Rüdiger Arnzen Platonische Ideen in der arabischen Philosophie
Scientia Graeco-Arabica herausgegeben von Marwan Rashed
Band 6
De Gruyter
Platonische Ideen in der arabischen Philosophie Texte und Materialien zur Begriffsgeschichte von søuwar afla¯øtu¯niyya und muthul afla¯øtu¯niyya von
Rüdiger Arnzen
De Gruyter
ISBN 978-3-11-025981-0 e-ISBN 978-3-11-025982-7 ISSN 1868-7172 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Arnzen, Rüdiger. Platonische Ideen in der arabischen Philosophie : Texte und Materialien zur Begriffsgeschichte von suwar aflatuniyya und muthul aflatuniyya / Rüdiger Arnzen. p. cm. ⫺ (Scientia Graeco-Arabica) Includes bibliographical references (p. ) and indexes. ISBN 978-3-11-025981-0 (hardcover : alk. paper) 1. Islamic philosophy ⫺ Greek influences. 2. Form (Philosophy) ⫺ History. 3. Plato. I. Title. B744.3.A76 2011 1811.92⫺dc23 2011017048
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 2011 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ⬁ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Vor wor t Dieses Buch wendet sich zum einen an Philosophen und Philosophiehistoriker, deren Interesse an der Rezeption und Transformation der Platonischen Ideenlehre über die Grenzen der westlichen oder europäischen Philosophiegeschichte hinausreicht und prinzipiell andere als die aus der westlichen Philosophiegeschichte bekannten Diskursinhalte und –strukturen zulässt, zum anderen an Arabisten, Islamwissenschaftler und Iranisten, die sich im Rahmen ihrer Beschäftigung mit der islamischen Kultur- und Geistesgeschichte einen Einblick in Bedeutung, Herkunft und Geschichte der Begriffe Υuwar aflĂίŧniyya, muthul aflĂίŧniyya, Υuwar/muthul muצallaqa oder צĂlam al-mithĂl und die mit diesen Konzepten verbundenen Lehren verschaffen möchten. Der Einfluss und die Adaptation dieser Begrifflichkeit reichen weit in die islamische Theologie und Mystik hinein, wurzeln aber in der rationalistischen philosophischen Auseinandersetzung mit dem hellenistischen Erbe. Im Zentrum der Studie stehen daher sowohl die philosophische graeco-arabische Übersetzungsliteratur des 9. und 10. Jahrhunderts als auch und vor allem die eigenständigen arabischen und persischen philosophischen Schriften aus den folgenden Jahrhunderten. Begriffsgeschichte erfordert die Bereitschaft zu einer (gelegentlich mühsamen) Detailarbeit am Text. Angesichts der Forschungslage schien es zweckmäßig, möglichst häufig die arabisch und persisch schreibenden Philosophen selbst zu Wort kommen zu lassen und eine textorientierte Annäherung an die genannten Konzepte zu suchen. Im Wesentlichen bin ich dabei chronologisch vorgegangen, musste aber aus Zeitgründen auf eine historische Kontextualisierung der einzelnen Autoren, ihrer Schulen und ihrer Einbindung in die jeweiligen kulturellen und sozialen Parameter der verschiedenen islamischen Epochen und Gesellschaften verzichten. Der erste Teil des Buchs gibt, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, einen Überblick über unterschiedliche Konzeptionen von „Platonischen Ideen“ und „abgetrennten Formen“ in arabischen und persischen Werken aus der Zeit vom neunten bis zum siebzehnten Jahrhundert. Zu diesem Zweck habe ich zahlreiche Textexzerpte zu-
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Vorwort
sammengestellt und untersucht, ob der Fülle des Materials aber häufig die betreffenden Theorien und Konzeptionen auch bloß resümiert. Um eine hinreichende Falsifizierbarkeit zu gewährleisten, wie auch zum Zwecke einer vertiefenden Lektüre, sind alle Abschnitte reichhaltig durch Verweise auf die relevanten Texteditionen annotiert. Im zweiten Teil (Appendices I-III) findet der Leser drei erstmals in eine „europäische“ Sprache übertragene Texte aus dem elften, vierzehnten und siebzehnten Jahrhundert, die das Thema „Platonische Formen“ in einer für die jeweilige Epoche paradigmatischen Weise erörtern und damit Einblicke in bestimmte Phasen der problemgeschichtlichen Entwicklung gewähren. (Alle folgenden Übersetzungen aus dem Arabischen und aus dem Persischen stammen, sofern nicht anders angegeben, von mir.) Es ist mir eine Freude, mich an dieser Stelle herzlich bei Dr. Elvira Wakelnig zu bedanken, die fast alle Teile des Manuskripts sorgfältig durchgesehen und mich durch zahlreiche kritische Bemerkungen und Fragen zu Ergänzungen, neuerlichen Betrachtungen und Revisionen veranlasst hat. Für die Arbeit an den arabischen Neoplatonica erhielt ich viele wertvolle Hinweise und Anregungen von Dr. Cristina D’Ancona. Professor Dr. Marwan Rashed war so freundlich, mich auf die Relevanz von Ibn S֬n֡s RisĂlat ba ͏צal-afĂ͏il ilĂ צulamĂ ץmadĮnat al-salĂm aufmerksam zu machen und eine vollständige Übersetzung der Schrift anzuregen. Die syrische Tradition hätte ich ohne die kenntnisreiche Hilfe von Dr. Yury Arzhanov nicht berücksichtigen können. Professor Dr. Dimitri Gutas hat die Arbeit unterstützt, indem er mir seinen exzellenten Beitrag über „Plato Arabus“ für den Dictionnaire des philosophes antiques (CNRS) lange vor der Publikation zur Verfügung gestellt hat. Des Weiteren waren Professor Dr. Heidrun Eichner und Dr. Firouzeh Saatchian bei der Beschaffung von Handschriftenkopien behilflich. All diesen Freunden und Kollegen, ohne deren Unterstützung dieses Buch nicht entstanden wäre, schulde ich aufrichtigen Dank. Des Weiteren möchte ich hier meiner Dankbarkeit gegenüber der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die diese Studie finanziert hat, wie auch meinem damit verbundenen Verantwortungsbewusstsein Ausdruck verleihen. Professor M. Rashed schließlich gilt mein Dank für die Aufnahme der Arbeit in die von ihm herausgegebene Reihe Scientia Graeco-Arabica. Essen, im Februar 2011
R. A.
Inh a l ts v er z e ich n is Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Platonische Formen und Urbilder in der arabischen Philosophie vor al-SuhrawardÁ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aristoteles’ Kritik der Ideenlehre in den arabischen 12 Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Plotinus Arabus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 42 4. Proclus Arabus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 5. Die Doxographie des pseudo-Ammonius . . . . . . . . . . 6. Al-FrbÁ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 7. (Ps.-?)al-FrbÁ, „Kitb al-Jam bayna raΊyay al-ԉakÁmayn“ . . 67 8. Yaԉy ibn AdÁ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 75 9. Ikhwn al-דafΊ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 10. Ibn SÁn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Ibn al-Շayyib . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 12. Platonische Formen in der Sicht einiger Schüler und Kritiker Ibn SÁns im 11. und 12. Jahrhundert . . . . . . . 106 II. Platonische Formen und Urbilder in der Philosophie Shihb al-DÁn al-SuhrawardÁs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Platonische Formen und Urbilder in einigen Werken der arabischen und persischen Philosophie des 13. und 14. Jh.s . . 151 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Ibn Kammʗna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Shams al-DÁn al-ShahrazʗrÁ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
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Inhaltsverzeichnis
4. QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5. Die anonyme “Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder” . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 IV. Kursorische Beobachtungen zu Platonischen Formen und Urbildern in der arabischen Philosophie des 15.-17. Jh.s . . . . 185 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ibn Turka und al-DawwnÁ . . . . . . . . . 3. Muԉammad Bqir al-Dmd (MÁr Dmd) 4. דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ (Mull דadr) . . . .
. . . .
. . . . . . . . . . . . ....... . . . . . .
. . . .
. . . .
185 186 192 203
Appendix I: Deutsche Übersetzung der anonymen RisĂla fĮ lmuthul al-צaqliyya al-aflĂίŧniyya („Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder“) . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Appendix II: Deutsche Übersetzung von Ibn SÁns RisĂlat ba͏צ al-afĂ͏il ilĂ צulamĂ ץmadĮnat al-salĂm („Brief eines tugendhaften Mannes an die Gelehrten Baghdds“) . . . . . . . . . . .
355
Appendix III: Deutsche Übersetzung von דadr al-DÁn alShÁrzÁ, al-ͦikma al-mutaצĂliya fĮ l-asfĂr al-צaqliyya alarbaצa, Maslak I: Marԉala 4, Faהl 9 („Verifikation der Platonischen Formen und Urbilder“) . . . . . . . . . . . . . . . 371 Appendix IV: Ibn Kammʗnas al-JadĮd fĮ l-ͧikma — eine Quelle für al-ShahrazʗrÁs al-Shajara al-ilĂhiyya ? . . . . . . . . . . . .
407
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Index der Personen- und Ortsnamen . . . . . . . . . . . . . . 431 Index ausgewählter Begriffe und Dinge . . . . . . . . . . . . . . 437 Index der Textstellen antiker und mittelalterlicher Schriften . . . 450 Index der Handschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463
Kapitel I Platonische Formen und Urbilder in der arabischen Philosophie vor al-SuhrawardÁ 1. Einleitung Seit ihrer Entstehung bis in die Neuzeit zählt die platonische Ideenlehre zu den großen Themen und Problemen der an die griechische Antike anknüpfenden philosophischen Systeme. Mit der Disziplin der Ideengeschichte teilt sie sich die Idee der Idee, und wie diese setzt ihre sinnvolle Untersuchung die Wandelbarkeit und historische Kontextualität der Idee voraus. Wäre die Idee der Platonischen Idee eine „Platonische Idee“ —unwandelbar, ewig, von absoluter Wahrheit und höchstem Erkenntnisgehalt, allem veränderlichen Meinen und Vermuten entzogen— könnten ihre Geschichte und Rezeption keinen sinnvollen Gegenstand philosophiegeschichtlicher Forschung bilden. Sind es doch gerade ihre Metamorphosen, die ihr geschlagenen Wunden, ihr Altern, ihre Tode und ihre Wiedergeburten, die die platonische Ideenlehre in ihrer Undeutlichkeit und durch die Vielzahl der von ihr aufgeworfenen Aporien bis heute am Leben gehalten haben. Die arabisch schreibenden Philosophen in Baghdad oder Aleppo vor eintausend Jahren waren nicht weniger sicher zu wissen, was mit Platonischen Ideen gemeint ist, als die Vertreter der analytischen Philosophie, des deutschen Idealismus oder die Neuplatoniker im Rom des Kaisers Valerian; und doch könnten die Ansichten dieser Schulen und Traditionen kaum weiter von einander entfernt sein. Gegenstand der folgenden Untersuchung sind einige dieser Ansichten und ihre Genese, weder die wahre Lehre Platons von den Ideen, noch die Frage, inwieweit diese Ansichten mit heute gültigen Konzeptionen
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
der Ideenlehre harmonieren oder nicht 1 . Dieses Buch ist aber keine systematische Problemgeschichte. Für eine solche müssten wissenssoziologische und philologische Voraussetzungen erfüllt sein, die weit über den gegenwärtigen Stand der philosophiegeschichtlichen Erschließung der relevanten arabischen und persischen Texte hinausgehen. Im Zentrum steht weniger eine bestimmte wissenschaftliche These 2 als vielmehr die schlichte, selektive Materialsammlung und die textorientierte, deskriptive Sichtung und Aneignung des Materials. Das Ergebnis ist eine relativ unausgewogene, mit Korollarien reich gespickte Begriffsgeschichte der beiden arabischen Termini, die über mehrere Jahrhunderte hinweg die Rezeptionsgeschichte prägten und zugleich als kontinuierlicher Anknüpfungspunkt für eigenständige Transformationen dienten: Υuwar aflĂίŧniyya („Platonische Formen/Ideen“) und muthul aflĂίŧniyya („Platonische Urbilder“). Schon die formale Konstitution dieser Begriffe stellt ein Unikum in der arabischen Philosophie dar. Vergleichbare arabische Begriffsbildungen zentraler philosophischer Konzepte in Verbindung mit einer 1
Diese Frage übersteigt nicht nur den Rahmen der vorliegenden Arbeit, sondern auch meine philosophische Kompetenz. Zur Einführung seien aus der Fülle kontroverser Untersuchungen folgende Monographien genannt, auf die im Folgenden hier und dort Bezug genommen wird: Paul Natorp, Platos Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus. Zweite, durchgesehene und um einen metakritischen Anhang vermehrte Ausgabe. Leipzig 1921; David Ross, Plato’s Theory of Ideas. Oxford 1951; John Malcolm, Plato on the Self-predication of Forms. Early and Middle Dialogues. Oxford 1991; Gail Fine, On Ideas. Aristotle’s Criticism of Plato’s Theory of Forms. Oxford 1993; Benedikt Strobel, »Dieses« und »So etwas«. Zur ontologischen Klassifikation platonischer Formen. Göttingen 2007. Für weitere Literatur vgl. die Bibliographien in G. Fine (ed.), Plato 1: Metaphysics and Epistemology. Oxford 1999, und C. Horn, J. Müller, J. Söder (eds.), Platon-Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Stuttgart: J.B. Metzler, 2009.
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Allenfalls artikuliere ich implizit eine Antithese: Unter der (freilich nicht unproblematischen) Voraussetzung, dass Platons Ideenlehre fundamental für die platonische Ontologie oder Metaphysik ist, behaupte ich, dass die These Richard Walzers, der zufolge „all the Arabic philosophers were Platonists qua metaphysicians, though by no means all in the same way“, entweder nicht wahr oder bedeutungslos ist; ersteres im Fall eines „klassischen“ Verständnisses des Begriffs „Platonist“, letzteres, wenn „Platonist“ in dieser Aussage für das steht, was die arabisch schreibenden Philosophen für „Platonisch“ —AflĂίŧnĮ— hielten (cf. R. Walzer, „Platonism in Islamic Philosophy“, in R. Walzer, Greek into Arabic: Essays on Islamic Philosophy. London: Bruno Cassirer Publishers, 1962, p. 238).
1. Einleitung
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adjektivischen Ableitung ihres (vermeintlichen oder realen) antiken griechischen Urhebers sind meines Wissens nicht bekannt. Dass andere, nicht weniger fundamentale Begriffe der arabischen Philosophie nicht in vergleichbarer Weise ausgezeichnet wurden, obwohl ihr hellenistischer Ursprung bekannt und in vielen Fällen mit bestimmten griechischen Autoritäten assoziiert wurde, lässt vermuten, dass die mit den Begriffen Υuwar aflĂίŧniyya und muthul aflĂίŧniyya verknüpften Konzepte entweder in gewisser Weise als ein Fremdkörper oder Sonderfall in dem Prozess der arabischen Assimilation und Transformation des hellenistischen Erbes empfunden wurden oder aber mit ihrer Verwendung eine solche hellenistische Tradition bewusst suggeriert werden sollte. Dies muss nicht notwendig bedeuten, dass sich diese Begriffe einer kohärenten Einpassung in die Adaption und Systematisierung der dominierenden aristotelischen und neuplatonischen Lehren entzogen. Die Auszeichnung durch das Epitheton „Platonisch“ kann dem arabisch schreibenden Philosophen, der von Platon immerhin als dem „Göttlichen Platon“ spricht, durchaus auch als Aufwertung, Adelung und Autorisierung gegolten haben. Eine gewisse Eigendynamik entwickelt sie in der arabischen Philosophie allein dadurch, dass deren Entwicklung von Anfang an durch das Spannungsfeld von platonischneuplatonischen und aristotelischen Lehren bestimmt ist und die großen systematischen und mit islamischen Lehren kompatiblen Harmonisierungsversuche von ihren Kritikern stets als aristotelisch geprägt empfunden wurden. Platonische Ideen waren somit auf der einen Seite in irgendeiner Form notwendiger Bestandteil der Harmonisierungsentwürfe, auf der anderen Seite ein willkommenes Instrument, um eben diese zu kritisieren. Dieses Phänomen ist jedoch nicht genuin arabisch-islamisch, sondern bereits in der spätantiken griechischen Philosophie virulent. Um ein genuin arabisch-islamisches Phänomen dürfte es sich hingegen bei dem Paradoxon handeln, welches der enorme Erfolg der „Platonischen Urbilder“ (und der hieran anknüpfenden Theorie gewisser „herabhängender“ Ur- oder Abbilder der Vorstellung) angesichts des Umstands darstellt, dass den darüber streitenden arabisch schreibenden (und des Griechischen unkundigen) Philosophen vermutlich kein einziger platonischer Dialog in einer integralen Übersetzung
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
zugänglich war. Zwar kursierten in der mittelalterlichen arabischen Literatur diverse Werkverzeichnisse und platonische Vitae, die unter anderem auf den Berichten von Theon von Smyrna, Pseudo-Plutarch und Porphyrius basierten, doch war es weniger der Verfasser der Dialoge als vielmehr der Platon der spätantiken Gnomologien, Doxographien und moralischen Erbauungsliteratur und der pseudepigraphische Platon der okkulten und neupythagoreischen Wissenschaften, der Eingang in die arabische Philosophie fand und dort ein pseudophilosophisches Dasein fristete 3 . Während die arabischen Bibliographien und Werklisten davon zeugen, dass das gesamte platonische Œuvre durch Adaptionen der „klassischen“ griechischen Berichte (Thrasyllus, Theon von Smyrna, Galen, etc.) präsent war und alle Werke zumindest ihrem Titel und Hauptgegenstand nach bekannt waren, sind unsere Kenntnisse über die tatsächliche Überlieferung einzelner Dialoge sporadisch und widersprüchlich. So berichten einige Bibliographen von Übersetzungen der Dialoge Leges, Res publica, Sophistes und Timaeus, doch lassen die erhaltenen Fragmente eher darauf schließen, dass es sich hierbei nicht um integrale Übersetzungen, sondern um Paraphrasen oder doxographische Summarien gehandelt hat. Andererseits sind Fragmente von Dialogen erhalten, deren arabische Übersetzung nirgends erwähnt wird (z.B. Criton, Menon, etc.). Immerhin verfügen wir über die relativ sichere Information, dass arabische Versionen der griechisch nicht erhaltenen Summarien Galens von den Dialogen Cratylus, Euthydemus, Leges, Politicus, Parmenides, Res publica, Sophistes, und Timaeus vorlagen 4 . Es spricht jedoch für sich, dass die gesamte Tradition arabischer und persischer Erörterungen und Theorien Platonischer Formen und Platonischer Urbilder keinen einzigen Verweis auf diese Schriften oder irgendeinen anderen platonischen Dialog enthält. Τuwar aflĂίŧniyya sind also durchaus nicht in dem Sinne „Platonisch“ als ihre Grundlegung 3
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Cf. Dimitri Gutas, “Platon. Tradition arabe”, in Richard Goulet (ed.) Dictionnaire des philosophes antiques. Vol. 5. Paris: CNRS Éditions (in Vorbereitung). Vgl. auch Rüdiger Arnzen, “Arabisches Mittelalter”, in Horn, Müller, Söder (eds.) Platon-Handbuch, pp. 439-446 und die dort angeführte Literatur. Cf. Gutas, “Platon. Tradition arabe”. Von diesen Schriften ist lediglich die Epitome des Timaeus erhalten, die auf eindrucksvolle Weise davon zeugt, dass Galen an der platonischen Ideenlehre kein Interesse hatte.
1. Einleitung
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mit irgendeinem doktrinal relevanten Textabschnitt eines platonischen Dialogs verknüpft oder aus diesem hergeleitet würde. Die hier zusammengetragenen Materialien sollen einen Beitrag zu der Frage leisten, wie dennoch eine solche Tradition entstehen und über Jahrhunderte fortwirken konnte Ô im 14. Jahrhundert entstand sogar eine (anonyme) Monographie über die Platonischen Urbilder (cf. APPENDIX I) Ô und wie derartige Konzepte, wenn nicht mit genuin platonischen Lehren, doktrinal gefüllt wurden. Dabei beschränke ich mich auf die Entwicklung in den östlichen Teilen der „arabischislamischen Welt“ und lasse den andalusischen Zweig der Tradition außer Betracht, der in der Konzeption Platonischer Formen im Anschluss an Ibn SÁn, al-SuhrawardÁ und deren Kommentatoren im Osten keine Rolle spielte. Die mittelalterliche arabische Philosophie hat keinen Terminus technicus geprägt, welcher als spezifisches Äquivalent des platonischen Begriffs der Idee (ŵǷȚл) selbst dient. In der griechisch-arabischen Übersetzungsliteratur wird „ŵǷȚл“ meistens durch Υŧra („Form“, „Gestalt“, „Art und Weise“) wiedergegeben, dies allerdings auch in solchen Textzusammenhängen, in welchen „ŵǷȚл“ in nichtspezifischer Redeweise in der Bedeutung „Aussehen“, „Erscheinung“ in Anwendung kommt 5 , also nicht im Sinne des philosophischen Terminus Idee, der gerade dadurch charakterisiert ist, nicht eine veränderliche „Erscheinung“, sondern etwas Unveränderliches zu bezeichnen, das der sinnlichen Wahrnehmung nicht zugänglich ist. Die wenigen erhaltenen Fragmente arabischer Platon-Übersetzungen oder Platon-Paraphrasen enthalten kaum Textstellen, in welchen Platon von Ideen spricht oder das Wort ŵǷȚл benutzt. Der einzige Dialog, der die Ideen-Lehre als solche thematisiert, Parmenides, war, wenn überhaupt, allenfalls in einer arabischen Bearbeitung der Synopse Galens bekannt 6 . Lediglich in einem Fragment der Politeia sind zwei Belege für die Wiedergabe von „ŵǷȚл“ durch Υŧra nachzuweisen: 5
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Cf. M. Ullmann, WGAÜ, p. 304f., außerdem die Wiedergabe der (selten belegten) Formulierung „ɐțɉ ɌɇǸȞɏɐнɉ ŵǷūлɉ“, Platon, Timaios 40 a 2, in der Bedeutung „größtenteils“ durch aktharu mĂ fĮ l-Υŧra („das meiste, was zu der Form/Art gehört“), Galeni Compendium Timaei Platonis, ed. P. Kraus, R. Walzer, p. ́, l. 14. Textzeugnisse einer solchen Bearbeitung sind jedoch nicht bekannt. In der Forschungsliteratur werden zudem einige dogmatische Parallelen zwischen den arabischen Plotiniana und einem anonym überlieferten, möglicherweise von
I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
6 Plato, Res publica
Al-IsfizrÁ, MasĂץil alumŧr al-ilĂhiyya 7
Übers. aus dem Arabischen D. C. Reisman7
Śлȝ ɐ Ɉșɉ Ƿț žɍ۬ɏǺлŭ ɒлɈǸɉ, ɉɋǸƇɏǺлů Ƿ' ɋȍ, ɐɎ Ƿ' лȏ ѭ̅˾̂̓ ɉɋǸƇɏǺлů Ɉūɉ, žɍ۬ɏǺлů Ƿ' ɋȍ. (507 b 9-10)
Wa-hdhihÁ ashyΊu naqʗlu innah tubהaru iynan wa-l naqʗlu innah tutawahhamu waamm l-Υuwaru fa-naqʗlu fÁh innah mimm yuԉÁՈu bih l-tawahhumu wa-amm an tubהara fa-l (p. 286, l. 17f.)
These things we say are seen with the eyes and we do not say that they are thought, while about the Forms we say that they are encompassed by thought but as for seen, then no. (p. 297, l. 4-87)
ţɋɀɐɋ ɐɋŭɉɑɉ ɐȟ ɐțɉ ەɇŬǺǸůлɉ Ɍлɍūɓɋɉ ɐɋƇɎ мůмɉɕɏоɋɈūɉɋůɎ олȝ ɐɆ мůмɉŴɏоɋɉɐů ɐțɉ ǷųɉлɈůɉ ەɌɋǷůǷȟɉ ɐțɉ ɐɋɀ ەмлǺɋɀ ѭ̅˾̂̎ ɒŪǺů ǸŻɉлů۰ (508 e 1-3)
Wa-hdh l-shayΊu lladhÁ huwa yuՈÁ l-ԉaqqa li-lashyΊi llatÁ yudrikuh lmarifatu wa-yuՈÁ הԉiba l-marifati quwwatahʗ qÁla innahʗ Υŧratu l-khayri. (p. 291, l. 1-3)
This thing that gives the truth to the things apprehended by knowledge and that gives its power to the one who possesses the knowledge is said to be the Form of the good. (p. 299, l. 1821)
Weitere frühe Belege für diese Entsprechung sind in der aus dem 9. Jahrhundert stammenden Übersetzung von Pseudo-Plutarchs Placita philosophorum oder Doxographi graeci zu finden. Freilich begegnet uns dort eine bis zur Unkenntlichkeit vereinfachte und mittelplatonisch und stoisch überformte Darstellung der Lehren Platons, wie aus folgenden Beispielen deutlich wird, in welchen Υŧra übrigens auch zur Wiedergabe von ɈɋɍɒŬ (in dem Kompositum ۙɈɋɍɒɋɎ) vorkommt:
7
Porphyrius stammenden Parmenides-Kommentar diskutiert (cf. P. Adamson, The Arabic Plotinus, pp. 20, 102-106, und die dort angeführten Publikationen). Es existieren jedoch weder bibliographische Zeugnisse noch überzeugende Argumente für eine arabische Überlieferung dieses Kommentars. Die folgenden Zitate entnehme ich der Textedition und Übersetzung von David C. Reisman, „Plato’s Republic in Arabic: A Newly Discovered Passage,“ Arabic Sciences and Philosophy 14 (2004): 263-300 (Übersetzung geringfügig modifiziert).
1. Einleitung
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Ps.-Plutarch, Placita philosophorum
KitĂb Flŧίarkhus fĮ l- Übers. aus dem ArabiĂrĂ ץal-ίabĮצiyya 8 schen H. Daiber8
ŢɕоɍŪɐнɎ [...] олȝ ŠɇŪɐɕɉ [...] (лŶ мɍ лȉɐлȝ ɌǸɍȝ ɌлɉɐȟɎ Ǽолɐūɍɋɑ ǷŲɊлů) ɐɍǸƇɎ ەɍɓŪɎ, ɐȟɉ ǺǸȟɉ ɐțɉ Ȏɇнɉ ɐțɉ ѭ̅˾̂̎. ǿɏɐů Ƿș ž ǺǸȟɎ ž ɉɋɀɎ <ɐɋɀ оŲɏɈɋɑ>, Ȏɇн Ƿș ɐȟ ȊɌɋоǸŭɈǸɉɋɉ ɌɍɅɐɋɉ мǸɉūɏǸů олȝ ɒǺɋɍۭ, ѭ̅˾̂ Ƿ' ɋȉɏŭл ەɏŴɈлɐɋɎ ǻɉ ɐɋƇɎ ɉɋŬɈлɏů олȝ ɐлƇɎ ɒлɉɐлɏŭлůɎ ɐɋɀ ǺǸɋɀ (Stephanus p. 878b16)
Wa-amm SuqrՈ [...] wa-AflՈʗn [...] fa-inna raΊyahum fÁ jamÁi lashyΊi raΊyun wԉidun wa-hum yarayni anna l-mabdiΊa thalthatun wa-hiya llhu azza wajalla wa-l-unהuru wa-lΥŧratu wa-llhu huwa laqlu wa-l-unהuru huwa l-mawӱʗu l-awwalu lil-kawni wa-l-fasdi wal-Υŧratu jawharun l jisma lahʗ fÁ l-takhayyulti wa-l-afkri lmansʗbati il llhi azza wa-jalla (p. ̀, l. 26 – p. ́, l. 4)
Was Sokrates anbelangt [...] und Platon [...], so hatten sie über alle (diese) Dinge ein und dieselbe Ansicht. Sie waren der Meinung, daß die Prinzipien drei sind, nämlich Gott–mächtig und erhaben ist er—, die Materie und die Form. Dabei ist Gott der Verstand. Die Materie ist das erste Substrat für das Werden und Vergehen. Die Form ist ein körperloses Wesen in den Vorstellungen und Gedanken, die Gott—mächtig und erhaben ist er—zugeschrieben werden. (p. 105, l. 41 – p. 107, l. 7)
ѵ̅˾̂ ǻɏɐȝɉ ɋȉɏŭл ەɏŴɈлɐɋɎ, лȉɐț Ɉșɉ Ɉț ɒǸɏɐɅɏл олǺ' лȊɐŬɉ, Ǹŵоɋɉŭǹɋɑɏл Ƿș ɐɎ с̝̗̖̍̒̐̓ ȎɇлɎ олȝ лŵɐŭл мůɉɋɈūɉн ɐȸɎ ɐɋųɐɕɉ ǷǸŭɊǸɕɎ. ŢɕоɍŪɐнɎ олȝ ŠɇŪɐɕɉ ɓɕɍůɏɐɎ ɐȸɎ ȎɇнɎ ɋȉɏŭлɎ ɐɎ ѭ̅˾̂̓ ȊɌɋɇлɈǶŪɉǸů, ǻɉ ɐɋƇɎ ɉɋŬɈлɏů олȝ ɐлƇɎ ɒлɉ-
Al-Υŧratu hiya jawharun l jisma lahʗ wahiya fÁ dhtih l qiwma lah lkinnah tuՈÁ l-anהira llatÁ lĂ Υŧrata lah taהawwuran watakʗnu illatan li-taהyÁrih mubהaratan waamm SuqrՈ wa-AflՈʗn fa-innahum kn yarayni anna l-Υuwara jawhiru mufraqatun li-l-unהuri thbitatun fÁ l-fikri wa-fÁ l-takh-
Die Form ist eine körperlose Wesenheit. Sie hat in sich keinen Bestand, sondern gibt den Materien, welche keine Form haben, eine Formung und ist die Ursache für ihr Sichtbarwerden. Sokrates und Platon waren der Meinung, daß die Formen Wesenheiten sind, die von der Materie getrennt sind und im Gedanken und in den Vorstellungen verweilen,
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Arabischer Text und deutsche Übersetzung sind entnommen: Hans Daiber, Aetius Arabus: Die Vorsokratiker in arabischer Überlieferung. Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Veröffentlichungen der Orientalischen Kommission, vol. 33. Wiesbaden: Franz Steiner, 1980 (Übersetzung geringfügig modifiziert).
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
ɐлɏŭлůɎ ɐɋɀ ǺǸɋɀ, ɐɋɑɐūɏɐů ɐɋɀ ɉɋɀ, ȊɒǸɏɐŴɏлɎ. ѴɍůɏɐɋɐūɇнɎ Ƿ' ǸŹǷн Ɉșɉ ەɌūɇůɌǸ олȝ ѭ̅˾̂̓, ɋȉ Ɉțɉ оǸɓɕɍůɏɈūɉлɎ ɐȸɎ ȎɇнɎ, † ƀ ǻɊ Șɉ мǸмɋɉȟɎ ɐȟ ȊɌȟ ɐɋɀ ǺǸɋɀ†. şŶ ەɌȟ ŖŬɉɕɉɋɎ Ţɐɕůоɋȝ ǻɉɉɋŬɈлɐл ȂɈūɐǸɍл ɐɎ ѭ̅˾̂̓ ǿɒлɏлɉ. (Stephanus 882d1e2)
yÁlti l-mansʗbati il llhi anÁ l-aqla waamm ArisՈʗՈlÁs fainnahʗ kna yar wujʗda l-anwi wa-lΥuwari ill annah lam takun indahʗ mufraqatan li-l-unהuri lladhÁ anhu kna m kawwanahʗ llhu wa-amm lriwqiyyʗna lladhÁna min shÁati ZÁnʗn fainnahum knʗ yarawna anna l-Υuwara hiya shayΊun yaqau fÁ afkrin wa-takhyÁltin (p. ˺˿, l. 14-22)
welche der Gottheit zugeschrieben werden, das heißt dem Verstand. Aristoteles glaubte an die Existenz der Arten und Formen; nur daß sie nach seiner Ansicht nicht von der Materie getrennt sind, aus welcher geworden ist, was die Gottheit geschaffen hat. Die Stoiker, welche der Partei des Zenon angehörten, waren der Meinung, daß die Formen etwas sind, was in unsere Gedanken und Vorstellungen tritt. (p. 123, l. 21-33)
Bereits in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts sind sowohl Formulierungen der Art „die Formen, die (oder: deren Postulierung) Platon zugeschrieben werden (wird)“ 9 (al-Υuwaru llatĮ tunsabu ilĂ AflĂίŧn) als auch der Terminus „Platonische Formen/Ideen“ (Υuwar aflĂίŧniyya) 10 anzutreffen. Ob der letztgenannte Ausdruck eine Prägung arabisch schreibender Philosophen (vielleicht al-FrbÁs selbst) ist, die auf die Wiedergabe von „ŵǷȚл“ oder „ǸŻǷɋɎ“ durch „Υŧra“ in arabischen (Teil-?) Übersetzungen platonischer Werke zurückgreift, ist allerdings ungewiss. Schon im zweiten Jahrhundert sprechen Sextus Empiricus und Hermogenes von Tarsus von der Šɇлɐɕɉůоț ŵǷȚл11 , womit freilich nicht die Platonische Idee in dem hier gesuchten Sinne, sondern der rhetorische 9
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Cf. Al-FrbÁ, L’armonia delle opinioni dei due sapienti, il divino Platone e Aristotele. Introd., testo arabo, trad. e comm. di Cecilia Martini Bonadeo. Prefazione di Gerhard Endress, p. 68, l. 14. Zur Frage des Verfassers cf. Marwan Rashed, “On the Authorship of the Treatise On the Harmonization of the Opinions of the Two Sages Attributed to al-FrbÁ”, Arabic Sciences and Philosophy 10 (2009), 43-82, und die dort, Anm. 1, angeführte Literatur. Cf. AlfĂrĂbĮ’s philosophische Abhandlungen, aus Londoner, Leidener und Berliner Handschriften herausgegeben von Dr. F. Dieterici, Brill, Leiden 1890, repr. Biblio Verlag, Osnabrück 1982, p. 37, l. 19 f. Cf. Sextus Empiricus, Adversus mathematicos, Buch I, § 28, vgl. auch IV, §§ 17-20, IX, § 365, X, § 258; Hermogenes, ˲̆̒ҫ ѭ̅̆ԩ̎ ̌Ү̖̄̐, Kap. 2, § 10 (p. 224, ed. Raabe).
1. Einleitung
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Stil Platons gemeint war. Dass der Ausdruck auf diesem Wege Eingang in die spätantike philosophische Literatur fand, ist aber nicht auszuschließen. Eine näherliegende Quelle sind die späteren Neuplatoniker. Bei Simplicius und Johannes Philoponus beispielsweise sind Formulierungen der Art лŶ ɐɋɀ ŠɇŪɐɕɉɋɎ ŵǷūлů und ŵǷūлů олɐ ŠɇŪɐɕɉл zu finden12 . Diese und ähnliche Ausdrücke waren offenbar auch noch (oder wieder) in der an die Schule von Alexandria anknüpfenden byzantinischen Tradition in Gebrauch, wie Belege in Werken von Michael von Ephesus und Michael Psellos bezeugen 13 . Auch eine Vermittlung durch das Syrische ist nicht auszuschließen. Mindestens einhundert Jahre vor al-FrbÁs Wirken scheinen Formulierungen der genannten Art den ostsyrischen Gelehrten bereits ein Begriff gewesen zu sein. Um 782/783 erwähnt Patriarch Timotheus I. in einem Brief an Rabban Mar Pethion eine Doxographie, die unter anderem von „Platonischen Paradigmata“ (vqynvjlp AknPT) und „Ideen“ (Sahdya = ŵǷūлɎ ?) handelt 14 . 12
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Cf. Simplicius, In Aristotelis Categorias commentarium, p. 95, l. 11; Johannes Philoponus, De aeternitate mundi, p. 25, ll. 4, 22, p. 29, l. 9, p. 552, l. 22. Letzterer spricht explizit von der Šɇлɐɕɉůоț ŵǷȚл; cf. Michaelis Pselli philosophica minora. 2 vols. Ed. J. M. Duffy et D. J. O’Meara, vol. 2, p. 114. Vgl. auch ibid., “Opusculum 33”, sowie vol. 1, “Opusculum 7”, p. 22. Des Weiteren [Ps.-] Alexander [Michael von Ephesus], In Aristotelis metaphysica commentaria, p. 720, l. 5, p. 812, l. 6. Es handelt sich um Brief Nr. 43 des Katholikos, ediert und übersetzt in Henri Pognon, Une version syriaque des Aphorimes d’Hippocrate. Première partie: Texte syriaque. Leipzig: Hinrichs’sche Buchhandlung, 1903, pp. XVI-XX. Der betreffende Abschnitt lautet in Pognons Übersetzung: „Fais des recherches également au sujet de certains traités sur les origines (?) naturelles des corps qui sont l’œuvre d’un individu appartenant à l’école platonicienne et dont voici le commencement : «Certaines personnes ont dit sur l’origine (?) naturelle des corps.» Il énumère les opinions de tous les anciens philosophes, dans le premier traité, et il établit (?) les idées et les prototypes platoniciens; dans le deuxième traité, il commence à parler de la matière, de l’espèce et de la non existence d’après les théories d’Aristote.” Eine kommentierte englische Übersetzung ist zu finden in Sebastian P. Brock, „Two Letters of the Patriarch Timothy from the Late Eighth Century on Translations from Greek,“ Arabic Sciences and Philosophy 9 (1999), 233-246. Brock gibt AknPT mit „Forms“ wieder, doch scheinen damit eher Paradigmata oder Urbilder gemeint zu sein, vergleichbar den muthul aflĂίŧniyya der arabischen Tradition. Zur Morphologie syrischer Lehnwörter auf -as und –Ăs (wie Sahdya) vgl. Theodor Nöldeke, Kurzgefasste Syrische Grammatik, p. 59 f. Dieselbe Terminologie, freilich ohne konkreten Bezug zu Platon, dient bereits deutlich früher zur Bezeichnung von Urbild-Abbild-Relationen. So ist beispielsweise in zwei um 600 von Barԉadbeshabb verfassten kirchengeschichtlichen Werken von dem Urbild (tapnekĂ)
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
Angesichts der relativ geringen Beachtung, die den Dialogen Platons in der mittelalterlichen arabischen Philosophie zuteil wurde, ist daher nicht auszuschließen, dass der Ausdruck „Υuwar aflĂίŧniyya“ als solcher der spätantiken neuplatonischen Aristoteles-Literatur entlehnt worden ist, die bekanntlich intensiv in syrischen und arabischen Adaptionen rezipiert wurde. Wie auch immer die Genese dieser Begriffe zu erklären ist, angesichts ihres „Erfolgs“ in der arabischen Philosophie stellt sich die Frage, mit welchen doktrinalen Inhalten sie gefüllt oder assoziiert wurden. Für den arabisch schreibenden Philosophen, der nicht in der Lage war, die griechischen Texte zu konsultieren, deutete prima facie nichts darauf hin, dass dem Wort Υŧra in diesem Ausdruck nicht (nur) ein griechischer Terminus mit der allgemein mit diesem Wort assoziierten Bedeutung „Form“, „Gestalt“, sondern (auch) der zu diesem semantischen Feld durchaus in problematischer Beziehung stehende Begriff ŵǷȚл zugrunde lag. Die Verwendung des Terminus Υŧra zur Wiedergabe sowohl von griech. ǸŻǷɋɎ als auch im Sinne der äußeren, körperlichen Gestalt (ɈɋɍɒŬ) war seit den Anfängen der arabischen Übersetzungen der Werke Aristoteles’ und der hieran anschließenden Kommentarliteratur etabliert 15 . Das Epitheton „Platonisch“ ließ daher lediglich darauf schließen, dass Platon eine eigentümliche Theorie des ǸŻǷɋɎ vertreten haben muss. Es dürfte daher im weitesten Sinne dem Verständnis der mittelalterlichen arabisch schreibenden Philosophen (zumindest deren frühen Vertreter) entsprechen, wenn wir den Begriff Υuwar aflĂίŧniyya hier und im Folgenden nicht durch „Platonische Ideen“, sondern durch „Platonische Formen“ wiedergeben. Eine solche Terminologie steht durchaus nicht im Widerspruch zum platonischen
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und dem ihm ähnlichen Abbild (yuqnĂ = ǸŵоȤɉ) die Rede; cf. Adam H. Becker, Sources for the History of the School of Nisibis. Liverpool 2008, p. 50 und Anm. 19. Ich danke Dr. Yury Arzhanov, der mich auf diese Textstellen aufmerksam gemacht und mir das Syrische erklärt hat. Noch älterere Belege sind vermutlich bei Sergius von R¶shayn (gest. 536) zu finden; vgl. dazu Henri Hugonnard-Roche, „Platon syriaque“, in M. A. Amir-Moezzi (ed.), Pensée grecque et sagesse d’Orient. Turnhout: Brepols 2009, pp. 307-322, bes. p. 317. Zum semantischen Feld „ǸŻǷɋɎ-Υŧra“ cf. Gerhard Endress, Proclus Arabus, pp. 134137, 202-205; Daiber, Aetius Arabus, p. 5 f. Zu weiteren Belegstellen für die Verwendung von Υŧra für ŵǷȚл, ǸŻǷɋɎ und ɈɋɍɒŬ vgl. auch Dimitri Gutas (ed.), Theophrastus on First Principles. Leiden: Brill, 2010, p. 456 s.r. Υ wr ; Ullmann, WGAÜ, p. 221; WGAÜ Suppl. I, pp. 313, 701.
1. Einleitung
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Denken. Zwar herrscht in der Platonforschung keine Einigkeit darüber, inwieweit Platon die Begriffe ǸŻǷɋɎ und ŵǷȚл koextensiv benutzt 16 , doch ist von ǸŻǷɋɎ unzweifelhaft auch im Sinne der Idee die Rede (etwa in Phaedo 102-106, Sophistes 246-252, oder Timaios 50-52). Verschiedene andere Bedeutungen des platonischen ǸŻǷɋɎ-Begriffs, beispielsweise im Sinne der formalen Ursache, der identischen idealen Gestalt einer Sache, oder —im Kontext der Begriffseinteilung— im Sinne der Art, scheinen sich darüber hinaus harmonisch in das für den arabisch schreibenden mittelalterlichen Philosophen relativ fest umrissene und durch das aristotelische ǸŻǷɋɎ-Konzept mit all seinen Bedeutungsvarianten geprägte semantische Feld „ǸŻǷɋɎ-Υŧra“ einzufügen. Der Terminus „Platonische Urbilder“ (muthul aflĂίŧniyya), dessen Einführung in die arabische philosophische Literatur vielleicht auf Ibn SÁn zurückgeht (cf. infra, § I.10), verweist auf den paradigmatischen Charakter der Ideen, der zum einen in deren Funktion als Paradigma oder Referenzmuster in der Definition zum Ausdruck kommt (cf. Gorgias 463-465, 525 B-C), zum anderen die Idee als das Wahre, Wirkliche, Ursprüngliche von ihrem Ab- oder Schattenbild (ǸŹǷɕɇɋɉ) und dem ihr Ähnlichen (ǸŵоȤɉ), nach ihrem Vorbild Erschaffenen in der sinnlichen Welt abhebt (cf. Phaedrus 249-253, Phaedo 74-75, Politeia 517-521, Timaios 28-29, 37-39). Die entsprechende arabische Terminologie war jedoch alles andere als klar und eindeutig. Das Wort mithĂl (Pl. muthul) konnte (und kann), in Abhängigkeit vom Kontext, auf allen drei Ebenen einer Bild-Bild-Relation sinnvoll verwendet werden und nicht nur das „Ur-bild“, „Paradigma“, sondern auch das in Bezug auf die Urbild-Abbild-Antithetik indifferente „Eben-bild“ sowie schließlich die ähnliche oder adäquate Nach-Bildung, das nachahmende „Ab-bild“, bezeichnen und wurde, wie wir unten sehen werden, in der Tat in der philosophischen Auseinandersetzung mit den „Platonischen Formen“ in allen drei Bedeutungsvarianten benutzt. Auch die Zuordnung von Υŧra zum semantischen Feld ŵǷȚл-ǸŻǷɋɎ sowie zu den Konnotationen von Ur- oder Abbildlichkeit einer Form ist durchaus nicht eindeutig. Aus der graeco-arabischen Literatur sind Beispiele bekannt, in welchen Υŧra 16
Cf. P. Natorp, Platos Ideenlehre, pp. 156-162; D. Ross, Plato’s Theory, pp. 12-16; D. T. Devereux, Separation and Immanence in Plato’s Theory of Forms, und die dort, Anm. 14-15, genannte Literatur, in G. Fine, Plato 1: Metaphysics and Epistemology, pp. 192-214.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
eben nicht für die Idee oder paradigmatische ideale Form steht, sondern für das dieser entgegenstehende ǸŹǷɕɇɋɉ oder ǸŵоȤɉ 17 . Worin diese platonische Lehre der Formen und Urbilder bestand, konnte ein Philosoph der mittelalterlichen islamischen Gesellschaft angesichts der dürftigen Überlieferungsverhältnisse nicht anhand der relevanten platonischen Dialoge eruieren. Vielmehr boten sich andere philosophische Quellen der griechisch-arabischen Überlieferung an, um den Begriff „Platonische Formen“ doktrinal zu füllen. Zum einen war dies die aristotelische Kritik der Ideenlehre, zum anderen die in den arabischen Adaptionen der Werke Plotins und Proklos’ entwickelten Theorien noetischer und spiritueller Formen (Υuwar צaqliyya, Υuwar rŧͧĂniyya). Letztere weisen bereits eigenständige doktrinale Elemente auf, die deutlich über eine bloß interpretierende Übersetzung der griechischen Quellen hinausgehen. Übersetzung, Adaption und Transformation durch eigenständige Theoriebildung sind jedoch nicht scharf voneinander zu trennen. Auch doxographische Berichte haben ihre Spuren in der arabischen Rezeption der Ideenlehre hinterlassen. Die folgenden Abschnitte geben, in grober chronologischer Ordnung, zunächst einen Einblick in die erste Phase dieser Rezeption (§§ I.2I.5), sodann einen Überblick über diverse Konzeptionen „Platonischer Formen“ und „Urbilder“ in den systematischen Entwürfen des 10. – 12. Jahrhunderts (§§ I.6-I.12). 2. Aristoteles’ Kritik der Ideenlehre in den arabischen Übersetzungen Aristoteles formulierte seine Kritik der Ideenlehre im Wesentlichen in zwei Werken, dem Traktat ˲̆̒ҫ ѭ̅̆ԩ̎, den Alexander von Aphrodisias noch kannte, der jedoch, soweit bekannt, nicht in das Arabische übertra17
Cf. Galeni Compendium Timaei Platonis, p. ˺˻, l. 7 f., zu Platon, Timaios 46a3, des Weiteren H. Daiber, Aetius Arabus, p. 599 (Arabisch-griechisches Glossar, # 19351938); Alexander Aphrodisiensis, De anima cum mantissa (CAG. Supplementum Aristotelicum, 2.1), p. 142, l. 28-31, arab. Übersetzung in H. Gätje, Studien zur Überlieferung der Aristotelischen Psychologie im Islam, p. 149, l. ˼˹-˼˻; Ullmann, WGAÜ Suppl. I, p. 314; vgl. auch pseudo-Theologia Aristotelis, p. 160, l. 10 (ed. BadawÁ), wo “Υanam צaqlĮ wa-Υŧra צaqliyya” undifferenziert für ǸŹǷɕɇɋɉ, Plotin, Enn. V 8: 6.10, zu stehen scheint, sowie ibid., p. 19, l. 11, wo Particularia als Υuwar li-l-Υuwar al-kulliyya, also wohl als abbildhafte Formen universaler Formen bezeichnet werden.
2. Aristoteles’ Kritik der Ideenlehre in den arab. Übersetzungen
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gen worden ist 18 , sowie in der Metaphysik. Die wichtigsten Abschnitte zur Ideenkritik finden sich dort in Buch I (A), Kapitel 6 und 9, Buch III (B) 2 (insbesondere in der vierten der in Buch III [B] 1 aufgelisteten Aporien), in diversen Abschnitten von Buch XIII (M), insbesondere in den Kapiteln 4 und 5, bei welchen es sich teilweise um Dubletten von I (A) 9, 990 b2 – 991 b 9 handelt 19 , sowie in Buch XIII (M) 9 – XIV (N) 6. Welche Einsichten in die platonische Ideenlehre boten diese Abschnitte dem arabischen Leser? – Zunächst ist festzustellen, dass den ersten Generationen arabisch schreibender Philosophen aller Wahrscheinlichkeit nach keine Übersetzung der Bücher I (A) und XIV (N) zur Verfügung stand 20 , die Rezeption der aristotelischen Ideenkritik in dieser Phase also auf die Bücher III (B) 2 und XIII (M) sowie einige weitere Abschnitte der Metaphysik und vereinzelte Bemerkungen in anderen Schriften Aristoteles’ beschränkt war. Die Beantwortung der Frage wird zudem durch folgende Umstände erschwert: 1. Die arabischen Übersetzungen der Bücher XIII (M) und XIV (N) sind nicht erhalten, so dass mit Ausnahme einiger Zitate und paraphrastischer Fragmente keine Textgrundlage für eine genaue Untersuchung der Rezeption zur Verfügung steht 21 . 2. Buch I (A) lag den späteren Philo18
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Teile dieser Schrift, die noch von Syrianus erwähnt wird, wurden in die Metaphysik integriert; cf. I. Düring, Aristoteles, pp. 245-253; C. Luna, Trois études, pp. 39-45. Kritische Editionen der erhaltenen Fragmente sind zu finden in D. Harlfinger, „Edizione critica del testo del De Ideis di Aristotele“, in Il De Ideis di Aristotele e la teoria platonica delle idee, ed. W. Leszl, Florenz 1975, pp. 15-39, und in Aristotelis fragmenta selecta. Ed. William David Ross. Oxford: Clarendon Press, 5 1979, pp. 120-129. Für eine englische Übersetzung und philosophische Untersuchung der Fragmente cf. G. Fine, On Ideas: Aristotle’s Criticism of Plato’s Theory of Forms, Oxford: Clarendon Press, 1993. Alexander von Aphrodisias selbst hat einen gleichnamigen Traktat verfasst, von welchem ein kurzes Fragment erhalten ist; cf. M. Rashed, „Textes inédits transmis par L’Ambr. Q 74 Sup.“, Revue des sciences philosophiques et théologiques 81 (1997), 219-38. Cf. W. Jaeger, Studien zur Entstehungsgeschichte, p. 28-37; W. D. Ross, Aristotle’s Metaphysics, vol. I, p. xxisq., 190sq. Diese Bücher wurden vermutlich erst in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts in das Arabische übertragen, cf. A. Bertolacci, On the Arabic Translations; C. Martini, La tradizione araba; Ead., The Arabic Version. Selbst für die erwähnten Dubletten in Buch XIII (M) können nicht die korrespondierenden Abschnitte der Übersetzung von Buch I (A) als Textgrundlage herangezogen werden, da verschiedene Übersetzer mit abweichenden Inter-
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
sophen zumindest teilweise in zwei arabischen Versionen vor, die die aristotelische Ideenkritik unterschiedlich wiedergaben 22 . Wie wichtig eine genaue Verifizierung des Textbestands ist, zeigen die folgenden summarischen Bemerkungen zu den betreffenden Abschnitten der aristotelischen Werke 23 . (i) Metaph. I (A) 6. (a) 987 b 6-10: Aristoteles erklärt, Platon habe die Ansicht vertreten, es könne keine allgemeine Definition (оɋůɉȟɉ Ƃɍɋɉ) von irgendeinem der sinnlichen Gegenstände (ɐɅɉ лŵɏǺнɐɅɉ) geben, da diese sich in beständiger Veränderung befänden (ەǸȞ … ɈǸɐлǶлɇɇȠɉɐɕɉ). Seiende, die solcher Art sind (ɐ … ɐɋůлɀɐл ɐɅɉ Ɓɉɐɕɉ), nannte er Ideen (ŵǷȚлɎ). Die sinnlichen Gegenstände aber seien „Ɍлɍ ɐлɀɐл“ und allesamt nach diesen benannt (олɐ ɐлɀɐл ɇȚмǸɏǺлů Ɍ۞ɉɐл); denn die Vielheit der Dinge, die denselben Namen haben wie die Formen (ɐɋƇɎ ǸŹǷǸɏůɉ), existierten durch Teilhabe an diesen (олɐ ɈȚǺǸɊůɉ). Die arabische Überlieferung dieses Abschnitts liegt in zwei unterschiedlichen Versionen vor, der von Ibn Rushd in seinem Großen Kommentar zur Metaphysik zitierten Übersetzung NaծÁf ibn Aymans (VN) sowie einer von Abʗ l-Fatԉ al-ShahrastnÁ in seinem KitĂb al-Milal wa-l-niͧal zitierten oder paraphrasierten Version unbekannten Ursprungs (VSh) 24 . Beide Versionen weichen an verschiedenen Stellen signifikant von Aristoteles’ Darstellung ab. Nach Aristoteles war es die beständige Veränderlichkeit der sinnlichen Particularia, die Platon zu der Annahme brachte, dass diese nicht Gegenstand von Definitionen seien. Dies legt nahe, dass für Platon ein Definitionsgegenstand unveränderlich und nicht der
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pretationen und unterschiedlichen griechischen Textvorlagen am Werk waren. Zudem spricht Aristoteles in I (A) 9 in der 1. Person Plural als Sympathisant der Ideenlehre, in XIII (M) 4-5 hingegen polemisch von „den Platonikern“. Cf. A. Bertolacci, On the Arabic Translations, p. 268sq. Alle folgenden deutschen Zitate der aristotelischen Metaphysik entnehme ich: Aristoteles, Metaphysik. Übersetzt und eingeleitet von Thomas Alexander Szlezák. Berlin: Akademie Verlag, 2003. Eine englische Übersetzung und einen Vergleich der beiden Versionen mit dem aristotelischen Text, Metaph. I (A) 6, 987 a 32 – b 18, hat A. Bertolacci, On the Arabic Translations, pp. 264-268, vorgelegt.
2. Aristoteles’ Kritik der Ideenlehre in den arab. Übersetzungen
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Wahrnehmung zugänglich ist. In VSh wird dieses Kriterium gegen die Feststellung ausgetauscht, dass Definitionen „nur auf ewige und universale Dinge, also Gattungen und Arten, gehen“25 , wodurch der in Rede stehende Definitionsbegriff dem aristotelischen Konzept der Definition angeglichen wird und zugleich solche Ideen, die mit dem aristotelischen Gattungs- und Artbegriff schwer in Einklang zu bringen sind, wie etwa die Idee des Feuers (cf. Timaios 51 b 8) oder die Idee des Frommen (cf. Meno 72 c 7 sqq.), als Definitionsgegenstände ausgeschlossen werden. In Übereinstimmung mit dieser „aristotelischen“ Lesart interpretiert der Verfasser der VSh ɐ ɐɋůлɀɐл ɐɅɉ Ɓɉɐɕɉ im folgenden Satz als Universalien (al-ashyĂ ץalkulliyya) und übersetzt ŵǷȚлɎ durch Υuwar („Formen“). Während also Aristoteles erklärt, Platon habe das unveränderliche und der Wahrnehmung nicht zugängliche Seiende „Idee“ genannt, hat der Platon von VSh Universalien (Arten und Gattungen) als „Formen“ bezeichnet. Auch in VN ist ŵǷȚлɎ durch Υuwar wiedergegeben, doch las die griechische Vorlage offenbar ɐ ɈȚɉɐɋů лȉɐл ɐɅɉ Ɓɉɐɕɉ anstelle von ɐ Ɉșɉ ɐɋůлɀɐл… 26 . Der Übersetzer fasste ɐɅɉ Ɓɉɐɕɉ nicht als genetivus partitivus, sondern als genetivus respectus oder qualitatis auf. Die Übersetzung von Metaph. 987 b 7sq. lautet dort demnach: „Platon nannte die [Dinge], die für die Seienden ein und dasselbe sind, ·Formen’“ 27 , was sowohl mit der platonischen Charakterisierung der Idee als лȉɐɋ ƀ ǿɏɐů als auch mit der immanenten Form Aristoteles’ harmoniert. Die meisten modernen Übersetzer des folgenden Satzes, ɐ Ƿ' лŵɏǺнɐ Ɍлɍ ɐлɀɐл олȝ олɐ ɐлɀɐл ɇūмǸɏǺлů ɌŪɉɐл, interpretieren Ɍлɍ ɐлɀɐл als „getrennt von/neben den Ideen“ 28 . In 25
„Al-ԉudʗd laysat li-l-maԉsʗsti li-annah innam taqau al ashyΊa dΊimatin kulliyyatin anÁ l-ajnsa wa-l-anwa”, K. al-Milal wa-l-niͧal, p. 167 b 3sq.
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Cf. A. Bertolacci, On the Arabic Translations, p. 265, Anm. 73.
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„Wa-samm [i.e. AflՈʗn] lltÁ hiya li-l-mawjʗdti wԉidatun bi-aynih הuwaran”, Ibn Rushd, TafsĮr MĂ baצd al-ίabĮצa, p. 65, l. 8sq.
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Vgl. aber W. D. Ross, Aristotle’s Metaphysics, vol. I, p. 161: “[I]t may be doubted whether the current interpretation of Ɍлɍ ɐлɀɐл as ·apart from the Ideas’ is the right one. It involves the supplying of ǸŹɉлů after Ɍлɍ ɐлɀɐл. This, however, is difficult; it is more natural to take ɇūмǸɏǺлů with Ɍлɍ ɐлɀɐл as well as with олɐ ɐлɀɐл, and to translate ·and he said the sensibles were called after these and were called what they were called by virtue of their relation to these’.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
VN hingegen heißt es: „Alle sinnlichen Gegenstände aber werden nur durch diese und um deren willen benannt“ 29 ; d.h. erstens: Ɍлɍ ɐлɀɐл wird nicht im Sinne eines radikalen Getrenntseins von sinnlichen Dingen und Ideen/Formen aufgenommen, und zweitens: Platon zufolge existieren Ideen/Formen für alle (Gruppen von) sinnlichen Gegenständen (cf. Res publica 596 a 6sqq.). Im folgenden Satz wird die Existenz (ǸŹɉлů) dieser namensgleichen 30 Sinnendinge als ein Verhältnis der Partizipation (ɈȚǺǸɊůɎ) an der Idee/Form gekennzeichnet. VN interpretiert dies im aristotelischen Sinne als „Partizipation an der Art“ und vernachlässigt den Aspekt der ontologischen Priorität vollkommen 31 , während der Paraphrast in VSh eine platonische Interpretation seines aristotelisch geprägten Formund Universalienbegriffs sucht und gerade diesen Aspekt stärker betont als die aristotelische Vorlage: „Platon war der Ansicht, dass die Sinnendinge nur durch Partizipation an den Formen (Υuwar) existieren“ 32 . (b) 987 b 14-22: Aristoteles’ Bemerkung, dass mathematische Objekte für Platon eine mittlere Position zwischen Sinnendingen und Formen (ǸŹǷн) einnehmen, ist in VN vollkommen entstellt 33 . Dort 29
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„Wa-amm jamÁu l-maԉsʗsti fa-innah innam tuqlu bi-hdhihÁ wa-min ajlih”, Ibn Rushd, TafsĮr MĂ baצd al-ίabĮצa, p. 65, l. 9sq. Zu der Frage, ob an der vorliegenden Stelle žɈŴɉɑɈл oder ɏɑɉŴɉɑɈл zu lesen ist, cf. W. D. Ross, Aristotle’s Metaphysics, vol. I, p. 161sq. „Wa-l-kathratu l-mutawՈiΊatu fÁ l-ismi mushtarakatun fÁ l-naw “, Ibn Rushd, TafsĮr MĂ baצd al-ίabĮצa, p. 65, l. 10sq. „Wa-raΊ anna l-maԉsʗsti lĂ takʗnu illĂ bi-mushrakati l-הuwar“, K. al-Milal wal-niͧal, p. 167 b 5. Zu diesem Abschnitt der aristotelischen Metaphysik auch B. Strobel, »Dieses« und »So etwas«, pp. 207-210. Aristoteles schreibt dort: ǿɐů Ƿș Ɍлɍ ɐ лŵɏǺнɐ олȝ ɐ ǸŹǷн ɐ ɈлǺнɈлɐůо ɐɅɉ ɌɍлмɈŪɐɕɉ ǸŻɉлŭ ɒнɏů ɈǸɐлɊų, Ƿůлɒūɍɋɉɐл ɐɅɉ Ɉșɉ лŵɏǺнɐɅɉ ɐɆ ەŐǷůл олȝ ەоŭɉнɐл ǸŻɉлů, ɐɅɉ Ƿ' ǸŵǷɅɉ ɐɆ ɐ Ɉșɉ ɌŲɇɇ' ۙɐɐл ƂɈɋůл ǸŻɉлů ɐȟ Ƿș ǸŻǷɋɎ лȉɐȟ Ǿɉ Ȁолɏɐɋɉ ɈŲɉɋɉ. ǻɌǸȝ Ƿ' лŹɐůл ɐ ǸŹǷн ɐɋƇɎ ۙɇɇɋůɎ, ɐەоǸŭɉɕɉ ɏɐɋůɓǸƇл ɌŪɉɐɕɉ ȭŬǺн ɐɅɉ Ɓɉɐɕɉ ǸŻɉлů ɏɐɋůɓǸƇл. ȒɎ Ɉșɉ ɋȏɉ Ȏɇнɉ ɐȟ Ɉūмл олȝ ɐȟ Ɉůоɍȟɉ ǸŻɉлů ەɍɓŪɎ, ȒɎ Ƿ' ɋȉɏŭлɉ ɐȟ Ȁɉ۰ ǻɊ ǻоǸŭɉɕɉ мɍ олɐ ɈūǺǸɊůɉ ɐɋɀ ǼɉȟɎ [ɐ ǸŹǷн] ǸŻɉлů ɐɋȡɎ ەɍůǺɈɋųɎ. „Ferner sagt er [Platon, R.A.], daß neben den wahrnehmbaren Dingen und den Ideen die mathematischen Gegenstände existieren zwischen beiden, von den wahrnehmbaren Dingen dadurch unterschieden, daß sie ewig und unbewegt seien, von den Ideen aber dadurch, daß es von ihnen viele gleichartige gibt, während die Idee selbst jeweils nur eine ist. Da aber die Ideen für die anderen
2. Aristoteles’ Kritik der Ideenlehre in den arab. Übersetzungen
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ist zu lesen, dass „(!) sie [i.e. Platon und die Pythagoreer] es (!) ablehnten, die Sinnendinge und die (!) mathematischen Arten (alanwĂ צal-taצĂlĮmiyya), welche eine mittlere Position (!) unter den Dingen (fĮmĂ bayna l-umŧr) einnehmen, zu untersuchen“ (oder: uneins über diese waren) 34 . Diese Sinnentstellung zieht weitere nach sich. Während Aristoteles erklärt, dass für Platon mathematische Objekte von Ideen dadurch unterschieden seien, dass es von ersteren „viele gleichartige gibt“ (ɌŲɇɇ' ۙɐɐл ƂɈɋůл ǸŻɉлů), von letzteren aber jeweils nur eine (Ǿɉ Ȁолɏɐɋɉ ɈŲɉɋɉ), spricht VN aufgrund der vorangehenden Entstellung undifferenziert von „Arten“ (anwĂ )צsowohl in Bezug auf die Vielheit mathematischer Objekte (i.e. mathematischer Arten) als auch in Bezug auf die Einheit (Platonischer) Formen. Folglich sind es in VN „die Arten“, nicht die Ideen, welche Ursachen der übrigen Dinge sind (cf. ǻɌǸȝ Ƿ' лŹɐůл ɐ ǸŹǷн ɐɋƇɎ ۙɇɇɋůɎ) 35 . Damit nicht genug, folgte in der griechischen Vorlage von VN eine umfangreiche Auslassung durch Homoioteleuton (ɐەоǸŭɉɕɉ … ǻоǸŭɉɕɉ, 987 b 19-21), die —bei konsistenter Wiedergabe von ǸŹǷн durch „Arten“— zu der folgenden Übersetzung führte: „Das, was zu diesen [übrigen Dingen, deren Ursachen die Arten sind,] in der Weise der Partizipation an dem Einen gehört, sind die Arten“ 36 , womit Platon implizit die These zugeschrieben
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Dinge Ursachen sind, glaubte er, ihre Elemente seien die Elemente aller Dinge. Als Materie seien das Große und das Kleine Prinzipien, als Wesen [...] das Eine; denn aus dem Großen und dem Kleinen seien kraft der Teilhabe am Einen [die Ideen] die Zahlen.“, Übers. Szlezák, p. 15. „Wa-innam nadʗ fÁ l-maԉsʗsti wa-l-anwi l-talÁmiyyati llatÁ yaqʗlʗna innah mutawassiՈatun fÁm bayna l-umʗr“, Ibn Rushd, TafsĮr MĂ baצd al-ίabĮצa, p. 65, l. 14 – p. 66, l. 1. Ob „nadʗ“ hier „sie waren uneins [i.e. über die Sinnendinge und die mathematischen Arten]“ oder „sie widersetzen sich [i.e. der Erforschung der Sinnendinge und der mathematischen Arten]“ bedeutet, ist nicht klar. Für ersteres spricht, dass ǷůлɒȚɍǸůɉ (cf. ǷůлɒȚɍɋɉɐл, 987 b 16) passivisch diese Bedeutung haben kann, letzteres entspricht jedoch dem üblichen Sprachgebrauch und wird so auch durch Ibn Rushds Interpretation (cf. ibid., p. 68sq.) bestätigt. Möglicherweise geht צĂnadŧ auf eine Verschreibung von ghĂyarŧ („sie unterscheiden sich“) zurück; cf. GALex, vol. I, p. 365. Ibn SÁn scheint eine andere, genauere Übersetzung dieses Abschnitts gekannt zu haben, cf. A. Bertolacci, On the Arabic Translations, p. 262. „Wa-l-nawu ayӱan sababu l-ashyΊi l-ukhar”, Ibn Rushd, TafsĮr MĂ baצd al-ίabĮצa, p. 66, l. 3sq. „Wa-llatÁ min tilka al ՈarÁqi l-ishtirki fÁ l-wԉidi fa-hiya l-anw“, ibid., p. 70, l. 7.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
wird, dass immanente Arten Ursachen der Particularia sind, insofern sie an dem transzendenten Einen teilhaben. (c) 987 b 29-33: Aristoteles’ Referat, dem zufolge Platon das Eine und die Zahlen als getrennt von den Dingen ansetzte und die Ideen aus Anlass seiner Beschäftigung mit der Definition einführte, wird in der arabischen Übersetzung auf eine anonyme Gruppe antiker Philosophen bezogen 37 . (ii) Metaph. I (A) 9. (d) 990 a 34 - b 22 (cf. XIII [M] 4, 1078 b 32 – 1079 a 19): Aristoteles referiert in diesem Abschnitt vier Einwände gegen die Ideenlehre: (1) die Einführung der Ideen als Ursache von allem, was sich unter einer allgemeinen Klasse zusammenfassen lässt oder ein „Eines über Vielen“ hat, führt zu einer sinnlosen Verdopplung der Entitäten. (2) Beweise für die Existenz von Ideen sind nicht evident oder beweisen die Existenz von Ideen für Entitäten, von denen es keine Ideen gibt, wie etwa Negationen oder Vergangenes. (3) Andere Beweise führen zur Annahme von Ideen von Relationen oder zum Problem des „Dritten Menschen“. (4) Die Einführung der Ideen zwingt zur Annahme von unerwünschten Prioritäten; beispielsweise müsste die Zahl als Idee Vorrang haben vor der Zweiheit, das Relative früher sein als das An-sich, etc. Auf die Idee nimmt Aristoteles hier an neun Stellen explizit Bezug, viermal durch „ŵǷȚл“, fünfmal durch „ǸŻǷɋɎ“. Platon wird an keiner Stelle erwähnt. Die einzige erhaltene arabische Übersetzung spricht an allen neun Stellen von „Arten“ (anwĂ )צ38 . Da Platon nicht erwähnt wird, ist es für den der platonischen Dialoge unkundigen Leser nicht möglich zu erkennen, dass Aristoteles nicht Probleme einer Theorie der Arten oder Universalien, sondern solche der platonischen Ideenlehre referiert. (e) 990 b 22-27 (cf. XIII [M] 4, 1079 a 19-24): Die Annahme (ȊɌȠɇнɔůɎ) von Ideen (ŵǷȚлɎ) führt dazu, dass Ideen (ǸŹǷн) nicht nur für Substanzen, sondern auch für alles andere existieren müssen, da es Wissenschaft nicht nur von Substanzen, sondern auch von anderem gibt. Zur Wiedergabe dieses Gedankens gibt NaծÁf ibn Ayman 37 38
Cf. ibid., p. 72, l. 2-5. Cf. ibid., p. 112-117, Texte 25-28.
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seine bisher angewendete Terminologie auf und übersetzt sowohl ŵǷȚлɎ als auch ǸŹǷн durch Υuwar 39 . Der Grund hierfür liegt darin, dass er ȊɌȠɇнɔůɉ (990 b 23) nicht in der Bedeutung „Annahme“, „Meinung“ auffasst, sondern als „intellektuale Begriffsbildung“ (taΥawwur bi-l-צaql) interpretiert, deren Gegenstände nicht Arten, sondern Begriffe oder „Formen“ sind. Dass Aristoteles sich auf eine spezifische platonische Doktrin von Formen bezieht, wird auch hier nicht ersichtlich. (f) 990 b 27 - 991 a 20 (cf. XIII [M] 4, 1079 a 24 – 1079 b 2, XIII [M] 5, 1079 b 12-24): In diesem Abschnitt erörtert Aristoteles weitere Argumente gegen die Ideenlehre, ohne Platon namentlich zu nennen. Der Terminus „ŵǷȚл“ erscheint zweimal, „ǸŻǷɋɎ“ sechsmal. NaծÁf ibn Ayman kehrt zu seiner ursprünglichen Terminologie zurück und übersetzt durchweg beide Termini mit „Art“ (naw )צ40 . (g) 991 a 20 – b 3 (cf. XIII [M] 5, 1079 b 24 – 1080 a 2): Aristoteles referiert, nach wie vor ohne namentlichen Bezug auf Platon, vier Einwände gegen die Theorie der Idee als Urbild (Ɍлɍ۞ǷǸůмɈл), zu dem sich die Partizipanten der Idee als Abbild verhalten. NaծÁf ibn Ayman gibt „Ɍлɍ۞ǷǸůмɈл“ treffend durch mithĂl (Plural muthul ) wieder. Da er zugleich an seiner Terminologie für die Idee festhält, sieht sich der arabische Leser Argumenten gegen eine Bestimmung der Arten als Paradigmata gegenüber. Andererseits wird der Gedanke der Partizipation nicht analog als Instantiierung des Universalen, sondern als Relation des „Enthaltenseins“ und „Umfassens“ (muͧĮί bi-, ͧaΥara c. acc.) begriffen 41 . (h) 991 b 3-8 (cf. XIII [M] 5, 1080 a 2-11): Es folgt der einzige Abschnitt von Buch I (A) 9, der durch einen Verweis auf den Dialog Phaedo einen expliziten Bezug zur Ideenlehre Platons erkennen lässt. Auch hier ist der Sinn des aristotelischen Texts in der arabischen Version mehrfach entstellt: Zu den Fehlinterpretationen von „ǸŹǷн“ und „ɐ ɈǸɐȚɓɋɉɐл“ tritt noch eine Verlesung des griechischen Texts hinzu. Anstelle von „Im Phaidon heißt es, daß die Ideen (ɐ ǸŹǷн) die Ursachen sowohl des Seins als auch des Werdens sind. Indes: auch wenn 39 40 41
Cf. ibid., p. 119, l. 2-6. Cf. ibid., pp. 119-124, Texte 29-31. Cf. ibid., pp. 126-129, Texte 32-33.
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es die Ideen gibt, entsteht dennoch das an ihnen Teilhabende nicht, wenn es kein Bewegendes gibt (ۗɉ Ɉț ȫ ɐȟ оůɉȸɏɋɉ), und es entstehen viele andere Dinge“ heißt es in der arabischen Übersetzung: „Dies wird bereits im Phaedo gesagt, ich meine, dass die Arten (alanwĂ )צUrsache von Sein und Werden sind. Außerdem, wenn die Arten existieren, gibt es nichts, was sie umfasst (lĂ yakŧnu lahĂ ͧĂΥirun), wenn nicht das, was ein Bett ist (ۗɉ Ɉț ɐȟ оɇȞɉн Ɓɉ anstelle von ۗɉ Ɉț ȫ ɐȟ оůɉȸɏɋɉ?), zugleich mit vielen anderen Dingen ist“ 42 . Aus Ideen, die als Bewegendes das an ihnen Teilhabende verursachen, werden so in der Übersetzung Arten, für die es nur dann etwas Umfassenderes (Gattungen?) gibt, wenn das ihnen zugehörige Partikulare zusammen mit anderen Dingen existiert. (i) 991 b 9 - 992 a 23: In diesem Abschnitt bringt Aristoteles eine Reihe von Einwänden gegen die Gleichsetzung von Ideen mit idealen Zahlen oder idealen räumlichen Größen vor. Die arabische Übersetzung hat wiederum naw„( צArt“) sowohl für „ŵǷȚл“ als auch für „ǸŻǷɋɎ“, so dass der gesamte Abschnitt über den Unterschied zwischen Zahlen und Arten zu handeln scheint 43 . Platon wird nicht mit dieser Gleichsetzung in Verbindung gebracht und lediglich am Ende des Abschnitts als Verfechter der Theorie der „unteilbaren Linien“ genannt. (k) 992 a 24 – b 18: Es folgen weitere Argumente gegen die Ideen als Ursachen der sinnlichen Gegenstände und Prinzipien ihrer Erforschung. Die arabische Übersetzung handelt unverändert von Arten statt Ideen 44 . Wie irreführend diese Terminologie selbst für den geschulten arabischen Leser ist, zeigen die Ausführungen Ibn Rushds, der in seinem Kommentar zu diesem Abschnitt die „Arten“ des Übersetzungstexts mit Intelligibilia und Gattungen (maצqŧlĂt, ajnĂs) konnotiert. 42 43
44
Cf. ibid., p. 129, l. 2sq., p. 130, l. 9sq. (“in lam yakun alladhÁ huwa sarÁrun maa ashyΊa ukhara kathÁratin“). Cf. ibid., pp. 131-143, Texte 35-43. Um so bemerkenswerter ist der Umstand, dass Ibn Rushd erkennt, dass Aristoteles hier die Gleichsetzung von Zahlen und Formen (Υuwar) kritisiert, und diese Lehre eindeutig Platon zuschreibt („wa-hdh huwa madhhabu AflՈʗn“), cf. ibid., p. 132, l. 2-4. Zwar wird die Theorie der Idealzahlen auch an anderen Stellen der Metaphysik thematisiert und war Ibn Rushd somit zugänglich, doch schreibt Aristoteles sie nirgends explizit dem Platon zu. Cf. ibid., pp. 146-151, Texte 44-46.
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(iii) Metaph. III (B) 2, 997 a 34 – 998 a 19 (l) In diesem Abschnitt entfaltet Aristoteles die vierte Aporie, also die Frage, ob es nichtsinnliche Substanzen gibt, und, wenn dem so ist, ob mehrere Arten zu unterscheiden sind (cf. Metaph. 995 b 1318). Dabei kritisiert er verschiedene Aspekte der Ideenlehre, nimmt aber nicht namentlich auf Platon Bezug, sondern auf „die, welche die Ideen und das Mittlere annehmen“ (ɋŶ ɇūмɋɉɐǸɎ ɐŪ ɐǸ ǸŹǷн олȝ ɐ ɈǸɐлɊų, 997 b 1sq.) oder „einige, welche dieses Mittlere zwischen den Ideen und den sinnlichen Dingen annehmen“ (ɐůɉǸɎ ɋź ɒлɏůɉ ǸŻɉлů … ɐ ɈǸɐлɊȡ ɐлɀɐл ɇǸмŲɈǸɉл ɐɅɉ ɐǸ ǸŵǷɅɉ олȝ ɐɅɉ лŵɏǺнɐɅɉ, 998 a 7sq., ähnlich 997 b 12sq.). Buch III (B) der aristotelischen Metaphysik lag vermutlich nur in der arabischen Übersetzungen von UsՈth vor 45 . Dort steht im betreffenden Abschnitt für ǸŹǷн stets Υuwar („Formen“), doch ist daneben auch von „sinnlichen Formen“ (Υuwar maͧsŧsa) die Rede46 . Während Aristoteles’ Kritik also zwischen drei (postulierten) Seinsbereichen unterscheidet, Ideen, ɐ ɈǸɐлɊȢ, und sinnlichen Gegenständen, denen nicht notwendig ein gemeinsames Charakteristikum „Form“ zukommt (Aristoteles spricht vielmehr allgemein von Wesen, ɋȉɏȞлů, 997 b 1, 4), scheint die arabische Übersetzung von drei Arten von Formen zu handeln, „sinnlichen Formen“ (Υuwar maͧsŧsa), „mittleren Formen“ (Υuwar mutawassiίa), und Formen, die von gewissen Philosophen als von diesen beiden verschieden gesetzt werden 47 , die auf einer Skala von Immanenz und Transzendenz voneinander zu unterscheiden sind. 45
Erwähnt wird des Weiteren eine arabische Übersetzung des Kommentars von Syrianus zu Buch B; cf. A. Bertolacci, On the Arabic Translations, pp. 244-246. Dabei handelte es sich möglicherweise um eine komplette Übersetzung des MetaphysikKommentars von Syrianus, der mit der Kommentierung von Buch B einsetzt. Diese Übersetzung ist nicht erhalten. Sie wird, wie das erhaltene griechische Original, keine vollständigen textus des aristotelischen Texts enthalten haben.
46
Cf. Ibn Rushd, TafsĮr MĂ baצd al-ίabĮצa, p. 204, l. 10sq.: „wa-in idda aԉadun anna jawhira fÁm bayna l-הuwari wa-l-jawhiri l-maԉsʗsati ghayra l-הuwari l-maԉsʗsati“ für „ǿɐů Ƿș ǸŹ ɐůɎ Ɍлɍ ɐ ǸŹǷн олȝ ɐ лŵɏǺнɐ ɐ ɈǸɐлɊȡ ǺŬɏǸɐлů“, 997 b 12sq.
47
So jedenfalls interpretiert Ibn Rushd diesen Abschnitt, TafsĮr MĂ baצd al-ίabĮצa, pp. 205-225, bes. p. 207. Dabei bezeichnet er die letzte Gruppe von Formen als „abgetrennte Formen“ (Υuwar mufĂraqa).
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
(iv) Weitere Textstellen in anderen Büchern der Metaphysik (m) In Buch VII (Z) 6, 1031 a 28 – b 17, erklärt Aristoteles, dass das per-se-Ausgesagte (die individuelle Substanz) mit seinem Wesen identisch sein muss. Nimmt man nämlich eine von seinem Wesen verschiedene Idee (ŵǷūл) an (beispielweise die Idee des Guten, des Lebewesens oder des Seins als verschieden vom Wesen der individuellen Substanzen, die Gutes, Lebewesen oder Seiendes sind), ergeben sich folgende Konsequenzen: (1) Es müsste neben diesen Substanzen wiederum andere Substanzen und Ideen (ŵǷūлů) geben, die diesen vorgeordnet sind. (2) Es gäbe kein Wissen von den Einzeldingen, da Wissen Kenntnis des Wesens ist. (3) Die Wesen qua Ideen wären nicht Seiendes, wenn das per-se-Sein Seiendes, sein Wesen aber von diesem verschieden ist. (4) Wäre das Wesen von X verschieden von der Idee von X, so könnte die Idee von X nicht selbst X sein (Ausschluss der Selbstprädikation). — Folgerungen: (a) per-se Existierendes muss mit seinem Wesen identisch sein, unabhängig davon, ob es Ideen (ŵǷūлů) gibt, und erst recht, wenn es Ideen (ǸŹǷн) gibt. (b) Wenn es Ideen in der von einigen behaupteten Art gäbe (ŵǷūлů ɋźлɎ ɐůɉūɎ ɒлɏůɉ), könnten diese nicht von Substanzen als Zugrundeliegendem (ȊɌɋоǸŭɈǸɉɋɉ) ausgesagt werden, da sie selbst Substanzen sein müssten. Die arabische Überlieferung dieses Argumentationsstrangs 48 entspricht mehr oder weniger genau der griechischen Überlieferung, sieht man davon ab, dass „ŵǷūлů“ und „ǸŹǷн“ unterschiedslos durch Υuwar („Formen“) wiedergegeben wird. Allerdings ist ein wichtiger Unterschied gleich am Anfang des Gedankengangs festzustellen: Während Aristoteles in der griechischen Texttradition von der Annahme von Ideen als „Wesen“ (ɋȉɏŭлů) ausgeht, denen keine anderen Wesen und Naturen (ɋȉɏŭлů … ɒųɏǸůɎ ȀɐǸɍлů) vorgeordnet sind (ɌɍŲɐǸɍлů), werden diese Ideen (i.e. „Formen“, Υuwar) in der arabischen Version als „erste Substanzen“ bezeichnet, „die weder Substanzen noch Naturen von anderen Dingen (oder: für andere Dinge) sind“ 49 . Das bedeutet erstens, dass die Ideen nicht als dem Wesen der individuellen Substanz vorgeordnet, sondern als 48 49
Cf. ibid., p. 822, l. 7 – p. 823, l. 8, p. 830, l. 4sq. „Jawhiru m uwalu … laysat jawhira li-ashyΊa ukhara wa-l ՈabΊia li-ashyΊa ukhara”, ibid., p. 822, l. 8sq.
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von diesen getrennte, transzendente Substanzen gefasst werden; und zweitens, dass die Identität von per-se Ausgesagtem und Wesen nicht zunächst hypothetisch (auch) für die Ideen angenommen wird, vielmehr die Existenz der Ideen von Anfang an in der Kritik steht. Das semantische Feld „(Platonische) Form“ —sofern der arabische Leser in der Lage war, diese Theorie der „Form“ mit Platon zu assoziieren 50 — wird von vornherein auf die transzendente Substanz begrenzt und kommt somit für die Erklärung des Wesens der individuellen Substanz gar nicht mehr in Frage 51 . (n) Buch VII (Z) 8, 1033 b 26-29, 1034 a 2sq.: Nachdem Aristoteles dargelegt hat, dass die Art-Form (ǸŻǷɋɎ) unentstanden und, zusammen mit der Materie, Voraussetzung des aus Form und Materie gebildeten konkreten Ganzen ist, bemerkt er, dass die von einigen (ɐůɉǸɎ) praktizierte Bestimmung der Formen (ǸŹǷн) als Ursachen nichts zur Erklärung von Entstehungsprozessen und Substanzen beiträgt und die Formen zumindest in dieser Hinsicht nicht als selbständige Substanzen (ɋȉɏŭлů олǺ' лȊɐŪɎ) anzusetzen sind. Form- und Bewegungsursache sind im konkreten Einzelding (dem Erzeuger); es ist daher nicht nötig, die Form (ǸŻǷɋɎ) als Urbild (ɌлɍŪǷǸůмɈл) zu bestimmen. Diese Differenzierung zwischen der aristotelischen Art-Form und der Platonischen Form und die Ablehnung der Platonischen Form als Ursache der Entstehung des Einzeldings kommen in der arabischen Überlieferung nicht zum Ausdruck. Vermutlich aufgrund einer Auslassung in der griechischen Vorlage des Übersetzers ist dort zu lesen, dass einige Denker (ba͏צu l-nĂs) Formen als Ursache der Formen (al-Υuwar צilalu l-Υuwar) annahmen 52 , was weder von Aristoteles noch von Platon behauptet wird. Des Weiteren wird dort nicht erklärt, dass Formen zum Zweck der Erklä50 51
52
Wie beispielsweise Ibn Rushd, cf. ibid., p. 823, l. 15. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Ibn Rushd mit der Folgerung (a) nicht viel anzufangen weiß und sie nicht auf den Substanzcharakter des Substratums, sondern auf das Wissen von den Einzeldingen (Konsequenz [2]) bezieht, cf. ibid., p. 829, l. 15 – p. 830, l. 2. Cf. ibid., p. 865, l. 3-6. Der Übersetzer las vermutlich ɒлɉǸɍȟɉ ۙɍл Ƃɐů ɐɅɉ ǸŵǷɅɉ лŵɐŭл, ȒɎ ǸŵŴǺлɏŭ ɐůɉǸɎ ɇūмǸůɉ, ɐ ǸŹǷн anstelle von ɒлɉǸɍȟɉ ۙɍл Ƃɐů Ȃ ɐɅɉ ǸŵǷɅɉ лŵɐŭл, ȒɎ ǸŵŴǺлɏŭ ɐůɉǸɎ ɇūмǸůɉ ɐ ǸŹǷн.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
rung individueller Entstehungsprozesse nicht als selbständige Substanzen angesetzt zu werden brauchen, sondern lediglich, dass selbständige Substanzen 53 nicht zu diesem Zweck taugen. Diese Bemerkung war also gar nicht als Kritik der platonischen Ideenlehre zu lesen. Auch die kritisierte Gleichsetzung von Urbild und Platonischer Form wird nicht deutlich, da im Arabischen von „irgendeiner Form“ (Υŧratun mĂ) die Rede ist 54 . (o) Buch VII (Z) 15, 1040 a 3-9: Einzeldinge können nicht Gegenstand von Definitionen sein. Die Idee (Ȃ ŵǷūл) gehört zu den Einzeldingen und existiert abgetrennt (ɓɕɍůɏɐŬ). Sie kann daher nicht definiert werden. In der arabischen Übersetzung dieses Abschnitts wird ŵǷūл konsequent durch mithĂl („Urbild, Paradigma“) ersetzt: Urbilder gehören zu den Particularia (al-juzץiyyĂt), existieren abgetrennt, und sind nicht definierbar55 . Diese Substitution ist insofern problematisch als die Idee separater partikularer Formen nicht notwendig das relationale Konzept der Partizipation von abbildhaften Instantiierungen eines idealen Paradigmas impliziert, ist es doch gerade die Theorie der Partizipation und der Urbild-AbbildRelation, die die Einheit der Form oder Idee in die Nähe der Einheit von Universalien rückt und damit von Aristoteles’ Hauptargument, der Partikularität der ŵǷūл, dissoziiert 56 . Dass Aristoteles sich auf Platon bezieht, ist in der arabischen Übersetzung nicht ohne weiteres zu erkennen. (p) Buch VII (Z) 16, 1040 b 27-30: Seine bis dahin entfaltete Substanzlehre resümierend stellt Aristoteles zur Ideenlehre fest, dass diese zu Recht die separate Existenz der (Platonischen) Formen (ǸŹǷн) behauptet, sofern es sich dabei um Substanzen (ɋȉɏŭлů) handelt, jedoch darin irrt, diese mit einem „Eines-über-Vielen“ zu identifizieren (ɐȟ Ǿɉ ǻɌȝ ɌɋɇɇɅɉ ǸŻǷɋɎ ɇūмɋɑɏůɉ). Der Übersetzer interpretiert diesen Einwand im Sinne von ɐȟ Ǿɉ ǸŻǷɋɎ ǻɌȝ ɌɋɇɇɅɉ 53
54
55 56
In Ibn Rushds Kommentar werden daraus „abgetrennte selbständige Substanzen“ (jawĂhir mufĂraqa qĂץima bi-dhĂtihĂ), ibid., p. 868, l. 4. Cf. ibid., p. 865, l. 12. Ibn Rushd hat zum ɌлɍŪǷǸůмɈл-Begriff nichts zu sagen; cf. ibid., p. 869, l. 17sq. Cf. ibid., p. 983, l. 10-14. Cf. Mary Louise Gill, „Problems for Forms,“ in Hugh H. Benson (ed.), A Companion to Plato, Oxford: Blackwell, 2006, pp. 184-198.
2. Aristoteles’ Kritik der Ideenlehre in den arab. Übersetzungen
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ɇūмɋɑɏůɉ 57 , wodurch Aristoteles’ Einwand gegen die Gleichsetzung von Ideen mit Universalien oder Allgemeinbegriffen, also logischen Konzepten, zu einem Einwand gegen die Existenz von Ideen/ Formen in den Einzeldingen wird 58 . Der Fehler der Befürworter der Ideenlehre besteht demnach nicht darin, die Ideen qua Substanzen zu Universalien zu machen, sondern darin, die Ideen zugleich abgetrennt und in den Einzeldingen existieren zu lassen 59 . (q) Buch VIII (H) 1, 1042 a 11-16: Wenige Seiten später differenziert Aristoteles zwischen dem (akzidentellen) Substanzcharakter von Gattungen und Universalien auf der einen Seite und dem von Art-Formen (ǸŹǷн) und dem Einzelnen auf der anderen Seite. Dann erwähnt er, dass Platonische Ideen (ŵǷūлů) mit ersteren korrelieren 60 . Anders als in Abschnitt (n) erkennt der Übersetzer hier, dass eine Wiedergabe von ǸŹǷн und ŵǷūлů durch Υuwar den Text unverständlich machen würde, und behilft sich damit, ŵǷūлů mit muthul („Paradigmata“) zu übersetzen 61 . Dass hier von denselben Platonischen Formen die Rede ist, die in der Übersetzung von Buch I (A) als „Arten“ (anwĂ )צund in Buch VII (Z) als „Formen“ (Υuwar) bezeichnet wurden, ist für den arabischen Leser kaum ersichtlich 62 . Zudem ignoriert diese Übersetzung das Spannungsverhältnis zwischen den Ideen als Universalien, die in den Einzeldingen durch eine 57
58 59
Cf. Ibn Rushd, TafsĮr MĂ baצd al-ίabĮצa, p. 1003, l. 3sq.: „inna l-הʗrata l-wԉidata fÁ ashyΊa kathÁratin“. Und so auch von Ibn Rushd interpretiert wird, cf. ibid., p. 1004, l. 4-6. Zu Aristoteles’ Argumentation cf. B. Strobel, »Dieses« und »So etwas«, pp. 202-207.
60
„[D]ie … Ansicht einiger Denker ist, daß die Ideen und die Gegenstände der Mathematik Substanzen sind. Auf andere Weise schließlich ergibt sich aus der Argumentation, daß ,Was es war zu sein‘ und das Zugrundeliegende Substanzen sind; auf wieder andere Weise wäre die Gattung in höherem Maße Substanz als die Arten und das Allgemeine als die Einzeldinge; mit dem Allgemeinen aber und der Gattung sind auch die Ideen verknüpft (denn sie gelten nach demselben Argument für Substanzen)“, Metaph., 1042a11-16.
61
Cf. Ibn Rushd, TafsĮr MĂ baצd al-ίabĮצa, p. 1025, l. 6-9.
62
Ibn Rushd bringt daher die genannten „Paradigmata“ auch nicht mit Platonischen Formen in Verbindung, sondern erläutert die vorliegende Textstelle mit der Bemerkung, dass die Philosophen, von denen Aristoteles spricht, Universalien (kulliyyĂt) mit Paradigmata (muthul) gleichsetzten; cf. ibid., p. 1026, l. 8sq.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
„Teilhabe-Relation“ instantiiert sind, und den Ideen als Paradigmata, zu denen die Einzeldinge in einer „Abbild-Relation“ stehen. (r) Buch IX (Ř) 8, 1050 b 34 – 1051 a 1: Ein weiteres Argument gegen die Ideenlehre, abgeleitet aus der Priorität der Aktualität vor der Potentialität. Sowohl die in den textus von Averroes’ Kommentar zitierte Übersetzung UsՈths63 als auch die in den kommentierenden Abschnitten herangezogene alia translatio64 geben ŵǷūлů wiederum durch muthul („Paradigmata“) wieder. Dieser Terminologie zufolge ist es die Urbild-Abbild-Relation, nicht die formale Ursächlichkeit, worin Aristoteles die Potentialität der Ideen lokalisiert. (s) Buch XII (ś) 3, 1070 a 18-20: Die Textüberlieferung dieses Abschnitts ist problematisch: Ƿůȟ Ƿț ɋȉ олоɅɎ ŠɇŪɐɕɉ ǿɒн (ŠɇŪɐɕɉ ǿɒн : ɋŶ ɐ ǸŹǷн ɐůǺȚɈǸɉɋů ǿɒлɏлɉ Themistius ut vid., cf. ed. Landauer, p. 7, l. 7) Ƃɐů ǸŹǷн ǿɏɐůɉ žɌŲɏл ɒųɏǸů, ǸŹɌǸɍ ǿɏɐůɉ ǸŹǷн ۙɇɇл (ۙɇɇл : ەɇɇ mehrere Kodizes : ۙɇɇɋɑ J : ەɇɇ۞ м’ ɋȉ Christ) ɐɋųɐɕɉ ɋżɋɉ Ɍɀɍ ɏɍɊ оǸɒлɇŬ۰ ۚɌлɉɐл мɍ Ȏɇн ǻɏɐŭ. Je nach Lesart wird also Platon oder denen, die Ideen annahmen, eine Begrenzung der Ideen auf natürliche Gegenstände zugeschrieben. Die arabische Übersetzung Abʗ Bishr Matts bestätigt letztere Lesart, die Übersetzung UsՈths hingegen bestätigt die Lesart ŠɇŪɐɕɉ ǿɒн 65 . Der mit ǸŹɌǸɍ beginnende Satz lässt, je nach Lesart, diverse Interpretationen zu. Liest man ǸŹɌǸɍ ǿɏɐůɉ ǸŹǷн ۙɇɇл ɐɋųɐɕɉ, könnte gemeint sein: „sofern es Ideen gibt, die von diesen [irdischen] Dingen verschieden sind“. Diese Interpretation ist freilich kaum mit den folgenden Worten, ɋżɋɉ Ɍɀɍ…, vereinbar 66 . Will man hingegen ɋżɋɉ Ɍɀɍ… als Erklärung zu ɐɋųɐɕɉ auffassen, ergibt sich folgende Interpretation: „sofern es Ideen/Formen gibt, die von solchen Dingen wie Feuer … verschieden sind“. Eine derartige Interpretation setzt aber eine befremdliche Konstruktion von ɐɋųɐɕɉ ɋżɋɉ 63 64
65
66
Cf. ibid., p. 1206, l. 9 – p. 1207, l. 2. Cf. ibid., p. 1209, l. 4-7. Möglicherweise handelt es sich um die Übersetzung Isԉq Ibn Ԉunayns, cf. Bouyges, Notice, p. cxxx. Cf. Ibn Rushd, TafsĮr MĂ baצd al-ίabĮצa, p. 1480, l. 9, und ibid., versio V, l. 1sq. Beide Lesarten waren auch Alexander von Aphrodisias bekannt, wie aus Ibn Rushds Zusammenfassung von Alexanders Kommentar erhellt; cf. ibid., p. 1481, l. 4sq. Ps.-Alexander schlägt daher eine Transposition dieses Satzes vor, cf. W. D. Ross, Aristotle’s Metaphysics, vol. II, p. 356sq.
2. Aristoteles’ Kritik der Ideenlehre in den arab. Übersetzungen
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voraus 67 . Dies gilt auch für die von Christ vorgeschlagene Lesart ەɇɇ۞ м’ ɋȉ ɐɋųɐɕɉ, die Ross unter anderem aus diesem Grunde in seinem Buch Aristotle’s Metaphysics verwirft, während er später in seiner englischen Übersetzung selbst vorschlägt, ەɇɇ’ ɋȉ ɐɋųɐɕɉ zu lesen. Problematisch ist bei beiden Emendationsvorschlägen vor allem, dass sie nicht mit unserer Kenntnis der platonischen Ideenlehre harmonieren, da Platon zumindest von einer Idee des Feuers explizit spricht (cf. Timaios 51b, Parmenides 130c, etc. 68 ) und in Respublica X andeutet, dass „für jede Gruppe von vielen Dingen, auf die wir ein und denselben Ausdruck anwenden“ (596 a 6), eine Idee anzusetzen ist. Die Einschränkung der Ideen auf natürliche Gegenstände (unter Ausschluss von Kunstdingen) kommt in keiner der beiden arabischen Übersetzungen zum Ausdruck. In UsՈths Übersetzung, die Platon namentlich erwähnt, heißt es, dass dieser gelehrt habe, „die Form (Υŧra) [oder: die Formen (Υuwar) 69 ] sei(en), sofern es sich dabei um andere Formen handelt (in kĂnat Υuwaran ukhar, ǸŹɌǸɍ ǿɏɐůɉ ǸŹǷн ۙɇɇл), der Natur nach (bi-l-ίab[ )צFormen] für diese [Dinge] 70 : Feuer, Fleisch [und] Kopf“. Von einer Begrenzung der Ideen auf natürliche Gegenstände ist hier also gar nicht die Rede, vielmehr wird zwischen natürlichen Formen in Naturdingen wie Feuer, Fleisch und Kopf, und Formen künstlicher Gegenstände unterschieden. Abʗ Bishr Matt dagegen erfasst die durch žɌŲɏл zum Ausdruck gebrachte Korrelation nicht und übersetzt: „diejenigen, die Formen annahmen, gingen nicht fehl [in der Annahme], dass diese [Formen], sofern sie in irgendeiner Weise existieren, alles das sind, was der Natur nach existiert“71 . Sofern der arabische Leser überhaupt erkennen konnte, dass hier von Platonischen Formen die Rede ist, ließ diese Übersetzung also darauf schließen, die Anhänger der Ideenlehre hätten diese mit den Naturdingen gleichgesetzt. Da Matt im folgenden ەɇɇ ɐɋųɐɕɉ (lĂkin min hĂdhihĮ) liest und auch in seiner Vorlage ɋżɋɉ fehlte, entsteht des Weiteren der Eindruck, 67 68 69 70 71
Cf. ibid., p. 357. Cf. B. Strobel, »Dieses« und »So etwas«, p. 248, Anm. 26. Bouyges zufolge ist die Handschrift nicht eindeutig. Offenbar fehlten žɌŲɏл und ɋżɋɉ in der griechischen Vorlage UsՈths. „Fa-hiya kullu m kna mawjʗdan bi-l-ՈabÁa“; Ibn Rushd, TafsĮr MĂ baצd al-ίabĮצa, p. 1480, l. 10.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
dass Aristoteles hier die platonische Lehre nicht referiert, sondern gegen diese einwendet, dass der genannten Gleichsetzung zufolge zu diesen Formen auch Formen solcher Naturdinge gehören müssten, die als Materie Zusammengesetztes konstituieren. Matts Übersetzung besagt also folgendes: Die Anhänger der Ideenlehre haben nicht völlig unrecht, wenn sie Formen und Naturdinge gleichsetzen; allerdings müsste man diese Doktrin auf solche natürlichen Gegenstände beschränken, die nicht ihrerseits als Materie oder Konstituens anderer Naturdinge dienen. (t) Buch XII (ś) 3, 1070 a 21-30: Anders als die Bewegungsursache sind die formalen Ursachen (ɐ ... ȒɎ ž ɇŲмɋɎ [лŹɐůл]) zugleich mit dem, dessen Ursachen sie sind, unabhängig davon, ob dies vergänglich oder unvergänglich ist. Nicht einmal im letzteren Falle bedarf es der Annahme der Ideen (ɐɎ ŵǷȚлɎ), um die Entstehung der Dinge zu erklären. Beide erhaltenen arabischen Übersetzungen geben ɐɎ ŵǷȚлɎ durch „Form(en)“ (Υŧra, UsՈth, Υuwar, Abʗ Bishr Matt) wieder, transformieren somit Aristoteles’ Kritik an der Annahme einer separaten, vom causatum unabhängigen Existenz der Ideen in die kategorische Feststellung, dass „Formen“ zur Erklärung der Wirkursachen von Entstehungsprozessen nichts beitragen 72 . Diese Verallgemeinerung steht in Einklang mit dem Umstand, dass im vorangehenden Abschnitt (§ [s]) die Beschränkung des Gültigkeitsbereichs der Ideen auf natürliche Gegenstände nicht erfasst worden ist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die arabische Überlieferung der aristotelischen Ideenkritik ein heterogenes, oft widersprüchliches Bild der platonischen Ideenlehre entfaltet. Ist es schon für den modernen, mit Platons Werken vertrauten Philosophiehistoriker schwierig, in Aristoteles’ Bemerkungen eine adäquate Kritik der Ideenlehre zu erkennen 73 , so war es für den mittelalterlichen Philosophen, der keinen oder nur sehr beschränkten Zugang zu Platons 72 73
Cf. ibid., p. 1490sq., Text 18. Cf. P. Natorp, Platos Ideenlehre, pp. 419-56; W. D. Ross, Plato’s Theory of Ideas, p. 233sq., I. Düring, Aristoteles, p. 245, G. Fine, On Ideas, pp. 28f., 35, 89, 184-91, 241, C. Shields, Learning about Plato from Aristotle, in Hugh H. Benson (ed.), A Companion to Plato, pp. 403-417.
3. Plotinus Arabus
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Werken hatte, unmöglich, aus diesen Bemerkungen eine kohärente Theorie der Ideen abzuleiten, die Platon einigermaßen gerecht geworden wäre. Platonische Formen stellen sich in diesen Bemerkungen entweder (i) als aristotelische Art-Formen oder Universalien oder (ii) als eine von drei Arten von Formen dar, die durch ihr Verhältnis zur Materie unterschieden sind, sinnliche Formen, mittlere/mathematische Formen, und abgetrennte Formen. Die Idee der Partizipation wird nicht erfasst oder aber entweder als Instantiierung von Universalien oder als Relation von Umfassen und Enthaltensein interpretiert. Die epistemologischen Fragen, wie sich Ideen zum Wissen im allgemeinen und zur Erkenntnis von Sinnesgegenständen im besonderen verhalten, und wie Idee und ontologische Wahrheit korrelieren, werden auf das aristotelische Konzept der Nichtdefinierbarkeit von Particularia reduziert. Was Ideen mit Urbildern zu tun haben, wird überhaupt nicht ersichtlich. Die Frage der Priorität und Ursächlichkeit Platonischer Formen wird, wenn überhaupt, im Rahmen und mit Hilfe der Begrifflichkeit der aristotelischen Ursachenlehre betrachtet. Das Problem der Selbstprädikation der Idee wird vollständig ausgeblendet. 3. Plotinus Arabus Den mittelalterlichen arabisch schreibenden Philosophen lagen drei paraphrasierende und kommentierende Adaptionen von Teilen der Enneaden IV.2 – VI.7 Plotins vor. (i) Die sogenannte „Theologie des Aristoteles“ (UthŧlŧjiyĂ ArisίŧίĂlĮs /ArisίĂίĂlĮs, im Folgenden ThA). (ii) Die „Epistel über die göttliche Wissenschaft“ (RisĂla fĮ l-צilm alilĂhĮ, im Folgenden Epist). (iii) Eine unbetitelte Sammlung von Dicta eines gewissen griechischen Weisen (QĂla l-Shaykh al-yŧnĂnĮ, im Folgenden DICTA) 74 . 74
Eine umfassende Einführung in die Überlieferung und Rezeption dieser Texte sowie in die Forschungsliteratur bis 1989 gibt Maroun Aouad, „La Théologie d’Aristote et autres textes du Plotinus Arabus“, in Dictionnaire des philosophes antiques, vol. 1, ed. R. Goulet, Paris 1989, pp. 541-90. Für Publikationen nach 1989 cf. Hans Daiber, Bibliography of Islamic Philosophy, vol. 2, p. 439 f., idem., Bibliography of Islamic Philosophy. Supplement, p. 400 f. Alle folgenden Seiten- und
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
In ihrer Bezugnahme auf den plotinischen Text ergänzen sich die drei Texte; an einigen Stellen liegen geringe Überschneidungen vor 75 . Aller Wahrscheinlichkeit nach gehen die drei Texte auf eine frühere, integrale Adaption der Enneaden IV-VI zurück. Nun spricht Plotin nicht explizit von Platonischen Formen oder Ideen; inwiefern also konnten diese Texte das mittelalterliche arabische Bild der platonischen Ideenlehre beeinflussen? — Folgendes ist zu bedenken: 1. Anders als Platon und Aristoteles war Plotin selbst den arabisch schreibenden Philosophen und Doxographen kein Begriff 76 . 2. Plotin spricht, weitgehend unter Benutzung platonischer Terminologie, an zahlreichen Stellen über Formen und Ur- und Abbilder 77 . 3. Plotin nimmt in Enn. IV.2-VI.7 an insgesamt 33 Stellen namentlich auf Platon Bezug, sei es zitierend, referierend, oder um seine eigenen Argumente autoritativ zu untermauern. Die einzige Stelle, an der Aristoteles namentlich genannt wird (Enn. V.1.9), fehlt hingegen in der arabischen Adaption 78 . Ein Benutzer der arabischen Adaptionen, der deren Zuschreibung an Aristoteles und einen nicht näher bekannten „griechischen Weisen“ akzeptierte, konnte durchaus den Eindruck gewinnen, dass hier über weite Strecken platonische Lehren referiert werden. 4. Dieser Eindruck wurde des Weiteren intensiviert durch den Umstand, dass sowohl ThA als auch DICTA verschiedene Textabschnitte,
75
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78
Zeilenreferenzen zu diesen drei Texten beziehen sich auf die Edition von A. BadawÁ, AflŧίĮn צind al-צArab, Kairo 1955, mit der Ausnahme eines Abschnitts von DICTA, der von BadawÁ nicht ediert wurde und den ich nach C. D’Ancona et al., Plotino. La discesa dell’anima nei corpi (Enn. IV 8[6]): Plotini arabica (PseudoTeologia di Aristotele, capitoli 1 E 7; „Detti del Sapiente Greco“), Padova 2003, pp. 239-46, zitiere. Vgl. die tabellarische Übersicht in C. D’Ancona et al., Plotino. La discesa dell’ anima, pp. 214-17. Cf. F. Rosenthal, „Aš-Šayԏ al-Yûnânî and the Arabic Plotinus Source“, Orientalia N. S. 21 (1952), pp. 461-92, 22 (1953), pp. 370-400, 24 (1955), pp. 42-66, repr. in F. Rosenthal, Greek Philosophy in the Arab World, p. 462 f. Cf. P. Hadot, Plotinus or The Simplicity of Vision, transl. by M. Chase, pp. 37-45; W. Beierwaltes, Das wahre Selbst: Studien zu Plotins Begriff des Geistes und des Einen, pp. 54-70. Cf. F. Zimmermann, “The Origins of the So-called Theology of Aristotle”, in Pseudo-Aristotle in the Middle Ages: The Theology and Other Texts, ed. by J. Kraye, W. F. Ryan, and C. B. Schmitt, pp. 118-125.
3. Plotinus Arabus
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in welchen Plotin in eigenem Namen spricht oder Heraklit zitiert, in den Mund Platons legen 79 . 5. Was der arabische Plotin über Υuwar und muthul lehrt, stand offensichtlich in Widerspruch zur Doktrin der Form in den Übersetzungen authentischer Werke Aristoteles’, schien aber im Wesentlichen mit den von Aristoteles kritisierten Eigenschaften Platonischer Formen sowie mit dem vagen, aus den arabischen Platonica herzuleitenden Wissen über diese zu harmonieren 80 . Das Bild, das sich arabisch schreibende Philosophen von antiken Theorien der Form machten, war zutiefst dualistisch geprägt, insbesondere wenn es um die Frage des ontologischen Status von Universalien ging. Was nicht von Aristoteles stammte oder mit aristotelischen Lehren erklärt oder gestützt werden konnte, war platonisch, und vice versa. Die therapeutische Vorbildfunktion der beiden Philosophen gestattete nur zwei Alternativen, diesem Dilemma zu begegnen: den Topos der Harmonie zwischen Platon und Aristoteles (mit unterschiedlichsten Strategien) und die Kontroverse mit der Zielsetzung, eine der beiden Theorien als die überlegene, weil den aktuellen Parametern besser angepasste, zu erweisen 81 . Jeder andere Weg hätte die Vorbildfunktion untergraben und war undenkbar für einen mittelalterlichen arabisch schreibenden Philosophen. Ein Paradebeispiel für einen solchen Zugang ist der einflussreiche Traktat Über die Harmonie der Ansichten der beiden Weisen, des Göttlichen Platon und Aristoteles’ (vermutlich Mitte des 10. Jh.). Dessen Verfasser hält ThA für eine authentische Schrift Aristoteles’, kennt Aristoteles’ Metaphysik und hat zumindest rudimentäre Kenntnisse einer platonischen Theorie der Υuwar und „muthul ilĂhiyya“. Er 79
80
81
Cf. ibid., pp. 143-149, 217-221; C. D’Ancona, “The Greek Sage, the PseudoTheology of Aristotle and the Arabic Plotinus”, in Words, Texts and Concepts Cruising the Mediterranean Sea, ed. by R. Arnzen and J. Thielmann, pp. 159-76. Cf. C. D’Ancona, „Greek into Arabic: Neoplatonism in Translation“, in The Cambridge Companion to Arabic Philosophy, ed. by P. Adamson and R. C. Taylor, pp. 10-31, esp. 11-13; eadem, “The Timaeus Model for Creation and Providence: An Example of Continuity and Adaptation in Early Arabic Philosophical Literature”, in Plato’s Timaeus as Cultural Icon, ed. by G. J. Reydams-Schils, pp. 206-37. Cf. G. Endreß, “
, l’Aristote arabe et l’émancipation de la philosophie en Islam médiéval”, in Historia Philosophiae Medii Aevi: Studien zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters, herausgegeben von B. Mojsisch, Olaf Pluta, pp. 237-57, bes. 240-47.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
sieht sich folglich mit folgendem Trilemma konfrontiert: Entweder (i) Aristoteles widerspricht sich selbst, oder (ii) eine der beiden Doktrinen stammt nicht von Aristoteles, oder (iii) die beiden Doktrinen sind nur prima facie unvereinbar, stimmen aber in ihrer inneren, durch Interpretation herauszuarbeitenden Bedeutung überein 82 . Die Alternativen (i) und (ii) werden mit verschiedenen Argumenten ausgeschlossen. Folglich gilt (iii), und zwar derart, dass die Ideenlehre aus ThA (und den übrigen arabischen Plotiniana) als die einzig wahre, sowohl von Aristoteles als auch von Platon vertretene Doktrin dargestellt wird. Das Zusammentreffen der vorgenannten Umstände macht die arabischen Plotiniana zu einer wichtigen Quelle für arabische Theorien der Platonischen Formen. Nicht nur die dort explizit Platon zugeschriebenen Lehren werden in der nachfolgenden arabischen Philosophie mit Platon assoziiert. Wie in den arabischen Aristotelica werden Formen in den arabischen Plotiniana als Υuwar bezeichnet. Generell wird unterschieden zwischen noetischen Formen (Υuwar צaqliyya), natürlichen Formen (Υuwar ίabĮצiyya) und artifiziellen oder künstlichen Formen (Υuwar ΥinĂצiyya). Anders als bei Aristoteles handelt es sich hierbei um exklusive Klassen von Formen, die in einem kausalen und hierarchischen Ordnungsverhältnis stehen: „Jede [...] Form stammt gewiss von (innamĂ kĂnat min) einer ihr vorangehenden und übergeordneten Form. Wenn es sich nämlich um eine künstliche Form handelt, so stammt sie gewiss von der Form, die [sich] im Intellekt und Denken des Künstlers [befindet]; und wenn es sich um eine natürliche Form handelt, so stammt sie gewiss von einer ihr vorangehenden und vorrangigen noetischen Form. Die erste, noetische Form ist also nobler als die natürliche Form, die natürliche Form ist nobler als die Form, die [sich] im Denken des Künstlers [befindet], und die Form, die im Künstler Gegenstand des Denkens ist, ist nobler und schöner als die im Akt ausgeführte Form.“ 83
Abweichend von Platons atemporalen Ideenbegriff (cf. Timaios 37e 3ff.) ist in den arabischen Plotiniana von immerwährenden Formen (dĂץim lĂ yafsudu) die Rede wie auch von solchen, die vergänglich sind. 82
83
Cf. Al-FrbÁ, L’armonia, pp. 68-73. Ein vergleichbarer Ansatz scheint bei Abʗ Sulaymn al-SijistnÁ (ebenfalls Mitte des 10. Jh.) vorzuliegen, cf. Joel L. Kraemer, Philosophy in the Renaissance of Islam, pp. 188-91, 198 f. ThA, p. 58, l. 2-7.
