht und ihn mu seine ohnehin geringe Besoldung gebracht, die sie ihm neidisch missgönn ten. Nun hoffe Kaukadenos, mit der Gutheißung des Kaisers in sein Amt zu lückzukehren. Und Kydones fährt fort: "Wenn es mir also selbst möglich wäre, vor den Kaiser zu treten und für den Mann zu bitten, würde ich nicht zögern, alles zu sagen ( . . . ). Da es für mich aber gegenwärtig nicht leicht ist, eine Audienz zu erhalten, l O würde ich mich nicht schämen, statt persönlicher Vorsprache deinen Einfluss in Anspruch zu nemnen." Offenbar schickte Ky dones den Bittsteller mit diesem Schreiben zu Gudeles, in der Hoffnung, er werde für ihn beim Kaiser intervenieren. Der Ausgang der Angelegenheit ist nicht bekannt. lIn Frühjahr/Sommer 1 3 83 schreibt Kydones an Kaiser Manuel in Thes salonike Brief 250(249), mit einer Elnpfehlung für Theodoros Kantakuze nos, der zuvor am Hof von Konstantinopel bei Johannes V. tätig gewesen sei und sich nun in Manuels Dienste begeben wolle. Kydones beginnt den Brief wieder mit einer captatio benevolentiae, indem er an die freundschaftlichen Gefühle erinnert, die Theodoros imlner schon für Kaiser Manuel empfinde, jetzt aber mnso mehr, weil Manuel sich der wichtigen Aufgabe widme, Thessalonike gegen die Türken zu verteidigen. Dieses Vorhaben sei ihm so wichtig, dass er es allen persönlichen Bindungen vorziehe: "Als er nämlich hörte, dass du von Waffenlärm, Sorgen und schwierigen Aufgaben umgeben bist, und den Augenblick für gekommen hielt, in dem du wahre Freunde brauchst, vergaß er seine Frau, achtete seine Söhne gering, vernachlässigte sein Haus, ließ die Geschenke und Versprechungen des Kaisers (sc. Johan nes ' V.) unbeachtet und hatte nur einen Wunsch, zu dir zu eilen, um dein Schicksal zu teilen ( . . . ). Eine solche Begeisterung für deine Sache hat ihn er griffen, dass auch einige seinen ungestümen Eifer als Wahn bezeichneten und ihn an das Sprichwort ,nichts im Übermaß ( erinnerten. Er aber hielt es für lächerlich, wenn sie nicht seiner Meinung waren, dass vor einem Freund alles zurückstehen müsse, und war offensichtlich bereit, falls eine Schiffsrei10
Anspielung auf das gespannte Verhältnis des Kydones zu Kaiser Johannes V. nach sei nem Rücktritt aus dem kaiserlichen Dienst. V gl. oben, l . l . 1 , Br. 4 1 1 (390); l . l .2, Br. 3 3 8 (332), 237(400); 2 .4. l .2, B r . 386(3 82).
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se nicht Inöglich sei, sogar ohne Zögern durch die Wogen oder auch durchs Feuer zu laufen, wenn er sich nur an deinem Antlitz und deiner Stimnle er freuen könne." Es ist für die byzantinische Mentalität bezeiclmend, dass Ky dones offenbar erwarten konnte, eine so übertriebene Schilderung des Eifers und der Hingabe werde ihre Wirkung auf den Kaiser nicht verfehlen. Auch der bei Kydones beliebte Topos, jelnandes Zuneigung überbiete die zu den eigenen Angehörigen, darf hier nicht fehlen. Nach der Bemerkung, er fühle sich geradezu verpflichtet, die Gefühle des Bewerbers für Kaiser Manuel zu schildern, rät er ihln, diese Zuneigung durch seine eigenen Gunsterweise noch zu überbieten: "Denn Feinde müsst ihr mit Waffen bezwingen, Freunde aber mit Wohltaten, und ihnen das Vielfache von dem geben, was sie euch einbringen. " Es war bereits die Rede davon, dass die Beziehung des Kydones zu dem Patriarchen Neilos Kerameus ( 1 3 80-8 8), einem Anhänger der palmnitischen Theologie, nicht ungetrübt war. l l Trotzdem liegt auch ein Brief vor, 307 (290), 1 3 85/86, in dem er für jemanden Fürbitte bei ihm einlegt und sich angesichts dieser schwierigen Aufgabe um besonders überzeugende Argu mente bemüht. Es handelt sich um einen Priester, den die Bewohner von Methymna auf Lesbos sich als ihren Bischof wünschten. So beginnt Kydo nes, der aus Konstantinopel schreibt, zunächst Init einer Erklärung, was er mit der Angelegenheit zu tun hat. Dank seiner Freundschaft zu dem inzwi schen verstorbenen genuesischen Herrscher von Lesbos Francesco 1. Gattilu sio hat er das Bürgerrecht auf dieser Insel erhalten, und er sieht darin eine Verpflichtung, den Belangen der Inselbewohner förderlich zu sein, so auch im vorliegenden Fall. Kydones begründet seine Empfehlung für den besag ten Priester, der mit dem vorliegenden Brief beim Patriarchen vorstellig wer den sollte, auf folgende Weise: Er hat sich in seinem Amt bewährt und da durch als geeignet für ein höheres Amt erwiesen. Als der Bischof von Me thymna starb, sahen die Inselbewohner in ihm einen geeigneten Nachfolger. Bevor sie ihn mit dem Ersuchen um Bestätigung zum Patriarchen reisen lie ßen, baten sie Kydones um ein Empfehlungsschreiben. Obwohl er wegen der hohen Verantwortung eines Gutachters für die Eignung eines Kandidaten zum Bischofsamt lieber darauf verzichtet hätte, ließ er sich von den Inselbe wohnern und ihrem Herrscher Francesco 11., dem Sohn und Nachfolger Francescos 1 . , überreden, es zu verfassen, zumal er den Mann gebührend kannte. In dem nun folgenden Gutachten teilt er Folgendes mit: Der Kandi dat sei zwar ein schlichter Mann ohne höhere Bildung, der nach den Worten 11
S iehe oben, 1 .3, Br. 280(0294).
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des Apostels Paulus nicht mehr kenne als Christus, den Gekreuzigten, 1 2 sei aber im Kirchengesang und in den priesterlichen Aufgaben wohl bewandert. Nur das Predigen sei nicht seine Stärke. "In der Stille aber Menschen zur Tugend zu formen, sie zu lehren, was sie üben und was sie meiden sollen, um Gott zu gefallen, und dabei seinen Schülern mehr als durch Worte durch Taten ein Beispiel zu sein, dazu würden ihn alle als geeignet bezeichnen." Er sei ein schlichter, ehrlicher Charakter, ein Mann ohne jedes theatralische Ge habe und von freundlicher Bescheidenheit, friedliebend, anspruchslos und von tadellosem Lebenswandel. So könne er ihn dem Patriarchen guten Gewissens empfehlen, der ihn mit seiner Menschenkenntnis gewiss zutreffend beurteilen und ebenso für geeignet halten werde. Wenn er ihm das gewünschte Amt verleihe, werde ihm der Dank des Volkes von Lesbos gewiss sein, wenn er aber einen anderen ernennen wolle, stehe zu befürchten, dass er beim Volk von Lesbos auf entschiedene Ablehnung stoßen werde, denn es wünsche unbedingt einen Einheimischen und wolle keinen Mann aus der Hauptstadt als seinen B ischof akzeptieren. Ob diese Schlussbemerkung dem Anliegen des Kydones förderlich war, ist zweifelhaft, weil sie dem Patriarchen wie eine Drohung erscheinen musste. Doch ist über den Ausgang der Angelegenheit nichts bekannt. In Brief 292(0300) wendet sich Kydones an einen Freund, er möge bei ei nem Patriarchen, wahrscheinlich Neilos, für den Klosterabt Dionysios inter venieren. Dieser war wegen seiner disziplinären Strenge auf Betreiben seiner eigenen Mönche abgesetzt worden und wünschte nun in sein Kloster zurück zukehren, um dort die Disziplin wiederherzustellen. Eingangs erinnert Kydo nes den Freund daran, er habe sich schon mehrfach ihm zuliebe für andere eingesetzt. Deshalb könne er nun vertrauen, dass auch er dem Abt Diony sios, der ihm von Kydones ein Empfehlungsschreiben überbringe, nun helfen werde, in sein Amt zurückzukehren. Brief 3 3 0(0340) ist ein Empfehlungsschreiben, das Kydones seinem Die ner an einen befreundeten, angesehenen Anwalt mitgab, damit dieser ihn in seinem Rechtsstreit mit einem Nachbarn wegen der Abgrenzung ihrer bei der Grundstücke verteidige. Einen großen Teil des Schreibens nimmt die Ent schuldigung des Kydones dafür ein, dass er einem so bedeutenden Anwalt ein Mandat in einer so geringfügigen Angelegenheit zumute. "Ich aber ta delte ihn (sc., den Diener), weil er kein Empfinden dafür zeige, dass er Grö ßeres begehre, als ihm zustehe, und einen Löwen zugunsten einer Maus zum Kampf gegen eine Mücke aufrufe." (Der Löwe ist der Anwalt, die Maus der 1 2 NT 1 Kor., 2, 2 .
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Diener, die Mücke der streitbare Nachbar.) Aber der Diener habe darauf be harrt, bei ihm Rechtshilfe zu suchen. So habe sich Kydones lieber entschie den, dem Freund wegen dieser Zumutung strafwürdig zu erscheinen, als den Diener abzuweisen und dadurch einen negativen Ausgang der Angelegenheit rur ihn in Kauf zu nehmen. "Um Gottes willen also, erweise einerseits mir, andererseits dem Recht einen Gefallen, als dessen Anwalt du viele aufge richtet hast, die sich von anderen bedroht ruhlten. So gib auch diesem Mann die Chance, mit vielen dein Loblied zu singen." Der Brief verdient besonde re Beachtung als Beispiel darur, dass Kydones auch bereit war, rur sozial weniger geachtete Personen bei einem angesehenen Juristen zu intervenie ren. Das Empfehlungsschreiben 23 9(3 88), 1 3 89/90, an Kaiser Manuel, ist be redter Ausdruck der Sorge des Kydones um das Fortbestehen der literari schen Kultur in seinem Lande. Er elnpfiehlt dem Kaiser rur seinen Zirkel ge bildeter Literaten 1 3 einen geistig interessierten jungen Mann von bescheide ner sozialer Herkunft. Der einleitende Satz ordnet ihn in den weiteren Kreis junger Menschen ein, die der Hilfe bedürfen, um Zugang zum Bildungsleben ihres Landes zu finden. Aber die vorherrschende Stimmung im Land gehe in eine andere Richtung: "Gegenwärtig aber ist allerseits ein Krieg gegen die Studien ausgebrochen." Bereits Kinder würden von ihren Eltern am Studium der Literatur gehindert, weil es nichts einbringe. Allein Kaiser Manuel bilde hier eine Ausnahme, denn er versmnmle noch interessierte Gebildete um sich und sei überzeugt, dass der Reichtum, den die literarischen Studien vermit telten, kostbarer als die kaiserlichen Schätze sei. So sei er in Wahrheit ein Philosophenkönig im Sinne Platons, ein Beschützer aller literarisch Inter essierten, der mit seiner Autorität den Wert der Studien propagiere. "Emp fange also auch diesen jungen Mann, der dich schon seit langem persönlich sehen und deine Stimme hören will ( . . ) Er komlnt zu dir, um wenig zu sa gen, vieles aber von dir und allen, die Respekt verdienen, zu hören." Wenn also Manuel ihn in seinen Zirkel aufnehme, werde er auch andere junge Leu te rur die literarischen Studien gewinnen und sie von dem Krämergeist, der stumpfsinnigen Hingabe an das Materielle, befreien, der nun allein den Pa last beherrsche. Diese Schlussbemerkung richtet sich deutlich gegen das ge.
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Vgl. dazu Franz TINN E FELD, " Es wäre gut fiir jenen Menschen, wenn er nicht geboren wäre ". Eine Disputation am HofKaiser Manuels II. über ein Jesuswort vom Verräter Ju das, Teil I, Jahrbuch der Ö sterreichischen Byzantinistik 44 ( 1 994) ( ANi1PIAL. " Her bert Hunger zum 80. Geburtstag), 42 1 --430, hier 42 1 f. =
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ringe Bildungsinteresse des noch regierenden alten Kaisers Johannes V. 1 4 Auch hier verbindet Kydones wieder die Einpfehlung Init dem Lob dessen, an den die Einpfehlung adressieli ist. Auch der alternde Kydones legte noch Fürsprache für Landsleute ein. Zu seinein Freundeskreis gehölie offenbar ein Mönch namens Galaktion, in des sen Namen er sich Init Brief 34 1 (0403) an einen Kleriker im Patriarchat 1 5 wandte. Der betagte Mönch hatte einen jugendlichen Diener, der, nach Mei nung des Kydones zu Unrecht und verleumderisch, eines Diebstahls bezich tigt und aus dem Kloster verbannt worden war. Kydones beginnt seinen Brief ohne Einleitung mit der Schilderung des Falles und der Angabe, seine Ankläger hätten den jungen Mann nicht überführen können, und er fähli foli: "Dennoch wird er, während nun ein anderer die entwendeten Dinge genießt, an dessen Stelle wie ein Dieb bestraft." Der besagte Mönch empfinde wegen des Unrechts, das ihm geschehe, gleichen Schmerz Init ihIn, sei aber auch betrübt, weil er nun im Alter der Hilfe beraubt sei. Wer aber wie Galaktion der Philosophie und den Studien ergeben sei, sei umso mehr auf jemanden angewiesen, der um seine leiblichen Bedürfnisse bemüht sei. Die Sorge um diese halte ihn auch vom Gottesdienst ab und binde ihn an seine Zelle. "Weil keine Maliha zugegen ist, kann er nicht wie Maria zu Jesu Füßen sitzen (NT Lk 1 0, 3 8-42)." Kydones bittet nun den Adressaten "um Gottes willen", deIn betagten Mönch seinen Diener zurückzugeben und seine Ankläger an das Gebot Christi zu erinnern, sogar den Schuldigen zu vergeben. Wie viel mehr also wäre Vergebung doli zu erwalien, wo sogar die Anklage unsicher sei ! Am Schluss beruft sich Kydones noch auf eine Äußerung des amtierenden Patriarchen (Neilos Kerameus?), die darauf schließen lasse, dass auch er den Diener für unschuldig halte. Diese Äußerung möge der Adressat gegenüber seinen Anklägern nachdrücklich wiederholen und werde sie damit beeindru cken. So möge er bei Gott Wohlgefallen finden und von denen gelobt wer den, die seine Hilfsbereitschaft erfahren. In diesem Brief argumentieli Kydo nes vornehinlich von der Notlage des betroffenen Mönches und VOln ge schehenen Unrecht her und verzichtet darauf, den Adressaten durch Lob für sein Anliegen zu gewinnen. Einen weiteren fürbittenden Brief, 4 1 5(04 1 8) richtete Kydones an einen kaiserlichen Beamten wegen eines gewissen Rhales, der sich ungerecht be handelt fühlte und deshalb bei Kaiser Johannes V. persönlich vorstellig wer1 4 Zum mangelnden Bildungsinteresse Johmmes' V. vgl. die Br. 279(248) (TINNE FELD, Kydones III, 66, Kommentar, Anm. 9), 385(362) (TINN E FELD, Kydones IV, 6 1 , Kom mentar, II, X2), 236(399) (TINN E FELD, Kydones IV, 1 50, Kommentar, 11, X l ). 1 5 Der Name des Klerikers wird nicht genannt.
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den wollte. Er hatte den bereits aus dem kaiserlichen Dienst entlassenen Ky dones um Vermittlung in der Angelegenheit gebeten; dieser aber hatte sein Anliegen als wenig aussichtsreich beurteilt und ihln nach eigenem Bekunden die kühle AntwOli gegeben, er, Kydones, lebe nicht ün Ruhestand, mn Träu me auszulegen. 1 6 So bittet er nun den Adressaten, an seiner Statt beim Kaiser vorstellig zu werden und ihn zu einer klaren Äußerung zu bewegen, denn nur eine solche werde den Bittsteller zu einer realistischen Selbsteinschätzung führen können. In Brief 440(440), 1 392 (7), wird Thomas Dukas Alusianos, Großrichter der Rhomäer (Ka8oAucoc; KQl'I�C; 'IWV 'Pw � a lwv), getadelt, weil er einen gut belemnundeten jungen Mann seines Amtes enthoben habe, und aufgefor dert, dieseln seine verdiente Position zmiickzugeben. Nur ein Teil des Brie fes ist der Fürsprache für den jungen Malm gewidlnet. Weil aber die allge meine Kritik am Adressaten übelwiegt, wurde das Schreiben oben unter 2.4.2 . 1 (Kritik an Personen im Staatsdienst) ausführlicher besprochen. Mit Brief 446(444) wendet sich Kydones ün Jahr 1 3 92 an einen befreun deten einflussreichen Hofbeamten, lnit der B itte, beim Kaiser die Entlassung eines gewissen Georgios aus dem Hofdienst zu erbitten, weil er von seinem Vorgesetzten schikaniert werde. Eingangs beschwört Kydones die beidersei tige Freundschaft, die der Adressat nun durch die Tat beweisen möge, und stellt in Aussicht, dass Georgios sein Lob singen werde, wenn er imn helfe. Analyse zu 3.1.1, Fiirbittefür eigene Landsleute
Die Elnpfehlungsschreiben des Kydones enthalten die folgenden konstituti ven Elemente: 1 ) Argumente für die Fähigkeiten und/oder Tugenden der empfohlenen Person(en). 1 7 2) Schilderung einer Notlage oder einer unge rechten Behandlung der empfohlenen Person. 1 8 3) Die empfohlene Person gehört zu den Verehrern oder Anhängern der adressierten Person. 1 9 4) Den Elnpfohlenen verbinden mit deIn Adressaten gemeinsame Interessen. 2 o 5) Lob des Adressaten im Zusammenhang lnit seiner Eignung als Fürspre-
. . . OL)]( äycu oxoA11v EQ�111VEVELV ovdQCt'tCt. Br. 86( 1 9) (ein bewährter Kleriker, ein Mann von lauterem Charakter, gut gebildet und ein fähiger Lehrer), 1 56( 1 04) (Athosmönche, Tugendvorbilder), 2 1 0(205) (ein begabter Politiker und Redner, dessen besonderes Anliegen das Lob des Kaisers ist), 3 07(290) (Abwägung von Fähigkeiten und Schwächen; Beliebtheit des Empfohlenen beim Volk), 3 57(32 1 ) (loyale Gesinnung), 440(440). 1 8 Br. 86( 1 9), 1 8 8( 1 6 1 ), 239(3 88), 3 4 1 (0403) , 3 57(32 1 ). 1 9 Br. 86( 1 9), 1 5 7( 1 57), 2 1 2(200), 2 1 0(205), 250(249), 239(388). 20 Br. 86( 1 9), 239(3 88). 16 17
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cher und Vermittler (captatio benevolentiae). 21 6) Kydones erinnert den Ad ressaten an die beiderseitige alte Freundschaft. 22 7) Die von Kydones emp fohlenen Bittsteller haben die Finanzbehörde vergeblich durch ein Geschenk zur Erfüllung ihres Anliegens bewegen wollen (Bestechung). 23 8) Lob der Güte des Kaisers, bei dem der Adressat vennitteln sol1. 24 9) Kydones er wähnt seine eigene Beziehung zum Adressaten oder zu dem Empfohlenen. 25 3 . 1 .2 Personen aus dem lateinischen Westen Eine Besonderheit der Korrespondenz des Kydones, die mit seiner Biogra phie zusmnmenhängt - er hatte sich ca. 1 3 56 der römischen Kirche ange schlossen und war ein großer Verehrer der Scholastik -, ist ihre geographi sche Spannweite, die außer dem byzantinischen Kulturbereich auch den la teinischen Westen mit einbezieht. So schrieb er auch einige Empfehlungs briefe zugunsten von Personen westlicher Herkunft. In insgesamt vier Briefen des Kydones ist von spanischen Dominikaner patres die Rede, die aus deIn Abendland herbeireisten, Uln in Byzanz die griechische Sprache und Kultur an der Quelle zu studieren. Von diesen wird nur ein gewisser Garcia namentlich genannt. Der früheste dieser vier Briefe ist wohl Brief 1 85 (0 1 95) an Johannes Asanes, wahrscheinlich geschrieben unter der Herrschaft des Usurpators Andronikos IV. Palaiologos in Konstan tinopel ( 1 376-79). Hier ist von mehreren spanischen Dominikanerpatres aus Rom die Rede, die in Konstantinopel aus unbekannten Gründen inhaftiert und erst durch Vermittlung des Adressaten Johannes Asanes, der offenbar ein Anhänger des Usurpators war, 26 aus dem Gefängnis entlassen worden waren. Nun hatten sie Kydones gebeten, bei Asanes auch zu erwirken, dass er ihnen zur Rückkehr nach ROln behilflich sei, und dieser hatte ihnen die er betene Vermittlung zugesichert. Kydones, der gegenüber Andronikos äu ßerste Zurückhaltung wahrte2 7 und daher während seiner Herrschaft selbst keinen Einfluss bei Hofe hatte, versucht also in vorliegendem Brief, Asanes zu gewinnen, indein er ihm die Vorteile, die er von einer weiteren Hilfe für die Bittsteller erwarten könne, vor Augen hält: Es wird seinem guten Ruf
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Br. 86( 1 9), 1 88( 1 6 1 ), 292(0300), 330(0340), 239(388) . Br. 1 57( 1 57). Br. 1 56( 1 04). Br. 3 57(32 1 ). Br. 3 07(290) (Begründung seiner Intervention), 446(444) (Kydones kündigt seinen per sönlichen Dank an, falls der Adressat sich zur Vermittlung entschließt). TINN E FELD, Kydones 11, 1 22, Kommentar, I . Vgl. auch PLP 9 1 3 7 1 , R. Siehe oben, 2.6, Br. 1 54( 1 74).
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förderlich sein, wenn er Menschen gefällig ist, die gute Behandlung verdie nen; er wird auch der Stadt Konstantinopel nützen, denn es gereicht ihr zur Ehre, wenn sich von fernher Menschen zu ihr begeben, um sich mit ihrer Kultur vertraut zu machen; Asanes kann sich der Dankbarkeit des Kydones gewiss sein, und schließlich wird auch der Papst (den Kydones hier "den Obersten des Chores der Christusjünger" nennt) dem Helfer seinen Dank er weisen, vor allem durch fürbittendes Gebet bei der Messfeier. Dieses aber sei das kostbarste Geschenk, das ein Mensch sich erhoffen könne. In einein zweiten und dritten Schreiben elnpfiehlt Kydones dem Kaiser den erwähnten Dominikanermönch Garcia. Dieser war nach Konstantinopel gereist, um dort die griechische Sprache und die antiken griechischen Quel len zu studieren. Kydones, mit ihm befreundet, versuchte nun bei Kaiser Jo hannes V. die Sicherung seines Unterhaltes zu erwirken. Sein erstes Schrei ben in dieser Angelegenheit, 22 1 (2 1 4), ist etwa auf Mai/Juni 1 3 8 1 zu datie ren. Hier versucht er eingangs den Kaiser für Garcia zu gewinnen, indem er ausführt, dass der ausländische Gast jedenfalls zu seinem Ruhm beitragen könne. Er werde in seiner abendländischen Heimat als versierter Redner die Güte des Kaisers preisen, und wegen seines Ansehens dort werde dieses Lob ein großes Gewicht haben. Dem Studium der griechischen Kultur zuliebe ha be er die feme Heimat verlassen und sei an den Bosporos geeilt. Durch sein Interesse erweise er auch dem Kaiser und seinem Volk Ehre und bekunde so, "dass wir noch existieren und nicht erloschen sind, sondern die altbewährte Wertschätzung geistiger Kultur2 8 noch bei uns wie etwas von Natur aus uns Zugefallenes verbleibt. Welches Lob jedoch wäre für die Menschen bedeut samer als das Lob aufgrund ihrer Weisheit? Denn dafür sollten wir ihm, wenn wir vernünftig wären, dankbarer sein, als wenn er uns Bundesgenossen sammelte und den Städten die eingestürzten Mauem aufbaute." So ergebe sich geradezu eine Pflicht für den Kaiser, den Besucher zu unterstützen. Au ßer der Ehre, die ihIn der fremde Besucher einbringe, werde er als Priester vor allem bei der Darbringung des Messopfers Gott im Gebet überreden kön nen, dem Kaiser zum Dank für die erwiesene Hilfe gnädig zu sein. Am Schluss des Briefes betont Kydones, dass der Kaiser auch ihm selbst durch seine erhofften Wohltaten für den abendländischen Besucher eine Freude be reiten werde. So ist dieser Brief ein bemerkenswertes Zeugnis seiner Überre dungskunst, die keinen Aspekt auslässt, der den Kaiser bereitwillig stiInmen könnte.
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. '[aQxaiov '[wv A6ywv a�Lwl-la . . . .
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Etwa ein Jahr später wandte sich Kydones mit dem dritten Brief 266(230) nochmals an Johannes V., um eine Unterstützung für Garcia zu erwirken, der sich immer noch in Konstantinopel autlli elt. Der Brief bezieht sich ausdlück lich auf eine Gabe, die ihm der Kaiser im vorausgehenden Jahr gewährt hat te. Nun leide er aufs Neue materielle Not und habe sich in Erinnerung an die erfolgreiche Intervention des Kydones erneut mit der Bitte um Fürsprache beim Kaiser an ihn gewandt. Kydones beginnt seinen Brief mit einem Hin weis auf die um Christi willen gewählte Armut des Bettehnönches, um anzu deuten, dass er von freiwilligen Wohltaten seiner Mihnenschen ganz abhän gig sei. Nochmals betont er seinen Bildungshunger, der ilm veranlasst habe, trotz seiner vorzüglichen Kenntnis der lateinischen Kultur auch die griechi sche kemlen zu lernen, die er offenkundig sogar höher einschätze als die ei gene. Er sei bereit, überall dem Kaiser und seinem Volk, denen er in hohem Maße zugetan sei, Lob zu singen. Als der Mönch sich wiederum Hilfe su chend an ihn, Kydones, gewandt habe, habe er ihln im Vertrauen auf den Kaiser seine Zuversicht ausgesprochen, er werde ilm auch diesmal nicht ent täuschen. Nun liege es am Kaiser, für seinen eigenen und den Rulun des Ky dones zu sorgen, indem er sich aufs Neue hilfsbereit erweise. Er, Kydones, werde dann nicht als Prahl er erscheinen, und der Kaiser könne damit rech nen, dass überall im Westen, bis zum Okeanos (dem Atlantischen Ozean), sein Lob gesungen, aber auch erfolgreich bei Gott für ihn Fürsprache einge legt werde. Bis auf die im byzantinischen Kulturbereich wichtige Betonung der freiwilligen Armut des Mönchs enthält dieser Brief keine neuen Argu mente. Nach seinem ersten Erfolg setzte also Kydones nun auf das Bewähr te. Es hätte angesichts der Inäßigen Bildung Johannes ' V. wohl auch keinen Zweck gehabt, in detaillierter Form über die Studien des Spaniers zu berich ten. Es ist unbekamlt, ob Kydones auch diesmal erfolgreich war. Es bleibt aber auch noch ein vierter Brief, 399(04 1 1 ), der in diesen Zu samlnenhang einzuordnen ist. In diesem ist zwar nicht von Garcia, wohl aber wiederuin von Dominikanern die Rede, die der Kaiser2 9 freundlich aufneh men möge. Zudem beruft sich der Brief darauf, dass der Kaiser den DOlnini kanern bereits mehrfach Hilfe erwiesen habe, womit seine Einordnung als letzter der drei Briefe in der angenommenen Zeit 1 3 83/84 die größte Walu" scheinlichkeit erhält. Der Elnpfehlungsbrief wiederholt Gedanken, die sich bereits in den anderen beiden Briefen finden. Auch dort erwähnt Kydones 29
LOENERTZ, Cydones 11, 354 hält für wahrscheinlich, dass es sich bei dem hier genannten Kaiser um Johannes Kantakuzenos handelt. Ich plädiere allerdings mit guten Gründen für Johatmes V. (TINN E FELD, Kydones IV, 1 74f.), auch unter Verweis auf eine frühere An nahme von Loenertz, dass es sich um diesen Kaiser handele.
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nälnlich den voraussichtlichen Dank der Mönche für kaiserliche Hilfe durch Verbreitung seines guten Rufes und ihr Gebet, auch dOli versichert er, der Kaiser werde durch Wohltaten für die Mönche auch Kydones selbst einen Gefallen elweisen, und betont ihre freiwillige Annut als eine Respekt verdie nende Eigenschaft. Aber nur in dieseln Brief entwirft Kydones eine Vision des Jüngsten Gerichtes, bei dem Christus den Kaiser mit den Gesegneten sei nes Vaters zu sich ruft, weil er sich seiner geringsten Brüder erbannt habe? O Es ist belnerkenswert, dass Kydones sogar einmal, in Brief 3 34(3 1 4) ( 1 3 8 5/86), seinen jugendlichen Freund Rhadenos bittet, der sich ün Dienst Kaiser Manuels befindet, auf den Kaiser einzuwirken, dass er den Legaten des Papstes in Thessalonike freundlich aufnehlne, sich also bei aller Freund schaft nicht direkt an den Kaiser wendet. Der Brief beginnt mit einem Be richt über den in der Hauptstadt unfreundlich aufgenomlnenen Besuch des Legaten, der sich entschlossen hatte, entgegen deIn ursprünglichen Reiseplan zuerst nach Konstantinopel statt nach Thessalonike zu reisen. Die päpstliche Gesandtschaft sei durch den Patriarchen und den orthodoxen Episkopat gera dezu brüskiert worden. Nun hofft Kydones, dass der Legat wenigstens in Thessalonike, wohin er jetzt unterwegs sei, lnehr Glück habe, zumal er imn Kaiser Manuel als einen unionsfreundlich gesinnten Mann beschrieben habe. Kydones scheint aber doch nicht sicher zu sein, ob er sich in dieser Hinsicht auf den Kaiser verlassen kömle, wie die folgende Formulierung zeigt: "Bei Gott also, wenn du irgendeine Möglichkeit hast, den Kaiser zu beraten, brin ge ihn dazu, den Mann freundlich aufzunehmen und geziemend zu ehren ! " Und e r beschreibt den Legaten als einen liebenswürdigen und gebildeten Mann, der es verdient habe, lnit guten Umgangsfonnen behandelt zu werden. Unter den Begleitern des Legaten nennt Kydones namentlich nur den Domi nikaner Fra Garcia, der inzwischen zum Bischof erhoben wurde, und elnp fiehlt auch ihn dem Kaiser zu besonderer Ehrung. Mit Brief 349(0406) wendet sich Kydones an Kaiser Johannes V. und bit tet ihn um eine finanzielle Zuwendung für den erkrankten Konrad von Anco na, der sich den Kaiser sem" zu Dank verpflichtet hatte, als er ihn auf dessen Schiffsreise von Rom über Ancona nach Venedig (März - Mai 1 3 70) in An cona gastfreundlich aufnahm. 3 l Zum Dank hatte ihm Johannes V. durch ein 30 Zur Deutung dieser Passage vgl. ZGOLL, Heiligkeit, 53-5 5 . Sie wird hier unter dem The ma "Christliches in der Kaiserideologie?" eingeordnet. Aus dem von Kydones verwende ten Vergleich des Jüngsten Gerichtes mit einem öffentlichen Schauspiel (navbll f10v 8 E [t1: Q ov) schließt der Vf., meines Erachtens zu Unrecht, auf die wahrscheinliche Existenz eines "Geistlichen Spiels" mit dieser Thematik im zeitgenössischen Byzanz. 3 1 TINN E FELD, Kydones IV, 1 64, Kommentar, Anm. l . PLP 1 323 l .
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eigenhändiges Schreiben in Konstantinopel Steuerfreiheit garantiert. 32 Die Stadt Ancona war nach 1 378 durch den Chioggiakrieg zwischen Venedig und Genua mehr und mehr in den Streit zwischen den beiden rivalisierenden Mächten hineingezogen worden und hatte erhebliche wirtschaftliche Einbu ßen erlitten, durch die auch der Kaufmann Konrad, der eine führende Rolle in der Stadt spielte, sein Eigentum verlor. 33 Doch konnte er sich durch meh rere Reisen nach Konstantinopel weiter der kaiserlichen Gunst und Hilfe versichern. 3 4 Zur Zeit des vorliegenden Briefes aber war er wegen einer Er krankung ans Bett gefesselt und sah sich an weiteren Reisen gehindert. In seiner Not scheint er sich an Kydones gewandt zu haben, und Kydones gibt nun den Hilferuf an den Kaiser weiter. Er appelliert an die Menschenfreund lichkeit des Kaisers und erinnert ihn an die ergebene Gesinnung des Italie ners. Freilich habe er ihm bereits durch viele Gefälligkeiten seinen Dank ab gestattet, und so will Kydones in der gegenwärtigen Situation nur so viel für ihn erbitten, "dass die Gabe die Staatskasse nicht belastet, ihm aber ein we nig Aufatmen ermöglicht." Als Gegengabe könne sich der Kaiser allerdings nur noch sein Gebet erhoffen, dass Gott ihm Gesundheit schenke. Es war wohl schon Herbst 1 3 86, also kurz nach dem Rückzug des Kydo nes ins Privatleben, als ein gebildeter junger Mann namens Paulus aus Mai land in Konstantinopel eintraf, um Griechisch zu lernen und so die Autoren der griechischen Klassik und die östlichen Kirchenväter im Original lesen zu können. Weil er wünscht, in einer Mönchszelle zu wohnen und sich dort un gestört seinen Studien zu widmen, bittet Kydones mit Brief 360(3 1 9) den Abt eines ungenannten Klosters, ihn aufzunehmen. Auch dieser Brief be ginnt wie viele Empfehlungsschreiben mit einer captatio benevolentiae: "Ich weiß, dass du denen, die dem Schönen und Guten zugetan sind, stets behilf lich warst zu erlangen, was sie sich wünschen, und das, was du ihnen gern zukommen lässt, als deinen persönlichen Gewinn ansiehst." Natürlich ist die positive Charakterisierung auf diesen jungen Mann zu beziehen, der diese Eigenschaften hat. Seine Anwesenheit gebe also, meint Kydones, deIn Abt die Chance, ihn so gut zu behandeln, wie er es verdiene . Ferner erweise jener Paulus allen Hellenen mit seinem Interesse an ihrer Sprache und Kultur Ehre und werde, was er in Byzanz gelernt habe, in der Heimat weitergeben. Sein Interesse an der griechischen Sprache sei umso beeindruckender, als er die lateinische Literatur und Rhetorik bestens kenne und so eigentlich nicht auf das Griechische angewiesen sei. Er habe aber in der griechischen Literatur 32 TINNE FELD, Kydones IV, 1 63 , Kommentar, I, E . 33 TINNEF ELD, Kydones I V , 1 64f., Kommentar, Anm . 3 . 3 4 TINNE FELD, Kydones IV, 1 63f., Kommentar, I, D ; 11, X l .
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die Quelle der lateinischen Literatur erkannt und stelle daher Demosthenes über Cicero, Homer über Vergil und Hesiod über Lukan. Aus dem gleichen Grund schätze er Platon, Aristoteles und den kappadokischen Kirchenvater Basileios. Ausruhrlich schildert Kydones die Begeisterung, die er rur diese Autoren elnpfinde, und seine Bereitschaft, rur seine Studienwünsche Opfer zu bringen. In Byzanz habe er allerdings die traurige Erfahrung machen müssen, dass die genannten Autoren dort in Vergessenheit geraten seien. "Dennoch konnte ihn nichts daran hindern, das Unsrige zu bewundern; er hielt die griechische Sprache allem, was ihm zustoßen könnte, entgegen, überzeugt, sie allein könne ihm gegen das, was hier im Argen liegt, ein Heil mittel sein." Schon das verdiene Bewunderung, aber auch sein Wunsch, in einer Mönchszelle zu arbeiten, der seine Tugend beweise. "Wenn er dort wohnt, wird er die Gefahren, die sein Alter und der Umgang mit jungen Leu ten mit sich bringen, vermeiden; er wird intensiver und ungestört seine Stu dien betreiben können; zugleich aber wird er sich auch von den Mönchen, wie er sie j eweils antrifft, über die Grundelemente ihres Lebens belehren las sen." Er sei auch bereit, sich der frommen Lebensweise der Mönche anzu passen und wolle dem Kloster das, was zu seinem Lebensunterhalt nötig sei, vergüten. Abschließend erinnert Kydones an das Gebot Christi, Frelnde zu beherbergen, 3 5 und an den Ruhm, den es dem Reich und der Stadt Konstan tinopel einbringen werde, wenn der Abt dank seiner Gastfreundschaft den Italern einen zweisprachigen Rhetor ausbilde und sende. In diesem engagier ten Empfehlungsbrief klingt der ureigenste Wunsch des Kydones an, dem Abendland die Kulturgüter, vor allem die Schriftkultur, des Ostens und ihren unschätzbaren Wert zu vermitteln. Im April 1 390 schrieb Kydones an seinen Freund Tarchaneiotes aus Thessalonike, der sich inzwischen in Konstantinopel aufhielt, den Brief 43 5 (3 94) und empfahl ihm den bereits im zuvor besprochenen Brief 3 60(3 1 9) genannten Paulus aus Mailand, der in Byzanz die antiken griechischen Auto ren im Original zu studieren wünsche. Auf den früheren Empfehlungsbrief an den Klosterabt geht Kydones mit keinem Wort ein, sondern im Folgenden ist nur davon die Rede, dass der junge Mann in seiner Hoffnung auf Gast freundschaft enttäuscht wurde. Wahrscheinlich war die nun erfolgende Emp fehlung an seinen Freund Tarchaneiotes ein letzter Versuch des Kydones, ihm in Konstantinopel eine Bleibe zu verschaffen. Der Brief beginnt mit der üblichen captatio benevolentiae: Tarchaneiotes sei es gewohnt, anderen, vor allem Armen, Gutes zu erweisen. Nun könne ihm erneut eine gute Tat bei 35
Gemeint ist NT Mt. 25 , 3 5 . Vgl . TINNE FELD, Kydones III, 259, Kommentar, Anm. 8 .
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Gott Wohlgefallen und bei den Menschen Lob einbringen. Es folgt eine Lau datio des jungen Mannes, seines Charakters, seiner wissenschaftlichen Vor bildung in Mailand, seines Verlangens, die griechische Weisheit an ihren Quellen zu studieren, und seiner Entschlossenheit, für dieses Ziel Heimat, Eltern und Haus aufzugeben. Mit dem Folgenden sucht Kydones den Affekt des Mitleides bei deITI Freund zu wecken: Paulus sei, in Byzanz angekom men, sehr enttäuscht worden; niemand sei bereit gewesen, ihn zu unterwei sen oder in sein Haus aufzunehmen, und so irre er nun in Konstantinopel wie in einer Wüste umher. Hier folgt nun die für den Erfolg des Briefes wichtige Feststellung, anscheinend habe Gott es dem Freund vorbehalten, dieses Pro blem zu lösen, weil bei ihm mit seiner guten Gesinnung auch die Möglich keit, Gutes zu tun, verbunden sei. Sein Haus sei groß genug, ihn aufzuneh ITIen, und so möge er dies auch tun und zugleich für seinen Lebensunterhalt sorgen. Nicht nur Gott werde es ihm danken, sondern auch Paulus selbst, der in seiner Heimat Italien überall sein Lob singen werde. Und Kydones betont, er erhoffe sich nach einiger Zeit ein Lob des Tarchaneiotes für seine gute Empfehlung; denn wenn er auch das Dogma der Lateiner ablehne, so könne ihm doch das Gespräch mit einem Lateiner von Nutzen sein. Am Schluss des Briefes erlaubt sich Kydones einen Scherz: Der Stil seines Schreibens sei be scheiden; das ergebe sich aus seiner mangelnden Bildung, aber auch aus sei ner Eile, weil er soeben ein Schiff (zu einer Reise nach Venedig) besteigen wolle. So schließt er mit dem Satz "Man könnte aber auch sagen, dass ich nun zu den Barbaren unterwegs sei und daher barbarisch zu reden habe." Von ganz anderer Art ist die Person aus dem Westen, die Kydones 1 3 89/ 90 SeineITI Freund, dem Kaiser Manuel, mit Brief 23 1 (395) empfiehlt. Es handelt sich um einen Soldaten, einen picardischen Söldner, der bereits seit längerem im byzantinischen Bereich, zuerst bei den Gattilusi auf Lesbos, dann beim byzantinischen Gouverneur in Ainos Kriegsdienste geleistet hatte. Kydones betont, dass seine bisherigen Dienstherren ihm glänzende Zeug nisse wegen seiner Zuverlässigkeit und Rechtschaffenheit ausstellen konn ten, die der Picarde nebst der Empfehlung des Kydones dem Kaiser vorwei sen könne. Nun wünsche jener allerdings, aus dem Dienst in Ainos entlassen zu werden, weil sein dortiger Herr ihn einem drittrangigen Truppenverband bereits verabschiedeter Söldner eingereiht habe, die aus den dort reichlich ansässigen Fischern rekrutiert seien und sich nun in der an der Ägäis gelege nen Stadt mehr für ihren früheren Beruf als für das Kriegshandwerk inter essierten. Daher wünsche er die Versetzung in eine Truppe, die zwar als "Klasse der Wohlgeborenen" mehr Steuern zu zahlen habe, aber ihITI mehr Ehre einbringen könne. Er habe sich nun in die Hauptstadt zu Kydones bege-
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ben, u m von ihm eine Empfehlung an Kaiser Manuel zu erlangen. Dieser aber möge ihn seineIn Vater (Johannes V.) empfehlen. "Empfange also den Mann und schenke dem Kaiser (sc. Johannes V.) einen eifrigen Soldaten, der seine gute Gesinnung für ihn und seine Hand gegen die Feinde einsetzt. We gen seiner Bereitwilligkeit und seines Eifers werden seine Unterhaltsansprü che gewiss bescheiden sein." 36 In diesem Fall infonniert Kydones auch durch einen späteren Brief an Kaiser Manuel, 23 8(40 1 ), 1 3 90, wie es weiterging. 3 7 Der Picarde wurde zwar, wie gewünscht, als Soldempfänger registriert, sah sich aber nun, nach etwa eineIn Jahr, enttäuscht, weil er noch keinerlei Zahlung erhalten hatte und so in materielle Not geraten war. Diese Situation lässt Kydones den Freund und Kaiser gleich zu Beginn in heftigem Ton wissen: "Ich bin verär gert, wenn ich ansehen muss, dass der Soldat, dem zuvor j ener Brief 8 Nut zen gebracht zu haben schien, jetzt sein Pferd verkaufen muss und einen Pfandleiher für seine Waffen sucht." Mit scharfen Worten tadelt er darauf seine Vorgesetzten, welche die Zahlung zurückhielten und sich selbst ein gu tes Leben sicherten, während er hungenl müsse. Seine Mitstreiter in der Ar mee, denen es ähnlich ergehe, hätten ünmerhin noch den Vorteil, sich ge Ineinsam beklagen zu können. Der Picarde aber beherrsche die Landesspra che nicht genügend, um sich zu beschweren. "Denn von der Sprache Grie chenlands ist die seine weiter als die Thraker von den Galliem entfernt. So irrt er allein wie in der Wüste in der Großen Stadt umher und erfahrt nichts anderes als sein eigenes Unglück." Die methodisch übertreibende Beschrei bung seiner verzweifelten Situation steigert Kydones noch durch den Zusatz, er könne nicht einmal durch Betteln seine Not lindern, weil er die Mitleid er regenden Rufe der Bettler nicht kenne. So drohe ihln ein einsamer Tod in Annut, aber ein solches Ende habe er, wenn man sein Engagement im Kriegsdienst und seine freundlichen Umgangsfonnen bedenke, gewiss nicht verdient. "Bei Gott also, Kaiser, der Mann, der von so viel Unglück betrof fen ist, braucht Hilfe ! ! " Fern vom Vaterland zu sein, sei, wie bereits Odys seus gezeigt habe, schon als solches eine Last. Wenn aber noch Armut und Vereinsmnung hinzukämen, sei größtes Mitleid geboten. So ruft Kydones den Kaiser zur Hilfe auf, die auch Gott wohlgefällig sein werde, der mehr als Zu diesem Brief vgl. Mark C . BARTUSIS, The Late Byzantine Army. Arms and Saciety, 1 2 04-1 453, Philadelphia 1 992, 209f. . Bartusis datiert den Brief auf 1 3 80. Zu meiner da von abweichenden Datienmg siehe TINN E FELD, Kydanes IV, 1 4 1 -1 43 , Vorbemerkung zur Briefgruppe In. 37 Vgl. BARTUSIS, ebd., 1 56 . 3 8 Gemeint i s t das zuvor besprochene Schreiben 23 1 (395). 36
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Opfer Erbarmen fordere. 39 Der Picarde werde aber auch, wenn er in Byzanz Hilfe erfahre, seine Dankbarkeit den Mächtigen seines eigenen Landes be kunden. Dort aber werde man sich wohl auch erkenntlich zeigen, wenn j e mand aus Byzanz zu ihnen käme und Hilfe brauchte. Analyse zu 3.1 .2, Fürbittefür Personen aus dem lateinischen Westen
Kydones erbittet Hilfe und Fürsprache für folgende Personen aus dem Abendland: 1 ) Einige Dominikanerpatres (vier Briefe40 ), 2) einen Legaten des Papstes, 4 1 3) Konrad von Ancona, dem Kaiser Johannes V. selbst zu Dank verpflichtet ist,42 4) Paulus von Mailand, der zu gelehrten Studien nach Byzanz reiste43 und 5) einen französischen Söldner aus der Picardie. 44 1 ) Die vier Briefe, in denen Kydones Hilfe für die Dominikaner erbittet, sind durch gemeinsame Argumente verbunden, mit denen Kydones den Adressa ten für sie gewinnen will: Er wird durch seine Hilfsbereitschaft seinen eige nen guten Ruf fördern, zum Ruhm seiner Heimat Byzanz beitragen, indem er Leuten, die von fernher kommen, um die griechische Sprache und Kultur an der Quelle zu studieren, Unterstützung gewährt; auch Kydones selbst wird ihm dankbar sein, und sogar der Papst wird ihm durch Gedenken beim Messopfer seinen Dank erweisen. 4 5 In den beiden Briefen, die Kydones für den Mönch Garcia direkt an den Kaiser richtet,46 betont Kydones auch, die ser werde den Ruhm des Kaisers im Abendland verbreiten. In einem dieser beiden Briefe begründet es Kydones auch mit der freiwillig gewählten Ar mut der Dominikaner, dass sie auf materielle Hilfe angewiesen sind. 47 In ei nem anderen Brief beschwört Kydones sogar eine Vision des Jüngsten Ge richtes, bei dem Jesus denen Dank erweist, die Erbarmen Init seinen gerings ten Brüdern haben. 48 2) Der Brief, in dem Kydones seinen Freund Rhadenos in Thessalonike danlm bittet, bei Kaiser Manuel Fürsprache für einen päpstlichen Legaten AT Os., 6, 6; NT Mt. 9, 1 3 ; 1 2, 7. Br. 1 85(0 1 95), 22 1 (2 1 4), 266(230), 399(04 1 1 ). Br. 3 34(3 1 4). Br. 349(0406). Br. 3 60(3 1 9), 435(394). Br. 23 1 (395), 238(40 1 ) .. Diese Argumente finden sich insgesamt in Br. 1 85 ( 0 1 95), in den drei anderen Briefen zum Teil. 46 Br. 22 1 (2 1 4), 266(230). 47 Br. 266(230). 48 Br. 3 99(04 1 1 ).
39 40 41 42 43 44 45
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einzulegen,49 beginnt mit der Beschreibung seines missglückten Empfanges in Konstantinopel. Rhadenos möge nun auf Manuel einwirken, dass wenigs tens er ihn nun freundlich empfange. Dazu Inöge des Kaisers unionsfreundli che Gesinnung beitragen, aber auch die Tatsache, dass der Legat ein liebens würdiger und gebildeter Mann sei, der höfliche Umgangsfonnen verdient habe. 3) In dem Brief für Konrad von Ancona erinnert Kydones den Kaiser an die Hilfe, die j ener ihln einst gewährte, und an die Wohltaten, die er, der Kaiser, ihm bereits zum Dank erwiesen habe. Er informiert darüber, dass Konrad sich in einer Notlage befinde und deshalb erneut auf eine finanzielle Zuwen dung angewiesen sei, und betont sowohl Konrads ergebene Gesinnung wie auch seine Bereitschaft zum Gebet für den Kaiser, das ihm als einzige Mög lichkeit des Dankes verbleibe. 5 0 4) Wie bereits die erwähnten Dominikanerpatres, so kam auch ein junger Mailänder namens Paulus nach Byzanz, um dort die griechischen Autoren einschließlich der Väter zu studieren. Kydones bittet in einem ersten Brief5 1 zu seinen Gunsten einen Abt in Konstantinopel, ihm Gastfreundschaft zu ge währen. Er beginnt Init einem Lob des Adressaten, wie der Besucher aus Ita lien sei er allem Schönen und Guten zugetan. Wieder betont Kydones, wie ün Fall der Dominikaner, dass sein Interesse an der griechischen Kultur die se auch an das Abendland vermitteln und ihr dort Ehre einbringen werde. Er schätze sogar die griechischen Autoren mehr als die lateinischen des Abend landes, während man in Byzanz die eigene kulturelle Tradition vergessen ha be. Sein Idealismus sei so groß, dass er sogar bereit sei, im Kloster wie ein Mönch zu leben, um sich ganz seinen Studien widmen zu können. Am Schluss des Briefes erinnert Kydones den Abt an den Lohn, den Jesus Chris tus für die Aufnahme von Fremden verheißen habe. Der zweite Brief des Kydones zugunsten des Paulus 5 2 beginnt mit einein Lob des Adressaten Tar chaneiotes für die Hilfsbereitschaft, die er bisher für andere gezeigt habe. Dann geht er zu einem Lob des Paulus, seines Charakters, seiner Bildung und seines Eifers rur die griechische Weisheit über. Aber sein stärkstes Ar gument ist die Schilderung seiner Enttäuschung in Byzanz, die das Mitleid des Freundes wecken soll, der wegen seiner kritischen Sicht der Lateiner
49 Br. 50 Br. 51 B r . 52 Br.
3 34(3 1 4). 349(0406) . 3 60(3 1 9) . 435(394).
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nicht gerade der ideale Gastgeber gewesen wäre. Wahrscheinlich hatte auch dieser Brief des Kydones keinen Erfolg. 53 5) Der Fall des picardischen Söldners ist der einzige in dieser Briefgruppe, der keinen kulturellen Hintergrund hat. Kydones empfiehlt Kaiser Manuel in einem ersten Brief54 mit Lob für seinen zuverlässigen und rechtschaffenen Charakter seine Versetzung in einen besser besoldeten Truppenverband. Aus einelTI zweiten Brief an denselben Adressaten55 ergibt sich, dass seinem Wunsch zwar stattgegeben wurde, ihm aber als Ausländer der zustehende Sold vorenthalten wird, so dass er in bittere Not geraten ist. Weil er die grie chische Sprache kaum beherrsche, könne er sich weder gegen die Schikane wehren, noch im Betteln sein Heil suchen. Wie Paulus von Mailand56 irre er nun in Konstantinopel wie in einer Wüste mnher. Kydones zieht also alle Register, um das Mitleid des Kaisers zu wecken, und schließt den Brief mit der Aussicht auf die Dankbarkeit des Betroffenen, falls er ihm aus der Not helfe. 3 .2 Indirekte Kritik an dritten Personen In Abschnitt 2.4 war die direkte Kritik des Kydones an diversen Adressaten seiner Briefe behandelt worden. Im Folgenden wird seine indirekt geäußerte Kritik an dritten Personen behandelt. Diese Form der Kritik zeigt im Allge meinen deutlicher die Gefühle des Kritikers, weil sie nicht zur Weitergabe an den Kritisierten bestimmt ist und deshalb weniger Rücksicht auf eine un freundliche Aufnahme durch den Betroffenen nehmen lTIUSS. 3 .2 . 1 Kaiser Johannes V. (und Kaiser Manuel) 5 7 Noch war Kydones nicht lange im Dienst Johannes ' V. tätig, da schrieb er, etwa im Jahr 1 3 56, an seinen Freund Alexios Kassandrenos in Thessalonike Brief 50(42), in dem er unter anderem auch die erste indirekte Kritik an sei nem neuen Herrn verlauten lässt. Er schildert die Fron des täglichen Diens53
Wie sich aus Br. 439(448), 1 3 94, ergibt, hatte sich Paulus inzwischen zum Geschäftsmann entwickelt und war in dieser Eigenschaft erfolgreich gewesen. 54 Br. 23 1 (3 95). 55 Br. 298(40 1 ). 56 Br. 435(394). 5 7 Direkte Kritik an Johannes V.: siehe oben, 2.4. 1 .2. Die im Folgenden behandelte Kritik des Kydones an Kaiser Johannes V. gegenüber anderen Personen streift gelegentlich auch Kaiser Manuel, wenn dieser nach seiner Meinung nicht genug getan hat, um das Fehlverhalten seines Vaters gegenüber Kydones auszugleichen. Siehe in diesem Ab schnitt die Briefe 1 3 8( 1 1 7) und 1 43 ( 1 53). Zu Br. 50(42) siehe auch oben, 22f.
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tes, der ihm kaum die Verfügung über seine Zeit erlaube, und beklagt sich vor alleIn über den abendlichen Weg zum Kaiser im Dunkeln und in schlam migem Gelände. Tagsüber aber, beschwert sich Kydones, habe er in seiner leitenden Funktion als Mesazon 5 8 das Geschrei der Bittsteller anzuhören. Seine Bezahlung entspreche kaum der Last seiner Arbeit. Was ihn zudem sehr störe, sei die theologische Propaganda der Hesychastenmönche in der Stadt und auch ün Kaiserpalast, die von Johannes V. stillschweigend gedul det werde. Weitere indirekte Kritik an Johannes V. findet sich in Brief 1 1 5 (96), 1 3 7 1 /72, nach seinem ersten Rücktritt aus deIn kaiserlichen Dienst. 5 9 Er be klagt sich bei einem unbekannten Adressaten über seine Gegner im Palast und seine ungnädige Behandlung durch den Kaiser. Dass er ihm auch die ihm zustehende Besoldung vorenthalte, werde ihm allerdings nur ein schlechtes Gewissen einbringen. Einige Zeit später, ün Herbst/Winter 1 3 73/74, als er sich lnit der wider willig erteilten Erlaubnis Johannes ' V. in Mitylene auf Lesbos bei Frances co I. Gattilusio aufhielt, sandte er Brief 1 3 8( 1 1 7) an einen Freund im Kaiser palast, der ihm persönlich geschrieben, seinein Brief aber auch ein Schreiben von kaiserlicher Hand beigefügt hatte, in dem Kydones die Mitteilung er hielt, seine Rückkehr nach Konstantinopel werde dem Kaiser "nicht missfal len". Einige Anzeichen sprechen dafür, dass diesen Brief Kaiser Manuel60
geschrieben hatte, der, am 25.9. 1 3 73 ZUln Mitkaiser proklmniert, sich damals bei seinem Vater ün Kaiserpalast von Konstantinopel aufhielt. Wegen seines unwirschen Tons gibt der Brief aber eher die Einstellung Johannes ' V. ge genüber Kydones wieder, der jedenfalls, wie er den Freund wissen lässt, über die herablassende Behandlung durch beide Kaiser sehr enttäuscht ist. Der Ausdruck seiner Enttäuschung gipfelt in dem Satz: "Wir haben einen schönen Lohn von den Kaisern für unsere lange Treue, wenn wir ihnen am Schluss nur als ,nicht missfallend' erscheinen." Er tadelt aber auch den Ad-
Nur hier erwähnt Kydones, dass er diese Stellung bekleidete (siehe TINNEF ELD, Kydones, 1/ 1 , 265, Kommentar, Anm. 1 1 ). 59 Seinen Antrag auf Entlassung aus dem kaiserlichen Dienst stellte er im Herbst 1 37 1 in seiner autobiographischen Rede an Johannes V., Originaltext: LOENERTZ, Cydones I, 1 02 3 ; Übersetzung: unten, Anhang H . 60 Der Name Manuels wird nicht ausdrücklich genannt, aber der älteste Sohn des Kaisers, Andronikos, kommt wegen seiner gespannten Beziehung zu seinem Vater wohl nicht in Frage. Außerdem gibt es auch andere Zeugnisse, dass in dieser Zeit das sonst so gute Verhältnis des Kydones zu Manuel ein wenig getrübt war. Vgl. TINN E FELD, Kydones H , 38, Kommentar, H . Auch der Herausgeber Loeneliz hat keine Bedenken, dass d i e beiden erwälmten Kaiser Johannes V. und Manuel sind. 58
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ressaten, er habe in seiner Angelegenheit nicht ganz glücklich agiert. Der Brief endet schließlich doch mit einer versöhnlichen Bemerkung. In Brief 1 43 ( 1 53), 1 3 74/75, an Kaiserin Helene, die von Kydones sehr verehrte Gattin Johannes ' V., beklagt er sich über die Habgier der beiden Kaiser, ihres Gatten und ihres Sohnes Manuel, die sogar die Mispeln aus sei nem Garten beschlagnahmten. Er aber ernte heimlich nachts seine Früchte und erlaube sich, der verehrten Kaiserin eine Probe zu senden. 61 Im Jahr 1 3 75 entschuldigt sich Kydones lUit Brief 1 86( 1 59) bei Konstan tinos Asanes fiir die geringe Menge Äpfel aus seinem Garten, die er ihm schicke. Sie sei teils aus dem bescheidenen Ertrag der Bäume, teils aber auch aus den Forderungen Kaiser Johannes ' V. zu erklären: "Es trägt aber einen Anteil der Schuld auch der vortreffliche62 Kaiser, der dort erntet, wo er nicht gesät, 63 und Früchte einfordert, fiir die er nicht gearbeitet hat. Er beschränkt seine Wohltaten an uns allein auf Versprechungen, hält sich aber umgekehrt nicht an dieselbe Regel ( . . . ). Dieser hat mir die Bäume, die ohnehin schon unfruchtbar erscheinen, jetzt auch noch der wenigen Früchte, die sie trugen, beraubt, da er täglich fordert, sie zu erhalten. " I n Brief 279(248), 1 3 83 , beklagt sich Kydones bei einelu Beamten Kaiser Manuels, die Eifersucht des Kaisers (sc. Johannes' V. in Konstantinopel) hindere ihn daran, dem Wunsch Manuels zu entsprechen und zu ihm nach Thessalonike zu reisen. Im Frühj ahr 1 3 87 schrieb Kydones Brief 346(3 3 1 ) an einen orthodoxen Mönch, der ehemals Hofbemuter gewesen war. Dieser hatte ihm geraten, Johannes V., der nach wie vor seinem Sohn Manuel zürn te, gnädig zu stimmen, indem er ihn an das Lob erinnerte, das er (sc. Kydo nes) diesem in der ca. Dezember 1 3 7 1 verfassten Vorrede einer Urkunde ha be zukommen lassen. 64 Kydones weist diesen Rat mit dem Argument zurück, er habe doch dem Lob des Vaters fiir seinen Sohn damals nur die schriftliche Form gegeben. An das Lob aber, mit dem Johannes V. selbst seinen Sohn bedacht habe, brauche er ihn jetzt nicht zu erinnern. Dann geht Kydones zu einer allgemeinen Klage über die Zerstrittenheit des Kaiserhauses über, die aus dem Neid und Argwohn der Herrschenden untereinander zu erklären sei. Der Adressat habe reichlich Gelegenheit gehabt, das so genannte Glück oder vielmehr das Elend der Kaiser kennen zu lernen, und habe recht daran getan, Mönch zu werden und ihr Scheitern nur noch aus der Feme zu erleben. Ob wohl in dieser Kritik am Kaiserhaus nicht ausdrücklich von Johannes V. die 6 1 Zu diesem Brief vgl. auch KlANKA , Empress He/ena, 1 60. 62 Gr. XQTjCY'(oc;, ironisch zu verstehen. 63 Anspielung auf NT Mt. 25,24. 64 Siehe TTNN EFELD, Vier Prooimien, 1 78- 1 9 1 (Prooimion Nr. 3).
