Butler � Parker � Nr. 251 � 251
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Butler � Parker � Nr. 251 � 251
Günter Dönges �
Parker gipst die � Schläger ein �
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»Ich habe das Gefühl, Mr. Parker, beobachtet zu werden«, sagte Lady Agatha Simpson leicht gereizt, »sagen Sie mir, wer mich da fixiert. Ich glaube, daß ich mich beleidigt fühle.« Die ältere Dame, die seit einiger Zeit beschlossen hatte, sechzig Jahre alt zu bleiben, schaute sich in dem großen Saal um und konzentrierte sich dann auf drei Gestalten, die in Faltstühlen saßen und sich offensichtlich beharrlich anschwiegen. Sie trugen normale Kleidung, die allerdings einen etwas abgetragenen Eindruck machte. Sie waren männlichen Geschlechts, etwa fünfzig und mehr oder weniger füllig. Sie zeigten rundliche, nichtssagende Gesichter und interessierten sich noch nicht mal für die Getränke, die auf einem niedrigen Tisch vor ihnen standen. Diese Männer befanden sich inmitten einer Ausstellung für moderne Kunst, die sie ebenfalls übersahen. Sie hatten wohl keinen inneren Zugang zu diesen Ausstellungsobjekten, die sich durch Kühnheit der verwendeten Materialien auszeichneten. In der Mitte des Raumes waren einige mittelgroße Kieselsteine angehäuft worden, über die man eindeutig Ketchup gegossen hatte. Eine rote Cocktailkirsche krönte dieses Gebilde, das von einem viereckigen Holzrahmen umgeben war.
»Was soll das?« Lady Agatha, majestätisch und durchaus füllig, sah sich das Kunstobjekt durch ihre aufgeklappte Stielbrille an und schüttelte betroffen den Kopf. Sie hatte eindeutig vergessen, daß sie sich beobachtet fühlte. »Es handelt sich um ein Kunstwerk, Mylady, das der Künstler ›Blutende Erde‹ zu nennen behebt«, gab Josuah Parker Auskunft, nachdem er einen Blick in den Ausstellungskatalog geworfen hatte. Der Butler, ein altersloser Mann mit dem Hauch eines kleinen Bauchansatzes, zeigte auch jetzt und hier sein ausdrucksloses Pokergesicht. Als hochherrschaftlicher Diener hielt er es für selbstverständlich, seine Gefühle niemals zu zeigen. »Sind Sie sicher, daß es ein Kunstwerk ist, Mr. Parker?« zweifelte die Lady. Sie studierte die Kieselsteine durch ihre Lorgnette. »Laut Katalog ist ein Zweifel ausgeschlossen«, antwortete der Butler in seiner höflichen, ein wenig umständlichen Art, »darf man in diesem Zusammenhang noch mal darauf verweisen, daß die hier ausgestellten Exponate unter dem Sammelbegriff ›Trivial Art‹ zusammengefaßt wurden?« »Was stelle ich mir denn darunter vor?« Sie sah Parker streng an. »Ich weiß es natürlich, damit kein Mißverständnis aufkommt, Mr. Parker, 3 �
aber ich möchte es auch von Ihnen hören.« »Trivial, Mylady, sollte und müßte man vielleicht in diesem Zusammenhang mit alltäglich und gewöhnlich übersetzen«, äußerte Josuah Parker, »vielleicht wäre auch der Ausdruck armselig angebracht.« »Sehr schön.« Sie nickte zufrieden. »Ich höre, Sie haben sich vorbereitet und informiert, Mr. Parker. Und was, bitte soll das da bedeuten?« Sie hatte ihre Lorgnette wieder angehoben und musterte eine ganz normale Bowlenschüssel aus Preßglas, in die man Salzheringe gefüllt hatte. Der Geruch allein war bereits unverkennbar. Die Schüssel stand auf einem Postament, das mit buntem Papier umwickelt war. »Dieses Kunstwerk, Mylady, nennt sich »Alternative«, wie der Katalog besagt.« »Aha.« Agatha Simpson drehte sich plötzlich um und musterte die drei Männer in der Ecke des saalartigen Raumes. Sie schienen sich bewegt zu haben. »Mr. Parker, ich werde schon wieder beobachtet… Das ist eine Frechheit!« »Ein Kunstwerk, Mylady, falls meine bescheidene Wenigkeit widersprechen darf«, entgegnete Josuah Parker, »die drei Herren bestehen aus Gips, wie im Katalog zu lesen ist.« »Scheußlich.« Sie schüttelte sich.
»Und was stellt dieses Objekt dar?« »Es nennt sich Angeregte Diskussion, Mylady, ein Titel, der offensichtlich ironisch gemeint ist.« »Ich komme mir ziemlich veralbert vor, Mr. Parker.« »Vielleicht, Mylady, ist das der ganze Sinn dieser Ausstellung, über die die Presse geradezu enthusiastisch berichtet.« »Warum haben Sie mich hierher geschleppt?« beschwerte sich Lady Agatha Simpson, »natürlich werde ich kein einziges Stück dieser Ausstellung erwerben.« »Darf man sich erkühnen, Mylady auf ein besonders interessantes Exponat zu verweisen?« »Sind die drei Männer wirklich nur aus Gips?« fragte die ältere Dame und richtete erneut ihre Blicke in die Raumecke. »Mylady können durchaus die Probe aufs Exempel machen«, gab der Butler zurück. »Genau das hatte ich gerade vor«, antwortete Lady Agatha und steuerte ihr Objekt zielsicher an, »ich weiß genau, daß ich beobachtet werde, Mr. Parker! Diese Gipssubjekte haben die Augen bewegt.« »Mylady unterliegen möglicherweise einer optischen Täuschung«, gab der Butler zurück. »Ich werde eine Nadelprobe vornehmen«, entschied die passionierte Detektivin munter. Sie machte einen äußerst animierten Eindruck und 4 �
langte nach einer ihrer übergroßen Hutnadeln, die das eigenwillige Modell auf ihrem Kopf festhielt. Die Hutnadel erinnerte ohne weiteres an einen mittelgroßen Bratspieß und sah furchterregend aus. Parker konzentrierte sich auf die drei Gipsmänner, die laut Katalog eine angeregte Diskussion führten. Nun glaubte allerdings auch er, daß sich zumindest ein Augenpaar bewegt hatte. Lady Agatha hatte Position bezogen und… rammte die Hutnadel lustvoll in die Kehrseite eines der drei Männer. Dann trat sie zurück, neigte prüfend den Kopf und wartete ungeduldig auf eine Reaktion… * »Gab es eine Reaktion?« fragte Mike Rander eine Stunde später. Der Anwalt befand sich zusammen mit Kathy Porter, der Gesellschafterin und Sekretärin Agatha Simpsons, in deren Stadthaus in Shepherd’s Market und machte einen amüsierten Eindruck. »Mr. Parker wird Ihnen darauf antworten, mein Junge«, erklärte die Hausherrin freundlich. Sie saß in einem tiefen Sessel vor dem übergroßen Kamin der Wohnhalle und stärkte ihren Kreislauf. Sie hielt einen Kognakschwenker in ihren nicht gerade kleinen Händen und machte einen zufriedenen Eindruck.
»Die Reaktion, Sir, war in der Tat frappierend«, sagte Josuah Parker, »das Kunstobjekt stieß einen spitzen Schrei aus, der in klagendes Brüllen überging.« »Das Gipsmodell hat geschrien?« wunderte sich Kathy Porter. Sie war ein wenig über mittelgroß, schlank, attraktiv und erinnerte auf den ersten Blick an ein scheues Reh, doch sie konnte sich in einer Sekunde in eine Pantherkatze verwandeln, wenn man sie angriff. »Es war wundervoll«, schaltete die Detektivin sich ein, »die Bowlenschüssel mit den Salzheringen zersprang nach diesem Schrei.« »Und was machte diese Gipsfigur?« erkundigte sich Mike Rander. Er erinnerte, was sein Aussehen betraf, durchaus an einen der James-Bond-Darsteller, war groß, schlank und bewegte sich mit natürlicher Lässigkeit, die fast schon an Phlegma erinnerte. »Dieser Lümmel hüpfte wie ein Ziegenbock durch den Ausstellungssaal«, erzählte die ältere Dame, »dabei trat er in die Kieselsteine und rutschte auf dem Ketchup aus.« »Kieselsteine?« staunte der Anwalt. »Ein Exponat, Sir«, erklärte Josuah Parker, »es handelte sich um sogenannte blutende Erde, wie der Katalog dieses Objekt auswies.« »Die Ausstellung muß ich mir unbedingt mal ansehen«, sagte Mike 5 �
Rander und blickte Kathy Porter an, »das wäre doch etwas für uns, Kathy, oder?« »Die Ausstellung dürfte zur Zeit geschlossen sein«, warf der Butler ein, »Mylady unternahm noch eine zweite Nadelprobe.« »Allmächtiger, warum konnte ich nicht dabei sein«, seufzte Rander amüsiert. »Als der erste Lümmel loslief, prüfte ich das zweite Subjekt«, berichtete Lady Agatha genußvoll, »ich konnte gerade noch eine Hüfte erwischen.« »Und dann, Mylady?« fragte Kathy Porter lächelnd. Sie sah alles genau vor sich. »Besagtes Kunstobjekt bewies ebenfalls sein läuferisches Talent«, beantwortete Josuah Parker die Frage, »hinzu kam noch eine gewisse Grundbegabung für die Hürdentechnik, wenn man so sagen darf. Das Objekt übersprang mit geradezu spielerischer Leichtigkeit eine Zinkbadewanne, die offenbar mit Speisesalz gefüllt war, und zerstörte anschließend eine eindeutig dünne Stellwand aus Sperrholz.« »Zinkbadewanne?« Rander schüttelte ungläubig den Kopf. »Angefüllt mit Speisesalz, Sir«, fügte Parker hinzu, »ein späterer Blick in den Ausstellungskatalog wies darauf hin, daß es sich um ein Exponat handelte, das sich ›Reduzierte See‹ nennt.«
»Und die Sperrholzwand?« wollte Kathy Porter wissen. »Auch die gehörte zur Ausstellung«, wußte Agatha Simpson zu sagen, »Mr. Parker, wie hieß dieses Ding denn noch?« »Kulturwald, Mylady«, gab Josuah Parker umgehend Auskunft, »man sollte an dieser Stelle vielleicht noch mal darauf verweisen, daß es sich um eine Ausstellung handelte, die sich ›Trivial Art‹ nennt und recht ungewöhnlich ist.« »Gibt es noch andere Objekte, Parker?« fragte der Anwalt. »Mylady und meine bescheidene Wenigkeit konnten nur einen äußerst geringen Teil der Gesamtausstellung zur Kenntnis nehmen«, sagte Josuah Parker, »es dürfte sich jetzt natürlich längst die Frage erhoben haben, warum man zwei der Gipsfiguren gegen lebende Personen ausgetauscht hat.« »Das ist genau der Punkt, Mr. Parker«, schaltete die Hausherrin sich ein, »ich habe selbstverständlich bereits eine Therorie, die der Wahrheit nahe kommen dürfte.« »Das ist gut, Mylady«, freute sich der Anwalt, »und wie lautet diese Theorie, wann man fragen darf?« »Ich hatte es mit Gangstern zu tun, mein lieber Junge«, antwortete die Detektivin nachdrücklich. »Und wieso setzten die sich in diese Ausstellung, Mylady?« lautete 6 �
Randers nächste Frage. »Reine Langeweile kann’s nicht gewesen sein.« »Darauf antworte ich Ihnen später, Mike«, wehrte sie ab, »darüber muß ich erst noch nachdenken.« * »Können es zwei Spaßvögel gewesen sein?« fragte der Anwalt eine Viertelstunde später. Lady Agatha hatte sich zur Meditation in ihr Studio begeben. Kathy Porter, Mike Rander und Josuah Parker waren unter sich. »Es gab oder gibt aber doch ein Kunstobjekt, das sich Angeregte Diskussion nennt, oder?« erkundigte sich Kathy Porter. »In der Tat, Miß Porter«, entgegnete Josuah Parker, »die dritte Figur bestand tatsächlich aus Gips und rührte sich nicht. Die beiden ausgetauschten Gipsfiguren fanden sich später in einem Magazinraum der Ausstellung.« »Was sagen denn die Aussteller zu ulkigen Zwischenfall?« diesem fragte Mike Rander. »Die Herren stehen vor einem Rätsel«, berichtete der Butler, »und sie befinden sich darüber hinaus in einem Zustand der Panik, denn einige Exponate wurden eindeutig zerstört, wie meine Wenigkeit bereits berichtete.« »Man rechnet mit Schadenersatzprozessen?« Rander nickte abwar-
tend. »Es dürfte um horrende Summen gehen, Sir«, bestätigte Parker, »die ausstellenden Künstler sind international bekannt. Es muß großer Anstrengungen bedurft haben, die Kunstobjekte in dieser Ausstellung zu vereinigen.« »Diese Kunstobjekte sind doch bestimmt versichert, oder?« erkundigte sich der Anwalt weiter. »Eine Frage, Sir, die man eindeutig bejahen kann und muß«, lautete Parkers Antwort, »vor dem Verlassen der Ausstellung war meine Wenigkeit so frei, sich danach zu erkundigen.« »Können Sie Zahlen nennen, Parker?« Rander hatte sich eine Zigarette angezündet und wirkte fast desinteressiert, was allerdings täuschte. Tatsächlich war er voll bei der Sache. »Die drei ein wenig in Mitleidenschaft gezogenen Kunstobjekte, Sir, stehen mit einem Versicherungswert von insgesamt hundertachtzigtausend Pfund zu Buche.« »Wie war das?« Mike Rander sah Kathy Porter ungläubig an. »Hundertachtzigtausend Pfund? Allmächtiger, das klingt doch nach Wahnsinn! Sie sprechen von diesen Kieselsteinen?« »Die man mit Kunst- und Sachverstand noch zusätzlich mit Ketchup garnierte, Sir«, bestätigte der Butler, »hinzu kommen noch die Zinkbade7 �
wanne mit Speisesalz und die Sperrholzwand.« »Ich werde umsatteln und nur noch Kunstobjekte herstellen«, versicherte Mike Rander ein wenig ironisch, »und was ist mit diesen drei Gipsfiguren?« »Sie gelten als nicht beschädigt, Sir, wenngleich der Künstler wahrscheinlich sich dazu noch nicht geäußert hat.« »Die beiden Männer, die als Gipsfiguren herumsaßen, Mr. Parker, hatten wohl nicht die Absicht, die drei anderen Kunstobjekte zu zerstören?« Kathy Porter beugte sich vor. »Diese Frage möchte meine Wenigkeit verneinen«, lautete Josuah Parkers Antwort. »Also, Parker, warum haben die beiden Kerle sich gegen die Gipsfiguren ausgetauscht?« fragte der Anwalt. »Ich kann darin keinen Sinn erkennen. Was sollte dieser Tausch bringen? Worauf haben die Kerle gewartet, die von Lady Simpson gepiekt wurden?« »Meine bescheidene Wenigkeit steht vor einem Rätsel, Sir.« »Wie sind Sie überhaupt in diese Ausstellung geraten, Parker?« lautete Mike Randers nächste Frage. »Wie haben Sie’s geschafft, Mylady da reinzubekommen?« »Mylady hatte von erwähnter Ausstellung gehört, Sir«, erwiderte Josuah Parker, »Mylady bestand geradezu darauf, diese Ausstellung
zu besuchen, zumal ein gewisser Mr. Randolph Buysman beabsichtigt, dort seine Kunstobjekte zu zeigen.« »Randolph Buysman?« Rander schüttelte den Kopf. »Nie gehört. Oder doch?« »Buysman ist ein international bekannter Plastiker«, warf Kathy Porter ein und lächelte, »seine Objekte aus Salzteig und Gelatine werden hoch gehandelt.« »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Kathy?« fragte Mike Rander. »Miß Porter erwähnte sattsam bekannte Tatsachen«, fügte Josuah Parker ernst und würdevoll hinzu wie stets, »in früheren Zeiten bildete er seine Kunstwerke aus Industriefetten und Stoffresten.« »Das muß ich drüben in den Staaten nicht mitbekommen haben«, meinte der Anwalt und spielte auf seinen langjährigen Aufenthalt in den USA an, »und diese Objekte wurden gekauft?« »Man riß sie ihm, um es mal volkstümlich auszudrücken, förmlich aus den Händen. Man zahlte horrende Preise dafür.« »Und diese Salzteiggebilde wollte Lady Simpson sich unbedingt ansehen?« staunte Mike Rander. »In der Tat, Sir, Myladys Aufmerksamkeit galt diesen Exponaten. Mylady wurde allerdings enttäuscht. Die Anlieferung der Buysman-Objekte hatte sich verzögert, wie man den Besuchern der Ausstel8 �
lung mitteilte. Sie werden erst in dieser Nacht eintreffen.« »Ist dieser Buysman nicht fertig geworden?« wollte der Anwalt wissen. »Die Luftfracht verzögerte sich.« »Wieviel ist denn so ein Buysman wert?« erkundigte sich Rander. »Pro Objekt zahlte man bis zu hunderttausend Pfund, Sir.« »Zahlte?! Jetzt nicht mehr?« »Der Kurswert dürfte ein wenig gesunken sein. Man spricht in Galeriekreisen von fünfzig Prozent.« »Okay, Mylady hat diesen Buysman also nicht bewundern können«, schickte Mike Rander voraus, »das ist eine Sache. Die andere Sache ist dieser Tausch der Gipsfiguren. Und um die geht es, Mr. Parker.« »Könnte es sich vielleicht um einen Trick der Aussteller gehandelt haben?« warf Kathy Porter ein. »Wollte man irgendwie auf sich aufmerksam machen?« »Sie denken an Schlagzeilen, Kathy?« fragte der Anwalt. »Es wird doch Schlagzeilen geben, Mr. Parker, oder?« wollte Myladys Sekretärin wissen. »Sie sind garantiert, Miß Porter«, antwortete der Butler, »außer Mylady und meiner Wenigkeit befanden sich noch etwa fünfzig oder sechzig Besucher in der Galerie. Myladys Attacke blieb nicht unbemerkt.« »Waren es Gangster?« Randers
Stimme drückte Zweifel aus. »Dies, Sir, ließ sich leider nicht feststellen«, erwiderte der Butler, »die Schnelligkeit der beiden flüchtenden Männer war zu beachtlich.« »Verbuchen wir das alles als nettes Intermezzo«, schlug Mike Rander vor und winkte ab, »ich glaube nicht, daß Mylady auf ihre Kosten kommen wird, was einen neuen Kriminalfall betrifft. Ich denke, wir hatten es mit einem Ulk zu tun.« »Der durch die Flucht recht kostspielig ausfiel«, sagte Josuah Parker, »meine Wenigkeit darf vielleicht respektvoll noch darauf verweisen, daß man von einem Versicherungsschaden in Höhe von hundertachtzigtausend Pfund ausgehen muß.« »Dann war’s eben ein teurer Spaß«, räumte Mike Rander ein, »oder glauben auch Sie, daß mehr dahinter steckt, Parker? Haben sie irgendeinen Vorschlag?« »Die Kunstobjekte des Mr. Randolph Buysman, Sir, sollen gegen Mitternacht auf dem Flugplatz in Heathrow eintreffen«, gab der Butler zurück, »man sollte dieser Ankunft vielleicht beiwohnen, wenn meine Wenigkeit sich erkühnen darf, diesen Vorschlag zu unterbreiten…« * »Ich habe das Gefühl, Parker, daß wir verfolgt werden«, äußerte Mike Rander, der im Fond des ehemaligen 9 �
Taxi saß, das der Butler nun als seinen Privatwagen benutzte. Dieses eckige, hochbeinige Fahrzeug sah betagt und wenig leistungsfähig aus, doch es war eine einzige Täuschung, wie viele Gegner in der Vergangenheit bereits erfahren mußten. Unter dem schwarz lackierten Blech arbeitete die neuste Technik, und nicht umsonst wurde Parkers Wagen von Eingeweihten Trickkiste auf Rädern oder hochbeiniges Monstrum genannt. »Ihre Aufmerksamkeit richtet sich auf einen Austin, Sir?« erkundigte sich der Butler, der stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, am Steuer saß. »Ich habe einen Ford im Visier, Parker«, antwortete der Anwalt. Die Trennscheibe aus schußsicherem Panzerglas, die die beiden Vordersitze gegen den hinteren Teil des Wagens hermetisch abschließen konnte, war heruntergelassen. Man brauchte sich nicht über die Bordsprechanlage zu verständigen. »Der erwähnte Ford, Sir, bog inzwischen in eine Seitenstraße«, meldete Parker in seiner höflichen Art, »der Austin hingegen bemüht sich um peinliche Unauffälligkeit, wenn man so sagen darf. Er folgt uns bereits seit dem Verlassen von Shepherd’s Market. In diesem Wagen befinden sich zwei Männer, die einen durchaus zivilen Eindruck machen.«
»Die beiden Gipsfiguren?« Rander lachte leise. »Auch an solch eine Möglichkeit sollte man durchaus denken, Sir«, gab Josuah Parker zurück, »in diesem Zusammenhang wirft die Verfolgung an sich durchaus einige Fragen auf.« »Warum hängt man sich an uns, nicht wahr? Lady Simpson und Sie, Parker, dürften in der Kunstausstellung doch einiges ausgelöst haben… Inzwischen glaube ich schon nicht mehr an einen Ulk.« »Eine Betrachtungsweise, Sir, der meine Wenigkeit sich vollinhaltlich anschließen möchte. Es dürfte um Kunstobjekte gehen, genauer gesagt, um Arbeiten des Mr. Randolph Buysman.« »Lassen wir uns überraschen, Parker. Haben Sie übrigens Pickett verständigt?« »Mr. Horace Pickett, Sir, befindet sich bereits in der Nähe des Frachthofes«, erwiderte der Butler, »ich war so frei, ihn für eine Mitarbeit zu interessieren.« Mike Rander nickte und lehnte sich zurück. Er kannte Horace Pickett inzwischen sehr gut und schätzte dessen Hilfe. Pickett, inzwischen um die sechzig alt, war ehemaliger Taschendieb und »Meister in seinem Fach« gewesen. Josuah Parker hatte Pickett vor Jahren mal das Leben gerettet und ihn auf den Pfad der Tugend zurückgebracht. 10 �
Seit dieser Zeit mied Horace Pickett peinlichst fremde Brieftaschen und war stolz darauf, für Parker und Lady Simpson tätig sein zu können. Horace Pickett, der sich in früheren Jahren als »Eigentumsverteiler« bezeichnet hatte, war stets ein Mann mit Grundsätzen gewesen. Er hatte sich immer nur für »Klienten« interessiert, die einen Verlust gut verschmerzen konnten. Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, Normalbürger mit seinen geschmeidigen Fingern zu beehren, in dieser Beziehung hatte er stets einen Sinn für Verhältnismäßigkeit bewiesen. »Was ist mit diesem Salzteigkünstler, Parker?« stellte Rander die nächste Frage, »wird Buysman mitkommen? Oder hält er sich bereits in London auf?« »Er begleitet seine Objekte, Sir«, antwortete der Butler, »Mr. Buysman dürfte nicht zu übersehen sein. Er pflegt, was seine Kleidung betrifft, einen ganz speziellen Stil.« »Sie machen mich neugierig, Parker.« »Mr. Randolph Buysman, Sir, trägt stets eine Fliegerkappe aus Leder«, zählte Josuah Parker auf, »gewissen Gerüchten zufolge soll er diese Kappe selbst unter der Dusche nicht abnehmen. Darüber hinaus zeigt er sich nur in Overalls, die mit Taschen übersäht sind. Diese an sich praktischen Bekleidungsstücke wechseln, was die Farben betrifft, je nach Stim-
mung.« »Scheint ja ein hochinteressanter Bursche zu sein«, meinte der Anwalt ironisch, »und wieso ist sein Marktwert gesunken? Miß Porter deutete so was doch an.« »Der Künstler zog sich für lange Monate in die Einsamkeit zurück, Sir, um mit der Natur zu korrespondieren«, sagte Josuah Parker, »dies war die Verlautbarung seines Agenten, der für die Vermarktung der Objekte zuständig war und ist.« »Diesen Knaben kennen Sie doch bestimmt auch schon, oder?« »Es handelt sich um einen gewissen Marty Sling«, antwortete Parker, »Mr. Marty Sling gilt auch als der Entdecker des Künstlers.« »Wird er zusammen mit diesem Salzteigburschen hier in London ankommen?« »Darüber war nichts in Erfahrung zu bringen, Sir«, entgegnete der Butler, »darf meine Wenigkeit übrigens darauf verweisen, daß der Austin aufzuholen gedenkt?« »Rechnen Sie mit einem Feuerüberfall?« Mike Rander drückte sich aus den Polstern und blickte durch das Rückfenster. Der Austin näherte sich nun schnell dem Heck des hochbeinigen Monstrums. »Wenn Sie gestatten, Sir, sollte man den beiden Insassen solch eine Möglichkeit eröffnen«, schlug Josuah Parker vor, »es gibt hier einige ruhige Seitenstraßen, die 11 �
dazu förmlich einladen.« * Parker hielt sein hochbeiniges Monstrum betont links und wartete auf das Überholmanöver. Der Austinfahrer witterte eine Chance, endlich zur Sache kommen zu können und gab Gas. Die beiden Fahrzeuge befanden sich inzwischen auf einer einsamen und recht schmalen Straße, die durch Industriegelände führte. Wohnhäuser waren vorerst nicht auszumachen. Josuah Parker konnte nach Herzenslust schalten und walten. Und er tat es! Als die Motorhaube des Austin die Hinterachse von Parkers Privatwagen erreichte, bediente Parker einen der vielen kleinen Kipphebel auf dem reichhaltig bestückten Armaturenbrett. Er besorgte es ohne jede Hast oder Verzicht auf Würde. Er hatte genau den richtigen Zeitpunkt gewählt und wußte nur zu gut, was sich nun tat… Aus einem Staurohr, das unter dem Trittbrett seines hochbeinigen Monstrums angebracht war, schoß unter hohem Druck eine pechschwarze Rußwolke hervor, die sich sofort ausbreitete und wie ein Vorhang auf die Windschutzscheibe des Austin legte. Sie war fettig, schmierig und nahm dem Fahrer jede Sicht.
