Schriftenreihe Natur und Recht Band 10 Herausgegeben von Prof. Dr. Hans Walter Louis LL.M. (UC Los Angeles), Braunschweig und Ass. jur. Jochen Schumacher, Tübingen
Carolin Küll
Grundrechtliche Probleme der Allokation von CO2-Zertifikaten
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Carolin Küll Düsseldorf
[email protected]
ISBN 978-3-540-85831-7
e-ISBN 978-3-540-85832 -4
DOI 10.1007/978-3-540-85832 -4
ISSN 0942-0932 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. c 2009 Springer-Verlag Berlin Heidelberg ° Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier 987654321 springer.de
„Allocation is about striking a balance between the theoretically desirable and the practically feasible, while keeping in mind that it defines a starting point rather than an outcome.” (Non-Paper der Kommission, the EU Emissions Trading Scheme: How to develop a National Allocation Plan, April 2003, S. 14)
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2007/2008 von der juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung befinden sich auf dem Stand Juni 2007. Angesichts der Novellierung der Gesetzgebung zum Emissionshandel, die parallel zum Promotionsverfahren erfolgte, ist die Arbeit in einigen Punkten nachträglich aktualisiert worden. Später erschienene Literatur und Rechtsprechung konnten vereinzelt bis Juli 2008 berücksichtigt werden. In der Arbeit geht es darum, einen Maßstab zu entwickeln, an dem die fundamentalen Grundkonflikte bei der Allokation von CO2-Zertifikaten zu messen und zu bewerten sind. Dass sich die Arbeit dabei in erster Linie an den Zuteilungsregelungen des Gesetzes für die Handelsperiode 2005 bis 2007 orientiert, ist vor allem ihrer Entstehungszeit geschuldet. Die Relevanz der Fragestellung ist jedoch auch nach der Gesetzesnovelle unverändert. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater, Prof. Dr. Stefan Huster, für viele hilfreiche Anregungen besonders zu grundrechtsdogmatischen Fragen und für die überaus angenehme Zusammenarbeit. Das offene akademische Klima während meiner Tätigkeit am Lehrstuhl war sehr prägend. Prof. Dr. Martin Burgi danke ich für seine Gesprächsbereitschaft, seine hilfreichen Hinweise sowie für die ausgesprochen zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Prof. Dr. Matthias Schmidt-Preuß habe ich für die Anregung zur Beschäftigung mit diesem Thema und für vielfältige Hilfen in der Einarbeitungsphase zu danken. Ganz herzlich bedanken möchte ich mich des Weiteren bei all denen, die durch fachliche und technische Unterstützung aller Art zum Erscheinen dieser Arbeit beigetragen haben. Meinen Freunden danke ich für Entscheidungshilfe und für das abwechslungsreiche Rahmenprogramm. Dem Verein zur Förderung der Rechtswissenschaft e.V. danke ich für den Druckkostenzuschuss, der zum Erscheinen dieses Buches beigetragen hat. Schließlich möchte ich besonders meinen Eltern Dank aussprechen für das Einmischen und Heraushalten.
Düsseldorf, im August 2008
Carolin Küll
Inhaltsverzeichnis
A Einleitung......................................................................................................... 1 I. Ziel der Arbeit ............................................................................................ 1 II. Entwicklung des europäischen Emissionshandels...................................... 2 1. Die Entwicklung eines internationalen Klimaschutz-Regimes............ 3 2. Klimaschutz auf europäischer Ebene................................................... 6 3. Der deutsche Ansatz ............................................................................ 7 III. Stand der Emissionsreduktion .................................................................... 8 1. Treibhausgasemissionen im weltweiten Vergleich.............................. 8 2. Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union ........................ 10 3. Treibhausgasemissionen in Deutschland ........................................... 10 IV. Regelungsbedürfnis .................................................................................. 11 1. Klimapolitische Mindestziele ............................................................ 12 2. Die Kosten des Klimawandels und seiner Vermeidung..................... 13 V. „Neue Welt“ Emissionshandel ................................................................. 16 VI. Technischer Fortschritt und die Lösung von Klimaproblemen ................ 17 B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen von Klimaschutz und Zertifikatehandel............................................................. 19 I. Naturwissenschaftliche Grundlagen ......................................................... 19 1. Die Atmosphäre ................................................................................. 19 2. Das Klima .......................................................................................... 21 a) Definition .................................................................................... 21 b) Einflussfaktoren .......................................................................... 21 3. Der Treibhauseffekt ........................................................................... 23 a) Natürlicher Treibhauseffekt ........................................................ 23 b) Anthropogener Treibhauseffekt .................................................. 24 aa) Die Entstehung des anthropogenen Treibhauseffektes......... 24 bb) Die Entwicklung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre und die Prognosen über dadurch verursachte klimatische Veränderungen.................................................. 26 cc) Hat die globale Erwärmung bereits begonnen?.................... 27 c) Treibhausgase und ihre Spezifika ............................................... 31 aa) Das Treibhauspotential und Ermittlung der Treibhausgasemissionen....................................................... 31 bb) Kohlendioxid........................................................................ 31 cc) Methan ................................................................................. 32 dd) Distickstoffoxid (Lachgas)................................................... 33
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ee) Fluorierte Gase ..................................................................... 34 ff) Sonstige relevante Einflüsse................................................. 34 d) Kohlenstoffaufnahme durch die Erde ......................................... 35 e) Klimasensitivität ......................................................................... 36 f) Wirkungszusammenhänge und Stand der Wissenschaft ............. 37 II. Idee und Konzeption des Instruments Emissionshandel........................... 39 1. Der Grundgedanke............................................................................. 39 2. Der Widerspruch zwischen Einzelvorteil und Gesamtnutzen: negative externe Effekte .................................................................... 40 3. Emissionshandel als marktwirtschaftliches Instrument zu Umweltschutzzwecken ...................................................................... 42 a) Preisansatz contra Mengenansatz im Umweltrecht..................... 42 b) Die Wirkungsweise des Zertifikatehandels................................. 43 4. Ökonomische Kriterien zur Beurteilung umweltpolitischer Instrumente ........................................................................................ 46 a) Effizienz...................................................................................... 46 b) Ökologische Treffsicherheit........................................................ 48 c) Dynamische Anreizwirkung ....................................................... 51 d) Wirkungsgeschwindigkeit........................................................... 53 e) Flexibilität................................................................................... 53 5. Wirtschaftliche Auswirkungen des Emissionshandels....................... 54 a) Makroökonomische Auswirkungen ............................................ 54 b) Sektorale Auswirkungen ............................................................. 54 c) Auswirkungen innerhalb der Energiewirtschaft.......................... 55 6. Ökonomisches Idealmodell und seine Umsetzung in der EG und in Deutschland: Schwierigkeiten und Vollzugsdefizite ..................... 56 a) Wettbewerbsgleichheit................................................................ 56 aa) Zwischen unterschiedlichen EG-Mitgliedstaaten................. 56 bb) Wettbewerbsverzerrungen durch Marktmacht ..................... 57 cc) Wettbewerbsverzerrungen zwischen Anlagen innerhalb und außerhalb des Zertifikatehandelssystems ...................... 58 dd) Wettbewerbsverzerrungen durch ungleiche Zuteilung......... 59 b) Transaktionskosten ..................................................................... 59 c) Investitionssicherheit .................................................................. 61 d) Leakage-Effekt............................................................................ 62 e) „windfall profits“ ........................................................................ 63 7. Allokationsmodelle............................................................................ 66 a) Grundsätzliches........................................................................... 66 b) Grandfathering ............................................................................ 66 c) Benchmarking ............................................................................. 68 d) Auktionierung ............................................................................. 70 e) Auswirkungen unterschiedlicher Allokationsmodi auf die Produktion und den Preis am Beispiel der Strombranche........... 71 8. Wirtschaftswissenschaftliche Ergebnisse und juristische Bewertung ........................................................................ 73
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels im europäischen und deutschen Recht.............................................................. 75 I. Die Emissionshandels-Richtlinie.............................................................. 75 1. Entstehungsgeschichte der Emissionshandelsrichtlinie ..................... 75 2. Inhalt der Emissionshandelsrichtlinie ................................................ 77 a) Anwendungsbereich.................................................................... 77 aa) Unter den Emissionshandel fallende Tätigkeiten ................. 77 bb) Unter den Emissionshandel fallende Treibhausgase ............ 77 cc) Der Begriff der „Anlage“ nach Art. 3e EH-RL .................... 78 b) Emissionsgenehmigung und Emissionszertifikate ...................... 78 aa) Erfordernis einer Emissionsgenehmigung............................ 78 bb) Abdeckung von Emissionen durch Zertifikate ..................... 79 cc) Zuteilung von Zertifikaten durch die Mitgliedstaaten .......... 79 dd) Löschung von Zertifikaten ................................................... 80 c) Nationaler Zuteilungsplan und seine Überprüfung durch die Kommission ................................................................................ 80 aa) Nationaler Zuteilungsplan .................................................... 80 bb) Überprüfung des Nationalen Zuteilungsplans durch die Kommission ......................................................................... 82 d) Handel mit Emissionszertifikaten ............................................... 83 e) Überwachungs- und Sanktionsmechanismen.............................. 83 aa) Überwachung ....................................................................... 83 bb) Sanktionen............................................................................ 85 f) Umsetzungsfristen und Optionen für die Fortentwicklung des Systems................................................................................. 85 aa) Erweiterung auf europäischer Ebene.................................... 86 bb) Erweiterung auf mitgliedstaatlicher Ebene .......................... 86 g) Sonstige Regelungen................................................................... 86 aa) Zugang zu Informationen ..................................................... 86 bb) Verhältnis zur IVU-RL......................................................... 87 cc) Anlagenfonds (Pooling) ....................................................... 88 dd) Vorübergehender Ausschluss bestimmter Anlagen.............. 89 ee) Berichterstattung durch die Mitgliedstaaten......................... 89 3. Die Kriterien für die Nationalen Zuteilungspläne nach Anhang III... 90 a) Vereinbarkeit mit nationalen Emissionsminderungszielen ......... 90 b) Realistische Zielsetzung.............................................................. 91 c) Berücksichtigung des technischen Reduktionspotentials............ 92 d) Übereinstimmung mit den übrigen rechtlichen und politischen Instrumenten der Gemeinschaft .................................................. 93 e) Keine ungerechtfertigte Bevorzugung einzelner Unternehmen oder Tätigkeiten .......................................................................... 93 f) Angaben zur Beteiligung neuer Marktteilnehmer ....................... 95 g) Angaben zur Berücksichtigung von Vorleistungen („early action“)............................................................................ 95 h) Angaben zur Berücksichtigung „sauberer“ Technologien .......... 96 i) Öffentlichkeitsbeteiligung........................................................... 96
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j) Anlagenliste ................................................................................ 97 k) Angaben zu Wettbewerbsmaßnahmen........................................ 97 4. Änderungsrichtlinie und Einbeziehung von CDM-/JI-Projekten in den Europäischen Emissionshandel............................................... 97 II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland .................. 99 1. Grundsätzliches ................................................................................. 99 2. TEHG .............................................................................................. 101 a) Grundsätzliches......................................................................... 101 b) Regelungen im Einzelnen ......................................................... 101 aa) Anwendungsbereich ........................................................... 101 bb) Emissionsgenehmigung und Emissionszertifikate ............. 103 cc) Nationaler Allokationsplan (NAP)..................................... 107 dd) Handel mit Zertifikaten ...................................................... 109 ee) Überwachungs- und Sanktionsmechanismen ..................... 110 ff) Zuständige Behörde............................................................ 111 c) Verhältnis zum Immissionsschutzrecht..................................... 112 aa) Keine quantifizierten Grenzwerte ...................................... 113 bb) Gebot des sparsamen und effektiven Energieverbrauchs ... 113 cc) Stand der Technik .............................................................. 114 3. Zuteilungsgesetz 2007 (ZuG) .......................................................... 114 a) Grundsätzliches......................................................................... 114 b) Regelungen im Einzelnen ......................................................... 115 aa) Anwendungsbereich ........................................................... 115 bb) Mengenplanung.................................................................. 116 cc) Methode ............................................................................. 117 dd) Kriterien ............................................................................. 118 ee) Sonstige Regelungen .......................................................... 136 ff) Fazit.................................................................................... 137 4. Gesetz über projektbezogene Mechanismen (ProMechG)............... 138 5. Die Neuregelung des NAP und des ZuG 2012 ................................ 139 a) Der deutsche NAP II................................................................. 139 aa) Die Grundausrichtung des NAP II ..................................... 140 bb) Vergabemodus.................................................................... 141 cc) Freistellung von künftigen Reduktionspflichten ................ 141 dd) Reserve für Neuanlagen ..................................................... 142 ee) Die Nutzung von CDM und JI ........................................... 142 b) Die Reaktion aus Brüssel .......................................................... 143 aa) Verstoß gegen die Kriterien 1, 2 und 3 des Annex III der EH-RL.......................................................................... 143 bb) Verstoß gegen Kriterium 5 des Annex III der EH-RL ....... 144 c) Konsequenzen für die deutsche Zuteilung für die Periode 2008-2012 ................................................................................. 145 aa) Grundsätzliches .................................................................. 145 bb) Das Veräußerungsverfahren ............................................... 146 cc) Zuteilungen an Energieanlagen .......................................... 147 dd) Zuteilung an Industrieanlagen ............................................ 148 ee) Zuteilung an neuere Bestandsanlagen ................................ 150
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ff) gg) hh) ii) jj) kk)
Zuteilung an Neuanlagen ................................................... 150 Die Reserve ........................................................................ 150 Sonderregelungen für early action- und Kleinanlagen ....... 151 Kapazitätsveränderungen ................................................... 151 KWK-Anlagen ................................................................... 152 Härtefallregelung, Banking, projektbezogene Mechanismen ..................................................................... 152 ll) Anlagenstilllegung ............................................................. 153 d) Fazit: Zuteilungsregeln für die zweite Handelsperiode............. 154 III. Perspektiven für die Zukunft und Relevanz für das europäische Zertifikatehandelssystem........................................................................ 154 1. Klimapolitik nach Kyoto ................................................................. 154 2. Weitere „Europäisierung“ des Emissionshandels ............................ 157 3. Ausweitung des europäischen Zertifikatehandels auf weitere Schadstoffe ...................................................................................... 160 4. Ausweitung des Emissionshandels auf andere Sektoren?................ 161 a) Verkehrssektor .......................................................................... 162 aa) Die Emissionen im Verkehrssektor.................................... 162 bb) Bisherige Maßnahmen der EG auf diesem Gebiet ............. 165 cc) Angestrebte Maßnahmen.................................................... 167 b) Haushalte .................................................................................. 171 c) Weitere Industriebranchen ........................................................ 172 5. CO2-Abscheidung und -Lagerung.................................................... 172 a) Grundsätzliches......................................................................... 173 b) Speichermedien und Umweltgefahren ...................................... 175 c) Rechtliche Bedeutung ............................................................... 176 d) Kosten ....................................................................................... 177 e) Fazit .......................................................................................... 178 D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation von CO2-Zertifikaten ............................................................... 179 I. Relevanz der deutschen und europäischen Grundrechte für den Zertifikatehandel .................................................................................... 179 1. Die Bedeutung der Allokation im Zertifikatehandel........................ 179 2. Allokation als Grundrechtseingriff .................................................. 181 a) Die Einrichtung des Zertifikatehandels als Entwertung bestehender Rechtspositionen ................................................... 181 b) Die Allokation als konkreter Anknüpfungspunkt der Grundrechtsprüfung .................................................................. 182 3. Die Bedeutung der Gesamtobergrenze (sog. Cap)........................... 184 a) Wirkungsweise des Caps .......................................................... 184 b) Zulässigkeit der Festsetzung einer absoluten Obergrenze ........ 185 c) Ausmaß der Kürzung ................................................................ 186 d) Die Verteilung der Minderungspflichten zwischen Emissionshandelssektoren und anderen CO2-Verursachern ..... 188
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4. Die Idee der Allokation: Das Anliegen der Verteilungsgerechtigkeit und die Zuteilung von CO2-Zertifikaten.. 189 a) Allokation und Verteilungsgerechtigkeit .................................. 189 b) Die mit der Allokation verfolgten Zwecke im Überblick ......... 191 aa) Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie, insbesondere Einhaltung des sog. Cap ..................................................... 191 bb) Bestandsschutz ................................................................... 191 cc) Versorgungssicherheit........................................................ 191 dd) Förderung von Investitionen und neuen Techniken ........... 192 ee) Umweltschutz und Nachhaltigkeit ..................................... 192 ff) Verursacherprinzip ............................................................. 193 gg) Volkswirtschaftliche Effizienz und Kostenminimierung ... 194 hh) Wahrung der Chancengleichheit ........................................ 194 ii) Wahrung der Zugangsmöglichkeiten für neue Marktteilnehmer................................................................. 195 jj) Strategische wirtschaftspolitische Zwecke......................... 195 5. Besonderheiten bei der Prüfung der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen durch Allokationsregeln .............................. 196 II. Europäische Grundrechte ....................................................................... 198 1. Entwicklung einer Grundrechte-Rechtsprechung in der EG............ 199 2. Europäische Grundrechte und mitgliedstaatliche Allokation........... 200 3. Die Bedeutung der Grundrechtecharta............................................. 203 4. Vorab zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen: Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Europarecht ......................... 205 a) Umweltschutz in den Verträgen................................................ 205 b) Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung und seine Verankerung in EGV und EUV ................................................ 207 c) Umweltschutz und Nachhaltigkeit in der Grundrechtecharta ... 207 d) Umweltschutz- und Nachhaltigkeitserwägungen und die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen in der Rechtsprechung......................................................................... 208 5. Die Grundrechtsgewährleistungen auf europäischer Ebene im Einzelnen ......................................................................................... 209 a) Eigentum................................................................................... 209 aa) Schutzbereich ..................................................................... 209 bb) Eingriff ............................................................................... 214 cc) Rechtfertigung von Nutzungsbeschränkungen................... 218 dd) Bedeutung für die mitgliedstaatliche Allokation................ 221 b) Berufsfreiheit und unternehmerische Freiheit........................... 229 aa) Begriffsbestimmung auf europäischer Ebene..................... 229 bb) Schutzbereich ..................................................................... 230 cc) Eingriff ............................................................................... 233 dd) Rechtfertigung von Eingriffen in die unternehmerische Freiheit ............................................................................... 235 ee) Bedeutung für die mitgliedstaatliche Allokation................ 237
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c) Vertrauensschutz....................................................................... 246 aa) Vertrauensschutz als Rechtsprinzip.................................... 246 bb) Voraussetzungen der Gewährung von Vertrauensschutz ... 246 cc) Vertrauensschutz gegenüber einer nicht bedarfsgerechten Allokation .............................................. 247 d) Gleichheitsgrundrecht ............................................................... 248 aa) Grundsätzliches .................................................................. 248 bb) Ungleichbehandlung bei der Allokation von Zertifikaten .. 250 cc) Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen zu externen Zwecken .............................................................. 259 e) Fazit: Vorgaben der Gemeinschaftsgrundrechte für die Allokation von Emissionsberechtigungen................................. 263 6. Rechtsschutz bei Verstößen gegen Gemeinschaftsgrundrechte ....... 263 III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes....................................... 265 1. Die Bedeutung der nationalen Grundrechte für die Allokation ....... 265 2. Ausschluss umweltbelastenden Handelns aus dem Schutzbereich der Freiheitsrechte .................................................... 267 3. Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen zum Schutze der Umwelt insbesondere für künftige Generationen ...................... 269 a) Klimaveränderung als Zukunftsrisiko....................................... 270 b) Das Problem der Begrenztheit wissenschaftlicher Erkenntnis.. 270 c) Subjektive Rechte künftiger Generationen als kollidierendes Verfassungsrecht?.............................................. 272 d) Grundrechtliche Schutzpflichten gegenüber künftigen Generationen............................................................................. 272 aa) Herleitung staatlicher Schutzpflichten ............................... 273 bb) Schutzpflichten gegenüber künftigen Generationen........... 274 cc) Inhalt und Umfang der Schutzpflichten ............................. 275 e) Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen nach Art. 20a GG ...................................................................... 278 aa) Das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung und seine Verankerung in Art. 20a GG .............................................. 279 bb) Schutzpflichten aus Art. 20a GG........................................ 280 4. Die nationalen Grundrechtsgewährleistungen im Einzelnen ........... 282 a) Art. 14 GG – Eigentum............................................................. 282 aa) Schutzbereich der Eigentumsfreiheit.................................. 282 bb) Beeinträchtigungen der Eigentumsfreiheit ......................... 290 cc) Rechtfertigung der Allokationsregeln als Inhalts- und Schrankenbestimmungen ................................................... 295 dd) Bedeutung für die einzelnen Allokationsmodi im Zertifikatehandel ................................................................ 303 ee) Fazit: Vorgaben für die Allokation aus dem grundgesetzlichen Eigentum .............................................. 306 b) Art. 12 GG – Berufsfreiheit ...................................................... 307 aa) Schutzbereich ..................................................................... 307 bb) Eingriff ............................................................................... 309
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cc) Rechtfertigung.................................................................... 312 dd) Fazit: Folgerungen aus Art. 12 I GG für die Allokation .... 322 c) Art. 3 GG – Gleichheit.............................................................. 323 aa) Zur Dogmatik des Gleichheitssatzes .................................. 323 bb) Gleichheitsrecht und Allokation im Zertifikatehandel ....... 327 cc) Ungleichbehandlung .......................................................... 332 dd) Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen zu externen Zwecken .............................................................. 350 ee) Fazit: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Allokation.. 355 d) Fazit: Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes für die Allokation von Emissionsberechtigungen ..................... 356 5. Rechtsschutz bei Verstößen der Allokationsregeln gegen Grundrechte des Grundgesetzes....................................................... 357 Zusammenfassende Darstellung der wesentlichen Thesen............................ 359 Literatur ............................................................................................................ 365
Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen
BAT
Best available technique
BMU
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
CDM
Clean Development Mechanism
CCS
Carbon Capture and Storage
CER
Certified Emission Reductions
COP
Conference of Parties (Kyoto Protokoll)
DEHSt
Deutsche Emissionshandelsstelle (beim Umweltbundesamt)
EH-RL
Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgas-Emissionszertifikaten und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG
ERU
Emission Reduction Unit(s)
GRCh
Grundrechtecharta
ICAO
International Civil Aviation Organisation
IPCC
International Panel on Climate Change
IVU-RL
Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
JI
Joint Implementation
KP
Kyoto Protokoll
KRK
Klimarahmenkonvention
KWK
Kraft-Wärme-Kopplung
NAP
Nationaler Allokationsplan
ppbv
Parts per billion in Volumenmischungsverhältnissen
ppmv
Parts per million in Volumenmischungsverhältnissen
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Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen
ProMechG
Projekt-Mechanismen-Gesetz (ProMechG): Gesetz zur Einführung der projektbezogenen Mechanismen nach dem Protokoll von Kyoto, zur Umsetzung der Richtlinie 2004/101/EG und zur Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes
SRU
Sachverständigenrat für Umweltfragen
TEHG
Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen
UBA
Umweltbundesamt
UNEP
United Nations Environmental Programme
ZuG
Zuteilungsgesetz
ZuV
Zuteilungsverordnung
A Einleitung
I. Ziel der Arbeit Je ernster der Klimaschutz als umweltpolitische Herausforderung genommen wird, desto größere Bedeutung kommt den Mitteln seiner Umsetzung zu. In dem Maß, in dem die Eingriffswirkung der eingesetzten Instrumente zunimmt, wächst damit zugleich der Rechtfertigungsdruck. Auf europäischer Ebene ist Haupt- und Vorzeigeinstrument das 2005 neu eingeführte Zertifikatehandelssystem. Hierbei handelt es sich um eine Art Marktordnung1 für Treibhausgasemissionsrechte, in der jedoch eine Reihe wesentlicher Entscheidungen dezentral von den einzelnen Mitgliedstaaten gefällt werden, allen voran die Allokation der Zertifikate. Derartige Marktordnungen wirken in liberalen Wirtschaftssystemen, wie sie sowohl in Deutschland als auch in der gesamten Europäischen Gemeinschaft bestehen, zunächst als Fremdkörper2; dennoch sind sie nicht grundsätzlich unzulässig3. Sie verursachen jedoch Reibungen mit dem bestehenden Wirtschaftssystem und geben so Anlass zur Überprüfung, inwieweit sie in ihrer konkreten Ausgestaltung grundrechtskonform sind. Das Zertifikatehandelssystem, das die Treibhausgasemissionen der größten Einzelverursacher als Ansatzpunkt für Reduktionsbestrebungen wählt und die Kosteneffizienz des Vorgehens gewährleisten soll, limitiert die absoluten Emissionen der ihm unterfallenden Anlagen. Treibhausgasemissionen müssen durch entsprechende Berechtigungen abgedeckt werden. Innerhalb dieses Systems stellen zwei Grundentscheidungen die wichtigsten Parameter dar: Einerseits die Festsetzung der zulässigen Gesamtemissionen, andererseits die Allokation als Verwaltung des Mangels. Die vorliegende Arbeit hat zum Ziel, die grundrechtlichen Vorgaben für den nationalen Gesetzgeber bei der Entscheidung über die Allokation von CO2-Zertifikaten auszuloten. Mit der Regelung der Zuteilung der Zertifikate trifft der nationale Gesetzgeber eine Verteilungsentscheidung; sein Recht hierzu ergibt sich aus der freiheitlichen Verfassungsordnung. Allerdings korrespondiert diesem Recht die Pflicht, auf ein Verteilungsergebnis hinzuwirken, das den Grundrechten der betroffenen Unternehmen gerecht wird und auch kollidierende Verfassungs1
2 3
Martin Burgi/Peter Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung von Emissionszertifikaten (2007), S. 51 ff., betonen, dass es sich hierbei nicht um ein Bewirtschaftungssystem handele, und verwenden als Gegenbegriff den des „Handelssystems“. BVerfGE 18, 315 (327) – Marktordnung. Theodor Schilling, EuGRZ 1998, 177 (179).
2
A Einleitung
werte einbezieht4. Was dies für den Fall der Allokation von CO2-Zertifikaten bedeutet, soll im Einzelnen analysiert werden. Ausgangspunkt der Untersuchung sind die in Deutschland für die erste Handelsperiode 2005 bis 2007 geltenden Regelungen für den Zertifikatehandel, insbesondere das TEHG5 und das ZuG 20076. Aber auch die Neuregelungen für die Handelsperiode 2008-2012 sollen herangezogen werden, an erster Stelle das ZuG 20127. Ausgehend hiervon werden naheliegende Alternativ- und Ergänzungsregelungen auf ihre Grundrechtsrelevanz untersucht, einschließlich der Möglichkeiten einer teilweisen oder vollständigen Vergabe der Zertifikate im Auktionswege. Auf eine detaillierte Grundrechtsprüfung der bestehenden Regelungen wird jedoch verzichtet, vielmehr geht es darum, die Struktur und Wirkung der Allokationsregeln zu erläutern und hieraus allgemeine Konsequenzen für die grundrechtlichen Fragestellungen der Allokation abzuleiten. Auf diese Weise sollen Leitlinien entwickelt werden, die unabhängig von der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung bei einer grundrechtlichen Überprüfung der Allokation heranzuziehen sind. Dabei basiert die Arbeit auf der Annahme, dass eine Aussage über grundrechtliche Vorgaben nur auf der Grundlage einer präzisen Analyse der rechtlichen Regelungen in Bezug auf ihre juristischen ebenso wie praktischen Implikationen erfolgen kann. Aus diesem Grund werden sowohl die ökologischen als auch die ökonomischen Zusammenhänge als auch die den Zertifikatehandel regulierenden Normen einschließlich ihrer Entstehungsgeschichte dargestellt, bevor die eigentlichen grundrechtlichen Fragestellungen erörtert werden.
II. Entwicklung des europäischen Emissionshandels Der europäische Zertifikatehandel und seine Einzelaspekte sind nur im Zusammenhang mit der klimapolitischen Zielsetzung dieses neuen Instruments darstellbar. Er ist ein besonders prominentes Beispiel für die zunehmende Ökonomisierung des Umweltrechts8 und soll seiner Konzeption nach vorwiegend dazu dienen,
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Vgl. hierzu Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 26. Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz – TEHG) vom 8. Juli 2004, BGBl. I S. 1578, zuletzt geändert durch Artikel 74 der Verordnung vom 31. Oktober 2006, BGBl. I S. 2407. Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 (Zuteilungsgesetz 2007 – ZuG 2007) vom 26. August 2004, BGBl. I S. 2211, geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 22. Dezember 2004, BGBl. I S. 3704. Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Zuteilungsgesetz 2012 – ZuG 2012) vom 7. August 2007, BGBl. I S. 1788. In das deutsche Umweltrecht haben marktorientierte Instrumente vor allem über das europäische Umweltrecht Eingang gefunden. Kritisch hierzu Rüdiger Breuer, NVwZ
II. Entwicklung des europäischen Emissionshandels
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den für notwendig gehaltenen Klimaschutz zu den gesamtgesellschaftlich niedrigsten Kosten zu verwirklichen. Als Normierungstechnik muss der Zertifikatehandel unabhängig von den ihm zugrunde liegenden politischen Ambitionen betrachtet werden; dennoch sind seine Auswirkungen naturgemäß von den politischen Vorgaben beeinflusst. Ursprünglich von den Ökonomen entwickelt, wurde dieses Instrument zunächst im Bereich der SOx-Vermeidung in den USA eingesetzt; seine Karriere auf internationaler Ebene und gleichzeitig auf dem Gebiet des Klimaschutzes begann mit den Verhandlungen zum Kyoto-Protokoll.
1. Die Entwicklung eines internationalen Klimaschutz-Regimes9 Politisch und auf internationaler Ebene thematisierte den Klimaschutz10 erstmals die Weltklimakonferenz in Genf 1979. Deren Schlussdokument appellierte an die Regierungen der Welt, „sich auf potenzielle, vom Menschen verursachte Änderungen im Klima, die sich nachteilig auf das Wohl der Menschen auswirken könnten, einzustellen und sie zu verhindern“. Im Juni 1988 folgte in Toronto die Konferenz über „The Changing Atmosphere: Implications for Global Security“, auf der detaillierte Empfehlungen wie die Reduzierung der CO2-Emissionen von 1988 bis 2005 um 20 % beschlossen wurden; von einem internationalen Konsens hierüber war man aber weit entfernt. Im November 1988 wurde das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) unter der Schirmherrschaft des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) einberufen, das seit 1990 mehrere Berichte zu den wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels veröffentlicht hat11. Die ersten Schritte zu einer internationalen Verrechtlichung des Klimaschutzes leiteten die 1992 in Rio de Janeiro verabschiedeten Klimarahmenkonvention (KRK)12 sowie das diese konkretisierende Kyoto-Protokoll (KP)13 von 1997 ein.
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1997, 833 (837), der Strukturdefizite der Europäischen Gemeinschaften und einen gewissen Hang zu Aktionen für diese Entwicklung verantwortlich macht. Vgl. hierzu Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 1, Rz 20 ff. Zur Entwicklung des völkerrechtlichen Klimaschutzes s. ausführlicher Charlotte Kreuter-Kirchhof, DVBl. 2005, S. 1552 ff.; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel in der EU (2004), S. 31 ff. Diese Berichte ziehen immer mehr Aufmerksamkeit auf sich und schaffen es inzwischen regelmäßig auf die Titelseiten der überregionalen Tageszeitungen. Zuletzt s. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, Summary for Policymakers (2007); IPCC, Climate Change 2007: Impacts, Adaptation and Vulnerability, Summary for Policymakers (2007); IPCC, Climate Change 2007: Mitigation of Climate Change, Summary for Policymakers (2007). Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, Text abrufbar über die Internetseite des Klimasekretariats www.unfccc.int. Der deutsche Text ist abgedruckt in BGBl. 1993 II S. 1783, in Kraft getreten ist die Konvention am 21.03.1994,
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A Einleitung
Durch die KRK wurden die Konferenz der Vertragsstaaten, ein Sekretariat und ein Nebenorgan für wissenschaftliche und technologische Beratung eingerichtet, Art. 7-9 KRK. Während die KRK darüber hinaus nur einen ausfüllungsbedürftigen Rechtsrahmen enthält14, haben sich im KP die beteiligten 39 Industriestaaten verpflichtet, den Ausstoß von Treibhausgasen15 in der Zeitspanne von 2008 bis 2012 um durchschnittlich mindestens 5,2 Prozent16 gegenüber dem Niveau von 1990 zu reduzieren. KRK und KP basieren beide auf dem Grundsatz der „gemeinsamen, wenngleich unterschiedlichen Verantwortlichkeiten“ von Industrie- und Entwicklungsländern, der erstmals in der KRK kodifiziert wurde und inzwischen zu einem wichtigen Grundsatz der internationalen Umweltkooperation geworden ist17. Die unterschiedliche Leistungsfähigkeit sowie die Tatsache, dass bisher Treibhausgase vorwiegend von den Industriestaaten emittiert wurden, sind auch die Gründe, warum das Kyoto-Protokoll den Entwicklungs- und Schwellenländern keine Reduktionsverpflichtungen oder sonstige Emissionsgrenzen vorgibt. Bis heute haben 168 Staaten das KP ratifiziert, die zusammen 61,6 Prozent der TreibhausgasEmissionen der Industrieländer nach dem Stand von 1990 auf sich vereinen18. Konkretisiert wird das Kyoto-Protokoll durch die politischen Grundsatzbeschlüsse der jährlich stattfindenden Vertragsstaatenkonferenz. Die wichtigsten Beschlüsse wurden auf den Konferenzen in Bonn (COP 6) und in Marrakesch (COP 7) getrof-
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90 Tage nach Empfang der 50. Ratifikationsurkunde. S. dazu Charlotte KreuterKirchhof, Neue Kooperationsformen im Umweltvölkerrecht (2005), S. 33 ff.; Stefan Schuppert, Neue Steuerungsinstrumente im Umweltvölkerrecht am Beispiel des Montrealer Protokolls und des Klimaschutzrahmenübereinkommens (1998), S. 173 ff.; Yvonne Kerth, Emissionshandel im Gemeinschaftsrecht (2004), S. 76 ff.; Anja Sattler, Der Handel mit Treibhausgaszertifikaten in der Europäischen Union (2004), S. 15 ff. Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 11. Dezember 1997, BGBl. 2002 II S. 966, in Kraft getreten am 16. Februar 2005, nachdem sich die russische Regierung überraschend zur Ratifikation entschlossen hatte. Kurzüberblick über die wesentlichen Regelungsinhalte Olaf Konzak/ Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel (2006), Teil 1, Rz 42 ff. Art. 2 der KRK bestimmt, dass Ziel des Übereinkommens ist, die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird. Wann dies der Fall ist, wird nicht konkretisiert. Näher zur KRK Simon Marr/Sebastian Oberthür, in: Rengeling, EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, S. 258 ff.; Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17 Rz 50 ff. Vom KP erfasst ist nicht nur CO2, sondern auch Methan (CO4), Distickstoffoxid (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW/HFC), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW/PFC) und Schwefelhexafluorid (SF6). Die Anlage B des KP sieht für jedes Land eine spezielle Reduktionsquote vor. Die EG verpflichtete sich zu einer gemeinschaftlichen Reduzierung um insgesamt 8 %, vgl. Art. 4 KP, hierzu auch Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17 Rz 66 f. Hierzu Wuppertal Institut, Fair Future (2005), S. 153; Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17 Rz 53. Stand v. 25.08.2008. Der aktuelle Stand der Ratifikationen ist über die Homepage des Klimasekretariats unter http://unfccc.int/files/essential_background/kyoto_protocol/ application/pdf/kpstats.pdf abrufbar.
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fen; wesentliche Ausführungs- und Auslegungsfragen regeln die sog. Vereinbarungen von Marrakesch19 (Marrakesh Accords). Weitere Konferenzen fanden etwa in Neu-Delhi (COP 8)20 und Mailand (COP 9)21 statt, zuletzt im November 2006 in Nairobi (COP 12) sowie – unter besonderer Beobachtung durch die Medien weltweit – im Dezember 2007 in Nusa Dua auf Bali. Inzwischen steht jedoch bei diesen Konferenzen die Arbeit an einer Nachfolgeregelung für das 2012 auslaufende KP im Vordergrund22. Neben der Verpflichtung, den Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren, sieht das KP ab 2008 sog. „flexible Mechanismen“ vor, mit deren Hilfe das Reduktionsziel erreicht werden soll23: Den Emissionshandel24 nach Art. 17 KP, der es den Annex-I-Staaten erlaubt, Emissionsberechtigungen untereinander zu handeln, sowie die projektbezogenen Mechanismen Joint Implementation (JI)25 nach Art. 6 KP und Clean Development Mechanism (CDM)26 nach Art. 12 KP. JI ermöglicht es Industriestaaten ab 2008, durch emissionsmindernde Investitionen in anderen Industriestaaten Zertifikate hinzu zu gewinnen. CDM bewirkt gleiches für Investitionen in Entwicklungsländern, wobei Projekte in diesem Bereich bereits seit 2000 begonnen werden durften27. Ein weiteres, besonders umstrittenes Instrument ist zudem das der Senken, vgl. Art. 3.3 KP28. Auch die Funktionsweise dieser Mechanismen wurde maßgeblich durch die Vereinbarungen von Marrakesch konkreti19
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Abrufbar unter: http://unfccc.int/cop7/. Hierzu Andreas Klemm, Klimaschutz nach Marrakesch (2002), passim. Hierzu Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 22 f. Hierzu Anja Sattler, ibid., S. 23 f. Zu den beiden letzten Klimakonferenzen vgl. etwa Christoph Bals, Klimagipfel in Bali, Stand 22.11.2007, passim. Vgl. auch BMU, Klimakonferenz auf Bali, Stand: Oktober 2007; Hauptergebnis der Konferenz von Bali war der Bali Action Plan, Decision /CP.13, dieses und weitere Dokumente zur COP 13 abrufbar unter: http://unfccc.int/ meetings/cop_13/items/4049.php. Kurzdarstellung der Konferenz und ihrer Ergebnisse bei Lingenhöhl, spektrumdirekt v. 18.12.2007. Überblick bei Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 60 ff.; dies., DVBl 2005, 1552 (1553 ff.); Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17 Rz 72 ff. Sebastian Heselhaus, in: Lange (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Recht (2003), 173 (178) weist zurecht darauf hin, dass diese flexiblem Mechanismen eigentlich nur zusätzlich zu den nationalen Emissionsminderungsmaßnahmen eingesetzt werden sollen. Zum Emissionshandel nach Art. 17 KP s. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 406 ff.; dies., DVBl 2005, 1552 (1556 f.); Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17 Rz 78 ff. Dazu Simon Marr/Sebastian Oberthür, in Rengeling (Hrsg.), EUDUR, Bd. II, 1. Teilband, 2. Aufl. 2003, § 54 Rn 58 f.; Charlotte Kreuter-Kirchhof, DVBl 2005, 1552 (1554); Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17 Rz 75. Dazu Simon Marr/Sebastian Oberthür, in Rengeling (Hrsg.), EUDUR, Bd. II, 1. Teilband, 2. Aufl. 2003, § 54 Rn 60 ff.; Charlotte Kreuter-Kirchhof, DVBl 2005, 1552 (1554 ff.); Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17 Rz 76 f. Sebastian Heselhaus, in: Lange (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Recht (2003), 173 (180). Ausführlich etwa WBGU, Die Anrechnung biologischer Quellen und Senken im Kyoto-Protokoll (1998), passim.
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A Einleitung
siert. Das KP verpflichtet jedoch nur zur Einhaltung der vereinbarten Reduktionen. Wie die Staaten ihre Ziele innerstaatlich erreichen, ist grundsätzlich ihnen überlassen; das KP regelt lediglich die Anrechnung bestimmter im Ausland erzielter Reduktionen bzw. die Möglichkeit, Emissionskontingente zu übertragen29.
2. Klimaschutz auf europäischer Ebene Inzwischen hat die Europäische Gemeinschaft zahlreiche Schritte eingeleitet, um die von ihr eingegangene Minderungsverpflichtung auf die Mitgliedstaaten aufzuteilen und umzusetzen30. Während die EG im KP zunächst die Verpflichtung eingegangen war, ihre Treibhausgas-Emissionen um insgesamt 8 % zu verringern, hat sie diese Verpflichtung mittels des sog. Burden Sharing Agreements31 auf die einzelnen Mitgliedstaaten verteilt – Deutschland etwa hat hiernach für die Periode 2008 bis 2012 eine Reduktionsleistung von 21 % im Vergleich zu seinen Emissionen 1990 zu erbringen32. Diese Minderungsverpflichtung sowie das Lastenverteilungsabkommen gelten jedoch nur für die fünfzehn bisherigen EG-Mitgliedstaaten. Für die zehn Neumitglieder bleibt es bei den jeweiligen, von ihnen mit dem Kyoto Protokoll eingegangenen Minderungsverpflichtungen33. Auf europäischer Ebene folgten weitere Rechtsakte, die sicherstellen sollten, dass das Kyoto-Minderungsziel erreicht wird, in dieser Form vom Kyoto Protokoll
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Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3.Aufl. 2004, § 17 Rz 85. Vgl. aber auch zu EG-Bestrebungen im Klimaschutz vor Erlass der KRK und des KP Yvonne Kerth, Emissionshandel im Gemeinschaftsrecht (2004), S. 85 ff.; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S.25 f. Entscheidung 2002/358/EG, ABl. EG Nr. L 130 v. 15.5.2002, S. 1. Aufgrund der unterschiedlichen wirtschaftlichen Ausgangspositionen der EU-Mitgliedstaaten reicht die Palette der hierin definierten Ziele von + 27 % für Portugal bis – 28 % für Luxemburg. Hierzu vgl. Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel (2006), Teil 1, Rz 52 ff. Die deutsche Minderungsverpflichtung ist vor allem deshalb so hoch, weil in den neuen Bundesländern nach 1990 große Teile der Wirtschaft zusammengebrochen sind, was allein bereits zu einer Reduktion der Emissionen um ca. 13 % führte. Gegenüber dieser reduzierten Basis bleibt ein Reduktionsbedarf von 9 % zur Erfüllung der im Burden Sharing Agreement eingegangenen Verpflichtungen, dazu Felix Matthes et. al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems auf die deutsche Industrie (2003), S. 24. Die meisten dieser Staaten haben sich verpflichtet, ihre Emissionen um 8 % zu reduzieren, Ungarn und Polen haben Minderungsverpflichtungen von 6 %, Zypern und Malta sind keine Annex I-Staaten und haben daher keine Minderungsverpflichtungen; vgl. dazu auch Bericht der Kommission gemäß der Entscheidung Nr. 93/389/EWG des Rates über ein System zur Beobachtung von Treibhausgasen in der Gemeinschaft, geändert durch die Entscheidung Nr. 99/296/EG, KOM (2003), 735 endg., S. 20.
II. Entwicklung des europäischen Emissionshandels
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jedoch nicht zwingend verlangt werden34: Auf der Basis des Grünbuchs der Kommission zum Handel mit Treibhausgasemissionen35 ist das wichtigste Instrument die Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit TreibhausgasEmissionszertifikaten und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG36, die die Mitgliedstaaten verpflichtet, ein Handelssystem für Emissionszertifikate einzurichten. Das so begründete europäische Emissionshandelssystem startete am 1.1.2005; mangels ordnungsgemäßer Umsetzung der Richtlinie waren jedoch nicht alle Mitgliedstaaten von Anfang an beteiligt. Bei der Erstellung des Europäischen Emissionshandelskonzepts war man bemüht, alle drei flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls zu berücksichtigen und Zertifikate aus JI und CDM zu integrieren. Hierdurch sollen die Integration in den internationalen Klimaschutz und die Kontinuität der völkerrechtlichen Verträge gewährleistet werden. Die Richtlinie musste von den einzelnen Mitgliedstaaten umgesetzt werden, wodurch sich gewisse Abweichungen in der Ausführung erklären. Insbesondere die in dieser Arbeit thematisierte Allokation steht bisher weitgehend im Ermessen der Mitgliedstaaten. Gleichzeitig ist sie ein häufig diskutierter Ansatzpunkt für eine weitergehende Europäisierung des Zertifikatehandelssystems.
3. Der deutsche Ansatz Auf nationaler Ebene hatte man in Deutschland zunächst eine andere Klimaschutzstrategie verfolgt. Die Bundesregierung hatte Vereinbarungen mit der Wirtschaft zur Minderung der CO2-Emissionen37 und zur Förderung der Kraft-WärmeKopplung38 abgeschlossen. In diesen sog. Selbstverpflichtungsabkommen hatte die Wirtschaft bestimmte Minderungsziele39 zugesagt, während der Staat im Gegenzug angekündigt hatte, auf weitere Regulierung zu verzichten40. Hiervon waren 34
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So auch BVerfG, DVBl. 2007, 821 = NVwZ 2007, 937; Martin Burgi, et 53 (2003), 395; ders., NJW 2003, 2486 (2487). Europäische Kommission, Grünbuch Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union, KOM (2000), 87 endg. In Kraft getreten am 25.10.2003, ABl. EG Nr. L 275 S. 32, im folgenden EH-RL abgekürzt. Im einzelnen s.u. S. 75 ff. Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Wirtschaft zur Klimavorsorge vom 09.11.2000; dazu Siegfried Breier, ZfU 97, 131 ff. passim; zur Vorgeschichte dieses Abkommens Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 103. Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Wirtschaft zur Minderung der CO2-Emissionen und der Förderung der KraftWärme-Kopplung in Ergänzung zur Klimavereinbarung vom 9. November 2000 vom 29.06.2001. Die deutsche Wirtschaft verpflichtete sich, ihre spezifischen CO2-Emissionen bis 2005 im Verhältnis zu 1990 um 28 % und ihre spezifischen Treibhausgasemissionen bis 2012 im Vergleich zu 1990 um 35 % zu senken. Allgemein zu Selbstverpflichtungsabkommen Udo Di Fabio, JZ 1997, 969 ff. passim; Daniela von Bubnoff, Der Schutz der künftigen Generationen im deutschen Umwelt-
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A Einleitung
jedoch gemeinschaftsrechtliche Maßnahmen und deren Umsetzung ausdrücklich ausgeschlossen. Da die EH-RL zu diesem nationalen Ansatz im Widerspruch stand, regte sich in Deutschland besonderer Widerspruch gegen dieses neue Rechtsinstrument41. Schließlich konnte sich Deutschland mit seinem Sonderweg nicht durchsetzen. Die Richtlinie wurde in Deutschland gleich durch eine ganze Reihe von Gesetzen und Verordnungen umgesetzt, insbesondere durch das Gesetz über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (TEHG), das Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 (ZuG 2007) und die Verordnung über die Zuteilung von Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 (Zuteilungsverordnung 2007 – ZuV 2007)42. Inzwischen wurden mit dem Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 200943 ein neues Zuteilungsgesetz (ZuG 2012) erlassen sowie das TEHG und das Projekt-MechanismenGesetz geändert44. Dennoch spielen die Selbstverpflichtungen in der deutschen Diskussion um Verteilungsgerechtigkeit und Verantwortung bei der Allokation auch heute häufig noch eine implizite oder explizite Rolle45.
III. Stand der Emissionsreduktion 1. Treibhausgasemissionen im weltweiten Vergleich Auf die OECD-Länder entfällt noch immer knapp die Hälfte der globalen CO2Emissionen, obwohl sie nur ein Sechstel der Weltbevölkerung stellen46. Dass die
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recht (2001), S.128; aus ökonomischer Sicht Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 260 ff. Ablehnend beispielsweise Walter Frenz, VerwArch 94 (2003), 345 ff.; sehr kritisch auch Hans-Werner Rengeling, DVBl 2000, 1725 (1729 f.). Zuteilungsverordnung 2007 vom 31. August 2004 (BGBl. I S. 2255). Gesetz vom 7. August 2007 (BGBl. I S. 1788 ff.). Gesetz zur Änderung des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes, Art. 2 Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel vom 7. August 2007, BGBl. I, S. 1804 ff. und Gesetz zur Änderung des Projekt-Mechanismen-Gesetzes, Art. 3 Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel vom 7. August 2007, BGBl. I, S. 1808. S. etwa Michael Kloepfer, Umweltgerechtigkeit (2006), Rz 624, der fordert, dass Deutschland bei der Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie verbleibende Spielräume im Sinne dieser Selbstverpflichtungen nutzen solle. Ähnl. Walter Frenz, WuW 2006, 737 (743), der die an den Selbstverpflichtungen beteiligten Unternehmen keinen weiteren Belastungen aussetzen will und verlangt, diese Unternehmen müssten bedarfsgerecht mit Zertifikaten ausgestattet werden. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Thematik findet sich auch bei Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 179 ff. KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 2; Wuppertal Institut, Fair Future (2005), S. 60.
III. Stand der Emissionsreduktion
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Industrieländer ihre Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2001 um sieben Prozent senken konnten, ist hauptsächlich auf die um etwa 40 Prozent gefallenen Emissionen in den Transformationsländern Mittel- und Osteuropas zurückzuführen47. Dementsprechend werden auch alle Beitrittsstaaten mit Ausnahme Sloweniens ihre Kyoto-Verpflichtungen erreichen oder sogar übererfüllen48. In den westlichen Industrieländern kam es in der gleichen Zeit zu einem Anstieg von ca. 8 %, am stärksten in den USA, mit deutlichem Abstand gefolgt von Japan, Kanada, Spanien und Australien49. Weltweit nimmt der Treibhausgasausstoß weiter zu und dürfte allein zwischen 2001 und 2002 um 4 % gestiegen sein; im Verhältnis zu 1990 wird die Zunahme auf 20 % geschätzt50. Besonders stark ist die Zunahme der Treibhausgasemissionen in den Entwicklungs- und Schwellenländern, wo die Emissionen seit 1990 um rund 58 % zugenommen haben51. Zurzeit steigen die CO2-Emissionen der Entwicklungsländer um 1,2 % jährlich gegenüber einer Steigerung von 0,1 % in den Industrieländern52. Ein Ende des Anstiegs ist angesichts der rasanten Entwicklung von Ländern wie China, Indien und Brasilien nicht in Sicht. China dürfte heute bereits vor den USA der größte CO2-Emittent weltweit sein oder zumindest mit den USA gleichauf liegen53. Mehr als 25 Milliarden t CO2 werden jährlich weltweit emittiert54. Für den Fall, dass diese Entwicklung ungebremst ihren Lauf nimmt, kommen Schätzungen auf einen Anstieg der weltweiten Kohlendioxidemissionen im Jahr 2025 um drei Viertel gegenüber 199055. Allgemein lässt sich festhalten, dass die wichtigsten Faktoren für die Veränderung der Treibhausgasemissionen die demographische Komponente (Entwicklung der Bevölkerung), das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner, die gesamtwirtschaftliche Energieintensität sowie der Treibhausgehalt des Primärenergieverbrauchs sind56.
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BMU, Umwelt 2/2004, 82 (85). Bericht der Kommission gemäß der Entscheidung Nr. 93/389/EWG des Rates über ein System zur Beobachtung von Treibhausgasen in der Gemeinschaft, geändert durch die Entscheidung Nr. 99/296/EG, KOM (2003), 735 endg., S.4. Hans-Joachim Ziesing, DIW-Wochenbericht 39/03. Hans-Joachim Ziesing, ibid. Hans-Joachim Ziesing, ibid. Wuppertal Institut, Fair Future (2005), S. 60. Ein faires Klimaregime, Pressemeldung des Instituts für Weltwirtschaft v. 03.12.2007. Asendorpf, Zeit v. 01.09.2005. Hans-Joachim Ziesing, DIW-Wochenbericht 39/03; mit einem Anstieg der Treibhausgasemissionen um mindestens 60 % bis 2050 rechnet auch Tilman Zimmer, CO2Emissionsrechtehandel (2004), S. 57. Hans-Joachim Ziesing, DIW-Wochenbericht 39/03.
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A Einleitung
2. Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union EU-15-weit konnten die Emissionen gegenüber dem Stand von 1990 bisher erst um 3 % gesenkt werden57; zur Erfüllung der Kyoto-Vorgaben ist es somit noch weit. Bedeutsame Reduktionen wurden vor allem in Deutschland und Großbritannien erreicht, während der Anstieg in den südeuropäischen Ländern Spanien, Italien, Griechenland und Portugal besonders steil ausfiel58. Ein Großteil der in Deutschland und Großbritannien erreichten Reduktionen basiert jedoch ebenfalls nicht auf Sparmaßnahmen und neuer Technologie, sondern wurde durch die massiven Umstrukturierungen in Industrie und Wirtschaft hervorgerufen59. Auch die Ziele, die sich die Mitgliedstaaten mit den jeweiligen nationalen Allokationsplänen für die zweite Handelsperiode 2008-2012 gesetzt haben, können, verglichen mit business as usual-Szenarien, nicht gerade als ambitioniert bezeichnet werden und lassen keine veritablen Minderungsbemühungen erkennen60. Besonders beunruhigend ist, dass der größte Teil der Emissionsminderungen in den Jahren 1990 bis 1995 erbracht worden ist und sich seit 1999 trotz schlechter Konjunktur sogar wieder steigende Tendenzen zeigen61.
3. Treibhausgasemissionen in Deutschland Deutschland hat sich verpflichtet, 2008-2012 die eigenen Emissionen um 21 % gegenüber dem Stand von 1990 zu verringern, und hatte bis Ende 2003 eine Reduktion um 18,3 % gegenüber 1990 erreicht62. Der Löwenanteil dieser Reduktion erfolgte in den Jahren 1990 bis 1998; seitdem haben die Treibhausgasemissionen
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Mitteilung der Kommission an den Rat, an das Europäische Parlament, an den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und an den Ausschuss der Regionen, Strategie für eine erfolgreiche Bekämpfung der globalen Klimaänderung, KOM (2005) 35 endg. v. 09.02.2005, S. 11; s. auch Report from the Commission, Catching up with the Community’s Kyoto Target, KOM (2004) 818 final, Ziff. 1.2. Hans-Joachim Ziesing, DIW-Wochenbericht 39/03. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 62. Übersichten über die geplanten Emissionsziele sowie über offizielle und alternativ berechnete business as usual-Szenarien bei Max Rathmann et al., Initial Assessment of National Allocation Plans for Phase II of the EU Emission Trading Scheme, Summary, November 2006, S. 7 f. Bislang waren die Reaktionen der Europäischen Kommission auf diese Pläne jedoch äußerst kritisch, was Anlass zu der Hoffnung gibt, dass eine ähnliche europaweite Überallokation wie in der ersten Handelsperiode doch noch vermieden werden kann. Felix Matthes et. al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems (2003), S. 144; Hans-Joachim Ziesing, DIW-Wochenbericht 39/03; Bericht der Kommission über ein System zur Beobachtung von Treibhausgasen in der Gemeinschaft, KOM (2003), 735 endg., S. 2. Gerold Kier/Christoph Bals, Der Handel mit Treibhausgasreduktionen in der EU (2003), S. 5.
IV. Regelungsbedürfnis
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im Strombereich zugenommen und stagnieren insgesamt63. 2005, im ersten Jahr des Emissionshandels, sind die energiebedingten Emissionen gegenüber dem Vorjahr um 2,3 % bzw. 21 t CO2 gesunken64. 2006 erfolgte jedoch infolge des konjunkturellen Hochs ein erneuter leichter Anstieg um 0,6 %65. Selbst damit blieb jedoch der CO2-Ausstoß mehr als 20 Millionen Tonnen unterhalb der Menge kostenlos ausgegebener Emissionsrechte66. Auch wenn Deutschland zu den Mitgliedstaaten der EG zählt, die der Erfüllung ihrer Reduktionsverpflichtungen am nächsten gekommen sind, hat es sein Reduktionsziel noch nicht erreicht. Das Umweltbundesamt rechnet damit, dass Deutschland sein Kyoto-Ziel knapp erreichen wird67. In Deutschland produzieren etwa 1850 Anlagen der ca. 1200 am Emissionshandel beteiligten Unternehmen ca. 500 Millionen Tonnen Kohlendioxid jährlich und damit 60 % der deutschen Gesamtemissionen, die im Jahre 2003 etwa 840 Millionen Tonnen CO2 betrugen68. Unmittelbar vom Emissionshandel betroffen sind somit lediglich ein halbes Promille der 2,9 Millionen deutscher Betriebe, überwiegend Großunternehmen69.
IV. Regelungsbedürfnis Angesichts des sich verändernden Weltklimas erscheint Klimaschutz wesentlich wichtiger und dringlicher als noch vor wenigen Jahren angenommen. Die ohnehin schon düsteren Prognosen zahlreicher Wissenschaftler malen ein immer schwärzeres Bild der Zukunft für den Fall, dass globale Veränderungen nicht sehr bald eingeleitet werden70. Von Ökonomen wird der Klimawandel als größtes und weitestreichendes Marktversagen aller Zeiten bezeichnet71. Die Geschwindigkeit, mit der Klimaveränderungen erwartet werden, steigt. Beim Blick auf die Kosten des Klimaschutzes darf man auch die des durch Untätigkeit verursachten Klimawandels
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Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition of EU Emissions Trading (2006), S. 33. Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, Energiebedingte CO2-Emissionen ausgewählter Länder und Regionen, Energiedaten Tabelle 12; Umweltbundesamt, Presseinformation 019/2006 vom 22.03.2006. Umweltbundesamt, Presseinformation 017/2007 vom 02.04.2007. Umweltbundesamt, Presseinformation 017/2007 vom 02.04.2007. Umweltbundesamt, Presseinformation 019/2006 vom 22.03.2006. Görres, SZ v. 15.02.2005, S. 2. Görres, SZ v. 15.02.2005, S. 2. Besonders spektakulär eine für die britische Regierung erstellte Studie: Nicholas Stern, Stern Review: The Economics of Climate Change (2006) sowie wenig später der neueste (Teil-)Bericht des IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, Summary for Policymakers (2007); inzwischen ist auch der Gesamtbericht erschienen: IPPC, Climate Change 2007: Synthesis Report, Summary for Policymakers (2007). Nicholas Stern, Stern Review: The Economics of Climate Change, Executive Summary (2006), S. i.
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A Einleitung
nicht außer Acht lassen72. Dennoch handelt es sich beim Klimawandel nicht um ein rein ökonomisches Problem, sondern um ein mit unvorstellbaren ökologischen Konsequenzen behaftetes Szenario, das im schlimmsten Falle die Menschheit vor Umweltgefahren unbekannten Ausmaßes stellen wird.
1. Klimapolitische Mindestziele 1996 erklärte der EU-Ministerrat, die durchschnittlichen globalen Temperaturen sollten nicht um mehr als 2°C über den vorindustriellen Stand hinaus steigen73. Dieses Ziel hat bis heute Gültigkeit behalten74: Steigt die Temperatur um mehr als 2°C, werden raschere und unvorhersehbare Reaktionen des Klimas wahrscheinlicher, mehrere weltweit bedeutende Ökosysteme geraten in Gefahr, Klimazonen verschieben sich, Naturkatastrophen können sich ereignen, im für Europa schlimmsten Falle könnte der Golfstrom versiegen75. Auch die Nahrungsmittelproduktion wird beeinträchtigt, die Wasserversorgung besonders in den Entwicklungsländern ist zunehmend gefährdet76. Zusätzlich fordern Wissenschaftler, die Klimaänderungsrate dürfe nicht mehr als 0,2 °C pro Jahrzehnt betragen77. Diese Ziele sind durchaus ambitioniert. Bereits heute beträgt die globale Erwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit ca. 0,74% °C78. Bleibt es beim status quo, steuern wir auf global nahezu doppelt so hohe Emissionswerte bis 2050 sowie durchschnittliche Temperaturerhöhungen von bis zu 6°C zu. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass der Nutzen einer Begrenzung des durchschnitt72
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Commission Staff Working Paper, Winning the battle against global climate change, Background paper, v. 09.02.2005, S. 5. 1939. Tagung des Rates in Luxemburg, 25. Juni 1996; bestätigt in den Schlussfolgerungen des Vorsitzes zur Tagung des Europäischen Rates (Brüssel) v. 22./23.03.2005, 7619/1/05, S. 15 Ziff. 43. Es ist Ausgangspunkt zahlreicher Studien, s. z.B. SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 5; CNRS et al., Greenhouse Gas Reduction Pathways in the UNFCCC Process up to 2025, Policymakers Summary, Oktober 2003, S. 3. Gleichzeitig dient es als Referenzwert zahlreicher Rechtsakte und sonstiger Stellungnahmen von Gemeinschaftsorganen, s. nur z. B. Mitteilung der Kommission, Errichtung eines globalen Kohlenstoffmarkts, KOM (2006) 676, S. 14; Kommission, RLVorschlag zur Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgaszertifikaten in der Gemeinschaft, SEC (2006), 1684 S. 3. KOM (2005) 35 endg. v. 09.02.2005, S. 4; Beck, www.dw-world.de v. 16.02.2005; vgl. auch WBGU, Über Kioto hinaus denken – Klimaschutzstrategien für das 21. Jahrhundert, 2003, S. 13. Zum sog. anthropogenen Treibhauseffekt s. auch u. S. 24. WBGU, ibid., S. 15 f. WBGU, ibid., S. 9 f. Diese Grenze beruht auf der Einschätzung, dass eine vom Klimawandel verursachte zusätzliche finanzielle Last von mehr als 5% des weltweiten Bruttoinlandsprodukts nicht hinnehmbar ist. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, Summary (2007), S. 4; Wuppertal Institut, Fair Future (2005), S. 34, geht noch von 0,6 bis 0,7 °C aus. Mehr dazu u. S. 24 ff.
IV. Regelungsbedürfnis
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lichen globalen Temperaturanstiegs auf 2°C bei weitem höher ist als die Kosten der dafür erforderlichen politischen Maßnahmen – dies gilt umso mehr, je mehr der großen Verursacherländer sich an der Reduzierung beteiligen und je besser die flexiblen Mechanismen ausgenutzt werden79. Bis 2050, so Schätzungen unterschiedlichster Organisationen, Sachverständigengremien und Politiker, muss der Treibhausgasausstoß um mindestens 45 % reduziert werden80. Dieses Ziel stellt eine erhebliche Herausforderung dar, denn anders als beispielsweise im Falle der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), deren Nutzung komplett untersagt werden konnte, ist ein völliger Verzicht auf Treibhausgasemissionen nicht möglich81.
2. Die Kosten des Klimawandels und seiner Vermeidung Die Schätzungen über die Kosten sowohl des Temperaturanstiegs als auch der Klimaschutzmaßnahmen gehen weit auseinander. Teilweise wird angenommen, dass ein globaler Temperaturanstieg um 2,5°C Schäden in Höhe von etwa 1,5 bis 2 % des globalen Bruttosozialprodukts verursacht82. Der im Oktober 2006 erschienene, von der britischen Regierung in Auftrag gegebene Stern Report rechnet mit Kosten des Klimawandels in Höhe von fünf bis zwanzig Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes, einer Größenordnung, die vergleichbar mit der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts ist83. Andere Schätzungen legen bereits zwei Prozent des Bruttosozialprodukts als Mindestbetrag für die Schäden zugrunde, die wir schon heute nicht mehr verhindern können84. Sicher ist, dass auch eine Erwärmung um maximal 2°C Schäden an Ökosystemen und erhebliche zusätzliche Klimawirkungen verursachen kann85. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat errechnet, dass bei einem Temperaturanstieg um 1°C über einen Zeitraum von 50 Jahren weltweit Schäden von bis zu 214 Bil-
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Mitteilung der Kommission, Strategie für eine erfolgreiche Bekämpfung der globalen Klimaänderung, KOM (2005) 35 endg. v. 09.02.2005, S. 4. Die in diesem Kontext am häufigsten genannte Zahl ist 50 %, jedoch werden Werte von bis zu –80 % in den Industriestaaten zugrunde gelegt. Gerold Kier/Christoph Bals, Handel mit Treibhausgasreduktionen (2003), S. 8; vgl. auch KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 7; WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S. 77; Wuppertal Institut, Fair Future (2005), S. 60; zur Klimapolitik als Problem der Entscheidung unter unsicheren Rahmenbedingungen s. Mort Webster et al, Uncertainty Analysis of Climate Change and Policy Response, Climatic Change 61 (2003), 295 ff. Mehr dazu u. S. 154 ff. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 30. KOM (2005) 35 endg. v. 09.02.2005, S. 16; Gerhard Voss, Klimapolitik und Emissionshandel (2003), S. 22. So zitiert bei Spiegel Online, Klimawandel bedroht die Weltwirtschaft, v. 30.10.2006. Schrader, SZ v. 17.02.2005, S. 11 unter Bezugnahme auf die Umwelt-Ökonomin Claudia Kemfert. WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S. 9.
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A Einleitung
liarden US-Dollar auftreten können86. Allein für das Jahr 2050 prognostiziert es volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von zwei Billiarden US-Dollar, wovon 137 Mrd. US$ auf Deutschland entfallen87. Auch die Kosten für die Einhaltung der Klimaziele werden auf zwischen 0,588 und vier Prozent89 des weltweiten Bruttosozialproduktes geschätzt. Diese Kosten erhöhen sich, wenn der Handel mit Emissionszertifikaten beschränkt wird, bei hohen Transaktionskosten oder durch eine ineffiziente nationale Umsetzung der völker- und europarechtlichen Vorgaben90. Kostensenkend kann sich insbesondere die Einbeziehung von CDM-Maßnahmen als auch von zusätzlichen Treibhausgasen in den Emissionshandel auswirken91. Genaue Prognosen sind auch deshalb schwer zu erhalten, weil die Kosten des Klimawandels von zahlreichen Parametern abhängen: So spielen Bevölkerungsund Wirtschaftswachstum, die Kosten und Verfügbarkeiten von Energietechnologien, der technische Fortschritt, die Wahl der Politikinstrumente und zahlreiche andere, hauptsächlich sozioökonomische Faktoren eine Rolle92. In jedem Fall ist mit regional sehr unterschiedlichen Konsequenzen des Klimawechsels zu rechnen93. Regionale Vorteile werden jedoch mit fortschreitendem Klimawandel zunehmend von negativen Effekten überlagert94. Die Kosten steigen spürbar, sobald sich nur einige wenige Staaten an den Aufgaben des Klimaschutzes beteiligen95. Angesichts der mit einem Klimawandel verbundenen Risiken wäre es zudem wenig ratsam abzuwarten, bis letzte wissen-
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KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 7.Gleichzeitig könnten durch eine schnell aktiv werdende Klimaschutzpolitik bis 2050 Schäden von bis zu 200 Billionen US-$ vermieden werden, Claudia Kemfert/Barbara Praetorius, Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 74 (2005), 133 (134). KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 7. Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Der Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 113; Mitteilung der Kommission, Begrenzung des globalen Klimawandels auf 2 Grad Celsius, KOM (2007) 2 v. 10.01.2007, S. 5; von 0,7 bis 2,8 % des Bruttosozialprodukts geht die Studie Greenhouse Gas Reduction Pathways in the UNFCCC Process up to 2025, Oktober 2003, S. 6, aus, das DIW sieht sie bei ca. 1 %, Claudia Kemfert/Barbara Praetorius, Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 74 (2005), 133 (134); so jetzt auch Nicholas Stern, Stern Review, Executive Summary (2006), S. xii. Schrader, SZ v. 17.02.2005, S. 11 unter Bezugnahme auf die Umwelt-Ökonomin Claudia Kemfert. Von etwa einem Prozent geht jetzt der kürzlich erschienene Stern-Report aus, dazu auch Spiegel online v. 30.10.2006. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 107. Charlotte Kreuter-Kirchhof, ibid., S. 107. Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 201; Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 103. Mitteilung der Kommission, Begrenzung des globalen Klimawandels, KOM (2007) 2 v. 10.01.2007, S. 4; KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 6. KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 6. Felix Matthes et. al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems (2003), S. 19; Alfred Endres/Reimund Schwarze, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 166 (169).
IV. Regelungsbedürfnis
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schaftliche Gewissheit über die Ursachenzusammenhänge besteht96. Bis dahin könnten unwiderrufliche Prozesse in Gang gesetzt worden sein. Das KyotoProtokoll ist nur ein erster Schritt, dem weitere Beschränkungen folgen müssen. Es enthält keine über 2012 hinausreichende Konsequenzen; Klimaschutz ist jedoch eine langfristige Angelegenheit. Die Notwendigkeit zu handeln lässt sich auch den Statistiken der Versicherungen und Rückversicherungen entnehmen. Die weltweiten wirtschaftlichen Verluste durch Katastrophenereignisse sind zwischen den 1950er Jahren und den 1990er Jahren um den Faktor 10,3 gestiegen97. Diese Kosten verdoppeln sich, wenn man zusätzlich Schäden aus extremen Wetterereignissen unterhalb der Katastrophenschwelle einbezieht98. Die zunehmenden Schäden, die gerade auch die Rückversicherer aufgrund von Klimabesonderheiten und Unwettern abdecken müssen99, werden jedenfalls teilweise auf sich wandelnde Klimaverhältnisse zurückgeführt100. Um die erforderlichen CO2-Reduktionen zu ermöglichen, muss eine langfristige Klimaschutzpolitik marktwirtschaftliche Instrumente zur Begrenzung von Emissionen mit gezielten Instrumenten zur Förderung zukunftsweisender Technologien verbinden101. Eines dieser Instrumente kann ein europäischer Zertifikatehandel sein. Er bezweckt in erster Linie, die erforderlichen Klimaschutzmaßnahmen europaweit unter Kostengesichtspunkten zu optimieren und so die Einhaltung der Kyoto-Ziele erst zu ermöglichen. Es handelt sich also um ein berechtigtes Anliegen, bei dem es darum geht, ein für nötig gehaltenes Maß an Klimaschutz möglichst kostengünstig sicherzustellen. Alternative zum Emissionshandel ist nicht der status quo, sondern eine ordnungsrechtlich angeordnete Emissionsminderungspflicht102.
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So auch Commission Staff Working Paper, Winning the battle against global Climate Change, Background paper v. 09.02.2005, S. 10. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 101. Charlotte Kreuter-Kirchhof, ibid., S. 102. In den 1990er Jahren ca. 9,2 Milliarden US$ pro Jahr, Charlotte Kreuter-Kirchhof, ibid., S. 101. Tillmann, SZ v. 29.06.2005, S. 19; Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 194 f. Claudia Kemfert/Barbara Praetorius, Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung 74 (2005), 133 (134). Vgl. auch Felix Matthes et. al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems (2003), S. 11, die darauf hinweisen, dass sich die Kritik am Emissionshandel in Wahrheit nicht gegen dieses Instrument sondern gegen die damit verfolgten Klimaziele richtet.
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A Einleitung
V. „Neue Welt“ Emissionshandel Die Einführung des Emissionshandels ist ein Beispiel für die im Umweltrecht allgemein diagnostizierte Tendenz103, von rein präventiven Unbedenklichkeitsprüfungen zu Bewirtschaftungs- und Verteilungsinstrumenten überzugehen. Dieser Entwicklung liegt in letzter Konsequenz die Erkenntnis zugrunde, dass wirksamer Umweltschutz nicht allein durch Festlegung einer einzelfallbezogenen Immissionsobergrenze erfolgen kann, sondern auch das Ausmaß der Gesamtimmissionen, denen die Betroffenen ausgesetzt sind, berücksichtigen muss104. Gleichzeitig muss der Staat eine Antwort auf die Frage liefern, nach welchen Kriterien die knappen Umweltgüter zu verteilen sind105, und zwar nicht nur zwischen einzelnen Anlagenbetreibern und einzelnen Immissionsbetroffenen, sondern auch zwischen den jeweiligen Übergruppen106. Beim Zertifikatehandel soll die Luftreinhaltung als klassisches Umweltanliegen des öffentlichen Ordnungsrechts mit marktwirtschaftlichen Mitteln umgesetzt werden107. Dabei schafft das rechtliche Instrument Emissionshandel eine ganze Reihe neuer Märkte: Die Nachfrage nach emissionsarmen Techniken steigt, ein zusätzlicher Markt eröffnet sich für Unternehmensberater, Klimaschutzprojekte im In- und Ausland müssen erkannt und umgesetzt werden, und um all diese Bereiche entwickeln sich sekundäre Märkte für Finanzdienstleistungen. Diese neuen Märkte bedeuten jedoch nicht nur Chancen, sondern auch Kosten für die Unternehmen. Letztere entstehen durch das Aufstellen von Emissionsbilanzen, die zu schaffende administrative Infrastruktur, die Treibhausgasemissionsgenehmigung, die jährlichen Emissionsberichte und ihre Prüfung sowie durch die Modalitäten des Zertifikatehandels108. Hierdurch ist der Emissionshandel neben steigenden Rohstoffpreisen ein relevanter Faktor, der die Höhe des Strompreises mitbestimmt109. Gegenüber 2004 waren Mitte 2005 die Strompreise bereits um durchschnittlich 5,5 Prozent gestiegen, Tendenz weiterhin steigend110. Während der volkswirtschaftliche Nutzen eines Zertifikatehandels verhältnismäßig unbestritten ist, stellen die betriebswirtschaftlichen Aspekte das größte Ak-
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Rainer Wahl/Ivo Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), S. 1 (47); Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 376. Diese Tendenz besteht nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene, s. beispielsweise bereits Fünftes Umweltprogramm der Europäischen Gemeinschaft, ABl. EG Nr. C 138 vom 17.05.1993, S. 1 ff. Rainer Wahl/Ivo Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), S. 1 (49). Rainer Wahl/Ivo Appel, ibid., S. 1 (49). Rainer Wahl/Ivo Appel, ibid., S. 1 (51). Martin Maslaton/Ulrich Hauk, NVwZ 2005, 1150 (1151). Vorbemerkungen zum Entwurf des ZuG, BT-Drucks 15/2966 v. 27.04.2004, S. 2. Fischer, Welt am Sonntag v. 05.06.2005. Zur Diskussion zur Einpreisung des Werts der Zertifikate als sog. „Opportunitätskosten“ s. auch u. S. 64 ff. Fischer, Welt am Sonntag v. 05.06.2005.
VI. Technischer Fortschritt und die Lösung von Klimaproblemen
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zeptanzhindernis dar111. Hier besteht aus rechtlicher Sicht ein Kontrollbedürfnis: Es muss sichergestellt sein, dass die Zertifikatvergabe und die Modalitäten des Zertifikatehandels keine Verstöße gegen Grundrechte einzelner Unternehmen bewirken. Die Zuteilung der Emissionszertifikate kann gerade in der Energiewirtschaft bereits kurzfristig die sog. Merit order, die Rangfolge des Kraftwerkeinsatzes, beeinflussen112. Langfristig kann sie sich auf Investitionsentscheidungen beim Bau neuer Kraftwerke auswirken, da der Wert bzw. die Kosten der Zertifikate zusammen mit Brennstoffpreis, Kohlenstoffgehalt und Wirkungsgrad der Anlage in die Entscheidungsfindung eingehen113 und so in letzter Konsequenz sogar zu einem Strukturwandel – der Substitution von Brennstoffen mit hohem CO2-Anteil durch solche mit geringerem CO2-Anteil – führen114. Ob und in welchem Maße derartige Entwicklungen mit den deutschen und europäischen Grundrechten im Einklang stehen, welche Spielräume dem Gesetzgeber offen stehen und welche Grenzen ihm gesetzt sind, ist im Rahmen dieser Arbeit näher zu erörtern.
VI. Technischer Fortschritt und die Lösung von Klimaproblemen Naturgemäß kann eine juristische Arbeit keine Aussagen über die technische Umsetzbarkeit von Reduktionsvorgaben für Treibhausgase machen. Festzuhalten ist jedoch, dass in den letzten Jahren schneller als erwartet technische Neuerungen auf den Markt gelangt sind, die zur Reduktion der Emissionen beitragen können. So gab es Fortschritte bei Windkonvertern, bei Hybridtechnik für Autos, in der Brennstoffzellentechnologie und bei der Energiegewinnung aus Biomasse; die Energieeffizienz von Geräten wurde ebenso verbessert wie die Effizienz von Kraftwerken115. Zudem sind technische Neuerungen im Bereich der CO2Sequestrierung entwickelt worden, die sich gerade in der Testphase befinden116. Angesichts der Tatsache, dass jedenfalls auf europäischer Ebene durch die Einführung des Zertifikatesystems ein gewisser Anreiz geschaffen wurde, Emissionen zu reduzieren, ist davon auszugehen, dass die technischen Entwicklungen weiter vorangetrieben werden. Dadurch, dass Emissionen durch die Zertifikate einen Preis erhalten, nimmt die Spanne an sog. „no regret“-Maßnahmen zu, d.h. an Maßnahmen, die sich für das Unternehmen auszahlen oder kostenneutral bleiben. Es gibt zudem Untersuchun111
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Die meisten Ökonomen favorisieren Modelle, bei denen die Zertifikate versteigert werden und beschäftigen sich weniger mit der Frage, wie man Wettbewerbsverzerrungen bei einer kostenlosen Vergabe der Zertifikate minimieren kann. Rolf Wagner/Frank Konertz, ZfK 1/2003, S. 19. Felix Matthes et. al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems (2003), S. 30. Rolf Wagner/Frank Konertz, ZfK 1/2003, S. 19. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 103 f. Mehr dazu s. u. S. 172 ff.
18
A Einleitung
gen, nach denen sich die Energieproduktivität, die aus einer Kilowattstunde oder einem Fass Öl zu gewinnen ist, vervierfachen, langfristig möglicherweise sogar verzehnfachen lässt117. Um dies umzusetzen, sind jedoch erhebliche Veränderungen erforderlich. Angesichts des globalen anthropogenen Klimawandels stehen grundsätzlich drei Möglichkeiten zur Verfügung, um Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe, die den größten Teil der Treibhausgasemissionen ausmachen, zu verhindern: Effizienzsteigernde Maßnahmen, Nutzung von Energiesparpotentialen, Umstieg auf erneuerbare Energieträger und Sequestration von Kohlendioxid118. Der einzig sinnvolle Ansatz dürfte zum gegenwärtigen Zeitpunkt sein, all diesen Ansätzen nachzugehen. Bei der Frage, welche Anforderungen der Staat hinsichtlich der Reduktion von Treibhausgasen an die Unternehmen stellen darf, spielen nicht zuletzt die technischen Neuerungen eine Rolle. Je ausgereifter und preisgünstiger die technischen Lösungen sind, desto höher können auch die staatlichen Reduktionsvorgaben sein.
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Ernst Ulrich von Weizsäcker/Jürgen Scheffran, in: Johnke /Scheffran/Soyez (Hrsg.), Abfall, Energie und Klima (2004), S. 20 (21). Ottmar Edenhofer/Hermann Held/Nico Bauer, in: Johnke /Scheffran/Soyez (Hrsg.), Abfall, Energie und Klima (2004), S. 26.
B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen von Klimaschutz und Zertifikatehandel
I. Naturwissenschaftliche Grundlagen Über die wesentlichen Tatsachen und Zusammenhänge der Erderwärmung besteht heute weitreichende Einigkeit. Zweifel daran, dass menschliche Emissionen in erheblichem Maß zur Erderwärmung beitragen, scheinen nicht mehr angebracht. Wissenschaftliche Unklarheiten betreffen allenfalls noch Einzelfragen und Fragen des Zusammenwirkens der einzelnen Faktoren. Die wichtigsten Begriffe und Zusammenhänge sollen an dieser Stelle kurz dargestellt werden.
1. Die Atmosphäre Als Atmosphäre bezeichnet man die Gashülle, welche die Erde umgibt und an ihrem oberen, nicht exakt bestimmbaren Rand in etwa 1000-1500 km Höhe fließend in den Weltraum übergeht1. Sie gliedert sich in vertikaler Richtung in vier Schichten, die sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Temperaturstrukturen nur schlecht durchmischen2: • Troposphäre Die unterste, erdnächste Schicht nennt sich Troposphäre. Ihre Höhe variiert breiten-, jahreszeiten- und wetterabhängig zwischen 8 und 18 km. In ihr laufen die das Wettergeschehen bestimmenden Prozesse ab, einschließlich der atmosphärischozeanischen Zirkulation und des Wasserkreislaufs3. Die Temperaturen in der Troposphäre nehmen mit steigender Höhe kontinuierlich ab und sinken bis auf einen Bereich von –50 bis –80°C4.
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Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 37; Guido Wustlich, Die Atmosphäre als globales Umweltgut (2003), S. 37. Guido Wustlich, ibid., S. 37 f. Guido Wustlich, ibid., S. 37; Henning Rentz, Kompensationen im Klimaschutz (1995), S. 23; Dieter Walch/Harald Frater, Wetter und Klima (2004), S. 9. Guido Wustlich, ibid., S. 37.
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
• Stratosphäre An die Troposphäre schließt sich die sog. Stratosphäre bis zu einer Höhe von 50 km an; die Grenze zwischen Troposphäre und Stratosphäre nennt sich Tropopause5. Wegen ihres geringen Wasserdampfgehalts gibt es in der Stratosphäre keine Wolken6. Hier befindet sich die sog. Ozonschicht: Das in der Stratosphäre stark angereicherte Ozon (O3) absorbiert solare UV-Strahlung und wandelt diese in thermische Energie um. Das führt dazu, dass die Temperaturen in der oberen Stratosphäre mit steigender Höhe wieder bis auf maximal 0°C zunehmen7. • Mesosphäre Über der Stratosphäre erstreckt sich die Mesosphäre bis zu einer Höhe von 85-90 km. In ihr sind sowohl die Ozon- wie auch die Wasserdampfkonzentration extrem niedrig; die Temperaturen sinken mit zunehmender Höhe wieder auf bis zu 80°C8. • Thermosphäre Die oberste Schicht, die sog. Thermosphäre, reicht bis ca. 450 km und geht fließend in die sog. Exosphäre (Dissipationssphäre) über, in der bereits ein Stoffaustausch mit dem interplanetarischen Raum erfolgt9. Im Einzelnen kann die stoffliche Zusammensetzung dieser Schichten variieren, da die Atmosphäre als dynamische Gasmasse Fluktuationen und permanenten chemischen Transformationsprozessen unterworfen ist10. Innerhalb der unteren 80 km setzt sich die Atmosphäre vorwiegend aus Stickstoff (ca. 78 %) und Sauerstoff (ca. 21 %)11 sowie einem weitaus geringeren Anteil an Wasserdampf zusammen. Andere Substanzen sind nur in sehr geringen Mengen anzutreffen und werden daher als Spurengase bzw. Spurenstoffe bezeichnet. Hierzu zählen insbesondere Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid, Ozon, Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid, Wasser- und Eispartikel sowie feste und flüssige Schwebepartikel (Aerosole wie z.B. Stäube, Pflanzenpollen, Magmabestandteile etc.)12. Einige dieser Spurengase haben trotz ihrer geringen Konzentration einen erheblichen Einfluss auf das Klima, da sie den Strahlungshaushalt der Erde beeinflussen13. Für die Klimaentwicklung sind vor allem die unteren beiden Schichten der Atmosphäre, d.h. Troposphäre und Stratosphäre, von Bedeutung.
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Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 38. Guido Wustlich, Atmosphäre (2003), S. 38. Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 38; Guido Wustlich, ibid., S. 38. Guido Wustlich, ibid., S. 38. Guido Wustlich, ibid., S. 38. Guido Wustlich, ibid., S. 38. Mojib Latif, Hitzerekorde und Jahrhundertflut (2003), S. 72. Guido Wustlich, Atmosphäre, S. 38 f. Mojib Latif, Hitzerekorde und Jahrhundertflut (2003), S. 72 f.
I. Naturwissenschaftliche Grundlagen
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2. Das Klima a) Definition Das Klima ist eine Abstrahierung des Wetters, ermittelt im Wege einer Langzeitbetrachtung14. Es gibt eine Wahrscheinlichkeit der Wetterbedingungen in einem bestimmten Gebiet wieder15. Das Wetter hingegen ist die Beschreibung eines kurzzeitigen Zustandes der atmosphärischen Phänomene wie Lufttemperatur in Bodennähe, Niederschlagsmenge, Luftdruck, Wind, Luftfeuchtigkeit, Strahlungsund Wärmewerte, Bedeckungsgrad des Himmels mit Wolken, Wolkenarten, Sonnenscheindauer, Reflexionsvermögen der Oberfläche und zahlreicher anderer Einflüsse16. b) Einflussfaktoren Das Klimasystem setzt sich aus mehreren Subsystemen zusammen: der Atmosphäre, der Hydrosphäre, der Kryosphäre, der Biosphäre und der Lithosphäre17. Nach der Lehre von den Klimafaktoren gehören zu den maßgeblichen Parametern die Sonneneinstrahlung, die Land-Meer-Verteilung, Größe und Lage der Erhebungen des Landes, die Zusammensetzung der Atmosphäre, Luft- und Wasserströmungen aber auch menschliches Verhalten18. Diese einzelnen Faktoren befinden sich nicht immer in einem statischen Gleichgewicht, sondern unterliegen Schwankungen, die zu Eis- und Wärmezeiten führen19. Wie genau diese einzelnen Faktoren zusammenwirken, ist schwer prognostizierbar, und die Wissenschaft hat unterschiedliche Klimamodelle20 entwickelt, mit denen die komplexen interaktiven Prozesse nachvollzogen werden sollen. Alle diese Klimamodelle basieren auf den hier vereinfacht dargestellten fundamentalen ökologischen Wechselwirkungen:
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Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 22; Henning Rentz, Kompensationen (1995), S. 22. Guido Wustlich, Atmosphäre (2003), S. 39; ähnl. Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17 Rz 1. Guido Wustlich, ibid., S. 39; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 22; Henning Rentz, Kompensationen (1995), S. 22 f. Meinhard Schröder et al., Klimavorhersage und Klimavorsorge (2002), S. 51; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 37; Werner Kirstein, in: Borsch/Hake (Hrsg.), Klimaschutz (1998), 13 (14). Michael Kloepfer, Umweltrecht, S. 1494; Guido Wustlich, Atmosphäre (2003), S. 40; Hans-Peter Vierhaus/Sebastian von Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 1 TEHG Rz 28. Henning Rentz, Kompensationen (1995), S. 23. Hierzu Christian Holzapfel, in: Borsch/Hake (Hrsg.), Klimaschutz ((1998), S. 42 (57 ff.); Meinhard Schröder et al., Klimavorhersage und Klimavorsorge (2002), S. 93 ff.
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
• Stoffliche Zusammensetzung der Atmosphäre Die Temperaturen auf der Erde werden maßgeblich durch die stoffliche Zusammensetzung der Atmosphäre bestimmt, da die verschiedenen Gase in unterschiedlichem Ausmaß solare Strahlung absorbieren und reflektieren21. Die stoffliche Zusammensetzung der Atmosphäre wird insbesondere durch die Emission von Treibhausgasen unmittelbar verändert. • Einflüsse der Hydrosphäre Als Hydrosphäre bezeichnet man die Wasserhülle der Erde, wozu die Meere, die Gewässer des Festlands sowie die im Eis gebundenen und in der Luft vorhandenen Wassermengen zählen; sie hängt durch den allgemeinen Wasserkreislauf zusammen22. Die Hydrosphäre wirkt in mehrfacher Weise auf das Klima ein: Die Ozeane wirken als globale Wärmespeicher; zudem stehen sie in direktem Gasaustausch mit der Atmosphäre und können Gase, insbesondere CO2, aufnehmen oder freisetzen23. Die allgemeine ozeanische Zirkulation transportiert in den Tropen erwärmtes Wasser in Richtung der Pole und trägt dadurch zu einer gleichmäßigen Wärmeverteilung bei24. Schließlich ist die Zirkulation des Wassers in Form von Verdunstung, Kondensation und Niederschlag selbst Klimaelement, zudem beeinflusst sie die Zusammensetzung der Atmosphäre und dadurch den Wärme- und Strahlungshaushalt der Erde25. • Einflüsse der Kryosphäre Die sich aus Land- und Meereis zusammensetzende Kryosphäre reflektiert die Sonneneinstrahlung und wirkt sich auf das Klima als Wärmesenke aus. Durch ihr Abschmelzen kann es zu einer erhöhten Wärmeabsorption und gleichzeitig zu einer Veränderung des ozeanischen Salzgehalts und dadurch zu einer Veränderung der Meeresströmungen, insbesondere des Golfstroms, kommen26. • Einflüsse der Lithosphäre Die Lithosphäre ist die Gesteinskruste der Erde, die die Erdkruste und den obersten Erdmantel umfasst27. Sie wirkt einerseits durch ihre Oberflächenstruktur auf die atmosphärische Zirkulation ein, andererseits hat die auf ihr angesiedelte Vege21
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Vgl. Meinhard Schröder et al., Klimavorhersage und Klimavorsorge (2002), S. 52. Ausführlich Dritter Bericht der Enquête-Kommission Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre zum Thema Schutz der Erde, BT-Drucks. 11/8030, S. 89 ff. Guido Wustlich, Atmosphäre (2003), S. 40; Dtv-Lexikon in 20 Bänden (1995), Bd. 8, S. 224, Stichwort Hydrosphäre. Guido Wustlich, ibid., S. 40. Guido Wustlich, ibid., S. 40 f. Guido Wustlich, ibid., S. 41. Ausführlich zu diesem Kreislauf Dritter Bericht der Enquête-Kommission Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre, BT-Drucks. 11/8030, S. 94 ff. Guido Wustlich, ibid., S. 41. Guido Wustlich, ibid.,, S. 41; Dtv-Lexikon in 20 Bänden (1995), Bd. 11 S. 82, Stichwort Lithosphäre.
I. Naturwissenschaftliche Grundlagen
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tation durch ihre Fähigkeit, CO2 zu absorbieren und zu speichern, Einfluss auf die stoffliche Zusammensetzung der Atmosphäre28. • „Externe“ Einflüsse Neben diesen systeminternen Wechselwirkungen ist das Klimasystem auch noch externen Umweltfaktoren ausgesetzt. Hierzu zählen vor allem Sonnenaktivitäten, Vulkanismus oder auch das sog. El-Niño-Phänomen29.
3. Der Treibhauseffekt Obwohl erste Erkenntnisse über die Korrelation von Kohlendioxid und Klimaveränderungen bereits Ende des 19. Jahrhunderts gewonnen wurden, stellten erst in den 50er Jahren erste Studien fest, dass die erhöhten anthropogenen CO2Emissionen die Absorptionskapazitäten der natürlichen Senken, der Ozeane und der terrestrischen Biomasse überstiegen und möglicherweise zu einem Anstieg der Erdtemperatur führen könnten30. In der Folgezeit verdichteten sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse, so dass heute die Grundzüge des Treibhauseffekts wissenschaftlich gesichert sind. Er wird durch Gase in der Atmosphäre verursacht, die verhindern, dass von der Erde reflektiertes Sonnenlicht in das All entweichen kann. Hierzu gehören insbesondere Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (Lachgas, N2O), Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) und Ozon (O3)31. Nimmt die atmosphärische Konzentration dieser Spurengase in der Atmosphäre zu, wird es in der unteren Atmosphäre wärmer, während es gleichzeitig in der oberen Stratosphäre kälter wird32. Man unterscheidet zwischen dem natürlichen und dem zusätzlich durch den Menschen verursachten anthropogenen Treibhauseffekt. a) Natürlicher Treibhauseffekt Die mittlere Temperatur auf der Erde ergibt sich aus einem Gleichgewicht aus absorbierter Sonneneinstrahlung und von der Erde abgestrahlter Wärmestrahlung33. Beides muss sich entsprechen, anderenfalls würde sich die Erde kontinuierlich erhitzen34. Die Erde empfängt von der Sonne kurzwellige Strahlung, von der sie einen Teil unmittelbar wieder reflektiert, 70 % jedoch absorbiert. Die absorbierte 28 29
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Guido Wustlich, ibid., S. 41. Guido Wustlich, Atmosphäre (2003), S. 41; Mojib Latif, Hitzerekorde und Jahrhundertflut (2003), S. 48 ff. Hierzu Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 20; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 70 f. Gerhard Voss, Klimapolitik und Emissionshandel (2003), S. 4; Wuppertal Institut (Hrsg.), Klimawirksame Emissionen des PKW-Verkehrs (2006), S. 12. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 22. Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Der Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 12 f.; Wuppertal Institut (Hrsg.), Klimawirksame Emissionen des PKW-Verkehrs (2006), S. 12; Antonie Bauer, Der Treibhauseffekt (1993), S. 6. Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 40.
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
Strahlung verbleibt ebenfalls nicht auf der Erde, sondern wird in Form langwelliger Infrarotstrahlung, d.h. als Wärme, wieder an das Weltall abgegeben35. In diese Strahlungsbilanz greifen bestimmte in der Atmosphäre vorkommende Gase ein, indem sie zwar durchlässig für ankommende Sonnenstrahlung in Richtung Erde sind, nicht jedoch für die von der Erdoberfläche abgestrahlte langwellige Wärmestrahlung. Die reflektierte Strahlung entweicht somit nicht ins Weltall, sondern erwärmt die Erdoberfläche36. Dieser Effekt wird durch die sog. Treibhausgase bewirkt sowie durch Wolken bildenden Wasserdampf und bewahrt die Erde vor der Auskühlung37. Ohne den natürlichen Treibhauseffekt, der ca. 33°C ausmacht, mäße die Durchschnittstemperatur an der Erdoberfläche ca. – 18°C38. Man geht davon aus, dass die Wolkenbildung mit etwa 20,5°C hierzu beiträgt, Kohlendioxid mit 7,0°C, Ozon mit 2,5°C, Distickstoffoxid mit 1,5°C und Methan mit 1,0°C39. Der natürliche Treibhauseffekt ist von Natur aus vorhanden und dafür verantwortlich, dass die klimatischen Verhältnisse die Erde bewohnbar machen. b) Anthropogener Treibhauseffekt Der lebensnotwendige natürliche Treibhauseffekt ist aber, wie inzwischen unter Naturwissenschaftlern weitestgehend akzeptiert zu sein scheint, in den letzten 100 Jahren zunehmend um eine menschengemachte Komponente ergänzt worden. aa) Die Entstehung des anthropogenen Treibhauseffektes (1) Die Veränderung des Strahlungsgleichgewichts Steigt durch erhöhten Ausstoß von Treibhausgasen deren atmosphärische Konzentration an, nimmt die Infrarotstrahlung in den Weltraum ab. Um das energetische Gleichgewicht zwischen Sonneneinstrahlung und terrestrischer Abstrahlung wieder herzustellen, erhöht sich die oberflächennahe Temperatur auf der Erde40. Mittelbar hat jede Änderung der Strahlungsbilanz auch Auswirkungen auf den globalen Wasserkreislauf und die atmosphärische und ozeanische Zirkulation und damit auf die regionale Temperaturentwicklung und die Verteilung der Niederschläge41.
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Antonie Bauer, Treibhauseffekt (1993), S. 6. Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 30 f.; Pascal Bader, Europäische Treibhauspolitik mit handelbaren Emissionsrechten (2000), S. 27. Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 39 f.; Gerhard Voss, Klimapolitik und Emissionshandel (2003), S. 4. Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Klimawandel, S. 31; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 22 f., Ute Mager, DÖV 2004, 561 (562); Gerhard Voss, Klimapolitik und Emissionshandel (2003), S. 4; Aktuelles Lexikon: Treibhausgase, SZ v. 16.02.2005, S. 2. Gerhard Voss, Klimapolitik und Emissionshandel (2003), S. 4. Wuppertal Institut (Hrsg.), Klimawirksame Emissionen des PKW-Verkehrs (2006), S. 12; Antonie Bauer, Treibhauseffekt (1993), S. 6. Wuppertal Institut (Hrsg.), ibid., S. 13.
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(2) Anthropogene klimawirksame Emissionen Seit der Industrialisierung haben die Menschen zunehmend fossile Kohlenstoffe verfeuert und dadurch enorme Mengen an CO2 freigesetzt, die sich in der Atmosphäre angereichert haben. Kohlendioxid entsteht überwiegend durch das Verbrennen von Erdöl, Kohle und Erdgas42, außerdem durch Abholzung, Trockenlegung von Feuchtgebieten und Brandrodung43. Weltweit werden heute jährlich ca. 7,2 Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus fossilen Quellen emittiert – mit steigender Tendenz44. Hinzu kommen geschätzte 1,6 Gt CO2 aus geänderter Landnutzung45. Man nimmt an, dass Kohlendioxid mit einem Anteil von über 60 % die wichtigste anthropogene Ursache des Klimawandels darstellt46. Methan (CH4), das mit weiteren 20 % ebenfalls erheblichen Anteil an der anthropogenen Erwärmung hat47, kann durch natürliche Abbauprozesse frei werden, entsteht zum größten Teil aber über die Landwirtschaft sowie bei der Förderung von Kohle, Gas und Öl. 6 % des anthropogenen Treibhauseffektes entfallen auf das auch als Lachgas bekannte Distickstoffoxid (N2O), das beispielsweise bei der Salpetersäureherstellung und bei der Düngung entsteht48. Die letzten 14 % schließlich entfallen auf Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), deren Verwendung bereits aus Gründen des Schutzes der Ozonschicht zurückgedrängt wurde49 sowie auf wasserstoffhaltige Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW/PFCs) und Schwefelhexafluorid (SF6)50.
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Etwa 75 % der CO2-Emissionen entstehen durch Verbrennung fossiler Energieträger, Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 26. Tilman Zimmer, ibid., S. 26; Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 52. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, Summary for Policymakers (2007), S. 2 f. IPCC, ibid., S. 3. Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 35; Simon Marr/Sebastian Oberthür, in: Rengeling, EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, S. 256; Wuppertal Institut (Hrsg.), Klimawirksame Emissionen des PKWVerkehrs (2006), S. 14; von einem Anteil von 50% am anthropogenen Treibhauseffekt gehen Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 23, 26 und Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 356, aus. Umweltbundesamt (Hrsg.), Verfahren zu CO2-Abscheidung und -Speicherung (2006), S. 7 nimmt sogar mehr als 80 % an. Simon Marr/Sebastian Oberthür, in: Rengeling, EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, S. 256; Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 44 nimmt 15 % des Anteils am anthropogenen Treibhauseffekt an; vgl. auch Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 356, der von ca. 13 % ausgeht. Simon Marr/Sebastian Oberthür, in: Rengeling, EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, S. 256; Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 356 (5 %). S. dazu Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, abgedruckt in ABl. EG 198, Nr. L 297 vom 31.10.1988, S. 21 ff. und in BGBl. 1988 II, 1014. Simon Marr/Sebastian Oberthür, in: Rengeling, EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, S. 256.
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bb) Die Entwicklung der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre und die Prognosen über dadurch verursachte klimatische Veränderungen Direkte und kontinuierliche Kohlendioxidmessungen gibt es erst seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts, allerdings reichen die aus Eiskernen gewonnenen Daten mindestens 700 000 Jahre zurück. Während dieser Zeit und vermutlich noch etliche Millionen Jahre weiter zurück war die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre niemals so hoch wie heute51. Während die KohlendioxidKonzentration in der Atmosphäre in vorindustriellen Zeiten etwa 280 ppmv52 betrug, liegt sie inzwischen bei fast 380 ppmv CO253; auch die Konzentration der übrigen Treibhausgase hat deutlich zugenommen54. Die Differenz zwischen 1950 und heute entspricht ungefähr der zwischen der letzten Eiszeit und dem heutigen Klima55. Zwischen 1999 und 2004 stieg der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre jährlich um 0,5 %56, zwischen 1995 und 2005 nahm die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre um jährlich1,9 ppmv zu57. Weltweit wurden in den Jahren 2000-2005 jährlich etwa 7,2 Gt C bzw. 26,4 Gt CO2 ausgestoßen, während es in den 90er Jahren noch ca. 6,4 Gt C bzw. 23,5 Gt CO2 waren58. Eine ähnliche Entwicklung ist auch im Bereich der Methanemissionen feststellbar. Betrug der Wert der atmosphärischen Konzentration von Methan in der vorindustriellen Zeit noch ca. 715 ppbv59, ist er auf ca. 1732 ppbv in den 90er Jahren und auf 1774 ppbv im Jahr 2005 gestiegen. Auch die Methankonzentration ist heute höher als jemals während der letzten 650 000 Jahre; allerdings scheint beim Methan die Zunahme seit Beginn der 90er Jahre zumindest gebremst60. Gelingt es, die CO2-Konzentration langfristig bei 450 ppmv zu stabilisieren, kann der Anstieg der langfristigen Gleichgewichtstemperatur gegenüber 1990 vor-
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Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 33; Wuppertal Institut (Hrsg.), Klimawirksame Emissionen des PKW-Verkehrs (2006), S. 14. Ebenso für die letzten 650 000 Jahre IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, Summary for Policymakers (2007), S. 2. ppmv = parts per million in Volumenmischungsverhältnissen. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, Summary for Policymakers (2007), S. 2; Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 52; seit 1750 hat sich die atmosphärische Konzentration von CO2 damit um ca. 31 % erhöht, Claudia Kemfert/Barbara Praetorius, Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 74 (2005), S. 133. Nicholas Stern, Stern Review: The Economics of Climate Change, Executive Summary (2006), S. iii. Interview mit Hartmut Graßl, Warum die Klima-Skeptiker Unrecht haben, SZ v. 16.02.2005. So der IPCC-Bericht, zitiert bei Patrick Illinger, SZ v. 31.05.2006, S. 1. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 2. IPCC, ibid., S. 2 f. ppbv = parts per billion in Volumenmischungsverhältnissen. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 3.
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aussichtlich auf 1,5 bis 3,9°C beschränkt werden61. Hierzu ist nach Berechnungen des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) eine Minderung der globalen energiebedingten CO2Emissionen um etwa 45-60% erforderlich62. Selbst wenn die Emissionen auf heutigem Niveau stagnierten, wäre 2050 eine Konzentration von 550 ppmv und damit die Verdoppelung vorindustrieller Werte erreicht, ein Ende des Anstiegs aber nicht in Sicht63. Pendelt sich die Treibhausgaskonzentration hingegen bei etwa 1000 ppmv ein, wäre der Temperaturanstieg mit 3,5 bis 8,7°C deutlich höher64. Im Vergleich dazu: Der Temperaturunterschied zwischen der letzten Eiszeit und heute beträgt nur etwa 5°C65. cc) Hat die globale Erwärmung bereits begonnen? Alles in allem haben zahlreiche Veränderungsprozesse bereits eingesetzt: Seit Beginn des letzten Jahrhunderts stieg die globale Durchschnittstemperatur um ca. 0,74°C66, die Durchschnittstemperatur in Europa sogar um mehr als 0,9°C67. In den letzten 25 Jahren hat sich der Temperaturanstieg beschleunigt und betrug gegen Ende des 20. Jahrhunderts 0,17°C pro Jahr gegenüber jährlich 0,14°C in der ersten Hälfte des Jahrhunderts. Einen vergleichbaren Temperaturanstieg hat es wahrscheinlich während der letzten 1000 Jahre nicht gegeben68. Elf der letzten 61
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KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 7. Eine ähnliche Rechnung enthält eine für die EG-Kommission (DG Environment) angefertigte Studie, die besagt, dass eine Stabilisierung bei 550 ppmv CO2-Äquivalenten, d.h. unter Einbeziehung sämtlicher Treibhausgase, die Chance eröffnet, das Ziel einer Temperaturerhöhung von nicht mehr als 2°C zu erreichen, Greenhouse Gas Reduction Pathways in the UNFCCC Process up to 2025, Policymakers Summary, Oktober 2003, S. 3. Zitiert in KfW Bankengruppe, ibid., S. 7; Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 83 geht unter Rückgriff auf IPCC-Daten davon aus, dass CO2-Emissionen um mindestens 60 %, Methanemissionen um 15-20%, Distickstoffoxid um 70-80% und die Emissionen der vollhalogenierten FCKW vollständig reduziert werden müssen. Eine Absenkung der CO2-Emissionen um 60-80 % halten Ernst Ulrich von Weizsäcker/Jürgen Scheffran, in: Johnke /Scheffran/Soyez, Abfall, Energie und Klima (2004), S. 20 (21) für nötig. Nicholas Stern, Stern Review, Executive Summary (2006), S. iii; Gerhard Voss, Klimapolitik und Emissionshandel, S. 5; Simon Marr/Sebastian Oberthür, in: Rengeling, EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, S. 256. KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 4. Das IPCC sagt bis 2100 Temperaturerhöhungen von mindestens 1°C bis 5,5°C voraus, dazu Claudia Kemfert/Barbara Praetorius, Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 74 (2005), S. 133. Nicholas Stern, Stern Review, Executive Summary (2006), S. iv. Schätzungen reichen von 0,56 bis 0,92°C, dazu IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 4. KOM (2005) 35 endg. v. 09.02.2005, S. 3; Commission Staff Working Paper, Winning the battle against global climate change, v. 09.02.2005, S. 10; Simon Marr/Sebastian Oberthür, in: Rengeling, EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, S. 256. IPCC, Climate Change 2001: Synthesis Report, Summary, S. 4; Wuppertal Institut, Fair Future (2005), S. 34. Vgl. jetzt auch IPCC, Climate Change 2007: The Physical Scien-
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zwölf Jahre (1995-2006) zählen zu den zwölf wärmsten Jahren seit 185069. 2005 erreichte die globale Durchschnittstemperatur einen neuen Höchststand70. Das IPCC geht davon aus, dass die durchschnittliche globale Oberflächentemperatur im Zeitraum von 1990 bis 2100 um 1,4 bis 5,8°C steigen wird71. Eine Temperaturerhöhung der Ozeane lässt sich bis in Tiefen von 3000 m nachweisen72. Auch infolgedessen wird der weltweite durchschnittliche Meeresspiegel in derselben Periode – mit erheblichen regionalen Unterschieden – um ca. 9 bis 88 cm ansteigen73. Diese Entwicklung zieht weitreichende, globale Folgen für die Umwelt nach sich74: Durch die Erwärmung schmelzen Gletscher und Polkappen, steigt der Meeresspiegel75 und gefährdet in besonderem Maße tief liegende Staaten und Inseln, erhöht sich aber auch ganz allgemein das Risiko von Überschwemmungen76. Wahrscheinlich77 hat sich bereits heute die arktische Eisschicht im Spätsommer und Frühherbst gegenüber den 1950er Jahren um 40 % reduziert und um 10-15 % im Frühling und Sommer78. Die Temperaturen in der Arktis sind in den vergangenen 100 Jahren nahezu doppelt so schnell angestiegen wie im globalen Durchschnitt79. Sehr wahrscheinlich80 ist die Schneebedeckung seit den 1960er Jahren weltweit um ca. 10 % zurückgegangen81. Bereits jetzt lässt sich bei freilebenden
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ce Basis, Summary for Policymakers, S. 8, wonach die Erwärmung der nördlichen Hemisphäre wahrscheinlich die höchste der letzten 1300 Jahre war. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 4. Patrick Illinger, SZ v. 31.05.2006, S. 1; 2005 war wärmstes Jahr seit über einem Jahrhundert, spiegel online v. 24.01.2006. IPCC, Climate Change 2001: Synthesis Report, Summary, S. 8; ebenso Wuppertal Institut, Fair Future (2005), S. 34. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 4. IPCC, Climate Change 2001: Synthesis Report, Summary, S. 9. Hierzu aktuell der neueste Bericht des IPCC, Climate Change 2007: Impacts, Adaptation and Vulnerability, Summary for Policymakers, passim. Einen kurzen Überblick bieten Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 54 ff.; vgl. auch Ute Mager, DÖV 2004, 561 (562); Simon Marr/Sebastian Oberthür, in: Rengeling, EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, S. 256; Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 54 f. Vgl. im einzelnen Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 63 ff.; Gegenwärtig steigt der Meeresspiegel um ca. 3,1 mm jährlich, mehr zu den feststellbaren Trends IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 5. Vgl. beispielsweise Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 356. In der Terminologie des IPCC bedeutet „wahrscheinlich“, dass ein Ereignis mit einer 66%igen bis 90%igen Wahrscheinlichkeit eintritt, s. IPCC, Climate Change 2001: Synthesis Report, Summary for Policymakers, S. 5. IPCC, Climate Change 2001: Synthesis Report, Summary for Policymakers, S. 6. Dies entspricht einer Reduktion von 2,7 % pro Dekade, im Sommer sogar 7,4 %, IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 6. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 6. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 90-99 %. IPCC, Climate Change 2001: Synthesis Report, Summary, S. 6.
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Tier- und Pflanzenpopulationen ein Trend in höhere und polwärts gelegene Gebiete feststellen82. Es kommt zu Veränderungen im subtilen Gleichgewicht zwischen den Arten in bewirtschafteten wie natürlichen Ökosystemen83. Als Folge dieser Entwicklung drohen die Wüsten sich auszubreiten, Dürrezeiten nehmen vor allem in den Tropen und Subtropen an Intensität, Häufigkeit und Dauer zu84, Wasser wird knapp85, und extreme Wetterlagen wie Stürme und Unwetter sollen zunehmen86. Die Ernteerträge in den meisten tropischen und subtropischen Regionen gehen zurück87, in Gebirgsregionen und polaren Breiten taut der Permafrostboden88. Auswirkungen hat die Erderwärmung auch auf Landwirtschaft, Ausbreitung von Krankheitserregern89 sowie auf ganze Ökosysteme90. Die Auswirkungen auf die Landwirtschaft könnten zu drastischen Folgen für die globale Ernährungssituation, insbesondere in den Entwicklungsländern, führen91. Die kontinentalen Monsune könnten sich verschieben, das westarktische Eisschild zerfallen, das Grönlandeis und das Eisschild der Antarktis abschmelzen92. In letzter 82 83
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
Konsequenz steht zu befürchten, dass die thermohaline Zirkulation, der sog. Golfstrom, zum Erliegen kommt93. Diese Klimaänderungen können großräumige, möglicherweise irreversible Veränderungen mit kontinentalen oder sogar globalen Auswirkungen bedeuten. Bei all dem ist zu bedenken, dass sie regional sehr unterschiedlich gravierend ausfallen können94. In Europa sind die südlichen Regionen sowie die Arktis besonders gefährdet95. Die Folgen eines derartig rasanten Temperaturanstiegs wären in jedem Falle gravierend: Bei einer Erwärmung um durchschnittlich 0,3°C pro Dekade ist die Temperaturentwicklung etwa dreimal so schnell wie natürliche Ökosysteme es nach dem heutigen Wissensstand noch vertragen können96. Dadurch wird der Vegetation die Möglichkeit genommen, sich den Veränderungen anzupassen; sie wird irreparabel geschädigt97. Eine derartig rasante Temperaturveränderung steht zudem in extremem Gegensatz zu allem, was die Menschheit bisher erlebt hat: ihre gesamte kulturelle und soziale Infrastruktur hat sich in den letzten 7000 Jahren unter globalen Klimabedingungen entwickelt, die niemals mehr als 2°C von den heutigen Werten abwichen98.
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höhung des Meeresspiegels bei, IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 5. Zu möglichen Rückkopplungswirkungen, die zu einer weiteren Erwärmung des Klimas beitragen Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 61. WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S. 20 f.; Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, ibid., S. 67 ff. Mit mindestens 90%iger Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass sich der Golfstrom im Laufe des 21. Jahrhunderts abschwächen wird, die Temperaturen in der atlantischen Region aufgrund der globalen Erwärmung jedoch dennoch steigen werden. Ein Abbrechen wird jedenfalls für das 21. Jahrhundert für sehr unwahrscheinlich gehalten. Ob dies zu einem späteren Zeitpunkt geschieht, lässt sich jedoch noch nicht abschätzen, IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 6 u. 12. Nach Weltregionen gegliederter Überblick bei IPCC, Climate Change 2007: Impacts, Adaptation and Vulnerability, S. 8 ff. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 103. IPCC, Climate Change 2007: Impacts, Adaptation and Vulnerability, S. 9 f. weist jedoch darauf hin, dass nahezu alle europäischen Regionen negativ vom Klimawandel betroffen sein werden. Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 356. Dieter Cansier, ibid., S. 356. Robert Constanza et al., Einführung in die ökologische Ökonomik (2001), S. 10.
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c) Treibhausgase und ihre Spezifika99 aa) Das Treibhauspotential und Ermittlung der Treibhausgasemissionen Die Treibhauswirkungen der einzelnen Gase sind unterschiedlich stark und hängen von der spezifischen Strahlungsabsorption des Gases sowie seiner Verweildauer in der Atmosphäre ab100. Da CO2 die geringste spezifische Treibhauswirkung hat, wird die Wirkung anderer Gase im Verhältnis zu der von CO2 ausgedrückt. Gerade bei der Energieumwandlung freigesetztes Kohlendioxid lässt sich mit großer Genauigkeit berechnen: Auf der Grundlage der Energiebilanz und des Brennstoffeinsatzes lassen sich die CO2-Emissionen mit Hilfe von energieträgerspezifischen Emissionsfaktoren ermitteln101. Deutlich schwieriger ist dies bei anderen, nicht-verbrennungsbedingten CO2-Emissionen. Noch problematischer ist die Ermittlung der anderen Treibhausgase; deren Emissionen müssen gemessen werden, bei diffusen Emissionsquellen sind nur Schätzungen möglich102. Dabei muss zu einer einheitlichen Anwendung des Rechts sichergestellt werden, dass diese Schätzungen nach einheitlichen Konventionen erfolgen103. bb) Kohlendioxid Kohlendioxid ist nach wie vor das wichtigste Treibhausgas in der EU und macht etwa 82 % der Treibhausgasemissionen insgesamt aus, bei weiterhin steigender Tendenz104. Dies ist besonders problematisch, weil die Verweildauer dieses Gases in der Atmosphäre ca. 120 Jahre beträgt105. Das heute freigesetzte Kohlendioxid stammt zu rund 80 % aus der Verbrennung fossiler Energieträger und der Zement-
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Im Einzelnen sind hier Zahlen und Daten zur Bedeutung der unterschiedlichen Treibhausgase im Umlauf, die stark voneinander abweichen. Im Rahmen dieser juristischen Arbeit war es selbstverständlich nicht möglich, hier Klarheit zu erlangen. Da einige Publikationen mit Zahlenmaterial der 1980er und 1990er Jahre arbeiten, scheinen entweder neuere Erkenntnisse vorzuliegen oder aber sich Verschiebungen im System ergeben zu haben. Um dem Problem zu begegnen, werden hier im Zweifel möglichst aktuelle Daten verwendet. Soweit dennoch größere Spannen im Gespräch sind, wird dies offen gelegt. Dieter Cansier, Bekämpfung des Treibhauseffektes aus ökonomischer Sicht (1991), S. 13. AGE, Bericht über die Beratungen, Ergebnisse der Phase I, Januar – Dezember 2001 (2002), S. 13. AGE, ibid., S. 13; Sonja Butzengeiger et al., Making GHG Emissions Trading work – crucial Issues in designing national and international Emissions Trading Systems (2001), S. 28. AGE, Bericht über die Beratungen, Ergebnisse der Phase I, Januar – Dezember 2001 (2002), S. 13. Bericht der Kommission, KOM (2003), 735 endg., S. 7. Alfred Endres/Reimund Schwarze, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 166 (170); Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 356; andere Schätzungen variieren zwischen 50 und 200 Jahren Verweildauer, Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 42.
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
produktion106. Die übrigen Emissionen werden überwiegend durch Landnutzungsänderungen verursacht, hauptsächlich durch Entwaldung107. Global hat sich der jährliche Kohlendioxidausstoß in den letzten 150 Jahren um mehr als den Faktor 60 erhöht108. cc) Methan Auch das in der Atmosphäre befindliche Methan (CH4) entstammt sowohl natürlichen109 als auch anthropogenen Quellen. Der Anteil an durch menschliche Aktivitäten verursachten Methanemissionen wird mit 28%110 bis ca. 50 %111 angegeben. Methan entsteht bei der Zersetzung von organischem Material unter Luftabschluss112. Die anthropogenen Methanemissionen stammen heute zu etwa 50 % aus dem Agrarbereich113 und zu 25 % aus der Extraktion, dem Transport und der Verteilung fossiler Brennstoffe114. Ein erheblicher Anteil der globalen anthropogenen Methanemissionen stammt aus Abfalldeponien115. Kohlenmonoxidemissionen führen ebenfalls zu einem Anstieg der Methankonzentration116. Die Entwicklung der Methanemissionen ist daher einerseits von der zukünftigen Nutzung fossiler Brennstoffe, andererseits aber auch von der Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung sowie von den landwirtschaftlichen Praktiken und Ernährungsgewohn-
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Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 42; vgl. auch Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 89, die davon ausgeht, dass ca. drei Viertel der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen während der letzten 20 Jahre durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe verursacht wurden; ähnlich Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 356. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 89; Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 356; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 8. Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 42. Methan wird hauptsächlich durch Bakterien produziert, die in einem anaeroben Umfeld organische Materie zersetzen; diese Bakterien kommen vor allem in Feuchtgebieten vor, Antonie Bauer, Treibhauseffekt (1993), S. 20. Aktuell wird die Größenordnung des Methanausstoßes durch Pflanzen in den Naturwissenschaften hoch kontrovers diskutiert, s. dazu Baier, SZ v. 27.01.2006, S. 10; auch Schlammvulkane am Meeresboden scheinen mit einigen hundert Tonnen Methan jährlich zu Buche zu schlagen, vgl. SZ v. 02.03.2006, S. 18. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 25. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 89. Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 356. Hauptquellen sind der Reisanbau auf Nassfeldern und die Großviehzucht, Dieter Cansier, ibid., S. 356 f.; Antonie Bauer, Treibhauseffekt (1993), S. 22. WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S.39; ähnliche Werte bei Henning Rentz, Kompensationen (1995), S. 27. Ernst Ulrich von Weizsäcker/Jürgen Scheffran, in: Johnke /Scheffran/Soyez (Hrsg.), Abfall, Energie und Klima (2004), S. 20 (23); Henning Rentz, Kompensationen (1995), S. 27. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 89.
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heiten abhängig117. Die Kommission hat für Methan, das nach Kohlendioxid zweitwichtigste Treibhausgas in der EU118, bereits 1996 eine Strategie zur gezielten Verringerung der Emissionen insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft, Abfall und Energiegewinnung entwickelt119. Hiernach sollen im Bereich der Landwirtschaft Maßnahmen zur Verringerung der aus der Tierhaltung resultierenden Methanemissionen ergriffen werden, etwa durch eine Verringerung des Viehbestands oder wirksamere Futterverwertung. Im Bereich der Abfallwirtschaft schlug die Kommission Maßnahmen zur Abfallvermeidung vor, aber auch die Errichtung neuer Deponien, die über Einrichtungen zur Rückgewinnung und Verarbeitung von Methan verfügen sowie die Nachrüstung bestehender Deponien mit derartigen Anlagen. Die Menge auf Deponien verbrachter organischer Abfälle ist schrittweise auf 35 % der 1995 dort deponierten Menge zu reduzieren. Diese Maßnahmen scheinen Erfolg zu haben: Die Methan-Emissionen sind europaweit zwischen 1990 und 2001 um 21 % zurückgegangen120. Neben den genannten Maßnahmen dürften hierzu der europaweit sinkende Viehbestand, der Niedergang der Kohleförderung sowie technische Neuerungen beigetragen haben121. Methan verbleibt ca. 15 Jahre in der Erdatmosphäre122. dd) Distickstoffoxid (Lachgas) Distickstoffoxid oder Lachgas, N2O, hat ebenfalls noch einen Anteil von ca. 8 % an den Treibhausgasemissionen der EU123. Es wird hauptsächlich durch Düngereinsatz in der Landwirtschaft freigesetzt, aber auch bei der Umwandlung von Tropenwäldern in Weideland, der Verbrennung von Biomasse und verschiedenen industriellen Prozessen124. Daher wirken sich die Vorschriften zum Gewässerschutz auch vorteilhaft auf die Treibhausgasbilanz aus. Den Hauptbeitrag zur Reduktion von Stickoxid-Emissionen hat die chemische Industrie mit technischen Neuerungen bei der Produktion von Adipinsäure geleistet125. Die atmosphärische Konzentration dieses Gases ist gegenüber dem vorindustriellen Niveau um mindestens 13 % angestiegen126 und hat heute den höchsten Stand seit 1000 Jahren erreicht127. 117 118
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WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S. 39. Die Methan-Emissionen belaufen sich auf 8 % der Treibhausgasemissionen der EU, Bericht der Kommission, KOM (2003), 735 endg., S. 7. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament betreffend eine Strategie zur Verringerung von Methanemissionen, KOM (96) 557 endg. Bericht der Kommission, KOM (2003), 735 endg., S. 7. Bericht der Kommission, KOM (2003), 735 endg., S. 7. Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 44 f.; Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 356 geht von lediglich 8 bis 10 Jahren aus. Seit 1990 sind die Stickoxidemissionen um 16 % zurückgegangen, vgl. Bericht der Kommission, KOM (2003), 735 endg., S. 7. Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 45; Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 357; Antonie Bauer, Treibhauseffekt (1993), S. 24. Bericht der Kommission, KOM (2003), 735 endg., S. 7. Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 45; Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 89 geht unter Bezug auf das IPCC von 17 % aus. S. auch IPCC, Climate Change 2001: Synthesis Report, Summary, S. 5.
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Besonders problematisch sind die lange Verweildauer von N2O in der Atmosphäre von ca. 150 Jahren und sein erhebliches Treibhauspotential, das ca. 200mal dem von CO2 entspricht128. ee) Fluorierte Gase Schließlich sind auch fluorierte Gase Mitverursacher des Treibhauseffekts129. In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts spielte vor allem die Gruppe der vollhalogenierten Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) eine Rolle130. Da diese Stoffe jedoch die stratosphärische Ozonschicht angriffen, wurde ihre Verwendung im Montrealer Protokoll131 geregelt. Hierin verpflichteten sich die Vertragsstaaten, die Produktion und den Verbrauch bestimmter Stoffe zu reduzieren bzw. ganz einzustellen, vgl. Art. 2 A bis 2 H des Montrealer Protokolls. FCKW wurden in der Folge in den meisten Industrieländern spätestens seit 1996 verboten132. Zwar sind auch einige der Ersatzstoffe für die vollhalogenierten FCKW treibhausrelevant133, dennoch entfallen auf die fluorierten Gase nur noch etwa 1 % der Treibhausgasemissionen, bei insgesamt abnehmender Tendenz134. ff) Sonstige relevante Einflüsse Der größte Teil des (natürlichen) Treibhauseffekts wird durch Wasserdampf bewirkt; hierauf haben menschliche Emissionen keinen nennenswerten Einfluss135. Es gibt jedoch Rückkopplungseffekte, die sich daraus ergeben, dass wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann und eine Klimaerwärmung somit auch die Wasserdampfkonzentration der Atmosphäre erhöht und dadurch wiederum die Erwärmung verstärkt136. Ein weiteres klimarelevantes Spurengas ist das in der Troposphäre auftretende, bodennahe Ozon, nicht zu verwechseln mit dem stratosphärischen Ozon, das in der oberen Atmosphäre bestimmte Sonnenstrahlung filtert und durch die Diskussion über das Ozonloch medienwirksam bekannt wurde137. Das bodennahe Ozon bildet sich unter starker Sonneneinstrahlung aus verschiedenen Vorläufersubstanzen wie Stickoxiden, flüchtigen organischen Verbindungen, Kohlenmonoxid und 127 128 129 130 131 132 133 134 135
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IPCC, Climate Change 2001: Synthesis Report, Summary, S. 5. Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 47. Hierzu IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 3. Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 44. Vgl. auch S. 25. Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 44. Reinhard Loske, ibid., S. 44; Antonie Bauer, Treibhauseffekt (1993), S. 19. Bericht der Kommission, KOM (2003), 735 endg., S. 8. Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 44; Antonie Bauer, Treibhauseffekt (1993), S. 9. Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 36; Antonie Bauer, Treibhauseffekt (1993), S. 9 f. Bereits jetzt lässt sich feststellen, dass der Wassergehalt in der Atmosphäre gestiegen ist, IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 4. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 3; Tilman Zimmer, CO2Emissionsrechtehandel (2004), S. 25.
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Kohlenwasserstoffen138. Auch diese Vorläufersubstanzen haben somit als sog. Sekundärschadstoffe139, d.h. selbst nicht klimawirksame Ausgangsstoffe für Primärschadstoffe, Relevanz für die klimatische Entwicklung. Insbesondere führen die durch den Luftverkehr emittierten Stickoxide zur Ozonbildung in einer Höhe, in der dieses Treibhausgas besonders wirksam ist140. Auch die zum Teil zyklischen Schwankungen der Intensität der solaren Strahlung sind von Bedeutung für das Klima auf der Erde und haben in der Vergangenheit zum Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeiten beigetragen141. Schließlich machen sich Veränderungen in der Reflexion einfallenden Sonnenlichts bemerkbar, die aus Veränderungen der Schnee- und Eisdecke herrühren142. Den Treibhauseffekt reduzierende Auswirkungen gehen von den sog. Aerosolen aus. Hierbei handelt es sich um kleine Partikel, die von der Verbrennung fossiler Energieträger und Biomasse, aber auch beispielsweise von Vulkanausbrüchen herrühren143. Sie reflektieren einfallende Sonnenstrahlung in den Weltraum, absorbieren einen Teil der terrestrischen Wärmestrahlung und beeinflussen Wolken und Niederschläge, besitzen im Gegensatz zu den Treibhausgasen jedoch eine kurze Lebensdauer von wenigen Tagen oder Wochen144. d) Kohlenstoffaufnahme durch die Erde Erschwert wird die Prognose der Klimaentwicklung auch dadurch, dass die Oberfläche der Erde erhebliche Mengen an Kohlenstoff aufnimmt, global zwischen 1990 und 2000 ca. 2-4 Gt Kohlenstoff pro Jahr145. Insgesamt sind ca. 700 Gt Kohlenstoff in den Böden und mehr als 100 Gt Kohlenstoff in den Wäldern weltweit eingelagert146. Sowohl die sog. ozeanische Deckschicht als auch die terrestrische Biomasse nehmen Kohlenstoff auf, wobei bis heute nicht geklärt ist, welche Senke über welche Aufnahmekapazität verfügt147. Die Bandbreite reicht dabei von Jahren, in denen die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Kohlenstoffe fast vollständig aufgenommen werden bis hin zu Jahren, in denen nahezu kein Kohlenstoff
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Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 46, 48; Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 45; Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 357. Zu diesem Begriff Yvonne Kerth, ibid., S. 47 f. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 25. Wuppertal Institut (Hrsg.), Klimawirksame Emissionen des PKW-Verkehrs (2006), S. 13. Ihre Bedeutung ist jedoch für die aktuelle Erwärmung eher geringer als bisher angenommen, s. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 3. IPCC, ibid., S. 4 f. Wuppertal Institut (Hrsg.), Klimawirksame Emissionen des PKW-Verkehrs (2006), S. 13. Wuppertal Institut (Hrsg.), ibid., S. 13. Im Einzelnen besteht über ihre Wirkung jedoch noch Forschungsbedarf, s. auch IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 3. WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S.53. Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 142. Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 42.
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absorbiert wird148. Zu einem Anstieg der Konzentration eines Spurengases kommt es erst, wenn dessen Emissionen über der Aufnahmekapazität seiner Senken liegen149. Abbau und Wiederaufbau der ökosystemaren Kohlenstoffvorräte verlaufen hochgradig asymmetrisch: Kohlendioxid wird äußerst kurzfristig freigesetzt, aber nur über Jahrhunderte erneut eingelagert150. Die natürliche Kohlenstoffanreicherung liegt zwischen 0,5 t Kohlenstoff pro ha und Jahr während einer 100jährigen Erholungsphase nach landwirtschaftlicher Nutzung und 0,05 t Kohlenstoff pro ha und Jahr in einer Walderholung während einer Umtriebszeit in einem bewirtschafteten Wald151. Zudem behindert die Erwärmung die Aufnahme von Kohlendioxid und erhöht so den in der Atmosphäre verbleibenden Anteil anthropogener Emissionen152. In den letzten 40 Jahren lag der in der Atmosphäre verbleibende Kohlenstoff relativ konstant bei ca. 40 %153. Dabei verteilt sich die Aufnahme von CO2 nicht gleichmäßig über die Landmassen, sondern variiert regional stark154. Durch das erhöhte Kohlendioxidvorkommen in der Atmosphäre lässt sich inzwischen auch eine erhöhte CO2-Konzentration im Meerwasser nachweisen. Dies führt zur Versauerung des Wassers und kann Korallenriffe und andere Meeresorganismen erheblich schädigen155. Während das Kyoto-Protokoll in seinem Art. 3 III, IV grundsätzlich bemüht ist, diese Wirkungen aufzugreifen, und deshalb bestimmte Landflächen als sog. Kohlenstoffsenken anrechnet156, steht das europäische Zertifikatesystem den Senken und ihrer Anrechenbarkeit skeptisch gegenüber. Ihre Berücksichtigung im Zertifikatehandel zwischen Unternehmen wurde als systemfremd empfunden und ist bisher nicht vorgesehen. Entsprechend erkennt das europäische System auch keine Zertifikate aus CDM-Projekten mit Senkenbezug an. e) Klimasensitivität Unter Klimasensitivität versteht man die Veränderung der mittleren globalen Oberflächentemperatur bei einer Verdopplung der atmosphärischen CO2-Konzen-
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WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S. 53; Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 34: 44 %. Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 53. WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S. 55 ff. WBGU, ibid., S. 57. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 11. WBGU, Über Kioto hinaus denken, S. 53. WBGU, ibid., S. 54. Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Der Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 34; IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 12. Kritisch dazu WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S. 62 f.: Der Protokolltext sowie die Bonn-Vereinbarungen seien nicht dazu geeignet, zum Klimaschutz beizutragen, da nicht berücksichtigt werde, dass die Erhaltung vorhandener Kohlenstoffvorräte wichtiger sei als die Ausweitung von Senken. Vgl. auch WBGU, Die Anrechnung biologischer Quellen und Senken im Kyoto-Protokoll (1998), passim.
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tration157. Die Klimasensitivität ist bei Prognosen über den Klimawandel bei weitem der größte Unsicherheitsfaktor158. Gleichzeitig ist sie von größter Bedeutung, wenn es darum geht, Entscheidungen über den zukünftigen Kohlendioxidausstoß zu treffen, weil sie Treibhausgaskonzentration und Klimafolgen korreliert. Das IPCC geht von einer wahrscheinlichen Erwärmung um 2-4,5°C bei Verdopplung der vorindustriellen CO2-Konzentration aus, ohne höhere Werte auszuschließen159; für am wahrscheinlichsten wird ein Wert von ca. 3°C gehalten160. Als schwierig zu bewerten erweisen sich vor allem der kühlende Effekt anthropogener Aerosole161 sowie die Wirkungen der Wolken162. f) Wirkungszusammenhänge und Stand der Wissenschaft Aussagen und Prognosen über die Verursachung globaler Klimaveränderung durch Treibhausgasemissionen basieren auf komplexen physikalischen Klimamodellen, die zwar ständig weiterentwickelt werden, aber dennoch Modelle bleiben, die nicht sämtliche Details des Klimasystems wiedergeben können163. Trotz dieser Einschränkung ist wissenschaftlich belegt, dass Veränderungen in der atmosphärischen Konzentration von Treibhausgasen und Aerosolen, der Sonneneinwirkung oder der Schnee- und Eisbedeckung Einfluss auf die Energiebilanz des Klimasystems164 nehmen. In den letzten Jahren sind die Wirkungszusammenhänge verstärkt erforscht worden, die Erkenntnisse lassen immer präzisere Aussagen zu. Der jüngste Bericht des IPCC basiert auf den Erkenntnissen von mehr als 600 Wissenschaftlern weltweit und gibt den aktuellen Stand der heutigen Forschung wieder. Er gelangt mit einer Sicherheit von 90 bis 95 % zu dem Resultat, dass der größte Teil der während der letzten 50 Jahre beobachteten Erwärmung durch den zunehmenden Ausstoß von Treibhausgasen verursacht wurde165. Streitig sind heute nur noch Einzelheiten166: So wird das Ausmaß der natürlichen Temperaturschwankungen auf der Erde unterschiedlich beurteilt, weswegen 157
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Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 42 ff.; WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S. 24; IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 9. WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S. 24. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 9. Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 44. WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S. 24. Zur Wirkungsweise der Aerosole s.o. S. 35. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 9. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 90; vgl. auch Antonie Bauer, Treibhauseffekt (1993), S. 38 ff. Dennoch weisen die Wissenschaftler des IPCC in ihrem neuesten Bericht darauf hin, dass die verwendeten Computersimulationen sehr verlässlich seien, IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 2, 13. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, Summary for Policymakers, S. 2; WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S. 23. IPCC, ibid., S. 8. Robert Constanza et al., Einführung in die ökologische Ökonomik (2001), S. 10; Antonie Bauer, Treibhauseffekt (1993), S. 7. Zum aktuellen Stand der Diskussion Bojanowski, SZ v. 17.05.2005, S. 11. Nachvollziehbar sind diese Streitpunkte etwa in den
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auch der anthropogene Treibhauseffekt entsprechend differenziert bewertet wird167. Zudem gehen unterschiedliche Klimamodelle von verschiedenen Wirkungsmustern der einzelnen Parameter aus168. Beispielsweise halten bei weitem nicht alle Wissenschaftler ein Abbrechen der thermohalinen Zirkulation, des sog. Golfstroms, in Folge des Abschmelzens der Polkappen und der dadurch bedingten geringeren Salzdichte des Meereswassers für wahrscheinlich169. Auch den Einwirkungen durch variable Sonnenaktivität wird unterschiedliches Gewicht beigemessen170. Schließlich ist die Rolle der Wolken, die den Treibhauseffekt teils verringern, teils verstärken können, noch nicht geklärt171. Die vereinzelten Stimmen hingegen, die einen anthropogenen Klimawandel noch immer für ausgeschlossen oder jedenfalls unwahrscheinlich halten, werden zunehmend als unseriös qualifiziert172. Ein nicht von der Hand zu weisendes Problem bei allen Modellen und Berechnungen bleibt natürlich, dass die ökonomischen, ökologischen und technologischen Rahmenbedingungen ständigem Wandel unterliegen und nicht vorgegeben sind173. Fest steht, dass die weltweite atmosphärische Konzentration von Kohlendioxid, Methan und Stickoxiden seit dem Jahr 1750 deutlich angestiegen ist und nun die vorindustriellen Werte bei weitem übersteigt174. Anders als etwa Methan ist Kohlendioxid ein sehr langlebiges Gas, weshalb eine Reduktion des CO2-Ausstoßes erst mit einer Verzögerung von einigen Jahrzehnten zu einer Stabilisierung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre führt175. Selbst wenn sich die atmosphärische CO2-Konzentration stabilisiert, wird die bodennahe Lufttemperatur noch über Jahrzehnte um mindestens 0,1°C pro Dekade ansteigen176. Diese zeitversetzte Wirkung beruht auf dem langsamen Wärmetransport vom Land in die Ozeane und der zögerlichen Reaktion der Eisschilde auf Temperaturänderungen177. Aus diesem Grund wird gefordert, der Zenit der CO2-Emissionen müsse innerhalb der näch-
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regelmäßigen Berichten des IPCC, die häufig die Bandbreite der vertretenen Ansichten aufführen, s. zum neuesten Bericht etwa IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, Summary for Policymakers, passim. Gerhard Voss, Klimapolitik und Emissionshandel (2003), S.14. Gerhard Voss, ibid., S. 14. Vgl. Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 69 f. Gerhard Voss, Klimapolitik und Emissionshandel (2003), S. 14. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 9; Antonie Bauer, Treibhauseffekt (1993), S. 7. So bereits Antonie Bauer, Treibhauseffekt (1993), S. 7. Gerhard Voss, Klimapolitik und Emissionshandel (2003), S. 18; KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 6; Mort Webster et al., Climatic Change 61 (2003), S. 295 (296). Erkenntnisse hierüber wurden über die Auswertung von Eiskernbohrungen erlangt, hierzu IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 2. KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 4. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 10; ähnlich bereits KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 4. KfW Bankengruppe, ibid., S. 4.
II. Idee und Konzeption des Instruments Emissionshandel
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sten zehn bis zwanzig Jahre überschritten werden178. In jedem Falle jedoch werden vergangene und zukünftige Kohlendioxidemissionen noch für mehr als ein Jahrtausend zur Erwärmung der Erde und zum Anstieg des Meeresspiegels beitragen179. Die Brisanz dieser Erkenntnisse ist offensichtlich, schließlich basiert der Weltenergieverbrauch heute zu über 80 % auf den fossilen Energieträgern Kohle, Öl und Gas180. Besonders problematisch ist zudem, dass Treibhausgasemissionen in vielen Fällen nicht oder nur sehr schwer substituierbar sind181. Auch den Reduktionsmöglichkeiten sind in einer industrialisierten Gesellschaft Grenzen gesetzt182; im Mindesten wird der Wandel eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.
II. Idee und Konzeption des Instruments
Emissionshandel 1. Der Grundgedanke Das Modell handelbarer Emissionsrechte wurde von dem Ökonomen Dales183 Ende der sechziger Jahre zunächst für den Bereich des Gewässerschutzes entwickelt. Es soll einerseits der Tatsache Rechnung tragen, dass der relativ unflexible rein ordnungsrechtliche Ansatz in der komplexen, durch multi-kausale Wirkungszusammenhänge geprägten Regelungsmaterie Umweltschutz an seine Grenzen stößt184. Andererseits begegnet es auch dem Problem des traditionellen europäischen und nationalen Ordnungsrechts, dass Umweltgüter bis zur ordnungsrechtlichen Höchstgrenze ohne Gegenleistungen privatnützig belastet werden können185. Ein derartiges Zertifikatehandelsmodell soll nicht den staatlichen Gestaltungsauftrag ablösen, sondern vielmehr durch indirekte Steuerung186 zur effizienteren Rea-
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Nicholas Stern, Stern Review, Executive Summary (2006), S. xi; KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 7; CNRS et al., Greenhouse Gas Reduction Pathways in the UNFCCC Process up to 2025, Policymakers Summary, Oktober 2003, S. 7. IPCC, Climate Change 2007: The Physical Science Basis, S. 13. Gerhard Voss, Klimapolitik und Emissionshandel (2003), S. 14; WBGU, Welt im Wandel – Energiewende zur Nachhaltigkeit, Zusammenfassung für Entscheidungsträger (2003), S. 1. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 440 nennt als Beispiel Methanemissionen von Kühen. Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 53. John H. Dales, Pollution, Property and Prices (1968), insbes. S. 77 ff. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 68. Tilman Zimmer, ibid., S. 68 f. Zur besonderen Situation von Umweltgütern als öffentlichen Gütern vgl. Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 20 f. Hierzu Stefan Schuppert, Neue Steuerungsinstrumente im Umweltvölkerrecht am Beispiel des Montrealer Protokolls und des Klimschutzrahmenübereinkommens (1998), S. 5 f.
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
lisierung politischer Umweltschutzvorgaben beitragen187. Es beruht auf der Idee, die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln so zu gestalten, dass der Markt die Wirtschaftsunternehmen dazu veranlasst, sich „freiwillig“ umweltschonend zu verhalten188. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Anreizfunktion“189. Setzt das Recht von der Ökonomie entwickelte Konzepte um und setzt es dabei Rahmenbedingungen für ökonomische Entscheidungen, darf es auch von den zugrunde liegenden ökonomischen Grundlagen und Gesetzmäßigkeiten nicht völlig abstrahieren190. Daher ist es erforderlich, sich mit der ökonomischen Analyse von Umweltproblemen ebenso wie den in der Ökonomie entwickelten Gegenstrategien sowie deren Wirkungsweisen zu befassen, bevor deren rechtliche Umsetzung bewertet werden kann.
2. Der Widerspruch zwischen Einzelvorteil und Gesamtnutzen: negative externe Effekte Der Ansatz der Umweltökonomie besteht darin, Umweltprobleme als Knappheitsprobleme zu verstehen und sie vorwiegend durch eine verbesserte Effizienz der Nutzung von Umweltgütern zu lösen191. Als Hauptgrund für ungelöste Umweltprobleme sehen die Ökonomen eine Fehlallokation der knappen Umweltgüter, die durch sog. negative externe Effekte verursacht wird. Hierunter sind nach einer weiten Definition der Umweltökonomie „alle direkten und indirekten Verluste zu verstehen, die Dritte und die Allgemeinheit als Folge wirtschaftlicher Aktivität zu tragen haben, ohne dass sie im betrieblichen Rechnungswesen oder in der Wirtschaftsrechnung privater oder öffentlicher Haushalte als Kosten auftauchen, und denen die Betroffenen nicht indifferent gegenüberstehen“192. Bisher, d. h. solange CO2-Emissionen lediglich dem Umweltordnungsrecht unterlagen, hatten die dem einzelnen Anlagenbetreiber zufließenden Vorteile der Emission von Treibhausgasen keinen marktmäßig ermittelbaren Preis und tauchten nicht in der einzelwirtschaftlichen Kostenrechnung auf193. Eine derartige kostenlose Inanspruchnahme 187
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Michael Bothe, NVwZ 1995, 937 (938); Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 81 f., unter Beschränkung des Anwendungsbereichs ökonomischer Instrumente auf den Bereich der Vorsorge. Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 198 f.; Burkhard Huckestein, Effizienzbedingungen ökonomischer Instrumente in der EU-Umweltpolitik (1996), S. 57 f. Klaus Tischler, ibid., S. 199. Michael Kloepfer/Sigrid Reinert, in: Gethmann/Kloepfer/Reinert, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat (1995), S. 23. Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 31. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 69; vgl. Holger Bonus/Michael Häder, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 32 (34); Werner Zohlnhöfer, in: Constanza et al., Einführung in die ökologische Ökonomik (2001), S. 49. Peter Michaelis, Ökonomische Instrumente in der Umweltpolitik (1996), S. 16; Christoph Enders, DÖV 1998, 184; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S.69.
II. Idee und Konzeption des Instruments Emissionshandel
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natürlicher Ressourcen führt zu einer Übernutzung und damit in letzter Konsequenz zu Umweltschäden: Die Wirtschaftssubjekte nehmen die Nutzungsvorteile der Atmosphäre in Anspruch, haben aber keine monetären Anreize, durch Nutzungsverzicht zur Verbesserung der Qualität dieses Gutes beizutragen194. Folge der kostenlosen Nutzung natürlicher Ressourcen ist ein „Trittbrettfahrerverhalten“ bei den beteiligten Marktteilnehmern: Freiwillig ist keiner der Beteiligten bereit, zusätzliche Kosten für Emissionsreduktionen zu tragen, solange sich die anderen Marktteilnehmer nicht ebenfalls entsprechenden Pflichten unterwerfen195. Üblicherweise führt dieses Verhalten dazu, dass alle Anlagenbetreiber auf ein Handeln der anderen warten und nirgends Emissionsreduktionen vorgenommen werden196. Die Externalität treibt somit einen Keil zwischen die volkswirtschaftliche und die einzelwirtschaftliche Motivation ökonomischen Handelns197. Das Spektrum der so verursachten negativen externen Effekte reicht von Gesundheitsschäden beim Menschen über die Schädigung der biologischen Vielfalt bis hin zur Beeinträchtigung von Rechten und Lebenschancen künftiger Generationen198. Die von der Umweltökonomie entwickelte Gegenstrategie ist daher bestrebt, die negativen externen Effekte zu internalisieren, d. h. den betroffenen öffentlichen Gütern im Bereich der Treibhausgasemissionen der Atmosphäre einen Preis zuzuweisen, der der realen Knappheit199 der Ressource im Marktmechanismus entspricht200. Die Kosten für dieses Gut hat dann der Verursacher der Emissionen zu tragen201. Hierdurch wird die Verschwendung von Ressourcen unrentabel, und 194
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Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 24; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 69; vgl. auch Gerald Becker-Neetz, Rechtliche Probleme der Umweltzertifikatmodelle in der Luftreinhaltepolitik (1988), S. 5; Stefan Schuppert, Neue Steuerungsinstrumente im Umweltvölkerrecht (1998), S. 17 f. Holger Rogall, Neue Umweltökonomie – Ökologische Ökonomie (2002), S. 51 spricht hier vom sog. Allmendeproblem. Sehr deutlich aus juristischer Sicht bereits Horst Sendler, UPR 1983, 33 (38). Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 70; Dietrich Murswiek, NVwZ 1996, 417. Dieses Verhalten wird häufig auch als Freifahrerverhalten bezeichnet. Allgemein dazu Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 21 ff. Tilman Zimmer, ibid., S. 70. Holger Bonus/Michael Häder, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 32 (34). Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 69. Bei öffentlichen Gütern ist Knappheit ökonomisch nur festzustellen, wenn SollQualitäten definiert werden, vgl. Michael Kloepfer/Sigrid Reinert, in: Gethmann/ Kloepfer/Reinert, Verteilungsgerechtigkeit, S. 22 (32). Im Falle des Zertifikatehandels erfolgt dies durch die Festsetzung der zulässigen Gesamtemissionen. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 70; Werner Zohlnhöfer, in: Constanza et al., Einführung in die ökologische Ökonomik (2001), 49 (50); kritisch zu der zugrunde liegenden Annahme, dass ein Markt ohne Externalitäten das ökologische Gleichgewicht erhalten müsse Holger Bonus/Michael Häder, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 32 (34); Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 41 f. Unter Bezugnahme auf das umweltrechtliche Verursacherprinzip Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 41 f.; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
gleichzeitig können die Schäden in Umsetzung des Verursacherprinzips den Verursachern zugerechnet sowie die gesellschaftlichen Kosten gesenkt werden202. Schließlich aktiviert diese Vorgehensweise auch den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren für effiziente nachhaltige Entwicklungspfade und neue Techniken203. Aus ökonomischer Sicht liegt ein optimales Umweltqualitätsniveau dann vor, wenn die Summe der eingesparten individuellen Schadenskosten aus einer Umweltverbesserung mit den marginalen Vermeidungskosten übereinstimmt; dies bedeutet in der Regel nicht, dass Umweltbeeinträchtigungen vollständig unterbunden werden204.
3. Emissionshandel als marktwirtschaftliches Instrument zu Umweltschutzzwecken a) Preisansatz contra Mengenansatz im Umweltrecht Zur Internalisierung negativer externer Effekte kennt die Umweltökonomie heute im wesentlichen zwei Herangehensweisen: den Preisansatz, der mittels Umweltabgaben umgesetzt wird, und den Mengenansatz, der durch ein Zertifikatehandelssystem verwirklicht wird205. Beim Preisansatz ergibt sich die in Anspruch genommene Umweltnutzung aus der Anpassungsreaktion der Emittenten auf die durch die Abgabe vorgegebenen Preise; diese ist schwer vorhersagbar, so dass die ökologische Zielgenauigkeit dieses Modells zu wünschen übrig lässt206. In einem Zertifikatesystem hingegen wird eine staatliche Entscheidung über das Maximum zulässiger Umweltnutzung getroffen und über zertifizierte Umweltnutzungsrechte umgesetzt. Zertifikatmodelle stellen die ökologische Zielerreichung sicher, indem die Umweltbeeinträchtigung vorab festgelegt wird. Sie bieten sich insbesondere bei sog. Summations- und Akkumulationsschäden an207 und werden der Tatsache am ehesten gerecht, dass dem einzelnen Emittenten kein kausaler Zusammenhang
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(2004), S. 34; allgemein zum Verursacherprinzip Walter Frenz, Das Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht (1997), passim; Astrid Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2005, S. 106 ff. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 70; Gebhard Kirchgässner, in: Grimm (Hrsg.), Staatsaufgaben (1994), S. 453 (463). Gerhard Maier-Rigaud, in: Constanza et al., Einführung in die ökologische Ökonomik (2001), S. 190; Gebhard Kirchgässner, in: Grimm (Hrsg.), Staatsaufgaben (1994), S. 453 (463). Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 28. Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 242; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 73; Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 5. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 74. Zu Konstruktion und Schwierigkeiten der sog. Pigou-Steuern und des Preis-Standard-Ansatzes s. Henning Rentz, Kompensationen (1995), S. 43 ff. Lothar Hübl et al., Ökologische und wettbewerbliche Wirkungen der Übertragungsund der Kompensationsregel des Zuteilungsgesetzes 2007 auf die Stromerzeugung, Februar 2005, S. 9; Gerhard Voss, Klimapolitik und Emissionshandel (2003), S. 27.
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zwischen seiner Emission und dem Gesamtphänomen Klimawandel nachzuweisen ist, sich vielmehr eine Vielzahl von Klein- und Kleinstbelastungen einer kaum überschaubaren Anzahl an Handelnden weltweit zu möglicherweise großen Folgen addiert208. Der Mengenansatz ist im Bereich der Umweltpolitik dem Preisansatz häufig vorzuziehen, da sich ökonomische Systeme regelmäßig flexibler an Preisänderungen anpassen als ökologische Systeme Umweltveränderungen bewältigen können209. Zertifikatesysteme zur Schadstoffvermeidung funktionieren allerdings nur relativ problemlos, sofern sie Globalschadstoffe erfassen, d.h. die räumliche und zeitliche Verteilung des zertifizierten Stoffes darf für die verursachten Schäden keine Rolle spielen210. Dies ist bei den Treibhausgasen der Fall. b) Die Wirkungsweise des Zertifikatehandels Grundidee des Zertifikatehandels ist somit eine marktkonforme staatliche Mengensteuerung211: Der Emissionshandel schafft einen Markt für KohlendioxidZertifikate durch staatliche Verknappung der zulässigen Emissionen. Die Befugnis zur Emission von Treibhausgasen wird an den Besitz einer Genehmigung und ausreichend vieler Emissionsberechtigungen geknüpft212. Die zulässigen Gesamtemissionen werden von staatlicher Seite festgelegt, und in diesem Umfang werden gestückelte Berechtigungen zur Nutzung von Umweltgütern in räumlich-zeitlicher, quantitativer und qualitativer Hinsicht spezifiziert, verbrieft und als handelbare Rechtstitel in Verkehr gebracht213. Ein Emissionszertifikat stellt ein verbrieftes, übertragbares Recht dar, in einem vorgegebenen Zeitraum eine festgelegte Menge des betreffenden Schadstoffes zu emittieren214. Jeder Emittent darf nur soviel CO2 208
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Felix Ekardt, Das Prinzip Nachhaltigkeit (2005), S. 188; ähnlich Gernot Klepper, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 137 (146). Johannes Heister, Ökologie und Marktwirtschaft (1997), S. 29. Kritisch zu dieser Annahme Gertrude Lübbe-Wolff, NVwZ 2001, 481 (487), die auf die größere ökonomische Wirkung von Umweltabgaben gegenüber Zertifikatmodellen verweist. Bodo Sturm, Das EU-Emissionsrechtesystem (2003), S. 9; Eckard Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen aus ökonomischer und juristischer Sicht (1994), 92 (100); weniger absolut Tom Tietenberg, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 11 (27 ff.), der auch bei sog. hot spotProblematik noch ein – wenngleich reduziertes – Anwendungspotential für ökonomische Instrumente wie den Zertifikatehandel sieht. Grundlegend John H. Dales, Property and Prices (1968), S. 77 ff. für den Bereich der Wasserreinhaltung; zur Wirkungsweise des Zertifikatehandels Reinhard Sparwasser/Rüdiger Engel/Andreas Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, S. 105; Joachim Weimann, Umweltökonomik, 3. Aufl. 1995, S. 226 ff. Vgl. BMU-Hintergrundpapier zum Emissionshandel vom 17.12.2003, S. 1. Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 192; Burkhard Huckestein, Effizienzbedingungen ökonomischer Instrumente in der EU-Umweltpolitik (1996), S. 62 f.; Reinhard Sparwasser/Rüdiger Engel/Andreas Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, S. 105; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 75. Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 192; Tom Tietenberg, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 11 (20); Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 75.
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
ausstoßen, wie er mit Zertifikaten abdecken kann215. Nach der Zuteilung, für die unterschiedliche Modalitäten denkbar sind216, soll sich für die Emissionsberechtigungen ein Markt bilden217. Die Pflicht, für Treibhausgas-Emissionen mit derartigen Zertifikaten gleichsam zu bezahlen, schafft für die Betreiber wirtschaftliche Anreize, ihre Emissionen zu verringern oder zu vermeiden, um durch diese Emissionen veranlasste Betriebskosten zu minimieren218. Hierdurch wird die konkrete Zielerreichung den Normadressaten überlassen: Der Gesetzgeber muss sich nicht mit technischen Einzelheiten auseinander setzen, sondern überlässt es den sachnäheren Unternehmen, ihre Energiesparpotentiale optimal auszuschöpfen219. Auf diese Weise regelt der Markt die Verteilung der Reduktionsleistung: Je nachdem welche Alternative für sie die günstigere ist, werden Betreiber entweder im Bereich ihrer eigenen Anlage Emissionen reduzieren und ggf. Emissionszertifikate verkaufen oder aber Berechtigungen von anderen Betreibern zukaufen, falls eigene Minderungsmaßnahmen zu teuer wären220. Nicht alle Verursacher müssen gleichermaßen ihre Emissionen reduzieren, sondern die Emissionen werden dort eingespart, wo dies zu den geringsten Kosten möglich ist221. In einem funktionierenden Markt222 sind die Grenzvermeidungskosten aller Emittenten gleich und entsprechen die Zertifikatepreise weitgehend den Grenzvermeidungskosten223. Starke Abweichungen deuten auf ein Marktversagen oder jedenfalls marktliche Fehlfunk-
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Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 192; Burkhard Huckestein, Effizienzbedingungen ökonomischer Instrumente (1996), S. 63; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 39. Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 134. Mehr dazu unten S. 66 ff. Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 243; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 134. Begründung des Gesetzentwurfs zum Zuteilungsgesetz, BT-Drucks. 15/2966 S. 15; Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2128). Felix Ekardt, Das Prinzip Nachhaltigkeit (2005), S. 188. Begründung des Gesetzentwurfs zum Zuteilungsgesetz, BT-Drucks. 15/2966 S. 15; BMU-Hintergrundpapier zum Emissionshandel vom 17.12.2003, S. 2; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 76; Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 243. Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2128); Martin Burgi, NJW 2003, 2486 (2487); Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 76; Michael Bothe, NVwZ 1995, 937 (938). Dies setzt einerseits eine gewisse Anzahl an Handeltreibenden voraus, um monopolistische Tendenzen zu vermeiden und andererseits einen transparenten Markt, was bedeutet, es muss Handelsplattformen in der Art von Börsen geben, Peter Bohm/Frank Convery, Emissions Trading Policy Briefs 2, 2003, S. 2. Hier erweist es sich als günstig, dass die Zertifikate europaweit handelbar sind, denn auf dem deutschen Markt bestünde die Gefahr der Herausbildung oligopolistischer Strukturen, da ein Großteil der Zertifikate auf die 4 großen Energieversorger entfällt, vgl. Rohstoffe, Trockenheit und Emissionshandel treiben den Strompreis, dpa-Meldung vom 08.07.2005. Lothar Hübl et al., Übertragungs- und der Kompensationsregel (Februar 2005), S. 9.