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Rede ist, steht er doch im Anschluss an die einleitenden Worte des Briefes auch hier im Mittelpunkt des ausgesprochenen Tadels. Einer der Gründe, die Kydones und Johannes V. entzweiten, war das soeben65 erwähnte Zerwürfnis des Kaisers mit seinem Solm Manuel. Auch als Kydones im SOlnmer 1 3 86 endgültig aus dem kaiserlichen Dienst ausgeschieden war, versuchte Kaiser Johannes V . , wie bereits zuvor, zu verhindern, dass er seine seit langem geplante Reise nach Italien unter nahm. Damals, im Herbstl Winter 1 3 86/87, schrieb er an einen ehemaligen, jetzt einflussreichen Kollegen im Kaiserpalast Brief 3 6 1 (320), in dem er sich beklagt, dass der Kaiser ihm vieles verspreche, wenn er auf seine Reise ver zichte, diese damit geilleinte Zusage einer materiellen Versorgung nach dem Ausscheiden aus dem Staatsdienst aber nicht einlöse. So bittet er denn da rum, der Adressat möge entweder beim Kaiser die Erlaubnis zur Reise oder die ihm zustehende Zahlung des Unterhalts bewirken. "Er soll j edenfalls klar und deutlich zur Kenntnis nehmen, dass ich lllich nicht dazu herbeilasse, im Winter das Schicksal der Zikaden zu erleiden, 66 denn aus dem wiederholten Aufschub lässt sich lllit Sicherheit meine zukünftige Lage voraussagen." Die Beziehung des Kydones zu Johannes V. wurde seit seinelll Ausschei den aus dem Hofdienst zusehends gespannter und gelangte schließlich zu gänzlicher Entfremdung. Früher oder später in dieser Zeit ( 1 3 87-89) gab es einmal eine überraschende Ausnahme, von der Kydones in Brief 3 77(365) einelll Freund berichtet: Der Kaiser, der sich krank fühlte, ließ ihn zu sich kommen, beteuerte, dass er seiner Gesellschaft bedürfe, und beschenkte ihn sogar, verlangte aber beim Abschied in gewohnter Kleinlichkeit, dass Kydo nes sich für das Fernbleiben von einer Festlichkeit am Hof, zu der er offen bar eingeladen worden war, entschuldigte. Kydones sah aber keinen Anlass, die überraschende Freundlichkeit des Kaisers wie seine Kollegen als Wende in ihrer Beziehung zu verstehen: "Ich aber lachte, überzeugt, dass es mir auf grund dieses Vorfalls um nichts besser gehen werde." Auch die gespannte Beziehung des Kaisers zu seinem Sohn Manuel (seit dessen Aufenthalt in Thessalonike zur Verteidigung der Stadt gegen die Tür ken67 ) dauerte weiter an. In Brief 3 98(3 84), geschrieben 1 3 89 an Kaiser Ma65 66
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Br. 346(33 1 ). Anspielung auf die äsopische Fabel von der Zikade, die rur den Winter nicht vorgesorgt hat; vgl. TINNE FELD, Kydones III, 26 1 , Kommentar, Anm. 6. Kydones lehnt es hier ab, das eigene Schicksal mit dem der äsopischen Zikade zu teilen, weil er gerade nicht wie diese seine jetzige Notlage durch langen Müßiggang selbst verschuldet, sondern dem Kaiser, wie er immer wieder betont, entsagungsvoll gedient hat. S iehe unten, 4. 1 . 1 , Br. 2 89(272), 320(274), 294(288).
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nuel ün Exil auf Leinnos, spricht Kydones es deutlich aus, die Freude über die Niederlage der Türken in einer Schlacht6 8 sei geschlnälert, solange Ma nuel von seinem Vater gezwungen werde, auf Leinnos auszuharren, anstatt mit ihm gelneinsam gegen die Türken zu Felde zu ziehen. Ein weiterer Anlass zum Tadel war das Desinteresse, das Johannes V. für die literarische Bildung und die auf ihr basierende Rhetorik zeigte. In Brief 236(399), wohl Herbst/Winter 1 3 89, bittet Kydones Kaiser Manuel, seinen Vater für ein besseres Engagement in dieser Richtung zu gewinnen: "Bewe ge aber auch den Kaiser dazu, den Feinden der literarischen Bildung nicht alles zu erlauben, damit sie in ihrer Anmaßung nicht überall Einfluss gewin nen und den Literaten die Pforten des Palastes verschließen, wie man Mör der aus Tempeln verbannt, sondern einsehen, dass auch die rhetorisch Gebil deten seinem Kaisertuln einigen Nutzen bringen." Dann erinnert er daran, dass doch auch in früheren Zeiten die Städte und die Kaiser die Rhetorik als Mittel politischer Macht einsetzten. Mit ihrer Hilfe würde vielleicht auch Jo hannes V. die Barbaren lehren können, weniger übennütig zu sein, könnte aber auch selbst datnit rechnen, mit der Macht des Wortes, das er verachte, gepriesen zu werden. In Brief 23 7(400), wahrscheinlich früh im Jahr 1 3 90 (vor der Abreise des Kydones nach Venedig) verfasst, 69 wendet sich Kydones an Kaiser Manuel, er möge seinen Vater bewegen, ihm endlich sein ausstehendes Gehalt zu zahlen. Der Anfang des Briefes zeigt, dass Kydones sich wirklich in einer Notlage sieht: "Um Gottes willen, bewege den alleredelsten Kaiser, mir Ineinen Lebensunterhalt zu zahlen, der früher entsprechend Ineinem lang fristigen Dienst beträchtlich war, jetzt aber aus unbekannten Gründen ganz gering und bescheiden geworden ist." Dies sei umso schlimmer, als der Kai ser anderen ausreichende Zahlung gewähre, sich aber bei ihm nicht an die Zusicherung halte, ihm das Zustehende zu gewähren. Allerdings spiele dabei ein hoher Beamter (offenbar der Verwalter der staatlichen Finanzen) eine Rolle, der ihm versprochen habe, er werde ihm, wenn er aus der Staatskasse nicht das Zustehende erhielte, den Betrag aus eigener Tasche auszahlen. Jetzt aber wolle er an dieses Versprechen nicht mehr erinnert werden und entziehe sich jeder persönlichen Begegnung Init Kydones. Nun bitte er also Kaiser Manuel, in der Angelegenheit zu intervenieren. Seine Verzweiflung lässt sich daran ennessen, dass er ihm, mit dem ihn doch eine Lebensfreund schaft verbindet, droht, falls auch er ihn mit Missachtung strafe, werde er 68 69
Es handelt sich wahrscheinlich um die Kosovo-Schlacht zwischen Serben und Türken am 1 5 . Juni 1 3 89. Diskussion der Frage: TINN E FELD, Kydones IV, 1 1 4f., Kommentar. Siehe zu diesem Brief auch oben, 1 . 1 .2 .
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sich an ihm rächen. Dazu sehe er zwei Möglichkeiten: sich entweder den Zugang zu ilull zu erzwingen und ihn zu bedrängen, bis er die Zahlung er halten habe, oder Konstantinopel zu verlassen und bei Menschen Zuflucht zu suchen, "welche die Bedürftigen anständig behandeln".7 0 Dann, prophezeit er ihlll, werde Manuel sich nicht ohne Betrübnis nach ihlll sehnen und sich wünschen, er wäre daheim geblieben. Wenn er aber dennoch länger in Kon stantinopel bleiben und die Undankbarkeit des Vaterlandes eliragen müsse, werde er sicher Hungers sterben; Kaiser Manuel aber werde ihn, dann frei lich zu spät, betrauern. Wir wissen aus einem Brief Manuels an Kydones, dass dieser Brief seine Wirkung nicht verfehlte. 7 1 Vielleicht schrieb Kydo nes, nachdelll Kaiser Manuel ihm sein Wohlwollen zugesichert hatte, den Brief 407(04 1 3) 7 2 an einen kaiserlichen Beamten, den er bedroht, sich beim Kaiser (wohl Manuel) zu beschweren, wenn ihm eine zustehende Geldzah lung noch länger vorenthalten werde. Analyse zu 3.2.1, Indirekte Kritik an Kaiser Johannes V.
Gegenstände der indirekten Kritik des Kydones an Kaiser Johannes V., sei nem langj ährigen Dienstherm, sind: 1) Die harte Arbeit Üll Palastdienst, 7 3 2) ausbleibende Besoldung,74 3) unfreundliche Behandlung,7 5 4) Beschlag nahIllung seiner Gartenfrüchte,7 6 5) das Zerwürfnis des Kaisers mit seinem Sohn Manuel,77 6) die Behinderung seines Planes, nach Italien zu reisen,7 8 7) das Desinteresse des Kaisers an literarischer Bildung, insbesondere an Rhetorik, die doch in der Politik so wichtig sei.7 9 8) In den Jahren 1 3 73/74 trifft die Kritik des Kydones zeitweilig auch Kaiser Manuel zusammen mit seinelll Vater. 80
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76 77 78 79 80
Vermutlich spielt Kydones hier auf seine geplante Italienreise an. Dies ergibt sich aus Manuels Brief Nr. 1 2 der Edition DENNIS , Leffers Manuel; vgl. TINNEFELD, Kydones IV, 1 52f., Kommentar, H. Siehe oben, 2.4.2 . 1 . Br. 5 0(42). Br. 1 1 5 (96), 36 1 (320), 23 7(400). Br. 1 1 5 (96), 1 3 8( 1 1 7) . Kydones ist die unfreundliche Behandlung durch den Kaiser so gewölmt, dass er, wenn Johmmes V. sich einmal als gnädig erweist, dem Frieden nicht traut, wie z. B. Br. 377(365) zeigt. Br. 143( 1 5 3 ). Br. 279(248), Brief 346(3 3 1 ), 398(3 84). Br. 3 6 1 (320), 1 86( 1 59). Br. 23 6(399). Br. 13 8( 1 1 7), 1 43( 1 53). Gemäß dem erstgenannten Brief scheinen beide Kaiser den Auf enthalt des Kydones bei Francesco Gattilusio auf Lesbos als zu lang getadelt zu haben,
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3 .2 . 2 Kaiserliche Beamte
Wie der am Schluss von 3 .2. 1 zitierte Brief 407(04 1 3) zeigt, richtet sich die Kritik des Kydones an der ausbleibenden Besoldung bzw. Beamtenpension nicht immer gegen seinen Kaiser, sondern gelegentlich auch gegen zuständi ge Beamte. Ein weiteres Beispiel ist Brief 234(398), den er 1 3 89/90 an einen gewissen Pothos schrieb. Dieser hatte wie Kydones am Kaiserhof finanzielle Ansprüche anzumelden. Kydones hatte ihn am Vortage im Gespräch mit einem Fiskalbeamten gesehen. Nun erkundigt er sich, was das Gespräch ihm einbrachte, oder ob es vielleicht nur ein schlechter Traum war. Schließlich fragt er, ob auch von der ihm, Kydones, geschuldeten Zahlung die Rede war. Allerdings fürchtet er, dass auch dieser Beamte ihm wie seine Kollegen die geschuldete Unterstützung weiter vorenthalten und ihln über Vertröstungen hinaus nichts anbieten werde. Dennoch würde er sich schon über den Schün mer einer Hoffnung wie über eine ,Nahrung für Kranke und Schwache� 8 1 freuen. Sozialpolitische Dimensionen erreicht in Brief 257(0263) die indirekte Kritik des Kydones an einem Finanzbeamten, dem Vorgesetzten eines Steu ereinnehmers namens Chloros, an den der Brief adressiert ist. Der Vorge setzte hatte eine nach Ansicht des Kydones umnenschliche Steueraktion in der Provinz angeordnet, gegen die Kydones in dem Brief an Chloros protes tiert. Chloros selbst hatte Kydones über die Aktion informiert und auch die Methoden seines Vorgesetzten kritisiert. Kydones droht nun dem Ausbeuter die Strafe Gottes an und zeigt auch die wirtschaftlichen Nachteile seines Vorgehens. Er ist überzeugt, dass Gott auf Seiten der Unterdrückten steht und dieses Vorgehen nicht dulden wird. Zudem gibt er aber auch zu beden ken, dass der grausame Steuerbeamte sich mit seinem Vorgehen selbst scha de : "Denn wenn die ausgeplünderten Armen ihre Pflüge und Ochsen zur Zahlung der Steuern verkauft und sich vielleicht zu maßvolleren Herren ge flüchtet haben, werden die Äcker unbebaut bleiben und nichts hervorbrin gen, wovon sich Menschen ernähren, weil sie von ihnen nicht gut bestellt wurden. Der Hunger aber wird in den Städten wie Erdbeben und Ungewitter wüten. Dann werden die Hochfahrenden, die sich auf j egliche Weise berei-
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im zweiten beklagt Kydones, dass sie die Früchte aus seinem Garten beschlagnahmen. Das gemeinsame Agieren von Vater und Sohn, das seinen Höhepunkt mit der Ernennung Manue1s zum Kaiser am 25 . 9. 1 3 73 erreichte, steht im Zusammenhang mit der Unzu verlässigkeit des ältesten Sohnes Andronikos, die ihn zeitweilig für die Thronfolge dis qualifizierte. Demosthenes-Zitat; siehe TINNE FELD, Kydones IV, 1 49, Kommentar, Anm. 5 .
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chern wollen, nach denen Ausschau halten, die sie j etzt aus dem Lande trei ben, und es wird ihnen schlechter gehen als denen, die sie j etzt in Not brin gen." Und weiter droht Kydones, die Habgierigen würden schließlich selbst zum Betteln gezwungen sein, die Städte aber würden verarmen. So möge denn Chloros auf seinen Vorgesetzten einwirken und sich für eine maßvolle Besteuerung einsetzen. Er möge ihn auch belehren, dass er dem Kaiser keine Mauer errichten könne, indem er den Städten ihre Fundamente entziehe. Dies aber geschehe, wenn man die Bauern verarmen lasse. Jener aber möge einsehen, dass er, schon betagt, bald vor Gottes Richterstuhl treten und sich verantworten müsse. Analyse zu 3.2.2, Indirekte Kritik an kaiserlichen Beamten
In den zwei hier angeführten Beispielen für indirekte Kritik an kaiserlichen Beamten bezieht sich das erste wie einige im vorausgehenden Abschnitt auf finanzielle Ansprüche des Kydones gegenüber dem Kaiser, das zweite aber verdient besondere Beachtung, weil hier der Gegenstand der Kritik nicht die persönliche Benachteiligung des Kydones, sondern allgemein die Ausbeu tung der Bauern in der Provinz durch einen habgierigen Steueraufseher ist. Die Kritik an sozialen Missständen ist bei Kydones nicht häufig, aber in den wenigen Fällen ihres Vorkommens 8 2 bemerkenswert deutlich. 3 . 2 . 3 Kaiser Manuel
Von direkter Kriti� an Kaiser Manuel war bereits die Rede. 83 Gegenüber Dritten äußert Kydones Kritik an dem verehrten Kaiser nur84 in einigen Brie fen an seinen Schüler Rhadenos. Bereits sein Engagement im Dienst Kaiser Manuels während dessen Aufenthalt in Thessalonike ( 1 3 82-87) sah Kydo nes ungern, weil der junge Mann dadurch an der Rückkehr nach Konstanti nopel zu gemeinsamen Studien mit Kydones gehindert wurde. 8 5 Aber aus drückliche Kritik an Kaiser Manuel übte Kydones in den Briefen an Rhade nos erst, nachdem dieser Kaiser Thessalonike aufgegeben hatte und seine Unterwerfung unter den Osmanenherrscher Murad I. zu befürchten war. Erstmals spricht Kydones im Somlner 1 3 87 in Brief 3 5 0(343) an Rhade nos seine Besorgnis aus, Manuel, der sich zu dieser Zeit mit seinem Gefolge, also auch mit Rhadenos, auf Lesbos aufhielt, werde nun, nach dem bereits 82 83 84 85
Siehe vor allem noch die Br. 26 1 (25 1 ), oben, 2.4.2 . 1 , und 1 1 4( 1 00), unten, 4.2. Siehe oben, 2.4. l . 3, und unter 3 .2. l die Br. 1 3 8( 1 1 7), 1 43( 1 53), 23 7(400). Einzige Ausnahme i st die gemeinsame Kritik an Johannes V. und Manuel in Br. 1 3 8 ( 1 1 7) und 1 43 ( 1 53); siehe oben, 3 .2 . l und Analyse, 8). Vgl . TINN E FELD, Rhadenos, 2 1 9-222.
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erfolgten Fall von Thessalonike, bald den Türken Sklavendienste leisten, und er wiederholt die Mahnung, Rhadenos solle nicht länger bei dem Kaiser ver bleiben, sondern sich nach Konstantinopel zu Kydones begeben. Für die dro hende Selbstaufgabe Manuels findet Kydones einen passenden Vergleich mit einem Vorgang aus der Antike : Der Kaiser sei in derselben Lage wie The mistokles, der sich nach seiner Verurteilung zum Tode durch die Athener nur mit der Hilfe des Molosserkönigs Admetos zu den Persern retten konn te. 8 6 Das tertiurn cornparationis ist Aussicht auf Rettung bei den Persern, in Byzanz eine häufige Bezeichnung für die Türken. Auch für ein Angebot Mu rads an Manuel, ihm eine begrenzte Machtsphäre zuzugestehen, wartet Ky dones mit einem Vergleich aus dem Leben des Themistokles auf: Artaxer xes 1. übertrug ihm die beiden Städte Myus in Karien und Magnesia am Mä ander als eine Art Lehen zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes. 87 In der ganzen Passage ist natürlich Kritik an Kaiser Manuel verborgen, dass er sich auf einen solchen Handel überhaupt einlasse. Dieselbe Sorge drückt Kydones in dem einige Zeit später verfassten Brief 3 52(345) an Rhadenos aus und sagt hier deutlich: "Wenn er (sc. Kaiser Ma nuel) zu den Barbaren überläuft, darfst du ihm auf keinen Fall Gefolgschaft leisten. Denn abgesehen von der übrigen Schande und dem üblen Ruf, sich denen, die unsere Feinde von Natur sind, angeschlossen zu haben, ist es da nach auch nicht leicht, wieder in die Heimat zurückzukehren, wenn man es möchte. Leichter aber würde einer, der in einen Krater stürzt, der Vernich tung entgehen, als wenn er sich diesen ausliefert, die ihin außer alleIn ande ren Guten, das unser Leben sinnvoll erscheinen lässt, auch die Freiheit rau ben werden." Ein stärkerer Vergleich als der mit dem Sturz in einen Krater ist für das Verderben, welches das Paktieren mit den Türken bringt, wohl nicht denkbar. Aber wiederum steigert Kydones die Androhung des Übels, das Rhade nos von einem Verbleiben bei Manuel zu erwarten hat, in einem weiteren Brief aus dieser Zeit, 3 54(347), den Rhadenos wahrscheinlich bereits auf der nächste Station seiner Reise mit dem Kaiser, auf der kleinen Insel Tenedos vor der kleinasiatischen Küste, erhielt: Rhadenos werde sich für die Fehlent scheidung, dem Kaiser zu den "Barbaren" zu folgen, auch vor Gott verant worten Inüssen, denn er müsse dmnit rechnen, dass sie nicht nur abscheuli che Gräuel praktizierten, sondern auch den wahren Gott lästerten, und dies stillschweigend zu dulden sei offener Verrat des Glaubens. Er solle aber be denken, dass er niemandem, auch nicht dem Kaiser zuliebe, Gott beleidigen 86 Vgl. TINNEFELD, Kydones IV, 1 6, Kommentar, Anm . 2 1 . 8 7 Vgl. ebd., Anm. 23 .
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dürfe. "Sieh also, dass du dein ursprüngliches Vorhaben wieder aufnimmst und Gott das Seinige gibst. Denn deIn Kaiser haben wir bereits genug zu gestanden." 88 Im letzten Brief dieser Reihe, 3 5 5(348), vergleicht Kydones sich mit einem Arzt, der sich aus Sorge ungerufen zu einein Patienten be gebe und zu seiner Heilung sogar Zwang anwende. Der Zwang, den Kydo nes ausübt, besteht in immer schärferer Drohung. Er droht, Rhadenos werde seine Ehre, seine Freiheit und die eigene Seele aufs Spiel setzen, wenn er dem Kaiser folge. "Was sollte denn einer, der freiheitsliebenden Sinnes ist, von den Sklavenhändlern erwarten? Es ist ein Wahnsinn, keine Vernunft an nehmen zu wollen, da es so viele Beispiele ihrer ungezügelten Willkür gibt, sondern zu glauben, dass die Menschen, die allenthalben Verderben bringen, unsere Beschützer und Wohltäter sein könnten! Lass ab von denen, die ent weder notgedrungen oder wegen ihres schlechten Charakters nicht zögern, sich mit ihnen einzulassen ! " Alle diese Äußerungen sind auch als indirekte Kritik an Kaiser Manuel zu verstehen. Aber erst in Brief 365(3 5 1 ), verfasst ün Herbst 1 3 87, 89 richtet Ky dones seine Kritik in dieser Angelegenheit direkt an Kaiser Manuel, und dies aus gutem Grund: Rhadenos ist soeben plötzlich verstorben. Analyse zu 3.2.3, Indirekte Kritik an Kaiser Manuel
Rhadenos, der Lieblingsschüler des Kydones, ist in Thessalonike ein Ge folgsinann Kaiser Manuels geworden, der sich von 1 3 82 bis 1 3 87 in der Stadt aufhielt, um sie gegen die Türken zu verteidigen. Die Verehrung, die Rhadenos dem Kaiser entgegenbringt, entfreindet ihn zugleich seinem Men tor Kydones, obwohl auch diesen eine enge Freundschaft mit dem Kaiser verbindet. Die Dreiecksbeziehung gerät in eine offene Krise, als Kaiser Ma nuel die belagerte Stadt schließlich aufgibt und mehr und mehr in einer takti schen Unterwerfung unter Bey Murad 1. das Heil sucht. Kydones, ein strikter Gegner dieser Politik, ist überzeugt, dass sie in die Sklaverei führt, und ver sucht in vier Briefen90mit ständig sich steigernder Intensität vergeblich, Rha denos zur Trennung von dem Kaiser aufzurufen. Er vergleicht die Unterwer fung unter die Türken mit der des antiken Themistokles unter die Perser und gibt damit dem aus seiner Sicht verderblichen Plan eine historische Dimen sion, kann aber Rhadenos bis zu dessen plötzlichein Tod nicht zur Trennung von Kaiser Manuel bewegen. 88 89 90
Der Kaiser ist Manuel, auf den Kydones hier das Wort Jesu Christi (NT Mk. 1 2, 1 7) be zieht, man solle dem Kaiser wie auch Gott das ihnen Gebührende zukOlmnen lassen. Zu diesem Brief ausführlich suo loeo, oben, 2.4. 1 .3 (direkte Kritik an Manuel). Br. 3 5 0(343), 3 52(345), 3 54(347), 35 5(348).
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3 .2.4 Weitere Personen
Einige weitere Briefe des Kydones enthalten Inancherlei Kritik an diversen dritten Personen. Zeitlich der erste Brief in dieser Reihe, verfasst 1 3 7 1 , ist der Nachruf auf den verstorbenen Bruder, der scharfe Kritik an Patriarch Philotheos und anderen palamitischen Gegnern des Prochoros enthält. 9 1 In einem Brief an Konstantinos Asanes, 1 5 5 ( 1 98), 1 3 79-8 1 , tadelt Kydo nes einen Bruder des Adressaten, dessen Vorname nicht genannt wird. 92 Er wirft diesem vor, er habe ganz unvermutet gegen ihre freundschaftliche Be ziehung verstoßen und ihn, Kydones, überall verleumdet. Einen Versöh nungstermin, den Konstantinos vermittelt habe, habe er nicht wahrgenom men. Der erste Satz des Briefes fuhrt bereits eindrucksvoll in die Problema tik ein: "Anscheinend meinte dein Bruder, die frühere Täuschung genüge nicht, sondern sein Tun erschien ihm iIn Angesicht des Schicksals unwürdig, wenn er nicht noch eine zweite (sc. Täuschung) hinzufugte. " Die erste Täu schung war der Abbruch der Freundschaft "wie ein Zelt" oder "wie ein The aterstück", die zweite war die Nichteinhaltung des Versöhnungstermins. Ky dones betont aber, dass ihn das Verhalten des treulosen Freundes nicht treffe; man müsse vielmehr diesen selbst bedauern, dass er nun allen so böse erscheine wie er es auch sei; er selbst aber, Kydones, werde durch den Verrat des anderen nur als wahrer und treuer Freund bestätigt; der ihm nicht weiter schaden könne, denn er könne sich auf das Wohlwollen seines kaiserlichen Herrn (Johannes ' V.) verlassen, zumal auch dieser den Treulosen durch schaue, der Init seinem Verhalten auch ihm geschadet habe. Aus Anspielun gen ist zu entnehmen, dass der Getadelte in den kriegerischen Auseinander setzungen zwischen Johannes V. und seinem Sohn Andronikos eine ungute Rolle gespielt haben dürfte. In Brief 2 1 8(209) aus dem Jahr 1 3 8 1 an Kaiser Manue193 geht es um den Ärger, den Kydones mit einem Diener hat. Liest man aber, woran Kydones in der betreffenden Passage des Briefes Anstoß nimmt, dann ist man merk würdig berührt. Der besagte Diener ist nämlich verheiratet und hat eine schwerkranke Frau, um die er sich mehr kü1TI1nert als um seinen Herrn. Ky dones aber hat kein Verständnis fur diese Vemachlässigung seiner Person
Br. MERCAT1(8 1 ). E r wird unten unter 3 .4. 1 (Persönliche Nachrufe) eingeordnet. Zu erin nern ist hier auch an die direkte Kritik an Patriarch Philotheos in demselben Zusammen hang, Br. 1 29(68), eingeordnet unter 2 .4.2.2. 92 Zur Frage seiner Identität mit Johannes Asanes siehe TINNE FELD, Kydones II, 1 32 f. 93 Der Brief wurde bereits unter 1 .2 . 1 , Klage über Anfeindungen m Kaiserhof, besprochen.
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und verbietet sie dem Diener entschieden, aber vergeblich. 94 Zu allem Un glück verlange der Diener nun auch noch, dass er die ärztliche Behandlung seiner Frau bezahle, und räche sich, weil er dies verweigere, mit unleidli chem Verhalten und Beschimpfungen. Nicht ohne Ironie zieht Kydones nun in Betracht, Manuel könne einwenden, er sei nach früherer Unwissenheit nun durch den Diener darüber belehrt worden, was Liebe zum weiblichen Geschlecht für Männer bedeute, und solle diesen Erkenntnisgewinn positiv bewerten. Dies weist Kydones aber mit dem seltsam amnutenden Argument zurück, die Erkenntnis des Schlechten mache nicht weiser, sondern beein trächtige das Wissen um die erhabeneren Dinge. Manuel, der selbst ein phi losophisches Lebensideal der Enthaltsmnkeit vertrete, müsse vielmehr fürchten, dass die Männer in seiner Umgebung ebenfalls durch Frauen die sem Ideal abtrünnig würden. Hier wird also alles Weibliche als Bedrohung einer "philosophischen", auf Ausübung der Sexualität verzichtenden Le bensweise verstanden und negativ bewertet. In der Ethik des Kydones war nur Platz für eine geistige, "platonische" Liebe, wie er sie z. B. unreflektiert der Kaiserin Helene entgegenbrachte. 95 Dass er aber die ganz normale Gat tenliebe seines Dieners wie ein Fehlverhalten beurteilte, lässt bei allem Ver ständnis für sein Lebensideal einen erschreckenden Egoismus und eine schwer begreifliche Intoleranz erkennen. In Brief 2 1 7(0226) begründet Kydones umständlich, wanlm er die Einla dung des befreundeten Adressaten zu einer Zirkusvorführung annünmt, ob wohl er den dort auftretenden Protagonisten namens Phakrases verachtet. Der Freund ist offenbar der Hauptorganisator des Spektakels, den er nicht enttäuschen will. Außerdem hofft er, er werde wie der Kaiser an dem lächer lichen Verhalten des Darstellers sein Vergnügen haben. In Brief 3 1 9(282), 1 3 86, wendet sich Kydones an den Richter Thomas Alusianos in einer Angelegenheit, die für ihn unangenehme Folgen haben könnte. Er hat am Vortage im privaten Freundeskreis unbedacht ein Zitat aus einer klassischen Tragödie fallen lassen, 96 das so viel besagt wie: "Sage mir, 94
Sein Verhalten in diesem Fall ist wohl im Kontext seiner grundsätzlich negativen Einstel lung zur Ehe zu sehen, die am klarsten in seiner autobiographischen Rede an Kaiser Jo hannes V. zum Ausdruck kommt. Siehe LOENERTZ, Cydones I, 1 5 , Z. 28f. ( § 1 0). Hier lehnt er es ausdriicklich ab, einer Frau zu "gehorchen", und bezeichnet die Ehe als "Joch". 95 Zur Beziehung des Kydones zu Kaiserin Helene siehe oben, 1 . 3, Br. 222(442), 2 . 1 . 1 .2, Br. 389 (24), 3 .2. 1 , Br. 1 43 ( 1 53). Zum Keuschheitsideal des Kydones vgl. auch TINNE FELD, Rhadenos, 230 mit Anm. 8 8 . 96 Es handelt sich nicht, w i e Kydones meint, u m ein Sophokles-, sondern u m ein Euripides zitat; vgl. TINN E FELD, Kydol1es In, 1 55 f. , Kommentar, Anm. 1 .
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mit weIn du Umgang hast, und ich sage dir, wer du bist." Die Äußerung wur de deIn Adressaten durch den gefährlichen Schwätzer Andronikos hinter bracht, und Kydones befürchtet, dass j ener auch anderen davon erzählen werde, vor allem skrupellosen Personen in einflussreicher Stellung, welche das Zitat auf sich und ihren Umgang beziehen könnten. Kydones betont, dass er keinesfalls auf konkrete Personen angespielt habe, und bittet Alusianos, er möge besagten Andronikos dringend davor warnen, anderen von dieser Äu ßerung zu erzählen. Was er, vermutlich bereits aus deIn kaiserlichen Dienst entlassen, fürchtet, ist schon der bloße Verdacht, er könne konkrete Personen gemeint haben. Im Brief 369(366) an einen befreundeten Mönch, geschrieben 1 3 87-89, pflichtet Kydones dem Adressaten bei, dass der sittliche Tiefstand der Bür ger Konstantinopels die baldige Strafe Gottes verdiene, und er erklärt: "Ich bin überzeugt, dass er (sc. Gott) die Freveltaten nicht mehr dulden wird, son- . dem die Behandlung mit Arzneien aufgegeben hat und die Wunde mit glü hendem Eisen kurieren will. Denn für die, die völlig gefühllos sind, verbleibt nur dieses Mittel zur Rettung, das die Tierpfleger bei den unvernünftigen Wesen anwenden. Sie zwingen sie nämlich zu Boden, zerren und würgen sie und versuchen sie so zu heilen. Solcher Methoden bedürfen auch wir fortan, weil wir die Vernunft bei unserem Tun völlig ausgeschaltet haben, uns viel mehr von den Affekten leiten lassen und uns offensichtlich wie Tiere ver halten." Es bestehe aber Grund zur Hoffnung, dass Gott um der Gerechten willen, zu denen Kydones offenbar auch sich selbst und den Adressaten zählt, von seinem Zorn ablassen werde. So solle auch der Adressat aufhören, nur Unglück zu prophezeien, denn seinen Dienern werde Gott gnädig das Heil gewähren, um das sie ihn anflehen. Auch ein Brief des Kydones an den Freund Tarchaneiotes in Thessalo nike, 4 1 7(0420), gehört hierher, in dem er unter anderem einen unzuverlässi gen Briefboten namens David tadelt. Dieser war von Tarchaneiotes beauf tragt worden, nach Konstantinopel zu reisen und Kydones einen Brief in einem wichtigen Anliegen zu überbringen, 97 ließ sich aber dort durch ge schäftstüchtige Mönche von seinem Auftrag abhalten. Kydones beklagt sich, dass David zwanzig Tage in der Stadt verbracht habe, ohne sich sehen zu lassen, und schließlich abgereist sei, ohne seinen Brief zu übergeben. Aber auch in einer anderen Angelegenheit, die ein Nonnenkloster in Thessalonike betreffe, habe er sich als unzuverlässig erwiesen. Von der Übergabe eines
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Zu der in diesem Brief gestellten Frage, wie Tarchaneiotes dem Kaiser am besten ein per sönliches Anliegen vortragen könne, siehe oben, 2.2 . 1 (Rat).
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Privilegs an ein Nonnenkloster habe er sich Geschenke erhofft und d31über den anderen Auftrag vergessen. Analyse zu 3.2.4, Indirekte Kritik an weiteren Personen
Sie bezieht sich I) auf Gegner seines Bruders Prochoros, 98 2) auf einen un getreuen Freund, 99 3) auf einen Diener der sich Inehr um seine kranke Frau als um seinen Herrn kümmert, I OO 4) auf einen Zirkusschauspieler, den Kydo nes verachtet, 1 01 5) auf eine verfängliche Äußerung, deren Ausbreitung er verhindern will, damit sie nicht von gewissen skrupellosen Widersachern in entstellter Form gegen ihn verwendet werden könne, 1 02 6) auf den sittlichen Tiefstand der Bürger von Konstantinopel 1 03 und 7) auf einen unzuverlässigen Briefboten, dem Kydones auch Bestechlichkeit vorwirft. 1 04 3 . 3 Scherz oder Spott über dritte Personen
Manchmal ist der indirekte wie der direkte Tadel l 0 5 auch ironisch gefärbt und entweder nur scherzhaft gemeint oder doch ernst, aber unter dem Deck mantel des Scherzes. Das Erstere gilt zum Beispiel für den frühen Brief 1 4 (29) des Kydones, verfasst i m Sommer 1 3 52 , als Johannes Kantakuzenos sich zur Zeit einer kriegerischen Auseinandersetzung mit seineIn Schwieger sohn Johannes V. Palaiologos in Adrianopel aufhielt. Kydones hatte aus ei nem Brief des Kaisers erfahren, dass sein Gefolge während einer Kampf pause sich mit Brettspielen und anderen Zerstreuungen die Zeit vertrieb. Kantakuzenos hatte seinem Vertrauten, der in Konstantinopel geblieben war, scherzhaft die Schuld an der Spielleidenschaft seiner Leute gegeben, es aber gleichzeitig als positiv gewertet, dass ihr Spiel ihn an Kydones erinnere. Da rüber scherzt nun seinerseits Kydones und schließt den Brief mit der Pointe, dass man, wenn er, Kydones nicht dabei sei, das besagte Brettspiel nicht re geigerecht spielen könne, und so empfiehlt er: "Sie sollen entweder lernen, Init der entsprechenden Wissenschaft zu spielen, oder aufhören, so gegen die
98 Br. MERCATI(8 1 ). 99 Br. 1 5 5 ( 1 98). 1 00 Die hier geübte Kritik und ihre Begründung wirft aber eher ein ungünstiges Licht auf Kydones und seine ethischen Vorstellungen als auf den Diener. 1 0 1 Br. 2 1 7(0226). 1 02 Br. 3 1 9(282). 1 03 Br. 369(366). 1 04 Br. 4 1 7(0420). 1 05 S iehe z. B. oben, 2.4.2 . 1 , Br. 1 42( 1 52) (direkter Tadel mit scherzhafter Färbung).
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heilige Wissenschaft zu freveln, damit ich nicht komme und sie für ihr ge setzloses Treiben bestrafe." Einen enlsten Hintergrund hat dagegen der Scherz in einem Brief an ei nen Freund in Thessalonike, 3 1 4(30 1 ), geschrieben 1 3 8 5 . Hier übt Kydones spöttische Kritik an der Wahl des hochrangigen Mönches (Hieromonachos) Euthymios 106 zur Teilnahme an einer Gesandtschaft, die Kaiser Manuel aus Thessalonike an den Papst beordert hatte. Dieser Euthymios war ein notori scher Gegner der römischen Kirche, und so ist es verständlich, dass aus der Sicht des romfreundlichen Kydones der Kaiser durch die Bestellung des Eu thymios den Bock zum Gärtner gemacht hatte. Er lnalt nun die Probleme aus, mit denen ein "Antilateiner" wie Euthymios voraussichtlich auf einer solchen Mission konfrontiert werde. Wenn er beim Papst etwas erreichen wolle, müsse er ihn zunächst auf gebührende Weise anreden, dann sein Glaubensbekenntnis widerrufen, Vater und Sohn der Trinität als Prinzipien anerkennen und die jüdischen Azymen übernehmen. 1 07 Und Kydones fährt fort: "Ich aber fürchte, dass er, wenn er häufig mit jenen Männern disputiert und bei der Widerlegung versagt, unversehens selbst den Sohn wie den Va ter ehrt und den Geist als ihnen gemeinsam bekennt, dass er, wenn er zu rückkehrt, des Lobes voll für ihre Auffassung ist - ich weiß, dass es vielen so erging, die lnit ihnen Umgang hatten - und wir aufs tiefste beschälnt da stehen, weil wir einen ausgesandt haben, der für uns sprechen sollte, und ihn als Gegner unserer Überzeugung zurückerhalten." Die Befürchtung, dass Eu thymios als ein zur römischen Lehre Bekehrter zurückkehren werde, ist na türlich ironisch zu verstehen und somit auch die Ermahnung des Adressaten, ernsthaft darüber nachzudenken, wie man Euthymios vor einer solchen Kata strophe bewahren könne. Den Höhepunkt erreicht aber die Ironie mit der Ermahnung des Briefpart ners, gewaltig große Wasserströme für ihn bereit zu halten, "die ihn, selbst wenn sie zusammenfließen, nur mit knapper Not von dem Schmutz der La teiner werden reinigen können", aber auch wegen seiner Mahlgemeinschaft mit den unreinen Lateinern beschwörend Gebete über ihn zu sprechen. "Ich aber bin bereit, von hier aus nach deinen Anweisungen Hilfe zu leisten, und 1 06 Es handelt sich wohl um den späteren Patriarchen Euthymios II. ; siehe PLP 6268. 1 07 Zu dieser Anspielung auf Glaubensunterschiede zwischen Rom und Byzanz siehe TINN E FELD, Kydones III, 202, Kommentar, Anm. 6-8. Hier sei nur so viel erläutert: "Vater und Sohn der Trinität als Prinzipien anerkennen", spielt darauf an, dass nach rö mischem Glauben der Heilige Geist nicht nur vom Vater, sondern auch vom Sohn aus geht (Filioque). "Azymen" ist auf die Verwendung ungesäuerten Brotes bei der römi schen Eucharistiefeier zu beziehen.
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würde, wer:m du es für rich}�� hältst, s � gar nicht �ög �rn, nac� Italie� zu re i . sen, wenn Ich dem Freund, der dort m Gefahr 1st, IrgendwIe nützlIch sem könnte." Unter den Briefen des Kydones findet sich kaum ein zweiter, der so wie dieser durch und durch von Ironie geprägt ist. Hier zeigt sich in scherz haftem Gewand die Verbitterung des Konvertiten über das Unverständnis, das ihm seine orthodoxen Glaubensgenossen entgegenbringen. Es wurde bereits gezeigt, 1 09 dass Kydones den jungen Mann Johannes Asanes wegen seines Leichtsinns in direkter Form kritisierte, vor allem in Brief 267(257). Er tadelt ihn aber auch indirekt, so, mit ironischer Färbung, in Brief 426(0426) an Konstantinos Asanes. 1 1 0 Es herrscht winterliches Wet ter, und Kydones malt sich aus, wie der j agdbegeisterte Johannes Asanes mit hohen Stiefeln und einem Filzhut durch unwegsames Gelände streift, um sei ner Leidenschaft zu frönen. Er möchte ihm aber nicht wünschen, dass er am eigenen Leibe die Strafe für seine ausufernde Passion zu spüren bekommt. "Wenn er aber fortan so vernünftig ist, zu Hause zu bleiben und zusammen mit uns Stubenhockern ebenfalls mit dem Rauch vorlieb zu nehmen, soll er sich nun belehren lassen, welche Plage die Kunst, die er bevorzugt, denen bringt, die sie betreiben. Wenn er diese also nun spät verurteilt, möge er den Theologen (sc. Gregor von Nazianz) und seine Reden, also Gold gegen Erz, wie man sagt, 1 1 1 dafür eintauschen ( . . . ) . Wenn er sich ( . . ) an jenen hält, wird er wissen, was Tier, was Gott und was Mensch ist." 1 1 2 .
A nalyse zu 3.3, Scherz oder Spott über dritte Personen 1 ) Kydones droht seinen Kollegen im Gefolge des Kaisers Johannes Kanta kuzenos, der sich 1nit ihnen auf einem Kriegszug befindet, scherzhaft an, er werde sie nach ihrer Rückkehr bestrafen, weil sie ein Brettspiel, das er bes tens beherrscht, ohne genaue Kenntnis der Regeln miteinander spielten. 1 1 3 2 ) E r äußert sich ironisch über einen byzantinischen Mönch, Kritiker der rö1 08 Wenn Kydones den besagten Antilateiner Euthymios hier als "Freund" bezeichnet, ist dies wohl kaum ernst gemeint. 1 09 S iehe oben, 2.4.3 .2. 1 1 0 Über das Verwandtschaftsverhältnis der beiden Asanen siehe TINNE FELD, Kydones IV, 1 98, Kommentar, H, X l . Siehe auch oben, 2.4.3.2, erster Absatz mit Anmerkungen. 1 1 1 Anspielung einen sprichwörtlich verwendeten Tausch in Homers Ilias 6, 236; dazu TIN NEFELD, Kydones IV, 20 1 , Kommentar, Anm. l . 1 1 2 Mit diesem letzten Satz des Briefes bezieht sich Kydones auf die zweite theologische Rede (Rede Nr. 28) Gregors, die von Gottes Schöpfung handelt und die Natur des Men schen und der Tiere erörtert. Nach Ansicht des Kydones würde der passionierte Jäger bei Gregor auch über die Tiere Wichtigeres erfahren als durch die Jagd. 1 1 3 Br. 1 4(29).
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mischen Theologie, der von Kaiser Manuel mit der Teilnahme an einer Ge sandtschaft zum Papst betraut wurde. Er habe nun zu befürchten, dass er in Rom zum Verräter seines Glaubens werden und an seiner Seele Schaden nehmen werde. Noch schlimmer aber sei es, wenn er sich aufgrund seiner positiven Erfahrungen dort zur rÖlnischen Kirche bekehre. Er könne sich aber auch besudeln, wenn er mit den Lateinern auch nur esse und trinke. Nur große Wasserströme und Gebete könnten ihn fortan vom Schmutz der Latei ner reinigen. Schließlich bietet Kydones ironisch an, sich der Gesandtschaft anzuschließen, um ihn vor der drohenden Gefahr zu schützen. 1 1 4 3) Die Jagd begeisterung des Johannes Asanes kOlmnentiert er spöttisch in einem Brief an seinen Verwandten Konstantinos Asanes mit der Bemerkung, anstatt im kalten Winter durch unwegsames Gelände zu stolpern, solle er die Werke Gregors des Theologen studieren. Bei ihm werde er mehr über die Tiere er fahren als durch die Jagd. 1 1 5 3 .4 Trauer um Tote, Kondolenz Naturgelnäß steht in den Briefen, welche die Totentrauer thematisieren, eine dritte, die verstorbene Person im Mittelpunkt. Sie werden daher in diesem Zusammenhang behandelt. Die Trauerbriefe des Kydones lassen sich eintei len in Nachrufe, die vorwiegend die eigene Trauer zum Ausdruck bringen, und in Briefe, die vorwiegend eine andere Person zu trösten versuchen. 3 .4. 1 Persönliche Nachrufe Wohl der früheste der erhaltenen persönlichen Nachrufe ist Brief 98(64), verfasst ca. Herbst 1 365. Der Verstorbene, dem Kydones hier ein ehrendes Gedenken widmet, ist Georgios Synadenos Astras, den er kurz zuvor, weil er zum Schutz seines Bruders Prochoros vor seinen Kritikern nichts unternahm, noch scharf kritisiert hatte. 1 16 Von seinein Freund Tarchaneiotes in Thessalo nike hatte er die Nachricht vom Tode des Freundes erhalten, und er adres siert den Ausdruck seiner persönlichen Trauer daher an ihn. Der Brief ist ein stark von Übertreibungen geprägtes Enkomion auf den Toten. " 7 Bereits in seiner ersten Aussage über ihn stellt er fest, dass er "offensichtlich alle guten Eigenschaften in seiner Person vereinigte, sie aber auch alle denen zur Ver fügung stellte, die sich ihrer bedienen wollten". Als persönlicher Freund,
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Br. 3 1 4(3 0 1 ). Br. 426(0426). Siehe oben, 2.4.2 . 1 , Br. 96(60). Aufzählung der Hyperbeln: TINNE FELD, Kydones I/2, 3 8 1 , Kommentar, Anm. 2.
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Berater des Kaisers, verantwOliungsbewusster Mann des öffentlichen Le bens, erfolgreicher Verteidiger der Gesetze (vergleichbar mit Lykurgos), mi litärischer Führer, Wohltäter der Hilfsbedürftigen und Armen und Kenner und Liebhaber der antiken Literatur (lnit Namen wird nur der Geschichts schreiber Thukydides genannt), überall habe er sich in höchstem Maße be währt, so dass der Kaiser (Johannes V.) ihn zum Gouverneur der Stadt Thes salonike erhoben habe. Nun aber bleibe nur noch die Trauer um den Toten, die von Tarchaneiotes geteilt werde, und Kydones warte nun auf einen Trostbrief von dem Freund. Vielleicht war es das Bedauern über seine allzu scharfe Kritik an Astras im genannten Brief 96(60), der die Tendenz des Kydones, den Verstorbenen zu idealisieren, steigerte. Dieser Nachruf wird ergänzt durch den bereits erwähnten Brief 1 00(65) 1 1 8 an einen namentlich nicht genannten Arzt, der in Thessalonike eintraf, als Astras bereits an der grassierenden Pest gestorben war, und ihln nur noch die Trauerrede am Grab halten konnte. Kydones erbittet sich von ihm ebenfalls einen Trostbrief. An dieser Stelle verdient ein viel später verfasster Brief, 422(0423), Er wähnung, den Kydones an Michael Synadenos Astras, einen Sohn des Geor gios, richtete. Hier entschuldigt er sich, ihm bisher nicht geschrieben zu ha ben, und knüpft an die Freundschaft Init seinem Vater an, ist aber auch voll des Lobes für ihn selbst und schlägt ihm für die Zukunft eine Korrespondenz vor, in der Hoffnung, er werde nun nicht sein Schweigen nachahInen, son dern ihln das frühere Schweigen verzeihen und ihm antworten. Und er schließt den Brief mit dem Satz: "Wenn du nälnlich jetzt aus Rache schwei gen willst, werde ich dein Ankläger sein, weil ich zugegeben habe, zuvor unrecht gehandelt zu haben." Ob dieser letzte Satz, auch wenn er ironisch gemeint war und nur bekannte epistolographische Topoi verwendet, sehr dazu geeignet war, Astras junior für eine Korrespondenz zu gewinnen, er scheint dennoch zweifelhaft. Jedenfalls ist es nicht bekannt, ob der ohnehin sehr spät vorgeschlagene Briefwechsel noch zustande kam. Als nächster persönlicher Nachruf des Demetrios Kydones ist seine Klage um den verstorbenen Bruder Prochoros in einem Brief an einen befreundeten Gegner des Palamismus zu nennen. 1 1 9 Sie zeigt, dass Kydones vom Tod sei nes Bruders im Herzen getroffen war. Der einleitende Satz nennt das Pro gramm des Briefes: "Viel Gutes sei dir beschieden, weil du unsere Trauer um den seligen, verehrungswürdigen Prochoros geteilt und nicht mehr als der Wahrheit den Feinden der Wahrheit gehuldigt hast." Der Freund hat sich um Kydones verdient gelnacht, weil er stets die Wahrheit gegen die Lüge 1 1 8 S iehe oben, 2 . 1 .2 , Zuneigung und Lob im privaten Bereich. 1 1 9 Br. MERCATI(8 1 ).
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(sc. den Palamismus) verteidigte, den Verlust beweinte, den die orthodoxe Kirche durch den Tod des Astras erlitt, sich bemühte, das Leid des Kydones durch einen Kondolenzbrief (verglichen mit einem Zaubergesang) zu lin dern, und so seine Freundschaft und Frömmigkeit unter Beweis stellte. Die eigene Trauer beschreibt Kydones in ähnlichen Worten wie im Nachruf auf Astras, aber an einigen Stellen ist doch zu spüren, dass ihn dieser Tod noch wesentlich tiefer berührte. So wünscht Kydones nun selbst zu sterben, nicht nur, weil er den geliebten Bruder, sondern weit mehr noch einen menschlich wie geistig faszinierenden Menschen verlor. 12 0 Unter den guten Eigenschaf ten des Bruders nennt er vor allem sein entschlossenes Ja zur Armut, durch das er sich der Seligpreisung durch Jesus Christus (sc. in der Bergpredigt) würdig erwiesen habe. Umso schärfer geht er mit seinen Gegnern ins Ge richt, vor allem mit Patriarch Philotheos, den er mit einem Wort Jesu über die Pharisäer als blinden Führer von Blinden tituliert, 1 2 1 aber auch mit denen, die ihm beipflichteten. 122 Er vergleicht sie mit der "Rotte der Gottesmör der", 1 23 die sich auf den Diakon Stephanus stürzte, 124 und tadelt, dass sie nicht einmal den Versuch machten, Prochoros mit Argumenten zu widerle gen. Mit Genugtuung stellt Kydones aber fest, dass der dem Rang nach Zweite im Prozess gegen Prochoros, Patriarch Nephon von Alexandrien, 125 das "gottlose" Urteil über Prochoros verfluchte und Demetrios später dafür um Verzeihung bat. 1 2 6 Eine gemäßigte Mehrheit der anwesenden Bischöfe l 2 7 sowie Kaiser Johannes V. 12 8 lehnten gemäß Kydones die Verurteilung des Prochoros ab, äußerten ihre Meinung aber, angeblich aus Furcht, nicht öf fentlich. In einer längeren Passage setzt sich Kydones auch mit der Ener gienlehre des Palamas auseinander, 1 29 die er und sein Bruder entschieden ab lehnten, aber auch mit dem haltlosen Vorwurf der Gegner, Prochoros habe
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Zur Persönlichkeit des Prochoros siehe TINNE FELD, Kydones IIl , 23 7-244. Siehe TINN E FELD, Kydones 1/2, 460, Kommentar, II, X2. Zitat Jesuswort: NT Mt. 1 5 , 1 4 . TINNE FELD, Kydones II2, 450f. (Brieftext). Vgl. zu dieser diffamierenden Bezeichnung der Juden ebd., 463f. , Kommentar, Anm. 3 5 . N T Ag. 7, 5 7-59). Die richtige Identifikation dieser namentlich nicht genannten Person hatte S ilvio Giu seppe Mercati 1 93 5 in einer von mir zunächst übersehenen Notiz mitgeteilt (Studi Bi zantini e Neoellenici 4, 3 1 6), nach nicht zutreffenden Überlegungen bei MERCAT1 ( Giovanni M.), Notizie, 3 44 und 5 1 4, denen ich mich zunächst angeschlossen hatte (vgl. TINNEFELD, Kydones I12, 460f., Kommentar, X3) . Text b e i TINN E FELD, Kydones II2, 450. Ebd. , 46 1 , Kommentar, X4. Ebd., 46 1 f., Kommentar, X5. Ebd. , 452-454 (Text).
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Christus als Sünder bezeichnet. 130 Dem namentlich nicht genannten Freund, an den Kydones diesen Brief richtete, sandte er auch die von den Gegnern vor allem kritisierte Hauptschrift des Prochoros "Über Wesen und Ener gie" l3 l zu, damit er sich von deren hohem wissenschaftlichem Niveau über zeugen könne, das in scharfem Kontrast zur Erbärmlichkeit der Argumenta tion seiner Gegner stehe. Es sei nicht nötig, sie in die Schranken zu weisen, denn ihre Lügen würden sie auf längere Sicht selbst ins Verderben stürzen. Im Frühj ahr 1 3 80 hatte ein Freund auf der Peloponnes, Manuel Raul Met ochites, Kydones über den am 1 0. April des Jahres erfolgten Tod des Despo ten Manuel Kantakuzenos informiert. Kydones antwortete ihm mit Brief 225 (202), dessen zweite Hälfte ein Nachruf auf den Despoten ist. Er hatte in sei nem Leben zweimal dessen Gastfreundschaft genossen, zuerst in seiner Ju gend etwa ein Jahr lang ( 1 345/46) in Berroia, später, auf der Rückreise von Italien im Frühjahr 1 3 7 1 , für kürzere Zeit in Mistras, wo Manuel bis zu sei nem Tod den byzantinischen Reichsteil auf der Peloponnes beherrschte. 1 32
Er preist ihn ohne nähere Details für seine Liebe zur Tugend, die er auch an deren vermittelt habe. Es sei nun zu erwarten, dass ihm dafür der himmlische Lohn zuteil werde. Er selbst aber gedenke seiner mit Tränen und preise seine guten Taten in Erinnerung an seine Freundschaft, die ihm eine große Ehre bedeutet habe. Nachruf und Totenklage halten sich hier an übliche Formu lierungen ohne individuellen Akzent. Ein großer persönlicher Schmerz hingegen ist wiederum in seinem Nach ruf auf den Freund Francesco I. Gattilusio und zwei seiner Söhne in Brief 273 (284) an Rhadenos, verfasst nach ihrem plötzlichen Tod infolge eines Erdbebens am 6. August 1 3 84, zu erkennen: "Was ich aber ( . . . ) jetzt noch zu sagen habe, hat mir beinahe die Zunge abgeschnitten und die Hand ab gehauen" (d. h., mich verstummen lassen) : Tot ist mit seinen Söhnen, der am meisten von allen Inich und dich (sc. Rhadenos) liebte, Phrantziskos; er liegt begraben unter vielem Staub, Schmutz, Holz, Eisen und Steinen, da ein ge waltiges Erdbeben die Türme über ihnen einstürzen ließ ( . . . ); sie wurden ihm ( . . . ) zu Gräbern statt Wohnräumen und zu Klippen statt Häfen." Dann be dauert Kydones das Schicksal der Bräute, "um die er in fernen Landen für seine Söhne gefreit hatte", die allenfalls noch die entstellten Leichname ihrer Bräutigame zu sehen bekamen, bevor sie sie persönlich kennen gelernt hat1 3 0 Ebd., 452 (Text) mit Anm. 43 ; 455 (Text) mit Anm. 73. 1 3 1 Griech. : TIEQl oualaC; Kal EVEQydac;. Siehe zu dieser Schrift TINNE FELD, Kydones II l , 243 , Anm. 3 8 . 1 3 2 TINNE FELD, Kydones II l , 1 1 5-1 1 7, Exkurs über Manuel Kantakuzenos. Der hier bespro chen Nachruf auf ihn ist dort nicht erwähnt.
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ten. Die Insel Lesbos aber habe nun Init ihrem Herrscher auch ihren Schutz verloren, "denn wenn Hektor gefallen ist, Inuss Init ihm auch Ilion stür zen l 33 ". Kydones fürchtet, dass Lesbos nun ZUln Spielball islamischer Erobe rer wird, unterbricht aber seine düstere Vorahnung, um diese Sorge anderen zu überlassen. Am Schluss des Briefes kehrt er noch eimnal zu einem star ken Ausdruck des persönlichen Schlnerzes zurück: "Mir ( . . . ) kann nach sei neIn Tod nur eines, das Weinen, Trost bringen. Wenn mich aber an das, was mich früher freute, jemand erinnert, ist er ein Feind. Ja sogar meine geistige Gesundheit ist beeinträchtigt; denn die Schattenbilder der Getöteten, die ständig in meiner Seele Ulngehen, stürzen Ineine Gedanken in Verwirrung und graues Dunkel. Sollte man da nicht verworren reden, wenn die Grübe leien nicht aufhören wollen?" Doch im letzten Satz ruft Kydones sich zur Vernunft zurück: Er will in Schweigen verharren, um nicht in seiner Betrüb nis Unsinn zu reden. Ein schwerer persönlicher Verlust war für Kydones auch der Tod des Schülers und Freundes Rhadenos, der durch die begleitenden Umstände noch verschlimmert wurde: Rhadenos hatte nach der Flucht aus Thessalo nike zusammen mit seinem Herrn und Gebieter Kaiser Manuel 11. nicht auf Kydones gehört, der ihin dringend riet, alsbald nach Konstantinopel zu kom men, sondern war deIn Kaiser nach Kleinasien gefolgt, der sich dort, um seine Herrschaft zu retten, Murad 1., dem Herrscher der Osmanen, praktisch unterwarf. Bald nach dem Eintreffen Manuels in der oSlnanischen Residenz (die damals in Bursa lag) im Herbst 1 3 87 war Rhadenos im Alter von ca. 33 Jahren gestorben, vermutlich an einer plötzlichen Erkrankung. Kydones, der wohl aus einem Brief Kaiser Manuels VOln Tode des Freundes erfahren hat te, schrieb bald darauf Brief 363(349), der Init einer relativ kurzen, aber schinerzlich empfundenen Würdigung seines Todes schließt: "Mir aber, der ich noch die Katastrophe meiner Vaterstade 34 betrauerte, verdoppelte der Tod des Rhadenos, der nun hinzukam, die Schrecken ( . . . ). Habe ich doch j etzt einen Freund und Schüler zu beklagen, der mir lieber als ein Sohn war, aber auch seinerseits mich liebte und wie eine Mutter um mich besorgt war, j a mit seiner steten Verehrung für Inich beinahe ein Verhalten zeigte, das den Vätenl von ihren Kindern geschuldet wird, und Inich zum Herrn über alle ihn betreffenden Dinge machte, dazu aber in edlem Eifer auch sich selber hinzugab; hörte er doch nie auf, sich in Briefen und Worten mein Knecht zu 1 33 Die in Parenthese gesetzte Aussage des Kydones ist kein wörtliches Zitat, sondern An spielung auf Homer, Ilias, 6, 403 : . . . denn allein beschirmte Ilios Hektor." (Ilios ist der Name von Ilion in der epischen Sprache.) 1 34 Gemeint ist die Erobenmg Thessalonikes durch die Osmanen im Frühjahr 1 3 87. "
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nennen." Nur beiläufig erwähnt er am Schluss, dass nun auch Manuel um seinen treuen Diener zu trauern habe. Er aber, Kydones, habe doppelte Trau er zu ertragen, die um Rhadenos und die um Thessalonike. Nur ganz vor sichtig klingt in dieseln Brief die Überzeugung des Kydones an, dass Manu eIs Politik der Annäherung an den Osmanenherrscher ein Irrweg sei . Analyse zu 3.4.1, Persönliche Nachrufe
Die persönlichen Nachrufe des Kydones auf Verstorbene, die ihm nahe stan den, geben in besonderer Weise Einblick in sein Gefühlsleben. Auf fünf Per sonen, die zu Lebzeiten des Kydones starben, sind solche Nachrufe erhalten: 1 ) auf Prochoros Kydones, seinen Bruder, 135 2) auf den Architekten Geor gios Synadenos Astras / 36 3) auf seinen Schüler und Freund Rhadenos aus Thessalonike 1 3 7 sowie auf zwei Herrscher: 4) den Despoten von Mistras Ma nuel Kantakuzenos 13 8 und 5) auf den Genuesen Francesco 1. Gattilusio auf Lesbos. 1 39 Die stärkste Betroffenheit ist in den Nachrufen auf Prochoros, Gattilusio und Rhadenos und zu spüren. 1 ) Abgesehen von den Fatnilienbanden, verbinden Deinetrios mit seinem Bruder Prochoros die gemeinsamen theologisch-philosophischen Ansichten, besonders die Wertschätzung der abendländischen Scholastik und die Ableh nung des Palatnismus, aber auch der Respekt vor der engagierten Frömmig keit dieses Athoslnönchs. 2) Im Fall des Astras tritt an die Stelle der persönlichen Erschütterung die Anerkennung seiner vielfältigen Begabungen und Leistungen. Es fällt aller dings auf, dass von seiner Bedeutung als Architekt - Astras leitete die Maß nahlnen zur Reparatur der teilweise eingestürzten Kuppel der Hagia So phia 1 40 - keine Rede ist. 3) Wer die geistige Vater-Sohn-Beziehung des Kydones zu Rhadenos an hand seiner Briefe studiert hat, 1 4 1 ist nicht überrascht, dass er lnit tiefer Trau er auf den plötzlichen Tod des jungen Mannes, der ihIn so viel bedeutete, re agierte, zumal jener trotz aller Warnungen Kaiser Manuel auf dem Weg zur
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Br. MERCATI(8 1 ). Br. 98(64). Br. 363(349). Br. 225(202). Br. 273(284). S iehe TINN E FELD, Kydones 1/ 1 , 250 mit Anm . 3 . Siehe TINN E FELD, Rhadenos, aber auch George T . DENNIS, Rhadenos oj Thessalonica, COl'respondent ojDemetrius Cydones, Bu(,avnva 1 3 , 1 ( 1 985) 26 1 -272.