3. Plotinus Arabus
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Ein Beispiel für erstere sind geometrische Formen (Υuwar misĂͧiyya) 84 , ein Beispiel für letztere materielle Formen, die vergehen, wenn sie von der Materie abgetrennt werden 85 . Diese immanenten Formen sind später als die Materie, die sie aufnimmt (ͧĂΥil) 86 . Der Begriff der Form wird also nicht im Sinne einer solchen ontologischen Interpretation der Zwei-Welten-Theorie verwendet, die die Existenz von Formen/ Ideen in der sinnlichen Welt in jeder Hinsicht ausschließt. Anders als bei Platon, dessen demiurgisches Modell eine Ursache der immerseienden Ideen (zumindest im Sinne der aristotelischen Ursachenlehre) ausschließt, gilt für alle Formen, auch die ewigen, dass sie bewirkt (F-צ-L), hervorgebracht (ͦ-D-TH, 4. Stamm), oder erschaffen (B-D-צ, 4. Stamm) sind und eine Ursache (צilla) haben 87 . Erste Ursache dieser Hervorbringung, die, sofern von ewigen Formen die Rede ist, außer oder vor der Zeit und in nichtdiskursiver Form 88 erfolgen muss, ist der Schöpfer (al-bĂri)ץ. Doch werden nicht alle Formen auf die gleiche Weise hervorgebracht, vielmehr teils (ba ͏צal-Υuwar) „durch ein Mittleres“ (bi-tawassuί), teils ohne ein solches Medium 89 . Der Formen, die „ohne ein Mittleres“ hervorgebracht werden, gibt es genau eine, „eine gewisse Form“ (Υŧratun mĂ), das erste Produkt der Erschaffung 90 . Diese „erste Form“, wie sie an anderer Stelle auch genannt wird 91 , wird in den arabischen Plotiniana vielfach beschrieben und qualifiziert, unter anderem folgendermaßen: (i)
84 85 86 87
88 89
90
91 92
Sie wird durch den Schöpfer zu Licht / ist durch ihn erleuchtet (istanĂrat minhu) 92 .
Ibid., p. 48, l. 16. Ibid., p. 44, l. 10 f., Epist, p. 167, l. 8 f. ThA, p. 44, l. 11, Epist, p. 167, l. 7 f., p. 169, l. 5 f. ThA, p. 51, l. 11 f. (dazu P. Adamson, The Arabic Plotinus, p. 132 f.), p. 147, l. 9-15, l. 20 f., Epist, p. 168, l. 8-10, DICTA, p. 185, l. 10 f., ThA, p. 98, l. 12 f., p. 114, l. 14-18, p. 139, l. 9, p. 147, l. 11 ff., p. 163, l. 7 f. Ibid., p. 51, l. 11 f., 162, l. 11 ff., DICTA, p. 185, l. 10 f. Zur Doktrin der creatio mediante intelligentia cf. C. D’Ancona, „La doctrine de la création «mediante intelligentia» dans le Liber de causis et dans ses sources”, und P. Adamson, The Arabic Plotinus, pp. 137-42. ThA, p. 163, l. 8-10: “wa-awwalu m abdaa [scil. al-briΊ] Υuratun mĂ [...] thumma abdaa sΊira l-ashyΊi bi-tawassuՈi tilka l-הʗra”. Ibid., p. 140, l. 17 f., p. 141, l. 7 f., etc. Ibid., p. 163, l. 9.
I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
34 (ii) (iii) (iv) (v)
(vi) (vii) (viii)
93
94 95 96
97 98 99 100 101
Sie kommt dem Schöpfer hinsichtlich Kraft, Licht und Einfachheit nahezu gleich 93 . Sie ist identisch mit dem kosmos noêtos (al-צĂlam al-aצlĂ = alצĂlam al-צaqlĮ), „d.h. mit den Intellekten und Seelen“ 94 . Sie stammt, wie schon ihr Name sagt, nicht von irgendeiner Form des Schöpfers, denn dieser ist formlos und jenseits aller Formen 95 . Sie ist Form des Ersten Intellekts, dies jedoch nur, sofern dieser in Beziehung zum Schöpfer gesetzt wird und sich hierin als begrenzt (und von diesem verschieden) erweist 96 . (Hingegen hat der Erste Intellekt an sich keine Form, sondern ist das alle Formen Umfassende, cf. [viii].) Sie ist schön (ͧasana), vollkommen (tĂmma), und ewig 97 . Qua kosmos noêtos bringt sie den kosmos aisthêtos (al-צĂlam alͧissĮ) hervor (ͦ-D-TH, 4. Stamm) 98 . Qua kosmos noêtos/Form des nous ist sie zugleich Eines und Vieles. Ihre Einheit ist jedoch verschieden von der Einheit des Schöpfers, andernfalls müssten sie und der Schöpfer ein und dasselbe sein 99 . Sie ist Vieles nicht in dem Sinne, dass sie viele Formen hat in der Weise, wie ein Substrat diese oder jene Form haben kann, sondern derart, dass sie alle Formen dessen, was im kosmos aisthêtos ist, oder alle Formen von Lebewesen (panteles zôon, cf. Platon, Timaios 30 c ff.) in sich enthält (fĮhi) und umfasst (muͧĮί bi-) 100 , insofern sie sie bewirkt, während sie zugleich als Ursache in diesen Formen ist 101 .
Ibid., p. 163, l. 9 f.: “takdu an tatashabbaha bihÁ li-shiddati quwwatih wa-nʗrih wa-basՈih”. Ibid., p. 163, l. 11: “wa-hdhihi l-הʗratu hiya l-lamu l-al anÁ l-uqʗla wa-l-anfus”. DICTA, p. 185, l. 6 f, p. 188, l. 5-7, p. 196, l. 16 ff. Ibid., p. 188, l. 3 f.: “al-aqlu l-awwalu l-mubtadau laysa bi-dhÁ הʗratin <wa->idh uӱÁfa il l-mubdii l-awwali kna dh הʗratin li-annahʗ yatanh fa-yushakkalu fayakʗnu dh ԉilyatin wa-הʗra”; für Form qua Grenze und Stillstand cf. ibid., p. 185, l. 15-19 (und Plotin, Enn. V.1: 7,25f.). ThA, p. 119, l. 9 f., p. 140, l. 17-19. Ibid., p. 56, l. 10 f. Ibid., p. 148, l. 9-12. Ibid., p. 140, l. 18, p. 141, l. 9 f., p. 149, l. 7 f., Epist, p. 168, l. 14. Epist, p. 168, l. 20-22, DICTA, p. 185, l. 9-11.
3. Plotinus Arabus
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Die arabischen Plotiniana zeichnen also nicht das Bild einer absolut transzendenten Ideenwelt. Als Ursache, und zwar als formale Ursache, nicht aber als Ursache des Seins 102 , ist die erste, aus dem Schöpfer hervorgehende Form in sämtlichen Formen des kosmos noêtos, die ihrerseits wiederum in den Formen des kosmos aisthêtos sind. Die in (v) und (viii) umrissenen Gedanken entfalten in Anlehnung an Platons Konzept des panteles zôon (cf. Plotin, Enn. VI.7: 8,31) die Idee einer alle Formen umfassenden Form, die zugleich nous und kosmos noêtos ist. Die hier vorzufindenden noetischen Formen sind aber nicht abgetrennt von der Welt des Werdens und Vergehens, sondern stehen in einer kontinuierlichen hierarchischen Verbindung mit dieser. Das Werden steht am Ende der Kette noetischer Formursachen und am Anfang der Hierarchie der Ursachen, die die akzidentellen Formen (al-Υuwar alצara͏iyya) der Welt des Werdens hervorbringen103 . In Abgrenzung zu diesen sowie zur „ersten Form“ werden alle übrigen noetischen Formen auch als „himmlische Formen“ (Υuwar samĂwiyya) bezeichnet. Der Verfasser der arabischen Plotin-Paraphrase unterscheidet zwischen partikularen und universalen Formen 104 . Sind also die noetischen Formen hypostasierte Universalien? Die Beantwortung dieser Frage fällt nicht leicht. Zum einen sucht man in den arabischen Plotiniana 102
103
104
Cf. ibid., p. 185, l. 10-13: “al-aqlu ... wa-in kna [...] illatan li-l-ashyΊi llatÁ taԉtahʗ fa-innahʗ laysa bi-illatin tmmatin li-l-shayΊi li-annahʗ innam huwa illatu הʗrati l-shayΊi faqaՈ l illatu huwiyyatihÁ fa-amm l-filu l-awwalu fa-innahʗ illatun tmmatun wa-dhlika annahʗ illatu huwiyyati l-shayΊi wa-הʗratihÁ bi-l tawassuՈ”. ThA, p. 86, l. 19 – p. 87, l. 6: “Wenn die Materie die Form von der Seele empfängt, entsteht die Natur. Dann informiert [die Seele] die Natur und macht sie notwendig zu etwas dem Werden Unterworfenes. Die Natur wird [also] zu etwas dem Werden Unterworfenes erst nachdem in ihr [etwas] von der seelischen Kraft und von den höheren Ursachen bewirkt worden ist. Bei der Natur und am Anfang des Werdens hört dann das Wirken des Intellekts auf. Das Werden steht also am Ende der formverleihenden noetischen Ursachen und am Anfang der das Werden erzeugenden Ursachen (al-kawnu Ăkhiru l-צilali l-צaqliyyati l-muΥawwirati waawwalu l-צilali l-mukawwina). Die aktiven Ursachen, die den Substanzen die Formen verleihen, durften zu keinem Zeitpunkt zum Stillstand kommen, ehe sie nicht bis zur Natur gelangten. Der Grund hierfür liegt in der ersten Ursache, die die noetischen Entitäten zu wirkenden formverleihenden Ursachen der akzidentellen, dem Werden und Vergehen unterworfenen Formen machte.“ G. Lewis gibt in seiner Übersetzung dieses Abschnitts (Plotini Opera, vol. 2, p. 245) kawn mit being wieder, die Rede ist jedoch nicht vom Sein (huwiyya, anniyya), sondern vom Werden. Cf. ibid., p. 19, l. 9-11, p. 97, l. 9 f., p. 163, l. 14 f.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
die platonische Theorie der Partizipation, die eine Bejahung der Frage nahelegen würde, vergeblich. Zum anderen lassen sich die noetischen Formen offenbar nicht auf Einzeldinge qua Eines-über-Vielen reduzieren. Schon oben war deutlich geworden, dass die „erste Form“ zugleich Eines und Vieles ist. Dies scheint auf alle universalen noetischen Formen (Υuwar kulliyya) zuzutreffen: „Ein separates Eines zu sein, kann sich nicht auf [den Intellekt] beschränken, derart, dass nichts anderes ein Eines von der Art seiner Einheit sei. [Nimm] irgendein beliebiges Beispiel für die universalen Formen der Pflanzen oder der Tiere, und wenn du feststellst, dass sie alle [zugleich] Eines und Nichteines sind, wirst du wissen, dass jede einzelne von ihnen, wenngleich sie ein Eines ist, mit einer Vielzahl unterschiedlicher Dinge mannigfaltig ausgestaltet ist (muwashshan, cf. Ɍɋůоŭɇɋɉ, Plotin, Enn. VI.7: 14,5).“ 105
Während dieses „Bunt“- oder Vielfältigsein bei Plotin eng an das Phänomen des Sich-selbst-Denkens gebunden ist 106 , geht es in den arabischen Plotiniana mit der formalen Kausalität einher, die von der rationalen Form oder dem Logos (kalima) ausgeht. Der Intellekt ist Vieles, insofern diese ihm innewohnende rationale Form eine Vielzahl von Dingen bewirkt und eine Vielzahl von Formen emaniert 107 . Entsprechendes gilt für „das universale Lebewesen“ (al-ͧayy al-kullĮ), das alle Formen der Lebewesen hervorbringt 108 , und für die universale Form der Seele, aus der die partikularen Formen der Einzelseelen hervorgehen 109 . Die universale noetische Form ist also nicht nur ein Einesüber-Vielen, sondern zugleich qua Formursache ein Vieles-in-Vielen. An anderen Stellen wiederum werden die noetischen Formen eindeutig von immanenten Formen abgehoben und als (transzendente) Substanzen (jawĂhir) bezeichnet. Diese werden explizit, und ohne Vorlage bei Plotin, mit Paradigmata (muthul) und „Platonischen Formen“ identifiziert: „Die Formen aller Dinge, die dort [im kosmos noêtos] sind, sind schön und ehrwürdig. [...] Sie sind nicht wie Formen, die Form in einer Mauer sind, sondern sie sind Formen als [selbständig] Seiendes (? Υuwar fĮ anniyyĂt). 105 106 107 108 109
Ibid., p. 97, l. 8-11. Cf. W. Beierwaltes, Selbsterkenntnis und Erfahrung der Einheit, pp. 100 f., 190 f. ThA, p. 98, l. 2-11. Ibid., p. 98, l. 14-20. Ibid., p. 19, l. 9-13.
3. Plotinus Arabus
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Aus diesem Grunde bezeichneten die Alten die Urbilder (al-muthul), also die von dem ehrwürdigen Platon angeführten Formen (Υuwar), als [selbständig] Seiendes und Substanzen (anniyyĂt wa-jawĂhir).“ 110
Nichts deutet darauf hin, dass der Verfasser der arabischen Paraphrase mit seiner Theorie der noetischen Formen der platonischen Annahme der Selbstprädikation der Idee folgte 111 . Dieser Annahme zufolge gilt für jede Idee F, dass sie selbst in uneingeschränkter Weise F ist oder Fsein hat, wohingegen die Particularia, von denen F wahrheitsgemäß prädiziert wird, ein eingeschränktes F-sein zukommt (e.g., die Idee des Schönen ist schön, etc., cf. Hippias maior 291d, Phaedo 100c, Protagoras 330d-e, Symposium 211a, Sophistes 252d). Die Annahme steht in einem problematischen Verhältnis zur Konzeption der Idee als Universale, da für ein Universales U nicht gilt, dass es selbst ein U ist. Lediglich an einer Stelle kommt die Paraphrase dieser Selbstprädikationsannahme nahe. Dort wird zunächst die „erste Form“ als das bezeichnet, was das Sein / die Substanz (jawhar = ɋȉɏŭл) bewahrt (fĮ l-Υŧrati l-ŧlĂ ͧifϕu ljawhar), also als die Form, ohne die Sein / Substanz nicht sein kann. Sodann heißt es, dass diese Form selbst Sein / Substanz ist (al-Υŧra alŧlĂ ... hiya l-jawhar) 112 . Dabei scheint es sich aber um einen Sonderfall der Selbstprädikation zu handeln. Zwar finden wir in den arabischen Plotiniana zahlreiche Beispiele dafür, dass einer Entität B die Eigenschaft F zugeschrieben wird, weil F auch die Eigenschaft einer Entität A ist und A in einer kausalen oder hierarchischen Ordnung B vorgeordnet ist, doch sind diese Fälle nicht mit der Selbstprädikationsannahme Platons zu verwechseln, da A und das, was als „Idee/Form von F “ (das F-sein) anzusetzen wäre, nicht notwendig koinzidieren. Wie P. Adamson gezeigt hat, basiert dieser Prädikationsmodus zum einen auf der speziellen Konzeption der Wirkursächlichkeit der arabischen PlotinParaphrase, zum anderen auf dem neuplatonischen Prinzip, dem zufolge die Eigenschaft F einer gewissen Entität B in eminenterer Weise als von B von dessen Ursache A aussagbar sein muss113 . A ist F oder hat F-sein, wird aber nicht, wie bei der Selbstprädikationsthese Platons, mit der Form oder Idee von F identifiziert. 110 111
112 113
ThA, p. 159, l. 12-15, ad Plotin, Enn. V 8, 5. 22-25. Vgl. dazu B. Strobel, »Dieses« und »So etwas«, pp. 18-43, und die dort herangezogene Literatur. ThA, p. 141, l. 6-9. Cf. Adamson, The Arabic Plotinus, pp. 85-88, 115-19.
38
I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
Dies wird etwa am Beispiel der Schönheit (ͧusn) deutlich. Einerseits gilt, dass die Schönheit der Form in der Form selbst begründet ist, nicht in dem, was eine schöne Form hat 114 . Andererseits ist nicht alles Schöne Form. Während es für Platon das Schöne selbst oder die Idee des Schönen ist, wovon „schön“ in eminenter und uneingeschränkter Weise prädiziert wird, gilt dies für den Verfasser der arabischen PlotinParaphrase vom Wirken der ersten Ursache (Gottes), die aber nicht Form (weder Form der Schönheit noch irgendeine andere Form), sondern Wirkursache ist. Das, was das Schönsein aller schönen Dinge vereint, die eine Schönheit in allen Dingen, ist nicht Form oder Idee der Schönheit, sondern Akt oder Wirken (fiצl) des ersten Wirkenden (al-fĂצil al-awwal) und als solches das erste und eminenteste Schöne (al-ͧasanu l-awwalu al-ghĂyatu fĮ l-ͧusn) 115 . Entsprechendes gilt beispielsweise für das Licht, dessen erste Ursache, durch die anderes, mediante intelligentia, Licht oder erleuchtet ist, selbst Licht, jedoch nicht Form oder Idee des Lichts ist 116 , oder für Tugenden (fa͏Ăץil), für die Platon Ideen als Subjekte der Selbstprädikation setzt 117 . Gleich einer Folie wird in den arabischen Plotiniana über diese emanationistische Ursache-Effekt-Relation die platonische Theorie der Urbild-Abbild-Relation gelegt. Die Rezeption dieser Theorie in den arabischen Plotiniana unterscheidet sich zunächst sprachlich von der aristotelischen Ideenkritik. Während mithĂl dort konsistent für das noetische Modell oder Urbild (Ɍлɍ۞ǷǸůмɈл) steht118 , wird dasselbe arabische Wort in den arabischen Plotiniana sowohl in der Bedeutung „Ur-bild“ als auch in der Bedeutung „Ab-bild“ verwendet. Welche der beiden Bedeutungen gemeint ist, erschließt sich erst durch den jeweiligen 114
115 116 117 118
Cf. ThA, p. 59, l. 15 – p. 60, l. 6 (ad Plotin, Enn. V 8, 2. 20-28): „Wäre die Schönheit der Form (ͧusn al-Υŧra) tatsächlich von dem Körper abhängig, der, qua Körper, Träger der Form ist, dann [müsste] die Form umso schöner sein, je größer der Körper ist, der sie trägt [...]. Das ist aber nicht der Fall. [...] Es ist daher nicht notwendig, die Schönheit der Form als von dem [sie] tragenden Körper abhängig anzusetzen, vielmehr ist ihre Schönheit allein von ihr selbst abhängig (min qibali dhĂtihĂ faqaί). [...] Somit ist deutlich geworden, dass die Schönheit der Form nicht durch den sie tragenden Körper, sondern einzig durch die Form selbst ist (bi-nafsi l-Υŧrati faqaί).“ Cf. ibid., p. 140, l. 12-16, p. 141, l. 12-14. Ibid., p. 62, l. 1-3. DICTA, p. 197, l. 9-11. Vgl. oben, pp. 19, 24, 26.
3. Plotinus Arabus
39
Kontext119 . Um diese Amphibolie zu vermeiden, benutzt der Verfasser der Plotin-Paraphrase des Öfteren das Hendiadys mithĂl wa-Υanam (wörtl. „[Ab-]Bild und Bildnis“), wenn er auf die Abbildebene Bezug nimmt 120 . Generell gilt, dass das Abbild dem Urbild nachgebildet wird (muththila c. acc.) beziehungsweise dieses nachahmt (tamaththala c. bi-, tashabbaha c. bi-) 121 . Wie bei Platon hat dieses Verhältnis epistemologische und ästhetische Implikationen. Das Abbild hat stets einen geringeren Wahrheits- oder Realitätsgehalt (aqall al-Υidq/al-ͧaqq) als das Urbild und ist weniger schön (aqall al-ͧusn) als dieses 122 . Den höchsten Wahrheits- und Realitätsgehalt hat das Gute, hierin noch dem Schönen vorgeordnet 123 . Einerseits wird der gesamte wahrnehmbare Kosmos als Abbildung des kosmos noêtos verstanden 124 , andererseits wird die Urbild-AbbildRelation in einigen Fällen durchaus als problematisch empfunden. So schließt der Verfasser der Plotin-Paraphrase, vermutlich unter dem Einfluss der spätantiken Diskussionen über die ungeschlechtliche, spontane Hervorbringung gewisser niederer Lebewesen und deren arabische Fortsetzung, aus, dass auch für „niedere Formen, die in dieser Welt in [Prozessen] der Fäulnis entstehen“ (al-Υuwar al-danĮya al-kĂץina fĮ hĂdhĂ l-צĂlam fĮ l-צufŧna) entsprechende Urbilder im kosmos noêtos existieren. Diese sind vielmehr in den Urbildern einer ehrwürdigeren Klasse von Formen, der natürlichen Formen (Υuwar ίabĮצiyya), zu suchen 125 . Eine weitere Ausnahme bilden künstliche Formen: Sofern diese mit Elementen der sinnlichen Welt vermischt und nicht 119
120
121
122
123 124
125
Beispiele für mithĂl = „Modell, Urbild“ findet man in ThA, p. 58, l. 1, l. 11f., p. 119, l. 8, p. 159, l. 15, p. 163, l. 4, Epist, p. 170, l. 6, etc. Für mithĂl in der Bedeutung „Abbild“ vgl. ThA, p. 110, l. 9, p. 160, l. 14, Epist, p. 170, l. 1f., p. 173, l. 13, DICTA, p. 184, l. 5-7, etc. So z.B. ThA, p. 93, l. 10 (cf. infra APPENDIX III, p. 390, l. 13f.), p. 119, l. 5, l. 8, p. 160, l. 12, Epist, p. 168, l. 15f., p. 173, l. 13, etc. E.g. ThA, p. 6, l. 13 – p. 7, l. 1, p. 57, l. 16-18, p. 58, l. 8-10, p. 119, l. 6f., p. 152, l. 16 f., p. 160, l. 12, p. 163, l. 1-3, etc. Cf. ibid., p. 57, l. 13-19, p. 59, l. 14, p. 61, l. 16-19, p. 144, l. 17, Epist, p. 168, l. 1417, etc. Epist, p. 182, l. 20 f. ThA, p. 93, l. 9 f. (cf. infra APPENDIX III, p. 390, l. 13f.), p. 110, l. 7-9, p. 114, l. 20 f., p. 152, l. 14-18 (cf. infra APPENDIX III, p. 391, l. 23ff.), p. 160, l. 9 f. Ibid., p. 114, l. 21 – p. 115, l.2.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
schön, weil nicht wohlgeordnet und wohlbemessen (ͧasan al-iצtidĂl, ͧasan al-naϕm wa-l-tartĮb), arrangiert sind 126 , korrespondiert ihnen kein Modell im kosmos noêtos 127 . Dies wirft die grundlegende, in der arabischen Plotin-Paraphrase explizit formulierte Frage auf, ob die Anzahl der Formen der sinnlichen Welt der Anzahl der Formen im kosmos noêtos entspricht 128 . Die Antwort wird davon abhängig gemacht, ob man die Seele als Teil des kosmos noêtos oder des kosmos aisthêtos betrachtet. Im ersten Fall ist die Anzahl der Formen der intelligiblen Welt größer als die der sinnlichen Formen, im zweiten Fall ist sie „weder größer noch kleiner“ 129 . Die oben genannten niederen natürlichen und „unsymmetrischen“ künstlichen Formen werden also in dieser Rechnung gar nicht berücksichtigt. Ihr ontologischer Status liegt somit auf (oder noch unter) dem Niveau der Abbilder von Abbildern 130 . Idealität und Urbildlichkeit korrespondieren jedoch nicht notwendig. Die erste Ursache ist formlos und Schöpfer aller Formen, nichtsdestotrotz ist sie Urbild (mithĂl) aller Dinge: „Wenn der Schöpfer etwas machen will, ahmt er weder in sich selbst [etwas] nach, noch nimmt er sich eine Kunstfertigkeit außerhalb seiner selbst zum Muster. Denn weder gibt es etwas, ehe er die Dinge erschafft, noch wird in seinem Selbst [irgendetwas] nachgeahmt. [Dies ist so,] weil sein Selbst das Urbild aller Dinge ist, ein Urbild aber nicht [sich selbst] nachahmt.“ 131
Schöpfung ist also weder das Nachahmen von etwas anderem noch das Nachahmen des Schöpfer seiner selbst. Der Schöpfer ist Urbild, transzendiert aber zugleich jede Urbild-Abbild-Struktur, da jede Mimesis die Andersheit von Urbild und Abbild voraussetzt. Diese Andersheit entsteht aber erst mit und in den Formen des kosmos noêtos. 126
127
128 129 130 131
Zum Kriterium der Verhältnismäßigkeit und Symmetrie cf. Platon, Philebos, 6466. Epist, p. 170, l. 3-7. In den arabischen Plotiniana wird also nicht, wie in Aristoteles’ Darstellung der Ideenlehre Metaph. XII (ś) 3, 1070 a 18-20 (vgl. oben, § [s] ), den künstlichen Formen generell ein ideales Urbild abgesprochen. Epist, p. 169, l. 15 f. und Plotin, Enn. V.9: 13. Epist, p. 170, l. 13-15. Cf. Platon, Res publica, 602 c. ThA, p. 163, l. 2-4; vgl. dazu Proklos, Comm. in Platonis Parmenidem, p. 841, engl. Übers. von Morrow/Dillon, p. 213.
3. Plotinus Arabus
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Von besonderer Bedeutung für spätere Urbild-Abbild-Kosmologien ist das Motiv der Ordnung und Kontrolle und einer hierfür „zuständigen“ Kontrollinstanz. Platon zufolge „ordnet“ Gott die ungeordnete Bewegung der Ur-Materie, die Weltseele den Kosmos, und die individuelle Seele die Zustände und Tugenden des Leibes. In Res publica VI, 500 b-c, wird „Ordnung“ explizit zur Nachahmung empfohlen. Diese hierarchische Konzeption der Ordnung wird von Plotin aufgenommen, in der arabischen Plotin-Adaption aber viel prononcierter als bei Plotin selbst ausgearbeitet 132 . Jeder einzelnen hierarchisch geordneten Klasse von Formen wird dort ein quasipersonalisierter Regent oder Verwalter (mudabbir) als Ordnungsprinzip zugeordnet. Die Aktivität des Ordnens und Lenkens ist von der Emanation subordinierter Formen zu unterscheiden. Letztere geht stets einher mit dem Schauen auf und Streben nach dem jeweiligen Urbild, erstere scheint hingegen im supralunaren Bereich gerade die Unterbrechung dieses Strebens und die ausnahmslose Hinabwendung des Verwalters vorauszusetzen 133 . Nur auf dem untersten Niveau der Verwalter, dem der individuellen Seele, findet neben dem kathodischen Ordnen auch ein nach oben, auf die Formen der universalen Seele gerichtetes Ordnen statt 134 . Neben der ersten Ursache, den individuellen Seelen, der universalen Seele und dem Intellekt oder kosmos noêtos werden explizit die „Herrscher der Himmelswelt“ (sĂdat al-צĂlam alsamĂwĮ), also wohl die (angelologisch gefassten) Himmelskörper, als derartige Verwalter benannt 135 . Im Gegensatz zur arabischen Überlieferung der aristotelischen Ideenkritik boten die arabischen Plotiniana eine mehr oder weniger kohärente Doktrin hierarchisch geordneter, transzendenter und immanenter Formen. Diese unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von dem, was wir heute über die platonische Ideenlehre wissen. Insgesamt ist sie durch eine Emphase der ontologischen und kosmologischen 132
133 134 135
Vgl. etwa die folgenden Abschnitte, für die keine direkte Vorlage in den Enneaden zu finden ist: ThA, p. 19, l. 8-13 (addidit ad Enn. IV.7: 13, 8-10), ibid., p. 90, l. 8 (add. ad Enn. IV.8: 7, 26-28), ibid., p. 91, l. 7-12 (add. ad Enn. IV.8: 8, 13-15), ibid., p. 91, l. 18-20 (add. ad Enn. IV.8: 8, 22 f.), ibid., p. 120, l. 1-7 (add. ad Enn. IV.8: 12, 26), DICTA, p. 242, l. 10-16 (ed. D’Ancona) (add. ad Enn. IV.8: 4, 5-7), ibid., p. 245, l. 2-4 (ed. D’Ancona) (add. ad Enn. IV.8: 5, 1-3), etc. Cf. ThA, p. 120, l. 2. Cf. ibid., p. 19, l. 8-13, DICTA, p. 242, l. 10-16 (ed. D’Ancona). ThA, p. 120, l. 1.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
Implikationen der Ideenlehre gekennzeichnet. Besonders auffällig treten solche Unterschiede in dem mythologisierenden Bemühen hervor, Ideen / Formen mit noetischen Lebewesen zu identifizieren. Die platonische Konzeption der Partizipation wird im Wesentlichen durch kausale hierarchische Strukturen ersetzt, die wiederum mit einer hierarchischen Binnendifferenzierung der noetischen Formen einhergeht. Das erste, seinstranszendierende Prinzip des Seienden ist, anders als die Idee des Guten bei Platon (Res publica 509 b), eine Instanz, die selbst alle Formen / Ideen transzendiert. Die arabischen Plotiniana entfalten keine allein auf Formen / Ideen basierende Prinzipientheorie.
4. Proclus Arabus Aus zwei Gründen ist an dieser Stelle auch die arabische ProklosRezeption zu berücksichtigen. Erstens galt Proklos den arabischen Biographen und Philosophen als eminenter Platoniker und herausragender Kommentator der Werke Platons 136 . Zweitens existiert eine Gruppe von arabischen Adaptionen von Teilen der Institutio theologica des Proklos, die eng mit dem Namen Platons verbunden ist 137 . Hierzu gehören: (i) Die unter dem Titel Liber de causis bekannte arabische Adaption von 35 oder 36 Propositionen der Institutio theologica, die in zwei arabischen Handschriften als Werk Platons oder als von Proklos zusammengestellte Auszüge aus dem Werk Platons vorgestellt wird 138 . 136
137
138
Ԉunayn ibn Isԉqs Schüler Ԉubaysh erklärt, „dass das meiste Recht, den Sinn der Worte des Platon zu erklären, Proklos hat“ (cf. G. Endress, Proclus Arabus, p. 24). Ibn al-NadÁms Fihrist nennt ihn mehrfach “Proklos, den Platoniker” (Buruqlus alaflĂίŧnĮ). Auch das Epitheton des „Nachfolgers“ (ǷůŪǷɋɓɋɎ) Platons wird in den arabischen Quellen tradiert (cf. צaqĮb FalĂίun bei Ibn al-NadÁm, al-muntasib ilĂ AflĂίŧn, bei al-ShahrastnÁ, Kitab al-Milal wa-l-niͧal, p. 193). Zu dieser Gruppe von Texten vgl. Cristina D’Ancona, Richard C. Taylor, “Liber de causis”, in Dictionnaire des philosophes antiques. Supplément. Préparé par Richard Goulet avec la collaboration de Jean-Marie Flamand et Maroun Aouad, Paris 2003, pp. 599-647. Cf. ibid., p. 603, außerdem Cristina D’Ancona, „Al-KindÁ et l’auteur du Liber de causis“, in Ead., Recherches sur le Liber de causis. Études de philosophie médiévale, vol. 72. Paris 1995, 155-94, p. 155, Anm. 2. Ich beziehe mich im Folgenden auf diese
4. Proclus Arabus
43
(ii) Eine kurze, mit den Worten „(Der göttliche) Platon sagt...“ beginnende Abhandlung, die die Propositionen 5 und 23 der Institutio theologica verarbeitet und in den Handschriften entweder Platon selbst zugeschrieben oder als Auszüge al-FrbÁs aus Platon bezeichnet wird 139 . (iii) Eine weitere, dem Liber de causis ähnliche Adaption von Teilen der Institutio theologica, die anonym und ohne Titel überliefert ist 140 . Zur Vereinfachung folge ich der von den Herausgebern eingeführten Benennung des Texts als Liber de causis II. Die beiden Versionen des Liber de causis weisen vielfach Übereinstimmungen und Textüberschneidungen, zum Teil aber auch deutlich Unterschiede auf. Angesichts der Verknüpfung des Liber de causis mit dem Namen Platons sowie der Tatsache, dass diese Schrift und der Liber de causis II möglicherweise auf eine gemeinsame (umfassendere) Vorlage zurückgehen, scheint es sinnvoll, auch diesen Text hier zu berücksichtigen. In dieser Textgruppe ist von verschiedenen Arten von Formen die Rede. Der Liber de causis II handelt an zwei Stellen von „separaten“ oder „abgetrennten Formen“ (Υuwar mujarrada). In beiden Fällen zwei Editionen: (1) Die pseudo-aristotelische Schrift Ueber das reine Gute, bekannt unter dem Namen Liber de causis. [...] Bearbeitet von Otto Bardenhewer, Freiburg im Breisgau 1882. Nachdruck Frankfurt am Main 1961. (2) KitĂb al-ĭ͏Ăͧ fĮ lkhayr al-maͧ͏, in Al-AflĂίŧniyya al-muͧdatha צind al-צArab: Ubruqlus, „ al-Khayr al-maͧ͏“, „FĮ Qidam al-צĂlam“, „FĮ l-MasĂץil al-ίabĮצiyya“, Hirmis, „MuצĂdhalat alnafs“, AflĂίŧn, „al-RawĂbĮ“צ. Ԉaqqaqah wa-qaddama lah Abd al-Raԉmn BadawÁ, Kairo 1955, pp. 1-33. 139
Cf. D’Ancona, Taylor, “Liber de causis”, p. 601. Texteditionen: (1) Mubahat Türker, “Fârâbî’ye atfedilen küçük bir eser”, Araŝtirma 3 (1965), 1-63. (2) RisĂla liAflĂίŧn al-ilĂhĮ fĮ l-radd צalĂ man qĂla inna l-insĂn talĂshĂ wa-fanĂ, in AflĂίŧn fĮ lislĂm. Nuהʗ הԉaqqaqah wa-allaqa alayh Abd al-Raԉmn BadawÁ, Teheran 1974, pp. 337-39. Diese Schrift wurde auch in der mittelalterlichen lateinischen Philosophie als Darstellung und Interpretation platonischer Lehren gelesen; cf. Cristina D’Ancona, „Saint Thomas lecteur du Liber de causis: Bilan des recherches contemporaines concernant le De causis et analyse de l’interprétation thomiste“, in Ead., Recherches sur le Liber de causis, pp. 229-58.
140
Edition und französische Übersetzung in Pierre Thillet, Saleh Oudaimah, „Proclus arabe. Un nouveau Liber de causis ?“, Bulletin d’Études Orientales 53-54 (2001-2002), 293-368. Alle Seiten- und Zeilenangaben zum Liber de causis II beziehen sich auf diese Edition.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
handelt es sich um Textabschnitte, die in ähnlicher Form auch im Liber de causis vorliegen. Dort ist jedoch von solchen „abgetrennten Formen“ nicht die Rede. Der erste Fall betrifft § 15 des Liber de causis II und § 30 des Liber de causis. Beide Abschnitte differenzieren in Anlehnung an prop. 106 der Institutio theologica zwischen (i) dem, was der Substanz und dem Wirken nach unter die Zeit fällt, (ii) dem, was der Substanz und dem Wirken nach ewig und atemporal ist, und (iii) dem, dessen Substanz ewig und atemporal und dessen Wirken zeitlich ist (nach Proklos, prop. 191, die individuelle Seele). Abweichend von prop. 106 der Institutio theologica und § 30 des Liber de causis führt der Liber de causis II Beispiele für alle drei Klassen von Dingen an, und zwar für (ii), also das, was der Substanz und dem Wirken nach ewig ist, „die abgetrennten Formen, d.h. der Intellekt und die Seele“ 141 . Der zweite Fall betrifft die Abschnitte 19 des Liber de causis II und 6 des Liber de causis, die sich mit der Unkörperlichkeit und Unteilbarkeit des Intellekts befassen und im Wesentlichen auf prop. 171 der Institutio theologica basieren. Abweichend von Proklos beschreiben beide arabischen Texte den Intellekt hier als Form, „von der nichts abweicht“ 142 , wodurch vermutlich prop. 177 der Institutio theologica und die Bestimmung des Intellekts als ɌɇŬɍɕɈл ǸŵǷɅɉ antizipiert wird. Während der Liber de causis lediglich von „Form“ spricht, betont der Liber de causis II, dass es sich um eine „abgetrennte Form“ (Υŧra mujarrada) handelt. Der Verfasser des Liber de causis II scheint mit den Propositionen 186-190 der Institutio theologica vertraut gewesen zu sein und unter „abgetrennten 141
142
Liber de causis II, p. 335, l. 15. Ähnlich Abʗ l-Ԉasan Muԉammad al-¬mirÁ, der freilich die Klasse (iii) der Entitäten mit den Formen der Himmelskörper gleichsetzt; cf. Elvira Wakelnig, Feder, Tafel, Mensch: Al-צāmirĮs Kitb al-Fuהʗl fÁ lMalim al-ilhÁya und die arabische Proklos-Rezeption im 10. Jh. (Islamic Philosophy, Theology and Science. Texts and Studies; 67) Leiden: Brill 2006, p. 116f. (Text und Übers.), pp. 375-383 (Kommentar). Ob al-¬mirÁ diese Formen mit den “göttlichen Formen” (al-Υuwar al-ilĂhiyya) gleichsetzt, die er an anderer Stelle von natürlichen und künstlichen Formen unterscheidet, wird nicht ganz klar; cf. ibid., pp. 108-113 (Text und Übers.), pp. 333-344 (Kommentar). “LĂ yaΥĮfu צanhĂ shayץun”, p. 73, l. 2 (ed. Bardenhewer), p. 10, l. 7 und Anm. 7 (ed. BadawÁ; BadawÁ glaubt, dass die Form yaΥĮfu sinnlos sei und ediert statt dessen ya͏Įqu; vgl. aber LisĂn al-צArab s.r. Τ-Y-F, wo ΥĂfa c. צan als Äquivalent von צadala c. צan erklärt wird). Die Handschrift des Liber de causis II hat anstelle des seltenen yaΥĮfu yaΥĮru, p. 341, l. 5. Thillet / Oudaimah übersetzen aber wohl zu Recht yaΥĮfu (ibid., p. 340, Anm. 49).
4. Proclus Arabus
45
Formen“ zusammenfassend noetische und psychische Formen verstanden zu haben143 . Diesen abgetrennten Formen stehen im Liber de causis II immanente materielle Formen gegenüber. Materie ist das, was am weitesten von der ersten Ursache entfernt ist und selbst nichts anderes hervorbringt 144 . Es ist ebenso einfach wie das Eine 145 , aber im Unterschied zu diesem hat es keine aktive Kraft (quwwa fĂצila), sondern lediglich eine passive Kraft (quwwa qĂbila), die sich in der Aufnahme der Formen (Υuwar) manifestiert 146 . § 8 des Liber de causis II ist ein zentraler Abschnitt dieser Version und ohne Entsprechung im Liber de causis. Der stellenweise sehr schwierige und wohl auch fehlerhaft überlieferte Text befasst sich mit der Einheit (waͧdĂniyya) und den Ursachen der Einheit von Dingen, darunter auch mit der Einheit von Formen. Nachdem zunächst in Anlehnung an prop. 12 und 13 der Institutio theologica festgestellt wird, dass die erste Ursache und das Eine und das reine Gute ein und dasselbe sind, folgt eine Paraphrase von prop. 113, in der Gott mit dem Einen und der Ursache von Einheit identifiziert wird 147 . Dass 143
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145 146
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In der Tat paraphrasiert die zweite Hälfte von § 5 des Liber de causis II (p. 323, l. 13-15) prop. 186 der Institutio theologica und bestimmt die Seele als durch sich subsistierende noetische Form (cf. prop. 189). Liber de causis II, p. 321, l. 3 f., korrespondierend mit Institutio theologica, prop. 25., Cor. Der gesamte Abschnitt 2 des Liber de causis II (p. 319, l. 12 – p. 321, l. 8) ist ohne Entsprechung im Liber de causis. Liber de causis II, p. 321, l. 4 f., korrespondierend mit Institutio theologica, prop. 59. Liber de causis II, p. 321, l. 5 f., vgl. Institutio theologica, prop. 57. Abweichend von Institutio theologica, prop. 72, Cor., wo die Materie als Effekt der ersten Ursache oder des Einen bezeichnet wird, betrachtet der Liber de causis II die Materie als Effekt der Seele („al-hayŧlĂ ... atharun min ĂthĂri shayץin mabsŧίin aצnĮ l-nafs“, ibid., p. 321, l. 4 f.). Cf. The Elements of Theology (ed. Dodds), prop. 113, p. 100, l. 9-12: [...] ɐȟ Ǿɉ ǺǸŲɎ۰ ɐɋɀɐɋ Ƿū, ǸŹɌǸɍ ɐەмлǺȟɉ олȝ Ǿɉ ɐлȉɐŲɉ۰ олȝ мɍ ɐەмлǺȟɉ олȝ ǺǸȟɎ ɐлȉɐŲɉ (ɋȐ мɍ ɈнǷūɉ ǻɏɐůɉ ǻɌūоǸůɉл олȝ ɋȐ ɌŪɉɐл ǻɒŭǸɐлů, ǺǸȟɎ ɐɋɀɐɋ۰ олȝ ەɒ' ɋȐ ɐ ɌŪɉɐл олȝ ɌɍȟɎ Ƃ, ɐɋɀɐɋ Ƿș ɐەмлǺŲɉ) und die Paraphrase in Liber de causis II, p. 327, l. 17 – p. 329, l. 2: al-wĂͧid al-maͧ͏ wa-l-khayr al-maͧ͏ shayץun wĂͧidun fa-l-ilĂhu huwa l-wĂͧidu l-ͧaqqu ay huwa צillatu l-wĂͧidu l-ͧaqqu (Thillet/ Oudaimah haben die Auslassung durch homoiarchon nicht bemerkt; huwa צillatu l-wĂͧidi l-ͧaqqi kann nicht der korrekte Text sein, da zuvor bewiesen wurde, dass vor dem höchsten oder ersten Einen [al-wĂͧid al-aצlĂ, al-wĂͧid al-awwal] keine Ursache ist) wa-l-shayץu lladhĮ laysa fawqahŧ shayץun Ăkharu wa-l-ashyĂץu kulluhĂ tashtĂqu ilayhi. Huwa l-khayru l-maͧ͏u wa-l-khayru l-maͧ͏u huwa צillatu l-ashyĂץi
46
I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
dem so ist, folgert Proklos aus zwei Prämissen: (i) Jede Serie (ەɍůǺɈŲɎ) von Ursachen und Wirkungen hat eine vorrangige Ursache, (ii) das Vielfältige steht in Analogie zu seiner Ursache (d.h. die Ursache der psychischen Serie muss Seele sein, die der noetischen Serie Intellekt, und die der göttlichen Serie Gott). Für Proklos sind die Entitäten der göttlichen Serie göttliche Henaden oder Götter, die der noetischen Serie die zweiten Intellekte, die der psychischen Serie die Einzelseelen. Plotin berichtet, dass man, wohl in der älteren Akademie, die platonischen Formen ǼɉŪǷǸɎ nannte 148 . Der Verfasser des Liber de causis II geht einen anderen Weg. Er transformiert die göttlichen Henaden in göttliche Güter oder Tugenden (fa͏Ăץil rubŧbiyya), die Serie der Intellekte in noetische und psychische Formen (Υuwar צaqliyya, Υuwar nafsĂniyya), und die psychische Serie in „Formen, die der Seele untergeordnet sind“ (al-Υuwar allatĮ taͧtahĂ) 149 . Das trans-
148 149
kullihĂ wa-ilayhi tarjiצu (“Das reine Eine und das reine Gute sind ein und dasselbe. Also ist Gott das wahre Eine, d. h. er ist [sowohl] die Ursache von Einheit als auch das wahre Eine und das, über dem nichts anderes ist und nach dem alle Dinge streben. Er ist das reine Gute, und das reine Gute ist die Ursache aller Dinge und [das,] zu dem [alle Dinge] zurückkehren“). Plotin, Enn. VI.6: 9, 33 f. Liber de causis II, p. 329, l. 2-8: wa-naqŧlu in ulfiyat fa͏Ăץilu kathĮratun rubŧbiyyatun muttaͧidatun (sic leg. pro mawjŧdatun) fa-צillatuhĂ (sic leg. pro faqultahĂ) hiya l-wĂͧidu l-maͧ͏u wa-in ulfiyat Υuwarun kathĮratun (sic leg. pro Υŧratun kabĮratun) צaqliyyatun muttaͧidatun (sic leg.) fa-צillatuhĂ (sic leg. pro faqultahĂ) hiya l-צaqlu wa-bihi ttaͧadat fa-ΥĂrat hiya wa-l-ashyĂץu l-צaqliyyatu wĂͧidatan li-anna l-צaqla huwa wĂͧidun bi-annahŧ waͧdĂniyyatu l-ashyĂץi lmaצlŧlati li-annahĂ bihĂ ttaͧadati l-Υuwaru l-nafsĂniyyatu wa-ΥĂrat shayץan wĂͧidan wa-l-nafsu innamĂ hiya wĂͧidatun nafsĂniyyatun li-annahĂ צillatu ttiͧĂdi lΥuwari llatĮ taͧtahĂ wa-waͧdĂniyyatuhĂ wa-l-dalĮlu צalĂ taͧqĮqi dhĂlika anna kulla צillatin min צilali l-ashyĂץi hiya raץĮsiyyatun (raץĮsatun leg.?) צalĂ mĂ tushbihuhĂ (sic leg. pro yushbihuhĂ) wa-mulĂץimatun lahĂ wa-shabĮhatun (sic leg.) bihĂ mithlu lצaqli fa-innahŧ raץĮsu l-Υuwari l-צaqliyyati bi-annahŧ צillatun lahĂ wa-hiya (sic cod., wa-huwa ed.) shabĮhatun (sic leg. pro shabĮhun) bihĂ mulĂץimatun lahĂ wa-kadhĂlika l-ίabĮצatu hiya raץĮsatun (sic leg. pro raץĮsiyyatun) צalĂ l-ashyĂץi l-ίabĮצiyyati bi-annahĂ (sic leg. pro li-annahĂ) צillatun lahĂ wa-shabĮhatun (sic leg. pro washabĮhun) bihĂ fa-qad Υaͧͧa anna kulla צadadin innamĂ huwa mulĂץimun li-צillatihĮ („Wir sagen: Wenn eine Vielzahl von göttlichen Tugenden als Einheit existiert, dann ist das reine Eine ihre Ursache, und wenn eine Vielzahl noetischer Formen als Einheit existiert, dann ist der Intellekt ihre Ursache, und durch ihn werden sie vereinigt und werden mit den noetischen Dingen ein und dasselbe. Denn der Intellekt ist Eines, insofern er die Einheit der verursachten Dinge ist, denn durch diese [Einheit] werden die psychischen Formen vereinigt und zu einer Sache. Die
4. Proclus Arabus
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zendente Einheitsprinzip der abgetrennten Formen, die zuvor in noetische und psychische Formen differenziert worden waren, ist demnach nicht das Eine (wie bei Proklos), sondern der Intellekt. Abgetrennte Formen qua separat existierende Entitäten werden nicht auf der höchsten Stufe der göttlichen Henaden oder Güter, sondern auf der folgenden Hypostase noetischer Einheiten oder Monaden angesiedelt 150 . Der Intellekt verleiht sowohl den noetischen als auch den psychischen Formen Einheit, während die universale Seele Einheitsprinzip der ihr untergeordneten, also wohl der immanenten natürlichen und künstlichen Formen ist. Aufgrund der vorangehenden Identifikation des Einen mit dem reinen Guten wahrt auch die Bestimmung des Einen als transzendentes Einheitsprinzip der Serie der göttlichen Güter die Analogie-Prämisse (ii). Diese Doktrin wird bestätigt und ergänzt durch § 4 des Liber de causis. In diesem Abschnitt wird die erste erschaffene Entität (awwalu lashyĂץi l-mubtadaצa) in Übereinstimmung mit prop. 138 der Institutio theologica mit dem Sein identifiziert, dessen fundamentale Eigenschaft das Gegensatzpaar Endlichkeit-Unendlichkeit bildet. Abweichend von Proklos wird das Sein qua erstes Erschaffenes dann mit dem Intellekt identifiziert. Dieser Intellekt enthält die noetischen Formen im höchsten Grade der Universalität (awsaצu wa-ashaddu kulliyyatan), gefolgt von anderen (zweiten) Intellekten und Seelen, die diese Formen in hierarchisch absteigenden Graden der Universalität umfassen 151 . Da der Intellekt (= das Sein) als aus Endlichkeit und Unendlichkeit Zusammengesetztes zugleich Eines und Vieles ist, ist er Prinzip der Einheit
150
151
Seele nun ist ein psychisches Eines, da sie Ursache der Vereinigung der ihr untergeordneten Formen und deren Einheit ist. Dass dies wahr ist, zeigt sich [darin], dass jede Ursache der Dinge die Regentin dessen ist, was ihr gleichartig und analog und ähnlich ist. So ist der Intellekt der Regent der noetischen Formen, insofern er deren Ursache ist, während diese dieser [Ursache] ähnlich und analog sind. Entsprechend ist die Natur die Regentin der natürlichen Dinge, sofern sie deren Ursache und ihnen ähnlich ist. Dass jede Serie analog zu ihrer Ursache ist, war ja schon gezeigt worden [cf. prop. 97 der Institutio theologica].“). Dieser Abschnitt basiert auf The Elements of Theology (ed. Dodds), prop. 113, p. 100, l. 5-9 und l. 12-15. Dass diese Modifikation den arabischen Plotiniana geschuldet ist, hat bereits Cristina D’Ancona aufgezeigt, cf. „La doctrine néoplatonicienne de l’être entre l’Antiquité tardive et le Moyen Âge”, in Ead., Recherches sur le Liber de causis, 12153, bes. pp. 124, 136-8. Liber de causis, p. 66, l. 1-5 (ed. Bardenhewer), p. 6, l. 14 – p. 7, l. 1 (ed. BadawÁ).
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
der Formen, zugleich das, was sie eint (ittaͧada), und das, was sie zu je Einem, also zu voneinander verschiedenen Formen (Υuwar mukhtalifa) macht, dies jedoch nicht derart, dass die Formen voneinander getrennt wären wie separate Individuen (lĂ yatabĂyanu ba͏צuhĂ min ba͏צin kamubĂyanati l-ashkhĂΥ), sondern als in sich differenzierte Einheit 152 . Dass der Intellekt nicht nur Ursache der Formen, sondern selbst Form ist, folgt dabei aus dem Analogie-Prinzip der Ursache-WirkungSerie153 . Aus § 8 des Liber de causis, einem Abschnitt ohne Entsprechung im Liber de causis II und in der Institutio theologica, erhellt, dass die Universalität (kulliyya) des Intellekts von der immanenten Universalität der Form bei Aristoteles verschieden ist. Diese Universalität besteht nicht in Abstraktionen von Eigenschaften oder Relationen, sondern darin, dass der Intellekt sowohl Form (respektive das gesamte Reich der Formen) als auch Sein ist (al-צaqlu dhŧ kulliyyatin li-annahŧ anniyyatun wa-Υŧra) 154 . Form-sein (Intellekt-sein) und (erschaffenes) Sein sind untrennbar miteinander verbunden. Der Intellekt ist die in höchstem Grade universale Form, weil er nicht nur (wie bei Plotin) die Summe aller (Platonischen) Formen, sondern auch das Sein qua einfachstes und umfassendstes Erschaffenes ist. Die erste Ursache kann folglich nicht Universales sein 155 , und die oben erwähnte Hierarchie der Universalität geht einher nicht nur mit einer Partikularisierung der Form 156 , sondern auch mit einer Abnahme der (kausativen) Kraft (quwwa) 157 und des Seins 158 . Anders als der Verfasser des Liber de causis II benutzt der Verfasser des Liber de causis in diesem Kontext auch die Terminologie von Urund Abbild. Wie in den arabischen Plotiniana steht mithĂl sowohl für dieses wie für jenes. Abweichend von Platon erstreckt sich Abbildhaftigkeit hier aber nicht nur auf ein Verhältnis zur Form/Idee oder auf 152 153
154 155 156 157 158
Ibid., p. 66, l. 5 – p. 67, l. 2 (ed. Bardenhewer), p. 7, l. 1-7 (ed. BadawÁ). Zur Bestimmung des Intellekts als (abgetrennte) Form vgl. oben zu § 19 des Liber de causis II und § 6 des Liber de causis. Liber de causis, p. 78, l. 8 f. (ed. Bardenhewer), p. 12, l. 14 (ed. BadawÁ). Ibid., p. 78, l. 9 f. (ed. Bardenhewer), p. 12, l. 15 (ed. BadawÁ). Ibid., p. 79, l. 6-10 (ed. Bardenhewer), p. 12, l. 19 – p. 13, l. 2 (ed. BadawÁ). Ibid., p. 79, l. 10 – p. 80, l. 7 (ed. Bardenhewer), p. 13, l. 2-7 (ed. BadawÁ). Höhere, universale Formen sind unveränderlich und subsistieren durch sich selbst, niedere, weniger universale Formen sind veränderlich und vergänglich; cf. ibid., p. 67, l. 4-7 (ed. Bardenhewer), p. 7, l. 9-12 (ed. BadawÁ).
4. Proclus Arabus
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die Relation Sein-Werden, sondern auch auf die Kategorie der ǷųɉлɈůɎ (quwwa) und das Verhältnis zwischen der Kraft einer Hypostase, eine bestimmte Wirkung auszuüben, und der Kraft oder Fähigkeit der je niederen Hypostase, diese Kraft von der höheren Ursache anzunehmen und zu besitzen 159 . So wird die Seele und ihr Wirken als „Abbild der höheren Kraft“ (mithĂl [!] min al-quwwa al-צĂliya), nämlich der göttlichen Bewegungskraft, bezeichnet 160 . Zugleich ist die Seele Urbild (mithĂl) der sinnlichen Dinge 161 , die ihr nachgebildet sind (muththilat צalĂ mithĂl al-nafs) und deren paradigmatische Ursache (צilla mithĂliyya) sie ist 162 . Sowohl der Liber de causis 163 als auch der Liber de causis II 164 übernehmen von den arabischen Plotiniana die Unterscheidung zwischen der Ursächlichkeit der ersten Ursache per modum creationis (bi-nawצi ibdĂ )צund der Ursächlichkeit der nachfolgenden Hypostasen durch Kommunikation oder Emanation der Form (bi-nawצi Υŧra) 165 . Gemäß dieser Unterscheidung wird auch die platonisch-plotinische Doktrin des Ordnungsprinzips modifiziert: Der „wahre Verwalter“ (mudabbir ͧaqq) ist nur die erste Ursache, die durch ihr Sein (bi-huwiyyatihĮ, bianniyyatihĮ faqaί), also per modum creationis wirkt. Alles übrige Ordnen, das durch ein medium (waΥla), i.e. Form, erfolgt, ist kein „echtes Ordnen“ (tadbĮr ΥaͧĮͧ), sondern ein solches, in dem die Wirkung gegenüber dem Ordnungsprinzip an Vollkommenheit und Schönheit der Ordnung 159
160
161
162 163 164
165
Vgl. dazu Laurence Jay Rosán, The Philosophy of Proclus: The Final Phase of Ancient Thought, New York 1949, pp. 65-68, 82-86. Liber de causis, p. 64, l. 1 (ed. Bardenhewer), p. 5, l. 14 (ed. BadawÁ). Der Abschnitt basiert auf Institutio theologica, prop. 201. An anderer Stelle nennt Proklos diese Art „abbildhafter“ Kraft ǿɇɇлɈɔůɎ, cf. ibid., prop. 81, p. 76, l. 19 (ed. Dodds), sowie, Rosán, The Philosophy of Proclus, p. 86, Anm. 69, zufolge auch ǸŹǷɕɇɋɉ oder ǸŵоȤɉ. Liber de causis, p. 85, l. 1 (ed. Bardenhewer), p. 15, l. 7 (ed. BadawÁ); cf. Institutio theologica, prop. 195, p. 170, l. 4 f. (ed. Dodds): Ɍ۬ɏл ɔɑɓț ... ǻɏɐȝ ... ɌлɍлǷǸůмɈлɐůоɅɎ ... ɐ лŵɏǺнɐ۞. Liber de causis, p. 85, l. 6 – p. 86, l. 1 (ed. Bardenhewer), p. 15, l. 11-14 (ed. BadawÁ). Liber de causis, p. 93, l. 1-4 (ed. Bardenhewer), p. 19, l. 10-12 (ed. BadawÁ). Liber de causis II, p. 349, l. 3-5 (Thillet / Oudaimah haben nicht bemerkt, dass eine größere Auslassung durch homoioteleuton vorliegt; anstelle von lĂ ist vor binawצi ibdĂ צzu ergänzen: bi-nawצi ibdĂצin wa-ammĂ l-ͧayĂtu l-ŧlĂ fa-innahĂ tuצίĮ mĂ taͧtahĂ l-ͧayĂta lĂ). Dazu C. D’Ancona, La doctrine de la création, pp. 82-85, und oben.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
einbüßt 166 . Der Prozess der Kommunikation der Form oder der „Informierung“ (taΥwĮr) bedarf nicht notwendig einer außerhalb des „Informierten“ liegenden Ursache. Letzteres ist der Fall im Bereich des Werdens (kawn), wo Form und „Informierung“ zugleich Perfektion (tamĂm) des „Informierten“ sind. Das Durch-sich-subsistierende (alqĂץim bi-dhĂtihĮ, ɐȟ лȉǺɑɌȠɏɐлɐɋɉ) hingegen ist selbst Ursache seine „Informierung“ 167 . Insgesamt setzt die arabische Rezeption von Proklos’ Institutio theologica also die in den arabischen Plotiniana entwickelte Konzeption des zweifachen, paradigmatischen und ursächlich-kreativen, Charakters der Form fort. Diese wird ergänzt durch eine Theorie der Einheit und der absteigenden Universalität der transzendenten Form, die auf Proklos’ Idee hypostatischer Serien oder Reihen basiert, dabei aber die göttlichen Henaden nicht selbst als Formen postuliert. Als ein vollkommen neues Element tritt die Konzeption des лȉǺɑɌȠɏɐлɐɋɉ als sich-selbst-begründene Form hinzu. Ebenfalls ohne Vorbild bei Platon und Plotin ist die Übertragung der Urbild-Abbild-Theorie auf das relationale Konzept der Kraft oder Aktivität einer Hypostase.
5. Die Doxographie des pseudo-Ammonius Aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts ist uns eine arabische Schrift erhalten, die einem gewissen Ammonius zugeschrieben und als Doxographie antiker philosophischer Lehren präsentiert wird 168 . Es handelt sich um eine „Schein-Doxographie“ 169 , die im islamischen Kontext verankert ist und kaum authentisches Material der antiken Geistesgeschichte enthält. Gegenstände der Doxographie sind Schöpfungs166
167
168
169
Cf. § 19 des Liber de causis § 26 des Liber de causis II (Grundlage ist prop. 122 der Institutio theologica), sowie § 22 des Liber de causis § 13 und § 29 des Liber de causis II (basierend auf prop. 134 der Institutio theologica). Cf. § 24-25 des Liber de causis § 9-10 des Liber de causis II (Grundlage sind prop. 45-46 der Institutio theologica, doch spricht Proklos nur von Vollkommenheit durch sich selbst, nicht von Form oder „Informierung“). Textedition und kommentierte Übersetzung: Ulrich Rudolph, Die Doxographie des pseudo-Ammonios: Ein Beitrag zur neuplatonischen Überlieferung im Islam. Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes, 49,1. Stuttgart: Franz Steiner, 1989. Ibid., p. 13.
5. Pseudo-Ammonius
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theorien und damit verbundene Lehren über die Eigenschaften oder Attribute Gottes. Zwar werden in dieser Schrift nirgends explizit Platonische Formen thematisiert, doch enthalten die ersten Abschnitte einige Aussagen zu der Frage, ob die göttliche Erschaffung der Welt mittels Formen (Υuwar) im Wesen oder Geist Gottes vollzogen worden ist, die in Anbetracht der intensiven Rezeption des Werks hier zu berücksichtigen sind. Bereits in der Einleitung, die vielleicht von späterer Hand hinzugefügt worden ist 170 , wird das Bild zweier ontologisch verschiedener Welten (einfach und spirituell vs. zusammengesetzt, körperlich und unrein) entfaltet, die in einem Verhältnis der Ähnlichkeit (shabah) zueinander stehen171 . Im folgenden Abschnitt I wird zunächst bewiesen, dass Schöpfung nur creatio ex nihilo bedeuten kann, und dann gefragt, ob eine Form (Υŧra) des ex nihilo Erschaffenen im Wesen (dhĂt) des Schöpfers existiere oder nicht. Mit der Anlage dieser Fragestellung wird a priori ausgeschlossen, dass transzendente, göttliche Formen als noetischer Urstoff gedient haben, aus dem Gott etwas erschaffen hat. Es geht also weniger um ontologische Fragen der Kosmogonie als um das theologische Problem der Attribute Gottes. Im Folgenden werden fünf Lehrmeinungen zu der aufgeworfenen Frage beschrieben und allesamt antiken Autoritäten zugeschrieben. 1. Thales (Abschnitt II): In Gottes Wesen existiert keine Form des Erschaffenen, denn: [i] Schöpfung ist creatio ex nihilo; [ii] Die Erschaffung von etwas, insofern es erschaffen wird, ist nicht auf das Wesen des Schöpfers, sondern auf etwas außerhalb des Schöpfers gerichtet. Folglich [iii] kann es keine Form von Erschaffenem im Wesen der Schöpfers geben, denn einerseits ist die Form nicht nichts (was [i] widerspricht) 172 , andererseits müsste sich der Akt der Schöpfung auf das Wesen des Schöpfers richten (was [ii] widerspricht) 173 . Schließlich wird die absolute Transzendenz des Schöpfer betont: Das, was eine Form von etwas in sich oder bei sich hat (צindahŧ), muss, selbst wenn diese Form abgetrennt und selbständig (qĂץima munfaΥila) ist, eine 170
171 172 173
Nach Ansicht von Rudolph, ibid., p. 116, handelt es sich „eindeutig“ um ein späteres Additament. Ibid., p. 33, l. 6-8, Übers., p. 80. Dieser Gedanke wird nicht ausgesprochen, ist aber wohl zu ergänzen. Dies ist mit der knappen Formulierung „denn dann wäre Er nicht Schöpfer“ (waillĂ fa-laysa huwa bi-muץayyis) gemeint; ibid., p. 34, l. 4-8, Übers. p. 80 f.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
gewisse Affinität (muqĂrin) zu dieser Form aufweisen. Eine solche Relationalität wäre mit der Transzendenz des Schöpfers unvereinbar 174 . 2. Plutarch (Abschnitt III): In Gottes Wissen existieren unendliche viele Formen, denn [i] alles, was ewig ist, ist durch Gott ewig. [ii] Es gibt [eschatologische] Hoffnung und Furcht. [iii] Also gibt es das, worin Hoffnung und Furcht gründen und die vergängliche Materie überdauern: ewige Formen. Folglich [iv] existieren ewige Formen in Gottes Wissen 175 . Diese Ansicht hält der Verfasser der Doxographie ohne Angabe von Gründen für falsch (ghayr ΥaͧĮͧ). 3. Xenophanes (Abschnitt IV): Es ist unsinnig (muͧĂl) zu behaupten, die Formen seien in Gott oder seien nicht in ihm, denn: [i] Das Spätere kann niemals das Frühere erkennen (lĂ yudriku l-masbŧqu lsĂbiqa abadan). [ii] Der Intellekt ist später als der Schöpfer. Also [iii] kann der Intellekt den Schöpfer nicht mittels logischer oder intellektualer Attribute oder Aussagekategorien (Υifa, naצt) erfassen176 . Gleichwohl gilt, dass der Schöpfer nichts als er selbst ist und war. Hieraus aber lässt sich nach Ansicht des Verfassers / Xenophanes’ durchaus plausibel folgern, dass ewige Formen und Materie nicht Teil seines Wesens oder Seins sein können 177 . Die hier angedeutete negative Theologie schließt also Aussagen über Formen als Teil von Aussagen über das Wesen Gottes aus, erlaubt jedoch logische Zirkel hinsichtlich der Formen (und anderer Dingen), sofern sie in der absoluten Wahrheit gründen, dass Gott (nichts als) Gott ist und diese Formen (und anderen Dinge) von ihm verschieden sind. 4. Empedokles (Abschnitt V): Formen existieren nicht in Gottes Wesen, sondern sind seine Wirkungen, denn: [i] Gottes Wesen ist reines Wissen, reiner Wille, Freigebigkeit, das Gute, die Wahrheit, etc. [ii] Hierbei handelt es sich nicht um Kräfte (quwan, i.e., Potenzen, die anderes bewirken), vielmehr koinzidieren in ihnen Schöpfer und Geschöpf 178 . [iii] Hiervon zu unterscheiden sind Geschöpfe, die nicht nach Art des Wissens und Willens (bi-nawצi צilmin wa-irĂda) erschaffen 174 175 176 177 178
Ibid., p. 34, l. 10 – p. 35, l. 4, Übers. p. 81. Ibid., p. 35, l. 5-11, Übers. p. 81. Ibid., p. 36, l. 5-10, Übers. p. 81. Ibid., p. 36, l. 11 – p. 37, l. 6, Übers. p. 82. „Er ist all diese Dinge als Schöpfer, und nur als Schöpfer (huwa hĂdhihĮ kulluhĂ mubdi צun faqaί), weder derart, dass er aus anderem erschafft, noch derart, dass anderes neben ihm ist“; ibid., p. 37, l. 10 f.
6. Al-FrbÁ
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(und mit ihrem Schöpfer identisch) sind. Solche Geschöpfe sind Verursachtes (maצlŧl), das von seiner Ursache (צilla) verschieden ist. [iv] Formen sind Geschöpfe nach Art des Verursachten. Also [v] sind Formen verschieden von Gottes Wesen und nicht darin aufgehoben179 . 5. Zenon der Ältere (Abschnitt VI): Ohne Beweisführung referiert der Doxograph, dass Zenon der Ansicht war, dass „die Form der Erschaffung und die Form des Vergehens jeder Substanz im Wissen des Schöpfers sei“ (kĂna fĮ צilmihĮ Υŧratu ibdĂצi kulli jawharin wa-Υŧratu duthŧri kulli jawhar). Wie bereits in Abschnitt III (Plutarch) wird auch diese Lehrmeinung ohne Argumente als Irrtum (khaίa )ץklassifiziert 180 . Aus der Art und Weise der Präsentation der Lehrmeinungen wird sofort deutlich, dass der Verfasser der Doxographie der Ansicht zuneigte, dass transzendente Formen nicht im Wesen oder Wissen Gottes zu lokalisieren sind. Gegenteilige Meinungen werden ohne stützende Argumente referiert und als irrig abgetan 181 . Ob er überhaupt die Existenz transzendenter Formen annahm, wird aus den übrigen Abschnitten der Schrift nicht deutlich. Generell werden Formen nicht in hervorgehobener Weise mit Platon assoziiert, dem auch kein eigenständiger Eintrag in der Doxographie gewidmet ist.
6. Al-FrbÁ Abʗ Naהr Muԉammad al-FrbÁ nimmt die Ideenlehre nicht als zentrale Doktrin, ja nicht einmal als besonders erwähnenswerte Lehre der platonischen Philosophie wahr. Bezeichnenderweise werden in den beiden Schriften, in denen al-FrbÁ sich am intensivsten mit platonischen Werken auseinandersetzt, der Epitome von Platons Nomoi und der Übersicht über das platonische Œuvre mit dem Titel Falsafat AflĂίŧn wa-ajzĂץuhĂ wa-marĂtib ajzĂץihĂ min awwalihĂ ilĂ ĂkhirihĂ („Die Philosophie Platons, ihre Teile, und die Ordnung ihrer Teile von ihrem Anfang bis zum Ende“), Platonische Formen an keiner Stelle erwähnt. 179 180 181
Ibid., p. 37, l. 7 – p. 38, l. 8, Übers. p. 82 f. Ibid., p. 39, l. 9-11, p. 40, l. 11, Übers. p. 83 f. Vgl. hierzu auch den ausführlichen Kommentar von Rudolph, ibid., pp. 118-30.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
Dies bedeutet jedoch nicht, dass al-FrbÁ die Existenz abgetrennter Formen schlechthin leugnet. Aus seiner berühmten knappen Epistel über die Zielsetzung der aristotelischen Metaphysik 182 wird deutlich, dass sein Zugang zu dieser Frage differenzierter ist. Aristoteles’ Ideenkritik wird dort nicht als prinzipielle Widerlegung der Existenz abgetrennter Formen interpretiert. Vielmehr heißt es, dass Aristoteles in Buch VII (Z) der Metaphysik dargelegt habe, „[i] welche Formen abtrennbar / abgetrennt sind und welche nicht (ayyu l-Υuwari yufĂriqu waayyuhĂ lĂ yufĂriqu), sowie [ii], dass es keine Urbilder gibt (lĂ wujŧda li-l-muthul)“, und weiter, dass Aristoteles in Buch VIII (H) seine Untersuchung der Platonischen Formen (al-Υuwar al-aflĂίŧniyya) fortgesetzt und gezeigt habe, dass [iii] „deren [Annahme] überflüssig ist, um die Entstehung der werdenden Dinge [zu erklären] (ghanĂ ץal-mutakawwinĂt צanhĂ fĮ l-takawwun) “ 183 . Al-FrbÁs Rezeption der aristotelischen Ideenkritik differenziert also klar zwischen der kosmologischen Komponente der Ideenlehre, die abgetrennte Formen / Ideen als ideale Urbilder der Entstehung oder göttlichen / demiurgischen Gestaltung des kosmos aisthêtos konzipiert, und der ontologischen Frage, ob abgetrennte / abtrennbare Formen existieren (können). Die kosmologische Abbildtheorie wird hier mit Aristoteles verworfen und auch in keinem anderen Werk alFrbÁs in Erwägung gezogen. Andererseits scheint al-FrbÁ der epistemologischen Komponente der Abbildtheorie durchaus Sympathien entgegengebracht zu haben. Mehrfach erklärt er, dass Wahrnehmung nicht Wissenschaft sei, oder dass die Wahrnehmungsgegenstände wie Abbilder von Objekten des Wissens seien 184 . 182
Al-FrbÁ, FĮ AghrĂ͏ al-ͧakĮm fĮ kull maqĂla min al-kitĂb al-mawsŧm bi-l-ͧurŧf, ediert in AlfĂrĂbĮ’s philosophische Abhandlungen, aus Londoner, Leidener und Berliner Handschriften herausgegeben von Dr. F. Dieterici, Brill, Leiden 1890, repr. Biblio Verlag, Osnabrück 1982, pp. 34-38.
183
Ibid., p. 37, l. 17-20.
184
Im KitĂb al-KhiίĂba unterscheidet al-FrbÁ drei Arten von Propositionen, nämlich notwendige, mögliche und existentielle oder „hyparctische“ Proposition (zur Klassifikation der Propositionen und zu den aristotelischen Quellen der „hyparctischen“ Proposition [muqaddima muίlaqa] cf. Joep Lameer, Al-FĂrĂbĮ and Aristotelian Syllogistics: Greek Theory and Islamic Practice, Leiden etc.: Brill, 1994, pp. 55-62). Diesen Arten der Proposition werden unterschiedliche Erkenntnisstufen zugeordnet, und zwar der notwendigen Proposition das gesicherte Wissen
6. Al-FrbÁ
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Die Frage, ob al-FrbÁ der Ansicht war, dass es ausschließlich immanente und abstrahierbare Formen gibt, oder ob er auch transzendente, in jeder Hinsicht immaterielle Formen annahm, ist anhand seiner Schriften nicht eindeutig zu beantworten. Erstere Position scheint al-FrbÁ unter anderem im KitĂb MabĂdi ץĂrĂ ץahl al-madĮna al-fĂ͏ila 185 zu vertreten. Dort wird die „Formlosigkeit“ der ersten Ursache mit dem Argument bewiesen, dass die erste Ursache ohne Materie (mĂdda) und Substrat (maw͏ŧ )צist, Form aber nur in Materie existieren kann (al-Υŧra lĂ yumkinu an takŧna illĂ fĮ mĂdda) 186 . Dass „Materie“ an dieser Stelle in übertragener Redeweise für ein transzendentes noetisches Substrat der Form steht, kann angesichts des folgenden Arguments gegen die Annahme eines aus Form und Materie zusammengesetzten Wesens der ersten Ursache ausgeschlossen werden. Im Übrigen wiederholt al-FrbÁ seinen Standpunkt mit aller Klarheit an einer späteren Stelle der Schrift 187 . Dieselbe Position nimmt al-FrbÁ auch in einem langen Diskurs über Substanz, Form
185
186 187
(צilm yaqĮn), der möglichen Proposition das Meinen oder die Gegenstände der Vermutung (al-maϕnŧna), der „hyparctischen“ Proposition die Wahrnehmung und ihre Gegenstände (al-maͧsŧsa). Propositionen (mithin Syllogismen), die auf Erkenntnissen der Wahrnehmung basieren, haben einen Wahrheitsgehalt, der zwischen Wissen und Meinen liegt; cf. Al-FrbÁ, Deux ouvrages inédits sur la rhétorique: I. KitĂb al-khaίĂba. II. Didascalia in Rethoricam Aristotelis ex glosa Alpharabi. Publication préparée par J. Langhade et M. Grignaschi, Beyrouth: Dar El-Machreq, 1986, p. 87. In der unter dem Titel MasĂץil mutafarriqa suץila צanhĂ (auch JawĂbĂt li-masĂץil suץila צanhĂ) bekannten Sammlung heißt es explizit: „Gegenstände der Wahrnehmung sind nicht Gegenstand des Wissens, sinnliche Dinge sind Abbilder (amthila) der Gegenstände des Wissens“, cf. Al-FrbÁ, RisĂlatĂn falsafiyyatĂn. Ԉaqqaqahʗ wa-qaddama lahʗ wa-allaqa alayhi Jafar ¬l YsÁn, Bayrʗt: Dr al-Manhil, 1987, p. 104. Auf der anderen Seite lehnt al-FrbÁ die mit der Theorie des Wissens unmittelbar verknüpfte Anamnesislehre Platons in seinem Kommentar zu Aristoteles’ Analytica priora ab, cf. Al-ManίiqiyyĂt li-lFĂrĂbĮ. Al-Mujallad al-thĂnĮ: al-Shurŧͧ al-manίiqiyya. Ԉaqqaqah wa-qaddama lah Muԉammad TaqÁ Dnish-Pažʗh. Qum: Maktabat ¬yatullh al-Uծm alMarashÁ al-NajafÁ, 1409/1990, pp. 474-76. Al-Farabi on the Perfect State: Abŧ NaΥr al-FĂrĂbĮ’s MabĂdi ץārĂ ץAhl al-MadĮna al-FĂ͏ila. A revised text with introd., transl. and comm. by Richard Walzer, Oxford: Clarendon Press, 1985. Ibid., p. 56, l. 15 – p. 58, l. 3. Cf. den Kommentar von R. Walzer, ibid., p. 336. Ibid., bes. p. 108, l. 9-12, und den gesamten Abschnitt pp. 108-112 zum Verhältnis von Form und Materie.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
und Materie im KitĂb al-SiyĂsa al-madaniyya ein 188 . Dort ist beispielsweise zu lesen: „Die Form ist in der körperlichen Substanz wie die Gestalt (shakl) des Bettes im Bett, während die Materie wie das Holz des Bettes ist. Durch die Form also wird die körperliche Substanz zu einer Substanz in Verwirklichung, während sie durch die Materie Substanz in Möglichkeit ist. [...] Die Form subsistiert (qiwĂmuhĂ) durch die Materie, während die Materie das Substrat bildet, welches die Form trägt. Denn Formen subsistieren nicht durch sich selbst und können nur in einem Substrat existieren. [Dieses] ihr Substrat ist die Materie, und die Materie existiert nur um der Formen willen, so als bestünde [ihr] primärer Zweck einzig in der Existenz der Formen und [als] wäre sie als Substrat gemacht worden, um die Form zu tragen, da die Formen nur in einem gewissen Substrat existieren können.“ 189
Formen im eigentlichen Wortsinn sind immanente Formen. Abstrahierte, intelligible Formen werden lediglich per analogiam (צalĂ sabĮl altashbĮh) Formen genannt, und unkörperliche intelligible Substanzen heißen „Formen“ nur in homonymer Benennungsweise: „Solange die Seelen[vermögen] nicht zur Perfektion gelangt sind und ihre Wirkungen vollziehen, sind sie lediglich Potenzen und Dispositionen, bereit zur Aufnahme von Impressionen (rusŧm) der Dinge. Wenn die Impressionen actualiter in sie gelangen [...], sind dort die Formen abstrahiert (bĂyanat ͧĮnaץidhin al-Υuwar). Zwar sind diese, in den vorangehenden Dispositionen aufgenommenen Impressionen den Formen in der Materie ähnlich, doch sie werden nicht [im eigentlich Sinn] „Formen“ genannt, sondern [dies] nur per analogiam. Die größte Diskrepanz besteht zwischen Formen und den in das rationale Vermögen gelangten Impressionen der Denkgegenstände, denn diese sind beinahe abgetrennt von der Materie (takĂdu an takŧna mufĂraqatan li-l-mĂdda), und ihre Existenz im rationalen Vermögen hat [von allen abstrahierten Formen] die geringste Ähnlichkeit mit der Existenz der Form in der Materie. Wenn der [menschliche] Intellekt in Verwirklichung dem Aktiven Intellekt ähnlich 188
189
Abgesehen von den kommentierenden Schriften zu Werken Aristoteles’ ist dies al-FrbÁs umfangreichste systematische Darlegung seiner Substanz- und Formlehre. Sie erstreckt sich fast über das gesamte erste Kapitel dieser Schrift; cf. Abʗ Naהr al-FrbÁ, KitĂb al-SiyĂsa al-madaniyya al-mulaqqab bi-MabĂdi ץal-mawjŧdĂt. Ԉaqqaqahʗ wa-qaddama lahʗ wa-allaqa alayhi FawzÁ M. Najjr, Bayrʗt: Imprimerie Catholique, 1964, pp. 36-69. Ibid., p. 36, l. 6-13. Vergleiche auch ibid., p. 38, l. 11-14.
6. Al-FrbÁ
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geworden ist, ist er aber weder Form noch etwas der Form Ähnliches. Nichtsdestotrotz bezeichnen einige (qawman) auch alle unkörperlichen Substanzen in homonymer Weise als Formen und begreifen unter Formen sowohl solche, die von der Materie abgetrennt sind und ihrer nicht bedürfen und frei von ihr sind, als auch solche, die nicht von der Materie abgetrennt sind. [...] Diese Einteilung basiert jedoch auf einer homonymen Benennung.“ 190
Hiermit korrespondiert die strikte Dreiteilung aller Formen, die in den JawĂbĂt li-masĂץil suץila צanhĂ zu finden ist. Formen existieren auf drei Weisen in etwas, nämlich entweder im Körper oder in der Wahrnehmung oder im Intellekt 191 . Formen sind nicht ewig, und da sie stets in einer dieser drei Arten von „Substraten“ existieren und darüber hinaus Gegensätze haben und Privation zulassen, kann es sich bei unkörperlichen Substanzen nicht um Formen handeln: „Jede der beiden [i.e., Form und Materie] ist durch einen eigentümlichen Mangel und durch eine eigentümliche Vollkommenheit gekennzeichnet, die nicht in der je anderen [zu finden] sind. Denn durch die Form wird der vollkommenere der beiden Seinsmodi des Körpers, nämlich sein aktuales Sein, [konstituiert], während durch die Materie der mangelhaftere der beiden Seinsmodi des Körpers, nämlich sein potentielles Sein, [konstituiert] wird. [...] In dieser Hinsicht ist die Form erhabener als die Materie. [Andererseits] ist die Materie erhabener als die Form, insofern sie in ihrer Existenz nicht eines Substrats bedarf, in dem sie ist, während die Form eines solchen bedarf. [Außerdem] hat die Materie keinen Gegensatz und keine ihr entgegengesetzte Privation, die Form aber hat eine Privation oder einen Gegensatz. Das aber, was Privation und Gegensatz zulässt, kann nicht ewig existieren. Formen gleichen Akzidenzien, sofern sie in einem Substrat subsistieren und Akzidenzien gleichfalls in einem Substrat subsistieren. Sie unterscheiden sich von Akzidenzien, sofern die Substrate von Akzidenzien weder um der Existenz der Akzidenzien willen gemacht sind noch zu [dem Zweck], die Akzidenzien zu tragen, während die Substrate der Formen, also die Arten von Materie, sehr wohl dazu gemacht sind, die Formen zu tragen. [...] Den unkörperlichen Substanzen haftet hingegen keinerlei Mangel an, wie er für Form und Materie charakteristisch ist. Denn keine von ihnen subsistiert in einem Substrat, und keine von ihnen existiert um eines anderen willen, weder nach Art der Materie 190 191
Ibid., p. 37, l. 4 – p. 38, l. 1. Cf. al-FrbÁ, RisĂlatĂn falsafiyyatĂn, p. 103.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ noch in der Weise eines Werkzeugs für etwas anderes oder derart, dass sie anderem dienten. Ihr [Sein] bedarf keiner Hinzufügung von Sein [derart, dass] es dieses zu einem späteren Zeitpunkt aufnimmt, indem es auf etwas anderes einwirkt oder anderes auf es einwirkt. Außerdem gibt es zu keiner der [unkörperlichen Substanzen] einen Gegensatz oder eine ihr entgegengesetzte Privation. Es ist also angemessener, bei diesen [Substanzen] [...] von Substanzen [zu sprechen] als bei Form und Materie.“ 192
Anders als die arabischen Neoplatonica begreift al-FrbÁ auch die supralunaren Seelen nicht als Formen: „Die Seelen, die den Himmelskörpern eignen, sind frei von den Arten des Mangels, die in der Form und in der Materie [zu finden] sind. Allerdings [existieren] sie in Substraten und gleichen in dieser Hinsicht den Formen. Aber bei ihren Substraten handelt es sich nicht um materielle [Dinge], vielmehr hat jede von ihnen ein besonderes Substrat, das nicht Substrat von etwas anderem sein kann. Hierin unterscheiden sie sich also von der Form.“ 193
Das Reich der Formen ist hierarchisch strukturiert. In seiner Spitze steht die höchste Form oder „Form der Formen“ (Υŧrat al-Υuwar) 194 . 192
193
194
Al-FrbÁ, KitĂb al-SiyĂsa al-madaniyya, p. 39, l. 1 – p. 40, l. 1. Zu Gegensatz und Privation der Form als defiziente Seinsmodi sublunarer Entitäten auch Abʗ Naהr al-FrbÁ, FuΥŧl muntazaצa. Ԉaqqaqahʗ wa-qaddama lahʗ wa-allaqa alayhi FawzÁ M. Najjr, Bayrʗt: Dr al-Mashriq, 1971, § 73, p. 80; sowie Al-Farabi on the Perfect State, p. 110, l. 5-9, p. 144, l. 3-8. Al-FrbÁ, KitĂb al-SiyĂsa al-madaniyya, p. 41, l. 3-6. Dem entspricht ein Abschnitt in MabĂdi ץĂrĂ ץahl al-madĮna al-fĂ͏ila, wo al-FrbÁ darlegt, dass man in Bezug auf die Himmelskörper nur analogice oder metaphorisch von Formen sprechen kann, da Formen Gegensätze haben und in unterschiedlichen Substraten instantiiert sein können, dies aber nicht auf die „quasi-Formen“ der Himmelskörper, nämlich deren Intellekte, zutrifft; cf. Al-Farabi on the Perfect State, p. 120, l. 9 – p. 122, l. 2. Ibid., p. 58, l. 1 – p. 59, l. 6: „Es gibt zwei Arten potentieller [Dinge]: Erstens das, was irgendetwas sein oder nicht sein kann (dies ist die Materie), und zweitens das, was wesenhaft dieses sein oder nicht sein kann (dies ist das aus Materie und Form Zusammengesetzte). Potentielles Seiendes ist hierarchisch geordnet: Auf der untersten Stufe steht das, was auf keine der beiden entgegengesetzten Arten [potentiellen Seins] Sein erlangt hat (dies ist die erste Materie). Auf der zweiten Stufe steht das, was durch die in der ersten Materie etablierten Gegensätze [gewisse] Seinsweisen erlangt hat (dies sind die Elemente). Wenn diese durch gewisse Formen zu Seiendem geworden sind, ist ihnen durch die Erlangung der Formen die Möglichkeit zueigen, wiederum andere, gegensätzliche Seinsweisen
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Was diese Form der Formen ist und was es ist, dessen Form die Form der Formen ist, erklärt al-FrbÁ nicht. Aus zwei Gründen ist auszuschließen, dass er die Form der Formen mit Gott identifiziert. Zum einen begreift al-FrbÁ, wie oben erwähnt, die erste Ursache als form- und substratlos. Zum anderen wird die Form der Formen dem Bereich des Möglichen zugeordnet 195 . Des Weiteren kann ausgeschlossen werden, dass al-FrbÁ diesen Topos im Anschluss an Aristoteles’ De anima III 8, 432a2, auf den menschlichen Intellekt appliziert, da er diesen als Entität begreift, die um der Perfektion und Glückseligkeit des Menschen willen existiert, wohingegen die Seienden, deren Form die Form der Formen ist, explizit als um ihrer selbst willen und nicht um eines anderen willen beschrieben werden196 . Da die Form der Formen ehrwürdiger und früher als diese Seienden ist, gilt für sie a fortiori, dass sie um ihrer selbst willen ist. Drittens scheidet auch eine Identifikation der Form der Formen mit dem suprasensiblen Kosmos oder Himmelskörper aus, denn weder sind die Seelen der einzelnen Himmelskörper Form, wie gezeigt, noch ist dieser als Ganzes Form, sondern das, was die potentiellen Seienden auf unterschiedliche Weisen „zu ihren Formen hin bewegt und sie zusammen mit ihren Formen bewahrt“ 197 .
195 196 197
anzunehmen, so dass sie zu Arten der Materie für andere Formen werden. Wenn weiter auch diese [anderen] Formen in ihnen etabliert werden, wird ihnen durch diese zweiten Formen die Möglichkeit zueigen, wiederum andere, gegensätzliche Seinsweisen mittels anderer, entgegengesetzter Formen anzunehmen. [...] Dies geht so weiter, bis man zu Formen gelangt, die [derart sind,] dass die Dinge, die durch diese Formen Sein erlangt haben, nicht [wiederum] Arten von Materie für andere Formen sein können. Die Formen dieser seienden Dinge sind also Formen aller ihnen vorangehenden Formen. Diese letzten [Formen] sind die ehrwürdigsten aller potentiellen Seienden, während die erste Materie das minderwertigste aller potentiellen Seienden ist und das, was zwischen diesen beiden liegt, entsprechend hierarchisch geordnet ist. Je näher es der ersten Materie ist, desto minderwertiger ist es, und je näher es der Form der Formen ist, desto ehrwürdiger ist es. [...] Die Seienden, deren Form die Form der Formen ist, sind stets um ihrer selbst willen. Sie können nicht durch ihre Formen um etwas anderen willen geschaffen sein, ich meine [derart, dass] durch sie eine andere Substanz entsteht und sie Materie für etwas anderes sind.“ Zur Einteilung des potentiellen Seinenden vgl. auch al-FrbÁ, FuΥŧl muntazaצa, § 71, p. 79. Vgl. die vorangehende Fußnote. Al-FrbÁ, KitĂb al-SiyĂsa al-madaniyya, p. 59, l. 3-5. Ibid., p. 60, l. 3-15.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
Al-FrbÁs Abhandlung über den Intellekt 198 legt die Vermutung nahe, dass es sich bei der Form der Formen um den Aktiven Intellekt (al-צaql al-faצצĂl) handelt. Anders als in den bisher betrachteten Werken zieht al-FrbÁ dort die Möglichkeit in Erwägung, dass es transzendente Formen gibt, denen freilich eine separate Existenz nicht qua durch-sich-subsistierende Substanz, sondern nur qua Intelligibilia des Erworbenen Intellekts (al-צaql al-mustafĂd, intellectus acquisitus) eignet: „Wenn es Entitäten gibt, bei denen es sich um Formen (Υuwar) handelt, die weder in materiellen [Substraten] sind noch jemals Formen in materiellen [Substraten] waren, so werden diese zu Seiendem, wenn sie gedacht werden (idhĂ צuqilat ΥĂrat mawjŧdatan). Sie haben also ein intelligibles Sein, das ihnen zukommt, insofern sie gedacht werden. Nun [bedeutet] die Aussage, dass etwas gedacht wird, primär, dass die Formen, die in materiellen [Substraten] sind, von diesen abstrahiert werden und ihnen [auf diese Weise] ein anderes, von diesem ursprünglichen Sein verschiedenes Sein entsteht. Wenn es aber Dinge gibt, bei denen es sich um [ursprünglich] immaterielle Formen handelt, braucht dieses Wesen [i.e., der potentielle Intellekt 199 ] sie überhaupt nicht von materiellen Substraten zu abstrahieren. Vielmehr fällt es mit ihnen als etwas [von der Materie] Abgetrenntes zusammen (tuΥĂdifuhĂ muntazaצatan) und denkt sie [unmittelbar]. [Es verhält sich damit] wie bei etwas, dessen Wesen qua Intellekt in Verwirklichung (צaql bi-l-fiצl) mit den [abstrahierten] immateriellen Denkgegenständen zusammenfällt und diese denkt. Das Sein dieser [Denkgegenstände] qua Gegenstände des Denkens wird also [gewissermaßen] zu einem zweiten Intellekt, [und] ist [zugleich] das Sein, das ihnen eignete, bevor dieser Intellekt [in Verwirklichung] dachte. Auf exakt dieselbe [Weise] muss man hinsichtlich der [Dinge], die immaterielle [transzendente] Formen sind, verstehen, dass ihr Sein, wenn sie gedacht werden, ihr In-sich-sein ist (kĂna wujŧduhĂ fĮ anfusihĂ huwa wujŧdahĂ), während sie [zugleich] Denkgegenstände für uns sind.“ 200
Die Textpassage ist nicht ganz klar, doch wird deutlich, dass al-FrbÁ eine Analogie zwischen abstrahierbaren, immanenten Formen und deren Koinzidenz mit dem menschlichen Intellekt in Verwirklichung 198
199
200
Alfarabi, Risalat Fi’l-צaql. Texte arabe intégral en partie inédit établi par M. Bouyges, Beyrouth: Imprimerie Catholique / Brill, 1938. Für die Verwendung des Ausdrucks „dieses Wesen“ (hĂdhihi/tilka l-dhĂt) für den potentiellen Intellekt cf. ibid., pp. 12-15, p. 19. Ibid., p. 20, l. 4 – p. 21, l. 4.
6. Al-FrbÁ
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auf der einen Seite und transzendenten Formen und deren Seinsmodi auf der anderen Seite beschreibt. So, wie den immanenten Formen zwei Seinsmodi eignen, sofern sie qua aktuale Gegenstände des Denkens Intellekt sind (mit dem menschlichen Intellekt in actu koinzidieren) und qua Formen materieller Dinge ein immanentes, nicht actualiter intelligibles Sein haben, so eignen den transzendenten Formen zwei Seinsmodi als Formen-an-sich und als Intelligibles-füruns. Beide Seinsmodi der transzendenten Formen sind intelligible Seinsmodi: Die transzendenten Formen „werden zu Seiendem, wenn sie gedacht werden“. Und zwar werden sie zu Intelligiblem-für-uns, sobald der menschliche Intellekt in actu den Status des Erworbenen Intellekts erlangt: „Diese [transzendenten] Formen können nur dann vollständig gedacht werden, wenn alle oder die meisten Intelligibilia zu aktualen Gegenständen des Denkens geworden sind und der Erworbene Intellekt erlangt worden ist. [Erst] dann erlangen jene Formen Intelligibilität [für uns]. Sie werden nämlich in gewisser Weise zu Formen des Intellekts qua Erworbener Intellekt, während der Erworbene Intellekt einem Substrat für sie gleicht. Zugleich ist der Erworbene Intellekt wie die Form des [menschlichen] Intellekts in Verwirklichung, während letzterer wie ein Substrat und wie Materie für ersteren ist.“ 201
Hieran schließt sich die aus K. al-SiyĂsa al-madaniyya bekannte hierarchische Ordnung der Formen an, die im sublunaren Bereich vom menschlichen Intellekt bis zur ersten Materie reicht 202 . Die höchste Stufe der Formen wird nun, in der RisĂla FĮ l-צaql, mit dem Aktiven Intellekt identifiziert und explizit als transzendente Form beschrieben: „Wenn man von dort [i.e., vom Erworbenen Intellekt] emporsteigt, gelangt man zwangsläufig zur höchsten Stufe abgetrennter Entitäten (almawjŧdĂt al-mufĂraqa). [Diese] höchste Stufe ist die Stufe des Aktiven Intellekts (al-צaql al-faצצĂl); und der Aktive Intellekt [...] ist eine abgetrennte Form, die weder in der Materie war noch je [in ihr] sein wird.“ 203
Während also im K. al-SiyĂsa al-madaniyya und anderen Werken alFrbÁs Konzeption der Form auf immanente Formen begrenzt ist und die Formen im menschlichen Intellekt in actu wie auch der 201 202 203
Ibid., p. 21, l. 8 – p. 22, l. 5. Cf. supra, p. 56f., und Alfarabi, Risalat Fi’l-צaql, p. 22, l. 5 – p. 23, l. 8. Ibid., p. 24, l. 4-8.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
Erworbene Intellekt und der Aktive Intellekt explizit von Formen unterschieden und bestenfalls als „Formen“ in homonymer Benennungsweise verstanden werden, begreift al-FrbÁ in seinem Traktat über den Intellekt sowohl den Erworbenen Intellekt als auch den Aktiven Intellekt als transzendente Form. Andererseits deutet alles darauf hin, dass mit der Form der Formen im K. al-SiyĂsa al-madaniyya nach plotinischem Vorbild nichts anderes als der Aktive Intellekt der RisĂla FĮ l-צaql gemeint ist. Diese Inkonsistenz ist selbstverständlich alFrbÁs Bemühen geschuldet, sowohl das aristotelische als auch das neuplatonische Erbe in eine systematische islamische Philosophie zu integrieren. Sie lässt darüber hinaus Rückschlüsse auf eine Chronologie der Werke al-FrbÁs zu. Stehen immanente und transzendente Formen in der RisĂla FĮ l-צaql einander in einer neuplatonisch geprägten ZweiWelten-Konzeption antagonistisch gegenüber, wird der Form-Begriff in anderen (vermutlich späteren) Werken mit Hilfe der aristotelischen Substanzlehre modifiziert. Formen im eigentlichen Wortsinn sind immanente, abstrahierbare Formen, Wesen und Verwirklichung des aus Form und Materie Zusammengesetzten. Unkörperliche, suprasensible Substanzen heißen nur homonym oder per analogiam „Formen“ und sind angemessener als unkörperliche Substanzen zu bezeichnen. Denn ihnen fehlt das wichtigste Charakteristikum der aristotelischen Formlehre, sie können nicht zusammen mit der Materie wiederum als Substrat einer anderen Form dienen 204 . Eine hierarchische Ordnung transzendenter Formen bedarf daher eines anderen Nexus. In der RisĂla FĮ l-צaql wird dieser durch die korrelierenden Eigenschaften von Vollkommenheit und Transzendenz konstituiert: „Wenn die Formen, die überhaupt nicht in der Materie sind oder waren oder je sein werden, unterschiedliche Ränge hinsichtlich Perfektion und Transzendenz (fĮ l-kamĂl wa-l-mufĂraqa) einnehmen und ihnen eine 204
Al-FrbÁ hat nie an der Existenz unkörperlicher, suprasensibler Entitäten gezweifelt. In IͧΥĂ ץal-צulŧm klassifiziert er sie als einen der Hauptforschungsbereiche der Metaphysik (al-צilm al-ilĂhĮ), vermeidet aber peinlichst, sie als „Formen“ zu bezeichnen; cf. al-FrbÁ, IͧΥĂ ץal-צulŧm. Ԉaqqaqahʗ wa-qaddama lahʗ wa-allaqa alayhi U. AmÁn, Kairo: Librairie Anglo-Égyptienne, 1968, p. 121, ähnlich FuΥŧl muntazaצa § 69, p. 78, l. 12-17, wo drei Klassen des Seienden unterschieden werden, immaterielle Seiende, körperliche Seiende, und Himmelskörpers, denen drei Welten ( צawĂlim) zugeordnet sind, spirituell (rŧͧĂnĮ), materiell und himmlisch.
6. Al-FrbÁ
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gewisse Hierarchie hinsichtlich des Seins eignet (kĂna lahĂ tartĮbun mĂ fĮ lwujŧd), und dies gründlich bedacht wird, so [wird deutlich, dass] die je vollkommenere dieser [Formen] auf diese Weise (צalĂ hĂdhĂ l-ίarĮq) Form für das je Mangelhaftere ist, bis man schließlich zu dem Mangelhaftesten, nämlich dem Erworbenen Intellekt, gelangt.“ 205
Die Hierarchisierung der transzendenten Formen manifestiert sich also nicht lediglich in Unterschieden des intentionalen Gehalts der Formen in dem sie denkenden Intellekt, sondern geht einher mit einer ontologischen Skalierung ihres Seins. Darüber hinaus wird deutlich, dass al-FrbÁ in der RisĂla FĮ l-צaql durchaus nicht nur eine Kategorie transzendenter Formen annimmt, die insgesamt und ausschließlich Formen im Aktiven Intellekt sind, sondern eine Vielzahl hierarchisch geordneter transzendenter Formen, die in dem Bereich zwischen dem Aktiven Intellekt und der niedrigsten transzendenten Form, dem Erworbenen Intellekt, lokalisiert werden. In dieser Schrift finden wir auch (noch?) Spuren eine neuplatonischen Abbild- oder Mimesis-Konzeption der immanenten Formen, die in anderen Werken, wie oben erwähnt, verworfen wird oder unerwähnt bleibt. Ursache dieser Nachahmung ist, ganz im Sinne des platonischen Timaios, der Umstand, dass Formen in dieser Welt nicht als transzendente, sondern ausschließlich als immanente Formen existieren können: „Die Ordnung der Seienden muss im [menschlichen] Intellekt in Verwirklichung umgekehrt zu deren Ordnung im Aktiven Intellekt sein. [...] Denn die Formen, die [hier und] jetzt Formen in Materie sind, sind im Aktiven Intellekt abgetrennte Formen, [und zwar] nicht derart, dass sie [zuvor] in materiellen [Substraten] existierten und dann abstrahiert wurden, sondern [derart, dass] sie als solche Formen schon immer actualiter in ihm waren. [Ihre Ordnung] ist in der ersten Materie und den übrigen materiellen [Substraten] bloß nachgeahmt (uͧtudhiya) 206 , indem letzteren die Formen actualiter gegeben werden, die im Aktiven Intellekt sind. Das, was eigentlich in dieser Welt zu Seiendem werden sollte, sind jene [transzendenten] Formen (al-mawjŧdĂt allatĮ quΥida ĮjĂduhĂ qaΥdan awwalan fĮ-mĂ ladaynĂ hiya tilka l-Υuwar). Da diese aber hier nur in materiellen [Substraten] zu 205 206
Alfarabi, Risalat Fi’l-צaql, p. 23, l. 1-4. Subjekt von uͧtudhiya ist tartĮb al-mawjŧdĂt, ibid., p. 28, l. 6f. Für handschriftliche Varianten und die von Massignon und Dieterici übernommenen hapax legomena cf. Bouyges’ Apparat, § 38, Anm. 1.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ Seiendem werden können, wurden [zunächst] diese materiellen [Substrate] geschaffen (kuwwinat).“ 207
In al-FrbÁs logischen und sprachphilosophischen Werken spielen diese transzendenten Formen keine Rolle 208 . Nicht transzendente Formen, sondern Universalien qua Arten und Genera antworten auf die Frage „Was ist x?“ 209 . Im KitĂb al-AlfĂϕ al-mustaצmala fĮ l-manίiq unterscheidet al-FrbÁ zwei Hauptklassen von Universalien (kulliyyĂt): (A) Universalien, die von einzelnen exklusiven Gruppen von Individuen prädiziert werden (Beispiel: „Mensch“, „Pferd“), und (B) Universalien, die ganz oder teilweise koextensiv sind bzw. von derselben Gruppe von Individuen prädiziert werden können (Beispiel: „Lebewesen“, „Mensch“, „das Sinnliche“, „die Weiße“). Letztere (B) nennt al-FrbÁ „gemeinsame Universalien“ (kulliyyĂt mushtaraka). Diese „gemeinsamen Universalien“ untergliedern sich wiederum in (B.i) solche, die nur diese eine Gruppe von Individuen als Gegenstand der Prädikation miteinander teilen, ohne dass eine der Universalien auch von einer oder mehreren anderen Gruppen von Individuen prädiziert werden kann, und (B.ii) solche, bei welchen eine oder mehrere der „gemeinsamen Universalien“ auch andere Prädikationsmodi aufweisen. Letztere (B.ii) werden nochmals in (B.ii.̂) solche Universalien unterteilt, die, je nachdem in welcher Hinsicht sie betrachtet oder prädiziert werden, sowohl umfassender als auch spezifischer als das je andere Universale sein können, und (B.ii.̃) solche, bei denen stets eine der „gemeinsamen Universalien“ extensional begrenzter oder spezieller ist als die andere(n) 210 . In Definitionen beziehungsweise Antworten 207 208
209
210
Ibid., p. 28, l. 6 – p. 29, l. 5. Auch mathematische Objekte werden explizit von ihnen geschieden. In seiner Paraphrase der Zweiten Analytiken Aristoteles’ erklärt al-FrbÁ, dass Mathematica lediglich durch Abstraktion abgetrennt sind und es sich bei ihnen weder um Formen (Υuwar) noch um Urbilder (mithĂlĂt) handelt; cf. Abʗ Naהr Muԉammad al-FrbÁ, KitĂb al-BurhĂn wa-KitĂb SharĂץiί al-yaqĮn maצa TaצlĮq Ibn BĂjja צalĂ lBurhĂn. TaԉqÁq wa-taqdÁm wa-talÁq M. FakhrÁ. Bayrʗt: Dr al-Mashriq, 1987, p. 69, l. 9 – p. 70, l. 11. In der Paraphrase der Zweiten Analytiken äußert sich al-FrbÁ ausführlich zur Definitionsmethode der platonischen Diärese; cf. ibid., pp. 53-55. Die hierzu verwendete Begrifflichkeit ist weitgehend durch die arbor porphyriana bestimmt. Platonische Ideen kommen nicht zur Sprache. Cf. Abʗ Naהr al-FrbÁ, KitĂb al-AlfĂϕ al-mustaצmala fĮ l-manίiq. Ԉaqqaqahʗ waqaddama lahʗ wa-allaqa alayhi Muԉsin MahdÁ. Bayrʗt: Dr al-Mashriq, 1986, p.
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auf Fragen vom Typ „Was ist x?“ werden ausschließlich Universalien vom Typ B verwendet 211 . Im KitĂb al-ͦurŧf, einem Werk, das über weite Strecken der Frage nach der Übereinstimmung von Sprache und Sein, Wort und Wesen gewidmet ist, untersucht al-FrbÁ unter anderem das Problem, ob dem Wesen W einer ersten Substanz 212 ein vom Sein dieser Substanz distinktes Sein (W-sein) eignet, so wie den Akzidenzien (e.g. „weiß“) ein von ihrem konkreten Akzidenz-sein (das konkrete Weiße, oder die bestimmte Art oder Gattung weißer Dinge) distinktes Wesen („die Weiße, das Weiß-sein“) eignet. Auch in diesem Zusammenhang werden transzendente oder Platonische Formen nicht thematisiert. Vielmehr geht al-FrbÁ die Frage zum einen mittels einer Analyse der Aussageweisen von „sein“ an, die sich eng an Aristoteles’ Metaphysik V (Ŕ) 7 anlehnt213 . Zum anderen untersucht er, ob eine abstrakte Wortbildung der Form „W-sein“, e.g. „Mensch-sein“ (insĂniyya), „Mann-sein“ (rujŧliyya) etc., eine von der Benennung der ersten Substanz qua Wesensbegriff („Mensch“, „Mann“) distinkte Bedeutung hat. Er verneint diese Frage mit dem Argument, dass die Bedeutung von „Mensch“ unter der Voraussetzung unterschiedlicher Bedeutungen und Prädikationsweisen von „Mensch“ qua Wesensbegriff einerseits und „Mensch-sein“ andererseits ein Kompositum sein müsse, von welchem ein Teil als Subjekt der Prädikation von „Mensch-sein“ dient, der andere aber nicht. Bei dem Teil, von welchem „Mensch-sein“ prädiziert wird, muss es sich entweder um Form oder differentia specifica („vernunftbegabt“), oder aber um Materie oder genus („Lebewesen“) 59, l. 14 – p. 62, l. 1. Vgl. auch al-FrbÁs Ausführungen zu den universalen Prädikationsgegenständen (maͧmŧlĂt kulliyya) in seinem Vorwort und seiner Paraphrase zu Porphyrius’ Isagoge, in Al-ManίiqiyyĂt li-l-FĂrĂbĮ. Al-Mujallad alawwal: al-nuΥŧΥ al-manίiqiyya. Ԉaqqaqah wa-qaddama lah Muԉammad TaqÁ Dnish-Pažʗh. Qum: Maktabat ¬yatullh al-Uծm al-MarashÁ al-NajafÁ, 1407/ 1987, pp. 15f., 29f. 211
KitĂb al-AlfĂϕ al-mustaצmala fĮ l-manίiq, p. 65, l. 11-23.
212
Diese nennt er “ein Dies-da, das nicht in einem Substrat ist“ (al-mushĂr ilayhi lladhĮ lĂ fĮ maw͏ŧ)צ, cf. Abʗ Naהr al-FrbÁ, KitĂb al-ͦurŧf. Ԉaqqaqahʗ waqaddama lahʗ wa-allaqa alayhi Muԉsin MahdÁ. Bayrʗt: Dr al-Mashriq, 1970, pp. 78 f., 102.
213
Vergleiche hierzu ausführlich Stephen Menn, „Al-FrbÁ’s KitĂb al-ͦurŧf and His Analysis of the Senses of Being“, Arabic Sciences and Philosophy 18 (2008), 5997.
66
I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
handeln, die beide zusammen den Wesensbegriff von „Mensch“ konstituieren. Da „Mensch-sein“ als Abstraktnomen mit der Form oder differentia specifica korrelieren muss, bedeutete „Mensch-sein“ dann aber dasselbe wie „vernunftbegabt“ unter Ausschluss des Substrats oder der Materie beziehungsweise „Rationalität“ als etwas von dem konkreten Vernunftbegabten Abgetrenntes. Ein solches Abstraktnomen ist daher ebenso ungeeignet, das Wesen des Menschen zu bezeichnen, wie der Begriff „Lebewesen“ allein, da es die Form oder differentia specifica nur als etwas Potentielles bezeichnet, während der Wesensbegriff diese actualiter und die Gattung oder Materie potentialiter enthalten muss214 . Insgesamt lässt sich feststellen, dass al-FrbÁ keine konsistente systematische Position zur Frage der Existenz transzendenter Formen und deren möglichen logischen und epistemologischen Implikationen gefunden hat. Weder im Kontext des Universalienproblems noch im Zusammenhang mit der Frage nach den Gegenständen des Wissens und den Bedingungen absoluter Gewissheit, wo diese Frage zu erörtern wäre, werden platonische Formen / Ideen in Erwägung gezogen 215 . Eine Urbildfunktion transzendenter Formen sowie ein transzendenter Seinsmodus mathematischer Gegenstände werden ausschließlich in Werken über aristotelische Schriften und an eben den Stellen thematisiert und verworfen, an welchen sie auch von Aristoteles kritisiert werden. Hingegen tritt al-FrbÁ zumindest in einem Teil seiner eigenständigen Werke beziehungsweise in einer gewissen Phase seines Denkens durchaus für die Existenz transzendenter Formen ein, die im Anschluss an die arabischen Neoplatonica ganz oder teilweise mit Intellekten identifiziert und im Bereich suprasensibler Entitäten, mit dem Aktiven Intellekt als höchster Form oder „Form der Formen“ und dem Erworbenen Intellekt als niedrigster transzendenter Form, lokalisiert werden.
214 215
Cf. al-FrbÁ, KitĂb al-ͦurŧf, p. 78, l. 14 – p. 80, l. 5. Dazu auch Peter Adamson, „Knowledge of Universals and Particulars in the Baghdad School“, Documenti e Studi sulla Tradizione Filosofica Medievale 18 (2007), 141-64, bes. p. 144-50.