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tionen hin224. In jedem Falle wird die Zertifikateausstattung zu einem Faktor, der in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einer Anlage mit eingeht225. Die Höhe der Zertifikatspreise wie der Grenzvermeidungskosten ist allerdings nur schwer prognostizierbar226, und die Einführung des Emissionshandels in der EG ist das beste Beispiel dafür: Für die erste Handelsperiode waren relativ niedrige Zertifikatspreise von ca. 5-10 € erwartet worden; tatsächlich lag der Preis für Zertifikate zwischenzeitlich bei ca. 30,- € und ist im Dezember 2007 auf ca. 0,03 € gesunken227. Dass der Preis nach dem anfänglichen Hoch so tief gefallen ist, erklärt sich damit, dass erste Zahlen über den Verbrauch von Emissionszertifikaten für das Jahr 2005 auf eine deutliche europaweite Überallokation hindeuteten. Dennoch profitieren Käufer wie Verkäufer vom Emissionshandel, dessen Kosten im Vergleich zu einem ordnungsrechtlichen Verfahren, bei dem jeder Beteiligte ein festes, unflexibles Klimaschutzziel zugewiesen bekommt, deutlich geringer sind228. Während Zertifikatehandelsmodelle in der ökonomischen „Reinform“ auf einer Versteigerung der Zertifikate beruhen229, ließ sich ein solches System auf europäischer Ebene zunächst nicht durchsetzen: Hier werden in der ersten Zuteilungsperiode mindestens 95 %, in der zweiten Zuteilungsperiode mindestens 90 % der Zertifikate den Unternehmen vom Staat kostenlos bzw. gegen eine Verwaltungsgebühr zugewiesen230. Diese Vergabeform verstärkt den dem Zertifikatesystem ohnehin inhärenten Effekt, dass einmal ausgegebene Zertifikate regelmäßig zur Abgeltung von Emissionen eingesetzt werden: Unternehmen, die überausgestattet sind, haben kein Interesse daran, Zertifikate verfallen zu lassen, sondern werden die übrigen Zertifikate an Unternehmen verkaufen, die zusätzliche Zertifikate benötigen. Ein Anreiz zu weiterem Sparen entfällt, wenn der Zertifikatepreis sinkt, weil die Zuteilungen zu großzügig waren231. Für die zweite Handelsperiode hat sich die Zuteilung an den jeweiligen Kyoto-Zielen der einzelnen Länder zu orientieren232; für die Zeit danach wird entscheidend sein, wie sich der internationale Klimaschutz weiter entwickelt. Die Menge ausgegebener Zertifikate wird jedoch voraussichtlich weiter reduziert, was im Regelfall für die Unternehmen entsprechend geringere Zuteilungen bedeutet233. 224
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Oliver Fromm/Bernd Hansjürgens, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), S. 150 (157). Zu den unterschiedlichen Problemen bei der Gewährleistung von Wettbewerbsgleichheit s. u. S. 57 ff. Lothar Hübl et al., Übertragungs- und der Kompensationsregel (Februar 2005), S. 24. Gernot Klepper, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), S. 137 (141); Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 440. Stratmann/Hauschild, Handelsblatt.com v. 09.03.2007; Geinitz, faz.net v. 07.03.2007; EUA-News v. 14.12.2007. Gerold Kier/Christoph Bals, Der Handel mit Treibhausgasreduktionen in der EU (2003), S. 10 f. Vgl. den ursprünglichen Entwurf von Dales, Property and Prices (1968), S. 93 ff. Art. 10 EH-RL, vgl. unten S. 79 f. Görres, SZ vom 15.02.2005, S. 2. Zur deutschen Gesetzeslage für die zweite Handelsperiode s.u. S. 139 ff. Tom Tietenberg, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 11 (21).
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4. Ökonomische Kriterien zur Beurteilung umweltpolitischer Instrumente Die Umweltökonomie hat Kriterien zur Beurteilung der eingesetzten Instrumente entwickelt, die den Besonderheiten des Umweltschutzes gerecht werden sollen234. a) Effizienz Effizient ist eine Regelung, wenn sie das selbstgesteckte Ziel kostengünstig erreichen kann235. Hierfür sind einerseits die Vermeidungskosten erheblich, die durch den Einsatz des jeweiligen Instrumentes entstehen, daneben aber auch die Transaktionskosten236, die mit Durchführung der umweltpolitischen Maßnahme selbst verbunden sind237. Der Effizienz, die ohnehin einer der wichtigsten ökonomischen Maßstäbe ist, kommt beim Klimaschutz, wo noch immer eine gewisse Unsicherheit über die Höhe der erforderlichen Treibhausgasreduktionen besteht, besondere Bedeutung zu. In Unsicherheitsszenarien ist es aus ökonomischer Sicht besonders wichtig, Instrumente einzusetzen, die die politisch zu setzenden Klimaschutzziele mit geringstmöglichen Kosten erreichen238. Der Emissionshandel soll einem kostenökonomischen Klimaschutz dienen und tut dies, indem er bewirkt, dass die Emissionsminderungen dort vorgenommen werden, wo sie am kostengünstigsten sind239. Durch den Handel wird sichergestellt, dass die Zertifikate unabhängig von ihrer Anfangsverteilung kostenminimal verteilt werden240. Grundsätzlich gilt also, dass der Handel mit Emissionsrechten ein effizientes Instrument sein kann. Die durch den Zertifikatehandel bewirkte Verteilung der Zertifikate selbst ist dann ef234
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Dazu Eckard Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen (1994), 92 (98 ff.); Holger Rogall, Neue Umweltökonomie (2002), S. 214 f.; Andreas A. Busch, in: Constanza et al., Einführung in die ökologische Ökonomik (2001), 239 ff. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 88; Eckard Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen (1994), S. 92 (98); Holger Rogall, Neue Umweltökonomie (2002), S. 215. Anders hingegen der Begriff der Effizienz bei Horst Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip (1995), insbes. S. 443 ff. zu effizienzorientierter Gesetzgebung, der davon ausgeht, dass Effizienz als übergeordnetes Ziel fungiert, gleichsam Selbstzweck ist. Demgegenüber bezieht sich Effizienz, wie sie in der vorliegenden Arbeit verstanden wird, immer auf die Erreichung eines vorab politisch definierten Zweckes, ist somit also Prüfungsmaßstab, ob eine Regelung ihr Ziel erreicht. Zum Problem der Transaktionskosten s. u. S. 48 ff. Peter Michaelis, Ökonomische Instrumente (1996), S. 47; Tilman Zimmer, CO2Emissionsrechtehandel (2004), S. 88. Alfred Endres/Reimund Schwarze, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 166 (168). Bodo Sturm, Das EU-Emissionsrechtesystem (2003), S. 9; Tilman Zimmer, CO2Emissionsrechtehandel (2004), S. 88; Eckard Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/ Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen (1994), 92 (99). Joachim Weimann, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 61.
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fizient, wenn die Zertifikate so verteilt sind, dass die den größtmöglichen Nutzen erzielen241. Dies ist der Fall, wenn die günstigsten Reduktionspotentiale genutzt wurden und die Zertifikate dort eingesetzt werden, wo Emissionsreduktionen mit höheren Kosten verbunden wären. Voraussetzung für die Kosteneffizienz von Zertifikatehandelsmodellen ist, dass die Zertifikatemärkte gut funktionieren242. Wird der Markt von einzelnen Teilnehmern dominiert und bilden sich monopolistische oder oligopolistische Strukturen, die Einfluss auf die Preisgestaltung nehmen können, geht der Marktpreis als Messlatte für umweltfreundliche Substitutionsprozesse verloren243. Hier gilt, dass der Staat den Markt überwachen und bei missbräuchlichem Verhalten eingreifen muss244. Generell führt eine höhere Anzahl Marktteilnehmer zu mehr Effizienz245. Schätzungen der Europäischen Kommission gehen von Kosteneinsparungseffekten beim Emissionshandel von mindestens 25-30 % – jährlichen Kosteneinsparungen europaweit in Höhe von ca. 1,3 Milliarden €246 – gegenüber anderen Klimaschutzmodellen aus247. Allein für Deutschland errechnete eine Studie wahrscheinliche Einsparungen von etwa 230 bis 550 Mio. € gegenüber Reduktion der Emissionen durch andere Maßnahmen248. Dieser Kostenvorteil soll darauf beruhen, dass der Handel die individuell vorhandenen Kosteninformationen transparent macht und dadurch einen Ausgleich der Grenzvermeidungskosten ermöglicht249 Bedenken hinsichtlich der Effizienz ökonomischer Instrumente können auf der erhöhten Komplexität derartiger Systeme und einem damit zu erwartenden höheren Kostenaufwand bei den Transaktionskosten basieren250. Hier muss sicherge241 242
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Vgl. Michael Bäuerle, in: Lange (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Recht (2003), 225 (232). Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 200; Burkhard Huckestein, Effizienzbedingungen ökonomischer Instrumente (1996), S. 137. Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 201. Mehr dazu s. u. S. 57 ff. Burkhard Huckestein, Effizienzbedingungen ökonomischer Instrumente (1996), S. 143. Sonja Butzengeiger et al., Making GHG Emissions Trading Work (2001), S. 19; Burkhard Huckestein, Effizienzbedingungen ökonomischer Instrumente (1996), S. 137. Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über ein System für den Handel mit Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 23.10.2001, KOM (2001) 581 endg., S. 49 f. Begründung des Gesetzentwurfs zum Zuteilungsgesetz, BT-Drucks. 15/2966 S. 15; noch höhere Einsparungen laut Commission Staff Working Paper, Winning the battle, v. 09.02.2005, S. 27; vgl. auch Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2128) m. w. A. Felix Matthes et. al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems auf die deutsche Industrie (2003), S. 147. Marcus Stronzik/Martin Cames, Endbericht für die wissenschaftliche Vorbereitung einer Stellungnahme zum Entwurf einer Direktive zur Implementierung eines EU-weiten Emissionshandels COM (2001) 581, 2002, S. 26. Holger Bonus/Michael Häder, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 32 (36); Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 88. Zu den Transaktionskosten s. auch u. S. 59 ff.
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stellt werden, dass die zusätzlichen Transaktionskosten langfristig niedriger ausfallen als die bei den Vermeidungskosten erzielbaren Einsparungen251. Handelbare Emissionsrechte erscheinen gegenüber steuerlichen Abgaben vorzugswürdig, da deren fehlende Mengenfixierung und das daraus resultierende „Trial-and-errorVerfahren“ zur Ermittlung der angemessenen Abgabenhöhe die Transaktionskosten auf Seiten der Unternehmen erhöht252. Des Weiteren ist eingewandt worden, dass Effizienzgewinne auch dann nicht entstehen, wenn die Kosten zur Senkung der Emissionen für alle betroffenen Betriebe vergleichbar sind253. Allerdings dürften die Vermeidungskosten bei CO2-emittierenden Anlagen einerseits bereits aufgrund des unterschiedlichen Alters der betroffenen Anlage, andererseits wegen der unterschiedlichen verwendeten Techniken und des technischen Fortschritts bei der Entwicklung neuer Verfahren ziemlich weit auseinander klaffen, so dass dieser Einwand nicht zum Tragen kommt. Verbessert werden kann die Effizienz des Zertifikatehandels langfristig, wenn mehr Treibhausgase einbezogen werden. Dies ist in der EH-RL auch vorgesehen254 und wird aller Voraussicht nach im Rahmen des technisch Möglichen auch durchgeführt werden. Im Verhältnis zu Auflagen ist der Emissionshandel effizienter, weil diese allgemeine Emissionsniveaus bestimmen, statt sie dem Markt zu überlassen. Dies führt zu volkswirtschaftlich höheren Kosten. b) Ökologische Treffsicherheit Das Kriterium der ökologischen Treffsicherheit oder ökologischen Wirksamkeit255 beschreibt den Grad der ökologischen Zielerreichung, der durch das jeweilige Instrument sichergestellt wird und damit die – theoretische und praktische – Fähigkeit eines umweltpolitischen Instruments zur Lösung des jeweiligen ökologischen Problems256. Da als sicher gelten darf, dass die zunehmende Konzentration von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre den Klimawandel vorantreibt, ist es Aufgabe eines wirksamen Klimaschutzes, die Emission von Treibhausgasen erheblich zu reduzieren. Wegen der Trägheit der relevanten Prozesse kommt es hier nicht auf kurzfristige Ergebnisse an, sondern auf eine langfristige Abnahme des Bestands an Klimagasen in der Atmosphäre257. Für die Industriestaaten enthält das KyotoProtokoll bindende Vorgaben zur Reduktion der absoluten Emissionen. Der große Vorteil des Zertifikatehandels gegenüber anderen Umweltinstrumenten besteht 251
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Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 89; Burkhard Huckestein, Effizienzbedingungen ökonomischer Instrumente (1996), S. 160. Tilman Zimmer, ibid., S. 88. Burkhard Huckestein, Effizienzbedingungen ökonomischer Instrumente (1996), S. 71; Gertrude Lübbe-Wolff, NVwZ 2001, 481 (486); Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 35. Vgl. u. S. 86. So etwa bei Holger Rogall, Neue Umweltökonomie (2002), S. 215; Andreas A. Busch, in: Constanza et al., Einführung in die ökologische Ökonomik (2001), 239 (240). Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 85; Holger Rogall, ibid., S. 215; Andreas A. Busch, ibid., 239 (240). Alfred Endres/Reimund Schwarze, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 166 (171).
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darin, dass in einem funktionierenden System ein Maximalausstoß an Kohlendioxid für das Gebiet des Emissionshandels sichergestellt ist258. Das Mengenziel wird auch eingehalten, wenn sich das wirtschaftliche Umfeld, z.B. das Angebot oder die Nachfrage nach Zertifikaten, verändert. Erforderlich sind allerdings stringente Kontroll- und Sanktionsmaßnahmen259. Ohne effektive Kontrollen gerät die ökologische Wirksamkeit eines Zertifikatehandelssystems in Gefahr. Die gesicherte ökologische Wirkung zeichnet den Zertifikatehandel beispielsweise gegenüber steuerlichen Regelungen aus260. Abgaben bewirken, dass die Unternehmen auf die Emissionen verzichten, deren Vermeidungskosten unterhalb des Steuersatzes liegen. Ohne umfassende Kenntnis von den Grenzvermeidungskosten der Emittenten können die Umweltziele leicht verfehlt werden bzw. müssen mittels eines „Trial-and-error-Prozesses“ ständig angepasst werden261. Um mittels ordnungsrechtlicher Anordnungen ebenso sicher die bezweckten Emissionsreduktionen zu erreichen wie beim Zertifikatehandel, müssten die zuständigen Behörden für sämtliche Produkte die ganze Vielzahl an Möglichkeiten zur Emissionsreduktion überblicken und die jeweils optimalen Auflagen wählen262. Technologieauflagen wie die Einhaltung des Standes der Technik sind hingegen nicht ökologisch treffsicher, da sie keinen Maximalausstoß festlegen. Relative Einsparungen können durch verstärkte wirtschaftliche Aktivität schnell überkompensiert werden263. Auch im Vergleich zu Selbstverpflichtungen der Industrie schneidet die Zertifikatelösung positiv ab. Die im Rahmen von Selbstverpflichtungsabkommen zugesagten Emissionsminderungen sind nicht im gleichen Maße verbindlich wie bei Zertifikaten264. Die Unternehmen können von der Erfüllung ihrer Zusage absehen, wenn sich herausstellt, dass die Kosten höher sind als erwartet265. Ein derartiges Verhalten kann für die Unternehmen selbst dann noch vorteilhaft sein, wenn sich der Staat im Falle eines Scheiterns des Abkommens zu hoheitlichen Maßnahmen entschließt; in diesem Falle können sie häufig Vorteile aus der Verlagerung der Vermeidungskosten in die Zukunft erlangen266. Ein Sanktionsmechanismus zur 258
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265 266
KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 9; Tilman Zimmer, CO2Emissionsrechtehandel (2004), S. 75; Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 244; Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 199. Oliver Fromm/Bernd Hansjürgens, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), S. 150 (162); Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 440. Marcus Stronzik/Martin Cames, Endbericht (2002), S. 26. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 86; Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 220. SRU, Die nationale Umsetzung des Emissionshandels (2006), S. 4; Alfred Endres, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen, S. 1 (3). Alfred Endres, ibid., S. 1 (4). Dieter Cansier, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 97 (106); Johannes Heister, Ökologie und Markt (1997), S. 24; Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S.128; Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 260. Dieter Cansier, ibid., 97 (106). Dieter Cansier, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 97 (106); Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 263.
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
Durchsetzung der Zusagen besteht nicht267. Zudem bestrafen Selbstverpflichtungen die Vorreiter, da sie auf den Kosten für Klimaschutzmaßnahmen sitzen bleiben, während andere Betriebe als „Trittbrettfahrer“ von ihren Reduktionen profitieren268. Es besteht ein hohes Maß an Intransparenz, wodurch die soziale Kontrolle erschwert wird269. Vielfach werden Selbstverpflichtungsziele zudem von vornherein so vorsichtig und unterhalb technisch ohnehin zu erwartender Entwicklungen festgelegt, dass ein Zusatznutzen dieser Instrumente im Mindesten fraglich ist270. Kritische Stimmen bezeichnen Selbstverpflichtungen daher als „politische Täuschung“, mit welcher die Politik ihre Verantwortung für die Umweltpolitik auf die Verursacher von Umweltproblemen verlagert271. Eine ebenso sichere Emissionsbegrenzung nach oben wie sie ein Zertifikatehandelssystem leistet, ist somit mit keinem anderen Umweltinstitut erreichbar – weder durch Ordnungsrecht, noch durch Ökosteuern, noch durch freiwillige Selbstverpflichtungsabkommen272. Ein weiterer Vorteil von Zertifikatslösungen besteht darin, dass sich ggf. aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse notwendige Verschärfungen der Klimaziele durch begrenzte zeitliche Gültigkeit und regelmäßige Neuzuteilung der Zertifikate verhältnismäßig einfach verwirklichen lassen273. Die ökologische Treffsicherheit von Zertifikatehandelssystemen ist somit höher als bei einer Abgaben- oder Auflagenlösung274. Das europäische System stößt allerdings an logische Grenzen: Klimaschutz kann nur verwirklicht werden, sofern die weltweiten Emissionen reduziert werden, und auf Europa entfällt ein relativ geringer Anteil. Gleichzeitig schließen die Entwicklung- und Schwellenländer bei der Industrialisierung auf und verwenden dafür häufig Technik, die den Effizienzstandards der Industriestaaten nicht gerecht wird. Insbesondere in China, Indien, Brasilien und Indonesien ist mit stark ansteigenden Kohlendioxidemissionen zu rechnen275. Dadurch verlagert sich ein Teil des Problems auf Staaten, auf die das europäische Handelssystem keinen direkten Einfluss nehmen kann. Eine gewisse Verbindung wurde jedoch dadurch erreicht, dass 267 268
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Klaus Tischler, ibid., S. 263; Holger Rogall, Neue Umweltökonomie (2002), S. 223 f. Gerold Kier/Christoph Bals, Handel mit Treibhausgasreduktionen (2003), S. 12; Marcus Stronzik/Martin Cames, Endbericht (2002), S. 26; Felix Ekardt, Zukunft in Freiheit (2004), S. 562. Felix Ekardt, Zukunft in Freiheit (2004), S. 562 f.; Marcus Stronzik/Martin Cames, Endbericht (2002), S. 26; Bodo Sturm, Das EU-Emissionsrechtesystem (2003), S. 16. Felix Ekardt, Zukunft in Freiheit (2004), S. 561. Eine positivere Einschätzung dieses Instruments findet sich hingegen bei Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 2. Johannes Heister, Ökologie und Marktwirtschaft (1997), S. 24. Vertiefend zu den Defiziten derartiger Selbstverpflichtungen allgemein sowie besonders der Selbstverpflichtung der deutschen Industrie zum Klimaschutz Felix Ekardt, Zukunft in Freiheit (2004), S. 555 ff. Ludger Giesberts/Juliane Hilf, Handel mit Emissionszertifikaten (2002), Rz 301 f. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 86. Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 220; Tilman Zimmer, ibid., S. 87. Simon Marr/Sebastian Oberthür, in: Rengeling, EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, S. 257.
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Zertifikate aus CDM und JI auch im Europäischen Zertifikatehandelssystem anrechenbar sein sollen276. Zudem ist das Kyoto-Protokoll in Kraft getreten und laufen die Verhandlungen für ein Nachfolgeabkommen277. Es setzt sich weltweit und sogar zunehmend in den USA die Erkenntnis durch, dass die anthropogenen Einflüsse auf das Weltklima reduziert werden müssen. Langfristig effektiv wird der Klimaschutz nur sein, wenn auch in den Schwellenländern, gerade in China und Indien, Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen durchgesetzt werden können278. Dies macht den europäischen Emissionshandel jedoch nicht als ganzen ökologisch ineffektiv. Global betrachtet kann der europäische Emissionshandel natürlich nicht sicherstellen, dass die Emissionen reduziert werden. Jedenfalls dem europäischen Teil der klimaschädlichen Emissionen kann jedoch auf diese Weise begegnet werden. Derartige Probleme stellen sich jedoch bei jeglichen Maßnahmen, die auf nationaler oder europäischer Ebene in einem globalen Kontext vorgenommen werden, wobei wegen der dargelegten Effekte europaweite Regelungen solchen auf nationaler Ebene vorzuziehen sind. Im europäischen Zertifikatehandelssystem ist die ökologische Treffsicherheit noch deutlich höher als bei sonstigem regulativen Staatshandeln oder bei Einführung einer CO2-Steuer. c) Dynamische Anreizwirkung Unter dynamischer Anreizwirkung oder auch dynamischer Effizienz eines Instruments versteht man dessen Auswirkungen auf die Systemteilnehmer: Eine dynamische Anreizwirkung geht von einem Instrument aus, wenn ein ständiger Anreiz für die Teilnehmer besteht, kostensparende und emissionsmindernde Techniken und Technologien zu entwickeln und einzuführen279. Dieser Anreiz ist in einem Zertifikatehandelssystem gegeben, weil die Emittenten selbst entscheiden können, wie und wo sie Emissionen einsparen können280 und weil durch Emissionsminderungen freiwerdende Zertifikate einen nicht unerheblichen Marktwert besitzen281. Auch hier ist der Zertifikatehandel alternativen Instrumenten überlegen: Bei regulativem Staatshandeln fällt der Anreiz zu weiteren Emissionsminderungen weg,
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Vgl. hierzu auch Johannes Heister, Ökologie und Marktwirtschaft (1997), S. 33. Zuletzt im großen Rahmen bei der Klimakonferenz in Nusa Dua auf Bali, vgl. hierzu umfassend die offizielle web-site der COP 13 http://unfccc.int/meetings/cop_13/items/4049.php Alfred Endres/Reimund Schwarze, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 166 (169). Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 201; vgl. Tilman Zimmer, CO2Emissionsrechtehandel (2004), S. 89; Holger Rogall, Neue Umweltökonomie (2002), S. 215. SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 4; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 89. Reinhard Sparwasser/Rüdiger Engel/Andreas Voßkuhle, Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, S. 105. Zu Recht verweisen die Autoren darauf, dass diese Wirkung nachlässt, wenn aufgrund technischer Neuerungen der Wert der Zertifikate absinkt.
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
sobald die gesetzliche Schwelle erreicht ist282. Ein Anreiz, Entwicklungen vorzunehmen, die den Stand der Technik verbessern, fehlt283. Im Gegenteil besteht die Gefahr, dass Weiterentwicklungen von der Wirtschaft geheim gehalten werden, um eine Anpassung des Standes der Technik zu vermeiden; die wirtschaftswissenschaftliche Literatur spricht hier vom „Schweigekartell der Oberingenieure“284. Im Falle steuerlicher Regelungen kommt es auf deren Ausgestaltung an: Steuervergünstigungen können entweder an bestimmte Schwellenwerte anknüpfen, dann gilt das zum regulativen Staatshandeln dargestellte Problem entsprechend. Oder aber der Energieverbrauch bzw. Kohlendioxidausstoß wird besteuert; in diesem Fall besteht ähnlich wie beim Emissionshandel eine dynamische Anreizwirkung. Diese beschränkt sich jedoch auf reine Einsparungen, während im Emissionshandelssystem bei steigenden Zertifikatspreisen nicht nur Kosten eingespart, sondern Zertifikate zudem gewinnbringend verkauft werden können. Aus diesem Grund wird verstärkt in die Entwicklung neuer Technologien und verbesserter Produktionsprozesse investiert285. Das Hauptargument gegen eine Abgabe ist jedoch, dass sie bisher in europaweit einheitlicher Form nicht durchsetzbar war. Zu bedenken ist allerdings, dass, wie bereits angesprochen, der Idee des Zertifikatehandels gleichzeitig inhärent ist, dass ausgegebene Zertifikate auch genutzt werden. Dies hat zur Folge, dass zwar die technische Entwicklung gefördert wird, weil jedes Unternehmen möglichst viele seiner Zertifikate gewinnbringend zu verkaufen strebt. Gleichzeitig erfordert eine weitere Reduktion der Gesamtemissionen staatliches Handeln in Form einer Abwertung bzw. Verknappung der Zertifikate; von selbst stellt sie sich nicht ein286. Sinkt infolge technischer Innovationen die Nachfrage nach Zertifikaten und sinkt ihr Preis, besteht die Gefahr, dass sich der Anreiz zu weiteren Innovationen verringert287. Geht man jedoch davon aus, dass der Staat die Zertifikatemenge in gewissen regelmäßigen Abständen verknappt288 oder das Wirtschaftswachstum sich verstärkt und dadurch die Nachfrage nach Kohlendioxidzertifikaten mindestens konstant bleibt, ist die dynamische Anreizwirkung erheblich.
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Alfred Endres, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen aus ökonomischer und juristischer Sicht (1994), 1 (3). Johannes Heister, Ökologie und Marktwirtschaft (1997), S. 29; Alfred Endres, ibid., 1 (4); Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 223. Johannes Heister, ibid.,, S. 29; Peter Michaelis, Ökonomische Instrumente (1996), S 49. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 89; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 40; zur letztlich für nicht besonders relevant eingeschätzten Gefahr von Trittbrettfahrerverhalten von Marktteilnehmern Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 202. Eckard Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen (1994), 92 (93); Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 245. Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 201. Bedenken hinsichtlich der politischen Durchsetzbarkeit einer kontinuierlichen Abwertung äußert Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 245.
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d) Wirkungsgeschwindigkeit Die Wirkungsgeschwindigkeit gibt im Falle des Klimaschutzes die Geschwindigkeit der Anpassung der tatsächlichen Emissionen an das vorgegebene Emissionsziel wieder289. Ökonomische Instrumente sehen sich allgemein dem Vorwurf ausgesetzt, erst mit erheblicher Zeitverzögerung wirksam zu werden; dies gilt für Zertifikats- wie Abgabenmodelle gleichermaßen290. Dem steht jedoch entgegen, dass die pekuniären Anreize eines Zertifikatesystems dazu führen können, dass selbst ambitioniertere Minderungsvorgaben noch recht kurzfristig erreicht werden291. Da der Prozess des Klimawandels und auch der des Klimaschutzes zudem ein sehr langfristiger ist, verursacht selbst eine verminderte Wirkungsgeschwindigkeit der ökonomischen Instrumente keine größeren Schwierigkeiten292. e) Flexibilität Aus der Unsicherheit über die Erfordernisse der Klimaschutzpolitik folgt auch die Forderung nach Flexibilität: Instrumente und Institutionen des Klimaschutzes sollen möglichst flexibel gestaltet werden, damit sie schnell an neue Informationen angepasst werden können293. Grundsätzlich sind marktwirtschaftliche Instrumente dem Ordnungsrecht in dieser Hinsicht überlegen294. Gewisse Schwierigkeiten ergeben sich für Zertifikatesysteme daraus, dass sie bereits zur Sicherung der Marktfunktion ein Mindestmaß an Kalkulierbarkeit gewährleisten müssen295. Abgabensysteme sind hier flexibler296. Geht man aber davon aus, dass ein System länderübergreifend arbeiten muss, relativiert sich der Vorteil der Abgabenlösungen vor dem Hintergrund der Schwerfälligkeit internationaler politischer Prozesse297. In Bezug auf die Flexibilität gegenüber technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungen schneiden Zertifikatlösungen sogar besser ab als Abgaben, weswegen letztlich die relative institutionelle Inflexibilität von Zertifikatehandelssystemen nicht besonders stark ins Gewicht fällt298.
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Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 85. Andreas A. Busch, in: Constanza et al., Einführung in die ökologische Ökonomik (2001), 239 (240) diskutiert diesen Punkt unter dem Begriff „Wirkungsverzögerung“. Tilman Zimmer, ibid., S. 87. Peter Michaelis, Ökonomische Instrumente (1996), S. 40 verweist etwa auf den Kostenvorteil emissionsarmer Technologien. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 87. Alfred Endres/Reimund Schwarze, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 166 (168); Andreas A. Busch, in: Constanza et al., Einführung in die ökologische Ökonomik (2001), 239 (241). Peter Michaelis, Ökonomische Instrumente (1996), S. 47. Alfred Endres/Reimund Schwarze, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 166 (174). Alfred Endres/Reimund Schwarze, ibid., 166 (174). Alfred Endres/Reimund Schwarze, ibid., 166 (174). Alfred Endres/Reimund Schwarze, ibid., 166 (175); vgl. auch Dieter Cansier, NVwZ 1994, 642 (646).
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
5. Wirtschaftliche Auswirkungen des Emissionshandels a) Makroökonomische Auswirkungen Die Kosten der Einhaltung der Kyoto-Ziele sind unklar und wurden in verschiedenen Studien mit unterschiedlichsten Ergebnissen berechnet299. Besonders eingehend hat sich jüngst der umstrittene Stern-Report mit den Kosten von Klimawandel und Klimaschutz befasst300. Sicher scheint jedoch zu sein: Die Gesamtkosten für die Gesamtheit der Branchen und Anlagen in Deutschland sowie das Saldo aus dem grenzüberschreitenden Zu- und Verkauf von Zertifikaten sind weitestgehend unabhängig von den Ausgestaltungsvarianten für die Zuteilung der Emissionsrechte, solange diese kostenlos erfolgt301. Die durch den europäischen Emissionshandel zu erreichenden Einsparungen hängen nicht zuletzt von seiner Einbindung in internationale Systeme ab: Klimawandel ist ein globales Phänomen, das nicht allein durch Reduktion der europäischen Emissionen aufgehalten werden kann. Je mehr Staaten sich an dieser Aufgabe beteiligen, desto niedriger die Kosten302. Solange ein internationales System noch nicht existiert, können letztere daher etwa durch die Einbeziehung der flexiblen Instrumente JI und CDM verringert werden303. b) Sektorale Auswirkungen Die sektoralen Auswirkungen des Emissionshandelssystems hängen demgegenüber maßgeblich von der staatlichen Anfangsallokation ab, wobei das gewählte Basisjahr bzw. die zugrunde gelegte Basisperiode bei Vergabe nach dem sog. Grandfathering-Prinzip von besonderer Bedeutung ist. Bei der Allokation gilt aufgrund der festen Gesamtmenge das „System kommunizierender Röhren“: sobald ein Sektor zusätzliche Ausstattungen erhält, hat dies Ausstattungsdefizite bei den anderen Branchen zur Folge304. So würde eine Allokation auf Basis der historischen Emissionen von 1990 oder einer frühen Basisperiode von 1990-1992 mit einem Emissionsfaktor, der gleichermaßen auf alle Branchen angewendet wird, insbesondere für das verarbeitende Gewerbe eine deutliche Überallokation und somit erhebliche Gewinne bei der Veräußerung der Zertifikate
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Verschiedenen Untersuchungen zufolge betragen die durchschnittlichen CO2Vermeidungskosten in Europa zwischen 70 und 100 € pro t, Rüdiger Schweer/Armin Sandhövel, et 53 (2003), 821. Vgl. dazu auch o. S. 13 ff. Nicholas Stern, Stern Review (2006). Dieser Bericht wurde politisch sowie ökonomisch heftig diskutiert und ist auf sehr viel Zustimmung, aber auch auf harsche Kritik gestoßen. Zu den Reaktionen auf den Bericht s. Giles, nature online v. 01.11.2006. Felix Mattes et. al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems (2003), S. 114. S. dazu Commission Staff Working Paper, Winning the battle, v. 09.02.2005, S. 28; Gerhard Voss, Klimapolitik und Emissionshandel (2003), S. 39 f. Felix Mattes et. al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems (2003), S. 32. Felix Mattes et al., ibid., S. 150.
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bedeuten305. Dem stünde eine erhebliche Unterversorgung der Stromwirtschaft gegenüber306. Ein späteres Basisjahr bzw. eine spätere Basisperiode bewirkt hingegen eine Unterversorgung der Sektoren Glasgewerbe, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden sowie der Metallerzeugung und –bearbeitung und führt zu einer bedarfsgerechteren Ausstattung der Stromerzeuger307. Durch ein späteres Basisjahr wird die Verteilung bedarfsgerechter, wodurch auch die Transaktionszahlen geringer ausfallen. Gleichzeitig werden Unternehmen benachteiligt, die bereits frühzeitig ihre Emissionen reduziert haben308. Dementsprechend erhöht ein frühes Basisjahr bzw. eine frühe Basisperiode die Zusatzerlöse derjenigen Branchen, für die eine Verkäuferposition angelegt ist, und erhöht die Kosten derjenigen Branchen, die zukaufen müssen309. Weiter ließen sich die Transfervolumina vermindern, wenn eine Zuteilung im Wege kostenorientierter Allokationsverfahren stattfände, d.h. die jeweiligen Kosten der Emissionsminderung dem Verteilungsverfahren zugrunde gelegt würden310. Derartige Modelle kämen vor allem der Stromversorgung zugute. Sobald ein Teil der Zertifikate auktioniert wird, erhöht sich der Zukaufsbedarf automatisch. Hierbei verringert sich jedoch die Spreizung zwischen Zusatzkosten und –erträgen wesentlich311. Die Effekte, die dies letztlich auf die einzelnen Sektoren hat, stehen aber in Abhängigkeit zur Verwendung der bei der Versteigerung eingenommenen Mittel312. Im Einzelnen sind die längerfristigen Auswirkungen des Emissionshandels auf die unterschiedlichen Sektoren nicht präzise vorherzusagen. Zu den maßgeblichen Faktoren zählen technische Neuerungen ebenso wie Preiseffekte auf Produkte, die in Anlagen hergestellt werden, die dem Emissionshandel unterliegen. Bestimmte Sektoren wie Kohle und Stahlproduktion dürften ohne Sonderregelungen aufgrund ihres schwer zu reduzierenden CO2-Ausstoßes besonders unter Druck geraten313. c) Auswirkungen innerhalb der Energiewirtschaft Auf die Energiewirtschaft entfällt der größte Teil der Kohlendioxidemissionen, weswegen ihr im Emissionshandelssystem eine besondere Rolle zukommt. Sie konnte die Emissionen in den letzten Jahren aufgrund des steigenden Energiekonsums nur vergleichsweise geringfügig reduzieren, so dass die Energiebranche in reinen Grandfathering-Systemen nur sehr knapp mit Zertifikaten ausgestattet 305 306 307 308 309
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Felix Mattes et al., ibid., S. 75. Felix Mattes et al., ibid., S. 75. Felix Mattes et al., ibid., S. 76. Marcus Stronzik/Martin Cames, Endbericht (2002), S. 9. Felix Mattes et al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems (2003), S. 116. Felix Mattes et al., ibid., S. 86. Felix Mattes et al., ibid., S. 148. Felix Mattes et al., ibid., S. 133. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 108. Der NAP II und der Kabinettsentwurf eines neuen ZuG 2012 sehen aus diesem Grund deutlich geringere Minderungspflichten der Industrie im Vergleich zum Energiesektor vor, vgl. u. S. 145 ff.
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
wird. Je früher das Basisjahr gewählt wird, desto erheblichere Zusatzkosten entstehen für die Energiekonzerne314. Neu ist im Bereich der Energieversorger, dass die Wettbewerbsposition der einzelnen Energieträger betroffen wird315. Vor Einführung des Zertifikatehandels erfuhr die Braunkohle keinen Nachteil durch die mit ihrer Verbrennung verbundenen besonders hohen CO2-Emissionen316. Sofern keine politische Entscheidung getroffen wird, die Braunkohleverstromung wirtschaftlich zu erhalten, indem entsprechend hohe Zertifikatbestände zugewiesen werden, geraten Braunkohle-, aber auch Steinkohlekraftwerke durch die benötigten Emissionsmengen besonders unter Druck. Nicht zuletzt haben die Zertifikatspreise Einfluss darauf, welche Kraftwerke rentabel betrieben werden können: solange der Zertifikatspreis unterhalb von 12 Euro bleibt, rechnen sich Kohlekraftwerke317. Steigt er darüber hinaus, werden Erdgaskraftwerke zunehmend interessanter. Diese Wirkung ist aber Ausdruck der erwünschten und durch das Zertifikatesystem auch bezweckten Substitution der schadstoffbelasteten durch weniger belastete Energieträger318. Die Rolle der Kernkraft in diesem Zusammenhang ist nach wie vor umstritten319.
6. Ökonomisches Idealmodell und seine Umsetzung in der EG und in Deutschland: Schwierigkeiten und Vollzugsdefizite a) Wettbewerbsgleichheit Die Akzeptanz umweltpolitischer Instrumente hängt davon ab, dass sie keine weiteren als die umweltpolitisch unbedingt gebotenen Änderungen in der Wettbewerbsposition verursachen320. Derartige unerwünschte Effekte sind nicht nur bei der Ausgestaltung des Zertifikatesystems, sondern auch bei der Entwicklung der Allokationsregeln im Auge zu behalten und nach Möglichkeit zu vermeiden. aa) Zwischen unterschiedlichen EG-Mitgliedstaaten Dadurch, dass jedenfalls im bestehenden EU-Zertifikatehandelssystem die Mitgliedstaaten für die Allokation der Zertifikate zuständig sind und jedes Land im Rahmen bestimmter grundsätzlicher Vorschriften eigene Zuteilungsmodi ent314
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Felix Mattes et. al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems (2003), S. 130. Diese zusätzlichen Kosten kann die Energiewirtschaft jedoch, wie sich bereits gezeigt hat, verhältnismäßig leicht auf ihre Kunden abwälzen, vgl. S. 63 ff. zu den sog. „windfall profits“ oder Opportunitätskosten. Joachim Weimann, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 61 (67). Joachim Weimann, ibid., 61 (67). Emissionshandel macht Umweltschutz zum Jobmotor, ftd.de vom 10.01.2005. Andere Berechnungen knüpfen an die erforderlichen Reduktionen an, danach führen Emissionsminderungsziele ab -10% zu einem erheblichen Rückgang von Kohlekraftwerken, s. Norbert Enzensberger et al., et 54 (2004), 66 (68). Joachim Weimann, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 61 (67). S. beispielsweise Norbert Enzensberger et al., et 54 (2004), 66 passim. Horst Zimmermann/Bernd Hansjürgens, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 47 (51).
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wickelt321, besteht immer auch die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen zwischen Industrien unterschiedlicher Mitgliedstaaten. Diese könnten nur beseitigt werden, indem man einen gesamteuropäischen Zuteilungsschlüssel entwickelt, wovor die Mitgliedstaaten jedoch aus Sorge zurückschrecken, nicht mehr steuernd in den Markt eingreifen und nationalen Besonderheiten gezielt begegnen zu können. Aber die Wettbewerbsverzerrungen machen sich gerade in Märkten bemerkbar, die ohnehin bereits wettbewerbsverzerrenden Besteuerungen unterliegen. So hat eine Arbeitsgruppe des MIT Joint Program on the Science and Policy of Global Change erarbeitet, dass die verschiedenen Energiesteuern sich in einem Emissionshandelssystem besonders für potentielle Verkäufer von Zertifikaten negativ auswirken und für diese die Teilnahme an einem internationalen Zertifikatehandelssystem unrentabel machen können322. Dieser Effekt ist weniger ausgeprägt, solange der Handel auf die verhältnismäßig wenigen Marktteilnehmer des gegenwärtigen Systems beschränkt bleibt323; das Problem wird aber zunehmend relevant, wenn der Markt vergrößert werden soll. Hier erscheint es ratsam, zunächst die verzerrenden Steuern abzubauen oder jedenfalls zu harmonisieren324. Wettbewerbsverzerrungen zwischen europäischen und dem Kyoto Protokoll nicht unterliegenden beziehungsweise nicht zu Reduktionen verpflichteten Märkten sind ebenfalls zu befürchten und im bestehenden System nicht zu vermeiden325. bb) Wettbewerbsverzerrungen durch Marktmacht Wettbewerbsverzerrungen können auch dadurch entstehen, dass einzelne Marktteilnehmer bzw. Oligopole die Zertifikatspreise strategisch manipulieren können, sei es als monopolistischer Verkäufer oder Käufer326. Für derartige Manipulationen erforderliche Marktmacht kann entstehen, wenn die Anzahl der Emittenten klein ist, oder wenn einzelne Emittenten einen hohen Anteil an der Gesamtmenge der Emissionen haben327. Eine gewisse Gefahr scheint sich im deutschen System daraus zu ergeben, dass ein Großteil der Zertifikate an die oligopolistisch strukturierten Energieversorger vergeben wurde. Dennoch lassen empirische Studien das Risiko eher gering erscheinen328. Es handelt sich um Wettbewerb auf der Beschaffungsseite, der vergleichbar ist mit dem Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte 321
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Kritik daher an den „denkbar weiten und inhaltlich offenen Formulierungen der Richtlinie“ bei Astrid Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2005, S. 329. Mustafa Babiker et.al., Is International Emissions Trading Always Beneficial? (2002), S. 22. Mustafa Babiker et.al., ibid., S. 22. Mustafa Babiker et.al., ibid., S. 22. Mustafa Babiker et.al., ibid., S. 22. Tom Tietenberg, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 11 (29); Gerald BeckerNeetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 45 f. Joachim Weimann, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 61 (62); vgl. auch Alfred Enders/Reimund Schwarze, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen (1994), 137 (184). Dazu Tom Tietenberg, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 11 (29); Björn Carlén, Market Power in International Carbon Emissions Trading (2003), S. 6.
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
oder Kapital; wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen sind jedoch typischerweise auf den Absatzmarkt bezogen329. Dies führt dazu, dass ein Unternehmen, das Zertifikate im Übermaß aufkaufen will, auch Unternehmen aus anderen Branchen, mit denen es eigentlich nicht im Wettbewerb steht, auf kostspielige Weise ausschalten müsste330. Zudem ist zu bedenken, dass der Handel mit Zertifikaten europaweit erfolgt und es einen separaten deutschen Markt gar nicht gibt. Auf dem europäischen Markt hingegen dürfte auch eine hinreichende Anzahl an Marktteilnehmern vorliegen, um derartige Bedenken zu entkräften. Schließlich haben ökonomische Experimente Zweifel daran aufkommen lassen, ob eine beherrschende Position eines Marktteilnehmers tatsächlich erhebliche Auswirkungen auf das Verteilungsergebnis und den Preis der Zertifikate haben kann331. cc) Wettbewerbsverzerrungen zwischen Anlagen innerhalb und außerhalb des Zertifikatehandelssystems Wettbewerbsverzerrungen können sich auch dadurch ergeben, dass die Anforderungen an die Reduzierung von Kohlendioxid inner- und außerhalb des Emissionshandelssystems variieren332. So ist denkbar, dass Anlagen, die dem Emissionshandel nicht unterfallen, ordnungsrechtlich deutlich einschneidendere Maßnahmen abverlangt werden. Ebenso kann ein System daran scheitern, diese Anlagen in einem entsprechenden Maß zu Emissionsreduktionen anzuhalten. Aus ökonomischer Sicht sollten die Emissionsminderungsziele so gesetzt werden, dass die Gesamtminderungskosten minimiert werden, d.h. dass die Vermeidungskosten inner- und außerhalb des Emissionshandels einander entsprechen sollen333. Hieraus folgt, dass Sektoren mit geringeren Vermeidungskosten den größeren Teil an Emissionen reduzieren334. Studien deuten darauf hin, dass die Vermeidungskosten für Kohlendioxidemissionen in den am Emissionshandel beteiligten Sektoren niedriger liegen als in anderen Bereichen335. Bisher gibt es jedoch europaweit die Tendenz, den Teilnehmern am Zertifikatehandel eher einen unterproportionalen Anteil an den Reduktionen zuzuweisen336. Hier ist auch unter dem Aspekt des Gleichheitsgrundsatzes Aufgabe des Gesetzgebers, ein möglichst vergleichbares Maß an Belastung anzustreben. Jedenfalls zu einem gewissen Maße wird dieses Anliegen in Krit. 3 von Annex III der EH-RL aufgegriffen337. 329
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334 335 336
337
Horst Zimmermann/Bernd Hansjürgens, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 47 (51). Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 225. Am Beispiel eines Emissionshandels auf Staatenebene Björn Carlén, Market Power in International Carbon Emissions Trading (2003) passim. Vgl. Karoliina Anttonen, in: Rodi (ed), Environmental Policy Instruments in Liberalized Energy Markets (2006), 265 (270). Karoline Rogge et al., An Early Assessment of National Allocation Plans for Phase 2 of EU Emissions Trading (2006), S. 18. Karoline Rogge et al., ibid., S. 18. Karoline Rogge et al., ibid., S. 20. Karoline Rogge et al., ibid., S. 20 zu den NAPs der Mitgliedstaaten für die erste und zweite Handelsperiode. Karoline Rogge et al., ibid., S. 18. S. dazu auch u. S. 92 f.
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dd) Wettbewerbsverzerrungen durch ungleiche Zuteilung Schließlich besteht die Möglichkeit von Wettbewerbsverzerrungen im Zertifikatehandel, die dadurch bewirkt werden, dass ein Staat die Zertifikate nach ungleichen Kriterien vergibt. So kann es zwischen unterschiedlichen Anlagentypen oder auch zwischen Alt- und Neuanlagen zu einer veränderten Wettbewerbssituation kommen338. Hier stellt sich in besonderem Maße die Frage, inwieweit derartige Wettbewerbs„verzerrungen“ sogar beabsichtigt, wünschenswert oder mindestens hinnehmbar sind. Sofern sie sich zugunsten der emissionsärmeren Anlagen auswirken, sind sie häufig durch die ratio des Emissionshandels bedingt. Eine pauschalisierende Aussage derart, dass solche Wettbewerbsverzerrungen generell zu vermeiden sind, lässt sich nicht treffen. Hier ist vielmehr auf die Gründe für die ungleiche Zuteilung zu rekurrieren: sie ist begründungsbedürftig, ohne dass sich ex ante eine Vermutung für ihre Unzulässigkeit ergibt. b) Transaktionskosten Den Vorteilen, die der Emissionshandel mit sich bringt, stehen seine Kosten gegenüber. Als Transaktionskosten fasst man alle Kosten zusammen, die Unternehmen haben, um am Zertifikatehandel teilnehmen zu können: sie sind die „Reibungsverluste der Ökonomie, wie sie etwa bei der Suche nach Transaktionspartnern entstehen, beim Vertragsabschluss sowie anlässlich der Kontrolle und der Anpassung wirtschaftlicher Aktivitäten“339. Die Einrichtung der Emissionshandelsstelle und das komplette Antrags- und Zuteilungsverfahren sind mit Kosten verbunden, die auf die Unternehmen umgelegt werden340. Zudem entstehen Unternehmen Kosten, um passende Handelspartner zu finden und die Einzelheiten des Kaufs zu regeln. Auch für die Verifizierung der Emissionsberichte341 fallen bei den Unternehmen Kosten an. Für den Staat ist der Zertifikatehandel kostenneutral, solange er die Zertifikate kostenlos vergibt und lediglich eine Gebühr zur Deckung der Verwaltungskosten erhebt. Man kann zwischen den einmaligen Kosten der Implementierung des Systems und den wiederkehrenden Kosten seiner Nutzung unterscheiden342. Einmalige Kosten der Einführung eines Zertifikatehandels sind beispielsweise die Entwicklungskosten der instrumentalen Ausgestaltung, Normsetzungskosten, der Aufbau der erforderlichen Verwaltungsinfrastruktur sowie Ausgaben zur Überwindung politischer Widerstände gegen die Einführung von Zertifikaten343. Wiederkehrender Natur sind die Kosten, die rund um den Vertragsschluss sowie bei der Kontrolle und Durchsetzung von Transaktionen, sowohl zwischen Staat und Unternehmen
338
339 340 341
342 343
Vgl. Karoliina Anttonen, in: Rodi (ed), Environmental Policy Instruments (2006), S. 265 (270). Holger Bonus/Michael Häder, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 32 (33). Tom Tietenberg, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), S. 11 (22). Hierzu vgl. zu den Vorgaben der EH-RL u. S. 84 f. und zur Umsetzung durch das TEHG S. 110 f. Holger Bonus/Michael Häder, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 32 (36). Holger Bonus/Michael Häder, ibid., 32 (36).
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
als auch unter Unternehmen anfallen344. Bei Systemen, die auf mengenmäßigen Begrenzungen basieren, fallen häufig besonders stark die Kontrollkosten, beispielsweise für die Überwachung der Emissionen, ins Gewicht345. Wären Transaktionskosten nichtexistent, würde sich – unabhängig von der Ausgangsverteilung der Zertifikate - durch den Handel immer die effizienteste Verteilung der Zertifikate ergeben346. Niedrigere Emissionsreduktionskosten schaffen Handelsmöglichkeiten, Kosteneinsparpotentiale bieten einen Anreiz, den Handel zu vollziehen347. Unter weniger idealen Marktbedingungen können Transaktionskosten andererseits kostensparenden Handel verhindern348. Dies hat auch erhebliche Bedeutung für staatliche Allokationsentscheidungen: Sobald die Transaktionskosten spürbar werden, kann aus der „richtigen“ Zuteilungsentscheidung ein Kostenvorteil für die Volkswirtschaft erwachsen349. Üblicherweise – und so auch im europäischen Zertifikatehandelssystem – sind die Beteiligten nicht die einzigen Verursacher von Schadstoffen, sondern nur die Hauptverursacher350. Andere Quellen werden nicht erfasst. Dies erhöht einerseits die Reduktionskosten, weil Verringerungspotentiale ungenutzt bleiben351, andererseits bestünde anderenfalls die Gefahr, dass die Einsparmöglichkeiten durch erhöhte Transaktionskosten wieder aufgehoben werden. Sogenannte opt-inKlauseln, die eine freiwillige Teilnahme von eigentlich nicht dem Handelssystem unterliegenden Anlagen ermöglichen, können hier Abhilfe schaffen352. Die sich für die Unternehmen ergebenden Kosten hängen wesentlich von der Ausgestaltung des Zuteilungssystems ab353. Die Ökonomen unterscheiden zwischen den eigentlichen Kosten für die Kontrolle der Emissionen und den Ausgaben für Zertifikate354. Der Hauptunterschied zwischen den verschiedenen Zuteilungssystemen betrifft die Frage, ob die Zertifikate staatlicherseits kostenfrei bzw. gegen eine Verwaltungsgebühr zugeteilt oder im Wege einer Auktion vergeben werden. Mittel, um Transaktionskosten gering zu halten, sind beispielsweise unkompliziert zugängliche Handelsplattformen und kostengünstige Übertragungswege für 344
345 346 347 348 349 350 351 352
353
354
Holger Bonus/Michael Häder, ibid., 32 (37); Robert Constanza et al., Einführung in die ökologische Ökonomik (2001), S. 192. Gertrude Lübbe-Wolff, NVwZ 2001, 481 (487 f.). Tom Tietenberg, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), S. 11 (25). Tom Tietenberg, ibid., 11 (25). Tom Tietenberg, ibid., 11 (25). Tom Tietenberg, ibid., 11 (25). Tom Tietenberg, ibid., 11 (23); Gertrude Lübbe-Wolff, NVwZ 2001, 481 (488). Tom Tietenberg, ibid., 11 (23). Tom Tietenberg, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 11 (23). Zu den Möglichkeiten, die die EH-RL den Mitgliedstaaten eröffnet, s. u. S. 86. Das dem „Hessen-Tender“ vorgeschaltete hessische Planspiel zum CO2-Handel ergab allerdings, dass die Transaktionskosten für den Einstieg in ein Emissionshandelssystem deutlich unter 1 % betrugen und dass bei entsprechender Standardisierung sich die Teilnahme am Emissionshandel selbst für mittelständische Unternehmen lohnen könne, Rüdiger Schweer/Armin Sandhövel, et 53 (2003), 821. Tom Tietenberg, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 11 (22).
II. Idee und Konzeption des Instruments Emissionshandel
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Zertifikate. Ein hohes Maß an Preistransparenz trägt dazu bei, den Markt effizienter zu gestalten, indem Preisspannen verringert werden355. Werden derartige Instrumente richtig eingesetzt, bleiben Zertifikatehandelssysteme auch unter Berücksichtigung der Transaktionskosten effizient356. c) Investitionssicherheit In welchem Maße die Unternehmen innerhalb eines Zertifikatesystems Investitionssicherheit genießen, hängt von dessen Ausgestaltung ab. Grundlegende Entscheidungen über die Zuteilungsperioden und die Gültigkeit der Zertifikate trifft bereits die EH-RL357. Darüber hinaus bestehen Zweifel, welche Maßnahmen staatlicherseits denkbar sind, um die Investitionssicherheit zu erhöhen358. Wesentliche Auswirkungen hat auch der Vergabemodus: erfolgt die Zuteilung von Zertifikaten kostenlos durch den Staat auf der Basis bestimmter Parameter, geht hiervon ein größeres Maß an Sicherheit aus als im Falle deren Auktionierung. Grundsätzlich kann und sollte ein Zertifikatehandel institutionell so ausgestaltet werden, dass die Emittenten für ihre Investitionen hinreichende Planungs- und Kalkulationssicherheit erhalten359. Dies ist nicht zuletzt angesichts der erheblichen Kosten und der langen Vorlaufzeiten, die mit dem Anlagenneubau verbunden sind360, von Bedeutung. Diese Anforderung steht in einem gewissen Widerspruch zu den ökologischen Notwendigkeiten, die schnelles Handeln erforderlich machen können. Daher dürfte ein vernünftiges System in der Mitte zwischen beiden aufgezeigten Ansätzen liegen. Dabei sollte es ein Anliegen der Politik sein, sicherzustellen, dass Anlagenbetreiber über einen gewissen Zeitraum, über den sich Investitionen üblicherweise amortisieren, absehen können, wie sich die Rahmenbedingungen des Zertifikatesystems entwickeln werden. Andernfalls werden Investitionen mangels Kalkulierbarkeit aufgeschoben oder auf anderen Märkten getätigt, was noch schädlicher ist. Gleichzeitig muss die politische Leitentscheidung in gewissen Abständen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Aus diesem Zwiespalt erklärt sich das nun durch die EH-RL eingeführte System, das auf Zuteilungs- und Gültigkeitsperioden der Emissionsrechte für im laufenden Betrieb jeweils fünf Jahre basiert. Auch dieses Modell ist nicht ohne unerwünschte Auswirkungen: Wenn alle Emittenten aus Sicherheitsgründen einen Vorrat anlegen, wird der Preis für die Zertifikate in die Höhe getrieben, was zu Fehlinvestitionen 355 356 357 358
359
360
Tom Tietenberg, ibid., 11 (26). Holger Bonus/Michael Häder, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 32 (41). Hierzu s. u. S. 79 ff. Für unzulässig hielt die Kommission etwa den Versuch Deutschlands, Garantien für die Zertifikatsausstattung von Neuanlagen abzugeben, Entsch. der Kommission v. 29.11.2006, S. 13 f. (Ziff. 20 ff.). Holger Bonus/Michael Häder, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 32 (38); Bedenken daher gegen jährliche Versteigerungen von Zertifikaten bei Dieter Cansier, Bekämpfung des Treibhauseffektes aus ökonomischer Sicht (1991), S. 91. Martin Burgi, Ersatzanlagen im Emissionshandelssystem (2004), S. 27 nennt einen Betrag von rund 1,1 Mrd. € und eine Vorlaufzeit von sechs bis zehn Jahren für ein modernes Braunkohlekraftwerk mit einer Leistung von ca. 1000 MW.
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und Wachstumsbeeinträchtigungen führen kann361. Im Falle übergroßzügiger Zuteilung kann, wie in der ersten Periode geschehen, im umgekehrten Falle der Markt zusammenbrechen, wenn die Zertifikate aufgrund des übergroßen Angebots an Wert verlieren. d) Leakage-Effekt Probleme ergeben sich bei der Einführung eines europäischen Zertifikatehandelssystems dadurch, dass bisher weltweit nur verhältnismäßig wenige Staaten nach dem KP zu konkreten Emissionsminderungen oder auch –begrenzungen verpflichtet sind362. Und auch bei den Staaten, die Minderungen durchsetzen müssen, ist nicht immer klar, wie konsequent diese Aufgabe an die Industrie weitergegeben wird. Dadurch sind den Anlagenbetreibern Möglichkeiten eröffnet, durch Standortverlegung Emissionsminderungspflichten aus dem Wege zu gehen, um ihre Produktionskosten zu senken363. Diese Möglichkeiten bestehen, weil sich der Klimaschutz noch nicht in Form eines globalen Emissionsmanagements durchgesetzt hat. In der Konsequenz dürften Industrie- und Energieanlagen in anderen Staaten insbesondere außerhalb des EG-Gebietes häufig geringeren CO2-Auflagen unterliegen. Gerade für Anlagen, für die eine weitere Emissionsreduktion mit hohen Kosten verbunden ist, steigt dadurch der Anreiz, den Standort zu verlegen. Dies wird als Leakage-Effekt bezeichnet und führt dazu, dass nicht nur Arbeitsplätze abwandern, sondern auch Klimaschutzziele nicht erreicht werden können, da die Emissionssenkungen in der EU durch Emissionssteigerungen in anderen Ländern (über-)kompensiert werden364. Die Gefahr des Leakage ist bereits in der Konstruktion des Kyoto-Protokolls angelegt und kann grundsätzlich nicht vermieden werden365. Das Leakage-Problem verschärft sich mit zunehmender Differenz zwischen dem Marktpreis für Rechte auf dem betrachteten Markt und den Grenzvermeidungskosten der Emittenten außerhalb dieses Rechtesystems366. Hoher internationaler Wettbewerbsdruck, der dazu führt, dass Unternehmen die erhöhten Kosten durch den Emissionshandel nicht an ihre Kunden weitergeben können, wirkt sich verstärkend auf diese Verlagerungstendenzen aus367. Wichtig zur Begrenzung des Effektes ist auch, dass Emissionszertifikate bei ersatzloser Anlagenstilllegung erlöschen müssen; andernfalls entstünde ein zusätzlicher Anreiz zur Verlegung der 361
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Vgl. Dieter Cansier, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 97 (100), allerdings dort nur auf Vergabe durch Auktion bezogen. Felix Mattes et al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems (2003), S. 22. Felix Ekardt, Das Prinzip Nachhaltigkeit (2005), S. 159; Dieter Cansier, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 97 (104 f.); Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 72. Lars Mehrbrey/Alexander Reuter, Europäischer Emissionshandel (2003) S. 55 f.; Bernhard Hillebrand et al., Zertifikatehandel für CO2-Emissionen auf dem Prüfstand (2002), S. 53 f.; Dieter Cansier, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 97 (105). Felix Mattes et. al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems (2003), S. 34. Bodo Sturm, Das EU-Emissionsrechtesystem (2003), S. 11. Dieter Cansier, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 97 (104).
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Anlage bei gleichzeitigem Verkauf der Emissionszertifikate368. Wie stark diese Leakage-Effekte sein werden, ist schwer zu prognostizieren. Selbst in den energieintensiven Branchen ist die Bedeutung von Lohn- und Materialkosten deutlich höher als die der Energiekosten369. Untersuchungen haben gezeigt, dass der Einfluss von Umweltregulierung auf Standortentscheidungen häufig überschätzt wird370. Die Unterschiede beim Leakage-Effekt zwischen den einzelnen Branchen sind erheblich371. So sind die Absatzmärkte der Zement- und Papierindustrie auf Deutschland bzw. die EU konzentriert und durch die Relevanz der Frachtkosten verhältnismäßig gut nach außen geschützt372. Ein Beispiel für eine besonders im internationalen Wettbewerb stehende Industrie hingegen ist die Stahlproduktion, bei der erschwerend hinzukommt, dass ein erheblicher Anteil ihres CO2-Ausstoßes als prozessbedingte Emissionen373 keiner weiteren Reduktion zugänglich ist374. Ebenfalls problematisch ist die Lage der Aluminiumindustrie375. Solange die betroffenen Industriezweige jedoch den größten Teil der benötigten Emissionsrechte kostenlos zugeteilt bekommen, bleibt der Leakage-Effekt gering376. Auch die Möglichkeit, JI- und CDM-Projekte in den EU-Emissionshandel einzubeziehen377, führt zu einer Abschwächung der Leakage-Effekte. e) „windfall profits“ Ein Problem, das auftritt, wenn Emissionszertifikate kostenlos an Firmen ausgegeben werden, ist das der sog. „windfall profits“. Diese ergeben sich dadurch, dass die Zertifikate einen Marktwert erhalten, weswegen sich die Produkte verteuern, zu deren Erzeugung sie eingesetzt werden378. So ist momentan der Emissionshandel als ein Aspekt der Verteuerung von Strom im Gespräch379. Während 368 369 370
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375
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377 378 379
Dieter Cansier, ibid., 97 (105). SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 11. Felix Mattes et. al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems (2003), S. 139. Commission Staff Working Paper, Winning the battle, v. 09.02.2005, S. 34. SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 11. Mehr dazu s. u. S. 131 f. Hierzu ausführlicher Lars Mehrbrey/Alexander Reuter, Europäischer Emissionshandel (2003) S. 55 f. Commission Staff Working Paper, Winning the battle, v. 09.02.2005, S. 35; Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 38. Commission Staff Working Paper, Winning the battle, v. 09.02.2005, S. 35; Julia Reinaud, Industrial Competitiveness under the European Union Emissions Trading Scheme (Dezember 2004), S. 70. Hierzu S. 97 ff. u. S. 138 f. Peter Bohm/Frank Convery, Emissions Trading Policy Briefs 2 (2003), S. 9. Industrie beschwert sich beim Kartellamt über Stromkonzerne, Handelsblatt v. 18.08.2005; Janzing, taz v. 27.08.2005, S. 7; Bundeskartellamt, Sachstandspapier zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in Sachen Emissionshandel und Strompreisbildung vom 20.03.2006; Christof Bauer/Jan Christoph Zink, et 55 (2005), 574 ff. haben eine starke Korrelation zwischen Strom- und Zertifikatepreisen mathematisch belegt und gleichzeitig andere denkbare Faktoren ausgeschlossen.
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
Großkunden im Januar 2005 noch 35 € pro MWh bezahlen mussten, kostete dieselbe Leistung im März 2006 bereits bis zu 55 €380. Dies ergibt sich daraus, dass sich der Strompreis auf Basis der Grenzkosten errechnet; in diese geht auch der Wert der für die Stromerzeugung eingesetzten Emissionszertifikate ein381. Solange die Stromerzeuger den größten Teil ihrer Zertifikate kostenfrei vom Staat erhalten, erhöhen sich ihre Umsätze und Gewinnmargen deutlich, nicht aber ihre Kosten382. Dieser Effekt tritt vorwiegend bei den Stromkonzernen auf, da die Nachfrage der Energiekonsumenten jedenfalls kurzfristig nicht elastisch auf die Preise reagiert383. Bei diesen Zusatzkosten für die Energieverbraucher handelt es sich in der Terminologie der Ökonomie um sog. Opportunitätskosten384. Die Unternehmen ziehen somit einen – gewissermaßen „unverdienten“385 – Sondergewinn aus der veränderten Situation, der sich daraus ergibt, dass die Firmen die Wahl zwischen Stromer-
380 381
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383 384 385
Schumann, Tagesspiegel online v. 12.03.2006. Bundeskartellamt, Sachstandspapier, S. 13 f. Jedenfalls für die Geltungszeit des NAP I ist dies auf Kritik gestoßen, weil Opportunitätskosten für entgangenen Veräußerungsgewinn entschädigen sollen, die ex post-Kontrolle nach §§ 8 IV, 7 IX, XII ZuG jedoch dazu führt, dass erhebliche Teile der Zertifikate nicht veräußert werden dürften. Auf diese Erwägung hat das Bundeskartellamt auch seine Abmahnung der RWE AG wegen überhöhter Strompreise für die Industriekunden gestützt, vgl. Bundeskartellamt Pressemeldung vom 20.12.2006. Für die kommende Zuteilungsperiode 2008-2012 ist eine derartige ex post-Kontrolle jedoch nicht mehr vorgesehen, weshalb die Einbeziehung der Zertifikate in den Marktpreis nach ökonomischen Kriterien legitim ist. Dazu SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 5-7; Martin Burgi/Knut Werner Lange, ZHR 170 (2006), 539 (550). Aus diesem Grund sind treffen die zahlreichen Äußerungen aus Politik und Medien nicht zu, die das Problem der Einpreisung der Zertifikatskosten in die Strompreise nun für geklärt halten. Bei der Entscheidung des Bundeskartellamts handelt es sich um eine so nicht wiederholbare Einzelentscheidung. Eine andere Argumentation verfolgt Walter Frenz, WuW 2006, 737, der die Einpreisung der Zertifikate für einen Verstoß gegen Art. 82 EGV und § 19 IV Nr. 2 GWB hält. Ob die Zertifikate kostenlos vergeben werden oder von den am Emissionshandel beteiligten Unternehmen ersteigert werden müssen, hat keine Auswirkungen auf den Strompreis, führt aber zu sehr unterschiedlichem Verbleib der Erträge, Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition of EU Emissions Trading (2006), S. 26. Ben Schlemmermeier/Hans-Peter Schwintowski, ZNER 2006, 195 (196). SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 5. Aus ökonomischer Sicht hingegen ist es vernünftig und richtig, den Wert der Zertifikate einzupreisen. Letztlich basiert der Emissionshandel nicht zuletzt auf derartigen Preissignalen, die als Anreiz dienen, Emissionen zu reduzieren und die Kosten für die Reduktion zu minimieren, dazu Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (2006), S. 26; Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 26 Fn 29. Zudem ist zu bedenken, dass auch den Konsumenten eine Verantwortung für die Produktion der klimagefährdenden Produkte trifft und Anreize für Einspareffekte richtigerweise nicht nur beim Produzenten, sondern eben auch beim Produzenten entstehen müssen, vgl. Gebhard Kirchgässner, in: Grimm (Hrsg.), Staatsaufgaben (1994), S. 453 (463 f.).
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zeugung und dem Verkauf der Emissionszertifikate haben. Diese Mehrerlöse werden allein für Deutschland auf rund 5 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt386. Bei den windfall profits handelt es sich um kein rein deutsches Problem, vielmehr sind steigende Strompreise in allen EU-Mitgliedstaaten zu beobachten387. Wegen dieser Zusatzrenditen wird die kostenlose Zuteilung der Zertifikate teilweise als staatliche Beihilfe bewertet388. Die Stromerzeuger selbst sind der Auffassung, die steigenden Strompreise und korrespondierend höheren Gewinne seien im Emissionshandel konzeptuell angelegt und im Rahmen der ökologischen Lenkungswirkung letztlich auch bezweckt389. Es gibt Überlegungen, derartige Profite wieder abzuschöpfen, beispielsweise durch Sondersteuern390. Dieses Problem entfällt bei einer Auktionierung der Zertifikate, da dann der Staat den finanziellen Nutzen zieht391. Der aktuell in den meisten Mitgliedstaaten verfolgte Ansatz besteht darin, die Reduktionslast ungleich zwischen Industrie und Stromversorgern zu verteilen392. Auch die §§ 6-9 ZuG 2012 sehen für die zweite Handelsperiode entsprechende Unterscheidungen vor393. Während die windfall profits den Stromkonzernen enorme Gewinne beschert haben, stellen sie die energieintensive Industrie wie beispielsweise die Aluminiumhütten vor große Probleme: Diese sind selbst zwar regelmäßig nicht am Emissionshandel beteiligt, müssen jedoch den verteuerten Strompreis bezahlen. Aufgrund des starken Wettbewerbsdrucks ist es ihnen in der Regel nicht möglich, die höheren Strompreise in die Preise ihrer Produkte einfließen zu lassen. Hat dies
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392 393
Ben Schlemmermeier/Hans-Peter Schwintowski, ZNER 2006, 195; Strombranche erhält 5 Mrd. Windfall Profits von der Politik, VIK-Pressemeldung vom 21.09.2005. Emissionshandel und Strompreise: dena: Klimaschutz gibt es nicht umsonst, denaPressemeldung vom 15.09.2005; s. ausführlich die vom niederländischen Wirtschafsministerium finanzierte Studie des Energy Research Centre of the Netherlands: J.P.M. Sijm et. al., CO2 price dynamics: The implications of EU emissions trading for the price of electricity (2005), passim. Angus Johnston, Climate Policy (2006), 115 (116 ff.); Janzig, taz v. 27.08.2005, S. 7. A. A. Martin Burgi/Knut Werner Lange, ZHR 170 (2006), 539 (546 f.). Bundeskartellamt, Sachstandspapier, S. 15. Für grundsätzlich gewollte Lenkungswirkung der Opportunitätskosten auch Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (2006), S. 26; Martin Burgi/Knut Werner Lange, ZHR 170 (2006), 539 (550); Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 6. Peter Bohm/Frank Convery, Emissions Trading Policy Briefs 2, 2003, S. 9 f. unter Verweis auf ein derartiges Vorgehen in den USA, wo eine fixe Obergrenze für die Produktion von FCKWs eingeführt wurde und die handelbaren Zertifikate mit Steuern auf die FCKW-Produktion gekoppelt wurden. Zu weiteren Überlegungen, diesem Problem zu begegnen s. Martin Burgi/Knut Werner Lange, ZHR 170 (2006), 539 (550 ff.). Peter Bohm/Frank Convery, Emissions Trading Policy Briefs 2, 2003, S. 10; Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (2006), S. 26; Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 26. Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 27. Ausführlich zu den deutschen Plänen für den NAP II s. u. S. 139 ff.
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zur Folge, dass die Produktion in der EU nicht mehr wirtschaftlich ist, besteht die Gefahr sog. Leakage-Effekte394.
7. Allokationsmodelle a) Grundsätzliches Durch die Einführung und Limitierung der Zertifikate wird die Emission von CO2 zum Knappheitsproblem395. Wie bereits dargelegt, gibt es unterschiedliche Ansätze dazu, wie die Ausgangsverteilung der Zertifikate erfolgen soll396. Während die Ökonomen großenteils aus Gründen der größeren Effizienz Auktionsmodelle befürworten, sind vorerst auf Basis der EH-RL nur Systeme durchsetzbar, die zumindest vorwiegend auf einer staatlichen Zuweisung der Zertifikate höchstens gegen eine Verwaltungsgebühr basieren397. Unter idealen Marktbedingungen berührt die Methode der Allokation den Marktpreis der Zertifikate nicht. Die beteiligten Firmen steigen aber im Wert, wenn sie ihre Zertifikate ohne Gegenleistung erhalten398. Erfolgt die Zuteilung staatlicherseits, muss der Staat als Verantwortlicher für die knappe Ressource CO2-Ausstoß eine Entscheidung treffen, wem welche Menge an Zertifikaten zugewiesen wird. Während jedenfalls in Deutschland zunächst ziemlich unübersichtliche Mischformen der Zuteilung im Rahmen des ZuG 2007 eingeführt wurden, sollen die Ansätze der Umweltökonomie kurz in Reinform dargestellt werden. Die auch vereinzelt in der Literatur vorgeschlagene oder jedenfalls diskutierte Veräußerung der Zertifikate zum Festpreis399 bleibt hier außer Acht, da sie keine Antwort auf die Frage gibt, wie in einer Mangelsituation über die Verteilung entschieden wird. b) Grandfathering Das wohl bekannteste und bisher am häufigsten genutzte400 Modell der Zuteilung ist das sog. Grandfathering, bei dem die Zuteilung an frühere Emissionen anknüpft und Zertifikate entweder entsprechend dem früheren Bedarf oder anhand von Emissionsfaktoren vergeben werden, die man mit früheren Emissionen mul-
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397 398 399
400
Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 38 und oben S. 62 ff. Zur Knappheit bei Umweltgütern vgl. Michael Kloepfer/Sigrid Reinert, in: Gethmann/Kloepfer/Reinert, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, 23 (30 ff.). Vgl. auch die Übersicht bei Holger Rogall, Neue Umweltökonomie (2002), S. 269 f.; Michael Kloepfer, Umweltgerechtigkeit (2006), Rz 631 ff. Vgl. u. S. 79 f. Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 25. Vgl. etwa Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 205; Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 38. Vgl. Schwedische Energiebehörde (Stem), Benchmarks as a basis for allocation of emission allowances in the energy sector (2005), S. 24; DEHSt, Implementation of Emissions Trading in the EU (2005), S. 10.
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tipliziert401. Daher wird in Grandfathering-Systemen eine Basisperiode402 festgelegt, und die Emissionen in dieser Periode werden als Referenzwert herangezogen403. Für gewöhnlich erfolgt die Vergabe der Zertifikate gratis oder gegen eine Verwaltungsgebühr. Grandfathering hat sich zum Standardvergabeverfahren für Bestandsanlagen entwickelt; für Neuanlagen hingegen kann es mangels entsprechender Erfahrungswerte nicht zum Einsatz kommen, weswegen hier üblicherweise Benchmark-Verfahren eingesetzt werden. Für das Grandfathering spricht, dass es den Unternehmen ein großes Maß an Rechts- und Planungssicherheit gewährleistet404. Der Bestandsschutz der beteiligten Anlagen wird in Grandfathering-Systemen am besten gewährleistet. Problematisch daran ist, dass es bestehende Unternehmen gegenüber neuen Marktteilnehmern tendenziell bevorzugt405, und, was für das Reduktionsziel kontraproduktiv ist, Unternehmen, die bereits in der Vergangenheit nicht in Emissionsreduktionsmaßnahmen investiert haben und deshalb auf einem technisch veralteten Stand sind, Vorteile einräumt406. Diese Unternehmen erhalten eine höhere Anzahl an Zertifikaten als modernere Anlagen, was sie einerseits nicht zu Modernisierungsmaßnahmen zwingt. Andererseits können sie, wenn sie sich doch zur Modernisierung entschließen, große Mengen an Zertifikaten mit Gewinn auf dem Markt verkaufen. Langfristig bedenklich beim Grandfathering ist, dass eine Aktualisierung der Referenzperiode vermieden werden muss, da andernfalls Anreize für individuelle Unternehmen entstehen können, ihre Emissionen auf einem hohen Niveau zu halten407. Will man derartige Anreize vermeiden bedeutet dies, dass das Grand401
402
403 404
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Schwedische Energiebehörde (Stem), Benchmarks (2005), S. 25; Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 36 f. Europaweit gibt es hier große Unterschiede: die meisten Mitgliedstaaten haben sich für eine Basisperiode von 3-5 Jahren entschieden, teils beginnen diese Basisperioden bereits 1990, teils enden sie erst 2004. Vielfach gibt es die Möglichkeit für Unternehmen, einzelne Jahre der Basisperiode auszunehmen, teilweise gelten auch unterschiedliche Basisperioden für Energie- und Industriesektor, DEHSt, Implementation of Emissions Trading (2005), S. 10. DEHSt, Implementation of Emissions Trading (2005), S. 10. Dieter Cansier, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 97 (99); Rüdiger Breuer, in: Hendler et al. (Hrsg.), Emissionszertifikate und Umweltrecht (2004), 145 (167), der sich ablehnend gegenüber dem Begriff des „Grandfathering“ äußert. Tom Tietenberg, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 11 (22 f.). Ob dieser Effekt jedoch eintritt und wie stark er tatsächlich ist, hängt maßgeblich von der Ausgestaltung des Systems im Einzelnen ab, vgl. Dieter Cansier, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 97 (107). Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 244; Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 39; Schwedische Energiebehörde (Stem), Benchmarks (2005), S. 25; Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (2006), S. 26; Michael Kloepfer, Umweltgerechtigkeit (2006), Rz 634. Schwedische Energiebehörde (Stem), Benchmarks (2005), S. 26; Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 37; ähnlich jetzt auch SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 4, 8. Zum ursprünglichen Entwurf des deut-
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fathering mit zunehmendem Abstand zur Referenzperiode zu einer reinen Begleiterscheinung wird, da die Zuteilung für die neueren Anlagen nach anderen Kriterien erfolgt. c) Benchmarking Benchmarking bezeichnet kein konkretes Vergabekriterium, sondern stellt einen Überbegriff dar für Vergabemodi, die nicht an historische Emissionen anknüpfen, sondern an qualitative Maßstäbe wie etwa den Stand der Technik. Es geht darum, Referenzwerte in Form technischer Parameter zu entwickeln, anhand derer eine Zuteilungsentscheidung vorgenommen werden kann408. Der Anwendungsbereich der Benchmarks im europäischen Emissionshandelssystem lag bisher vorwiegend im Bereich der Neuanlagen409. Der Vorteil von Benchmarks gegenüber anderen Allokationsverfahren besteht darin, dass sich die Zuteilung im Falle von Benchmarks nach qualitativen Kriterien richtet und dadurch als Anreiz für Modernisierungsmaßnahmen wirkt410. Langfristig begünstigen Benchmarks Produktionskapazitäten, deren technische Werte den Benchmark unterschreiten und subventionieren derartige emissionsarme Anlagen411. Ein weiterer Vorteil der Benchmarks ist, dass mittelfristig mit ihrer Hilfe eine Annäherung der europaweit teils deutlich differierenden Regelungen erreicht werden kann. Einheitliche Benchmarks könnten ein erster Schritt auf dem Weg zu einer europaweit einheitlichen Allokation der Zertifikate sein412. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass man zur Erstellung derartiger Standards eine gewisse Vergleichbarkeit sowohl der Ausgangssituation als auch des hergestellten Produkts benötigt413. Hierfür wiederum ist eine Datenerhebung größeren Ausmaßes erforderlich414. Es besteht die Gefahr, dass gerade in heterogenen Branchen der Versuch, Benchmarks zu entwickeln, zu einer Fülle von unübersichtlichen Einzelmaßstäben und überhöhten administrativen Kosten führt415. Aus diesem Grund dürfte die Strombranche von allen am Emissionshandel beteiligten Bereichen der sein, der am benchmark-geeignetsten ist416: Es gibt eine überschaubare
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schen NAP II, der eine Verlängerung der Basisperiode vorsah: Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 12. Schwedische Energiebehörde (Stem), Benchmarks (2005), S. 29; Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 37. DEHSt, Implementation of Emissions Trading in the EU (2005), S. 11; Zur Anwendung von Benchmarks in Finnland, Litauen, Dänemark, Deutschland, den Niederlanden und Schweden vgl. Schwedische Energiebehörde (Stem), Benchmarks (2005), S. 45 ff. Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition of EU Emissions Trading (2006), S. 28. SRU, Die nationale Umsetzung (2006), S. 7; Dallas Burtraw et al., The Effect on Asset Values of the Allocation of Carbon Dioxide Emission Allowances (2002), S. 2 f. Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (2006), S. 28; Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 24. Mehr dazu s. u. S. 157 ff. Vgl. Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 24. Karoline Rogge et al., ibid., S. 24. Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 38. Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (2006), S. 29; Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 24.
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Auswahl an Brennstoffen, die zu einem einheitlichen Produkt, dem Strom, verarbeitet werden. Eine der Hauptstreitigkeiten bei der Einführung von Benchmarks im Strombereich betrifft die Frage, ob derartige Benchmarks brennstoffabhängig oder brennstoffunabhängig auszugestalten sind417. Während brennstoffunabhängige Benchmarks stärkere Klimaschutzeffekte haben und weniger unerwünschte Verlagerungseffekte mit sich bringen418, machen sie gleichzeitig Kraftwerke, die Brennstoffe mit hohem CO2-Ausstoß verwenden, unrentabel und greifen so in den Brennstoffmix eines Landes ein. Im Bereich der fossilen Kraftwerke bewirkt dies eine Förderung von Gas- und Ölkraftwerken, die einerseits das Klima schützt, andererseits die Abhängigkeit von Rohstoffimporten erhöht und im Hinblick auf die Versorgungssicherheit nicht ganz unbedenklich sein könnte. Dies dürfte auch der Grund sein, warum die Kommission brennstoffabhängige Benchmarks empfiehlt419. Ein Verbot brennstoffunabhängiger Benchmarks ist hierin jedoch nicht zu sehen420. Bisher hat sich auch in Deutschland daher die Politik gegen brennstoffunabhängige Benchmarks gesperrt, allerdings dürfte mit dem neuen NAP II und dem ZuG 2012421, die für Anlagen zur Stromproduktion nur noch zwei Benchmarks vorsehen422, eine Bewegung hin zu brennstoffunabhängigen Standards ihren Anfang nehmen. Die brennstoffabhängigen Benchmarks geraten auf Ebene der Mitgliedstaaten zunehmend in die Kritik, da durch die höheren Zuteilungen für Kohle der Brennstoffwechsel unattraktiv gemacht wird, obwohl er das größte kurzfristige Reduktionspotential besitzt423. Vermeidungsoptionen ohne Brennstoffwechsel sind demgegenüber häufig mit höheren Investitionen verbunden424. Vergleicht man die Auswirkungen brennstoffabhängiger Benchmarks auf Alt- und Neuanlagen, sind die Effizienzverluste gegenüber brennstoffunabhängi-
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Hierzu ausführlich die schwedischen Energiebehörde (Stem), Benchmarks (2005). Die schwedische Energiebehörde gelangt zu dem Ergebnis, dass im Interesse effizienten Klimaschutzes brennstoffunabhängige Benchmarks vorzuziehen sind. Auch die Gemeinsame Stellungnahme der Umweltverbände zum Entwurf des Zuteilungsgesetzes 2012, S. 6, bezeichnet die brennstoffabhängigen Benchmarks als „klimapolitische(n) Sündenfall“. Vgl. das Papier der schwedischen Energiebehörde (Stem), Benchmarks (2005), S. 9; Gemeinsame Stellungnahme der Umweltverbände zum Entwurf des Zuteilungsgesetzes 2012, S. 6. Mitteilung der Kommission vom 07.01.2004, KOM (2003) 830 endgültig, S. 19. So auch die schwedische Energiebehörde (Stem), Benchmarks (2005), S. 10, 33. Ersichtlich ist dies auch daran, dass die Kommission den nationalen Allokationsplan Litauens genehmigt hat, der produktabhängige statt brennstoffabhängiger Benchmarks vorsieht. Vgl. u. S. 139 ff. Vgl. Anhang 3 zum ZuG 2012, Teil A, I 1. Neben der schwedischen Energiebehörde jetzt auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen, SRU, Die nationale Umsetzung (2006), S. 7 f. SRU, Die nationale Umsetzung (2006), S. 8.
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
gen Benchmarks bei den Neuanlagen deutlich höher als bei den Bestandsanlagen425. d) Auktionierung Auktionsverfahren basieren auf der Versteigerung der Zertifikate. Der Vorteil der Vergabe im Auktionsweg besteht in der höheren ökonomischen Effizienz der Allokation426: Wenn die Betriebe ihre Zertifikate käuflich erwerben müssen, ersteigern sie regelmäßig nur die Menge an Zertifikaten, die sie tatsächlich benötigen, was zu einer bedarfsgerechten Verteilung der Zertifikate führt. Nahezu alle Probleme, die die effiziente Verteilung der Zertifikate betreffen, lassen sich durch eine Vergabe im Auktionswege lösen427. Die Kosten für die Zertifikate gehen in die Gesamtkalkulation ein und beeinflussen somit bei Neuanlagen bereits die Investitionsentscheidung428. Das umweltrechtliche Verursacherprinzip wird beachtet, da sich die Kosten für Zertifikate nach dem Kohlendioxid-Ausstoß richten429. Die beteiligten Bieter werden gleich behandelt430. Außerdem hat die Vergabe im Auktionsweg den makroökonomischen Vorteil, dass der Wert der Emissionsrechte nicht als windfall profit431 bei den Unternehmen verbleibt, sondern dem Staat zufließt432. Erforderlich ist ein gut funktionierender Zertifikatemarkt ohne monopolistische Strukturen433. Der Nachteil bei einer Versteigerung der Zertifikate ist nicht ökonomischer, sondern eher politischer und auch rechtlicher Natur: mit der Einführung eines Zertifikatesystems ist ein Bruch in der umweltpolitischen Vorgehensweise verbunden, und wenn die Zertifikate ausschließlich im Wege einer Auktion vergeben werden, führt dies zu einer abrupten Entwertung bestehender Nutzungsrechte434. Derartig erhebliche nachträgliche Änderungen der Rechtslage beeinträchtigen das Vertrauen in die Politik und hemmen Investitionsbereitschaft und Wirtschaftswachstum435. Dies ist umso problematischer, je kürzer die Gültigkeitsdauer ersteigerter Zertifikate ist, da Emittenten sich mit ihren Entscheidungen über Betriebsgröße, Technik 425 426
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Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 24. Dieter Cansier, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 97 (99); ders., Umweltökonomie (1993), S. 193. Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (2006), S. 26; Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 25. Schwedische Energiebehörde (Stem), Benchmarks (2005), S. 48. Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 25; Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 39. Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 205. Hierzu s. oben S. 63 ff. SRU, Die nationale Umsetzung (2006), S. 13; Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (2006), S. 26; hierdurch können beispielsweise die Transaktionskosten des gesamten Systems gesenkt werden, Gemeinsame Stellungnahme der Umweltverbände zum Entwurf des Zuteilungsgesetzes 2012, S. 7. Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 193. Horst Zimmermann/Bernd Hansjürgens, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 47 (60). Dieter Cansier, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 97 (100).
II. Idee und Konzeption des Instruments Emissionshandel
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und Entsorgungskapazitäten in der Regel langfristig binden436. Auch rechtlich spielen hier Bestandsschutzerwägungen437 eine Rolle, weswegen in bestimmten Konstellationen Abfederungsmaßnahmen erforderlich sein können, um dem Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit zu entgehen438. Schließlich erhöht die Auktionierung die Kosten der Unternehmen, sofern es nicht gelingt, diese Zusatzkosten auf anderer Ebene, beispielsweise der Steuern, wieder zu neutralisieren. Letzteres ist unwahrscheinlich, da im politischen Prozess um die Mittel die unterschiedlichsten Interessen konkurrieren und eine komplette Rückführung zugunsten der Emittenten daher unwahrscheinlich und unter Umweltgesichtspunkten wohl auch kontraproduktiv wäre439. Auch lassen sich die Kosten je nach Wettbewerbssituation nicht immer auf die Endverbraucher abwälzen. Schließlich stellt die Auktionierung eine besondere Belastung finanziell schwächerer Unternehmen dar. e) Auswirkungen unterschiedlicher Allokationsmodi auf die Produktion und den Preis am Beispiel der Strombranche Besonders gut lassen sich die Zusammenhänge zwischen verwendetem Allokationsmechanismus einerseits und Produktion und Preis andererseits für den Stromsektor mit seinem homogenen Produkt Elektrizität darlegen. Zudem kommt dem Stromerzeugungssektor, der für einen erheblichen Teil der CO2-Emissionen verantwortlich ist, eine Schlüsselrolle auch bei der Minderung der Emissionen zu. Wie weitreichend die Auswirkungen des gewählten Allokationsmechanismus für die gesamte Volkswirtschaft reichen können, soll daher an diesem Beispiel demonstriert werden. Im Energiesektor können Emissionsreduktionen erreicht werden, indem Verbrauch bzw. Herstellung reduziert, die Effizienz der vorhandenen Kraftwerke gesteigert440 oder aber ein Kraftstoffwechsel vorgenommen wird. Unterschiedliche Zuteilungsmodi legen unterschiedliche Strategien nahe. Wirtschaftswissenschaftliche Studien haben ergeben, dass in einem Zertifikatesystem in der Regel die Menge erzeugter Energie am geringsten ist, wenn die Zertifikate versteigert werden; gleichzeitig ist auch der Strompreis etwas höher als in den anderen Zuteilungssystemen. Mittlere Werte hinsichtlich Preis und Produktionsmenge ergeben sich in einem Grandfathering-System, während die Menge produzierten Stroms in einem Benchmark-System am höchsten, der Strompreis am niedrigsten ausfällt441. Dabei ist davon auszugehen, dass die auf den Energiesektor entfallende Zertifikatemenge unabhängig vom Zuteilungsmodus konstant bleibt. 436 437
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Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 196. Vgl. Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 39; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 205 f. Mehr dazu später bei der Behandlung der eigentlichen grundrechtlichen Fragestellungen S. 179 ff. ausführlich zum Bestandsschutz s. u. S. 209 ff. zum gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsrecht und S. 282 ff. zu Art. 14 GG. Dieter Cansier, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 97 (103). Diese Option haben Dallas Burtraw et al., The Effect on Asset Values (2002), nicht in ihre Berechnungen einbezogen. Zu diesen Zusammenhängen s. Dallas Burtraw et al., ibid., S. 4.
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B Naturwissenschaftliche und ökonomische Grundlagen
Für die Anlagenbetreiber ist ein Grandfathering-System die vorzugswürdigste Option: es ist sogar einträglicher als der status quo, weil durch die Zuteilung der Zertifikate der Wert der Anlagen ebenso steigt wie die Strompreise442. Für die Verbraucher hingegen ist dies die schlechtestmögliche Option, da sie wegen der Einpreisung der Opportunitätskosten höhere Kosten tragen, die Gewinne jedoch bei den Unternehmen verbleiben443. Im Hinblick auf die Kostenfolge des Zertifikatehandels ist das Grandfathering daher das extremste System. Deutlich gemäßigtere Verteilungseffekte ergeben sich hingegen aus Benchmark- oder Auktionierungssystemen. Für die Anlagenbetreiber dürfte im Ergebnis ein Auktionierungssystem vorteilhafter sein, da mit ihm höhere Strompreise und niedrigere Gaspreise einhergehen444. Der den Benchmark-Systemen inhärente Anreiz, mit effizienten Systemen möglichst viel Strom zu erzeugen und dadurch das Angebot zu vergrößern, entfällt hier445. Nach Brennstoff differenzierende Benchmark-Systeme, die den Wechsel auf CO2-ärmere Brennstoffe nicht fördern, entkräften tendenziell das an sich vom Zertifikatehandel ausgehende Preissignal, während selbst großzügig gewählte Einheitsbenchmarks die Emissionen der Stromerzeuger massiv senken und zu einem deutlichen Rückgang der Kohleverstromung führen446. Allerdings sind die Gewinne und Verluste innerhalb der Gruppe der Stromerzeuger nicht gleichmäßig verteilt. Betreiber bestimmter Anlagen, hauptsächlich der Kohlekraftwerke, erleiden durch die Auktionierung der Zertifikate Verluste, die ggf. ausgeglichen werden müssen447. Ob sich die Konsumenten in einem Auktionssystem besser stellen als bei einem Grandfathering, ist davon abhängig, was in einem Auktionssystem mit den Einnahmen geschieht. Werden sie sinnvoll eingesetzt, können Verbraucher an anderer Stelle entlastet werden, was zu einer höheren Akzeptanz des Zertifikatesystems führen kann448. Gleichzeitig spricht ein weiterer Aspekt für die Vergabe im Wege der Auktionierung: ökonomische Berechnungen haben ergeben, dass dieser Verteilungsmodus etwa doppelt so kostenwirksam ist wie Grandfathering- oder Benchmark-Systeme449.
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Dallas Burtraw et al., ibid., S. 9. Dallas Burtraw et al., ibid., S. 9. Dallas Burtraw et al., ibid., S. 9. Dallas Burtraw et al., ibid., S. 9. Felix Matthes et al., Auswirkung verschiedener Allokationsregeln (2006), S. 57 f., 100 f., die sich daher kritisch gegenüber dem ursprünglichen Entwurf des NAP II äußern. Dallas Burtraw et al., The Effect on Asset Values (2002), S. 13. Auch Felix Matthes et al., ibid., S. 47, prognostizieren für ein Auktionsmodell einen Rückgang der Kohleverstromung. Dallas Burtraw et al., ibid., S. 18. Dallas Burtraw et al., ibid., S. 18.
II. Idee und Konzeption des Instruments Emissionshandel
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8. Wirtschaftswissenschaftliche Ergebnisse und juristische Bewertung Die ökonomischen Zusammenhänge sind hier relativ ausführlich dargestellt worden, da eine umfassende grundrechtliche Bewertung der Allokationsvorschriften auch voraussetzt, sich ihre praktischen Auswirkungen vor Augen zu führen. Dennoch muss man bei einer Verwendung wirtschaftswissenschaftlicher Erkenntnisse bei der juristischen Bewertung von Gesetzen vorsichtig vorgehen: Insbesondere besteht kein rechtlicher Anspruch auf eine nach ökonomischen Kriterien optimale Ressourcenverteilung. Regelungen, durch die die Effizienz der Zuteilung beeinträchtigt wird und die volkswirtschaftlich höhere Kosten verursachen, mögen aus politischen und rechtlichen Gründen (etwa denen des Bestandsschutzes und der Versorgungssicherheit) gewollt oder sogar erforderlich sein. Es ist nicht gesagt, dass die bei einer ökonomischen Betrachtung vorzugswürdige Lösung auch (grund-)rechtlich zulässig ist. Ebenso wie der Gesetzgeber zu – möglicherweise weniger effizienten – ordnungsrechtlichen Mitteln zur Problembewältigung greifen kann, steht es ihm auch frei, einen Teil der ökonomischen Vorteile des Zertifikatehandels durch die Auswahl der Verteilungskriterien aufzuheben, wenn hierdurch andere politische Ziele erreicht werden können. Dies zieht naturgemäß Kritik aus der Ökonomie nach sich, lässt sich jedoch aus den unterschiedlichen relevanten Maßstäben, die die beiden Wissenschaften jeweils anlegen, erklären.
C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels im europäischen und deutschen Recht
Die deutschen Regelungen über die Allokation der Zertifikate stehen nicht im rechtsleeren Raum, sondern sind Teil eines europaweiten Handelssystems, das in den einzelnen Mitgliedstaaten jeweils spezifisch ausgestaltet ist. Daher ist es hilfreich, zunächst die europarechtlichen Vorgaben, aber auch die Umsetzungsgesetzgebung in Deutschland, insbesondere durch das Treibhausgasemissionshandelsgesetz, näher zu betrachten. Das deutsche Zuteilungsgesetz 2007 schließlich dient als exemplarischer Fall einer Allokationsregelung und als Ausgangspunkt der Diskussion. Daran anschließend ist auf neuere Tendenzen und Entwicklungen einzugehen, in erster Linie anhand der Regelungen für die zweite Handelsperiode.
I. Die Emissionshandels-Richtlinie Die Emissionshandelsrichtlinie (EH-RL)1 bildet den wohl wichtigsten Teil der EG-Strategie zur Umsetzung des Kyoto-Protokolls. Der so eingeführte Emissionshandel auf Unternehmensebene ist eine interne Maßnahme der EG zur Verringerung ihrer Treibhausgasemissionen und kein externer Handel i.S. von Art. 17 KP2, darf sich als Instrument zur Umsetzung der Kyoto-Verpflichtungen jedoch konsequenterweise nicht zu den völkerrechtlichen Vorgaben in Widerspruch setzen3.
1. Entstehungsgeschichte der Emissionshandelsrichtlinie Als erstes Organ der EG hatte das Europäische Parlament 1986 in einer Resolution eine Klimaschutzpolitik der EG gefordert4. Nachdem auch der Europäische Rat in Dublin im Juni 1990 die Verabschiedung von Zielen und Strategien für die Verrin1
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Richtlinie 2003/87/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates, in Kraft getreten am 25.10.2003, ABl. EG Nr. L 275 S. 32. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 445. Charlotte Kreuter-Kirchhof, ibid., S. 445 f. ABl. 1986, Nr. C 225 S. 1.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
gerung von Treibhausgasen angemahnt hatte5, beschloss im Oktober 1990 der gemeinsame Energie- und Umweltministerrat, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2000 auf der Basis von 1990 zu stabilisieren6. 1992 verabschiedete die Kommission ihre Mitteilung über eine „Gemeinschaftsstrategie zur Begrenzung der CO2Emissionen und zur Verbesserung der Energieeffizienz“7, die Entscheidung 93/389 führte ein gemeinschaftliches System zur Beobachtung der CO2-Emissionen und anderer Treibhausgase ein und verpflichtete die Mitgliedstaaten dazu, ihrerseits nationale Programme aufzustellen, um die CO2-Emissionen auf dem Stand von 1990 zu stabilisieren. 1997 folgte die Mitteilung über „Klimaveränderung – Das Konzept der Europäischen Union für Kyoto“8. Um ihre KP-Verpflichtungen erfüllen zu können, richtete die Kommission 2000 ein Europäisches Programm zur Klimaänderung (ECCP) ein, in dessen Rahmen verschiedene politische Konzepte und Maßnahmen entwickelt wurden9. Die Entwicklung eines Zertifikatehandelssystems in der EU ist Teil dieses Klimaschutzprogramms. Die Vorarbeiten zur EH-Richtlinie wurden im Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union10 vom März 2000 niedergelegt. Die Richtlinie selbst betrifft zwar in besonderem Maße die Energiepolitik, ist jedoch in einem allgemeineren Sinne auf den Klima- und damit den Umweltschutz ausgerichtet und wurde daher auf Art. 175 Abs. 1 EGV gestützt11. Obwohl die Ausgestaltung eines Emissionshandelssystems indirekt erheblichen Einfluss auf die Wahl eines Mitgliedsstaats zwischen verschiedenen Energiequellen nehmen kann, ist durch die EH-RL selbst keine Festlegung auf bestimmte Energieträger oder eine bestimmte Struktur der Energieversorgung erfolgt12. Aus diesem Grund galt das Einstimmigkeitserfordernis des Art. 175 Abs. 2 EGV nicht für die Emissionshandelsrichtlinie13.
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Vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaft, 1990, S. 9 ff. Dazu Christoph Bail/Simon Marr/Sebastian Oberthür, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, § 54 Rn 95. KOM (92) 246 endg. v. 01.06.1992. KOM (97) 481 endg. v. 01.10.1997. Mitteilung zu einem Europäischen Programm zur Klimaänderung, KOM (2000) 88 endg. Grünbuch zum Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union, KOM (2000) 87 endg.; hierzu Hans-Werner Rengeling, DVBl 2000, 1725 ff.; Hans-Joachim Koch/Annette Wieneke, DVBl. 2001, 1085 ff. Zur Frage, ob die EH-RL tatsächlich Ziele des Art. 174 EGV zum Gegenstand hat, s. Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 61 ff. Zum Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung der EG in diesem Kontext s. dies., ibid., S. 59 f. Marcus Stronzik/Martin Cames, Endbericht (2002), S. 12; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 81 f. Ausführlich Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 76 ff.; Marcus Stronzik/Martin Cames, Endbericht (2002), S. 12. A. A. Wolf Friedrich Spieth, Europäischer Emissionshandel und deutsches Industrieanlagenrecht (2002), S. 35 ff.
I. Die Emissionshandels-Richtlinie
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2. Inhalt der Emissionshandelsrichtlinie a) Anwendungsbereich Den Geltungsbereich der EH-RL bestimmt ihr Art. 2 I unter Bezugnahme auf die in Anhang I aufgeführten Tätigkeiten und die Emissionen der in Anhang II aufgeführten Treibhausgase14. aa) Unter den Emissionshandel fallende Tätigkeiten Die unter den Emissionshandel fallenden Tätigkeiten werden in Anhang I der Emissionshandels-RL abschließend genannt. Hiernach sind Anlagen erfasst, die der Energieumwandlung und –umformung, der Eisenmetallerzeugung und –verarbeitung, der mineralverarbeitenden Industrie sowie der Zellstoff- bzw. Papierindustrie angehören. Die Chemieindustrie ist nur betroffen, soweit sie Kapazitäten zur Energie- und Wärmeerzeugung mit mehr als 20 MW unterhält. Vielfach werden für näher spezifizierte Anlagentypen bestimmte Mindestkapazitäten vorgeschrieben. Der Anwendungsbereich lehnt sich an die Vorschriften der IVU-Richtlinie15 an und erweitert den Kreis der erfassten Anlagen noch um einige große CO2-Emittenten16. Ausgenommen sind Anlagen oder Anlagenteile, die für Zwecke der Forschung, Entwicklung und Prüfung neuer Produkte und Verfahren genutzt werden. Europaweit unterfallen dem Emissionshandel ca. 11.500 Anlagen17, die für etwa 46 % der CO2-Emissionen und ca. 30 % aller Treibhausgasemissionen in der EU18 verantwortlich sind. Nicht unter das Zertifikatehandelssystem fallen die Sektoren Verkehr, Handel und Gewerbe, Haushalte sowie Teile der Industrie. bb) Unter den Emissionshandel fallende Treibhausgase Anhang II der EH-RL benennt als Treibhausgase sechs Stoffe bzw. Stoffgruppen: Kohlendioxid, Methan, Distickstoffoxid (Lachgas), Fluorkohlenwasserstoffe, perfluorierte Kohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid und entspricht damit im Wesentlichen dem Anhang A des KP19. Da aber Anhang I der EH-RL momentan nur Kohlendioxid-Emissionen erfasst, ist der Emissionshandel vorerst auf dieses Gas beschränkt. Dies erklärt sich einerseits daraus, dass CO2 mengen- wie wirkungsmäßig den größten Beitrag zum anthropogenen Treibhauseffekt leistet; ande14
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Kritisch zur zweifachen Einschränkung des Geltungsbereichs der Richtlinie Rüdiger Breuer, in: Hendler et al. (Hrsg.), Emissionszertifikate und Umweltrecht (2004), S. 145 (157). RL 96/61/EG des Rates vom 24.11.1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. EG Nr. L 257 v. 10.10.1996, S. 26. Astrid Epiney, DVBl 2002, 579 (580); Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17 Rz 95. Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 4. Kommission, RL-Vorschlag, KOM (2001) 581 endg. S. 11. Allerdings erstreckt sich Anhang II der EH-RL auf alle Fluorkohlenwasserstoffe (FKW), während das KP sich lediglich auf teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW/HFC) bezieht, vgl. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 448.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
rerseits gibt es bei der Messung und Überwachung der anderen Treibhausgase noch zahlreiche Schwierigkeiten20. Durch diese Beschränkung fällt ein erheblicher Teil der klimarelevanten Emissionen nicht unter den Emissionshandel, weswegen diese Emissionen allenfalls durch ordnungsrechtliche Maßnahmen kontrolliert werden und Betrieben Reduktionen im Bereich der anderen Treibhausgase nicht für den Emissionshandel angerechnet werden21. Aus diesem Grund wird daran gearbeitet, auch Emissionen anderer Treibhausgase für das Zertifikatesystem „handhabbar“ zu machen22. cc) Der Begriff der „Anlage“ nach Art. 3e EH-RL Der für die gesamte EH-RL zentrale Begriff der „Anlage“ wird in Art. 3e EH-RL definiert als „eine ortsfeste technische Einheit, in der eine oder mehrere der in Anhang I genannten Tätigkeiten sowie andere unmittelbar damit verbundene Tätigkeiten durchgeführt werden, die mit den an diesem Standort durchgeführten Tätigkeiten in einem technischen Zusammenhang stehen und die Auswirkungen auf die Emissionen und die Umweltverschmutzung haben können“. Da diese Anlagendefinition wortgleich mit der nach Art. 2 Nr. 2 der IVU-Richtlinie23 übereinstimmt, bietet es sich an, auf jene und ihre nationale Umsetzungsvorschriften zurückzugreifen24. b) Emissionsgenehmigung und Emissionszertifikate aa) Erfordernis einer Emissionsgenehmigung Gemäß Art. 4 EH-RL benötigen Betreiber von Anlagen, die in Anhang I genannten Tätigkeiten durchführen, eine Genehmigung für die Emission von CO2. Mit dem Genehmigungsantrag muss der Betreiber einer Anlage der zuständigen Behörde die grundlegenden Daten über seine Anlage und die geplanten Tätigkeiten vorlegen, Art. 5 EH-RL. Die Genehmigung erteilt die Behörde nach Art. 6 I EH-RL, „wenn sie davon überzeugt ist, dass der Betreiber in der Lage ist, die Emissionen zu überwachen und darüber Bericht zu erstatten“. In ihr enthalten ist die Verpflichtung, Zertifikate in Höhe der Emissionen der Anlage für jedes Kalenderjahr innerhalb der ersten vier Monate des darauf folgenden Jahres abzugeben, Art. 6 Abs. 2e EH-RL. Die Emissionsgenehmigung ist strikt anlagenbezogen und nicht handelbar25. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass die Anlagenbetreiber in der Lage sind, ihre Treibhausgasemissionen zu ermitteln und zu dokumentieren26.
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S. auch Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (39 f.); Marcus Stronzik/Martin Cames, Endbericht (2002), S. 24. Kritisch daher Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 448. Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17, Rz 95. Hierzu s. auch u. S. 86. RL 96/61/EG des Rates vom 24.11.1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. EG Nr. L 257 v. 10.10.1996, S. 26. Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (40). Franzjosef Schafhausen, Emissionshandel als Instrument der Klimaschutzpolitik, S. 11. Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1079).
I. Die Emissionshandels-Richtlinie
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bb) Abdeckung von Emissionen durch Zertifikate Nach Art. 12 III EH-RL haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass der Betreiber für jede Anlage bis spätestens 30. April jeden Jahres eine Anzahl von Zertifikaten abgibt, die den geprüften Gesamtemissionen der Anlage im vorhergehenden Kalenderjahr entspricht. Anschließend werden die Zertifikate gelöscht. Jedes Zertifikat verbrieft für seinen Inhaber das Recht, eine Tonne Kohlendioxid auszustoßen27 und gilt grundsätzlich für die Handelsperiode, für die es zugeteilt wurde. Diese Emissionsrechte sind nicht an die Emissionsquelle oder den Inhaber gebunden, sondern können gehandelt und übertragen werden. cc) Zuteilung von Zertifikaten durch die Mitgliedstaaten Nach Art. 9 ff. EH-RL teilen die Mitgliedstaaten den Betreibern die Zertifikate auf der Grundlage nationaler Zuteilungspläne28 zu. (1) Zeitlicher Ablauf Da der Zertifikatehandel unter starkem Zeitdruck eingeführt wurde, gelten für die unterschiedlichen Handelszeiträume auch verschiedene Regelungen. Während ab 2008 in Fünfjahreszeiträumen gerechnet wird, wodurch eine gewisse Parallelität zum KP ermöglicht werden soll, umfasst die „Erprobungsphase“ von 2005-2007 lediglich einen Dreijahreszeitraum. Gleichzeitig war die Zeit bei der Einführung der neuen Regelungen so knapp, dass zahlreiche Fristen verkürzt werden mussten, um den Start zum 1. Januar 2005 zu ermöglichen. Art. 11 EH-RL regelt die Zuteilung von Zertifikaten seitens der Mitgliedstaaten an die Anlagenbetreiber. Für den am 1. Januar 2005 beginnenden Dreijahreszeitraum mussten die Mitgliedstaaten die Entscheidung über die Zuteilung gleichzeitig mit der Entscheidung über die Gesamtzahl der Zertifikate, mindestens drei Monate vorher, d.h. am 1. Oktober 2004, treffen, Art. 11 I 2 EH-RL. Grundlage ist der nationale Zuteilungsplan, der für die erste Handelsphase bis zum 31. März 2004 der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten vorliegen musste. Für die folgenden Zuteilungsperioden werden die Pläne mindestens achtzehn Monate vor Beginn des betreffenden Zeitraums übermittelt und veröffentlicht, d.h. sie müssen am 1. Juli für die im übernächsten Jahr beginnende Zuteilungsperiode vorliegen. Für den am 1. Januar 2008 beginnenden Fünfjahreszeitraum und alle folgenden Fünfjahresperioden endete die Frist somit am 1. Januar 2007, Art. 11 II 2 EH-RL. Gleichzeitig leiten die Mitgliedstaaten gem. Art. 11 II 1 EHRL das Zuteilungsverfahren ein. (2) Zuteilungsmethode Für den ersten Dreijahreszeitraum sind gem. Art. 10 EH-RL mindestens 95 % der Zertifikate kostenfrei29 zu vergeben; in der Fünfjahresperiode ab 2008 sind es noch 90 %. Die restlichen 5 % bzw. 10 % der Zertifikate können beispielsweise verstei27 28 29
Franzjosef Schafhausen, Emissionshandel, S. 2. Hierzu s. u. S. 80 ff. Zu den dadurch verursachten beihilfrerechtlichen Problemen s. Christian Koenig/JensDaniel Braun/René Pfromm, ZWeR 2003, 152 ff.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
gert oder zum Festpreis verkauft werden; hierzu enthält die EH-RL keine näheren Vorgaben. Art. 10 EH-RL steht dabei der Erhebung kostendeckender Gebühren für den Vollzug des Zertifikatehandels durch die Mitgliedstaaten nicht entgegen30. Die Regelung dürfte zukunftsweisend zu verstehen sein und anzeigen, dass nach der Vorstellung des europäischen Gesetzgebers mittel- bis langfristig bereits die Zuteilungsentscheidung auf den Markt übergehen soll und mit einem zunehmenden Anteil zu versteigernder Zertifikate zu rechnen ist, bis schließlich die Allokation ausschließlich im Auktionsweg erfolgt. dd) Löschung von Zertifikaten Zertifikate werden aus unterschiedlichen Gründen gelöscht. Der Regelfall ist, dass sie vom Anlagenbetreiber in seinen Emissionen entsprechender Menge abgegeben und nach erfolgter Prüfung gelöscht werden, Art. 12 III EH-RL. Die Löschung erfolgt aber auf Antrag des Inhabers jederzeit gem. Art. 12 IV EH-RL – dies dürfte höchstens im Einzelfall vorkommen, wenn beispielsweise Umweltschützer Zertifikate aufkaufen, um Emissionen zu verhindern. Denkbar ist aber auch die Löschung von Berechtigungen zur allgemeinen Verknappung des Zertifikatebestands auf dem Markt31. Schließlich werden Zertifikate aus dem Dreijahreszeitraum des Art. 11 I EH-RL, die nicht mehr gültig sind und nicht gem. Art. 12 III EH-RL abgegeben und gelöscht wurden, am 1. Mai 2008 gelöscht, Art. 13 II UA 1 EH-RL. Gleiches geschieht vier Monate nach Beginn jedes folgenden Fünfjahreszeitraums gem. Art. 13 III UA 1 EH-RL. Im Falle der Löschung unbenutzter Zertifikate nach Art. 13 EH-RL steht es den Mitgliedstaaten in der zweiten Handelsperiode offen, ihren Besitzern ersatzweise Zertifikate aus dem laufenden Zeitraum zuzuteilen, s. Art. 13 II UA 2 EH-RL. In darauf folgenden Handelsperioden ist diese Übertragung nach Art. 13 III UA 2 EH-RL verpflichtend. c) Nationaler Zuteilungsplan und seine Überprüfung durch die Kommission aa) Nationaler Zuteilungsplan Basis für die Zuteilung der Zertifikate durch die Mitgliedstaaten sind die jeweiligen nationalen Allokationspläne (NAPs). Gemäß Art. 9 I 1 EH-RL stellen die Mitgliedstaaten für jeden Handelszeitraum einen derartigen Plan auf, „aus dem hervorgeht, wie viele Zertifikate sie insgesamt für diesen Zeitraum zuzuteilen beabsichtigen und wie sie die Zertifikate zuzuteilen gedenken“. Zu diesem Zweck ermittelt jeder Mitgliedstaat zunächst unter Einbeziehung seines Kyoto-Zieles die Gesamtmenge zulässiger Emissionen, die unter den EG-
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OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ 2006, 356 (359); Raimund Körner/Sebastian von Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 18 ZuG Rz 47. A. A. Uwe Erling/Martin Ahlhaus, NVwZ 2006, 254 (257). Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2129).
I. Die Emissionshandels-Richtlinie
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Emissionshandel fällt, und verteilt diese auf die einzelnen Anlagen32. Vor Erstellung des NAP ist die Öffentlichkeit zu beteiligen; die Ergebnisse dieses Prozesses sind angemessen zu berücksichtigen, Anhang III Ziff. 9 EH-RL. Der Plan muss auf „objektive und transparente Kriterien“ gestützt sein, Art. 9 I 2 EH-RL, einschließlich der in Anhang III der EH-RL genannten33. Die erste wesentliche Entscheidung, die der Plan enthält, ist somit die Gesamtmenge an Emissionszertifikaten, die zur Ausgabe vorgesehen ist. Bei ihrer Festlegung haben die Mitgliedstaaten ihre jeweiligen Reduktionspotentiale, die einschlägigen europarechtlichen wie nationalen Politikinstrumente sowie die nationale Energiepolitik zu berücksichtigen34. Konkret bedeutet dies, dass die Gesamtmenge der Zertifikate nach Anhang III, Krit. 1 EH-RL mit den Reduktionszielen des KP sowie – soweit anwendbar – den Vorgaben des Burden Sharing Agreement in Einklang stehen muss; auch dem nationalen Klimaschutzprogramm sollten die Werte entsprechen. Hierbei ist zu bedenken, dass auf die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Unternehmen nur ein Teil der CO2-Emissionen entfällt35. Gegebenenfalls ist auch die Inanspruchnahme der flexiblen Mechanismen CDM oder JI durch den Mitgliedstaat einzuberechnen, durch die er die Gesamtmenge seiner zulässigen Emissionen und somit auch der ausgegebenen Zertifikate erhöhen kann36. Daher entscheidet der Allokationsplan auf makroökonomischer Ebene auch darüber, in welchem Ausmaß die Mitgliedstaaten auf den Emissionshandel zurückgreifen, um ihren Kyoto-Verpflichtungen gerecht zu werden37. Teil des NAP muss zudem eine Liste sein, aus der sich ergibt, welche Anlagen dem Zertifikatehandel unterfallen und wie viele Zertifikate der einzelnen Anlage zugeteilt wurden, s. Anhang III Ziff. 10 EH-RL. Des Weiteren muss sich aus dem Zuteilungsplan ergeben, ob alle Zertifikate kostenlos zugeteilt werden und anhand welcher Maßstäbe die Verteilung auf die einzelnen Anlagen erfolgt38. Dass diese wesentlichen Entscheidungen den Mitgliedsstaaten überlassen bleiben, sollte die Akzeptanz des Zertifikatehandels erhöhen. Hierdurch können die Mitgliedsstaaten, nationale Besonderheiten bei der Zuteilung berücksichtigen, diese Gestaltung beinhaltet jedoch gleichzeitig Gefahren für den Wettbewerb39. 32
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Non-Paper der Kommission, The EU Emissions Trading Scheme: How to develop a National Allocation Plan (April 2003), S. 4; Jochen Schlüter, NVwZ 2003, 1213 (1214). S. dazu Entscheidung der Kommission vom 29.01.2004 zur Festlegung von Leitlinien für Überwachung und Berichterstattung betreffend Treibhausgasemissionen gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, K (2004) 130 endg. Kommission, How to develop a National Allocation Plan (April 2003), S. 5; Jochen Schlüter, NVwZ 2003, 1213 (1214). Martin Burgi, et 53 (2003), 395; Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 456. Mehr dazu s. u. S. 91. Martin Burgi, et 53 (2003), 395. Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 5. Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (40). Zu den Vorgaben der EH-RL für die Zuteilung durch die Mitgliedstaaten vgl. o. S. 79 f. Sebastian Heselhaus, in: Lange (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Recht (2003), 173 (185).
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
Es versteht sich von selbst, dass der Allokationsplan auch nicht gegen sonstiges EG-Recht verstoßen darf. Besondere Bedeutung erlangen hierbei die Beihilfevorschriften, die ausdrücklich in Art. 11 III EH-RL genannt werden. bb) Überprüfung des Nationalen Zuteilungsplans durch die Kommission Die Nationalen Zuteilungspläne müssen der Kommission übermittelt werden; für die erste Handelsperiode galt eine Frist bis zum 31.03.2004, in kommenden Perioden müssen die Mitgliedstaaten die Pläne der Kommission mindestens 18 Monate vor Beginn des betreffenden Zeitraums einreichen, Art. 9 I UA 2 EH-RL. Für die am 01.01.2008 beginnende Periode lief die Frist somit am 30.06.2006 ab. Nach Art. 9 III EH-RL kann die Kommission den Plan oder einen Teil davon innerhalb von drei Monaten nach der Übermittlung ablehnen, wenn er mit den in Anhang III aufgeführten Kriterien40 oder mit Art. 10 EH-RL41 unvereinbar ist. Eine derartige Entscheidung muss die Kommission begründen, Art. 9 III 3 EH-RL. In Anlehnung an die Terminologie des deutschen Verwaltungsrechts wird in der Literatur von bloßer Rechts- anstelle von Fachaufsicht gesprochen42. Die Mitgliedstaaten können bis zum Zeitpunkt der endgültigen Allokationsentscheidung des Art. 11 I bzw. II EH-RL selbst einen bereits von der Kommission genehmigten NAP nachträglich noch ändern, solange diese Änderung im Einklang mit den rechtlichen Anforderungen an die Allokation der Zertifikate steht43. Dies gilt auch für eine nachträgliche Erhöhung der Zertifikatmengen44. Zum deutschen Zuteilungsplan für die Periode 2005 bis 2007 hat die Kommission am 7. Juli 2004 eine Entscheidung erlassen, wonach die an vielen Stellen vorgesehenen Ex post-Anpassungen der Zuteilung von Zertifikaten unzulässig sein sollten45. Sie sah darin eine mit der EH-RL unvereinbare Durchbrechung des sog. ex ante-Prinzips bei der Zuteilung. Da diese Bedenken aber nicht die Erstzuteilung betrafen, konnte Deutschland unmittelbar am Emissionshandel teilnehmen46. Deutschland hat gegen die Entscheidung Klage erhoben und inzwischen vom Europäischen Gericht erster Instanz Recht bekommen47. Im Verhältnis zur Prüfungsdichte der ersten Handelsperiode, in der der Zeitmangel in mehrfacher Hinsicht seinen Tribut forderte, hat die Europäische Kommission die Zuteilungspläne der Mitgliedstaaten für die zweite Periode noch sehr 40 41 42 43
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Dazu s. u. S. 90 ff. Zur Zuteilungsmethode vgl. S. 79 f. Walter Frenz, DVBl 2006, 728 (730). So das EuG, Rs. T-178/05, NVwZ 2006, 75, Rn 63 in einem Verfahren zwischen Großbritannien und der Kommission wegen der nachträglichen Erhöhung der Zertifikatmenge. EuG, Rs. T-178/05, NVwZ 2006, 75, Rn 63. Entscheidung der Kommission vom 07.07.2004 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, der von Deutschland gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt wurde, K(2004) 2525/2 endg. vgl. Art. 3 IV der Entscheidung. EuG, Rs. T-374/ 04, Urt. v. 07.11.2007, abrufbar über www.curia.eu.int.
I. Die Emissionshandels-Richtlinie
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viel strenger unter die Lupe genommen. Dies dürfte nicht zuletzt damit zusammen hängen, dass es in der ersten Handelsperiode zu einer sehr großzügigen Allokation gekommen war, die den Marktpreis der Zertifikate nach anfänglichen Hochs von bis zu 30 € auf zuletzt ca. 0,03 € abstürzen ließ48. Derartige Entwicklungen gefährden die Funktionsfähigkeit des auf Knappheit basierenden Emissionshandels. Alle zehn fristgemäß eingereichten nationalen Allokationspläne wurden überprüft und für mangelhaft befunden; der deutsche Plan stellte keine Ausnahme dar. Bemängelt wurde insbesondere, dass die Pläne mit dem Kyoto-Ziel der Mitgliedstaaten nicht in Einklang zu bringen waren, das Cap dem zu erwartenden Emissionsvolumen und dem Emissionsminderungspotential nicht entsprach oder die Möglichkeit der Verwendung von Zertifikaten aus CDM- oder JI-Projekten nicht mehr nur „ergänzend“ vorgesehen war49. d) Handel mit Emissionszertifikaten Die Regelungen der EH-RL über den Handel mit Emissionszertifikaten sind lediglich rudimentär; Einzelheiten bleiben dem Zivilrecht der Mitgliedstaaten überlassen50. Sichergestellt ist jedoch, dass Zertifikate zwischen Personen innerhalb der Gemeinschaft übertragen werden können, und auch zwischen Personen innerhalb der Gemeinschaft und Personen in Drittländern, in denen diese Zertifikate gem. Art. 25 EH-RL anerkannt werden, Art. 12 I EH-RL. Voraussetzung ist nicht, dass die am Handel Beteiligten gleichzeitig Anlagenbetreiber sind; die Zertifikate können auch beispielsweise als Spekulationsobjekte eingesetzt werden51. Somit können sich nicht nur Anlagenbetreiber, sondern beispielsweise auch Privatpersonen, Unternehmen aus nicht dem Zertifikatehandel unterliegenden Branchen, Interessensverbände oder der Staat und seine Untergliederungen am Handel beteiligen52. Zertifikate aus einem anderen Mitgliedstaat können zur Erfüllung der Betreiberpflichten verwendet werden, Art. 12 II EH-RL. e) Überwachungs- und Sanktionsmechanismen aa) Überwachung Ein EU-weiter Zertifikatehandel kann nur funktionieren, wenn sichergestellt ist, dass die Emissionen flächendeckend und fortlaufend überwacht werden53. Ein stringentes Kontrollregime kann einerseits sicherstellen, dass die Umwelt nicht 48
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Stratmann/Hauschild, Handelsblatt.com v. 09.03.2007; Geinitz, faz.net v. 07.03.2007; EUA-News vom 14.12.2007. So zusammenfassend die Pressemeldung der Kommission v. 29.11.2006, IP/06/1650. Zur Entscheidung der Kommission zum deutschen NAP II s. u. S. 143 ff. In Betracht kommt ein bilateraler ebenso wie ein börslicher Handel, vgl. Jochen Schlüter, NVwZ 2003, 1213 (1215). Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2129). Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 454; Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17, Rz 98. S. auch Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (41); Charlotte KreuterKirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 461; Hans-Peter Vierhaus/Sebastian von Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 5 TEHG Rz 5.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
über Gebühr belastet wird, andererseits trägt es zur Glaubwürdigkeit des Systems bei und stellt so sicher, dass seine ökonomischen Vorteile zum Tragen kommen. Art. 19 I EH-RL verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Einrichtung und Aktualisierung eines Registers, „um die genaue Verbuchung von Vergabe, Besitz, Übertragung und Löschung von Zertifikaten zu gewährleisten“. In dem Register werden Konten geführt, auf denen die einer Person zugeteilten bzw. erworbenen oder veräußerten Zertifikate verbucht werden54. Das Register wird als elektronische Datenbank nach den Vorgaben der Kommission geführt55. Im Übrigen haben die Mitgliedsstaaten die Emissionen im Einklang mit den von der Kommission erlassenen Leitlinien56 für die Überwachung und Berichterstattung betreffend Emissionen aus in Anhang I aufgeführten Tätigkeiten von für diese Tätigkeiten spezifizierten Treibhausgasen zu überwachen und darüber zu berichten, Art. 14 EH-RL. Die Grundsätze für die Überwachung und Berichterstattung gem. Art. 14 I EH-RL sind in Anhang IV EH-RL detailliert geregelt. Anlagenbetreiber sind danach verpflichtet, CO2-Emissionen aus unter den Zertifikatehandel fallenden Anlagen im Wege der Berechnung oder der Messung zu überwachen. Für die Überwachung anderer Treibhausgasemissionen sind standardisierte oder etablierte Verfahren zu verwenden. Die Mitgliedstaaten müssen nach Art. 14 III EH-RL dafür sorgen, dass die Anlagenbetreiber nach dem Ende eines Kalenderjahres über ihre Emissionen Bericht erstatten. Dies muss bis spätestens 31. März des auf den Berichtszeitraum folgenden Jahres erfolgt sein, vgl. Art. 15 II EH-RL, und ebenfalls den Leitlinien der Kommission entsprechen. Die Berichte müssen von einer unabhängigen und sachkundigen Instanz anhand der Kriterien des Anhang V EH-RL geprüft werden, Art. 15 UA 1 i.V.m. Anhang V EH-RL. Die prüfende Instanz kontrolliert insbesondere die Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit und Genauigkeit der Überwachungssysteme sowie der übermittelten Emissionsdaten. Sie erstellt einen Validierungsbericht, in dem sie darlegt, ob der Emissionsbericht gemäß Art. 14 III EH-RL zufriedenstellend ist. Dies ist der Fall, wenn die Prüfungsstelle der Auffassung ist, dass zu den Gesamtemissionen keine wesentlich falschen Angaben gemacht wurden57. Schließlich wird nach Art. 20 EH-RL auf europäischer Ebene ein sog. Zentralverwalter eingesetzt, der ein unabhängiges Transaktionsprotokoll über Vergabe, Übertragung und Löschung der Zertifikate führt. Anhand dieses Protokolls wird jede Transaktion in den Registern kontrolliert. Werden Unregelmäßigkeiten festgestellt, unterrichtet der Zentralverwalter den betroffenen Mitgliedsstaat, der die 54 55
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Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 459. Es gilt die Verordnung (EG) Nr. 2216/2004 der Kommission vom 21. Dezember 2004 über ein standardisiertes und sicheres Registrierungssystem gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Entscheidung 280/2004/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EG Nr. L 386, S. 1 ff. vom 29.12.2004. Entscheidung der Kommission vom 29.01.2004 zur Festlegung von Leitlinien für Überwachung und Berichterstattung betreffend Treibhausgasemissionen gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EG Nr. L 59 v. 26.02.2004, S. 1 ff. Anhang V Ziff. 11 EH-RL.
I. Die Emissionshandels-Richtlinie
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betroffene Transaktion bzw. weitere Transaktionen, die damit im Zusammenhang stehen könnten, nicht mehr in das Register eintragen darf, Art. 20 III EH-RL. bb) Sanktionen Hat ein Anlagenbetreiber einen nicht zufriedenstellenden Bericht über die Emissionen des Vorjahres abgegeben, verliert er gem. Art. 15 II EH-RL das Recht, Zertifikate zu übertragen. Erst wenn sein Bericht als zufriedenstellend akzeptiert ist, kann er wieder Zertifikate veräußern. Diese Verknüpfung der Berichtspflichten mit der Verkaufsberechtigung bildet gleichzeitig einen Anreiz für die Erfüllung der Berichtspflichten und sichert die Integrität des Systems58. Für andere Pflichtverletzungen der Anlagenbetreiber legen die Mitgliedstaaten Art und Umfang der Sanktionen fest59. Verstoßen Anlagenbetreiber gegen die auf der RL basierenden nationalen Vorschriften, haben die Mitgliedstaaten wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu verhängen, Art. 16 I 1, 2 EHRL. Die Vorschriften mussten der Kommission bis zum 31. Dezember 2003 gemeldet werden; Änderungen sind unverzüglich zu notifizieren, Art. 16 I 3 EH-RL. Eine Sonderregelung gilt für Betreiber, die es versäumen, bis zum 30. April des Folgejahres eine ausreichende Anzahl von Zertifikaten zur Abdeckung ihrer Emissionen abzugeben: die Sanktion beträgt ab 2008 für jede nicht abgedeckte Tonne Kohlendioxid 100,- €, bis dahin 40,- €, s. Art. 16 III, IV EH-RL. Zusätzlich muss der betroffene Anlagenbetreiber Zertifikate in Höhe dieser Emissionsüberschreitung abgeben, wenn er die Zertifikate für das folgende Kalenderjahr abgibt. Auf diese Weise wird verhindert, dass Anlagenbetreiber sich von ihrer Verpflichtung, eine hinreichende Anzahl Zertifikate abzugeben, freikaufen können60. Die Namen der Betreiber, die nicht genug Zertifikate abgeben, werden veröffentlicht, Art. 16 II EH-RL. Spezielle Sanktionen gegen Mitgliedsstaaten, die ihren Verpflichtungen aus der EH-RL etwa zur Erhebung oder Durchsetzung von Sanktionen nicht nachkommen, sind nicht vorgesehen; hier ist ggf. ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten61. f) Umsetzungsfristen und Optionen für die Fortentwicklung des Systems Die EH-RL sieht vor, dass ihr Anwendungsbereich längerfristig sowohl auf zusätzliche Anlagen als auch auf die anderen in Anhang II genannten Treibhausgase, d.h. auf Methan, Distickstoffoxid, Fluorkohlenwasserstoffe, perfluorierte Kohlenwasserstoffe und Schwefelhexafluorid, ausgeweitet werden soll. Weitere Erweiterungsoptionen bestehen auf europäischer wie mitgliedstaatlicher Ebene. 58 59 60 61
Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 463 f. Charlotte Kreuter-Kirchhof, ibid., S. 464. Charlotte Kreuter-Kirchhof, ibid., S. 464. Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17, Rz 100, der darauf verweist, dass die Wirksamkeit dieses Verfahrens angesichts der langen Verfahrensdauer zweifelhaft ist. Kritisch aus diesem Grund auch Sebastian Heselhaus, in: Lange (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Recht (2003), 173 (184). Vgl. auch zu den Berichterstattungspflichten der Mitgliedstaaten u. S. 89 f.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
aa) Erweiterung auf europäischer Ebene Die Kommission hatte bis zum 31.12.2004 Zeit, dem Europaparlament und dem Rat vorzuschlagen, Anhang I dahin gehend zu ändern, dass andere Tätigkeiten und Emissionen anderer in Anhang II aufgeführter Treibhausgase aufgenommen werden, Art. 30 I EH-RL. Noch umfassendere Berichtspflichten, welchen die Kommission bis zum 30. Juni 2006 nachkommen muss und die ebenfalls in Änderungsvorschläge münden können, enthält Art. 30 II EH-RL. Hierzu zählt auch der Auftrag, die Anwendung europaweit einheitlicher Benchmarks zu prüfen. Während es um diese Regelungen lange Zeit sehr still geblieben war, hat die Kommission nun angekündigt, das System ab 2013 auf CO2 aus der petrochemischen Produktion, CO2 und Distickstoffmonoxid (N2O) aus der Ammoniakproduktion, CO2 und PFC aus der Aluminiumerzeugung und auf Methan aus dem Kohlebergbau erweitern zu wollen62. Auch eine EU-weit einheitliche Emissionsobergrenze sowie die Vereinheitlichung der Regeln über die einbezogenen Anlagen und die Zuteilung der Zertifikate sind ab diesem Zeitpunkt im Gespräch63. Des weiteren wird eine Harmonisierung für die Bestimmungen angestrebt, die regeln, wie mit Stilllegungen und neu in Betrieb genommenen Anlagen im Laufe einer Handelsperiode verfahren werden soll. Schließlich sind auch die Regeln zur Einbeziehung von CDM- und JI-Projekten auf dem Prüfstand für eine europäische Vereinheitlichung64. bb) Erweiterung auf mitgliedstaatlicher Ebene Auch die Mitgliedstaaten können mit Billigung der Kommission den Anwendungsbereich des Emissionshandels für das nationale Recht ausweiten. Ab 2005 können sie den Emissionshandel auf Anlagen ausdehnen, die zwar die in Anhang I aufgeführten Tätigkeiten durchführen, aber unterhalb der dort genannten Kapazitätsgrenzen bleiben, Art. 24 I UA 2 EH-RL65. Ab 2008 können sie den Zertifikatehandel auch auf nicht in Anhang I aufgeführte Tätigkeiten, Anlagen und Treibhausgase (nach Anhang II) erstrecken, Art. 24 I UA 1 EH-RL. Sofern andere Treibhausgase aufgenommen werden, müssen sie auf CO2-Äquivalente umgerechnet werden. g) Sonstige Regelungen aa) Zugang zu Informationen Art. 17 EH-RL bestimmt, dass Entscheidungen über die Zuteilung der Zertifikate sowie die Emissionsberichte, die von den Verantwortlichen abgegeben werden,
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Mitteilung der Kommission, Errichtung eines globalen Kohlenstoffmarkts, KOM (2006) 676, S. 8, 13. Mehr dazu u. S. 158. Umfassend Mitteilung der Kommission, Errichtung eines globalen Kohlenstoffmarkts, KOM (2006) 676. Hiervon hat beispielsweise Schweden Gebrauch gemacht und auch Verbrennungsanlagen unterhalb der 20 MW-Schwelle in den Handel einbezogen, s. Schwedische Energiebehörde (Stem), Benchmarks (2005), S. 59.
I. Die Emissionshandels-Richtlinie
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mit den sich aus Art. 3 III und Art. 4 der Umweltinformationsrichtlinie ergebenden Einschränkungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind. bb) Verhältnis zur IVU-RL66 Wie der Titel der EH-RL schon erwarten lässt, stehen Zertifikatehandel und IVURL in einem gewissen Spannungsverhältnis67. Beide Richtlinien regeln Rechtsverhältnisse derselben Anlagenbetreiber, wobei die EH-RL vorwiegend auf indirekte Verhaltenssteuerung setzt, während die IVU-RL als traditionelles ordnungsrechtliches Instrument wirkt68. Die IVU-RL enthält u. a. in Art. 3 S. 1 lit. d die Verpflichtung der Anlagenbetreiber zur sparsamen und effizienten Energieverwendung – hier stellt sich angesichts der Korrelation von Energieverbrauch und Kohlendioxid-Emissionen die Frage, wie die Kollision mit einem System zu beseitigen ist, das seinen Teilnehmern beliebige CO2-Emissionen gestattet, sofern sie nur durch eine hinreichende Menge an Zertifikaten abgedeckt sind. Damit dem Emissionshandel überhaupt ein nennenswerter Spielraum verbleibt, musste das Verhältnis des Zertifikatehandels zur IVU-RL geklärt werden69; zu diesem Zweck erhielt Art. 9 III der IVU-RL vier zusätzliche Unterabsätze, Art. 26 EH-RL. Der erste der neuen Unterabsätze stellt klar, dass die Genehmigung einer dem Emissionshandelsregime unterfallenden Anlage keine Emissionsvorgaben für direkte Emissionen unter dieses System fallender Gase enthält. Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass eine erhebliche lokale Umweltverschmutzung droht, sog. hot spot-Problematik, wodurch dem Schutzprinzip (§ 5 I Nr. 1 BImSchG) Rechnung getragen werden soll70. Auch Kuppelemissionen sind weiterhin nach der IVU-RL zu beurteilen71. Der Zweck dieser Regelung ist es, das Vorsorgeprinzip der IVU-RL für den Bereich des Emissionshandels partiell außer Kraft zu setzen. Anderenfalls wären Betriebe nach Art. 3 S. 1 lit. a IVU-RL dazu verpflichtet, immer die beste verfügbare Technik einzusetzen, um die Umwelt (und damit auch
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RL 96/61/EG des Rates vom 24.11.1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABl. EG Nr. L 257 v. 10.10.1996, S. 26. Hierzu vgl. etwa Hans-Joachim Koch/Annette Wieneke, DVBl 2001, 1085 (1091 ff.); Astrid Epiney, DVBl. 2002, 579 (583 f.); Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 137 ff.; Wolf Friedrich Spieth, Europäischer Emissionshandel (2002), S. 53 ff.; Hans-Werner Rengeling, DVBl 2000, 1725 (1729). Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 296. S. dazu auch Arbeitsgruppe „Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes“, Rechtliche und institutionelle Fragen, Ergebnisse der Unterarbeitsgruppe III, Beratungsphase Februar-September 2002, S. 11 f.; vgl. Simon Marr/Sebastian Oberthür, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, § 54 Rz 118; Walter Frenz, RdE 2003, S. 32 ff. Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2131). Dies dürfte vorwiegend der künftigen Einbeziehung von Methan gelten, das als einziges der in Anhang II der EH-RL genannten Treibhausgase auch lokale Auswirkungen haben kann, Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 300; Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17 Rz 95; Walter Frenz, ZUR 2006, 393 (384). Michael Kloepfer, ibid., § 17, Rz 95.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
das Klima) zu schützen72. Durch die partielle Abkopplung vom Vorsorgegebot soll die für den Zertifikatehandel erforderliche Flexibilität erreicht werden73. Der zweite Unterabsatz ermöglicht den Mitgliedstaaten, bei dem Emissionshandel unterfallenden Anlagen auf Energieeffizienzanforderungen zu verzichten. Erfolgt ein derartiger Verzicht nicht, sind die Anlagenbetreiber bereits nach Art. 3 S. 1 lit. d IVU-RL gezwungen, CO2-Emissionen nach den Möglichkeiten, die der Stand der Technik bietet, zu reduzieren. Entsprechend gering fallen dann die Minderungspotentiale im Zertifikatehandel aus74. Der dritte Unterabsatz sieht vor, dass bereits existierende Genehmigungen soweit erforderlich anzupassen sind. Die Voraussetzungen einer Emissionsgenehmigung nach Art. 5, 6 und 7 EH-RL können in die IVU-Genehmigungsverfahren integriert werden; gleichzeitig sind auch die materiellen Voraussetzungen sowie das Genehmigungsverfahren beider Systeme zu koordinieren, Art. 8 EH-RL. Hierdurch soll den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet werden, Doppelungen in Genehmigungs- und Überwachungsverfahren weitestgehend zu vermeiden75. Der vierte Unterabsatz stellt klar, dass die in den anderen drei Unterabsätzen enthaltenen Abweichungen von den Anforderungen der IVU-RL nicht für Anlagen gelten, die gem. Art. 27 EH-RL vorübergehend aus dem EH-System ausgeschlossen sind. Nach Art. 2 II EH-RL gilt die EH-RL – richtigerweise müsste man sagen, soweit sie selbst nichts anderes bestimmt – unbeschadet der IVU-RL. cc) Anlagenfonds (Pooling) Auf besonderes Drängen der deutschen Delegation wurde in Art. 28 der EH-RL die Möglichkeit zum sog. Pooling eingefügt, in der deutschen Fassung der Richtlinie etwas missverständlich als „Anlagenfonds“ bezeichnet76. Diese Möglichkeit besteht aber nur bis zum Ende der ersten beiden Handelsperioden, Art. 28 I EHRL. Anlagenbetreibern aus demselben Tätigkeitsbereich im Sinne des Anhang I EH-RL wird ermöglicht, ihre Emissionen gesamtheitlich abzurechnen und die Zertifikate von einem Treuhänder verwalten zu lassen. Statt an die Anlagenbetreiber wird die Gesamtmenge der dem Fonds zustehenden Zertifikate an den Treuhänder zugewiesen, Art. 28 Abs. 3a EH-RL. Sanktionen wegen nicht abgegebenen Zertifikaten werden folglich nach Art. 28 IV EH-RL gegen den Treuhänder verhängt, und falls dieser den Sanktionen nicht nachkommt, sind alle Betreiber einer Anlage für die Emissionen der eigenen Anlage verantwortlich, Art. 28 VI EH-RL. Neben einem möglicherweise verringerten Verwaltungsaufwand kann das Pooling je nach Ausgestaltung des nationalen Rechts auch bilanzielle und steuerliche Vorteile mit sich bringen77. Erforderlich ist, dass die Anlagenbetreiber einen An72 73 74
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Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 298. Befürwortend Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 300. Vgl. Jochen Schlüter, NVwZ 2003, 1213 (1216); Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 301; eine derartige Lösung befürwortet Walter Frenz, RdE 2003, 32 (33). Yvonne Kerth, ibid., S. 302. Dazu auch Yvonne Kerth, ibid., S. 221 f. Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (40); Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2129); zur Bilanzierung von Emissionsrechten in Deutschland s. Martin Burgi/Knut Werner Lange, ZHR 170 (2006), 539 (553 ff.).
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trag stellen, in dem sie die erfassten Anlagen genau bezeichnen und den Zeitraum angeben, für den der Fonds gebildet werden soll, Art. 28 II EH-RL. Zudem müssen sie den Nachweis erbringen, dass ein Treuhänder in der Lage sein wird, die mit dem Fonds verbundenen Pflichten zu erfüllen. Befürwortet der Mitgliedstaat den Antrag, reicht er ihn bei der Kommission ein. Diese kann ihn innerhalb von drei Monaten ablehnen, sofern er den Anforderungen der EH-RL nicht gerecht wird, Art. 28 V 2 EH-RL. Eine ablehnende Entscheidung bedarf der Begründung, Art. 28 V 3 EH-RL. Hat die Kommission einen Antrag abgelehnt, darf der Mitgliedsstaat die Bildung des Fonds nur noch erlauben, wenn die Änderungsvorschläge von der Kommission akzeptiert werden, Art. 28 V 4 EH-RL. dd) Vorübergehender Ausschluss bestimmter Anlagen Nach Art. 27 I EH-RL können die Mitgliedstaaten bei der Kommission beantragen, dass Anlagen vorübergehend, höchstens jedoch bis zum Ende der ersten Zuteilungs- und Handelsperiode, aus dem Emissionshandelssystem ausgenommen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass die Anlagen infolge der einzelstaatlichen Politik ihre Emissionen ebenso weit begrenzt als wäre sie der EH-RL unterworfen, dass sie gleichwertigen Überwachungs-, Berichterstattungs- und Prüfungsanforderungen unterliegt und dass sie bei Nichterfüllung ihrer Verpflichtungen mindestens genauso wirksamen Sanktionen unterliegt, wie das im Emissionshandelssystem der Fall wäre, Art. 27 II UA 1 EH-RL. Schließlich ist zu gewährleisten, dass es nicht zu Beeinträchtigungen des Binnenmarktes kommt, Art. 27 II UA 2 EH-RL. Wohl nicht zuletzt aufgrund der erheblichen Anforderungen bei kurzer Geltungsdauer hat man in Deutschland davon abgesehen, diese Vorschrift umzusetzen78. ee) Berichterstattung durch die Mitgliedstaaten Art. 21 EH-RL sieht ein Berichtsystem auf Staatenebene vor, das dem Informationsaustausch zwischen den diversen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten einerseits dient und andererseits sicherstellen soll, dass die Vorschriften der EHRL ordnungsgemäß umgesetzt und angewendet wurden. Dass die EH-RL anders als beispielsweise das KP keine Sanktionen gegenüber den Mitgliedstaaten vorsieht, ist wenig überraschend, da die Möglichkeit besteht, gegen säumige Mitgliedstaaten ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Allerdings hat sich gerade bei der Umsetzung der EH-RL gezeigt, dass dieses Instrument sehr träge ist, wenn es darum geht, Druck auf Mitgliedstaaten auszuüben, die ihren Verpflichtungen nicht oder nicht fristgemäß nachkommen. Aus diesem Grund wird in der Literatur gefordert, wirksamere Sanktionen für säumige Mitgliedstaaten einzufüh-
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Walter Frenz, et 53 (2003), 524, sah hierin noch eine Möglichkeit, an Selbstverpflichtungen beteiligte Anlagen durch Ausklammerung aus dem Emissionshandel zu begünstigen. Diese Idee hat sich jedoch nicht durchgesetzt.
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ren79. Zusätzlich unterliegen die EU-Mitgliedstaaten weiterhin den Sanktionen, die das KP vorsieht80.
3. Die Kriterien für die Nationalen Zuteilungspläne nach Anhang III Die EH-RL gibt den Mitgliedstaaten einige Kriterien für die Zuteilung der Zertifikate vor, Art. 9 i.V.m. Anhang III EH-RL. Gemäß Art. 9 I 2 EH-RL muss der NAP auf objektive und transparente Kriterien gestützt werden; die Kriterien des Anhang III der EH-RL sind dabei zu berücksichtigen. Diese Kriterien hat die Kommission inzwischen näher kommentiert81; zudem nehmen sie auf Basis der Kommissionsentscheidungen zu den nationalen Allokationsplänen zunehmend Gestalt an. Die Kriterien bilden einen von den Mitgliedstaaten nach ihren Vorstellungen und verfassungsrechtlichen Anforderungen82 auszufüllenden Rahmen83; teilweise stehen sie auch in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander. Einerseits kommt dieser Gestaltungsspielraum den Staaten entgegen und erleichtert die Akzeptanz des Zertifikatehandelssystems. Andererseits sind die nationalen Unterschiede Einfallstor für Wettbewerbsbeeinträchtigungen aller Art84. Mittel- bis langfristig steht eine europaweite Harmonisierung der Zuteilungsmodi zu erwarten85. a) Vereinbarkeit mit nationalen Emissionsminderungszielen Kriterium 1 besagt, dass die Gesamtmenge der von einem Mitgliedstaat zugeteilten Zertifikate mit der im Burden Sharing Agreement und im KP enthaltenen Ver-
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Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 464; ähnl. Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 17 Rz 100; Sebastian Heselhaus, in: Lange (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Recht (2003), 173 (184). Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2131) sehen hierin sogar einen teilweisen Ersatz der Staatenverantwortlichkeit in der EH-RL. Mitteilung der Kommission über Hinweise zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates aufgelisteten Kriterien sowie über die Bedingungen für den Nachweis höherer Gewalt, KOM (2003) 830 endg.; S. auch Kommission, Questions and Answers on Emissions Trading and National Allocation Plans for 2008 to 2012. Derartige Mitteilungen sind in Art. 249 EGV nicht aufgeführt und daher eigentlich rechtlich nicht bindend, dürften jedoch mindestens als Selbstbindung seitens der Kommission zu verstehen sein. Hierbei ist vor allem an grundrechtliche Gewährleistungen zu denken, vgl. u. S. 265 ff. Vgl. Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (40). Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 458. Krit. auch Rüdiger Breuer, in: Hendler et al. (Hrsg.), Emissionszertifikate und Umweltrecht (2004), 145 (166). Mehr dazu S. 158 ff.
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pflichtung des Staates zur Emissionsbegrenzung im Einklang stehen muss86, wobei zu berücksichtigen ist, dass nur ein Teil der Emissionen unter den Zertifikatehandel fällt. Die Kommission behält sich jedoch auch vor zu prüfen, ob die Verteilung der Minderungsverpflichtung auf die verschiedenen Sektoren realistisch und durch hinreichende Maßnahmen in den entsprechenden Bereichen gesichert ist. Das bedeutet, dass die Mitgliedstaaten konkret darlegen müssen, welche Maßnahmen sie vornehmen wollen, welches Einsparpotential sie sich davon versprechen und worauf diese Prognosen beruhen87. Der Prüfungsumfang der Kommission umfasst auch die Plausibilität dieser Annahmen. Die avisierten Maßnahmen sollten auch dem nationalen Klimaschutzprogramm entsprechen und nationale Klimaziele erreichen88. Schließlich darf die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate nicht höher sein als der „wahrscheinliche Bedarf für die strikte Anwendung der Kriterien dieses Anhangs“. Letzterer richtet sich in besonderem Maße nach den Kriterien 2 und 3, d.h. in die Berechnung des wahrscheinlichen Bedarfs ist in besonderem Maß der tatsächliche oder zu erwartende Fortschritt bei der CO2-Vermeidung einzubeziehen und ist das technische Minderungspotential der betroffenen Anlagen zu bedenken89. b) Realistische Zielsetzung Die Gesamtmenge muss realistisch prognostiziert sein und sich auf nachvollziehbare Weise aus den tatsächlichen Fortschritten und weiteren Maßnahmen ergeben, Kriterium 2. Die erforderlichen Prognosen sollen sich auf möglichst gesicherte Emissionswerte stützen. Für die Nationalen Allokationspläne der zweiten Handelsperiode betont die Kommission, dass die unabhängig geprüften Emissionszahlen von 2005 zwingend heranzuziehen sind, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die älteren Emissionswerte, die nicht mit vergleichbarer Präzision geprüft wurden, höher ausfallen als die tatsächlichen Emissionen90. Einen Mittelwert längerer Perioden zu bilden, um besondere Vorfälle in einem bestimmten Jahr auszuschließen, hält die Kommission regelmäßig für nicht erforderlich; nach ihrer Auffassung sind die für 2005 ermittelten Werte durchaus repräsentativ91. Dieser Meinung wird man jedoch höchstens mit der Einschränkung beipflichten können, dass der Schaden, der durch ungenaue Werte in den früheren Jahren droht, voraussichtlich größer ist als der Nutzen, der sich durch eine Mittelung der Werte ergibt.
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Kritisch gegenüber der EG-internen Lastenverteilung und daher auch gegenüber dieser Vorschrift Rüdiger Breuer, in: Hendler et al. (Hrsg.), Emissionszertifikate und Umweltrecht (2004), S. 145 (166). Kommission, Entsch. vom 29.11.2006 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten, den Deutschland gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt hat, Erwägungsgrund 16. Hierzu s. Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 196 f. So ausdrücklich die Kommission, Entscheidung vom 29.11.2006, Erwägungsgrund 5. Kommission, Entscheidung vom 29.11.2006, Erwägungsgrund 6. Kommission, Entscheidung vom 29.11.2006, Erwägungsgrund 7.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
c) Berücksichtigung des technischen Reduktionspotentials Die zuzuteilende Zertifikatemenge muss92 auch mit dem technischen Minderungspotential der Tätigkeiten im Einklang stehen, Kriterium 3. Dieses Minderungspotential kann nur ermittelt werden, wenn in die Prognosen das erwartete Wirtschaftswachstum und erwartete Verbesserungen der Kohlenstoffintensität eingehen. Beispielsweise kann man hierzu die durchschnittlichen Treibhausgasemissionen je Erzeugnis in den einzelnen Tätigkeitsbereichen oder die erreichbaren Fortschritte zugrunde legen. Verpflichtend ist die Beachtung des technischen Reduktionspotentials jedoch nur für die Festsetzung des Gesamtkontingents zuzuteilender Zertifikate, nicht für die Zuteilung an die einzelne Anlage. Typisierungen sind an dieser Stelle zulässig und wohl auch erforderlich93. Während zunächst unklar war, was genau Bezugspunkt des rechnerischen Potentials sein soll94, hat die Kommission nun erklärt, dass die Vorschrift nicht nur eine Untergrenze, sondern auch umgekehrt eine zwingende Obergrenze für das zu verteilende Zertifikatekontingent enthält, wenn sich der Stand der Technik weiterentwickelt hat und nun durch Modernisierungsmaßnahmen Emissionen vermieden oder vermindert werden können95. Sie verlangt für die Genehmigung der nationalen Allokationspläne der zweiten Handelsperiode, dass die 2005 ermittelten und geprüften Werte zugrunde gelegt und anhand der voraussichtlichen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts und der voraussichtlichen Verbesserung der Kohlenstoffintensität modifiziert werden. Hierbei soll von einer linearen Entwicklung ausgegangen und das Jahr 2010 als zentrales Jahr der Handelsperiode zum Maßstab genommen werden96. Eine Rolle spielt dieses Kriterium infolgedessen möglicherweise auch bei der Verteilung von Reduktionsverpflichtungen zwischen dem Emissionshandel unterworfenen Sektoren und den externen Bereichen, indem es sicherstellt, dass die dem Emissionshandel unterfallenden Sektoren ihre Minderungsmöglichkeiten ausschöpfen müssen97. Kriterium 3 ist schließlich Grundlage der Berücksichtigung sog. prozessbedingter Emissionen, die nicht energetisch, sondern chemisch oder thermodynamisch entstehen und daher nicht reduziert werden können98. Für die neue Handelsperiode 2008-2012 hat die Kommission jedoch darauf hingewiesen, dass sie es nicht für
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A. A. (fakultatives Kriterium) Michael Kloepfer, Umweltgerechtigkeit (2006), Rz 629. VG Berlin, AZ 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, Rz 56 (juris). Astrid Epiney, DVBl. 2002, 579 (583). Kommission, Entsch. vom 29.11.2006, Erwägungsgrund 9; so bereits Rüdiger Breuer, in: Hendler et al. (Hrsg.), Emissionszertifikate und Umweltrecht (2004), 145 (167). Kommission, Entscheidung vom 29.11.2006, Erwägungsgrund 9. Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 18; s. dazu auch oben S. 58 f. Vgl. die Gesetzesbegründung zum ZuG 2007, BT-Drucks. 15/2966, S. 24; Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2130) und u. S. 131. Alexander Reuter/Kai Kindereit, DVBl. 2004, 537 (538) wollen der Vorschrift sogar einen Anspruch auf dauerhafte und kostenfreie Zuteilung aller zur Abdeckung prozessbedingter Emissionen benötigten Zertifikate entnehmen (sehr zweifelhaft).