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Unterwerfung unter die Osmanen gefolgt war, der nach Ansicht des Kydones geradewegs ins Verderben führte. 4) Die Trauer um den Tod von Manuel Kantakuzenos ist vor allem von Dankbarkeit für erwiesene Gastfreundschaft geprägt. 5) Über den Tod des Francesco Gattilusio ist Kydones besonders erschüttert.
Auch hier spielt der Dank für Gastfreundschaft eine Rolle, entscheidend aber sind die Todesumstände des Herrschers von Lesbos, der zusammen mit zwei Söhnen ganz plötzlich durch ein Erdbeben aus dem Leben gerissen wurde. Nur bei diesem Todesfall spricht Kydones vom Weinen, das allein noch ihn trösten könne, und von den Schattenbildern der Getöteten, die ihn ständig verfolgten. 3 .4.2 Kondolenzbriefe
Ein Kondolenzbrief im engeren Sinne, also eine Totenklage zur Tröstung ei ner anderen Person, 1 42 ist Brief 68(88), 1 3 7 1 /72 einem Freund in einflussrei cher Stellung anlässlich des Todes seiner Gattin gewidmet. Kydones betont zwar auch hier eingangs seine eigene Betroffenheit, allerdings, wie er aus drücklich bemerkt, um der Freundschaft willen: "Die Freundschaft zwingt uns, dein Unglück für trauriger zu halten als unsere eigenen Leiden." 1 43 Dar auf geht er alsbald zu tröstlichen Üb erlegungen über. Vor allem die Tugend haftigkeit der Frau könne die Trauer lindern, denn sie könne sich einen gnä digen Gott erhoffen: "Doch ihre Tugend soll nun auch wieder den größten Teil der Trauer um sie tilgen, und wenn du klagst in der Erinnerung, welche Hilfe sie dir bedeutete, dann freue dich an dem Gedanken, dass sie nun beim Kampfrichter der Tugend angekommen ist. 1 44 " Und er fährt fort: "Wenn sie dich stets hat teilhaben lassen an all ihren Gütern, wird sie dir nun wohl auch einen Teil von dem, was sie j etzt genießt, mitgeben, wenn freilich du sie nur nicht beklagst, als existiere sie nicht mehr, und nicht kleinmütig ihrer ge denkst." Der christliche Gedanke der Auferstehung ist hier erweitert zum Glauben an das Fortleben der Toten, die nun aus dem Jenseits liebevollen Kontakt zu den Lebenden aufnehmen können. Dieser Gedanke findet sich auch in Brief 1 24(52), Sommer 1 3 64, an den Freund Nikolaos Kabasilas, der um seinen verstorbenen Vater trauert. 1 4 5 Diesem empfiehlt Kydones außer1 42 Trostbriefe zu anderen Anlässen als Todesfcillen sind oben unter 2.2.2 besprochen. 1 43 Mit dieser Bemerkung deutet Kydones vielleicht seinen eigenen Schmerz über den so eben erfolgten Tod des Bruders an. 1 44 Das moralische Leben wird hier mit einem Wettkampf verglichen, ähnlich wie in NT 2 Ti. 4, 7; vgl. 1 Kor. 9, 24 (Wettlauf). 1 45 Dieser Brief wurde oben, 2.2. 1 unter der Kategorie "Rat" behandelt.
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dem, er möge im Glauben an ein eigenes glückliches Leben nach deIn Tode Trost suchen, ein Leben, das der vom baldigen Tod begrenzten Existenz im Diesseits weit überlegen sei. Ein Kondolenzschreiben ist auch die erste Hälfte von Brief 248(259), den Kydones im Spätsommer 1383 an seinen Schüler und Freund Rhadenos schrieb, um ihn über den Tod seines Bruders zu trösten. Deutlich ist hier sein Bemühen erkennbar, sein Mitempfinden der Trauer auszudrücken: "Du weißt ja, dass es mich schon oft, gleichsam zwangsläufig, betrübte, wenn dich ein Schmerz traf. Da ich also um dich besorgt war, dein Körper könne wegen deiner tiefen Traurigkeit zunehmend an Kraft verlieren und deine Seele wegen ihrer Sorgen wichtige Dinge vernachlässigen, drängte es mich, mit wenigen Worten - mögen es auch die üblichen sein - nach Möglichkeit deine Betrübnis um einiges zu lindern." Im Folgenden erklärt Kydones aber, warum er auf diese Form der Tröstung verzichtet: Die Trostworte sind schon zu abgegriffen, schon zu oft gesagt und gehen nicht über das hinaus, was Rhadenos sich auch selbst sagen könnte. "Wenn aber das Heilmittel sich schwächer zeigt als die Wunde, wird auch der Ratgeber zwangsläufig zum Schwätzer." Wirksamen Zuspruch könne sich Rhadenos nur von Gott erhof fen, der nach dem Psalmwort der Gott unseres Herzens sei 146 und daher von innen her Trost bringen könne. Kydones schließt aber nun doch mit der ba nalen Empfehlung, Rhadenos möge versuchen, sich von der Trauer abzulen ken, da am Tode des Bruders nun einmal nichts zu ändern sei. In Brief 337(324) kondoliert Kydones im Herbst 1386 einem namentlich nicht genannten Freund, dessen Vater, während er sich fern von Konstanti nopel bei "Barbaren" aufhielt, gestorben war. Kydones bekundet, dass er sei nen Schmerz teile, rät ihm aber, auch dies Ereignis mit seiner gewohnten Vernunft anzunehmen, zumal er den Verlust eines nahe stehenden Menschen wegen der grassierenden Pest mit vielen anderen teile. Ein weiterer Trost seien das hohe Alter des Verstorbenen und die Tatsache, dass seine Angehö rigen am Krankenbett für ihn gebetet hätten. Für seine Abwesenheit beim Tod des Vaters brauche er sich wegen der weiten Entfernung seines Aufent haltsortes von Konstantinopel keine Vorwürfe zu Inachen. Zu Lebzeiten des Vaters habe er es an der treuen Gesinnung eines guten Sohnes nicht fehlen lassen. Gewiss habe der Vater sich bei der Verteilung des Erbes daran erin nert. Er brauche sich also um die gerechte Vergabe des Nachlasses nicht zu
146 Anspielung auf AT Ps. 72, 26 (in der Zählung der Septuaginta): 6 8EGe; 'Iiie; KaQblae; /-l0U Kai. 11/-lEQle; /-l0u 6 8EGe; de; 'IGV alwva (Der Gott meines Herzens und mein Anteil ist Gott in Ewigkeit).
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sorgen; doch solle er nun sobald wie lnöglich nach Konstantinopel zuriick kehren, um seine Rechte wahrzunehmen. Einen sehr eindrucksvollen, ausführlichen Brief, 4 13(04 17), schrieb Ky dones an den Freund Tarchaneiotes, Uln ihm ZUln Tod seiner geliebten Gattin zu kondolieren. Schon der Anfang des Briefes zeigt, wie betroffen Kydones persönlich durch den Verlust war, den der Freund erlitten hatte: "Es gab Per sonen, die uns von dem schlnerzenden Pfeil, der dich getroffen hat, bereits vor deinem Brief berichtet haben. Wir sahen sie sofort als Feinde an und un tersagten ihnen, Übles zu berichten, weil sie sich, wie ich meinte, an der Er zählung schlüruner Dinge erfreuten, von denen sie keine sichere Kenntnis hatten." Mit diesen und den folgenden Zeilen will Kydones dem Freund mit teilen, dass er die Todesnachricht ihm zuliebe nicht wahrhaben wollte, bis sie dann sein persönlicher Brief bestätigte. So sehe er sich nun außerstande, Trost zu spenden, weil er sich selbst betroffen fühle und auch, weil er deIn Freund nichts Tröstendes sagen könne, was er nicht schon selbst wisse. 147 Im Folgenden findet Kydones aber doch einige Worte des Trostes, die entspre chend seinem Naturell als Intellektueller aus vernünftigen Überlegungen be stehen: "So empfehle ich dir, dich nicht an andere Ratgeber zu halten, son dern den Arzt in deinein Inneren aufzusuchen dich auf die fromInen Gedanken zu besinnen, die dir üruner schon vertraut waren". Dies sei vor allem die Einsicht, dass keineswegs Unerwartetes geschehe, wenn ein sterb liches Wesen sterbe, ja, dass das Sterben zugleich lnit der Geburt des Men schen beginne. Wer die Leidenschaften zügele, lnüsse auch die Maßlosigkeit der Trauer einschränken und einsehen, dass unvernünftige Trauer nur Scha den mit sich bringe. Vielmehr solle der Mensch sich in Gottes Willen er geben, der ihn in seiner Weisheit nicht ohne Sinn und Ziel leiden lasse und Leiden nicht zur Bestrafung, sondern zur Heilung verhänge. So gebühre Gott Dank nicht nur für das Angenehme, sondern auch für das Unerfreuliche. Im Übrigen geschehe nieinandem Unrecht, wenn er verliere, was er zu besitzen glaubte, denn niemand habe etwas in die Welt lnitgebracht. 148 Auch wisse der Mensch nie, ob das, was er sich gerade wünsche, auch das Richtige für ihn sei. Nun könne aber Tarchaneiotes noch einwenden, dass Haus und Kin der auf eine Hausfrau wie die Verstorbene angewiesen seien und die Über nahme häuslicher Arbeit für einen Mann ganz unerfreulich sei. Tarchaneio tes solle aber daran denken, dass er selbst in friihester Jugend seine eigenen Eltern verloren und trotzdem eine umfassende Bildung genossen habe, die 147 Ähnlich begründet Kydones im zuvor zitierten Br. 248(259) an Rhadenos den Verzicht auf Trostworte. 148 Hier zitiert Kydones NT 1 Ti. 6, 7.
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ihn befähigte, hohe Ämter, Macht und Reichtmn zu gewinnen. Dies alles, betont Kydones, habe er vorgebracht, nicht um einen Unwissenden zu beleh ren, sondern um den Freund zu ermutigen, sein Leben in die Hand zu neh men und sein inneres Gleichgewicht wieder zu finden. Analyse zu 3.4.2, KondolenzbrieJe
Bei dieser Briefgluppe steht zwar grundsätzlich auch eine dritte, die verstor bene Person im Mittelpunkt, aber zugleich auch die zweite, angeredete Per son, der die verstorbene Person näher steht als Kydones. So sieht er seine Hauptaufgabe darin, dem Adressaten Trost zuzusprechen. 1) Im Kondolenzbrief an den Freund Rhadenos 149 zum Tod seines Bruders
will Kydones zunächst auf Trostworte verzichten, weil er dem Adressaten nichts Neues sagen könne, versucht aber dann doch, ihm Zuspruch zu geben. Er verweist ihn auf die Hilfe, die er ün Gebet bei Gott finden könne, rät ihm aber auch, nicht zu sehr zu trauern, sondern sich Init dem Tod des Bruders abzufinden.
2) In den zwei Trostbriefen zum Tod einer verstorbenen Gattin zeigt er eine besonders tief empfundene Anteilnahme: Einen nmnentlich nicht genannten Freund tröstet er mit einem Lob für die Tugend, also die eheliche Treue der Verschiedenen, die über den Tod hinaus andauere. Wie sie ihren Mann im Leben an allen ihren Angelegenheiten habe teilhaben lassen, so werde sie IO illln auch vom Hünmel aus im Tode nahe sein. S Nur im Brief an den Freund TarchaneioteslSl vermittelt er den Eindluck, er habe die ihn erschre ckende Todesnachricht zunächst nicht wahrhaben wollen. Dann versucht er, ihn mit Vernunftargumenten über den Verlust der Gattin zu trösten: Er führt die Allgemeinheit des Todesloses an, wmnt vor allzu großer Trauer und empfiehlt Ergebung in Gottes Willen, der das Leiden nicht zur Bestrafung, sondern zur Heilung auferlege. Der Mensch könne auf keinerlei Besitz An spruch erheben und wisse auch nie, ob das, was er sich gerade wünsche, gut für ihn sei. Natürlich entbehre der Freund die Hilfe seiner Frau bei der Ver sorgung und Erziehung seiner Kinder, solle aber daran denken, dass auch er früh Waise geworden sei und dennoch in seiner Jugend von anderer Seite die notwendige Zuwendung und Hilfe erfahren habe.
149 Br. 248(259). 150 Br. 68(88). 151 Br. 413(0417).
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3) Auch im Brief an einen Ungenannten, der mn seinen Vater trauert / 5 2 be schränkt sich Kydones auf Vernunftargumente: Er gibt zu Bedenken, dass der Adressat wegen einer grassierenden Pest die Totentrauer mit vielen teile. Tröstlich sei aber auch, dass der Verstorbene ein hohes Alter erreicht habe, und das Gebet seiner Angehörigen am Totenbett lasse hoffen, dass ihm die ewige Seligkeit zuteil werde. Der christliche Glaube an ein ewiges Leben spielt also in den Trostbriefen des Kydones zwar durchwegs eine Rolle, wird aber ünmer mit Vernunft überlegungen kombiniert.
3.5 Indirektes Lob dritter Personen Neben dem direkt an die betroffene Person gerichteten EnkomionI 5 3 finden sich - wie im Falle des Tadels - in der Korrespondenz des Kydones auch Beispiele für das indirekte, auf dritte Personen bezogene Lob. I 54
3.5 .1 Indirektes Lob auf Angehörige des Kaiserhauses Zunächst sind einige Briefe zu nennen, in denen Kydones seinem früheren kaiserlichen Herrn, Kaiser Johannes Kantakuzenos, ein ehrendes Gedenken widmet, obwohl er ihm wegen seiner Mitwirkung bei der kirchlichen Ver urteilung seines Bruders Prochoros über längere Zeit gezürnt hatte. I 55 Hier ist zuerst eine längere enkomiastische Passage (Z. 7-20) auf den Exkaiser in Brief 200(232), geschrieben im Spätherbst 1 382 an einen Vertrauten des ver storbenen Despoten Manuel Kantakuzenos, zu nennen, die in der früheren Forschung übersehen wurde, weil der Exkaiser hier nicht namentlich ge 5 nannt wird. I 6 Demnach soll Kantakuzenos Konstantinopel in einer sehr schwierigen Zeit regiert und "gerettet" haben. Das kann sich nur auf die Jah re seiner Herrschaft in Konstantinopel, 1 347-54, beziehen, in denen er sich 152 Br. 337(324). 153 Siehe oben, 2.1 (Enkomion). 154 Soweit es sich um Verstorbene handelt, wurde das Lob auf dritte Personen bereits im Abschnitt "Trauer um Tote. Kondolenz" (siehe oben, 3.4) behandelt. Historische Verfas ser theologischer Schriften sind weiter unten in Abschnitt 3.5.3 berücksichtigt. Die Ab schnitte 3.5.1 und 3.5.2 beziehen sich auf lebende Personen. 155 Dazu ausführlich oben, 2.4.1.1, Br. 400(93). Es fällt allerdings auf, dass die drei hier zu nennenden enkomiastischen Passagen auf Kantakuzenos in dessen späten Jahren ge schrieben sind, zu einer Zeit, aus der kein Brief des Kydones an Kantakuzenos vorliegt. Dies spricht dafür, dass der direkte Kontakt zwischen Kydones und Kantakuzenos nach der Prochoros-Affäre wohl auf Dauer gestört war. 156 Siehe TINNEFELD, Kydones III, 18f., Kommentar, X2, auch zur übertriebenen Lobhude lei der Passage.
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allerdings keineswegs als der untadelige Herrscher erwies, der er gemäß die ser Passage gewesen sein sol1. 15 7 Als guten Dienstherrn während dieser Jahre preist ihn Kydones in einem anderen um diese Zeit verfassten Brief, 241 (231), geschrieben an Matthaios Kantakuzenos. Schließlich erwähnt er ihn auch in seinem langen Dankesbrief, 222(442), des Jahres 1392 an Kaiserin Helene, seine Tochter. Hier15 8 nennt er ihn einen Mann, der seinen Zunamen glänzend durch seine Taten bestätigt habe. 159 In dem zuvor erwähnten Brief 200(232), Z. 20-38, lobt Kydones auch o Theodoros 1. Palaiologos / 6 der soeben, im Jahr 1382, von seinem Vater Johannes V. zum Despoten der Peloponnes erhoben worden war. Kydones nennt ihn einen von Gott gegebenen Staatslenker, das Geschenk eines güti gen Schicksals. Er sei auf den Nutzen der Untertanen, nicht auf den eigenen Vorteil bedacht und werde die Anhänger seines Vorgängers Manuel Kanta kuzenos, also auch den Adressaten des Briefes, 161 wie Freunde behandeln, zumal er Bildung, rhetorische Begabung und Menschen mit gutem Charakter zu schätzen wisse. Dieses Lob am Anfang der Herrschaft des Despoten hat den Charakter von bloßen Vorschusslorbeeren in Anbetracht mancher Kritik, die Kydones später an ihm übte. 162 In Brief 279(248), 1383, an einen Finanzbeamten in Thessalonike, preist Kydones den damals dort seit einigen Monaten weilenden Kaiser Manuel H., in dessen Diensten der Beamte offenbar steht. Er vermerkt es positiv, dass der Kaiser den Wunsch hege, ihn, Kydones, an seiner Seite zu haben. Gern würde er diesem Wunsch entsprechen, zu ihm wie die dürstenden Hirsch kühe zur Quelle eilen und ein Leben lang bei ihm bleiben, wegen seiner be reits seit frühen Jahren gezeigten Besonnenheit, seiner Liebe zu den Studien, vor allem zur Philosophie, seiner Gesetzestreue, die ohne Arglist sei, und seiner völligen Hingabe an die Wahrheit. So fühle er sich von ihm wie von einem Magneten angezogen. Doch hindere ihn die Eifersucht seines kaiserli-
157 Vgl. Franz TINNEFELD, Idealizing Self-Centered Power Politics in the Memoirs 0/Empe ror John VI Kantakuzenos, in: TO EAAHNIKON. Studies in Honor of Speros Vryonis, Jr., vol. I, Hellenie Antiquity and Byzantiu111, ed. 1. S. LANGDON et al., New York 1993, 397-415. 158 Br. 222(442), Z. 98-100. 159 Überlegungen, wie Kydones zu dieser Deutung des Zunamens "Kantakuzenos" gelangt sein könnte, siehe TINNEFELD, Kydones IV, 270, Kommentar, Anm. 14. 160 Direktes Lob fiir Theodoros I. findet sich in Br. 336(318), siehe oben, 1.1.5. 161 Zu diesem siehe oben, Anfang des Abschnittes. 162 Siehe oben, 2.4.1.4.
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chen Herrn in Konstantinopel (sc. Johannes' V.), die Hauptstadt zu verlassen. 163 In Brief 382(361), geschrieben 1387/88 an einen kaiserlichen Bemnten namens Theodoros Palaiologos auf der Insel Lemnos, findet sich hohes Lob für den damals, nach seiner Flucht aus Thessalonike, auf Lemnos weilenden Manuel H.: Der Adressat könne sich glücklich preisen, dem Kaiser nahe zu sein, seinen Reden zu lauschen und durch seine beglückende Gegenwart auch persönlich positiv beeinflusst zu werden. Kydones, der nun bereits seit fünf Jahren die persönliche Anwesenheit des kaiserlichen Freundes entbeh ren musste, spricht es deutlich aus, wie sehr er ihn um die alltägliche Gesell schaft des Kaisers beneidet. In diesem Enkomion ist von der kritischen Ein stellung des Kydones zur fragwürdigen Unterwerfung Manuels unter den Osmanenbey Murad 164 keine Spur zu entdecken. Das Glück, in Manuels Nähe sein zu dürfen, schildert Kydones mit noch beredteren Worten in Brief 394(373), den er um dieselbe Zeit an Maximos Chrysoberges auf Lemnos schrieb. Bei Kaiser Manuel zu weilen, gehöre zum Schönsten, was man erleben und sich wünschen könne. Man erfreue sich der Gunst eines mächtigen Kaisers, könne sich dem Sirenengesang sei ner Reden hingeben und sich zugleich einen positiven Einfluss seiner gewin nenden Persönlichkeit auf den eigenen Charakter und das eigene Redetalent erhoffen. Die beiden letztgenannten Enkomien sind eine bestätigende Ergän zung zu den zahlreichen direkt an Kaiser Manuel gerichteten enkomiasti schen Briefen. 165 Analyse zu 3.5.1, Indirektes Lob aufAngehörige des Kaiserhauses 1) Von den Briefen mit indirektem Lob auf kaiserliche Persönlichkeiten sind die auf Johannes Kantakuzenos 166 die interessantesten, weil nur aus ihnen bekannt ist, dass Kydones auch nach der Prochoros-Affäre die positiven Sei ten seines ehemaligen kaiserlichen Herrn nicht übersah. 2) Das indirekte Lob auf den Despoten Theodoros167 widerspricht der anderwärts geübten direkten Kritik an ihm.168 3) Kydones, der Kaiser Manuel in zahlreichen direkt an ihn 9 gerichteten Briefen lobt, spart auch nicht mit deIn indirekten Lob für ihn. 16
163 164 165 166 167 168 169
Zu diesem Teil des Briefes siehe oben, 3.2.1. Siehe oben, 3.2.3. Siehe oben, 2.1.1.4. Br. 200(232), 241(231), 222(442). Br. 200(232). Siehe oben, 2.4.1.4. Br. 279(248), 383(361), 394(373).
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3. 5 . 2 Indirektes Lob auf diverse Personen Mit einer kurzen Bemerkung in Brief 1 90( 1 78), den er im Herbst 1 378 an seinen Freund Kalopheros schreibt, ehrt Kydones einen Kardinal der rÖlni schen Kirche, den er nach eigenem Bekunden bei seinem Romaufenthalt 1 369170 kennengelernt hatte, Agapito Colonna, damals ( 1 369-7 1 ) Bischof von Brixen, ab 1 37 1 Bischof von Lissabon, Kardinal 1 378 bis zu seinem Tod im Oktober 1 380.170 Diese kurze Passage ist die einzige Quelle für seine Bekanntschaft Init ihm, bezeugt aber eine so tief empfundene Freundschaft, dass sie hier ein wörtliches Zitat verdient: "Überzeuge die Besten, mit denen du auch selbst freundschaftlich verkehrst, dass wir sie lieben und bewun dern, mn meisten aber den edlen Agapetos. Seinesgleichen, sage ich dir, habe ich, obwohl ich dmnals vielen Leuten in Rom begegnete, bis jetzt kei nen gesehen." Näheres ist leider über diese Freundschaft nicht bekannt. Ein weiteres bemerkenswertes, gefühlsbetontes Lob auf eine dritte Person findet sich in einer Passage im einzigen Brief des Kydones an einen gewis sen Muzalon, einen sonst unbekannten hohen Bemnten Kaiser Manuels 11., 323(280), verfasst 1 383-86. Muzalon hatte Kydones geschrieben und den Brief durch seinen Sohn überbringen lassen. In seinem Antwortbrief betont Kydones eingangs, er müsse um der Freundschaft willen den Überbringer als seinen eigenen Sohn ansehen. Dies sei jedenfalls früher der Grund gewesen, warum er nicht nur ihn, sondern auch seinen Sohn geliebt habe. "Nach der Überbringung des Briefes aber fand ich, dass er auch um seiner selbst willen Zuneigung verdient. Denn er ist freundlich und von scharfem Verstand und über sein Alter hinaus in öffentlichen Angelegenheiten bewandert. Er bewies aber seine Erfahrung, als ich ihn nach deinem täglichen Tun fragte, weil er über alles so angemessen berichtete, wie wohl auch du selbst von dir gespro chen hättest, wenn du es genau hättest wiedergeben wollen. Ihn Inöge Gott dir und deiner Familie erhalten; verspricht er doch in der Blüte seines jetzi gen Alters sehr gute Früchte." Analyse zu 3.5.2, Indirektes Lob auf diverse Personen
Es sind also zwei völlig unterschiedliche Personen außerhalb des Kaiserhau ses, denen Kydones zu ihren Lebzeiten indirektes Lob zuteil werden lässt, ein hochrangiger Kleriker der römischen Kirche, den Kydones bei seinem Aufenthalt in Rom 1 369170 kennen und schätze lernte, und der Sohn eines guten Freundes, dessen gute Eigenschaften (Intelligenz und gute Umgangs formen) ihn bei der Überbringung eines Briefes beeindruckten. Der beson170 Zur Person: PLP 116.
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dere Vorzug dieser beiden Briefe ist das Fehlen von enkomiastischen Kli schees; denn Kydones orientiert hier sein freundliches Urteil nur an seinem persönlichen Empfinden. 3.5.3 Lob auf historische Verfasser theologischer Schriften Zwei Theologen früherer Zeiten bedenkt Kydones mit seinem Lob, den Abendländer Thomas von Aquin (dessen Werke er ins Lateinische über setzte) und den griechischen Kirchenvater Johannes Chrysostomos. Zu Eh ren des letzteren schreibt er einen Brief 406(0412) an einen Mönch namens Joasaph, der ihm einen Kodex mit seinen Predigten leihweise überlassen hat te. Er lässt ihn wissen, dass er ihn "immer allen, die jemals rhetorisch tätig waren, am meisten vorgezogen" und seine Sprache bewundert habe wie die des Terpander von Lesbos, der mit seiner Musik sogar Steine habe bewegen können. Er habe durch seine Redekunst nicht nur die Rhetoren seiner Zeit in Erstaunen versetzt, sondern führe durch sie die Zuhörer geradewegs zum Himmel. Mit noch höherer innerer Anteilnahme preist Kydones aber den in der rö mischen Kirche hoch verehrten theologischen Lehrer Thomas von Aquin. Wir wissen, dass Kydones seine philosophische Summa contra gentiles und einen großen Teil seiner Summa theologiae ins Griechische übersetzte und auch sonst zur Verbreitung seiner Theologie im orthodoxen Byzanz bei trug. 17 1 Zwei seiner Briefe sind dem Lob des Thomas gewidmet. Den ersten, 33(66), schrieb er etwa im Herbst 1365 an seinen Freund und Verwandten, den "Philosophen" Georgios Gabrielopulos. Nach einigen Ausführungen zu anderen Themen bemerkt er (Z. 46f.): "Groß aber war meine Freude, dich (... ) mit Thomas versöhnt zu sehen und deinen Vergleich seiner Dialektik 171 TINNEFELD, Kydones 1/1, 63, 1.1.1; 70f., 2.9. Zu den hier besprochenen Briefen siehe auch Franz TINNEFELD, Das Niveau der abendländischen Wissenschaft aus der Sicht ge bildeter Byzantiner im 13. und 14. Jh., Byzantinische Forschungen 6 (1979) 241-280, hier 271f., 277. Es sei hier angemerkt, dass die Erforschung der von Kydones und ande ren Autoren erstellten griechischen Übersetzungen des Thomas von Aquin und der von Kydones und anderen verfassten byzantinischen Traktate, die sich mit seinem Werk be fassen, vor kurzem von dem Arbeitsteam "Thomas de Aquino Byzantinus" übernommen wurde. Es handelt sich um ein internationales Projekt unter der organisatorischen Leitung von Dr. John A. Demetracopoulos (Patras), bei dem folgende Forschungsinstitute zu sammenwirken: das National Hellenic Research Foundation (Athen), Pontijicio Istituto Orientale (Rom), Istituto di Teologia Ecumenico-Patristica Greco-Bizantina "s. Nicola" (Bari), Thonws-Institut (Universität zu Köln), Katholieke Universiteit (LeuvenlLöwen), Hellenic Institute (University of London), Fundacion Tomils de Aquino (Navarra), Institut für mittelalterliche Philosophie und Kultur (Kliment Ochridski Universität, Sofia) ..
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mit den Rossen des Diomedes und den Labyrinthen zu lesen." Dieser Satz bezieht sich auf eine Bemerkung des Georgios in einem vorausgehenden Brief, die Kydones in Brief 97(63) Z. 54-57 zitiert: "Über Thomas aber sagtest du, es nähme dich Wunder, wenn einer noch törichteres Zeug zu re den vennöge, und du gabst mir den Rat, nicht länger sein Geschwätz zu stu dieren und so den Eindruck zu erwecken, die Spuren der Flöhe zu erfor schen." 17 2 Dieses harte Urteil hatte Kydones in seiner direkten Antwort bereits zurückgewiesen, aber erst in Brief 33(66) nilnmt er ausführlicher für Thomas Partei. Er konfrontiert seine Fonn der Aussage mit der von der dunklen Sprache des Mythos geprägten Philosophie Platons und stellt lobend fest, dass ThOlnas durch die Klarheit seines Stils in seinen Schriften sich selbst offen lege und bereit sei, für alles, was er sage, Rechenschaft zu ge ben. Auf die entscheidende Frage der Philosophie aber, was der Mensch hoffen dürfe, habe Thomas gegenüber den antiken Philosophen die bessere Antwort. 17 3 Das umfangreichste Briefenkomion des Kydones für Thomas von Aquin ist aber Brief 333(034 1 ) an Maxilnos Chrysoberges. Chrysober ges gehörte zum Kreis der jungen Leute in Konstantinopel, die Kydones als ihren Lehrer verehrten. In späteren Jahren trat er in den Dominikanerorden ein. Der vorliegende Brief setzt voraus, dass er soeben mit dem Studimn von Werken des Aquinaten begonnen hatte. Eingangs lobt ihn Kydones für diese Entscheidung und stellt ihm zugleich eine Vertiefung seines Glaubens in Aussicht. "Der Mann bietet ja zweifellos einen reichen Schatz von göttlichen Gedanken, und es ist kaum möglich, in seinen Schriften auch nur eine der Glaubenslehren nicht zu finden (... ). Als besondere Eigentümlichkeit seiner Schriften könnte man aber zweifellos bezeichnen, dass er auch die Über legungen, die zu einer negativen Beantwortung der Streitfrage führen, voran stellt, als ob sie von den Gegnern vorgebracht würden, und diese nicht aufs Geratewohl widerlegt, sondern so, dass auch jenen fortan nichts mehr bleibt, was sie dagegen anführen könnten; so sichert er von allen Seiten durch die Beweise das Untersuchte ab." Dies ist mit kurzen Worten eine Schilderung der scholastischen Methode, die Kydones so sehr faszinierte. Wegen seiner wissenschaftlichen Stringenz also empfiehlt Kydones dem jungen Mann die Lektüre des Aquinaten. Frei lich hatte Maximos zugeben müssen, dass er seine scharfsinnigen Gedanken gänge nicht ilnmer verstehe. Aber er solle sich, mahnt Kydones, hier nicht abschrecken lassen, sondern sich durch geduldige Lektüre und durch Nach172 Anspielung auf Aristophanes, Wolken, 144-152. 173 Vgl. zu diesen Überlegungen TINNEFELD, Kydones 1/2, 390f., Kommentar, Anm. 20, 22, 24, 26, 30-32, 35.
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3. Dritte Personen im Mittelpunkt
fragen bei Experten einem besseren Verständnis annähern. Es könne aller dings sein, dass die in jüngeren Jahren und neben der Tätigkeit im Staats dienst und zudem nur aus einer Handschrift erstellte Übersetzung des Kydo nes, die Maxünos benutze, fehlerhaft sei und das Verständnis des Textes verhindere. Auf jeden Fall solle Maximos das geduldige und zugleich kri tische Studium dieses großen Autors nicht aufgeben; dann werde er auch manche Schwierigkeit aufklären können. Analyse zu 3.5.3, Lob aufhistorische Verfasser theologischer Schriften
Bei Johannes Chrysostomos ist es die perfekte Rhetorik im Dienst des Glau bens, die Kydones begeistert, bei Thomas von Aquin die Klarheit seiner phi losophischen und theologischen Gedankenführung, verbunden mit der Prü fung jeder Aussage anhand von fingierten Einwänden, nach deren Widerle gung dem Vertreter einer abweichenden Meinung kein vernünftiges Gegen argument mehr verbleibe.
4. Politische Themen im Mittelpunkt
In diesem Abschnitt werden die Briefe des Kydones behandelt, die ausführli cher außenpolitischen Themen gewidmet sind (4.1.) und diejenigen, in denen er kritisch zur inneren Situation des Reiches Stellung nünlnt. 4.1
Außenpolitik
4.1.1 Das Türkenproblem Während der ganzen Lebenszeit des Kydones war die Eroberung Kleinasiens durch türkische Stälnlne seit etwa 1280 und die daraus resultierende Bedro hung des byzantinischen Reiches ein ständig fortdauerndes Problem. Die Si tuation verschlimmerte sich durch den Bürgerkrieg zwischen Johannes Kan takuzenos und den hauptstädtischen Regenten für den Ininderjährigen Kaiser Johannes V. in den Jahren 1341-47, weil beide Parteien zeitweilig türkische Territorialfürsten als Bundesgenossen gewinnen konnten und dadurch deren Macht und Ansehen noch verstärkten. Mehr und Inehr nahm vor allem die Macht der Osmanen zu, die im Jahr 1352 auch ün europäischen Gebiet des Reiches Fuß fassten. Es war der nun als Kaiser regierende Kantakuzenos, der osmanische Truppen mit ihren Familien in TZYlnpe auf der Halbinsel von Kallipolis ansiedelte. Als ihn sein Schwiegersohn, der Palaiologe Johan nes V., im Jahr 1354 endlich ZUln Rücktritt gezwungen hatte, erbte er von ihm auch das Türkenproblem. Nach einer längeren Vakanz betraute er De metrios Kydones, der schon unter Kantakuzenos leitender Staatsmann gewe sen war, wegen seiner Kompetenz notgedrungen, mit seinein früheren Alnt. Aber die Chance, die Türken, vor allem die Osmanen unter Orhan, aus byzantinischem Gebiet zu vertreiben, war verspielt. Bereits im Jahr 1359 be lagerten erstmals Türken Konstantinopel und eroberten die thrakische Fes tung DidYlnoteichon. In den Briefen 46(44) und 47(45) von 1358/59 sowie 31(49) von 1361 scheint Kydones auf diese bedrohliche Situation anzuspie len. I Brief 78(53), 1363, deutet auch schon eine Gefährdung Thessalonikes durch Türken an? Während dieser Jahre entwickelte Kydones sein Konzept, die Bedrohung durch den Islam mit Hilfe der abendländischen Christen abTINNEFELD, Kydones I/l, 271f., Kommentar, I, D; 276, Kommentar, II, ZG; TINNEFELD, 112, 311f., Kommentar, II, ZG. TINNEFELD, Kydones I/2, S. 328, Kommentar, II, ZG.
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Politische Themen im Mittelpunkt
zuwenden. Die erste Spur dieses Konzeptes findet sich in Brief 93(59) von 3 1 364. In diesem Abschnitt werden nur die Briefe besprochen, die nach der politisch erfolglosen Italienreise des Kydones mit Johannes V. die wach sende türkische Bedrohung nach 1 370 thematisieren. Bekanntlich hatte der Sieg der Osmanen an der Maritza über ein serbi sches Heer im September 1 37 1 auch negative Folgen für Byzanz: Kaiser Jo hannes V. wurde nach seiner Rückkehr aus Italien von Bey Murad 1. zu Tri but und Heeresdienst verpflichtet. Auf diese Situation bezieht sich Brief 1 94 ( 1 07), der etwa auf SOllliner 1 373 zu datieren ist. Der Brief ist an einen Be gleiter des Kaisers auf diesem Feldzug adressiert. Hier beklagt sich Kydones bitter darüber, dass der Kaiser seine Untertanen in Konstantinopel den Schi kanen der Türken überlasse, während er sich fern von diesem Geschehen aufhalte und wenig Grund habe, sich zu beklagen. "Freilich hat auch eure Lage ihre unangenehmen Seiten, und hinzu kommt noch das Schlimmere: die Schande (sc. wegen der schimpflichen Gefolgschaft, die der Kaiser dem Osmanen leiste). Aber das sind nur Funken gegenüber einer leuchtend em porlodernden Flamme, wenn man damit vergleicht, was wir zu erdulden ha ben. Denn es ist nicht dasselbe, nur bei den Barbaren zu weilen oder ihre Grausamkeit so wie hier verspüren zu müssen. An das Erstere habt ihr euch ja schon längst gewöhnt; ihr folgt ja schon dem Wink der Barbaren und regt euch wahrscheinlich über ihren Übermut gar nicht mehr auf. Uns aber über fiel der Schrecken unvorbereitet. Ihr habt wenigstens die Chance, als Skla ven zu leben, wir aber nur noch, nach dem Sklavendienst ausgelöscht zu sein. Eurer Qual ist noch Angenehmes beigemischt; wir hören ja, dass ihr mit ihnen ausreitet, auf die Jagd geht, Städte bestürmt und einnehmt, Sieges male mitten im Feindesland errichtet4 und alles andere tut, was nicht nur Freude macht, sondern bei allen Ehre einbringt, uns aber ist es ungewiss, ob unsere Schande die Trauer übertrifft oder umgekehrt. Daher erflehen wir uns in unserer ausweglosen Lage schon den Tod." Die Aneinanderreihung von Vergleichen der relativ angenehmen Situation des Kaisers und seines Heeres mit den Übergriffen der Türken im RamTI Konstantinopel, welche die dortige Bevölkerung zu erleiden hat, zeichnet ein vielleicht übertriebenes Bild, das aber den namentlich nicht genannten Adressaten im Gefolge des Kaisers si cher nicht unbeeindruckt ließ. 3
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Dieser Brief und die folgenden, die sich mit diesem Konzept befassen, werden in Ab schnitt 4.1.2 (Plädoyer fiir eine Zusammenarbeit mit den Lateinern gegen die Türken) be handelt. Anspielung auf die militärischen Erfolge, die Murad 1. dank der Hilfe des byzantinischen Kaisers erringen konnte. Vgl. TINNEFELD, Kydones I12, 548, Kommentar, 11, Xl.
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Im August 1376 hatte der Mitkaiser Andronikos IV. in Konstantinopel die Macht übernommen und sowohl seinen Vater Johannes V. wie auch den Mitkaiser Manuel, seinen Bruder, inhaftiert. Aus dieser Haft wurden beide im Juli 1379 durch die Hilfe von Murad I. befreit. Der Preis dafür waren al lerdings erneute Tributzahlungen und die weitere Verpflichtung, den Osma nen in Kleinasien Kriegsdienste zu leisten. Brief 220(213) setzt einen Auf enthalt Manuels bei den Osmanen zu einein Feldzug im Jahr 1381 voraus. Zwar haben sich Kaiser Johannes und sein aufrührerischer Sohn Andronikos inzwischen ausgesöhnt, aber umso bitterer vermisst Kydones seinen Freund Kaiser Manuel, der sich "in der Verbannung" aufhält und "gezwungen ist, nach der Laune der Barbaren zu leben." "Das lässt uns oft gar den Atem sto cken und uns in gänzlicher Verzweiflung nach der Schlinge und dem Schwert Ausschau halten. Wir erleiden aber dies nicht allein, sondern auch die Große Stadt (sc. Konstantinopel)." Zurückblickend kOlmnt aber Kydones in diesem Brief dankbar darauf zu sprechen, wie engagiert sich Manuel für die Verteidigung der Hauptstadt gegen den Aufrührer Andronikos und die Genuesen eingesetzt habe. Wahrscheinlich betont Kydones die positive Rol le Manuels auch deshalb so sehr, weil in der Vereinbarung zwischen seinem Vater Johannes und seinem Bruder Andronikos die Verdienste Manuels au ßer Acht blieben. Die türkische Bedrohung steht im Mittelpunkt einer größeren Zahl von Briefen des Kydones an Kaiser Manuel, als dieser sich in den Jahren 138287 zur Verteidigung der Stadt gegen die Türken in Thessalonike aufhielt. Hier seien nur die wichtigsten Briefe genannt. Nachdein Manuel anfangs offensiv gegen die Türken vorging und einige Erfolge verzeichnen konnte, war im September 1383 die Stadt Serres, die Kaiser Manuel 1371 nach der Schlacht an der Maritza für Byzanz aus serbischer Hand zurückgewonnen hatte, in die Hand der Osmanen gefallen. Damit war auch die Lage Thessa lonikes bedrohlicher geworden. Auf diese Situation bezieht sich Brief 289(272) an den Freund Rhadenos, verfasst im Spätherbst 1383. Der Anfang des Briefes beschwört mit treffenden Worten die dramatische Situation: "Wie soll Inan mit diesem furchtbaren Sturm fertig werden? Erscheinen doch stets die neu heranrollenden Wogen um vieles höher als die vorherigen, und bevor man sich von einem Schlag erholt hatte, kam schon ein anderer und stürzte, wen er traf, ins Verderben. Es erleidet dies aber nicht nur ihr, sondern auch wir, zu deren Vernichtung die Barbaren seit langem jegliche Vorbereitung treffen. Es ist ja undenkbar, dass die, welche es auf ein gerin-
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geres Ziels abgesehen haben, auf das wichtigere, das ihnen höheren Gewinn als jedes andere bringt, verzichten. So traf uns denn auch nach der Botschaft von der Eroberung der Stadt Serres (... ) das Schicksal von Chortiatu wie ein Pfeil mitten ins Herz." In der nun folgenden Passage spricht Kydones deIn Kaiser seine Bewunderung aus, lnit welcher Tapferkeit er, bis zum Einsatz des eigenen Lebens, Thessalonike verteidige. Ihln gilt seine Sorge, aber nicht weniger deIn Empfänger des Briefes Rhadenos, der bei Manuel ausharrt und sein gefahrvolles Leben teilt, obwohl Kydones ihn lieber an seiner Seite in Konstantinopel gesehen hätte. Das unveränderte Andauern der bedrohlichen Lage Thessalonikes be zeugt Brief 320(274) an Kaiser Manuel, verfasst etwa im Winter 1 383/84 oder etwas später. Er ist geprägt von tiefer Hoffnungslosigkeit: "Denn was sollte man noch erhoffen, wenn alle entweder schon versklavt sind oder das Joch des Barbaren6 der rhomäischen ( byzantinischen) Herrschaft vorzie hen und es für lächerlich halten - denn diese Stümnung herrscht sogar schon bei den Ernsthafteren vor -, wenn jemand der Sklaverei das Leben in Frei heit vorzieht? So haben alle den Verstand verloren und sind bereit, die Bar baren zu sich und in ihre Städte zu rufen." Diese Tendenz erklärt Kydones mit geistiger Verwirrung, die - wie bei Homer die Göttin des Streites Eris ihr Haupt bis ZUln Himmel (bzw. hier zu den Seelen) reckt. Kydones glaubt hier bereits eine Bereitschaft der Bevölkerung zum Abfall vom christlichen Glauben zugunsten des Islam zu erkennen. Doch noch hofft er, dass die Vor sehung durch Kaiser Manuel oder doch wenigstens für ihn eine Wende zum Besseren bringen werde. Voll düsterer Ahnungen ist auch Brief 294(288) an Kaiser Manuel, ge schrieben um dieselbe Zeit wie der vorgenannte. Kydones spricht nun von einer "Wolke der Mutlosigkeit, die das Land der Rhomäer bedeckt hält und alle veranlasst (... ), nur noch zu wehklagen, an die vielen Dinge, die ihnen geraubt wurden, und an die wenigen, die ihnen noch nicht geraubt wurden, =
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Gemeint ist das im Folgenden genannte Dorf Chortiatu östlich von Thessalonike; das wichtigere Ziel ist Thessalonike selbst. Murad 1. (1362-89), Bey der Osmanen. Der Verzicht auf die im westlichen Sprachge brauch verwendete Bezeichnung "Sultan" für Murad stützt sich auf die Ergebnisse des Aufsatzes von Irene BELDICEANU-STEINHERR, Analyse de la titulatllre d'Or!Jan sur dellx inscripfions de Brousse, Turcica 34 (2002) 223-240. Gemäß Beldiceanu ist der Titel "Sultan", der z. B. in Inschriften den ersten osmanischen Sultanen beigelegt wird, nur eine ehrenvolle Herrscher-Bezeichnung, aber noch nicht offizieller Titel. Während näm lich die Herrscher Orhan, Murad 1. und Bayezid in offiziellen Dokumenten wie Steuer registern noch als Beg bzw. Bey bezeichnet werden, erhält erst Mehmed 1. (1402 bzw. 1413-21) offiziell den Titel "Sultan".
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aber auch an die anderen Dinge zu denken, womit die, welche ein für allemal versklavt wurden, zu rechnen haben. Dieser Schrecken hält auch mich um fangen; er gestattet Inir nicht mehr, bei mir selbst zu sein und Inich an das Gewohnte zu halten, sondern raubt Inir den Verstand, lässt mich öffentliche Plätze und Versailllniungen meiden und Berichte von unglücklichen Ereig nissen scheuen, fesselt Inich an das Zimmer, belagert dort mit den arglistigen Anschlägen der Fama meine Seele, quält Inich mit langen Nachtwachen und der Sorge um schweifende Gerüchte und erfüllt meinen kurzen Schlaf mit Trugbildern und Ängsten." Die größte Sorge aber sei die um seine Vaterstadt Thessalonike. In dieser Situation könne er nur noch VOln Erlöser7 Trost er hoffen. "Iln Augenblick aber sehen wir, was man erhoffen könnte, nicht ein mal von feIne, und niemand wagt vorauszusagen, dass wir es einmal errei chen werden." Die Verzweiflung des Kydones ist also auch durch die christ liche Hoffnung kamn zu überwinden. Er beschwört sie zwar, aber eher for melhaft und abstrakt. Seine Empfindungen sprechen eine andere Sprache. Bis dahin lag der Schwerpunkt der Briefe in neunten Jahrzehnt des 1 4. Jh. auf der Situation Thessalonikes, aber mit Brief 306(306), Mai/Juni 1 385, an Kaiser Manuel kommt Kydones auch wieder deutlich auf die verzweifelte Lage Konstantinopels zu sprechen. Die Türken unter Murad I. verschonen Konstantinopel nur deshalb, weil der Kaiser es akzeptiert, ihnen zu dienen. Die Stadt hat zwar Ruhe vor militärischer Bedrohung, aber das Schicksal ih rer Bewohner unterscheidet sich kaum von deIn der Sklaven. Selbst die aus reichende Versorgung mit Lebensmitteln hat Konstantinopel mit den Skla ven gemeinsam. Im Übrigen aber ergeht es der Stadt nicht besser als diesen: Auch Konstantinopel hat den türkischen Herren Frondienste zu leisten und ist in jeder Hinsicht von ihnen abhängig. "So sehr haben wir uns schon an das Gehorchen gewöhnt, dass man über die Freiheit lacht, wenn jemand sie erwähnt." Vergleicht man dieses Schicksal mit der bedrohten Situation Thes salonikes, dann ergeht es dieser Stadt besser, denn ihre Bewohner sind noch keine Sklaven, und sie wehren sich mit Waffen gegen die Versuche, sie zu knechten. Es besteht also Hoffnung, dass sich ihr Schicksal noch wenden kann. Die Lage der Hauptstadt aber ist so hoffnungslos, dass Kydones ernst lich entschlossen ist, sie zu verlassen, zumal er wegen seiner konsequent tür kenfeindlichen Haltung dort mit ständigen Anfeindungen zu rechnen hat. So lässt er Kaiser Manuel noch im gleichen Jahr durch Brief 309(308) wissen, dass er bei seiner Entscheidung beharren wolle. Ein Verbleiben sei für ihn sinnlos geworden, weil Inan seinen dringenden Rat, die Selbstauslieferung
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Griech. aW'[rlQ, Jesus Christus.
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an die Türken zu vermeiden, ablehne und ihn darur beschimpfe. So könne er der Aufforderung Kaiser Manuels, in Konstantinopel auszuharren, nicht fol gen. Dennoch sollte es noch runf Jahre dauern, bis Kydones sich zu einer Reise nach Venedig entschloss, von wo er allerdings bald zurückkehrte. Kurz vor und kurz nach der Eroberung Thessalonikes durch die Türken im Frühjahr 1 3 8i ist je ein Brief des Kydones überliefert, und in beiden Briefen zeichnet sich das blanke Entsetzen ab, das Kydones über dieses Er eignis empfand. Kurz vorher verfasst ist Brief 3 62(325) an den Freund Tar chaneiotes9 in Thessalonike, der vom Schmerz und der Sorge um die Lage der Heimatstadt und des verbliebenen "Reiches" diktiert ist. Kydones schreibt: "Ich weiß, dass du mit Betrübnis diesen Brief empfangen und lesen wirst, da auch mich selbst, der ich ihn schreibe, der Jammer überkam und ich nicht mehr an mich halten konnte, sondern reichliche Tränen über mein Schreibheft vergoss, bei dem Gedanken, welcher Sturm, welche Wogen dich umtoben, die sich überhaupt nicht mehr beruhigen, sondern dir bald wenig, bald stärker zusetzen ( . . . ), dich jetzt aber gänzlich zu verschlingen drohen." Und Kydones vergleicht die Langmut, die Gott mit den Feinden des Reiches zeige, mit dem Schlaf Jesu im Schiff auf dem sturmbewegten See. Wie allein Jesus den Sturm beruhigen konnte, so sei es allein Gott, der jetzt noch eine Wende herbeiruhren könne. "Denn gegenwärtig ist alles dahin, die Gesamt heit des Reiches oder vielmehr dessen müdes Schattenbild; auch jenes ist ge storben und verbreitet schon seit vielen Jahren den Geruch der Fäulnis, und es bleibt nichts übrig, als dass Christus an das Grab tritt, den Toten ruft und ihn denen übergibt, die ihn von den Übeln befreien, mit denen er umschnürt ist." Ein dramatischer Vergleich: Wie Christus den bereits verwesenden Leichnam des Lazarus vom Tode erweckte, so kann er allein das Reich vom Tode erwecken; die Menschen sind mit ihrer Kunst am Ende. "Das schneidet mir in die Seele, das nimmt mir den Atem, das lässt mir Licht, Schlaf, Spei sen, Studien und alles, was die Menschen erfreut, unleidlich werden." Zu dem mache ihm die ganz persönliche Situation des Freundes Sorgen, und wenn er sich in seine Lage versetze, sei ihm das Leben eine Last und der Tod willkommen. Für sich selbst aber sehe er einerseits die Lage des Rei ches und persönliche Anfeindungen als ausreichenden Grund an, sich rur die Flucht aus der Heimat zu entscheiden. Andererseits könne er sich zu diesem Schritt dennoch nicht entschließen, "denn dem, was mich zu bleiben zwingt, kann ich nicht entrinnen, und es ist unmöglich, es zu beschwichtigen, son dern es will, dass ich bleibe, mich den Schicksalen der Stadt unterwerfe und 8 9
Zur Datierung, siehe oben, 2. 1 . 1 .4, Anm . 39. Zur Person siehe oben, 2. 1 .2, Br. 1 83(0 1 94).
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Schlimmeres erleide, als man selbst den Feinden wünschen kann." Damit will Kydones wohl sagen, er sehe es als moralische Verpflichtung an, bei 0 seinen bedrohten Landsleuten auszuharren. 1 Als erste Reaktion auf die Eroberung Thessalonikes durch die Türken, die ll spätestens am 7 . Mai 1 387 erfolgte, ist Brief 348(342) an Kaiser Manuel zu verstehen. Eingangs erklärt Kydones, warum er bisher nicht geschrieben ha be: Der Grund sei die große Betrübnis, die sein Herz umfangen halte. ,,sie verleidet mir das Essen, schreckt mich aus dem Schlaf, verleidet mir öffentli che Versammlungen, schränkt mein klares Denken ein und hindert mich, Freunde und Gesprächspartner überhaupt wahrzunehmen Denn das Schatten bild jener unglücklichen Stadt verharrt Tag und Nacht in meiner Seele, hält mich gefangen und lässt mich an überhaupt nichts anderes mehr denken. So sitze ich da, finde Trost für den Schicksalsschlag nur in meinen Tränen und meide wie Feinde alle, die meine Traurigkeit lindern wollen." Dann kommt Kydones auf Kaiser Manuel zu sprechen, sein unverdientes Schicksal, die persönliche Tragödie, welche der Fall der Stadt für ihn bedeute. Das in sei nen Augen Schlimmste aber ist die nunmehr drohende Sklaverei: "Jetzt kann man getrost die Behauptung aufstellen, dass ganz bestimmt kein Rhomäer der Sklaverei entrinnen wird. Denn alles, was man sieht und was geschieht, beweist, dass dies der Wille Gottes ist. Verzeih mir also, um Gottes willen, wenn mich das übergroße Unglück der Gedanken und der Stimme beraubt und ich deshalb schweige." Im Herbst des Jahres 1 387 traf Kaiser Manuel nach kürzeren Zwischen stationen auf den Inseln Lesbos und Tenedos am Hof von Murad I. in Bursa ein, da er keinen anderen Weg mehr sah, als sich dem Osmanen zu unterwer fen. In seinem zweiten Brief an Manuel nach seiner Ankunft am Hof Mu rads, 365(35 1 ), verfasst im Herbst 1 387, sieht Kydones seine Voraussage bestätigt, dass Byzanz endgültig in die Sklaverei geraten werde, und er erhebt gegen den Kaiser im Namen vieler, die seine Ansicht teilen, schwere Vorwürfe. 1 2 Die einzige Möglichkeit der Rettung sieht er nun darin, dass Manuel sich seinem Vater unterwerfe und mit ihm zusammen gegen die Türken zu Felde ziehe. Seine Mahnung an den kaiserlichen Freund ist von ungewohnter Schärfe: "Dass ihr aber nun endlich einmal zusammenkommt und in Übereinkunft für das, was noch verblieben ist, Verantwortung 1 0 Das moralische Pflichtgefühl des Kydones ist hier neben dem Willen des Kaisers, Kydo nes zurückzuhalten, und einer grassierenden Pestepidemie (vgl. TINNEFELD, Kydones Ill, S. 276, Anm . 6) doch das entscheidende Moment, das Kydones an der Abreise hindert. 1 1 Siehe oben, 2. 1 . 1 .4, Anm. 39. 1 2 Zu Br. 365(3 5 1 ) siehe auch oben, 2 . 1 . 1 .4, 2.4. 1 .3 und 3 .2.3.
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übernehmt, ist fortan nur von Gott allein zu erhoffen. Denn was wider die Natur ist, kann nur der heilen, der die Natur erschaffen hat. Was wäre aber auch der Natur feindlicher als ein Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn? ( . . . ) Wir rufen aber für euch Gott als Versöhner an, weil wir glauben, dass nur so den Rhomäern in ihrem Jammer noch vage Hoffnungen bleiben." Und er empfiehlt dem Kaiser den biblischen König David als Vorbild, der viele Anfechtungen zu erdulden hatte, obwohl Gott selbst ihn einen "Mann nach seinem Herzen" nannte. 1 3 Der Brief schließt mit der versöhnlichen Bitte, Manuel solle diese scharfen Worte nicht als hochmütige Zurechtweisung missverstehen. Auch er, Kydones, müsse vielerlei Anfeindungen erdulden, denen er sioh nur durch die Flucht werde entziehen können, aber den Schmerz seiner Abwesenheit möchte er dem Freund nicht antun. Bald danach richtete Kydones in der gleichen Angelegenheit einen weite ren Brief, 3 67(3 52) an Kaiser Manuel. Der Überbringer eines Briefes von Manuel hatte Kydones über die beklagenswerte Situation des Kaisers am Hof Murads berichtet. Diese Nachricht sei ihm so schrecklich, dass ihm so gar der Tod lieber wäre, und sie sei ganz unerträglich, wenn man Person, Abkunft, Erziehung, Ethos und Würde des Kaisers bedenke: "Am bedrü ckendsten von allem ist aber, dass der, welcher früher von allen bedient wurde, nun gezwungen ist, Nichtswürdigen zu dienen, alles nach ihrem Gut dünken zu tun und auch noch zuzulassen, dass die Seele durch den Umgang mit ihnen beschmutzt wird und Tag für Tag mit dem Gewissen im Streit liegt. Das verletzt umso mehr meine Seele, weil die Verhältnisse, die dich von Anfang an umgaben, nun in ihr Gegenteil verkehrt sind." Außer seinem schmählichen Sklavendienst sei also auch zu beklagen, dass Manuel durch den Umgang mit Muslimen als Christ seelischen Schaden nehme. Die Aus söhnung Manuels mit seinem Vater, die Kydones im vorausgehenden Brief noch dringend gefordert hatte, wird nun nicht einmal mehr erwähnt. Statt dessen ist nur von Anfeindungen Manuels "durch seine Verwandten" die Re de, womit Kydones zweifellos auf Manuels Vater anspielt, da es sich aus drücklich um Personen handelt, die "einen Anspruch auf Verehrung haben". Wahrscheinlich verwendet Kydones hier den Plural, um den Bezug auf J0hannes V. zu verschleiern. Analyse zu 4.1.1, Das Türkenproblem
1 ) Kydones beschreibt die Bedrohung des untergehenden byzantinischen Reiches durch islamisch-türkische Mächte Kleinasiens in einer Reihe von
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AT 1 Kg. (nach der Zählung der Septuaginta) 1 3 , 14.
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Briefen, welche eine ständige Steigerung der Gefahr erkennen lassen. In den Jahren 1 359-64 bleiben die konkreten Andeutungen über die militärischen Vorgänge ziemlich vage und münden schließlich in das von Kydones entwi ckelte Konzept gemeinsamer Abwehr der Türken mit abendländischen Mächten. 14 Bald nach der erfolglosen Italienreise wird Johannes V. von Bey Murad zum Heeresdienst in Kleinasien verpflichtet. 1 5 In noch größere Ab hängigkeit von Murad geriet Johannes V., weil er ihm die Befreiung aus der dreijährigen Haft zu danken hatte, die sein aufsässiger Sohn Andronikos ihm zumutete. Es scheint, dass damals auch der getreue Sohn Manuel dem Osma nenherrscher eine Zeitlang Kriegdienste leisten musste. 16 2) Die intensivste Korrespondenz über das Türkenproblem ist die zwischen Kydones und Kaiser Manuel während der Jahre 1 382-87, als Manuel ohne Auftrag oder Erlaubnis seines Vaters versuchte, eine türkische Eroberung Thessalonikes zu verhindern. Nach anfänglich großen Hoffnungen des Ky dones erwies sich die türkische Eroberung von Serres im September 1 383 als ein erster Rückschlag. 1 7 Von diesem Ereignis bis zur Mutlosigkeit in den Briefen des folgenden Winters 1 8 ist es nur noch ein kleiner Schritt. In einem Brief des Jahres 1 385 drängt sich wieder die verzweifelte Situation der Hauptstadt und der Sklavendienst, den sie dem Osmanenherrscher leistet, in den Vordergrund, beide Grund genug für die Entscheidung des Kydones, Konstantinopel zu verlassen/ 9 die ihm zunächst auch Kaiser Manuel nicht 0 ausreden kann. 2 Die Sorge des Kydones erreicht ihren Höhepunkt kurz vor dem Fall Thessalonikes. Dies bezeugt sein Brief an den Freund Tarchaneio tes, in dem er die Schrecken ausmalt, die seiner Heimatstadt bevorstehen. 21 Kaum in einem anderen Brief lässt Kydones seine Erschütterung so tief spü ren wie hier. Es geht j a nicht nur um seine Heimatstadt, sondern auch um die Hauptstadt, in der er lebt, und beider Schicksal ist Indiz für die verzweifelte Lage des Reiches. Er vergleicht es mit dem Leichnam des Lazarus, den nur Jesus Christus noch auferwecken könne. Aber gerade die tiefste Verzweif lung des Kydones hat eine überraschende Wirkung: Er gibt den Plan auf,
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Siehe unten, 4. 1 .2, Br. 93(59) und 1 03(69), beide an Simon Atumanos. Br. 1 94(1 07), 1 373. Br. 220(3 1 3), 1 3 8 1 . Br. 289(272). Br. 320(274) und 294(288). Br. 306(306). Br. 309(308). Br. 362(325).