7. (Ps.-?)al-FrbÁ, „Kitb al-Jam bayna raΊyay al-ԉakÁmayn“
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7. (Ps.-?)al-FrbÁ, „Kitb al-Jam bayna raΊyay al-ԉakÁmayn“ Der Verfasser der Schrift Über die Harmonie der Ansichten der beiden Weisen, des Göttlichen Platon und Aristoteles’ bezieht andere als die oben beschriebenen Positionen. Ob dieser Traktat aus einer anderen Schaffensperiode al-FrbÁs stammt oder fälschlicherweise al-FrbÁ zugeschrieben wird, ist umstritten 216 . In jedem Fall darf dieser Text als der älteste arabische Zeuge für den Terminus muthul (vielleicht auch muthul aflĂίŧniyya) im Sinne des platonischen Paradigmas gelten 217 . Über Platonische Formen ist darin unter anderem Folgendes zu lesen: „Platon hat in seinen Ausführungen vielfach darauf hingewiesen, dass die seienden [Dinge] abgetrennte Formen im Reich der Gottheit (Υuwar mujarrada fĮ צĂlam al-ilĂh) haben. Diese nennt er gelegentlich „göttliche Urbilder“ (muthul ilĂhiyya). Sein Buch ץblĮίiyĂ 218 enthält einen Diskurs, in welchem gezeigt wird, dass diese Urbilder nicht unbeständig und vergänglich, sondern [ewig] bleibend sind, und dass das, was vergeht, diese seienden [Dingen] sind, bei denen es sich um Werdendes handelt.“ 219
Dieser Konzeption transzendenter Formen und Urbilder werden im Folgenden zwei Bemerkungen gegenübergestellt, und zwar erstens Argumente gegen die Existenz transzendenter Formen, die Aristoteles nach Auskunft des Autors in der Metaphysik vorbringt. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um drei Argumente, die offenbar auf Metaph. XIII (M) 2 basieren. Als unerwünschte Konsequenzen der Postulierung transzendenter Formen werden genannt: (i) die absurde Vervielfachung der Entitäten 220 , (ii) der Umstand, dass es neben den wahrnehmbaren 216
217
218
219 220
Cf. supra, Fußnote 9. Neben den von Rashed thematisierten Divergenzen zwischen diesem Werk und Schriften al-FrbÁs, deren Authentizität außer Zweifel steht, ist auf die unterschiedlichen Positionen zur platonischen Anamnesislehre hinzuweisen; cf. supra, Anm. 184, und al-FrbÁ, L’armonia delle opinioni, pp. 58-60. Vgl. das folgende Zitat sowie al-FrbÁ, L’armonia delle opinioni dei due sapienti, p. 68, app. crit. ad l. 14: Fast alle erhaltenen Handschriften lesen al-Υuwar wa-lmuthul anstelle von amru l-Υuwar, so übrigens auch zitiert von MÁr Dmd, alQabasĂt, p. 162, l. 15, und idem, al-Ufuq al-mubĮn, p. 446, l. 22; eine Handschrift fügt außerdem in margine hinzu: fĮ l-muthul al-aflĂίŧniyya. Während ich die Lesart al-Υuwar wa-l-muthul für authentisch halte, vermute ich, dass diese Marginalie post-avicennisch oder post-suhrawardisch ist. I.e. Politeia? Dazu der Kommentar von C. Martini Bonadeo, in: al-FrbÁ, L’armonia delle opinioni dei due sapienti, pp. 117 f., 210 f. Ibid., p. 68, l. 15 – p. 69, l. 3. Cf. ibid., p. 69, l. 5 f., und Metaph. XIII (M) 2, 1076 b 11-29.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
Gegenständen der Astronomie (ideale) bewegliche Himmelskörper oder –sphären geben müsste 221 , (iii) die absurde Duplizierung oder Vervielfachung der Wissenschaften 222 . Zweitens weist der Verfasser darauf hin, dass Aristoteles andererseits in seinem Werk mit dem Titel Theologie, also der oben besprochenen pseudo-aristotelischen arabischen Plotin-Adaption, die Existenz „spiritueller Formen“ (Υuwar rŧͧĂniyya) postuliert und erklärt habe, dass diese Formen in dem Reich göttlicher Herrschaft (צĂlam al-rubŧbiyya) existierten 223 . Es folgt die oben erwähnte Darstellung des sich hieraus ergebenden Trilemmas 224 . Der anschließende Absatz ist durch fa-naqŧlu („wir sagen also“) eingeleitet, enthält folglich die eigenen Überlegungen des Verfasser, die die Positionen Platons und Aristoteles’ harmonisieren sollen. Er beginnt mit einem Exkurs und geht dann auf die Existenz von Formen und Urbildern ein: „Wir sagen also: Da der Schöpfer (überwältigend in Seiner Pracht) hinsichtlich Seines Seins und Seines Wesens von allem anderen verschieden ist und Ihm diese [Eigenschaft] auf eine vornehmere, vortrefflichere und höhere Art und Weise eignet [als irgendetwas anderem], gibt es nichts, was Ihm hinsichtlich des Seins vergleichbar oder konform oder ähnlich wäre, weder in Wirklichkeit noch in metaphorischem Sinne. Abgesehen von dieser Beschreibung und der Anwendung derartiger synonymer Ausdrücke können wir keinen weiteren Weg finden, Ihn [zu beschreiben]. Denn man muss unbedingt wissen, dass für jeden Ausdruck, mit dem wir irgendeine Seiner Eigenschaften benennen, [gilt], dass Er hinsichtlich Seines Wesens weit von dem entfernt ist, was wir uns unter diesem Ausdruck vorstellen, und dies, wie gesagt, auf eine derart vornehme und hohe Art und Weise, dass wir, wenn wir sagen, Er existiere, zugleich wissen [müssen], dass Sein Sein nicht wie das Sein aller anderen [Dinge] außer Ihm ist, und wir, wenn wir sagen, Er sei lebendig, wissen [müssen], dass Er auf eine vornehmere Art lebendig ist als das, was wir über das Lebendige außer Ihm wissen, und so weiter mit allen übrigen [Ausdrücken]. Je besser diese [Diskrepanz der] Bedeutung verinnerlicht wird und im Bewusstsein des Studenten der metaphysischen Philosophie verankert 221
222
223 224
Cf. al-FrbÁ, L’armonia delle opinioni dei due sapienti, p. 69, l. 6 f., und Metaph. XIII (M) 2, 1077 a 1-4. Cf. al-FrbÁ, L’armonia delle opinioni dei due sapienti, p. 69, l. 7-9, und Metaph. XIII (M) 2, 1076 b 29-39. Cf. al-FrbÁ, L’armonia delle opinioni dei due sapienti, p. 69, l. 15 f. Ibid., p. 70, l. 1-7, cf. supra, p. 31 f.
7. (Ps.-?)al-FrbÁ, „Kitb al-Jam bayna raΊyay al-ԉakÁmayn“
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ist, desto leichter ist es für ihn, zu begreifen, was Platon und Aristoteles und deren Anhänger lehren. Wir kehren nun zum Ausgangspunkt unseres Exkurses zurück und sagen: Gott, der Erhabene, ist lebendig, wollend und der Schöpfer dieser Welt mit allem, was in ihr ist. Wenn dem so ist, kann es dann einen Zweifel daran geben, dass es zu den Bedingungen [Seines] Lebendig[und] Wollendseins gehört, dass Er das, was Er bewirken will, begreift (taΥawwur) und dass Er von dem, was Er zu Seiendem werden lassen will, Formen (Υuwar) in Seinem Wesen etabliert – Gott, der über alles Vergleichbare erhaben ist? Und weiter: Da Sein Wesen [ewig] bleibend ist [und] keinen Wechsel und keine Veränderung duldet, muss das, was zu Ihm gehört, gleichfalls [ewig] bleibend, unvergänglich und unveränderlich sein. Gäbe es für die seienden [Dinge] keine Formen und Wirkungszeichen (Υuwar wa-ĂthĂr) im Wesen dessen, der [etwas] zu Seiendem macht, des Lebendigen, des Wirkungsmächtigen, was wäre dann das, was Er zu Seiendem macht, und an welchem Vorbild (mithĂl) orientierte Er sich bei dem, was Er bewirkt und erschafft? Erkennst Du denn nicht, dass derjenige, der dies dem Wirkenden, Lebendigen, Wirkungsmächtigen abspricht, konsequenterweise lehren müsste, dass Er das, was Er zu Seiendem macht, nur arbiträr, aufs Geratewohl, ohne Zweck und Ziel, auf welches Sein Wollen gerichtet ist, zu Seiendem machte? Dies wäre aber absolut inakzeptabel. In diesem Sinne also muss man die Lehren jener Philosophen in Bezug auf das, was sie über die göttlichen Formen (al-Υuwar al-ilĂhiyya) niederlegten, verstehen und begreifen, nicht aber derart, dass es sich dabei um Gestalten 225 handelt, die andere, außerhalb dieser Welt liegende Plätze einnehmen. Denn wenn sie in dieser Weise begriffen werden, müsste man die Existenz unendlich [vieler] Welten annehmen, die allesamt Urbilder (amthĂl) dieser Welt sind. Was sich für die ergibt, die die Existenz einer Vielzahl von Welten lehren, hat der weise Aristoteles bereits in seinen naturphilosophischen Schriften aufgezeigt.“ 226
Das Rationale dieses Harmonisierungsversuchs liegt anscheinend in dem vorangestellten Exkurs, dessen Tenor der negativen Theologie verhaftet ist. Sein (anniyya) und Wesen (dhĂt) Gottes sind verschieden von allem anderen. Dies ist die einzige zuverlässige Feststellung, die wir über Gott treffen können. Damit ist zugleich deutlich, dass der Verfasser des Traktats Gott nicht als seinstranszendentes Prinzip, sondern, wie aus dem Folgenden erhellt, als in einem eminenten Sinne „seiend“ auffasst. Alle anderen „Eigenschaften“, die wir von ihm aus225 226
Oder: „Erscheinungen“ (ashbĂͧ). Al-FrbÁ, L’armonia delle opinioni dei due sapienti, p. 70, l. 8 – p. 71, l. 12.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
sagen, sind nur vage „Näherungswerte“, deren Begriffe im menschlichen Denken das wahre Wesen Gottes höchst unzulänglich repräsentieren. Dies gilt sogar für die fundamentalen Aussagekategorien „Sein“, „Leben“ und „Wollen“, die nicht nur in der islamischen Theologie, sondern auch in Aristoteles’ Metaphysik XII (ś) 7 von zentraler Bedeutung für die Beschreibung des ersten Bewegers sind. Welche Konsequenzen diese negative Theologie für die angestrebte Harmonisierung der Lehren Platons und Aristoteles’ über transzendente Formen hat, wird nicht expliziert. Was der Leser selbst ergänzen muss, ist dies: Ist schon die Prädikation von „Sein“, „Leben“ und „Wollen“ nur eingeschränkt wahr, gilt dies umso mehr für darauf basierende Folgerungen. Sollte zu diesen Folgerungen das Postulat der Existenz transzendenter Formen gehören, wäre dieses bestenfalls eingeschränkt oder in einer gewissen Hinsicht wahr, in einer anderen Hinsicht aber falsch. In diesem Fall sprächen Platon und der „Aristoteles“ der Theologia Aristotelis die Wahrheit, indem sie ihre Existenz postulieren, aber ebenso hätte Aristoteles in gewisser Weise Recht, wenn er ihre Existenz in Metaphysik XIII (M) 2 leugnet. An dieser Stelle setzt der zweite Abschnitt der zitierten Textpassage an. Hier setzt der Verfasser der Schrift nun voraus, dass „Leben“ und „Wollen“ unter Berücksichtigung der vorangehenden Restriktionen in wahrer Weise von Gott ausgesagt werden. Will man einen nichtzweckorientierten, auf Zufall basierenden Schöpfungsakt ausschließen, müssen dem Wollen Gottes Formen und Urbilder in seinem Wesen zugrunde liegen, an welchen er sich im Schöpfungsakt orientiert. Gott und göttlicher Demiurg werden hier also miteinander identifiziert. Anders als in den oben besprochenen Werken al-FrbÁs werden transzendente Formen und die dort strikt geleugneten Urbilder nicht im Nous als erstem Geschöpf Gottes, sondern im Wesen Gottes selbst lokalisiert. Dass diese Formen sowohl als (teleologische) Urbilder als auch als (urbildliche oder göttliche) Zeichen oder Spuren von Wirkungen (ĂthĂr) 227 bezeichnet werden, die Gott als Agens in etwas einzeichnet oder –prägt (al-muץaththir), deutet darauf hin, dass Gott sowohl als causa finalis als auch als causa efficiens begriffen wird 228 . 227 228
Vgl. Źɓɉн, Timaios 53 b 2. All diese Gedanken sind aus der Philosophie Ammonios Sakkas’ und Syrianos’ und deren Rezeption bei al-KindÁ bekannt; cf. Cristina D’Ancona, „Il neoplatonismo alessandrino: alcune linee della ricerca contemporanea“, Adamantius 11
8. Yaԉy ibn AdÁ
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Abschließend wird nochmals (wohl in antiproklischer Attitüde) betont, dass diese, wie Gottes Wesen unveränderlichen und ewigen, „göttlichen Formen“ keine Gestalten oder geisthaften Wesen (ashbĂͧ) sind, die eine eigene, von Gott und der sensiblen Welt separate Welt „bevölkern“. Eine solche Annahme wird mit dem Argument ad absurdum geführt, dass sie zu einer unendlichen Zahl von Welten führe, die allesamt als Urbilder (amthĂl) dieser Welt fungieren müssten. Diesem Argument scheint eine (logisch bedenkliche) Transformation des Dritter-Mensch-Arguments von den Ebenen (i) der Ideen/Urbilder und (ii) ihrer Partizipanten/Abbilder als solche auf die Ebenen (i´) der Welt der Ideen und (ii´) der Welt der (sinnlichen) Abbilder zugrunde zu liegen. Der Verfasser des Traktats über die Harmonie der Lehren Platons und Aristoteles’ setzt sich mit dieser Position also zum einen von den Theorien des kosmos noêtos in den arabischen Neoplatonica ab, zum anderen bezieht er eindeutig Stellung gegen die rigide Ablehnung transzendenter Formen und Urbilder im Geist oder Wesen Gottes, die Pseudo-Ammonius’ Überlegungen zur creatio ex nihilo kennzeichnet 229 .
8. Yaԉy ibn AdÁ Al-FrbÁs Schüler Yaԉy ibn AdÁ vertritt eine dezidiert realistische Interpretation der Universalien. Er hat eigens zu diesem Thema eine Abhandlung mit dem Titel Über den Nachweis der Existenz der Universalien verfasst 230 . Darin folgt er der dreistufigen Ontologie der Alexandrinischen Neuplatoniker und unterscheidet entsprechend zwischen einer natürlichen (ίabĮצĮ) Existenz der Universalien in den
229 230
(2005), 9-38, bes. pp. 24-38, und die dort genannte Literatur; außerdem P. Adamson, The Arabic Plotinus, p. 183 f. Cf. supra, Kapitel I.5. Arabische Textedition: MaqĂlĂt YaͧyĂ ibn צAdĮ al-falsafiyya. Dirsat wa-taԉqÁq Saԉbn KhalÁft. Amman 1988, pp. 148-59. Französische Übersetzung und Untersuchung: Marwan Rashed, “Ibn AdÁ et Avicenne: Sur les types d’existants“, in V. Celluprica e C. D’Ancona (eds.), Aristotele e i suoi esegeti Neoplatonic: Logica e ontologia nelle interpretazioni greche e arabe. Atti del convegno internazionale, Roma, 19-20 Ottobre 2001. Elenchos 40. Neapel: Bibliopolis 2004, 107-171.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
sinnlichen Dingen, ihrer logischen (manίiqĮ) Existenz in der Seele, und ihrer wesenhaften (dhĂtĮ) oder göttlichen (ilĂhĮ) Existenz 231 . Formen, die der ersten Seinsstufe angehören, nennt er hier und in anderen Schriften „natürliche“ oder „materielle Formen“ (Υuwar ίabĮצiyya, hayŧlĂniyya, צunΥuriyya) 232 . Auf der zweiten Ebene haben wir es mit „Formen in der Seele/im Intellekt“ (al-Υuwar allatĮ fĮ l-nafs/al-mutaΥawwira fĮ l-dhihn) 233 zu tun. Diese sind universell, Arten oder Genera, und sie sind später als die immanenten, materiellen Formen 234 . Für Formen der dritten Seinsstufe scheint Ibn AdÁ keinen speziellen Terminus benutzt oder geprägt zu haben. In epistemologischen Kontexten bezieht er sich auf sie als ewige und notwendige Universalien (cf. infra), wobei zu beachten ist, dass Universalien im strikten Wortsinn nur die „Formen in der Seele“ sind 235 . An anderen Stellen spricht er von ihnen als „den Formen, die nur Formen sind, ohne zugleich Genera [oder Arten] zu sein“ (al-Υuwar allatĮ hiya Υuwar faqaί wa-hiya llatĮ maצa annahĂ Υuwar laysat ajnĂsan) 236 . Bei dieser Beschreibung handelt es sich um Ibn AdÁs Interpretation von ɐۙ ɐɋɈл in Aristoteles’ Metaphysik řř (л) 2, 994 b 21 237 . Anders als universale Formen in der Seele qua Arten und Genera sind diese Formen nicht teilbar, und sie bilden die Gegenstände der vollkommenen Definition (al-ͧudŧd al-tĂmma) 238 , die nicht durch die Arten und Genera gebildet werden können, da diese später als die immanenten Formen sind 239 . Ibn AdÁs Hauptargument für die separate Existenz von Unversalien ist epistemologischer Natur. Methodisch gehört es also zur Gruppe der sogenannten „Argumente aus den Wissenschaften“ 240 , die die Existenz separater Formen aus der Existenz der Wissenschaften her231 232 233 234 235 236 237 238 239 240
Cf. ibid., pp. 119-122, sowie Adamson, „Knowledge of Universals“, p. 154 f. Cf. MaqĂlĂt YaͧyĂ ibn צAdĮ, ed. KhalÁft, pp. 163, 270 f., 343. Ibid., pp. 151, 157, 227. Ibid., pp. 136, 151 f., 157, 292 f., dazu auch Rashed, „Ibn AdÁ et Avicenne“, p. 121f. Cf. Adamson, „Knowledge of Universals“, p. 155. MaqĂlĂt YaͧyĂ ibn צAdĮ, ed. KhalÁft, p. 252. “ɋȉ мɍ ɋżȠɉ ɐǸ ǸŵǷūɉлů Ɍɍȝɉ ǸŵɎ ɐۙ ɐɋɈл ǻɇǺǸƇɉΝ” MaqĂlĂt YaͧyĂ ibn צAdĮ, ed. KhalÁft, p. 252, und infra. Cf. Metaphysik řř (л) 2, 994 b 16-20. Cf. ɋŶ ɇȠмɋů ɋŶ ەɌȟ ɐɅɉ ǻɌůɏɐнɈɅɉ, Aristoteles, Metaph. II (A) 9, 990 b 12. G. Fine, On Ideas, pp. 67-80, unterscheidet drei “Arguments from the Sciences”, die allesamt von Ibn AdÁs Argumentation verschieden sind; vgl. auch D. Ross, Plato’s Theory of Ideas, p. 20 f.
8. Yaԉy ibn AdÁ
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leiten. Es geht Ibn AdÁ aber nicht nur darum, die separate Existenz von Universalien nachzuweisen, sondern zugleich, wie der Verfasser des Traktats über die Harmonie der Lehren Platons und Aristoteles’, diese Position auch als Aristotelisch auszuweisen. Er geht hierbei in drei Schritten vor 241 : [a] Im Anschluss an ein Zitat von Aristoteles’ Analytica posteriora I 11, 77 a 5-9, stellt Ibn AdÁ fest, dass Aristoteles hier die Existenz von Universalien qua Einesüber-Vielen akzeptiert 242 . [b] Es folgt ein Abschnitt, in welchem Ibn AdÁ, erneut mit explizitem Bezug auf Analytica posteriora, beweist, dass nur diese Universalien Gegenstände universeller Beweise sein können. Der Gedankengang lässt sich wie folgt zusammenfassen: (1) Es gibt (nach [a]) Universalien qua Eines-über-Vielen. (2) Gegenstand wissenschaftlicher Beweise sind nicht vergängliche Particularia, sondern „ausschließlich unvergängliche und notwendige Dinge“ (innamĂ ... al-ashyĂ ץal-dĂץima wa-l-umŧr allatĮ wujŧduhĂ ͏arŧrĮ). (3) Folglich sind Universalia (und nur Universalia) Ausgangspunkt und Gegenstand wissenschaftlicher Bewiese (al-burhĂn צalayhĂ wa-minhĂ) 243 . Grundlage von [b] sind die Abschnitte An. post. I 6, 74 b 13-15, und I 8, 75 b 21-30 244 . Anders als dort zu lesen ist, suggeriert Ibn AdÁ aber, dass hier ausschließlich von Universalien im Sinne des oben erwähnten absoluten oder göttlichen Seienden die Rede ist, da weder auf „natürliche“ (immanente) noch auf „logische“ Universalien zutrifft, dass sie notwendig und ewig existieren 245 . In Abschnitt [c] legt Ibn AdÁ dann die Synthese und Schlussfolgerung aus [a] und [b] vor. Wiederum basiert eine der Prämissen explizit auf Aristoteles’ Analytica posteriora: 241
242
243
244 245
Die entscheidenden Abschnitte finden sich in der Übersetzung von Rashed, „Ibn AdÁ et Avicenne“, p. 168 f. Das Zitat steht in MaqĂlĂt YaͧyĂ ibn צAdĮ, ed. KhalÁft, p. 155, l. 14-18. Danach erklärt Ibn AdÁ: „Siehe da! In diesen Worten wird klar, dass das Universale, insofern es Eines-über-Vielen ist, notwendig existiert“, ibid., p. 155, l. 18 – p. 156, l. 2. Cf. MaqĂlĂt YaͧyĂ ibn צAdĮ, ed. KhalÁft, p. 156, l. 1-5; Rashed, „Ibn AdÁ et Avicenne“, p. 168. Cf. Rashed, „Ibn AdÁ et Avicenne“, p. 168, Anm. 111. Cf. Rashed, „Ibn AdÁ et Avicenne“, p. 135-42; Adamson, „Knowledge of Universals“, p. 156.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
(1) Die Gegenstände der Wissenschaft existieren (cf. An. post. I 2, 71 b 25 f.). (2) Wären Universalien [i.e., absolute, göttliche Universalien] Nichtexistentes, gäbe es keine Wissen von ihnen (lĂ tuצlamu). (3) Es muss Wissen von ihnen geben (nach [b]). (4) Also existieren [göttliche] Universalien 246 . Es sind diese göttlichen oder abgetrennten Formen, die auf die Frage „Was ist x?“ antworten beziehungsweise primäre Gegenstände der Definition sind: „Die dritte, wesenhafte [Seinsstufe], die [auch] ,göttlich‘ genannt wird, ist das Sein der Dinge (wujŧd al-maצĂnĮ) in der Weise, wie es durch ihre Definition angezeigt wird“ 247 . Dass diese universalen Formen „göttlich“ genannt werden, weil sie Gegenstände des göttlichen Denkens sind, ist eindeutig 248 . In welchem Verhältnis sie zu den beiden anderen Seinsstufen der Formen stehen, wird in Ibn AdÁs Werken hingegen nicht recht klar. In seiner Schrift über die Einheit Gottes (FĮ l-TawͧĮd) zeigt Ibn AdÁ auf, dass sowohl Universalia als auch Particularia ausschließlich als Geschöpfe (khalĮqa) Gottes existieren oder Sein haben können 249 . Dies lässt einerseits darauf schließen, dass er die von den immanenten Formen und den Universalien in der Seele verschiedenen göttlichen Universalien als seins-transzendent auffasste, wirft andererseits das Problem auf, ob und wie die (menschliche) Frage „Was ist x?“ sinnvoll nach ihnen fragen kann. Eine mehrfach bezeugte Schrift Ibn AdÁs über das Wesen der Erkenntnis, in der das Problem der Erkenntnis immaterieller Formen erörtert wird, ist leider nicht erhalten 250 . 246
247
248 249
250
Cf. MaqĂlĂt YaͧyĂ ibn צAdĮ, ed. KhalÁft, p. 156, l. 7-11; Rashed, „Ibn AdÁ et Avicenne“, p. 168 f. MaqĂlĂt YaͧyĂ ibn צAdĮ, ed. KhalÁft, p. 154, l. 19 f.; Rashed, „Ibn AdÁ et Avicenne“, p. 167. Cf. Adamson, „Knowledge of Universals“, p. 155. Ähnlich auch Ibn AdÁs Kommentar zu Metaph. řř (л) 2, 994 b 16-21, MaqĂlĂt YaͧyĂ ibn צAdĮ, ed. KhalÁft, p. 250, l. 8-10. Cf. Adamson, „Knowledge of Universals“, p. 157 f. Cf. MaqĂlĂt YaͧyĂ ibn צAdĮ, ed. KhalÁft, p. 400 f. Ähnlich auch in einer Streitschrift gegen die IktisĂb-Theorie (vgl. zu dieser Schrift Gerhard Endress, The Works of YaͧyĂ Ibn צAdĮ: An Analytical Inventory, Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 1977, pp. 78-81), MaqĂlĂt YaͧyĂ ibn צAdĮ, ed. KhalÁft, p. 305. Cf. Endress, The Works of YaͧyĂ Ibn צAdĮ, § 5.23, p. 71, MaqĂlĂt YaͧyĂ ibn צAdĮ, ed. KhalÁft, p. 268, Fußnote 16.
9. Ikhwn al-דafΊ
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9. Ikhwn al-דafΊ Mit den RasĂץil IkhwĂn al-ΤafĂץ, einer enzyklopädischen Sammlung von 52 Episteln, die zu Lebzeiten al-FrbÁs und Yaԉy ibn AdÁs von einem Autorenkollektiv um Abʗ Sulaymn al-BustÁ (alias al-MuqaddasÁ) verfasst worden ist, hält der Platon der gnostischen Literatur und der okkulten Wissenschaften Einzug in die philosophische arabische Literatur 251 . Platon figuriert hier unter anderem als Pflanzen- und Gesteinskundler 252 sowie als Schöpfer oder Anhänger einer Theorie spiritueller Astralsphären (aflĂk rŧͧĂniyya), die Gegenstand des göttlichen Wissens sind und als solche den kosmos noêtos umgeben 253 . Auch von einem „platonischen Gebet“ der antiken griechischen Metaphysiker wird berichtet 254 . Durchaus zutreffend berufen sich die Ikhwn al-דafΊ auf Platon, wenn sie darlegen, dass die Seele sich nach dem Tod vom Leib trenne und im Körper wie im „Gefängnis der Natur“ (asr al-ίabĮצa, vgl. die Gefängnis-Metapher, Phaedo 62 b) und in „Nachbarschaft des Teufels“ (jiwĂr al-shayĂίĮn, vgl. die Grab-Metapher, Gorgias 493 a, Phaedrus 250 c) existiere255 . Auch von Platons Darstellung des Atlantis-Mythos und der Gyges-Sage weiß das Autorenkollektiv zu berichten 256 . 251
252 253
254
255 256
Textedition: RasĂץil IkhwĂn al-ΤafĂ ץwa-KhillĂn al-WafĂץ. 4 vols. Bayrʗt: Dr דdir, 1376/1957. Mehrere, zum Teil undatierte Nachdrucke mit identischer Bandeinteilung und Paginierung. Ibid., vol. 4, p. 418 f. Ibid., vol. 4, p. 19; vgl. dazu Carmela Baffioni, Frammenti e testimonianze di autori antichi nelle Epistole degli IͭwĂn aΥ-ΤafĂץ. Studi pubblicati dall’ Istituto Italiano per la Storia Antica, vol. 57. Roma 1994, p. 327 (§ 82), sowie Udo Reinhold Jeck, Platonica Orientalia: Aufdeckung einer philosophischen Tradition. Frankfurt am Main: Vittorio Klostermann, 2004, pp. 119, 127 f., 148, 165. RasĂץil IkhwĂn al-ΤafĂץ, vol. 4, p. 264, cf. Baffioni, Frammenti e testimonianze, p. 352-4 (§ 128). Die Ursprünge mögen in der Gebetslehre des pseudo-platonischen Alkibiades II liegen; vgl. dazu Hubertus Neuhausen, “Der pseudo-platonische Alkibiades II und die sokratischen Alkibiadesdialoge”, in Pseudoplatonica. Akten des Kongresses zu den Pseudoplatonica vom 6. bis 9. Juli 2003 in Bamberg. Hrsg. von Klaus Döring, Michael Erler, Stefan Schorn. Philosophie der Antike. Veröffentlichungen der Karl-und-Gertrud-Abel-Stiftung, vol. 22. Stuttgart: Franz Steiner, 2003, 175-184. RasĂץil IkhwĂn al-ΤafĂץ, vol. 4, p. 35. Ibid., vol. 4, p. 287 f., cf. Baffioni, Frammenti e testimonianze, p. 360 f. (§ 140).
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
Des Weiteren war den Autoren bekannt, dass Platon Wissen (צilm) mit Wiedererinnerung (tadhakkur) assoziierte. Doch wird diese platonische Anamnesislehre nicht mit der Ideenlehre in Verbindung gebracht, sondern aristotelisch gedeutet: Wiedererinnerung bedeutet Aktualisierung von potentiellem Wissen durch einen Lern- oder Erkenntnisprozess (taצlĮm) 257 . Die Ansicht, dass es sich bei diesen potentiellen Gegenständen des Wissens um pränatale Wissensgegenstände handelt, wird explizit verworfen und als Missverständnis der platonischen Lehre gedeutet. Auch ist nicht von Ideen die Rede, auf deren Erkenntnis oder Schau sich die Wiedererinnerung richtet, sondern von „ersten Prinzipien des Denkens“ (awĂץil al-צuqŧl), für die als Beispiele die Axiome 4 und 8 aus Buch I und die fünfte Definition aus Buch V von Euklids Elementa angeführt werden 258 . Obwohl der Terminus „Platonische Form“ in den RasĂץil IkhwĂn alΤafĂ ץkeine Verwendung findet, ist unverkennbar, dass die Autoren mit der bisher betrachteten Literatur zumindest teilweise vertraut waren. Generell wird unterschieden zwischen „konstitutiven Formen“ (Υuwar muqawwima) und „supplementären Formen“ (Υuwar mutammima) 259 . Gelegentlich werden erstere mit Substanzen (jawĂhir), letztere mit Akzidenzien (aצrĂ͏) gleichgesetzt, doch ist dieser Sprachgebrauch irreführend und dient in erster Linie dem Zweck, eine Kontinuität der aristotelischen Rezeption und Terminologie zu suggerieren. Konstitutive Formen konstituieren das Sein (wijdĂn, oder wujŧd ) einer Sache qua Formursache von dessen Wesenheit (mĂhiyya, oder dhĂt). Als Beispiele werden mehrfach die drei Raumdimensionen genannt, die das Wesen des Körpers an sich konstituieren260 . Ob etwas konstitutive oder supplementäre Form ist, hängt von der Wesenheit ab, dessen Formursache sie ist. Daher kann ein und dieselbe Form zugleich die 257
258
259
260
RasĂץil IkhwĂn al-ΤafĂץ, vol. 3, p. 424, cf. Baffioni, Frammenti e testimonianze, p. 289 f. (§ 15). RasĂץil IkhwĂn al-ΤafĂץ, vol. 3, p. 424, cf. Baffioni, Frammenti e testimonianze, p. 288 f. (§ 14). RasĂץil IkhwĂn al-ΤafĂץ, vol. 1, pp. 401, 405, vol. 2, pp. 25, 46, vol. 3, pp. 235, 445, etc. Der Begriff Υŧra mutammima ist vermutlich dem neuplatonischen Konzept des eidos teleiôtikon entlehnt, das als Υŧra tamĂmiyya Eingang in die arabische Philosophie fand, wird aber von den Ikhwn al-דafΊ in ganz anderer Bedeutung verwendet; zum Terminus Υŧra tamĂmiyya vgl. Robert Wisnovsky, Avicenna's Metaphysics in Context, London: Duckworth, 2003, p. 102 f. RasĂץil IkhwĂn al-ΤafĂץ, vol. 2, p. 25, l. 12 f., p. 46, l. 9 f., etc.
9. Ikhwn al-דafΊ
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konstitutive Form von X und eine von mehreren supplementären Formen von Y sein 261 . Die konstitutive Formursächlichkeit ist stets auf einer höheren Seinsebene angesiedelt als das durch sie Konstituierte und kulminiert in Gott als erster konstitutiver Formursache. Für die supplementären Formen gilt eine solche hierarchische Ordnung nicht 262 . „Supplementär“ heißen Formen, die die Entität, deren Form sie bilden, zu ihrer bestmöglichen Disposition gelangen lassen (Υuwar mubligha lahŧ ilĂ af͏al ͧĂlĂtihi) und, im Gegensatz zu den konstitutiven Formen, von dieser Entität abgetrennt werden können, ohne dass dies deren Sein an sich beeinträchtigt 263 . Supplementäre Formen umfassen nicht nur die neun aristotelischen Kategorien des Akzidens264 , sondern auch „Formen“ wie Licht (nŧr) oder Bewegung (ͧaraka) 265 . Dieser relationalistischen Klassifikation der Formen steht in den RasĂץil IkhwĂn al-ΤafĂ ץdie essentialistische Unterscheidung zwischen spirituellen, transzendenten und immanenten, materiellen Formen gegenüber 266 . Erstere werden —sicherlich unter dem Einfluss der arabischen Plotiniana— als einfache noetische Substanzen (jawĂhir basĮίa צaqliyya), Prinzipien von Wissen und Wirkung (צallĂma faצצĂla), und Engel Gottes (malĂץikat AllĂh) bezeichnet 267 . Auch die aus den arabischen Plotiniana bekannte Funktion des Lenkers oder Verwalters (mudabbir) wird diesen Formen attestiert 268 . Das Wissen von diesen Formen wird einer „Wissenschaft der spirituellen Dinge“ (צilm al-rŧͧĂniyyĂt) zugeordnet, die explizit von der 261
262 263 264 265 266 267 268
So ist das Schneiderhandwerk konstitutive Form des Hemdes, aber supplementäre Form des Kleidungsstücks an sich, dessen konstitutive Form die Webkunst ist, die wiederum supplementäre Form des gesponnenen Fadens ist, etc.; cf. ibid., vol. 3, p. 235, l. 13-17. Andere Beispiele sind die Ruhe, die die Ikhwn al-דafΊ als konstitutive Form der [in sich ruhenden] Erde und als supplementäre Form aller beweglichen Körper auffassen, oder die Feuchtigkeit, die konstitutive Form des Wassers, aber supplementäre Form akzidentell feuchter Körper ist; cf. ibid., vol. 2, p. 53, l. 9 f., p. 54, l. 14, vol. 3, p. 445, l. 18 f. Cf. ibid., vol. 3, p. 236. Cf. ibid., vol. 2, p. 25, l. 14 f., p. 53, l. 6-9. Cf. ibid., vol. 1, p. 405, l. 6 ff. Cf. ibid., vol. 2, p. 25, l. 17 – p. 26, l. 1, p. 46, l. 13 ff. Cf. ibid., vol. 1, p. 400, l. 12, p. 409, l. 5 f. Cf. ibid., vol. 1, p. 272, l. 19 f., vol. 2, p. 415, l. 19, etc. Cf. ibid., vol. 1, p. 272, l. 21, vol. 3, p. 36.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
Theologie als Wissenschaft von Gott und seinem Wesen und seiner Schöpfertätigkeit unterschieden wird 269 . Grundsätzlich differenzieren die Ikhwn al-דafΊ zwischen drei Weisen der Erkenntnis von Formen, der sinnlichen Erkenntnis (ίarĮq al-ͧawĂss), der intellektualen oder diskursiven Erkenntnismethode (ίarĮq al-צaql, oder ίarĮq al-fikr wa-lrawiyya), und der demonstrativen Erkenntnis (ίarĮq al-burhĂn) 270 . Letztere ist ein Spezialfall der intellektualen Erkenntnis, welcher das Studium der Geometrie und der Logik voraussetzt 271 . Ziel der demonstrativen Erkenntnismethode ist das Wissen von den konstitutiven Formen und deren Differenzierung von den supplementären Formen 272 . Spirituelle Formen sind weder der Wahrnehmung noch der Imagination zugänglich, selbst wenn sie gelegentlich mit Hilfe sinnlicher Kategorien wie In- oder Außer-etwas-sein (dukhŧl, khurŧj), Bewegung und Ruhe beschrieben werden 273 . Sie sind aber auch verschieden von den intelligiblen Formen, die Gegenstand der diskursiven und intellektualen Erkenntnis der partikularen Seele sind. Intelligible Formen des diskursiven Denkens, sowohl abstrahierte Formen der Wahrnehmungsgegenstände als auch mathematische Objekte, sind nämlich allesamt der intellektualen Erkenntnis der partikularen Seele, soll heißen, der Seele im Zustand ihrer Anbindung an den Leib, zugänglich 274 . Im Gegensatz zu spirituellen Formen bedürfen abstrahierte Formen, zu welchen auch universale Formen wie Arten und Gattungen gehören, der Seele als Substrat ihrer Existenz 275 . Das Wissen von den spirituellen Formen ist zweifacher Natur. Zum einen gibt es ein indirektes Wissen (min ghayr iͧĂίatin wa-lĂ mubĂshara) von ihrer Existenz, welches durch demonstrative Er269
270
271 272 273 274 275
Cf. ibid., vol. 1, pp. 79, 272-75. Die „Wissenschaft der spirituellen Dinge“ bildet eine von fünf „Göttlichen Wissenschaften“ (צulŧm ilĂhiyya), zu welchen neben dieser Wissenschaft und der Theologie die Psychologie, Politologie und Eschatologie gehören. Cf. ibid., vol. 1, p. 277, l. 7-9, vol. 2, p. 396, l. 12 – p. 397, l. 2, p. 415, l. 20 – p. 416, l. 3. Cf. ibid., vol. 1, p. 397, l. 2 Cf. ibid., vol. 1, p. 432, l. 10-13. Cf. ibid., vol. 1, p. 276, l. 11 f., vol. 3, p. 6, l. 8 f., p. 403, l. 1-6. Cf. ibid., vol. 3, p. 6 f. Cf. ibid., vol. 2, p. 9, l. 19-21, vol. 3, p. 10, l. 8-20, p. 16, l. 1 ff.
9. Ikhwn al-דafΊ
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kenntnis (bi-ίarĮq al-burhĂn) erlangt wird 276 . Zum anderen gibt es ein unmittelbares Schauen oder Präsentsein (naϕar, shahĂda) dieser Formen, zu dessen Voraussetzungen das Heraustreten der Seele aus dem Körper gehört. Dieser Zustand der Seele, dessen Beschreibung und systematische Integration in den RasĂץil IkhwĂn al-ΤafĂ ץselbstredend durch Plotins berühmten autobiographischen Text, Enneas IV.8,1, und dessen arabische Rezeption inspiriert ist, aber hier weder mit der pseudo-aristotelischen Theologia Aristotelis noch, wie in Teilen der Überlieferung, mit Platon in Verbindung gebracht wird, wird wiederholt beschrieben 277 . Zentrale metaphorische Topoi dieser Beschreibungen sind, neben dem Verlassen des Leibes, das Aufwachen der Seele (intabaha, istayqaϕa) aus dem Schlaf der Unbewusstheit und Unwissenheit (ghafla, jahĂla), das Gewahrwerden ihres Fremdseins (ghurba) und ihrer Gefangenschaft in der sinnlichen Körperwelt, und ihr Aufstieg (Υuצŧd, irtiqĂ )ץin die spirituelle Welt (צĂlam al-arwĂͧ, almalĂ ץal-aצlĂ). Auch die neuplatonische Lichtspekulation wird in diesem Zusammenhang rezipiert und integriert. In diesem Zustand erleuchtet die Seele sich selbst (istanĂrat dhĂtahĂ) und lässt ihre Substanz zu Licht werden (a͏Ăץa jawharahĂ) 278 , die von ihr geschauten Formen sind luminöse Formen (Υuwar nŧriyya) und leuchtende Substanzen (jawĂhir nŧrĂniyya) 279 . Dabei legt die Seele ihre partikulare menschliche Form (Υŧra insĂniyya) ab und nimmt eine engelhafte Form (Υŧra malץakiyya) an 280 . Hier wird bereits in der Mitte des 10. Jahrhunderts die Lichtpsychologie Shihb al-DÁn al-SuhrawardÁs antizipiert. Während dort aber die menschliche Seele explizit einer wesenhaft luminösen und durch sich selbst erleuchteten Substanz gleichgesetzt werden wird, sehen die Ikhwn al-דafΊ in der Seele zwar den (potentiellen) Ursprung ihrer Selbsterleuchtung und das Agens ihrer Ablösung vom Leib, 276 277
278 279 280
Cf. ibid., vol. 2, p. 415, l. 17 - p. 416, l. 2. Cf. ibid., vol. 1, p. 399, l. 21 ff., vol. 2, p. 416, l. 8 ff., vol. 3, p. 6, l. 4 ff., vol. 4, p. 26, l. 5 ff., p. 281, l. 15 ff., etc. Im Zusammenhang mit der Schau der Formen kommt auch die proklische Spiegelmetapher in Anwendung, cf. ibid., vol. 4, pp. 119, 413. Dass die Ikhwn al-דafΊ die Theologia Aristotelis kannten, wird auch durch ihre eigenen Referenzen bestätigt, vgl. etwa ibid., vol. 1, p. 138, l. 9. Cf. ibid., vol. 3, p. 9, l. 2-6. Cf. ibid., vol. 3, p. 6, l. 8 f., p. 9, l. 6 f., p. 89, l. 8 ff., Cf. ibid., vol. 1, p. 449, l. 3 ff., vol. 2, p. 183, l. 16 ff., vol. 4, p. 251, l. 6 ff.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
lokalisieren jedoch die Quelle ihres Lichts im Nous 281 . Die Metapher des Erwachens aus dem Unbewusstsein und der Unwissenheit macht deutlich, dass die Ikhwn al-דafΊ das Sein der Seele, ihr Selbst, als Teil der spirituellen Welt betrachten. Folgerichtet wird betont, dass die fundamentale Voraussetzung für die Erlangung dieses außerkörperlichen Zustands der Seele ihre Selbsterkenntnis ist 282 , die wiederum an diverse Vorbedingungen ethischer und epistemologischer Natur geknüpft wird 283 . Die spirituellen, luminösen Formen der Ikhwn al-דafΊ unterscheiden sich deutlich von Platonischen Ideen. Mit diesen teilen sie jedoch die Eigenschaft, Urbilder aller Dinge der körperlichen Welt zu sein. Wie in einigen der früher besprochenen Werke kann mithĂl in den RasĂץil des Autorenkollektivs sowohl für das Urbild als auch für das Abbild stehen. Die Dinge der Sinnenwelt sind Abbilder (mithĂlĂt!) der spirituellen Formen 284 . Die Urbild-Abbild-Relation ist eingebettet in eine Zwei-Welten-Theorie, die sich von vorangehenden Modellen darin unterscheidet, dass die Himmelssphären und –körper eindeutig der korporellen Abbildebene zugeordnet werden, die von der spirituellen Welt umgeben wird und ihrerseits in die supralunare Himmelswelt (צĂlam al-aflĂk) und die sublunare Welt (צĂlam al-arkĂn) unterteilt ist 285 . In beiden Welten unterscheiden die Ikhwn al-דafΊ nochmals eine Vielzahl hierarchisch und konzentrisch angeordneter Sphären (dawĂץir) des Seienden 286 . Anders als in den zuvor besprochenen Werken wird in den RasĂץil IkhwĂn al-ΤafĂ ץdie Urbild-Abbild-Relation um die Komponente der Gottesebenbildlichkeit erweitert. Dabei machen sich die Autoren zunutze, dass im Koran zweimal von Gott als „höchstem Ebenbild“ (al-mathal al-aצlĂ) die Rede ist. Eine solche Relation der Ebenbildlichkeit wird aber nur in drei besonderen Fällen konstatiert. Sie gilt erstens für Gott als Ersten Beweger: da dieser nicht nur die Macht hat, die Welt in Bewegung zu setzen, sondern auch die Macht, diese Bewegung anzuhalten, muss die ebenbildliche Form ihrer Bewegung 281 282 283 284 285 286
Cf. ibid., vol. 2, p. 416, l. 2-7. Cf. ibid., vol. 3, p. 6, vol. 4, p. 198. Cf. ibid., vol. 1, p. 399, vol. 3, p. 6, 8, 10 f. Cf. ibid., vol. 1, p. 238, vol. 2, p. 276, vol. 3, pp. 114, 116, 246, vol. 4, p. 160, etc. Cf. ibid., vol. 3, p. 361 f. Cf. ibid., vol. 4, pp. 19, 198-249.
9. Ikhwn al-דafΊ
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ebenfalls potentiell Ruhe und Stillstand einschließen. Jede gott- oder naturgegebene Potentialität gelangt aber irgendwann zur Aktualität 287 . Ob die Ikhwn al-דafΊ mit der aristotelischen Kritik vertraut waren, die den Prinzipiencharakter der Platonischen Ideen mit dem Argument in Frage stellt, dass diese als in jeder Hinsicht Unbewegtes und Unveränderliches keine Bewegung bewirken können 288 , ist ungewiss. In jedem Fall umgehen sie dieses Argument dadurch, dass sie die Wirkursächlichkeit des Urbildes nicht in dem unbewegten Wesen Gottes, sondern in seiner Wirkungsmacht über Bewegung und Ruhe lokalisieren. Doch ist es nicht diese Frage, die den Gedanken des Autorenkollektivs lenkt, sondern das Bemühen um einen Aufweis des endzeitlichen göttlichen Gerichts. Zweitens ist von einer Gottesebenbildlichkeit in Bezug auf Licht und Leben die Rede. Gemäß der oben erwähnten Unterteilung der körperlichen Welt in einen himmlischen und einen irdischen Bereich wird die Sonne wegen ihrer glanz-, licht- und lebensspendenden Kraft als „Statthalter des höchsten Ebenbilds“ (i.e. Gottes, al-mathal al-aצlĂ ) für alle himmlischen und astralen Entitäten charakterisiert 289 . Drittens schließlich wird das Konzept der Ebenbildlichkeit Gottes auch mit der jüdisch-christlichen Tradition konnotiert: „Da das [höchste] Agens dem ihm spezifischen Wirken seine Form und sein Urbild (mithĂlahŧ) verleiht, […] wird der Intellekt zum Ort für Gottes Befehl […] und zum Platz für Seine Allmacht. Und [daher] ist in bestimmten Offenbarungsschriften zu lesen, dass Gott den Menschen nach Seiner Form und Seinem Urbild (צalĂ ΥŧratihĮ wa-mithĂlihĮ) erschaffen hat, wie auch die [folgenden] Worte: «Und Er ist das höchste Ebenbild (al-mathal al-aצlĂ) im Himmel und auf der Erde» [al-QurΊn 30:27].“ 290 287
288
289 290
Cf. ibid., vol. 1, p. 447, l. 16 – p. 448, l. 9, auch vol. 2, p. 87, l. 16 - p. 88, l. 7. Wiederum wird auf Gott als al-mathal al-aצlĂ Bezug genommen. Cf. Aristoteles, Metaph. XII (ś) 5, 1071 b 14 ff, 1075 b 27 ff., XIII (M) 5, 1079 b 14 ff., etc. Cf. RasĂץil IkhwĂn al-ΤafĂץ, vol. 4, p. 214 f. Cf. ibid., vol. 4, p. 206, l. 13-17. Zur Gottesebenbildlichkeit des Menschen im frühen Islam vgl. Josef van Ess, Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert Hidschra: Eine Geschichte des religiösen Denkens im frühen Islam. 6 Bände. Berlin, New York: De Gruyter, 1991-1997, Bd. 4, pp. 377-83, und die dort erwähnte Literatur.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
In Analogie zur Sonne als höchster supralunarer Form wird der Mensch als höchste sublunare Form betrachtet 291 . Während diese Relationen der Ebenbildlichkeit durch das Moment der Ähnlichkeit charakterisiert sind, scheinen die Ikhwn al-דafΊ die Gesamtheit der urbildlichen und abbildhaften Formen als je Ganzes dennoch nicht als Ähnlichkeitsrelation begriffen zu haben. Denn an anderer Stelle erklären sie: „Gott ist der Erschaffer der Gesamtheit [der Dinge] und der Schöpfer des Alls, aber der Erschaffer gleicht nicht (lĂ yushbihu) dem Erschaffenen [als Ganzes?], und ebensowenig gleicht der Schöpfer [dem Ganzen?] der Schöpfung.“ 292
Gott ist nicht die Gesamtheit der urbildlichen Formen, sondern deren Schöpfer, der allem anderen Form gibt (al-muΥawwir, muϕhir al-Υuwar) und selbst über den Formen (fawqa l-Υuwar) steht 293 . Wie bei Platon und den arabischen Plotiniana stehen die spirituellen Formen den immanenten Formen der Körperwelt in der Weise von Licht und Dunkelheit gegenüber 294 . Darüber hinaus werden erstere, wohl unter dem Einfluss stoischer Ideen, mit Bewegern (muͧarrikĂt), Bedeutungen (maצĂnin) und Logos assoziiert (sie sind nĂίiqa, „logisch“ oder „sprechend“), letztere analog mit Dingen, die in Bewegung gesetzt wurden (mutaͧarrikĂt) oder in Ruhe sind (sĂkinĂt), mit den körpergleichen Substraten von Bedeutungen, i.e. Wörtern (alfĂϕ), sowie mit Dingen ohne Logos (i.e., „stumme Dinge“, ΥĂmitĂt)295 . Oben ist bereits erwähnt worden, dass der Intellekt der Ort des göttlichen Willens und der göttlichen Allmacht ist. Diesen Intellekt, der an anderer Stelle auch als Aktiver Intellekt (al-צaql al-faצצĂl) bezeichnet wird, fassen die Autoren unserer Enzyklopädie als erstes Geschöpf Gottes (awwalu mubdaצin abdaצahu llĂh) auf sowie als das, worin die Formen aller Dinge aufgehoben sind 296 . 291
292 293
294 295 296
Cf. RasĂץil IkhwĂn al-ΤafĂΊ, vol. 1, p. 212, vol. 2, p. 183, vol. 3, p. 141, vol. 4, p. 84, etc. Cf. ibid., vol. 3, p. 198, l. 3-5. Cf. ibid., vol. 1, pp. 37, 251, vol. 2, p. 277, etc. In vol. 3, pp. 514-16, werden diverse Lehrmeinungen zu der Frage referiert, ob Gott ein Individuum (shakhΥ) sei und selbst eine Form habe oder Form sei. Cf. ibid., vol. 2, p. 276, vol. 3, p. 89, etc. Cf. ibid., vol. 1, p. 400 f., vol. 2, p. 276 f. Cf. ibid., vol. 1, pp. 54, 199, vol. 3, pp. 187, 196 f., 233 f., 386, etc.
9. Ikhwn al-דafΊ
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Sofern es sich nun bei den spirituellen Formen um göttliche luminöse logoi handelt, beschreiben die Ikhwn al-דafΊ den kosmos noêtos als „ein Buch, dessen mit der Feder des göttlichen Willens geschriebenen Zeilen leuchtend aufscheinen“ (kitĂbun talŧͧu suίŧruhu l-maktŧbatu biqalami l-irĂda), oder identifizieren den Nous unmittelbar mit einem von Gottes Hand geschriebenen Buch 297 . Wie Gott ist der Intellekt ohne jede Verbindung zur Materie. Diese Funktion, i.e. die Verknüpfung von kosmos noêtos und kosmos aisthêtos, kommt der aus dem Intellekt emanierenden All-Seele (al-nafs al-kulliyya) zu, die dem Intellekt wie ein materielles Substrat dient und alle aus ihm emanierenden spirituellen Formen aufnimmt und als immanente Formen an die Körperwelt weitergibt298 . Entsprechend gilt die All-Seele den Ikhwn al-דafΊ als causa finalis und Entelechie der körperlichen Welt, während sie den Intellekt mit deren causa formalis und Gott mit ihrer causa efficiens identifizieren 299 . Der Prozess der Emanation selbst wird szientistisch konnotiert. Emanation der Formen bedeutet Wissensvermittlung vom Lehrer zum Schüler. Der Intellekt als Ort der von Gott erschaffenen Formen ist actualiter wissend (צallĂma bi-l-fiצl), die All-Seele hingegen, die der Emanation der Formen aus dem Intellekt bedarf, ist potentialiter wissend (צallĂma bi-l-quwwa)300 . Weder die All-Seele noch die partikulare menschliche Seele ist also immer schon im Besitz des Formenwissens. Wie für Platon ist auch für die Ikhwn al-דafΊ der Begriff des Wissens unmittelbar mit dem des Lernens (taצallum) verknüpft. Da Lernen, wie oben erwähnt, aber nicht Wiedererinnerung bedeutet, bedarf es darüber hinaus der Institution des Lehrers (muצallim): „Es gibt kein Wissen ohne Belehrung und ohne Lernen“ (al-צilm lĂ yakŧnu illĂ baצda l-taצlĮm wa-l-taצallum) 301 . Damit werden auch die spirituellen, himmlischen Entitäten einschließlich der transzendenten engelhaften Formen zu „Lehrern“, deren Funktion es ist, das potentielle Wissen der je niederen Hypostase zur Aktualität zu bringen. Einzig der Aktive Intellekt, der immer schon actualiter im Besitz der Formen ist, bedarf dieser Aktualisierung nicht. Daher ist Gott nicht der Lehrer seines ersten 297 298 299 300 301
Cf. ibid., vol. 1, p. 29, vol. 4, pp. 203, 206. Cf. ibid., vol. 1, p. 400, vol. 3, pp. 197 f., 240. Cf. ibid., vol. 3, p. 238. Cf. ibid., vol. 1, p. 260, vol. 3, pp. 186, 198, 373, 457, etc. Cf. ibid., vol. 1, pp. 277, 294, etc.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
Geschöpfs, sondern—mediante intellectu—„der Lehrer des Alls“ (muצallim al-kull) 302 . Ebenfalls in Übereinstimmung mit Platon wird Wissen als Wesensund Formerkenntnis bestimmt: „Wissen ist nichts anderes als die Form (Υŧra) des Erkenntnisgegenstands in der Seele des Wissenden“ (al-צilm laysa bi-shayץin siwĂ Υŧrati l-maצlŧm fĮ nafsi l-צĂlim) 303 , wobei „Form“ hier als „konstitutive Form“ oder Wesen verstanden wird: „Form ist das, wodurch etwas ist, was es ist“ (al-Υŧratu hiya llatĮ bihĂ l-shayץu mĂ huwa) 304 . Von dieser Art der Wesenserkenntnis wissen die Ikhwn alדafΊ zu berichten, dass die Philosophen (al-ͧukamĂ )ץsie als „Beschreibung“ (rasm) bezeichnen und dass sie sich von der aristotelischen Definition darin unterscheidet, nur das zu benennen, was den Erkenntnisgegenstand von allem anderen unterscheidet, wohingegen die aristotelische Definition das benennt, woraus etwas wesenhaft zusammengesetzt ist 305 . Dies kommt dem platonischen Konzept der Idee als definitorische Antwort auf die Frage „Was ist x?“ (cf. Phaedo 75 d, 78 d) recht nahe, ist aber, wie die Ikhwn al-דafΊ selbst erkennen 306 , nur auf einfache Erkenntnisgegenstände anwendbar. Den Schluss, dass es wahres Wissen nur von einfachen Dingen gibt, ziehen die Autoren nicht, zumindest nicht explizit. Der Grund hierfür liegt vielleicht in ihrem amphibolischen Begriff von Universalien. Universalien (kulliyyĂt) sind für sie einerseits Allgemeinbegriffe (maצqŧlĂt) post rem, Arten und Genera, gebildet aus partikularen Wahrnehmungsinhalten (rusŧm al-maͧsŧsĂti al-juzץiyyati al-multaqaίatu biίarĮqi l-ͧawĂssi mina l-ashkhĂΥ) 307 . Die Wahrhaftigkeit dieser Art von Universalien ist der demonstrativen Erkenntnis zugänglich, sofern zuvor durch Analyse (taͧlĮl) das Einzelne und durch (aristotelische) Definitionen die Arten erkannt wurden 308 . Diese Art des Universalienwissens basiert auf einem partikularen Wissen ihrer Ursachen. Gemäß der oben gegeben Definition von Wissen handelt es sich bei 302 303 304 305
306 307 308
Cf. ibid., vol. 3, pp. 197, 480. So oder ähnlich definiert in ibid., vol. 1, pp. 262, 277, 399, vol. 2, p. 9, etc. Cf. ibid., vol. 1, p. 263, vol. 3, pp. 183, 385. Cf. ibid., vol. 1, p. 263, l. 15-20. In den arabischen Aristotelica dient rasm zur Übersetzung der von der Definition (ƂɍɋɎ) strikt unterschiedenen ȊɌɋмɍлɒŬ. Cf. ibid., vol. 1, p. 263, l. 20-23. Cf. ibid., vol. 3, p. 425. Cf. ibid., vol. 1, p. 429 f.
9. Ikhwn al-דafΊ
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diesen Universalien nicht um Gegenstände wahren Wissens. Dem steht ein anderer, pantheistisch und emanationistisch gefärbter Universalienbegriff gegenüber, dem nicht die Prädikation einer Form von mehreren oder vielen Entitäten zugrunde liegt, in dem vielmehr Universalität durch die Position im hierarchischen Gefüge der Emanation des Seins konstituiert wird. Diesem Konzept zufolge ist Gott nicht nur das absolute Eine und Prinzip aller Einheit, sondern zugleich das in eminentestem Sinne Universale, da allumfassende Ursache alles Seienden. In diesem Sinne ist auch der Intellekt als Ort aller Formen oder die erste Materie als Konstituens aller Körper „universal“. Auch bei dieser Art von „Universalien“ (die Ikhwn al-דafΊ sprechen konsequent von kulliyyĂt) handelt es sich um ein „Eines-über-Vielen“, im Unterschied zu den vorangehenden Universalien sind diese aber Gegenstände einer (trivialen) Selbstprädikation. Im Einzelnen werden neun Stufen dieser „Universalien“ unterschieden: „Es gibt neuen Stufen (marĂtib) von Universalien (kulliyyĂt), deren System [unveränderlich] bewahrt wird und die als Einzeldinge selbstsubsistent sind (thĂbitatu aצyĂnahĂ). Sie sind wie neun Monaden (ĂͧĂd).“ 309
Dies sind: „Erstens und im eminentesten Sinne Gott, der [zugleich] Ursache von jedem von ihnen ist, sodann der Intellekt, die [All-]Seele, die Natur, die erste Materie, der absolute [alles umgebende] Körper, der Himmel, die vier Elemente, und schließlich die drei hervorbringenden [Klassen von Seiendem].“ 310
Anders als die Universalien qua immanente, abstrahierte Allgemeinbegriffe sind diese Universalien einer partikularen Ursachenerkenntnis (und damit einer Definition) nicht zugänglich. Sie sind wesenhaft Teil des universalen göttlichen Plans und zusammen mit ihren Ursachen nur in der ekstatischen Schau der vom Leib getrennten Seele zu erkennen 311 . Abweichend von der oben besprochenen Literatur wird hier also ein zweifacher Universalienbegriff entwickelt, deren einer inten309 310
311
Ibid., vol. 3, p. 202, l. 18 f., cf. vol. 3, p. 56, l. 20 f. Ibid., vol. 3, p. 56, l. 21-24, cf. vol. 3, p. 202, l. 19-23. Bei den drei hervorbringenden [Klassen von Seiendem] (al-muwallidĂt al-thalĂtha) handelt es sich um Mineralien, Pflanzen, und Tiere und Menschen; cf. ibid., vol. 3, p. 182. Cf. ibid., vol. 3, pp. 366-370, 403.
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sional und extensional mit immanenten Formen kongruiert, deren anderer sowohl immanente als auch transzendente Formen umfasst, extensional aber von beiden verschieden ist. 10. Ibn SÁn Ibn SÁn äußert sich zu Platonischen Formen und Platonischen Urbildern 312 in zwei verschiedenen Kontexten, zum einen im Rahmen seiner Universalienlehre, zum anderen im Kontext der Frage nach dem ontologischen Status von mathematischen Gegenständen. Einen direkten Zusammenhang zwischen der platonischen Anamnesislehre und der Ideenlehre scheint er hingegen nicht zu sehen. Erstere wird lediglich im Kontext von Menons Paradoxon erwähnt und als untauglicher Lösungsansatz verworfen 313 . (i) Universalien Ibn SÁn befasst sich mit logischen, epistemologischen und ontologischen Fragen hinsichtlich der Universalien. Alle drei Bereiche sind miteinander verknüpft, da Universalien nicht bloß mentale Entitäten der Erkenntnis sind, sondern in einer bestimmten Beziehung zu extramentalen Entitäten stehen, und schließlich beide Arten von Entitäten Gegenstände von Definitionen oder Schlüssen bilden können. Und in allen drei Bereichen nimmt Ibn SÁn zu Platonischen Formen Stellung. Universalien qua Universalien existieren für Ibn SÁn ausschließlich in der Seele oder im Intellekt; sie können nicht als Einzeldinge extramental existieren — dies scheint für Ibn SÁn nie in Frage gestanden zu haben und ist in Werken aus allen Schaffensperioden zu belegen 314 . 312
313
314
Zum Ausdruck muthul aflĂίŧniyya cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ: al-Jadal (alManՈiq VI), p. 276, l. 16; KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 204, l. 5 (Stellenangaben zum arabischen Text aller Teile des KitĂb al-ShifĂ ץbeziehen sich auf die zehnbändige Gesamtausgabe Kairo: al-MaՈbaa al-amÁriyya / al-HayΊa al-mma lishuΊʗn al-maՈbi al-amÁriyya, etc., 1952-1983). Vgl. auch infra, p. 89. Cf. KitĂb al-ShifĂץ: al-QiyĂs (al-ManՈiq IV), p. 545 f., KitĂb al-ShifĂץ: al-BurhĂn (al-ManՈiq V), pp. 75-77. Cf. Ibn SÁn, צUyŧn al-ͧikma. Ԉaqqaqahʗ wa-qaddama lahʗ Abd al-Raԉmn BadawÁ. al-Kuwayt: Waklat al-maՈbʗt, 21980, p. 56 (ed. M. FawzÁ al-Jabr, Damaskus: Dr al-YanbÁr, 1996, p. 91f.); idem, KitĂb al-HidĂya. TaԉqÁq wataqdÁm wa-talÁq Muԉammad Abduh. Kairo: Maktabat al-Qhira al-ԉadÁtha, 2 1974, p. 248, l. 3 ff., p. 250, l. 5 f.; idem, KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 207, l. 5 ff.;
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Universalien sind jedoch nicht schlechthin mit Formen gleichzusetzen. Vielmehr unterscheidet Ibn SÁn zwischen zwei Komponenten oder Konstituenzien von Universalien, zum einen das Wesen einer Sache an sich, das als Natur oder Form in gewissen Particularia instantiiert ist und als universaler Begriff an sich und als von diesen Particularia abgetrennt betrachtet wird, zum anderem die Universalität selbst dieses Begriffs, der qua Wesensbegriff weder universal noch partikular ist, zu dem also die Universalität im Denken hinzutritt 315 . Form oder Wesen an sich und Universalität bilden zusammen den universalen Wesensbegriff. Entsprechend kann man das Universale entweder an sich oder als bestimmte universale Quiddität betrachten. Von beiden gilt in unterschiedlicher Weise, dass sie ewig sind, wie Ibn SÁn in der Physik des KitĂb al-ShifĂ ץerklärt: „Dass die Universalien weder werden noch vergehen, sagt man auf zwei Weisen. Zum einen meinen wir [mit der Feststellung], dass das Universale nicht wird und nicht vergeht, dass es in der Welt keinen Zeitpunkt gibt, welcher der erste Zeitpunkt der Existenz eines ersten Individuums oder einer Gruppe von ersten Individuen ist, von welchen dieses Universale prädiziert wird, und vor dem es einen [anderen] Zeitpunkt gab, zu welchem kein einziges dieser [Individuen] existierte, und dass für das Ver-
315
idem, DĂnishnĂma-i צAlĂץĮ: IlĂhiyyĂt. B muqaddima wa-ԉawshÁ wa-taהԉÁԉ-i Muԉammad MuÁn, Tihrn: Intishrt-i Anjuman-i ¬thr-i MillÁ, 1371/1992, p. 41; idem, al-MubĂͧathĂt. TaԉqÁq wa-talÁq Muԉsin BÁdrfar. Qum: Intishrt-i BÁdr, 1371/1992, p. 370, § 1155; idem, al-TaצlĮqĂt. Ԉaqqaqahʗ wa-qaddama lahʗ Abd al-Raԉmn BadawÁ, Kairo: al-HayΊa al-miהriyya al-mma li-l-kitb, 1392/ 1973, p. 64, l. 18 ff.; idem, RisĂlat ba ͏צal-afĂ͏il ilĂ צulamĂ ץmadĮnat al-salĂm, in: Shaykh-i RaΊÁs Abʗ AlÁ SÁn, Panj RisĂla. B muqaddima wa-ԉawshÁ wa-taהԉÁԉ-i Iԉsn YrshՈir. Tehrn: Intishrt-i Anjuman-i ¬thr-i MillÁ, 1332/1953, pp. 7390 (cf. APPENDIX II); etc. Die einschlägigen Textstellen werden im Detail diskutiert von Michael E. Marmura, “Avicenna’s Chapter on Universals in the Isagoge of his ShifΊ“, idem, „Quiddity and Universality in Avicenna“, Nachdruck beider Artikel in M. E. Marmura, Probing in Islamic Philosophy: Studies in the Philosophies of Ibn SĮnĂ, alGhazĂlĮ and Other Major Muslim Thinkers, Binghamton: Global Academic Publishers, 2005, pp. 33-59 und pp. 61-70; des weiteren Jon McGinnis, “Logic and Science: The Role of Genus and Difference in Avicenna’s Logic, Science and Natural Philosophy”, Documenti e studi sulla tradizione filosofica medievale 18 (2007), 165-86, bes. pp. 167-73. Auf Vorläufer von Ibn SÁns Theorie der Universalien im Denken Alexanders von Aphrodisias macht Marwan Rashed, “Ibn AdÁ et Avicenne: Sur les types d’existants“, bes. p. 144 f., aufmerksam.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ gehen die Umkehrung hiervon [gilt]. In diesem Sinne sagen einige, dass diese partizipierten Prinzipien weder werden noch vergehen, nämlich die, die behaupten, dass in der Welt ein ständiges Werden und Vergehen [herrsche] und eine [fortwährende] Bewegung, solange die Welt existiert. Zum anderen [bedeutet diese Feststellung], dass man seinen Blick auf eine bestimmte Quiddität wie die Quiddität des Menschen richtet und fragt, ob der [Mensch] qua Mensch wird und nicht vergeht, und dann herausfindet, dass die Bedeutung von ,Werden‘ und die Bedeutung von ,Vergehen‘ eine andere ist als die von ,Mensch qua Mensch‘. Folglich ist beides der Quiddität des Menschen qua Menschen abzusprechen, da es sich um etwas handelt, was diesem anhaftet, ihm aber nicht immanent ist. Entsprechend sagt man das oben Genannte auch von diesen, gemäß der zweiten Art der Partizipation partizipierten Prinzipien aus.“ 316
Diese Analyse des Universalen, die eng mit der Differenzierung von Sein und Wesen verknüpft ist, führt Ibn SÁn zu einer ersten, logischen Unterscheidung zwischen Universalien und Platonischen Formen. Gegenstand der Definition ist das Wesen, nicht die transzendente Form. Wenn das Universale in der Definition als wesenhaft kongruent mit dem definiendum ausgesagt wird, kann es sich nicht um ewige urbildliche Formen handeln, da dann beispielsweise ein wesenhaft sterbliches definiendum zugleich wesenhaft unsterblich sein müsste: „Zu den Fällen, die in Erwägung gezogen werden müssen, gehört auch die Betrachtung [der Frage], ob die Definition mit dem definiendum kongruiert und Wahres von ihm aussagt. [...] Wenn zum Beispiel gesagt wird „Der Mensch ist ein sterbliches vernunftbegabtes Lebewesen“, dann müsste die urbildliche Platonische Form (al-Υŧra al-mithĂliyya al-aflĂίŧniyya) [von „sterbliches vernunftbegabtes Lebewesen“] ein Mensch sein, und folglich [der Mensch] unsterblich sein. Gleichfalls, wenn in bestimmten Definitionen „Wirken“ oder „Leiden“ (fiצl aw infiצĂl) als Bedingung auftritt, kann eine solche Definition nicht mit einem solchen Platonischen Urbild kongruieren, da dieses weder wirkt noch [eine Wirkung] erleidet.“ 317 316
317
Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ: al-SamĂ צal-ίabĮצĮ (al-ՇabÁiyyt I), p. 23, l. 10-17. Bei der „zweiten Art der Partizipation“ handelt es sich um die Partizipation an dem, was qua Partizipiertes nicht als ein extramentales Eines, sondern nur intellektual existiert. Diese ist zu unterscheiden von dem Partizipierten, das als eine Wirkund Zweckursache ein und derselben Wirkung und ein und desselben Zwecks einer Vielheit von Dingen extramental existiert; cf. ibid., p. 15, l. 10 – p. 16, l. 4. KitĂb al-ShifĂץ: al-Jadal (al-ManՈiq VI), p. 276, l. 13-17. Zu diesen sogenannten Zwei-Ebenen-Paradoxien der Selbstprädikation der Ideen cf. Gwilym E. L.
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Ibn SÁn argumentiert hier also unter Zuhilfenahme der These der Selbstprädikation der Ideen gegen die Bestimmung der Ideen als Definitionsgegenstände. Damit fällt für Ibn SÁn aber auch die Relevanz Platonischer Ideen für den syllogistischen Beweis. Da der Beweis auf das Allgemeine geht, die Platonischen Formen aber bestenfalls dazu taugen, „dem Vielen einen Namen zu geben“, nicht jedoch dazu, eine für die Propositionen des Schlusses taugliche und zugleich für das Partikulare gültige Definition zu etablieren, spielen abgetrennte Formen und Urbilder (al-Υuwar wa-l-muthul al-mufĂraqa) weder für die Gegenstände noch für die Prinzipien des Beweises eine Rolle 318 . Dies schließt aber noch nicht die separate Existenz transzendenter Formen aus; und Ibn SÁns Schriften enthalten zahlreiche Hinweise darauf, dass er die Existenz transzendenter Formen durchaus nicht generell ausgeschlossen hat. Allerdings ist nicht ganz eindeutig, was er darunter verstanden hat. Im KitĂb al-NajĂt finden wir eine Differenzierung des Substanzbegriffs, die sich schematisch wie folgt darstellen lässt 319 : Substanz (= Wesen [dhĂt], das nicht in/ durch ein(em) Substrat [maw͏ŧ ]צsubsistiert) Substanz als inhärente Entität (fĮ maͧall) = Immanente Form (Υŧra mĂddiyya)
Substanz als nichtinhärente Entität (laysa fĮ maͧall)
Substanz dient als Substrat der Inhärenz (maͧall) für anderes = Erste Materie
Substanz dient nicht als Substrat der Inhärenz (maͧall) für anderes
Zusammenges. Substanz = Körper aus immanenter Form + Materie
318
319
Nichtzusammengesetzte Substanz = Abgetrennte Form (Υŧra mufĂraqa)
Owen, „Dialectic and Eristic in the Treatment of the Forms“, in G. E. L. Owen (ed.), Aristotle on Dialectic: The Topics. Proceedings of the Third Symposium Aristotelicum. Oxford: Clarendon Press, 1968, pp. 103-25. Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ: al-BurhĂn (al-ManՈiq V), p. 188, l. 15 – p. 189, l. 14, ibid., p. 232, l. 16 – p. 233, l. 2. Der entsprechende Textabschnitt ist KitĂb al-NajĂt, p. 497, l. 1-15.
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Immanenten, korporellen Formen stehen hier also abgetrennte, transzendente Formen gegenüber. Als Beispiele für abgetrennte Formen werden in diesem Abschnitt des K. al-NajĂt der Nous (al-צaql) und die himmlischen Seelen genannt. In einigen Abschnitten des KitĂb alShifĂ ץscheint Ibn SÁn zwar eine transzendente Existenz von Formen schlechthin zu leugnen 320 . Aus anderen Abschnitten desselben Werks wird jedoch deutlich, dass Ibn SÁn sich hier nur auf bestimmte Arten (beziehungsweise Theorien) von Formen bezieht. „Form“ (Υŧra) ist für Ibn SÁn ein äquivoker Begriff, dessen unterschiedliche Bedeutungen zusammenfassend in IlĂhiyyĂt VI.4 beschrieben werden: „As regards the form, we say: [i] ‘Form’ is said of every meaning in actuality which is suitable for performing action, so that, in this sense, the separate substances are forms. [ii] ‘Form’ is [sometimes] said of every disposition and act that may inhere in a recipient, whether unitary or through composition, so that movements and accidents [in this sense] are forms. [iii] [Sometimes] ‘form’ is said of that by which matter is rendered subsistent in act, in which case neither intellectual substances nor accidents would be forms. [iv] ‘Form’ is [also] said of that through which matter is perfected, even if it is not rendered subsistent by it in act, as in the case of health and what is naturally moved by it and toward it. [v] ‘Form’ is particularly said of what occurs in materials through art by way of figures and the like. [vi] ‘Form’ is [also] said of a thing’s species, genus, differentia, and all of this. [vii] Moreover, the universality of the universal is form for the parts also.” 321 320
321
Vgl. etwa KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 87, l. 13 f. („Forms, then, are either forms from which matter never separates or forms from which matter separates but of whose likenesses matter is never devoid“, übersetzt von M. E. Marmura, Avicenna: The Metaphysics of The Healing. Provo, Utah: Brigham Young University Press, 2005, p. 69), ibid., p. 89, l. 6 (“Form, then, exists only in hyle”, übers. M. E. Marmura, p. 70); ibid., p. 143, l. 14 – p. 144, l. 1 (“Similarly, if there were separate forms and separate mathematical entities, then our knowledge of them would be [the influence] that occurs to us from them; they themselves would not come to exist for us, transferred to us. We have shown the falsity of this in [several] places”, übers. M. E. Marmura, p. 110, geringfügig verändert); etc. KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 282, l. 6-13, transl. M. E. Marmura, p. 218 f. (Segmentierung und Abschnittzählung hinzugefügt).
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Die hier aufgezählten Bedeutungen von “Form” lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen, erstens die Arten immanenter partikularer Formen ([ii]-[v]), zweitens universale Formen und Universalität an sich, die, wie oben gezeigt, als solche nur in der Seele existieren ([vi], [vii]), und drittens transzendente Formen qua separate wirkende Substanzen ([i]). Während an der oben zitierten Stelle des KitĂb al-NajĂt sowohl der Nous als auch die himmlischen Seelen als derartige transzendente Formen begriffen werden, schließt Ibn SÁn an späterer Stelle im KitĂb al-NajĂt sowie im KitĂb al-ShifĂ ץdie himmlischen Seelen von diesem Status aus. Jede der aus dem Nous emanierenden Hypostasen besteht aus einer Triade, die aus Intellekt, Seele und korporeller Himmelssphäre gebildet wird. Die Seelen der Himmelssphären sind zwar Formen, aber nicht Formen qua transzendente Substanzen: „[E]ach soul belonging to each sphere is its perfection and form, but it is not a separate substance. Otherwise it would be an intellect and not a soul, and it would not at all move by way of desiring, and there would not occur [any] change to it from the body’s movement, [nor] imagination and estimation from its participation with the body.“ 322
Die himmlischen Seelen sind vielmehr Formen der Kategorie [ii], die zwar wesenhaft von der Materie abgetrennt sind (mufĂraqat aldhĂt), aber in ihrem Wirken an den Körper der Himmelssphäre gebunden sind, insofern sie nur auf diesen einwirken und nur durch diesen auf anderes wirken können 323 . Nur die einfachen abgetrennten Intellekte der Sphären (צuqŧl basĮίa mufĂraqa) und der Nous als erstes Verursachtes (al-maצlŧl al-awwal) erfüllen beide Kriterien der Transzendenz. Bei ihnen handelt es sich um transzendente Formen, die sich selbst genügen sowohl hinsichtlich ihrer Subsistenz als auch hinsichtlich der Art und Weise und der Gegenstände ihres Wirkens, unabhängig davon, ob es sich dabei um Körper oder immaterielle Entitäten handelt 324 . 322
323
324
KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 407, l. 14-16 = KitĂb al-NajĂt, p. 657, l. 17 – p. 658, l. 1, transl. M. E. Marmura, p. 331 f. (geringfügig verändert). Cf. KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 407, l. 18 – p. 408, l. 10 = KitĂb al-NajĂt, p. 658, l. 5 – p. 659, l. 2, transl. M. E. Marmura, p. 332. Cf. KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 408, l. 10-18 = KitĂb al-NajĂt, p. 659, l. 2-16, transl. M. E. Marmura, p. 332 f., außerdem KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 404, l. 4-8, p. 405, l. 1-9.
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Bei diesen Intellekten handelt es sich um nichts anderes als um Formen des göttlichen Denkens, die noetische Formen qua Wirkprinzipien alles Seienden sind ([i]), nicht aber seelische Formen qua inhärente Perfektion oder Aktualisierung des Seienden ([ii], [iii]). Sie sind dem Wesen Gottes nachgeordnet, gehen aber dem Seienden voraus und sind auf dieses derart bezogen, dass sie die Möglichkeit der Existenz der erschaffenen Seienden konstituieren: „Know that the intelligible meaning may be derived from the existing thing [...]. The intelligible form, however, may not be taken from the existent, but conversely [...]. Thus, it would not have [first] existed and then we intellectually apprehended it, but [first] we intellectually apprehended it and then it existed. And this is the relation of the whole to the First Intelligent, the Necessary Existent. [...] He knows from His essence the manner in which the good comes to be in all [things]. Thus, the form of the existents follows the intelligible form He conceives in the intelligible order [which is conceived by] Him. [...] His intellectual apprehension of what is posterior to His essence is the effect of His intellectual apprehension of His essence. The intelligibles and concepts, however, which He has posterior to His essence are intellectually apprehended in the manner of intellectual intelligibles, not [in the manner of] psychic intelligibles. With respect to them, He has only the relation of the principle from which [something] proceeds, not [of something] in it.” 325
Was aber heißt es für den ontologischen Status dieser Formen, dass Gott sie qua Prinzipien der Ordnung des Guten denkt? Einerseits kann es sich bei diesen Formen nicht um eine Vielheit (im Sinne von Teilen) im Wesen Gottes handeln, da, erstens, Gott absolut einfach ist und, zweitens, diese Formen später als Gottes Wesen sind 326 . Andererseits kann es sich nicht um Formen handeln, die Gott gewissen Intellekten einprägt, denn dies würde eine Verschiedenheit dieser Intellekte und der in sie eingeprägten Formen voraussetzen. Das aber würde bedeuten, dass diese Intellekte nicht Teil der Ordnung des Guten sind, da eben jene Formen als Gottes Denken der Ordnung des Guten bestimmt worden waren, es sei denn, man wollte für diese Intellekte wiederum ein solches Verhältnis annehmen, was zu einem Regressus ad infinitum führt (Gott müsste nicht nur die Ordnung des Guten denken, 325
326
KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 363, l. 5 – p. 364, l. 5, transl. M. E. Marmura, p. 291 f. (geringfügig verändert, Kursivierung hinzugefügt). KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 364, l. 1-4, p. 365, l. 14.
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sondern auch den Umstand, dass diese Gegenstand des Denkens der Intellekte ist, was wiederum zu der Annahme einer neuen, weiteren Hypostase von Formen zwingt, für deren Herleitung wiederum dasselbe gelten würde, etc.) 327 . Das Sein dieser Formen kann daher nicht ausschließlich in ihrem Gedacht-werden durch Gott bestehen, sondern muss einen hiervon verschiedenen Akt des Denkens, das Sich-selbstDenken der Formen implizieren: “If, then, we say that, when He intellectually apprehended them, they came to be without there being with them another act of intellectual apprehension—their existence being nothing other than acts of intellectual apprehension—this would be as though we said, ‘Because He apprehended them intellectually, He apprehended them intellectually,’ or, ‘Because they came to exist from Him, they came to exist from Him.’”328
Das Sich-selbst-Denken dieser Formen stellt bekanntlich für Ibn SÁn das fundamentale Kriterium der Entfaltung der göttlichen Einheit in die Vielfalt dar. Ohne dieses Kriterium wäre die Emanation jener Formen immer nur eine mit dem Wesen Gottes koinzidierende Emanation 329 . In einem Werk, das gut zehn Jahre vor der Metaphysik des KitĂb al-ShifĂ ץentstanden ist, al-Mabda ץwa-l-maצĂd, zieht Ibn SÁn noch in Erwägung, dass es sich bei diesen sich-selbst-denkenden Formen um Platonische Formen handelt, die qua Intellekte universale noetische Urbilder (mithĂl kullĮ צaqlĮ) sind. Dem Ansatz des Verfassers der Schrift Über die Harmonie der Ansichten der beiden Weisen, des Göttlichen Platon und Aristoteles’ vergleichbar, weist Ibn SÁn in dieser Schrift darauf hin, dass Platon lediglich in der äußeren Form seiner Darstellung fehlgegangen sei: „Was die Existenz der Vorsehung durch die höheren Ursachen für die niederen Ursachen angeht, so [besteht] diese [darin], dass jede höhere Ursache die Ordnung des Guten denkt, die notwendig in allem, was [aus ihr] entsteht, aus ihr hervorgeht, so dass die Existenz dieser Ordnung ihrem Denkgegenstand folgt. […] Jede von ihnen denkt sich selbst, und dieses [ihr sich-selbst-denkendes Denken besteht darin, dass] sie sich als ein Prinzip der Ordnung denkt, die notwendig aus ihr hervorgeht. Dieses ist die [intelligible] Form ihres Selbst. Dieses [Verhältnis] kann in seiner 327 328 329
Ibid., p. 365, l. 1-11. Ibid., p. 365, l. 11-13, transl. M. E. Marmura, p. 293 f. Cf. KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 403, l. 3-13, p. 405, l. 16 – p. 406, l. 11, transl. M. E. Marmura, pp. 327 f., 330.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ Gesamtheit (bi-l-kulliyya) auch für das Erste Prinzip [gelten], hingegen können Particularia und Veränderungsprozesse nicht diesem [Ersten Prinzip] zugeordnet werden. Wenn dies zutrifft, dann ist [der Umstand, dass] jede dieser [höheren Ursachen] die Form der Ordnung des Guten, die aus ihr hervorgehen kann, denkt, ein Prinzip für die Existenz dessen, was gemäß dieser Ordnung durch sie zur Existenz gelangt. Die intelligiblen Formen in [diesen] Prinzipien sind also ein Prinzip der Formen, die in den nachfolgenden [Dingen] existieren. Es scheint (wa-yushbihu), dass Platon mit [seinen] Formen diese Formen gemeint hat, doch ist die [Form der] Darbietung seiner Lehre (ϕĂhiru kalĂmihĮ) widersprüchlich und falsch. (Der Philosoph [i.e., Aristoteles] hat sich mit seiner Lehre erschöpfend in einer Anzahl von Schriften befasst.)“ 330
Diese Position hat Ibn SÁn im KitĂb al-ShifĂ ץaufgegeben 331 . Nun werden Platonische Formen als von jedem Wesen, mithin als vom Wesen Gottes abgetrennt (mufĂraqa li-kull dhĂt) betrachtet. Dies ist nicht vereinbar mit der oben dargelegten Konzeption der Formen, bei denen es sich um Gegenstände seines Denkens handeln muss, die Gott als Emanation aus seinem sich-selbst-denkenden Denken denkt. Folglich dürfen jene Formen ebenso wenig mit Platonischen Formen identifiziert werden wie mit Teilen oder Konkomitanten des Wesens Gottes oder mit Einprägungen in von ihnen verschiedenen Intellekten: „If you make these intelligibles parts of His essence, then multiplicity will take place. If you make them consequential [concomitants] of His essence, then there would occur to His essence that which would not be a necessary existent with respect to them—[this] because of its adhesion to the possible existent. If you make them things separated from any essence, then the Platonic Forms would occur. If you render them existent in some mind, then there would take place the impossible [consequences] we have [just] mentioned before this.” 332 330
331
332
Ibn SÁn, Al-Mabda ץwa-l-maצĂd. Ed. Abdallh NʗrnÁ. Silsila-i Dnish-i ÀrnÁ, vol. 36. Tihrn 1984, p. 84, l. 17 – p. 85, l. 7; cf. ibid., p. 20, l. 5-10. Für die Identifikation der himmlischen Intellekte mit universalen noetischen Urbildern cf. ibid., p. 67, l. 19-21, p. 73, l. 6 f. Gleichwohl hält Ibn SÁn in beiden Werken daran fest, dass sowohl die himmlischen Intellekte als auch die Seelen der Himmelssphären engelhafte Wesen sind; cf. al-Mabda ץwa-l-maצĂd, p. 103, l. 15-19; KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 435, l. 7 f., etc. KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 365, l. 14-17, transl. M. E. Marmura, p. 294 (geringfügig verändert).
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Aller Wahrscheinlichkeit nach hängt die veränderte Position Ibn SÁns mit der komplexen Ausarbeitung seiner Theorie der Universalität im KitĂb al-ShifĂ ץzusammen 333 . Während er in al-Mabda ץwa-l-maצĂd die universale Form noch undifferenziert mit dem Intellekt in actu gleichsetzt 334 , unterscheidet er nun, wie oben angedeutet, zwischen ontologischen, logischen und epistemologischen Aspekten des Universalen. In ontologischer Hinsicht bezeichnet das Universale das Wesen oder die Natur an sich einer Sache. In logischer Hinsicht bezeichnet es eine bestimmte Art mentaler Entitäten, die sich als solche indifferent gegenüber dem Wesen oder der Natur einer Sache verhalten. In epistemologischer Hinsicht bezeichnet das Universale die akzidentelle Verknüpfung des logischen Universalen mit dem ontologischen Universalen, dem Wesen an sich einer Sache 335 . Platonische Formen scheint Ibn SÁn nun, im KitĂb al-ShifĂץ, auf die zweite, logische Bedeutungsebene von Universalien zu reduzieren. Sie mögen zwar durch Universalität charakterisiert sein, besitzen aber nur das mentale Sein der logischen Universalien, ohne dabei actualiter mit der Bedeutung eines Wesens oder einer Natur an sich gefüllt zu sein: „Das Menschsein als Seiendes (al-insĂniyya al-mawjŧda) ist Vieles, nicht ein einziges Wesen, und entsprechendes [gilt für] Lebewesensein als Seiendes (al-ͧayawĂniyya al-mawjŧda). [...] Vielmehr ist das Wesen des mit den Eigentümlichkeiten Zayds verbundenen Menschseins ein anderes als das Wesen des mit den Eigentümlichkeiten Amrs [verbundenen] Menschseins. Es handelt sich also um zwei Menschsein (fa-humĂ insĂniyyatĂni), ein Menschsein, das mit den Eigentümlichkeiten Zayds verbunden ist, und ein Menschsein, das mit den Eigentümlichkeiten Amrs verbunden ist. Unter den seienden [Dingen] gibt es nicht ein einziges, [die beiden] umfassendes Menschsein.“ 336
Platonische Formen müssten demnach von jedem Wesen abgetrennt (mufĂraqa li-kull dhĂt) und somit „Laute und Wörter ohne Bedeutung“ 333
334 335
336
Vgl. dazu vor allem KitĂb al-ShifĂץ: al-Madkhal (al-ManՈiq I), ibid., al-MaqŧlĂt (al-ManՈiq II), pp. 27, 92-95, 100, 109; ibid., al-BurhĂn (al-ManՈiq V), pp. 106-109, 144 f.; ibid., al-IlĂhiyyĂt, pp. 207-212. Al-Mabda ץwa-l-maצĂd, p. 7, l. 3, p. 18, l. 8 f., etc. Cf. M. E. Marmura, “Avicenna’s Chapter on Universals“, pp. 39-44. Vgl. auch Ibn SÁns RisĂlat ba ͏צal-afĂ͏il, infra APPENDIX II, wo dieser Aspekt im Mittelpunkt steht, sowie M. Rashed, “Ibn AdÁ et Avicenne: Sur les types d’existants“. Ibn SÁn, RisĂlat ba ͏צal-afĂ͏il ilĂ צulamĂ ץmadĮnat al-salĂm, p. 82, l. 9 – p. 83, l. 2, ed. YrshՈir (cf. APPENDIX II).
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sein (aΥwĂί wa-asmĂ ץbĂίila lĂ maצnĂ lahĂ) 337 . Daher sind sie auch für die Erklärung des göttlichen Wissens von den Particularia irrelevant, denn diese kennt Gott ja „in einer universalen Weise“ gerade indem er sich als Prinzip ihrer universalen Naturen denkt, nicht indem er sich als Prinzip von Universalien denkt, die vom Wesen der Particularia in jeder Hinsicht abgetrennt sind 338 . Mehr noch, Platonische Formen sind auch für die Definition im menschlichen Erkenntnisprozess irrelevant. Das, was die Einheit der Definition garantiert, ist nicht die numerische Einheit einer transzendenten Form, sondern der Umstand, dass im Abstraktionsprozess die Akzidenzien und Konkomitanten der vielen Individuen „verschwinden“ (zĂla) und damit die Vielheit „verschwindet“ oder „vernichtet wird“ ( yuצdamu tilka l-kathra) und die Bedeutung (maצnĂ) des Wesensbegriffs als eine einzige in der Intellekt eingeprägt wird (irtasama) 339 . (ii) Mathematische Gegenstände Die Frage nach dem ontologischen Status von mathematischen Objekten bildet, neben der Universalienlehre, den zweiten wichtigen Kontext für Ibn SÁns Bemerkungen zur platonischen Ideenlehre. Diese Frage stellt sich für Ibn SÁn zunächst in einem epistemologischen Kontext in seiner Bearbeitung von Aristoteles’ Analytica posteriora I 11. Zu Beginn dieses Abschnitts erklärt Aristoteles, dass weder „Ideen“ (ǸŹǷн) noch ein Eines-über-Vielen (Ȁɉ ɐů Ɍлɍ ɐ Ɍɋɇɇ۞) notwendige Voraussetzungen des Beweises sind 340 . Ibn SÁn versteht die arabische Übersetzung dieses Abschnitts so, als wolle Aristoteles hier Ideen und Eines-über-Vielen als Gegenstände der Wissenschaften (maw͏ŧצĂt al-צulŧm) ausschließen, und erklärt: „Da nun einige (qawman) abgetrennte Formen (Υuwar mufĂraqa) als Gegenstände der Wissenschaften betrachten [und der Ansicht sind, dass es] für jede ihrer Arten ein ihr ähnliches, durch sich selbst subsistie337 338
339
340
Cf. KitĂb al-ShifĂץ: al-BurhĂn (al-ManՈiq V), p. 233. Cf. M. E. Marmura, “Some Aspects of Avicenna’s Theory of God’s Knowledge of Particulars,” in idem, Probing in Islamic Philosophy: Studies in the Philosophies of Ibn SĮnĂ, al-GhazĂlĮ and Other Major Muslim Thinkers, Binghamton: Global Academic Publishers, 2005, pp. 71-95. Cf. Ibn SÁn, RisĂlat ba ͏צal-afĂ͏il ilĂ צulamĂ ץmadĮnat al-salĂm, p. 85f., ed. YrshՈir (cf. APPENDIX II). Aristoteles, Analytica posteriora I 11, 77 a 5-7.
10. Ibn SÁn
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rendes, noetisches [und] immateriell existierendes Urbild (mithĂl) [gibt], ist es zweckmäßig, [diese] Aporie und ihre Lösung im Zusammenhang mit den den Beweis betreffenden [Fragen] (mĂ yataצallaqu bi-l-burhĂn) vorzubringen.“ 341
Die Grundlage dieser Theorie sieht Ibn SÁn, völlig zutreffend, in dem „Argument-aus-den-Wissenschaften“, dem zufolge Beweis und Definition nicht auf das Sinnliche und Vergängliche, sondern nur auf das Intelligible und Ewige gehen können 342 . Diese Eigenschaften werden von einigen nur für die Gegenstände der Arithmetik (al-צadadiyyĂt), von anderen sowohl für diese als auch für geometrische Formen (alΥuwar al-handasiyya), also allgemein für mathematische Formen (Υuwar taצĂlĮmiyya) unter Ausschluss natürlicher Formen, postuliert. Zwar assoziiert Ibn SÁn Platon mit diesen Ansätzen, setzt ihn aber deutlich hiervon ab, indem er betont, dass die abgetrennten Formen Platons auch Formen natürlicher Dinge umfassen. Allerdings scheint er zu glauben, dass Platon nur die nichtnatürlichen Formen Urbilder genannt habe: „Platon hingegen nahm an, dass für jedes Intelligible, einschließlich der natürlichen Dinge (ͧattĂ li-l-ίabĮצiyyĂt), abgetrennte intelligible Formen existieren. Sofern diese abstrakt (mujarrad) sind, nannte er sie Urbilder (muthul), sofern sie in einer [gewissen] Beziehung zur Materie stehen, [nannte er sie] natürliche Formen.“ 343
Da zuvor nur von mathematischen Gegenständen die Rede war, liegt es nahe, Ibn SÁns Begriff von Platonischen Urbildern mit der von Aristoteles in Metaph. I (A) 6, 987 b 14 ff. 344 dargestellten und kritisierten Theorie der idealen Zahlen als von den sinnlichen Dingen separate Entitäten zu assoziieren. Hier deutet Ibn SÁn also eine gewisse Binnendifferenzierung der Platonischen Ideen in Formen natürlicher Dinge auf der einen Seite und mathematische Urbilder auf der anderen Seite an. 341
342 343 344
Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ: al-BurhĂn (al-ManՈiq V), p. 187, l. 6 f.; cf. ibid., p. 189, l. 13 f. Cf. ibid., p. 187, l. 9-18. Ibid., p. 188, l. 4-6. Und diversen anderen Stellen der Metaphysik, cf. W. D. Ross, Aristotle’s Metaphysics, vol. I, p. 166; vgl. zur Rezeption bei Ibn SÁn auch Amos Bertolacci, The Reception of Aristotle’s Metaphysics in Avicenna’s Kitb al-ŠifΊ: A Milestone of Western Metaphysical Thought, Leiden-Boston: Brill, 2006, p. 337.
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In der Metaphysik des KitĂb al-ShifĂ ץwird diese Differenzierung dahingehend modifiziert, dass Platon nun die von Aristoteles den Platonikern zugeschriebene ɈǸɐлɊȢ-Doktrin der mathematischen Gegenstände als in den Sinnendingen existierende, aber wesenhaft von diesen abtrennbare Entitäten zugeschrieben wird: „Plato and his teacher, Socrates, went into excess in upholding this view, saying that there belongs to humanity one [separately] existing meaning in which individuals participate and which continues to exist with their ceasing to exist. This [they held] is not the sensible, multiple, and corruptible meaning and is therefore the intelligible, separable meaning. Another group did not perceive a separable existence for this form, but only for its principles. They rendered the mathematical entities that are separable in definition as deserving to be separable in existence. They made those natural forms that are not separable in definition not separable in essence. [...] As for Plato, most of his inclination was [toward the view] that it is the forms that are separate. Regarding mathematical [entities], for him they were [intermediary] things (maצĂnin) between forms (al-Υuwar) and natural things. For, even though they separate in definition, it is not permissible, according to him, that there should be a spatial dimension that does not subsist in matter.” 345
Hier ordnet Ibn SÁn Platon also die von Aristoteles in Metaph. III (B) 2, 998 a 7 ff., und XIII (M) 1, 1076 a 33 ff., beschriebene Position zu, und wir dürfen vermuten, dass auch mit der wenig später genannten Gruppe (qawm), die zwischen „numerischen Formen“ (Υuwar צadadiyya) qua mittlere Entitäten (mutawassiίĂt) und Urbildern (muthul) differenziert, niemand anderes als Platon und seine Anhänger gemeint sind 346 . Transzendente Formen natürlicher Dinge werden hier mit Urbildern gleichgesetzt und hinsichtlich ihres ontologischen Status von mathematischen Gegenständen unterschieden 347 . Beide Lehren werden von Ibn SÁn ausführlich in Kapitel VII.2 der Metaphysik des KitĂb alShifĂ ץwiderlegt. 345
346 347
Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 311, l. 6-16, transl. M. E. Marmura, p. 244 (geringfügig modifiziert). Cf. KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 314, l. 2 f., transl. M. E. Marmura, p. 246. So auch KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 311, l. 2 f.; KitĂb al-HidĂya, p. 257, l. 8 – p. 258, l. 2.
11. Ibn al-Շayyib
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Zusammenfassend ist festzustellen, dass Ibn SÁn dem, was er für die platonische Formenlehre hielt, intensivere und umfassendere Beachtung geschenkt hat als jeder arabisch schreibende Philosoph vor ihm. Sein Hauptinteresse galt dem Verhältnis von Platonischen Formen und seiner eigenen, originären Universalienlehre. Im Rahmen der Entwicklung dieser Lehre hat Ibn SÁn die durch die arabischen Neoplatonica inspirierte und in einer frühen Schaffensperiode in Betracht gezogene Identifikation himmlischer Intellekte qua sichselbst-denkende Formen mit Platonischen Formen wieder verworfen. Nach der endgültigen Etablierung seines philosophischen Systems stellte die platonische Ideenlehre für ihn keine ernsthafte philosophische Option mehr dar, sondern galt ihm lediglich noch als interessantes historisches Phänomen, das seinem Wesen nach ein dialektisches und sophistisches Problem darstellt 348 . Anders als seine Vorgänger befasst sich Ibn SÁn im Kontext seiner Definitionslehre auch kritisch mit der These der Selbstprädikation der Ideen. Völlig unbeachtet bleibt in seinem Werk indes der Zusammenhang zwischen Ideen und der platonischen Anamnesislehre sowie dem platonischen Wahrheitsbegriff. 11. Ibn al-Շayyib Eine Generation nach Ibn SÁn wirkt der Schüler Yaԉy ibn AdÁs (cf. Kapitel I.8) und letzte bedeutende Vertreter der Baghdader Aristoteliker, Abʗ l-Faraj Abdallh ibn al-Շayyib. Neben zahlreichen Kommentaren zum Werk Aristoteles’ wird ihm ein Kommentar zu den ťɍɑɏ۬ ǿɌн der Pythagoreer zugeschrieben, in dem er Folgendes zu berichten weiß: „Pythagoras sah in den Zahlen Abbilder und Zeichen (muthulan warumŧzan) der göttlichen Dinge, insbesondere in den Zahlen von der Eins bis zur Zehn. Er erhob jede von ihnen in [den Rang] je verschiedener Ursachen und postulierte je verschiedene Wirkungen für sie, wobei ihm die Zehnzahl als Wirkursache [dieser] Welt [galt]. Er wies aber der Vierzahl einen Rang unterhalb der [Zehnzahl] zu, [entweder deshalb,] weil Empedokles, der Kompilator der ťɍɑɏ۬ ǿɌн, mit der Vierzahl die Elemente zu bezeichnen pflegte und diese die Grundlage 348
Vgl. Ibn SÁns Einleitung zu KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt VII.2, insbesondere p. 310, l. 10-12.
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[dieser] Welt und der Natur sind, oder weil die Zehnzahl in der Vierzahl eingeschlossen ist. Die erste Zahl nun verweist auf Gott, den Erhabenen, da Er absolute Einheit besitzt. Wird ihr eine andere Zahl hinzugefügt, so entstehen nach ihrer Lehre die Formen der sekundären Gottheiten (Υuwar al-Ălihati l-thawĂnĮ), denn [absolute] Einheit wiesen sie einzig Zeus zu und benannten ihn [auch] so. [...] Die primären Zahlen sind Symbole (simĂt) der Götter. Die dyadischen [Zahlen] sind die intelligiblen Formen (al-Υuwar al-maצqŧla), die in den seienden Dingen sind. Die triadischen [Zahlen] sind die seelischen Formen, denn der [himmlische] Vater, der diese aus den Zahlen erzeugt, lässt durch sie die Seelen subsistieren. Die tetradischen Zahlen sind die Formen (Υuwar) der natürlichen Dinge bis hin zur Materie und ihrer Zusammensetzung mit den [materiellen] Formen.“ 349
An dieser Verquickung pythagoreischer Zahlensymbolik und neuplatonischen Formenhierarchie sind mindestens vier Dinge bemerkenswert: Zum einen wird den Zahlen offensichtlich eine „ɈǸɐлɊȢ“-Position zugewiesen, nicht aber eine solche zwischen Ideen und sinnlichen Dingen, sondern zwischen den Göttern und allen übrigen Entitäten. Sie sind einerseits Abbilder und Symbole der Götter, andererseits die Konstituenzien sowohl des kosmos noêtos als auch des kosmos aisthêtos. Zweitens werden Zahlen mit Formen (Υuwar, oder: Ideen) identifiziert, genau so, wie es Aristoteles Platon in Metaph. I (A) 6, 987 b 7 zum Vorwurf macht. Drittens scheint das Verhältnis der Abbildhaftigkeit oder Nachahmung nur auf der höchsten Stufe, zwischen den Göttern und den Zahlen, Gültigkeit zu haben. Alles Nachgeordnete verhält sich zu den Zahlen wie Wirkungen zu ihren Ursachen (die Rede ist von sabab und fiצl ). Im oberen Bereich findet demnach die pythagoreische Terminologie Anwendung, im unteren Bereich gilt die Terminologie und Systematik der aristotelischen Platon-Interpretation aus Metaph. I (A) 6, 987 b 10-12: „Was die ,Teilhabe’ (ɈūǺǸɊůɉ) betrifft, hat er lediglich die Bezeichnung geändert; denn die Pythagoreer sagen, die Dinge existierten kraft der Nachahmung (ɈůɈŬɏǸů) der Zahlen, Platon dagegen, kraft der Teilhabe“ 350 . 349
350
Ibn aՈ-Շayyib, Proclus’ Commentary on the Pythagorean Golden Verses. Arabic Text and Translation by Neil Linley. Arethusa Monographs, vol. 10. Buffalo, N.Y., 1984, p. 76, l. 9 – p. 78, l. 10. Übers. T. A. Szlezák, p. 15.
11. Ibn al-Շayyib
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,Teilhabe’ interpretiert Aristoteles wenige Zeilen später als Relation von Ursache und Wirkung 351 . Die etwas befremdliche Emphase, mit welcher Ibn al-Շayyib feststellt, dass jede Zahl sowohl hinsichtlich ihrer Ursächlichkeit als auch hinsichtlich ihrer Wirkung von jeder anderen verschieden ist, liest sich wie eine Prolepsis von Aristoteles’ Einwand, dass Zahlen nicht Platonische Ideen sein können, weil es der Zahlen viele gleichartige, der Ideen aber jeweils nur eine geben könne 352 . Viertens schließlich fällt der maßgebliche Einfluss Plotins im letzten Teil des Exzerpts auf. Dieser entfaltet in Enneas VI.6 (ŠǸɍȝ ەɍůǺɈɅɉ) eine Zahlenlehre, die dieselbe Korrelation von Einheit, Dyade, Triade und Tetrade mit Gott, Nous (qua unendlicher Dyade der Formen aller Dinge), Seele, und Zahl (Form) der natürlichen Dinge postuliert wie im vorliegenden Text 353 . Ibn al-Շayyib scheint sich diese Doktrin nicht zueigen gemacht zu haben, doch ist es oft schwierig, Ibn al-Շayyibs eigene Positionen unter den in seinen Werken referierten Ansichten deutlich zu erfassen. In seinem Kommentar zu Porphyrius’ berühmter Aussage, in der Isagoge die Frage nach der Existenz von Gattungen und Arten als solchen nicht diskutieren zu wollen 354 , beschreibt Ibn al-Շayyib drei Positionen. Zunächst schreibt er Platon selbst die oben erwähnte triadische Konzeption der Seinsweisen der Universalien zu, deren erste in ihrer ununterschiedenen Existenz in Gott besteht: „Platon war der Ansicht, dass Gattungen und Arten drei [verschiedene] Seinsweisen haben, [von welchen eine] in ihrer Existenz vor der Vielheit (wujŧdan qabla l-kathra) [besteht]. [Platon] war nämlich der Ansicht, dass die Formen in Gott (צinda l-bĂri)ץ, dem Gepriesenen, existiert haben, bevor er irgendetwas erschaffen hat, denn er war der Ansicht, dass in Gott, dem Erhabenen, die Formen des Menschen, des Esels, und des Goldes [gewesen sind], nach deren Urbild (צalĂ mithĂlihĂ) die Natur wirkt, wenn sie etwas hiervon bewirkt.“ 355 351 352 353
354 355
Aristoteles, Metaph. I (A) 6, 987 b 18 f. Cf. ibid., 987 b 15-18. Vgl. dazu Svetla Slaveva-Griffin, Plotinus on Number, Oxford: Oxford University Press, 2009, bes. pp. 103-17. Porphyrios, Eisagôgê, Kap. 1, 1 a 10 ff. Kwame Gyekye, Ibn al-ήayyib’s Commentary on Porphyry’s Eisagoge. Arabic Text Edited with Introduction and a Glossary of Greek-Arabic Logical Terms. Beyrouth: Dar el-Machreq, 1986, p. 54, l. 1-4.
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Demzufolge lehrte Platon, dass transzendente Formen in Gott existieren und als Urbilder der Schöpfung dienten, die nicht vermittels des Demiurgen, sondern durch die Natur vollzogen wurde. Gegen diese Ansicht, so erklärt Ibn al-Շayyib weiter, hätten „die Kommentatoren“ (al-mufassirŧn) Aristoteles („den Philosophen“, alfaylasŧf ) ins Feld geführt, der sie für unstatthaft befunden habe und die Platonische Form als göttliche Macht (qudra) und Gottes Wissen (צilm) von dem, was er zu bewirken beabsichtige, interpretiert habe. Aristoteles’ Rationale habe in dem Argument bestanden, dass man von allem, was man bewirken wolle, zuvor Wissen und einen Begriff haben müsse und dass Platon lediglich diesen Begriff „Form“ genannt habe 356 . Aber Ibn al-Շayyib bezweifelt sowohl, dass Aristoteles jemals Derartiges gelehrt habe, als auch, dass es seiner Überzeugung gerecht werde. Vielmehr habe Aristoteles die Ansicht vertreten, dass die Formen nur in dem Vielen als natürliche Arten und Gattungen und nach dem Vielen als logische Arten und Gattungen existierten. Ob Ibn al-Շayyib einer der drei genannten Positionen zuneigt, wird an dieser Stelle nicht recht klar. Wenig später macht er immerhin deutlich, dass Universalien seines Erachtens eine mentale Existenz haben: „Es ist wohl nicht unangemessen, wenn wir [kurz] von unserem [eigentlichen] Ziel abschweifen und aufzeigen, dass Gattungen und Arten existieren, auch wenn dies nicht Teil unserer [eigentlichen] Fragestellung ist. Wir sagen also: Wenn es individuelle Menschen oder Individuen irgendeiner beliebigen Art gibt, die in einer Sache übereinstimmen (tattafiqu fĮ maצnan wĂͧid), muss die Art [dieser Individuen] existieren, während sie es sind, die [in dieser Sache] übereinstimmen 357 . Folglich existiert die Art. 356
357
Cf. ibid., p. 54, l. 4-7. Wie P. Adamson, “The Baghdad School on Universals”, p. 161, bemerkt, kommt diese von den Kommentatoren dem Aristoteles in den Mund gelegte Ansicht der Position Yaԉy ibn AdÁs nahe. „IllĂ annahĂ tattafiqu” ist nicht ganz klar. Wenn diese Lesung korrekt ist, will Ibn al-Շayyib vermutlich differenzieren zwischen der Existenz der übereinstimmenden Eigenschaft oder Natur in den Individuen und der Existenz der Übereinstimmung ungeachtet der Individuen, in welchen sie existiert. Allerdings verzeichnet Gyekye (p. 56, Anm. 4) für vorangehendes mawjŧdun auch die Lesart mawjŧdan. Es könnte sich daher bei dem Alif von illĂ auch um eine Korruptel handeln, was zu bedenken gibt, ob statt des verbleibenden lĂ annahĂ nicht liannahĂ zu lesen ist, also: „muss die Art [dieser Individuen] existieren, denn sie stimmen [hierin] über“.
11. Ibn al-Շayyib
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Dass nun die [Individuen in einer Sache] übereinstimmen, wird daraus ersichtlich, dass, wenn du das Wort ,Mensch· artikulierst, sowohl Zayd als auch Umar und sonst jemand darauf reagieren und nicht leugnen werden, dass dieses [Wort auf sie zutrifft]. Hieraus erhellt, dass es den Begriff (fahm) von etwas [gibt], worin sie übereinstimmen; und dieses Etwas ist die Art, und im Menschen ist dies ,sterbliches, vernunftbegabtes Lebewesen·. In analoger Weise erkennen wir, dass die Gattung existiert aufgrund der Übereinstimmung von Mensch und Esel in einer Sache.“ 358
Die Frage, ob diese mentale Existenz der Universalien ihre einzige Existenzweise ist, problematisiert Ibn al-Շayyib nur indirekt in der unmittelbar folgenden Bemerkung. Diese bezieht sich auf das Wort faqaί (= ɈŲɉлůɎ) in Porphyrius’ Satz „ob sie [i.e. Gattungen und Arten] etwas Wirkliches sind oder nur auf unseren Vorstellungen beruhen“359 . Ibn al-Շayyib erklärt: „Das Wort ,nur· wird auf zwei [verschiedene] Weisen ausgesagt, [zum einen] von etwas, das ein Unikum ist und von dem es kein Zweites gibt, wie man von der Sonne sagt, sie sei einzig, und [zum anderen] von etwas, das man von anderem unterscheiden will, wie man von jemandem auf einem Feldzug sagt, er habe nur einen Bogen bei sich, um ihn von jemandem zu unterscheiden, der [noch] irgendeine weitere Waffe bei sich hat. [Porphyrius] verwendet hier [das Wort ,nur·] in der zweiten Bedeutung.“
Mit anderen Worten, Ibn al-Շayyib stellt sich die (angesichts des Kontexts befremdliche) Frage, ob Porphyrius meint, dass Gattungen und Arten die einzigen Dinge sind, die auf unseren Vorstellungen beruhen, oder aber, dass Gattungen und Arten sich darin von anderen Gegenständen der Vorstellung unterscheiden, ausschließlich auf Vorstellungen zu beruhen, während andere Gegenstände der Vorstellung auch „wirklich“ existieren. Ibn al-Շayyib optiert für die zweite Interpretation, was freilich durchaus nicht zwingend bedeutet, dass er selbst 358 359
Ibn al-ήayyib’s Commentary on Porphyry’s Eisagoge, p. 56, l. 12-20. Porphyrios, Eisagôgê, Kap. 1, 1a 10 f.: [...] ɌǸɍȝ ɐɅɉ мǸɉɅɉ ɐǸ олȝ ǸŵǷɅɉ ɐȟ Ɉșɉ ǸŹɐǸ ȊɒūɏɐноǸɉ ǸŹɐǸ олȝ ǻɉ ɈŲɉлůɎ ɔůɇлƇɎ ǻɌůɉɋŭлůɎ оǸƇɐлů; die von Ibn al-Շayyib zitierte arabische Übersetzung lautet: [...] fĮ l-ajnĂsi wa-l-anwĂצi hal hiya mawjŧdatun am innamĂ hiya maw͏ŧצatun fĮ l-awhĂmi l-mursalati faqaͶ, K. Gyekye, Ibn alήayyib’s Commentary on Porphyry’s Eisagoge, p. 55, l. 19 f. Deutsche Übersetzung: Aristoteles. Kategorien. Lehre vom Satz (Peri hermeneias) (Organon I/II). Vorangeht Porphyrius. Einleitung in die Kategorien. Übersetzt, mit einer Einleitung und erklärenden Anmerkungen versehen von Eugen Rolfes. Hamburg: Felix Meiner, 1974, p. 11.