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angebracht hält, Sonderbestimmungen für Prozessemissionen auf Anlagenebene aufrecht zu erhalten99. d) Übereinstimmung mit den übrigen rechtlichen und politischen Instrumenten der Gemeinschaft Laut Kriterium 4 muss der Plan mit den übrigen rechtlichen und politischen Instrumenten der Gemeinschaft in Einklang stehen, d.h. er darf nicht von Prämissen ausgehen, die nur unter Verstoß gegen andere EG-Rechtsakte erreichbar sind. Gleichzeitig ist ein etwaiger, als Ergebnis von neuen rechtlichen Anforderungen unvermeidbarer Emissionsanstieg bei der Zuteilung der Zertifikate zu berücksichtigen100. e) Keine ungerechtfertigte Bevorzugung einzelner Unternehmen oder Tätigkeiten Kriterium 5 stellt klar, dass die Art. 87 und 88 EGV einzuhalten sind und die nationalen Zuteilungspläne Unternehmen oder Sektoren nicht in einer Weise unterschiedlich behandeln dürfen, dass bestimmte Unternehmen oder Tätigkeiten ungerechtfertigt bevorzugt werden. Es handelt sich um ein obligatorisch zu beachtendes Kriterium. Die Mitgliedstaaten haben daher bei der Zuteilung ihrer Zertifikate das EG-Beihilfenrecht zu beachten101. Wann und wodurch eine Allokation zu einer Beihilfe wird, ist jedoch umstritten102. Die Empfehlung der Kommission, die Mitgliedstaaten sollten „an alle im Plan erfassten Betreiber gleiche, aber nicht zwangsläufig proportionale, jährliche Anteile ausgeben“103, trägt nicht nennenswert zur Klärung bei104. Die Anwendung des Beihilfenrechts wird insbesondere für erforderlich gehalten, wenn Mitgliedstaaten das für eine Auktion zur Verfügung stehende Quorum kostenlos vergeben105, wenn sie banking zwischen den Handels99
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Mitteilung der Kommission vom 02.12.2005, KOM (2005) 703 endg., S. 9. Krit. dazu Walter Frenz, DVBl 2006, 728 ff. Auch dies ist nur unter der Prämisse möglich, dass der Gesetzgeber nicht das konkrete Minderungspotential jeder einzelnen Anlage berücksichtigen muss. Mitteilung der Kommission über Hinweise zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates aufgelisteten Kriterien sowie über die Bedingungen für den Nachweis höherer Gewalt, KOM (2003) 830 endg S. 11. Ausführlich hierzu Karoliina Anttonen, in: Rodi (ed.), Environmental Policy Instruments (2006), S. 265 (270 ff.). Hierzu Martin Burgi/Knut Werner Lange, ZHR 170 (2006), 539 (546 f.); Walter Frenz, WuW 2006, 737 (744). Mitteilung der Kommission, KOM (2003) 830 endg, S.23. Ebenso Michael Kloepfer, Umweltgerechtigkeit (2006), S. 288. Kommission, State Aid and National Allocation Plans v. 17.03.2004, S. 2; noch umfassender Angus Johnston, Climate Policy 6 (2006), 115 (116 ff.), der grundsätzlich von der Anwendbarkeit der Beihilfenregeln auf die unentgeltliche Zuteilung von Zertifikaten ausgeht.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
perioden zulassen106 oder wenn sie einzelne Anlagen oder das System als ganzes mit Zertifikaten überversorgen107. Seit der Entscheidung über den deutschen NAP II ist eine weitere Fallgruppe in die Diskussion geraten: so betrachtet die Kommission längerfristige Allokationsgarantien als nach Beihilfenrecht zu beurteilende Subventionen und steht ihnen sehr kritisch gegenüber, weil sie geeignet sein sollen, den europäischen Wettbewerb zu verzerren108. Hält man die Beihilfenregelungen für anwendbar, ist weiter zu prüfen, ob die Beihilfe zulässig ist. Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen fallen in die Kategorie Umweltschutzbeihilfen und sind anhand des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen109 zu bewerten110. Dort hat sich die Kommission bemüht, festzulegen, „inwieweit und unter welchen Bedingungen staatliche Beihilfen für den Umweltschutz und die nachhaltige Entwicklung notwendig sein können, ohne unzumutbare Auswirkungen auf den Wettbewerb und das Wirtschaftswachstum zu haben“111. Im Regelfall dienen die sich als Beihilfe auswirkenden Zuteilungsregeln jedoch gerade nicht der Reduktion von Emissionen und daher auch nicht dem Umweltschutz112. Eine Rechtfertigung dürfte daher nur im begründeten Ausnahmefall zulässig sein.
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Die Kommission hat angekündigt, banking nach Beihilfenrecht zu beurteilen, Kommission, Questions and Answers on Emissions Trading and National Allocation Plans for 2008 to 2012, S. 5; Kommission, State Aid and National Allocation Plans, S. 2. Vgl. Karoliina Anttonen, in: Rodi (ed.), Environmental Policy Instruments (2006), S. 265 (271 ff.). Zu kostenloser Allokation und Überallokation vgl. auch Kommission, Entscheidung vom 29.11.2006, Erwägungsgrund 19; Kommission, State Aid and National Allocation Plans v. 17.03.2004. Kommission, Questions and Answers on Emissions Trading and National Allocation Plans for 2008 to 2012, S. 4. Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl. Nr. C 37 v. 03.02.2001, S. 3 ff. Karoliina Anttonen, in: Rodi (ed.), Environmental Policy Instruments (2006), 265 (275 ff.). Wie das Verfahren der präventiven Beihilfenkontrolle und die Überprüfung des NAP miteinander koordiniert werden sollen, ist dabei nicht ganz klar, Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 267 f. Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl. Nr. C 37 v. 03.02.2001, S. 3, A.5. Vgl. auch ibid. S. 13 G.73 zu den Voraussetzungen einer Genehmigung einer Beihilfe nach Art. 87 Abs. 3 lit. b) EGV. Für den Fall der deutschen Zuteilungsgarantien legt die Kommission beispielsweise dar, dass diese Garantien nicht auf Investitionen in besonders klimaschonende Technik beschränkt waren und auch keinen quantitativen Beschränkungen unterlagen, dazu Kommission, Questions and Answers, S. 4. A. A. soweit die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten über die zwingend vorgeschriebenen Quoten hinaus für unzulässig gehalten wird unter Verweis auf die Anforderungen der Gemeinschaftsgrundrechte Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 269.
I. Die Emissionshandels-Richtlinie
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f) Angaben zur Beteiligung neuer Marktteilnehmer Der Plan muss Angaben darüber enthalten, wie neue Marktteilnehmer113 sich am Gemeinschaftssystem in dem betreffenden Mitgliedstaat beteiligen können, Krit. 6. Dies steht im Zusammenhang mit Art. 11 III 2 EH-RL, wonach die Mitgliedstaaten bei der Entscheidung über die Zuteilung die Notwendigkeit berücksichtigen, neuen Marktteilnehmern den Zugang zu Zertifikaten zu ermöglichen. Andernfalls würde der Wettbewerb ernsthaft beeinträchtigt114. Es bleibt jedoch den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie Versteigerungen durchführen, eine Zertifikatreserve115 für neue Marktteilnehmer einrichten und hieraus kostenfrei zuteilen wollen oder ob neue Marktteilnehmer ihre Zertifikate am Markt kaufen müssen116. Letzteres könnte jedoch als Markteintrittsschranke für Neuemittenten wirken, die diese Zertifikate im schlimmsten Fall von ihren Konkurrenten kaufen müssten117. Die entsprechenden Vorschriften müssen mit den Grundfreiheiten und den Gemeinschaftsgrundrechten in Einklang zu bringen sein118. Die Problematik, dass Neuanlagenbetreiber Zertifikate von konkurrierenden Unternehmen kaufen müssen, entschärft sich jedoch, wenn zu einer allgemeinen Vergabe von Zertifikaten im Wege der Auktion übergeleitet wird119. g) Angaben zur Berücksichtigung von Vorleistungen („early action“) Der Plan kann Vorleistungen der Anlagenbetreiber berücksichtigen; in jedem Fall muss er Angaben darüber enthalten, wie ihnen Rechnung getragen wird, Krit. 7, Anhang III EH-RL. Dies betrifft Anlagen, die bereits vor Einführung des Emissionshandels Anstrengungen zur CO2-Reduktion unternommen haben und soll bewirken, dass Unternehmen, die frühzeitig Klimaschutz betrieben haben, hierfür nicht bestraft werden. Eine europarechtliche Verpflichtung zur Anerkennung derartiger Vorleistungen besteht aber nicht120. Die Ausgestaltung solcher Regelungen 113 114
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S. die Definition des Art. 3 h EH-RL. Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (2006), S. 29; Non-Paper der Kommission, How to develop a National Allocation Plan (April 2003), S. 11. Die Menge der hierfür vorgesehenen Zertifikate muss dann klar und objektiv au dem Allokationsplan hervorgehen, Kommission, How to develop a National Allocation Plan (April 2003), S. 11. Kommission, How to develop a National Allocation Plan (April 2003), S. 11; Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (2006), S. 29. Marcus Stronzik/Martin Cames, Endbericht (2002), S. 9; Michael Kloepfer, Umweltgerechtigkeit (2006), Rz 636. Skeptisch daher hinsichtlich des Verweises von Neuemittenten auf den Markt Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 213. Ebenso Mitteilung der Kommission über Hinweise zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates aufgelisteten Kriterien sowie über die Bedingungen für den Nachweis höherer Gewalt, KOM (2003) 830 endg, S. 13. Kritisch deshalb Michael Kloepfer, Umweltgerechtigkeit (2006), Rz 634; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 214 argumentiert, eine derartige Pflicht bestehe, da ande-
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bleibt den Mitgliedstaaten überlassen; häufig wird sie in der Vorverlegung relevanter Basisjahre bestehen, aber auch andere Modelle sind vorstellbar121. Die Mitgliedstaaten dürfen zu diesem Zweck etwa aus Referenzdokumenten zu den besten verfügbaren Technologien resultierende Benchmarks122 bei der Aufstellung ihrer nationalen Zuteilungspläne verwenden. Benchmarks ermöglichen im Vergleich zum Grandfathering, das tendenziell die Betreiber ineffizienter, älterer Anlagen begünstigt, eine Zuteilung, von der moderne Anlagen profitieren123. Bei der Stromerzeugung rät die Kommission in ihren Leitlinien zur Anwendung der Kriterien des Anhangs III der Richtlinie zu brennstoffabhängigen Benchmarks, wobei diese Empfehlung nicht verpflichtend ist124. h) Angaben zur Berücksichtigung „sauberer“ Technologien Der Plan muss Angaben darüber enthalten, wie saubere Technologien – einschließlich energieeffizienter Technologien, insbesondere also beispielsweise KraftWärme-Kopplung und Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke – berücksichtigt werden, Krit. 8 Anhang III EH-RL. Hierunter sind Technologien zu verstehen, die im Vergleich zu alternativen Technologien, die die betreffende Anlage realistischerweise einsetzen würde, zu einer Verringerung der direkten Emissionen der erfassten Treibhausgase führen. Eine Verpflichtung, saubere Technologien zu honorieren, besteht jedoch nicht. i) Öffentlichkeitsbeteiligung Der Plan muss Vorschriften darüber enthalten, wie die Öffentlichkeit den Plan kommentieren kann sowie Angaben, wie die Berücksichtigung dieser Stellungnahmen sichergestellt wird, Krit. 9 Anh. III EH-RL. In jedem Fall müssen die Stellungnahmen berücksichtigt werden, bevor eine Entscheidung über die Zuteilung der Zertifikate gefällt wird. Diese Vorschrift dient der Transparenz der Entscheidungsfindung, aber auch der Selbstkontrolle der Verwaltung. Dahinter steht das Bemühen, durch dieses Verfahren eine möglichst sachgerechte Entscheidung sicherzustellen125.
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renfalls gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes (dazu vgl. unten S. 246 ff.) und das Verursacherprinzip verstoßen werde. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 457 f. Allgemein zur Verwendung von Benchmarks s. S. 68 ff. Dazu Martin Kruska et al., et 53 (2003), 478 (481). Mitteilung der Kommission über Hinweise zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates aufgelisteten Kriterien sowie über die Bedingungen für den Nachweis höherer Gewalt vom 07.01.2004, KOM (2003) 830 endg., S. 19. Dazu Schwedische Energiebehörde (Stem), Benchmarks (2005), S. 56. Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 198.
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j) Anlagenliste Der Plan muss eine Liste der unter diese RL fallenden Anlagen unter Angabe der Anzahl Zertifikate enthalten, die den einzelnen Anlagen zugeteilt werden sollen, Krit. 10 Anh. III EH-RL. k) Angaben zu Wettbewerbsmaßnahmen Der Plan kann Angaben darüber enthalten, wie dem Wettbewerb aus Ländern bzw. Anlagen außerhalb der EU Rechnung getragen wird, Krit. 11 Anh. III EH-RL. Verpflichtend ist eine derartige ausdrückliche Aussage aber nicht.
4. Änderungsrichtlinie und Einbeziehung von CDM-/JIProjekten in den Europäischen Emissionshandel Zur weiteren Harmonisierung mit dem KP soll Unternehmen die Möglichkeit eröffnet werden, sich Zertifikate aus sog. Clean Development Mechanism bzw. Joint Implementation-Projekten gutschreiben zu lassen. Hiervon erhofft sich die Kommission der Europäischen Gemeinschaften eine weitere Absenkung der Reduktionskosten im EU-Emissionshandelssektor um 20 %126. Joint Implementation (JI) steht für Emissionsminderungs-Projekte in Industrie- und Schwellenländern, die selbst Reduktionsverpflichtungen nach dem KP unterliegen127; von Clean Development Mechanism spricht man bei Projekten in Entwicklungsländern, denen das KP keine Minderungspflichten aufbürdet128. Grundgedanke derartiger Projekte ist, dass sich in vielen Ländern außerhalb der EU mit technisch geringerem Aufwand Emissionen reduzieren lassen. Angesichts der Tatsache, dass sich CO2 unabhängig vom Ort seiner Entstehung in der Atmosphäre ansammelt, soll es dort reduziert werden, wo dies am kostengünstigsten möglich ist129. Als Nebeneffekt ergeben sich entwicklungspolitische Vorteile, da moderne Technologie in weniger entwickelte Länder transferiert wird. Allerdings zeichnet sich ab, dass ein erheblicher Anteil der derzeit verwendeten CDM-Zertifikate aus Projekten stammen, die Emissionen hochpotenter Treibhausgase wie Lachgas oder Fluorkohlenwasserstoff reduzieren und, anders als etwa Investitionen in erneuerbare Energien, keine weiteren Nachhaltigkeitsvorteile erbringen130. Während Art. 30 III EH-RL die Verbindung beider Systeme zunächst nur für wünschenswert erklärt hatte, wurde zum Zweck der Einbeziehung der flexiblen 126
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Begründung des Gesetzentwurfs zum Zuteilungsgesetz 2007, BT-Drucks 15/2966 S. 15; Franzjosef Schafhausen, Langfassung zu Artikel in UmweltMagazin 4/5-2004, S. 28, spricht von mindestens 500 Mio. €. Zur Gemeinsamen Umsetzung (Joint Implementation, JI) nach Art. 6 Kyoto Protokoll s. ausführlich Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 137 ff. Zum Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism, CDM) nach Art. 12 KP s. ausführlich Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 209 ff. Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (41). Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 23.
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Mechanismen inzwischen eine die EH-RL abändernde RL erlassen131. Diese Änderungsrichtlinie ist am 13.11.2004 in Kraft getreten und musste nach ihrem Art. 2 I UA 1 bis zum 13.11.2005 von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden132. Sie soll ermöglichen, Gutschriften aus derartigen JI- oder CDM-Projekten in den gemeinschaftsweiten Zertifikatehandel einzubringen, sofern sie nicht kerntechnische Anlagen, veränderte Flächennutzung oder Forstwirtschaft betreffen, s. Art. 11a III EH-RL neu133. Nach dem neuen Art. 11a I 2 der EH-RL tauschen die Mitgliedstaaten auf Antrag Kyoto-Emissionsgutschriften in Zertifikate nach dem europäischen Emissionshandelssystem um, wobei dies in der ersten Zuteilungsperiode nur mit CDM-Gutschriften nach Art. 12.3b KP, in der Sprache der EH-RL und des KP zertifizierte Emissionsreduktionen134 (= CER, dazu Art. 3 n EH-RL neu), möglich ist, Art. 11a II 1 neu i. V. m. Art. 11 I EH-RL. Die im KyotoProtokoll festgelegten Projektzyklen für die flexiblen Mechanismen sollen dabei beibehalten werden. Ab den folgenden Perioden können dann auch JI-Gutschriften eingetauscht werden, in der Richtlinie in Anlehnung an Art. 6 KP135 Emissionsreduktionseinheiten oder ERU genannt, vgl. Art. 3 lit. m EH-RL neu. Die Zertifikate werden dem jeweiligen Betreiber gutgeschrieben und können wie andere Zertifikate auch verwendet werden. Zertifikate aus CDM- oder JI-Projekten sollen jedoch nur ergänzenden Charakter haben136, weswegen die Mitgliedstaaten im Allokationsplan die Grenze der CER und ERU in Abhängigkeit von der Gesamtzuteilungsmenge ausweisen, Art. 11a I 1, 30 III EH-RL neu. Die Kommission lässt bei der Überprüfung der NAPs grundsätzlich zu, dass bis zu 10 % der Emissionen einer Anlage durch flexible Mechanismen gedeckt werden dürfen137. Anlagen in den Mitgliedstaaten qualifizieren nicht für derartige projektbezogene Maßnahmen. Einige Mitgliedstaaten planen zur Erreichung ihrer Emissionsziele von vornherein, Emissionsgutschriften im Rahmen projektbezogener Maßnahmen des KP zu erwerben und haben diese Gutschriften in ihre Planung aufgenommen138. Insbe131
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Richtlinie 2004/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft im Sinne der projektbezogenen Mechanismen des Kyoto-Protokolls, ABl. EG L 338 v. 13.11.2004 S. 18 ff., sog. Linking-RL; hierzu Markus Ehrmann, ZUR 2006, 410 (412 f.). In Deutschland erfolgte die Umsetzung durch das sog. Projekt-Mechanismen-Gesetz (ProMechG) vom 22.09.2005, vgl. u. S. 139. Diese Einschränkung steht auch im Einklang mit den Empfehlungen des WBGU, vgl. WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S.68. Zu den zertifizierten Emissionsreduktionen nach Art. 12.3b KP s. Charlotte KreuterKirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 254 ff. Zum Begriff der ERU nach dem Kyoto Protokoll s. Charlotte Kreuter-Kirchhof, ibid., S. 186. Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (41); s. dazu auch Marcus Stronzik/ Martin Cames, Endbericht (2002), S. 22. Kritisch zu den NAPs diverser Mitgliedstaaten für die zweite Handelsperiode unter diesem Aspekt Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 10 f. Kommission, Questions and Answers, S. 5. Pressemeldung der Europäischen Kommission IP/04/1522 v. 21.12.2004.
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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sondere die Niederlande und Österreich bauen für die Einhaltung ihrer KyotoZiele auf diese flexiblen Mechanismen und wollen auf diesem Wege ihr Emissionskontingent aufstocken139. Inzwischen hat sich ein beachtlicher Markt für Klimaschutzinvestitionen in Entwicklungsländern entwickelt140.
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland 1. Grundsätzliches Die Kürze der Umsetzungsfrist für die EH-RL stellte die Mitgliedsstaaten vor große Herausforderungen. Die Antragsfrist für die erstmalige Zuteilung ist im September 2004 abgelaufen, das Treibhaus-Emissionshandelsgesetz (TEHG)141 war zuvor am 15. Juli 2004, das Zuteilungsgesetz 2007 (ZuG 2007)142 am 31. August 2004 in Kraft getreten. Anliegen des Gesetzgebers war es, ein möglichst einfaches System zu entwickeln, das dennoch den rechtlichen Anforderungen entspricht und gleichzeitig praxistaugliche Ergebnisse liefert143. Das TEHG soll das Zertifikatesystem in seinen Grundzügen strukturieren und als periodenübergreifendes Kontinuum fungieren – es regelt Bedeutung und Erstellung des nationalen Zuteilungsplans, Verwaltung und Handel der Zertifikate sowie Überwachungsund Sanktionsmaßnahmen144. Die Zuteilung der Zertifikate richtet sich in der ersten Handelsperiode nach dem ZuG i.V.m. der Zuteilungsverordnung 2007145 (ZuV 2007). Die Kosten der Zuteilung sind in der Emissionshandelskostenverordnung
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Bericht der Kommission gemäß der Entscheidung Nr. 93/389/EWG des Rates über ein System zur Beobachtung von Treibhausgasen in der Gemeinschaft, geändert durch die Entscheidung Nr. 99/296/EG, KOM (2003), 735 endg., S. 4. Im März 2006 existierten bereits 33 private und staatliche Fonds mit einem Investitionsvolumen von mehr als 4 Milliarden Euro für CDM-Projekte, und an der Londoner Börse investierten Anleger bereits eine halbe Milliarde Euro in neu gegründete Unternehmen, die im Bereich CDM tätig werden. Die Weltbank geht in ihrem jüngsten Bericht davon aus, dass in den ersten drei Quartalen 2006 Projekte im Wert von 2,41 Mrd. $ abgeschlossen wurden, vgl. etwa Bayer, FTD v. 21.11.2006. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft v. 08.07.2004, BGBl. 2004 I Nr. 35 S. 1578 ff., zuletzt geändert durch Artikel 74 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407). Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 v. 26.08.2004, BGBl. 2004 I Nr. 45, S. 2211 ff. Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (41). Alexander Reuter/Ralph Busch, ibid., S. 41. Verordnung über die Zuteilung von Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 v. 31.12.2004, BGBl. 2004 I Nr. 46, S. 2255 ff.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
2007146 geregelt. Darüber hinaus enthält das TEHG eine Reihe von Ermächtigungen zum Erlass von Verordnungen147. Inzwischen ist auch ein Gesetz über projektbezogene Mechanismen, das Projekt-Mechanismen-Gesetz (ProMechG) in Kraft getreten148, mit dem die Richtlinie über die Einbeziehung projektbezogener Maßnahmen nach dem Kyoto Protokoll149 umgesetzt werden soll. Während der ersten Handelsperiode haben in Deutschland insgesamt 1.849 Anlagen aus der Energiewirtschaft und der emissionsintensiven Industrie teilgenommen, wovon 1.236 der Energiewirtschaft zuzurechnen sind; auf diese Anlagen entfallen etwa 59 % der deutschen CO2-Emissionen150. Von den insgesamt 1.485 Mio. Emissionsberechtigungen, die für die Periode vergeben wurden, entfielen 1.171 Mio. Emissionsberechtigungen auf die Energiewirtschaft und 314 Mio. auf die emissionsintensive Industrie151. Für die zweite Handelsperiode 2008-2012 ist – auf der Basis der Erfahrungen der ersten Periode – mit dem ZuG 2012152 eine umfassende Neuregelung der Zuteilung vorgenommen worden, während das TEHG weitestgehend153 unverändert geblieben ist. Ziel der Neuregelung war vor allem die Vereinfachung der Allokationsregeln; gleichzeitig sollten die zuzuteilenden Kontingente vorhersehbarer werden, indem die Spannbreite wählbarer Zuteilungsnormen deutlich reduziert wurde. Zudem führt das ZuG 2012 ein Veräußerungsverfahren für 40 Mio. Zertifikate jährlich ein, das künftig als Auktionierungsverfahren ausgestaltet werden soll154. War das ZuG 2007 noch vorwiegend von Grandfathering-Regeln geprägt, setzt das ZuG 2012 für die Allokation wesentlich auf Benchmarks.
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Kostenverordnung zum Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz und zum Zuteilungsgesetz 2007, BGBl. I Nr. 46 S. 2273-2275 vom 31.08.2004, in Kraft getreten am 01.09.2004. Zu deren Rechtmäßigkeit vgl. OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ 2006, 356 ff. Aufzählung bei Franzjosef Schafhausen, Langfassung zu Artikel in UmweltMagazin 4/5-2004, S. 29; vgl. auch Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 1, Rz 131 ff. Projekt-Mechanismen-Gesetz (ProMechG): Gesetz zur Einführung der projektbezogenen Mechanismen nach dem Protokoll von Kyoto, zur Umsetzung der Richtlinie 2004/101/EG und zur Änderung des Kraft-Wärme-Koppelungsgesetzes, BGBl. 2005 I S. 2826, in Kraft getreten am 30.09.2005, s. auch u. S. 139. RL 2004/101/EG, dazu o. S. 97 ff. Umweltbundesamt DEHSt, Emissionshandel in Deutschland: Verteilung der Emissionsberechtigungen für die erste Handelsperiode 2005-2007 v. 20.12.2004, S. 4. Umweltbundesamt DEHSt, ibid., S. 5. Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Zuteilungsgesetz 2012 – ZuG 2012, BGBl. 2007 I, S. 1788 ff. v. 10.08.2007. Erweitert wurde jedoch sein Anwendungsbereich im Zuge der europaweiten Vereinheitlichung, und auch beim Verwaltungsvollzug wurden Korrekturen vorgenommen, dazu vgl. Stefan Kobes, NVwZ 2007, 857 (860 f.). Hierzu s. §§ 19-21 ZuG 2012. Mehr dazu s. u. S. 146 f.
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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2. TEHG a) Grundsätzliches Mit dem TEHG hat das deutsche Umweltrecht ein bisher so nicht gekanntes Element erhalten. Vor allem Skeptiker formulieren häufig, es liege ein Konzeptwechsel hin zu einem bewirtschaftungsrechtlichen Ansatz155 vor. Die Assoziation mit der Planwirtschaft ist regelmäßig gewollt156. Tatsächlich enthält das TEHG einige Neuansätze, bei denen die herkömmliche Dogmatik an ihre Grenzen stößt. Das TEHG regelt die rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen des Emissionshandelssystems, insbesondere soweit sie unabhängig von den Detailfragen der Zuteilung zu beantworten sind. Nach seinem § 1 dient es im wesentlichen drei Zwecken: Es soll die Grundlage für den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen in einem gemeinschaftsweiten Emissionshandelssystem schaffen, dazu beitragen, dass Treibhausgase kosteneffizient reduziert werden und dadurch den weltweiten Klimaschutz fördern. b) Regelungen im Einzelnen aa) Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des TEHG ergibt sich aus seinem § 2 i. V. m. Anhang 1. Grundsätzlich fallen hierunter alle Emissionen der in Anhang 1 zum TEHG genannten Treibhausgase durch dort genannte Tätigkeiten. Da in Anhang 1 bisher nur CO2 genannt ist, werden vorerst157 nur Tätigkeiten erfasst, bei denen CO2 emittiert wird. Diese Tätigkeiten sind durch die EH-RL vorgeschrieben und umfassen Energieumwandlung, Keramik-, Papier-, Glas-, Kalk- und Zementindustrie, Eisen- und Stahlerzeugungen, Raffinerien sowie die Zellstoffproduktion. Ihnen werden fünfzehn unterschiedliche Anlagentypen zugeordnet, die durchweg energieintensive, immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen darstellen. Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf alle Anlagenteile und Verfahrensschritte, die zum Betrieb der Anlagen158 erforderlich sind, § 2 II TEHG. § 2 I 2 155
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So etwa Michael Kloepfer in seinem Vortrag beim 19. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht am 22.07.2003, zitiert bei Thomas Bartholmes, UPR 2003, 427 (428); Hans-Peter Vierhaus, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 7 TEHG Rz 2. Ausdrücklich Manfred Rebentisch, NVwZ 2006, 747 (749). Demonstriert werden soll die grundsätzliche Offenheit für die Fortentwicklung des Emissionshandels durch zusätzlich aufzunehmende Treibhausgase (vgl. § 3 TEHG) und Tätigkeiten, s. Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 2 TEHG Rz 5. Der Begriff der Anlage ist im TEHG nicht definiert. Die Definition in Art. 3 lit. e EHRL entspricht der in Art. 2 Nr. 3 der IVU-Richtlinie (RL 96/61/EG des Rates v. 24.09.1996). Die Begriffsbestimmung des § 3 V BImSchG ist deutlich weiter als der Anlagenbegriff der Richtlinien, so dass diskutiert wird, inwieweit der Anlagenbegriff des BImSchG für das TEHG zugrunde gelegt werden kann, dazu Walter Frenz, ZUR 2006, 393 (396 f.); Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 2 TEHG Rz 12.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
TEHG erweitert den Anwendungsbereich des Gesetzes auf gesondert immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagenteile und Nebeneinrichtungen von Anlagen, die an sich nicht unter Anhang 1 fallen. Gerade Feuerungsanlagen können hier zum Problem werden, weil häufig fraglich ist, wann sie als eigene Anlage betrachtet werden können und wann sie als integrativer Teil einer vom Emissionshandel nicht erfassten Anlage gelten müssen159. In Deutschland sind zwei Drittel der betroffenen Anlagen solche zur Energieumwandlung, während lediglich vier Anlagen zur Zellstoffproduktion dem Emissionshandel unterfallen160. Betrachtet man die konkreten Zuteilungsmengen, erhalten Anlagen zur Energieumwandlung nahezu 80 % der Zertifikate161. Grundsätzlich ist für die Bestimmung der maßgeblichen Leistungsgrenzen und Anlagengrößen auf den rechtlich und tatsächlich möglichen Betriebsumfang abzustellen162. Mehrere Anlagen derselben Art, die in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen, werden zusammen genommen, § 2 III TEHG. Diese Regelung lehnt sich inhaltlich an die insoweit wortgleiche Formulierung aus § 1 III der 4. BImSchV an163. Übertragbar ist auch die bisherige Rechtsprechung und Praxis zu den „gemeinsamen Betriebseinrichtungen“ i.S. von § 1 III 4. BImSchV: Gemeinsame Betriebseinrichtungen nach dieser Vorschrift sind Transportbänder, Rohrleitungen, Lager für Brenn- und Rohstoffe, Abgasreinigungseinrichtungen und Schornsteine für mehrere Teilanlagen und eine gemeinsame Reststoffaufbereitung im Zusammenhang mit dem Anlagenbetrieb164. Nicht hierzu zählen Leitungen, auf deren Inhalt und Zusammensetzung der Anlagenbetreiber keinen Einfluss hat – beispielsweise Strom-, Wasser- und Gasleitungen165. Ausnahmen enthalten die Absätze 4 und 5 des § 2 TEHG: Nach § 2 IV TEHG sind Anlagen zur Forschung, Entwicklung und Erprobung im Labor- und Technikumsmaßstab ausgenommen, eine Regelung die dem § 1 VI 4. BImSchV entspricht166. Eine wichtige Ausnahme vom Anwendungsbereich des TEHG enthält § 2 V TEHG, wonach Abfallverbrennungsanlagen (sowie ihre Nebenanlagen) vom Anwendungsbereich des TEHG ausgenommen sind. Diese Ausnahme gilt aber nur 159
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Mehr zu diesem praktisch relevanten Problem bei Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2004, 1292; Walter Frenz, NVwZ 2006, 1095 (1096); Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 2, Rz 34 ff.; Informationen der deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt (DEHSt) zum Anwendungsbereich des Treibhausgasemissionshandelsgesetz – TEHG (2004), S. 3 ff.; Arbeitsgruppe „Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes“, Der Anlagenbegriff der Emissionshandelsrichtlinie (September 2003), S. 6. Umweltbundesamt DEHSt, Emissionshandel in Deutschland v. 20.12.2004. Ibid., S. 7. Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 2 TEHG Rz 15. Raimund Körner, ibid., § 2 TEHG Rz 58; Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2004, 1292 (1293). Arndt Begemann/Henning Lustermann, ibid., S. 1293. Arndt Begemann/Henning Lustermann, ibid., S. 1293. Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 1, Rz 15; Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 2 TEHG Rz 65 ff.
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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für Anlagen, die ausschließlich Abfälle verbrennen. Anlagen, die verschiedene Brennstoffe verwenden und deren Hauptzweck im Bereich Energieerzeugung oder Produktion liegt, profitieren nicht von dieser Ausnahmeregel und fallen bei entsprechender Feuerungsleistung unter das TEHG167. Eine entsprechende Ausnahmevorschrift gilt zudem für EEG-Anlagen, d.h. insbesondere für Feuerungsanlagen, die Deponiegas, Klärgas, Grubengas und Biomasse einsetzen168. bb) Emissionsgenehmigung und Emissionszertifikate (1) Emissionsgenehmigung Die dem Emissionshandel unterfallenden Anlagen benötigen, wie von der EH-RL vorgegeben, gem. § 4 I TEHG eine Emissionsgenehmigung. In Deutschland wird diese Emissionsgenehmigung in die immissionsschutzrechtliche Genehmigung integriert, § 4 VI 1 TEHG. Das Verfahren ist ggf. um die in § 4 II bis V TEHG enthaltenen Anforderungen zu ergänzen, § 4 VI 2 TEHG. Für ab dem 01.01.2005 in Betrieb genommene Neuanlagen muss daher ein Antrag nach § 4 III TEHG auf Erteilung einer Emissionsgenehmigung gestellt werden169. Bestandsanlagen, die bereits über eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung verfügen, müssen von ihren Betreibern lediglich innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes angezeigt werden, § 4 VII 3 TEHG. Sofern im Einzelfall Anpassungen der Genehmigung erforderlich sind, kann die zuständige Behörde eine nachträgliche Anordnung nach § 17 BImSchG erlassen, § 4 VII 2 TEHG. Für den Regelfall aber geht das Gesetz davon aus, dass die Anforderungen des TEHG bereits Bestandteil der Genehmigung sind, § 4 VII 1 TEHG170. (2) Abdeckung von Emissionen durch Zertifikate Neben der Emissionsgenehmigung benötigen die Anlagenbetreiber Zertifikate bzw. Berechtigungen für die Emissionen ihrer Anlagen. Eine Berechtigung befugt zur Emission einer Tonne Kohlendioxidäquivalent in einem bestimmten Zeitraum, § 3 IV 1 TEHG. (3) Pflichten des Verantwortlichen Aus § 6 I TEHG ergibt sich die Verpflichtung des Verantwortlichen, bis zum 30. April eines Jahres eine Anzahl von Berechtigungen an das Umweltbundesamt (UBA) abzugeben, die den durch seine Tätigkeit im vorangegangenen Kalenderjahr verursachten Emissionen entspricht. Der Verantwortliche ist gem. § 3 V 1 167
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Hierzu Informationen der deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt (DEHSt) zum Anwendungsbereich des Treibhausgasemissionshandelsgesetz – TEHG (2004), S. 7. Näher zu dieser Ausnahme Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 2, Rz 27 ff. Zum Genehmigungsverfahren s. Olaf Konzak/Pascal Heßler, ibid., Teil 3, Rz 8 ff. Zu den Besonderheiten bei nach § 67 II und § 67a I BImSchG weiter betriebenen Anlagen s. BVerwGE 85, 368 = NVwZ 1991, 369 (379); Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1154); Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 4 TEHG Rz 8, 36.
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TEHG jede natürliche oder juristische Person, die die unmittelbare Entscheidungsgewalt über eine Tätigkeit im Sinne des TEHG innehat und deren wirtschaftliche Risiken trägt, nach § 3 V 2 TEHG bei nach § 4 I 3 BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen der Anlagenbetreiber. Wegen der zeitlich versetzten Termine für die Ausgabe von Zertifikaten (28. Februar, § 9 II 3 TEHG) und ihre Rückgabe (30. April, § 6 I TEHG) ist innerhalb einer Handelsperiode die Nutzung der Emissionsberechtigungen aus dem jeweils laufenden Jahr für die Rückgabe der Emissionsberechtigungen des Vorjahres möglich171. (a) Ausgestaltung und Rechtsnatur der Zertifikate Die Emissionszertifikate sind nach § 6 III TEHG innerhalb der EU sowie zwischen Personen innerhalb der Europäischen Union und Personen in Drittländern i.S. v. § 13 III TEHG übertragbar. Sie gelten nach § 6 IV TEHG jeweils für eine Zuteilungsperiode, werden jedoch, sofern sie nicht benötigt wurden, in der Regel nach § 6 IV 4 TEHG in die folgende Zuteilungsperiode überführt172. Ob die Zertifikate dem öffentlichen Recht oder dem Privatrecht angehören, ist umstritten173. Für eine Zuordnung zum öffentlichen Recht spricht, dass sie neben der Emissionsgenehmigung Steuerungsfunktion hinsichtlich des CO2-Ausstoßes besitzen, auch wenn sie sich keiner herkömmlichen Rechtsform zuordnen lassen174. Sie werden ausschließlich durch staatliche Stellen in Umlauf gebracht und dienen ausschließlich der Erfüllung einer gegenüber dem Staat bestehenden Abgabeverpflichtung175. Das von ihnen verkörperte Recht zum Ausstoß von Kohlendioxid besteht gegenüber dem Staat176. Eine eindeutige Zuordnung wird seitens des Gesetzes jedoch nicht getroffen; § 15 S. 1 TEHG stellt lediglich klar, dass Emissionszertifikate nicht als Finanzinstrumente i.S.v. § 1 XI 4 des Kreditwesensgesetzes gelten, weswegen sie auch nicht der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen unterliegen177.
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DEHSt, Klimaschutz: Der Emissionshandel im Überblick, Grundlagen und Funktionsweise, S. 5. Diese Regel gilt jedoch gem. § 20 ZuG nicht für den Übergang von der ersten in die zweite Zuteilungsperiode, s. u. S. 106. Zu den Vorgaben der EH-RL vgl. o. S. 80. Für öffentliches Recht: Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1156); Michael Adam/Helmar Hentschke/Stefan Kopp-Assenmacher, Handbuch des Emissionshandelsrechts (2006), S. 148 f.; für Privatrecht: Martin Burgi, RdE 2004, 29 (34); Verweis auf die „unweigerlich hybride Natur“ der Emissionsberechtigungen bei Gerhard Wagner, ZBB 2003, 409 (411 f.). Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1156). Stefan Kobes, ibid., S. 1156; Ulrich Ellinghaus/Peter Ebsen, et 2004, 277 (279). Stefan Kobes, ibid., S. 1156. Hierzu und zu den vergaberechtlichen Konsequenzen Ramin Goodarzi, NVwZ 2004, 949 (952).
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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(b) „Pooling“ bzw. Anlagenfonds Der Sonderfall des sog. „Poolens“ von Emissionsberechtigungen ist für das deutsche Recht in § 24 I TEHG geregelt worden178. Mehrere Verantwortliche können einen sog. „Anlagenfonds“ bilden, vorausgesetzt, die Anlagen unterfallen demselben Tätigkeitsbereich179 nach Anhang I der EH-RL, ein Treuhänder gewährleistet die ordnungsgemäße Erfüllung der Pflichten und die Kommission widerspricht nicht. Den Antrag auf Einrichtung eines derartigen Anlagenfonds müssen die beteiligten Anlagenbetreiber spätestens fünf Monate vor Beginn der jeweiligen Zuteilungsperiode beim Umweltbundesamt stellen. Befürwortet das UBA den Antrag, reicht es ihn bei der Kommission ein, die ihn gem. Art. 28 V EH-RL innerhalb von drei Monaten ablehnen kann180. Wird der Fonds eingerichtet, erhalten nicht mehr die einzelnen Anlagenverantwortlichen gem. § 9 I TEHG die Zertifikate, sondern der Treuhänder nach § 24 II 1 TEHG. Dem korrespondiert, dass auch der Treuhänder zur Abgabe der Berechtigungen für alle beteiligten Anlagen verpflichtet ist, § 24 II 2 TEHG181. Schließlich werden auch die Sanktionen des § 18 TEHG nach § 24 II 4 TEHG zunächst gegen den Treuhänder verhängt; kommt dieser seiner Zahlungspflicht allerdings nicht nach, werden die Anlagenverantwortlichen wieder in die Pflicht genommen182. Auch die Pflicht zur Abgabe der Emissionsberichte bleibt aus gutem Grund bei den Verantwortlichen, wie man § 24 II 3 TEHG entnehmen kann. Legt auch nur ein Verantwortlicher keinen ordnungsgemäßen Bericht vor, ist dem Treuhänder die Übertragung von Berechtigungen an Dritte untersagt, § 24 II 3 TEHG. Während diese Fondsbildung zunächst als Instrument gesehen wurde, die Selbstverpflichtungsabkommen in den Emissionshandel „herüberzuretten“, hat das Interesse der Praxis angesichts der strikten europarechtlichen Vorgaben rasch nachgelassen. (4) Zuteilung von Zertifikaten Die Zuteilung nach § 6 II TEHG richtet sich, wie § 9 I TEHG noch einmal klarstellt, nach dem jeweils gültigen Zuteilungsgesetz und erfolgt jeweils für die Dauer einer Zuteilungsperiode, § 9 II TEHG183. (5) Löschung und Erlöschen von Zertifikaten Wie von der EH-RL vorgeschrieben, erlöschen Zertifikate nach bestimmten Regeln. Während dies üblicherweise der Fall ist, wenn sie verwendet werden, um 178
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Hiervon versprach man sich steuerliche und bilanzielle Vorteile sowie eine Erleichterung der Verwaltung und der konzerninternen Überwachung; dazu Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2129); Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (40). Zur Vorgabe des Art. 28 EH-RL s. o. S. 88 f. Zum Begriff desselben Tätigkeitsbereiches vgl. Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 24 TEHG, Rz 7 f. Vgl. oben S. 89. Hierzu vgl. Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 24 TEHG Rz 16 f. Zu dieser subsidiären Haftung der Anlagenbetreiber Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 24 TEHG Rz 18 ff. Näheres dazu daher u. S. 114 ff.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
Emissionen abzudecken, kann ihr Inhaber jedoch auch zur allgemeinen Verknappung ihre Löschung verlangen, § 6 IV 6 TEHG. (6) Emissionshandelsregister Nach § 14 I TEHG führt die zuständige Behörde – in diesem Fall gem. § 20 I 2 TEHG das UBA184 – ein Emissionshandelsregister in Form einer standardisierten elektronischen Datenbank. Darin werden Ausgabe, Besitz, Übertragung und Abgabe von Berechtigungen verzeichnet, § 14 II 1 TEHG. Auf Antrag erhält jede Person ein Konto, auf dem der jeweilige Bestand an Zertifikaten verzeichnet ist, § 14 II 3 TEHG. Diese Datenbank ist Teil des gemeinschaftsweiten Registersystems, über das alle Transaktionen abgewickelt werden müssen185. Auf europäischer Ebene wurde eine Verordnung über ein standardisiertes und sicheres Registersystem erlassen186, die für alle mitgliedstaatlichen Systeme einheitlich gilt und etwa auch die Rechte Dritter auf Informationszugang187 europaweit einheitlich regelt. (7) „Banking“ An sich sieht § 6 IV 4 TEHG vor, dass Emissionszertifikate von der einen in die nächste Zuteilungsperiode übertragen werden können. Eine Ausnahme von dieser Regel enthält jedoch § 20 ZuG: hiernach werden die nicht benötigten Emissionszertifikate der ersten Handelsperiode mit Ablauf des 30. April 2008 gelöscht; sie können nicht übertragen werden. Der Ausschluss des Bankings war zwischen erster und zweiter Handelsperiode war erforderlich, weil die Mitgliedstaaten für die erste Zuteilungsperiode noch verhältnismäßig großzügige Zuweisungen vorgesehen haben188. Ließe man die Übertragung in die nächste Zuteilungsperiode zu, wäre die Einhaltung der Kyoto-Reduktionsverpflichtung in Gefahr189.
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Genauer: die DEHSt beim UBA. Raimund Körner/Sebastian von Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 14 TEHG Rz 2 f. Verordnung (EG) Nr. 2216/2004 der Kommission vom 21. Dezember 2004 über ein standardisiertes und sicheres Registrierungssystem gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Entscheidung 280/2004/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EG L 386, S. 1 ff. vom 29.12.2004. Hierzu Raimund Körner/Sebastian von Schweinitz, ibid., § 14 TEHG Rz 11. Vgl. auch o. S. 82. Hierzu Raimund Körner/Sebastian von Schweinitz, ibid., § 14 TEHG Rz 53 ff. Obwohl die EH-RL eine Übertragung der Zertifikate zwischen erster und zweiter Handelsperiode nicht untersagt, haben sich alle Mitgliedstaaten gegen ein interperiodelles Banking entschieden, vgl. Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 20 ZuG Rz 10; Carl-Stephan Schweer/Christian von Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 20 Rz 3. Raimund Körner, ibid., § 20 ZuG Rz 10; Carl-Stephan Schweer/Christian von Hammerstein, ibid., § 20 Rz 5.
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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cc) Nationaler Allokationsplan (NAP) (1) Grundsätzliches Die Verpflichtung aus Art. 9 EH-RL, einen nationalen Zuteilungsplan zu erstellen, hat Deutschland in §§ 7 f. TEHG umgesetzt. Der nach § 7 S. 1 TEHG zu erlassene Nationale Allokationsplan (NAP) ist das zentrale Verteilungsinstrument und regelt die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate ebenso wie die Verteilung auf die betroffenen Anlagen. Mangels unmittelbarer Rechtswirkung nach außen190 ist er weder Verwaltungsakt noch Allgemeinverfügung, sondern schlichter Regierungsakt und wird durch einfachen Kabinettsbeschluss erlassen191. Bei seiner Aufstellung handelt es sich um eine planerische Entscheidung192. Seine Bedeutung ist dennoch nicht zu unterschätzen, da er nach § 7 S. 2 TEHG als Grundlage193 für das jeweilige Zuteilungsgesetz dient. (2) Aufbau des NAP Der NAP für die Handelsperiode 2005-2007 sowie der NAP II für 2008-2012 bestehen aus zwei Komponenten194; sie werden gleichermaßen aus zwei unterschiedlichen Richtungen erarbeitet: Der Makroplan enthält eine Festlegung der Gesamtmenge der zuzuteilenden Berechtigungen sowie des zulässigen Kohlendioxidausstoßes insgesamt und gibt die Verteilung auf die einzelnen Sektoren (Verkehr und Haushalte, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen sowie Energie und Industrie) vor195. Er enthält auch die Emissionsmengen der übrigen vom KP erfassten Treibhausgase Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW), Schwefelhexafluorid (SF6)196. Man spricht in diesem Zusammenhang häufig von Regulierung „top down“, d.h. von den Gesamtmengen ausgehend auf kleinere Einheiten verteilend. 190
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Von dem NAP gehen noch keine Rechtswirkungen auf dem Emissionshandel unterfallende Unternehmen aus, vielmehr dient er der Notifizierung der Pläne für eine Zuteilungsregelung bei der Kommission, Hans-Peter Vierhaus, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ ZuG 2007 (2005), § 7 TEHG Rz 7; Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 1, Rz 108. Hans-Peter Vierhaus, ibid., § 7 TEHG Rz 5. Mehr dazu Hans-Peter Vierhaus, ibid., § 7 TEHG Rz 9 ff. Zur Bedeutung des Begriffs „Grundlage“ Hans-Peter Vierhaus, ibid., § 7 TEHG Rz 6, 19 ff., der zu recht darauf hinweist, dass aus verfassungsrechtlichen Gründen hieraus keine Bindungswirkung für das Parlament folgen darf. Faktisch sind Abweichungen des Zuteilungsgesetzes im großen Stil zwar möglich, aber wegen der vorherigen Prüfung des NAP durch die Kommission europarechtlich nicht unproblematisch. Diese Einschränkung wiederum wirft die Frage auf, inwieweit eine – und sei es nur faktische – Beschränkung der gesetzgeberischen Entscheidungsfreiheit zulässig ist, s. Hans-Peter Vierhaus, ibid., Rz 20. Die Unterscheidung zwischen Makroplan und Mikroplan entspricht den Vorstellungen der Kommission, vgl. Kommission, How to develop a National Allocation Plan (April 2003), S. 4. DEHSt, Klimaschutz: Der Emissionshandel im Überblick: Grundlagen und Funktionsweise, S. 7. DEHSt, ibid., S. 5.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
Der Mikroplan regelt die konkrete Zuteilung der Emissionsberechtigungen auf die einzelnen Anlagen und enthält insbesondere den sog. Erfüllungsfaktor, der die erforderliche Minderungsquote vorgibt; auch die Zertifikatkontingente, die als Reserve vorgehalten werden, werden hier ausgewiesen197. Dies stellt eine Regulierung „bottom up“ dar, da man von der kleinsten Einheit, der Anlage und ihren Emissionen aus die Zuteilungsmengen ermittelt. (3) Inhaltliche Vorgaben nach dem TEHG Nach § 7 S. 3 TEHG schreibt der Zuteilungsplan die Gesamtmenge der zu vergebenden Zertifikate fest sowie die Zuteilungsregeln, nach denen die Zertifikate zugeteilt werden. Die Gesamtmenge der Zertifikate soll nach § 7 S. 4 TEHG in einem angemessenen Verhältnis zu den – ebenfalls im NAP zu benennenden – Emissionen der nicht am Emissionshandel beteiligten Sektoren und Anlagen stehen. § 7 S. 5 TEHG betrifft anders als die vorherigen Regelungen nicht den NAP, sondern bestimmt, dass die Regelungen im ZuG für die ersten beiden Zuteilungsperioden sicherstellen müssen, dass im Falle einer Erschöpfung der eingerichteten Reserve für zusätzliche Neuanlagen staatlicherseits ausreichend Berechtigungen für eine kostenlose Zuteilung zur Verfügung gestellt werden. Da es sich jedoch hierbei nur um eine einfachgesetzliche Vorgabe handelt, wäre eine abweichende Regelung im ZuG nach der lex posterior-Regel folgenlos198. (4) Verfahren der Planaufstellung, Notifizierung und Veröffentlichung Das Verfahren der Aufstellung des NAP ist in § 8 TEHG geregelt. Hierbei ist nach § 8 I TEHG die Anhörung der Länder199 und die anschließende Veröffentlichung des Planentwurfs für sechs Wochen im Bundesanzeiger und im Internet vorgesehen; die Öffentlichkeit („jedermann“) kann hierzu bis zum dritten Tag nach Ablauf der Internetveröffentlichung Stellung nehmen. Die eingegangenen Stellungnahmen sind gem. § 8 I 3 TEHG zu berücksichtigen200, wenn es darum geht, den endgültigen NAP aufzustellen. Für die erste Zuteilungsperiode ließ § 8 TEHG die europarechtlich vorgeschriebene Öffentlichkeitsanhörung entfallen und verstieß damit gegen Art. 9 I EH-RL201. Nach § 8 II, III TEHG ist der NAP zusammen mit einer Liste der auf die einzelnen Anlagen voraussichtlich entfallenden Zuteilungen achtzehn Monate vor Beginn der jeweiligen Zuteilungsperiode an die Kommission zu übermitteln sowie 197 198
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Hans-Peter Vierhaus, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 7 TEHG Rz 1. Hans-Peter Vierhaus, ibid., § 7 TEHG Rz 25 bezeichnet die Vorgabe daher als „Selbstgespräch des Gesetzgebers“. Dazu Peter Vierhaus, ibid., § 8 TEHG Rz 2. Peter Vierhaus, ibid., § 8 TEHG Rz 8 hält dies für eine unzureichende Umsetzung der Vorgaben aus der EH-RL, die in Art. 9 I 2 eine „angemessene Berücksichtigung“ der Bemerkungen der Öffentlichkeit vorschreibt. Plausibler als gleich einen Verstoß gegen das Europarecht anzunehmen, dürfte es jedoch sein, § 8 TEHG europarechtskonform auszulegen und eine Berücksichtigung zu verlangen, die den europarechtlichen Anforderungen gerecht wird. Hierzu und zu der Frage, ob der Wegfall der Anhörung aus Zeitgründen ausnahmsweise zulässig war Hans-Peter Vierhaus, ibid., § 8 TEHG Rz 9.
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im Bundesanzeiger und im Internet zu veröffentlichen. Die individuellen Zuteilungsmengen sind hierdurch nicht präjudiziert, vielmehr hat die Auflistung nur planerischen Charakter202. Dies ergibt sich aus der Formulierung des Gesetzes, die für die jeweilige Tätigkeit vorgesehene Zuteilungsmenge werde „vorbehaltlich“ der Zuteilungsentscheidung nach § 9 TEHG ausgewiesen. Die Kommission prüft den Plan und kann ihn gem. Art. 9 III 1 EH-RL innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Übermittlung ganz oder teilweise ablehnen, wenn er mit den in Anhang III der EH-RL aufgelisteten Kriterien oder der von Art. 10 EH-RL vorgeschriebenen Zuteilungsmethode unvereinbar ist203. dd) Handel mit Zertifikaten Die besondere Flexibilität des Emissionshandels ergibt sich daraus, dass die Emissionsberechtigungen frei handel- und übertragbar sind, und zwar auch von Personen, die selbst nicht Anlagenbetreiber sind. Die Beteiligung am Emissionshandel ist überdies unabhängig vom Wohnsitz und der Nationalität einer Person oder dem Sitz eines Unternehmens, §§ 6 III, 14 II 3 TEHG204. Während es sich bei dem der Übertragung von Emissionsrechten zugrunde liegenden Rechtsgeschäft üblicherweise um einen Kaufvertrag205 handelt, setzt der Erwerb der Emissionsberechtigungen nach § 16 I TEHG Einigung und Eintragung des Zertifikateübergangs auf das Konto des Erwerbers voraus; zudem muss der Übertragende die erforderliche Verfügungsbefugnis besitzen206. Die Zertifikate werden u.a. an der Leipziger Strombörse European Energy Exchange (EEX)207, der Londoner Energiebörse European Climate Exchange (ECX) sowie an sechs ähnlichen Handelsplätzen in Europa gehandelt208. Wie der Stromhandel wird auch der Emissionshandel über ein Clearingsystem abgewickelt, das Großbanken als Zwischenhändler und Ausfallbürgen einschaltet209. Die Preise in 202 203 204 205
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Hans-Peter Vierhaus, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 8 TEHG Rz 17. Mehr dazu bereits o. S. 81 f. Martin Burgi/Knut Werner Lange, ZHR 170 (2006), 539 (556). Zur Diskussion um dessen Zuordnung zum Zivilrecht oder zum öffentlichen Recht s. Michael Adam/Helmar Hentschke/Stefan Kopp-Assenmacher, Handbuch des Emissionshandelsrechts (2006), S. 149 ff. und zur Diskussion über die Rechtsnatur der Zertifikate s. o. S. 104. Mehr dazu Martin Burgi/Knut Werner Lange, ZHR 170 (2006), 539 (556 ff.); Michael Adam/Helmar Hentschke/Stefan Kopp-Assenmacher, Handbuch des Emissionshandelsrechts (2006), S. 160 ff. Der Spotmarkt eröffnete am 9. März 2005, s. Pressemeldung von iwr, stromtarife.de vom 09.03.2005. Bauchmüller, SZ v. 04.01.2005, S. 2; Radau, Leipziger Volkszeitung Online v. 27.06.2005; nicht zuletzt angesichts der Probleme bei der Einrichtung des Registers zeichnete sich jedoch zunächst ab, dass Unternehmen häufig den bilateralen Zertifikatehandel bevorzugten, dazu Hecking, FTD v. 10.05.2005; Bundeskartellamt, Sachstandspapier zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in Sachen Emissionshandel und Strompreisbildung vom 20.03.2006, S. 24, geht von einem Verhältnis von ca. 52 % bilateralem Handel zu ca. 48 % Börsenhandel aus. Fickinger, FAZ v. 18.01.2005.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
Leipzig bewegten sich zunächst zwischen 10,- und 29,- €/t CO2210, sind jedoch im Dezember 2007 auf wenige Cent gesunken211. Der Grund für diesen Preissturz liegt in der übergroßzügigen Allokation nahezu aller beteiligten Mitgliedstaaten212. Für die Periode 2008-2012 wird jedoch mit größerer Knappheit der Emissionsberechtigungen gerechnet; aktuell213 liegen die Börsenpreise bei ca. 22-23 €. ee) Überwachungs- und Sanktionsmechanismen Die Überwachung der Emissionen ist in § 5 TEHG i.V.m. Anhang 2 TEHG und der von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen Zuteilungsverordnung 2007 (ZuV 2007)214 geregelt. Danach sind Anlagenbetreiber ab dem 01.01.2005 verpflichtet, die durch ihre Tätigkeit in einem Kalenderjahr verursachten Emissionen zu ermitteln und bis zum 1. März des Folgejahres darüber zu berichten. Dieser Bericht dient als Grundlage der jährlichen „Abrechnung“ der Emissionsberechtigungen bei der DEHSt. Geregelt sind ebenso die technischen Details der Berechnung bzw. Messung von Treibhausgasemissionen wie die Anforderungen an den Inhalt des Emissionsberichts. Emissionsmessungen sind nur im Ausnahmefall zulässig215; für sie sind standardisierte oder etablierte Verfahren zu verwenden, zur Überprüfung sind die Emissionen auch rechnerisch zu verifizieren216. Bei Unklarheiten sind die Leitlinien der Kommission für Überwachung und Berichterstattung betreffend Treibhausgasemissionen217 ggf. im Wege europarechtskonformer Auslegung heranzuziehen218. Bevor die Emissionsberichte der zuständigen Behörde219 vorgelegt werden, müssen sie anhand des Anhangs 3 zum TEHG von einer sachverständigen Stelle220 geprüft werden, § 5 III 1 TEHG. Geprüft werden die Zuverlässigkeit, Glaubhaftig210
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Rohstoffe, Trockenheit und Emissionshandel treiben den Strompreis, Dpa-Meldung v. 08.07.2005. EUA-News v. 14.12.2007. Hierzu s. Geinitz, faz.net v. 07.03.2007. Stand: 13.08.2008, vgl. EUA-News KW 32/08 v. 08.08.2008. Verordnung über die Zuteilung von Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 v. 31.08.2004, BGBl. 2004 Teil I Nr. 46, S. 2255. Hans-Peter Vierhaus/Sebastian von Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 5 TEHG Rz 47. Hans-Peter Vierhaus/Sebastian von Schweinitz, ibid., § 5 TEHG Rz 49. Entscheidung der Kommission vom 29. Januar 2004 zur Festlegung von Leitlinien für Überwachung und Berichterstattung betreffend Treibhausgasemissionen gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EG Nr. L 59, S. 1 ff. So wohl auch Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1155). Für die Ausführung von § 5 TEHG sind die Landesbehörden zuständig, s.u. S. 111 f. Gem. § 5 III 3 TEHG können als sachverständige Stelle unabhängige Umweltgutachter oder Gutachterorganisationen mit einer Zulassung nach dem Umweltauditgesetz sowie Personen, die nach § 36 I GewO zur Prüfung von Emissionsberichten öffentlich als Sachverständige bestellt worden sind, bekannt gemacht werden. Zudem wird die Bundesregierung ermächtigt, die weitere Zulassung von Sachverständigen nach dem TEHG zu regeln, § 5 III 4 TEHG.
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keit und Genauigkeit der Überwachungssysteme sowie der übermittelten Anlagenund Emissionsdaten221. Methodisch unterteilt sich diese Prüfung in eine strategische Analyse, eine Prozessanalyse und eine Risikoanalyse222. Die sachverständige Stelle erstellt einen Bericht über die Prüfung, in dem sie zur Emissionserklärung des Anlagenbetreibers Stellung bezieht. Diese ist “als zufrieden stellend zu bewerten, wenn die sachverständige Stelle zu der Ansicht gelangt, dass zu den Gesamtemissionen keine wesentlich falschen Angaben gemacht wurden”223. Die Landesbehörden überprüfen den Emissionsbericht gem. § 5 IV TEHG stichprobenartig und leiten ihn bis zum 31. März des entsprechenden Jahres an die DEHSt weiter. Liegt dem Umweltbundesamt bis zum 31. März eines Jahres kein ordnungsgemäßer Bericht vor, sperrt es das Konto für Übertragungen von Berechtigten an Dritte, § 17 I 1 TEHG. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Kontosperrung haben gem. § 17 II TEHG keine aufschiebende Wirkung. Für Verstöße gegen die Abgabepflicht verhängt die DEHSt Geldbußen: für jede nicht abgedeckte Tonne Kohlendioxid hat der Anlagenverantwortliche in der ersten Handelsperiode 40 € zu zahlen, in späteren Handelsperioden 100 €. Zusätzlich dazu müssen die fehlenden Emissionsberechtigungen im Folgejahr abgegeben werden, § 18 III 1 TEHG. Die Namen von Anlagenbetreibern, die ihrer Pflicht, eine den Emissionen entsprechende Anzahl an Berechtigungen abzugeben, nicht nachkommen, werden gem. § 18 IV TEHG im Bundesanzeiger veröffentlicht. Ein Rückgriff auf das anlagenbezogene Sanktionssystem des BImSchG kann darüber hinaus nicht erfolgen, da nach § 4 VIII 1 TEHG die TEHG-Sanktionen lex specialis sind224. ff) Zuständige Behörde Gerade im Bereich der Zuständigkeit gab es beim TEHG noch Änderungen in letzter Minute vor seinem Erlass. Der Streit zwischen Bund und Ländern um die Zuständigkeit wurde durch einen Kompromiss in Form eines „dualen Systems“225 gelöst. Nun bestimmt § 20 I 1 TEHG, dass bei nach § 4 I 3 BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen die nach Landesrecht zuständigen Landesbehörden auch für den Vollzug der §§ 4 und 5 TEHG zuständig sind. Alle Anlagen, die unter das TEHG in seiner aktuellen Fassung fallen, sind derartige nach § 4 I 3 BImSchG genehmigungsbedürftige Anlagen226. Das heißt, Emissionsgenehmigung, Ermittlung der Emissionen und Überprüfung der Emissionsberichte sind bei allen derzeit erfassten Anlagen Ländersache. Für alle anderen Aufgaben bleibt es bei der Kompetenz des Umweltbundesamtes (UBA), einer Bundesoberbehörde227. Nach § 20 I TEHG wäre die DEHSt zudem auch Genehmigungs- und Überwachungsbehörde 221
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Hans-Peter Vierhaus/Sebastian von Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 5 TEHG Rz 72. Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1155); Hans-Peter Vierhaus/Sebastian von Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 5 TEHG Rz 74. Anhang 3 zum TEHG, Ziff. 11, S. 3. Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2131). So Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153. Hans-Peter Vierhaus/Sebastian von Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 5 TEHG Rz 99. Für diese Aufgaben wurde beim UBA die DEHSt eingerichtet.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
für nachträglich in den Emissionshandel einbezogene, nicht nach dem BImSchG genehmigungspflichtige Anlagen228. Schwierigkeiten macht diese Kompetenzaufteilung insbesondere, weil nicht deutlich wird, wer darüber entscheidet, ob eine Anlage überhaupt unter den Anwendungsbereich des TEHG fällt. Einerseits fällt mit der Zuständigkeit für die Erteilung einer Genehmigung regelmäßig auch die Befugnis zusammen, festzustellen, wer eine solche Genehmigung benötigt229. Dann läge die Kompetenz bei den Ländern230. Andererseits betrifft dies jedoch die Frage nach dem Anwendungsbereich des TEHG gem. dessen § 2, und diese Vorschrift fällt in den Zuständigkeitsbereich des UBA231. Zieht man in Betracht, dass dem UBA die Koordination der beteiligten Behörden und in gewisser Weise auch die Gesamtverantwortung obliegt, dürfte das letztere Argument schwerer wiegen. Nicht praktikabel ist es, zwischen Neuanlagen und Bestandsanlagen zu unterscheiden232. Vielmehr entscheidet die Landesbehörde über die Erteilung der Genehmigung, während die DEHSt über Fragen der Anwendbarkeit des TEHG bestimmt. Etwas anderes ist auch § 4 XI TEHG nicht zu entnehmen, der vorsieht, dass die Landesbehörden die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine unter Anhang 1 des TEHG fallende Anlage unverzüglich der DEHSt mitteilen müssen. Eine Besonderheit findet sich in § 20 II TEHG, wonach das Bundesumweltministerium durch Rechtsverordnung Aufgaben des UBA mit Ausnahme der Sanktionen auf juristische Personen als Beliehene übertragen kann. Bislang wurde von dieser Möglichkeit noch kein Gebrauch gemacht233. c) Verhältnis zum Immissionsschutzrecht Der bereits für die EH-RL und die IVU-RL aufgezeigte Konflikt setzt sich auf Ebene der Umsetzungsgesetzgebung in ähnlicher Form fort: Hier kollidieren das ordnungsrechtlich geprägte Bundesimmissionsschutzrecht und das ökonomische Instrument des Zertifikatehandels234. Die Schutzpflicht bezüglich der Luftreinhaltung ist in Deutschland insbesondere in der TA Luft235, der Großfeuerungsanla-
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Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2131); Hans-Peter Vierhaus/Sebastian von Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 5 TEHG Rz 106. BVerwG, NVwZ-RR 1992, 192 – Erlaubnisbedürftigkeit eines Heimbetriebs; BVerwG, NVwZ 1991, 267 – Genehmigungsbedürftigkeit der Vermittlungstätigkeit. So Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1079). Stefan Kobes, NVwZ, 2004, 1153 (1154). A.A. jedoch AG Augsburg, NVwZ 2004, 1389 (1390) – Vollzug des TEHG; Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2004, 1292 (1293). Gegenwärtig ist nicht davon auszugehen, dass das BMU von der Ermächtigung überhaupt Gebrauch machen wird, vgl. Hans-Peter Vierhaus/Sebastian von Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 20 TEHG Rz 14. Walter Frenz, RdE 2003, 32 (34). Erste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft – TA Luft), GMBl. 2002, S. 511 ff.
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genverordnung (13. BImSchV)236 und der Verordnung über Immissionswerte (22. BImSchV)237 verortet238. Ein fundamentaler Unterschied zwischen diesen Instrumenten und dem Zertifikatehandel lässt sich bereits im Ansatz feststellen: Während der Zertifikatehandel zum Ziel hat, die maximalen Gesamtemissionen zu begrenzen, sichert das Ordnungsrecht die Einhaltung technischer Standards, ist aber nicht geeignet, absolute Obergrenzen abzusichern239. aa) Keine quantifizierten Grenzwerte Für die in Annex A des KP genannten Treibhausgase finden sich keine quantifizierten Grenzwerte in den Bundesimmissionsschutzverordnungen240. Lange Zeit war ein Bedürfnis für derartige Begrenzungen nicht ersichtlich, da der schädliche Effekt nicht im Einwirkungsbereich der emittierenden Anlage auftritt, sondern sich erst lange Zeit später in Form von Klimaveränderungen bemerkbar macht241. bb) Gebot des sparsamen und effektiven Energieverbrauchs In § 5 I Ziff. 4 BImSchG ist geregelt, dass genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben sind, dass Energie sparsam und effizient verwendet wird. Diese Verpflichtung hat allerdings noch keine allgemein verbindliche Konkretisierung erfahren, und ein Vollzugsdefizit wird beklagt242. Sie ist ihrer Natur nach relativer Art und von Anlagentypus und verwendetem Energieträger abhängig243. Mit Art. 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten244 in der Gemeinschaft wurden dem § 5 I BImSchG drei neue Sätze angefügt. Sie regeln im Wesentlichen, dass das BImSchG bezüglich CO2-Emissionen der dem Emissionshandel unterfallenden Anlagen keine über das TEHG herausgehenden Anforderungen stellen darf, sofern keine sog. hot spot-Problematik vorliegt. Der Erfüllung des Vorsorgeprinzips soll in diesen Fällen Genüge getan sein, wenn die Anforderungen der §§ 5, 6 I TEHG eingehalten werden245.
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Dreizehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Großfeuerungs- und Gasturbinenanlagen – 13. BImSchV) v. 20.07.2004, BGBl. I vom 23.07.2004, S. 1717; ber. 15.11.2004, BGBl. I, S. 2847 sowie 06.06.2007, BGBl. I, S. 1002. Zweiundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft – 22. BImSchV) v. 11.09.2002 in d. Fassung der Bekanntmachung v. 04.06.2007, BGBl. I, S. 1006. Ute Mager, DÖV 2004, 561 (r. Sp.). Ute Mager, ibid., S. 562. Ute Mager, ibid., S. 561 f. Ute Mager, ibid., S. 562. Ute Mager, ibid., S. 562. Ute Mager, ibid., S. 562. BGBl. 2004 Teil I Nr. 35 v. 14.07.2004, S. 1578 ff. Umfassend Hans-Peter Vierhaus/Sebastian v. Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ ZuG (2005), § 1 TEHG Rz 5 ff. Kritisch Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2132), die der Auffassung sind, man werde Art. 2 II EH-RL nicht ge-
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cc) Stand der Technik Schwierigkeiten ergeben sich auf den ersten Blick auch wegen § 5 I Ziff. 2 BImSchG, der in Umsetzung des umweltrechtlichen Vorsorgeprinzips von Anlagen verlangt, den Stand der Technik einzuhalten246. Dieses Erfordernis wird in den Grenzen des § 17 III BImSchG abgesichert durch die Möglichkeit, nachträgliche Anordnungen zu erlassen, vgl. § 17 I BImSchG247. Demgegenüber überlässt das Zertifikatehandelssystem dem Anlagenbetreiber gerade die Wahl, ob er seine Emissionen selbst reduzieren oder lieber in entsprechende Zertifikate investieren möchte. Ließe man das Nebeneinander von Vorsorgeprinzip und Emissionshandel unberührt, würde dies den Handel im Ergebnis auf die nach dem Stand der Technik unvermeidbaren Emissionen beschränken und das Zertifikatemodell weitgehend uninteressant machen248. Auch diesen Konflikt hat jedoch der Gesetzgeber gelöst, indem er in § 5 I S. 2-4 BImSchG klargestellt, dass sich die Anforderungen aus dem Vorsorgeprinzip für Anlagen, die dem Emissionshandel unterliegen, hinsichtlich ihres vom TEHG erfassten Treibhausgasausstoßes ausschließlich aus den Mengenvorgaben des Emissionshandels ergeben249.
3. Zuteilungsgesetz 2007 (ZuG) a) Grundsätzliches Die wesentlichen Vorschriften über die Zuteilung von Emissionsberechtigungen für die Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 sind im Zuteilungsgesetz 2007 (ZuG 2007)250 enthalten: Es legt die Verteilung der Emissionsrechte auf die einzelnen Sektoren fest und enthält die Regeln für die Allokation sowie den Erfüllungsfaktor. Das Zuteilungsgesetz wurde auf der Grundlage des Art. 74 I Nr. 24 und 11 GG erlassen; der Bund hat hierfür die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Wettbewerbsgründen und zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im
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recht, wenn man das Vorsorgeprinzip auf die Einhaltung des Emissionshandels reduziere. Zu diesem Konflikt bereits Alexander Blankenagel, in: Wenz/Issing/Hofmann (Hrsg.), Ökologie, Ökonomie und Jurisprudenz (1987), 71 (79); zur jetzigen Rechtslage HansPeter Vierhaus/Sebastian von Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG (2005), § 1 TEHG Rz 61 ff. Grenzen werden hier jedoch durch die Anforderung an die Verhältnismäßigkeit derartiger Anordnungen gesetzt, vgl. Ute Mager, DÖV 2004, 561 (562). Hans-Peter Vierhaus/Sebastian von Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG (2005), § 1TEHG Rz 62; Manfred Rebentisch, NVwZ 2006, 747 (748). Dennoch sprachen sich zunächst einige Stimmen für eine derartige Lösung aus, s. etwa HansJoachim Koch/Annette Wieneke, DVBl 2001, 1085 (1092 ff.). Manfred Rebentisch, NVwZ 2006, 747 (748). Zu den Bedeutungen dieser Neuregelung für den eigentumsrechtlichen Schutz der Anlagenbetreiber nach Art. 14 GG vgl. u. S. 286. Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 vom 26.08.2004, BGBl. 2004 I Nr. 45 v. 30.08.2004, S. 2211 ff.
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Bund251. Konkretisiert werden die Regelungen des ZuG 2007 durch die Verordnung über die Zuteilung von Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 (ZuV 2007)252, welche die Regeln und Berechnung der Zuteilung von Emissionsberechtigungen sowie die Angaben und Nachweise für das Zuteilungsverfahren und deren Verifizierung näher ausgestaltet. Die ZuV 2007 beruht auf § 1 ZuG 2007 und § 10 V TEHG. Das ZuG 2007 basiert inhaltlich auf dem Nationalen Allokationsplan (NAP), den die Bundesregierung am 31.03.2004 erlassen und der Europäischen Kommission zur Prüfung zugeleitet hatte253. Diese hatte einzelne Punkte gerügt, den Plan jedoch in seiner Grundkonzeption als der EH-RL entsprechend akzeptiert254. Das wegen der beanstandeten Punkte, die die ex post-Anpassung der Zuteilung nach unten in bestimmten Fallkonstellationen betreffen, eingeleitete Verfahren zwischen Deutschland und der Kommission wurde kürzlich zugunsten Deutschlands vom Europäischen Gericht erster Instanz entschieden255. Da sich die Zuteilung der Emissionszertifikate in der ersten Handelsperiode nach dem ZuG 2007 richtet, hat das Gesetz wesentliche Auswirkungen auf die Kosten, das Handelsvolumen und sogar die Preise der Emissionszertifikate. Durch die zahlreichen Sonderregelungen und die Möglichkeit unterschiedlichster Kombinationen der verschiedenen Zuteilungsregeln waren die Auswirkungen des Gesetzes schwer vorhersehbar. Vor allem die in letzter Minute eingefügte Möglichkeit, Zertifikate für Altanlagen anhand des Neuanlagen-Benchmarks zu beantragen256, führte zu unerwarteten Auswirkungen und machte schließlich die erheblichen Kürzungen im Wege des sog. zweiten Emissionsfaktors erforderlich. b) Regelungen im Einzelnen aa) Anwendungsbereich Das ZuG 2007 erfasst nach seinem § 2 die Emissionen der jeweils in Anhang 1 zum TEHG genannten Treibhausgase von emissionshandelspflichtigen Anlagen und gewährleistet dadurch einen kongruenten Anwendungsbereich zwischen TEHG und ZuG 2007257. Bisher fallen lediglich Kohlendioxidemissionen hierun251 252
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Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 17. Verordnung über die Zuteilung von Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 (ZuV 2007) vom 31.08.2004, BGBl. I Nr. 46 v. 31.08.2004, S. 2255. Dass neben dem Allokationsplan auch noch das ZuG als formelles Gesetz erlassen wurde, dürfte der Diskussion über die Konsequenzen der Wesentlichkeitstheorie geschuldet sein. Für die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung u. a. Martin Burgi, NJW 2003, 2486 (2491). Entscheidung der Kommission vom 07.07.2004 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, der von Deutschland gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt wurde, K (2004) 2515/2 endg. EuG, Rs. T-374/04, Urt. v. 07.11.2007, abrufbar unter www.curia.europa.eu; mehr dazu s. S. 119 ff. Dazu s. u. S. 125 f. Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 2 Rz 2 f.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
ter. In der ersten Handelsperiode erhielten ca. 1200 deutsche Unternehmen für ca. 1850 Anlagen erstmals Zertifikate zugeteilt258. bb) Mengenplanung (1) Nationale Emissionsziele In § 4 ZuG 2007 sind die nationalen Emissionsziele festgelegt, d.h. die Gesamtheit des auszustoßenden Kohlendioxids, unterteilt nach Sektoren. Sie basieren auf dem im Rahmen des NAP aufgestellten Makroplan. Für die Periode 2005 bis 2007 geht das ZuG von einem Emissionsziel von 982 Mio. t Kohlendioxid-Äquivalenten pro Jahr aus. 123 Mio. t hiervon entfallen auf andere Treibhausgase, so dass der zulässige Kohlendioxid-Ausstoß 859 Mio. t pro Jahr beträgt259. Unter den Emissionshandel als solchen fällt lediglich der Sektor Energie und Industrie, wobei wegen der Beschränkung auf die in Anhang I des TEHG genannten Tätigkeiten nicht alle Kohlendioxid ausstoßenden Anlagen den besonderen TEHG-Pflichten unterfallen. Zertifikate im Wert von 499 Mio. t Kohlendioxid sollen jährlich ausgegeben werden, wovon aber an bestehende Anlagen nicht mehr als 495 Mio. t pro Jahr vergeben werden. Diese Werte wurden mit dem Ziel gewählt, die Voraussetzungen für die Erreichung des Kyoto-Klimaschutzziels in der Periode 2008 bis 2012 zu schaffen und abrupte Emissionsminderungen zu vermeiden260. Drei Mio. t CO2 dienen als Reserve für zusätzliche Neuanlagen (§ 11 ZuG 2007), 1 Mio. t CO2 als Reserve für Härtefälle. Um sicherzustellen, dass trotz des gesetzlich geregelten Erfüllungsfaktors von 0,9709 nach § 5 ZuG 2007 nicht mehr Berechtigungen zugeteilt werden, werden nach § 4 IV ZuG 2007 bei Überschreiten der zulässigen Gesamtmenge, d.h. der 495 Mio. t für bestehende Anlagen, die Zuteilungen anteilig gekürzt, und ein sog. zweiter Erfüllungsfaktor greift ein261. Ausgenommen von diesen Kürzungen durch den zweiten Emissionsfaktor sind nur Zuteilungen, bei denen der Erfüllungsfaktor nach § 5 ZuG 2007 nicht anwendbar ist, bzw. bei denen das Gesetz den Erfüllungsfaktor von 1 vorschreibt262. Das ursprünglich für die Periode 2008 bis 2012 für die Sektoren Energie und Industrie avisierte Emissionsziel von 495 Mio. t CO2 pro Jahr263 war nicht bindend für den Erlass des NAP II und wurde noch deutlich nach unten korrigiert264.
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Näher Umweltbundesamt DEHSt, Emissionshandel in Deutschland: Verteilung der Emissionsberechtigungen für die erste Handelsperiode 2005-2007 v. 20.12.2004, S. 4. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 16. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 16. Dazu Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2006, 135 ff. Diese Regelung stellt klar, dass das Gesamtbudget eine vom Gesetzgeber verbindlich ausgestaltete Grenze ist, der der bloße Zielcharakter der nationalen Emissionsziele nicht entgegen steht, vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 23 – Anteilige Kürzung I (unveröffentlicht). So auch Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1157); Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1084). § 4 III ZuG 2007; Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 17. S. u. S. 140 ff.
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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(2) Reserve Zuteilungen für Neuanlagen, die keine Ersatzanlagen sind, werden aus der sog. Reserve des § 6 ZuG 2007 gespeist, die für die erste Zuteilungsperiode Berechtigungen zur Emission von 9 Mio. t Kohlendioxid, d.h. 3 Mio. t/Jahr, enthält. Zusätzlich fließen auch Berechtigungen, die zurückgegeben oder gar nicht erst ausgegeben werden, der Reserve zu, § 6 II ZuG 2007. Ob eine „Nachkorrektur“ wie sie in verschiedenen Vorschriften des ZuG 2007 vorgesehen ist265, überhaupt stattfinden kann, war zwischen der Kommission und Deutschland lange umstritten. Gegen die Entscheidung der Kommission vom 7.7.2004 über den Nationalen Zuteilungsplan der Bundesrepublik Deutschland, wonach die ex post-Korrektur mit den Kriterien 5 und 10 aus Anhang III der Emissionshandelsrichtlinie unvereinbar sein sollte, hat die Bundesregierung am 20.9.2004 Klage beim Europäischen Gericht eingereicht266. Im November 2007 ist die lange erwartete und ausführlich begründete Entscheidung des Gerichts verkündet worden und bestätigt die Auffassung der Bundesrepublik, dass nachträgliche Anpassungen nach unten mit RL 2003/83 in Einklang stehen267. Da die Reserve mit Zertifikaten über 3 Mio. t Kohlendioxid jährlich eher knapp bemessen ist, war seitens der Industrie wie auch im Schrifttum protestiert worden, es dürfe keine Vergabe „nach dem Windhund-Prinzip“ stattfinden. Dem ist der Gesetzgeber gerecht geworden, indem er in § 7 S. 5 TEHG i.V.m. § 6 III 1 ZuG 2007 vorsieht, dass das Bundesumweltministerium im Falle unzureichender Reserven im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium eine Stelle beauftragt, die auf eigene Rechnung Berechtigungen kauft und sie kostenlos zur Verfügung stellt. Zum Ausgleich erhält die beauftragte Stelle aus der für die nächste Zuteilungsperiode gebildeten Reserve eine entsprechende Menge an Zertifikaten zum Verkauf am Markt zugewiesen, § 6 III 2 ZuG 2007. Emissionsberechtigungen aus der Reserve, die zum Ende der Zuteilungsperiode nicht zugeteilt wurden, werden vom Umweltbundesamt gelöscht268. cc) Methode Die Zuteilung der Emissionsberechtigungen für bestehende sowie neue Anlagen erfolgt in der Periode 2005 bis 2007 EU-weit großenteils kostenlos269. Gerade die Ökonomen, die dem Zertifikatehandel häufig aufgeschlossen gegenüber stehen, machen geltend, dass bei kostenlosen Vergabeverfahren grundsätzlich die Gefahr bestehe, dass es zu unbegründeten Begünstigungen bzw. Benachteiligungen, d.h.
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Vgl. etwa u. S. 119 f., 124 f. Franzjosef Schafhausen, Emissionshandel als Instrument der Klimaschutzpolitik – Stand und Perspektiven, S. 13 f. EuG, Rs. T-374/04, Urt. v. 07.11.2007, abrufbar unter http://www.curia.europa.eu. So Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 19; dazu Carl-Stephan Schweer/ Christian v. Hammerstein, ZuG 2007, § 6 Rz 21. Verpflichtend ist die kostenlose Vergabe von mindestens 95 % der Zertifikate in der ersten und mindestens 90 % der Zertifikate in der zweiten Handelsperiode, vgl. o. S. 79 f.
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Wettbewerbsverzerrungen zwischen den unterschiedlichen Anlagen komme270. Wettbewerbsverzerrungen im internationalen Wettbewerb, insbesondere im Verhältnis zu Unternehmen, die keinen Emissionsbeschränkungen unterworfen sind, nehmen jedoch unter Umständen zu, wenn die Zertifikate versteigert werden und den Unternehmen dadurch noch höhere Kosten entstehen271. Im Wesentlichen wurden beim Erlass des ZuG 2007 daher Grandfathering272und Benchmark273-Systeme für die Allokation der Emissionsrechte diskutiert. Das ZuG 2007 stellt einen Kompromiss beider Grundpositionen dar, indem es zwar als Grundregel ein Grandfathering-Modell heranzieht, zu dem es jedoch einige zwingende oder auch freiwillige Benchmark-Alternativen bietet. Im Regelfall wird für die Zuteilung der jährliche Durchschnitt der Emissionen einer Anlage in einem dreijährigen Basiszeitraum (üblicherweise 2000-2002) herangezogen und mit dem sog. Erfüllungsfaktor multipliziert. Der Erfüllungsfaktor ist erforderlich, um die Einhaltung der nationalen Emissionsziele, die eine Reduktion erfordern, sicherzustellen274. dd) Kriterien (1) Grundregeln für die Zuteilung (a) Zuteilung auf Basis historischer Emissionen Grundprinzip Der Regelfall für die Zuteilung der Berechtigungen ist für Anlagen, die bis zum 31.12.2002 in Betrieb gegangen sind, die Zuteilung auf Basis historischer Emissionen nach § 7 ZuG 2007. Danach ergibt sich die Menge der zuzuteilenden Berechtigungen bei Bestandsanlagen aus dem Produkt der durchschnittlichen jährlichen Kohlendioxid-Emissionen der Basisperiode, dem Erfüllungsfaktor (nach § 5 ZuG 2007 0,9709) und der Zahl der Jahre der Zuteilungsperiode. Die maßgebliche, im Regelfall dreijährige Basisperiode bestimmt sich nach § 7 II-VI ZuG 2007; durch den Dreijahreszeitraum sollen Auslastungsschwankungen korrigiert werden. Grundsätzlich werden die Jahre 2000 bis 2002 als Basisperiode zu Grunde gelegt. Wurde eine Anlage erst im Verlauf der Jahre 2000 bis 2002 dauerhaft in Betrieb genommen, verschiebt sich die Basisperiode nach Maßgabe der § 7 III bis V ZuG 2007 auf einen späteren Zeitraum. Für die Bestimmung der Basisperiode bei der Zuteilung nach § 7 ZuG 2007 ist der Zeitpunkt der letzten Erweiterung oder Verringerung von Kapazitäten entscheidend, § 7 VI ZuG 2007. Durch die Wahl eines verhältnismäßig späten Zeitraums für die Basisperiode steht eine ver270
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So z.B. Lothar Hübl et al., Ökologische und wettbewerbliche Wirkungen der Übertragungs- und der Kompensationsregel des Zuteilungsgesetzes 2007 auf die Stromerzeugung (Februar 2005), S. 4. Zu dieser Problematik s. bereits o. S. 56 ff. Arbeitsgruppe „Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes“, Ergebnisse der Phase I (Januar bis Dezember 2001), Mai 2002, S. 10. Vgl. S. 67 f. Mehr dazu vgl. S. 68 ff. Entwurf eines Gesetzes über den Nationalen Zuteilungsplan für TreibhausgasEmissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007, v. 27.04.2004, BTDrucks. 15/2966, S. 19.
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lässliche Datengrundlage zur Verfügung. Gleichzeitig ist diese Regelung ungünstig für Betriebe, die schon zu einem früheren Zeitpunkt, d.h. vor 2000, ihre Emissionen reduziert haben. Daher resultiert aus dieser späten Basisperiode ein Bedürfnis für zusätzliche Maßnahmen zur Berücksichtigung sog. early action. Das ZuG 2007 ist diesem Bedürfnis in Form von Sonderzuteilungen nach § 12 ZuG 2007 nachgekommen275. Die Festlegung des Erfüllungsfaktors in § 5 ZuG 2007 stützt sich auf die Berechnungen des NAP: Er wurde so berechnet, dass die nach den Zuteilungsregeln ermittelte Menge der Zertifikate für die einzelnen Anlagen dem Emissionsziel des Mengenplans entsprechen sollte276. Da mehr Zertifikate beantragt wurden als bei Erstellung des NAP prognostiziert, wurde eine nachträgliche Kürzung, ein sog. zweiter Emissionsfaktor, nach § 4 IV ZuG 2007 erforderlich. Altkraftwerke Ein besonderer Anreiz zur Modernisierung alter Kondensationskraftwerke, die mit Stein- oder Braunkohle betrieben werden, sollte von § 7 VII 1 ZuG 2007 ausgehen277: danach sollte sich der Erfüllungsfaktor für derartige Anlagen ab der zweiten Handelsperiode um 0,15 vermindern, wenn sie eine Betriebszeit von 30 Jahren erreicht haben und die gesetzlich festgelegten Wirkungsgrade (31 % bei Braunkohle bzw. 36 % bei Steinkohle für das Jahr 2008) nicht erreichen. Diese Regelung belegt jedoch nur eine Tendenz des Gesetzgebers, unangenehme Folgen in der Zukunft eintreten zu lassen und zeigt gleichzeitig, dass diese Gesetzgebungstechnik zum Scheitern verurteilt ist: Sie soll nicht in die zweite Handelsperiode übernommen werden und blieb somit komplett ohne Anwendungsbereich. Nachträgliche Korrektur Eine nachträgliche Korrektur der Zuteilung erfolgt gemäß § 7 IX ZuG 2007, wenn die Kohlendioxid-Emissionen eines Kalenderjahres infolge von Produktionsrückgängen weniger als 60 % der durchschnittlichen jährlichen Kohlendioxidemissionen in der Basisperiode betragen haben. In diesem Fall hat der Betreiber bis zum 30. April des folgenden Jahres Berechtigungen in einer Anzahl zurückzugeben, „die der Differenz an Kohlendioxid-Emissionen in Kohlendioxidäquivalenten entsprechen“, § 7 IX 1 ZuG 2007. Die Gesetzesbegründung278 will dies so verstanden wissen, dass Zertifikate für die Differenz zwischen Basisperiode und tatsächlichem Verbrauch zurückgegeben werden müssen279, was regelmäßig wegen des Emissionsfaktors dazu führen würde, dass das Unternehmen Zertifikate zukaufen muss, da die ursprüngliche Zuteilung die Emissionen in der Basisperiode nicht in voller Höhe abdeckt. Da aber ohnehin weniger Zertifikate benötigt als ausgegeben wurden, erscheint eine „Bestrafung“ des Anlagenbetreibers nicht erforderlich, so dass es genügt, die Differenz zwischen ausgegebenen und benötigten Zertifikaten 275 276 277
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Mehr dazu s. u S. 129 ff. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 17. Vgl. Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 7 Rz 43; Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 7 ZuG 2007 Rz 22. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 20. So auch Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1158).
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zurückzufordern280. Auch mit dem ohnehin schwammigen Gesetzestext ist diese Auslegung vereinbar281. Die Reduktion bezieht sich jedoch immer nur auf das laufende Jahr, nicht aber auf die auszuteilende Menge der Folgejahre282. Die zurückgegebenen Berechtigungen fließen gemäß §§ 7 IX 1, 6 II ZuG 2007 der Reserve zu. Diese nachträgliche Korrektur, die auch bei anderen Zuteilungsmodi vorgesehen ist, wurde gem. Art. 9 III EH-RL beanstandet, da die Kommission hierin eine mit der Richtlinie unvereinbare Durchbrechung des ex ante-Prinzips bei der Zuteilung sah283. Die Regelung sollte vor allem mit Kriterium 10 des Anhangs III EHRL unvereinbar sein, wonach die Mitgliedstaaten im Zuteilungsplan die Anzahl der Zertifikate mitteilen müssen, die den einzelnen Anlagen zugeteilt werden sollen. Hieraus leitete die Kommission ab, dass Anpassungen im Nachhinein generell unzulässig sein sollen. Wegen der absoluten Obergrenze („cap“), die das System voraussetzt, ist der Kommission zuzugeben, dass Anpassungen der Zuteilungsmenge nach oben im Nachhinein im Widerspruch zur Richtlinie stehen und damit unzulässig sind. Derartige nachträgliche Änderungen sind nur in besonderen Ausnahmefällen bei höherer Gewalt nach Art. 29 EH-RL zulässig. Jedoch tritt durch die im ZuG 2007 vorgesehenen ex post-Anpassungen keine Gefährdung der Obergrenze der Gesamtallokation ein284. Sie stellt sicher, dass Unternehmen keinen unangemessenen Nutzen aus den unterschiedlich wählbaren Allokationsmethoden ziehen. Schließlich wurden die Prognosen der Unternehmen bei der Optionsregelung nicht näher geprüft und wäre eine derartige Überprüfung aus quantitativen wie zeitlichen Gründen wohl auch gar nicht möglich gewesen. Deswegen sollte die ex post-Korrektur gerade sicherstellen, dass die Zertifikate pünktlich zugeteilt werden können und gleichzeitig keine Zuteilung über den tatsächlichen Bedarf hinaus erfolgt. Sie stellt eine Gleichberechtigung von Unternehmen sicher, die ihre Zertifikate auf der Grundlage historischer Emissionen erhalten und solchen, die zu erwartende Produktionsvolumina zugrunde legen285. Tatsächlich dient die nachträgliche Korrektur daher mehr der Idee des Emissionshandels als dass sie ihm schadet. Gegen die Entscheidung der Kommission hat Deutschland im September
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Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 7 Rz 65; Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 7 ZuG 2007 Rz 29 f. So auch die Auslegung der DEHSt, Klimaschutz: Der Emissionshandel im Überblick: Grundlagen und Funktionsweise, S. 7 f.; Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ ZuG 2007 (2005), § 7 ZuG 2007 Rz 30. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 20; Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 7 Rz 66. Entscheidung der Kommission vom 07.07.2004 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen, der von Deutschland gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt wurde, K (2004) 2515/2 endg. Dazu Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 7 ZuG 2007 Rz 10 f. Martin Burgi/Knut Werner Lange, ZHR 170 (2006), 539 (546). So auch Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1081); Martin Burgi/Knut Werner Lange, ZHR 170 (2006), 539 (546).
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2004 Klage beim Europäischen Gericht erster Instanz (EuG) erhoben286. Bis zur Entscheidung wurden sämtliche im ZuG 2007 vorgesehenen ex post-Anpassungen nicht vollzogen287. Das langerwartete Urteil ist jetzt im November 2007 ergangen und bestätigt die deutsche Position288. Es erörtert detailreich die Kontrollbefugnisse der Kommission und nimmt eine ausgiebige historische, systematische und teleologische Auslegung der relevanten Vorschriften der Richtlinie vor. Härtefallklausel des § 7 X ZuG 2007 Eine Härtefallklausel enthält § 7 X ZuG 2007 für Fälle, in denen eine Zuteilung auf der Grundlage historischer Emissionen nach § 7 ZuG 2007 aufgrund besonderer Umstände um mindestens 25 % niedriger ausfiele als zur Deckung der erwarteten Kohlendioxid-Emissionen erforderlich ist und dadurch für das Unternehmen erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstünden. In solchen Fällen kann der Verantwortliche die Zuteilung ausnahmsweise auf Grund angemeldeter Emissionen gem. § 8 ZuG 2007 beantragen. Der Erfüllungsfaktor wird auf die zu erwartenden Emissionen angewendet, § 8 ZuG 2007 analog i. V. m. § 7 X 2 ZuG 2007. Für Härtefälle stehen in der ersten Zuteilungsperiode 3 Mio. Berechtigungen zur Verfügung; wird diese Menge überschritten, werden diese zusätzlichen Zuteilungen anteilig gekürzt, § 7 X 5 ZuG 2007. Voraussetzung für die Anwendung der Härteklausel ist jedoch, dass die Abweichung von den historischen Emissionen auf „besonderen Umständen“ beruht. § 7 X 3 ZuG 2007 enthält einige Beispiele, in denen besondere Umstände vorliegen sollen, in Form von Regelbeispielen289. Dazu zählen längere Stillstandzeiten aufgrund von Wartung, Reparatur oder Modernisierung von Anlagen, stufenweise Inbetriebnahme von Anlagen oder prozesstechnisch nicht zu vermeidende Brennstoff-Effizienzeinbußen. In letzterem Fall genügt sogar eine um 9 % zu niedrige Zuteilung, § 7 X 4 ZuG 2007. Allen diesen Beispielen ist gemeinsam, dass sie sich auf technische Probleme der Anlage beziehen, nicht jedoch auf allgemeine wirtschaftliche Umstände290. Nicht ausdrücklich unter die genannten Fallgruppen passende Sachverhalte müssen diesen Fallgruppen vergleichbar sein, woraus sich der Schluss ziehen lässt, dass rein wirtschaftlich bedingte Produktivitätsschwankungen keine „besonderen Umstände“ sind291. Das Wort „besonders“ bedeutet, dass es
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Bundeskartellamt, Sachstandspapier zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in Sachen Emissionshandel und Strompreisbildung v. 20.03.2006, S. 20. Bundeskartellamt, ibid., S. 20. EuG, Rs. T-374/04, Urt. v. 07.11.2007, insbes. Rn 77 ff., abrufbar unter: http://www. curia.europa.eu. Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2004, 1292 (1294); Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 3, Rz 105. Arndt Begemann/Henning Lustermann, ibid., S. 1294. Arndt Begemann/Henning Lustermann, ibid., S. 1294; Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1083). Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 7 Rz 85 wollen auch wirtschaftliche Gründe als besondere Gründe anerkennen, sofern sie zu einer Umorganisation der Produktionsprozesse eines Unternehmens geführt haben. Vermittelnd Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007
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sich gerade nicht um ein allgemeines Problem handeln darf, sondern um eines, das den Anlagenbetreiber in spezieller Weise betrifft292. Im Basiszeitraum 2000 bis 2002 waren viele Anlagen konjunkturbedingt schwach ausgelastet293, weswegen hier bei einem sehr großzügigen Verständnis der Vorschrift ein Zusatzbedarf an Zertifikaten entstehen könnte. Schließlich wird das Ergebnis auch dadurch gestützt, dass sich der Bundesrat, der ein Regelbeispiel für die Minderauslastung auf Grund konjunktureller Schwankungen aufnehmen wollte294, nicht durchsetzen konnte295. Dem Unternehmen müssen nach § 7 X 1 ZuG 2007 zudem durch die unzureichende Zertifikateausstattung erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen. Zu beachten ist, dass es auf die Nachteile für das „Unternehmen, welches die wirtschaftlichen Risiken der Anlage trägt“ ankommt und nicht auf den Betreiber im Sinne des BImSchG296. Während ein Nachteil bereits in den Zusatzkosten für Zertifikate oder Effizienzverbesserung zu sehen ist, fragt sich, ab wann dieser Nachteil auch „erheblich“ ist. Die Erheblichkeit könnte bereits durch die 25%Abweichung indiziert sein, so dass ihr kaum eigene Bedeutung zukäme297. Zur Auslegung wird man auf den Zweck der Härtefallklausel zurückgreifen müssen, Unternehmen durch den Emissionshandel nicht unrentabel oder gar insolvent werden zu lassen298. Maßstab ist demnach, ob ein Unternehmen wettbewerbsfähig bleibt. Häufig wird die Notwendigkeit, für 25 % der Emissionen Zertifikate zukaufen zu müssen, einen erheblichen Wettbewerbsnachteil bedeuten. Ob dies im Einzelfall so ist, muss jedoch geprüft werden. Der Anlagenbetreiber muss die den Härtefall begründenden „besonderen Umstände“ gegenüber der zuständigen Behörde im Einzelfall glaubhaft machen und darlegen, dass eine Zuteilung auf der Grundlage historischer Emissionen in der jeweiligen Basisperiode für das Unternehmen gravierende wirtschaftliche Auswirkungen hätte und deshalb unzumutbar wäre299. Härtefallklausel des § 7 XI ZuG 2007 In den Voraussetzungen offener ist die Härtefallregelung des § 7 XI ZuG 2007 gestaltet: Danach erfolgt die Zuteilung unter entsprechender Anwendung des § 8
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(2005), § 7 ZuG Rz 45, der verlangt, es müsse sich um „betriebsbezogene Vorgänge“ handeln. Arndt Begemann/Henning Lustermann, ibid., S. 1294. Arndt Begemann/Henning Lustermann, ibid., S. 1299. BR-Drucks. 424/04, S. 6. Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2004, 1292 (1294). Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1083). Kritisch dazu Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 7 ZuG Rz 48 ff., der sich dagegen wendet, die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Anlagenbetreiber und Unternehmen für die Feststellung erheblicher wirtschaftlicher Nachteile zu berücksichtigen. So Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 3, Rz 107. Ähnlich Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2004, 1292 (1295) unter Heranziehung von § 11a EEG a. F. BT-Drucks. 15/2966, S. 20.
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ZuG 2007 immer auch dann, wenn eine Zuteilung anhand der historischen Emissionen nach den vorhergehenden Absätzen des § 7 ZuG 2007 aufgrund besonderer Umstände eine unzumutbare Härte für das Unternehmen bedeutet, welches die wirtschaftlichen Risiken der Anlage trägt. Diese Vorschrift ist nicht auf technisch bedingte Sachverhalte beschränkt; vielmehr soll sie sicherstellen, dass auch bei konjunkturell bedingtem Auseinanderfallen von Emissionen in der Basisperiode und heute die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden kann300. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass sie sonst gegenüber § 7 X ZuG 2007 überflüssig wäre, andererseits daraus, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt in den letzten Referentenentwurf eingefügt wurde301. Härtefallregelungen, die nicht an das Vorliegen objektiv zu bestimmender Tatbestandsvoraussetzungen, sondern nur an unbestimmte Rechtsbegriffe anknüpfen, sollen alle Sachverhalte erfassen, die ansonsten zur Unverhältnismäßigkeit und somit zur Unwirksamkeit der grundsätzlichen Regelung führen würden302. Eine “unzumutbare Härte” liegt somit in den Fällen vor, in denen die Anwendung des § 7 ZuG 2007 zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führen würde. Um zu ermitteln, ob dies der Fall ist, sind die Interessen des verantwortlichen Anlagenbetreibers gegen die Umweltschutzinteressen der Allgemeinheit abzuwägen303. In die Abwägung gehen das Recht des Unternehmers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb einerseits, das Recht der Allgemeinheit auf Umweltschutz, das in Art. 20a GG verankert ist, andererseits, ein304. Jedenfalls wenn der Standort eines Unternehmens gefährdet ist, die Regelungen also eine erdrosselnde Wirkung haben, wird man von einer „unzumutbaren Härte“ ausgehen müssen305. Dies ist der Fall, wenn ein Unternehmen so stark belastet wird, dass es zur Deckung der Betriebskosten auf die Kapitalbasis zurückgreifen muss306. Zum Verhältnis der beiden Härtefallklauseln ist vertreten worden, der weitere § 7 XI ZuG 2007 lasse § 7 X ZuG 2007 obsolet werden307. Richtigerweise wird man von einer Spezialität des § 7 X ZuG 2007 ausgehen müssen, der für den Fall technisch bedingter geringerer Emissionen in der Basisperiode klarer umris-
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Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2004, 1292 (1295); restriktiver insofern, als sie „konjunkturelle Gründe als alleinige ‚besondere Gründe‘“ nicht genügen lassen wollen, Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1083). Arndt Begemann/Henning Lustermann, ibid., S. 1295. Arndt Begemann/Henning Lustermann, ibid., S. 1296; ähnl. Carl-Stephan Schweer/ Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 7 Rz 94. Arndt Begemann/Henning Lustermann, ibid., S. 1296. Arndt Begemann/Henning Lustermann, ibid., S. 1296. So unter Verweis darauf, dass die Allgemeinheit nicht nur ein Interesse am Umweltschutz, sondern auch am Fortbestehen der Anlage und mit ihr verbundener Arbeitsplätze habe, Arndt Begemann/Henning Lustermann, ibid., S. 1296. Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1083); vgl. auch BVerfG, NVwZ 2004, 846 (847) – Ökosteuer. Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2004, 1292 (1297). A. A. Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 7 Rz 95 f., die lediglich Belange des Unternehmens berücksichtigen.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
sene Voraussetzungen enthält. Nur wo diese Vorschrift nicht greift, bleibt noch Raum für § 7 XI ZuG 2007308. (b) Zuteilung auf Basis angemeldeter Emissionen Grundregel Anlagen und Kapazitätserweiterungen, die in den Jahren 2003 und 2004 erstmals in Betrieb genommen wurden, erhalten nach § 8 ZuG 2007 zwölf Jahre lang Berechtigungen auf der Grundlage angemeldeter durchschnittlicher jährlicher Emissionen zugeteilt, ohne Anwendung eines Emissionsfaktors, § 8 I 2 ZuG 2007. Die Berechnung erfolgt als Produkt aus der Kapazität der Anlage, dem zu erwartenden durchschnittlichen jährlichen Auslastungsniveau und dem Emissionswert je erzeugter Produkteinheit der Anlage, § 8 I 3 ZuG 2007. Kann kein Emissionswert je erzeugter Produkteinheit ermittelt werden, ist auf die zu erwartenden durchschnittlichen jährlichen Kohlendioxid-Emissionen der Anlage abzustellen, § 8 I 4 ZuG 2007. Die Formel für die zuzuteilende Emissionsmenge ist in Anhang 1 zum ZuG 2007 abgedruckt, s. § 8 I 6 ZuG 2007 i.V.m. Anhang 1, Formel 2. Nachträgliche Korrektur Auch die Zuteilung nach § 8 ZuG 2007 unterliegt einer nachträglichen Korrektur, um zu verhindern, dass Anlagenbetreiber aufgrund von Fehlprognosen übermäßig viele Zertifikate erhalten. Daher müssen nach § 8 III ZuG 2007 Anlagenbetreiber bis zum 31. Januar des Folgejahres der zuständigen Behörde die tatsächliche Produktionsmenge des vorangegangenen Jahres anzeigen und in geeigneter Form nachweisen. Bleibt die tatsächliche Produktionsmenge hinter der angezeigten bzw. angemeldeten zurück, widerruft die zuständige Behörde die Zuteilung mit Wirkung für die Vergangenheit und legt die Zuteilungsmenge neu fest, § 8 IV 1 ZuG 2007. Die zuviel ausgegebenen Berechtigungen muss der Betreiber zurückgeben, § 8 IV 2 ZuG 2007. Bei Anlagen, bei denen kein Emissionswert je Produkteinheit festgelegt werden kann, erfolgt eine Anpassung an die aufgrund der geänderten Produktionsmenge anzunehmende Änderung der Emissionen. Problematisch ist auch, auf welches Maß die Kürzung im Falle ihrer Zulässigkeit erfolgen muss. Schließlich geht die Zuteilungsentscheidung von jährlichen Durchschnittsemissionen aus. Entsprechend gibt es beim Betrieb jeder Anlage stärkere und schwächere Jahre. Wenn aber der Anlagenbetreiber die Zertifikate in dem Umfang zurückgeben muss, in dem er sie in emissionsschwächeren Jahren nicht benötigt hat, muss er in den emissionsstärkeren Jahren zukaufen, obwohl möglicherweise der Durchschnittsverbrauch dem prognostizierten entspricht309. Dem dürfte nur beizukommen sein, indem man Abweichungen in einem bestimmten prozentualen Bereich (z.B. 5 %) in der laufenden Zuteilungsperiode toleriert
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Ebenso Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 7 ZuG Rz 56; Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 7 Rz 94 f. („Stufenverhältnis“). Hierzu auch Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1158).
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
125
und unbeanstandet lässt310. Da die DEHSt jedoch die – erst im November 2007 ergangene – Entscheidung des EuG zur Zulässigkeit der nachträglichen Korrektur der Zuteilung311 abgewartet hat, konnte ohnehin erst zum Ende der ersten Handelsperiode abgerechnet werden. Optionsregel Schließlich haben die Verantwortlichen für eine Anlage gemäß § 7 XII ZuG 2007 die Möglichkeit, sich gegen eine Zuteilung nach historischen Emissionen und für die Zuteilung anhand eines Emissionswertes pro Produkteinheit zu entscheiden312, § 11 ZuG 2007. Dies ist für Anlagen interessant, die hohen Effizienzstandards genügen sowie bei steigender Produktion. Sinn der Regelung war es ursprünglich, eine weitere Möglichkeit für modernere Anlagen zu schaffen, durch Anwendung der Neuanlagenregel Nachteile infolge atypischer Umstände in der Basisperiode zu umgehen313. Insgesamt wurden in der ersten Zuteilungsperiode ca. 15 % der Emissionszertifikate an Optierer vergeben314. Auf Zuteilungen nach § 11 ZuG 2007 wird kein Erfüllungsfaktor angewendet, da die Minderungsverpflichtung über den Benchmark erfüllt wird315; ebenso wenig greift der sog. zweite Erfüllungsfaktor316 ein317. Es handelt sich um eine Rechtsfolgeverweisung, weswegen die Zuteilungsregeln des § 11 ZuG 2007 direkt und nicht analog angewendet werden318. Inwieweit die Vierzehnjahresfrist des § 11 I 6 ZuG 2007 hier relevant wird, ist umstritten319; richtigerweise wird man jedoch diese Anwendungsbeschränkung auf vierzehn Jahre ab Inbetriebnahme nicht anwenden können, da sie zu einer „selektiven Anwendbarkeit je nach Alter der Anlage“ führen würde320, die in diesem 310
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Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 8 Rz 23 gehen davon aus, dass eine Rückforderung erst am Ende der Zuteilungsperiode erfolgen kann, wenn die Durchschnittswerte ermittelt werden können. Dies widerspricht jedoch der Gesetzesbegründung, die von einer jährlichen Anpassung ausgeht, BT-Drucks. 15/2966, S. 20 f. Die DEHSt ermöglicht betroffenen Betreibern, die unterschiedliche Produktionsmengen erwarten, entsprechende Angaben bereits im Zuteilungsantrag zu machen und will eine Kürzung nur vornehmen, wenn die tatsächliche Produktionsmenge in einem Jahr hinter der angemeldeten zurückbleibt, dazu Carl-Stephan Schweer/ Christian v. Hammerstein, ibid., § 8 Rz 24 f. EuG, Rs. T-374/04, Urt. v. 07.11.2007, insbes. Rn 77 ff., abrufbar unter: http://www. curia.europa.eu. Sog. Benchmarking, s.o. S.68 ff. Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1083). Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2006, 135 (136). Arndt Begemann/Henning Lustermann, ibid., S. 136, die sich kritisch dazu äußern, dass dies trotz § 11 I 6 ZuG auch für Anlagen gelten soll, die vor mehr als 14 Jahren in Betrieb genommen wurden; Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1083). Vgl. o. S. 116 f. So auch Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2006, 135 (136 ff.); a. A. Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1083). Ausführlicher hierzu s.u. S. 135 f. Dirk Weinreich/Simon Marr, ibid., S. 1083. Hierzu Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1158). So zu Recht Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1083).
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
Kontext wenig sinnvoll erscheint321. Stattdessen gilt der Verweis des § 7 XII ZuG 2007 für die gesamte Geltungsdauer des Gesetzes, d.h. bis Ende 2007322. (c) Anlagenstilllegung Das Europarecht enthält keine bindenden Vorgaben, wie mit den Zertifikaten im Falle ersatzloser Anlagenstilllegungen323 zu verfahren ist. Um die Gewährung von sog. „Stillegungsprämien“ zu vermeiden324, hat sich der deutsche Gesetzgeber für eine Betriebsbindung der Zertifikate entschieden. Wird der Betrieb einer Anlage eingestellt325, widerruft das UBA die Zuteilungsentscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit die Berechtigungen nicht vor der Betriebseinstellung ausgegeben worden sind, § 9 I 1 ZuG 2007. Später ausgegebene Zertifikate hat der Betreiber zurückzugeben; er kann sich aber auf Entreicherung berufen, § 9 I 2 und 3 ZuG 2007. Der Widerruf der Zuteilungsentscheidung unterbleibt, soweit die Produktion der eingestellten Anlage von einer anderen, vergleichbaren bestehenden Anlage desselben Betreibers in Deutschland übernommen wird, § 9 IV 1 ZuG 2007. Dazu muss der Betreiber nachweisen, dass die Produktionsmenge der anderen Anlage tatsächlich gestiegen ist, § 9 IV 2 ZuG 2007. Die Einstellung des Betriebs einer Anlage hat ihr Betreiber dem UBA unverzüglich anzuzeigen, § 9 II ZuG 2007. Die zuständige Behörde kann nach § 9 III ZuG 2007 den fortdauernden Betrieb einer Anlage überprüfen und hat zu diesem Zweck die Zugangs- und Auskunftsrechte nach § 21 TEHG. (d) Zuteilung an Neuanlagen als Ersatzanlagen § 10 ZuG 2007 soll besondere Anreize zur Investition in Neuanlagen und in klimafreundliche Technik vermitteln326 und ermöglicht den Betreibern von Neuanlagen, die nach dem 1.1.2005 in Betrieb genommen werden oder deren Kapazität erweitert wird (§ 10 VI ZuG 2007) und die eine vergleichbare Anlage desselben Betreibers ersetzen, noch vier Jahre lang die der – ineffektiveren – Altanlage zustehende Menge an Zertifikate zu erhalten. Die Unternehmen können ihre Produktion steigern oder überzählige Emissionsrechte verkaufen. Wann eine Anlage „vergleichbar“ ist, ergibt sich aus Anhang 2 des ZuG 2007. Die Vergleichbarkeit von Anlagen basiert auf einer relativen Homogenität der bezeichneten Gruppe im 321
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Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 3, Rz 97; Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 7 ZuG 2007, Rz 65 wollen die 14 Jahre ab Beginn der ersten Zuteilungsperiode zählen. Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1083). Der Begriff der Betriebseinstellung ist im ZuG nicht definiert, so dass an die §§ 15 III, 18 I Nr. 2 BImSchG anzuknüpfen sein dürfte, vgl. Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 3, Rz 437 f.; Hans-Peter Vierhaus, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 9 ZuG 2007, Rz 3. Marcus Stronzik/Martin Cames, Endbericht (2002), S. 10. Zur Notwendigkeit, die Stilllegung einer Anlage klar zu definieren, Gerold Kier/Christoph Bals, Der Handel mit Treibhausgasreduktionen in der EU (2003), S. 19. Michael Adam/Helmar Hentschke/Stefan Kopp-Assenmacher, Handbuch des Emissionshandelsrechts (2006), S. 61; vgl. auch Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (2006), S. 30 f.
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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Hinblick auf ihre Produktion, die eingesetzten Technologien und die hierdurch bedingten Emissionseigenschaften327. Diese Übertragungsregel ist nach § 10 I 5 ZuG 2007 sogar dann anwendbar, wenn die Neuanlage durch den Rechtsnachfolger des Betreibers der Altanlage in Betrieb genommen wurde oder der Betreiber einer Altanlage eine Übertragungsregelung mit dem Betreiber einer Neuanlage getroffen hat. Nach Ablauf der vier Jahre sollte der Betreiber für weitere 14 Jahre Berechtigungen ohne Anwendung eines Erfüllungsfaktors, § 10 I 3 ZuG 2007 erhalten. Damit hätten Investoren weitgehende Planungssicherheit für 17 Jahre328. Diese langfristigen Zusagen stoßen allerdings seit den Entscheidungen zu den NAPs der zweiten Handelsperiode auf den Widerstand der Kommission, die darin unzulässige Beihilfen sieht329. Da die Zuteilungsregeln für die zweite Handelsperiode in Reaktion hierauf modifiziert wurden, gilt diese Vorschrift nur noch während der ersten Handelsperiode, d.h. bis einschließlich 2007. Bedingung für die Übertragung ist, dass die neue Anlage innerhalb von drei Monaten nach Betriebseinstellung der Altanlage in Betrieb genommen wird, § 10 I 1 Hs. 1 ZuG 2007. Weist der Betreiber nach, dass diese Frist aufgrund technischer oder anderer Rahmenbedingungen unmöglich einzuhalten war, kann die Frist auf maximal zwei Jahre verlängert werden, § 10 III 1 ZuG 2007. Dann verkürzt sich der Vierzehnjahreszeitraum, für den die Neuanlage Zertifikate nach Anmeldung ohne Anwendung eines Erfüllungsfaktors erhielte, anteilig, § 10 III 2 ZuG 2007, die vierjährige Übertragungszeit bleibt jedoch erhalten. Nach § 10 IV ZuG 2007 kann der Betreiber im Falle eines vorübergehenden Parallelbetriebes von Neuanlage und zu ersetzender Anlage über maximal zwei Jahre für die Neuanlage bis zur Stellung eines Übertragungsanspruchs zunächst eine Zuteilung von Berechtigungen nach § 11 ZuG 2007 beantragen. Hat der Betreiber den Übertragungsantrag gestellt, wird die Zuteilungsentscheidung nach § 11 ZuG 2007 ggf. anteilig widerrufen und eine Zuteilungsentscheidung nach § 10 ZuG 2007 getroffen330. Der Zeitraum, für den der Betreiber nach § 10 I 3 ZuG 2007 Zertifikate ohne Anrechnung eines Erfüllungsfaktors erhält, verkürzt sich um die Zeit des Parallelbetriebes331. Solange beide Anlagen in Betrieb sind, erhält die Neuanlage ihre Zertifikate nach § 11 ZuG 2007. Ab Einstellung des Betriebs der Altanlage wird die Zuteilung für die Neuanlage anteilig widerrufen, § 10 IV 2 ZuG 2007; zuviel ausgegebene Zertifikate sind zurückzugeben, § 10 IV 3 ZuG 2007. Übersteigt die Kapazität der Neuanlage die der ersetzten Anlage, kann für die Differenz eine Zuteilung von Berechtigungen nach § 11 ZuG 2007, d.h. nach den Grundsätzen der Zuteilung für zusätzliche Neuanlagen, beantragt werden, 327
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Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 21; Michael Adam/Helmar Hentschke/ Stefan Kopp-Assenmacher, Handbuch des Emissionshandelsrechts (2006), S. 61. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 21. Hierzu s. u. S.145. Hans-Peter Vierhaus, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 10 ZuG 2007 Rz 9; Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 10 Rz 52. § 10 IV 1 ZuG 2007, dazu Hans-Peter Vierhaus, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ ZuG 2007 (2005), § 10 ZuG 2007, Rz 9; Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 10 Rz 52.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
§ 10 II 1 ZuG 2007. Im Gegenzug wird bei geringerer Kapazität der Neuanlage die Zuteilung nach § 10 II 2 ZuG 2007 proportional gekürzt. Aus § 10 II 3 ZuG 2007 folgt, dass die Übertragungsregelung auch anwendbar ist, wenn eine Anlage durch mehrere Neuanlagen ersetzt wird oder mehrere Anlagen durch eine Neuanlage. Die Einzelheiten der Antragstellung sind in § 10 V ZuG 2007 geregelt. Danach muss der Übertragungsantrag Angaben zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Neuanlage und der Einstellung des Betriebs der Altanlage enthalten, die Vergleichbarkeit von Neu- und Altanlage begründen, eventuelle vertragliche Vereinbarungen von Alt- und Neubetreiber vorlegen sowie ggf. darlegen, warum eine Inbetriebnahme der Neuanlage nicht innerhalb der Dreimonatsfrist möglich war. Der Antrag ist spätestens bis zur Inbetriebnahme der Neuanlage zu stellen, bzw. bei Parallelbetrieb mit der Anzeige der Betriebseinstellung, § 10 V 2 ZuG 2007. (e) Zuteilung an zusätzliche Neuanlagen Die Zertifikatevergabe an zusätzliche Neuanlagen war im Vorfeld der Regelung der Allokation lange Zeit sehr umstritten. So wurde mit dem Argument, die kostenlose Zertifikatvergabe diene dem Bestandsschutz und dürfe daher nicht genutzt werden, um Neuanlagen zu subventionieren, verlangt, dass Betreiber von Neuanlagen die erforderlichen Zertifikate auf dem Markt erwerben müssten332. Erhalten jedoch lediglich bestehende Altanlagen ihre Zertifikate kostenlos zugeteilt, kann dies zu Markteintrittshürden und damit zu weiterer Produktionsverlagerung aus dem EU-Gebiet oder jedenfalls aus Deutschland weg führen. Aus diesem Grund hat sich im Ergebnis die kostenlose Vergabe auch an Neuanlagen durchgesetzt. Neuanlagen und Kapazitätserweiterungen (§ 11 VI ZuG 2007), die keine Altanlagen ersetzen, erhalten ihre Zertifikate nach § 11 ZuG 2007333. Während der ersten 14 Betriebsjahre errechnet sich die Zuteilung nach § 11 I 6 ZuG 2007 als Produkt aus der zu erwartenden durchschnittlichen jährlichen Produktionsmenge, dem Emissionswert der Anlage je erzeugter Produkteinheit sowie der Anzahl der Kalenderjahre in der Zuteilungsperiode seit Inbetriebnahme, ohne dass ein Erfüllungsfaktor angesetzt wird, § 11 I 1, 3 ZuG 2007334. Die mathematische Formel findet sich in Anhang I zum ZuG 2007 (Formel 3). „Benchmark-Korridore“335 für Anlagen zur Erzeugung von Strom und KWK-Anlagen sind in § 11 II 2 und 3 ZuG 2007 festgesetzt, in Abhängigkeit vom jeweils verwendeten Brennstoff; Obergrenze bleibt aber bei der Stromerzeugung der bei Verwendung der besten verfügbaren Techniken erreichbare Emissionswert der Anlage, der jedoch nicht 332 333
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Bernhard Fischer/Rolf-Dieter Machate/Michael Weltin, et 53 (2003), 818 (819 f.). Aber auch Altanlagen können die Zuteilung nach dieser Vorschrift beantragen, § 7 XII 1 ZuG 2007, hierzu s. oben S. 125. Allerdings sind diese Allokationszusagen seit den Entscheidungen über die NAPs der zweiten Handelsperiode bei der Kommission auf erheblichen Widerstand gestoßen, weswegen die Zuteilungsregelungen für den NAP II revidiert wurden. Die dargestellte Regelung gilt somit nur für die erste Handelsperiode, d.h. bis einschließl. 2007, vgl. u. S. 143 f. So Franzjosef Schafhausen, Emissionshandel als Instrument der Klimaschutzpolitik, S. 14, vgl. auch § 12 II Nr. 1-3 ZuV 2007.
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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über 750 g/kWh hinausgehen darf, Untergrenze ist 365 g Kohlendioxid/kWh. Letzterem Wert liegt der Bedarf moderner GuD-Erdgaskraftwerke zugrunde336. Beantragt der Betreiber einen Emissionswert, der oberhalb der jeweiligen Untergrenze liegt, muss er diesen Wert auf der Grundlage der besten verfügbaren Technik begründen337. Neben dem ZuG 2007 schreibt vor allem § 12 II Nr. 1-7 ZuV für viele Produkte den Emissionswert fest. Soweit für ein Produkt kein Benchmark festgelegt ist, richtet sich der einschlägige Benchmark nach den Emissionen, die für eine Anlage bei Verwendung der besten verfügbaren Technik338 erreichbar wären, § 11 III 1 ZuG 2007. Hierbei ist ein objektiver Maßstab für die jeweilige Anlage zugrunde zu legen339. Kann kein Emissionswert je Produkteinheit festgelegt werden, weil in der Anlage unterschiedliche Produkte hergestellt werden, bemisst sich die Zuteilung nach den zu erwartenden durchschnittlichen jährlichen Emissionen bei Anwendung der besten verfügbaren Techniken, § 11 III 2 ZuG 2007. § 11 IV ZuG 2007 listet die für den Antrag erforderlichen Angaben auf. Während der vierzehnjährigen340 begünstigten Zuteilung soll auch im Bereich des § 11 ZuG 2007 eine nachträgliche Korrektur erfolgen: § 11 V ZuG 2007 erklärt § 8 III und IV ZuG 2007 für anwendbar. Das bereits dargestellte Problem341, dass gewisse Schwankungen beim Kohlendioxid-Ausstoß nicht in jedem Fall auf Fehlprognosen schließen lassen, besteht im Anwendungsbereich des § 11 ZuG 2007 somit ebenfalls. (2) Sonderzuteilungen Zusätzlich zur Regelzuteilung können Anlagenbetreiber Sonderzuteilungen nach Unterabschnitt 2 des 3. Abschnitts des ZuG (§§ 12-15 ZuG) erhalten. (a) Early Action342 Was seit den ersten Emissionshandelskonzepten unter dem Schlagwort early action diskutiert wurde, ist nun als „frühzeitige Emissionsminderungen“ in § 12 ZuG 2007 aufgegriffen worden. Die Sonderregelung basiert auf Kriterium 7 des Anhangs III der RL 2003/87/EG343. Nach § 12 ZuG 2007 sollen Anlagenbetreiber, die frühzeitig in Modernisierungsmaßnahmen investiert haben, in der ersten Zuteilungsperiode keine Minderungsleistung erbringen müssen. Die Vorschrift gilt für 336
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Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 22; Franzjosef Schafhausen, Emissionshandel als Instrument der Klimaschutzpolitik, S. 14. Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1082); Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 11 Rz 31. Ausführl. zur Bedeutung dieses Begriffs in § 11 ZuG 2007 Carl-Stephan Schweer/ Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 11 Rz 34 ff. Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1082). Angesichts der Modifikationen der Zuteilungsregeln für die zweite Zuteilungsperiode gilt dieses Verfahren nunmehr lediglich bis einschließlich 2007, vgl. u. S. 145 ff. S. oben S. 125. Zur Entstehungsgeschichte siehe Themenpapier Early action der Arbeitsgruppe „Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes“ (AGE), September 2003; HansWolfgang Arndt/Kristian Fischer, et 53 (2003), 704 ff. Hierzu s.o. S. 95 f.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
Anlagen, an denen Modernisierungsmaßnahmen nach dem 1.1.1994 und spätestens am 31.12.2002 beendet worden sind. Es geht darum, frühzeitige Investitionen in Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgase zu honorieren. Diese Sonderzuteilung ist an eine prozentuale Emissionsminderungsvorgabe gebunden, die wiederum abhängig vom Zeitpunkt der Modernisierung ist und zwischen 7 % im Jahr 1994 und 15 % im Jahr 2000 liegt, § 12 I 4 ZuG 2007. § 12 I 3 ZuG 2007 bestimmt, dass Emissionsminderungen nicht begünstigt werden, wenn sie durch die ersatzlose Einstellung des Betriebes einer Anlage oder durch Produktionsrückgänge verursacht worden sind oder aufgrund gesetzlicher Vorgaben344 durchgeführt werden mussten. Dies ist auch sinnvoll, da die Honorierung frühzeitiger Emissionsminderungen keine Stillegungsprämie bewirken darf, sondern die Fortsetzung der wirtschaftlichen Aktivität bei gleichzeitiger Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen sicherstellen soll345. Wenig sinnvoll ist es auch, Leistungen der Anlagenbetreiber zusätzlich zu prämieren, die gesetzlich vorgeschrieben waren und folglich von allen gleichartigen Anlagen zu erfüllen; hierbei handelt es sich nicht um überobligatorisches Engagement der Betreiber. Der Erfüllungsfaktor 1 gilt für zwölf Jahre, die auf die Jahre des Abschlusses der Modernisierung folgen346. Bei erstmaliger Inbetriebnahme einer Anlage zwischen dem 01.01.1994 und dem 31.12.2002 wird für die ersten zwölf Kalenderjahre ein Erfüllungsfaktor von 1 zugrunde gelegt, § 12 V ZuG 2007. Bei Anlagen, die eine Emissionsminderung von mehr als 40 % nachweisen können, wird der Erfüllungsfaktor 1 auch für die zweite Zuteilungsperiode von 2008 bis 2012 angesetzt, § 12 I 5 ZuG 2007. Die Emissionsminderung wird pro Produkteinheit in der Basisperiode 2000 bis 2002 berechnet, im Vergleich zu einer beliebigen dreijährigen Referenzperiode in den Jahren 1991 bis 2001, § 12 II 1 und 2 ZuG 2007. Auch dadurch wird gewährleistet, dass Emissionsminderungen nicht auf Produktionsrückgängen beruhen347. Die Emissionsberechnung im Einzelnen ist in der ZuV geregelt, s. § 12 II 3 ZuG 2007. Die zuzuteilende Menge an Emissionszertifikaten errechnet sich nach Formel 5 in Anhang 1 des ZuG 2007, s. § 12 II 4 ZuG 2007. § 12 VI ZuG enthält die für die Antragstellung erforderlichen Angaben. § 12 III ZuG 2007 stellt für Kapazitätserweiterungen klar, dass die Emissionsminderung sich lediglich auf die Kapazitätserweiterung bezieht, nicht aber auf die ganze Anlage. Die Emissionsminderung der Kapazitätserweiterung ist im Vergleich zu den Emissionen der Anlage zu bemessen348. Die Zuteilung nach § 12 ZuG 2007 kann auch für KWK-Anlagen im Sinne des § 3 II KWKG erfolgen, wobei maßgebliche Produkteinheit i. S. von § 12 II ZuG 2007 die erzeugte Wärmemenge gemessen in Megajoule ist, § 12 IV 1 ZuG 2007. 344
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Kritisch gegenüber dieser Einschränkung Hans-Wolfgang Arndt/Kristian Fischer, et 53 (2003), 704 (706). So Hans-Wolfgang Arndt/Kristian Fischer, ibid., S. 706. Diese Zusage hat die Kommission in ihrer Entscheidung zum deutschen NAP II akzeptiert, dazu s. u. S. 145. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 23. Raimund Körner/Hans-Peter Vierhaus, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007, § 12 Rz 18; Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 12 Rz 33.
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Wird in der modernisierten Anlage ausschließlich Strom produziert, ist Produkteinheit die erzeugte Strommenge in kWh, § 12 IV 2 ZuG 2007. Die Einzelheiten der Emissionsberechnung ergeben sich auch hier aus der ZuV, s. § 12 IV 3 ZuG 2007. (b) Prozessbedingte Emissionen Prozessbedingte Emissionen werden gesondert diskutiert349, weil sie zwangsläufig auf Grund stofflicher Gegebenheiten entstehen und aus chemisch-physikalischen oder thermodynamischen Gründen nicht bzw. nur durch Produktionseinschränkungen reduziert werden können350. Ein Minderungspotential durch den Einsatz moderner Technik besteht, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt351. Sie entstehen beispielsweise bei der Herstellung von Zement, Glas und Oxygenstahl352. § 13 II 1 ZuG 2007 und § 6 I ZuV liefern die maßgebliche Definition: Prozessbedingte Emissionen sind danach „alle Freisetzungen von Kohlendioxid in die Atmosphäre (…), bei denen das Kohlendioxid als unmittelbares Produkt einer chemischen Reaktion entsteht, die keine Verbrennung ist, oder im direkten technologischen Verbund mittelbar und unvermeidbar aus dieser chemischen Reaktion resultiert“. Diese Definition entspricht der von der Kommission vorgeschlagenen Begrifflichkeit353. Auch der deutsche Gesetzgeber hat erkannt, dass die Handlungsmöglichkeiten der Anlagenbetreiber im Bereich der prozessbedingten Emissionen eingeschränkt sind. Schließlich ist die Gefahr, dass sich der sog. Leakage-Effekt354 einstellt, bei Branchen mit hohem Anteil prozessbedingter Emissionen besonders relevant355. Daher legt § 13 I ZuG 2007 für prozessbedingte Emissionen einen Erfüllungsfaktor von 1 fest, sofern ihr Anteil an den Gesamtemissionen einer Anlage mindestens 10 % beträgt356. Diese Sonderbehandlung beruht auf Kriterium 3 des Anhangs III der EH-RL, das die Berücksichtigung technischer Minderungspotentiale vorsieht357. Die 10%-Grenze beruht auf der Empfehlung der Kommission, rechtliche Anforderungen bei der Emissionszuteilung nur dann zu berücksichtigen, wenn sie 349
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Diese Sonderbehandlung von Prozessemissionen ist bereits in den IPCC Guidelines for National Greenhouse Gas Inventories vorgesehen und wurde von dort ins Europarecht übernommen, dazu Walter Frenz, DVBl 2006, 728 (734). Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (42); AGE, Anhänge zum Zwischenbericht der Unterarbeitsgruppe II Allokation, Phase: Februar-September 2002, S. 37. Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1160); Martin Kruska et al., et 53 (2003), 478 (481). Alexander Reuter/Ralph Busch, ibid., S. 42. Entscheidung der Kommission vom 29. Januar 2004 zur Festlegung von Leitlinien für Überwachung und Berichterstattung betreffend Treibhausgasemissionen gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 59, S. 1 ff., Anhang I Ziff. 2 o. dazu s. o. S. 62 ff. Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (42). Kurzfristig ist dies vernünftig, langfristig müssen jedoch auch Prozessemissionen im Hinblick auf ihre Klimarelevanz auf Reduktionspotentiale untersucht werden, vgl. Martin Kruska et al., et 53 (2003), 478 (481). Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 24.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
zu einer wesentlichen Veränderung der Emissionswerte um mehr als 10 % führen358. Zwar erscheint die Übertragung des Gedankens auf prozessbedingte Emissionen, bei denen es schließlich nicht um rechtliche, sondern um faktische Gegebenheiten geht, nicht zwingend359; sie ist aber durchaus logisch und konsequent. Die Zuteilung nach § 13 ZuG 2007 muss gesondert beantragt werden, die prozessbedingten Emissionen sind gemäß § 10 I 3 TEHG zu belegen, § 13 III ZuG 2007. Die Ermittlung der prozessbedingten Emissionen erfolgt in der Regel rechnerisch über den Rohstoffeinsatz, § 6 I 2 ZuV. Die Formeln, nach denen dies erfolgt, sind in § 6 ZuV detailliert geregelt. Die zuzuteilende Emissionsmenge errechnet sich nach § 13 II 3 i. V. m. Formel 6 des Anhang I des ZuG 2007. (c) Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) Kraft-Wärme-Kopplungstechnik (KWK) stellt hinsichtlich Kosten und Minderungsvolumen eine wichtige Option zur CO2-Vermeidung dar360. Da jedoch bei kombinierter Strom- und Wärmeproduktion der Kohlendioxidausstoß von KWKAnlagen höher ist als bei der reinen Stromproduktion, muss sichergestellt werden, dass den KWK-Anlagen hieraus kein Nachteil bei der Zuteilung erwächst361. Die Besonderheit besteht darin, dass der Einsatz von KWK Emissionsminderungen außerhalb der KWK-Anlage und im Regelfall außerhalb des gesamten Zertifikatesystems bewirkt362. Die in KWK erzeugte Wärme verdrängt eine reine Wärmeerzeugung, sie dient beispielsweise als Heizwärme in Haushalten oder als Prozesswärme in der Industrie363. Würden Anlagenbetreiber die gleichzeitige Produktion von Wärme zurückfahren, entfielen positive Synergieeffekte für den Kohlendioxidausstoß364. Die Definition von KWK-Anlagen ergibt sich aus § 3 II KWKG, wonach Kraft-Wärme-Kopplung die gleichzeitige Umwandlung von eigesetzter Energie in elektrische Energie und in Nutzwärme ist. Die KWK-Stromerzeugung
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Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 24 unter Bezugnahme auf Mitteilung der Kommission über Hinweise zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der in Anhang III der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 96/61/EG des Rates aufgelisteten Kriterien sowie über die Bedingungen für den Nachweis höherer Gewalt, KOM (2003) 830 endg, S. 12. Inzwischen hat die Kommission ihre Empfehlung für die Handelsperiode 2008 bis 2012 dahin gehend korrigiert, dass sie Sonderbestimmungen für Prozessemissionen auf Anlagenebene nicht für angebracht hält, s. KOM (2005), 703 endg. A. A. Walter Frenz, DVBl 2006, 728 ff. (734 f.), der eine besondere Behandlung von Prozessemissionen für europarechtlich zwingend hält. Gesetzesbegründung, BT-Drucks 15/2966 S. 24; s. auch Roland Geres/Sonja Frenzel, et 53 (2003), 711. Gesetzesbegründung, BT-Drucks 15/2966 S. 24; Martin Kruska et al., et 53 (2003), 478 (479); Marcus Stronzik/Martin Cames, Endbericht (2002), S. 31 f. Roland Geres/Sonja Frenzel, et 53 (2003), 711 f.; Martin Kruska et al., ibid.,S. 479. Roland Geres/Sonja Frenzel, ibid., 711. Gesetzesbegründung, BT-Drucks 15/2966 S. 24.
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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entspricht dabei dem Teil der Stromerzeugung, der physikalisch unmittelbar mit der Erzeugung der Nutzwärme gekoppelt ist365. Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen können zusätzlich zur Regelzuteilung nach § 14 I ZuG 2007 Berechtigungen zur Emission von 27 t Kohlendioxidäquivalent je Gigawattstunde in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugten Stroms beantragen. Diese Vorschrift basiert auf Kriterium 8 des Anhangs III der Emissionshandelsrichtlinie366. Die Produktionsmenge lässt sich entweder der relevanten Basisperiode entnehmen, oder es werden die angemeldeten Mengen zugrunde gelegt, näheres § 14 II ZuG 2007. Die Zuteilung bemisst sich nach dem Produkt der durchschnittlichen jährlichen Menge KWK-Strom und der Anzahl der Jahre der Zuteilungsperiode, § 14 II 1 ZuG 2007. Wie für nahezu alle anderen Zuteilungen gibt es auch hier eine Möglichkeit der rückwirkenden Korrektur nach unten, wenn sich herausstellt, dass die tatsächlich erzeugte KWK-Nettostrommenge geringer ist als die der Zuteilungsentscheidung zugrunde gelegte Strommenge, § 14 V 1 ZuG 2007. Während das Maß der Kürzung bei den anderen Zuteilungsarten problematisch ist, enthält § 14 V 2 ZuG 2007 genaue Werte: für jeden Prozentpunkt, um den die tatsächlich erzeugte KWK-Nettostrommenge geringer ist als die der Zuteilungsentscheidung zugrunde liegende, wird die zugeteilte Menge an Berechtigungen um 5 % reduziert. Die gilt trotz des nicht ganz eindeutigen Wortlauts des Gesetzes nur für die Sonderzuteilungen nach § 14 V 2 ZuG 2007. Für die Regelzuteilungen bleibt es bei den dortigen Widerrufsregeln. Bei einer Reduzierung der KWK-Nettostrommenge um mehr als 20 % entfällt die Sonderzuteilung komplett, § 14 VI ZuG 2007. Diese Regeln sollen die Betreiber dazu anhalten, möglichst präzise Angaben zu machen und verhindern, dass die KWK-Stromerzeugung reduziert wird, um Emissionen zu mindern367. Der Antrag auf eine Sonderzuteilung nach § 14 ZuG 2007 ist im Rahmen des Zuteilungsantrags nach § 10 I TEHG zu stellen, § 14 III 1 ZuG 2007. Die Angaben zum KWK-Strom bedürfen ohnehin einer Prüfung nach § 8 I 4 KWKG, so dass die Anlagenbetreiber für den Antrag nach § 14 III 3 ZuG 2007 die Angaben zur KWK-Nettostromproduktion nicht verifizieren müssen, sondern nur die geprüfte Abrechnung vorzulegen haben. Sofern Anlagen keine Vergünstigungen nach dem KWKG enthalten, müssen sie einen geprüften Bericht vorlegen. (d) Kernenergieausstieg Entsprechend der Vereinbarungen zum Kernenergieausstieg müssen bis 2005 Kernkraftwerke, die jährlich etwa 7-8 Milliarden kWh Strom produzieren, ersetzt werden. Je nach Substitution entstehen dadurch zusätzlich ca. 3 bis 7 Millionen t
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Gesetzesbegründung, BT-Drucks 15/2966 S. 25. Raimund Körner/Sebastian v. Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007, § 14 Rz 2; Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein, ZuG 2007 (2006), § 14 Rz 4. Dazu vgl. o. S. 96. Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1160); Begründung zum NAPG-Entwurf, BTDrucks. 15/2966, S. 25.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
Kohlendioxid368. Von 2006 bis 2010 sind Kernkraftwerke zu ersetzen, die jährlich rund 19 Mrd. kWh liefern (zusätzlich 7 bis 17 Mio. t Kohlendioxid), und von 2011 bis 2020 entfallen weitere Kernkraftwerke mit einer Stromerzeugung von rund 87 Mrd. kWh/Jahr (zusätzlich 33 bis 74 Millionen t Kohlendioxid)369. Nach § 15 ZuG 2007 erhalten daher Betreiber von Kernkraftwerken, die aufgrund des Atomkonsenses stillgelegt werden, übergangsweise eine Sonderzuteilung, die der Kompensation für die Mehremissionen durch ersatzweise fossile Stromerzeugung dienen soll370. Für die Zuteilungsperiode 2005-2007 stehen Zertifikate über 1,5 Mio. t Kohlendioxidäquivalente jährlich zur Verfügung, die im Verhältnis zur Kapazität der Kernkraftwerke auf die eingehenden Anträge verteilt werden, § 15 I 2, 3 ZuG. Die Berechtigungen werden erst nach dem Erlöschen der Berechtigung zum Leistungsbetrieb für das der Zuteilung zugrunde liegende Kernkraftwerk erteilt, § 15 II ZuG. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller bis zum 30. September 2004 das Erlöschen der Berechtigung zum Leistungsbetrieb eines Kernkraftwerkes im Zeitraum 2003 bis 2007 angezeigt hat, § 15 I 1 ZuG. In der laufenden Zuteilungsperiode sind lediglich zwei Kernkraftwerke betroffen: Stade und Obrigheim371. Das Kernkraftwerk Stade hat seine Produktion bereits am 14.11.2003 eingestellt372, das Kernkraftwerk Obrigheim ist im Mai 2005 vom Netz gegangen. Ersetzt man diese Grundlastkraftwerke durch Braunkohlekraftwerke373, ergibt sich ein zusätzlicher Ausstoß von ca. 6,3 Mio. t pro Jahr374. Zwar wird dieser zusätzliche Ausstoß nur zu einem Bruchteil von der Sonderzuteilung abgedeckt. Allerdings ist zu bedenken, dass die Stromproduktion nicht lediglich auf der Basis bestehender Anlagen erfolgen wird375, sondern neue Anlagen als Ersatz der alten gebaut werden. Diese Neuanlagen erhalten ohnehin Zuteilungen nach § 11 ZuG 2007, und zusätzlich haben ihre Betreiber die Sonderzuteilung nach § 15 ZuG 2007 zur Verfügung. Ein gravierender Wettbewerbsnachteil ergibt sich hieraus nicht376. Ab 2008 sollen kei368
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Arbeitsgruppe „Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffekts“, Bericht der Unterarbeitsgruppe I: Verbindung des Emissionshandels mit anderen Instrumenten, Erstellung eines Gesamtkonzepts, Dezember 2002, S. 8; s. auch Lothar Hübl et al., Übertragungs- und Kompensationsregel (Februar 2005), S. 55. Ibid. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 25. Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1160); Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 3, Rz 229. Lothar Hübl et al., Übertragungs- und Kompensationsregel (Februar 2005), S. 55; Raimund Körner/Sebastian v. Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007, § 15 ZuG 2007 Rz 3. Da Braunkohlekraftwerke die größten Mengen an CO2 emittieren, soll dies zugunsten der Anlagenbetreiber hier unterstellt werden. Lothar Hübl et al., Übertragungs- und Kompensationsregel (Februar 2005), S. 55. Nur diesen Ausstoß soll § 15 ZuG ausgleichen, vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 25; Raimund Körner/Sebastian v. Schweinitz, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ ZuG 2007, § 15 ZuG 2007 Rz 2. Die Rechnung bei Lothar Hübl et al., Übertragungs- und Kompensationsregel (Februar 2005), S. 56, lässt den Aspekt des Neuanlagenbaus außer Betracht und ist daher fehlerhaft.
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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ne Sonderzuteilungen wegen des Atomausstiegs mehr erfolgen377, obwohl der Großteil der Kraftwerksstilllegungen noch aussteht378. (3) Anteilige Kürzung, § 4 IV ZuG 2007379 Wie bereits mehrmals angesprochen, erfolgt eine anteilige Kürzung nach § 4 IV ZuG 2007 für den Fall, dass die beantragten Emissionen mit Ausnahme der nach § 11 ZuG 2007 zuzuteilenden Zertifikate anderenfalls das Emissionsbudget von 495 Millionen Emissionsberechtigungen für die Zuteilungsperiode überschritten. Zu kürzen sind die Zuteilungen an die Anlagen, „die dem Erfüllungsfaktor unterliegen“, d.h. von denen es im Gesetz weder heißt, es komme der Erfüllungsfaktor 1 zur Anwendung noch vorgeschrieben ist, dass kein Erfüllungsfaktor angewendet wird. Ausgenommen von der Kürzung sind somit die Sonderzuteilungen sowie die Zuteilungen an Neuanlagen, die ab 2003 in Betrieb genommen wurden. Dieser sog. zweite Erfüllungsfaktor wurde erforderlich, weil die Zuteilungsregeln so unübersichtlich geworden waren, dass die Zuteilungsmenge im Vorfeld nicht mehr genau prognostizierbar war. Kritik an seiner Einführung betraf folglich vorwiegend die Beeinträchtigung der Planungs- und Investitionssicherheit der betroffenen Anlagenbetreiber380. Streitig ist, inwiefern Zuteilungen bei Ausübung des Optionsrechts nach § 7 XII ZuG 2007 gekürzt werden können381. Während der Wortlaut des § 4 IV ZuG 2007 zunächst gegen die Anwendung des sog. zweiten Erfüllungsfaktors spricht382, wird auf Basis einer teleologischen Auslegung vertreten, dass § 7 XII ZuG 2007 als Rechtsfolgeverweisung383 zu verstehen sei und die Altanlagen nicht zu vom Erfül-
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Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 15/2966, S. 25. Wolf Friedrich Spieth/Claudia Röder-Persson, et 2003, 390 (393) hingegen begreifen den Kernenergieausstieg als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, weswegen die erforderlichen Emissionskürzungen sektorübergreifend geleistet werden müssten. Dazu auch Umweltbundesamt DEHSt, Anwendung und Berechnung der anteiligen Kürzung der Zuteilungsmengen für die erste Zuteilungsperiode nach § 4 Absatz 4 ZuG 2007. S. z.B. Martin Burgi/Knut Werner Lange, ZHR 170 (2006), 539 (549). Unzutreffend ist die vereinzelt anzutreffende Auffassung, § 4 IV ZuG verstoße gegen das europarechtliche Verbot von ex post-Korrekturen nach erfolgter Zuteilung, so etwa Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 3, Rz 223 f., da eine vorherige ungekürzte Zuteilung niemals stattfindet. Dagegen: OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 20.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 14 – Anteilige Kürzung II; Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2006, 135 ff.; Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 7 ZuG 2007, Rz 66; Walter Frenz, ZUR 2006, 393 (397); dafür: Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1084); VG Berlin, VG 10 A 372.05, Urt. v. 07.04.2006, Rz 92 ff. (juris). OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.11.2006, OVG 12 B 20.06, S. 14 – Anteilige Kürzung II (unveröffentlicht). So auch noch Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2006, 135 (136).
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
lungsfaktor ausgeschlossenen Neuanlagen würden384. Anders als bei den anderen im ZuG 2007 vorgesehenen Ausnahmen vom Erfüllungsfaktor bestehe allein in der Ausübung des Wahlrechts kein Grund, diese Anlagen durch eine Ausnahme von der anteiligen Kürzung nach § 4 IV ZuG 2007 besser zu stellen385. Schließlich sei die Optionsregelung selbst schon ein Privileg für die Anlagenbetreiber386, die keine Zuteilung auf der Grundlage historischer Emissionen wünschen. Diese teleologische Auslegung ist jedoch angesichts des Wortlautarguments problematisch387. Sie basiert auf einem grundsätzlich verständlichen Bedürfnis, der exzessiven Verwendung der Optionsregelung und der dadurch entstandenen zusätzlichen Knappheitsprobleme entgegenzuwirken, indem man jedenfalls auch bei den „Verursachern“388 des Problems ansetzt, um die als misslungen betrachtete Regelung zu korrigieren. Diese Art „wishful thinking“ findet in der Rechtslage jedoch keine hinreichende Stütze, so dass eine anteilige Kürzung von Zuteilungen nach der Optionsregel unzulässig ist. ee) Sonstige Regelungen (1) Ordnungswidrigkeiten Für den Fall eines Verstoßes gegen bestimmte im ZuG 2007 geregelte Pflichten der Anlagenbetreiber sieht § 21 ZuG 2007 einen Ordnungswidrigkeitentatbestand vor. Nach § 21 II ZuG 2007 können derartige Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 € geahndet werden.
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Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1084); DEHSt, Anwendung und Berechnung der anteiligen Kürzung der Zuteilungsmengen für die erste Zuteilungsperiode nach § 4 Absatz 4 ZuG 2007, S. 4. Dirk Weinreich/Simon Marr, ibid., S. 1084); DEHSt, Anwendung und Berechnung der anteiligen Kürzung der Zuteilungsmengen für die erste Zuteilungsperiode nach § 4 IV ZuG 2007, S. 4. Dagegen Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2006, 135 (137) mit dem Argument, eine über § 11 ZuG 2007 hinausgehende Minderungsverpflichtung verlange von den Anlagenbetreibern eine Emissionsminimierung, die der heutige Stand der Technik gar nicht ermögliche und bedeute daher eine unzumutbare Härte für die Unternehmen. Hierzu ausführlich OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 20.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 14 f. – Anteilige Kürzung II (unveröffentlicht). Für die erste Zuteilungsperiode wurden mehr Berechtigungen (42,3 Mio. t für drei Jahre) beantragt als vergeben werden konnten, weswegen die anteilige Kürzung nach § 4 IV ZuG 2007 erforderlich wurde, s. DEHSt, Emissionshandel in Deutschland: Verteilung der Emissionsberechtigungen für die erste Handelsperiode 2005-2007, S. 4 f., DEHSt, Anwendung und Berechnung der anteiligen Kürzung der Zuteilungsmengen für die erste Zuteilungsperiode nach § 4 Absatz 4 ZuG 2007, S. 2. Zu dieser Überschreitung des Gesamtbudgets trug insbesondere die nachträglich eingeführte Optionsregel bei, wonach sich Unternehmen für eine Zuteilung aufgrund des Neuanlagenbenchmarks entscheiden können. Dies führte im Einzelfall zu bedenklichen Ergebnissen: Häufig hing es weniger von den technischen Gegebenheiten als vom Einfallsreichtum der Antragsteller ab, über welche Zertifikateausstattung eine Anlage schließlich verfügte.
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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(2) Zuständige Behörde Zuständige Behörde im Sinne des ZuG ist nach §§ 22 ZuG 2007, 20 TEHG grundsätzlich das Bundesumweltamt, für das die DEHSt handelt. Die Landesbehörden sind somit mit Zuteilungsbelangen nicht befasst389. (3) Kosten § 23 S. 1 ZuG 2007 stellt klar, dass für Amtshandlungen nach dem ZuG 2007 kostendeckende Gebühren erhoben werden können; nach § 23 S. 2 ZuG 2007 sind damit verbundene Auslagen auch abweichend von § 10 I Verwaltungskostengesetz zu erstatten. § 23 S. 3 ZuG 2007 ermächtigt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, die Höhe der Gebühren und der zu erstattenden Auslagen durch Rechtsverordnung festzulegen. Davon wurde mit der EHKostVO 2007390 Gebrauch gemacht. Ein Verstoß gegen Art. 10 S. 1 EH-RL, wonach mindestens 95 bzw. 90 % der Zertifikate kostenlos zuzuteilen sind, dürfte darin nicht zu sehen sein, solange durch die Gebühren lediglich die Kosten des Systems finanziert werden391. ff) Fazit Der Lobbyismus hat bewirkt, dass das ZuG 2007 schließlich für jede Branche die bestmögliche Zuteilungsmethode beinhaltet. Dadurch konnten alle Bereiche dem Grundsatz nach ein Maximum an Zertifikaten beanspruchen. Fast die Hälfte der Emissionsrechte wurde nach Sonderregelungen vergeben, die die Betreiber von Minderungsverpflichtungen freistellten392. Allerdings kam dadurch – wegen der absoluten Begrenzung der Emissionswerte nach oben, dem sog. Cap – der sog. zweite Emissionsfaktor zum Zuge. Im Ergebnis reichten die Minderungspflichten der Anlagenbetreiber von 0% (20 % der Anlagen) bis 7,4% (30 % der Anlagen)393. Dadurch wurden die vermeintlichen Gewinne wieder reduziert. Ganz allgemein waren die Anlagenbetreiber aufgrund der komplexen Gesetzessituation kaum in der Lage, abzuschätzen, wie hoch ihre Zuteilung ausfallen würde394. Misslich ist das insbesondere für Unternehmen, die sich nicht vertieft mit dem Emissionshandel beschäftigt und lediglich eine bedarfsgerechte Ausstattung beantragt haben. 389 390
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Hans-Peter Vierhaus, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007, § 22 ZuG 2007 Rz 1. Kostenverordnung zum Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz und zum Zuteilungsgesetz 2007, BGBl. I Nr. 46 S. 2273-2275 vom 31.08.2004, in Kraft getreten am 01.09.2004. OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ 2006, 356 ff.; Carl-Stephan Schweer/Christian v. Hammerstein/Bernhard Ludwig, ZuG 2007, § 23 Rz 6; kritischer Walter Frenz, ZUR 2006, 393 (397); Uwe Erling/Martin Ahlhaus, NVwZ 2006, 254 (257). Das VG Berlin hält jedoch die Rechtsgrundlage zur Erhebung der allgemeinen Emissionshandelsgebühr für nicht von der Verordnungsermächtigung des § 22 I TEHG umfasst und somit nichtig, s. VG Berlin, Urt. v. 01.02.2008 – VG 10 A 438.05, insbes. S. 10. Vgl. zu den europarechtlichen Vorgaben auch o. S.80. SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 8. SRU, ibid., S. 8. SRU, ibid., S. 8. Unter besonderer Betonung der Problematik für die kleinen und mittelständischen Unternehmen auch DIHK-Positionspapier v. 20.03.2006, S. 3.