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Konstantinopel zu verlassen, weil er eine moralische Verpflichtung sieht, in äußerster Bedrängnis der Stadt bei ihren Bewohnern auszuharren. 3) Die nächste Phase des Türkenproblems folgt auf den Fall Thessalonikes, als Kaiser Manuel, der die Stadt mit seinem Gefolge verlassen hat, sich Mu rad erneut unterwirft. Kydones versucht in seinen Briefen diesen Schritt Ma nuels unbedingt zu verhindern, aber ohne Erfolg. 22 Kaiser Manuel sieht in dieser Entscheidung die einzige Möglichkeit zu überleben, zumal sein Vater sich noch nicht mit ihm versöhnt hat. 4. 1 .2 Plädoyer für eine Zusammenarbeit mit den Lateinern gegen die Türken Als leitender Staatsmann unter Kaiser Johannes V. entwarf Kydones ein aus seiner Sicht allein wirksames Konzept, das byzantinische Reich vor der Tür kenflut zu retten: mit Hilfe der christlichen Mächte des Abendlandes. Dieses Konzept entwirft er zum ersten Mal in vollem Umfang in seiner auf das Jahr 1 3 66 zu datierenden Rede für ein Bündnis mit den Lateinern ? 3 Aber bereits in Brief 93(59), 1 364, an Simon Atumanos, einen zur römischen Kirche übergetretenen Byzantiner, nunmehr Bischof von Cassano in Kalabrien, sind die entsprechenden Grundgedanken formuliert. Kydones gratuliert Simon zu seiner Berufung auf den lateinischen Bischofssitz, welche "die Griechen ins gesamt,,24 ehre. Er kommt dann sichtlich enttäuscht auf ein in Rom geplantes Kreuzzugsunternehmen gegen die Türken zu sprechen, das mit der Verwirk lichung auf sich warten lasse. "So fragen auch schon die Türken mit Geläch ter, ob jemand über den Kreuzzug etwas erzählen könne." Es sei daher auch nicht zu verwundern, dass eine byzantinische Gesandtschaft an den Papst nicht zustande gekommen sei, denn in Byzanz habe sich die Meinung durch gesetzt, "es sei sinnlos, wenn man auf der Suche nach dem Unmöglichen Zeit und Geld verschwende und sich aufs Bitten verlege. Eher könne man damit rechnen, die Antipoden würden kommen und uns Waffenhilfe leisten, als die Franken." Und Kydones führt die bisherigen leeren Versprechungen an, vor allem aber den vergeblichen Versuch des lateinischen Königs von Zypern Peter I. Lusignan, im Abendland Waffenhilfe für einen geplanten Kreuzzug zu finden. Wie könne man also Hilfe erhoffen, da doch sogar ein Abendländer in seiner Hoffnung getäuscht werde? So habe man denn in By22 Siehe vor allem die Br. 365(35 1 ) und 367(352). 23 Beratende Rede an die Rhomäer ('Pwlla(ou; cruIlßouAcu'Wcoc;), auch "Oratio pro subsi dio Latinorum" genannt; siehe TINNEFELD, Kydones II l , 65, 1 .3 .4. 24 Griech. : '[0 KOLVOV '[wv 'EMi]vwv.
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zanz resignierend auf die Absendung einer Gesandtschaft verzichtet, doch habe Kaiser Johannes V. ein Schreiben an den Papst mit einer Wiederholung des Hilferufs verfasst. "Was jener (sc. der Papst) nun tun wird, das mag Gott wissen, ich aber gerate sogar selbst schon in Gefahr, mich der Meinung der Mehrheit anzuschließen und zu glauben, es werde Jahr für Jahr nur so gere det, um uns zu beschwichtigen." Man habe sich j a bislang nicht einmal zur Vorbereitung eines Kreuzzuges durchgerungen, geschweige denn, einen be gonnen. So schließt Kydones seinen Brief mit dem dringenden Appell, end lich zu handeln, sonst sei zu befürchten, dass Konstantinopel in die Hand der Türken falle, und bald müsse man dann auch im Westen ("irgendwo in Ita lien oder am Rhein") mit dem Erscheinen der Türken rechnen. 2 5 Es sei also klüger, j etzt schon dem Übel zu wehren, als sich selbst in eine heillose Situa tion zu begeben. Ca. dreieinhalb Jahre später, im Winter 1 367/68, schrieb Kydones wiede rum einen langen Brief, 1 03(69), an Simon Atumanos. Dieser war inzwi schen zum lateinischen Erzbischof von Theben erhoben worden, das damals zu dem von der sog. Katalanischen Kompanie beherrschten lateinischen Her zogtum Athen gehörte. Der Brief setzt eine inzwischen erfolgte schriftliche Einladung Kaiser Johannes' V. durch Papst Urban V. voraus. Simon hatte diese Einladung in einem (nicht erhaltenen) Schreiben an Kaiser Johannes V. kommentiert und ihn wissen lassen, er werde zu dieser Reise "Geld brau chen, und zwar reichlich, und ohne dies werde er nichts, was er braucht, er halten." Kydones weist Simon nun darauf hin, dass "die zutiefst verfluchten Türken" (oi KaKLurr ' a71o;\ou � EVOL TOUQKOL) die Byzantiner bereits so aus geplündert hätten, dass ihnen kaum Geld zur Reise übrig bleibe und sie da her vielmehr auf die finanzielle Hilfe der "Lateiner" angewiesen seien. Sie seien wie geschorene Schafe, denen die Türken von der Wolle nichts übrig gelassen hätten. Aus den folgenden Zeilen ist eine deutliche Irritation des Kydones zu entnehmen, dass die Lateiner sich hier als so habgierig erweisen. Man könne doch angesichts der verzweifelten Lage der Byzantiner eher Großmut von ihnen erwarten. Diesen Anspruch begründet Kydones mit fol gender Klimax: Erstens gebe es in Italien die reichen Adelsfamilien, denen es als Schande gelte, nicht freigebig zu sein. Zweitens sei es eine wichtige Erkenntnis ihrer Weisen, dass Philosophie und Habgier unvereinbar seien. Vor allem aber seien sie Jünger Christi, der die Armut zum Gesetz erhoben habe und ein Leben in Fülle schenke. Der geplante Besuch des Kaisers sei 25
Kydones erweist sich hier, mag er auch für die eigene Gegenwart übertreiben, als Prophet des Zukünftigen. Es sollte allerdings noch mehr als 1 50 Jahre dauern, bis die Osmanen ( 1 529) zum ersten Mal Wien belagerten.
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also für sie eine einmalige Gelegenheit, ihren Eifer für den christlichen Glauben zu erweisen. Entsprechendes möge Atumanos den Lateinern klar machen. Dann kommt Kydones noch auf das persönliche Anliegen zu spre chen, das ihm die Reise ins Abendland wünschenswert erscheinen lässt: Er möchte die westliche Philosophie und ihre damit eng verbundene scholasti sche Methode näher kennen lernen und erbittet sich von Atumanos Rat, an wen er sich wenden solle, um darüber weitere Auskunft zu erhalten. Trotz der hier beschriebenen Schwierigkeiten reiste Johannes V. im Som mer 1 369 nach Italien ab und traf im Spätsommer des Jahres in Rom ein, wohin sich bereits im Oktober 1 367 Papst Urban V. von Avignon aus bege ben hatte. Im Winter 1 369/70 schrieb Kydones aus Rom den Brief 39(7 1 ) an seinen Bruder Prochoros, in dem er die Reise in doppelter Hinsicht als ge scheitert bezeichnet: Zu der erhofften Begegnung mit den Vertretern der abendländischen Wissenschaft und zum Studium in den Bibliotheken Roms blieb keine Zeit, weil das Bemühen, von den Abendländern gegen die türki sche Bedrohung Hilfe zu erlangen, die Besucher aus Byzanz voll bean spruchte, mochte es auch nicht zum erhofften Erfolg führen. Er vergleicht sich mit einem, "der aus dem Hause zu einer Quelle eilt und sich bei ihr nie dersetzt, dann aber seinen Durst zu stillen vergisst, nur noch die Trinkenden zählt, danach zurückkehrt und das ungestillte Verlangen weiter mit sich he rumträgt." Dies war umso bedauerlicher, als Kydones persönlich in theo logischen Kreisen und beim Papst als ein Konvertit zur römischen Kirche durchaus angesehen war. Aber er war auch als Vertreter des Volkes von By zanz in Rom und musste es hinnehmen, dass man ihm die aus römischer Sicht irrigen Ansichten der Orthodoxie in Fragen der Theologie und der kirchlichen Praxis vorhielt und den "Übermut der Barbaren" als gerechte Strafe dafür bezeichnete. So konnte er nur die bittere Bilanz ziehen: "Wir ha ben hier nichts von dem erreicht, wofür wir uns eingesetzt haben." In der Tat brachte die persönliche Konversion Kaiser Johannes' V. zur römischen Kirche im Oktober 1 369 nicht die erwünschte Hilfe aus dem Abendland. Anschließend an diese Reise kam es zu einer Verstimmung zwi schen dem Kaiser und Kydones, die Kydones schließlich gegen Ende des Jahres 1 3 7 1 zum Rücktritt aus seiner hohen Position beim Kaiser veran lasste, 26 was dieser ihm übel nahm, weil er auf seine weitere Mitarbeit ange wiesen war. Nach einigen Schikanen gegen ihn lenkte Johannes V. schließ lich ein und versuchte Kydones nach dessen Rückkehr von einem Aufenthalt 26
Siehe unten, Anhang 11. , die an Johannes V. gerichtete autobiographische Rede des Ky dones mit dem Ersuchen um Entlassung aus dem kaiserlichen Dienst in deutscher Üb er setzung.
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in Mitylene auf Lesbos etwa ab Herbst 1 375 wieder für seine Dienste zu gewinnen. Aus dieser Zeit stammt Brief 1 40( 1 50) an einen Freund auf der Insel Naxos, der wohl wie Kydones selbst zur römischen Kirche übergetre ten war. Kydones berichtet ihm vom Besuch einer päpstlichen Gesandtschaft in Konstantinopel, an deren Empfang im Palast er auf kaiserliche Einladung teilgenommen hatte. Die Gesandten waren von dort zum lateinischen Erz bischof der von abendländischen Herzögen regierten Insel Naxos weiterge reist, und der Freund hatte Kydones berichtet, wie dankbar sie sich über ih ren freundlichen Empfang in Konstantinopel geäußert hatten. Kydones be gründet nun ausführlich, warum er so sehr um sie bemüht war: Er nennt zu erst den römisch-katholischen Glauben, den er mit ihnen teile, und betont auch, dass Papst Gregor XI. sein engagiertes Mitwirken bei ihrem Empfang ausdrücklich wünsche. Schon dessen Amt verlange Gehorsam, noch mehr aber die persönliche Freundschaft, die ihn, Kydones, seit den Tagen in Rom, als dieser Papst noch Kardinal war, mit ihm verbinde. 27 "War er uns doch damals so zugetan, .. dass er sogar über die Nächte, die uns voneinander trennten, ungehalten war!" Schließlich verweist er auch auf die politische Klugheit, die eine gute Behandlung der abendländischen Gäste erfordere, damit man sich nicht leichtsinnig ihr Missfallen zuziehe. Ein Jahr später, im HerbstIWinter 1 3 77/78, vertritt Kydones in Brief 1 67 ( 1 72) an den Freund Kalopheros zwar immer noch die Meinung, allein von der Kirche Roms sei Hilfe gegen die Türken zu erhoffen, aber andererseits erklärt er resignierend, er habe die Hoffnung bereits aufgegeben, "da an scheinend ein Dämon oder vielmehr unsere Sünden ihr entgegenwirken"; denn ein von Papst Gregor XI. ernsthaft geplanter Türkenkreuzzug war bis her dennoch nicht zustande gekommen. Dann aber fährt er fort: "Wir haben aber weder das Recht, die Hoffnung aufzugeben und nur zu klagen, noch darfst du, vom Schwindel erfasst, deine Bemühungen für das Vaterland auf geben." Und er bittet den Freund, der sich gerade an der Seite Gregors XI. auf der Reise von Avignon nach Rom2 8 befindet, ihn zur Hilfe für Byzanz zu bewegen. Papst Gregor, mit dem Kalopheros in Rom eingetroffen war, starb bereits im März 1 3 78, ohne etwas für Byzanz erreicht zu haben. Auf seinen Tod folgte eine zwiespältige Papstwahl. Im April 1 378 wurde zunächst Bartolo27
Zur Freundschaft des Kydones mit Pierre Roger de Beaufort, der als Papst den Namen Gregor XI. ( 1 370-78) annahm, siehe TINNEFELD, Kydones 111 , 24 mit Anm. 125, 32 mit Anm. 1 74. 28 Es war Katharina von Siena, die den Papst bewogen hatte, von Avignon nach Rom zu rückzukehren.
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meo Prignano, der sich Urban VI. nannte ( 1 3 78-89), sein Nachfolger, aber im September 1 378 wurde Kardinal Robert von Genf als Klemens VII. von französisch orientierten Kardinälen zum Gegenpapst erhoben. Damit brach das sogenannte Große Abendländische Schisma aus. In Brief 1 90( 1 78) an Kalopheros, der sich noch in Rom aufhält, spielt Kydones zweifellos auf dieses Schisma an, wenn er von Ereignissen im Abendland spricht, die alle Christen beunruhigen, weil nun sogar ihr Fundament, das Papsttum, ins Wanken gerate. Ferner äußert Kydones sein Bedauern, dass ein gemeinsamer Freund, Johannes Kyparissiotes, der Kalopheros in Rom getroffen hat und inzwischen in Konstantinopel angekommen ist, ihm keine Antwort von Ka lopheros auf Brief 1 67( 1 72) mitgebracht habe. In dem erwähnten Brief 1 90( 1 78), geschrieben an Kalopheros im Frühherbst 1 3 78, findet sich nun wieder eine längere Passage zum Thema der erhofften Türkenhilfe aus dem Abendland. Sie beginnt mit einer captatio benevolentiae: Gott wolle, dass die vortrefflichen Eigenschaften des Kalopheros auch anderen nützlich seien, und habe sie daher durch die Vergabe einer einflussreichen Stellung bei dem "Höchsten und Mächtigsten", also dem Papst - hier kann nur Urban VI. in Rom gemeint sein - noch verstärkt, der auf seinen Rat nicht mehr verzichten wolle. Und er fährt fort:" Du tätest recht, die Gelegenheit zu nutzen und den Gemeinsamen Vater zu bewegen, er möge sich der Söhne, denen der Unter gang droht, erbarmen und seine Fürsorge auch den Christen hier zuteil wer den lassen." Warte man doch in Byzanz in der gegenwärtigen Notlage allein auf die Hilfe der abendländischen Christen. "Wenn du den Papst zu dieser bewegen kannst, wirst du alle, die jemals etwas Edles getan haben, über treffen; denn du wirst die Menschen hier retten und das Abendland von der Zwietracht befreien, da du die Geldgier gewisser Leute wie einen Strom nach dem Osten ablenkst." Hier bezieht Kydones den Topos der Überbie tung, den er auch in anderen Zusammenhängen häufig verwendet, 29 auf den Freund, von dem er Hilfe durch Einflussnahme auf den Papst erwartet. Seine Wohltat werde alle anderen Wohltaten übertreffen, weil er durch seine Inter vention den bedrohten Landsleuten Rettung bringen und zugleich die Hab gier der Abendländer (die Kydones hier mit Verbitterung anprangert) auf die Feinde von Byzanz ablenken werde. In den achtziger Jahren suchte auch Kaiser Manuel auf der Basis von Unionsverhandlungen abendländische Hilfe gegen die Türken, als er sich zur Verteidigung der Stadt in Thessalonike aufhielt, und entbot im FebruarIMärz
29
Vgl. bei TINNEFELD, Kydones I-IV jeweils im Register unter 4.2 Rhetorik die Angaben zum Stichwort "Überbietung".
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0 1 3 85 eine Gesandtschaft an Papst Urban VI., 3 auf die Kydones in zwei Brie fen, 3 1 4(30 1 ) und 302(302) Bezug nimmt. Brief 3 1 4(30 1 ), 1 3 85, an einen ungenannten Freund in Thessalonike geschrieben, begründet ausführlich, dass Kaiser Manuel in der Person des Mönchs Euthymios, eines entschiede nen Anhängers der orthodoxen Lehren, einen ungeeigneten Leiter der Ge sandtschaft bestellt habe. Denn entweder werde er seinem Glauben treu blei ben und infolgedessen beim Papst nichts erreichen, oder er werde das sagen, was der Papst hören wolle, und dadurch seine Glaubensüberzeugung verra ten. 3 1 Um dieselbe Zeit, vielleicht sogar mit demselben Boten, sandte Kydones Brief 302(302) in derselben Angelegenheit an Kaiser Manuel persönlich. Er beginnt, wie auch sonst öfter in Briefen, die den Adressaten kritisieren, mit einem Lob für das positive Verhalten des Freundes: Manuel habe, den Be denken der mächtigen Hesychastenmönche3 2 zum Trotz, eine Gesandtschaft zu Verhandlungen über eine Union an den Papst geschickt. Dann aber kriti siert er, dass Manuel ihn über diese Gesandtschaft nicht im Vorfeld infor miert habe. Er hätte dann nämlich Empfehlungsbriefe an seine Freunde in Rom geschrieben, welche die Verhandlungen erleichtert hätten. Allerdings gibt er zu, dass er doch von anderer Seite vorab informiert war und einigen Personen, die von Konstantinopel nach Italien reisten, entsprechende Briefe an den Papst und einflussreiche Personen in Rom mitgegeben habe. Seine Kritik erreicht aber mit einem anderen Versäumnis Manuels ihren Höhe punkt: Er habe einen lateinischen Magister, der sich in Thessalonike aufhielt, beauftragt, mit der Gesandtschaft nach Rom zu reisen, habe aber ihm, Kydo nes, über diesen nichts mitgeteilt, obwohl er selbst für theologische Gesprä che im Vorfeld der Gesandtschaft der am meisten geeignete Dolmetscher hätte sein können. In diesem Zusammenhang betont er die Wichtigkeit eines theologischen Auftrages für die Verhandlungen solcher Gesandter. "Die Vertreter der Kirche würden ja nicht für Geld, Heiratsverbindungen oder an dere weltliche Güter Bundesgenossenschaft gewähren, sondern nur Reden über die Dogmen klingen ihnen angenehm, und sie lassen sich nur dann für 30 DENNIS, Reign, 1 36-1 4 1 ; BARKER, Manuel, 55f. 3 1 Zur Ironie in diesem Brief siehe die ausführliche Analyse oben, 3.3. 32 Kydones umschreibt sie treffend so: " . . . Leute . . . , die der Meinung sind, man könne Gott allein durch Hungern, bleiches Aussehen und den Rückzug in einen stillen Winkel vereh ren, und welche die mangelhafte Bildung für ein Gütezeichen der Tugend halten. Im Um gang mit ihnen wirst du ständig auf der Suche sein, was du zu deiner Verteidigung sagen sollst, und fortwährend in Verlegenheit sein, weil dein Tun so offensichtlich ihren ver hüllten Ratschlägen und Ermahnungen ( . . . ) widerspricht."
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Vorschläge gewinnen, wenn sie sich daraus das Einverständnis (sc. in Glau bensfragen) erhoffen könnten, für das sie sogar als Preis ihre Seele geben würden." Über solche Fragen also hätte Manuel mit dem Magister diskutie ren sollen, und dieser habe auch Entsprechendes angeboten. Aber der nahe liegende Gedanke, Kydones als Dolmetscher heranzuziehen, sei dem Kaiser anscheinend nicht gekommen; j edenfalls habe er in seinen Briefen an Kydo nes nichts darüber verlauten lassen. Er vergleicht dieses Verhalten des Kai sers mit dem eines Menschen, der in Flammen stehe und sie nicht in einer vorbeifließenden Quelle lösche. Die Kritik des Kydones schließt mit einem Versuch, nicht ganz frei von Ironie, das kritisierte Verhalten des Kaisers po sitiv zu deuten: Vielleicht war ihm diese Angelegenheit zu unbedeutend und einer Besprechung mit ihm nicht wert. Einige Monate später sandte Papst Urban VI. in Erwiderung der Gesandt schaft aus Thessalonike einen Legaten, vermutlich den lateinischen Erzbi schof von Patras Paolo Foscari / 3 nach Byzanz. Dieser hielt sich zunächst eine Zeitlang in Konstantinopel auf und traf etwa im Frühjahr 1 3 86 zu ernst haften Unionsverhandlungen mit Kaiser Manuel in Thessalonike ein. 34 Ob diese tatsächlich zu einer Vereinbarung führten, ist wegen unklarer Quellen lage - es fehlen gerade um diese Zeit Dokumente im Papstregister - umstrit ten. Gemäß Brief 327(3 1 6) an Kaiser Manuel (verfasst etwa im Sommer 1 3 86) sollen jedenfalls die Unions gegner in Konstantinopel behauptet ha ben, Thessalonike sei vom wahren Glauben abgefallen. Kydones selbst hat j edoch nach eigenem Bekunden von Kaiser Manuel keine Mitteilung über den Ausgang der Verhandlungen erhalten und kann sich auch auf keine an dere sichere Quelle stützen. Das Gerücht weiß allerdings von Gesprächen in freundschaftlicher Atmosphäre und der offiziellen Annahme des römischen Filioque (der römischen Lehre vom Ausgang des Heiligen Geistes auch vom Sohn); einige fügten noch die Anerkennung von Primat und Jurisdiktion des Papstes sowie die Unterordnung des Kaisers unter den Papst hinzu, und schließlich auch das Eingeständnis, dass die Orthodoxie den wahren Glau ben verfälscht habe. Er selbst, berichtet Kydones, sei ins Kreuzfeuer der Kri tik geraten, weil er Kaiser Manuel als Gegenleistung für militärische Hilfe aus dem Abendland zu diesem Abfall von der Orthodoxie geraten habe. Er bezeichnet im genannten Brief die Unterwerfung unter den römischen Glau ben ausdrücklich als wünschenswert und tadelt die Unions gegner, vor allem die strikt unionsfeindlichen Hesychastenmönche, sie würden dem fluchwür33 Plausible Gründe fiir diese Vermutung nennt DENNIS, Reign, 1 42-144. 34 Über diese Gesandtschaft berichten drei Briefe des Kydones: 334(3 1 4), 335(3 1 5) und 327(3 1 6).
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digen Gesetz des Islam den Vorzug vor der Freiheit der Christen geben. Da ihre heftige Kritik sich auch gegen Kaiser Manuel richtet, bittet er diesen um Mitteilung, was denn nun wirklich vereinbart wurde, "damit wir entweder erfahren, dass die Ankläger die Wahrheit sagen, und als Verantwortliche schweigend die Schmähungen ertragen, oder belehrt werden, dass die Göttin Hesiods (= das Gerücht) lügt, und dann etwas haben, was wir diesen Frech lingen, die niemanden verschonen, zu deiner und unserer eigenen Verteidi gung entgegenhalten können." Ob und was Kaiser Manuel ihm auf diese An frage antwortete, ist unbekannt. Die erwünschte Militärhilfe aus dem Abend land kam j edenfalls nach wie vor nicht zustande. Analyse zu 4.1.2, Plädoyer für eine Zusammenarbeit mit den Lateinern gegen die Türken
1 ) Kydones sieht in einer Zusammenarbeit mit den Lateinern gegen die Tür ken die einzige Möglichkeit des Übedebens für Byzanz, macht sich aber kei ne Illusionen, dass sie auch tatsächlich zustande kommen werde. Dies zeigt bereits sein höchst kritisches erstes Schreiben an den konvertierten Byzanti ner Simon Atumanos, der eine Stellung im lateinischen Episkopat des byzan tinischen Gebietes bekleidete. 3 5 Die Skepsis hatte noch zugenommen, als Kydones an denselben Adressaten, der inzwischen lateinischer Erzbischof im griechischen Theben geworden war, einen weiteren Brief in der Angele genheit schrieb. 36 Papst Urban V. hatte nun zwar den Kaiser von Byzanz schriftlich eingeladen, aber Simon hatte in einem Begleitschreiben die Einla dung als sehr kostspielig kommentiert. Kydones tadelt daraufhin die un christliche Geldgier der Abendländer und ihr mangelndes Verständnis für die Armut der Byzantiner. 2) Kydones sollte mit seiner Skepsis Recht behalten. Dies zeigt vor allem sein nach der Konversion des Kaisers geschriebener Brief an seinen Bruder Prochoros, in dem er sich beklagt, die Reise nach Italien sei vergeblich ge wesen, vor allem, weil das erhoffte kriegerische Unternehmen gegen die Türken nicht zustande gekommen sei. 37 3) In der Folgezeit blieb es bei der Planung eines Kreuzzuges und beim Aus tausch von Gesandtschaften zwischen Ost und West, der auch in der Korres pondenz des Kydones kommentiert wird. So berichtet er von päpstlichen Gesandten in Konstantinopel 1 375 und von einem Kreuzzugsplan Papst Gre35 Br. 93(59), 1 3 64. 36 Br. 1 03(69), 1 3 67/68. 37 Br. 39(7 1 ), Winter 1 369/70.
2 14
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gors XI. 1 377/78. 3 8 Bei Ausbruch des Großen Abendländischen Schismas hofft er, sein Freund Johannes Laskaris Kalopheros werde auch in diesen wirren Zeiten auf den Papst einwirken, dass er den Türkenkreuzzug nicht aus 3 den Augen verliere. 9 Im Jahr 1 3 85 berichtet Kydones von einer Gesandt schaft, die Kaiser Manuel aus Thessalonike zu weiteren Verhandlungen nach Rom entboten habe. Er vermerkt kritisch, dass auch Gegner der römischen Theologie teilnahmen, und dass er sich von Kaiser Manuel als Dolmetscher 0 bei einem Glaubensgespräch übergangen fühlte. 4 Im Auftrag des Papstes kam im folgenden Jahr ein Legat zu Unions-, oder wohl richtiger, Konver sionsverhandlungen, nach Thessalonike. Über die Ergebnisse der Verhand lungen berichtet, leider nur sehr vage, ein Brief des Kydones. 41 Er hält eine Annahme des römischen Glauben durchaus für wünschenswert und tadelt die orthodoxe Kirche von Byzanz, vor allem die Hesychastenmönche, sie woll ten sich lieber dem Islam42 unterwerfen als die kontroversen Punkte des rö mischen Dogmas akzeptieren. 4.2 Kritische Stellungnahme zur inneren Situation des Reiches Wenn Kydones auch in der Bedrohung durch die Türken das politische Hauptübel sieht, so übt er doch auch an inneren Vorgängen in Byzanz gele gentlich scharfe Kritik. Im Folgenden werden nur die Briefe berücksichtigt, in denen diese Kritik besonders deutlich und ausführlich zum Ausdruck kommt. In den Jahren 1 36 1 /62 wütete im Gebiet des byzantinischen Reiches eine Pestepidemie. Kydones erwähnt sie in Brief 1 09(47) an Konstantinos Asa nes, der sich auf einer Insel in größerer Entfernung von Konstantinopel auf hält, und lässt ihn wissen, die Lage in Konstantinopel sei derzeit gefährlicher als das Seeungeheuer Skylla. Die Woge, welche die Stadt überschwemmt habe, sei stärker als jede menschliche Kunst und Erfindungsgabe. Sie kom me ja vom zürnenden Gott, der allein wisse, wann die Plage enden solle. Während das Volk dahinsterbe, retteten sich die politisch Verantwortlichen in weit entfernte Gegenden. Der Priester verzweifle an seinem Gebet, und es blieben nicht genug Menschen am Leben, um die vielen Toten zu begraben. So bestehe Gefahr, dass die Stadt, die alle hervorgebracht habe, nun für alle 38 39 40 41 42
Br. 140( 1 50), 1 67( 1 72). Br. 1 90( 1 78). Br. 3 1 4(30 1 ) und 302(302). Br. 327(3 1 6). Kydones lehnte die Religion des Islam kompromisslos ab; vgl. oben, 1 .4. 1 (Verteidigung der eigenen Glaubensüberzeugung), Br. 328(3 1 7).
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zum gemeinsamen Grab werde. Jedenfalls brauche Asanes nicht zu trauern, dass er fern von Konstantinopel leben müsse. "So reise denn von Insel zu In sel, schaue dir Häfen an, singe mit den Ruderern und sättige dich mit Gers tenbrot und Knoblauch. Wenn aber Gott versöhnt ist, mag dich ein gütiges Geschick auch einmal selbst hierherführen. " Kydones deutet also hier klar an, dass der Kaiser und seine Beamten mit der Epidemie überfordert waren und vor ihr die Flucht ergriffen, statt Hilfe für die Betroffenen zu organi sieren. Als Kydones im Sommer 1 3 7 1 unverrichteter Sache aus Italien nach Konstantinopel zurückkehrte, traf er dort eine schwierige Situation an. In ei nem Brief, 22(77), an den Despoten Manuel Kantakuzenos, den er auf der Heimreise in Mistras besucht hatte, schildert er ihm ausführlich die verwor rene Lage in der Hauptstadt. Das Vaterland, zu dem er eilends habe zurück kehren wollen, sei für seine Bewohner gefährlicher als die Skylla gewor den. 43 Mit dem sprichwörtlichen Ausruf "Nichts Heiliges ! ,,44 gibt Kydones zu verstehen, dass in dieser Stadt nichts Positives zu finden sei. So suche er nach den Flügeln des kunstfertigen Daidalos, um sich aus dieser unleidlichen Situation zu retten. Am liebsten möchte er alsbald zurück auf die Peloponnes reisen, wo es ihm bei dem Despoten wohl ergangen sei. Aber in dieser schwierigen Lage sei auch das Reisen eine Mühsal. Der Brief beschränkt sich auf Andeutungen und nennt nicht ausdrücklich, was er beanstandet, aber der um dieselbe Zeit verfasste Brief 34(78) an den Freund Georgios den Phi losophen, den er bei seinem Zwischenaufenthalt in Mistras wiedergesehen hatte, bringt Klarheit. Hier teilt Kydones mit, dass Johannes V. noch nicht in die Hauptstadt zurückgekehrt sei. Dessen Sohn und Mitkaiser Andronikos, der während der Abwesenheit seines Vaters mit den Regierungsgeschäften betraut war, habe ihn sehr freundlich behandelt, der streng orthodoxe Patri arch Philotheos aber habe ihn nach seiner Rückkehr mit Schimpftiraden überschüttet, weil er in Rom die Orthodoxie verraten habe. Dies sei umso bitterer, weil Kydones ihm in früheren Jahren einmal eine große Wohltat er wiesen habe, die er ihm j etzt schlecht lohne. Die negative Reaktion der Or thodoxie mag vielleicht nicht der einzige, aber doch ein sehr wichtiger Grund für die Unzufriedenheit des Kydones gewesen sein. Auf j eden Fall beschloss Kydones noch im gleichen Jahr, aus dem kaiserlichen Dienst aus zuscheiden, und trug Johannes V. bald nach dessen Rückkehr dies Anliegen
43 Zu diesem Bild siehe den soeben besprochenen Br. 1 09(47). 44 Zu dieser sprichwörtlichen Redensart s. TrNNEFELD, Kydones 1/2, 437, Anm. 6.
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VOr. 45 Der Kaiser nahm das Rücktrittsgesuch zwar an, aber, wie bereits ge zeigt wurde, widerwillig. 46 Kydones zog sich nun zwar in das Mangana kloster in Konstantinopel zurück, nahm aber doch hin und wieder Anteil am politischen Geschehen. Das deutlichste Beispiel dieser Anteilnahme ist Brief 1 1 4( 1 00) an einen befreundeten Hofbeamten, zu datieren auf 1 372/73, in dem er zwei habgierige Finanzbeamte, denen er die antiken Decknamen Chremylos und Iros47 gibt, heftig tadelt. Er beklagt sich, dass unter ihrem Einfluss sich vor allem die Lage der sozial Schwachen dramatisch ver schlechtert habe. Die unterdrückten Armen aber, sei zu befürchten, würden die Zwangsherrschaft bald abschüttelten wie ein Pferd, das mit Sporen ange trieben wurde; sie würden die Stadt plündern und ihre Bewohner verj agen oder ermorden. Dann wäre Konstantinopel einem Schiff vergleichbar, das im Sturm untergeht, weil die Seeleute miteinander in Streit geraten seien. 4 8 Der Adressat möge sich, bittet Kydones, gegen diese Schurken auflehnen und ih rem Treiben ein Ende setzen. Auch er selbst wolle sich nach Möglichkeit um den Schutz der Armen bemühen. Der Revolte des jungen Kaisers Andronikos im August 1 376 gegen sei nen Vater Johannes V. stand Kydones trotz dessen Versuchs, ihn wie schon im Jahr 1 3 7 1 durch einen freundlichen Empfang nach der Italienreise,49 so 0 nun erneut für sich zu gewinnen, durchaus ablehnend gegenüber. 5 Die Ablehnung nahm noch zu, als Andronikos nach der Flucht seines Vaters und 51 seiner Brüder aus der Gefangenschaft ( 1 3 79) seine Mutter, die von Kydo nes hoch verehrte Kaiserin Helene, mit ihren Schwestern Maria und Theo dora sowie mit ihrem Vater Johannes Kantakuzenos, ihrer Tochter Eirene und einigen Personen aus dem Gefolge Johannes' V. in Pera bei den mit ihm (Andronikos) verbündeten Genuesen als Geiseln eingekerkert hatte. Sie wurden dort schließlich wie Geiseln behandelt, nachdem Johannes V. mit 45
46 47 48
49 50 51
Siehe die autobiographische Rede an den Kaiser, die Kydones aus diesem Grund verfass te und diesem wohl auch vortrug: LOENERTZ, Cydones I, 1 8f. (§ 1 7-1 8). Siehe auch die deutsche Übersetzung unten, Anhang 11. Siehe oben, 3 .2. 1 , Br. 1 1 5(96). Chremylos ist in der Komödie "Plutos" des Aristophanes, Iros in der Odyssee ( 1 8, l ff.) jeweils ein Armer, der plötzlich zu Reichtum gelangt ist. Der in byzantinischen Quellen beliebte Vergleich politischer Unruhen mit stürmischer See wird hier mit einem der Situation angemessenen Zusatz versehen (Streit der Seeleu te). Siehe den zuvor zitierten Br. 34(78). Siehe oben, 2.6, Br. 1 54( 1 74). Siehe Tinnefeid, Kydones 11, 203f., Kommentar. Siehe auch oben, 1 .3, Br. 222(442), Z. 33-1 25.
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seinem Sohn Manuel aus seiner Haft im Anemasturm im Jahr 1 3 79 mit tür kischer Hilfe geflohen war. Auf die Haft der genannten Personen blickt Ky dones erstmals in Brief 224(220), ca. Mai 1 3 82, zurück, etwa ein Jahr, nach dem sie aus dieser befreit worden waren. Der Brief ist an die Leute aus dem Gefolge Johannes' V. gerichtet, Freunde des Kydones, die nun wieder an den Kaiserhof zurückgekehrt sind, während Kydones selbst sich an einem anderen Ort, wahrscheinlich in Mitylene auf Lesbos bei Francesco I. Gattilu sio aufhält. Er schildert auffallend realistisch und detailreich die Haftum stände der Adressaten im genuesischen Pera, so gleich zu Beginn des Briefes mit einer rhetorischen Frage, die an die erlittenen Unbilden anknüpft: "Wo sind denn j etzt die Widrigkeiten des vorigen Jahres; jene mehr noch übelrie chende als finstere Höhle, das Eisen, das die Füße einengte, das Brot der 3 Betrübnis, 5 2 der mit Tränen gemischte Trank, 5 der Barbar (der genuesische Gefängniswärter), der euch mit Stimme und Blick nicht weniger kränkte als bewachte, die Abwesenheit der Freunde, die Beschimpfungen und die Er wartung einer Zukunft, die stets noch schlimmer als die Gegenwart war?" An die Stelle des Gefängnisses ist nun die Freiheit getreten, die Finsternis ist dem Licht, der üble Geruch dem Duft der Baumblüten gewichen, und die ehemaligen Fesseln sind nichts weiter als Spinnweben. Dann beschreibt Ky dones mit lebhaften Worten die Freiheit, welche die Befreiten nun genießen können, nennt aber zwischendurch noch weitere unliebsame Details der Haft, so die primitive Waschgelegenheit, vor allem aber schwelgt er in Hy perbeln, wenn er die überall vorherrschende Nässe beschreibt: Unter den Bettgestellen ergossen sich Wasserquellen, von oben schwappten Wasser wogen in den Kerker hinein, so dass man sich in dem Raum eigentlich nur wie auf einem Schiff bewegen konnte. In einem zweiten Teil des Briefs malt Kydones dann aus, wie gut es seine Kollegen jetzt in der Nähe des leutseli gen Kaisers haben. Wie schon im Kommentar zu diesem Brief bemerkt, fällt hier bei aller Lobhudelei die Unsicherheit des Kydones gegenüber seinem kaiserlichen Herrn auf, vor allem, wenn er die Adressaten bittet, ihn bei ihm in Erinnerung zu bringen. 54 Zur Reihe der Briefe, welche die negativen Zustände in Konstantinopel beklagen, gehört auch 369(366). Hier, im Brief an einen Mönch, verfasst
52 Anspielung auf AT Ps. 79, 6 in der Zählung der Septuaginta. 53 AT Ps. 1 1 0, 1 0 in der Zählung der Septuaginta. 54 Näheres dazu, siehe TINNEFELD, Kydones II, 204, Kommentar, BKyd. Diese Unsicherheit verwundert, wenn man bedenkt, dass in den Jahren von 1 379 bis zum endgültigen Rück zug des Kydones aus dem Staatsdienst 1 3 86 eher eine Entspannung der Beziehung zwi schen Kydones und Johannes V. erkennbar ist.
4. Politische Themen im Mittelpunkt
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ungefähr 1 3 87-89, kritisiert Kydones die sittliche Verderbnis der Bürger von Konstantinopel, welche die Strafe Gottes herausfordere. Kydones beanstan det, dass seine Zeitgenossen bei ihrem Tun die Vernunft völlig ausgeschaltet haben und sich wie die Tiere nur von ihren Affekten leiten lassen. Gegen diesen Mangel an Sensibilität gebe es nur ein Heilmittel: die Gewalt, wie sie von Tierbändigern angewandt werde. Sie zwingen die Tiere nämlich zu Bo den, "zerren und würgen sie und versuchen sie so zu heilen." Analyse zu 4.2, Kritische Stellungnahme zur inneren Situation des Reiches
Folgende Aspekte tadeln die Briefe, die gegen Missstände im Inneren des Reiches gerichtet sind. 1 ) Die Unfähigkeit der Verantwortlichen, zur Zeit einer Pestepidemie den Betroffenen Hilfe zu leisten, 55 2) die herrschende theologische Strömung, der von Patriarch Philotheos und seinen Anhängern vertretene Palamismus, ist für Kydones nicht akzeftabel. Er stößt aber mit seiner Überzeugung auf Ablehnung und Intrigen. 5 3) Die Steuerpraxis der politisch Verantwortlichen schadet vor allem den sozial Schwachen. Das Volk wird sich die Habgier der Fiskalbeamten nicht auf Dauer widerstands los gefallen lassen. 5 7 4) Kydones lehnt die Revolte des Mitkaisers Androni kos gegen seinen Vater Johannes V. ( l 376-79) ab und weist seinen Versuch, ihn für sich zu gewinnen, entschieden zurück. 58 Die Ablehnung nimmt noch zu, als Andronikos seine eigene Mutter und weitere Angehörige ins Gefäng nis geworfen hat und ihnen unerträgliche Haftbedingungen zumutet. 5 9 5) Im Brief an einen Mönch tadelt Kydones die sittliche Verderbnis der Bürger von . 1 60 Konstanhnope .
55 56 57 58 59 60
Br. Br. Br. Br. Br. Br.
1 09(47). 34(78). 1 1 4(1 1 0). 1 54( 1 74). 224(220), 222(442). 369(366).
5 . Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
Mit den Ausführungen in Abschnitt 4 ist das eigentliche Konzept dieser Un tersuchung "Briefthemen und literarische Form" durchgeführt. Im folgenden Abschnitt sollen aber noch wichtige Formalaspekte des byzantinischen Brie fes anhand der Kydonesbriefe behandelt werden. Ich beschränke mich auf die beiden wichtigsten und häufigsten epistolographischen Kategorien: 5 . 1 Beurteilung des Briefstils und 5 .2 "Schweigen" - Das Nichtbeantworten von Briefen. Zu beiden Aspekten liefert Kydones reichliches Material, das im Ganzen eine bemerkenswerte Vielfalt aufweist. 5 . 1 . Beurteilung des Briefstils Der Austausch und die Lektüre von Briefen diente in Byzanz nicht nur der Vermittlung von Informationen, sondern wurde auch, vor allem innerhalb der gesellschaftlichen Gruppe der literarisch Gebildeten, als ästhetischer Ge nuss verstanden. Man sammelte eigene Briefe und die seiner Freunde vor wiegend deshalb, weil man sie als literarische Dokumente verstand. 1 Nur so erklärt es sich, dass Äußerungen zum eigenen Stil oder zum Stil des Brief partners in der byzantinischen Epistolographie einen breiten Raum einneh men. 5 . 1 . 1 Der eigene Briefstil In Äußerungen über seinen eigenen Stil übte der Briefschreiber vor allem Bescheidenheit. Bezeichnend für die Mentalität des jugendlichen Kydones sind die Übertreibungen in der negativen Beurteilung des eigenen Stiles in den Briefen an Kaiser Johannes Kantakuzenos. So bezeichnet er in Brief 1 1 (3) ( 1 34 1 /42) das eigene Schreiben als "Geschwätz" eines Thersites und als "Unverschämtheit". In Brief 1 6(4) ( 1 342) bedankt sich Kydones für die freundliche Beurteilung seines Briefstils durch den Kaiser: "Ich hatte meine Worte vorher für schwach und schlecht gehalten, j etzt aber gibt dein Zeugnis ihnen eine größere Kraft als der Musik des Timo theos." Allerdings schreibt Kydones das Lob des Kaisers nicht seiner eige-
Vgl.
TfNNEFELD, Briefsammlungen,
381.
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5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
nen Fähigkeit, sondern dem feinen Empfinden des Kaisers zu, das sich sogar von "Schattenbildern" anregen lasse. In Brief 78(53), 1 363, zitiert Kydones die Kritik eines anonymen Adres saten an seinem lakonischen Stil. Der Grund der Kritik ist, dass der Freund mehr über sein Befinden wissen möchte, als Kydones ihm mitgeteilt hat: "Das ist offenbar der Grund, warum du mir befiehlst, mit den lakonischen Briefen aufzuhören und mich um Länge zu bemühen und sie nicht weniger schön als lang abzufassen. Doch habe ich weder jemals zu denen gehört, die so etwas können (sc. lange und zugleich schöne Briefe schreiben), noch hätte ich auch jemals dieses Glück ereicht - gestattet mir die Krankheie im übrigen, diese Fähigkeit auszuüben." Im weiteren Verlauf des Briefes gibt Kydones noch einen weiteren Grund für die Kürze seiner Briefe an: Der Adressat pflegt die Briefe in einem literarisch anspruchsvollen Lesekreis (8ECX'IQOV) vorzutragen, dessen Kritik Kydones fürchtet. Ein Freund hatte sich beschwert, die stilistisch schönen Briefe des Kydo nes entbehren zu müssen. Darauf antwortete Kydones mit Brief 9 1 (0 1 30), er sei zwar bereit, seinen Freunden in Notsituationen zu helfen, und besonders, sich bei anderen für sie einzusetzen, schöne Briefe aber seien allein die geis tige Leistung des Verfassers, der nicht immer in der notwendigen Stimmung sei. "Fordere also nicht Früchte der Muße und der Weisheit von denen, die sich niemals diese Fähigkeit angeeignet haben." Außerdem könne er sich mit dem anspruchsvollen Stil des Adressaten nicht messen. So möge es ihm ge nug sein, sich der alten Freundschaft und der gemeinsamen Studien zu er innern. Bescheidene Äußerungen über den eigenen Stil finden sich auch in Brie fen an den Freund Tarchaneiotes. Bemerkenswert ist eine längere Äußerung zu dem Thema in Brief 1 82( 1 47): Tarchaneiotes hat schöne und zugleich lange Briefe von Kydones erbeten und den Freund dadurch überfordert. Er, Kydones, sei weder ein Sack voll Worte, den man nur aufzubinden brauche, noch in der Lage, dem Geschriebenen auch noch Schönheit hinzuzufügen. Zwar versuche er begabten Rhetoren zu lauschen, um etwas von ihnen zu lernen, aber deren Nachahmung könne ihm nur Tadel einbringen. Er würde seine Zuhörer schon mit einer kurzen Rede langweilen, ihnen aber mit einer langen Rede geradezu eine Qual zumuten. Der Freund unterliege einer Täu schung, wenn er die Schönheit des homerischen Nireus 3 bei dem hässlichen 2
3
Zu der wahrscheinlich psychisch bedingten Erkrankung (Schwindel, Herzweh, Atemnot, Schlaflosigkeit), auf die Kydones hier anspielt, siehe. TINNEFELD, Kydones U2, 328, Kommentar, I, D und vor allem 3 1 8, Kommentar, II, BKyd. Gemäß Bias 2, 67 1-674 war Nireus nach Achilleus der Schönste der Dardaner vor Troj a.
5 . Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
22 1
Thersites suche oder von Krähen die Musik der Schwäne erwarte. Wohl könne Tarchaneiotes Briefe erwarten, die sich eher durch Vernunft als durch schönen Stil auszeichneten. 4 Kürze oder Länge aber müssten sich aus dem jeweiligen Zusammenhang ergeben. Eine scherzhafte Bemerkung über sei nen Stil erlaubt sich Kydones in Brief 435(394), April 1 390, an denselben Adressaten. Vor der Abreise nach Venedig schreibt er, noch in Konstantino pel, an den Freund, der nun auch in Konstantinopel wohnt, einen Empfeh lungsbrief für Paulus aus Mailand. 5 Diesen Brief schließt er mit den Worten: "Für den einfachen Stil des Briefes ( . . . ) ist teils wohl die mangelnde Bildung des Verfassers, teils aber vielleicht auch der Wind und der Kapitän zu be schuldigen, der zum Einsteigen drängte. Man könnte aber auch sagen, dass ich nun zu den Barbaren unterwegs sei und daher barbarisch zu reden habe." Im Munde des Lateinerfreundes Kydones ist die Bezeichnung der Abendlän der als "Barbaren" natürlich ironisch zu verstehen. Ein anderer Freund hatte sich beschwert, Kydones schreibe ihm keine Briefe in rhetorisch anspruchsvollem Stil. Er solle aber bedenken, antwortet er ihm mit Brief 1 0 1 (0 1 34), dass er nicht genügend begabt sei, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. So möge er mit dem zufrieden sein, was ihm möglich sei. Versprechungen, die der Adressat für schöne Briefe in Aussicht gestellt hat, sollten unter Freunden nicht nötig sein. "Denn wir wissen die Freunde, nicht die Gaben der Freunde zu lieben." Der in der Überlieferung folgende Brief 1 02(0 1 35) ist anscheinend etwas später an denselben Adressaten ge schrieben. Er hat inzwischen einen Brief von Kydones erhalten, aber darauf nicht reagiert. Kydones meint nun, dies sei nicht verwunderlich, denn er, Ky dones, habe stilistisch nicht die Erwartungen des Empfängers erfüllt, sondern einen so mittelmäßigen Brief verfasst, wie er angekündigt habe. Darüber sol le der Freund nicht enttäuscht sein. Kydones verspricht nun, es auch ihm nicht vorzuwerfen, wenn er seinerseits mit einem stilistisch bescheidenen Brief antworte. Etwas konkreter ist die Entschuldigung des Kydones für seinen mittel mäßigen Stil in Brief 1 05(0 1 36) formuliert. Er muss zu einer Zeit großer dienstlicher Belastungen im Kaiserpalast verfasst sein, denn ausdrücklich sind es diese, die ihn daran hindern, schöne Briefe zu schreiben. Hinzu kom men die Intrigen von Vertretern der Kirche, wohl vor allem von Patriarch Philotheos und seinen Anhängern, die ihm das Schreiben verleiden. An4
5
Im Griechischen (Z. 25f.) Wortspiel: . . . yvwflllC; flaMov Tl yAw'r'ITlc;. "Vernunft" ist hier für yvwflll wohl passender als meine frühere Übersetzung mit "Gesinnung" (TINNE FELD, Kydones H, 26). Zu diesem siehe oben, 3 . 1 .2, Br. 360(3 1 9).
222
5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
spruchsvollere Briefe könne der Freund erst erwarten, wenn ihm, Kydones, das Schicksal wieder günstiger sei. Ein anderer Freund hatte Kydones in einwandfreiem Stil für einen Brief gedankt, den Kydones selbst in Brief 1 1 3 (0 1 37) als recht mittelmäßig ein stuft. Jedenfalls freut er sich über die stilistisch recht ansprechende Antwort. "Erfreue also du uns mit der wahren Schönheit deiner Briefe; wir aber wer den dir, wenn es dir lieb ist, mit Schatten6 vergelten." So weist er auch in Brief 1 26(0 1 3 8) das positive Urteil des Freundes Nikolaos Kabasilas über seinen Stil als übertrieben zurück. "Führe also nicht Platon, Demosthenes und ihre Jüngerschar im Munde, wenn du uns schreibst, und glaube nicht, die Steine überreden zu können, sie seien Zikaden." Solches Lob treffe zwar für des Freundes Stil, nicht aber für den eigenen zu. Die Begeisterung eines namentlich nicht genannten kaiserlichen Finanzbeamten für seinen Stil dämpft Kydones in Brief 279(248), 1 3 83, mit der Erklärung, des Adressaten freundschaftliches Gefühl schränke seine Urteilskraft ein. Er solle auch nicht auf die entsprechend positive Reaktion seiner Freunde verweisen, denn es sei anzunehmen, dass sie ihm nach dem Munde redeten, um von ihm finanzielle Vorteile zu erhaschen. Mit bescheidener Ablehnung reagiert Kydones auch in Brief 263(252), 1 3 83, auf Pläne des Kaisers Manuel, seine Briefe zu sammeln und in ein Ko pialbuch einzutragen. Ein Mönch namens Akakios, den der Kaiser als Kopis ten gewinnen konnte, wird von Kydones ironisch getadelt und mit einer Stra fe bedroht, dass er ihn dem Tadel der Nachwelt ausgeliefert habe, weil er in schöner Schrift hässliche Texte, die als solche wohl mit Recht besser ver nichtet worden wären, der kommenden Generation bewahre. Etwa gleichzei tig schrieb Kydones auch an den Kaiser selbst Brief 326(256) und warf ihm vor, er wolle ihn durch Abschreiben seiner Briefe vor den künftigen Genera tionen desavouieren, enthielten sie doch mehr sprachliche Schnitzer als Wör ter. Wenn er ihn aber sogar wissen lasse, dass er in dem Kopialbuch noch Platz für weitere Briefe gelassen habe, so bleibe nur das Urteil: "So wenig Gespür für mein eigenes Können traust du mir zu, als würde ich mir von mehr Geschwätz mehr Lob erhoffen." Wenigstens in der Zukunft werde er sich noch mehr als jetzt bemühen, Fehler zu vermeiden und nicht weiter durch hässlichen Stil die großen Taten des Kaisers zu schmälern. In Brief 3 1 5(3 1 0), 1 3 83-86, setzt sich Kydones mit dem Lob Kaiser Ma nuels für den Stil eines soeben an ihn gesandten Briefes auseinander und zeigt sich nicht glücklich darüber, weil es zunächst seine Selbstgefälligkeit 6
Kydones bezeichnet die eigenen Briefe als Schatten, wie auch im zuvor zitierten Br. 1 6 (4).
5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
223
gesteigert habe. Dann aber sei er zur Besinnung gekommen und habe seinen Brief noch einmal durchgelesen. ,,Als ich nun darin nirgends das Bild der Nachtigall fand, mit der du meine Stimme verglichen hattest, gab ich Dünkel und Hochmut auf, überzeugt, es sei für Thersites schändlicher als j ede Schande, wenn er sich irrigerweise bei einem Vergleich mit dem Sohn des Peleus (also mit Achilleus) für schön hielte." Auch in Brief 393(375), 1 3 88, weist Kydones Manuels Lob für seine Briefe als voreingenommen zurück. In Brief 379(3 59), 1 3 87/88, begründet Kydones, warum er derzeit schö ne, lange Briefe, die Kaiser Manuel wünscht, nicht schreiben könne, mit ei ner tiefen Depression wegen der schwierigen Zeitlage und seiner persönli chen Situation. Manuel müsse sich einstweilen mit anspruchslosen, kurzen Briefen begnügen. In Brief 402(376), 1 3 88, an Maximos Chrysoberges, bewertet er seine ei genen Briefe als stilistisch mittelmäßig. Da er aber weitere Briefe wünsche, werde er ihm in Zukunft häufiger schreiben, allerdings anspruchslose Briefe, die er auf keinen Fall Kaiser Manuel zeigen solle. Das Thema seines eigenen Stils berührt er auch in Brief 403(377), 1 3 88, an denselben Adressaten. Er könne nicht verstehen, warum er sich Briefe von ihm wünsche, da er sich doch bei einem so glänzenden Stilisten wie Kaiser Manuel aufhalte. Dieses Urteil werde er bei einem Vergleich seiner (sc. des Kydones) Briefe mit de nen Manuels sicher teilen. Kydones fühlt sich in Brief 396(3 83), 1 3 89, erfreut und geehrt, weil Kai ser Manuel seine Briefe sammele, aber auch, weil er nicht weniger wertvolle Briefe von ihm, dem Kaiser, erhalte und erhalten werde. Auf die zukünftigen werde er mit Geduld warten, denn ein schöner Brief erfordere wie das Bild eines Malers auch seine Zeit. Dass Manuel die Briefe des Kydones schätzt, geht auch aus Brief 447(43 8), 1 39 1 , hervor. Hier zeigt sich aber auch, dass Kydones die Sorge nicht loslässt, sein Stil sei langweilig und unerfreulich: "Wenn ich also daran denke, verkrampft sich meine Hand, ich bin wie be täubt und fühle mich zum Schweigen verurteilt, weil ich sehen muss, dass dir kein Gewinn aus meinen Worten erwächst, mir aber Schande und das Ge fühl, durch leeres Gerede lästig zu fallen." Analyse zu 5. 1. 1, Der eigene Briefstil
Mit einer Bescheidenheitsgeste weist Kydones in der Regel jedes Lob für ei nen stilistisch gut geschriebenen Brief zurück. Wenn der Briefpartner seine Briefe dennoch lobt, müssen ihn, wie Kydones betont, andere Gründe dazu veranlasst haben, entweder die Fähigkeit, auch im Mittelmäßigen das Gute
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5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
7 zu entdecken oder allzu großes freundschaftliches Wohlwollen. 8 Mehrfach weist Kydones das Lob seines Stils mit der Behauptung zurück, die Briefe des Freundes seien den eigenen stilistisch weit überlegen. 9 Besonders kri tisch äußert er sich zu einer Sammlung seiner Briefe, die im Auftrag von Kaiser Manuel durchgeführt werden soll; sie verdienten nicht solche Wert lO sChätzung. Sein eigenes stilistisches Versagen erklärt er entweder mit sei ner allgemeinen Unfähigkeit, Briefe zu schreiben, 1 1 oder mit einer Erkran l3 kung 1 2 oder mit persönlichem Ärger oder mit einer Depression wegen der heillosen politischen Lage. 14 5 . 1 .2 Der Briefstil anderer Personen Die Äußerungen des Kydones über den Briefstil anderer Personen sind durchweg positiv. Davon gibt es nur wenige Ausnahmen. Zu den negativen Aspekten des Briefstils zählte nach Meinung des Kydones und vieler By zantiner die übertriebene Länge oder Kürze. Letztere tadelte er bei seinem Freund Konstantinos Asanes in Brief 1 09(47), 1 36 1/62, der mit den Worten beginnt: "Was soll man von dem allzu lakonischen Stil deiner Briefe halten? Hat dich selbst das ständige alberne Geschwätz der Seeleute nicht dazu ge bracht, deine gewohnte knappe Redeweise aufzugeben?" Und Kydones malt ihm nun aus, was er alles über die Schiffsreise, auf der er sich befindet, hätte berichten können, und beendet die Aufzählung mit den Worten: "All dieses hätte dir doch gewiss Anlass gegeben, geschwätziger als alle nur erdenkli chen Komödienspieler zu werden!" Bemerkenswert ist auch das Briefchen 66(0 1 25) an einen Ungenannten, vielleicht aus jungen Jahren des Kydones, das einen kurzen Brief des Adres saten tadelt, aber mit der geschickten Wendung beginnt: "Über den knappen Umfang deines Briefes trösten wir uns, entstammt er doch wenigstens deiner Hand und deinem Geist." Allerdings müsse er einwenden, dass kurze Briefe
7 8 9 10
Br. 1 6(4) an Johannes Kantakuzenos. Br. 279(248), 3 1 5(3 1 0), 393(375). Br. 1 1 3(0 1 37), 1 26(0 1 3 8) Br. 263(252) (hier tadelt er sogar den Schreiber, der seine Zeit mit dem Kopieren seiner Briefe verschwende), 326(256). 1 1 Br. 43 5(394). Vgl. auch Br. 1 82(147): Der Briefpartner überfordert Kydones mit dem Wunsch, lange und zugleich schöne Briefe zu schreiben. Vgl. auch Br. 9 1 (0 1 30): Kydo nes kann schöne Briefe nicht auf Bestellung schreiben. 12 Br. 78(53), 13 Br. 1 05(0 1 36). 14 Br. 379(3 59).
5 . Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
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zur geistigen Größe des Adressaten nicht passten; man solle große Kunst nicht in kleine Briefchen einschließen. In Brief 3 92(372), 1 3 88, fmdet sich die überraschende Kritik am Briefstil Kaiser Manuels, er verwende in seinen Briefen aus Platons Werken nur die Äußerungen der Sophisten als Stilvorbilder, statt sich auf den philosophi schen Gehalt dieser Werke zu konzentrieren. Nun aber zu den Briefen mit positiven Äußerungen über den Briefstil des Adressaten. 1 5 In Brief 1 2(5) von 1 342/43 lobt Kydones enthusiastisch den Briefstil des Kaisers Johannes Kantakuzenos: ,,0 welche Redegewalt! Laby rinthe der Peitho glaubte ich aufzurollen, als ich den Brief von edler Hand durchlas." Und Kydones betont, dass der Kaiser solche Briefe schreibe, ob wohl er ein militärisches Unternehmen zu leiten habe. Einem namentlich nicht genannten Kleriker beteuert er mit Brief 88(2 1 ), 1 347/48, ihn durch seinen Brief in mehrfacher Hinsicht erfreut zu haben, vor allem mit der Nachricht, seine Gesundheit habe sich gebessert, aber auch durch seinen Briefstil: "Deine Art zu reden, die nicht das geringste Gefühl von Überdruss aufkommen lässt, auch nicht, wenn man dir Tag für Tag zu hörte, erinnert mich an die Zunge Nestors und an die Worte, mit denen der Dichter (sc. Homer) ihren Redestrom schmückte." Besonders konkret beschreibt Kydones den ansprechenden Briefstil eines namentlich nicht genannten Freundes, dem er mit Brief 40(23), 1 347-54, nur einfach für sein Schreiben danken will: "Denn die Anmut deines Ausdrucks, die wohl abgerundete Ausgewogenheit der Figuren und Deine Redegewalt, die jeden Odysseus besiegt, dein knapper Stil, der zutiefst den Gegenständen und den Personen angemessen ist, und die alles durchziehende Harmonie, die an die Werke der antiken Schriftsteller erinnert, ließen alle ausrufen: «Protagoras ist bei uns zu Gast» und: «Er redet wie Demosthenes.»" Ein Brieflob besonderer Art enthält Brief 1 36( 1 1 5), 1 3 73174, geschrieben in Mitylene auf Lesbos. Er ist an den Verfasser eines Briefes gerichtet, der im Auftrag eines Despoten (wahrscheinlich Manuel Kantakuzenos) an ihn schrieb. Kydones nun lobt den Briefschreiber, dass er den Stil des ohnehin glänzenden Stilisten durch sein Zutun noch mehr veredelt habe. Freilich ist er auch deshalb über den Brief so erfreut, weil darin sein eigener Briefstil sehr gelobt wurde, was er trotz der üblichen bescheidenen Zurückweisung des Lobes durchaus als erfreulich würdigt. So verwundert es nicht, dass er sich von dem Adressaten noch weitere Briefe wünscht. 15
Im Folgenden werden nur Briefe genannt, in denen Kydones den Briefstil anderer Adres saten lobt. Briefe, in denen das Lob des Stils in ein umfassenderes Lob eingebettet ist, sind oben unter 2 . 1 besprochen.