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Universalien als ausschließlich auf Vorstellungen oder Begriffen beruhend, als post rem, begreift, sondern lediglich, dass dies die seines Erachtens von Porphyrius aufgeworfene Frage ist. Ich stimme Peter Adamson darin zu, dass Ibn al-Շayyib in den sinnlichen Dingen eine hinreichende ontologische Grundlage für wahres Wissen von der Sinnenwelt und allem hieraus Abstrahierbaren sieht 360 . Aus seinem Isagoge-Kommentar wird des Weiteren deutlich, dass er die körperliche Existenz von Universalien beziehungsweise Universalien in den Particularia ablehnt 361 . Ich sehe jedoch nicht so klar wie Adamson, dass Ibn al-Շayyib Universalien ausschließlich als Formen in der Seele begreift 362 . Zwar ist an den von Adamson genannten Stellen des Kategorienkommentars von universalen Formen in der Seele die Rede, doch werden Universalien an keiner Stelle explizit auf diese, aus den sinnlichen Particularia abstrahierten Formen begrenzt. Im Gegenteil, Ibn al-Շayyib delegiert die hier aufgeworfene Frage mit folgenden Worten an die Metaphysik: „Was die [von Porphyrius erwähnte] Untersuchung angeht, die umfassender als die hier [vorgelegte] ist, so meint er damit die Metaphysik. Denn dort werden die summa genera und die universalen Arten untersucht, insofern sie existieren (min ͧaythu hiya mawjŧda).“ 363
Diese Bemerkung scheint eher anzudeuten, dass Ibn al-Շayyib durchaus eine Existenz der Universalien ante rem in Erwägung zieht, da zuvor das bloße Setzen (maw͏ŧצa = оǸƇɐлů) der Universalien in der Seele von ihrer („wirklichen“) Existenz (mawjŧda = ȊɒūɏɐноǸɉ) zumindest sprachlich geschieden wurde. Vergleichbare Bemerkungen sind an weiteren Stellen seiner Kommentare zur Isagoge und zu Aristoteles’ Kategorien zu finden. So verweist Ibn al-Շayyib mehrfach auf Aristoteles’ epistemologische Doktrin, dass eine Wissenschaft nicht die Existenz ihres Untersuchungsgegenstands beweist, weshalb die Logik die Existenz der universalen Formen (al-Υuwar al-צĂmmiyya) oder summa genera (al-ajnĂs al-צawĂlĮ) voraussetzen müsse 364 . Folglich kann es im 360 361 362 363 364
Cf. P. Adamson, “The Baghdad School on Universals”, pp. 160-62. Cf. K. Gyekye, Ibn al-ήayyib’s Commentary on Porphyry’s Eisagoge, p. 57, l. 6-10. P. Adamson, “The Baghdad School on Universals”, p. 162 f. und Anm. 39. K. Gyekye, Ibn al-ήayyib’s Commentary on Porphyry’s Eisagoge, p. 58, l. 3-5. Cf. K. Gyekye, Ibn al-ήayyib’s Commentary on Porphyry’s Eisagoge, p. 37, l. 4-6, p. 53, l. 5-14, p. 68, l. 17-20; Cleophea Ferrari, Der Kategorienkommentar von Abŧ l-
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Rahmen der Logik keine Gewissheit darüber geben, dass die von ihr untersuchten Universalien, die allesamt in der Seele existieren, die Gesamtheit der Universalien oder die Gesamtheit ihrer Existenzweisen ausmacht. In diesem Zusammenhang ist es bedeutsam, dass Ibn al-Շayyib (offenbar an Ibn SÁn anschließend) unterscheidet zwischen dem Universalen, insofern es universal ist, und dem Universalen, insofern es Wesen ist (min ͧaythu huwa dhĂt) 365 . Die Logik betrachtet das Universale, insofern es universal ist (min ͧaythu huwa צĂmm) und insofern ihm Universalität und Partikularität als Bedeutung anhaften (min ͧaythu yalzamuhĂ maצnĂ l-khuΥŧΥi wa-l-צumŧm), nicht, insofern es Wesen ist 366 . Universalität und Partikularität als Bedeutung haften den Universalien aber nur an, insofern es sich bei ihnen um aus sinnlichen, partikularen Substanzen abstrahierte Formen in der Seele handelt. In diesem Sinne sind Universalien tatsächlich „zweite Substanzen“ und den Particularia nachgeordnet, wie Aristoteles nach Ibn al-Շayyibs Ansicht richtig feststellt 367 . Andererseits ist zu beachten, dass die Particularia zwar Prinzip der Universalien qua Universalien sind, nicht aber Prinzip der Universalien qua Wesen. Vielmehr gilt umgekehrt: „Das Universale, insofern es existentes Wesen ist (min ͧaythu huwa dhĂtun mawjŧda), ist Prinzip (mabda )ץdes Partikularen; und aus dem Umstand, dass das Universale, insofern es Wesen ist, existiert, folgt nicht (laysa ... yalzamu) die Existenz des Partikularen, denn aus der Existenz von Prinzipien folgt nicht die Existenz des Zusammengesetzten.“ 368
Mithin sind die Universalien, die Gegenstand der Logik sind, und die Universalien, die Gegenstand der Metaphysik sind, nicht notwendig koextensional. Ob es tatsächlich transzendente, metaphysische Uni-
365
366
367
368
FaraƏ צAbdallĂh ibn aί-ήayyib. Text und Untersuchungen. Aristoteles SemiticoLatinus, vol. 19. Leiden-Boston: Brill, 2006, p. ˻˽, l. 32 – p. ˻˾, l. 8. Cf. ibid., p. ˺˼˹, l. 25-29, p. ˺˼˾, l. 8-10; K. Gyekye, Ibn al-ήayyib’s Commentary on Porphyry’s Eisagoge, p. 37, l. 4 ff. Cf. ibid. und C. Ferrari, Der Kategorienkommentar von Abŧ l-FaraƏ צAbdallĂh ibn aί-ήayyib, p. ˻˻, l. 17-21. Vgl. auch P. Adamson, “The Baghdad School on Universals”, p. 163, Anm. 43. Cf. C. Ferrari, Der Kategorienkommentar von Abŧ l-FaraƏ צAbdallĂh ibn aί-ήayyib, p. ˺˼˻, l. 25 - p. ˺˼˼, l. 9. Cf. ibid., p. ˺˼˹, l. 26-28.
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versalien gibt, lässt Ibn al-Շayyib freilich in den beiden hier betrachteten Kommentaren offen. Die einzigen Dinge, die er in diesem Zusammenhang erwähnt, sind „die göttliche Substanz, die Substanz des Nous, und die von Platon gelehrten Formen, sofern sie existieren“ 369 . Ob und inwiefern es sich hierbei um transzendente Formen oder absolute Universalien handelt, wird in diesen Schriften nicht deutlich. Immerhin scheint Ibn al-Շayyib auszuschließen, dass es sich bei diesen göttlichen Entitäten um Prinzipien der Universalien handelt: „Es ist nicht möglich, die summa genera, die absolut einfach sind, zu definieren, zu analysieren, oder zu beweisen, denn diese drei [Erkenntnis-] methoden erfordern zu ihrer Vollständigkeit Prinzipien (al-mabĂdi)ץ. Die zehn summa genera aber haben keine Prinzipien.“ 370
Angesichts solcher Bemerkungen ist zu bezweifeln, dass Ibn al-Շayyib von einer platonisierenden Interpretation der aristotelischen Universalien freizusprechen ist. Da keine weiteren Schriften Ibn al-Շayyibs zum Thema erhalten sind, ist seine Position zu den Platonischen Formen jedoch nicht näher zu bestimmen.
12. Platonische Formen in der Sicht einiger Schüler und Kritiker Ibn SÁns im 11. und 12. Jahrhundert Ibn SÁns methodischer Zugang zur platonischen Ideenlehre hinterlässt deutlich geringere Spuren in der nachfolgenden arabisch-islamischen Philosophie als viele andere Elemente seines philosophischen Systems. Der wichtigste Vertreter der ersten Schülergeneration, Bahmanyr ibn al-Marzubn (gest. 458/1066), zeigt in seinem Hauptwerk, dem KitĂb al-TaͧΥĮl, kein großes Interesse an Platonischen Formen. Nicht einmal in dem Kapitel über das Universale und das Partikulare nimmt er in diesem Werk hierzu Stellung 371 . Auch auf die Theorie der idealen Zahlen geht er nirgends näher ein. Stattdessen äußert er sich zu transzen369
370 371
Cf. ibid., p. ˺˼˼, l. 22 f.: al-jawhar al-ilĂhiyyu wa-jawharu l-צaqli wa-l-Υuwaru llatĮ yaqŧlu bihĂ FlĂίun in kĂna lahĂ wujŧd. Cf. ibid., p. ˺˻˾, l. 27-30. Cf. Bahmanyr ibn al-Marzubn, KitĂb al-TaͧΥĮl. Ed. Murtaӱ MuՈahharÁ. Intishrt-i Dnishgh-i Tihrn, vol. 2310, Tihrn: MuΊassasa-i Intishrt wa-ɛp-i Dnishgh-i Tihrn, 1375/1996, pp. 499-502.
12. Schüler und Kritiker Ibn SÁns
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denten Formen und Idealzahlen, ohne weiter zwischen diesen zu differenzieren, in einem Kapitel, das sich mit der Frage befasst, ob eine Substanz als Gegenstand des Wissens, i.e. qua intelligibile, in gewissem Sinne zu einem Akzidens in der Seele oder im Intellekt wird 372 . Dieses Kapitel ist eine Paraphrase von Ibn SÁns Metaphysik des KitĂb al-ShifĂץ, Buch III, Kap. 8, wo Ibn SÁn aufzeigt, dass die Quiddität einer Substanz, die extramental substantiell existiert, ohne ihre Substantialität einzubüßen gleichwohl im Intellekt akzidentell existieren kann. In diesem Kapitel erwähnt Ibn SÁn eher beiläufig, dass dies sogar für transzendente Formen und mathematische Gegenstände gelten muss, was Bahmanyr um einen Hinweis auf Platons Lehre ergänzt 373 . Jedoch wird die ausführliche Kritik der Theorie der idealen Zahlen, vorgetragen in den IlĂhiyyĂt VII.2-3, aber auch in KitĂb al-HidĂya und KitĂb al-NajĂt, sowohl von Abʗ l-Abbs al-LawkarÁ (gest. 517/ 1123) als auch von Fakhr al-DÁn al-RzÁ (gest. 606/1209) übernommen und in demselben Kontext wie in Ibn SÁns Metaphysik präsentiert. Al-LawkarÁ folgt in den Kapiteln 39-41 von Teil I seiner Metaphysik strukturell und inhaltlich exakt dem avicennischen Argumentationsgang 374 . Nicht ganz so eng an Ibn SÁn angelehnt, gleichwohl in demselben kontextuellen Rahmen der Erörterung von Einheit und Vielheit und der Arten ihrer Gegensätzlichkeit, geht Fakhr al-DÁn al-RzÁ in seiner philosophische Enzyklopädie mit dem Titel al-MabĂͧith al-mashriqiyya fĮ צilm al-ilĂhiyyĂt wa-l-ίabĮצiyya („Luzide Studien zur Metaphysik und zur Physik“) auf die Theorie der idealen Zahlen und pythagoreische Lehren ein 375 . Hieran knüpft er unmittelbar eine Erörterung der 372
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Ibid., Buch II, Kap. 2, pp. 401-404 (FĮ ͧalli shubhatin fĮ kawni l-צilmi צara͏an, “Lösung einer Aporie betreffs der Akzidentalität des Wissens”). Man vergleiche Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 143, l. 10 – p. 144, l. 6 mit Bahmanyr, KitĂb al-TaͧΥĮl, p. 402, l. 14 – p. 403, l. 9. Cf. Abʗ l-Abbs Faӱl ibn Muԉammad al-LawkarÁ, BayĂn al-ͧaqq bi-͏amĂn alΥidq: al-צIlm al-ilĂhĮ. Ԉaqqaqahʗ wa-qaddama lahʗ IbrhÁm DÁbjÁ. Al-Fikr alIslmÁ, vol. 2. Շihrn: al-Mahad al-lÁ al-lamÁ li-l-fikr wa-l-ԉaӱra al-islmiyya, 1373/ 1995, pp. 248-62. Fakhr al-DÁn Muԉammad ibn Umar al-RzÁ, al-MabĂͧith al-mashriqiyya fĮ צilm al-ilĂhiyyĂt wa-l-ίabĮצiyya. TaԉqÁq wa-talÁq Muԉammad al-Mutaהim bi-llh alBaghddÁ. 2 vols. Bayrʗt: Dr al-Kitb al-ArabÁ, 1410/1990. Buch I, Kap. 3 dieses Werks hat das Eine und das Viele zum Gegenstand. In Abschnitt 19 dieses
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Platonischen Formen und Urbilder (muthul) an, die er in folgendem Zusammenhang mit den Idealzahlen sieht: „Platon postulierte für die natürlichen Dinge transzendente Formen, nicht jedoch für die mathematischen Entitäten. Andere von denen, [die Urbilder annahmen,] sahen die Sache umgekehrt. Sie postulierten [transzendente Formen] für die mathematischen Entitäten, nicht aber für die natürlichen Dinge, und behaupteten, dass die natürlichen Dinge nur dadurch entstehen, dass die mathematischen Formen von der Materie abgetrennt sind.“ 376
Hier ist bereits deutlich zu erkennen, dass die ursprüngliche Problematik des Verhältnisses von Idealzahlen und Ideen nicht mehr bekannt war. Die beiden genannten Positionen, von denen die erste ein vager Reflex der von Aristoteles beschriebenen ɈǸɐлɊȢ-Doktrin sein könnte, während mit der zweiten Position vermutlich die Lehre der Pythagoreer gemeint ist, reduzieren die aristotelische und avicennische Kritik auf die Frage, ob transzendente Formen Urbilder der Mathematica oder der natürlichen Dinge sind. Was die Platon zugeschriebene Lehre mit der Theorie der Idealzahlen und damit mit dem Thema des Kapitels zu tun hat, expliziert Fakhr al-DÁn al-RzÁ nicht. Erwähnt (und im Folgenden widerlegt) werden Platonische Urbilder nur deshalb an dieser Stelle, weil Ibn SÁn in demselben Kontext expliziter als an anderen Stellen auf Platon Bezug nimmt 377 . Dagegen erkennt al-LawkarÁ noch die unmittelbare Relevanz der Ideenlehre für die avicennische Universalienlehre und befasst sich mit Platonischen Formen auch in seinem Kapitel über das Universale und das Partikulare, jedoch ohne Neues hierzu beizutragen 378 . Obwohl Abʗ l-Barakt al-BaghddÁ (gest. ca. 547/1152) mit Ibn SÁns Schriften nachweislich gut vertraut ist, greift er in seinen Be-
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Kapitels (vol. 1, p. 199 f.) befasst sich Fakhr al-DÁn al-RzÁ mit den idealen Zahlen. Ibid., vol. 1, p. 202, l. 11-13; vgl. auch die Überleitung zu diesem Abschnitt, ibid., vol. 1, p. 200, l. 24 f. Bezeichnenderweise geht al-RzÁ auf Platonische Formen und Urbilder weder — wie Bahmanyr— in dem Kapitel der MabĂͧith al-mashriqiyya ein, das sich mit Ibn SÁns KitĂb al-ShifĂץ: IlĂhiyyĂt III.8, also dem Problem der Akzidentalität substanzieller Formen im Intellekt, befasst (cf. vol. 1, p. 458 f.), noch in den Kapiteln über das Verhältnis von Particularia und Universalia (cf. ibid., vol. 1, pp. 162-68), noch auch in dem Kapitel über die transzendenten Substanzen (al-jawĂhir al-mujarrada) (cf. vol. 2, pp. 453-63). Cf. al-LawkarÁ, BayĂn al-ͧaqq bi-͏amĂn al-Υidq: al-צIlm al-ilĂhĮ, pp. 154-72.
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trachtungen zu Platonischen Formen ausschließlich auf den (pseudo?-) farabischen Traktat Über die Harmonie der Ansichten der beiden Weisen, des Göttlichen Platon und Aristoteles’ und die arabischen Neoplatonica zurück. Abʗ l-Barakt al-BaghddÁ ist vermutlich der erste wichtige Vertreter einer Strömung im 12. Jahrhundert, die sich durch die Verknüpfung einer prinzipiell antiavicennische Haltung mit —tatsächlichen und vermeintlichen— platonischen Positionen auszeichnet. Den ersten kontextuellen Rahmen für die Erwähnung Platonischer Urbilder bildet Abʗ l-Barakts Widerlegung der aristotelischen Kategorienlehre. Entgegen Analytica Posteriora II 7, 92 b 13 f., ist für Abʗ l-Barakt das Sein (al-wujŧd) Gattung aller Seienden 379 . Sein umfasst „Seiendes im Sein“ (al-mawjŧd fĮ l-wujŧd) oder „Sein in den Einzeldingen“ (alwujŧd fĮ l-aצyĂn) ebenso wie Seiendes und Nichtseiendes (al-maצdŧm) im Intellekt oder im Wissen (fĮ l-adhhĂn/l-צilm). Die begriffliche Form (Υŧra dhihniyya), gleich ob Form von extramental Seiendem oder von Seiendem oder Nichtseiendem im Intellekt, ist daher stets sowohl intellektual Seiendes wie „Seiendes im Sein“. Der Begriff des Seins begleitet alle Vorstellungen oder Begriffe von Seiendem und Nichtseiendem auf allen Ebenen des Seins 380 , wenn auch auf unterschiedliche Weisen: „Daher nennen die Gelehrten (al-צulamĂ )ץdie Welt des Intellekts (צĂlam al-צaql) und die Welt der natürlichen Dinge und die Welt der Seele ·ähnliche WeltenϡΈ (צawĂlim mutashĂbiha), weil die in ihnen [befindlichen] Seienden einander in ihrem Bezug auf sie (bi-l-nisbati ilayhĂ, i.e., auf die jeweilige begriffliche Form) ähneln. Platon spricht von der Welt der Göttlichkeit (צĂlam al-rubŧbiyya), der Welt des Intellekts, der Welt der Seele, und der Welt der natürlichen Dinge. Die Welt der Göttlichkeit ist [für ihn] die Welt der Ursachen und ersten Prinzipien, die Welt des Intellekts ist die Welt der ersten Instanzen (bidĂyĂt) und der primären Urbilder (al-muthul al-awwaliyyĂt), die Welt der Seele ist das Bindeglied (al-jĂmi )צzwischen dem, was als Gegenstand des Wissens durch Seiendes verursacht wird (bayna mĂ yatasabbabu צilmuhŧ mina l-mawjŧd), und dem, was als Seiendes durch das Wissen von ihm verursacht wird (mĂ yatasabbabu l-mawjŧdu min צilmihĮ). Die Welt der natürlichen Dinge ist [für ihn] 379
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Abʗ l-Barakt Hibat Allh ibn AlÁ ibn Malk al-BaghddÁ, KitĂb al-Muצtabar fĮ lͧikma. Ed. DΊirat al-Marif al-Uthmniyya. 3 vols. Ԉaydarbd 1357-8/1938-9, vol. 3, pp. 16-20. Cf. Platon, Theaetet 185-186.
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die Welt der verursachten Dinge 381 , die notwendig aus den Intelligibilia hervorgehen, ohne dass letztere von ihnen verursacht wären.“ 382
In allen vier Welten sind Seiendes und Wissen von Seiendem auf je unterschiedliche, gleichwohl „ähnliche“ Weisen aufeinander bezogen. Da die je niedere Welt und ihre Gegenstände des Wissens in der je höheren aufgehoben sind, spricht nichts gegen die These, dass Gott Wissen von allen Seienden hat 383 . Abʗ l-Barakt kommt daher auch in seinem Kapitel über das göttliche Wissen 384 auf Platonische Urbilder zu sprechen. Hier dienen nun die Platonischen Urbilder, die für Abʗ lBarakt die spezifisch göttliche Form des Verhältnisses von Seienden und Begriff vom Sein darstellen, implizit als Argument gegen Ibn SÁns Theorie des göttlichen Wissens: „Evidenter als das [vorangehende Beispiel] ist Platons Lehre von der Welt der Seele, denn er begriff 385 jede wissende Seele als eine Welt, insofern sie die Gegenstände des Wissens umfasst, und die gesamte Art der Seele als eine Welt 386 in der die Welten [der Einzelseelen enthalten] sind. Entsprechendes lehrte er von der Welt des Intellekts und von der Welt der Göttlichkeit. Mit anderen Worten: in der Welt der Göttlichkeit verhalten sich die Gegenstände des Wissens zu den seienden Dingen und den übrigen Gegenständen des Wissens, die der Welt des Intellekts und der Welt der Seele angehören, so wie die Gegenstände des Wissens, die der Welt der Seele angehören, in Relation zu den seienden Dingen stehen. Allerdings hast du ja bereits gelernt, dass zu den begrifflichen Formen (alΥuwar al-dhihniyya) solche gehören, die Ursache des Seienden sind, wie die Form des Fußreifs in der Seele des Goldschmieds, sowie solche, deren Ursache Seiendes ist, wie im Fall der Form der Sonne oder des Mondes im Begriffsvermögen des sie erkennenden [Menschen]. Die Wissensformen in der Welt der Göttlichkeit sind allesamt von der Art des [Beispiels von] Fußreif und Goldschmied, nicht von der Art wie sich [die Formen von] Sonne und Mond zum Menschen verhalten. Deshalb spricht Platon von [ihnen als] Urbilder und Modellen (al-muthul wa-l-qawĂlĮb). 381
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384 385 386
Ich lese mit Ms. Köprülü al-maצlŧlĂt anstelle von al-maצqŧlĂt („der intelligiblen Dinge“). Abʗ l-Barakt al-BaghddÁ, KitĂb al-Muצtabar fĮ l-ͧikma, vol. 3, p. 20, l. 6-12. Cf. ibid., vol. 3, p. 88: „fa-lĂ mĂniצa yamnaצunĂ wa-lĂ ͧujjata tadfaצunĂ צan an naqŧla bi-anna llĂha taצĂlĂ yudriku sĂץira l-mawjŧdĂt“. Abʗ l-Barakt al-BaghddÁ, KitĂb al-Muצtabar fĮ l-ͧikma, vol. 3, pp. 88-93. Ich lese fa-yarĂ anstelle von fa-tarĂ der Edition. Zu lesen ist wohl צĂlaman anstelle von צĂlam der Edition.
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Und wie sollte dem nicht so sein, da sie doch die wahrhaftigen Urbilder (al-muthul al-ͧaqĮqiyya) sind, wohingegen die seienden Dinge das ihnen Ähnliche und ihre Kopie (mithluhĂ wa-nuskhatuhĂ) sind.“ 387
Drittens schließlich dienen Platonische Formen Abʗ l-Barakt als Beispiel im Rahmen seiner Widerlegung der Position, der zufolge die Form stets das Wirkende und das Substrat stets das Erleidende und damit das der Form hinsichtlich seiner Ehrwürdigkeit (sharaf) Untergeordnete sei 388 . Diese Doktrin ist offensichtlich nicht vereinbar mit der Lehre von Gott als Substrat oder Ort (maͧall) der Urbilder oder von den engelhaften Intellekten (al-צuqŧl al-malץakiyya) als Ort der „wirkenden Formen“ (al-Υuwar al-faצצĂla). Sie gilt aber Abʗ l-Barakt zufolge nur im Bereich der Natur und der seelischen Formen von natürlichen Dingen 389 , nicht im Bereich nicht-natürlicher seelischer Formen wie etwa Gnade (raͧma) oder Freigebigkeit (karam), da hier die Form nur Mittel der Wirkung, das Wirkende und Ehrwürdigere aber die Seele qua Substrat (maͧall) selbst ist. Das Substrat solcher kognitiver oder intelligibler Formen (al-Υuwar al-צilmiyya/al-maצqŧla) kann daher durchaus ehrwürdiger als die Form selbst sein und dieser erst durch sein Wissen von ihr Ehrwürdigkeit verleihen. Es ist folglich die Ehrwürdigkeit der hierarchisch geordneten Welten der Göttlichkeit, des Intellekts und der Seele, die als Substrate und Wirkursachen von Urbildern, noetischen und seelischen Formen über deren Ehrwürdigkeit stehen und diese bestimmen, nicht umgekehrt 390 . Dass Ibn SÁns Kritik der platonischen Ideenlehre im 11. und 12. Jh. ohne bemerkenswerten Einfluss bleibt, lässt sich des Weiteren an der kenntnisreichen Doxographie eines Zeitgenossen von Abʗ lBarakt al-BaghddÁ ablesen: Abʗ l-Fatԉ Muԉammad al-ShahrastnÁ (gest. 548/1153) geht auf diese Kritik an keiner Stelle seiner relativ 387
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389
390
Abʗ l-Barakt al-BaghddÁ, KitĂb al-Muצtabar fĮ l-ͧikma, vol. 3, p. 92, l. 22 – p. 93, l. 7. Diese Position wird explizit „den Alten“ (al-qudamĂ )ץzugeschrieben und indirekt mit Aristoteles verknüpft; cf. ibid., vol. 3, p. 140, l. 19, p. 141, l. 1. Gegenstand des Kapitels ist „der Unterschied zwischen Materie, Seele und Intellekt hinsichtlich der Formen und Akzidenzien, denen sie als Substrat dienen“ (al-farq bayna lhayŧlĂ wa-l-nafs wa-l-צaql min jihat mĂ yaͧulluhĂ min al-Υuwar wa-l-aצrĂ͏). Deshalb habe Platon gesagt, dass die Materie zur Form hin bewegt werde, nicht die Form zur Materie, da die seelischen und natürlichen Formen die Körper zu ihren natürlichen Orten bewegten; cf. ibid., vol. 3, p. 141. Cf. ibid., vol. 3, p. 144 f.
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umfangreichen Darstellung der Philosophie Ibn SÁns in seinem Buch über Religionsgemeinschaften und Sekten 391 ein. Diese Doxographie darf als ein Zeugnis für einen überdurchschnittlich hohen Kenntnisstand über die Philosophie Platons in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts gelten. Auch in den Abschnitten über antike griechische Philosophen wird Ibn SÁn nicht im Zusammenhang mit platonischen Lehren erwähnt, jedoch fünfmal als Kommentator und Kritiker aristotelischer Lehren 392 . Was al-ShahrastnÁ über Platonische Formen und Urbilder zu berichten weiß, ist anderen Quellen entnommen. Er schreibt 393 : [1.] „[Platon] lehrte: [Gott] erschuf den Ersten Intellekt und mittels des [Ersten Intellekts] die universale Seele. [Diese] ist aus dem [Ersten] Intellekt emaniert [wie] eine Form in einem Spiegel [aus dem Original] emaniert. Und mittels dieser beiden [erschuf Er] die Materie. [...] [2.] Für jedes individuelle Seiende im kosmos aisthêtos postulierte er [die Existenz] eines nichtindividuellen Urbilds (mithĂlan ghayra mushakhkhaΥ) im kosmos noêtos. Diese [Urbilder] nennt man ·Platonische UrbilderϡΈ (almuthul al-aflĂίŧniyya). [3.] Erste Prinzipien sind [seiner Ansicht nach] einfache Dinge (basĂץiί). Urbilder sind ebenfalls einfach (mabsŧίĂt), [sinnliche] Einzeldinge hingegen zusammengesetzt. Der sinnliche zusammengesetzte Mensch sei daher [nur] in partikularer Weise jener einfache intelligible Mensch (juzץiyyu dhĂlika l-insĂni l-mabsŧίi l-maצqŧl 394 ), und entsprechend jede [andere] Art von animalischen und pflanzlichen Lebewesen und Mineralien. [4.] [Platon] lehrte: Die seienden Dinge in dieser Welt sind Spuren [von Wirkungen] (ĂthĂr) 395 der seienden Dinge in jener Welt. Jede Spur [einer Wirkung] sei auf gewisse Weise dem Bewirkenden ähnlich. Weiter lehrte er: Da der menschliche Intellekt aus jener Welt stammt, erkennt er von dem Sinnlichen ein intelligibles, von der Materie abge391
392 393 394
395
Abʗ l-Fatԉ Muԉammad al-ShahrastnÁ, Mawsŧצat al-Milal wa-l-niͧal. Bayrʗt: MuΊassasat Nהir li-l-Thaqfa, 1981, pp. 198-230. Ibid., pp. 180, 187, 194, 198. Ibid., p. 165a23 – 166a31. Jolivet und Monnot beziehen al-mabsŧί al-maצqŧl („einfach intelligibel“) irrtümlich auf den „partikularen Menschen“; cf. Shahrastani, Livre des religions et des sectes. Traduction avec introduction et notes par Jean Jolivet et Guy Monnot. 2 vols. Collection Unesco d’œuvres représentatives. Série arabe. [n.p.] Peeters, 1986, vol. 2, p. 223. Cf. supra, Anm. 227.
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trenntes Bild (mithĂlan) 396 , welches dem Urbild (al-mithĂl) im kosmos noêtos hinsichtlich seiner Universalität und dem Seienden im kosmos aisthêtos hinsichtlich seiner Partikularität entspricht. Wäre letzteres nicht der Fall, gäbe es nichts dem Erkenntnisinhalt des Intellekts Entsprechendes, extramental Korrespondierendes; und [der Intellekt] könnte etwas [Sinnliches] nicht derart erkennen, dass seine Erkenntnis mit der Wahrheit des Erkenntnisgegenstands übereinstimmt. [5.] [Weiter] lehrte er: Die Welt besteht aus zwei Welten, dem kosmos noêtos, in dem die noetischen Urbilder und die spirituellen Formen (almuthul al-צaqliyya wa-l-Υuwar al-rŧͧĂniyya) sind, sowie dem kosmos aisthêtos, in dem die sinnlichen Einzeldinge und die körperlichen Formen wie [in] einem polierten Spiegel sind, in dem die Formen der sinnlichen Dinge eingeprägt sind, denn die Formen sind in ihm nach Art der Einzeldinge (al-Υuwar fĮhĂ mithlu l-ashkhĂΥ 397 ). Analog ist die Materie in jener [noetischen] Welt ein Spiegel aller Formen dieser [sinnlichen] Welt. In ihr sind alle Formen in ihrer Gesamtheit (jamĮ צal-Υuwar kullihĂ) abgebildet. Allerdings handelt es sich bei der in dem sinnlichen Spiegel eingeprägten Gruppe [von Formen] um Formen der Imagination, die zu existieren [und] durch die Bewegung des Einzeldings bewegt zu werden scheinen, was aber nicht in Wirklichkeit der Fall ist. Hingegen handelt es sich bei der in dem noetischen Spiegel abgebildeten [Gruppe von Formen] um wahre spirituelle Formen (Υuwar ͧaqĮqiyya rŧͧĂniyya), die tatsächlich existieren [und] die Einzeldinge bewegen, ohne [selbst] bewegt zu werden. Die Einzeldinge verhalten sich also zu diesen [spirituellen Formen] wie die Formen in dem [sinnlichen] Spiegel zu den Einzeldingen. [6.] Außerdem haben die [spirituellen Formen] ewiges Sein und unveränderlichen Bestand, und sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Wahrheitsgehalte (ͧaqĂץiq) voneinander wie sich die Einzeldinge hinsichtlich ihres Wesens (dhawĂt) voneinander unterscheiden. [7.] [Weiter] lehrte er: Diese Formen existieren universal, ewig [und] fortdauernd, denn die Form jeder erschaffenen [Entität] ist Teil der Definition 398 der Erschaffung [dieser Entität]. Sie muss also schon [immer] im 396
397
398
Al-ShahrastnÁ denkt hier wohl eher an ein intelligibles „Eben-Bild“ als an ein „modèle“, wie Jolivet und Monnot übersetzen. Die Spiegelmetapher steht einerseits für die Urbild-Abbild-Relation als solche, andererseits für die Ähnlichkeit zwischen Urbild und Abbild und zwischen dem Einzelding und dessen Spiegelbild. Man kann daher auch muthul al-ashkhĂΥ lesen und übersetzen: die Formen „sind Abbilder der persönlichen Gestalten“ (Haarbrücker) / „sont ... les similitudes des êtres singuliers“ (Jolivet, Monnot). FĮ ͧadd in der mir zugänglichen Edition. Jolivet und Monnot übersetzen „dans le domaine“, was auf die Lesart fĮ ͧayyiz schließen lässt.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
Wissen des wahren und ersten [Prinzips], bei welchem die Formen unendlich sind, existiert haben. Wären die Formen nicht mit ihm in seiner Anfangslosigkeit, könnten sie nicht in seinem Wissen fortbestehen. Wären sie nun nicht ewig aufgrund der Ewigkeit seines [Wissens] 399 , würden sie aufgrund der Vergänglichkeit der Materie vergehen. Würden sie aber mit der Materie vergehen, wären sie nicht mit [jenseitiger] Hoffnung und Furcht verknüpft. Da jedoch [schon] die sinnlichen Formen mit [jenseitiger] Hoffnung und Furcht verknüpft sind 400 , lässt dies auf deren Fortbestand schließen. Sie [können] aber nur fortbestehen, wenn ihnen in jener Welt noetische Formen eignen, mit welchen sie sich zu verbinden hoffen und von welchen zurückgelassen zu werden sie fürchten. [8.] [Weiter] lehrte er: Da nun die Gelehrten darin einig sind, dass das Wahrnehmungsvermögen und das Wahrnehmbare sowie der Intellekt und das Intelligible existieren, und [da] wir mit dem Wahrnehmungsvermögen alle Wahrnehmungsgegenstände erfassen und diese [stets] räumlich und zeitlich begrenzt und bestimmt sind, müssen wir folglich mit dem Intellekt alle intelligiblen [Dinge] erfassen, die räumlich und zeitlich unbegrenzt und unbestimmt sind. Letztere sind also noetische Urbilder (muthul צaqliyya). Zu den Lehren, mit welchen Platon aufzeigt, dass diese Unterteilung [eine Einteilung] wirklicher Entitäten ist, gehört [das Folgende] 401 : Wir sehen, dass die Seele einfache und zusammengesetzte Dinge erkennt. Zu den zusammengesetzten Dingen gehören die Arten des Seienden und 399
400
401
Ich lese bi-dawĂmihĮ (scil. bi-dawĂm צilmihĮ ) anstelle von bi-dawĂmihĂ (‚aufgrund ihrer Ewigkeit’). Lamma ΥĂrati l-Υuwaru l-ͧissiyyatu צalĂ rajĂץin wa-khawf ist nicht ganz klar. Vermutlich ist ΥĂra c. צalĂ als analoge Konstruktion zu dem vorangehenden kĂna c. צalĂ zu verstehen. Jolivet/Monnot übersetzen „puisque les formes sensibles sont dans l’espoir et dans la crainte“. Rationale des Arguments scheint der in Teilen der islamischen Theologie gelehrte Schluss vom Offenkundigen auf das Verborgene zu sein. Zum Schluss auf die Existenz ewiger Formen im Wissen Gottes aus den eschatologischen Konzepten jenseitiger Hoffnung und Furcht vgl. oben, p. 52, die dem Plutarch zugeschriebene Position, sowie דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ, Alͦikma al-mutaצĂliya fĮ l-asfĂr al-צaqliyya al-arbaצa, ed. M. Riӱ al-Muծaffar und Riӱ LuՈfÁ, vol. 5, p. 214f. Wa-mimmĂ yuthbituhŧ AflĂίŧn mawjŧdĂtin muͧaqqaqatin bi-hĂdhĂ l-taqsĮmi qĂla ist in mehrfacher Hinsicht problematisch und unklar. Dass hier eine weitere Klasse von Entitäten eingeführt wird, wie die Übersetzung von Jolivet/Monnot suggeriert („Platon pose aussi des êtres [qui existent] indubitablement et qu’il répartit comme suit“), erscheint jedoch nicht plausibel. Dass sich der gesamte folgende Absatz auf den Anfang von § 8 bezieht, wird auch aus den einleitenden Sätzen von § 9 deutlich.
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die Einzeldinge. Zu den einfachen Dingen gehören materielle Dinge, und zwar solche, die von einem Substrat abgetrennt und Zeichen der Particularia (rusŧm al-juzץiyyĂt) sind wie Punkt, Linie, Fläche und mathematischer Körper. Er lehrt, [dass] dies Dinge seien, die durch sich existieren (ashyĂ ץmawjŧda bi-dhawĂtihĂ), und [dass] analog die Konkomitanten des Körpers, wie Bewegung, Zeit und Ort, separate [Entitäten] (mufrada) seien [...], die unabhängig von einem Zugrundeliegenden oder einem Substrat in sich wirklich sind (lahĂ ͧaqĂץiq fĮ dhawĂtihĂ). [Ferner] gehören zu den einfachen Dingen immaterielle Dinge wie das Sein, die Einheit und die Substanz. Der Intellekt erkennt beide Bereiche zusammen als etwas den beiden entgegengesetzten Welten Korrespondierendes: den kosmos noêtos, in dem die noetischen Urbilder sind, mit denen [in der anderen Welt] die sinnlichen Einzeldinge korrespondieren, und den kosmos aisthêtos, in dem die sinnlichen Abbildungen sind, mit denen [umgekehrt] die noetischen Urbilder korrespondieren. Die konkreten Dinge jener Welt sind Spuren (ĂthĂr) in dieser Welt, und die konkreten Dinge dieser Welt sind Spuren in jener Welt. Hierauf gründet er [seine Theorie von] angeborenem Wissen (fiίra) und Prädestination (taqdĮr) 402 . [9.] Zu diesem Teil [seiner Lehren gibt es] Erklärungen und [Zeugnisse der] Zustimmung 403 . Auch Aristoteles und die Peripatetiker sprechen ihm die Richtigkeit eines solchen universalen Begriffs (hĂdhĂ l-maצnĂ l-kullĮ) nicht [prinzipiell] ab. Allerdings lehren sie, dass es sich dabei um einen Begriff im Intellekt handelt, der [nur] im Geist existiert, und dass das Universale qua Universales keine Existenz außerhalb des Geistes hat, da nicht ein und dasselbe auf Zayd und Amr zutreffen und [zugleich] als Eines an sich [extramental existieren] kann. Platon hingegen lehrt, dass mit diesem Begriff, der nachweislich im Intellekt [existiert], etwas außerhalb [des Intellekts] Befindliches korrespondieren muss, so dass er mit diesem übereinstimmen kann, und dass dieser [Begriff] das Urbild (al-mithĂl) im Intellekt sei. Dies ist eine Substanz, kein Akzidens, denn es ist nicht denkbar, dass es in einem Substrat existiert. Es hat Vorrang vor den partikularen Einzeldingen in der Weise wie der Intellekt Vorrang vor dem Wahrnehmungsvermögen hat, das heißt Vorrang sowohl dem Wesen als auch der Ehrwürdigkeit nach. Diese Urbilder sind die Prinzipien der sinnlichen Seienden, die aus ihnen hervorgehen und zu ihnen zurückkehren. 402
403
Al-ShahrastnÁ bezieht sich hier sicherlich auf die Lehren von Anamnesis und Metempsychose, nicht auf die Natur und die Ordnung der Dinge, wie Jolivet und Monnot übersetzen. Wa-li-hĂdhĂ l-faΥli sharͧun wa-taqrĮr, ist nicht ganz klar.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
Es folgen Abschnitte zu Platons Lehren über die Seele, die Erschaffung der Welt, Sein vs. Werden, zu den fünf summa genera aus Platons Sophistes, und zu Platons Naturbegriff. Platonische Ideen kommen in diesen Abschnitten nicht zur Sprache. Der Abschnitt schließt mit der bereits oben besprochenen Paraphrase von Aristoteles’ Ideenkritik in Metaphysik I (A) 6, 987 a 32 – b 10, in der al-ShahrastnÁ Platonische Formen mit Universalien gleichsetzt und Platons vermeintlichen Definitionsbegriff dem aristotelischen Konzept der Definition angleicht 404 . Die gesamte Darstellung ist durch die Zwei-Welten-Theorie dominiert, die sowohl ontologisch (§§ 2, 4, 5) als auch epistemologisch (§§ 4 und 8) interpretiert wird. Die Welt setzt sich aus zwei verschiedenen Welten zusammen, dem kosmos noêtos und in dem kosmos aisthêtos. Ersterer enthält noetische Urbilder (muthul צaqliyya, die sogenannten Platonischen Urbilder, al-muthul al-aflĂίŧniyya) und spirituelle Formen (Υuwar rŧͧĂniyya), letzterer sinnliche Einzeldinge und körperliche Formen (Υuwar jusmĂniyya). Nicht ganz klar ist, in welchem Verhältnis Platonische Urbilder und spirituelle Formen zueinander stehen. Erstere sind nichtindividuell (ghayr mushakhkhaΥ, § 2), einfach (§ 3), universal, immateriell und intelligibel (§ 4). Spirituelle Formen sind ewig, unveränderlich (§ 6) und universal (§ 7). Sie unterscheiden sich voneinander durch ihre Wirklichkeit oder Wahrheitsgehalte (ͧaqĂץiq, § 6) und sind Teil des göttlichen Wissens (§ 7). Vermutlich fasst al-ShahrastnÁ spirituelle Formen als mit Platonischen Urbildern koextensionale Entitäten. Sie werden jedoch intensional von diesen unterschieden, denn es heißt von ihnen, dass sie etwas in der noetischen Materie qua noetischer Spiegel Abgebildetes seien (al-mutamaththal fĮ l-mirץĂt alצaqliyya, § 5). Dies impliziert, dass nicht nur zwischen kosmos noêtos und kosmos aisthêtos eine Urbild-Abbild-Relation besteht, sondern eine solche bereits innerhalb des kosmos noêtos vorliegt. Diese manifestiert sich in der in § 6 eingeführten, auf den ersten Blick befremdlichen, Differenzierung der Wahrheitsgehalte (ͧaqĂץiq) der spirituellen Formen. In der Abbildung der noetischen Urbilder in die noetische Materie, den Spiegel des kosmos noêtos, in Form von spirituellen Formen findet eine erste Differenzierung oder Hierarchisierung von Wirklichkeit oder Wahrheit statt. Diese Differenzierung ist die 404
Vgl. oben, pp. 14-16.
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Grundlage der substantiellen oder wesenhaften Unterschiedenheit (tamĂyuz fĮ dhawĂtihĂ, § 6) der Einzeldinge des kosmos aisthêtos, denn die spirituellen Formen „bewegen die Einzeldinge, ohne [selbst] bewegt zu werden“ (§ 5). Damit knüpft al-ShahrastnÁ einerseits indirekt an Plotins Differenzierung zwischen der hylê noêtê als „Substrat“ der Ideen und der Materie der sinnlichen Erscheinungen an (cf. Enneas II 4), andererseits modifiziert er die von Plotin explizit desavouierte Metapher der sinnlichen Materie als Spiegel der Ideen (cf. Enneas III 6.7-14) dahingehend, dass diese Funktion der noetischen Materie (al-צunΥur fĮ dhĂlika l-צĂlam) zugewiesen wird 405 . Während die (Ab-)Bilder des noetischen Spiegels „tatsächlich existieren“ (hiya mawjŧda bi-l-fiצl, § 5), sind die Bilder im sinnlichen Spiegel „Formen der Imagination, die bloß zu existieren scheinen“ (Υuwar khayĂliyya yurĂ annahĂ mawjŧda). Die sinnliche Materie wird in keiner Weise aus der Existenz der noetischen Materie abgeleitet. Die raum-zeitliche Bestimmt- und Begrenztheit der Wahrnehmungsgegenstände, die doch unmittelbar mit der sinnlichen Materie verknüpft ist, wird mit der Unbestimmtheit und Unbegrenztheit der Intelligibilia und der noetischen Urbilder kontrastiert (§ 8). In Analogie zur sinnlichen Materie wird der noetischen Materie offenbar eine gewisse Funktion der Bestimmbarkeit des in ihr Abgebildeten zugewiesen. Zwar sind die spirituellen Formen, wie die noetischen Urbilder, universal (kullĮ), doch hinsichtlich ihres Wahrheitsgehalts bestimmt und voneinander unterschieden. Auf der epistemologischen Ebene korrespondiert mit diesen Formen das „intelligible, von der Materie abgetrennte Bild“ (mithĂl maצqŧl muntaza צmin al-mĂdda, § 4), dem als ein Mittleres die Eigenschaften von Ur- und Abbildhaftigkeit zugewiesen werden und das qua Universales dem Urbild (al-mithĂl) im kosmos noêtos und qua Partikulares dem sinnlichen Seienden im kosmos aisthêtos entspricht. Das Verhältnis der Einzeldinge zu den Urbildern wird epistemologisch als ein reziprokes Korrespondieren (taίĂbuq) gefasst. So wie die spirituellen Formen Spuren (ĂthĂr) in der Erfahrungswelt hinterlassen und damit überhaupt intellektuale Erkenntnis ermöglichen, so hinterlassen die Einzeldinge der sinnlichen Welt Spuren (ĂthĂr) im kosmos noêtos (§ 8). Platon gründet hierauf im Meno und Phaedo seine 405
Vgl. Proclus, In Parm. Comm., p. 839f., transl. Morrow/Dillon, pp. 211-213.
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I. Platonische Formen und Urbilder vor al-SuhrawardÁ
Anamnesislehre, die hier als Theorie apriorischen oder angeborenen Wissens (fiίra) gedeutet wird, jedoch nicht als pränatales Wissen von den Ideen, sondern als ein (wiedererinnertes?) Wissen von Gegenständen der Erfahrungswelt. Ontologisch charakterisiert al-ShahrastnÁ das Verhältnis zwischen Urbildern und sinnlichen Einzeldingen nicht als ein solches der Partizipation, sondern als Relation von Ursprung (badaץa, ɌɍŲɋǷɋɎ) und Rückkehr (צĂda, ǻɌůɏɐɍɋɒŬ) (§ 9). Das rückwärtig gewandte Streben wird sowohl mit dem neuplatonischen Konzept der ɈɋɉŬ, dem fortwährenden Verbleiben der jenseitigen Ursache in der diesseitigen Wirkung begründet (die sinnlichen Formen können nur durch die noetischen urbildlichen Formen fortbestehen, idhĂ kĂnat lahĂ Υuwar צaqliyya fĮ dhĂlika l-צĂlam, § 7), als auch mit dem genuin islamischen Konzept von eschatologischer Hoffnung und Furcht (rajĂ ץwa-khawf) konnotiert (§ 7). Welche Position al-ShahrastnÁ selbst zur Ideenlehre bezog, ist nicht klar. Die Konnotation mit islamischen Konzepten (vgl. auch § 7 zum göttlichen Wissen als Ort unendlicher spiritueller Formen) deutet darauf hin, dass er zumindest eine Identifikation Platonischer Ideen mit Formen im göttlichen Wissen akzeptierte. Andererseits wird aus seiner Streitschrift gegen Avicenna, dem KitĂb al-MuΥĂraצa, deutlich, dass er der aristotelisch-avicennischen Tradition folgend eine extramentale Existenz von Ideen qua Universalien ablehnte 406 . Gleichwohl postuliert er dort in Analogie zu der vorliegenden Darstellung die Existenz separater Formen (qua Intellekte), die sich durch ihre Wahrheitsgehalte (ͧaqĂץiq) voneinander unterscheiden 407 . Insgesamt ist festzustellen, dass al-ShahrastnÁ zur Widerlegung Avicennas oft auf (vermeintlich oder tatsächlich) platonisches Gedankengut zurückgreift, freilich ohne dies zu deklarieren.
406
407
Cf. Struggling with the Philosopher: A Refutation of Avicenna’s Metaphysics. Arabic edition and English translation by W. Madelung and T. Mayer. London: I.B. Tauris, 2001, p. ˼˾ f. (ar. Text), p. 39f. (Übers.). Ibid., p. ˾˹ f. (ar. Text), p. 47f. (Übers.).
Kapitel II Platonische Formen und Urbilder in der Philosophie Shih֡b al-D֬n al-SuhrawardÁs In den ersten drei Jahrhunderten arabischer Philosophie werden Υuwar aflĂίŧniyya und muthul aflĂίŧniyya in drei mehr oder weniger eigenständigen Rezeptionssträngen erwähnt und erörtert. Ein Zweig orientiert sich streng an den durch die aristotelische Ideenkritik vorgegebenen Kontexten. Einen zweiten Strang bilden doxographische Berichte über antike Philosophen. Originäre Fortentwicklungen finden sich nur in den arabischen Neoplatonica als einer dritten Rezeptionsform. Allen drei Rezeptionsformen ist gemein, dass sie die je anderen Rezeptionsstränge zunächst nicht oder kaum zur Kenntnis nehmen. Hingegen zeichnet sich nach Ibn SÁn die neue Tendenz ab, die Inhalte der verschiedenen Rezeptionsformen zusammenzuführen. Dabei wird die aristotelische Ideenkritik zunehmend auf ihre Tradierung in doxographischen Werken und ihre Transformation in den Schriften Ibn SÁns reduziert, während die aristotelischen Schriften selbst in den Hintergrund treten. Die frühen Harmonisierungsversuche im Rahmen der Leitidee einer grundlegenden Übereinstimmung der Philosophien Platons und Aristoteles’ finden (vorerst) keine Fortsetzung. Die Konzepte von Υuwar aflĂίŧniyya und muthul aflĂίŧniyya dienen nun —herausgelöst aus den relevanten Kontexten der platonischen Philosophie— als Argumentationsinstrumente gegen den Aristotelismus avicennischer Provenienz. Der erste arabisch schreibende Philosoph, der diese Tendenz aufnimmt und zugleich versucht, Platonische Formen und Urbilder in kohärenter Weise in eine neue systematische Philosophie zu integrieren, ist Shihb al-DÁn Yaԉy al-SuhrawardÁ (hingerichtet 587/ 1191). Neben einer Reihe von allegorischen und symbolischen Erzählungen, Hymnen und Gebeten, die hier nicht berücksichtigt werden
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II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder
können, hat al-SuhrawardÁ die folgenden fünf philosophischen Werke verfasst: (1) KitĂb al-LamaͧĂt (Buch der Streiflichter) 408 ; (2) KitĂb al-TalwĮͧĂt al-lawͧiyya wa-l-צarshiyya (Das Buch der Hinweise auf die [göttliche] Tafel und den [göttlichen] Thron) 409 ; (3) KitĂb al-MuqĂwamĂt (Buch der Einwände) 410 ; (4) KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt (Buch der Zugänge und des Austauschs) 411 ; (5) ͦikmat al-ishrĂq (Die Philosophie der Erleuchtung) 412 . Hinsichtlich der Struktur der Schriften (1) bis (4), die im Umfang beträchtlich variieren ([1] umfasst ca. einhundert Seiten, [4] ca. eintausend Seiten), folgt al-SuhrawardÁ dem Vorbild der philosophischen Enzyklopädien Ibn SÁns. Alle vier Werke sind in drei etwa gleichlange Teile über die Disziplinen Logik, Naturphilosophie und Metaphysik 408
409
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412
KitĂb al-LamaͧĂt li-l-SuhrawardĮ. Ԉaqaqqahʗ wa-qaddama lahʗ ImÁl [Emile] Malʗf. (Al-Dirst wa-l-nuהʗ הal-falsafiyya; 3.) Beirut 1969. Eine weitere, weniger zuverlässige Edition ist erschienen in Majmŧצa-i muΥannafĂt-i Shaykh-i IshrĂq. Jild 4. TaהԉÁԉ wa-taԉshiya wa-muqaddima NajafqulÁ ԈabÁbÁ. Tihrn 1380/2001. Vgl. außerdem Hans Daiber, Bibliography of Islamic Philosophy. Vol. 1, p. 866, # 8433. Alle folgenden Stellenangaben beziehen sich auf die Edition von Malʗf. Der erste Teil dieser Schrift, der die Logik zum Gegenstand hat, ist in einer Edition von AlÁ Akbar Fayyӱ mit dem Titel Manίiq al-TalwĮͧĂt, Teheran 1955 (Intishrt-i Dnishgh-i Tihrn; 270), zugänglich. Teil II wurde bisher nicht ediert. Der dritte, der Metaphysik gewidmete Teil ist ediert in Shihâbaddîn Yahyâ as-Suhrawardî, Opera metaphysica et mystica. Edidit et prolegomenis instruxit Henricus Corbin. Vol. 1 (Bibliotheca Islamica; 16). Istanbul 1945, pp. 1121. Von diesem Werk ist ein Abschnitt der generellen Einleitung sowie Teil III zur Metaphysik ediert in Shihâbaddîn Yahyâ as-Suhrawardî, Opera metaphysica et mystica, vol. 1, pp. 124-92. Von diesem Werk ist das Vorwort sowie Teil III zur Metaphysik ediert in Shihâbaddîn Yahyâ as-Suhrawardî, Opera metaphysica et mystica, vol. 1, pp. 193506. Die bisher nicht edierten Teile der Werke (2) bis (4) können hier nicht berücksichtigt werden. Ediert in Shihaboddin Yahya Sohravardi, Œuvres philosophiques et mystiques. Textes édités avec prolégomènes en Français par Henry Corbin. Vol. 2. Tihrn 1331/1952, sowie in SuhrawardÁ, The Philosophy of Illumination – ϕήηϻ ΔϤϜΣ . A New Critical Edition of the Text of Ԉikmat al-ishrq with English Translation, Notes, Commentary, and Introduction by John Walbridge and Hossein Ziai. Provo, Utah 1999.
II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder
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gegliedert. In (5) ͦikmat al-ishrĂq gibt al-SuhrawardÁ diese Struktur auf. Die Schrift ist in zwei Teile gegliedert; Teil II enthält die eigentliche Entfaltung von al-SuhrawardÁs Philosophie der Illumination, Teil I diskutiert und resümiert philosophische Lehren, sofern sie für die Entfaltung von Teil II von Belang sind. Dabei handelt es sich überwiegend um aristotelische, neuplatonische und avicennische Lehren, allen voran solche von Porphyrius’ Isagoge und dem aristotelischen Organon (Abschnitte 7-51), metaphysische Lehren Aristoteles’, Ibn SÁns und anderer zu Substanz, Essenz und Existenz, Einheit, Kontingenz und Notwendigkeit, etc. (Abschnitte 52-71), naturphilosophische Überlegungen zu Materie, Körper, räumlicher Ausdehnung, Form als Konstituens der individuellen Substanz, Atomismus, etc. (Abschnitte 72-90), neuplatonische und avicennische Lehren über separate Intellekte und durch-sich-subsistierende Wesenheiten (Abschnitte 91-95), einfache und komplexe Kausalrelationen (Abschnitte 96-99), sowie Fragen zur Natur des Lichts (Abschnitte 99-105). Aus internen Verweisen ist zu schließen, dass (2) KitĂb al-TalwĮͧĂt die früheste der fünf Schriften ist, während (1) KitĂb al-LamaͧĂt, (4) KitĂb al-MashĂri צund (5) ͦikmat al-ishrĂq zur gleichen Zeit entstanden (oder zumindest überarbeitet worden) sein müssen. (3) KitĂb al-MuqĂwamĂt ist als Appendix zu (2) KitĂb al-TalwĮͧĂt konzipiert und vermutlich die späteste der fünf Schriften. Eine derartige Chronologie verbietet die in der Forschung verschiedentlich vertretene Ansicht, al-SuhrawardÁ habe in den Werken (1)-(4) seine frühen, avicennisch geprägten Lehren vorgelegt, die er später revidiert und durch seine eigene Philosophie der Illumination in (5) ͦikmat al-ishrĂq ersetzt habe. Vielmehr sind alle fünf Werke für die Rekonstruktion des philosophischen Systems al-SuhrawardÁs gleichermaßen von Belang. Gleichwohl kann kein Zweifel darüber bestehen, dass Methode, Zielsetzung und Adressaten der Schriften deutlich variieren. Gegenstände und Struktur der Werke (1)-(4) sind durch die prä-suhrawardische arabische Philosophie (insbesondere Ibn SÁn) bestimmt. AlSuhrawardÁ präsentiert seine Philosophie hier als eine Kritik dieser früheren Lehren, die sich zwangsläufig an deren Inhalten orientiert, diese aber auch immer wieder zu Deviationspunkten für eigenständige Exkurse macht413 . Teil I von ͦikmat al-ishrĂq präsentiert die 413
So beschreibt al-SuhrawardÁ selbst im Vorwort zu ͦikmat al-ishrĂq sein KitĂb alTalwĮͧĂt als ein Werk, das „der Methode der Peripatetiker“ (ίarĮqat al-mashshĂץĮn)
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II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder
Ergebnisse dieser Kritik in gedrängter Form, ohne deren Struktur zu wahren und deutlich selektiver, was deren Inhalte angeht. Dieser Teil bildet die Grundlage für die systematische Entfaltung eigener Theorien in Teil II, die in nicht zusammenhängender Form durchaus auch in den anderen vier Werken zu finden sind. Der Methode des diskursiven Denkens und Forschens (fikr, baͧth), die die Werke (1)-(4) dominiert, wird hier die nichtdiskursive Methode der göttlichen Inspiration oder Divination (taץalluh) zur Seite gestellt, ohne damit die Irrationalität des philosophischen Erkennens zu implizieren. Beide Methoden sollen einander ergänzen, nicht ersetzen; die Schrift wendet sich ausdrücklich an die Studierenden beider Erkenntnismethoden, aber schließt den aus, der ausschließlich nach diskursivem Erkenntnisgewinn sucht 414 . Al-SuhrawardÁs Philosophie ist geprägt von einer alle philosophischen Disziplinen durchdringenden Lichtmotivik, die als philosophia perennis unter Berufung auf diverse hermetische, gnostische und philosophische Autoritäten und Religionsstifter vorgestellt wird. Die Inspirationsquellen seiner Lichtspekulation sind jedoch nicht bei den von ihm genannten Gewährsmännern, sondern in erster Linie bei den arabischen Plotin-Adaptionen sowie in al-GhazlÁs MishkĂt al-anwĂr zu suchen 415 . Grundlage und Angelpunkt dieser Lichtspekulation ist die an Plotins Bestimmung des seinstranszendenten Einen als ɒɅɎ ǻо ɒɕɐȠɎ anknüpfende Konzeption des Lichts als allgegenwärtige, seinstranszendente Kraft und Aktivität. Anders als bei Ibn SÁn und al-
414
415
folgt, betont aber im Vorwort zu eben diesem Werk seine Absicht, sich dort nicht mit solchen „Lehren der Peripatetiker“ (madhĂhib al-mashshĂץĮn) zu befassen, die verbreitet und akzeptiert (mashhŧr) sind, sondern mit dem, was hieran zu verbessern ist. Auch verwendet er in diesen Werken Argumente, die in ͦikmat alishrĂq explizit als „Prinzipien der Illuminationsphilosophie“ (qawĂצid ishrĂqiyya) bezeichnet werden; vgl. beispielsweise K. al-TalwĮͧĂt, Teil III, p. 51, und ͦikmat al-ishrĂq, p. 154 (Corbin), p. 107 (Ziai/Walbridge). ͦikmat al-ishrĂq, pp. 10-12 (Corbin), pp. 2-4 (Ziai/Walbridge). Es scheint daher durchaus fragwürdig, dass der Terminus ishrĂq als „mystical intuition“ zu verstehen und die Ableitung ishrĂqĮ mit dhawqĮ („auf [mystischer] Erfahrung basierend“, „nach Art einer [mystischen] Erfahrung“) gleichzusetzen ist, wie von Walbridge vorgeschlagen; cf. J. Walbridge, The Leaven of the Ancients. SuhrawardĮ and the Heritage of the Greeks. SUNY Series in Islam. Albany, State University of New York Press, 2000, p. 28. Dies kann hier nicht im Einzelnen aufgezeigt werden; vgl. hierzu das Kapitel zu al-SuhrawardÁ in meiner demnächst erscheinenden Untersuchung zu arabischen Metaphysikentwürfen.
II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder
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GhazlÁ, denen Licht als ein Symbol für Sein und Gott als das Notwendig durch-sich-Seiende gilt416 , fasst al-SuhrawardÁ Gott qua Licht-derLichter (nŧr al-anwĂr) als seinstranszendentes Prinzip. Nicht Sein, sondern Licht ist das Ersterkannte und Prinzip aller Erkenntnis 417 . Licht ist Manifestation des Evidenten, doch ist zu unterscheiden zwischen dem absoluten Grad der Evidenz und dem Fortgang der menschlichen Erkenntnis. Gott qua Licht-der-Lichter ist zwar Urgrund aller Evidenz, nicht aber das Ersterkannte des Menschen 418 . Dies ist vielmehr das Selbst oder die Seele des Menschen qua durch-sich-subsistierendes (qĂץim bi-dhĂtihĮ, лȉǺɑɌȠɏɐлɐɋɎ), sich-selbst-genügendes (ghanĮ, лȍɐлɍоǸɎ) und sich-selbst-perfektionierendes (kamĂl lahŧ lĂ צalĂ ghayrihĮ, лȉɐɋɐǸɇȜɎ) Licht, die nichtrepräsentationale Koinzidenz von „Ich“ (anaץiyya) und Evidenz (ϕuhŧr) 419 . Al-SuhrawardÁs Lichtkonzeption ist nicht Teil oder Grundlage einer dualistischen Prinzipienlehre oder Kosmogonie. Zwar tritt Licht in diversen Bedeutungen auf, wird jedoch nie, wie in den Konzeptionen der mandäischen oder manichäischen Gnosis, als der Dunkelheit (qua Macht des Bösen, etc.) entgegengesetzte oder mit dieser im Widerstreit befindliche Urkraft gefasst. Dunkelheit ist nichts anderes als Abwesenheit/Privation des Lichts 420 ; umgekehrt ist Gott nicht einfachhin Licht, sondern Licht und Erleuchtung aller Lichter 421 . Alles was ist, ist seinem Wesen nach entweder Licht oder NichtLicht. Licht ist entweder reines immaterielles Licht (nŧr maͧ͏ mujarrad) oder Licht qua Disposition (hayץa) in etwas anderem. Das 416 417 418
419 420
421
Vgl. H. A. Davidson, Cosmologies, pp. 132-5. ͦikmat al-ishrĂq, pp. 106f., 113f. (Corbin), pp. 76, 81 (Ziai/Walbridge). Wie beispielsweise in den an Augustinus anschließenden Lichtspekulationen Gilbert von Tournais und Bonaventuras; cf. S. P. Marrone, The Light of Thy Countenance: Science and Knowledge of God in the Thirteenth Century. Volume One: “A Doctrine of Divine Illumination.” (Studies in the History of Christian Thought; 98.) Leiden 2001, p. 111ff. ͦikmat al-ishrĂq, pp. 107, 110-2 (Corbin), pp. 76, 79-82 (Ziai/Walbridge). „Laysati l-ϕulmatu צibĂratan illĂ צan צadami l-nŧri fa-ͧasb”; ibid., p. 107f. (Corbin), p. 77 (Ziai/Walbridge). So auch bei Philon von Alexandria; cf. Franz-Norbert Klein, Die Lichtterminologie bei Philon von Alexandria und in den hermetischen Schriften. Leiden 1962, pp. 23, 33, 206. Ähnlich argumentiert Augustinus zur Überwindung des gnostischen Lichtdualismus; cf. Hans Blumenberg, „Licht als Metapher der Wahrheit. Im Vorfeld der philosophischen Begriffsbildung“, Studium Generale 10 (1957), 432-47.
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II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder
reine immaterielle Licht ist Prinzip aller Erkenntnis, damit auch Prinzip des sinnfälligen, physikalischen Lichts. Al-SuhrawardÁ hebt explizit hervor, dass hier von Licht im eigentlichen Sinne die Rede ist und die metaphorische Redeweise von Licht als dem, was einen Gegenstand im Intellekt erhellt oder klärt (al-wĂ͏iͧ), „auf diesen Lichtbegriff zurückgeht“ 422 . Nicht-Licht ist entweder eine nichtinhärente dunkle Substanz (jawhar ghĂsiq) oder eine verschattete inhärente Disposition (hayץa ϕulmĂniyya fĮ maͧall). Beide Arten von Nicht-Licht werden als barzakh (Pl. barĂzikh, „Dazwischentretendes“, „Hindernis“) begriffen, womit nicht die potentielle Illumination ausgeschlossen, sondern der Mangel an Evidenz bezeichnet werden soll423 . Intensität und Dauer der Illumination von barĂzikh sind akzidentell und hängen einzig von dem sie illuminierenden Licht ab. Die Wirklichkeit (ͧaqĮqa) eines solchen Lichts qua Disposition besteht in der Illumination eines barzakhs, so dass es hinsichtlich seiner Wirklichkeit, nicht aber hinsichtlich seines Ursprungs, von der Wirklichkeit des barzakhs abhängig ist. Im Bereich der dunklen Substanzen fallen somit Evidenz/Illumination auf der einen Seite und Wirklichkeit/Wesenheit auf der anderen Seite auseinander. Die Wesenheit der dunklen Substanz besteht in ihrer räumlichen Ausdehnung. Das, was sie zu einer bestimmten, von anderen Substanzen verschiedenen Substanz macht, sind ihre äußere Gestalt und ihre Grenzen (ihre verschatteten Dispositionen, hayץĂt ϕulmĂniyya 424 ). Diese werden aber nicht durch andere dunkle Substanzen konstituiert, noch handelt es sich bei ihnen um Konkomitanten (lawĂzim) der dunklen Substanz, vielmehr werden sie durch die Illumination des Lichts qua Disposition des Körpers verursacht 425 . Auch hier ist offen422
ͦikmat al-ishrĂq, p. 107 (Corbin), p. 77 (Ziai/Walbridge). Vgl. hierzu Beierwaltes’ Interpretation von Plotins Lichtbegriff, in W. Beierwaltes, „Plotins Metaphysik des Lichtes“, Zeitschrift für philosophische Forschung 15 (1961), 334-62. Nachdruck in C. Zintzen (ed.), Die Philosophie des Neuplatonismus. Wege der Forschung; 436. Darmstadt 1977, 75-117, bes. pp. 75-7, 87f.
423
Vgl. den analogen Gebrauch von ǻɈɌȠǷůɋɉ bei Plotin, z. B. Enn. IV 5, 2.59.
424
Zur weiteren Differenzierung der „verschatteten Dispositionen“, auf die hier nicht eingegangen werden kann, cf. al-SuhrawardÁ, K. al-TalwĮͧĂt, pp. 4-10; K. alMashĂriצ, pp. 218-21.
425
Cf. ͦikmat al-ishrĂq, pp. 108-10 (Corbin), pp. 77-9 (Ziai/Walbridge). Dieser Ansatz antizipiert Robert Grossetestes Konzeption des Lichts als prima forma
II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder
125
sichtlich nicht vom physikalischen Licht, sondern von Licht qua Evidenz der sinnlichen Substanz die Rede. Die Wirklichkeit des reinen Lichts hingegen ist ursächlich auf die des Lichts qua Disposition bezogen, jedoch unabhängig von den barĂzikh und diesen vorgängig. Sie besteht in reiner Intelligibilität und wird von al-SuhrawardÁ, wohl in Anlehnung an die arabischen Procliana, als koextensional und konvertibel mit Selbst-Konstituierung, SelbstPerfektionierung, Selbst-Erkenntnis (צilm bi-dhĂtihĮ) oder SelbstEvidenz (ϕuhŧr dhĂtihĮ li-dhĂtihĮ) begriffen. Plotin schließt in Enn. V 3, 10-11, aus, dass das Sich-selbst-Denken des Nous etwas dem Nous Akzidentelles (ɏɑɈǶǸǶноȠɎ лȊɐɆ) oder ein Objekt von der Art eines visuellen Sinneseindrucks (ɐȢɌɋɉ ɐɋɀ žɍ۞ɈлɐɋɎ) zum Gegenstand hat, und erklärt in Enn. V 5, 7.19ff., dass der auf sich selbst schauende Intellekt Licht und den Ursprung des Lichts (ɒɅɎ ... олȝ ɒɕɐȟɎ ەɍɓȜɉ) sieht. Für al-SuhrawardÁ gilt hingegen, dass sich alle reinen Lichter qua лȉǺɑɌȠɏɐлɐл auf nichtrepräsentationale Weise selbst erkennen. Ihre Selbsterkenntnis vollzieht sich ohne eine Repräsentation oder einen IchBegriff (anaץiyya) nach der Art eines Bildes (mithĂl), da jede Repräsentationalität, selbst die des Ichs, eine Differenz zwischen dem Gegenstand des Denkens und seiner Repräsentation impliziert. Reines Licht ist demnach nichts als die Evidenz des Selbst für das Selbst 426 . Das Sich-selbst-Denken der reinen Lichter schließt nicht nur jede Bildhaftigkeit des Denkgegenstands aus, al-SuhrawardÁ deutet zudem an keiner Stelle an, dass es die Erkenntnis des Ursprungs des Lichts oder der Tatsache seiner Existenz impliziert. Sofern die menschliche Seele qua Licht betroffen ist, kann letztere nur in dem ekstatischen Zustand der Abtrennung der Seele vom Leib zustande kommen. Bekanntlich hat Plotin in Enn. IV 8, 1 eine autobiographische Beschreibung dieses Zustands vorgelegt. Diese ist in den arabischen Plotiniana enthalten und wird von al-SuhrawardÁ im KitĂb al-TalwĮͧĂt und in ͦikmat al-
426
corporalis; vgl. dazu A. Speer, „Licht und Raum. Robert Grossetestes spekulative Grundlegung einer scientia naturalis“. In J. A. Aertsen (ed.), Raum und Raumvorstellungen im Mittelalter. Miscellanea Mediaevalia; 25. Berlin 1998, 77-100, bes. pp. 83-88. Cf. ͦikmat al-ishrĂq, pp. 110-114 (Corbin), pp. 79-82 (Ziai/Walbridge), und M. HaΊiri Yazdi, The Principles of Epistemology in Islamic Philosophy. Knowledge by Presence. Albany, N. Y., 1992, pp. 67-99; H. Kobayashi, “Ibn SÁn and SuhrawardÁ on Self-consciousness: Some Comparative Remarks”, Orient 26 (1990), 62-77.
126
II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder
ishrĂq zitiert und paraphrasiert 427 . Abgesehen von den epistemologischen und anthropologischen Implikationen dieser Plotinischen „Erfahrung“, übte vermutlich vor allem der Umstand, dass in der arabischen Version des Texts insgesamt siebenmal von Licht die Rede ist (während Plotin hier gar nicht von Licht, sondern nur einmal von der Schönheit des kosmos noêtos spricht), eine große Anziehungskraft auf al-SuhrawardÁ aus. Der Verfasser der arabischen Theologia Aristotelis war zweifellos mit Plotins Assoziation von Licht und kosmos noêtos vertraut 428 und ließ diese in emphatischer Form in seine Paraphrase der autobiographischen Passage einfließen, wie aus dem folgenden Textvergleich zu ersehen ist. Plotin, Enn. IV 8, 1. 1-11, transl. M. Chase 429
Ps.-Theologia Aristotelis, transl. G. Lewis 430
Often I reawaken from my body to myself: I come to be outside other things, and inside myself. What an
Often have I been alone with my soul and have doffed my body and laid it aside and become as if I were naked substance without body, so as to be inside my self, returning into it, outside all other
427
428
429
430
In beiden Werken schreibt al-SuhrawardÁ, durch die arabische Plotinrezeption in die Irre geführt, die Beschreibung dieser Erfahrung Platon zu; cf. KitĂb alTalwĮͧĂt, Teil III, p. 112f., ͦikmat al-ishrĂq, pp. 162-4 (Corbin), p. 110f. (Ziai/ Walbridge), ibid., p. 255 (Corbin), p. 160f. (Ziai/Walbridge). In KitĂb al-MashĂriצ, Teil III, p. 501, l. 15 – p. 502, l. 6, geht al-SuhrawardÁ auf die ekstatische Abtrennung der Seele vom Körper ein, ohne Platon zu nennen. Zur Zuschreibung des Texts an Platon vgl. C. D’Ancona, „The Greek Sage, the Pseudo-Theology of Aristotle and the Arabic Plotinus”, in Words, Texts and Concepts Cruising the Mediterranean Sea, ed. by R. Arnzen and J. Thielmann, pp. 159-76. Vgl. etwa Enn. V 3, 8-9; V 3, 12.39-44; V 5, 7; V 6, 4.14-20; etc., außerdem den Einleitungssatz der arabischen Paraphrase zu Enn. V 8, 4.6 (p. 154, l. 9f., ed. BadawÁ). Cf. Pierre Hadot, Plotinus or The Simplicity of Vision. Translated by Michael Chase with an Introduction by Arnold I. Davidson. Chicago 1989, p. 25. (Zu Chases Übersetztung der Plotintexte cf. ibid., p. x.) Arabischer Text: Plotino, La discesa dell’anima nei corpi (Enn. IV 8[6]). Plotiniana Arabica (pseudo-Teologia di Aristotele, capitoli 1 e 7; “Detti del Sapiente Greco”). A cura di Cristina D’Ancona. (Subsidia Mediaevalia Patavina; 4.) Padova 2003, p. 229f. Englische Übersetzung (geringfügig modifiziert anhand der arabischen Textedition): Plotini opera. Tomvs II: Enneades IV-V. Edidervnt P. Henry et H.R. Schwyzer. Plotiniana Arabica ad codicvm fidem Anglice vertit G. Lewis. (Mvsevm Lessianvm Series Philosophica; 34.) Paris 1959, p. 225.
II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder extraordinarily wonderful beauty I then see! It is then, above all, that I believe I belong to the greater portion. I then realize the best form of life; I become at one with the Divine, and I establish myself in it. Once I reach this supreme activity, I establish myself above every other spiritual entity. After this repose in the Divine, however, when I come back down from intuition into rational thought, then I wonder: How is it possible that I should come down now, and how was it ever possible that my soul has come to be within my body, even though she is the kind of being that she has just revealed herself to be, when she appeared as she is in herself, although she is still within a body?
127
431 things . Then do I see within myself such beauty, splendour and light as I do remain marvelling at and astonished, so that I know that I am one of the parts of the sublime, surpassing, lofty, divine world, and possess active life. When I am certain of that, I lift my intellect up from that world into the divine world and become as if I were placed in it and cleaving to it, so as to be above the entire intelligible world, and seem to be standing in that sublime and divine place. And there I see such light and splendour as tongues cannot describe nor ears comprehend. When that light and splendour overwhelm me and I have not strength to endure it, I descend from mind to thought and reflection. When I enter the world of thought, thought veils that light and splendour from me, and I am left wondering how I have fallen from that lofty and divine place and am come to the place of thought, when my soul once had the power to leave her body behind and return to herself and rise to the world of mind and then to the divine world until she entered the place of splendour and light, which is the cause of all light and splendour. Wonderful it is too how I have seen my soul filled with light, while she was still in my body like her appearance, not leaving it.
In diesem knappen Text konnte al-SuhrawardÁ Inspiration und autoritative Bestätigung für eine Reihe seiner zentralen Gedanken finden. 1. Nicht nur der kosmos noêtos und die göttliche Ursache allen Lichts werden als Licht und Glanz charakterisiert, auch die ekstatische Seele wird mit Licht und Glanz identifiziert oder als von diesen erfüllt begriffen 432 . Letzteres gilt nicht nur für die Seele vor ihrem Abstieg in 431
D’Ancona und die früheren Herausgeber, Dieterici und BadawÁ, fügen an dieser Stelle unter Berufung auf al-FrbÁ ein: „Dann bin ich zugleich Wissen, Subjekt des Wissens und Objekt des Wissens“ (fa-akŧnu l-צilma wa-l-צĂlima wa-lmaצlŧma jamĮצan). Dieser Zusatz ist in der direkten Textüberlieferung nicht enthalten und wird auch durch al-SuhrawardÁs Zitate nicht gestützt.
432
Sowohl die Welt-Seele als auch die menschliche Seele werden auch von Plotin selbst explizit mit Licht assoziiert, sowohl in Textpassagen, die keinen Eingang in die arabischen Plotiniana fanden (e.g. Enn. I 4, 8.2-5; I 6, 9.15-22; III 5, 3.22-24; IV 3, 17.8-12; IV 3, 22.1-8; V 3, 8.18-24; V 6, 1.16-20), als auch in den arabischen
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II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder
den menschlichen Leib (oder den kosmos aisthêtos) oder nach ihrer (jenseitigen) Abtrennung von diesem, sondern auch für die mit dem Leib verbundene Seele. 2. Die beschriebene Erfahrung vermittelt Wissen in einer von dem diskursiven Denken verschiedenen Erkenntnisweise und etabliert Intuition oder göttliche Inspiration als eine zweite veritable Erkenntnismethode 433 . 3. Grundlage und erster Gegenstand dieser Erkenntnis ist das Selbst des Menschen. Es handelt sich um eine innere Erfahrung, bei der die ekstatische Seele sich selbst als Licht „schaut“. Hierauf baut al-SuhrawardÁs Theorie des Selbst als primum intelligibile auf, die den Ausgangspunkt und nicht hinterfragbaren Grund aller menschlichen Erkenntnis nicht in platonischen ȊɌɋǺūɏǸůɎ oder aristotelischen „ersten Sätzen“ und nicht beweisbaren Axiomen, sondern in der lichthaften „Erfahrung“ des Selbst der menschlichen Seele sieht. Al-SuhrawardÁ schreibt den oben zitierten Text eindeutig Platon zu, präsentiert die darin enthaltene Lehre aber zudem mehrfach als Konsens antiker Philosophen (unter anderem der [Neu-]Platoniker, aΥͧĂb AflĂίŧn, und Aristoteles’, des „Ersten Lehrers“), der von höherem Wert und größerer Bedeutung (aצϕamu qadran wa-ajallu shaץnan) als alle subtilen Argumentationen islamischer Denker (al-islĂmiyyŧn) sei 434 . Dieser Konsens basiert auf der beschriebenen fundamentalen Selbst-Erfahrung, nicht auf den bloß persuasiven (iqnĂצiyya) Überlegungen zur Universalität der Art-Form oder zur Einheit des Einenüber-Vielen 435 . Auch die Nennung von göttlichem Licht und von dem Licht der Himmel und der Erde im Koran und der prophetischen Tradition sind, wie al-SuhrawardÁ betont, lediglich als Hinweis (tanbĮh), Paraphrasen von Enn. IV 8, 4.1-5, V 1, 2.20-23, und V 3, 9.16-20; cf. Plotini opera. Tomvs II, pp. 237, 263, und 311. Anders als Plotin gründet SuhrawardÁ die Lichthaftigkeit der Seele aber in den proklischen Konzepten der Auto-Hypostase und der Selbst-reflexivität (vgl. neben den genannten Textstellen auch KitĂb alMashĂriצ, Teil III, p. 466). Zur Gleichsetzung von Seele und Licht in den griechischen Hermetica vgl. F.-N. Klein, Die Lichtterminologie bei Philon von Alexandrien, pp. 145-7. 433
Vgl. dazu oben, p. 122 f.
434
KitĂb al-TalwĮͧĂt, Teil III, p. 111, l. 3- p. 112, l. 4, p. 112, l. 9 - p. 113, l. 4; ͦikmat al-ishrĂq, pp. 162, 255 (Corbin), pp. 110, 160f. (Ziai/Walbridge).
435
Cf. ibid., p. 161, l. 2 – p. 162, l. 2 (Corbin), p. 109, l. 22 – p. 110, l. 12 (Ziai/Walbridge).
II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder
129
nicht als Beweisargument (ͧujja) zu verstehen 436 . In ͦikmat al-ishrĂq löst sich al-SuhrawardÁ zudem von dem Wortlaut der arabischen Plotiniana und legt Platon eine Allusion des koranischen himmlischen Lichts in den Mund: „Platon sagte: ,Als ich [von meinem Körper] abgetrennt war, sah ich luminöse Himmelssphären‘“ 437 . Dieser semi-fiktive Platon wird als Kulminationspunkt einer gewissen philosophischen Tradition begriffen und in Ansehung des ihm zugeschriebenen Illuminationserlebnisses zum wichtigsten Zeugen für al-SuhrawardÁs Philosophie der Illumination: „In dem, was ich [in diesem Buch] und andernorts über die Wissenschaft von den Lichtern (צilm al-anwĂr) und alles hierauf Aufbauende geschrieben habe, stütze ich mich auf die, die den Weg Gottes beschritten haben, das heißt auf die [intuitive] Erfahrung (dhawq) des Platon, der Autorität und des Lehrmeisters der Philosophie (imĂm al-ͧikma wa-raץĮsuhĂ), des Weiteren auf die Früheren aus der Epoche des Vaters [aller] Philosophen, Hermes, bis hin zu den großen Philosophen aus Platons Zeit.“ 438
Al-SuhrawardÁs Lichtbegriff ist durch eine Fülle vielfältiger Bedeutungsaspekte gekennzeichnet und kann hier nicht in allen Einzelheiten erörtert werden. Prinzipiell können vier Bedeutungsebenen unterschieden werden: 1. In ontologischen und kosmoslogischen Zusammenhängen hat Licht eine alles umfassende, vermittelnde Funktion. Der gesamte Kosmos setzt sich aus Licht und Nicht-Licht von je unterschiedlichen Intensitätsstufen zusammen. Licht konstituiert, in konzentrisch ausstrahlenden und in sich zurückkehrenden Kreisen, die Kontinuität von seinstranzendentem Licht-der-Lichter und allen seienden, hierarchisch geordneten Lichtern und Nicht-Lichtern. 436 437
438
Cf. ibid., p. 162, l. 11 – p. 165, l. 1 (Corbin), p. 111, l. 1-9 (Ziai/Walbridge). Ibid., p. 162, l. 2 (Corbin), p. 110, l. 12 (Ziai/Walbridge): „QĂla AflĂίŧn innĮ raץaytu צinda l-tajarrudi aflĂkan nŧrĂniyya”. Cf. al-QurץĂn, XXIV: 35. Al-SuhrawardÁ selbst verweist im folgenden Satz auf al-QurץĂn, XIV: 49. Cf. ibid., p. 10, l. 11-14 (Corbin), p. 2, l. 9-12 (Ziai/Walbridge). Namentlich genannt werden Pythagoras und Empedokles. D. Gutas hat bereits darauf aufmerksam gemacht, dass eben diese drei Autoritäten, Platon, Pythagoras und Empedokles, auch in Plotins Erläuterungen zu seinem autobiographischen Bericht in Enn. IV 8, 1 angeführt werden; cf. D. Gutas, „Essay-Review: SuhrawardÁ and Greek Philosophy“, Arabic Sciences and Philosophy 13 (2003), 303-9.
130
II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder
2. Epistemologisch steht Licht für die Korrelation der logischen Strukturen des Denkens und der Wesenheiten der Dinge. Licht ist der Akt oder Prozess des Evidentseins oder –werdens. Zugleich ist Licht sowohl das Medium sinnlicher und nichtsinnlicher Erkenntnis als auch das Medium göttlicher Illumination. Reine Lichter schließlich sind selbstreflexive, selbstdenkende Entitäten. 3. Naturphilosophisch wird Licht als immaterielle Ursache von Bewegung und Werden und Vergehen gedeuteten. Licht ist Leben. Wechselnde Lichtstrahlungen des materiellen, physikalischen Lichts erzeugen Wärme und Kühlung und steuern die vegetativen und animalischen Lebensfunktionen. Des Weiteren scheint al-SuhrawardÁ auch die erste, formlose Materie als Licht zu begreifen 439 . 4. Bestimmte Lichter werden personifiziert und angelologisch gedeutet oder mit mythischen Figuren identifiziert. In diesen Kontexten fungiert Licht als astrologisch-magische Kraft, deren Deutung vermutlich auf hellenistisch-hermetischen und persischen Astrologumena basiert. Die genannten Bedeutungsaspekte und Konnotationen sind nicht immer scharf voneinander zu trennen und kommen in unterschiedlichen Konstellationen zum Tragen. Al-SuhrawardÁ selbst unterscheidet terminologisch zwischen körperlichem, physikalischem Licht (nŧr jirmĮ, auch nŧr barzakhĮ) und immateriellem, intelligiblem Licht (nŧr mujarrad, auch nŧr maͧ͏) 440 . Immaterielles Licht ist in hierarchisch geordneten Lichtquellen oder Klassen von Lichtern instantiiert. Diese Instantiierungen sind zu unterscheiden von dem von ihnen ausgestrahlten Licht. Erstere sind in sich verbleibende, „stabile [oder: durch sich subsistierende] Lichter“ (anwĂr qĂץima), das von ihnen (und allen 439
440
Diese identifiziert al-SuhrawardÁ mit dem koranischen „Thron Gottes“, der seinerseits aus Licht besteht; cf. KitĂb al-TalwĮͧĂt, Teil III, p. 77, ͦikmat alishrĂq, p. 126, l. 10f. (Corbin) und Anmerkungsapparat zu dieser Stelle, p. 163 (Corbin), p. 111 (Ziai/Walbridge). Mir ist nicht ersichtlich, worauf Ziai/Walbridge (ibid., p. 200) ihre Ansicht gründen, al-SuhrawardÁ habe die Existenz der ersten Materie generell geleugnet; vgl. vielmehr auch KitĂb al-LamaͧĂt, p. 100f., sowie KitĂb al-MashĂriצ, Teil III, pp. 225-7, 349-52. KitĂb al-MuqĂwamĂt, Teil III, p. 188, ͦikmat al-ishrĂq, pp. 126-8, 167f., 207 (Corbin), pp. 91f., 112f., 135 (Ziai/Walbridge), KitĂb al-MashĂriצ, Teil III, p. 466, al-AlwĂͧ al-צimĂdiyya, in Shihaboddin Yahya Sohravardi, Œuvres philosophiques et mystiques. Textes édités avec prolégomènes en Français par Henry Corbin. Vol. 3. Tihrn 1380/2001, p. 182, etc.
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nachgeordneten Lichtquellen) verströmte Licht heißt „emergentes Licht“ (nŧr sĂniͧ) und ist in Bezug auf die Lichtquelle akzidentell 441 . An ihrer Spitze steht das göttliche Licht-der-Lichter (nŧr al-anwĂr), ewig, unveränderlich, ohne irgendwelche verschatteten Dispositionen und Aspekte (i.e. ohne ursächliche Wirkung in Bezug auf das Böse), Ursache allen Lichts und Ursache des Seins und des Erhalts alles Seienden (צillat wujŧd jamĮ צal-mawjŧdĂt wa-צillat thabĂtihĂ) 442 . Die erste, auf das Licht-der-Lichter folgende Hypostase wird durch die sogenannten „überlegenen“ oder „mächtigen Lichter“ (anwĂr qĂhira) gebildet. Die Ursprünge dieser Terminologie sind nicht bekannt 443 . In orthodoxen islamische Quellen sind die Formen al-qĂhir und al-qahhĂr („der Bezwinger“) der Wurzel Q-H-R Gott vorbehalten. Hieran knüpft al-SuhrawardÁ möglicherweise an, wenn er von dem Licht-der-Lichter als „dem mächtigsten Licht“ (al-nŧr al-aqhar) spricht 444 . Doch sind auch neuplatonische Quellen nicht auszuschließen, die auf Platons Bestimmung des Lichts als besonders ehrwürdig (ɐŭɈůɋɉ) im Sonnengleichnis aufbauen 445 . Sowohl Plotin als auch Proklos sprechen in diesem Zusammenhang von dem Guten als dem Licht, das „herrlicher“ oder „mächtiger“ ist als die lichtvollen Intelligibilia 446 . Al-SuhrawardÁs Terminologie legt nun die Vermutung nahe, dass die sogenannten „mächtigen Lichter“ diese „Macht“ (qahr) des Lichtsder-Lichter in irgendeiner Form teilen. Wie jenes sind sie ewig und unveränderlich. Ihre Zahl ist sehr groß und für den Menschen nicht 441
442
443
444
445
446
ͦikmat al-ishrĂq, pp. 121f., 138-141, 184f., 204f. (Corbin), pp. 87, 98-100, 121f., 133f. (Ziai/Walbridge). Der Ausdruck nŧr sĂniͧ hat darüber hinaus die Konnotation (göttlicher) Inspiration, cf. KitĂb al-TalwĮͧĂt, Teil III, p. 103. ͦikmat al-ishrĂq, pp. 122f., 125, 186, 235 (Corbin), pp. 87f., 90, 123, 150 (Ziai/ Walbridge), KitĂb al-MashĂriצ, Teil III, p. 464f. Unter den zahlreichen Qualifikationen des Lichts, die in al-GhazlÁs MishkĂt alanwĂr zu finden sind, ist der Ausdruck nicht belegt. Al-SuhrawardÁ, KitĂb al-MashĂriצ, Teil III, p. 502; idem, QiΥΥat al-ghurba algharbiyya, in Shihaboddin Yahya Sohravardi, Œuvres philosophiques et mystiques. Textes édités avec prolégomènes en français par Henry Corbin. Vol. 2. Tihrn 1331/1952, p. 296. Vgl. dazu W. Beierwaltes, Lux intelligibilis. Untersuchung zur Lichtmetaphysik der Griechen. Phil. Diss. Ludwig-Maximilians-Universität München, München 1957, pp. 37-57. Cf. ɒɅɎ оɍǸƇɐɐɋɉ, Plotin, Enneas VI 7, 21.16 (vgl. auch Enn. VI 7, 16); ɒɅɎ ɏǸɈɉŲɐǸɍɋɉ, Proclus, In Platonis Rem publicam comm., vol. 1, p. 277, l. 27.
132
II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder
genau zu beziffern 447 . Für unsere Fragestellung ist jedoch wichtiger, dass diese „mächtigen Lichter“ in die Nähe von Platonischen Ideen gerückt werden. Al-SuhrawardÁ beschreibt sie an verschiedenen Stellen als „Herren der Bilder“ (arbĂb oder aΥͧĂb al-aΥnĂm) 448 . Die ursprüngliche (und vielfach belegte) Bedeutung von Υanam (Pl. aΥnĂm) ist „Götzenbild, Idol“ 449 . Das Wort ist auch in der frühen alchemistischen Literatur zu finden, die aber für al-SuhrawardÁs Interpretation keine Rolle spielt 450 . Anderen Verwendungsweisen des Begriffs begegnete al-SuhrawardÁ in den arabischen Plotiniana, wo Υanam allein oder in Verbindung mit anderen Wörtern zur Wiedergabe oder Paraphrase der griechischen Begriffe ۙмлɇɈл, ɌлɍŪǷǸůмɈл, ǸŵоŴɉ, und ǸŹǷɕɇɋɉ dient 451 . In allen Fällen bezeichnet Υanam dort ein Element einer UrbildAbbild-Relation, ist aber, wie die griechischen Äquivalente, nicht eindeutig einer der beiden Seiten der Relation zuzuordnen. Generell gilt, dass ein Υanam dem ähnlich ist (tashabbaha), dessen Υanam es ist 452 . Die verschiedenen Verwendungsweisen stehen aber durchaus in einem problematischen Verhältnis zueinander. Im Folgenden gebe ich Υanam/ aΥnĂm behelfsweise durch BILD/BILDER wieder. An mehreren Stellen der Plotin-Adaptionen ist von BILDERN des kosmos noêtos oder des Nous die Rede. So werden der gesamte kosmos aisthêtos als Abbild (mithĂl) und BILD des kosmos noêtos und die natürlichen Dinge (al-ashyĂ ץal-ίabĮצiyya) als BILDER des Nous beschrieben 453 . 447 448
449
450 451
452 453
ͦikmat al-ishrĂq, pp. 139f., 200 (Corbin), pp. 99, 131f. (Ziai/Walbridge). Auch von dhawĂt al-aΥnĂm („Träger/Inhaber der Idole“) ist die Rede; cf. ͦikmat al-ishrĂq, pp. 143, 145f., 155, 169, etc. (Corbin), pp. 101-103, 107, 114 (Ziai/Walbridge). צIbĂdat al-aΥnĂm, „Götzendienst“, und צabadat al-aΥnĂm, „Götzendiener“, sind die entsprechenden Termini in der häresiographischen Literatur. Cf. M. Ullmann, Die Natur- und Geheimwissenschaften im Islam, p. 173. Cf. ThA, p. 69, l. 5-8 (zu Enn. VI 7, 2.3-7), p. 93, l. 10 (zu Enn. VI 7, 12.1f.), p. 114, l. 10 (zu Enn. V 1, 6.13f.), p. 119, l. 3-8 (zu Enn. V 8, 12.12-19), p. 136, l. 6-12 (zu Enn. V 2, 1.18-21), p. 156, l. 13f. (zu Enn. V 8, 4.42f.), p. 160, l. 4-18 (zu Enn. V 8, 6.1-9), Epist, p. 168, l. 15f. (zu Enn. V 9, 3.33f.), p. 173, l. 13 (zu Enn. V 3, 8.8f.), etc. (Ich danke Cristina D’Ancona für ihre freundliche Unterstützung bei der Zusammenstellung der Belegstellen.) Für weitere Belege der Entsprechungen ۙмлɇɈл und ǸŹǷɕɇɋɉ in der griechisch-arabischen Übersetzungsliteratur cf. M. Ullmann, WGAÜ Suppl. 1, pp. 53, 536. ThA, p. 119, l. 6f. Ibid., p. 69, l. 5f. p. 93, l. 10.
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Bei letzteren handelt es sich offenbar nicht um Abbilder des Nous selbst, sondern um solche seiner Denkgegenstände, wie aus dem Beispiel des sinnlichen Menschen als ein BILD des noetischen Menschen hervorgeht 454 . Des Weiteren sind es nicht die Einzeldinge des kosmos aisthêtos, die als BILDER der noetischen Welt begriffen werden, sondern deren Wesen oder „Natur“: „Jede Natur (ίabĮצa) ist ein Abbild (mithĂl) und BILD von etwas über ihr und hat so lange Bestand wie die Sache, deren Υanam sie ist.“ 455 Diesen Abschnitten zufolge sind BILDER Wesen, Gattungen oder Arten, der sinnlichen Dinge, die in einem Abbildund Abhängigkeitsverhältnis zu bestimmten Dingen im kosmos noêtos stehen. Diese sinnlichen BILDER können von der Seele erschaffen werden (abdaצa), wenn sie sich nicht aufwärts, zu ihrer Ursache, sondern abwärts bewegt. Sie sind veränderlich und vergänglich 456 . An anderen Stellen wird diese zweistellige Abbildrelation zu einer dreistelligen Relation erweitert, indem die Himmel und die Himmelskörper als eine weitere Urbild-Abbild-Ebene hinzutreten. Nun spricht die arabische Plotin-Adaption vom kosmos aisthêtos nicht als BILD des kosmos noêtos, sondern als BILD der himmlischen Welt (al-צĂlam alsamĂwĮ) 457 . Diese ist nicht mit dem kosmos noêtos gleichzusetzen, denn die Dinge der himmlischen Welt bilden ihrerseits wiederum BILDER und „Symbole“ (rusŧm) des kosmos noêtos 458 . Daher ist Jupiter, „das erste aller Dinge, die außerhalb des kosmos noêtos erscheinen (ϕahara), ein BILD von etwas im kosmos noêtos“, und zwar das BILD und Abbild (mithĂl) der Schönheit (ͧusn) des kosmos noêtos 459 . Es scheint nahezuliegen, die beiden unterschiedlichen Ansätze miteinander zu verknüpfen, indem wir von drei verschiedenen Relationen ausgehen: 1. Die Einzeldinge (sinnliche Substanzen, Lebendiges und Schönes der sinnlichen Welt) im kosmos aisthêtos sind BILDER der himmlischen Dinge. 2. Ihre universalen Naturen (Mensch, Leben, Schönheit) sind hingegen BILDER universaler noetischer Entitäten. 3. Die Himmelskörper sind qua sichtbare Particularia zugleich BILDER 454 455 456 457
458 459
Ibid., p. 69, l. 7: al-insĂn al-ͧissĮ ... Υanam al-insĂn al-צaqlĮ. Ibid., p. 119, l. 8f. Ibid., p. 136, l. 6-12; Epist, p. 168, l. 15f., p. 173, l. 13. Explizit hervorgehoben werden Leben, Substanz und Schönheit (ͧayĂt wa-jawhar wa-ͧusn) in der sinnlichen Welt; ThA, p. 119, l. 7. Ibid., p. 156, l. 13. Ibid., p. 119, l. 2-5.
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II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder
noetischer Entitäten und Urbilder der sinnlichen Einzeldinge qua BILDER der himmlischen Welt. Ein BILD kann demnach sowohl Urbildals auch Abbildcharakter besitzen. Die einzelnen Dinge der sichtbaren Welt sind Abbilder von Abbildern, ihre universalen Naturen sind Abbilder noetischer Urbilder. Das semantische Feld von „Υanam“ wird jedoch in den arabischen Plotiniana noch weiter ausgedehnt. An einigen Stellen ist nicht nur von sinnlichen und himmlischen, sondern auch von noetischen BILDERN die Rede. In einem Abschnitt, der Plotins Ausführungen über die ägyptischen Hieroglyphen (Enn. V 8, 6.1ff.)460 paraphrasiert, heißt es sinngemäß: Die Weisen des alten Ägypten haben wahre Erkenntnis (maצrifa ΥaͧĮͧa) des kosmos noêtos und der darin befindlichen Formen (Υuwar) erlangt. Ihre Weisheit legten sie nicht, wie sonst üblich, in Büchern, in Form von Urteilen und Propositionen oder, allgemeiner, in sprachlicher Form dar, vielmehr meißelten sie ihre Wissenschaften in Steine oder Körper und machten diese zu (Idol-) BILDERN, um sie als Zeichen für die Menschen aufzustellen. Damit wollten sie uns zu erkennen geben, dass es für jede Weisheit und für alle Dinge „ein noetisches BILD und eine noetische Form“ (Υanaman צaqliyyan waΥŧratan צaqliyyatan) gibt, die immateriell und ohne Substrat sind und alle zugleich und ohne diskursives Denken erschaffen wurden, da ihr Erschaffer (mubdiצuhĂ) einer und einfach ist. Von diesen BILDERN wiederum stellten sie ihnen ähnliche, jedoch weniger reine und weniger schöne BILDER her —„wie Bücher, die gelesen werden können“ (kaannahĂ kutub tuqraץu) —, um uns zu zeigen, dass jene schönen sinnlichen 461 BILDER selbst nur Abbilder (muthul) von ehrwürdigen noetischen BILDERN sind 462 . Diesem Abschnitt zufolge sind drei epistemische Stufen von BILDERN zu unterscheiden. Gegenstand der höchsten menschlichen Weisheit sind noetische BILDER, die als noetische Formen konnotiert werden. Das Wissen von ihnen kann nicht (oder nicht adäquat) mit Hilfe der Sprache gefasst und vermittelt werden. Es kann aber in anderen BILDERN von höchster sinnlicher Schönheit und Reinheit abgebildet werden. Epistemologisch stehen diese BILDER der zweiten 460 461
462
Dazu P. Hadot, Plotinus or The Simplicity of Vision, p. 40. Ich lese al-ͧissiyya al-ͧasana anstelle von al-ͧissiyya al-khasĮsa, p. 160, l. 14, der Edition. ThA, p. 159, l. 16 – p. 160, l. 18.
II. Al-SuhrawardÁ über Platonische Formen und Urbilder
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Stufe, bei denen es sich um Abbilder (muthul) noetischer BILDER handelt, auf derselben Ebene wie die oben als sichtbare BILDER noetischer Entitäten charakterisierten Himmelskörper. Sie sind der Erkenntnis leichter zugänglich als die Formen des kosmos noêtos, aber nur wer letztere geschaut hat, weiß um die Abbildhaftigkeit der BILDER zweiter Stufe. Die Ursachen dieser Abbildhaftigkeit sind nicht in diesen BILDERN selbst erkennbar oder darstellbar. Um uns auf diese noetische Urbild-Abbild-Relation und ihre Ursachen hinzuweisen, haben die ägyptischen Weisen von den BILDERN zweiter Stufe wiederum BILDER nachgebildet. Diese BILDER der dritten Stufe sind weniger rein und schön, lassen aber „wie in lesbaren Büchern“, d. h. mittels des diskursiven, propositionalen Denkens, erkennen, dass die BILDER der dritten Stufe urbildliche Ursachen haben und Entsprechendes für die BILDER der zweiten Stufe gelten muss. Dass es sich auch bei den Gegenständen des kosmos noêtos um BILDER handelt, wird in einer Paraphrase von Enn. V 1, 6.9-16 bestätigt, wo Plotin über die noetische Schau des Einen spricht. In der arabischen Adaption des schwierigen Abschnitts ist zu lesen: „Derjenige, der wissen möchte, wie das wahre Eine die vielen Dinge erschuf, möge seinen Blick ausschließlich auf das wahre Eine richten, alle Dinge außerhalb seiner [selbst] 463 hinter sich lassen und in sich einkehren und dort innehalten. Dann wird er mit seinem Intellekt das wahre Eine in Ruhe über allen Dingen (sowohl den noetischen als auch den sinnlichen) stehend sehen, und er wird alle übrigen Dinge als [von ihm] ausströmende und zu ihm sich [zurück]wendende BILDER sehen.“ 464
Dieser Interpretation zufolge handelt es sich bei allem, was aus dem Einen hervorgeht, um BILDER, zumindest insoweit als es der ekstatischen Schau des menschlichen Intellekts zugänglich ist. Ob die BILDER bereits als solche aus dem Einen hervorgehen oder erst hierzu werden, indem der Nous sich und alles andere denkt, wird in den arabischen Plotiniana nicht erklärt. Al-SuhrawardÁ baut auf diesem vielschichtigen und weitgefassten Konzept der BILDER auf. Τanam, BILD, bedeutet für ihn die luminöse 463
464
Ich beziehe „khĂrijan minhu“ auf das Satzsubjekt. Hier wird auf Plotins ekstatische „out-of-body-Erfahrung“ der Seele angespielt. G. Lewis bezieht „khĂrijan minhu“ auf „das wahre Eine“ und übersetzt: „and leave behind all things outside it“, Plotini opera, Tomvs II, p. 273. ThA, p. 114, l. 7-10.
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formale Instantiierung des intelligiblen Lichts, lichthafte Form sowohl qua Wirklichkeit der individuellen Substanz als auch qua universale Art-Form. Mit anderen Worten, al-SuhrawardÁ interpretiert den BILDBegriff der arabischen Plotiniana im Rahmen seiner Lichtmetaphysik mit Hilfe der von Ibn SÁn getroffenen Unterscheidung der Seinsweisen der Essenz als (a) Universalbegriff, der nur im menschlichen Geist existiert, und (b) Wesen der konkreten Substanz, das extramental in den Particularia existiert. Beiden Seinsweisen ist gemein, dass das Wesen nicht durch sich selbst subsistiert, sondern in seiner Existenz entweder vom Geist oder von der partikularen Substanz als seinem Substrat abhängt. Die Essenz an sich aber ist nach Ibn SÁn von diesen beiden Seinsweisen zu unterscheiden. Sie verhält sich ihnen gegenüber indifferent. Eben diese Eigenschaft der Essenz-an-sich wird al-SuhrawardÁ als eine dritte Seinsweise auffassen und als luminöse Existenz „mächtiger Lichter“ beschreiben, die sich zu den beiden anderen Seinsweisen als „Herren der BILDER“ verhalten. Sein wichtigstes Argument hierfür ist sein platonischer hierarchischer Wahrheitsbegriff, der, wie in Platons Sonnengleichnis, partiell mit seinem Lichtbegriff zusammenfällt. Ontologische Vollkommenheit wird mit einem höheren Realitätsoder Wahrheitsgehalt (resp. mit einer größeren Lichtintensität oder „Macht“, shidda, qahr) konnotiert: „Es ist ein Irrtum ..., wenn die Peripatetiker zur Widerlegung der Platonischen Urbilder (muthul AflĂίŧn) lehren: Würden die Formen von Mensch an sich, Pferd an sich, Wasser an sich oder Feuer an sich durch sich subsistieren, könnte nichts von dem, was ihnen hinsichtlich der Wahrheit (al-ͧaqĮqa) gemein ist, als etwas begriffen werden, das einem Substrat inhäriert. Wenn aber die partikularen Partizipanten der [Wahrheit] in irgendeiner Form eines Substrats bedürfen, muss es folglich die [partizipierte] Wahrheit selbst sein, die [die Existenz] des Substrats notwendig macht. Folglich kann keine dieser [Formen] ohne Substrat sein. Ihnen ist [Folgendes] zu entgegnen: Habt ihr denn nicht zugegeben, dass die Form der Substanz im Geist Wirklichkeit hat, und zwar als Akzidens 465 ? Ja, ihr lehrt sogar, dass [dies] etwas [ist, was] sowohl in den Einzeldingen als auch im Geist Existenz hat! Wenn es aber möglich ist, dass die Wahrheit von Substantialität (ͧaqĮqat al-jawhariyya) als Akzidens im Geist wirklich ist, [dann] ist es auch möglich, dass im kosmos noêtos 465
Vgl. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt III.8.
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durch sich subsistierende Wesenheiten existieren und ihnen in dieser Welt nicht durch sich selbst subsistierende BILDER eignen. Letztere sind nämlich die Vollkommenheit für etwas anderes, besitzen aber nicht die Vollkommenheit der noetischen Wesenheiten, genauso wie die Repräsentationen (muthul) der extramentaler Quidditäten von Substanzen im Geist wirklich sind, ohne 466 durch sich selbst zu subsistieren. Denn diese sind eine Vollkommenheit oder ein Charakteristikum für den Geist, besitzen jedoch nicht einen solchen Grad an Unabhängigkeit wie die extramentalen Quidditäten, geschweige denn, dass sie durch sich subsistierten.“ 467
Wenn, wie die „Peripatetiker“ zugestehen, die BILDER existieren, und zwar sowohl extramental als auch als Universalien im Geist, indem sie Vollkommenheit für anderes (nämlich für den Geist qua Denkgegenstand und für die Particularia qua Form), nicht aber vollkommen durch sich selbst sind, dann müssen die noetischen Wesenheiten, die vollkommen durch sich selbst sind und also einen höheren Grad der Vollkommenheit besitzen, umso mehr Wahrheit und Wirklichkeit haben. Ein weiteres Argument betrifft die intellektuale Repräsentation von Einzeldingen durch Universalien. Ibn SÁn und den „Peripatetikern“ zufolge erstreckt sich diese Ähnlichkeit oder Entsprechung der Repräsentation nicht auf die Abhängigkeit oder Unabhängigkeit von einem Substrat. Die extramentale individuelle Substanz existiert nicht in einem Substrat, der sie repräsentierende universale Begriff existiert aber nur im Intellekt als seinem Substrat. Die Wahrheit oder wahre Natur des Einzeldings und seiner intellektualen Repräsentation muss demnach von deren Verhältnis zu einem Substrat unabhängig sein: „Wäre die [intellektuale] Repräsentation (mithĂl) des Menschen ein Mensch —wobei [vorausgesetzt sei, dass] eine [intellektuale] Repräsentation notwendig in einem Substrat existiert, sei dies nun die Seele oder was immer du annehmen magst— und könnte er als individuelles Wesen im Geist nicht abgetrennt und durch sich subsistierend vorgestellt werden, dann gäbe es eine Art des [Menschen], die durch sich subsistiert und eine [andere], die nicht durch sich subsistiert. Es gehört aber zu den grundlegenden Prinzipien [...], dass ein und dieselbe Natur nicht wahr466
467
Wa-lĂ (ed. Corbin) ist die korrekte Lesart, nicht fa-lĂ, wie von Ziai/Walbridge ediert. ͦikmat al-ishrĂq, p. 92, l. 6 – p. 93, l. 5 (Corbin), p. 65, l. 19 – p. 66, l. 10 (Ziai/ Walbridge).
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heitsgemäß sowohl durch sich subsistierend als auch in etwas anderem als ihrem Substrat sein kann. [...] Eine [intellektuale] Repräsentation ist die Repräsentation der Wahrheit, nicht die Wahrheit selbst. Die Repräsentation von Lebewesen im Intellekt beispielsweise umfasst die Repräsentation von Nahrungsaufnahme und Wachstum, nicht Nahrungsaufnahme und Wachstum selbst; und sie umfasst die Repräsentation von Substantialität, nicht Substantialität selbst. Und bei der [intellektualen] Repräsentation von Zayd und Amr ist ihre Substantialität an ihr Menschsein gebunden, und nur hiervon entsteht eine dem Universalen korrespondierende Repräsentation [im Intellekt], wenn man denn mit dem Universalen die Natur der Sache bezeichnen möchte, unabhängig davon, ob sie im Intellekt oder im Einzelding ist.“ 468
Universalien sind also keine separaten Substanzen, sondern mentale Repräsentationen, die sich gegenüber der Substantialität oder Akzidentalität des durch sie Repräsentierten indifferent verhalten und damit nur bedingt als dessen Wahrheitsbegriff taugen: „Obwohl das Wesen des Universalen darin besteht, im Intellekt nicht den Particularia zu inhärieren und nicht unabhängig von einem Substrat zu sein, ist es doch möglich, dass es etwas [Extramentales] gibt, dessen [intellektuale] Repräsentation (mithĂl) es ist, das aber [seinerseits] unabhängig von einem Substrat ist. Wie nun aus der Unabhängigkeit dessen, dem eine Sache in gewisser Hinsicht gleicht, nicht die Unabhängigkeit dieser Sache [selbst] folgt [...], so folgt [umgekehrt] nicht aus der von einem Substrat unabhängigen extramentalen Existenz die von einem Substrat unabhängige Existenz des Intellektualen (al-dhihnĮ). Und aus der Substantialität der extramentalen [Entität] folgt nicht die Substantialität ihrer Repräsentation. Vielmehr ist das Intellektuale [nur] die Repräsentation der Substanz, nicht aber Substanz und Repräsentation.“ 469
Al-SuhrawardÁ folgt Ibn SÁn darin, dass den Universalien keine extramentale Existenz eignet 470 und das Universale qua Universale nicht 468
469 470
KitĂb al-MashĂri צ, Teil III, p. 228, l. 17 – p. 229, l. 2, p. 230, l. 4-8. Der gesamte Abschnitt pp. 226-233 dient der Widerlegung einer substanziellen Existenz von Universalien und der Kritik eines repräsentationalen Wahrheitsbegriffs mittels der Konzeption von Universalien als wahrer Natur der Arten. Ibid., p. 225, l. 4-12, ähnlich KitĂb al-MuqĂwamĂt, Teil III, p. 133f. Cf. KitĂb al-LamaͧĂt, p. 125; Manίiq al-TalwĮͧĂt, p. 5f., p. 90, ͦikmat al-ishrĂq, p. 17 (Corbin), p. 7f. (Ziai/Walbridge).
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in den Einzeldingen, sondern nur im Intellekt existiert 471 . Auch kann aus der Einheit des Universalbegriffs nicht dessen separate Existenz als Platonisches Urbild abgeleitet werden: „Einige argumentieren für die Existenz [Platonischer] Urbilder (muthul) damit, dass Mensch-an-sich qua Mensch-an-sich nicht ein Vieles, sondern ein Eines ist. [Dies] ist aber kein richtiges Argument, denn Mensch-ansich qua Mensch-an-sich impliziert weder Einheit noch Vielheit, sondern wird von beiden ausgesagt. Wäre Einheit eine Bedingung des Begriffs von Mensch-an-sich, könnte Mensch-an-sich nicht von vielen ausgesagt werden. Und [umgekehrt], wenn Mensch-an-sich nicht Vielheit impliziert, ist die Nicht-Implikation von Vielheit nicht mit der Implikation von Einheit gleichzusetzen 472 . [...] Die Privation der Implikation von Vielheit ist nicht die Implikation von Nichtvielheit, und der Gegensatz der Implikation von Vielheit ist nichts anderes als die Nichtimplikation von Vielheit. Diese kann also wahr sein, ohne dass hieraus die Implikation von Einheit [folgte] 473 . Der eine [Begriff] Mensch-an-sich, der von einer Gesamtheit prädiziert wird und nur im Geist existiert, bedarf nun aber zum Zwecke seiner Prädikation keiner anderen Form. Und [auch] die Annahme, dass die Individuen [einer Art] vergänglich sind, die Art aber fortdauernd, zwingt nicht zu [der Annahme], dass [letztere] etwas durch sich subsistierendes Universales sei.“ 474
Wie in der arabischen Plotin-Paraphrase steht Υanam für die abbildhafte Natur einer Sache 475 , die nun freilich als lichthaftes Wesen gedacht wird 476 . Diese Natur setzt al-SuhrawardÁ, wie wir schon oben sahen, in den stärker an Ibn SÁn orientierten Werken mit der Art (naw )צgleich, weshalb dort die „Herren der BILDER“ analog als „Herren 471 472
473
474
475 476
KitĂb al-MashĂri צ, Teil III, p. 330, l. 12 – p. 333, l. 9. Zu lesen ist wa-laysa idhĂ ... yakŧnu lĂ qti͏Ăץa kathratihĂ qti͏Ăץa l-waͧdati, wie in Corbin, anstelle von wa-idhĂ ... yakŧnu li-qti͏Ăץi kathratihĂ qti͏Ăץu l-waͧdati, wie in Ziai/ Walbridge. Zu lesen ist maצa lĂ qti͏Ăץa l-waͧdati, wie in Corbin, anstelle von maצa l-iqti͏Ăץi lwaͧda, wie in Ziai/Walbridge. ͦikmat al-ishrĂq, p. 161, l. 2-11 (Corbin), p. 109, l. 22 – p. 110, l. 9 (Ziai / Walbridge), ähnlich KitĂb al-MuqĂwamĂt, Teil III, p. 160. Vgl. oben, p. 132 f. „Die Natur jedweder Sache, sofern sie unter Absehung ihrer Qualitäten betrachtet wird, besteht in dem Licht, dessen BILD die Sache ist“; ͦikmat al-ishrĂq, p. 199 (Corbin), p. 131 (Ziai /Walbridge).