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Da Sonderzuteilungen nicht unter die anteilige Kürzung fallen, wirken sich die Divergenzen zwischen Regel- und Sonderzuteilungen überproportional deutlich aus. Probleme für das Emissionshandelssystem ergeben sich im Übrigen daraus, dass der Emissionshandel als auf Kosteneffektivität gerichtetes Instrument mit energie- und verteilungspolitischen Zielen verquickt wurde395. So zielen beispielsweise die Zuteilungsregelungen des ZuG 2007 nicht nur darauf ab, die kosteneffektivste Reduktion zu fördern, sondern sie sollen gleichzeitig eine politisch erwünschte Energieträgerstruktur garantieren396. Ein besonders prominentes Exempel hierfür ist die Verwendung brennstoffspezifischer Benchmarks397, die einer Substitution von Kohle durch Gas entgegenstehen398. Nach wie vor erfolgt fast die Hälfte der Stromproduktion in Deutschland auf Kohlebasis, und die bekannt gewordenen Investitionspläne der Stromversorger lassen eher einen weiteren Ausbau als einen Rückgang der Kohleverstromung erwarten399. Ähnliche Ziele werden mit der Berücksichtigung der sog. early actions verfolgt, den Sonderzuweisungen im Zuge des Atomausstiegs oder auch den Sonderregelungen für Betriebe mit prozessbedingten Emissionen400. All diese Regelungen wirken jedenfalls partiell der vom Emissionshandelssystem ausgehenden Anreizwirkung entgegen401. Diese Inkonsequenz, die sich auch in der Ausgestaltung des ZuG 2007 niederschlägt, beruht darauf, dass im Zuge der Diskussion über Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Strukturpolitik der Emissionshandel keinen gefestigten Stand erlangt hat402. Sie ist jedoch aus juristischer Perspektive nicht als „Fehler“ des Systems zu betrachten, sondern ist selbst Teil der realen Umsetzung ökonomischer Idealmodelle. Insbesondere die Diskussion über grundrechtliche Vorgaben muss diese Janusköpfigkeit des Zertifikatehandels aufgreifen und im Rahmen der dort vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen.
4. Gesetz über projektbezogene Mechanismen (ProMechG)403 Die sog. EG-Linking-directive404 sowie die maßgeblichen Beschlüsse der Vertragsstaatenkonferenzen werden in Deutschland durch ein Gesetz zur Einführung der 395
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SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 9. Mehr dazu vgl. u. S. 189 ff. SRU, ibid., S. 9. Zur Regelung im ZuG 2007 s. S. 128 f. SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 9. SRU, ibid., S. 9. SRU, ibid., S. 9. SRU, ibid., S. 9. SRU, ibid., S. 9. Gesetz über projektbezogene Mechanismen nach dem Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 11.12.1997 (ProMechG), BGBl. I Nr. 61 S. 2826-2884 vom 29.09.2005, in Kraft getreten am 30.09.2005. Vgl. hierzu Markus Ehrmann, ZUR 2006, 410 (413 f.); Dirk Weinreich, ZUR 2006, 399 (402 ff.).
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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projektbezogenen Mechanismen nach dem Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen vom 11. Dezember 1997 und zur Umsetzung der Richtlinie 2004/101/EG umgesetzt. Das Gesetz ist ein Artikelgesetz und enthält vor allem das Projekt-Mechanismen-Gesetz (ProMechG). Hierdurch soll auch in Deutschland Unternehmen die Möglichkeit eröffnet werden, zunächst Zertifikate, die aus sog. CDM (Clean Development Mechanism)-Maßnahmen, ab 2008 auch Zertifikate aus JI (Joint Implementation)Projekten in den europäischen Emissionshandel einzubringen. Zu diesem Zweck regelt das ProMechG vor allem die völkerrechtlich erforderlichen staatlichen Akte in Bezug auf Projekte, an denen die Bundesrepublik Deutschland als Gaststaat oder Investor beteiligt ist405. Von besonderer Relevanz ist die nach dem Kyoto Protokoll erforderliche Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland zu dem jeweiligen Projekt. Mit ihr werden die privaten Projektträger ermächtigt, die Projekte durchzuführen406. Auf diese Zustimmung besteht ein Anspruch, sofern ihre Voraussetzungen nachgewiesen werden können407. Gleichzeitig wurde das TEHG dahingehend geändert, dass aus den flexiblen Mechanismen resultierende Zertifikate unmittelbar in das Emissionshandelssystem eingebracht werden können408. Ab der zweiten Handelsperiode gilt hierbei nach dem jeweils aktuellen Zuteilungsgesetz eine Höchstgrenze für die Verwendung derartiger Zertifikate aus CDM- oder JIProjekten409. Ein Zukauf von Zertifikaten durch die Bundesrepublik Deutschland zur Erfüllung ihrer Kyoto-Obligationen ist nicht vorgesehen410. Zuständige Behörde für die Abwicklung der Projektanträge ist die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) beim Umweltbundesamt411.
5. Die Neuregelung des NAP und des ZuG 2012 a) Der deutsche NAP II Mit dem Ende der ersten Handelsperiode 2007 endet auch die Geltungsdauer des ZuG 2007, und für die folgende Handelsperiode musste eine Neuregelung der Zuteilung getroffen werden. Die ab 2008 geltende Verteilungsregelung hat bereits 2006 für viele Schlagzeilen gesorgt. Nahezu sämtliche involvierte Verbände haben Studien zu den Auswirkungen des Emissionshandels und verschiedener Vergabeverfahren für die Zertifikate erstellen lassen, mit deren Hilfe sie versucht haben, Einfluss auf die Politik zu nehmen412. Die Bundesregierung hat sich bemüht, die 404 405 406 407 408 409 410 411 412
Hierzu s. o. S. 97 ff. Dirk Weinreich, ZUR 2006, 399 (403). Markus Ehrmann, ZUR 2006, 410 (414). Dirk Weinreich, ZUR 2006, 399 (403); Markus Ehrmann, ZUR 2006, 410 (414). Dirk Weinreich, ZUR 2006, 399 (403). Markus Ehrmann, ZUR 2006, 410 (413); Dirk Weinreich, ZUR 2006, 399 (403). Markus Ehrmann, ibid., S. 413. Markus Ehrmann, ibid., S. 414. Anfang/Mitte 2006 konnte man das Aufkommen an Studien nur noch als inflationär bezeichnen. Beispielhaft seien hier einige genannt: Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (für Greenpeace International) (Juni 2006); Wuppertal Institut, Stellungnah-
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Zuteilungsregeln zu vereinfachen413 und den durch geschickten Lobbyismus eingefügten Sonderzuteilungen einen Riegel vorzuschieben. Auch die Menge der von Reduktionspflichten betroffen Unternehmen ist deutlich gesunken und beträgt nur noch rund 860 Anlagen414. Die kleineren Anlagen sollen aus Effizienzgründen von Minderungspflichten freigestellt und bedarfsgerecht mit Emissionszertifikaten ausgerüstet werden415. Dennoch hat die Kommission den Entwurf des deutschen NAP II in der vorgelegten Fassung nicht genehmigt. Daraufhin hat das BMU einen revidierten NAP II vorgestellt416, und im August 2007 ist das ZuG 2012 erlassen worden417. aa) Die Grundausrichtung des NAP II Der NAP II sah ursprünglich ein Gesamtkontingent von Zertifikaten für 482 Mio. t CO2 vor418, das nachträglich auf 465 Mio. t korrigiert wurde419. Kritik richtete sich hiergegen, weil diese Zuteilungsmenge noch immer über der Emissionsmenge geschätzter business as usual-Szenarien liegt420. Für die Vergabe der Zertifikate sollte der neue NAP eine prononcierte Neuregelung einführen: künftig sollte sehr stark zwischen industrieller Produktion und Stromerzeugung differenziert werden:
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me zum Nationalen Allokationsplan (Mai 2006); Felix Matthes et al., Auswirkung verschiedener Allokationsregeln auf Investitionen im Strommarkt (Mai 2006); Ulrich Oberndorfer et al., The Impacts of the European Emissions Trading Scheme on Competitiveness and Employment in Europe – a Literature Review (Mai 2006). Dirk Weinreich, ZUR 2006, 399 (401); Stefan Kobes, NVwZ 2007, 857 (859). Dieses Anliegen steht in Übereinstimmung mit den neuen Hinweisen der Kommission, s. KOM (2005), 703 endg., S. 3. S. dazu auch Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 9. Emissionshandel verteuert Strom, Die Welt vom 13. April 2006. Die Menge der am Handelssystem beteiligten Unternehmen kann der nationale Gesetzgeber nicht individuell regeln, er kann jedoch darauf hinwirken, dass gerade Anlagen, auf die verhältnismäßig geringe Emissionen entfallen, bedarfsgerecht ausgestattet werden. Vgl. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 28 f. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007. Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Zuteilungsgesetz 2012 – ZuG 2012), BGBl. 2007 I Nr. 38, S. 1788 ff. Zur ursprünglichen Mengenplanung s. Dirk Weinreich, ZUR 2006, 399 (401). Deutschland verschärft seinen Klimaschutzplan, Pressemitteilung Nr. 310/06 des BMU vom 24.11.2006; Bundesregierung verschärft Klimaschutzvorgaben, www.welt.de v. 25.11.2006; Reimer, taz v. 18.11.2006, S. 7. Dazu Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 5, das eine maximale Ausstattung mit Emissionsrechten für 450 Millionen t CO2/Jahr forderte. Dieses Problem weisen nahezu alle bei der Kommission eingereichten NAPs für die zweite Handelsperiode auf, s. Max Rathmann et al., Initial Assessment of National Allocation Plans for Phase II of the EU Emission Trading Scheme, Summary (November 2006), S. 7 f.
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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Die Stromindustrie sollte 15 Prozent weniger Emissionsrechte erhalten, während von der Industrie lediglich Minderungen um 1,25 Prozent verlangt werden sollten421. Diesen Kürzungen sollten sehr weitreichende Bestandsschutzregeln korrespondieren. bb) Vergabemodus Wie bereits in der ersten Handelsperiode sollten die Zertifikate komplett vom Staat vergeben werden; eine Auktionierung422 war zunächst nicht vorgesehen423. Soweit Zertifikate an Bestandsanlagen nach dem Grandfathering-Prinzip vergeben werden, sollte die Basisperiode, die für den NAP I von 2000 bis 2002 lief, auf die Zeitspanne 2000-2005 ausgedehnt werden424. Schließlich sollten die Ziele für die dem Emissionshandel unterliegenden Sektoren ursprünglich nicht wie in der gegenwärtigen Handelsperiode durch einen Ausgleichsfaktor, den sog. zweiten Emissionsfaktor, abgesichert werden425. cc) Freistellung von künftigen Reduktionspflichten Bei der Erarbeitung des Konzepts für den NAP II hat die Bundesregierung nicht nur Erwägungen des Klimaschutzes einfließen lassen, sondern gleichzeitig versucht, den Neubau von Kraftwerken zu lancieren und eine Diversifizierung des Brennstoffspektrums sicherzustellen426. Daher sollten Erbauer neuer fossiler Kraftwerke eine Privilegierung in Form einer Freistellung auch von zukünftigen Reduktionspflichten und einer kostenlosen Zuteilung über mehrere Handelsperioden erhalten: Anlagen, die bis zum Jahr 2012 in Betrieb gehen, sollten für bis zu 18 Jahren von Emissionsminderungen ausgenommen werden427. Sollte es ab 2013 zu einer überwiegenden oder vollständigen Auktionierung der Zertifikate kommen, hätte darin gleichzeitig eine erhebliche finanzielle Begünstigung dieser Anlagenbetreiber gelegen428. Gleichzeitig wären, zumal diese Zusage ohne mengen421
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Pressemitteilung Nr. 310/06 des BMU vom 24.11.2006. Dazu auch Dirk Weinreich, ZUR 2006, 399 (401); Ralf Schüle, Wuppertal Bulletin 2006, 6 (9). Nach den Vorgaben des Art. 10 EHRL könnten bis zu 10 % der Zertifikate versteigert werden, s. o. S. 79 f. Für die Versteigerung der Zertifikate hingegen SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 13. Krit. Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 12. Krit. dazu Gemeinsame Stellungnahme der Umweltverbände zum Entwurf des Zuteilungsgesetzes 2012 vom 26.10.2006, S. 3 f. Dazu Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 14. Diese Regelung stieß aufgrund der langfristigen Bindung, die ambitionierten Klimazielen im Weg steht, erwartungsgemäß nicht nur bei den Umweltverbänden auf Kritik, s. etwa Gemeinsame Stellungnahme der Umweltverbände zum Entwurf des Zuteilungsgesetzes 2012; Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 14 ff.; Felix Matthes et al., Auswirkung verschiedener Allokationsregeln auf Investitionen im Strommarkt (2006), S. 101 f. Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 15 f., das von einem haushaltsrelevanten Mittelvolumen in der Größenordnung von bis zu 25 Mrd. Euro ausgeht.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
mäßige Beschränkungen erfolgen sollte, die mittel- und langfristigen Emissionsreduktionsmöglichkeiten stark beschränkt und Klimaschutzziele möglicherweise gefährdet worden429. dd) Reserve für Neuanlagen Für Neuanlagen war zunächst eine Reserve von 17 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr vorgesehen, von denen 10 Mio. jährlich kostenlos vergeben werden sollten430. Zudem sollte die Reserve auch in Anspruch genommen werden, wenn zusätzliche Zuteilungen aufgrund erfolgreicher Rechtsmittelverfahren erforderlich würden und ein Teil der Reserve zur Refinanzierung von Systemkosten am Markt angeboten werden431. Sollte diese Menge nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken, soll eine beauftragte Stelle die zusätzlich benötigten Zertifikate am Markt zukaufen und in der folgenden Handelsperiode die entsprechende Menge an Zertifikaten zurückerstattet bekommen. Da die Reserve für Neuanlagen im Hinblick auf die erforderlichen Kraftwerksneubauten eher knapp bemessen war, hätte es erforderlich werden können, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau Zertifikate zukauft, um allen Neuanlagen die erforderlichen Zertifikate zur Verfügung stellen zu können. Diese Menge an Zertifikaten sollte in der dritten Handelsperiode 2014-2017 von der zur Verfügung stehenden Menge abgezogen werden, was jedoch eine Verschiebung des Problems in die Zukunft bedeutet hätte, wo ohnehin weitere Reduktionen erforderlich werden432. Zudem besteht die Gefahr einer dauerhaften Verschiebung in die Zukunft von Handelsperiode zu Handelsperiode, ohne dass es jemals zu einer Umsetzung der Minderungsverpflichtung kommt433. ee) Die Nutzung von CDM und JI Abschnitt 6.8 des Entwurfs für den NAP II sah vor, dass Unternehmen Zertifikate aus CDM und JI im Umfang von bis zu 12 % der ihnen zugeteilten Zertifikate nutzen können. Die somit maximal nutzbare Menge liegt mit ca. 54 Mio. t über der gegenüber 2005-2007 vorzunehmenden Reduktion, weswegen die Unternehmen theoretisch sämtliche benötigten Zertifikate zukaufen und auf jede eigene Anstrengung verzichten könnten434. Würde man EU-weit entsprechende Regelungen einführen, könnte sich die tatsächlich innerhalb der EU vorgenommene Reduktion auf ca. 4 % der Basisjahresemissionen und damit auf die Hälfte der Kyoto-Verpflichtungen der EU erstrecken435.
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Wuppertal Institut, ibid., S. 15 f.; Ralf Schüle, Wuppertal Bulletin 2006, 6 (10). Dirk Weinreich, ZUR 2006, 399 (402). Dirk Weinreich, ibid., S. 402. Gemeinsame Stellungnahme der Umweltverbände zum Entwurf des Zuteilungsgesetzes 2012 vom 26.10.2006 S. 4. Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 21. Hierauf weist Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 22 f. hin, unter Verwendung der ursprünglich notifizierten Daten für den NAP II. Auch nach der Korrektur hat sich jedoch an dieser Grundkritik nichts geändert. Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 23.
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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b) Die Reaktion aus Brüssel Die deutschen Pläne sind jedoch bei der Kommission auf wenig Akzeptanz gestoßen436. Bestimmte Aspekte des NAP II wurden für mit den Kriterien1, 2, 3, 5 und 10 des Anhangs III und Art. 10 der EH-RL für unvereinbar befunden437. aa) Verstoß gegen die Kriterien 1, 2 und 3 des Annex III der EH-RL Kriterium 1 S. 2 des Annex III der EH-RL verlangt zunächst, dass die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate nicht höher ist als der wahrscheinliche Bedarf für die strikte Anwendung der Kriterien dieses Anhangs438. Diese Bestimmung ist insbesondere im Zusammenhang mit den Kriterien 2 und 3 zu lesen, die vorgeben, dass die Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate mit den tatsächlichen und zu erwartenden Fortschritten bei der CO2-Vermeidung vereinbar sein und mit dem – auch technischen – Potenzial der dem Emissionshandel unterfallenden Tätigkeiten zur Emissionsverringerung in Einklang stehen müssen. Diesen Vorgaben wird nach Auffassung der Kommission der deutsche NAP II-Entwurf nicht gerecht. So kommt die Kommission zu dem – im einzelnen näher dargelegten – Ergebnis, dass unter Berücksichtigtigung des voraussichtlichen Wachstums des Bruttoinlandsprodukts, der Verbesserung der Kohlenstoffintensität sowie des erweiterten Anwendungsbereiches des NAP II jährlich etwa 28,93 Mio. t zu viel zugeteilt würden, worin sie einen Verstoß gegen die Kriterien 1, 2 und 3 sieht439. Einen weiteren Verstoß gegen Kriterium 1 erkennt die Kommission darin, dass Deutschland seine Minderungsbemühungen in den nicht dem Emissionshandel unterliegenden Sektoren nicht hinreichend mit staatlichen Maßnahmen belegt hat. Kriterium 1 soll sicherstellen, dass die Emissionsplanung des jeweiligen Mitglied-
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Schon im Vorfeld der Kommissionsentscheidung war Kritik durchgesickert, siehe etwa: Bundesregierung verschärft Klimaschutzvorgaben, www.welt.de v. 25.11.2006; Reimer, taz v. 18.11.2006, S. 7. Ebenso bereits im Mai 2006 das Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan, S. 5, das eine maximale Ausstattung mit Emissionsrechten für 450 Millionen t CO2/Jahr forderte. Zum Prüfungsrecht der Kommission s.o. S. 82 f. Entscheidung der Kommission vom 29.11.2006 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten, den Deutschland gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt hat. Zu beachten ist, dass die Entscheidung der Kommission Bezug auf den ursprünglich von Deutschland mitgeteilten NAP II-Entwurf nimmt, d.h. noch von der ursprünglich geplanten Zuteilungsmenge von 482 Mio. t CO2 ausgeht. Die Differenz zu dem korrigierten Plan, der eine Zuteilung von 465 Mio. t CO2 vorsieht, ist daher bereits geringer. Dazu bereits oben S. 91. Entscheidung der Kommission vom 29.11.2006, insbesondere Erwägungsgrund 14. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit anderen Gutachten, vgl. etwa Max Rathmann et al., Initial Assessment of National Allocation Plans for Phase II of the EU Emission Trading Scheme (November 2006), S. 7 f. Der abgeänderte NAP II, der nur noch eine Zuteilung von 465 t CO2 vorsieht, kommt der Kommission in diesem Punkt entgegen, genügt jedoch ihren Forderungen nicht, vgl. auch BUND, Scherbenhaufen oder Chance für einen Neuanfang?, S. 3.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
staats dessen Kyoto-Verpflichtungen einhält440. Das bedeutet, dass nicht nur die innerhalb des Emissionshandelssystems vorzunehmenden Emissionsminderungen darzulegen sind, sondern auch die diese flankierenden Maßnahmen und Emissionsziele in den anderen Sektoren, und dass die Kommission auch prüft, ob die dargelegten Maßnahmen und Einsparungen realistisch sind. Gerade Deutschland hatte ursprünglich in überproportional starkem Maße Minderungspflichten in die dem Emissionshandel nicht unterliegenden Sektoren verlegt. So sollten u.a. jährlich 8 Mio. t CO2 im Verkehr eingespart werden, wobei die einzigen konkret vorgestellten Maßnahmen eine bereits 2006 aufgehobene Steuerbefreiung für Biokraftstoffe und vom ADAC angebotene Fahrkurse waren. Woraus sich die Einsparprognosen ergeben sollten, blieb unklar. Ebenso sollen – auch hier ohne Ankündigung konkreter Maßnahmen – 3,6 Mio. t CO2 pro Jahr im Bereich Energie und Industrie in nicht vom Emissionshandel erfassten Sektoren eingespart werden. Da die vollständige Verlagerung dieses Anteils der Minderungsverpflichtung auf die den emissionshandelsexternen Sektoren nicht nachgewiesen werden konnte441, entschied die Kommission, dass die Emissionshandelssektoren proportional ihren Anteil von 46,69 % an diesen 11,6 Mio. t und damit 5,42 Mio. t CO2 -Vermeidung zu tragen hätten442. bb) Verstoß gegen Kriterium 5 des Annex III der EH-RL Einen Verstoß sieht die Kommission zudem auch gegen das Wettbewerbsrecht und damit gegen Kriterium 5 des Annex III der EH-RL443. So ist bereits unter wettbewerbs- bzw. beihilferechtlichen Gesichtspunkten problematisch, dass Deutschland keinen Nutzen von der Möglichkeit macht, Zertifikate zu versteigern, und dass eine nach den Kriterien 1-3 des Annex III zur EH-RL zu großzügige Zuteilung sich als Subvention auswirken könnte, ohne dass ein ökologischer Grund für die Subventionierung vorliegt444. Hinzu kommt, dass die insbesondere für Neuanlagen, aber auch in einigen anderen Konstellationen vorgesehenen Garantien einer Vollausstattung mit Zertifikaten über lange Betriebszeiten diese Anlagen erheblich gegenüber ihren Wettbewerbern bevorzugen. Diesen Vorteil betrachtet die Kommission als mit Art. 87 und 88 EGV unvereinbar und akzeptiert seine Berechtigung lediglich für den Fall der sog. „early action“-Anlagen nach § 12 ZuG445 446. Insbe440 441
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Mehr dazu oben S. 91. Entsprechende Kritik auch bei Wuppertal Institut (Hrsg.), Klimawirksame Emissionen des PKW-Verkehrs (2006), S. 81 f. Jedenfalls unter Berufung auf Krit. 1 scheint dieses Ergebnis problematisch, da auch denkbar wäre, dass Deutschland die Maßnahmen in den anderen Sektoren konkretisieren kann. Diese Wahlmöglichkeit spricht die Kommission Deutschland jedoch ab, dazu Kommission, Entscheidung vom 29.11.2006, Erwägungsgrund 18. Vgl. hierzu o. S. 93 f. Kommission, Entscheidung vom 29.11.2006, Erwägungsgrund 19. S. oben S. 129 ff. Derartige Berücksichtigungen sind in Krit. 7 des Annex III zur EH-RL vorgesehen, s. auch S. 95 f. Die Ablehnung dieser Allokationsgarantien ist auf deutliche Kritik gestoßen, und einige Unternehmen der Industrie haben inzwischen Klage vor dem EuG erhoben, hierzu BBH-News zu Fragen des Emissionshandels, Februar 2007, S. 6.
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sondere erkennt sie das deutsche Argument, dass die verhältnismäßig neuen Anlagen, denen entsprechende Garantien zugesagt werden, nur über ein geringes Emissionsminderungspotential verfügen, nicht an447. Die Ausführungen zu diesem Punkt lassen erhebliches Unbehagen gegenüber einer Klassifizierung allein nach dem Alter der Anlage erkennen, das konsequent weiter gedacht eigentlich zu einer Umorientierung hin zu einem Benchmark-System führen müsste, das Unterscheidungen auf technische Unterschiede stützt. c) Konsequenzen für die deutsche Zuteilung für die Periode 2008-2012 aa) Grundsätzliches Nach ausgedehnten Verhandlungen mit der Kommission hat die deutsche Regierung von einer Klage abgesehen und an einigen Punkten abweichende Regelungen vorgesehen. Deutschland hat die Vorgabe der von der Kommission berechneten 453 Mio. t CO2 für den Emissionshandelssektor akzeptiert448; die Gesamtmenge aller Sektoren beträgt 973,6 Mio. t Kohlendioxid-Äquivalente jährlich, § 4 I 2 ZuG 2012. Nach § 4 II 1, 3 ZuG 2012 werden insgesamt 442,07 Mio. Zertifikate jährlich vergeben, inklusive der Reserve nach § 5 ZuG 2012 sowie der zu veräußernden Berechtigungen nach § 19 ZuG 2012. Weitere 11 Mio. Zertifikate sind gem. § 4 II 2 ZuG 2012 für nach § 26 I TEHG erstmals in den Emissionshandel einbezogene Anlagen reserviert. Übersteigt die Gesamtmenge der nach dem ZuG 2012 zuzuteilenden Berechtigungen ohne Neuanlagen nach § 9 ZuG 2012 die Menge von 379,07 Mio. Zertifikaten pro Jahr, wird eine anteilige Kürzung vorgenommen. Gegenüber der Ursprungsfassung des ZuG 2007 hat sich das Verfahren der anteiligen Kürzung deutlich verkompliziert und ist nunmehr in Anhang 5 zum TEHG geregelt. Es gibt keinen einheitlichen Kürzungsfaktor mehr, vielmehr richtet sich die Zuteilung nach dem Effizienzstandard der jeweiligen Anlage sowie ggf. einem anlagenunabhängigen Anpassungsfaktor449; zudem sind gem. § 4 III 1 ZuG 2012 nur Anlagen der Energiewirtschaft (Anh. 1 zum TEHG, Ziff. I bis V) betroffen. Gegenüber der ersten Periode wurden die Zuteilungsregeln völlig umgestaltet. Künftig wird grundlegend zwischen Energie- und Industrieanlagen unterschieden450, zudem will die Regierung nun für den Energiesektor sowie für Anlagen, die ab Januar 2003 in Betrieb genommen wurden, zu einem Benchmark-System wechseln451. Optionsregel, ex post-Kontrolle, Sonderregeln für prozessbedingte Emissionen und für Ersatzanlagen sowie die nachweisfreie Anerkennung von ear447 448
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Kommission, Entscheidung vom 29.11.2006, Erwägungsgrund 23. § 4 II ZuG 2012 sieht eine Gesamtmenge zuzuteilender Zertifikate von max. 453,07 Mio. Zertifikaten/Jahr vor. Hierzu auch Stefan Kobes, NVwZ 2007, 857 (862). Anhang 1 zum TEHG Nr. I-V („Energiewirtschaft“) und Nr. VI-XVIII („Industrieanlagen“). §§ 6 ff. ZuG 2012; Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 4; BMU, Obergrenze für CO2-Ausstoß wird abgesenkt, Pressemeldung vom 09.02.2007; Stefan Kobes, NVwZ 2007, 857 (860).
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ly action entfallen völlig452. Die Reserve soll künftig gem. § 5 I ZuG 2012 23 Mio. Zertifikate pro Jahr betragen und dient nicht mehr nur der Ausstattung von Neuanlagen, sondern auch rechtskräftig festgestellte zusätzliche Zuteilungsansprüche sollen nach § 5 II Ziff. 1b) ZuG 2012 aus ihr bestritten werden. Zudem sollen durch Zertifikatsverkäufe aus der Reserve die Kosten gedeckt werden, die dem Bund bei der Durchführung des Emissionshandels entstehen, § 5 III 1 ZuG 2012. Auch zurückgegebene oder nicht ausgegebene Zertifikate fließen gem. § 5 IV 1 ZuG 2012 der Reserve zu. Ein Mechanismus, wonach Zertifikate zur Reserve zugekauft werden können, wenn anderenfalls nicht alle Ansprüche erfüllt werden können (sog. KfW-Mechanismus)453, besteht mit § 5 V ZuG 2012 ebenso wie vorher in § 6 III ZuG 2007. Die bereits gegen die vorherige Regelung vorgebrachten Bedenken, dass hierdurch erforderliche Reduktionen auf unendliche Zeit in die Zukunft verschoben werden, gelten für § 5 V ZuG 2012 ebenfalls. Weiter angehoben wurde nach § 18 ZuG 2012 der Anteil CDM- und JIZertifikate, den Betriebe zur Erfüllung der Abgabenverpflichtung nutzen können, auf bis zu 22 %. Eine Anlage, die infolge von Produktionsrückgängen weniger als 25 % ihres früheren jährlichen Kohlendioxidausstoßes hat, gilt gem. § 10 V ZuG 2012 im Regelfall als stillgelegt. Das ZuG 2012 gilt ausschließlich für die zweite Handelsperiode von 2008 bis 2012. Es ist strukturell weitgehend parallel zum ZuG 2007 aufgebaut und enthält im ersten Abschnitt die allgemeinen Vorschriften, daran anschließend die Mengenplanung, im 3. Abschnitt die Zuteilungsregeln und im vierten Abschnitt die Aus- und Abgabe von Berechtigungen. In seinem Abschnitt 5 sieht das ZuG 2012 nunmehr eine Veräußerung von Berechtigungen vor; jährlich sollen 40 Mio. Zertifikate veräußert werden. Diese Zertifikate wurden großenteils dem Budget der stromproduzierenden Anlagen entnommen, d. h. die Zuteilung für diese Anlagen wird um einen entsprechenden Kürzungsfaktor verringert454. Dies hängt damit zusammen, dass es der Energiewirtschaft in der ersten Handelsperiode gelungen war, den Wert der benötigten Emissionszertifikate als sog. „Opportunitätskosten“455 in die Stromkosten einzupreisen. Durch die Reduktion der Zertifikateausstattung sollen derartige „windfall profits“ abgeschöpft werden456. bb) Das Veräußerungsverfahren Für die Veräußerung der Zertifikate eröffnet § 21 I S. 1 ZuG 2012 zwei Möglichkeiten: Diese Zertifikate können zunächst an den Börsen zum Marktpreis verkauft werden, spätestens ab 2010 sollen sie jedoch versteigert werden. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass genügend Zeit bleibt, ein funktionierendes Auktions-
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Vgl. Stefan Kobes, NVwZ 2007, 857 (862). Vgl. Stefan Kobes, ibid., S. 862. Vgl. Stefan Kobes, ibid., S. 862. Vgl. o. S. 64 ff. Hierzu auch Stefan Kobes, NVwZ 2007, 857 (862), der im Hinblick auf Art. 3 I GG Bedenken gegen dieses Vorgehen anmeldet, wenn es auch anderen Industriezweigen gelungen sein könnte, den Wert der Zertifikate in ihre Preiskalkulation einzustellen.
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system zu entwickeln457. Die Einführung eines derartigen Verfahrens soll erforderlich sein, da mit zunehmender Bedeutung der Primärzuteilung eine erhöhte Gefahr von Manipulationen des Sekundärmarktes droht458. Die Versteigerung soll gem. § 21 I 3 ZuG 2012 in regelmäßigen Abständen in gleichen Teilmengen erfolgen, die Einzelheiten des Auktionsverfahrens sind jedoch im ZuG 2012 nicht geregelt. § 21 II ZuG 2012 enthält vielmehr eine Ermächtigung der Bundesregierung, das Versteigerungsverfahren mit Zustimmung des Bundestages im Wege einer Rechtsverordnung zu regeln459. In dieser Verordnung sind gem. § 21 II 3 ZuG 2012 „die zuständige Stelle und die Regeln für die Durchführung des Versteigerungsverfahrens festzulegen“. Die Regeln „müssen objektiv, nachvollziehbar und diskriminierungsfrei sein und Vorkehrungen gegen die Beeinflussung der Preisbildung durch das Verhalten einzelner Bieter treffen“. Der Bieterkreis soll daher nicht beschränkt werden, und eine staatliche Preisbeeinflussung wird ausgeschlossen460. Abgewickelt wird die Veräußerung nach § 21 III 1 ZuG 2012 von einer vom BMU im Einvernehmen mit dem Finanzministerium beauftragten Stelle. Sofern Zertifikate versteigert werden, macht das BMU die Versteigerungstermine spätestens zwei Monate im Voraus im elektronischen Bundesanzeiger bekannt; Überschneidungen mit Versteigerungsterminen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sollen vermieden werden, § 21 III 2 ZuG 2012. cc) Zuteilungen an Energieanlagen Anders als nach dem ursprünglichen NAP II vorgesehen, sollen Energieanlagen nun ihre Zuteilung auf Basis von Benchmarks erhalten; für Bestandsanlagen richtet sich die Zuteilung nach § 7 ZuG 2012. Sie wird nach dem neuen ZuG 2012 brennstoffabhängig, jedoch auf Basis der jahresdurchschnittlichen Produktion in der Basisperiode (regelmäßig 2000 bis 2005) anhand von lediglich zwei Benchmarks ausgestaltet. Für gasförmige Brennstoffe liegt der Referenzwert bei 365 g CO2/kWh, für Kohle einheitlich bei 750 g CO2/kWh461. Bei Bestandsanlagen wird für die Berechnung des Kontingents die jahresdurchschnittliche Produktionsmenge in der Basisperiode zugrunde gelegt462. Selbst effiziente Braunkohlekraftwerke müssen demnach etwa ein Viertel ihres Zertifikatbedarfs zukaufen. KWK457
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Arbeitsgruppe Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes, Jahresbericht der UAG 1/2, Dezember 2007, S. 19. Arbeitsgruppe Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes, ibid., S. 19. Zur Diskussion um ein geeignetes Auktionsverfahren s. Arbeitsgruppe Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes, ibid., S. 20 ff.; DEHSt, Entgeltliche Abgabe von Emissionsberechtigungen in der Handelsperiode 2008-2012: Verkauf oder Auktionierung?, Mai 2007, passim; Felix Matthes/Karsten Neuhoff, Auctioning in the European Union Emissions Trading Scheme, Final Report commissioned by WWF, September 2007, passim. Arbeitsgruppe Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes, ibid., S. 19. Anhang 3 Ziff. I 1 a) und b) ZuG 2012. Anhang 4 ZuG 2012 enthält die jährlichen Standard-Vollbenutzungsstunden sowie die Vorgaben zur Berechnung des Standardauslastungsfaktors und die Zuordnung von Vollbenutzungsstunden für unterschiedliche Anlagentypen. Vgl. im einzelnen § 7 ZuG 2012.
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Anlagen sind von dieser Regelung ausgenommen und erhalten eine Zuteilung auf Basis eines sog. Doppelbenchmarks463. Neu ist § 11 ZuG 2012, der die Zuteilung für sog. Kuppelgasemissionen regelt464. Eine anteilige Kürzung ist nur noch für den Bereich der Energieanlagen vorgesehen, wobei Neuanlagen, die ab dem 01.01.2008 in Betrieb genommen werden, Bestandsanlagen, die in der Zuteilungsperiode 2005-2007 frühzeitige Emissionsminderungen nachgewiesen haben, und Anlagen, die einen mit hocheffizienten Neuanlagen vergleichbaren technischen Standard einhalten, ausgenommen werden, § 4 III 1, 3 ZuG 2012. Dabei erfolgt die anteilige Kürzung nicht mehr für alle betroffenen Anlagen nach einem einheitlichen Faktor, vielmehr gelten differenzierte Regelungen, die i. E. ineffizienten Anlagen weniger Zertifikate zuteilen als effizienteren Anlagen465. dd) Zuteilung an Industrieanlagen Die Zuteilungen an die Industrie466 sollen bei Bestandsanlagen, die bis zum 31.12.2002 in Betrieb gegangen sind, mit einem Erfüllungsfaktor von 98,75 % auf Basis ihrer historischen Emissionen in der Basisperiode (regelmäßig 20002005467) erfolgen468. Industrieanlagen werden somit gegenüber Energieanlagen privilegiert469. Kleinemittenten mit einem maximalen jährlichen Kohlendioxidausstoß von bis zu 25.000 t sollen ihre Zertifikate auf Basis ihrer historischen Emissionen und einem Erfüllungsfaktor von 1 erhalten, § 6 IX ZuG 2012470. Auch Anlagen, die in der Zuteilungsperiode 2005-2007 den Nachweis frühzeitiger Emissionsminderungen nach § 12 I ZuG 2007 erbracht und eine Zuteilung nach dieser Vorschrift erhalten haben, können eine Zuteilung ohne Anwendung eines Erfüllungsfaktors beantragen, § 6 VIII ZuG 2012. Anlagen, die erst in den Jahren 2003 bis 2007 in Betrieb gegangen sind, erhalten mangels ausreichender historischer Emissionsdaten eine Zuteilung nach § 8 ZuG 2012 auf der Basis von BAT471Benchmarks472. Gleiches gilt für Kapazitätserweiterungen bestehender Anlagen, 463
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§§ 7 III, 9 IV, Anhang 3 Ziff. I 1 und 3 ZuG 2012 sowie Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 32 ff., 38 f. Vgl. Begründung zum Kabinettsentwurf ZuG 2012, S. 50 f. Vgl. § 4 III ZuG 2012 i.V.m. Anh. 5, dazu Begründung zum Kabinettsentwurf S. 42. Anlagen nach Anhang 1 zum TEHG, Nr. VI-XVIII. § 6 II ZuG 2012. § 6 I 1 ZuG 2012. Kabinettsentwurf ZuG 2012, Begründung S. 37. Vgl. hierzu Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 20082012 v. 13.2.2007, S. 30 f. S. auch § 6 VIII und IX Kabinettsentwurf ZuG 2012 und Begründung S. 46. Best available technique, d.h. zur Verfügung gestellt wird die Menge an Zertifikaten, die eine Neuanlage benötigt, die mit der besten erhältlichen Technik ausgestattet ist. BAT-Standards sind auch im Immissionsschutzrecht verbreitet, s. dazu und zum deutschen Begriff des „Stand der Technik“ Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 14 Rz 111 ff.; Gerhard Feldhaus, NVwZ 2001, S. 1 ff. Vgl. auch Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 20082012 v. 13.02.2007, S. 31. Die Emissionswerte sind dem Anhang 3 des ZuG 2012 zu
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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§ 6 VII i.V.m. § 8 II ZuG 2012, sowie für im Laufe der Handelsperiode 2008-2012 in Betrieb gehende Anlagen, § 9 ZuG 2012. § 6 VI ZuG 2012 enthält eine Härtefallklausel, die im Falle unverhältnismäßiger Belastung eine großzügigere Zuteilung ermöglicht473. Eine Besonderheit gilt für die in Anlagen der Eisen- und Stahlindustrie entstehenden Kuppelgase, deren energetische Verwertung immissionsschutzrechtlich geboten ist. Die Zuteilung für die hierbei anfallenden Emissionen erfolgt gem. § 11 I ZuG 2012 an die Kuppelgas erzeugenden Anlagen. Nach § 11 II ZuG 2012 erfolgt die Zuteilung regelmäßig auf Basis historischer Emissionen474. Bei den Kuppelgas verwertenden Anlagen475 hingegen bleiben die auf den Kuppelgasen beruhenden Emissionen für die Zuteilung außer Acht. Diese Regelung führt zu einem Auseinanderfallen von Zuteilung und Abgabepflicht476. Um daraus resultierende Ungerechtigkeiten zu vermeiden, erkennt § 11 VII ZuG 2012 dem Betreiber der Kuppelgas verwertenden Anlage einen Ausgleichsanspruch auf kostenlose Übertragung von für die Verwertung der Kuppelgase erforderlichen Berechtigungen gegen den Betreiber der kuppelgaserzeugenden Anlage zu477. Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Anlagen, die der Regelung für Energieanlagen unterliegen und solchen, die als industrielle Anlagen gelten, gibt es besonders im Bereich der sog. „industriellen Kraftwerke“. Je nach immissionsschutzrechtlicher Genehmigung können derartige Kraftwerke Nebeneinrichtung einer anderen Anlage oder selbständige Anlage sein. Als Nebenanlage sind sie gem. § 3 III 2 TEHG Bestandteil der Hauptanlage, so dass sich die Zuteilung nach § 6 ZuG 2012 richtet. Verfügen sie dagegen über eine eigenständige Genehmigung, werden sie wie jedes andere Kraftwerk auch als Anlage zur Energieumwandlung behandelt, so dass die Zuteilung nach § 7 ZuG 2012 erfolgt478. Da die Unterschiede bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vielfach eher lokalen Gewohnheiten und anderen Zufälligkeiten geschuldet sind, besteht hier die Gefahr sachlich unbefriedigender Zuteilungsresultate479. Unklar ist auch, auf welcher Rechtsgrundlage die Zuteilung beruht, wenn die Hauptanlage selbst nicht unter den Zertifikatehandel fällt, wegen des als Nebenanlage geführten industriellen Kraftwerks jedoch gem. § 2 I 2 TEHG i. V. m. Anhang 1 zum TEHG dennoch unter dieses Gesetz fällt480.
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entnehmen, die zugrunde zu legenden Betriebsstunden sowie die Berechnung des Standardauslastungsfaktors ergeben sich aus Anhang 4 ZuG 2012. Ist kein Emissionswert je Produkteinheit festgelegt, richtet sich dieser Wert nach der besten verfügbaren Technik, § 9 III ZuG 2012. Hierzu vgl. Kabinettsentwurf ZuG 2012, Begründung S. 45. § 11 IV, V ZuG 2012 enthält gesonderte Vorschriften für die Berechnung für Neuanlagen ab 2003. Das sind die Anlagen, die CO2 emittieren. Hierzu vgl. Kabinettsentwurf ZuG 2012, Begründung S. 51. Hierzu vgl. Kabinettsentwurf ZuG 2012, Begründung S. 51. Zu dieser Problematik vgl. Stefan Kobes, NVwZ 2007, 857 (863). Ebenso Stefan Kobes, NVwZ 2007, 857 (863). Zu dieser Konstellation auch Stefan Kobes, NVwZ 2007, 857 (863).
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
ee) Zuteilung an neuere Bestandsanlagen Die Zuteilung für Anlagen, die in den Jahren 2003 bis 2007 in Betrieb genommen wurden, erfolgt gem. § 8 ZuG 2012 anhand von Benchmarks, unabhängig davon, ob die Anlage der Energiewirtschaft oder der Industrie zuzurechnen ist. Die relevanten Faktoren für die Zuteilung sind die Anlagenkapazität, der Emissionswert je erzeugter Produkteinheit sowie ein spezifischer Standardauslastungsfaktor, § 8 I 1 ZuG 2012. Letzterer ersetzt die individuelle Produktionsprognose, die im Zusammenhang mit der ex post-Korrektur entfallen ist481. Geregelt ist seine Berechnung in Anhang 4 ZuG 2012. Der Emissionswert richtet sich primär nach Anhang 3 ZuG 2012. Zudem ermächtigen die §§ 9 II 2, 13 Ziff. 3 ZuG 2012 die Bundesregierung, weitere Emissionswerte in einer Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates festzusetzen. Soweit ein Emissionswert für das betreffende Produkt nicht geregelt ist, bestimmt er sich „nach dem Emissionswert, der bei Anwendung der besten verfügbaren Techniken zur Herstellung einer Produkteinheit in den nach Maßgabe von Anhang 2 vergleichbaren Anlagen erreichbar ist“, § 8 I 2 i. V. m. § 9 III 1 ZuG 2012. Werden mehrere Produkte hergestellt, „bestimmt sich der maßgebliche Emissionswert als Durchschnitt der Emissionswerte der Einzelprodukte entsprechend des Anteils der Einzelprodukte an der Gesamtproduktionsmenge“, § 9 III 2 ZuG 2012. Obwohl auf den ersten Blick nur eine einheitliche Zuteilungsvorschrift vorliegt, erfolgt auch hier eine sektorale Unterscheidung: Bei der Berechnung der Zuteilungsmenge nach § 8 I 3 ZuG 2012 i. V. m. Anhang 1 zum ZuG 2012 Formel 6 gilt für Anlagen zur Stromerzeugung ein Kürzungsfaktor nach § 20 ZuG 2012. Zudem kann für diese Anlagen eine anteilige Kürzung nach § 4 III ZuG 2012 relevant werden, sofern sie nicht in der ersten Handelsperiode eine Sonderzuteilung nach § 12 I ZuG 2007 (early action) erhalten haben. ff) Zuteilung an Neuanlagen Als Neuanlagen gelten Anlagen, die ab dem 1.1.2008 in Betrieb genommen werden. Die Zuteilung an sie erfolgt anhand von benchmarks aus der Reserve; maßgeblich für die Zuteilung sind auch hier die Faktoren Anlagenkapazität, produktbezogener Emissionswert und Standardauslastungsfaktor, § 9 I ZuG 2012. Auch hier gilt für Anlagen der Stromerzeugung der Kürzungsfaktor nach § 20 ZuG 2012. Einer anteiligen Kürzung nach § 4 III ZuG 2012 unterliegen die Anlagen darüber hinaus jedoch nicht. gg) Die Reserve Aus der Reserve sollen Neuanlagen ausgestattet, infolge juristischer Auseinandersetzung erforderliche Anpassungen der Zuteilung vorgenommen und unzumutbare Härten kompensiert werden. Zudem werden aus ihr administrative Kosten des Systems gedeckt, weswegen die gebührenbasierte Finanzierung des Zertifikatesystems entfallen kann482. Sie soll zunächst 25 Millionen483 Emissionszertifikate 481 482
Mehr dazu bei Stefan Kobes, NVwZ 2007, 857 (863). Zur Verwendung der Reserve s. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 35 f., § 5 III Kabinettsentwurf ZuG 2012
II. Umsetzung der Emissionshandels-Richtlinie in Deutschland
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enthalten und wird zusätzlich etwa durch nicht ausgegebene Zertifikate infolge Anlagenstilllegungen484 gespeist485. Werden über die zur Verfügung stehenden Zertifikate hinaus weitere Emissionsrechte benötigt, greift der bereits in der ersten Zuteilungsperiode entwickelte Mechanismus, und die erforderlichen Zertifikate werden auf dem Markt zugekauft. Der Ausgleich erfolgt in der darauf folgenden Handelsperiode486. hh) Sonderregelungen für early action- und Kleinanlagen Für early action-Anlagen nach § 12 I ZuG 2007, die in den Jahren 1994 bis 2002 nachweisbar ihre Emissionen reduziert haben und bei denen der Zeitraum von zwölf Jahren nach Abschluss der Modernisierung in die zweite Zuteilungsperiode hineinreicht, gilt nach § 6 VIII ZuG 2012 ein Erfüllungsfaktor von 1 auf Basis historischer Emissionen487. Auch auf Bestandsanlagen der Industrie, die in der zweiten Handelsperiode erstmals am Emissionshandel teilnehmen, ist die Regelung gem. § 6 X 2 ZuG 2012 anwendbar. Für Anlagen, die in der ersten Handelsperiode ohne besonderen Nachweis einer Emissionsminderung privilegiert wurden dagegen entfällt die early action-Regelung488. Auch Kleinanlagen, die nicht mehr als 25.000 Mio. t CO2 pro Jahr emittieren, erhalten, sofern sie vor 2003 in Betrieb genommen wurden, nach § 6 IX bzw. § 7 IV ZuG 2012 Berechtigungen auf der Grundlage ihrer historischen Emissionen ohne Erfüllungsfaktor zugeteilt. Um eine Benachteiligung von Anlagen zu vermeiden, die lediglich knapp über dieser Bemessungsgrenze liegen, werden für Anlagen mit einer höheren Emissionsmenge mindestens 25.000 Berechtigungen jährlich zugeteilt, § 6 IX 3 ZuG 2012. Für nach 2003 in Betrieb genommene Kleinanlagen gelten die §§ 6 IX und 7 IV ZuG 2012 dagegen nicht, da für sie im Rahmen der Zuteilung nach § 8 ZuG 2012 ohnehin kein Erfüllungsfaktor anwendbar ist489. ii) Kapazitätsveränderungen Die Begriffe „Kapazität“ und „Kapazitätserweiterung“ sind neuerdings in § 3 II Ziff. 5 und 6 ZuG 2012 geregelt. Nach diesen Begriffsbestimmungen ist „Kapazi-
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und Begründung, S. 43. Während eine § 23 ZuG 2007 entsprechende Vorschrift im Kabinettsentwurf nicht mehr enthalten ist, bleibt jedoch § 22 TEHG als Gebührentatbestand bestehen, so dass abzuwarten sein wird, welche Gebühren auch in Zukunft noch erhoben werden. § 5 I Kabinettsentwurf ZuG 2012; im Entwurf für einen revidierten NAP 2008-2012 sollten es noch 27 Mio. sein. Hierzu vgl. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 20082012 v. 13.02.2007, S. 36 f.; § 5 V Kabinettsentwurf ZuG 2012 und Begründung, S. 43. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 35; § 5 IV Kabinettsentwurf ZuG 2012. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 36. Zur Kritik an dieser Regelung s. o. S. 142. §§ 6 VIII, 7 IV ZuG 2012; Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 32. Hierzu Stefan Kobes, NVwZ 2007, 857 (865). Stefan Kobes, ibid., S. 866.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
tät“ „die tatsächlich und rechtlich maximal mögliche Produktionsmenge pro Jahr“ (§ 3 II Ziff. 5 ZuG 2012), während unter „Kapazitätserweiterung“ eine „Erhöhung der Kapazität aufgrund einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Änderung der Anlage“ (§ 3 II Ziff. 6 ZuG 2012) zu verstehen ist. Die Rechtsfolgen einer Kapazitätsveränderung sind bei den jeweiligen Zuteilungsregeln festgelegt und maßgeblich vom Zeitpunkt der Veränderung abhängig. So führt eine Kapazitätsausweitung oder –verringerung in den Jahren 2000 bis 2002 dazu, dass die Basisperiode erst mit dem auf die Kapazitätsveränderung folgenden Jahr beginnt, § 6 IV ZuG 2012490. Erfolgt eine Kapazitätserweiterung in den Jahren 2003 bis 2007, wird die Erweiterung wie eine zum Zeitpunkt der Veränderung in Betrieb genommene Anlage behandelt, §§ 6 VII, 8 II ZuG 2012. Für den ursprünglichen Anlagenteil richtet sich die Zuteilung weiterhin nach §§ 6 bis 8 ZuG 2012. Wird eine Anlage ab dem 1.1.2008 erweitert, richtet sich die Zuteilung für den neuen Anlagenteil nach § 9 ZuG, während die Zuteilung für den ursprünglichen Anlagenteil unverändert bleibt, § 9 V 2 ZuG. Der Erfüllungsfaktor nach § 6 IV ZuG 2012, die anteilige Kürzung nach § 8 II ZuG 2012 und der Veräußerungsfaktor nach § 8 II ZuG 2012 sind auf die Kapazitätserweiterung anwendbar. jj) KWK-Anlagen Ebenso wie in der ersten Handelsperiode gilt auch in der zweiten Handelsperiode für KWK-Anlagen ein sog. doppelter benchmark. Für Bestandsanlagen folgt das aus § 7 III ZuG 2012, für neuere Bestandsanlagen aus den Jahren 2003 bis 2007 aus § 8 I 4 ZuG 2012 und für Neuanlagen aus § 9 IV ZuG 2012. Die KWKSonderzuteilung aus § 14 I ZuG 2007 wurde nicht übernommen. Die anteilige Kürzung nach § 4 III ZuG 2012 ist auf KWK-Anlagen anwendbar, sofern es sich nicht um Neuanlagen handelt. kk) Härtefallregelung, Banking, projektbezogene Mechanismen Die Härtefallregelungen wurden gegenüber der ersten Zuteilungsperiode teils übernommen, teils ausgebaut. Für Bestandsanlagen aus der Industrie ist eine entsprechende Regelung in § 6 VI ZuG 2012 enthalten. § 7 V ZuG 2012 erklärt diese Vorschrift für auch auf Bestandsanlagen der Energiewirtschaft anwendbar. Diese Härtefallklauseln greifen ein, wenn die Zuteilungsregeln anderenfalls zu einer derartig deutlichen Unterausstattung mit Zertifikaten führten, dass die für den Zukauf erforderlichen finanziellen Aufwendungen die Kapitalbasis des Unternehmens gefährdeten491. Liegen diese Voraussetzungen vor, teilt die Behörde auf einen entsprechenden Antrag eine angemessene Menge zusätzlicher Zertifikate zu. Hinzu kommt eine großzügigere Härtefallregelung in § 12 ZuG 2012 für kleine und mittelständische Unternehmen, die für die Gesamtheit der von ihnen betriebenen Anlagen eine erhebliche Unterauslastung während der Periode 2000-2004
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Für bestehende Anlagen der Energiewirtschaft ist diese Vorschrift nach § 7 I 2 ZuG 2012 entsprechend anwendbar. Stefan Kobes, NVwZ 2007, 857 (866).
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nachweisen können492. Die Inanspruchnahme dieser Regelung ist auf ein Volumen von insgesamt maximal acht Mio. Zertifikaten in der gesamten Handelsperiode begrenzt493. Aus diesem Grund sind Anlagen von der Regelung ausgeschlossen, deren Kohlendioxid-Emissionen im Kalenderjahr 2005 mehr als eine Million Tonnen betrugen, es sei denn, der Umsatz des Unternehmens494 betrug im letzten Geschäftsjahr weniger als 250 Millionen €, § 12 II 1 ZuG 2012. Die Übertragung von Emissionszertifikaten aus der Periode 2008 bis 2012 in die folgende Handelsperiode soll zulässig sein495. Zur Erfüllung ihrer Minderungsverpflichtungen dürfen Anlagenbetreiber zudem bis zu 20 % ihrer Minderungsverpflichtungen durch projektbezogene Mechanismen (CDM und JI) erfüllen496. ll) Anlagenstilllegung Im Falle der Stilllegung von Anlagen werden die zugewiesenen Emissionsrechte gem. § 10 I ZuG 2012 widerrufen; die im Jahr der Betriebseinstellung erhaltenen, aber nicht mehr benötigten Zertifikate müssen zurückgegeben werden. § 10 V 1 ZuG 2012 stellt klar, dass bis zum 31.12.2007 stillgelegte Anlagen keine Zertifikate mehr erhalten. Diese Regelung gilt ebenso für faktisch stillgelegte Anlagen, die in den Jahren 2005 und 2006 infolge von Produktionsrückgängen durchschnittlich weniger als 25 % der durchschnittlichen jährlichen Emissionen der Jahre 2000 bis 2004 hatten, sofern der Betreiber nicht nachweisen kann, dass diese Rückgänge auf Modernisierungs- oder Reparaturmaßnahmen beruhten, § 10 V 2 ZuG 2012. Die Zuteilungsentscheidung wird nicht widerrufen, wenn der Betreiber beantragt, die Produktion der stillgelegten Anlage durch eine oder mehrere vergleichbare Anlagen zu übernehmen und eine Übernahme von mindestens 80 % der jahresdurchschnittlichen Produktion nachweisen kann, § 10 IV Kabinettsentwurf ZuG 2012. § 10 VI ZuG 2012 enthält eine Sonderregelung für Produktionsübernahmen, die in der letzten Handelsperiode erfolgt sind und bewirken, dass ein Rückgriff auf die Emissionen bzw. Produktionsmengen der Jahre 2000 bis 2005 dem Bedarf nicht gerecht wird497.
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Vgl. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 38. § 12 Kabinettsentwurf ZuG 2012 und Begründung S. 51. § 12 II 2 ZuG 2012. Wird dieser Wert überschritten, kommt es auch hier zu einer anteiligen Kürzung. Der für die Anwendung dieser Vorschrift relevante Unternehmensbegriff ist näher in § 12 III ZuG 2012 definiert. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 39. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 40. Vgl. auch den neu einzufügenden § 6 Abs. 1b TEHG i. V. m. § 18 Kabinettsentwurf ZuG 2012. Angesichts der restriktiveren Vorgaben der Kommission erscheint dies bedenklich, vgl. o. S. 98. Ursprünglich sollten es lediglich 12 % sein, und bereits diese Marge war als hoch empfunden worden, s. Markus Ehrmann, ZUR 2006, 410 (413). Zum ProMechG s.o. S. 138 f. Ausführlich Stefan Kobes, NVwZ 2007, 857 (864).
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
d) Fazit: Zuteilungsregeln für die zweite Handelsperiode Feststellbar ist, dass die Kürzung der zuzuteilenden Zertifikatkontingente wesentlich deutlicher ausfällt als noch in der ersten Handelsperiode. Dies war jedoch vorhersehbar, weil sich anders die Vorgaben des Kyoto-Protokolls nicht hätten umsetzen lassen. Dennoch hat sich das entschiedene Auftreten der Kommission gegenüber reduktionsunwilligen Staaten positiv ausgewirkt. Angesichts der empfindlichen Strompreiserhöhungen der letzten Handelsperiode, die die Energieunternehmen maßgeblich mit dem Zertifikatehandel begründet haben, lässt sich nunmehr ein deutlicher politischer Wille zu einer stärkeren Belastung der Energieversorger zugunsten der energieintensiven Industrie feststellen. Problematisch im Hinblick auf europarechtliche Vorgaben ist die großzügige Regelung zum Einsatz von Zertifikaten aus projektbezogenen Mechanismen. Mit besonderem Interesse wird die Veräußerung der Zertifikate beobachtet werden. Insbesondere gegen die Einführung eines Auktionsverfahrens hatten sich viele der vom Zertifikatehandel betroffenen Anlagenbetreiber zur Wehr gesetzt. Dass ein solches Verfahren nun zwar nicht ab 2008, wohl aber ab 2010 rechtlich verpflichtend wird, macht deutlich, dass die Entwicklung hin zur Vergabe der Zertifikate im Auktionsweg wohl kaum noch zu stoppen ist. Im Einzelnen bleibt abzuwarten, wie das Verfahren ausgestaltet wird.
III. Perspektiven für die Zukunft und Relevanz für das europäische Zertifikatehandelssystem 1. Klimapolitik nach Kyoto Die im Kyoto-Protokoll niedergelegte Reduktionsverpflichtung war für die EU mit 8 % noch relativ gering. Selbst diese verhältnismäßig niedrige Reduktionsquote einzuhalten machte den Mitgliedstaaten erhebliche Probleme und ließ sich letztlich nur durch die Einbeziehung von JI und CDM-Maßnahmen in den Zertifikatehandel verwirklichen. Die durch das Kyoto Protokoll geregelte erste Phase der Emissionsreduktion endet jedoch 2012; für die Zeit danach wird nicht nur auf europäischer498, sondern auch auf internationaler Ebene nach neuen, längerfristigen Perspektiven für den Klimaschutz gesucht; seit 2005 wird über eine Nachfolgeregelung verhandelt. Das internationale Klimaschutzregime basiert auf der Idee ständiger Weiterentwicklung; die Vertragsstaatenkonferenz überprüft gemäß Art. 4.2.d KRK in regelmäßigen Abständen, ob die bestehenden Verpflichtungen angemessen sind. Das KP ist als erster Schritt konzipiert, dem weitere Schritte zur Reduktion der Treibhausgasemissionen folgen müssen499.
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Hierzu Sven Bode, European Climate Policy: Burden Sharing after 2012 (2004), passim. Charlotte Kreuter-Kirchhof, DVBl 2005, 1552 (1559); Christoph Holtwisch, Wuppertal Bulletin 2006, 11 (13).
III. Perspektiven für die Zukunft
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Die laufenden Verhandlungen für eine Nachfolgeregelung erweisen sich jedoch als ausgesprochen problematisch, da die an sie gestellten Erwartungen äußerst disparat ausfallen500. Die Treibhausgasemissionen müssen weltweit reduziert und koordiniert werden, gleichzeitig haben mit den Entwicklungsländern die Nationen den geringsten Einfluss auf das Problem, die am meisten mit den Konsequenzen zu kämpfen haben, während die Probleme der Industriestaaten aller Voraussicht nach deutlich hinter denen der ersteren Ländergruppe zurückbleiben werden. Zahlreiche Studien weisen bereits jetzt darauf hin, dass die bisherigen Emissionsreduktionen nicht ausreichen werden, um eine globale Erwärmung um mehr als 2°C zu verhindern. Schätzungen gehen davon aus, dass dazu die Emissionen weltweit bis 2050 mindestens halbiert werden müssen501. Die EU-Regierungschefs sprachen sich im März 2005 für eine Minderung der Treibhausgasemissionen seitens der Industrieländer von mindestens 15-30 % gegenüber 1990 bis 2020 aus502; die EU-Umweltminister empfehlen Reduzierungen von 60-80 % bis 2050503. Selbst eine drastische Reduktion der Treibhausgasemissionen in den Industrieländern wird jedoch den Klimawandel nicht aufhalten können, wenn die Emissionen in den Entwicklungsländern deutlich ansteigen504. Nach 2020 ist damit zu rechnen, dass die Emissionen der Entwicklungsländer diejenigen der Industriestaaten über500
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Zum Verlauf der Verhandlungen im Rahmen der Montrealer COP 11-Vertragsstaatenkonferenz Christoph Holtwisch, Wuppertal Bulletin 2006, 11 (13). Zur COP 13 Konferenz in Bali Hermann Ott/Wolfgang Sterk/Rie Watanabe, Climate Policy 8 (2008), 91 ff. Zur Klimakonferenz im April 2008 in Bangkok s. Rettung in der Nachspielzeit, Spiegel online v. 05.04.2008; Klimaschutz: Japan und USA blockieren Verhandlungen, Zeit online v. 04.04.2008. Mitteilung der Kommission, Begrenzung des globalen Klimawandels auf 2 Grad Celsius, KOM (2007) 2, S. 3; vgl. Erklärung des Bundesumweltministers zum Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls vom 16.2.2005, Christoph Bail/Simon Marr/Sebastian Oberthür, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, § 54 Rn 89; 2647. Tagung des Rates Umwelt in Brüssel, 10. März 2005, Pressemeldung 6693/05 S. 13. KfW Bankengruppe, MakroScope Nr. 18, August 2005, S. 8; Rat der Europäischen Union, Schlussfolgerungen des Vorsitzes zur Tagung des Europäischen Rates (Brüssel) vom 22./23. März 2005, 7619/1/05, S. 16 Ziff. 46. 2647. Tagung des Rates Umwelt in Brüssel, 10. März 2005, Pressemeldung 6693/05 S. 13; es handelt sich bei der Empfehlung der Umweltminister um einen Beschluss zur Vorbereitung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates, der sich aber in diesem Punkt nicht durchgesetzt hat. Dennoch findet sich diese Forderung noch immer in Stellungnahmen der Kommission, vgl. etwa Mitteilung der Kommission, Begrenzung des globalen Klimawandels auf 2 Grad Celsius, KOM (2007) 2, S. 3. Diese Forderung unterstützen auch Claudia Kemfert/Barbara Praetorius, Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 74 (2005), 133 (134). Auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen hält eine Minderung um 80 % bis 2050 für erforderlich, SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 5. Studien verweisen jedoch darauf, dass die bisher veröffentlichten Statistiken und Analysen es unwahrscheinlich erscheinen lassen, dass derartig deutliche Reduktionen in Zukunft erreicht werden, s. Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (2006), S. 25. Charlotte Kreuter-Kirchhof, DVBl 2005, 1552 (1561); ebenso bereits Dieter Cansier, Bekämpfung des Treibhauseffektes aus ökonomischer Sicht (1991), S. 28.
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steigen, während der Anteil der EU-25-Emissionen global auf unter 10 % sinken dürfte505. Es wird daher darauf ankommen, das Recht der Entwicklungsländer auf eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung mit der Notwendigkeit einer Begrenzung der Emissionen in Einklang zu bringen506. In dieser Situation schwächt die Blockade des Kyoto-Protokolls durch die USA die Akzeptanz der notwendigen Reduktionen seitens der Wirtschaft und der Bevölkerung allgemein. Erschwerend kommt hinzu, dass Entwicklungs- und Schwellenländer wenig Bereitschaft erkennen lassen, ihrerseits Verantwortung zu übernehmen und Treibhausgasemissionen zu begrenzen, weil sie hierdurch ihr Wirtschaftswachstum gefährdet sehen und sich auf den Standpunkt stellen, die Industrieländer müssten das primär von ihnen verursachte Problem auch selbst lösen. Bei den erneuten Verhandlungen geht es daher einerseits darum, die Vereinigten Staaten507 einzubeziehen, aber auch die Schwellenländer wie China und Indien508. Ziel muss sein, ein abgestuftes System zu entwickeln, das Entwicklungs- und Schwellenländer einerseits in die Pflicht nimmt, andererseits aber auch nicht überfordert509. Bei der Entwicklung von Schutzkonzepten ist zu bedenken, dass das Bewusstsein für die Bedeutung des Umweltschutzes in Ländern, in denen große Bevölkerungsteile am Existenzminimum leben müssen, naturgemäß weniger ausgeprägt ist. Erforderliche Ressourcen 505
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Kommission, Begrenzung des globalen Klimawandels auf 2 Grad Celsius, KOM (2007) 2, S. 2; dies., Strategie für eine erfolgreiche Bekämpfung der globalen Klimaänderung, KOM (2005) 35 endg., S. 4. Charlotte Kreuter-Kirchhof, DVBl 2005, 1552 (1561); Martin Burgi/Knut Werner Lange, ZHR 170 (2006), 539 (542). Zu den unterschiedlichen Ansätzen, die Emissionskontingente für die einzelnen Länder festzulegen s. aus ökonomischer Sicht Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 366 ff.; Odile Blanchard et al., Equity and efficiency in climate change negotiations: a scenario for world emission entitlements by 2030 (Juli 2001); Christoph Böhringer/Carsten Helm, On the Fair Division of Greenhouse Gas Abatement Cost (April 2007). Die USA allein sind für ¼ der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, Beck, www.dw-world.de v. 16.02.2005. Obwohl die offizielle Linie der amerikanischen Regierung noch sehr zurückhaltend gegenüber internationalen Klimaschutzbestrebungen ist, gibt es auf Ebene der Bundesstaaten durchaus Bestrebungen, diese Haltung aufzugeben, dazu etwa Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Der Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 128 ff. Schließlich haben beispielsweise die Inuit und verschiedene Umweltorganisationen Petitionsverfahren eingereicht, hierzu etwa Dehmer, Tagesspiegel vom 12.12.2005. Kürzlich hatte eine Klage mehrerer Bundesstaaten, dreier Großstädte und weiterer Unterstützer vor dem Supreme Court Erfolg, in der es darum ging, ob der Bund nach dem Luftreinhaltegesetz verpflichtet ist, den Ausstoß von CO2 einzuschränken, dazu Brockhoff, Die Zeit v. 07.12.2006, S. 43. Das Urteil wurde als Durchbruch für den Klimaschutz gefeiert, vgl. US-Gerichtshof rügt Bushs Klimapolitik, www.dw-world.de v. 03.04.2007; Pitzke, Spiegel online v. 03.04.2007. Zur Vorbereitung der Verhandlungen seitens der EU s. Kommission, Strategie, KOM (2005) 35 endg.; Schlussfolgerungen des Vorsitzes zur Tagung des Europäischen Rates (Brüssel) vom 22./23. März 2005, 7619/1/05, S. 16 Ziff. 46. Hierzu Commission Staff Working Paper, Winning the battle, S. 43 ff.; für die Entwicklungszusammenarbeit s. auch Schlussfolgerungen des Rates zu Klimaänderungen und Entwicklungszusammenarbeit v. 24.11.2004, Rats-Dokument 15164/04.
III. Perspektiven für die Zukunft
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sind nicht vorhanden bzw. werden anderweitig benötigt510. Diese Länder werden bei der Entwicklung und Durchführung von Klimaschutzmaßnahmen auf die technische wie finanzielle Unterstützung der Industrieländer angewiesen sein511. Dabei wird sich innerhalb dieser Gruppe eine Unterscheidung zwischen Ländern mit hohem Pro-Kopf-Ausstoß an Treibhausgasen und relativ weit entwickelter Wirtschaft und weniger weit entwickelten Ländern nicht vermeiden lassen512. Besondere Bedeutung dürfte auf dem Weg zu einer Einigung dem sog. Contraction and Convergence-Ansatz zukommen, der eine langfristige weltweite Angleichung der pro Kopf-Emissionen anstrebt513. Aus heutiger Sicht erscheint es sehr wahrscheinlich, dass marktwirtschaftliche Instrumente wie der Emissionshandel in diesem System eine zentrale Rolle spielen werden514. Studien haben gezeigt, dass die erforderlichen Emissionsreduktionen voraussichtlich nur um den Preis der verstärkten Nutzung von Gas auf Kosten von Öl und Kohle erfolgen können515. Prognosen gehen davon aus, dass die Energiewirtschaft sich von einer vorwiegend auf fossilen Energieträgern beruhenden Wasserstoff-Wirtschaft auf eine Strom-Wasserstoff-Wirtschaft, vorwiegend auf Basis erneuerbarer Energien, hin entwickelt516. Übergangsweise wird es voraussichtlich nötig sein, Kohlenstoff zu sequestrieren und in geologischen Formationen einzulagern. Langfristig würde dadurch bewirkt, was nach heutigen Stellungnahmen517 strikt abgelehnt wird: Das Emissionshandelssystem würde über die Zusammensetzung des Energiemixes maßgeblich (mit-)bestimmen. Dies deutlich zu benennen ist jedoch gegenwärtig politisch inopportun.
2. Weitere „Europäisierung“ des Emissionshandels Parallel zur völkerrechtlichen Entwicklung muss auch der europäische Emissionshandel weiterentwickelt werden. Will die EU in den internationalen Verhandlun510 511
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Dieter Cansier, Bekämpfung des Treibhauseffektes (1991), S. 9 f. Charlotte Kreuter-Kirchhof, DVBl 2005, 1552 (1561); Dieter Cansier, Bekämpfung des Treibhauseffektes (1991), S. 10. Hermann E. Ott, in: Petermann (Hrsg.), Sichere Energie im 21. Jahrhundert (2006), S. 123 (127 f.). Hierzu z.B. Stefan Rahmstorf/Hans Joachim Schellnhuber, Der Klimawandel, 3. Aufl. 2006, S. 118 ff. In diese Richtung auch Axel Michaelowa, in: Constanza et al., Einführung in die ökologische Ökonomik (2001), 307 (308). Zu verschiedenen denkbaren Verteilungsschlüsseln Henning Rentz, Kompensationen (1995), S. 214 ff. Zur Geltung des völkerrechtlichen principle of equitable utilization of shared resources s. Michael Kloepfer, Umweltgerechtigkeit (2006), Rz 60. So der Beschluss des Umweltrates vom 20.02.2007, s. Pressemitteilung des BMU Nr. 050/07 v. 20.02.2007; Kommission, Begrenzung des globalen Klimawandels auf 2 Grad Celsius, KOM (2007) 2, S. 3. WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S.34. WBGU, ibid., S. 50. Z. B. Martin Burgi/Knut Werner Lange, ZHR 170 (2006), 539 (548); Martin Burgi, NVwZ 2004, 1162 (1164).
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gen in ihrer Rolle als Vorreiter im Klimaschutz glaubwürdig bleiben, muss sich dies auch bei den internen Reduktionszielen und ihrer Umsetzung widerspiegeln. Deutschland setzt sich für eine EU-weite Emissionsreduktion bis 2020 um 30 % ein und kündigt für diesen Fall an, die eigenen Emissionen um 40 % zu senken, was Einsparungen von gut 200 Millionen Tonnen Treibhausgasen bedeuten würde518. Auch die Kommission und das Europäische Parlament streben eine Senkung der Emissionen der Industrieländer um 30 % gegenüber 1990 bis zum Jahr 2020 im Rahmen einer internationalen Vereinbarung an519. Unabhängig von einem derartigen Abkommen will sich die Europäische Union bereits jetzt fest verpflichten, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 20 %, im Rahmen eines internationalen Abkommens um 30 % zu mindern520. Die Kommission hat am 23.01.2008 ein umfangreiches Maßnahmenpaket mit Vorschlägen zur Klimapolitik erlassen521. In diesem Zuge hat sie u. a. Änderungen an der EH-RL vorgeschlagen522. Die geänderte Richtlinie soll mit Beginn der dritten Handelsperiode 2013 anwendbar sein. Von besonderer Bedeutung sind dabei Überlegungen, die Zuteilung der Zertifikate europaweit zu harmonisieren. Wenn Europa als einheitlicher Wirtschaftsraum weiter gestärkt werden soll und die europäischen Unternehmen unter einheitlichen Wettbewerbsverhältnissen agieren sollen, muss über kurz oder lang das nationale Vorrecht der Zertifikateverteilung fallen523. Einheitliche Regelungen auf europäischer Ebene hätten das Potential, die Beihilfenproblematik zu entschärfen, den Zugang neuer Marktteilnehmer einheitlich zu regeln und gleichzeitig ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit zu gewährleisten524. Die Einführung EU-weiter Benchmarks würde die Spielräume für potentielle Wettbewerbsverzerrungen einschränken und eine bessere Planungssicherheit für die betroffenen Unternehmen gewähr-
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Erklärung des Bundesumweltministers zum Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls vom 16.02.2005; Umwelt 2/2004, 82 (86). Sven Bode, European Climate Policy: Burden Sharing after 2012 (2004), S. 11 Fn. 11 weist jedoch darauf hin, dass Deutschland bereits nach dem Burden Sharing Abkommen eine Reduktionsverpflichtung von 21 % übernommen hat und damit seinem Reduktionsziel von 40 % bereits erheblich näher ist als andere EU-Staaten, die wesentlich geringere Reduktionsverpflichtungen zugesagt haben. Kommission, Begrenzung des globalen Klimawandels auf 2 Grad Celsius, KOM (2007) 2, S. 2. Kommission, ibid., S. 2. Hierzu s. http://ec.europa.eu/environment/climat/climate_action.htm. Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlament und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung und Ausweitung des EU-Systems für den Handel mit Treibhausgaszertifikaten, KOM (2008) 16 endg. S. dazu auch das zugehörige Impact Assessment, SEC (2008) 52. So auch Stefan Kobes, NVwZ 2004, 1153 (1161); ähnlich auch die Überlegungen in anderen Mitgliedstaaten, vgl. Schwedische Energiebehörde (Stem), Benchmarks as a basis for allocation (2005), S. 41. Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 447.
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leisten525. Hierbei ist letztlich unerheblich, ob die “Gleichschaltung” der Verteilungsmodi auf rechtlich unverbindlichen Absprachen der Mitgliedstaaten erfolgt oder durch EG-Rechtsakte. Solange die Mitgliedstaaten selbst die Mengenbegrenzung festlegen und die Zertifikate zuteilen, besteht ein Anreiz, die eigene Industrie nach Möglichkeit von den Belastungen frei zu stellen526. Aktuelle Pressemeldungen deuten darauf hin, dass sich eine derartige weitere Europäisierung des Zertifikatehandels nicht kurzfristig und nicht auf einmal durchsetzen lassen wird527. Die Kommission plant offensichtlich, an einigen besonders divergierenden Punkten mit der Harmonisierung zu beginnen. So soll auf europäischer Ebene ein Konzept für die Einbeziehung kleinerer Verbrennungsanlagen in das Handelssystem erarbeitet werden528. Weitere Regelungen sollen die Anwendung der EH-RL bei der Auswahl der dem Zertifikatehandel unterliegenden Anlagen sowie der Zuteilung der Zertifikate koordinieren529. Auch die Regeln für Anlagen, die in der laufenden Handelsperiode ihren Betrieb aufnehmen oder einstellen, sind in den Fokus der Kommission geraten530. Schließlich soll auch die Einbeziehung von Zertifikaten aus CDM- oder JI-Projekten in Drittstaaten vereinheitlicht werden531. Konsequenzen hätte eine einheitliche europäische Regelung für die grundrechtlichen Vorgaben insofern, als der doppelte Maßstab der europäischen und der nationalen Grundrechte532 wegfiele. Erlassen Organe der Europäischen Union die Zuteilungsregeln, sind sie nur noch an die europäischen Grundrechte gebunden, und, noch bedeutsamer, die Zuteilungsregelungen sind der nationalen Jurisdiktion entzogen und werden nur noch von den europäischen Gerichten überprüft. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Mitgliedstaaten ihre Zuteilungsregeln freiwil525
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Marcus Stronzik/Martin Cames, Endbericht (2002), S. 4. Für eine stärkere Harmonisierung auf europäischer Ebene jetzt auch DIHK Positionspapier vom 20.03.2006, S. 2; Karoline Rogge et al., Increasing the Ambition (2006), S. 28; Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 24. Gerhard Voss, Klimaschutz und Emissionshandel (2003), S. 48. Dennoch hat sich die Erkenntnis, dass ein unverzerrter Wettbewerb nur durch europarechtlich einheitliche Regelung zu erreichen ist, inzwischen wohl auch in der Politik durchgesetzt. So gibt es neuerdings Pressemeldungen über ein Eckpunktepapier von CDU/CSU, in dem eine weitgehende Harmonisierung der Zuteilungskriterien auf europäischer Ebene in Form von Benchmarks gefordert wird, Blatt: Union will Airlines in Emissionshandel einbeziehen, Reuters v. 15.12.2006. Schließlich ist die Forderung auch in den Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 20082012 v. 13.02.2007, S. 24 f., eingegangen. Kommission, Errichtung eines globalen Kohlenstoffmarkts, KOM (2006) 676, S. 8, 12. Kommission, ibid., S. 9. Kommission kündigt Ausweitung des Emissionshandels an, manager-magazin.de vom 13.11.2006. Kommission, Errichtung eines globalen Kohlenstoffmarkts, KOM (2006) 676, S. 9, 15 f. Dazu Kommission kündigt Ausweitung des Emissionshandels an, managermagazin.de vom 13.11.2006. Kommission kündigt Ausweitung des Emissionshandels an, manager-magazin.de vom 13.11.2006. Hierzu s. u. S. 200 f. und S. 265 ff.
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lig und gewissermaßen inoffiziell auf der Basis von Absprachen koordinierten. Angesichts der erheblichen nationalen Interessen, die in die Allokationsentscheidungen eingehen, ist ein derartiges Vorgehen eher unwahrscheinlich. In jedem Fall werden die Probleme, das vorhandene CO2-Budget aufzuteilen, in Zukunft eher zu- als abnehmen. Selbst wenn künftige Vereinbarungen den Forderungen der Klimaschützer und Naturwissenschaftler nicht gerecht werden sollten, ist dennoch damit zu rechnen, dass sie weitere einschneidende Reduktionen vorsehen werden533. Mit zunehmender Knappheit der Zertifikate nimmt auch die Konkurrenz um die Zertifikate zu. Angesichts der existentiellen Auswirkungen auf die Industrie und die Energiewirtschaft sind die Rahmenbedingungen der Allokation zu erörtern, wie sie sich aus den europäischen und den deutschen Grundrechten ergeben. Ziel ist dabei die Entwicklung allgemeiner grundrechtlicher Maßstäbe, die dazu dienen können, einerseits gesamtgesellschaftlich unvermeidbare Strukturveränderungen und andererseits berechtigte Anliegen der betroffenen Unternehmen langfristig in Ausgleich zu bringen.
3. Ausweitung des europäischen Zertifikatehandels auf weitere Schadstoffe Wie bereits dargelegt wurde534, ist das europäische Handelssystem darauf ausgerichtet, sich baldmöglichst auch auf andere Treibhausgase zu erstrecken. Wie wichtig dies auch unter ökonomischen Gesichtspunkten ist, zeigen Studien, wonach die Kosten zur Erreichung desselben Ziels (Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre) für weniger als ein Drittel der Kosten erreichbar ist, sofern man nicht nur Kohlendioxid reduziert, sondern auch die anderen Treibhausgase535. Problematisch hierbei ist die methodische Ermittlung der anderen Treibhausgase: wo diese Gase gefasst emittiert werden, sind Messungen erforderlich; bei diffusen Emissionsquellen sind Schätzungen erforderlich, für die europaweit angewandte Konventionen bestimmt werden müssen536. Auch im Bereich der relevanten Treibhausgase zeichnet sich eine schrittweise Weiterentwicklung des bestehenden Systems ab. So sollen ab dem Jahr 2013 auch für den Ausstoß von CO2 und Distickstoffmonoxid (N2O) aus der Ammoniakproduktion und für Methan aus dem Kohlebergbau sowie für CO2 aus der petroche-
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Zum aktuellen Stand der Bemühungen in der EU s. Kommission, Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen mit Blick auf die Erfüllung der Verpflichtungen der Gemeinschaft zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020, KOM (2008) 17 endg. S. S. 77 f. Dazu Commission Staff Working Paper, Winning the battle (2005), S. 25. Bericht über die Beratungen der Arbeitsgruppe „Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes“, Ergebnisse der Phase I (Januar bis Dezember 2001) (Mai 2002), S. 13.
III. Perspektiven für die Zukunft
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mischen Produktion und CO2 und PFC aus der Aluminiumerzeugung Emissionsrechte erforderlich werden537.
4. Ausweitung des Emissionshandels auf andere Sektoren? Für das europäische Emissionshandelssystem relevant sind Überlegungen, weitere Sektoren aufzunehmen, insbesondere den See- und Luftverkehr538. Bisher erfasst der Emissionshandel etwa 45 % aller CO2-Emissionen europaweit539, wobei sowohl der Verkehrs- als auch der Haushaltssektor ausgenommen sind540. Auch im Bereich der Industrieanlagen wurden einige Bereiche noch ausgespart. Hauptgrund, diese Sektoren zunächst nicht einzubeziehen, ist die Befürchtung prohibitiv hoher Transaktionskosten541. Zwar emittiert die Gesamtheit der Verkehrsteilnehmer – ebenso die Gesamtheit der privaten Haushalte und Firmen, die dem Emissionshandel nicht unterfallen – große Mengen CO2. Auf den einzelnen Haushalt, Betrieb bzw. Verkehrsteilnehmer entfallen aber vergleichsweise geringe Mengen. Hier geht es darum, eine Lösung zu finden, die eine Teilnahme dieser Sektoren am Emissionshandel ermöglicht, ohne wirtschaftlich ruinöse Auswirkungen auf den einzelnen oder das Gesamtsystem zu haben542. Anders als bei den Großanlagen, bei denen mit dem Zertifikatehandelssystem ein sog. downstream-Ansatz umgesetzt wurde, wäre für die Sektoren Individualverkehr und Haushalte unter dem Gesichtspunkt der Transaktionskosten wohl allenfalls ein sog. upstream-Ansatz praktikabel, der die Energieanbieter stellvertretend für die Endverbraucher verpflichtet543. Dies würde letztlich bedeuten, dass energetisch verwendete Brennstoffe einer Zertifikatspflicht unterliegen müssten und setzt eine Unterscheidung zwischen energetisch und auf andere Weise verwendeten Brennstoffen voraus. Ob sich ein derartiger sinnvoller Mechanismus tatsächlich finden lässt, ist durchaus nicht sicher. In jedem Fall würde dieser Weg zu einer weiteren Verteuerung von Brennstoffen führen.
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Kommission, Errichtung eines globalen Kohlenstoffmarkts, KOM (2006) 676, S. 13. Kommission kündigt Ausweitung des Emissionshandels an, manager-magazin.de vom 13.11.2006. Zu Entwicklungen auf EU-Ebene siehe Pressemeldung IP/05/155 vom 09.02.2005. Neben See- und Luftverkehr schafft auch die Forstwirtschaft, d.h. die Abholzung der Wälder Probleme; nahezu 20% der globalen Treibhausgasemissionen resultieren derzeit infolge von Änderungen der Landnutzung, s. KOM (2005) 35 endg., S. 10. Kommission, Begrenzung des globalen Klimawandels auf 2 Grad Celsius, KOM (2007) 2, S. 6. Indirekt werden jedoch elektrifizierte Verkehrsmittel und Haushalte und Gewerbe über erhöhte Strompreise erfasst. Gerhard Voss, Klimaschutz und Emissionshandel (2003), S. 48. Dies grundsätzlich befürwortend auch AGE, Bericht über die Beratungen, Ergebnisse der Phase I, Januar – Dezember 2001, Mai 2002, S. 7. Dieter Ewringmann et al., Emissionshandel im Verkehr (2005) passim; AGE, ibid., S. 8.
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a) Verkehrssektor aa) Die Emissionen im Verkehrssektor Besonders problematisch bei der Durchsetzung von Emissionsreduktionen im Verkehr ist dessen Funktion der Befriedigung individueller und gesellschaftlicher Mobilitätsbedürfnisse544. Die gesellschaftliche Bedeutung, die selbstbestimmter Mobilität zugemessen wird, führt zu sehr geringer Akzeptanz von Mobilitätsbeschränkungen durch Mengenrestriktionen bzw. Preissteigerungen545. Da Maßnahmen, die auf eine Reduktion der Verkehrsemissionen abzielen, somit sehr unpopulär sind, musste der Verkehrssektor bisher keinen spürbaren Beitrag zur Erreichung der Kyoto-Ziele leisten546. Auf die Dauer führt dies zu einem Missgewicht zwischen den CO2-emittierenden Sektoren. (1) Allgemein Die Kommission strebt an, den Verkehrssektor baldmöglichst einzubeziehen. Dies ist umso wichtiger, als man befürchtet, dass die in der Energiewirtschaft, der Industrie, der Land- und Abfallwirtschaft erzielten Fortschritte durch die steigenden Emissionen im Verkehrssektor547 zunichte gemacht werden548. Die verkehrsbedingten Emissionen lagen 2002 um fast 22 % höher als 1990549; in Deutschland ist der Verkehr inzwischen noch vor der Industrie und den privaten Haushalten hinter der Energiewirtschaft der zweitwichtigste Emittent550. Im gleichen Zeitraum sind die gesamten Kohlendioxidemissionen aller Sektoren um 15,4 % zurückgegangen551. Die Zunahme ist auf den Güterverkehr zurückzuführen, während aufgrund geminderter spezifischer Pkw-Emissionen im Personenverkehr ein geringfügiger Emissionsrückgang feststellbar ist552. Wird gegen die steigenden Verkehrsemissionen nichts unternommen, ist bereits für 2010 eine Zunahme gegenüber 1990 von etwa 34 % zu erwarten553. Hauptprobleme sind europaweit der LKW-
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Martin Junkernheinrich, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 209. Martin Junkernheinrich, ibid., S. 211; Wuppertal Institut (Hrsg.), Klimawirksame Emissionen des PKW-Verkehrs (2006), S. 78. Umweltbundesamt (Hrsg.), Emissionshandel im Verkehr (2005), S. 14. Gemeint sind hier die Emissionen, die bei der Verbrennung von Treibstoffen entstehen. Emissionen, die bei der Stromerzeugung für den Betrieb elektrischer Verkehrsmittel entstehen, werden bereits vom europäischen Emissionshandelssystem erfasst. Pressemeldung der Europäischen Kommission IP/04/1522 v. 21.12.2004; Gerold Kier/ Christoph Bals, Der Handel mit Treibhausgasreduktionen in der EU (2003), S. 17. Pressemeldung der Europäischen Kommission IP/04/1522 v. 21.12.2004; HansJoachim Ziesing, DIW-Wochenbericht 39/03. Hans-Joachim Ziesing, DIW-Wochenbericht 39/03. Zwischen 1990 und 2004 haben hier die verkehrsbedingten CO2-Emissionen um 9 Mio. t jährlich zugenommen, Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007 S. 22. Umweltbundesamt (Hrsg.), Emissionshandel im Verkehr (2005), S. 21. Umweltbundesamt (Hrsg.), ibid., S. 23 f. Bericht der Kommission, KOM (2003), 735 endg., S. 15.
III. Perspektiven für die Zukunft
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Verkehr einerseits, der Flugverkehr andererseits. Auch die Schifffahrt554 ist bisher nicht nur vom Emissionshandel, sondern auch von steuerlichen Instrumenten freigestellt. (2) Die besondere Situation des Luftverkehrs (a) Rahmenbedingungen des internationalen Rechts Während das Kyoto Protokoll nach Art. 2 Ia vii auch Emissionen erfasst, die der nationale Luftverkehr verursacht, konnte eine Einigung über die Reduktion von Emissionen aus dem internationalen Flugverkehr, sog. bunker fuels, bisher nicht erreicht werden555. In der Entschließung 35-5 der ICAO-Versammlung wurde jedoch beschlossen, unverbindliche Leitlinien für ein sektorübergreifendes Emissionshandelssystem zu erarbeiten. Dabei sollte einerseits ein freiwilliges System interessierter Vertragsstaaten in Betracht gezogen werden, andererseits sollten Leitlinien erarbeitet werden, anhand derer Staaten Emissionen aus der internationalen Luftfahrt in ihre Emissionshandelssysteme einbeziehen können556. Der Ausschuss für Umweltschutz in der Luftfahrt der Internationalen Zivilluftfahrtsorganisation ICAO hat auf seiner sechsten Sitzung im Jahr 2004 jedoch beschlossen, dass ein luftfahrtspezifisches Emissionshandelssystem unter der Schirmherrschaft der ICAO nicht weiter in Betracht gezogen werden solle557. Dennoch forderte die Entschließung der ICAO Versammlung ihre Mitgliedstaaten gleichzeitig auf, nicht unilateral tätig zu werden, bevor auf der turnusmäßigen Sitzung der Versammlung im September 2007 eine weitere Aufarbeitung der Problematik erfolgt ist558. Eine Einigung konnte jedoch auch in diesem Rahmen nicht erzielt werden; in die Resolution wurde eine weiche Formulierung aufgenommen, wonach eine Mehrheit der Delegierten der Auffassung sei, dass Emissionshandelssysteme nur im gegenseitigen Einverständnis auf Fluglinien von Drittstaaten erstreckt werden sollten559. Die 554
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Der Schiffsverkehr verursacht ca. 7 % der CO2-Emissionen des Verkehrssektors und ca. 2 % der globalen CO2-Emissionen, Nils Meyer-Ohlendorf/Michael Mehling, Rechtliche Ausgestaltung von Nutzungsentgelten für globale Umweltgüter (2006), S. 2. Christoph Sieberg, NVwZ 2006, 141; Kommission, Zusammenfassung der Folgenabschätzung, SEK (2006) 1685/2, Ziff. 1. Art. 2.2 des Kyoto-Protokolls enthält den Auftrag an die Industrieländer, über die internationale zivile Luftfahrtorganisation ICAO die Begrenzung oder Reduktion von Emissionen des internationalen Flugverkehrs zu verfolgen, dazu auch Dietrich Brockhagen, 10 Jahre heiße Luft: Wo stehen wir beim Klimaschutz im Flugverkehr? (2004), S. 8; Nils Meyer-Ohlendorf/Michael Mehling, Rechtliche Ausgestaltung von Nutzungsentgelten (2006), S. 221. Appendix I lit. c der Resolution A35-5 der ICAO Versammlung. Hierzu Kommission, RL-Vorschlag SEC (2006) 1684, Begründung S. 3. Appendix I lit. b Ziff. 4 der Resolution A35-5 der ICAO Versammlung. Zu dieser Resolution auch Nils Meyer-Ohlendorf/Michael Mehling, Rechtliche Ausgestaltung von Nutzungsentgelten (2006), S. 233 ff. „The Assembly agreed that market-based options are valuable tools for addressing aircraft emissions. A majority of the delegations felt, however, that States should not apply emissions trading systems to the airlines of other States except pursuant to mutual agreement.”, s. ICAO News Release, PIO 10/07 v. 28.09.2007. Vgl. hierzu Louisa Porter/David Ries, ASIL RIO v. 02.04.2008.
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Europäische Union sieht sich durch diesen Beschluss jedoch rechtlich nicht gebunden560 und hat dennoch beschlossen, sämtliche Flüge mit Start- oder Landeort auf dem Gebiet der Europäischen Union ab 2012 in den europäischen Emissionshandel einzubeziehen561. (b) Von Europa ausgehende Emissionen und ihre Umweltauswirkungen Die Europäische Gemeinschaft ist für ca. die Hälfte der CO2-Emissionen aus der internationalen Luftfahrt verantwortlich und damit einer der Hauptakteure im globalen Flugverkehr562. Zwar trägt der Flugverkehr bisher mit ca. 3,5 % nur relativ wenig zu der Gesamtmenge klimaschädlicher Treibhausgase in der EU bei563. Zwischen 1990 und 2000 sind die Emissionen aus der internationalen Luftfahrt jedoch bereits um 40 Prozent gestiegen564, die Treibhausgasemissionen der EU aus dem internationalen Flugverkehr zwischen 1990 und 2004 sogar um 87 %565. Für den Flugverkehr werden bis 2021 Wachstumsraten von jährlich knapp 5 % für den Passagierverkehr und 6,4 % für den Frachtverkehr prognostiziert566. Bei Kurzflügen bis 500 Kilometer sind die CO2-Emissionen eines Flugzeuges mit ca. 0,48 Kilogramm pro Person und Kilometer um 60 Prozent höher als bei einem PKW und siebenmal so hoch wie bei einem ICE567. Verbesserungen der Leistungsfähigkeit und des Wirkungsgrades von Antriebssystemen allein können diese Entwicklung nicht auffangen oder gar umkehren, weswegen zusätzliche Maßnahmen zum Schutz der Atmosphäre diskutiert werden568. Die Kohlendioxidemissionen der Flugzeuge sind jedoch nicht das einzige Problem, vielmehr werden auch Stickoxide, Schwefeloxide und Ruß direkt in die obere
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Zu diesem Ergebnis gelangt auch das Rechtsgutachten v. Eckard Pache, Rechtliche Auswirkungen möglicher Verhandlungsergebnisse der Versammlung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) vom 18. bis 28. September 2007 zur Einbeziehung von Nicht-EU-Fluggesellschaften in ein europäisches Emissionshandelssystem v. 12.10.2007. Vgl. zu den rechtlichen und diplomatischen Gegebenheiten auch Vorholz, Die Zeit v. 11.10.2007, S. 37. Hierzu etwa Luftfahrt und Emissionshandel, EurActiv.com v. 10.07.2008; zum Konflikt mit der amtierenden US-Regierung s. Hütten, faz.net v. 02.07.2008. Kommission, RL-Vorschlag SEC (2006) 1684, Begründung S. 9; Kommission, Verringerung der Klimaauswirkungen des Luftverkehrs, KOM (2005) 459, S. 5. Pressemeldung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Nr. 278/05 vom 17.10.2005; Kommission, Zusammenfassung der Folgenabschätzung, SEK (2006) 1685/2, Ziff. 2; Nils Meyer-Ohlendorf/Michael Mehling, Rechtliche Ausgestaltung von Nutzungsentgelten (2006), S. 2. Umwelt 2/2004, 82 (85). Kommission, Zusammenfassung der Folgenabschätzung, SEK (2006) 1685/2, Ziff. 2; RL-Vorschlag SEC (2006) 1684, Begründung S. 2. Roth, SZ v. 16.02.2005, S. 2. Flugverkehr wird mit 1 Milliarde Euro indirekt subventioniert, Öko-News v. 10.03.2006. Nils Meyer-Ohlendorf/Michael Mehling, Rechtliche Ausgestaltung von Nutzungsentgelten für globale Umweltgüter (2006), S. 2.
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Troposphäre und die niedrigere Stratosphäre ausgestoßen569. Eine zusätzliche Komplikation ergibt sich daraus, dass sich der Schadstoffausstoß in diesen großen Höhen negativer auf das Klima auswirkt als am Boden570. Schätzungen gehen von einer zwei- bis vierfach erhöhten Klimawirkung gegenüber bodennahen Emissionen aus571. Dies beruht vor allem auf einer verstärkten Bildung von Ozon aus Stickoxiden in der oberen Troposphäre und unteren Stratosphäre572. Darüber hinaus tragen auch Kondensationsstreifen, die sich aus den Wasserdampfemissionen bilden und Zirruswolken, die aus dauerhaften Kondensationsstreifen entstehen, zum Treibhauseffekt bei573. Schließlich absorbieren und streuen weitere freigesetzte Partikel und Aerosole die Sonnenstrahlung und langwellige Strahlung574. bb) Bisherige Maßnahmen der EG auf diesem Gebiet Die Kommission hat sich zunächst darum bemüht, dem überproportionalen Wachstum der Verkehrsemissionen im Straßenverkehr durch eine Strategie zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs von Personenwagen zu begegnen575. Neuwagen sollten spätestens bis 2010 eine durchschnittliche CO2-Emission von maximal 120 g/km aufweisen. Erreicht werden sollte dieses Ziel über eine Vereinbarung mit der Automobilindustrie576 über die Senkung des Kraftstoffverbrauchs, fiskalische 569
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IPCC, Special Report Aviation and the Global Atmosphere, Summary for Policymakers (1999), S. 3. Kommission, Zusammenfassung der Folgenabschätzung, SEK (2006) 1685/2, Ziff. 4.4.; Wuppertal Institut (Hrsg.), Klimawirksame Emissionen des PKW-Verkehrs (2006), S. 38; Roth, SZ v. 16.02.2005, S. 2; Flugverkehr wird mit 1 Milliarde Euro indirekt subventioniert, Öko-News v. 10.03.2006. Wuppertal Institut, Fair Future (2005), S. 82. Dies gilt nicht so sehr für CO2, sondern vor allem für die Stickstoff- und Schwefeloxide sowie den Wasserdampf, vgl. IPCC, Special Report Aviation and the Global Atmosphere, Summary for Policymakers (1999), S. 3, 9. Die EU geht bei ihren Überlegungen von einer im Vergleich zur Emission auf der Erde (nur) doppelt so hohen Klimawirkung aus. IPCC, Special Report Aviation and the Global Atmosphere, Summary for Policymakers (1999), S. 3. Christoph Sieberg, NVwZ 2006, 141 (143); Kommission, Verringerung der Klimaauswirkungen des Luftverkehrs, KOM (2005) 459 endg., S. 4. Insbesondere die Zirruswolkenbildung und die hieraus folgende Erwärmung ist jedoch noch nicht hinreichend erforscht um die sich hieraus ergebenden Wirkungen zahlenmäßig zu benennen, vgl. IPCC, Special Report Aviation and the Global Atmosphere, Summary for Policymakers (1999), S. 8. Christoph Sieberg, NVwZ 2006, 141 (143). Kommission, Eine Strategie der Gemeinschaft zur Minderung der CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und zur Senkung des durchschnittlichen Kraftstoffverbrauchs, KOM(95) 689 endg. mit Schlussfolgerungen des Rates v. 25.06.1995. Die europäischen, japanischen und koreanischen Automobilhersteller hatten in Selbstverpflichtungen zugesagt, bis 2008/2009 einen Durchschnittswert von 140 g CO2/km erreichen und die Möglichkeit zusätzlicher CO2-Verringerungen bis 2012 prüfen zu wollen, Kommission, Umsetzung der Gemeinschaftsstrategie zur Verminderung der CO2-Emissionen von Kraftfahrzeugen: Fünfter Jahresbericht über die Wirksamkeit der
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Maßnahmen sowie Information der Verbraucher. Auf die Dauer wird dieser technische Ansatz jedoch nicht genügen, da die Zunahme des Verkehrsaufkommens die durch den technischen Fortschritt induzierten fahrzeugbezogenen Reduktionserfolge zunichte macht577. Im Hinblick auf die Erfüllung der Kyoto-Verpflichtungen hat die Kommission auch eine Analyse der verkehrspolitischen Maßnahmen erstellt578. Des Weiteren haben das Europäische Parlament und der Rat den Vorschlag der Kommission zur Errichtung eines Systems zur Überwachung der durchschnittlichen spezifischen CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen angenommen579. Schließlich hatte sich die EU zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2010 einen Anteil von 5,75 % aller Otto- und Dieselkraftstoffe im Verkehr durch Biokraftstoffe zu ersetzen580. Neue steuerliche Initiativen zur Reduktion der CO2-Emissionen sind im Kraftfahrzeugsbereich gegenwärtig eher nicht zu erwarten, da im Rahmen der zwischen dem Dachverband der europäischen Automobilhersteller (ACEA) und der Kommission geschlossenen Selbstverpflichtung der Verzicht auf steuerliche Maßnahmen vereinbart wurde581. Seit 1994 hat die Europäische Union zudem erkannt, dass die Freistellung von Kerosin für den Flugverkehr von den Mineralölsteuern582 negative Umwelteffekte hervorbringen kann und arbeitet darauf hin, eine internationale Besteuerung zu er-
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Strategie, KOM (2005) 269, S. 2. Inzwischen zeichnet sich jedoch ab, dass diese Zusage nicht eingehalten werden wird, vgl. u. S. 167 f. Martin Junkernheinrich, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 209 (211). Vgl. auch Umweltbundesamt (Hrsg.), Emissionshandel im Verkehr (2005), S. 42. Mitteilung der Kommission über Verkehr und CO2, KOM(1998) 204 endg. Vorschlag der Kommission vom 12.06.1998, KOM (1998) 348 endg.; Entscheidung 1753/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 2000 zur Einrichtung eines Systems zur Überwachung der durchschnittlichen spezifischen CO2Emissionen neuer Personenkraftwagen, ABl. EG Nr. L 202 v. 10.08.2000, S. 1. Art. 3 I b) ii der RL 2003/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 08.05.2003 zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor, ABl. EG Nr. L 123 v. 17.05.2003, S. 123 ff.; Kommission, Eine EU-Strategie für Biokraftstoffe, KOM (2006) 34 endg., S. 4. Dazu Umweltbundesamt (Hrsg.), Emissionshandel im Verkehr (2005), S. 24. Diese Vorgaben sind auch die Grundlage des deutschen Biokraftstoffquotengesetzes, BGBl. I 2006 Nr. 62 v. 21.12.2006, S. 3180, das zum 01.01.2007 in Kraft getreten ist und bestimmte Mindestquoten für die Beimischung von Biokraftstoffen gewährleistet. Zu diesen und weiteren technischen Emissionsreduktionsmaßnahmen Wuppertal Institut (Hrsg.), Klimawirksame Emissionen des PKW-Verkehrs (2006), S. 49 ff. Inzwischen setzt sich jedoch zunehmend die Erkenntnis durch, dass Biotreibstoffe wenig geeignet sind, zum Klimaschutz beizutragen und zudem möglicherweise die Nahrungsversorgung gefährdet, s. etwa OECD-FAO Agricultural Outlook 2007-2016, S. 3, 10, 15 ff. Vgl. auch 1999/125/EG: Empfehlung der Kommission über die Minderung der CO2Emissionen von Personenkraftwagen v. 05.02.1999, Abl. EG Nr. L 040 v. 13.02.1999, S. 49 f. sowie Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 61. Dass die Steuerbefreiung dennoch nicht gegen EG-Recht verstößt, hat das EuG in einem von der Deutschen Bahn AG angestrengten Verfahren entschieden, Urteil v. 05.04.2006, Rs. T-351/02, abrufbar unter http://curia.eu.int.
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reichen583. Seit 2003 können die Mitgliedstaaten auf nationalen Flügen Kerosin besteuern und bei entsprechenden bilateralen Vereinbarungen auch bei Flügen auf Routen zwischen zwei Mitgliedstaaten584. Inzwischen will die Kommission statt einer europaweiten Besteuerung von Flugbenzin jedoch die Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel erreichen. cc) Angestrebte Maßnahmen585 (1) Straßenverkehr Nachdem inzwischen absehbar ist, dass die Automobilhersteller ihre gegenüber der Kommission abgegebenen Reduktionszusagen nicht einhalten werden bzw. zumindest das eigentlich angestrebte Ziel von 120 g CO2/km wohl nicht erreicht wird586, geriet in Deutschland nun die Einführung rechtlich bindender Flottenstandards587 in die Diskussion, wie sie in ähnlicher, wenn auch weniger restriktiver Form, beispielsweise in den USA gebräuchlich sind588. Sie lassen auch den Verkauf von Fahrzeugen zu, die diese Grenzwerte nicht einhalten, verlangen jedoch Kompensation durch den Verkauf hinreichend vieler Fahrzeuge desselben Herstellers, die die Vorgaben unterschreiten589. Teil dieses Vorschlags war auch, dass sich die Automobilbranche verpflichten solle, im Falle der Nichteinhaltung dieser Werte in Höhe der zusätzlichen CO2-Vermeidungskosten in einen Fonds einzuzahlen, mit dessen Mitteln CDM-Zertifikate zur Kompensation für den unterlassenen Klimaschutz gekauft werden590. Seit dem Regierungswechsel scheint jedoch dieser Plan nicht weiter verfolgt worden zu sein. Stattdessen wird die Einführung derartiger Maßnahmen nun auf europäischer Ebene gefordert591. Während auch eine Koppelung der Kfz-Steuern an den Kohlendioxidausstoß der Fahrzeuge und Maß583
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Übersicht zum Vorgehen der EU bei Dietrich Brockhagen, 10 Jahre heiße Luft (2004), S. 6. Dietrich Brockhagen, 10 Jahre heiße Luft (2004), S. 6. Zur Möglichkeit der Einführung eines sektorübergreifenden Zertifikatesystems aus ökonomischer Sicht Martin Junkernheinrich, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 209 (220). Wuppertal Institut (Hrsg.), Klimawirksame Emissionen des PKW-Verkehrs (2006), S. 83. Der ehemalige Bundesumweltminister Trittin hatte vorgeschlagen, dass alle europäischen Hersteller und Importeure den durchschnittlichen Kohlendioxidausstoß ihrer Flotten für neu zugelassene PKW in definierten Schritten auf 120 g/km senken sollten, was einem durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch von rund 5 l auf 100 km entspräche, iwr-Pressemeldung, vom 05.09.2005. Hierzu auch Umweltbundesamt (Hrsg.), Emissionshandel im Verkehr (2005), S. 169 f. Mehr dazu Heiko Lenhard, Marktwirtschaftliche Instrumente zur Reduktion der spezifischen Kohlendioxidemissionen des motorisierten Individualverkehrs (2004), S. 113 ff; Eckard Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen (1994), 216 (237). Eckard Rehbinder, ibid., 216 (237). iwr-Pressemeldung vom 05.09.2005. Kommission, Begrenzung des globalen Klimawandels auf 2 Grad Celsius, KOM (2007) 2, S. 7.
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nahmen zur verstärkten Verwendung von Biokraftstoffen in der Diskussion sind592, scheint eine Einbeziehung des Straßenverkehrs in den Zertifikatehandel nicht mehr ernsthaft in Erwägung gezogen werden593. Ein im Auftrag des Umweltbundesamtes erstelltes Gutachten594 über die Möglichkeit der Einbeziehung des Verkehrs in den Emissionshandel hält diese zwar für grundsätzlich möglich, aber nur auf europäischer Ebene auch für sinnvoll595. Der Straßenverkehr kann somit bei den Erwägungen zur Allokation zunächst außer Acht bleiben. (2) Flugverkehr (a) Pläne für die Integration in das europäische Emissionshandelssystem Beim Flugverkehr hingegen sind die Integrationspläne deutlich weiter fortgeschritten. Nach Prüfung verschiedener Optionen gelangte die Kommission zu der Überzeugung, dass die Einbeziehung der Kohlendioxidemissionen des Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel die ökologisch und ökonomisch wirksamste Lösung sei596. Die Kommission hatte Studien erstellen lassen, in denen die Auswirkungen eines erweiterten Emissionshandels mit einer Abgabe auf Flugbenzin und einer Ticketgebühr verglichen wurden597. Die Studien befürworteten den Emissionshandel. Im Dezember 2006 hat die Kommission daher einen Vorschlag zur Änderung der RL 2003/87/EG zwecks Einbeziehung des Luftverkehrs in das System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft vorgelegt598. Als Ziel nennt sie eine Stabilisierung der Emissionen auf dem Stand von 2005599, wobei ursprünglich sämtliche Flüge erfasst sein sollten, die von einem EU-Flughafen starten600. Inzwischen präferiert die Kommission einen weiteren Anwendungsbereich, der sämtliche Flüge erfasst, die auf dem Gebiet der Europäischen Union starten oder landen. Unternehmen aus der EU und aus Drittländern sollten gleich behandelt werden601. Bedenken bestehen noch hinsichtlich der Vereinbarkeit mit den Regeln der WTO (TRIPS)602. Um zahlreiche streitige Fragen 592 593
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Kommission, ibid., S. 7. Grundsätzlich befürwortend Umweltbundesamt (Hrsg.), Emissionshandel im Verkehr (2005), S. 177; SRU, Umwelt und Straßenverkehr (2005), S. 174 ff. Umweltbundesamt (Hrsg.), Emissionshandel im Verkehr (2005). Umweltbundesamt (Hrsg.), ibid., S. 178. Kommission, RL-Vorschlag KOM (2005) 818 endg., S. 2. Luftfahrt fürchtet Klimaabgabe, SZ v. 19.07.2005, S. 21. Zur alternativen Einführung von Nutzungsentgelten s. Nils Meyer-Ohlendorf/Michael Mehling, Rechtliche Ausgestaltung von Nutzungsentgelten (2006), passim, insbes. S. 220 ff. Kommission, RL-Vorschlag KOM (2006) 818 endg. Kommission, Zusammenfassung der Folgenabschätzung, SEK (2006) 1685/2, Ziff. 4.7. Die Gesamtzahl der dem Luftverkehrssektor zugeteilten Zertifikate wird daher auf Basis der durchschnittlichen Luftverkehrsemissionen im Zeitraum 2004-2006 festgesetzt, Kommission, RL-Vorschlag KOM (2006) 818 endg., Begründung S. 8 und Art. 1 II, III. EU will Emissionshandel auf den Flugverkehr ausweiten, Zeit.de v. 26.10.2005; Reichstein, taz v. 28.09.2005, S. 8. Emissionshandel auf Luftverkehr ausgeweitet, Pressemeldung der Europäischen Kommission vom 27.09.2005. EU will Emissionshandel auf den Flugverkehr ausweiten, Zeit.de vom 26.10.2005.
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zu klären, hat die Kommission ein Expertengremium unter Beteiligung von Industrie und Umweltgruppen einberufen, das Vorschläge machen soll, wie der Emissionshandel auf den Flugverkehr erstreckt werden kann603. Auch hinsichtlich der erfassten Verkehrskategorien und Flugzeugtypen sieht der Kommissionsvorschlag nun einen eher weiten Anwendungsbereich vor. Lediglich Flüge mit Staatsluftfahrzeugen, Flüge nach Sichtflugregeln, Rundflüge, Flüge zum Testen von Navigationsgeräten, Übungsflüge, Rettungsflüge sowie Flüge mit Luftfahrzeugen mit einem maximalen Startgewicht von weniger als 5.700 kg sollen vom System ausgeschlossen werden604. Inzwischen haben sich EU-Ministerrat und Europäisches Parlament auf eine Richtlinie verständigt605. Zu entscheiden war, ob ein getrenntes System eingerichtet werden soll oder ob die Luftfahrt in den bereits bestehenden Emissionshandel integriert werden kann606. Hier hat die Kommission aus Effizienzgründen für eine Einbeziehung des Flugverkehrs in den bereits bestehenden Emissionshandel optiert, d.h. Industriezertifikate können auch für den Flugverkehr eingesetzt werden607. Gleichzeitig entspricht die Integration in den bestehenden Europäischen Emissionshandel auch eher dem von der ICAO angedachten Szenario608. Jedoch können Einsparungen aus dem internationalen (wohl aber aus dem nationalen) Luftverkehr nicht auf Kyoto-Ziele angewendet werden, weil das Kyoto-Protokoll diese Emissionen ausdrücklich nicht umfasst609. Aus diesem Grund können Emissionszertifikate aus der Luftfahrt umgekehrt nicht im Industriesektor eingesetzt werden610. Zur weiteren Flexibilisierung sollen auch CER und ERU, d.h. Zertifikate aus Projekten im Rahmen des CDM bzw. JI in einem gewissen Umfang verwendbar sein611. Schließlich ist zu erörtern, wie den oben dargestellten Besonderheiten des Flugverkehrs Rechnung getragen werden kann. Möglicherweise wird ein System, das nur den Kohlendioxidausstoß berücksichtigt, der Problematik nicht gerecht, da nur etwa ein Drittel der Klimawirksamkeit des Flugverkehrs auf dem hierauf be-
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Emissionshandel auf Luftverkehr ausgeweitet, Pressemeldung der Europäischen Kommission vom 27.09.2005; EU will Emissionshandel auf den Flugverkehr ausweiten, Zeit.de vom 26.10.2005. Vgl. dazu auch die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, Reducing the Climate Change Impact of Aviation COM(2005) 459 final, NAT/299 vom 21.04.2006. Kommission, RL-Vorschlag KOM (2006) 818 endg., Begründung S. 7; Impact Assessment, SEC (2006) 1684 S. 64 f. Hütten, faz.net v. 02.07.2008. Der Ministerrat muss der Einigung noch formal zustimmen. S. auch Europäisches Parlament beschließt Emissionshandel im Luftverkehr ab 2012, airliners.de v. 08.07.2008. Christoph Sieberg, NVwZ 2006, 141 (142 f.). Kommission, RL-Vorschlag KOM (2006) 818 endg., Begründung S. 7; Impact Assessment, SEC (2006) 1684, S. 38. Kommission, Impact Assessment, SEC (2006) 1684, S. 40. Zu dieser Problematik Kommission, Impact Assessment, SEC (2006), 1684, S. 15 ff. Kommission, Impact Assessment, SEC (2006) 1684, S. 63. Kommission, RL-Vorschlag KOM (2006) 818 endg., Begründung S. 8 und Erwägungsgrund 15.
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ruht612. Die Kommission beabsichtigt, auf der ersten Stufe der Integration des Luftverkehrs in den Emissionshandel die verstärkten Klimaauswirkungen zunächst außer Acht zu lassen und lediglich den CO2-Ausstoß als solchen zu erfassen. Vor Ende 2008 soll ein ergänzender Vorschlag zu den Stickoxiden folgen613. Solange der Emissionshandel sich auf die Europäische Union beschränkt, können nur innereuropäische Flüge erfasst sein sowie Flüge, die ihren Anfangs- oder Endpunkt auf dem Territorium der Europäischen Union haben. Während das Kyoto Protokoll und der Europäische Emissionshandel üblicherweise von einer Zuteilung nach dem Territorialprinzip (d.h. nach dem Ort, an dem die Emissionen entstehen) ausgehen, wird dies spätestens zum Problem, sobald eine Flugstrecke über internationale Gewässer führt614. Um dieser Schwierigkeit aus dem Weg zu gehen und gleichzeitig den Verwaltungsaufwand der Flugzeugbetreiber zu begrenzen, soll nach der Vorstellung der Kommission jeder Betreiber, einschließlich solcher Betreiber, die ihren Sitz in Drittstaaten haben, nur von einem Mitgliedstaat verwaltet werden615. (b) Allokation der Zertifikate an die Flugzeugbetreiber Als Allokationsmethoden kommen im Grundsatz dieselben Möglichkeiten wie beim industriellen Emissionshandel in Betracht: Will man die Zertifikate nicht versteigern, können sie den Unternehmen in Form des Grandfatherings oder auch des Benchmarkings zugeteilt werden. Je weiter der Spielraum der beteiligten Staaten dabei ist, desto größer ist auch die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen616. Auf Betreiben der am Flugverkehr beteiligten Akteure beabsichtigt die Kommission daher, die Zuteilungsentscheidung selbst nach einem einheitlichen europäischen Vergabemodus zu treffen617. Ein Prozentsatz der Emissionszertifikate, der dem durchschnittlichen Prozentsatz der Mitgliedstaaten entspricht, deren nationale Allokationspläne Versteigerungen vorsehen, soll auch im Bereich des Luftverkehrs im Auktionswege vergeben werden618. Da dieser Anteil jedenfalls bis 2012 nicht
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Christoph Sieberg, NVwZ 2006, 141 (143). Ausführlicher zu den Gründen für diese Entscheidung und möglichen Alternativen Kommission, Impact Assessment, SEC (2006) 1684, S. 59 ff. So unter Verweis darauf, dass immerhin zwei Drittel der Erde von Ozeanen bedeckt sind Christoph Sieberg, NVwZ 2006, 141 (144). Kommission, RL-Vorschlag KOM (2006) 818 endg., Begründung S. 7 und Erwägungsgrund 16. Vgl. Kommission, RL-Vorschlag KOM (2006) 818 endg., Begründung S. 8 und Erwägungsgrund 13. Kommission, Zusammenfassung der Folgenabschätzung, SEK (2006) 1685/2, Ziff. 6. Die Einzelheiten des Verfahrens werden durch eine Verordnung der Kommission geregelt, Kommission, RL-Vorschlag SEC (2006) 1684, Begründung S. 8. Die Versteigerung soll durch die Mitgliedstaaten erfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zum Anteil des jeweiligen Mitgliedstaates an den gesamten Luftverkehrsemissionen stehen. Die hieraus resultierenden Einnahmen sollen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen, zur Anpassung an die Klimaauswirkungen, zur Finanzierung von Forschung und Entwicklung und zur Deckung der Kosten der Systemverwaltung verwen-
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allzu hoch sein dürfte, liegt der Schwerpunkt noch immer auf den kostenfreien Vergabeverfahren. Im Falle des Grandfatherings619 stellt sich jedoch die bekannte Problematik, dass die Verursachung höherer Emissionen rückwirkend belohnt, early action dagegen bestraft wird und ein Anreiz gegen Maßnahmen zur Emissionsminderung gesetzt würde620. Aus diesem Grund schlägt die Kommission ein Benchmark-System auf Basis von Tonnenkilometerwerten vor621. Während Benchmark-Ansätze im industriellen Bereich häufig wegen der Komplexität technischer Sachverhalte auf Probleme stoßen, sind die erforderlichen Daten im Bereich der Luftfahrt wegen der grundsätzlich gegebenen Vergleichbarkeit des Transports von Waren und Personen und der verwendeten Treibstoffe einfacher zu homogenisieren622. Der Tonnenkilometer-Benchmark hat dabei den großen Vorteil, auf Treibstoffeffizienz hinzuwirken, ohne unangebrachte Unterschiede zwischen den verschiedenen Luftfahrtdiensten zu machen623. (c) Bedeutung für die mitgliedstaatliche Allokation Sollten die Pläne der Kommission in dieser Form umgesetzt werden, bedeutet dies für die Mitgliedstaaten, dass Ihnen kein nennenswerter Entscheidungsspielraum über die Allokation der Zertifikate verbleibt. Sie haben für den kostenlos zu vergebenden Anteil der Zertifikate den europaweit geltenden Benchmark anzuwenden und die übrigen Zertifikate nach den einheitlichen europäischen Vorgaben zu versteigern. Dem Umsetzungsgesetzgeber verbleiben keine eigenen Entscheidungsspielräume, weswegen eine grundrechtliche Überprüfung seiner Zuteilungsvorschriften am Maßstab der nationalen Grundrechte nicht möglich ist624. Die europäischen Zuteilungsregeln müssen sich jedoch an den Gemeinschaftsgrundrechten messen lassen625. b) Haushalte Ein Drittel der CO2-Emissionen in Deutschland soll auf die Raumbeheizung und die Warmwasserbereitung entfallen626. Dabei wird 90 Prozent aller Heizenergie in Deutschland noch immer in Gebäuden verbraucht, die 25 Jahre und älter sind627. Nach Schätzungen ließen sich durch eine bessere Wärmedämmung in Gebäuden
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det werden, Kommission, RL-Vorschlag KOM (2006) 818 endg., Erwägungsgrund 13 f. und Art. 1 III. Allgemein zu Begriff und Problematik des Grandfatherings s.o. S. 67 f. Kommission, Zusammenfassung der Folgenabschätzung, SEK (2006) 1685/2, Ziff. 4.8; Kommission, RL-Vorschlag SEC (2006) 1684, Begründung S. 8, Kommission, RL-Vorschlag SEC (2006) 1684, Art. 1 III. Vgl. Kommission, Impact Assessment, SEC (2006) 1684, S. 20, 22. Kommission, Impact Assessment, SEC (2006) 1684, S.63. Näher zum Anwendungsbereich der nationalen Grundrechte im europäischen Kontext s. u. S. 265 ff. Zum Anwendungsbereich der Gemeinschaftsgrundrechte s. u. S. 200 ff. Simon Marr/Sebastian Oberthür, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, Bd. II, 1. Teilbd., 2. Aufl. 2003, § 54 Rn 131. Bauchmüller, SZ v. 16.02.2005, S. 2.
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deutschlandweit 84 Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen628. Angesichts der relativ geringen Emissionen pro Haushalt und der sich daraus ergebenden hohen Transaktionskosten wurde bisher überwiegend angenommen, dass eine Ausdehnung des Emissionshandels auf die privaten Haushalte unökonomisch sei629. Die Kommission setzt im Bereich der privaten Haushalte ebenfalls vorwiegend auf Anreizmodelle und Ordnungsrecht630. Eine Einbeziehung in den Emissionshandel ist in nächster Zeit nicht in Sicht. c) Weitere Industriebranchen Schließlich erfasst das System bisher zwar die treibhausgasintensivsten Industrien, aber dennoch bei weitem nicht alle klimarelevanten Anlagen. Gegenwärtig werden kleinere Verbrennungsanlagen in den einzelnen Mitgliedstaaten in sehr unterschiedlichem Maß in den Zertifikatehandel einbezogen. Hier strebt die Kommission einerseits eine Ausweitung des Anwendungsbereichs an, andererseits auch eine europaweite Vereinheitlichung631.
5. CO2-Abscheidung und -Lagerung632 Eine weitere Überlegung, mittelfristig größere CO2-Reduktionen zu erreichen, besteht darin, von industriellen und energiegenerierenden Anlagen emittiertes Kohlendioxid abzufangen und beispielsweise in geologischen Formationen633 oder in der Tiefsee so sicher zu lagern, dass es nicht in die Atmosphäre entweichen
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Fickinger, FAZ v. 16.02.2005, S. 12. Dennoch gibt es inzwischen ein erstes Modellprojekt im Emsland, das einen Zertifikatehandel für private Haushalte einrichtet und die Einsparung einer Tonne CO2 pro Jahr mit 20 € vergütet, Emissionshandel für Private, n-tv.de vom 15.08.2006. Nennenswerte Grundrechtsprobleme würde ein derartiges Programm jedoch nicht aufwerfen, da es nicht auf Reduktionsverpflichtungen basiert, sondern lediglich mit Anreizen arbeitet und Emissionsminderungen honoriert. Kommission, Begrenzung des globalen Klimawandels, KOM (2007) 2, S. 7. Vgl. zu den aktuellen Plänen der Kommission etwa Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, 20 und 20 bis 2020. Chancen Europas im Klimawandel, KOM (2008) 30 endg., S. 6; RL-Vorschlag der Kommission zur Änderung der RL 2003/87 EG, KOM (2008) 16. International üblich ist die Bezeichnung CCS für Carbon Dioxide Capture and Storage. Erste Erfahrungen wurden bereits bei der Erdgasförderung an der Sleipner-Plattform in der Nordsee gesammelt, wo CO2 in eine unterirdische geologische Formation verpresst wurde, um nicht der norwegischen Steuer auf Kohlendioxidemissionen zu unterliegen. Ähnliche Projekte sind das Weyburn FOR project in Kanada und das Salan project in einem algerischen Gasfeld. In Deutschland soll in Ketzin die Speicherung von CO2 in einem ehemaligen Erdgasspeicher erprobt werden. S. dazu etwa Schrader, SZ v. 28.02.2007, S. 1.
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kann634. Bisher ist dieser Ansatz noch nicht Teil des europäischen Zertifikatehandels; im Januar 2008 hat die Kommission jedoch einen Richtlinienvorschlag veröffentlicht, der diesen Themenkomplex regeln und in das Zertifikatehandelssystem einbeziehen soll635. a) Grundsätzliches Für die Abscheidung von CO2 müssen die Umwandlungsprozesse fossiler Brennstoffe so modifiziert werden, dass sich CO2 in weitgehend reiner oder hochangereicherter Form abtrennen lässt636. Diskutiert wird die anschließende Lagerung abgeschiedenen Kohlendioxids in geologischen Formationen sowie in großen Tiefen im Ozean. Die Probleme, die sich stellen, sind vorwiegend technischer Natur und größtenteils noch nicht völlig gelöst: Für die Abscheidung von Kohlendioxid ist ein Mehraufwand an Energie erforderlich, der regelmäßig mit zusätzlichen Emissionen einhergeht637. Erprobt werden drei Verfahren: Abtrennung aus den Rauchgasen, vorgeschaltete Abscheidung und Oxyfuel-Verfahren (Verbrennung mit reinem Sauerstoff)638. Alle diese Verfahren führen jedoch zu Wirkungsgradverlusten und erhöhtem Ressourcenverbrauch639. Die Zusatzkosten pro erzeugter kWh Strom liegen derzeit bei ca. 1,5-2,5 ct, bei steigenden Rohstoffpreisen auch noch höher640. Die Nachrüstung von Bestandsan-
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Ausführlich hierzu IPCC Special Report, Carbon Dioxide Capture and Storage (2005), passim; Wuppertal Institut et al., RECCS (2007), passim; zudem Claudia Kemfert/ Barbara Praetorius, Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 74 (2005), 133 (134); Bauchmüller, SZ v. 17.08.2005, S. 17; Asendorpf, Zeit vom 01.09.2005; Gluske-Tibud, Pressemitteilung des VDE v. 13.09.2005 zu den verschiedenen Ansätzen. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die geologische Speicherung von Kohlendioxid und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates sowie der Richtlinien 2000/60/EG, 2001/80/EG, 2004/35/EG, 2006/12/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006, KOM (2008) 18 endg.; vgl. dazu auch Kommission, MEMO/08/36 und Impact Assessment v. 23.01.2008 sowie Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen, Folgenabschätzung, SEK (2008) 85. Umweltbundesamt (Hrsg.), Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, Zusammenfassung (2006), S. 11. Der Mehraufwand an Energie, den ein Kraftwerk benötigt, liegt bei ca. 10-40 %, IPCC Special Report, Carbon Dioxide Capture and Storage, Summary for Policymakers (2005), S. 3. Umweltbundesamt (Hrsg.), Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, Zusammenfassung (2006), S. 12 geht lediglich von Effizienzverlusten von 8 bis 18 % aus. Vgl. bereits Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 137. Umweltbundesamt (Hrsg.), Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, Zusammenfassung (2006), S. 11; Wuppertal Institut et al., RECCS (2007), Zusammenfassende Thesen, S. I. Umweltbundesamt (Hrsg.), ibid., S. 15. Dies bedeutet, dass sich die Stromerzeugungskosten eines fossilen Kraftwerks verdoppeln, Umweltbundesamt (Hrsg.), Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, Zusammenfassung (2006), S. 12, 16. IPCC Special Report, Summary for Policymakers
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lagen ist noch teurer und weniger effizient641. Auch ist es nicht möglich, den gesamten Kohlendioxidausstoß der Anlagen abzufangen642. Der Hauptkostenfaktor ist die Abscheidung des CO2; Transport und Lagerung sind vergleichsweise kostengünstig. Lohnen dürfte sich die Abscheidung daher nur bei größeren Verursachern; dennoch könnten nach Schätzungen zukünftig etwa 20-40 % des globalen CO2-Ausstoßes erfasst werden643. Sollen Treibhausgase abgeschieden werden, um eine weitere Klimadestabilisierung zu verhindern, müssen Lösungen gefunden werden, die gewährleisten, dass das Kohlendioxid nicht aus den Lagerstätten entweichen kann644. Ob das Treibhausgas über längere Zeit im Untergrund festgehalten werden kann oder schon nach einigen Jahren wieder austritt, ist bisher nicht endgültig geklärt645. Mit Verlusten bei der Lagerung sowie beim Transport dürfte zu rechnen sein646. Auch sind keine unbegrenzten Lagerkapazitäten vorhanden, so dass es sich nicht um eine endgültige Lösung des Problems der Treibhausgasemissionen handeln kann647. Schließlich erfordern derartige Speichersysteme eine Lösung der Transportfrage und ggf. eine Infrastruktur, mittels derer das CO2 zu den Speicherstätten transportiert werden kann. Für den Transport kommen Pipelines oder Schiffe in Betracht; zudem muss das CO2 zur Reduzierung des Volumens vor dem Transport in die sog. superkritische oder in die kaltflüssige Phase überführt werden648.
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(2005), S. 9, geht von 0,01-0,05 US$ aus. Innerhalb der nächsten Dekade könnten sich diese Kosten jedoch bereits um 20-30 % reduzieren lassen, ibid. S. 10. IPCC Special Report, Summary for Policymakers (2005), S. 9. Der gegenwärtige Stand der Technik ermöglicht es, ca. 85-95 % des Kohlendioxidausstoßes einer Anlage abzufangen, Umweltbundesamt (Hrsg.), Verfahren zur CO2Abscheidung und -Speicherung, Zusammenfassung (2006), S.12, 15; IPCC Special Report, Summary for Policymakers (2005), S. 3. S. auch Wuppertal Institut et al., RECCS (2007), Zusammenfassende Thesen, S. III, wonach unter Berücksichtigung der „gesamte(n) Palette der Treibhausgase“ lediglich ein Minderungsbeitrag von 67 bis maximal 78 % erreichbar sei. IPCC Special Report, Summary for Policymakers (2005), S. 8. Kommission, Winning the battle, S. 42; Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 137. Asendorpf, Zeit vom 01.09.2005; sehr skeptisch Ottmar Edenhofer/Hermann Held/Nico Bauer, in: Johnke/Scheffran/Soyez (Hrsg.), Abfall, Energie und Klima (2004), S. 26. IPCC Special Report, Summary for Policymakers (2005), S. 3. Dennoch dürften diese Verluste bei sorgfältig ausgewählten und gewarteten Lagerstätten äußerst gering bleiben, ibid., S. 13. Ottmar Edenhofer/Hermann Held/Nico Bauer, in: Johnke/Scheffran/Soyez (Hrsg.), Abfall, Energie und Klima (2004), S. 26 (27). Allerdings geht das IPCC von Speicherstätten für mindestens 2000 Gt CO2 in geologischen Formationen weltweit aus, IPCC Special Report, Summary for Policymakers (2005), S. 11. Umweltbundesamt (Hrsg.), Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, Zusammenfassung (2006), S. 21 schätzt, dass die Speicherkapazitäten in Deutschland für ca. 50 bis 100 Jahre reichen. Umweltbundesamt (Hrsg.), Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, Zusammenfassung (2006), S. 11, 17; Wuppertal Institut et al., RECCS (2007), Zusammenfassende Thesen, S. II.
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b) Speichermedien und Umweltgefahren Wie bereits erwähnt, sind für die Speicherung abgeschiedenen Kohlendioxids sowohl geologische Formation als auch die Einbringung in die Wassersäule der Weltmeere im Gespräch. Gegen die Speicherung von Kohlendioxid unmittelbar in den Ozeanen werden gravierende Bedenken geltend gemacht, weil die ökologischen Schäden groß sein könnten und das Wissen über die biologischen Folgen zu lückenhaft ist649. Zwar könnte der Großteil des eingelagerten Gases über Jahrhunderte von der Atmosphäre ferngehalten werden. CO2 ist wasserlöslich, und die physikalische Aufnahmefähigkeit der Ozeane ist nahezu unbegrenzt650. Es gilt jedoch als sicher, dass sich in der Tiefsee eingelagertes Kohlendioxid auf Meeresorganismen tödlich auswirken und daher Konsequenzen für die Ökosysteme haben wird651. Das Ausmaß der Schäden ist abhängig von der eingelagerten Menge: Zunächst ist mit lokalen Schäden zu rechnen, bei fortdauernder Einlagerung kann jedoch auch der gesamte Ozean betroffen sein652. Es ist damit zu rechnen, dass der pH-Wert der Meere gegenüber vorindustriellen Werten um mehr als 0,25 abnehmen wird, die Meere also versauern653. Schließlich gibt es keine Maßnahmen gegen ein plötzliches Entweichen des eingelagerten Gases in die Atmosphäre654. Im Vergleich zur Einlagerung von CO2 in geologischen Formationen ist die Gefahr des Entweichens signifikanter Gasmengen wesentlich größer655. Somit ist jedenfalls in Europa vorwiegend die Lagerung in geologischen Formationen am Land und unter dem Meeresboden in der Diskussion. Bei der Speicherung in geologischen Formationen wird das CO2 in tiefliegenden, undurchlässigen Gesteinsschichten eingelagert. In Betracht kommt die Einlagerung von Kohlendioxid in entleerten Öl- oder Gaslagerstätten, in Salzstöcken oder nicht abbaubaren Kohleflözen, in Aquiferen656 an Land oder offshore657. Generell ist mit der Sequestration, der Lagerung und dem Transport von CO2 die Gefahr verbunden, dass Kohlendioxid schleichend oder gar abrupt entweichen könnte; u. U. gehen von einer Lagerung auch Gefahren für die Tier- und Pflanzenwelt sowie das Grundwasser aus, wenn es zum Entweichen des Gases
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WBGU, Welt im Wandel: Energiewende zur Nachhaltigkeit, Zusammenfassung für Entscheidungsträger (2003), S. 3; Antonie Bauer, Treibhauseffekt (1993), S. 95. IPCC Special Report, Carbon Dioxide Capture and Storage, Technical Summary (2005), S. 34 f. IPCC Special Report, Summary for Policymakers (2005), S. 13. IPCC Special Report, Technical Summary (2005), S. 35. IPCC Special Report, Summary for Policymakers (2005), S. 13. IPCC Special Report, ibid., S. 13. Das IPCC geht davon aus, dass 65-100 % des Gases während der ersten 100 Jahre und 30-85 % während der ersten 500 Jahre vor Ort verbleiben würden, IPCC Special Report, ibid., S. 13. Aquifere sind Gesteinsformationen im Untergrund, die porös sind und deshalb Flüssigkeiten und Gase speichern und transportieren können, Umweltbundesamt (Hrsg.), Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, Zusammenfassung (2006), S. 19. IPCC Special Report, Technical Summary, S. 28. Umweltbundesamt (Hrsg.), Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, Zusammenfassung (2006), S. 19 f.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
kommt658. Je größer die Kohlendioxid-Depots werden, desto erheblicher entwickeln sich auch die Gefahren durch aus ihnen entweichende Gase659. Ein plötzliches Entweichen großer Mengen des Gases kann menschliches Leben und menschliche Gesundheit gefährden, wenn es mehr als 7-10 % des Luftvolumens einnimmt660. Die erforderliche Technik, um derartige Gefahren zu beherrschen, ist jedoch bereits vorhanden und gilt, ordnungsgemäße Überwachungsmaßnahmen vorausgesetzt, auch als hinreichend sicher661. Die großen internationalen Öl- und Gaskonzerne haben jahrelange Erfahrungen im Umgang mit CO2 im Zusammenhang mit der Förderung von Öl und Gas; die für die Injektion von CO2 in Öl- und Gasfelder zur Ausbeutesteigerung und für deren Exploration entwickelten Techniken lassen sich auch für die Einlagerung von CO2 nutzbar machen662. Biochemische Prozesse führen dazu, dass das Risiko des Entweichens von CO2 langfristig eher ab- als zunimmt663. c) Rechtliche Bedeutung Die rechtliche Behandlung von CCS ist noch in den Kinderschuhen, die wenigsten Länder haben bisher rechtlichen Regelungen erlassen. Die Vertragsparteien der sog. London Convention664, eines internationalen Abkommens, das die Verklappung von Abfällen in den Ozeanen regelt, haben im November 2006 den Anfang gemacht und ein zugehöriges Protokoll dahingehend abgeändert, dass die Sequestrierung und Einlagerung von CO2 in unter dem Meeresboden gelegenen Lagerstätten grundsätzlich zulässig sein soll665. Bislang sieht auch das europäische Emissionshandelssystem eine derartige Absonderung und Lagerung von Kohlendioxid emissionsmindernd nicht vor; die Kommission hat jedoch ergänzende Regelungen zur Anerkennung dieser Maßnahmen geprüft666. Sie strebt bereits seit längerem die „Annahme einer umweltverträglichen Politik zur Kohlendioxidsequestrierung und unterirdischen Speicherung (CCS) einschließlich des Baus von zwölf großen Demonstrationsanlagen in Europa bis 2015“ an667. Eine grundsätzliche Entscheidung über die Bewertung der 658
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IPCC Special Report, Summary for Policymakers (2005), S. 12; Umweltbundesamt (Hrsg.), ibid., S. 21. Ottmar Edenhofer/Hermann Held/Nico Bauer, in: Johnke/Scheffran/Soyez (Hrsg.), Abfall, Energie und Klima (2004), S. 26 (27). IPCC Special Report, Summary for Policymakers (2005), S. 11. Die Risiken der Technik sind vergleichbar mit denen der Erdgaslagerung und dessen Transport, IPCC Special Report, ibid., S. 11. Umweltbundesamt (Hrsg.), Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, Zusammenfassung (2006), S. 18. Umweltbundesamt (Hrsg.), ibid., S. 9. IPCC Special Report, Technical Summary, S. 31. Convention on the Prevention of Marine Pollution by Dumping of Wastes and Other Matter = Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen vom 29.12.1972 in der Fassung des Protokolls zum Londoner Übereinkommen vom 07.11.1996, BGBl. 1998 II, S.1346. Vgl. IMO Briefing 43/2006 vom 08.11.2006; Michelis, spiegel online vom 03.12.2006. Kommission, Begrenzung des globalen Klimawandels, KOM (2007) 2, S. 7. Kommission, Begrenzung des globalen Klimawandels, KOM (2007) 2, S. 6.
III. Perspektiven für die Zukunft
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CO2-Sequestration im Emissionshandelssystem muss auf europäischer Ebene fallen; einen Vorschlag hierzu hat die Kommission im Januar 2008 veröffentlicht668. Der Richtlinienvorschlag der Kommission soll einen Rechtsrahmen für die Speicherung in geologischen Formationen schaffen, während gleichzeitig die Speicherung von CO2 in der Wassersäule verboten wird669. Er sieht vor, dass Speicherstätten für Kohlendioxid genehmigungspflichtig werden und schreibt Bedingungen für den Erlass einer derartigen Genehmigung vor670. Zudem ist eine Überprüfung der Genehmigungen durch die Kommission vorgesehen671. Des Weiteren enthält der Richtlinienvorschlag Regelungen zur Überwachung der Anlagen und zum Verfahren beim Entweichen von Kohlendioxid sowie den Erlass von Sanktionen bei Verstößen gegen die von den Mitgliedstaaten erlassenen Vorschriften672. Für die Allokation der Zertifikate von Bedeutung ist die Möglichkeit der CO2Sequestration dann, wenn sie Unternehmen eine Alternative zum Zukauf von Zertifikaten bzw. zur Erhöhung der Anlageneffizienz bietet. Eine ausgereifte und finanzierbare Technik lässt auch strikte Emissionsbeschränkungen durchsetzbar erscheinen. Das Argument der Verfassungswidrigkeit technisch nicht erreichbarer Reduktionspflichten entfällt bzw. wird – abhängig von den mit der Sequestrierung verbundenen Kosten – zurückgedrängt. d) Kosten Unter den gegebenen technisch-ökonomischen Bedingungen und Prognosen sind Errichtung und Betrieb von fossilen Kraftwerken mit CCS-Technik (noch) nicht wirtschaftlich. Die Sequestration von Kohlendioxid bietet bisher nur dann eine ökonomisch interessante Alternative, wenn die Zertifikate auf Preise von jenseits 25-30 € steigen673. Weniger optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass allein die Abtrennung des CO2 bei ausgereifter Technik zwischen 34 und 94 € liegen werden674. Momentan spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass Effizienzmaßnahmen und Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien jedenfalls langfristig der günstigere und effektivere Weg sind675. Dennoch hat die Kommission deutlich gemacht, dass sie die CCS-Technik befürwortet und signali-
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Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die geologische Speicherung von Kohlendioxid und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates sowie der Richtlinien 2000/60/EG, 2001/80/EG, 2004/35/EG, 2006/12/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006, KOM (2008) 18 endg. Vgl. Art. 1 I und Art. 2 IV des RL-Vorschlags, KOM (2008) 18 endg. Art. 6 ff. des RL-Vorschlags, KOM (2008) 18 endg. Art. 10 des RL-Vorschlags, KOM (2008) 18 endg. Art. 13 ff. des RL-Vorschlags, KOM (2008) 18 endg. IPCC Special Report, Summary for Policymakers (2005), S. 10. Umweltbundesamt (Hrsg.), Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, Zusammenfassung (2006), S. 16 nennt etwas andere Werte und verweist auf die große Spanne in der Literatur genannter Kosten. Asendorpf, Zeit vom 01.09.2005. Asendorpf, Zeit vom 01.09.2005; Reinhard Loske, Klimapolitik (1997), S. 137.
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C Stand und Zukunftsperspektiven des Zertifikatehandels
siert, dass sie bereit ist, besondere Vorschriften über staatliche Beihilfen zur Abdeckung der Entwicklungskosten von CCS zu erlassen676. e) Fazit Zwar ist noch nicht klar, welche Techniken und Speichermedien die geeignetsten sind, möglicherweise kann durch den Einsatz von CCS aber die Zeit überbrückt werden, bis es gelingt, die Emissionen auf technischem Wege zu reduzieren677. Gerade im Zusammenhang mit Wasserstoff-Technologie könnte dies eine Übergangslösung sein678. Mindestens bis zur Mitte des Jahrhunderts ist noch damit zu rechnen, dass fossile Brennstoffe die Primärenergieversorgung dominieren werden679. Gleichzeitig muss nach Aussagen der Wissenschaftler für eine Stabilisierung des Klimas der Ausstoß von Kohlendioxid global in erheblichem Ausmaß verringert werden. Hierbei kann die CCS-Technologie eine günstige und flexible Lösung darstellen. Allerdings besteht auch Anlass zu Befürchtungen, dass die Kohlendioxidlagerung Investitionen in emissionsreduzierende Technologien verzögern und dadurch langfristige Kostenreduktionen verhindern könnte680. Dabei ist die technische Option der Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid auch unter grundrechtlichen Gesichtspunkten relevant. Lassen sich Minderungsziele zwar nicht allein über technische Veränderungen im Produktionsprozess, wohl aber durch die Abscheidung von CO2 erreichen, geht letztere durchaus in Überlegungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein. Eine funktionierende CCS-Technik kann selbst als Übergangsmaßnahme somit den Weg zu rigideren Reduktionsauflagen ebnen und wirksamen Klimaschutz beschleunigen.
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Kommission, MEMO/08/36 v. 23.01.2008, S. 3. Commission Staff Working Paper, Winning the battle, v. 09.02.2005, S. 42; Nicholas Stern, Stern Review, Executive Summary (2006), S. xiv. Der WBGU sieht ein Potential von bis zu ca. 300 Gt C, WBGU, Über Kioto hinaus denken (2003), S.31 und möchte die Speicherung von CO2 global bis 2100 befristen, ibid. S. 36. Commission Staff Working Paper, Winning the battle, v. 09.02.2005, S. 42; Ottmar Edenhofer/Hermann Held/Nico Bauer, in: Johnke/Scheffran/Soyez (Hrsg.), Abfall, Energie und Klima (2004), S. 26 (27). Vgl. auch IPCC Special Report, Technical Summary (2005), S. 21. Umweltbundesamt (Hrsg.), Verfahren zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, Zusammenfassung (2006), S. 24. IPCC Special Report, Summary for Policymakers (2005), S. 2. Ottmar Edenhofer/Hermann Held/Nico Bauer, in: Johnke/Scheffran/Soyez (Hrsg.), Abfall, Energie und Klima (2004), S. 26 (27).
D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation von CO2Zertifikaten
I. Relevanz der deutschen und europäischen
Grundrechte für den Zertifikatehandel 1. Die Bedeutung der Allokation im Zertifikatehandel Die Allokation der Zertifikate ist als „zentraler Eingriffs- und Lenkungsakt“1 einer der bestimmenden Faktoren in jedem Emissionshandelssystem2. Zwar wird die Obergrenze der abgegebenen Emissionen durch das Gesamtbudget an Zertifikaten weitestgehend vorgegeben, weswegen die ökologische Integrität des Systems vom Verteilungsmodus nahezu unberührt bleibt3. Außer dieser Gesamtbegrenzung der Emissionen, dem sog. Cap, ist aber kein weiterer Aspekt von ebenso großer Bedeutung für die Auswirkungen eines Zertifikatehandelssystems. Die Wahl des Allokationsmodus hat gewaltige Auswirkungen auf die Effizienz und die Gesamtkosten eines Zertifikatesystems4. Die Bestimmungen über die Allokation an Altund Bestandsanlagen und bei Anlagenschließungen sind maßgeblich für Innovationsanreize und langfristiges Investitionsverhalten verantwortlich5. In Deutschland führte das Bestreben nach einer möglichst sachgerechten Verteilung beim NAP I in letzter Konsequenz dazu, dass die Planungsfunktion des NAP gegenüber seiner marktwirtschaftlichen Ausrichtung in den Vordergrund trat6. Neben den volkswirtschaftlichen Konsequenzen sind die Auswirkungen der Allokation auf die relativen Lasten der betroffenen Regionen, die Anlagen und die Verbraucher
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Rüdiger Breuer, in: Hendler et al. (Hrsg.), Emissionszertifikate und Umweltrecht (2004), 145 (175). Dallas Burtraw et al., The Effect on Asset Values (2002), S. 1. Sonja Butzengeiger et al., Making GHG Emissions Trading work (2001), S. 29. Dallas Burtraw et al., The Effect on Asset Values (2002), S. 1; ähnlich Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 6. Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 6. Auch deshalb sollen die Regelungen des NAP II die Allokation weniger komplex, dafür deutlich transparenter gestalten, dazu Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 9.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
von ebenso großer Bedeutung7. Sie bestimmen über die Verteilung von Gewinn und Verlust aus dem Zertifikatehandel und somit darüber, wie fair das neue System wahrgenommen wird und auf wie viel Akzeptanz es folglich stößt8. Entsprechend heftig sind und waren die Streitigkeiten zwischen den betroffenen Sektoren und zwischen den Sektoren und dem Bund darüber, nach welchen Kriterien die Allokation erfolgen soll und wie die mit dem Zertifikatehandel einher gehenden Reduktionslasten verteilt werden sollen. Allerdings ist die Entscheidung über die Allokation nicht lediglich politisch von Bedeutung, sie hat vielmehr auch eine rechtliche Komponente: Gelingt eine vertretbare Verteilung der Zertifikate nicht, kann die Allokation Grundrechte der am Zertifikatehandel beteiligten Unternehmen verletzen. Relevant sind hier Berufs- und Eigentumsfreiheit sowie der Gleichheitssatz9; der nationale Gesetzgeber ist, wie noch zu zeigen sein wird, dabei sowohl an die Gemeinschaftsgrundrechte als auch – im Falle Deutschlands – an die nationalen Grundrechte des Grundgesetzes gebunden. Für die betroffenen Unternehmen gibt die Allokation den Ausschlag, ob sie ihren Betrieb im Wesentlichen unverändert weiter betreiben können, ob sie zusätzliche Finanzmittel einkalkulieren müssen oder Investitionen in technische Weiterentwicklung bzw. Aufrüstung ihrer Anlagen tätigen müssen. Im schlimmsten Fall kann eine unzureichende Allokation ganze Betriebe unwirtschaftlich machen oder massive Wettbewerbsverzerrungen herbeiführen. Aus diesem Grund darf die Allokationsentscheidung nicht als reine Begünstigung der adressierten Unternehmen verstanden werden10. Sie ist vielmehr im Kontext mit dem Zertifikatehandel und der hierdurch geänderten Rechtsposition der Unternehmen zu betrachten. Gewisse Schwierigkeiten bereitet die Anwendung der Grundrechte, weil die Kontingentierung der Zertifikate bewirkt, dass jeder Berechtigte zusätzliche Zerti-
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Dallas Burtraw et al., The Effect on Asset Values (2002), S. 1; Umweltbundesamt (Hrsg.), Emissionshandel im Verkehr (2005), S. 124; ebenso der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf des TEHG, BT-Drucks. 15/2540, S. 10. Dallas Burtraw et al., The Effect on Asset Values (2002), S. 1 f.; Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 6; Sonja Butzengeiger et al., Making GHG Emissions Trading work (2001), S. 29. Bei Beeinträchtigungen von Grundrechten, die von Marktordnungen ausgehen, tendiert der EuGH dazu, jedenfalls zwischen Eigentums- und Berufsfreiheit nicht klar zu unterscheiden und die Rechtfertigung eines Eingriffs unabhängig vom Grundrecht zu erörtern. Dieser Ansatz wurde teilweise auch von der deutschen Literatur übernommen, vgl. Theodor Schilling, EuGRZ 1998, 177 (178 ff.), ist jedoch problematisch, weil die einzelnen Schutzrichtungen so nicht auseinander gehalten werden. Rüdiger Breuer, in: Hendler et al. (Hrsg.), Emissionszertifikate und Umweltrecht (2004), 145 (175). Auch Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen eines Marktes handelbarer Emissionsrechte (2003), S. 134, gelangt bereits zu dem Ergebnis, die „Intensität des staatlichen Eingriffs in die Rechte der Altbetreiber [werde] (...) maßgeblich von dem gewählten Verteilungsmodus geprägt“.
I. Relevanz der deutschen und europäischen Grundrechte für den Zertifikatehandel
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fikate nur zu Lasten anderer Teilnehmer am Zertifikatehandel erhalten kann11. Häufig wird hierfür das Bild kommunizierender Röhren verwendet12.
2. Allokation als Grundrechtseingriff a) Die Einrichtung des Zertifikatehandels als Entwertung bestehender Rechtspositionen Misst man den Zertifikatehandel an den Grundrechten, ist zwischen Grundrechtsbeeinträchtigungen zu differenzieren, die dadurch entstehen, dass ein Anlagenbetreiber gezwungen ist, sich am Zertifikatesystem zu beteiligen, und solchen, die von der Zuteilung der Zertifikate ausgehen. Als die Pläne zur Einrichtung eines europaweiten Allokationshandels bekannt wurden, geriet zunächst die grundsätzliche Änderung der Rechtsposition der Anlagenbetreiber in den Fokus der grundrechtlichen Diskussion13. Anlagenbetreiber, die über eine Betriebsgenehmigung verfügten, wurden mit Einrichtung des Emissionshandelssystems verpflichtet, Kohlendioxid nur noch in dem Maße zu emittieren, wie sie Zertifikate zur Verfügung haben. Hierdurch wird die Befugnis zur Emission von Kohlendioxid aus dem Genehmigungssystem des BImSchG herausgelöst und einem neuen System, dem Zertifikatehandel, unterstellt14. Da der Zertifikatehandel als System weitestgehend von der EH-RL vorgegeben ist, sind Grundrechtsbeeinträchtigungen durch das System regelmäßig nur an den Europäischen Grundrechten zu messen15. Auf dieser Basis haben sich bereits das VG Würzburg16 und das Bundesverwaltungsgericht17, neuerdings schließlich auch das Bundesverfassungsgericht18, mit Fragen der Verfassungsmäßigkeit des Emissionshandels befasst und die deutschen Vorschriften für verfassungsgemäß gehalten. 11
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Theodor Schilling, EuGRZ 1998, 177 (180) geht daher von einer Umwandlung von Freiheitsrechten in Teilhaberechte aus. So etwa Felix Mattes et. al., Auswirkungen des europäischen Emissionshandelssystems (2003), S. 150. Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 45 ff.; zum Eigentum Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 226; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 279; zu Eigentum und Berufsfreiheit Ludger Giesberts/Juliane Hilf, Handel mit Emissionszertifikaten (2002), Rz 294 ff.; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 148 ff.; Walter Frenz, WuW 2006, 737 (742 f.). Vgl. auch Belgischer Schiedshof, Urt. v. 07.06.2006, ZUR 2006, 416 ff. m. Anm. Gerd Winter, ZUR 2006, S. 419 f. VG Berlin, Urt. v. 07.04.2006, AZ: 10 A 462.05, Rz 75 (juris). Insofern ist z.B. Walter Frenz, VerwArch 94 (2003), 345 (346) nicht konsequent, wenn er die Einführung des Zertifikatehandels an den Grundrechten des Grundgesetzes misst. Zum Anwendungsbereich deutscher Grundrechte im Hinblick auf Fragen des Zertifikatehandels s. u. S. 265 ff. VG Würzburg, NVwZ 2005, 471 ff.; dazu Stefan Kopp-Assenhauer, ZUR 2006, 405 (408). BVerwG, NVwZ 2005, 1178 ff.; dazu Stefan Kopp-Assenhauer, ibid., S. 407 f. Nichtannahmebeschluss des BVerfG, NVwZ 2007, 942.
182
D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
Sehr schnell stellte sich jedoch das Problem, dass die Intensität eines derartigen Eingriffs durch Systemwechsel nur in Abhängigkeit von der Kürzung des nationalen Emissionsbudgets, der Zuteilung und vom eingesetzten Zuteilungsmodus feststellbar ist19 und die Diskussion folglich maßgeblich von den Prognosen über die Entwicklung dieser Faktoren bestimmt wurde. So kann eine großzügige Zuteilung für einen einzelnen Anlagenbetreiber äußerst vorteilhaft sein, solange der Markt nicht gesättigt ist und er durch den Verkauf überschüssiger Zertifikate Gewinn erwirtschaften kann. Auch die Diskussion über die Einpreisung von Opportunitätskosten im Zusammenhang mit den sog. „windfall profits“ der Stromwirtschaft20 zeigt, dass eine klare Entscheidung über Belastung oder Gewinn durch den Zertifikatehandel nicht abstrakt zu treffen ist. Selbst wenn man hier bereits aus formalen Gründen (Wegfall der gesicherten Rechtsposition der Unternehmen) von einem Grundrechtseingriff ausgeht, bleibt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung eigenartig oberflächlich, weil ein Durchgriff auf die individuelle Situation des Anlagenbetreibers unabhängig von der Zuteilung nicht denkbar ist21. b) Die Allokation als konkreter Anknüpfungspunkt der Grundrechtsprüfung Folgerichtig ist es daher, nicht die Einführung des Zertifikatehandels als solche und die Lockerung der Rechtsposition der Anlagenbetreiber als Gegenstand einer Grundrechtsprüfung heranzuziehen, sondern stattdessen auf die Allokation der Zertifikate abzustellen22. Erst die Zuteilungsregeln gestalten die Situation, in der sich ein Anlagenbetreiber befindet23. Sie regeln seine eigene Ausstattung mit Zertifikaten, aber auch seine Situation im Wettbewerb zu anderen Anlagenbetreibern, die ebenfalls darauf angewiesen sind, CO2 ausstoßen zu können24. Die Zuteilung der Zertifikate stellt zwar in der Systematik des Verwaltungsrechts einen begünstigenden Verwaltungsakt dar; dennoch geht von ihr in Verbindung mit den
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Ähnl. Raimund Körner, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 4 TEHG Rz 38; Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 246. Hierzu s. o. S. 64 ff. Ebenso BVerfG, 1 BvR 2036/05 v. 14.05.2007, NVwZ 2007, 942 Rn 14, das eine unmittelbare Beeinträchtigung von Rechten beteiligter Unternehmen erst in der Zuteilungsentscheidung sieht. Ein gewisses Unbehagen an einer pauschalierenden Herangehensweise findet sich in etwas anderem Kontext auch bei Florian Becker, NVwZ 2006, 782 (783). Diese Schwierigkeit übersehen etwa Olaf Konzak/Pascal Heßler, Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 1, Rz 141, wenn sie die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts für zu oberflächlich halten. Ähnl. Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 238 f. zu Art. 14 GG, der Zuteilung der Zertifikate und Abgabenpflicht als Bestimmung von Inhalt und Schranken des Anlageneigentums definiert. Weniger klar zu Art. 12 GG demgegenüber ibid., S. 245 f. Vgl. zur Parallelsituation der Vergabe von Luftfahrt-Slots Thomas Tschentscher/Christian Koenig, NVwZ 1991, 219 (220); auch diese Autoren gehen davon aus, dass durch die Allokation die Grundrechte betroffen sind, ibid., S. 221. Vgl. Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 170.