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5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
In Brief 1 37( 1 1 6), 1 373, ebenfalls in Mitylene geschrieben, lobt Kydones den Briefstil eines langjährigen Freundes und insbesondere dessen Anmut, die schonend geübte Kritik an seinem Schweigen, die Sehnsucht nach seinen Briefen. Anlass des Briefes war das briefliche Schweigen des Kydones, auf das sich der Adressat bezogen hatte, aber so dezent und zurückhaltend, dass Kydones entzückt ist. So erklärt er ihm auch gern den Grund des Schwei gens. Kydones hielt sich auf der Insel Lesbos auf und musste annehmen, dass der Freund auf einer Reise dort vorbeikommen werde und sie sich dann persönlich treffen könnten. Ein weiterer Brief aus Mitylene, 1 3 8( 1 1 7), 1 3 73/74, spielt auf die barba rische Umgebung an, in der sich Kydones aufhält; sie lasse den schönen Brief des Freundes als umso wertvoller erscheinen. Er beginnt mit den Worten: "So sehr freute ich mich, als ich deinen Brief erhielt, wie die Wein kenner, wenn sie bei den Hyperboreern 16 Thasoswein zu trinken bekommen. Denn für uns bedeutet es hier schon viel, auch nur ein griechisches Wort richtig gesprochen zu hören. Du aber hast uns so viel und in so schöner For mulierung geschrieben und damit bewirkt, dass wir uns noch mehr freuten als j ene, von denen ich sprach! Natürlich hast du uns darin an die gemeinsa men literarischen Studien und an unsere gewohnte Beschäftigung erinnert, wenn wir beisammen waren. Höre also nicht auf, sowohl daheim Derartiges abzufassen wie auch uns zu senden, solange es immer möglich ist! Diesen Wunsch widme ich dir statt einer anderen Gegengabe für deinen Brief." Die Freude des Kydones an diesem Brief wird umso verständlicher, als er ihn zu sammen mit einem Schreiben der beiden Kaiser Johannes V. und Manuel erhielt, das recht unfreundlich formuliert war und ihn enttäuschte. Kydones deutet aber im weiteren Kontext auch an, dass der Freund sich nicht in er hoffter Weise bei den Kaisern für ihn eingesetzt habe. In Brief 52(0 1 22) dient das Lob für den schönen Stil des Briefpartners vor allem dazu, den Tadel für sein übertriebenes Lob, das er über Kydones in 7 einem früheren Brief ausgesprochen hatte, einzuleiten. 1 Der Adressat wird gelobt, er schreibe wie Demosthenes, wisse seine freundschaftliche Zunei gung überzeugend auszudrücken und könne sich als Redner sogar mit dem homerischen Nestor messen. Lobend äußert sich Kydones auch über die Briefe des rhetorisch gebilde ten Freundes Tarchaneiotes. In Brief 1 83(0 1 94) schreibt er zum Thema Fol gendes: "Würdig der Zeitumstände, der Freundschaft und unserer Erwartung hast du den Brief vollendet. Daher glaubte ich beim Lesen nicht den Worten 1 6 Ein barbarisches Volk im fernsten Norden. 17 Siehe oben, 1 .6.
5 . Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
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eines Kriegsmannes, sondern eines Lehrers der Beredsamkeit, der zudem noch um die Abfassung von Briefen sorgfältig bemüht ist, zu begegnen, so gefestigt war das gedankliche Konzept, so entsprach ihm die Anmut der Worte, und so ergab sich aus beidem zusammen eine wundersame Kraft der Aussage." Bewunderung für den Briefstil des Freundes hatte Kydones bereits in dem wahrscheinlich früheren Brief 1 7 4( 1 7 1 ) aus dem Jahr 1 376 angedeutet, indem er sagte, die Anmut seines vorausgegangenen Briefs lasse erkennen, dass er mit (dem gerne zitierten Stilvorbild) Demosthenes völlig vertraut sei. Auch der Anfang von Brief 1 76( 1 77) votiert in dieselbe Richtung: Tarcha neiotes habe Kydones durch die Schönheit seiner Worte bezaubert, und die Musenkunst seines Briefes habe ihn sogleich herausgefordert, einen Gegen gesang anzustimmen, "und haben wir auch nichts Gleichklingendes und Ge fälliges zu singen, so geraten wir doch durch deine Weisen in Schwingun gen, wie man es von den Steinen beim Klang der Lyra Terpanders 1 8 erzählt." Auch in Brief 1 83(0 1 94) preist Kydones den Briefstil dieses Freundes, ins besondere die Harmonie zwischen dem gedanklichen Konzept und der An mut der Worte. Dass der Freund ihn bat, seinen Stil zu korrigieren, weist er als Heuchelei zurück. Der Stil des Freundes sei die Regel selbst und könne unmöglich korrigiert werden. Er solle daher alles für die rhetorische Bildung seiner Landsleute tun. Auch der Briefstil seines Freundes Manuel Raul Metochites sagt Kydo nes zu. In Brief 1 50( 1 5 5), 1 374175, dankt er ihm für seine Antwort auf Vor würfe, die er ihm wegen Säumigkeit im Schreiben gemacht hatte. Die ge schliffene Rhetorik dieser Antwort habe er als Zeichen seiner Freundschaft verstanden, dazu auch die Geschenke, die er seinem Brief beigefügt habe. Er sei nun bereit, in Zukunft regelmäßig zu schreiben, allerdings nur dann, wenn der Adressat, statt schweigend seinen Briefstil zu genießen, für seine Briefe auch in gehöriger Weise danke. Mit diesem Metochites identisch ist Raul Metochites, dem Kydones in Brief 1 66( 1 56), 1 3 74175 ebenfalls einen schönen Briefstil bescheinigt. Von zwei Briefen sei der letztere noch schöner gewesen: "Dieser übertraf jenen noch durch die Schönheit des Gedankens, 19 durch die Anmut der Ausdrücke und dadurch, dass du das eine nirgends stärker als das andere sein lässt, son18
19
Zur Zeit innerer Unruhen ließen die Spartaner (7. Jh. v. ehr.) auf Geheiß des Orakels den legendären Spieler der Zither Terpandros von Lesbos kommen, der die Rebellen mit sei ner Musik besänftigte und den inneren Frieden wieder herstellte. Zum Vergleich mit Ter pander siehe auch oben, 1 . 1 .2, Br. 29(74), und 3.5.3, Br. 406(04 1 2). Griech. : KaMo� TIi� bLavola�.
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5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
dem dass zwischen beiden ein wunderbarer Einklang spürbar wird, was ja am meisten die Alten von den Jetzigen unterscheidet. Denn jene verstanden 2o es, mit den Gedanken die Worte abzustimmen; wir aber sorgen uns um blo ßes Gerede und langweilen mit dem, was wir sagen, die, welche wir durch unsere Werke erfreuen wollen." 2 Ein weiterer Brief, 1 der ausführliches Lob des Briefstils enthält, ist 1 88 ( 1 6 1 ), 1 375/76, an Demetrios Palaiologos. Auch hier wieder lobt Kydones die Schönheit des Gedankens, gepaart mit der Anmut des Stils. Kydones fiihlte sich unmittelbar an die Sprechweise des Palaiologos erinnert, die er auf der gemeinsamen Italienreise kennen lernen konnte. Schon das Gespräch mit ihm sei ihm damals wie ein Heilmittel erschienen. Nun aber habe sein Wohnen in der Stadt Thessalonike ihn noch weiter positiv beeinflusst. "Denn immer schon ist sie fiir uns die Stadt der Dichter und die Heimat de Rheto ren, und ein musischer Geist scheint ihr von j eher beschieden zu sein. An ihm hast du auch selbst Anteil und hast dank der Tyche der geliebten Stadt deine frühere Sprachkunst noch schöner und kraftvoller ausgebildet. Diese möchte man mehr noch die Stimme eines Zauberers als die eines Redners nennen, weil sie die Zuhörer so faszinieren kann." Einen aus der Hauptstadt verbannten Freund lobt Kydones in Brief 20 1 (208), 1 3 8 1 , fiir seinen harmonischen Stil im vorausgegangenen Brief; die Verbannung habe ihm die notwendige Muße gegeben, seine Sprache zu ver vollkommnen. Von besonderem Gewicht ist das Lob, das Kydones in Brief 209(0222) einem jungen Mann lateinischer Abkunft namens Asanus Centurio, identisch mit Centurione H. Zaccaria, fiir seinen in griechischer Sprache verfassten Brief ausspricht. Der Brief beginnt mit der ironisch gemeinten Klage, dass der Adressat Kydones lange Zeit über seine stilistische Fähigkeiten in Un kenntnis gelassen habe. "Redete ich doch mit dir wie mit einem, der nichts von literarischer Kultur versteht; denn weil ich dich meist mit der Jagd be schäftigt sah, war ich überzeugt, du würdest außer Hunden und wilden Tie ren nichts weiter kennen." Weil Kydones seinen Stil so liebt, bittet er ihn, ihm ausnahmslos lange, ja sogar geschwätzige Briefe zu schreiben. Dies werde ihm nicht lästig, sondern ein Festschmaus sein. Er aber solle durch das Studium der antiken Literatur seinen Stil noch weiter vervollkommnen.
20 Griech. : 'wie; vofH..lam OUf..l f..l E 'rQ EiV 'ra ov6 f..la'ra. 2 1 Siehe zu diesem Brief auch oben, 3 . 1 . 1 (zur Deutung des reichlichen Lobes für den Stil des Autors als captatio benevolentiae); zur Entschuldigung des Palaiologos für sein Schweigen siehe unten, 5 .2.2. 1 .
5 . Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
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22 Auch im Fall des Briefes 230(0229) kommt laut eigener Mitteilung des Kydones ein verstärkendes Element zu einem schön verfassten Brief hinzu, nämlich dass der ungenannte Autor ihn selbst überbracht hat. "Denn es ist schon eine Freude, von jemandem einen Brief zu erhalten, nach dem man sich gerade sehnt. Erweist aber einer persönlich seinem Freund Wohltaten, verdoppelt das dem Empfänger die Wohltat." 23 Mit ausführlichem Lob bedenkt Kydones in Brief 3 80(363), 1 3 87/88, ei nen Traktat in Briefform des Kaisers Manuel an Nikolaos Kabasilas über die Frage der Leidensbewältigung, verfasst während seines Exils auf der Insel 2 Lesbos im Sommer 1 3 87, dessen Originaltext erhalten ist: 4 : "Mir aber erging es, als j ener (sc. Kabasilas) mir die Abhandlung aushändigte, wie einem, der völlig die Fassung verliert. Denn die Schönheit der Wortwahl, die präzise und zugleich doch abwechslungsreiche Verwendung der Begriffe, die Klar heit, die mit wenigen Worten erzielt wird, und die - ähnlich wie in einem schönen Leib - alles durchdringende Pracht und Anmut entzückten mich so sehr, dass ich dieses Werk nur noch mit dem beschwörenden Gesang eines Zauberers vergleichen konnte; ein solcher Freudentaumel hielt mich gebannt und ließ mich andere angenehme Dinge vergessen." Manchmal hatte Kydones auch Gelegenheit, Briefe Kaiser Manuels an andere Adressaten zu bewundern. In Brief 398(3 84), 1 3 89, preist er einen Brief Manuels an seine Mutter, die Kaiserin Helene: "Ich sah auch deinen 2 edel sinnigen Brief, 5 den die von allen über alles geschätzte Kaiserin, deine Mutter, mir zu lesen gab ( . . . ). Du hast sie ( . . . ) j etzt aber nicht weniger durch deine Fähigkeit erfreut, dich schön auszudrücken, indem du kaiserliche Er habenheit mit anmutiger Wortwahl verbandest und ihr zeigtest, dass derselbe Mann ein starker Kriegsheld und ein fähiger Rhetor ist." In einem nicht erhaltenen Brief, von Lemnos aus geschrieben, nannte Kaiser Manuel sich einen Schuldner des Kydones, der nicht in der Lage sei, seine Schulden zu bezahlen, weil er seine literarisch hoch qualifizierten Briefe nicht in gleicher Qualität beantworten könne. Kydones antwortete darauf mit Brief 40 1 (3 85), 1 3 89, und dankte dem Kaiser für die hohe Ehre, die er ihm mit diesem natürlich nicht zutreffenden Stilvergleich erweise. Aber er höre gern, dass der Kaiser ihm Briefe schulde, die er denn auch kon sequent einfordern werde. Dennoch aber bitte er Gott, er möge die Korres pondenz durch ein persönliches Wiedersehen beenden. Dass der Kaiser sein 22 Zu diesem Briefvgl. auch oben, 1 .6. 23 Siehe zu diesem Brief auch oben, 2. 1 . 1 .4 (Lob Kaiser Manuels). 24 DENNIs , Letters Manuel, Nr. 67. 25 Griech. : rnlv YEVVlXLaV E7UU'[oAi)v.
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5 . Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
Versäumnis auch mit übermäßiger Hingabe an die Jagdleidenschaft erklärte hatte, geht nur aus einer von Kydones athetierten Erstfassung des Briefes, 40 1 *(3 8 5 * ) hervor. Kydones erklärt sich hier bereit, dem Kaiser zu "verzei hen", weil es auf einer langweiligen Insel verständlich sei, wenn man Zer streuung bei der Jagd suche. Wahrscheinlich hat Kydones diesen Brief nicht abgeschickt, weil er hier zuviel Verständnis für ausbleibende Post zeigte, 2 was dem Kaiser gemäß anderen Briefen 6 nicht gefiel. In Brief 432(433), 1 3 9 1 , ist Kydones wieder voll des Lobes über einen schönen Brief Kaiser Manuels und bedauert nur, was dieser bereits vermutet hatte, dessen Kürze. "Denn wer wünschte nicht, dass ein geistiger Genuss lange anhalte, oder welcher Liebhaber der Worte würde sich nicht freuen, wenn er die Schönheit und die Fülle attischer Ausdrücke zu hören bekäme und die Dichte und Kraft der Gedanken und die Symmetrie zwischen beiden sähe, wo weder die Gedanken von den Formulierungen zugedeckt werden, noch Armut im Ausdruck die Klarheit des Gedankens beeinträchtigt, son dern wie bei einem Gesang zur Leier beide wunderbar zusammenklingen? Weil du also weißt, wie vollkommen dein literarischer Stil ist, glaubtest du mit Recht, dein Brief werde zwar nicht den anderen, wohl aber mir lakonisch erscheinen." Mit dem Letzteren habe sich der Kaiser allerdings geirrt, denn bei der Verlesung des Briefes vor einem Theatron hätten die Zuhörer eben falls die Kürze des Briefes bedauert. "Alle wünschten sie die Lesung mög lichst lange hinauszuziehen, um notfalls sogar noch bis in die Nacht hinein zuhören zu können." Das Bedauern der Kürze des Briefes dient in diesem Fall also nur dazu, dessen Schönheit noch mehr hervorzuheben. Allerdings ist das konzentrierte Lob am Anfang der einzige erfreuliche Aspekt des Brie fes, der im Folgenden die katastrophale Situation des Kaisers - seinen Dienst im Heer des Osmanenherrschers Bayazid - und die Ängste in Konstantino pel wegen der Belagerung durch die Osmanen beschreibt. Noch in demsel ben Jahr sendet Kydones dem Kaiser noch einen zweiten Brief, 445(436), der den Kaiser begeistert als Literaten feiert: ,,«Herrlich, herrlich! », rief ich alsbald laut aus, als ich den Brief erhielt, und fügte hinzu: «Wer hätte wohl geglaubt, dass es jetzt noch einen Menschen gibt, der von niemandem zuvor in die literarischen Studien eingeführt wurde, sondern nur seiner natürlichen Begabung folgte und dadurch viele, die in der Literatur seit langem bewan dert waren, in den Schatten stellte?»" Hier ignoriert Kydones die verzwei felte politische Lage völlig und beschränkt sich nur auf enthusiastisches Lob für den kaiserlichen Literaten, vor dem sein eigener Stil hoffnungslos kapi-
26
Siehe unten, 5.2.2.2, Br. 3 9 1 (378), 392(379).
5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
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tulieren muss. Zum Arsenal des literarischen Lobes gehört auch der hier verwendete Topos der Naturbegabung, des Genies, das keines Lehrers be darf. Der Brief des Kaisers habe auch nicht seinen Einfluss auf Kydones verfehlt, der schon beschlossen zu haben behauptet, keinen Brief mehr zu schreiben: "Jetzt aber hat sogar mich, wie die Flöte den Tänzer, der Klang deines Briefes wider Willen zum Schreiben angeregt." Analyse zu 5. 1 . 2, Der Briefttil anderer Personen
Die wichtigsten Aspekte des Lobes für die Briefe anderer sind: Harmonie zwischen dem gedanklichen Gehalt und dem verbalen Ausdruck des Brie 2 2 fes, 7 Abstimmung des Briefstils auf die Person des Empfängers, 8 knappe, 29 3 treffende Formulierungen, maßvolle Kritik 0 und stilistische Schönheit des Briefes trotz politisch-militärischer Beanspruchung des Verfassers. 3 1 Folgen de andere Aspekte des Lobes für schöne Briefe sind zu nennen: Den Einfluss des Ortes, an dem sich der Briefschreiber aufhält, auf seinen Briefstil lobt Kydones im Brief an einen Freund, der seinen Briefstil in der Verbannung 2 verbessert hae und in einem Brief an Demetrios Palaiologos, der sich in Thessalonike, der Stadt der Dichter und der Heimat der Rhetoren, aufhält. 33 Besonderes Lob wird einem Lateiner zuteil, weil ihm ein Brief in schönem Griechisch gelungen sei. 34 Bei einem Aufenthalt in der barbarischen Provinz weiß Kydones einen stilistisch gelungenen Brief besonders zu schätzen. 3 5 Auch wer seinen bestens gelungenen Brief selbst überbringt, erhält besonde res Lob. 36 Bemerkenswert ist ein in zwei Fassungen erhaltener Brief an Kai ser Manuel. In der ersten Fassung, auf deren Absendung er verzichtete / 7
harte Kydones Verständnis gezeigt, dass Kaiser Manuel im Exil auf der Insel Lemnos die Gelegenheit zur Jagd nutze, die ihn am Briefeschreiben hindere. Anscheinend fürchtete Kydones aber, der Kaiser könne dieses Verständnis als Desinteresse missverstehen, und so betont Kydones in der abgesandten 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37
Br. 1 66( 1 5 6), 1 88( 1 6 1 ). Dies gilt vor allem für einen Brief Kaiser Manuels an seine Mutter, den diese dem Kydones zu lesen gab. Kydones lobt ihn in Br. 398(3 84) als edel(sinnig). Br. 40(23). Br. 1 3 7( 1 1 6). Br. 1 2(5), 1 83(0 1 94), 432(433), 445(436). Br. 20 1 (208). Br. 1 88( 1 6 1 ). Br. 209(0222), Br. 1 3 8( 1 1 7). Br. 230(0229). Br. 40 1 *(385 *), siehe TINNEFELD, Kydones IV, 1 1 8-1 20.
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5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
Fassung, 3 8 dass er nicht aufhören werde, Briefe von ihm zu fordern. Ein Son derfall ist die Reaktion3 9 des Kydones auf eine Abhandlung Kaiser Manuels zum Thema der Leidensbewältigung, die er in Briefform dem Nikolaos Ka basilas zugehen ließ und die Kabasilas dann dem Kydones zu lesen gab. Ky dones verwendet für das Lob dieser Abhandlung noch einmal die ganze Pa lette des stilistischen Lobes: Schönheit und Anmut der Wortwahl, präzise und dennoch abwechslungsreiche Begriffe sowie Klarheit mit wenigen Wor ten. Dieser vollkommene Stil beweise die Naturbegabung des Kaisers, der eines Rhetoriklehrers nicht bedurft habe. 5 .2
"Schweigen" - Das Nichtbeantworten von Briefen
5 .2. 1
Erklärung oder Entschuldigung des eigenen Schweigens
Den Brief seines Freundes Georgios des Philosophen, der den Vorwurf ent hielt, er habe ihn vergebens auf Post warten lassen, beantwortete Kydones in seiner Erwiderung, Brief 3 1 (49), 1 36 1 , einer ausführlichen Apologie gegen den Vorwurf, gleich eingangs mit einem Lob: "Nicht größeren Dank sage ich dir für deinen Brief als für deine Vorwürfe. Denn schön sind auch sie, und man möchte sagen, sie seien mit den Musen geschrieben. Noch schöner aber ist die Zuneigung, die sich in ihnen ausdrückt; ist doch einer, der sagt, er habe von uns Unrecht erlitten, gleichzeitig aber das Unrecht erträgt, wirk lich ein Freund. Daher hätte ich sogar gern weiter geschwiegen, um nur oft solches zu hören, müsste ich nicht glauben, du würdest dann unser Schwei gen nicht mehr für Zufall, sondern für böse Absicht halten. " Es folgen noch einige umständliche Überlegungen zu dem Thema, bevor Kydones endlich den Grund angibt, der ihn für sein "Schweigen" entschuldige. Es sind die vielen Reisen des Freundes, die er nun übertreibend aufzählt, um eindring lich darzutun, wie schwer es ihm fällt, die jeweilige Adresse des Freundes ausfindig zu machen. Diese Entschuldigung wiederholt Kydones in Brief 97 (63), 1 365 : "Wir sind für deine Flügel (sc. Reiselust) auf Wahrsagerei ange wiesen, und wir brauchen die Kunst des Daidalos, wenn wir dem nacheilen wollen, der den Ehrgeiz hat, nirgends zu verweilen." Er weist jedenfalls die Vorwürfe des Freundes, nicht geschrieben zu haben, entschieden zurück. Aber Georgios gab sich nicht zufrieden, sondern fuhr offenbar fort, Kydones wegen ausbleibender Post zu tadeln. In Brief 33(66), 1 365, bezieht sich Ky dones auf den Vorwurf des Freundes, er, Kydones, hätte doch wenigstens nach seiner, des Freundes, Rückkehr zur Peloponnes, als ihm seine Adresse 38 39
Br. 40 1 (385), siehe TINNEFELD, Kydones IV, 1 1 7f. Br. 380(363).
5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
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bekannt war, schreiben können. Schließlich hätten der Kaiser und ein gewis ser Kassandrenos doch auch von seiner Rückkehr gewusst. Kydones hält ihm entgegen, dass beide durch ihre Kontakte besser über die Vorgänge auf der Peloponnes informiert seien als er. Jedenfalls sei der Verdacht absurd, er kümmere sich nicht um einen Mann, der bei so vielen Sympathie und Eh rung finde. Zum Schluss plädiert Kydones dafür, die Sache ad acta zu legen. Etwa ein Drittel des Briefes 30(56), 1 362/63, an Raul Metochites füllt Kydones mit der Argumentation, warum er, Kydones, ihm nicht geschrieben habe: Da Metochites ein so sympathischer Charakter sei, seien Nachlässig keit und Vergessen als Gründe völlig auszuschließen. Auch der Verdacht, er übergehe ihn als einen weniger wichtigen Bekannten, komme wegen seiner großen Wertschätzung für den Adressaten nicht in Frage. Im Gegenteil, we gen seines Respekts für ihn fürchte er, ihn mit Briefen zu stören. Immerhin habe er ihn ja in einem Brief an einen gemeinsamen Freund grüßen lassen, obwohl er diesen Freund so sehr schätze, dass er leicht darüber einen weni ger wichtigen Bekannten hätte vergessen können. Die Briefmahnung aber sehe er als Beweis für die Zuneigung des Adressaten. So schreibe er ihm mit Freuden und wünsche ihm Gesundheit wie auch Fortschritt in der Tugend. Brief 1 25(58), 1 364, an Nikolaos Kabasilas in Thessalonike, ist die Reak tion auf einen vorwurfsvollen Brief des langjährigen Freundes, keine Post von ihm erhalten zu haben. So sehr Kydones eine Briefmahnung als Beweis der Zuneigung versteht, so sehr bedauert er, dass der Freund ihm Vergess lichkeit vorgeworfen hat. Dem hält er entgegen, dass er in Wirklichkeit dem Kabasilas bald nach ihrer Trennung geschrieben habe. 40 Der Brief sei von ei nem Kriegsschiff befördert worden, das Thessalonike Kaiser Johannes V. zur Unterstützung bei einem Kriegsunternehmen gegen die Bulgaren4 1 zur Verfügung gestellt hatte, das aber nach dem siegreichen Ende des Unterneh mens auf der Rückfahrt von Konstantinopel nach Thessalonike mitsamt sei ner Besatzung (und dem Brief des Kydones) untergegangen war. In Brief 93(59), 1 364, entschuldigt sich Kydones bei dem Freund Simon Atumanos, ihm längere Zeit nicht geschrieben zu haben, obwohl dieser ihn selbst noch nicht gemahnt hatte. Sicher sei er, Kydones, ihm nicht weniger zugetan als anderen Freunden, aber er, der Adressat, sei wegen vieler Reisen, 40 Der Brief ist als Kopie, die Kydones vor der Absendung anzufertigen pflegte, erhalten. Es handelt sich um den Brief 1 24(52) den Kabasilas aus dem im Folgenden genannten Grunde nicht erhalten hat. 4 1 Zur Umdatierung dieses Briefes wie auch des zuvor besprochenen, bei einem Schiffsun glück verloren gegangenen Br. 1 24(52), den er ersetzen sollte, von 1 363 auf 1 364, siehe oben, 2. 1 . 1 .3, Anm . 1 9 .
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5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
zeitweilig sogar in Gebiete nördlich der Alpen,42 für Briefboten nur schwer erreichbar, ähnlich wie Georgios der Philosoph. 43 Dass diese Entschuldigung von realen Gegebenheiten ausgeht, beweist Brief 1 03(69), 1 367/68, der ei nen von ihm, Simon Atumanus, an Johannes V. aus dem griechischen The ben, seinem lateinischen Bischofssitz, gesandten Brief bezeugt, obwohl Ky dones ihn im Bereich der Alpen vermutet hatte. Sehr umständlich ist die Entschuldigung des Kydones in Brief 1 04(70), 1 368/69, formuliert, als der Diener eines Freundes ohne einen Brief des Ky dones zu diesem Freund zurückgekehrt war. Dieser Bote hatte seinerseits dem Kydones einen Brief des Freundes überbracht und vereinbart, er werde vor seiner Abreise die Antwort des Kydones abholen und dem Freund über bringen. Dieses Versprechen aber hatte der Diener nicht gehalten, und Kydo nes hatte keinen anderen Boten, der den Brief an dessen statt überbringen konnte. Aber nicht nur er selbst, auch der Bote verdiene Nachsicht wegen der großen Hektik am Kaiserhof vor der Italienreise Johannes ' V., die einen manches vergessen lasse. Eine Variante des Themas "Eigenes Schweigen" bietet Brief 34(78), 1 3 7 1 , an Georgios den Philosophen. Dieser hatte Kydones seine Betrübnis ausgesprochen, weil er ihm nicht geschrieben habe, aber nicht den Beleidig ten gespielt, sondern zugleich einen Grund gesucht, wie man sein Schweigen erklären könne. Kydones aber lobt dies als ein Anzeichen wahrer Freund schaft. Allerdings hatte er ihm in Wirklichkeit doch geschrieben; nur hatte der beauftragte Briefbote eine Zeitlang mit der Zustellung gewartet. Mit Brief 75(0 1 27) antwortet Kydones einem Freund, der vergebens auf Briefe gewartet hatte. Zunächst beteuert er, dass Vorwürfe der Freunde ihm lieber seien als Lobreden der Feinde, denn sie seien ein Beweis der Zunei gung. Allerdings tadele ihn der Freund zu Unrecht. Er, der Freund, habe nämlich vor einiger Zeit ein Gesuch an den Kaiser nicht über ihn, Kydones, sondern über einen Kollegen am Kaiserhof namens Gudeles geleitet, aber ihm, Kydones, durch seinen Diener sagen lassen, er möge Gudeles täglich an seine Aufgabe erinnern. Er hätte nun eigentlich beleidigt sein können, dass jemand ihm bei der Vermittlung eines Anliegens nicht die erste Stelle ein räume. Doch habe er auftragsgemäß bei Gudeles nach dem Ausgang der An gelegenheit gefragt und die Auskunft erhalten, der Kaiser habe das Gesuch abgelehnt. Daraufhin habe er beschlossen zu schweigen, weil der Adressat
42 43
Es ist wohl wegen der Kontakte zum päpstlichen Hof, die dieser in Konstantinopel gebo rene Konvertit zur römischen Kirche unterhielt, an Avignon zu denken. Siehe weiter oben in diesem Abschnitt, Br. 3 1 (49).
5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
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sich nicht an ihn gewandt habe und er ihm den negativen Ausgang der Ange legenheit nicht habe mitteilen wollen. Sehr scharfe Kritik hatte Kydones von einem anderen Freund fiir ausblei bende Post erhalten. Er reagierte darauf mit Brief 95(0 1 3 1 ) und lässt den Freund wissen, dass er ihm zahlreiche Briefe geschickt, von ihm aber nur das kritische Schreiben erhalten habe. Dies aber sei völlig unberechtigt, denn erstens habe der Adressat ihm selbst noch kürzlich den Empfang eines Brie fes bestätigt, zweitens könne der Zusteller Mangaphas bezeugen, dass er dem Freund einen Brief ausgehändigt habe. So solle er aufhören zu zetern und mit dem zufrieden sein, was er erhalte. Als Strafe stellt Kydones ihm so viele Briefe in Aussicht, dass er sich sogar belästigt fiihlen werde, eine be liebte, mit Ironie gemischte Drohung in epistolographischem Zusammen hang. Auch der Freund Tarchaneiotes in Thessalonike scheint Kydones gele gentlich durch übertriebene literarische Erwartungen zum Widerspruch her ausgefordert zu haben. Jedenfalls setzt sich Kydones in Brief 1 82( 1 47), 1 374/75, mit seiner Bitte auseinander, ihn durch häufige, schöne und lange Briefe zu erfreuen. Bedauernd stellt Kydones fest, dass er weder "ein Sack von Worten" sei, "den man nur aufzubinden braucht", noch dass er ohne Mühe schöne Briefe schreiben könne. Deshalb seien lange Briefe von ihm auch nicht wünschenswert, weil sie allenfalls Langweile produzieren könn ten. So bittet er ihn, bei aller Freundschaft doch in der Einschätzung seiner Rhetorik realistisch zu bleiben. Als Ersatz fiir die langen Briefe bittet er ihn, das Interesse, das er, Kydones, am Befinden des Freundes zeige, zu akzep tieren. Er stelle es ja durch dauerndes Befragen der gemeinsamen Freunde in Thessalonike unter Beweis. Am Schluss nennt Kydones aber überraschend, was ihm längere Briefe entlocken könne: wenn Tarchaneiotes (sc. in seiner staatsmännischen Stellung, die andere Briefe bezeugen) rühmenswerte Taten vollbringe. Ausgangspunkt der Überlegungen in Brief 1 40( 1 50), 1 375, ist ein lakoni scher Brief des ungenannten Freundes, der sich auf der Insel Naxos aufhält. Er hatte als Grund seines allzu kurzen Briefes das völlige Ausbleiben von Briefen des Kydones angegeben, aber auch eine Erkrankung, von der er erst allmählich genese. Darauf reagiert Kydones freundlich mit folgenden Wor ten: "Wie ich dir aber Schweigen in gesundem Zustand nicht verziehen hät te, so sehr bewundere ich dich, dass du sogar schon schreibst, bevor rur dich die Schonfrist der Genesenden abgelaufen ist, und sehe in deiner Gesinnung ein Vorbild der Freundschaft." Nun aber kommt Kydones erst auf sein Schweigen als den eigentlichen Vorwurf des Adressaten zu sprechen. Nein,
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5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
in Wirklichkeit habe er geschrieben, aber "zum Henker mit denen, die uns in Abwesenheit alles versprachen, sich aber, kaum abgereist, an nichts mehr er innern, was sie ankündigten. Denn diese haben uns die Vorwürfe einge bracht, da sie dir die Briefe nicht überbrachten, die sie dir zuzustellen auf meine Bitte hin nachdrücklich versprachen. So liegt einerseits die Schuld nicht bei mir, andererseits hast du, als Schweigen dir freistand, durch dein Schreiben den höchsten Erweis erbracht, dass du zu lieben verstehst." Auch in einem Brief an den Despoten Manuel Kantakuzenos, 1 4 1 ( 1 5 1 ), 1 374, teilt Kydones mit, er habe geschwiegen, weil er keine Post von ihm er halten habe. Allerdings habe ihn ein gewisser Oinaiotes eines besseren be lehrt und ihn wissen lassen, wie sehr der Despot Briefe des Kydones schätze. Wenn dies wirklich so sei, möge er ihm, Kydones, schreiben und ihn eines Besseren belehren, dann werde er die Korrespondenz wieder aufnehmen. In Brief 149( 1 54) weist Kydones die Klagen eines Freundes zurück, der sich zwar über ausbleibende Post beschwerte, sich selbst aber nicht zum Schreiben herbeiließ. Er könne schweigen, soviel er wolle, und Kydones werde ihm auch dafür dankbar sein, wenn er ihn nur nicht wegen ausbleiben der Post anklage. Wie in Brief 3 1 (49) an Georgios den Philosophen, so ist auch im Brief 1 67( 1 72), 1 3 76, an Kalopheros das viele Reisen des Adressaten die Ent schuldigung für das Ausbleiben von Briefen des Kydones. 44 Im ersteren Brief heißt es: "Wir haben keinen Boten, um dir zu schreiben, weil wir die Orte nicht kennen, wo du dich aufhältst ( . . . ). Da ich aber fürchte, dir wieder Strafe verwirkt zu haben, wenn ich die Zahlung (sc. von Briefen) unterlasse, schreibe ich, obwohl ich glaube, dass eher alle anderen als du den Brief lesen werden." Einige Zeit später gab es einen anderen Grund, warum Kalopheros womöglich vergebens auf Post warten musste. Er hielt sich damals, wie Ky dones wusste, auf der Peloponnes auf, aber wegen des Krieges zwischen Ve nedig und Genua war der Seeweg von Konstantinopel zur Peloponnes durch aus unsicher. Darauf weist Kydones in Brief 4 1 8( 1 76), 1 377/78, seinen Freund Kalopheros hin. Dieser Entschuldigung könne der Adressat umso weniger widersprechen, weil auch er, Kydones, aus demselben Grund län gere Zeit von ihm keine Post erhalten habe. In der Beziehung der beiden Freunde spielt die Enttäuschung über ausbleibende Post weiter eine beson dere Rolle. So erfahren wir aus Brief 1 90(1 78), 1 378, dass Kalopheros wäh rend eines Aufenthaltes in Rom dem gemeinsamen Freund Johannes Kypa rissiotes, der von dort nach Konstantinopel reiste, keineswegs einen Brief für 44 Diese Entschuldigung wiederholt Kydones in Br. 269(246), 1 3 83, der bereits oben, 1 .6, in anderem Zusammenhang behandelt wurde.
5 . Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
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Kydones mit auf den Weg gab, worüber Kydones sehr enttäuscht ist. Zwei fellos wolle der Freund ihn für frühere Säumigkeit im Schreiben bestrafen, aber er solle doch bedenken, wie schwer sein jeweiliger Aufenthaltsort aus zumachen sei und wie sehr derzeit die Briefzustellung durch die Venezianer verhindert werde. So solle man sich doch wenigstens beiderseits geeigneter Briefboten bedienen, die eine Chance hätten, den Briefpartner zu treffen. Für einen Brief an Tarchaneiotes in Thessalonike stand Kydones 1 3 78 ein Briefbote namens Kutales zur Verfügung. Sein Brief 1 76( 1 77) reagiert aber auf einen Vorwurf des Tarchaneiotes, auf drei Briefe von ihm nicht geant wortet zu haben. Zwar hat Kydones nicht alle drei Briefe erhalten, wenn aber sein Brief, den er tatsächlich schrieb, nicht bei ihm ankam, könne daran nur die Säumigkeit des Kutales schuld sein. Eine neue Variante des Streites um briefliches Schweigen findet sich in Brief 1 44(0 1 79) an den Juristen Demetrios Angelos Manikai'tes: Als dieser keine Briefe von Kydones erhielt, wandte er sich nicht persönlich an ihn, sondern beklagte sich bei dem gemeinsamen Freund Galaktion und bat die sen, Kydones zum Schreiben zu bewegen. Kydones hätte sich aber leichter zum Schreiben bewegen lassen, wenn der Freund mit einem Brief an ihn selbst sein gutes Recht auf Briefe verteidigt hätte. 45 In diesem Brief an einen Juristen wird also das Briefeschreiben als Rechtsanspruch behandelt. Gegen seitige Anklagen wegen mangelnder Bereitschaft zum Schreiben finden sich auch in Brief 1 5 8(0 1 85) an denselben Adressaten. Kydones wirft ihm vor, er lasse nur denen Briefe zukommen, die ihm nützlich sein könnten. 46 In Brief 283(27 1 ), 1 3 83, an Kaiser Manue1 erklärt Kydones sein Schwei gen mit der politischen Lage, die ihm die Lust am Schreiben verderbe. Mit Behinderungen des Postweges entschuldigt Kydones in Brief 277(285) an Kaiser Manue1 in Thessalonike, 1 3 84, sein eigenes Schweigen. Schließlich aber sei es ihm gelungen - was keineswegs häufig vorkomme -, ein auswär tiges Handelsschiff zu finden, welches den Brief habe zustellen können. Eine ungewöhnliche Reaktion auf eine Briefmahnung ist Brief 3 03(303), 1 3 85, an Rhadenos. Der Freund hat Kydones vorgeworfen, seinen letzten Brief nicht beantwortet zu haben. Kydones entgegnet, er habe ihm doch ge schrieben; der Brief müsse also verloren gegangen sein. Er bedaure dies aber nicht, denn eigentlich habe er nicht mehr schreiben wollen, weil Rhadenos
45
Vgl. auch Brief 1 46(0 1 8 1 ) an denselben Adressaten, dessen briefliches Schweigen als Reaktion auf die von der Orthodoxie abweichende Glaubensüberzeugung des Kydones bereits oben, 1 .4. 1 , behandelt wurde. 46 Vgl. zum Kontext des Briefes oben, 1 .6.
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5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
nicht auf seine Mahnungen höre, sich aus Thessalonike zu retten, bevor die Stadt von den Türken erobert würde. In Brief 3 1 8(3 1 2), 1 3 85/86, nimmt Kydones Bezug auf die Enttäuschung Kaiser Manuels, keinen Brief von ihm erhalten zu haben, und gibt dafür fol gende Erklärung. Ein gewisser Palaiologos, der von Konstantinopel nach Thessalonike reiste, habe Kydones den Zeitpunkt seiner Abreise aus Grün den der diplomatischen Geheimhaltung nicht mitgeteilt, so dass er ihm sei nen Brief an Manuel, den er gewiss niemals vergessen würde, nicht habe mitgeben können. In Brief 3 64(3 50), 1 3 87, an den Despoten Theodoros von Mistras ent schuldigt Kydones sein Schweigen mit der heillosen politischen Lage so wohl in Konstantinopel wie auch auf der Peloponnes. Doch will Kydones auch nicht in völliges Schweigen versinken, sondern dem Despoten wenigs tens einen kleinen Gruß zukommen lassen. Mit der gleichen Begründung bittet er in Brief 3 79(3 59), 1 3 87/88, Kaiser Manuel um Verständnis, dass er seinen Wunsch, ihm lange, schön formulierte Briefe zu schreiben, nicht er füllen, sondern ihm derzeit nur anspruchslose, kurze Briefe senden könne. "Weil also die Unfähigkeit, etwas zu sagen, mich zum Schweigen ermahnt und zudem der Anlass des Redens für Sprecher wie Zuhörer so unerfreulich ist, was bliebe da noch mitzuteilen, was nicht schlimm und trübselig wäre und dem Redner mit Recht Tadel einbringen würde?" In Brief 3 88(370), 1 3 88, an Kaiser Manuel weist Kydones den Vorwurf des Schweigens mit dem Argument zurück, es seien zwei Briefe von ihm an den Kaiser unterwegs. Auch an Maximos Chrysoberges hatte Kydones ge mäß Brief 394(373), 1 3 88, bereits geschrieben, als dieser einen Brief von ihm anmahnte. Auf eine Briefmahnung des Despoten Theodoros I. von Mis tras reagiert Kydones in Brief 427(393), 1 3 89/90, mit der Entschuldigung, er habe dessen letzte Briefe nicht erhalten, weil sie entweder durch säumige Briefboten nicht zugestellt oder ihm nach ihrem Eintreffen nicht vorgelesen wurden. "Für die Verfehlungen anderer aber werde ich zur Verantwortung gezogen und erscheine dir undankbar." In einem anderen Brief aus dieser Zeit, 425(0425) dankt er Theodoros überschwänglich für seinen Wunsch, Briefe von ihm zu erhalten, und entschuldigt sein Schweigen mit der Besorg nis, er könne ihm zudringlich erscheinen. Nun aber habe er ihn durch seine ausdrückliche Bitte von seiner Schüchternheit befreit. Eine Briefmahnung des Maximos Chrysoberges beantwortete er in Brief 402(376) mit einer ähn lichen Erklärung: Er habe ihm nicht allzu häufig geschrieben, weil er ihm die
5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
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Lektüre stilistisch mittelmäßiger Briefe ersparen wollte. Zudem seien Briefe als Beweise der Freundschaft unnötig, wenn man einander gut kenne. 47 Analyse zu 5. 2. 1, Erklärung oder Entschuldigung des eigenen Schweigens
Folgende Erklärungen oder Entschuldigungen bringt Kydones vor: 1 . Die häufi en Ortswechsel des Briefpartners verhindern eine gezielte Briefzustel � lung. 8 2. Kydones hat nicht geschrieben, weil er fürchtete, dem Freund lästig 49 zu fallen oder ihn mit seinen Briefen zu langweilen oder weil er ihn durch Mitteilung eines abgelehnten Gesuchs nicht betrüben wollte. 5 0 3 . Der Brief ist auf dem Postweg verloren gegangen. 5 1 4. Der Briefbote hat versagt. 5 2 5 . Der Briefpartner beschwert sich zu Unrecht, keine Post erhalten zu ha ben. 5 3 6. Der Briefpartner selbst hat die Korrespondenz durch Schweigen unterbrochen. 54 7. Die trostlose politische Lage behindert das Schreiben. 55 8. Kydones schreibt einem Freund nicht mehr, weil der Freund nicht auf seine Mahnungen hört. 5 6 9. Ein von Kydones erhoffter Bote für die Befdrde rung seines Briefes konnte den Brief bei Kydones nicht abholen, weil er als Diplomat seine Abreise geheim halten musste. 57 5 .2.2
Das Schweigen des Briefpartners
5 .2.2. 1 Mahnung des säumigen Briefpartners In diesem Abschnitt sind viele Briefe nicht berücksichtigt, welche dem Ad ressaten in einem weiteren Zusammenhang Schweigen vorwerfen und des halb bereits an anderer Stelle unter ihrer Hauptthematik berücksichtigt wor den sind. 58 Im Folgenden geht es darum, die diversen Varianten der Mahn briefe an Beispielen zu behandeln. Eine frühe Briefmahnung enthält Brief 27 (9) an Leon Kalothetos von 1 345 : Er hat offenbar leichtfertig Kydones Brie47 Ein Entschuldigungsbrief besonderer Art für das eigene Schweigen ist 422(0423), besprochen bereits oben, 3.4. 1 . 48 Br. 3 1 (49), 93(59), 1 03(69), 1 67( 1 72), 1 90( 1 78), 3 59(323). 49 Br. 30(56), 402(376), 425(0425). 50 Br. 75(0 1 27). 5 1 Br. 1 25(58): Der Brief wurde auf einem Schiff befördert, das auf dem Postweg unterging. Br. 277(285): Der Brief kam wegen Behinderung des Postweges nicht an . . 52 Br. 34(78), 1 04(70), 1 40( 1 5 0), 1 76( 1 77). 53 Br. 95(0 1 3 1 ). 54 Br. 1 4 1 ( 1 5 1 ). 55 Br. 283(27 1 ), 364(3 50), 379(3 59). 56 Br. 303(308). 57 Br. 3 1 8(3 1 2). 58 Ein Beispiel ist der unter 2.3 (Sorge) besprochene Brief an Rhadenos 350(343), 1 3 87.
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5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
fe versprochen und lässt nun nichts von sich hören, und der jugendliche Ky dones betont, der Verzicht auf die Redeströme des Freundes bereite ihm grö ßeren Schmerz als der Gedanke, von seiner Mutter getrennt zu sein. Nun aber habe er eine Anklage verdient, von der er sich nur durch einen Brief be freien könnte. Doch blieb auch diese Mahnung unbeantwortet, wie ein einige Zeit später verfasster Brief, 26( 1 1 ), andeutet. Im September 1 346 beklagt sich Kydones an einem trostlosen Ort in Thrakien mit Brief 1 8( 1 7) bei seinem Freund Manuel Kantakuzenos über sein Schweigen: "Warum also sendest du, der du alle, die mit dir Gespräche führten, bezwungen hast, uns nicht die süße Harmonie deiner Sprache im Brief und willst auch nicht denen Trost spenden, die allein damit die Flamme löschen können, sondern erträgst es, die noch unglücklicher zu machen, die dir jedes Glück wünschen? Hast du doch feierlich versprochen, nichts zu versäumen, was mir förderlich sein könnte ! Jetzt aber sendest du mir nicht einmal den Trost, der für dich die leichteste Sache von der Welt, für mich aber die süßeste Freude ist, sondern, wie es scheint, zürnst du, dass wir deine Prophezeiung missachtet haben und hierher gereist sind." Doch hatte diese Briefinahnung keinen Erfolg, so dass sich Kydones in einem weiteren Brief, 20(22) von 1 349, deutlicher äußerte. Zunächst gibt er ironisch zu verstehen, er werde fortan die Würde des Despoten mit Schweigen ehren, spricht aber dann deutlich den Wunsch aus, von ihm Briefe zu erhalten und fährt fort: "Wenn dir aber sogar ein Brief zuviel ist, wie willst du dann deinen Freun den noch Hoffnung auf Größeres machen? Wenn du also das Schweigen brichst und in einem Brief die Entschuldigung für dein bisheriges Verhalten vorbringst, sollen alle von mir etwas über den herrlichen Despoten hören, und es wird niemanden geben, dem nicht das Lob in den Ohren klingt. Wenn du aber das Weitersündigen als angebrachte Sühne für deine Sünden an siehst, wenn du das Verharren in einer von Anfang an falschen Entscheidung für männliche Festigkeit hältst, dann ist der Kaiser (sc. Johannes Kantakuze nos, sein Vater) nahe ! Und er wird ein Urteil sprechen, das dir nicht gefallen wird. " Wenn auch diese Drohung des Kydones wiederum Ironie ist, so ist es ihm mit der Sache, auf die er anspielt, die mangelnde Zuwendung des Freun des, doch durchaus ernst. Einen weiteren Mahnbrief, 59(28), schreibt Kydones an einen Freund, der bei einem Sieg des Johannes Kantakuzenos zugegen war und nicht, wie sei ne Zuneigung für Kydones erwarten ließ, darüber berichtete, zumal es ihm bei seinem Redetalent ein Leichtes gewesen wäre. "Wie willst du also für dein unbegründetes Schweigen uns gegenüber noch Ausflüchte suchen? Denn wo man keinen dieser beiden Gründe (sc. fehlende Zuneigung und
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mangelndes Redetalent ) vorbringen kann, da wäre es doch lächerlich, noch nach einem anderen zu suchen! Auf diesen Brief an eine Einzelperson folgt noch ein zweiter, 42(3 0), an die Sekretäre des Kantakuzenos, Untergebene des Kydones also, die den Kaiser auf einem Feldzug begleiteten. Hier ist das Thema der Briefmahnung sehr breit behandelt und geradezu ein Paradebei spiel für eine gewisse Umständlichkeit, mit der Kydones sich diesem Thema zu widmen pflegt. Die Adressaten haben Kydones beim Auszug aus Kon stantinopel treues Gedenken und briefliche Berichte versprochen., aber nun haben sie nicht einmal auf seinen Mahnbrie:f 9 reagiert, schweigsamer als eherne Gefäße, die noch lange nachklingen, wenn man sie anschlägt, und schweigsam wie Statuen. Sie können auch nicht Überbeanspruchung in ih rem Schreiberberuf anmelden, denn Kydones als ihr Vorgesetzter weiß, dass sie nie überfordert wurden. Der Vorwurf der Unzuverlässigkeit sei also be rechtigt. Diese scharfe Rede hatte anscheinend Erfolg, denn mit Brief 4 1 (3 1 ) bedankt sich Kydones für ihre gemeinsam verfasste Antwort, in der sie auch wie gewünscht beteuerten, an Kydones zu denken und ihn zu lieben. In Brief 5 1 (34), 1 3 52, an Johannes Pothos beklagt sich Kydones, dass andere zwar Briefe von ihren Freunden erhielten, er aber nicht von ihm, als ob er sich fürchte, einem Schiff seine Briefe anzuvertrauen. Es hätte aber Grund genug gegeben zu schreiben, wegen der gefährlichen Seeabenteuer, die Pothos, wie man Kydones von anderer Seite berichtete, bestanden habe. Dennoch mache er sich Sorge, weil er von ihm persönlich keine Nachricht über die Vorkommnisse erhalten habe. In Brief 57(35), 1 3 52, bedankt sich Kydones bei einem Sekretär des Jo hannes Kantakuzenos für sein getreues Schreiben aus dem Kriegsgebiet und tadelt indirekt seinen Freund Tzykandeles, der sich ebenfalls dort aufhält, er sei so sehr um sein eigenes leibliches Wohl bemüht, dass er zum Schreiben keine Zeit finde. Auch in der Korrespondenz mit Prochoros Kydones, dem eigenen Bruder, spielt die Briefmahnung eine Rolle. Gemäß Brief 5 8(36), 1 353/54, fand er, als er sich auf den Athos zurückgezogen hatte, Zeit, anderen zu schreiben, ließ aber den Bruder vergeblich auf Briefe warten und ihm nicht einmal ei nen Gruß ausrichten. Vergeblich sucht Demetrios nun nach Gründen für die ses Schweigen: Bedürfe der eigene Bruder weniger als andere der Aufmerk samkeit des Prochoros? Verbiete ihm die klösterliche Askese das Schreiben? Im letzteren Fall hätte er ja auch an andere nicht schreiben dürfen. Das Bei spiel der Heiligen zeige, dass die Askese den Briefverkehr nicht verbiete,
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Gemeint ist wohl Br. 59(28) an einen von ihnen.
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hätten sie doch nicht weniger ihren Geschwistern als ihren Freunden ge schrieben. Dann diskutiert Kydones noch einen anderen möglichen Entschul digungsgrund: Prochoros habe einem gemeinsamen Bekannten gegenüber geäußert, er schreibe seinem Bruder nicht, weil auch dieser ihm nicht schrei be. Dass dieser Vorwurf unberechtigt ist, versucht Kydones beredt zu zeigen. Wegen des Bürgerkrieges zwischen Kantakuzenos und Johannes V. sei die Briefzustellung sehr unzuverlässig, und mehrere Briefe von ihm seien wohl nicht angekommen. Außerdem möge Prochoros seine starke Beanspruchung im Kaiserpalast in Betracht ziehen. Jedenfalls sei es unchristlich und stehe einem Mönch nicht an, auf das Ausbleiben von Briefen mit Schweigen zu re agieren. Nicht weniger getadelt wird der Freund Alexios Kassandrenos in Brief 49(37), 1 3 5 5 : Ihm sei wohl sein Reichtum zu Kopf gestiegen, und sein Schweigen sei unverzeihlich, weil er vor seiner Abreise seine väterlich Be ziehung zu Kydones so sehr betont habe. Der Brief schließt mit einer scherz haften Androhung von Strafe, wenn er zurückkehre. Offenbar reagierte der Freund nicht auf diesen Brief, denn Kydones fügte bald einen zweiten Brief an ihn hinzu, 50(42), 1 3 56, in dem er den Verzicht auf das Schreiben noch 60 deutlicher als Egoismus bezeichnet. In Brief 54(46), 1 3 59/60, beklagt sich Kydones nach längerem Briefaus tausch bei seinem Freund Georgios Synadenos Astras, er fühle sich von ihm wegen ausbleibender Briefe missachtet, wie er schon am Briefanfang lapidar feststellt: "Die anderen erhalten von dir Geschenke und Briefe, und somit vermittelst du ihnen das Gefühl, von ihren Freunden geehrt zu werden. Wir aber erhalten weder das eine noch das andere." Und er fährt fort: "Und doch müssten wir von dir etwas mehr als die anderen erhalten, wenn es nicht nur so dahingesagt ist, dass wir den anderen vorgezogen werden. Außerdem empfand ich die Vernachlässigung als Schande, zumal ich keinen Rechtstitel habe, mich wegen dieser Missachtung zu verteidigen." Eine von Enttäuschung diktierte Briefmahnung ist auch Brief 65(62), 1 365, an einen ungenannten Freund in Thessalonike gerichtet, den Kydones den "besten Bürger" dieser Stadt nennt und mit dem er bis vor kurzem im Briefwechsel stand. Nun aber bleibe die Post von ihm aus. Doch könne nicht Unzuverlässigkeit der Grund sein, denn er sei sich seiner Freundschaft ganz sicher. So hoffe er, dass der Freund sich besinnen und ihm wieder wie früher schreiben werde. Sollten seine Briefe auch weiter ausbleiben, dann werde er 60 Im weiteren Verlauf des Briefes stellt Kydones die eigenen Leiden im Palast dem Wohl leben des Freundes gegenüber; vgl. zu diesem Aspekt die Behandlung des Briefes oben, 1 .2 . 1 .
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sich jeden Verdacht erlauben, den Menschen, die man vergessen hat, nur ha ben können. Erst am Schluss wird klar, warum ihm in diesem Fall die Kor respondenz besonders wichtig ist: Er (sc. Kydones) hat der Stadt "als Retter vor dem Verderben" den besten Helfer geschickt, den man sich denken kön ne. 61 Der Adressat, der sich in verantwortlicher Stellung in Thessalonike be findet, habe es aber nicht einmal für nötig gehalten, ihm für diese Hilfe zu danken. Auch der langjährige Freund Kalopheros enttäuschte Kydones gemäß Brief 325(67), 1 365/66, weil er ihn über die Ergebnisse einer Reise nach Zy pern nicht informierte. Nur von anderer Seite hatte Kydones jedenfalls erfah ren, dass Kalopheros sich der Gunst des Lusignan-Königs Peter I. erfreute und sich daher bei ihm erfolgreich auch für andere einsetzen konnte. All dies hätte Kydones lieber direkt von ihm erfahren, und so bittet er ihn, in seinem Glück die Freunde nicht zu vergessen. Brief 1 1 1 (80), 1 362, ist an einen Freund gerichtet, der Kydones seine Er krankung mitgeteilt hatte, dann aber nichts mehr von sich hatte hören lassen: "Es müssten aber auch Briefe von dir kommen, damit wir erfahren könnten, wie es dir körperlich geht, und nicht unsere von dort kommenden Landsleute belästigen und über Dinge ausfragen müssten, über die wir eigentlich die an deren informieren sollten." Er könne des Freundes Schweigen nicht mit mangelnder Beredsamkeit entschuldigen. So bleibe nur Vergesslichkeit als dessen Ursache übrig, und er solle bedenken, dass im Chor der Musen auch Mnemosyne, die Göttin des Gedächtnisses, 62 singe; als Philosoph aber solle er sein Leben lang die Musenkunst betreiben. Das Schweigen des Briefpartners kann aber auch einen sehr ernsthaften Grund haben, wie z. B . in Brief 1 1 6( 1 02), 1 372/3 ; bereits ausführlich be sprochen unter 1 .4. 1 . Er beginnt mit den Worten: "So groß die Freude war, mit der uns der alleredelste Asanes durch seine Rückkehr erfüllt hat, so gro ße Trauer hat er uns bereitet, weil er ohne einen Brief von Dir ankam. Doch hat er uns, die wir über das Schweigen bekümmert waren, noch trauriger ge stimmt, als er den Grund dafür hinzufügte." Als Grund hatte nämlich der Freund angegeben, Kydones sei ein Häretiker, dem er nicht zu schreiben brauche. Durch diese Begründung fühlte sich Kydones tief getroffen.
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Es handelt sich um Georgios Synadenos Astras, der Thessalonike in seiner Notlage, die nicht näher beschrieben wird, zu Hilfe kommen sollte. vgl. TINNEFELD, Kydones 111 , 25 1 . Astras ist aber in seinem neuen Amt als "Gouverneur" von Thessalonike bald an der Pest gestorben. Vielleicht ist das der Grund des hier getadelten Schweigens. 62 Mnemosyne ist eigentlich selbst keine Muse, sondern die Mutter der neun Musen.
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5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
Recht aggressiv wird der Tadel für das Schweigen in Brief 85(0 1 28) an einen Ungenannten formuliert. Er versteht das Schweigen des Freundes als Akt der Vergeltung für ausbleibende Post von ihm selbst. Es wäre aber bes ser gewesen, wenn er seine Enttäuschung in einem Brief ausgesprochen hätte. Er wolle aber nicht nachtragend sein und sein Schweigen mit einer Reise, einer Krankheit oder einer notwendigen Tätigkeit entschuldigen. Doch solle der Adressat sich nun unbedingt melden, sonst sei Kydones zu einer Entschuldigung nicht mehr bereit. Eine ähnliche Argumentation findet sich in Brief 90(0 1 29) an einen ungenannten Verfasser. Der Adressat hat sich über das Schweigen des Kydones beklagt, aber Kydones gibt den Vor wurf zurück. Viele hätten ihm von dort, wo er sich aufhält, geschrieben, nur nicht er. Kydones aber habe die Beleidigung schweigend ertragen. Nun kön ne der Adressat seinen Fehler noch einmal gutmachen und schreiben. Wenn er es auch diesmal unterlasse, habe er ein hartes Urteil verdient. In Brief 1 27(0 1 44) an Kaloeidas in Mitylene beginnt Kydones mit zwei möglichen Deutungen seines Schweigens, nachdem er für ihn beim Herr scher von Lesbos vermittelt hat. Entweder hat er das Gewünschte nicht er halten und straft Kydones für das Misslingen, oder er hat es erhalten, und es geht ihm so gut, dass er über seinem Glück den Freund vergessen hat. Aber das Letztgenannte passe nicht zu seinem Charakter, und das Misslingen der Fürsprache sei unwahrscheinlich. So bleibe sein Schweigen ein Rätsel. Es wäre aber wichtig, das Ergebnis der Vermittlung zu erfahren, damit Kydones sich entsprechend verhalten, also dem Herrscher danken oder ihn an sein Versprechen erinnern könnte. Auch Demetrios Palaiologos, der Kydones und den Kaiser auf der Italien reise begleitet hatte, enttäuschte Kydones einmal durch Schweigen. Jeden falls mahnt er in Brief 1 57( 1 57), 1 375, unter Erinnerung an die gemeinsame Reise ein briefliches Lebenszeichen aus Thessalonike an. Einstweilen soll der Überbringer Rhadenos ihm über Kydones berichten. Wie sich aus Brief 1 88( 1 6 1 ), 1 375/76, ergibt, hatte Palaiologos Rhadenos gegenüber sein Schweigen mit "Unkenntnis der Wortkunst" , also seiner stilistischen Inkom petenz, entschuldigt. Derselbe Brief bezeugt aber auch, dass er Kydones nun einen Brief geschrieben hat, der alles Lob verdient und gleichzeitig Rhade nos Lügen straft (was natürlich ironisch gemeint ist). 63 Auch der jugendliche Freund Rhadenos erhält gelegentlich Tadel für un entschuldigt unterlassenes Schreiben, so in Brief 1 9 1 ( 1 63), 1 375/76. Hier gibt Kydones ihm Ratschläge für die Abfassung eines stilistisch gelungenen
63
Zum Lob des Kydones für Br. 1 88( 1 6 1 ) siehe auch oben, 5 . 1 .2.