»Immer wieder beeindruckend, Parker«, stellte Mike Rander fest, der durch die Rückscheibe den Verfolger beobachtete. »In gewissem Sinn, Sir, handelt es sich heute um eine Art Premiere«, erwiderte Josuah Parker, »nach privater Grundlagenforschung konnte meine Wenigkeit die Rußpartikel noch inniger miteinander verbinden.« »Man hört es!« Rander zog unwillkürlich den Kopf ein, als Scheppern und Klirren zu vernehmen war. Sehen konnte er nichts. Der Austin befand sich hinter einer schwarzen Wand und war offensichtlich nicht in der Lage, sie zu durchbrechen. Der Butler hatte leicht gebremst und stoppte sein hochbeiniges Monstrum, legte den Rückwärtsgang ein und steuerte seinen Wagen zurück zur schwarzen Wand, die wie eine Mauer die Straße versperrte. Als er nahe genug heran war, hielt der Butler und stieg aus. Mike Rander folgte und sah Parker fragend an. »Sieht nicht besonders einladend aus«, meinte er dann und deutete auf die Rußwand, »ich fürchte, ich werde mir den Hemdkragen und die Manschetten ruinieren.« »Die beiden Herren dürften mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bald zu sehen sein«, erklärte der Butler. Er hatte seinen Satz gerade beendet, als zwei Gestalten aus der Wand traten, deren 12 �
Gesichtshaut eindeutig tiefschwarz war. Sie machten einen unsicheren Eindruck, was die Standfestigkeit ihrer Kniegelenke anging. Sie wischten sich mit den Händen durch die Gesichter und schienen nicht viel zu sehen. Parker ging ihnen entgegen und dirigierte sie mit der Spitze seines Universal-Regenschirmes gegen die Ziegelmauer. Die beiden Gestalten folgten dankbar dieser Hilfe und rutschten dann an ihr hinunter, bis sie auf dem Pflaster saßen. »Darf man höflichst fragen, in wessen Auftrag Sie meiner Wenigkeit folgten?« erkundigte er sich. Die Antwort kam umgehend und bestand im wesentlichen aus ausgesuchten Flüchen, die allerdings nicht aufeinander abgestimmt waren. So jagten sich sinnlose Wiederholungen, die die beiden Männer allerdings kaum bemerkten. »Sie sitzen in einer Benzinlache, die aus dem geborstenen Tank Ihres Fahrzeuges stammt«, warnte Parker, als die Leute eine Verschnaufpause einlegten, »ein einzelner Funke bereits könnte eine Katastrophe auslösen.« Die beiden Männer spannten ihre Muskeln und wollten aufstehen, doch sie hatten deren Schlaffheit unterschätzt und rutschten nach einem ersten Versuch wieder in sich zusammen. »Haben Sie Feuer, Parker?« fragte
Mike Rander, »mir ist jetzt nach ‘ner Zigarette zumute.« »Wäre Ihnen mit einem Streichholz gedient, Sir?« »Natürlich.« Rander war auf das Stichwort eingegangen, das der Butler ihm zugespielt hatte. »Moment«, rief einer der beiden Rußgeschwärzten mehr als hastig, »warten Sie! Sie bekommen Ihren Tip! Wir sind doch keine Selbstmörder!« »Sie nehmen eine Haltung ein, der man nur beipflichten kann«, kommentierte Josuah Parker in seiner höflichen Art, »meine Wenigkeit geht selbstverständlich davon aus, daß Sie sich keineswegs unter Druck gesetzt fühlen.« »Das würden wir sonst nämlich bedauern«, fügte der Anwalt ironisch hinzu. »Was Sie auch sagen werden, Sie tun es freiwillig, oder?« »Ganz freiwillig«, versicherte der Mann nachdrücklich, »Pete Weston hat uns das eingebrockt. Und verdammt, dafür werden wir ihm ein paar Zähne einschlagen…« »Man wird Ihrem Tatdrang keineswegs im Weg stehen«, versicherte Josuah Parker, »aber vorher sollten Sie noch mit einigen Details zu der erwähnten Person aufwarten. Sie werden ein durchaus geneigtes Ohr finden.« * 13 �
Wie ein ehemaliger ›Eigentumsverteiler‹ sah Horace Pickett keineswegs aus. Er war groß, fast schlank und ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Pickett erinnerte an einen pensionierten Major, trug einen grauen Raglanmantel und einen gleichfarbenen Bowler, hielt sich straff und strahlte Autorität aus. Er hatte Josuah Parker und Mike Rander zwar längst bemerkt, doch er übersah die beiden Männer, die in der Vorhalle des Frachthofes eingetroffen waren. Pickett passierte sie und blätterte dabei in einigen Frachtpapieren, die ihm plötzlich aber aus der Hand glitten. Höflich, wie Parker war, bückte er sich und half Pickett, die Frachtpapiere aufzuheben. Er lüftete die schwarze Melone, als er dem scheinbaren Pensionär einige Papiere überreichte. Da Pickett sich ebenfalls gebückt hatte, konnte er Parker Stichworte zuflüstern. Danach hielten sich vorn im Frachthof zwei zweifelhafte Gestalten auf, die Formulare ausfüllten und Lederjacken trugen. Nachdem Horace Pickett diese Informationen geliefert hatte, schritt er hinüber zum Ausgang und war bald darauf verschwunden. »Hatte er was für uns?« fragte Mike Rander. »Man dürfte bereits auf die Anlieferung der Buysman-Objekte warten, Sir«, gab Parker zurück, »Mr.
Pickett verweist in diesem Zusammenhang auf zwei Lederjacken.« »Ich schlage vor, wir warten erst mal ab«, schlug Mike Rander vor, »sehen wir uns die Empfänger der Kunstwerke an.« Butler Parker und der Anwalt schlenderten durch die weite Halle und entdeckten die beiden Lederjacken. Es waren junge Männer, die an einem Schreibpult saßen und eifrig diverse Formulare bearbeiteten. Sie sahen kaum hoch, so beschäftigt waren sie. »Tragen diese Burschen Waffen, Parker?« fragte Mike Rander. »Man sollte sicherheitshalber wohl davon ausgehen, Sir«, erwiderte Josuah Parker, »falls Sie einverstanden sind, könnte man die Lederjacken ein wenig paralysieren.« »Hier in der Vorhalle?« Rander sah den Butler überrascht an. »Wie wollen Sie denn das hinbekommen, Parker?« »Es wird mit Sicherheit zu keinem spektakulären Zwischenfall kommen, Sir.« versprach der Butler, »Höflichkeit kann manchmal, wenn ich so sagen darf, überwältigend sein.« »Okay, ich lasse mich überraschen, Parker.« Rander lächelte und war gespannt, wie der Butler dieses Problem zu lösen gedachte. Er wußte allerdings nur zu gut, wie erfindungsreich Parker war. Schließlich hatte er über längere Zeit mit ihm 14 �
zusammengearbeitet und drüben in den Staaten manchen Supergangster in tiefste Verzweiflung gestürzt. Nun, Josuah Parker schritt bereits zur Tat und ging steif und würdevoll auf die beiden jungen Männer zu, die jetzt hochblickten und ihn irritiert-amüsiert musterten. »Darf meine Wenigkeit davon ausgehen, daß die Herren sich in den Formalitäten auskennen?« erkundigte sich Parker und deutete mit seiner rechten, schwarz behandschuhten Hand auf die Papiere, die auf dem Schreibpult ausgebreitet lagen. »Würden Sie die übergroße Güte haben, einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann Hilfestellung zu leisten?« Die beiden jungen Männer brauchten eine gewisse Zeit, um Parkers Worte zu verarbeiten. Als sie es geschafft hatten, grinsten sie in wenig schöner Form. »Stör’ uns nicht, Daddy«, sagte einer von ihnen, »wir kommen ja selbst kaum zurecht.« »Schwirr’ ab, Mann«, fügte der zweite Formularausfüller hinzu, »du bringst mich aus dem Tritt.« »Was keineswegs meine erklärte Absicht war«, behauptete Josuah Parker und lüftete die schwarze Melone, »meine Wenigkeit wollte Sie auf keinen Fall unnötig inkommodieren.« Parkers Rechnung ging auf. Die jungen Männer hoben die Augen
und verfolgten das Ritual des Hutabnehmens. Dadurch bekamen sie nicht mit, daß sich in Parkers linker Hand plötzlich eine kleine Spraydose zeigte, deren Düse auf die beiden Männer gerichtet war. Nur feines Zischen war zu hören, als der Spray ausgepreßt wurde und sich verbreitete. Eine kleine, allerdings unsichtbare Wolke näherte sich den Nasenlöchern der beiden Lederbejackten. Und dieser Spray zeigte die eindeutige Tendenz, sich mit den Nasenschleimhäuten innig zu verbinden. Parker schritt inzwischen von dannen und ignorierte einige halblaute Schnodderigkeiten, die sich auf seine Person bezogen. Er wußte, daß die beiden Burschen bald von einer ersten Müdigkeit befallen wurden. * »Ich hoffe doch sehr, daß Sie die Lümmel mitgebracht haben«, sagte Lady Agatha anderthalb Stunden später, nachdem Bulter Parker und Mike Rander in ihr Haus in Shepherd’s Market zurückgekehrt waren. »Sie sitzen wahrscheinlich noch immer in der Halle und beschlafen ihre Formulare«, antwortete der Anwalt, »Mr. Parker weiß allerdings, wer sie sind, und wo man sie später finden kann.« »Immerhin etwas«, grollte sie, 15 �
»doch es war ein Fehler, die beiden Subjekte dort zu lassen«, grollte sie ältere Dame, »ich hätte sie gründlich verhören können. Das gilt auch für die beiden Autofahrer! Wie soll ich einen Fall aufklären, wenn ich keine Informationen habe?« »Meine Wenigkeit ging davon aus, daß Mylady sich keineswegs mit subalternen Personen abgeben wollen«, schaltete der Butler sich ein, »und in diesem Fall handelte es sich in der Tat um unwichtige Randfiguren, wenn man so sagen darf.« »Nun gut«, meinte sie, »es ist schon richtig, daß mich nur Spitzengangster interessieren, Mr. Parker. Ich denke, ich werde dieses Thema nicht weiter verfolgen.« »Mylady sind zu gütig«, erwiderte Parker und deutete eine Verbeugung an, »Mr. Pete Weston dürfte jene Person sein, die allein für Mylady in Betracht kommt.« »Und wer ist das?« wollte sie umgehend wissen. »Der Auftraggeber der beiden Austinfahrer«, redete der Butler weiter, »Mr. Pete Weston ist der Betreiber eines Privatclubs in Soho und in Kreisen der Unterwelt bekannt dafür, daß er sogenannte Spezialisten vermittelt.« »Ich werde ihn mir vormerken«, erklärte sie animiert und blickte auf die mächtige Standuhr in der großen Wohnhalle, »die Nacht fängt ja gerade erst an.«
»Waren die beiden Austinfahrer eigentlich bewaffnet?« erkundigte sich Kathy Porter bei Mike Rander. »Das kann man wohl sagen. Sie schleppten beide Revolver mit sich herum. Ich bin sicher, daß man auf Parker und mich schießen wollte.« »Hoffentlich hat es diesen Wagen auch richtig erwischt.« Lady Agathas Augen funkelten. »Er ist Schrott«, meinte der Anwalt, »Sie hätten Ihre helle Freude daran gehabt, Mylady.« »Sehr schön.« Sie nickte zufrieden. »Mr. Parker, Sie wissen, wo dieser Privatclub genau ist?« »Mr. Pickett konnte mit den erforderlichen Auskünften dienen, Mylady. Er wartete nach der Ankunft der Kunstobjekte draußen vor dem Frachthof.« »Ja, wie war das mit den Exponaten«, fragte Kathy Porter, »sollten sie von diesen beiden Lederjacken gestohlen werden?« »Die Auslieferung der drei Ausstellungsobjekte, Miß Porter, erfolgte ohne jeden Zwischenfall«, berichtete Parker weiter, »zwei Angestellte der Galerie und Mr. Marty Sling übernahmen die Kunstwerke und schafften sie in die Innenstadt.« »Wer ist Marty Sling?« wollte die Detektivin umgehend wissen, »Sie spüren doch schon lange, Mr. Parker, daß Namen für mich Schall und Rauch sind.« 16 �
»Mr. Sling ist der Agent des Mr. Buysman, Mylady.« »Ich weiß«, meinte sie ungeduldig, »und es passierte wirklich nichts? Sie hätten die beiden Lederbejackten mitbringen müssen, Mr. Parker. Sie haben wieder mal einen Kardinalfehler begangen, aber das nur am Rand!« »Mylady sehen meine Wenigkeit betroffen«, entschuldigte sich Parker, »die beiden Lederbejackten aus dem Frachthof dürften ebenfalls von Mr. Pete Weston vermittelt worden sein.« »Beweise, Mr. Parker, Beweise!« »Sie befanden sich in den Taschen der Betreffenden, Mylady«, antwortete Josuah Parker, der grundsätzlich nicht aus der Ruhe zu bringen war, »es handelte sich um Streichholzbriefchen mit entsprechendem Reklameaufdruck.« »Man hat also vier Gangster auf mich angesetzt«, stellte die Detektivin in großzügiger Übertreibung fest, »ich werde mir das selbstverständlich nicht bieten lassen.« »Mylady gedenken, entsprechende Schritte zu unternehmen?« »Umgehend«, erwiderte sie und erhob sich. »Ich fühle mich in guter Stimmung, zumal ich etwas meditiert habe, Mr. Parker. Ich werde die Initiative wieder mal an mich reißen.« Kathy Porter und Mike Rander wechselten schnell einen Blick und
verdrehten dann leicht die Augen. Sie ahnten, was da wieder mal auf sie zukommen würde… * Es ging auf 2.00 Uhr zu, als Lady Agatha Soho erreichte. Auch um diese Zeit herrschte in den Straßen und Gassen noch erheblicher Verkehr. Touristen und Einheimische ließen sich von den gleißenden, bunten Neonreklamen anlocken. Das Angebot an Vergnügungen aller Art war so vielseitig, wie sonst nirgends. Lady Agatha hatte die Führung des Quartetts übernommen und pflügte mit ihrer majestätischen Erscheinung durch die Menge, gefolgt von Parker und Kathy Porter. Mike Rander hatte sich ein wenig abgesetzt und tat so, als gehöre er nicht dazu. Er sicherte nach hinten und hielt Ausschau nach möglichen Verfolgern. »Erinnern Sie mich daran, Mr. Parker, daß ich nach meinem Verhör noch eine Kleinigkeit essen muß«, sagte die Lady zu Parker und blieb vor einem Schaufenster stehen, hinter dem zwei Köche ostasiatische Köstlichkeiten zubereiteten. »Der Rückweg zum Parkplatz wird an diesem Restaurant vorbeiführen«, beruhigte der Butler seine Herrin, »darf man übrigens darauf verweisen, daß der Privatclub des 17 �
Mr. Pete Weston bereits erreicht ist?« »Ich sehe nichts«, erklärte sie nachdrücklich und ungeniert laut. Ihre baritonal gefärbte Stimme trug weit. »Darf man sich erlauben, Myladys Aufmerksamkeit auf jene unscheinbare Haustür zu lenken?« Parker deutete mit der Spitze seines altväterlich gebundenen UniversalRegenschirmes auf eine völlig normal aussehende Tür, die zu einem schmalbrüstigen Haus gehörte. Dieses Haus wies vier Stockwerke auf. Die Fenster waren mit den Aufschriften einiger Firmen versehen. »Gibt es keinen hübschen Hintereingang?« erkundigte sich die ältere Dame, »ich möchte überraschend erscheinen.« »Mylady müßten dazu eine Hinterhofmauer übersteigen«, erwiderte der Butler, der seine intimen Kenntnisse von Horace Pickett per Telefon bezogen hatte. »Das kann ich mir unmöglich zumuten«, entschied sie, »ich werde die Tür im Sturm nehmen, Mr. Parker! Oder haben Sie einen anderen Vorschlag? Ich glaube es zwar nicht, aber es könnte ja zufällig so sein.« »Der junge Passant rechts neben der Tür, Mylady, dürfte zum Haus und zum Club gehören.« Parker verwies auf einen Passanten, der sich verabredet zu haben schien und offensichtlich ungeduldig wartete. Dieser junge Mann pendelte vor
dem schmalbrüstigen Haus hin und her, blickte immer wieder betont auf seine Armbanduhr und prüfte die Qualität eines kleinen Blumenstraußes in der linken Hand. Diese Blumen machten allerdings einen bereits recht mitgenommenen, schlaffen Eindruck. Lady Agatha war nicht mehr zu halten und schritt auf ihren großen Füßen, die in ungemein bequemen Schuhen steckten, auf den jungen Mann zu. Der perlenbestickte Pompadour an ihrem linken Handgelenk kam in leichte Schwingungen. Myladys sogenannter »Glücksbringer« darin, nämlich ein echtes Pferdehufeisen, wartete nur darauf, freudig Kontakt aufnehmen zu können. »Ich wünsche Ihren Boß zu sprechen«, dröhnte sie mit ihrem lauten Organ. Der junge Mann zog unwillkürlich den Kopf ein und machte sich klein. »Was wollen Sie?« fragte er endlich. »Sind Sie wohl schwerhörig?« Die Stimme der Lady ging in leichtes Gewittergrollen über, »führen Sie mich sofort in diesen Club, den Sie hier überwachen. Beeilen Sie sich gefälligst!« »Du bist wohl wahnsinnig, Tante, wie?« reagierte der junge Mann, der sicher nicht an Auszehrung litt und einen sportlich durchtrainierten Eindruck machte. Nun, er hätte wohl besser auf jede 18 �
plumpe Vertraulichkeit verzichtet. Agatha Simpson stellte ihren rechten Schuh auf den des jungen Mannes und verlagerte leicht ihr Gewicht. Der auf diese Art Festgehaltene hatte das Gefühl, als habe man auf seinen Zehen einen Doppelzentner abgestellt. Er jaulte und verfärbte sich. Dieses Wimmern ging in ein ersticktes Husten über, als Lady Agatha ihm den linken Ellbogen in die Seite rammte. »Was ist denn?« räsonierte die Detektivin, »Sie sollten mehr Sport treiben, junger Mann! Können Sie denn überhaupt nichts vertragen?« Während sie noch fragte, versetzte sich ihm einen leichten Stoß, worauf der Angegriffene, dessen Fuß die Lady freigegeben hatte, katapultartig nach vorn schoß und gegen die Tür krachte. Hinter ihr hatte man das Geräusch wohl mißdeutet, denn eine kleine, viereckige Klappe öffnete sich. Eine Art Portier erkundigte sich nach den Wünschen des Anklopfenden. »Mach’ auf«, keuchte der junge Mann, »schnell, beeil’ dich!« »Sehr begabt«, urteilte Agatha Simpson und nickte dem jungen Mann fast wohlwollend zu, »aus Ihnen kann noch etwas werden, fürchte ich.« Als die Tür spaltbreit geöffnet wurde, drückte Lady Agatha mit ihrer beträchtlichen Körpermasse gegen das Türblatt. Man hörte deut-
lich wie eine Kette aus der Halterung gerissen wurde. Dann krachte die schmale Tür zurück und schien den Portier voll erwischt zu haben. Ein Gurgeln und Aufstöhnen folgte. »Nehmen Sie sich ein Beispiel an mir, Mr. Parker«, sagte die ältere Dame und schob sich durch die Tür. »Mylady werden meiner Wenigkeit stets ein leuchtendes Vorbild sein und bleiben«, versprach der Butler und stieg nach seiner Herrin über ein am Boden liegendes Beinpaar, das zum Portier gehörte. * Pete Weston war ein schlanker Mann mit schnellen Augen, etwa fünfzig Jahre alt und präsentierte eine Stirnglatze. Er saß hinter einem einfachen Schreibtisch und richtete seine schnellen Augen fassungslos auf Lady Agatha, die gerade das Büro betreten hatte. »Wie kommen denn Sie hierher?« fragte Weston und erhob sich. »Wer sind Sie?« »Sie haben den Vorzug und die Ehre, Myladys Fragen beantworten zu dürfen«, reagierte der Butler auf die Frage des Mannes. Parker stand seitlich hinter seiner Herrin und wurde von Pete Weston erst jetzt wahrgenommen. »Ich habe den Vorzug und die Ehre?« Weston schluckte. »In der Tat, Mr. Weston«, redete 19 �
Parker weiter, »ein entsprechendes Glücksgefühl wird sich möglicherweise erst zu einem späteren Zeitpunkt einstellen.« »Sie haben mir Subjekte auf den Hals geschickt«, erklärte Lady Agatha unverblümt, »zwei von ihnen wollten auf mich schießen, wenn ich es genau nehme, zwei weitere wollten Kunstobjekte stehlen. Wie heißt dieser Künstler noch, Mr. Parker?« »Buysman, Mylady, Randolph Buysman«, antwortete der Butler. »Sage ich doch!« Sie blickte ihren Butler kurz und strafend an, um sich dann wieder Weston zuzuwenden, »was haben Sie dazu zu sagen, Sie Flegel?« »Überhaupt nichts. Und wenn Sie nicht sofort wieder verschwinden, dann lasse ich Sie von meinem Hauspersonal rauswerfen, haben Sie mich verstanden?« »War das gerade eine Beleidigung, Mr. Parker?« erkundigte sich Agatha Simpson. »Und eine Nötigung dazu, Mylady«, antwortete der Butler. Lady Agatha nickte zufrieden und holte aus. Sie wirbelte ihr Handtäschchen durch die Luft, um es dann auf der Schreibtischplatte abzulegen. Der »Glücksbringer« hinterließ eine deutliche Einkerbung in der Tischplatte. Pete Weston wich zurück und stolperte dabei über den Papierkorb. Er fing sich aber noch rechtzeitig ab
und wollte sich dann hechtartig auf die Schreibtischschublade werfen und sie aufziehen. Er war sehr schnell und schaffte es noch, die Lade halb zu öffnen. Als er jedoch hineinlangen wollte, trat Josuah Parker in Aktion. Er hatte seinen Universal-Regenschirm vom angewinkelten Unterarm nach oben schnellen lassen und griff nach der Schirmspitze. Mit dem bleigefütterten Bambusgriff zog der Butler die Schreibtischlade wieder zu und übersah dabei wohl aus Versehen, daß Westons Hand sich noch in ihr befand. »Neiiin«, stöhnte Weston, »meine Hand!« »Blinder Eifer schadet nur, junger Mann«, mahnte die ältere Dame durchaus versöhnlich, »ich hatte Ihnen übrigens eine Frage gestellt.« »Ich… Ich weiß von nichts«, quetschte Weston hervor, »meine Hand!« »Entschuldigen Sie mein ausgelassenes Temperament«, bat Josuah Parker und gab die Lade wieder frei, »meine Wenigkeit hatte allerdings durchaus den Eindruck, als hegten Sie die Absicht, eine Schußwaffe zu ziehen!« »Sie wollten sich an einer hilflosen Frau vergreifen?« empörte sich Agatha Simpson. »Sie erfrechen sich, mich anzugreifen?« »Nein, nein«, stöhnte Pete Weston und warf rasch einen Blick auf seine 20 �
leicht angequetschte Hand, »ich wollte…« »Nun, ich werde ja sehen…Und Gnade Ihnen Gott, falls ich doch eine Waffe entdecken sollte!« Lady Agatha ging um den Schreibtisch herum und warf einen Blick in die Lade, die zu einem Drittel geöffnet war. Sie griff hinein und zog einen Revolver hervor. »Sehr interessant«, sagte sie erfreut, »sagen Sie mir, Mr. Parker, wie man damit umgeht? Ich möchte natürlich nicht zufällig abdrücken…« »Bitte… nein!« Pete Weston wich zurück, als Mylady den kurzen Lauf des Revolvers wie unbekümmert auf ihn richtete. Er drückte sich in eine Zimmerecke und hob abwehrend die Arme. »Lady Simpson möchte gern in Erfahrung bringen, Mr. Weston, für wen Sie vier junge Männer engagierten und vermittelten«, ließ Josuah Parker sich vernehmen und richtete seine Aufmerksamkeit dann auf Agatha Simpson, die intensiv mit dem Revolver spielte. Rein zufällig war der Lauf stets auf Weston gerichtet. »Stewart Mersey«, stieß Pete Weston mit heiserer Stimme hervor, »bitte, Lady, drehen Sie den Lauf weg! Sie haben bereits gespannt, der Schuß kann sich jeden Moment lösen.«
»Darf man in Erfahrung bringen, wer besagter Mr. Stewart Mersey ist?« fragte Josuah Parker in seiner höflichen Art. »Darüber hinaus möchte Lady Agatha noch zusätzlich wissen, wie der Auftrag der vier jungen Männer lautete.« »Das… Das weiß ich nicht«, stotterte Pete Weston, »ich habe die Leute nur vermittelt.« »Aber Ihnen ist hoffentlich bekannt, wer Mr. Stewart Mersey ist, nicht wahr? Die Beantwortung dieser Frage steht noch aus, wenn ich in aller Bescheidenheit darauf verweisen darf.« »Er hat hier telefonisch angefragt«, redete Pete Weston sich heraus, »Mersey, wie er sich nannte, brauchte vier handfeste Männer, um ein Landhaus bewachen zu lassen. Mehr weiß ich wirklich nicht.« »Werde ich belogen, Mr. Parker?« erkundigte sich die ältere Dame. »Man sollte vielleicht davon ausgehen, Mylady«, erwiderte der Butler und löste damit eine kleine Katastrophe aus, was Weston betraf. Lady Agatha holte aus und landete einen ihrer gefürchteten Ohrfeigen. Weston nahm sie voll und rutschte danach an der Wandecke langsam zu Boden. »Ich lasse mich nicht beleidigen«, stellte Lady Agatha grimmig fest, »ich bin eine durchaus sensible Natur.« »Wie wahr, Mylady«, pflichtete 21 �
Parker ihr höflich bei, »Mylady erinnern meine bescheidene Wenigkeit hin und wieder an eine Mimose, wenn dieser, Vergleich erlaubt ist.« »Er ist erlaubt, Mr. Parker, weil er stimmt«, lautete ihre Antwort.
»Ich mache mir allerdings Vorwürfe, Mr. Parker. Ich hätte diesen Weston wohl doch nicht mit Samthandschuhen anfassen sollen, oder?« »Mylady waren äußerst nachdrücklich.« »Nun, ich werde dieses Subjekt * mit Sicherheit noch mal sehen«, tröstete sie sich und setzte sich in Bewe»Wo sind die Kinder?« wollte die gung, »dann aber werde ich meine Lady eine Viertelstunde später wis- vornehme Zurückhaltung aufgeben. sen, nachdem sie mit Parker den Pri- Erinnern Sie mich rechtzeitig vatclub verlassen hatte. Sie spielte daran.« selbstverständlich auf Kathy Porter Sie wurde von den würzigen Düfund Mike Rander an, denn sie ten des chinesischen Restaurants träumte intensiv davon, die beiden förmlich angezogen und beeilte sich, jungen Leute eines Tages miteinan- möglichst schnell an einen der kleider verheiraten zu können. Agatha nen Tische zu kommen. Sie hatte Simpson tat daher alles, um dieses kaum mitbekommen, wie geschickt Vorhaben zu fördern. »Miß Porter Josuah Parker Regie geführt hatte. und Mr. Rander haben Posten bezo- Man saß in einer Nische, die von der gen, Mylady, wenn man so sagen Straße und vom Schaufenster aus darf. Es ist damit zu rechnen, daß nicht eingesehen werden konnte. Mr. Weston nach Myladys Besuch Nicht weit von dieser Nische entversuchen wird, Kontakt mit seinem fernt gab es zwei Türen, die in die Auftraggeber herzustellen.« hinteren Wirtschaftsräume führten. »Sehr begabt, Mr. Parker.« Sie Josuah Parker konnte sich gut vornickte wohlwollend. »Hatte ich stellen, daß Westons Mitarbeiter genau das nicht vorgeschlagen?« bereits unterwegs waren, um nach »Mylady deutete dies in der Tat Mylady zu suchen. unüberhörbar an.« Die ältere Dame hatte die Speise»Ich wußte es doch.« Sie war karte befragt und gab ihre Bestelzufrieden. »Und was werde ich jetzt lung auf. Sie versicherte Parker tun, Mr. Parker?« erneut, sie wäre nur für einen klei»Mylady gedenken, möglicher- nen Imbiß, quasi für eine Zwischenweise einen kleinen stärkenden mahlzeit. Die Lady hatte sich für einen Krabben-Cocktail entschieden, Imbiß einzunehmen.« »Das war es!« Sie holte tief Luft. � zwei Frühlingsrollen, süß-saures 22 �
Schweinefleisch und Entenbrust. Sie ließ sich grünen Tee kommen und faßte dann fahrig nach ihrer Stirn. »Mylady fühlen sich nicht wohl?« erkundigte sich der Butler, der diese Anzeichen nur zu gut kannte. »Ich glaube, mein Kreislauf bricht in sich zusammen«, klagte sie. »Mylady bestürzen meine Wenigkeit.« Parker wußte natürlich Rat und griff in die Innentasche seines schwarzen Covercoats. Er zog eine Taschenflasche hervor, die mit Leder umspannt war, schraubte den ovalen Verschluß ab und konnte ihn nun als Meß- und Trinkbecher benutzen. Der Duft eines herrlichen, uralten Kognaks breitete sich aus, und Lady Agathas Augen bekamen sofort einen begehrlichen Glanz. »Sehr schön«, sagte die resolute Dame, nachdem sie einen ersten Becher leergetrunken hatte, »ich glaube, daß mein Kreislauf sich wieder stabilisiert.« »Darf man es wagen, Mylady einen zweiten Becher anzubieten?« erkundigte sich Parker. »Nur Mut, Mr. Parker«, reagierte sie freudig, »Sie wissen ja, daß ich nicht aus Vergnügen diesen französischen Kognak trinke. Für mich ist das reine Medizin.« »Meine Wenigkeit hätte sich niemals erkühnt, etwas anderes zu unterstellen, Mylady«, gab der Butler würdevoll zurück und füllte den ovalen Verschlußbecher erneut.