I. Relevanz der deutschen und europäischen Grundrechte für den Zertifikatehandel
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anderen Regelungen des Zertifikatehandels eine einschränkende Wirkung auf die Grundrechte aus25. Die Allokation ist einer der wenigen Punkte, an denen der nationale Gesetzgeber wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung des Zertifikatehandels nehmen kann. Das System als solches sowie die Gesamtminderungsverpflichtung sind europarechtlich durch die EH-RL weitestgehend vorgegeben26. Hierdurch wird auch das Gesamtbudget an Zertifikaten nach oben begrenzt. Eine Zuteilungsregelung oder -entscheidung kann Grundrechte daher regelmäßig nur dann verletzen, wenn die Verteilung grundrechtswidrig ist. Hierfür ist niemals nur die einzelne Zuteilung bzw. der Bedarf einer Anlage ausschlaggebend, vielmehr müssen die wesentlichen Parameter, d.h. vorgegebene Minderungsquote der Volkswirtschaft, durchschnittliche Minderungskosten sowie Minderungspotential, -kosten und Alter der betroffenen Anlage bzw. Anlagengruppe in die Abwägung eingehen. Die Konstellation, dass der Staat nicht nur Genehmigungen erteilt, sondern bestimmte Nutzungsrechte alloziert, ist im deutschen Verwaltungsrecht nahezu einzigartig. Es geht dabei nicht nur um die einmalige Entscheidung, wer überhaupt derartige Zertifikate erhält, vielmehr werden diese Zertifikate in größeren Mengen benötigt und vergeben, d.h. auch die Frage des „wie viel“ spielt eine erhebliche Rolle. Gewisse Parallelen bestehen allenfalls zur Zuweisung sog. Slots nach dem Luftverkehrsrecht27. Anders als dort ist bei den Emissionsberechtigungen jedoch deren Handelbarkeit fester Bestandteil des Systems. Daher beschränkt sich der Zertifikatehandel per definitionem nicht darauf, einen absoluten Befehl zur Emissionsminderung zu geben, selbst wenn der Staat eine Anfangsverteilung der Zertifikate vornimmt. Der Emissionsminderungsbefehl geht nur kollektiv an alle vom Emissionshandel betroffenen Anlagen. In der Zuteilung von Zertifikaten ist kein Gebot zur Emissionsreduktion enthalten, selbst wenn sie unterhalb des üblicherweise von einer Anlage verursachten Ausstoßes bleibt. Betont wird die Wahlfreiheit des einzelnen Anlagenbetreibers, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um über die seinen Emissionsausstoß abdeckende Menge an Zertifikaten zu verfügen28. Dieser Wahlfreiheit wegen bevorzugen die meisten Ökonomen auch eine nicht auf staatlicher Entscheidung beruhende Erstzuteilung der Zertifikate im Wege einer Auktion29. Die Verteilung des CO2-Ausstoßes und der vorzunehmenden Emissionsreduktionen soll dem Markt überlassen werden. Der Staat erlässt dabei kein Gebot zur Emissionsminderung, sondern nimmt lediglich eine staatliche Ver25
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Kommt eine durch staatliche Leistung vermittelte Einwirkung in ihrer Lenkungswirkung der Intensität der Beeinflussung eines klassischen Eingriffs gleich, ist sie nach den Regeln der Eingriffsdogmatik zu behandeln, s. Gertrude Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte (1988), S. 222 f., 278 f. Zum Eingriffscharakter von wirtschaftslenkendem Staatshandeln vgl. auch Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungswirkung (1994), S. 75 f. Zu den Vorgaben der EH-RL s.o. S. 75 ff. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Erkenntnisse hierzu ungeprüft auf den Zertifikatehandel übertragbar wären. Ein wichtiger Unterschied besteht etwa darin, dass es Qualitätsunterschiede zwischen den Slots gibt, während die Zertifikate alle gleich sind. Vgl. Martin Burgi, Ersatzanlagen im Emissionshandelssystem (2004), S. 48. Zu den Vorteilen der Auktionierung vgl. bereits o. S. 70 f.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
knappung einer Ressource vor, bei der die Auktion über die Verteilung des verknappten Kontingents bestimmt. In Konsequenz dessen ist das Gebot, das von einer Zuteilungsentscheidung bei Verwendung eines Grandfathering- oder Benchmark-Vergabeverfahrens ausgeht, komplexer Natur: Es fordert den betreffenden Anlagenbetreiber auf, die Emissionen der Anlage so weit zu begrenzen, dass die zugeteilten Zertifikate genügen oder aber zusätzlich benötigte Zertifikate auf dem Markt hinzu zu kaufen30. Innerhalb eines Auktionssystems lautet das Gebot, Anlagenbetrieb und bei der Auktion oder später auf dem Markt erworbene Zertifikate in Übereinstimmung zu bringen. Wie der Anlagenbetreiber an sein Ziel gelangt, seine Emissionen und die erforderlichen Zertifikate zu koordinieren, bleibt ihm überlassen: Denkbar sind Einschränkungen der Produktion, technische Maßnahmen zur Verbesserung der Effizienz ebenso wie Zukauf von an anderer Stelle nicht mehr benötigten Zertifikaten. Solange ein erheblicher Anteil der benötigten Zertifikate kostenlos bzw. gegen Gebühr zugeteilt wird, bleiben die Belastungswirkungen durch den Emissionshandel somit deutlich unterhalb denen, die mit einer ordnungsrechtlichen Anordnung einer Reduktion der Emissionen auf den Wert der zugewiesenen Zertifikate einher gingen. Diese „Liberalität“ des Zertifikatehandels führt somit zu einer geringeren Eingriffswirkung, die sich in der Grundrechtsprüfung niederschlägt31 und die grundrechtliche Beurteilung erschwert.
3. Die Bedeutung der Gesamtobergrenze (sog. Cap) Schließlich ist von Bedeutung, in welchem Verhältnis die Gesamtobergrenze des Emissionsausstoßes eines Staates (das sog. Cap) und die Allokation der Zertifikate für eine bestimmte Anlage stehen. Diese Frage stellt sich auf Ebene der nationalen Grundrechte in gleicher Form wie im Bereich der Gemeinschaftsgrundrechte und wird hier, da nicht eigentlich im Zentrum der Fragestellung, vorab für beide Systeme erörtert. Die Problematik ähnelt ein wenig der oben geschilderten Frage, ob man zur Prüfung der Grundrechte nicht bereits bei der Einführung des Zertifikatehandelssystems ansetzen muss32, da auch das Cap der Allokation vorgeschaltet ist. Allerdings reicht die absehbare Bedeutung des Caps über die der Einführung des Zertifikatesystems hinaus. a) Wirkungsweise des Caps Die unterschiedlichen Allokationssysteme bauen alle auf einer vorher festzusetzenden Gesamtemissionsbegrenzung, dem sog. „Cap“, auf. Bevor es zur Anwendung eines Verteilungsmechanismus kommen kann, muss demnach festgesetzt werden, welche Menge an Zertifikaten überhaupt vergeben werden soll. Für die erste Zuteilungsperiode erfolgte diese Festsetzung in Deutschland verbindlich in 30
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Ebenso Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 279; Manfred Rebentisch, NVwZ 2006, 747 (749). Yvonne Kerth, ibid., S. 279. S. o. S. 181 f.
I. Relevanz der deutschen und europäischen Grundrechte für den Zertifikatehandel
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§ 4 IV ZuG 200733. Diese Menge gibt das Maximum wieder, das am Emissionshandel beteiligte Betriebe in einem Mitgliedstaat ausstoßen dürfen34. Mehr als die festgesetzte Menge an Zertifikaten darf nach keinem Verteilungsmodus zugeteilt werden, so dass vielfach die Stringenz der Vorgaben eher anhand der zulässigen Gesamtemissionen als anhand des verwendeten Allokationsmodus bemessen werden kann. Das Cap ist somit ein relevanter Faktor, um die Eingriffsintensität auch für den Einzelfall zu präjudizieren; die unterschiedlichen Allokationsmodi bauen auf dieser Vorgabe auf. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit des Cap ist einerseits, ob die Festsetzung einer Obergrenze überhaupt gerechtfertigt werden kann, und andererseits, ob sich den europäischen Grundrechten Maßstäbe für die zulässige Höhe der Festsetzung entnehmen lassen. b) Zulässigkeit der Festsetzung einer absoluten Obergrenze Die Notwendigkeit der Festsetzung einer Emissionsobergrenze ergibt sich aus der EH-RL und ist somit als solche lediglich an den Gemeinschaftsgrundrechten zu messen35. Ebenso wie im Bereich der nationalen Grundrechte gilt auch für die Gemeinschaftsgrundrechte, dass Eingriffe zulässig sind, wenn sie einem legitimen Zweck dienen, geeignet und erforderlich sind, diesen zu erreichen und zudem angemessen, d.h. nicht schlechthin unverhältnismäßig sind36. Zudem ist der Wesensgehalt der betroffenen Rechte und Freiheiten zu achten37. Dem Klimaschutz kommt wie allen Umweltanliegen im Europarecht eine verhältnismäßig große Bedeutung zu38. Eine absolute Obergrenze für Emissionen der dem Zertifikatehandel unterliegenden Unternehmen dient dem Klimaschutz und ist somit ein geeignetes Mittel, um dieses Anliegen zu verfolgen. Eine Besonderheit im Bereich des Klimaschutzes ist an dieser Stelle zu berücksichtigen: Bei 33
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OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.11.2006, OVG 12 B 13.06, S. 23 – Anteilige Kürzung I; s. auch o. S. 116. Gewisse Modifikationen ergeben sich dadurch, dass die Zertifikate EU-weit verwendet werden dürfen und somit eine Verwendung der Zertifikate in anderen Mitgliedstaaten oder aber die Verwendung von im Ausland gekauften Zertifikaten in Deutschland denkbar sind. Zudem gibt es für Unternehmen die Möglichkeit, Gutschriften aus CDMbzw. JI-Projekten einzubringen. Für die Frage der staatlichen Allokation haben diese Modifikationen jedoch keine Bedeutung. Etwas anderes gilt nur, wenn Staaten ihr Emissionskontingent durch Zukäufe oder Projektmaßnahmen vergrößern. Ist das Kontingent jedoch einmal festgesetzt, gelten wieder die dargelegten Grundsätze für die Allokation. Zur Frage, wann im europäischen Kontext deutsche Grundrechte maßgeblich sind und zur sog. Solange-Rspr. des Bundesverfassungsgerichts s. u. S. 265 ff. Hans-Werner Rengeling/Peter Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union (2004), § 7 Rz 440 f.; Dirk Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 14 Rz 50; Hans D. Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 6 Rz 45 ff. Hans-Werner Rengeling/Peter Szczekalla, ibid., § 7 Rz 440, 445 ff.; Hans D. Jarass, ibid., § 6 Rz 51; Dirk Ehlers, ibid., § 14 Rz 49. Mehr dazu s. u. S. 205 ff.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
Treibhausgasemissionen ergibt sich die Schadensmöglichkeit nicht lediglich aus einer Quelle, sondern besteht das Risiko gerade im Zusammenwirken verschiedener Quellen und Beiträge. Daher kann das erforderliche Maß an Vorsorge sich nicht nach der einzelnen Anlage richten, sondern sich nur aus der Gesamtbetrachtung aller beteiligten Anlagen ergeben39. Das Risikopotential der Einzelanlage hingegen ist nicht aussagekräftig, weil es erst im Zusammenwirken mit anderen Beiträgen seine Schädlichkeit erlangt40. Die Notwendigkeit eines Gesamtkonzepts ergibt sich daher schon aus dem Zweck, wirksamen Klimaschutz zu gewährleisten41; in der Verhältnismäßigkeitsbetrachtung ist dementsprechend auch auf dieses Gesamtkonzept abzustellen. Nur indem eine absolute Obergrenze festgesetzt wird, lässt sich eine absolute Reduktion der Emissionen sicherstellen. Andere Rechtsinstrumente, insbesondere relative Reduktionsvorgaben, führen nicht mit der gleichen Sicherheit zum Ziel, weswegen die absolute Obergrenze auch erforderlich ist. Schließlich darf sie gegenüber dem mit ihr erreichten Zweck auch nicht völlig unverhältnismäßig sein. Die Union strebt in sämtlichen Politikfeldern ein hohes Umweltschutzniveau an, was zwar nicht zu einer absoluten Vorrangstellung des Umweltschutzes führt, dennoch aber regelmäßig geeignet ist, umweltschützende Maßnahmen, die in Grundrechte eingreifen, zu rechtfertigen, solange das dahinter stehende Umweltziel von genügender Bedeutung ist und die Maßnahme nicht schlechthin unzumutbar. Grundsätzlich ist auch eine absolute Obergrenze für die unter den Zertifikatehandel fallenden Anlagen daher verhältnismäßig und somit zulässig. c) Ausmaß der Kürzung Hieran schließt sich die Frage an, wie strikt die durch diese absolute Obergrenze vorgegebene Kürzung sein darf. Diese Kürzung ist auch an den deutschen Grundrechten zu messen, sobald der deutsche Gesetzgeber über das europarechtlich zwingende Maß der Beschränkung hinausgeht. Grundsätzlich ist eine Obergrenze gerechtfertigt, solange sie noch dem Umweltschutz dient und nicht unangemessen ist. Die Rechtfertigung entfällt somit erst dann, wenn ein gravierender Eingriff in die Wirtschaft nur geeignet ist, die Umweltqualität marginal zu verbessern oder die Verbesserungen für die Umwelt mit derartig massiven Grundrechtseingriffen verbunden sind, dass letztere nicht mehr zu vertreten sind. Die Festsetzung der Gesamtemissionen kann daher lediglich dann unverhältnismäßig restriktiv sein, wenn die Reduktionsvorgaben über die Vorstellungen der Naturwissenschaftler noch hinausgehen. Oder aber, wenn die Reduktionsfristen so kurzfristig bemessen sind, dass den Unternehmen keine Zeit für Anpassungsmaßnahmen verbleibt. Ergänzend sei jedoch darauf hingewiesen, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung auch umgekehrt verlangt, dass Eingriffe in die Grundrechte der Unternehmen nur vorgenommen werden dürfen, wenn damit ein Gemeinwohlzweck erreicht werden
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Rainer Wahl/Ivo Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), 1 (128 f.). Rainer Wahl/Ivo Appel, ibid., 1 (129). Vgl. allgemeiner (d.h. nicht nur auf den Klimaschutz bezogen) Rainer Wahl/Ivo Appel, ibid., 1 (129).
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kann. Das bedeutet, dass ein Zertifikatehandelssystem mit dauerhaft42 übergroßzügiger Zuteilung, das für den Klimaschutz keine nennenswerte Verbesserung bedeutet und mit großem Aufwand für die Unternehmen einhergeht, ebenfalls unverhältnismäßig ist. Wird also am Emissionshandel gelegentlich kritisiert, der Belastung der Unternehmen stehe kein entsprechender Nutzen beim Klimaschutz gegenüber, ließe sich dieser Mangel auch durch eine weitere Reduktion der zulässigen Emissionen beheben. Hieraus ergibt sich auch die Notwendigkeit, den internationalen Kontext im Auge zu behalten: Stellte sich heraus, dass sich dauerhaft nur Europa um die Reduktion der Emission von Treibhausgasen bemüht, andere Regionen der Welt jedoch ungebremst emittieren und ihre Emissionen steigern, könnte dies möglicherweise in letzter Konsequenz dazu führen, dass rigide Klimaschutzmaßnahmen unverhältnismäßig werden. Zu dem Urteil, Emissionsminderungen in Europa seien unerheblich, weil sich eine vergleichbare Verpflichtung auf den Klimaschutz weltweit noch nicht durchgesetzt hat, darf man jedoch nicht vorschnell gelangen. Klimawandel ist ein langfristiger Prozess, die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind verhältnismäßig neu, und Verhandlungen laufen auch auf internationaler Ebene43. Da das Klimaproblem jedenfalls vorrangig durch die Industriestaaten verursacht wurde, müssen hier auch Lösungen entwickelt werden; Ungleichgewichte zwischen diesen Staaten sind im Interesse der Sache hinzunehmen. Eine zufriedenstellende globale Einigung wird voraussichtlich noch einige Zeit benötigen. Schließlich bedeutet die Argumentation, der Klimawandel könne von Europa aus nicht verhindert werden, in letzter Konsequenz die Kapitulation vor dem Klimawandel. Für die ersten beiden Handelsperioden sind die politischen Vorgaben bisher nicht sehr ambitioniert, so dass die Gefahr einer unverhältnismäßigen Gesamtmenge nicht besonders real scheint. Aber selbst wenn im Zuge immer besorgniserregenderer Erkenntnisse über den bevorstehenden Klimawandel für die Zeit nach 2012 plötzlich sehr strenge Kürzungen vorgegeben werden sollten, handelt es sich um vorhersehbare Maßnahmen. Mit der Einführung des Zertifikatehandels zum Jahr 2005 sollten die Betreiber emissionsintensiver Anlagen gewarnt sein; ihr Vertrauen darauf, dass sie auch in Zukunft entsprechende Emissionen abgeben dürfen, ist nicht mehr länger geschützt. Dennoch sollen bei den folgenden Ausführungen das Cap und dessen Grundrechtswirkung nicht im Mittelpunkt stehen. Insbesondere bezweckt die Arbeit keine Diskussion, wie weit es zulässigerweise abgesenkt werden kann. Dies ist schwer prognostizierbar und hängt nicht zuletzt von der technischen Entwicklung ab, einerseits hinsichtlich der Verbesserung der Effizienz, andererseits bezüglich der Abscheidung und Speicherung von CO2 und nicht zuletzt auch von der Marktreife kohlendioxidarmer oder -freier Alternativtechniken und dem mit der Aufoder Umrüstung verbundenen Aufwand. Eine längerfristig gültige Antwort auf 42
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Bei der Einführung des Zertifikatehandels gab es einen Konsens darüber, zunächst unter weniger restriktiven Bedingungen die Wirkungsweise dieses neuartigen Instruments zu erproben. Dies ist natürlich zulässig, aber eben nur für die Erprobungsphase. Hält man das Instrument für wirksam und soll es dauerhaft eingesetzt werden, muss es auch dem Zweck, zu dem es eingeführt wurde, gerecht werden. Hierzu s. o. S. 154 ff.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
diese Frage gibt es daher ohnehin nicht. Denkbar ist, angesichts der Bedrohlichkeit der befürchteten Klimaentwicklung und der Bedeutung des Klimaschutzes, das Cap jeweils an den unteren Rand des technisch Machbaren44 zu verschieben. Die langfristig proklamierten Kürzungen um 50-80 % gegenüber den Werten von 1990 können sicher nicht 2013 auf einmal eingeführt werden. Angesichts der Dringlichkeit des umweltpolitischen Anliegens Klimaschutz würden jedoch selbst schmerzhafte Kürzungen von 10 % pro fünfjähriger Handelsperiode den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wohl nicht verletzen. Die folgende Erörterung konzentriert sich auf die unterschiedlichen Allokationsvorschriften und basiert im Übrigen auf der Annahme, dass das gewählte Cap mit den Grundrechten im Einklang steht. d) Die Verteilung der Minderungspflichten zwischen Emissionshandelssektoren und anderen CO2-Verursachern Tatsächlich gibt das Cap noch nicht unmittelbar vor, wie viele Zertifikate die vom Emissionshandel erfassten Sektoren erhalten, da diese Sektoren nicht die einzigen Emittenten von CO2 sind. Die Mitgliedstaaten sollen zwar darauf hinwirken, dass alle Sektoren zur Emissionsminderung beitragen und die Emissionshandelssektoren nicht einseitig belastet werden. Da jedoch nicht vorgegeben ist, dass die Einsparungen proportional in allen Sektoren zu erfolgen hätten, haben die Mitgliedstaaten auch an dieser Stelle einen gewissen Spielraum. Wohl nicht zuletzt aufgrund der Lobbytätigkeit der betroffenen Sektoren haben die meisten Mitgliedstaaten versucht, Emissionsminderungen in den nationalen Allokationsplänen zu einem überproportionalen Maß auf die nicht am Emissionshandel beteiligten Sektoren zu übertragen45. Dies ist einerseits problematisch, weil die Emissionen außerhalb des Emissionshandels meist von zahlreichen kleineren Quellen verursacht werden und diese Einsparungen daher wesentlich schwieriger zu kontrollieren sind. Zudem steht ein dem Emissionshandel vergleichbares effizientes Mittel nicht zur Verfügung, so dass zu erwarten ist, dass CO2-Einsparungen außerhalb des Handelssystems mit deutlich höheren Kosten verbunden sein werden46. Vielfach konnten Mitgliedstaaten auch nicht schlüssig darlegen, wie die Minderungen zustande kommen sollten47. Ebenso wie die Grundidee der Allokation muss die Kommission jedoch auch die Aufteilung der Minderungsverpflichtung auf die ver-
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Gemeint ist: regelmäßig unter Berücksichtigung der Investitionszyklen und davon ausgehend, dass sich Investitionen in Altanlagen amortisieren sollen. Vgl. Karoline Rogge et al., Early Assessment (2006), S. 20. Karoline Rogge et al., ibid., S. 20. Vgl. nur die Entscheidung der Kommission vom 29.11.2006 über den nationalen Plan zur Zuteilung von Treibhausgasemissionszertifikaten, den Deutschland gemäß der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates übermittelt hat, dazu s.o. S. 143 f.
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schiedenen Sektoren überprüfen und stellt sich inzwischen einer unfundierten Verlagerung von Minderungsverpflichtungen in den Weg48. Die Tatsache jedoch, dass den Mitgliedstaaten an dieser wesentlichen Scharnierstelle noch erhebliche politische Spielräume verbleiben, ändert nichts an der hier postulierten grundsätzlichen Trennung zwischen Begrenzung der Gesamtmenge und Allokation. Das (Minimal-)Cap ist europarechtlich zwingend vorgegeben, und auch für den auf den Zertifikatehandel entfallenden Emissionsanteil bestehen rechtliche Vorgaben, die jedoch die Gesamtmenge zulässiger Emissionen nicht präzise festsetzen. Die hier diskutierten Grundsätze, die die Mitgliedstaaten bei der Allokation zu beachten haben, gelten folglich auf zwei Ebenen. Zunächst sind sie bei der Verteilung der Emissionskontingente auf die einzelnen Sektoren inner- und außerhalb des Zertifikatehandels zu beachten49. Das dabei auf den Zertifikatehandel entfallende und von der Kommission mit der Entscheidung über den nationalen Allokationsplan genehmigte Kontingent ist anschließend auf die einzelnen Anlagen zu verteilen. Hierbei ist davon auszugehen, dass die von der Kommission genehmigte Gesamtmenge an Zertifikaten fixiert ist und nicht mehr zur Disposition steht.
4. Die Idee der Allokation: Das Anliegen der Verteilungsgerechtigkeit und die Zuteilung von CO2Zertifikaten a) Allokation und Verteilungsgerechtigkeit Bei der Allokation geht es vorrangig darum, die vorgefundene Knappheit, d.h. den Bestand der auf ein Land entfallenden Zertifikate, unter den dem Emissionshandel unterfallenden Anlagenbetreibern zu verteilen50. Bei den Zertifikaten handelt es sich um das Recht, Treibhausgase (im Moment: CO2) zu emittieren, d.h. die Umwelt mit dieser Emission zu belasten. Infolgedessen geht es nach der Unterscheidung Kloepfers bei der Allokation dieser Zertifikate nicht um die Verteilung von Umweltgütern, sondern um die Verteilung von Umweltlasten51. Die Allokationsentscheidung wird in Deutschland aufgrund ihrer Wichtigkeit nach anfänglichen Überlegungen, die Frage durch eine Rechtsverordnung zu regeln, nunmehr gesetzlich im jeweils gültigen Zuteilungsgesetz geregelt. Praktisch unerreichbares Ziel ist hierbei die Suche nach dem gerechten Verteilungsmaßstab52. Rechtlich erzwingbar hingegen ist lediglich eine Lösung, die die Grund48
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Vgl. Mitteilung der Kommission über die Bewertung der nationalen Pläne für die Zuteilung von Zertifikaten für Treibhausgasemissionen im zweiten Zeitraum des EUEmissionshandelssystems, KOM(2006) 725 endg. S. 8. An dieser Stelle sind vorrangig Gleichheitserwägungen relevant. Zur Verteilungsproblematik beim Emissionshandel vgl. Michael Kloepfer, Umweltgerechtigkeit (2006), Rz 613 ff. Vgl. Michael Kloepfer, ibid., Rz 27, 42, 47. Dies scheitert bereits daran, dass es kein allgemein akzeptiertes, geschlossenes Konzept der Verteilungsgerechtigkeit gibt. Zur Umweltgerechtigkeit als Problem der Vertei-
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rechte der betroffenen Anlagenbetreiber nicht verletzt, die somit die aufgeworfenen Fragen einer vertretbaren Lösung zuführt. Allerdings ist zu beachten, dass das Grundgesetz regelmäßig weite politische Handelsspielräume eröffnet und die grundrechtliche Prüfung lediglich dem gesetzgeberischen Exzess entgegenwirken kann53. Wann eine rechtlich vertretbare Regelung der Allokation erfolgt, richtet sich danach, ob ein Eingriff in Grundrechte vorliegt, und ob dieser Eingriff ggf. gerechtfertigt ist. Dies ist üblicherweise dann der Fall, wenn er verhältnismäßig ist. Für die Verhältnismäßigkeitsprüfung von besonderer Bedeutung ist der Zweck des Eingriffs, d.h. die Frage, warum ein Eingriff vorgenommen wird, was mit ihm erreicht werden soll. Erforderlich für die Rechtfertigung eines Eingriffs ist, dass er einem legitimen Zweck, üblicherweise einem Gemeinwohlzweck54, dient. Dieser legitime Zweck dient gleichermaßen als Maßstab der Grundrechtsprüfung und ist daher mit besonderer Sorgfalt zu definieren. Bei seiner Bestimmung ist an wirtschaftslenkende Intentionen ebenso wie an Nachhaltigkeitsziele zu denken. Im Falle der Allokation von CO2-Zertifikaten geht es zudem darum, einen möglichst gerechten Ausgleich zwischen den unterschiedlichen betroffenen – und jeweils für sich legitimen – Interessen herzustellen. Schon aus diesem Grund dienen die verwendeten Allokationsvorschriften niemals nur einem Zweck allein55, sondern üblicherweise gleich mehreren Zwecken, wobei die Kombinationen sowie das Gewicht, das den einzelnen Anliegen beigemessen wird, variieren. Diese Zwecke hängen in besonderem Maße von den politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten ab. Dabei kommt dem Gedanken der Effizienz im Rahmen des Zertifikatehandels besondere Bedeutung zu, weil dieses Instrument gerade mit dem Anspruch in die politische Diskussion eingeführt wurde, die Kosten ohnehin erforderlicher Maßnahmen zu minimieren. Die Entscheidung darüber, welche Zwecke verfolgt werden und welches Gewicht ihnen zukommt, trifft jedoch der Gesetzgeber im Zuge des Erlasses des Zuteilungsgesetzes. Dabei ist er nicht an das ökonomische Optimalmodell des Zertifikatehandels gebunden, vielmehr kommen ihm weite Beurteilungs- und Ermessensspielräume zu. Die folgende Auflistung enthält die nächstliegenden Allokationszwecke, ohne dass sie die Gewähr bieten könnte, abschließend zu sein. Obwohl sie hinter den politischen Entscheidungen für die einzelnen Verteilungsmodi des jeweiligen Zuteilungsgesetzes stehen, werden die mit der Allokation verfolgten Absichten selten
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lungsgerechtigkeit s. Michael Kloepfer, Umweltgerechtigkeit (2006), Rz 26 ff. Zu den Kriterien einer gerechten Verteilung aus ethischer Sicht Carl F. Gethmann, in: Gethmann/Kloepfer/Reinert, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, S. 1 (8 ff.). Martin Burgi, in GfU, Rechtsprobleme des CO2-Emissionshandels (2005), 115 (126) formuliert in diesem Kontext, die Verfassung sei „kein Fahrplan, sondern eine Rahmenordnung“. Zum Begriff des Gemeinwohls vgl. Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2000), S. 75 ff. Zu kurz greift eine Argumentation, die als Zweck undifferenziert für alle Aspekte des Emissionshandels dessen Systemzweck, d.h. die effiziente Umsetzung des Klimaschutzes, zugrunde legt, so noch Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 79 f.
I. Relevanz der deutschen und europäischen Grundrechte für den Zertifikatehandel
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ausdifferenziert. Auch die Gesetzesbegründung des ZuG 2007 äußert sich zu den Allokationszwecken nur andeutungsweise. Einige Aspekte werden jedoch in der Begründung des aktuellen Entwurfs für einen revidierten NAP II56 thematisiert. b) Die mit der Allokation verfolgten Zwecke im Überblick aa) Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie, insbesondere Einhaltung des sog. Cap Unabhängig davon, für welchen Zuteilungsmodus sich der Gesetzgeber entscheidet, müssen in jedem Falle die Vorgaben der EH-RL befolgt werden. So müssen etwa die Kriterien, die die Richtlinie für die Allokation vorgibt, eingehalten werden57. Auch darf eine Zuteilung über das nationale Cap hinaus nicht erfolgen58. Sofern also ein Zuteilungsmechanismus „bottom up“ wirkt, muss daher gesichert sein, dass bei seiner Anwendung das nationale Cap keinesfalls überschritten wird. Diesem Zweck dient insbesondere die sog. anteilige Kürzung, die in deutlich komplexerer Form auch künftig in § 4 Abs. 3 ZuG 2012 fortbesteht59. bb) Bestandsschutz Ein weiteres Anliegen, das großen Einfluss auf die Wahl des Allokationsmodus hat, ist der Bestandsschutz der vorhandenen Anlagen60. Er soll sicherstellen, dass Betreiber ihre Anlagen nicht von heute auf morgen schließen müssen, und ein abruptes Umsteuern vermeiden. Besonders ausgeprägt ist der Bestandsschutz für Anlagen, die vor Inkrafttreten des TEHG in Betrieb gegangen sind und nun mit den Regelungen des Zertifikatesystems konfrontiert werden. cc) Versorgungssicherheit Die Versorgungssicherheit ist in letzter Zeit viel in den Medien thematisiert worden, wenn auch häufiger im Zusammenhang mit der Sicherheit von Erdgaslieferverträgen mit Russland und dem Ausstieg aus der Kernenergie als konkret im Zusammenhang mit dem Emissionshandel61. Ein Argument, warum Staaten unwillig sind, den wirtschaftlichen Druck auf Kohlekraftwerke zugunsten des emissionsärmeren Erdgases zu erhöhen, besteht darin, dass hierdurch wirtschaftliche 56
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Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007. Hierzu s. o. S. 90 ff. Für den NAP II vgl. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 13 f. Diesen Zweck betont VG Berlin, AZ: 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, Rz 77 f. (juris) für die anteilige Kürzung. Zu dieser vgl. oben S. 135 f. S. Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 vom 07.08. 2007, BGBl. 2007 I Nr. 38, S. 1788 ff. Ein Mindestmaß an Bestandsschutz wird auf europäischer wie deutscher Ebene durch das Eigentumsgrundrecht gewährleistet, dazu zum Gemeinschaftsgrundrecht auf Eigentum S. 209 ff., zu Art. 14 I GG S. 282 ff. Zur Bedeutung des Bestandsschutzes bei der Ausgestaltung eines Zertifikatehandels vgl. auch Johannes Heister et al., Umweltpolitik mit handelbaren Emissionsrechten (1991), S. 104. S. etwa Ruch, ftd.de v. 12.05.2007; Lossau, welt-online v. 29.05.2007.
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Abhängigkeiten von Ländern mit Erdgasvorkommen befürchtet werden. Da die Regionen mit derartigen Erdgasvorkommen aber gleichzeitig Regionen mit zahlreichen politischen Krisenherden sind, besteht hier Anlass zur Besorgnis. Ebenfalls in diesen Kontext fällt der Atomausstieg. Hier stellt sich die Frage, wie der Wegfall des durch Kernkraftwerke erzeugten Stroms ausgeglichen werden kann, ohne dass zusätzliche CO2-Emissionen anfallen oder die Stromversorgung gefährdet wird. Höhere Zuteilungen an Kohlekraftwerke werden daher häufig damit begründet, ohne diese Kraftwerke könne die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet werden. Nicht von der Hand zu weisen ist jedenfalls, dass über die Zuteilung auch Einfluss auf die Energieträgerstruktur genommen werden soll62. dd) Förderung von Investitionen und neuen Techniken Durch die Wahl des Verteilungsmodus können Anreize gesetzt werden, in neue Techniken zu investieren. Je geringer die Bedeutung der früheren Emissionen für die Zuteilung wird, desto größer ist der Gewinn, der sich durch Modernisierung und Neubau von Anlagen erzielen lässt. Dieser Aspekt hängt eng mit dem unter ee) aufgeführten Umweltschutz zusammen, da nur rechtzeitige Investitionen in neue, effiziente Techniken ein konsequentes mittel- bis langfristiges Umsteuern auf ein höheres Maß an Klimaschutz ermöglichen. Auch der NAP II soll darauf ausgerichtet sein, einen „günstigen Rahmen für den Bau zukunftsorientierter und hocheffizienter Anlagen in Energiewirtschaft und Industrie [zu] schaffen“ und so „positive wachstums- und beschäftigungspolitische Effekte mit einem wirksamen Klimaschutz“ verbinden63. Allerdings setzt die Förderung von Investitionen nicht nur günstige Bedingungen zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme einer Anlage voraus, sondern zudem eine gewisse Vorhersehbarkeit zukünftiger Entwicklungen64. Dem gerecht zu werden, ist jedoch problematisch, zumal die Kommission darauf drängt, keine Zuteilungszusagen über die laufende Periode hinaus abzugeben65. ee) Umweltschutz und Nachhaltigkeit Während das Cap offensichtlich und vorrangig dem Klima- und somit Umweltschutz dient, stellt sich die Situation bei den Allokationsregelungen wesentlich komplexer dar. Prüft man die Allokation anhand der Gemeinschaftsgrundrechte, ist auch der Zusammenhang zwischen Allokation und Cap zu berücksichtigen, da beide Weichenstellungen umfassend grundrechtskonform erfolgen müssen. Dennoch kann der nationale Umsetzungsgesetzgeber naturgemäß nur auf die Allokation größeren Einfluss nehmen; hinsichtlich des Caps ist ihm ein Minimum 62
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Vgl. etwa SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 9; Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 14. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 13. Sehr ähnlich Kabinettsentwurf ZuG 2012, Begründung S. 35. Zu Kraftwerksmodernisierung und Förderung innovativer Technologien als zentralen Zielen der Allokationsregeln auch Dirk Weinstein, ZUR 2006, 399 (401); Ralf Schüle, Wuppertal Bulletin 2006, 6 (8). Zur Problematik der Investitionssicherheit vgl. bereits o. S. 61 f. Hierzu o. S. 144 f.
I. Relevanz der deutschen und europäischen Grundrechte für den Zertifikatehandel
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europarechtlich vorgegeben. Nationale Grundrechte sind ohnehin nur beachtlich, soweit dem Umsetzungsgesetzgeber Spielräume verbleiben. Wegen dieser beschränkten Prüfungskompetenz ist für die Allokation zu erwägen, ob der Umweltschutz für die Frage der grundrechtlichen Spielräume und ihrer Grenzen überhaupt eine Rolle spielen kann. Primär dient die Allokation der effizienten Verteilung der nur in limitierter Anzahl verfügbaren Zertifikate. Die Anzahl der Zertifikate und – systembedingt – auch die Menge der Emissionen werden bereits durch das Cap vorgegeben. Man könnte somit die Frage der Allokation unter Umweltgesichtspunkten für völlig unerheblich halten, da sich die Klimawirkungen ausschließlich aus den Gesamtemissionen ergeben, unabhängig von deren Verteilung66. Allerdings muss man bei der Betrachtung der Allokation über ihre unmittelbaren Auswirkungen auch ihre mittel- und langfristigen Konsequenzen im Auge behalten. Bei der Frage, welche Sekundärziele mit der Allokation verfolgt werden sollen, spielen der Umweltschutz und die Nachhaltigkeit sehr wohl eine Rolle. Der einer Allokation zugrunde liegende Verteilungsmodus stellt auch die Weichen für künftiges Handeln der Wirtschaftsteilnehmer und sendet Signale, welche Anlagen staatlich gestützt werden. Über die Allokationsregeln kann der Staat deutlich machen, dass es ihm mit dem Nachhaltigkeitsanliegen ernst ist und er auf eine Schonung der Ressourcen hin arbeitet. Hierzu ist es nicht zuletzt erforderlich, das Entstehen von eigentums- oder vertrauensschutzrechtlichen Ansprüchen für die Zukunft zu begrenzen67. Auch für die Allokation ist der Umweltschutz als Rechtfertigung somit noch ein wesentlicher Aspekt. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Bedeutung des Nachhaltigkeitsprinzips für die Festsetzung des Caps größer ist als für die eigentliche Allokation. ff) Verursacherprinzip Auch der Versuch, das Verursacherprinzip mittels der Allokation umzusetzen, kann eine Rolle spielen. Dieses Prinzip stammt aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht sowie aus dem allgemeinen Haftungsgedanken und besagt, dass der Verursacher eines Umweltschadens nach Möglichkeit die Kosten der Vermeidung oder Beseitigung des Schadens sowie ggf. anfallende Folgekosten tragen soll68. Der Gedanke entspricht dem ökonomischen Prinzip der Internalisierung externer Kosten69. Die Allokation von CO2-Zertifikaten orientiert sich umso mehr an diesem Prinzip, je weniger bestehende Strukturen geschützt werden und je enger der Ausstoß von CO2 mit Kosten verbunden ist. Die weitestgehende Verwirklichung des Verursacherprinzips ergäbe sich somit bei einer Auktionierung der Zer66
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So etwa Martin Burgi/Peter Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung von Emissionszertifikaten (2007), S. 65. Hierfür kann sich der Staat etwa auf Schutzpflichten berufen, die sich auf europäischer wie nationaler Ebene aus seiner Verpflichtung zur Beachtung von Umweltbelangen oder auch aus den Grundrechten ergeben, s. u. S. 205 ff., 269 ff. Vgl. Michael Kloepfer, Umweltgerechtigkeit (2006), Rz 54; Astrid Epiney/Bernhard Hofstötter, in: Meyer-Ohlendorf/Mehling, Rechtliche Ausgestaltung von Nutzungsentgelten (2006), S. 116 f. zur Einführung von Nutzungsentgelten. Michael Kloepfer, ibid., Rz 55. Zur Internalisierung von Umweltexternalitäten s. o. S. 40 ff.
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tifikate, da in einem solchen System die Emissionen unmittelbar mit Kosten verbunden sind. Diese werden zwar nicht genau mit den Umweltkosten übereinstimmen; dennoch ist die Kostenpflichtigkeit der Zertifikate im Sinne dieses Prinzips ein Schritt in die richtige Richtung. Aber auch bei der Anwendung eines Benchmarks auf Basis der bestmöglichen Technik und des emissionsärmsten Brennstoffs findet das Verursacherprinzip im Rahmen der Allokation besondere Berücksichtigung70. gg) Volkswirtschaftliche Effizienz und Kostenminimierung Eine effiziente Verteilung der Zertifikate führt automatisch zu niedrigeren Kosten für die Volkswirtschaft71. Handelsvorgänge verursachen Transaktionskosten72; die volkswirtschaftliche Effizienz steigt daher mit der Wirtschaftlichkeit ihrer Zuteilung. Die optimale Verteilung der Zertifikate ist gleichbedeutend mit gesamtgesellschaftlicher Kostenminimierung. Für den Emissionshandel von besonderer Bedeutung ist der Effizienzgedanke, da dieses Instrument gerade entwickelt wurde, um die vorgegebenen Umweltstandards besonders kostengünstig zu erreichen73. Da der Zertifikatehandel sich durch diese Vorgabe als Instrument legitimiert, sind Modifikationen, die zu höheren volkswirtschaftlichen Kosten führen, aus ökonomischer Perspektive besonders bedenklich. hh) Wahrung der Chancengleichheit Einerseits soll der Emissionshandel dazu beitragen, die Volkswirtschaft klimafreundlicher zu gestalten. Andererseits wird immer wieder gefordert, der Zertifikatehandel dürfe den Wettbewerb nicht verzerren74. Offenbar stehen diese beiden Aussagen in einem gewissen Spannungsverhältnis, jedenfalls, wenn man jede Veränderung im wirtschaftlichen Kräftegleichgewicht als wettbewerbsverzerrend betrachtet. Sinnvoller dürfte hingegen zu fordern sein, dass vom Emissionshandel keine Veränderungen der Wettbewerbslage ausgehen, die sich nicht aus ökologischen Gründen rechtfertigen lassen. In der Diskussion über den neuen NAP II haben sich diese Aspekte in mehrfacher Hinsicht niedergeschlagen. So wird die Vermeidung von Mitnahmeeffekten bei der Einpreisung der Zertifikate seitens der Strombranche bezweckt75. Gleichzeitig soll das produzierende Gewerbe wegen seiner stärkeren Einbindung in den internationalen Wettbewerb weitgehend von den Minderungsverpflichtungen ausgenommen werden, weswegen für industrielle Bestandsanlagen ein separater Er70
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Gerechtigkeitsbedenken wegen Nichtberücksichtigung der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit und einer drohenden Überwälzung der Kosten auf den Endverbraucher äußert jedoch Michael Kloepfer, Umweltgerechtigkeit (2006), Rz 55 f. Vgl. zum volkswirtschaftlichen Kriterium der Effizienz o. S. 46 ff. Vgl. o. S. 59 ff. S. o. S. 46 ff. Betont wird dieser Zweck daher beispielsweise in der Begründung zum Kabinettsentwurf ZuG 2012, S. 34 f. Etwa Horst Zimmermann/Bernd Hansjürgens, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 47 (51). Vgl. bereits o. S. 56 ff. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 13.
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füllungsfaktor auf Basis historischer Emissionen von 98,75 % festgeschrieben wurde76. Dieser hohe Erfüllungsfaktor trägt zudem dem verhältnismäßig hohen Anteil an Prozessemissionen und dem damit verbundenen geringeren Minderungspotential bei den betroffenen Anlagen der Industrie Rechnung77. Demgegenüber soll die Zuteilung für die Energieanlagen nach BAT-Benchmarks78 erfolgen. Auch eine Entlastung von Kleinemittenten mit einem Ausstoß von maximal 25.000 t CO2 ist mit der Neuregelung umgesetzt worden79. Für diese Anlagen soll ein Erfüllungsfaktor von 1 auf Basis der historischen Emissionen zugrunde gelegt werden, weil diese Anlagen ohnehin durch den Zertifikatehandel im Verhältnis zu ihren geringen Gesamtemissionen mit überproportionalen Transaktionskosten belastet sind80. ii) Wahrung der Zugangsmöglichkeiten für neue Marktteilnehmer Besondere Konflikte entstehen im Verhältnis zwischen Bestandsanlagen und Anlagen, die neu auf den Markt treten. Diese Neuanlagen verringern tendenziell das Zertifikateangebot für Bestandsanlagen, weswegen aus Sicht der Altanlagenbetreiber häufig erstrebenswert ist, den Markt möglichst geschlossen zu halten. Demgegenüber muss es jedoch Anliegen der Politik sein, auch neuen Marktteilnehmern den Zugang offen zu halten; entsprechendes ergibt sich bereits aus Krit. 6 des Anh. III der EH-RL81. jj) Strategische wirtschaftspolitische Zwecke Die Frage, in welcher Form Wirtschaftsförderung durch die Allokation der Zertifikate betrieben werden soll, wird regelmäßig nur hinter vorgehaltener Hand thematisiert. Dennoch lassen sich derartige Tendenzen in den Weichenstellungen für die Allokation aufzeigen. Hierzu gehört etwa die vor allem in der ersten Handelsperiode verhältnismäßig großzügige Zertifikateausstattung von Kohlekraftwerken82, die sich nicht allein mit Erwägungen der Versorgungssicherheit begründen lässt. Auch die aktuelle Entwicklung, dass zwischen Kraftwerken und Industrieanlagen differenziert wird, um die stärker im Wettbewerb stehende Industrie zu ent-
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§ 6 I 1 ZuG 2012. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.02.2007, S. 27. Einen entsprechenden Zweck verfolgte der Erfüllungsfaktor von 1 für Prozessemissionen nach § 13 ZuG in der ersten Handelsperiode. Best available technique, d.h. zur Verfügung gestellt wird die Menge an Zertifikaten, die eine Neuanlage benötigt, die mit der besten erhältlichen Technik ausgestattet ist. Dazu und zum deutschen Begriff des „Stand der Technik“ Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 14 Rz 111 ff.; Gerhard Feldhaus, NVwZ 2001, S. 1 ff. §§ 6 IX, 7 IV ZuG 2012. Entwurf des BMU für einen revidierten Nationalen Allokationsplan 2008-2012 v. 13.2.2007, S. 28 f. Vgl. hierzu o. S. 95. Zu Einwirkungen der Zuteilung auf die Energieträgerstruktur vgl. SRU, Die nationale Umsetzung des europäischen Emissionshandels (2006), S. 9; Wuppertal Institut, Stellungnahme zum Nationalen Allokationsplan (2006), S. 14.
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lasten83, gehören in diese Kategorie. Strategische wirtschaftspolitische Erwägungen haben jedoch auch an anderer Stelle nicht zuletzt aufgrund gezielter Lobbyarbeit der einschlägigen Verbände, Eingang in die Zuteilungsregeln gefunden.
5. Besonderheiten bei der Prüfung der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen durch Allokationsregeln Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Allokationsregeln wird dadurch erschwert, dass mit diesen Regeln ein Verteilungskonzept zu bewerten ist. Es setzt seiner Idee nach auf makropolitischer bzw. makroökonomischer Ebene an, hat jedoch, einmal angewandt, sehr konkrete grundrechtliche Auswirkungen im Einzelfall84. Derartige Konzepte entziehen sich vielfach einer wirksamen Grundrechtskontrolle, obwohl ihre grundrechtliche Relevanz offensichtlich ist85. Die Grundrechtsprüfung läuft sehr häufig auf eine Verhältnismäßigkeitskontrolle hinaus. Die Schwierigkeiten beginnen jedoch bereits bei der Frage, welchem Zweck bzw. welchen Zwecken die Allokation dienen soll. Hier kommen dem Gesetzgeber weite Spielräume zu, und es wurde bereits dargelegt, dass sehr unterschiedliche Prioritätensetzungen denkbar sind86. In vielfacher Hinsicht präjudiziert die Entscheidung des Gesetzgebers hier den weiteren Verlauf der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Der vom Gesetzgeber gewählte Zuteilungsmodus muss mit den Zielen vereinbar sein, die der Gesetzgeber mit der Allokation verfolgt. Somit ist zunächst zu prüfen, ob die gewählten Zuteilungsregeln geeignet sind, diese Zwecke tatsächlich zu erreichen. Hier räumen sowohl das europäische als auch das deutsche Recht dem Gesetzgeber einen relativ weiten Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum ein87. Besonderheiten ergeben sich bei der Prüfung der Erforderlichkeit dieser Regelungen. Erforderlich ist eine Regelung grundsätzlich, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht, mittels dessen der Erfolg mit derselben Sicherheit erreicht werden kann88. Da für den einzelnen betroffenen Anlagenbetreiber nahezu immer ein Allokationsmodus denkbar ist, der ihn besser stellt, kann es hierauf nicht allein 83 84 85 86 87
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So ausdrücklich Kabinettsentwurf ZuG 2012, Begründung S. 37. Vgl. Rupert Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rz 405. Rupert Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rz 405. Vgl. oben S. 190 ff. Dieser weite Spielraum wird durch das Konzept der Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht ergänzt, wie sie das BVerfG erstmals in seinem Mitbestimmungsurteil entwickelt hat, BVerfGE 50, 290 (335 f.); hierzu Ino Augsberg/Steffen Augsberg, VerwArch 98 (2007), 290 (305 ff.). Für Allokationsregeln bedeutet dies, dass der Staat nachbessern muss, wenn sich herausstellt, dass sie das verfolgte Ziel nicht erreichen, sich also im Nachhinein zeigt, dass sie ungeeignet sind. Allg. Auffassung, für das deutsche Verfassungsrecht s. etwa Hans Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 20 Rz 85 m. w. N.; ebenso zur Erforderlichkeit bei der Rechtfertigung von Eingriffen in Gemeinschaftsgrundrechte s. ders., EU-Grundrechte (2005), § 6 Rz 47; Dirk Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 7 Rz 96.
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ankommen. Daher ist ein generalisierter Maßstab anzulegen und zu fragen, ob ein anderer Zuteilungsmaßstab denkbar wäre, der ebenso geeignet ist, die verfolgten Ziele zu erreichen, gleichzeitig jedoch weniger belastend für die betroffenen Marktteilnehmer ist89. Diese Frage ist allerdings nur zu beantworten, wenn Klarheit über die grundlegenden Ursache-Wirkungs-Verhältnisse besteht. Wo kognitive Defizite verbleiben, ist es häufig nur schwer möglich, festzustellen, ob verschiedene Lösungsansätze mit gleicher Sicherheit zum Ziel führen. Zweifel gehen auch hier zugunsten des Gesetzgebers, d.h. wo nicht mit Sicherheit feststeht, dass ein alternatives Mittel grundrechtsschonender ist oder mit ebenso großer Sicherheit zum Ziel führt, ist die vom Gesetzgeber gewählte Regelung als erforderlich anzusehen. Allerdings ist diese Großzügigkeit dem Gesetzgeber gegenüber an eine Beobachtungs- und Korrekturpflicht gekoppelt: Sofern sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass die Beurteilung bei Erlass der Regelung auf einem Irrtum beruhte, ist der Gesetzgeber zur Korrektur verpflichtet90. Für die Allokationsregeln bedeutet dies, dass die in der vorigen Allokationsperiode gemachten Erfahrungen Berücksichtigung beim Erlass der neuen Zuteilungsregeln finden müssen. Ähnlich schwierig ist es angesichts derartiger Unsicherheiten, die Angemessenheit oder Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne zu bewerten91. Daher spielt die Angemessenheit bei der Prüfung von Verteilungsregeln häufig nur eine untergeordnete Rolle92. Angemessenheit in diesem Kontext bedeutet Maßstabsgerechtigkeit zwischen dem mit der Zuteilung verfolgten Zweck und den dafür zu erbringenden Opfern93. Eine abstrakte Bemessung ist aber vielfach nicht möglich. Denkbar ist jedoch, dass ein derartiges Zertifikatesystem trotz grundsätzlich verfassungskonformer Ausgestaltung zu besonderen Härten im Einzelfall führt, die dann gesondert über Härteklauseln auszugleichen sind. Steht nach den dargestellten Kriterien fest, dass das System selbst verhältnismäßig ist, ist die konkrete Einschränkung durch knappe Allokation nur noch darauf hin zu prüfen, ob ein besonderer Härtefall vorliegt. Die Verhältnismäßigkeit der Einzelmaßnahme kann i. d. R. nicht getrennt vom Gesamtkonzept beurteilt werden, so dass ein von der Verhältnismäßigkeit des Konzepts abweichendes Ergebnis nur bei Vorliegen besonde-
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Vgl. Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 28 f. BVerfGE 50, 290 (335 f.) – Mitbestimmung; Ino Augsberg/Steffen Augsberg, VerwArch 98 (2007), 290 (306). Vgl. hierzu Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 70 ff. Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 28 meint sogar, sie habe „für den Verfahrensausgang regelmäßig keine Bedeutung“. Vgl. Christian Koenig, ibid., S. 28.
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rer Umstände denkbar ist94. Dies hat zur Folge, dass Prüfungsgegenstand nicht die Berechnungsmethode der Zuteilung, sondern ihr Ergebnis sein muss95. Auch in einem Fall, in dem es um Vorsorgeanforderungen zur SO2-Reduktion nach der 13. BImSchV (Großfeuerungsanlagen) ging, hat sich das Bundesverwaltungsgericht nicht auf den Einzelfall bezogen, sondern die Verhältnismäßigkeit anhand der volkswirtschaftlichen Erforderlichkeit der Reduktion bewertet96. Dieser Ansatz muss wegen der oben dargestellten Besonderheiten der Klimaschutzproblematik auf den Klimaschutz übertragen werden. Transferiert man ihn auf den Zertifikatehandel, ist vorrangig nach der Angemessenheit der festgesetzten Emissionsgesamtmenge und des Allokationsmodus zu fragen97. Vorsorgemaßnahmen lassen sich eher rechtfertigen, je klarer die zu erreichenden Ziele vorgegeben sind98. Im Falle des Klimaschutzes heißt dies, dass klare Reduktionsvorgaben erforderlich sind. Diese müssen eine bestimmte Umweltqualität erwarten lassen99, d.h. im Falle des Klimaschutzes jedenfalls zur Hoffnung Anlass geben, dass sich der Klimawandel durch die Verringerung des Ausstoßes zumindest verlangsamen lässt. Im europäischen Emissionshandelssystem werden diese Basisentscheidungen jedoch bereits auf Europäischer Ebene getroffen und entziehen sich dem Regelungsspielraum des nationalen Gesetzgebers. Hier ist daher eine Antwort auf die Frage zu finden, anhand welcher Kriterien derartige gesamtökonomische Minderungsziele auf die einzelnen Betroffenen aufgeteilt werden können.
II. Europäische Grundrechte Eine Bindung an die Gemeinschaftsgrundrechte besteht nicht nur für die Gemeinschaftsorgane, sondern jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen auch für die Mitgliedstaaten. An dieser Stelle sollen die sich hieraus ergebenden Vorgaben für die Allokation, die Spielräume und Grenzen, die sie eröffnen, erörtert werden.
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Rainer Wahl/Ivo Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), S. 1 (204 f.). Das OVG Berlin-Brandenburg hat daher für die Zuteilung der Emissionsrechte überzeugend dargelegt, dass Maßstab für die Frage, ob Grundrechte verletzt sind, nicht allein die anteilige Kürzung sein kann, sondern nur die anteilige Kürzung i. V. m. den anzuwendenden Zuteilungsregeln, s. OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, Umdruck S. 19 f. – Anteilige Kürzung I. Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 20 – Anteilige Kürzung I. BVerwGE 69, 37 (44 f.) – Großfeuerungsanlagen. Vgl. Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 118. Klaus Tischler, Umweltökonomie (1994), S. 101, erkennt eine generelle Tendenz vom konkret-individuellen zum generalisierenden Maßstab der Verhältnismäßigkeit im deutschen Umweltrecht. Rainer Wahl/Ivo Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), S. 1 (130). Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S.118.
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1. Entwicklung einer Grundrechte-Rechtsprechung in der EG Obwohl weder EG- noch EU-Vertrag einen geschriebenen Grundrechtskatalog enthalten, hat der EuGH in seiner Rechtsprechung einen Mindestschutz entwickelt. Hierbei kann er seit dem Vertrag von Maastricht auf Art. 6 II EUV Bezug nehmen, wonach die Europäische Union die Grundrechte achtet, wie sie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (EMRK) gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Allerdings ist diese Vorschrift lediglich eine Kodifizierung der seitens des EuGH entwickelten Rechtsprechung100. Seit der Rechtsache Stauder101 1969 hat der EuGH in einer langen Reihe von Urteilen seine Rechtsprechung entwickelt, wonach die Wahrung der Grundrechte zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts zählt102. Den Schutz der Grundrechte hat der Gerichtshof im Wege wertender Rechtsvergleichung auf der Grundlage der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten103 und der EMRK herausgebildet104. Vereinzelt griff der Gerichtshof105 auch auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966106 zurück, dem alle Mitgliedstaaten beigetreten sind. Ihre materielle Legitimation erlangte diese Rechtsprechung aus der fest verankerten rechtsstaatlichen Struktur der Gründerstaaten der Europäischen Gemeinschaften und der damit einhergehenden Überzeugung, dass jede Ausübung von Hoheitsgewalt an Grundrechte gebunden sein muss107. Die so entwickelten Grundrechte sind durch ihren spezifischen Zusammenhang mit der europäischen Integration geprägt, woraus sich einzelne Abweichungen zu nationalen Grundrechtsverständnissen erklären108. 100 101 102
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Christian Calliess, EuZW 2001, 261 (262); Klaus Ritgen, ZRP 2000, 371. EuGH, Urt. vom 12.11.1969, Rs. 29/69, Slg. 1969, S. 419, Rn 7 – Stauder. Vgl. hierzu Gert Nicolaysen, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 1 Rz 55 ff. Olaf Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz in der Europäischen Union (1997), S. 22 ff.; Johannes Cirkel, Die Bindungen der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte (2000), S. 33 f. Grundsätzliche Unterschiede zwischen einem Grundrechtschutz, der aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen hergeleitet wird und einem abwehrrechtlichen Grundrechtsschutz sieht Theodor Schilling, EuGRZ 1998, 177 (180 f.). St. Rspr., erstmals EuGH, Urt. v. 17.12.1970, Rs. 11/70, Slg. 1970, 1125 (Rn 4) – Internationale Handelsgesellschaft. St. Rspr., erstmals EuGH, Urt. v. 14.04.1974, Rs. 4/73, Slg. 1974, 491 (Rn 13) – Nold; dazu Dirk Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 14 Rz 8 ff.; Olaf Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz (1997), S. 25 ff. EuGH, Urt. v. 18.10.1989, Rs. 374/87, Slg. 1989, S. 3283, Rn 31 – Orkem; EuGH, Urt. v. 17.02.1998, Rs. C-249/96, Slg. 1998, S. I-621, Rn 43 ff. – Grant. BGBl. 1973 II S. 1543; BGBl. 1976 II S. 1068. Gert Nicolaysen, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 1 Rz 60; Eckhard Pache, ibid., § 4 Rz 93 ff. Gert Nicolaysen, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 1 Rz 63.
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2. Europäische Grundrechte und mitgliedstaatliche Allokation Üblicher- und unproblematischerweise ist die Einrichtung des Zertifikatehandels als solchem, die durch die EH-RL vorgeschrieben ist, an den Grundrechten der Europäischen Union zu messen109. Diese Überlegung ist jedoch unerheblich für die grundrechtlichen Anforderungen an die mitgliedstaatliche Allokation. Hier kommt es vielmehr darauf an, ob und ggf. inwieweit die europäischen Grundrechte überhaupt für die mitgliedstaatliche Allokation von CO2-Zertifikaten maßgeblich sein können. Dem zugrunde liegt die im einzelnen höchst umstrittene Problematik, inwieweit auch die Mitgliedstaaten an die Grundrechte der Europäischen Union gebunden sind110. Eine der Kontroversen in diesem Kontext betrifft die Frage, ob Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Richtlinien nur an nationale oder auch an europäische Grundrechte gebunden sind. Ausgangspunkt ist die Rechtsprechung des EuGH, der in der Rechtssache Wachauf klargestellt hat, dass auch die Mitgliedstaaten die Erfordernisse des europäischen Grundrechtsschutzes „bei der Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen“ einhalten müssen111. Ähnlich lautet neuerdings die Formulierung in Art. 51 Abs. 1 GRCh, wonach die Charta für die Mitgliedstaaten „ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Europäischen Union“ gelten soll112. Häufig wird für diese Konstellation der Begriff der „agency situation“ verwendet113. Die Mitgliedstaaten werden in Durchführung des Unionsrechts tätig,
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Relevant wird dies etwa in der Rs. C-127/07 – Société Arcelor Atlantique et Lorraine et al., die auf eine Vorlage des französischen Conseil d’État anhängig gemacht wurde und die Frage betrifft, ob die Auswahl der vom Emissionshandel betroffenen Sektoren durch die EH-RL gegen das gemeinschaftsrechtliche Gleichheitsprinzip verstößt. Der EuGH hat hierüber noch nicht entschieden; Generalanwalt M. M. Poiares Maduro vertritt in seiner Stellungnahme vom 21.05.2008, ein Verstoß liege nicht vor. Dazu umfassend Werner Schaller, Die EU-Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten der Gemeinschaftsgrundrechte (2002), passim; Hans-Werner Rengeling/Peter Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union (2004), § 4 Rz 277 ff.; Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 6 Rz 30 ff.; zur Anwendung der Grundrechtecharta auf die Mitgliedstaaten Hans Jarass, EUGrundrechte (2005), § 4 Rz 8 ff.; Clemens Ladenburger, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 51 Rz 6 ff. Eine Übersicht über die vertretenen Meinungen bietet Johannes Cirkel, Die Bindungen der Mitgliedstaaten (2000), S. 142 f. EuGH, Urt. v. 13.07.1989, Rs. 5/88, Slg. 1989, 2609, Rn 19 – Wachauf; dazu Werner Schaller, EU-Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten (2002), S. 30 f.; vgl. auch EuGH, Urt. v. 14.07.1994, Rs. C-351/92, Slg. 1994, I-3361, Rn 17 – Graff; Urt. v. 01.02.1996, Rs. C-177/94, Slg. 1996, I-161, Rn 20 – Perfili; Urt. v. 15.02.1996, Rs. C-63/93, Slg. 1996, I-569, Rn 29 – Duff. Zu möglichen Konflikten zwischen den Regelungen der GRCh und der Rspr. des EuGH s. Wolfram Cremer, NVwZ 2003, 1452, passim; Christian Calliess, EuZW 2001, 261 (266). So z.B. Jürgen Kühling, in: von Bogdandy (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht (2003), S. 583 (608); Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR
II. Europäische Grundrechte
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wenn und soweit ihr Handeln auf diesem und nicht etwa auf ihrem nationalen Recht beruht114. Hierüber besteht inzwischen im Grundsatz Einigkeit115. Die Notwendigkeit für einheitliche Grundrechtestandards in den Mitgliedstaaten ergibt sich aus dem Gebot der Einheit der Gemeinschaftsrechtsordnung116. Für die Frage, ob eine Bindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte besteht, kommt es somit darauf an, ob die Umsetzung einer Richtlinie in nationales Recht als „Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen“ anzusehen ist. Die Kontroverse hierüber beruht darauf, dass Richtlinien nach Art. 249 III i.V. m. Art. 10 EGV durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Es handelt sich also bei den entsprechenden Umsetzungsgesetzen um gemeinschaftsrechtlich veranlasste Akte mitgliedstaatlicher Hoheitsgewalt, deren Grad der Determiniertheit durch europarechtliche Vorgaben stark variieren kann117. In einem nicht unbedingt verallgemeinerungsfähigen rundfunkrechtlichen Fall ist der EuGH davon ausgegangen, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von Binnenmarktrichtlinien umfassend an die europäischen Grundrechte gebunden sind, unabhängig davon, ob im konkreten Fall ein grenzüberschreitender Bezug oder Sachverhalt vorliegt118. Häufig wird angenommen, man müsse danach unterscheiden, ob den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht ein Gestaltungsspielraum zukomme oder nicht. Verbleibe den Mitgliedstaaten kein Spielraum für eigene Entscheidungen, gingen alle möglichen Grundrechtsverletzungen durch das nationale Recht auf das Gemeinschaftsrecht zurück119. In dieser Konstellation sei
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(2006), § 6 Rz 31; dazu auch Werner Schaller, EU-Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten (2002), 47 f. Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 4 Rz 11. Strikt ablehnend noch Jason Coppel/Aidan O'Neill, 29 CML Rev. 1992, 669 ff., die hierin eine unzulässige Ausweitung der Kompetenzen der Union sahen. Für eine wie auch immer geartete Bindung jetzt beispielsweise Hans-Werner Rengeling/Peter Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union (2004), § 4 Rz 296 ff., 302; Hans Jarass, EUGrundrechte (2005), § 4 Rz 8 ff.; Dirk Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 14 Rz 33 ff. Hans-Werner Rengeling/Peter Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union (2004), § 4 Rz 296; Johannes Cirkel, Die Bindungen der Mitgliedstaaten (2000), S. 169 ff. Zu den unterschiedlichen dogmatischen Begründungsmöglichkeiten für Bindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte s. Johannes Cirkel, ibid., S.141 ff.; Annette Wallrab, Die Verpflichteten der Gemeinschaftsgrundrechte (2004), S. 53 ff. Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 6 Rz 37; Annette Wallrab, ibid., S. 84. EuGH, Urt. v. 20.05.2003, verb. Rs. C-465/00, C-138/01 u. C-139/01, Slg. 2003, I4989, Rn 69 ff. – ORF. Die Besonderheit bei diesem Fall bestand darin, dass in Art. 1 der betroffenen Richtlinie ausdrücklich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten benannt ist, die Grundrechte der Bürger zu schützen. Hans-Werner Rengeling/Peter Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union (2004), § 4 Rz 312. Soweit ersichtlich nicht mehr ernsthaft vertreten wird die These, die Mitgliedstaaten seien bei der Umsetzung von Richtlinien nicht an die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden. Frauke Brosius-Gersdorf, Bindung der Mitgliedstaaten an die
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der nationale Gesetzgeber aufgrund des Vorrangs des EG-Rechts jedenfalls in den Grenzen des Art. 79 III GG von der Verpflichtung befreit, die nationalen Grundrechte einzuhalten120. Gleichsam ersatzweise sollen dann nicht nur die Richtlinie selbst, sondern auch der Vollzug des zu ihrer Umsetzung erlassenen nationalen Rechts an den Gemeinschaftsgrundrechten gemessen werden121. Verbleibe den Mitgliedstaaten jedoch ein Umsetzungsspielraum, seien sie an ihre nationalen Grundrechtsbestimmungen gebunden122. Aus dieser nationalen Grundrechtsbindung wird der Schluss gezogen, dass eine Bindung an die europäischen Grundrechte in diesen Konstellationen nicht besteht123. Der EuGH macht diese Unterscheidung hingegen richtigerweise nicht124. Tatsächlich ist eine Bindung der Mitgliedstaaten an die europäischen Grundrechte erst in den Fällen von Bedeutung, in denen ihnen Spielräume bei der Umsetzung einer Richtlinie verbleiben. Hier ist eine Mindestqualität des umsetzenden Rechts zu gewährleisten, denn gerade in diesen Konstellationen besteht die Gefahr uneinheitlicher Standards zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten125. Trotz des verbleibenden Spielraums wurden diese Maßnahmen regelmäßig ausschließlich oder zumindest wesentlich durch die Richtlinie veranlasst126. Wo eine Richtlinie detaillierte Vorgaben macht, stellt sich das Problem im Grunde genommen gar nicht, da dann bereits die Richtlinie mit den Gemeinschaftsgrundrechten in Einklang stehen muss127. Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Bindung an die nationalen Grundrechte diejenige an die europäischen Grundrechte dispensieren sollte128. Die Bin-
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Gemeinschaftsgrundrechte (2005), S. 20 deutet allerdings an, dass nicht klar sei, ob diese Bindung bereits den Gesetzgeber oder erst den Gesetzesanwender erfasse. Hans-Werner Rengeling/Peter Szczekalla, ibid., § 4 Rz 312. Hans-Werner Rengeling/Peter Szczekalla, ibid., § 4 Rz 313; Hermann-Josef Blanke, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 15 Rz 38. Diese Feststellung ist soweit zweifellos richtig und allgemeine Auffassung, s. HansWerner Rengeling/Peter Szczekalla, ibid., § 4 Rz 313. Jürgen Zimmerling, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2003, Anh. zu Art. 6 EUV Rz 32. S. EuGH, Urt. v. 10.07.2003, verb. Rs. C-20 u. C-64/00, Slg. 2003, I-7411 ( Rn 88 ff.) – Booker Aquacultur; noch deutlicher Generalanwalt Mischo in seinen Schlussanträgen zum selben Fall, Rn 50-59. So auch Dirk Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 14 Rz 34; Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 4 Rz 13; Clemens Ladenburger, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europäische Grundrechte-Charta (2006), Art. 51 Rz 35; Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 6 Rz 38. Vgl. Jürgen Kühling, in: von Bogdandy (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht (2003), S. 583 (608 f.). Jürgen Kühling, ibid., S. 583 (608). Anderenfalls ist sie nichtig, s. Dirk Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 14 Rz 34. So auch Werner Schaller, EUMitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten (2002), 39. Von einer grundsätzlich kumulativen Geltung der Grundrechtsgewährleistungen aus den gemeinschaftsrechtlichen Grundrechten, denen der EMRK sowie denen des nationalen Rechts geht auch Clemens Ladenburger, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ.
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dung der Mitgliedstaaten an die gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte endet erst, wo der nationale Gesetzgeber anlässlich einer Richtlinienumsetzung zusätzliche, nicht unionsrechtlich bedingte Regelungen trifft129. Für die Allokationsregeln bedeutet dies, dass die Mitgliedstaaten vollumfänglich an die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden sind, da die Allokation Teil der Umsetzung der Emissionshandelsrichtlinie ist130. Auch wo die Richtlinie keine detaillierten Vorschriften für die Allokation enthält, ist jene dennoch durch die europäischen Vorschriften veranlasst. Aus diesem Grund müssen die Zuteilungsregelungen und ihr Vollzug131 sowohl auf ihre Konformität mit den europäischen als auch mit den nationalen Grundrechten überprüft werden.
3. Die Bedeutung der Grundrechtecharta Sobald Gemeinschaftsgrundrechte eine Rolle spielen, stellt sich die Frage, wie diese Grundrechte herzuleiten sind. Die Entwicklung der Grundrechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wurde bereits dargestellt; seit den frühen Tagen dieser Rechtsprechung in den 70er Jahren hat sich jedoch das Europarecht sehr viel weiter entwickelt, und die wohl wichtigste Entwicklung für den Bereich der europäischen Grundrechte in den letzten Jahren war die Verabschiedung der sog. Grundrechtecharta. Die Charta wurde zunächst nicht als bindender Vertragsteil entworfen, wodurch die Kompromissfindung erleichtert werden sollte132. Inzwischen haben Europäisches Parlament, Rat und Kommission die Charta der Grundrechte der Europäischen Union133 proklamiert134, sie ist jedoch noch immer nicht rechtsverbindlich135. Allerdings wird sie bereits von der Europäischen Ge-
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GRCh (2006), Art. 51 Rz 30, aus. Ebenso Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 4 Rz 13. Clemens Ladenburger, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 51 Rz 35. Ebenso Martin Burgi, Ersatzanlagen (2004), S. 34. Wenn wie gezeigt die mitgliedstaatliche Umsetzung von Richtlinien an die Gemeinschaftsgrundrechte gebunden ist, muss eine derartige Bindung auch für den Vollzug der Umsetzungsakte gelten, dazu Werner Schaller, EU-Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten (2002), 44. Jürgen Schwarze, EuZW 2001, 517. ABl. EG 2000 Nr. C 364 S. 1 ff. Dazu Dirk Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 14 Rz 17 ff. Der rechtliche Status der Charta wurde dabei bewusst offen gelassen, dazu Jürgen Schwarze, EuZW 2001, 517. Allg. Auffassung, s. beispielsweise GA Antonio Tizzano, Schlussanträge in der Rs. C173/99 v. 18.02.2001, Rn 27 – BECTU; GA Francis Jacobs, Schlussanträge in der Rs. C-270/99 v. 22.03.2001, Rn 40 – Z/Europäisches Parlament; Gert Nicolaysen, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 1 Rz 70; Eckhard Pache Hdb. d. Europ. GR (2006),§ 4 Rz 119; Dirk Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 14 Rz 17; Jürgen Schwarze, EuZW 2001, 517; Christian Calliess, EuZW 2001, 261 (267).
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
richtsbarkeit136 genauso wie von mitgliedstaatlichen Gerichten137 zur Definition des europäischen Grundrechtsstandards herangezogen. Auch mehrere Generalanwälte haben in ihren Schlussanträgen auf die Grundrechtecharta Bezug genommen138. Dies beruht darauf, dass sie den grundrechtlichen acquis der Mitgliedstaaten wiedergibt139 und als „Konzentrat der Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten“140 und somit als „Ausdruck einer gemeinsamen Rechtsüberzeugung“141 zu verstehen ist. Keinesfalls ist darin jedoch eine rechtliche Selbstbindung zu erkennen; andernfalls würden die Regelungen über die Vertragsänderung umgangen142. Im Zuge der Kodifizierung der europäischen Verfassung sollte die Grundrechtecharta in den Verfassungsvertrag integriert werden und somit endgültig rechtliche Bindungswirkung entfalten143. Nachdem der Verfassungsvertrag jedoch von einer Reihe an Staaten nicht ratifiziert wurde, sollte an seine Stelle ein europäischer Grundlagenvertrag, der sog. Vertrag von Lissabon, treten144. In diesen Vertrag sollte die Grundrechtecharta nicht mehr integriert werden, er verwies jedoch auf sie und erklärt sie – mit Ausnahmen für Großbritannien und
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EuG, Urt. v. 30.01.2002, Rs. T-54/99, Slg. 2002, S. II-313, Rn 49, 58 – max.mobil Telekommunikation Service; EuG, Urt. v. 03.05.2002, Rs. T-177/01, Slg. 2002, S. II-2365, Rn 42, 47 – Jégo Quéré. Dagegen vermeidet der EuGH eine direkte Bezugnahme auf die Grundrechtecharta und geht nicht ausdrücklich auf deren Rolle ein, s. z. B. EuGH, Urt. v. 12.05.2005, Rs. C-347/03, Slg. 2005, I-3785, Rn 118 ff. – Regione autonoma Friuli-Venezia Giulia und ERSA. Für Deutschland: BVerwG, NJW 2005, 1178 (1181) zum TEHG mit der Einschränkung, dass Vorschriften der Grundrechtecharta nur herangezogen werden können, soweit sie an Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten anknüpfen. Vgl. z.B. auch VG Lüneburg, NJW 2001, 767 (769 f.) – Tragen eines Kopftuchs. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit: GA Antonio Tizzano, Schlussanträge in der Rs. C173/99 v. 18.02.2001, Rn 26-28 – BECTU; GA Siegbert Alber, Schlussanträge in der Rs. C-340/99 v. 01.02.2001, Rn 94 – TNT Traco; GA Jean Mischo, Schlussanträge in den verb. Rs. C-122/99 P und C-125/99 P v. 22.02.2001, Rn 97 – D und Königreich Schweden/Rat; GA Francis Jacobs, Schlussanträge in der Rs. C-270/99 v. 22.03.2001, Rn 40 – Z/Europäisches Parlament; s. dazu auch Jürgen Schwarze, EuZW 2001, 517 (518); Christian Calliess, EuZW 2001, 261 (267). Die Charta selbst sollte jedoch zunächst nicht Bestandteil des acquis communautaire werden, Jürgen Schwarze, EuZW 2001, 517. Dirk Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 14 Rz 17. Jürgen Schwarze, EuZW 2001, 517 (518); ähnlich Eckhard Pache, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 4 Rz 119. Jürgen Schwarze, EuZW 2001, 517. Dazu Gert Nicolaysen, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 1 Rz 71 f. Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Rats-Dok. 6655/08; vgl. hierzu etwa Julia Lieb/Andreas Maurer/Nicolai von Ondarza, Der Vertrag von Lissabon (April 2008), passim.
II. Europäische Grundrechte
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Polen145 – für bindend146. Jedoch ist auch dieser Vertrag am irischen Referendum gescheitert, und eine Nachfolgeregelung ist noch nicht in Sicht147. Es bleibt abzuwarten, wie und wann ein Ausweg aus der politischen Sackgasse gefunden wird. Da die Grundrechtecharta jedoch im wesentlichen geltendes Recht in dem Bemühen um Rechtssicherheit und Transparenz kodifiziert, binden bereits auf der Grundlage des aktuellen Rechts, d.h. unabhängig von etwaigen Rechtswirkungen der Charta, die Gemeinschaftsgrundrechte die Mitgliedstaaten, wenn und soweit sie Gemeinschaftsrecht anwenden oder umsetzen148. Wenn im Folgenden dennoch auf die Vorschriften der Grundrechtecharta Bezug genommen wird, dann deshalb, weil in ihnen die wesentlichen, den Mitgliedstaaten gemeinsamen Überzeugungen über den in der EU zu gewährleistenden Grundrechtestatus enthalten sind. Die Charta dient somit aktuell als Indiz für die über Art. 6 II EU zu ermittelnden Rechte149. Solange sie (noch) nicht in die vertraglich verbindlich wirkt, besteht ihre Bedeutung daher vorwiegend in der Verfestigung des bereits existierenden gemeinsamen Grundrechtsbestands durch ihre symbolische Wirkung150.
4. Vorab zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen: Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Europarecht151 a) Umweltschutz in den Verträgen Im Rahmen des Zertifikatehandels kommt es regelmäßig zu Eingriffen in die Grundrechte der beteiligten Unternehmen; dies gilt, wie bereits dargelegt, in besonderem Maße für die Allokation. Zur Rechtfertigung dieser Eingriffe dienen häufig Überlegungen des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit. Anders als das Grundgesetz nimmt der EG-Vertrag bezüglich der Umweltbelange eine Wertung vor und betont die besondere Bedeutung des Umweltschutzes. In Art. 174 II 1 EGV heißt es ausdrücklich: „Die Umweltpolitik der Gemeinschaft (...) zielt auf ein hohes Schutzniveau ab“, und nach Art. 2 EGV ist es Aufgabe der Gemeinschaft, ein „hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität“ zu fördern. In Art. 174 II 2 EGV werden weiter die Grundsätze der Vorsorge und der Vorbeugung, das Ursprungs- und das Verursacherprinzip explizit genannt. Gerade der Gedanke des Verursacherprinzips, wonach der Verursacher einer Um145 146 147
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Vgl. Protokoll Nr. 30 zum Vertrag von Lissabon. S. Art. 6 I Vertrag von Lissabon. Vgl. etwa Das irische Referendum über den EU-Vertrag, EurActiv.com v. 20.05.2008, aktualisiert am 17.06.2008; EU-Gipfel: Irland weiß noch keine Lösung, Zeit-online v. 19.06.2008. EuGH, Urt. v. 13.07.1989, Rs. 5/88, Slg. 1989, 2609 (Rn 19) – Wachauf; EuGH, Urt. v. 24.03.1994, Rs. C-2/92, Slg. 1994, I-955 (Rn 16) – Bostock; EuGH, Urt. v. 22.10.2002, Rs. C-94/00, Slg. 2002, I-9011 ff. (Rn 27 f.) – Roquette Frères. GA Antonio Tizzano, Schlussanträge in der Rs. C-173/99 v. 18.02.2001, Rn 27 – BECTU verweist hierzu auch auf die Präambel der Charta. Jürgen Schwarze, EuZW 2001, 517 (518). Jürgen Schwarze, EuZW 2001, 517 (522). Vgl. Ivo Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 282.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
weltbeeinträchtigung die dadurch entstehenden Kosten zu tragen hat152, kann zur Rechtfertigung der mit dem Emissionshandel und einer nicht hinreichenden Zertifikatsausstattung einhergehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen herangezogen werden. Zudem sieht Art. 3 I lit. l EGV die Durchführung einer „Politik auf dem Gebiet der Umwelt“ vor. Auch Art. 95 III EGV, der sich mit Regelungen zur Binnenmarktangleichung befasst, betont, dass die Kommission bei ihren Vorschlägen im Bereich Umweltschutz von einem hohen Schutzniveau auszugehen hat. Hierdurch soll der Umweltschutzgedanke in alle europäischen Politikbereiche getragen werden153. Schließlich verlangt auch Art. 6 EGV die „Einbeziehung der Erfordernisse des Umweltschutzes in die Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen“. Diesen Vorschriften ist zu entnehmen, dass dem Umweltschutz bei einer Güterund Interessenabwägung ein hoher Rang zukommt, der insbesondere die Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen rechtfertigen kann154. Auch andere in den Verträgen ausdrücklich benannte und geschützte Rechtsgüter können durch den Umweltschutz relativiert werden155. Ein unbeschränkter Vorrang des Umweltschutzes besteht jedoch auch im Gemeinschaftsrecht nicht156. Dennoch haben auch die Mitgliedstaaten, wenn sie bei der Umsetzung von Richtlinien die Verantwortung für die Umwelt tragen, diese gemeinschaftsrechtliche Wertung zu beachten157. Soweit ihre umsetzenden Normen Gemeinschaftsgrundrechte beeinträchtigen, können sie sich ebenfalls auf das erhebliche Gewicht berufen, das dem Umweltschutz im Gemeinschaftsrecht zukommt. Eine sachliche oder räumliche Definition des Begriffs „Umwelt“ findet sich in den Verträgen nicht; damit bleibt er offen und weit auslegbar158. Geschützt ist die „natürliche Umwelt“ einschließlich der vom Menschen gestalteten Umwelt159. In jedem Fall sind jedoch die in Art. 3 der UmweltverträglichkeitsprüfungsRichtlinie160 genannten Rechtsgüter erfasst, zu denen neben Menschen, Fauna, Flora, Boden, Wasser und Luft u.a. auch das Klima zählt161.
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Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 9 Rz 104; Meinhard Schröder, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR Bd. 1, 2. Aufl. 2003, § 9 Rz 42 ff.; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 255. Umfassend auf der Basis des deutschen Rechts auch Walter Frenz, Das Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht (1997), passim. Rainer Wahl/Ivo Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), S. 1 (200). Ausführlich zur Stellung des Umweltschutzes im EGV Meinhard Schröder, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR Bd. 1, 2. Aufl. 2003, § 9 Rz 14 ff. Manfred Zuleeg, NJW 1993, 31 (35). Manfred Zuleeg, ibid., S. 35; Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 9 Rz 106; zur hier vorzunehmenden Abwägung s. Meinhard Schröder, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR Bd. 1, 2. Aufl. 2003, § 9 Rz 27. Manfred Zuleeg, ibid., S. 35; Meinhard Schröder, ibid., § 9, Rz 29; Christian Calliess, DVBl. 1998, 559 (565). Manfred Zuleeg, ibid., S. 38. A. A. Meinhard Schröder, ibid., § 31 Rz 12. Alfred Rest, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 37 Rz 18. Alfred Rest, ibid., Art. 37 Rz 18. RL 85/337/EWG v. 27.06.1985, ABl. EG Nr. L 175, S. 40 ff. Alfred Rest, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 37 Rz 18.
II. Europäische Grundrechte
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b) Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung und seine Verankerung in EGV und EUV Der Grundsatz einer „nachhaltigen Entwicklung“ wurde mit dem Vertrag von Amsterdam ausdrücklich in die Präambel des EUV sowie in Art. 2, 1. Spiegelstrich EUV aufgenommen, gleichzeitig wird die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung seitdem als Ziel in die Querschnittsklausel des Art. 6 EGV genannt, wo er erstmals explizit mit dem Umweltschutz verknüpft wurde162. Ebenso findet sich der Gedanke der nachhaltigen Entwicklung in den neueren Umweltprogrammen sowie in unzähligen Erwägungsgründen, Eingangs- und Einzelbestimmungen neuerer umwelt- und raumbezogener Richtlinien163. Wie für den Begriff der Umwelt fehlt es auch für den Nachhaltigkeitsgrundsatz an einer Definition in den Verträgen. Er basiert auf der Idee einer gerechten Verteilung und ist auf eine „ökologisch-ökonomisch-soziale Zielkonvergenz“164 gerichtet. Der Nachhaltigkeitsgrundsatz strebt einen Ausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Generationen sowie zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gesellschaft an und basiert ganz allgemein auf der Überzeugung, dass man nicht mehr Ressourcen verbrauchen sollte als man selbst wieder erwirtschaften kann165. Je nach Kontext, in dem Nachhaltigkeitsaspekte geltend gemacht werden, werden häufig unterschiedliche Aspekte betont, was allerdings die Gefahr des Konturenverlusts eines ohnehin schon sehr offenen Grundsatzes mit sich bringt166. Konkrete Rechtsfolgen werden sich regelmäßig nicht aus dem Nachhaltigkeitsgrundsatz ableiten lassen, allerdings ist er etwa für die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen zum Zwecke der Schonung und sparsamen Verwendung von Naturgütern oder zum Schutz künftiger Generationen unverzichtbar167. c) Umweltschutz und Nachhaltigkeit in der Grundrechtecharta Umwelt- und Nachhaltigkeitsgedanke haben schließlich auch Eingang in Art. 37 GRCh gefunden168, wonach „ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität (...) in die Politik der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden“ müssen. Gegen162
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Dazu Alfred Rest, ibid., Art. 37 Rz 2; Eckard Rehbinder, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel (2001), 721 (725). Vgl. die Beispiele bei Ivo Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 283, Fn. 185. Alfred Rest, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 37 Rz 22. Ähnl. Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 142. Zum Nachhaltigkeitsgrundsatz aus ökonomischer Sicht vgl. Henning Rentz, Kompensationen (1995), S. 50 ff. Vgl. Alfred Rest, ibid., Art. 37 Rz 22. vgl. auch Eckard Rehbinder, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel (2001), 721 (729 f.). Eckard Rehbinder, ibid., S. 730 ff. Vgl. Eckard Rehbinder, ibid., S. 738 f. Zur Genese der Vorschrift Alfred Rest, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 37 Rz 1 ff.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
über Art. 6 EGV enthält diese Vorschrift jedoch keine substantiellen Neuerungen. In der Kodifizierung dieser Umweltgesichtspunkte ist ebenfalls keine absolute Vorrangstellung des Umweltschutzes gegenüber anderen, hauptsächlich ökonomischen Interessen zu sehen; vielmehr sind die verschiedenen geschützten Interessen gegeneinander abzuwägen169. Maßgeblich ist der Gedanke, die natürlichen Lebensgrundlagen auch für zukünftige Generationen zu erhalten und, um dies zu erreichen, die Umweltpolitik in die Zielsetzungen und Ausgestaltungen der anderen gemeinschaftlichen Politikbereiche einzubeziehen170. Es wird ein hohes Umweltschutzniveau angestrebt; die Bestimmungen enthalten ein Optimierungsgebot für den jeweiligen Gesetzgeber171. Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind in Form eines Grundsatzes, nicht eines unmittelbar einklagbaren Rechtes geschützt172. Konkrete Ansprüche lassen sich aus derartigen Rechtsprinzipien üblicherweise nicht ableiten; zudem steht den Grundrechtsadressaten bei der Verwirklichung ein nicht unerheblicher Spielraum zu173. In jedem Fall aber geht die in der Charta angelegte Wertung in die Verhältnismäßigkeitswertung ein. d) Umweltschutz- und Nachhaltigkeitserwägungen und die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen in der Rechtsprechung Der EuGH hat den Umweltschutz bereits zur Rechtfertigung von Maßnahmen als legitimen Zweck im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung herangezogen; allerdings erfolgte diese Verhältnismäßigkeitsprüfung ohne konkrete Anbindung an bestimmte Grundrechte174. Zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen hat der EuGH hingegen soweit ersichtlich bisher zwar noch nicht auf Umweltschutzgesichtspunkte abgestellt. Dass derartige Aspekte jedoch zur Rechtfertigung auch von Grundrechtseingriffen geeignet sind, kann als sicher gelten und wird in der Literatur nicht in Frage gestellt175.
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Vgl. Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 42 f.; Ivo Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 289. Vorsicht ist hinsichtlich der implizit von Walter Frenz, DVBl. 2006, 728 (733) vertretenen Auffassung geboten, ökonomische Auswirkungen seien selbst Teil der Nachhaltigkeitserwägungen. Das ist zwar grundsätzlich zutreffend, aber im Sinne des Nachhaltigkeitsprinzips wohl eher in einem ressourcenökonomischen Sinne gemeint. Ivo Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 284. Alfred Rest, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 37 Rz 21. Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 34 Rz 2; Alfred Rest, ibid., Art. 37 Rz 17. Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 43; Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 34 Rz 2, 7. S. etwa bei der Prüfung einer Verordnung zum Schutz der Ozonschicht EuGH, Rs. C284/95, Urt. v. 14.07.1998, Slg. 1998, S. I-4301 ( Rn 58) – Safety Hi-Tech; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 281. Yvonne Kerth, ibid., S. 282.
II. Europäische Grundrechte
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5. Die Grundrechtsgewährleistungen auf europäischer Ebene im Einzelnen a) Eigentum Zur Kollision könnte es zwischen den Regelungen über die Allokation von Zertifikaten und dem europäischen Eigentumsschutz kommen. Denkbar ist, dass von einem Mitgliedstaat gewählte Zuteilungsmodi die Eigentumsrechte der betroffenen Anlagenbetreiber verletzen. Das Eigentumsgrundrecht war Gegenstand zahlreicher Gerichtsverfahren und wurde vom EuGH nach anfänglicher Skepsis detailliert ausgestaltet176. Es ist in Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK garantiert und inzwischen in Art. 17 GRCh normiert. Der EuGH hat sich bei der Herleitung des Gemeinschaftsgrundrechts vorwiegend auf die gemeinsamen Verfassungskonzeptionen der Mitgliedstaaten gestützt, aber auch auf das Zusatzprotokoll zur EMRK Bezug genommen177. Eine komplette Übernahme der Rechtsprechung des EGMR zum Eigentumsgrundrecht ist jedoch nicht zu erwarten, da der EGMR diese mangels eines Rechts auf Berufsfreiheit in der Konvention tendenziell sehr weit auslegt, der EuGH hierauf jedoch nicht angewiesen ist178. aa) Schutzbereich (1) Der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit auf europäischer Ebene Das Eigentumsgrundrecht gehört zu den elementaren Rechtsgrundsätzen und ist aufgrund seiner Bedeutung für die Wirtschaftsordnung gerade auf Gemeinschaftsebene von besonderer Wichtigkeit. Wie im nationalen Recht erstreckt sich sein Schutz auf natürliche ebenso wie auf juristische Personen179. Unbedeutend ist dabei, wo die juristische Person ihren Sitz hat. Die Bestimmung des normgeprägten Schutzbereichs180 der Eigentumsfreiheit bereitet Probleme181. Eine allgemeingültige Definition des Begriffs „Eigentum“ hat der EuGH noch nicht geliefert; vielmehr beschränkt er sich in der Regel dar176
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Grundlegend war das Urteil in der Sache Hauer, s. EuGH, Urt. v. 13.12.1979, Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727 (Rn 17 ff.). Zur Herleitung des gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsgrundrechts s. Christian Calliess, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 17 Rz 7 ff. EuGH, Slg. 1979, S. 3727 (Rn 17) – Hauer. Vgl. Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 22 Rz 4, 13; Tilman Zimmer, CO2Emissionsrechtehandel (2004), S. 212. Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 22 Rz 16; Sebastian Heselhaus, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR, § 32 Rz 59; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 276. Im Unterschied zum nationalen Recht kann die EU jedoch die zugehörige Eigentumsordnung nicht selbst aufstellen, sondern muss die Ausgestaltung des Eigentums durch die Mitgliedstaaten zugrunde legen, Sebastian Heselhaus, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 32 Rz 36. Christian Calliess, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 17 Rz 4; Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), S. 97 (102).
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
auf, zu bestimmen, was nicht hierunter fällt bzw. wogegen Eigentum nicht geschützt wird. Der Begriff „Eigentum“ ist jedenfalls weit auszulegen und beschränkt sich nicht auf Rechtspositionen, die von den Mitgliedstaaten ausdrücklich als „Eigentum“ bezeichnet werden182. Bisher bezog sich der Gerichtshof vorwiegend auf Sacheigentum, aber auch Vermögensdispositionen und die damit verbundenen vermögenswerten Interessen können als Eigentum geschützt sein183. Als Grundregel gilt, dass das Eigentum aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht alle von der Rechtsordnung einem privaten Rechtsträger zugeordneten Rechte und Güter umfasst184. Dabei ist nicht nur der Besitz einer Rechtsposition geschützt, sondern auch ihre Nutzung sowie die Befugnis, über sie zu verfügen oder sie zu vererben185. Das Vermögen selbst fällt auf europäischer Ebene genauso wenig unter den Begriff des Eigentums wie im nationalen Verfassungsrecht186. Ebenfalls nicht geschützt sind bloße kaufmännische Interessen oder Aussichten, da deren Verwirklichung Teil des wirtschaftlichen Risikos sind, das die Marktteilnehmer zu tragen haben187. Auch Marktanteile, die ein Unternehmen vor der Einführung einer gemeinsamen Marktorganisation besessen hat, können nicht als Eigentumsrechte geltend gemacht werden, da sie nur eine aktuelle wirtschaftliche Position darstellen, die den Risiken des Marktes und der Änderung der zugrunde liegenden Rechtslage ausgesetzt sind188. Eine weitere Parallele zum deutschen Verfassungsrecht besteht darin, dass kein Wirtschaftsteilnehmer Vertrauensschutz auf ein Fortbestehen der vorgefundenen Rechtslage geltend machen kann189. Dies gilt für
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Hans Jarass, NVwZ 2006, 1089 (1090). Jürgen Zimmerling, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2003, EUV, Anh. zu Art. 6 Rn 60; Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), S. 97 (102). BVerwG, NVwZ 2005, 1178 (1181) – Emissionshandel; Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), S. 97 (102); Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 22 Rz 6; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 210. Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 22 Rz 14. Walter Frenz, et 53 (2003), 594; ders., VerwArch 94 (2003), 345 (355); Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 22 Rz 12; Christian Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 17 GRCh Rz 4; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 222. Christian Calliess, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 17 Rz 15; Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), S. 97 (115); Otto Depenheuer, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 17 Rz 22. Hierzu s. EuGH, Urt. v. 05.10.1994, Rs. C-280/93, Slg. 1994, I-4973 (Rn 79) – Bananenmarktordnung. EuGH, Slg. 1994, I-4973 (Rn 79 f.) – Bananenmarktordnung; Olaf Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz (1997), S. 39.
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Mindestpreisregelungen190 ebenso wie Referenzmengen in gemeinschaftlichen Marktordnungen191. Ist jedoch die Nutzung der Produktionsstätten und -anlagen des Gewerbebetriebs unmittelbar betroffen, etwa durch erdrosselnde, konfiskatorische Geldleistungspflichten, ist der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit eröffnet192. Dies wird durch einen Blick in Art. 17 GRCh bestätigt, der ausdrücklich vorsieht, dass auch die Nutzung des Eigentums von seinem Schutz erfasst ist. Grundsätzlich ist denkbar, dass auch öffentlich-rechtliche Positionen unter den Eigentumsschutz fallen193. Hierbei legt der EuGH jedoch besonderen Wert darauf, dass derartige Rechtspositionen einen besonderen Bezug zum Eigentum oder Vermögen des Betroffenen aufweisen. An einer Eigenleistung, die einen derartigen Bezug herstellen könnte, fehlt es regelmäßig bei sich aus einer Marktordnung ergebenden Rechtspositionen194; dies gilt jedenfalls, solange diese Rechtspositionen nicht gegen Entgelt erworben werden195. Zur in der deutschen Literatur diskutierten Frage, ob der schon im nationalen Verfassungsrecht problematische Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs auf das Europarecht übertragbar ist, hat sich der EuGH bisher nicht geäußert. Gelegenheiten zu einer Stellungnahme hat es reichlich gegeben, so dass auf eine sehr zurückhaltende Position des Gerichtshofs zu schließen sein dürfte196. Da jedoch bereits die Grundlagen des Betriebs vom Eigentumsrecht geschützt
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EuGH, Urt. v. 18.03.1980, Verb. Rs. 154, 205, 206, 226 bis 228, 263 und 264/78 sowie 39, 31, 83 und 85/79, Slg. 1980, S. 907 (Rn 88 f.) – S. P. A. Ferriera Valsabbia. EuGH, Slg. 1994, I-955 (Rn. 19) – Bostock. Hermann-Josef Blanke, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 15 Rz 45; Sebastian Heselhaus, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 32, Rz 42; Christian Calliess, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 17 Rz 15; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 222. Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 22 Rz 10; ders., NVwZ 2006, 1089 (1091); Otto Depenheuer, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 17 Rz 22. Vgl. EuGH, Urt. v. 22.10.1991, Rs. C-44/89, Slg. 1991, I-5119, Rn 27 – von Deetzen II; Slg. 1994, I-955, Rn 19 – Bostock. Krit. hierzu Otto Depenheuer, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 17 Rz 35. Eine entgeltliche Zuteilung von Quoten im Rahmen der Zuckermarktordnung soll Eigentumsrechte begründen können, s. EuGH, Urt. v. 20.11.2003, Rs. 416/01, Slg. 2003, I-14083 (Rn 50) – Sociedad Cooperativa General Agropecuaria ; hierzu Hans Jarass, NVwZ 2006, 1089 (1091). Vgl. Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 22 Rz 13; Sebastian Heselhaus, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 32 Rz 45; Christine von Milczewski, Der grundrechtliche Schutz des Eigentums im Europäischen Gemeinschaftsrecht (1994), S. 68. Für einen Schutz des Gewerbebetriebs hingegen unter Berufung auf die Rspr. des EGMR Otto Depenheuer, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 17 Rz 31 ff.; Kim Lars Mehrbrey/Alexander Reuter, Europäischer Emissionshandel (2003), S. 52.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
werden, ist vielfach ein zusätzlicher Vorteil durch die Anerkennung dieser Rechtsfigur nicht ersichtlich197. (2) Konsequenzen für die mitgliedstaatliche Allokation (a) Emissionsbefugnis als Bestandteil des Anlageneigentums In der Literatur hat sich weitestgehend die Meinung durchgesetzt, die Eigentumsfreiheit umfasse auch das Recht, Anlagen zu betreiben, die CO2 emittieren, da dieses Recht sich aus dem privatrechtlichen Eigentum an den Betriebsanlagen ergibt und deren Nutzung bislang nur durch die Anlagengenehmigung beschränkt war198. Bei dieser Konstruktion wird das Emissionsrecht als Bestandteil des Eigentums an der genehmigten Anlage geschützt, nicht als eigenständiges Recht199. Wenn die Emissionsbefugnis als Teil des Anlageneigentums von der gemeinschaftsrechtlichen Eigentumsgarantie erfasst ist, wird durch die Einführung eines Zertifikatehandelssystems und die Zuteilung einer limitierten Menge an Zertifikaten die bisher weitgehend unbegrenzte Befugnis der Anlagenbetreiber zur Nutzung der Anlage und zur Emission von Treibhausgasen eingeschränkt und somit der Schutzbereich der Eigentumsfreiheit betroffen200. Die vereinzelt zu Art. 14 GG vertretene Auffassung, wonach die Nutzung der Luft als aus dem Grundeigentum ausgegliedert anzusehen sein soll201, dürfte auf die europäische Dogmatik der Gemeinschaftsgrundrechte nicht übertragbar sein202. Auch eine Relativierung derart, dass nur die Benutzungsbefugnis unter Erfüllung der dynamischen Betreiberpflichten geschützt ist203, fügt sich in die europäische Eigentumssystematik nicht recht ein. Konsequenterweise ist die Emissionsbefugnis als eigentumsrechtlich geschützte Nutzung der Anlage anzusehen. Eigentumsrechtlicher Schutz kommt den Kohlendioxidemissionen somit jedenfalls als unselbständiger Bestandteil des Eigentums an der genehmigten Anlage zu. (b) Emissionsbefugnis als eigenständige Rechtsposition Erwogen wird auch, die Emissionsbefugnis als eigenständige öffentlich-rechtliche Position dem europäischen Eigentumsschutz zu unterstellen204. Da keine separate Genehmigung zum Ausstoß von Treibhausgasen erteilt wurde, könnte die relevante Rechtsposition in der insofern unbeschränkten immissionsschutzrechtlichen An197
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Ähnlich Johannes Günter, Berufsfreiheit und Eigentum in der Europäischen Union (1998), S. 37; Christian Calliess, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 17 Rz 14; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 276. So etwa Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (42); Tilman Zimmer, CO2Emissionsrechtehandel (2004), S. 211; Kim Lars Mehrbrey/Alexander Reuter, Europäischer Emissionshandel (2003), S. 52. Vgl. BVerwG, NVwZ 2005, 1178 (1181) – Emissionshandel. Vgl. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 209. Horst Sendler, UPR 1983, 33 (41). A. A. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 211. Hierzu s. u. S. 285 f. Kim Lars Mehrbrey/Alexander Reuter, Europäischer Emissionshandel (2003), S. 52; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 216 f.
II. Europäische Grundrechte
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lagengenehmigung zu sehen sein. Durch die Einführung eines Zertifikatehandels wird eine neue Marktordnung eingeführt, die vermögenswerte Rechtspositionen der Unternehmen – das Recht, die im Rahmen des regulären Betriebs erforderliche Menge CO2 zu emittieren – beeinträchtigt. Der eigentumsrechtliche Schutz der betroffenen Anlagenbetreiber wäre umso stärker, wenn man die Emissionsbefugnis nicht nur als unselbständigen Bestandteil des Anlageneigentums betrachtet, sondern sie als eigene Rechtsposition dem Eigentumsschutz unterstellt. Voraussetzung dafür, dass eine öffentlich-rechtliche Position als Eigentum geschützt wird, ist wie bereits dargelegt, dass sie sich aus dem Eigentum, dem Vermögen oder der Berufstätigkeit des Betroffenen ableitet. Aus der Rechtsprechung zu den Referenzmengen und Quoten ergibt sich eine ziemlich restriktive Haltung des EuGH. Demnach kommt es darauf an, inwiefern die Betriebsgenehmigung auf eigener Leistung des Anlagenbetreibers beruht205. Im Falle der dem Emissionshandel unterfallenden Anlagen beruhen zwar diese selbst auf einer Investition des Anlagenbetreibers, nicht hingegen die für sie erteilten Betriebsgenehmigungen. Ein gesonderter Schutz der Anlagengenehmigung, der über den ohnehin gegebenen Schutz der Eigentumsnutzung hinaus geht, dürfte sich hierauf nicht gründen lassen206. Weiter ist zu erwägen, ob einmal zugeteilte Zertifikatkontingente einen eigentumsrechtlichen Schutz genießen, aus dem Wirkungen über die eigentliche Zuteilungsperiode hinaus gefolgert werden können. Ein vergleichbares Problem hatte der EuGH im Jahre 1991 zu entscheiden207, damals wurden Milchquoten für die einzelnen Betriebe eingeführt, die ursprünglich auch handelbar waren und insofern eine gewisse Ähnlichkeit zu den CO2-Zertifikaten aufwiesen. Als zu einem späteren Zeitpunkt die Handelbarkeit bestimmter Milchquoten eingeschränkt wurde, befand der EuGH, dass jedenfalls die kommerzielle Verwertung einer im Rahmen einer gemeinsamen Marktorganisation zugeteilten Rechtsposition von der Eigentumsgewährleistung nicht erfasst werde208. Allgemeiner dürfte dem zu entnehmen sein, dass der Gerichtshof derartige Rechtspositionen trotz ihres wirtschaftlichen Wertes nicht zum grundrechtlich geschützten Eigentum zählt209. Im Falle der CO2Zertifikate kommt hinzu, dass sowohl diese als auch die Zuteilungsentscheidung selbst in ihrer Geltung zeitlich befristet sind und bereits deshalb nur unter besonderen Umständen Rechtswirkungen für die Zukunft begründen können. Ein eigentumsrechtlicher Schutz der Zertifikatkontingente über die laufende Handelsperiode hinaus ist somit abzulehnen210.
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Vgl. hierzu Sebastian Heselhaus, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 32 Rz 48. So jedoch Kim Lars Mehrbrey/Alexander Reuter, Europäischer Emissionshandel (2003), S. 52. EuGH, Slg. 1991, I-5119 – von Deetzen II; hierzu Kim Lars Mehrbrey/Alexander Reuter, Europäischer Emissionshandel (2003), S. 52. EuGH, Slg. 1991, I-5119 (Rn 27) – von Deetzen II. So auch Olaf Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz (1997), S. 41. Nicht ganz klar Sebastian Heselhaus, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 32 Rz 49, der die Zertifikate zwar eigentumsrechtlich schützen will, gleich-
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
(c) Emissionsbefugnis als Teil des Schutzes des Gewerbebetriebs Schließlich wird eine Möglichkeit darin gesehen, die Emission von CO2 als Bestandteil des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in seiner genehmigten Ausgestaltung zu betrachten211. Auch auf diese Weise würde die Emission nur als unselbständiger Teil des Gesamtrechts geschützt. Die schon im nationalen Verfassungsrecht wacklige Konstruktion des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Teil des Eigentumsschutzes auf das Gemeinschaftsrecht ausdehnen zu wollen, ist eine sehr gewagte Konstruktion212. Anhaltspunkte hierfür bietet weder die Rechtsprechung des EuGH noch die europarechtliche Literatur. Schließlich besteht angesichts des eigentumsrechtlichen Schutzes der Nutzungsbefugnis ähnlich wie im Bereich des Art. 14 GG213 kein Bedürfnis für einen ergänzenden Schutz des Gewerbebetriebs214. Es ist nicht ersichtlich, warum der Schutz eines Wirtschaftsunternehmens weiter reichen sollte als der Schutz seiner Grundlagen. (d) Zwischenergebnis Die Befugnis zur Emission von Treibhausgasen, die sich aus der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung einer Anlage ergibt, ist als Bestandteil des Eigentums an den betreffenden Anlagen auf europäischer Ebene vom Eigentumsschutz erfasst. Ein Schutz dieses Rechts als öffentlich-rechtliche Position losgelöst vom Anlageneigentum oder im Rahmen des ohnehin zweifelhaften Schutzes des Gewerbebetriebs hingegen besteht auf europäischer Ebene nicht. bb) Eingriff (1) Grundsätzliches Ganz allgemein liegt ein Eingriff in das Eigentum vor, wenn eine eigentumsfähige Position entzogen oder ihre Nutzung, Verfügung oder Verwertung Beschränkungen unterworfen wird215. Vergleichbar insofern dem deutschen Ansatz zu Art. 14 GG kennt das europäische Recht zwei Formen der Beeinträchtigung von Eigentumsrechten. Die Differenzierung zwischen Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, dem Eigentümer sein Recht zu entziehen, und solchen, die bezwecken, die Ausübung dieses Rechts zu beschränken, hat der EuGH erstmals im Hauer-Ur-
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zeitig aber betont, dass ein Vertrauen der Anlagenbetreiber darauf, dass es nicht zu Abwertungen oder zukünftig geringeren Zuteilungen kommt, nicht geschützt werde. Kim Lars Mehrbrey/Alexander Reuter, Europäischer Emissionshandel (2003), S. 52. So wohl dennoch Walter Frenz, VerwArch 94 (2003), 345 (355); ebenfalls eher befürwortend Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 170 f., die dennoch den Schutzbereich nicht eröffnet sieht, weil Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen die Eigentumsfreiheit nicht beeinträchtigen. Ablehnend wie hier Florian Becker, NVwZ 2006, 782 (784). Dazu s. u. S. 288. Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 213. Christian Calliess, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 17 Rz 18; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 224; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 172.
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teil in Anlehnung an den Wortlaut von Art. 1 ZP EMRK vorgenommen216. Sowohl Art. 1 des ZP zur EMRK als auch nun Art. 17 II GRCh kennen die Unterscheidung zwischen Eigentumsentziehung einerseits und gesetzlicher Benutzungsregelung des Eigentums andererseits und knüpfen daran jeweils unterschiedliche Anforderungen und Konsequenzen. Ob die Allokation von Emissionszertifikaten in eine der beiden Kategorien fällt und gegebenenfalls in welche, wird für die verschiedenen Allokationsmechanismen kontrovers diskutiert. (2) Eigentumsentziehung Eine Eigentumsentziehung definiert der EuGH mit äußerster Zurückhaltung; bisher wurde noch kein Fall einer Eigentumsbeeinträchtigung als solche qualifiziert. Offen ist daher, welche Intensität ein Eingriff aufweisen müsste, um als Eigentumsentziehung zu gelten217. In der Rechtssache Hauer befand der EuGH, dass keine Entziehung des Eigentums vorliege, solange „es dem Eigentümer unbenommen bleibt, über sein Gut zu verfügen und es jeder anderen, nicht untersagten Nutzung zuzuführen“218. In diesem Fall bedeutete dies, dass eine Grundeigentümerin, auf ihren Grundstücken zwar keinen Wein anbauen durfte, die Grundstücke jedoch anderweitig nutzen durfte, nicht enteignet wurde. Die Eigentumsentziehung ist somit durch den vollständigen und dauerhaften Verlust der Eigentümerstellung gekennzeichnet, unabhängig davon, ob dies im Wege einer förmlichen Enteignung oder einer de facto-Enteignung geschieht219. Solange durch eine Regelung Betriebsgelände und andere Rechtspositionen bzw. ihre Nutzung nicht völlig entzogen werden, ist auf europäischer Ebene von einer Benutzungsregelung auszugehen220. Ein weiterer Aspekt, der für die Abgrenzung von Bedeutung sein kann, ist die Überlegung, dass sich bei einer Eigentumsentziehung der Staat Privateigentum aneignet221. (3) Gesetzliche Benutzungsregelung Führen staatliche Maßnahmen zu einer zeitlichen, räumlichen oder sachlichen unmittelbaren Beschränkung der Nutzung, der Verfügung oder der Verwertung
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EuGH, Slg. 1979, 3727 (Rn 19) – Hauer. Christian Calliess, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 17 Rz 21; Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen im europäischen Binnenmarkt (2004), S. 97 (112). EuGH, Urteil vom 13.12.1979, Rs. 44/79, Slg. 1979, 3727 (Rn 17) – Hauer. Bei letzterer verbleibt dem Eigentümer zwar noch das Eigentum, alle damit verbundenen relevanten Rechte werden ihm jedoch genommen, s. dazu Hans Jarass, EUGrundrechte (2005), § 22 Rz 18 f.; Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 225. Ebenso i. E. Sebastian Heselhaus, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 32 Rz 68. So auch Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 225 zur Frage, ob die Einführung eines Emissionshandelssystems einen Eigentumsentzug darstellen kann. S. hierzu Hans-Werner Rengeling/Peter Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union (2004), § 20 Rz 821.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
über Eigentum, liegt eine gesetzliche Nutzungsregelung vor222. Von der Entziehung des Eigentums unterscheiden sich derartige Benutzungsregelungen dadurch, dass kein Übergang der betroffenen Rechtsposition stattfindet223. Schwierigkeiten bereitet die Frage, ab wann eine Belastung durch staatliches Handeln die für einen Eingriff erforderliche Qualität erreicht224. Eine gewisse Intensität muss von den Regelungen ausgehen, bloße Beeinträchtigungen und Belästigungen sind keine Nutzungsregelungen in diesem Sinne, ebenso wenig Maßnahmen, die nur die profitable Nutzung des Eigentums beeinträchtigen, den Eigentümer jedoch ansonsten nicht an der freien Verfügung über seine Erzeugnisse hindern225. (4) Zertifikatehandel und Allokation als Eingriff in das Eigentum Die Einführung des Emissionshandels gestaltet den gesetzlichen Rahmen für den Betrieb von Treibhausgase emittierenden Anlagen um; die Allokation konkretisiert diese allgemeine Vorgabe für den einzelnen betroffenen Betrieb226. Wendet man den Gedanken, dass eine Entziehung des Eigentums erst vorliegt, wenn sämtliche relevante Nutzungen entzogen werden, auf den Emissionshandel an, folgt daraus, dass selbst eine Allokation, die so knapp ist, dass zahlreiche Anlagen nicht mehr wie bisher betrieben werden können, keine Entziehung des Eigentums bedeutet227. Dies gilt unabhängig von dem eingesetzten Allokationsverfahren und auch für den Fall einer Zertifikatsvergabe im Auktionswege228. Hinzu kommt, dass bei einer Beschränkung der Emissionsbefugnis im Interesse des Klimaschutzes keine Übertragung von Sachen oder Rechten auf den Staat erfolgt. Berücksichtigt man zudem, dass die Berechtigung zum Ausstoß von CO2 nur als Bestandteil des Anlageneigentums und nicht um ihrer selbst willen geschützt ist, erscheint die Qualifizierung des Emissionshandelssystems als Eigentumsentziehung wenig überzeugend. Dies wäre nur denkbar, wenn man die Luft dem einzelnen Anlagenbetreiber als Eigentum zuordnen würde, dessen Nutzung untersagt würde229. Diese 222
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Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 22 Rz 25; Christian Calliess, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 17 Rz 20; zu Art. 1 Abs. 2 1. ZP zur EMRK vgl. Christoph Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. 2005, S. 363. Hans Jarass, NVwZ 2006, 1089 (1093), der gleichzeitig auf den Sonderfall der de facto-Enteignung hinweist. Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), S. 97 (106). Otto Depenheuer, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europäische GRCh (2006), Art. 17 Rz 48. Vgl. bereits oben S. 182 ff. Der EuGH hat zwar einmal eine Eigentumsentziehung mit dem Argument abgelehnt, es sei kein Fall bekannt, in dem ein Unternehmen tatsächlich hätte stillgelegt werden müssen, s. EuGH, Urt. v. 18.03.1980, Verb. Rs. 154, 205, 206, 226 bis 228, 263 und 264/78 sowie 39, 31, 83 und 85/79, Slg. 1980, S. 907 (Rn 89) – S. P. A. Ferriera Valsabbia. Dies ist jedoch nur als Mindestvoraussetzung für eine weitere Prüfung einer Eigentumsentziehung zu verstehen. A. A. insoweit Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/ Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), S. 97 (114). Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 226. BVerwG, NVwZ 2005, 1178 (1181) – Emissionshandel.
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Betrachtungsweise scheitert jedoch bereits daran, dass die Luft als Gemeinschaftsgut nicht einzelnen privatnützig zugeordnet sein kann230. Eine Eigentumsentziehung ist daher allenfalls denkbar, wenn die Allokation der Zertifikate in letzter Konsequenz das Anlageneigentum für den Betreiber völlig entwertet. Aus dem oben angeführten Vergleich mit der Rechtssache Hauer ergibt sich jedoch, dass eine derartige Annahme kaum denkbar ist. Es handelt sich somit bei der Allokation von CO2-Zertifikaten regelmäßig nicht um eine Eigentumsentziehung im Sinne des Europarechts. In der Einführung des Zertifikatehandels wird häufig das Aberkennen einer bestehenden Rechtsposition (der ursprünglichen Anlagengenehmigung) und in einer nicht bedarfsgerechten Neuausstattung ein Eingriff in das Eigentum gesehen231. Dies lässt sich damit begründen, dass die Nutzung der Anlage und damit der getätigten Investitionen beschränkt wird232; die Regeln für ihre Benutzung werden durch die Einführung des Zertifikatehandels und die Anfangsausstattung mit Zertifikaten modifiziert233. Selbst wenn man eine Art de minimis-Grenze einführte, d.h. etwa annähme, dass eine Unterversorgung mit Zertifikaten von bis zu einem bestimmten Prozentsatz, etwa 3–5 %, nicht ins Gewicht fiele und somit noch nicht als Eingriff zu qualifizieren wäre, ist davon auszugehen, dass die Zuteilung sich in zahlreichen Fällen nach diesem Verständnis als Eingriff in das Eigentum der Anlagenbetreiber darstellte. Nach der Gegenauffassung liegt ein Eingriff in das Eigentum nur bei einem Eingriff in dessen Substanz vor, d.h. wenn das Zertifikatesystem dazu führt, dass das Unternehmen nicht mehr weiter betrieben werden kann und alle vom Betreiber getätigten Dispositionen somit wertlos werden234. Dies kann damit zusammenhängen, dass in einem Grandfathering- oder Benchmark-System nicht genügend Zertifikate zugewiesen werden und der Zukauf der fehlenden Zertifikate die Anlage unrentabel machen würde. In einem Auktionierungssystem wäre dies der Fall, wenn der Preis für die erforderlichen Zertifikate eine Höhe erreicht, die den Betrieb der Anlage nicht mehr zulässt235. Ersterer Ansicht ist der Vorzug zu geben, da sich eine engere Auslegung des Schutzbereichs der Eigentumsfreiheit aus der Rechtsprechung der europäischen Gerichte nicht ergibt. Zwar schützt die Eigentumsfreiheit auch auf europäischer Ebene nicht vor bloßen Schmälerungen von Gewinnchancen und Verdienstmög-
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BVerwG, NVwZ 2005, 1178 (1181 f.) – Emissionshandel. Lars Mehrbrey/Alexander Reuter, Europäischer Emissionshandel (2003), S. 53; Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (42). Ebenso Tilman Zimmer, CO2Emissionsrechtehandel (2004), S. 226, allerdings nicht zur Allokation, sondern zur Einführung des Zertifikatehandels. Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 278; Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/ Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), S. 97 (116). Ebenso Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 226. Walter Frenz, et 53 (2003), S. 594; ders., VerwArch 94 (2003), 345 (354). Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 172 nimmt für diesen Fall jedoch bereits eine „faktische Enteignung“ an. Dieses Beispiel erörtert auch Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 223.
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lichkeiten236. Dennoch wird die Nutzungsbefugnis von Eigentum im bestehenden Rahmen vom gemeinschaftsrechtlichen Schutzbereich der Eigentumsfreiheit erfasst. Die Problemlösung verlagert sich somit auf die Frage, ob ein Eingriff in das Eigentum gerechtfertigt werden kann. Im Ergebnis ist die Einführung eines Zertifikatehandels und die damit einhergehende Allokationsentscheidung einer ordnungsrechtlichen Nutzungsbeschränkung gleichzusetzen, jedoch mit deutlich flexiblerem Inhalt237. Die Allokationsregeln sind daher rechtfertigungsbedürftige Nutzungsbeschränkungen, die das gemeinschaftsrechtliche Eigentum reglementieren. cc) Rechtfertigung von Nutzungsbeschränkungen (1) Grundsätzliches Die Anforderungen an die Rechtfertigung von Eingriffen in das Eigentum richten sich nach der Art des Eingriffs. Wie bereits erörtert, führt die Allokation der CO2Zertifikate nicht zu einer Eigentumsentziehung, sondern stellt lediglich eine gesetzliche Benutzungsregelung des Eigentums dar. Ursprünglich hat der EuGH die grundsätzliche Berechtigung von Benutzungsregelungen rechtsvergleichend aus Art. 1 Abs. 2 ZP EMRK, Art. 14 Abs. 2 GG, Art. 42 Abs. 2 der italienischen Verfassung und Art. 43.2 der irischen Verfassung hergeleitet238. Eine Rechtfertigung derartiger Eigentumsbeschränkungen erfolgt aufgrund der sozialen Funktion des Eigentums239. Eine Nutzungsregelung ist zulässig, wenn der Eingriff im Allgemeininteresse vorgenommen wird und zu dessen Wahrung erforderlich ist240. Einschränkungsgründe sind die von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder auch der Schutz von Rechten und Freiheiten Dritter241. Die Formel, die der EuGH in ständiger Rechtsprechung verwendet, besagt, dass Beschränkungen der Ausübung des Eigentumsrechts den primärrechtlichen Anforderungen genügen,
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Walter Frenz, et 53 (2003), S. 594; ders., VerwArch 94 (2003), 345 (355). Vgl. oben S. 184. EuGH, Slg. 1979, 3727 (Rn 20) – Hauer; dazu Olaf Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz (1997), S. 44 f. Christian Calliess, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 17 Rz 20; Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 22 Rz 27; ders., NVwZ 2006, 1089 (1093). EuGH, Slg. 1979, 3727 (Ls. 5) – Hauer; ebenso zum europäischen Recht BVerwG, NVwZ 2005, 1178 (1182). Hans. Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 22 Rz 29; Sebastian Heselhaus, in: Heselhaus/ Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 32 Rz 79; Dirk Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 14 Rz 47.
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„sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet“242.
(2) Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit Entsprechend der Formulierung in Art. 5 Abs. 3 EGV nennt der EuGH in seiner Definition des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes regelmäßig lediglich Eignung und Erforderlichkeit ausdrücklich: „Nach diesem Grundsatz sind Maßnahmen, durch die den Wirtschaftsteilnehmern (...) Belastungen auferlegt werden, nur rechtmäßig, wenn sie zur Erreichung der zulässigerweise mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziele geeignet und erforderlich sind.“243
Der Begriff der „Erforderlichkeit“ entspricht dabei jedoch, so wie der EuGH ihn verwendet, dem deutschen Verständnis der Verhältnismäßigkeit und ist nicht etwa auf die zweite Stufe der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu reduzieren244. Daher definiert der Gerichtshof selber die Erforderlichkeit nicht nur als Notwendigkeit, das am wenigsten belastende Mittel zu verwenden, sondern verlangt zudem, dass „die auferlegten Belastungen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen“ müssen245. Belegen lässt sich dieses Vorgehen auch daran, dass der Gerichtshof in Fällen, in denen das Ergebnis der Verhältnismäßigkeitsprüfung als weniger evident empfunden wird, auch durchaus eine umfassende Prüfung vornimmt246. Selbst wenn der Wortlaut der Definitionen nahezu mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts übereinstimmt, gilt dies nicht im gleichen Maße für die Anwendung der genannten Grundsätze. Hier zeigt sich, dass das europäische Verständnis von Eigentum stark vom Zusammenhang mit der europäischen Integration und der damit einhergehenden Errichtung und Sicherung eines Binnenmarktes und diesen flankierender Marktordnungen geprägt ist247. Den auf Gemeinschaftsebene verfolgten Zielen kommt in der Rspr. des EuGH ein besonderes Gewicht zu248. Die Bewertung von erworbenen Rechten und Vertrauensschutz gegen242
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EuGH, Urt. v. 11.07.1989, Rs. 265/87, Slg. 1989, 2237 (Rn 15) – Schräder; EuGH, Rs. 5/88, Urt. v. 13.07.1989, Slg. 1989, 2609 (Rn 18) – Wachauf; Rs. C-177/90, Urt. v. 10.01.1992, Slg. 1992, I-35 (Rn 16) – Kühn. EuGH, Slg. 1989, 2237 (Rn 21) – Schräder. Vgl. dazu Peter Szczekalla, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 7 Rz 48; Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 6 Rz 45. Kritischer hierzu Sebastian Heselhaus, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 32 Rz 88; Thomas von Danwitz, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 52 Rz 19 f. EuGH, Slg. 1989, 2237 (Rn 21) – Schräder. S. etwa EuGH, Rs. C-504/04, Urt. v. 12.01.2006, Slg. 2006, I-679 (Rn 35 ff.) – Agrarproduktion Staebelow. Gert Nicolaysen, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 1 Rz 63. Hans Jarass, NVwZ 2006, 1089 (1094).
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über Gemeinschaftszielen und der Dynamik neuer Marktordnungen kann daher eine andere sein als in einer stärker statisch orientierten Wirtschaftsordnung249. Aus diesem Grund sind die europäischen Gerichte in diesem Kontext regelmäßig besonders großzügig bei der Rechtfertigung von Eigentumsbeschränkungen250. Die Unterschiede zwischen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des EuGH resultieren zudem aus unterschiedlich weiten Ermessens- und Beurteilungsspielräumen, die die Gerichte dem Gesetzgeber einräumen251. Der EuGH schränkt seine eigene Kontrollbefugnis vor allem bei der Beurteilung wirtschaftlicher Sachverhalte deutlich ein, wenn er unter Bezugnahme auf die politische Verantwortung des Gesetzgebers und die Legitimität des verfolgten Zieles nur prüft, ob eine Maßnahme „zur Erreichung des Ziels (...) offensichtlich ungeeignet ist“252. Allerdings betraf die zitierte Formulierung eine Überprüfung von Maßnahmen der Gemeinschaft. Dass der Gerichtshof bei der Prüfung mitgliedstaatlicher Maßnahmen dasselbe Maß an Großzügigkeit an den Tag legen würde, erscheint keinesfalls gesichert. (3) Die Wesensgehaltsgarantie Eine Beschränkung von Grundrechten kann schließlich nach der Formulierung des EuGH und inzwischen auch nach Art. 52 I GRCh nur gerechtfertigt werden, solange sie den Wesensgehalt des Grundrechts nicht antastet253. Wann dies der Fall ist, lässt sich abstrakt nur schwer bestimmen254; insbesondere ist noch ungeklärt, ob die Wesensgehaltsgarantie konkret-individuell oder abstrakt-generell gelten soll255. Auch wenn definiert wird, dass geprüft werden müsse, ob der unverletzbare Kerngehalt des Grundrechts intakt bleibt256, trägt das nicht nennenswert zu einer Vorhersehbarkeit der Ergebnisse dieser Prüfung bei. Aus diesem Grund wird teilweise auch bezweifelt, ob der Wesensgehaltsgarantie überhaupt eine eigenständi-
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Gert Nicolaysen, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 1 Rz 63; hierzu auch Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), 97 (113). S. etwa EuGH, Urt. v. 09.12.1982, Rs. 258/81, Slg. 1982, 4261 (Rn 13) – Metallurgiki Halyps; Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 6 Rz 53. Vgl. Olaf Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz (1997), S. 50 f. EuGH, Slg. 1989, 2237 (Rn 22) – Schräder; vgl. auch EuGH, Slg. 1994, I-4973 (Rn 91, 94 f.) – Bananenmarktordnung. Kritisch dazu Olaf Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz (1997), S. 45; Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), 97 (118). Zur Bedeutung dieser „Wesensgehaltsgarantie“ Peter Szczekalla, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 7 Rz 49 ff.; Johannes Günter, Berufsfreiheit und Eigentum in der Europäischen Union (1998), S. 29 ff. Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 6 Rz 51; Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 291. Peter Szczekalla, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 7 Rz 49 ff.; Johannes Günter, Berufsfreiheit und Eigentum (1998), S. 29, 32. Thomas von Danwitz, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 52 Rz 44.
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ge Relevanz gegenüber der Verhältnismäßigkeitsprüfung zukommt257. In der Praxis des Gerichtshofs hatte sie jedenfalls bisher keine nennenswerte Bedeutung. dd) Bedeutung für die mitgliedstaatliche Allokation (1) Grundsätzliches Da nur schwer vorhersehbar ist, wie sich die relevanten wissenschaftlichen, gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Faktoren entwickeln werden, können an dieser Stelle lediglich Grundsätze für die Bewertung von Allokationssystemen entwickelt werden. Die Darstellung erfolgt anhand des Verteilungsmodus, d.h. es wird nach Grandfathering-, Benchmark- und Auktionssystemen differenziert. Unabhängig von der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber wird die Bewertung der Allokation jedoch nicht zuletzt auch von der Entwicklung CO2-armer Techniken und der Möglichkeit der CO2-Sequestration sowie von der Einbindung des Emissionshandels in ein internationales System abhängen. Die grundrechtliche Prüfung der Allokationsregeln wird zudem durch die Struktur des Emissionshandels erschwert. Fragen, die bisher im Rahmen von Genehmigungsverfahren vorwiegend zwischen Staat und Anlagenbetreiber auf der Basis der Grundrechte aller Beteiligten entschieden wurden, sind nun Gegenstand einer staatlichen Mangelverwaltung258. Da der Allokation die Kontingentierung der Zertifikate verbindlich vorgeschaltet ist, können Ansprüche auf eine großzügigere Zuteilung nur auf Kosten anderer Marktteilnehmer bewilligt werden259. Dieser Zusammenhang muss sich auch in die Grundrechtsprüfung niederschlagen und bewirkt, dass das Freiheitsrecht auf Nutzung des Eigentums zu einer Art Teilhaberecht auf Nutzung des Eigentums im Rahmen des Zertifikatehandels umgewandelt wird260. Hier ist zu überlegen, mit welcher Intensität die Zuteilungsregeln geprüft werden können, wenn feststeht, dass die Gesamtkontingentierung für den nationalen Gesetzgeber obligatorisch ist. In Betracht kommt eine Begutachtung anhand des Gleichheitssatzes, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzgrundsatzes261. Da jedoch auf Gleichheits- und Vertrauensschutzaspekte auch noch separat einzugehen ist262, sollen diese aus Gründen der Übersichtlichkeit bei der Prüfung des Eigentumsrechts außer Acht bleiben, obwohl gewisse Interferenzen bestehen. Die vorliegende Prüfung der Rechtfertigung von Nutzungsbeschränkungen im Hinblick auf das Eigentum fokussiert sich daher auf Verhältnismäßigkeitsaspekte. Wesentlicher Ausgangspunkt jeglicher Verhältnismäßigkeitsprüfung ist der Zweck, dem die zu prüfende Maßnahme dienen soll263. Hier herrscht gerade bei 257
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Skeptisch Peter Szczekalla, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 7 Rz 53. Für Verhältnismäßigkeit und Wesensgehalt als eigenständige Rechtsinstitute hingegen Johannes Günter, Berufsfreiheit und Eigentum (1998), S. 31 f. Vgl. Theodor Schilling, EuGRZ 1998, 177 (180) allg. zu Kontingentierungen im Rahmen von Marktordnungen. Vgl. Theodor Schilling, ibid., S. 180. Vgl. Theodor Schilling, ibid., S. 180. Vgl. Theodor Schilling, ibid., S. 181. Mehr dazu s. u. S. 246 ff. und S. 248 ff. S. hierzu o. S. 191 ff.
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den Regeln über den Zertifikatehandel ein gewisses Maß an Verwirrung. So wird üblicherweise nicht zwischen dem Zweck des Zertifikatehandels an sich, nämlich Umsetzung der EH-RL und Klimaschutz, und dem Zweck der Allokation unterschieden264. Letztere dient zwar auch der Einhaltung des Gesamtemissionskontingents, das einem Staat zusteht265. Darüber hinaus und für die Unterscheidung der unterschiedlichen Allokationsmodelle von besonderer Bedeutung werden jedoch durch die Entscheidung für einen bestimmten Allokationsmodus bestimmte, vorwiegend wirtschaftspolitische Sekundärziele verfolgt, die Eingang in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Allokationsregeln finden müssen. In der Regel wird angesichts der weiten gesetzgeberischen Spielräume in diesem Bereich von einer Eignung und auch von der Erforderlichkeit des gewählten Vergabemodus auszugehen sein. Diskussionsbedürftig hingegen ist die Angemessenheit der Regelung. Hier ist zu prüfen, ob der Allokationsmodus und seine Auswirkungen zueinander im Verhältnis stehen. Bedenken hinsichtlich der eigentumsrechtlichen Angemessenheit der Allokationsregelungen sind jedoch erst berechtigt, sobald der Bestand, d.h. der weitere Betrieb bestimmter, dem Zertifikatehandel unterfallender Anlagen in Gefahr gerät. Dabei ist zu beachten, dass der EuGH nicht ohne Grund betont, dass ein Vertrauen auf eine unveränderte Rechtslage nicht geschützt wird. Dieser Konflikt lässt sich auflösen, indem man verlangt, dass für Anlagen, die sich typischerweise266 noch nicht amortisiert haben und die vor Einführung des Zertifikatehandels geplant wurden und in Betrieb gegangen sind, nicht jede rentable Nutzungsmöglichkeit entfallen darf267. Im Bereich des Zertifikatehandels ist das von erheblicher Bedeutung, da Kraftwerke und andere Großfeuerungsanlagen häufig langfristig geplant werden und sich erst über Jahrzehnte amortisieren268. Die Konsequenz des Gesagten kann dennoch nicht lauten, die Anlagen solange bedarfsgerecht auszustatten, bis sie sich amortisiert haben. Wohl müssen aber die erforderlichen Zukäufe bzw. Emissionsminderungsmaßnahmen zumutbar sein. Individuelle Probleme einzelner Anlagen bleiben bei der Bewertung regelmäßig außer Betracht: Ein ohnehin finanziell angeschlagenes Unternehmen kann sich nicht darauf berufen, dass es wegen der durch den Emissionshandel verursachten Zusatzkosten in Konkurs gegangen ist und deshalb ein Eingriff in seine Eigentumsrechte vorliege. Die Konsequenzen anderweitiger ökonomischer Fehl264
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Selbst Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 236 f., der immerhin ausdrücklich zwischen der Verhältnismäßigkeit der Einführung des Zertifikatehandelssystems und der Verhältnismäßigkeit der Erstvergabe der Emissionsrechte unterscheidet, legt für die Allokation als einzigen Zweck die Umstellung von einem Genehmigungs- auf ein Zertifikatesystem zugrunde. Vgl. o. S. 191. Hier kann es nicht auf den Einzelfall ankommen, da die Zuteilungsregeln weder vor unternehmerischer Fehlkalkulation schützen noch kreative Bilanzführung belohnen sollen. Allgemeiner formuliert Theodor Schilling, EuGRZ 1998, 177 (184), eine Regelung dürfe einen Einzelnen nicht in Existenznot bringen. Martin Burgi, Ersatzanlagen im Emissionshandelssystem (2004), S. 27 nennt Beträge von 1,1 Mrd. € für ein modernes Braunkohlekraftwerk und Vorlaufzeiten von ca. sechs bis zehn Jahren.
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entscheidungen sind dem Gesetzgeber nicht zuzurechnen. Dennoch kann es erforderlich sein, bestimmte ökonomische Härten, die strukturelle Gründe haben, im Rahmen von Härtefallklauseln auszugleichen oder abzumildern, jedenfalls, solange der Betroffene sie nicht selbst durch mangelnde Sorgfalt verursacht hat. Dies hat der EuGH für den insoweit parallelen Fall der Einführung einer Marktordnung ausdrücklich festgestellt269. (2) Rechtfertigung von Eingriffen durch Allokation nach einem Grandfathering-System Grandfathering-Modelle haben für den Staat den Vorteil, dass das Verteilungsergebnis im Voraus weitestgehend feststeht, sie bieten also Planungssicherheit270. Eine Anlage erhält Zertifikate über einen bestimmten Prozentsatz ihrer Emissionen in der Basisperiode; da diese Emissionen bekannt sind, kommt es hinsichtlich der Zuteilung an Bestandsanlagen zu keinen größeren Überraschungen. Hierdurch wird zudem der Bestandsschutz der Anlagen gefördert, denn die Emissionsminderungen werden im Falle eines einheitlichen Minderungsfaktors allen Anlagenbetreibern proportional auferlegt. Innerhalb eines GrandfatheringSystems ist es jedoch auch denkbar, verschiedenen Minderungspotentialen durch unterschiedliche Minderungsfaktoren gerecht zu werden. Neben dem Bestandsschutz dienen Grandfathering-Modelle der Versorgungssicherheit, da sie den gegenwärtigen Energiemix tendenziell erhalten, indem sie dafür sorgen, dass etwa auch die Verwendung heimischer Braunkohle rentabel bleibt. Der Zweck derartiger Grandfathering-Systeme besteht somit neben der Erfüllung der Vorgaben der EH-RL in einer gleichmäßigen Zuteilung der Zertifikate unter besonderer Berücksichtigung von Bestandsschutz- und Versorgungssicherheitsaspekten. Für die Frage, ob der Eingriff in das Eigentumsgrundrecht der Anlagenbetreiber gerechtfertigt werden kann, kommt es in erster Linie darauf an, ob die Zuteilungsregeln verhältnismäßig sind. Auch an dieser Stelle ist zu beachten, dass dem nationalen Gesetzgeber die Gesamtemissionen weitestgehend europarechtlich vorgegeben sind und er lediglich über die Zuteilung der Emissionskontingente entscheidet. Dabei muss er das vorgegebene Cap einhalten. Zudem sind Bestandsschutz und Versorgungssicherheit legitime Anliegen des Gesetzgebers271. Grundsätzlich ist eine Zuteilung fester Mengen an Kohlendioxidemissionen in Abhängigkeit von früheren Emissionen bei korrekter Kalkulation natürlich geeignet, das vorgegebene Cap einzuhalten. Soweit es dem Gesetzgeber zusätzlich um ein besonderes Maß an Bestandsschutz und Versorgungssicherheit geht, dürfte kein milderes Mittel existieren, um vergleichbare Ergebnisse zu erzielen. Jedenfalls darf der Gesetzgeber angesichts der komplexen Zusammenhänge davon ausgehen, dass dies so ist. Es besteht daher
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Vgl. hierzu EuGH, Rs. C-68/95, Urt. v. 26.11.1996, Slg. 1996, I-6065 (Rn 40 f.) – T. Port GmbH & Co. KG. Vgl. S. 67 f. Zu diesen und anderen denkbaren Allokationszwecken s. o. S. 191 ff.
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kein Anlass, an der Eignung und Erforderlichkeit einer Grandfathering-Regelung zu zweifeln. Die Frage, ob die Grandfathering-Regelung einen gerechtfertigten Eingriff in das gemeinschaftsrechtliche Eigentum darstellt, entscheidet sich somit im Rahmen der Angemessenheit. Zu beachten ist, dass die europäischen Gerichte bei der Bewertung wirtschaftsrechtlicher Regelungen von weiten Spielräumen des Gesetzgebers ausgehen. Das Votum der Unangemessenheit dürfte daher allenfalls bei offensichtlich unbilligen Regelungsinhalten zu erwarten sein. Der Staat trägt in einem Grandfathering-System die Verantwortung für die Verteilung der Zertifikate und die damit verbundenen Auswirkungen. Im Ergebnis ist der staatliche Eingriff in den durch den Zertifikatehandel modifizierten Wettbewerb im Wege eines Grandfathering-Systems ausgeprägter als bei allen anderen Verteilungsmodi. Für das einzelne Unternehmen hingegen kann eine kostenlose Zuteilung jedenfalls eines Großteils der benötigten Zertifikate deutlich günstiger sein als ein System, in dem es die Zertifikate erst bei einer Auktion ersteigern muss. Die Entlastung ist umso größer, je mehr eine Anlage emittiert. Gesteigert wird der Effekt noch in Branchen, in denen das Unternehmen den Wert der Zertifikate einpreisen kann, ohne dass ihm die entsprechenden Kosten selbst entstanden sind. Gleichzeitig führt die Ausrichtung am Bestandsschutz dazu, dass Grandfathering-Systeme das Eigentum in besonders geringem Maße belasten, da alle Beteiligten bzw. alle vergleichbaren Unternehmen durch einen einheitlichen Minderungsfaktor ähnlich hart betroffen werden. Die obligatorische Minderungsverpflichtung wird so denkbar gleichmäßig verteilt. Allerdings verringern Grandfathering-Systeme vor allem den Druck auf emissionsintensive Anlagen, während einheitliche, alters- und modernisierungsunabhängige Minderungsfaktoren gerade neueren, effizienten Anlagen Schwierigkeiten bereiten können und zudem dem Gedanken des Zertifikatehandels zuwider laufen. Bedenken hinsichtlich der eigentumsrechtlichen Angemessenheit einer derartigen Regelung sind jedoch erst berechtigt, sobald der Bestand, d.h. der weitere Betrieb bestimmter Anlagen, in Gefahr gerät. Hier ist zu verlangen, dass für Anlagen, die sich typischerweise272 noch nicht amortisiert haben und die vor Einführung des Zertifikatehandels geplant wurden und in Betrieb gegangen sind, nicht jede rentable Nutzungsmöglichkeit entfallen darf273. Hierfür genügt nicht nur Vollausstattung mit Zertifikaten, sondern auch eine Unterausstattung, solange erforderliche Zukäufe bzw. Emissionsminderungsmaßnahmen zumutbar sind. Sofern ein derartiges Ergebnis nicht ohnehin hinreichend sicher durch die Grandfathering-Regeln, etwa durch nach Alter der Anlage gestaffelte Reduktionsfaktoren, erreicht wird, sind hier Härtefallklauseln vorzusehen. Ebenso erforderlich sind Maßnahmen zum Ausgleich ungewollter Nachteile, zu denen ein Grandfathering-System führt, wenn eine Anlage während der Basisperiode über längere Zeit stillgelegt war. Dann nämlich liegt der Verdacht nahe, dass sie durch die ent272
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Hier kann es nicht auf den Einzelfall ankommen, da die Zuteilungsregeln weder vor unternehmerischer Fehlkalkulation schützen noch kreative Bilanzführung belohnen sollen. Vgl. Theodor Schilling, EuGRZ 1998, 177 (184), wonach eine Regelung einen Einzelnen nicht in Existenznot bringen darf.
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sprechend geringere Zuteilung besonders hart getroffen wird, die Zuteilung für diese Anlage daher nicht mehr angemessen ist. Erfüllt die Zuteilung diese Anforderungen nicht, kann die Angemessenheit auch durch staatliche Ausgleichszahlungen hergestellt werden274. Die restriktiven Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht für den Bereich des Art. 14 GG aufgestellt hat, sind auf die europäische Ebene nicht übertragbar275. Im Ergebnis stellt eine Allokation anhand von Grandfathering-Regelungen in aller Regel eine verhältnismäßige Eigentumsbeschränkung dar. Wo die Gefahr besteht, dass noch nicht amortisierte Anlagen nicht mehr rentabel weiter betrieben werden können, sind Härtefallklauseln erforderlich. Im Hinblick auf den Eigentumsschutz handelt es sich bei diesem Allokationsverfahren jedoch um eine sehr schonende Vorgehensweise. Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Wesensgehalts des Eigentums durch eine Allokation anhand von GrandfatheringRegelungen bestehen üblicherweise nicht; die Essenz des Eigentums ist nicht gefährdet. (3) Rechtfertigung von Eingriffen durch Allokation nach einem Benchmark-System276 In einem Benchmark-System geht es darum, bestimmte Maßstäbe zu entwickeln, anhand derer den Emissionshandelsanlagen Zertifikate zugewiesen werden. Üblicherweise beruhen Benchmarks entweder auf durchschnittlichen Emissionswerten oder aber auf BAT-Standards. Schließlich sind vor allem im Bereich des Energiesektors einheitliche Benchmarks für sämtliche fossilen Brennstoffe denkbar oder diversifizierte Benchmarks, die jedem Energieträger eigene Werte zuschreiben277. Unabhängig von ihrer Ausgestaltung dienen Benchmarks gegenüber Grandfathering-Systemen stärker der Förderung wirtschaftlicher Investitionen und belohnen technische Innovation. Anlagen mit geringen spezifischen Emissionen profitieren von diesen Allokationsmechanismen, da sie mit der zugeteilten Zertifikatemenge auskommen und möglicherweise noch überschüssige Zertifikate verkaufen können. Bei brennstoffunabhängigen Benchmarks kommt noch der Aspekt des Klimaschutzes durch die Förderung eines Strukturwandels hinzu: Brennstoffunabhängige Benchmarks fördern und bevorteilen nicht nur emissionsärmere Techniken, sondern auch emissionsintensive Brennstoffe und dürften dadurch mittel- bis langfristig weiterreichenden Emissionsreduktionen den Weg bereiten. Demgegenüber ähnelt die Wirkung brennstoffabhängiger Benchmarks insofern eher denen eines Grandfathering-Systems, als sie darauf ausgerichtet sind, den gegenwärtigen Energiemix beizubehalten und auf diese Weise Versorgungssicherheit und – unter der Voraussetzung technischer Innovation – auch Bestandsschutz zu gewährleisten. Der Zweck der Benchmarks ist somit abhängig von der konkreten Ausgestaltung des bzw. der Benchmarks. In jedem Fall jedoch honorieren Benchmarks 274
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Vgl. Otto Depenheuer, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 17 Rz 57; Christine v. Milczewski, Schutz des Eigentums (1994), S. 283 ff. Otto Depenheuer, ibid., Art. 17 Rz 57. Allgemein zur Verwendung von Benchmarks s. S. 68 ff. Ausführlicher hierzu s. o. S. 69 f.
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technische Innovationen. Ob sich der Gesetzgeber dabei für eine stärker bestehende Strukturen konservierende Lösung entscheidet oder auf eine zügige Umstellung des Energie- und Wirtschaftssystems hinwirkt, ist eine Entscheidung, die dem demokratisch gewählten Gesetzgeber überlassen bleiben muss. In jedem Falle geht es jedoch um die Verfolgung legitimer Zwecke. Legt man bei der Zuteilung der Zertifikate besonderen Wert darauf, Innovationen zu fördern, ohne gleichzeitig vollständig den Bestandsschutz zu durchbrechen, sind Benchmarks der geeignete Weg. Auch ein Verteilungsmodus, der sich ebenso förderlich auf das Investitionsverhalten der Anlagenbetreiber auswirkt, aber weniger intensiv in die Grundrechte der beteiligten Unternehmen eingreift, ist nicht ersichtlich, so dass Benchmarks unter dieser Prämisse auch erforderlich sind. Dies gilt umso mehr, als auch hier dem Gesetzgeber angesichts der komplexen wirtschaftlichen Zusammenhänge, die es zu bewältigen gilt, weite Beurteilungsspielräume eingeräumt werden. Somit kommt es auch bei der Beurteilung von Benchmark-Systemen auf die Frage an, ob diese angemessen ausgestaltet sind, d.h. nicht durch zu große Opfer der Anlagenbetreiber im Verhältnis zu ihrem Nutzen erkauft werden. Zu unangemessenen Härten kann es theoretisch bei jeglicher Form von Benchmarks kommen, in der Praxis beinhalten jedoch brennstoffunabhängige Benchmarks wegen ihrer stärkeren Umverteilungswirkung die größeren Gefahren. Ist ein BenchmarkSystem brennstoffunabhängig ausgestaltet, kann dies besonders schnell dazu führen, dass emissionsintensive Anlagen nicht mehr rentabel betrieben werden können. Einheitsbenchmarks begünstigen emissionsarme Brennstoffe wie Erdgas oder Erdöl und setzen emissionsintensive Brennstoffe wie Braun- oder Steinkohle verstärkt unter Druck. Dies ist jedoch eine Entscheidung, die der Gesetzgeber durchaus zu treffen befugt ist. Die Grenzen, die sich aus dem europäischen Eigentumsrecht ergeben, entsprechen dabei den für das Grandfathering dargelegten: Aufgrund der langen Amortisationsfristen in den betroffenen Bereichen darf der Zertifikatehandel für Anlagen, deren Investitionsfristen noch nicht abgelaufen sind und die vor Einführung des Zertifikatehandels geplant wurden und in Betrieb gegangen sind, nicht jede Nutzungsmöglichkeit entfallen lassen. Zu verlangen ist bis dahin zwar nicht eine bedarfsgerechte Ausstattung, wohl aber muss der weitere Betrieb durch zumutbare Reduktionsmaßnahmen oder Zukäufe von Zertifikaten möglich bleiben. Sofern ein derartiges Ergebnis nicht ohnehin hinreichend sicher durch die Benchmark-Regeln erreicht wird, sind hier Härtefallklauseln vorzusehen. Da eine präzise Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung nicht möglich ist, sollten entsprechende Härteklauseln präventiv vorgesehen werden. Ebenso wie beim Grandfathering278 können auch finanzielle Entschädigungsregeln dazu beitragen, die Angemessenheit der Zuteilungsregeln sicherzustellen. Nach Ablauf der Investitionsfristen ist dagegen angesichts der Bedeutung des Klimaschutzes nichts dagegen einzuwenden, neue Standards zu propagieren und emissionsintensive Altanlagen unrentabel zu machen und aus dem Verkehr zu ziehen. Auch durch die Einführung von Benchmarks dürfte die Wesensgehaltsgarantie nicht berührt sein. Im Ergebnis gilt somit, dass es dem Gesetzgeber mit Blick auf 278
Hierzu s. o. S. 67 f.
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das gemeinschaftsrechtlich geschützte Eigentum freisteht, die Zertifikate anhand von Benchmarks zu vergeben. Sofern jedoch die Gefahr besteht, dass diese Benchmarks den Betrieb noch nicht amortisierter Anlagen unterbinden, sind Härtefallklauseln erforderlich. Diese Notwendigkeit dürfte eher bei der Verwendung brennstoffunabhängiger als bei der Verwendung brennstoffabhängiger Benchmarks entstehen. (4) Rechtfertigung von Eingriffen durch Allokation anhand eines Auktionssystems Wird die Allokation nicht durch den Staat vorgenommen, sondern ergibt sie sich auf der Grundlage eines Auktionsverfahrens, stellt sich die Situation etwas anders dar als beim Grandfathering oder Benchmarking. Hier wird die Verteilung der Zertifikate dem Markt überlassen279. Dieses Verfahren wird von den Ökonomen präferiert, weil es die ökonomisch effizienteste Verteilung der Zertifikate sichert. Dies allerdings nur unter der Prämisse, dass der Markt auch funktioniert. Neben den Effizienzvorteilen bewirkt die Auktionierung der Zertifikate eine Förderung von Investitionen in neue Techniken und hat aus umweltpolitischer Sicht den Vorteil, das Verursacherprinzip in besonderem Maße umzusetzen, da sämtliche Emissionen kostenpflichtig sind. Zudem bestehen geringere Anreize zur Hortung nicht benötigter Emissionsrechte, und ein deutlicherer Impuls zur Emissionsreduzierung wird gesetzt. Statt zu gewährleisten, dass ein Unternehmen hinreichend mit Zertifikaten ausgestattet ist, kann der Staat in einem Auktionssystem nur gewährleisten, dass die Zertifikatevergabe nach fairen und transparenten Kriterien erfolgt. Gegebenenfalls können die Unterschiede zwischen verschiedenen Branchen durch getrennte Auktionsverfahren und getrennte Zertifikatkontingente berücksichtigt werden. Naturgemäß belastet ein Auktionssystem wirtschaftlich schwächere Unternehmen besonders stark, da es ihnen besonders schwer fällt, die erforderlichen Zertifikate zu finanzieren. Es besteht die Gefahr, dass Anlagen aufgrund der mit dem Zertifikateerwerb verbundenen Kosten nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können. Während es in bestimmten Branchen relativ unproblematisch möglich ist, Zusatzkosten durch erhöhte Preise zu kompensieren280, ist dies in anderen Branchen, die verstärkt in einem internationalen Wettbewerb mit nicht-EU-Staaten stehen, insbesondere Staaten, die an keine nennenswerten Klimaschutzverpflichtungen gebunden sind, häufig nahezu unmöglich. Für die Frage, ob ein auf Auktionierung basierendes Allokationssystem verhältnismäßig ist, kommt es zunächst darauf an, ob der Zweck einer effizienten Allokation der Zertifikate erreicht wird. Jedenfalls in einem funktionierenden Markt ist dies den Ökonomen zufolge der Fall. Angesichts des dem Staat eingeräumten Beurteilungsvorrangs in wirtschaftlichen Angelegenheiten darf er somit die Auktionierung für ein geeignetes und auch 279 280
Zur Wirkungsweise derartiger Auktionen s. o. S. 70 f. Zu denken ist hier besonders an die Strombranche, die bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, dass sich die Opportunitätskosten des Emissionshandels in die Strompreise einrechnen lassen, s. S. 64 ff.