5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
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Briefes, durch den er sein Versäumnis wieder gutmachen könne. Da er De mosthenes gelesen habe, werde er von dessen Stil für seinen Briefstil lernen können, so zum Beispiel, wie wichtig in einer Rede die konkrete Information sei, weil ,j ede Rede, wenn die Tatsachen fehlen, etwas Vergebliches und Leeres" sei, wie er gesagt habe. 64 "Dann schmücke auch mit der Kraft der Gedanken und der Anmut der Ausdrücke die Wahrheit." Hier räumt Kydo nes dem Freund also die Chance ein, seine Unterlassung wieder gutzuma chen. Auf das weitere Schweigen des Rhadenos reagierte er aber dann im Brief 1 72( 1 66), Januar 1 3 76, sogar mit der Drohung, die Korrespondenz ab zubrechen. 6 5 Auch aus einer späteren Phase der Freundschaft mit Rhadenos liegen Beschwerdebriefe wegen ausbleibender Post vor, so 270(269), 1 3 83. Hier ist die Rede von einer Anklage wegen seines Schweigens, von seiner Entschuldigung, der Postweg sei behindert, von anderen Freunden in Thes salonike, die nach wie vor Briefe schreiben, und davon, dass die Liebe erfin derisch mache, Hindernisse zu überwinden. Vor allem hält Kydones ihm als positives Beispiel Kaiser Manuel vor Augen, der trotz seiner politischen und militärischen Verpflichtungen in Thessalonike eher mehr als weniger Briefe schreibe. "Es ist also eine Schande, wenn er, obwohl er Unzählige kennt, an die er sich mit vollem Recht eher als an mich erinnern könnte, nicht einmal mich übergeht, du aber, der du niemanden mir vorziehst - ich zitiere deinen eigenen Ausspruch, wenn du nicht inzwischen anderer Meinung sein solltest -, nicht einmal durch Briefe zeigen willst, dass du bei deiner Entscheidung66 bleibst." Im Folgenden klingt auch etwas wie Eifersucht auf die Beziehung des Freundes zu Kaiser Manuel an, wenn Kydones schreibt: "Denn seit du vom Kaiser gekostet hast, bist du wohl zum Verächter der Köstlichkeiten ge worden, die wir dir geboten haben. Aber an j ener Speise wirst du vielleicht nach der Sättigung auch wieder Unlust verspüren. Was du aber bei uns erlebt hast, wird deine Sehnsucht nach ähnlichen Erfahrungen nie versiegen lassen; 7 denn von solcher Art ist die Gemeinschaft im Geistigen. ,,6 Vergeblich wartete Kydones nach Angabe von Brief 1 60(0 1 86) auch auf Post von Georgios, einem anderen ehemaligen Schüler, der inzwischen in seine Heimat zu Eltern und Freunden zurückgekehrt war. Kydones versteht
64 Zu dieser Briefstelle und dem Demostheneszitat siehe TINNEFELD, Kydones 11, 55, Kom mentar, Anm. 2 . 65 Z u diesem Brief siehe auch oben, 3 . 1 . 1 . 66 Gemeint ist die zuvor zitierte Entscheidung des Rhadenos, keinen Freund seinem Mentor Kydones vorzuziehen. 67 Zur Dreiecksbeziehung zwischen Kydones, Kaiser Manuel und Rhadenos s. O., 3 .2.3, Analyse.
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5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
sein Schweigen zwar als Beweis, dass es ihm gut ergehe, betont aber, dass er sich freuen würde, wenn er ihm wenigstens ein einziges Mal diese Vermu tung bestätige. Die Bitte war anscheinend vergebens, denn einige Zeit später schrieb Kydones ihm erneut einen Mahnbrief, 1 62(0 1 87), weil er nach wie vor nichts von ihm gehört hatte. Der Brief gipfelt in dem Satz: "Jetzt aber, du Gleichgültigster von allen, warum schreibst du nicht?" Und er malt ihm nun, nicht ohne Ironie, aus, wie es wohl wäre, wenn sie sich einmal zufällig irgendwo begegneten. "Dann werde ich lachen und dich frank und frei einen Bösewicht nennen. Du aber wirst dich verhüllen und mit bleichem Antlitz die Vorwürfe dulden müssen." Kydones versuchte noch mit einem dritten Brief, 1 75(0 1 90) dem hartnäckig schweigenden Schüler einen Bericht zu entlocken, aber auch dieser blieb wohl unbeantwortet. Eine besonders eindringliche Reaktion auf die Briefforderung eines Freundes ist Brief 1 78(0 1 9 1 ), weil offenbar der Adressat nur fordert und nichts leistet: "Auch du hast es so gründlich wie ein Handwerk studiert, Briefe von anderen zu fordern, zu behaupten, es sei rechtens, dass dir dies von jenen geleistet werde, zu protestieren, wenn sie einmal nicht schreiben, und ihnen Übles nachzusagen, als würden sie sich gegen die Freundschaft verfehlen. Wenn aber auch jene einen Entgelt für ihre Briefe fordern und Gleiches erhalten wollen, dann freilich vergisst du prächtig, was gerecht ist ( . . . ). Fordere also entweder mutig, weil du bereit bist zu erstatten, oder nimm zur Kenntnis, dass auch wir Hesiod gehorchen werden, der mit vollem Recht dazu rät, dem, der nicht gibt, auch selber nicht zu geben." Selbst Kaiser Manuel 11. wird einmal, in Brief 253(253), 1 3 83, getadelt, nicht geschrieben zu haben, obwohl sein Abgesandter Phialites zahlreiche Briefe an Adressaten in Konstantinopel überbrachte. Allerdings gingen auch einige andere, die Ehrung verdient hätten, leer aus, womit sich Kydones trös ten will. Kydones möchte aber die Übergehung seiner Person dahin deuten, dass Kaiser Manuel von ihm keine Briefe wünsche. Am Schluss allerdings lenkt Kydones ein und kündigt an: "Wir wollen also der Zunge eine Fessel anlegen, aber keineswegs auch damit aufhören, liebevoll um euer Ergehen besorgt zu sein." Mit einer flotten Einleitung beschwert sich Kydones in Brief 254(254), 1 3 83, bei Theodoros Kantakuzenos, einem Verwandten Kaiser Manuels, der sich bei diesem in Thessalonike aufhält, dass er wegen erster Erfolge gegen die Türken und in Erwartung eines großen Sieges das Schreiben vergessen habe: "Wie das? Vor dem Erfolg schon die Freunde vergessen? Sollen wir daraus vor dem Sieg die Zeichen der Zukunft entnehmen? Wie werdet ihr
5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
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dann erst sein, wenn ihr gesiegt habt, euch bekränzt und von den Schmeich lern größeres Lob hört, als euren Taten entspricht?" Mehrfache Briefmahnungen lässt Kydones auch Johannes Laskaris Kalo pheros zukommen, so mit Brief 359(323), 1 3 86. Er versucht allerdings, sein Schweigen zu erklären, wenn auch nicht zu entschuldigen: Wegen seiner häufigen Reisen ist es schwierig, ihm Briefe zuzustellen, und selbst wenn er einen dieser Briefe bekäme, könne er wegen seiner vielen geschäftlichen Verpflichtungen kaum Zeit zur Antwort finden. In Brief 3 56(0407) mahnt Kydones einen namentlich nicht genannten Freund, der ihm nicht geschrieben hatte, mit einer allgemeinen Feststellung: "Briefe ersetzen getrennten Freunden das persönliche Gespräch. Wer also zögert, einem in der Feme weilenden Freund zu schreiben, würde den Freund zweifellos auch bei einer persönlichen Begegnung übersehen. Über lege dir also, ob es aus deiner Sicht in Ordnung wäre, mich bei einer persön lichen Begegnung nicht einmal zu grüßen." Der Italiener Paulus aus Mailand, dem Kydones bei einem Aufenthalt in Konstantinopel behilflich war, hatte sich später von den gelehrten Studien abgewandt und ein Handelsunternehmen begründet. Aus Kaffa auf der heuti gen Krim sandte er Kydones zwar keinen Brief, wohl aber ein nicht näher beschriebenes Geschenk. Kydones lässt ihn in Brief 439(448), 1 394, wissen, dass er sich fortan jegliches Geschenk verbitte, wenn Paulus keine Zeit zum Schreiben finde. Er bewertet also den brieflichen Dialog höher als ein mate rielles Gedenken und lässt die Ausrede, er habe keine Zeit zum Schreiben, allenfalls vorübergehend gelten. "Nun wünsche ich, dass du mit dem Schen ken aufhörst und uns fortan mit Briefen erfreust, nachdem du den Bedürfti gen, die dir die Zeit zum Schreiben wegnehmen, ein wenig deine Türen ver schlossen hast. Wenn du aber wieder zu träge bist und dein Schweigen von uns mit Geschenken erkaufen willst, als ob uns diese statt der Briefe genüg ten, dann lass dir sagen, dass wir sie ganz gewiss wegwerfen und über den Absender privat und öffentlich alles Schlechte erzählen werden." Analyse zu 5. 2. 2. 1, Mahnung des säumigen Briefpartners
1 . Mögliche oder tatsächliche Gründe des Schweigens sind: Vergeltung für 7o das Schweigen des Briefpartners,6 8 Zorn über den Briefpartner, 69 Egoismus,
68
Br. 85(01 28), 90(0 1 29). In Brief 1 78(0 1 9 1 ) vertritt Kydones die Ansicht, dass nur, wer selbst schreibt, Anspruch auf Briefe hat. 69 Br. 1 8( 1 7). 70 Br. 49(37), 50(42).
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5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
Unzuverlässigkeit, 7 1 religiöser Rigorismus, 7 2 übertriebene Askese eines Mönchs / 3 Zweifel an der Qualität des eigenen Briefstils, 74 durch kriegerische Erfolge gestörte Erinnerung an den Briefpartner, 75 erhöhtes Engagement des Briefpartners für eine andere Person. 76 2 . Das Schweigen des Briefpartners ist umso weniger akzeptabel, wenn es zu vorherigen Versprechungen77 oder Freundschaftsbeteuerungen7 8 im Widerspruch steht oder mit Undankbarkeie9 oder dem Verzicht auf wichtige Informationen (kriegerische Erfolge, 80 Ver lauf einer Erkrankung, 8 1 allgemeine Auskunft über das eigene Leben, 82 die durch die Zusendung von Geschenken nicht ersetzt werden kann83 ) verbun den ist. Nicht selten ist auch der Vorwurf, ein Briefpartner habe "allen ande ren" außer dem Schreiber des Briefes (Kydones) geschrieben. 84 3 . Besondere Reaktionen des enttäuschten Briefschreibers auf das Schweigen des Brief partners : Ironisch gemeinte Drohungen im Falle weiteren Schweigens 85 und ausführliche, Mitleid erregende Schilderung des eigenen Schmerzes über das Schweigen des anderen. 86 5.2.2.2 Versuch, das Schweigen des Briefpartners zu entschuldigen In Brief 69( 1 0 1 ), 1 372173, betont Kydones, das Schweigen des Freundes nicht zu tadeln, weil er sich seiner freundschaftlichen Gesinnung sicher sei. Der Freund habe es ja nur unterlassen, ihm zu schreiben, um ihn durch uner freuliche Nachrichten nicht zu betrüben. Kydones weiß aber ohnehin, dass er selbst zurzeit am Kaiserhof nichts gilt und der Freund ihm, würde er darüber schreiben, nichts Neues berichten würde. So sei die Rücksichtnahme nicht notwendig. Noch besser aber wäre es, wenn der Freund nur über sich selbst 7 1 Br. 42(30). 72 Br. 1 1 6( 1 02). Ein Freund gibt die Auskunft, er schreibe Kydones nicht mehr, weil er ein Häretiker sei (Anspielung auf seine lateinerfreundliche Einstellung). 73 Br. 58(36). 74 Br. 1 57( 1 57), 1 88( 1 6 1 ) 75 Br. 254(254). 76 Br. 270(269). 77 Br. 27(9). 78 Br. 54(46). 79 Br. 65(62), 1 60(0 1 86), 1 62(0 1 87), 1 75(01 90). 80 Br. 59(28). 8 1 Br. 1 1 1 (80). 82 Br. 325(67)., 1 9 1 ( 1 63). 83 Br. 439(448). 84 Br. 5 1 (54), 58(36), 54(46), 253(253). 85 Br. 20(22). 86 Br. 1 8( 1 7).
5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
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schriebe und von seinem Wohlergehen berichtete; damit würde er ihn wirk lich erfreuen. Das Versagen des Briefboten als Entschuldigung für nicht eingetroffene Post 87 postuliert Kydones auch, um den Briefpartner vom Vorwurf des Schweigens freizusprechen. So beginnt z. B. Brief 44(0 1 1 8) an Sguropulos mit den Worten: "Ich bin dir dankbar auch für den Brief, den ich nicht erhal ten habe. Denn es ist nicht gerecht, das Unrecht des Briefboten deiner Gesin nung anzulasten; du brauchst ja nicht für die Fehler eines anderen gerade zustehen. Was von dir zu erfüllen war, ist jedenfalls erfüllt." Kydones er mahnt ihn jedoch im weiteren Verlauf des Briefes, in Zukunft mit der Aus wahl seiner Briefboten vorsichtiger zu sein. In Brief 1 84( 1 48) an den Großdomestikos Demetrios Palaiologos, 1 3 74/ 75, beteuert Kydones, wenn er bisher geschwiegen habe, sei dies keine Ver geltung für das Schweigen des Briefpartners, denn er habe aus eigener Er fahrung volles Verständnis, wenn ein Staatsmann wie der Adressat nicht zum Schreiben komme. Aber er habe nach dessen Schweigen auf eine große Zahl von Briefen das Gefühl gehabt, dass Briefe von ihm dem Adressaten nicht wichtig gewesen seien. Doch habe ihn ein gewisser Pagomenos be lehrt, dass der Adressat sogar ein hohes Interesse an den Briefen des Kydo nes zeige, und so wolle er denn nun wieder schreiben, wenn auch nicht so schöne Briefe, wie sie der Adressat verdient habe. In Brief 1 73 ( 1 67), 1 376, zeigt Kydones Verständnis für das Schweigen des jugendlichen Freundes Rhadenos, das durch eine schwierige Lebensent scheidung zu erklären sei. 88
Brief 1 79(0 1 92) antwortet auf das Schreiben eines Freundes, der als Grund für sein Schweigen angegeben hatte, er habe vor lauter Wohlleben keine Zeit, der Freunde zu gedenken. Es besteht wohl kein Zweifel, dass die se "Entschuldigung" bare Ironie ist. Kydones aber reagiert auf den Scherz ernsthaft und meint, die Aufsicht, die der Freund derzeitig beim Ausbau der Stadtmauer von Antigoneia auf Chalkidike zu führen habe, wäre wohl eine bessere Entschuldigung gewesen. Auch in Brief 1 80(0 1 93) sind es die öf fentlichen Aufgaben des Freundes, diesmal in der Heimatstadt, die Kydones als Entschuldigung für sein Schweigen anführt. Den Vorwurf, jener habe sei ne Freunde vergessen, möchte er hingegen ausschließen. Der Adressat ist wohl in beiden Fällen Tarchaneiotes in Thessalonike. 89
87 88 89
Siehe oben, Analyse zu 5 .2. 1 , 4. Zum Zusammenhang siehe oben, 2 .4.3 . 1 Vgl. TINNEFELD, Kydones H , 1 1 7, Kommentar, I , E , OE; 1 1 8, Kommentar, 1.
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5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
In Brief 205(022 1 ) spricht Kydones einem geistlichen Freund sein Ver trauen aus, auch wenn er nicht schreibe. Das Ausbleiben der von ihm erwar teten Post sei mit äußeren Umständen zu erklären. Er sei sicher, dass er in ständigem Gebet an ihn denke. Ein größeres Geschenk, als Gott rur einen Freund gnädig zu stimmen, gebe es nicht. In einem anderen Brief, 274(247), 1 3 83, sucht Kydones das Schweigen des namentlich nicht genannten Freundes durch eine Reise im Auftrag des Kaisers oder eine Erkrankung zu erklären, denn Briefboten seien reichlich vorhanden, und an Desinteresse könne er nicht glauben. Da Kydones vor al lem besorgt ist, der Freund könnte erkrankt sein, bittet er ihn dringend, ihn von seiner Sorge zu befreien. In Brief 278(278), 1 3 83-86, an einen Freund in Thessalonike, beklagt Kydones die Behinderung des Briefweges durch die bestehende Kriegssitua tion, mit der er sowohl das Schweigen des Freundes wie auch das eigene er klärt. Wegen ihrer beiderseitigen Zuneigung sollten sie aber nichts unver sucht lassen, was die Zustellung von Briefen fördern könne. Bemerkenswert ist des Kydones Stellungnahme zum Thema "Schweigen" in Brief 1 89( 1 62) an Tarchaneiotes: Keiner von beide könne dem andern Schweigen vorwerfen, weil beide längere Zeit das Schreiben versäumt und so durch Schweigen die Freundschaft verletzt hätten. Um also dem gerechten Tadel zu ergehen, sollten sie beide einander wieder in gewohnter Weise mit Briefen erfreuen. "Da ich also anfange, bleibt es an dir, den Brief zu beant worten." Der Freund solle aber nicht versuchen, sich mit seinem kunstlosen Stil zu entschuldigen. In den Briefen 3 67(3 52), 1 3 87, und 383(3 68), 1 3 88, an Kaiser Manuel weist Kydones dessen Entschuldigung rur unterlassenes Schreiben als über flüssig zurück, weil er sich seiner Zuneigung sicher sei und es auch unpas send wäre, von einem Kaiser auf jeden Brief eine Antwort zu erwarten, zu mal er sich in einer so bedrängten Situation befinde. 90 Manuel hatte aber die ses freundschaftliche Verständnis in einem nicht erhaltenen Brief als Gleich gültigkeit gegenüber seinen Briefen missdeutet Auf diesen Brief nimmt Ky dones in 3 9 1 (37 1), 1 3 88, Bezug und erklärt seine Reaktion auf das Schwei gen Manuels als Großzügigkeit. Er lässt aber auf diesen noch einen zweiten Brief, 3 92(372), 1 3 88, folgen, in dem er der Kritik Manuels an seiner Groß zügigkeit beipflichtet, da ein Kaiser doch immer Recht behalte. 9 1 Nun kün90 Im Jahr 1 3 87 leistete Manuel dem Osmanenherrscher Murad erzwungenen Militärdienst, 1 3 8 8 hielt er sich im Exil auf der Insel Lemnos auf. 91 Auf diese Sicht des Kaisers nimmt Kydones wohl auch in der athetierten Fassung 40 1 * (385*) von 40 1 (385) Bezug; s. 0, 5 . 1 .2.
5. Epistolographisch relevante Aussagen in den Kydonesbriefen
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digt er ironisch an, er werde fortan unerbittlich Briefe von ihm fordern und keine Ausflucht mehr akzeptieren. Mit Brief 42 1 (39 1 ), 1 3 89, an den Despoten Theodoros I. von Mistras antwortet Kydones auf dessen Entschuldigung rur versäumtes Schreiben. Er weist die Entschuldigung als unnötig zurück, weil er als der sozial Geringere keinen Anspruch auf Briefe von einem Herrscher erheben könne. Außerdem sei Theodoros so durch Kämpfe mit Rivalen und Widersachern beansprucht, dass ihm keine Zeit zum Schreiben bleibe. Er, Kydones, könne auch deshalb keine Briefe von ihm fordern, weil auch er dem Despoten wegen der schwie rigen Situation Konstantinopels nicht geschrieben habe. Analyse zu 5. 2. 2, Versuch, das Schweigen des Briefpartners zu entschuldigen
Entschuldigungsgründe: 1 . Schweigen aus freundschaftlicher Gesinnung, um dem Freund unangenehme Nachrichten zu ersparen, 92 2. Zeitmangel des Briefpartners, weil er mit öffentlichen Aufgaben betraut ist,93 3 . Der Kaiser dürfe schweigen, weil rur ihn keine Pflicht bestehe, Briefe zu beantworten. 94 4. Eine wichtige Lebensentscheidung, 95 5. Versagen des Briefboten, 96 6. Be hinderung des Postweges, 97 7. Erkrankung des Briefpartners. 9 8
92 93 94 95 96 97 98
Br. Br. Br. Br. Br. Br. Br.
69( 1 0 1 ). 1 84(148), 1 79(0 1 92), 1 80(0 1 93), 279(247), 383(368), 42 1 (3 9 1 ) . 367(352), 383(368). 1 73 ( 1 67). 44(0 1 1 8). 205(022 1 ), 278(278). 278(278).
ERGEBNISSE Das umfangreiche Briefcorpus des Kydones wäre gewiss eine ergiebige, wenn auch nicht die einzige Basis für eine noch zu schreibende umfassende Biographie. Jedenfalls habe ich in der Kurzbiographie, die ich vor längerer Zeit vorlegte 1 diese Chance in bescheidenem Umfang genutzt. Ich will aber dem verehrten Autor nun, nach Abschluss der kommentierten Übersetzung seiner Briefe / nicht noch eine erweiterte Biographie widmen, sondern habe mich in dieser Publikation darauf beschränkt, ihn als Briefschreiber vorzu stellen und damit die Möglichkeiten und zugleich die Grenzen seiner Brief sammlung3 als biographische Quelle zu zeigen. Deren auffälligste Besonder heit ist zweifellos ihr höfischer Charakter. Vor allem der regierende Kaiser, andere Persönlichkeiten der Kaiserfamilie und Menschen im höfischen Dienst sind es, die das Leben und den brieflichen Austausch des Hofbeamten Kydones prägten. Bereits die auf das eigene Ich des Briefschreibers bezoge nen Briefe in Abschnitt 1 zeigen, wie sehr Kydones abhängig von der Welt des Kaiserhofes ist, sei es, dass er Freunde und Bekannte um Vermittlung beim Kaiser bittet oder über Plagen, Anfeindungen und Intrigen am Kaiser hof klagt. Noch mehr dokumentieren diese Abhängigkeit die zahlreichen Du-bezogenen Briefe in Abschnitt 2, die überaus häufig an Personen der hö fischen Welt gerichtet sind, sei es in lobendem oder auch in tadelndem Zu sammenhang. Hierher gehören aber auch die Briefe, in denen Kydones ei nem Freund oder Bekannten über die zuvor erbetene Fürsprache beim Kaiser berichtet. Dem höfischen Milieu gehören ferner die meisten dritten Personen in Abschnitt 3 an, die Kydones in Briefen an diverse Briefpartner entweder tadelt oder lobt. Hier finden sich auch unter 3 . 1 die meist an den Kaiser ge richteten Empfehlungsbriefe für eine dritte Person. Einen wichtigen zweiten Themenkreis bilden die Briefe, in denen es um die religiöse Überzeugung des Kydones geht. Sie sind geprägt von der Be-
2 3
Tinnefeid, Kydones VI, 4-52 (Das Leben des Demetrios Kydones), 53-62 (Zur Persön lichkeit des Kydones). Siehe oben, im Verzeichnis der abgekürzt zitierten Quellen und der Sekundärliteratur: Tinnefeid, Kydones, I-IV. Das von Loenertz edierte Briefcorpus geht eigentlich auf mehrere Briefsammlungen zu rück; siehe Loenertz, Recueils und Tinnefeid, Briefsammlungen, 367-369, 376f. Doch ist es legitim, von einer Briefsammlung im Singular zu sprechen, wenn man sich auf die Edition Loenertz bezieht.
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wunderung der scholastischen Theologie des lateinischen Westens und der Ablehnung der von der byzantinischen Bischofssynode im Jahr 1 3 5 1 sank tionierten Energienlehre des Gregorios Palamas. Der Verteidigung dieser beiden Positionen sind die unter 1 .4. 1 untergebrachten Briefe gewidmet. Um eine erste Auseinandersetzung des in der byzantinischen Orthodoxie erzoge nen Kydones mit der römischen Theologie geht es in dem unter 1 . 1 . 1 (Bitte um Rat und Hilfe) eingeordneten Brief 378(40) an Neilos Kabasilas; der un ter 2. 1 . 1 . 1 untergebrachte Brief 400(93) an Johannes Kantakuzenos tadelt diesen für die Verbreitung seiner polemischen Schriften gegen die antipala mitische Theologie des Prochoros Kydones; unter 2.4.2.2 sind zwei Briefe4 an höhere Kleriker der orthodoxen Kirche eingeordnet, in denen Kydones Kritik an ihrer religiösen Intoleranz gegenüber ihm selbst und seinem Bruder übt; unter 3 .4. 1 findet sich ein erschütternder Nachruf auf seinen Bruder Pro choros, der wegen seiner theologischen Überzeugung das Opfer einer kirch lichen Verurteilung wurde. 5 In enger Verbindung mit seiner Wertschätzung des römisch-abendländischen Christentums ist auch das politische Konzept des Kydones zu sehen, die Rettung des Reiches vor dem Ansturm der Tür ken durch eine Zusammenarbeit mit den Mächten des Abendlandes zu ver wirklichen (4. 1 .2). Die Briefe zu diesem Thema sind zwar nicht zahlreich, aber zum Teil sehr ausführlich und zeigen nicht nur die Erfolg versprechen de Seite, sondern überraschend deutlich auch die Problematik dieses Kon zeptes. Große Teile des Briefcorpus sind auch dem politischen Problem gewid met, das wie kein anderes die Lebenszeit des Kydones prägte, der wachsen den Macht der erst kürzlich nach Kleinasien eingewanderten türkischen Stämme, vor allem der Osmanen unter Orhan, Murad I. und Bayazid I. Die ses Thema wird vor allem unter 4. 1 (Außenpolitik), aber auch unter den Ka tegorien Lob (2 . 1 . 1 ) und Tadel (2 .4. 1 ) für die zeitgenössischen Kaiser, vor allem für Johannes V. und Manue1 11. , behandelt. Das Urteil des Kydones über die Türken ist geprägt von seiner entschiedenen Ablehnung des Islam und von der Überzeugung, dass die Herrschaft der Türken dem Volk von Byzanz Sklaverei und totale Abhängigkeit bringen werde. Einem vierten wichtigen Themenkreis zuzuweisen sind schließlich die Briefe, in denen Kydones seine ganz persönlichen Freuden und Schmerzen ausspricht. Sie finden sich vor allem in den Kategorien 1 .3 (Dank für emp fangene Wohltaten), hier vor allem der umfangreiche Dankesbrief an die Kaiserin Helene, 222(442), 1 .5 (Hoffnungen für die eigene Zukunft), hier 4 5
Br. 1 29(68) und 1 5 1 (94). Br. Mercati(8 1 ).
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vor allem der Brief an Johannes Laskaris Kalopheros, 269(246), in dem Ky dones den geplanten gemeinsamen Lebensabend mit dem Freund in Venedig ausmalt, 2. 1 .2 (Ausdruck der Zuneigung oder Lob im privaten Bereich), hier vor allem der ausführliche Brief an einen treuen Verehrer, 1 99(2 1 7), aber auch seine Korrespondenz mit dem Schüler und Freund Rhadenos, deren di verse Inhalte in dieser Monographie auf mehrere Kategorien verteilt sind. 6 In einigen Fällen gibt der Tod einer geliebten Person Gelegenheit, persönliche Gefühle besonders deutlich zur Sprache zu bringen (siehe 3 .4. 1 , persönliche Nachrufe auf Georgios Synadenos Astras, den eigenen Bruder Prochoros, Manuel Kantakuzenos, Francesco I. Gattilusio und den früh verstorbenen Rhadenos). Der besondere Reiz dieser Briefe liegt darin, dass hier auch scheinbar ab gegriffene Themen in immer neuen Variationen behandelt werden. So ver wendet Kydones im Lob auf die Kaiser Johannes Kantakuzenos und Manuel die bekannten Tugenden der Kaiseridee wie Sanftmut (7tQqOrrll C; ) und Men schenfreundlichkeit (cptAav8Qw7tLa) und den Topos vom platonischen Phi losophenkönig, aber er schmückt sie mit immer neuen zusätzlichen Varian ten aus. 7 Im Falle des Kantakuzenos dienen die Lobesworte vornehmlich dem Ziel des noch nicht Dreißigjährigen, sich der Gunst des Kaisers zu ver sichern, den Kydones aber auch als Freund seiner Familie schätzte und ver ehrte. Das Lob auf Kaiser Manuel steht im Zusammenhang seiner Lebens freundschaft mit dem ca. 25 Jahre jüngeren Kaisersohn und späteren Kaiser, der nach eigenem Bekunden Kydones seine beeindruckende literarische Bil dung verdankte. 8 Dieser Hintergrund seines Lobes wird z. B. besonders deut lich in Brief 262(265). 9 Hier preist Kydones eine von Manuel verfasste Rede an die Bürger von Thessalonike wegen ihrer formalen, stilistischen Voll kommenheit. Kein Lehrer habe ihn solche Beherrschung der Sprache lO leh ren können; er verdanke sie allein seiner eigenen Vernunft und Leistung. Diese sei umso größer, als er sich in Thessalonike in äußerster Bedrängnis durch die Türken befinde. Die literarische Leistung im Krieg ist zwar ein lo bender Topos des Kydones auch in Briefen an Manuels Großvater Johannes
6
Siehe vor allem oben, 2.2 (Rat und Trost), 2.3 (Sorge), 2.4.3 . 1 (Kritik an Rhadenos), 3 .4. 1 , Br. 363(249) (Nachruf auf Rhadenos). Einen umfassenden Überblick über die Be ziehung zwischen Kydones und seinem Schüler gibt TINNEFELD, Rhadenos. 7 Siehe oben, 2. 1 . 1 . 1 und 2. 1 . 1 .4. 8 Siehe DENNIS, Letters Manuel, BriefNr. 1 1 , Z. 24-26. 9 Siehe oben, 2 . 1 . 1 .4. 1 0 Gemeint ist natürlich das Altgriechische, das sowohl Kydones wie auch Manuel und zahlreiche Zeitgenossen in ihren Schriften in großer Perfektion verwendeten.
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Kantakuzenos. Aber Kydones überhöht hier das Lob rur Manuel noch durch die nur teilweise zutreffende Behauptung, er zeige diese literarische Bega bung trotz des geringen Interesses seiner Vorfahren an der Bildung, obwohl er in anderen Briefen dessen Mutter Helene und deren Vater Johannes Kan takuzenos, wie gezeigt, großes Lob rur ihre literarische Qualifikation zollte. Er scheint aber, wenn er von Vorfahren spricht, vor allem an Johannes V. zu denken, dessen geistige Interessen eher bescheiden waren, 1 1 und Ähnliches gilt rur seinen Großvater Andronikos III. Es kommt Kydones hier darauf an zu zeigen, dass Manuels positive literarische Entwicklung in einer bildungs feindlichen Umgebung besonderes Lob verdiene. Wohl doch eher als Lob denn als Tadel ist die Bemerkung zu verstehen, dass das literarische Niveau der genannten Rede rur ihr Publikum, die Bürger von Thessalonike, zu hoch angesetzt sei. Hier werden die berechtigten Zweifel mancher Byzantinisten an der allgemeinen Verständlichkeit byzantinischer Rhetorik gerade in ihren Glanzzeiten ( 1 1 .-14. Jh.) von einem Byzantiner ausdrücklich bestätigt. Die in Abschnitt 5 behandelten epistolographischen Kategorien sind wohl die am wenigsten auf eine bestimmte Person beschränkten und spezifizier ten. Dennoch gibt Kydones ihnen in der Durchfiihrung ihre eigenständige Prägung und zeigt, wie auch eine scheinbar abgegriffene literarische Tradi tion neue Blüten der literarischen Eigenständigkeit hervorbringen kann. Um dem literarischen Aspekt der in den Briefen behandelten Themen mehr Farbe zu verleihen, habe ich aus ihnen reichlich zitiert. Mir scheint, dass eher durch das Zitat bemerkenswerter Formulierungen als durch eine abstrakte Beschreibung literarischer Kategorien die eigenständige Sprach kunst des Kydones erkannt und bewertet werden kann. Es ist Kydones selbst, der bei anderen den Zusammenklang von sprachlichem Ausdruck und dem Inhalt der Aussage als literarische Leistung lobt. Dass ihm dieser Zusam menklang in seinen eigenen Briefen oft gelungen ist, versuche ich dem heu tigen Leser anhand von, wie ich glaube, passend ausgewählten Zitaten zu illustrieren, mag der Stil des Autors auch durch den Filter der Übersetzung in eine modeme Sprache verdunkelt und weniger deutlich erkennbar sein. Mehr als 600 Jahre sind nun seit dem Tod des Kydones vergangen, und vieles, was unsere gegenwärtige Zeit bestimmt und prägt, scheint von der hier als sterbende Kulturepoche beschriebenen spätbyzantinischen Welt un endlich fern zu sein. Dennoch rückt das allgemein Menschliche, das ihn und seine Zeit mit uns und der unseren verbindet, ihn und seine Welt näher zu uns heran, als es zunächst erscheinen mag. Mit diesen Worten verabschiede 11
Zum geringen Interesse Kaiser Johannes' V. an Rhetorik und literarischer Bildung siehe oben, 3.2. 1 , Br. 236(399).
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ich mich von meinem verehrten Autor, der mich so lange Jahre begleitet hat, und überlasse es anderen, seine noch nicht edierten Schriften zu edieren und auf einer vollständigeren Quellenbasis eine ausfiihrlichere Darstellung von seinem Leben und Werk zu verfassen.
ANHÄNGE
ANHANG I Demetrios Kydones - Biographische Zeittafel
Ca. 1324
Demetrios Kydones wird in Thessalonike als Sohn des hohen Beamten Manuel * Kydones geboren.
1328
Kaiser Andronikos IH. und sein Freund, der kaiserliche Gene ral Johannes Kantakuzenos, übernehmen nach einem jahrelan gen Bürgerkrieg die Macht in der Kaiserstadt Konstantinopel.
Ca. 1335
Prochoros, der jüngere Bruder des Demetrios, wird geboren.
1341
Der Vater des Demetrios, ein Freund des Johannes Kantakuze nos, stirbt auf der Rückreise von einer Gesandtschaft zur Gol denen Horde.
1341
Kaiser Andronikos IH. stirbt.
15. Juni 1341
Kantakuzenos lässt sich in Didymoteichon zum Kaiser ausru-
26. Oktober
fen. Der Streit um die kaiserliche Macht zwischen Kantaku zenos und den Regenten des minderjährigen Johannes V. Pa laiologos, Sohn und Nachfolger Andronikos' IH., führt zu ei nem neuen Bürgerkrieg.
1342
Ausbruch des Zelotenaufstandes gegen die Aristokratie in
ca. Juni
Thessalonike. Auch Kydones und seine Familie (die Mutter, der Bruder und drei Schwestern) werden von den Aufständischen bedroht; sein Elternhaus wird geplündert.
1345
Kydones flieht vor den Zeloten zu Manuel Kantakuzenos nach
ca. Mai
Berroia.
1346
Kydones begibt sich nach Selymbria
März
takuzenos.
1346
Johannes Kantakuzenos wird in Adrianopel zum Kaiser ge
Mai
krönt.
zu
Kaiser Johannes Kan
260 1347 Februar
Demetrios Kydones: Biographische Zeittafel Kaiser Johannes Kantakuzenos übernimmt die Herrschaft in Konstantinopel. Er gibt dem legitimen Erben der Macht Jo hannes V. seine Tochter Helene zur Frau und stellt zu gegebe ner Zeit seinen Rücktritt in Aussicht. Kydones wird auf eige nes Ersuchen von Kantakuzenos nach Konstantinopel berufen und mit dem hohen Amt eines Mesazon (zweiter Mann nach dem Kaiser) betraut. Gleichzeitig beginnt er mit dem Studium der lateinischen Sprache.
1351 Juni
Die von Kydones und bald auch von seinem Bruder Procho ros, Mönch auf dem Berg Athos, abgelehnte Energienlehre des Mönches Gregorios Palamas wird auf einer Synode in Kon stantinopel unter Vorsitz Johannes' VI. zum Dogma der ortho doxen Kirche erhoben.
1354
Nach einem erneuten Bürgerkrieg wird Kantakuzenos von Jo
Dezember
hannes V. zur Abdankung gezwungen; Kydones zieht sich mit Kantakuzenos in ein Kloster zurück und widmet sich der Übersetzung von Werken des Thomas von Aquin, der Summa
contra gentiles und der Summa theologiae, ins Griechische. 1356
Kydones wird von Johannes V. in das Amt eines Mesazon zu rückberufen.
1357
Durch seine Studien mehr und mehr rur die Theologie der abendländischen Scholastik gewonnen, schließt sich Kydones der römischen Kirche an.
1364
Angesichts der wachsenden Bedrohung des byzantinischen Reiches durch türkische Stämme in Kleinasien gewinnt Kydo nes als Berater Johannes' V. an Bedeutung. Er ist überzeugt, dass nur ein abendländischer Kreuzzug Byzanz vor den Tür ken retten kann, und der Kaiser nimmt diplomatische Kon takte mit Papst Urban V. auf.
1366/67
Johannes V. reist nach Ungarn (Buda), um König Ludwig den Großen um Hilfe gegen die Türken zu bitten. Gleichzeitig trifft Graf Amedeo von Savoyen, ein Vetter Johannes' V., vor Konstantinopel ein, befreit Kallipolis von seiner türkisch-os manischen Besatzung und leistet dem Kaiser tatkräftige Hilfe gegen die Bulgaren, die ihn auf der Rückreise von Buda an der Weiterfahrt hindern wollen.
Demetrios Kydones: Biographische Zeittafel 1368
261
Prochoros, der Bruder des Demetrios Kydones, wird von der Bischofssynode in Konstantinopel wegen seiner Zuwendung zur scholastischen Theologie und der Ablehnung der palami tischen Energienlehre als Häretiker verurteilt.
1369
Auf Betreiben des Grafen Amedeo und des Kydones reist Kaiser Johannes V. zusammen mit Kydones auf dem Seeweg nach Rom und konvertiert dort zum römischen Christentum. Kydones knüpft in Rom freundschaftliche Kontakte mit päpst lichen Würdenträgern, kann sich aber nicht entschließen, ihre Einladung, in Italien zu bleiben, anzunehmen.
1370
Die byzantinische Delegation reist in der Hoffnung auf finan zielle Unterstützung nach Venedig, weil ihr das Geld für die Rückreise ausgegangen ist.
1371
Kydones kehrt nach Konstantinopel zurück; sein Bruder Pro
ca. Juni
choros ist während seiner Abwesenheit gestorben.
1371
Johannes V. trifft nach einem Zwischenaufenthalt auf der In-
Oktober
seI Lemnos in Konstantinopel ein. Er zürnt Kydones wegen der Erfolglosigkeit der Italienreise, und dieser bittet um Ent lassung aus dem kaiserlichen Dienst, die ihm der Kaiser zö gernd gewährt. Kydones verzichtet auf eine zunächst geplante weitere Reise nach Italien, die politisch keinen Sinn mehr hat.
1373 (1374?) Johannes V. leistet Bey Murad I. erzwungenen Heeresdienst. 1373 September
Kydones reist mit ungern erteilter Erlaubnis des Kaisers zu seinem Freund, dem Genuesen Francesco I. Gattilusio, nach Lesbos. Die Ungnade des Kaisers dauert auch nach seiner Rückkehr an.
1374/75
Rhadenos aus Thessalonike verbringt mit Kydones eine erste Phase gemeinsamer Studien in Konstantinopel. Kydones leitet im Auftrag des Kaisers die Verhandlungen mit einer päpst lichen Gesandtschaft in Konstantinopel.
Herbst 1375
Kydones kehrt mit eingeschränktem Aufgabenbereich in den Dienst Johannes' V. zurück.
Demetrios Kydones: Biographische Zeittafel
262 1376
Der älteste Sohn Johannes' V., Kaiser Andronikos IV., nach
August
einem gescheiterten Putschversuch im Jahr 1373 verhaftet, kann sich aus der Haft befreien. Er übernimmt in Konstanti nopel die Macht und lässt seinen Vater und seine Brüder Ma nuel und Theodoros im Anemasturm zu Konstantinopel ein kerkern. Kydones lehnt 1377 die Zusammenarbeit mit ihm ab und zieht sich damit zum zweiten Mal aus seinem Dienst am Kaiserhof zurück.
1379
Johannes V. und seine Söhne entfliehen aus der Haft.
Juni 1379
Johannes V. kehrt auf den Thron zurück; Andronikos flieht
1. Juli
zur genuesischen Niederlassung PeraiGalata bei Konstantino pel. Kydones wird in seine frühere Machtposition zurückbe rufen.
1381
Johannes V. versöhnt sich mit seinem Sohn Andronikos; die-
Mai
ser erhält als Apanage die Stadt Selymbria und wird erneut (zu Ungunsten seines Bruders Manuel) als legitimer Thronfolger bestätigt, stirbt aber bereits im Juni 1385.
1382 Herbst
Manuel Palaiologos begibt sich überraschend nach Thessalonike, um in der Stadt, die er bereits 1369 als Apanage erhalten hatte, die Macht zu übernehmen und die zunehmenden An griffe der osmanischen Türken auf diese Stadt abzuwehren. Johannes V. zürnt seinem Sohn lange Zeit für diesen eigen mächtigen Schritt.- Theodoros, der jüngste überlebende Sohn Johannes' V., übernimmt in Mistras die Herrschaft über das byzantinische Gebiet auf der Peloponnes.
1382-87
Während Manuels Aufenthalt in Thessalonike unterhält Ky dones mit diesem und mit seinem Schüler Rhadenos, der dort in Manuels Dienste getreten ist, einen regen Briefwechsel.
1386
Kydones beendet seine Tätigkeit im kaiserlichen Dienst und
ca. Sommer
zieht sich ins Privatleben zurück. Seinen lange gehegten Plan einer Übersiedlung nach Italien führt er nach wie vor nicht aus.
Demetrios Kydones: Biographische Zeittafel
263
1387
Manuel gibt Thessalonike auf und flieht zu Schiff nach Les-
Frühjahr
bos. Kurz darauf bringen die Osmanen unter Murad I. Thes salonike in ihre Gewalt. Kydones hält Manuels Plan, sich wie sein Vater Johannes V. Murad zu unterwerfen, für falsch und warnt vor allem in Briefen an Rhadenos vor einem solchen Schritt.
1387
Manuel begibt sich mit Unterstützung des Osmanenherrschers
Herbst
Murad I. zu seinem Vater nach Konstantinopel, der ihm die Insel Lemnos als vorläufigen Aufenthaltsort zuweist.
1389
Schlacht auf dem Kosovo Polje (Amselfeld) zwischen Serben
15. Juni
und Türken. Tod Murads I. Sein ältester Sohn Bayazid I. wird sein Nachfolger.
1390
Kydones unternimmt die seit langem geplante Italienreise und erhält in Venedig am 20.1.1391 auf Dauer das Bürgerrecht der Stadt.
1391
Kaiser Johannes V. stirbt in Konstantinopel; sein Sohn Ma-
16. Februar
nuel II. tritt Anfang März die Nachfolge an.
1391
Kydones kehrt aus Venedig als Ehrenbürger der Stadt nach
März
Konstantinopel zurück.
1391
Osmanische Truppen Bayazids beginnen mit der Belagerung
Spätsommer
Konstantinopels.
1391-96
Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Kaiser Manu el H. und seinem ehemaligen Mentor Kydones dauern an. Ky dones gewinnt seinen Schüler Manuel Kalekas als Kopisten seiner Briefe.
1396
Kydones, von den Anhängern der palamitischen Theologie
Herbst
nach wie vor angefeindet, reist erneut, zusammen mit seinem Freund Manuel Chrysoloras, nach Italien. Chrysoloras folgt dort einer Einladung als Lehrer der griechischen Sprache nach Florenz, Kydones reist zunächst noch einmal nach Venedig.
1396/97
Kydones reist aus unbekannten Gründen von Venedig nach Kreta, wo er vor dem Ende des Jahres 1397* * stirbt.
*
Den Vornamen des Vaters entdeckte Guillaume SAINT-GUILLAIN, Manouel Kyd6nes (vers 1300-1341), diplornate byzantin, pere de Dernetrios Kyd6nes, Revue des Etudes Byzantines
**
64/65 (2006/07) 341-357.
Zur Präzisierung der Todeszeit des Kydones siehe GANCHOU, Kyd6nes.
ANHANGII Demetrios Kydones, Autobiographische Rede an Kaiser Johannes V. Palaiologos, Herbst 137 1 (Ed. LOENERTZ, Cydones I, 10-23) 1 (S. 10) 1. Bester Kaiser! Viele Wohltaten erfuhr ich von dir zu vielen Zeiten, für die ich dir, soweit es mir möglich ist, mein ganzes Leben lang ständigen Dank darbringen müsste. 2 Eine Wohltat aber geht meines Erachtens über alle anderen, die ich dir verdanke, hinaus: Als du kürzlich verreisen wolltest, hast du deinen vielen freundlichen Worten für mich noch dies hinzugefügt: ( 15) Mein allseitiges Wohlbefinden sei so sehr dein Wunsch, dass du jede Gunst, die ich jemandem zusagen würde, bereitwillig gewähren würdest. Im Ver gleich zu diesen wenigen Worten ist eine jede Ehre und Gunst, die Men schen einander geben können, gering zu schätzen. Denn was ist <ein> größe res , als von dem zum Herrn über das eigene Glück eingesetzt zu werden, der die Macht dazu hat, so dass man sein Glück nur zu wollen braucht, um es zu erlangen, zumal wenn (20) der Kaiser freiwillig in Aus sicht stellt, was für gewöhnlich nicht ohne langes Bitten gewährt wird? Un ser Gegengeschenk dafür - freilich ein geringes für eine höchst kostbare Gabe - ist die Anerkennung deiner Wohltat und , allen, die sie noch nicht kennen - wenn man überhaupt voraussetzen darf, dass jemand so schwer von Begriff ist -, deine Großzügigkeit zu verkünden. Denn was sonst soll einer, der nichts entbehrt, noch von denen erhoffen, de 3? nen es wohl ergeht. (25) Den verdienten Lohn wirst du jedenfalls von dem erhalten, der unsere Taten zu beurteilen hat und uns für diese nicht nur in gleichem Maß vergilt, sondern über die Hoffnungen derer, die ihn bitten, noch um ein Vielfaches hinausgeht. Da ich aber gemäß deiner eigenen Wei-
2
In der Übersetzung sind die Textseiten (S.) und der Beginn jeder fünften Zeile (Zahl ohne Zusatz in Klammem) nach der Edition Loenertz angegeben. Zahlen mit folgendem Punkt geben die 25 Abschnitte an, in die Loenertz die Rede einteilt. Im Griechischen gehäuft Wörter der Vervielfältigung: rroMwv aya8wv rrOMtXKl<; -
XtXQlV ärraaav - rraQCt rrtXv[lX '" ßlOV. 3
Kydones will sagen, dass dem, der dank der Wohltaten des Kaisers glücklich ist, als einzige Gegengeschenke nur Lob und Dank verbleiben, weil der Kaiser nichts entbehrt, was man ihm schenken könnte.
266
Autobiographische Rede an Johannes V. Palaiologos
sung zuversichtlich meine Bitten äußern darf und diese Gunst in höherem Maß als alle anderen bei dir besitze, dürfte es an der Zeit sein, davon Ge brauch zu machen, für mich, dich zu bitten, für dich, es zu gewähren. (30) Ich erbitte aber nicht Gold- oder Silbertalente, auch nicht Grundbesitz und Landhäuser. Zwar wird auch dazu noch die Zeit kommen; ich werde darum bitten und reicher werden. Wichtiger aber als all dies ist mir deine gnädige Gesinnung, die mir alles verspricht, und ich bin überzeugt, diese Dinge nicht zu entbehren, wenn nur sie mir sicher ist. Was ich aber jetzt von dir bekom men möchte, ist gering und (35) bedarf nur eines Winks von dir. Es hat aber solche Bedeutung für mein Leben, dass (S. 1 1) ich es mit Freuden gegen alles, was ich von dir erhielt und erhalten werde, eintauschen möchte. Ich meine Folgendes: 2. Als ich ein Kind war und selbst noch nicht über mich bestimmen konnte, wurde ich auf Vermittlung meiner Eltern einem Lehrer der Rhetorik überge 4 ben. Als ich aber begann, mich selbst (5) und meine Umwelt5 wahrzuneh men, lobte ich die Entscheidung, die sie für mich getroffen hatten, zeigte nun auch selbst Eifer und vertiefte mich so in die literarischen Studien, dass es für mich nichts Wichtiges gab, was ich ihnen hätte vorziehen wollen; denn ich glaubte, der Gewinn, den sie einbringen, müsse einem freien Mann genü gen. So hätte ich mein weiteres Leben in Abgeschiedenheit verbracht, hätten mir nicht die Zeitumstände größeres Missgeschick als vermutet beschert, mich ganz gegen meinen Willen ( 10) von den Studien getrennt - wie eine widrige Sturmböe ein Schiff von seinem Kurs ablenkt - und mich in Um stände geraten lassen, die meiner Wesensart fremder waren als der Gesang der Vögel den Fröschen. Denn was ist geistiger Beschäftigung mehr zuwider als die Plagen im Palast? Was ist der Vernunft und der Wahrheit feindlicher? Dennoch ertrug ich das unruhige Leben dort, weil der Kaiser6 es so wollte. 4. Denn er hielt ( 15) meine Anwesenheit keineswegs für überflüssig und un nütz, sondern glaubte, ein vernünftiger Mensch könne es nicht gelassen hin nehmen, wenn er sie entbehren müsste. Dass ich aber aus Gehorsam ihm ge genüber die Studien vernachlässigte und seinen Anordnungen folgte und
4 5 6
Gemäß MERCATI, Notizie, 359,8-366,25 handelt es sich um Isidoros Bucheir. Zur Person siehe oben, Abschnitt 1.1.1, Anm. 6 und 7. Griech. : '[WV 7TQaYI-.lll-rwv. Johannes Kantakuzenos; siehe Ioannis Cantacuzeni Historiarum !ibri IV, vol. I-In, ed. 1. SCHOPEN, Bonnae 1828-32, hier fiber IV, cap. 16 (vol. In, p. 107, 15) und cap. 39 (vol. In, p. 285, 5).
Autobiographische Rede an Johannes V. Palaiologos
267
nicht deshalb, weil ich den Annehmlichkeiten des Palastes verfallen war, wurde offenkundig mit der Zeit, die mir Gelegenheit gab, die alten Interes sen wieder aufzunehmen. Als nämlich glücklicherweise die väterliche Herr e 8 schaf wieder an dich fiel, (20) jener aber abdankte und die damaligen Machtverhältnisse ein Ende fanden, eilte ich wie die Gefangenen, die der Fesseln ledig sind, mit Freuden in die Freiheit und zu meinen Studien, und es gab aus meiner Sicht nichts, was jenen wenigen Tagen gleichwertig war, da niemand mir etwas befahl noch mir geistigen Zwang auferlegte. Ja, ich glaubte damals keinem der Großen unter den sehr Begüterten nachzustehen, sondern (25) wenn ich mich mit den Schwerreichen verglich, fand ich, dass es nicht vernünftig wäre, meine Schätze gegen ihre einzutauschen. So wurde mir jeder dieser Tage zum Fest, nur deshalb, weil es mir freistand, ungehin dert mein eigenes Leben zu leben. 9 3. Da es aber auch dir geraten schien, dem Urteil des vorherigen Kaisers (30) zu folgen, und du glaubtest, mein Rat könne dir bei deiner Regierungs tätigkeit nützlich sein - ich weiß nicht, wie du zu dieser Meinung gelangt bist -, beriefst du mich mit Ehrerbietung und mit Argumenten, durch die du mich sicher zu gewinnen hofftest. Du versprachst mir aber auch, ich sollte, wenn ich mich gewinnen ließe, nichts entbehren, was man an der Seite eines Freundes, der zudem noch Kaiser ist, erwarten könne. Ich war auch bereit, deinem Willen zu entsprechen und dir in jeder Hinsicht zu dienen, (S. 12) denn ich war dir von Anfang an in Ehrfurcht und Zuneigung ergeben - ob wohl es, wie du weißt, damals fast allen nützlich und einträglich erschien, schlecht von dir zu reden - und ließ weder etwas verlauten, noch gab ich etwas zu bedenken, was dir hätte schaden können, sondern begab mich sogar oft um deinetwillen in Gefahr, weil ich beredt die Meinung vertrat, deine lO Verbannung werde (5) für die Rhomäer den Anfang großen Unglücks und die Wahl eines unerwünschten Herrschers bedeuten. Damals aber wider sprach ich dir ein einziges Mal, weil ich mich zu etwas gedrängt fühlte, was ich nicht wollte. Denn die Zumutung, ich sollte der Wissenschaft etwas an deres vorziehen, erschien mir zu dieser Zeit als eine drückende Last, und den Verlust meiner Freiheit hielt ich für ein nicht geringeres Unglück, als es de-
7
Sc. die Herrschaft des Kaisers Andronikos III. Palaiologos, der im Juni 1341 starb und Johannes als minderjährigen Sohn hinterließ. 8 Sc. Johannes Kantakuzenos. 9 Sc. Johannes Kantakuzenos. 10 Rhomäer (Pw�aiOL): zeitgenössische Bezeichnung der Byzantiner.
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Autobiographische Rede an Johannes V. Palaiologos
nen widerfährt, die bei wildem Seegang den Hafen verlassen und (10) sich leichtsinnig dem Sturm und den Wogen ausliefern. 4. Warum also kann man, wenn man seinen privaten Interessen nachgeht, in größerer Ruhe leben, und warum ist es gefährlich, sich vielseitig zu betä ll tigen und das Unbekannte zu erforschen? Das öffentliche Leben wird doch besonders heftig von Unruhen erschüttert; durch ständige Unglückszeiten sind die Menschen moralisch abgestumpft und haben die (15) Furcht vor den Gesetzen verloren; sie halten den Respekt vor der Obrigkeit für Schwäche; in ihrer Armut erheben sie lauthals anspruchsvolle Forderungen, und wenn ihnen etwas versagt wird, tadeln sie den Kaiser, er verteile das allen gemein same Gut ungerecht. Vertrauen sie aber dem Vermittler 12 ihr Unglück an, dann werfen sie ihm Beeinflussung des Kaisers im eigenen Interesse vor und erklären: "Jetzt ist er parteiisch und verteilt an seine (20) Freunde und an die, die nichts beitragen, aus den öffentlichen Ein künften Wohltaten, übersieht aber die Not der anderen. Zu denen, die ihn be schenken, ist er freundlich, aber <stets> bereit, die, welche ihm nichts zu kommen lassen, zu bestrafen." So lautet der tägliche Klatsch im Palast, in den Versammlungen und auf den öffentlichen Plätzen, während andere wie derum neidisch und mit versteckten Verleumdungen täglich Nadelstiche austeilen, das eigene Missgeschick mit dem (25) Vorteil der anderen gleich setzen und mit der Zeit wie ständige Tropfen alles, auch die Lenker des Staa tes aushöhlen, selbst wenn sie hart wie Stahl wären. 5. Aus all diesen Gründen hielt ich es nicht für geraten, mein Leben als Pri vatmann und die literarischen Studien, die gleichsam mein Schutzwall sind, aufzugeben, mich unbekannten Gefahren auszusetzen und im Bemühen, an deren zu helfen, mich selbst zu ruinieren., sondern wie Odysseus an sein Floß, so (30) klammerte ich mich an meine Freiheit und meine bescheidene Stellung, zumal mich bereits die Erfahrung gelehrt hatte, welch unerfreuli ches Schicksal mich erwartete. Ich war ja schon lange Zeit in den Fangarmen
11 Die Gegenüberstellung von 'ra alnoü nva 71QanELV (seinen privaten Interessen nach gehen) und 71oAu71QaYflovEIV (sich vielseitig betätigen) ist eine bewusste Anspielung auf die berühmte Definition der Gerechtigkeit in Platons Politeia (433b) ('ra al)'wü 71QanELV Kai. flT] 71oAu71QaYfloVElV blKaloUUVTj eU 'rl). Allerdings geht es Kydones hier nicht um diese Definition, sondern um den Vorzug rein privater Betätigung vor dem poli tischen Engagement. 12 Griech. l>LaMaKTIlC;, Mittler, Friedensstifter. Kydones denkt hier an seine eigene, zwi schen Kaiser und Volk vermittelnde Stellung als flEua(,wv.
Autobiographische Rede an Johannes V. Palaiologos
269
dieser Skylla gewesen und hatte mein Boot nur mit knapper Not in den Ha fen lenken können. Jedenfalls hielt ich es für Wahnsinn, wieder in See zu stechen und mich den Wogen auszuliefern. Daher entschied ich mich, dir, Kaiser, zu widersprechen und als �nwirsch (35) und unhöflich zu gelten, wenn ich weder das Risiko bedachte, die Einladung eines Kaisers auszu schlagen, noch für das Glück, das mir angeboten wurde, ein Gespür zeigte. Ich war aber auch auf die Vorwürfe der anderen gefasst, ich sei wohl ver rückt, einen Vorteil, den ich schon in der Hand hätte, achtlos wegzuwerfen. Es hielt mich aber, wie gesagt, Furcht zurück und riet mir, das festzuhalten, was ich hatte, und nicht aus Begierde nach Größerem das Alterprobte zu ver lieren. (S. 13). 6. Aber anscheinend gibt es nichts Eigensinnigeres als einen Kaiser und nichts, was in höherem Maße alles in seine Gewalt bringt und unter jocht. So hatte ich schließlich nicht mehr die Kraft, Widerstand zu leisten, sondern ich gab deinem Drängen nach, Kaiser, im Bewusstsein der Leiden, die mir bevorstanden, aber die Scheu, (5) dem zu widersprechen, dem sich 3 nach göttlichem Recht alle unterordnen müssen, 1 war damals stärker als meine eigenen Wünsche. Dass nämlich nichts anderes meine Zustimmung bewirkte als die Sorge, anmaßend und allzu eigensinnig zu erscheinen, wie könnte jemand das klarer zu erkennen geben ? Schaute ich doch bereits un mittelbar nach meiner Berufung nicht auf persönlichen Gewinn und ver schaffte weder mir noch meinen Freunden Privilegien und Ehren. Ich war auch nicht bereit, unter bestimmten Bedingungen 4 abzurücken 1 ( 10) wie einer, der die Gelegenheit nutzt und sie bereits von Ferne herbeiwünscht, als müsse ich mich unbedingt an deinem Glück sätti gen und meinen Anteil an deiner Macht nach Möglichkeit auskosten. Du aber, Kaiser, hast sehr großzügig dem stattgegeben, worum ich jeweils bitten wollte und hast mir nie eine Gunst versagt. Es zwang mich ja das Amt, zu dem ich berufen worden war, vieles zu erbitten und auf die Gewährung vie ler Anträge zu hoffen. 15 ( 15) Auf andere Weise ist es ja beiden, dem Geber
13 Zum Gedanken, dass die kaiserliche Amtsgewalt von Gott verliehen wird, vgl. ZOOLL, Heiligkeit, 42-47. 14 Kydones will hier wohl sagen, dass er nicht bereit war, ein Urteil, das er sich in einer An gelegenheit gebildet hatte, einern persönlichen Vorteil zuliebe aufzugeben. 15 Wörtlich steht hier 710Ma bE al.'[Wv 710Mwv �EV 'ruYXavHv T)vaYKa(,ev. Meines Er achtens ist al'rwv ein grammatisches Versehen des Kydones; man würde al'roüvrra er warten.