Nachdem er ihn seiner Herrin überreicht hatte, blickte er hinüber zur Tür des Restaurants. Zwei Nachtschwärmer hatten das Lokal betreten und schauten sich intensiv die Gäste an. Parker war sofort klar, daß sie nicht gekommen waren, um sich an Frühlingsrollen zu erfrischen… * Sie hatten Lady Simpson und den Butler entdeckt, doch sie blieben vorn im Restaurant und schienen darauf zu warten, daß eine Gruppe von Touristen das Lokal verließ. Man hatte bereits gezahlt, nahm sich aber noch ein wenig Zeit an der Garderobe und unterhielt sich lärmend miteinander. Lady Agatha befaßte sich inzwischen mit dem gerade servierten Krabben-Cocktail und genoß diese für sie leichte Vorspeise. Sie nickte anerkennend mit dem Kopf, nachdem sie gekostet hatte, und sie nickte erneut, als zwei schlanke, knabenhaft große Chinesen die nächsten Speisen servierten und die Platten auf zwei Rechauds abstellten. »Ob dieser Lümmel inzwischen seinen Club verlassen hat, Mr. Parker?« fragte sie. »Mit einiger Sicherheit, Mylady, allerdings vorsichtig ausgedrückt«, gab der Butler zurück, »darf man 23 �
sich erlauben, Mylady auf zwei junge Männer aufmerksam zu machen, die wohl von Mr. Weston ausgeschickt worden sein dürften?« »Natürlich dürfen Sie, Mr. Parker.« Sie blieb gelassen und selbstsicher wie stets. Agatha Simpson wußte nicht, was Angst war, und hielt es für ausgemacht und selbstverständlich, daß ihr niemals etwas passierte. Sie blickte kurz hoch, reagierte in der ihr eigenen Form und winkte den beiden Männern kurz und herrisch zu. Sie stutzten, verstanden zuerst nicht so recht, fühlten sich dann aber doch angesprochen und näherten sich langsam der Nische. »Is’ was Tante?« fragte einer der beiden, beugte sich ungemein lässig vor und gab sich überlegen. Parker übersah er völlig, er schien für ihn nicht zu existieren. Der zweite Mann stand einen halben Schritt hinter seinem Partner und machte einen mißtrauischen Eindruck. »Ich habe das Gefühl, daß Sie mich fixieren«, antwortete die ältere Dame und maß den jungen Mann mit eisigem Blick. »Klar doch, Tante«, sagte er und nickte, »und gleich werden wir rüber in Westons Privatclub gehen. Wir laden Sie ein.« Er gab sich zu lässig und langte nach einer der Frühlingsrollen, die auf der Warmhalteplatte lagen. Er hob sie und wollte sie anknabbern,
führte sie zum Mund und grinste unverschämt. Eine Sekunde später grinste er allerdings nicht mehr. Agatha Simpson verzichtete auf jeden Protest. Sie hob die rechte Hand, drückte die Frühlingsrolle in den gerade geöffneten Mund des jungen Mannes und besorgte das mit Nachdruck und Schwung. Die kroß fritierte Rolle schob sich wie ein Zylinder in den Rachen des Mannes, der mit dieser Reaktion nicht gerechnet hatte. Er schnappte nach Luft, glaubte, ersticken zu müssen, riß die Hände hoch und wollte wenigstens das letzte Drittel dieser Delikatesse aus dem Mund zerren. Inzwischen kam es bereits aus den Nasenlöchern. Teile der Frühlingsrolle, die abgesplittert waren, suchten und fanden einen Notausgang. Lady Agatha zeigte Opferbereitschaft, verzichtete auf das süß-saure Schweinefleisch und massierte es samt der Sauce in die Gesichtshaut des verblüfften Mannes. Sie besorgte das mit Nachdruck und Können. Daraufhin staubte es nicht mehr aus den Nasenlöchern, doch dafür schlossen sich die Augen des Gemaßregelten. Die scharfpikante Sauce nahm auf den Augenschleimhäuten Platz und löste, wenn auch mit Verzögerung, einen intensiven Tränenfluß aus. Dies alles geschah derart schnell, daß der Partner des Burschen erst 24 �
jetzt begriff, was mit seinem Begleiter geschah. Er schob sich an ihm vorbei und wollte eindeutig zu Taten schreiten. Butler Parker, der ihn nicht aus den Augen gelassen hatte, erstickte geplante Unhöflichkeiten im Keim, griff mit seinen schwarz behandschuhten Händen nach einer Wärmeplatte und schob sie senkrecht an. Die rechte Hand des Mannes, die vorgeschossen war, um nach Lady Simpsons Hals zu greifen, prallte gegen diese Sperre und löste in der Hand zuerst nur einen kleinen Wärmestau aus. Dann aber reagierten die Nerven der Hand und der Fingerkuppen richtig und lösten Schmerz aus. Der Mann brüllte auf und schaute den Butler verblüfft an. »Sie haben es mit einer wehrlosen Dame zu tun«, tadelte Josuah Parker ihn in seiner höflichen Art und… ließ die Wärmeplatte gezielt fallen. Eine scharfe Kante landete genau auf den Zehen des Unhöflichen, der zu seinem Pech nur leichte Tennisschuhe trug. Daraufhin war ein zweiter Brüller zu vernehmen. Der Getroffene tanzte auf dem noch gesunden Fuß und rutschte dabei auf einer kleinen Portion Schweinefleisch aus, die bereits auf dem Boden lag. Die Beine des Mannes schossen in die Luft, der Rücken senkte sich fatal. Einen Moment später krachte der Mann auf das Parkett
und schloß erleichtert die Augen. Lady Agatha war nicht untätig geblieben. Nach der Gesichtspackung, die sie dem jungen Mann verabreicht hatte, langte sie nach der kleinen, zierlichen Teekanne. Die ältere Dame war aufgestanden und kippte die Kanne leicht an. Zielsicher ergoß der Strahl des grünen Tees sich in Brusthöhe in das weit aufgeknöpfte Hemd, rann am Körper hinunter und verursachte bei dem jungen Mann offenbar ein geradezu sensationelles Gefühl. Er schrie, japste nach Luft, fetzte sich das Hemd vom Oberkörper und hüpfte dann wie eine ausgelassene Heuschrecke hinüber zur Speiseausgabe, um sich dort abzukühlen. Er hatte dort ein Spülbecken für Gläser ausgemacht und handelte durchaus folgerichtig. Der in die Zange Genommene war allerdings doch nicht schnell genug. Eine Entenbrust nahm die Verfolgung auf und entwickelte erstaunliches Tempo. Sie war von Lady Agatha auf die Reise geschickt worden, die ihre Muskulatur durch Golfspiel und Bogenschießen in Form hielt. »Treffer«, sagte die ältere Dame, als die Entenbrust den Hinterkopf des Flüchtenden eingeholt hatte und sich dort zur Ruhe setzte. Vom Schwung dieses an sich recht seltsamen Wurfgeschosses mitgerissen, stolperte der junge Mann und landete bäuchlings auf einem kleinen 25 �
Tisch, der prompt umgerissen wurde und sich in seine Bestandteile auflöste. Gäste im Restaurant spendeten spontan Beifall. Man honorierte die sportliche Betätigung der älteren Dame, die freundlich-huldvoll um sich blickte und den Applaus sichtlich genoß. Die Betreiber des Restaurants behielten selbst jetzt noch ihre stoisch-fernöstliche Ruhe, machten sich aber daran, den Schaden aufzulisten. Zwei Angestellte befaßten sich mit den beiden jungen Männern und trugen sie nacheinander aus dem Lokal. »Ich glaube, ich war gut, Mr. Parker«, äußerte Agatha Simpson. »Mylady setzten wieder mal Maßstäbe, wenn man so sagen darf«, lautete die Antwort des Butlers, »es war schon immer etwas teurer, ungewöhnlich zu sein.« »Wie kommen Sie denn darauf?« staunte sie. »Mylady haben, wenn man es volkstümlich ausdrücken darf, einigen Flurschaden angerichtet.« »Schnickschnack«, erwiderte sie leichthin, »erledigen Sie diese Kleinigkeit, Mr. Parker, seinen Sie nicht kleinlich! Und geben Sie eine Neubestellung auf, ich möchte endlich einen kleinen, Imbiß zu mir nehmen!« *
»Ich komme wirklich nur zufällig vorbei«, behauptete Chief-Superintendent McWarden, der etwa fünfundfünfzigjährige, untersetzte und bullig aussehende Mann vom Yard, der an eine stets leicht gereizte Bulldogge erinnerte. McWarden kannte die Mitglieder des »Quartetts« schon lange und schätzte vor allen Dingen die recht ungewöhnlichen Methoden des Butlers. Darüber hinaus verband ihn eine Art Haßliebe mit Lady Agatha, die keine Gelegenheit versäumte, sich an ihm zu reiben. »Mylady befindet sich noch im Zustand der Entspannung und Ruhe«, erklärte der Butler, der ihm die Tür des altehrwürdigen Fachwerkhauses in Shepherd’s Market geöffnet hatte. »Kann ich mir sogar gut vorstellen, Mr. Parker«, meinte der ChiefSuperintendent anzüglich, »sie muß sich ja in der vergangenen Nacht ziemlich verausgabt haben, oder?« »Darf man davon ausgehen, daß Sie aus bestimmten Gründen diese Aussage machen, Sir?« Parker führte den Gast in die große Wohnhalle. »Ich habe heute morgen die Polizeiberichte überflogen«, schickte McWarden voraus, »ein bestimmter Bericht fiel mir ganz besonders auf.« »Sie machen meine Wenigkeit neugierig, Sir, wenn ich dies gestehen darf.« »In Soho wurde ein China-Restaurant heimgesucht«, redete McWar26 �
den genußvoll weiter, »dieser Bericht stammt übrigens von einem V-Mann, nicht vom Restaurantbesitzer oder von der Polizei. Dieser VMann schwört sogar Stein und Bein, Mylady und Sie gesehen zu haben.« »Ein vertrauenswürdiger Mann, Sir«, meinte Josuah Parker, »es gab in der Tat einige Unstimmigkeiten mit zwei jüngeren Gästen, die sich erfrechten, Mylady massiv zu beleidigen.« »Völlig grundlos? Mir fällt auf, daß ein gewisser Pete Weston ganz in der Nähe des Restaurants einen Privatclub betreibt.« »Das Leben an sich, Sir, scheint oft eine einzige Kette von Zufälligkeiten zu sein«, entgegnete der Butler. »Ich bin nicht neugierig, Mr. Parker, mißverstehen Sie mich nur ja nicht. Man arbeitet hier im Haus momentan an einem neuen Fall?« »Mylady fühlt sich stets im Dienst der Gerechtigkeit, Sir.« »Sie verzehrt sich noch darin«, spöttelte der Chief-Superintendent, »man arbeitet also an einem neuen Fall, mit dem vielleicht dieser Weston zu tun hat? Ich hätte nichts dagegen, wenn er etwas zurechtgestutzt würde. Dieser Mann ist und bleibt eine permanente Gefahr.« »Er gab die Durchsicht der Polizeiberichte noch zusätzliche Dinge, die Ihr Interesse zu erregen vermochten, Sir?« Parker ging auf das Thema Weston nicht ein.
»Doch ja, richtig, Mr. Parker. Da ist ein Austin in der Nähe des Flugplatzes an einer Fabrikmauer zerschellt. Der Fahrzeughalter ist ein gewisser Jeff Madgen.« »Saß er möglicherweise angetrunken am Steuer, Sir? Konnte er eine Erklärung für sein Verhalten liefern?« »Madgen konnte bisher nicht aufgetrieben werden, Mr. Parker. Viel interessanter für mich war der Zustand des Autowracks. Stellen Sie sich vor, die Windschutzscheibe und die Seitenscheiben waren mit fettigem Ruß bedeckt.« »Sie befassen sich neuerdings mit Themen der Umweltverschmutzung, Sir?« »Mit einem Trick, den ich von Ihrem Privatwagen her kenne, Mr. Parker«, erwiderte McWarden und ließ jetzt die Katze aus dem Sack. »Man wird leider nur zu oft kopiert, Sir.« Parkers Gesicht blieb glatt und ausdruckslos. »Sie waren um Mitternacht etwa auf dem Flugplatz Heathrow, Mr. Parker? Es könnte ja sein. So ganz zufällig.« ‘ »Gab es dort einen Zwischenfall, der Ihnen vermeldet wurde, Sir?« »Eine Frage beantworten Sie stets mit einer Gegenfrage, ich weiß.« McWarden lächelte verkniffen. »Es gab also einen Zwischenfall, Sir?« »Nicht direkt, Mr. Parker.« 27 �
McWarden räusperte sich. »Dieser Zwischenfall muß sich in den Morgenstunden ereignet haben. Sagt Ihnen der Name Marty Sling etwas?« »Müßte er das, Sir?« »Dieser Marty Sling holte zusammen mit zwei Angestellten einer großen Galerie drei Kunstobjekte am Flughafen ab«, sagte McWarden grimmig, »die Werke stammen von einem Burschen namens Buysman, der international sehr bekannt sein soll. Gut, diese drei Kunstwerke wurden in die Galerie geschafft und sind dort später restlos demoliert worden.« »Ein Akte des Vandalismus, Sir, wenn meine Wenigkeit so sagen darf.« »So sagt man«, antwortete der Chief -Superintendent, »der Versicherungswert soll laut Aussteller etwa zweihunderttausend Pfund betragen. Die Kunstwelt ist empört, es wird riesige Schlagzeilen geben. Und mir wird man im Nacken sitzen.« »Sie wissen, Sir, um welche Kunstobjekte es sich gehandelt hat?« erkundigte sich der Butler. »Sie sollen aus Salzteig und Gelatine bestanden haben«, sagte McWarden und verzog sein Gesicht, »wie auch immer, es soll sich um Kunst gehandelt haben, doch diese Kunstwerke sind nur noch eine einzige, undefinierbare Masse.«
»Sie erlauben, Sir, daß ich meiner tiefen Entrüstung Ausdruck verleihe?« »Wenn Sie darauf bestehen…« McWarden zuckte die Achseln. »Haben Sie nicht Lust, sich dieses Desaster anzusehen?« »Das ließe sich durchaus einrichten, Sir«, antwortete der Butler, »Mylady will erst gegen Mittag geweckt werden. Es bliebe also noch Zeit.« »Okay, Mr. Parker, betrachten wir uns also die traurigen Reste dieser drei Kunstobjekte«, sagte McWarden, »ich lasse mich überraschen.« »Dies gilt selbstverständlich auch für meine bescheidene Person«, erklärte der Butler, »man soll sich bilden, wann immer es sich einrichten läßt!« * Man hatte es eindeutig mit Randolph Buysman zu tun. Der große Künstler trug die obligate Fliegerkappe auf dem Kopf und zeigte sich in einem tiefroten Overall, der mit vielen Außentaschen übersäht war. Er machte einen versteinerten Eindruck und starrte auf die Reste seiner Kunstobjekte, die allerdings einen traurigen Anblick boten. Auf dem Boden des saalartigen Raumes der Galerie lagen formlose 28 �
Teigbrocken, die mit Gelatine vermengt waren. Diese Gelatine war verschieden eingefärbt und zeigte alle Farben des Regenbogens. »Zweihunderttausend Pfund«, Chief-Superintendent meinte McWarden, »ich kann’s einfach nicht glauben, Mr. Parker.« »Meiner bescheidenen Ansicht nach werden die zuständigen Versicherungen durchaus zahlen müssen, Sir«, antwortete der Butler. »Salzteig und Gelatine, Mr. Parker.« McWarden seufzte. »Warum, zum Teufel, bin nicht ich auf die Idee gekommen, solche Kunstwerke herzustellen?« »Eine Frage, Sir, die sich wohl schon mancher Betrachter moderner Kunst gestellt haben mag. Wenn Sie erlauben, wird meine Wenigkeit Kontakt mit dem großen Künstler aufnehmen.« »Sie hegen ein gewisses Mißtrauen, Sir, wenn man in aller Bescheidenheit fragen darf?« »Mich stört die Höhe der Versicherungssumme, Mr. Parker«, antwortete McWarden grimmig, »und ich wundere mich, daß es Versicherungen gibt, die diese Kunstwerke abdecken.« »Der internationale Kunstmarkt, Sir steckte voller Geheimnisse«, kommentierte der Butler höflich, nickte dem Chief-Superintendent andeutungsweise zu und näherte sich dem großen Künstler, der sei-
nen Kopf inzwischen zur Seite geneigt hatte und aus diesem Blickwinkel seine zerstörten Kunstobjekte betrachtete. »Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor, »meine Wenigkeit hat die Ehre und auch das eindeutige Vergnügen, der Butler Lady Simpsons sein zu dürfen.« »Sie leben hoffentlich gut damit«, entgegnete Randolph Buysman. »Lady Simpson ist eine Kunstliebhaberin, Sir, die keine Summe scheut, um ihre Privatsammlung zu bereichern.« »Sie hatte sich hier bedienen können«, meinte Buysman mit einer erstaunlich hohen Stimme. Er war mittelgroß, hager und hatte eine Nase, die an die eines nicht ausgewachsenen Geiers erinnerte. Er mochte etwa fünfzig sein. »Um welches Kunstobjekt handelte es sich, Sir, wenn man fragen darf?« Parker deutete mit der Schirmspitze auf den zerkrümelten Salzteig und die Gelatinehäufchen. »Hier sollten ›Mutter Erde‹, ›Nestwärme‹ und ›Chaos‹ präsentiert werden, mein Lieber«, gab Buysman Auskunft, »ich zeigte die drei Objekte bereits in Paris, Rom und New York. Und nun das! Ich werde nie wieder diese Form erreichen, künstlerisch gesehen…!« Randolph Buysman schleppte sich nach dieser tragischen Aussage zu 29 �
einem Klappstuhl, der im Hintergrund an der Wand stand. Auf der Sitzfläche des praktischen Möbels lag ein bunter Kinderball, über den man einen kleinen Hut gestülpt hatte. Buysman fegte die trivialen Gegenstände von der Sitzfläche weg zu Boden und nahm Platz. Anschließend nahm er den Kopf in beide Hände und verhüllte sein Antlitz. »Guter Gott, Meister, was machen Sie denn?« Parker wandte sich zur Seite und beobachtete den Leiter der Galerie, der die Hände verzweifelt rang und sich Buysman näherte. »Ich werde überhaupt nichts mehr machen, mein lieber Rannon«, behauptete Buysman und nahm den Kopf aus den Händen. Seine Stimme klang mutlos und leer, »ich werde nie wieder kreativ werden können.« »Sie haben sich da gerade auf ein Kunstwerk gesetzt«, entrüstete sich der Galerist, »Sie haben es zerstört!« »Was soll ich haben, Rannon?« Buysman erhob sich hastig. »Sie haben die Abwesenheit Ihres Kollegen Fanderman zerstört«, röchelte der Leiter der Galerie und deutete auf den bunten Kinderball, der noch langsam über das Parkett rollte, jedoch den Hut verloren hatte. »Ein Kunstwerk von Fanderman?« Buysman lachte schrill und ironisch, deutete zuerst auf den Stuhl und dann auf den Ball. »Ein Kunstwerk? Wollen Sie mich beleidigen, Rannon? Das soll ein Kunstwerk
sein? Das ist doch eine einzige Beleidigung der Kunst an sich! Wie konnten Sie diesen Dilettanten nur einladen, hier auszustellen!? Befassen Sie sich lieber mit meinen drei Objekten, Rannon.« »Fanderman ist ein Mann der Zukunft«, erklärte der Leiter der Galerie nachdrücklich, »er dürfte Sie inzwischen eingeholt haben.« »Dieser Wurm?« Buysman lachte erneut schrill. »Fanderman ist eine Eintagsfliege, mehr nicht. Und ich werde ihnen jetzt sagen, wer meine drei Objekte aus Eifersucht zerstört hat: Fanderman!« »Das würde ich an Ihrer Stelle nicht behaupten und wiederholen, Buysman«, wütete der Leiter der Galerie. Er war klein, rundlich und machte an sich einen phlegmatischen Eindruck, doch nun wurde er aggressiv, »nur Sie allein werden doch von den Schlagzeilen profitieren, oder? Und Schlagzeilen brauchen Sie, um endlich wieder ins Geschäft zu kommen. Das pfeifen inzwischen doch alle Spatzen von den Dächern. Fanderman hat keine Reklame nötig… er nicht!« »Wollen Sie damit behaupten, ich hätte meine drei Kunstobjekte selbst zerstört?« Buysman langte nach der Lehne des Klappstuhles, und Butler Parker war gespannt, ob er auch dieses Teilobjekt zerstören würde. »Wenn nicht Sie, dann vielleicht Ihr Agent, Buysman.« 30 �
»Sie sprechen von Marty Sling, Rannon?« Buysman schwang den leichten Klappstuhl und visierte damit den Leiter der Galerie an. Rannon begriff daß er sich in gewisser Gefahr befand und ergriff schleunigst die Flucht. Damit aber forderte er Buysman nur noch zusätzlich heraus. Der große Meister schleuderte den Stuhl hinter Rannon her, verfehlte aber das Ziel. Der leichte Klappstuhl klatschte krachend gegen die Wand des Ausstellungsraumes und riß dabei ein weiteres Kunstobjekt ins Verderben. Es handelte sich um einen Kaffeesack aus Jute, der dekorativ in einem schweren Goldrahmen hing. Parker schritt auf die Wand zu und stocherte mit der Spitze seines Universal-Regenschirmes in den Stuhltrümmern herum, bis er das Katalogschild entdeckte. Danach hatte Buysman gerade ein Kunstwerk namens ›Dritte Welt‹ vernichtet. Butler Parker war nicht gerade besonders bestürzt! * »Nein, nein, ich mache das nicht länger mit«, sagte James Rannon eine halbe Stunde später. Der kleine rundliche Mann befand sich in seinem Büro und hatte einige Magentabletten genommen. Er rieb sich die schmerzende Partie unter dem
Brustbein und sah Parker und den Chief-Superintendent anklagend an. »Gehört Ihnen diese Galerie?« wollte McWarden wissen. »Ich werde sie verkaufen. So schnell wie möglich. Ich stehe das nicht länger durch, ich bin reif für das Hospital.« »Sie haben sich auf sehr moderne Kunst spezialisiert, Mr. Rannon?« lautete Parkers höfliche Frage. »Unter uns, ich hebe gegenständliche Malerei«, bekannte Rannon und warf sicherheitshalber einen Blick zur Tür, »ich sollte das eigentlich nicht sagen, aber es ist so. Ich kann dieses moderne Zeug nicht mehr sehen! Es widert mich an!« »Über Fragen des Geschmacks, Mr. Rannon, sollte man grundsätzlich nie streiten«, schlug Parker vor, »man darf und kann davon ausgehen, daß Sie sich nicht aus reiner Menschenliebe dieser sehr modernen Kunst verschrieben haben?« »Ich mache mein Geld damit«, erwiderte James Rannon und entspannte sich, »aber jetzt ist der Bogen überspannt! Ich will nicht mehr!« »Ähnliches drückten Sie bereits aus, Mr. Rannon«, erinnerte der Butler, »die hier in Ihren Räumen ausgestellten Objekte waren und sind erstaunlich hoch versichert?« »Die Prämien für die Versicherungen haben mich ein Vermögen gekostet.« 31 �
»Haben Sie allein dieses Geld aufgebracht?« wollte McWarden wissen. »Allein wäre ich dieses Risiko nie eingegangen«, meinte James Rannon und hob abwehrend die Hände, »ich konnte dafür einige Mäzene gewinnen, die diese Summen unter sich aufgeteilt haben.« »Die Namen dieser Leute sollten Sie mir nennen, Sir«, bat der ChiefSuperintendent förmlich. »Ich werde sie erst fragen müssen, Sir«, antwortete James Rannon, »ohne diese Mäzene hätte ich die Ausstellung niemals durchziehen können. Die einzelnen Objekte sind Vermögen wert, ob Sie das nun glauben oder nicht.« »Ich erwarte Ihre Antwort bis Nachmittag«, entschied McWarden grimmig, »aber nun zurück zu diesem Buysman. Was ist mit ihm? Mr. Parker deutete an, Sie hätten da verdammt deutliche Worte zu ihm gesagt, was seinen Marktwert betrifft.« »Es war die Wahrheit, Sir, es ist die Wahrheit! Buysman ist passe’! Und er und sein Agent wissen es sehr genau! Ich kann mir gut vorstellen, daß Sling oder Buysman diesen Versicherungsbetrug selbst eingefädelt haben. Es wird Schlagzeilen geben, vielleicht wird der Kurswert von Buysman wieder steigen.« »Na, ich weiß nicht recht.« McWarden warf dem Butler einen
Blick zu. »Fünfzig- bis hunderttausend Pfund für ein einziges Objekt aus Salzteig und Gelatine? Das ist eine Menge Geld.« »Vor gut einem Jahr bekam er das Doppelte dafür.« »Darf man in diesem Zusammenhang nach dem jungen Künstler der Zukunft fragen?« erkundigte sich der Butler. »Sie sprechen von Fanderman, nicht wahr? O ja, Fanderman steigt im Kurs von Tag zu Tag. Er hegt bereits schon jetzt bei hunderttausend. Haben Sie seine ›Abwesenheit‹ gesehen? Irgendwie genial, nicht wahr, obwohl ich dieses moderne Zeug nicht ausstehen kann.« »Genial!?« Chief-Superintendent McWarden erlitt einen leichten Hustenanfall. »Das war doch ein Ball mit Hut, der auf einem Klappstuhl lag, oder?« »Diesen Eindruck hatte auch meine Wenigkeit«, warf Josuah Parker ein. »Fanderman meinte, daß von einem Menschen nichts als ein hohler Ball zurückbleibt«, interpretierte James Rannon, »damit wir uns nicht mißverstehen, ich zitiere nur seine eigene Deutung.« »Könnte dieser geniale Künstler ein Interesse daran haben, die Buysman-Objekte zu zerstören?« fragte McWarden. »Niemals, Sir«, versicherte James Rannon und lachte spöttisch, »er 32 �
würde damit doch nur Reklame für seinen Konkurrenten Buysman machen. So dumm ist er ganz sicher nicht! Nein, ich glaube immer mehr, daß Buysman oder sein Agent Sling in den Morgenstunden hier in der Galerie waren.« »Ihre Galerie wird im Mittelpunkt des Weltinteresses stehen«, ließ Josuah Parker sich vernehmen. »Das ist richtig«, räumte Rannon ein und merkte erst mit einiger Verspätung, wie brisant Parkers Frage gewesen war. Er sah den Butler aus großen Augen an. »Sie scheinen begriffen zu haben«, meinte McWarden ironisch. »Sie glauben doch nicht, daß ich die drei Buysman-Objekte zerstört habe, oder?« Rannon schluckte vor Aufregung und Empörung. »Ich glaube nur das, was ich beweisen kann«, meinte McWarden. Er wollte noch etwas hinzufügen, doch in diesem Moment kam ein Angestellter seiner Galerie in den Raum und überreichte Rannon einen Brief. »Das ist an der Tür für Sie abgegeben worden«, sagte der Angestellte, »Sie sollen sofort öffnen und lesen.« »Von wem stammt der Brief?« fragte James Rannon. »Ein Straßenjunge lieferte ihn ab, Sir. Mehr weiß ich nicht.« »Das klingt interessant«, stellte der Chief-Superintendent fest, »öffnen Sie den Brief, Mr. Rannon. Anschrift