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der Arten“ (aΥͧĂb/arbĂb al-naw )צbezeichnet werden. Diese sind nicht mit dem universalen Begriff der Art zu verwechseln: „Gelegentlich benannten [die Alten] den „Herrn“ jeder Art mit dem Namen dieser Art, sie nennen ihn [aber] auch ‚das Universaleì (al-kullĮ) dieser Sache. Sie meinten damit aber nicht das Universale, welches der [universale] Begriff der Sache ist und an welchem [etwas] partizipieren kann. Auch [meinten sie] nicht, dass, wenn wir das Universale denken, der Gegenstand unseres Denkens der „Herr der Art“ selbst sei, noch auch, dass der „Herr der Art“ [Mensch] Hände, Füße und eine Nase habe. Vielmehr meinten sie damit ein spirituelles Wesen (dhĂt rŧͧĂniyya), zu dem sich die körperliche Art wie sein Schatten und sein [luminöses] BILD verhält.“ 477
„Herren der BILDER/Arten“ sind also weder hypostasierte Universalien noch selbstprädikative Ideen. In dem frühen KitĂb al-TalwĮͧĂt assoziiert al-SuhrawardÁ diese „spirituellen Wesen“ noch mit Platonischen Formen und Urbildern, die er als noetische Substanzen von höchstem Wahrheitsgehalt fasst: „Für jede der körperlichen Arten gibt es ein Urbild (mithĂl) und eine [durch sich] subsistierende immaterielle Form (Υŧra). Dabei handelt es sich um eine noetische Substanz ( jawhar צaqlĮ), deren Wahrheitsgehalt mit ihrer intelligiblen Bedeutung zusammenfällt. Manche [der Alten] argumentierten für ihre ehrwürdigere Macht (al-imkĂn al-ashraf ) und lehrten, dass jene Arten die BILDER, Zeichen und Schatten dieser [Urbilder und Formen] seien, diese aber die fundamentalen Wahrheiten (al-ͧaqĂץiq alaΥliyya). Diese [Urbilder und Formen] sind die Platonischen Urbilder.“ 478
Mit explizitem Bezug auf Aristoteles wird dort die Existenz der Platonischen Formen aus den numerischen Proportionsverhältnissen zwischen den himmlischen Intellekten hergeleitet. Zahlen sind insofern Prinzipien des Seienden als sich in ihnen sowohl die unterschiedlichen Rangstufen der monadischen Intellekte als auch die Anzahl und Rangstufen der jedem einzelnen Intellekt untergeordneten Arten und ihrer Akzidenzien manifestieren 479 . Diese Position modifiziert alSuhrawardÁ im Verlaufe einer zunehmenden Ausdifferenzierung seiner 477 478
479
KitĂb al-MashĂri צ, Teil III, p. 463, l. 8-12. KitĂb al-TalwĮͧĂt, Teil III, p. 68, l. 1-4. Die Zuschreibung an “die Alten” darf nicht darüber hinweg täuschen, dass SuhrawardÁ hier, wie so oft in seinem Werk, seine eigenen Lehren unter Berufung auf antike Autoritäten formuliert. Ibid., p. 117, l. 9 – p. 118, l. 11 und kritischer Apparat zu p. 118, l. 10.
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Lichtmetaphysik. In den späteren Werken versteht al-SuhrawardÁ unter Urbildern (muthul) einfache luminöse Wesen (dhawĂt basĮίa nŧriyya), bei denen es sich weder um Substanzen noch um messbare Größen handelt (hiya ghayr mutaqaddira wa-lĂ mutajawhara) 480 . Mit al-SuhrawardÁs zunehmender Distanzierung von einer Reduktion der Erkenntnis auf formale Repräsentationen der extramentalen Erkenntnisgegenstände wachsen auch seine Bedenken gegen ontologische Urbild-Abbild-Relationen. Epistemische Abbildrelationen werden nun nicht mehr zwingend als Korrelate ontologischer Abbild-Relationen verstanden. Zwar ist die Form im Geist die epistemische Repräsentation (mithĂl idrĂkĮ) des extramentalen Erkenntnisgegenstands und steht als Universale zu diesem in einer Relation der Korrespondenz oder Entsprechung (muίĂbaqa), doch ist sie ihrem Wesen nach von dem extramentalen Erkenntnisgegenstand verschieden, insofern Repräsentationalität (mithĂliyya), also die Eigenschaft, eine Repräsentation (mithĂl) zu sein, zu ihrem Wesen (dhĂt) gehört, während der extramentale Erkenntnisgegenstand nicht seinem Wesen nach eine Repräsentation von etwas anderem ist 481 . Daher existiert nicht für jedes beliebige Akzidens eine ontologische Urbild-Abbild-Relation, und dort, wo eine solche Relation existiert, wie im Falle der „Herren der BILDER/ Arten“, ist sie nicht in einem ihr übergeordneten Endzweck begründet. Wäre dies der Fall, müsste —hier nimmt al-SuhrawardÁ Aristoteles’ Ideenkritik auf— eine unendliche Reihung von Urbild-Abbild-Relationen entstehen: „Diejenigen von ihnen [i.e. den Alten], die die Wahrheit sprechen, lehren nicht, dass es für jedes beliebige Akzidens einen [durch sich] subsistierenden „Herrn der Art“ gibt, [dies] vielmehr [nur] für die Arten der Substanz. Auch lehren sie nicht, dass die „Herren der Arten“ nur dazu existieren, um ein Urbild (mithĂl) und wie ein Modell (ka-qĂlab) für das zu sein, was unter ihnen ist. Denn sie halten die körperlichen Arten für deren BILDER und Schatten, ohne dass zwischen den beiden ein [hierarchisches] Verhältnis der Ehrwürdigkeit bestünde. Und [weiter]: wie [sollte es möglich sein, dass] der Schöpfer, der Wahre, für seine Hervorbringung der Dinge gewisser Urbilder (muthul) bedürfe, derart dass diese als [normative] 480
481
ͦikmat al-ishrĂq, p. 159, l. 3-8 (Corbin), p. 109, l. 1-6 (Ziai/Walbridge). Auch in diesem Anschnitt wird eine Selbstprädikation der Urbilder explizit ausgeschlossen. KitĂb al-MashĂriצ, Teil III, p. 331, l. 3 – p. 332, l. 5.
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Vorbilder (dastŧrĂt) seiner Erschaffung dienten? Wäre dies der Fall, bedürften die Urbilder wiederum [anderer] Urbilder, und so fort ad infinitum. Außerdem müsste das, was ihm als Urbild und Modell dient, ehrwürdiger [als sein eigenes Wirken] sein, da es Endzweck (al-ghĂya) ist. Dies trifft aber nicht auf die Intellekte zu.“ 482
Das Konzept der Urbild-Abbild-Relation ist also nur begrenzt tauglich, um das Verhältnis zwischen den „Herren der Arten“ und den Arten sinnlicher Dinge zu beschreiben. Es impliziert eine finale Kausalrelation und damit eine hierarchische Ordnung der Ehrwürdigkeit, die al-SuhrawardÁ zufolge noch gar nicht auf dieser Ebene, sondern erst mit der Instantiierung der Arten im kosmos aisthêtos auftritt. Diese hierarchische Differenz wird erst dadurch etabliert, dass das intelligible Licht der Art zu einem BILD, d. h. zu einer Form individueller Substanzen mit luminösen Dispositionen im kosmos aisthêtos wird. Beide bestehen aus ein und demselben intelligiblen Licht, der „Herr der Art“, insofern er dieses Licht selbst ist, die Art-Form, insofern sie das von ihm ausgestrahlte Licht mit unterschiedlichen luminösen Dispositionen ist, welche auch die wesenhaften Akzidenzien der Art erzeugen: „Jedes Ding, das eine eigene Existenz [im kosmos aisthêtos] hat, hat etwas, wodurch es in einem [hierarchischen] Verhältnis zum Heiligen steht. Aber es ist nicht [so, dass] dem Duft des Moschus ein Urbild (mithĂl) und dem Moschus [selbst] ein anderes [Urbild eignete], vielmehr ist dies ein [einziges] „mächtiges Licht“ in der Welt des reinen Lichts, dem eine [gewisse] luminöse Disposition von [unterschiedlichen] Strahlen und unterschiedliche Dispositionen von Liebe, Entzücken und Macht eignen. Wenn dessen Schatten in diese Welt fällt, ist sein BILD der Moschus mitsamt seinem Duft [...] oder die menschliche Form mitsamt ihren unterschiedlichen Organen gemäß dem oben erwähnten [hierarchischen] Verhältnis. [...] Wenn [die Alten] sagen, dass im kosmos noêtos ein universaler Mensch (insĂnan kulliyyan) existiert, meinen sie damit, [dass dort] ein „mächtiges Licht“ [existiert], in dem es Strahlen mit unterschiedlichen [hierarchischen] Verhältnissen gibt und dessen Schatten in den Dingen mit [räumlicher] Ausdehnung die Form (Υŧra) des Menschen ist. Dieses [Licht] ist nicht in dem Sinne universal, dass es [universaliter] prädizierbar ist, sondern in dem Sinne, dass es zu diesen zählbaren Dingen ein und dasselbe Verhältnis der Emanation hat und [zugleich] wie das Ganze und der Ursprung ist. Das so [verstandene] Universale ist nicht mit dem identisch, dessen Bedeutung genau darin besteht, dass [etwas anderes] an ihm partizipieren kann. 482
Ibid., p. 461, l. 1-7.
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[Die Alten] haben also [durchaus] erkannt, dass diesem [Licht] ein bestimmtes Wesen eignet und es sich selbst erkennt: wie könnte es da etwas Allgemeines sein?“ 483
Die luminöse Universalität der „mächtigen Lichter“ ist demnach von der logischen Universalität („al-kullĮ al-mashhŧr fĮ l-manίiq“ 484 ) des Allgemeinbegriffs zu unterscheiden. Erstere ist das Ganze der ArtForm und der Individuen der Art samt ihren wesenhaften Akzidenzien, und zugleich deren fundamentale Wahrheit. Im Unterschied zur Art-Form, die Vielheit impliziert und Partizipation zulässt, ist das „mächtige Licht“ eines und Ursache der Vielheit in der Art-Form. AlSuhrawardÁ schaltet gewissermaßen zwischen das „mächtige Licht“ qua Platonisches Urbild und die partizipierenden Individuen die Aristotelische Art-Form. Zwischen der Art-Form (dem BILD) und dem „mächtigen Licht“ besteht keine Differenz hinsichtlich ihrer Ehrwürdigkeit, und es kann keine solche Differenz geben, da beide aus ein und demselben Licht bestehen. Die Urbildlichkeit des „mächtigen Lichts“ ist diesem akzidentell, nicht sein wesenhafter Endzweck, sondern Produkt der luminösen Dispositionen seiner Strahlen, die bestimmt sind durch das von dem Licht-der-Lichter empfangene Licht, sodann durch das auf jenes zurückgeworfene Licht der „mächtigen Lichter“ (die Dispositionen der Liebe und Entzückung), sowie durch die Wechselwirkungen der gegenseitigen Illuminationen und Interferenzen der „mächtigen Lichter“. Ein weiterer Unterschied zwischen der Art-Form und dem korrespondierenden „mächtigen Licht“ besteht darin, dass erstere immer mit den körperlichen Instantiierungen (den barĂzikh) verbunden ist —die relevanten Schlagwörter sind muצallaq, mutaצallaq und צalĂqa 485 —, letzteres hingegen nicht. Um diesen Unterschieden gerecht zu werden, führt al-SuhrawardÁ eine weitere Hypostase von Lichtern ein, die „lenkenden“ oder „verwaltenden Lichter“ (anwĂr mudabbira, häufig auch kurz: al-mudabbirĂt), die der Mittelposition der Art-Formen zugeordnet werden. Der Begriff „verwaltende Lichter“ basiert ebenfalls auf al-SuhrawardÁs Inkorporation und Fortentwicklung arabischer Adaptionen antiker 483 484 485
ͦikmat al-ishrĂq, p. 160, l. 1-12 (Corbin), p. 109, l. 7-19 (Ziai/Walbridge). Ibid., p. 161, l. 1 (Corbin), p. 109, l. 20 (Ziai/ Walbridge). Ibid., p. 139, l. 11, p. 147, l. 7, p. 162, l. 9, p. 169, l. 1, p. 222, l. 11 (Corbin), p. 99, l. 16, p. 103, l. 10, p. 110, l. 20, p. 113, l. 18, p. 144, l. 19 (Ziai/Walbridge); KitĂb alMashĂriצ, Teil III, p. 461, l. 9-12; KitĂb al-MuqĂwamĂt, Teil III, p. 188, l. 8, etc.
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Quellen zurück. Dem „Verwalter“ (mudabbir) sind wir bereits oben im Kontext des platonischen Ordnungsprinzips in den arabischen Plotiniana begegnet 486 . Darüber hinaus ist sowohl in stoischen als auch in hermetischen Texten von der „Verwaltung“ (ǷůɋŭонɏůɎ) der Heimarmenê und ihrer Gesetze in Bezug auf die Welt die Rede. Oft wird den sieben Himmelskörpern die Rolle des „Verwalters“ (ǷůɋůоūɐнɎ) zugewiesen und astrologisch-gnostisch ausgedeutet 487 , ähnlich, jedoch ohne griechische Vorlage, in der Theologia Aristotelis 488 . Bei al-SuhrawardÁ sind vergleichbare astrologische Ansätze, aber auch angelologische Konnotationen der „verwaltenden Lichter“ zu finden (gelegentlich spricht er, offenbar ohne Bedeutungsunterschied, von „verwaltenden Engeln“, malĂץika mudabbira). Auch die „verwaltenden Lichter“ gehören zu den immateriellen, sich selbst denkenden Lichtern 489 . Im Gegensatz zu den „mächtigen Lichtern“ sind sie aber stets mit ihren verschatteten Instantiierungen im kosmos aisthêtos verbunden 490 . Sie stellen gewissermaßen das Bindeglied zwischen kosmos noêtos und kosmos aisthêtos dar 491 . Anders als im Kontext der griechischen Heimarmenê wird diese Verbindung nicht als göttliche Vorsehung (צinĂya) gefasst, die universal und ausschließlich dem Licht-der-Lichter und den „mächtigen Lichtern“ vorbehalten ist, sondern als eine individuelle „Verfügungsgewalt“ (taΥarruf ) 492 . „Verwaltende Lichter“ sind ewig a parte post, nicht aber a parte ante 493 . 486 487
488 489 490
491
492
Cf. supra, p. 41, auch pp. 49 f., 77. Cf. Silke-Petra Bergjan, Der fürsorgende Gott. Der Begriff der ˲˳˱˯˱˫ˣ Gottes in der apologetischen Literatur der Alten Kirche. (Arbeiten zur Kirchengeschichte; 81.) Berlin: De Gruyter, 2002, pp. 71-75; Jörg Büchli, Der Poimandres. Ein paganisiertes Evangelium. (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 2. Reihe; 27.) Tübingen 1987, p. 63f.; F.-N. Klein, Die Lichtterminologie bei Philon von Alexandrien, p. 94 f. ThA, p. 120, cf. supra, p. 41. Cf. ͦikmat al-ishrĂq, pp. 145-47, 165-67 (Corbin), pp. 102f., 111f. (Ziai/Walbridge). Cf. ibid., p. 183, l. 11-13, p. 186, l. 9-11 (Corbin), p. 121, l. 14-16, p. 123, l. 13 f. (Ziai/Walbridge). Eine Ausnahme scheinen lediglich die vier Elemente darzustellen, die je für sich nicht in der Lage sind, ein „verwaltendes Licht“ aufzunehmen, und deshalb ohne ein solches Mittleres (wĂsiίa) unmittelbar aus den mächtigen Lichtern“ hervorgehen; cf. ibid., p. 167, l. 2-4 (Corbin), p. 112, l. 9-11 (Ziai/Walbridge). Sofern sie diese ausüben, werden die “verwaltenden Lichter” auch “verfügende Lichter” (anwĂr mutaΥarrifa) genannt. Zur göttlichen Vorsehung cf. ibid., pp.
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Aufgrund ihrer Verbindung mit den barĂzikh haben die „verwaltenden Lichter“ eine geringere Ehrwürdigkeit als die „mächtigen Lichter“ und die von diesen emittierten Art-Formen 494 . Durch diese Verbindung wird die den „mächtigen Lichtern“ bloß akzidentelle Urbildlichkeit der luminösen Urbilder wesenhaft durch die „verwaltenden Lichter“ konstituiert. In den „verwaltenden Lichtern“ werden die „mächtigen Lichter“ qua Platonische Urbilder zu sichtbaren, diesen ähnlichen (shabĮha) Erscheinungen, so wie die „verwaltenden Lichter“ in ihren körperlichen Instantiierungen zu sichtbaren Erscheinungen (maϕĂhir) werden 495 . Die Formen (Υuwar) der vergänglichen Dinge, sowohl der vergangenen als auch der zukünftigen, sind in diesen „verwaltenden Lichtern“ gewissermaßen „gespeichert“ 496 . Das „Erscheinen“ der Formen in den körperlichen Dingen vergleicht alSuhrawardÁ mit den Formen der Imagination und den Formen, die in einem Spiegel erscheinen. Der Spiegel dient lediglich als Projektionsfläche der Erscheinung, nicht als der eigentliche Ort (makĂn) und das Substrat (maͧall) der Form, die lediglich aus dem kosmos noêtos in den Spiegel oder das Imaginationsvermögen „herabhängt“ (muצallaqa) 497 . Insgesamt unterscheidet al-SuhrawardÁ also vier Hypostasen oder Seinsweisen des Lichts (neben dem seinstranszendenten Licht-der Lichter): „mächtige Lichter“, „verwaltende Lichter“, „herabhängende Formen“, und licht- und schattenhafte Körper 498 . 144, 152f. (Corbin), pp. 101f., 106 (Ziai/Walbridge); KitĂb al-TalwĮͧĂt, Teil III, p. 83f. 493
Cf. ͦikmat al-ishrĂq, pp. 201, 222 (Corbin), pp. 132, 144 (Ziai/Walbridge).
494
Cf. ibid., p. 154 (Corbin), p. 107 (Ziai/Walbridge). Die “verwaltenden Lichter” gehen aus den “mächtigen Lichtern” hervor, die Vollkommenheit ihrer Luminosität wird durch die “mächtigen Lichter” garantiert, cf. ibid., pp. 168f., 185 (Corbin), pp. 112-14, 123 (Ziai/Walbridge).
495
Ibid., p. 228f. (Corbin), p. 147f. (Ziai/Walbridge).
496
„דuwaruh tuthbatu inda l-mudabbirt al-samwiyya”, KitĂb al-MashĂriצ, Teil III, p. 487.
497
ͦikmat al-ishrĂq, pp. 211f., 229, 241 (Corbin), pp. 138, 148, 154 (Ziai/Walbridge). Vgl. dazu die Anmerkungen 277 und 397, und oben, p. 117, sowie zum Ursprung dieses Topos A. Charles, „L’Imagination, miroir de l’âme selon Proclus,“ in Le Néoplatonisme. Colloque internationaux de Centre National de la Recherche Scientifique, Royaumont, 9-13 juin 1969, Paris: CNRS, 1971, pp. 241-51.
498
ͦikmat al-ishrĂq, p. 232 (Corbin), p. 149 (Ziai/Walbridge).
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Der zentrale Begriff al-SuhrawardÁs für die Verortung der Form im kosmos aisthêtos ist muצallaq oder mutaצallaq, das allgemein „vertikal verbunden“, in Bezug auf das untere Glied einer solchen Verbindung also „hängend“, „aufgehängt“ bedeutet. Allem Anschein nach entlehnt al-SuhrawardÁ auch diese Terminologie den arabischen Plotiniana, wo derselbe Begriff die „Verbindungen“ unterschiedlicher Entitäten mit der je höheren Hypostase zum Ausdruck bringt. In der oben besprochenen Paraphrase des Platon zugeschriebenen Abschnitts Enn. IV 8, 1. 1-11 499 beschreibt der Verfasser seinen ekstatischen Zustand als die Empfindung, in die göttliche Welt versetzt und „an dieser hängend“ gewesen zu sein (ka-annĮ maw͏ŧצun fĮhĂ mutaצallaqun bihĂ) 500 . In einem anderen Abschnitt vergleicht Plotin selbst die Kraft der individuellen Seele mit dem von der Sonne „herabhängenden“ Licht (ɒɅɎ ё̏̈̒̈̍̕˾̎̐̎ ... олɐ ɐۙ ɉɕ Ȃɇŭɋɑ 501 ). Die arabische Paraphrase expliziert dies und bezeichnet sowohl das Sonnenlicht als auch die Seele als vom kosmos noêtos „herabhängend“ (mutaצallaq) 502 . Dasselbe gilt für den Nous, der nicht weiter hinab wirkt als bis zur Seele, da es für ihn besser ist, im kosmos noêtos zu verbleiben und an diesem zu hängen (al-makth hunĂka wa-l-taצalluq bihĮ) 503 , aber auch für die in Enn. VI 7, 11 erwähnten Formprinzipien (gr. ɇȠмɋů, ar. kalimĂt) der Pflanzen, die dort universal (kulliyya), in der Sinnenwelt aber als an diesen aufgehängte Prinzipien (mutaצallaqa bihĂ) existieren 504 . Und insgesamt gilt: „Jede Wirkspur (kull al-ĂthĂr, i.e. im kosmos aisthêtos) ist aufgehängt an dem ersten Wirken (muצallaq fĮ l-fiצl al-awwal), welches der Nous ist, und der Nous ist aufgehängt (muצallaq) an dem ersten Wirkenden“ 505 . Sofern der kosmos aisthêtos betroffen ist, ist dieses „Aufgehängtsein“ (taצalluq) zugleich ein „Zusammenhängen“ mit der Materie (mutaצallaq bi-l-hayŧlĂ) 506 . 499 500
501 502
503 504 505 506
Cf. supra, p. 126 f. In SuhrawardÁs Paraphrase wird aus mutaצallaq muצallaq, cf. ͦikmat al-ishrĂq, p. 162, l. 9 (Corbin), p. 110, l. 20 (Ziai/Walbridge). Plotinus, Enn. IV 8, 4.4, vgl. auch Enn. VI 7, 42.7. Plotino. La discesa dell’anima, ed. D’Ancona, p. 242, l. 3-7, und weitere Belegstellen, mit demselben Sprachgebrauch, ThA, p. 90, l. 12, p. 136, l. 14. ThA, p. 89, l. 11, in einer Erklärung zu Enn. IV 8, 7.21f. ThA, p. 153, l. 9. DICTA, p. 189, l. 11, ähnlich Epist, p. 181, l. 8f., ThA, p. 146, l. 17. ThA, p. 152, l. 15f.
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Auch al-SuhrawardÁ beschreibt die individuelle Seele als eine „aufgehängte“ oder „herabhängende Form“ 507 . Neben den Seelen und den Formen der unbeseelten Einzeldinge spezifiziert er aber noch eine weitere Art herabhängender Formen, die sogenannten „herabhängenden Abbilder [oder: Urbilder?]“ (muthul muצallaqa). Diese Klasse von Entitäten bleibt im Werk al-SuhrawardÁs unklar und rätselhaft, und motivierte in der an al-SuhrawardÁ anschließenden Philosophie diverse Ausdeutungen und Spekulationen, in denen sie überwiegend mit dem Vorstellungs- oder Imaginationsvermögen assoziiert wird 508 . „Herabhängende Abbilder“ sind für al-SuhrawardÁ unter anderem die Grundlage guter und böser Geister 509 , besitzen also eine gewisse Affinität zu dem platonischen daimôn, durch den der Mensch von Gott am kosmos noêtos „aufgehängt“ (ەɉлоɍǸɈлɉɉȢɉ) ist 510 . Al-SuhrawardÁ zufolge ist die Seele, sofern sie des Aufstiegs in die noetische Welt des Lichts fähig ist, an den „mächtigen Lichtern“ aufgehängt 511 . Allerdings sind „herabhängende Abbilder“ für al-SuhrawardÁ nicht (oder nicht ausschließlich) ewig, sondern entstehen und vergehen wie die Formen in einem Spiegel und in der Imagination. Die „verwaltenden Lichtern“ bringen sie hervor (yakhluquhĂ), um sich in ihnen für 507 508
509 510
511
Τŧra muצallaqa; cf. ͦikmat al-ishrĂq, p. 232 (Corbin), p. 149 (Ziai/Walbridge). Eingangs wurde erwähnt, dass mithĂl sowohl Urbild als auch Abbild bedeuten kann. Aus dem Folgenden wird deutlich, dass SuhrawardÁ mit dem Begriff muthul muצallaqa eher Aussagen über die Abbildebene denn über Urbilder trifft. M. Amin Razavi, Suhrawardi and the School of Illumination, Richmond 1997, p. 88, versteht (wohl im Anschluss an Henry Corbin) unter muthul muצallaqa „suspending archetypes“, begründet aber deren Urbildlichkeit nicht. Die Unklarheit im Werk al-SuhrawardÁs schlägt sich auch in der hieran anschließenden Philosophie nieder. Während beispielsweise Shams al-DÁn al-ShahrazʗrÁ in den muthul muצallaqa Eben-bilder der Vorstellungsformen zu sehen scheint, wird in der anonymen RisĂla fĮ l-muthul al-צaqliyya al-aflĂίŧniyya deren Urbildlichkeit in Bezug auf die partikularen Erscheinungsformen und ihr Abbildcharakter in Bezug auf die noetischen Urbilder angedeutet; cf. infra, Kapitel III.5 und APPENDIX I. ͦikmat al-ishrĂq, p. 232 (Corbin), p. 149 (Ziai/Walbridge). Cf. Platon, Timaeus, 90 a4 – b1. Vgl. auch Proklos’ Kommentar zu dieser Stelle, wo aus dem daimôn ebenfalls unterschiedliche Arten von Engeln werden: Galeni De Consvetvdinibvs. Edidit Ioseph M. Schmvtte. [...] Additvm est novvm fragmentvm ex Procli in Platonis Timaevm commentariis havstvm qvod ex versione arabica reddidit Franz Pfaff. (Corpvs Medicorvm Graecorvm Svpplementvm III.) Leipzig: Teubner, 1941, p. 57. ͦikmat al-ishrĂq, p. 255 (Corbin), p. 160 (Ziai/Walbridge).
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geläuterte oder ausgewählte Seelen (al-muΥίafĮn) zu manifestieren 512 . „Herabhängende Abbilder“ sind also weder koextensiv mit der Gesamtheit sinnlicher Abbilder Platonischer Formen noch selbst Platonische Urbilder 513 . Anders als diese sind sie den Sinnesvermögen, dem Gemeinsinn (ͧiss mushtarak) und der Imagination zugänglich, werden aber nur von besonders qualifizierten Personen, beispielweise Propheten und Gott nahegestellten Menschen (al-anbiyĂ ץwa-l-awliyĂ)ץ, oder in besonderen Zuständen, etwa im Traum wahrgenommen 514 . Hier fließen also eindeutig auch islamisch geprägte Theorien der Imagination in alSuhrawardÁs Interpretation einer platonischen Urbild-Abbild-Konzeption ein. Anders als die späteren, an Ibn al-ArabÁ anknüpfenden Konzeptionen, dient diese aber nicht vorrangig der Adaptation bestimmter theologischer Dogmen oder mystischer Strömungen. Worin die Abbildhaftigkeit dieser „herabhängenden Abbilder“ besteht, wird nicht recht deutlich. Zweifellos sieht al-SuhrawardÁ in ihrer Wahrnehmung den Ausgangspunkt der von Plotin beschriebenen und von ihm selbst bezeugten ekstatischen Erfahrung. Der Kontakt mit ihnen wird als eine heftige Konfrontation und eine „überwältigende Ergriffenheit“ (baίshĂt Υaצba wa-qabϕa qĂhira) im Zustand der Abtrennung vom Körper (צinda tajarrud) beschrieben 515 . Erst nach dieser Erfahrung folgt der Aufstieg in die noetische Welt des Lichts, und von dort weiter zum Licht-der-Lichter. Dieser Prozess ist nur insofern als eine göttliche Illumination zu verstehen, als die Luminosität aller Formen und Urbilder aus dem Licht-der-Lichter hervorgeht. Epistemisch ist er aber in der Selbsterkenntnis der Seele fundiert, denn der Ort der Evidenz (maϕhar) der Luminosität der Seele kann sowohl die mit dem Leib verbundene Seele als auch die Seele qua „herabhängendes Abbild“ sein. Al-SuhrawardÁ stellt nachdrücklich fest, 512 513
514
515
Ibid., pp. 222, 229, 232 f. (Corbin), pp. 144, 148-50 (Ziai/ Walbridge). „Al-הuwaru l-muallaqatu laysat muthula AflՈʗn fa-inna muthula AflՈʗn nʗriyyatun (+ thbitatun, Corbin) wa-hdhihÁ muthulun muallaqatun ծulmniyyatun wa-mustanÁra“, ibid., p. 230, l. 10f. (Corbin), p. 149, l. 9f. (Ziai/Walbridge). Sie schließen auch Geräusche (aΥwĂt) und Gerüche (rawĂץiͧ) ein, cf. ibid. pp. 234, 240, 242 f. (Corbin), pp. 150, 154f. (Ziai /Walbridge); auch al-SuhrawardÁ, KitĂb al-TalwĮͧĂt, Teil III, p. 94f. ͦikmat al-ishrĂq, p. 242f. (Corbin), p. 155 (Ziai/Walbridge). Wer diese Erfahrung macht, gehört zu den IkhwĂn al-tajrĮd, der „Gemeinschaft der Entkleidung“ (i.e., der Seele vom Körper); dies schließt auch den leiblichen Tod ein, ibid., p. 255 (Corbin), p. 160 (Ziai /Walbridge).
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dass die Seele qua reines Licht in beiden Zuständen der Selbsterkenntnis fähig ist 516 . Die „herabhängenden Abbilder“ scheinen also nicht so sehr durch eine besondere Abbildrelation ausgezeichnet zu sein, als vielmehr durch ihre Eigenschaft, nur in gewissen kognitiven Verfassungen wahrnehmbar zu sein und durch ihre Wahrnehmung den epistemischen Aufstieg in die Welt des reinen Licht (צĂlam al-nŧr al-maͧ͏) zu ermöglichen. Außerdem unterscheiden sie sich dadurch von den übrigen Abbildern, dass deren Ort der Evidenz und körperliches Substrat (al-maϕĂhir wa-l-ͧawĂmil) unvollkommen (nĂqiΥ), die der „herabhängenden Abbilder“ aber vollkommen (kĂmil) sind 517 . Insgesamt fällt auf, dass al-SuhrawardÁ Formulierungen vermeidet, die auf eine Dinglichkeit der „herabhängenden Abbilder“ schließen lassen. Allem Anschein nach handelt es sich bei diesen weniger um Dinge, die in einem bestimmter Ähnlichkeitsrelation zu den Entitäten der anderen Ur- und Abbildebenen stehen, als vielmehr um Erkenntnismethoden oder –funktionen, eine bestimmte Art des Erfassens oder Schauens sowohl sinnlicher als auch noetischer Formen. Insbesondere die Unterscheidung bestimmter kognitiver Zustände in Bezug auf die Erfassung von ur- und abbildhaften Formen lässt eher platonische als mystische Quellen vermuten 518 . Diese Vermutung wird erhärtet durch den Umstand, dass al-SuhrawardÁ die Hervorbringung „herabhängender Abbilder“ durch die „verwaltenden Lichter“ auch als Erinnerung (tadhakkur) bezeichnet und das durch deren Wirken Erinnerte einer „Welt des Erinnerns“ (צĂlam al-dhikr) zuordnet 519 . Wenn das zu Erinnernde durch Formen der Wahrnehmung und Vorstellung überformt worden ist und dadurch in Beziehungen der Ähnlichkeit und Gegensätzlichkeit (tashĂbuh, ta͏Ădd) getreten ist, bedarf es der Erklärung (tafsĮr) und der Rückführung (istinbĂί) des Vorgestellten auf seinen Ursprung 520 . 516
Ibid., p. 244, l. 4-6 (Corbin), p. 155, l. 15-17 (Ziai/Walbridge).
517
Ibid., p. 230, l. 3-5 (Corbin), p. 149, l. 2-4 (Ziai /Walbridge).
518
Vgl. etwa Plato, Phaedo 66 a, Res publica 490 a-b, Sophistes 233 c.
519
ͦikamt al-ishrĂq, p. 208, l. 4 – p. 209, l. 6, p. 238, l. 2f. (Corbin), p. 136, l. 5-19, p. 152, l. 15f. (Ziai/Walbridge); KitĂb al-TalwĮͧĂt, Teil III, p. 107, l. 5-12. Vgl. dazu Platons Anamnesislehre im Meno und Phaedo.
520
ͦikamt al-ishrĂq, p. 236 f. (Corbin), p. 151 (Ziai/Walbridge).
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Al-SuhrawardÁ hat also zweifellos den Zusammenhang von Anamnesislehre und „Platonischen Urbildern“ erkannt und in seine Lichtmetaphysik inkorporiert. Freilich hat er diesen nicht als Erinnern von pränatalem Wissen gedeutet und die Theorie der Metempsychose verworfen. Abgesehen von den lichtmetaphysischen Elementen treten bei ihm zwei epistemische Momente hinzu, zum einen wird „Erinnern“ mit der von Plotin beschriebenen ekstatischen Erfahrung der Seele verknüpft und damit an bestimmte kognitive Bedingungen gebunden, die von dem menschlichen Erkenntnisvermögen nicht per se erfüllt werden. Zum anderen wird betont, dass der Zugang zu diesen kognitiven Dispositionen prinzipiell allen Menschen offensteht, da die fundamentale Bedingung, die zweifelsfreie Selbsterkenntnis oder Selbstvergewisserung, jeder Seele qua durch-sich-selbst subsistierendes, selbst-evidentes Licht möglich ist.
Kapitel III Platonische Formen und Urbilder in einigen Werken der arabischen und persischen Philosophie des 13. und 14. Jahrhunderts 1. Einleitung Al-SuhrawardÁs Lichtmetaphysik darf als einer der erfolgreichsten Entwürfe der arabischen (und hieran anschließenden persischen) Philosophiegeschichte gelten. Dies trifft auch auf al-SuhrawardÁs Überlegungen zu den Platonischen Formen zu. Seine Konzepte luminöser Urbilder, einer „Welt der Urbilder“ (צĂlam al-mithĂl, oder al-צĂlam al-mithĂlĮ) und der speziellen Klasse der „herabhängenden Uroder Abbilder“ werden bis in die Neuzeit lebhaft diskutiert und modifiziert. Noch im 18. und frühen 19. Jahrhundert verfassen osmanische Gelehrte wie Ibrâhim Kasab Baʋizâde und Ibrâhim Effendi Gözü Büyükzâde Episteln über deren Bedeutung und den Unterschied zwischen Platonischen Urbildern und „herabhängenden Urbildern“ 521 . Dieser Erfolg ist umso beachtlicher, als es al-SuhrawardÁ, der im Alter von nur 36 Jahren hingerichtet wurde, nicht mehr vergönnt war, einen kohärenten systematischen Entwurf seiner Philosophie vorzulegen. Auch ͦikmat al-ishrĂq kann nicht als ein solcher systematischer Gesamtentwurf gelten. Zu viele Ideen bleiben hier vage, bloß hingeworfen, widersprüchlich oder inkonsistent im Hinblick auf das Ganze seiner Lichtmetaphysik. Die zweifellos angestrebte Überwindung oder Transformation des neuplatonisch-avicennischen Erbes 521
Vgl. den Anhang in Al-muthul al-צaqliyya al-aflĂίŧniyya, ed. A. BadawÁ, pp. 147154. Gözü Büyükzâde lebte von 1747 bis 1838 und wirkte als Lehrer und Autor theologischer und philosophischer Schriften in Kayseri; cf. Islâm Ansiklopedisi, Cilt 14, Istanbul: Türkiye Diyanet VakfÆ Islâm AraʋtÆrmalarÆ Merkezi, 1996, p. 160f. Kasab Baʋizâde, gest. 1820, hat eine Reihe philosophischer Episteln verfasst; cf. ibid., Cilt 24, Istanbul 2001, p. 527f.
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III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
gelingt al-SuhrawardÁ in diesem Torso noch nicht. Dies wird unter anderem an der deutlichen avicennischen Prägung des ersten Teils dieser Schrift sowie an dem Umstand ersichtlich, dass al-SuhrawardÁ auch nach der Abfassung von ͦikmat al-ishrĂq im KitĂb al-MuqĂwamĂt wieder auf vermeintlich peripatetische und avicennische Positionen zurückkommt. Ist die direkte arabische Rezeption der aristotelischen Metaphysik bereits nach Ibn SÁn mehr oder weniger zum Erliegen gekommen (mit der Ausnahme der Philosophen Andalusiens), so erklären die Anhänger al-SuhrawardÁs nun auch die bis in das 12. Jahrhundert im Kontext von Ibn SÁns Universalienlehre fortgeführte Rezeption der Ideenkritik Aristoteles’ für beendet. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts konstatiert Shams al-DÁn al-ShahrazʗrÁ: „Alle [Lehren] über diese luminösen Urbilder (al-muthul al-nŧriyya), die Aristoteles und seine Anhänger den Alten in einer Weise zuschrieben, die nicht mit dem von uns Dargelegten [i.e., unserer Interpretation der Schriften al-SuhrawardÁs] übereinstimmt, sind falsch.“ 522
In den kommenden Jahrhunderten steht die philosophische Auseinandersetzung mit den Platonischen Formen deutlich unter dem Einfluss der Philosophie al-SuhrawardÁs, sei es im Rahmen von Widerlegungen seiner Lichtmetaphysik oder im Rahmen von deren Fortschreibung oder Integration in Systeme, die in der einen oder anderen Weise auf Ibn SÁn aufbauen. Dass al-SuhrawardÁ einen Wendepunkt der arabischen Beschäftigung mit Platonischen Formen darstellt, wird an gewissen Konstanten der anschließenden Entwicklung deutlich: 1. Von Platonischen Formen oder Ideen ist kaum noch als „Form“ (Υŧra) oder im Zusammenhang mit Theorien der Form die Rede. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie liegen einerseits in dem starken post-avicennischen Rückgang der Aristoteles-Rezeption und damit der zentralen Thesen der aristotelischen Philosophie zur Form als Wesen, entelekheia, Wirklichkeit des konkreten Seienden, etc., des Weiteren in der avicennischen Dissoziation der aristotelischen Konzepte von entelekheia und Form 523 . Sodann versetzte al-SuhrawardÁ in den Augen seiner Anhänger dem aristotelischen Form-Konzept zwei schwere 522
523
Shams al-DÁn al-ShahrazʗrÁ, RasĂץil al-shajara al-ilĂhiyya fĮ צulŧm al-ͧaqĂץiq alrabbĂniyya. Dirsat wa-taԉqÁq Neçip Görgün. 3 vols. Istanbul: Matbaa ve Cilt Sanayi, 2004, vol. III, p. 375. Dazu Wisnovsky, Avicenna’s Metaphysics, pp. 113-127.
1. Einleitung
153
Schläge. Zum einen versuchte er, die dualistische Theorie der MaterieForm-Komposita durch die monistische Theorie einer kontinuierlichen Hierarchie des Lichts und seiner Manifestationen und Dispositionen zu ersetzen. Zum anderen brachte er gravierende Einwände gegen die in seinen Augen repräsentationalistische Erkenntnistheorie Aristoteles’ und gegen die Funktion der Form im Rahmen einer solchen Theorie vor und meinte, sie durch eine nichtrepräsentationalistische Theorie des unmittelbaren Schauens oder Erfassens ersetzen zu können, die auf der wesenhaften Gleichheit oder Ähnlichkeit von Erkenntnisgegenstand und Erkenntnissubjekt, garantiert durch ihre Luminosität, basiert. Damit büßte die Form den aristotelischen Status des Begriffs des Gegebenen, das durch die richtige Anwendung von Abstraktion und Apodeixis erschöpfend erkennbar ist, ein und wurde durch das (platonisierende) Konzept der Annäherung von Erkenntnisgegenstand und Erkenntnissubjekt ersetzt. Anders als bei Platon handelt es sich für al-SuhrawardÁ aber dabei nicht um einen unendlichen Prozess, der niemals zu einer abschließenden Erkenntnis gelangt, weil das Gegebene stets im Werden ist, sondern um einen Prozess, der dank der lichthaften Präsenz und Evidenz des Gegebenen in der unmittelbaren Erfahrung des lichthaften Subjekts zum Abschluss kommt oder kommen kann. 2. Als eine Folge oder Begleiterscheinung dieser Entwicklung rückt die Vor- oder Urbildlichkeit der Platonischen Formen in das Zentrum des Interesses. Fortan dominiert das Konzept der Platonischen Urbilder (al-muthul al-aflĂίŧniyya) die Diskussion. Diese werden durchweg weniger als Formen denn vielmehr als noetische Entitäten und/oder (himmlische) Intellekte gedacht (der Term Υuwar aflĂίŧniyya verschwindet für einige Zeit fast vollständig aus der Literatur und gewinnt erst wieder in der Schule von Iהfahn eine gewisse Bedeutung), die zu den Entitäten der Abbildebene in einer wirk- oder formursächlichen Kausalrelation stehen. Ontologisch und kosmologisch werden die Platonischen Urbilder häufig in einer sogenannten „Welt des Urbildes“ (צĂlam al-mithĂl, al-צĂlam al-mithĂlĮ) verortet, die von der sinnlichen Welt abgetrennt ist. Das Verhältnis dieser „Welt des Urbildes“ zum kosmos noêtos (צĂlam al-צaql, al-צĂlam al-צaqlĮ) wird jedoch unterschiedlich gedeutet. So finden sich unter anderem Ansätze, die diese Welt mit dem Gegenstandsbereich der sogenannten „herabhängenden Urbilder“ identifizieren (cf. infra, Kapitel III.3).
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III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
3. Trotz dieser Reduktion der Platonischen Formen auf noetische Urbilder steht die Urbild-Abbild-Relation nicht im Zentrum der Auseinandersetzung mit Relationen vom Typ Eines-über-Vielen. Vielmehr wird diese in den eingefahrenen Spuren der aristotelischavicennischen Quidditäts- und Universalienkonzepte fortgeführt und lediglich um die eher scholastische Frage erweitert, ob und inwieweit die dabei entwickelten Konzepte des Allgemeinen oder Universalen mit den Platonischen Urbildern koinzidieren. Überhaupt bleibt der Aspekt der Abbildhaftigkeit der Entitäten der sinnlichen Welt gemessen an der Intensität der Rezeption des Konzepts Platonischer Urbilder seltsam blass und unreflektiert. Lediglich QuՈb al-DÁn alShÁrzÁ scheint einen neuen Zugang zum Konzept der Urbildlichkeit gesucht zu haben (cf. infra, Kapitel III.4). 4. Als ein völlig neues Element der post-suhrawardischen Rezeption werden nun in Verbindung mit Platonischen Formen häufig die von al-SuhrawardÁ eingeführten „herabhängenden Ur- oder Abbilder“ diskutiert. Diese werden zumeist als Einzeldinge begriffen. Manche Denker weisen ihnen ein von der „Welt der Urbilder“ und der sinnlichen Welt separates Reich zu, das verschiedentlich mit Ibn al-ArabÁs Konzept des Barzakh assoziiert und, wie bei diesem, eng mit dem hinsichtlich Sein und Nichtsein indifferenten Gegenstandsbereich der Vorstellung verknüpft ist 524 . Strittig sind zudem der genaue Gegenstandsbereich dieser „herabhängenden Ur-/Abbilder“ sowie deren systematische Einbettung in die Theorie Platonischer Urbilder. 5. Im Laufe der Zeit bildet sich eine scholastische Etikettierung heraus, die unterscheidet zwischen (a) rezenten Theorien, die al-SuhrawardÁ (und Ibn al-ArabÁ) in dieser oder jener Form berücksichtigen, und (b) der „gängigen“ oder allgemein akzeptierten Konzeption Platonischer Urbilder (Stichwörter: al-mashhŧr, al-jumhŧr, al-צĂda), i.e. prä-suhrawardischen Darstellungen vorgeblich antiker Theorien, insbesondere des intensiv rezipierten al-ShahrastnÁ. 524
Zum Verhältnis von Barzakh und Vorstellungsvermögen bei Ibn al-ArabÁ cf. William C. Chittick, Ibn al-צArabĮ’s Metaphysics of Imagination: The Sufi Path of Knowledge. Albany, N.Y.: State University of New York Press, 1989, bes. pp. 115-127. Die Assoziation der suhrawardischen „herabhängenden Ur-/Abbilder“ mit Ibn al-ArabÁs Theorie der Vorstellung wurde nicht zuletzt dadurch erleichtert, dass Ibn al-ArabÁ das Objekt des Vorstellungsvermögens (khayĂl) häufig als „[Ab-]Bild“ (mithĂl) bezeichnet.
2. Ibn Kammʗna
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Angesichts der relativ dürftigen philosophischen und philologischen Erschließung der allein durch ihre schiere Masse sehr reichhaltigen philosophischen Literatur dieser Epoche können in diesem und dem folgenden Kapitel nur kursorische und präliminarische Einblicke in die Entwicklung vom 13. bis zum 17. Jahrhundert gegeben werden. Ergänzt werden diese Bemerkungen durch die in APPENDIX I beigegebene deutsche Übersetzung einer anonymen Schrift über die Platonischen Urbilder, die in Anbetracht ihrer Klarheit und strengen Systematik als ein herausragendes Beispiel für den Stand der Entwicklung im frühen 14. Jahrhundert gelten darf. In APPENDIX III ist sodann eine Übersetzung des relevanten Kapitels von Mull דadrs Hauptwerk zu finden, das einen Einblick in den Stand der Diskussion in der schiitischen Philosophie des frühen 17. Jahrhunderts gibt. 2. Ibn Kammʗna Der jüdische Arzt und Philosoph Sad ibn Manהʗr ibn Kammʗna (gest. 683/1284 oder wenig später) erkennt Ibn SÁn und al-SuhrawardÁ als die prägenden Philosophen seiner Epoche 525 . Platonischen Urbildern und „herabhängenden Abbildern“ scheint er keine signifikante ontologische Tragweite beizumessen. Er äußert sich zu ihnen aber in seinem Kommentar zu al-SuhrawardÁs KitĂb al-TalwĮͧĂt in dem epistemologischen Kontext der Frage, ob Wissen in dem Entstehen oder in der Aufnahme der Form des Gewussten im Wissenden besteht oder nicht. Freilich konfrontiert uns diese Schrift mit dem prinzipiellen Problem, dass die darin vorgelegten Positionen zuweilen im scharfen Widerspruch zu Ibn Kammʗnas eigenständigen Hauptwerk, al-JadĮd fĮ l-ͧikma, stehen. Da zwischen beiden Werken ein Zeitraum von nur zehn Jahren liegt 526 , ist kaum zu vermuten, dass wir einer radikalen Revision der 525
526
Neben eigenständigen Werken verfasst er Kommentare zu Werken dieser beiden Philosophen. Zu Leben und Werk vgl. R. Pourjavadi, S. Schmidtke, A Jewish Philosopher of Baghdad. צIzz al-Dawla Ibn Kammŧna (d. 683/1284) and His Writings. (Islamic Philosophy, Theology and Science. Texts and Studies; 65.) Leiden: Brill 2006; Y. T. Langerman, “Ibn Kammʗna and the ‘New Wisdom’ of the Thirteenth Century,” Arabic Sciences and Philosophy 15 (2005), 277-327. Der Kommentar zu al-SuhrawardÁs KitĂb al-TalwĮͧĂt wurde 667/1268 abgeschlossen, al-JadĮd fĮ l-ͧikma im Jahr 676/1278; cf. R. Pourjavadi, S. Schmidtke, A Jewish Philosopher, pp. 63, 87.
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III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
philosophischen Ansichten Ibn Kammʗnas gegenüber stehen. Offenbar ist der Kommentar zum KitĂb al-TalwĮͧĂt in erster Linie als ein exegetisches Werk zu verstehen, in welchem Ibn Kammʗna der systemimmanenten Erklärung von al-SuhrawardÁs Gedanken den Vorrang vor ihrer Adaption in sein eigenes System gibt. In diesem Kommentar akzeptiert Ibn Kammʗna al-SuhrawardÁs Theorie der nicht auf Formen basierenden, nichtrepräsentationalen Erkenntnis nur für die Erkenntnisweise Gottes und für die Selbsterkenntnis der menschlichen Seele und der abgetrennten Intellekte 527 . Hingegen schließt er aus dem Umstand, dass zu den intelligiblen Gegenständen des Wissens auch Unmögliches, Kontingentes sowie nicht konkret Instantiiertes gehört und dieses im Wissen voneinander unterschieden wird, darauf, dass das Wissen von ihnen auf Formen im Intellekt basiert, da ihre Verschiedenheit nicht in ihrem extramentalen Nichtsein oder Kontingentsein begründet sein kann. Allerdings haben nach Ibn Kammʗnas Auskunft gewisse herausragende Gelehrte (ba͏צ akĂbir al-fu͏alĂ )ץdiesen Gegenständen des Wissens die Fähigkeit zugesprochen, an Körpern aufzutreten, die der menschlichen Erkenntnis unzugänglich seien; und diese Gelehrten haben diese Formen mit den von Platon gelehrten Urbilder (al-muthul allatĮ yaqŧlu bihĂ AflĂίŧn) identifiziert 528 . Auf wen Ibn Kammʗna hier Bezug nimmt, ist nicht klar. AlSuhrawardÁ, der Platonische Urbilder als durch sich subsistierende noetische Formen versteht, kann kaum gemeint sein. Offenbar lagen bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts Strömungen vor, die al-SuhrawardÁs diffizile Unterscheidung zwischen strikt immateriellen Platonischen Urbildern auf der einen Seite und BILDERN (aΥnĂm) und „Herren der Arten“ auf der anderen Seite nivellierten und erstere mit den Formen der mystischen oder magischen Körper der letzteren, den sogenannten ίilismĂt oder ίilasmĂt, assoziierten 529 . 527
528 529
Cf. Ibn Kammʗna, Al-TanqĮͧĂt fĮ sharͧ al-TalwĮͧĂt. Refinement and Commentary on SuhrawardĮ’s Intimations. Critical Edition, with Introduction and Analysis by Hossein Ziai & Ahmed Alwishah. (Bibliotheca Iranica. Intellectual Traditions Series; 9.) Costa Mesa: Mazda Publishers, 2003, p. 376f. Ibid., p. 380. Zu ίilasmĂt (aus dem griechischen ɐūɇǸɏɈл) cf. Paul Kraus, „Studien zu Jbir ibn Ԉayyn“, Isis 15 (1931), 7-30; Nachdruck in P. Kraus, Alchemie, Ketzerei, Apokryphen im frühen Islam. Gesammelte Aufsätze. Hrsg. und eingeleitet von Rémi
2. Ibn Kammʗna
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Ibn Kammʗna weist diesen Ansatz mit folgendem Argument zurück: Wäre die Etablierung dieser Formen in solchen, unserer Erkenntnis entzogenen, (mystischen) Körpern hinreichender Grund für die Annahme ihrer von den Körpern unabhängigen Erkennbarkeit, so müssten sie kontinuierliche Gegenstände unserer Erkenntnis bilden, was nicht der Fall ist. Ob er damit die Existenz Platonischer Urbilder in toto verwirft oder lediglich deren Gleichsetzung mit den von al-SuhrawardÁ propagierten „Herren der Art“ kritisiert, wird an der vorliegenden Stelle nicht recht deutlich. Im zweiten Falle würde der argumentative Zusammenhang jedenfalls implizieren, dass Ibn Kammʗna Platonische Urbilder zwar für Formen hält, nicht aber für Formen nach Art der Formen sinnlicher Gegenstände, die in der Seele mittels einer Einwirkung (taץthĮr) entstehen 530 . Hingegen bringt Ibn Kammʗna in seinem Kommentar zu al-SuhrawardÁs KitĂb al-TalwĮͧĂt keine Einwände oder Restriktionen gegen die Existenz „herabhängender Abbilder“ vor. Der Argumentationsweg zu ihrem Nachweis unterscheidet sich nicht von dem oben genannten, wird aber nun auf das Vorstellungsvermögen appliziert: Da zu den Gegenständen der Vorstellung auch Nichtseiendes und Nichtkonkretes gehört und dieses in der Vorstellung unterschieden wird, muss ihm ein Ur- oder Abbild (mithĂl) korrespondieren, da Nichtseiendes in absolutem Sinne nicht voneinander unterschieden werden kann. Der ontologische oder kosmologische Status der „herabhängenden Abbilder“ wird aber nicht erörtert. Für Ibn Kammʗna scheint ihre Relevanz vor allem darin zu liegen, dass mit ihrer Hilfe die Theorie der Einprägung (inίibĂ צoder irtisĂm) von Formen in die Seele widerlegt werden kann531 . Dies scheint aber im Wesentlichen al-SuhrawardÁ geschuldet zu sein. Denn in al-JadĮd fĮ l-ͧikma verteidigt Ibn Kammʗna die InίibĂצtheorie für solche Erkenntnisgegenstände, von denen wir unzweifelhaft Wissen haben, zugleich aber wissen, dass sie nicht individuell extramental instantiiert sind, wie die Gegenstände der Geometrie 532 .
530 531 532
Brague. Hildesheim: Georg Olms, 1994, pp. 47-70; Manfred Ullmann, Die Naturund Geheimwissenschaften im Islam. Leiden: Brill, 1972, pp. 362f., 424f. Cf. Ibn Kammʗna, Al-TanqĮͧĂt, p. 381. Cf. ibid., pp. 389-391. Cf. Ibn Kammʗna, al-KĂshif (al-JadĮd fĮ l-ͧikma). TaהԉÁԉ wa-taԉqÁq Ԉ. NjÁ IהfahnÁ. (Islamic Philosophy and Theology. Texts and Studies; 8.) Tihrn: MuΊassasa-i pažʗhishÁ-yi ԉikmat wa-falsafa-i Àrn, 1387/2008, p. 171.
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III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
Diese existieren durch „Einprägung“ in der Seele. Erkenntnis (idrĂk) ist nicht auf die reine Beziehung (i͏Ăfa) von Erkenntnissubjekt und Erkenntnisobjekt reduzierbar. Sofern der Erkenntnisgegenstand nicht selbst wesenhaft Form ist, bedarf sie der Form (Υŧra) des Erkenntnisobjekts, durch die das Verhältnis der wahrheitsreferenten Entsprechung (muίĂbaqa) etabliert wird und die von dem Sein des Erkenntnisobjekts als solchen zu unterscheiden ist 533 . Vier Arten von Gegenständen der Erkenntnis lassen sich unterscheiden: (i) Erkenntnisobjekte, deren Form in der Erkenntnis von ihren materiellen Substraten abstrahiert, aber als wesenhaft zu diesen gehörig erkannt wird. (ii) Erkenntnisobjekte, deren Form in der Erkenntnis von ihren materiellen Substraten abstrahiert und als eine Form erkannt wird, die qua Erkenntnisgegenstand auch abgetrennt von ihrem materiellen Substrat existieren kann. (iii) Erkenntnisobjekte, die wesenhaft immateriell sind, aber materiellen Dingen akzedieren. Ibn Kammʗna spricht hier nicht von Formen, sondern von wesenhaft immateriellen Begriffen oder Konzepten (maצĂnin laysat fĮ dhawĂtihĂ bi-mĂddiyya), und führt als Beispiele das Gute, das Böse, das Gleiche und das Verschiedene an. (iv) Wesenhaft immaterielle oder abgetrennte Formen (Υuwar) 534 . Die Klassifikation der Formen der Kategorien (i), (ii) und (iv) steht zweifellos in der aristotelisch-avicennischen Tradition. Entsprechend werden sie den Erkenntnisvermögen der Sinne, der [reproduktiven?] Vorstellung (takhayyul) und des Denkens zugeordnet. Weder die Formen der Kategorie (iv) noch die maצĂnin der dritten Kategorie werden von Ibn Kammʗna mit Platonischen Formen assoziiert. Die größte Affinität zu diesen scheinen die genannten maצĂnin aufzuweisen, und dies nicht nur hinsichtlich ihres Gegenstandsbereichs, sondern auch hinsichtlich des kognitiven Bezugs. Anders als bei den Formen der Kategorien (i), (ii) und (iv), deren Erkenntnis ein Prozess des „Aufnehmens“ (akhdh) und „Abstrahierens“ (intizĂ )צist, spricht Ibn Kammʗna hier von einem „Erhalten“ oder „Erlangen“ (nayl) der maצĂnin. Dieses „Erlangen“ wird beschrieben als ein „Treffen“ (iΥĂba) 533 534
Ibid., pp. 172-5. Ibid., p. 177f.
2. Ibn Kammʗna
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und „Vorfinden/Erfahren“ (wijdĂn) nicht der einer Sache entsprechenden Form (Υŧra), sondern des Wesens (dhĂt) der Sache selbst 535 . Überraschenderweise ordnet Ibn Kammʗna diese Erkenntnis der maצĂnin nicht dem Intellekt, sondern einem Erkenntnisvermögen mit der Bezeichnung tawahhum zu 536 . Dieser Begriff diente in der älteren philosophischen Literatur neben diversen anderen Wörtern zur Bezeichnung des aristotelischen Konzepts der ɒлɉɐлɏŭл, später dann häufig als einer von zwei korrelierenden Begriffen zur Differenzierung eines sensitiv-reproduktiven und eines spontan-kreativen Vorstellungsvermögens. Im Anschluss an spätantike ɒлɉɐлɏŭл-Theorien werden dem kreativen Vorstellungsvermögen bereits bei al-FrbÁ intelligible Erkenntnisstrukturen zugewiesen 537 . Offenbar identifiziert Ibn Kammʗna den Gegenstandsbereich dessen, was er maצĂnin nennt, mit den „herabhängenden Abbildern“ al-SuhrawardÁs, die dieser gleichfalls als Objekte des Vorstellungsvermögens beschrieben hatte 538 , die Ibn Kammʗna aber als immaterielle Urbilder aufzufassen und, gegen alSuhrawardÁs explizites Verdikt 539 , mit Platonischen Formen zu assoziieren scheint. Auf diese Weise werden bei Ibn Kammʗna die Platonischen Ideen des Guten, des Gleichen und des Verschiedenen zu wesenhaft immateriellen Konzepten des Vorstellungsvermögens. Hierbei handelt es sich aber nicht um Formen. Ibn Kammʗnas Formkonzept ist aristotelisch geprägt. Form ist das aktuale Sein einer Sache 540 . Formen materieller Dinge heißen materielle Formen und sind von ihren materiellen Substraten nicht wesenhaft abtrennbar. Das, was das materielle Substrat in die Lage versetzt, die konkrete Form auf535
536 537
538 539 540
Ibid., p. 182: „wa-l-naylu huwa l-iהbatu wa-l-wijdnu li-dhti l-shayΊi l li-הʗratin tuswÁhi faqaՈ.“ Ibid., p. 178. Cf. T. Welt, “,ǻоɇŬǺн Ƿș ɒлɉɐлɏȞл ɋŶɋɉǸȝ ɒлɋɏɐлɏŭл ɐůɎ ɋȏɏл‘: Phantasie als Ausdruck des Seins im späten Neuplatonismus“. In T. Dewender, T. Welt (eds.), Imagination — Fiktion — Kreation: Das kulturschaffender Vermögen der Phantasie. München: K.G. Saur, 2003, 69-97. D. L. Black, Logic and Aristotle’s Rhetoric and Poetics in Medieval Arabic Philosophy. Leiden: Brill, 1990, pp. 184-241. Al-SuhrawardÁ, ͦikmat al-ishrĂq, p. 211f. (Corbin), p. 138 (Ziai/Walbridge). Cf. supra, p. 148. Ibn Kammʗna, al-KĂshif, p. 127.
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III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
zunehmen oder zu verweigern, ist die Art-Form (Υŧra nawצiyya), die ihrerseits wesenhaft an den Körper gebunden ist 541 . Hiervon zu unterscheiden ist die wesenhaft immaterielle Form, die mit dem Wesen der immateriellen Entität koinzidiert. Diese ist vermutlich gemeint, wenn Ibn Kammʗna an anderer Stelle von der „intellektualen Form“ (al-Υŧra al-צaqliyya) spricht 542 . Doch ist nicht jede immaterielle Entität intellektuale Form. Weder Gott („das durch sich notwendige Sein“) noch der Nous (צaql maͧ͏) oder der abgetrennte Intellekt (al-צaql almufĂriq), das erste Produkt der göttlichen Emanation, sind Form 543 . Vielmehr werden die intellektualen Formen, nach avicennischem Vorbild, in dem abgetrennten Intellekt „bewahrt“ (taͧaffaϕa) und von diesem den unterschiedlichen himmlischen und menschlichen Seelen zugänglich gemacht 544 , indem er den Seelen spezifische Dispositionen (istiצdĂdĂt khĂΥΥa) verleiht, durch die sie rationale Verfügungsgewalt (taΥarruf fikrĮ) über je unterschiedliche Formen erlangen können 545 . Ob auch die (platonisierenden) „intellektualen Konzepte“ (maצĂnin צaqliyya) in dem Nous bewahrt werden, erklärt Ibn Kammʗna nicht. Immerhin wird deutlich, dass sie, vergleichbar den intellektualen Formen, je spezifische Dispositionen der Seele herbeiführen, durch die diese zu ihrer Konzeptualisierung befähigt wird. Die an dieser Stelle angeführten Beispiele, Definition, rasm (ȊɌɋмɍлɒȜ), Notwendiges, und Konklusion lassen vermuten, dass Ibn Kammʗna unter maצĂnin eher fundamentale noêmatische Konzepte als universale Formen vom Typ Eines-über-Vielen verstanden hat 546 . Ihr genauer ontologischer Status und ihre Abgrenzung von den intellektualen Formen bleiben jedoch vage.
541 542 543 544 545 546
Ibid., pp. 214-218, 380f. Ibid., p. 366f. Ibid., pp. 424, 442f. Der Intellekt ist dator formarum, wĂhib al-Υuwar; cf. ibid., p. 384. Ibid., p. 367f. Ibid., p. 369. Dass neben dem Guten, dem Gleichen und dem Verschiedenen an dieser Stelle auch Defintion und ȊɌɋмɍлɒȜ als Beispiele nichtformaler „intellektualer Konzepte“ genannt werden, ist sicherlich ein ferner Reflex des platonischen Konzepts der Idee als der Entität, die auf definitorische Fragen der Form „Was ist x?“ antwortet. Ähnlich hatten bereits die Ikhwn al-דafΊ argumentiert, cf. supra, p. 84f.
3. Shams al-DÁn al-ShahrazʗrÁ
161
3. Shams al-DÁn al-ShahrazʗrÁ Deutlich stärker als bei Ibn Kammʗna zeigt sich der Einfluss al-SuhrawardÁs bei seinem Zeitgenossen Shams al-DÁn al-ShahrazʗrÁ (gest. 687/ 1288)547 . Wie Ibn Kammʗna verfasst auch al-ShahrazʗrÁ Kommentare zu Werken al-SuhrawardÁs. Für die Abfassung seines Opus magnum, RasĂץil al-shajara al-ilĂhiyya fĮ צulŧm al-ͧaqĂץiq al-rabbĂniyya („Episteln des göttlichen Baums [des Wissens] über die Wissenschaften von den göttlichen Wahrheiten“)548 , benutzt al-ShahrazʗrÁ neben Ibn Kammʗnas TalwĮͧĂt-Kommentar auch das nur wenige Jahre zuvor entstandene Hauptwerk Ibn Kammʗnas 549 . Al-ShahrazʗrÁ übernimmt Ibn Kammʗnas Argument für die intellektuale Existenzweise von Entitäten, die extramental nicht oder bloß kontingent existieren 550 . Während aber Ibn Kammʗna darauf hinweist, dass gewisse Gelehrte solche Entitäten als Platonische Urbilder bezeichneten, bleibt al-ShahrazʗrÁ enger dem Denken al-SuhrawardÁs verhaftet und fasst nichtsinnliche Entitäten dieser Art als „herabhängende Abbilder“ auf, denen ein spezifischer Seinsbereich, die „Welt der herabhängenden Urbilder und Erscheinungsformen“ (צĂlam almuthul al-muצallaqa wa-l-ashbĂͧ), zugeordnet wird551 . Universalien mit einer Vielzahl von Partizipanten existieren ausschließlich im Intellekt. Sie sind „abbildhafte Formen“ (Υuwar 547
548
549 550 551
In seiner Gelehrtenbiographie, bekannt unter den Titeln Nuzhat al-arwĂͧ waraw͏at al-afrĂͧ und TawĂrĮkh al-ͧukamĂ ץwa-l-falĂsifa, lässt al-ShahrazʗrÁ keinen Zweifel daran, dass er Shihb al-DÁn al-SuhrawardÁ für den wichtigsten arabisch schreibenden Philosophen hält. Cf. Nuzhat al-arwĂͧ wa-raw͏at al-afrĂͧ fĮ tĂrĮkh al-ͧukamĂ ץwa-l-falĂsifa. Itan bi-taהԉÁԉihÁ wa-l-talÁq alayhi al-Sayyid KhʗrshÁd Aԉmad. 2 vols. (Al-Silsila al-jadÁda min maՈbʗt DΊirat al-Marif al-Uthmniyya, 6.1, 6.2.) Ԉaydarbd: DΊirat al-Marif al-Uthmniyya, 1396/1976, vol. II, pp. 119-143; TawĂrĮkh al-ͧukamĂ ץwa-l-falĂsifa. TaԉqÁq wa-ӱabՈ: A. Abd al-RaԉÁm al-SΊiԉ, T. AlÁ Wahba. 2 vols. Cairo: Maktabat al-Thaqfa al-dÁniyya, 1420/2009, vol. II, pp. 302-330. (N.B. Textbestand und Ordnung der Abschnitte variieren in den beiden Editionen erheblich!) Alle folgenden Referenzen zu diesem Werk beziehen sich auf die Edition von Neçip Görgün (cf. supra, Anm. 522). Inzwischen ist eine zweite dreibändige Edition erschienen, die mir zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Zeilen nur partiell zugänglich war (cf. infra, APPENDIX IV). Stellenweise exzerpiert er dieses nahezu wörtlich; cf. APPENDIX IV. Cf. supra, p. 156 f. Al-ShahrazʗrÁ, Al-Shajara al-ilĂhiyya, vol. II, p. 541, vol. III, p. 360.
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III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
mithĂliyya) der Quiddität des extramentalen Konkreten, die in einer Relation der „Entsprechung“ (muίĂbaqa) zur Vielzahl der Partizipanten stehen 552 . „Partizipation“ bedeutet nicht Instantiierung, sondern „Entsprechung“ von abbildhafter universaler Form und konkreter Quiddität, die sich ihrerseits —genau wie das Platonische Urbild (al-mithĂl al-aflĂίŧnĮ)— indifferent gegenüber Individuation und Universalität verhält. Wesenhaft Partizipiertes ist die Quiddität daher nur, sofern sie genus ist 553 . Dies impliziert eine Dissoziation der Konzepte von „Partizipation“ und „Instantiierung“. Al-ShahrazʗrÁ übernimmt von al-SuhrawardÁ die Ersetzung der neuplatonisch-avicennischen Intellekttheorie durch das Konzept hierarchisch geordneter Lichter 554 . Er versucht, dem bei al-SuhrawardÁ recht vagen Konzept der „herabhängenden Ur-/Abbilder“ mit Hilfe von al-SuhrawardÁs Hierarchisierung der Aktivitäten der luminösen Intellekte beizukommen. Sofern diese sowohl sich selbst als auch die je anderen Intellekte erkennen 555 , ist ihr Wissen (= Licht) „die Ursache der Welt des Urbildes“ (צillatun li-l-צĂlam al-mithĂlĮ), sofern sie Licht emittieren, sind sie „die Ursache der sinnlichen Welt“ (צillatun lil-צĂlam al-ͧissĮ) 556 . Während aber al-SuhrawardÁ hier zwischen dem luminösen „Herrn der Art“ und dem sich selbst denkenden Intellekt als seinem Platonischen Urbild auf der einen Seite und der bloß intelligiblen, partizipierten Art-Form auf der anderen Seite unterschieden hatte 557 , fasst al-ShahrazʗrÁ die luminösen Intellekte in beiden Kausalrelationen als „Herren der Art“ auf, die er mit „luminösen Platonischen Urbildern“ identifiziert. Diese stehen in einem ursächlichen Verhältnis zur „Welt des Urbildes“, der die „herabhängenden Urbilder“ zugeordnet werden 558 . Die „Welt des Urbildes“ ist also nicht der Ort Platonischer Formen! 552 553 554 555
556 557
558
Ibid., vol. III, pp. 157-159. Ibid., vol. III, pp. 159-162. Ibid., vol. III, pp. 354-359. Selbstverständlich folgt al-ShahrazʗrÁ al-SuhrawardÁ darin, dass dieses Erkennen nicht ein diskursiver kognitiver Prozess, sondern ein nichtrepräsentationales unmittelbares Erfahren (mushĂhada) ist. Ibid. Cf. supra, pp. 139-141. Dem korrespondierte in al-SuhrawardÁs Lichtterminologie die Unterscheidung zwischen „mächtigen Lichtern“ und „verwaltenden Lichtern“. Al-ShahrazʗrÁ, Al-Shajara al-ilĂhiyya, vol. III, pp. 360, 385-388.
3. Shams al-DÁn al-ShahrazʗrÁ
163
Luminöse Intellekte qua Platonische Urbilder existieren für jede Art supra- und sublunarer einfacher und zusammengesetzter Entitäten, über die sie durch ihre Fürsorge (צinĂya) wachen 559 . Auch hier vereinfacht al-ShahrazʗrÁ al-SuhrawardÁs komplexe Lichterhierarchie. Hatte al-SuhrawardÁ eigens eine separate Hypostase von Lichtern, die „verwaltenden Lichter“ (anwĂr mudabbira), für die Fürsorge (צinĂya) der sinnlichen Arten eingeführt, um mit ihnen zum einen das kosmische Ordnungsprinzip, zum anderen das Bindeglied zwischen absolut separaten „mächtigen Lichtern“ und dem kosmos aisthêtos zu etablieren, werden nun „Herren der Art“, noetische Lichter (Intellekte) und „verwaltende Lichter“ auf derselben Ebene der Hierarchie angesiedelt 560 . Hingegen wiederholt al-ShahrazʗrÁ al-SuhrawardÁs Argumente gegen eine finale Kausalität der Urbild-Abbild-Relation und gegen die Selbstprädikation des Urbildes nahezu wörtlich 561 . Er folgert, dass ein Urbild nur unter der Bedingung Urbild eines Abbildes sein kann, dass es nicht in jeder Hinsicht dessen Urbild ist. Andernfalls müssten Urbild und Abbild koinzidieren, so dass es nichts gäbe, wovon das Urbild Urbild sein könnte. Dieser Unterschied zwischen Ur- und Abbild wird aber nicht mit epistemologischen Kategorien wie Wahrheitsgehalt, sinnlicher oder intellektualer Erkennbarkeit etc. konnotiert, sondern ausschließlich durch die ontologischen Kriterien durch-sich-subsistierend (qĂץim bidhĂtihĮ) vs. nicht-durch-sich-subsistierend etabliert. Mit Hilfe dieses Kriteriums ist es auch möglich, zwischen Platonischen Urbildern und universalen Formen des Geistes zu differenzieren, denn im Unterschied zu den Platonischen Urbildern bedürfen letztere des Geistes als Substrat ihrer Subsistenz 562 . Auch für al-ShahrazʗrÁ besteht die Erkenntnis der luminösen Urbilder in ihrer unmittelbaren Auffindung (mukĂshafa) und Erfahrung (mushĂhada) durch die ekstatische Seele. Zugleich sind diese epistemischen Kategorien das Hauptargument für die Existenz Platonischer Urbilder. Wie al-SuhrawardÁ verweist auch al-ShahrazʗrÁ zu deren Bestätigung sowohl auf den autobiographischen (dem Platon zuge559 560 561 562
Ibid., vol. III, p. 365f. Ibid., vol. III, pp. 367, 369. Ibid., vol. III, p. 369f.; vgl. dazu supra, p. 140. Al-ShahrazʗrÁ, Al-Shajara al-ilĂhiyya, vol. III, p 371.
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III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
schriebenen) Bericht Plotins als auch auf dessen koranisch adaptierte Version al-SuhrawardÁs 563 . Neben die drei von Plotin und al-SuhrawardÁ genannten Autoritäten, Platon, Pythagoras und Empedokles 564 , treten nun auch die mythischen Gestalten Hermes und Agathodaimon als Zeugen derartiger „Erfahrungen“565 , motiviert durch al-SuhrawardÁs wiederholten Bezug auf diese Gestalten als Gewährsleute einer esoterischen philosophia perennis. Eine substantielle Neuerung gegenüber al-SuhrawardÁ besteht darin, dass al-ShahrazʗrÁ hier Ibn SÁns Erkenntnistheorie einfließen lässt und die rationalen Vermögen von Intuition (ͧads ΥaͧĮͧ = Ǹȉɏɐɋɓŭл) und schneller Auffassungsgabe (dhakĂ ץmufriί = ەмɓȞɉɋůл) als diese Erfahrungen unterstützende Eigenschaften des Intellekts versteht 566 . Ebenfalls abweichend von al-SuhrawardÁ, jedoch auch im Widerspruch zu Ibn SÁns Intellekttheorie, beschreibt al-ShahrazʗrÁ die unmittelbare Erfahrung der noetischen Formen des Weiteren als die Vereinigung (ittiͧĂd) der ekstatischen menschlichen Seele mit dem Aktiven Intellekt 567 . In Umkehrung der avicennischen Theorie, die wohl eine Vereinigung mit gewissen Denkgegenständen des Aktiven Intellekts durch deren Emanation in die menschliche Seele lehrt, 563
564 565 566
567
Cf. supra, pp. 126-129, und Anm. 437; zitiert als Diktum Platons in al-ShahrazʗrÁ, Al-Shajara al-ilĂhiyya, vol. III, pp. 372, 376, und 401. Offenbar hat al-ShahrazʗrÁ sich nicht auf eine bloße Adaption der Version al-SuhrawardÁs beschränkt, sondern den Text der pseudo-Theologia Aristotelis zur Hand genommen, wie aus seiner Paraphrasierung einiger Zeilen erhellt, die bei al-SuhrawardÁ nicht berücksichtigt sind; cf. ibid., p. 376, l. 10-12. Cf. supra, Anm. 438. Al-Shajara al-ilĂhiyya, vol. III, p. 367. Ibid., vol. III, p. 377; idem, Sharͧ ͦikmat al-ishrĂq: Commentary on the Philosophy of Illumination. Critical Edition of the 13th c. Arabic Text, Introduction, and Notes by Hossein Ziai. Tehran: Institute for Cultural Studies and Research, 1993, p. 122f. Dies ist sicherlich eine Folge von Ibn SÁns hoher Wertschätzung dieser rationalen Vermögen und der ihnen beigemessenen Bedeutung für die Erkenntnis von Offenbarungswahrheiten. Zu ͧads und dhakĂ ץbei Ibn SÁn vgl. D. Gutas, Avicenna and the Aristotelian Tradition: Introduction to Reading Avicenna’s Philosophical Works. (Islamic Philosophy and Theology. Texts and Studies; 4.) Leiden: Brill, 1988, pp. 159-176. Zu ͧads bei al-SuhrawardÁ cf. H. A. Davidson, Alfarabi, Avicenna, and Averroes: Their Cosmologies, Theories of the Active Intellect, and Theories of Human Intellect. New York: Oxford University Press, 1992, p. 167f. Al-ShahrazʗrÁ, Al-Shajara al-ilĂhiyya, vol. III, pp. 404-406; idem, Sharͧ ͦikmat al-ishrĂq, p. 17f.
3. Shams al-DÁn al-ShahrazʗrÁ
165
hingegen eine direkte Vereinigung mit dem Aktiven Intellekt (oder Teilen dieses Intellekt) kategorisch ausschließt und nur eine Konjunktion (ittiΥĂl) mit diesem zulässt 568 , erklärt al-ShahrazʗrÁ den Aktiven Intellekt als Objekt der Vereinigung, die separaten luminösen Formen dagegen als Objekt der Konjunktion (ittiΥĂl). Im Anschluss an die oben erwähnte ontologische Differenzierung zwischen Ur- und Abbild lehnt al-ShahrazʗrÁ einen Beweis der Existenz der Platonischen Urbilder aus der Partizipation individueller Sinnendinge ab: „Einige Gelehrte argumentieren zum Zweck des Nachweises dieser dem Platon zugeschriebenen abgetrennten Urbilder wie folgt: Für jede artspezifische Natur muss es ein durch sich subsistierendes Individuum (shakhΥ) geben, das ewig a parte ante und a parte post sowie unveränderlich ist. Denn wann immer dieser konkrete Mensch existiert, ist der Mensch qua Mensch Teil jenes Menschen. Dieser muss also ebenfalls existieren, denn das, was Teil des Seienden ist, ist Seiendes. Der Mensch, der Teil [des konkreten Menschen] ist, ist das von allen durch ihre akzidentellen Dispositionen unterschiedenen Individuen Partizipierte. Also ist der Mensch qua Mensch, i.e. das, woran diese partizipieren, etwas von der korporellen Materie und den individuellen Akzidenzien des Menschen Abgetrenntes 569 . Andernfalls könnte er nicht das von den unterschiedlichen Individuen Partizipierte sein. Wenn also feststeht, dass es in jeder Art etwas gibt, woran alle Individuen der Art partizipieren und das von der Materie abgetrennt ist, dann steht fest, dass die genannten Platonischen Urbilder existieren, was zu beweisen war. Dem ist [Folgendes] zu entgegnen: Der Mensch, an dem die vielen [Menschen] partizipieren, ist nicht der abgetrennte Mensch, welcher der „Herr der Art“ ist, vielmehr ist das Partizipierte der Mensch qua Mensch. Dieser ist entweder Teil dieses [konkreten] Menschen oder eine begriffliche, intellektuale Entität. [...] Aber auf das von der Materie Abgetrennte, durch sich Subsistierende trifft es nicht zu, dass es Teil von irgendetwas ist. Auch ist es nicht etwas Begriffliches. Der partizipierte Mensch ist also nicht der immaterielle luminöse „Herr der Art“. Weiter, wäre das von der Materie Abgetrennte das, woran die Vielen partizipieren, so müsste ein und dieselbe [Entität] sich wechselseitig ausschließende Eigenschaften und entgegengesetzte Akzidenzien haben, was unmöglich ist. Der partizipierte 568
569
Zur Konjunktion mit dem Aktiven Intellekt bei Ibn SÁn cf. Davidson, Alfarabi, Avicenna, and Averroes, pp. 74-94. Ich lese mujarradan anstelle von mujarradun der Edition Görgüns.
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III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
Mensch ist also von dem abgetrennten Menschen qua „Herrn der Art“ verschieden. Die Partizipation an dem Menschsein qua Menschsein impliziert nicht notwendig die Bedingung der Abgetrenntheit des Partizipierten. Diese fehlerhafte Beweisführung für die Existenz der [Platonischen] Urbilder ist also nichtig.“ 570
Dieser Gedankengang macht noch einmal die bereits angedeutete Dissoziation der Konzepte der Partizipation an dem Platonischen Urbild und der Partizipation oder Instantiierung des Universalen deutlich. Erstere wird als ontologisches Phänomen wahrgenommen und notwendig mit der abgetrennten Selbstkonstituierung des Partizipierten verknüpft, letztere ist ein logisches Phänomen, das nicht notwendig die Abgetrenntheit und Selbstkonstituierung des Partizipierten voraussetzt. Die beiden Konzepte treten durch die wahrheitsreferente Entsprechung (muίĂbaqa) zwischen dem „Herrn der Art“ und dem intelligiblen Universalen zueinander in Beziehung 571 . Kosmologisch verortet al-ShahrazʗrÁ die „Welt des Urbildes“ (צĂlam al-mithĂl) zwischen den supralunaren Himmelssphären und dem alles umgebenden kosmos noêtos, mit welchen sie ein kontinuierliches Ganzes bildet 572 . Sie ist der Ort der „herabhängenden Urbilder“ und wird auch als „Mittelreich“ (al-צĂlam al-awsaί) bezeichnet. Anders als in der von Aristoteles dem Platon zugeschriebenen ɈǸɐлɊų-Doktrin 573 werden diesem Reich drei Kategorien von Formen zugeordnet: Formen mathematischer Gegenstände, in Spiegeln erscheinende Formen, und gewisse reine (maͧ͏) und vollkommene (tĂmm) Formen der Vorstellung (khayĂl, takhayyul) 574 . Diesen Formen ist gemein, dass sie wie die Platonischen Urbilder durch sich subsistieren und damit von den materiellen Formen verschieden sind 575 . Es handelt sich um einfache Substanzen ( jawĂhir basĮίa) und spirituelle Formen und Dispositionen (Υuwar wa-hayץĂt rŧͧĂniyya) ohne Substrat, die unter gewissen Bedingungen auch der menschlichen Seele zugänglich sind 576 . Diese Formen stehen insofern in einer Urbild-Relation zu den sublunaren Formen, 570 571 572 573 574 575 576
Al-ShahrazʗrÁ, Al-Shajara al-ilĂhiyya, vol. III, p. 373, l. 14 – p. 374, l. 13. Ibid., vol. III, p. 375. Ibid., vol. III, pp. 385-388. Cf. supra, pp. 16 f., 21. Al-ShahrazʗrÁ, Al-Shajara al-ilĂhiyya, vol. III, p. 389f. Ibid., vol. III, pp. 387, 390. Ibid., vol. III, p. 394f.
3. Shams al-DÁn al-ShahrazʗrÁ
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als die substantiellen materiellen Formen der sublunaren Welt in der „Welt des Urbildes“ als urbildliche Akzidenzien (aצrĂ͏ mithĂliyya) solcher einfachen Substanzen existieren. Andererseits sind letztere insofern abbildhaft, als sie von den luminösen Intellekten (= Platonischen Urbildern) verursacht werden und deren reine Erscheinungsformen (ashbĂͧ maͧ͏a, Υuwar shabaͧiyya) in der „Welt des Urbildes“ sind 577 . Die „Welt des Urbildes“ stellt zugleich den Grenzverlauf zwischen der potentiellen Unendlichkeit dieser Welt und der aktualen Endlichkeit des kosmos noêtos dar. Insofern die Entitäten der „Welt des Urbildes“ aus den luminösen Intellekten hervorgehen, sind sie in einer endlichen (wenngleich nur Gott exakt bekannten) Zahl von Klassen oder Hypostasen (ίabaqĂt) zusammengefasst, deren Ordnung der Hierarchie der noetischen Lichter folgt. Diese Lichthypostasen umfassen aber eine unendliche Zahl von Erscheinungsformen qua Urbilder aller potentiellen Entitäten der sublunaren Welt 578 . Die Existenz gewisser Formen der Vorstellung in dieser Welt begründet al-ShahrazʗrÁ mit dem neuplatonischen Konzept der Beseeltheit der Himmelssphären. Diese schließt beispielsweise optische und akustische Erkenntnisse ein, die jedoch nicht, wie im Falle der sublunaren Lebewesen, auf körperlichen Sinnesorganen basieren können, folglich reinen und ehrwürdigeren intelligiblen Vorstellungsformen zuzuordnen sind 579 . Dass auch die Formen der Mathematica hierher gehören, zu welchen al-ShahrazʗrÁ übrigens auch die fundamentalen physikalischen Kategorien Ort, Zeit und Bewegung zählt, ist selbstverständlich der aristotelisch-avicennischen ɈǸɐлɊų-Lehre geschuldet und wird von al-ShahrazʗrÁ auch explizit Platon zugeschrieben 580 . Insgesamt basieren al-ShahrazʗrÁs Ausführungen zu abgetrennten Formen und Platonischen Urbildern wesentlich auf dem Entwurf alSuhrawardÁs, dem al-ShahrazʗrÁ nicht viel Neues hinzuzusetzen hat. Anders als bei Ibn Kammʗna zeugt sein Hauptwerk eindeutig von dem Bemühen, die Philosophie al-SuhrawardÁs mit Hilfe avicennischer Gedanken (zum Teil via Fakhr al-DÁn al-RzÁ) auszudifferen577 578
579 580
Ibid., vol. III, pp. 394 f., 400; idem, Sharͧ ͦikmat al-ishrĂq, p. 571. Al-ShahrazʗrÁ, Al-Shajara al-ilĂhiyya , vol. III, pp. 396f., 597; idem, Sharͧ ͦikmat al-ishrĂq, p. 570 f. Al-ShahrazʗrÁ, Al-Shajara al-ilĂhiyya , vol. III, pp. 390-392. Ibid., vol. III, p. 401; cf. supra, p. 97f.
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III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
zieren und in bestimmten Streitpunkten mit diesen in Einklang zu bringen. Aristotelica und Neoplatonica haben ihre Korrektivfunktion vollends eingebüßt.
4. QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ Eine Generation nach Ibn Kammʗna und al-ShahrazʗrÁ wirkte der Shirazer Philosoph QuՈb al-DÁn Maԉmʗd ibn Masʗd al-ShÁrzÁ (634/ 1236-710/1311). Dieser studierte bei den philosophisch ambitionierten Mathematikern und Astronomen MuΊayyad al-DÁn al-UrӱÁ und NaהÁr al-DÁn al-ՇʗsÁ in Margha und verfasste neben astronomischen und mathematischen Schriften eine Reihe philosophischer Werke, darunter Kommentare zu Ibn SÁn, al-ՇʗsÁ und al-KtibÁ al-QazwÁnÁ. Für uns sind jedoch von besonderem Interesse seine eigene philosophischtheologische Summe, Durrat al-TĂj li-ghurrat al-DubĂj („Die Perle der Krone zum Glanze des [Emirs] Dubj“) 581 , sein Kommentar zu alSuhrawardÁs ͦikmat al-ishrĂq 582 , sowie eine Epistel, die wohl aus einer Korrespondenz hervorgegangen ist und unter dem Titel RisĂla fĮ taͧqĮq צĂlam al-mithĂl wa-ajwibat asץilat ba ͏צal-fu͏alĂ„( ץEpistel über die reale Existenz der ,Welt des Urbildes‘ mit Antworten auf Anfragen einiger Gelehrten“) bekannt ist 583 . Wichtige philosophische Impulse dürfte QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ von den Mystikern MuԉyÁ l-DÁn Aԉmad ibn AlÁ al-MalÁ, einem Schüler Najm al-DÁn ibn Umar al-Kubrs, und vor allem דadr al-DÁn al-QʗnawÁ empfangen haben, denn mit QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ hält die Mystik Ibn al-ArabÁs Einzug in die philosophische Interpretation 581
582
583
Die philosophischen Bücher dieses auf Persisch verfassten Werks wurden von Sayyid Muԉammad Mishkt unter dem Titel Durrat al-tĂj in Teheran 1317-1324/ 1938-1945 ediert. Alle folgenden Referenzen beziehen sich auf die dritte Auflage dieser Edition, Tihrn 1369/1990. QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ, Sharͧ-i ͦikmat al-ishrĂq-i SuhrawardĮ. Ed. Abdallh NʗrnÁ, MehdÁ Muԉaqqiq. Tihrn: Anjuman-i thr wa-mafkhir-i farhangÁ, 1383/2004. Textedition und englische Übersetzung in John Walbridge, The Science of Mystic Lights: Quίb al-DĮn al-ShĮrĂzĮ and the Illuminationist Tradition in Islamic Philosophy. Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1992, pp. 200-271.
4. QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ
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und Fortentwicklung der Gedanken al-SuhrawardÁs 584 . Auf diesen Einfluss ist möglicherweise die bei QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ festzustellende zunehmende Mystifikation und religiöse Überhöhung des suhrawardischen Urbildkonzepts zurückzuführen. Doch findet QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ noch keine befriedigende Synthese: Einerseits trägt er das suhrawardische Erbe mit sich und konzipiert die „Welt des Urbildes“ (צĂlam al-mithĂl) als das Reich durch-sich-subsistierender idealer Formen (Υuwar, ashkĂl), Raumdimensionen (maqĂdĮr), und Körper mit ihren Bewegungs- und Ruhezuständen und Dispositionen 585 . Andererseits löst er diese Welt vollends aus dem epistemologischen Kontext von Universalienlehre und Wahrheitstheorie heraus und bestimmt sie durch mystische und religiöse Parameter. Es handelt sich bei ihr um eine vierte Welt, die von den drei anderen Welten, dem kosmos noêtos, dem Reich der mit einem Körper verbundenen Seelen sowie der korporellen Sinnenwelt, zu unterscheiden ist 586 . Diese Welt ist geprägt von Wundern (צajĂץib), außergewöhnlichen oder unfassbaren Dingen (khawĂriq) und göttlichen Erscheinungen (ashbĂͧ rabbĂniyya) 587 . Dass der letztgenannte Ansatz von Ibn al-ArabÁ beeinflusst ist, erhellt auch daraus, dass nun der Begriff barzakh, den al-SuhrawardÁ eindeutig den Körpern der Sinnenwelt zugeordnet hatte, mit der „Welt des Urbildes“ korreliert 588 . Die „Welt des Urbildes“ wird also nicht mehr vorrangig mit der suhrawardischen Konzeption der „mächtigen noetischen Lichter“ qua Platonische Urbilder, sondern mit den Vorstellungen, Traumbildern und Visionen konnotiert, die al-SuhrawardÁ eben nicht als Platonische Urbilder beschreibt, sondern dem Gegenstandsbereich der „herabhängenden Urbilder“ mit einer gewissen korporellen Affinität zuordnet. 584
585 586
587 588
Zu Leben, Werk und Ausbildung QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ cf. Walbridge, The Science of Mystic Lights, pp. 7-24, 175-191; zur Rezeption Ibn al-ArabÁs bei QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ cf. ibid., p. 192f. Cf. QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ, Ris. fĮ taͧqĮq צĂlam al-mithĂl, p. 251. Cf. ibid., p. 241. Dass al-SuhrawardÁ lediglich die drei anderen Welten unterscheidet, war QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ durchaus bewusst; cf. Sharͧ-i ͦikmat alishrĂq, p. 19. Cf. Ris. fĮ taͧqĮq צĂlam al-mithĂl , p. 242f., Durrat al-tĂj, p. 732f. Cf. Ris. fĮ taͧqĮq צĂlam al-mithĂl , p. 241.
170
III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
Die ursprüngliche Einbettung in eine platonische Urbild-AbbildKonzeption und die epistemologische Zwei-Welten-Theorie wird gelöst oder verwischt gänzlich. Der Begriff „mithl“ verliert seine platonische Konnotation und wird zunehmend mystisch-religiös gedeutet 589 . Die „Welt des Urbildes“ wird zum eschatologischen Limbo, das „Urbild“ zum miraculum, zum spirituellen Erlebnis oder zur mystischen Vision. Entsprechend verändern sich die Argumentationsstrukturen: Zum Nachweis der Existenz der „Welt des Urbildes“ nimmt QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ nicht mehr, wie al-SuhrawardÁ, auf die Abbildrelation der Art-Formen zum kosmos noêtos Bezug. Argumentiert wird vielmehr mit koranischen und prophetischen Aussagen über das Jenseits und, besonders ausführlich, mit Ibn al-ArabÁs Gedanken über das Zwischenreich des Barzakh 590 . Damit rückt der Diskurs über die „Welt des Urbildes“ in unmittelbare Nähe zur Unsterblichkeitslehre der Seele, so dass es nicht verwundert, wenn QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ im dritten Teil der RisĂla fĮ taͧqĮq צĂlam al-mithĂl Fragen der Seelenwanderung und Reinkarnation vor diesem Hintergrund behandelt. Hingegen ist in den einschlägigen Kontexten der hellenistischen Tradition in QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs Hauptwerk von Platonischen Formen keine Rede. Weder in dem Kapitel über die Universalien 591 , noch in den Kapiteln über die Wesenheit (mĂhiyya) 592 und über mathematische Entitäten 593 kommt QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ auf diese zu sprechen. In Anlehnung an Ibn SÁn wird die Wesenheit qua Universale als eine mentale Entität gefasst, an welcher die Individuen mitsamt ihren extramentalen Konkomitanten partizipieren 594 . Die Partizipation 589
590
591 592 593 594
Dass QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ nichtsdestotrotz unter „mithl“ etwas Urbildliches, nicht das Ab- oder Ebenbild versteht, wird aus dem Umstand deutlich, dass er in Durrat al-tĂj häufig das Hendiadyoin mithĂl wa-qĂlab („Urbild und Paradigma“) verwendet. Cf. Ris. fĮ taͧqĮq צĂlam al-mithĂl , pp. 244-247. In der folgenden Generation wird diese Strömung beispielsweise von Sharaf al-DÁn DΊʗd al-Qayהari aufgenommen und vorangetrieben; cf. RasĂץil-i QayΥarĮ: al-TawͧĮd wa-l-nubuwwa wa-l-wilĂya. BĂ ͧawĂshĮ-yi ... Muͧammad RiϕĂ ץQumshaץĮ. Ed. Sayyid Jall al-DÁn ¬shtiynÁ. Mashhad: ɛpkhna-i Dnishgh-i Mashhad, 1357/1978, pp. 14-19. QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ, Durrat al-tĂj, pp. 318-335. Ibid., pp. 488-496. Ibid., pp. 531-536. Ibid., p. 489 f.
4. QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ
171
der Vielen an dem Einen und die Einheit des Universalen gelten ausschließlich für den universalen Begriff (mafhŧm). QuՈb al-DÁn alShÁrzÁs Versuch, diesen avicennischen Ansatz mit al-SuhrawardÁ in Einklang zu bringen, beschränkt sich auf rein terminologische Modifikationen. Das partizipierte Universale wird als „mentale, urbildliche Form“ (Υŧrat-i dhihnĮ-yi mithĂlĮ) beschrieben. Die konzedierte „Urbildlichkeit“ ist aber kein ontologisches Prinzip (mutaץaΥΥil dar wujŧd nĮst), vielmehr ist die Wesenheit nur epistemisch urbildlich (mithĂlĮ idrĂkĮ), insofern ihre Erkenntnis Voraussetzung der wahren Erkenntnis der Vielen ist; und nur in diesem Sinne wird sie universal genannt. Abgesehen von dieser epistemischen Urbildlichkeit (mithĂliyyat-i idrĂkĮ) existiert extramental nichts wesenhaft Urbildliches595 . Auch eine Selbstprädikation des Wesens wird explizit verworfen 596 . Die von al-SuhrawardÁ nahegelegte Identifikation von Platonischen Formen und luminösen Intellekten vollzieht QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ in Durrat al-tĂj nicht nach. Zwar sind die supralunaren Intellekte Ursprung der Emanation (maΥdar) der Arten der sublunaren Welt und sich-selbst-denkende und durch-sich-subsistierende Formen 597 . Doch handelt es sich bei ihnen nicht um Formen nach Art eines transzendenten Paradigmas oder Urbilds der Art (Ďŧn qĂlab [sic leg., ghĂlib ed.] wa-mithĂlĮ ... anwĂצ-rĂ), denn wenn der Schöpfer der Arten eines Urbilds bedürfte, müsste für dieses Urbild und die ihr korrespondierende Art wiederum ein gemeinsames Urbild angenommen werden, und so fort ad infinitum 598 . Außerdem handelt es sich bei den Intellekten um spirituelle Wesen (rŧͧĂniyyĂt), wohingegen die Urbilder korporeller Entitäten qua Urbild des Korporellen in gewisser Weise etwas Korporelles sein müssen. Al-SuhrawardÁs Ansatz würde, nach QuՈb al-DÁn alShÁrzÁs Ansicht, zu der absurden Konsequenz führen, dass korporelle Entitäten ( jusmĂniyyĂt) ehrwürdiger oder besser (ashraf, af͏al) als die spirituellen Intellekte sein müssten 599 . Noch deutlicher wird diese Abwertung des Urbild-Konzepts in QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs Interpretation von al-SuhrawardÁs ͦikmat alishrĂq. Im Anschluss an die oben erwähnte epistemologische Restriktion 595 596 597 598 599
Ibid., p. 490 f. Ibid., p. 489. Ibid., pp. 784-798. Ibid., p. 806. Ibid.
172
III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
des Urbilds erklärt QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ dort, dass das Urbild gegenüber dem Abbild ontologisch defizitär ist. Die Bezeichnung „Urbild“ wird nämlich nach QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs Ansicht zu Unrecht oder in irreführender Weise gewöhnlich daraus hergeleitet, dass Urbilder „für uns“, also für die menschliche Erkenntnis kognitiv ferner (akhfĂ) sind als ihre Abbilder, also die materiellen Formen 600 . Richtiger sei es vielmehr, das Augenmerk auf ihre ontologische Defizienz zu richten: „Betrachtet man aber [den Umstand], dass das Urbild (al-mithĂl) gegenüber dem Abbild (al-mumaththal) defizitär (a͏צaf) ist wie [im Falle] der Urbilder der substantiellen Arten, [die] im Intellekt [existieren] —denn diese sind defizitär gegenüber jenen Arten, da die Arten durch sich subsistieren, ihre Urbilder aber [nur] durch den Intellekt—, so sind [vielmehr] die natürlich instantiierten Art-Formen [als] Urbilder für die luminösen Formen [zu betrachten] (kĂnati l-Υuwaru l-nawצiyyatu l-munίabiצatu amthilatan li-l-Υuwari l-nŧriyyati), so wie die mentalen Formen (al-Υuwar aldhihniyya) Urbilder der natürlich instantiierten Formen sind. Diese [Ansicht] ist angemessener, da sie auf die Sache an sich Bezug nimmt, jene [Ansicht] aber [nur] in Bezug auf uns [zutrifft].“ 601
Epistemologisch korreliert also das Urbild mit dem aristotelischen Wesen an sich, das qua Erkenntnisinhalt „an sich“ besser bekannt, „für uns“ aber weniger bekannt beziehungsweise schwieriger zu erkennen ist. Ontologisch gilt aber eine umgekehrte Relation: Das an sich besser Bekannte hat einen geringeren Seinsgehalt als das für uns besser Bekannte, da letzteres durch sich, ersteres aber qua Gegenstand des Denkens nur im Intellekt subsistiert. Urbildlichkeit bedeutet für QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ also nicht ontologische Wahrheit im Sinne ontologischer Vollkommenheit, sondern vollkommene Sachwahrheit im Sinne der „Übereinstimmung“ von Erkenntnisinhalt und extramentalem Gegenstand der Erkenntnis bei gleichzeitiger ontologischer Priorität dieses extramentalen Gegenstands. In diesem Sinne sind die instantiierten Art-Formen, unter Umkehrung der platonisierenden 600
601
Sharͧ-i ͦikmat al-ishrĂq, p. 245: “innam summiyat bih (scil. bi-l-muthul) naծaran il anna min shaΊni l-mithli an yakʗna akhf min al-mumaththali wa-hiya akhf min al-הuwari l-hayʗlniyyati bi-l-nisbati ilayn”. Ibid., p. 245, l. 18-22.
4. QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ
173
Konzeption al-SuhrawardÁs, „Urbilder“ der luminösen Formen (qua spirituelle Intellekte), da sie durch diese in vollkommenster Wahrheit gedacht werden, zugleich aber ontologisch defizitär sind, insofern sie in den Einzeldingen subsistieren. Die luminösen Intellekte sind hingegen keine Urbilder, zumindest nicht in diesem Sinne, sondern dem Sein nach ursprünglich (aΥliyya) und durch sich vollkommen (lahĂ kamĂliyya wa-tamĂmiyya fĮ dhĂtihĂ) 602 . Analog sind die universalen Formen des menschlichen Intellekts „Urbilder“ der instantiierten ArtFormen, insofern durch sie die vielen Einzeldinge mit der für den Menschen höchsten Wahrheit gedacht werden, zugleich aber ontologisch defizitär, da sie nur im Intellekt subsistieren können. Folglich kann weder aus der extramentalen Existenz der substantiellen Wesenheit auf die extramentale Existenz ihres Urbildes noch aus der sich selbst genügenden Existenz der luminösen Formen auf die sich selbst genügende Existenz der Urbilder geschlossen werden. Und umgekehrt kann aus dem Umstand, dass instantiierte Formen eines Substrats bedürfen, nicht darauf geschlossen werden, dass dasselbe für ihre Urbilder gilt 603 . Diese Überlegungen in QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs Kommentar zu alSuhrawardÁ schließen mit der knappen und enigmatischen Bemerkung, dass es sich mit der ontologischen Defizienz des Urbildes gegenüber dem Abbild bei den Platonischen Urbildern umgekehrt verhalte. Damit scheint QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ anzudeuten, dass Platonische Urbilder 602 603
Ibid., p. 246. Ibid., p. 246, l. 14-21: “fa-l yalzamu an yuՈՈarada li-l-mhiyyti ԉukmu l-shayΊi wa-huwa qiymu l-mhiyyti l-jawhariyyati l-khrijati ani l-dhihni bi-dhtih fÁ mithlihÁ wa-huwa l-הuwaru l-dhihniyyatu li-qiymih bi-l-dhihni wa-ka-m annahʗ lam yalzam dhlika ka-dhlika (sic leg. pro li-dhlika) lam yalzam an yuՈՈarada ԉukmu l-shayΊi wa-huwa qiymu l-הuwari l-nʗriyyati bi-dhtih fÁ mithlihÁ wa-huwa l-הuwaru l-munՈabiatu li-qiymih bi-l-ajsmi hdh al taqdÁri kawni l-munՈabiati mithla l-mujarradati amm idh kna bi-l-aksi al m yadullu alayhi tasmiyatu l-mujarradati bi-l-muthuli quln ka-dhlika l yalzamu an yuՈՈarada ԉukmu l-shayΊi wa-huwa qiymu l-munՈabiati bi-l-ghayri fÁ mithlihÁ wa-huwa l-הuwaru l-nʗriyyatu li-qiymih bi-l-dht.” (N.B.: Der Beginn des Abschnitts zitiert al-SuhrawardÁ, ͦikmat al-ishrĂq, § 94 paenult.) Auch folgt aus der Universalität einer Form nicht deren Ewigkeit oder Selbstsubsistenz; cf. ibid., p. 362.
174
III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
von den oben besprochenen Urbildern zu unterscheiden sind, und in der Tat greift er die Differenzierung zwischen epistemischer Priorität und ontologischer Defizienz der Urbilder an späterer Stelle des Kommentars wieder auf. Dort wird der luminöse Intellekt, der „Herr der Art“ (rabb al-naw )צim suhrawardischen Sinne, als ontologisches Prinzip (aΥl) und Ursache (צilla) der Art beschrieben. Sofern es sich bei der Art um eine korporelle Art handelt, heißt sie Υanam 604 , der „Herr“ dieser Art entsprechend rabb al-Υanam 605 . Insofern nun diese korporelle Art von dem „Herrn der Art“ bei der Hervorbringung der Sinnenwelt (צĂlam al-ͧiss) benutzt wird 606 , dient sie ihm als mithĂl, i.e. als epistemisches Urbild der Dinge der Sinnenwelt, welches dem „Herrn der Art“ freilich ontologisch nachgeordnet ist. Zugleich ist aber der „Herr der Art“ selbst Urbild (mithĂl), i.e. personifizierte Ursache, Verwalter (mudabbir) und Erhaltungsprinzip der korporellen Art, insofern diese im kosmos noêtos existiert; und nur in diesem Sinne ist der Intellekt als Platonisches Urbild zu bezeichnen 607 , dessen Erkenntnis durch die menschliche Seele nur Platon (i.e. Plotin) korrekt beschrieben hat 608 . Wir haben es bei QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ also mit einem dreifachen Begriff des Urbilds oder mithĂl zu tun, einem ontologisch-kosmologischen Urbild, welches partiell mit al-SuhrawardÁs Begriff des luminösen Intellekts qua Platonisches Urbild korreliert, einem epistemischen Urbild qua Wesensbegriff aristotelisch-avicennischer Couleur, und einem mystisch-religiösen „herabhängenden“ Urbild (mithĂl muצallaq), das als miraculum oder Gegenstand religiöser Erfahrung dem Limbo der „Welt des Urbildes“ zugeordnet wird. Den Begriffen ist lediglich der Name gemein. In doktrinaler Hinsicht entstammen sie vollkommen disparaten Kontexten und führen letztendlich zu einer umfassenden Dilatation und Verwirrung des ohnehin recht vagen Urbild-Begriffs bei al-SuhrawardÁ.
604 605 606
607 608
Zu Υanam bei al-SuhrawardÁ cf. supra, pp. 134-138. QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ, Sharͧ-i ͦikmat al-ishrĂq, p. 358. Diese „Benutzung“ (istiצmĂl) spezifiziert QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ als Individuation der Art mittels des Urbildes, ibid., p. 359, l. 12. Ibid., p. 359 f. Ibid., pp. 362-364. QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ folgt in seiner Interpretation al-SuhrawardÁs exakt al-ShahrazʗrÁ, cf. supra, p. 163f.
5. „Risla fÁ l-muthul al-aqliyya al-aflՈʗniyya“
175
5. Die anonyme „Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder“ Gut zwei Dekaden nach QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs Tod entsteht die einzige heute bekannte arabische Monographie zum Thema Platonische Formen und „herabhängende Urbilder“ 609 . Obwohl der Titel auf die suhrawardische Konzeption der Platonischen Urbilder anspielt, handelt es sich bei der Schrift durchaus nicht um eine SuhrawardÁInterpretation im engeren Sinne. Al-SuhrawardÁ selbst benutzt meines Wissens nirgends den Begriff muthul/Υuwar צaqliyya aflĂίŧniyya, der vermutlich zum ersten Mal bei al-ShahrazʗrÁ zu belegen ist 610 . Der Verfasser des Werks (im Folgenden: Anon.) ist nicht bekannt. Er ist zweifellos stark von QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ beeinflusst, folgt dessen Thesen aber nicht in allen Punkten und vorbehaltlos. Vielleicht gehörte er zum weiteren Kreis der Schüler- oder Enkelschüler QuՈb alDÁns611 . Aber auch das Umfeld des asharitischen Theologen und Philosophen Shams al-DÁn Maԉmʗd ibn Abd al-Raԉmn al-IהfahnÁ (674749/1275-1348), wenn nicht gar dieser selbst, sind als potentielle Urheber in Erwägung zu ziehen. Shams al-DÁn al-IהfahnÁ, ein Schüler von al-Allma al-ԈillÁ, hat sich vor allem durch seine Kommentare zu alՇʗsÁs TajrĮd al-צaqĂץid und al-BayӱwÁs ήawĂli צal-anwĂr hervorgetan. Insbesondere das letztgenannte Werk weist bemerkenswerte terminologische und phraseologische Übereinstimmungen mit der anonymen „Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder“ auf 612 . 609
610 611
612
Die Abhandlung wurde 1947 von Abd al-Raԉmn BadawÁ unter dem Titel AlMuthul al-צaqliyya al-aflĂίŧniyya in Kairo ediert (Publications de l’Institut Français d’Archéologie. Textes et traductions d’auteurs orientaux; 12), im Folgenden: Ris. fĮ l-muthul. Zur Datierung cf. infra, APPENDIX I, und BadawÁs Vorwort, pp. 40-43. Cf. al-ShahrazʗrÁ, Al-Shajara al-ilĂhiyya, vol. III, p. 371. An einer Stelle der Schrift erwähnt er ohne Namensnennung seinen verstorbenen Lehrer („samiצtu ... min al-ustĂdh raͧimahu llĂh“). Dazu finden sich in zwei Handschriften marginal bzw. interlinear die Zusätze: „i.e. Shams al-Milla Muծaffar“ oder „Shams Muծaffar“, die ich nicht identifizieren konnte. Einige Schüler QuՈb al-DÁns erwähnt Walbridge, The Science of Mystic Lights, pp. 172-174; vgl. auch R. Pourjavady, S. Schmidtke, “The QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ (d. 710/1311) Codex (Ms MarashÁ 12868): Studies on QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ, II“, Studia Iranica 36 (2007), pp. 279-301. Vgl. beispielsweise Shams al-DÁn al-IהfahnÁ, MaίĂli צal-anϕĂr צalĂ matn ήawĂli צ al-anwĂr, al-Qhira: Dr al-KutubÁ 1428/2008 (Nachdruck der Ausgabe al-Qhira:
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III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
Vorrangige Intention von Anon. war nicht die Entfaltung einer eigenen Theorie Platonischer Formen, sondern eine systematische Übersicht der einschlägigen Theorien von Ibn SÁn bis in seine Tage, die sicherlich auch dem Ziel diente, der oben skizzierten Begriffsverwirrung im 13. und 14. Jahrhundert klärend entgegen zu wirken. Anon. geht die einzelnen Ansätze kritisch an, diskutiert ihre Schwachstellen und Gegenentwürfe zum Teil ausführlich, bezieht aber nur selten eine eigene Position. Die Abhandlung ist übersichtlich gegliedert. Kapitel I befasst sich mit Platonischen Urbildern, Kapitel II mit den sogenannten „herabhängenden Ur- oder Abbildern“, Kapitel III mit der Frage, ob die Konzeption des Seins an sich als Platonisches Urbild die im Anschluss an Ibn al-ArabÁ vertretenen pantheistischen oder monitaristischen Theorien der Einheit von Sein und Gott (al-wujŧd al-muίlaq wĂjib alwujŧd bi-dhĂtihĮ, esse est necesse esse per se) zulässt. (i) „Platonische Urbilder“ Anon. sieht den Ursprung der Frage nach der Existenz der Platonischen Urbilder in dem epistemologisch-ontologischen Spannungsverhältnis von Sein und Intelligibilität der Dinge. Nach aristotelischavicennischem Vorbild wird unterschieden zwischen Dingen, die hinsichtlich ihres Seins und ihrer Intelligibilität der Materie entbehren, solchen, die ihrer nur hinsichtlich ihrer Intelligibilität, nicht aber hinsichtlich des Seins entbehren können, und solchen, die ihrer weder hinsichtlich des Seins noch hinsichtlich ihrer Intelligibilität entbehren können. Die erste Klasse des Seienden wird mit „göttlichen Dingen“ (umŧr ilĂhiyya) identifiziert, die zweite Klasse mit den Mathematica, die dritte Klasse mit den natürlichen Sinnendingen. Urbilder sind für Anon. zum einen dadurch charakterisiert, dass sie unabhängig durch sich (mustaqill bi-nafsihĮ) 613 existieren, zum anderen in einer urbildlichen Relation zu etwas Materiellem stehen 614 . Aufgrund der zweiten Eigenschaft ist es ausgeschlossen, dass für den ersten
613 614
al-MaՈbaa al-Khayriyya 1323/1905), p. 50, l. 24 – p. 51, l. 9 mit Ris. fĮ l-muthul, p. 64; MaίĂli צ, p. 52, l. 7ff. mit Ris. fĮ l-muthul, p. 59; MaίĂli צ, p. 64, l. 11ff. mit Ris. fĮ l-muthul, p. 23f., etc. Cf. Ris. fĮ l-muthul, p. 9, l. 1-5. Cf. ibid., p. 11, l. 3f., p. 15, l. 12-15.
5. „Risla fÁ l-muthul al-aqliyya al-aflՈʗniyya“
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Bereich des Seienden, die „göttlichen Dinge“, Urbilder existieren 615 . Damit wird die Existenz von Urbildern zum einen notwendig an eine Relationalität von göttlichen Dingen (kosmos noêtos) auf der einen Seite und mathematischen und sinnlichen Entitäten auf der anderen Seite gebunden. Zum anderen wird zumindest für den Gegenstandsbereich „göttlicher Dinge“ eine Konzeption des Platonischen Urbilds als Wesen oder Gegenstand der Antwort auf Fragen des Typs „Was ist x?“ ausgeschlossen, da die „göttlichen Dinge“ zwar Urbilder sein können, jedoch qua separate Entitäten keine Urbilder haben können. Drittens schließlich ist von Urbildern im Sinne Platonischer Urbilder nur bei Urbildrelationen ersten Grades die Rede. Künstliche Gegenstände oder willentliche Akte des Menschen haben keine transzendenten Urbilder. Sofern sie überhaupt ein Urbild haben, ist dies allenfalls ein Urbild, das nicht durch sich selbst, sondern wiederum durch ein anderes Urbild, das Urbild des Menschen, subsistiert. Hierbei handelt es sich also um Urbildrelationen zweiten Grades. Willentliche Handlungen des Menschen können keine Platonischen Urbilder haben 616 . Demnach bieten sich folgende Alternativen: „Folglich ist [ein Urbild] entweder [(i)] für diese beiden Seienden, mathematische und natürliche, gemeinsam [Urbild], oder [(ii)] für eines der beiden unter Ausschluss des anderen, oder [(iii)] für keines der beiden. Diese drei Alternativen sind zu unterscheiden, wobei die zweite Alternative [nochmals] zu unterteilen ist: Entweder [(ii.a)] ist es Urbild für das mathematische [Seiende] unter Ausschluss des natürlichen, oder [(ii.b)] vice versa. Also sind vier Alternativen in Erwägung zu ziehen.“ 617
Die vier Thesen werden keinen bestimmten Autoritäten zugeordnet. Von Platon selbst weiß Anon. zu berichten, dass er sowohl These (i) als auch These (ii.b) vertreten habe, vorrangig jedoch zu letzterer neigte. Dabei stützt sich Anon. weder auf platonische Quellen noch auf Aristoteles’ Ideenkritik, sondern ausschließlich und explizit auf Ibn SÁns Darstellung 618 . Neben diesen vier Positionen sind Anon. zufolge zwei weitere Ansätze in Erwägung zu ziehen: 1. Die Lehre Shihb al-DÁn al-SuhrawardÁs (These [(v)]), die Anon. wie folgt skizziert: 615 616 617 618
Cf. ibid., p. 11, l. 5. Ibid., p. 8, l. 19 – p. 9, l. 5. Ibid., p. 11, l. 5-9. Ibid., p. 7 f., 47.