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Autobiographische Rede an Johannes V. Palaiologos
und dem Empfanger, nicht möglich, ihre Ehre zu wahren. 16 Wir wissen auch, dass die Berater deiner kaiserlichen Vorgänger mir hier mit gutem Beispiel vorangegangen sind und ohne einen hohen Titel über größere Macht als die Despoten verrugten. Ich aber sagte, als du dich mit mir darüber unterhieltest - wenn du dich erinnerst -, nur dies: Ich würde es immer als meine Pflicht ansehen, dir und deiner Familie treu zu sein (20) und aus eigennützigem In teresse nie das Gemeinwohl aufs Spiel zu setzen; du aber müsstest rur das Übrige sorgen. So folgte ich dir also, denn ich hielt dich nicht rur so geizig, dass du Bedenken hättest, etwas rur deine Leute auszugeben, zumal fiir die, die du mit solcher Ehrerbietung berufen hast, und hielt mich selbst nicht rur so unglücklich, dass mir nicht einmal das zugebilligt würde, was die Taglöh ner von ihren Lohnherren erhalten, und zwar ohne darum zu bitten, sondern weil man sie rur (25) eine nützliche Aufgabe gesucht hat. 7. So habe ich mich, weit entfernt von aller Ängstlichkeit und Kleinlichkeit, in deine Hand gegeben, Kaiser. Folglich ist mir alles, was von dir kommt, wertvoll und lieb wie eben das, was von einem guten Herrscher kommt. Nicht anders ergeht es ihm also von unserer Seite, als es die Pflicht eine treu en und guten Dieners ist, der sich (30) rur die ihm erwiesenen Wohltaten erkenntlich zeigen will. Denn von jenem Tage an bis heute habe ich ständig meine eigenen Interessen ganz und gar vernachlässigt und rur deinen Ruhm und das Wohl des Staatswesens jede Mühe wie eine Lust auf mich genom men. Ob ich also den mir von dir übertragenen Dienst vernünftig versehen, ob ich nichts unterlassen habe, was ich hätte sagen oder tun sollen, ob ich von feme mit klarem Blick (35) das Nützliche erkannte und scharfsinnig das Erforderliche veranlasste, möchte ich nicht beurteilen; ich will auch nicht behaupten, es sei etwas geschehen, was ich nicht von Anfang an versprochen habe. Denn scharfsinnig, klug und fahig zu sein, Gelegenheiten und Chancen wahrzunehmen, ist weder unser Verdienst noch hat die Natur es in unsere Macht gegeben, sondern der, dem Gott es verliehen hat, ist glücklich und (40) ein Vorgesetzter und Berater glücklicher Menschen. Es gibt ja gewiss keinen prächtigeren Ehrenkranz rur einen Mann als die Vernunft, der es zu kommt, alles zu leisten, alles zu lenken und mit allem in Richtung auf das (S. 14) ihr eigene Ziel hin zu verfahren, denn nichts ist kostbarer als die Wahr heit, deren Botin die Vernunft ist, die aber auch mit Entschiedenheit auf sie
16 Der Beamte, der die Bittgesuche bearbeitet, sieht seine Ehre darin, die Gewährung des Kaisers zu vermitteln; der Bittsteller fühlt sich durch die Gewährung geehrt.
Autobiographische Rede an Johannes V. Palaiologos
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hinzielt. Dieses Ziel zu erreichen, scheint aber eher ein Glück als eine Tu gend zu sein. Denn nicht, wer es wählt und sich darum bemüht, kann es tref fen, sondern allein Gott und die Natur sind hier als Helfer anzurufen; ein Lohn fiir Bemühungen (5) kann es wohl niemals sein. Man sollte aber denen, die diesen Vorzug nicht besitzen, ihr Unglück nicht vorwerfen und auch nicht die Bestrafung derer verlangen, denen Gott es nicht gewährt hat. Denn es war ebenso wenig ihre Wahl, vernünftig zu werden wie groß, hellhäutig, haken- oder stumpfnasig. Vielmehr bestimmte dies ihre Natur, und niemand könnte mit Recht fordern, sie anzuklagen, weil sie in dieser Hinsicht zurück stehen. 8. ( 10) Deshalb glaube ich, ich brauche weder fiir meinen eigenen Scharfsinn und Verstand Rechenschaft abzulegen, noch müsste ich es dann, wenn je mand von mir verlangte, ich sollte vernünftig sein. Denn wo gestraft wird, da gibt es auch Verteidigung, wie es jeder fiir recht halten würde. Was wir selbst verschuldet haben, wird nach den Gesetzen bestraft. Vernünftige Rich ter aber haben mit einem, der sich unfreiwillig verfehlt, (15) Mitleid, anstatt ihn zu bestrafen. Ich sage das, nicht als hätte ich durch meine Unkenntnis und Einfalt die Staatsangelegenheiten, die ich zu versehen hatte, schlecht gefiihrt - wenn man, bei Gott, sogar sagt, ich hätte in der Staatskunst einen sechsten Sinn, wird man mich hierin wohl niemals fiir einen Ignoranten hal ten - , sondern weil man jemanden nicht sofort als Versager abqualifizieren darf, wenn er ein gutes Ziel, (20) das er sich gesetzt hatte, nicht erreichte. Aber überlassen wir das denen, die unsere Taten auf die Goldwaage le gen. Ich aber möchte nur so viel über mich selbst sagen, dass man mir nie mals vorwerfen kann, ich hätte etwas versäumt, was in meiner Kraft steht, sondern wenn etwas durchzustehen war, gab ich niemals auf und folgte nur dem dringenden Bedürfnis meines Körpers. Über meinen Mühen vergaß ich oft Schlaf und Speise. Wenn mir eine auswärtige Angelegenheit aufgetragen war, (25) unternahm ich weite, beschwerliche Reisen. Wie oft hielten wir einen ganzen Tag lang die brennende Sonnenhitze aus! Wie oft empfingen uns zur Nachtzeit Schneeschauer statt eines warmen Lagers! Ganz zu schweigen von den Meeren und den unbeschreiblichen, lange andauernden Strapazen auf den Dreiruderern! Fand ich doch nicht einmal, trotz vielen Bittens, einen angemessenen Platz fiir mich; vielmehr mussten wir ohne Es sen, Schlaf und andere Annehmlichkeiten (30) haufenweise zusammenge-
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7 drängt im Schiffsbauch liegen wie die toten Kerkyräer. 1 Hinzu kam die tägliche Angst um unser Leben und die ständige bange Erwartung, in den Wogen unser Grab zu finden, wie es uns auch schon oft beinahe ergangen wäre. 8 Was aber hältst du von unserer jüngst vergangenen Irrfahrt/ die uns wei ter führte als die des Odysseus, 0 Kaiser? Sahen wir nicht die Charybdis, als wir Sizilien passierten? (35) Hatten wir nicht oft mit der Skylla zu kämpfen? Hätte nicht Neapel beinahe unseren Schiffbruch statt uns selbst zu sehen bekommen? Was für eine Odyssee war unsere Reise durch ganz Italien! Als wollten wir eine neue Volkszählung der �anzen Welt veranstalten, (S. 15) 9 liefen wir alle Städte am Jonischen Meer bald an, bald verließen wir sie wieder. War der Aufenthalt in Venedig2 0 nicht schlimmer als jeder Abgrund? All dies habe ich durchgestanden, 0 Kaiser, und es gab nur den einen Trost, dass ich damit nach deinem Willen handelte.
17 Es ist nicht ohne Weiteres klar, worauf Kydones mit dem Vergleich aWQllbav EV KOLAt;] vllL KEia8m KGt'ra 'rave; KEQKVQGtLwV vEKQoue; anspielt. Der Editor Loenertz gibt zu nächst Thukydides VII, 87 an. Hier ist davon die Rede, dass nach dem Scheitern der sizi lischen Expedition Athens unter Nikias im Peloponnesischen Krieg (Oktober 413) die Syrakusaner ihre Gefangenen in Steinbrüche schickten, wo viele von ihnen starben, so dass die Toten in Haufen übereinander geschichtet wurden (TWV VEKQWV ofloÜ EIT' cL\. Ai]AOLe; �vVVEvllflEvwv). Außerdem gibt Loenertz Suidas (Suda) 8 128 an. Dort wird diese Thukydides-Stelle zitiert und als Variante für �vVVEvllflEVWV aus einem Scholion das an das von Kydones verwendete aWQllb6v anklingende Verbum aEawQEUflEvWV an gegeben. Bei den verstorbenen Gefangenen handelte es sich jedoch um Athener und ihre Verbündeten, aber nicht ausdrücklich um Kerkyräer. Allerdings trifft es zu, dass die Kerkyräer bis 410 Bundesgenossen der Athener und an der sizilischen Expedition betei ligt waren. 18 Das eigentliche Ziel dieser Reise war Rom, wo Kaiser Johannes V. sich der römischen Kirche anschloss, in der vergeblichen Hoffnung, dass ihm dieser Schritt abendländische Hilfe einbringen'würde. 19 Gemeint ist das Adriatische Meer. 20 Nach dem Scheitern der Verhandlungen in Rom, wo er Hilfe gegen die türkische Bedro hung seines Restreiches suchte, begab sich Johannes V. nach Venedig, in der Hoffnung, dort Geld für die Rückreise wenigstens leihen zu können. Er war bereit, Venedig für fi nanzielle Hilfe die Insel Tenedos abzutreten, aber sein ältester Sohn Andronikos, der in Konstantinopel die Regentschaft wahrnahm, war nicht bereit, die Insel herauszugeben und zeigte im übrigen auch keine Bereitschaft, dem Vater zu helfen. Es war der zweite Sohn Manuel, der seinem Vater die erwünschte finanzielle Hilfe persönlich nach Vene dig überbrachte und ihm so die Rückfahrt ermöglichte. Vgl. BARKER, Manuel, 10-13.
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9. (5) Man könnte einwenden, ich hätte mit vielen anderen die Gefahren geteilt. Dem würde ich erstens auch selbst zustimmen und lobe jene anderen für ihre Standhaftigkeit. Ich sollte aber, wenn jene konsequent ihre Pflicht taten, deshalb nicht vom Lob für meine Mühen ausgeschlossen werden. Wieso auch? Habe ich doch gleiche Plagen mit ihnen geteilt! Vielmehr würde ich so, wie ich zustimme, dass sie Ehrungen verdient haben, auch nicht akzeptieren, selbst (10) hinter ihnen zurückzustehen. Wenn ich zwei tens noch mehr sagen darf, so waren von denen, die mit uns reisten, die ei nen an ihr trostloses Dasein schon gewöhnt,21 und das ständige Elend war für sie eine in ihrem Leben seit langem geübte Routine; ich meine die Steuer leute, die Matrosen und Ruderer und alle Übrigen die damals zu unserer Schiffsmannschaft gehörten. Wenn nun jemand von ihnen mit dem Verspre chen einer guten Versorgung verlangt hätte, sich zur Ruhe zu setzen, (15) wären sie darüber verärgert gewesen, als wollte man ihnen Fesseln anlegen, und hätten es eher vorgezogen, sich weiter zu plagen, als ein ruhiges Luxus leben zu führen. Andere aber wurden durch ihre Frauen und Kinder und die Sorge um ihr Haus, für das sie viel aufzuwenden haben, zur Arbeit angetrie ben. Die Übrigen schließlich hatten nichts Besseres zu tun. Sie hätten, wenn sie zu Hause geblieben wären, hungern müssen, so dass sie wünschten, diese Reise in die Fremde möge kein Ende nehmen, (20) damit sie auf Dauer mit freier Kost und Verpflegung rechnen könnten. Alle Angeseheneren (sc. Teil nehmer an der Reise) aber erhielten ihre Einkünfte aus der öffentlichen Hand, und zwar hoch und reichlich, wie sie es sich nicht besser hätten wün schen können. Dafür mussten sie denn auch ihren Dienst versehen, und hät ten sie in Luxus schwelgen wollen, hätte man mit Recht gesagt, sie hätten Schläge verdient. Es ergab sich aber, dass sie oft, als schuldeten sie nichts von dem, was sie besaßen, von dir etwas gleichzeitig mit denen erhielten, die dich aus Not (25) um etwas bitten mussten. 10. Mich aber drängte keiner dieser Gründe zu der Reise. War ich doch in den Strapazen zur See und der damit verbundenen Lebensweise zu unerfah ren, um gemeinsam mit den anderen rudern zu können. Einer Frau aber zu gehorchen, für Kinder zu sorgen und für eine Familie den Unterhalt beizu bringen, bestand keine Notwendigkeit, weil ich mich entschieden hatte, nie mals unter diesem Joch zu dienen. (30) Ich hatte aber auch niemals Mangel
2 1 Der folgende Abschnitt der Rede ist ein interessanter Beitrag zur Sozialgeschichte der Seefahrt im 14. Jh.
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an den Gütern, die ein der Bildung ergebener und auf ein Leben in Freiheit bedachter Mann braucht, sondern ich konnte zu Hause bleiben und meinen Besitz genießen, und wenn ich mir einmal mehr wünschte, war es die Freude an den Studien und der Freiheit, die mir das Fehlende ersetzen konnte. Man könnte aber bei mir auch keine Äcker und Landgüter finden, die mir den Zehnten oder andere Einkünfte hätten einbringen können. (35) Ich war aber auch nicht ein Vorgesetzter von Steuereinnehmern, der die beklagenswerten Bauern ausbeutet und sich selbst daran bereichert. Nichts dergleichen ist über mich in den Unterlagen der Finanzbehörde verzeichnet, und es gibt nie manden, von dem ich Geld eingetrieben hätte; niemals habe ich von weit her Gold eingesammelt, um dir zu gegebener Zeit einen Beitrag für die Staats kasse zu einzubringen, (S. 16) sondern nicht einmal während jener Reise bin ich um einen Obolus reicher als vorher geworden, obwohl für viele die da malige Irrfahrt mit uns zu einem Arabergeschäft wurde. 22 Mir aber finan zierte man nicht einmal den jährlichen Unterhalt, den selbst Platon für die 3 Krieger seiner Polis vorschrieb;2 er wurde mir vorenthalten, offenbar (5) 4 weil ich nicht so zudringlich war, ihn zu fordern.2
22
Griech.: ... iJ '[wv AQaßwv yiYOVEV Efl7WQla. Eine sprichwörtliche Redensart, die ich zunächst vermutete, war mit dem TLG (Thesaurus Linguae Graecae, Irvine, Califomia, CD Rom, neueste Version) nicht zu verifizieren. Es finden sich aber Belege, welche die Araber als Händlervolk bezeichnen. Der früheste Beleg steht im Aristeasbrief (2. Jh. v. Chr.), ed. Andre PELLETIER SJ, Lettre d'Aristee a Phi/oerate (Sources chretiennes 89), Paris 1962, S. 160, § 1 14. Hier ist im Kapitel von Palästina als Absatzmarkt für die Han delswaren der Araber die Rede. Deutlicher ist der Beleg bei Strabon ( 1. Jh. vor bis 1. Jh. nach Chr.). Siehe Strabons Geographika. Mit Übersetzung und Kommentar hg. von Ste fan RAuT, Bd. 4, Buch XIV-XVII, Text und Übersetzung, Göttingen 2005, 392, Z. 22, Buch XVI, 4, 23 (780 C): "Die Araber sind vorwiegend Händler und Kaufleute (Ka7Ill AOL flai\i\ov OL AQaßEC; Kat Efl7IOQLKOL}." Ein dritter Beleg findet sich bei Theodoret von Kyrros: Theodoret de Cyr, Commentaire sur Isaie, t. 11 (sections 4-13), ed. Jean-Noel GUINOT, Paris 1982, 78, 5 e section, Z. 164-166, mit Verweis auf AT Gen. 37,25, wo die Ismaeliten erwähnt sind, denen die Söhne Jakobs ihren Bruder verkauften, als Beleg für die Tätigkeit der Araber als Händler (EIl7IOp01). 23 Platon fordert in Politeia 416e eine Besoldung der Krieger, die ihren Unterhalt deckt. 24 Kydones deutet hier an, dass ihm sein Verzicht auf die finanzielle Ausbeutung der Unter tanen schlecht gelohnt wurde, weil er nicht einmal die ihm für seinen Dienst zustehende Besoldung erhielt. Dieser Vorwurf des Kydones wird durch die Briefe bestätigt, in denen er die Zahlung seines Gehaltes anmahnt. Siehe oben, Abschnitt 1.2.2, Br. 70(98) und 139(149), beide in der Zeit nach seinem in dieser Rede angebotenen Rücktritt vom kaiserlichen Dienst verfasst.
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11. Es ist also nicht gerecht, meine Situation mit der ihrigen zu vergleichen, und ich habe nicht den gleichen Anspruch auf Belohnung für meine Mühen, sondern für sie gab es, wie gesagt, da sie in einer Notlage waren, keine Möglichkeit, sich dem Dienst bei dir zu verweigern, zumal der Tageslohn ihnen die Mühen versüßte. Ich aber war dir, wie es scheint, weder gezwun gen, noch durch die Aussicht auf Gewinn (10) beflügelt, ohne Entgelt nütz lich, und mein einziger Lohn war die Überzeugung, dir zu dienen. Wenn also jemand aus dieser Sicht, unter diesen Umständen und von meiner Befugnis her meine Gesinnung prüfen möchte, wird er finden, dass ich nichts, was mir möglich war, unterließ, sondern in meiner Zuneigung zu dir sogar viele von deinen Verwandten übertraf. Ja, ich versah das Amt, das du mir anvertraut hattest, sogar uneigennütziger als (15) ein kirchlicher Amtsträger,25 und brachte dir viel Lob von allen Seiten ein, weil du den Richtigen gewählt hättest. 12. Es gibt also keinen, der dich für die Zusammenarbeit mit mir getadelt hätte. Alle bekunden vielmehr, dass du bei meiner Wahl eine glückliche Hand hattest, und wünschen, du möchtest auch bei der Auswahl deiner ande ren Mitarbeiter (20) die gleiche Umsicht zeigen; denn sie wissen genau, dass sie während meiner Amtszeit von dem Sklavendienst befreit wurden, den sie zuvor Personen in dieser Stellung zwangsweise hatten leisten müssen. Das selbe nämlich, was die Herren an ihren Sklaven verdienen, hatte man für ein Versäumnis jenen Verrätern26 als Strafe zu zahlen. Welche Bittsteller aber, die zu mir frühmorgens kamen, mussten vor der Tür stehen, über die Zeit des Mittagsschlafes hinaus warten, (25) die Türsteher bitten, mich an ihre Anwe senheit zu erinnern, und es für einen großen Erfolg halten, wenn ich auch nur zur Kenntnis nahm, dass sie vor der Tür standen? Wo gibt es bei uns Schre cken erregende Audienzen, bei denen die Vorgelassenen wie vom Blitz ge 7 troffen zu Boden stürzen?2 Wo sind die Geschenke, wo folge ich dem
25
Die folgende in der Edition als grammatisch und inhaltlich störender Einschub athetierte Passage des codex unicus Laurentianus LIX 24, f. 109f lasse ich unübersetzt. 26 Griech.: .:mie; TIQobo'[ale; EKElVOle; . Der Bezug der Bezeichnung dieser Beamten als "Verräter" ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich deutet Kydones damit an, dass sie durch Missbrauch ihrer Amtsbefugnis zu Verrätern an ihrem Auftrag wurden. 27 Hier scheint Kydones anzudeuten, dass man auch in spätbyzantinischer Zeit noch gele gentlich Audienzen mit einschüchterndem Zeremoniell veranstaltete, wie dies für die mittelbyzantinische Zeit im Zeremonienbuch und durch den abendländischen Gesandten Liutprand bezeugt ist. .
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Brauch, dass sich nicht nur der hohe Beamte bereichert, sondern dass selbst verständlich auch dessen Angehörige, Nachbarn und wiederum deren (30) Freunde die Bittsteller ausbeuten? Hatten doch dies zuvor alle zu erleiden und noch dafür zu zahlen, so dass sie die verfluchten, die jenen die Macht dazu gegeben und ihnen Tyrannen als Richter aufgezwungen hatten. Ich aber wurde von einigen wegen meiner allzu großen Schlichtheit getadelt. Sie war fen mir vor, ich wisse die mir verliehene Ehre nicht zu schätzen, weil ich trotz meiner so hoch über alle anderen erhabenen Position niemandem meine Überlegenheit (35) demonstriere, sondern mich gegenüber allen wie ein Gleichgestellter verhalte. Verzichtete ich doch tatsächlich auf alles Theater und war nur bemüht, denen, die es brauchten, das Gewünschte zu verschaf fen; denn wenn einer mich um etwas bitten wollte, traf er mich als ersten von denen, die im Hause waren, an, und wenn er seinen Wunsch vorgetragen hatte, erhielt er die Antwort, der Kaiser werde unseren Vortrag in seiner An gelegenheit zu hören bekommen, und er wiederum werde durch unsere Ant wort von der Entscheidung des Kaisers erfahren. (S. 17) Wir hätten aber nicht gezögert, ihn (sc. den Kaiser) zu bitten und ihm zuzureden, wenn auch dies für die Erfüllung der Bitte notwendig gewesen wäre. Insoweit also tru gen jene ihr Anliegen vor, und ich antwortete ihnen. Eine Belohnung aber für meine Vermittlung zu verlangen, meinen Bescheid als Prunkrede zu for mulieren und mich bei der Ausführung meiner Tätigkeit selbst zu beschä men, indem ich es (5) bei jeder Amtshandlung auf die klingende Münze ab gesehen hätte, davor hütete ich mich so entschieden wie vor einer Gottes lästerung. 13. Ich habe also keinerlei Lohn verlangt für das, was ich für deine Majestät 8 geleistet habe/ habe aber auch keinen anderen in dieser Hinsicht ausgenutzt, wenn ich es denn für schändlich hielt, im eigenen Interesse zu schachern, so dass mich, wie gesagt, viele Freunde bedrängten und mir vorhielten, (l0) ich wisse die günstigen Gelegenheiten nicht wahrzunehmen. Es könne doch einer, der sie nutze, selbst mitsamt seiner Familie lebenslang glücklich wer-
28 Diese Behauptung ist mit dem nicht lange danach ausgesprochenen Vorwurf, Johan nes V. zahle Kydones nicht das ihm zustehende Gehalt, schwer zu vereinbaren. Siehe oben, im Hauptteil, Abschnitt 1.2.2, Br. 70(98) und 139(149). Allerdings kommt Kydo nes unten in § 15 noch einmal auf die Frage der Entlohnung zu sprechen, die er nicht un gern auch als Nachzahlung noch gern annehmen möchte. Es ist aber schwer vorstellbar, dass er für seine Tätigkeit am Kaiserhof überhaupt keine finanzielle Vergütung bekam und dass er nur vom geerbten Vermögen lebte.
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den. Ich aber lachte nur darüber, dass sie schändlichen Gewinn nicht scheu ten, sondern als Glückseligkeit bezeichneten. Dies aber tat ich, weil ich we der dich noch mich selbst beschämen wollte, Kaiser. Denn du hättest mit Recht einen schlechten Ruf, wenn du dein Vertrauen einem Habgierigen geschenkt hättest, und für mich wäre es schlimmer als ein Strick, in den Ver dacht zu geraten, ich würde dein Vertrauen für schändlichen Gewinn (15) verkaufen. Vielmehr hielt ich die Armut nach dem Verlauf der Amtszeit derer, die sich selbst nicht verraten haben, für prächtiger als jede Krone. So war also mein Verhalten gegenüber anderen. Was aber mein Verhältnis zu dir betrifft, so können der Herr und sein Ge salbter, Christus, bezeugen - denn es ist wohl unpassend, dich dafür als Zeu gen anzuführen -, ob du mich je bei einer Lüge ertappt hast, ob die Bittstel ler mir auftrugen, dir anderes von ihnen zu berichten, (20) als ich dir berich tete, ob ich beim Gespräch mit dir auf das Geld sah, ob ich Freunden, die eine solche Gunst nicht verdienten, Posten und Einkünfte zuschanzte, ob Neid oder Hass mich veranlassten, unfähige Freunde fähigen Feinden vorzu ziehen, ob ich jemanden bei dir anschwärzte und auf die Gelegenheit lauerte, dich gegen ihn aufzuhetzen, ob ich es, statt für das Gemeinwohl zu sorgen, wie es sich gehört, bei meinem Reden auf den eigenen Nutzen abgesehen hatte, (25) ob ich dein Wohl vergaß und den Leuten nach dem Mund redete, so wie ich selbst viele verfluchte Kreaturen schmeichlerisch dem Wohl der Herrschenden nachjagen und als erste die zu Grunde richten sah, für die zu sorgen sie vorgaben. Freilich war solches früher der Brauch, und bis zu heu tigen Tage kann man viele entdecken, die ein solches Leben führen. Ich aber vertrat den Standpunkt, dass der (30) Vertraute des Kaisers, der mit ihm die Sorge für das Gemeinwohl teilt, sich von all solchem Tun entschieden dis tanzieren sollte. 14. So habe ich mich bis jetzt dir gegenüber verhalten, Kaiser. Wenn aber einige mein freimütiges Eintreten für die Wahrheit zum Anlass für Verleum dungen bei dir gegen mich nahmen, mögen sie nur weiter das Gute verhöh nen und (35) Tugend als Niedertracht bezeichnen. Ich aber möchte mir selbst nicht raten, die Ehre, die sich aus der Schmeichelei ergibt - falls sich so et was wirklich anbieten sollte -, jemals dem Verlust der Ehre wegen meiner 29 Wahrheitsliebe vorzuziehen und auch nicht, um anderen zu gefallen, zuvor
29 Kydones würde also lieber, weil er die Wahrheit sagt, seine Ehre einbüßen, als durch Schmeichelei Ehre gewinnen.
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gegen mich selbst Krieg zu führen; denn ich zögere zu sagen, gegen Gott, dem vor allem anderen an unserer Wahrhaftigkeit und Tugend gelegen ist. 1 5. (40) Wenn mir dafür ein Lohn zusteht - nicht, weil außer der Tugend selbst noch etwas anderes ihr Preis wäre, sondern damit wir nicht undankbar erscheinen, weil wir es nicht (S. 18) wagen, den Mächtigen für ihre Wohlta ten zu danken -, triff eine Entscheidung und gib ihn mir! Es soll aber keiner sagen, mir stehe dasselbe von dir zu, was ich dir gebe, obwohl ich mit Bezug auf andere Personen oft verlangt habe, deine Geschenke sollten dir und den Empfängern zugleich entsprechen. Nur so hoch sollte die Entlohnung sein, dass sie einen genügsamen Menschen davor bewahren kann, (5) notgedrun gen etwas Schändliches zu begehen. Wenn aber meine Bewährung unbe lohnt bleiben soll, wird mich auch das nicht kränken; denn ich weiß, dass man die Tugend nicht wegen des Lohnes, den sie einbringt, üben soll - dann gäbe es ja etwas Wertvolleres als die Tugend -; ich möchte aber nach so langer Zeit an eurer Seite die Anerkennung aller Guten gewinnen und den Bösen den Mund stopfen, (10) die meiner öffentlichen Tätigkeit nichts Läs terliches vorwerfen können. Aber auch wenn unser Tun Rechtfertigung oder 0 Strafe verdient, wenn sie heimlich bersten3 und uns im Dunklen und Verborgenen verurteilen wollen, wollen wir uns ihr Urteil dennoch nicht verbitten, wenn sie nur aufhören, uns insgeheim zu verleumden, und bereit sind, mich offen anzuklagen. Wenn sie uns dann überführt haben, sollen sie uns nach ihrem Ermessen Strafe oder Sühne (15) auferlegen, und wir werden ihrem Urteil nicht widersprechen. 16. Aber wie dem auch sei, es ist Zeit für einen Wechsel und für einen Aus tausch des einen Lebens gegen ein anderes, des erzwungenen der Gegenwart gegen eines, das ich schon lange ersehnte. Dahin nämlich hat meine Natur mich immer schon gedrängt, und vernünftige Überlegung hat mein Verlan gen gefestigt, und bis jetzt habe ich immer noch nicht meine Sehnsucht nach 1 einem ganz privaten Leben3 aufgegeben. Meine gegenwärtige Tätigkeit aber war eine Fügung des Schicksals, die meinem (20) freien Willen Zwang antat, zugleich aber beruhte sie auf ängstlicher Scheu vor den Kaisern, von der 2 Hesiod gesagt hätte, sie sei eine ungute Begleiterin des Armen. 3 Da wir aber
30 Griech.: Ei Kai. KQUßbllV btaQQllyvuflEVOl ... 31 Griech.: . 'tov 'rf)c; iblo71QaYLaC; EQw'ta ... 32 Hesiod, Opera et dies, 316: aibwc; b' OiJ1( aya8il KEXQTJflEVOV (bedürftig) avbQa KOfll (n. ..
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euch, unseren Herren, nun zur Genüge gedient haben, müssen wir auch ein mal uns selbst gehören und es aufgeben, anderen nützlich zu sein, uns selbst aber nicht nur nicht nützlich, sondern, wie man in leidenschaftlicher Erre gung sagen würde, sogar feindlich. Denn wenn man in ständigen (25) Mühen seine Gesundheit aufreibt, mit unnützen Sorgen und Widerwärtigkeiten seine Seele quält, die Feindschaft derer, die einen offen bekämpfen, weder ertra gen noch sich gegen ihre Kränkungen wehren kann, weil die Gesetze der Philosophie dies nicht zulassen - man könnte ja sonst unversehens ihre Bos heit in die Seele einlassen, denn die böse Tat als Vergeltung steht der ur sprünglichen bösen Tat um nichts nach und (30) unterscheidet sich nur durch den Zeitpunkt -, wenn man ferner die nicht kennt, die aus dem Hinterhalt angreifen, wenn man nur die eingedrungenen Pfeile, den Schützen aber nicht sieht: welcher von Feinden zugefügte Schaden könnte schlimmer sein? Nun aber schätzt und ehrst du sie auch noch - wie soll ich es angemessen benen nen? - und lässt den Verleumdern sogar Wohltaten zukommen. Ja, ich be merke, dass du dich selbst, wenn auch nur ein wenig, geändert und angefan gen hast, meine aufrechte Gesinnung zu (35) vergessen! 1 7. Und doch habe ich bisher noch nicht das Entscheidende erwähnt: die ungerechtfertigte Aufspaltung der Gottheie3 und die mannigfache Zersplitte rung der allem übergeordneten einfachen Einheit, die nun in Abstufungen gegliedert wird, nämlich in den Gott, der an nichts teilhat, und den, der An teil ist, (S. 1 9) in den Unsichtbaren und den, der leiblichen Augen, wie sie sagen, unterworfen ist, in einen über- und einen untergeordneten Gott, den, der mit größerer Ehrfurcht angeredet wird, aber von der Regierung des Alls verbannt ist, und den, der an seiner Stelle eingeführt wird und die Aufsicht über das All erhält, als ob er (5) der Schöpfer und Vater wäre. Was soll denn auch das Werk dessen sein, der ganz und gar keinen Anteil an der Welt hat und seinen Geschöpfen auf keinerlei Weise seine eigene Gestalt einprägen kann? Daher ist es Gott auferlegt, sich ruhig zu verhalten und nicht auf vie-
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Folgenden rechnet Kydones, wie auch in mehreren Schriften und Briefen, mit der Theologie des Gregorios Palamas und seiner Anhänger ab, der Lehre also, dass Gottes Wesen von der Welt völlig abgesondert und aller menschlichen Erkenntnis unzugänglich ist und dass Gott nur durch "Gottheiten" bzw. Energien, die ewig von ihm ausgehen, mit seiner Schöpfung verbunden ist. Im
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4 lerlei Weise tätig zu sein, sondern nur das Seinige zu tun,3 wir aber sind zweiten, dritten oder einer anderen von vielen Gottheiten ausgeliefert und werden gemäß ihren Gesetzen geführt (10) und gelenkt. Wer diesen Glauben lobt, erhält einen Ehrensitz, Beförderung und Einkünfte, und man rennt ihm täglich die Türen ein, wer sich aber untersteht zu widersprechen, hat mit Gefängnis zu rechnen; sein Eigentum wird beschlagnahmt, und er wird ver bannt. Ich aber würde lieber alles erleiden, als dieser Verderbnis zuzustim men. Denn was wäre frevelhafter, als Götter zu verehren, die unsere Väter nicht kannten? Was wäre unvernünftiger, (15) als dem Schöpfer die Mängel der Geschöpfe zuzuschreiben? Was bliebe mir anderes übrig, als in einem ständigen Krieg zu leben, in dem ich weder nützen noch Hilfe erfahren kann, noch dazu verfolgt und jeder bösen Tat verdächtig? 18. So wäre es nur ein Gewinn, wenn man, aus der Finsternis befreit, sich von diesem unerfreulichen Leben erholen könnte. Nun aber sind die Plagen der Unglücklichen fruchtlos. (20) Es ist doch unsinnig, sich vergeblich zu mühen und sich so großen Widerwärtigkeiten auszusetzen, als wünsche man sich geradezu das selbstverschuldete Übel. Wie oft wurde ich für meine Dis putationen mit ihnen zur Rechenschaft gezogen? Welch großen Schaden hat mir die Anklage wegen dieser Lehren eingebracht? Haben sie nicht viele unserer früheren Freunde überredet, gegen uns Krieg zu führen? (25) Was soll man aber erst von denen sagen, die im Palast sitzen und "kaiserliche 5 Kleriker,,3 genannt werden, in Wirklichkeit aber Schmarotzer im Dienst jener Theologen sind, damit betraut, nicht nur meine Ferse, sondern auch jedes Wort und jede Bewegung zu bewachen, damit sie etwas zu berichten 6 haben, womit sie denen, die dann über mich Gericht halten werden,3 eine Freude machen können. Ich habe ihre Intrigen und alle ihre boshaften Ent stellungen meiner Worte satt. Wenn ich aber mit deiner Erlaubnis frei reden darf, so bliebst auch (30) du selbst nicht von den gegen mich erhobenen Ver-
34 Erneute Anspielung auf eine Fonnu1ierung, die Platon zur Definition der Gerechtigkeit verwendet; siehe oben, Anmerkung zu § 4 der Rede, wo "sich vielseitig betätigen" als das Gegenteil von "das Seinige tun" erwähnt wird. 35 Griech.: ßaaLi\ll(01)�. Loenertz bemerkt zur Stelle, dass es sich um einen terminus tech nicus für den Pa1astklerus handelt, der im Auftrag des pa1amitisch gesinnten Patriarchen Phi1otheos den Antipalamiten Kydones bespitzelte. Zum Palastklerus siehe auch KRAus, Kleriker (wie 143, Anm. 1), 427-433 und 437. 36 Griech.: TIQoKa8lElmV, wohl Partizip Futur von TIQoKa8(�w mit dem attischen Futur
TIQoKa8lw.
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leumdungen verschont, sondern sie wagten es, sogar dich ihrer kritischen Prüfung zu unterziehen, und nennen meine Anwesenheit bei dir einen Schandfleck deiner Herrschaft, während doch sie selbst eine Beschimpfung unseres Glauben sind. Dass sie damit andere überzeugt haben, möchte ich nicht behaupten, ich fürchte aber ihre wohlgesetzten Reden und ihr feierli ches Auftreten bis hin zur Kleidung, womit sie auch deine feste Haltung unterlaufen und dich überreden könnten, (35) deine gewohnte Einstellung uns gegenüber zu ändern. Wenn also auch nichts anderes mich veranlassen könnte, meine gegenwärtige Stellung aufzugeben, würden mich dann nicht allein die Schwierigkeiten, die ich mit meiner Glaubensüberzeugung habe, vertreiben? Denn sie aufzugeben, wäre ein Frevel, an ihr festzuhalten ist jedoch ohne die größten Gefahren nicht möglich. 19. Daher will ich mich von all diesem verabschieden und mich zu einem menschlichen Leben aufmachen. Ich will mich in die Schau der Wahrheit vertiefen und das Schönste entdecken, (S. 20) die Seele mit Studien und Wissenschaft nähren, den Körper aber von sinnlosen und unerwünschten Plagen befreien und ständig denen Gutes erweisen, die es sich wünschen. Darum habe ich dich oft gebeten, Kaiser, mich von dieser, sei es Ehre, sei es Knechtschaft, zu befreien und mir zu erlauben, meinem Wunsch gemäß zu leben; denn ich wollte, (5) solange nur möglich, nichts gegen deinen Willen tun. Damals batest du mich, und ich ließ mich überreden, noch ein wenig auszuharren, da es noch einige notwendige Dinge zu tun gab, nach deren Erledigung auch ich meinen Abschied nehmen könnte. Da aber diese Ange 7 legenheit nun zu einem gebührenden Abschluss gelangt ise und die Vorse hung, deinen Mühen und Plänen förderlich, die Lage zum Besseren gewandt hat, bitte und flehe ich, deine Knie umfassend, dass fortan ( 1 0) auch ich von dem Joch befreit werde, wie es die Bauern nach dem Pflügen ihren Ochsen abnehmen. Denn sie zwingen diese nicht ständig, den Pflug zu ziehen, son dern wenn sie sich den ganzen Tag hindurch ihrer bedient haben, führen sie sie zur abendlichen Zeit des Ausspannens heim und lassen sie an der Futter krippe ihr Leben genießen. So geh du mit uns nicht schlechter um als die Bauern mit diesen Tieren. Denn wir sind Menschen, und du bist Kaiser, (15) dem es nicht nur Kritik einbringt, wenn der Eindruck entsteht, er entlohne seine Diener nicht, sondern für den es auch eine Schande bedeutet, nicht als
37 Anscheinend spielt Kydones hier auf die Romreise des Kaisers an, über deren Erfolg er sich sich anderwärts eher negativ äußert. V gl.oben, Abschnitt 4.1.2, Br.39(71).
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erster Wohltaten zu erweisen, denn dazu verpflichtet ihn seine Stellung vor allem. Die Menschen schulden einander ja gegenseitige Wohltaten als einen allgemeinen Liebesdienst ihrer Natur, und wenn einer ihn versäumt, ist er undankbar und rücksichtslos und hätte wegen schlechten Benehmens (20) von allen Tadel verdient. Die Großmut aber und der Ehrgeiz, sich durch 38 keine Wohltat übertrumpfen zu lassen, ist geradezu das Kennzeichen der Kaiser, denen es aufgetragen ist, ständig auf das göttliche Vorbild zu schauen; denn Gott ist, wie wir wissen, gut auch zu de Undankbaren und 39 Bösen. Wir aber bitten nicht um große Dinge, um nichts, womit du deine Großmut überfordern könntest. Du wirst jedoch, wenn du uns Befreiung von unseren Mühen gewährst, (25) über alle Grenzen der Großmut, so glauben wir, hinausgehen. 20. Dass du mir diese Gunst gewährst, Kaiser, ist recht und billig; denn du schuldest sie mir als einem, der dir dient und dich liebt; sie ist gerecht, sehr leicht zu erfüllen, und du hast sie oft versprochen. Es ist aber auch ohnehin schmählich, den Anschein zu erwecken, als halte man an jemandem gegen seinen Willen fest, und ihn nicht zu entlassen, wenn er gehen will. Ich bin aber überzeugt, (30) du würdest nicht einmal deine Söhne hindern, wenn sie weggehen wollten. Für so unwürdig eines Herrschers hältst du es, deine Un tertanen um etwas zu bitten, und das mit Recht. Denn so wird die Ordnung auf den Kopf gestellt: Die Herren müssten dienen, und die, die geben kön nen, müssten von denen etwas erbitten, die gehorchen sollten. Mein Anlie gen also ist so geartet, dass ich ein Recht darauf hätte, entlassen zu werden, wenn ich nicht bei dir bleiben möchte, (35) damit es nicht so aussieht, als 40 würdest du denen, die von geringerem Stand sind als du, nachgeben. Wenn du dich also überzeugen lässt und mir das zugestehst, aber den Tadel aus
38 Griech.: '[0 71QO� 1-l1lbEV U71llQYI-lEVOV <j>lA.onI-lEia8m. Die Passage wäre wörtlich zu übersetzen: "und mit keiner erwiesenen Wohltat zu wetteifern", was keinen Sinn ergibt. Man würde statt <j>lA.onI-lEia8m den Infinitiv T]näa8m erwarten. Die Übersetzung würde dann lauten: . . . "und den Ehrgeiz zu haben, hinter keiner erwiesenen Wohltat zu rückzustehen". Das entspricht der oben vorgeschlagenen Übersetzung, die also die ge nannte Konjektur voraussetzt. Der Herausgeber Loenertz äußert sich nicht zu dem im co dex unicus der Rede, dem Laurentianus LIX 24, f. 112v überlieferten Wortlaut. 39 Jesuswort gemäß NT Luk. 6, 35. 40 Griech.: '[wv T]novwv T]näa8m (Wortspiel mit dem gleichen Wortstamm). Der Sinn dieser Überlegung ist: Der Kaiser hat sich dann nicht durch Bitten erweichen lassen, wenn er Kydones sein gutes Recht zugesteht. Die Tadler aus Unwissenheit sind die, die nicht wissen, dass Kydones einen Rechtsanspruch auf Entlassung hat.
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Unwissenheit fürchtest, den gewisse Leute vorbringen könnten, man sollte den Staat der Rhomäer nicht eines solchen Mannes berauben und wir dürften nicht so (S. 21) mit unseren bewährten Männern umgehen, dass wir sie zwingen, aus dem Staatsdienst auszuscheiden, obwohl ihr Verbleiben für den Staat sehr heilsam wäre, so ist erstens niemand so sehr von Sinnen, dass er deine Anordnungen zu kritisieren wagt - würden sie doch sogar ins Feuer gehen, um dir zu Diensten zu sein, und es ist ja auch seit alters der Brauch, (5) dass alles, was vom Kaiser kommt, Gesetz ist. Ich fürchte vielmehr, dass sie glauben, ich sei von dir im Zorn aus dem Staatsdienst entlassen worden, und dass sie deshalb ihre jetzigen Lobsprüche vergessen und deinen Zorn mit Beschimpfungen gegen uns beschwichtigen wollen. Es hätte dann, wenn du selbst mich davongejagt hättest und deine Entscheidung die Ursache mei nes Abschiedes wäre, einen Sinn, dir dieses zuzuschreiben und mich als un recht behandelt zu bemitleiden, (10) dich aber für deinen schlechten Umgang mit mir zu tadeln. Wenn aber niemand im Unklaren über meine von Anfang an bestehende Einstellung zum Staatsdienst ist, sondern alle wissen, dass ich dich oft in dieser Angelegenheit gebeten und gewünscht habe, von der Sorge um die öffentlichen Angelegenheiten befreit zu werden, und jetzt sehen, dass ich deswegen sogar deine Knie umfasse und alles tue, womit ich dich zu überreden glaube, wie sollten sie dann aufhören, mich zu tadeln und (15) 41 mein Beharren oder meine Dummheit dir als Verfehlung anlasten? 21. Tatsächlich werden die, die allem Anschein nach mit den Verhältnissen ' unzufrieden sind, am ehesten einverstanden sein, dass ich aus dem Staatsdienst ausscheide. Sehe ich doch meine Nachfolger in nicht geringerer Zahl als sie einst der Makedone (sc. Alexander der Große) hatte, und sie würden für meinen Rücktritt sogar ein Dankesopfer darbringen, denn sie hegen große Hoffnungen, dass sie nach meinem Ausscheiden (20) Gold schmelzen werden und dass mein Amt für sie, ihre Verwandten und ihre Freunde eine Wolke der Rhodier sein wird, von welcher der Mythos sagt, sie habe ihnen 4 4 Gold geregnet. 2 Denn sie sehen wahrhaftig, 3 wie ich während der langen
Sinn der Stelle: Wenn die Kritiker des Kaisers erfahren, dass er Kydones nur dessen eige nen Wunsch erfüllt hat, werden sie wegen seiner Entlassung nur noch Kydones selbst kri tisieren. 42 Gemäß Homer, Ilias, 2, 669f. liebte Zeus die Rhodier so sehr, dass er reichlich Gold auf sie herabregnen ließ. Weitere Belege in der Edition LOENERTZ, Cydones I, 21, zu Z. 21. 43 Mit diesen Worten leitet Kydones die folgende, selbstverständlich ironische Aufzählung ein, wie er sich in seiner Amtszeit bereichert habe. 41
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Zeit in meinem Amt Häuser baute, Land, Äcker und ganze Wohnanlagen kaufte, von den Kaufleuten Prozente für das Geld, das sie von mir leihen, eintreibe, wie ich an den Anträgen der Bittsteller verdiene, (25) wie ich meine Verwandten mit Staatsgeldern versorge oder denen, die mir nahe ste hen, um meiner Freundschaft willen unverdient Ämter zugeteilt werden ! In Wirklichkeit werden sie finden, dass mein angeblicher Gewinn bloß in lee ren Worten bestand, abgesehen von der geringen Ehre, die ich auch nach dem Ablauf meiner Amtszeit nicht zu verlieren glaube. Ich glaube vielmehr, dass ich, wenn ich von der falschen, schädlichen Ehrung durch die Schmeichler befreit bin, mich der zuverlässigen und (30) wahrhaftigen Eh rung durch meine Freunde erfreuen kann, die mich übrigens auch lobten, dass ich mich von einem unruhigen Leben zurückziehe und mir die Freude an einem ruhigen Leben gönne. Ich glaube aber, dass meine Nachfolger sich um den Staat bemühen, schändlichen Gewinn meiden und mich darin, also in vernünftiger Besonnenheit, nachahmen werden, so dass sie schändliches Verhalten und Unzuverlässigkeit in deinem Dienst nicht für erstrebenswer ten Gewinn halten. Wenn sie es aber nur auf Gewinn abgesehen haben (35) und den Dienst bei dir als günstige Gelegenheit für einträglichen Handel ansehen, werden sie wenig gewinnen; sie sollen aber wissen, dass niemand sie von der Schande für ihre unbedeutenden Einnahmen freisprechen wird, wenn sie als Gottes Feinde, dem Kaiser verhasst, als Gegner der Gesetze, Verräter des Gemeinwesens und Leute von bescheidenem Verstand daste hen, alles nur wegen ein paar Groschen (oi\lywv oßoi\wv XUQlV) ! (S. 22) 22. Nun, sie sollen selbst entscheiden, was sie für sich selbst als nützlich ansehen wollen. Ich aber möchte, um jeden Verdacht in dieser Hin sicht zu zerstreuen, nicht zögern, dem bereits Gesagten noch Folgendes hin zuzufügen, was wahr, wohlklingend und geeignet ist, jeden Tadel von dir auf mich zu übertragen: Ich möchte mich, (5) wenn Gott es erlaubt und mich von der Knechtschaft befreit, in Muße der Wissenschaft und den Studien widmen und die Türen derer aufsuchen, die mir nützen können. Dafür werde ich, wenn es nötig ist, den Aufenthalt in der Fremde, finanziellen Aufwand, Not und Gefahren nicht scheuen, denn ich glaube, man soll, um dies zu er reichen, nichts entschiedener geringschätzen als Gefahren. Da ich aber weiß, dass bei den Italern viele diejenigen, die sich bei ihnen aufhalten, zu besse ren Menschen machen können, ( 1 0) dass wir ihnen aber auch schon, bevor wir uns bei ihnen aufhielten, Nützliches zu verdanken hatten, da ihre Schrif ten den Aufenthalt bei ihnen ergänzten, will ich in diesem Winter nach Ita lien und in die dortigen Städte reisen, in der Erwartung, aus dem Aufenthalt
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bei ihnen etwas für mich zu gewinnen und zugleich ihre Sprache gründlich zu studieren. Denn es wäre unklug, wenn ich, (15) der vollkommenen Be herrschung der Sprache so nahe, nicht noch das Fehlende hinzufügen würde, was mir für die Lektüre ihrer Schriften überaus nützlich wäre. Denn als wir 44 mit dir zu ihnen kamen, gehörten wir uns nicht selbst, sondern wir mussten uns deinen Angelegenheiten widmen und uns von allem anderen zurückhal ten. So war es mir nicht möglich, irgendjemanden von denen zu treffen, die uns etwas Nützliches zu lehren versprachen, (20) sondern von frühmorgens bis tief in die Nacht hinein mussten wir die Türen der Mächtigen belagern, um zu erreichen, weswegen wir gekommen waren. Als du aber zurückkehr test, erschien es mir nicht anständig, allein zurückzubleiben und dich bei der Heimreise nicht zu begleiten. Außerdem wollte ich den Vorwurf vermeiden, ich hätte Rom und die dort gegebenen Versprechungen von Geld und Ehren dir vorgezogen, und sei, dort allein zurückgeblieben, der Hauptschuldige an den hier bestehenden Schwierigkeiten gewesen, (25) obwohl jene mir alles in Aussicht stellten, was mich nach ihrer Meinung überreden konnte, und so 45 gar beschlossen hatten, Tod und Gewalt hinzuzufügen. Ich aber war auf der 46 Hut vor dem Geschwätz der Ungebildeten und wusste, dass sie alles nur Erdenkliche sagen würden, wenn ich abwesend wäre und mich nicht gegen ihre üble Nachrede verteidigen könnte. So nahm ich ebenso wie an der Hin reise mit allen auch an der Rückreise teil, (30) weil ich hoffte, es werde sich einmal eine günstige Gelegenheit zur Rückkehr nach Italien ergeben. 23. Ich weiß aber, dass nun diese Gelegenheit gekommen ist, und ich habe vor, dorthin zu reisen. Da ich aber weiß, dass auch die Kaiser ständig mit Rom und dem dortigen Senat zu tun haben, vor allem aber du, weil du mit ihnen nicht durch Gesandte, sondern persönlich verhandelt hast, und weil du 47 außerdem mit dem höchsten Oberhirten befreundet (35) bist und durch Briefe und Mitteilung dessen, was hier geschieht, die bestehende Freund schaft erhalten und mehren willst, kannst du, wenn du mich mit diesen Kontakten beauftragst, auch ihm einen Gefallen tun und mir die Gunst er weisen, um die ich bitte, und die Anklage derer, die vielleicht meinetwegen erzürnt sind, abwenden. (S. 23) Denn dann wird es nicht so aussehen, als
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Sc. auf der gemeinsamen Italienreise des Kydones mit dem Kaiser 1369/70. Siehe oben, Anhang I, Demetrios Kydones - BiographischeZeittafel. 45 In der Edition, Z. 26, steht versehentlich '[EAW'[WV statt '[EAWTIJV. 46 Damit sind zweifellos die palamitischen Gegner des Kydones gemeint. 47 Sc. Gregor XI., Papst seit 30. 12. 1370. Vgl. oben, 4. 1.2, Br. 140(150).
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hättest du mich übergangen, sondern mich vielmehr wie zuvor auch jetzt in dringenden Angelegenheiten beauftragt. Aber der Papst wird dir auch für den Austausch von Briefen und für die Ehre dankbar sein, dass man seiner gedenkt, vor allem, wenn er durch mich deine Briefe erhält. Du weißt ja ge nau, (5) wie er mich schätzt und achtet. Ich werde aber auch um das besorgt sein, was du von ihm brauchst, und würde dir versprechen, für die Erfüllung deiner Wünsche keine Mühe zu scheuen, überzeugt, dass er alles, wozu du ihn durch andere nicht hast überreden können, auf unsere Fürsprache hin gemäß deinen Wünschen erledigen wird. 24. So wird die Angelegenheit in jeder Hinsicht für dich günstig sein: Du wirst den Oberhirten ehren, (10) mir einen Gefallen tun und die Anklagen der anderen vermeiden. Wenn dir aber mein Aufenthalt in weiter Feme nicht zusagt und es dir unangenehm ist, dass du meine Mitarbeit entbehren musst - was aber von denen, die wissen, wie sehr deine Freundschaft für mich nachgelassen hat, keiner glauben dürfte -, so werden dir erstens viele den Dienst ersetzen, den ich dir leistete, weil sie schlicht und einfach Diener sind und nicht den Anspruch erheben, dir in irgendeiner Hinsicht zu widerspre 48 chen. Denn ich war ein unwirscher (15) Typ, der immer sagte, was er für richtig hielt, dich ständig an das erinnerte, was Recht, Anstand und Gesetz entspricht, und sich manchmal sogar darüber hinaus eine freie Sprache er laubte. Sie aber wird unser Exempel zur Vorsicht mahnen. Zweitens, wenn du mich doch wieder brauchen solltest, werde ich, nachdem ich einmal ein wenig Zeit für mich selbst hatte, umso schneller zu dir zurückkehren, als Freund zu einem besseren Freund, wenn es auch Gott erlaubt. Denn mein Aufenthalt in der Feme wird dich lehren, unsere Verleumder zu durch schauen, (20) und meine Erbitterung besänftigen. Die Zeit ist ja eine ein 49 dringliche Lehrerin, und es ist unmöglich, in ihre Schule gegangen und nicht weiser geworden zu sein. So wenig lässt sie zu, dass sich etwas lange verbergen kann. 5 0 Dann werden wir rein zu dir zurückkehren, durch widrige Erfahrungen in der Fremde geläutert, wenn überhaupt etwas an uns der Rei nigung bedurfte.
48 Griech.: aYQoLKOe; ne;. 49 Aischylos, Prometheus, 982. 50 Diese Bemerkung bezieht sich auf die zuvor ausgesprochene Hoffnung, der Kaiser werde die Verleumder des Kydones durchschauen.
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25. (25) Gewähre also die Gunst, Kaiser, und halte einen Menschen, den außer dir nichts fesselt, nicht zurück. Denn wenn wir bleiben, sind wir dir zu nichts nütze, es sei denn, du hieltest unser Unglück für deinen Vorteil. Wenn wir aber von hier weggehen, werden alle von dir hören, zu denen wir kom men; wir werden allen von deinen Taten berichten, und sie werden uns mehr als den anderen glauben. (30) Du weißt nämlich, wie viel Respekt und Ver trauen sie uns gezeigt haben. Wenn ich aber auch dies noch sagen darf: Auch mein Verhalten wird allen Anlass geben, dich zu loben. Denn wenn sie se hen, dass wir ein ordentliches Leben führen und nicht auf schändliche Intri gen sinnen, werden sie sagen, das sei deiner Unterweisung zu verdanken, und sie werden meine guten Umgangsformen deinem Hause zuschreiben. Tu also, womit du dir selber einen Gefallen tun und mich als Menschen erwei sen wirst. Denn (35) diesen Namen verdient nicht wirklich, wer Sklaven dienste tut. Es kann doch jemand, der anderen gehört, nicht sich selbst gehö ren. Der Mensch aber ist um seiner selbst willen erschaffen. Das beweist sein freier Wille, und wer ihn verliert, soll den Namen "Mensch" nicht bean spruchen.
(Ende der Rede an Johannes v.)
INDICES
1. Liste der zitierten Briefe
Brief-Nummern nach Loenertz; in Klammem eigene Zählung BriefNr.
BriefNr.
Mercati(81) 174 Anm. 91; 177 Anm. 98; 181 Anm. 119; 185 Anm. l35; 253 Anm. 5 2(0139) 77; 81 Anm. 73 6(7) 59; 62 Anm. 6; 63 Anm. 11 7(8) 59; 62 Anm. 6 60; 62 Anm. 6 8(10) 60 9(13) 10(14) 60 57; 62 Anm. 6; 11(3) 6 Anm. 7 u. 8 58; 63 Anm. 10; 225; 12(5) 231 Anm. 31 61; 63 Anm. l 3 l3(32) 62 Anm. 6; 179 Anm. 113 14(29) 15(27) 61; 63 Anm. 12 16(4) 58; 62 Anm. 6; 63 Anm. 9; 219; 222 Anm. 6; 224 Anm. 7 240; 247 Anm. 69; 18(17) 248 Anm. 86 60; 62 Anm. 6 19(12) 240; 248 Anm. 85 20(22) 68; 75 Anm. 56 21(76) 22(77) 215 23(83) 68 25(92) 20; 22 Anm. 60 u. 61 26(11) 240 26(203) 48; 51 Anm. l 35 27(9) 248 Anm. 77 28(74) l 3; 14 Anm. 31; 145 Anm. 6 233; 239 Anm. 49 30(56) 31(49) 197; 232; 234 Anm. 43; 236; 239 Anm. 48 194f.; 232 33(66)
34(78) 35(87) 36(72) 37(86) 38(41) 39(71) 40(23) 41(31) 42(30) 43(16) 44(0118) 46(44) 47(45) 48(0120) 49(37) 50(42)
51(34) 52(0122) 54(46) 55(99) 57(35) 58(36) 59(28) 65(62) 66(0125) 68(88) 69(101) 70(98)
215; 216 Anm. 49; 218 Anm. 56; 234; 239 Anm. 52 85; 91 Anm. 99 39; 46 Anm. 124 84; 91 Anm. 99 48; 51 Anm. l32 208; 213 Anm. 37; 280 Anm. 37 225; 231 Anm. 29 241 241; 248 Anm. 71 8; 12 Anm. l3; 12 Anm. 14 249; 251 Anm. 96 197 145 Anm. 4; 197 92 242; 247 Anm. 70 22; 25 Anm. 70,71 u. 73; 37 Anm. 107; 164; 169 Anm. 73; 242; 247 Anm. 70 241 54; 226 242; 248 Anm. 78 u. 84 14; 19 Anm. 45 u. 46; 52 Anm. l 38 241 241; 248 Anm. 73 u. 84 63 Anm. 7; 240; 241 Anm. 59; 248 Anm. 80 242; 248 Anm. 79 224 186; 189 Anm. 150 248; 251 Anm. 92 15 Anm. 34; 26; 28 Anm. 83; 37 Anm. 107; 274 Anm. 24; 276 Anm. 28
1. Liste der zitierten Briefe
292 BriefNr.
BriefNr.
89 Anm 93; 132; 135 Anm 225 u. 226 75(0127) 234; 239 Anm 50 197; 220; 224 Anrn. 12 78(53) 34; 68; 69 Anm 34; 79(85) 75 Anm 54 u. 55 81(0141) 128; 132 Anm 215 82(387) 73; 75 Anm. 56 83(0142) 33; 39 Anm 109 85(0128) 244; 247 Anrn. 68 143; 153 Anm. 17, 18, 86(19) 19 u. 20; 154 Anm 21 88(21) 225 64; 66 Anrn. 23, 24, 26, 27 89(51) u. 29 90(0129) 244; 247 Anm. 68 91(0130) 220; 224 Anm 11 93(59) 197; 204 Anm. 14; 206; 213 Anrn. 35; 233; 239 Anm 48 95(0131) 235; 239 Anm. 53 111; 118 Anm 169; 96(60) 180 Anm. 116; 181 97(63) 195; 231 79 Anm 71; 180; 98(64) 185 Anm. 136 99(0132) 92; 95 Anm 113 100(65) 79; 81 Anrn. 75; 181 101(0134) 221 102(0135) 221 103(69) 68 Anm 32; 204 Anm 14; 207; 213 Anm 36; 234; 239 Anm. 48 104(70) 234; 239 Anm 52 105(0136) 221; 224 Anrn. 13 106(84) 14 Anm 32; 75; 76 Anm. 64 109(47) 214; 215 Anm 43; 218 Anrn. 55; 224 110(50) 29; 33 Anm 93 111(80) 243; 248 Anm 81 113(0137) 222; 224 Anrn. 9 73(54)
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114(100) 171 Anm 82; 216 115(96) 26 Anm. 78; 37 Anm 107; 165; 169 Anm 74 u. 75; 215 Anm 46 116(102) 40; 42; 46 Anm 125; 243; 248 Anm 72 116(102) 40; 42; 46 Anm 125; 243; 248 Anm 72 117(109) 15 Anm. 35; 104 120(0143) 69; 74 Anrn. 46; 75 Anm 57 124(52) 65 Anm 19; 81; 91 Anrn. 98; 186; 233 Anm 40 u. 41 125(58) 65 Anm 19; 82; 91 Anm 98; 233; 239 Anm 51 126(0138) 222; 224 Anm 9 127(0144) 127; 131 Anm 206; 244 128(0145) 34; 39 Anm. 110 129(68) 119; 121 Anrn. 180; 174 Anm 91; 253 Anrn. 4 130(173) 137; 138 Anm 238 131(103) 43; 46 Anm 127 132(111) 15; 19 Anm 46; 48 u. 50; 48; 51 Anm. 133 133(112) 15; 19 Anm 48 134(113) 19 Anm 45; 48 u. 49 135(114) 32; 33 Anm 98 136(115) 225 137(116) 54; 225; 231 Anrn 30 138(117) 37 Anrn 107; 164 Anrn. 57; 165; 169 Anm. 75 u. 80; 171 Anm. 83 u. 84; 226; 231 Anm. 35 139(149) 15 Anm. 34; 26; 29 Anm 84 u. 85; 37 Anrn 107; 274 Anrn 24; 276 Anrn. 28 140(150) 208; 213 Anrn 38; 235; 239 Anm. 52; 284 Anm. 47 141(151) 236; 239 Anrn 54 .