und Absender scheinen zu fehlen.« »Es besteht die Möglichkeit, daß der Zerstörer der Buysman-Objekte sich gemeldet hat«, warf Josuah Parker ein, »wer immer die Nestwärme der Mutter Erde in ein Chaos verwandelt haben dürfte, er muß daran interessiert sein, eine falsche Spur zu legen!« * »Ich denke, ich werde ausnahmsweise mal Ihrer Meinung sein, Mr. Parker«, sagte Lady Agatha wohlwollend, »man will mich ablenken und in die Irre führen.« »Sehr wohl, Mylady«, bestätigte der Butler, der nach Shepherd’s Market zurückgekehrt war, »in dem erwähnten Schreiben, das Mr. Rannon erhielt, teilt eine Person, die sich ›Sammler‹ nennt, mit, die Kunstwelt von wahnwitzigen Objekten reinigen zu wollen.« »Gütiger Himmel«, meinte der Anwalt spöttisch, »also ein Bursche, der den einzig richtigen Geschmack für sich allein gepachtet haben will, wie?« »Der erwähnte Brief, Sir, machte in der Tat diesen Eindruck«, bestätigte Josuah Parker gemessen, »der Verfasser, der sich ›Sammler‹ nennt, um diesen Ausdruck noch mal zu wiederholen, wirft sich zum Zensor der Kunst auf.« »Was sagt denn mein lieber 33 �
McWarden zu diesem Brief?« erkundigte sich die ältere Dame. »Mr. McWarden nahm ihn an sich, um ihn von Fachleuten auf Spuren untersuchen zu lassen«, antwortete Parker, »es besteht allerdings wohl kaum Hoffnung, daß man Hinweise findet.« »Stand sonst noch etwas in diesem Brief?« fragte Kathy Porter, die bisher schweigend zugehört hatte. »Der Sammler, Miß Porter, kündete weitere Säuberungsaktionen an.« »Dann wird ja noch einiges auf uns zukommen«, vermutete Mike Rander, »moderne Kunst gibt es schließlich überall.« »Ich habe zwar etwas gegen Kieselsteine, über die man Ketchup schüttet«, schickte die ältere Dame voraus, »und ich mag diese Objekte nicht, die man mir als Kunst verkaufen will, aber ich wehre mich dagegen, daß hier ein Saubermann auftritt, der mir seine Auffassung von Kunst aufzwingen will.« »Da pflichte ich Ihnen voll und ganz bei«, sagte Rander. »Ich werde diesem Sammler den Kampf ansagen, meine Lieben.« Sie nickte Miß Porter und dem Anwalt zu. »Mr. Parker, bereiten Sie alles vor.« »Sehr wohl, Mylady.« Josuah Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Ich werde mir noch mal diesen
Nachtclubbesitzer kaufen«, schlug Agatha Simpson vor. »Mylady denken an Mr. Pete Weston, wie zu vermuten ist.« »Richtig, Mr. Parker. Er hat schließlich vier Gangster auf mich gehetzt, wenn auch vielleicht nicht so ganz direkt, von der Belästigung in diesem China-Restaurant mal ganz zu schweigen.« »Man sollte Weston vielleicht erst mal aussparen, Mylady«, warf Josuah Parker ein, »Miß Porter und Mr. Rander waren so entgegenkommend, Mr. Weston zu beschatten, wenn man daran erinnern darf.« »Ich weiß, Mr. Parker, ich bin ja schließlich nicht vergeßlich«, grollte die Lady prompt, »wohin ist Weston gegangen, nachdem ich ihn besucht hatte? Wie war das noch? In der vergangenen Nacht nannten Sie mir doch einen Namen, mein Junge, nicht wahr?« »Pete Weston war nur einige Minuten unterwegs und verschwand in einer Privatsauna.« »Die einem James Dinton gehört«, ergänzte Kathy Porter. »Kenne ich diesen Namen, Mr. Parker?« erkundigte sich Lady Simpson, »ich meine, ich hätte ihn schon mal gehört.« »Mr. James Dinton, Mylady, ist eindeutig das, was man einen Gangsterboß zu nennen pflegt«, beantwortete Parker die Frage, »er betreibt einen Callgirl-Ring und 34 �
dürfte zudem mit Drogen handeln, eine Kombination, die in seinen Kreisen nicht ganz ungewöhnlich ist.« »Und dieser Dinton ist scharf wie ein Rasiermesser«, warf Mike Rander ein. »Kathy und ich haben bereits Informationen gesammelt. Dinton läßt sich stets von zwei Leibwächtern begleiten. Er ist in der Unterwelt nicht besonders beliebt, er hat sich viele Feinde gemacht.« »Dieses Subjekt wird mich umgehend kennenlernen«, stelle Agatha Simpson klar und nickte nachdrücklich, »und danach wird es wissen, wer sein wirklicher Feind ist. Nicht wahr, Mr. Parker?« »Mylady werden wahrscheinlich schrecklich sein«, lautete die Antwort des Butlers. Auch jetzt blieb sein Gesicht glatt und ausdruckslos. Es war einfach nicht zu erkennen, was Parker tatsächlich dachte. * Der Butler saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und lenkte das ehemalige Taxi hinüber nach Soho. Vor Antritt der Fahrt war er für eine Viertelstunde im Souterrain seines Hauses gewesen, in dem sich seine Privaträume befanden. Im Labor hatte er sich für die Ausfahrt ausgerüstet. Er rechnete mit Überraschungen. Im Fond des Wagens hatte Agatha
Simpson Platz genommen. Sie machte einen äußerst animierten Eindruck und freute sich auf ihre Begegnung mit dem Gangsterboß. Ob es sich bei James Dinton um eine richtige Spur handelte oder nicht, interessierte sie nicht sonderlich. Ihr ging es darum, sich endlich wieder mal betätigen zu können. »Werde ich verfolgt, Mr. Parker?« erkundigte sie sich hoffnungsfroh. »Meine Wenigkeit muß bedauern, Mylady«, erwiderte der Butler, »aber man könnte unter Umständen davon ausgehen, daß Mr. Dinton Myladys Besuch bereits erwarten.« »Wieso denn das?« Verblüffung war in ihrer Stimme. »Mr. Dinton wird von Mr. Weston von Myladys Besuch erfahren haben«, schickte der Bulter voraus, »Mr. Dinton wird davon ausgehen, daß man Mr. Weston beobachtet und jetzt weiß, wen er besuchte. Daraus wird Mr. Dinton seine speziellen Schlüsse ziehen.« »Genau das überlege ich mir natürlich auch«, gab sie zurück, »dieses Subjekt wird mir eine Falle stellen, denke ich.« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady.« »Aber ich werde ihn überlisten, Mr. Parker. Er wird sein blaues Wunder erleben.« »Mr. Dinton befindet sich bereits auf der Verliererstraße, Mylady.« »Ich hoffe, Sie haben sich etwas
Hübsches einfallen lassen, Mr. Parker.« »Mylady hegen besondere Wünsche?« erkundigte sich der Butler. »Ich lasse Ihnen da freie Hand, Mr. Parker«, sagte sie großzügig, weil ihr natürlich nichts einfiel, »auch Sie sollen endlich mal wieder ein AhaErlebnis haben.« »Mylady sind zu gütig«, gab Josuah Parker zurück, »Mylady wären damit einverstanden, völlig regulär den Saunabetrieb zu betreten?« »Völlig regulär?« Sie beugte sich vor. »Habe ich richtig gehört?« »Mr. Dinton hat im Moment nichts zu befürchten, Mylady«, schickte der Butler voraus, »der Besuch Mr. Westons bei ihm hat keinerlei Beweiskraft.« »Ich dachte eigentlich mehr an eine handfeste Überraschung, Mr. Parker«, räsonierte die ältere Dame prompt, »man könnte doch zum Beispiel mit dem Wagen durch die Tür in eine, sagen wir, Vorhalle fahren, oder?« »Ein bestechender Gedanke, kommentierte Parker Mylady«, zurückhaltend. »Es wird doch einen Hintereingang geben«, redete sie weiter, »es wird doch diese Leibwächter geben. Sie wissen, wie gern ich Hindernisse aus dem Weg räume…« »Hindernisse werden sich Mylady zu einem späteren Zeitpunkt auftür-
men.« »Nun gut, dann bin ich beruhigt.« Sie ließ sich wieder in die Polster zurückfallen. »Für mich steht bereits jetzt fest, daß Dinton dieser sogenannte Sammler ist.« »Mylady haben sich entschieden?« »Alles spricht dafür«, redete sie weiter, »ihm geht es überhaupt nicht um die modernen Kunstobjekte, Mr. Parker. Ich sehe die Zusammenhänge jetzt ganz deutlich.« »Würden Mylady auch meiner Wenigkeit einen Blick in diese Zusammenhänge gönnen?« »Er will die Galerie und Museen erpressen, Mr. Parker, haben Sie das denn noch nicht durchschaut? Er besorgt das auf dem Umweg über die Versicherungen.« »Ein Aspekt, den meine Wenigkeit nur als verblüffend bezeichnen kann«, sagte Josuah Parker. »Eine Lady Simpson täuscht man eben nicht«, meinte sie nachdrücklich, »James Dinton wird bald erkennen, daß ich ihn durchschaut habe. Er heißt doch Dinton, oder? Ich meine dieses Subjekt, das die Sauna betreibt.« »In der Tat, Mylady! Falls es sich um eine Erpressung handelt, müßte dieser Erpresser recht bald seine Forderungen nennen.« »Falls ihm dazu überhaupt noch Zeit bleibt, Mr. Parker. Ich werde die Affäre im Keim ersticken.« »Mylady würden sich um die
Kunst an sich verdient machen.« »Ich weiß.« Sie winkte hoheitsvoll ab. »Manchmal glaube ich tatsächlich, daß ich schlicht und einfach gut bin.« Parker verzichtete auf eine Antwort. * Sie trugen weiße Hosen, Polohemden und Sandalen. Sie waren groß, muskulös und machten einen mehr als nur zupackenden Eindruck. Die beiden Männer sahen Agatha Simpson entgeistert an, denn sie hatte gerade erklärt, die Sauna aus gesundheitlichen Gründen besuchen zu wollen. »Hier bei uns?« fragte einer der beiden ungläubig, um dann Josuah Parker zu mustern. »Gemischte Sauna?« fragte der zweite Mann, der den Butler ebenfalls prüfend angesehen hatte. »Was verstehe ich darunter?« wollte die Detektivin wissen. »Gemischte Sauna? Nun ja, Frauen und Männer zusammen, ja?« »Werden Sie nicht anzüglich, junger Mann«, grollte die ältere Dame, »Sie werden doch wohl Einzelkabinen haben, oder?« »Natürlich, Madam. Sie müßten aber vorher noch Clubmitglied werden. Das hier ist eine Privatsauna.« »Und billig ist es hier auch nicht gerade«, fügte der andere Masseur
hinzu. »Ich glaube, Sie sollten besser wieder gehen und sich ‘ne andere Sauna suchen«, schlug der erste Masseur vor. »Ich möchte Ihren Arbeitgeber sprechen«, verlangte die Lady energisch. »Mr. Dinton ist nicht hier, Madam.« »Teilen Sie ihm mit, daß Lady Simpson hier ist«, schaltete der Butler sich höflich ein, »er wird mit einiger Sicherheit erscheinen.« »Okay, warten Sie hier.« Der Masseur nickte, blickte seinen Partner kurz an und verließ dann den neutral eingerichteten Vorraum. Es gab hier Stahlrohrsessel, einen Glastisch und einige Vitrinen, in denen kosmetische Badeartikel ausgestellt waren. »Bin ich in irgendeiner Form beleidigt worden, Mr. Parker?« erkundigte sich Lady Agatha. Sicherheitshalber brachte sie ihren perlenbestickten Pompadour in leichte Schwingung. »Meine Wenigkeit muß bedauern, Mylady«, antwortete der Butler, »der Tatbestand einer Beleidigung wurde noch nicht mal andeutungsweise gegeben.« »Wahrscheinlich haben Sie nicht genau hingehört, Mr. Parker.« Sie musterte den zurückgebliebenen Masseur, der in Türnähe stand und in einer Zeitung blätterte. Er schien
die Tür abzuschirmen, durch die sein Partner gerade gegangen war. Bevor Josuah Parker sich zur Kritik seiner Herrin äußern konnte, wurde die Tür wieder geöffnet. Der Masseur trat ein und deutete auf einen mittelgroßen, schlanken Mann, der etwa vierzig Jahre zählte. Er zeigte ein tief gebräuntes Gesicht und machte einen sportlich durchtrainierten Eindruck. »Dinton mein Name«, stellte er sich vor, »Sie wollen mich sprechen? Darf ich erfahren, wer Sie sind, Madam? Haben Sie Grund für eine Beschwerde?« »Papperlapapp, junger Mann«, raunzte Lady Agatha sofort, »Sie wissen sehr gut, wer ich bin! Mir können Sie nichts vormachen! Sie haben doch auf meinen Besuch gewartet – oder etwa nicht?« »Lady Simpson? Lady Simpson?« James Dinton lächelte und zuckte die Achseln. »Ich wüßte im Moment nicht, wo ich sie hintun sollte, Madam. Sind wir uns schon mal begegnet?« . »Ich bin dabei, einem sogenannten Sammler das Handwerk zu legen, junger Mann«, antwortete sie in ihrer bekannten Direktheit, »ich weiß, daß dieses Subjekt Versicherungsgesellschaften erpressen will.« »Einen Besuch meiner Sauna würde ich Ihnen nicht empfehlen, Mylady«, spottete Dinton leichtsinnigerweise, »Sie sollten sich vorher
ärztlich untersuchen lassen. Sie leiden bestimmt an Bluthochdruck, wie ich das so sehe.« »Das war doch endlich eine Beleidigung, nicht wahr?« Lady Agatha blickte den Butler nur kurz an, verzichtete dann aber auf seine Antwort. Sie hatte sich entschieden, fühlte sich herausgefordert, widmete sich wieder Dinton und… trat ihm gegen das rechte Schienbein. James Dinton, der mit dieser Attacke nicht gerechnet hatte, stöhnte und setzte sich auf den Glastisch. Er rieb sich das Bein und sah die ältere Dame völlig irritiert an. Die beiden Masseure nahmen prompt drohende Haltung ein und warteten nur darauf, sich auf Parker und Lady Simpson stürzen zu dürfen. Sie glichen plötzlich auf den Mann dressierten Kettenhunden. »Sind…Sind Sie wahnsinnig?« fauchte Dinton da Lady Simpson an. »Wollen sie mich provozieren?« »Natürlich«, antwortete die Detektivin, »ich werde Sie zwingen, eine wehrlose Frau anzugreifen.« »Da werden Sie sich aber wundern.« Dinton stand auf und belastete vorsichtig sein schmerzendes Bein. »Das schaffen Sie nicht, Lady.« »Sie sind ein Feigling, nicht wahr?« Sie ging auf ihn zu, und Dinton wich zurück. »Ich vergreife mich nicht an Ihnen«, sagte Dinton, der sich allerdings nur mühsam beherrschte. 38 �
»Sie haben ein Ohrfeigengesicht, Sie Lümmel!« »Sagen Sie, was immer Sie wollen, Sie schaffen es nicht!« »Sie haben Angst, ich könnte Ihren Plan durchkreuzen.« »Natürlich«, pflichtete Dinton der älteren Dame bei, »was für Pläne auch immer ich haben sollte.« »Ich werde Sie ohrfeigen!« Die resolute Dame holte aus, doch sie war nicht schnell genug. Dinton duckte sich ab und entwischte. Agatha Simpsons Hand traf nur das Leere, was ihr überhaupt nicht paßte. Sie sah sich nach einem neuen Opfer um und baute sich vor einem der beiden Masseure auf. Dieser Mann zog den Kopf ein und nahm beide Arme schützend hoch. Er ging in Doppeldeckung wie ein erfahrener Boxer. »Wehren Sie sich!« forderte Lady Agatha den Mann gereizt auf. »Ich denke nicht daran«, antwortete der Mann. »Ich auch nicht«, erklärte der zweite Masseur. Dinton hatte die Tür geöffnet, war fluchtbereit und wartete. Lady Agatha preßte die Lippen fest aufeinander und wandte sich an Butler Parker. »Tun Sie endlich etwas«, grollte sie, »was hat das zu bedeuten, Mr. Parker? Das hier sollen Gangster sein? Es sind Waschlappen.« »Vielleicht im Moment, Mylady«, antwortete Josuah Parker, »Mr. Din-
ton befürchtet sicher, daß draußen auf der Straße Mitarbeiter des ChiefSuperintendent zum Eingreifen bereit stehen.« »Zeigen Sie mir Ihre Sauna«, forderte Agatha Simpson den Betreiber der Anlage energisch auf, »ich wette bereits jetzt mit Ihnen, Sie Lümmel, daß Sie aus der Rolle fallen werden!« * »Was wohl offensichtlich nicht der Fall war«, meinte der junge Anwalt eine Stunde später, als Lady Simpson diesen Punkt ihres Berichtes erreichte. Sie war zusammen mit Parker in ihr Haus zurückgekehrt und machte einen verärgerten Eindruck. »Mr. James Dinton war in der Tat nicht zu provozieren«, erwiderte Josuah Parker gemessen, »selbst ein kurzfristiges Bad im Abkühlungsbecken riß ihn nicht dazu hin, tätlich zu werden.« »Sie haben ihn in ein Becken gekippt, Mylady?« fragte Kathy Porter amüsiert, während sie mit Mike Rander einen Blick tauschte. »Das war erst später«, bekannte sie lustlos, »zuerst schlug ich ihm und den beiden Masseuren nasse Handtücher um die Ohren.« »Aber man schluckte alles, wie?« Rander wunderte sich. »Alles«, erwiderte Lady Agatha, 39 �
»es war sehr frustrierend, mein lieber Junge.« »Mylady erwiesen sich selbst in solch einer Situation als ungemein steigerungsfähig«, fügte Josuah Parker hinzu, »Mr. Dinton und die beiden Masseure ließen sich sogar ohne Widerstand in eine Einzelsauna sperren und schwitzten ausgiebig.« »Kaum zu glauben«, Rander schüttelte den Kopf. »Was steckt dahinter, Mr. Parker? Was bezweckt Dinton damit? Hat er etwas zugegeben? Hat er eine Andeutung gemacht?« »Dies muß leider verneint werden«, äußerte der Butler, »Mr. Dinton räumte nur ein, von Mr. Pete Weston besucht worden zu sein.« »Mehr war aus diesem Subjekt nicht herauszuholen«, bedauerte die ältere Dame, »aber ich weiß, warum er keinen Widerstand leistete.« »Es war sein tiefer Respekt vor Mylady«, erklärte der Butler. »Das selbstverständlich auch in erster Linie«, sagte sie, »aber darüber hinaus glaubte er natürlich, McWarden warte draußen vor der Sauna auf seinen Einsatz.« »Er wird so bald wie möglich eine Retourkutsche fahren«, warnte der Anwalt. »Und darauf setze ich, mein Junge«, entgegnete Lady Agatha, »ein Mann wie dieser Gangsterboß wird Rache nehmen wollen. Er soll mich nur nicht zu lange warten lassen, sonst werde ich ernstlich böse.«
»Er dürfte nicht grundlos still gehalten haben, Mylady«, schaltete Kathy Porter sich ein. »Das sagte ich bereits Mr. Parker«, gab sie zurück, »er hat Dreck am Stecken, das ist klar. Er ist der Sammler, der die Museen und Galerien erpreßt, von den Versicherungsgesellschaften ganz zu schweigen.« »Was ja noch nicht feststeht«, erinnerte Mike Rander, »Kathy und ich haben bei diesen Instituten bereits vorgefühlt, aber wir haben bisher nichts herausbekommen.« »Weil man sich nicht traut, die Wahrheit zu sagen«, urteilte Agatha Simpson, »nach meiner Meditation werde ich das selbst in die Hand nehmen. Erinnern Sie mich daran, Mr. Parker!« »Sehr wohl, Mylady«, ließ der Butler sich vernehmen, »sollte man vielleicht noch zusätzlich Mr. McWarden einschalten?« »Ausgeschlossen!« Sie hob abwehrend die Hände. »Das hier ist mein Fall, Mr. Parker! McWarden würde doch nur alles verwirren, ich kenne das. Ihm fehlt es an der geraden Linie, die ich stets vertrete.« »Das ist allerdings wahr.« Rander hatte das gesagt und wechselte einen amüsierten Blick mit Kathy Porter, »demnach werden wir jetzt erst mal abwarten müssen, nicht wahr? Es kann ja sein, daß Dinton sich eine Blöße gibt, doch ich glaube nicht daran. Er wird seine Gründe 40 �
haben, friedlich zu bleiben, da ist schon was dran.« »Weil er vielleicht Dinge betreibt, die mit den Kunstobjekten überhaupt nichts zu tun haben«, warf Kathy Porter ein. »Eine treffliche Bemerkung, wenn mir eine solche gestattet ist«, sagte Josuah Parker und geleitete seine Herrin hinüber zur Treppe, die ins Obergeschoß des Hauses führte. Lady Agatha wollte sich von ihrem Einsatz erholen und entspannen. Erfahrungsgemäß dauerte ihr Mittagsschlaf aber nie länger als zwei Stunden… * Der Butler war auf dem Weg, um sich mit Horace Pickett zu treffen. Kathy Porter und Mike Rander befanden sich in der Kanzlei des Anwalts in der nahen Curzon Street, um Akten aufzuarbeiten. Parker verfügte nun über einige Freizeit, die er auf seine spezielle Art zu nutzen gedachte. Lady Agatha meditierte erst seit gut einer halben Stunde und war sicher. Unbefugte hatten keine Chance, in das altehrwürdige Fachwerkhaus einzusteigen. Der Butler saß am Steuer seines hochbeinigen Monstrums und wußte seit wenigen Minuten, daß er verfolgt wurde. Ein graugrüner Ford hatte sich vom Gehweg der nahen
Durchgangsstraße gelöst und an ihn gehängt. In diesem Wagen saßen drei Männer, die keineswegs auffällig gekleidet waren. Sie trugen sportliche Straßenanzüge und sahen nicht wie Gangster aus. Parker machte es seinen Verfolgern leicht. Er verließ die Durchgangsstraße, minderte das Tempo und hielt dann korrekt vor einer Verkehrsampel. Der graugrüne Ford rutschte prompt neben seinen Wagen, und plötzlich schoben die beiden Insassen sich geschmeidig von ihren Sitzen, stiegen blitzschnell aus und… schlüpften in den Fond des ehemaligen Taxis. Genau in diesem Augenblick reagierte Parker. Seine linke, schwarz behandschuhte Hand legte einen unscheinbar aussehenden Kipphebel auf dem reich bestückten Armaturenbrett um und schloß damit die schußsichere Scheibe aus Panzerglas, die den Fond nach vorn hin abschloß. Die beiden Männer, die gerade eingestiegen waren, bekamen dies nicht mit. Sie merkten überhaupt nicht, daß die hinteren Wagentüren des hochbeinigen Monstrums elektrisch verriegelt wurden. »Los, Mann, in die nächste Straße abbie…« Der Satz wurde nicht beendet. Der Mann, der den Butler anredete, merkte erst jetzt, daß seine vor41 �
schnellende Hand gegen die blitzblank geputzte Scheibe stieß. Er prellte sich leicht, fuhr zurück und schaute seinen Begleiter verdutzt an. »Man erlaubt sich, Sie herzlichst zu begrüßen«, war Parkers Stimme zu vernehmen. Sie kam über die Bordsprechanlage und klang unverzerrt und deutlich. »Was soll das, Parker?« fragte der Mann, der sich die schmerzende Hand rieb. »Damit kommen Sie doch nicht durch.« »Wir haben Kanonen dabei«, fügte der zweite hinzu. »Deren Geschosse kaum in der Lage sein dürften, meine Wenigkeit zu erreichen«, erläuterte Josuah Parker, »Sie würden sich höchstens selbst in Schwierigkeit bringen. Meine Wenigkeit geht davon aus, daß Sie die Unberechenbarkeit von Querschlägern kennen.« Parker mußte wegen einer Ampel erneut halten, und die beiden Insassen versuchten verständlicherweise den Wagen zu verlassen. Doch sie merkten schnell, in welche Falle sie gegangen waren. Sie rüttelten wütend und verzweifelt an den Türgriffen, ohne etwas zu erreichen. »Sie echauffieren sich völlig unnötig«, ließ Parker sich wieder vernehmen, »betrachten Sie sich als meine Gäste.« »Parker, machen Sie keinen Quatsch«, warnte der erste Mitfahrer und zog seine schallgedämpfte Pis-
tole unter dem Jackett hervor, »okay, die Trennscheibe ist vielleicht schußsicher, aber nicht die untere Trennwand.« »Wir putzen Sie eiskalt vom Lenkrad«, drohte der zweite Mann. »Hoffentlich sind Sie in der Lage auch diese Enttäuschung hinzunehmen, meine Herren«, erwiderte der Butler, »selbstverständlich ist die Panzerung durchgehend. Wenn Sie jedoch darauf bestehen, können Sie durchaus die Probe aufs Exempel machen.« Die beiden Männer ließen sich tief in die Polster zurückfallen und überdachten ihre Lage. Dann wandte einer von ihnen den Kopf und beobachtete den graugrünen Ford, der dem ehemaligen Taxi beharrlich folgte. Der Fahrer dieses Wagens schien nichts mitbekommen zu haben. Er reagierte zudem völlig falsch auf die Zeichen, die er im Fond des hochbeinigen Monstrums ausmachte. Einer der beiden festgesetzten Männer versuchte Zeichen zu geben, winkte und tat alles, um auf die verzweifelte Lage aufmerksam zu machen. Der Fahrer des graugrünen Ford winkte freudig zurück. Für ihn war alles in Ordnung. »Darf man höflichst fragen, in wessen Auftrag Sie arbeiten?« erkundigte sich der Butler. »Sollte in diesem Zusammenhang der Name des Mr. Dinton genannt werden?« 42 �
»Wer ist denn das?« wollte der Mitfahrer wissen, der die Zeichen nach hinten in Richtung Ford gegeben hatte. Seine Stimme klang gespielt ahnungslos. »Schon gut, meine Herren, ich möchte nicht weiter in Sie dringen«, meinte Josuah Parker in seiner höflichen Art, »mir ist nur zu verständlich, daß Sie Diskretion üben wollen und müssen.« »Sie machen einen Riesenfehler«, warnte der zweite Mitfahrer eindringlich. »Argumente dieser Art sind meiner Wenigkeit nur zu vertraut«, entgegnete der Butler, »Ihr Einverständnis voraussetzend, meine Herren, wird man Sie an einen Ort schaffen, an dem man sich ungestört und in aller Offenheit unterhalten kann. Sie können und dürfen bis dahin der Ruhe pflegen.« Parkers schwarz behandschuhte Finger legten einen zweiten Kipphebel um. * »Man bittet um Vergebung und Entschuldigung«, sagte Josuah Parker, nachdem Horace Pickett zu ihm nach vorn in das hochbeinige Monstrum gestiegen war. »Ich bitte Sie, Mr. Parker!« Der ehemalige Eigentumsverteiler hatte schnell mitbekommen, daß der Butler nicht allein im Wagen war.