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III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
„Sie [besagt], dass es Urbilder nur für die Körper gibt und dass, wenn der [betreffende] Körper eine Art bildet, sein separates Urbild intelligibel ist und „Meister“ oder „Herr“ der [Art] und „Herr des Bildes“ (rabb al-Υanam) heißt und mit dem Platonischen Urbild identisch ist. Dieses ist ein Intellekt von der Klasse der horizontal geordneten Intellekte, die hinsichtlich der Ehrwürdigkeit und der Abtrennung von den stofflichen Substraten über der Klasse der Seelen und unter der Klasse der vertikal geordneten Intellekte stehen. Es bewirkt die Existenz der Art, sorgt sich um diese und erhält und bewahrt sie, während die Art wie sein Schatten[bild], Zeichen und Reflex ist. Wenn es sich aber [bei dem betreffenden Körper] um ein Individuum (shakhΥ) handelt, dann ist sein separates Urbild imaginativ. Dieses ist ein „herabhängendes Urbild“ und „imaginatives Erscheinungsbild“, das hinsichtlich der Ehrwürdigkeit und der Abtrennung von den stofflichen Substraten unter dem Reich der Seele und über dem Reich der Sinne steht.“ 619
Anon. schließt sich in seiner SuhrawardÁ-Interpretation also weitgehend al-ShahrazʗrÁs Vereinfachungen an: Das suhrawardische Konzept des BILDS (Υanam) wird zugunsten einer undifferenzierten Identifikation Platonischer Urbilder mit „Herren der [korporellen] Art“ und „Herren des Bilds“ aufgegeben. Hervorbringung und Fürsorge der Art werden ein und derselben Klasse von Intellekten zugeordnet, die suhrawardische Differenzierung zwischen „mächtigen“ und „verwaltenden“ noetischen Lichtern nivelliert. Neu ist hingegen Anon.s Interpretation des suhrawardischen „herabhängenden Urbilds“ als imaginatives Urbild korporeller Individuen. Damit wird dem „herabhängenden Urbild“ nicht nur jeglicher Universaliencharakter abgesprochen, sondern auch sein noetischer Ursprung und seine Affinität zum kosmos noêtos in Frage gestellt. 2. Als eine sechste Lehrmeinung präsentiert Anon. sein eigenes Urbild-Konzept, das er als Fortentwicklung der oben skizzierten Position (i) (raץy nĂshi ץmin al-raץy al-awwal) deklariert. Demnach existieren Urbilder sowohl für mathematische als auch für sinnliche Entitäten. Das Urbild ist die „Wahrheit“ oder „Realität“ (ͧaqĮqa) der Natur (ίabĮצa) dieser Entitäten. Auch den Eigenschaften (ΥifĂt) dieser Entitäten korrespondieren urbildliche Eigenschaften der Urbilder im kosmos noêtos 620 . Der unerfreulichen Konsequenz, dass dem zufolge 619 620
Ibid., p. 12, l. 19 – p. 13, l. 5. “דift al-ajsmi takʗnu הifti amthilatih fÁ l-lami l-aqlÁ ka-m hiya הiftu aynih fÁ l-lami l-ԉissÁ”, ibid., p. 13, l. 11f.
5. „Risla fÁ l-muthul al-aqliyya al-aflՈʗniyya“
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etwa dem Urbild einer vergänglichen Entität die Eigenschaft der Vergänglichkeit eignen müsste, begegnet Anon. mit einer These, die auf der suhrawardischen Identifikation von Urbildern mit sich-selbstdenkenden luminösen Intellekten basiert: Die urbildliche Wirklichkeit der Eigenschaften korporeller Entitäten besteht darin, dass diese Eigenschaften Gegenstand des Denkens oder Wissens dieser sichselbst-denkenden Urbilder sind. Der korporellen Akzidentalität dieser Eigenschaften im kosmos aisthêtos entspricht also eine epistemische Akzidentalität im kosmos noêtos 621 : Die akzidentelle Eigenschaft der Vergänglichkeit der Entität x ist akzidentelle Eigenschaft des Urbilds von x, insofern dieses zusammen mit der Natur von x das Urbild der Eigenschaft „Vergänglichkeit“ denkt und der Gegenstand des Wissens dem Subjekt des Wissens akzidentell ist. Das Urbild ist weder mit der Art-Form noch mit den Eigenschaften der Art identisch: „Denn das Urbild an sich ist das, was außerhalb der Art[-Form] oder des Individuums (i.e., des Körpers oder der körperlichen [Eigenschaft]) [folgendermaßen] existiert: durch sich selbst subsistierend, ohne [räumliche] Position, von allen stofflichen Substraten und Körpern abgetrennt.“ 622
Entsprechend unterscheidet Anon. unterschiedliche Wahrheitsoder Realitätsgehalte: Sofern die Wahrheit in jeder Hinsicht von der Materie abgetrennt ist, also der Urbildebene zuzuordnen ist, besteht sie in der Koinzidenz von Ur- und Abbild (al-mithĂl fĮhĂ צayn al-mumaththal). Sofern sie in einer Hinsicht von der Materie abgetrennt, in einer anderen aber mit dieser verbundenen ist, ist sie zwar auch primär durch das Urbild begründet, wird aber erst durch die Individuen konstituiert 623 . Hier wird also unterschieden zwischen der Wahrheit oder Realität des Urbildes, die in der Koinzidenz des Urbilds mit der intelligiblen, von der Materie abtrennbaren Art-Form besteht, und der Realität der Art-Form, die zwar ursprünglich in dem Urbild der Art existiert, zu ihrer Konstitution aber zudem der individuellen Instantiierungen der Art bedarf. Eine Abbildebene des Urbildes wird also nicht den konkreten Gegenständen, sondern der intelligiblen Art-Form zugeordnet, eine andere mit geringerem Realitätsgehalt dem Konkreten selbst. Die Universalität der Natur der Art ist nicht in der Art-Form, sondern in dem ihr korrespondierenden Urbild begründet. 621 622 623
Cf. ibid., p. 15. Ibid., p. 14, l. 1-3. Ibid., p. 13, l. 7-10.
180
III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
Im Anschluss an die Einführung dieser sechs Thesen diskutiert Anon. in unterschiedlicher Ausführlichkeit das Für und Wider der einzelnen Thesen vor dem Hintergrund überlieferter Lehrmeinungen. Die Struktur dieses Diskurses wie auch der beiden anschließenden Kapitel des Werks weist gewisse Parallelen zur Gattung der lateinischen Quaestiones auf. Nach einer knappen Beschreibung der These oder Lehrmeinung (raץy, qawl) folgt ein erster Argumentationsansatz (wajh) zur Stützung der These, gefolgt von einer obiectio. Letztere wird als „kritische Ansicht“ (naϕar), „Einwand“ (iצtirĂ͏), „Frage“ (suץĂl) oder „Gegenargument“ (ujĮba צanhu) eingeführt. Auf diese obiectio antwortet Anon. dann mit wa-l-jawĂb צan hĂdhĂ l-jawĂb/l-naϕar etc. (sed contra). Darauf folgen entweder weitere Einwände und deren Beantwortung, oder die dreigliedrige Struktur wird mit dem nächsten Argumentationsansatz wieder neu aufgenommen. Zuweilen werden zwei oder drei Argumentationsansätze (wujŧh) zusammengefasst, bevor die Einwände und Antworten zur Sprache kommen, an anderer Stelle werden zwei oder drei Einwände in direkter Folge vorgelegt und dann gemeinsam beantwortet. In besonders schwierigen Fällen wird die Struktur um zwei weitere Argumentationsebenen erweitert, indem die Antwort des Verfassers nochmals, eingeleitet durch wa-la-in qĂla („wollte aber tatsächlich jemand behaupten...“, „es möge aber niemand behaupten...“), problematisiert wird und dieser hypothetische Einwand durch fa-naqŧlu („so sagen wir...“, „denn darauf entgegnen wir...“) beantwortet wird. Ein wichtiger Unterschied zu den lateinischen Quaestiones besteht freilich in dem Umstand, dass der dort durch respondeo eingeleitete Teil, also die abschließende Stellungnahme des Verfassers, in „unserer“ Schrift, die nicht dogmatisch dozieren, sondern klären und problematisieren will, nicht zu finden ist. Insgesamt geht Anon. sehr wohlstrukturiert vor. In der „Zweiten Untersuchung“ des ersten Kapitels legt Anon. 16 Argumente für These (i) vor und erörtert mögliche Gegenargumente 624 . These (ii.a) ist Gegenstand der „Dritten Untersuchung“, These (ii.b) wird in der „Vierten Untersuchung“ betrachtet 625 . Diesen beiden Thesen widmet Anon. nicht viel Raum. Offenbar hält er die Beweisgründe für These (i) und die hieran anknüpfenden Thesen (v) und (vi) für so stark, dass 624
625
Ibid., pp. 16-43; für eine detaillierte Übersicht der Struktur der Abhandlung cf. infra, p. 215 f. Ibid., pp. 44-47.
5. „Risla fÁ l-muthul al-aqliyya al-aflՈʗniyya“
181
sich eine weitere Diskussion der beiden Thesen erübrigt. Es folgen, wiederum sehr ausführlich, 18 Argumente gegen die Existenz Platonischer Urbilder (These [iii]) und deren Widerlegung 626 . Die „Sechste Untersuchung“ erörtert die suhrawardische These (v), so wie Anon. sie versteht 627 . Wie bei den vorangehenden vier Thesen fehlt eine grundlegende Widerlegung. Es fällt jedoch auf, dass Anon. zahlreiche Gegenargumente, darunter solche, die auf Ibn SÁns Werken basieren, ausführlich darstellt und oft, wie es scheint, nur halbherzig widerlegt. Andere Einwände bleiben ganz ohne Antwort und stammen möglicherweise von Anon. selbst. These (vi), Anon.s eigene Position, wird entsprechend der übergreifenden Intention des Verfassers nicht nochmals diskutiert. (ii) „Herabhängende Urbilder“ Anon.s Deutung des suhrawardischen „herabhängenden Urbilds“ teilt mit dem Platonischen Urbild die Eigenschaft einer separaten, von den Erkenntnisvermögen unabhängigen Existenz und mit den Formen der Vorstellung die Eigenschaft, Form eines Individuums, nicht Art-Form zu sein: „Das „herabhängende Urbild“ ist die Form des Individuums, also des Körpers oder der korporellen [Eigenschaft], die außerhalb aller Erkenntnisvermögen existiert [und] von dem stofflichen Substrat des [Individuums] unvollständig abgetrennt ist, vergleichbar der Abtrennung der Vorstellungsform des Individuums von der [Materie].“ 628
Die abgetrennte Existenz solcher „Urbilder“ des konkreten Gegenstands wird, wie schon bei al-SuhrawardÁ, durch die Spiegelbilder eines Individuums exemplifiziert, die sowohl unabhängig von unserer Wahrnehmungsform des Individuums als auch abgetrennt von dem konkreten Körper selbst existieren. Die Wahrheits- oder Realitätsgehalte in den Urbild-Abbild-Relationen von „herabhängenden Urbildern“ und Platonischen Urbildern verhalten sich zueinander proportional. So wie das Platonische Urbild durch seine urbildliche Koinzidenz mit der abbildhaften, universalen Art-Form deren Wahrheit und Wirklichkeit konstituiert, so konstituiert das „herabhängende 626 627 628
Ibid., pp. 48-65 (“Fünfte Untersuchung”). Ibid., pp. 66-81. Ibid., p. 85, l. 3-5; vgl. das Zitat oben, p. 178.
182
III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
Urbild“ durch seine urbildliche Koinzidenz mit der abbildhaften Vorstellungsform von dem konkreten Gegenstand deren Wahrheit und Wirklichkeit 629 . Das gesamte Zweite Kapitel der Abhandlung 630 widmet Anon. den „herabhängenden Urbildern“. Dass er in deren Konzeption vor allem von QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ beeinflusst ist, wird schon daraus ersichtlich, dass er lange Textpassagen aus dessen RisĂla fĮ taͧqĮq צĂlam almithĂl unverändert übernimmt 631 . Er ist jedoch zugleich bemüht, nüchterner und „philosophischer“ als dieser zu argumentieren und auch terminologisch exakter zu verfahren 632 . So ersetzt er QuՈb al-DÁns irreführende Verwendung des Begriffs „Welt des Urbilds“ für den Bereich der „herabhängenden Urbilder“ durch die eindeutige Verwendung des Begriffs „Welt des herabhängenden Urbilds“ (צĂlam al-mithĂl al-muצallaq). Anders als QuՈb al-DÁn 633 versucht er auch, den Urbildcharakter des „herabhängenden Urbilds“ zu begründen. Dieses ist in gewissem Sinne ein Eines-über-Vielen, insofern Anon.s Ansicht zufolge drei voneinander verschiedenen Formen oder Klassen von Formen ein und derselbe Wahrheitsgehalts zukommt, nämlich (i) der individuell instantiierten materiellen Form eines Körpers, (ii) der immateriellen, gleichwohl das stoffliche Substrat berücksichtigenden Form unserer Vorstellung dieses Körpers, sowie (iii) der sowohl von dem stofflichen Substrat als auch von dessen Singularität gänzlich unabhängigen Form(en) des Körpers in einem oder mehreren Spiegeln. All diese Formen differieren hinsichtlich des Grades ihre Unabhängigkeit oder Separation von der Materie und von dem Erkenntnissubjekt sowie hinsichtlich ihrer Substantialität und Akzidentalität. Die ihnen gemeinsame Wahrheit oder Wirklichkeit lokalisiert Anon. in dem 629 630 631
632
633
Cf. Ris fĮ l-muthul, p. 13f. Ibid., pp. 83-115. Vgl. im Einzelnen die Fußnoten zur Übersetzung von Kapitel II der Schrift (APPENDIX I, pp. 302-315) Immer wieder fügt er den Ausführungen über das „herabhängende Urbild“ proviso hinzu: in kĂna („wenn es denn existiert“). Dieser grundlegende Zweifel wird letztendlich an keiner Stelle systematisch ausgeräumt, wenngleich die gesamte Abhandlung die Existenz „herabhängender Urbilder“ vorauszusetzen scheint. Hierin auch über al-ShahrazʗrÁ hinausgehend.
5. „Risla fÁ l-muthul al-aqliyya al-aflՈʗniyya“
183
„herabhängende Urbild“ des betreffenden Körpers, welches aufgrund dieser Unterschiede nicht in einer Koinzidenzrelation, sondern in einer Relation der Ähnlichkeit zu den abbildhaften Formen steht 634 . Damit sieht Anon. aber nicht die Existenz der „herabhängenden Urbilder“, sondern lediglich die Möglichkeit ihrer extramentalen Existenz als bewiesen an. Deshalb kreist die Diskussion in Kapitel II im Wesentlichen um drei Hauptprobleme: (i) Das Gutsein (khayriyya) der extramentalen Existenz „herabhängender Urbilder“ bzw. die Frage, ob diese besser ist als ihre extramentale Nichtexistenz und unter die göttliche Vorsehung fällt 635 . (ii) Die Frage, wie sich das „herabhängende Urbild“ zu den gängigen Theorien des Sehens und der Vorstellung verhält und ob die drei oben beschriebenen Klassen von Formen nicht doch wesenhaft in einem seelischen Erkenntnisvermögen oder körperlichen Organ (Auge, Gehirn, etc.) subsistieren und damit die separate Existenz „herabhängender Urbilder“ obsolet machen 636 . Und (iii) die Gegenargumente derjenigen, die die extramentale Existenz der „herabhängenden Urbilder“ mit diversen Argumenten zu widerlegen suchen, die allesamt auf ein und denselben Punkt hinauslaufen: die Bestimmung des „herabhängenden Urbilds als partikulare Form und die Notwendigkeit einer Positionalität jeder partikularen Form 637 . Während die Erörterung des ersten Problems von QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs Philosophie geprägt ist, scheinen die Argumente Für und Wider die Fragen (ii) und (iii) fast ausnahmslos von Anon. entwickelt worden zu sein. Anders als im vorangehenden Teil der Schrift wird hier auf keine frühere Autorität verwiesen. Zweifellos stellt die anonyme „Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder“ einen gewissen Höhepunkt der post-suhrawardischen Auseinandersetzung mit Platonischen Formen und „herabhängenden Urbildern“ dar. Dem Verfasser gelingt es, mit beachtlicher Klarheit und Stringenz sowie einer bemerkenswerten kritischen Distanz die zugrunde liegenden Konzeptionen zu sezieren und die 634 635 636 637
Cf. Ris. fĮ l-muthul, pp. 89-91. Ibid., pp. 85-95. Ibid., pp. 95-106. Ibid., pp. 107-115.
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III. Platonische Formen und Urbilder im 13. und 14. Jh.
mit ihnen verbundenen Fragen und Probleme analytisch aufzuzeigen. Freilich ist zu bedauern, dass er die frühe arabische AristotelesRezeption und die aristotelische Ideenkritik nicht mehr zur Kenntnis nimmt und auch keinen Versuch unternimmt, eine eigene Synthese vorzulegen.
Kapitel IV Kursorische Beobachtungen zu Platonischen Formen und Urbildern in der arabischen Philosophie des 15.é17. Jahrhunderts 1. Einleitung Die Erforschung der Entwicklung der arabischen und persischen Philosophie von der zweiten Hälfte des 14. bis zu den Anfängen der sogenannten „Schule von Iהfahn“ am Ende des 16. Jahrhundert steht erst in ihren Anfängen, ja ist recht eigentlich noch in Angriff zu nehmen 638 . Die im vorliegenden Kapitel beschriebenen Beobachtungen sind daher nur provisorischer und unsystematischer Natur. Zu Beginn von Kapitel III wurde festgestellt, dass eine wesentlich auf al-SuhrawardÁ fußende Tradition die dort begründeten Konzepte von Platonischen Formen und „herabhängenden Urbildern“ bis in das 19. Jahrhundert fortführt. Auf der anderen Seite ist zu konstatieren, dass diese Konzepte in der „Schule von Iהfahn“, wo Platonische Ur638
Rezente „westliche“ Publikationen zur islamischen Philosophiegeschichte berücksichtigen diese Epoche kaum. Majid Fakhrys A History of Islamic Philosophy (New York: Columbia University Press, 1970) springt unvermittelt vom 13. in das 19. Jahrhundert. Nicht ganz so lange dauert die „dunkle“ Epoche in The Cambridge Companion to Arabic Philosophy (ed. P. Adamson, R. C. Taylor, Cambridge: Cambridge University Press, 2005), wo auf die lateinische Rezeption des 13. Jahrhundert ein Kapitel über Recent Trends in Arabic and Persian Philosophy folgt, das mit Mull דadrs Philosophie (17. Jh.) einsetzt. Die von Cristina D’Ancona herausgegebene Storia della filosofia nell’Islam medievale (2 vols., Torino: Giulio Einaudi, 2005) schließt mit der lateinischen Rezeption der arabischen Philosophie im 13. Jahrhundert. Lediglich die von Seyyed Hossein Nasr und Oliver Leaman herausgegebene History of Islamic Philosophy (2 vols., London: Routledge, 1996) enthält (auf insgesamt mehr als eintausend Seiten) ein gerade neun Seiten umfassendes Kapitel (Chapter 33: From al-ήŧsĮ to the School of IΥfahĂn), aus dem freilich kaum mehr als ein paar Namen und Lebensdaten zu entnehmen sind, gespenstische Gestalten, über deren Philosophie wir nichts erfahren.
186
IV. Kursorische Beobachtungen zur Philosophie des 15.-17. Jh.s
bilder vornehmlich im Kontext von göttlichem Ratschluss und Prädestination (al-qa͏Ă ץwa-l-qadar) diskutiert wurden, keinen ungeteilten Zuspruch fanden (cf. infra Kapitel IV.3 und IV.4). Wann und wie es zur Aufspaltung der Traditionen kam, ist bisher nicht geklärt. Ein entscheidendes Momentum für die kritische Haltung der „Schule von Iהfahn“ gegenüber der suhrawardischen Tradition scheint in der Annektierung dieser Tradition durch Teile der islamischen Mystik, insbesondere durch deren Verknüpfung mit Ibn al-ArabÁs pantheistischer Theorie der Waͧdat al-wujŧd zu liegen, die ja bereits im letzten Kapitel der anonymen RisĂla fĮ l-muthul al-צaqliyya al-aflĂίŧniyya kritisiert wird (cf. Kap. III.5) 639 . Ein weiterer bedeutender Faktor liegt in der, insbesondere durch MÁr Dmd forcierten, Rückbesinnung auf die arabische Aristoteles-Überlieferung und die Werke al-FrbÁs. Doch ist nicht klar, ob und inwiefern zwischen diesen Phänomenen ein kausaler Zusammenhang besteht.
2. Ibn Turka und al-DawwnÁ Zu den einflussreichsten Philosophen des 9./15. Jahrhunderts zählen דΊin al-DÁn AlÁ ibn Muԉammad al-Turka al-IהfahnÁ, genannt Ibn Turka (gest. 830/1427 oder 835/1432), und Jall al-DÁn Muԉammad ibn Asad al-DawwnÁ (gest. vermutlich 908/1502 640 ), ein wichtiger Wegbereiter der Philosophenschule von Iהfahn. Das umfangreiche Œuvre dieser beiden Autoren ist bislang nur zu einem kleinen Teil in gedruckten Editionen zugänglich und kann hier nur punktuell berücksichtigt werden. Für beide Philosophen gilt, dass sie dem Konzept Platonischer Formen oder Urbilder nur geringe Beachtung schenkten. Ibn Turka 639
640
Vgl. zu diesem Thema beispielsweise die RisĂla-i dhawqiyyĂt-i צaqlĮ wa-maצqŧlĂt-i dhawqĮ des Dihdr ShÁrzÁ (gest. 1016/1607), in Muԉammad Maԉmʗd Dihdr ShÁrzÁ, RasĂץil-i DihdĂr. Ba kʗshish-i Muԉammad Ԉusayn AkbarÁ SwÁ. Tihrn: MÁrth-i Maktʗb, 1375/1996, pp. 153-172. In der Literatur sind diverse Angaben zum Todesdatum zwischen 906/1500 und 928/1522 zu finden; cf. Jall al-DÁn al-DawwnÁ, al-ͦujaj al-bĂhira. TaԉqÁq wadirsat Abdallh Ԉjj AlÁ MunÁb. [Kairo?] Maktabat al-Imm al-BukhrÁ, 1420/ 2000, p. 19; Sab צRasĂץil li-l-צAllĂma JalĂl al-DĮn Muͧammad al-DawwĂnĮ. TaqdÁm taԉqÁq wa-talÁq-i al-Sayyid Aԉmad TʗyisirknÁ. Tihrn: MÁrth-i Maktʗb, 1381/ 2002, p. 31f.
2. Ibn Turka und al-Daww֡n֬
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übernimmt Ibn al-ArabÁs triadische Konzeption einer „Welt der Intellekte und [abgetrennten] Seelen“ (צĂlam al-צuqŧl wa-l-nufŧs), einer „Welt der Sinnendinge“ (צĂlam al-ajsĂm) oder „der Erfahrung“ (צĂlam al-shahĂda), und eines Zwischenreichs, der sogenannten „Welt des Urbildes“ (צĂlam al-mithĂl) 641 . Die Welt der Intellekte und Seelen, die er auch als „höchste Welt“ (al-צĂlam al-aצlĂ) oder „Welt der separaten/noetischen Dinge“ (צĂlam al-mujarradĂt/al-mawjŧdĂt al-צaqliyya) bezeichnet, umfasst die wirklichen Formen und Dinge (al-Υuwar wa-l-maצĂnĮ lͧaqqa), welchen in dem Sinne Wirklichkeit (ͧaqq) und Wahrheit (Υidq) eignet, als ihnen etwas in der Sinnenwelt entspricht (muίĂbiq lahŧ) 642 , die selbst aber weder individuelle Formen noch Individuationsprinzipien sind 643 . Die gesamte Konzeption dient aber nicht einer rationalistischen Ontologie, sondern ist Teil einer mystischen Hierarchie der göttlichen Epiphanie (tajallin) oder Offenbarung des Seins (ϕuhŧr al-wujŧd). Jeder „Welt“ werden vier hierarchisch geordnete Stufen der Offenbarung zugeordnet, die jeweils von einer fünften Hypostase umfasst werden. In der „Welt der separaten Dinge“ sind dies die vier Stufen der noetischen Universalien (al-kulliyyĂt al-צaqliyya): Gattung, Differenz, Proprium und Allgemeines Akzidenz, welche von der Art (naw )צumfasst werden; in der Sinnenwelt der Particularia sind es die vier Naturen der Elemente, die von der Mischung (mizĂj) als fünfter Hypostase umfasst werden. Art-Formen (Υuwar nawצiyya) werden in diesem göttlichen Offenbarungsprozess nicht mehr mit eigenständigen Platonischen Formen, sondern mit Akzidenzien des absoluten Seins (al-wujŧd al-muίlaq) assoziiert, die sich ausschließlich aufgrund ihrer Substrate (bi-ͧasabi l-maw͏ŧ צwa-l-maͧall) unterscheiden 644 . Da derartige Substrate im kosmos noêtos nicht existieren, können noetische oder intelligible Formen dort nicht individuell, sondern nur als universale Akzidenzien des absoluten Seins existieren: „Die Welt der noetischen Dinge ist das von den formalen Bestimmungen und den konkreten Individuationsprinzipien abgetrennte Sein. Denn die 641
642 643 644
Cf. דΊin al-DÁn AlÁ ibn Muԉammad al-Turka, TamhĮd al-qawĂצid. ɛp-i duwum b muqaddima wa-taהԉÁԉ-i Sayyid Jall al-DÁn ¬shtiynÁ. Tihrn: Anjuman-i islmÁ-yi ԉikmat wa-falsafa, 1360/1982, pp. 143-148. Ibid., p. 30, mit einem Verweis auf Kap. VIII der Theologia Aristotelis. Cf. ibid., p. 162. Cf. ibid., p. 149, 152.
188
IV. Kursorische Beobachtungen zur Philosophie des 15.-17. Jh.s
Realisierung einer Sache im Werden an sich geschieht nur gemäß [ihres] An-sich-Seins, i. e. abgetrennt von ihren konkreten, noetischen und urbildlichen Bestimmungen und was dem sonst an Formen folgt. Was in der Welt der noetischen Dinge existiert, ist frei von diesen Individuationsprinzipien, anders als das, was in der Welt der Erfahrung und [der Welt] des Urbildes existiert.“ 645
„Urbildliche Formen“ (Υuwar mithĂliyya, Υuwar tamthĮliyya) sind das Wesen (dhĂt) der Particularia. Sie existieren „konkret“ (צaynĮ), „noetisch“ (צaqlĮ), und im individuellen Intellekt (dhihnĮ), aber nicht absolut (muίlaq), i. e. in jeder Hinsicht unbedingt (ghayr muqayyid) und ohne jeden Bezug (nisba) zu anderem. Im Prozess der Offenbarung des Seins können sie daher nur zusammen mit den von ihnen umfassten Particularia entstehen. So wie sie als Teil der „Welt des Urbildes“ in einer urbildlichen und umfassenden (shĂmil) Relation zur Welt der Erfahrung stehen, so werden sie in ihrer noetischen und konkreten Existenz von der Welt des absoluten, unbedingten Seins umfasst 646 . Ibn Turka dissoziiert die Konzepte von Vielheit und Partizipation: Eine „wirkliche Vielheit“ (kathra ͧaqĮqiyya) stellen die vielen Dinge nur dann dar, wenn nichts gegeben ist, was als Einheitsprinzip (ittiͧĂdiyya) aufgefasst wird und woran [anderes] irgendwie partizipieren könnte, oder wenn von diesem gänzlich abgesehen wird. Von einer Vielheit im Prozess der göttlichen Epiphanie kann daher nur unter Absehung des einigenden absoluten Seins Gottes (bi-צtibĂri ghaybi huwiyyatihi l-muίlaqa) gesprochen werden. Diese Absehung muss total sein, da andernfalls das Fehlen (צadam) oder die Unkenntnis ( jahl) von einem Begriff der Einheit im Begriff der vielen Dinge in gewisser Weise ein Einheitsprinzip für diese darstellen würde 647 . Ibn Turkas Konzeption der „wirklichen Vielheit“ schließt also ein platonisierendes Konzept des Einen-über-Vielen von vornherein aus. Dieses hat allenfalls dort Gültigkeit, wo eine „relationale Vielheit“ (kathra i͏Ăfiyya wa645
646 647
“Inna lama l-manÁ huwa l-wujʗdu l-mujarradu ani l-taayyunti l-הʗriyyati wal-mushakhkhiהti l-ayniyyati wa-dhlika li-anna ԉuהʗla l-shayΊi fÁ l-kawni l-muՈlaqi innam yakʗnu bi-ԉasabi l-iՈlqi ay mujarradan an taayyuntihi l-ayniyyati wa-laqliyyati wa-l-mithliyyati wa-sΊiri m yatbauh mina l-הuwari fa-m yakʗnu fÁ lami l-manÁ mina l-mawjʗdti yakʗnu muarran an tilka l-mushakhkhiהti dʗna m yakʗnu fÁ lami l-shahdati wa-l-mithli minh”; ibid. p. 162, l. 16-21. Cf. ibid., pp. 110f., 163f. Cf. ibid., pp. 35-37.
2. Ibn Turka und al-Daww֡n֬
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nisbiyya) vorliegt, die durch die Teilbarkeit eines Einen und die Partizipation der vielen Dinge gekennzeichnet ist 648 . Jall al-DÁn al-DawwnÁ hat ein fassettenreiches Œuvre philosophischer Kommentare, Glossen und Episteln hinterlassen. In seinem umfangreichsten eigenständigen Werk, der ethischen Schrift LawĂmi צalishrĂq fĮ makĂrim al-akhlĂq, besser bekannt unter dem Titel AkhlĂq-i JalĂlĮ, ist von Platonischen Ideen keine Rede 649 . In seinem Kommentar zu al-SuhrawardÁs HayĂkil al-nŧr („Tempel des Lichts“) schreibt alDawwnÁ Platon die skurrile Theorie zu, dass die Wirklichkeit (ͧaqĮqa) des Körpers die ausgedehnte Substanz (al-jawhar al-mumtadd), also die korporelle Form (al-Υŧra al-jismiyya) sei. Die ausgedehnte Substanz sei nicht aus Form und Materie zusammengesetzt (murakkab), sondern die Form selbst, welche vom Körper abtrennbar sei (qĂbil al-infiΥĂl). So wie dieser Form vor ihrer Verbindung mit dem Körper die Einheit (waͧda) eigne, so behalte sie nach ihrer Abtrennung die Eigenschaft der Vielfältigkeit (taצaddud) 650 . Die Akzidenzien der Körper, die deren Verschiedenheit begründen, seien Teil der korporellen Arten (dĂkhilatun fĮ anwĂצi l-jism), jedoch nur extramental mit den Körpern verbunden, als Gegenstand des Intellekts aber von diesen abgetrennt. Daher habe Platon, im Unterschied zu den Peripatetikern, nicht die Existenz substantieller Art-Formen (al-Υuwar alnawצiyyat allatĮ hiya jawĂhir) gelehrt 651 . Hier hat also eine gewisse Verwirrung der Positionen stattgefunden. Nun sind es die Aristoteliker, die eine eigenständige oder sub648
649
650
651
Cf. ibid., p. 37. Ibn Turkas Differenzierung der Vielheit geht auf Ibn SÁns Unterscheidung zwischen einer wesenhaften und einer relationalen Vielheit zurück; cf. infra, APPENDIX II, p. 365. Dasselbe gilt für die al-DawwnÁ zugeschriebene, vermutlich authentische theologische Streitschrift Al-ͦujaj al-bĂhira fĮ ifͧĂm al-ίĂץifa al-kĂfira (ed. AlÁ MunÁb, cf. supra, Anm. 640, zur Frage der Authentizität al-ͦujaj al-bĂhira, p. 41f.) sowie für den theologischen Traktat Nŧr al-hidĂya fĮ l-imĂma, Facsimile-Edition, Tihrn: Dr Շibat Asadallh, 1311/1893. Cf. Jall al-DÁn Muԉammad ibn Sad al-DÁn Asad al-דadÁqÁ al-DawwnÁ, ShawĂkil al-ͧŧr fĮ sharͧ HayĂkil al-nŧr. דaԉԉaԉahʗ wa-rattabahʗ maa muqaddima waԉawshÁ [...] Khn Bahdur Muԉammad Abd al-Ԉaqq wa-Muԉammad Yʗsuf Kʗkan. Madras: The Nuri Press, 1373/1954, p. 17f. Dieser Darstellung liegen offensichtlich missverstandene Berichte über Pythagoras und deren Konfusion mit platonischem Gedankengut zugrunde. Cf. ibid., p. 19.
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IV. Kursorische Beobachtungen zur Philosophie des 15.-17. Jh.s
stantielle Existenzweise der Art-Form reklamieren, während Platon diese nur als in den konkreten Individuen realisiert, in ihrer intellektualen Existenz aber in die artspezifischen Akzidenzien und die Wirklichkeit des Körpers qua ausgedehnte Substanz oder korporelle Form auseinander fallend denkt. Nur diese eine Wirklichkeit oder ideale Form ist für al-DawwnÁ ihrem Wesen nach (li-dhĂtihĮ) in eine Vielheit teilbar oder partizipationsfähig. Hingegen lässt die („aristotelische“) Art-Form nicht wesenhaft die Entfaltung in die Vielheit zu, da sie hierzu der Materie, also etwas ihr Extrinsischen bedarf 652 . Da die eine ideale Form wesenhaft durch sich und unabhängig von der Materie in eine Vielheit entfaltet wird, behält sie, obzwar vor dieser Entfaltung eine Einheit (waͧda), nach ihrer Abtrennung von den konkreten Körpern die Eigenschaft der Vielheit 653 . Das, was an der einen idealen Form partizipiert, sind also für al-DawwnÁ nicht die konkreten sinnlichen Individuen, sondern die vielen Formen, in die diese eine Form noch vor jeder Verbindung mit der Materie entfaltet wird. Dass die partizipierte Wesenheit den individuellen Partizipanten zeitlich vorausgehen kann, vermerkt al-DawwnÁ ausdrücklich 654 . Auch der von Plotin in Enn. IV 8, 1 vorgetragene und von al-SuhrawardÁ dem Platon zugeschriebene Bericht der ekstatischen Erfahrung des kosmos noêtos ist al-DawwnÁ bekannt, wird aber lediglich im Sinne der suhrawardischen Lichtspekulation referiert, ohne dass dabei ein Zusammenhang mit den „Platonischen Urbildern“, sei es im Sinne alSuhrawardÁs oder anderer Philosophen, hergestellt würde 655 . AlDawwnÁ akzeptiert die shahrazurische Gleichsetzung der „Welt des Urbildes“ mit dem Gegenstandsbereich der „herabhängenden Urbilder“ und die suhrawardische Konzeption einer luminösen Kontinuität der Welt von Gott bis hin zu den konkreten Sinnendingen, lehnt aber die 652
653 654 655
Und zwar bedarf sie der Materie nicht derart, dass die Materie selbst die Vielheit konstituiert, sondern derart, dass die Materie die Wirkursachen der Vielheit der Individuen aufnehmen kann; cf. ibid., pp. 89-92, wo al-DawwnÁ auch die Positionen Ibn SÁns, Fakhr al-DÁn al-RzÁs und al-ՇʗsÁs diskutiert. “Al-הʗra [...] tabq bada l-infiהli muttaהifan bi-הifati l-taaddudi ka-m kna qablahʗ muttaהifan bi-l-waԉdati“; ibid., p. 18, l. 14f. Cf. ibid., p. 94. Cf. ibid., pp. 138-141.
2. Ibn Turka und al-Daww֡n֬
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These der Mystiker ab, der zufolge den psychischen oder intellektualen Dispositionen in der „Welt des Urbildes“ korporelle Instantiierungen korrespondieren 656 . Was al-DawwnÁ selbst unter „Platonischen Urbildern“ (muthul aflĂίŧniyya) versteht, wird nicht recht klar. Eindeutig ist lediglich, dass er ihnen die Eigenschaft zuschreibt, durch sich selbst zu subsistieren. Aufgrund dieser Eigenschaft ist es nämlich nach al-DawwnÁs Ansicht unmöglich, dass die verursachten Dinge in der Weise „Platonischer Urbilder“ Teil des göttlichen Wissens sind. Dieses diskutiert er in seiner „Neuen Abhandlung zum Nachweis des Notwendig Seienden“ 657 . Dort skizziert al-DawwnÁ die epistemologische Theorie, der zufolge die Gegenstände des Wissens Formen (Υuwar) sind, die in unterschiedlichen Graden der Abstraktion von ihren materiellen Substraten abgetrennt oder auch gänzlich immateriell sein können, und wirft die Frage auf, ob dies auch für das Wissen Gottes (qua Ursache aller Dinge) von den verursachten Dingen gilt 658 . Er folgt der seit Ibn SÁn tradierten Lehre, dass in Gott Subjekt des Wissens, Wissensakt und Objekt des Wissens koinzidieren. Da aber das Sein der verursachten Dinge von dem Sein der Ursache verschieden ist, denkt Gott nicht nur sich selbst als Ursache, sondern zugleich das Verursachte als von der Ursache Verschiedenes. Demnach ist zu fragen, wie diese Verschiedenheit bei gleichzeitiger Koinzidenz von Subjekt und Objekt des Wissens zu denken ist. Zu den Lösungsansätzen, die al-DawwnÁ in Erwägung zieht, gehört die Annahme, dass es sich bei den verursachten Dingen qua Gegenstand des göttlichen Wissens um durch sich selbst subsistierende Intelligibilia handelt, die nach al-DawwnÁs Ansicht mit „Platonischen Urbildern“ zu identifizieren wären659 . Al-DawwnÁ nimmt hier also die sowohl von Ibn SÁn 656 657
658 659
Cf. ibid., pp. 67f., 81, 87f. “Rislat ithbt al-wjib al-jadÁda”, ed. TʗyisirknÁ, Sab צRasĂץil li-l-צAllĂma JalĂl alDĮn Muͧammad al-DawwĂnĮ (cf. Anm. 640), pp. 115-170. Ibid., p. 143f. Ibid., p. 144f. Außerdem diskutiert al-DawwnÁ zwei andere Lösungsansätze: (i) Die verursachten Dinge qua Gegenstand des göttlichen Wissens sind dem Wesen der Ursache inhärent oder „eingeprägt“ (bi-ίarĮq al-irtisĂm fĮ dhĂti l-צilla); (ii) Sie sind von diesem nicht derart verschieden, dass sie durch sich selbst sub-
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als auch von al-SuhrawardÁ verworfene, aber seit Abʗ l-Barakt alBaghddÁ und al-ShahrastnÁ (cf. supra, pp. 110-118) populäre Vorstellung auf, „Platonischen Urbilder“ seien durch sich subsistierende intelligible Entitäten, die ausschließlich dem göttlichen Wissen zugänglich sind. Als Lösung des genannten Problems dienen sie freilich nicht, da eine wesenhafte Erkenntnis der verursachten Dinge nur möglich ist, wenn diese nicht nur qua verursachtes Seiendes, sondern auch qua intelligible Gegenstände des göttlichen Denkens durch und in Gott subsistieren 660 .
3. Muԉammad Bqir al-Dmd Etwa ein Jahrhundert später stellt Muԉammad Bqir al-Dmd (genannt MÁr Dmd, gest. 1041/1631) fest, dass die allgemein verbreitete und akzeptierte Bedeutung „Platonischer Urbilder“ auf der Annahme basiere, dass jeder Natur an sich (al-ίabĮצa al-mursala) eine zweifache individuelle Existenz eigne ([lahĂ] naͧwĂni mina l-wujŧdi fĮ laצyĂn), eine natürliche, vielfältige, mit den Akzidenzien verbundene Existenz im Sein der Individuen, und eine göttliche, der Vielfalt vorangehende (qabla l-kathrati), von der Existenz der Individuen und deren Akzidenzien gänzlich abgetrennte Existenz. Letztere werde gemeinhin als „Platonisches Urbild“ bezeichnet 661 . Diese Feststellung deutet darauf hin, dass der philosophische Diskurs, in dem sich MÁr
660
661
sistieren, sondern derart, dass sie durch etwas anderes, Drittes, subsistieren, das wesenhaft von der Ursache verschieden ist. (i) wird mit dem Argument verworfen, dass sich die absurde Konsequenz ergebe, dass das göttliche Wissen zugleich produktiv (fĂצil) und rezeptiv (qĂbil) sei. (ii) wird verworfen, weil eine wesenhafte Verschiedenheit von Ursache und Verursachtem qua Gegenstand des Wissens unvereinbar ist mit der Annahme, dass Gott wesenhaft die verursachten Dinge denkt, indem er sich selbst als Ursache denkt. Cf. ibid., pp. 145-149. Dieselbe Argumentation finden wir, ebenfalls im Kontext des Beweises der Existenz des Notwendig Seienden (IthbĂt wĂjib al-wujŧd), eine Generation später bei Shams al-DÁn Muԉammad ibn Aԉmad al-KhafrÁ (gest. vermutlich 942/1535), einem Schüler דadr-al-DÁn DashtakÁs; vgl. die demnächst in Teheran (MÁrth-i Maktʗb) erscheinende Edition von zwei Schriften al-KhafrÁs zu diesem Thema, herausgegeben von FÁrʗzeh Satɜiyn. Muԉammad ibn Muԉammad Bqir al-Dmd, KitĂb al-QabasĂt. Bi-htimm MahdÁ Muԉaqqiq. (Silsila-i Dnish-i Àrn; 7.) Tehrn: Institute of Islamic Studies, McGill University Tehran Branch, 1356/1977, p. 150.
3. MÁr Dmd
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Dmd bewegte, stärker dem rationalistischen Zugang des unbekannten Verfassers der oben besprochenen Abhandlung über die „Platonischen Urbilder“ als dem mystisch-theologischen Ansatz QuՈb al-DÁn alShÁrzÁs verhaftet war. Sofern MÁr Dmd al-SuhrawardÁ berücksichtigt, liest er diesen in der Tat dezidiert rationalistisch und vor dem Hintergrund seiner Kenntnisse der aristotelischen und avicennischen Philosophie. Ibn al-ArabÁ und QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ scheint er hingegen (zumindest im Kontext Platonischer Formen) völlig zu ignorieren. Argumente für und wider die Existenz Platonischer Formen und Urbilder gehören für MÁr Dmd in die Disziplin der Ersten Philosophie (fĮ ΥinĂצat al-falsafa al-ŧlĂ), weder in die Logik noch in irgendeine andere Wissenschaft662 . MÁr Dmd ist jedoch mit der beschriebenen Konzeption Platonischer Urbilder nicht einverstanden. Zunächst kritisiert er, dass die gängige Begründung für die Priorität der göttlichen Existenz der Natur vor aller Vielfalt auf die göttliche Vorsehung (צinĂya) rekurriere, was zur Konsequenz habe, dass die Natur an sich einerseits eine von allen konkret existierenden Individuen partizipierte göttliche Präscienz oder Prädetermination (qadar) sei, die in jeglicher Hinsicht „unbedingt“ (lĂ bi-sharί shay )ץist, andererseits eine von den Individuen und ihren Akzidenzien und Konkomitanten abgetrennte Existenz habe. Dies ist unsinnig, da folglich die Verbindung der Natur mit den Individuationsprinzipien (mushakhkhiΥĂt) und Akzidenzien zufällig von Seiten der Individuen (צalĂ sabĮli l-ittifĂqi min tilqĂץi l-afrĂd) erfolgen müsste, weil es dieser Konzeption zufolge nichts anderes gibt, was die Natur aus der unbedingten Existenz (der göttlichen Präscienz) in eine bedingte Existenz überführt. Dann rechtfertigt aber nichts, den Nachweis der abgetrennten Existenz der Natur an sich auf die göttliche Vorsehung zu gründen, denn selbst wenn die Natur an sich in den Akzidenzien der Individuen existiert, kommt sie dort —der Hypothese zufolge— auf völlig arbiträre Weise zur Existenz, nicht weil die göttliche Vorsehung dies so will, sondern weil die absolute Unbedingtheit ihrer Existenz einen solchen Zufall von Seiten der Individuen zulässt 663 . Des Weiteren ist die Argumentation mittels der göttlichen Vorsehung aus folgenden Gründen logisch problematisch. Zu sagen, „X ist ein Individuum“, kann bedeuten, (i) dass die Prädikation des Seins nur 662 663
Cf. ibid., p. 158, l. 19f. Ibid.
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von einer einzelnen Entität X möglich ist, es kann sich (ii) aber auch auf das beziehen, was mit der Individuation verbunden ist. Wenn man sagt „Das, was kein Individuum ist, existiert nicht“, bezieht man sich auf (ii), also auf „das, was hinsichtlich seiner Existenz nicht mit der Individuation verbunden ist“. Von der Natur an sich, die hinsichtlich der Realisation (taͧaΥΥul) indifferent ist, gilt nicht die in dem obigen Beweis behauptete Existenzweise, solange sie an sich und hinsichtlich der Realisation indifferent ist. Ist sie aber durch die Individuation realisiert (taͧaΥΥalat), koinzidiert ihre Existenz mit der Existenz des realisierten Individuums, die ([i]) nur von der einzelnen Entität prädiziert werden kann. Dann ist sie aber nicht von den einzelnen Individuen abgetrennt, oder dies nur insofern, als sie als Natur an sich und als individuelle Entität im Intellekt als existenzielles Substrat ist 664 . Die extramentale konkrete Entität ist für MÁr Dmd weder auf ihre Individualität noch auf eine Natur an sich reduzierbar, sondern bildet ontologisch eine Einheit aus diesen, die freilich epistemologisch (bi-l-liͧĂϕ al-taͧlĮlĮ, „mit analytischem Blick“) auflösbar ist. Das Sinnesvermögen nimmt nur die sinnlichen Aspekte der individuellen Existenz, nicht aber die Natur an sich wahr. Der Intellekt erkennt und unterscheidet beides, weiß aber zugleich um die extramentale Einheit665 . Ontologisch sind Individuation und Sein untrennbar miteinander verknüpft. Es gibt keine Stufe (daraja) der Individuation vor dem Sein (qabla darajat al-wujŧd). Nichts außer Gott hat ein Individuationsprinzip in sich selbst, auch nicht abgetrennte Substanzen oder Universalien. Vielmehr kommt die Individuation der Wesenheit (mĂhiyya) erst dadurch zu, dass sie die Universalien der Akzidenzien und propria in sich vereinigt, indem sie von den real existierenden Partizipanten unterschieden wird. Alles Kontingente ist zusammengesetzt (zawjun tarkĮbiyyun) aus Sein und Quiddität, aus Wirklichkeit (ͧaqĮqa) und Individuation, und aus einer Natur an sich und der individuellen Entität. Im Bereich der Kontingenz sind also weder Einheit noch Singularität, sondern nur das, was Eines und Singuläres sein kann. Die Individuation tritt ebenso zu der kontingenten Wesenheit hinzu wie das Sein. Ohne das Wirken des wahren Individuationsprinzips, Gottes, kann die Natur an sich weder etwas von ihren Partizipanten Verschiedenes noch etwas mit diesen und deren Akzidenzien 664 665
Cf. ibid., p. 150, l. 22 – p. 151, l. 9 Cf. ibid., p. 151.10ff.
3. MÁr Dmd
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und Propria Verbundenes sein. Nur durch das göttliche Individuationsprinzip ist es möglich, sie wesenhaft von den Partizipanten zu prädizieren. Die individuellen Akzidenzien sind bloß Zeichen und Erkennungsmerkmale (amĂrĂt, צallĂmĂt), nicht hinreichende Ursache der Individuation 666 . Zwar wird üblicherweise behauptet, dass das „natürliche Universale“ hinsichtlich der Existenz mit den Individuen koinzidiert und durch deren Vielfalt in die Vielfalt der konkreten Dinge entfaltet ist. Wenn dem aber so wäre, müsste das „natürliche Universale“ in den konkreten Dingen eine vielfältige Existenz haben. So wie die Individuen qua Vielheit konkreter Dinge nicht durch die Einheit (waͧda) qualifiziert sind, so müsste dies auch auf die Natur zutreffen. Daraus ergibt sich aber, dass so, wie eine positive Aussage über die Natur, z. B. „Das Lebewesen ist ein Mensch“, dann verifiziert ist, wenn sie in einem partikularen Fall richtig ist, analog auch eine negative Aussage, wie „Das Lebewesen ist kein Mensch“, dann wahr sein müsste, wenn sie in einem partikularen Fall wahr ist. Dem ist aber nicht so, denn die Natur ist wahr, wenn sie von irgendeinem ihrer Individuen wahrheitsgemäß prädizierbar ist, aber sie ist nicht unwahr, wenn sie in Bezug auf ein Individuum unwahr ist, sondern nur, wenn sie von allen unwahr ist. Also ist die numerische Vielheit der konkreten Dinge auf das Sein der konkreten Dinge qua konkrete Dinge beschränkt. Anders die Natur an sich: diese hat (wie die numerische Vielheit) Sein in den konkreten Dingen, ist aber nicht auf die Individuen beschränkt. Individuum und Natur an sich sind zwar qua konkretes Ding miteinander vermischt, aber im Intellekt voneinander getrennt. Wenn sie dort voneinander getrennt sind, resultiert die Vielheit des Seins der konkreten Dinge nur aus dem Individuum als etwas von der Natur an sich Unterschiedenes, nicht aus der Natur an sich als etwas von den Individuen Unterschiedenes. Die numerische Vielheit der Natur an sich ist also der Natur an sich nur akzidentell 667 . MÁr Dmd glaubt, Platon und Sokrates seien der Meinung gewesen, dass sich die Naturen an sich zu den materiellen Arten (al-anwĂצ al-mĂddiyya) so verhalten wie sich die unbedingte Substanz an sich (aljawhar al-mursal lĂ-bi-sharί shay’) zu der Materie und den Akzidenzien verhält, mit denen sie im Sein verbunden ist, welches sie mit diesen 666 667
Cf. ibid., pp. 152-154. Cf. ibid., p. 154f.
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qua materielles Individuum teilt. Wie die Natur an sich habe die Substanz an sich, sofern sie keiner weiteren Bedingung unterliegt, ein anderes, ewiges, von der Materie und der Existenz der Individuen abgetrenntes Sein jenseits von Zeit, Raum und Position. Platon habe für alle Intelligibilia einschließlich der natürlichen Dinge abgetrennte intelligible Formen angenommen. Diese nannte er, insofern sie abgetrennt sind, „Urbilder“ (muthul), und insofern sie mit der Materie verbunden sind natürliche Formen (Υuwar ίabĮצiyya) 668 . Diese vermeintlich platonische Position verwirft MÁr Dmd mit dem Argument, dass natürliche Formen nicht mehr wesenhaft natürliche Formen sind, wenn sie von der Materie abgetrennt sind. Dabei beruft er sich auf Ibn SÁn und zitiert aus Buch VII.2 der Metaphysik des ShifĂ ץden einschlägigen Abschnitt über Platons Form-Konzept 669 . Neben diesem avicennischen Verständnis Platonischer Formen kennt MÁr Dmd drei weitere Konzeptionen Platonischer Formen, die er offenbar als extensional identisch und intensional je nach Kontext variierend auffasst: (i) Im Rahmen von Beweisen für Gottes Wissen von den Particularia werden Platonische Urbilder (muthul aflĂίŧniyya) als „herabhängende Formen“ (Υuwar muצallaqa) bestimmt, die weder in einem Substrat (maw͏ŧצ, maͧall) noch in Raum und Zeit existieren. (ii) Im kosmologischen Zusammenhang werden sie mit der „Welt des Urbildes“ (צĂlam al-mithĂl) identifiziert, welche als Barzakh bezeichnet wird und eine mittlere Position zwischen der abgetrennten und der materiellen Welt einnimmt. (iii) In Bezug auf die Art-Form werden sie als intellektuale Substanzen ( jawĂhir צaqliyya) bestimmt, die als „Herren der Arten“ die Individuen der Arten lenken und verwalten, darin der abtrennbaren Seele vergleichbar, die den Körper lenkt. So verstanden sind sie zu unterschieden von der partikularen korporellen Natur und der eingeprägten substantiellen Form (al-ίabĮצa al-juzץiyya al-jusmĂniyya wa-l-Υŧra al-jawhariyya al-munίabiצa), welche dem abgetrennten „Herrn der Art“ nachfolgen, der sich zu ihnen gewissermaßen wie ein abgetrennter Engel (͏arb min al-malĂץika al-mujarrada) zu korporellen Engeln (al-malĂץika al-jusmĂniyya) verhält 670 . Alle drei Konzeptionen sind durch die suhrawardische Terminologie geprägt, entpuppen sich 668 669
670
Cf. ibid., p. 157, l. 23 – p. 158, l. 17. Cf. ibid., p. 158, l. 21 – p. 159, l. 20, cit. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt, pp. 310-312. Cf. MÁr Dmd, KitĂb al-QabasĂt, p. 159, l. 21 – p. 160, l. 8.
3. MÁr Dmd
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jedoch bei näherem Hinsehen eindeutig als nicht-suhrawardisch. Die Assoziation von Platonischen Formen und „herabhängenden Urbildern“ (i), welche bei al-SuhrawardÁ klar unterschieden sind, geht vermutlich auf Ibn Kammʗna und die Rezeption seiner Werke zurück (cf. supra, Kap. III.2). Auch instrumentalisiert al-SuhrawardÁ seine Theorie „herabhängender Urbilder“ nirgends zum Nachweis des göttlichen Wissens von den Particularia. Die Konzeptionen (ii) und (iii) entstammen zweifellos der durch Ibn al-ArabÁs Schriften geprägten Rezeption al-SuhrawardÁs. Die beschriebenen Konzeptionen setzen für MÁr Dmd die irrige Annahme einer ewigen, abgetrennt durch sich selbst subsistierenden Natur an sich voraus. Wäre die Natur an sich das, was die Individuation regelt und ordnet (istatabba), ohne dabei die korporellen Akzidenzien und Konkomitanten zu umfassen, könnte sie im Prozess der Individuation keine Verbindung mit der Materie eingehen. Aber so, wie die eine absolute Natur nicht in sich hinsichtlich Substantialität und Akzidentalität differenziert sein kann, so kann auch die realisierte Natur der Art nicht in sich hinsichtlich Abgetrenntheit oder Materialität differenziert sein. Daraus folgt: Die eine ewige Quiddität müsste auf zwei verschiedene Weisen ewig existieren, einmal in einer Ewigkeit, die Raum und Zeit extrinsisch ist, und einmal in einer Ewigkeit, die dem Sein nach in Raum und Zeit ist, denn die Ewigkeit umfasst Raum und Zeit und alles was in und mit diesen ist. Wie oben gezeigt (cf. supra, p. 193), geschieht es nicht durch einen Zufall von Seiten der Individuen, dass die Verbindung der Natur an sich mit den Individuationsprinzipien und Akzidenzien zustande kommt und die Natur an sich auf diese Weise aus der unbedingten Existenz (in der göttlichen Präscienz) in eine bedingte Existenz überführt wird. Ebenso wenig kann die Abgetrenntheit der Natur an sich von allen Individuen durch einen Zufall von Seiten der göttlichen Vorsehung aus ihrer absoluten Unbedingtheit in die Bedingung der Universalität überführt werden. Vielmehr ist es prinzipiell unmöglich, dass die Eigenschaft der Verbundenheit oder Unverbundenheit mit den Individuen der Quiddität qua Quiddität extrinsisch ist und An-sich-sein und Unbedingtheit auf zufällige Weise von außen zu ihr hinzutritt, was Ibn SÁn MÁr Dmd zufolge übersehen hat 671 . 671
Cf. ibid., p. 160, l. 9 – p. 161, l. 19.
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MÁr Dmd kommt zu dem Schluss, dass Platonische Urbilder in keiner der beschriebenen Weisen existieren, mithin auch die Theorien „herabhängender Urbilder“ obsolet seien. Unter Berufung auf (Ps.?-) alFrbÁs al-Jam צbayna raץyay al-ͧakĮmayn erklärt er, dass all dies irrtümlich auf Platon zurückgeführt werde, und zitiert ausführlich aus dem oben (pp. 67-70) besprochenen Abschnitt dieser Schrift 672 . Die Ursache für diese Holzwege sieht er weniger in systematischen Elementen der Philosophie al-SuhrawardÁs oder anderer als vielmehr in einer historischen Misskonzeption. Al-SuhrawardÁ und seine Anhänger, allen voran al-ShahrazʗrÁ, haben nämlich seines Erachtens die unzutreffende Ansicht vertreten, „dass [die Theorie] der Urbilder in dem Sinne, dass die natürlichen Universalien qua Naturen an sich in den konkreten Dingen nicht nach Art der Vermischung, sondern als etwas von den Individuen Verschiedenes und Separates, existieren, fälschlich dem Platon zugeschrieben werde und [diese Zuschreibung] abzulehnen sei (nisbat al-muthul ... ilĂ AflĂίun muftarĂtun mustankara). Was hingegen die „herabhängenden Urbilder“ der natürlichen und der mathematischen Dinge und überhaupt die Urbilder abgesehen von dieser ersten Bedeutung angeht, so sei dies die Lehre Platons, Sokrates und anderer der Alten und antiken [Philosophen].“ 673
Wie wir in Kap. II gesehen haben, trifft dieser Vorwurf auf alSuhrawardÁ nicht zu. Er wird jedoch weitgehend der SuhrawardÁRezeption bei al-ShahrazʗrÁ und QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ gerecht und dient MÁr Dmd als Hauptargument für eine Rückbesinnung auf die Konzeption Platonischer Formen in (Ps.?-) al-FrbÁs al-Jam צbayna raץyay al-ͧakĮmayn: „Wir aber sagen: Das, was der Lehrer, [unser geistiger] Gefährte [alFrbÁ], gesagt hat, ist richtig. Zurückzuweisen und abzulehnen sind vielmehr die, die meinen, dass die Autorität der Weisheit, der göttliche Platon, und die hervorragendsten der gottsuchenden Intellekte von seinem Rang für das eine individuelle Seiende oder für die eine realisierte Art-Natur zwei wesenhaft distinkte, hinsichtlich der Wirklichkeit unterschiedene Weisen des Seins in den konkreten Dingen angenommen hätten, eine separate und eine materielle, eine ewige und eine temporale. 672
673
Cf. ibid., p. 162f. Noch ausführlicher zitiert MÁr Dmd diese Textpartie in alUfuq al-mubĮn. Muהannaft-i MÁr Dmd. Jild 2. Ed. Abdallh NʗrnÁ. Tihrn: Intishrt-i Dnishgh-i Tehrn, 1385/2006, pp. 446-449. MÁr Dmd, KitĂb al-QabasĂt, p. 163, l. 14-17.
3. MÁr Dmd
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Wie bereits deutlich geworden ist, steht das Sein für etwas fest Umrissenes (al-wujŧd ͧikĂyatu l-dhĂti l-mutaqarrara), das einzig und allein durch die Relation zum Substrat in Teile zerfällt, die sich einzig und allein durch den Unterschied der Substrate voneinander unterscheiden. Diese [Theorie] wurde ihnen also nur angedichtet im [Rahmen] einer konfusen Überlieferung der Philosophie von Seiten der Übersetzer, die als erste die [philosophischen Werke] aus dem Griechischen in das Arabische übersetzt und übertragen haben, oder danach durch Leute, die es in der Wissenschaft [nur] so weit gebracht haben, dass sie derartige Vorstellungen pflegten, für die sie sich dann auf die größten der Weisen als Gewährsmänner beriefen, um ihre unattraktive [und] falsche Vorstellung in Umlauf zu bringen.“ 674
(Pseudo?)al-FrbÁ ist MÁr Dmd zufolge so zu verstehen, dass Aristoteles und Platon von Formen vergänglicher materieller und natürlicher Dinge sprechen, von welchen ewige Urbilder (muthul) Teil des Wissens, der Macht und des Willens Gottes sind, durch die diese Dinge in der Wirklichkeit realisiert werden und zugleich in einem ewigen und unveränderlichen Zustand als „göttliche Urbilder“ in der göttlichen Welt bewahrt werden. Anders als bei al-SuhrawardÁ sind auch die „herabhängenden spirituellen Formen“ (al-Υuwar al-rŧͧĂniyya al-muצallaqa) in der Ewigkeit aufgehoben, nicht in Raum und Zeit, da die materiellen Individuen gemäß ihrer Naturen an sich als etwas von der Materie und ihren Akzidenzien Abgetrenntes intelligibel sind und nur gemäß ihren partikularen Instantiierungen sinnlich, i.e. durch eine temporale Affektion, erkennbar sind. Der allwissende Gott weiß das, was für uns intelligibel ist, in einem „aktiven Wissensakt“ (צilman fiצliyyan), der atemporal ist und die Ursachen einschließt, durch welche diese Art-Formen ihrer partikularen Individuation zugeführt werden, und Er weiß auch das, was für uns aufgrund der Individuation temporal sinnlich erkennbar ist, in einem aktiven atemporalen Wissensakt, da er seine Ursachen und die Zeiten und Orte seiner Instantiierung allesamt zugleich und in einem ewigen, raum- und zeitlosen Wissen besitzt. Nur in diesem Sinne, nicht gemäß der äußeren Bedeutung, sind die „göttlichen Urbilder“ und die „herabhängenden spirituellen Formen“ zu begreifen, denn die Alten lehrten in einer verschlüsselten Sprache (kalimĂt al-awĂץil marmŧza) 675 . In al-Ufuq al-mubĮn dehnt MÁr Dmd 674 675
Ibid., p. 163, l. 18 – p. 164, l. 3. Cf. ibid, p. 164f.
200
IV. Kursorische Beobachtungen zur Philosophie des 15.-17. Jh.s
den Begriff der Urbildlichkeit explizit auf Gottes Wissen von den Particularia aus und spricht von konkreten oder individuellen Urbildern (muthul צayniyya) im Wissen Gottes 676 . Freilich stehen diese Urbilder nicht in einer Relation der Ähnlichkeit oder Nachahmung (tamaththul) zu den konkreten Seienden. Eine solche Relation, über die Gott erhaben ist, ist erst auf der Ebene der abgetrennten noetischen Substanzen oder Intellekte (al-jawĂhir al-צaqliyya min al-mufĂraqĂt almaͧ͏a) zu finden 677 . Demnach ist es nicht möglich, das göttliche Wissen von den Dingen mit Hilfe Platonischer Formen (Υuwar aflĂίŧniyya) zu beschreiben, sofern man diesen eine von Gott verschiedene Existenz (wujŧd mufĂriq li-dhĂtihĮ) nach Art der abgetrennten Urbilder oder „herabhängenden Formen“ (ka-Υuwar muצallaqa wamuthul mufĂraqa) zuschreibt 678 . Zum Beweis, dass auch Aristoteles göttliche Urbilder und spirituelle Formen postuliert hat, zitiert MÁr Dmd aus der sogenannten Theologia Aristotelis 679 . Aristoteles lehre dort folgendes: Der sinnliche Mensch ist dieser konkrete materielle Mensch sowohl in Bezug auf uns und unsere Erkenntnis als auch in Bezug auf seine Existenz in Raum und Zeit. In beiden Hinsichten ist er ein Abbild (Υanam) des intellektualen Menschen (al-insĂn al-צaqlĮ). Letzterer ist „identisch mit diesem konkreten sinnlichen, materiellen Menschen in Bezug auf seinen Schöpfer und Herrn und in seinem Verhältnis zu dessen Wissen“ (huwa hĂdhĂ l-insĂnu l-hayŧlĂniyyu l-maͧsŧsu bi-צaynihĮ bi-ͧasabi nisbatihĮ ilĂ bĂriץihĮ wa-sulίĂnihĮ ... wa-qiyĂsihĮ ilĂ צilmihĮ), insofern Gottes Wissen seine Ursachen und die Welt seiner konkreten Existenz umfasst und ihn zu etwas Wirklichem werden lässt. Dieser individuelle Mensch ist qua sinnliche Entität veränderlich in Raum und Zeit. Er hat in verschiedenen Lebenszeiten unterschiedliche räumliche Ausdehnungen 676
Cf. MÁr Dmd, al-Ufuq al-mubĮn, p. 449, l. 19, p. 450, l. 10, vermutlich ist auch p. 444, l. 19 al-muthul al-צayniyya anstelle von al-muthul al-ghaybiyya zu lesen.
677
Cf. ibid., p. 449, l. 10-23, und MÁr Dmd, TaqwĮm al-ĮmĂn al-muצallim al-thĂlith al-MĮr Muͧammad BĂqir al-DĂmĂd wa-Sharͧuhŧ „Kashf al-ͧaqĂץiq“ al-ͦakĮm [...] al-Sayyid Aͧmad al-צAlawĮ al-צāmilĮ. Ԉaqqaqahʗ wa-qaddama lahʗ AlÁ AwjabÁ. Tihrn: MÁrth-i Maktʗb, 1382/2003, pp. 316-321.
678
Cf. MÁr Dmd, TaqwĮm al-ĮmĂn, p. 369.
679
Cf. MÁr Dmd, KitĂb al-QabasĂt, p. 165f. mit Zitaten von p. 62, l. 21 – p. 64, l. 5 und p. 69, l. 4-16 (UthŧlŧjiyĂ ArisίĂίĂlĮs, ed. BadawÁ).
3. MÁr Dmd
201
und jeder seiner Körperteile befindet sich an einem anderen Ort als die anderen. Aber qua intellektuale Entität koinzidieren alle Körperteile räumlich und alle Dispositionen zeitlich in einem Punkt ohne räumliche Ausdehnung und in einem Jetzt ohne zeitliche Ausdehnung 680 . Diejenigen, die eine „Welt des Urbildes“ (צĂlam al-mithĂl) ansetzen, schreiben dieser Welt Eigenschaften wie Raum, Zeit, Ausdehnung etc. zu. Der „intellektuale Mensch“ als solcher ist davon aber abgetrennt und kann dort nicht existieren. Etwas Mittleres zwischen dem Abgetrennten und dem Materiellen hat durchaus keinen Zugang zu einer realisierten Existenzweise (al-tawassuίu bayna l-mujarradi wa-l-mĂddiyyi lĂ yarjiצu ilĂ sabĮli muͧaΥΥalin aΥlan) 681 . Die Lokalisierung Platonischer Urbilder im göttlichen Wissen wirft für MÁr Dmd die Frage auf, ob die absoluten Naturen der Dinge erschaffen sind oder nicht. Diese beantwortet er wie folgt: Naturen an sich sind zeitlos (dahrĮ), aber entstanden. Ihnen ging ein zeitloses Nichtsein (צadam dahrĮ) voraus. Wäre dem nicht so, müssten sie früher als ihre Individuen als Einzeldinge (aצyĂn), ohne Verbindung mit Materie und Individuen, an sich und absolut unbedingt (צalĂ iίlĂq al-lĂ-sharίiyya), also auch unabhängig vom göttlichen Wissen, existiert haben. Letzteres ist, was die Vertreter der Platonischen Urbilder lehren, trifft aber aus den oben genannten Gründen nicht zu. Vielmehr sind die Naturen an sich, wie alle Prinzipien (mabĂdi)ץ, atemporal und von Gott außer der Zeit erschaffen (ͧudŧthan ibdĂצiyyan ghayra zamĂnĮ). Sie lassen sich einer der Klassen des Seienden zuordnen, nach welchen Platon in Timaios 27d6 – 28 a1 fragt: ɐŭ ɐȟ ſɉ ەǸŭ, мūɉǸɏůɉ Ƿș ɋȉо ǿɓɋɉ, олȝ ɐŭ ɐȟ мůмɉŲɈǸɉɋɉ Ɉșɉ ەǸŭ, ſɉ Ƿș ɋȉǷūɌɋɐǸņ („Was ist das stets Seiende, das Entstehen nicht an sich hat; und was das stets Werdende, aber niemals Seiende?“682 ). Diese Fragen werden von alShahrastnÁ im KitĂb al-Milal wa-l-niͧal (cf. Kap. I.12) in zwei unterschiedlichen arabischen Versionen referiert. Keine der beiden Versionen entspricht exakt den platonischen Fragen, und aus al-ShahrastnÁs Referat geht nicht hervor, dass es sich um verschiedene Versionen 680
Dies wird durch ein Zitat aus der Theologia Aristotelis, p. 110, l. 5-10 (ed. BadawÁ), gestützt, welches den Beginn von Plotin, Enn. V.1, 4 paraphrasiert; cf. MÁr Dmd, KitĂb al-QabasĂt, p. 166, l. 21 – p. 167, l. 1.
681
Cf. ibid., p. 167.
682
Übers. F. Schleiermacher.
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desselben autoritativen Texts handelt. MÁr Dmd zitiert den relevanten Abschnitt nahezu wörtlich nach al-ShahrastnÁ 683 : „Von [Platon] wird berichtet, dass er im Timaios [folgendermaßen] fragt: ,Was ist das, was kein Entstehen hat; und was ist das, was entsteht und nicht [ewig] bleibt; und was ist das, was in Verwirklichung existiert und stets in demselben Zustand [bleibt]?‘ Mit dem ersten bezieht er sich auf das Sein des erhabenen Schöpfers; mit dem zweiten [bezieht er sich] auf das Sein der werdenden und vergehenden [Dinge], die nicht stets in demselben Zustand verharren, und mit dem dritten [bezieht er sich] auf das Sein der unveränderlichen einfachen [Dinge] und Prinzipien. Des Weiteren fragt er: ,Was ist das Werdende, das kein Sein hat; und was ist das Seiende, welches kein Werden hat?‘ Mit dem ersten bezieht er sich auf die Ortsbewegung und die Zeit, denn diese verdienen nicht den Namen ,Sein‘. Mit dem zweiten bezieht er sich auf den erhabenen Schöpfer und die noetischen Substanzen, die jenseits von Zeit, Ortsbewegung und Natur sind; und diese verdienen den Namen ,Sein‘, da sie ewig a parte ante und a parte post und zeitlos sind.“
Im letzten Satz des Zitats fügt MÁr Dmd dem Wortlaut al-ShahrastnÁs „den erhabenen Schöpfer“ hinzu 684 . Dies erlaubt ihm, die absoluten Naturen der Dinge einerseits zusammen mit Gott dem Bereich des Seienden, welches kein Werden hat, zuzuordnen, andererseits Gott und die absoluten Naturen mit Hilfe der ersten, dreigliedrigen Version von Timaios’ Ausgangsfrage zu differenzieren 685 . Bestätigung für sein Konzept der ungewordenen, atemporalen Erschaffenheit der Naturen an sich findet er in dem oben (p. 87f.) besprochenen Abschnitt der Physik von Ibn SÁns KitĂb al-ShifĂץ, den er gleichfalls an dieser Stelle zitiert 686 . 683
684
685 686
Cf. Abʗ l-Fatԉ Muԉammad al-ShahrastnÁ, Mawsŧצat al-Milal wa-l-niͧal. Bayrʗt: MuΊassasat Nהir li-l-Thaqfa, 1981, p. 166b19-30. Die folgende Übersetzung basiert auf dem Wortlaut in MÁr Dmd, KitĂb al-QabasĂt, p. 169, l. 12-18. (N.B.: Eine dritte, genauere Version des platonischen Wortlauts ist durch das TimaiosZitat bei Nicomachus von Gerasa in der arab. Übertragung der Introductio arithmetica durch Th֡bit ibn Qurra erhalten; cf. TĂbit b. Qurra’s arabische Übersetzung der ѴɍůǺɈнɐůоț ŕŵɏлмɕмȜ des Nikomachos von Gerasa. Ed. W. Kutsch. Beyrouth: Imprimerie Catholique, 1959, p. 12, l. 19-23.) Jedenfalls fehlt al-bĂriץa taצĂlĂ wa- nach wa-yaצnĮ bi-l-thĂnĮ in der Beiruter Edition von al-ShahrastnÁs Werk. Ich hatte keine Gelegenheit, Handschriften des Texts einzusehen. Vgl. auch MÁr Dmd, al-Ufuq al-mubĮn, p. 444f., und Mull דadrs Zitat und Besprechung von MÁr Dmds Ausführungen unter, APPENDIX III, pp. 377-379. MÁr Dmd, KitĂb al-QabasĂt, p. 169, l. 19 – p. 170, l. 1.
4. Mull דadr
203
4. דadr al-DÁn Muԉammad al-ShÁrzÁ Das Werk דadr al-DÁn Muԉammad al-ShÁrzÁs (genannt Mull דadr, gest. 1050/1640) hat keine geringere Ambition als die integrale Systematisierung der gesamten Philosophie und (schiitischen) Theologie seit Avicenna. Mull דadr schenkt Platonischen Formen und Urbildern ungleich größere Beachtung als sein Lehrer MÁr Dmd. Er folgt dessen Rekurs auf die arabischen Neoplatonica, ersetzt aber MÁr Dmds intensive FrbÁ-Lektüre durch die allgegenwärtige, gleichwohl kritisch-distanzierte Präsenz Ibn SÁns. Für seine Konzeption der Platonischen Formen ist von entscheidender Bedeutung, dass er sich anders als sein Lehrer im Wesentlichen eng an al-SuhrawardÁ anschließt 687 . Während aber al-SuhrawardÁ seine Konzeption der „Platonischen Urbilder“ in einer allesumfassenden kosmologischen Lichtspekulation begründet hatte, vollzieht Mull דadr den seit Jahrhunderten angedachten und vorbereiteten Schritt einer systematischen „Theologisierung“ dieser Konzeption. Dies betrifft sowohl die Unterscheidung zwischen immanenten Universalbegriffen und Platonischen Formen als Gegenständen des göttlichen Wissens als auch die platonische Zwei-Welten-Theorie, die mit den im Koran genannten „zwei Gärten“ oder „Paradiesen“ ( jannatĂn) assoziiert wird: „Die Welt besteht aus zwei Welten, der Welt der abgetrennten noetischen und psychischen [Dinge] und der Welt der licht- und schattenhaften Körper. Da die Welt der abgetrennten [Dinge] die Welt des Wissens und des Lebens (צĂlam al-צilm wa-l-ͧayĂt) ist, hat Gott, der Erhabene, in ihr für alles, was in der Welt der Körper ist, eine korrespondierende, für den Intellekt oder das Vorstellungsvermögen erkennbare Form (Υŧra idrĂkiyya צaqliyya aw khayĂliyya) erschaffen. Diese ist das Leben dessen [was in der körperlichen Welt ist] und der Spiegel seiner unmittelbaren Erfahrung (ͧayĂtuhŧ wa-mirץĂtu mushĂhadatihĮ). Auf diese beiden [Welten] wird in der göttlichen Schrift [mit folgenden Worten] hingewiesen: ,Für denjenigen, der fürchtet, vor seinem Herrn zu stehen, gibt es zwei Gärten‘ 688 ; und deswegen sagt der ehrwürdige Platon: ,Die Welt besteht aus zwei Welten, der Welt des Intellekts, in der die noetischen Urbilder sind, und 687
688
Zu al-SuhrawardÁs Einfluss auf Mull דadrs Konzeption Platonischer Formen siehe auch Fazlur Rahman, The Philosophy of MullĂ ΤadrĂ, Albany: State University of New York Press, 1975, pp. 46-49, 162f. Cit. al-QurץĂn LV:46.
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IV. Kursorische Beobachtungen zur Philosophie des 15.-17. Jh.s
der Welt der Sinneswahrnehmung, in der die sinnlichen Erscheinungsformen sind‘ 689 . Die erste Welt nennt er ,das Quasi-Nichtseiende‘ (kalaysa), die zweite Welt ,das Quasi-Seiende‘ (ka-aysa). Des Weiteren wird von Platon berichtet, dass er zwei Lehrmethoden gehabt habe, eine Lehrmethode des ,Quasi-Nichtseins‘ (ka-laysa) und eine Lehrmethode des ,Quasi-Seins‘ (ka-aysa) 690 . Die erste ist seine Methode, die noetischen Dinge mittels [geistiger] Übung und Intuition (al-riyĂ͏a wa-l-taͧaddus) zu lehren, die zweite [ist seine Methode], diese mittels der diskursiven Dialektik 691 zu lehren. Mit dem ,Nichtsein‘ (laysiyya) dieser Welt weist er darauf hin, dass sie den Sinnesvermögen nicht erscheint. Analog [spricht er vom] ,Sein‘ (aysiyya) der urbildlichen Formen (al-Υuwar al-mithĂliyya) insofern diese den inneren Sinnen erscheinen. Andernfalls bliebe dem Menschen eine unmittelbare Erfahrung davon, dass der kosmos noêtos das Prinzip, Konstituens, Agens und der Endzweck der übrigen Seienden ist, verwehrt 692 , da die Evidenz dieser [Dinge] übermäßig ist und diese unserer [Erkenntnis] aufgrund der Eintrübungen der materiellen Substrate verborgen sind. Vermutlich weist er [damit] auch auf die Einheit (waͧda) jener Welt hin sowie darauf, dass [alles,] was in ihr ist, einfach ist, während diese [sinnliche] Welt eine Vielheit von numerisch [unterschiedenen] Individuen ist.“ 693
Besonders bemerkenswert ist, dass Mull דadr hier platonische oder platonisierende Überlegungen zu Sein und Nichtsein von kosmos noêtos und Sinnenwelt sowie zu deren Erkennbarkeit einschließt, um 689
690
691
692 693
Mull דadr paraphrasiert hier al-ShahrastnÁ, Mawsŧצat al-Milal wa-l-niͧal, p. 165b12f. (ed. Bayrʗt 1981), ersetzt aber al-ashkhĂΥ al-ͧissiya („die sinnlichen Individuen”) durch den suhrawardisch geprägten Begriff ashbĂͧ ͧissiyya. Cf. al-ShahrastnÁ, Mawsŧצat al-Milal wa-l-niͧal, p. 172a17-19 (ed. Bayrʗt 1981): “Platon hatte zwei Lehrmethoden, eine Lehrmethode des ,Quasi-Nichtseins‘, das ist das Spirituelle, das nicht durch den Gesichtssinn, sondern durch ein subtiles Nachdenken erfasst wird, und eine Lehrmethode des ,Quasi-Seins‘, das sind die materiellen [Dinge]“ (kĂna li-AflĂίŧn taצlĮmĂni taצlĮmu ka-laysa wa-huwa l-rŧͧĂniyyu lladhĮ lĂ yudraku bi-l-baΥari wa-lĂkin bi-l-fikri l-laίĮfi wa-taצlĮmu ka-aysa wa-huwa lhayŧlĂniyyĂt). Lit. „des diskursiven Gebens und Nehmens [von Information]“ (al-ifĂda wa-listifĂda al-fikriyyatayn). Ich lese innamĂ khafiyat anstelle von wa-innamĂ khafiyat der Edition. דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ, Al-ͦikma al-mutaצĂliya fĮ l-asfĂr al-צaqliyya al-arbaצa, 9 vols., ed. M. Riӱ al-Muծaffar und Riӱ LuՈfÁ, Bayrʗt: Dr IԉyΊ al-Turth alArabÁ, 51419/1999 (1. Auflage: Qum 1378-83/1958-63), vol. 3, p. 503, l. 18 – p. 504, l. 12.
4. Mull דadr
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die „koranische“ Zwei-Welten-Theorie zu explizieren 694 . Zunächst wird dem kosmos noêtos ein „Quasi-Nichtsein“ zugewiesen, welches dann in prädikativer Bedeutung als Anders-Sein, nämlich als von den Sinnendingen und deren sinnlicher Erscheinung verschiedenes Sein expliziert wird. Dass hier von einem „Quasi-Nichtsein“ die Rede ist, deutet darauf hin, dass Mull דadrs Andeutungen vor dem Hintergrund seiner Theorie der Gradation des Seins (oder des „ontologischen Komparativs“), die an vielen Stellen seines Werks zum Ausdruck kommt, zu verstehen sind. Entsprechend wird den Sinnendingen ein „Quasi-Sein“ (oder Schein-Sein) zugesprochen, wodurch sie einerseits von dem völligen Nichtsein abgehoben, andererseits von dem Bereich des wahren Seins ausgeschlossen werden. Aus den folgenden Bemerkungen erhellt, dass Mull דadr ihr Sein insbesondere in den den inneren Sinnen zugänglichen „urbildlichen Formen“ (al-Υuwar al-mithĂliyya) ausmacht. Deren Seinsgrad stuft Mull דadr offenbar zwischen dem wahrhaft seienden, quasi-nichtseienden kosmos noêtos und den quasiseienden Gegenständen der äußeren Sinne sowie allen übrigen Gegenständen der inneren Sinne ein, insofern sie das epistemologische Binde- oder Mittelglied zwischen den kognitiv übermächtigen Entitäten des kosmos noêtos und den deren Erkenntnis behindernden, zugleich ohne die noetische Grundlegung nicht wahrhaftig erkennbaren Sinnendingen darstellen. Dem Bereich der Doxa wird also ein höherer Erkenntniswert als bei Platon zuerkannt. Angesichts der korrespondierenden Verwendung der Begriffe dürfen wir vermuten, dass die zweite der beiden genannten Lehr- oder Lernmethoden Mull דadr zufolge von ebendieser Erkenntnis durch die inneren Sinne ihren Ausgang nimmt. Diese Lehrmethode des „Quasi-Seins“ ist, vergleichbar der platonischen Dialektik, eine schrittweise, diskursive (fikrĮ) Erschließung, ein dialektisches Geben und Nehmen von kognitiven Inhalten, mit dem Ziel der Erkenntnis noetischer Gegenstände. Ihr gegenüber steht die Methode des „Quasi-Nichtseins“, die auf geistiger Übung und Intuition basiert. Ihr Ziel, wie Mull דadr an anderer Stelle erklärt, ist die „Schau“ (צiyĂn) der noetischen Gegenstände, die keiner (diskursiv erschlossenen) Information (khabar) und keines 694
Die autoritative, wenngleich nur schemenhaft eruierbare Quelle hierfür ist wohl Platons Res publica V, 476-479.
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IV. Kursorische Beobachtungen zur Philosophie des 15.-17. Jh.s
Beweises (bayĂn) bedarf 695 . Entsprechend unterscheidet Mull דadr drei Seinsweisen oder Seinsgrade der Sinnendinge und ihrer Formen: „Dass es in [dieser] Welt etwas Sinnliches wie beispielsweise den Menschen mit seiner Materie und seinen spezifischen Akzidenzien gibt und [dass] dies der natürliche Mensch ist, steht außer Zweifel. Und es steht fest, dass der [Mensch] zusammen mit seiner [räumlichen] Ausdehnung, seiner Gestalt und seiner Spezifikation als etwas Individuelles ein Sein in der Vorstellung hat, allerdings ohne seine Materie, die [nur] extramental existiert 696 . Des Weiteren steht fest, dass der Intellekt in der Lage ist, den Menschen mitsamt seiner Substantialität, seinen Organen, Gestalten und seinen abtrennbaren und nichtabtrennbaren Eigenschaften zu erkennen, dies jedoch gemäß seiner Intelligibilität als etwas, das die Partizipation der Vielen seiner Art zusammen mit seinen artspezifischen Eigenschaften zulässt. Um [dieses] zu denken, braucht der Intellekt nicht die Quiddität des [Menschen] von der Quiddität der Akzidenzien zu abstrahieren, derart dass er von diesen das wegnehmen [müsste], was über jene hinausgeht. Gleichwohl erleichtert dies [die intellektuale Erkenntnis]. Hingegen muss [der Intellekt], um [dieses] zu denken, von jener positionalen Existenzweise abstrahieren, die auf jeden Fall in der einen oder anderen Weise zu dieser materiellen Welt gehört. Also steht [Folgendes] fest: dem Menschen eignet [(i)] ein Sein in der materiellen Natur —in dieser Hinsicht ist er weder intelligibel noch wahrnehmbar—, [(ii)] ein Sein im sensus communis und im Vorstellungsvermögen —in dieser Hinsicht, und nur in dieser Hinsicht, ist er in eminenter Weise wahrnehmbar —, und [(iii)] ein Sein im Intellekt —in dieser Hinsicht, und nur in dieser Hinsicht, ist er actualiter intelligibel. Und weiter: da dir durch eindeutige Beweise klar geworden ist, dass das Sein des Wahrnehmbaren qua Wahrnehmbares mit dem Akt der Wahrnehmung und [mit dem] Subjekt der Wahrnehmung koinzidiert und analog das Sein des aktual Intelligiblen mit dem Sein der noetischen Substanz koinzidiert und das Subjekt und das Objekt des Denkens ein und dasselbe sind, und [da] auch bekannt ist, dass das Subjekt des Denkens eine aktual abgetrennte Substanz ist und also für das Intelligible Entsprechendes [gelten muss] (deshalb sagt man von den wahrnehmbaren Formen in der Welt der Vorstellung, dass sie mit dem Vorstellungsvermögen selbst koinzidieren, [dass] sie zweifellos Substanzen sind und [dass] das, was im Sein mit der Substanz koinzidiert, eine Substanz ist), so 695 696
Cf. infra, APPENDIX III, p. 403. Ich lese mĂddatuhu l-mawjŧdatu anstelle von mĂddatuhŧ mawjŧdatan der Edition.
4. Mull דadr
207
eignet also dem Menschen [(i)] ein substanzielles, durch sich subsistierendes Urbild (mithĂl) in der Welt der Erscheinungen und [(ii)] ein substanzielles, durch sich subsistierendes noetisches Urbild (mithĂl) im kosmos noêtos. Und dies gilt für jedes der natürlichen Seiendes: Es hat drei Seinsweisen, erstens eine noetische, zweitens eine urbildliche (mithĂlĮ), und drittens eine materielle [Seinsweise]. Wisse, dass das noetische Sein jeder Art nur Eines, nicht Vielzähliges sein kann, da die [eine] Wirklichkeit (ͧaqĮqa), sofern ihr eine artspezifische Definition eignet, nur seitens der Materie oder seitens zufälliger extrinsischer Ursachen in die Vielzahl entfaltet werden kann! Hingegen kann es sich bei den beiden anderen Seinsweisen um eine numerische Vielheit von ein und derselben Art handeln, gleich ob von Seiten der Affektionen der rezeptiven Materie (wie bei den natürlichen Formen) oder vermittels wirkender Aspekte (wie bei [den Formen] der Erkenntnis, die in der Vorstellung bewahrt werden). Jede Form ein und derselben Art (z. B. des Menschen) erreicht, wenn sie von dieser Seinsweise und auch von ihrer Repräsentation in der Vorstellung (al-tamaththul al-khayĂlĮ) abgetrennt ist, [die Stufe] des kosmos noêtos. Hier ist sie mit ihrer Wirkung (atharuhĂ) verbunden 697 . Und eine andere Form derselben Art, die diese Stufe der Abgetrenntheit erreicht, hat hier ein und dieselbe Seinsweise wie jene, und die von ihr ausgehende Wirkung ist hier dieselbe. Entsprechendes gilt für jede andere [Form] derselben Art, [gleich ob sie] früher oder nachfolgend [ist], und seien es tausend mal tausend Formen auf dieser Stufe [des Seins]. Aus dieser beweiskräftigen Darlegung wird klar, dass es für jede natürliche Art in dieser Welt, gleich ob sie eine unzählige Vielfalt von Individuen umfasst oder auf ein [einziges] Individuum beschränkt ist, in dem göttlichen kosmos noêtos eine durch sich subsistierende noetische Form gibt, wie [schon] der göttliche Platon meinte.“ 698
Oben hatten wir gesehen, dass MÁr Dmd auch die suhrawardischen „herabhängenden Urbilder“ dem Bereich des göttlichen Wissens zuordnet. Mull דadr knüpft insofern hieran an, als er sowohl Formen des Gemeinsinns und der Vorstellung als auch Formen des kosmos noêtos als Urbilder betrachtet. In beiden Fällen spricht Mull דadr explizit von durch sich selbst subsistierenden Substanzen, so dass es sich bei den „Urbildern“ der Vorstellung offenbar nicht um Bilder handelt, die aus der Sinneswahrnehmung übernommen oder 697
698
Möglicherweise ist wa-aΥlu atharihĂ anstelle von wa-waΥala atharuhĂ der Edition zu lesen (also: „Hier liegt das Prinzip ihrer Wirkung“). דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ, Al-ͦikma al-mutaצĂliya, vol. 3, p. 505, l. 3 – p. 507, l. 10.
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IV. Kursorische Beobachtungen zur Philosophie des 15.-17. Jh.s
entwickelt wurden. Ontologisch sind die beiden Klassen von Urbildern dadurch unterschieden, dass noetische Urbilder stets Eines sind, die Urbilder der Vorstellung aber die Vielfalt der Individuen einer Art zulassen. Letztere sind demnach Urbilder der Art, sofern sich die Vorstellung oder die inneren Sinnen durch sie ein paradigmatisches, gleichwohl in die Vielfalt der menschlichen Vorstellungsvermögen entfaltetes „Bild“ der Art machen können, während die noetischen Urbilder von diesen auch epistemologisch verschieden sind, indem sie keiner Form der sinnlichen Erkenntnis zugänglich sind. Dieses „Bild der Art“ in der Vorstellung koinzidiert intensional sowohl mit dem durch sich subsistierenden Urbild als auch mit der mittels Abstraktion gewonnenen Art-Form. Letztere ist aber keine durch sich subsistierende Substanz, sondern ein Akzidens des Geistes, und sie heißt nicht Urbild, sondern „Bild“ (Υanam) 699 . Die beiden Klassen von Urbildern koinzidieren demnach hinsichtlich der sich in ihnen erschließenden urbildlichen Quiddität, aber nur das noetische Urbild ist an und durch sich eine Einheit, wohingegen das Urbild der Vorstellung und des hierauf gründenden Denkens in die partizipierbare Vielheit des universalen Begriffs entfaltet ist 700 . Folglich unterscheidet Mull דadr zwischen der Einheit des Begriffs von der Substanz, die er auch als 699
700
Cf. ibid., vol. 2, p. 63: „So wie die Formen des Verstands Akzidenzien sind, die nicht durch sich, sondern durch den Verstand subsistieren, sofern sie von extramentalen Dingen erlangt wurden, und durch sich subsistierende Substanzen sind, sofern sie von <den noetischen Substanzen> erlangt wurden, in dieser Weise ist auch über die Formen der korporellen Arten zu urteilen, die aus jenen abgetrennten noetischen Platonischen Urbildern zu einer stofflichen Realität werden (ͧĂsilatun fĮ l-mĂdda). Denn die abgetrennten noetischen Formen (Υuwar) sind in ihrem Wesen vollkommen und in ihrer Quiddität vollendet, so dass ihre Subsistenz eines inhärierten Substrats entbehren kann, während die korporellen Formen, die ihre Bilder (aΥnĂm) sind, defizient sind und für ihre Subsistenz eines inhärierten Substrats bedürfen, da sie nur durch etwas anderes vollkommen sein und daher nicht durch sich selbst subsistieren können. [Es verhält sich mit ihnen] wie [mit] den Form-Substanzen (al-jawĂhir al-Υŧriyya), die im Verstand als etwas von den konkreten stofflichen Dingen Erlangtes existieren. Denn diese sind zwar im Intellekt abgetrennt von dem stofflichen Substrat, extramental aber nicht von diesem abgetrennt. Entsprechendes gilt für die noetischen Formen, die die „Herren der Arten“ sind: Diese sind zwar im kosmos noêtos abgetrennt, aber ihre korporellen Bilder (aΥnĂm) und Schatten, ich meine die Art-Formen (al-Υuwar al-nawצiyya), sind nicht von dem stofflichen Substrat abgetrennt.“ Cf. infra, APPENDIX III, p. 388f. Cf. ibid., vol. 1, pp. 289-292.
4. Mull דadr
209
kognitive „Quelle der Substanz“ (צayn al-jawhar) bezeichnet, und der Einheit der noetischen Wirklichkeit (ͧaqĮqa), die er auch als „Geist“ (rŧͧ) der Substanz bezeichnet. Letztere ist Wirkursache (sabab faצצĂl) der individuellen Substanzen, Urbild der Art-Form und Prinzip (mabda )ץunseres Begriffs von der Art-Form 701 , aber kein Universale. Universalien qua Universalien existieren ausschließlich im menschlichen Intellekt 702 . Noetische Urbilder sind im göttlichen Wissen aufgehoben, dies jedoch nicht in den Weisen, die Mull דadr zufolge von den Peripatetikern und den Platonikern gelehrt werden: „Die beiden Lehren über das Wissen Gottes offenbaren je unterschiedliche Fehler und Unzulänglichkeiten. Die Doktrin der Anhänger Aristoteles’ geht darin fehl, jene göttlichen Formen als Akzidenzien von einem geringen Sein, die von ihnen abhängenden [Dinge], die ihnen im Sein nachfolgen, aber als [etwas] von eminenterer Realität und intensiverem Sein und Substantialität aufzufassen. Dass dies falsch ist, hast du bereits gelernt. Wenn man diese Unzulänglichkeit beseitigt und diesen Fehler behebt, indem man diese [Formen] zu eigenständigen, nicht bloß mentalen Seienden macht, werden sie zu Platonischen Formen in diesem Sinne. Die Doktrin der Platoniker andererseits geht darin fehl, das göttliche Wissen als [Wissen von] Dingen aufzufassen, die [Gottes] Wesen extrinsisch sind. Alle [seinem Wesen] extrinsischen Seienden haben ihr Sein von ihm. Aus ihm geht aber nichts hervor, was er nicht zuvor weiß. Wenn es also zuerst gedacht wird und dann existiert, erhebt sich dasselbe Problem in Bezug auf das Wie ihrer vorangehenden Intelligibilität. Denn diese [bezieht sich] entweder auf Seiendes und separate extrinsische Formen oder auf Seiendes und intrinsische göttliche Formen, welche Konkomitanten des Ersten sind, [also] nicht etwas [aus ihm] Hervorgehendes, sondern etwas, das in seinem Sein existiert. Im Fall der ersten Alternative ergibt sich ein [unendlicher] regressus an extrinsischen Formen, was absurd ist. Und bei der zweiten Alternative folgt, dass das Wissen des Notwendigen von jenen intrinsischen Konkomitanten hinreichend wäre. Wozu bedarf es dann noch eines Nachweises [seines Wissens von] anderen Dingen? Außerdem kann niemandem verborgen sein, dass sein Wissen etwas Göttliches sein muss, dem durchaus nicht das Charakteristikum der Potenzialität oder des vorangehenden Nichtseins beigemischt sein kann. Folglich muss [gelten], dass sein Wissen, Sprechen, Befehlen, sein Ratschluss 701 702
Cf. ibid., vol. 1, p. 306f., vol. 2, p. 312. Cf. ibid., vol. 4, pp. 211-215, 252f.
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IV. Kursorische Beobachtungen zur Philosophie des 15.-17. Jh.s
und seine hocherhabene Schreibfeder nicht zu den Teilen [dieser] Welt gehören. Also ist die Sache andersherum [zu betrachten] und die Überlegung zu den Platonischen Formen dahingehend zu revidieren, dass sie nicht etwas dem Reich des göttlichen [Wissens] Extrinsisches sein können, wie die Anhänger [Aristoteles’] und die [platonischen] Traditionalisten meinten. Wenn man diese Fehler und Unzulänglichkeiten aus jener Lehre in ihrer allgemein bekannten Form tilgt, kommt man zu dem, was wir für richtig halten.“ 703
Um sinnvoll über das Wissen Gottes sprechen zu können, sind nach Mull דadr zwei Referenzebenen zu unterscheiden, die Ebene des absoluten Einsseins (martabat al-aͧadiyya) und die Ebene der Göttlichkeit und ihrer Einheit (martabat al-ilĂhiyya wa-l-wĂͧidiyya). Auf der ersten Ebene kann, ähnlich der cusanischen Konzeption der coincidentia oppositorum, nicht sinnvoll von unterschiedlichen Eigenschaften Gottes gesprochen werden, da hier alle Eigenschaften, alle Gegensätze, Selbigkeit und Andersheit, sowie Sein und Wesen in Eins fallen. Sofern auf dieser Ebene überhaupt sinnvoll von Wissen zu reden ist, so nur von einem Wissen, dass alles Seiende und alles Wissbare in einem Wissen in sich vereinigt, das freilich nicht qua Wissen von anderem unterschieden ist. In einem strikten Sinne kann aber nur auf der Ebene der Göttlichkeit und ihrer Einheit sinnvoll von Gottes Wissen gesprochen werden, da erst auf dieser Ebene eine Unterscheidung von Einheit und Vielheit, Selbigkeit und Andersheit und damit die Distinktion zwischen Sein und Wesen, der Einheit Gottes und der Vielheit der Dinge und verschiedenen göttlichen Eigenschaften möglich ist (erst auf dieser Ebene kann sich der Mensch überhaupt denkend —und mit einem Namen— zu Gott in Beziehung setzen). Die beiden Ebenen sind aber nicht nur Ebenen des Denkens und des Verstandes, sondern zugleich absolute Ebenen der kontinuierlichen graduellen Entfaltung des einen Seins oder der einen Wirklichkeit. Mit der Entfaltung das absoluten Einsseins in sein Sein und seine Eigenschaften (wie Güte, Wollen, Wissen, etc.) „entstehen“ quidditativ (bi-l-mĂhiyya) unterscheidbare „göttliche Wirklichkeiten“ (ͧaqĂץiq ilĂhiyya), denen ontologisch (bi-lwujŧd) unterscheidbare „noetische Formen“ (Υuwar צaqliyya) und „Platonische Wirklichkeiten“ (ͧaqĂץiq aflĂίŧniyya) korrespondieren. Die auf dieser Ebene „stattfindende“ (avicennische) Entfaltung in Sein und 703
Ibid., vol. 6, p. 234, l. 10 – p. 245, l. 2.
4. Mull דadr
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Wesen schlägt sich also unmittelbar im göttlichen Wissen und Wollen nieder, indem hier zwischen den göttlichen Wesenheiten an sich und deren Sein qua noetische Platonische Formen differenziert wird. Die Distinktion von Sein und Wesen im göttlichen Wissen geht aber den Seinsweisen von Substantialität und Akzidentalität voraus. Gott weiß die Platonische Form des Menschen zugleich und ununterschieden qua universale Quiddität, die ein Akzidens des Geistes ist, und qua noetische Substanz, aus welcher die substanziellen individuellen Menschen emanieren, und so alles Akzidentelle und Substanzielle 704 . Während Mull דadr die schiitische Philosophie im Iran der kommenden Jahrhunderte prägen wird, sind, wie oben angedeutet, in anderen Teilen der „islamischen Welt“ andere Traditionen am Werk. Beiden Entwicklungen ist gemein, dass die Auseinandersetzung mit Platonischen Urbildern und Formen bis in das 19. Jahrhundert fester Bestandteil philosophischer Weltentwürfe bleiben wird. Da der gesamte arabische und persische Diskurs seit seinen Anfängen im 9. Jahrhundert stets ein Platonismus (oder Anti-Platonismus) ohne Platon war und die Anbindung an den authentischen Platon schon verloren hatte, bevor er eigentlich begann, nimmt es nicht wunder, dass eine wirkliche Platon-Renaissance, eine Suche nach dem „historischen“ Platon vergleichbar den Bemühungen Heymericus’ de Campo, Nikolaus’ von Kues und Marsilio Ficinos in der „westlichen“ Tradition, zu keinem Zeitpunkt der Entwicklung zustande kommen konnte. Weder dem platonkritischen Aristotelismus Ibn S֬n֡s noch der platonisierenden Lichtspekulation al-Suhraward֬s ist es gelungen, die alleinige Deutungshoheit über die Platonischen Formen und Urbilder zu erringen. Zweifellos ist es aber al-Suhraward֬s Lichtspekulation, welche die Idee transzendenter Platonischer Formen in der postavicennischen arabischen Philosophie weiterleben lässt. Diesen Teilerfolg musste al-Suhraward֬ freilich mit mystischen und theologischen Nivellierungen und „Korrekturen“ seiner Konzeptionen teuer bezahlen.
704
Cf. ibid., vol. 6, pp. 283-286. Vgl. auch Mull דadr, RisĂlat-i ittiͧĂd al-צĂqil wa-lmaצqŧl, in: דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ, Majmŧצa-i rasĂץil-i falsafĮ-yi Τadr al-mutaץallihĮn, ed. Ԉmid NjÁ IהfahnÁ, Tihrn 1378/1999, pp. 96-98.
Appendix I Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder Übersetzung der anonymen Risęla fŅ l-muthul al-֢aqliyya al-aflęͶſniyya nach der arabischen Edition von ֢Abd al-Ra̮męn BadawŅ, unter Hinzuziehung von ms. Aya Sofya 2455.
Vorbemerkung Die anonyme Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder ist in vielerlei Hinsicht ein einzigartiges Dokument der spätmittelalterlichen post-suhrawardischen Auseinandersetzung mit den arabischen Konzepten von Platonischen Formen und Urbildern. Soweit wir wissen, handelt es sich bei ihr um die einzige umfassende monographische Erörterung dieser Konzepte aus dieser Epoche. Obwohl der Verfasser des Werks nicht bekannt ist, lässt es sich relativ exakt datieren. Das älteste bekannte Manuskript, die Istanbuler Sammelhandschrift Aya Sofya 2455, wurde laut Kolophon am 10. RabÁ I 740/15. September 1339 abgeschlossen. Das jüngste in der Abhandlung zitierte Buch ist Kaml al-DÁn Abd al-Razzq al-QshnÁs (auch: al-KshÁ oder al-QshÁ) Kommentar zu Ibn al-ArabÁs Die Ringsteine der Weisheit (FuΥŧΥ al-ͧikam). Der Verfasser nennt al-QshnÁ, der im Jahre 730/1329 gestorben ist, mit dem bei Verstorbenen üblichen Segenswunsch „raԉimahu llhu“. Demnach ist die Abhandlung aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen 730/1329 und 740/1339 entstanden D . Sie fällt damit chronologisch in die bisher kaum erforschte Phase der D
Cf. BadawÁs Vorwort zur Edition, pp. 40-43. Die erste Auflage der Edition erschien 1947 in Kairo unter dem Titel Al-Muthul al-צaqliyya al-aflĂίŧniyya. (Publications de l’Institut Français d’Archéologie. Textes et traductions d’auteurs orientaux; 12). Ich habe den undatierten Nachdruck dieser Ausgabe, al-Kuwayt: Waklat al-maՈbʗt, Bayrʗt: Dr al-Qalam, benutzt.
214
Appendix I
arabischen Philosophie zwischen der unmittelbaren Rezeption der Werke al-SuhrawardÁs im späten 12. und 13. Jahrhundert und der Entstehung der schiitischen Philosophenschulen von ShÁrz und Iהfahn im 15. und 16. Jahrhundert. Unser Anonymus überblickt die einschlägige Literatur zu seinem Thema von Ibn SÁn bis in seine Zeit. Er zitiert, häufig unter Angabe seiner Quelle, aus folgenden Schriften (in chronologischer Abfolge der Autoren): Ibn SŅnę, KitĂb al-ShifĂץ. Al-Manίiq V: al-BurhĂn ÔÔ, KitĂb al-ShifĂץ. Al-ήabĮצiyyĂt I: al-SamĂ צal-ίabĮצĮ ÔÔ, KitĂb al-ShifĂץ. Al-ήabĮצiyyĂt VIII: al-ͦayawĂn ÔÔ, KitĂb al-ShifĂץ. Al-IlĂhiyyĂt ÔÔ, KitĂb al-IshĂrĂt wa-l-tanbĮhĂt ÔÔ, צUyŧn al-ͧikma ÔÔ, al-MubĂͧathĂt Al-SuhrawardŅ, ͦikmat al-ishrĂq ÔÔ, KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt ÔÔ, KitĂb al-MuqĂwamĂt ÔÔ, al-TalwĮͧĂt al-lawͧiyya wa-l-צarshiyya Fakhr al-DŅn al-RęzŅ, al-MabĂͧith al-mashriqiyya Ibn al-֢ArabŅ, al-FutŧͧĂt al-Makkiyya ÔÔ, FuΥŧΥ al-ͧikam NaͬŅr al-DŅn al-͵ſsŅ, Sharͧ al-IshĂrĂt wa-l-tanbĮhĂt Shams al-DŅn al-ShahrazſrŅ, Sharͧ ͦikmat al-ishrĂq ÔÔ, RasĂץil al-shajara al-ilĂhiyya fĮ צulŧm al-ͧaqĂץiq al-rabbĂniyya QuͶb al-DŅn al-ShŅręzŅ, Sharͧ ͦikmat al-ishrĂq ÔÔ, RisĂla fĮ taͧqĮq צĂlam al-mithĂl wa-ajwibat asץilat ba ͏צal-fu͏alĂץ ֢Abd al-Razzęq al-QęshęnŅ, Sharͧ FuΥŧΥ al-ͧikam
Überwiegend handelt es sich um kurze Zitate, die unmittelbar der Problematisierung des aktuellen Gegenstands oder der Berücksichtigung divergierender Lehrmeinungen dienen. Lediglich in Kapitel II fällt ein umfangreicher Textabschnitt auf (pp. 85-97 der Edition BadawÁ, pp. 302-315 der Übersetzung), welcher über weite Strecken wörtlich mit QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs RisĂla fĮ taͧqĮq צĂlam al-mithĂl wa-ajwibat asץilat ba ͏צal-fu͏alĂ ץübereinstimmt. In diesen Abschnitt
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
215
fallen auch die Zitate aus Ibn al-ArabÁs al-FutŧͧĂt al-Makkiyya E . Dies mag dem generellen Einfluss QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs geschuldet sein. Da QuՈb al-DÁns RisĂla das Ergebnis einer Korrespondenz mit einem oder mehreren Gelehrten (ba ͏צal-fu͏alĂ )ץist und „unser“ Werk ca. zwei Jahrzehnte nach QuՈb al-DÁns Tod entstanden sein muss, ist sogar die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass der anonyme Verfasser der Schrift über die Platonischen Urbilder mit eben diesem Korrespondenten QuՈb al-DÁns identisch ist und daher Auszüge der Korrespondenz ohne Quellenangabe in seine Schrift einfließen ließ. Während die philosophischen Aktivitäten des ersten Jahrhunderts nach al-SuhrawardÁ durch die Entstehung von Kommentaren zu dessen Werk gekennzeichnet sind, scheint die vorliegende Abhandlung paradigmatisch für die nun einsetzende Phase der Integration und Harmonisierung mit der Philosophie Ibn SÁns und deren Rezeption durch die spekulative islamische Theologie zu sein. Weitere doktrinale Referenzpunkte, die auch im vorliegenden Text namentlich genannt, jedoch offenbar nur in sekundärer Überlieferung herangezogen werden, sind Aristoteles und al-FrbÁ. Die Abhandlung ist streng systematisch gegliedert. Kapitel I befasst sich mit Platonischen Urbildern, Kapitel II mit den sogenannten „herabhängenden Ur- oder Abbildern“, Kapitel III mit der Frage, ob die Konzeption des Seins an sich als Platonisches Urbild die im Anschluss an Ibn al-ArabÁ vertretenen pantheistischen oder monitaristischen Theorien der Einheit von Sein und Gott zulässt. Die einzelnen Kapitel sind folgendermaßen strukturiert: Kapitel I: Platonische Urbilder 1. Untersuchung : Definition und epistemologische Bestimmung des Platonischen Urbilds (i) Einführung (ii) Acht Probleme betreffs der Platonischen Urbilder (iii) Sechs Lehrmeinungen betreffs der Platonischen Urbilder (iv) Vorbemerkung zum Verhältnis zwischen Platonischen Urbildern und „herabhängenden Urbildern“ E
Die Entsprechungen sind im Einzelnen in den Fußnoten zur Übersetzung verzeichnet. Die von John Walbridge vorbereitete Edition von QuՈb al-DÁn alShÁrzÁs RisĂla lässt sich vielfach mit Hilfe dieser Zitate emendieren.
Appendix I
216
2. Untersuchung : Argumente für die Existenz Platonischer Urbilder für natürliche Dinge und Mathematica Argumente 1 -16
3. Untersuchung : Argumente für die Existenz Platonischer Urbilder für Mathematica unter Ausschluss der natürlichen Dinge Argumente 1 - 2
4. Untersuchung : Argumente für die Existenz Platonischer Urbilder für natürliche Dinge unter Ausschluss der Mathematica 5. Untersuchung : Argumente gegen die Existenz Platonischer Urbilder für natürliche Dinge und Mathematica Argumente 1 - 18
6. Untersuchung : Argumente für die Bestimmung Platonischer Urbilder als Art-Intellekte korporeller Entitäten (i) Argument 1 (i.1) Einwände 1 – 17 gegen das 1. Argument (ii) Argumente 2 - 4
7. Untersuchung : Argumente für die Bestimmung Platonischer Urbilder als Universalien
Kapitel II: Herabhängende Ur-/Abbilder 1. Untersuchung : Nachweis und Bestimmung des herabhängenden Ur-/ Abbilds 2. Untersuchung : Nachweis der Existenz einer sogenannten Welt des herabhängenden Ur-/Abbilds (i) Argumente 1 – 3 (ii) Einwände 1 – 11 gegen die Argumente 1 - 3
3. Untersuchung : Argumente gegen die Existenz herabhängender Ur-/ Abbilder Argumente 1 - 17
Kapitel III: Über das Verhältnis zwischen Sein-an-sich, Notwendigdurch-sich-Seiendem und Platonischem Urbild 1. Untersuchung : Argumente für die Verschiedenheit von Sein-an-sich und Notwendig-durch-sich-Seiendem Argumente 1 - 26
2. Untersuchung : Argumente für die Identität von Sein-an-sich und Notwendig-durch-sich-Seiendem qua Platonisches Urbild Argumente 1 - 17
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
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Die folgende Übersetzung wurde auf der Grundlage der arabischen Textedition von Abd al-Raԉmn BadawÁ angefertigt. Diese Edition basiert auf vier relativ jungen Kairiner Handschriften м . Eine Seitenkonkordanz zu dieser Edition ist in margine beigegeben. Außerdem wurde zu Korrekturzwecken die Handschrift Istanbul, Aya Sofya 2455 herangezogen Ƿ . Diese Handschrift, auf die bereits H. Corbin in den Prolegomena zu seiner SuhrawardÁ-Edition aufmerksam gemacht hat, stand BadawÁ nicht zur Verfügung. Es handelt sich (ab fol. 3a) um den ältesten bekannten Textzeugen, der kurz nach der Abfassung des Werks angefertigt worden sein muss. Die ersten beiden Folien stammen von einer anderen, jüngeren Hand und wurden vermutlich wegen Verlust der ursprünglichen foll. 1-2 mit dem älteren Kodex zusammengebunden. Sofern Varianten dieser Handschrift für die constitutio textus und die folgende Übersetzung herangezogen wurden, ist dies in den Fußnoten verzeichnet. Ms. Aya Sofya 2455 (im Folgenden A) zeichnet sich nicht nur durch seine Vollständigkeit und Zuverlässigkeit aus, sondern auch dadurch, dass es in der „Ersten Untersuchung“ von Kapitel I (foll. 4a-13a der Handschrift) eine Reihe zum Teil umfangreicher Abschnitte enthält, die in den von BadawÁ benutzten Handschriften nicht überliefert sind. In einigen Fällen sind diese Abschnitte durchgestrichen und marginal durch einen Text ersetzt worden, welcher mit dem von BadawÁ edierten Wortlaut übereinstimmt. Andere Abschnitte sind lediglich durchgestrichen, jedoch nicht durch anderen Text ersetzt worden. Alle durchgestrichenen Abschnitte fügen sich völlig stringent in den Kontext ein und weisen keine dogmatischen, stilistischen oder terminologischen Brüche auf. Sie führen die Gedankengänge substanziell fort, sind also kaum auf interpolierte Glossen zurückzuführen. Sofern sie marginal ersetzt wurden, scheinen die marginalia von der Hand desselben Kopisten zu stammen. Ich vermute daher, dass der anonyme Autor sein Werk überarbeitet hat und der Kopist von ms. A zumindest anfangs eine Version des Werks abgeschrieben hat, bei der es sich nicht um die Version letzter Hand handelte. In diese Abschrift hat er die Änderungen der endgültigen Version aus einem anderen Manuskript in Form von Streichungen м Ƿ
Cf. BadawÁs Vorwort zur Edition, pp. 48-61. Für die Beschaffung einer Kopie dieser Handschrift bedanke ich mich herzlich bei Prof. Dr. Heidrun Eichner.