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erforderliches Mittel halten. Eine vergleichbar effiziente und am Verursacherprinzip orientierte Allokation vermögen andere Zuteilungsverfahren nicht zu bewirken. Somit stellt sich auch bei der Auktionierung die Frage, ob eine sofortige vollständig kostenpflichtige Zuteilung, die bewirkt, dass Anlagen ohne Zertifikate nicht mehr betrieben werden dürfen, angemessen ist. Bereits im Vorfeld des Richtlinienerlasses war darauf hingewiesen worden, dass ein sofortiger Systemwechsel vom Ordnungsrecht zu einem Zertifikatehandelssystem, das die Verteilung der Zertifikate ausschließlich im Wege der Auktion vorsieht, mit dem Eigentumsrecht der Anlagenbetreiber nicht in Einklang zu bringen sei281. Nach dem bereits zum Benchmarking und zum Grandfathering Gesagten gilt es besonders, das Eigentum an Anlagen zu schützen, die aus „Vor-Emissionshandelszeiten“ stammen, aber noch nicht lange genug in Betrieb sind, um sich bereits zu amortisieren. Die Nutzung dieser Anlagen muss zumindest für die Dauer der üblichen Investitionsperioden sichergestellt sein. Wie auch bereits zu den anderen beiden Allokationsmodi angemerkt, müssen Anlagen nicht komplett mit den benötigten Zertifikaten ausgestattet werden, weswegen auch eine Versteigerung eines (kleineren) Teils der Zertifikate unproblematisch sein dürfte. Neuanlagen, die in Kenntnis der aktuellen Rechtslage erbaut und in Betrieb genommen wurden, kommt ein derartiger Schutz zudem nicht zu. Will man keine neuen Gleichbehandlungsfragen aufwerfen, bedeutet dies jedoch, dass jedenfalls eine Komplettumstellung auf ein reines Auktionssystem noch geraume Zeit aufgeschoben werden muss. Da die EH-RL bis einschließlich 2012 und damit über einen Zeitraum von acht Jahren nur die Versteigerung von maximal 10 Prozent der Zertifikate zulässt, ist ein gleitender Übergang sichergestellt. Neuanlagen, die erst zu Zeiten des Zertifikatehandels in Betrieb gegangen sind, mussten von vornherein von der neuen Rechtslage und damit der ungesicherten Zuteilung ihrer Emissionsrechte ausgehen. Angesichts der langen Investitionszyklen bei den dem Zertifikatehandel unterfallenden Anlagen dürfte eine komplette Umstellung des Systems auch in der folgenden Zuteilungsperiode noch nicht möglich sein. Dennoch tritt der Bestandsschutzaspekt zunehmend in den Hintergrund, da sich mehr und mehr Investitionen bereits amortisiert haben. Selbst das Bedürfnis für Sonderregelungen für Härtefälle lässt somit mit zunehmender Etablierung des Zertifikatehandels nach. Hat sich der Zertifikatehandel erst einmal etabliert, ist auch eine Versteigerung der Zertifikate mit dem Eigentumsrecht der Anlagenbetreiber in Einklang zu bringen. Eine Verletzung der Wesensgehaltsgarantie ist auch im Falle der Auktionierung der Zertifikate nicht ersichtlich. (5) Fazit Grundsätzlich sind sowohl Grandfathering-, Benchmark- als auch Auktionsmodelle mit dem gemeinschaftsrechtlichen Eigentum in Einklang zu bringen. Allerdings sind die Anlageneigentümer schutzbedürftig, deren Anlagen vor Einführung des Zertifikatehandelssystems in Betrieb genommen wurden. Solange sich die Investitionen in diese Anlagen noch nicht amortisieren konnten, kann die Allokation 281
So etwa Hans-Werner Rengeling, DVBl. 2000, 1725 (1731).
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nicht im Wege eines reinen Versteigerungssystems erfolgen. Aber auch im Rahmen von Benchmark- oder Grandfathering-Systemen ist, ggf. durch Härteklauseln, sicherzustellen, dass Betreiber die Möglichkeit haben, die Anlagen so lange zu betreiben, bis typischerweise mit der Amortisierung ihrer Investitionen zu rechnen ist. Eine bedarfsgerechte Ausstattung ist jedoch nicht garantiert. b) Berufsfreiheit und unternehmerische Freiheit aa) Begriffsbestimmung auf europäischer Ebene Schwierigkeiten könnte darüber hinaus auch eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit bzw. der unternehmerischen Freiheit der Anlagenbetreiber verursachen. Die Konkretisierung deren Gewährleistungsgehalte wird dadurch erschwert, dass Berufsfreiheit und unternehmerische Freiheit nicht in der EMRK geregelt sind und von den EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausgestaltet wurden282. Traditionell unterscheidet der EuGH nicht zwischen der Berufsfreiheit, wie sie neuerdings in Art. 15 GRCh geschützt ist, und der unternehmerischen Freiheit des Art. 16 GRCh, sondern versteht die Berufsfreiheit als übergreifendes Grundrecht, das sowohl die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers als auch die wirtschaftliche Freiheit des Unternehmers umfasst283. Mangels einer Kodifizierung der Berufsfreiheit in der Gemeinschaftscharta der Sozialen Grundrechte oder der EMRK hat er seine Rechtsprechung auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten284 gestützt und so das Recht auf freie Berufsausübung als Bestandteil des ungeschriebenen Gemeinschaftsrecht anerkannt285. Da die GRCh die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer und die unternehmerische Freiheit nunmehr in getrennten Artikeln behandelt, dürfte in Zukunft mit einer differenzierteren Erörterung dieser Rechte zu rechnen sein286. Im Ergebnis wird die Unterscheidung trotz nach der GRCh formal leicht unterschiedlicher Rechtfertigungsvoraussetzungen jedoch wohl nur in den seltensten Fällen einen Unterschied machen287. 282
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Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 30 Rz 36; Ulrich Penski/Bernd Roland Elsner, DÖV 2001, 265 (270). Ausgangspunkt für die Anerkennung der Berufsfreiheit durch den EuGH war das NoldUrteil, in dem es um die berufliche Existenz eines Kohlehändlers ging. Nach der hier vorgenommenen Unterscheidung betraf diese Entscheidung bereits die unternehmerische Freiheit, s. EuGH, Rs. 4/73, Urt. v. 14.05.1974, Slg. 1974, S. 491 ff. Hierzu im einzelnen Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 30 Rz 18 ff.; Alexandra Borrmann, Schutz der Berufsfreiheit (2002), S. 107 ff.; einen Überblick über die Berufsfreiheit in ausgewählten Rechtsordnungen liefert auch Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 25 ff. Hermann-Josef Blanke, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 15 Rz 10. Sehr kritisch gegenüber diesem Schutz, der „allenfalls als Ergänzung (...) zu anderen Freiheitsgewährleistungen, die sich aus anderen Rechtsquellen ergeben müssen“ betrachtet werden könne Alexandra Borrmann, Der Schutz der Berufsfreiheit (2002), S. 166. Ebenso Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 30 Rz 63. Kritisch Jürgen Schwarze, EuZW 2001, 517 (521), der meint, die Formulierung der GRCh deute auf einen weniger ausgeprägten Schutz der Unternehmerfreiheit hin. Die
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bb) Schutzbereich (1) Der Schutzbereichs der Berufsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht Neben der Berufswahl schützt die Berufsfreiheit auch das Recht, einen frei gewählten oder angenommenen Beruf auszuüben288. Vom spezielleren Grundrecht der unternehmerischen Freiheit in Art. 16 GRCh ist die Berufsfreiheit insoweit abzugrenzen, als Art. 16 GRCh die selbständige Tätigkeit schützt und Art. 15 GRCh für Arbeitnehmer gilt289. Da juristische Personen regelmäßig selbständig tätig sind, kommt für sie üblicherweise Art. 16 GRCh zum tragen290. Unterscheidet man zwischen Berufsfreiheit als Freiheit der Arbeitnehmer und unternehmerischer Freiheit, hat die Berufsfreiheit im engeren Sinne keine Bedeutung für den Zertifikatehandel. Die von der Allokation betroffenen Unternehmen üben eine selbständige Tätigkeit aus, weswegen Grundrechtsbeeinträchtigungen am Maßstab der unternehmerischen Freiheit zu beurteilen sind. (2) Der Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit als Gemeinschaftsgrundrecht (a) Allgemein Das Recht auf unternehmerische Freiheit umfasst primär die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit selbständig auszuüben291; diese Freiheit wird in all ihren Ausprägungen umfassend geschützt292. Vom Schutz des Grundrechts um-
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GRCh kodifiziert jedoch lediglich einen Mindestkonsens und beeinträchtigt die bisherige Rechtsprechung des EuGH und somit den gemeinschaftlichen Grundrechtestandard nicht. Mit einer tatsächlichen Reduktion des Schutzniveaus dürfte daher nicht zu rechnen sein, allenfalls kann man bedauern, dass das gegenwärtige Schutzniveau nicht deutlich genug in der GRCh zum Ausdruck kommt. Befremden über die Neuordnung der GRCh aber auch bei Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 30 Rz 33, § 31 Rz 22 ff.; Luisa Crones, Grundrechtlicher Schutz von juristischen Personen im europäischen Gemeinschaftsrecht (2001), S. 157 f.; Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 222. Jürgen Zimmerling, in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, 3. Aufl. 2003, EUV, Anh. zu Art. 6 Rz 55; Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 30 Rz 38; Jürgen Schwarze, EuZW 2001, 517 (518). Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 20 Rz 4. Nach a. A. soll Art. 15 GRCh auch selbständige Erwerbsformen schützen, hier jedoch vor allem die persönlichkeitsgebundenen Teilaspekte, so bspw. Hermann-Josef Blanke, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 15 Rz 25. Diese Annahme problematisiert jedoch die Abgrenzung zwischen beiden Vorschriften unnötig, ohne besondere Vorteile für sich in Anspruch nehmen zu können. Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 20 Rz 10. Hermann-Josef Blanke, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 16 Rz 10; Norbert Bernsdorff, in: Meyer (Hrsg.), Kommentar zur GRCh (2003), Art. 16 Rz 11; Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 31 Rz 30. Jürgen Schwarze, EuZW 2001, 517 (519).
II. Europäische Grundrechte
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fasst sind auch die Vertragsfreiheit sowie die Freiheit des Wettbewerbs293. Allerdings bereitet gerade die Freiheit des Wettbewerbs große Schwierigkeiten, einerseits wegen ihres engen Zusammenhangs mit den Grundfreiheiten und den Wettbewerbsvorschriften des EGV294, andererseits weil nach wie vor nicht endgültig geklärt ist, ob der EuGH sie rein objektivrechtlich oder auch subjektivrechtlich schützt295. Es handelt sich beim Recht auf unternehmerische Freiheit nicht um ein neben der Berufsfreiheit stehendes, eigenes Gemeinschaftsgrundrecht, sondern um eine spezielle Teilgewährleistung oder Ausformung der Berufsfreiheit, aus der es hervorgegangen ist296. Sein Schutz gilt für natürliche ebenso wie für juristische Personen und erfasst auch Unternehmen aus Drittstaaten297. Ihre Grenze findet die Garantie der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, wo ein Unternehmen Nachteile aufgrund einer Veränderung der Marktumstände hinnehmen muss. Anlass für Entscheidungen zur wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit waren häufig Restriktionen, die sich aus Maßnahmen im Zusammenhang mit gemeinsamen Marktordnungen ergaben298; insofern ist auch die Diskussion über den Zertifikatehandel typisch. (b) Abgrenzung vom Eigentumsschutz Ebenfalls noch unklar ist, wie der Schutz der unternehmerischen Freiheit vom Eigentumsschutz abgegrenzt werden kann. Der EuGH differenziert nicht immer präzise zwischen beiden Grundrechten299; in der deutschen Literatur wird mehrheitlich eine Abgrenzung parallel zum deutschen Verfassungsrecht anhand der Begrif-
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Jürgen Schwarze, ibid., S. 518; Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 31 Rz 29; Luisa Crones, Grundrechtlicher Schutz von juristischen Personen (2002), S. 110. Carsten Nowak, ibid., § 31 Rz 3. Carsten Nowak, ibid., § 31 Rz 27; Luisa Crones, Grundrechtlicher Schutz von juristischen Personen (2002), S. 111. Hermann-Josef Blanke, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 16 Rz 9; Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 31 Rz 2; Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 21 Rz 1; Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 106. Hermann-Josef Blanke, ibid., Art. 16 Rz 15; Matthias Ruffert, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 16 Rz 25; Carsten Nowak, ibid., § 31 Rz 39. Beispielsweise EuGH, Rs. C-280/93, Urt. v. 05.10.1994, Slg. 1994, I-4973 – Bananenmarktordnung; Rs. C-63/93, Urt. v. 15.02.1996, Slg. 1996, S. 569 (Rn 28 ff.) – Duff; Rs. C-177/90, Urt. v. 10.01.1992, Slg. 1992, I-35 – Kühn; verb. Rs. 122-136/85, Urt. v. 21.05.1987, Slg. 1987, 2289; dazu Jürgen Schwarze, EuZW 2001, 517 (519). S. z.B. EuGH, verb. Rs. C-248/95 und C-249/95, Urt. v. 17.07.1997, Slg. 1997, S. I4475 (Rn 72 ff.) – SAM Schifffahrt GmbH, zu Beiträgen an einen Abwrackfonds; EuGH, Rs. C-63/93, Urt. v. 15.02.1996, Slg. 1996, S. 569 (Rn 28 ff.) – Duff, zu Milchreferenzmengen. Dazu auch Matthias Ruffert, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 16 Rz 14; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 277.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
fe Bestandsschutz und Erwerbsschutz bevorzugt300. Gerade bei Regelungen, die die Nutzung von Betriebsgrundstücken, -anlagen oder sonstigem Betriebseigentum betreffen, führt diese Unterscheidung jedoch nicht immer zu klaren Ergebnissen. Dies erklärt sich durch die gemeinsame Schutzrichtung der Grundrechte, die beide darauf abstellen, die „Teilnahme und Teilhabe am Wirtschaftsleben“301 zu schützen. Häufig ist der Schutzbereich beider Grundrechte eröffnet; die unternehmerische Freiheit und die Eigentumsgewährleistung stehen in Idealkonkurrenz302. Da sich Eigentum und unternehmerische Freiheit gegenseitig ergänzen und voraussetzen, prüft der EuGH häufig beide Grundrechte parallel, ohne dabei eine Schutzbereichsabgrenzung vorzunehmen. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht in allen Fällen überzeugend, da die Schutzrichtungen der Grundrechte sich voneinander unterscheiden, was Konsequenzen für die Verhältnismäßigkeitsprüfung hat303. (3) Konsequenzen für die Allokation von Zertifikaten Einige Stimmen sehen die Berufsfreiheit vorwiegend für neue Marktteilnehmer von Bedeutung304. Allerdings ist die unternehmerische Freiheit immer berührt, sobald die Anlagenbetreiber Zertifikate für ihren Kohlendioxidausstoß erwerben müssen: Es handelt sich um eine zusätzlich vorgegebene Modalität der Berufsausübung305. In Reinform treten Beeinträchtigungen der unternehmerischen Freiheit dennoch nur bei Neuanlagen auf, da bei Altanlagen immer eine Überlagerung mit Aspekten des Eigentumsschutzes vorliegt, der vielfach im Vordergrund stehen dürfte. Zudem mag die Problematik für Neuanlagenbetreiber besonders ausgeprägt sein, weil sich bei diesen die Investitionen erst noch amortisieren müssen und sie sich nicht auf frühere Emissionen berufen können. Für die Frage, ob der Schutzbereich der freien wirtschaftlichen Betätigung eröffnet ist, macht es hingegen keinen Unterschied, ob die Verpflichtung, Zertifikate für Emissionen vorzuhalten und in regelmäßigen Abständen abzurechnen, auf bestehende Anlagen oder auf Neuanlagen angewendet wird. Der Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit ist in jedem Fall betroffen.
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Vgl. etwa Matthias Ruffert, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 16 Rz 14; Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 127. Praktikabilitätsbedenken bei Yvonne Kerth, ibid., S. 277. Yvonne Kerth, ibid., S. 277. Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 30 Rz 58; Matthias Ruffert, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 16 Rz 14; Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 126. Walter Frenz, VerwArch 94 (2003), 345 (355) hingegen versteht Art. 16 GRCh als Berufs- und Eigentumsfreiheit überspannendes Recht. Kritisch auch Matthias Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 15 GRCh Rz 20; Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 288. Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (42). Walter Frenz, et 53 (2003), S. 594.
II. Europäische Grundrechte
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cc) Eingriff (1) Allgemein Beeinträchtigungen der unternehmerischen Freiheit sind vorwiegend306 durch normative Regelungen, die das Wirtschaftsleben steuern und begrenzen, bzw. durch auf derartigen Regelungen beruhende Maßnahmen denkbar307. Ein Eingriff liegt jedenfalls vor, wenn eine vom Grundrechtsadressaten getroffene Regelung oder Maßnahme einen Nachteil bezweckt oder unmittelbar bewirkt308. Sofern man wie hier den Schutz der Wettbewerbsfreiheit in den Schutzbereich einbezieht, kann ein staatlicher Eingriff in den Markt, der zu einer Veränderung der Wettbewerbsbedingungen führt, gleichzeitig ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit sein309. Besonders häufig diskutiert wurde die Frage eines Eingriffs in die gemeinschaftsrechtliche Berufsfreiheit im Zusammenhang mit Marktordnungen310. So stellte der Gerichtshof zunächst klar, dass etwa die Reduzierung von aus einer Marktordnung resultierenden Vorteilen keinen Eingriff in das Eigentum darstellt311. Ein Eingriff liegt jedoch vor, wenn durch die Einführung einer neuen Marktordnung oder zusätzlicher Regulierung innerhalb einer bestehenden Marktordnung Nachteile für betroffene Unternehmen entstehen312. Auch die Einführung bindender Produktionsquoten stellt einen derartigen Eingriff dar.313 306
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Abschließend ist dies jedoch nicht, da Beeinträchtigungen von Art. 15 und Art. 16 der GRCh auch durch nicht-normatives und nicht-normbasiertes Verhalten denkbar sind, vgl. etwa Hermann-Josef Blanke, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 15 Rz 41. Matthias Ruffert, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 16 Rz 29. Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 21 Rz 10. Zur Frage, ob und inwiefern auch mittelbare Grundrechtseingriffe denkbar sind, s. Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 113 ff.; Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 30 Rz 51 ff.; Luisa Crones, Grundrechtlicher Schutz von juristischen Personen (2002), S. 112. Vgl. EuGH, Rs. C-280/93, Urt. v. 05.10.1994, Slg. 1994, I-4973 (Rn 81) – Bananenmarktordnung; Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 21 Rz 11. Hierzu Luisa Crones, Grundrechtlicher Schutz von juristischen Personen (2002), S. 113 ff.; Hans Jarass, ibid., § 21 Rz 15. EuGH, Rs. 230/78, Urt. v. 27.09.1979, Slg. 1979, 2749 – Eridania. Auf Kritik stieß vor allem die spätere Entscheidung, in der dieser Grundsatz auch auf Unternehmen erstreckt wird, die selbst nicht Teil der Marktordnung sind, s. EuGH, Rs. 133-136/85, Urt. v. 21.05.1987, Slg. 1987, 2289 (Rn 18) – Rau, dazu Johannes Günter, Berufsfreiheit und Eigentum (1998), S. 19 f.; Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 116 ff.; Luisa Crones, Grundrechtlicher Schutz von juristischen Personen (2002), S. 113 f. Vgl. EuGH, Slg. 1994, I-4973 (Rn 81 ff.) – Bananenmarktordnung; Johannes Günter, Berufsfreiheit und Eigentum (1998), S. 22; Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 117 f.; Luisa Crones, Grundrechtlicher Schutz von juristischen Personen (2002), S. 114. Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 21 Rz 15.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
(2) Die Allokation im Zertifikatehandelssystem als Eingriff Sofern das Zertifikatesystem den Unternehmen Beschränkungen bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit auferlegt, muss man dies als Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Unternehmen betrachten314. Der Zertifikatehandel ist insofern der Einführung der Bananenmarktordnung vergleichbar, in der der EuGH bereits einen Eingriff in die freie Berufsausübung gesehen hat315. Auch die Einführung des Zertifikatehandels und die Entscheidung über die Zuteilung der Zertifikate stellen eine erhebliche Einflussnahme auf die Wettbewerbsbedingungen bestehender Unternehmen dar. Der Eingriff wird durch die Einführung des Zertifikatehandels begründet und durch die Allokation der Zertifikate auf die einzelnen Anlagen für den jeweiligen Betreiber konkretisiert. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zuteilung ausreichend ist oder nicht; entscheidend ist vielmehr, dass in der Zuteilung die zusätzliche Verpflichtung enthalten ist, entweder mit den zugeteilten Zertifikaten auszukommen, die Produktion zu reduzieren oder aber Zertifikate auf dem Markt zuzukaufen316. Ein derartiger Eingriff ist zwar schwächer als ein unflexibles ordnungsrechtliches Ge- oder Verbot, allerdings kommt hinzu, dass sich insbesondere im Falle unentgeltlicher Zuteilung durch die Allokation die Wettbewerbsbedingungen verschieben können. Obwohl die Dreistufentheorie auf europäischer Ebene nicht gilt, lassen sich gewisse Anhaltspunkte für die Schwere des Eingriffs anhand der Unterscheidung entwickeln, ob eine Regelung die Ausübung und Aufnahme eines Berufs unmöglich macht oder lediglich zusätzliche Bedingungen für seine Ausübung aufstellt. Ein Eingriff bereits in die Berufswahlfreiheit liegt vor, wenn die Pflicht zur Abgabe von Zertifikaten die weitere Ausübung oder die Aufnahme eines Gewerbes unmöglich macht317. Kann man hingegen davon ausgehen, dass ein Anlagenbetreiber die erforderliche Zertifikatmenge durch Zuteilung oder über den Markt erlangen oder jedenfalls eine hinreichende Menge an Zertifikaten durch den Einsatz moderner Technik sparen kann, handelt es sich beim Emissionshandel und dem mit ihm verbundenen Verwaltungs- und Kostenaufwand lediglich um eine Berufsausübungsregelung318. Da die EH-RL verlangt, dass bei der Ausgestaltung des Zertifikatesystems neuen Marktteilnehmern der Zugang zum Markt gesichert werden muss319, kann die Berufswahlfreiheit nur beeinträchtigt sein, wenn die Zertifikate so stark verknappt werden, dass die steigenden Zertifikatpreise bewirken, dass bestimmte Anlagen nicht mehr rentabel betrieben werden können. Dies setzt jedoch, um Missmanagement auszuscheiden, voraus, dass das Problem nicht nur einzelne Betriebe trifft sondern branchenweit auftritt. Solange dies nicht der Fall ist, handelt es sich jedenfalls nach aktueller Rechtslage bei den Eingriffen in die Berufsfreiheit jeweils nur um Berufsausübungsregelungen.
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Walter Frenz, et 53 (2003), S. 594. EuGH, Slg. 1994, I-4973 (Rn 78) – Bananenmarktordnung. Hierzu vgl. oben S. 184. Walter Frenz, et 53 (2003), 594; ders., VerwArch 94 (2003), 345 (354). Walter Frenz, DVBl. 2006, 728 (733). Mehr dazu oben S. 95.
II. Europäische Grundrechte
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dd) Rechtfertigung von Eingriffen in die unternehmerische Freiheit Korrespondierend dem sehr weiten Schutzbereich der unternehmerischen Freiheit sind auch die Schranken der unternehmerischen Freiheit in der Rechtsprechung des EuGH wie in Art. 16 GRCh weit angelegt: Die unternehmerische Freiheit wird „nach dem Gemeinschaftsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt“. Das bedeutet, dass rechtliche Beschränkungen zulässig sind, sofern sie nicht gegen europäisches oder nationales Recht verstoßen und verhältnismäßig sind. In den Worten des EuGH müssen die Beschränkungen „tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt320 antastet“321. An einer näheren Definition dieser „dem Gemeinwohl dienenden Ziele“ durch den EuGH fehlt es bisher ebenso wie an ihrer normativen Verankerung322. Angesichts der sozialen Funktion des Grundrechts der Berufsfreiheit und somit auch dessen Unterfällen der Wettbewerbsfreiheit und der unternehmerischen Freiheit ist das Grundrecht mit den gegenläufigen Interessen aller betroffenen Wirtschaftsteilnehmer in Ausgleich zu bringen323. Eine abschließende Aufzählung der denkbaren, Zwecke, denen ein Eingriff in die Berufsfreiheit dienen kann, ist daher nicht möglich. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist nicht nur zu prüfen, ob das eingesetzte Mittel geeignet und erforderlich ist, sondern auch, ob das verfolgte Ziel von hinreichender Bedeutung ist, um die Beeinträchtigung des Grundrechts zu rechtfertigen324. Damit entspricht diese Prüfung wie bereits im Bezug auf ihr Äquivalent beim Eigentum dargelegt325 in der Sache dem deutschen Verständnis der Verhältnismäßigkeit326. Dass sie nicht etwa auf die ersten beiden Stufen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu reduzieren ist, zeigt sich daran, dass der Gerichtshof selber die Erforderlichkeit nicht nur als Notwendigkeit definiert, das am wenigsten belastende Mittel zu verwenden, sondern zudem verlangt, dass „die auferlegten Belastungen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen“ müssen327. 320
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Zur Bedeutung des Wesensgehalts bei der Prüfung der Gemeinschaftsgrundrechte s. o. S. 220 f. So EuGH, Rs. C-200/96, Urt. v. 28.04.1998, Slg. 1998, S. I-1953 (Rn 21) – Metronome Musik GmbH; Rs. C-44/94, Urt. v. 17.10.1995, Slg. 1995, S. I-3115 (Rn 55) – Fishermen's Organisations. Hierzu Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 31 Rz 42; Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 184. Ausführlich Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 194 ff. Nina Wunderlich, ibid., S. 195. Nina Wunderlich, ibid., S. 196. S. o. S. 218 ff. Vgl. dazu Peter Szczekalla, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 7 Rz 48; Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 6 Rz 45. Kritischer hierzu Sebastian Heselhaus, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 32 Rz 88; Thomas von Danwitz, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 52 Rz 19 f. EuGH, Slg. 1989, 2237 (Rn 21) – Schräder.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
Auch wenn zu recht darauf hingewiesen wird, dass die Dreistufentheorie des deutschen Verfassungsrechts nicht auf die europäische Ebene übertragbar ist328, stellt der EuGH ebenfalls auf den qualitativen Unterschied zwischen Regelungen, die auf Ebene der Berufswahl eingreifen und solchen, die lediglich die Ausübung eines Berufs betreffen, ab und wird dem durch eine differenzierte Verhältnismäßigkeitsprüfung gerecht329. Berufsausübungsregelungen sind bereits gerechtfertigt, wenn sie aufgrund vernünftiger Erwägungen zweckmäßig scheinen, um auf die Verwirklichung von Allgemeinwohlzielen hinzuarbeiten und den einzelnen nicht unverhältnismäßig belasten330. Bei Regelungen, die sich als Zugangshindernis zu bestimmten Berufen auswirken, sind die Rechtfertigungsanforderungen entsprechend zu steigern, ohne dass man hier ein klar gestuftes System zugrunde legen könnte331. Grund für diese strikteren Voraussetzungen ist nicht eine dogmatische Vorgehensweise, vielmehr sind sie eine logische Konsequenz der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Wie bereits bei der Prüfung der Eigentumsfreiheit dargestellt, dürfte die Prüfdichte der europäischen Gerichte auch im Rahmen der Berufs- bzw. Unternehmensfreiheit jedoch nicht an die des Bundesverfassungsgerichts heran reichen332. Den auf Gemeinschaftsebene verfolgten Zielen kommt in der Rspr. des EuGH ein besonderes Gewicht zu333, weswegen die europäischen Gerichte das Verhältnis von erworbenen Rechten und Vertrauensschutz gegenüber Gemeinschaftszielen und der Dynamik neuer Marktordnungen möglicherweise anders beurteilen als es in einer vergleichbaren Situation das Bundesverfassungsgericht täte334. Der EuGH hat seine Kontrolle insbesondere für den Fall eingeschränkt, dass ein politisches Organ bei der Verwirklichung einer gemeinsamen Marktordnung eine Entscheidung über den Ausgleich divergierender Interessen trifft335. Dennoch müssen an328
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Matthias Ruffert, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 16 Rz 29. S. etwa EuGH, Rs. C-306/93, Urt. v. 13.12.1994, Slg. 1994, I-5555 (Rn 24) – SMW Winzersekt; zur Bedeutung dieser Unterscheidung in der Rspr. des EuGH auch Johannes Günter, Berufsfreiheit und Eigentum (1998), S. 17 f.; Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 201. Vgl. etwa EuGH, Rs. 44/79, Urt. v. 13.12.1979. Slg. 1979, 3727 (Rn 23) – Hauer; Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 201. Nina Wunderlich, ibid., S. 203 f. Kritisch hierzu Klaus Ritgen, ZRP 2000, 371 (372); Rudolf Streinz, in: ders. (Hrsg.), EUV/EGV (2003), Art. 15 GRCh Rz 5 f.; Eckhard Pache, NVwZ 1999, 1033 (1038 f.); Ulrich Penski/Bernd Roland Elsner, DÖV 2001, 265 (273 f.); Martin Nettesheim, EuZW 1995, 106 (107). Hans Jarass, NVwZ 2006, 1089, (1094). Gert Nicolaysen, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 1 Rz 63; hierzu auch Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen im europäischen Binnenmarkt (2004), S. 97 (113). EuGH, Rs. C-280/92, Urt. v. 05.10.1994, Slg. 1994, I-4973 (Rn 91) – Bananenmarktordnung; hierzu Johannes Günter, Berufsfreiheit und Eigentum (1998), S. 28 f.; Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 206 ff. Sehr kritisch Juliane Kokott, AöR 121 (1996), 599 (608 f.).
II. Europäische Grundrechte
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gestrebtes Ziel und Grundrechtsbeeinträchtigung im Verhältnis zueinander stehen, und diese Vorgabe wird von den Gerichten überprüft. Im Übrigen ist zu recht darauf hingewiesen worden, dass die Urteile der europäischen Gerichte in Stil und Dogmatik einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen europäischen Rechtssystemen darstellen und naturgemäß nicht in jeder Hinsicht mit dem deutschen System in Einklang stehen336. Schließlich sind die Unterschiede zwischen deutscher und europäischer Gerichtsbarkeit bei weitem nicht mehr so bedeutend, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Urteile des EuGH durchweg wirtschaftliche Kontexte betreffen und auch das Bundesverfassungsgericht hier deutlich erweiterte Einschätzungs- und Prognosespielräume des Gesetzgebers anerkennt337. ee) Bedeutung für die mitgliedstaatliche Allokation (1) Grundsätzliches Die Unterscheidung nach Allokationssystemen, die bei der Rechtfertigung von Eingriffen in das Eigentum eingeführt wurde, wird aus Gründen der Übersichtlichkeit auch für Eingriffe in die unternehmerische Wirtschaftsfreiheit übernommen. Parallel zum dort Gesagten gilt auch für die Rechtfertigung von Eingriffen in die Berufsfreiheit, dass die technischen und außenpolitischen Rahmenbedingungen eine große Rolle spielen und daher nur Grundsätze für die grundrechtliche Bewertung denkbarer Maßnahmen entwickelt werden können. Wie dargelegt wurde, greifen die Regelungen zur Einführung des Zertifikatehandels und eben auch jede338 Allokationsentscheidung immer in die wirtschaftliche Freiheit des Anlagenbetreibers ein. Entsprechend großzügig muss man daher bei der Rechtfertigung dieser Eingriffe sein. Dies haben die europäischen Gerichte ausdrücklich für Maßnahmen im Rahmen von Marktordnungen klargestellt. Eine vergleichbare Situation besteht bei der Einführung des Zertifikatehandels. Ähnlich wie bei den agrarpolitischen Maßnahmen lassen sich auch beim Zertifikatehandel nicht alle Auswirkungen der gesetzgeberischen Entscheidungen präzise vorhersagen, weswegen dem Gesetzgeber hier ein besonders weitreichender Einschätzungs- und Prognosespielraum zukommt. Auch für die Rechtfertigung von Beschränkungen der unternehmerischen Freiheit sind die Struktur des Emissionshandels und die Rolle der Allokation als staatliche Mangelverwaltung von Bedeutung. Legt man die europarechtlich vorgegebene Limitierung der Gesamtemissionen zugrunde, beinhaltet jede Mehrzuteilung die Notwendigkeit, an anderer Stelle Einsparungen vorzunehmen. Nicht nur das Eigentumsrecht339, sondern auch die unternehmerische Freiheit weist in dieser Konstellation teilhaberechtliche Züge auf, wodurch die Rechtmäßigkeitsanforderungen gewissen Modifikationen unterworfen werden. Obwohl auch Gleichheits336 337
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Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 30 Rz 57. Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 208 f.; Carsten Nowak, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 30 Rz 57; Matthias Ruffert, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 16 Rz 39. Zur Rechtslage nach dem GG und der Rspr. des BVerfG s. u. S. 314. Selbst eine ausgesprochen großzügige Allokation regelt die Ausübung des Gewerbes. Vgl. hierzu o. S. 221.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
erwägungen bei der Rechtfertigung von Eingriffen in die unternehmerische Freiheit in einem derartigen System eine Rolle spielen können, werden sie aus Gründen der Übersichtlichkeit separat erörtert340. Die Prüfung der Rechtfertigung wird an dieser Stelle auf Verhältnismäßigkeit und Wesensgehaltsgarantie beschränkt. Der Zertifikatehandel ist ebenso wie die klassischen Marktordnungen Beleg dafür, dass eine abschließende Aufzählung der zur Rechtfertigung von Beschränkungen der unternehmerischen Freiheit heranzuziehenden Zwecke kaum denkbar ist. Zur Rechtfertigung des Emissionshandels und der Allokation der Zertifikate dienen Klimaschutzaspekte341, aber auch die anderen mit dem gewählten Verteilungsmodus verfolgten Ziele342. Der Europäische Gerichtshof hat zudem darauf hingewiesen, dass gerade im Zusammenhang mit einer gemeinsamen Marktorganisation ein großzügiger Maßstab anzulegen ist, solange feststeht, dass die Beschränkungen tatsächlich dem von der Gemeinschaft verfolgten allgemeinen Interesse dienen343. Auch wenn der Zertifikatehandel keine gemeinsame Marktorganisation im eigentlichen Sinne darstellt, gibt es strukturelle Parallelen, die für die Übertragbarkeit dieses Gedankens und die Anwendung eines großzügigeren Maßstabes auch auf durch den gemeinschaftlichen Zertifikatehandel bedingte Allokationsentscheidungen der Mitgliedstaaten sprechen. Von der Eignung und Erforderlichkeit einer Allokationsregelung ist wegen der weiten Beurteilungsspielräume, die die europäischen Gerichte dem Gesetzgeber einräumen, auszugehen, solange dem keine offensichtlichen Tatsachen entgegenstehen. Da ein Kontingentierungs- und somit auch ein Allokationsbedürfnis bereits durch die EH-RL vorgegeben sind, stellen sich hier im Regelfall keine Probleme. Wie so häufig entscheidet sich die Verhältnismäßigkeit bei der Prüfung der Angemessenheit dieser Regelungen. Allokationsregeln stellen eine verhältnismäßige Beschränkung der unternehmerischen Tätigkeit dar, solange gesellschaftlich wünschenswerte Tätigkeiten344 noch grundsätzlich wirtschaftlich in dem betreffenden Mitgliedstaat ausgeübt werden können. Dies bedeutet für dem Emissionshandel unterworfene Anlagen, dass die Bedingungen, unter denen der Betrieb einer Anlage möglich ist, ihrerseits verhältnismäßig, d.h. zu dem angestrebten Zweck geeignet, erforderlich und angemessen, sein müssen. Führt eine Allokation dazu, dass bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausgeübt werden können, ist gesondert zu prüfen, ob Gründe von hinreichendem Gewicht vorliegen, um einen derartig weitge340 341 342
343 344
Hierzu s. u. S. 248 ff. Walter Frenz, DVBl. 2006, 728 (733); Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 282. Vgl. zur Rechtfertigung des Einsatzes von Versteigerungen im Vergabeverfahren anhand des nationalen Verfassungsrechts Markus Faber, GewArch 2002, 264 (268), der als legitimen Zweck derartiger Verfahren die „Erreichung eines möglichst sachgerechten, chancengleichen und zweckangemessenen Vergabeergebnisses“ heranzieht. Zu den Allokationszwecken s. auch bereits oben S. 190 ff. EuGH, Rs. C-177/90, Urt. v. 10.01.1992, Slg. 1992, I-35 (Rn 16) – Kühn. An dieser Stelle ist von Bedeutung, wie weit derartige Tätigkeiten gefasst werden, wie man etwa am Beispiel der Stromwirtschaft erkennen kann: Es macht einen erheblichen Unterschied, ob man darauf abstellt, dass eine Stromproduktion noch möglich ist, dass fossile Energieträger verwendet oder etwa Braunkohlekraftwerke betrieben werden können. Hierzu vgl. Nina Wunderlich, Grundrecht der Berufsfreiheit (2000), S. 203.
II. Europäische Grundrechte
239
henden Eingriff zu rechtfertigen. Eine oberflächliche Prüfung genügt in einem solchen Fall keinesfalls. Während ältere Anlagen auch in anderen Kontexten häufig nach- oder umgerüstet werden müssen, stellt der Neuzugang von zusätzlichen Anlagen auf den Markt regelmäßig zwar nicht den einzigen Anwendungsfall, wohl aber den geeignetsten Testfall dar. Anhand dessen lässt sich feststellen, ob es noch möglich ist, eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen und auszuüben. Soweit ältere Anlagen geschützt werden sollen, dürfte der Schutz dem von der Eigentumsfreiheit ausgehenden Umfang entsprechen, was auch das Vorgehen des EuGH erklärt, bei der Rechtfertigung von Eingriffen regelmäßig nicht zwischen Berufsund Eigentumsfreiheit zu differenzieren. Schließlich ist auch für die Rechtfertigung von Eingriffen in die wirtschaftliche Freiheit von Bedeutung, dass die Möglichkeit besteht, besondere Nachteile durch Härte- oder Übergangsregeln auszugleichen. Von Bedeutung dürfte diese Regelung vor allem in der Einführungszeit des Zertifikatehandels sein, die angesichts der sehr langen Investitionszyklen der betroffenen Branchen entsprechend lange dauert. Übergangsklauseln sind nach der Rspr. des EuGH geboten, „wenn beim Übergang zur gemeinsamen Marktorganisation die gemeinschaftsrechtlich geschützten Grundrechte bestimmter Marktbeteiligter, etwa das Eigentumsrecht und das Recht auf freie Berufsausübung, beeinträchtigt werden“345. Basieren die Übergangsschwierigkeiten auf dem Verhalten des Betroffenen, ist zudem vorausgesetzt, dass dieser sich sorgfältig verhalten hat346, d.h. das Problem nicht etwa entstanden ist, weil er sich im Zuge der Neuregelung nicht rechtzeitig informiert hat. Allgemein sind Härtefallklauseln immer dort geboten, wo es durch unzureichende Zuteilung zu atypischen und ungewollten Belastungen einzelner Anlagenbetreiber kommt, die nicht auf deren Verhalten beruhen. Eine Verletzung der Wesensgehaltsgarantie der Berufsfreiheit oder unternehmerischen Freiheit haben die europäischen Gerichte bisher noch nicht festgestellt; es ist daher nicht ganz klar, wann dies der Fall ist. Sofern man jedoch davon ausgeht, dass mit der Wesensgehaltsgarantie ein Kernbestand der Berufsfreiheit geschützt wird, ist eine Verletzung durch die Allokation wohl undenkbar. (2) Rechtfertigung von Eingriffen durch Allokation nach einem Grandfathering-System (a) Grundsätzliches Wie bereits erläutert, ist die Entscheidung für eine Allokation in Form des sog. „Grandfatherings“347 gleichzeitig eine Entscheidung für den Schutz bestehender Anlagen und für ein gewisses Maß an Kontinuität. Den Anlagenbetreibern werden Zertifikate in einer Menge zugeteilt, die sich am CO2-Ausstoß der Anlage in einer vorher bestimmten Basisperiode orientiert; von der in diesem Zeitraum ausgestoßenen Emissionsmenge werden gewisse Abschläge gemacht. Altanlagenbetrei345
346 347
EuGH, Rs. C-68/95, Urt. v. 26.11.1996, Slg. 1996, I-6065 (Rn 40) – T. Port GmbH & Co. KG. EuGH, Slg. 1996, I-6065 (Rn 41) – T. Port GmbH & Co. KG. Allgemein zum Grandfathering S. 67 f.
240
D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
ber genießen somit eine vergleichsweise große Rechts- und Planungssicherheit und werden vielfach gut in der Lage sein, sich mit einem derartigen System zu arrangieren. Der Schutz der nationalen Wirtschaft im Rahmen des Emissionshandels ist ein legitimes Anliegen und darf entsprechend verfolgt werden. Ähnlich wie bereits bei der eigentumsrechtlichen Prüfung kommt es auch bei der Prüfung einer Verletzung der unternehmerischen Freiheit im Ergebnis vorrangig darauf an, ob die Grandfathering-Regeln in ihrer konkreten Ausgestaltung verhältnismäßig sind. Wie bereits mehrmals festgehalten, besteht die Besonderheit der Zuteilungsregeln darin, dass die Emissionskontingente, die dem nationalen Gesetzgeber zur Verteilung zur Verfügung stehen, weitestgehend europarechtlich vorgegeben sind, so dass er vorrangig eine Entscheidung über Verteilungsfragen und weniger über Belastungsfragen trifft. Für die Betreiber von Altanlagen bedeutsam ist dementsprechend die Frage, wie hoch die im Grandfathering-System vorzunehmenden Abschläge sein dürfen. Vielfach ist diese Frage gleichzusetzen mit der vorgelagerten Frage nach dem maximal zulässigen Cap348. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine gleichmäßige Kürzung auf alle beteiligten Unternehmen zugrunde gelegt wird. In der Regel ist eine gleichmäßige Reduktionsobligation auch verhältnismäßig, da sie sämtliche betroffenen Betriebe vor vergleichbare Aufgaben stellt. Trotz möglicherweise höheren Einsparungspotentials bei Altanlagen fällt die Entscheidung so lange ins Ermessen des Gesetzgebers, der auch ein Interesse an der Vereinfachung der Vergabeverfahren hat, wie auch neuere Anlagen noch wirtschaftlich betrieben werden können, und sei es mit Zukauf der fehlenden Zertifikate. Sobald die Belastungen jedoch für neuere Anlagen existenzgefährdend werden, muss das System modifiziert werden. Dies gilt jedenfalls unter der Prämisse, dass der Betrieb entsprechender Anlagen gesamtgesellschaftlich wünschenswert ist349. Naheliegend ist die Anwendung unterschiedlicher Minderungsfaktoren anhand von Alters- bzw. Modernisierungseinstufung. Dies dient dem Zweck, das unterschiedliche Reduktionspotential der verschiedenen Anlagen typisierend zu berücksichtigen. Gleichzeitig spielt eine Rolle, dass Anlagen sich nach einer gewissen Betriebsdauer amortisiert haben und ab diesem Zeitraum auch eingreifendere Maßnahmen denkbar sind. Ein milderes Mittel, das den gesetzgeberischen Intentionen ebenso gerecht wird, ist für die beteiligten Unternehmen nicht ersichtlich. Sofern die Einstufung sich an vernünftigen Kriterien orientiert, dürfte eine derartige Verteilung auch in aller Regel angemessen sein. Auch hier können jedoch zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit Härtefall- oder Übergangsklauseln erforderlich sein. Unverhältnismäßig kann die Zuteilung etwa werden, wenn eine Anlage während der Basisperiode über längere Zeit stillgelegt war. Dann nämlich liegt der Verdacht nahe, dass sie durch die entsprechend geringere Zuteilung besonders hart getroffen wird, die Zuteilung für diese Anlage daher nicht mehr angemessen ist. Entscheidend ist, dass das Problem systemimmanent erkannt und eine konsequente Lösung für derartig atypische Altfälle gefunden wird. Bei der Entscheidung
348 349
Hierzu vgl. o. S. 184 ff. Vgl. o. S. 239.
II. Europäische Grundrechte
241
darüber, wie diese Lösung auszusehen hat, sind dem Gesetzgeber jedoch weite Spielräume eröffnet. (3) Neue Marktteilnehmer Für neue Marktteilnehmer kann ein Grandfathering mit strukturellen Problemen verbunden sein, denn sie sind naturgemäß in das System nicht eingeschlossen. Genau genommen resultiert das Problem der neuen Marktteilnehmer daher auch nicht aus dem Grandfathering an sich, sondern aus der von den Mitgliedstaaten eingeführten Ergänzung für Neuanlagen. Diese ist durch das Prinzip des Grandfatherings nicht vorgegeben, weshalb ein weites Spektrum an Allokationsmodi denkbar ist. Vorstellbar ist ebenso, dass Neuanlagen zum Kauf der Zertifikate verpflichtet werden; ebenso ist eine kostenfreie Zuteilung eines limitierten Kontingents an Zertifikaten denkbar. Schließlich kann der Staat sich auch verpflichten, kostenlose Zertifikate zu beschaffen. Vielfach wird sich der Staat bei der Zuteilung an BAT350-Standards orientieren, wobei jedoch auch nicht garantiert ist, dass er den Anlagenbetreiber mit der gesamten benötigten Zertifikatemenge ausstattet. Denkbar ist auch ein System, in dem der Staat einen bestimmten Prozentsatz der benötigten Zertifikate kostenlos stellt. Wie auch immer dieses System gestaltet wird, es muss jedoch ebenfalls verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen sein. Während das Grandfathering an sich dem Bestandsschutz dient, ist der Zweck der Ergänzung für die Neuanlagen darin zu sehen, den Marktzugang zu sichern, ohne gleichzeitig den Klimaschutz in Frage zu stellen. Nach deutscher Terminologie geht es beim Marktzugang von Neuanlagen um die Freiheit der Berufswahl, und obwohl die Dreistufentheorie auf europäischer Ebene keine exakte Entsprechung findet, sind auch auf europäischer Ebene erhöhte Anforderungen an deren Beschränkung zu stellen. Unproblematisch ist in dieser Hinsicht eine kostenlose Ausstattung der Neuanlagenbetreiber auf der Grundlage von BAT-Standards. Hierdurch ist der Zugang zum Markt eröffnet, die Konkurrenzsituation zu den bestehenden Anlagen wird nicht übermäßig beeinträchtigt. Selbst wenn sich ein gewisses Gefälle zu Bestandsanlagen ergibt, die einen Überschuss von Zertifikaten auf dem Markt verkaufen und dadurch ihre finanzielle Lage verbessern können, verbietet der Klimaschutzgedanke eine entsprechende Überallokation für die Neuanlagen. Bedenklicher hingegen ist es, wenn Neuanlagenbetreiber verpflichtet werden, die erforderlichen Zertifikate ganz oder teilweise von staatlicher oder privater Seite zuzukaufen. Solange die Altanlagen ihre Zertifikate nach dem GrandfatheringSystem weitgehend kostenfrei erhalten, bedeutet dies eine erhebliche Erschwerung des Marktzugangs für die Neuanlagenbetreiber. Sind sie darauf angewiesen, die Zertifikate auf dem Markt zu erwerben, besteht die Gefahr, dass sie bei ihrer Konkurrenz kaufen müssen. Die Gefahr, dass Unternehmen an dieser Stelle ihre Marktmacht einsetzen, um sich vor Konkurrenz zu schützen, ist trotz des europaweiten Handels nicht ganz von der Hand zu weisen. Grundsätzlich gilt, dass eine derartige Regelung nur geeignet ist, wenn der Marktzugang nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch noch möglich bleibt. Ein System, das Klimaschutz durch 350
Best available technique.
242
D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
Protektion der Altanlagen zu verwirklichen versucht und gleichzeitig möglichst hohe Hürden für den Neueintritt moderner Anlagen errichtet, ist unverhältnismäßig. Als Faustregel für die Beurteilung sollte gelten, dass der zusätzliche Aufwand, den Neuanlagenbetreiber für die Zertifikate betreiben müssen, nicht außer Verhältnis zu den Kosten von Altanlagenbetreibern stehen darf. Je größer also die im Grandfathering vorgenommenen Abschläge sind, desto höher darf auch die Kostenbelastung neuer Marktteilnehmer ausfallen. (4) Rechtfertigung von Eingriffen durch Allokation nach einem Benchmark-System351 (a) Grundsätzliches Benchmark-Systeme basieren auf der Idee, dass Anlagen nur für die unvermeidbaren Emissionen Zertifikate erhalten sollen. Sie basieren auf der Eingruppierung der existierenden Anlagen und der Entwicklung abstrakter, auf die einzelnen Gruppen von Anlagen anwendbarer Maßstäbe für die Allokation der CO2Zertifikate. Ziel dabei ist es, die Verwendung moderner, emissionsarmer Technik besonders zu fördern, indem Anlagenbetreiber die Menge an Zertifikaten zugewiesen bekommen, die sie bräuchten, um die von ihnen avisierte Produktionsmenge mit einer Anlage auf dem Stand der besten verfügbaren Technik zu erzielen. Dieses Ziel wird auch erreicht; ein milderes und dennoch ebenso geeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Angemessen sind Benchmarks, sofern Eingriff und Ziel nicht außer Verhältnis zueinander stehen. Anlass zu Zweifeln an der Angemessenheit eines Benchmarks-Systems besteht, wenn die maßgeblichen Standards so strikt ausgestaltet sind, dass Altanlagen sie bei weitem nicht mehr erreichen können. Dies kann dazu führen, dass Altanlagen nicht mehr rentabel sind. Hieraus allein ergibt sich jedoch noch nicht die Unangemessenheit der verwendeten Benchmarks. Die Verwendung von Benchmarks resultiert aus dem gesetzgeberischen Bestreben, den verstärkten Einsatz modernster emissionsarmer Technik zu stützen – im Gegenzug müssen Altanlagen konsequenterweise außer Betrieb genommen werden. Der Schutz der unternehmerischen Freiheit von Altanlagen fällt mit ihrem Eigentumsschutz zusammen, d.h. eine grundrechtliche Gewährleistung, dass eine Anlage zu vertretbaren Kosten betrieben werden kann, besteht allenfalls, solange die üblichen Amortisationsfristen entsprechender Anlagen noch nicht abgelaufen sind. Auch dann ergibt sich jedoch nicht eine Verpflichtung zur staatlichen Vollausstattung mit Zertifikaten, sondern lediglich eine Verpflichtung dafür zu sorgen, dass die Anlage zumutbar, d.h. mit Zukauf von Zertifikaten, in einem vernünftigen Rahmen, betrieben werden kann. Die Zusatzkosten sind dann als Kompensation für den gesellschaftlich missbilligten erhöhten Kohlendioxidausstoß zu verstehen352. Regelmäßig sind derartige
351
Mehr zum Begriff Benchmarking S. 68 f.
352
Schließlich beinhaltet die Berufsfreiheit nicht das Recht, sie zu Lasten und auf Kosten Dritter auszuüben, weswegen durch die Umweltnutzung verursachte Schäden nicht unsanktioniert verbleiben müssen, vgl. auch Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 284.
II. Europäische Grundrechte
243
Benchmark-Lösungen daher auch dann noch angemessen, wenn sie zu erheblichen wirtschaftlichen Umstrukturierungen führen. Stellt sich dennoch heraus, dass die Auswirkungen der Benchmarks auf Bestandsanlagen über ein tolerables Maß hinaus gehen, lässt sich eine Abschwächung erreichen, indem man diversifizierte Benchmarks oder Härtefallklauseln einführt. (b) Brennstoffunabhängige Benchmarks Besondere Probleme stellen sich im Zusammenhang mit der Diskussion um die Verwendung brennstoffabhängiger oder brennstoffunabhängiger Benchmarks353. Brennstoffunabhängige Benchmarks haben eine sehr starke Verteilungswirkung und könnten bestimmte Betriebe, sogar ganze Branchen, unrentabel machen. Sie bevorteilen CO2-ärmere Kraftstoffe wie Erdöl oder Erdgas und benachteiligen emissionsintensive Brennstoffe, insbesondere Braun- und Steinkohle. Anlagen, die derartige emissionsintensive Brennstoffe verwenden, können in der Regel nur weiter betrieben werden, wenn die fehlenden Zertifikate zugekauft werden. Bei der Bewertung der Angemessenheit brennstoffunabhängiger Benchmarks ist zu berücksichtigen, dass die Umorientierung hin zu umweltfreundlicheren Anlagen, die durch brennstoffunabhängige Benchmarks eintritt, politisch gewollt und dem Klimaschutz grundsätzlich dienlich ist. Brennstoffunabhängige Benchmarks stellen einen weniger gravierender Eingriff dar als die Einführung neuer Standards im Ordnungsrecht, da die Benchmark-Lösung nicht grundsätzlich zur Stilllegung der Anlage zwingt, sondern einen Weiterbetrieb mit zugekauften Zertifikaten ermöglicht. Für ihre Rechtfertigung gelten wieder die oben erläuterten Grundsätze354: Der Anlagenbetreiber muss die Anlage so lange wirtschaftlich betreiben können, bis sich seine Investitionen amortisiert haben. Nach Ablauf der gängigen Investitionszyklen ist es einem Anlagenbetreiber zumutbar, seine Anlage auf moderne Technik umzurüsten oder in eine Neuanlage zu investieren. Gegebenenfalls sind daher Übergangsregelungen erforderlich. (5) Rechtfertigung von Eingriffen durch Allokation nach einem Auktionssystem Gerade bei den Auktionssystemen ist es wichtig, zwischen der Verhältnismäßigkeit der festgelegten Obergrenze der Emissionen insgesamt und dem Vergabemodus zu unterscheiden. Die Obergrenze stellt den Klimaschutz sicher, das Vergabeverfahren Auktion hingegen hat die effiziente355 Verteilung der Zertifikate zum Ziel356, und auf dieser Annahme fußt die erforderliche Verhältnismäßigkeitsprüfung. Der Emissionshandel ist als marktwirtschaftliches Instrument gerade mit dem Ziel eingeführt worden, den erforderlichen Klimaschutz zu möglichst gerin-
353 354 355 356
Dazu s. o. S. 69. Dazu s. o. S. 242 f. Zur wirtschaftswissenschaftlichen Definition von Effizienz s. o. S. 46 ff. S. auch S. 70 ff.
244
D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
gen volkswirtschaftlichen Kosten umzusetzen und gewissermaßen das Bindeglied zwischen Ökonomie und Ökologie darzustellen357. Dies ist zweifellos ein legitimes Ziel, und eine Vergabe der Zertifikate im Auktionswege stellt nach Überzeugung zahlreicher Wirtschaftswissenschaftler die ökonomisch sinnvollste Form der Zuteilung dar358. Diese Überlegung ist relevant für die Frage, ob die Vergabe im Auktionswege, die für die Unternehmen mit erheblichen Kosten verbunden ist, auch erforderlich ist, oder ob es ein milderes, die Unternehmen weniger belastendes und ebenso effizientes Mittel gibt. Während es zur Einführung von Auktionsvergabeverfahren in anderen Bereichen kritische Stimmen gegeben hat, die die mangelnde Berücksichtigung fachlich-inhaltlicher Kriterien bemängelt haben359, spielen derartige Kriterien im Bereich des Zertifikatehandels nur eine untergeordnete Rolle. Schließlich kommt es bei diesem Instrument gerade auf eine ökonomisch optimale Zuteilung der Zertifikate und nicht etwa auf die Eignung der Anlagenbetreiber zur Durchführung bestimmter Projekte an. Man könnte zwar bemängeln, dass die individuelle Situation der Betriebe nicht genügend Berücksichtigung findet. Angesichts der Schlüssigkeit des ökonomischen Konzepts muss man jedoch anerkennen, dass die bedarfsgerechteste Verteilung sich bei der Auktionierung der Zertifikate ergibt. Ein milderes Mittel existiert demnach nicht, so dass abschließend zu prüfen ist, ob die Zuteilung im Auktionswege auch angemessen ist, d.h. Zweck und Mittel in einem angemessenen Verhältnis stehen. Bedenken könnten sich daraus ergeben, dass die optimale Allokation mit erheblichen Kosten für die Unternehmen verbunden ist, die sie unter Umständen nicht wieder erwirtschaften können. An dieser Stelle spielt die der Idee des Emissionshandels inhärente Idee der Internalisierung externer Kosten360 wieder eine Rolle. Durch das Instrument des Zertifikatehandels erhält der Ausstoß von Kohlendioxid einen Marktpreis und tragen die Unternehmen die Kosten für dessen Begrenzung auf ein noch tolerables Maß, die sonst mit dem Ausstoß von Kohlendioxid Profite machen würden und bisher die von ihnen verursachten Klimarisiken nicht einkalkulieren mussten. Der Preis, der sich bei einer Auktionierung der Zertifikate ergibt, ist ein prinzipiell marktgemäßer361. Dieses Ergebnis basiert allerdings auf der Annahme, dass der Markt funktioniert und eine wirklich freie Marktpreisfindung stattfindet362. Dazu müssen Absprachen, Kartelle und künstlich überhöhte Gebote verhindert werden363; hierauf ist ein Auktionsverfahren minutiös zu prüfen364. Marktmacht kann bei derartigen Auktionen zum Problem werden, gerade auch unter dem Aspekt, dass die am Emissionshandel beteiligten Branchen in sehr unterschiedlichem Ausmaß im 357 358 359
360 361 362 363 364
Vgl. o. S. 39 ff. Implizit bereits bei J. H. Dales, Pollution, property & prices (1968), S. 93 ff. So z.B. Markus Faber, GewArch 2002, 264 (268), der darauf hinweist, dass vielfach auch die Zuverlässigkeit eines Bewerbers von Bedeutung ist und dass dieser Aspekt in einem Versteigerungsverfahren nicht berücksichtigt wird. Dazu S. 40 ff. So auch Markus Faber, GewArch 2002, 264 (269). Markus Faber, GewArch 2002, 264 (269). Zum Problem der Wettbewerbsverzerrungen durch Marktmacht vgl. auch S. 57 f. Markus Faber, GewArch 2002, 264 (269).
II. Europäische Grundrechte
245
internationalen Wettbewerb stehen und über eine sehr unterschiedliche finanzielle Leistungsfähigkeit verfügen365. Zeichnet sich ab, dass ein fairer Wettbewerb sich in einem einheitlichen Auktionsverfahren nicht aufrecht erhalten lässt, kann es erforderlich sein, getrennte Quoren für die unterschiedlichen Branchen zu versteigern. Hierdurch wird zwar die Effizienz der Verteilung beeinträchtigt, gegenüber dem Missbrauch von Marktmacht ist dies jedoch noch immer das geringere Übel. Nur als letztes Mittel können Härtefallklauseln dienen. Bedenklich in Bezug auf die Angemessenheit des Eingriffs in die Freiheit unternehmerischer Tätigkeit ist, dass durch die Einführung des Zertifikatehandels die Marktbedingungen massiven Veränderungen unterliegen, die bei einer Vergabe der Zertifikate im Auktionsweg dazu führen können, dass ganze Anlagen unrentabel werden. Diese Problematik besteht vorwiegend für Bestandsanlagen, die unter anderen Prämissen in den Wettbewerb eingetreten sind und nun mit der geänderten Rechtslage konfrontiert werden. Aus diesem Grund fällt auch hier die berufliche Freiheitsbeschränkungsproblematik mit der eigentumsrechtlichen zusammen, und die beim Eigentum ausgeführten Grundsätze366 gelten hinsichtlich der unternehmerischen Freiheit entsprechend. Wie bereits dargelegt, ist ein direkter Übergang vom ordnungsrechtlichen System auf einen Zertifikatehandel, in dem sämtliche Zertifikate von Anfang an versteigert werden, nicht möglich. Die EH-RL lässt bisher jedoch ohnehin nur eine Versteigerung einer limitierten Menge an Zertifikaten zu, weswegen sich die Frage frühestens bei der Zuteilung von Zertifikaten für die Zeit ab 2013 stellt. (6) Fazit Der Schutz der unternehmerischen Freiheit wirkt sich, anders als der des Eigentums, nicht nur auf Alt-, sondern auch auf Neuanlagenbetreiber aus. Soweit Altanlagen betroffen sind, entspricht ihr Schutz dem eigentumsrechtlichen Schutz der Nutzung dieser Anlagen. Allerdings gewährleistet die unternehmerische Freiheit zudem auch den Marktzugang für Neuanlagen. Gefahren gehen in besonderem Maß von Grandfathering-Systemen aus, da diese zunächst keine Zuteilung an Neuanlagen vorsehen und somit zu unterschiedlichen Allokationsmaßstäben für Alt- und Neuanlagen führen. Hier sind Ergänzungsregelungen zu erlassen. Im Übrigen ähneln die Anforderungen, die sich aus der Berufsfreiheit im weiteren Sinne ergeben, denen aus dem Eigentum: Grundsätzlich sind alle Allokationsmodi denkbar, wobei insbesondere ein System, in dem Zertifikate ausschließlich durch Auktion vergeben werden, erst mittel- bis langfristig eingeführt werden kann. Zudem ist im Wege der Allokation grundsätzlich sicherzustellen, dass Anlagen betrieben werden können, bis ihre Investitionszyklen abgelaufen sind; systemimmanente, nicht vom Betroffenen verursachte Sonderbelastungen sind durch Übergangs- und Härteklauseln abzufedern.
365 366
S. S. 62 ff. Vgl. zur eigentumsrechtlichen Problematik o. S. 221 ff.
246
D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
c) Vertrauensschutz aa) Vertrauensschutz als Rechtsprinzip Ein weiteres grundrechtähnliches Prinzip367, der von Unternehmen bei der gesetzlichen Neuregelung ihrer Tätigkeit bereits auf Gemeinschaftsebene geltend gemacht wurde, ist der Vertrauensschutz. Ihn behandelt der EuGH traditionell als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, losgelöst von den grundrechtlichen Gewährleistungen des Eigentums oder der beruflichen Tätigkeit368. Er folgt zwingend aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, wonach Rechtsvorschriften klar und bestimmt und die Tatbestände und Rechtsbeziehungen des Gemeinschaftsrechts vorhersehbar sein müssen369, und schützt die Dispositionsfreiheit der Wirtschaftsteilnehmer. bb) Voraussetzungen der Gewährung von Vertrauensschutz Der Vertrauensschutz ist einschlägig, wenn von der Gemeinschaft eine Situation geschaffen wurde, die ein berechtigtes Vertrauen wecken kann370. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn konkrete Rechte eingeräumt wurden oder Erwartungen hervorgerufen wurden, die das Verhalten des einzelnen beeinflusst haben371. Zudem muss das Vertrauen, das der Betroffene in die Situation gesetzt hat, schutzwürdig sein372. Dies bedeutet vor allem, dass das staatliche Handeln, das das Vertrauen des Betroffenen enttäuscht hat, für den Betroffenen nicht vorhersehbar
367
368
369
370
371 372
Der Vertrauensschutz wird zwar nicht zu den Grundrechten i.e.S. gezählt, ist jedoch seiner individualschützenden Funktion nach vielfach mit diesen vergleichbar und wird daher im hier diskutierten Kontext als grundrechtsähnlich betrachtet. Zum Vertrauensschutz als Prinzip des Verfassungs- und Verwaltungsrechts vgl. Jürgen Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. II (1988), S. 913 ff. S. z.B. EuGH, Rs. C-63/93, Urt. v. 15.02.1996, Slg. 1996, S. I-569 (Rn 18 ff.) – Duff; Rs. 281/82, Urt. v. 12.04.1984, Slg. 1984, 1969 (Rn 25 ff.) – Unifrex; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 292. Zur Entwicklung der Rspr. des EuGH zum Vertrauensschutz s. Jürgen Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. II (1988), S. 911 ff.; Marc Bungenberg, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), S. 127 (128 f.). EuGH, Rs. C-63/93, Urt. v. 15.02.1996, Slg. 1996, S. I-569 (Rn 20) – Duff. Vgl. auch Marc Bungenberg, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), S. 127 ff. Sog. Vertrauenslage oder objektiver Vertrauenstatbestand, s. Christian Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 6 EUV Rz 26; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 292; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 190. Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 292. Schutzwürdigkeit des Vertrauens oder subjektiver Vertrauenstatbestand, s. Christian Calliess, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 6 EUV Rz 11; Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 292.
II. Europäische Grundrechte
247
gewesen sein darf373. Schließlich wird häufig gefordert, dass das Individualinteresse gegenüber dem Gemeinschaftsinteresse überwiegen müsse374. cc) Vertrauensschutz gegenüber einer nicht bedarfsgerechten Allokation Fraglich ist folglich, ob Betriebe unter Berufung auf den gemeinschaftsrechtlichen Vertrauensschutz eine großzügigere Zuteilung von Emissionsberechtigungen durchsetzen können. Bedeutung kommt diesem Grundsatz jedoch auf europäischer Ebene nur zu, soweit ein Vertrauenstatbestand durch die europäischen Institutionen gesetzt wurde375. In der Konstellation, dass Mitgliedstaaten bestimmte Signale gesetzt haben und sich später aus europarechtlichen Gründen anders als erwartet verhalten haben, hat der EuGH gemeinschaftsrechtlichen Vertrauensschutz bisher immer abgelehnt376. Die Gemeinschaft macht jedoch seit geraumer Zeit deutlich, dass sie die Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen anstrebt. Angesichts der bislang nur geringfügigen Verbesserungen des CO2-Ausstoßes war mit weiterer Aktivität der Gemeinschaft auf diesem Gebiet zu rechnen. Auch die Tatsache, dass die Kommission Allokationspläne nicht abgelehnt hat, die längerfristige Garantien vorsahen, kann hieran nichts ändern. Eine Vertrauenslage derart, dass Betriebe davon ausgehen konnten, ihre Anlagen unverändert weiter betreiben zu können, bestand daher nicht377. Ein entsprechender Vertrauenstatbestand könnte somit allenfalls in der Genehmigung der Anlagen durch die Mitgliedstaaten zu sehen sein; in dieser Konstellation greift jedoch der europäische Vertrauensschutz nicht. Die Argumentation, der Grundsatz des Vertrauensschutzes zwinge Mitgliedstaaten zur Berücksichtigung von early action378, dürfte in der bisherigen Rechtsprechung der europäischen Gerichte mangels von den europäischen Organen gesetzten Vertrauenstatbestands keine Stütze finden. Auch sofern es um die Allokation von Zertifikaten in der zweiten Handelsperiode bzw. in späteren Handelsperioden geht, stößt die Berufung auf den gemeinschaftsrechtlichen Vertrauensschutz auf Probleme. Dies ergibt sich aus der traditionell zurückhaltenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den 373 374
375
376
377
378
Jürgen Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, Bd. II (1988), S. 923. Marc Bungenberg, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), S. 127 (129); Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 191. EuGH, Rs. C-63/93, Urt. v. 15.02.1996, Slg. 1996, S. I-569 (Rn 20 f.) – Duff; Walter Frenz, VerwArch 94 (2003), 345 (351); Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), S. 97 (116). A. A. Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 191, die annimmt, ein Vertrauenstatbestand könne auch auf Akten der Mitgliedstaaten beruhen. Auch sie hält den Vertrauensschutz i. Erg. jedoch nicht für einschlägig, da es an einem schutzwürdigen Vertrauen gegenüber Veränderungen der Rechtslage fehlen soll, s. ibid., S. 192 f. EuGH, Rs. C-177/90, Urt. v. 10.01.1992, Slg. 1992, S. I-35 (Rn 14) – Kühn; krit. hierzu Christine v. Milczewski, Der grundrechtliche Schutz des Eigentums (1994), S. 282 f. Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 292; Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), S. 97 (117). So etwa Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 214, 293.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
durch das Europarecht eingesetzten Marktordnungen. Hier hat der Gerichtshof immer betont, dass in gemeinschaftsrechtlichen Marktordnungen, die darauf abzielen, sich ständig an wechselnde ökonomische Bedingungen anzupassen, die Marktakteure nicht darauf vertrauen können, dass sie in Zukunft keinen strikteren Vorgaben unterliegen werden379. Für am Emissionshandel beteiligte Unternehmen bedeutet dies, dass sie sich in dem Maße, wie sich der Zertifikatehandel etabliert, auch deshalb nicht auf Vertrauensschutz berufen können, weil es sich hierbei um eine neue Marktordnung handelt, in deren Rahmen mit der Reduktion der zur Verfügung stehenden Zertifikate und einer Reformierung des angewendeten Zuteilungsverfahrens zu rechnen ist. Zudem hat die Gemeinschaft ausdrücklich klargestellt, dass eine weitere Reduktion des Treibhausgasausstoßes angestrebt wird380. Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes ergeben sich daher keine Vorgaben für die mitgliedstaatliche Allokation der Emissionsberechtigungen. d) Gleichheitsgrundrecht Schließlich hat sich auch auf Gemeinschaftsebene eine Rechtsprechung zu Gleichbehandlungsaspekten entwickelt. Der Europäische Gerichtshof bezeichnet den allgemeinen Gleichheitssatz in ständiger Rechtsprechung als „Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts“381 bzw. als „wesentlichen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts“382. In der GRCh findet sich der allgemeine Gleichheitssatz in Art. 20. Besonders relevant ist er für die Allokation im Hinblick auf die Gewährleistung von Wettbewerbsgleichheit383. aa) Grundsätzliches Ein Verstoß gegen den gemeinschaftsgrundrechtlichen Gleichheitssatz liegt vor, wenn gleichartige Sachverhalte ungleich oder verschiedenartige gleich behandelt werden384. Der Gleichheitsgrundsatz gebietet es somit grundsätzlich, vergleichbare 379
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EuGH, Rs. C-177/90, Urt. v. 10.01.1992, Slg. 1992, S. I-35 (Rn 13) – Kühn; Rs. C63/93, Urt. v. 15.02.1996, Slg. 1996, S. I-569 (Rn 20) – Duff. Kritisch dieser restriktiven Rechtsprechung gegenüber Tilman Zimmer, CO2-Emissionsrechtehandel (2004), S. 219 f. Vgl. Sebastian Heselhaus, in: Bruha/Nowak/Petzold (Hrsg.), Grundrechtsschutz für Unternehmen (2004), S. 97 (115). Erstmals in EuGH, verb. Rs. 117/76 und 16/77, Urt. v. 19.10.1977, Slg. 1977, S. 1753 (Rn 7) – Ruckdeschel; ebenso EuGH, Rs. 281/82, Urt. v. 12.04.1984, Slg. 1984, S. 1969 (Rn 32) – Unifrex.; verb. Rs. 267/88 bis 285/88, Urt. v. 21.02.1990, Slg. 1990, S. I-435 (Rn13) – Wuidart. S. z.B. EuGH, Rs. C-15/95, Urt. v. 17.04.1997, Slg. 1997, S. I-1961 (Rn 36-38) – EARL; EuGH, verb. Rs. C-364 und 365/95, Urt. v. 10.03.1998, Slg. 1998, S. I-1023 (Rn 81) – T. Port bezeichnet den allgemeinen Gleichheitssatz als elementaren Grundsatz des Gemeinschaftsrechts. Ähnl. Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 285. EuGH, Rs. C-306/93, Urt. v. 13.12.1994, Slg. 1994, S. I-5555 (Rn 30) – SMW Winzersekt GmbH; EuGH, Rs. C-137/00, Urt. v. 09.09.2003, Slg. 2003, S. I-7975 (Rn 126) – Milk Marque Ltd.; Michael Sachs, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006),
II. Europäische Grundrechte
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Anlagenbetreiber gleich zu behandeln und auf unterschiedliche Gegebenheiten zu reagieren385. Wie auch die zuvor behandelten Wirtschaftsgrundrechte gilt der allgemeine Gleichheitssatz für juristische Personen ebenso wie für natürliche Personen386. Dogmatisch herrscht im Bereich der europäischen Grundrechte mindestens das gleiche Maß an Verwirrung wie im Bereich der grundgesetzlichen Gleichheitsrechte387. Kriterien für das Vorliegen einer Ungleichbehandlung und Rechtfertigungsaspekte werden häufig nicht klar auseinander gehalten388. Die Problematik besteht in der Abgrenzung der Prüfung einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung von der Frage, wann eine derartige rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung zulässig ist389. Der Europäische Gerichtshof prüft die Gleichheitsaspekte nicht im Rahmen einer einheitlichen Terminologie, sondern stellt in einigen Fällen auf „das Vorliegen objektiver Unterschiede von einigem Gewicht“390 oder von „wesentlichen Unterschieden“391 ab, in anderen Fällen wiederum betont er den weiten Handlungsspielraum der Verpflichteten392 oder beschränkt sich darauf, Willkür auszuschließen393. Mehrfach hat der EuGH bereits eine Rechtfertigung anhand der mit einer Regelung verfolgten Zwecke diskutiert und eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt394. Eine ausdrückliche Erklärung für die unterschiedliche Herangehensweise hat der Gerichtshof bisher nicht
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Art. 20 Rz 8; Thorsten Kingreen, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 18 Rz 13. Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (42); Jürgen Zimmerling, in: Lenz/ Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, 3. Aufl. 2003, EUV, Anh. zu Art. 6 Rn 68. Der EuGH wendet den Gleichheitssatz auch auf juristische Personen an, ohne das überhaupt zu hinterfragen, z.B. EuGH, verb. Rs. C-364 und 365/95, Urt. v. 10.03.1998, Slg. 1998, S. I-1023 (Rn 81 ff.) – T. Port; EuGH, Rs. C-306/93, Urt. v. 13.12.1994, Slg. 1994, S. I-5555 – SMW Winzersekt GmbH; Michael Sachs, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 20 Rz 8. Mehr dazu s.u. S. 323 ff. So auch Michael Sachs, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 20 Rz 9, 22. Michael Sachs, ibid., Art. 20 Rz 22 spricht vom Unterschied zwischen dem „geschützten Gleichheitsinteresse“ und der „Verletzung des Gleichheitssatzes“. EuGH, verb. Rs. 17 und 20/61, Urt. v. 13.07.1962, Slg. 1962, S. 655 (692) – Kloeckner und Hoesch. EuGH, Rs. 27/85, Urt. v. 11.03.1987, Slg. 1987, S. 1129 (Rn 25) – Vandemoortele. So zur Gemeinsamen Agrarpolitik EuGH, verb. Rs. 267/88 bis 285/88, Urt. v. 21.02.1990, Slg. 1990, S. I-435 (Rn 14 ff.) – Wuidart. Ebenso neuerdings GA M. M. Poiares Maduro, Schlussfolgerungen vom 21.05.2008 in der Rs. C-127/07 – Société Arcelor Atlantique et Lorraine et al., Rn 31 ff., der dann im nächsten Schritt dennoch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung für geboten zu halten scheint, s. ibid., Rn 36. So ebenfalls zur Gemeinsamen Agrarpolitik EuGH, Rs. 43/72, Urt. v. 24.10.1973, Slg. 1973, S. 1055 – Merkur; Rs. 281/82, Urt. v. 12.04.1984, Slg. 1984, S. 1969 (Rn 32) – Unifrex. Z.B. EuGH, Rs. C-292/97, Urt v. 13.04.2000, Slg. 2000, S. I-2737 (Rn 45 ff.) – Karlsson; Rs. 106/83, Urt. v. 13.12.1984, Slg. 1984, S. 4209 (Rn 35-37) – Sermide.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
geliefert. In der Literatur ist man daher um eine Systematisierung der unterschiedlichen Fallgruppen bemüht. Auf der Basis eines klassischen zweistufigen Prüfungsaufbaus395 lässt sich insbesondere die Verhältnismäßigkeitsprüfung nur schwer erklären, weswegen jedenfalls in der deutschen Literatur zu den europäischen Grundrechten neuerdings wohl mehrheitlich ein dreistufiger Prüfungsaufbau befürwortet wird396. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob hinreichend gewichtige Unterschiede zwischen den herangezogenen Vergleichsgruppen bestehen, so dass es bereits an einer Ungleichbehandlung fehlt. Bei derartigen Unterschieden muss es sich um interne Gründe handeln, d.h. der Grund für die Differenzierung muss in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Regelungsgegenstand stehen397. Sonstige Erwägungen, mit denen Ziele verfolgt werden, die gewissermaßen außerhalb des Systems liegen, können erst später im Rahmen der Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung, ggf. im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, berücksichtigt werden398. bb) Ungleichbehandlung bei der Allokation von Zertifikaten Ein ausgeklügeltes Allokationssystem basiert naturgemäß auf der Bildung bestimmter Vergleichsgruppen und bringt daher auch immer Differenzierungen aus systemimmanenten und externen Gründen und daraus resultierende Rechtfertigungsfragen mit sich. Der einzige Verteilungsmodus, mit dem dieses Problem weitestgehend umgangen werden kann, ist die Allokation durch Auktionsverfahren, unter der Prämisse, dass alle Teilnehmer am Emissionshandel Zugang zu allen Auktionen haben399. Dass sich die Verwendung unterschiedlicher Zuteilungsmodi für verschiedene Anlagen differenzierend auswirkt, ist jedoch größtenteils intendiert und entsprechend im System angelegt. Dadurch wird in besonderem Maße die Frage relevant, ob hinreichende (interne) Gründe für die Differenzierung vorliegen. Um dies näher zu untersuchen, sollen die in den bisherigen NAPs ver-
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Hierzu s. Hans-Werner Rengeling/Peter Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union (2004), Rz 873-877. Michael Sachs, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Europ. GRCh (2006), Art. 20 Rz 9, 20-22; Hans-Werner Rengeling/Peter Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union (2004), Rz 878 ff.; Thorsten Kingreen, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 18 Rz 9, alle unter Verweis auf Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993) zum deutschen Verfassungsrecht. Vgl. hierzu Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 164 ff.; ganz anders und systematisch näher der deutschen Rechtsprechung dagegen neuerdings GA M. M. Poiares Maduro in seinen Schlussfolgerungen vom 21.05.2008 in der Rs. C-127/07, Rn 31 ff. Nach der hier vertretenen Auffassung entsprechen sich die Anforderungen des gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatzes und des Gleichheitsgrundrechts nach Art. 3 I GG weitestgehend. Vgl. daher zu den folgenden Punkten auch die ausführlichere Darstellung zu Art. 3 I GG, S. 322 ff. Möglicherweise kann ein Interesse daran bestehen, getrennte Auktionen durchzuführen, um finanzschwächere Branchen oder Sektoren zu schützen, vgl. u. S. 259.
II. Europäische Grundrechte
251
wendeten sowie weitere nahe liegenden400 Entscheidungskriterien im Bereich des Emissionshandels diskutiert werden. (1) Vom Allokationssystem unabhängige Gleichheitsprobleme (a) Unterschiede zwischen Industrie und Energiewirtschaft Gleichheitsbedenken könnte ein Vorhaben wie das nun im ZuG 2012 umgesetzte Konzept aufwerfen, bei der Allokation zwischen Energiewirtschaft und Industrie zu differenzieren und von der Energiewirtschaft entsprechend größere Reduktionsleistungen zu verlangen401. Dies kann dazu führen, dass zwei technisch gleichartige Feuerungsanlagen unterschiedliche Zuteilungen erhalten, je nach dem Zweck, für den sie eingesetzt werden. Angesichts der Tatsache, dass beide Anlagen grundsätzlich dieselbe Menge an Emissionen verursachen, liegt hier eine Ungleichbehandlung dieser Anlagen vor. Diese Ungleichbehandlung basiert auf der unterschiedlichen Wettbewerbssituation der Anlagenbetreiber: Während die energieintensive Industrie bereits durch erhöhte Strompreise und einen größeren Anteil nicht reduzierbarer prozessbedingter Emissionen belastet ist, gelang es den Stromerzeugern bisher, den Wert kostenlos erhaltener Zertifikate in ihre Strompreise einfließen zu lassen, wodurch sie hohe Profite, sog. windfall profits402, erwirtschafteten403. Um zu verhindern, dass die Gewinne im Energiesektor auf Kosten der energieintensiven Energie gemacht werden, wird über die Allokation eine Korrektur der Lastenverteilung bezweckt. Da hierdurch das System Zertifikatehandel „gerechter“ gestaltet werden soll, handelt es sich bei dieser Unterscheidung um einen internen Zweck, für den lediglich das Willkürverbot gilt. Ein Verstoß hiergegen ist jedoch angesichts der belegten Problematik nicht ersichtlich. (b) Gesonderte Behandlung von Prozessemissionen404 Zudem werden bei der Allokation häufig sog. Prozessemissionen405 anders behandelt als sonstige Emissionen. In der ersten Handelsperiode wurde beispielsweise in Deutschland für Prozessemissionen gem. § 13 I ZuG 2007 kein Reduktionsfaktor angewendet, Betriebe erhielten somit Zertifikate für Prozessemissionen in unge400
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Insbesondere wird auf die im ZuG 2007 und ZuG 2012 verwendeten Differenzierungskriterien einzugehen sein. Aber auch andere naheliegende oder in anderen Staaten verwendete Kriterien sollen erörtert werden; eine abschließende Nennung aller denkbaren Unterscheidungen wird dabei naturgemäß nicht möglich sein. Zunächst sollte dies über einen differenzierten Erfüllungsfaktor in § 5 I ZuG 2012 geregelt werden, s. Entwurf des BMU vom 16.10.2006. Das ZuG 2012 sieht nun jedoch vor, dass für Industrieanlagen nach § 6 ein Grandfathering-System gilt, für den Energiesektor hingegen nach § 7 Benchmarks. Eine ähnliche sektorspezifische Differenzierung hatten bis auf Deutschland, Luxemburg und Malta alle Mitgliedstaaten bereits in der ersten Handelsperiode vorgenommen, s. DEHSt, Implementation of Emissions Trading in the EU (2005), S. 10. Vgl. bereits o. S. 64 ff. Dirk Weinreich, ZUR 2006, 399 (401). Zu schwierigen Fragen zur Abgrenzung zwischen vergleichbaren und unvergleichbaren Situationen bei Prozessemissionen Walter Frenz, DVBl. 2006, 728 (730). Allg. zur Problematik der Prozessemissionen s. o. S. 131 f.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
kürzter Höhe406. Problematisch könnte diese gesonderte Behandlung unter Gleichbehandlungsaspekten sein, weil Prozessemissionen nicht weniger klimaschädlich sind als andere Kohlendioxidemissionen. Die gesonderte Behandlung erklärt sich daraus, dass sie in der Regel nicht oder nur zu unverhältnismäßigen Kosten vermieden werden können und Unternehmen sich daher darauf berufen, diese Emissionen nicht im gleichen Ausmaß reduzieren zu können wie es bei anderen Emissionen denkbar wäre. Auch dies ist ein eine Unterscheidung, die bereits systemimmanente Gründe hat und die gewissermaßen bereits in den Kriterien des Annex III der Emissionshandelsrichtlinie angelegt ist, wo ausdrücklich davon die Rede ist, dass das technische Reduktionspotential einer Anlage bei der Zuteilung berücksichtigt werden solle407. Obwohl die Kommission dieses Unterscheidungsmerkmal zunehmend zurückhaltend betrachtet408, berechtigt dieser Unterschied dann zu regelungstechnischen Unterscheidungen, wenn die Prozessemissionen einen großen Anteil an den Gesamtemissionen der Anlage haben. Eine Ungleichbehandlung im engeren Sinne ist darin nicht zu erblicken. Umgekehrt ist zu bedenken, dass eine Gleichbehandlung von Anlagen, deren CO2-Emissionen zu einem erheblichen Teil Prozessemissionen sind und Anlagen, die keine Prozessemissionen ausstoßen, eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte darstellen kann409. Dies ist darauf zurückzuführen, dass zwar die Emissionen beider Anlagen gleichermaßen klimaschädlich sind, das Einsparpotential der beiden Anlagen jedoch deutlich voneinander abweicht. (c) Privilegierung einzelner Anlagengruppen Unabhängig vom konkret verwendeten Zuteilungsmodus gibt es staatliche Entscheidungen, auf bestimmte Anlagentypen modifizierte Regelungen anzuwenden, sie bei der Zuteilung zu privilegieren. Im Falle des ZuG 2007 erfolgte diese Privilegierung über den sog. Erfüllungsfaktor410 sowie über die anteilige Kürzung411, die auch als zweiter Erfüllungsfaktor bezeichnet wird. Wird kein Emissionsfaktor oder ein Emissionsfaktor von 1 angewendet, unterliegt eine Anlage in Abweichung vom Regelfall keiner Kürzung, sondern wird anhand des geltenden Maßstabs in der Regel bedarfsgerecht ausgestattet. Ähnlich betrifft die anteilige Kürzung die Frage, welche Anlagen zusätzlichen Kürzungen unterliegen, wenn bei Ausgabe aller beantragten Zertifikate anderenfalls das Gesamtemissionsbudget überschritten würde. Ob eine Anlage dem Erfüllungsfaktor und der anteiligen Kürzung unterliegt, kann von erheblicher Bedeutung für die Höhe der Zuteilung sein. Vom Erfüllungsfaktor ausgenommen sind sog. early action-Anlagen, deren Betreiber gem. § 12 I 1 ZuG 2007 nach dem 01.01.1994 Modernisierungsmaßnah406
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Europaweit führte etwa die Hälfte der Mitgliedstaaten spezielle Regelungen ein, DEHSt, Implementation of Emissions Trading in the EU (2005), S. 12. Hierzu s. o. S. 92 f. Mitteilung der Kommission vom 02.12.2005, KOM (2005) 703 endg., S. 9. Von einem Verstoß gegen den europäischen Gleichbehandlungsgrundsatz gehen für diesen Fall aus Alexander Reuter/Kai Kindereit, DVBl. 2004, 537 (539). Zur Zuteilung anhand von historischen Emissionen und Erfüllungsfaktor s. o. S. 118 ff. Hierzu s. o. S. 135 f.
II. Europäische Grundrechte
253
men durchgeführt haben412, Anlagen, deren Anteil prozessbedingter Emissionen mindestens 10 Prozent beträgt413, KWK-Anlagen nach § 14 ZuG 2007414 sowie die Sonderzuteilungen bei Einstellung des Betriebs eines Kernkraftwerks nach § 15 ZuG 2007415. Da auf diese Anlagen bereits kein Erfüllungsfaktor anzuwenden ist, unterbleibt auch die anteilige Kürzung. Auch Neuanlagen, die zwischen dem 1.1.2003 und dem 31.12.2004 in Betrieb genommen wurden, unterliegen nicht dem zweiten Erfüllungsfaktor. Umstritten ist die Frage für Anlagen, die ihre Zertifikate nach der Optionsregelung des § 7 XII ZuG 2007 anhand eines Benchmarks erhalten416. Nach der hier vertretenen Auffassung unterliegen auch sie keiner weiteren Kürzung. Alle anderen Anlagengruppen hingegen unterliegen der anteiligen Kürzung. Fraglich ist, auf welchen Erwägungen diese Privilegierung der genannten Anlagengruppen beruht. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass etwa KWKAnlagen erfasst sind, die ohnehin bereits unterdurchschnittliche Mengen an CO2 emittieren und auf die daher relativ geringe Zuteilungsmengen entfallen. Nahezu allen erfassten Anlagen ist gemeinsam, dass weitere Reduktionen ihnen technisch und wirtschaftlich Probleme bereiten würden. Für die „Optierer“ gilt, dass kein Anlass besteht, die Zuteilung weiter zu kürzen als dies bei hocheffizienten Neuanlagen der Fall wäre417. Schließlich soll die Zuteilung für außer Betrieb gehende Kernkraftwerke nicht gekürzt werden, weil eine verhältnismäßig großzügige Zuteilung als Ausgleich für den durch den Atomausstieg erforderlichen Umstieg dieser Unternehmen auf konventionelle Kraftwerke dienen soll418. All diese Gründe haben gemeinsam, dass es nicht darum geht, staatlicherseits lenkend einzugreifen, sondern dass unerwünschte Härten des Zertifikatesystems abgefedert werden sollen. Im Ergebnis geht es um Modifikationen des Systems im Interesse einer gerechteren Ausgestaltung und somit um interne Gründe. Sie sind daher nur unzulässig, wenn der Gesetzgeber sie willkürlich einsetzt, was im Einzelnen zu belegen wäre. (d) Fazit systemunabhängige Unterscheidungen Die hier erörterten Differenzierungen dienen durchweg internen Zwecken und unterfallen daher lediglich dem Willkürverbot. Angesichts des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums sind sie daher zulässig, solange sie nicht auf sachfremden Überlegungen basieren. Dies dürfte jedoch allenfalls in besonderen Aus412 413
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S. o. S. 129 ff. Die Privilegierung prozessbedingter Emissionen wurde bereits gesondert erörtert, s. o. S. 252. Vgl. o. S. 132 f. Vgl. o. S. 133 ff. Hierzu o. S. 125 und S. 135 f. Nach der Konzeption des ZuG 2007 soll hier zudem die ex post-Kontrolle eingreifen, vgl. o. S. 119 ff. Sven Bode et al., Ökologische und wettbewerbliche Wirkungen der Übertragungs- und Kompensationsregel des Zuteilungsgesetzes 2007 auf die Stromerzeugung (2005), S. 49 ff. sind der Auffassung, dass die vorhandenen Regelungen keinen hinreichenden Ausgleich bewirken und daher ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot vorliege.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
nahmefällen in Betracht kommen; im Regelfall sind die dargestellten Differenzierungen zulässig. (2) Ungleichbehandlung in Grandfathering-Systemen (a) Langfristige Allokationsgarantien und Übertragungsklausel Dass langfristige Allokationsgarantien, wie sie das deutsche Recht insbesondere einsetzt, um Investitionen in neue Technik zu fördern419, auch ein Gleichheitsproblem darstellen, hat die Entscheidung der Kommission über den deutschen NAP II verstärkt ins Bewusstsein gerufen420. Derartige Garantien sichern den betreffenden Anlagen eine günstigere Zuteilung zu als anderen, ansonsten vergleichbaren Anlagen. Vor Erlass der Kommissionsentscheidung zum NAP II waren diese Allokationsgarantien hauptsächlich als Facette eines prominenten Sonderfalles, der Übertragungsklausel für Neuanlagen als Ersatzanlagen, unter Gleichheitsaspekten diskutiert worden421. Diese Übertragungsregeln bewirken, dass neue Anlagen, die als Ersatz für bestehende Anlagen in Betrieb genommen werden, eine Zeitlang dieselbe Menge an Zertifikaten wie die Altanlage erhalten, obwohl sie weniger CO2 ausstoßen422. Derartige Normen führen zu einer Benachteiligung von neuen Marktteilnehmern, die bisher in den einschlägigen Branchen und Sektoren nicht tätig gewesen sind423. Während völlig neu auf den Markt drängende Teilnehmer bestenfalls mit einer bedarfsgerechten Zuteilung rechnen können, führt die Anwendung von Übertragungsklauseln regelmäßig zu einer Überallokation. Für neue Marktteilnehmer, die keine Übertragungsregel in Anspruch nehmen können, bedeutet dies, dass die Konkurrenz sich nicht nur keine Gedanken über die Ausstattung mit den erforderlichen Zertifikaten machen muss, sondern gleichzeitig auch noch Zertifikate verkaufen kann und folglich über zusätzliche Finanzmittel verfügt. Interne Gründe für diese Ungleichbehandlung sind nicht ersichtlich, vielmehr soll sie als Anreiz für Betreiber emissionsintensiver Anlagen dienen, diese möglichst bald außer Betrieb zu nehmen und ggf. durch modernere Installationen zu ersetzen.
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So etwa die Zuteilung für zusätzliche Neuanlagen nach § 11 ZuG 2007, die Zuteilung für Anlagen, die ihren Betrieb in den Jahren 2003 und 2004 aufgenommen haben nach § 8 ZuG 2007, für Neuanlagen als Ersatzanlagen nach § 10 ZuG und für Anlagen, die ihren Betrieb zwischen 1994 und 2002 aufgenommen haben nach § 12 ZuG. Kommission, Entscheidung vom 29.11.2006, Erwägungsgrund 20. Zur Übertragungsklausel nach § 10 ZuG 2007 s. o. S. 126 ff. Zu den ökologischen und ökonomischen Auswirkungen dieser Regelung s. Sven Bode et al., Wirkungen der Übertragungs- und Kompensationsregel (2005). Entsprechende Regelungen gab es in der ersten Handelsperiode in etwa der Hälfte aller Mitgliedstaaten, s. DEHSt, Implementation of Emissions Trading in the EU (2005), S. 11. Beschwerden wurden in Deutschland besonders von Energieunternehmen lautbar, die über einen hohen Anteil an Kernkraft verfügen und die aufgrund des Atomausstiegs nun gezwungen sind, auf andere Brennstoffe, insbesondere fossile Brennstoffe, umzusteigen. Dazu Sven Bode et al., Wirkungen der Übertragungs- und Kompensationsregel (2005), S. 49 ff.
II. Europäische Grundrechte
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Derartige wirtschaftslenkende Intentionen sind externe Zwecke, so dass es sich bei den Übertragungsklauseln um rechtfertigungsbedürftige Ungleichheiten handelt. Ähnliche Erwägungen sind auch in weiteren Konstellationen langfristiger Zuteilungsgarantien relevant, etwa im Zusammenhang mit dem Investitionsschutz für Neuanlagen424: Hier wird bestimmten Anlagen die Zertifikateausstattung über Jahre hinaus garantiert, was bedeutet, dass die erforderlichen Minderungen ausschließlich von den verbleibenden Anlagen erbracht werden müssen, die über eine entsprechende Garantie nicht verfügen. Selbst wenn diese Garantien nicht in allen Fällen zu einer Überallokation führen, kommt es dennoch in allen Fällen zu einer Ungleichbehandlung, die Einfluss auf die Wettbewerbsposition der Anlagenbetreiber nimmt. Die Unterschiede bestehen vorwiegend zwischen Neuanlagen und Bestandsanlagen und sollen deren unterschiedlicher Situation gerecht werden: Bestandsanlagen verfügen üblicherweise über ein größeres Emissionsminderungspotential, zudem wird bei ihnen mit zunehmender Amortisation der Anlage auch der Bestandsschutz schwächer. Durch die nur für Neuanlagen geltenden Allokationsgarantien sollen somit vorwiegend interne Zwecke verfolgt werden, so dass der Gesetzgeber in seiner Entscheidungsfreiheit nur durch das Willkürverbot limitiert ist. Probleme könnten sich ergeben, wenn die auf diese Weise auf die Bestandsanlagen abgewälzten Minderungspflichten außer Verhältnis zu den durch die Neuanlagen bewirkten Einsparungen gerät. Solange dies jedoch nicht der Fall ist, kommen dem Gesetzgeber weite Entscheidungsspielräume zu425. (b) Nivellierende Wirkung des „Grandfatherings“ Gleichheitsprobleme wirft das Grandfathering auch insoweit auf, als es emissionsintensive Anlagen langfristig begünstigt, konsequent und frühzeitig modernisierte, besonders effiziente Anlagen hingegen benachteiligt. Dies gilt in zunehmendem Maße, je weiter sich die relevante Basisperiode nach hinten auf den Zuteilungszeitpunkt zu schiebt: Folglich entsprechen die Minderungsverpflichtungen modernisierter und technisch veralteter Betriebe einander prozentual. Entsprechend höher sind die Zuteilungen an veraltete, emissionsintensive Anlagen, entsprechend schwieriger ist die Emissionsvermeidung bei den moderneren Installationen. Anlagenbetreiber von Altanlagen haben so nicht nur die Möglichkeit, ihre technisch veralteten und klimaschädlichen Anlagen mit staatlicher Förderung weiter zu betreiben, häufig können sie die Zertifikate sogar lukrativer verkaufen als sie in der eigenen Anlage zu nutzen. Hierin liegt eine Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte, die nur scheinbar formal einheitlich erfolgt. Sie ist nicht Gerechtigkeits-, sondern Praktikabilitätserwägungen geschuldet und dient der Erleichterung der Verwaltungstätigkeit. Ein systemimmanenter Grund für die Begünstigung emissionsintensiver Altanlagen ist daher nicht ersichtlich, diese Ungleichbehandlung ist daher rechtfertigungsbedürftig. 424
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Vgl. hierzu die Regelungen des § 10 I 3 und des § 11 I 1, 6 ZuG 2007, dazu s. o. S. 126 ff. Freilich geht die Kommission gegen langfristige Allokationsgarantien vor, weil sie eine Verletzung des Wettbewerbsrechts und damit des Krit. 5 des Annex III annimmt, vgl. oben zum deutschen NAP II S. 144 f.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
Ein Fall, in dem unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, könnte ebenfalls vorliegen, wenn Anlagen ihre Zertifikate im Wege des Grandfatherings zugewiesen bekommen und die Allokationsregeln dabei an lange zurückliegende Basisjahre anknüpfen. Diese Regelung führt dann dazu, dass inzwischen modernisierte Anlagen deutlich leichter mit ihren Zertifikaten auskommen als Anlagen, die seit ihrer Inbetriebnahme weitgehend unverändert betrieben werden. In der Sache ist dies jedoch vielmehr eine formale Gleichbehandlung: Anlagen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in Betrieb genommen wurden, werden gleich behandelt, und wenn ihre Betreiber in die Modernisierung der Anlagen und höhere Effizienz investiert haben, genießen sie nun den Vorteil einer bedarfsgerechteren Allokation. Eine Ungleichbehandlung ist hierin nicht zu sehen. (c) An das Alter der Anlage anknüpfende Allokation Zur Vereinfachung der Allokation können Grandfathering-Regeln zudem an das Alter einer Anlage anknüpfen und mit zunehmendem Alter der Anlage den Erfüllungsfaktor reduzieren. Ein Beispiel hierfür war die geplante Sonderregelung für Altkraftwerke in § 7 VII ZuG 2007426. Diese typisierende Betrachtung kann jedoch im Einzelfall dazu führen, dass technisch vergleichbare Anlagen sehr unterschiedlich bedarfsgerecht mit Zertifikaten ausgestattet werden. Hier geht es um eine Unterscheidung, die sich weder durch geringere Klimaschädlichkeit noch durch sonstige systeminherente Gründe erklären lässt. Derartige Ungleichbehandlungen sind daher rechtfertigungsbedürftig. (d) Ungleichbehandlung von Alt- und Neuanlagen Schließlich führen Grandfathering-Systeme zwangsläufig zu einer Ungleichbehandlung von Alt- und Neuanlagen, da bei Neuanlagen naturgemäß keine Emissionswerte vorhanden sind, an die im Sinne des Grandfatherings angeknüpft werden könnte. Aus diesem Grund erhalten Neuanlagen ihre Zertifikate auch in Systemen, die ein Grandfathering als Regelzuteilung zugrunde legen, in der Regel anhand von Benchmarks zugeteilt. Noch ausgeprägter wird die Ungleichheit, wenn Neuanlagenbetreiber die erforderlichen Zertifikate in einer Auktion ersteigern oder auf dem Markt erwerben müssen427. Diese Differenzierung knüpft maßgeblich an Bestandsschutzüberlegungen an und berücksichtigt das unterschiedliche technische Potential der Anlagen zur Verminderung von Emissionen. Sie dient damit der Umsetzung interner Gerechtigkeitszwecke und ist anhand des Willkürverbots zu bewerten. Grundsätzlich ist die Bewertung, dass Neuanlagen strikteren Anforderungen unterliegen als Altanlagen, nicht zu beanstanden. Allerdings darf der Emissionshandel nicht als Instrument der Protektion ineffizienter Altanlagen genutzt werden, indem der Betrieb von Neuanlagen von vornherein unrentabel gemacht wird. Unzulässig wäre aus
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Hierzu S. 119. Eine Grenze bildet hier noch Art. 10 EH-RL, wonach der Anteil zu versteigernder Zertifikate in der ersten Handelsperiode 5 %, in der zweiten Handelsperiode 10 % nicht übersteigen darf.
II. Europäische Grundrechte
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diesem Grund etwa eine Regelung, die sämtliche Zertifikate an Bestandsanlagen verteilte und Neuanlagen auf den Markt verwiese. (3) Ungleichbehandlung in Benchmark-Systemen (a) Allokationsgarantien in Benchmark-Systemen Längerfristige Allokationsgarantien, wie sie bereits im Zusammenhang mit Grandfathering-Systemen diskutiert wurden, sind ebenso als Element von Benchmark-Systemen denkbar428. Wie für Grandfathering-Systeme bereits dargelegt429, dienen sie vorwiegend internen Gründen des Bestandsschutzes und sind somit auf Basis des Willkürverbots zu erörtern. (b) Brennstoffabhängige und brennstoffunabhängige Benchmarks Auch Benchmarks können im Hinblick auf den Gleichheitssatz problematische Wirkungen haben. Wie bereits erörtert, unterscheidet man zwischen brennstoffunabhängigen Benchmarks, die einen für alle Anlagen gleichermaßen verbindlichen Maßstab angeben und brennstoffabhängige Benchmarks, die sich an den Besonderheiten des jeweils verwendeten Brennstoffs orientieren430. Zusätzlich unterscheidet sich die Wirkung von Benchmarks auch danach, ob sie auf Bestandsanlagen angewendet werden oder auf Neuanlagen. Brennstoffabhängige Benchmarks wirken sich positiv auf die Verwendung von Brennstoffen mit hohem Kohlendioxidausstoß, d.h. insbesondere von Braun- und Steinkohle, aus. Anlagen, die mit diesen Brennstoffen betrieben werden, erhalten im Verhältnis zu ihrer Produktion eine größere Zuteilung als Anlagen, die mit emissionsärmeren Brennstoffen betrieben werden. Werden sie auf Bestandsanlagen angewendet, dient dies dem Bestandsschutz dieser Anlagen und der Fairness und somit internen Zwecken. Das Willkürverbot ist dann nicht verletzt, sofern die Verwendung der brennstoffabhängigen Benchmarks nicht dazu führt, dass emissionsintensive Energieträger entgegen der Intention des Zertifikatehandels gegenüber emissionsärmeren Brennstoffen begünstigt werden. Werden brennstoffabhängige Benchmarks hingegen auf Neuanlagen angewendet, sind keine relevanten Bestands- und Vertrauensschutzbelange zu schützen, vielmehr geht es hier um eine wirtschaftssteuernde Entscheidung. Ziel der Anwendung brennstoffabhängiger Benchmarks auf Neuanlagen ist es, Versorgungssicherheit durch Verwendung einheimischer Brennstoffe sicherzustellen oder auch einen breiteren Brennstoffmix beizubehalten. Bei derartigen Erwägungen handelt es sich um externe Gründe. Bei der Anwendung auf Neuanlagen stellen brennstoffabhängige Benchmarks somit eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung dar. Brennstoffunabhängige Benchmarks stellen demgegenüber eine formale Gleichbehandlung aller erfasster Anlagen dar, die jedoch zu sehr unterschiedlichen Belastungen führt. Da verschiedene Anlagentypen deutlich unterschiedlich 428
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Allerdings ist ihre Konformität mit der EH-RL durch die ablehnende Haltung der Kommission in Zweifel gezogen, vgl. o. S. 143 ff. S. o. S. 254 ff. Dazu bereits o. S. 68 ff.
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viel Kohlendioxid ausstoßen handelt es sich daher möglicherweise, unabhängig von ihrer Anwendung auf Neu- oder Bestandsanlagen, um eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. Der Zweck der Anwendung brennstoffunabhängiger Benchmarks unterscheidet sich nicht, unabhängig ob sie auf Bestandsanlagen oder auf Neuanlagen angewendet werden. Er besteht vorwiegend darin, auf eine schnellere Umstrukturierung und Ökologisierung der Wirtschaft hinzuwirken. Bei Bestandsanlagen erhöht sich der Druck auf bestehende, emissionsintensive Anlagen, und gleichzeitig werden Anreize für Investitionen in umweltschonende Techniken gesetzt. Bei Neuanlagen werden von vornherein die Weichen für eine möglichst umweltverträgliche Ausrichtung gestellt, gleichzeitig wird der Einsatz neuer und möglicherweise teurerer Technik über die Stärkung der Wettbewerbsposition effizienter Anlagen rentabel. Dies sind keine internen Gerechtigkeitsaspekte, vielmehr geht es um die Verwirklichung externer Ziele. In der Verwendung brennstoffunabhängiger Benchmarks ist somit in beiden Fällen eine relevante Ungleichbehandlung zu sehen, die der Rechtfertigung bedarf. (4) Ungleichbehandlung in Auktionssystemen Im Hinblick auf die Gleichheitsproblematik sind Auktionsverfahren regelmäßig übersichtlicher als die komplexeren Grandfathering- und/oder BenchmarkSysteme. Dennoch können auch in Auktionssystemen Gleichheitsfragen aufkommen. (a) Einheitliche Auktion Die Vergabe im Wege eines einheitlichen Auktionsverfahrens für alle Betroffenen ließe sich allenfalls dann als Ungleichheit qualifizieren, wenn man darauf abstellte, dass der Erwerb der Zertifikate je nach Bedarf der Anlage mit unterschiedlich hohen Kosten verbunden ist. Dies ist jedoch eine rein faktische Ungleichbehandlung, während auch für den gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatz gelten muss, dass eine Ungleichbehandlung primär eine rechtliche Ungleichbehandlung ist431. Die Ungleichheit der Belastung ist zudem vom Gesetzgeber regelmäßig intendiert, weil sie dazu beitragen soll, die Funktionsfähigkeit des Zertifikatehandels zu gewährleisten. Eine gemeinschaftsrechtlich relevante Ungleichbehandlung lässt sich daher im Falle der Allokation durch ein einheitliches Auktionsverfahren nicht feststellen. (b) Auktionierung getrennter Kontingente Da in einheitlichen Auktionsverfahren die finanzielle Leistungsfähigkeit der Anlagenbetreiber an Bedeutung gewinnt und gerade kleinere, weniger finanzkräftige Betriebe unter Druck geraten können, besteht eine nahe liegende Gegenmaßnahme des Gesetzgebers darin, die Zertifikate in mehrere Kontingente aufzuteilen und diese jeweils getrennt an einzelne Gruppen von Anlagenbetreibern zu versteigern. 431
Zum deutschen Verfassungsrecht vgl. Robert Alexy, Theorie der Grundrechte (1985), S. 377 ff.; Friedrich Schoch, DVBl. 1988, 863 (866); Christian Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), GG, Bd. 1 (2005), Art. 3 Rz 5.
II. Europäische Grundrechte
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Auf diese Weise könnten bestimmte Branchen, aber etwa auch kleinere Unternehmen, Bestandsanlagen oder ganze Sektoren gesondert mit Zertifikaten versorgt werden. In Konsequenz einer derartigen Kontingentierung können Zertifikate je nach Kontingent zu unterschiedlichen Preisen versteigert werden. Zweck dieser Unterscheidung ist es, wirtschaftlich schwächere Systemteilnehmer und damit den Bestand deren Anlagen zu schützen. Es geht darum, Härten abzufedern und das System als ganzes gerechter auszugestalten. Bezweckt ist folglich die Umsetzung interner Zwecke, so dass als Maßstab das Willkürverbot heranzuziehen ist. Auf Willkür zu prüfen sind in einem derartigen System vor allem die Einrichtung der Kategorien ebenso wie die Aufteilung der Zertifikate auf die einzelnen Kontingente. Insbesondere wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass vergünstigt versteigerte Zertifikate in größerem Ausmaß auf den Markt gelangen, dürfte eine entsprechende Trennung politisch wie rechtlich unter Druck geraten. (5) Das kategorienübergreifende Problem der Typisierung Schließlich können sich in nahezu allen Allokationsmodi Probleme daraus ergeben, dass der Gesetzgeber klare Allokationsregeln treffen muss, die jedoch im Einzelfall bestimmten atypischen Konstellationen nicht gerecht werden, sich für diese Fälle also gewissermaßen „ungerecht“ sind. Es handelt sich hierbei um Differenzierungen, die vorgenommen werden, um der Verwaltung klare Entscheidungskriterien an die Hand zu geben oder um die Rechtssicherheit der betroffenen Anlagenbetreiber zu erhöhen. Derartige Erwägungen sind keine internen Zwecke, sondern externe Ziele der Praktikabilität im weitesten Sinne. Sie sind demnach rechtfertigungsbedürftig432. cc) Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen zu externen Zwecken (1) Grundsätzliches Soweit mit dem Emissionshandelssystem und den relevanten Allokationsvorschriften einhergehende Ungleichbehandlungen internen Gerechtigkeitsgründen zu dienen bestimmt sind, sind sie lediglich am Maßstab des Willkürverbots zu messen. Folglich kommt dem Gesetzgeber hier von vorneherein ein weiter Spielraum zu. Aber auch soweit dies nicht der Fall ist und durch die Ungleichbehandlung externe Ziele verfolgt werden sollen, sind Ungleichbehandlungen nicht per se unzulässig. Der allgemeine Gleichheitssatz enthält kein absolutes, sondern nur ein relatives Differenzierungsverbot, d.h. beim Vorliegen einer Ungleichbehandlung ist weiter zu prüfen, ob diese sachlich gerechtfertigt ist433. Gerechtfertigt ist eine Ungleichbehandlung dann, wenn objektive Unterschiede von einigem Gewicht sie begründen434. Diese müssen zudem geeignet sein, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Nach dem hier vertretenen dreistufigen Aufbau lässt sich eine nicht aus internen Gründen zulässige Differenzierung möglicherweise aus externen 432 433 434
Vgl. ausführlicher zu Art. 3 I GG u. S. 330 ff. Uwe Kischel, EuGRZ 1997, 1 (4). Vgl. beispielsweise EuGH, Rs. 230/78, Urt. v. 27.09.1979, Slg. 1979, S. 2749 (Rn 18 f.) – Eridania; Rs. C-63/93, Urt. v. 15.02.1996, Slg. 1996, S. I-569 (Rn 26) – Duff; Alexander Reuter/Ralph Busch, EuZW 2004, 39 (42).
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Gründen rechtfertigen. Es ist dann zu prüfen, ob die Ungleichbehandlung einem legitimen Zweck dient und geeignet, erforderlich und angemessen ist. (2) Ungleichbehandlung in Grandfathering-Systemen (a) Übertragungsregelungen Übertragungsregeln dienen, obwohl vielfach als Instrument des Klimaschutzes gepriesen, vorwiegend wirtschaftspolitischen Zielen, denn sie sollen Investitionen in neue Techniken fördern435. Von ihrer Eignung zur Förderung emissionsärmerer, effizienterer Anlagen dürfte auszugehen sein. Fraglich ist hingegen, ob die Differenzierung zwischen Alt- und Neuanlagen, die mit derartigen Übertragungsregeln verbunden ist, erforderlich ist. Geltend gemacht wird, dass die Bevorzugung der Altanlagenbetreiber darauf beruhe, dass der Ersatz einer bestehenden Anlage Emissionen reduziere, während neue Anlagen immer auch zusätzliche Emissionen bedeuten436. Demnach könnte die Differenzierung erforderlich sein, um Innovation und Klimaschutz in ein ausgewogenes Verhältnis zu setzen. Dieses Argument missachtet jedoch, dass sich die Emissionsmenge nach der Menge ausgegebener Zertifikate richtet, unabhängig von der Frage, von welchen Anlagen die Emissionen schließlich ausgehen. Die Emissionsreduktionen einer einzelnen Anlage machen sich somit erst klimawirksam bemerkbar, wenn sie in die Berechnung des Kontingents einfließen und zu einer Reduzierung der ausgegebenen Zertifikatemenge führen. Der Innovationsförderung dienen zudem Neuerungen bei Ersatzanlagen wie bei Neuanlagen gleichermaßen. Allerdings ist auch zu bedenken, dass der Gesetzgeber es bei dem Zertifikatehandel mit einem sehr komplexen, neuen Instrument zu tun hat, bei dessen Regelung ihm ein weiter Prognosespielraum zukommt. Gerade in der Anfangszeit sind die Interaktionen der Marktteilnehmer schwer vorhersehbar, und mit fehlerhaften Prognosen ist zu rechnen. Dementsprechend wird man auch im Bezug auf die Erforderlichkeit von Übertragungsklauseln dem Gesetzgeber zunächst einen Prognosespielraum einräumen müssen, weswegen er entsprechende Regelungen für erforderlich halten durfte437. Die Bedenken, die bereits bei der Erforderlichkeitsprüfung aufkommen, sind auch für die Angemessenheit einer derartigen Regelung von Bedeutung. Von den Übertragungsregelungen gehen messbar wettbewerbsverzerrende Wirkungen aus; sie erschweren den Markteintritt neuer Marktteilnehmer erheblich438. Während sich Übertragungsklauseln zunächst noch im Rahmen der Neuregelung einer komplexem Materie rechtfertigen ließen, dürfte der Gesetzgeber zukünftig verpflichtet sein, diese Regeln zu überdenken. Angesichts dieser Bewertung ist es 435 436 437
438
Hierzu ausführlich u. S. 351 ff. Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1082). Ähnl. wie das BVerfG erkennt auch der EuGH einen Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers (Gemeinschaftsgesetzgebers, aber auch der Mitgliedstaaten) bei der Regelung komplexer wirtschaftlicher oder naturwissenschaftlich-technischer Sachverhalte an, so etwa EuGH, Rs. C-275/92, Urt. v. 24.03.1994, Slg. 1994, I-1039 (Rn 61 ff.) – Schindler; vgl. hierzu Peter Szczekalla, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Grundrechte (2006), § 7 Rz 119. Hierzu vgl. Sven Bode et al., Wirkungen der Übertragungs- und der Kompensationsregel (2005), S. 38 ff.
II. Europäische Grundrechte
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wenig überraschend, dass inzwischen politischer Konsens besteht, die Übertragungsmöglichkeit nicht in die nächste Handelsperiode zu überführen. (b) Nivellierende Wirkung des Grandfatherings Die nivellierende Wirkung von Grandfathering-Systemen ist eigentlich vom Gesetzgeber nicht bezweckt, sondern eher implizite Nebenfolge eines Bestandschutzdenkens und eines Verwaltungspragmatismus. Eine gewisse Erleichterung der Allokationsentscheidung für die Verwaltung wird durch GrandfatheringRegelungen auch bewirkt, zu diesem Zweck sind pauschalierende Entscheidungen wie einheitliche Minderungsfaktoren wohl auch erforderlich. Allerdings ist fraglich, ob sie auch angemessen sind, d.h. ob Verwaltungsvereinfachung und Ungleichbehandlung noch im gebotenen Verhältnis zueinander stehen. Bei der hier vorzunehmenden Abwägung fällt ins Gewicht, dass die Ungleichbehandlung weder eine kleine Gruppe von Sonderfällen betrifft, noch das Ausmaß der Ungleichheit zu vernachlässigen ist. Aus diesem Grund muss der Gesetzgeber versuchen, ungewollte Ungleichbehandlungen auszugleichen, etwa indem er sich bei der Festsetzung des Erfüllungsfaktors zusätzlich am Alter und/oder Modernisierungsstand der betroffenen Anlagen orientiert und dadurch vor allem ökologisch unerwünschten Nivellierungstendenzen entgegen wirkt. (3) Ungleichbehandlung in Benchmark-Systemen (a) Brennstoffabhängige Benchmarks für Neuanlagen Auch bei brennstoffabhängigen Benchmarks stellt sich die Frage, ob die mit ihnen einhergehende Ungleichbehandlung verhältnismäßig ist. Soweit derartige Benchmarks für Neuanlagen eingesetzt werden, sollen sie die Versorgungssicherheit sicherzustellen, indem die Exportabhängigkeit von Erdöl und Erdgas reduziert und gleichzeitig die Verwendung heimischer Kraftstoffe gefördert wird. In der Sache wirken sich brennstoffabhängige Benchmarks daher als Förderung für heimische Brennstoffe wie Braun- und Steinkohle aus439. Dabei handelt es sich um einen legitimen Zweck, und die Verwendung brennstoffabhängiger Benchmarks ist auch geeignet und erforderlich, ihn zu fördern. Letztlich spitzt sich die Frage also auf die Angemessenheitsprüfung zu und damit auf die Frage, ob die unterschiedliche Zertifikatszuteilung, durch die entsprechend unterschiedlich geldwerte Zuwendungen erfolgen, im Verhältnis zu dem durch sie bewirkten Nutzen steht. Absoluten Bestand müssen ohnehin die internationalen Klimaschutzverpflichtungen haben, die durch brennstoffabhängige Benchmarks nicht gefährdet werden dürfen. Zudem müssen insbesondere die Benchmarks für emissionsärmere Anlagen noch so bemessen sein, dass ihr Betrieb rentabel bleibt. Werden diese Eckpunkte eingehalten, dürfte jedoch der Primat der Politik gelten und dürfte eine Präjudizierung des Allokationsergebnisses unzulässig sein. Denkbar ist allerdings, dass mit zunehmendem Wissensstand und einem internationalen Kontext, Treibhausgasemissionen massiv zu senken, auch der gesetzgeberische Spielraum weiter eingeschränkt wird. Vorsicht ist daher geboten, sobald die Gefahr besteht, dass ein Bestand an Anlagen neu errichtet werden kann, mit dem mittel- oder langfristige 439
Zur Wirkung brennstoffabhängiger Benchmarks s. bereits oben S. 69 f.
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Klimaziele aus Bestandsschutzgründen nicht mehr erreicht werden können. Hier birgt die deutsche Lösung, Zertifikate für Neuanlagen auf dem Markt zuzukaufen, sofern die Reserve ausgeschöpft ist440, gewisse Gefahren. (b) Brennstoffunabhängige Benchmarks Brennstoffunabhängige Benchmarks sind immer rechtfertigungsbedürftig, unabhängig davon, ob sie auf Neu- oder auf Bestandsanlagen angewendet werden. Sie dienen vorwiegend der Stärkung effizienter Technik und der Umstrukturierung in Richtung einer nachhaltigeren Wirtschaft. Während Klimawirkungen auch bei der Verwendung brennstoffunabhängiger Benchmarks bestenfalls längerfristig zu erwarten sind, sind brennstoffunabhängige Benchmarks jedoch geeignet und erforderlich, um die besondere Förderung effizienter Anlagen zu bewirken. Für ihre Angemessenheit spricht, dass es sich bei diesen Benchmarks eigentlich um eine rechtliche Gleichbehandlung handelt. Zudem wirkt sich positiv aus, dass sie die Intentionen, die mit dem Zertifikatehandel verfolgt werden, fördern. Schließlich sind die von ihnen ausgehenden Langzeitwirkungen im Hinblick auf die Nachhaltigkeit wünschenswert. Demgegenüber fällt die ungleiche Belastung der betroffenen Anlagen wenig ins Gewicht, so dass gegen den Einsatz derartiger Benchmarks keine grundrechtlichen Bedenken sprechen. (4) Typisierung als allgemeines Problem Typisierungsprobleme ziehen sich als externe Belange durch alle Allokationsregeln und -systeme und sind wohl niemals vollständig vermeidbar. Typisierungen dienen der Verwaltungsvereinfachung und der Rechtssicherheit, stehen aber in einem gewissen Widerspruch zum Gerechtigkeitsgedanken. Allgemeine Grundsätze sind angesichts des weiten Spektrums möglicher Anwendungsfälle kaum zu entwickeln. Es gilt jedoch, dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist, bei der zu prüfen ist, ob die Praktikabilitätsvorteile einer Regelung im Verhältnis zu den durch sie bewirkten Ungleichheiten stehen441. (5) Fazit: Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen zu externen Zwecken Verhältnismäßig unproblematisch zu rechtfertigen sind Ungleichbehandlungen, die auf den Schutz schwächerer Marktteilnehmer abstellen und darauf abzielen, eine Wettbewerbsgleichheit herzustellen. Dies gilt jedoch nur, solange sie nicht gleichzeitig das Ziel des Zertifikatehandels gefährden, sich also kontraproduktiv für den Klimaschutz auswirken. Derartige Maßnahmen sind zwar nicht per se unzulässig, benötigen jedoch einen deutlich höheren Begründungsaufwand. Sie dürfen in keinem Fall jedoch so weit in das System eingreifen, dass sie klimaschädliche Aktivitäten oder verspätete Modernisierungen im Ergebnis noch honorieren.
440 441
Hierzu o. S. 117. Ausführlicher dazu u. S. 330 ff. zum deutschen Verfassungsrecht.
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e) Fazit: Vorgaben der Gemeinschaftsgrundrechte für die Allokation von Emissionsberechtigungen Grundrechtliche Grenzen ergeben sich für den Gesetzgeber somit vorrangig aus Bestandsschutz- und Gleichheitserwägungen. Der eigentumsrechtlich gewährleistete Bestandsschutz stellt sicher, dass bis zum Ablauf der üblichen Investitionszyklen jedenfalls der weitere Betrieb der Anlage ermöglicht wird. Das Gewicht des Bestandsschutzes reduziert sich jedoch, sobald eine Anlage amortisiert ist, d.h. dem Betreiber durch ihre Schließung keine Verluste entstehen. Im Bereich der Gleichheitsrechte erfolgen die meisten Differenzierungen bei der Allokation aus internen Gerechtigkeitserwägungen. Sie sind darauf zu überprüfen, ob sie dem Gleichheitsgedanken entsprechen. Zumeist sind diese Unterscheidungen zulässig, sofern sie nicht bestehende Ungleichheiten überkompensieren und dadurch dem Klimaschutz entgegen wirken. Sollen durch die Allokation der Zertifikate jedoch externe Gründe wie Wirtschaftslenkung, Innovationsförderung oder die Etablierung nachhaltiger Strukturen verfolgt werden, muss geprüft werden, ob die Ungleichbehandlung verhältnismäßig ist. Dies ist immer dann problematisch, wenn die Ziele der Ungleichbehandlung in einem Spannungsverhältnis zu denen des Zertifikatehandels stehen bzw. ihnen sogar entgegen wirken. Ungleichbehandlungen zur Verwirklichung externer Gründe lassen sich nur rechtfertigen, solange sichergestellt ist, dass sie das Anliegen des Zertifikatehandels als Ganzes nicht gefährden.
6. Rechtsschutz bei Verstößen gegen Gemeinschaftsgrundrechte Zu recht ist darauf hingewiesen worden, dass die nationalen Gerichte zwar keine Verwerfungskompetenz, wohl aber ein Prüfungsrecht haben, ob gemeinschaftsrechtlich determinierte nationale Regelungen mit den Gemeinschaftsgrundrechten in Einklang stehen442. Diese Grundrechte wirken unmittelbar, ohne dass es einer Umsetzung in das nationale Recht bedürfte443. Gelangen die Gerichte daher bei zu dem Ergebnis, dass eine streitbefangene Regelung zwingend auf gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften beruht, letztere jedoch gegen Gemeinschaftsgrundrechte verstoßen, können bzw. müssen444 sie gem. Art. 234 I lit. b EGV den betreffenden Rechtsakt dem EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens zur Entscheidung vorlegen445. Die Richtlinie kann dann vom EuGH anhand der Gemein442 443 444
445
Florian Becker, NVwZ 2006, 782 (783). Hans D. Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 3 Rz 6. Jedenfalls wenn ein letztinstanzliches Gericht seine Vorlagepflicht grundsätzlich verkennt, ist gleichzeitig Art. 101 I 2 GG verletzt und somit auch der Weg zu einer Verfassungsbeschwerde eröffnet, vgl. hierzu BVerfG, 1 BvR 2036/05 v. 14.05.2007, Rn 32 f. (abrufbar unterwww.bverfg.de). Allg. zur Vorlagepflicht auch Rudolf Geiger, EUV/EGV, 4. Aufl. 2004, Art. 234 EGV Rz 14 ff.; Bernhard Wegener, in: Calliess/ Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl. 2007, Art. 234 EGV Rz 23 ff. Florian Becker, NVwZ 2006, 782 (783).
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schaftsgrundrechte geprüft und ggf. für unwirksam erklärt werden. Anschließend kann das nationale Gericht die Umsetzungsvorschrift dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 I GG zur Prüfung vorlegen, das eine umfassende Prüfung am Maßstab der deutschen Grundrechten vornimmt446. Etwas anders stellt sich die Lage dar, wenn die EH-RL die relevante Regelung nicht zwingend vorgibt und lediglich das nationale (deutsche) Recht gegen die Gemeinschaftsgrundrechte verstößt. Wegen des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts ist die betreffende Vorschrift des nationalen Rechts grundsätzlich nicht anwendbar, wenn sie gegen die Gemeinschaftsgrundrechte verstößt447. Nach der Rechtsprechung des EuGH kommt der Verwaltung ebenso wie den Gerichten das Recht zu, formelle Gesetze des nationalen Rechts, die gegen Gemeinschaftsgrundrechte verstoßen, unangewendet zu lassen448. Allerdings dürfte sich der Nutzen dieses Vorgehens in Grenzen halten, weil regelmäßig selbst bei Nichtanwendung der problematischen Zuteilungsregel kein Anspruch auf eine großzügigere Zuteilung feststellbar ist. Eine Ausnahme könnte allenfalls gelten, sofern für bestimmte Anlagen zu deren Nachteil vom Standardfall der Zuteilung abgewichen wird und bei Wegfall der belastenden Regelung automatisch eine Besserstellung erfolgt. Aus demselben Grund wird es Anlagenbetreibern vielfach auch nicht helfen, dass Mitgliedstaaten, die mit ihrer Zuteilungsentscheidung gegen Grundrechte verstoßen, prinzipiell für hierdurch verursachte Schäden haftbar sind449. Eine Individualnichtigkeitsklage gegen die Entscheidung der Kommission über den nationalen Allokationsplan nach Art. 230 IV EGV scheitert dagegen an der unmittelbaren Betroffenheit der Anlagenbetreiber, da der Mitgliedstaat den Plan erst umsetzen muss450. In besonders gravierenden Fällen mag es möglich sein, über eine Beschwerde die Kommission zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EGV zu bewegen451.
446 447 448
449
450
451
BVerfG, Beschl. v. 13.03.2007, 1 BvF 1/05, Rn 72. Hierzu vgl. u. S. 357. Hans D. Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 7 Rz 15. Vgl. EuGH, Rs. 103/88, Urt. v. 22.06.1989, Slg. 1989, 1839 (Rn 32) – Costanzo; Rs. C224/97, Urt. v. 29.04.1999, Slg. 1999, I-2517 (Rn 29 ff.) – Ciola, zu Vorschriften, die sich zu anderem unmittelbar geltenden Gemeinschaftsrecht in Widerspruch setzten. Hierzu bedarf es keiner Vorlage an das BVerfG, Dirk Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 2. Aufl. 2005, § 14 Rz 55; Hans Jarass, EUGrundrechte (2005), § 7 Rz 16. Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 7 Rz 17. Um diesen Anspruch geltend machen zu können, müssten sie nachweisen können, in welcher Höhe eine grundrechtskonforme Zuteilung hätte erfolgen müssen. Dies dürfte regelmäßig schwierig bis ausgeschlossen sein. Michael Adam/Helmar Hentschke/Stefan Kopp-Assenmacher, Handbuch des Emissionshandelsrechts (2006), S. 171; Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 268 f., 271 f. Hans Jarass, EU-Grundrechte (2005), § 7 Rz 21.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes 1. Die Bedeutung der nationalen Grundrechte für die Allokation Es ist keineswegs selbstverständlich, dass die nationalen Grundrechte für die Allokation im europäischen Zertifikatehandelssystem von Bedeutung sind. Daher ist näher zu untersuchen, ob ein Geltungsbereich der nationalen Grundrechte in einem europäischen Emissionshandelssystem bestehen bleibt Zu beachten ist, dass die Emissionsminderungsverpflichtung der „alten“ fünfzehn EG-Mitgliedstaaten nicht nur aus dem Kyoto-Protokoll resultiert, sondern auf europäischer Ebene durch das Lastenverteilungsabkommen konkretisiert wurde452. Auch in der EH-RL ist die Verpflichtung zur Einhaltung der KyotoReduktionen enthalten, so dass dem nationalen Gesetzgeber kein nennenswerter Spielraum hinsichtlich der Gesamtmenge der zuzuteilenden Zertifikate verbleibt. Das Europarecht verpflichtet ihn zur Einhaltung seiner völkerrechtlich eingegangenen Reduktionsverpflichtung453. Er ist allerdings nicht daran gehindert, über diese Verpflichtungen hinaus zu gehen. Bei künftigen Reduktionsverpflichtungen ist ebenfalls davon auszugehen, dass diese europarechtlich festgeschrieben werden. Soweit aber die Grundrechtsverletzung in auf europäischen Rechtsakten basierenden zwingenden Verpflichtungen bestehen soll454, ist zu beachten, dass diese „jedenfalls derzeit“ nicht am Maßstab deutschen Verfassungsrechts geprüft werden können. Sekundäres Gemeinschaftsrecht prüft das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich nicht mehr455 am Maßstab der deutschen Grundrechte, solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere durch die Rechtsprechung des EuGH, generell einen wirksamen Grundrechtsschutz gegenüber EG-Hoheitsakten gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleich zu achten ist456. Gleiches gilt auch für die nationale Umsetzungsgesetzgebung europäischer Richtlinien457, unabhängig davon, 452
453 454
455 456
457
Für die neuen Mitgliedstaaten bleibt es bei den im Rahmen des Kyoto Protokolls übernommenen Minderungsverpflichtungen. Ebenso VG Berlin, AZ 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, Rz 52 (juris). Diese Unterscheidung auch bei BVerwG, NVwZ 2005, 1178 (1181); BVerfG, 1 BvR 2036/05 v. 14.05.2007, Rn 8; BVerfG, 1 BvF 1/05 v. 13.03.2007, Rn 69 (beide abrufbar über www.bverfg.de). Anders noch BVerfGE 37, 271 (285) – Solange I. BVerfG, 1 BvR 2036/05 v. 14.05.2007, Rn 8; BVerfGE 73, 339 (378 ff.) – Solange II; bestätigt in BVerfGE 89, 155 (174 f.) – Maastricht, die beiden letzteren auch zitiert von BVerwG, NVwZ 2005, 1178 (1181). Zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts im Bereich der Grundrechte und der Rechtsprechung des BVerfG Peter Szczekalla, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Hdb. d. Europ. GR (2006), § 2 Rz 26 ff.; Werner Schaller, Die EU-Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten (2003), S. 183 ff.; Annette Wallrab, Die Verpflichteten der Gemeinschaftsgrundrechte (2004), S. 155 ff. BVerfG, 1 BvR 2036/05 v. 14.05.2007, Rn 8; BVerfG, 1 BvF 1/05 v. 13.03.2007, Rn 69.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
ob ihnen unmittelbare Wirkung zukommt458. Nationale Grundrechte können somit nur dann als Maßstab dienen, wenn sich abzeichnet, dass der gemeinschaftsrechtliche Grundrechtsschutz an sich unter den erforderlichen Mindeststandard abgesunken ist oder aber, sofern die angegriffene Maßnahme durch das Europarecht nicht zwingend vorgegeben ist459, dem nationalen Gesetzgeber also Spielräume bei der Umsetzung verblieben sind. Obwohl Meinungsverschiedenheiten über das erforderliche Ausmaß des Grundrechtsschutzes zwischen EuGH und nationalen Gerichten keine Seltenheit sind und vielfach eine gewisse Insensibilität der europäischen Gerichte gegenüber nationalen Besonderheiten beklagt wird, ist doch nicht ersichtlich, dass das auf europäischer Ebene geschützte Grundrechtelevel den Standard des Grundgesetzes offensichtlich unterschreiten würde460. Dies hat das Bundesverfassungsgericht daher auch in seiner Entscheidung zur Bananenmarktordnung dargelegt461. Soweit die Einrichtung des Zertifikatesystems durch das EG-Recht vorgegeben ist, gilt daher auch für die deutschen Umsetzungsakte462, dass deutsche Gerichte keine Grundrechtsprüfung vornehmen können463. Wie bereits erwähnt464, bleiben dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Systems, besonders bei der Allokation der Zertifikate, jedoch erhebliche Gestaltungsspielräume465, die er grundrechtskonform auszufüllen hat466. Der Gesetzgeber trifft mit der Einrichtung eines Zertifikatesystems für Treibhausgase eine Regelung über das Spannungsverhältnis aus grundrechtlichen Gewährleistungen und staatlichen Schutzpflichten gegenüber 458 459
460 461 462
463
464 465
466
BVerfG, 1 BvF 1/05 v. 13.03.2007, Rn 71. BVerwG, NVwZ 2005, 1178 (1181); Werner Schaller, EU-Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten (2003), S. 182; Eckart Klein, VVDStRL 50 (1991), 56 (83). BVerwG, NVwZ 2005, 1178 (1181). BVerfGE 102, 147 (161 ff.) – Bananenmarktordnung. Zur Überprüfungsbefugnis bei gemeinschaftsrechtlich determinierten Umsetzungsakten Werner Schaller, Die EU-Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten (2003), S. 185 ff. BVerfG, 1 BvR 2036/05 v. 14.05.2007, Rn 9 (abrufbar unter www.bverfg.de); BVerwG, NVwZ 2005, 1178 (1181); VG Berlin, AZ 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, Rz 52 (juris); VG Würzburg, NVwZ 2005, 471 (473); Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 239; Walter Frenz, ZUR 2006, 393 (395). Zu den Vorgaben der EH-RL für die nationalen Zuteilungspläne s. o. S. 80 ff. Dass hier sehr weite Spielräume bestehen, zeigt sich bereits bei einem Blick auf die verschiedenen nationalen Allokationspläne der Mitgliedstaaten und die dort verwendeten Kriterien, vgl. die übersichtliche Darstellung bei DEHSt, Implementation of emissions trading in the EU (2005), insbes. S. 16 ff. VG Berlin, AZ 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, Rz 61 (juris); VG Würzburg, NVwZ 2005, 471 (473); Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2006, 135 (137); Martin Burgi, Ersatzanlagen (2004), S. 34; Dirk Weinreich, ZUR 2006, 399 (400); Walter Frenz, DVBl. 2006, 728 (731), der eigenartigerweise davon spricht, es seien, soweit die Richtlinie dem Gesetzgeber Freiraum lasse, „höchstens die nationalen Grundrechte zusätzlich zu beachten“. Vgl. zur Anwendbarkeit nationaler Grundrechte auf die Umsetzungsgesetzgebung zur EH-RL auch Belgischer Schiedshof, Urt. v. 07.06.2006, ZUR 2006, 416 ff. m. Anm. Gerd Winter, ZUR 2006, 419 f.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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gegenwärtig und zukünftig lebenden Menschen. Diese Entscheidung hat mit Erlass der EH-RL der europäische Gesetzgeber getroffen. Der Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung dieses Systems, die vorwiegend durch den nationalen Gesetzgeber erfolgt, wird vor allem durch die Grundrechte der Eigentums- und Berufsfreiheit sowie durch das Gleichbehandlungsgebot begrenzt. Die Zuteilungsregeln sind somit nicht nur an den europäischen, sondern auch an den deutschen Grundrechten zu messen. Legt man die europarechtlich zwingende Minderungsvorgabe als Faktum zugrunde, ist die Frage nach den grundrechtlichen Vorgaben zur Allokation im wesentlichen eine nach der Verteilungsgerechtigkeit sowie nach der Zulässigkeit mittelbar wirtschaftslenkender Maßnahmen und langfristiger Weichenstellungen.
2. Ausschluss umweltbelastenden Handelns aus dem Schutzbereich der Freiheitsrechte Grundrechtliche Vorgaben für die Allokation von Emissionsrechten schieden von vornherein aus, wenn umweltbelastendes Handeln und damit der CO2-Ausstoß der unter den Emissionshandel fallenden Anlagen per se aus dem Schutzbereich der Grundrechte ausgenommen wäre467. Für diesen Gedanken spricht, dass mit einer Freiheit zur Schädigung der Umwelt eine Freiheit zur Schädigung der Ressourcen des Gemeinwesens einher ginge468. Dogmatisch ließe sich dieses Ergebnis im Wege immanenter Schranken der Freiheitsrechte begründen: So soll nach einer vereinzelt vertretenen Auffassung die Grundrechtsausübung unzulässig werden, wenn sie „zu einer Störung und Gefährdung der für ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen unerlässlichen Gemeinwohlwerte“ führt469. Diese Einschränkung soll jedenfalls gelten, sofern es um die „evidente“ Verletzung anderer Grundrechte oder Gemeinwohlbelange geht470. Ein weiterer denkbarer Ansatz ist der, ein Nutzungsrecht an Umweltgütern grundsätzlich aus dem Schutzbereich der Freiheitsgrundrechte auszunehmen471. Dies setzt eine Umdeutung von Freiheitsrechten zu Partizipationsrechten voraus. Umweltgüter sind nach dieser Konstruktion keine „freien“ Güter, sondern knappe 467
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Vgl. hierzu umfassend, wenn auch i. E. abl. Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 103 ff.; Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 543 ff.; Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 136 ff.; teilweise wird auch nur der Ausschluss gemeingefährlicher Umweltschädigungen erwogen, so Michael Kloepfer/Hans-Peter Vierhaus, in: Kloepfer (Hrsg.), Anthropozentrik, Freiheit und Umweltschutz in rechtlicher Sicht (1995), S. 29 (33). Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 103. Günter Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn 75 – Altkommentierung aus der 2. Aufl. Michael Kloepfer/Hans-Peter Vierhaus, in: Kloepfer (Hrsg.), Anthropozentrik, Freiheit und Umweltschutz in rechtlicher Sicht (1995), 29 (33), knüpfen an den Begriff der gemeingefährlichen Umweltschädigung an. Dietrich Murswiek, in: HdbStR Bd. V, § 112 Rz 83; dazu Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S.137.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
Gemeingüter und als solche der Allgemeinheit zugeordnet. Infolgedessen kann der Staat die Verteilung von Umweltnutzungsbefugnissen anhand am Gemeinwohl orientierter Bewertungen der gesellschaftlichen Nützlichkeit vornehmen472. Statt eines die Freiheitsausübung schützenden Abwehrrechts gibt es lediglich ein Recht auf gleiche Teilhabe; Entscheidungsmaßstab ist nicht das Verhältnismäßigkeitsprinzip, sondern das Willkürverbot473. Die Konsequenz dieser Überlegungen wäre jedoch, dass sich nach beiden Modellen Umweltbelange in Kollisionssituationen immer und zwangsläufig durchsetzten474, selbst dann, wenn verhältnismäßig unbedeutende Umweltinteressen mit sehr gewichtigen Grundrechtsbelangen kollidieren475. Ein derartiger Vorrang des Umweltschutzes jedoch müsste sich aus dem Grundgesetz begründen lassen. Dieses sieht seiner Konzeption nach einen möglichst schonenden Ausgleich der Grundrechtsbelange und der Staatszielbestimmungen vor. Welcher Rang einem Rechtsgut zukommt und ob es sich im einzelnen gegenüber bestimmten anderen Interessen durchsetzen lässt, ist eine Frage, die nicht abstrakt zu beantworten ist, sondern das Ergebnis differenzierter Wertungsvorgänge im Einzelfall476. Schließt man hingegen umweltbeeinträchtigendes Handeln bereits aus dem Schutzbereich der Freiheitsgrundrechte aus, gefährdet man das abgestufte System der Grundrechte477. Insbesondere dem Art. 20a GG lässt sich keine unmittelbare immanente Grundrechtsbegrenzung entnehmen478; andere grundgesetzliche Vorschriften, mit denen sich eine derartige Einengung des grundrechtlichen Schutzbereichs begründen ließe, sind nicht ersichtlich. Die Herausnahme der Nutzung von Umweltgütern aus dem Schutzbereich der Freiheitsrechte beinhaltet auch die Gefahr, bestehende Schrankenprobleme zu umgehen oder zu ignorieren, indem sie die Problematik von der Schranken- auf die Tatbestandsebene bzw. auf die grundrechtsimmanenten Schranken verlagert479. Eine solche Verlagerung würde das rechtsstaatliche Korrektiv des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes außer Kraft setzen und die vom Bundesverfassungsgericht und der Literatur erarbeitete Schrankendogmatik aushebeln480.
472 473 474
475
476 477 478 479
480
Dietrich Murswiek, DVBl. 1994, 77 (84); ähnl. ders., NVwZ 1996, 417 (421). Dietrich Murswiek, DVBl. 1994, 77 (83). Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 106; vgl. auch Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 140. Diese Konsequenz vermeidet der oben angesprochene Ansatz von Michael Kloepfer/ Hans-Peter Vierhaus, in: Kloepfer (Hrsg.), Anthropozentrik, Freiheit und Umweltschutz (1995), 29 (33), der jedoch zu neuen Abgrenzungsproblemen führt, wann eine Umweltschädigung als gemeingefährlich zu qualifizieren ist. Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 106. Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 140 f. Tzung-Jen Tsai, ibid., S. 137. Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 107; Michael Kloepfer/ Hans-Peter Vierhaus, in: Kloepfer (Hrsg.), Anthropozentrik, Freiheit und Umweltschutz (1995), 29 (39). Michael Kloepfer/Hans-Peter Vierhaus, ibid., 29 (41 f.); Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 158.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
269
Schließlich basieren diese Ansätze auf der Fiktion, der Staat stelle die Umweltgüter gleichermaßen als Leistung zur Verfügung. Zudem ergeben sich Unklarheiten, ab welchem Maß an Umweltnutzung der Schutzbereich der Freiheitsrechte nicht mehr offen stehen soll481. Im Ergebnis bleibt es somit dabei, dass auch der Konsum und die Gefährdung von Umweltgütern in den Schutzbereich der Freiheitsgrundrechte fallen. Die Reichweite des Schutzes lässt sich im Rahmen einer Einzelfallabwägung unter Einbeziehung des relevanten Schutzbereichs, der Schranken und der Verhältnismäßigkeit feststellen482.
3. Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen zum Schutze der Umwelt insbesondere für künftige Generationen Wie im einzelnen noch zu zeigen sein wird483, kann die Allokation von Emissionszertifikaten in Verbindung mit dem Emissionshandelssystem nicht nur in europäische, sondern auch in nationale Grundrechte der Anlagenbetreiber eingreifen. Die Rechtfertigung derartiger Grundrechtseingriffe erfolgt bei umweltrechtlichen Instrumenten nicht zuletzt auf der Grundlage grundrechtlicher Schutzpflichten. Die an dieser Stelle näher erläuterten Schutzpflichten sind als eingriffslegitimierende Zwecke von besonderem Gewicht, da sie direkt aus dem Grundgesetz ableitbar sind. Für die Verteilungsfragen wie sie sich bei der Allokation von Emissionsberechtigungen stellen, haben Schutzpflichten üblicherweise nur eine sekundäre Bedeutung, da hier regelmäßig Fragen der Effizienz oder der Wirtschaftslenkung im Vordergrund stehen484. Dennoch haben sie bei der Verteilung von CO2Zertifikaten häufig großen Einfluss auf die Motivation des Gesetzgebers, weil es hier erforderlich ist, nicht nur auf die unmittelbaren Wirkungen der Allokation zu achten, sondern auch auf ihre Signalwirkungen über längere Perioden hinaus. Sofern sich also der Gesetzgeber zur Rechtfertigung einer Allokationsentscheidung auf seine grundrechtlichen Schutzpflichten oder seine Schutzpflichten aus Art. 20a GG beruft, gehen diese im Rahmen der Rechtfertigung in die Grundrechtsprüfung ein. Aufgrund der langfristigen Wirkung des Klimaschutzes kommen seine Wirkungen vielfach erst kommenden Generationen zugute, so dass sich beim Emissionshandel als Instrument des Klimaschutzes in besonderem Maße die Frage stellt, wie die Rechte künftiger Generationen in die Prüfung der Grundrechte heutiger Grundrechtsträger Eingang finden können. Ein zusätzliches Problem stellt die Begrenztheit heutiger Erkenntnisse über Detailzusammenhänge bei klimaverändernden Prozessen dar. Bei der folgenden Erörterung der Rechte künftiger Generationen werden Fragen kollidierender Rechte heute lebender Menschen als 481 482 483 484
Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 68 f. Vgl. Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 143, 145. S. u. S. 282 ff. Vgl. Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 398.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
Vergleichsgruppe gleichermaßen vorausgesetzt und mitgeprüft. Eine weiterreichende Prüfung ihrer Rechte in abstracto unterbleibt daher. a) Klimaveränderung als Zukunftsrisiko Die Risiken, die künftigen Generationen heute auferlegt werden, haben eine neue Qualität erlangt und unterscheiden sich aufgrund ihres Umfangs, ihrer Persistenz und ihrer praktischen Irreversibilität erheblich von früheren generationenübergreifenden Auswirkungen485. Klimaveränderungen stellen eine langfristige Entwicklung dar, die sich über Generationen vollzieht, aber nicht spontan umzukehren ist. In ihrem vollen Ausmaß treffen die Probleme möglicherweise nicht mehr die heute lebenden Personen, sondern insbesondere zukünftige Generationen. Es handelt sich hierbei um spezifische Langzeitrisiken486, da Treibhausgase nur langsam in der Atmosphäre abgebaut werden können und sich dort anreichern, bis schließlich eine kritische Konzentration erreicht ist487. Die Klimaänderung erfolgt schleichend; die Temperaturerhöhungen bewegen sich lange Zeit in einem Rahmen, der noch natürlich sein könnte. Ökosysteme beginnen sich zunächst kaum merklich zu verändern488. Bereits heute geht die Wissenschaft nicht mehr davon aus, den Klimawandel als solchen verhindern zu können. Das Ziel, das die aktuelle Klimapolitik verfolgt, besteht darin, das Ausmaß der Erwärmung sowie ihre Geschwindigkeit zu bremsen und nach Möglichkeit ein Ansteigen der globalen Durchschnittstemperatur um mehr als 2 °C zu vermeiden489. b) Das Problem der Begrenztheit wissenschaftlicher Erkenntnis Der Klimaschutz ist ein klassisches Beispiel für die Begrenztheit wissenschaftlicher Erkenntnis, wenn es darum geht, die Auswirkungen unseres heutigen Verhaltens für die Zukunft zu prognostizieren. Typischerweise bauen Vorhersagen für die Zukunft auf vorhandenen Erfahrungen auf490. Dabei vertraut man einerseits auf eine gewisse Kontinuität der Erfahrung, andererseits muss man jedoch auch mögliche atypische Prozesse einkalkulieren491. Je langfristiger die Prozesse sind, die es zu vermeiden gilt, desto größer ist die kognitive Unsicherheit, in der Entscheidungen gefällt werden müssen. Gerade im Bereich der Umwelt sind Prognosen mit besonderen Schwierigkeiten behaftet: es geht um die Interaktion komplexer und dynamischer Systeme, die „abwechselnd von Chaos und Ordnung beherrscht
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487 488 489 490 491
Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 71. Dazu Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 85. Zur Langzeitverantwortung aus ethischer Sicht Carl-Friedrich Gethmann, in: Gethmann/ Kloepfer/Nutzinger, Langzeitverantwortung im Umweltstaat, (1993), S. 1 ff. passim. Vgl. Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 18. Zu den Konsequenzen der Erwärmung bereits o. S. 27 ff. Zu den klimapolitischen Mindestzielen s.o. S. 12 ff. Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 26. Vgl. Daniela von Bubnoff, ibid., S. 26; Evelyn Hagenah, in: Grimm (Hrsg.), Staatsaufgaben (1994), 487 (489).
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
271
sind“492. Überschaubare, nachvollziehbare Zusammenhänge sind hier eher die Ausnahme als die Regel, so dass exakte Prognosen häufig nicht möglich sind. Diese Unsicherheit wird zum Problem, sobald es um die Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen zum Zwecke des Umweltschutzes geht. Naturgemäß stößt die Abwägung von beeinträchtigten und geschützten Rechtsgütern auf Probleme, wenn die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge unklar sind. Daher spielt für den Klimaschutz wie im gesamten Umweltrecht der über Art. 20a GG verfassungsrechtlich fundierte Vorsorgegrundsatz493 eine wichtige Rolle; er soll für Konstellationen wissenschaftlicher Unsicherheit eine vorsorgende Zukunftsgestaltung ermöglichen und lässt daher gewisse Abweichungen vom Verhältnismäßigkeitsprinzip traditioneller Art zu494. Es ist erforderlich, die Kriterien der Verhältnismäßigkeit für derartige Konstellationen neu zu definieren und „an der Aufgabe einer wertenden Risikobalancierung und Ressourcenvorsorge [auszurichten]“495. Dies gilt insbesondere, wo Kausalzusammenhänge nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden können: So ist eine Vorsorgemaßnahme nicht bereits deshalb ungeeignet, weil noch wissenschaftliche Unsicherheiten bestehen, und auch die Begründungsanforderungen an ein milderes Mittel müssen im Interesse wirksamer Vorsorge erhöht werden496. Soweit dies möglich ist, sind als Entscheidungsgrundlage wissenschaftliche Maßstäbe und Wahrheitskriterien heran zu ziehen497. Im Rahmen der risikobezogenen Vorsorge kann das Umweltrecht jedoch darauf abzielen, Schadenspotentiale zu reduzieren, die dem Risikobereich zuzuordnen sind, mangels auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhender „hinreichender Wahrscheinlichkeit“ jedoch nicht unter den Gefahrenbegriff fallen498. Es überschreitet daher die mit dem polizeirechtlichen Gefahrenbegriff verbundene Grenze und erfasst auch Risiken, die einerseits nicht als Gefahren qualifizierbar sind, andererseits aber auch nicht hingenommen werden sollen499. Bei der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen zu Umweltschutzzwecken führen diese Vorgaben zu einem weiten Einschätzungs- und Beurteilungsvorrang des Staates. Solange wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die die staatlicherseits zugrunde gelegten Annahmen stützen, ist bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung davon auszugehen, dass diese zutreffen.