»Sie hatten zu tun, Mr. Parker?« fragte Pickett und setzte sich zurecht. »Drei Herren, deren Identität man feststellen sollte«, antwortete der Butler, »zwei von ihnen stiegen ohne jede Umschweife und ohne Erlaubnis zu meiner Wenigkeit in den Wagen. Der dritte Mann wurde ein wenig später das Opfer seiner verständlichen Neugier.« »Diese drei Männer sehen ziemlich hart aus.« »Was sie sicher auch wohl sind, Mr. Pickett.« Parker hatte den ehemaligen Taschendieb in der Nähe von Marble Arch aufgepickt, wo man sich verabredet hatte. »Sie haben mit einer Verfolgung gerechnet, Mr. Parker?« fragte Pickett. »In der Tat, Mr. Pickett. Möglicherweise ist ein Mr. James Dinton der Auslöser dieser Verfolgung gewesen.« »Dinton? Das ist ein harter Brocken, Mr. Parker.« »Er dürfte Mylady und meiner Wenigkeit nicht sonderlich gewogen sein«, erwiderte der Butler und versorgte Pickett mit einigen Stichworten, um dann auf die Verfolgung zurückzukommen, »die beiden ersten Männer nutzten einen Ampelaufenthalt, der Fahrer des Ford hingegen wurde von meiner Wenigkeit in den Wagen gebeten, als er in einer Seitenstraße aufholte und sich für 43 �
das Geschehen im Wageninneren interessierte.« »Ich verstehe, Mr. Parker, auch Sie haben wahrscheinlich so getan, als seien Sie eingeschlafen, nicht wahr?« »Dies entspricht den Tatsachen, Mr. Pickett. Die Neugier war und ist das beste Lockmittel. Sie kennen einen verschwiegenen Ort, an dem man sich mit den drei Männern befassen kann?« »Was haben Sie denn vor, Mr. Parker?« »Eine kurze Befragung wäre vielleicht recht nützlich. Darüber hinaus sollte und müßte man ein Exempel statuieren.« »Drüben in Paddington kenne ich eine stillgelegte Garage, Mr. Parker. Wäre das etwas für Sie?« »Ausgezeichnet, Mr. Pickett! Wären Sie darüber hinaus in der Lage, ein wenig Gips zu besorgen?« »Gips? Ganz normalen Gips?« »In der Tat, Mr. Pickett! Es können auch diese selbstverständlich modernen Gipsbinden sein, damit hat meine Wenigkeit bereits recht gute Erfahrungen gemacht.« »Das wird besorgt, dafür verbürge ich mich. Wieviel Zeit werde ich haben, Mr. Parker? Ich müßte nämlich einige Bekannte anrufen.« »Ließe sich das alles in, sagen wir, einer halben Stunde bewerkstelligen?« »Natürlich, das geht, Mr. Parker. Sie wissen doch, wie gern ich aus-
helfe. Darf ich eine Frage stellen?« »Meine Wenigkeit besteht sogar darauf.« »Steht Pete Weston nicht mehr auf der Liste? Ist er nicht mehr interessant?« »Sie denken an die beiden jungen Männer vom Frachthof des Flughafens?« »Genau an die, Mr. Parker. Sie wissen doch, daß sie nach ihrer Pleite zu Westons Privatclub fuhren.« »Sie waren so entgegenkommend, meiner Wenigkeit dies per Telefon mitzuteilen«, entgegnete der Butler und nickte andeutungsweise, »Mr. Weston nannte im Verlauf einer Unterhaltung später den Namen eines gewissen Mr. Stewart Mersey. Sagt Ihnen dieser Name etwas?« »Im Moment überhaupt nichts, aber ich werde mich darum kümmern, Mr. Parker. Gips ist Ihnen aber jetzt wohl wichtiger, nicht wahr?« »In der Tat, Mr. Pickett. Meine Wenigkeit fühlt sich dazu herausgefordert, einige Kunstobjekte zu schaffen. Ich hoffe, kreativ zu sein.« * Parker erinnerte an einen Bildhauer. Er trug einen fast fußlangen, weißen Kittel und trat einige Schritte von jenen drei Objekten zurück, mit denen er sich intensiv befaßte. Er hatte seinen Universal-Regenschirm 44 �
zur Seite gestellt, die schwarze Melone allerdings aufbehalten. Er musterte kritisch das, was da unter seinen geschickten Händen Gestalt annahm. Es ging um drei lebensgroße Statuen, an denen er arbeitete. Die drei Männer aus dem graugrünen Ford waren provisorisch mit vorher eingeweichten Gipsbandagen umwickelt worden und zeigten die typische Haltung von wild entschlossenen Einzelkämpfern aus der Unterweltszene. Einer von ihnen hielt eine Maschinenpistole in Händen, der zweite eine lange Fahrradkette, der dritte einen Revolver. Die Gipsbandagen hatten sich längst verhärtet und machten es den drei Männern unmöglich, sich zu bewegen. Da Parker sie breitbeinig auf dem Boden postiert hatte, fielen sie nicht um. »Man bittet noch um ein wenig Geduld«, sagte Parker zu den drei Kunstobjekten, »meine Wenigkeit muß sich erst einarbeiten.« »Das werden Sie noch bereuen«, ergänzte der Träger der Maschinenpistole mühsam und bitter. Er war wie seine Partner bis auf die Augen, den Mund und die Nase umwickelt worden. »Sie werden Geschichte machen«, beruhigte der Butler den Sprecher, »Sie können davon ausgehen, daß man Sie mehrfach ablichten wird. Ihr Bild wird durch die internatio-
nale Presse gehen.« »Darauf pfeifen wir«, sagte der Träger der überlangen Fahrradkette. »Dafür bringen wir Sie um«, schwor der dritte Mann, der den Revolver wirkungslos auf den Butler richtete. Er war nicht in der Lage, auch nur einen Finger zu bewegen. Parker hatte bereits gute Vorarbeit geleistet. Nachdem die drei Männer wieder zu sich gekommen waren, hatten sie das Gröbste bereits hinter sich. Sie waren zu Statuen geworden. Ein abgewandeltes Lachgas, das Parker in den Fond seines hochbeinigen Monstrums befördert hatte, war der Auslöser für einen kurzen, aber intensiven Schlaf gewesen. »Ich bin soweit mit dem Gips, Mr. Parker«, sagte Pickett, der im Hintergrund der leeren Garage vor einem Kübel stand und die weiße Masse umrührte. Aus Gründen der Tarnung hatte der ehemalige Eigentumsverteiler sein Gesicht mit Gips eingerieben. Darüber hinaus trug auch er einen fußlangen, weißen Kittel. »Ausgezeichnet!« Parker begab sich hinüber zum großen Gipskübel und prüfte die Masse. Dann half er Pickett, den Kübel, der auf einem Rollbrett stand, hinüber zu den drei Kunstobjekten zu schieben. Er griff nach einer Kelle und… bewarf die drei einbandagierten Gestalten mit Gips. »Sie haben noch durchaus Zeit, 45 �
sich zu Ihrem Auftraggeber zu äußern«, meinte Parker, der die breiige Masse sorgfältig zurechtstrich, »befasse ich mich erst mal mit Ihren Gesichtern, werden Sie kaum noch reden können. Ich fürchte, die Atemluft wird dann ein wenig knapp werden. Fassen Sie diesen sachlichen Hinweis aber nicht als schamlose Drohung auf.« Parker bewarf wieder die drei Gestalten mit Gips, strich und glättete, formte und arbeitete besonders interessante Details heraus. Er befaßte sich mit den diversen Waffen der Männer, die er im graugrünen Ford entdeckte hatte, gipste auch sie sorgfältig ein und sorgte dafür, daß Einzelheiten ohne weiteres zu erkennen waren. Horace Pickett stand bewundernd seitlich hinter dem Butler und beobachtete dessen Arbeit. Die drei Objekte, die immer mehr zu Gipsfiguren wurden, schienen sich in ihr Schicksal ergeben zu haben. Sie fühlten wohl, wie der Gips abband und hart wurde. »Bis man Sie als Kern dieser Statuen entdeckt, könnte unter Umständen einige Zeit verstreichen«, sagte Parker, als er eine schöpferische Pause einlegte, »hoffentlich vergißt meine Wenigkeit nicht, rechtzeitig darauf hinzuweisen.« »Das is’ Mord«, preßte der Maschinenpistolenträger hervor. »Keineswegs«, widersprach der
Butler, »Sie sind in der glücklichen Lage, atmen zu können. Meine Wenigkeit verspricht Ihnen bereits jetzt, daß man ihre Nasenlöcher freilassen wird. Ihnen ist inzwischen eingefallen, wer Ihnen auftrug, meine Wenigkeit zu verfolgen?« »Ich…Ich pack’ aus«, sagte der Mann, dessen Fahrradkette inzwischen eingegipst worden war. »Ich kann nich’ mehr«, erklärte der Mann mit dem eingegipsten Revolver, »Dinton hat uns losgeschickt. Reicht Ihnen das jetzt, Parker?« »Und wie, wenn man fragen darf, lautete Ihr Auftrag?« »Wir sollten Sie abfangen, Sie und diese komische Lady!« »Mylady und meine Wenigkeit sollten wohin verbracht werden?« »Schnauze«, preßte der Maschinenpistolenhalter dazwischen. Er meinte eindeutig seine Partner. »Du kannst uns mal«, erwiderte der Mann, der die erstarrte Fahrradkette präsentierte, »wir sollten Sie aus dem Verkehr ziehen und auf’s Land bringen. Dinton hat da ‘ne Farm.« »Sie kämen meinem Wissensdurst ungemein entgegen, wenn Sie mir die Lage dieser Farm näher beschreiben würden.« Parker erhielt seine Antwort und prägte sich die Beschreibung ein. Dann brachte er den Namen Stewart Mersey ins Gespräch. »Dazu nur einige wenige Informa46 �
tionen. Ich möchte sie mit jenen vergleichen, die meine Wenigkeit bereits besitzt.« »Kenn’ ich nich’«, kam prompt die Antwort. »Ich auch nich’, Parker«, sagte das andere Kunstobjekt, »nie gehört.« »Nun, wenden wir uns einem neuen Thema zu«, schickte der Butler voraus und stieß die Kelle in die Gipsmasse des Kübels, »Mr. Dinton plant einen Coup, wie man hört. Dazu vielleicht einige Hinweise, ja?« Parker trat zurück, holte mit der Kelle aus und schien sich Gedanken darüber zu machen, wo er die Gipsportion anbringen könnte. Dabei musterte er vielleicht ungewollt intensiv das Gesicht des Maschinenpistolenträgers. »Stop«, preßte der Mann hervor, »stop, Parker, machen Sie keinen Unsinn!« »Noch hat meine Wenigkeit sich nicht entschieden«, erwiderte Josuah Parker beruhigend, »noch haben Sie die Möglichkeit, sich meiner Wenigkeit mitzuteilen.« »Sie haben gewonnen«, redete der Mann weiter, »der Boß ist hinter ‘ner Ladung Koks her.« »Zusammen mit Mr. Pete Weston?« Parker ließ die Kelle ein wenig sinken. Der Informant versuchte angestrengt, seine Kinnlade zu bewegen, die bereits einbandagiert und unbeweglich geworden war, doch es gelang ihm nicht. Er
mußte weiter mit gepreßter Stimme sprechen. »Mit Weston«, versicherte der Maschinenpistolenhalter, »um was es genau geht, wissen wir aber nicht, es soll nur ein großes Ding sein.« »Würde Ihnen solch eine Auskunft genügen?« Parker wandte sich zu Horace Pickett um. »Wir haben noch sehr viel Gips da«, antwortete Horace Pickett. »Den man auf keinen Fall vergeuden sollte«, pflichtete der Butler ihm bei. »Wir wissen wirklich nur, daß es um Koks geht«, wiederholte der Informant so hastig, wie er es wegen der Gipsbinden nur eben vermochte, »der Boß weiht uns doch nicht ein.« »Wann und wo soll das Rauschgift übernommen werden?« fragte Josuah Parker gemessen, »intern wird es doch Gerüchte geben.« »Ach so, das meinen Sie!« Der Maschinenpistolenträger tat so, als habe er erst jetzt richtig begriffen. »Moment, Mr. Parker, ich rede ja schon. Das Ding soll übermorgen über die Bühne gehen.« »Und wo, wenn man neugierig sein darf?« »Am Flugplatz«, hörten Parker und Pickett, »wie die Sache aber laufen soll, wissen wir wirklich nicht. Und wenn Sie uns restlos zugipsen, wir wissen es nicht.« »Nun denn.« Parker ließ die Kelle sinken und wandte sich zu Pickett 47 �
um. »Beenden wir unser Werk und präsentieren wir einer interessierten Öffentlichkeit weitere Kunstobjekte. Fahren Sie den Wagen herein, damit man sich um einen geeigneten Aufstellungsort bemühen kann. Man soll und wird sein sprichwörtliches Licht keineswegs unter den Scheffel stellen.« * »Ich glaube, Mr. Parker, ich sollte etwas ärgerlich sein«, sagte Agatha Simpson, die vor wenigen Minuten zusammen mit Kathy Porter und Mike Rander eingetroffen war. Der Butler hatte sich mit dem jungen Anwalt in Verbindung gesetzt und dieses Treffen vereinbart. Man befand sich im nördlichen Teil von Green Park, nicht weit von Shepher’s Market entfernt. Hierher hatten Parker und Horace Pickett die drei »Kunstobjekte« geschafft und warteten nun darauf, daß sie optisch günstig aufgestellt wurden. Die Gangster aus dem graugrünen Ford lehnten gegen die Ladefläche eines kleinen Pritschenwagens und hatten keine Möglichkeit, sich gegen diese Präsentation zu wehren. Einige Bekannte von Pickett machten sich nun daran, unter Parkers Anleitung die Statuen wirkungsvoll aufzustellen. Nachdem der Butler letzte Anweisungen gegeben hatte, lüftete er überaus höflich seine schwarze
Melone und grüßte die Gangster, die ihn mit geradezu mörderischen Blicken musterten. Dann wandte der Butler sich seiner Herrin zu. »Meine Wenigkeit hat Myladys Unwillen ausgelöst?« fragte Parker, der von Agatha Simpson noch mal eindringlich gemustert worden war. »Sehr sogar«, raunzte sie, »warum wurde ich nicht rechtzeitig verständigt, Mr. Parker? Unter meiner Anleitung wäre dieses Eingipsen künstlerischer ausgefallen.« »Dem möchte meine bescheidene Wenigkeit auf keinen Fall widersprechen«, erwiderte der Butler höflich. »Wie könnten Sie auch!« Die Detektivin räusperte sich. »Ich möchte ja nicht unnötig kritisieren, Mr. Parker, aber gewisse Einzelheiten hätten Sie da besser herausarbeiten können.« »Mylady sehen in meiner Wenigkeit einen Dilettanten.« »Sie sagen es, Mr. Parker.« Die Lady nickte bestätigend. »Sollte sich noch mal eine Gelegenheit ergeben, Gangster einzugipsen, möchte ich rechtzeitig informiert werden.« »Mylady können sich fest darauf verlassen.« »Gibt es für mich hier etwas zu tun?« Sie machte einen ungeduldigen Eindruck und sehnte sich eindeutig nach Aktivitäten. »Mit dem Erscheinen Mr. Dintons dürfte recht bald zu rechnen sein, 48 �
Mylady. Meine Wenigkeit war so frei, ihn neugierig zu machen.« »Sie haben ihn angerufen?« »So könnte man es natürlich auch nennen, Mylady. Darüber hinaus wurde auch die Massenpresse verständigt, die ihr Kommen zusagte.« »Das klingt alles versöhnlich.« Agatha Simpson zeigte erstes Wohlwollen. »Myladys Einverständnis voraussetzend, wurden auch die Herren Buysman und Sling informiert. Sie erwarten hier eine improvisierte Ausstellung des Mr. Fanderman.« »Keine Namen«, wehrte sie ab, »sie verwirren nur unnötig, Mr. Parker.« »Mr. Fanderman ist der erklärte Konkurrent des Objektkünstlers Buysman, Mylady.« »Natürlich, ich weiß.« Sie sah den Butler fast empört an. »Ich habe die Namen aller Beteiligten fest im Kopf, Mr. Parker.« »Davon ging meine Wenigkeit aus, Mylady.« Parker ließ sich wirklich nicht aus der Ruhe bringen. Sie räusperte sich noch mal, entfaltete dann ihre Stielbrille und betrachtete durch die Lorgnette die drei eingegipsten Gangster. Sie ging sehr nahe heran und brachte die Kerle dazu, die Augen ängstlich zu rollen. »Haben Sie auch an McWarden gedacht?« wollte Mike Rander wissen, der in der Nähe gestanden und alles mitbekommen hatte.
»Er müßte jeden Augenblick eintreffen, Sir«, erwiderte der Butler, »darf man bei dieser Gelegenheit fragen, ob Mr. McWarden vollinhaltlich in das Geschehen eingeweiht werden soll?« »Sie sprechen von dieser Koksgeschichte, nicht wahr?« »Die übermorgen laut Aussage der drei eingegipsten Gangster durchgeführt werden soll.« Parker nickte andeutungsweise. »Sie sind nicht dafür, wie?« Rander lächelte. Er kannte Parker schließlich seit vielen Jahren und wußte, wie er in gewissen Situationen reagierte. »Sobald die zuständigen Behörden sich mit Mr. Dinton befassen, Sir, dürfte man an Mylady nicht mehr interessiert sein«, antwortete Josuah Parker. »Okay, halten wir doch erst mal den Mund«, schlug Mike Rander vor, »noch haben wir zwei Tage Zeit. Sagen Sie, Parker, haben wir’s jetzt mit zwei Fällen zu tun? Auf der einen Seite diese Zerstörung der Kunstobjekte, auf der anderen Seite die Koksgeschichte?« »Selbst solch eine Möglichkeit sollte man nicht ausschließen«, meinte der Butler. Er wollte noch etwas hinzufügen, doch in diesem Moment erschienen an der Hauptstraße einige Wagen. Wenig später war ein Blitzlichtgewitter auszumachen. »Mr. Randolph Buysman scheint 49 �
sich zu nähern, Sir«, sagte Josuah Parker, »sein Auftreten in der Öffentlichkeit war und ist immer noch sehr wirkungsvoll inszeniert, wenn man so sagen darf.« * Er trug seine Fliegerkappe aus Leder, die sich eng an seinen Kopf schmiegte, präsentierte sich in einem schneeweißen Overall und wurde begleitet von einem etwa Fünfzigjährigen, der mittelgroß und rundlich war. Marty Sling, der Agent des großen Objektkünstlers, hob sich, was seine Kleidung betraf, scharf von Buysman ab. Der Mann trug gestreifte Hosen, einen Cut und einen grauen Bowler und gab sich ungemein seriös. Die Pressevertreter und Fotografen umlagerten Buysman und Sling und schossen ihre Fragen auf ihn ab. Buysman gab sich tragisch, antwortete nur knapp und hielt zielsicher auf die drei von Parker angelieferten Kunstobjekte zu. Dann entdeckte er den Butler und änderte seine Marschrichtung. »Wollte Ihre Lady nicht ein Objekt von mir kaufen?« fragte er, während die Vertreter der Presse sich auf die eingegipsten Gangster stürzten und ein zweites Blitzlichtgewitter auslösten. »Sie haben die Möglichkeit, Mylady jetzt und hier zu sprechen«,
erwiderte Josuah Parker, »darf man fragen, ob Sie bereits ein neues Objekt erstellen konnten?« »Ich hatte einen genialen Einfall«, behauptete Randolph Buysman, »stellen Sie mich der Lady vor!« Josuah Parker kam diesem Wunsch nach. Lady Agatha blickte durch ihre Lorgnette den großen Künstler mißtrauisch an, sagte jedoch erstaunlicherweise vorerst nichts Beleidigendes. Mike Rander wunderte sich und flüsterte leise mit Kathy Porter, die zur Gruppe gestoßen war. »Sie wollen mir ein Kunstwerk anbieten?« fragte die ältere Dame fast wohlwollend. »Eine einmalige Gelegenheit«, schaltete Buysmans Agent sich ein. Marty Sling hatte einen gönnerhaften Ton angeschlagen. »Die Kunstwelt wird Sie beneiden, Mylady, ganz zu schweigen von dem Gewinn, den sie machen werden. Buysman-Objekte sind eine Wertanlage.« »Ich habe meine Werte eigentlich bereits angelegt«, antwortete die ältere Dame zurückhaltend, »aber bitte, bieten Sie mir etwas an. Um was handelt es sich?« »Drei meiner einmaligen Kunstwerke sind heimtückisch zerstört worden«, schickte Buysman voraus, »unersetzliche Werke.« »Unermeßliche Werte«, fügte Marty Sling hinzu. 50 �
»Ich habe nachgedacht«, erklärte Buysman eindringlich, »ich habe mir die Sache wirklich nicht leicht gemacht, Mylady, aber das Resultat war und ist lohnend.« »Lassen sie endlich die Katze aus dem Sack, junger Mann«, antwortete Lady Agatha ungeduldig. »Ich habe einen Verschmelzungsprozeß vorgenommen«, sagte Buysman, während Sling andächtig zuhörte, »ich habe meine ›Mutter Erde‹ mit der ›Nestwärme‹ und dem ›Chaos‹ in ein neues Kunstwerk übergeführt. Verstehen Sie, was ich damit sage, Mylady?« »Kein Wort«, erwiderte Agatha Simpson schlicht. »Mylady«, stöhnte Buysman auf, »ich habe bereits die hier anwesende Presse informiert. Meine drei zerstörten Kunstwerke sind zu einer neuen Arbeit quasi verschmolzen worden.« »Aha.« Agatha Simpson wirkte ein wenig irritiert. »Und das in solch kurzer Zeit, junger Mann?« »Könnte man naiverweise und laienhaft unterstellen, Sir, daß Sie die mehr oder weniger traurigen Reste Ihrer drei zerstörten Kunstwerke zusammengegeben haben?« schaltete der Butler sich ein. »Genau, genau«, freute sich Buysman, und Marty Slings Gesicht nahm einen besonderen Ausdruck an. »Das neue Kunstobjekt steht im
Kofferraum meines Wagens«, redete Buysman inzwischen weiter, »ich werde es gleich der Öffentlichkeit präsentieren, Mylady. Sie haben noch das Vorkaufsrecht.« »Eine einmalige Chance«, erklärte Agent Marty Sling andächtig. »Zeigen Sie mir das Objekt«, verlangte die Detektivin. »Der Meister hat eine neue Form gefunden«, verkündete Marty Sling begeistert, »so etwas hat die internationale Kunstszene noch nie gesehen. Buysman setzt Maßstäbe.« Lady Agatha folgte dem großen Meister, der die Gruppe der drei eingegipsten Gangster passierte und ein wenig stutzte, dann jedoch weiterging. Die Pressevertreter kümmerten sich nicht weiter um ihn, was Marty Sling nicht sonderlich gefiel. Vor einem alten Rolls Royse blieb Buysman stehen und atmete tief durch. Dann nickte er Sling zu, der feierlich den Kofferraum öffnete und das Kunstobjekt hervorholte, das neue Maßstäbe setzte. Es handelte sich um einen Pappkarton, in dem laut Aufdruck völlig normales, Hundefutter transportiert worden war. Sling hob mit beiden Händen den Pappkarton hoch und machte auf sich aufmerksam. Einige Pressevertreter reagierten und kamen näher, weitere folgten. Es dauerte nur wenige Minuten, bis Sling umlagert war. »Die Präsentation«, kündigte er 51 �
lautstark an, »Buysman und seine ›Aspik-Art‹!« »Was bitte?« fragte Agatha Simpson ihren Butler. »Kunst in Aspik, Mylady«, antwortete Parker, »Mylady sollten vielleicht ein Auge auf das Jahrhundertwerk werfen.« Was sie umgehend tat. Sie blickte durch die Gläser ihrer Lorgnette in den Pappkarton hinein, entdeckte Salzteigkrümel, Teigstücke und bunte Gelatineklumpen. Dies alles war Übergossen worden mit einer durchsichtigen Masse, die wie Pudding wabbelte. »Mein Kreislauf«, stöhnte die ältere Dame und faßte nach ihrem Herz. »Sehr wohl«, erwiderte Josuah Parker, »wäre mit einem dreifachen Kognak gedient?« »Warten Sie’s ab«, sagte die Lady, »hoffentlich haben Sie Reserven im Wagen!« * »Was ist denn da los?« erkundigte sich Chief-Superintendent McWarden. Er hatte seinen Dienstwagen verlassen und trat in Begleitung zweier Mitarbeiter auf den Butler zu, der zusammen mit Mike Rander in der Nähe des Buysman-Objektes stand, das allerdings von den Pressevertretern dicht umlagert wurde. »Unser großer Meister nimmt mal
wieder seine nähere Umwelt auf den Arm und sorgt für Schlagzeilen«, meinte der Anwalt, »ich glaube jetzt fest daran, daß er oder sein Agent Sling die Objekte in der Galerie zerstört haben. Eine tollere Reklame hätte man überhaupt nicht machen können.« »Mylady ist nicht hier?« staunte McWarden. »Mylady befindet sich im Fond meines Wagens«, sagte der Butler, »Miß Porter betreut Mylady, die gerade ein akutes Kreislaufversagen überstanden hat.« »Was ist denn passiert?« fragte der Chief-Superintendent noch mal. »Buysman hat die sogenannte ›Aspik-Art‹ aus der Taufe gehoben«, erwiderte der Anwalt spöttisch, »sie haben die einmalige Chance, McWarden, sich das dort drüben kostenlos anzusehen.« »Ich wollte mir eigentlich andere Dinge ansehen, Rander.« Der ChiefSuperintendent erblickte die drei eingegipsten Gangster, stutzte und ging dann auf sie zu. Anderthalb Meter vor diesen Objekten blieb er stehen und runzelte die Stirn. »Was ist denn das?« fragte er irritiert. »Man hat ja das Gefühl, angestarrt zu werden.« »Ein verblüffender Effekt, nicht wahr?« Rander lächelte. »Raten Sie mal, wer der Künstler ist?« »Etwa Buysman?« »Mr. Josuah Parker«, redete Mike 52 �
Rander weiter, »möglich, daß er den Beruf wechseln wird.« »Donnerwetter, Mr. Parker, also das hätte ich Ihnen nicht zugetraut.« lobte McWarden spontan, »völlig lebensecht, jede Linie stimmt.« »Sie schmeicheln einem Dilettanten, Sir.« »Nein, nein, Mr. Parker, ich meine es ernst! Und typisch für Sie, daß Sie sich Motive aus der Unterwelt gesucht haben. Maschinenpistolen, Fahrradketten und Revolver! Toll, wie diese Figuren da stehen… Ehrlich, ich bin begeistert. Sie sind ja ein Künstler. Aber jetzt möchte ich unbedingt wissen, wie Sie das mit den Augen hingezaubert haben! Wirklich, man glaubt, daß man von Blicken verfolgt und beschworen wird. Sagenhaft!« »Wenn Sie nahe genug herangehen, McWarden, werden Sie sogar dumpfe Geräusche hören«, ermunterte Mike Rander den Chief-Superintendent, »zuerst wollte ich es nicht glauben, doch dann habe ich mich überzeugen lassen.« »Das muß ich hören!« McWarden trat näher an die eingegipsten Gangster heran und runzelte die Stirn dann noch intensiver. Er fuhr zurück, beugte sich wieder vor und horchte angestrengt. »Tatsächlich«, meinte er und wandte sich zu Josuah Parker um, »ich hörte da gerade etwas, was glatt