Appendix I
218
und marginalen Ersetzungen nachgetragen. Ob der Autor nur den Anfang des Werks revidiert hat oder aber das Fehlen vergleichbarer Streichungen und Textersetzungen in den übrigen Teilen der Schrift darauf zurückzuführen ist, dass der Kopist von ms. A ab der „Zweiten Untersuchung“ von Kapitel I nur noch diese endgültige Version als Vorlage benutzt hat, kann ohne Hinzuziehung weiterer früher Textzeugen nicht entschieden werden. In jedem Fall geben die getilgten Abschnitte von ms. A einen interessanten Einblick in die Arbeitsweise des Verfassers. Daher wurden sie in die folgende Übersetzung integriert und dort, zur Unterscheidung vom übrigen Text, durch eine kleinere Schriftgröße kenntlich gemacht. Sofern diese Abschnitte durch einen revidierten Text am Seitenrand der Handschrift ersetzt wurden, enthält die Übersetzung beide Versionen in Spaltendruck (darin links, mit kleinerer Drucktype, der durchgestrichene Text). Der arabische Wortlaut der getilgten Abschnitte ist in den entsprechenden Fußnoten zu finden, der Wortlaut der revidierten Version entspricht, sofern nicht anders vermerkt, der Edition BadawÁs. Die Übersetzung ist um Worttreue und Konsistenz, weniger um flüssige Lesbarkeit und Eleganz bemüht. Vom Übersetzer eingefügte Wörter oder Nummerierungen von Abschnitten oder Aufzählungen dienen dazu, den Zugang zum Text und zur Struktur der Argumente zu erleichtern, und sind zwischen eckige Klammern gesetzt. Dasselbe gilt für die explizite Wiedergabe der durch Pronomina und Verbalformen bloß implizierten Begriffe. Gelegentliche Abweichungen vom edierten arabischen Text sind in den Fußnoten verzeichnet. Zusätzlich zu den Abschnitten in zweifacher Redaktion sind dort besonders signifikante Varianten der Handschrift A vermerkt.
SIGLA A A2 L S T Y
Ms. Istanbul, Aya Sofya 2455, foll. 3a-105b Ms. Istanbul, Aya Sofya 2455, foll. 1a-2a Ms. Kairo, Talat 384 (æΕ ed. BadawÁ) Ms. Kairo, Taymur 292 (ι ed. BadawÁ) Ms. Kairo, Taymur 193 (Ε ed. BadawÁ) Ms. Kairo, Taymur 144 (ω ed. BadawÁ)
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
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Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder Im Namen des barmherzigen Gottes, des Gnädigen, dessen Hilfe wir erbitten
Gepriesen sei Gott, der Erleuchter jenseits der Zelte Seiner Heiligkeit, der den Herzen der Erkennenden am Ort der Vertrautheit mit Ihm den erquickenden „Odem der Erinnerung“ zufächelt, der Erhabene, dem niemandes Lobpreis gerecht werden kann, ja der gleichsam sein eigener Lobpreis ist! Und gesegnet seien die, die Er gesandt hat, um die Wahrheit im Garten der Schöpfung und unter den Menschen zu offenbaren, insbesondere Muԉammad und seine Familie, die Monde und die Sonne am Himmel Seiner Einheit! Dies ist eine Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder und die „herabhängenden [Urbilder]“ der Vorstellung und [über] das, was in dem von gewissen Mystikern vertretenen Einheitsbekenntnis auf diesen zu basieren scheint. Sie ist ein Geschenk 1 für die Bibliothek des Gott wohlgefälligen großen Gebieters, des ausgezeichneten, höchst ehrenwerten Leiters der Regierungsgeschäfte, des Dienstherrn der Oberen von Armee und Verwaltung, Seiner höchst gerechten und weisen Majestät, des Herrschers über [alle] Minister dieser Welt, des Vorzüglichsten aller edlen Menschen, der beide Wege der Tugend in sich vereinigt, den des Wissens und den der Tat, der es zu einer Meisterschaft sowohl in religiösen als auch in weltlichen Dingen gebracht hat, und zwar in einem absoluten, nicht [bloß] relativen Sinne, und in einer wesenhaften, nicht [bloß] postulierten Art und Weise, des Unterstützers der göttlichen Unterstützung, dem das himmlische Geheimnis anvertraut ist, des Refugiums der strahlenden, [von Gott] auserwählten prophetischen Religion, des Glanzes der reinen, Gott wohlgefälligen alidischen Familie, des Exzellentesten aller Nachkommen Ԉusayns und Ԉasans, der einzigartigen Perle, die sich aus den wertvollsten dieser „Perlmuscheln“ gebildet hat, der Quintessenz aus Wasser und Erde, des Erlesensten von ¬l Շh und ¬l YsÁn 2 , des Erben der Propheten und [göttlichen] Gesandten, des Glanzes der Wahrheit und der Religion, des weltlichen Daseins und des Glaubens, der Stütze des Islam und des Unterstützers der Muslime: Abʗ Շlib. 1 2
Ich lese mit ms. A2 atͧaftu bihĂ (i.e. al-risĂla) anstelle von atͧaftu bihĮ der Edition. āl ήĂhĂ und āl YĂsĮn bezeichnet die Nachkommen von AlÁ ibn AbÁ Շlib.
2
220
Appendix I
Möge Gott [uns] lange den Schutz seiner sich über beide Welten erstreckenden Pracht gewähren und die beglückenden Wirkungen seiner über beide Welten ausgeschütteten Gerechtigkeit und Wohltaten ewig machen! Möge Gott das Leben dessen erhalten, der „Amen!“ sagt! Denn so zu beten, ist denen, die Gutes verkünden 3 , gemein. Die [folgende Abhandlung] ist in drei Kapitel gegliedert.
3
Ich lese al-busharĂץa anstelle von al-basharĂ der Edition.
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
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Erstes Kapitel, [in] sieben Untersuchungen
3
ERSTE UNTERSUCHUNG: Definition des Urbildes und Auflistung der diesbezüglichen Lehrmeinungen, mit einer der Bestimmung des [Urbildes] vorangestellten Einleitung über das Wissen von den göttlichen, mathematischen und natürlichen Dingen.
5
Wir sagen: Seiendes, das nicht willentlich von uns bewirkt wird, ist [zweierlei:] Entweder [handelt es sich um] etwas, das extramental abgetrennt von der Materie existieren kann. Dies sind die göttlichen Dinge, die in der göttlichen Wissenschaft erforscht werden. Sie umfassen zwei Arten, zum einen das, was nicht in etwas [anderem] existieren kann, also die immateriellen Dinge 4 wie der Schöpfer, die Intellekte und die separaten Seelen, zum anderen das, was in etwas [anderem] existieren kann, also die allgemeinen Dinge. Oder [es handelt sich um] etwas, das nicht [extramental] abgetrennt von der Materie existieren kann, wie [räumlich] Ausgedehntes, Zahl, Gestalt, Mensch, Pferd, etc. Auch dies umfasst zwei Arten, zum einen das, was Gegenstand des Denkens sein kann, ohne dass die Materie [mit]gedacht wird, also die mathematischen Dinge wie [räumlich] Ausgedehntes, Zahl und Gestalt, die in der Mathematik erforscht werden, zum anderen das, was nicht Gegenstand des Denkens sein kann, ohne dass die Materie [mit]gedacht wird, also die natürlichen Dinge wie Mensch, Pferd, etc., die in der Naturwissenschaft erforscht werden. Man unterscheidet zwischen den mathematischen und den natürlichen Dingen derart, dass die mathematischen Dinge, z. B. der Kreis oder das Dreieck, zwar eines gewissen stofflichen Substrats im Denken bedürfen, um gedacht werden zu können, nicht aber eines individuell instantiierten stofflichen Substrats. Denn den [Kreis] und das [Dreieck] zu denken ist abhängig davon, ein gewisses stoffliches Substrat 5 [mit]zudenken, nicht aber ein individuell instantiiertes Substrat, da sie als [Kreis oder Dreieck] in Holz, Eisen oder anderen Arten von Stoff vorgestellt werden. [Im Unterschied dazu] bedürfen die natürlichen Dinge eines individuell instantiierten stofflichen Substrats im Denken, um gedacht werden zu können, z. B. kann Menschsein nur [als etwas] im Körper des Menschen gedacht werden. Hier, bei dieser Klasse [von Seiendem], muss also mit dem stofflichen Substrat das Substrat einer [bestimmten] Art von Körpern gemeint sein, die [entweder] individuell instantiiert oder nicht individuell instantiiert ist, bei der es sich aber weder im ersten noch im zweiten [Fall] bloß um die erste Materie handeln kann. 4
5
An dieser Stelle erfolgt in ms. Aya Sofya 2455 der Wechsel von den nachträglich angefügten foll. 1-2 zu dem ursprünglichen Konvolut. Ich lese mit ms. A mĂddatin mĂ anstelle von mĂddatin („ein stoffliches Substrat“).
6
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Appendix I
Hier [treten] nun [verschiedene] Probleme [auf]. Erstes Problem: Die Intelligibilität des stofflichen Dings unterliegt der Bedingung seiner Abstraktion von dem stofflichen Substrat und dessen, der Quiddität des [Dings] extrinsischen, Ingredienzien, unabhängig davon, ob es sich um etwas Mathematisches, z. B. die Hohlheit oder Kompaktheit [eines Körpers] 6 , oder etwas Natürliches, z. B. Menschsein oder Pferdsein, handelt. Wieso erfordert seine Intelligibilität dann, die erste Materie [mit]zudenken oder das stoffliche Substrat, sei es als Individuum oder nicht als Individuum, [mit]zudenken, so dass die [Unterscheidung der] beiden Klassen aufgehoben wird? Hierauf ist zu entgegnen: Dass die Abgetrenntheit des Denkgegenstands von der Materie Bedingung des Denkens ist, bedeutet, dass die erste Materie oder 7 das, was ihr inhäriert oder7 aus ihr zusammengesetzt ist, nur insofern zu einem Gegenstand des Denkens wird, als das Denken den [Denkgegenstand] von den extramentalen, räumlichen Akzidenzien abstrahiert. Denn es ist die erste Materie, die sich selbst und das, was ihr inhäriert und aus ihr zusammengesetzt ist, als ausgedehnte, räumliche individuell instantiierte Wesenheiten konstituiert. Also liegt kein Widerspruch darin, dass ihre Intelligibilität Bedingung der Intelligibilität dessen ist, was ihr inhäriert, oder dessen, was aus ihr zusammengesetzt ist.
7
Zweites Problem: Platon zufolge können die natürlichen Dinge der Materie entbehren, um zu existieren und [Gegenstand] der Vorstellung zu sein, während die mathematischen Dinge ihrer hinsichtlich des Seins, nicht aber hinsichtlich der Vorstellung bedürfen. Er lehrt nämlich, dass die Urbilder in den natürlichen Dingen existieren, nicht aber in den mathematischen. Seiner Ansicht nach entspricht also keine der unterschiedenen Klassen der Wahrheit. Hierauf ist zu entgegnen: Wir haben die drei [obigen] Bestimmungen gemäß der opinio communis angeführt, da sie auf dieser Grundlage einfacher zu verstehen sind als auf einer anderen Grundlage. Wollten wir sie entsprechend der Ansichten Platons anführen, so [müssten] wir [Folgendes] sagen: Dinge, die nicht willentlich von uns bewirkt werden, existieren entweder, insofern sie eines stofflichen Substrats entbehren (dies sind die göttlichen Dinge), oder, insofern sie eines gewissen stofflichen Substrats bedürfen (dies sind die mathematischen Dinge), oder sie existieren, insofern sie eines individuell instantiierten stofflichen Substrats bedürfen (dies sind die natürlichen Dinge). 6 7
Al-tajwĮf wa-l-iΥmĂt. Ich lese mit ms. A aw anstelle von wa- der Edition.
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder Außerdem zwingt die Art und Weise, wie Aristoteles die mathematischen und die natürlichen Dinge bestimmt, zu [der Annahme, dass] sie mit der Existenz von Urbild[ern] kompatibel seien, während ihre Bestimmung auf der Grundlage von Platons Lehre zu [der Annahme] zwingt, dass sie [damit] nicht kompatibel seien. Daher haben wir [oben] ihrer Bestimmung gemäß der Lehre Aristoteles’ den Vorzug vor ihrer Bestimmung gemäß der Lehre Platons gegeben. 8
223
Anders formuliert: Seiendes existiert entweder, ohne eines stofflichen Substrats zu bedürfen (dies sind die göttlichen Dinge), oder es existiert, insofern es eines solchen bedarf. Letzteres existiert entweder, insofern es eines solchen extramental, nicht aber im Intellekt bedarf (dies sind die mathematischen Dinge), oder es existiert, insofern es eines solchen in beiden 9 [Weisen der Existenz] bedarf (dies sind die natürlichen Dinge). [Diese Einteilung] beschränkt sich auf die Dinge, die nicht willentlich von uns bewirkt werden. Was hingegen die willentlichen Wirkung angeht, so sind ihre drei Klassen der Forschungsgegenstand der Ethik.
Drittes Problem: Im [Buch über den] Beweis [in] der Logik des [KitĂb] alShifĂ ץsagt „der Meister“ [Ibn SÁn] 10 : „Platon lässt für jeden Gegenstand des Denkens bis hin zu den natürlichen Dingen separate intelligible Formen existieren. Diese nennt er, sofern sie abgetrennt sind, ‚Urbilderì, und, sofern sie mit dem stofflichen Substrat verbunden sind, ‚natürliche Formenì“. Dies steht im Widerspruch zu dem, was [Ibn SÁn] in seiner Metaphysik sagt 11 , [i. e.]: „Platon neigte vorrangig zu [der Annahme], dass die Formen“ (i. e. die natürlichen [Formen]) „das sind, was separat existiert. Was die mathematischen Dinge betrifft, so sind sie für ihn Dinge zwischen den Formen“ (i. e. den separaten [Formen]) „und den stofflichen Dingen“. Denn das erste Zitat besagt, dass Platon die Existenz der Urbilder sowohl für die mathematischen als auch für die natürlichen Dinge lehrte, während das zweite Zitat besagt, 8
9 10
11
Ms. A, fol. 4a13-b4, sed del.: wa-ay͏an taצrĮfu l-umŧri l-taצlĮmiyyati wa-l-ίabĮצiyyati צalĂ madhhabi Arisίŧ yŧjibu (sine punctatione) ͧtimĂlahĂ wujŧda l-mithĂli wataצrĮfuhĂ bi-l-binĂץi צalĂ madhhabi AflĂίun yŧjibu (sine punctatione) an lĂ taͧtamila fa-li-dhĂlika ĂtharnĂ taצrĮfahĂ bi-l-binĂץi צalĂ madhhabi Arisίŧ צalĂ taצrĮfihĂ bi-l-binĂץi צalĂ madhhabi AflĂίun. Ich lese fĮhimĂ anstelle von fĮhĂ der Edition. Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. Al-Manίiq V: al-BurhĂn. TaהdÁq wa-murjaat IbrhÁm Madkʗr, taԉqÁq Abʗ l-Al AfÁfÁ. Kairo 1375/1956, p. 188, l. 4-6. Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. Al-IlĂhiyyĂt. Rjaahʗ wa-qaddama lahʗ IbrhÁm Madkʗr, taԉqÁq al-Ab QanawtÁ, SaÁd Zyid. Kairo 1380/1960, p. 311, l. 14f.
224
8
Appendix I
dass Platon die Existenz der Urbilder [nur] für die natürlichen Dinge, unter Ausschluss der mathematischen Dinge, lehrte. Die Unvereinbarkeit der beiden [Aussagen] ist offensichtlich. Hierauf ist zu entgegnen: Platon hat in der Tat beides gelehrt, zum einen, dass das Urbild beides, die mathematischen und die natürlichen Dinge, umfasst, zum zweiten, dass es den natürlichen Dingen spezifisch ist, unter Ausschluss der mathematischen Dinge. Deshalb wählt „der Meister“ [Ibn SÁn] für seine Wiedergabe der zweiten Ansicht die Formulierung „Platon neigte vorrangig zu ihr“, [i. e.] er neigte nicht vollständig zu ihr. Viertes Problem: Ist die Zahl abgesehen von [dem Umstand], dass sie eines stofflichen Substrats entbehren kann, auch [insofern] ein mathematischer Gegenstand, als sie den abgetrennten Dingen akzediert? 12 Hierauf ist zu entgegnen: Mit ,Zahl‘ ist [hier] die auf die Vorstellung beschränkte
Zahl gemeint. Diese haftet aber nicht den abgetrennten Dingen an. Oder [wir entgegnen:] 13
Was [hier] als stoffliches Substrat bezeichnet wird, ist das inhärierte Substrat an sich. Die Zahl muss einem Substrat inhärieren. Man könnte also einwenden: Wenn mit dem stofflichen Substrat das inhärierte Substrat an sich gemeint ist, und die Zahl an sich ein Zugrundeliegendes an sich erfordert, dann käme die Erforschung der Zahl an sich nur der Mathematik, nicht aber der göttlichen Wissenschaft zu. Das ist aber nicht der Fall, denn ihre Erforschung findet in beiden [Wissenschaften] statt. Wir sagen also: Die Zahl wird an sich —unter Absehung [des Umstandes], dass sie ein Zugrundeliegendes erfordert— in der göttlichen [Wissenschaft zum Gegenstand] genommen 14 , die [auch] die Dispositionen der [Zahl], die ihr an sich als etwas [den abgetrennten Dingen] Akzidentelles zukommen, betrachtet 15 . Die Mathematik hingegen nimmt [die Zahl] als Akzidens eines gewissen Zugrundeliegenden [zum Gegenstand der Forschung] und untersucht die Dispositionen der [Zahl], die ihr zukommen, insofern sie eines nicht individuell instantiierten Zugrundeliegenden bedarf. Sie wird also in beiden Wissenschaften unter unterschiedlichen Aspekten betrachtet. [Generell] ist es ja so, dass der Intellekt für die Quiddität jedes Dinges, gleich ob es sich dabei um eine Zahl oder etwas anderes handelt, als denkbar annimmt, dass sie abgetrennt von der Materie existiert. Wenn er nun weiß, dass einige Quidditäten der [Materie] bedürfen, um extramental [zu existieren], 12 13
14 15
Der arabische Text ist sehr konzise und nicht als Frage formuliert. Ms. A, fol. 5a8f., sed del.: inna l-murĂda bi-l-צadadi l-צadada l-ma͏bŧίa bi-l-takhayyuli wa-huwa lĂ yalͧaqu l-mujarradĂti awi l-murĂd. Ich lese yuץkhadhu anstelle von yŧjadu der Edition. Ich lese wa-yanϕuru (i.e., al-צilm al-ilĂhĮ) anstelle von wa-nanϕuru der Edition, unpunktiert in ms. A.
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
225
und er findet unter ihnen solche, die ihrer zwar extramental, nicht aber [im] Intellekt bedürfen, so bilden [diese] den Forschungsgegenstand der Mathematik. Und wenn er unter ihnen solche findet, die der Materie [zusätzlich] auch im Intellekt bedürfen, so bilden sie den Forschungsgegenstand der Naturwissenschaft. Sofern sie als stofflich [instantiiert] begriffen werden, werden [die Zahlen] also nur in einer der beiden Wissenschaften untersucht 16 . Fünftes Problem: [Auch] in unseren willentlichen Wirkungen kann ein Urbild existieren. Es besteht also nicht die Notwendigkeit, diese auf die Dinge zu beschränken, die nicht durch unsere willentlichen Wirkungen existieren. Hierauf ist zu entgegnen: Wenn man von einem [Platonischen] Urbild spricht, meint man das unabhängige, durch sich [existierende] Urbild. Das Urbild des willentlichen Wirkens, sofern es [überhaupt] existiert, subsistiert aber nur durch das Urbild des Menschen. Dies ist [freilich] strittig, denn so, wie das „herabhängende Urbild“ Substanz für ein Akzidens sein kann, [so] könnte auch das Platonische Urbild Substanz für ein Akzidens sein. Aber das ist nicht das, was sie Dieser Schluss ist aber falsch, lehren, 17
da die Quiddität des Akzidens nicht durch sich extramental subsistieren kann. Dies ist deshalb nicht möglich, weil die Substantialität zu den spezifischen Konkomitanten der Quiddität unter Ausschluss der Particularia gehören kann. Es könnte aber jemand einwenden: Wäre die Quiddität eine Substanz, so müsste die Substanz ihre Gattung sein und wahrheitsgemäß von ihren Particularia [gelten]. Dazu sagen wir [dies]: Die beiden Prämissen sind abzulehnen. Was dies bedeutet, wird an späterer Stelle des Diskurses klarer werden. Dem [obigen] Einwand ist aber zu entgegnen, dass das Platonische Urbild unseres willentlichen Wirkens durchaus nicht Teil unseres Wirkens ist. Dass unser willentliches Wirken von der Naturwissenschaft und von der politischen Wissenschaft oder der Ethik betrachtet wird, geschieht in zweifacher Hinsicht: Es ist nämlich Betrachtungsgegenstand der Natur[wissenschaft] hinsichtlich seiner Quiddität und insofern er zu der Gesamtheit der Wesensakzidenzien des Menschen gehört; und es ist Betrachtungsgegenstand der politischen Wissenschaft, insofern es gut oder verwerflich [ist]. Dem Platonischen Urbild kommt aber nicht die zweite, sondern nur die erste Hinsicht zu. Es ist also als solches kein wesenhafter Erkenntnisgegenstand der Ethik, sondern gehört nur zu den Erkenntnisgegenständen der Mathematik oder der Natur18 wissenschaft. Dies ist der Grund für die obengenannte Beschränkung. 16
17 18
Dieser Absatz ist in ms. A am Seitenrand nachgetragen. Möglicherweise entstammt er der revidierten Textfassung. Ms. A, fol. 5b11, sed del.: illĂ annahum lam yadhhabŧ ilĂ dhĂlika. Ms. A, fol. 5b12-6a12, sed del.: wa-hĂdhĂ l-imtinĂצu mamnŧצun li-anna l-jawhariyyata qad takŧnu mina l-lawĂzimi l-khĂΥΥati bi-l-mĂhiyyati dŧna l-juzץiyyĂti wa-la-in
9
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Appendix I
Sechstes Problem: [Ibn SÁn] erwähnt in den Naturwissenschaften des [KitĂb] al-ShifĂ ץ19 , dass „die Form des Körpers seine Quiddität ist, durch die er das ist, was er ist, während sein Stoff das ist, was seine Quiddität trägt.“ Dies bedeutet zweifellos, dass das Wissen von den Quidditäten der Körper nicht von dem Wissen von ihren Materien abhängt, da das Wissen von der Form nicht von dem Wissen von der Materie abhängt. Hierauf ist zu entgegnen: Die Formen 20 , die das Wahrnehmungsvermögen, das Vorstellungsvermögen und der Intellekt von den Gegenständen der Wahrnehmung, der Vorstellung und des Denkens abstrahieren, —z. B. [die Form von] Zayd— sind von dem stofflichen Substrat dieses Erkenntnisgegenstands abgetrennt und entsprechen dessen Form ohne dessen stoffliches Substrat. Das, was von ihm erkannt wird, ist in Wahrheit seine Form, nicht sein stoffliches Substrat. Jedoch erfassen die [Vermögen der] Wahrnehmung und Die Quiddität eines jeden der Vorstellung [Zayds] partikulare Form nur zusamKörpers besteht also in men mit [deren] Verbindung mit seinem individuell seiner Art-Form gemäß instantiierten stofflichen Substrat, genau in der Weise, der Ansicht Platons. wie der Intellekt seine universale Form nur in Verbindung mit einer nichtinstantiierten Materie erfasst, welche eine beliebige der stofflichen Substrate der individuellen Menschen ist. Der Intellekt bedarf also in seiner Erkenntnis [Zayds] der Erkenntnis des stofflichen Substrats, aber dessen Erkenntnis ist nicht Teil der Erkenntnis [Zayds], sondern deren Konkomitant, während das [stoffliche Substrat] zugleich
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qĂla law kĂnati l-mĂhiyyatu jawharan la-kĂna l-jawharu jinsan (sine punctatione) lahĂ wa-kĂna ΥĂdiqan צalĂ juzץiyyĂtihĂ fa-naqŧlu (sine punctatione) al-muqaddimatĂni mamnŧצatĂni wa-sa-yazdĂdu hĂdhĂ l-maצnĂ wu͏ŧͧan fĮmĂ yaץtĮ mina l-kalĂmi wa-jawĂbu l-naϕari anna l-mithĂla l-aflĂίŧniyya li-fiצlinĂ l-ikhtiyĂriyyi lĂ yakŧnu fiצlan lanĂ l-battata wa-fiצlunĂ l-ikhtiyĂriyyu manϕŧru l-צilmi l-ίabĮ צiyyi wa-manϕŧru צilmi l-siyĂsati awi l-ͧikmati l-צamaliyyati min ͧaythiyyatayni fa-innahŧ manϕŧru lίabĮצiyyi min ͧaythu mĂhiyyatuhŧ wa-kawnuhŧ min jumlati l-aצrĂ͏i l-dhĂtiyyati li-linsĂni wa-manϕŧru צilmi l-siyĂsati min ͧaythu ͧusnuhŧ wa-qiͧatuhŧ wa-l-mithĂlu laflĂίŧniyyu laysa lahŧ mina l-ͧaythiyyati l-ίhĂnĮyati bal mina l-ͧaythiyyati l-ŧlĂ fahuwa lĂ yakŧnu li-maצlŧmi l-ͧikmati l-צamaliyyati min ͧaythu huwa maצlŧmuhĂ bal li-maצlŧmi aͧadi l-צilmayni l-taצlĮmiyyi wa-l-ίabĮצiyyi faqaί fa-hĂdhĂ huwa l-sababu fĮ l-taqyĮdi (sine punctatione) l-madhkŧr. Es folgt ein Zitat aus Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. Al-ήabĮ צiyyĂt I: al-SamĂ צal-ίabĮ צĮ. TaהdÁr wa-murjaat IbrhÁm Madkʗr, taԉqÁq SaÁd Zyid. Qum 1405/1985, p. 34, l. 9f. Ich lese mit ms. A und weiteren Handschriften (cf. ed. BadawÁ, p. 9, Anm. 4) alΥuwar anstelle von al-Υŧra („die Form“).
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
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eine der Ursachen von [Zayds] Existenz ist. Aus diesem Grund betrachtet „der Meister“ [Ibn SÁn] das stoffliche Substrat als Träger der Quiddität des Körpers, aber nicht als deren intrinsischen Teil. 21
Anders gesagt: Mit „Körper“ [qua Erkenntnisgegenstand] ist die körperliche Form gemeint, oder: mit „Quiddität des Körpers“ ist [der Körper] mit Ausnahme seiner Materie gemeint. Der Ausdruck wird [also] metaphorisch —totum pro parte— in der Bedeutung des formalen Teils verwendet. [Dies] geschieht auch umgekehrt, so dass mit der „Form“ die Quiddität gemeint ist. Deshalb gibt man für „Form einer Sache“ und „Quiddität der [Sache]“ ein und dieselbe Bedeutung an, nämlich „das, wodurch die Sache das ist, was sie ist“. Wenn man also die wahre Bedeutung von „Form“ und „Quiddität“ meint und sie in beiden Fällen mit „das, wodurch die Sache das ist, was sie ist“ angibt, liegt in dieser Bestimmung der Form eine Verkürzung. Die Form einer Sache ist nämlich nicht allein „das, wodurch die Sache das ist, was sie 10 ist“, sondern [dies] zusammen mit etwas anderem, nämlich dem stofflichen Substrat. Und in der [genannten] Bestimmung der Quiddität liegt eine andere Verkürzung: die Quiddität einer Sache ist nämlich die Vollkommenheit dessen, wodurch die Sache das ist, was sie ist. [Ebenfalls] wäre es verkürzend, das Wort „was“ in dem Ausdruck „ist das, was sie ist“ [gemäß dem üblichen Sprachgebrauch] als Interrogativum oder als redundanten Zusatz oder als Konnektor und Anfang eines syndetischen Relativsatzes [zu verstehen]. Siebentes Problem: Auf der Basis der oben dargelegten Einteilung sind natürliche Dinge als von unseren willentlichen Wirkungen verschiedene Dinge zu bestimmen, deren Wissenschaft auf dem Wissen von der Materie basiert. Diese Bestimmung erstreckt sich [aber] nur auf die Körper unter Ausschluss ihrer wesenhaften Akzidenzien und ihrer körperlichen und artspezifischen Formen und gilt nicht für diese zusammen. Hierauf ist zu entgegnen: Der Begriff von dem wesenhaften Akzidens irgendeiner Art von Körpern basiert auf dem Begriff von dem betreffenden Körper, der [wiederum] auf dem Begriff von dem stofflichen Substrat beruht. Die [genannte] Bestimmung der natürlichen Körper erstreckt sich also auch auf die wesenhaften Akzidenzien der natürlichen Körper. Was hingegen die 21
Ms. A, fol. 6b6-12, sed del.: lĂkin ka-mĂ anna l-ͧissa wa-l-khayĂla innamĂ yanĂlĂni Υŧratahu l-juzץiyyata maצa nisbatin ilĂ mĂddatihi l-muצayyanati ka-dhĂlika l-צaqlu innamĂ yanĂlu Υŧratahu l-kulliyyata maצa nisbatin ilĂ mĂddatin lĂ צalĂ taצyĮnin hiya iͧdĂ mawĂddi ashkhĂΥi l-insĂni fa-lĂ budda fĮ idrĂkihĮ min idrĂki l-mĂddati lĂkinna idrĂkahĂ laysa juzץan min idrĂkihĮ bal lĂziman lahŧ wa-hiya min asbĂbi wujŧdihĮ fali-hĂdhĂ jaצala l-shaykhu l-mĂddata ͧamilatan li-mĂhiyyati l-jismi lĂ dĂkhilatan fĮhĂ.
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Appendix I
körperlichen Formen und die Art-Formen angeht, so gehören diese zu den göttlichen Dingen. Trotz deren Ausschluss trifft es also nicht auf die [genannte] Bestimmung der natürlichen Körper zu, dass sie nicht [für die Körper und deren wesenhafte Akzidenzien] zusammen gelte. Achtes Problem: Wie [kann es sein, dass] der Untersuchungsgegenstand der Mathematik in [seiner] extramentalen [Existenz] der Materie bedarf, im Intellekt hingegen nicht, wenn denn das Wissen von dem Verursachten auf dem Wissen von der Ursache basiert? Hierauf ist zu entgegnen: Die in der Mathematik untersuchten wesenhaften Akzidenzien gehören zu den Konkomitanten der Quantität in Abhängigkeit von der Quiddität. [Der Umstand, dass] sie [Konkomitanten] der Quantität sind, ist unabhängig von der Materie, weil die Quiddität der [Quantität] von dieser unabhängig ist. Hingegen hängt die Konkomitanz der wesenhaften Akzidenzien, die zu den Konkomitanten der [Quantität] in Abhängigkeit von der [extramentalen] Existenz gehören, von der Materie ab, da die [extramentale] Existenz der [Quantität] ihrer bedarf, weshalb sie [in diesem Fall] in der Naturwissenschaft untersucht wird. Aus diesem Grund differieren die beiden Disziplinen hinsichtlich des Mittelterms des Beweises, während sie hinsichtlich der Fragestellung übereinstimmen. Diese [in der 11 Mathematik untersuchten Akzidenzien] sind in der Tat wesenhafte Akzidenzien der natürlichen Körper, aber sie kommen der Quantität [nur] vermittels der Verbindung mit dem natürlichen Körper zu. Da dies nun erklärt ist, sagen wir: Die Lehre von der Existenz des Urbildes besagt, dass die stoffliche oder in den Einzeldingen aufgrund der Vielfalt der Stoffe vielfältige Quiddität abgetrennt von all diesen [Stoffen und Einzeldingen und] in sich ist. Das Urbild ist also, sofern es existiert, [Urbild] für die mathematischen oder die natürlichen Seienden, nicht für die göttlichen [Seienden]. Folglich ist es entweder für diese beiden Seienden, mathematische und natürliche, gemeinsam [Urbild], oder für eines der beiden unter Ausschluss des anderen, oder für keines der beiden. Diese drei Alternativen sind zu unterscheiden, wobei die zweite Alternative [nochmals] zu unterteilen ist: Entweder ist es Urbild für das mathematische [Seiende] unter Ausschluss des natürlichen, oder vice versa. Also sind vier Alternativen in Erwägung zu ziehen. Jede von ihnen wurde von bestimmten [Philosophen] vertreten. [(i)] Und zwar waren 22 einige der Alten der Ansicht, dass alle mathematischen und natürlichen Dinge in zwei Klassen zu unterteilen seien, zum einen das Ewige, Intelligible, zum anderen das Vergängliche, Sinnliche. Und 22
Ich lese mit mss. A und Y fa-kĂna anstelle von wa-kĂna der Edition.
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[sie lehrten, dass] der Intellekt nur das Ewige denke, nicht aber das Vergängliche, und nannten das abgetrennte Intelligible ‚Urbildì. [(ii)] Andere von ihnen waren der Ansicht, dass zwar alle mathematischen Dinge in diese beiden [Klassen] zu unterteilen seien, jedoch kein einziges der natürlichen Dinge, so dass Urbilder [nur] für die mathematischen, nicht aber für die natürlichen Dinge existieren. Weiter [lehrten sie, dass] die mathematischen Dinge intelligibel und die natürlichen Dinge nicht intelligibel seien. [Letztere] müssten nämlich Urbilder sein, wenn sie intelligibel wären. Denn wenn die körperlichen Dispositionen von dem stofflichen Substrat abgetrennt sind, werden sie zu mathematischen Gegenständen, weil sie dann zu räumlichen Größen, Gestalten und Zahlen werden. Diese aber sind intelligibel und sie sind Urbilder, insofern ihre Abtrennung [von der Materie] ihre Zugehörigkeit zu den natürlichen Dingen 23 zunichte machte und ihre Zugehörigkeit zu den mathematischen Dingen wiederherstellt. Folglich sind die natürlichen Dinge nicht intelligibel und keine Urbilder. Weiter [lehrten sie, dass] die natürlichen Formen aus der Verbindung der mathematischen Formen mit dem stofflichen Substrat entstehen. So ist die Konkavität beispielsweise etwas Mathematisches, wird aber, wenn sie mit der Nase als [ihrem] stofflichen Substrat verbunden ist, zu etwas Natürlichem, nämlich der Hohlnase 24 . Ferner gab es unter [den Alten] solche, die [räumlich] Ausgedehntes aus Monaden zusammensetzten und aus der Verbindung von Zahl und stofflichem Substrat entstehen ließen, die Zahl aber als separat von der [Materie annahmen]. Sie postulierten ein Urbild für die Zahl unter Absehung von der Ausdehnung, weil das Ausgedehnte bei seiner Abtrennung von der Materie zu einer Zahl wird. Andere von ihnen begriffen es nicht als Zusammensetzung aus Monaden und setzten [sowohl] Zahl als auch Ausdehnung als separat von dem stofflichen Substrat an. Sie postulierten ein gemeinsames Urbild für die Zahl und das Ausgedehnte, da das Ausgedehnte dieser Ansicht zufolge bei seiner Abtrennung von der [Materie] nicht zu einer Zahl wird. Unter den Vertretern der ersten [Lehrmeinung finden sich] solche, die — wie [bei] der Zahl, die Prinzip des [Ausgedehnten] ist— die Möglichkeit einer Halbierung des Ausgedehnten ausschließen, und andere, die ihm trotz ihrer Lehre von der Zusammensetzung des [Ausgedehnten] aus den Zahlen diese Möglichkeit notwendig zuschreiben. Wieder andere von ihnen setzen die 23
24
Ich lese, mit ms. A und analog zu dem folgenden taצlĮmiyyatihĂ, ίabĮ צiyyatihĂ anstelle von ίabĮ צatihĂ der Edition. Die letzten beiden Sätze zitieren nahezu wörtlich Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. AlIlĂhiyyĂt, p. 311, l. 10-13.
12
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Appendix I
Zahl als ein Prinzip der natürlichen Formen an, derart, dass letztere bei ihrer Abtrennung von dem stofflichen Substrat eine Zahl sind 25 , bei ihrer Verknüpfung mit diesem [aber] die Form des Menschen oder des Pferdes. [(iii)] Diejenigen hingegen, die die Zahl als ein Prinzip [sowohl] für das Ausgedehnte als auch für die natürlichen Formen auffassten, ohne sie als separat von dem stofflichen Substrat anzusetzen (also Pythagoras und seine Anhänger, wie „der Meister“ [Ibn SÁn] berichtet 26 ), [waren] nicht [bemüht,] die Existenz der Urbilder nachzuweisen, sondern gehörten zu denen, die sie leugneten. Sie waren nicht einer Meinung mit den Peripatetikern, [wie] die Prinzipien unter Ausschluss der Existenz der Urbilder [zu bestimmen seien], stimmten aber darin mit diesen überein, die Existenz von Urbildern zu leugnen. Doch was die Erforschung der Prinzipien jenseits unserer vorliegenden Betrachtung der [Frage der] Existenz der Urbilder angeht, so wollen wir alles beiseite lassen, was nicht mit unserer Zielsetzung zusammenhängt. [(iv)] Wieder andere von ihnen waren der Ansicht, dass [zwar] die natürlichen Dinge in diese beiden [Klassen] zu unterteilen seien, ich meine das Ewige, Intelligible und das Vergängliche, Sinnliche 27 , nicht aber die mathematischen Dinge. Zu dieser [Auffassung] neigte Platon vorrangig, wie „der Meister“ [Ibn SÁn] berichtet 28 ; und auch der „Erste Lehrer“ 29 und seine Anhänger lehrten, dass das [Mathematische] zu keinem der beiden gehöre. Die Urbilder gemäß der zweiten und der dritten Lehrmeinung sind also von denen der ersten Lehrmeinung dadurch unterschieden, spezieller und weniger allgemein als diese zu sein. [(v)] Uns bleibt hier noch eine fünfte Lehrmeinung [zu referieren], die nach „dem Meister“ [Ibn SÁn] entstanden ist. Diese wurde von „dem Lichtmetaphysiker“ 30 entwickelt, und die späteren, rezenten Theosophen folgten ihm darin. Sie [besagt], dass es Urbilder nur für die Körper gibt und dass, wenn der [betreffende] Körper eine Art bildet, sein separates Urbild intelligibel ist und „Meister“ oder „Herr“ der [Art] und „Herr des Bildes“ heißt und 13 mit dem Platonischen Urbild identisch ist. Dieses ist ein Intellekt von der Klasse der horizontal geordneten Intellekte, die hinsichtlich der Ehrwürdigkeit und der Abtrennung von den stofflichen Substraten über der Klasse der 25
26 27
28 29 30
Ich lese ͧattĂ takŧna (i.e., al-Υuwar al-ίabĮ צiyya) anstelle von ͧattĂ yakŧna der Edition. Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. Al-IlĂhiyyĂt, p. 312, l. 16-18. „Ich meine ... Sinnliche“ in marg. ms. A, möglicherweise eine Zusatz der revidierten Textfassung. Cf. supra, Anm. 11. I.e., Aristoteles. I.e., Shihb al-DÁn al-SuhrawardÁ.
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
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Seelen und unter der Klasse der vertikal geordneten Intellekte stehen. Es bewirkt die Existenz der Art, sorgt sich um diese und erhält und bewahrt sie, während die Art wie sein Schatten[bild], Zeichen und Reflex ist. Wenn es sich aber [bei dem betreffenden Körper] um ein Individuum handelt, dann ist sein separates Urbild imaginativ. Dieses ist ein „herabhängendes Urbild“ und „imaginatives Erscheinungsbild“, das hinsichtlich der Ehrwürdigkeit und der Abtrennung von den stofflichen Substraten unter dem Reich der Seele und über dem Reich der Sinne steht. [(vi)] Ich sage nun: Das Urbild eignet nicht einer spezifischen Natur unter Ausschluss einer anderen, vielmehr ist die Natur jedes Seienden abgetrennt von dem stofflichen Substrat. Sie besteht in einem luminösen Urbild, das den Individuen dieser [Natur] entspricht. Die Wirklichkeit [der Natur], die in jedem Fall abgetrennt von dem stofflichen Substrat existiert, besteht in der Koinzidenz von Urbild und Abbild; und die Wirklichkeit [der Natur], die abgetrennt von dem stofflichen Substrat und [zugleich] verbunden mit diesem existiert, besteht ebenfalls primär in der Existenz des Urbildes, kommt diesem aber von Seiten der Individuen zu. Ein angemessener Beweis hierfür wird dir im dritten Kapitel [dieser Schrift] vorgetragen werden. Dies ist also eine sechste Lehrmeinung [und] sie stellt eine Fortentwicklung der ersten Lehrmeinung dar. Die Eigenschaften von Körpern sind [dieser Lehrmeinung zufolge] in der noetischen Welt die Eigenschaften ihrer Urbilder in derselben Weise, wie sie in der sinnlichen Welt die Eigenschaften der individuellen Instantiierungen der Körper sind. In beiden Welten des Urbildes ist ihre Subsistenz durch diese [Urbilder oder individuellen Instantiierungen] etwas Wirkliches. Es wird [aber] behauptet, in der Welt des „herabhängenden Urbilds“ könne ihre Subsistenz durch diese etwas [bloß] Imaginatives, Nichtwirkliches sein. Dies kann zweierlei bedeuten: Erstens, dass das Urbild der Eigenschaft überhaupt nicht existiert, [weder] an sich noch in etwas anderem, sondern [lediglich] als in etwas anderem existierend vorgestellt wird. Zweitens, dass ihr Urbild [zwar] an sich existiert, aber [trotz] seiner Subsistenz durch sich selbst als in etwas anderem subsistierend vorgestellt werden kann. Die erste Bedeutung ist aber nicht das, was [mit der Behauptung] gemeint ist, denn aus ihr würde folgen, dass der Eigenschaft überhaupt kein „herabhängendes Urbild“ eignete. Vielmehr 31 ist die zweite Bedeutung gemeint. In dem einen Fall wäre also das „herabhängende
Urbild“ der Eigenschaft ein [durch-sich-subsistierendes] Wesen, das aber als Eigenschaft [eines Urbildes] in der Welt des „herabhängenden Urbilds“ vor31
Ms. A, fol. 10b4-6, sed del.: wa-l-maצnĂ l-awwalu laysa bi-murĂdin li-annahŧ yastalzimu an lĂ yakŧna li-l-Υifati mithĂlun muצallaqun al-battata bali l-murĂdu huwa l-maצnĂ l-thĂnĮ.
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Appendix I
gestellt wird, in dem anderen Fall würde es nicht als Eigenschaft dort [in dieser Welt des „herabhängenden Urbilds“], sondern so, wie es an sich ist, vorgestellt werden. Hierauf [basiert] die [Lehre von der] korporellen Manifestation der Taten [des Menschen im Jenseits] 32 . Auch werden den individuellen Teilen des Körpers Urbilder [zugeschrieben], welche in der Welt des „herabhängenden Urbilds“, nicht aber in der Welt des Platonischen Urbilds, Teile des Urbildes dieses Körpers 33 sind.
Die Beziehung zwischen dem individuellen Körper und seinem imaginativen Urbild ist offensichtlicher als die [Beziehung] zwischen dem artspezifischen Körper und seinem noetischen Urbild. Sie gleicht der Ähnlichkeit, [die] zwischen der in einem Spiegel gesehenen Form und deren Original [be14 steht]. Zu der Frage, ob das, was den beiden [Arten von] Urbildern gemein ist, [bloß] die Bezeichnung oder etwas Inhaltliches ist, ist zu sagen, dass es etwas Inhaltliches ist. Denn das Urbild an sich ist das, was außerhalb der Art oder des Individuums (i.e., des Körpers oder der körperlichen [Eigenschaft]) [folgendermaßen] existiert: durch sich selbst subsistierend, ohne [räumliche] Position, von allen stofflichen Substraten und Körpern abgetrennt und diesem [bestimmten] Körper oder der körperlichen [Eigenschaft] derart korrespondierend, dass das Abgetrennte bei seiner Verbindung mit dem stofflichen Substrat mit dieser stofflichen [Entität] koinzidiert und die stoffliche [Entität] bei ihrer Abtrennung von dem stofflichen Substrat mit diesem Abgetrennten koinzidiert, oder [derart], dass für die stoffliche [Entität] etwas Abgetrenntes existiert, das ihr in einer gewissen Weise ähnlich ist. Dies ist sowohl den noetischen und imaginativen Urbildern gemein als auch den [beiden Klassen von] Urbildern, die durch sich subsistieren und die durch etwas anderes subsistieren. Zwischen diesem [Konkreten] und der in einer Vielzahl von Spiegeln sichtbaren Form ein und desselben Individuums besteht kein Unterschied außer dem, dass eines der beiden in der Vorstellung, das andere durch sich selbst extramental subsistiert. Wir sagen zum Beispiel von jeder einzelnen [in einer Vielzahl von Spiegeln sichtbaren Form] von Zayd, dass es sich um Zayd handelt, weil die sich in unserer Vorstellung einstellenden [spiegelbildlichen] Formen von Zayd mit dem „herabhängenden Urbild“ von ihm korrespondieren. 32
33
Zur Lehre von der Inkarnation der diesseitigen Taten des Menschen im Limbo des Barzakh, kurz tajassud al-aצmĂl, vgl. MuԉyÁ l-DÁn Ibn al-ArabÁ, al-FutŧͧĂt alMakkiyya, ed. Uthmn Yaԉy, vol. X, p. 464f., vol. XI, p. 201, vol. XII, p. 308; SaÁd al-DÁn Muԉammad al-FarghnÁ, MuntaͧĂ al-madĂrik wa-muntaͧĂ lubb kull kĂmil wa-צĂrif wa-sĂlik (Sharͧ al-qaΥĮda al-tĂץiyya), Cairo: Bʗlq 1293/1876, vol. II, pp. 84-86. Ms. A, fol. 10b8-10, sed del.: wa-li-aצyĂni ajzĂץi l-jismi amthilatun hiya ajzĂץu mithĂli dhĂlika l-jismi fĮ צĂlami l-mithĂli l-muצallaqi dŧna צĂlami l-mithĂli l-aflĂίŧniyya.
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
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[Analog] korrespondiert die sich im Intellekt einstellende Form der Art mit dem Platonischen Urbild der [Art]. Auch sie unterscheiden sich nur darin, dass eines der beiden im Intellekt existiert, dass andere extramental. Diese Korrespondenz ist die Ursache dafür, dass den Individuen der betreffenden Art das Urbild der Art gemein ist, denn das, was der Intellekt von ihnen 34 erkennt, ist eben dieses luminöse Urbild, welches —gemäß der allgemein bekannten Lehre— die Quiddität der Art ist, oder —gemäß der Ansicht des Autors der Lichtmetaphysik— das ist, was der [Art] ähnlich ist. Letzterer behauptet, dass die Propheten, die Säulen der Weisheit und die Meister der Mystik übereinstimmend von der Existenz der beiden Welten des Urbilds überzeugt seien. Er interpretiert deren Lehre, dass der „Herr der Art“ das Universale dieser Art sei, dahingehend, dass damit [Folgendes] gemeint sei: Der „Herr der Art“ verhält sich zu allen Individuen dieser Art darin gleich, für diese zu sorgen und seine [Fürsorge] fortdauernd über sie auszuschütten, nicht aber [darin], ihnen 35 gemein zu sein. Denn wie könnte ein vernünftig Denkender behaupten, dass das Abgetrennte in den vielen stofflichen Dingen und den zahllosen stofflichen Individuen existiere? [Der „Herr der Art“] ist also in Wirklichkeit wie das Ganze und der Ursprung 36 , während die stoffliche Art wie der Abkömmling und das Modell ist. Weiter [lehrt er:] Die Arten ahmen mit ihren unterschiedlichen Gliedern, ihren verschiedenen Strukturen und [räumlichen] Positionen und ihren mannigfaltigen äußeren Erscheinungen ihre luminösen Urbilder nach. Die Urbilder der Wesenheiten kennen die Eigenschaften [der Wesenheiten] mittels deren Urbilder; diese sind in diesem Sinne [Teil ihres] Wissen[s]. Wollte aber jemand einwenden, dass Glied, Struktur, [räumliche] Position und äußere Erscheinung dem Individuum, nicht der Art eignen, so sei zu entgegnen: Deren Individuen eignen [in der Tat] nicht der Art, sondern den Individuen der [Art], aber deren Quiddität eignet der [Art]. Die Art subsistiert mittels des körperlichen, stofflichen Substrats wegen der Defizienz in ihrem Wesen, während ihr luminöses Urbild wegen der Vollkommenheit seiner Substanz durch sich selbst subsistiert. In Wirklichkeit greift diese Ansicht [al-SuhrawardÁs] auf die Lehre zurück, die die Existenz von Urbildern leugnet. Denn sie interpretiert die Lehre der Befürworter der [Existenz von Urbildern] mit [Mitteln], die den Prinzipien 34 35
36
Ich lese minhĂ (i.e., min ashkhĂΥi l-naw )צanstelle von minhumĂ der Edition. Ich lese mit ms. A baynahĂ (i.e., ashkhĂΥi dhĂlika l-naw )צanstelle von baynahumĂ der Edition. Ich lese al-kull wa-l-aΥl wie in SuhrawardÁ, ͦikmat al-ishrĂq, p. 160, l. 1-12 (Corbin), p. 109, l. 7-19 (Ziai/Walbridge), cf. supra, p. 142 f., anstelle von al-kull Į wa-l-aΥl Į der Edition und al-kull Į wa-l-aΥl in ms. A.
15
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Appendix I
ihrer Leugner entsprechen. Auch diese lehren ja [indirekt] deren Existenz in diesem [speziellen] Sinne, denn sie leugnen ihre Existenz nur in der allgemein bekannten Bedeutung, also [der Bedeutung], dass in die Vielheit entfaltete Dinge abgetrennt von der Vielheit und den intellektualen Begriffen subsistieren. Alle Peripatetiker und Anhänger der Lichtmetaphysik lehren 37 ja, dass das Intelligible sich zu der Wirkursache verhält wie die in dem Spiegel sichtbare Form zu deren Original. In gewisser Weise ist dies eine Verknüpfung der beiden Lehrmeinungen der Leugner und der Befürworter [der Existenz von Urbildern]. Bei näherer Prüfung [stellt sich aber heraus, dass] es sich um eine Lehre handelt, die die Existenz der Urbilder leugnet. Es ist [daher] nicht [richtig,] zu sagen: Die Lehre der Alten muss durch die Lehre des Lichtmetaphysikers interpretiert werden, weil von dem Separaten nur gesagt werden kann, dass es Urbild des Stofflichen ist, nicht aber, [dass es] ihm gleicht, da die beiden durch ihre Konkomitanten voneinander geschieden sind. Denn wir behaupten: Das Separate ist hier die Quiddität des Stofflichen. Quiddität und Individuum sind zwar durch ihre Konkomitanten voneinander geschieden, weil die Quiddität universal und das Individuum partikular sind, aber sie koinzidieren hinsichtlich der Quiddität. Sollte jemand einwenden, dass jeder Konkomitant der Quiddität [auch] ein Konkomitant des Individuums sei, so entgegnen wir: Dies gilt notwendig nur für die Realisierung [der Quiddität], nicht aber für die [logische] Prädikation, da die erste Schlussform [in diesem Fall] steril und die [Propositio] maior indefinit ist. Ich sage [also]: Die Lehre von der Existenz der Urbilder besagt —wie im weiteren Verlauf der Verifikation der Beweise ihrer Befürworter deutlich werden wird— [Folgendes:] Jedes Universale [existiert] an sich abgetrennt von dem stofflichen Substrat und [seiner] Verbindung mit diesem. Es existiert durchaus nicht derart in den Particularia, dass seine Existenz [in diesen] akzidentell und deren Existenz wesenhaft wäre, vielmehr verhält es sich umgekehrt. Demzufolge könnte auch für etwas Göttliches ein Urbild existieren. Sie beschränken aber das Urbild auf die mathematischen und natürlichen [Dinge], weil die göttliche Natur, sofern sie zu den abgetrennten [Dingen] gehört, durch sich extramental existiert und wesenhaft jeder darüber hinausgehenden Sache, die zu ihr in Beziehung tritt, entbehren kann. Sie müsste also ein reines, luminöses Urbild ihrer selbst sein. Wenn sie aber zu den allgemeinen Dingen gehört, müsste sie zugleich ein Konkomitant des von der Materie 38 Abgetrennten und etwas mit dieser Verbundenes sein. 37 38
Yaqŧlŧna ms. A, fehlt in BadawÁ p. 15, l. 9. Ms. A, fol. 12b13 – 13a5, sed del.: wa-ͧĮnaץidhin yaͧtamilu an yakŧna li-l-amri lilĂhiyyi mithĂlun ay͏an wa-innamĂ khaΥΥaΥŧ l-mithĂla bi-l-taצlĮmiyyĂti wa-l-ίabĮצiyyĂti li-anna l-ίabĮצata l-ilĂhiyyata in kĂnat mina l-mujarradĂti kĂnat mawjŧdatan fĮ
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
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ZWEITE UNTERSUCHUNG: Darlegung der Argumente der Befürworter der Existenz der Urbilder und der entsprechenden Gegenargumente derjenigen, die sie leugnen. Verifikation dieser [Argumente].
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Diejenigen, die die Existenz von Urbildern sowohl in den mathematischen als auch in den natürlichen [Dingen] lehren, beweisen die Richtigkeit ihrer Lehre mit [verschiedenen Argumentations]ansätzen. Erster Ansatz: Die mathematischen und die natürlichen Dinge werden in der Mathematik und in der Naturwissenschaft definiert und bewiesen. Definition und Beweis gehen weder auf das, was nicht existiert, da dessen Betrachtung ohne Nutzen ist, noch auf das Individuelle qua Individuelles, da dies in dieser Hinsicht sinnlich [und] der Veränderlichkeit und Vergänglichkeit unterworfen ist. [Vielmehr] gehen Definition und Beweis nur auf das Intelligible, ewig Seiende, das diesen nicht unterworfen ist. Also gehen Definition und Beweis nur auf die Quiddität im Zustand ihrer von den stofflichen Akzidenzien abgetrennten Existenz. Dass diesen eine [Quiddität] eignet 39 , erfordert, dass diese abgetrennt existiert. Da nun das Bedingte erwiesenermaßen existiert, muss [auch] das Bedingende als erwiesen gelten, was zu beweisen war. Hiergegen wird [Folgendes] angeführt: Aus [dem Umstand, dass] Beweis und Definition auf die Quiddität gehen, ohne dass etwas [Bestimmtes], i. e. die Particularia, Bedingung [hierfür] wäre 41 , folgt nicht notwendig, dass sie unter der Bedingung der Universalität 42 auf die Quiddität gehen, denn sie können [auch] ohne irgendeine Bedingung auf die Quiddität gehen. Zwischen diesen beiden Bedeutungen besteht, wie andernorts erklärt, ein großer Unterschied. Dass [Beweis und Definition] für die [Quiddität] existieren, gilt [vielmehr] nur im Zustand der extramentalen Verbindung der [Quiddität] mit den Akzidenzien, denn in dieser [Seinsweise] kann sie nicht isoliert von diesen sein. Nichtsdestotrotz sind die Akzidenzien keine inhärente [Bedingung] der Existenz von [Beweis und Definition] für die [Quiddität], derart, dass ihre Existenz für sie unter gewissen Bedingungen nicht notwendig wäre. Vielmehr existieren sie für sie bedingungslos.
39 41 42
l-khĂriji bi-nafsihĂ mustaghniyatan li-dhĂtihĂ צan amrin zĂץidin mun͏Ăfin (sine punctatione) ilayhĂ fa-kĂnat mithĂlan nŧriyyan maͧ͏an li-dhĂtihĂ wa-in kĂnat mina l-umŧri l-צĂmmati kĂnat malͧŧqata (sine punctatione) l-mujarradi צani lmĂddati wa-l-muqĂranata lahĂ bi-l-ittifĂq (sine punctatione). Ich folge der Handschrift L, die fa-wujŧduhĂ lahĂ liest. BadawÁs Edition übernimmt fa-wujŧduhumĂ lahĂ der übrigen Handschriften. Lit., “nicht unter der Bedingung eines Etwas”, lĂ ... bi-sharίi shayץ. Lit., “unter der Bedingung des Nicht-etwas”, bi-sharίi lĂ shayץ. Dieser und der vorangehende Ausdruck sind Termini technici der arabischen Universaliendiskussion.
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Diesem Einwand ist [Folgendes] zu entgegnen: Der [erwähnte] Unterschied zwischen den beiden [Bedeutungen] besteht [nur] im Intellekt, nicht extramental, denn Abgetrenntheit (wie im Fall der Universalität) gehört zu den spezifischen Konkomitanten der Quiddität, und Verbindung (wie im Fall der Partikularität) gehört zu den spezifischen Konkomitanten der Individuen. Es könnte jemand einwenden, dass die unbedingte Quiddität allgemeiner sei als die Quiddität unter der Bedingung der Universalität, so wie letztere allgemeiner ist als die Quiddität, für die etwas [Bestimmtes] Bedingung ist, und dass das Allgemeine nicht die Spezifikation eines der ihm [untergeordneten] Individuen, hier: die Abgetrenntheit, erfordere. Darauf antworten wir [so]: Die unbedingte Quiddität wäre nur [dann] allgemeiner als die [Quiddität] unter der Bedingung der Universalität, wenn die Abgetrenntheit von dem stofflichen Substrat nicht zu ihren Konkomitanten gehörte. Dann läge [aber wieder] die erste [Alternative] des Problems vor. Weiter könnte jemand einwenden, dass Universalität nicht notwendig Quiddität bedeutet. Andernfalls folgte aus der Existenz der Quiddität im Individuum notwendig, dass die Universalität in ihm existierte, was unsinnig ist. Darauf antworten wir [so]: Aus [dem Umstand], dass die Quiddität von dem Individuum und das Universale von der Quiddität wahrheitsgemäß prädiziert werden können, folgte nur [dann], dass das Universale wahrheitsgemäß von dem Individuum prädiziert wird, wenn das Universale universaliter wahrheitsgemäß von der Quiddität prädiziert werden könnte, was nicht möglich ist. Denn aus dem Urteil, dass der Mensch an sich etwas Universales sei, folgt nicht notwendig, dass jeder Mensch, beispielsweise Zayd, etwas Universales ist; ist doch der Mensch [an sich] etwas anderes als Zayd. Es ist also möglich 43 , zu urteilen, dass der Begriff von Mensch etwas Univer18 sales ist, und dass der Begriff von Zayd etwas Partikulares ist, ohne damit universaliter zu urteilen, dass der Mensch [an sich] Zayd sei, oder particulariter zu urteilen, dass Zayd der Mensch sei. Höchstens wäre zu schließen, dass der Begriff von Mensch in jedem Fall etwas Universales ist. Hieraus folgt aber nicht notwendig die Universalität des Begriffs von Zayd, denn was hier wahrheitsgemäß ausgesagt wird, ist [(a)] „Zayd ist ein Mensch“, und [(b)] „der Mensch ist immer etwas Universales“. Dies führt aber nicht zu der Konklusion [(c)] „Zayd ist etwas Universales“, da die [Propositio] maior nicht universal ist. Hingegen kann hier nicht wahrheitsgemäß ausgesagt werden: [(d)] „Zayd ist ein Mensch“, und [folglich (e)] „jeder Mensch ist etwas Universales“. Denn der Begriff von der [impliziten] Voraussetzung, der zufolge der Mensch notwendig universaliter prädiziert wird, ist nicht mit der Univer43
Ich lese fa-jĂza anstelle von fa-ͧĂza der Edition.
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salität der Begriffe von seinen partikularen [Instantiierungen] gleichzusetzen. Es ist also durchaus möglich, dass [beide,] das Abgetrennte und das Universale, von der Quiddität zu prädizieren sind, obwohl ihre gemeinsame Prädikation von dem Individuum unmöglich ist. Man möge nicht behaupten, aus dem von uns Dargelegten folge, dass sich die Quiddität und das Individuum hinsichtlich der Konkomitanten der Quiddität unterscheiden, zugleich aber hinsichtlich der Vollkommenheit der Quiddität gleich verhalten, was im Widerspruch zu der [oben] getroffenen Feststellung stehe, der zufolge sich die beiden Urbilder hinsichtlich aller Konkomitanten der Vollkommenheit der Quiddität notwendig gleich verhalten. Denn [hierzu] sagen wir: Dass aus der Verschiedenheit der von der Quiddität abhängigen Dinge die Verschiedenheit der Konkomitanten [von Quiddität und Individuum] folgt, liegt im Bereich des Unmöglichen, es sei denn, wir beschränkten die Konkomitanten der Quiddität auf die Konkomitanten, die sie [als Gegenstand] der Prädikation hat, und deuteten diese als das, was von allen Prädikationsgegenständen der Quiddität prädiziert wird. Weiter könnte jemand einwenden, dass beispielsweise dem Menschen an sich nicht notwendig Universalität zuzuschreiben sei, weil [der Umstand,] dass etwas Mensch ist, als solcher nicht zu dem Schluss zwingt, dass dies etwas Universales ist. Andernfalls müsste jeder Mensch etwas Universales sein. Das, was den Menschen zu etwas Universalem macht, ist also nicht sein Menschsein, sondern etwas anderes. Dieses [Argument] ist gemeint, wenn man von dem „Fehlschluss auf die Universalität des Menschen an sich“ spricht. Darauf antworten wir [so]: Daraus, dass aus [dem Umstand], dass etwas Mensch ist, nicht zu schließen ist, dass es universal ist, folgt weder, dass dem Menschen an sich nicht notwendig Universalität zuzuschreiben sei, noch, dass aus dem Menschsein des Menschen nicht notwendig auf dessen Universalität zu schließen sei. Weiter könnte jemand [Folgendes] einwenden: Dass die Definition und der Beweis auf die Quiddität gehen, unterliegt [zwar] der Bedingung, dass die [Quiddität] in der Betrachtung des Intellekts von den stofflichen Äußerlichkeiten abgetrennt ist, es erfordert aber nicht, dass sie von diesen in der Sache selbst abgetrennt ist. Darauf antworten wir [so]: Die Abgetrenntheit der Quiddität von den stofflichen Konkomitanten im Beweis und in der Definition erfordert [sehr wohl] ihre Abgetrenntheit von diesen im Sein, denn wenn sie des stofflichen Substrats in der extramentalen [Existenz] bedürfte, bedürfte sie ihrer [auch] im Intellekt, da das Wissen von dem Verursachten auf dem Wissen von der Ursache basiert. Nun folgt aber aus der Notwendigkeit der Abgetrenntheit der Quiddität von den stofflichen Substraten und ihren Konkomitanten im
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Intellekt, dass sie [auch] im Wissen von diesen isoliert ist. Hieraus wiederum folgt, dass sie im Sein von diesen isoliert ist, woraus folgt, dass sie extramental abgetrennt von dem stofflichen Substrat und ihren Akzidenzien existiert. Das Bedingte existiert, folglich muss das Bedingende existieren, was zu beweisen war. Weiter könnte jemand [Folgendes] einwenden: Es mag [zwar] nicht notwendig sein, bei dem Beweis und der Definition der mathematischen und natürlichen Dinge die individuellen stofflichen Substrate zu berücksichtigen. Nichtsdestotrotz ist es nötig, dabei die universalen stofflichen Substrate zu berücksichtigen. Darauf antworten wir [so]: Die universalen stofflichen Substrate müssen dabei nur insofern berücksichtigt werden, als die [mathematischen und natürlichen Dinge] Forschungsgegenstand dieser beiden Wissenschaften, der Mathematik und der Naturwissenschaft, sind. Aber insofern ihre Quidditäten an sich [Gegenstand der Untersuchung sind], ist es ausgeschlossen, dass dabei [auch] ihre [stofflichen Substrate] berücksichtigt werden müssen 44 . Denn nach Ansicht der Befürworter [der Existenz] der Urbilder gleicht etwas Stoffliches der Vielheit; und so, wie die Zahl für sich genommen Untersuchungsgegenstand der göttlichen [Wissenschaft] ist, aber Untersuchungsgegenstand der Mathematik ist, sofern sie als etwas betrachtet wird, das eines gewissen stofflichen Substrats bedarf, so [gilt] für jede körperliche Entität, [dass sie] Untersuchungsgegenstand der göttlichen [Wissenschaft] ist, sofern sie an sich betrachtet wird, aber Gegenstand der Mathematik oder der Naturwissenschaft ist, sofern sie als etwas betrachtet wird, das eines stofflichen Substrats bedarf, [sei dies nun] individuell instantiiert oder nicht. Weiter könnte jemand [Folgendes] einwenden: Wenn aus [dem Umstand,] dass etwas in der extramentalen [Existenz] der Materie bedarf, folgte, dass es ihrer [auch] im Intellekt bedarf [um richtig erkannt zu werden], so würde die Annahme zunichte, dass mathematische Dinge ihrer in der extramentalen [Existenz] bedürfen, nicht aber [in] dem Intellekt. Darauf antworten wir [so]: Selbst wenn der Gegenstand der Mathematik die Quantität oder das Quantitative ist, so gehören doch die wesenhaften 20 Akzidenzien, die in ihr erforscht werden, gemäß der Quiddität zu den Konkomitanten der Quantität, nicht [gemäß] der Existenz. Sie entbehren [also] des stofflichen Substrats, weil die Quiddität der [mathematischen Entität] ihres entbehrt. Daher braucht das stoffliche Substrat in der Mathematik nicht berücksichtigt zu werden. Die wesenhaften Akzidenzien der Quantität aber, 44
Ich lese, in Analogie zum nächstfolgenden Satz, min ͧaythu mĂhiyyĂtuhĂ muίlaqan fa-ftiqĂruhĂ ilayhĂ mamnŧ צanstelle von min ͧaythu mĂhiyyĂtuhĂ fa-ftiqĂruhĂ ilayhĂ muίlaqan mamnŧ צder Edition.
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die zu den Konkomitanten der Existenz [der Quantität] gehören, werden — obwohl sie des stofflichen Substrats bedürfen, da die Existenz der [Quantität] ihres bedarf— nur in der Naturwissenschaft erforscht. Weiter könnte jemand [Folgendes] einwenden: Wenn dem so ist, kann aber [auch] nicht aus [dem Umstand,] dass etwas im Intellekt nicht der Materie bedarf, gefolgert werden, dass es ihrer [auch] in der extramentalen [Existenz] nicht bedürfe, ganz zu schweigen von der Folgerung, dass es in dieser [Seinsweise] actualiter von ihr abtrennbar sei. Folglich kann die Abgetrenntheit der mathematischen Dinge von der Materie nicht durch ihre Abgetrenntheit von dieser im Intellekt nachgewiesen werden. Darauf antworten wir [so]: Aus [dem Umstand,] dass etwas im Intellekt nicht der [Materie] bedarf, ist [sehr wohl] zu folgern, dass es ihrer in der extramentalen [Existenz] gemäß [seiner] Quiddität nicht bedarf. Denn selbst wenn [hieraus] nicht seine aktuale Angetrenntheit von der Materie in der extramentalen [Existenz] folgt, so folgt doch seine potenzielle Angetrenntheit von ihr in der extramentalen [Existenz] gemäß [seiner] Quiddität. Wenn nun etwas möglich und zugleich die beste [aller Möglichkeiten] ist, muss man notwendig annehmen, dass es existiert, da die [beste aller Möglichkeiten] Teil der [göttlichen] Vorsehung ist 45 . Zweiter Ansatz: [Nimm] zum Beispiel den Menschen! Dieser existiert extramental. Wäre dem nicht so, könnte dieser [bestimmte] Mensch nicht extramental existieren, denn „dieser [bestimmte] Mensch“ ist gleichbedeutend mit „Mensch“ in Verbindung mit der Einschränkung der Diesheit; und aus dem Ausschluss des Teils folgt notwendig der Ausschluss des Ganzen. [Beides] hat eine und dieselbe Bedeutung. Andernfalls wäre die Gemeinsamkeit von Zayd, Amr und anderen menschlichen Individuen nur ein sprachliches Phänomen, nicht etwas Inhaltliches, was offensichtlich unsinnig ist. Diese eine extramentale Bedeutung, die der Intellekt von den Vielen prädiziert, die durch die Verschiedenheit ihrer stofflichen Substrate voneinander geschieden sind, muss in ihrer Wesensdefinition von allen stofflichen Substraten abgetrennt sein. Denn wäre sie etwas Stoffliches, so dass ihr Position, Wo, Haben und Zeit von je bestimmter Art eigneten, könnte der Intellekt sie nicht von [vielen] Menschen prädizieren, die sich in ihren Dispositionen von dieser [ihrer hypothetischen] Disposition unterscheiden. Dass der Intellekt sie wahrheitsgemäß von diesen prädizieren kann, erfordert, dass sie an sich von dem stofflichen Substrat und seinen [akzidentellen] Beimischungen abgetrennt ist. Das Bedingte ist erwiesen, folglich muss das Bedingende als 45
Ms. A liest צalayhimĂ statt צalayhĂ, also: “da die [göttliche] Vorsehung beides [i.e. Möglichkeit und Gutsein] umfasst“.
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erwiesen gelten. Der abgetrennte partizipierte Mensch nun vergeht nicht mit der Vergänglichkeit der Sinnendinge. Folglich ist die Existenz eines von allen stofflichen Akzidenzien abgetrennten, von allen Menschen partizipierten, ewigen Menschen erwiesen, was zu beweisen war. Hiergegen wird [Folgendes] angeführt: Der Mensch ist einer in dem Sinne, dass er in demselben Verhältnis zu allen individuellen Menschen steht, [dies] jedoch [derart, dass] alle [individuellen Menschen] hinsichtlich der Entstehung der abgetrennten Bedeutung von [‚Menschì] in der Seele gleich sind. [Er ist] nicht [einer] im Sinne der numerischen Einheit, denn das numerische Eine kann nicht in den voneinander verschiedenen Vielen existieren. Andernfalls folgte aus seiner Existenz in ihnen, dass das numerische Eine zu ein und demselben Zeitpunkt durch ihre voneinander verschiedenen Eigenschaften charakterisiert wäre, so dass zwei voneinander verschiedene Wesenheiten eine einzige Wesenheit bilden und voneinander verschiedene Dinge nicht verschieden sein müssten, was in sich widersprüchlich ist. Seine Einheit in der [oben] erwähnten Bedeutung schließt zwar nicht aus, dass die voneinander verschiedenen Vielen an ihm partizipieren. Doch folgt trotz der Existenz [dieser Einheit] und der Partizipation [an ihr] nicht, dass sie extramental als ein individuelles Eines abgetrennt von allen stofflichen Substraten und deren [akzidentellen] Beimischungen existiert. Der erwähnte Beweis ist also ohne [gültigen] Schluss. Diesem Einwand ist [Folgendes] zu entgegnen: In diesem Einwand erklärt „der Meister“ [Ibn SÁn] die Einheit des Menschen genauso wie er die Universalität der intelligiblen Form des [Menschen] und deren Entsprechung mit den Individuen erklärt. Die semantische Gleichsetzung [dieser] drei [Dinge] ist aber offensichtlich abwegig. Vielmehr ist doch die Einheit des Menschen und anderer Intelligibilia eine intelligible [Einheit]. Das, was durch eine intelligible Einheit Eines ist, kann zugleich durch Gegensätze beschrieben werden, denn der simultanen Beschreibung durch [Gegensätze] entzieht sich nur das, was durch eine sinnliche, imaginative oder durch die Vorstellung erzeugte Einheit Eines ist. Die [(i)] intelligible Einheit einer Sache, die zudem [(ii)] extramental existiert und [(iii)] an der [anderes] partizipiert, erfordert aber, dass [sie] als etwas, das durch die intelligible Einheit ein individuelles 22 Eines ist, abgetrennt von den Individuen und deren stofflichen Substraten [und] nicht deren Vergänglichkeit unterworfen [und] ewig a parte ante und a parte post extramental existiert. Alle drei Bedingungen sind gegeben, also muss das [sie] Bedingende existieren, was zu beweisen war. Du könntest nun [Folgendes] einwenden: Was bedeutet dann aber ‚Einheit des Menschenì ? Ist seine Bedeutung das, wodurch der Mensch sich gegenüber anderen Quidditäten auszeichnet, so wäre die Einheit dasselbe wie die Spezifikation der Art. Und ist seine Bedeutung die Vereinigung der von
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den menschlichen Individuen auf die Seele [ausgeübten sinnlichen] Einwirkung mit der intelligiblen Form des [Menschen], so wäre sie dasselbe wie die Entsprechung [zwischen diesen]. Ist seine Bedeutung aber etwas, das 46 sich der Bildung des [formalen] Begriffs und der Partizipation an ihm entzieht, so wäre [die Einheit] dasselbe wie das reale Partikulare. Ebenso, wenn es bedeutet, dass der individuelle [Mensch] einer ist oder dass 47 seine Zahl eins ist. Auch dann wäre [die Einheit] dasselbe wie das reale Partikulare. [Dazu] sage ich: [‚Einheit des Menschenì] bedeutet etwas anderes, nämlich, dass [‚Menschì] nicht actualiter in zwei [oder mehr] Teile teilbar ist, sondern entweder überhaupt keine Teile hat oder Teile hat, die so zusammengefügt sind, dass sie ein Ganzes bilden. „Der Meister“ [Ibn SÁn] hat nicht zwischen dem numerischen Einen und dem individuellen Einen unterschieden. In Wahrheit besteht aber ein Unterschied zwischen ihnen, denn das individuelle Eine ist das, was als Individuum eines ist, also das eine Individuum. Dies ist also nichts als ein Individuum. Das numerische Eine [hingegen] ist das, was der Zahl nach eines ist, i. e., wenn es ein Individuum ist, ist es ein Individuum, und wenn es eine Quiddität ist, ist es eine Quiddität. Dies ist also umfassender als das individuelle Eine, wenn man, der [üblichen] Terminologie entsprechend, mit ‚Individuumì das reale Partikulare meint. Demzufolge ist die Natur des Menschen numerisch eine, nicht aber individuell eine. Wenn Du aber fragst, wie denn die Quiddität des Menschen numerisch eine sein kann angesichts der Vielzahl der Menschen, so antworte ich: Das, was der Zahl nach ein Vieles ist, sind die Particularia von ‚Menschì, nicht der Mensch selbst, denn der Mensch an sich ist der Zahl nach eines, nichts anderes. Du könntest nun [Folgendes] fragen: Der Mensch kann nicht zugleich separat von seinen Individuen und deren stofflichen Substraten sein und univok von den [Individuen] prädiziert werden. Oder er wird [doch] in dieser [Weise] von ihnen prädiziert, müsste dann aber in ihnen allen zusammen existieren. Aber wie kann er zugleich separat von ihnen sein und in ihnen existieren 48 ? Ich antworte [hierauf so]: Dass aus [dem Umstand], dass [‚Menschì] univok von den [individuellen Menschen] prädiziert wird, folgte, dass er in diesen und in deren stofflichen Substraten als etwas der Materie Inhärentes existiert, liegt nicht im Bereich des Möglichen. Denn dass er in ihnen existiert, bedeutet nichts anderes als dass er von ihnen prädiziert wird oder seine Intelligibilität in der Intelligibilität der [Individuen] enthalten ist. 46
47 48
Ich lese, in Analogie zu den vorangehenden Sätzen, in kĂna maצnĂhĂ mĂ anstelle von in kĂna maצnĂhĂ der Edition. Aw anna, wie in ms. A überliefert, ist wa-anna der Edition vorzuziehen. Zu lesen ist entweder lahum ... fĮhim oder lahĂ ... fĮhĂ anstelle von lahumĂ ... fĮhimĂ der Edition.
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Keine der beiden [Alternativen] zwingt zu [der Annahme], dass er den stofflichen Substraten der [Individuen] inhäriert. Es könnte jemand [Folgendes] einwenden: Wie [ist es möglich, dass] der Mensch [an sich] nicht die Eigenschaften der individuellen stofflichen Menschen hat, jedes einzelne [Individuum] aber mitsamt seinen individuellen Eigenschaften in demselben Sinne [Mensch] ist? Darauf antworten wir [so]: Nichts spricht dagegen, dass die Verbindung des Menschen mit jenen Eigenschaften nach Art der Verbindung der Seele mit dem Körper bei der Entstehung des Menschen aus der Seele und dem Körper ist. [Hierbei handelt es sich] weder [um] eine Verbindung von zwei Inhärenzien in etwas Drittem noch um eine Verbindung von einem Subjekt und einem Objekt der Inhärenz. Oder wir sagen [Folgendes]: Die Beschreibung des Menschen [an sich] durch Akzidenzien, die individuell [zum Beispiel] in Zayd [auftreten], erfolgt nur auf eine universale Art und Weise. Die Einschränkung des Universalen durch etwas Universales verleiht [ihm] aber nicht die [Eigenschaft der] Partikularität. Oder [wir sagen:] Er wird durch diese [individuellen Akzidenzien] nur hinsichtlich seiner Particularia beschrieben, nicht [hinsichtlich] seines Wesens. Also ergibt sich nicht das von euch erwähnte [Problem]. Des Weiteren wird gegen diesen [Ansatz] eingewendet, dass er auf [der Annahme] basiere, dass der Mensch qua Mensch entweder als Einheit oder als Vielheit zu beschreiben sei, weil der Nachweis der Einheit des Menschen im Sinne des „natürlichen Universalen“ dadurch [erbracht wird], dass wir sagen 49 , der Mensch qua Mensch muss entweder eines oder vieles sein. Aber der Mensch qua Mensch ist [niemals] vieles, vielmehr ist der Mensch qua Mensch [stets] eines. Dies ist es, worauf [der Beweis] an dieser Stelle gehen müsste. Dieser Einwand ist ebenfalls nichtig, denn der [betreffende] Beweis ist nicht auf [das Argument] angewiesen, dass der Mensch qua Mensch eines ist, sondern darauf, dass er absolut eines ist, unabhängig davon, ob er in der genannten Hinsicht oder in einer anderen Hinsicht eines ist. Das Wissen hiervon ist aber elementar, mehr noch, selbst wenn es spekulativ wäre, basiert der Beweis dennoch nicht auf [der Annahme], dass der Mensch in der erwähnten 24 Hinsicht entweder als Einheit oder als Vielheit beschrieben werden muss, sondern auf [der Annahme], dass er als Ganzes mit einem der beiden beschrieben werden muss, unabhängig davon, ob er in jener oder in einer anderen Hinsicht beschrieben wird. Die Aussage, dass der Mensch als Ganzes eines ist, wird [aber] nicht durch den erwähnten Syllogismus bestätigt, sondern 49
Zu lesen ist, mit mss. A, L und T, bi-qawlinĂ anstelle von fa-qawlunĂ der Edition (offenbar ohne Evidenz in den anderen Handschriften).
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durch die Feststellung, dass der Mensch entweder eines oder vieles sein muss, jedoch nicht vieles ist, folglich eines sein muss. An der Validität dieser [Feststellung] ist nicht zu zweifeln. Weiter könnte jemand [Folgendes] einwenden: ‚Menschì im Sinne des „natürlichen Universalen“ (also Mensch qua Mensch) ist der Mensch als alleiniger Gegenstand der Betrachtung unter Absehung von [seiner] Verbindung mit irgendeinem der hinzutretenden [Dinge] und [von seiner] Abgetrenntheit von diesen. Von dem so gefassten Betrachtungsgegenstand kann wahrheitsgemäß nur in Bezug auf das geurteilt werden, was ihm wesenhaft eignet, nicht in Bezug auf das, was ihm akzidentell eignet. Einheit und Vielheit gehören aber zu den Akzidenzien des Menschen und anderer Quidditäten. Also ist ‚Menschì im Sinne des „natürlichen Universalen“ nur in der erwähnten Hinsicht eines, während es falsch ist, die Einheit in jener [anderen] Hinsicht von ihm auszusagen, ganz zu schweigen von [der Behauptung], das Wissen von der Validität dieser [Aussage] sei notwendig. Der Nachweis ihrer Validität basiert auf einer falschen disjunktiven [Proposition], nicht auf einer wahren. Darauf antworten wir [so]: Etwas als „natürliches Universale“ zu betrachten, setzt lediglich voraus, dass die Betrachtung von den extrinsischen hinzutretenden [Dingen] abstrahiert, nicht aber, dass [sie] von der Betrachtung aller hinzutretenden [Dinge] bis hin zu den Konkomitanten der Quiddität [abstrahiert]. Denn seine Betrachtung erfordert notwendig deren Betrachtung. Die Betrachtung des [„natürlichen Universalen“] darf also nicht hiervon absehen, da das Bedingte nicht ohne die Existenz des Bedingenden existieren kann. Die Einheit aber, von der [hier] die Rede ist (also die intelligible Einheit), ist nichts weniger als eines der Konstituenzien der Einheit der [Quiddität] oder einer der quidditativen Konkomitanten des [einen „natürlichen Universalen“]. Denn nichts, was eines ist, kann ohne die Existenz der Einheit existieren, gleich ob es sich dabei um ein intelligibles Eines mit einer intelligiblen Einheit oder um ein sinnliches [Eines] mit einer sinnlichen Einheit handelt. Außerdem ergibt sich notwendig aus der besagten Feststellung „des Meisters“ [Ibn SÁn], der zufolge es falsch sei, die Einheit von dem Menschen im Sinne 50 des „natürlichen Universalen“ auszusagen, weil diese [von außen] zu ihm hinzutrete und extrinsisch sei, dass es [auch] falsch wäre, das Sein von ihm auszusagen. Denn [auch] das Sein tritt zu ihm hinzu und ist extrinsisch. Damit widerspricht er dem, was er über das „natürliche Universale“ geschrieben hat, [nämlich,] dass es extramental existiere, wie zum Beispiel der Mensch oder etwas anderes im Sinne des „natürlichen Universalen“. So, wie trotz [des 50
Bi-maצnĂ, wie in ms. A überliefert, ist li-maצnĂ der Edition vorzuziehen.
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Umstands, dass] das [Sein] zu dem Menschen im Sinne des „natürlichen Universalen“ [von außen] hinzutritt, wahrheitsgemäß von ihm ausgesagt wird, dass er existiert, weil ihm dies nicht zugesprochen wird, insofern er Mensch ist, [so] kann [auch] die Einheit, obwohl sie [von außen] hinzutritt, wahrheitsgemäß von ihm ausgesagt werden, weil sie ihm nicht zugesprochen wird, insofern er Mensch ist. Du könntest nun [Folgendes] entgegnen: „Der Meister“ [Ibn SÁn] hat nicht gesagt, dass wir in einer gewissen Weise die Einheit von dem Menschen aussagen können und [nur] diese [oben erörterte] Aussage wegen der Extrinsität der [Einheit] in Bezug auf die Quiddität des [Menschen] falsch sei. Was er gesagt hat, ist vielmehr, dass wir wegen der Extrinsität der [Einheit] in Bezug auf die Quiddität des [Menschen] die [Einheit überhaupt] nicht von ihm aussagen können. Ich antworte [wie folgt]: Dann hätte er [auch] sagen müssen, dass es nicht möglich ist, das Sein wegen seiner Extrinsität in Bezug auf die Quiddität von dem Menschen auszusagen, was er aber nicht behauptet hat. Man möge [freilich] nicht [Folgendes] behaupten: Die besagte Feststellung „des Meisters“ [Ibn SÁn] zwingt zu [der Annahme], dass die Quiddität unter der Bedingung der Universalität nach Art der von [allem] Hinzutretenden abgetrennten Quiddität ist und als solche nur im Geist zu finden ist, nicht im Einzelding, wie er explizit erklärt. Dies widerspricht aber seiner Äußerung, dass sie unter der Bedingung der Universalität Teil des extramental existierenden Partikularen sei. Denn [hierauf] entgegneten wir [Folgendes]: Die Bedingung der Universalität bedeutet hier die Abgetrenntheit der [Quiddität] von [allem] Hinzutretenden in Bezug auf die Sache an sich. Hingegen bedeutet sie in seiner Feststellung, der zufolge die Quiddität unter der Bedingung der Universalität Teil des extramental existierenden Partikularen sei, dass die [Quiddität] nicht durch die hinzutretenden [Dinge] konstituiert wird, während durch diese die Begriffe von den Particularia der [Quiddität] konstituiert werden. Damit ist der vorgebrachte [Einwand] entkräftet. Außerdem [ist Folgendes anzuführen]: Der Mensch im Sinne des „natürlichen Universalen“ ist der Mensch. [Er ist] nicht der Mensch qua Gegenstand der Betrachtung, die von den zu ihm hinzutretenden Dingen absieht. In diesem Fall könnte er nicht ein „natürliches Universale“ sein, sondern unterläge Beschränkungen. Wenn dem so ist, kann der Mensch im Sinne des „natürlichen Universalen“ nicht in der Hinsicht zum Gegenstand einer Aussage gemacht werden, dass er Teil des Gegenstands der Aussage ist. Es folgt also nicht notwendig, dass das Urteil [über den Menschen im Sinne des „natürlichen Universalen“] von der Art [eines Urteils über die Quiddität qua
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Teil des extramentalen Partikularen] ist. Aus diesem Grunde ist es richtig, das Sein 51 von dem Menschen im Sinne des „natürlichen Universalen“ auszusagen. Diese Aussage könnte aber nicht richtig sein, wenn bei dem Gegenstand der Aussage, der ein „natürliches Universale“ ist, [jene] Hinsicht notwendig mitzudenken wäre. Der Mensch ist also ein partizipiertes Eines. Jedes Seiende, das eines [und] partizipiert ist, existiert abgetrennt. Der Mensch ist also ein abgetrenntes Seiendes, was zu beweisen war. Weiter könnte jemand [Folgendes] einwenden: Partizipierten die [sinnlichen Individuen] extramental an dem Menschen, so folgte notwendig aus seiner extramentalen Existenz und seiner Einheit und [aus] der Partizipation der sinnlichen [extramental] existierenden Individuen an ihm, dass er abgetrennt in [der extramentalen Welt] existierte. Aber wenn ihm die Universalität lediglich im Intellekt akzediert, so folgt aus der Gesamtheit [dieser] drei Eigenschaften durchaus nicht, dass er abgetrennt extramental [existiert], sondern [lediglich] seine Abgetrenntheit im Intellekt. Dass die [Individuen] extramental an ihm partizipieren, ist unmöglich, weil der Partizipation die Eigentümlichkeit zugeschrieben werden kann, im Intellekt zu existieren. Auf diese Eigentümlichkeit lässt [der Umstand] schließen, dass die Partizipation in der Prädikation [des Partizipierten] von einer Vielheit [von Partizipanten] besteht. Prädikabilität kommt ja der Quiddität nur unter der Bedingung ihrer Existenz im Intellekt zu. Die Partizipation des Menschen durch seine Individuen haftet ihm also nur im Geist an, nicht im [extramentalen] Einzelding. Außerdem unterliegt deren Partizipation an ihm der absoluten Bedingung seiner Abgetrenntheit, indem er [entweder] durch den Intellekt oder durch etwas anderes abstrahiert wird. Was spricht nun aber dagegen, dass seine Abgetrenntheit auf seiner Abstraktion durch den Intellekt, nicht aber auf seiner Abstraktion durch etwas anderes beruht? — Also existiert er nicht extramental als etwas Abgetrenntes, sondern im Intellekt. Darauf antworten wir [so]: Auf beide [Einwände] ist [Folgendes] zu erwidern: Der Intellekt prädiziert das eine extramental Seiende von einer Vielheit und fasst 52 jedes Einzelne einer [Vielheit] trotz seiner Eigentümlichkeit als gleichbedeutend mit diesem auf. [Er tut dies] wahrheitsgemäß nur unter der Bedingung, dass das [eine extramental Seiende] nicht dem inhäriert, dem diese Eigentümlichkeit [des Einzelnen] inhäriert. Denn inhärierte es diesem zusammen mit dieser [Eigentümlichkeit], könnte es nicht zusammen mit [allen] übrigen Eigentümlichkeiten den [Dingen] inhärieren, denen diese [anderen Eigentümlichkeiten] inhärieren, und zugleich ein bestimmtes Eines sein. 51 52
Ich lese mit ms. A al-ͧukm bi-l-wujŧd anstelle von al-ͧukm bi-l-mawjŧd der Edition. Wa-akhdhuhŧ (i.e. akhdhu l-aqli) mss. A und L anstelle von wa-akhdhu der Edition.
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Denn es ist evidenterweise unmöglich, dass ein und dasselbe bestimmte Inhaerens einer Vielzahl von Dingen inhäriert. Weiter könnte jemand [Folgendes] einwenden: Dies wäre nur dann unmöglich, wenn seine Einheit sinnlicher [Natur] wäre. Aber wenn sie intelli27 gibler [Natur] ist, [ist es] nicht [unmöglich]. Darauf antworten wir [so]: Die Einheit des einen extramental existierenden Menschen ist unter der Voraussetzung seiner Inhärenz in den stofflichen Substraten der Individuen [in der Tat] sinnlicher [Natur], da [der eine Mensch] in diesem Fall etwas Stoffliches ist. Wird [aber] behauptet, dass der Mensch nach [Ansicht] „des Meisters“ [Ibn SÁn] den stofflichen Substraten der Menschen inhäriere, ohne zugleich sinnlicher [Natur] zu sein, so erwidern wir: Sinnliche Einheit bedeutet Einheit der Materie oder Einheit dessen, was ihr inhäriert, oder Einheit dessen, was aus ihr zusammengesetzt ist. Jede der drei [Bedeutungen] widersetzt sich der simultanen Attribution von Gegensätzen. Weiter könnte jemand [Folgendes] einwenden: Wie kann der Intellekt den Menschen von der Materie abstrahieren, wenn diese ein Teil von ihm ist? — Wir antworten [folgendermaßen]: Mit dem stofflichen Substrat, von dem der Mensch abgetrennt ist, ist die individuelle Materie gemeint, während die Seele von dieser abgetrennt ist, indem das Ganze aus ihrer Quiddität und seiner, der [Materie] inhärenten, Quiddität (also der Quiddität des individuellen Menschen) [abgetrennt ist]. Man möge nun nicht fragen, weshalb es falsch ist, Einheit und Vielheit in der erwähnten Hinsicht [des Menschen qua „natürliches Universale“] zu affirmieren, und richtig, ihm beide in dieser [Hinsicht] abzusprechen. Denn [dazu] sagen wir [Folgendes]: Die Affirmation der beiden in dieser Hinsicht zu verwerfen ist insofern richtig, als [damit verworfen wird, dass] unsere Aussagen in dieser Hinsicht von [deren] Affirmation abhängen, ohne [zu implizieren, dass sie] von der Negation [abhängen]. Denn die beiden in dieser Hinsicht in dem [Sinne] zu negieren, dass unsere Aussagen in dieser Hinsicht von [ihrer] Negation abhingen, wäre eindeutig falsch. Des Weiteren wird ‚Mensch im Sinne des natürlichen Universalenì entweder wie eine konkrete Sache begriffen, oder es wird nicht [so] begriffen. Wenn es [so] begriffen wird, ist seine Betrachtung nicht von der Betrachtung der extrinsischen, zu ihm hinzutretenden [Dinge] abgetrennt, so dass es kein „natürliches Universale“ mehr ist. Wenn wir also voraussetzen, dass es ein „natürliches Universale“ bleibt 53 , kann es in diesem Fall nur richtig sein, ihm [Einheit und Vielheit] abzusprechen, nicht aber, sie zu affirmieren. Und wenn es nicht [so] 53
BadawÁ zeigt an, dass die beiden letzten Zeilen in den von ihm benutzten Handschriften in margine überliefert sind. In ms. A stehen sie in textu.
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begriffen wird 54 , ist es weder richtig, ihm diese beiden zuzuschreiben, noch [ist es richtig], ihm die beiden abzusprechen. Denn der Intellekt urteilt nur dann affirmativ über beide in Bezug auf den [Menschen im Sinne des „natürlichen Universalen“], wenn er dessen Betrachtung mit der Betrachtung der extrinsischen, zu ihm hinzutretenden [Dinge] verknüpft. Oder wir sagen: Wenn es nicht wie eine [konkrete] Sache begriffen wird, sondern indifferent als kompatibel mit der Einheit und der Vielheit und anderen [Dingen], dann ist die [besagte] Hinsicht nicht mehr Teil des Gegenstands der Aussage. Andernfalls folgte aus dem Rückbezug des Pronomens [‚ihmì] auf den Menschen, dass er wie eine konkrete Sache [begriffen worden] wäre, was der Voraussetzung widerspricht. Somit kann der Intellekt wahrheitsgemäß zu einem affirmativen und zu einem negativen Urteil über die beiden in Bezug auf ihn kommen, ohne dass Affirmation und Negation im Widerspruch [zueinander] stünden, da der Gegenstand der Aussage je unterschiedlich [begriffen wird]. Weiter könnte jemand [Folgendes] einwenden: Die Einheit ist keine Bedingung für irgendeine der Quidditäten, da jede Quiddität von einer Vielheit ausgesagt wird und alles, was von einer Vielheit ausgesagt wird, [sowohl] von dem Einen als auch von den Vielen ausgesagt werden kann. Alles aber, was von beiden ausgesagt werden kann, besitzt die Eigenschaften von Einheit und Vielheit; und alles, was diese beiden Eigenschaften besitzt, bedarf nicht eines der beiden [unter Ausschluss des anderen]. Denn sonst könnte es nicht das andere als Eigenschaft besitzen. Also bedarf nichts von dem, was zur Quiddität gehört, der Einheit. Folglich ist es nicht richtig, von dem Menschen qua Menschen die Einheit auszusagen. Darauf antworten wir [so]: Wir konzedieren nicht, dass das, was [sowohl] von dem Einen als auch von den Vielen ausgesagt werden kann, die Eigenschaften von Einheit und Vielheit besitzt. Vielmehr besitzt dieses an sich nur die Eigenschaft der Einheit, während das, was die Eigenschaft der Vielheit besitzt, seine Particularia sind, nicht dieses selbst. Des Weiteren erwidere ich auf den [Einwand], dass er auf [der Annahme] basiert, dass die Fortdauer der Existenz des Menschen [an sich] die Fortdauer der Existenz des einen Menschen voraussetzt, was aber nur zutreffen würde, wenn der Mensch [an sich] und der eine Mensch dasselbe wären, was nicht der Fall ist. Vielmehr ist der Mensch an sich allgemeiner als der eine Mensch; und die Fortdauer der Existenz des Allgemeinen setzt nicht die Fortdauer der Existenz des Speziellen voraus. Außerdem ist der [Einwand] nichtig, weil die Einheit der Quiddität, also die intelligible Einheit, Bedingung des Menschen ist und [die Existenz] 54
Ich lese, wie im vorangehenden und im folgenden Satz durch die Handschriften bestätigt, wa-in lam yuץkhadh anstelle von wa-in lam yŧjad der Edition.
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des Bedingten 55 voraussetzt, dass das Bedingte und das Bedingende zusammen sind. Dritter Ansatz: Das Lebewesen qua Lebewesen existiert nicht in den Individuen, denn in den Individuen existiert ein gewisses Lebewesen, nicht das 29 Lebewesen qua Lebewesen. Da nun das Lebewesen qua Lebewesen etwas Seiendes ist, muss es separat von den Individuen sein. Also ist es abgetrennt von allen stofflichen Substraten. Wir sagen also: Das, was in den Individuen existiert, ist ein gewisses Lebewesen, nicht das Lebewesen qua Lebewesen. Denn existierte das Lebewesen qua Lebewesen als etwas diesem Individuellen Eignendes, müsste es diesem entweder eigentümlich oder nicht eigentümlich sein. Ist es ihm nun eigentümlich, kann das Lebewesen qua Lebewesen nicht [dasselbe] sein [wie] das in dem [Individuellen] existierende Lebewesen, ist doch das in diesem existierende Lebewesen ein gewisses Lebewesen. Ist es ihm aber nicht eigentümlich, so müsste es ein numerisch Eines und Selbiges sein [und zugleich] in einer Vielheit existieren, was unmöglich ist. Dieser Ansatz, den [sich] einige Zeitgenossen „des Meisters“ [Ibn SÁn zueigen machten], wird [von Ibn SÁn] in der Weise einer philosophisch nicht haltbaren [These] präsentiert, nicht derart, dass dadurch die Existenz von Urbildern aufzuweisen wäre 56 . Der [Ansatz] lässt darauf schließen, dass die [Urbilder] in der von uns bestätigten Weise existieren, aber „der Meister“ [Ibn SÁn] erwähnt ihn nur en passant. Hiergegen wird [Folgendes] vorgebracht: Dieser [Ansatz] basiert auf [der Annahme, dass] in diesem [konkreten] extramental existierenden Lebewesen ein gewisses Lebewesen existieren müsse, weil in ihm nicht das Lebewesen im Sinne eines „natürlichen Universalen“ existierte. Diese [Annahme] ist aber nicht zulässig, da es möglich ist, dass beide in ihm existieren, so wie das [gewisse] Weiße und die Weiße [an sich] zusammen in ein und demselben Substrat existieren. „Lebewesen“ und „ein gewisses Lebewesen“ unterscheiden sich wie der Gattungsname und das indeterminierte Nomen, also derart, dass das erste gleichbedeutend mit der Quiddität ist, ohne ein [partikulares] Etwas vorauszusetzen, während das zweite nicht mit ebendieser, sondern mit dieser [nur] zusammen mit einer gewissen Einheit [gleichbedeutend] ist. Wenn dem aber so ist, dann schließt [der Umstand,] dass ein gewisses Lebewesen in dem individuellen extramentalen Lebewesen existiert, nicht aus, dass das Lebewesen in ihm im Sinne eines „natürlichen Universalen“ existiert 57 , sondern bestätigt dies [gerade]. 55 56 57
Ich lese wa-l-malzŧm mit den Handschriften A, L und Y anstelle von wa-l-insĂn der übrigen Handschriften. Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. Al-IlĂhiyyĂt, p. 200-203. Ich lese mit ms. A wujŧda l-ͧayawĂni anstelle von al-ͧayawĂna der Edition (p. 29, l. 15).
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Dieser Einwand ist aber unsinnig, denn wir haben nicht deshalb die Existenz des Lebewesens in diesem [konkreten] extramental existierenden Lebewesen ausgeschlossen, weil ein gewisses Lebewesen in ihm existiert, sondern deshalb, weil seine Existenz in ihm [entweder] den Eigentümlichkeiten oder den allgemeinen [Eigenschaften] zuzuordnen wäre, beide Forderungen aber unhaltbar sind. Des Weiteren wird gegen diesen [Ansatz Folgendes] vorgebracht: Dieser [Ansatz] basiert auf [der Annahme, dass] das Lebewesen, insofern es Lebewesen ist, durch Eigentümlichkeiten oder durch allgemeine [Eigenschaften] gekennzeichnet sein muss. Auch dieser Einwand ist unsinnig, denn es ist nicht zwingend, dass die Kennzeichnung des „natürlichen Universalen“ durch irgendetwas eine Kennzeichnung in der genannten Hinsicht sei. Die Existenz 58 [von Eigentümlichkeiten oder allgemeinen Eigenschaften] von einem „natürlichen Universale“ zu behaupten, wie oben geschehen, ist also nicht zutreffend. Des Weiteren wird gegen diesen [Ansatz Folgendes] vorgebracht: Nehmen wir an, dass das Lebewesen separat existiert! Ein solches separates Lebewesen könnte doch nicht von diesen sinnlichen Lebewesen prädiziert werden, da das Abgetrennte nicht univok von dem Materiellen prädiziert wird, das von diesen [sinnlichen] Lebewesen prädizierte Lebewesen also nicht abgetrennt sein kann. Wenn aber die Prädikation des Separaten von der Vielheit ausgeschlossen ist, kann es nicht richtig sein, aus der [Prädikation von der Vielheit] auf dieses [Separate] zu schließen. Als Teil einer solchen [Prädikation] ist die Quiddität also nicht [etwas, das] extramental durch sich subsistiert [und] von ihren individuellen [Instantiierungen] abgetrennt [ist], wie [irrtümlich] angenommen wird. Dieser Einwand ist ebenfalls unsinnig, denn wir geben nicht zu, dass das Abgetrennte nicht univok von dem Körperlichen prädiziert werden könne. Diese [Behauptung] bildet aber den Ausgangspunkt des Problems; wie kann man sie also zur Prämisse eines Beweises ebendieser [Behauptung] machen? Das ist doch nichts anderes als eine Petitio principii! Es könnte nun jemand [Folgendes] einwenden: Eine Prädikation, also die Proposition „X ist Y“ in dem Sinne, dass eine Sache „X“ identisch mit „Y“ ist, setzt die Einheit von Subjekt und Objekt der Prädikation hinsichtlich Wesen, Sein und Gestalt voraus. Das Abgetrennte und das Körperliche können aber nicht ein und dasselbe Wesen sein, das eine Existenz und eine Gestalt hat. Folglich ist es unmöglich, das eine von dem anderen [univok] zu prädizieren. Also kann das separate Lebewesen nicht von den sinnlichen Lebewesen prädiziert werden. 58
Bi-l-wujŧd in der Edition BadawÁs und ms. A. Möglicherweise ist bi-l-wujŧb („die Notwendigkeit“) zu lesen.
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[Denen, die so argumentieren,] antworten wir: „Der Meister“ [Ibn SÁn] sagt, dass die Prädikation des Universalen von seinen Particularia als univoke Prädikation aufgefasst werden kann, die er [übrigens] genauso erklärt wie ihr. Er führt an, dass beispielsweise das Universale „Mensch“ zutreffend von jedem einzelnen Individuum qua [Mensch] prädiziert werden könne. [Allerdings] sagt er [auch], dass dies nur unter der Bedingung zutreffe, dass der [universale Mensch] im Intellekt existiere und das Universale actualiter die intelligible Form des [Menschen], nicht aber der [Mensch] selbst sei. Er zeigt dies im [KitĂb] al-ShifĂ ץmit folgenden Worten an: „Das, was von ,Mensch‘ in 31 der Seele Gegenstand des Denkens ist, das ist etwas Universales“ 59 . Und [er erklärt], dass 60 die Universalität der [intelligiblen Form] darin besteht, dass sie einer Vielheit entspricht, [und zwar] derart, dass jedes Einzel[ding] dieser Vielheit, sofern im Intellekt von seinen materiellen Individuationsprinzipien abgesehen wird, eben diese intelligible Form ist, während letztere das Einzelne [selbst] ist, sofern sie durch die materiellen Individuationsprinzipien des [Einzelnen] individuiert extramental existiert 61 . [Ibn SÁn] macht [also] deutlich, dass Universalität in der Entsprechung des Universalen mit den Particularia und Prädikation (in dem oben genannten Sinne) in der Entsprechung von Subjekt und Objekt der Prädikation bestehen. [Nimm] zum Beispiel die Aussage „Zayd ist des Gehens fähig“. Begreift man ,Zayd‘ hier als von seinem materiellen Individuationsprinzip abgetrennt, bedeutet diese [Aussage], dass ,Zayd‘ und ,der des Gehens Fähige‘ dasselbe sind. Und begreift man ,der des Gehens Fähige‘ als etwas in der Materie des Zayd Existierendes, ist das Einzelne [selbst] gemeint. So, wie die mentale Form den einzelnen Individuen entspricht, in diesem Sinne gilt [auch], dass das extramental Existierende [und als] Abgetrenntes [Begriffene] den materiellen extramentalen Individuen entspricht. [Ibn SÁns] Feststellung, dass das Abgetrennte von dem Körperlichen prädiziert wird, ist also korrekt. Wie könnte dies hier geleugnet werden? Es könnte nun jemand [Folgendes] einwenden: [Aber] wie können das Abgetrennte und das Körperliche hinsichtlich des Seins eines sein? [Dazu] erklären wir: Subjekt und Objekt der Prädikation müssen hinsichtlich des Seins nur insofern eines sein, als sie hinsichtlich des Wesens koinzidieren. Letzteres aber ist im vorliegenden Fall abgetrennt. Das Körperliche bedeutet also trotz seines materiellen Individuationsprinzips im Intellekt 59 60
61
Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. Al-IlĂhiyyĂt, p. 209, l. 6. Ich lese wa-anna (in Abhängigkeit von dhakara, p. 30, l. 17) anstelle von wa-inna der Edition. Ich lese mit ms. A wa-law ͧaΥalat tilka l-Υŧratu l-צaqliyyatu fĮ l-khĂrij... anstelle von wa-law wujidat fĮ l-khĂrij... der Edition.
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dasselbe wie dieses [Abgetrennte]. Das Körperliche und das Abgetrennte sind also Seiendes durch ein und dasselbe Sein, nämlich das Sein des Abgetrennten. Hingegen besteht keine Notwendigkeit, dass sie hinsichtlich des Seins [auch] insofern koinzidieren, als sie voneinander verschieden sind — im vorliegenden Fall nämlich [durch] die individuellen körperlichen Akzidenzien, die dem Körperlichen zukommen, dem Abgetrennten aber nicht. Vielmehr müssen sie sich in dieser Hinsicht unterscheiden. Wahres Seiendes besteht also in den intelligiblen Quidditäten. [Das Sein] der Individuen hingegen ist Gegenstand von Vorstellungen und Imaginationen, [abgeleitet] aus deren Gemeinsamkeiten bei verschiedenartigen Verhältnissen und Relationen. Man möge [nun] nicht [das Folgende] behaupten: Selbst wenn aus der Prädikation von ,Mensch‘ von einer Vielheit lediglich folgt, dass [,Mensch‘] Seiendes im Intellekt ist, nicht aber extramental [Seiendes], so bezieht der Intellekt [,Mensch‘] doch auf ebendiese beiden, nicht auf die Begriffe von den beiden. Andernfalls wäre jede Prädikation unwahr. Wenn aber der Mensch selbst, nicht dessen intellektuale Form, prädiziert wird, folgt aus den Worten „des Meisters“ [Ibn SÁn] nicht, dass das Abgetrennte von dem Körperlichen prädiziert wird. Denn [hierauf] antworten wir [so]: Wir konzedieren, dass [aus der obigen Behauptung] folgt, dass die Prädikation im gegebenen [Fall] unwahr wäre. Dies ist jedoch nicht [deshalb] so, weil die Prädikation des Abgetrennten von dem Körperlichen unwahr wäre, sondern aus [dem Grunde], dass in dem vorliegenden [Fall] Subjekt und Objekt der Prädikation hinsichtlich des Wesens nicht eines sind. So, wie die Prädikation für ,Mensch‘ im Intellekt ausschließlich im Zustand seines Abgetrenntseins gilt, so gilt sie für [,Mensch‘] in seiner extramentalen [Existenz] ausschließlich im Zustand seiner [begrifflichen] Separation. Weiter könnte jemand [Folgendes] einwenden: Die Quiddität wird von dem Individuum nur in unbedingter Weise prädiziert. Sie kann von ihm nicht unter der Bedingung der Universalität prädiziert werden. Wenn also der Mensch in seiner extramentalen [Existenz] separierbar ist, wird er von ,Zayd‘ nur prädiziert, [sofern dies] dem Wissen von seiner Abtrennbarkeit vorgängig ist. Sobald diese Gegenstand des Wissens geworden ist, kann er nicht [mehr] von ihm prädiziert werden. Für diejenigen, die die [Existenz Platonischer] Urbilder lehren, ergibt sich also die Konsequenz, dass sie von keinem der Individuen der [Urbilder] die Quiddität prädizieren [können], da sie von deren separater [Existenz immer] schon wissen. Wir antworten: So, wie wir von Wissenden oder Unwissenden in Bezug auf das mentale Abgetrenntsein einer [Sache] sprechen, obwohl Wissen und Unwissen für den Wahrheitsgehalt einer Prädikation ohne Belang sind, so sprechen wir [auch] von Wissenden oder Unwissenden in Bezug auf das
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extramentale Abgetrenntsein einer [Sache], obwohl beide für den [Wahrheitsgehalt der darauf bezogenen Prädikation] ebenso ohne Belang sind. Es möge aber niemand [das Folgende] behaupten: Die Universalität von ,Mensch‘ ist verschieden von der Universalität der intellektualen Form von [,Mensch‘], da die Universalität von ,Mensch‘ darin besteht, dass [,Mensch‘] korrekt und univok von der Vielheit prädiziert werden kann, während die Universalität seiner intellektualen Form darin besteht, in dem genannten Sinne mit seinen extramentalen Individuen überein zu stimmen. Der Intellekt bezieht lediglich die Prädikation auf beide, den Menschen selbst und die Vielheit selbst, obwohl [,Mensch‘] actualiter nur in den Begriffen von diesen beiden vorliegt. Denn dem universalen Menschsein kann die Universalität derart zukommen, dass sie konstitutiv [für es] ist und ihm in beiden Bedeutungen anhaftet. Die Universalität haftet ihm aber nur in Bezug auf die in den Intellekten existierenden Formen von [Menschsein] an, nicht in Bezug auf die konkret existierenden Menschen. Denn die Universalität, die auf die [konkret existierenden Menschen] bezogen ist, ist ein Konstituens, nicht ein Konkomitant des [Menschseins]. Beispielsweise ist das universale Menschsein, welches im Intellekt von Zayd ist, insofern es eine durch die Individuation seiner partikularen Seele individuierte, eine Form 62 ist, etwas Partikulares. 33 Insofern es jedem einzelnen Menschen entspricht, ist es hingegen universal. Aber diese Universalität ist ein Teil von ihr, nicht ihr Akzidens; denn Akzidens ist sie nur für den Menschen an sich. Jenes „Entsprechen“ nun bedeutet [nichts anderes als] die Partizipation der Menschen an ihm; und [dieses] Partizipieren ist konstitutiv für es, nicht sein Konkomitant. Denn als Akzidens kommt die Partizipation nur dem intellektualen Menschen an sich zu, nicht aber dem intellektualen Menschen, der im Intellekt Zayds ist. In Bezug auf die in den Seelen existierende Form des intellektualen Menschen ist der [intellektuale Mensch] ein „natürliches Universale“. Universalität ist also nur insofern ein Konkomitant von etwas, als dieses ein „natürliches Universale“ ist, und sie ist dessen Konstituens nur, insofern es ein „intellektuales Universale“ ist. Dass sich die Universalität auf beide, die akzidentelle und die konstitutive Universalität 63 erstreckt, ist ein begriffliches [Phänomen], nicht in den Signifikaten [selbst begründet]. Das „Entsprechen“ ist konstitutive Universalität, nicht konkomitante Universalität; und die univoke Prädikation betrifft nur die akzidentelle Universalität, nicht die wesenhafte Universalität. „Der Meister“ [Ibn SÁn] aber leugnet die akzidentelle Universalität und die [uni62
Ich lese mit ms. A Υŧratun wĂͧidatun mutashakhkhaΥatun anstelle von Υŧratun wĂͧidatun mutashakhkhiΥuhŧ der Edition.
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Ich lese mit mss. A, L und Y al-kulliyyatayn anstelle von al-kulliyĂt der Edition.