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1. Liste der zitierten Briefe BriefNr.
BriefNr.
142(152) 112; 118 Anm. 170; 177 Anm. 105 143(153) 139 Anm. 242; 164 Anm. 57; 166; 169 Anm. 76 u. 80; 171 Anm. 83 u. 84; 175 Anm. 95 144(0179) 237 145(0180) 48; 41 Anm. 134 146(0181) 42; 46 Anm. 126; 237 Anm. 45 148(0182) 75; 76 Anm. 65 149(154) 236 150(155) 227 151(94) 120; 121 Anm. 181; 253 Anm. 4 152(0183) 55; 56 Anm. 143 153(0184) 105 154(174) 12 Anm. 23; 133 Anm. 220; 136; 137 Anm. 235; 138 Anm. 236; 154 Anm. 27; 216 Anm. 50; 218 Anm. 58 155(198) 174; 177 Anm. 99 156(104) 144; 153 Anm. 17; 154 Anm. 23 157(157) 145; 153 Anm. 19; 154 Anm. 22; 244; 248 Anm. 74 158(0185) 137; 138 Anm. 237; 237 159(158) 86; 92 Anm. 100; 122 160(0186) 245; 248 Anm. 79 162(0187) 246; 248 Anm. 79 163(0188) 80; 81 Anm. 75 164(0189) 77; 81 Anm. 73 166(156) 137; 138 Anm. 237; 227; 231 Anm. 27 167(172) 209; 210; 213 Anm. 38; 236; 239 Anm. 48 168(146) 14; 19 Anm. 45; 47; 48 u. 49; 37 Anm. 107; 52 Anm. 138; 75 Anm. 59 169(169) 122
170(164) 171(165) 172(166) 173(167) 174(171)
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122; 124 Anm. 192 122 122; 124 Anm. 192; 245 122; 249; 251 Anm. 95 93; 95 Anm. 112; 122 Anm. 183; 227 175(0190) 246; 248 Anm. 79 176(177) 13 Anm. 29; 133; 135 Anm. 228; 137; 227; 237; 239 Anm. 52 177(168) 116; 122; 124 Anm. 192 178(0191) 246; 247 Anm. 68 179(0192) 249; 251 Anm. 93 180(0193) 249; 251 Anm. 93 182(147) 122 Anm. 183; 220; 224 Anm. 11; 235 183(0194) 77; 81 Anm. 73; 202 Anm. 9; 226f.; 231 Anm. 31 184(148) 249; 251 Anm. 93 185(0195) 154; 162 Anm. 40 u. 45 187(160) 23; 25 Anm. 72; 26 Anm. 75 188(161) 146; 153 Anm. 18; 154 Anm. 21; 228; 231 Anm. 27 u. 33; 244; 248 Anm. 74 189(162) 250 190(178) 193; 209f.; 213 Anm. 39; 236; 239 Anm. 48 191(163) 244; 248 Anm. 82 192(0196) 34; 39 Anm. 111 194(107) 205 Anm. 15; 197 196(206) 123 198(210) 123; 124 Anm. 193; 141; 142 Anm. 250 199(217) 80; 81Anm. 75 u. 76; 254 200(232) 190[.; 192 Anm. 166 u. 167 201(208) 228; 231 Anm. 32 202(219) 12 Anm. 14; 32; 33 Anm. 98; 123 205(0221) 250; 251 Anm. 97
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1. Liste der zitierten Briefe
BriefNr.
BriefNr.
206(197) 133; 135 Anm. 226 207(212) 123 209(0222) 78; 81 Anm. 73; 228; 231 Anm. 34 210(205) 147; 153 Anm. 17 u. 19 211(199) 65; 67 Anm. 28 212(200) 146; 153 Anm. 19 213(0223) 20 215(0224) 147 216(0225) 86; 90 Anm. 95; 92 Anm. 102 218(209) 23; 25 Anm. 71; 174 219(211) 123; 124 Anm. 193 220(213) 199 221(214) 155; 162 Anm. 40 u. 46 222(442) 16 Anm. 38; 36; 39; 63; 64 Anm. 17; 103 Anm. 34; 175 Anm. 95; 191; 192 Anm. 166; 216 Anm. 51; 218 Anm. 59; 253 223(215) 84; 89 Anm. 93; 92 Anm. 106 224(220) 216; 218 Anm. 59 225(202) 183; 185 Anm. 138 227(216) 123 229(0228) 125 230(0229)55; 228; 231 Anm. 36 231(395) 160; 161 Anm. 38; 162 Anm. 44; 164 Anm. 54 232(396) 11; 12 Anm. 20 234(398) 10; 12 Anm. 15 u. 16; 169 235(244) 43; 47 Anm. 128 235*(244*) 45 236(399) 65 Anm. 21; 70; 152 Anm. 14; 168; 169 Anm. 79; 154 Anm. 11; 255 237(400) 17 Anm. 41; 19 Anm. 46; 37 Anm. 107; 117 Anm. 166; 148 Anm. 10; 168; 169 Anm. 74; 171 Anm. 83
238(401) 161; 162 Anm. 44 239(388) 65 Anm. 21; 151; 153 Anm. 18; 19 u. 20; 154 Anm. 21 240(0402) 10; 12 Anm. 13; 16 u. 17 241(231) 103 Anm. 134; 191; 192 Anm. 166 242(218) 9 245(0260) 116; 118 Anm. 173 246(245) 9; 12 Anm. 16 248(259) 96; 101 Anm. 126; 123; 124 Anm. 191; 187; 188 Anm. 147; 189 Anm. 149 250(249) 148; 153 Anm. 19 252(0261)128; 131 Anm. 207 253(253) 246; 248 Anm. 84 254(254) 246; 248 Anm. 75 255(239) 125 256(0262) 36 257(0263) 170 259(242) 34; 39 Anm. 112; 110 Anm. 154 261(251) 113; 118 Anm. 171; 171 Anm. 82 262(265) 69f.; 74 Anm. 46-49 u. 51; 106; 108 Anm. 149; 254 263(252) 222; 224 Anm. 10 264(258) 82; 91 Anm. 98; 99; 125 Anm. 198 266(230) 156; 162 Anm. 40; 46 u. 47 267(257) 101; 125; 179 268(0293) 9; 12 Anm. 19 u. 21 269(246) 30 Anm. 89; 52; 53; 54 Anm. 142; 85 Anm. 87; 235 Anm. 44; 253 270(269) 96 Anm. 115; 101 Anm. 125; 245; 248 Anm. 76 271(283) 71; 75 Anm. 58 272(270) 94; 95 Anm. 110
1. Liste der zitierten Briefe
295
BriefNr.
BriefNr.
273(284) 97; 101 Anrn. 126; 183; 185 Anrn. 139 274(247) 250 277(285) 237; 239 Anrn. 51 278(278) 250; 251 Anrn. 97 u. 98 279(248) 152 Anrn. 14; 166; 169 Anm. 77; 191; 192 Anm. 169; 222; 223 Anm. 8 280(0294) 18; 35; 149 Anrn. 11 281(0295) 88 Anm. 90; 134; 135 Anrn. 227 282(268) 93; 95 Anm. 110 283(271) 237; 239 Anm. 55 287(0297)21; 22 Anm. 60 u. 63 289(272) 96; 101 Anrn. 126 u. 128; 167 Anrn. 67; 199; 205 Anrn. 17 292(0300) 150; 154 Anrn. 21 293(273) 109; 134 294(288) 167 Anm. 67; 200; 205 Anrn. 18 295(0334) 139; 141 Anrn. 243 296(0335) 139; 141 Anrn. 244 297(0336) 135; 136 Anm. 231 298(0337) 21; 22 Anm. 60 299(289) 94; 95 Anm. 110 300(281) 88; 92 Anm. 101 301(0338) 10 302(302) 107 Anm. 145; 209f.; 213 Anrn. 40 303(303) 123; 124 Anrn. 193; 236 304(304) 71; 106 306(306) 201; 205 Anrn. 19 307(290) 149; 153 Anm. 17; 154 Anrn. 25 309(308) 71; 107; 201; 205 Anrn. 20 313(309) 110 314(301) 8 Anm. 5; 178; 180 Anm. 114; 210; 214 Anm. 40 315(310) 222; 223 Anm. 8
316(311) 97; 101 Anrn. 126 317(0339) 35; 39 Anrn. 113 318(312) 238; 239 Anrn. 57 319(282) 175; 177 Anrn. 102 320(274) 167 Anm. 67; 200; 205 Anm. 18 321(291) 138 322(313) 110 323(280) 87; 92 Anrn. 107; 193 324(275) 96; 97 Anrn. 119; 101 Anrn. 126; 127 u. 128 325(67) 133; 243; 248 Anrn. 82 326(256) 222; 224 Anm 10 327(316) 212; 214 Anrn. 41 328(317) 46f.; 213 Anrn. 42 329(326) 16 330(0340) 150; 154 Anm. 21 332(328) 97; 101 Anrn. 126, 127 u. 128 333(0341) 195 334(314) 157; 162 Anm. 41; 163 Anm. 49; 212 Anm. 34 335(315) 97; 101 Anm. 126 u. 128; 212 Anm 34 336(318) 76; 111; 191 Anm 160 337(324) 187; 190 338(332) 17; 148 Anrn. 10 339(276) 118 Anm. 172; 115 340(333) 66; 67 Anm. 30 341(0403) 152; 153 Anm 18 342(329) 71 Anm . 39; 88; 92 Anm 103 343(0404) 21; 22 Anrn. 62 344(264) 134; 136 Anrn. 230 345(330) 89; 92 Anm 100 346(331) 17 Anm 41; 166; 167 Anm. 65; 169 Anm. 77 347(0405) 21; 22 Anm. 61 u. 62 348(342) 203 349(0406) 157; 162 Anm. 42; 163 Anm. 50 .
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1. Liste der zitierten Briefe
296
BriefNr.
BriefNr.
350(343) 71 Anm 39; 98; 101 Anm 125 u. 129; 107 Anm. 146; 171; 173 Anm. 90; 239 Anm. 58 352(345) 71 Anm 40; 98; 101 Anm. 125 u. 129; 107 Anm 146; 172; 173 Anm 90 353(346) 107 Anm 146; 124 Anm 192 u. 195 354(347) 71 Anm. 40; 98; 99; 101 Anm. 129; 107 Anm. 146; 172; 173 Anm 90 355(348) 71 Anm 40; 98f.; 101 Anm. 129; 124 Anm. 191; 173 356(0407) 247 .
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357(321) 147; 153 Anm 17 u. 18; 154 Anm 24 358(322) 117; 119 Anm. 175 359(323) 239 Anm 48; 247 360(319) 130 Anm 204; 158f.; 162 Anm. 43; 221 Anm. 5 361(320) 16; 17 Anm 41; 19 Anm. 46 u. 48; 167; 169 Anm 74 u. 78 362(325) 100; 101 Anm. 130; 202; 205 Anm. 21 363(349) 71 Anm 40; 100; 107; 108 Anm. 150; 124 Anm 190; 184; 185 Anm. 137 364(350) 238; 239 Anm 55 365(351) 71; 107; 108 Anm. 150; 124 Anm 190; 173; 203; 205 Anm 22 366(0408) 79 367(352) 71; 204; 205 Anm. 22; 250; 251 Anm 94 368(354) 24; 25 Anm 74; 72; 75 Anm. 54 .
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369(366) 128; 131 Anm 208; 176; 177 Anm 103; 217; 218 Anm. 60 370(353) 72; 75 Anm 54 371(360) 30 Anm 89; 49; 51 Anm. 136; 89 Anm. 93 372(355) 25; 25 Anm. 74; 72 373(356) 72; 75 Anm. 54 374(358) 50; 52 Anm 137; 72 375(364) 78; 81 Anm. 73 376(0409) 129; 131 Anm. 210 377(365) 17 Anm 41; 167; 169 Anm. 75 378(40) 7; 12 Anm 13, 14, 16, 17 u. 18; 39; 253 379(359) 25; 223; 224 Anm. 14; 238; 239 Anm 55 380(363) 72; 74 Anm. 46, 47, 49 u. 52; 108 Anm. 151; 229; 232 Anm 39 381(357) 72; 75 Anm. 54 382(361) 192 383(368) 250; 251 Anm 93 u. 94 384(0410) 45; 47; Anm. 129 386(382) 10 Anm 10; 17 Anm. 41; 27; 29 Anm. 85; 37 Anm 107; 106; 148 Anm 10 387(369) 94; 95 Anm. 111 388(370) 73; 74 Anm. 46; 238 389(24) 63; 64 Anm 16; 175 Anm 95 390(367) 128; 131 Anm. 209 391(371) 250 392(372) 225; 250 393(375) 27; 29 Anm. 86; 73; 145 Anm 4; 223 394(373) 192; 238 395(374) 73 396(383) 223 397(381) 28; 29 Anm. 88 .
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1. Liste der zitierten Briefe
297
BriefNr.
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398(384) 73; 74 Anrn. 49; 167; 169 Anrn 77; 229; 231 Anrn 28 399(0411) 156; 162 Anrn 40 u. 48 400(93) 62; 102; 111 Anrn 157; 190 Anrn 155; 253 401(385) 229; 231 Anm. 38; 250 Anrn 91 401*(385*) 229; 231 Anm. 37; 250 Anrn 91 402(376) 223; 238; 239 Anrn . 49 403(377) 223 404(378) 11 Anm. 12; 28; 29 Anrn 87 405(379) 139; 141 Anm. 244 406(0412) 13 Anrn. 29; 194; 227 Anrn 18 407(0413) 37 Anrn 107; 116; 118 Anm. 174; 169; 170 408(0414) 55; 130 Anrn 203 409(0415) 130; 131 Anm. 211 410(386) 73 411(390) 25; 26 Anrn 76; 148 Anrn 10 412(0416) 36; 39 Anrn 114 .
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188; 189 Anrn 151 152 36; 39 Anrn 11 90; 92 Anrn. 104; 145; 176; 177 Anrn 104 418(176) 236 419(0421) 91; 92 Anrn 104 421(391) 251 422(0423) 181; 239 Anrn 47 423(0424) 126 424(389) 139; 141 Anrn 245 425(0425) 238; 239 Anrn 49 426(0426) 179; 180 Anrn 115 438(437) 73 439(448) 130; 132 Anrn 214; 164 Anrn 53; 247; 248 Anrn 83 440(440) 117; 119 Anrn 176; 153 441(432) 55; 130 Anrn 203 443(428) 31; 33 Anm. 94 445(436) 74; 230; 231 Anrn 31 446(444) 153; 154 Anrn 25 447(438) 73f; 223 448(445) 130; 131 Anrn 212 449(446) 18 413(0417) 415(0418) 416(0419) 417(0420)
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2. Personen I Zeitgenossen des Kydones
[In eckigen Klammem die Nummer im PLP] Herrscher und ihre Gattinnen, Päpste und Patriarchen werden nach ihren Vornamen zitiert
Agallon,Johannes Dukas[104] 85 Agapito Colonna[116],Kardinal 193 Akakios[484], Mönch 222 Alusianos, Thomas Dukas [696] 9,117-119,153,175f. Amarantos,Georgios[751] 133 Andronikos IH. Palaiologos[21437], Kaiser 57,74 Anrn 50,255,259, 267 Anrn 7 .
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Andronikos IV. Palaiologos[21438] Kaiser (Usurpator) 9,12,17 Anrn. 40,23,24 Anrn 69,36-38, 66,104 Anm. 136, 122,133,136138,142,154,165 Anm. 60,170 Anm. 80,174,199,205,215f, 218,262,272 Anrn. 20 .
298
2. Personen I, Zeitgenossen des Kydones
Andronikos, Br. 319(282)[wohl nicht identisch mit A. Sebastopulos,wie in PLP 25080 angenommen] "Lästerer" 147,"Schwätzer" 176 Andronikos Sebastopulos 146 Angelos,Br. 390(367)[164] 128f. Angelos,siehe Manika'ites Anna von Savoyen Palaiologina, Kaiserin[21347] 57 Aplesphares, Brietbote [1168] 91 Apokaukos, Alexios[1180] 57 Asanes,Andreas (?)[1486], Hofbeamter 112f. Asanes,Johannes[91371] 82-84, 99,101,124,125,126(,146(, 154f.,174 Anm. 92,179f. Asanes,Konstantinos[1503] 41,42, 79,125,166,174,179(,214,224, 243 Asanus Centurio,siehe Centurione 11. Astras,Georgios Synadenos (1598] 79,111,112,118,145 Anm. 4, 180-182,185,242,243 Anm. 61, 254 Astras, Michael Synadenos [1599] 181 Athanasios (401], Mönch auf Kreta 55, 130 Atumanos, Simon[1648],lateinischer Erzbischof von Theben 48f.,51, 204 Anm. 14,206f.,213,233 Bayazid I. [21248], Herrscher der Osmanen 73f., 230,253,263 Centurione 11. Zaccaria[6491] 78,228 Chamaetos,siehe Kabasilas Chloros[30867,mit unzutreffender Jahresangabe] 170f. Chrysoberges,Maximos [31123] 31,55,79,94(,192,195,223,238 Chrysoloras,Manuel [31165] 117,263
David [5020],Brietbote (pLP versteht die Angabe, Tarchaneiotes nenne ihn seinen Bruder,wörtlich,was kaum zutrifft. Dass er Mönch war, ist nicht sicher) 91,176 Dionysios[5428],Abt 150 Dukas,siehe Alusianos Euthymios[6268] Mönch,später Patriarch von Konstantinopel 178,179 Anm. 108,210 Foscari,siehe Paolo Francesco I. Gattilusio[3594], Herr scher von Lesbos 9,15f.,32, 104,106,123,127,138,149,165, 169 Anm. 80,183,185f.,216,254, 261 Francesco 11. Gattilusio[3584],Herr scher von Lesbos 138,149 Gabrielopulos,Georgios[3433] 134f.,137,194 Galaktion[3471],Mönch 152,237 Garcia[3570], Dominikanermönch 154-157,162 Georgios der Philosoph, siehe Gabrielopulos Georgios, Br. 446(444),Hotbeamter (nicht in PLP) 153 Glabas,Isidoros [4223] Metropolit von Thess�lonike 43(, 47 Gregor XI. (Roger de Beaufort) [4586],Papst 84,209,284 Anm. 47 Gregoras,Nikephoros[4443] 85 Gudeles,Georgios (?)[4334] 147f.,234 Helene Palaiologina [21365],Kaiserin 16,19 Anm. 45 u. 48,20,36,39, 60,63(,70,73,89,109,125,139 Anm. 242,166,175,191,216,229, 253,255,260
2. Personen I, Zeitgenossen des Kydones Isidoros Bucheir [3140], Patriarch von Konstantinopel (Bucheiras; Bucheir gemäß Indexband PLP, 106; vgl. 1.1.1,Anm. 6) 8,143, 144 Anm. 2,266 Anm. 4 Joasaph[8923], Mönch, Br. 406 (0412) 194 Joasaph[10973], Mönchsname des Exkaisers Johannes Kantakuzenos 102 Johannes V. Palaiologos[21485], Kaiser 3,9,12-19,22f.,24 Anm. 69,25-27,32f.,36-39,42, 47-50,52,57,60[,63-69,76,79[, 82,88,90,92,104-106,108,109, 113 Anm. 162, 119,125,132,133 Anm. 222,134,136-139, 145 Anm. 6, 147f.,152,155- 157, 162,164,165-169,171 Anm. 84, 174,175 Anm. 94, 177, 182,191, 197-199,204,206-208,215-217 Anm. 54,218,226,233[,242, 253,255,259-263,265,272 Anm. 18,276 Anm. 28 Johannes VI. Kantakuzenos[10973], Kaiser (Usurpator) 9,22,36-38, 48,57- 64,69f.,77 Anm. 68,102104,105 Anm. 139, 132 Anm. 216, 141-143,156 Anm. 29,177,179, 190,191 Anm. 159,192,197,216, 219,224 Anm. 7,225,240-242, 253-255,259f.,266 Anm. 6, 267 Anm. 8 u. 9 Johannes XIV. Kalekas [10288], Patriarch von Konstantinopel 57,144 Anm. 2 Johannes,erwähnt in Br. 130(173), sonst unbekannt (nicht in PLP?) 137f. Kabasilas Chamaetos,Nikolaos [30539] 20[,72,81,108,141[, 186,222,229,232[
299
Kabasilas, Demetrios [10079],Ver trauter Manuels 11. 16 Kabasilas,Neilos [10102] 7f.,39,253 Kalekas,Manuel[10289] 91,147 Anm. 7,263 Kaloeidas[10551] 127,244 Kalopheros, Johannes Laskaris [10732] 30f.,49-54,84,85 Anm. 87,89[,132f.,193,209[, 213,236,243,247,253 Kalothetos, Leon[10617] 239 Kantakuzene, Maria, Tochter des Kaisers Matthaios,Gattin des Kalopheros (nicht mit eigenem Artikel in PLP; siehe aber 10983) 132 Kantakuzene, Maria, Tochter Johan nes' VI. 216 Kantakuzene, Theodora[10940] Tochter Johannes' VI. 216 Kantakuzenos,Theodoros[10965] 148,246, Kassandrenos, Alexios[11314] 22[,164,233,242 Kaukadenos, Theodoros [11561] 147[ Klemens VII.[Robert von Genf), Gegenpapst 1378[nicht in PLP) 209 Konrad von Ancona[13231] 157[,162f. Kutales[1315], Brietbote 237 Kydones,Demetrios[13876] passim Kydones,Manuel (Vater des Deme trios,nicht in PLP) 259 Kydones, Prochoros[13883] 41 Anm. 117,47,50,62,86,102, 104,11l f., 119-121,144,174,177, 180-183,185,190, 192,208,213, 241[,253[,259-261
2. Personen I,Zeitgenossen des Kydones
300
Kyparissiotes, Johannes[13900] 85f.,210,236 Laskaris, Onkel des Kaisers (nicht in PLP) 113 Makarios[16310], Patriarch von Konstantinopel 137 Mangaphas [16014],Briefbote 235 Manikai'tes,Demetrios Angelos, Großrichter [16635] 40-42,137 Manuel H. Palaiologos[21513], Kaiser 11 Anm 12,15-18,19 Anm 46,23-25,27-29,34f.,38f., 48,50,52,55,63,67-75,77 Anm. 68,81,87-89,92-101,106110,115,117,123f.,137,141, 146-149,151,157,160-169,170 Anm. 80,17-175,178, 180,184f., 191-193,199-201,203-205,210214,216,222-226,229-232,237f., 245f.,250,253-255,262f., 272 Anm 20 Manuel Kantakuzenos [10981], Despot von Mistras 59f.,109 Anm. 153,141,183,185f.,190f., 215,225,236,240,254,259 Maria Palaiologina [16888], Schwester Johannes' V.,Gattin Francescos I. Gattilusio 32,104 Anm 135 Matthaios Kantakuzenos [10983], Kaiser 83 Anm 80, 105 Anm 139,132,191 Meliteniotes, Theodoros [17851] 120f. Metochites, Manuel Raul [17984] 137,183,227,233 Michael Palaiologos[21522],Despot 75f. Murad I.[19503], Herrscher der Osmanen 13 Anm 27,17,23f., 50,71,73,88, 98f.,101,104 Anm 136,107f.,171-173,184, .
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192,198f.,200 Anm 6,201,203205,250 Anm 90,253,261 Muzalon[19432] (im PLP irrig als Adressat des Kaisers Manuel,in dessen Dienst er stand,bezeichnet; war nur Adressat des Kydones) 87,193 Neilos I. Kerameus [11648], Patriarch von Konstantinopel 35,149f.,152 Oinaiotes, Andronikos [21024] 39f. Oinaiotes, Br. 141(151],Identität mit Andronikos O. [PLP 21024] ist un sicher 236 Orhan I. [21133], Herrscher (Bey) der Osmanen 197,253 Pagomenos,Br. 184(148)[21283] 249 Palaiologina, Eirene [21353] Tochter Johannes' V. (vgl. Tinnefeid, Kydones IV, 269,Kommentar,X8) 216 Palaiologos [21402],Briefbote Br. 318(312) 238 Palaiologos,Demetrios [21455], Großdomestikos 13f.,75f., l 45f., 228,231,244,249 Palaiologos, Theodoros[21461] Protobestiarios und Statthalter von Lemnos 11,192 Palamas,Gregorios [21546], Metro polit von Thessalonike 40f.,45f.,62,85,102f.,111,119, 182,253,260,278 Anm 33 Paolo Foscari,lat. Erzbischof von Patras (nicht in PLP) 212 Paulus aus Mailand [22087] 130,158-160,162-164,221,247 Pepagomenos[22351],Kleriker 143f. Peter I. Lusignan [15073],König von Zypern 84,206,243 .
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2. Personen I, Zeitgenossen des Kydones Phakrases[29565],Empfänger eines Trostbriefes 92 Phakrases [29566], Zirkusstar 175 Phialites [29713], Briefbote 246 Philotheos Kokkinos[11917], Patriarch von Konstantinopel 87,92,119,121,137,174,182, 215,218,221,279 Anm 35 Pothos [23433], Palastbeamter 10,170 Johannes Pothos[23447] 241 Pyropulos, Jakobos [23921] 77 Raul,siehe Metochites Rhadenos[23986] 23,32,69,77,81, 86,89,92 Anm 100,96-101,107, 116, 121-124,141f.,145f.,157, 162f.,171-173,175 Anm 95,183185, 187, 188 Anm 147,189, 199f., 237,239 Anm 58,244f., 249,254,261-263 .
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301
Rhales[24055], Bittsteller 152 Sebastopulos,Andronikos [25080] 146 Sguropulos,Manuel[25028] 249 Simon,siehe Atumanos Synadenos,siehe Astras Tarchaneiotes, Manuel (?)[27471] 77,86f.,90f.,93,95,100f.,122, 133,159f.,163,176,180f.,188f, 202,205,220f,226f,235,237, 249f. Terteres (Terter)[27584], Bulgare 76 Trikanas, Jakobos [29309], Abt 112 Tzykandeles, Manuel [28129], Br. 57(35) 241 Urban V. (Guilelmus Grimoaldi) [21173], Papst 207f,213,260 Urban VI. (Bartolomeo Prignano) [21174], Papst 107 Anm 145, 209f.,212 .
3. Personen 11 Antike und spätere Namen
Achilleus 61,63,220 Anm 3,223 Admetos (König der Molosser) 172 Alexander (der Große) 58,63,282 Antipas von Pergamon 11 Ariston 35 Aristoteles 159 Artaxerxes I. 172 Augustinus 20 Basileios (von Kaisareia) 45, 47, 159 Chremylos 216 Chryse'is 28,113,145 Anm 4 Cicero 159 Daidalos 59,215,232 David (AT) 203 Demetrios (Heiliger) 94,105 .
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Demosthenes 10, 34, 55, 58, 63, 69, 74, 159, 170 Anm. 81, 222, 225-227,245 Diomedes 195 Diophantos 21 Euklid 21 Euripides 129 Giganten 9 Gregor von Nazianz 179 Hektor 184 Helena 64 Herakles 135 Hermes 70,106 Hesiod 78,159,212,246,278 Hippokrates 91
3. Personen II Antike und spätere Namen
302
Homer 28 Anm 82,55,65,67,113 Anm. 161,159,179 Anm 111,184 Anm. 133,200,225,282 Anm . 42 Iolaos 135 lros 216 Jesus Christus 40, 43, 69, 102, 163, 182,201 Anm. 7,205 Johannes Chrysostomos 126,194, 196 Johannes der Täufer (NT) 139 Jungfrau Maria 45 Kalchas 88,145 Anm 4 Kroisos 34,39 Kyklopen 78 Laurentius 20,36 Lazarus (NT) 202,205 Lukan 159 Lykurgos 181 Maria, Schwester Marthas (NT) 152 Martha (NT) 152 Miltiades 66f. Mnemosyne 243 Mose 48,51 Nestor 13,21,225f. Nireus 220 Odysseus 161,225,268,272 .
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Paulus (Apostel) 85,130,150 Peitho 225 Peleus 223 Phaidros 72 Pindar 72 Platon 32, 34f., 39, 41 Anm 118,43 Anm. 121,55,59,61,72,110,112 Anm. 158,118,142,151,159,195, 222,225,268 Anm 11,274,279 Plutarch 109-111 Pseudo-Pythagoras 42 Anm 120 Publilius Syrus 26 Anm 79 Riccoldo Pennini 46 Sardanapal (assyrischer König) 128 Skylla 214f.,268,272 Sokrates 41 Anm 118,43 Anm 121, 46,72,74 Terpander 13,194,227 Themistokles 66f., I 72f. Thersites 20,58,219f., 223 Thomas von Aquin 7,41 Anm 117, 194-196,260 Timotheos, Flötenspieler 219 Vergil 159 Zenon von Kition 79 Zeus 58f.,63,282 Anm. 42 .
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4. Orte
Achaia 78 Adrianopel 61,63, 177,259 Ainos 9,111f.,160 Anatolien 23,74 Ancona 157f.,162f.,302 Antigoneia 249 Athen, Herzogtum 207 Athos 34,35,39,77,110-112,118f., 133,144,153 Anm. 17,185,241, 260 Avignon 84,208f.,234 Anm 42, Berroia 59f.,141,183,159 .
Brixen 193 Bursa (Prusa) 184,203 Cassano in Kalabrien 206 Chalkidike 249 Chioggia 65,158 Chios 79 Chortiatu 200 Didymoteichon 57,198,261 Euboia 82f.,125 Frankreich 84 Genf 209 Genua 49,51,65,142,158,236
4. Orte Hebros (Fluss) 61,63 Italien 13f.,16,19 Anm 48,23,31, 39f.,42,51,66,68,75f.,84-86, 120,145 Anm 6,158,160,163, 167,169,179,183,198,204, 207f.,211,213,215f.,228,234, 247,261-263,272 Kallipolis 197,260 Kleinasien 50,184,197,199,204f., 253,260 Konstantinopel,passim Konstantinopel, Anemasturm 216,262 Konstantinopel, Hagia Sophia 126,185 Konstantinopel,Kaiserpalast 10,15, 19 Anm . 48,22-25,32,112,120 Anm. 178,126,165,167,221,242 Konstantinopel,Manganakloster 22,64,215 Konstantinopel,Patriarchat 120 Konstantinopel, Patriarchatskanzlei 35,143 Konstantinopel. Pantokratorkloster 142 Kosovo 73, 168 Anm 68,263 Kotyaion (Kütahya) 24 Kreta 55,130f., 263 Lemnos 11,13,28,50,55,73,94f., 111f.,168,192,229,231,250, 261,263 Lesbos 9,15f.,19 Anm. 46 u. 48, 32f.,48,51,54,71f.,98,101,104, 123,127,137f.,149,150,160, 165,169 Anm. 80,171,184-186, 194,203,208,216,225 f.,227 Anm. 18,229,244,261,263 Lissabon 193 .
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303
Mailand 130,158, 160,162,221, 247 Makedonien 60,68 Maritza (Fluss) 61,198f. Megiste Laura (Athos-Kloster) 112,133,144f. Mesembria 75 Methone 84 Methymna auf Lesbos 149 Mistras 29,109,111,134,183,185, 215,238,151,262 Mitylene auf Lesbos 9,15,32,165, 208,216,225f.,244 Naxos 208,235 Patras 194,212, Peloponnes 29,76,78,82-85,89, 110,125,134,140,183,191,215, 232f.,236,238,262 Pera (Galata) 31,38,216f.,262 Rom 31,40,46,48f.,68,75 Anm 56,107 Anm 145,136,154,157, 178 Anm 107,180,193,194 Anm. 171,206,208-211,213,215, 236,261,272,284 Serres ( Serrai) 96,135,199f.,205 Tenedos 98,101,172,203,272 Anm. 20 Theben 48f.,105,207,213,234 Thessalonike,passim Thrakien 8,60,240 Tzympe 197 Venedig 30f.,49-54,65,68,73,76, 85 Anm 87,89,142,157f.,160, 168,201,221,236,254,261,263, 272 Zypern 31,84,85,86,206,243 .
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5. Sachen
304
5. Sachen Stichwörter zum Leben, zur Zeitgeschichte und zum literarischen Stil des Kydones
(V.
=
Vergleich)
Abendland 49, 75,154, 159,162f., 194,206-210,212f.,221, 253 Abgrund (V.) 43,86,98,100,126, 272 Abt 86,87,112,137,150,158f.,163, Adler (V.) 46f.,72 - Anklage,41f.,43 Anm. 121,46, 87,113[,129,152,240,245,279, 284 - Ankläger 41f.,87,129,152,181, 212 Anmut 225-229,232,245 Antilateiner 40,46,178f. Antipalamiten 62,85,119, 279 Anm. 35 Antithese 23,25 Architekt 111,185 Argumentation 8,42,45,183,233, 244 Arm 24 Anm. 68,32,38,87f.,159, 170,181,216,278 - Armut 85,92,156f.,161[,182, 207,213,230,268,276 Arzt 10,29[,48,79,181 - Arzt (V.) 83f.,99f.,112,128,173, 188 - Arznei 8,84,93,176 Askese 241,248 Attisch 79,230 Aufseher über das Fischereiwesen 113-115 Auswanderung 19 Anm. 48,51,78 Azymen 178 Barbaren 24,32,33 Anm. 98,46,65, 67[,95,97-99,132,134,160,168, 172,187,198-200,208,221
Beamte 11 Anm. 12,18,28,32,67, 87,113,115,118[,133,152,166, 168-171,214,259,269 Anm. 16 Bedrohung 17,22 Anm. 64,49,69, 85,87,92,95[,107,175,197-199, 201,204,208,214,260,272 Begabung 20,64,69,72,74[,107, 185,191,230,255 Bekleidung - Filzhut 179 - Stiefel 179 Beratung 8,30,91f. Bescheidenheit 20,21,22,36 Anm. 105,54,58,68,79,150, 219,223 Bestechung 44,87,92,114,145,154 Bestie (V.) 82[ Bestrafung 106,188[,270 Betrübnis 84,94,100,169,184,187, 202,203,217,234 Bey 24,71,73,98,101,104,107, 173,198,200,204,261 Bildung 28f.,32,62f.,69f.,74,84,97, 109,120,143,149,151[,156,160, 163,168f.,188,191,211 Anm. 32, 221,227,254f.,273 Bildungsfeindlichkeit 74 Brettspiel 177,179 Brief- bote 9,76,84,91 Anm. 96,111, 176[,234,237-239,249 - fassungen 45,231[,250 Anm. 91 - mahnung 233,237-242,247 - sammlung 1,3,36,91,147 Anm. 7,252 - stil l ,63,69,77,220,223-228, 231,245,248
5. Sachen Brief- verkehr 141 - Kondolenzbrief 3,93,95,182, 186,189 - Trostbrief 3 Anm 10,92,94f., 181, 186 Anm . 142,189f. Buch 11,21,27,46f., 78,93,106, 109-111,117,119 Bürgerkrieg 22, 60,63,198, 242 Byzantinismus 62 Captatio benevolentiae 8,10,12,14, 19,106, 146, 148, 154,158f.,210, 228 Charakter 8,53,59,68,75,80,86, 116, 125,130f.,136,143,150,153, 160,163f.,173,191f.,233,244 Dank 10,12,23,33-37,39,53,63f., 68f.,73,79,90,105,111,135,140, 150,154 Anm. 25,155,157f.,162164,186,188,191,232,253,265 Demostheneshandschrift,siehe Handschrift Denunziant 88 Depression 84,92f.,223f. Despot 68,75f.,83,109-111,134, 140,183,185,190-192,215,225, 236,238,240,251,269 Diener 10,14,16f.,19,35,38f.,83, 85,115-117,128,136,150,151f., 174-177,185,234,270281,285 Dolmetscher 24,211,214 Dominikaner 31 (Kloster), 46f.,79, 154-157,162f.,195 Drohung 18,27,86f.,106,115f.,150, 173,235,240,245,248 Durst (V.) 78,208 Egoismus 175,242,247 Eifersucht 166,191,245 Einheit Gottes 41,278 Einweihung 59,63 Energien 40f." 45f., Enkomion 45,59,63,68f.,71,74f., 180,192 .
305
Enthusiasmus, enthusiastisch 34,56, 61f., 70,225 Entscheidung 16,23,31, 40,48f." 50f." 65,79,86-88,97f." 118,122, 124,127,195,201,205f.,240,245, 266,275,277,282 Entschuldigung 44,49,98,109,134, 146,150,221,228 Anm 21,232, 234,236,238-240,244f.,249-251 Enttäuschung 30,33,53,80,89,103 Anm. 134,124,128,137f.,142, 163,165,236,238,242,244 Epiderrlie 93,95,214 Erbe 125,127 Erbschaft 82 Erkrankung 48,51,100,132,158, 184,220 Anm 2 Eroberung von - Adrianopel 63 - Thessalonike 70f. Anm 39,88, 92,98,100f.,184 Anm 134,201, 203,205 - Serres 96,135 Anm 224, 200, 205 Eros 72 Anm 43 Erotik 81 Ethopoiie 40,46 Früchte (V.) 139,141,166,193,220, Festschmaus (V.) 228 Feuer (V.) 30f.,33,96f.,135,149, 282 Feuerofen (V.) 25,96 Filioque 35,178 Anm 107,212 Finanzbeamter 18,88,115-118,170, 191,216,222 Finanzbehörde 83,154,273 Fische 114,115,118, Fischer 113-115,160 Flamme (V.) 25,86,198,211,240 Fledermaus (V.) 44 Flügel (V.) 59,215,232 Fortleben der Toten 186 .
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5. Sachen
306
Frau 38,64,113 Anm 161,118,148, 174,175,177,186,188(,272( Freiheit 27,35,97f.,100,105f.,108, 172(,200(,212,217,267(,273 Freude 16,32(,55,59,64,66,68, 70,72,74,79,89,90,113,142, 155,168,194,198,226,229,233, 240,243,253,266(,273,279,283 Freundschaft 11,14f.,19,21,30,38, 54,58,67,72,75,78-81,84 Anm. 84,88, 111,117, 120, 125, 145,149,153(,157,173(, 181-183,186,193,209,220,226(, 234(,239,242,245(,250,282, 284f. Frieden 60,169 Anm 75,227 Anrn. 18 Frondienst 201 Gastfreundschaft 16,159,163,183, 186 Gattin 36,63,109,125,166,186, 188f. Gebet 8,17,31,34,36,39,43,50, 66,68,74,141,155,157f.,163, 178,180,189(,214,250 Gefühl 33,Anm 93,53,62,76,80(, 102, 124,148(,164,222(,225, 242,249,254 Gehaltzahlung 26,28,168,274 Anm. 24,276 Anm 28 Geistesgestörte (V.) 48,51 Gesandtschaft 24,32, 107 Anm 145, 141,157,178,180,206,208,210213 Geschenk 11,26-29,34,37,39,55, 57,68,88,92,103,105f.,111, 128, l31f., l38-141,145,148,154f., 177,191,227,242,247(,250,266, 275,277 Gesinnung 15,19,33,38,48,51,55, 61,68,75(,83,88,95,104,10� 110,117,119,l30, l34, 147, .
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153 Anm . 17,158,160f.,163,187, 235,248(,251,266,274 Giganten (V.) 9 Glaubensbekenntnis 178 Gleichgültigkeit 48,51,53,83,250 Gott 16,31,33f.,36f.,39-41,43-45, 47(,50-52,54(,58(,61(,66,74, 84(,87,92,93-97,99(,102(,107, 119,124,126-128, l30f., l39, 141, 144, 150-152,155-158,160(,168, 170-173,176,179,186-189,191, 193,202-204,206,210,211 Anrn. 32,214,217,229,250,269271,277-279,281,283,285 Gottesmörder (V.) 182 Gottheiten 41,46,278 Anrn. 33,279 Gottlosigkeit 42 Gouverneur l1lf.,145 Anm 6,160, 181,243 Anm. 61 Großrichter 40,117, 119,153 Güte 37,61,69,76,94,147,154f. Habgier 85,87,95,97,166,207,210, 218 Handschrift 20,34f.,109-111,196 - Demostheneshandschrift 77 - Platonhandschrift 34,39 - Plutarchhandschrift 110( Häretiker 4lf.,46,119,243,248 Anrn. 72 Harmonie 58,225,227,231,240 Heeresdienst 198,205 Heiligtum 59 Heilmittel (V.) 16,159,187,217,228 Heilung 11,83,173,188( Hesychasten 8,22f.,41,45,58,165, 211f.,214 Hyperbel 18,24,27,29 Anm 85,33, 39,180 Anm. 117,217 Intoleranz 175,253 Intrigant 25,50,52,78, l 30f., l35, 147 .
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5. Sachen Intrige 22,24f.,48,51,88 Anm 91f., 106,135,147[,218,221,253,279, 285 Ironie,ironisch 8,11 Anm 12,12, 27-29,31f.,35,39[,41 Anm 118, 46,73,87,90,105,109,113,116, 119,125,131,141f.,145-147,166, 175,177- 181,211[,221[,228, 235,240,244,246,248[,251,282 Islam,islamisch 46f.,184,197,200, 204,212,214,253 Jagd 32,73,80,105,125,127,179[, 198,228,230f. Jäger 78,179 Anm. 112 Jenseits 186 Juden,jüdisch 178,182 Anm 123 Jugend 30,46,68,80,130,147,183, 188f. Käfer (V.) 46[ Kaiserhof 16-19,22,24f.,66,78,88, 117,134[,137[,144[,170,174, 216,234,248,253,276 Kaiseridee 254 Kaiserlob 13, 57 Kaiserpalast 10,15,19,22-25,32, 112,120 Anm 178,126,165,167, 221,242 Kardinal 193,209 Kerzen 27,50 Kirchenbann 87,120 Klage,Klagen 7,17,19, 22, 25,31, 37,88,93,95, 104,145 Anm. 4, 166,174 Anm. 93,181,228,236 Klarheit 72,195f.,215,229f.,232 Kloster 37f.,79,112,144f.,150,152, 158f.,163 Kodex 109,111,194 Kondolenz 3,81,143,180,190 Anm. 154 - Kondolenzbrief,siehe Brief Konversion 7f.,13,39,42,208,213f. Konvertit 179,208,234 Anm 42 .
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307
Kopialbuch 222 Krämergeist 151 Krankheit 23,41,220,244 Krater (V.) 98,172 Kreuzzug 206,213 Kriegsdienst(e) 23,50. 73,160,199 Kriegsheld - und Literat 71,73 - und Rhetor 229 Kritik 21,22 Anm 63,33 Anm. 98, 35,43-47,50,52,71,101[,104, 106-108,110-112,117f.,121,124, 126[,129,130[,153,164-166, 169-174,177-181,192,211f.,214, 220,225[,231,235,250,253,280 Labyrinth (V.) 24,195,225 Lakonisch 220,224,230,235 Langweile(n) 33,220,228,235,239 Lateinisch 79,86 Lateiner 7,40,43,46,68,117,160, 163,178,180,207,231 Legat 157,163,214 Leichnam (V.) 202,205 Leiden 10,37,39,94,108,186, 188f.,242 Anm. 60,269 Leidensbewältigung 108,229,232 Leier 109,230 Lesekreis (8eu'tpov) 220 Liebesabenteuer 113 Lob 7,12-14,19-22,28,37,42,44, 46,48,51,54-56,58,62[,65-69, 75 Anm. 56,76-79,81,102,106, 130,131 Anm. 209,134,136 Anm . 232,143f.,146[,152156,160,163[,166,189-194,196, 211,219,222-224,225 Anm. 15, 226,228-232,240,244,247,253255,265 Anm 3,272,274 Locus amoenus 72 Lyra 227 Mahnbrief 26,240[,246 .
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308
5. Sachen
Mahnung 11 Anm. 12,18,23,26,27, 28(,42,71,78,84,100,106,127, 139,172,203,239,240,247 Marktkontrolle 114 Menschenfreundlichkeit (cpu\av8QwrrLa) 58,62,158,254 Mesazon 60 Metapher 12,19 Anm. 45,21,25 Anm. 74,33,113,135 Anm. 229 Metaphorische Sprache 9f.,135,143f. Milde 58,60f. Mönch 7 Anm. 1,8,36,38f.,55f.,92, 96,102,111(,128,130(,139,140, 145,150,152,156-159,162(,166, 176,178(,194,210,217(,222, 242,248 Muse 21,78,232,243 Musenkunst 227,243 Muslime 47,204 Mysterien (V.) 59,63 Nachruf 79 Anm. 71,100,174,180183,185,253( Nachtigall (V.) 70,147,223 Olivenöl 34,39 Orthodoxie, orthodox 7(,40-42,46, 55,67,157,166,179,182,194, 208,210,212,214f.,237 Anm. 45, 253 Osmanen 13 Anm. 27,24,32,89,98, 124,140,184,186,197-199,200 Anm. 6,203,207 Anm. 25,230, 253,siehe auch Türken - Osmanenherrscher 23,50,73, 171,185,205,230,250 Anm. 90 Pädagogik 94 Palamismus 23,35,41 Anm. 117,85, 102,181f.,185,218 Palamiten 9,25,40,43,45,47,48, 51,87,92,119 Palast 22,25f.,112,137,151,165, 208,242,266,268,279
Papst 84,107,136,155,157,162, 178,180,206-214,284 Papstregister 212 Patriarch 8,18,35,39,57,86,92, 119,120(,137(,143(,149(,152, 157,174,178 Anm. 106,182,215, 218,221,279 Anm. 35 Patriarchat 120,152 - Patriarchatsbeamter 35,39,144 Anm. 3 - Patriarchatskanzlei 35,143 Perser 62,172f. Pest, Pestepidemie 29,48f.,51, I 11f., 181,214,218,243 Pflanze (V.) 30,33,139,140 Pflicht 17,40,48,99,102,112,114, 155,251,269f.,272 Phalanx (V.) 9,87 Philosoph 29,59f.,62,74,79,105 Anm. 140,109f., 116,129,134136,194(,215,232,234,236,243 Philosophenkönig 35,58f.,151,254 Philosophie 53,82,86,93,129,152, 191,195,207,278 Platonhandschrift,siehe Handschrift Plejaden 28 Plutarchhandschrift,siehe Handschrift PosDNeg 237,239,245,251 Primat 212 Prooimion 68,76,166 Anm. 64 Prosopopoiie 34 Prozess 86,119,182 Psogos 102,114,118 Rat 7-14,16,19,23,30,48,57,77, 81,83(,86-92,95,97(,100,129, 145,166,176 Anm. 97,185 Anm. 145,195,201,207,210,211 Anm. 32,244,253,254 Anm. 6, 267 Ratsuche 7f. Räuber 83,115,118
5. Sachen Rechtsanspruch 237,281 Rechtsmittel 82 Reiselust 53,232 Reisen 30,53f.,89,118,158,215, 232f.,236,247,271 Richter 9f.,39,42,117f.,175,271, 275 Rigorismus 114f.,248 Ross (V.) 195 Säumigkeit 227,237, Scherz 127 scherzhaft,129,132,143, 160,177-179,249 Schicksal 30,-schläge 31,36,39,43, 71f.,75,90,93-97,101,113,132, 148,167,174,183,191,200-203, 205,222,268,278 Schiff 34,49,51,79,82,97,112, 141, 148,160,239 Anm. 51,241 Schiff (V.) 115,202,216f.,266 Schiffbrüchige (V.) 82,113 Schisma 7,49,209,213 Schlacht 65f.,73,168,199 Schmeichelei 21,54,56,66,90f., 144,277 Scholastik,scholastisch 154,185, 195,207,252 Schön, Schönheit 64,70,72,97,107, 109f.,124,128,158f.,163,165, 192,220-223,224 Anm. 11,226232,235, 238,249,280 Schuld 10, 38,109,113f.,133,146, 166,177,236 Schuldner 9,27,229 Schwarzhandel 114,118 Schweigen 42,48,51,53,90,98, 103,110,125,127,131,136,146, 181,184,219,223,226,228 Anm. 21,232,234-251 Selbstauslieferung 201 Sieg 8,59,61-63,65-67,70,107, 119,240,246
309
- Sieger 67,107,128 - Siegesfeier 70 - Siegesgesänge,-lieder 64, 71,107 - Siegesmeldung 70 - Siegespreis 24 Skamander (V.) 61,63 Skepsis 11,55,97,116,213 Sklave 55,97,108,115,198,201, 274,285 - Sklavendienst 13,97,108 Anm. 147,198,204f.,274 - Sklaverei 97f.,101,173,203,253 - Versklaven 100,200 Sorge 33 Anm. 92,47,52,54,57,59, 64,81f.,85,93,96f.,101,107 Anm. 146,123f.,126,142f.,148, 151f.,172f.,184,187,200-202, 205,223,239 Anm. 58,241,250, 254 Anm. 6,269,273,277f.,282 Spielleidenschaft 177 Spott 28,43,113,143,177,179 Sprachkunst 77,228,255 Standbild (V.) 86 Statue (V.) 21,241 Stil 54,77,160,195,219-230,232, 245,250,255 - Briefstil 1,63,69,77,220,223228,231,245,248 Strafe 21,24,42,48,51,66,69,87, 93f.,115,147,170,176,179,208, 217,222,235f., 242, 275,277 Streitschrift 46f.,102-104 Studien 20,86,90,100f.,109f.,123, 142,15l f.,156,158f.,162f.,171, 191,202,220,226,230,247,266268,273,280,283 Studium 78,93,98,121,130,151, 155,195f.,208,228 Sünden 71,75,94,209,240 Synode 20,102 Anm. 132,103
5. Sachen
310
Tadel 13,23,42,44-46,48,51,57, 77,101f.,104,106,107 Anm 146, 108,110f.,114f.,118,123f.,126, 131,167f.,177,190,220,222,226, 238,244,250,253,255,281,283 Testament 35 Theologie 8,41,58,111,120,149, 180,194,208,214,252,278 Tier (V.) 25,27,29 Anm 85,40,46, 106,111,127f,135,176,217,280 Tiere 179f Tierfell 11 Anm 12,28,29 Tod 8 Anm 1,29f,37f.,53,57,79, 81f.,85,89,93,97,103 Anm 134, 117, 120,123,138, 144,161,172f., 180-189,193,198,202,204,209, 254f.,284 Topos 23 Anm 65,34,37 Anm 108, 39,54,67,71,73,77,80,149,210, 231,254 Tote 61,143,180,186,190 Anm. 154,202,214,271 Anm 17 - Totentrauer 180,190 Tränen 100,183,202f,217 Trauer 30, 33,79, 120,143,180-182, 185-189,190 Anm. 154,198,243 - Trauerbriefe 180 - Trauerfeier 120f. - Trauerrede 181 Traum 25f.,96,108,153,170 Tribut 198f. Trost 3,9,30,57,75-77,81,84,86, 92-95,184,187-189,201,203,240, 254,272 - Trostbrief,siehe Brief Tugend 8,23,26,34, 36f,55,58,6163,68,81,90,128,145,150, 153, 159,183,186,189,211 Anm. 32, 233,254,270,277 Türken 16,35,44,46,49,62 Anm. 2, 69-71,73,92f.,95f.,98-101,104, 107 Anm 145,124,128,148, .
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167f., 172f.,197-199,201,203f., 206f,209f,213f,238,246,253f, siehe auch Osmanen - Türkenproblem 71 Anm. 40,87, 197,204f. Überbietung 34,37 Anm. 108,39, 210 Übertreibung 29,53,62,65-67,77, 114,180,219 Undankbarkeit 86,169,248 Unglück 8,23,29-33, 38,87,90,93, 95,99f.,105,108,128,131,161, 175f.,186,203,267f,270,285 Unzuverlässigkeit 76,80,91,111, 124,127,170 Anm. 80,241f.,248, 283 Urkunde 68,76,133,166 Usurpator 9,12,17 Anm 40, 23,57, 60,66,133,136-138,154,siehe Index Personen I, Andronikos IV., Johannes VI. Vergeltung 244,247,249,278 Vergessen,Vergesslichkeit 31f.,58, 77,88,99,127,159,163,177,229, 233f.,238,243f., 24�249,278, 282 Vergleich 8,12,25,37,52 Anm. 139, 61,63,97 Anm 119,146,157 Anm. 30,172,194,198,202,216 Anm. 48, 223,227 Anm 18,265, 271 Anm. 17 Vernachlässigung 113,140,174,242 Vernunft 70,81,173,176,184,187, 221,254,266,270f. Versklaven siehe Sklaven Versprechen,Versprechung 17,23, 27,50,106,116,124,126,148, 166,168,206,221,234,244,248, 272,284 Verständnis 9,134,174f.,196,213, 230f.,238,249f. .
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5. Sachen Verurteilung 62,86,102,121,172, 182,190,253 Verwandt(er),Verwandtschaft 10,13, 80,82,85,91,125f.,130,137,146, 148,180,194,204,246,274,282 Verzweiflung, verzweifelt 124,161, 168,199,201,207,230 Volk 48,51,87,115, 145 Anm 4, 150, 153 Anrn. 17,155(,208,214, 218,226 Anrn. 16,253,268 Anm 12 Vorsehung 52,93-95,200,280 Vorwurf 23,28,38,41-43,46-48,53, 79,104,111f.,117,119,123f.,129, 131,182,187,203,227,232,234238,241(,244,246,248(,269, 274 Anm . 24,276 Anm. 28,284 Wahrheit 44, 47f., 51, 102f., 116, 151, 181, 191, 212, 245,266, 270, 277,280 Wasser (V.) 43,47,146,178,180 Wein 43,226 .
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311
Wort 63f., 68f., 72, 77, 79(, 84, 89(, 92, 96, 99f., 102f., 110, 112f., 122, 125-127, 129, 133f., 139, 140, 146f., 149(, 159, 161, 167f., 173 Anrn 88,182,184, 187(,192,195, 199, 204, 217, 219-230, 232, 235, 243,248 Wortkunst 244 Wortspiel 32 Anm. 91,46f.,66,69, 221 Anrn 4,281 Anm 40, Zahnschmerzen 10( Zauberer (V.) 228( Zeitmangel 131,251 Zeloten 8f.,59 - Zelotenherrschaft 60,141 Zikade (V.) 19 Anm. 46,167,222 Zirkusschauspieler 177 Zuneigung 34,37 Anrn. 108, 57f.,66, 68f.,75 Anm 54,76f.,79-81,84, 121,139,141,146,149,181 Anrn. 118,193,226,232-234,240, 250,254,267,274 .
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1: Vassilios Kidonopoulos
5: Ursula Weißbrod
Bauten in Konstantinopel
"Hier liegt der Knecht Gottes "
1204-1328 Verfall und Zerstörung, Restaurierung, Umbau und Neubau von Profan- und Sakralbauten
Gräber in byzantinischen Kirchen und ihr Dekor (11. bis 15. Jahrhundert) Unter besonderer Berücksichtigung der Höhlenkirchen Kappadokiens
1994. XVIII, 291 Seiten, 4 Karten, br ISBN 978-3-447-03621-4
2003. X, 283 Seiten, 97 Abb., 1 Karte, gb ISBN 978-3-447-04803-3
...
€ 74,- (0) / sFr 125,-
€ 78,- (0) / sFr 132,-
2: Peter Herz, Jörn Kobes (Hg.)
6: Victoria Bulgakova
Ethnische und religiöse
Byzantinische Bleisiegel
Minderheiten in Kleinasien
in Osteuropa
Von der hellenistischen Antike bis in das byzantinische Mittelalter
Die Funde auf dem Territorium Altrußlands 2004. 349 Seiten, 306 Abb., gb ISBN 978-3-447-04894-1
1998. XX, 191 Seiten, 16 Abb., 2 Karten, b r ISBN 978-3-447-03769-3 € 44,- (0) / sFr 76,-
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3: Günter Prinzing, Maciej Salamon (Hg.)
Zwischen Polis, Provinz
Byzanz und Ostmitteleuropa
und Peripherie
950-1453
Beiträge zur byzantinischen Geschichte und Kultur
7: Lars M. Hoffmann (Hg.)
Beiträge zu einer table-ronde während des XIX International Congress of Byzantine Studies, Copenhagen 1996 1999. XIII, 231 Seiten, 8 Abb., 2 Karten, gb ISBN 978-3-447-04146-1
€ 74,- (0) / sFr 125,-
Unter Mitarbeit von Anuscha Monchizadeh 2005. XIX, 968 Seiten, 49 Abb., 12 Tafeln, gb ISBN 978-3-447-05170-5 € 148,- (0) / sFr 250,-
8: Alexandra Riebe 4: Christos Stavrakos
Rom in Gemeinschaft
Die byzantinischen Bleisiegel
mit Konstantinopel
mit Familiennamen aus der Sammlung des Numismatischen Museums Athen 2000. 449 Seiten, 510 Abb., gb ISBN 978-3-447-04222-2
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Patriarch Johannes XI. Bekkos als Ver teidiger der Kirchenunion von Lyon (1274) 2005. 352 Seiten, gb ISBN 978-3-447-05177-4
€ 78,- (0) / sFr 132,-
HARRASSOWITZ VERLAG· WIESBADEN www.harrassowitz-verlag.de·[email protected]
9: Christof Rudolf Kraus
10: Niels Gaul
Kleriker im späten Byzanz
Thomas Magistros und die spätbyzantinische Sophistik
Anagnosten, Hypodiakone, Diakone und Priester 1261-1453 2007. XXI/, 547 Seiten, 3 Karten, 5 Tabellen, gb ISBN 978-3-447-05602-1 € 88,- (0) / sFr 149,-
In dieser Arbeit werden die Lebensverhält nisse der einfachen Kleriker in spätbyzanti nischer Zeit erstmals ausführlich untersucht. Die Basis bilden die namentlich (im Proso pographischen Lexikon der Palaiologenzeit) greifbaren Personen. Geographisch kon zentriert sich die Arbeit auf die spätbyzan tinischen Kerngebiete. Ausgespart bleiben die Gebiete unter Fremdherrschaft und der monastische Bereich. Die Untersuchung gilt vor allem der Einbet tung der Kleriker in ihre soziale Umgebung, ihrer Tätigkeit, der Familie und Ausbildung, dem Einkommen und ihrem Verhältnis zur bischöflichen Kirchenverwaltung. Der Schwerpunkt liegt auf der Hauptstadt Kon stantinopel, doch werden auch die Kleriker in den Provinzstädten, im byzantinischen Pontos und den ländlichen Regionen des Reiches in die Untersuchung einbezogen. Hauptquellen sind die Urkunden der Kloster archive und das Patriarchatsregister von Konstantinopel.
Studien zum Humanismus urbaner Eliten der frühen Palaiologenzeit 2011. Ca. 600 Seiten, gb ISBN 978-3-447-05697-7 Ca. € 78,- (0) / sFr 132,-
Die Studie kontextualisiert Werk und Wirken des Thomas Magistros (um 1280-nach 1347/48) in Thessaloniki in einem weitge spannten kulturellen Rahmen, der von der zweiten Sophistik bis zum Renaissance Humanismus reicht. Stand bisher meist der Philologe Magistros im Mittelpunkt der For schung, gewinnt hier der Protagonist eines spätbyzantinischen "Bürgerhumanismus" Konturen, der sich, von sophistischer Rheto rik inspiriert, vehement für die Rechte seiner Polis einsetzte und dabei auch Konflikten auf höchster Ebene nicht auswich. Seine philolo gischen Schriften waren Mittel zum Zweck, die Eleven das ethos (Habitus) für eine erfolg reiche Karriere in den gelehrten Zirkeln der Epoche vermittelten. Diese gesellschaftliche Praxis des theatron, ihre diskursiven Voraus setzungen und Hierarchien werden en detail analysiert; Magistros' eigener Auftritt im kai serlichen theatron zu Konstantinopel dabei provokativ im Spannungsfeld zwischen kai serlicher Macht und städtischer Autonomie verortet. Ein quellenreicher biographischer Abriss, der unter anderem Magistros' Rolle im Hesychasmus neu bewertet und die Stra tegien aufzeigt, mit der das gelehrte Gesell schaftssegment um seinen Einfluss kämpfte, beschließt die Untersuchung.
HARRASSOWITZ VERLAG· WIESBADEN www.harrassowitz-verlag.de·[email protected]