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494 495 496 497 498 499
Rainer Wahl/Ivo Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), S. 1 (4). Zu seinem Inhalt s. etwa ausführl. Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 176 ff. Rainer Wahl/Ivo Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), 1 (55). Rainer Wahl/Ivo Appel, ibid., 1 (55). Rainer Wahl/Ivo Appel, ibid., 1 (4). Rainer Wahl/Ivo Appel, ibid., 1 (86). Rainer Wahl/Ivo Appel, ibid., 1 (89). Rainer Wahl/Ivo Appel, ibid., 1 (91); Evelyn Hagenah, in: Grimm (Hrsg.), Staatsaufgaben (1994), 487 (490); ähnlich Dietrich Murswiek, Risiken der Technik, S. 337 ff. speziell zu § 5 I BImSchG.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
c) Subjektive Rechte künftiger Generationen als kollidierendes Verfassungsrecht? Bei sich nur langfristig auswirkenden Prozessen ist fraglich, ob sie überhaupt noch unter Berufung auf die Rechte heute lebender Personen gerechtfertigt werden können. Geht es ausschließlich darum, die Lebenschancen künftiger Generationen zu schützen, müssen deren Rechte zur Rechtfertigung der Grundrechtseingriffe herangezogen werden. Voraussetzung dafür wäre, dass künftige Generationen bereits heute Rechtsträger sein können. Subjektive Rechte knüpfen jedoch ihrerseits nach ganz herrschender Auffassung an die individualisierte Existenz ihres Rechtsträgers an und setzen diese daher voraus500. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehört es zum Wesen eines Rechts, dass die Rechtsmacht wenigstens potentiell von einem bestimmten Willensträger ausgeübt werden kann501. Dies hat zur Folge dass zwar schon gezeugte, aber noch ungeborene Personen u. U. subjektive Rechte geltend machen können, da hier bereits eine gewisse Individualisierbarkeit vorliegt502. Für die Menschen kommender Generationen fehlt es an dieser Individualisierbarkeit, so dass sie nicht Träger subjektiver Rechte sein können. Mangels Rechtsträgerschaft kommt auch eine treuhänderische Wahrnehmung ihrer Rechte durch heute lebende Personen nicht in Betracht503. Daher ist es nicht möglich, aber – wie noch zu zeigen sein wird – auch nicht erforderlich, die Grundrechte künftiger Generationen zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen heranzuziehen. d) Grundrechtliche Schutzpflichten gegenüber künftigen Generationen Mangels subjektiver Rechte künftiger Generationen können zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen zu Umweltschutzzwecken objektive staatliche Schutzpflichten herangezogen werden. Sofern sich also der Gesetzgeber zur Rechtfertigung einer Allokationsentscheidung auf seine grundrechtlichen Schutzpflichten oder seine Schutzpflichten aus Art. 20a GG beruft, gehen diese im Rahmen der Rechtfertigung in die Grundrechtsprüfung ein. Staatliche Schutzpflichten könnten einen gegenüber den Abwehrrechten weiterreichenden Schutz sowohl heute als auch künftig lebender Menschen begründen. Wegen ihrer besonderen Bedeutung für zukünftige Generationen werden solche subjektiven Rechte auch als Zukunftsrechte bezeichnet504. Die dogmatische Figur der Schutzpflicht wird herangezogen,
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Michael Kloepfer, in: Gethmann/Kloepfer/Nutzinger, Langzeitverantwortung im Umweltstaat (1993), 22 (26 f.); Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 48. Aus ethischer Sicht ebenso Dieter Birnbacher, Verantwortung für zukünftige Generationen (1988), S. 99. BVerfGE 30, 173 (194) – Mephisto. Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 48. Daniela von Bubnoff, ibid., S. 48. Felix Ekardt, Zukunft in Freiheit (2004), S. 143 ff., der diese Rechte vorwiegend philosophisch begründet.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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wenn Grundrechtsgefährdungen nicht als Eingriffe zu qualifizieren sind505. Sie betrifft das rechtlich gebotene Verhalten des Staates angesichts Gefährdungen oder Verletzungen grundrechtlich geschützter Güter durch nicht-staatliche Gefahrenquellen und somit Situationen, in denen die Abwehrfunktion der Grundrechte keinen Schutz gewähren kann506. Der Klimaschutz mit seinen im einzelnen schwer prognostizierbaren, die Allgemeinheit treffenden Folgen ist ein derartiger Bereich par excellence. aa) Herleitung staatlicher Schutzpflichten Obwohl weitgehende Einigkeit über ihre Existenz besteht, erfolgt die Herleitung der Schutzpflichten nicht einheitlich507. Das Bundesverfassungsgericht begründet staatliche Schutzpflichten seit der Lüth-Entscheidung508 in ständiger Rechtsprechung mit der objektiven Dimension der Grundrechte, die über ihren Abwehrgehalt hinausgehende Wirkungen begründen sollen und so staatlichen Schutz vor Beeinträchtigungen durch private Dritte gewährleisten509. Auch in der Literatur hat dieser Ansatz der Herleitung von Schutzpflichten aus der objektiven Dimension der Grundrechte viel Zuspruch gefunden und ist dogmatisch diskutiert und verfeinert worden510. Andere Stimmen leiten aus Art. 1 I, II i. V. m. Art. 2 II GG die objektive Verpflichtung des Staates her, um der Menschenwürde willen die Grundrechte auch künftiger Generationen zu schützen511. Ein gewisses Mindestschutzniveau dürfe der Staat auch im Hinblick auf künftige Generationen nicht unterschreiten. Wenn man jedoch die Menschenwürde nicht überstrapazieren will, ist die Konsequenz aus dieser Herleitung eine sehr restriktive Auslegung der Schutzpflichten. Weiter besteht ein Ansatz zur dogmatischen Begründung staatlicher Schutzpflichten darin, sie über die hinter allen Grundrechten stehende Staatsaufgabe „Sicherheit“ zu begründen512. Diese Staatsaufgabe bilde, ohne ausdrücklich geregelt
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Zur Schutzpflicht in den atomrechtlichen Entscheidungen des BVerfG s. Ralf Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte (2003), S. 294, 296. Zum Verhältnis zwischen Schutzpflichten und Abwehrrechten s. ibid., S. 381 ff. Eckart Klein, NJW 1989, 1633. Überblick bei Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 312 ff.; Peter Szczekalla, Die sogenannten grundrechtlichen Schutzpflichten im deutschen und europäischen Recht (2002), S. 247 ff. BVerfGE 7, 198 (205) – Lüth. Vgl. auch BVerfGE 39, 1 (41 f.) – Fristenlösung; BVerfGE 49, 89 (141 f.) – Kalkar; BVerfGE 53, 30 (57) – Mülheim-Kärlich. S. beispielsweise Peter Unruh, Zur Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten (1996), S. 50 ff.; Michael Dolderer, Objektive Grundrechtsgehalte (2000), S. 177 ff.; Ernst-Wolfgang Böckenförde, in: ders., Staat, Verfassung, Demokratie (1992), 159 (173 ff.); Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 45. So etwa Albert Bleckmann, DVBl. 1988, 938 (942). Josef Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V (1992), § 111 Rz 83 ff.; Eckart Klein, NJW 1989, 1633 (1635 f.); daran anknüpfend Wolfram Cremer, Freiheitsgrundrechte (2003), S. 258 ff.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
werden zu müssen, einen wesentlichen Bestandteil der materiellen Verfassung513. Sie diene dem Ziel, durch das materielle Recht und ein faires Verfahren staatlichen Rechtsschutzes anarchischen Tendenzen und den Gefahren der Selbstjustiz entgegen zu wirken und so sicherzustellen, dass die Grundrechte nicht allein dem Störer zugute kommen514. Nur die Tatsache, dass der Staat seinen Bürgern Schutz gewährleistet, rechtfertige das staatliche Gewaltmonopol515. Schließlich gibt es Stimmen, die die staatlichen Schutzpflichten unmittelbar aus der Abwehrfunktion der Grundrechte ableiten. Dem Staat werden die schädigenden Handlungen privater Dritter ähnlich unmittelbaren staatlichen Eingriffen in die Grundrechte zugerechnet516. Für den Bereich des Umweltschutzes, für den dieser Ansatz primär entwickelt wurde, bedeutet dies, dass durch Private verursachte Umweltschäden unmittelbar dem Staat zugerechnet werden könnten, der nach dieser Konstruktion in die Grundrechte der Geschädigten eingreift517. Da der Staat die objektive Pflicht hat, die grundrechtlichen Schutzgüter zu achten und vor Eingriffen Dritter zu schützen, müsse sich diese Pflicht auch in die Zukunft erstrecken. Für die hier vorgenommene, sehr abstrakt gehaltene Darstellung der Schutzpflichten als Rechtfertigungsgrund für Grundrechtseingriffe kommt es regelmäßig nicht entscheidend darauf an, welcher der dargestellten Theorien man sich anschließt. Im Einzelfall mag die Reichweite einer Schutzpflicht je nach ihrer Herleitung variieren. Hier jedoch sei vorerst nur festgehalten, dass die Existenz grundrechtlicher Schutzpflichten weitestgehend unangefochten ist. bb) Schutzpflichten gegenüber künftigen Generationen Dadurch, dass eine Anbindung der Schutzpflichten an subjektive Rechte bestimmter Personen nicht erforderlich ist, können staatliche Schutzpflichten auch gegenüber zukünftigen Generationen bestehen, die noch nicht als Rechtsträger qualifizierbar sind. Diese Möglichkeit wird unabhängig von der dogmatischen Herleitung dieser Schutzpflichten nahezu allgemein anerkannt518; am leichtesten fällt die Begründung dieses Ergebnisses, wenn die Schutzpflichten auf die objektive Di-
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Josef Isensee, ibid., § 111 Rz 83; vgl. auch Christoph Link, VVDStRL 48 (1990), 7 (27 ff.). Josef Isensee, ibid.,, § 111 Rz 85. Eckart Klein, NJW 1989, 1633 (1636); Udo Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat (1994), S. 43. S. etwa Dietrich Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik (1985), S. 106 ff. Ähnlich neuerdings Peter Szczekalla, Schutzpflichten (2002), S. 390 ff. Dazu kritisch Robert Alexy, Theorie der Grundrechte (1985), S. 416 ff.; Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 201 ff. Dazu auch Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 202. So z. B. für die abwehrrechtliche Herleitung Dietrich Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik (1985), S. 207 ff., 215 ff.; für die Herleitung aus der objektiven Dimension der Grundrechte Daniela v. Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 49; für die Ableitung aus der Staatsaufgabe Sicherheit Josef Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR V (1992), § 111 Rz 95.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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mension der Grundrechte gestützt werden519. Als objektive Pflichten zum Schutz individueller Rechtsgüter greifen grundrechtliche Schutzpflichten auch da, wo noch keine Rechtsträger individualisierbar sind520. Somit wird der Schutz künftiger Generationen zum Testfall, wie ernst die Begründung objektiv-rechtlicher Grundrechtswirkungen gemeint ist. cc) Inhalt und Umfang der Schutzpflichten (1) Grundsätzliches Erkennt man die Existenz von Schutzpflichten gegenüber zukünftiger Generationen also grundsätzlich an, stellt sich die Frage, in welchem Umfang sie bestehen. Schutzpflichten bestehen nicht nur bei der Rechtsanwendung, sondern vor allem auch bei der Rechtssetzung521. Dabei orientiert sich der materielle Inhalt der Schutzpflicht am effektiven Schutz des jeweiligen Grundrechtsgutes522. Voraussetzung für die Entstehung staatlicher Schutzpflichten sind Anhaltspunkte für eine Gefährdung individueller Rechtsgüter; die Gefährdung von Gütern der Allgemeinheit beispielsweise durch Umweltprobleme allein genügt nicht523. Da die Belange künftiger Generationen heute häufig noch nicht als Individualrechtsgüter qualifizierbar sind524, scheitert hieran vielfach die Belegbarkeit staatlicher Schutzpflichten. Aber selbst wenn gefährdete Individualgüter benannt werden können, werden Schutzpflichten dadurch maßgeblich relativiert, dass dem Gesetzgeber bei der Erfüllung seines Schutzauftrags eine weitreichende, gerichtlich nur in begrenztem Umfang überprüfbare Entscheidungsprärogative eingeräumt wird525: Eine Verletzung der Schutzpflicht soll lediglich dann feststellbar sein, wenn die staatlichen Organe völlig untätig geblieben sind oder die getroffenen Maßnahmen evident unzureichend sind526. Da die interessantesten Fragen eher das „Wie“ der Aufgabenerfüllung betreffen als die Entscheidung, ob der Gesetzgeber überhaupt tätig werden muss, lässt sich eine Pflicht, konkrete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, in den seltensten Fällen belegen. Diese Konsequenz ist aus verfassungsrechtlicher und verfassungssystematischer Sicht jedoch unproblematisch, da sie lediglich politische Spielräume deut-
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Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 117; Peter Szczekalla, Schutzpflichten (2002), S. 290: „geradezu zwingend“. Vgl. Ivo Appel, ibid., S. 118; Peter Szczekalla, Schutzpflichten (2002), S. 290. Eckart Klein, NJW 1989, 1633 (1637). Robert Alexy, Theorie der Grundrechte (1985), S. 411; Eckart Klein, NJW 1989, 1633 (1637). Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 51. Daniela von Bubnoff, ibid., S. 51. BVerfGE 77, 170 (214 f.) – Lagerung von C-Waffen; 79, 174 (202) – Straßenverkehrslärm; Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 113. BVerfGE 77, 170 (215) – Lagerung von C-Waffen; 79, 174 (202) – Straßenverkehrslärm; BVerfG NJW 1996, 651 (652) – Geschwindigkeitsbeschränkungen; NJW 1998, 3264 (3265) – Waldsterben. Krit. Rudolf Steinberg, NJW 1996, 1985 (1988).
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lich macht, die Voraussetzung für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Parlament und Verfassungsgerichtsbarkeit sind527. (2) Schutz von Leben und Gesundheit Schutzpflichten bestehen unangefochten in Bezug auf das Grundrecht auf Leben und Gesundheit nach Art. 2 II 1 GG, jedenfalls sofern ein Risiko für Leben und Gesundheit heute oder in der Zukunft offensichtlich und verhältnismäßig sicher erscheint. Diese Schutzpflicht für Leben und Gesundheit seiner Bürger verlangt vom Staat heute, Handlungen zu unterlassen, von denen zu befürchten steht, dass sie kommende Generationen Not leiden lassen, sie anthropogenen oder natürlichen Übeln wie beispielsweise Krankheiten, Verseuchungen, Verwüstungen ausliefern oder sie sonst zu einem menschenunwürdigen Leben zwingen528. Ähnlich wie die häufig in diesem Zusammenhang diskutierte Vergleichsproblematik der Endlagerung radioaktiver Stoffe529 gibt auch der Klimawandel erheblichen Anlass zur Besorgnis. Die Prognosen für den Ernstfall zeigen dramatische Szenarien auf: Naturkatastrophen, unzureichende Nahrungsversorgung, Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung, sich gen Norden ausbreitende Krankheitserreger und Flüchtlingsströme530. An der Pflicht des Staates, seine Bürger soweit ihm dies eben möglich ist vor derartigen Klimakatastrophen zu schützen, kann kein Zweifel bestehen. Problematischer ist jedoch, worin diese staatliche Schutzpflicht besteht. Der Staat muss zwar (mindestens) ein effektives Mittel einsetzen, jedoch kommt ihm bei der Auswahl dieses Mittels sowie bei der Prognose über dessen Erfolgsaussichten ein weiter Spielraum zu. Dies gilt umso mehr, wenn wie im Falle des Klimawandels keine exakte wissenschaftliche Klarheit über Details der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge besteht. Wissenschaftlich gesichert dürfte zwar inzwischen sein, dass die Treibhausgasemissionen die Erderwärmung befördern531. Unklarheit besteht jedoch darüber, wie schnell dieser Prozess voranschreitet, welches die kritischen Konzentrationswerte sind und durch welche Maßnahmen die Erwärmung gebremst werden kann.
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Rainer Wahl/Ivo Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), 1 (70, Fn. 205). Dieter Birnbacher, Verantwortung für künftige Generationen (1988), S. 206. Michael Kloepfer, in: Kloepfer (Hrsg.), Anthropozentrik, Freiheit und Umweltschutz (1995), 1 (18), spricht davon, dass Art. 2 II GG auch ein ökologisches Existenzminimum gewährleistet, Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 52. Zu den befürchteten und bereits eingetretenen Auswirkungen einer globalen Erwärmung bereits o. S. 27 ff. Zweifel könnte man allenfalls haben, ob diese Auswirkungen tatsächlich in absehbarer Zeit in Deutschland spürbar sein werden. Die Lebenssituation von Menschen in anderen Ländern spielt für Schutzpflichten des deutschen Staates keine Rolle. Allerdings wird man davon ausgehen dürfen, dass eine weltweite Nahrungsknappheit, Flüchtlingsströme und Krankheitsepidemien auch die westlichen Industriestaaten und somit auch Deutschland bedrohen würden. Zum anthropogenen Treibhauseffekt und zu den Konsequenzen der globalen Erwärmung ausführl. s. o. S. 24 ff.
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Der staatliche Spielraum bei der Erfüllung der Schutzpflichten bezieht sich einerseits auf eine Effektivitätsprognose hinsichtlich der gewählten Maßnahme, andererseits auch auf die normative Abwägung532. Während in den Naturwissenschaften inzwischen konkrete Zeiträume diskutiert werden533, innerhalb derer weitgehend akzeptierte Emissionsminderungsvorgaben erreicht sein müssen, wird die Herleitung konkreter Schutzpflichten schließlich durch eine weitere Komplikation erschwert: Diese Minderungsvorgabe benennt lediglich die global erforderlichen Einsparungen, kann naturgemäß jedoch keine Aussage über ihre Verteilung auf die einzelnen Staaten treffen. Zudem hat der einzelne Staat keinen Einfluss auf das Emissionsverhalten seiner Nachbarstaaten und läuft so Gefahr, dass seine Reduktionsbemühungen durch Mehremissionen anderer Staaten zunichte gemacht werden. Derartige globale Problematiken können auf Ebene des nationalen Rechts nur sehr bedingt gelöst werden; dennoch wird man für die nationale Ermittlung von Schutzpflichten letztlich eine prozentuale Verantwortung aller Staaten zugrunde legen müssen. Diese staatliche Schutzpflicht kann zwar nicht als subjektives Recht geltend gemacht werden, ist jedoch geeignet, Eingriffe in die Grundrechte der für den Ausstoß von Treibhausgasen verantwortlichen Anlagenbetreiber zu rechtfertigen. (3) Irreversible Risiken Zudem könnte der Klimawandel zu einer weiteren Gruppe von Fällen zählen, in denen staatliche Schutzpflichten aus Art. 2 II GG bestehen: Es könnte sich bei den Klimaveränderungen um ein irreversibles Risiko534 handeln. Die Auferlegung von irreversiblen Risiken ist immer dann unzulässig, wenn jene das Überleben zukünftiger Generationen oder jedenfalls ihre menschenwürdige Existenz gefährden535. Auch wenn das Gefährdungspotential nicht ganz so hoch ist, lassen sich irreversible Risiken nur rechtfertigen, wenn die zugrunde liegende Maßnahme erforderlich ist und ihr Zweck nicht durch ein milderes Mittel zu erreichen gewesen wäre536. Äußerungen aus der Wissenschaft zufolge steht zu befürchten, dass ein einmal begonnener Klimawandel ab dem Überschreiten bestimmter Schwellen auf lange Zeit hin nicht mehr aufzuhalten ist537. Zwar mag der Klimawandel an sich gerade in Deutschland nicht wirklich existenzgefährdend für ganze Generationen sein. Dennoch kann er tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen und jedenfalls für 532 533
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Robert Alexy, Theorie der Grundrechte (1985), S. 423. Ausführlich hierzu neuerdings der 3. Teil des IPCC-Berichts, Climate Change 2007: Mitigation of Climate Change, Summary for Policymakers (Mai 2007), insbes. S. 22 ff. zu unterschiedlichen denkbaren Reduktionspfaden. Hierzu Michael Kloepfer, in: Gethmann/Kloepfer/Nutzinger, Langzeitverantwortung im Umweltstaat (1993), 22 (34). Michael Kloepfer, in: Gethmann/Kloepfer/Nutzinger, Langzeitverantwortung im Umweltstaat (1993), 22 (34); vgl. hierzu aus ethischer (utilitaristischer) Sicht Dieter Birnbacher, Verantwortung (1988), S. 208 ff. Michael Kloepfer, ibid., 22 (34). IPCC, Climate Change 2007: Mitigation of Climate Change, Summary for Policymakers (Mai 2007), S. 28.
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einzelne Personen und Personengruppen existenz- oder gar lebensbedrohliche Ausmaße entwickeln. Zudem birgt er die Gefahr globaler Migrationsströme und politischer Verwerfungen, die mittelbar auch die klimatisch weniger schwer betroffenen Staaten bedrohen. Aus diesem Grund ist eine staatliche Schutzpflicht auch wegen der mit dem Klimawandel verbundenen irreversiblen Risiken anzunehmen. Dem Staat kommt jedoch auch hier ein weitreichender Ermessens- und Beurteilungsspielraum zu, wie dieser Schutz verwirklicht werden soll. (4) Eigentumsschutz Schließlich ist in Konstellationen, in denen bereits relativ klar absehbar ist, dass und wo Eigentumsschäden durch auf den Klimawandel zurückgehende Umwelteinflüsse entstehen werden, denkbar, dass auch eine Schutzpflicht des Staates für die betroffenen Eigentümer besteht. Gegenüber der oben dargelegten Schutzpflichten für Leben und Gesundheit dürften die eigentumsrechtlichen Schutzpflichten jedoch in Reichweite und Intensität nachrangig sein. (5) Fazit Soweit Allokationsregelungen jedenfalls auch dem Klimaschutz zu dienen bestimmt sind, können von ihnen ausgehende Eingriffe in die Grundrechte der Anlagenbetreiber durch staatliche Schutzpflichten auch und gerade gegenüber künftigen Generationen gerechtfertigt werden. Angesichts der erheblichen Risiken des Klimawandels lassen sich diese Schutzpflichten ebenso auf den Schutz von Leib und Leben wie den Schutz der Bevölkerung vor irreversiblen Risiken stützen. Relevant wird diese Erwägung insbesondere bei Allokationsregeln, die eine Umstellung der Wirtschaft auf weniger treibhausgasintensive Techniken bewirken sollen und deshalb die Marktsituation derartiger Anlagen verbessert. Hinter derartigen Erwägungen steht vor allem das Ziel, Einfluss auf das längerfristige Emissionsminderungspotential zu nehmen und bei Neuanlagen auf Verwendung effizienter Technik und sparsamen Einsatz fossiler Brennstoffe hinzuwirken. e) Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen nach Art. 20a GG Grundrechtseingriffe durch Allokationsregeln lassen sich auch dann rechtfertigen, wenn sie der Verwirklichung von Staatszielen dienen. Soweit Allokationsregeln im Zertifikatehandel dem Klimaschutz dienen sollen, kommt für ihre Rechtfertigung der Rückgriff auf Art. 20a GG im Betracht. Dabei ergänzt die Schutzverpflichtung aus Art. 20a GG bereits bestehende Ansprüche aus den sonstigen staatlichen Schutzpflichten538, insbesondere wo die Auswirkungen umweltbelastenden Handelns nicht hinreichend konkret sind, um durch grundrechtliche Schutzpflichten für künftige Generationen zu begründen. Art. 20a GG schützt die natürlichen Lebensgrundlagen und dient daher der Verwirklichung des Nachhaltigkeitsgedankens im Grundgesetz.
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Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 53.
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aa) Das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung und seine Verankerung in Art. 20a GG Wenn es um die Vermeidung von Umweltschäden geht, ist in den letzten Jahren zunehmend von Nachhaltigkeit oder nachhaltiger Entwicklung die Rede539. Ein Nachhaltigkeitsprinzip wird parallel zum Völker- und Europarecht auch im nationalen Recht diskutiert. Begründet wurde der Begriff der Nachhaltigkeit im 19. Jahrhundert in der Forstwirtschaft540. Sein Kern ist das Postulat, so zu wirtschaften, dass stabile Lebensgrundlagen für künftige Generationen gewährleistet sind und ihre Bedürfnisse gewahrt werden541. Das Nachhaltigkeitskonzept begründet Schutzpflichten des Staates gegenüber künftigen Generationen unabhängig von der umstrittenen Frage, ob letzteren eigene subjektive Rechte zukommen können542. Es schützt zwar grundsätzlich alle künftigen Generationen, allerdings wird man das Schutzniveau aufgrund des zeitlichen Abstands und der erheblichen Prognoseunsicherheiten543 vorsichtig „diskontieren“ müssen, so dass die Verpflichtungsintensität gegenüber weiter entfernten Generationen abnimmt544. Das Nachhaltigkeitsprinzip ist jedoch inhaltlich wenig konkret und mehr ausgestaltungsbedürftige Leitlinie als konkretes Handlungsprogramm545, weshalb zumindest fraglich erscheint, ob allein daraus konkrete Rechtsfolgen hergeleitet werden können546. Hauptsächlich beinhaltet es einen Handlungsauftrag an den Gesetzgeber und dient als Rechtfertigung sowie Verhältnismäßigkeitsmaßstab für mit dieser Rechtsetzung einhergehende Grundrechtseingriffe547. Dabei legt seine Zielsystematik in den meisten Fällen ein Nutzungs-, Bewirtschaftungs- oder Verteilungsregime nahe und fördert dadurch nicht zuletzt die Einführung marktbezogener ökonomischer Instrumente548. Gegenüber dem klassischen Umweltrecht betont das Nachhaltigkeitskonzept die Zielbildung, -festlegung und -verwirklichung. Die zu 539
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Zum Begriff der Nachhaltigkeit Holger Rogall, Neue Umweltökonomie (2002), S. 41 ff.; zur Nachhaltigkeit im Europarecht s.o. S. 205 ff. Holger Rogall, Neue Umweltökonomie (2002), S. 41. Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 329; dazu auch Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 497 ff. Ivo Appel, ibid., S. 330. Zur Nachhaltigkeit als Prognoseproblem s. Robert Constanza et al., Einführung in die ökologische Ökonomik (2001), S. 117. Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 330 f.; vgl. hierzu aus dem ökonomischen Schrifttum Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 123 f.; zur philosophischen und ökonomischen Sicht aus ethischer Perspektive auch Dieter Birnbacher, Verantwortung (1988), S. 87 ff. Kritisch demgegenüber Holger Rogall, Neue Umweltökonomie (2002), S. 65 f., der befürchtet, dass eine Diskontrate zur Unterschätzung massiver, zeitlich jedoch noch entfernter Schäden und zum Verzicht auf Vorsorgemaßnahmen führt. Ivo Appel, ibid., S. 430. Teilweise werden jedoch Management-Regeln aufgestellt, die die zentralen Parameter ökologisch nachhaltigen Wirtschaftens erfassen sollen. Hierzu Michael Bäuerle, in: Lange (Hrsg.), Nachhaltigkeit im Recht (2003), 225 (228). Charlotte Kreuter-Kirchhof, Neue Kooperationsformen (2005), S. 505. Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 334. Ivo Appel, ibid., S. 358 f.
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erreichenden Umweltziele sollen möglichst präzise benannt und verrechtlicht werden, während das zu ihrer Erreichung verwendete Instrumentarium möglichst offen und flexibel eingesetzt werden soll549. Es hat sich zudem in konkreten Vorschriften niedergeschlagen, an prominentester Stelle in Art. 20a GG, der mit seiner Langfristperspektive und dem ausgeprägten Ressourcenbezug zentrale Elemente des Nachhaltigkeitskonzepts aufweist550. bb) Schutzpflichten aus Art. 20a GG Mit Art. 20a GG wurde die Verantwortung gegenüber künftigen Generationen ausdrücklich in die Verfassung eingeführt551. Es handelt sich bei der Verfassungsnorm nicht um ein Grundrecht, sondern um eine objektive Staatszielbestimmung552. Art. 20a GG enthält eine objektive Rechtspflicht des Staates, den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen mit geeigneten rechtsstaatlichen Mitteln zu verwirklichen553. Er zielt nicht auf den Schutz von Individualrechtsgütern ab, sondern dient den Belangen der Allgemeinheit554. Schutz gewährleistet Art. 20a GG insbesondere gegen übergreifende, besonders langfristige Umweltprobleme wie eben auch den Klimawandel555. Umstritten ist dabei, ob Art. 20a GG die natürliche Umwelt nur insoweit schützt, als sie Lebensgrundlage des Menschen ist556, oder auch als eigenständiges Schutzobjekt557. Soweit es um die Vermeidung von Klimaveränderungen geht, bei 549
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Ivo Appel, ibid., S. 374; Michael Bäuerle, in: Lange (Hrsg.), Nachhaltigkeit (2003), 225 (230). Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 296; Michael Bäuerle, ibid., 225 (229); Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 181. Zur Bedeutung dieser Zukunftsdimension s. Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 118 ff. Zur Entstehungsgeschichte des Art. 20a GG Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 48 ff. Zu früheren Versuchen, die staatliche Verpflichtung zum Umweltschutz aus dem Sozialstaatsprinzip herzuleiten ibid. S. 180 f. Hierzu Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 94 ff. Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 53. Zum Schutzbereich der Vorschrift auch Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 77 ff. Daniela von Bubnoff, ibid., S. 53; Tzung-Jen Tsai, ibid., S. 207. Daniela von Bubnoff, ibid., S. 53. Zu Art. 20a GG als Ausprägung des Nachhaltigkeitskonzepts s. Ivo Appel, Staatliche Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 295. So Rupert Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20a, Rz 39 f. Zum sog. anthropozentrischen Ansatz aus ökonomischer Sicht s. auch Dieter Cansier, Umweltökonomie (1993), S. 16 f. Umfassend zur Diskussion um Anthropozentrik und Ökozentrik im Umweltschutz, die in den 70er und 80er Jahren aus den USA nach Europa getragen wurde, Michael Kloepfer, in: Kloepfer (Hrsg.), Anthropozentrik, Freiheit und Umweltschutz (1995), 1 (7 ff.); Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 111 ff. Sog. ökozentrischer Ansatz, so Dietrich Murswiek, NVwZ 1996, 222 (224). Aus ethischer Sicht für einen ökozentrischen bzw. biozentrischen Ansatz Laurence H. Tribe, in: Birnbacher (Hrsg.), Ökologie und Ethik (2001), S. 20 ff.; Paul W. Taylor, in: Birnbacher (Hrsg.), Ökophilosophie (1997), S. 77 ff.; dazu auch Michael Kloepfer, in: Kloep-
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denen auch mit erheblichen Einwirkungen auf die menschlichen Lebensumstände zu rechnen ist, ist dieser eher akademische Streit558 jedoch ohnehin unerheblich. Unter den Schutz der „natürlichen Lebensgrundlagen“ fallen alle natürlichen Voraussetzungen, von denen das Leben des Menschen, der Tiere und Pflanzen abhängt, d.h. ohne die ein physiologisch gesundes Leben für Menschen, Tiere und Pflanzen nicht möglich ist559. Bezweckt ist, diese Bedingungen möglichst vielen Menschen zu eröffnen und ihnen so Leben und Überleben unter menschenwürdigen und gesunden Umständen zu ermöglichen560. Zu diesen Umweltgegebenheiten gehören neben den sog. Umweltmedien u. a. auch die klimatischen Bedingungen561. Primär enthält Art. 20a GG einen Auftrag an den Gesetzgeber, Regelungen einzuführen, die den Schutz dieser Umweltbedingungen gewährleisten; es handelt sich um eine positive Handlungspflicht, den dem Art. 20a GG immanenten Gestaltungsauftrag zu aktualisieren562. Sie wird nicht erst durch den Eintritt konkreter tatsächlicher Schäden oder Beeinträchtigungen ausgelöst, sondern setzt an, sobald eine Gefahr für Schutzgüter besteht563. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dem Gesetzgeber sowohl bei der Entscheidung, ob er überhaupt Maßnahmen ergreifen will, als auch bei der Wahl des Mittels ein weiter Ermessens- und Beurteilungsspielraum zusteht564. Wie alle Staatszielbestimmungen dient auch der Art. 20a GG bei Zielkonflikten als Abwägungs- und Optimierungsdirektive; er enthält Handlungsaufträge für die Verwaltung sowie Auslegungs- und Gewichtungshinweise für Exekutive und Judikative565. Während konkrete Handlungspflichten aus Art. 20a GG mit äußerster Zurückhaltung hergeleitet werden sollten, können sich Verpflichtungen zum Tätigwerden je nach den konkreten Umständen durchaus soweit verdichten, dass das Unterlassen einer Entscheidung pflichtwidrig und da-
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fer (Hrsg.), Anthropozentrik, Freiheit und Umweltschutz (1995), S. 1 (25), der zurecht darauf verweist, dass angesichts des ausdrücklichen Verweises auf die künftigen Generationen ein rein ökozentrischer Umweltschutz ausgeschlossen ist. So Dietrich Murswiek, NVwZ 1996, 222 (224). Dietrich Murswiek, ibid., S. 224; Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S. 65. Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 295. Dietrich Murswiek, NVwZ 1996, 222 (224 f.); Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 79. Vgl. Tzung-Jen Tsai, ibid., S. 96; Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 127. Tzung-Jen Tsai, ibid.,, S. 99, zur Umweltschutzverpflichtung des Staates im Bereich der noch nicht die Gefahrenschwelle überschreitenden Risiken ibid. S. 106 ff. Daniela von Bubnoff, Schutz der künftigen Generationen (2001), S.204; vgl. Tzung-Jen Tsai, ibid., S. 154 f. unter Hinweis auf Parallelen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum gesetzgeberischen Spielraum bei der Umsetzung des Sozialstaatsprinzips. Ivo Appel, Zukunfts- und Entwicklungsvorsorge (2005), S. 95.
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mit verfassungswidrig ist566. Soweit Handlungsbedarf gegeben ist, kann der Staat seine Schutzpflicht aus Art. 20a GG somit zur Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen heranziehen. Bei der Allokation von CO2-Zertifikaten dürfte die Rechtfertigung über Art. 20a GG für dieselben Regeln in Betracht kommen, zu deren Rechtfertigung auch grundrechtliche Schutzpflichten herangezogen werden567. Allerdings ist die Rechtfertigung über Art. 20a GG etwas unproblematischer, da die hierauf gegründeten Schutzpflichten bereits nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Norm zukünftige Generationen einbeziehen und das besondere Erfordernis der Betroffenheit von Individualrechtsgütern bei den Schutzpflichten nach Art. 20a GG entfällt.
4. Die nationalen Grundrechtsgewährleistungen im Einzelnen Wenn – wie gezeigt wurde – umweltbelastendes Verhalten nicht per se aus dem Schutzbereich der Grundrechte heraus fällt568, darf ein Zertifikatehandel nur in Übereinstimmung mit den grundrechtlichen Vorgaben umgesetzt werden. Ähnlich wie die europäischen Grundrechte enthalten auch die Grundrechte des Grundgesetzes bestimmte Wertungen, die sich in einem Zertifikatehandelssystem und dort insbesondere in den relevanten Allokationsregeln niederschlagen müssen. Gleichzeitig lassen sich aus dem Grundgesetz auch keine zu detaillierten Vorgaben für den Emissionshandel herleiten. Die grundrechtlichen Gegebenheiten sollen im Folgenden für die zentrale und besonders grundrechtsrelevante Allokation ausgeleuchtet werden. a) Art. 14 GG – Eigentum aa) Schutzbereich der Eigentumsfreiheit (1) Grundsätzliches Art. 14 I 1 GG enthält sowohl ein Abwehrrecht als auch eine Institutsgarantie, die den Gesetzgeber verpflichtet, das Eigentum im Sinne eines privatnützigen Mindeststandards zu gewährleisten569. Der Schutzbereich der Eigentumsgarantie umfasst alle dem Grundrechtsinhaber zustehenden vermögenswerten Rechte jedenfalls des Privatrechts570 und darüber hinaus alle sonstigen vermögenswerten Rech566
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Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 156. Ähnl. unter Bezug auf das Untermaßverbot Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 128. S. o. S. 272 ff; ebenso Martin Burgi, Ersatzanlagen im Emissionshandelssystem (2004), S. 43. Dazu oben S. 267 ff. Vgl. etwa Dirk Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 211 (216); Brun-Otto Bryde, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. I, 5. Aufl. 2000, Art. 14 Rz 32 ff.; Rudolf Wendt, in: Sachs (Hrsg.), GG, 4. Aufl. 2007, Art. 14 Rz 9 f. BVerfGE 70, 191 (199) – Fischereibezirke; BVerfGE 83, 201 (208 f.) – Bundesberggesetz; Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 14 Rz 8; Ulrich Hösch, Eigentum und Freiheit (2000), S. 17; Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 191.
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te, die dem Berechtigten ebenso ausschließlich wie Eigentum an einer Sache zur privaten Nutzung und zu seiner Verfügung zugeordnet sind571. Eine besondere „Leitbildfunktion“ kommt hierbei dem Grundeigentum im Sinne des bürgerlichen Rechts zu572. Die Eigentumsgarantie ermöglicht dem einzelnen, sich – in den Grenzen der geltenden Rechtsordnung – durch die maßgeblich seinem Willen folgende Nutzung des privaten Eigentums zu entfalten und zu verwirklichen573. Da dieser Schutzgehalt des Eigentums nicht nur durch den vollständigen Entzug dieser Rechtspositionen beeinträchtigt werden kann, sondern auch durch Beschränkungen und Auflagen, schützt die Eigentumsgarantie nicht nur den Bestand des Eigentums, sondern auch seine Nutzung574. Inhalt und Schranken des Eigentums definiert gem. Art. 14 I 2 GG zunächst der einfache Gesetzgeber. Das ist unvermeidbar, da es einen naturrechtlich vorgegebenen unveränderlichen Eigentumsbegriff nicht gibt, er vielmehr durch Gesetz und Tradition geformt wird und einem kontinuierlichen Wandel durch die Anpassung an neue gesellschaftliche und ökonomische Realitäten und Notwendigkeiten unterliegt575. Entsprechend schwierig ist es, den verfassungsrechtlich zwingend vorgegebenen Schutz von der Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers zu unterscheiden. Das Schlagwort, unter das Probleme der Reichweite des eigentumsrechtlichen Schutzes gegenüber Nutzungsbeschränkungen vielfach gefasst werden, lautet „Bestandsschutz“. Dieser wird aus dem Eigentum hergeleitet576 und beschränkt auch
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Ulrich Hösch, Eigentum und Freiheit (2000), S. 53; Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rz 39; Jörg Berkemann, in: Umbach/Clemens, GG Mitarbeiterkommentar (2002), Art. 14 Rz 126. Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rz 39; Otto Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2005, Art. 14 Rz 114. BVerfGE 24, 367 (389) – Hamburger Deichordnungsgesetz; BVerfGE 50, 290 (340) – Mitbestimmung; Michael Kloepfer/Hans-Peter Vierhaus, in: Kloepfer (Hrsg.), Anthropozentrik, Freiheit und Umweltschutz (1995), 29 (35). Fritz Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 150. BVerfGE 88, 366 (377) – Tierzuchtgesetz II; Fritz Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 152 f.; Theodor Schilling, EuGRZ 1998, 177 (183); Rudolf Wendt, in: Sachs (Hrsg.), GG, 4. Aufl. 2007, Art. 14 Rz 41. Fritz Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 153; vgl. Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 270; Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rz 25; Birgit Kottmeier, Recht zwischen Umwelt und Markt (2000), S. 165. Die genaue Herleitung des Bestandsschutzes ist häufig kontextabhängig. So wird er vielfach auch als Ausdruck allgemeiner rechtsstaatlicher Grundsätze, etwa des Vertrauensschutzes, diskutiert, vgl. Stefan Muckel, Kriterien des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes bei Gesetzesänderungen (1989). Wo jedoch Art. 14 GG einschlägig ist, gilt der Vorrang der spezielleren Rechtsnorm, dazu Helmuth Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 1987, 307 (323); ebenso Stefan Muckel, ibid., S. 40 ff. aus der Rspr. vgl. etwa BVerfGE 45, 142 (168) – rückwirkende Verordnungen; BVerfGE 53, 257 (309) – Versorgungsausgleich I; BVerfGE 58, 81 (120 f.) – Ausbildungsausfallzeiten.
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die Möglichkeit nachträglicher Rechtsänderungen durch den Gesetzgeber selbst577. Geschützt wird dabei primär das Eigentum in seinem konkreten Bestand und nur sekundär in seinem Vermögenswert578. Ob und wieweit Wirtschaftsunternehmen zudem über die Rechtsfigur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs geschützt werden, ist noch immer ungeklärt579. Vielfach kommt es darauf jedoch nicht an, da die beeinträchtigten Gegenstände bereits unabhängig hiervon als Eigentum geschützt sind580. (2) Bedeutung für die Allokation der Zertifikate Bei der Allokation von Emissionsberechtigungen stehen die subjektiv-rechtlichen Abwehransprüche gegen den Staat im Vordergrund. Ähnlich wie bereits für die europarechtliche Eigentumsfreiheit diskutiert581, stellt sich auch im Bereich des Grundgesetzes die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Allokation der CO2-Zertifikate den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit betrifft. Die Optionen, die hier erörtert werden, entsprechen in etwa den auf europäischer Ebene diskutierten. (a) Emissionsbefugnis als mitgeschützter Bestandteil des Anlageneigentums Die Emissionsbefugnis kann zunächst als Ausfluss der dem Eigentumsrecht an den Anlagen entspringenden Nutzungsbefugnis geschützt sein582. Unter den eigentumsrechtlichen Bestandsschutz fallen kann die Anlagennutzung jedoch nur, wenn sie nicht explizit durch den Gesetzgeber vom Eigentum abgetrennt worden ist. Entscheidend ist daher, ob die nach diesen Vorschriften erlassene öffentlichrechtliche Anlagengenehmigung komplett vom zivilrechtlichen Eigentum abgetrennt wurde oder ob sie dieses ausgestaltet583. Ein Beispiel für die Abtrennung bestimmter Nutzungsbefugnisse vom Eigentum ist die Grundwassernutzung, die nach § 1a IV WHG ausdrücklich aus dem Grundstückseigentum ausgegliedert ist584. Da der Gesetzgeber jedoch keine entsprechende Regelung für Emissionen 577 578 579
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Helmuth Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 1987, 307 (314). Helmuth Schulze-Fielitz, ibid., S. 322. Bejahend Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 56; Christoph Engel, AöR 118 (1993), 171 ff. Christoph Engel, ibid., S. 175. S. o. S. 209 ff. VG Berlin, 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, Rz 75 (juris); Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 101; Helmut Rittstieg, AK-GG, 3. Aufl., GW 2001, Art. 14/15 Rz 128. Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 111; Birgit Kottmeier, Recht zwischen Umwelt und Markt (2000), S. 166. Gerald Becker-Neetz, ibid., S. 118; Birgit Kottmeier, Recht zwischen Umwelt und Markt (2000), S. 168; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 159 f. Ähnliche Regeln gelten auch im Bergrecht, wo angeordnet wird, dass die Nutzung des Grundeigentums nicht zum Abbau von Bodenschätzen berechtigt, vgl. §§ 3 II, 6 BBergG. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit derartiger Regelungen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem grundlegenden Nassauskiesungsbeschluss festgestellt, BVerfGE 58, 300 (338 ff.).
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getroffen hat, existiert eine derartige Abspaltung einzelner Nutzungsrechte für den Anwendungsbereich des BImSchG nicht585. Das Nutzungsrecht des Eigentümers einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage ist somit vom Eigentumsschutz erfasst. Eigentumsrechtlich geschützt ist jedoch nicht jede Nutzungsmöglichkeit, sondern immer nur das Nutzungsrecht, wie es sich aus den bestehenden Gesetzen ergibt586. § 903 S. 1 BGB gibt dem Eigentümer einer Sache grundsätzlich das Recht, mit ihr nach Belieben zu verfahren. Dieses Recht steht jedoch unter dem Vorbehalt weiterer Regeln des privaten oder öffentlichen Rechts und kann daher nur Ausgangspunkt der Prüfung sein587. Die Nutzung der jetzt unter den Emissionshandel fallenden Anlagen war bis zur Einführung des Emissionshandels allein in den §§ 4 ff. BImSchG geregelt. Diese Normen legen Voraussetzungen für die Genehmigung und den Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen fest und räumen dem Anlagenbetreiber einen Genehmigungsanspruch ein, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind588. Vom Eigentumsschutz erfasst ist demnach zunächst das Maß an Emissionen, das die vor Einführung des Zertifikatehandels allein geltenden Vorschriften des BImSchG zuließen. Nach Maßgabe des BImSchG besteht nicht etwa ein subjektives Recht auf Ausstoß der im genehmigten Betrieb entstehenden Emissionen, vielmehr finden die dynamischen Betreiberpflichten des § 5 I BImSchG Eingang589. Diese geben nicht nur den Maßstab für Genehmigungen und nachträgliche Anordnungen vor, son-
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Gerald Becker-Neetz, ibid., S. 119; Dirk Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 211 (216); Birgit Kottmeier, Recht zwischen Umwelt und Markt (2000), S. 168. A. A. Horst Sendler, UPR 1983, 33 (41). Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 53 f.; Helmut Rittstieg, AK-GG, 3. Aufl., GW 2001, Art. 14/15 Rz 128; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 159; Birgit Kottmeier, Recht zwischen Umwelt und Markt (2000), S. 166. Christoph Engel, AöR 118 (1993), 169 (180) stellt darauf ab, ob die Nutzung „dem Eigentumsgegenstand 'wesentlich inhärent'“ ist. Ausführl. hierzu Birgit Kottmeier, Recht zwischen Umwelt und Markt (2000), S. 166; Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 54 ff. Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 14 Rz 98; Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 59 ff.; Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 111; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 159. Birgit Kottmeier, Recht zwischen Umwelt und Markt (2000), S. 168 ff.; Gerald BeckerNeetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 123 ff.; diesen Aspekt hält auch Helmuth Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 1987, 307 (314) für relevant, legt sich jedoch nicht fest, ob er ihn auf der Ebene des Schutzbereichs oder erst bei der Erörterung der Rechtfertigung berücksichtigen will, dazu auch ibid., S. 326. VG Berlin, AZ 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, (juris) argumentiert mit den dynamischen Betreiberpflichten bei der Erörterung der Angemessenheit der Kürzung, ohne auf seine Bedeutung für den Schutzbereich des Eigentums einzugehen.
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dern enthalten auch Pflichten, die unmittelbar für den Anlagenbetreiber gelten590. In ihnen schlagen sich Fortentwicklungen des Standes der Technik oder neue Erkenntnisse der Wissenschaft nieder591. Auf Basis dieser dynamischen Betreiberpflichten ist somit die Ausgangsgenehmigung ggf. zu modifizieren. Während für den Bereich der schädlichen Umwelteinwirkungen die Gefahrenabwehrpflicht des § 5 I 1 Nr. 1 BImSchG gilt, verpflichtet § 5 I 1 Nr. 2 BImSchG darüber hinaus und unabhängig von konkreten Gefahren die Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen, Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen zu treffen. In Fällen, in denen – wie etwa bei der Emission von Treibhausgasen – zwar die Schädlichkeit von Emissionen grundsätzlich belegt ist, jedoch entstehende Schäden nicht auf einzelne Verursacher zurückgeführt werden können, fehlt es an einer konkreten schädlichen Umwelteinwirkung, die die Gefahrenabwehrpflicht des § 5 I 1 Nr. 1 BImSchG auslösen könnte. Daher ist hier die Vorsorgepflicht des § 5 I 1 Nr. 2 BImSchG einschlägig592. Nach dieser Vorschrift ist ein Anlagenbetreiber verpflichtet, Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen zu treffen, insbesondere durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen. Das beinhaltet auch, verhältnismäßige nachträgliche Beschränkungen des ursprünglich genehmigten Anlagenbetriebs von sich aus vorzunehmen, wenn sich der Stand der Technik ändert593. Für Bestandsanlagen ergibt sich eine gewisse Einschränkung dieser Verpflichtung aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, denn die erforderliche Vorsorge muss angemessen, d.h. nach Umfang und Ausmaß dem Risikopotential der Immissionen, das sie verhindern soll, proportional sein594. Auch hier machen sich jedoch die immensen Gefahren bemerkbar, die mit dem Klimawandel verbunden sind: Das Anliegen ist von solchem Gewicht, dass auch erhebliche Beschränkungen für Altanlagen noch vertretbar erscheinen. Im Regelfall dürfte daher davon auszugehen sein, dass auch sie – besondere Härtefälle ausgenommen – der Anpassungspflicht an den Stand der Technik unterliegen. Für die Anlagenbetreiber ergibt sich daraus, dass die Allokation der Emissionszertifikate erst dann den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit betrifft, wenn die Allokation selbst dann den uneingeschränkten Betrieb der Anlage ohne Zukauf von Zertifikaten nicht mehr zulässt, wenn sie auf den neuesten Stand der Technik
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Hans Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 5 Rz 1; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 160; Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 63. Hans Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 5 Rz 2; Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 14 Rz 185; Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 127. So bereits zur Fernwirkung von SO2-Emissionen BVerwGE 69, 37 (44) – Feuerungsanlagen; Hans Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 5 Rz 47. Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 126. Thomas SchmidtKötters, in: Giesberts/Reinhardt (Hrsg.), BeckOK BImSchG, § 5 Rz 5 weist jedoch darauf hin, dass die unmittelbare Wirkung dieser Pflichten umstritten und ein Verstoß gegen sie jedenfalls weder Ordnungswidrigkeit noch Straftat sei. Hans Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 5 Rz 60; Thomas Schmidt-Kötters, in: Giesberts/Reinhardt (Hrsg.), BeckOK BImSchG, § 5 Rz 111.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
287
gebracht wird. Jedenfalls bei Reduktionsvorgaben in der momentan diskutierten Größenordnung dürfte dies noch die Ausnahme sein. (b) Emissionsbefugnis als subjektives öffentliches Recht? Des Weiteren kann die Emissionsbefugnis in Form der Anlagengenehmigung nach § 5 BImSchG auch als Teil eines auf Leistung basierenden subjektiven öffentlichen Rechts als Eigentum geschützt sein595. Hierfür kommt es darauf an, ob die Rechtsstellung dem Einzelnen ausschließlich und zum privaten Nutzen zugeordnet ist und sich als Äquivalent seiner Leistung darstellt596. Der klassische Anwendungsfall des als Eigentum geschützten subjektiven öffentlichen Rechts sind sozialversicherungsrechtliche Rentenanwartschaften597. Eine vergleichbare Leistung des Anlagenbetreibers, auf die hin er eine Gegenleistung des Staates zu erwarten hätte, ließe sich allenfalls in der Errichtung der Anlage sehen598. Betrachtete man jedoch die Errichtung der Anlage als schützenswerte Leistung des Anlagenbetreibers, würde man im Ergebnis sein Vertrauen in getätigte Investitionen honorieren599. Bei der „Leistung“ des Anlagenbetreibers handelt es sich, anders als bei den Anwartschaften im Sozialversicherungsrecht, um eine Investition, die er im eigenen Interesse tätigt, weil er damit Gewinne erwirtschaften will. Ein subjektives öffentliches Recht lässt sich darauf nicht gründen600. Im Übrigen scheitert eine Anerkennung der Betriebsgenehmigung als Eigentum auch daran, dass der Anlagenbetreiber nicht frei über sie verfügen kann601.
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Dazu Olaf Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz (1997), S. 106; Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 101 f. Klaus-Peter Dolde, NVwZ 1986, 873 (874) problematisiert nicht, inwiefern eine Genehmigung als öffentlichrechtliche Begünstigung eigentumsrechtlich geschützt ist und zieht sie ohne nähere Begründung als Schutzgut heran. Fritz Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5, Aufl. 1998, S. 158; Gerald Becker-Neetz, ibid., S. 138. Gegen das Erfordernis eigener Leistung bei öffentlich-rechtlichen Positionen Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rz 63 f. BVerfGE 69, 272 (300 ff.) – Krankenversicherung der Rentner; 100, 1 (32 f.) – Rentenüberleitung I; Rudolf Wendt, in: Sachs (Hrsg.), GG, 4. Aufl. 2007, Art. 14 Rz 34; Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), ibid., Art. 14 Rz 62. So Helmuth Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 1987, 307 (326); Helmut Rittstieg, AKGG, 3. Aufl., GW 2001, Art. 14/15 Rz 126 will die Eigentumsgarantie auch auf Genehmigungen nach dem BImSchG erstrecken, obwohl nur die Anlage selbst auf einer Leistung des Betreibers beruht, nicht aber die Genehmigung. Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 140. Umgekehrt weist Christoph Engel, AöR 118 (1993), 169 (188) zu recht darauf hin, dass die Investitionen vielfach erst nach Erhalt der Genehmigung geleistet werden und schon deshalb nicht als ihr zugrunde liegende Leistung betrachtet werden können. Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 67; Anja Sattler, Handel mit Treibhausgaszertifikaten (2004), S. 162; Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 387. Ebenso zur Frage, ob Taxikonzessionen als Eigentum geschützt sind, Werner Frotscher/Ernst Becht, NVwZ 1986, 81 (86). Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rz 64.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
Der Schutz, der der Nutzungsbefugnis zukommt, ist ohnehin ausreichend602. In der Sache macht es aber keinen Unterschied, ob man die Emissionsbefugnis nun als Ausfluss des Eigentums an der Anlage schützt oder als eigenständige subjektive Rechtsposition: Auch in letzterem Fall gelten die dynamischen Betreiberpflichten des § 5 BImSchG603, die Reichweite des Schutzes erweitert sich gegenüber dem oben dargelegten Schutz der Nutzungsbefugnis nicht. (c) Emissionsbefugnis als Teil des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs Schließlich besteht die Möglichkeit, die Emissionsbefugnis als Bestandteil des Rechtes des Anlagenbetreibers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb604 anzusehen605. Während der BGH einen derartigen Schutz grundsätzlich befürwortet606, hat sich das Bundesverfassungsgericht bisher nicht eindeutig zu der Frage geäußert, ob es den Gewerbebetrieb als solchen der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG unterstellen will. Soweit es jedoch um zukünftige Nutzungsmöglichkeiten geht, hat im Bereich des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs Art. 12 I GG Vorrang. Im Ergebnis hat die Frage der Anwendbarkeit dieses umstrittenen Rechtsinstituts für die Allokation der Zertifikate keine Bedeutung, da wie bereits dargelegt ohnehin der Schutzbereich des Art. 14 GG grundsätzlich eröffnet ist und ergänzend auch Art. 12 I GG607 eingreift608. Denn selbst wenn man einen eigentumsrechtlichen Schutz des Unternehmens in seiner Gesamtheit befürwortet, geht der Schutz des Unternehmens üblicherweise nicht weiter als der Eigentumsschutz der einzelnen eigentumsrechtlich geschützten Gegenstände609. Die Grenzen, die die dynamischen Betreiberpflichten dem Schutz des Anlagenbetreibers setzen, können auch über das Rechtsinstitut des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht außer Kraft gesetzt werden. Schutzlücken, die über diese Rechtsfigur geschlossen werden müssten, sind zudem nicht ersichtlich610, die 602
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A. A. Tzung-Jen Tsai, Verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht (1996), S. 194, wonach die Luftnutzung lediglich Grundrechtsvoraussetzung sein soll, aber nicht in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie fällt. Ebenso Helmut Rittstieg, AK-GG, 3. Aufl., GW 2001, Art. 14/15 Rz 127. Zu dieser umstrittenen Rechtsfigur s. etwa Ulrich Hösch, Eigentum und Freiheit (2000), S. 36 ff.; Fritz Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5, Aufl. 1998, S. 159 ff.; Christoph Engel, AöR 118 (1993), 169 passim. Vgl. VG Würzburg, NVwZ 2005, 471 (474); so wohl auch Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 387. S. etwa BGHZ 111, 349 (355 f.). Auch das BVerwG hat dieses Rechtsinstitut anerkannt, s. etwa BVerwG 67, 93 (96) – Aufforstung, ebenso die wohl h. L. In der Lit., vgl. Dirk Ehlers, VVDStRL 51 (1992) 211 (215); Karl Nüßgens/Karlheinz Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung (1987), Rz 76. Hierzu s. u. S. 306 ff. Vgl. BVerwG, DÖV 1994, 125 (126) – Milchkontingentierung. Christoph Engel, AöR 118 (1993), 169 (175); Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 65. A. A. Christoph Engel, AöR 118 (1993), 169 (213), der den Schutz des Gewerbebetriebs für erforderlich hält, weil Anlagengenehmigungen durch die dynamischen Be-
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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Anerkennung der Rechtsfigur des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs bringt dem Anlagenbetreiber keinen Vorteil. (d) Fazit Ähnlich wie im Bereich der europäischen Grundrechte schützt auch Art. 14 I GG die Emissionsbefugnis als Teil der Nutzungsbefugnis des Eigentums611. Zur Sicherung dieser Nutzungsbefugnisse gewährleistet Art. 14 I GG Bestandsschutz, der sich in seiner passiven Ausprägung darin äußert, dass dem Eigentümer ein Abwehrrecht gegen nachträglich steigende Anforderungen zukommt612. Eine Präzisierung ergibt sich aus der Dogmatik des Art. 14 GG jedoch insoweit, als der Eigentumsschutz nicht weiter reicht, als die einfachen Gesetze das Eigentum ausgestalten. Für das Recht, CO2 zu emittieren, bedeutet dies, dass der – regelmäßig nicht durchgesetzte – § 5 I BImSchG613, der dynamische Betreiberpflichten enthält, von Bedeutung ist: Die Befugnis, CO2 zu emittieren, war bereits bisher dadurch eingeschränkt, dass Anlagenbetreiber verpflichtet waren, Emissionen nach dem aktuellen Stand der Technik zu vermeiden. Das Durchsetzungsdefizit in diesem Bereich vermag an dieser Rechtslage nichts zu ändern. Der einzelne Anlagenbetreiber kann sich daher bezüglich der Allokation nur dann auf Art. 14 GG berufen, wenn er durch den Emissionshandel verpflichtet ist, Emissionen zu vermeiden, die er auch dann nicht hätten vermeiden können, wenn er die Anlage auf den aktuellen Stand der Technik gebracht hätte. Vielfach wird daher die Allokation der Zertifikate den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit des einzelnen Anlagenbetreibers unberührt lassen. (3) Bestandsschutz für Neuanlagen im Zertifikatehandel Eine Verfestigung des Anspruchs auf die Zuteilung von Emissionszertifikaten in einer bestimmten Menge erfolgt im übrigen auch nicht durch den Emissionshandel und die Zuteilung der Zertifikate in den ersten Handelsperioden. Der eigentumsrechtliche Bestandsschutz besteht lediglich im Hinblick auf den Systemübergang und kann nicht für Anlagen in Anspruch genommen werden, die erst zu Zeiten des Zertifikatehandels in Betrieb gegangen sind. Durch den Emissionshandel wird der CO2-Ausstoß aus dem grundrechtlich geschützten Eigentum ausgenommen, insofern vergleichbar den wasserrechtlichen Bestimmungen614. Betreiber von Anlagen,
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treiberpflichten für nachträgliche Änderungen geöffnet werden und die Genehmigung selbst nicht eigentumsrechtlich geschützt ist. Arbeitsgruppe Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes, Rechtliche und institutionelle Fragen, Ergebnisse der Unterarbeitsgruppe III, Beratungsphase Februar – September 2002, S. 13; Martin Burgi, RdE 2004, 29 (31). Hierzu Klaus-Peter Dolde, NVwZ 1986, 873; Thomas Spiegels, NVwZ 2003, 1091 (1093). A. A. Ulrich Hösch, Eigentum und Freiheit (2000), S. 289 ff., der den Bestandsschutz nicht in Art. 14 GG verorten will, sondern Art. 12 I GG und den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz für die richtige Grundlage hält. Die Vorschrift wurde im Hinblick auf die Einführung des Zertifikatehandels modifiziert und beschränkt inzwischen in S. 2-4 die Pflichten von dem Emissionshandel unterliegenden Anlagen. Vgl. BVerfGE 58, 300 (335 ff.) – Nassauskiesung.
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die erst zu Zeiten des Zertifikatehandels in Betrieb genommen wurden, erwerben daher ihr Eigentum ohne die entsprechende Nutzungsbefugnis. Sie wissen hierum sowie um die klimapolitische Problematik und müssen nicht nur mit einer Änderung des Allokationsmodus und einer Verringerung der ihnen zugewiesenen Zertifikatemenge, sondern auch mit einer zunehmenden Verknappung des Zertifikateangebots am Markt rechnen. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Anlagenbetreiber auf eine dauerhaft hinreichende Ausstattung mit Zertifikaten wird dadurch ausgeschlossen, dass die Zuteilung prononciert auf die jeweilige Handelsperiode beschränkt wird. Ein eigentumsrechtlicher Bestandsschutz mit Konsequenzen für die Zuteilung über die jeweilige Handelsperiode hinaus lässt sich daraus nicht entwickeln. Hinzu kommt, dass es sich bei der Zuteilung der Emissionsberechtigungen um eine staatliche Leistung handelt, die nicht auf einer Leistung der Anlagenbetreiber beruht und somit als öffentlich-rechtliche Position nicht unter das grundrechtlich geschützte Eigentum fällt615. bb) Beeinträchtigungen der Eigentumsfreiheit (1) Beeinträchtigung Obwohl die Allokation jedenfalls gegenwärtig im Einzelfall nur selten in das Eigentumsrecht der Anlagenbetreiber eingreifen dürfte616, müssen die Allokationsregeln als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums mit Art. 14 GG in Einklang stehen. Für die Untersuchung, ob Allokationsregeln das Eigentum beeinträchtigen, ist von Bedeutung, dass sie im Zertifikatehandel gewissermaßen erst auf der zweiten Stufe relevant werden: Vorgelagert ist ihnen die Bestimmung des sog. Cap, das die Gesamtmenge der zu vergebenden Zertifikate festlegt. In Abhängigkeit von dieser Obergrenze erlangen anschließend die Allokationsregeln Relevanz und bestimmen über die Verwaltung der Knappheit617. Obwohl vielfach die Stringenz der Belastung stärker durch die Festsetzung der Gesamtmenge bestimmt wird als durch den verwendeten Allokationsmechanismus, besteht ein Bezug zu Rechtspositionen des einzelnen Anlagenbetreibers erst mit der konkreten Allokation bzw. mit der Festlegung der Allokationsregeln618. Erst mit der Regelung der Zuteilung der Zertifikate werden die für den Anlagenbetreiber entscheidenden Parameter festgesetzt und entscheidet sich, welcher Belastung der einzelne 615
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VG Berlin, AZ 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, (juris); vgl. ebenso für Milchkontingente BVerwG, DÖV 1994, 125; a. A. bezüglich des eigentumsrechtlichen Schutzes Martin Burgi, RdE 2004, 29 (32); ders., Ersatzanlagen im Emissionshandelssystem (2004), S. 39 ff. Dies beruht darauf, dass die Verpflichtungen der Unternehmen aus dem Zertifikatehandel bisher regelmäßig nicht zu einer weiteren Beschränkung des genehmigten Anlagenbetriebs führen, s. o. S. 285 f; vgl. auch Theodor Schilling, EuGRZ 1998, 177 (183) zu den Quoten der Bananenmarktordnung. Für die Neuanlagen wird dieses System insofern durchbrochen, als hier eine Zuteilung über die hierfür vorgesehene Reserve möglich ist. Die fehlenden Zertifikate werden jedoch nicht vom Staat selbst ausgegeben, sondern zusätzlich auf dem Markt erworben oder durch JI- bzw. CDM-Projekte erwirtschaftet. Für die Bestandsanlagen hingegen bleibt es bei der absoluten Obergrenze. Vgl. hierzu o. S. 182 ff.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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Anlagenbetreiber bei der eigentumsrechtlich geschützten Nutzung seiner Anlage unterliegt. Das Bundesverfassungsgericht619 hat sich in seiner ersten Entscheidung zur Grundrechtskonformität von Zuteilungsregeln unwillig gezeigt, einen Eingriff in Art. 14 I GG anzunehmen, und argumentiert, der in diesem Verfahren streitgegenständliche § 12 ZuG 2007 könne als privilegierende Vorschrift nicht in Rechte der Anlagenbetreiber eingreifen. Die Kürzung der zulässigen Emissionsmenge sei bereits europarechtlich zwingend vorgegeben, und § 12 ZuG 2007 stelle gegenüber einer proportional umgesetzten Minderungsverpflichtung jedoch bereits eine Verbesserung dar. Dies überzeugt jedoch schon deshalb nicht, weil Vergleichsmaßstab des Eigentumsgrundrechts nicht die Rechtssituation einer „Standardanlage“ ist, sondern die der Anlagenbetreiber vor Einführung des Zertifikatehandels bzw. der Zuteilung. Zudem wäre die Vorschrift dennoch als neue Inhalts- und Schrankenbestimmung auf ihre Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf Art. 14 GG zu prüfen. Die europarechtlich vorgegebene und somit nicht auf ihre Übereinstimmung mit den Grundrechten überprüfbare Kontingentierung ändert nichts an der Qualifikation auch einer gleichmäßig gekürzten Allokation als Eingriff, hat jedoch Konsequenzen für die Prüfung seiner Verhältnismäßigkeit620. Bei Eingriffen in die Eigentumsfreiheit ist zwischen Enteignung, Inhalts- und Schrankenbestimmungen sowie sonstigen Eigentumsbeeinträchtigungen zu unterscheiden621. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und inzwischen auch der überwiegenden Meinung in der Literatur handelt es sich um selbständige Rechtsinstitute, weswegen die Enteignung gegenüber der Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht lediglich ein „mehr“, sondern ein aliud ist622. Entsprechend enthalten Art. 14 I 2 GG und Art. 14 III GGG unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Eigentumseingriffen623. Da Art. 14 III GG einen Spezialfall der Eigentumsbeeinträchtigung regelt und alle anderen Eigentumsbeeinträchtigungen unter Art. 14 I GG fallen, hängt die Grenzziehung zwischen einer Inhalts- und Schrankenbestimmung und einer Enteignung vom Anwendungsbereich des Art. 14 III GG ab624. (2) Legalenteignung Eine enteignende Wirkung des Zuteilungsgesetzes würde voraussetzen, dass den Betreibern immissionsschutzrechtlich genehmigter Anlagen eine Eigentumsposi-
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BVerfG, 1 BvF 1/05 v. 13.03.2007, Rn 76. S.u. S. 302 f. Hans Jarass, NJW 2000, 2841; ders., in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 14 Rz 35. St. Rspr. seit BVerfGE 58, 300 (324) – Nassauskiesung; BVerfGE 79, 174 (192) – Straßenverkehrslärm; hierzu Hans Jarass, NJW 2000, 2841 (2842); Martin Burgi, NVwZ 1994, 527; Dirk Ehlers, VVDStRL 51 (1992), 211 (235). BVerfGE 58, 300 (330 f.) – Nassauskiesung; Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 273. Vgl. Hans Jarass, NJW 2000, 2841 (2842 f.).
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
tion ganz oder teilweise entzogen wird625. Dies käme allenfalls in Betracht, wenn die Emissionsbefugnis ersatzlos aus dem privatrechtlichen Anlageneigentum gestrichen würde. Dieser Fall ist von der Einführung zusätzlicher Inhalts- und Schrankenbestimmungen bzw. deren Änderung zu unterscheiden. Letztlich kann die Eingriffswirkung eines Allokationssystems nur qualifiziert werden, wenn man den verwendeten Allokationsmodus und seine Auswirkungen von Nahem betrachtet. (a) Grandfathering626- oder Benchmark627-Systeme Keinesfalls entzogen wird die Emissionsbefugnis in Benchmarking- oder Grandfathering-Systemen, die den Betreibern eine gewisse, wenn auch möglicherweise nicht hinreichende Menge an Zertifikaten kostenlos oder gegen Gebühr zuteilen. Hier wird zwar die Nutzungsbefugnis der Anlagenbetreiber reglementiert. Vielfach wird sich gegenüber der früheren Gesetzeslage jedoch lediglich die Durchsetzbarkeit von Emissionsminderungsverpflichtungen verbessern. Schließlich waren auch bisher Anlagenbetreiber verpflichtet, verhältnismäßige nachträgliche Beschränkungen des ursprünglich genehmigten Anlagenbetriebs von sich aus vorzunehmen, wenn sich der Stand der Technik ändert628. Die Regelung des Zertifikatehandels einschließlich der Allokation der Zertifikate stellt lediglich eine neue, möglicherweise teils striktere Inhalts- und Schrankenbestimmung dar629. Dies gilt auch für eine Allokation, die im Wesentlichen auf Benchmarks oder auf Grandfathering basiert und verbleibende Kontingente soweit Art. 10 EH-RL dies zulässt, d.h. von 5 bis 10 % der Gesamtmenge an Zertifikaten630, versteigert. Solange eine Grundversorgung mit Zertifikaten noch gewährleistet ist, entfällt die Befugnis, CO2 zu emittieren, nicht vollständig, weswegen keine (Teil-)Entziehung einer Eigentumsposition feststellbar ist. (b) Auktionssysteme631 Tatsächlich könnte man erwägen, ob eine Teilentziehung einer Eigentumsposition vorliegt, wenn sämtliche Zertifikate versteigert würden, also ein Übergang unmittelbar von einem ordnungsrechtlichen System zu einem rein auf Auktionierung basierenden Zertifikatsystem erfolgte632. Denn solch ein abrupter Übergang kann als Entzug der vorhandenen Emissionsbefugnisse, verbunden mit der Chance, Zer625
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Zur Definition einer Enteignung BVerfGE 79, 174 (191) – Straßenverkehrslärm; BVerfGE 83, 201 (211) – Bundesberggesetz; BVerfGE 104, 1 (9 f.) – Baulandumlegung; BVerfGE 51, 1 (27) – Kleingarten; Hans Jarass, NJW 2000, 2841 (2843). Zum Allokationsmechanismus des Grandfatherings s.o. S. 67 f. Zum Benchmarking s.o. S. 68 ff. Hierzu vgl. o. S. 285 f. Vgl. Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1080). Vgl. oben S. 79 f. Vgl. hierzu o. S.70 f. Vgl. auch Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 211 zu den europäischen Grundrechten. Dies verstieße jedoch bereits gegen Art. 10 EH-RL, der für die erste Handelsperiode die Versteigerung von max. 5 % der Zertifikatmenge, für die zweite Periode max. 10 % der Zertifikatmenge zulässt.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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tifikate nach ökonomischen Gegebenheiten zu erwerben, verstanden werden633. Ohne Zukäufe von Zertifikaten sind die betroffenen Anlagenbetreiber dann nicht mehr in der Lage, ihre Anlagen zu nutzen. Eine unter Art. 14 III GG fallende, als Enteignung zu qualifizierende Teilenteignung von Rechten ist häufig nicht einfach von einer Inhalts- und Schrankenbestimmung zu unterscheiden634. Das Bundesverfassungsgericht verweist einerseits darauf, dass es außer dem klassischen Fall der Güterbeschaffungsvorgänge noch weitere Fälle der Enteignung gibt, und definiert die Enteignung als völligen oder teilweisen Entzug subjektiver Eigentumspositionen zur Erfüllung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe635. Andererseits qualifiziert es die Verkürzung von Eigentümerbefugnissen doch in den meisten Fällen als Inhalts- und Schrankenregelung. Bei einem Emissionshandelssystem, dessen Zertifikate ausschließlich im Versteigerungswege vergeben werden, ist bereits fraglich, ob tatsächlich eine Entziehung vorliegt636. Zudem fehlt es an einer Güterentziehung zum Zwecke der Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben, wenn die öffentliche Gewalt die Eigentumsposition primär entzieht, um Rechtsgüter der Gemeinschaft vor der Gefahr der Überbeanspruchung zu schützen637. Die Abtrennung des Emissionsrechts von dem immissionsschutzrechtlich genehmigten Betrieb der Anlage dient in erster Linie dem Klimaschutz und damit der Abwehr von Gefahren für ein wichtiges Gemeingut. Zwar verwertet der Staat die Emissionsrechte wirtschaftlich, wenn er sie versteigert. Dies ist jedoch nicht der eigentliche Zweck des Verfahrens sondern gewissermaßen Nebenfolge des Bestrebens, eine effiziente Nutzung der verfügbaren Ressourcen zu sichern. Auch der Vergleich mit anderen vom Bundesverfassungsgericht als Inhalts- und Schrankenbestimmungen qualifizierten Fallgruppen, etwa der Baulandumlegung638 oder naturschutzrechtlichen Nutzungsverboten und beschränkungen639, zeigt, dass selbst die sofortige Umstellung auf ein auf Auktionierung basierendes Zertifikatesystem keine Teilenteignung, sondern eine Inhaltsund Schrankenbestimmung darstellen würde. Für dieses Ergebnis spricht auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Neugestaltung eines Rechtsgebietes. Das Bundesverfassungsgericht hat für den Wegfall eines Vorkaufsrechts im Zuge einer Änderung des Bundesberggesetzes ausdrücklich klargestellt, dass Art. 14 III GG nicht anwendbar ist, „wenn 633 634
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Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 149. Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 14 Rz 76; ders., NJW 2000, 2841 (2843 f.); Rudolf Wendt, in: Sachs (Hrsg.), GG, 4. Aufl. 2007, Art. 14 Rz 149; Ulrich Hösch, Eigentum und Freiheit (2000), S. 223. Vgl. etwa BVerfGE 79, 174 (191) – Straßenverkehrslärm; BVerfGE 83, 201 (211) – Bundesberggesetz. Restriktiver insoweit jedoch BVerfGE 104, 1 (10) – Baulandumlegung. Zu den unterschiedlichen Abgrenzungsansätzen s. Hans Jarass, NJW 2000, 2841 (2843 ff.). BVerfGE 20, 351 (359) – Tollwut; Hans Jarass, NJW 2000, 2841 (2845). BVerfGE 104, 1 (9 f.) – Baulandumlegung. Vgl. Rechtsprechungsbeispiele bei Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 14 Rz 76.
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der Gesetzgeber im Zuge der generellen Neugestaltung eines Rechtsgebiets bestehende Rechte abschafft, für die es im neuen Recht keine Entsprechung gibt“640. Um einen vergleichbaren Fall der Neukonstituierung eines Rechtsgebietes handelt es sich bei der Einführung des Zertifikatehandels und bei der hiermit verbundenen zusätzlichen Anforderung, den Ausstoß von Treibhausgasen durch Zertifikate abzudecken, unabhängig davon, ob die erforderlichen Emissionsrechte kostenlos oder im Auktionswege vergeben werden: Die Befugnis, im Rahmen der Betriebsgenehmigung Kohlendioxid zu emittieren, wird mit der Einführung des Zertifikatehandels aus dem Nutzungsrecht ausgegliedert und einem neuen Regime, dem Zertifikatehandelssystem, unterstellt. Im Ergebnis stellen Allokationsregeln somit unabhängig vom gewählten Allokationsverfahren keine Legalenteignung dar. (3) Inhalts- und Schrankenbestimmung Handelt es sich also bei den Allokationsvorschriften nicht um eine Legalenteignung, müssen sie folgerichtig Inhalts- und Schrankenbestimmungen sein641. Inhalts- und Schrankenbestimmungen nach Art. 14 I 2 GG sind schon deshalb erforderlich, weil sie das Eigentum als solches begrenzen und definieren. Darum stellen sie im eigentlichen Sinne auch keine Beeinträchtigung des Eigentums dar642. Es handelt sich bei ihnen um Gesetze im materiellen Sinne, die in Bezug auf das Eigentum sowohl konstituierend als auch beschränkend wirken. In diesem Sinne definiert eine neue Rechtspflicht zur Abdeckung der Emissionen durch Zertifikate, die in die Betriebsgenehmigung herein gelesen wird, in Verbindung mit den Allokationsregeln den Inhalt der aus der Genehmigung erwachsenden, eigentumsrechtlich geschützten Rechtsposition des Betreibers neu643. Dies gilt, obwohl wegen der dynamischen Betreiberpflichten des § 5 I BImSchG nur in wenigen Fällen überhaupt die rechtliche Situation der Anlagenbetreiber beeinträchtigt werden dürfte, aufgrund der Tatsache, dass die Nutzung der Anlagen nun einem anderen Rechtsregime unterliegt und der Ausstoß von CO2 aus der verfassungsrechtlich geschützten Nutzungsbefugnis herausgelöst wurde. Folglich sind die Zuteilungsnormen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu qualifizieren, während es sich bei der einzelnen Zuteilungsentscheidung ggf.644 um eine sonstige Eigentumsbeeinträchtigung handelt645. 640
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BVerfGE 83, 201 (211 f.) – Bundesberggesetz. Auch in einem früheren Fall zur Umgestaltung der Fischereirechte ging das BVerfG bereits von einer Inhalts- und Schrankenbestimmung aus, BVerfGE 70, 191 (200) – Fischereibezirke. Dazu auch Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rz 84; Martin Burgi, NVwZ 1994, 527 (528); ders., Ersatzanlagen (2004), S. 35 f. Ebenso für die Regelungen des ZuG 2007 VG Berlin, 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, Rz 77 (juris); Martin Burgi, Ersatzanlagen (2004), S. 35 f.; vgl. auch zu Milchkontingenten BVerwG, DÖV 1994, 125 (126). Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rz 74. Ähnlich Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1080); Martin Burgi, Ersatzanlagen (2004), S. 35. Sofern der Schutzbereich eröffnet ist, vgl. o. S. 286. Inhalts- und Schrankenbestimmungen müssen abstrakte Regeln sein, vgl. Hans Jarass, NJW 2000, 2841.
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cc) Rechtfertigung der Allokationsregeln als Inhalts- und Schrankenbestimmungen Der Gesetzgeber hat gemäß Art. 14 I 2 GG die Aufgabe, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen; dies schließt begriffsnotwendig die Umgestaltung bestehender alter Rechtspositionen ein646. Dabei hat der Gesetzgeber „sowohl die grundgesetzliche Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 I 1 GG als auch das Sozialgebot des Art. 14 II GG [zu] beachten“647. Inhalts- und Schrankenbestimmungen sowie die auf ihr beruhenden sonstigen Eigentumsbeeinträchtigungen sind nur dann verfassungswidrig, wenn sie gegen die Institutsgarantie verstoßen oder unverhältnismäßig ausgestaltet sind648. Sie müssen vom geregelten Sachbereich her geboten und in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein, und die von ihnen verursachten Eigentumsbeschränkungen dürfen nicht weiter gehen als für den Regelungszweck erforderlich649. (1) Die Institutsgarantie Ein Verstoß gegen die Institutsgarantie liegt vor, wenn der Gesetzgeber etwas an die Stelle des Privateigentums setzt, das diesen Namen nicht mehr verdient hat650. Die Institutsgarantie soll somit einer Substanzentleerung des Eigentums entgegen wirken651. Sie verbietet, dass „solche Sachbereiche der Privatrechtsordnung entzogen werden, die zum elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich gehören, und damit der durch das Grundrecht geschützte Freiheitsbereich aufgehoben oder wesentlich geschmälert wird“652. Das ist bei Zertifikatehandel und Allokation nicht der Fall: Einerseits führt keine Allokationsregel dazu, die Befugnis zur Emission von CO2 prinzipiell auszuschließen. Andererseits kann der Gesetzgeber bestimmte Nutzungsbefugnisse durchaus vom Eigentum abtrennen, wie er es auch im Bereich des Grundwasserschutzes oder des Bergrechts getan hat. Bezeichnenderweise begegnet dies in der Folge der Nassauskiesungsentscheidung in den genannten Bereichen keinen Bedenken. Eine 646
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Brun-Otto Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, 5. Aufl. 2000, Art. 14 Rz 51; Rainer Wahl/Georg Hermes/Karsten Sach, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), 217 (235); Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 388. BVerfGE 58, 300 (338) – Nassauskiesung; dazu Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rz 87; Rudolf Wendt, in: Sachs (Hrsg.), GG, 4. Aufl. 2007, Art. 14 Rz 71 f. Für den Zertifikatehandel VG Würzburg, NVwZ 2005, 471 (474). Die Berücksichtigung des Gleichheitssatzes im Rahmen der Prüfung des Eigentumsrechts befürwortet Theodor Schilling, EuGRZ 1998, 177 (186). Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden Gleichheitsaspekte hier jedoch ausschließlich im Zusammenhang mit den Gleichheitsrechten behandelt, obwohl Verletzungen des Gleichheitssatzes sich möglicherweise auch auf andere Grundrechte auswirken. BVerwG, DÖV 1994, 125 (126) – Milchkontingentierung. BVerfGE 24, 367 (389) – Hamburgisches Deichordnungsgesetz. Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 162. BVerfGE 24, 367 (389) – Hamburgisches Deichordnungsgesetz; 58, 300 (339) – Nassauskiesung; Christine v. Milczewski, Der grundrechtliche Schutz des Eigentums (1994), S. 199.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
grundlegend andere Betrachtung ist für den Zertifikatehandel nicht geboten653. Ein Verstoß gegen die Institutsgarantie ist somit unabhängig von der Entscheidung über den Modus der Allokation nicht feststellbar654. (2) Verhältnismäßigkeit (a) Grundsätzliche Überlegungen Die Bestandsgarantie schützt das Eigentum in seiner konkret bestehenden Form in der Hand individueller Eigentümer und damit deren Kontinuitätsinteressen655. Der Gesetzgeber kann jedoch die bestehende Rechtslage umgestalten, wenn Gründe des öffentlichen Interesses dies rechtfertigen und der Eingriff verhältnismäßig ist656. Die Ausgestaltung des Eigentums spiegelt so die gesellschaftlichen Wandlungsprozesse wider657. Mit der Einführung eines CO2-Zertifikatehandels reagiert der Gesetzgeber auf den von ihm erkannten Reformbedarf658. Zur Gewichtung des Eigentumsschutzes sind sowohl sein Zweck als auch seine Entstehungsgeschichte mit ins Auge zu fassen. Hierfür ist die soziale Funktion des Eigentums ein maßgebliches Kriterium659. Soweit das Eigentum als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit660 dient, ist es in besonderem Maße geschützt661. Ebenso soll nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Schutz der eigenen Leistung des Rechtsinhabers und damit den von ihm getätigten Investitionen eine besondere Bedeutung zukommen662. Der im Baurecht 653
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Zur Diskussion über eine Abtrennung der Luftnutzungsbefugnis vom Grundeigentum vgl. Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 123 f. So auch Kim Lars Mehrbrey, ibid., S. 122 ff. (insbes. 125). Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 162. Vgl. BVerfGE 58, 300 (351) – Nassauskiesung; dazu Rainer Wahl/Georg Hermes/ Karsten Sach, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), 217 (235); Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 388. St. Rspr. des BVerfG, z.B. BVerfGE 8, 71 (80) – Weinreben-VO; BVerfGE 52, 1 (29 f.) – Kleingarten; BVerfGE 58, 300 (350 f.) – Nassauskiesung. VG Würzburg, NVwZ 2005, 471 (474); Helmuth Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 1987, 307 (329). VG Würzburg, NVwZ 2005, 471 (474); Martin Burgi, NVwZ 2004, 1162 (1164). BVerfGE 50, 290 (340 f.) – Mitbestimmung; Hans-Jürgen Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. 2, Art. 14 Rz 312; Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 274, 388; Helmuth Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 1987, 307 (324), der offen lässt, ob dieses Kriterium auf Ebene der Definition des Eigentums oder bei der Bewertung der Inhalts- und Schrankenbestimmung zu berücksichtigen ist. Michael Kloepfer/Hans-Peter Vierhaus, in: Kloepfer (Hrsg.), Anthropozentrik, Freiheit und Umweltschutz (1995), S. 29 (35). St. Rspr., s. BVerfGE 42, 263 (294) – Contergan; BVerfGE 50, 290 (340) – Mitbestimmung; Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rz 89. BVerfGE 1, 264 (277 f.) – Bezirksschornsteinfeger; Ulrich Hösch, Eigentum und Freiheit (2000), S. 55. Die eigene Leistung ist dabei jedoch regelmäßig nicht Voraussetzung für den Schutz, sondern erhöht dessen Intensität, s. Fritz Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S.152.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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entwickelte Grundsatz, dass eine eingeräumte Rechtsposition in der Regel nicht angetastet bzw. nur gegen Entschädigung entzogen werden kann, gilt im Immissionsschutzrecht nicht663. Nach §§ 4 ff. BImSchG erteilte Genehmigungen sind bereits ihrem Konzept nach nicht statisch, sondern setzen die Einhaltung der dynamischen Betreiberpflichten voraus und verpflichten daher gleichzeitig zur Einhaltung des Vorsorgegrundsatzes664. Bei der Abwägung sind vor allem das Vertrauen des Eigentümers in den Fortbestand der Rechtslage665 sowie die Bedeutung der betreffenden Rechtsposition für den Eigentümer666 zu berücksichtigen. Im Gegenzug gilt auch: Je mehr das Eigentum in einem sozialen Kontext bzw. einer sozialen Funktion steht, desto weiter reichen die Befugnisse des Gesetzgebers zur Regelung von Inhalt und Schranken667. Die soziale Bedeutung steht im Immissionsschutzrecht traditionell im Vordergrund668. Da auch die Auswirkungen der Treibhausgasemissionen die Allgemeinheit treffen, handelt es sich bei dem Betrieb von unter den Zertifikatehandel fallenden Anlagen um einen Sachverhalt, in dem die Sozialbindung des Art. 14 II GG von erheblicher Bedeutung ist669. Diese verpflichtet den Eigentümer, durch die Nutzung seines Eigentums die Allgemeinheit nicht zu gefährden670. Der Gesetzgeber muss bei seiner Normsetzung die Freiheit des Eigentümers und die schutzwürdigen Interessen der Allgemeinheit in Ausgleich bringen671. Sehr häufig gründet die Frage des angemessenen Ausgleichs zwischen Eigentumsfreiheit und Sozialbindung in Konflikten volkswirtschaftlicher Natur672. Ausgangspunkt der Abwägung sollte ein Art. 14 I GG zu entnehmendes Kontinuitätsgebot sein, wonach jede Änderung der eigentumsrechtlichen Lage auch die wirtschaftliche Amortisation der Bestandsanlagen berücksichtigen soll673. Im Falle von Grundstücksnutzungen, die auf erheblichen Investitionen beruhen, hat diese Abwägung zur Folge, dass sie 663
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BVerwGE 65, 313 (317); VG Würzburg, NVwZ 2005, 471 (474); Arbeitsgruppe Emissionshandel zur Bekämpfung des Treibhauseffektes, Rechtliche und institutionelle Fragen, Ergebnisse der Unterarbeitsgruppe III, Beratungsphase Februar – September 2002, S. 13; Rainer Wahl/Georg Hermes/Karsten Sach, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), 217 (234). Helmuth Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 1987, 307 (326). Rainer Wahl/Georg Hermes/Karsten Sach, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), S. 217 (235), weisen darauf hin, dass es keinen Vertrauensschutz darauf gibt, dass die Rechtslage unverändert bleibt. Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rz 89. St. Rspr., s. BVerfGE 42, 263 (294) – Contergan; BVerfGE 50, 290 (340) – Mitbestimmung; ausdrücklich zum Zertifikatehandel VG Würzburg, NVwZ 2005, 471 (474); Joachim Wieland, ibid., Art. 14 Rz 89; Rainer Wahl/Georg Hermes/Karsten Sach, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), 217 (236). Helmuth Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 1987, 307 (327); Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 389. Ebenso Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 240. Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rz 90. Joachim Wieland, ibid., Art. 14 Rz 89. Vgl. hierzu Helmuth Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 1987, 307 (328). Helmuth Schulze-Fielitz, ibid., S. 331.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
nicht abrupt unterbunden werden dürfen674, jedenfalls sofern keine akute, unmittelbare Gefahr von ihnen ausgeht. Nach Amortisation der Investitionen wird der Schutz jedoch deutlich schwächer, so dass die Verhältnismäßigkeit in aller Regel durch Fristen und sonstige Übergangsregelungen gesichert werden kann675. Zu bedenken ist schließlich auch bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit, dass die Allokation kein staatliches Gebot enthält, die Emissionen auf das zugeteilte Maß an Zertifikaten zu reduzieren. Die Einrichtung eines Emissionshandelssystems lässt den Anlagenbetreibern demnach deutlich mehr Freiheiten und Verantwortung, als ordnungsrechtlich auferlegte Emissionsminderungspflichten dies getan hätten676. (b) Legitimer Zweck Die Prüfung der Rechtfertigung eines Allokationsmodus muss bei seiner Ratio ansetzen677. Die Allokationsregelungen setzen ein europaweites System um, das dem Klimaschutz dienen soll678. Durch sie wird sichergestellt, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre völkerrechtlichen Klimaschutzverpflichtungen einhalten, indem sie eine Aufteilung des Kontingents auf die einzelnen Großemittenten vornehmen. Vor allem jedoch sollen sie dabei eine faire, effiziente Verteilung der europarechtlich limitierten Emissionen gewährleisten. Dabei muss die Kontingentierung den Kriterien gerecht werden, die der Verteilung zugrunde liegen sollen. Letztere beruhen in erheblichem Maße auf politischen Entscheidungen679, und das Grundgesetz belässt dem Gesetzgeber weite Entscheidungsspielräume bei der Festlegung der zu verfolgenden Ziele680. (c) Geeignetheit Die Allokationsregeln sind notwendiger Teil des Emissionshandelssystems, das durch die Festsetzung eines Emissions-Caps sicherstellt, dass in den ihm unterfal674
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BVerfGE 58, 300 (349) – Nassauskiesung; Rainer Wahl/Georg Hermes/Karsten Sach, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), 217 (235 f.). Darüber hinausgehend will Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 240 f., den Anlagenbetrieb ohne diese zeitliche Einschränkung garantieren. Rainer Wahl/Georg Hermes/Karsten Sach, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), 217 (235 f.); Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 388. Zu recht weist Helmuth Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 1987, 307 (331 f.) jedoch darauf hin, dass es hierfür nicht auf jede einzelne Anlage ankommen kann und zudem Amortisation nur ein zu berücksichtigender Gesichtspunkt ist. Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 (2129); ähnlich Arbeitsgruppe Emissionshandel, Rechtliche und institutionelle Fragen, Februar – September 2002, S. 14 f. Zu den Gemeinschaftsgrundrechten ebenso Yvonne Kerth, Emissionshandel (2004), S. 279. Axel Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (165). So auch Lars Oliver Michaelis/Christoph Holtwisch, NJW 2004, 2127 ff.; Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1080). Siehe zu den Allokationszwecken bereits o. S. 189 ff. OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 20 – Anteilige Kürzung I.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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lenden Bereichen die CO2-Emissionen die vorher festgesetzte Menge nicht überschreiten. Geeignet sind Allokationsregeln im Hinblick auf ihren Zweck daher nur, wenn sie diese Vorgaben einhalten. Daher ist der Gesetzgeber verpflichtet, sicherzustellen, dass es nicht zu einer Verteilung von mehr Zertifikaten kommen kann als durch das verbindliche Cap vorgegeben681. Zentraler ist jedoch die Frage, ob die Zuteilungsregeln eine effiziente, sinnvolle Verteilung der Zertifikate bewirken. Inwieweit dies der Fall ist und die parallel verfolgten Zwecke mit einbezogen werden, ist für die konkrete Rechtslage zu prüfen. Allerdings ist zu bedenken, dass dem Gesetzgeber hier eine Einschätzungsprärogative zukommt, die Eignung daher nur in den äußerst unwahrscheinlichen extremen Fällen zu verneinen sein dürfte, wenn eine offensichtlich unbrauchbare Verteilung aus den verabschiedeten Allokationsregeln resultiert. Eine Präferenz für einen bestimmten Allokationsmodus lässt sich im Rahmen der Eignung nicht generell entwickeln: Benchmark-, Grandfathering- und Auktionsverfahren haben auf einzelne Zwecke bezogen bestimmte Vor- und Nachteile. Dies hat zwar zur Folge, dass ihre Eignung abhängig von der genauen Zielsetzung der Allokation ist. Dennoch ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, das bestgeeignete Instrument zu verwenden, und es wird sich auch nicht immer feststellen lassen, welches der am besten geeignete Zuteilungsmodus ist. Daher kommt dem Gesetzgeber das Recht zu, Akzente zu setzen und seinen Präferenzen nachzugehen. (d) Erforderlichkeit Erforderlich ist eine Regelung dann, wenn kein milderes Mittel existiert, mit dem der angestrebte Erfolg ebenso sicher erreicht werden kann682. Die Frage, wann eine Allokationsregel erforderlich ist, ist besonders schwer zu beantworten, da es hier um die Partizipation an staatlicherseits zu verteilenden „Belastungsrechten“ geht. Hier kommt es für die Erforderlichkeit einer Allokationsregel daher nicht primär darauf an, ob für den einzelnen Marktteilnehmer ein Modus denkbar ist, der für ihn günstiger wäre. Vielmehr ist zu fragen, ob ein anderer Verteilungsmodus, der die Zielsetzung des Staates mindestens ebenso gut erfüllt, regelmäßig weniger intensiv in das Eigentum eingreift683. Bei der Beurteilung, ob ein milderes Mittel existiert, ist zudem zu beachten, dass das alternative Mittel weder zu einer stärkeren Belastung von Dritten noch der Allgemeinheit führen darf. Der mögliche Zukauf von Zertifikaten durch den Staat auf internationalen Märkten oder der Einsatz flexibler Mechanismen auf Basis des Kyoto Protokolls geht daher nicht in die Prüfung der Erforderlichkeit ein684. Da die Wirkungen der Zuteilungsregeln, die auf künftige Entwicklungen steuernd und lenkend Einfluss nehmen sollen, auf sehr komplexen Zusammenhängen basieren, kommt dem Staat bei der Beurteilung der erforderlichen Mittel ebenfalls ein sehr weiter Einschätzungs- und Prognose681
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Das wird im Falle des ZuG 2007 durch § 4 IV sichergestellt, dazu auch OVG BerlinBrandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 23 – Anteilige Kürzung I. Allg. Auffassung, s. etwa Volker Epping, Grundrechte, 2. Aufl. 2005, Rz 52; Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 20 Rz 85. Vgl. Peter Selmer, NVwZ 2003, 1304 (1311). Ebenso VG Berlin, 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, Rz 79 (juris).
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
spielraum zu685. Staatliche Fehlentscheidungen oder Irrtümer sind in neuen Systemen wie dem Zertifikatehandel schlichtweg nicht auszuschließen und daher hinzunehmen, sofern sie nicht ex ante eindeutig erkennbar waren. Wird jedoch mit der Zeit ein Anpassungsbedürfnis erkennbar, muss der Normgeber diese Prozesse beobachten und ggf. korrigierend eingreifen686. Nicht von Bedeutung ist dagegen die Frage, ob die staatliche Verknappung der Emissionsrechte, wie sie durch die Einführung des Emissionshandels und einer bestimmten Obergrenze („Cap“) für die Gesamtemissionen begründet wird, selbst erforderlich ist oder ob das Ziel der Einhaltung der Kyoto-Ziele auch mit milderen Mitteln hätte erreicht werden können. Diese Entscheidung ist für die Beurteilung der Allokationsmechanismen als gegeben zugrunde zu legen und nicht von dem verwendeten Allokationsverfahren abhängig: Die Knappheit besteht, und es geht nur noch um ihre Verwaltung. (e) Angemessenheit Somit kommt es auf die Frage an, inwiefern die Allokation in ihrer konkreten Ausgestaltung durch den deutschen Gesetzgeber angemessen ausgestaltet wird. Es muss sich um eine verhältnismäßige Ausgestaltung des Eigentumsgrundrechts i.e.S. handeln. Hierbei ist die soziale Eigentumsbindung zu berücksichtigen, aber auch ggf. auftretenden extremen Härten muss angemessen Rechnung getragen werden687. Dabei ist zu bedenken, dass sich bereits aus den dynamischen Betreiberpflichten, der Möglichkeit nachträglicher Anordnungen nach § 17 BImSchG oder dem Widerruf von Genehmigungen nach § 21 BImSchG ergibt, dass das Immissionsschutzrecht keinen absoluten Schutz einmal genehmigter Nutzungen kennt688. Die starken sozialen Bezüge, die derartige Industrieanlagen aufweisen, sind generell geeignet, selbst gewichtige Eigentumsbeschränkungen zu rechtfertigen689. Grundsätzlich sind daher Typisierungen wie Altersklassen, technische Standards oder einheitliche prozentuale Abschläge von früheren Emissionen ebenso zulässig wie die Einführung von Abgaben690. Dies muss auch gelten, wenn diese Bestimmungen im Ergebnis die Zusammensetzung des Energiemixes beeinflussen691. Schließlich sind auch die wirtschaftlichen Auswirkungen, die vom Emissionshandel auf 685
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VG Berlin, A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, 10 Rz 80 (juris); noch extensiver und wohl doch zu weit OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 21 – Anteilige Kürzung I (wonach dem Gesetzgeber ein Spielraum eingeräumt ist, „den er nur dann überschreitet, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können“. OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 21 – Anteilige Kürzung I. Eckard Rehbinder, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 70 (80); Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 151. VG Berlin, 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, Rz 82 (juris); Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1080). Vgl. BVerwG, DÖV 1994, 125 (126) – Milchkontingentierung. Helmuth Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 1987, 307 (332) A. A. Martin Burgi, NVwZ 2004, 1162 (1164).
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die betroffenen Unternehmen ausgehen, in eine Betrachtung der Angemessenheit der Allokation einzubeziehen. Insbesondere im Bereich der Energiewirtschaft hat sich der Emissionshandel bisher äußerst positiv in den Bilanzen niedergeschlagen. Auch wenn das Eigentum vorwiegend Substanzschutz und nur sekundär den Schutz des Wertes gewährt, erscheint es doch schwer denkbar, dass eine neue Regelung, die den betroffenen Betrieben Gewinne in Millionenhöhe verschafft, ernsthaft als unangemessen zu betrachten wäre692. Unabhängig vom verwendeten System muss ggf. für besondere Härtefälle ein Ausgleich angelegt sein, solange der Bestandsschutz noch nicht wegen Amortisierung der Anlagen zurücktritt693. Diese Ausgleichsregeln dürften wegen der zeitlichen Dimension des Problems die Gestalt von Frist- bzw. Übergangsregelungen annehmen, so dass Anlagen neueren Datums stärker geschützt werden, jedoch nur soweit sie aus der Zeit von vor dem Emissionshandel stammen. Schulze-Fielitz benennt für Verschärfungen des Immissionsschutzrechts mehrere relevante Faktoren: „Je höher die Emissionswerte, je größer die Betriebe, je älter die Anlagen bzw. ihre Technik, (...), je geringer der Nachrüstungsinvestitionsaufwand ist – desto strenger (kürzer) dürfen die Fristsetzungen sein.“694 Dies gilt ebenso für die Allokationsregeln in der Übergangsphase zum Zertifikatehandel. Zahlenmäßig qualifizierte Vorgaben für eine Mindestzuteilung lassen sich kaum aus den eigentumsrechtlichen Vorgaben herleiten, da die technischen und ökonomischen Gegebenheiten für unterschiedliche Anlagen nicht vergleichbar sind und einem zu großen Wandel unterliegen. Die bisherigen Zuteilungsregeln bereiten jedoch noch keine nennenswerten Probleme. Für die erste Handelsperiode von 2005 bis 2007 kürzte die Bundesregierung den am Zertifikatesystem beteiligten Anlagen die Emissionen durchschnittlich um gerade 0,4 Prozent, und auch für die folgende Periode waren zunächst lediglich Kürzungen um durchschnittlich ca. zwei Prozent vorgesehen695. Zum Vergleich: In einem Urteil zur Milchkontingentierung hat das Bundesverwaltungsgericht unflexible Referenzmengenabzüge von 20 % für verhältnismäßig gehalten696. Im Bereich des Zertifikatehandels wird man grundsätzlich striktere Abzüge für hinnehmbar halten müssen als in einem un-
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VG Berlin, 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, Rz 85 (juris). Ebenso OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 28 – Anteilige Kürzung I; Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 96 f. Helmuth Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 1987, 307 (333). Schumann, Tagesspiegel online v. 12.03.2006. Im Ergebnis dürfte bisher in den wenigsten Fällen eine rechtliche Mehrbelastung der Unternehmen vorliegen, zieht man in Betracht, dass sie bereits nach dem Immissionsschutzrecht verpflichtet waren, ihre Anlagen auf dem aktuellen Stand der Technik zu halten. Auch in einem Verfahren vor dem OVG Berlin-Brandenburg, in dem es um die Berechtigung einer anteiligen Kürzung ging, wies das Gericht darauf hin, dass eine Unterausstattung von 0,6% keineswegs als unangemessen anzusehen sein könne, OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 30. – Anteilige Kürzung I. Selbst wo nun nachträglich eine Verschärfung der Reduktionsvorgaben nach den Vorgaben der Kommission durchgesetzt wurde, dürften die Gesamtkürzungen nach wie vor tragbar bleiben. BVerwG, DÖV 1994, 125 (127) – Milchkontingentierung.
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flexiblen Quotensystem, da der Handel der Zertifikate als zusätzliches Korrektiv wirkt und Belastungen abmildern kann. (3) Besonderheiten aufgrund der europarechtlichen Vorgaben Eine besondere Rolle, wie bereits bei der Erörterung des Gemeinschaftsgrundrechts auf Eigentum angesprochen697, kommt der Allokation als Bindeglied zwischen europäischem und nationalem Recht zu. Durch die europarechtliche Vorgabe des nationalen Gesamtbudgets an Emissionszertifikaten kann Gegenstand der Grundrechtsprüfung lediglich die Verteilungsfunktion der Allokation sein. Folgerichtig kann sich auch ihre Verhältnismäßigkeit nicht allein nach der Minderzuteilung und dem Bedarf der Anlage richten, denn der Gesetzgeber ist ja gesamtwirtschaftlich an eine Zielvorgabe gebunden, die er keinesfalls überschreiten darf. Will man diesen Gedanken in die Grundrechtsprüfung integrieren, bietet sich ein dreistufiges Verfahren an. Dabei ist auf der ersten Stufe zu fragen, ob die Zuteilung Eigentumsrechte der Anlagenbetreiber im Hinblick auf den ihnen zukommenden Bestandsschutz verletzt. Hierfür wird allein der Maßstab des Grundgesetzes angelegt, d.h. der europarechtliche Aspekt der Kürzung wird vollständig ausgeblendet. Kann der Eingriff in das Eigentum gerechtfertigt werden, ist die Prüfung beendet, die Allokation verstößt nicht gegen Art. 14 I GG. Ist der grundgesetzliche Bestandsschutz hingegen nach diesen Grundsätzen verletzt, folgt die zweite Stufe, die die Sondersituation des Gesetzgebers berücksichtigt, dem eine Gesamtkürzung bindend vorgeschrieben ist und die eigentliche Verteilungswirkung betrifft. Hier ist zu erwägen, ob eine andere Verteilung der Zertifikate in Betracht käme, die keine Eigentumsrechte verletzt. Ist dies der Fall, sind die zu prüfenden Allokationsregeln unverhältnismäßig und müssen entsprechend geändert werden. Ist hingegen die Gesamtkürzungsvorgabe so strikt, dass eine Allokation ohne die Verletzung von Bestandsschutzansprüchen nicht denkbar ist, muss der Ausgleich auf einer dritten Stufe erfolgen. Nach den Grundsätzen der Maastricht- und der Solange II-Entscheidung698 kann das Bundesverfassungsgericht keinen Grundrechtsschutz gegenüber dem Europarecht bewirken. Eine Zuteilung über das europarechtlich vorgegebene Maß hinaus ist daher nicht denkbar. Um den Grundrechtsschutz nicht zu entwerten, kann der Staat daher zu einem finanziellen Ausgleich verpflichtet sein, der die Intensität der Eigentumsbeeinträchtigung abmildert699. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich zwar, dass ein Ausgleich vorrangig durch Ausnahmevorschriften, Übergangsregeln oder sonstigen technischen oder administrativen Lösungen angestrebt werden soll700. Derartige Möglichkeiten stehen dem Gesetzgeber in der dargestellten Situation je697 698 699
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S. oben S. 221 f. Vgl. oben S. 265 ff. Zu Ausgleichsansprüchen als Aspekt der Angemessenheit s. Hans Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 14 Rz 40; zu finanziellen Ausgleichszahlungen im Rahmen des Emissionshandels vgl. auch Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 97 f. BVerfGE 100, 226 (245 f.) – Denkmalschutz.
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doch nicht zur Verfügung. Daher ist er gegebenenfalls verpflichtet, einen finanziellen Ausgleich für die betroffenen Anlagenbetreiber vorzusehen. dd) Bedeutung für die einzelnen Allokationsmodi im Zertifikatehandel Um die dargestellten Grundsätze weiter zu konkretisieren, bietet es sich wieder an, anhand der verschiedenen Allokationsmodi zu differenzieren701. (1) Grandfathering-Systeme Unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsfreiheit sind Grandfathering-Systeme verhältnismäßig unproblematisch, da sie das unter den gegebenen Umständen größtmögliche Maß an Bestandsschutz gewähren. Auch sofern man aus Gründen der Versorgungssicherheit Wert darauf legt, dass Abhängigkeiten vom Ausland, insbesondere von politisch weniger stabilen Staaten, bei der Energieversorgung limitiert werden und daher eine Beibehaltung des gegenwärtigen Energiemixes anstrebt, bieten sich Grandfathering-Systeme an. Sollen diese Anliegen Priorität erhalten, ist ein Grandfathering-System das geeignete Mittel. Die Verpflichtung, die Gesamtemissionen zu limitieren und der Systemwechsel vom Ordnungsrecht zum Zertifikatehandel sind ohnehin europarechtlich vorgegeben und müssen daher für die Frage der Grundrechtskonformität der nationalen Allokationsregeln als gegeben vorausgesetzt werden. Angesichts der komplexen wirtschaftlichen Zusammenhänge wird man dem Gesetzgeber zudem hinsichtlich der Eignung und der Erforderlichkeit der Regelung einen Beurteilungsvorrang einräumen müssen. Es sprechen aber auch gute Gründe dafür, dass Bestandsschutz und Versorgungssicherheit nach traditioneller Vorstellung sich in einem Grandfathering-System tatsächlich am besten verwirklichen lassen. Entscheidend im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist daher regelmäßig, ob Grandfathering als Allokationsmodus auch angemessen ist. Der Gesetzgeber eines Grandfathering-Systems hat seine Befugnis zu im Bedarfsfall auch grundlegenden Veränderungen der Rechtslage nur sehr moderat ausgeübt. Statt auf eine Neugestaltung des Wirtschaftssystems hinzuwirken oder das System einem Wettbewerb unter gänzlich veränderten Bedingungen zu überlassen, geht es ihm um eine möglichst weitgehende Konservierung des status quo. Hinzu kommt, dass angesichts der gegenwärtig relativ geringen Kürzungen eine nennenswerte Verschlechterung der Rechtslage bei den wenigsten Unternehmen erkennbar sein dürfte, wenn man die dynamischen Betreiberpflichten des § 5 I BImSchG mit in den Blick nimmt. Da typischerweise die Emissionsminderungsfähigkeiten einer Anlage von Alter und Modernisierungsgrad abhängig sind, kann es erforderlich sein, entsprechend unterschiedliche Erfüllungsfaktoren einzusetzen, wenn anderenfalls ganze Anlagengruppen unrentabel würden. In jedem Fall sind für atypische Fälle, in denen es sich nach den oben dargelegten702 Kriterien um Härtefälle handelt, d.h. in denen bei Anwendung der Grandfathering-Regeln 701
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Die Ausführungen zum Grandfathering und zur Verwendung von Benchmarks gelten ebenso für Allokationssysteme, die einen kleineren Anteil der Zertifikate versteigern. Vgl. oben S. 300 ff.
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noch nicht amortisierte Anlagen nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden könnten, Härtefallklauseln vorzusehen. Moderate Kürzungen wie die in den Allokationsplänen der ersten beiden Handelsperioden beschlossenen lassen sich grundsätzlich relativ unproblematisch im Rahmen von Grandfathering-Systemen verwirklichen. In dem Maß, in dem jedoch rigidere Kürzungen durchgesetzt werden müssen, kann es zu der oben dargestellten703 Situation kommen, dass der Bestand noch nicht amortisierter Anlagen gefährdet wird. Lässt sich diese Problematik nicht im Rahmen der Allokationsregeln beheben, weil das zu verteilende Zertifikatkontingent nicht genügt, können finanzielle Ausgleichsregelungen erforderlich werden. Bei der Annahme eines solchen Anspruchs ist jedoch Zurückhaltung geboten. (2) Benchmark-Systeme Während Grandfathering-Systeme den Bestandsschutz betonen, gehen Benchmark-Systeme typischerweise704 von bestimmten technischen Standards aus, anhand derer die Anlagen unabhängig von früheren Emissionen Zertifikate zugeteilt bekommen. Dies führt zu einer an der Produktion orientierten Verteilung und soll den Modernisierungsanreiz für betroffene Unternehmen erhöhen. Große Unterschiede ergeben sich insbesondere im Energiesektor in Abhängigkeit von der Art des verwendeten Benchmarks. Brennstoffunabhängige Benchmarks sind deutlich eher geeignet, zu Verschiebungen in der Produktion und im Wettbewerb zu führen als brennstoffabhängige Standards und müssen aufgrund ihrer stärkeren Umverteilungswirkung unter Eigentumsgesichtspunkten kritischer betrachtet werden705. Allerdings beruht die Verwendung brennstoffunabhängiger Benchmarks auf dem Gedanken, über Preissignale verstärkt umweltschonendere Produktionsweisen zu fördern, so dass sie im Hinblick auf eine ökologische Modernisierung wirksamer sind. Auch vor dem Hintergrund mittel- und längerfristiger Minderungsanforderungen, die auf die Volkswirtschaft zukommen, ist dies ein legitimes Anliegen. Angesichts der relativ starken Sozialbindung der Anlagen einerseits und der Tatsache, dass Anlagenbetreiber die zum Betrieb erforderlichen Zertifikate nicht nur durch unmittelbare Zuteilung durch den Staat, sondern auch später auf dem Markt erwerben können, sind daher auch brennstoffunabhängige Benchmarks nicht unverhältnismäßig. Hieran zeigt sich, dass auch dieser Entscheidung in Wahrheit ein Zielkonflikt zugrunde liegt: Die Entscheidung zwischen brennstoffabhängigen und -unabhängigen Benchmarks hängt letzten Endes davon ab, ob der Gesetzgeber auf gleichmäßige Effizienzverbesserungen in allen Technikbereichen setzt oder ob möglichst weitreichenden Reduktionen der Kohlendioxidemissionen im Hinblick auf künftige Reduktionsbedürfnisse Priorität zukommen soll. Hierbei handelt es sich um eine politische Entscheidung, und solange ein wirtschaftlicher Betrieb der betroffenen Anlagen möglich bleibt, sind beide 703 704
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S. o. S. 301. Denkbar ist auch, dass Benchmarks unter den Stand der Technik abgesenkt werden, sei es, weil nicht genügend Zertifikate vorhanden sind oder weil ein Teil der Zertifikate versteigert werden soll. Vgl. hierzu o. S. 68 ff.
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Optionen rechtlich zulässig. Gegenüber Grandfathering-Systemen dürfte beim Benchmarking das Bedürfnis für Härtefallklauseln geringer sein, dennoch ist zu prüfen, ob sie ggf. erforderlich sind706. Bei strikten Minderungsvorgaben stellt sich unabhängig vom verwendeten Allokationsmodus und daher auch in Benchmark-Systemen möglicherweise das Problem, dass der Bestand von Anlagen gefährdet ist, ohne dass der Staat aufgrund der bindenden europarechtlichen Vorgaben hiergegen etwas unternehmen könnte. Lässt sich dies nicht durch veränderte Allokationsvorschriften korrigieren, ist nach den oben dargelegten Grundsätzen707 der Staat u. U. zu einem finanziellen Ausgleich verpflichtet. (3) Auktionssysteme Reine Auktionssysteme sind gegenüber Grandfathering- oder BenchmarkLösungen aufwendiger zu rechtfertigen, da sie zunächst den stärkeren Eingriff in das Eigentum darstellen: Hier wird die Nutzungsbefugnis unmittelbar kostenpflichtig, und die Höhe der Kosten ist für die betroffenen Unternehmen ex ante schwer zu prognostizieren. Ersteigern sie keine Zertifikate und können sie auch später keine Zertifikate auf dem Markt erwerben, wird die Anlage für sie faktisch wertlos, weil sie nicht eingesetzt werden kann. Diesen Nachteilen stehen besondere Effizienzvorteile des Systems gegenüber und eine längerfristige Orientierung in Richtung Klimaschutz708. Hinzu kommt die Ausrichtung am Verursacherprinzip709, die gleichzeitig eine partielle Internalisierung der mit der Umweltnutzung verbundenen Kosten bewirkt. Die ökonomische Theorie bescheinigt Auktionssystemen daher immense Vorteile, die jedoch mit intensiven Eigentumsbeschränkungen einher gehen. Berücksichtigt man die Besonderheiten dieser gesellschaftlichen Konfliktlage, ist der Eingriff in das Eigentum durch eine Auktionierung der Zertifikate so intensiv, dass er zwar nicht grundsätzlich unzulässig ist, aber wohl der Abfederung bedarf. Ein Auktionssystem kann für den Zertifikatehandel eingerichtet werden, aber gleichzeitig muss eine Übergangsregelung für bestehende, noch nicht amortisierte Anlagen eingerichtet werden, die unter anderen Prämissen errichtet und in Betrieb genommen wurden710. Nach Amortisation der Anlage treten die Nutzungsinteressen des Betreibers gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an der mittel- und langfristigen Förderung emissionsärmerer Anlagen, der volkswirtschaftlich kostensparenden Verwirklichung der Minderungsziele und der Durchsetzung des 706 707 708
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Zu den Kriterien hierfür s. o. S. 300 ff. Vgl. oben S. 301. Skeptisch hinsichtlich der Vorteile von Auktionssystemen dagegen Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 244, der vor allem darauf abhebt, dass sie gegenüber anderen Allokationsmethoden den Klimaschutz nicht verbessern. Hierzu umfassend Walter Frenz, Verursacherprinzip (1997) passim. Insofern ist Manfred Rebentisch, NVwZ 2006, 747 (750) beizupflichten, wenn er unterschiedliche Vorsorgepflichten für Bestands- und Neuanlagen fordert. Ähnl. wie hier Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 107 f., der als Vergleich die Diskussion um den Ausstieg aus der Kernenergie heranzieht, Auktionen von Emissionsrechten jedoch i. E. für unproblematischer hält.
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Verursacherprinzips in den Vordergrund und ermöglichen auch erhebliche Belastungen der Anlagenbetreiber. Aus diesem Grund ist selbst das Ausschöpfen der von der EmissionshandelsRL eröffneten Möglichkeiten nicht zu beanstanden, mit zunehmender Dauer des Emissionshandels in einem abgestuften Verfahren auf ein Auktionssystem umzuschwenken711. Angesichts der langfristigen Investitionszyklen in den betroffenen Bereichen dürfte eine Vergabe ausschließlich durch Auktionierung allerdings erst mit Beginn der übernächsten Handelsperiode 2018 denkbar sein. Bis dahin kann der Anteil zu versteigernder Zertifikate deutlich zunehmen. Soll die Einführung eines – europarechtlich nicht zwingenden – reinen Auktionssystems schneller erfolgen, ist eine Entschädigungsregelung in Erwägung zu ziehen712. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die Eigentumsgarantie prinzipiell die Substanz gewährt und nicht lediglich den Wert und salvatorische Entschädigungsklauseln daher nur im Ausnahmefall geeignet sind, anderenfalls unverhältnismäßige Regelungen zu legitimieren713. Grundsätzlich haben Übergangsregelungen, Härteklauseln oder Dispensmöglichkeiten Vorrang714. Grenzen lassen sich auch insofern feststellen, als aus der Wahl eines Auktionsverfahrens bestimmte Pflichten resultieren. So muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Versteigerung nicht durch die überragende Marktmacht einzelner Branchen oder Unternehmen manipuliert werden kann. Wo dies im Rahmen eines freien Verfahrens nicht gesichert erscheint, muss der Staat regulierend eingreifen715. Eine Möglichkeit, wirtschaftlich schwächere Sektoren zu schützen, könnte in der getrennten Auktionierung der Zertifikate zu sehen sein. Da der Bestandsschutz bei Einführung eines Auktionssystems bereits durch entsprechende Übergangsklauseln gewährleistet sein muss, entstehen finanzielle Ausgleichsansprüche ggf. im Rahmen dieser Übergangsregelungen, d.h. zu Zeiten, wo die Allokation an Altanlagen noch anhand von Grandfathering-Regeln oder Benchmarks erfolgt. Es gelten die bei den jeweiligen Vergabemodi dargelegten Grundsätze. ee) Fazit: Vorgaben für die Allokation aus dem grundgesetzlichen Eigentum Grundsätzlich sind alle drei Verteilungsmodi mit dem Eigentum in Einklang zu bringen; Auktionsregeln bedürfen jedoch anders als Benchmarks oder Grandfathering-Systeme der Einhaltung besonderer Übergangsfristen zur Absicherung noch nicht amortisierter Investitionen. Härtefallklauseln können ebenfalls in allen Sys711
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A. A. Manfred Rebentisch, NVwZ 2006, 747 (750), der eine entgeltliche Vergabe der Zertifikate grundsätzlich und dauerhaft für unverhältnismäßig hält. Zu Art. 10 EH-RL s. bereits o. S. 79 f. Vgl. Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 109; allg. hierzu Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rz 132; Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art 14 Rz 46 f. Vgl. hierzu BVerfGE 100, 226 (245) – Denkmalschutz. BVerfGE 100, 226 (245 f.) – Denkmalschutz; Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2004, Art. 14 Rz 135; Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 14 Rz 46. Vgl. Axel Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (166).
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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temen erforderlich sein und betreffen vorwiegend atypische Konstellationen. Allgemein gilt: je mehr Umverteilung und je weiter die Zuteilung unterhalb den für den weiteren Betrieb einer Anlage erforderlichen Emissionsmengen bleibt, desto genauer ist sowohl die allgemeine Regel als auch die einzelne Zuteilung zu prüfen. Sofern es zu einer so deutlichen Kürzung der nationalen Emissionskontingente kommt, dass der Bestandsschutz nicht mehr gewährleistet werden kann, sind finanzielle Ausgleichszahlungen in Betracht zu ziehen, da eine großzügigere Zuteilung wegen des Vorrangs des Europarechts716 ausscheidet. b) Art. 12 GG – Berufsfreiheit Auch aus der Berufsfreiheit ergeben sich Anforderungen an eine grundrechtskonforme Allokation, da jene die Bedingungen bestimmt, unter denen Anlagen weiter betrieben oder überhaupt erst in Betrieb genommen werden können. aa) Schutzbereich (1) Grundsätzliches Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist für die Wirtschaftsordnung von besonderer Bedeutung. Art. 12 GG und Art. 14 GG gewähren einen komplementären Schutz für die wirtschaftliche Betätigung, indem die Eigentumsgarantie das Erworbene, die Berufsfreiheit den Erwerbsvorgang schützt717. Die Berufsfreiheit erfasst den Bereich der Erwerbstätigkeit umfassend718 und schützt die Grundrechtsberechtigten sowohl bei der Wahl einer Tätigkeit als auch bei ihrer Ausübung. Das Bundesverfassungsgericht hat diese beiden Bereiche in st. Rspr. zu einem einheitlichen Grundrecht mit einheitlichem Schrankenvorbehalt verschmolzen719. Für den Unternehmer bedeutet dies, dass nicht nur die freie Gründung gewährleistet ist, sondern auch die Freiheit, das Unternehmen nach eigenen Vorstellungen zu führen
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Vgl. hierzu Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 23 Rz 34, 39. Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 58. Das ist jedoch nicht im Sinne einer, strikten Exklusivität zu verstehen, vielmehr gibt es Konstellationen, in denen beide Grundrechte in Idealkonkurrenz heranzuziehen sind, vgl. Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 126, der jedoch im Falle des Zertifikatehandels die Eigentumsgarantie für das speziellere Grundrecht hält. Geschützt wird jede auf Dauer angelegte und nicht nur vorübergehende Tätigkeit, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient, s. BVerfGE 7, 377 (397) – Apothekenurteil; 50, 290 (362) – Mitbestimmung; Peter Tettinger/Thomas Mann, in: Sachs (Hrsg.), GG, 3. Aufl. 2003, Art. 12 Rz 29. Dies bedeutet, dass sich auch der selbständige Unternehmer bei seiner Tätigkeit auf Art. 12 GG berufen kann. Seit BVerfGE 7, 377 (401) – Apothekenurteil; Peter Tettinger/Thomas Mann, in: Sachs (Hrsg.), GG, 4. Aufl. 2007, Art. 12 Rz 8; Rupert Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Bd. 2, Art. 12 Rz 312; kritisch hierzu Friedhelm Hufen, NJW 1994, 2913 (2917).
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
und weiter zu entwickeln720. Auch inländische juristische Personen des Privatrechts können sich gem. Art. 19 III GG auf diese Rechte berufen721. Befasst man sich mit der Berufsfreiheit im Kontext mit staatlicher Verteilungslenkung, ist zudem zu entscheiden, ob die Berufsfreiheit in ihrer abwehrrechtlichen Dimension oder als Teilhaberecht betroffen ist722. (2) Konsequenzen für die Allokation Durch die Limitierung der Zertifikate erfolgt eine Kontingentierung des CO2Ausstoßes723; was dies für den einzelnen betroffenen Anlagenbetreiber bedeutet, kann man jedoch erst mit der Allokation oder jedenfalls deren Normierung ermessen. Zwar geht von der Allokation kein Gebot aus, die Emissionen auf das der Zuteilung entsprechende Maß zu beschränken, da ein Zukauf fehlender Zertifikate grundsätzlich möglich ist. Durch die Allokation wird jedoch der Handlungsspielraum des betroffenen Anlagenbetreibers maßgeblich definiert724. Wenn man nicht generell die Nutzung öffentlicher Güter aus dem materiellen Gehalt der Freiheitsrechte ausnehmen möchte725, ist somit durch die Allokation die Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmen berührt, denn die CO2-Emission der Anlagenbetreiber ist Teil ihrer Berufsausübung726. Jeder Bürger darf nach wie vor entsprechende genehmigte Anlagen betreiben; durch die Verpflichtung, eine hinreichende Menge an Zertifikaten vorzuhalten, erfolgt jedoch eine Regelung der Berufsausübung727, u. U. kann auch der Zugang zu bestimmten Berufen, d.h. die Freiheit der Berufswahl, betroffen sein728.
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Christian Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat (2001), S. 266. Allg. Auffassung, s. etwa Hans Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein (Hrsg.), GG, 10. Aufl. 2004, Art. 12 Rz 7; Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 12 Rz 10a. Zu dieser Abgrenzung vgl. Dominik Kupfer, Die Verteilung knapper Ressourcen im Wirtschaftsverwaltungsrecht (2004), S. 302 ff., der im Emissionshandel keine Bewirtschaftungsentscheidung sieht, weil „durch die rechtliche Modifizierung des bislang freien Umweltgutes zu einem ökonomischen Gut (…) erreicht (wird), dass der notwendige Schutz des Umweltgutes unter freiheitlichen Bedingungen verwirklicht werden kann“, ibid. S. 306, kursiv im Orig. Rüdiger Breuer, in: Hendler et al. (Hrsg.), Emissionszertifikate und Umweltrecht (2004), S. 145 (176). S. bereits oben S. 182 ff. So etwa Dietrich Murswiek, DVBl. 1994, 77 (83). Mehr dazu s.o. S. 267 ff. Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 183; Martin Burgi, Ersatzanlagen (2004), S. 35. Eckard Rehbinder, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), S. 70 (79); Eckard Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen (1994), S. 92 (119). Bedenken bei Rüdiger Breuer, in: Hendler et al. (Hrsg.), Emissionszertifikate und Umweltrecht (2004), S. 145 (176), der auf die besondere Eingriffsschwere hinweist und meint, die Einstufung als bloße Beschränkung der Berufsausübung werde der Sach- und Rechtslage nicht gerecht. Martin Burgi, NVwZ 2004, 1162 (1164).
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bb) Eingriff (1) Grundsätzliches Ein Eingriff in die Berufsfreiheit setzt nicht nur voraus, dass Grundrechtsträger bei der Wahl oder Ausübung ihres Berufes Beeinträchtigungen irgendeiner Form ausgesetzt sind. Hinzukommen muss auch eine mindestens objektiv berufsregelnde Tendenz, d.h. eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit kann nur erfolgen, wenn eine Regelung sich entweder unmittelbar auf berufliche Tätigkeiten bezieht oder aber jedenfalls ihrem Inhalt nach im Schwerpunkt Tätigkeiten betrifft, die typischerweise beruflich ausgeübt werden729. Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung nehmen Rechtsprechung und h.L. eine Qualifizierung der Eingriffe anhand der sog. Dreistufentheorie vor. Diese Einstufung geht davon aus, dass sich bis zu einem gewissen Grad die Intensität des Eingriffs bereits abstrakt bemessen lässt730. Am geringsten ist demnach die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit bei Berufsausübungsregelungen, die nicht den Zugang zu einem Beruf beschränken, sondern lediglich die Art und Weise seiner Ausübung normieren731. Die mittlere Kategorie bilden sog. subjektive Berufszugangsschranken, d.h. Regelungen, die auf persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten, erworbene Abschlüsse oder erbrachte Leistungen der Betroffenen abstellen732. Am bedenklichsten sind sog. objektive Berufszugangsschranken, die ebenfalls den Zugang zu einem Beruf regeln, dabei jedoch an Kriterien anknüpfen, die weder mit Eigenschaften des Betroffenen zusammenhängen, noch sonst von ihm beeinflusst werden können733. Auch die Entscheidung über die Fortsetzung eines Berufes betrifft die Berufszulassung in diesem Sinne734. Diese Abgrenzung zwischen Berufswahl- und Berufsausübungsregelung kann größere Schwierigkeiten machen als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Sie ist häufig abhängig vom zugrunde gelegten Berufsbild. Je enger man ein Berufsbild fasst, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, bei der Qualifizierung einer Regelung zu einer Berufswahlbeschränkung zu gelangen. Aber auch jenseits dieser Problematik sind Fälle denkbar, in denen eine sichere Einordnung in die Kategorien der Dreistufentheorie nicht möglich ist735.
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BVerfGE 97, 228 (254) – Kurzberichterstattung; dazu Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 12 Rz 11 ff. Kritik an dieser Annahme bei Friedhelm Hufen, NJW 1994, 2913 (2918). BVerfGE 7, 377 (305 f.) – Apothekenurteil; Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 12 Rz 25. A. A. Friedhelm Hufen, NJW 1994, 2913 (2917), da hierdurch die gerichtliche Kontrolle auf eine reine Vertretbarkeitsprüfung reduziert werde. BVerfGE 7, 377 (406 f.) – Apothekenurteil; BVerfGE 9, 338 (345) – Hebammenaltersgrenze. BVerfGE 7, 377 (407) – Apothekenurteil; Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 12 Rz 27. Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 12 Rz 26 f. Zu derartigen Qualifizierungsproblemen s. Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 12 Rz 28 ff.
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(2) Konsequenzen für die Allokation Werden kontingentierte Emissionsrechte vom Staat vergeben, berühren die Zuteilungsregeln sowie die Zuteilungsentscheidung die Berufsfreiheit der Bewerber736. Auch eine Regelung der Befugnis, Kohlendioxid zu emittieren, bezweckt eine Normierung der gewerblichen Tätigkeit der Anlagenbetreiber und stellt somit einen Eingriff in die Berufsfreiheit dar737. Das Bundesverfassungsgericht738 zeigte sich demgegenüber sehr zurückhaltend, einen Eingriff in Art. 12 I GG durch Allokationsregeln anzunehmen, da es davon ausgeht, dass der Eingriff bereits durch die europarechtlich vorgegebene Kontingentierung erfolgt und in der Aufteilung der Minderungsverpflichtung nur noch die Umsetzung einer europarechtlichen Verpflichtung zu sehen ist. Angesichts der weitreichenden Freiheiten des nationalen Gesetzgebers, die Minderungsverpflichtung unter den betroffenen Anlagenbetreibern aufzuteilen, führt dieses restriktive Eingriffsverständnis zu einer in Hinblick auf die Berufsfreiheit stark eingeschränkten Prüfungsintensität. Da ein Eingriff in die Berufsfreiheit jedoch auch im Wege einer fehlerhaften Aufteilung der Minderungsverpflichtung denkbar ist, erscheint es vorzugswürdig, die Bedeutung der europarechtlich vorgegebenen Kontingentierung erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Große Schwierigkeiten macht jedoch der Versuch, die Dreistufentheorie auf die Allokation anzuwenden. Dies erklärt sich dadurch, dass die Allokationswirkung nicht unabhängig vom zugrunde liegenden Zertifikatehandelssystem gedacht werden kann. Letzteres nimmt die Kontingentierung vor und wird durch die Entscheidung für einen bestimmten Allokationsmodus oder auch ein ganzes Konvolut an Allokationsregelungen wie im Falle des ZuG 2007 näher ausgestaltet. Die Kontingentierung, die in letzter Konsequenz auch dem Zugang zu CO2-ausstoßenden Tätigkeiten objektive Grenzen setzt, steht jedoch, da durch die EH-RL vorgeschrieben, nicht zur Disposition des nationalen Gesetzgebers. Folglich entfällt die Prüfung, ob die Kontingentierung der CO2-Emissionen nach den Kriterien der Dreistufentheorie gerechtfertigt sein kann, zu prüfen ist nur noch, ob innerhalb dieser
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Vgl. Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 108. A. A. jetzt BVerfG, 1 BvF 1/05 v. 13.03.2007, Rn 76, das wohl davon ausgeht, dass der Eingriff bereits durch die europarechtlich vorgegebene Kontingentierung erfolgt und daher jedenfalls in § 12 ZuG 2007 keinen Eingriff in Art. 12 GG sah. Angesichts der weitreichenden Freiheiten des nationalen Gesetzgebers, die Minderungsverpflichtung unter den betroffenen Anlagenbetreibern aufzuteilen, führt dieses restriktive Eingriffsverständnis zu einer in Hinblick auf die Berufsfreiheit stark eingeschränkten Prüfungsintensität. Vorzugswürdig erscheint es daher, die Bedeutung der europarechtlich vorgegebenen Kontingentierung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. A. A. wohl Markus Faber, GewArch 2002, 264 (266), der bei der Versteigerung von UMTS-Lizenzen einen Eingriff von Auktionssystemen in die Berufsfreiheit mit der Begründung bejaht, dass eine Zuteilung mit einer Zahlungsverpflichtung einher geht. BVerfG, 1 BvF 1/05 v. 13.03.2007, Rn 76 zu § 12 ZuG 2007.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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Kontingentierung ein unter grundrechtlichen Gesichtspunkten verfassungsgemäßer Verteilungsmaßstab gewählt wurde739. Der Verteilungsmaßstab als solcher passt nicht in die Eingriffskategorien der Dreistufentheorie. Um dennoch grundrechtliche Maßstäbe herausarbeiten zu können, ist daher im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung unmittelbar auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip zurückzugreifen740. An dieser Stelle soll die Eingriffswirkung der unterschiedlichen Allokationsmodi kurz dargestellt werden. (a) Grandfathering- bzw. Benchmark-Systeme Solange der Staat Alt- wie Neuanlagen einen Grundstock an Zertifikaten kostenlos bzw. gegen eine verhältnismäßig geringe Gebühr zuteilt, ist die Nutzbarkeit der Anlage gesichert, wenn auch möglicherweise nicht in dem vom Unternehmen angestrebten Umfang. Dies gilt auch noch, wenn ein kleinerer Teil der Gesamtmenge an Zertifikaten versteigert wird. Der Betrieb vorhandener Anlagen ist in der Regel nicht gefährdet: Grundsätzlich darf die Anlage betrieben werden, wenn auch im schlimmsten Fall, d. h. wenn eine Modernisierung nicht zu akzeptablen Kosten möglich ist und auch der Zukauf von Zertifikaten mangels Angebot oder wegen zu hoher Preise nicht in Betracht kommt, die Produktion reduziert werden muss. Dass eine Anlage daher unrentabel wird, ist theoretisch denkbar, aber zumindest im Falle moderater Kürzungen eher unwahrscheinlich. Mit der Allokation geht in einem Grandfathering- oder Benchmark-System die Anweisung einher, entweder die Produktion zu beschränken, in die Reduktion von CO2-Emissionen zu investieren oder aber zusätzliche Zertifikate hinzu zu kaufen. (b) Auktions-Systeme Entscheidet sich der Staat dafür, die Zertifikate generell oder auch nur an Neuanlagen durch Auktionierung zu vergeben oder Betreiber von Neuanlagen für den Zertifikatserwerb auf den Markt zu verweisen, besteht die Gefahr, dass einzelne Anlagenbetreiber keine Zertifikate erhalten. In einem derartigen Szenario er739
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Die theoretische Unterscheidung zwischen Kapazitätsbegrenzung einerseits und Zuordnung individueller Nutzungen nehmen auch Michael Kloepfer/Sigrid Reinert, in: Gethmann/Kloepfer/Reinert, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat (1995), S. 47 vor. Da in den üblicherweise diskutierten Konstellationen jedoch regelmäßig der nationale Gesetzgeber ebenso für die Kontingentierung wie für die Verteilung der Güter zuständig ist, werden Kontingentierung und Allokationsmechanismus häufig als einheitlicher Vorgang diskutiert, s. etwa Peter Selmer, NVwZ 2003, 1304 (1310); Axel Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (165 f.). Dessen Umsetzung soll auch die Dreistufentheorie dienen. Wo sie nicht passt, ist es folglich sinnvoller, auf das zugrunde liegende Prinzip zu rekurrieren als unter großem Aufwand anhand dieser offensichtlich für andere Konstellationen entwickelten Theorie zu argumentieren. And. Markus Faber, GewArch 2002, 264 (267), der ein Auktionsverfahren als Berufsausübungsregelung ansieht. Auch VG Berlin, 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006, Rz 87 (juris) geht davon aus, dass die anteilige Kürzung nach § 4 IV ZuG 2007 als Berufsausübungsregelung einzustufen ist. Im Ergebnis dürften sich keine Unterschiede ergeben, da auch die Dreistufentheorie eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorsieht.
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scheint es denkbar, dass Produktionsanlagen nicht mehr wirtschaftlich betrieben bzw. gar nicht erst gebaut werden können, weil die Zertifikatepreise zu hoch bzw. nicht genügend Zertifikate erhältlich sind. Zu beachten ist, dass in diesem Falle die Anforderungen an die Rechtfertigung eines Zertifikatesystems steigen741. (c) Sonderproblematik: Zuteilungsmechanismus für Neuanlagen Besonders gefährdet ist die Berufsfreiheit der Betreiber von Neuanlagen, wenn für sie ein anderer Zuteilungsmodus bestimmt ist als für Bestandsanlagen. Dies ist etwa immer der Fall im Rahmen von Grandfathering-Systemen, da für Neuanlagen keine Datengrundlage besteht, auf die man für die Zuteilung zurückgreifen könnte. Aber auch bei der Verwendung von Benchmarks werden häufig Unterschiede zwischen Neu- und Bestandsanlagen gemacht. Unterschiedliche Benchmarks sind in der Regel unproblematisch, da man von Neuanlagen naturgemäß eine umfassendere Einhaltung neuester technischer Vorgaben verlangen kann, während die gleichen Werte durch Nachrüstung von Bestandsanlagen nicht immer einzuhalten sind. Größeres Augenmerk ist hingegen den Neuanlagenregelungen im Rahmen von Grandfathering-Systemen zu widmen. Im schlimmsten Falle – bei Marktmissbrauch, aber auch wenn Reduktionsvorgaben schneller ansteigen als der technische Fortschritt voranschreitet – kann es dazu kommen, dass auf dem Markt keine Zertifikate mehr erhältlich sind. Dieses Szenario ist allerdings nur dann problematisch, wenn etablierte Unternehmen Zertifikate nach bestimmten Kriterien (die Problematik stellt sich üblicherweise in Grandfathering-Systemen, wäre aber auch denkbar, wenn nur Bestandsanlagen Allokationen anhand von Benchmarks erhielten) zugewiesen bekommen, Neuanlagenbetreiber jedoch auf den Markt verwiesen werden. Entscheidet sich der Gesetzgeber dennoch für eine derartige Lösung, steigen auch hier die Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffs. Das Problem lässt sich jedoch bereits dadurch umgehen, dass in regelmäßigen Abständen Zertifikate versteigert werden und Altwie Neuanlagenbetreiber gleichermaßen auf die Zertifikate bieten können. cc) Rechtfertigung Dieser mit der staatlichen Entscheidung über die Allokation verbundene Eingriff in Art. 12 I GG bedarf wie jede Einschränkung von Freiheitsrechten der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Wie zu zeigen sein wird, kommt dem Staat bei der Ausgestaltung des Emissionshandelssystems auch im Hinblick auf die Berufsfreiheit des Art. 12 I GG ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu. (1) Grundsätzliches Die in Art. 12 I GG geregelte Berufsfreiheit ist ein Grundrecht mit einfachem Gesetzesvorbehalt, d.h. der Gesetzgeber ist befugt, einen Konflikt zwischen Gruppen von Grundrechtsträgern, hier Anlagenbetreibern und Bürgern, durch ein förmli741
Eckard Rehbinder, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 70 (80); Eckard Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen (1994), 92 (121); Rüdiger Breuer, in: Hendler et al. (Hrsg.), Emissionszertifikate und Umweltrecht (2004), 145 (176).
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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ches Gesetz zu regeln. Auf Basis der Wesentlichkeitstheorie liegt die Annahme nahe, dass die wesentlichen Auswahlgrundsätze vom Gesetzgeber selbst geregelt werden müssen und nicht per Rechtsverordnung erlassen werden dürfen742. Von dieser Befugnis hat der Gesetzgeber zunächst mit dem Erlass des TEHG und des ZuG 2007 Gebrauch gemacht; eine entsprechende Schranke stellen auch das ZuG 2012 und seine Nachfolgeregelungen dar. Diese Normen regeln, unter welchen Bedingungen die dem Emissionshandel unterliegenden Anlagen betrieben werden können und bestimmen über die Ausgangsposition der Betreiber hinsichtlich ihrer Zertifikateausstattung. Allerdings sind dem die Grundrechte beschränkenden Staat selbst durch die sog. Schranken-Schranken wieder Grenzen gesetzt, die seine Regelungsmöglichkeiten beschränken743. Von besonderer Bedeutung ist hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Hiernach ist ein Eingriff nur zulässig, wenn der Staat einen zulässigen Zweck mit einem geeigneten und erforderlichen Mittel verfolgt, das zudem keine Grundrechtsbeschränkung verursacht, deren Intensität gänzlich außer Verhältnis zum angestrebten Zweck steht744. Diesen Anforderungen müssen auch die jeweiligen Zuteilungsnormen gerecht werden. Für Eingriffe in Art. 12 I GG beschreibt die Dreistufentheorie die Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs in Abhängigkeit von dessen Qualifizierung als Berufsausübungsregelung, subjektive oder objektive Berufszulassungsschranke, die jedoch nicht von einer Verhältnismäßigkeitsprüfung dispensiert, sondern in deren Rahmen eine Argumentations- und Bewertungsrichtlinie darstellt. Passen die Kategorien dieser Theorie daher nicht, wie es bei den Allokationsregeln der Fall ist745, muss auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung in ihrer klassischen Form zurückgegriffen werden. Erforderlich ist daher, die Relation der verfolgten Ziele und die Konsequenzen für den jeweiligen Grundrechtsinhaber ebenso einzubeziehen wie die Folgen für Dritte und die Gemeinschaft und nicht bei einer oberflächlichen Betrachtung stehen zu bleiben746. Eine Erörterung dieser Frage bietet sich auch hier anhand der verschiedenen Allokationsmodi an. (2) Bedeutung für die mitgliedstaatliche Allokation (a) Für alle Allokationsmodi geltende Grundsätze Der Zweck der Allokationsregeln erschließt sich, wie bereits gezeigt747, nicht auf den ersten Blick. Primär zielen diese Normen auf eine sinnvolle Verteilung des knappen Gutes Kohlendioxidemissionsbefugnis unter Einhaltung des vorgegebenen Caps. In die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzustellen sind daher alle Erwägungen, anhand derer eine Vergabe erfolgen soll. Diese verfolgen jedoch teilweise 742
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744 745 746 747
Ebenso Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 123; a. A. BVerwGE 51, 235 (239) – Güterverkehrsgenehmigungen, das eine Übertragung auf den Verordnungsgeber für möglich hält. Allg. Auffassung, s. z.B. Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Vorb. Vor Art. 1 Rz 14, 44, 49; Ralf Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte (2003), S. 325. Ralf Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte (2003), S. 325. Vgl. oben S. 310 f. Friedhelm Hufen, NJW 1994, 2913 (2918). Vgl. zu den Zwecken der Allokation bereits oben S. 189 ff.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
gegenläufige Ziele und sind zudem in nicht unerheblichem Maße von der Entscheidung des Gesetzgebers abhängig. Bestandsschutz kann ebenso ein Primäranliegen sein wie die mittel- bis langfristige Ausrichtung auf eine weniger emissionsintensive Wirtschaft. Selbst wenn die wesentlichen klimaschützenden Maßgaben durch die Festsetzung der Gesamtmenge bereits weitestgehend europarechtlich vorgegeben sind, kann nicht völlig außer Acht bleiben, dass die Allokationsregelungen jedenfalls in ihrer langfristigen Dimension auch dem Umweltschutz und in letzter Konsequenz dem Schutz der eigenen Bevölkerung dienen können. Daher ist bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Allokationsregeln auch zu berücksichtigen, dass der Staat aus Art. 2 II 1 GG und Art. 20a GG objektive verfassungsrechtliche Pflichten hat, die Rechte seiner Bürger auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie ihre natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen748. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schreibt keine konkreten Maßnahmen zur Lösung politischer Konflikte vor. Vielmehr sind politische und von Seiten der Politik zu verantwortende Entscheidungen erforderlich, die anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich auf ihre verfassungsrechtliche Rationalität zu überprüfen sind749. Vor überhöhten Erwartungen an verfassungsrechtliche Vorgaben ist daher zu warnen. Es ist vielmehr so, dass dem demokratisch gewählten Gesetzgeber weite Ermessens- und Handlungsspielräume zukommen750, die im Zuge der vorliegenden Untersuchung näher ausgelotet werden sollen. Zu erwägen ist, ob sich Anhaltspunkte für die Verhältnismäßigkeitsprüfung aus der numerus clausus Rechtsprechung des BVerfG entnehmen lassen. Danach ist nur eine sachgerechte, an den Kriterien von Fähigkeit und Eignung orientierte Bewerberauswahl geeignet, den Ausschluss unterlegener Mitbewerber im Hinblick auf deren Berufsfreiheit zu legitimieren751. Der hinter dieser Entscheidung stehende Gedanke passt jedoch auf den Emissionshandel nicht. Es handelt sich bei den Zertifikaten nicht um ein durch Leistung zu erwerbendes Privileg, das sinnvollerweise an die „Würdigkeit“ eines Unternehmens geknüpft werden kann. Die Grundidee des Zertifikatehandels besteht darin, die Verteilung grundsätzlich dem Markt zu überlassen und so sicherzustellen, dass die knappe Ware Zertifikat da eingesetzt wird, wo sich CO2 nicht kostengünstig einsparen lässt. Die Allokation 748
749 750
751
So für Art. 2 II GG Gerald Becker-Neetz, Umweltzertifikatmodelle (1988), S. 87. Vgl. auch Ralf Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte (2003), S. 294, 296. Zu kollidierenden Schutzpflichten im Hinblick auf den Zertifikatehandel s. o. S. 272 ff. Ralf Poscher, Grundrechte als Abwehrrechte (2003), S. 329. So jetzt auch OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 20 f. – Anteilige Kürzung I. Zu den weiten Spielräumen des Gesetzgebers in der Wirtschaftspolitik s. BVerfGE 30, 292 (317) – Erdölbevorratung; BVerfGE 81, 156 (189) – Arbeitsförderungsgesetz 1981; Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2004, Art. 12 Rz 119; Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 352. Kritisch gegen die „Ausspielung [der Berufsausübungsfreiheit] gegen eine kaum glaubliche Fülle angeblicher Gemeinwohlbelange“ Friedhelm Hufen, NJW 1994, 2913 (2917). BVerfGE 33, 303 (345 ff.) – numerus clausus. Dazu Andreas Grünwald, MMR 2001, 721 (724); Michael Kloepfer/Sigrid Reinert, in: Gethmann/Kloepfer/Reinert, Verteilungsgerechtigkeit im Umweltstaat, 47 (55 f.).
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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regelt nur die Erstverteilung und ist im Gegensatz zu anderen staatlichen Vergabeverfahren auch bereits ihrem Zweck nach nicht abschließend, sondern dient lediglich als Ausgangspunkt in einem Handelssystem. (b) Grandfathering Grandfathering greift in relativ moderater Weise in die Berufsfreiheit der Betreiber von Bestandsanlagen ein, indem diese eine Zuteilung an Zertifikaten erhalten, mit denen sie entweder auskommen müssen oder ggf. weitere Zertifikate auf dem Markt erstehen können. Die Zuteilung ändert somit die Marktbedingungen dieser Unternehmen und die Bedingungen, unter denen sie ihre Anlagen betreiben können. Derartige Regelungen bewegen sich im Rahmen der Schrankenregelung des Art. 12 I GG, solange sie verhältnismäßig sind. Hierfür ist zunächst der Zweck zu ermitteln, dem die Allokationsregeln dienen sollen752. Bei der Auswahl der Ziele, die mit einer Regelung verfolgt werden sollen, kommt wie bereits dargelegt dem Gesetzgeber eine weitreichende Gestaltungsfreiheit zu, dies gilt in besonderem Maße im Bereich der Wirtschaftspolitik753. Der Grund dieser gerichtlichen Zurückhaltung ist in der demokratischen Legitimation des Parlaments und seiner Entscheidungen einerseits und der Unsicherheit der Konsequenzen wirtschaftspolitischer Maßnahmen andererseits zu sehen. In dieser Situation ist es den Richtern verwehrt, ihre eigenen Präferenzen auf juristischem Wege gegenüber denen des Gesetzgebers durchzusetzen754. Für die Allokation bedeutet dies, dass die Bewertung der mit ihr verfolgten Ziele dem Gesetzgeber weitgehend frei steht. Schließlich sind die regelmäßig mit der Allokation verfolgten Ziele durchweg solche des Gemeinwohls. Üblicherweise wird mit den Allokationsregeln nicht lediglich ein Ziel verfolgt, vielmehr dienen sie regelmäßig dem Zweck, mehrere unterschiedliche Einzelanliegen in Einklang zu bringen, vereinen also eine Vielzahl an Zwecken. Zusätzlich zu dem allen Modi inhärenten Zweck, die Vorgaben des Zertifikatehandelssystem zu erfüllen, dienen vor allem Grandfathering-Systeme dem Bestandsschutz bestehender Anlagen und der Umsetzbarkeit des Emissionshandels für die Verwaltung. Bei den genannten Zwecken handelt es sich um legitime Ziele, die der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsbefugnis verfolgen darf. Auch die Frage, ob die gesetzgeberische Entscheidung geeignet ist, diese Ziele zu erreichen, unterliegt lediglich einer Vertretbarkeitskontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. Dem Gesetzgeber kommt hier eine relativ weite Einschätzungsprärogative zu, da anderenfalls die Wirtschaftspolitik vom Bundesverfassungsgericht verantwortet würde755. Sofern bei einem Grandfathering-System realistische Ausgangswerte zugrunde gelegt werden, ist es auch geeignet, die Minderungsvorgaben der Richtlinie umzusetzen. Unzweifelhaft dürfte auch sein, dass 752 753
754 755
Dazu ausführlich s. oben S. 189 ff. BVerfGE 30, 292 (317) – Erdölbevorratung; BVerfGE 81, 156 (189) – Arbeitsförderungsgesetz 1981; Joachim Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2004, Art. 12 Rz 119. Kritisch Friedhelm Hufen, NJW 1994, 2913 (2917). Friedhelm Hufen, NJW 1994, 2913 (2918). OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 21. – Anteilige Kürzung I; Friedhelm Hufen, NJW 1994, 2913 (2918 f.).
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
unter allen Allokationssystemen bei der Verteilung einer festgesetzten Menge Grandfathering-Systeme das größtmögliche Maß an Bestandsschutz gewährleisten. Schließlich erwies es sich bei der Einführung des Emissionshandels als aufwendiger, technische Standards zu entwickeln als prozentuale Minderungsverpflichtungen durchzusetzen. Auch um eine Überlastung der Verwaltung zu vermeiden, sind Grandfathering-Systeme somit geeignet. Bedenken an ihrer Verfassungsmäßigkeit bestehen auch insofern nicht. Eine Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers gilt zudem, wenn auch in beschränkterem Ausmaß, für die Frage, ob die Normen erforderlich sind, um den avisierten Zweck zu erreichen. In dem Maße, in dem Auswirkungen der eingesetzten Mittel absehbar sind, ist auch zu prüfen, ob mildere Mittel ebenso sicher zum Erfolg756 führen würden. Bei abstrakten ebenso wie bei konkreten Verteilungsentscheidungen erweist sich dieser Prüfungspunkt als nicht besonders kritisch, weil diese regelmäßig einen Zielkonflikt lösen, d.h. Ergebnis einer Gewichtung unterschiedlicher Interessen sind. Dies beruht auf der Korrelation zwischen Allokationsmodus und mit ihm verfolgtem Zweck: Mit der Entscheidung über den Allokationsmodus nimmt der Gesetzgeber eine Bewertung der betroffenen Belange vor. Ein anderer Verteilungsmaßstab korrespondiert entsprechend mit einer anderen Gewichtung der mit der Allokation verfolgten Ziele. Legt man besonderen Wert auf Bestandsschutz und Verwaltungsentlastung, ist ein milderes Mittel als ein Grandfathering-Verfahren nicht ersichtlich. Schließlich ist auch die Angemessenheit der Regelungen zu erörtern. Die mit den Zuteilungsregeln verfolgten Zwecke sind dabei in Beziehung zu den von ihnen ausgehenden Freiheitsbeschränkungen zu setzen. Betrachtet man die mit dem Grandfathering verfolgten Zwecke, dürfte dem Bestandsschutz gegenüber den Verwaltungserleichterungen mehr Gewicht zukommen. Besonders wichtig für die Angemessenheit der Regeln ist daher, dass jener auch tatsächlich verwirklicht wird. Macht man älteren und neueren Anlagen dieselben prozentualen Minderungsauflagen, haben letztere i.d.R. erheblich größere Schwierigkeiten. Der technische Fortschritt hat regelmäßig für sie noch kein entsprechend großes Modernisierungspotential bewirkt. Zudem ist der Bestandsschutz bei Anlagen, die sich noch nicht amortisiert haben, deutlich ausgeprägter als bei Anlagen, die seit langem in Betrieb sind. Dieser unterschiedliche Bestandsschutz muss sich jedenfalls bei erheblichen Kürzungen in der Ausgestaltung der Grandfathering-Regeln niederschlagen, etwa indem für die Minderungsverpflichtung einer Anlage an ihr Alter bzw. die letzte Modernisierung angeknüpft wird. Sofern dennoch die Besorgnis besteht, dass bestimmte Anlagen nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können, ist, ähnlich wie bei der Eigentumsfreiheit, an einen Ausgleich im Wege von Härtefallklauseln zu denken757. 756
757
Unabhängig von den gesetzgeberischen Prioritäten bezüglich der Verteilung muss jedenfalls sichergestellt sein, dass das nationale Zertifikatebudget nicht überschritten wird, vgl. OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 23. – Anteilige Kürzung I. OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 28. – Anteilige Kürzung I.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
317
Als weitere Vorgabe ist zu beachten, dass durch das Grandfathering nicht sämtliche Zertifikate zugewiesen werden dürfen, so dass Neuanlagen die erforderlichen Zertifikate auf dem Markt erwerben müssten758. Auch neuen Marktteilnehmern muss eine realistische Chance eröffnet werden, eine unter den Emissionshandel fallende Tätigkeit aufzunehmen. Werden sie darauf verwiesen, die erforderlichen Zertifikate auf dem Markt zu erwerben, werden dem Missbrauch und dadurch verursachten Wettbewerbsverzerrungen Tür und Tor geöffnet. Allerdings lässt sich hieraus keine Verpflichtung entnehmen, Zertifikate an Neuanlagen kostenfrei zuzuteilen. Die Aufnahme einer Tätigkeit ist auch dann möglich, wenn die Zertifikate zu diesem Zweck zu Marktpreisen erworben werden müssen. Der Staat ist nur verpflichtet, sicherzustellen, dass der Erwerb von Zertifikaten grundsätzlich möglich ist. Werden die dargelegten Grundregeln eingehalten, spricht unter dem Aspekt der grundgesetzlich geschützten Berufsfreiheit nichts Prinzipielles gegen ein Grandfathering-System. (c) Benchmarking Eine andere Möglichkeit, der Knappheit an Zertifikaten gerecht zu werden, besteht darin, technische Standards für die Zuteilung zu entwickeln. Das ist beispielsweise der Ansatz der Bundesregierung für die Handelsperiode 2008-2012, nachdem ihr erster Entwurf für den NAP II auf Widerstand der Kommission gestoßen ist. Auch hier ist zunächst danach zu fragen, welche Ziele der Gesetzgeber verfolgt. Dadurch, dass eine Basiszuteilung sich nach technischen Standards richtet, erhalten Bestandsanlagen ein Minimum an Zertifikaten. Möglicherweise ist dies nicht genug für die unveränderte Fortsetzung des Betriebs, aber es sichert den Unternehmen eine Mindestausstattung. Gegenüber Grandfathering-Methoden stärker betont wird beim Benchmarking der Anreiz für Investitionen in neue Techniken. Je effizienter die Anlage, desto größer die Chance, dass die Ausstattung mit Zertifikaten für eine optimale Auslastung der Anlage genügt und womöglich weitere Zertifikate zum Verkauf übrig bleiben. Unmoderne Anlagen müssen in Benchmark-Systemen Zertifikate zukaufen. Schließlich hat das Benchmarking auch Vorteile im Rahmen der Gleichbehandlung von Bestands- und Neuanlagen, da es in gleicher Form auf beide Anlagentypen angewendet werden kann. Weitere mit der Entscheidung für ein Benchmarking verbundene Wertungen ergeben sich aus der näheren Ausgestaltung des gewählten Systems. So bewirken brennstoffabhängige Benchmarks eher eine Effizienzverbesserung unter Beibehaltung bestehender Strukturen und Bewahrung des Brennstoffmixes. Brennstoffunabhängige Benchmarks hingegen befördern einen Systemwechsel hin zu emissionsärmeren Brennstoffen und nehmen somit stärkeren Einfluss auf den volkswirtschaftlichen Energiemix. Wie bereits dargelegt, sind jedoch die Entscheidungsspielräume des Gesetzgebers in diesem Bereich sehr weit, es bleibt ihm überlassen, welche Prioritäten er innerhalb des Systems setzt. Grundsätzlich verfolgen Benchmark-Systeme in all ihren Ausprägungen legitime Zwecke. 758
Zur Vergabe von Slots nach dem Luftverkehrsrecht ebenso Thomas Tschentscher/ Christian Koenig, NVwZ 1991, 219 (223). Vgl. zu dieser Sonderproblematik für neue Marktteilnehmer bereits o. S. 312.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
Hinsichtlich der Eignung von Benchmark-Systemen bestehen üblicherweise wenig Bedenken. Zu beachten ist jedoch, dass sie an relative Werte anknüpfen, d.h. sich die Zuteilung primär nach Kapazität und Technik einer Anlage richtet. Gleichzeitig werden Benchmarks nicht nur auf Bestandsanlagen angewendet, deren Kapazitäten bekannt sind, sondern auch auf Neuanlagen, die im betreffenden Zeitraum in Betrieb genommen werden. Hier ist dafür Sorge zu tragen, dass die Zuteilung nicht zu einer Überschreitung der zulässigen Zertifikategesamtmenge führen kann759. Anderenfalls fehlt es an der Eignung zur Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben. Zur Erforderlichkeit gilt das bereits Gesagte: Mit der Entscheidung für ein bestimmtes Zuteilungssystem entscheidet der Gesetzgeber gleichzeitig über seine Prioritäten. Im Falle des Benchmarkings geht es vorwiegend darum, Anreize für Investitionen in neuere Techniken zu setzen und dadurch die Wirtschaft mittelund langfristig klimaschonender auszurichten. Da die Minderungsverpflichtung ohnehin zwingend vorgegeben ist, lässt sich ein milderes Mittel zu diesem Zweck nicht ermitteln. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist nur noch zu prüfen, ob die verfolgten Anliegen und die Freiheitsbeeinträchtigungen in einer vernünftigen Relation stehen. Die mit Benchmarks verfolgten Anliegen sind in aller Regel von hinreichendem Gewicht, um Beschränkungen der Berufsfreiheit zu rechtfertigen. Gleichzeitig ist bei Verwendung von Benchmarks auch in jedem Fall sichergestellt, dass jeder Anlagenbetreiber jedenfalls über einen Grundstock von Zertifikaten verfügt. Bedenken könnten sich allenfalls ergeben, wenn die unterschiedlichen Benchmarks für verschiedene Anlagentypen ohne rechtfertigenden Grund extrem unterschiedlich hohe Anforderungen an die Betreiber stellen. Der Spielraum des Gesetzgebers dürfte in diesem Bereich jedoch ausgesprochen weit sein. Härtefallklauseln sind allenfalls bei technisch unvermeidbarem, irregulär hohem Ausstoß erforderlich oder zur Abfederung des Übergangs auf ein Zertifikatesystem.