nach einem Hilferuf klang. Oder sollte ich mich getäuscht haben?« »Es wird ein Hilferuf gewesen sein, Sir«, schaltete Josuah Parker sich höflich ein, »die drei Herren befinden sich in der Tat in einer Lage, die man nicht unbedingt als angenehm bezeichnen kann.« * »Sie haben keine Ahnung, wer diese drei Gipsburschen sind?« wunderte sich der Chief-Superintendent eine halbe Stunde später. Er hatte sich an den Butler gewandt und war mehr als skeptisch. »Es handelte sich um Verfolger, Sir«, gab der Butler zurück, »meine Reaktion war vielleicht ein wenig übersteigert, wie ich entschuldigend hinzufügen möchte.« »Immerhin fanden Sie im Wagen dieser Kerle die Waffen, die Sie dann eingegipst haben«, erinnerte Mike Rander, »als Anwalt würde ich sagen, daß Parker quasi in Notwehr gehandelt hat.« »Okay, ich werde keine weiteren Fragen stellen«, sagte McWarden und lächelte flüchtig, »mir ist klar, daß man mir mal wieder etwas verheimlicht. Aber das sage ich Ihnen bereits jetzt: in knapp einer Stunde weiß ich, wer die Burschen auf Sie gehetzt hat, Mr. Parker. Ich wette, daß wir die Fingerabdrücke dieser Kerle gespeichert haben.« 53 �
»Falls dem so sein sollte, Sir, sollten Sie nicht unbedingt tätig werden«, bat Josuah Parker höflich und eindringlich, »man wird Sie rechtzeitig verständigen, sobald der sprichwörtliche große Fisch sich der Angel nähert.« »Rechtzeitig?« fragte McWarden skeptisch. »Sie können sich darauf verlassen, Sir«, erwiderte der Butler, »soviel sei allerdings gesagt, es handelt sich um eine Verbindung zwischen den Herren Pete Weston und James Dinton.« »Ach nee!« McWarden preßte die Lippen für einen Moment fest aufeinander, »das wären sogar zwei dicke Fische! Okay, ich werde abwarten und setze auf Ihr Wort. Und ich werde mir privat ein paar Fragen stellen, die ich aber selbst beantworte. Es geht wohl nicht mehr allein um diese Buysman-Kunstwerke, wie?« »Sie wollten Ihre Fragen selbst stichelte Mike beantworten«, Rander. »Natürlich.« Der Chief-Superintendent nickte.»Aber jetzt muß ich unbedingt diese Aspikkunst sehen.« Gefolgt von Mike Rander und Josuah Parker schritt McWarden auf die Gruppe der Pressevertreter zu, die sich nun wieder dem neuen Buysman-Objekt widmeten. Sie hatten den Abtransport der drei eingegipsten Gangster ausgiebig fotografiert und bestürmten den großen
Meister und Marty Sling mit neuen Fragen. Buysman hatte inzwischen den Pappkarton umgestülpt und sein neues Objekt aus der Obhut der Pappe entlassen. Ein rechteckiger Würfel bebte auf einem Brett, das Sling vorbereitet hatte. Es diente als Untergrund für das neue Meisterwerk und lag im Gras. Die Zuschauer, neugierig gewordene Passanten und Touristen waren hinzugekommen und bestaunten das Aspik-Rechteck. Butler Parker hatte sich abgesetzt und beobachtete die nähere Umgebung. Schließlich hatte er auch James Dinton per Telefon verständigt und ihn auf drei Gipsfiguren aufmerksam gemacht. War der Gangsterboß dieser Einladung gefolgt? Hielt er sich irgendwo in der Nähe auf? Falls dem so war, dann war Dinton bestimmt nicht allein, gekommen, sondern wurde zumindest von seinen beiden Leibwächtern begleitet. Würde der Gangster es wagen, aus dem Hinterhalt zu schießen? Parker machte sich inzwischen doch den Vorwurf, ein wenig leichtsinnig gewesen zu sein. Einem Gangster wie Dinton war durchaus zuzutrauen, daß er jetzt und hier schießen ließ. Er mußte, wenn er rechtzeitig eingetroffen war, den Abtransport der drei Gipsfiguren mitangesehen haben. Ein Mann wie 54 �
James Dinton mußte daraus seine Schlüsse ziehen. Parker schritt zur nahen Hauptstraße, um sich nach dem Befinden seiner Herrin zu erkundigen. Zu seiner Überraschung war der Fond des hochbeinigen Monstrums leer. Lady Agatha und Kathy Porter waren weit und breit nicht zu sehen. Hatte etwa Dinton seine Chance gesehen und die beiden Frauen überrascht? Waren sie von ihm entführt worden? Oder hatte Lady Agatha eine Verfolgung aufgenommen? Parker faßte nach den Wagenschlüsseln in der linken Tasche seines schwarzen Covercoats und war erst mal beruhigt. Lady Simpson saß mit Sicherheit nicht am Steuer seines Wagens und pflügte durch den Verkehr. Zu seiner Erleichterung hörte er plötzlich ihre Stimme. Sie schien sich zu streiten, lustvoll und lautstark. Parker folgte dieser Stimme und gelangte zurück zu den Menschen, die das Buysman-Objekt umlagerten und mehr oder weniger respektlose Bemerkungen machten. Der Spott überwog eindeutig. Man amüsierte sich auf der ganzen Linie. Lady Agatha diskutierte mit Buysman über das Wesen der Kunst an sich und erklärte ihm gerade, sie würde keinen Penny für dieses neue Objekt ausgeben. Buysman revanchierte sich mit der Bemerkung, mit einer Ignorantin vom Schlag der
Lady Agatha würde er nicht weiter reden. Er setzte ihr heftig auseinander, durch die Hand eines Künstlers würde jede Banalität zu einem Kunstwerk. In ihrem Fall aber, was ihre Person betreffe, sei Hopfen und Malz verloren, sie sei das negative Beispiel für das, was er unter einem menschlichen Kunstwerk verstehe. Er hätte es besser nicht gesagt. Lady Agatha fühlte sich zutiefst beleidigt und revanchierte sich. Sie verabreichte Buysman eine ihrer gefürchteten Ohrfeigen und zerstörte damit das vierte Kunstwerk des Meisters. Buysman taumelte nämlich zur Seite, rutschte aus und setzte sich breit und ausladend genau auf den rechteckigen Aspikwürfel, der daraufhin eine neue Form annahm. * »Wo war dieser Gangsterboß, Mr. Parker?« erkundigte sich die ältere Dame gut eine Stunde später, als man wieder in ihrem Haus in Shepherd’s Market angekommen war. »Ich bin sehr enttäuscht! Ich hatte fest mit einem Überfall gerechnet.« »Dinton dürfte erst mal weggetaucht sein«, schaltete Mike Rander sich ein, »er wird abwarten wollen, was aus seinen drei Gipsfiguren wird.« »Wenn Mylady gütigst erlauben, möchte meine Wenigkeit sich der 55 �
Ansicht Mr. Randers anschließen«, sagte Josuah Parker, »Mr. Dinton möchte sicher erst herausfinden, ob und was seine Handlanger ausgesagt haben. Er wird das an gewissen Reaktionen ablesen können.« »An welche Reaktionen denke ich da, Mr. Parker?« verlangte Lady Agatha zu wissen. »Zum Beispiel an eine Überwachung durch die Polizei, Mylady«, redete der Butler weiter, »sie ist aber auszuschließen, da Mr. McWarden Zurückhaltung üben wird.« »Und das nehmen Sie ihm ab, Mr. Parker?« Sie schüttelte den Kopf und schnaubte. »Wie konnten Sie überhaupt eine Abmachung mit ihm treffen? Er wartet doch nur darauf, mich endlich mal ausstechen zu können.« »McWarden weiß sehr wohl, wo sein Vorteil liegt«, erklärte Mike Rander, »ohne Sie, Mylady, wird er nichts ausrichten.« »Das stimmt natürlich.« Sie gab sich sofort wieder versöhnlich. »Was wäre denn dieser Mann ohne mich?« »Ihm würde wahrscheinlich etwas fehlen, was sein Leben lebenswert macht«, schätzte Mike Rander, »ich denke, um auf Dinton zurückzukommen, daß er sich nicht einschalten wird.« »Wann will dieser Gangsterboß seinen Coup landen?« fragte die Detektivin. »Da war doch etwas, nicht wahr?«
»Übermorgen soll laut Aussage der eingegipsten Gangster am Flughafen von Heathrow eine Rauschgiftsendung übernommen werden«, erinnerte Josuah Parker. »Ich weiß, ich weiß«, meinte sie ungeduldig, »mein Gedächtnis ist intakt, Mr. Parker. Was werde ich gegen dieses Subjekt unternehmen?« »Mylady gedenken sich, Mr. Dintons Pläne zu durchkreuzen.« »Selbstverständlich! Regeln Sie die Details, Mr. Parker, Sie wissen, daß ich mich mit Kleinigkeiten nicht abgebe und…« Das Telefon meldete sich und unterbrach sie. Parker ging hinüber zum Apparat und hob ab. Er nannte seinen Namen und schaltete den Verstärker ein, damit jeder im Raum mithören konnte. »Sling hier, Marty Sling«, kam die Antwort, »ich wünsche Lady Simpson zu sprechen.« »Mylady hat sich zurückgezogen und meditiert«, schwindelte der Butler, »darf man Mylady etwas ausrichten?« »Eine saftige Schadenersatzforderung«, sagte Sling, »sie hat ein unersetzliches Kunstwerk zerstört.« »Falls die Erinnerung meiner Wenigkeit nicht trübt, Mr. Sling, war es Mr. Buysman, der sein eigenes Kunstobjekt deformierte.« »Nachdem Lady Simpson ihn geohrfeigt hatte. Unsere Anwälte werden sich umgehend einschalten. 56 �
Auf der anderen Seite könnte ich unter Umständen auch einen Vergleich erreichen.« »Der nach Ihrer Vorstellung wie aussehen sollte, Mr. Sling?« »Hundertfünfzigtausend Pfund. Dafür kann Lady Simpson dann das zerstörte Objekt behalten.« »Würde Mr. Buysman es mit und durch seine Hand erneut adeln?« »Wie war das?« Slings Stimme drückte Verblüffung aus. »Mr. Buysman könnte den Aspikblock doch wieder zu einem Kunstwerk erklären.« »Moment mal, daran haben wir überhaupt noch gar nicht gedacht. Warten Sie, da müßte ich erst mit dem Meister reden… Aber das ändert nichts an unserer Forderung: Hundertfünfzigtausend Pfund, richten Sie das Mylady aus!« »Wie Sie wünschen, Mr. Sling. Darf ich übrigens eine private Frage an Sie richten?« »Ich werde mich auf nichts einlassen.« »Seit wann kennen Sie Mr. Pete Weston?« »Wen soll ich kennen?« »Mr. Pete Weston, der betreibt einen Privatclub in Soho.« »Er behauptet, mich zu kennen?« »Er ließ es durchblicken, falls meine Wenigkeit ihn richtig verstanden hat.« »Ich kenne keinen Weston«, sagte Marty Sling nachdrücklich, »sagen
Sie, wollen Sie mir da was in die Schuhe schieben?« »Man will Sie mehrfach in diesem Privatclub gesehen haben.« »In solche Privatclubs gehe ich grundsätzlich nicht, lassen Sie sich das gesagt sein!« »Sie wissen demnach also, daß es sich um einen Privatclub handelt, den man nur als obskur bezeichnen kann?« »Legen Sie mir nichts in den Mund, was ich nicht gesagt habe«, erregte Marty Sling sich umgehend, »Sie werden von unseren Anwälten hören, richten Sie das Lady Simpson aus. Sie wird für den Schaden draußen in Green Park voll und ganz aufkommen.« »Übermitteln Sie herzliche Grüße an Mr. Stewart Mersey«, sagte Josuah Parker höflich, um dann aufzulegen. Er wandte sich zu seiner Herrin, Mike Rander und Kathy Porter um, die mitgehört hatten. »Herzliche Grüße von Stewart Mersey?« wunderte sich die ältere Dame, »ich weiß, wer das ist, aber wissen es auch Kathy und Mr. Rander?« »Mr. Weston, der Betreiber des Privatclubs in Soho, nannte diesen Namen«, erläuterte der Butler, »Mr. Stewart Mersey soll angeblich jene Schläger und Gangster gemietet haben, die den Austin in ein Wrack verwandelten und im Frachthof des Flughafens einschliefen.« 57 �
»Richtig, das war es!« Sie nickte erleichtert. »Ich freue mich, Mr. Parker, daß Sie den Gesamtüberblick nicht verloren haben, ich hätte Ihnen sonst Hilfestellung geben müssen.« »War dieser Name nur zur Ablenkung ins Gespräch gebracht worden?« fragte Kathy Porter nachdenklich. »Möglicherweise«, räumte Josuah Parker ein, »Mr. Pickett und einige seiner Freunde befassen sich bereits mit diesem Namen.« »Es gibt diesen Lümmel«, behauptete die ältere Dame energisch, »dieser Nachtclubbesitzer schwitzte doch Blut und Wasser, als ich ihn verhörte. Stewart Mersey gibt es, ich weiß es einfach!« »Könnte Sling sich nicht unter diesem Namen mit Weston in Verbindung gesetzt haben?« warf Kathy Porter ein. »Genau das, Kindchen, wollte ich gerade sagen«, behauptete Agatha Simpson und nickte ihr wohlwollend zu, »ich bleibe dabei, Buysman und sein Agent haben die drei Kunstobjekte in der Galerie absichtlich zerstören lassen, um Schlagzeilen zu bekommen, oder hatte ich inzwischen eine andere Theorie aufgestellt, Mr. Parker?« »Keineswegs und mitnichten, Mylady«, lautete Parkers Antwort, »von der gerade erwähnten Grundtheorie sollte man immer wieder ausgehen. Die beiden Gipsobjekte,
die Mylady mit der Hutnadel aktivierte, deuteten einwandfrei darauf hin, daß man nicht ohne Grund in der Galerie des Mr. Rannon Platz genommen hatte.« »Ich werde über diesen Fall intensiv nachdenken«, schickte Lady Agatha voraus und gähnte ungeniert, »bis zum Dinner werde ich einen Entschluß gefaßt haben, denke ich. Ich bitte darum, nicht gestört zu werden.« Sie gähnte erneut und schritt dann über die Treppe hinauf ins Obergeschoß. Dort winkte sie von der Galerie aus hoheitsvoll nach unten und verschwand in ihrem Studio. * »Das übertrifft meine Erwartungen«, sagte Mike Rander, nachdem er die Schlagzeilen der Abendausgabe überflogen hatte, »Buysman kann sich wirklich nicht beklagen.« »Der kostenlose Reklameeffekt, Sir, ist grandios, wenn man so sagen darf«, antwortete der Butler, der die diversen Zeitungen eben erst besorgt hatte, »Mr. Buysman ist wieder im Gespräch.« »Und wird im Fernsehen auftreten«, warf Kathy Porter ein, »ich habe es eben in den Nachrichten gehört.« »Der Mann ist wieder voll da«, sagte der Anwalt, »geschickter hätte man Regie nicht führen können.« 58 �
»Mr. Marty Sling, Mr. Buysmans Agent, ist keineswegs ungeschickt«, konstatierte der Butler gemessen, »es erhebt sich die Frage, ob er tatsächlich Kontakt mit der Unterwelt aufgenommen hat, wie Mylady es bereits unter anderem andeutete.« »Dann dürften er und Buysman aber draufzahlen«, prophezeite Mike Rander, »Weston und Dinton werden Nachforschungen stellen und Buysman auspressen wie eine Zitrone.« »Falls Mr. Buysman eingeweiht ist, Sir.« »Richtig, er muß ja nicht unbedingt wissen, was sein Agent da eingefädelt hat.« »Darf ich daran erinnern, daß es sogenannten ›Sammler‹ diesen gibt?« ließ Kathy Porter sich vernehmen. »Der Kunstbewahrer«, Mike Rander nickte, »der Mann, der die alten Werte wiederherstellen will. Ich glaube, Kathy, auch dahinter könnte Sling stecken. Ich traue ihm inzwischen eine ganze Menge zu. Diese tollen Schlagzeilen sind der beste Beweis dafür. Sling hat’s verstanden, seinen Buysman wieder an die Spitze zu bringen.« »Natürlich wird auch Mr. Rannon, der Besitzer der Galerie, davon profitieren«, warf Josuah Parker ein. »Sie sagen das bestimmt nicht ohne Absicht, Parker«, stellte der Anwalt fest.
»Mr. Rannon behauptet zwar, die moderne Kunst nicht sonderlich zu mögen, Sir, auf der anderen Seite aber wird man seine Galerie stürmen. Mit großen Umsätzen ist zu rechnen.« »Trauen Sie Rannon zu, daß er einige Gangster engagiert hat, Mr. Parker?« fragte Kathy Porter. »Man sollte nichts grundsätzlich ausschließen, Miß Porter«, gab Josuah Parker zurück, »man sollte niemals nie sagen, um es volkstümlich auszudrücken. Mr. Pickett ist so freundlich, sich mit Mr. Rannons Privatleben zu befassen. Er ermittelt auch in Sachen Sling und Mersey, von dem man zur Zeit überhaupt nichts weiß.« »Und was werden wir tun, Parker?« fragte Mike Rander. »Können wir von uns aus die Ermittlungen vorantreiben?« »Nur indirekt, Sir, wenn man es so umschreiben darf. Man müßte Mr. Dinton Zeit und Gelegenheit geben, aktiv zu werden.« »Der Knabe rührt sich einfach nicht«, bestätigte der Anwalt, »ich hatte mit ‘nem Anruf gerechnet, mit Drohungen und vielleicht sogar mit einem gewaltsamen Besuch, doch nichts! Er hat völlig den Kopf eingezogen, obwohl man ihm doch mehr als kräftig auf die Zehen getreten hat.« »Da wäre dieser Coup, Sir, vom dem die eingegipsten Gangster rede59 �
ten«, erinnerte Josuah Parker, »Mr. Dinton ist einfach gezwungen, erst mal abzuwarten.« »Vielleicht tut sich während der Nacht etwas«, hoffte Kathy Porter, »ich weiß von Lady Agatha, daß sie einiges plant. Ich war eben oben bei ihr.« »Gütiger Himmel, sie will doch nicht den Kriegspfad beschreiten?« Rander seufzte. »Hat sie irgendeine Andeutung gemacht, Kathy?« »Lady Simpson will sich noch mal mit Dinton befassen, Mike.« »Er besitzt einen Landsitz, dessen Lage man meiner Wenigkeit genau beschrieb. Die drei eingegipsten Gangster waren so entgegenkommend, mir die Adresse zu nennen.« »Okay, fahren wir doch ‘raus«, schlug Mike Rander vor, »mal sehen, was dort los ist, Parker. Ist es weit?« »Mr. Dintons Landhaus steht in Caterham, südlich von Croydon, Sir.« »Okay, versuchen wir, Lady Simpson zu überzeugen«, schlug Mike Rander vor, »reden Sie ihr diese Ausfahrt aus, dann können wir sicher sein, daß sie darauf bestehen wird.« »Eine Taktik, Sir, die großen Erfolg verspricht«, antwortete Josuah Parker, »falls diese Bemerkung erlaubt ist.« *
»Haben Sie tatsächlich geglaubt, mir diese Fahrt ausreden zu können?« fragte Lady Agatha. Sie saß im Fond von Parkers hochbeinigem Wagen und machte einen zufriedenen Eindruck. »Meine Wenigkeit wollte Mylady nicht unnötig strapazieren«, entschuldigte sich der Butler. »Schnickschnack, Mr. Parker.« Sie lachte. »Wenn eine Lady Simpson am Ball ist, dann spielt sie ihn auch. Dies müßten Sie inzwischen längst wissen. Natürlich wird Dinton sich draußen auf dem Land verkrochen haben. Ich weiß es sogar. Mein Instinkt hat mich noch nie getrogen.« »Wie Mylady meinen.« Parker steuerte sein hochbeiniges Monstrum durch die Dunkelheit und hatte das Weichbild von London bereits hinter sich gelassen. Er war froh, seine Herrin abgelenkt zu haben. Im Gegensatz zu ihr rechnete er keineswegs damit, daß sich in Caterham etwas tun würde, doch darauf kam es ihm überhaupt nicht an. Hauptsache war, daß sie in der Stadt nicht aktiv werden konnte. Es war tatsächlich ihre Absicht gewesen, Weston und Dinton aufzusuchen. Solch ein Spiel mit dem Feuer wäre dann doch zu gefährlich gewesen. »Sind Sie jetzt endlich auch der Ansicht, daß Dinton der Mann ist, 60 �
dem ich das Handwerk legen muß?« erkundigte sie sich nach einer Weile. »Mylady halten Mr. Dinton für den sogenannten ›Sammler‹ und Zerstörer der Buysman-Objekte?« Parker brauchte sich nicht sonderlich auf den Verkehr zu konzentrieren. Es war längst dunkel, es ging auf 22.00 Uhr zu. »Alles deutet auf ihn«, gab sie zurück, »man braucht ja nur die Tatsachen zu bewerten, Mr. Parker. Eines Tages werden Sie auch das noch lernen. Nur Geduld.« »Mylady machen meiner Wenigkeit erfreulicherweise Hoffnung«, bedankte sich der Butler höflich. »Mylady schließen eine Beteiligung der Herren Buysman oder Sling aus?« »Natürlich, Mr. Parker.« Sie kannte keine Zweifel. »Ich glaube auch nicht, daß da Rauschgift im Spiel ist. Das haben die Gangster in Gips sich nur aus den Fingern gesogen.« »Man kann dies selbstverständlich nicht ausschließen«, gab Josuah Parker zurück, »darf man Mylady darauf hinweisen, daß man sich langsam dem Ziel nähert. In wenigen Minuten ist Croydon erreicht.« »Der Gangsterboß wird bald sein blaues Wunder erleben.« Die Detektivin lehnte sich zurück, »und Mr. McWarden wird wieder mal darüber staunen, wie wenig Zeit ich brauche, diesen Fall zu klären.«
Parker verzichtete auf eine Antwort, durchfuhr mit seinem hochbeinigen Monstrum die Stadt, die bereits zum Teil von Groß-London geworden war und fand dann die Landstraße, die nach Caterham führte. Es mußte sich bald zeigen, ob die drei Kerle die Wahrheit gesagt hatten. Noch war die Frage offen, ob es diesen Landsitz überhaupt gab. »Es gab ihn!« Parker hielt sich genau an die Beschreibung, die er von den Gangstern erhalten hatte, verließ die Landstraße und lenkte sein Gefährt über eine schmale Straße zu einem großen Waldstück, das in der Dunkelheit wie eine schwarze Mauer sich gegen den heileren Himmel abhob. »Für welche Taktik werde ich mich entscheiden, Mr. Parker?« wollte die ältere Dame wissen, als Parker kurz hielt. Die schmale Straße führte an einer hohen Mauer entlang. »Mylady hegen bestimmte Wünsche?« »Ich bin immer für den direkten Weg«, sagte sie, »irgendwo muß es doch wohl eine Einfahrt geben, nicht wahr?« Parker fuhr wieder an und entdeckte nach einer Kurve den Landsitz. Ein altersschwach aussehendes Gittertor war einladend weit geöffnet. Hinter] einem kleinen Teich, um den die geschotterte Zufahrt lief, war ein vieltürmiges Haus zu erken61 �
nen, das irgendwie einen unheimlichen-abweisenden Eindruck machte. Licht in dem Gebäude brannte nicht. »Ich werde wie ein Gewitter über Dinton hereinbrechen«, wußte die ältere Dame bereits im vorhinein. Sie hatte sich inzwischen sogar den Namen des Gangsters gemerkt, »ich werde ihn völlig überraschen, Mr. Parker.« Der Butler befand sich mit dem Wagen bereits auf dem geschotterten Weg, umrundete den Teich und hielt dann vor dem Haus an. Eine breite Steintreppe führte hinauf zur Tür. Parker stieg aus und war nicht schnell genug, zur hinteren Wagentür zu kommen. Lady Agatha hatte sie bereits schwungvoll aufgedrückt und schob ihre majestätische Fülle nach draußen. Sie vibrierte vor Eifer und konnte es kaum erwarten, endlich in Aktion treten zu können. Dieser Eifer hatte sich auch auf ihren perlenbestickten Pompadour übertragen. Er befand sich bereits in leichten Schwingungen und wartete nur darauf, wieder mal gezielt eingesetzt zu werden. Ohne auf Parker zu warten, stieg Agatha Simpson über die Treppe hinauf zur schweren Eingangstür und läutete nachdrücklich. Dazu mußte sie einen Glockenzug bewegen, der im Innern des Hauses ein rostig-schepperndes Geräusch auslöste. »Hoffentlich haben Sie etwas
Dynamit mitgenommen, Mr. Parker«, fragte die Detektivin, »falls sich nämlich in den nächsten Sekunden nichts tut, werde ich dieses Hindernis aus den Angeln heben.« * »Dynamit brauchen Sie nicht, Mylady«, war in diesem Augenblick eine ironische Männerstimme zu vernehmen, die dem Butler nicht ganz unbekannt war. Lady Agatha drehte sich um wie Parker und sah sich dem Gangsterboß James Dinton gegenüber. Obwohl es dunkel war, konnte man ihn recht gut ausmachen. Der Mond hatte seine Position am Himmel bezogen und lieferte Licht. »Sie haben mich erwartet?« staunte Lady Agatha. »Klar doch«, sagte James Dinton, der übrigens nicht allein war, wie sich jetzt zeigte. Links und rechts von ihm erschien je ein Mann. Parker erkannte sie als die Masseure aus der Sauna des Mr. Dinton. Sie trugen Maschinenpistolen in Händen. Vorn auf den Mündungen befanden sich überlange Schalldämpfer. »Ihre drei Mitarbeiter aus dem Ford haben tatsächlich die Wahrheit gesagt«, meinte Josuah Parker, »gilt dies auch für den Coup, den Sie zusammen mit Mr. Pete Weston durchzuführen gedenken?« 62 �
»Von welchem Coup reden Sie?« erkundigte sich Dinton. »Es soll sich um Kokain handeln, Mr. Dinton.« »Stimmt alles haargenau«, sagte der Gangsterboß, »aber warum stehen sie hier herum? Kommen Sie, gehen wir ins Haus. Wie wär’s denn mit einer Tasse Tee?« »Selbstverständlich sind wir nicht allein gekommen«, meinte die ältere Dame, »Sie haben nicht gut aufgepaßt, Sie Lümmel!« »Sie sind allein«, versicherte Dinton und lachte leise, »ich bin von London aus angerufen worden. Miß Porter und Anwalt Rander sind in Shepherd’s Market zurückgeblieben. Was sagen Sie jetzt?« »Man muß wohl davon ausgehen, daß Mr. Pete Weston Sie informierte«, antwortete der Butler, »aber der Wahrheit die Ehre, die beiden erwähnten Personen blieben tatsächlich in London zurück.« »Sind Sie verrückt, Mr. Parker? Wie können Sie so etwas behaupten?« Lady Agatha sah den Butler empört an. »Ich habe doch erst vor zwanzig Minuten mit dem Kindern gesprochen.« »Man sollte wissen, Mylady, wenn man vor einer Niederlage steht.« »Darüber werden wir uns noch unterhalten, Mr. Parker«, drohte Agatha Simpson aufgebracht dem Butler. »Meine Wenigkeit steht Mylady
jederzeit zur Verfügung«, gab Josuah Parker zurück, um sich dann Dinton zuzuwenden, »offen gesagt, meine Wenigkeit hatte mit Ihrem Hiersein keineswegs gerechnet.« »Und warum sind Sie dann doch gekommen?« wollte der Gangsterboß wissen. »Es galt abzuklären, ob Ihre drei eingegipsten Mitarbeiter gelogen haben oder nicht.« »Auch ein Standpunkt, aber gehen wir erst mal ins Haus. Sie wissen, daß sofort scharf geschossen wird, wenn Sie auch nur den Versuch machen, mir mit einem Trick zu kommen, klar?« »Ich habe Sie in Ihrer Sauna zu sanft angefaßt«, ärgerte sich die Lady und maß Dinton mit einem wütenden Blick, »noch mal wird mir das bestimmt nicht passieren.« »Klar«, erwiderte Dinton genußvoll, »noch mal werden Sie solch eine Gelegenheit auch nicht bekommen, Mylady. Hier sind wir unter uns, hier werden Sie erleben, wer ich tatsächlich bin.« »Ein Lümmel und ungehobelter Flegel«, erwiderte sie gereizt, »gut, ich weiche der Gewalt, Dinton, aber ich werde mich revanchieren.« »Los, los«, sagte einer der beiden Masseure, die jetzt allerdings sportliche Anzüge trugen und wollte die ältere Dame ins Haus scheuchen. Die Tür war gerade von innen geöffnet worden, und ein vierter Mann 63 �
stand waffenbewehrt an der Tür. »Meinen Sie etwa mich, Sie Rüpel?« raunzte Agatha Simpson und übersah souverän die beiden Maschinenpistolen. Sie ging auf den Masseur zu und schwang ihren Pompadour. Der Masseur wich instinktiv zurück und hob den Lauf seiner Waffe. »Machen Sie keine Dummheiten, Mylady«, rief Dinton mit scharfer Stimme, »oder wollen Sie sich blaue Bohnen einhandeln?« »Wagen Sie es, auf eine alte und wehrlose Frau zu schießen«, donnerte Lady Agatha, die einfach nicht zu bremsen war, »ich warte nur darauf! Warum schießen Sie denn nicht?« Sie hatte den Masseur erreicht und schwang ihren perlenbestickten Handbeutel. Der Mann ließ sich prompt täuschen und duckte sich blitzschnell, um nicht getroffen zu werden. Dabei übersah er den linken Fuß der älteren Dame, der sich in einem recht derben Schuh befand. Agatha Simpson trat mehr als nur herzhaft zu. Der Getroffene heulte auf und taumelte zurück. Dabei verlor er seinen Halt auf der Treppe, das Gleichgewicht, und fiel rücklings über die Stufen nach unten. »Ich lasse Ihren Butler zusammenschießen, wenn Sie nicht sofort Ruhe geben«, brüllte Dinton aufgebracht. Lady Agatha wandte sich um und…
steckte auf. Sie sah, daß man ihrem Butler die Mündung der zweiten Maschinenpistole gegen den Rücken preßte. »Nun gut«, sagte sie schnaufend, »Sie wollten mich zu einer Tasse Tee einladen, Dinton. Worauf warten Sie eigentlich noch?« * »Natürlich tragen Sie wieder mal die Schuld daran, daß alles so gekommen ist«, beschwerte sich Lady Simpson eine halbe Stunde später und maß Parker mit vorwurfsvollem Blick, »konnten Sie mich nicht unterstützen, als ich den Angriff eröffnete?« »Man schränkte die Aktionsfähigkeit meiner Wenigkeit deutlich ein«, gab Josuah Parker höflich zurück, »zudem war es auch keineswegs meine Absicht, Mr. Dinton vorschnell zu verlassen.« »Ach ja?« giftete sie. »Und dafür sitze ich jetzt in diesem Kellerloch und schmücke mich mit einer Handschelle.« »Müssen Mylady Schmerzen ertragen?« fragte Parker, dem man ebenfalls Handschellen angelegt hatte. Man befand sich in einem mittelgroßen Keller, der von einer trüben Glühbirne beleuchtet wurde. Mobiliar war so gut wie nicht vorhanden. Für Mylady und Parker gab es umgestülpte Kisten, auf denen sie 64 �
Platz genommen hatten. Die dicke Bohlentür machte einen soliden Eindruck. Sie war von außen dreifach verriegelt worden. Ein schmales, schießschartenähnliches Fenster war vorhanden und noch zusätzlich vergittert. Die Luft roch nach Feuchtigkeit und Moder. »Was haben Sie gerade gefragt?« erkundigte sie sich. »Müssen Mylady Schmerzen erdulden?« wiederholte der Butler. »Papperlapapp« erwiderte sie wegwerfend, »sorgen Sie dafür, daß ich die Handschellen wieder los werde, Mr. Parker. Sie haben ja gehört, daß Dinton tatsächlich einen Coup plant. Dies muß und werde ich verhindern.« »Mylady gehen nun davon aus, daß die drei eingegipsten Gangster die Wahrheit sagten?« »War ich je anderer Meinung?« wunderte sie sich. »Wollen Sie mir etwas unterstellen? Habe ich je gesagt, Dinton sei dieser sogenannte ›Sammler‹ und habe die BuysmanObjekte zerstört?« »Meine Wenigkeit muß Mylady mißverstanden haben.« »Das will ich mir auch ausgebeten haben, Mr. Parker! Dinton hat mit diesen modernen Kunstobjekten überhaupt nichts zu tun. Ich wußte es ja gleich! Aber mir wollte man ja nicht glauben. Sagen Sie, weshalb haben Sie da eben gegen mich ausgesagt? Haben Sie denn nicht begrif-
fen, daß ich dieses Subjekt nur bluffen wollte?« »Selbstverständlich, Mylady«, entgegnete der Butler höflich wie stets, »meiner Wenigkeit kam es darauf an, Mr. Dinton zusätzlich zu verunsichern.« »Ausreden, nichts als Ausreden!« »Die Aussage meiner Person steht in krassem Widerspruch zu Myladys Erklärung«, setzte der Butler ihr auseinander, »Mr. Dinton wird nun nicht wissen, wem er glauben soll.« »Aha.« Sie überlegte und nickte zögernd. »Nun gut, vielleicht haben Sie sich wirklich etwas dabei gedacht, es kann ja durchaus sein. Aber Sie sind mit mir hierher gefahren, um mich abzulenken, wie? Ich durchschaue Ihr Spiel, Mr. Parker.« »Meine Wenigkeit rechnete in der Tat nicht damit, Mr. Dinton hier anzutreffen«, räumte Josuah Parker ein, »auf der anderen Seite mußte eruiert werden, ob die drei Gipsgangster auch die Wahrheit sagten, was den Landsitz betrifft. Er hätte später von großer Bedeutung werden können, falls Mr. Dinton das erwähnte Kokain in seinen Besitz nimmt.« »Als Versteck, ich verstehe.« »In der Tat, Mylady. Man sollte wohl davon ausgehen, daß Mr. Dinton dieses Kokain anderen Gangstern abjagen möchte. Sonst würde man nicht von einem Coup sprechen.« 65 �
»Das ist mir doch längst aufgefallen«, behauptete sie, »endlich ist auch Ihnen ein Licht aufgegangen. Ich werde Ihnen etwas sagen, Mr. Parker: Dinton und Weston haben mit den Kunstobjekten nichts zu tun. Oder sagte ich das bereits?« »Mylady waren bereits so freundlich«, bestätigte der Butler, »was Mr. Weston betrifft, Mylady, so dürfte er allerdings tatsächlich einige Männer an den mehrfach erwähnten ›Sammler‹ weitervermittelt haben, wer immer dies auch sein mag.« »Richtig«, bestätigte sie, »jetzt haben Sie endlich erkannt, wie richtig ich mit meiner Meinung schon immer lag. Sagen Sie, was hat man mit mir vor? Will man mich etwa umbringen?« »Vielleicht nicht umgehend, Mylady«, gab Josuah Parker zurück, »aber zu einem späteren Zeitpunkt soll dies sicher geschehen. Mylady sind zu einer Zeugin geworden, die man um jeden Preis mundtot machen muß.« »Dann fordere ich Sie hiermit auf, endlich etwas dagegen zu unternehmen, Mr. Parker«, grollte sie, »langsam erschöpft sich meine Geduld. Sagen Sie, gibt es hier im Haus vielleicht ein Fernsehgerät?« »Davon sollte man wohl ausgehen, Mylady.« »Beeilen Sie sich«, erklärte sie, »gegen Mitternacht bringt man einen alten James-Bond-Film, den
ich mir unbedingt noch mal ansehen will.« * Man hatte Josuah Parker völlig durchsucht und ihm weggenommen, was verdächtig war. James Dinton schien sich gut informiert zu haben, was die vielen Tricks des Butlers anging. Selbst die PatentKugelschreiber aus den vielen Westentaschen waren entfernt worden. In den Augen der Gangster schien Josuah Parker waffen- und wehrlos zu sein. Was natürlich keineswegs der Fall war. Der Butler war ein vorausschauender Mensch, der dafür sorgte, daß er im übertragenen Sinn des Wortes ein As im Ärmel behielt. Die Gangster hatten es versäumt, sich für sein Schuhwerk zu interessieren. Parker saß auf seiner umgestülpten Kiste und hatte den rechten Fuß nach hinten angewinkelt. Mit den Händen, die auf dem Rücken lagen, zog er den Schuh noch enger an seinen Körper heran und befaßte sich dann mit dem Absatz. Ohne große Mühe schaffte er es, diesen Absatz seitlich wegzudrehen. Dazu mußte er nur eine kleine, aber wirkungsvolle Sperre überwinden. Im ausgehöhlten Absatz fand er unter anderem genau das, was er dringend benötigte, nämlich einen kleinen 66 �
Universalschlüssel, der bestens geeignet war, daß Schloß seiner Handschelle zu öffnen. Es dauerte nur wenige Augenblicke, is’ Parker dieses kleine Kunststück vollbracht hatte. Lady Agatha, die sonst gern redete, schaute fasziniert zu und sagte kein Wort. Insgeheim bewunderte sie die Geschicklichkeit des Butlers doch ein Wort der Anerkennung wäre niemals über ihre Lippen gekommen. Genau das Gegenteil war der Fall. »Sie waren auch schon mal schneller Mr. Parker«, sagte sie spitz. »Mit Sicherheit, Mylady«, erwiderte der Butler, »darf meine Wenigkeit darauf verweisen, daß Mylady es mit einem alten, müden und relativ verbrauchten Mann zu tun haben?« »Nun übertreiben Sie nicht gleich«, raunzte sie, »wann werden Sie auch mir endlich die Handschelle lösen?« »Umgehend, Mylady.« Parker war bereits frei und erlöste auch seine Herrin, die sich intensiv die Handgelenke massierte. Dann stand sie auf und ging hinüber zur Tür. »Überraschen Sie mich«, sagte sie und deutete auf die dicken Bohlen, »ich bin gespannt, wie Sie diese Tür öffnen wollen.« »Man sollte dies vielleicht den Gegnern überlassen, Mylady«, antwortete Josuah Parker, »darf man daran erinnern, daß drei schwere
Riegel die Tür versperren?« »Sie haben kein Dynamit im Absatz?« wunderte sie sich sichtlich. »Eine kleine Dosis Plastiksprengstoff, Mylady«, gab der Butler zurück, »auch solch eine Tür wäre damit durchaus zu überwinden, doch die dabei entstehende Geräuschentwicklung wäre beträchtlich.« »Wenn schon!« Sie winkte ab. »Bevor man begreift, was sich hier tut, werde ich die Gangster überraschen und…« »Man scheint sich bereits zu nähern, Mylady«, warnte der Butler, »wären Mylady unter Umständen bereit, die Handschellen, wieder provisorisch anzulegen?« »Genau das hatte ich gerade vor«, meinte sie unwillig und ging zurück zu ihrer Kiste. Parker legte die Handschelle so geschickt um die Gelenke, daß man nicht sehen konnte, daß sie nicht geschlossen war, tarnte auch seine Fessel und wartete, bis die schwere; Bohlentür sich öffnete. Man hörte deutlich, wie die schweren Riegel zurückgeschoben wurden. Kurz danach trat Dinton ein, lächelte überheblich und fühlte sich als Herr der Situation. »Ich bringe gute Nachrichten«, sagte er, »schon heute werde ich meinen Coup landen.« »Sie denken in diesem Zusammenhang an Kokain, Mr. Dinton?« fragte der Butler. Er nahm zur Kenntnis, 67 �
daß hinter dem Mann die beiden Masseure erschienen. Diesmal schleppten sie ihre Maschinenpistolen nicht mit sich herum. »An Kokain«, bestätigte Dinton, »die Sendung kommt früher als erwartet.« »Sie erwarten Sie in Heathrow, nicht wahr?« »Genau dort, Parker. Und sie wird anstandslos durch den Zoll gehen.« »Man scheint demnach auf eine wirkungsvolle Tarnung gekommen zu sein.« »Sie erwarten jetzt natürlich einen Tip von mir, oder?« »Den Sie aus verständlichen Gründen nicht geben können und dürfen«, entgegnete der Butler höflich. »Natürlich nicht«, fügte die Lady hinzu, obwohl sie keine Ahnung hatte, was Parker mit seiner Bemerkung bezweckte. »Wieso und warum kann ich die Katze nicht aus dem Sack lassen?« fragte James Dinton sofort. Er nahm den Köder an, der Parker ausgeworfen hatte. »Sie fürchten wahrscheinlich noch immer, Mylady und meine Wenigkeit könnten Ihre Absichten durchkreuzen.« »Da sind Sie aber auf dem Holzweg«, widersprach Dinton sofort und gab sich überlegen, »hier kommen Sie nicht mehr heraus. Wie sollten Sie das schon schaffen, Parker?
Sie werden doch inzwischen begriffen haben, daß Ihr Spiel beendet ist.« »Vieles deutet in der Tat darauf hin, Mr. Dinton, dennoch hegen Sie gewisse Zweifel, wie sich zeigt.« »Das Kokain kommt als Weinsendung nach London. Was sagen Sie jetzt?« »Sie dürften die Hunde des Zolls übersehen haben, die auf dem Flugplatz zum Aufspüren von Drogen eingesetzt werden.« »Die können schnuppern, soviel sie wollen, sie werden nichts riechen. Das Kokain ist in den Rotweinflaschen.« »Die Drogenhändler, die Sie überrumpeln wollen, haben Phantasie entwickelt, Mr. Dinton. Fürchten Sie nicht, daß die Rauschgifthändler Ihnen den Krieg erklären werden?« »Die werden überhaupt nicht wissen, wer sie ausgenommen hat, Parker. Aber lassen Sie das mal meine Sorge sein.« »Mylady würde sicher gern erfahren, wie Sie an diesen Tip gekommen sind, Mr. Dinton. Um einen Zufall kann es sich meiner bescheidenen Meinung nach unmöglich gehandelt haben.« »Einer von der Konkurrenz arbeitet für mich«, lautete die schlichte Antwort, »so einfach ist das, Parker. Und noch heute werde ich einige Millionen absahnen.« »Zusammen mit Mr. Weston, jun68 �
ger Mann?« fragte Agatha Simpson. Erstaunlicherweise nannte sie den richtigen Namen. »Mit Weston«, bestätigte Dinton, »aber viel Freude wird er daran nicht haben.« »Ein Subjekt wie Sie wird die Beute nicht teilen!« Die Detektivin nickte wissend. »Nur nicht keß werden, altes Mädchen«, warnte Dinton ärgerlich. »Sie haben die Absicht, Mr. Weston früher oder später auszuschalten?« fragte Parker ablenkend. »Dieser Dummkopf will einfach auf zu vielen Hochzeiten tanzen«, gab James Dinton zurück, »bald wird er es überhaupt nicht mehr können.« »Sie verübeln ihm, daß er sich mit Kunstobjekten befaßt hat, Mr. Dinton?« »So ungefähr«, bestätigte der Gangsterboß, »dadurch hat er Sie doch erst heiß gemacht, Parker. Ohne diesen Kunstkram wären wir uns bestimmt nicht über den Weg gelaufen.« »Sie wissen natürlich, für wen Mr. Weston seine Beziehungen spielen ließ und für wen er einige Schläger vermittelte?« »Das hat mich nicht interessiert«, lautete die Antwort, »wichtig ist nur, daß Weston so oder so in die Schlagzeilen gerät. Und genau das kann ich mir nicht leisten. Sonst noch Fragen?«
»Sie waren überraschend aussagefreudig«, bedankte sich Josuah Parker, »daraus muß man leider ableiten, daß Mylady und meiner Wenigkeit nicht mehr viel Zeit verbleibt.« »Sie haben’s erfaßt, Parker.« Dinton lächelte boshaft und wandte sich zu den beiden Masseuren und Leibwächtern um. »Da ist ja schließlich auch noch ‘ne alte Rechnung. Denken Sie mal an meine Sauna.« »Auf welche Art gedenken Sie, Mylady und meine Wenigkeit in das sprichwörtliche Jenseits zu befördern?« Parkers Frage klang völlig sachlich und verriet keine Angst. »Sie haben doch drei von meinen Leuten eingegipst, nicht wahr?« »Ein im Prinzip schonendes Verfahren, Mr. Dinton.« »Wir haben draußen Zement angerührt«, redete James Dinton weiter, »wir werden Sie in Blöcke gießen und in den Teich werfen! Ich möchte wissen, wer Sie da finden soll…« * »Sie werden es nicht wagen, sich an einer Lady Simpson zu vergreifen«, reagierte die ältere Dame aufgebracht und funkelte den Gangsterboß an. »Wetten, daß?« Dinton grinste wie ein Schuljunge. »Man sollte sich in das fügen, Mylady, was man gemeinhin Schicksal zu nennen pflegt«, schaltete Par69 �
ker sich ein, »die momentane Lage erscheint aussichtslos, falls nicht doch noch Hilfe eintrifft.« »Wer soll Ihnen hier draußen schon helfen?« meinte Dinton genußvoll. »Kommen Sie, bringen wir’s hinter uns… Los, Leute, schafft sie ‘raus!« Butler Parker und Lady Agatha standen auf und gingen zögernd auf die beiden Masseure zu. Sie passierten dabei Dinton, der die Hände der beiden vermeintlichen Opfer mit schnellem Blick kontrollierte, aber keinen Verdacht schöpfte. »Nur Mut, Mr. Parker«, sagte die ältere Dame in Richtung Butler, »nehmen Sie sich an mir ein Beispiel.« »Sehr wohl«, gab Parker zurück und reagierte entsprechend. Lady Agatha hatte einen der beiden Masseure erreicht und… verabreichte ihm ohne jede Vorwarnung eine ihrer gefürchteten Ohrfeigen. Dies geschah derart schnell, daß der Mann keine Abwehrbewegung mehr ausführen konnte. Josuah Parker ohrfeigte seinerseits und hatte nicht weniger Erfolg. Der von ihm getroffene Masseur flog gegen den anderen Mann, der gegen ihn kippte. Die Köpfe der beiden Masseure schlugen kraftvoll zusammen und lösten beiderseitig eine totale Verwirrung aus. Die beiden Masseure merkten überhaupt nicht, wie schnell und geschickt Josuah
Parker sie entwaffnete. Er befand sich nach wenigen Augenblicken im Besitz von zwei Schußwaffen. James Dinton war fassungslos. Er starrte zuerst Agatha Simpson, dann den Butler und anschließend wieder die ältere Dame an. Er schluckte, verfärbte sich und bewegte die rechte Hand vorsichtig zu den Rockaufschlägen seines Jacketts. »Falls Sie nach Ihrer Waffe greifen wollen, Mr. Dinton, so geschieht das auf Ihre eigene Verantwortung«, meinte der Butler, »Sie sollten sich dann aber später nicht beklagen.« »Wollten Sie mich umbringen, Sie Lümmel?« erkundigte sich die Detektivin bei Dinton. »Ein… Äh… Ein Spaß«, behauptete der Gangsterboß. Parker benutzte seine Handschellen, um die beiden Masseure aneinanderzuschließen. Dabei ließ er Dinton allerdings nicht aus den Augen. »Ich werde mir auch einen kleinen Spaß erlauben«, erwiderte Lady Agatha inzwischen, »und ich hoffe, daß Sie lachen werden.« Dinton lachte aber keineswegs, kassierte eine Ohrfeige und fiel gegen die Wand. Agatha Simpson folgte und langte ungeniert nach der Schulterhalfter des Gangsters. Sie zog eine Automatik hervor und entsicherte sie fachmännisch. »Wo, bitte, ist der vierte Mann?« fragte Parker höflich. 70 �
»Draußen«, preßte Dinton hervor, »draußen, am Stall.« »Gibt er sich dort einer sinnvollen Beschäftigung hin?« »Er arbeitet da«, sagte Dinton, »hören Sie, ich hatte bestimmt nicht vor, Sie einzuzementieren.« »Natürlich nicht«, schaltete die ältere Dame sich grimmig ein, »über dieses Thema werde ich mich aber noch mit Ihnen unterhalten.« Parker versorgte nun auch Dinton mit einer Handschelle. Widerstandslos ließ Dinton alles mit sich geschehen. Er stand eindeutig unter einem schweren Schock. »Wenn Sie erlauben, Mylady, wird meine Wenigkeit sich um den vierten Mann kümmern«, schickte der Butler voraus, »darf man bei dieser Gelegenheit darauf verweisen, daß Mylady sich in jedem Fall noch einen Teil des James-Bond-Filmes ansehen können?« »Sehr schön.« Sie nickte zufrieden. »Ich glaube, ich bin im Moment durchaus zufrieden. Sie sehen, Mr. Parker, Sie brauchen mir nur zu vertrauen, dann kann Ihnen überhaupt nichts passieren!« * James Dinton, die beiden Masseure und auch der vierte Mann standen nebeneinander und machten keineswegs einen besonders glücklichen Eindruck. Sie standen bis zu den
Knien in hölzernen Weinkisten und wurden von Josuah Parker bewacht. Der Butler hatte den Zement, den man für Mylady und ihn vorgemerkt hatte, zweckentfremdet. Diese Masse schloß sich um die Beine der vier Gangster und wurde hart. Dankbar hatte der Butler zur Kenntnis genommen, daß Dinton für einen schnell abbindenden Zement gesorgt hatte. Man sah deutlich, daß die Masse bereits hart wurde. Lady Agatha befand sich im Haus und sah sich tatsächlich den Kriminalfilm an. Parker, der sein gesamtes Eigentum wieder an sich genommen hatte, war dem Kreislauf seiner Herrin zu Hilfe gekommen und hatte ihn mit einem dreifachen Kognak angeregt. »Was halten Sie von meinem Vorschlag?« fragte Dinton verkniffen und blickte den Butler an. »Ich sage Ihnen, wo Sie die Kokainsendung übernehmen können. Dafür lassen Sie mich laufen.« »Man wird auch ohne Ihre Hilfe die Droge aus dem Verkehr ziehen können, Mr. Dinton.« »Wenn Sie sich da mal nur nicht in die Finger schneiden, Parker! Die ankommende Sendung wird abgeschirmt. Es wird zu einer wilden Schießerei kommen…« »Solch einem Spektakel kann man vorbeugen, Mr. Dinton.« »Okay, ich sage Ihnen, wer diese Sendung erwartet.« 71 �
»Diesen Empfänger wird man ausfindig machen können.« »Nee, werden Sie nicht, Parker«, widersprach Dinton eindringlich, »der Empfänger läßt sich da draußen am Flugplatz nicht blicken, der bleibt im Hintergrund.« »Seine Leute werden mit Sicherheit einige Hinweise geben können.« »Stimmt auch nicht, Parker! Die haben überhaupt keine Ahnung, für wen Sie die Weinladung übernehmen.« »Mylady würde sich nie auf einen Handel einlassen«, entgegnete Josuah Parker fast bedauernd, »Mylady will ihre Rache haben. Es ist für Mylady eine ausgemachte Sache, daß man Sie und ihre drei Mitarbeiter in den Teich stellt. Hoffentlich ist er nicht zu tief.« »Sie bluffen doch nur«, behauptete Dinton da und wechselte seine Taktik, »Sie werden es niemals wagen, uns in den Teich zu werfen. Das wäre glatter Mord!« »Den Sie fest eingeplant hatten, Mr. Dinton, wenn man daran erinnern darf.« »Das ist was anderes, Parker! Wir stehen auf der anderen Seite des Gesetzes und…« »… brauchen die gültigen Normen nicht einzuhalten, nicht wahr?« fragte Parker, als Dinton seinen Satz nicht beendete. »Wie auch immer.« Dinton schüt-
telte den Kopf. »Okay, ich schlage Ihnen ‘nen anderen Handel vor.« »Wahrscheinlich werden Sie nun Geld bieten«, Mr. Dinton…? »Hunderttausend Pfund«, antwortete der Gangsterboß, »zweihunderttausend! Verdammt, Parker, schneller können Sie persönlich doch kein Geld verdienen. Ich wette, die Lady zahlt nicht besonders.« »Meine Wenigkeit wird kaum ein Vermögen anhäufen können.« »Und hier haben Sie die einmalige Chance, stinkreich zu werden, Parker.« »Für wen vermittelte Mr. Pete Weston jene Männer, die die Kunstobjekte in der Galerie zerstören sollten, und es auch schließlich taten?« »Mann, ist das Ihre einzige Sorge?« Dinton staunte nur noch. »Mr. Weston wird darüber ganz sicher mit Ihnen gesprochen haben«, meinte Josuah Parker, »oder anders und vielleicht noch besser ausgedrückt, Sie werden ihn danach gefragt haben. Ein Mann wie Sie, Mr. Dinton, wird doch sofort die Möglichkeit gesehen haben, zusätzliches Geld zu verdienen.« »Wieso zusätzliches Geld?« James Dinton tat ahnungslos. »Der Mann, der die Zerstörung der Kunstobjekte veranlaßte, ist erpreßt worden.« erinnerte der Butler. »Ich habe Weston danach gefragt«, sagte Dinton, »und er hat geantwortet.« 72 �
»Sie haben nun eine Chance, ein Totalbad zu vermeiden, Mr. Dinton.« »Sie lassen mich frei, wenn ich Ihnen den Namen verrate?« »Man wird Mylady einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten und ihn möglicherweise wohlwollend unterstützen.« »Un’ was is’ mit uns?« fragte einer der beiden Masseure. »Geht zum Teufel«, fauchte Dinton seinen Leibwächter an, der links von ihm stand. »Zum Teufel?« fragte der zweite Leibwächter, der rechts von ihm stand. Er stellte keine weitere Frage, sondern verabreichte seinem Boß einen Fausthieb, den Dinton voll einstecken mußte. Der zweite Masseur hielt das für einen guten Diskussionsbeitrag und verabreichte Dinton ebenfalls einen Fausthieb. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis Dinton und die beiden Leibwächter sich gegenseitig verprügelten, so gut es eben ging. Sie entwickelten dabei eine erstaunliche Geschicklichkeit und schenkten sich nichts. Dabei, und das war sehenswert, rührten sie sich aus bekannten Gründen nicht von der Stelle. Parker verließ den Stall und ging nach draußen. Er wollte auf keinen Fall stören. *
»Ein hübscher Film, Mr. Parker«, sagte die Dame des Hauses. Sie hatte gerade das Fernsehgerät abgeschaltet und nickte Parker zu, der den Raum betrat, »gut, ich hätte vieles anders und natürlich auch besser gemacht, aber man konnte ihn sich durchaus noch mal ansehen. Was machen diese Lümmel?« »Wenn Mylady vielleicht einen Blick nach draußen werfen wollen?« »Sie waren tätig, Mr. Parker?« Agatha Simpson nickte wohlwollend und folgte ihrem Butler. Man durchschritt die Empfangshalle und passierte dann die geöffnete Eingangstür. Parker deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirmes auf den Teich. Er hatte vorher bereits die Außenbeleuchtung eingeschaltet. Eine Lichter kette war an der Zufahrt zu sehen. Unterwasserscheinwerfer leuchteten mitten im Teich eine Brunnenfigur an. Dieses Licht reichte aber auch noch aus, vier zusätzliche Figuren anzustrahlen. Diese Figuren standen bis zu den Hüften im Wasser und waren erstaunlich munter. Sie belegten sich wechselseitig mit ausgesuchten Schimpfworten und versuchten, sich gegenseitig dabei zu übertrumpfen. »Ausgezeichnet, Mr. Parker«, lobte die Detektivin, »sehr schön. Wie haben Sie das geschafft?« »Mit einem Traktor, Mylady«, antwortete der Butler, »dieses Gerät 73 �
fand sich dort drüben in der Scheune.« »Etwas stört mich allerdings«, fand die ältere Dame, »konnten Sie diese Lümmel nicht etwas tiefer absenken?« »Der Teich erwies sich leider als zu flach«, entschuldigte sich Parker in seiner höflichen Art, »vielleicht kann man Mylady ein wenig entschädigen.« »Und womit, Mr. Parker?« Sie war neugierig, stieg die Treppe hinunter und näherte sich dem Rand des Teiches. Parker hatte sich von ihr getrennt und ging zu einem im Boden versenkten Sperrhahn. Er bückte sich, betätigte das geriffelte Handrad und… sorgte dafür, daß die Brunnenfigur Wasser spie. Ein breiter Wasserfächer stieg etwa fünf Meter empor, weitete sich aus und kam als massiver Regen wieder nach unten. Nun zeigte sich deutlich, wie geschickt Josuah Parker die vier neuen Brunnenfiguren aufgestellt hatte. Alle Gangster wurden voll eingeregnet und eingeweicht. »Das sieht allerdings schon besser aus, Mr. Parker«, sagte die ältere Dame und nickte wohlwollend, »das ist ganz nach meinen Vorstellungen. Bis Mr. McWarden hier eintrifft, werden die vier Subjekte total aufgeweicht sein.« »Mylady wären also durchaus einverstanden nach London zurückzufahren?«
»Selbstverständlich! Was soll ich hier noch? Haben Sie aus diesen Burschen etwas herausbekommen, was von Interesse für mich sein könnte?« »Mr. Dinton versuchte es mit einer Bestechung, Mylady«, berichtete der Butler, »danach kam es zu einem Faustkampf zwischen den Herren, der zu Ungunsten Mr. Dintons geführt wurde.« »Vielleicht hätte ich mir den Kriminalfilm doch nicht ansehen sollen«, sagte Lady Agatha bedauernd. »Nach diesem Intermezzo, Mylady, bot Mr. Dinton einen Namen an«, redete der Butler weiter, »er sprach von Mr. Stewart Mersey, der der ›Sammler‹ sein soll.« »Habe ich den Namen Stewart Mersey schon mal gehört?« erkundigte sie sich. »Mr. Weston nannte ihn bereits, als seine Hand sich in der Lade seines Schreibtisches verklemmte«, erinnerte der Butler, »besagter Mr. Stewart Mersey soll jener Mann sein, dem Mr. Weston einige Schläger vermittelte.« »Richtig, ich wußte es doch«, behauptete sie prompt, »er hat diese Kunstobjekte zerstört. Und wahrscheinlich hat er auch die beiden Gipsfiguren in der Galerie ausgetauscht, nicht wahr?« »Myladys Gesamtüberblick ist mal bewundernswert«, wieder 74 �
stellte der Butler fest. »Sie übertreiben, Mr. Parker«, antwortete sie, »aber dennoch, es stimmt. Wenn ich mal einen Namen gehört habe, vergesse ich ihn nie wieder. Und wo kann ich nun dieses Kokain beschlagnahmen?« »Noch heute in Heathrow, Mylady.« »Worauf warte ich dann noch?« fragte sie und warf einen letzten Blick auf die vier Brunnenfiguren, die ihre Köpfe eingezogen hatten und sich berieseln ließen. »Falls wir in Eile sind, Mr. Parker, werde ich Ihren Wagen fahren.« »Zeit ist wirklich ausreichend vorhanden«, versicherte der Butler umgehend, »Mylady können im Fond vielleicht ein wenig meditieren.« * »Treffer auf der ganzen Linie«, sagte McWarden, Chief-Superintendent nachdem Parker ihm die Tür des altehrwürdigen Fachwerkhauses in Shepherd’s Market geöffnet hatte, »wir haben die gesamte Ladung Kokain erwischt.« »Darf man sich erlauben, Ihnen zu gratulieren, Sir?« »Na ja, aber nur in Grenzen, Mr. Parker, ich weiß sehr wohl, wem wir diesen Erfolg zu verdanken haben.« »Was haben Sie denn so an Land gezogen?« erkundigte sich Mike
Rander. Er befand sich zusammen mit Kathy Porter im Wohnraum. »Fast fünfzehn Kilo Kokain«, antwortete der Chief-Superintendent, »das macht einen Endpreis von fast dreieinhalb Millionen Pfund aus.« »Konnten Sie auch die Lieferanten und Empfänger festnehmen, Mr. McWarden?« fragte Kathy Porter. »Was da war, wurde abkassiert«, entgegnete der Yard-Mann, »aber den eigentlichen Drahtzieher im Hintergrund kennen wir leider noch nicht.« »Vielleicht bringen die Verhöre etwas«, meinte der Anwalt, »und wie sieht es mit Dinton und seiner Gang aus?« »Befindet sich hinter Schloß und Riegel«, sagte der Chief-Superintendent zufrieden, »ist Mylady nicht da?« »Mylady befindet sich im Studio und arbeitet. Mylady möchte auf keinen Fall gestört werden.« »Sie schläft also.« »So könnte man es natürlich auch ausdrücken, Sir«, räumte der Butler ein. »Ich werde ohnehin gleich wieder gehen«, redete McWarden weiter, »morgen werden die Zeitungen übrigens Fotos von den vier Brunnenfiguren draußen in Caterham bringen. Damit dürfte Dinton erledigt sein, auch wenn er mit einem blauen Auge davonkommen sollte.« 75 �
»Dies war der tiefere Sinn dieses Arrangements, Sir«, bekannte Josuah Parker, »eine Mordabsicht wird man Mr. Dinton und seinen Leuten ja ohnehin kaum nachweisen können. Aussage würde gegen Aussage stehen.« »Und was macht der eigentliche Fall?« erkundigte sich McWarden, »haben Sie schon eine Ahnung, wer der ›Sammler‹ sein könnte?« »Man ermittelt noch, Sir«, erwiderte Josuah Parker, »es gilt, einige Fragen zu klären.« »Wenn ich behilflich sein kann, bitte, verfügen Sie über mich«, bot McWarden seine Hilfe an, »es ist ja wirklich eigenartig, da sind Sie hinter einem Burschen her, der die Kunstszene stört und spielen mir einen brisanten Drogenfall samt Lösung zu.« »Eine Art Nebenprodukt, Sir, wenn man so sagen darf.« »Sie lassen Weston in Ruhe, nicht wahr?« fragte Mike Rander den Chief-Superintendent. »Wie telefonisch mit Mr. Parker vereinbart«, bestätigte McWarden und nickte nachdrücklich, »er ist wichtig für Sie, nicht wahr?« »Warten wir’s ab«, entgegnete der Anwalt, »inzwischen wissen Sie ja, daß Weston sich auf einen Stewart Mersey beruft, dem er einige Leute vermittelt haben will.« »In unserem Computer ist solch ein Mersey nicht verzeichnet«,
bedauerte der Chief-Superintendent, »hoffentlich hat Weston nicht gelogen, als er diesen Namen nannte.« »Wir werden Ihnen Bescheid sagen, wenn wir mehr wissen«, erklärte der Anwalt und begleitete McWarden hinüber zur Tür. Der Chief-Superintendent winkte noch kurz, bevor er das Haus wieder verließ. »Er schwebte auf einer Glückswolke«, meinte Rander, als er in den Wohnraum zurückkam, »und ich kann’s ihm nachfühlen. Ihr Nebenprodukt, Parker, ist wie eine Bombe eingeschlagen.« »Es hat leider etwas Zeit gekostet«, bedauerte Josuah Parker, »inzwischen durfte Mr. Weston seine Verteidigungsstellung weiter ausgebaut haben.« »Befürchten Sie nicht, daß er sich absetzt?« »Mr. Pickett hat die Observierung in seine bewährten Hände genommen, Sir. Seine Freunde sind ununterbrochen unterwegs.« »Hat Weston nun gelogen, als er den Namen Stewart Mersey nannte?« fragte Kathy Porter. »Hinter diesem Namen, Miß Porter, könnte sich eine Person verborgen halten, die man inzwischen kennt«, erwiderte der Butler, »meine Wenigkeit denkt in diesem Zusammenhang an die Namen Buysman, Sling und Rannon.« »Okay, und wen halten Sie für die76 �
sen Mersey?« wollte der Anwalt wissen. »Es gibt der Möglichkeiten leider viele, Sir«, entgegnete der Butler ausweichend, »man sollte abwarten, was Mr. Pickett ermittelt hat. Er beschäftigt sich mit dem Privatleben der Herren Buysman, Sling und Rannon. Vielleicht stehen Überraschungen ins Haus.« »Eines dürfte klar sein«, schickte Mike Rander voraus, »wer immer sich auch ›Sammler‹ nennt, Parker, er muß Kontakt zur Unterwelt haben, sonst hätte er sich nicht an Weston wenden können. Der ›Sammler‹ muß sich in der Unterweltszene auskennen.« »Könnte nicht Weston selbst der ›Sammler‹ sein?« warf Kathy Porter ein. »Geht es vielleicht doch nur um eine Erpressung der Versicherungsgesellschaften?« »Dann muß Weston sich in der Kunstszene auskennen«, meinte der Anwalt, »normalerweise dürfte er dazu keinen Zugang haben, Kathy. Er braucht also eine Person, die sich in der modernen Kunst auskennt. Womit wir dann wieder bei Buysman, Sling und Hannon angekommen sind.« »Was sagen Sie dazu, Mr. Parker?« Sollte Kathy Porter wissen. »Meine bescheidene Wenigkeit, Miß Porter, denkt kaum anders«, erwiderte Josuah Parker, »hier gibt es direkte Beziehungen, die man
aufspüren sollte.« * »Wenden Sie sich an unseren Anwalt«, sagte Marty Sling abweisend, nachdem er die Tür geöffnet und Agatha Simpson erblickt hatte. Er war so leichtsinnig, die Tür wieder schließen zu wollen. »Vielen Dank, junger Mann«, sagte die ältere Dame und schob sich mit Ihrer Fülle nachhaltig gegen das Türblatt. Marty Sling wurde zurückgeschleudert und klatschte gegen die Korridorwand. »Vielen Dank für die Einladung«, wiederholte die resolute Frau, »ich schätze Höflichkeit!« »Meine Wenigkeit erlaubt sich, dieser Betrachtungsweise zu folgen«, erklärte Josuah Parker, der im Treppenhaus zu sehen war. Er lüftete höflich seine schwarze Melone. »Ich protestiere«, empörte sich Marty Sling. »Wenden Sie sich an meinen Anwalt«, sagte die Detektivin spöttisch, »ist der große Meister zu sprechen?« »Mr. Buysman arbeitet«, erwiderte der Agent des Objektkünstlers, »er darf jetzt nicht gestört werden.« »Unsinn, junger Mann«, meinte Lady Agatha munter, »er wird sich freuen, denke ich.« »Mylady erwägen nach wie vor 77 �
den Ankauf eines Buysman-Objektes«, schaltete den Butler sich ein, während Agatha Simpson mit der Hartnäckigkeit und Energie einer Dampfwalze durch den Korridor schritt und Sling an die Wand drückte. »Wir verkaufen nicht«, ereiferte sich Marty Sling, »wir verkaufen gerade jetzt nicht! Haben Sie die Schlagzeilen gesehen? Haben Sie das Fernsehinterview verfolgt? Buysman ist wieder da! Er ist wieder die einsame Spitze der Kunstszene.« »Und warum, jünger Mann? Weil ich, Lady Simpson, Reklame für ihn gemacht habe«, behauptete die Detektivin vollmundig, »Buysman sollte mir auf den Knien danken und… O, da ist er ja!« Randolph Buysman hatte eine Tür im Hintergrund geöffnet und starrte ungläubig-irritiert auf die Lady. Dann warf er sich zurück und wollte wieder hinter der Tür verschwinden. Doch Agatha Simpson war erstaunlich schnell auf den Beinen und verhinderte dies mit einem ihrer großen Füße. Danach drückte sie das Türblatt samt Buysman zurück und betrat das Atelier, das der Mann sich eingerichtet hatte. »Ich verweigere jede Unterhaltung«, sagte Buysman, der auch hier im Atelier seine Fliegerkappe aus Leder trug. Selbstverständlich schlotterte ein Overall um seinen Körper. Seine Hände waren bunt
gefärbt. Buysman schien gerade an einem neuen Objekt zu arbeiten. »Sie sind nachtragend, Buysman«, stellte Agatha Simpson fest, »denken Sie an die Schlagzeilen, zu denen ich Ihnen verholfen habe.« »Ich brauche keine Schlagzeilen«, sagte Buysman. »Mr. Sling dürfte da erheblich anderer Meinung sein«, schaltete Josuah Parker sich ein. »Was Sling denkt, interessiert mich nicht.« Buysman wandte sich um und ging zurück zu einem rostigen Blecheimer, der auf einem Arbeitstisch stand. In diesem Eimer hatte er mit einer Blechschere, die auf der Platte lag, einige rechteckige Fenster geschnitten. »Mr. Sling hat sich aber große Sorgen gemacht, Buysman«, erklärte die altere Dame, »Sie wußten doch, wie tief Ihr Kurswert gesunken war, oder etwa nicht?« »Was interessiert mich mein Kurswert?« empörte sich Buysman und griff mit der rechten Hand in eine Schachtel mit handelsüblicher Margarine. Er zog die Finger wieder hervor und hielt eine Portion Streichmasse in der hohlen Hand. »Falls Sie werfen, junger Mann, werden Sie was erleben«, drohte die ältere Dame umgehend und ließ ihren Pompadour kreisen. »Schon gut«, sagte Buysman einlenkend, »ich weiß, wie wenig sensibel Sie sind.« 78 �
»War das gerade eine Beleidigung, Mr. Parker?« erkundigte sich die ältere Dame bei Parker. »Eine unbewiesene Behauptung, Mylady«, schränkte Parker vorsichtshalber ein. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag«, ließ Marty Sling sich vernehmen, »wir werden unsere Schadenersatzforderung zurücknehmen, Mylady. Und Sie werden unseren Weg nicht mehr kreuzen. Wir haben den Verlust der Objekte inzwischen innerlich verdaut, verstehen Sie? Wir wollen endlich wieder in aller Ruhe arbeiten können.« »Nachdem der Kurswert wieder stimmt?« provozierte Lady Agatha hartnäckig. »Ich habe mit der Zerstörung der Objekte nichts zu tun«, brüllte Marty Sling nun die Detektivin an, »denken Sie doch, was Sie wollen! Ich habe so etwas nie inszeniert. Ich käme nicht auf solche Gedanken!« »Aber Sie profitieren von dieser Objektzerstörung, junger Mann«, sagte Lady Agatha, die sich erstaunlicherweise nicht aus der Ruhe bringen ließ. »Dafür können doch wir nichts.« entgegnete Sling, der wesentlich ruhiger sprach. »Seit wann, wenn man fragen darf, kennen Sie denn Mr. Pete Weston?« fragte Josuah Parker, plötzlich das Thema wechselnd. »Weston?« Buysman wandte sich um.
»Mr. Pete Weston«, wiederholte der Butler. »Nie gehört«, erwiderte Buysman und schüttelte den Kopf, »oder doch, Marty?« »Nein und noch mal nein, wir kennen keinen Weston«, behauptete Marty Sling wütend, »du kennst einen Creston, aber der lebt in New York und hat dort eine Galerie.« »Stimmt«, bestätigte Buysman und lächelte zerstreut. »Wissen sie denn vielleicht mit dem Namen Mersey etwas anzufangen?« stellte Josuah Parker seine nächste Frage. »Nein, auch das nicht«, brüllte Marty Sling aufgebracht. Er hatte wieder die Kontrolle über sich verloren, »gehen Sie jetzt endlich! Sie können uns nichts anhängen, sehen Sie das doch endlich ein!« »Sofort, junger Mann.« Agatha Simpson trat vor den Arbeitstisch und betrachtete durch die Lorgnette den Blecheimer. Dazu schnalzte sie mit der Zunge. »Sehr eindrucksvoll«, sagte sie und blickte dann durch eines der kleinen Sichtfenster ins Innere. Sie entdeckte Fettklumpen und Löffelkekse. »Das alles sagt Ihnen nichts, wie?« fragte Buysman ironisch, »dazu fehlt es Ihnen an Phantasie.« »Das möchte ich eigentlich nicht sagen«, äußerte Agatha Simpson und richtete sich wieder auf, »ich weiß jetzt, um was es sich handelt.« 79 �
»Da bin ich aber gespannt.« »Sie basteln an einem Futterhaus für Meisen«, sagte Lady Agatha, worauf Buysman einem Schlaganfall sehr nahe kam! * »Eindeutig und auch von McWarden abgeklärt«, schickte Mike Rander voraus, »bisher ist bei keiner zuständigen Versicherung ein Erpresseranruf angekommen. Da tut sich überhaupt nichts.« Lady Agatha und Butler Parker waren in Myladys Haus zurückgekommen und konnten jetzt einen kurzen Bericht von ihrem Besuch bei Buysman und Sling liefern. »Sie waren auch bei Rannon?« fragte der Anwalt. »Nur ganz kurz«, erwiderte der Butler, »der Galeriebesitzer weiß ebenfalls nichts mit dem Namen Mersey anzufangen.« »Kommt er als Täter überhaupt in Betracht?« fragte Kathy Porter. »Kaum, Miß Porter«, entgegnete der Butler, »für ihn gibt es kein Motiv, wenn man vielleicht mal davon absieht, daß Mr. Rannon angeblich die modernen Kunstobjekte haßt, die er verkauft.« Als in diesem Moment das Telefon läutete, ging Kathy Porter an den Apparat und meldete sich. Sie hörte kurz zu und winkte dann dem Butler. Gleichzeitig schaltete sie den
Raumverstärker ein. Parker nannte seinen Namen und hörte Picketts Stimme. »Ich glaube, Mr. Parker, ich bin endlich fündig geworden«, sagte er, »ich habe einen Steward Mersey ausfindig gemacht.« »Mylady wird Ihnen die besondere Anerkennung aussprechen.« »Ein Stewart Mersey ist der Schwager von Marty Sling und wohnt in Holland. Er arbeitet dort als Kunstmaler.« »Sehr interessant, Mr. Pickett. Darf man fragen, wie Sie an diese Adresse kamen?« »Das war mehr als einfach, Mr. Parker. Man schämt sich eigentlich, es zu sagen.« »Sie sollten Ihre Scham zu überwinden versuchen.« »Nun, ein Bekannter von mir hat sich, sagen wir mal, Slings Brieftasche ausgeliehen, aber wirklich nur für ein paar Minuten. Verschwunden ist nichts, dafür übernehme ich jede Garantie.« »Sie wird für Mylady bindend sein, Mr. Pickett.« »In dieser Brieftasche waren einige alte und neue Einzahlungsquittungen für Mersey«, redete Horace Pickett weiter, »Sling hat seinem Schwager jeweils fünfhundert Pfund überwiesen. Wollen Sie dazu Einzelheiten wissen?« »Das wird im Augenblick nicht nötig sein«, entgegnete der Butler, 80 �
»an dieser Stelle möchte meine Wenigkeit Ihnen aber bereits sagen, daß Sie Mylady einen unschätzbaren Dienst geleistet haben.« »Ich wußte es doch gleich«, sagte die Detektivin nachdem Parker aufgelegt hatte. Triumph stand in ihrem Gesicht. »Ich habe es von Anfang an gewußt! Sling ist der Mann, der als ›Sammler‹ aufgetreten ist und der die Objekte zerstört hat.« »Damit dürfte ja alles klar sein«, fand Mike Rander, »Sling hat das alles aufgezogen, um Buysman und damit auch sich wieder ins große Geschäft zu bringen. Verdammt einfach, wenn man’s weiß!« »Ich werde sofort zu diesem Sling zurückfahren«, sagte die ältere Dame unternehmungslustig. »Eine Fahrt, die sich in der Tat lohnen wird, Mylady«, urteilte der Butler, »Mr. Sling wird dann auch wohl erklären müssen, auf welche Art er mit Mr. Westen in Verbindung treten konnte.« Das Telefon meldete sich erneut. Diesmal war der Butler am Apparat, hob ab und meldete sich. »Mr. Buysman?« fragte er höflich. »Sling ist eben weggefahren«, sagte Buysman leise und eindringlich, »hören Sie, Sie hatten mich doch nach einem Mersey gefragt, nicht wahr? Ich kenne ihn, das heißt, ich kenne einen Mann, der Steward Mersey heißt. Und wollen Sie wis-
sen, wer das ist?« »Eine gewisse Neugier kann meine Wenigkeit nicht verhehlen«, antwortete Josuah Parker. »Steward Mersey ist Slings Schwager und wohnt in Amsterdam. Er ist dort Kunstmaler und kopiert eigentlich nur alte Meister. Eine stupide Tätigkeit, denke ich.« »Darf man fragen, wohin Mr. Sling gefahren ist?« »Er wird gleich wieder hier sein, so in einer halben Stunde, denke ich. Er wollte eine Kleinigkeit essen. Soll ich ihm etwas ausrichten?« »Vielleicht später, wenn Mylady und meine Wenigkeit eingetroffen sind«, schlug Josuah Parker vor, »darf man Sie bitten, von diesem Gespräch vorerst nichts zu erwähnen?« »Abgemacht«, sagte Buysman, der sofort auflegte. »Was sage ich dazu?« fragte Parkers Herrin und sah ihren Butler an. »Mylady erwägen sicher, sich ein wenig zu wundern«, antwortete der Butler. »Das erwäge ich tatsächlich«, stimmte sie zu, »jetzt werde ich die Falle zuschnappen lassen…« * »Wer weiß, daß Sie hier sind?« erkundigte sich Buysman, nachdem er die Wohnungstür geöffnet hatte. 81 �
Er warf einen schnellen Blick ins Treppenhaus. »Wem sollten wir von diesem Besuch etwas gesagt haben?« fragte die ältere Dame. »Kommen Sie herein«, sagte Buysman. Er wartete, bis Lady Simpson und Parker im Korridor standen und schloß dann die Tür. Er ging voraus in sein Atelier und deutete auf einen Pappkarton, der auf dem Arbeitstisch stand. »Ich werde Ihnen etwas zeigen, worüber Sie sich wundern werden«, meinte er geheimnisvoll. Buysman griff in den Karton und präsentierte seinen Besuchern eine Automatik mit Schalldämpfer. »Sie sind demnach der sogenannte ›Sammler‹, Mr. Buysman?« fragte Josuah Parker, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Sie hielten Sling dafür, nicht wahr?« Buysman richtete die Waffe auf Agatha Simpson. »Wenn Sie sich auch nur andeutungsweise rühren, Parker, werde ich die Lady niederschießen.« »Sie haben Merseys Namen quasi mißbraucht, Mr. Buysman?« stellte der Butler seine nächste Frage. »Wenn schon«, entgegnete der Objektkünstler, »ich mußte Weston ja irgendeinen Namen nennen. Und da fiel mir Slings Schwager ein.« »Sie kennen Westen von früher her, junger Mann?« wollte die Detektivin wissen.
»Ob Sie’s glauben oder nicht, wir waren Nachbarskinder, unten in Brixton«, erzählte Buysman, »aber das alles spielt keine Rolle mehr. Ich habe es geschafft und den Banausen gezeigt, wer ich wirklich bin. Sie müssen begreifen, daß ich der Größte bin.« »Sie haben mit Mr. Weston zusammengearbeitet? Er wußte, daß Sie als Mersey mit ihm sprachen?« »Bin ich verrückt?« Buysman lachte spöttisch. »Weston hätte mich doch dann unter Druck gesetzt und angezapft. Ich weiß doch, wer er ist und womit er sein Geld macht. Nein, nein, er kennt nur Mersey.« »Aber auch Mr. Sling dürfte gewisse Zusammenhänge entdeckt haben«, sagte der Butler, »darf man übrigens fragen, wo er sich befindet?« »Im Nebenzimmer. Und er wird Sie gleich niederschießen… Geht Ihnen ein Licht auf?« »Soll das heißen, junger Mann, daß Ihr Agent nicht eingeweiht war?« staunte die ältere Dame. »Sling hatte keine Ahnung«, entgegnete Buysman und lachte wie ein fröhliches Kind, »er hat mir aber Tag und Nacht in den Ohren gelegen, er hat mir ununterbrochen gesagt, daß mein Kurswert absackt. Konnte ich das zulassen? Unmöglich! Ich weiß, was ich bin und was ich wert bin. Ein Buysman ist einmalig.« »Sie haben die beiden Gipsfiguren 82 �
in Mr. Rannons Atelier ausgetauscht?« fragte Josuah Parker. »Selbstverständlich, Parker! Sie sollten warten, bis meine Objekte eintrafen, dann sollten sie sie zerstören!« »Sie dachten dabei selbstverständlich auch an die Versicherungssumme, Mr. Buysman?« »Auch das, doch darauf kam’s mir nur in zweiter Linie an, Parker. Ich wollte meine Stellung in der Kunstszene wiederherstellen. Ich bin die Nummer Eins! Glauben Sie mir, das Geld interessiert mich erst in zweiter Linie…« »Und nun planen Sie einen Doppel-Mord, junger Mann?« wollte die Detektivin wissen. »Weil Sie zu neugierig waren«, gab Buysman zurück, »Sie würden ja doch es an die große Glocke hängen. Verdammt, warum sind so zwei Ignoranten wie Sie nur in Rannons Galerie gegangen? Warum haben Sie, verdammt, mit Ihrer Hutnadel zugestochen? Sonst wäre alles ganz anders gekommen, aber jetzt muß ich mich einfach wehren.« »Sie planen auch Mr. Slings Ermordung?« tippte der Butler an. »Sie werden ihn mit Ihrem Schirmgriff zusammenschlagen und töten«, setzte Buysman auseinander, »wenn die Polizei hier erscheint, wird sie drei Leichen vorfinden. Und Sling wird der Schuldige sein.« »Sie zeigen wenig Dankbarkeit,
was Mr. Sling betrifft.« »Zum Teufel mit Sling. Er hat mir doch nie Ruhe gegönnt! Immer wider mußte ich neue Objekte produzieren. Ihm ging es nur um seine Prozente. Es war nicht mehr zu ertragen. Früher, oder später hätte ich ihn so oder so umgebracht.« »Mr. Sling scheint einiges dagegen zu haben«, sagte Butler Parker und deutete mit seiner Schirmspitze auf die Nebentür. Es handelte sich um einen einfachen und auch alten Trick der Ablenkung, der aber hier voll seine Wirkung tat. Buysman wandte sich zur Seite und… brüllte dann, als Lady Simpsons Pompadour seinen Kopf traf. Bevor der Objektkünstler seine Waffe herumreißen konnte, schlug Parker mit dem Regenschirm zu. Buysman verlor sofort die Nerven, tobte und ging zum Gegenangriff über. Dabei übersah er Mike Rander und Kathy Porter, die inzwischen die Wohnung und nun auch das Atelier betreten hatten. Sie waren natürlich mitgekommen, um zeitversetzt auf der Szene zu erscheinen. Buysman war wie von Sinnen. Agatha Simpson bückte sich ein wenig zu spät, als der große Meister ein Wurfgeschoß aus seiner rechten Hand entließ. Ein Margarineklumpen klatschte in Myladys Gesicht, die daraufhin ärgerlich wurde und Buysman attackierte. Der Künstler zog sich hinter den 83 �
Arbeitstisch zurück und bombardierte den Butler mit Löffelkeksen und Gelatine, die Buysman aus einer alten Waschschüssel holte. Im Gegensatz zu der resoluten Lady konnte Parker diesen seltsamen Wurfgeschossen entgehen, und Mike Rander hatte die einmalige Chance, ein Gelatineobjekt des Künstlers zu kosten. Lady Agatha beendete die recht seltsame Konversation. Sie hatte den Pappkarton mit der Margarine an sich gerissen und… stülpte ihn über Buysmans Kopf, der sich gerade erneut auf den Butler stürzen wollte. Josuah Parker klopfte mit dem bleigefüllten Bambusgriff seines Universal-Regenschirmes auf den
Boden des Pappkartons und trieb die Fettmasse somit tief ins Gesicht des Meisters. Buysman ging in die Knie, setzte sich und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. »Ein neues Kunstwerk«, sagte die ältere Dame, während Rander sich die bunte Gelatine aus dem Gesicht wischte, »haben Sie einen Titel dafür, Mr. Parker?« »Wären Mylady damit einverstanden, dieses Objekt ›Der Rest ist Schweigen‹ zu nennen?« fragte der Butler. Dann schnipste er sich mit zwei Fingern einen halben Löffelkeks von der Schulter und deutete eine knappe Verbeugung an, als Agatha Simpson zustimmend, aber nur andeutungsweise applaudierte.
ENDE
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