759
Der deutsche NAP I hat das Problem dadurch gelöst, dass Neuanlagen ihre Zertifikate aus einer separaten Neuanlagenreserve erhalten, die, sofern sie nicht ausreicht, staatlicherseits durch zugekaufte Zertifikate aufgestockt wird. Eine entsprechende Regelung ist auch für die zweite Handelsperiode in § 5 ZuG 2012 vorgesehen.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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(d) Auktionssysteme760 Entscheidet sich der Staat dafür, die Zertifikate zu versteigern, will er bereits im ersten Schritt der Zuteilung der Zertifikate ein möglichst hohes Maß an Effizienz erreichen761. Studien haben ergeben, dass Versteigerungssysteme die volkswirtschaftlichen Kosten der Umsetzung von Klimaschutzzielen deutlich senken können762. Schließlich verwirklicht die Versteigerung der Zertifikate auch das umweltrechtliche Verursacherprinzip weitergehend als jeder andere Zuteilungsmodus, weil alle Emissionen Kosten verursachen und nicht erst die Emissionen, die über ein bestimmtes, gleichsam vom Staat finanziertes Maß hinausgehen763. All dies sind legitime Ziele, an deren Verwirklichung der Staat ein berechtigtes Interesse hat, und eine Allokation im Versteigerungswege ist das geeignete und erforderliche System, wenn die Verwirklichung dieser Interessen im Vordergrund stehen soll764. Im Vergleich zu vielen anderen Konstellationen, in denen die Verteilung öffentlicher Güter zu regeln ist, spricht im Rahmen der Allokation der CO2760
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Im Rahmen dieser Untersuchung wird nicht näher erörtert, ob in derartigen Auktionen ein Verstoß gegen die Grundsätze der Finanzverfassung zu sehen ist. Mehrheitlich werden derartige Versteigerungen für zulässig gehalten. Explizit für den Zertifikatehandel Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 255 ff.; Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 169 ff. (zusammenfassend S. 195); vgl. auch Markus Faber, GewArch 2002, 264 (266 f.) im Kontext der Versteigerung der UMTS-Lizenzen, der derartige Auktionen für zulässig hält, solange die finanziellen Einnahmen Nebenfolge des Verfahrens bleiben und die Effizienz der Verteilung Hauptzweck ist, und davon ausgeht, dass es sich bei den im Rahmen der Auktion zu bezahlenden Beträgen nicht um Abgaben zu fiskalischen Zwecken handelt. Ähnlich Peter Selmer, NVwZ 2003, 1304 (1310 ff.). Mit anderer Argumentation Matthias Kötter, DVBl. 2001, 1556 (1563 ff.); Kai Schumacher, NJW 2000, 3096 (3097 ff.), die die Einnahmen als Gebühren einordnen, eine Versteigerung jedoch grundsätzlich für denkbar halten. Auch angesichts der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Problematik ist davon auszugehen, dass das Finanzverfassungsrecht derartigen Versteigerungen keine unlösbaren Probleme bereitet, obwohl das Gericht nur eine sehr eingeschränkte Prüfung vornahm und sich zur grundsätzlichen Zulässigkeit derartiger Allokationsverfahren nicht explizit äußerte, s. BVerfGE 105, 185 – UMTS-Erlöse. Einen Verstoß gegen die Finanzverfassung sehen im Falle des Zertifikatehandels dagegen Martin Burgi/Peter Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung von Emissionszertifikaten (2007), passim, in der entgeltlichen Zuteilung. Ebenso Peter Selmer, NVwZ 2003, 1304 (1310) zur Motivation des Gesetzgebers zur Einführung von Frequenzversteigerungen nach dem TKG. So etwa Dallas Burtraw et al., Effect on Asset Values (2002), S. 18. Zu den Vor- und Nachteilen der Auktionierung vgl. o. S. 70 f. Ob allerdings die Auktionierung von CO2-Zertifikaten aus finanzverfassungsrechtlichen Gründen der richtige Ansatz für die Umsetzung dieses Gedankens ist, mag zweifelhaft sein, vgl. Markus Faber, GewArch 2002, 264 (268); Peter Selmer, NVwZ 2003, 1304 (1311). Grundsätzlich wird das Verursacherprinzip jedoch von Art. 20a GG gestützt, vgl. Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 20a Rz 9. Ähnlich Peter Selmer, NVwZ 2003, 1304 (1311); Klaus Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (380 f.) für die Versteigerung der UMTS-Lizenzen. Vgl. auch allg. Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 231.
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Zertifikate verhältnismäßig wenig gegen eine Auktionierung, da materielle Faktoren wie die Zuverlässigkeit der Anlagenbetreiber oder ihre fachliche Eignung in einem Zertifikatehandelssystem nicht von Bedeutung für eine effiziente und sinnvolle Zuteilungsentscheidung sind765. Entscheidend für die Verhältnismäßigkeit der Auktionierung ist somit die Frage, ob und ggf. unter welchen Umständen oder Bedingungen die Vergabe der Zertifikate im Auktionswege angemessen ist. Es ist abzuwägen, ob die intensive Beschränkung, die von der Verpflichtung ausgeht, die erforderlichen Zertifikate zu ersteigern oder hinterher auf dem Markt käuflich zu erwerben, im Verhältnis zu den durch sie erreichten Zielen steht und somit den Betroffenen noch zumutbar ist. Positiv fällt hier ins Gewicht, dass eine Versteigerung allen Betroffenen die gleiche Chance auf einen Erwerb der erforderlichen Zertifikate einräumt766. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung ist aber auch zu bedenken, dass ein Anlagenbetreiber, der bei der Versteigerung leer ausgeht, zwar die erforderlichen Zertifikate auch noch auf dem Markt erwerben kann, aber naturgemäß unter erheblichem Druck steht. Entscheidet er sich, die Anlage zu betreiben, ohne über die erforderlichen Zertifikate zu verfügen, macht er sich vom Marktpreis abhängig. Im Raum steht gelegentlich auch der Vorwurf der unzulässigen Kommerzialisierung knapper Wirtschaftsgüter767. Grundsätzlich ist gegen eine der gesamten Volkswirtschaft zugute kommende kostengünstige Umsetzung von Umweltzielen nichts einzuwenden; auch ist es ein vernünftiges Vorhaben, die Verantwortung für Umweltschäden in stärkerem Maße von der Allgemeinheit auf ihre Verursacher zu verlagern. Der Staat gestattet dem Anlagenbetreiber mit Erwerb des Zertifikats eine Nutzung eines limitierten Umweltgutes, worin ein Sondervorteil gegenüber anderen Personen zu sehen ist, die über eine derartige Nutzungsbefugnis nicht verfügen768. Diese Ungleichbehandlung gegenüber erfolglosen Mitbietern wird durch die Zahlung wieder ausgeglichen769. Die damit einhergehende finanzielle Belastung der Anlagenbetreiber lässt sich auch als marktorientierter Preisfindungsmechanismus betrachten770. Allerdings muss der Staat im Gegenzug gewährleisten, dass der von ihm entwickelte Versteigerungsmodus sein Ziel einer effizienten Verteilung erreichen kann und zum richtigen „Knappheitspreis“ führt771. Das setzt insbesondere voraus, dass der Marktpreis wirklich auf freien Marktprozessen be765
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Bei den Versteigerungen der UMTS-Lizenzen hingegen wird ein gewisser Begründungsaufwand benötigt, warum das höchste Gebot auch die Fähigkeit gewährleisten soll, die ersteigerte Frequenz bestmöglich zu nutzen, vgl. Peter Selmer, NVwZ 2003, 1304 (1310); Matthias Kötter, DVBl. 2001, 1556 (1559); Axel Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (166); abl. daher Bernd Grzeszick, DVBl. 1997, 878 (883 f.). Klaus Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (381 f.) zur Versteigerung von UMTS-Lizenzen. Zu dieser Problematik im Gebührenrecht s. Paul Kirchhof, HdbStR Bd. IV (1990), § 88 Rz 187; zur Parallele bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen Axel Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (163); Peter Selmer, NVwZ 2003, 1304 (1310). Vgl. zu den UMTS-Lizenzen Axel Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (163); Klaus Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (393). Klaus Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (393). Klaus Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (395); Markus Faber, GewArch 2002, 264 (269). Peter Selmer, NVwZ 2003, 1304 (1311).
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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ruht772, der einzelne Betroffene insbesondere nicht von stärkeren Marktteilnehmern mit unlauteren Mitteln aus dem Markt gedrängt oder zu überhöhten Geboten genötigt werden kann773. Angesichts der für die Anlagenbetreiber existentiellen Bedeutung der Zertifikate müssen besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, um eine Manipulation des Marktes zu verhindern774. Ist ersichtlich, dass die verschiedenen unter den Emissionshandel fallenden Branchen über sehr ungleiche finanzielle Möglichkeiten verfügen, sind separat zu versteigernde Kontingente in Betracht zu ziehen775. Unter Einhaltung der genannten Voraussetzungen steht die Versteigerung der CO2-Zertifikate nicht im Widerspruch zu Art. 12 I GG. (e) Sonderproblem Neuanlagen Die besondere Problematik der Neuanlagen ergibt sich aus den Kalkulationsschwierigkeiten, die sie im System des Zertifikatehandels verursachen. Besonders offenkundig ist das in Grandfathering-Systemen, die ihrer Natur nach keine Anhaltspunkte für die Ausstattung von Neuanlagen geben können. Aber auch für jeden anderen Allokationsmodus stellt sich das Problem, dass durch zusätzliche Neuanlagen die Nachfrage nach staatlich zu verteilenden Zertifikaten steigt. Sofern der Staat die Zertifikate unentgeltlich zuteilt, bedeutet dies, dass zusätzliche Neuanlagen die zuzuteilenden Mengen für bestehende Anlagen reduzieren, da die Gesamtmenge an Zertifikaten vorgegeben und somit invariabel ist. Der Bestand an Altanlagen ist aufgrund der in den letzten Jahren erhobenen Daten bekannt, hingegen ist es für den Gesetzgeber schwierig zu kalkulieren, welche und wie viele Neuanlagen in Betrieb genommen werden sollen und wie groß das benötigte Zertifikatekontingent sein muss. Während die Altanlagen großenteils noch aus einer Zeit vor der Einführung des Zertifikatehandels stammen und zudem auf dem Stand der Technik ihrer Entstehung basieren, wird man von in neuerer Zeit geplanten und verwirklichten Anlagen erwarten können, dass sie die Umstände des Emissionshandels einkalkulieren und den aktuellen Stand der Technik reflektieren. Diese Gegebenheiten muss der Staat bei seiner Entscheidung über die Allokation bedenken und in seine Entscheidung in vertretbarer Weise einbeziehen, so dass er zu einer verhältnismäßigen Regelung gelangt. Wegen ihrer besonderen Gefährdungssituation ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Interessen potentieller Neuanlagenbetreiber im Auge zu behalten: er muss dafür sorgen, dass ihre Chancengleichheit gewahrt und ihnen der Zugang zum Markt möglichst nicht versperrt wird776. Daraus ergibt sich nicht notwendigerweise, dass Neuanlagen die für ihren Betrieb erforderlichen Emissionsrechte kostenfrei erhalten müssten. Sie müssen jedoch ebenfalls Zugang zu den staatlicherseits zugeteilten Ressourcen bekommen. Entscheidend ist daher, dass sie nicht darauf verwie772 773 774
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Markus Faber, GewArch 2002, 264 (269). Vgl. zu den UMTS-Versteigerungen Axel Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (166). Von einer „Garantenpflicht“ des Staates spricht Axel Kämmerer, NVwZ 2002, 161 (166). Für eine Verpflichtung des Gesetzgebers, besondere Schutzvorkehrungen zur Gewährleistung der Chancengleichheit von kapitalschwächeren Marktteilnehmern zu treffen, auch Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 445. Eckard Rehbinder, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 70 (79).
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
sen werden können, gegebenenfalls übrige Zertifikate zu erhalten777 – sei es vom Staat, sei es, dass sie diese auf dem Markt - im schlimmsten Falle von ihren Konkurrenten – erwerben müssten. Zu verlangen ist hier eine Teilnahme an einem sachgerecht organisierten Auswahlverfahren unter Einhaltung des Grundsatzes der Chancengleichheit778. Insbesondere darf der Staat nicht darauf vertrauen, dass der Markt auch gegenüber Neuanlagenbetreibern für eine bedarfsgerechte Verteilung sorgt. Altanlagenbetreiber könnten ihre Zertifikate verwenden, um den Markt gegen unerwünschte Konkurrenz abzuschotten. Der Staat ist verpflichtet, sicherzustellen, dass jedenfalls eine gewisse Menge an Zertifikaten auch für Neuemittenten zur Verfügung steht, ob sie nun von staatlichen Stellen verteilt oder auf dem Markt erworben werden sollen. Faktisch spricht einiges dafür, dass sich diese Garantie innerhalb eines Grandfathering- oder Benchmark-Systems nur über eine staatliche Reservehaltung umsetzen lässt779. Bei der Ausgestaltung des ZuG 2007 in seiner jetzigen Form ist aus diesem Grund die Reserve des § 6 eingefügt worden. Dieser Reserve-Ansatz wurde vom NAP II sowie vom ZuG 2012780 übernommen, die Reserve noch deutlich ausgebaut. Sofern sich der Staat jedoch entscheidet, seine Zertifikate komplett zu versteigern, ist dies auch gegenüber Neuanlagen nicht missbräuchlich, solange ihre Betreiber die gleichen Chancen wie die etablierten Anlagenbetreiber erhalten, die erforderlichen Zertifikate zu erwerben. dd) Fazit: Folgerungen aus Art. 12 I GG für die Allokation Auch Art. 12 I GG lässt sich kein klares Votum für einen bestimmten Allokationsmodus entnehmen; vielmehr ist die konkrete Ausgestaltung der Allokationsregeln entscheidend. Am unproblematischsten für die Berufsfreiheit ist jedoch die Zuteilung anhand von Benchmarks. Demgegenüber sind bei Grandfathering- oder Auktionssystemen bestimmte Parameter zu setzen, um unverhältnismäßige Auswirkungen zu verhindern. Beim Grandfathering muss sichergestellt werden, dass der angewendete Erfüllungsfaktor hinreichend ausdifferenziert ist, um moderne, effiziente Anlagen nicht unzumutbar unter Druck zu setzen. Zudem ist die Wahrung der Chancengleichheit von Neuanlagen im Blick zu behalten. In einem Auktionssystem schließlich resultieren Gefahren aus den erheblichen finanziellen Belastungen, die Unternehmen verschiedener Branchen und Sektoren unterschiedlich stark belasten können. Zudem besteht hier ein besonderes Bedürfnis nach Absicherung gegen einen Missbrauch von Marktmacht.
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Vgl. Eckard Rehbinder, ibid., 70 (79); Eckard Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/ Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen (1994), S. 92 (122 f.). Umweltbundesamt (Hrsg.), Emissionshandel im Verkehr (2005), S. 126. So Eckard Rehbinder, in: Bonus (Hrsg.), Umweltzertifikate (1998), 70 (79 f.); Eckard Rehbinder, in: Endres/Rehbinder/Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen (1994), 92 (123). Ähnlich zur Vergabe von Luftfahrt-Slots nach dem Grandfathering-Prinzip Thomas Tschentscher/Christian Koenig, NVwZ 1991, 219 (223). Vgl. § 5 ZuG 2012.
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c) Art. 3 GG – Gleichheit aa) Zur Dogmatik des Gleichheitssatzes Für die Allokationsregeln ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 I GG von Bedeutung, da er, obwohl der Wortlaut ausdrücklich lediglich die Rechtsanwendungsgleichheit nennt, auch das Gebot der Rechtssetzungsgleichheit enthält781. Bevor jedoch auf die Relevanz des Gleichheitssatzes für die Zertifikatevergabe im Einzelnen eingegangen wird, ist zunächst seine dogmatische Struktur zu erörtern. Noch immer befindet sich die Dogmatik des allgemeinen Gleichheitssatzes im Umbruch782, und noch immer wird diskutiert, auf welche Weise eine grundsätzlich wohl nahezu einhellig für erforderlich gehaltene Verhältnismäßigkeitsprüfung in die Gleichheitsprüfung integriert werden kann. (1) Der Ausgangspunkt: Willkürtheorie und „herrschende“ Dogmatik zu Art. 3 I GG Zunächst und lange Zeit unangefochten wurde Art. 3 I GG so verstanden, dass die Vorschrift lediglich die willkürliche Ungleichbehandlung verbietet: Gleiches dürfe daher nicht willkürlich ungleich, Ungleiches nicht willkürlich gleich behandelt werden783. Um die Willkür entfallen zu lassen, sollte die Angabe eines sachlichen oder vernünftigen Grundes genügen. Auf Grundlage dieser Überlegung entwickelte sich im Bereich der Gleichheitsrechte eine eigene Dogmatik, die anders als im Bereich der Freiheitsrechte nur zwei Prüfungsstufen benötigt: Statt Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung wird auf der ersten Stufe eine Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte, auf der zweiten Stufe das Vorliegen eines diese rechtfertigenden sachlichen Grundes geprüft784. Eine Abwägung zwischen Gleichheitssatz und anderen Rechten erfolgt nicht, da sich die Schranken bereits aus dem Grundrecht selbst ergeben. Verlässliche Kriterien für die Unterscheidung zwischen der Frage, ob zwei Vergleichsgruppen „wesentlich gleich“ sind, und dem Problem, ob ein „sachlicher Grund“ für die Diskriminierung existiert, gibt es nicht. Beides wird terminologisch nicht auseinander gehalten785. 781
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Einhellige Auffassung, etwa BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat; Volker Epping, Grundrechte, 2. Aufl. 2004, Rz 655; Manfred Gubelt, in von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 3 Rz 8; Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, 8. Aufl. 2006, Art. 3 Rz 1a; Friedrich Schoch, DVBl. 1988, 863 (873). Zu der besonderen Problematik, justiziable Maßstäbe für die Gleichheitskontrolle zu finden, s. Stefan Huster, in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 19 ff. So bereits die Diagnose bei Stefan Huster, JZ 1994, 541; ähnlich Hans Jarass, NJW 1997, 2545 unter Verweis auf die „Rätselhaftigkeit“ des Grundrechts. S. etwa BVerfGE 1, 14 (52) – Südweststaat; BVerfGE 17, 319 (330) – Bayerische Bereitschaftspolizei; aus neuerer Zeit auch noch BVerfGE 98, 365 (385) – Versorgungsanwartschaften; dazu Bodo Pieroth/Bernhard Schlink, Grundrechte, 21. Aufl. 2005, Rz 436 f.; Volker Epping, Grundrechte, 2. Aufl. 2004, Rz 662 ff.; Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 45 ff.; ders., in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 61 f. Volker Epping, Grundrechte, 2. Aufl. 2004, Rz 659 f. Hierzu auch Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 167 f.
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In der Praxis hat die Willkürformel einen sehr weiten Gestaltungsspielraum des Staates zur Folge786. Ein auf ein Willkürverbot reduziertes Gleichheitsgebot kann nur noch das in der Praxis eher seltene evident ungerechte Gesetz verhindern. Verlangt man lediglich einen sachlichen oder vernünftigen Grund für die Differenzierung, wird die Vorschrift weiter zu einem „Begründungsgebot für Ungleichbehandlungen“787 reduziert. (2) Die „neue Formel“ des Bundesverfassungsgerichts Seit 1980 lässt sich eine Tendenz des Bundesverfassungsgerichts zu einer strikteren Auslegung des Gleichheitssatzes feststellen. Zunehmende Unzufriedenheit, weil der Gleichheitssatz nach der Willkürformel im Ergebnis ein stumpfes Schwert blieb, führte zur Entwicklung der sog. „neuen Formel“ durch den ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts. Eine gesetzliche Ungleichbehandlung soll danach nur zulässig sein, wenn „Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“788. Auf diese Weise soll die Verhältnismäßigkeit Eingang in die Gleichheitsprüfung finden, da nun nicht mehr jeder sachliche Grund die Ungleichbehandlung rechtfertigen kann, sondern eine Abwägung der relevanten Aspekte stattfindet789. Der Differenzierungszweck ist in ein angemessenes Verhältnis zu Ausmaß und Schwere der Ungleichbehandlung zu setzen: Je gravierender die Ungleichbehandlung ist, desto wichtiger muss der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, d.h. der Grund für die Ungleichbehandlung sein790. Zunächst war das Verhältnis zwischen Willkürformel und neuer Formel unklar; beide Senate des Bundesverfassungsgerichts wendeten beide Formeln nebeneinander an. Inzwischen hat das Gericht zu dieser Frage Stellung bezogen und erklärt, dass sich „unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber [ergeben], die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen“791. Die Abstufung der Anforderungen soll sich aus Wortlaut und Sinn des Art. 3 I GG sowie aus seinem Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen ergeben792. Insbesondere unterscheidet das Gericht zwischen personenbezogenen und sachbezogenen Ungleichbehandlungen: Bei ersteren soll eine 786
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Volker Epping, Grundrechte, 2. Aufl. 2004, Rz 676; Friedrich Schoch, DVBl. 1988, 863 (875); Stefan Möckel, DVBl. 2003, 488 (490); Rudolf Wendt, NVwZ 1988, 778 (779 f.). Stefan Huster, JZ 1994, 541. Erstmals BVerfGE 55, 72 (88) – Präklusion I; seitdem st. Rspr. jedenfalls des ersten Senats, s. auch BVerfGE 82, 126 (146) – Kündigungsfristen für Arbeiter; BVerfGE 88, 87 (97) – Transsexuelle II; BVerfGE 95, 39 (45) – NATO-Betriebsvertretungen; BVerfGE 99, 367 (389) – Montan Mitbestimmung. Umfassend zur sog. „neuen Formel“ Hans Jarass, NJW 1997, 2524 passim. Dazu Volker Epping, Grundrechte, 2. Aufl. 2004, Rz 677; Lerke Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), GG, 4. Aufl. 2007, Art. 3 Rz 14. Volker Epping, Grundrechte, 2. Aufl. 2004, Rz 678. BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II. BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II. Zur Prüfungsintensität nach der „neuen Formel“ auch Hans Jarass, NJW 1997, 2545 (2547).
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umfassende Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen sein, bei letzteren soll regelmäßig eine Willkürprüfung genügen793; in schwerwiegenden Fällen sachbezogener Ungleichbehandlungen soll jedoch ebenfalls eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderlich sein794. Schließlich sollen dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers auch umso engere Grenzen gesetzt sein, je stärker sich eine Differenzierung nachteilig auf die Ausübung grundrechtlicher Freiheiten auswirken kann795. Fehlt es dagegen an einer strikten Bindung, stehen dem Gesetzgeber weite Gestaltungsspielräume zu, die er etwa nutzen kann, um auf ein bestimmtes Verhalten der Bürger hinzuwirken, das er aus wirtschafts-, sozial-, umwelt- oder gesellschaftspolitischen Gründen fördern will. Bei der Nutzung dieser Spielräume ist der Gesetzgeber nur an das Willkürverbot gebunden, d.h. er muss sich bei seinen Entscheidungen an sachlichen Erwägungen orientieren796. (3) Kritischer Neuansatz Während weitgehende Einigkeit über den Ausgangspunkt besteht, dass der Schutz des Gleichheitssatzes nach der Willkürformel unzureichend ist797, kam Kritik an 793
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Für § 12 ZuG 2007 hat das BVerfG diese Unterscheidung nun auch auf die Allokation angewendet und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen für eine strikte Bindung des Gesetzgebers an das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht vorliegen, da das Gesetz an sachliche Unterschiede zwischen den betroffenen Anlagen anknüpfe und auch keine mittelbare Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirke, s. BVerfG, 1 BvF 1/05, Beschl. v. 13.03.2007, Rn 80 f. Weniger überzeugend ist dagegen die Annahme, § 12 ZuG 2007 habe keinen Eingriffscharakter, ibid., dazu vgl. bereits o. S. 290 ff. und S. 309 ff. Überblick bei Lerke Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), GG, 4. Aufl. 2007, Art. 3 Rz 25 ff.; Volker Epping, Grundrechte, 2. Aufl. 2004, Rz 685 ff. Vgl. zu dieser abgestuften Wertung auch Stefan Huster, in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 95 f. Bei der Prüfung von § 12 ZuG 2007 vom BVerfG angeprüft, im Erg. aber abgelehnt, BVerfG, 1 BvF 1/05, Beschl. v. 13.03.2007, Rn 81. BVerfGE 88, 87 (96) – Transsexuelle II; 92, 53 (69) – Weihnachtsgeld; 103, 172 (193) – Altersgrenze für Kassenärzte; hierzu Stefan Huster, in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 97 ff. Ausführlich BVerfG, 1 BvF 1/05, Beschl. v. 13.03.2007, Rn 82-85. Eine Adaption dieser Systematik schlägt nunmehr GA M. M. Poiares Maduro dem EuGH in seinen Schlussfolgerungen v. 21.05.2008 zur Rs. C-127/07 – Société Arcelor Atlantique et Lorraine et al. vor (Rn 31 ff.). Er nimmt dabei u. a. auf das deutsche Willkürverbot Bezug, ebenso jedoch auf Prinzipien aus anderen Rechtskreisen wie reasonableness, rational basis und erreur manifeste. In dem Fall geht es darum, ob die Auswahl der dem Zertifikatehandel unterfallenden Sektoren durch die EH-RL mit dem europäischen Gleichheitsrecht vereinbar ist. Der EuGH hat zu seinen Vorschlägen noch nicht Stellung bezogen. So etwa Bodo Pieroth/Bernhard Schlink, Grundrechte, 21. Aufl. 2005, Rz 444; Stefan Möckel, DVBl. 2003, 488 (490); Manfred Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, 5. Aufl. 2000, Art. 3 Rz 29; Friedrich Schoch, DVBl. 1988, 863 (875); Christian Kirchberg, NJW 1987, 1988 ff.
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der dogmatischen Konstruktion der „neuen Formel“ auf. Nehme man auch im Bereich der Gleichheitsprüfung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor, sei das alte Dogma nicht mehr haltbar, dass der Gleichheitssatz nicht unter die Eingriffsdogmatik passe. Nur wenn man die strukturelle Parallele zwischen Gleichheits- und Freiheitsrechten anerkenne, lasse sich die Rolle der Verhältnismäßigkeitsprüfung erklären, die dem Ausgleich kollidierender Rechtsgüter dient und dabei jedem Grundrecht einen Mindestschutz zukommen lässt. Genau genommen müsse man zwischen zwei strukturell unterschiedlichen Gruppen von Gleichheitsproblemen unterscheiden798: solchen Unterscheidungen, die internen Zwecken dienen und solchen, die externe Zwecke umsetzen sollen. Ein interner Zweck liege vor, wenn die Differenzierung „in sich“ gerechtfertigt ist und keine außerhalb von Gerechtigkeitserwägungen liegenden Zwecke verwirklichen soll799. Die Gerechtigkeit einer derartigen Differenzierung hänge vom jeweils betroffenen und geregelten Lebensbereich ab und lasse sich nicht allgemein definieren800. Da unterschiedliche Regelungen für „gerecht“ gehalten werden, können sehr gegensätzliche gesetzgeberische Entscheidungen der Verwirklichung interner Gerechtigkeitsaspekte zu dienen bestimmt sein. Ein externer Zweck sei demgegenüber ein außerhalb reiner Gerechtigkeitserwägungen liegendes äußeres Ziel oder kollidierendes Rechtsgut, das mit dem eigentlich angewandten Gerechtigkeitsmaßstab kollidieren kann801. Häufig wird es sich bei derartigen externen Zwecken um den Schutz von Kollektivgütern handeln. Die erste Fallgruppe betreffe die Frage, ob tatsächlich eine Ungleichbehandlung vorliegt, die zweite Gruppe beziehe sich auf die Frage, ob hinreichende sachliche Unterschiede für eine vorher festgestellte Ungleichbehandlung vorliegen. Für die Frage, ob eine Differenzierung der ersten Gruppe, d.h. zu internen Zwecken, zulässig ist, sei zu prüfen, ob die Differenzierung mit dem Gleichheitsgrundsatz in Einklang stehe802. Die Prüfungsintensität könne vom Regelfall der reinen Willkürkontrolle bis hin zu einer strikten Angemessenheitskontrolle803 reichen. Dabei gehe es um Fragen normativer Gleichbehandlung, d.h. um die Verwirklichung der Rechte der Betroffenen804. Lediglich im Falle der zweiten Gruppe, d.h. bei Ungleichbehandlungen aus externen Zwecken, komme es zu einer Rechtsgutskollision, die Voraussetzung für die Anwendbarkeit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung sei. Derartige externe Zwecke seien Ziele, die die normativen Gerechtigkeitsmaßstäbe durchbrechen und deshalb zu ihnen ins Verhältnis gesetzt 798
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Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 172; ders., in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 77. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 174, 214; ders., in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 77. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 216. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 174, 215. Von einer Prüfung ausschließlich anhand des Willkürverbots ausgehend noch Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 226 f.; für strengere Kontrollmaßstäbe dagegen jetzt ders., in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 79. Die Verschärfung des Prüfungsmaßstabs setzt eine entsprechende Wertung der Verfassung voraus, mehr dazu Stefan Huster, in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 90 ff. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 214 f.
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werden müssten805. Daher lasse sich die Dogmatik der Freiheitsrechte auch weitgehend auf die Gleichheitsrechte übertragen: Schutzbereich des Gleichheitssatzes sei die normative Gleichbehandlung bzw. die Behandlung anhand konkreter Gerechtigkeitsmaßstäbe806. Die Feststellung einer Ungleichbehandlung, die sich nicht aus internen Gerechtigkeitsaspekten ergibt, wäre demnach einem Eingriff in den Schutzbereich gleichzusetzen807; das Vorliegen eines hinreichenden sachlichen (externen) Grundes entspricht der Rechtfertigungsprüfung bei den Freiheitsrechten808. Dieser Ansatz reagiert auf eine dem Gleichheitssatz inhärente Problematik: Zwischen zwei einander gegenübergestellten Fallgruppen lassen sich nahezu immer eine gewisse Menge an Gemeinsamkeiten und eine gewisse Menge an Unterschieden feststellen. Die Beurteilung, ob tatsächlich eine Ungleichbehandlung vorliegt, enthält daher nahezu immer auch wertende Elemente. Gleichzeitig steht der Grund für die Unterscheidung bei den Rechtsfolgen in einem engen Bezug zu den sachlichen Unterschieden zwischen zwei Vergleichsgruppen. Es ist daher erforderlich, eine jedenfalls theoretisch klare Unterscheidung zu treffen zwischen Aspekten, die die (Un-)Gleichbehandlung betreffen und solchen, die als die Ungleichbehandlung rechtfertigende Gründe zu diskutieren sind. Die „neue Formel“ befasst sich mit dieser Frage nicht und setzt sich folglich mit Problemen, die bereits den Tatbestand der Ungleichbehandlung betreffen, systemwidrig erst in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung und damit auf Ebene der Rechtfertigung auseinander. Dadurch kann es dazu kommen, dass das Gericht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführt, obwohl gar keine kollidierenden Rechtsgüter vorliegen809. bb) Gleichheitsrecht und Allokation im Zertifikatehandel (1) Grundsätzliches In dem Maße, in dem die individuelle Freiheit der Anlagenbetreiber durch ein Bewirtschaftungssystem810 und dessen Verteilungskriterien geregelt wird, gewinnt Art. 3 I GG bei der Beurteilung der staatlichen Vorgaben an Gewicht811. Wie jede Vergabe staatlicher Leistungen impliziert auch die Allokation Differenzierung und
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Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 215; ders., in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 75 f. Insoweit zustimmend auch Horst Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 2. Aufl. 2004, Vorb. Art. 3 Rz 152. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 470; ders., in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 79. Stefan Huster, in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 80. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 470. Einen ähnlichen Aufbau schlägt auch Stefan Möckel, DVBl. 2003, 488 (495) vor; krit. dagegen Manfred Gubelt, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 3 Rz 15. Vgl. auch Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 142 ff. Dezidiert gegen die Qualifizierung des Zertifikatehandels als Bewirtschaftungssystem Martin Burgi/Peter Selmer, Verfassungswidrigkeit einer entgeltlichen Zuteilung von Emissionszertifikaten (2007), S. 51 ff., die als Gegenbegriff den des „Handelssystems“ verwenden. Rainer Wahl/Ivo Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), 1 (51).
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verstärkt gleichzeitig die Differenzen, an die sie anknüpft812. Das im Gleichheitssatz enthaltene Gebot, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt nicht nur für den klassischen Eingriffsbereich, sondern auch für den Bereich staatlicher Verteilungsentscheidungen813. Für die Allokation der Emissionsrechte bedeutet dies, dass sie auf einem langfristigen, auf einheitliche und gleichmäßige Durchführung angelegten Konzepts beruhen muss, das mit Art. 3 I GG in Einklang steht, und dass Regelungen, die externen Zielen gelten, auch dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gerecht werden müssen. Dabei ist die staatliche Verteilungslenkung grundsätzlich der Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen verpflichtet814. Art. 3 I GG steht jedoch wirtschaftslenkenden Maßnahmen des Staates nicht entgegen, sondern verpflichtet den Gesetzgeber lediglich zu sachgerechten Differenzierungen815. Bei der Ausgestaltung eines Zertifikatesystems, das den Ordnungsrahmen für bestimmte wirtschaftliche Betätigungen vorgibt, ist der Gesetzgeber dem Gebot der inneren Stimmigkeit des Regelungsganzen verpflichtet816. Verhältnismäßig unproblematisch unter Gleichheitsgesichtspunkten ist die Allokation im Rahmen eines Auktionsverfahrens, zu dem alle Teilnehmer zu gleichen Bedingungen Zugang haben. Sobald jedoch – wie momentan noch europarechtlich verpflichtend817 – ein Teil der Zertifikate im Rahmen eines Grandfathering- oder Benchmark-Systems zugeteilt wird, muss der Staat Entscheidungen über die Allokation der Zertifikate treffen, und hier lassen sich unterschiedliche Zuteilungsregeln für verschiedene Anlagen kaum vermeiden. Vielfach erklären sich diese Unterschiede aus den Bemühungen des Gesetzgebers um eine die Besonderheiten der einzelnen Gruppen berücksichtigende faire Verteilung der Emissionsberechtigungen818, d.h. aus internen Gründen. Derartige Unterscheidungen sind erforderlich und nur dann willkürlich, wenn sie missbräuchlich einzelne Anlagen oder Anlagengruppen benachteiligen. Zudem ist die Festlegung von Allokationsregeln nahezu unvermeidbar mit Typisierungen verbunden, die automatisch Gleichheitsprobleme mit sich bringen819. Sofern die Gründe für die Differenzierung externer Natur sind, ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als grundrechtliches Optimierungsgebot ist eingehalten, wenn Marktzugang und gewerbliche Tätigkeit nur soweit beschränkt werden, wie es erforderlich ist, um 812 813 814
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Vgl. Gertrude Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte (1988), S. 236. Gertrude Lübbe-Wolff, ibid., S. 237. Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 60 f.; Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 129. Allerdings stellt sich die Frage, welche Konsequenzen dies für die Ausgangsposition in einem staatlich geschaffenen Markt haben kann. Manfred Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 1, 5. Aufl. 2000, Art. 3 Rz 77. Noch großzügiger jetzt BVerfG, 1 BvF 1/05, Beschl. v. 13.03.2007, Rn 82 ff. zu § 12 ZuG 2007. Vgl. Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 61 f. S. oben S. 79 f. Rainer Wahl/Ivo Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), 1 (206). S. im Einzelnen u. S. 330 ff.
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Rechtsgüterkollisionen zu lösen und einen funktionsfähigen Wettbewerb zu gewährleisten820. Dabei fällt die staatliche Prioritätensetzung bei der Auswahl und Gewichtung der mit dem Zuteilungsverfahren verfolgten Zwecke in den staatlichen Einschätzungs- und Ermessensspielraum. Die dargestellten Voraussetzungen laufen im Ergebnis auf eine Prüfung der Rationalität, Plausibilität und Konsequenz des Reduktions- und Allokationskonzepts hinaus821. Um diese Prüfung durchführen zu können, ist ebenso wie bei den Freiheitsrechten der Zweck der jeweiligen Allokationsregeln als Ausgangspunkt der rechtlichen Prüfung von besonderer Bedeutung. (2) Die Unterscheidung zwischen internen und externen Zwecken bei der Allokation von Emissionsrechten Das Instrument des Zertifikatehandels in seiner Ausformung durch die europäischen und nationalen Vorschriften ist so komplex, dass die hier verwendete Unterscheidung zwischen internen und externen Zwecken nicht immer zweifelsfrei erfolgen kann. Dies ergibt sich u.a. daraus, dass uneingestandene Divergenzen zwischen dem theoretischen Konzept des Zertifikatehandels und dem Handelssystem in seiner praktischen Umsetzung bestehen822. Der ökonomischen Theorie zufolge soll der Emissionshandel der kostengünstigen Durchsetzung eines politisch für erforderlich gehaltenen Umweltstandards dienen823. In der Praxis haben jedoch zahlreiche zusätzliche Anliegen Eingang in die Allokationsregeln gefunden, so dass über die Allokation ein möglichst gerechter Ausgleich diverser ökologischer und ökonomischer Aspekte bezweckt wird. An diese „realen“ Allokationszwecke muss auch die Prüfung des Gleichheitssatzes anknüpfen. Folglich kann man den Zertifikatehandel und die mit der Allokation verfolgten Anliegen nicht mehr auf die Eckpunkte der ökonomischen Theorie reduzieren. In die Gerechtigkeitserwägungen gehen daher Fragen des Bestandsschutzes, Überlegungen der Belastungsund Chancengleichheit, aber auch das Verursacherprinzip als interne Aspekte ein. Als externe Gesichtspunkte kommen vor allem Ziele der Versorgungssicherheit in Betracht, aber auch ein ökologisch bedingter Strukturwechsel, sonstige strukturpolitische Ziele sowie volkswirtschaftliche Effizienz. Besonders problematisch in der Einordnung ist der Einfluss von Umweltschutzüberlegungen auf die Allokation. Einerseits dürfte es sich hier um interne Gerechtigkeitsaspekte handeln, soweit der Verschmutzungsbeitrag der einzelnen Anlage gewürdigt werden soll. Daher muss auch die Verwirklichung des umweltrechtlichen Verursacherprinzips824 als interner Gerechtigkeitsaspekt gewertet werden. Andererseits sind Bestrebungen, die Volkswirtschaft als ganze ökologisch umzustrukturieren, in diesem Sinne als externe Ziele anzusehen. Soweit Alloka820 821 822
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Christian Koenig, Die öffentlich-rechtliche Verteilungslenkung (1994), S. 84. Rainer Wahl/Ivo Appel, in: Wahl (Hrsg.), Prävention und Vorsorge (1995), 1 (207). Es handelt sich um dieselben Divergenzen, die bereits für den Zweck der Allokationsregeln relevant sind, vgl. o. S. 189 ff. Vgl. o. S. 42 ff. Hierzu Michael Kloepfer, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 4 Rz 41 ff.; zum Verursacherprinzip im Europarecht auch Wolfgang Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, S. 23 ff. sowie bereits o. S. 193 f.
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tionsregeln also der Verwirklichung ökologischer Anliegen dienen sollen, ist bei der Abgrenzung zwischen internen und externen Zwecken besondere Aufmerksamkeit geboten. (3) Allokation und Typisierung Allokationsregeln betreffen eine Vielzahl an Fällen und arbeiten mit einem hohen Abstraktionsgrad, weswegen es im Einzelfall trotz grundsätzlich zielführenden Konzepts zu einem Konflikt zwischen Individualgerechtigkeit und gesetzgeberischem Praktikabilitätsinteresse kommen kann. In derartigen Situationen tritt ein Differenzierungsdefizit auf; die in der Norm vorgenommene Typisierung825 steht nicht mit der normativen Gerechtigkeit im Einklang. Typisierende Vorschriften sind Normen, die aus Gründen der Praktikabilität des Normvollzugs und der Rechtssicherheit auf eine vollständige Realisierung ihres Regelungszwecks verzichten826. Allokationsregeln sind insbesondere dann als typisierende Normen einzustufen, wenn sie an relativ leicht erfassbare Tatbestände wie das Alter einer Anlage, ihre Kapazität oder den verwendeten Brennstoff anknüpfen, technische Besonderheiten des Einzelfalles jedoch nicht berücksichtigen. Derartige Typisierungen können paradoxe Auswirkungen haben: Eigentlich sollen sie der Gerechtigkeit dienen, indem sie dafür sorgen, dass vergleichbare Anlagen ihre Zertifikate nach denselben Grundsätzen erhalten, und grundsätzlich sind sie auch geeignet, diesem Zweck zu dienen. Gleichzeitig tritt durch die Typisierung jedoch eine Gefährdung dieses Gerechtigkeitszweckes ein, weil und soweit Fälle denkbar sind, in denen sie ihr eigentliches Ziel gerade verfehlen827. Die Anknüpfung an typisierende Merkmale erfolgt aus Gründen der Zweckmäßigkeit im weitesten Sinne; die Typisierungen dienen also, da es sich hierbei nicht um Gerechtigkeitsgründe handelt, externen Zwecken828. Dabei ist grundsätzlich anerkannt, dass Typisierungen häufig geboten oder sogar unabdingbar sind829. Vielfach lässt sich eine Regelung, die sämtlichen Einzelfällen gerecht wird, gar nicht umsetzen830. Dennoch ist auch nicht jede Ungerechtigkeit im Interesse der Praktikabilität mit dem Gleichheitssatz in Einklang zu bringen. Bei der Beurteilung von Typisierungen ausgehender Ungleichheiten ist somit eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen und zu fragen, ob und inwieweit die Ziele, die mit der Typisierung verfolgt werden, von hinreichender Bedeutung sind, um die mit der Typisierung verbundene Ungleichbehandlung oder Ungerechtigkeit zu recht-
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Zu diesem Begriff Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 245 ff.; Werner Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, Art. 3 Rz 33. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 248; ders., in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 128. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 254 f. Stefan Huster, ibid., S. 260 sieht die Typisierungen sogar als „Paradefall“ für Ungleichbehandlungen zur Verfolgung externer Ziele. BVerfGE 17, 1 (23) – Waisenrente; st. Rspr.; Albert Bleckmann, Die Struktur des allgemeinen Gleichheitssatzes (1995), S. 99 f. Albert Bleckmann, ibid., S. 100.
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fertigen831. In diese Abwägung gehen in erster Linie Intensität der Beeinträchtigung und Häufigkeit des Gleichheitsverstoßes ein832. Teilweise wird noch zwischen benachteiligender und bevorzugender Typisierung unterschieden, wobei dem Gesetzgeber bei der bevorzugenden Typisierung weitere Spielräume eingeräumt werden833. Allerdings bemerkt das Bundesverfassungsgericht selbst, dass es Fälle gibt, „in denen eine "Benachteiligung" nur als Spiegelbild einer "Bevorzugung" zu sehen ist und umgekehrt; in solchen Fällen wäre eine Unterscheidung nur ein Spiel mit Worten“834. Genau so ein Fall liegt bei der Allokation vor, die im Kontext mit den übrigen Normen des TEHG ihrer Wirkung nach vor allem belastender Natur ist, obwohl sie als begünstigender Verwaltungsakt ausgestaltet ist835. Jedenfalls im vorliegenden Kontext lassen sich aus dieser Unterscheidung daher keine Erkenntnisse gewinnen836. Zugunsten des Gesetzgebers wirkt sich zudem ermessenserweiternd aus, dass er bei der Neuregelung komplexer Sachverhalte zunächst Erfahrungen sammeln und sich mit gröberen Typisierungen begnügen darf837. Er ist dann lediglich verpflichtet, nachzubessern und Anpassungen vorzunehmen, sobald sich unerwünschte Effekte zeigen838. Wendet man diesen Gedanken auf den Zertifikatehandel und die hiermit einhergehende Notwendigkeit, die Allokation zu regeln, an, gelangt man zu einem relativ großzügigen Maßstab. Eine weitere Möglichkeit, die Auswirkungen ungewollter Typisierungsprobleme abzumildern, besteht darin, Härtefallklauseln einzubauen, die jedenfalls gravierende
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Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 273. Ähnliche Ansätze finden sich, wenn auch nicht explizit so bezeichnet, auch in der Rspr. des BVerfG, wenn es in die Prüfung typisierender Normen die Intensität der Beeinträchtigung oder die Anzahl problematischer Fälle einbezieht, vgl. dazu unter Nennung zahlreicher Entscheidungen ders., ibid. S. 274 ff. Deutliche Hinweise auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung enthalten etwa BVerfGE 48, 227 (239) – Lohnfortzahlung; BVerfGE 65, 325 (354 f.) – Zweitwohnungssteuer. Die Rechtsprechung schwankt jedoch bei der Bewertung von Typisierungen vielfach zwischen Verhältnismäßigkeitsprüfung und Willkürverbot, s. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 301. Vgl. etwa BVerfGE 26, 265 (276) – Unterhalt; 45, 376 (390) – Unfallversicherung; 63, 119 (128) – Pflichtbeiträge; Rudolf Wendt, NVwZ 1988, 778 (784). BVerfGE 17, 1 (23) – Waisenrente; 65, 325 (356) – Zweitwohnungssteuer; 103, 310 (319) – DDR-Dienstzeiten; Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rz 21a. BVerfGE 17, 1 (23) – Waisenrente. Vgl. oben S. 182 ff. Generell ablehnend gegenüber dieser Differenzierung Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 291 ff. BVerfGE 33, 171 (189) – Honorarverteilung; BVerfGE 75, 108 (162) – Künstlersozialversicherung; BVerfGE 78, 249 (288) – Fehlbelegungsabgabe. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 294 weist zu recht darauf hin, dass diese Rspr. an die allgemein weitere Gestaltungsfreiheit des „experimentierenden“ Gesetzgebers anknüpft und somit nicht allein auf Typisierungsfälle angewendet wird. BVerfGE 33, 171 (189 f.) – Honorarverteilung; 37, 104 (118) – Bonus-MalusRegelung.
332
D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
Ungerechtigkeiten verhindern839. Hiervon hat der Gesetzgeber des ZuG 2007 Gebrauch gemacht840; auch etwa § 12 ZuG 2012 enthält eine entsprechende Regelung841. cc) Ungleichbehandlung Anhand der dargelegten Maßstäbe sind die naheliegenden, verwendeten oder avisierten Allokationsmaßgaben zu bewerten. Dabei wird deutlich, dass in einigen Fällen bereits fraglich sein wird, ob tatsächlich eine Ungleichbehandlung vorliegt. Sofern dies nicht der Fall ist, muss nach hier vertretener Ansicht geprüft werden, ob die Differenzierung mit dem Gleichheitsgedanken vereinbar ist, wobei vorwiegend der Willkürmaßstab angewendet wird842. Die unterschiedlichen Punkte, die für eine Ungleichheit in Betracht kommen, sollen hierbei anhand der Allokationssysteme sortiert werden, in denen sie vorkommen. Zunächst werden daher Differenzierungen betrachtet, die in allen oder jedenfalls mehreren Allokationssystemen vorgenommen werden, danach werden Grandfathering, Benchmarking sowie die Vergabe im Auktionsweg einer näheren Betrachtung unterzogen. (1) Vom Allokationssystem unabhängige Gleichheitsgesichtspunkte (a) Ungleichbehandlung von Industriebetrieben und Stromerzeugern Der künftige NAP II sowie auf ihm basierend das ZuG 2012 differenzieren verstärkt zwischen Industrieunternehmen und energieerzeugenden Betrieben843, und diese Unterscheidung findet sich in ähnlicher Form auch in anderen Mitgliedstaaten844. Sie beruht vorwiegend auf den in die Kritik geratenen sog. windfall profits845 der Stromerzeuger846. Um die energieintensive Industrie, die ohnehin durch erhöhte Strompreise belastet ist, zu entlasten, werden ihr deutlich geringere Minderungsvorgaben aufgegeben als den Energieerzeugern. Auch der typischerweise deutlich erhöhte Anteil nicht reduzierbarer prozessbedingter Emissionen belastet die Industrie847. Im Gegenzug sollen die Energieerzeuger stärker belastet werden, da es ihnen bisher gelungen ist, den Wert der verwendeten Zertifikate in die Kalkulation ihrer Strompreise eingehen zu lassen. Derartige Wirkungen können in Grandfathering- oder Benchmark-Systemen eingeplant werden, aber auch in Ver-
839
840 841 842 843
844
845 846 847
Vgl. etwa BVerfGE 17, 38 (57) – Witwerrente; BVerfGE 41, 126 (188) – Reparationsschäden; Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 289 f. Vgl. oben S. 121 ff. S. bereits oben S. 152 f, Vgl. auch Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 3 Rz 1. S. Revidierter Nationaler Allokationsplan 2008-2012, Stand: 13.02.2007, S. 26 f.; §§ 6, 7 ZuG 2012; hierzu bereits o. S. 139 ff. Bereits in der ersten Handelsperiode hatten bis auf Deutschland, Luxemburg und Malta alle Mitgliedstaaten sektorspezifische Unterscheidungen bei der Bemessung der Allokation vorgenommen, DEHSt, Implementation of Emissions Trading in the EU (2005), S. 10. Vgl. o. S. 64 ff. Dirk Weinreich, ZUR 2006, 399 (401). Dirk Weinreich, ibid., S. 401.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
333
steigerungssystemen, sobald verschiedene Kontingente an unterschiedliche Gruppen von Anlagenbetreibern versteigert werden848. Ob diese Unterscheidung internen oder externen Zwecken dienen soll, ist auf den ersten Blick nicht mit Sicherheit auszumachen und bedarf der näheren Erörterung. Zwar knüpft sie auf den ersten Blick nicht an sachliche Unterschiede zwischen Energieversorgern und Industrie an. Emissionen können in der Energiewirtschaft nicht kostengünstiger eingespart werden als in der Industrie. Verwirklicht werden sollen durch diese Unterscheidung dennoch Gerechtigkeitsansprüche: Es wird als ungerecht empfunden, dass Stromerzeuger den Wert der Zertifikate in ihren Strompreis einberechnen und deshalb deutlich höhere Gewinne machen, obwohl sie die Zertifikate kostenlos vom Staat erhalten haben849. Unter dem Strich sind im Energiesektor nicht nur keine zusätzlichen Kosten angefallen, sondern wurden enorme Gewinne erwirtschaftet, die darauf beruhen, dass die Unternehmen den Wert der Zertifikate in ihre Preise einkalkuliert haben, ohne tatsächlich mit entsprechenden Kosten belastet gewesen zu sein. Gleiches ist der Industrie, die international im Wettbewerb steht, nicht möglich. Da die Industrie ohnehin bereits durch die steigenden Strompreise durch den Zertifikatehandel belastet ist, soll dieser Nachteil durch eine Kompensation bei den eigenen Minderungspflichten ausgeglichen werden. Diese Unterschiede haben ihre Ursache nicht so sehr im Zertifikatehandel selbst, sondern in den bestehenden Wirtschaftsstrukturen und der relativ unflexiblen Nachfragesituation der Energieverbraucher. Dennoch hängen sie untrennbar eng mit der Wirkungsweise des Zertifikatehandels zusammen und sollen dessen als unbillig empfundene Auswirkungen in bestimmten Bereichen korrigieren und das System so gleichermaßen ausbalancieren. Es handelt sich somit um eine Ungleichbehandlung aus internen Gründen, die vorwiegend am Maßstab des Willkürverbots850 zu messen ist. Werden nun der Energiewirtschaft im Verhältnis weniger Zertifikate zugeteilt, hat dies voraussichtlich zur Folge, dass sie einen größeren Anteil der benötigten Zertifikate auf dem Markt erwerben muss – oder aber in entsprechende Innovationen investieren und ihren CO2-Ausstoß drastisch absenken, am wahrscheinlichsten dürfte eine Kombination beider Ansätze sein. Im Ergebnis wird somit eine Kombination aus Umverteilung und Wirtschaftslenkung bewirkt: Im Gegenzug für die relativ geringe Kostenbelastung der Energiebranche soll diese zu überproportionalen Reduktionsleistungen veranlasst werden, gleichzeitig wird eine Entlastung der energieintensiven Industrie von belastenden Minderungsverpflichtungen bezweckt. Schon allein weil diese Regelung an unbefriedigende Erfahrungen in der ersten Handelsperiode anknüpft, dürfte Willkür für die bisher ins Auge gefassten Anpassungen ausscheiden. Bei Ungleichbehandlungen im wirtschaftsrechtlichen Bereich ist der Spielraum des Gesetzgebers ohnehin besonders weit, da wirtschaftslenkende und -ordnende Regelungen aufgrund der Komplexität der zu regelnden Sachverhalte ohnehin regelmäßig besonders umstritten und ihre Auswir-
848 849 850
Mehr dazu unten S. 349. Hierzu vgl. o. S.64 ff. Zur Kontrollintensität vgl. Stefan Huster, in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 79.
334
D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
kungen schwer prognostizierbar sind851. Dies gilt in besonderem Maße für die Neueinführung einer Marktordnung, wo ein Hinterherhinken des Gesetzgebers und ggf. auch falsche Entscheidungen jedenfalls in der Anfangszeit hinzunehmen sind, bis das System zu seinem Gleichgewicht gefunden hat852. Auf der Basis dieser Grundsätze kann ein Gleichheitsverstoß wegen der Ungleichbehandlung von Energie- und Industriebereich wohl nur in Extremfällen der besonderen Art festgestellt werden. (b) Ungleichbehandlung von Prozessemissionen und Verbrennungsemissionen Fraglich ist des Weiteren, wie die Sonderstellung von Prozessemissionen im ZuG 2007853 zu bewerten ist. Während Auktionssysteme sich Prozessemissionen gegenüber neutral verhalten und sie nicht anders als alle anderen Kohlendioxidemissionen der erfassten Anlagen behandeln, tendieren sowohl Grandfathering- als auch Benchmark-Systeme zu einer gesonderten Behandlung dieser Emissionen. In der ersten Handelsperiode führte etwa die Hälfte der Mitgliedstaaten spezielle Regelungen ein854. Ein Beispiel hierfür ist § 13 I ZuG 2007, der auf Prozessemissionen keinen Reduktionsfaktor anwendet855. Grund für diese Sonderstellung ist die Tatsache, dass sich Prozessemissionen nicht bzw. nur zu unverhältnismäßigen Kosten vermeiden lassen; an ihrer Klimaschädlichkeit ändert dies freilich nichts. Auf den ersten Blick ist auch in diesem Fall nicht ganz eindeutig, ob diese Unterscheidung nun internen oder externen Aspekten geschuldet ist. Die Antwort erschließt sich, wenn man auf den Grund für die unterschiedliche Behandlung rekurriert. Nach der ökonomischen Theorie soll die Auktion der Zertifikate eine optimale Verteilung zur Folge haben, d.h. dazu führen, dass das erforderliche Maß an Emissionen zum günstigst möglichen Preis für die Volkswirtschaft erzielt wird. Lassen sich Prozessemissionen nicht oder nur zu unökonomisch hohen Kosten vermeiden, müssen die Betreiber von Anlagen, die derartige Emissionen verursachen, entsprechend größere Zertifikatkontingente ersteigern. Wendet der Gesetzgeber ein anderes Vergabeverfahren an, erstrebt er dennoch ein möglichst bedarfsgerechtes Verteilungsergebnis. Da Betreiber von Prozessemissionen verursachenden Anlagen mangels realistischer Minderungsmöglichkeiten mehr Zertifikate benötigen, entspricht es dieser Zielvorstellung, dass die Zuteilung großzügiger ausfällt. Dahinter steht auch die Idee, dass alle Anlagenbetreiber nach Möglichkeit 851
852 853
854 855
BVerfGE 18, 315 (331 f.) – Marktordnung; BVerfGE 50, 290 (338) – Mitbestimmung; Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 3 Rz 24, 62; für eine restriktivere Überprüfung hingegen Ino Augsberg/Steffen Augsberg, VerwArch 98 (2007), 290 (297 ff.). BVerfGE 18, 315 (331 f.) – Marktordnung. Zum Begriff der Prozessemissionen bzw. prozessbedingten Emissionen und ihrer Berücksichtigung im ZuG 2007 s.o. S. 131 f. Eine Berücksichtigung von Prozessemissionen ist im neuen ZuG 2012 nicht mehr explizit vorgesehen. DEHSt, Implementation of Emissions Trading in the EU (2005), S. 12. Entsprechende Regelungen für die erste Handelsperiode bestehen in Österreich, Frankreich, Luxemburg, Schweden, Slowenien, Spanien und Griechenland, DEHSt, Implementation of Emissions Trading in the EU (2005), S. 12.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
335
ein ähnliches Maß an Aufwand oder Kosten haben sollen, um ihr Reduktionsziel zu erreichen bzw. zusätzlich benötigte Zertifikate zuzukaufen. Die Bevorzugung von Prozessemissionen zielt somit auf die Verwirklichung systemimmanenter Gerechtigkeitsvorstellungen856 ab und ist daher nicht als rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung aus externen Gründen einzustufen. Durch sie soll bewirkt werden, dass nach Möglichkeit alle Betriebe proportional zu ihrem Emissionsminderungspotential mit Zertifikaten ausgestattet werden. Diese Entscheidung basiert auf Fairnesserwägungen und ist daher vorwiegend857 auf gesetzgeberische Willkür zu überprüfen. Solange es über die großzügigere Behandlung von Prozessemissionen jedoch nicht zu einer Überallokation für die betroffenen Anlagen kommt, besteht hier wenig Anlass zu Bedenken. (c) Die Privilegierung einzelner Anlagengruppen (vor allem Anwendung des zweiten Erfüllungsfaktors nach § 4 IV ZuG 2007)858 Während der Regelfall des ZuG 2007859 vorsieht, dass Anlagen eine Zuteilung anhand eines Erfüllungsfaktors erhalten, sind bestimmte Anlagengruppen hiervon ausgenommen; das ZuG 2007 spricht dann davon, es werde kein Emissionsfaktor angewendet oder formuliert alternativ, es gelte ein Erfüllungsfaktor von 1. Hierdurch kommt es zu einer Ungleichbehandlung zwischen den Anlagen, die einem Erfüllungsfaktor unterliegen und denen, bei denen dies nicht der Fall ist. Bedenken hinsichtlich des Gleichheitsgebotes werden insbesondere im Hinblick auf die Fallgruppen geltend gemacht, die dem sog. zweiten Erfüllungsfaktor860 unterliegen bzw. nicht unterliegen861. Für den Fall, dass die Anwendung der verschiedenen Zuteilungsregeln dazu führt, dass mehr Zertifikate verteilt werden müssten als nach dem nationalen Cap zulässig ist, werden die Einzelzuteilungen prozentual gekürzt. Allerdings macht das ZuG 2007 Unterschiede zwischen den verschiedenen Zuteilungsvorschriften und kürzt nicht alle Zuteilungen unterschiedslos. Diese Unterscheidung knüpft regelmäßig daran an, ob die Anlagen bereits im ersten Schritt einem Erfüllungsfaktor unterliegen, so dass die privilegierten Fallgruppen weitgehend übereinstimmen. Noch deutlich komplexer ist die Neuregelung des sog. zweiten Erfüllungsfaktors im ZuG 2012. § 4 III ZuG 2012 856
857
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860 861
Ähnl. auf Basis der „herrschenden“ Dogmatik zu Art. 3 I GG Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 253; Walter Frenz, ZUR 2006, 393 (398). Zur Intensität des Kontrollmaßstabs vgl. Stefan Huster, in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 79. Die Differenzierungen beim zweiten Erfüllungsfaktor spiegeln die Differenzierung zwischen Anlagen wider, die dem Erfüllungsfaktor unterliegen und solchen Anlagen, die hiervon ausgenommen sind. Zur Vermeidung von Redundanzen wird der gesamte Komplex hier einheitlich behandelt. Die Zuteilung erfolgt gem. § 7 ZuG 2007 auf Basis der historischen Emissionen, multipliziert mit einem Erfüllungsfaktor, der in § 5 ZuG 2007 festgesetzt ist, vgl. o. S. 118 f. Vgl. oben S. 135 f. S. hierzu Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2006, 135 (137 ff.); Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 3 Rz 218.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
verweist für die anteilige Kürzung auf Anhang 5, der komplexe Regelungen zur Berechnung der jeweiligen Zuteilungsmengen enthält862. Nach § 4 IV ZuG 2007 werden Zuteilungen an Anlagen, die dem Erfüllungsfaktor unterliegen, anteilig gekürzt, sofern die Gesamtmenge der an Bestandsanlagen zu vergebenden Berechtigungen ansonsten den Gegenwert von 495 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr überschritte863. Nicht dem Erfüllungsfaktor unterliegen Anlagen, deren Betreiber gem. § 12 I 1 ZuG 2007 nach dem 1. Januar 1994 Modernisierungsmaßnahmen vorgenommen haben (sog. early action)864. Auch Anlagen, deren Anteil prozessbedingter Emissionen mindestens 10 Prozent beträgt, unterliegen gem. § 13 I ZuG 2007 keinem Erfüllungsfaktor865. Zudem werden die Zuteilungen an KWK-Kraftwerke nach § 14 ZuG 2007866 und die Sonderzuteilungen bei Einstellung des Betriebes von Kernkraftwerken gem. § 15 ZuG 2007867 ebenfalls nicht gekürzt. Schließlich sind Anlagen von anteiligen Kürzungen ausgenommen, die zwischen dem 1. Januar 2003 und dem 31. Dezember 2004 in Betrieb genommen wurden. Demgegenüber unterfallen alle anderen Anlagengruppen den weiteren Kürzungen. Dies gilt auch für die Härtefälle nach § 7 X868 und XI ZuG 2007869. Für Anlagen, deren Betreiber von der Optionsregelung des § 7 XII ZuG 2007 Gebrauch gemacht haben und daher ihre Zertifikate nach einem Benchmark zugeteilt bekommen, ist die Frage, ob sie der anteiligen Kürzung unterliegen, umstritten870. Nach der hier vertretenen Lösung ist das nicht der Fall. Grundsätzlich sind alle Anlagen, die größere Mengen Kohlendioxid ausstoßen, in einer vergleichbaren Lage. Überprüfungsbedürftig ist folglich, ob die unterschiedlichen Tatbestände, an die die privilegierenden Vorschriften anknüpfen, interne Gerechtigkeitsaspekte verwirklichen oder externen Zwecken dienen sollen. Hierzu ist zu ergründen, worauf die Entscheidung des Gesetzgebers, bestimmte Anlagen von weiteren Kürzungen auszunehmen, beruht. Privilegiert sind vorwiegend Anlagen, die ohnehin bereits unterdurchschnittlich viel CO2 emittieren und daher bei Zuteilung im Grandfathering-Modus weniger Zertifikate erhielten als
862 863 864
865 866
867 868 869 870
Mehr dazu s. o. S. 145. S. oben S. 135 f. S. oben S. 129 ff. Im europäischen Vergleich haben nur verhältnismäßig wenige Länder ausdrückliche Regelungen für frühzeitig modernisierte Anlagen aufgenommen. Allerdings gibt es in vielen Ländern Benchmarks, die diese Aufgabe erfüllen oder frühe Referenzperioden, s. auch DEHSt, Implementation of Emissions Trading in the EU (2005), S. 12. S. oben S. 131. S. oben S. 132 f. Mit Ausnahme von Zypern und Malta, die keine KWK-Anlagen haben sowie Lettland, Portugal und der Slowakei haben alle Mitgliedstaaten besondere Zuteilungsregeln für derartige Anlagen vorgesehen, vgl. DEHSt, Implementation of Emissions Trading in the EU (2005), S. 13. S. oben S. 133 ff. S. oben S. 121. S. oben S. 122 ff. Zu dieser Problematik s.o. S. 125 und S. 135 f.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
337
andere Altanlagen, die zudem über ein höheres Minderungspotential verfügen871. Insbesondere werden Anlagengruppen geschützt, bei denen man annimmt, dass eine (weitere) Reduktion ihnen besonders schwer fiele bzw. besonders kostspielig wäre. Auf diesem Gedanken basiert die Privilegierung der early action-Anlagen und der Prozessemissionen872 sowie der erst kürzlich in Betrieb genommenen Anlagen. Werden, wie gegenwärtig durch das OVG Berlin-Brandenburg873 bestätigt, Zuteilungen an sog. Optierer nicht der anteiligen Kürzung unterworfen, lässt sich das damit begründen, dass eine Reduktion der Emissionen über das hinaus, was nach den aktuellen technischen Standards üblich ist und daher Eingang in die maßgeblichen Allokationsregeln für Neuanlagen gefunden hat, allenfalls zu erheblichen Kosten erfolgen kann874. Kann eine Altanlage diese Werte einhalten, gibt es keinen Grund, sie gegenüber neueren Anlagen schlechter zu stellen. Bei der Sonderzuteilungen für außer Betrieb gehende Kernkraftwerke soll ein gewisser Ausgleich dazu geschaffen werden, dass deren Betreiber bisher ohne Ausstoß von CO2 Strom produzieren konnten, nun jedoch ihre Kernkraftwerke stilllegen und auf andere, im Regelfall fossile Energieträger umsteigen müssen. Für diesen Wettbewerbsnachteil soll ein Ausgleich in Form großzügiger Zuteilung erbracht werden875. Die unterlassene Kürzung bei den KWK-Anlagen schließlich dürfte vorwiegend der Tatsache geschuldet sein, dass es sich hierbei um eine besonders emissionsarme, verhältnismäßig teure Technik handelt, die wegen der günstigen Emissionsbilanz vor der Notwendigkeit weiterer Kürzungen oder vor mit dem Zukauf von Zertifikaten verbundenen Kosten geschützt werden soll876. Im Ergebnis geht es in all diesen Fällen darum, die Systemgerechtigkeit877 aufrecht zu erhalten. Eine gerechte Allokation soll eine faire Verteilung der Kosten auf die am Emissionshandel beteiligten Betriebe bewirken; die besondere Entlas871
872
873 874
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877
OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, Umdruck, S. 32 – anteilige Kürzung I. Die Vergünstigung für Prozessemissionen ist auf fehlende Vermeidungsmöglichkeiten zurückzuführen, vgl. OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 32 – anteilige Kürzung I. OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 20.06, Urt. v. 30.11.2006 – anteilige Kürzung II. Zudem greift hier nach der Konzeption des ZuG 2007 die ex post-Kontrolle ein. Vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, S. 32 f. – anteilige Kürzung I. Nach Auffassung von Sven Bode et al., Übertragungs- und der Kompensationsregel (2005), S. 49 ff. ist jedoch kein hinreichender Ausgleich erfolgt und verstößt diese Regelung gegen Art. 3 GG. Eine nähere Begründung dieser These unterbleibt jedoch. Darüber hinaus dürften auch eine Rolle spielen, dass man durch die großzügige Zuteilung an KWK-Anlagen ein Zeichen setzen und dadurch Anreize zum Bau weiterer Anlagen auf Basis dieser emissionsarmen Technik setzen will. Dieser externe Zweck, der auf eine ökologischere Umstrukturierung des Energiesektors abzielt, wird jedoch erst relevant, wenn die Ungleichbehandlung nicht bereits durch interne Gründe gerechtfertigt werden kann. Zur Rolle der Systemgerechtigkeit in der Gleichheitsprüfung Stefan Huster, in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 110 ff. Speziell für den Zertifikatehandel Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 128 ff.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
tung der privilegierten Fallgruppen ist aus Gründen interner Gerechtigkeitserwägungen sowie des Bestandsschutzes dieser Anlagen bezweckt. Es geht darum, einen erhöhten Druck auf Anlagen zu vermeiden, bei denen zu erwarten steht, dass weitere Emissionsreduktionen besonders kostspielig und schwierig zu verwirklichen wären. Bei derartigen Unterscheidungen aus internen Gründen ist zu prüfen, ob die Differenzierung dem Gleichheitsgedanken entspricht, wobei dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum zukommt. Der bezweckte Schutz dieser anderenfalls vom Zertifikatehandel in ihrer Wirtschaftlichkeit bedrohten Anlagen ist als sachlicher Grund geeignet, Unterscheidungen zu legitimieren878. Allerdings ist denkbar, dass im Einzelfall Anlagen durch diese Regelung benachteiligt werden, die von der typisierten Privilegierung nicht erfasst werden, obwohl sie sich hinsichtlich ihrer Emissionsminderungsmöglichkeiten in einer vergleichbaren Situation wie die privilegierten Anlagen befinden879. Bei derartigen Ungleichbehandlungen handelt es sich um solche aus externen Gründen. Daher sind die von ihnen ausgehenden Beeinträchtigungen ins Verhältnis zu den (Praktikabilitäts-)Vorteilen der Typisierung zu setzen880. (d) Fazit: Vom Allokationssystem unabhängige Aspekte und Gleichheitssatz Die hier erörterten Differenzierungen, die unabhängig vom verwendeten Allokationsmodus denkbar oder gar naheliegend sind, dienen durchweg internen Zwecken. Sie sind darauf ausgerichtet, die Fairness der vom Zertifikatehandel ausgehenden Effekte sicherzustellen und unterliegen somit auf der Basis der vorab dargelegten Maßstäbe vorwiegend einer Willkürkontrolle durch die Gerichte. Im Ergebnis bedeutet dies, dass dem Gesetzgeber sehr weite Spielräume verbleiben: Gerade im Bereich der Wirtschaftspolitischen Maßnahmen hat die Rechtsprechung immer betont, dass die Verantwortung für wirtschaftspolitische Richtungsentscheidungen also nicht auf die Rechtsprechung übergewälzt werden darf881. Für die angedachten Differenzierungen liegen durchweg sachliche Gründe vor. Willkür wird daher allenfalls in besonderen Extremfällen in Betracht kommen. Hier wie auch in allen anderen Bereichen der Zuteilung gilt jedoch, dass es aufgrund der abstrakten Fassung der Zuteilungsregeln immer wieder zu Typisierungsproblemen kommen kann, die sich daraus ergeben, dass bestimmte, atypische Konstellationen nicht im Gesetz vorgesehen sind. Solche Ungleichbehandlungs-Konstellationen, die sich aus der typisierenden Wirkung der Allokationsvorschriften ergeben, stellen eine Ungleichbehandlung zu externen (Praktikabili878
879
880 881
A. A. Olaf Konzak/Pascal Heßler, in: Konzak (Hrsg.), Emissionshandel in der Praxis (2006), Teil 3 Rz 218, die meinen, das Risiko der Fehlplanung müsse allen Beteiligten gleichermaßen aufgebürdet werden. Zu den mit derartigen Typisierungen verbundenen Problemen s. bereits o. S. 330 ff. u. OVG Berlin-Brandenburg, OVG 12 B 13.06, Urt. v. 30.11.2006, Umdruck S. 32 – anteilige Kürzung I. Es gelten die o. S. 330 dargelegten Grundsätze. St. Rspr., s. etwa BVerfGE 50, 290 (332 f.) – Mitbestimmung; 77, 84 (106) – Arbeitnehmerüberlassung; aktuell BVerfG, 1 BvF 1/05, Beschl. v. 13.03.2007, Rn 82 ff.; für eine restriktive Auslegung dieser Spielräume Ino Augsberg/Steffen Augsberg VerwArch 98 (2007), 290 (297 ff.).
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täts-)Zwecken dar und sind im Wege einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu rechtfertigen882. (2) Gleichheit in Grandfathering-Systemen Andere Unterscheidungskriterien werden typischerweise in GrandfatheringSystemen verwendet, die als wesentliches Kriterium für die Zuteilung die Emissionen in einer bestimmten Basisperiode der Vergangenheit heranziehen. (a) Übertragungsregeln und langfristige Allokationsgarantien Das ZuG 2007 sieht eine Übertragungsregel für zusätzliche Neuanlagen883 und eine ganze Reihe langfristiger Allokationsgarantien884 vor, die zu Differenzierungen bei der Zuteilung zwischen unterschiedlichen Gruppen von Erbauern neuer Anlagen führen. Ähnliche Regelungen waren auch für den NAP II und das ZuG 2012 vorgesehen885. Sie dienen vorwiegend dem Zweck, einen Anreiz für Investitionen in neue Technik zu bieten und damit mittel- bis langfristig den Klimaschutz zu befördern886. Während die Übertragungsregel zunächst dazu führt, dass Betreiber von Altanlagen für den Bau einer neuen Anlage mehr Zertifikate zugeteilt bekommen als neue Marktteilnehmer, zementieren langfristige Zuteilungsgarantien ein bestimmtes Maß an Emissionen und verlagern gleichzeitig die später erforderlich werdenden Minderungen auf die Anlagen, für die keine entsprechenden Garantien bestehen. Ungleichheiten durch Zuteilungsgarantien gewinnen mit der Zeit tendenziell an Gewicht, da davon auszugehen ist, dass mit sich verbesserndem Stand der Technik auch die Minderungsansprüche an die Anlagenbetreiber steigen. Ist jedoch für bestimmte Anlagengruppen eine Zuteilung auf Basis des heutigen status quo garantiert, kann dies einen erheblichen Wettbewerbsvorsprung bedeuten. • Übertragungsregeln Übertragungsregeln basieren ganz allgemein auf der Idee, dass Anreize für Anlagenbetreiber geschaffen werden sollen, ineffiziente und emissionsarme Anlagen möglichst zügig außer Betrieb zu nehmen. Dieser Anreiz soll darin bestehen, dass sich die Zuteilung noch einige Zeit nach den für die Altanlage geltenden Zuteilungsregeln richtet, obwohl die Neuanlage geringere Emissionen verursacht. Entsprechende Regelungen gab es in der ersten Handelsperiode nicht nur in Deutschland, sondern in etwa der Hälfte aller Mitgliedstaaten887. Da derartige Übertragungsregeln nur für Betreiber von kohlendioxidintensiven Altanlagen Vorteile bringen, werden von zwei Seiten Gleichheitsbedenken geltend gemacht: Einerseits 882 883 884
885
886 887
Mehr dazu bereits o. S. 330 ff. S. § 11 ZuG 2007, dazu oben S. 128 f. Allokationsgarantien für einen längeren Zeitraum sind in den §§ 8, 10, 11 und 12 ZuG 2007 enthalten. Einige dieser Regelungen stießen jedoch auf Widerstand bei der Kommission, die bereits die Allokationskriterien der EH-RL verletzt sah. Mehr dazu s. oben S. 143 ff. Zur parallelen Gleichheitsproblematik auf europäischer Ebene s. o. S. 254 f. DEHSt, Implementation of Emissions Trading in the EU (2005), S. 11.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
soll Art. 3 I GG im Hinblick auf den Atomausstieg verletzt sein888. Da Kernkraftwerke kein Kohlendioxid ausstoßen, kommt den Kernkraftwerkbetreibern die Übertragungsvorschrift des § 10 ZuG 2007 nicht zugute. Die Sonderzuteilung des § 15 ZuG 2007 führt nicht zu vergleichbar üppigen „Zertifikatgewinnen“, so dass die Kernkraftwerksbetreiber etwas besser als andere Neuteilnehmer am Markt stehen, aber schlechter als Betreiber fossiler Kraftwerke, die ihre Anlagen erneuern. Bedenken wurden aber auch allgemeiner darauf gestützt, dass Neuanlagen bei der Zertifikatevergabe unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob sie eine stillgelegte Anlage ersetzen oder nicht. Nur im ersteren Falle greifen Übergangsregelungen, d.h. erhalten Anlagenbetreiber im Falle des ZuG 2007 über vier Jahre Zertifikate in einer Höhe, wie sie der Altanlage zugestanden hätten, § 10 I 1 ZuG 2007. In all diesen Fällen geht es um die Zertifikateausstattung einer neu gebauten Anlage. Für einen unbefangenen Beobachter ist in der Regel nicht ersichtlich, welche der Anlagen eine andere ersetzt und welche eine Neuplanung ist. Die Anlagen können, einmal fertiggestellt, im Wettbewerb zueinander stehen. Daher ist kein interner Gerechtigkeitsgrund ersichtlich, warum möglicherweise baugleiche Anlagen eine unterschiedliche Ausstattung mit Zertifikaten erhalten sollten. Bei der Übertragungsregelung geht es vielmehr um den Versuch, lenkend auf die Wirtschaft einzuwirken. Durch diese Regelung sollen Betriebe dazu angeregt werden, emissionsintensive Altanlagen möglichst frühzeitig zu ersetzen. Gleichzeitig sollen Innovationen und Klimaschutz gefördert werden; somit dienen Übertragungsregelungen externen Zwecken. Übertragungsregeln stellen daher eine Ungleichbehandlung unterschiedlicher Gruppen von Neuanlagen dar, die der Rechtfertigung bedarf. • Langfristige Allokationsgarantien Übertragungsregelungen sind häufig mit langfristigen Allokationsgarantien gekoppelt, letztere existieren aber auch in anderen Bereichen, insbesondere dienen sie als Investitionsgarantie für Neuanlagen889. Nach den Regelungen des ZuG 2007 sollen etwa Ersatzanlagen nach Ablauf der Übertragungsregel weitere vierzehn Jahre lang Zertifikate ohne Anwendung eines Erfüllungsfaktors erhalten, § 10 I 3 ZuG 2007. Demgegenüber können die Betreiber von Neuanlagen lediglich während der ersten 14 Betriebsjahre ungekürzte Zuteilung der ihnen nach einem Benchmark errechneten Zertifikate verlangen, § 11 I 1, 6 ZuG 2007. Bestandsanlagen unterliegen der Kürzung nach dem sog. Emissionsfaktor. Unterschiede bestehen hier zunächst zwischen Neuanlagen und Bestandsanlagen. Sie sind vorwiegend der Tatsache geschuldet, dass Bestandsanlagen über ein größeres Emissionsminderungspotential verfügen, während Neuanlagen den aktuellen Stand der Technik wiedergeben und weitere Minderungen, soweit überhaupt möglich, besonders aufwendig sind. Durch die Allokationsgarantien soll si888 889
Sven Bode et al., Übertragungs- und der Kompensationsregel (Februar 2005), S. 57. Vgl. §§ 8, 10 und 11 ZuG 2007. Theoretisch wären derartige Allokationsregeln auch innerhalb eines Benchmark-Systems denkbar; üblicherweise werden sie jedoch in Grandfathering-Systemen verwendet.
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chergestellt werden, dass Anlagenbetreiber die Chance erhalten, ihre Investitionen in die Anlage zu amortisieren, weswegen sie auch dem Bestandsschutz von Neuanlagen dienen. Die genannten Gründe für die ungleiche Behandlung von Bestands- und Neuanlagen sind interne Gerechtigkeitsgründe, so dass die Unterscheidung bereits zulässig ist, wenn sie sich aus Gleichheits- bzw. Gerechtigkeitsgründen erklären lässt. Grundsätzlich ist die Annahme, dass Altanlagen über ein erheblich höheres Minderungspotential verfügen als Neuanlagen, durchaus zutreffend, so dass es an Anhaltspunkten für Willkür fehlt. Da die ungleiche Behandlung sich bereits aus internen Gründen erklärt, lässt sich ihr weiterer Zweck der Förderung von Innovationen und Investitionen in neue Kraftwerke allenfalls bestätigend hinzu ziehen890. Diese Regelungen knüpfen lediglich an die Inbetriebnahme der Anlage an, Umstände des Einzelfalles können jedoch zu einer Benachteiligung von Altanlagen führen, die auf dem aktuellen Stand der Technik sind. Dies ergibt sich daraus, dass die erforderlichen Klimaschutzmaßnahmen von den keinen Allokationsgarantien unterliegenden Betrieben allein erbracht werden, d.h. diese müssen einen überproportionalen Anteil tragen. Entscheidet sich der Staat, sein Allokationssystem von der kostenlosen Zuteilung auf ein Auktionssystem umzustellen, kann die Garantie kostenloser Zuteilungen in Höhe des heutigen status quo den Wettbewerb zusätzlich erheblich verzerren. Sofern derartige Probleme tatsächlich auftreten, handelt es sich hier um ein klassisches Typisierungsproblem891. Gründe der internen Gerechtigkeit können diese Unterscheidung bei grundsätzlich gleichen technischen Voraussetzungen nicht begründen, vielmehr geht es darum, der Verwaltung bei der Zuteilung der Zertifikate klare, leicht überprüfbare Maßstäbe an die Hand zu geben. Anhand dieser externen Ziele ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, in die Vor- und Nachteile der Typisierung eingehen. (b) Nivellierende Wirkungen des Grandfatherings Gleichheitsprobleme resultieren auch aus der dem Grandfathering innewohnenden Tendenz, emissionsintensive Altanlagen gegenüber frühzeitig modernisierten Anlagen zu bevorzugen892. In einem Grandfathering-System mit einem einheitlichen Reduktionsfaktor, der auf alle Anlagen einer bestimmten Altersgruppe angewendet wird, werden Anlagen, die bereits vor Beginn der zugrunde gelegten Basisperiode in Emissionsminderungen investiert haben, möglicherweise zu teureren Minderungsmaßnahmen verpflichtet als das bei Anlagen der Fall ist, die zu Beginn der Basisperiode nicht modernisiert waren. Je näher die zuteilungsrelevante Basisperiode dem Zuteilungszeitpunkt rückt, desto problematischer wird das Resultat: Die Zuteilung greift auf formal gleiche Kriterien zurück, ohne jedoch das unterschiedliche Reduktionspotential der Anlagen in die Berechnung einzustellen. 890
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Zu einer Abwägung der Verhältnismäßigkeit der Unterscheidung zu den genannten externen Gründen käme es nur, wenn sich die Unterschiede nicht bereits aus internen Zwecken legitimieren ließen. Zu typisierenden Allokationsnormen s.o. S. 330 f. Vgl. hierzu bereits S. 67 f.; Hans-Wolfgang Arndt/Kristian Fischer, et 53 (2003), 704 (706).
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Ungleiche Sachverhalte, nämlich moderne und veraltete Anlagen, werden gleich behandelt, indem lediglich ihre Emissionen während der Basisperiode Anknüpfungspunkt für die Zuteilung sind893. Dies führt dazu, dass Betreiber von Altanlagen nicht nur die Möglichkeit erhalten, ihre Anlagen gleichsam mit staatlicher Förderung weiter zu betreiben, sondern vielfach auch noch einen Teil der ihnen zugewiesenen Zertifikate gewinnbringend auf dem Markt veräußern können. Gerechtigkeitserwägungen sind es sicher nicht, die hinter dieser Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte stehen. Vielmehr ist sie der dem Grandfathering zugrunde liegenden Typisierung894 geschuldet: Aus Gründen der Erleichterung des Normvollzugs sowie der Rechtssicherheit soll bei der Allokation der Zertifikate auf klare Kriterien zurückgegriffen werden. Die Grandfathering-Gesetzgebung geht davon aus, dass Betreiber von Anlagen einer Altersgruppe in etwa vergleichbare Mühe aufwenden müssen, um Emissionsreduktionen vorzunehmen. Dies ist jedoch nicht notwendiger- sondern lediglich typischerweise der Fall, was in einer bestimmten Anzahl untypischer Fälle dazu führen kann, dass Anlagen faktisch sehr unterschiedlich belastet werden895. Die mit der Typisierung verfolgten Ziele sind daher externe Zwecke, die in einem Spannungsverhältnis zu den Gleichheitsrechten stehen. Es handelt sich bei der nivellierenden Wirkung, die vom Grandfathering ausgeht, somit um eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung in Form einer Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte. Weniger problematisch ist der umgekehrte Fall: Erfolgt die Modernisierungsmaßnahme erst nach Ende der Basisperiode eines Grandfathering-Modells, hat dies zur Folge, dass die modernisierte Anlage besser mit der allozierten Zertifikatmenge auskommen und möglicherweise noch Zertifikate verkaufen kann. Anders als in dem zuvor diskutierten Beispiel stellt dies jedoch gerade keine systemwidrige Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte dar: die Anlagen werden völlig gleich behandelt, und die Unterschiede beim Bedarf beruhen allein auf dem Handeln der Anlagenbetreiber. Anlagenbetreiber, die die bezweckten Klimaschutzmaßnahmen ergreifen, bekommen so die Gelegenheit, sich einen kommerziellen Vorteil zu verschaffen. Dieser Aspekt ist jedoch keine willkürliche Ungleichbehandlung, sondern im System angelegt und somit „gerecht“896.
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Mit einer entsprechenden Argumentation ist das Land Sachsen-Anhalt in einem Normenkontrollverfahren bzgl. des ZuG 2007 gescheitert. Es war der Auffassung, dass die Vorleistungen der Chemie- und Zementindustrie der ostdeutschen Länder seit 1990 bei der Zuteilung gesondert hätten berücksichtigt werden müssen. BVerfG, DVBl. 2007, 821. Dazu Bundeskartellamt, Sachstandspapier zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in Sachen Emissionshandel und Strompreisbildung vom 20.03.2006, S. 21. Zum Begriff der Typisierung s. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 245 ff.; zu ihren Voraussetzungen auf Basis der Rspr. Hans Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 3 Rz 30 ff. Zu typisierenden Allokationsregeln s. bereits o. S. 330 f. Vgl. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 247. Vgl. hierzu auch BVerfG, DVBl. 2007, 821 ff., das begründet, warum die Ungleichbehandlung von early action- und „late action“-Anlagen nicht willkürlich ist.
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(c) An das Alter der Anlage anknüpfende Allokation Eine ähnliche Schwierigkeit wie bei der Gleichbehandlung von Anlagen mit unterschiedlichem Modernisierungsstand kann auftreten, wenn GrandfatheringRegeln, etwa für den anzuwendenden Erfüllungsfaktor, unmittelbar an das Alter einer Anlage anknüpfen. Eine derartige Regelung enthält beispielsweise § 7 VII ZuG 2007897. Insbesondere wenn sich innerhalb einer bestimmten Zeitphase keine größeren technischen Innovationen ergeben haben, kann eine derartige Norm zur Folge haben, dass technisch vergleichbare Anlagen eine sehr unterschiedliche Zertifikatausstattung erhalten. Geschieht dies, handelt es sich wieder einmal um eine unerwünschte Nebenfolge einer typisierenden Regelung898, die nicht im System des Zertifikatehandels angelegt und als solche ausgesprochen unerwünscht ist. Die an das Alter der Anlage anknüpfende Normen basieren auf der regelmäßig zutreffenden Annahme, dass der technische Fortschritt sich auch beim Ausstoß von Treibhausgasen bemerkbar macht und dass jüngere Anlagen weniger emissionsintensiv sind und zudem über ein geringeres Minderungspotential verfügen. Zugrunde liegen ihr somit nachvollziehbare interne und keinesfalls willkürliche Gerechtigkeitserwägungen. In dem Moment jedoch, wo das von derartigen Normen bezweckte Gerechtigkeitsziel nicht erreicht wird, entfällt die Möglichkeit einer Rechtfertigung durch interne Zwecke. Die Allokationsregelung knüpft nicht an den konkreten Minderungspotentialen einer Anlage an, sondern basiert auf durchschnittlich erwartbaren Reduktionspotentialen. Die Anknüpfung an das Alter der Anlage soll die Regelung für die Verwaltung eindeutig und somit besser handhabbar machen. Die Typisierung dient somit externen Zwecken und bedarf der Rechtfertigung im Wege einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. (d) Ungleichbehandlung von Alt- und Neuanlagen Gleichheitsprobleme kann es schließlich in einem Grandfathering-System zwischen Alt- und Neuemittenten geben: Typischerweise erhalten Neuanlagen auch in Systemen, die grundsätzlich ein Grandfathering zugrunde legen, Zertifikate nach einem Benchmark aus einem speziell Neuanlagen zugewiesenen Kontingent899. Während Altemittenten unter Umständen für technisch veraltete Anlagen große Mengen an Zertifikaten bekommen, werden Neuemittenten gezwungen, deutlich effizientere Anlagen zu bauen und erhalten selbst für diese kaum genug Zertifikate zugeteilt. Dies kann dazu führen, dass eine Neuanlage derselben Produktionskapazität deutlich weniger Zertifikate erhält als eine Bestandsanlage. Noch stärker wird die Ungleichheit der Behandlung, wenn den Neuanlagen die Zertifikate nicht kostenlos zugeteilt werden, sondern sie im Rahmen einer Auktion oder gar auf dem Markt erworben werden müssen900.
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Hierzu vgl. o. S. 119. Zu typisierenden Allokationsregeln s.o. S. 330 f. Nach dem ZuG 2007 ist der Regelfall die Zuteilung nach § 11 ZuG, hierzu s.o. S. 128 f. Momentan ist dabei noch zu beachten, dass der Anteil zu versteigernder Zertifikate bis 2012 10% nicht überschreiten darf, vgl. Art. 10 EH-RL. Dies soll sich ab 2013 jedoch
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Die Qualifizierung dieser Unterscheidung ist komplizierter als bei den bisher diskutierten Fallgruppen. Die unterschiedliche Behandlung ist der Tatsache geschuldet, dass die Altanlagen bereits vorhanden sind und Bestandsschutz genießen901, so dass den Betreibern nicht ohne weiteres von heute auf morgen die Möglichkeit genommen werden kann, die Anlagen weiter zu betreiben. Technisch werden sich diese Anlagen vielfach nicht oder nur zu exorbitant hohen Kosten auf den heutigen Stand bringen lassen. Dementsprechend handelt es sich bei den Bestandschutzerwägungen, die Grund für die im Verhältnis zur Produktionskapazität höheren Zuteilungen für Altanlagen sind, um systeminterne Gerechtigkeitsgründe und nicht um eine Ungleichbehandlung im hier verwendeten Sinne. Folglich ist an diese Unterscheidung der Prüfungsmaßstab des Willkürverbots zu stellen. Dieser ist solange nicht verletzt, wie die Unterscheidung an plausible Kostengründe anknüpft. Erst wenn ersichtlich wäre, dass wegen des Schutzes von Bestandsanlagen ruinöse Anforderungen an Neuanlagen gestellt würden oder die Kosten für die Zertifikate diese Anlagen unrentabel machten, bestünde hier Anlass zu ernsthaften Bedenken902. Auch eine Regelung, die zu einer kostenlosen Allokation der Zertifikate an Bestandsanlagen führt, während Neuanlagen komplett auf den Markt verwiesen würden, wäre jedenfalls bedenklich, weil ihr Zugang zum Markt so nicht gesichert ist903. Moderatere Vermeidungsanforderungen an Altanlagen als an Neuanlagen sind jedoch im Grundsatz und im Regelfall nicht zu beanstanden. (e) Fazit Rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlungen bei der Zuteilung in Grandfathering-Systemen sind Übertragungsregeln für Altanlagen ersetzende Neuanlagen sowie mit ihnen einhergehende längerfristige Allokationsgarantien. Sie bevorteilen Anlagenbetreiber, die eine bestehende, CO2-ausstoßende Anlage ersetzen, gegenüber neuen Marktteilnehmern zum Zwecke der Wirtschaftslenkung. Soweit langfristige Allokationsgarantien nur auf emissionsarme Neuanlagen erstreckt werden, bestehen hierfür grundsätzlich sinnvolle interne Gerechtigkeitsgründe. Allerdings kommt es hier sowie in weiteren Konstellationen zu Problemen mit der typisierenden Wirkung der Allokationsregelungen. So stellen etwa die mit einem Grandfathering-System regelmäßig verbundene Begünstigung emissionsintensiver Altanlagen gegenüber modernisierten Anlagen sowie u. U. die altersabhängige Bestimmung des relevanten Erfüllungsfaktors derartige typisierende Regelungen dar, die Gleichheitsprobleme verursachen und der Rechtfertigung bedürfen. Demgegenüber verhältnismäßig unproblematisch ist die Ungleichbehandlung von Neuund Bestandsanlagen in Grandfathering-Systemen. Für diese Unterscheidung existieren interne Gerechtigkeitsgründe, so dass an dieser Stelle eine Willkürkontrolle vorzunehmen ist, die dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum belässt.
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ändern; teilweise wird verlangt, bis zu 100 % der Zertifikate versteigern. Die Einzelheiten sind jedoch auf europäischer wie nationaler Ebene noch ausgesprochen streitig. Zum Bestandsschutz s. o. S.209 ff. zum gemeinschaftsrechtlichen Eigentum und S. 282 ff. zu Art. 14 GG. Ähnl. Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 250. Matthias Diehr, ibid., S. 249; vgl. zu dieser Konstellation im Erg. ebenso Kim Lars Mehrbrey, Verfassungsrechtliche Grenzen (2003), S. 136 ff.
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(3) Gleichheit in Benchmark-Systemen (a) Eine theoretisch denkbare Konstellation: Benchmarks und Allokationsgarantien Wie bereits erwähnt, kann sich die Problematik langfristiger Allokationsgarantien, die wegen ihres engen Zusammenhangs mit den Übertragungsklauseln beim Grandfathering diskutiert wurde, in entsprechender Form theoretisch auch in einem Benchmark-System stellen904. Da sie jedoch dort in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Grundidee des Benchmarks steht, sind Allokationsgarantien in Benchmark-Systemen eine eher seltene Randerscheinung905. Sofern sie dennoch vorkommen, gilt das oben Gesagte906: Sie sind regelmäßig lediglich am Maßstab des Willkürverbots zu messen und stellen keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung dar. (b) Brennstoffabhängige und brennstoffunabhängige Benchmarks Der in Benchmark-Systemen am häufigsten problematisierte Gleichheitsaspekt ist jedoch ein anderer: Die wesentliche Entscheidung, die bei einer Entscheidung für ein Benchmark-System oder jedenfalls einen Benchmark für Neuanlagen zu treffen ist, betrifft die Art des verwendeten Benchmarks. Dieser kann entweder brennstoffbezogen oder brennstoffunabhängig ausgestaltet werden907. Brennstoffunabhängige Benchmarks verwenden einen einheitlichen, vom verwendeten Brennstoff unabhängigen Maßstab und dürften im Hinblick auf das Klimaschutzziel vorzugswürdig sein. Allerdings nehmen sie mittelbar Einfluss auf die verwendeten Energieträger und somit im Ergebnis auf den Brennstoffmix. Brennstoffabhängige Benchmarks hingegen stellen weniger rigide Anforderungen an CO2-intensive Brennstoffe und erhalten dadurch die Wirtschaftlichkeit emissionsintensiverer Kraftwerke. In der Praxis haben sich in den meisten europäischen Staaten zunächst brennstoffabhängige Benchmarks durchgesetzt908. • Brennstoffabhängige Benchmarks Brennstoffabhängige Benchmarks behandeln Anlagen in Abhängigkeit von dem eingesetzten Brennstoff. So erhält ein Braunkohlekraftwerk eine wesentlich höhere Zuteilung für dieselbe Menge erzeugten Stroms als ein Erdgaskraftwerk. Fraglich ist wieder, ob diese Ungleichbehandlung internen Gerechtigkeitserwägungen dient oder ob damit externe Ziele verfolgt werden sollen. Hier muss man danach unterscheiden, ob der Benchmark auf Bestandsanlagen angewendet werden soll 904
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Wegen der ablehnenden Haltung der Kommission diesen Allokationsgarantien gegenüber erscheint ihre künftige Verwendung unwahrscheinlich, vgl. o. S. 144 f. Ohnehin war Deutschland der einzige Mitgliedsstaat, der derartige langfristige Garantien einräumen wollte. Vgl. o. S. 339 f. Dazu bereits oben S. 69. Lediglich Dänemark, Schweden und Luxemburg wendeten während der ersten Handelsperiode brennstoffunabhängige Benchmarks an, Überblick bei DEHSt, Implementation of Emissions Trading in the EU: National Allocation Plans of All EU States (Nov. 2005), S. 14 ff.
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oder auf Neuanlagen, denn dies macht einen erheblichen Unterschied für die verfolgten Zwecke. Brennstoffabhängige Benchmarks, die auf Bestandsanlagen angewendet werden, dienen insoweit dem Bestandsschutz und der Fairness, als sie sicherstellen, dass die Anlagen weiter betrieben werden können. Sie setzen die dem Emissionshandel zugrunde liegende Idee um, dass Emissionen dort einzusparen sind, wo dies kosteneffizient möglich ist. Insofern stellen brennstoffabhängige Benchmarks für Altanlagen Regelungen dar, die für einen gerechten Übergang vom ordnungsrechtlichen Genehmigungssystem auf den Emissionshandel sorgen. Zudem dienen sie dazu, ein möglichst bedarfsgerechtes Verteilungsergebnis herzustellen und sind auch deshalb im hier verwendeten Sinne keine Ungleichbehandlungen. Aus den genannten Gründen sind sie auch im Hinblick auf eine Willkürprüfung unbedenklich, solange sie nicht faktisch dazu führen, emissionsintensive Energieträger entgegen der eigentlichen Idee des Emissionshandels zu bevorzugen. Dies würde dem Gedanken der Systemgerechtigkeit909 widersprechen, der den Gesetzgeber an seine eigenen Ziel- und Gerechtigkeitsideen bindet. Anders stellt sich die Situation dar, wenn brennstoffabhängige Benchmarks auf Neuanlagen angewendet werden, die Zuteilung einer Anlage sich somit nicht nur nach ihrer Kapazität, sondern auch nach dem verwendeten Brennstoff richtet. Hier sind keine Bestands- und Vertrauensschutzaspekte zu berücksichtigen, sofern diese Anlagen in Kenntnis des bestehenden Zertifikatehandelssystems in Betrieb gehen. Entscheidet sich der Gesetzgeber dennoch für einen brennstoffabhängigen Benchmark, dient dies regelmäßig der Wirtschaftslenkung: beispielsweise soll die Verwendung einheimischer Brennstoffe und dadurch ein breiterer Brennstoffmix und letzten Endes die Versorgungssicherheit gewährleistet werden. Derartige Erwägungen haben weder mit dem Zertifikatehandelssystem als solchem noch mit Klimaschutz etwas zu tun; auch dienen sie nicht der Gerechtigkeit des Systems. Es geht vielmehr darum, externe, zielorientierte Erwägungen einzubringen. Somit stellen brennstoffabhängige Benchmarks zwar keine Ungleichbehandlung dar, solange sie sich auf Bestandsanlagen beziehen. Anders jedoch, sofern derartige Benchmarks auch auf Neuanlagen erstreckt werden: Dann dienen sie der Wirtschaftslenkung und sind als Ungleichbehandlung rechtfertigungsbedürftig. • Brennstoffunabhängige Benchmarks Bei brennstoffunabhängigen Benchmarks stellt sich die Lage etwas anders dar als bei brennstoffabhängigen Benchmarks. Werden sie auf Bestandsanlagen angewendet, führt diese rechtliche Gleichbehandlung zu sehr unterschiedlichen Belastungen der verschiedenen Anlagentypen910. Die Ungleichbehandlung könnte hier 909
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Ausführlich zur Funktion der Systemgerechtigkeit in der Gleichheitsdogmatik s. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 386 ff.; ders., in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 110 ff.; Friedrich Schoch, DVBl. 1988, 863 (878 f.); Rudolf Wendt, NVwZ 1988, 778 (783). Zum ähnlichen Problem der Bedeutung rechtlicher und faktischer Gleichheit s. ausführl. Robert Alexy, Theorie der Grundrechte (1986), S. 377 ff. Dennoch lässt sich für brennstoffunabhängige Benchmarks eine Lösung nicht über derartige Erwägungen finden, da die Diskussion um rechtliche und faktische Gleichheit davon ausgeht, dass grundsätzlich gleiche Sachverhalte bei gleicher rechtlicher Behandlung zu faktisch dis-
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deshalb darin bestehen, dass unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden. Die Anlagen verursachen je nach verwendetem Brennstoff und nach der eingesetzten Technik einen sehr unterschiedlich hohen Ausstoß an Kohlendioxid und benötigen daher entsprechend unterschiedlich große Mengen an Zertifikaten. Es bestehen daher deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Anlagentypen, worauf brennstoffunabhängige Benchmarks nicht reagieren. Erhalten alle Anlagen nach einheitlichen Kriterien Emissionsberechtigungen zugeteilt, führt ein undifferenzierter, durchschnittlichen Benchmark wegen der unterschiedlichen verwendeten Brennstoffe bei einigen Anlagen zu Über-, bei anderen zu Unterzuteilung. Fraglich ist, welcher Zweck mit dieser Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte verfolgt werden soll. So könnte man zunächst an interne Gründe denken, wenn man davon ausgeht, dass die Regelung Gleichheitsgesichtspunkte derart verwirklichen soll, dass jeder Anlagenbetreiber am selben Ausgangspunkt beginnen soll. Allerdings ist dies als Gerechtigkeitsargument wenig überzeugend. Angesichts unterschiedlicher Kapazitäten der Anlagen werden die Betreiber noch immer mit unterschiedlichen Mengen an Zertifikaten ausgestattet. Gerechtigkeitsaspekte mögen eine Rolle spielen, aber wohl nur eine sekundäre. Primär verfolgen brennstoffunabhängige Benchmarks externe Zwecke: Sie bewirken im Sinne des Verursacherprinzips, dass emissionsarme Techniken zusätzliche Kostenvorteile erhalten und wirken somit auf die Umstrukturierung der Wirtschaft hin. Sie setzen Anreize dafür, in umweltschonendere Techniken zu investieren. Bei der Anwendung von brennstoffunabhängigen Benchmarks auf Bestandsanlagen ist somit von einer rechtfertigungsbedürftigen Ungleichbehandlung aus externen Gründen auszugehen. Ähnlich ist die Verwendung brennstoffunabhängiger Benchmarks für Neuanlagen zu bewerten. Auch hier erhalten alle Neuanlagen nach denselben, formal gleichen Prinzipien ihre Zertifikate zugeteilt, die Entscheidung für die verwendete Technik und die verwendeten Brennstoffe liegt bei den Betreibern bzw. Erstellern der Anlage. Dies ändert jedoch nichts daran, dass brennstoffunabhängige Benchmarks den unterschiedlichen Umständen der einzelnen Anlagen keinen Tribut zollen. Daher ist auch für Neuanlagen eine Ungleichheit in der formal gleichen Zuteilung zu sehen. Diese Ungleichbehandlung erklärt sich nicht aus internen Gerechtigkeitsgründen, denn es geht nicht darum, Rechten oder Interessen der Anlagenbetreiber gerecht zu werden. Bezweckt ist vielmehr auch hier die Umstrukturierung der Wirtschaft nach dem Verursacherprinzip unter Berücksichtigung ökologischer Notwendigkeiten. Es geht darum, Anreize für eine verstärkte Verwendung emissionsarmer Technik zu schaffen, und somit um die Verfolgung externer Ziele. Brennstoffunabhängige Benchmarks stellen somit sowohl für Bestands- als auch für Neuanlagen eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung dar, die der Rechtfertigung bedarf.
paraten Ergebnissen führen. Bei der Anwendung der Benchmarks besteht das Problem darin, dass unterschiedliche Anlagentypen gleich behandelt werden.
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(c) Fazit: Ungleichbehandlung in Benchmark-Systemen Sofern sie in ein Benchmark-System integriert werden, sollen Allokationsgarantien internen Zwecken dienen und sind vorwiegend911 am Maßstab des Willkürverbots zu beurteilen. Gleiches gilt für brennstoffunabhängige Benchmarks. Bei brennstoffabhängigen Benchmarks hingegen ist zwischen Bestandsanlagen und Neuanlagen zu differenzieren: Für Bestandsanlagen dienen sie internen Gründen und sind in den Grenzen des Willkürverbots zulässig. Für Neuanlagen hingegen wirken sie sich wirtschaftssteuernd aus und sind daher externen Zwecken dienende Ungleichbehandlungen, die der Rechtfertigung bedürfen. (4) Gleichheit in Auktionssystemen912 Üblicherweise werden Auktionssysteme als Ausweg aus den mit der staatlichen Allokationsentscheidung verbundenen Schwierigkeiten besonders von Seiten der Ökonomie beworben. Dennoch haben sie den Nachteil, dass die Auktionierung von Zertifikaten ökonomisch schwächere Unternehmen in Schwierigkeiten bringen kann. Es handelt sich um eine formale und rechtliche Gleichbehandlung, die jedoch geeignet ist, Unternehmen in unterschiedlichem Ausmaß zu belasten. (a) Einheitliche Auktionsverfahren Eher fraglich erscheint, ob man in einem für sämtliche Anlagenbetreiber einheitlichen Auktionsverfahren einen Gleichheitsverstoß sehen will. Einerseits macht sich auch hier, ähnlich wie bei brennstoffunabhängigen Benchmarks, stark bemerkbar, welche Mengen CO2 eine Anlage ausstößt. Je höher ihre Emissionen, desto teurer wird der Betrieb einer Anlage. Allerdings ist eine Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 I GG primär eine rechtliche Ungleichbehandlung913. Hieran fehlt es jedoch, wenn sich der Staat lediglich entscheidet, keine Zertifikate kostenlos auszugeben und die Verteilung vollständig dem Markt zu überlassen. Auch eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte lässt sich hierin nicht erkennen. Ein Gleichheitsverstoß ließe sich allenfalls wegen der faktischen Auswirkungen der rechtlichen Gleichbehandlung annehmen. Anlagenbetreiber wären von einer Auktionierung sämtlicher Zertifikate unterschiedlich hart betroffen, in Abhängigkeit von verwendetem Brennstoff und Effizienz der jeweiligen Anlage. Allerdings gehen diese Auswirkungen nicht über die üblichen von gesetzlichen Regelungen ausgehenden Differenzierungen hinaus. Es ist nicht ersichtlich, dass das Gewicht der 911
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Zur möglichen Intensivierung der Kontrolle vgl. Stefan Huster, in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 79. Soweit die grundrechtliche Zulässigkeit von Versteigerungssystemen diskutiert wird, werden häufig Art. 3 I und Art. 12 I GG zu einem einheitlichen Prüfmaßstab zusammen genommen, s. etwa Klaus Ritgen, AöR 127 (2002), 351 (373) zur Vergabe der UMTSLizenzen, der jedoch darauf hinweist, dass der unterschiedliche Maßstab keine Auswirkungen auf das Ergebnis der Prüfung haben dürfte. Hierzu ausführlich Robert Alexy, Theorie der Grundrechte (1985), S. 377 ff., der das Prinzip der rechtlichen und das Prinzip der faktischen Gleichheit als „Paradox der Gleichheit“ bezeichnet; Friedrich Schoch, DVBl. 1988, 863 (866); noch dezidierter Christian Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Art. 3 Rz 5, wonach Art. 1 III GG die Auslegung der Gleichheitsgarantie als rechtliche Gleichheit fordere.
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faktischen Ungleichheit hier so groß ist, dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, einen Ausgleich vorzunehmen914. Nimmt der Staat eine Versorgung der Unternehmen mit Emissionsberechtigungen nicht vor, liegt allein in dem unterschiedlichen Aufwand der Unternehmen keine relevante staatliche Differenzierung. (b) Getrennte Zertifikatkontingente Da von Auktionsverfahren jedoch ein erheblicher Druck vor allem auf kleinere, weniger finanzkräftige sowie im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen ausgeht, erscheint es naheliegend, dass der Gesetzgeber innerhalb eines Auktionssystems Maßnahmen ergreift, um die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu mindern und die rigiden Folgen eines direkten Systemwechsels abzumildern. Ähnlich wie bei den brennstoffunabhängigen Benchmarks sind die Folgen der Auktionierung besonders gravierend für Bestandsanlagen, die zu Zeiten geplant, genehmigt und in Betrieb genommen wurden, als die Treibhauswirkung der Anlagen noch nicht so stark in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt war915. Diese Anlagen können häufig nicht einfach auf einen umweltfreundlicheren Betrieb umgestellt werden. Aber auch strukturelle Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren und Branchen können ein einheitliches Auktionsverfahren problematisch erscheinen lassen. Will man an einem Auktionssystem festhalten, diese unerwünschten Auswirkungen jedoch vermeiden, besteht die wohl nächstliegende Möglichkeit darin, getrennte Kontingente für unterschiedliche Sektoren, Anlagenbetreiber von unterschiedlicher Wirtschaftskraft oder bestimmte Gruppen von Bestandsanlagen einzurichten und getrennt zu versteigern. Dies hätte eine Ungleichbehandlung der verschiedenen Anlagenbetreiber zur Folge: Je nach ihrer Einstufung sind sie möglicherweise in der Lage, Zertifikate zu unterschiedlich hohen Preisen zu ersteigern. Die Wirkung der Bildung solcher Untergruppen ähnelt derer brennstoffabhängiger Benchmarks, und sie dient einem vergleichbaren Zweck. Die Idee besteht darin, die Belastung möglichst gleichmäßig unter den Systemteilnehmern aufzuteilen. Sie soll das System somit gerechter ausgestalten und als ungerecht empfundene Härten abfedern. Dies sind interne Gerechtigkeitsaspekte, so dass eine Aufteilung der Gesamtmenge an Zertifikaten in mehrere Kontingente zulässig ist, solange diese Gruppen nicht willkürlich gebildet werden und auch die Aufteilung der Zertifikate auf die einzelnen Kontingente nicht willkürlich erfolgt.
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Dieses Ergebnis lässt sich etwa auf Alexys Prinzipienansatz stützen, vgl. Robert Alexy, ibid., S. 380 ff. Nach anderer Ansicht soll ein auf größere faktische Gleichheit abzielendes Gesetz sich nicht auf Art. 3 I GG beziehen, sondern auf dem Sozialstaatsprinzip basieren, Friedrich Schoch, DVBl. 1988, 863 (867, Fn 51), so dass eine faktische Ungleichheit niemals im Widerspruch zu Art. 3 I GG stehen könnte. Da die EH-RL jedoch während der ersten beiden Handelsperioden lediglich die Versteigerung von maximal 10 % der Zertifikate zulässt und diesen Anlagen auch Bestandsschutz zukommt, der einen sofortigen Wechsel zu einem reinen Auktionssystem ohnehin ausschließt, dürften diese Anlagen bereits auf Grundlage der Freiheitsrechte hinreichend geschützt sein. Ab 2013 dürfte das Europarecht jedoch höhere Auktionsquoten zulassen oder sogar fordern.
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(c) Fazit Auktionssysteme Obwohl auch Auktionssysteme nicht völlig frei von Gleichbehandlungsproblemen funktionieren, lässt sich festhalten, dass dem Gesetzgeber hier ein sehr weiter Spielraum zukommt, ohne dass er Gefahr läuft, mit den Vorgaben aus Art. 3 I GG zu kollidieren. Es ist seine politische Entscheidung, ob er ggf. einen rigiden Systemwechsel propagiert, in dem sämtliche Marktteilnehmer formal gleich behandelt werden, oder ob er einen gleitenden Übergang bevorzugt, in dem bestimmte Kontingente für genau definierte Anlagengruppen bereit gehalten und separat versteigert werden. Entscheidet sich der Gesetzgeber für letzteres Modell, ist jedoch darauf zu achten, dass weder die Eingruppierung noch die Aufteilung des Gesamtkontingents auf die einzelnen Gruppen willkürlich erfolgen dürfen. dd) Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen zu externen Zwecken (1) Grundsätzliches Wie gezeigt wurde, werden Ungleichbehandlungen, die mit der Einführung des Emissionshandelssystems und den verschiedenen Allokationsmodi einher gehen, vielfach aus internen Gerechtigkeitsgründen vorgenommen und unterliegen somit vorwiegend916 einer Willkürkontrolle. Soweit jedoch keine internen Zwecke vorliegen und die Ungleichbehandlung der Durchsetzung bestimmter Ziele und damit externen Zwecken dient, ist an dieser Stelle näher zu prüfen, ob die Differenzierungen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. Im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zu fragen, ob der Nachteil der Ungleichbehandlung durch den Vorteil der Förderung des externen, kollektiven Ziels ausgeglichen werden kann917. Dazu ist die Intensität der Ungleichbehandlung im Hinblick auf Häufigkeit und Härte des Eingriffs zu bewerten918. Umgekehrt ist die Bedeutung des verfolgen Zieles einzustellen und zu prüfen, ob und inwieweit auch die von der Ungleichheit Betroffenen einen Nutzen aus der Verwirklichung des externen Zweckes ziehen können919. In der Praxis läuft diese Prüfung also auf eine Abwägung zwischen konkret betroffenen Kollektiv- und Individualinteressen hinaus. (2) Ungleichbehandlung unabhängig vom verwendeten Allokationsmodus Die oben erörterten Ungleichbehandlungen, die unabhängig vom verwendeten Allokationsmodus im Gespräch sind oder waren, dienen durchweg der Umsetzung interner Gerechtigkeitsansprüche und sind vorwiegend920 am Willkürverbot zu messen.
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Zu einer denkbaren Verdichtung der Kontrollintensität s. Stefan Huster, in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 79. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 459. Stefan Huster, ibid., S. 459. Da es sich bei externen Zwecken regelmäßig um den Schutz öffentlicher Güter handelt, partizipieren hieran auch diejenigen, die abweichend von der Idee der normativen Gleichheit behandelt werden. Eine vollständige Kompensation des Gleichheitsverstoßes ist jedoch selten, vgl. Stefan Huster, Rechte und Ziele (1993), S. 459 f. Zur Kontrollintensität vgl. aber auch Stefan Huster, in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 79.
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Eine Problematik allerdings, die sich durch sämtliche Allokationsmodi zieht, ist die der Typisierung. Aufgrund ihrer hohen Abstraktion und der Erforderlichkeit, sich für die Massenverwaltung zu eignen, kommen Allokationsnormen aller Art nicht umhin, an typische Merkmale anzuknüpfen, so dass immer auch Fälle denkbar sind, in denen bei der Anwendung dieser Regelungen sich die gesetzgeberischen Intentionen nicht umfassend verwirklichen lassen. Bei der Abwägung sind die sich im Einzelnen ergebenden Ungleichheiten gegen den aus den Regeln resultierenden Zweckmäßigkeitsvorteil abzuwägen921. (3) Ungleichbehandlung in Grandfathering-Systemen (a) Übertragungsregelungen Die Ungleichbehandlungen, zu denen die Anwendung von Übertragungsregelungen führt, sollen bewirken, dass emissionsintensive Altanlagen möglichst frühzeitig außer Betrieb genommen werden. Dadurch soll Klimaschutz mit der Förderung von Investitionen in neue Techniken, d.h. mit industriepolitischen und wirtschaftsfördernden Zwecken, gekoppelt werden922. Während die Eignung der Übertragungsklauseln zur Förderung neuer Technik durch die indirekte Subventionierung über zusätzliche Zertifikate grundsätzlich923 gegeben sein dürfte924, ist ihre Eignung zum Klimaschutz mit einigen Fragezeichen zu versehen. Wie bereits mehrfach betont, lässt sich Klimaschutz nicht lokal, sondern nur im Wege der Kürzung der Gesamttreibhausgasemissionen bewirken. Die Anwendung der Übertragungsregel führt dazu, dass eine Anlage in Betrieb genommen wird, die weniger CO2 emittiert. Allerdings sind die Allokationsregeln im Zuteilungsgesetz 2007 reine Verteilungsregeln, die – mit Ausnahme der Zuteilung an zusätzliche Neuanlagen – keinen Einfluss auf die Menge ausgegebener Zertifikate haben. Letztere jedoch ist allein für den Klimaschutz von Bedeutung. Das Budget an Zertifikaten ist mit dem Cap vorgegeben und wird durch Übertragungsregeln nicht verändert; eine direkte Umweltwirkung geht von ihnen daher nicht aus925. Ein ökonomisches Interesse der Betreiber, Anlagen früher zu erset-
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Zu den sich hieraus ergebenden Maßstäben s. bereits o. S. 330 ff. Hans-Peter Vierhaus, in: Körner/Vierhaus, TEHG/ZuG 2007 (2005), § 10 ZuG Rz 2. Wegen der erforderlichen Planungs-, Genehmigungs- und Errichtungszeiten benötigen Unternehmen jedoch einen gewissen Vorlauf, um auf gesetzgeberische Angebote reagieren zu können. Im Falle des relativ kurzfristig erlassenen ZuG 2007 besteht daher die Besorgnis, dass die Übertragungsregel in erster Linie zu Mitnahmeeffekten von Betreibern führt, die ihre Anlagen ohnehin ersetzt hätten. Vgl. Sven Bode et al., Übertragungs- und der Kompensationsregel (2005), S. 54. Hierauf stellt auch die Begründung des Gesetzesentwurfs zum ZuG ab, s. BT-Drucks. 15/2966, S. 21. Sven Bode et al., Übertragungs- und der Kompensationsregel (2005), S. 29 haben jedoch herausgearbeitet, dass dieser Impuls nur besteht, wenn die Laufzeit der Übertragungsregel nicht unbefristet ist. § 10 I ZuG 2007 galt nur für die erste Handelsperiode; für die zweite Handelsperiode wurde keine entsprechende Regelung mehr in das ZuG 2012 aufgenommen. Sven Bode et al., Übertragungs- und der Kompensationsregel (2005), S. 55.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
zen, um die zusätzlichen Zertifikate zu erhalten, kann durchaus bestehen926. Somit können sie noch als Instrument der Innovationsförderung und der langfristigen Umstrukturierung der Wirtschaft hin zur Verwendung weniger umweltschädlicher Anlagen927 diskutiert werden. Zu diesem Zweck müssten die Übertragungsregeln dann erforderlich sein, d.h. es dürfte kein milderes Mittel existieren, das den Umbau der Wirtschaft gleichermaßen fördert. Entscheidend ist demnach, ob entsprechende Anreize zur umweltfreundlicheren Erneuerung des Anlagenparks nicht auch gesetzt werden könnten, ohne zwischen Ersatzanlagen und sonstigen Neuanlagen zu differenzieren. Zwar reduziert der Ersatz einer bestehenden Anlage Emissionen, während zusätzliche Neuanlagen auch zusätzliche Emissionen verursachen928. Grundsätzlich lassen sich neue Anlagen ebenso wie die Stilllegung emissionsintensiver Altanlagen jedoch auch durch Szenarien fördern, in denen die Zertifikateausstattung neuer Anlagen auf längere Zeit hin gesichert erscheint, Altanlagen hingegen mit unzureichender Ausstattung und hohen Zusatzkosten rechnen müssen. Nach Ablauf der üblichen Investitionszyklen reduziert sich deren Bestandsschutz, so dass entsprechende Regelungen denkbar sind. Ob zusätzliche Anreizinstrumente speziell für den Bau von Ersatzanlagen wirksamer sind, erscheint zweifelhaft. Allerdings handelt es sich hier um eine sehr komplexe wirtschaftliche Gemengelage, so dass man dem Staat jedenfalls zu Beginn des Zertifikatehandelssystems wohl einen Prognosespielraum einräumen muss929. Vor diesem Hintergrund mag man Übertragungsklauseln für erforderlich halten. Schließlich müssten derartige Übertragungsklauseln auch angemessen sein, d.h. die von ihnen ausgehende Ungerechtigkeit darf nicht im Missverhältnis zu dem mit ihnen avisierten Zweck stehen. Dabei besteht reichlich Anlass zu Bedenken, ob der Gesetzgeber mit der Entscheidung für Übertragungsklauseln den richtigen Weg gewählt hat. Die Wettbewerbsverzerrungen, die von ihnen ausgehen, sind erheblich und errichten bzw. verstärken bestehende Markteintrittsbarrieren für neue Marktteilnehmer930. Der Kostenvorteil des Altanlagenbetreibers liegt bei der Produktion von Strom zwischen 5 % auf Basis von Steinkohle oder Gas und 11 % auf Basis von Braunkohle, bei einem Brennstoffwechsel von Steinkohle zu Gas sogar bei 22 %931. Bedenklich ist auch, dass schon die Erforderlichkeit einer Besserstellung von Ersatzanlagen gegenüber sonstigen Neuanlagen mit Zweifeln behaftet ist. Im Ergebnis lassen sie sich daher bestenfalls über einen extensiv ausgedehnten Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers während der Erprobungsphase neuer Reglungen rechtfertigen. Ähnlich sieht es offensichtlich der Gesetzgeber selbst,
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Sven Bode et al., ibid., S. 30 f., die jedoch auch auf die Möglichkeit von Mitnahmeeffekten hinweisen. Klimaschutzvorteile könnten sich hieraus ergeben, wenn die Umstrukturierung stärkere Emissionsreduktionen ermöglicht als anderenfalls denkbar. Dirk Weinreich/Simon Marr, NJW 2005, 1078 (1082). So auch in etwas anderem Kontext Arndt Begemann/Henning Lustermann, NVwZ 2006, 135 (138). Sven Bode et al., Übertragungs- und der Kompensationsregel (2005), S. 38, 45. So die Berechnungen von Sven Bode et al., ibid., S. 52.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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der sich nicht von ungefähr dazu entschieden hat, diese Übertragungsmöglichkeit nicht in die zweite Handelsperiode zu überführen. (b) Langfristige Allokationsgarantien Wie bereits erläutert932, dienen langfristige Allokationsgarantien vorwiegend internen Gerechtigkeitszwecken. Allerdings kommt es hier wie auch in anderen Bereichen der Allokation zu Gerechtigkeitsproblemen durch typisierende Regelungen. Im Rahmen der in solchen Fällen vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zu fragen, ob die mit der Typisierung einhergehenden Anwendungsund Rechtssicherheitsvorteile die Gerechtigkeitsbedenken aufwiegen können933. (c) Nivellierende Wirkungen des Grandfatherings und Anknüpfung an das Alter einer Anlage Die nivellierende Wirkung des Grandfatherings, die dazu führt, dass vielfach ältere emissionsintensivere Anlagen gegenüber modernisierten Anlagen bevorteilt werden, ist, wie bereits herausgearbeitet, ebenfalls Folge typisierender Regelung. Auch hier ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsüberlegungen zu problematisieren, ob und inwieweit die Anwendungs- und Rechtssicherheitsvorteile die Ungleichbelastungen zu Lasten der im Zertifikatehandel eigentlich eher zu entlastenden modernisierten Anlagen rechtfertigen können. Da es sich bei den modernisierten Neuanlagen nicht um ein zahlenmäßig geringfügiges Aufkommen an Fällen handelt, darf der Gesetzgeber derartige Wirkungen jedenfalls nicht einfach hinnehmen, sondern muss versuchen, einen gerechten Ausgleich zwischen den betroffenen Anlagengruppen herzustellen. Dies lässt sich etwa durch eine Orientierung am Alter der Anlage und am Modernisierungsstand umsetzen. Bleiben dann noch Fälle übrig, in denen das Allokationsergebnis in einem Spannungsverhältnis zur gesetzgeberischen Grundentscheidung steht, gelten die allgemeinen Grundsätze zur Rechtfertigung von typisierenden Regelungen934. (4) Ungleichheit in Benchmark-Systemen (a) Langfristige Garantien Wie bereits erläutert, lassen sich langfristige Allokationszusagen auch in Benchmark-Systeme integrieren. Auch hier dienen sie hauptsächlich internen Zwecken, es kommt jedoch ebenso wie bei vergleichbaren Garantien in GrandfatheringSystemen zu Typisierungsproblemen, die im einzelnen Fall anhand der oben dargelegten Maßstäbe zu lösen sind935. (b) Brennstoffabhängige Benchmarks für Neuanlagen Brennstoffabhängige Benchmarks dienen, wie ebenfalls bereits dargelegt, soweit sie auf Neuanlagen angewendet werden, dem Zweck, Einfluss auf den Brennstoffmix zu nehmen und die Verwendung heimischer Brennstoffe beizubehal932 933 934 935
S. o. S. 340 f. Mehr dazu bereits o. S. 330 ff. S. o. S. 330 ff. S. o. S. 330 ff.
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ten936. Ziel ist die Förderung der Brennstoffe, die anderenfalls in einem Zertifikatehandelssystem unter Druck zu geraten drohen. Da durch die verhältnismäßig bedarfsgerechte Zuteilung insbesondere Anlagen, die auf Basis von Braun- oder Steinkohle arbeiten, eine gegenüber einem Auktionssystem oder einem brennstoffunabhängigen Benchmark verbesserte Startposition erhalten, sind brennstoffabhängige Benchmarks auch geeignet, diesem Zweck zu dienen. Da dieser Zweck in einem gewissen Spannungsverhältnis zu dem Zweck des Zertifikatehandels steht, die kostengünstigsten Reduktionspotentiale zu nutzen, ist kein milderes Mittel ersichtlich, das die Verwendung emissionsintensiverer Brennstoffe auch in Neuanlagen in einem Zertifikatehandelssystem ebenso wirksam schützen würde. Probleme zeichnen sich jedoch im Bereich der Angemessenheit ab. Die Ungleichbehandlung der verschiedenen Anlagengruppen fällt zwar nicht besonders stark ins Gewicht, da brennstoffabhängige Benchmarks eine grundsätzlich sehr bedarfsgerechte Verteilung bewirken. Das Gesamtkontingent an Zertifikaten ist jedoch europarechtlich fixiert, so dass eine großzügige Zuteilung an einzelne Marktteilnehmer bzw. -gruppen dazu führt, dass andere Marktteilnehmer mit geringeren Kontingenten auskommen müssen. Hier muss sichergestellt sein, dass auch andere Marktteilnehmer, insbesondere solche, die emissionsärmere Anlagen betreiben, noch eine Chance auf hinreichend viele Zertifikate haben. Im besonderen Fall der deutschen Regelung fällt dieses Problem anfänglich nicht so stark ins Gewicht, da eine staatliche Stelle verpflichtet ist, bei erhöhtem Bedarf an Zuteilungen für Neuanlagen die Reserve mit auf dem Markt hinzu erworbenen Zertifikaten aufzufüllen, d.h. ein erhöhter Bedarf an Zertifikaten für Neuanlagen nicht auf das Cap angerechnet wird. Bedenken sind jedoch nicht zuletzt im Hinblick auf die Fernwirkungen einer derartigen Lösung zu erheben. So besteht die Gefahr, dass brennstoffabhängige Benchmarks für Neuanlagen Anreize setzen, entsprechende Anlagen zu bauen, die zu einem späteren Zeitpunkt Bestandsschutzansprüche937 geltend machen und erhebliche Schwierigkeiten für die vom System bezweckte Emissionsreduktion verursachen können. Während es grundsätzlich dem Gesetzgeber unbenommen bleibt, im Rahmen des Zertifikatehandels neben Effizienzzielen weitere Zwecke (mit-)zuverfolgen, gilt dies nicht mehr für Regelungen, die sich kontraproduktiv auswirken und das Gesamtsystem gefährden. Gefahren gehen hier etwa von dem deutschen Ansatz aus, die Reserve theoretisch unbegrenzt durch Zukäufe auf dem Markt zu ergänzen. Angesichts der Komplexität des Regelungsganzen lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht das Verdikt der Verfassungswidrigkeit derartiger Regelungen aussprechen. Wohl gilt jedoch, dass die Auswirkung solcher Benchmarks genau zu beobachten und im Falle unerwünschter Konsequenzen für eine zügige Korrektur zu sorgen ist.
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So bereits o. S. 345 f. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Zertifikatehandel das Entstehen solcher Ansprüche eigentlich ausschließt (hierzu vgl. o. S. 289 f.), ist mit beträchtlichem politischen Druck zum Schutz bestehender Anlagen und Arbeitsplätze zu rechnen.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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(c) Brennstoffunabhängige Benchmarks Werden hingegen brennstoffunabhängige Benchmarks verwendet, ist hierin immer eine durch externe Zwecke rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung zu sehen, da sie zu einer sehr unterschiedlich bedarfsgerechten Ausstattung verschiedener Anlagen führen938. Zweck derartiger einheitlicher Emissionsstandards ist es, zusätzliche Anreize für die Verwendung emissionsarmer Techniken zu setzen und auf diesem Wege auf eine Stärkung ökologischer Anliegen hinzuwirken. Hierin ist nicht zuletzt eine Verwirklichung von Nachhaltigkeitsanliegen zu sehen, wie sie auch von Art. 20a GG explizit unter Schutz gestellt werden. Da brennstoffunabhängige Benchmarks bewirken, dass emissionsarme Anlagen nicht nur gut mit dem ihnen zugeteilten Kontingent an Emissionsrechten auskommen, sondern häufig Zertifikate verkaufen können, wirken sie sich als Förderung dieser Anlagen aus und stellen daher einen erheblichen Anreiz dar, in derartige Anlagen zu investieren. Somit sind sie geeignet, ihr Ziel zu erreichen. Zudem dürfte keine Maßnahme denkbar sein, die weniger in die Grundrechte der beteiligten Unternehmen eingreift und ebenso sicher auf eine Stützung der ökologischen Interessen hinwirkt. Dabei spielt eine Rolle, dass der Eingriff in das Gleichheitsrecht, der von brennstoffunabhängigen Benchmarks ausgeht, bereits dadurch moderat ist, dass es sich um eine formale Gleichbehandlung aller Beteiligter handelt. Setzt man hingegen bei der Zuteilung stärker bei der Frage des individuellen Bedarfs an, lässt der Druck auf Unternehmen zu ökologisch sinnvollen Umstrukturierungen nach. Als milderes Mittel kämen folglich höchstens Auktionssysteme in Betracht, die die Beteiligten insofern gleich behandeln, als überhaupt keine kostenlose Zuteilung erfolgt. Ob dies jedoch tatsächlich ein milderes Mittel ist, erscheint schwer absehbar; jedenfalls im Moment kann die Auktionsalternative jedenfalls nicht in die Überlegung eingestellt werden, weil bereits europarechtlich das zu versteigernde Quorum auf 5 % in der ersten bzw. 10 % in der zweiten Handelsperiode beschränkt ist. Ein milderes Mittel zur Stärkung der ökologischen Belange ist somit nicht ersichtlich. Bei der Prüfung der Angemessenheit kommt den brennstoffunabhängigen Benchmarks zugute, dass sie in ihrer Wirkungsweise dem Emissionshandel nicht entgegen wirken, sondern die Ziele des Zertifikatehandels stützen. Gleichzeitig macht sich auch in der Abwägung bemerkbar, dass der Gleichheitsverstoß weniger stark ins Gewicht fällt, da die betroffenen Betriebe jedenfalls formal gleich behandelt werden. Hinzu kommt, dass Art. 20a GG den staatlichen Auftrag zur Verwirklichung von Nachhaltigkeitsanliegen verfassungsrechtlich unter Schutz gestellt hat. Im Ergebnis bestehen daher hinsichtlich der Angemessenheit brennstoffunabhängiger Benchmarks keine Bedenken. Es handelt sich bei ihnen um eine konsequente Ergänzung bzw. Ausgestaltung des Zertifikatehandels. ee) Fazit: Gleichheitsrechtliche Vorgaben für die Allokation Naturgemäß ist bei der Allokation unabhängig vom verwendeten Modus eine breite Vielfalt möglicher Gleichheitsverstöße denkbar. Eine abschließende Erörterung aller denkbaren Probleme ist daher nicht möglich. Vielfach dienen die Unterschei938
Vgl. bereits o. S. 346 f.
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D Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation
dungen jedoch der Verwirklichung gesetzgeberischer Gerechtigkeitsideale im weitesten Sinne und unterfallen als interne Ziele vorwiegend der Kontrolle auf – regelmäßig nicht vorliegende – gesetzgeberische Willkür939. In GrandfatheringSystemen besteht grundsätzlich die Gefahr, dass die nivellierende Wirkung einheitlicher Erfüllungsfaktoren gegen den Gleichheitssatz verstößt. Höchst problematisch sind zudem die als Innovationsanreiz eingeführten Übertragungsklauseln. Benchmarks sind im Ergebnis üblicherweise auch im Hinblick auf Art. 3 I GG relativ unkompliziert, wobei es dem Gesetzgeber frei steht, sich für eine brennstoffabhängige oder -unabhängige Ausgestaltung zu entscheiden. Auch Auktionssystemen bereiten unabhängig von ihrer Ausgestaltung im Einzelnen üblicherweise keine nennenswerten Gleichheitsprobleme. d) Fazit: Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes für die Allokation von Emissionsberechtigungen Das Ergebnis der Prüfung der grundgesetzlichen Grundrechte entspricht weitgehend den Befunden zu den Gemeinschaftsgrundrechten. Zwar gibt es im Detail Unterschiede wie etwa bei der Definition des Schutzbereichs des Eigentumsgrundrechts; im Ergebnis wirken sich diese Unterschiede jedoch praktisch nicht aus. Vorgaben für die Zuteilungsvorschriften lassen sich Art. 14 I und Art. 12 I sowie Art. 3 I GG entnehmen. Der eigentumsrechtlich gewährleistete Bestandsschutz ist wegen der ausgeprägten Sozialbindung emissionsintensiver Großanlagen auf einen Schutz getätigter Investitionen reduziert: Folglich reduziert sich die Bedeutung des Bestandsschutzes, sobald eine Anlage amortisiert ist, d.h. dem Betreiber durch ihre Schließung keine Verluste entstehen. Auf der Basis der hier vertretenen Dogmatik erfolgt die Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes auf europäischer wie deutscher Ebene anhand derselben Kriterien. Dabei erfolgen die meisten Differenzierungen im Rahmen der Allokationsvorschriften aus internen Gerechtigkeitserwägungen. Sie sind darauf zu überprüfen, ob sie dem Gleichheitsgedanken und damit einem Gerechtigkeitsinteresse entsprechen. Diese Unterscheidungen sind zulässig, sofern sie nicht bestehende Ungleichheiten überkompensieren und sich dadurch für den Klimaschutz kontraproduktiv auswirken. Dient die Allokation der Zertifikate hingegen externen Gründen wie der Wirtschaftslenkung, der Innovationsförderung oder der Etablierung nachhaltiger Strukturen, ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen, bei der die betroffenen Interessen gegeneinander abgewogen werden. Bedenken sind insbesondere angebracht, wenn die Ziele der Ungleichbehandlung in einem Spannungsverhältnis zu denen des Zertifikatehandels stehen bzw. diesen sogar entgegen wirken. Ungleichbehandlungen zur Verwirklichung externer Gründe lassen sich nur rechtfertigen, wenn sie das Anliegen des Zertifikatehandels als Ganzes nicht gefährden.
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Der Kontrollmaßstab für derartige Ungleichbehandlungen aus internen Gründen kann sich jedoch bis hin zu einer strikten Angemessenheitskontrolle verdichten, vgl. Stefan Huster, in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 79.
III. Vorgaben der Grundrechte des Grundgesetzes
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5. Rechtsschutz bei Verstößen der Allokationsregeln gegen Grundrechte des Grundgesetzes Einen Verstoß einer Allokationsregel gegen Grundrechte des Grundgesetzes kann lediglich das Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens940, eines Organstreitverfahrens941 oder einer Verfassungsbeschwerde feststellen942. Geschieht dies, ist dennoch nicht mit einer sofortigen Abhilfe für betroffene Betriebe zu rechnen. Die verschiedenen von einem Mitgliedstaat angewendeten Zuteilungsregeln bilden ein geschlossenes System und dienen dazu, sicherzustellen, dass die jeweiligen Reduktionsvorgaben hinsichtlich der Gesamtemissionen des Zertifikatehandels eingehalten werden. Diese Grenze ist rechtsverbindlich und darf nicht in Gefahr geraten. Die Konsequenz der verfassungsgerichtlich festgestellten Grundrechtswidrigkeit einer Zuteilungsregel ist daher regelmäßig, dass das gesamte Gefüge neu geordnet und neue Zuteilungsregeln erlassen werden müssen943. Wirkungen dürften damit selbst von einer erfolgreichen Anfechtung der Allokationsregeln erst für die Zukunft ausgehen, wenn eine Zuteilung nach einem korrigierten Maßstab erfolgt. Ein Vorgehen unmittelbar gegen die Allokationsregeln kann nur in atypischen Fällen zu einer großzügigeren Zuteilung führen, wenn eine benachteiligende Regelung erfolgreich angefochten wird und deshalb die günstigere Regelzuteilung anwendbar wird. Das Bundesverfassungsgericht wird somit voraussichtlich eine Veränderung der Zuteilungsregeln lediglich für die Zukunft bewirken und dem Gesetzgeber Richtlinien an die Hand geben, die er bei der erneuten Entscheidung zu beachten hat.
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Denkbar ist eine abstrakte Normenkontrolle nach Art. 93 I Nr. 2 GG ebenso wie eine konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 I GG auf Vorlage eines mit entsprechenden Regelungen befassten Verwaltungsgerichts. Als rechtserhebliche Maßnahme kann auch der Erlass eines Gesetzes Gegenstand eines Organstreitverfahrens sein, vgl. BVerfGE 1, 208 (220) – 7,5 % Klausel; 82, 322 (335) – gesamtdeutsche Wahl; Hartmut Maurer, Staatsrecht I, 5. Aufl. 2007, § 20 Rz 46. Vgl. Matthias Diehr, Rechtsschutz (2006), S. 285 ff.; Stefan Kopp-Assenmacher, ZUR 2006, 405 (406). Erste Entscheidungen des BVerfG sind nunmehr ergangen, s. BVerfG, NVwZ 2007, 942 ff. = ZUR 2007, 583 ff. zum Normenkontrollantrag der sächsischen Landesregierung und BVerfG, DVBl. 2007, 821 ff. = NVwZ 2007, 937 ff. – Nichtannahme einer gegen Vorschriften des TEHG gerichteten Verfassungsbeschwerde; zu den Verfahren s. auch Stefan Kopp-Assenmacher, ibid. VG Berlin, AZ 10 A 462.05, Urt. v. 07.04.2006 (juris). Dies ist Konsequenz der teilhaberechtlichen Wirkung der Grundrechte hinsichtlich der Allokation. Sie hat zur Folge, dass sich Grundrechtsverstöße auch gegen Freiheitsrechte ähnlich auswirken wie sonst vorwiegend im Bereich des Art. 3 I GG, wo das BVerfG gegen das Gleichheitsgrundrecht verstoßende Rechtssätze ebenfalls nur für unvereinbar mit der Verfassung erklärt, vgl. BVerfGE 87, 153 (177 ff.) – Grundfreibetrag; E 104, 126 (149 f.) – Dienstbeschädigtenrente; dazu Stefan Huster, in: Berl. Komm. GG, Art. 3 Rz 48.
Zusammenfassende Darstellung der wesentlichen Thesen
1. Klimaschutz ist nicht nur ein vorübergehendes Modethema in den Medien; er stellt nahezu unumstritten das wichtigste Problem der Umweltpolitik dieser Tage dar. Nach Meinung einer überwältigenden Mehrheit der Wissenschaftler müssen heute noch nahezu unvorstellbare Emissionsminderungen innerhalb der nächsten zwanzig bis vierzig Jahre bewältigt werden, wenn eine globale Erwärmung von katastrophalem Ausmaß verhindert werden soll. Diese Emissionsminderungen sind nur durch massive strukturelle Veränderungen der gesamten Wirtschaftslandschaft zu erreichen und mit erheblichen Kosten verbunden, die jedoch voraussichtlich weit unterhalb denen einer entfesselten globalen Erwärmung liegen. Angesichts dieser hohen Kosten sind Effizienzerwägungen beim Klimaschutz von besonderer Bedeutung, und so ist das in der Umweltökonomie entwickelte Instrument des Zertifikatehandels mit Emissionsrechten heute zum Hoffnungsträger von Klimaschützern und Ökonomen gleichermaßen geworden. Durch den Einsatz dieses Instruments sollen die erforderlichen Emissionsminderungen zu volkswirtschaftlich noch vertretbaren Kosten verwirklicht werden. Obwohl die ersten Erfahrungen aufgrund der übergroßzügigen Zuteilung der Emissionszertifikate zu denken geben, hat das Instrument „Zertifikatehandel“ allenfalls geringfügig an Popularität eingebüßt und wird für immer mehr CO2-ausstoßende Sektoren ins Gespräch gebracht, zuletzt vor allem für Luftverkehr und Schifffahrt. Bewahrheiten sich die aktuellen Prognosen, werden mittel- und langfristig jedoch deutlich anspruchsvollere Minderungen als in den ersten beiden Handelsperioden durchgesetzt werden müssen, so dass der Druck auf dieses System und entsprechend die Beschwerden wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Grundrechtsverletzungen zunehmen werden. 2. Während in den ersten Stellungnahmen zu grundrechtlichen Fragen des Handelssystems für CO2-Zertifikate der Fokus auf der Einrichtung des Handelssystems, der „Entwertung“ bestehender Betriebsgenehmigungen und den dadurch verursachten Folgeproblemen lag, wird es künftig erforderlich sein, den maßgeblichen Einzelparametern, die über die Ausgestaltung dieses Systems bestimmen, mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Da inzwischen als gerichtlich geklärt gelten dürfte, dass die Einrichtung eines Emissionsrechtesystems zur Lösung von durch Globalschadstoffen verursachter Umweltprobleme nicht gegen die Grundrechte der diesem System unterworfenen Unternehmen verstößt, sind im nächsten Schritt Grundsätze zu entwickeln, anhand derer das bestehende System ausgestaltet und ggf. auch modifiziert werden kann.
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Zusammenfassende Darstellung der wesentlichen Thesen
3. Die erste wesentliche Entscheidung, die den Zertifikatehandel prägt, betrifft die Obergrenze der zulässigen Emissionen. Hier ist einerseits festzulegen, welche Mengen Treibhausgas jedes Land insgesamt ausstoßen darf, andererseits, welcher Anteil dieses zulässigen Gesamtausstoßes auf die am Zertifikatehandel beteiligten Anlagen entfallen soll. Durch diese Entscheidungen ist die Rigidität eines Zertifikatesystems maßgeblich vorbestimmt, weil sich hieraus die Knappheit des Umweltgutes für die Volkswirtschaft und die vom Zertifikatehandel erfassten Wirtschaftszweige ergibt. Allein auf Basis dieser Parameter lässt sich jedoch noch keine Aussage über die systeminterne Lastenverteilung treffen. 4. Aus diesem Grund ist die Allokation der Zertifikate ein für die Grundrechte der beteiligten Anlagenbetreiber neuralgischer Punkt. Sie bestimmt über die Verwaltung des knappen Umweltgutes und seine (Erst-)Verteilung auf die beteiligten Interessenten. Für den einzelnen Handelsteilnehmer entscheiden die Allokationsregeln maßgeblich über seine Wettbewerbsstellung am Markt mit: Sie bestimmen darüber, welche Menge an Zertifikaten er zu welchen Bedingungen erhält und ob sie ihm kostenlos oder gegen Entgelt zugeteilt werden. Ebenso ergibt sich aus ihnen sein Verhältnis zu konkurrierenden Wettbewerbern. Vor allem bei einer kostenlosen Zuteilung kann die Allokation die Ausgangsposition im Wettbewerb erheblich beeinflussen. Da somit die wesentlichen Wirkungen des Zertifikatehandels erst von der Allokation der Zertifikate ausgehen, sind nicht allein die systembegründenden Rechtsnormen der maßgebliche Ansatzpunkt für eine Grundrechtsprüfung. Eine sinnvolle Prüfung kann und darf vielmehr erst auf Basis der Zuteilungsregeln erfolgen. 5. Über die Zuteilung entscheidet im Rahmen der Vorgaben der EH-RL der nationale Gesetzgeber. Bei der Umsetzung der EH-RL unterliegt er einer doppelten Grundrechtsbindung: einerseits an die europäischen Gemeinschaftsgrundrechte, andererseits, soweit ihm ausfüllungsbedürftige Spielräume verbleiben, auch an die nationalen Grundrechte. 6. Zur Auslotung legislativer Spielräume und ihrer Grenzen ist es hilfreich, die Regelungen der Allokation nach ihren ökonomischen Grundformen getrennt zu untersuchen. Hier unterscheidet man eine Zuteilung auf der Basis historischer Emissionen (Grandfathering), auf Basis technischer Standards (Benchmarking) oder anhand von Auktionen. Während die Einführung keines dieser Verteilungsmechanismen prinzipiell unzulässig ist, sind jedoch unterschiedliche Probleme mit ihnen verbunden. Mischsysteme werden häufig verwendet, um Härten der einzelnen Zuteilungsmodi auszugleichen, bringen jedoch vielfach gleichheitsrechtliche Schwierigkeiten mit sich, die in abstrakter Form wohl nicht abschließend zu behandeln sind. 7. Die Allokationsentscheidung weist Besonderheiten auf, die ihre grundrechtliche Begutachtung erschweren. Einerseits ist sie maßgeblich durch das zu erreichende Cap, die Obergrenze zulässiger Emissionen, mitgeprägt. Je strikter das – europa- und völkerrechtlich jedenfalls mitbestimmte – Cap ausfällt, desto knapper ist zwangsläufig auch die Allokation als Entscheidung über die Verteilung dieses vorgegebenen Mangels. Eine Erhöhung des zu verteilenden Kontingents kommt bereits aufgrund der Struktur des Zertifikatesystems nicht in Betracht, so dass die teilhaberechtlichen Aspekte zwangsläufig im Vordergrund stehen. Im Rahmen des grundrechtlichen Eigentumsschutzes kann jedoch unter bestimmten, restriktiven Voraussetzungen ein finanzieller Aus-
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gleichsanspruch entstehen, wo wegen der europarechtlichen Vorgaben der üblicherweise zu gewährleistende Bestandsschutz nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. 8. Während das System als ganzes hinsichtlich der Obergrenzen unflexibel ist, trifft dies für den von der Allokation ausgehenden Befehl nicht zu. Im Unterschied zum klassischen Umweltordnungsrecht geht von der Allokation selbst kein Gebot aus, konkrete Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen. Die Allokation gibt dem betreffenden Anlagenbetreiber im Zusammenhang mit den Normen über das Handelssystem vielmehr einen Handlungsspielraum vor, innerhalb dessen er seine eigene Strategie wählen kann. Er ist verpflichtet, seine Emissionen mit den ihm zur Verfügung stehenden Zertifikaten zu koordinieren, wobei es ihm überlassen bleibt, ob er Reduktionsmaßnahmen ergreift, um mit den Zertifikaten auszukommen oder gar überschüssige Zertifikate zu verkaufen, ob er seine Produktion zu diesem Zweck drosselt oder ob er ggf. auf dem Markt zusätzliche Zertifikate zukauft. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Allokationsentscheidung keinen Eingriff in seine Grundrechte darstellen könnte: Auch die Eröffnung eines Handlungsspektrums setzt den Möglichkeiten eines Anlagenbetreibers Grenzen und beeinträchtigt somit seine Freiheiten. In der Tendenz ist die Eingriffswirkung dieser Regelungen jedoch weniger stark als diejenige klassisch hoheitlicher Ge- oder Verbote. 9. Wichtigster Maßstab für die Grundrechtsprüfung ist auf europäischer wie nationaler Ebene im Hinblick auf die Freiheits- ebenso wie die Gleichheitsrechte das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine Maßnahme verhältnismäßig ist, ist ihr Zweck. Die gängige Aussage, der Emissionshandel diene der effizienten Umsetzung der europa- und völkerrechtlichen Minderungsziele, führt hier nicht weiter. Zwar trifft diese Aussage für das ursprünglich von den Wirtschaftswissenschaften entwickelte Modell des Zertifikatehandels zu, die Politik hat das Instrument bei der Adaption jedoch substantiell verändert. Zu den ursprünglichen beiden Zwecken, der sicheren Begrenzung der Emissionen sowie der kostengünstigen Einhaltung des gewählten Zieles, sind weitere Anliegen hinzugekommen. Die Allokation der Zertifikate soll gleichzeitig dem Bestandsschutz, der Wirtschaftsförderung und der Versorgungssicherheit dienen; die Verfolgung zusätzlicher Zwecke im Rahmen der Allokation führt jedoch dazu, dass das ökonomische Instrument verwässert wird und insbesondere an Effizienz einbüßt. Durch diese Neuausrichtung des Zertifikatehandels ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung wesentlich unübersichtlicher geworden. In die Entscheidung für einen bestimmten Allokationsmodus sind die gesetzgeberische Prioritäten für die Zwecke der Allokation hineinzulesen, und dies schlägt sich in der Prüfung der Verhältnismäßigkeit auf sämtlichen Stufen nieder. 10. Aus juristischer Sicht ist diese Modifikation eines ökonomischen Instruments grundsätzlich nicht problematisch. Für die verfassungsrechtliche Bewertung kommt es nur auf die Frage an, ob die von Emissionshandel und Allokation ausgehenden Grundrechtseingriffe zu Zweck und Wirkungen des Instruments im Verhältnis stehen. Eine optimale Wirksamkeit ist nicht erforderlich; vielmehr ist im Rahmen der rechtlichen Prüfung nicht nur nach den Auswirkungen für die Volkswirtschaft, sondern auch für die einzelnen Anlagenbetreiber zu fragen. Aus diesem Grund ist die ökonomische Optimallösung, im Bereich der Allokation die Auktionierung sämtlicher Zertifikate, häufig juris-
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Zusammenfassende Darstellung der wesentlichen Thesen
tisch modifizierungsbedürftig. Allerdings ist auch bei der Grundrechtsprüfung zu beachten, dass die Allokationsregeln vor dem Hintergrund der von ihnen ausgehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen nur zu rechtfertigen sind, wenn sie ihr Ziel auch erreichen. Während bei einem derartig komplexen, neu eingeführten System dem Gesetzgeber sehr weite Beurteilungs- und Prognosespielräume verbleiben müssen, werden diese durch ernst zu nehmende Nachbesserungs- und Kontrollpflichten ergänzt. Der Gesetzgeber darf und muss in den ersten Handelsperioden Regelungen entwickeln, die auf vernünftigen Erwägungen basieren und von denen er folglich annehmen darf, dass sie das Verteilungsproblem adäquat lösen. Ist die grundrechtliche Prüfung dieser Regelungen zunächst eher kursorisch, ist der Gesetzgeber dennoch verpflichtet, ihre Auswirkungen genau zu beobachten und im Bedarfsfalle in der nächsten Handelsperiode gegenzusteuern. Dabei wirkt sich die Struktur des Zertifikatesystems günstig aus, weil ohnehin alle fünf Jahre über die Verteilung des aktuellen Zertifikatekontingents neu zu entscheiden ist. Zeigt sich also, dass bestimmte Regelungen ihr Ziel nicht erreichen, müssen sie überarbeitet werden. Grundrechtliche Grenzen ergeben sich für den Gesetzgeber sowohl aus den nationalen wie auch aus den Gemeinschaftsgrundrechten vorrangig aus Bestandsschutz- und Gleichheitserwägungen. Das Gewicht des Bestandsschutzes reduziert sich jedoch in erheblichem Maße, sobald eine Anlage amortisiert ist, d.h. dem Betreiber durch ihre Schließung keine Verluste entstehen. Ab diesem Zeitpunkt setzt sich die Sozialbindung durch, die bei genehmigungsbedürftigen Anlagen üblicherweise sehr ausgeprägt ist. Im Bereich der Gleichheitsrechte wurde dargelegt, dass die meisten Differenzierungen bei der Allokation aus internen Gerechtigkeitsgründen erfolgen und daher darauf zu überprüfen sind, ob sie dem Gleichheitsgedanken entsprechen. Zumeist sind diese Unterscheidungen zulässig, sofern sie nicht bestehende Ungleichheiten überkompensieren und dadurch dem Klimaschutz entgegen wirken. Soweit jedoch externe Gründe wie Wirtschaftslenkung, Innovationsförderung oder die Etablierung nachhaltiger Strukturen bezweckt sind, müssen Ungleichbehandlungen durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung gerechtfertigt werden. Problematisch sind derartige Ungleichbehandlungen immer dann, wenn ihre Ziele in einem Spannungsverhältnis zu denen des Zertifikatehandels stehen bzw. diesen sogar entgegen wirken. Ungleichbehandlungen zur Verwirklichung externer Gründe lassen sich nur rechtfertigen, solange sichergestellt ist, dass sie das Anliegen des Zertifikatehandels als Ganzes nicht gefährden. Beim Vergleich der Vorgaben der deutschen und europäischen Grundrechte für die Allokation von Zertifikaten in einem Emissionshandelssystem ergibt sich ein deutlich homogeneres Bild, als nach der Kritik, die gerade aus der deutschen Literatur den europäischen Gerichten entgegen gebracht wird, hätte erwartet werden können. Unabhängig ob man die Eigentumsgarantie, die Berufs- bzw. Unternehmensfreiheit oder die Gleichheitsrechte betrachtet, der Befund ist der gleiche: Die relevanten Erwägungen entsprechen sich, die Unterschiede beziehen sich im Wesentlichen nur auf Nuancen; echte Wertungsunterschiede sind eine Seltenheit. Die Verschiedenheiten dürften am ehesten noch im Bereich der gerichtlichen Kontrolle liegen. Dies hat einerseits damit zu tun, dass einer Verfassungsbe-
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schwerde vergleichbare Rechtsmittel zum EuGH nicht existieren und eine vergleichbar konsistente Grundrechtsprüfung daher von Seiten der europäischen Gerichte regelmäßig nicht vorgenommen wird. Allerdings können hier die nationalen Gerichte im Wege von Vorlageverfahren nach Art. 234 EG Klarheit erzwingen. Zum anderen wird immer wieder konstatiert, die von den europäischen Gerichten vorgenommene Grundrechtsprüfung, insbesondere in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit, komme qualitativ der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gleich. Gerade was den Umfang der Prüfung und die Komplexität der Argumentation betrifft, mag dies zutreffen. Das ist jedoch nicht besonders überraschend, vergegenwärtigt man sich, dass es sich beim EuGH schließlich keineswegs um ein auf Grundrechtsfragen spezialisiertes Verfassungsgericht handelt. Einen angemesseneren Vergleichsmaßstab stellen daher etwa Entscheidungen der ordentlichen Gerichte oder der Verwaltungsgerichtsbarkeit dar, und hier schneiden die europäischen Gerichte durchaus passabel ab. 16. Unabhängig davon, ob ein konkreter Verstoß einer Zuteilungsregel gegen deutsche und/oder europäische Grundrechte gerichtlich festgestellt wird, führt er regelmäßig nicht zur sofortigen Unanwendbarkeit der beanstandeten Vorschrift. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass der Rechtsschutz ineffizient wäre, vielmehr ist diese Folge den komplexen Zusammenhängen in einem Allokationssystem geschuldet, die es verbieten, einzelne Regelungen ohne Rücksicht auf den Gesamtzusammenhang aufzuheben. Eine Abhilfe wird daher regelmäßig erst der Gesetzgeber mit einer Neuregelung schaffen können.
Literatur
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