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versale] Prädikation von 64 dem, was [sich] hinsichtlich des [mit der Materie] Verbundenen [wie] Separates [verhält], und bestätigt [nur] die konstitutive Universalität, die in der Entsprechung mit dem besteht, was [sich] hinsichtlich des [mit der Materie] Verbundenen [wie] Separates [verhält], obwohl [ersteres] zweifellos richtig ist. Denn [hierauf] entgegnen wir [so]: Verhielte die Sache sich wie von euch beschrieben, wäre es [in der Tat] nicht richtig, die Akzidentalität der Universalität des „natürlichen [Universalen]“ im Zustand seiner Existenz im Intellekt als ein „Entsprechen“ von dem, was von ihr in ihm existiert, und seinen extramentalen Individuen aufzufassen. Aber die Lehre des [Ibn SÁn] besagt [nicht dies, sondern] eindeutig [das Folgende]: Die Universalität von ,Mensch‘ ist die Universalität seiner intellektualen Form; und deren Universalität ist nichts anderes als das „Entsprechen“ in einer der beiden genannten Bedeutungen. Es sei denn, es wollte jemand behaupten, er habe zwar die Universalität von ,Mensch‘ als die Universalität seiner [intellektualen] Form aufgefasst, letztere [aber] als das „Entsprechen“ mit dem Begriff, nicht mit der Erkenntnis der [extramentalen] Realität, [gedeutet]. Und er wollte weiter behaupten, dass das „Entsprechen“ Ursache der Universalität, nicht diese selbst sei, weil ,Mensch‘ nicht universal sei, wenn es kein „Entsprechen“ gibt. [In diesem Fall] bleibt aber [Ibn SÁns] Lehre unversehrt von der [obigen] Kritik. Aber wir sollten noch einmal auf den Ausgangspunkt zurückgehen! Wir sagen: Warum sollte es nicht möglich sein, dass die individuelle Abtrennbarkeit ebenso wie die intellektuale [Abtrennbarkeit] die Prädikation von einer Vielheit nicht ausschließt? Sage nicht, die individuelle Abtrennbarkeit lasse dies nicht zu, weil sie den Menschen an sich dem separaten Menschen gleichsetze, während die intellektuale Abtrennbarkeit dies nicht tue, weshalb die beiden zu unterscheiden seien! Wir sagen nämlich: Die individuelle Abtrennbarkeit erfordert lediglich deren Gleichheit in der Erkenntnis der [extramentalen] Realität, nicht [hinsichtlich] des Wahrheitsgehalts, denn der Mensch an sich ist hinsichtlich des Wahrheitsgehalts umfassender als der [aus der konkreten Erkenntnis] abgetrennte Mensch, selbst dann, wenn wir die Existenz [Platonischer] Urbilder annehmen. Denn es ist beispielsweise sehr wohl richtig, zu sagen „Zayd ist ein Mensch“, aber [es ist] nicht [richtig, zu sagen „Zayd ist] ein abgetrennter Mensch“. Dass es sich [dabei] in Relation zu dem umfassenden Wahrheitsgehalt notwendig um einen Spezialfall hinsichtlich der Existenz handelt, tut dem Wahrheitsgehalt der Prädikation von [,Mensch‘] in Bezug auf die übrigen [Fälle] keinen Abbruch. 64
Zu lesen ist vermutlich צalĂ anstelle von צan der Edition.
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Man behaupte [aber] nicht, der von Zayd prädizierte Mensch sei der Mensch im Sinne einer seiner individuellen Instantiierungen, nicht der Mensch an sich, da es nur richtig sei, zu sagen „Zayd ist ein Mensch“, aber nicht, „Zayd ist der Mensch“. Andernfalls werde der Mensch auf Zayd reduziert, was unsinnig sei. Denn [hierauf] antworten wir [so]: Der bestimmte Artikel in „der Mensch“ dient der Determination der [extramentalen] Wirklichkeit. Ihn zu setzen ist das Gleiche wie ihn fortzulassen, da das [determinierte Nomen] fast das Gleiche ist wie das indeterminierte. Zu sagen „Zayd ist der Mensch“ bedeutet [dasselbe wie] „Zayd ist einer der Menschen“, was fast dasselbe bedeutet wie „Zayd ist ein Mensch“. Somit ist eure Bemerkung hinfällig; vielmehr wird „der Mensch“ notwendig hiervon prädiziert. Vierter Ansatz: Der Imm erklärt 65 , dass das, woran die extramental existierenden Menschen partizipieren, der extramentale Mensch sei, nicht der 35 intellektuale [Mensch], da jene Form, die einer [bestimmten] Seele 66 nach Art der Inhärenz eines Akzidens in einem Substrat inhäriert, nicht Teil der Gesamtheit individueller Menschen sein kann, von der ein Teil bereits existiert hat, ein anderer Teil erst [existieren wird], und ein dritter Teil gegenwärtig [existiert]. Wenn aber die Universalität kein Konkomitant der Form des Menschen in der Seele ist, dann [kann] sie nur ein Konkomitant des extramental [existierenden] Menschen sein. Das Partizipierte ist also der individuelle Mensch, nicht der mentale [Mensch]; seine in der Seele [existierende] Form wird [nur] metaphorisch als universal bezeichnet, da das durch sie Erkannte —entweder der Mensch an sich oder der konkrete Mensch— universal ist. Der Mensch ist also extramental von der Materie und deren individuellen Verknüpfungen abgetrennt. Weiter sagt [der Imm], dass dies der Aufweis der Wahrheit sei und damit die Richtigkeit der Lehre von den [Platonischen] Urbildern offenkundig sei, was zu beweisen war. Fünfter Ansatz: Die Anteile, die Zayd und Amr am extramentalen Menschsein haben, sind entweder verschieden oder identisch. Im ersten [Fall] müssen 65
66
Ob unser Anonymus an der vorliegenden Stelle mit „dem Imm“ Fakhr al-DÁn alRzÁ meint (so BadawÁ, p. 34, Anm. 5), ist nicht klar. Weiter unten bezieht er sich tatsächlich in dieser Weise auf den berühmten Theologen (cf. infra, p. 285). Aus Fakhr al-DÁn al-RzÁs al-MabĂͧith al-mashriqiyya, vol. 1, p. 202-205, wissen wir jedoch, dass al-RzÁ die Existenz Platonischer Urbilder geleugnet hat, was mit der hier referierten Position nicht zusammenstimmt. Möglicherweise hat al-RzÁ in seinem bisher nicht edierten Werk al-MulakhkhaΥ fĮ l-ͧikma wa-l-manίiq eine andere Position vertreten. Aus dem folgenden Satz erhellt eindeutig, dass an der vorliegenden Stelle fĮ nafsin anstelle von fĮ nafsay der Edition zu lesen ist.
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die beiden Anteile zwei disparate Individuen sein, die vom [extramentalen] Menschsein verschieden sind. Folglich bedürfen die beiden [Anteile wiederum] anderer Anteile mit der beschriebenen Eigenschaft, für die [wieder] dasselbe gilt. Es ergibt sich ein Regressus ad infinitum. Also gilt der zweite [Fall], und dieser [besagt] dasselbe wie die Lehre von der Partizipation der extramentalen Individuen an der Quiddität, ich meine die Lehre von der Existenz [Platonischer] Urbilder. Sechster Ansatz: Der Mensch existiert extramental, ist jedoch in seiner [extramentalen Existenz] nicht sinnlich erkennbar. Also ist er in seiner [extramentalen Existenz] abgetrennt [von der Materie]; andernfalls wäre er sinnlich erkennbar, was im Widerspruch [zur Hypothese] steht. Wir sagen nämlich: Wäre Menschsein etwas Materielles, so wäre es sinnlich erkennbar, denn dann wäre es in dem stofflichen Substrat von Zayd dasselbe wie Zayd, in dem stofflichen Substrat von Amr dasselbe wie Amr, und in dem stofflichen Substrat von Khlid dasselbe wie Khlid. Da diese allesamt sinnlich erkennbar sind, müsste [Menschsein] sinnlich erkennbar sein. Also ist die Lehre von den [Platonischen] Urbildern richtig, was zu beweisen war. Siebenter Ansatz: In Abschnitt 1 der Vierten Darlegung berichtet „der Meis- 36 ter“ [Ibn SÁn] 67 von jenen, deren Seelen durch ihre Vorstellungskräfte dazu verleitet werden, über das nicht sinnlich Erkennbare nach Art dessen zu urteilen, was dem sinnlich Erkennbaren spezifisch ist, wie den Assoziationisten 68 und ihresgleichen, welche ihre Vorstellungen zum Urteilskriterium über das [nicht sinnlich Erkennbare] machen 69 , [dass sie] drei Lehren [vertreten]: (i) Seiendes und Sinnliches sind das Gleiche, oder: Jedes Seiende ist Sinnliches. (ii) Alles, was nicht sinnlich ist, ist evidenterweise nicht Seiendes. 67
68
69
Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-IshĂrĂt wa-l-tanbĮhĂt, al-NamaՈ al-rbi, p. 138sq. ed. J. Forget, Leiden 1892; vol. 3, p. 1-9, ed. Qum: Nashr al-Balgha, 1375/1996. Die Paraphrasierung unseres Anonymus weist nahezu wörtliche Entsprechungen zum Kommentar NaהÁr al-DÁn al-ՇʗsÁs auf. Al-mushabbiha, lit. „die [Partei derer], die ähnlich machen“. Der Begriff ist nicht Ibn SÁns Text, sondern NaהÁr al-DÁn al-ՇʗsÁs Kommentar entlehnt, der den „Assoziationisten“ die Lehre zuschreibt, alles Nichtsinnliche mittels der Vorstellung zu Gegenständen der (inneren) Sinneserfahrung zu machen und in Analogie zu den Sinnesgegenständen zu beurteilen. Ich lese mit ms. L mina l-quwwĂmi al-ͧĂkimata צalayhim [fort. צalayhi leg.] awhĂmahum anstelle von mina l-צawĂmmi l-ͧĂkimati צalayhim awhĂmuhum der Edition; vgl. NaהÁr al-DÁn al-ՇʗsÁs Kommentar in Ibn SÁn, KitĂb al-IshĂrĂt wal-tanbĮhĂt, ed. Qum, vol. 3, p. 5.
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(iii) Nichts von dem, was keine Position hat, ist Seiendes 70 . Die[se] dritte Lehrmeinung äußern sie [mit Bezug] auf die verifizierbare [Wirklichkeit], da sie lediglich die Existenz dessen leugnen, was keine Position hat, nicht [schlechthin] die Existenz dessen, was nicht sinnlich erkennbar ist. Denn ihrer Ansicht nach erfasst der Intellekt viele der Seienden nicht, ganz zu schweigen vom Vorstellungsvermögen. [Ibn SÁn] widerlegt die drei Lehrmeinungen mit [Hilfe] der [intelligiblen] Naturen der Sinnendinge. Dass dadurch die erste Lehrmeinung widerlegt wird, ist evident, da die [intelligiblen Naturen] existieren, ohne sinnlich erkennbar zu sein, gemäß der dritten Figur [des kategorischen Syllogismus] also folgt, dass einige Seiende nicht sinnlich erkennbar sind, was im Widerspruch zu der ersten Lehrmeinung steht. Dass dadurch die zweite Lehrmeinung widerlegt wird, ist ebenfalls evident, da die [intelligiblen Naturen] nicht sinnlich erkennbar sind, aber existieren, mithin folgt, dass einige nichtsinnliche [Dinge] Seiendes sind. Die dritte Lehrmeinung wird dadurch unter der Bedingung widerlegt, 37 dass die [intelligiblen Naturen] zwar extramental existieren, dort jedoch keine Position haben, so dass wir Folgendes aussagen können: Die Naturen der sinnlichen [Dinge] existieren extramental, haben dort aber keine Position. Gemäß der dritten Figur [des kategorischen Syllogismus] folgt [dann], dass einige extramentale Seiende ohne Position sind. Die bedeutungsgleiche Umkehrung [hiervon] lautet: Einige der [Dinge], die extramental keine Position haben, existieren extramental, was im Widerspruch zu der dritten Lehrmeinung steht. Die Lehre von der extramentalen Existenz der Quidditäten der sinnlichen [Dinge] und ihrer Abgetrenntheit von der Materie in dieser [Existenz] ist [nun aber] dasselbe wie die Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder. Entweder man erachtet den zur Widerlegung der Lehre der Assoziationisten angeführten Schluss für nichtig, oder man erkennt die Richtigkeit der Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder an. Erachtet man den angeführten Schluss nicht für nichtig, muss man die Richtigkeit der Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder anerkennen. Demgemäß müssen wir uns der Mühe unterziehen, eine Antwort auf diese [Frage] zu finden, denn „der Meister“ [Ibn SÁn] hat [bekanntlich] nicht gelehrt, dass die [Plato70
Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-IshĂrĂt wa-l-tanbĮhĂt, ed. Qum, vol. 3, p. 2, l. 5 – p. 3, l. 1: „[i] Das Seiende ist das Sinnliche; [ii] es ist unsinnig, die Existenz von etwas anzunehmen, dessen Substanz der Sinneswahrnehmung nicht zugänglich ist; [iii] das, was seinem Wesen nach keinen spezifischen Ort oder keine spezifische Position hat (wie beim Körper), oder keine spezifische Ursache dessen hat, worin es ist (wie bei den Dispositionen des Körpers), hat keinen Anteil am Sein.“
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nischen] Urbilder existieren. Wir müssen also seine Worte derart interpretieren, dass sich daraus nicht die Notwendigkeit der [Annahme der] Existenz der [Platonischen] Urbilder ergibt. Wir sagen: „Der Meister“ [Ibn SÁn] hat sich der Widerlegung der dritten Lehrmeinung nicht eindeutig mit Bezug auf die verifizierbare [Wirklichkeit] gewidmet, derart, dass [er] von dem Separaten [schlechthin] urteilte, dass es nicht in den Naturen der sinnlichen [Dinge] existieren könne 71 . Deshalb bringt er die Widerlegung [der Annahme], dass diese eine Position haben [müssten], erst vor, nachdem er nachgewiesen hat, dass sie existieren, ohne sinnlich erkennbar zu sein, nicht aber, [dass sie existieren], ohne eine Position zu haben. Wollte man aber [Folgendes] einwenden: „Der Meister“ [Ibn SÁn] hat die beiden ersten Positionen nicht wahrheitsgemäß referiert, da die, [die sie vertreten,] sehr wohl die Existenz dessen anerkennen, was der Intellekt nicht erfasst, von der Wahrnehmung gar nicht zu reden, vielmehr gilt nur ihre dritte Lehrmeinung für die verifizierbare [Wirklichkeit]. Der Inhalt ihrer Lehre wird also von „dem Meister“ gar nicht widerlegt; und das, was er widerlegt, ist nicht ihre Lehre, sondern wird ihnen fälschlich zugeschrieben. [So] antworte ich [wie folgt]: Ihrer [Lehre] zufolge müsste Seiendes, das nicht Gegenstand des Wissens sein kann, solcher Art sein, dass es durch die Sinneswahrnehmung erkannt werden kann. Wird aber entgegnet, dass derjenige, der eine [gewisse] Position widerlegen [will], von demjenigen, der sie hält, entweder 72 akzeptieren muss, was er widerlegen [will], oder dies widerlegen muss, und [sich] folglich [die Frage stellt], warum „der Meister“ [Ibn SÁn] ihnen die dritte Lehrmeinung zuschreibt, ohne eine dieser beiden [Positionen] einzunehmen, so antworte ich: Die Bedeutung aller drei Erklärungen ist ein und dieselbe, nämlich die Gleichsetzung von sinnlich Erkennbarem und Seiendem. Sie wird lediglich in unterschiedlichen Erklärungen entfaltet, um die Einsichtigkeit zu steigern sowie zu Zwecken, auf die wir später zu sprechen kommen. Wir könnten auch [wie folgt] antworten: Das, was „der Meister“ [Ibn SÁn] mit dem Positionslosen meint, kann wohl das sein, was nicht Gegenstand von Sinneswahrnehmung, Imagination und Vorstellung ist. Aber er bezieht sich auf das, was nicht Gegenstand von Sinneswahrnehmung, Imagination und Vorstellung ist, nur deshalb mit dem [Begriff des] Positionslosen, weil jene [Philosophen] diese einander gleichsetzen, obwohl seiner Ansicht nach das Positionslose etwas Spezifischeres ist als das, was nicht Gegenstand von Sinneswahrnehmung, Imagination und Vorstellung ist. Mit [dem Begriff] 71
72
I.e., es existiert sehr wohl dort nach Ibn SÁn, hat als dort Existierendes aber keine Position. Ich lese immĂ ... aw anstelle von innamĂ ... aw der Edition.
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„sinnlich erkennbar“ bezieht er sich [hier] nur auf den gemeinsamen Rang, den das [Positionslose] und die Gegenstände von Imagination und Vorstellung einnehmen, sofern beide zu den [Dingen] gehören, die der [Sinneswahrnehmung] folgen, und dem Urteil über die [Sinneswahrnehmung] unterliegen; oder insofern [der Begriff] „Sinneswahrnehmung“ zuweilen für die Affizierung durch das Partikulare an sich benutzt wird, wie man auch [den Begriff] der Sinnesempfindungen für die Affektionen an sich benutzt; oder [auch] insofern jene [selbst] nicht zwischen den Gegenständen von Sinneswahrnehmung, Imagination und Vorstellung unterscheiden und den Begriff „Gegenstand der Sinneswahrnehmung“ im Sinne von „Gegenstand der Imagination und der Vorstellung“ gebrauchen. In diesem Falle hat die dritte Lehrmeinung dieselbe Bedeutung wie die zwei vorangehenden 73 , und ihre Widerlegung 74 ist zugleich deren Widerlegung. Aus diesem Grunde führt [Ibn SÁn] nach deren Widerlegung nicht [eigens] eine Widerlegung der [dritten Lehrmeinung] an und nimmt nur auf die Gleichsetzung von sinnlich Erkennbarem und Seiendem, die in [allen] drei Erklärungen Gegenstand ihrer Lehren ist, Bezug. Die erste Erklärung stützt nämlich für sich genommen ihre Überzeugung von der Gleichheit von sinnlich Erkennbarem und Seiendem, die zweite stützt ihre Überzeugung, dass jene Überzeugung vorrangig sei, und die dritte stützt ihre Gleichsetzung von dem nicht sinnlich Erkennbaren und dem Positionslosen. Die Widerlegung der dritten Lehrmeinung mittels der Existenz der [intelligiblen] Naturen der Sinnendinge kommt daher einer Widerlegung der beiden ersten Lehrmeinungen gleich. Wir könnten auch [wie folgt] antworten: Die [intelligiblen] Naturen der Sinnendinge sind in dem Moment, da sie Gegenstand des Wissens sind, sowohl Seiendes als auch Separates. Wenn sie in diesem Moment extramental existieren, ist damit die dritte Lehrmeinung offenkundig widerlegt. Wenn sie aber in diesem Moment im Intellekt existieren, muss [zumindest] ein Teil des extramental Seienden, nämlich das, dem sie inhärieren (also der Intellekt), separat existieren, was zu beweisen war. 39 Oder wir sagen: Der Begriff des Seienden 75 an sich bezeichnet das Seiende in einer Weise, die umfassender ist als extramentales oder intellektuales [Seiendes]. In diesem Fall wird durch die [intelligiblen Naturen der Sinnendinge] die Feststellung widerlegt, dass nichts Separates Seiendes sei, da sie in dem Moment, da sie Gegenstand des Wissens sind, sowohl Separates als auch Seiendes sind, ein Teil des Separaten letztendlich also existieren [muss]. Damit ist ihre dritte Lehrmeinung widerlegt. 73 74 75
Al-qawlayni l-awwalayn ms. A; al-awwalayn fehlt in ed. BadawÁ. Naq͏uhŧ wird durch ms. A bestätigt. Ich lese al-qawl bi-l-mawjŧd anstelle von al-qawm bi-l-mawjŧd der Edition.
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
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Achter Ansatz: „Der Korrektor“ [NaהÁr al-DÁn al-ՇʗsÁ] erwähnt, dass [Ibn SÁn] zum Zweck der Bekämpfung der Lehre derjenigen, die [das Seiende] den Vorstellungen unterwerfen, auf die Existenz der [intelligiblen] Naturen der Sinnendinge nicht angesichts von deren allgemeinen oder spezifischen [Eigenschaften] verweist, sondern insofern sie als solche von extrinsischen Überlagerungen wie dem Wo, der Position, und bestimmten Quantitäten und Qualitäten abgetrennt sind 76 . Denn in ebendieser Hinsicht sind sie in dem erwähnten Zustand Seiendes (andernfalls wäre ihre univoke Prädikation von den Sinnendingen unwahr) und Nichtsinnliches. Andernfalls müssten sie zusammen mit bestimmten Konkomitanten, wie einem bestimmten Wo und einer bestimmten Position, wahrnehmbar sein 77 , so dass sie nicht univok von dem prädiziert werden könnten 78 , was nicht die spezielle Eigenschaft hat, in diesem Wo und an dieser Position zu sein. Die Sinnendinge könnten also in diesem Zustand nicht an ihnen partizipieren. Dies war jedoch Voraussetzung, so dass eine contradictio in se vorliegt. Im Sein muss es also auch nichtsinnliches Seiendes geben, und dies ist das intelligible Seiende. Dies steht im Widerspruch zu ihrer Lehre und war zu beweisen. Dieser [Kommentar NaהÁr al-DÁn al-ՇʗsÁs] ist eindeutig in [Bezug darauf], dass die [intelligiblen] Naturen der Sinnendinge im Zustand ihrer Abtrennung von den materiellen Akzidenzien extramental existieren. Dies [besagt] aber dasselbe wie die Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder. Wir müssen uns also der schwierigen Aufgabe unterziehen, diesen Aspekt zu klären, da „der Korrektor“ [NaהÁr al-DÁn al-ՇʗsÁ] zu jenen gehört, die die Existenz der Urbilder abstreiten. Folglich müssen wir seine Worte derart interpretieren, dass sich daraus nicht die Notwendigkeit der [Annahme der] Existenz der [Platonischen] Urbilder ergibt. Wir sagen: „Der Korrektor“ [NaהÁr al-DÁn al-ՇʗsÁ] bezieht sich in seiner Widerlegung der dritten Lehrmeinung nicht eindeutig auf deren definitorische Bedeutung 79 , also das uni76 77
78 79
Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-IshĂrĂt wa-l-tanbĮhĂt, ed. Qum, vol. 3, p. 6, l. 1-3. Wiederum ein wörtliches Zitat von NaהÁr al-DÁn al-ՇʗsÁs Kommentar, cf. ibid., p. 6, l. 5sq. Ich lese mit ms. A an tuͧmala anstelle von an yuͧmala der Edition. „MadlŧlihĮ al-muίĂbiqĮ“, lit. „sein [der Definition] korrespondierendes Signifikat“. Diese Terminologie ist Ibn SÁns Logik entlehnt. Ibn SÁn unterscheidet drei Modi der Referenz (dalĂla) zwischen Signifikant (dĂll) und Signifikat (madlŧl), die für ein sprachliches Zeichen (lafϕ) gelten können, (i) den Modus der definitorischen Korrespondenz (muίĂbaqa) (i.e., lafϕ = „muthallath“, dĂll = „Begriff/ Konzept des Dreiecks“, madlŧl = „Figur mit drei Seiten“), (ii) den Modus der Implikation (ta͏ammun) (i.e., lafϕ = „muthallath“, dĂll = „Begriff/Konzept des Dreiecks“, madlŧl = „geometrische Figur“), (iii) den Modus der Konnotation
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Appendix I
versale Urteil, dass prinzipiell und generell kein Separates Seiendes ist. Deshalb gründet er die Widerlegung der Position auf die Existenz der [intelligiblen] Naturen der Sinnendinge und den [Umstand, dass] diese nichtsinnlich sind, nicht aber darauf, dass sie existieren und keine Position haben. Denn seiner Ansicht nach haben sie sowohl extramentale Existenz als auch Position, weshalb er bestreitet, dass [sie Platonische] Urbilder sind 80 . Da die [Assoziationisten] Nichtsinnliches und Nichtpositionales gleichsetzen, genügt es, die beiden ersten Lehrmeinungen zu widerlegen, um [auch] die dritte zu widerlegen. Oder wir sagen: Mit der Abgetrenntheit der [intelligiblen] Naturen der Sinnendinge von extrinsischen Überlagerungen kann er nur deren Abgetrenntheit von diesen im Intellekt gemeint haben, nicht [deren Abgetrenntheit] in [ihrer] extramentalen [Existenz]. Die Widerlegung der dritten Lehrmeinung mit [Hilfe] der [Annahme der] Existenz der Naturen der Sinnendinge bezieht sich hier entweder auf die [Entität], der sie inhärieren (denn diese [Entität] ist separat und existiert extramental); oder [sie ist schlüssig], weil „Seiendes“ [hier] Seiendes an sich bezeichnet [und] umfassender ist als extramentales oder intellektuales [Seiendes] (wie in [unserer] Entgegnung zum siebenten Ansatz erwähnt); oder, weil Nichtsinnliches und Nichtpositionales gleichgesetzt werden oder für jene [Philosophen] dasselbe bedeuten. Neunter Ansatz: [Die Tatsache,] dass die individuelle, materielle extramentale Quiddität im Intellekt separat von der Materie existiert, zwingt zu der Überzeugung, dass ihr Wesen sich der Inhärenz in der Materie nicht widersetzt. Andernfalls könnte sie nicht im Intellekt als etwas von ihr Abgetrenntes sein. Folglich ist es der [Quiddität] wesenhaft möglich, extramental separat zu existieren. Also können die Platonischen Urbilder extramental existieren. Diese sind ehrwürdiger als das, was an psychischen und korporellen Entitäten nach ihnen ist; und das mindere Potentielle existiert nur später als das ehrwürdigere Potentielle, da die Vorsehung sein Gutsein einschließt und
80
oder semantischen Konkomitanz (istitbĂצ, istilzĂm) (i.e., lafϕ = „insn“, dĂll = „Begriff des Menschen als Träger diverser potentieller Fähigkeiten“, madlŧl = „Wesen, das des Schreibens und Lesens kundig ist“); cf. Ibn SÁn, KitĂb al-IshĂrĂt wa-l-tanbĮhĂt, ed. Qum, vol. 1, p. 28 (ed. Forget, p. 4f.) und QuՈb al-DÁn al-RzÁs Kommentar, ibid., pp. 28-30; vol. 1, pp. 72-74 (ed. Forget, p. 12). Wie schon oben, in seinen Bemerkungen zu Ibn SÁn, versucht der Anonymus NaהÁr al-DÁn alՇʗsÁs Leugnung der Existenz des nichtsinnlichen Separaten auf die konnotativen Bedeutungskomponenten zu reduzieren. Der arabische Satz (li-annahĂ maצa wujŧdihĂ fĮ l-khĂriji takŧnu wa͏צiyyatan צindahŧ li-inkĂrihĮ wujŧda l-muthul) ist nicht klar, kann aber im vorliegenden Kontext wohl nur so gedeutet werden.
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die bestmögliche Seinsweise erfordert. Folglich existiert die [intelligible Quiddität] extramental, was zu beweisen war. Zehnter Ansatz: Das, was von ,Mensch‘ in zwei [verschiedenen] Intellekten existiert, ist ein Wissen von etwas extramental Existierendem. Ein und demselben Wissen von etwas extramental Existierendem muss ein extramentaler Gegenstand des Wissens entsprechen 81 . Also müssen die extramentalen Menschen an dem einen extramentalen Menschen partizipieren, der Gegenstand dieses einen Wissens ist; dieser ist also als etwas Abgetrenntes in ihnen. Ebendies besagt die Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder.
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Elfter Ansatz: Die Einheit des Wissens von der Art ist eine Konsequenz der extramentalen Einheit der [Art], welche die Partizipation der extramentalen Individuen an ihr nach sich zieht [und] aufgrund ihrer Abgetrenntheit in der [extramentalen Welt] Gegenstand des Wissens 82 ist. Die mentale Partizipation muss beide Einheiten [von Wissen und Art] und die Vielheit der Particularia im Sein umfassen, denn sie folgt der Abgetrenntheit des extramentalen Partizipierten nach. Jedes Partizipierte im Intellekt ist [wiederum] ein einzelnes Separates. Ebendies besagt die Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder. Zwölfter Ansatz: Wäre die Quiddität in der extramentalen [Welt] nicht eine, würde sie dort überhaupt nicht existieren, denn alles, was dort existiert, ist dort evidenterweise je eines. Dass sie dort eines ist, zwingt zu [der Annahme], dass [anderes] dort an ihr partizipiert. Dies [wiederum] zwingt zu [der Annahme], dass sie dort abgetrennt [existiert]. Ebendies besagt die Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder. Dreizehnter Ansatz: Die Lehre, der zufolge das „natürliche Universale“ extramental nicht eines ist, besagt, dass es dort keine Intelligibilia gibt. Dies gleicht der Lehre, der zufolge dort keine Sinnendinge sind, was absurd ist. Denn auch wenn der Erkenntnisgegenstand wesenhaft die eine erkennbare Form ist, so muss es doch, wenn diese denn aus dem extramentalen Seienden abstrahierbar ist, [mindestens] ein ihr entsprechendes extramentales Seiendes geben, das von den anderen extramentalen Seienden verschieden ist und, anders als diese, durch sie erkannt wird. Dann aber muss die Lehre, der zufolge das „natürliche Universale“ extramental eines ist, wahr sein, woraus folgt, dass die Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder zutreffend ist, wie du [sicher] erkennst. 81 82
YuίĂbiquhŧ, wie in ms. A überliefert, ist muίĂbiqihĮ der Edition vorzuziehen. Ich lese al-maצlŧm anstelle von al-maצlŧl der Edition.
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Vierzehnter Ansatz: Wäre die [intelligible] Natur extramental nicht eine, müsste beispielsweise die [folgende] Aussage richtig sein: ,Mensch‘ bedeutet dasselbe wie irgendeines der [menschlichen] Individuen, die [allesamt] durch einen Wissensakt erkannt werden, ohne dass das „natürliche Universale“ in irgendeiner Form extramental existierte. Das ist [aber] absurd, denn die Aufhebung der [intelligiblen] Natur hebt notwendig das Individuum auf, da das Spezielle nicht ohne das Allgemeine existieren kann, folglich gar nichts existieren würde. Das ist also pure Sophisterei. Es könnte jemand [Folgendes] einwenden: Wenn die Einheit zu den Konkomitanten des Seins gehört, müsste jedes Seiende eines sein. Also könnte eine Menge von Seienden nicht ein Vieles sein, was notwendig absurd ist. Darauf antworten wir [so]: Das viele Seiende ist, sofern es als Selbiges betrachtet wird, eines, aber eine Vielheit, sofern es als Anderes betrachtet wird. Dass jedes Seiende eines ist, ist also nicht unvereinbar mit [dem Umstand], dass eine Menge von Seienden ein Vieles ist, da unterschiedliche Hinsichten der Betrachtung [vorliegen]. Weiter könnte jemand [Folgendes] einwenden: Die Einheit von ,Mensch‘ lässt sich auf die Einheit des Wissens von seinen Individuen zurückführen. Dieses ist dasselbe wie das Wissen von ,Mensch‘. Denn, wie „der Meister“ [Ibn SÁn] schreibt 83 , die [Einheit] ist gleichbedeutend mit der Gleichheit der [Individuen] in [Bezug auf] die Entstehung der einen intelligiblen Form, die jedem einzelnen von ihnen entspricht, insofern es Mensch ist, und nichts von dem entspricht, was nicht Mensch ist. Darauf antworten wir [so]: Die Einheit des Wissens folgt der Einheit des 43 Gegenstands des Wissens nach. Wäre der Mensch nicht eines durch sich selbst, wäre das Wissen von ihm nicht an sich eines, vielmehr existierten weder der Mensch noch das Wissen von ihm. Fünfzehnter Ansatz (welcher dem ersten [Ansatz] gleicht): Die mathematische und die natürliche Entität sind Gegenstand von Beweis und Definition. Beweis und Definition gehen auf das Seiende, nicht auf das Nichtseiende, wie in dem ersten Ansatz erwähnt. Das Seiende, welches in der Mathematik oder in der Physik bewiesen oder definiert wird, muss entweder universal, abgetrennt [und] intelligibel oder partikular, stofflich [und] sinnlich sein. Letzteres ist unmöglich, da das körperliche, sinnliche Individuum vergänglich ist, die vergänglichen [Dinge] aber nicht Gegenstand von Beweis und Definition sind. Folglich ist der mathematische Gegenstand, der bewiesen oder definiert wird, extramentales, von der Materie abgetrenntes Seiendes; [und] 83
Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. Al-IlĂhiyyĂt, p. 315sq.
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folglich sind die Quidditäten der Sinnendinge extramentales, von der [Materie] abgetrenntes Seiendes, was zu beweisen war. Sechzehnter Ansatz: Wäre die Quiddität des Sinnlichen nicht an sich abgetrennt von der Materie, so gründete ihr Abgetrenntsein von der [Materie] in [dem Moment, da] sie Gegenstand des Wissens ist, in den Intelligibilia des Intellekts 84 . Das ist [aber] unmöglich, denn [eine Betrachtung] unserer Seelen lässt erkennen, dass sie hierzu nicht fähig sind und dies unmöglich ist. Es könnte jemand [Folgendes] einwenden: Mit der intellektualen Abtrennung der Quiddität des Sinnlichen von der Materie ist eine Affektion des [Intellekts] durch die [Quiddität] gemeint. Dabei [handelt es sich um] eine abgetrennte Affektion, weil das Zugrundeliegende, also der Intellekt, abgetrennt ist. Darauf antworten wir [so]: Demzufolge wäre also die Natur des Sinnlichen [selbst] in [dem Moment, da] sie Gegenstand des Wissens ist, nicht abgetrennt. Sie könnte [folglich] nicht Gegenstand von Beweis und Definition sein, denn diese beiden gehen ausschließlich auf das Abgetrennte. Das ist [aber] notwendig absurd.
DRITTE UNTERSUCHUNG: Darlegung der Beweise für die zweite Doktrin. Diejenigen, die lehren, dass die [Platonischen] Urbilder in den mathematischen [Entitäten], jedoch nicht in den natürlichen [Entitäten] existieren, bringen [zum Nachweis ihrer Lehre] zwei [Argumentations]ansätze vor. Erster Ansatz, [zum Nachweis] der Existenz der Urbilder in den mathematischen [Entitäten]: Die Quantität an sich oder die zu ihr [gehörige] Zahl können in der Definition des stofflichen Substrats entbehren, also können sie ihres auch im Sein entbehren. Bedürften sie ihres nämlich im Sein, so bedürften sie ihres auch in der Definition, da das [wahre] Wissen von dem Verursachten das Wissen von der Ursache einschließt. Gegen diesen Ansatz wird [Folgendes] vorgebracht: Dass etwas in einem bestimmten Sinnzusammenhang gilt, erfordert nicht dessen intrinsische Geltung 85 . Aus [dem Umstand, dass] etwas konzeptuell einer anderen [Sache] entbehren kann, folgt daher nicht, dass es von dieser [Sache] derart unabhängig ist, dass das eine dem anderen nicht inhäriert, oder [derart], dass beide zusam84
85
MaצqŧlĂti l-צaql codd. Oder: „in Dingen, deren Ursache der Intellekt ist“, maצlŧlĂti l-צaql in mss. A und Y. Der arabische Satz fasst den Gedanken mittels technischer Terminologie sehr knapp: „al-muqĂranatu lĂ taqtadĮ l-mudĂkhalata“.
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men nicht ein und demselben Substrat inhärieren [könnten]. Also folgt aus [dem Umstand, dass] etwas in der Definition eines stofflichen Substrats entbehren kann, nicht, dass es von diesem [auch] im Sein separat ist. Dieser Einwand ist unsinnig, denn [der Umstand, dass] eine Sache in der Definition des stofflichen Substrats entbehren kann, bedeutet, dass das Wissen von der Sache des Wissens von dem [stofflichen Substrat] entbehren kann. Und dies erfordert, dass das Sein der [Sache] des Seins des [stofflichen Substrats] entbehren kann. Denn bedürfte ihr Sein dessen Sein, bedürfte das Wissen von ihr notwendig des Wissens von ihm, da das [wahre] Wissen von dem Verursachten das Wissen von der Ursache einschließt. 45 Zweiter Ansatz , [zum Nachweis,] dass die Urbilder nicht in den natürlichen [Entitäten] existieren: Diejenigen, die nur neun Kategorien ansetzen, versäumen es, zwischen der Substanz und der Quantität zu differenzieren, und lassen in ihrer Lehre von der Akzidentalität der Ausdehnung die Zahl außer Acht 86 . Des Weiteren [missachten sie, dass die Kategorien] des Wirkens und Erleidens materiell sind, und, dass es vier Arten der Qualität gibt, von welchen drei ebenfalls körperliche Akzidenzien sind ([i] sinnliche Qualitäten, die „Affektionen“ und „affektiv“ genannt werden, [ii] psychische Qualitäten, nämlich Disposition und Habitus; und [iii] Qualitäten, die für eine Kraft oder das Fehlen einer Kraft empfänglich sind). Die vierte Art der Qualität ist quantitativ, z. B. das Wo, das Wann, die Position, und das Haben. Die Relation kommt allen Kategorien zu. Für das, was von ihr der Quantität und dem Quantitativen zukommt, gilt wie für diese, dass es abgetrennt ist. Für das, was von ihr den anderen Kategorien zukommt, gilt wie für diese übrigen [Kategorien], dass es körperlich ist. Gesteht man dies zu, so müssen die [Kategorien], die weder Quantität noch quantitativ sind, stofflich sein. Alles Stoffliche aber ist verursacht durch etwas, das von dem stofflichen Substrat abgetrennt ist. Alles, was weder Quantität noch quantitativ ist, ist also durch etwas Separates verursacht. Die mathematischen [Entitäten] sind von dem stofflichen Substrat abgetrennt. Folglich sind sie die Ursachen all dessen, was weder Quantität noch quantitativ ist. Das, was weder Quantität noch quantitativ ist, sind die natürlichen Dinge. Folglich sind alle natürlichen Dinge durch die mathematischen Dinge verursacht. Gegen diesen Ansatz wird [Folgendes] vorgebracht: Aus [dem Umstand, dass] die natürlichen Dinge durch abgetrennte Dinge verursacht sind und die mathematischen [Entitäten] abgetrennt sind, folgt nicht notwendig, dass die natürlichen Dinge durch die mathematischen [Entitäten] verursacht sind, da 86
Ich lese wa-צadima qawluhum bi-צara͏iyyati l-miqdĂri l-צadada anstelle von waצadima qawluhum bi-צara͏iyyati l-miqdĂri wa-l-צadad der Edition.
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
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sie auch durch andere separate [Dinge] verursacht sein könnten. Aus [dem Umstand, dass] etwas Körperliches durch etwas Abgetrenntes verursacht ist, folgt ja nicht, dass es durch jedes beliebige Abgetrennte verursacht sein kann, vielmehr kann eine Sache durch ein [bestimmtes] Separates verursacht sein, ohne [dass] ein anderes Separates [als dessen Ursache in Frage käme]. Dieser Einwand ist unsinnig, denn man kann den obengenannten Beweis so ausrichten, dass der vorgebrachte Einwand hinfällig wird, indem man sagt: Es gibt neun Kategorien. Sie umfassen, das Göttliche ausgenommen, die mathematische Entität und das, was durch seine Verbindung mit einem stofflichen Substrat entsteht. Denn die Quantität und was von ihr in Bezug auf das Wo, das Wann, die Position, das Haben, und die quantitativ spezifizierte Qualität gilt, ist etwas Mathematisches. Hingegen sind die drei übrigen Arten der Qualität (also die den seelischen Wesen eigentümlichen Qualitäten, die sinnlichen Qualitäten, und die rezeptiven Qualitäten) und die beiden Kategorien des Wirkens und Erleidens etwas Natürliches. Die Relation kommt allen Dingen zu. Für alles, was von ihr einer [anderen] Sache zukommt, gilt das, was für diese Sache gilt, der sie zukommt. Also ist das, was von ihr der Quantität oder dem Quantitativen zukommt, etwas Mathematisches, während das, was von ihr den drei Arten der Qualität und den beiden Kategorien des Wirkens und Erleidens zukommt, etwas Natürliches ist. Das aber, was von ihr dem Göttlichen zukommt, ist göttlich und ohnegleichen. Die natürlichen Dinge sind durch die mathematischen Dinge verursacht, denn wenn wir sie [im Denken] von dem stofflichen Substrat abtrennen, werden sie zu mathematischen, von Größe, Gestalt und Zahl abgetrennten Dingen. Wenn dem so ist, entstehen sie also nur durch ihre Verbindung mit einem stofflichen Substrat, so dass die mathematischen Dinge in diesem Sinne Ursache der natürlichen Dinge sind. Das, was von den mathematischen Dingen nach deren Abtrennung vom stofflichen Substrat übrig bleibt, ist ein Urbild für die sinnlichen mathematischen [Entitäten], nicht aber für die natürlichen [Dinge], denn es ist in diesem Zustand etwas Mathematisches, nicht etwas Natürliches. Dies war zu beweisen; und es wird, so ausgerichtet, durch den erwähnten Einwand zweifellos nicht abrogiert.
VIERTE UNTERSUCHUNG: Zu den Beweisen für die dritte Doktrin. Von denen, die lehren, dass die [Platonischen] Urbilder in den natürlichen [Dingen], nicht aber in den mathematischen [Dingen] existieren, führt „der Meister“ [Ibn SÁn] keinen speziellen Beweis für diese Lehre an. Aber er führt einen auf Platon [selbst] zurückgehenden Beweis dafür an, dass die Urbilder nicht in den mathematischen [Dingen] existieren können. Dieser
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[Beweis geht] so: „Es ist nicht zulässig, dass eine räumliche Ausdehnung nicht in einem stofflichen Substrat subsistiert, da sie entweder endlich oder unendlich ist“ 87 . Die zweite [Alternative] ist nichtig, da „eine unendliche räumliche Ausdehnung nicht existieren kann. Ist sie aber endlich, dann ist ihre Beschränktheit innerhalb einer bestimmten Grenze und einer messbaren Gestalt nur auf eine von außen zu ihr hinzutretende Affektion [zurückzuführen], nicht aber auf ihre eigene Natur. Die Form würde [ja] nur durch ihr stoffliches Substrat affiziert. Sie müsste [der Voraussetzung gemäß] also sowohl separat als auch nicht separat sein, was unmöglich ist“ 88 . Dieser Beweis ist unsinnig, weil die Quiddität der körperlichen Form unter der Voraussetzung, dass sie separat von dem stofflichen Substrat und dessen [materiellen] Verbindungen existiert, ursprünglich zu den reinen abgetrennten [Formen] gehört. Weder endlich noch unendlich ist sie also [nur] in einem abgeleiteten Wortsinn, während die Quiddität jedweder Sache [im strikten Wortsinn] durch keine der beiden [Eigenschaften] beschrieben wird, da sie intelligibel ist. Was ihre Beschreibung durch die beiden [Eigenschaften] notwendig macht, sind die sinnlichen Individuen der [Quiddität], nicht diese selbst. Ich möchte [daher] diese Doktrin [folgendermaßen] modifizieren: „Urbild“ bezeichnet hier das unabhängig durch sich selbst [subsistierende] Urbild. Dieses existiert nur für den Körper, nicht für die Quantität, da diese akzidentell ist. Die Quiddität jedes Körpers subsistiert also durch sich selbst [und] separat von ihren Individuationen, gemäß den [im Zusammenhang mit] der ersten Doktrin erwähnten Beweisen für ihre Substantialität. Hingegen subsistiert die Quiddität jedweder Quantität, wenngleich sie extramental von ihren Individuationen isoliert [und] gemäß den [im Zusammenhang mit] der ersten Doktrin erwähnten Beweisen ohne stoffliches Substrat ist, im kosmos noêtos nur durch das Urbild dessen, was ihren Individuationen im kosmos aisthêtos zugrunde liegt, da sie akzidentell ist. So gefasst ist der Disput zwischen den Vertretern der ersten und der dritten Doktrin ein [bloß] terminologischer [Disput], kein inhaltlicher.
48 FÜNFTE UNTERSUCHUNG: Zu den Beweisen derer, die die Existenz der
[Platonischen] Urbilder schlechthin, sowohl in den natürlichen als auch in den mathematischen [Entitäten], leugnen, und zu den entsprechenden Antithesen. Denjenigen, die lehren, dass es in keinem der beiden [Seinsbereiche] Urbilder gibt, stehen [verschiedene Argumentations]ansätze zur Verfügung. 87 88
Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. Al-IlĂhiyyĂt, p. 311, l. 15sq. Cf. ibid., p. 312, l. 2-5.
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Erster Ansatz: Alle mathematischen und natürlichen Dinge sind stofflich. Alle stofflichen [Dinge] bedürfen als solche der Materie, da jedes Inhaerens aufgrund seiner Quiddität dessen bedarf, dem es inhäriert, während das durch sich Subsistierende aufgrund seiner Quiddität eines inhärierten Substrats entbehren kann. Alles, was wesenhaft der [Materie] bedarf, kann nicht separat von ihr existieren. Kein mathematisches oder natürliches Ding kann extramental abgetrennt von der Materie existieren, was zu beweisen war. Diesem Ansatz ist entgegen zu halten, dass „der Meister“ [Ibn SÁn] erklärt hat, dass die Quiddität, beispielsweise der Mensch, in der Seele abgetrennt vom stofflichen Substrat und seinen Beimischungen existiert, z. B. im Intellekt 89 , und dass „das, was von ihr in meiner Seele ist, insofern es eine Disposition in einer partikularen Seele ist, selbst einer der individuellen Wissensakte oder Konzeptionen ist“ 90 . Daraus geht eindeutig hervor, dass die Individuen ein und derselben Art dahingehend variieren können, ob sie einem Zugrundeliegenden inhärieren oder nicht. Weshalb sollte es also nicht zulässig sein, dass sie auch dahingehend variieren, ob sie der Materie inhärieren oder nicht? Handelt es sich bei ihnen hingegen ausschließlich um extramentale Individuen, so ist das Urteil klar. Es könnte jemand [Folgendes] einwenden: Die [intelligible] Natur [einer Sache] inhäriert der Seele in dem Moment, da sie Gegenstand des Wissens ist, nicht, denn wenn die Sache Gegenstand des Wissens ist, ist sie nur dadurch qualifiziert, dass sie Gegenstand des Wissens ist, nicht aber durch ihre Quiddität. [Denn] Inhärenz bedeutet notwendig, dass das inhärierte Substrat durch die verifizierbare Wirklichkeit des Inhaerens qualifiziert ist, wie [schon] aus der Bedeutung von „Inhärenz“ erhellt. Hierauf antworten wir [wie folgt]: Die Qualifikation durch [den Umstand, dass] etwas Gegenstand des Wissens ist, ist dasselbe wie die Qualifikation durch seine Quiddität, da es eines der Individuen der [Quiddität] ist, wie [zuvor] deutlich gemacht. [Darauf] könnte jemand [Folgendes] erwidern: [Der Umstand,] dass das, was von der Quiddität im Intellekt vorhanden ist, dasselbe bedeutet wie das Wissen von ihr, ist zu unterscheiden von [dem Umstand,] dass es eines der Individuen der [Quiddität] ist. Die Seele wird durch es nur insofern qualifiziert, als es [Gegenstand des] Wissens ist, nicht insofern, als es ein Individuum ist. Das undifferenzierte Urteil, [welches ihr vorbringt,] ist nicht zulässig, da es [hinsichtlich] der einen [Seite] dieser Unterscheidung notwendig dazu führte, dass ein Teil der Individuen ein und derselben Art etwas Wesenhaftes wäre, während der andere Teil von ihnen eine Qualifikation 89 90
Cf. ibid., p. 209, l. 4sq. (paraphrasiert). Cf. ibid., p. 209, l. 8sq. (wörtlich).
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wäre, was unmöglich ist. Hingegen ist dies keine notwendige Konsequenz der anderen [Seite] der Unterscheidung, [in Hinsicht darauf] also nicht unmöglich. Außerdem erfordert [die Annahme,] dass die mit der Materie verbundene Quiddität extramental abgetrennt von ihr existieren kann, dass ein Teil der Individuen einer [bestimmten] Art gänzlich ohne inhäriertes Substrat ist und ein anderer Teil von ihnen einem Substrat inhäriert, was unmöglich ist. Hingegen erfordert [die Annahme] ihrer von der Materie abgetrennten Existenz im Intellekt nur, dass ein Teil der Individuen einer [bestimmten] Art einem Substrat, nämlich dem Intellekt, inhäriert und ein anderer Teil von ihnen einem [anderen] Substrat inhäriert, nämlich der Materie. Dies ist durchaus nicht unmöglich, sondern entspricht der Wirklichkeit. Hierauf antworten wir [wie folgt]: Wenn es zulässig ist, [hinsichtlich] der Individuen einer [bestimmten] Art dahingehend zu unterscheiden, dass ein Teil von ihnen in gewissem Sinne dem Intellekt akzediert und ein anderer Teil von ihnen extramental als Substanz existiert, weshalb sollte es dann nicht zulässig sein, die [Individuen dahingehend] zu differenzieren, dass ein Teil von ihnen extramental gänzlich ohne inhäriertes Substrat ist und ein anderer Teil von ihnen einem Substrat inhäriert? Denn wenn der Intellekt jenes zulässt, spricht nichts dagegen, dass er auch dieses zulässt, es sei denn, ein Beweis [ihrer] Disjunktion; aber ein solcher existiert meines Wissens nicht. [Darauf] könnte jemand [Folgendes] erwidern: Es gibt einen solchen Beweis, und zwar [wie folgt]: Diese Unterscheidung zwingt zu [der Annahme,] dass eine der beiden gleichgesetzten [Konzeptionen] keine Qualifikation von irgendetwas ist und [zugleich] die andere eine Qualifikation einer bestimmten Entität ist, was unmöglich ist. Hierauf antworten wir [wie folgt]: Wenn es sich bei einer der beiden 50 gleichgesetzten [Konzeptionen] um die Quiddität der anderen handelt, ist es gemäß der Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder [sehr wohl] zulässig, dass die eine, nämlich die Quiddität, keine Qualifikation von irgendetwas ist und die andere [zugleich] eine Qualifikation einer bestimmten Entität ist. Zweiter Ansatz: Die Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder besagt, dass das intellektuale Universale extramental existiert. Dies ist unsinnig, weil das Universale nicht dem Natürlichen extramental anhaftet. Würde es ihm dort anhaften, folgte daraus, dass ein und dieselbe Sache, beispielsweise der Mensch, in vielen Individuen, beispielsweise Zayd und Amr, existierte, die beiden Wesen [von Zayd und Amr] folglich ein und dasselbe Wesen sein müssten, in welchem [diverse] Gegensätze koinzidierten. [Dies gilt] insbesondere dann, wenn sich die Gattung zu den Arten ver-
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hält wie die Art zu den Individuen, denn in diesem Fall müsste das eine Wesen nicht nur zugleich durch gegensätzliche individuierte Akzidenzien qualifiziert sein, sondern zudem auch zugleich durch gegensätzliche artspezifische Differenzen qualifiziert sein. Dies kann nicht zulassen, wer von gesunder menschlicher Natur ist. Diesem Ansatz ist entgegen zu halten, dass ein und dieselbe Sache qua intellektuale Einheit [durchaus] zugleich gegensätzliche Qualifikationen zulässt, wie oben dargelegt. Oder wir entgegnen [dies]: Das extramentale Partizipierte ist nicht in derselben Weise durch die Propria der Partizipanten qualifiziert wie das intellektuale Partizipierte. Denn 91 wäre das extramentale Partizipierte [im Zustand] seiner Inhärenz in einem der Partizipanten durch dessen Proprietät qualifiziert und inhärierte als das so [Qualifizierte] einem anderen [Partizipanten], müsste es [im Zustand] seiner Inhärenz in diesem anderen [ebenfalls] durch jene [Proprietät] qualifiziert sein. Dann wären aber zwei voneinander verschiedene Individuen ein und dasselbe Individuum, was unmöglich ist. Man möge [nun] nicht [das Folgende] behaupten: So, wie aus der Partizipation der Menschen an dem Menschen im Intellekt (als etwas Intellektuales oder dergleichen) nicht folgt, dass das, was von ihm im [Intellekt] existiert, in identischer Weise in jedem einzelnen [Menschen] existiert, so folgt auch aus der extramentalen Partizipation der [Menschen] an dem separaten extramentalen Menschen nicht, dass dieser in identischer Weise in all jenen existiert. Denn [hierauf] entgegnen wir [so]: [Wahre] Partizipation erfordert, dass das, was von dem Partizipierten in jedem einzelnen der Partizipanten ist, ein und dasselbe ist. Wäre nämlich das, was von ihm in einem von ihnen existiert, verschieden von dem, was von ihm in einem anderen existiert, so folgte aus der Verschiedenheit dieser beiden, dass sie [noch] zweier anderer Anteile [an dem Partizipierten] bedürften92 ; und [es ergäbe sich] ein Regressus ad infinitum. Man könnte [Folgendes] einwenden: Ein solcher Regress ist nicht unmöglich, da er konzeptuelle Dinge betreffen würde. Er kann aber unterbunden werden, wenn die Konzeptualisierung des Intellekts zu einem Abschluss gebracht wird. [Darauf] antworten wir [so]: Der Intellekt muss notwendig zu dem Urteil kommen, dass die beiden Anteile, die zwei Partizipanten hinsichtlich des Wesens, des Seins und der Geltung an dem Partizipierten haben, identisch sind. Andernfalls kann er nicht zu dem Urteil kommen, dass das [Partizipierte] universal ist, da er einer Sache nur unter der Bedingung Universalität 91 92
Ich lese li-anna anstelle von wa-li-anna der Edition. I.e., um den Unterschied der ersten beiden Anteile zu kompensieren.
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zuschreibt, dass ein und dasselbe von dieser [Sache] in jedem einzelnen [einer Gruppe] von verschiedenen Dingen existiert. Dieses eine und von jedem einzelnen der Partizipanten partizipierte Seiende ist das wahrhaftig von ihnen Partizipierte. Wenn das Partizipierte intellektual ist, liegt eine intellektuale Partizipation vor; und wenn es extramental ist, wie die Befürworter der Existenz der [Platonischen] Urbilder meinen, dann liegt eine extramentale Partizipation vor. Die Peripatetiker lehren, dass es nur die intellektuale Partizipation gibt, denn wäre [die Partizipation] extramental, so müsste ein und dieselbe Sache extramental an vielen Orten existieren und zugleich durch sich wechselseitig ausschließende [Eigenschaften] qualifiziert sein, was offensichtlich unmöglich ist. Das, was von ,Mensch‘ in meiner Seele existiert, kann [jedoch] von [allen] Menschen in ihr partizipiert werden, da es dort jeden einzelnen von ihnen umfasst, ungeachtet seiner individuellen Einzigartigkeit. Wollte nun jemand entgegnen: Die [Menschen] existieren nicht selbst in der [Seele]; wie kann [das Partizipierte] dann auch nur einen [einzigen] von 52 ihnen umfassen, wenn er gar nicht in ihr ist?, so antworten wir [so]: Die [Menschen] existieren in der [Seele] gerade durch die Existenz von ,Mensch‘ in meiner Seele, und auf eine andere [Weise], wenn das Partikulare auf universale Weise erkannt wird. Wenn der extramental existierende Mensch ein separates Eines ist, wie der in meiner Seele existierende Mensch, dann wird jeder einzelne [Mensch] extramental durch es umfasst, und hat zusätzlich extramental sein akzidentelles, materielles Individuationsprinzip, während die extramentalen Wesen der [Menschen] ein einziges Wesen sind (nämlich das Wesen jenes separaten [Einen]), auf ein und dieselbe Weise existieren (nämlich [so, wie] dieses existiert), und durch Gegensätze 93 qualifiziert sind, da jeder Teil dieses [separaten Einen] ein Teil von ihnen ist. Die ihm spezifische Abgetrenntheit [kommt] ihm akzidentell [zu], nicht wesenhaft. Die Partizipation ist, sofern das Partizipierte wirklich extramental existiert, im extramentalen [Bereich] offensichtlicher als im Intellekt, denn die Partizipanten existieren extramental zusammen mit dem extramentalen Partizipierten, so dass dessen extramentale Existenz in ihnen offensichtlich ist, wohingegen [die Partizipanten] im Intellekt nicht zusammen mit dem intellektualen Partizipierten existieren, so dass dessen [intellektuale] Existenz in ihnen nicht offensichtlich ist, es sei denn in [dem Moment, da] das verifizierbare Partikulare auf universale Weise erkannt wird. In Wirklichkeit [kommt] sie nur den [separaten] Intellekten, nicht den menschlichen Seelen zu, denn in letzteren umfasst sie nur die Differenzierung des Individuums von einem Teil der übrigen Individuen [des Partizipierten], nicht von allen [individuellen Partizipanten]. 93
„Zugleich durch Gegensätze“, bi-l-mutaqĂbilĂti maצan, ms. A.
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Man möge [aber] nicht [das Folgende] behaupten: Wir konzedieren nicht, dass die Partizipation deshalb extramental sein muss, weil das Partizipierte dort von allen Propria der Partizipanten abgetrennt sein muss. Denn daraus folgt lediglich, dass das [Partizipierte] nicht notwendig [Partizipiertes] für jedes einzelne [Proprium] gemäß dessen individueller Existenz ist. Daraus folgt aber nicht, dass das [Partizipierte] keinem von ihnen 94 zukommen kann, sofern [das Proprium] nicht individuell ist. Wenn es aber von irgendeinem der stofflichen Propria extramental nicht isoliert ist, dann kann es dort nicht separat von der Materie sein. Wir sagen [nämlich]: Das Partizipierte ist numerisch Eines und existiert in jedem einzelnen der voneinander verschiedenen [Partizipanten]. Wäre es in einem von ihnen durch dessen Proprietät qualifiziert, wäre es auch in einem anderen durch sie qualifiziert. Folglich müssten die voneinander verschiedenen [Partizipanten] eines sein, was unmöglich ist. So, wie das Partizipierte im Intellekt frei von [allen] Propria [der Partizipanten] ist, so ist es auch extramental frei von diesen. Das, was durch diese Propria qualifiziert wird, sind [ausschließlich] die stofflichen Individuen, nicht die separate Quiddität. Man könnte [Folgendes] einwenden: Gemäß der dritten Figur [des kategorischen Syllogismus] folgt aus den Aussagen „Zayd ist ein Mensch“ und „Zayd ist durch seine Proprietät qualifiziert“ [der Schluss]: „Ein Mensch ist durch Zayds Proprietät qualifiziert“. [Dazu] sagen wir [Folgendes]: [In] diesem Syllogismus folgt der Schluss „Ein Mensch ist durch Zayds Proprietät qualifiziert“ nur in dem Sinne, dass von dem [Individuum], von welchem wahrheitsgemäß ,Mensch‘ [ausgesagt wird], wahrheitsgemäß [ausgesagt wird], dass es durch Zayds Proprietät qualifiziert ist, nicht aber in dem Sinne, dass der Mensch an sich durch Zayds Proprietät qualifiziert ist 95 . [Weiter] könnte man [Folgendes] einwenden: ,Zayd‘ bedeutet dasselbe wie ,Mensch mitsamt seiner Proprietät‘. Folglich ist der Mensch durch Zayds Proprietät qualifiziert. [Darauf] entgegnen wir: ,Mensch‘ wird nur dann durch Zayds Proprietät qualifiziert, wenn man darunter einen bestimmten Menschen versteht. Andernfalls ist es nicht möglich, ihn hierdurch zu qualifizieren, da nichts hierauf schließen lässt. Dritter Ansatz: Die Quiddität, welche das nicht [durch anderes] qualifizierte Wesen der Particularia ist, ist entweder eine Art oder eine Gattung. Die Art 94 95
Zu lesen ist, mit ms. A, li-aͧadihĂ anstelle von li-aͧadihimĂ der Edition. Der letzte Teil des Satzes ist in textu in ms. A und in margine in ms. S überliefert, in den übrigen Handschriften aber durch homoioteleuton ausgefallen.
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Appendix I
ist entweder stofflich oder nichtstofflich. Jede Art, die hinsichtlich ihrer Entstehung und Fortdauer des stofflichen Substrats entbehren kann, ist extramental auf ein einziges Individuum beschränkt, da ihre Entfaltung in die Vielheit weder, evidenterweise, durch spezifische Differenzen oder stoffliche [Dinge], noch auch durch Akzidenzien statthaben kann. Denn auch wenn diese zu den [stofflichen] Konkomitanten der Quiddität zählen, führen sie doch nicht zur Unterscheidung der Individuen der Art. Gehören sie [aber] zu den separaten Akzidenzien der [Quiddität], müsste ihre Akzidentalität durch etwas verursacht sein, das mit einem stofflichen Substrat verbunden ist. Die Art bedürfte also der Materie, obgleich vorausgesetzt war, dass sie separat von dieser ist, was eine contradictio in se ist. [Also] ist jede Art, die der Materie entbehren kann, extramental auf ein einziges Individuum beschränkt 96 . Folglich hat sie kein Urbild; andernfalls müssten Urbild und Abbild eines sein. 54 Jene, [die die Existenz von Urbildern lehren,] betrachten diese aber als voneinander verschieden. [Andererseits] existiert jede Art, die eines stofflichen Substrats bedarf, extramental nur zusammen mit dem [stofflichen Substrat], durch welches ihr extrinsische Akzidenzien anhaften, durch die sie in die Individuen entfaltet wird. Ein und dieselbe Art kann aber nicht [zugleich] des stofflichen Substrats entbehren und ihres bedürfen, derart dass ihr sowohl die Unabhängigkeit als auch die Abhängigkeit von außen akzedierten. Denn das Inhaerens bedarf wesenhaft des inhärierten Substrats, und das Nichtinhärente kann wesenhaft des [inhärierten Substrats] entbehren. Wenn also die Art insgesamt ohne stoffliches Substrat extramental existiert, dann existiert sie immer ohne stoffliches Substrat; und wenn sie insgesamt in einem stofflichen Substrat existiert, existiert sie immer in ihm, da die Individuen notwendig an allen Konkomitanten der Quiddität partizipieren. Die Gattung nun existiert nur in irgendeiner der Arten. Wenn diese Art stofflich ist, bedarf die ihr inhärierende Gattung des stofflichen Substrats; und wenn [die Art] nicht stofflich ist, kann die ihr inhärierende Gattung des stofflichen Substrats entbehren. Aber um extramental existieren zu können, bedarf die Gattung einer in ihr enthaltenen Differenz, so dass sie [erst] zu einer Art wird. Denn existierte eine vollkommene Natur [extramental], ohne dass etwas in ihr 97 enthalten wäre, das Teil von ihr ist, dann wäre sie 98 [immer schon] eine Art. Doch war vorausgesetzt, [dass sie] eine Gattung [sei]. Diesem Ansatz ist entgegen zu halten, was schon in der Entgegnung auf den ersten Ansatz vorgebracht wurde, dass nämlich ein Konkomitant der 96 97 98
Ich lese munͧaΥirun anstelle von munͧaΥiran der Edition. Ich folge der Lesart ilayhĂ in ms. T anstelle von ilayhi im edierten Text. Ich lese kĂnat anstelle von kĂna der Edition.
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Quiddität nur dann von den Individuen partizipiert werden muss, wenn seine Konkomitanz in der Quiddität Bestandteil der Prädikation der Quiddität von den Individuen ist, dies aber nicht notwendig ist, wenn seine Konkomitanz in der Quiddität Bestandteil der Prädikation des [Konkomitanten] von den [Individuen] ist. Und [weiter ist zu entgegnen:] Die Unabhängigkeit von dem stofflichen Substrat gehört zu den spezifischen Konkomitanten der Art, unter Ausschluss der Individuen, während die Abhängigkeit von dem stofflichen Substrat zu den spezifischen Konkomitanten der Individuen, unter Ausschluss der Art, gehört. Vierter Ansatz: Keines der Universalien, die in eine Pluralität von Individuen entfaltet sind, ist des Denkens fähig. Jede separate [Entität] ist des Denkens fähig. Also ist keine der in eine Vielheit von Particularia entfalteten Naturen separat. Diesem Ansatz ist entgegen zu halten, dass die [Propositio] minor nicht haltbar ist, da eine Bedingung der Eigenschaft der Denkfähigkeit darin besteht, dass das Wesen, das des Denkens fähig ist, eine intellektuale Einheit bildet, nicht aber eine sinnliche [Einheit]. Letztere entzieht sich nämlich der Qualifikation durch die Eigenschaft der Denkfähigkeit, da sie körperlich ist, und das Körperliche nicht des Denkens fähig sein kann. Fünfter Ansatz: [Für] jede Natur einer Vielfalt von Individuen [gilt, dass] in [Bezug auf] die Vollkommenheit ihrer Quiddität [auch] andere [Dinge] als [nur] ihre Particularia an ihr partizipieren. Dies trifft aber auf keine der separaten [Entitäten] zu. Also ist keine der in eine Vielheit von Particularia entfalteten Quidditäten 99 separat. Diesem Ansatz ist entgegen zu halten, dass die [Propositio] maior nicht wahr sein kann, was offensichtlich ist. Sechster Ansatz: Jede in eine Vielheit von Particularia entfaltete Art existiert in den stofflichen Individuen. Alles, was in diesen existiert, existiert in ihren stofflichen Substraten. Folglich ist die in eine Vielfalt von Individuen entfaltete Art nicht von der Materie abgetrennt. Auf diesen Ansatz ist [Folgendes] zu erwidern: Wir gestehen nicht zu, dass die Art in dem Sinne in den stofflichen Individuen existiert, dass sie univok von ihnen prädiziert werden könnte oder 100 aus [dem Umstand], dass deren Intelligibilität die Intelligibilität der [Art] einschließt, folgte, dass die [Art] in deren stofflichen Substraten existierte. Genau darin liegt aber der 99 100
Ich lese, mit ms. A, al-mĂhiyyĂt anstelle von al-mĂhiyya der Edition. Ich lese aw, wie in mss. A und Y überliefert, anstelle von wa- der Edition.
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Streitpunkt. Wie kann man denn zur Prämisse machen, was aufgewiesen werden [soll]? 56 Siebenter Ansatz: Jede in eine Vielfalt von Individuen entfaltete Art wird durch ihre stofflichen Individuationsprinzipien beschrieben. Folglich ist sie nicht von der Materie abgetrennt. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass die Qualifikation als solche nur der Bedingung unterliegt, dass eine Verknüpfung von Qualifiziertem und Qualifizierendem als solche vorliegt, unabhängig davon, ob diese Verknüpfung eine solche der [ontologischen] Inhärenz oder eine andere ist. Die [deskriptive] Verknüpfung von stofflichem Individuum und dem seiner Quiddität extrinsischen Individuationsprinzip dieses [stofflichen Individuums] ist eine Verknüpfung der Inhärenz. Die Verknüpfung einer Art mit einer anderen Art [wie im vorliegenden Fall] ist hingegen keine Verknüpfung der Inhärenz. Achter Ansatz: Wäre der Mensch [tatsächlich] etwas Separates, so könnte er nicht univok von seinen stofflichen Individuen prädiziert werden. Die Apodosis ist absurd, also gilt das Gleiche für die Protasis, was zu beweisen war. Entsprechend ist über andere [Universalien] zu urteilen. Auf diesen Ansatz ist [Folgendes] zu erwidern: So, wie [der Umstand, dass] der Mensch im Intellekt abgetrennt von der Materie existiert, nicht verhindert, dass er univok von einer stofflichen Vielheit prädiziert wird, ebenso wenig verhindert [der Umstand, dass] er extramental abgetrennt von der [Materie] existiert, nicht, dass er univok von dieser [Vielheit] prädiziert wird, wie bereits mehrfach dargelegt. Neunter Ansatz: Die Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder besagt, dass beispielsweise 101 der Mensch extramental etwas Separates ist. Dies zwingt zu [der Annahme, dass] die Individuen dort an ihm partizipieren. Daraus wiederum folgt, dass ein und dieselbe Sache im extramentalen [Bereich] in jedem einzelnen von ihnen ist, was offensichtlich absurd ist. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass [in der Tat] die Separation die [Annahme der] Partizipation erforderlich macht, und die Partizipation zu [der Annahme] zwingt, dass das Partizipierte ein und dieselbe, in jedem einzelnen 57 der Partizipanten existierende Sache ist. Aber wir konzedieren nicht, dass das, was intellectualiter Eines ist, nicht selbst in voneinander verschiedenen [Dingen] derart existieren kann, dass es von diesen prädiziert wird oder deren Intelligibilia in seiner Intelligibilität umfasst sind. Zehnter Ansatz: Die Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder besagt, dass die Individuen extramental an der Art partizipieren. Dies zwingt 101
Mathalan, in allen mss. außer ms. S belegt, dennoch von BadawÁ athetiert.
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zu [der Annahme, dass] ein und dieselbe Sache extramental [zugleich] in allen [Individuen der Art] ist, was offensichtlich absurd ist. In Erwiderung auf diesen Ansatz ist zu sagen: Wir konzedieren, dass [das Konzept] der Partizipation erforderlich macht, dass ein und dieselbe Sache [zugleich] in zwei voneinander verschiedenen Dingen existiert, denn nichts Anderes ist die Bedeutung von „Partizipation“. Wir konzedieren aber nicht, dass dies unmöglich ist, vielmehr kann dies so, wie es in der Konzeptualisierung stattfindet, auch im [extramentalen] Sein stattfinden, ja, dass es im Intellekt stattfindet, ist eine Folge davon, dass es extramental stattfindet. Elfter Ansatz (welcher speziell auf die Widerlegung der Existenz der Urbilder in den mathematischen [Entitäten abzielt]): Wäre die Quiddität der sinnlichen mathematischen [Entität] separat, so müsste sie [(a)] entweder in dieser existieren 102 , oder [(b)] nicht [in dieser existieren]. [(b)] Wenn sie nicht [in dieser] existiert 103 , könnte kein messbares oder zählbares sinnliches [Ding] existieren. Wenn aber keine sinnliche mathematische [Entität] existiert, könnten wir nicht der Existenz der [Quiddität] bewusst werden und würden uns etwas Mathematisches gar nicht vorstellen und denken. Denn am Anfang von alledem steht die Existenz seiner sinnlichen Erkenntnis. Im vorliegenden Fall ist aber keine Wahrnehmung der [mathematischen Entität] gegeben, während wir zugleich sicher sind, dass viele Quidditäten sinnlicher mathematischer [Dinge], wie Fläche, Gestalt und Zahl, existieren. [(a)] Wenn sie aber in dieser existiert, muss sie ein separates Individuum haben und ein anderes, sinnliches. [Letzteres] muss entweder hinsichtlich der Definition dem Separaten entsprechen oder nicht. [(a.1)] Entspricht es [ihm] nicht, so ist das Separate von der sinnlichen mathematischen [Entität] verschieden, und aus der Existenz der einen lässt sich nicht auf die Existenz des anderen schließen. Vielmehr bedürfte es eines nachträglichen Beweises, um [gesichertes] Wissen von seiner Existenz zu haben, wodurch die von ihnen [behauptete] Gewissheit der abgetrennten Existenz der [mathematischen Entitäten] widerlegt ist. [(a.2)] Wenn sie [ihm] aber entsprechen, wenn sie also per definitionem in dem [Separaten] existieren und das Separate diese [Definition] mit ihnen teilt, muss das Separate Teil dieser [Definition] und also zugleich separat und [mit der Sinnenwelt] verbunden sein, was unmöglich ist. Existieren sie aber nicht per definitionem in ihm, derart dass keine einzige der sinnlichen und der separaten [mathematischen Entitäten] gemäß ihrer Definition entweder die Existenz der Quiddität oder deren Nichtexistenz 102 103
Ich lese tŧjada anstelle von yŧjada der Edition, unpunktiert in ms. A. Ich lese lam tŧjad anstelle von lam yŧjad der Edition, unpunktiert in ms. A.
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in der [sinnlichen Entität] notwendig machte, [dann] könnte das separate [Mathematische] stofflich und das Stoffliche separat sein; und das ist nach allgemeiner Überzeugung absurd. Auf diesen Ansatz ist [Folgendes] zu erwidern: Wir stimmen zu, dass die Quiddität der sinnlichen mathematischen [Entität] in dieser existiert, hinsichtlich der Definition der separaten Quiddität entspricht, und per definitionem in der sinnlichen [mathematischen Entität] existiert. Aber wir konzedieren nicht, dass hieraus folgt, dass das von der Materie Separate mit dieser verbunden sei. Denn die [Quiddität] existiert in der sinnlichen [mathematischen Entität] in dem Sinne, dass sie von diesen univok prädiziert wird oder deren Intelligibilität in ihrer Intelligibilität umfasst ist. Daraus folgt aber nicht, dass das Separate verbunden sei, wie oben ausgeführt. Zwölfter Ansatz (welcher dieselbe spezielle Ausrichtung [wie der vorangehende] hat): Gemäß dem, was in dem elften [Ansatz] dargelegt wurde, muss die Quiddität der sinnlichen mathematischen Entität in dieser existieren. Das, was von ihr dort zusammen mit den stofflichen Akzidenzien existiert, muss folglich entweder [(a)] von dem Separaten abhängen oder [(b)] nicht [von ihm abhängen]. [(a)] Wenn es [von ihm] abhängt, [und] wenn weiter [(a.1)] diese Abhängigkeit in seiner Definition begründet ist, an der sowohl es als auch das Separate partizipieren, [dann] hängt das Separate von einem anderen Separaten ab, und [es folgt] ein Regressus ad infinitum. [(a.2)] Wenn aber [diese Abhängigkeit] in etwas Anderem als seiner Definition begründet ist, [muss] sie in einem Teil seiner Akzidenzien begründet sein. Demnach wäre die[ses] Akzidens Ursache der der Existenz des Separaten anhaftenden Abhängigkeit, und damit Ursache des Separaten. Denn die Ursache eines Konkomitanten der Existenz einer Sache ist [Mit-]Ursache dieser Sache selbst; ihre Existenz ist notwendig für die Existenz dieser [Sache], und ihre Nichtexistenz [ist notwendig] für deren Nichtexistenz. Folglich wäre das Akzidens [Mit-]Ursache des Separaten, was unmöglich ist, weil das Akzidens einer Sache nicht Ursache von etwas sein kann, das früher als es existiert, und das früher Existierende 59 der Existenz dieses [Akzidens] entbehren kann. Wenn also das Akzidens nicht Ursache des Separaten ist, [folgt] per argumentum e contrario, dass es nicht Ursache der Abhängigkeit ist. Also ist es [auch] nicht Ursache des Abhängigen, denn nichts von dem, was nicht Ursache der Eigenschaft der Abhängigkeit ist, ist Ursache des Abhängigen selbst, [gemäß der vorliegenden Hypothese] also dessen, was von der Quiddität der sinnlichen mathematischen [Entität] in dieser zusammen mit den körperlichen Akzidenzien existiert, derart dass die gemeinschaftliche Existenz der [Quiddität] in dieser [sinn-
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lichen Entität] zusammen mit den Akzidenzien aus der Akzidentalität des Akzidens und der Verbindung [der Quiddität] mit ihm [hervorginge]. Wenn also das Abhängige keine Wirkung des Akzidens [der Abhängigkeit] ist, aber auch keine Wirkung der Quiddität, da diese keine Abhängigkeit verursachen kann, [dann] muss es [(a.3)] eine Wirkung des Separaten sein, denn nach ihrer Ansicht muss es entweder durch die Quiddität oder das Akzidens oder das Separate verursacht sein. Da es nun weder durch die Quiddität noch durch das Akzidens verursacht ist, muss es durch das Separate verursacht sein. Demnach müsste das Separate die Existenz des Akzidens [der Abhängigkeit] in etwas Anderem, aber nicht in sich selbst, bewirken, obwohl beide[, das Andere und das Separate,] in [ihrer] Natur übereinstimmen, also kein Kriterium für eine Bevorzugung [dieser oder jener Wirkung] gegeben ist. [(b)] Wenn aber das, [was von der Quiddität in der sinnlichen mathematischen Entität zusammen mit den stofflichen Akzidenzien existiert] nicht [von dem Separaten] abhängt, kann das separate [Mathematische] nicht Ursache des stofflichen [Mathematischen] sein. Vielmehr ist es minderwertiger als das Stoffliche, da letzterem Kräfte und Wirkungen anhaften, die dem Separaten nicht anhaften. Und was ist schon die primitive Darstellung eines Menschen im Vergleich zu seiner lebendigen, wirkenden Gestalt? 104 Auf diesen Ansatz ist [wie folgt] zu entgegnen: Mit dem, was von der [Quiddität] in dem Individuum zusammen mit dem Akzidens existiert, ist das Individuationsprinzip gemeint, [also] entweder das Wesen, dem die gemeinsame Existenz [von Quiddität] und Akzidens in [dem Individuum] folgt 105 , oder die Verbindung [der Quiddität] mit dem Akzidens. Wenn die Verbindung gemeint ist, so stimmen wir zu, dass [diese] per definitionem von den separaten [mathematischen Dingen] abhängt. Aber [wir stimmen] nicht [zu], dass sowohl es als auch das Separate an seiner Definition partizipieren. Es folgt also nicht der behauptete Regressus ad infinitum bei den separaten [mathematischen Dingen]. Und wenn das Wesen gemeint ist, so stimmen wir zu, dass es nicht von den separaten [mathematischen Dingen] abhängt 106 . Doch folgt aus [dem Umstand], dass es nicht von dem Separaten abhängt, nicht, dass das Stoffliche nicht von dem Separaten abhängt, denn dieses Wesen ist nicht 60 104
Die letzten beiden Absätze sind eine Paraphrase von Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. AlIlĂhiyyĂt, p. 318, l. 3-12.
105
„Das Individuationsprinzip ... folgt“, von BadawÁ nach einer Marginalie in ms. S ergänzt, wird durch ms. A (in textu) bestätigt.
106
„Und wenn ... abhängt“, von BadawÁ nach Marginalien in mss. S, T und Y ergänzt, wird durch ms. A (in textu) bestätigt.
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stofflich, sondern separat; und das mit dem Akzidens Verbundene ist das Individuum, nicht die Quiddität; und die Akzidentalität des Akzidens ist in dem Individuum begründet, nicht in der Quiddität; es sei denn, man meinte mit der Verbindung und der Akzidentalität etwas Allgemeineres als eine attributive Spezifikation (wie bei der Verbindung der rationalen Seele mit dem Leib). Des Weiteren konzedieren wir nicht die Richtigkeit der [folgenden] Feststellung: Wäre das Akzidens Ursache des [Umstands, dass] das, was von der Quiddität in dem Individuum zusammen mit dem Akzidens existiert, von dem Separaten abhängt, [so] wäre das Akzidens [Mit-]Ursache des Separaten. Hieraus ergibt sich nämlich für uns die absurde Konsequenz, dass die Abhängigkeit von dem Separaten ein Konkomitant des Separaten wäre und die Ursache des Konkomitanten die Ursache von dem wäre, dessen Konkomitant es ist. Denn [es ist] die Potentialität der ersten Wirkung, [die] die Ursache für ihre Abhängigkeit von der ersten Ursache ist; und die Abhängigkeit von ihr ist ein Konkomitant der [Ursache]; doch ist die Potentialität nicht Ursache der [Ursache]. Des Weiteren konzedieren wir nicht die Richtigkeit der [folgenden] Feststellung: Wenn das Akzidens nicht die Ursache für die Abhängigkeit dessen ist, was von der [Quiddität] zusammen mit dem Akzidens in dem Individuum existiert, [dann] ist das Separate die Ursache ihrer gemeinsamen Existenz mit dem Akzidens. Hieraus ergibt sich nämlich für uns die Konsequenz, dass das Akzidens, sofern es nicht Ursache der Abhängigkeit ist, nicht Ursache des Abhängigen ist. Wenn es aber nicht Ursache des Abhängigen ist, und auch die Quiddität nicht Ursache des Abhängigen ist, weil sie notwendig als Ursache der Abhängigkeit auszuschließen ist, müsste das Abhängige Wirkung 107 des Separaten sein, da ihrer Ansicht nach nur die Quiddität, das Akzidens, und das Separate als Ursache der [Abhängigkeit] in Frage kommen. Da nun die Quiddität und das Akzidens nicht deren Ursache sind, sind sie absurderweise gezwungen, das Separate als deren Ursache zu bestimmen. Wir konzedieren aber nicht, dass alles, was als Ursache der Abhängigkeit auszuschließen ist, auch als Ursache des Abhängigen auszuschließen ist. Denn die Wirkursache der Existenz der Quiddität ist nicht die Ursache der Abhängigkeit der [Quiddität] von ihr. Ursache hiervon ist vielmehr die Potentialität der [Quiddität]. Nichtsdestotrotz ist die Wirkursache ihrer Existenz notwendig eine Ursache für sie. Gleichfalls konzedieren wir nicht die von ihnen gelehrte Restriktion von [nur] drei Ursachen[arten] des 61 Abhängigen, da sie [auch] die Wirkung einer vierten [Ursachenart] zulassen. 107
Zu lesen ist, wie oben, maצlŧl anstelle von maצlŧm der Edition.
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Außerdem: Gesetzt den Fall, dass [tatsächlich] in dem Fall, dass das Wesen nicht von dem Separaten abhängt, folgte, dass das Stoffliche nicht vom Separaten abhinge. So folgt dennoch nicht, dass das Separate minderwertiger als das Stoffliche sei, denn die „primitive Darstellung“, hier also das Separate, subsistiert durch sich selbst oder durch dasselbe Urbild, durch welches die [mit der Materie] verbundene Gestalt und auch die Urbilder [ihrer] Wirkungen und Kräfte subsistieren. Sie braucht also nicht minderwertiger als die verbundene Gestalt zu sein. Dreizehnter Ansatz (welcher dieselbe spezielle Ausrichtung [wie der vorangehende] hat und [gewissermaßen] ein Resultat ihrer Suche nach der Ursache für das Zusammentreffen von Punkt, Linie und Fläche im Körper ist): Und zwar [fragen sie]: Ist die [Ursache] die Natur eines von ihnen? – [Aber] dann müssten sie in diesem [Einen] koinzidieren, wenn sie separat wären. Oder ist [die Ursache] eine andere Kraft, [etwa die] einer Seele oder eines Intellekts oder eines Schöpfers? – [Aber] dies ist auch unmöglich, da alle, der Schöpfer, der Intellekt und die Seele, jeweils in demselben Verhältnis zum [Bereich des] Abgetrennten und zum [Bereich] des Stofflichen stehen. Dass sich einer der drei gegenüber den beiden anderen durch die Koinzidenz von Linie, Fläche und Punkt im Stofflichen, nicht aber im Abgetrennten, auszeichnet, [würde] einer Spezifizierung ohne ein Spezifikationskriterium [gleichkommen], was unmöglich ist. Weiter [fragen sie]: Wie kann die Linie früher sein als der Körper, ohne eine seiner vier Ursachen zu sein? – Und wenn dem so wäre, dann müsste der Körper doch der End[zweck] der drei sein, während die drei doch Konkomitanten des Körpers vermittels [seiner] Begrenztheit sind! Dieser Ansatz [ist] im Kontext [der Lehre] der [Philosophen zu lesen], die die drei für Substanzen halten; andernfalls wäre [das Argument] unvollständig. Denn setzt man die Akzidentalität von [Punkt, Linie und Fläche] voraus, so ist die Begrenztheit [des Körpers] die Ursache für deren Zusammentreffen im Körper, was die [Annahme von deren] Existenz in den separaten [Dingen] verbieten würde. Aus diesem Grunde setzen sie die Vorrangigkeit der Linie vor dem Körper in ihrem Beweis zur Widerlegung der Bestimmung [von Punkt, Linie und Fläche] als Ursache des Zusammentreffens voraus. Das heißt, [ihr Argument ist so zu verstehen]: Wie kann die Linie früher sein als der Körper, ohne eine seiner vier Ursachen zu sein, wie zuvor bei der Widerlegung [der Theorie von] den unteilbaren Teilen in den physikalischen [Schriften] deutlich wurde? Weiterhin sind andere [Argumentations]ansätze, die speziell auf die Widerlegung der Doktrin von der Zahl als Prinzip des räumlich Ausgedehnten abheben, bei „dem Meister“ [Ibn SÁn zu finden]. Sie bringen jedoch kaum
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Fortschritt, und wir wollen die [vorliegende] Abhandlung nicht [unnötig] durch ihre Darlegung ausdehnen. Da nun dieser Ansatz nur dann vollständig ist, wenn man [hypothetisch] die Behauptung voraussetzt, dass [Punkt, Linie und Fläche] individuelle Substanzen seien, was absurd ist, wollen wir uns nicht mit einer Erwiderung dessen belasten, was auf Absurditäten gegründet ist. Vierzehnter Ansatz: Die Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder besagt, dass Zayd und Amr extramental an ,Mensch‘ partizipieren, und [dass] deren extramentale Partizipation an ,Mensch‘ nur dann möglich sei, wenn [,Mensch‘] ein und dasselbe, in jedem der beiden extramental Existierende ist. Sie besagt also [dasselbe wie] die Lehre, der zufolge Menschsein als ein und dasselbe, nämlich als universales Menschsein, in jedem der beiden extramental existiert; und dies ist absurd. Denn der eine selbige Mensch, der in jedem der beiden existiert, ist etwas Intellektuales, nicht etwas Extramentales, da das Menschsein, welches in Zayd gemäß [seiner] extramentalen [Existenz] ist, ein anderes ist als das, welches in Amr gemäß seiner [extramentalen Existenz] ist, und ein anderes als diese beiden zusammen. Andernfalls wäre jede der beiden 108 ein Teil von ihr, nicht sie selbst, was der Hypothese zuwider läuft. Wir sagen aber, dass das Menschsein, welches in Zayd ist, ein anderes sei als das, welches in Amr gemäß seiner extramentalen [Existenz] ist, weil die beiden, wenn sie extramental eines wären, numerisch ein Wesen sein müssten, welches zugleich durch die voneinander verschiedenen Individuationsprinzipien der beiden [Menschen] qualifiziert ist, was offensichtlich unmöglich ist. Folglich existiert das numerisch eine Menschsein, das als solches in jedem der beiden existiert, nicht extramental, sondern im Intellekt. Damit ist die Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder widerlegt, was zu beweisen war. Diesem Ansatz ist entgegen zu halten, was bereits zur Widerlegung der [These von der] Unmöglichkeit der simultanen Qualifikation eines intellektualen Einen durch sich wechselseitig ausschließende [Eigenschaften] vorgebracht wurde. 63 Fünfzehnter Ansatz: Wären die Quidditäten von körperlichen Substanzen und Akzidenzien extramental abgetrennt, müssten sie dort nach Art des Intellekts sein. Folglich müssten die des Denkens unfähigen Lebewesen, die 108
Ich folge mss. A, T und Y, die kullu wĂͧidatin minhumĂ lesen (also „jede der beiden ,Menschsein‘ [i.e. Zayds extramentales Menschsein und Amrs extramentales Menschsein]“), anstelle von kullu wĂͧidin minhumĂ (also „jeder der beiden [Zayd und Amr]“), wie von BadawÁ nach mss. L und S ediert.
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Pflanzen, die anorganischen Körper und die Akzidenzien der Erkenntnis von Wissensgegenständen fähig sein, [also] Intellekte oder abgetrennte Seelen 109 oder durch sich selbst notwendige Seiende sein, was absurd ist. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass aus [dem Umstand, dass] die separate Quiddität des individuellen Körpers nach Art des Intellekts ist, nicht folgt, dass dieses sinnliche Partikulare nach Art des Intellekts sei. Was die körperlichen Akzidenzien angeht, so subsistieren 110 ihre separaten Quidditäten in der Welt des Urbildes durch die separate Quiddität des partikularen sinnlichen Körpers. Sie sind also durchaus nicht nach Art des Intellekts, sondern von dem stofflichen Substrat abgetrennte Formen des Körpers. Sofern sie durch sich subsistieren und vollständig abgetrennt sind, wie die intelligiblen Formen, sind sie in der Welt der Platonischen Urbilder. Und sofern sie [nur] durch sich subsistieren, aber nicht vollständig abgetrennt sind, wie die Formen der Vorstellung, gehören sie zur Welt des „herabhängenden Urbildes“. Oder wir sagen [Folgendes]: Die mittels der Vielfalt der stofflichen Substrate in die Vielfalt der Individuen entfaltete Art ist nicht vollständig von der Materie abgetrennt, da die Individuen der [Art] mit der [Materie] verbunden sind. Deshalb ist sie extramental nicht nach Art des Intellekts, denn obzwar das Wesen eines Intellekts durch sich selbst subsistiert, setzt das Charakteristikum der Intellektualität doch voraus, dass [die betreffende Entität] nicht durch die stofflichen Substrate mit den Particularia verbunden ist, ja, dass sie der Materie gänzlich entkleidet ist 111 . Sechzehnter Ansatz: Auf die Quiddität eines sinnlichen Individuums, wie beispielsweise eines Menschen, nimmt man auf konkrete sinnliche Weise Bezug, z. B. indem wir sagen „dieser [konkrete] Mensch“. Alles, auf das man so Bezug nimmt, ist etwas Körperliches. Folglich ist die Quiddität des sinnlichen Individuums nicht separat. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass das, worauf man auf konkrete sinnliche Weise Bezug nimmt, indem man „dieser [konkrete] Mensch“ sagt, nicht der Mensch im Sinne [des Menschen] an sich ist, sondern [der Mensch] im Sinne dessen, was wahrheitsgemäß von seinen Individuen, z. B. von Zayd, [ausgesagt wird]. Im äußersten Fall könnte man auf konkrete sinnliche Weise 109 110
111
Aw nufŧsan mufĂraqatan ms. A; nufŧsan fehlt in der Edition BadawÁs. Ich lese mit mss. A, T und Y takŧnu ... qĂץimatan. BadawÁ folgt mss. L und S und liest qad takŧnu ... qĂץimatan („können ... subsistieren“). Ich folge der Lesart der mss. L und Y (cf. BadawÁ, p. 63, Anm. 5), die auch von ms. A bestätigt wird, nicht dem edierten Text.
64
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Appendix I
auf ihn Bezug nehmen und dabei nicht das Wort „Zayd“, sondern das Wort „Mensch“ benutzen. Siebzehnter Ansatz: Keine Art ist extramental separat. Denn wäre dort irgendeine Art separat, wäre sie dort etwas Partizipiertes. Etwas Partizipiertes kann aber nicht extramental sein, da alles extramental Existierende individuell ist. Nichts Individuelles ist etwas Partizipiertes. Also kann nichts zugleich extramental existieren und Partizipiertes sein. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass das Individuellsein nicht verbietet, dass eine Vielheit [von Partizipanten] an dem partizipiert, dem die Individuation akzediert [und] das wahrhaftig Eines ist, sondern [nur die Partizipation] an dem aus akzedierender [Individuation] und akzediertem [Individuum] zusammengesetzten Ganzen [verbietet]. Wenn [oben] mit dem Individuellen das Ganze aus Quiddität und individuellen Akzidenzien gemeint ist, also das verifizierbare partikulare Individuum, so konzedieren wir nicht, dass alles extramental Existierende dort individuell sei, da diese [Bestimmung] nicht mit den „natürlichen Universalen“ vereinbar ist. Ist aber das gemeint, dem die Individuation akzediert, oder etwas Allgemeineres als dies 112 , so konzedieren wir nicht, dass nichts Individuelles extramental etwas Partizipiertes sei, da diese [Bestimmung] nicht mit den extramental in eine Vielfalt entfalteten Quidditäten vereinbar ist. Denn jede von diesen wird extramental von all ihren Individuen partizipiert, da sie unserer Ansicht nach dort abgetrennt sind. 65 Achtzehnter Ansatz: Gesetzt den Fall, die Quiddität von Gold ist etwas Separates: Dann kann entweder wahrheitsgemäß von ihr ausgesagt werden, dass sie Gold ist, oder [dies ist] nicht [wahr]. Wenn es wahr ist, muss ein Teil dessen, was als Gold beschrieben wird, nach Art des Intellekts sein, was notwendig absurd ist. Und wenn es nicht wahr ist, ist die Partizipation goldener [Dinge] an dem Gold, sei sie nun separat oder stofflich, ein sprachliches [Phänomen], nicht etwas Inhaltliches. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass wir [in der Tat] der Meinung sind, dass das separate Gold als solches als Gold zu beschreiben ist. [Zu] der Aussage, dass es dann wahr sein [müsse], dass ein Teil des Goldes nach Art des Intellekts sei, und [dass] dies unmöglich sei, sagen wir: Dieser partikulare affirmative Aussagesatz muss [nur] dann wahr sein, wenn sein Subjekt so gefasst wird, dass es eine nominelle Qualifikiation 113 zulässt. In diesem Fall 112 113
„Als die beiden“ (minhumĂ) mss. A, L und Y. WaΥf צunwĂnĮ ist ein Terminus technicus der post-avicennischen Logik (eingeführt möglicherweise durch al-AbharÁ), dessen Bedeutung sich aus Ibn SÁns Überlegungen zum logischen Notwendigen herleitet, jedoch nicht ganz klar umrissen zu
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kann er [gar] nicht falsch sein, weil die Qualifikation der Intellektualität [durchaus] zu den Propria der separaten Quiddität des Goldes gehören kann, ohne [auch] zu deren stofflichen Individuen [zu gehören].
SECHSTE UNTERSUCHUNG: Zu den Beweisen für die fünfte Lehrmeinung 114 „Der Lichtmetaphysiker“ [al-SuhrawardÁ] und seine Anhänger argumentieren, dass für jede einzelne korporelle Art ein Intellekt existiert, der sie
114
sein scheint. Ibn SÁn unterscheidet prinzipiell drei Arten des logischen Notwendigen. Die beiden ersten Arten könnte man als analytische Notwendigkeit bezeichnen, die dritte als synthetische Notwendigkeit. Eine analytische Notwendigkeit ist (I) das Sein des unbedingten Seins an sich, welches nicht nichtsein kann; (II) das Nichtsein des Nichtseins an sich, welches nicht unter gewissen Bedingungen oder zu einer bestimmten Zeit sein kann. (III) Eine synthetische Notwendigkeit liegt in Propositionen vor, in welchen das Sein oder Nichtsein von etwas mit Notwendigkeit von einem Subjekt prädiziert wird. Diese dritte Art des logischen Notwendigen untergliedert Ibn SÁn in fünf Klassen: (a) Affirmationen oder Negationen, die immer notwendig gültig sind (Beispiele: Gott ist einer; Gott ist nicht korporell); (b) Affirmationen und Negationen, die genau dann notwendig gültig sind, wenn das Subjekt der Proposition wesenhaft existiert (Beispiel: Jeder Mensch ist notwendig ein Lebewesen); (c) Affirmationen und Negationen, die genau dann notwendig gültig sind, wenn (i) das Subjekt der Proposition wesenhaft existiert und (ii) dieses Subjekt der Proposition ist, insofern es eine bestimmte Qualifikation (waΥf, Υifa) aufweist (Beispiel: Jedem Weißen eignet notwendig die trennende Farbe des Gesichtssinns; N.B.: So lautet in der arabischen Übersetzung von Aristoteles’ Metaphysik X [I] 7, 1057b9, Aristoteles’ Zitat von Platons Definition des Weißen, Timaios 67e); (d) Affirmationen und Negationen, die genau dann notwendig gültig sind, wenn das Prädikat der Proposition wesenhaft existiert (Beispiel: Jedes Seiende ist notwendig entweder notwendiges Sein oder nichtnotwendiges Sein); und (e) Affirmationen und Negationen, die genau dann notwendig gültig sind, wenn eine in der Zukunft liegende Bedingung erfüllt ist, von der bekannt ist, dass sie erfüllt werden wird (Beispiel: Der Mond wird notwendig verfinstert werden); cf. Ibn SÁn, KitĂb alShifĂץ. Al-Manίiq V: al-BurhĂn, pp. 120sq. Die “nominelle Qualifikation” (waΥf צunwĂnĮ) betrifft den Fall III.c. Sie liegt dann vor, wenn die zweite Bedingung, also die Existenz einer bestimmten Qualifikation des Subjekts der Proposition, auf per-se-Attribute des Subjekts reduziert wird, der Proposition also die wesenhafte Kombination von Qualifikation (hier: Gold qua intellektuale Qualifikation) und qualifiziertem Subjekt (hier: Gold qua separate Entität unter Ausschluss konkreter goldener Entitäten) zugrunde gelegt wird. Ein waΥf צunwĂnĮ transformiert also eine notwendige Proposition der Kategorie III.c in eine solche der Kategorie III.b. Cf. supra, p. 230 f.
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bewahrt, ihr Fortdauern garantiert und sie beschützt. [Dieser Intellekt] steht zu allen Individuen der [Art] in derselben Beziehung der Fürsorge. Seine kontinuierliche Emanation über die [Arten] steht in ihrer Ehrwürdigkeit über dem Rang der Seelen und —im Verhältnis zu den horizontal geordneten Intellekten— [noch] unter dem Rang der vertikal [geordneten] Intellekte 115 entsprechend der Ordnung der korporellen Arten. Er verhält sich zu dieser so, wie sich Zayd zu seiner in einem Spiegel sichtbaren Form verhält. [Hierfür argumentieren sie] mit [vier verschiedenen] Ansätzen. Erster Ansatz: Die [seelischen] Kräfte von Ernährung, Wachstum und Fortpflanzung sind Akzidenzien, denn sie inhärieren dem zusammengesetzten [Lebewesen] in instabiler Weise, das heißt, sie inhärieren mit ihren materiellen Formen den organischen Teilen 116 [des Körpers], die dieser [Kräfte] entbehren können. Zu diesen verhalten sie sich also wie ein Akzidens zu einem Substrat. Sie sind also durchaus keine Substanzen, denn Substanz ist nur, was sich [zu etwas Anderem] durchaus nicht wie etwas in einem Substrat verhält. Auf dieselbe Weise lässt sich zeigen, dass die Sinnesvermögen ebenfalls Akzidenzien sind. Wenn nun diese Kräfte Akzidenzien und die geistigen und organischen Teile [des Lebewesens] ihre Substrate sind, so unterliegen sie allesamt 117 ständig der Auflösung. Die Veränderlichkeit der geistigen Substanz ist offensichtlich, die der Organe ist durch die sie beherrschende [an 67 geborene] Hitze bedingt. Auch die Pflanzen unterliegen beständig der Auflösung, da sie zusammen mit der Feuchtigkeit die Hitze enthalten, deren Natur es ist, die Feuchtigkeit aufzulösen. Ist nun das inhärierte Substrat veränderlich, so muss auch das Inhaerens veränderlich sein; und wenn sich letzteres zusammen mit ersterem verändert, kann es nicht durch dieses bewahrt werden. Denn würde es durch dieses [mit ihm Veränderliche] bewahrt, müsste das Bewahrende entweder das sich von ihm Abtrennende oder etwas neu zu ihm Hinzutretendes sein. Beide [Alternativen] sind aber abwegig, der erste Fall, weil das Nichtseiende im Augenblick der Nichtexistenz nicht auf das Existierende einwirken kann, der zweite Fall, weil das neu Hinzutretende [erst] um der bewahrenden Kraft des inhärierten Substrat willens entsteht, also nicht das sein kann, was die Existenz dieser bewahrenden Kraft bewirkt. Da nun Ernährung, Wachstum und Fortpflanzung jeweils zusammengesetzte [Prozesse] sind, jede der drei [seelischen] Kräfte aber einfach ist, und da ferner die pflanzlichen und animalischen Körper trotz der wunderbaren 115
116 117
Zu den horizontal und vertikal geordneten Lichtern in al-SuhrawardÁs Philosophie cf. ͦikmat al-ishrĂq, § 183. „Den materiellen Teilen“ (al-ajzĂץi l-צunΥuriyya) in ms. A. Ich lese fa-kulluhĂ anstelle von wa-kulluhĂ der Edition.
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Zusammensetzung, der erstaunlich vollendeten Ordnung, der trefflichen Dispositionen und der zweckmäßigen Strukturen, die in ihnen [zu finden sind], nicht aus einer Kraft hervorgehen können, die von Pflanzen und Tiere nichts weiß, so müssen sie aus einer abgetrennten Kraft hervorgehen. Diese abgetrennte Kraft ist nichts anderes als ein Intellekt. Um eine pflanzliche Seele kann es sich nicht handeln, da sie keine abtrennbare Seele ist. Die Ansicht, der zufolge Pflanzen eine abtrennbare Seele haben, ist offensichtlich nicht richtig, da aus ihr folgt, dass dieser [Seele] dauerhaft die [Möglichkeit] verwehrt ist, zur Vollkommenheit zu gelangen. Und [um] eine menschliche [Seele kann es sich nicht handeln], da die abtrennbare Seele des [Menschen] nichts von den pflanzlichen Prozessen weiß. Auch eignet ihr kein Teil von solcher Art, dass das Ganze jener abgetrennten Kraft dieser Teil sein könnte. Dass diese aber in den Tieren nicht aus deren sensitiver [und] bewegender Seele hervorgehen kann, wird jeder, der eine gesunde Auffassungsgabe hat, intuitiv für richtig erkennen. Kurzum, jene Kraft ist weder eine Art-Form für die Art, da das Inhaerens nicht das inhärierte Substrat erhalten kann, noch eine abtrennbare Seele der Art, die mit dieser nach Art der Verbindung zwischen unseren Seelen und Körpern verbunden wäre; andernfalls würde sie immer dann Schaden nehmen, wenn die Individuen der Art Schaden nehmen, da ihre Fürsorge diese allesamt gleichermaßen umfasst. [Bezüglich dieses „Ersten Ansatzes“] gibt es [divergierende] Ansichten. E r s t e A n s i c h t : Sowohl „der Meister“ [Ibn SÁn], in seinem Buch Die Diskussionen, als auch „der Imm“ [Fakhr al-DÁn al-RzÁ], in seinem Buch Erleuchtende Untersuchungen, machen deutlich, dass das Vorstellungsvermögen eine Substanz ist 118 . Des Weiteren erwähnt „der Meister“ [Ibn SÁn] in [seinem Buch] Quellen der Weisheit, dass die animalischen [Seelen]vermögen der Wahrnehmung und Bewegung „allesamt in der Weise Vollkommenheiten der Körper sind, dass sie als Formen dieser Körper [dienen]“ 119 . „Der Imm“ [Fakhr al-DÁn al-RzÁ] interpretiert die [von Ibn SÁn gelehrte] „Informierung“ der Körper durch die [Seelen]vermögen als Inhärenz der [Seelen]vermögen in den Körpern; [d.h.] seine Interpretation ersetzt offenbar das Spezifische durch das Allgemeine. Denn seine Ausdrucksweise lässt erkennen, dass es sich um Art-Formen der [Körper] handelt, was zutreffend ist, da die Körper aufgrund ihrer unterschiedlichen Propria hinsichtlich der Art-Formen zu 118
119
Explizit erklärt Ibn SÁn dies in al-MubĂͧathĂt meines Wissens nicht. Allerdings finden sich Textstellen, die möglicherweise eine solche Interpretation zulassen, so pp. 90f., 306f., 329f. (ed. BÁdrfar). Zu Fakhr al-DÁn al-RzÁ, cf. al-MabĂͧith almashriqiyya, vol. 2, pp. 338-343 (ed. al-BaghddÁ). Cf. Ibn SÁn, צUyŧn al-ͧikma, p. 40, l. 1f. (ed. BadawÁ), p. 79, l. 14f. (ed. al-Jabr).
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unterscheiden sind. Jene [Seelen]vermögen sind also diese Art-Formen; [i.e.] sie sind Vermögen, insofern sie Prinzipien der Veränderlichkeit sind, und sie sind Art-Formen, insofern sie die Materie [actualiter] bestehen lassen und den Körper in unterschiedliche Arten scheiden. Während [also] der [oben] angeführte Beweis der Akzidentalität der [Seelen]vermögen erfordert, dass die irdische Seele und die Art-Formen der [körperlichen] Mischungen Akzidenzien seien, sind sie nach Ansicht dieser beiden [Philosophen] Substanzen. Zu dieser Ansicht ist zu erwidern, dass „der Lichtmetaphysiker“ [al-SuhrawardÁ] die Prinzipien der Peripatetiker nicht notwendig für richtig hält, eine Abweichung von ihnen also seiner [Lehre] nicht [notwendig] Abbruch tut. Z w e i t e A n s i c h t : „Der Meister“ [Ibn SÁn] macht zu Beginn von Buch X der „Metaphysik“ des [KitĂb] al-ShifĂ ץdeutlich, dass das Prinzip [aller] natürlichen Wirkungen in Prinzipien [zu suchen] ist, deren Rang höher ist [als die natürlichen Dinge], da sie die in ihrem Gutsein begründete Notwendigkeit ihrer Hervorbringung kennen und die [natürlichen Dinge] in Folge [dieses Wissens] hervorbringen 120 . Das, was sie bewirkt, ist [seinerseits] durchaus nichts Natürliches, sondern das erste Prinzip, [welches] vermittels 121 der Intellekte und der himmlischen Seelen gemäß der Vorsehung [wirkt]. Letztere 69 ist [entweder] das Wissen des erhabenen Schöpfers von allen kontingenten [Dingen] als solche zusammen mit seiner Erschaffung von ihnen in der Weise wie [er Wissen von ihnen hat], das heißt in der Weise, dass es keine bessere Methode ihrer Existenz als diese geben kann (denn der erhabene [Schöpfer] weiß, was das Beste jeder Art ist, und bringt dieses zur Existenz). Oder [sie ist] sein Wissen von allen [kontingenten Dinge], welches [entweder] die Ursache der Existenz von allen [Dingen] in der bestmöglichen Weise ihrer Existenz ist oder die Ursächlichkeit 122 seines Wissens von diesen [Dingen] als solche für deren Existenz als solche. [Aber] wenn dem so ist, ist der [oben angeführte] Schluss von der Existenz der vegetativen Wirkungen auf die Existenz der „Herren der Arten“ 123 hinfällig. Zu dieser Ansicht ist zu erwidern, dass in Anbetracht ihrer höchsten Ehrwürdigkeit nicht das Notwendig Seiende oder die vertikal [geordneten] 120 121 122
123
Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. Al-IlĂhiyyĂt, pp. 435-437. Ich lese mit ms. A bi-tawassuί anstelle von yatawassaίu der Edition. „[Entweder] die Ursache ... die Ursächlichkeit“ fehlt, vermutlich nach Ausfall durch homoioteleuton, in allen von BadawÁ benutzten Handschriften. Ich lese mit ms. A: aw צilmuhŧ taצĂlĂ bi-jamĮצihĂ lladhĮ huwa sababu wujŧdi l-jamĮצi צalĂ aͧsana mĂ yumkinu wujŧduhŧ צalayhi aw צilmuhŧ taצĂlĂ bihĂ צalĂ mĂ hiya צalayhi li-wujŧdihĂ ka-dhĂlika. Vgl. zu diesem Begriff auch supra, pp. 136-142, 230 f., infra, pp. 381-386.
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Intellekte für die Verwaltung der Arten verantwortlich sind, sondern diese [Aufgabe] den horizontal [geordneten] Intellekte aufgrund ihrer geringeren Ehrwürdigkeit obliegt. Entsprechend ist in der Terminologie des Gesetzgebers die Rede von dem „Geist des Wassers“ 124 und dem für das Wasser verantwortlichen Engel und anderen derartigen Ausdrücken, die darauf hinweisen, dass jeder korporellen Art ein mit ihrer Verwaltung betrauter Engel zukommt. D r i t t e A n s i c h t : Die Seele vollzieht all ihre Wirkungen nur mittels Organen und geistigen und körperlichen Kräften, ist dieser [Kräfte und Organe] aber zuweilen nicht bewusst. So, wie es nun nicht notwendig ist, dass bei einem Wirken ein Bewusstsein von dem Instrument [der Wirkung vorliegt], so ist es auch nicht notwendig, dass [das Wirkende] dabei seiner selbst bewusst ist. V i e r t e A n s i c h t : Warum sollte es nicht möglich sein, dass der [Seele] diese Wirkungen bewusst sind, [dies] jedoch [so, dass] ihr das Bewusstsein hiervon nicht bewusst ist? — Dass die Seele das Prinzip aller vegetativen, animalischen und psychischen Wirkungen ist, darauf verweist [der Umstand], dass die Intensivierung der vegetativen Wirkungen zu einer Verminderung der animalischen und psychischen Wirkungen führt, etwa wenn in der Nacht die Krisis [einer Krankheit] eintritt. Wären die drei [Arten von] Wirkungen nicht in [einem] Prinzip, nämlich der Seele, vereinigt, würde [der Umstand], dass sie mit einem Teil dieser Wirkungen befasst ist, nicht verhindern, dass sie als Ganze auch mit dem anderen Teil der [Wirkungen] befasst ist und 124
Der Verfasser spielt hier auf NaהÁr al-DÁn al-ՇʗsÁs Bericht über die unter dem Titel SalĂmĂn und AbsĂl bekannte allegorische Erzählung an, die Ibn SÁn am Anfang von NamaՈ IX von al-IshĂrĂt wa-l-tanbĮhĂt erwähnt (vgl. zu dieser Allegorie allgemein den Eintrag „Salmn and Absl“, Encyclopaedia of Islam. New Edition, vol. 8. Leiden: Brill, 1995, p. 920f.). In seinem Kommentar zu Ibn SÁns Werk referiert NaהÁr al-DÁn al-ՇʗsÁ zwei Versionen der Geschichte (Ibn SÁn, KitĂb al-IshĂrĂt wa-l-tanbĮhĂt, ed. Qum, vol. 3, p. 365-369), deren erste möglicherweise auf hermetische Quellen zurückgeht (vgl. zu den beiden Versionen ausführlich, gleichwohl stellenweise enigmatisch, Henry Corbin, Avicenne et le récit visionnaire. Vol. 1: Étude sur le cycle des récits avicennes. Paris: Librairie d’Amérique et d’Orient, 1954, pp. 241-279). In dieser ersten Version (p. 366, l. 7f.) ist von dem „Geist des Wassers“ (rŧͧĂniyyat al-mĂ )ץdie Rede, der vom König mit der Verwaltung dieses Elements und mit der Errettung Salmns aus dem Meer beauftragt ist (offenbar ist an der vorliegenden Stelle der „Gesetzgeber“ [al-shĂri]צ an die Stelle des Königs getreten). Für Deutungsversuche zu diesem „Wassergeist“, der in unserem Traktat mit den suhrawardischen horizontal geordneten Intellekten assoziiert wird, vgl. Corbin, Avicenne et le récit visionnaire, pp. 246-251, bes. Anm. 356 und 358.
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[auch dieser] Teil vollständig [ausgeführt wird]. Wenn nun die Art-Form oder 70 die abgetrennte Seele jedes Körpers diesen verwaltet, und wenn weiter jener Intellekt einen der Körper verwaltete, [so] müssten zwei unabhängige Ursachen einer einzigen Wirkung für die Verwaltung jedes Individuums einer jeder korporellen Art zusammentreffen, was absurd ist. Zu diesen beiden Ansichten ist zu erwidern, dass die Seele ein Erkenntnisvermögen ist und eine Wirkung nur ausübt, nachdem sie dieser bewusst geworden ist. Sie kann also keine Wirkung vollziehen, deren sie nicht bewusst ist; und ein Fortdauern der Wirkung erfordert folglich das Fortdauern [ihres] Bewusstseins von ihr 125 , so dass man nicht behaupten kann, das Fortdauern der Wirkung zwinge möglicherweise [zu der Annahme], dass sie [auch] ohne ein Bewusstsein von ihr [vorliege], wie im Falle von Schmerz und Lust (denn deren Fortdauern zwingt [tatsächlich zu der Annahme], dass sie [auch] ohne eine Wahrnehmung von ihnen [vorliegen können]). Dies ist [allerdings] strittig, denn „der Meister“ [Ibn SÁn] erwähnt in den Naturwissenschaften des [KitĂb] al-ShifĂ ץ126 , dass die Seele, wenn sie ein äußeres Organ wie die Hand in Bewegung versetzen will, zunächst die Muskeln in Bewegung setzt, so dass „deren Bewegung die Bewegung des Organs folgt. Die Seele ist sich [dabei] ihrer Bewegung der Muskeln nicht bewusst, obwohl diese Wirkung willentlich [erfolgt] und ursprünglich ist“. Aber seine Worte haben keine Beweiskraft. Wahr ist vielmehr, dass die Seele ihrer bewusst ist, vergleichbar ihrer Selbstwahrnehmung, der fünften Erkenntnisart neben Denken, Vorstellung, Imagination und Sinneswahrnehmung. [Diese Erkenntnisart] pflegte [unser] Lehrer (Gott erbarme sich seiner) als „Empfindung“ zu bezeichnen, und sie wird [auch] von „dem Lichtmetaphysiker“ erörtert. Das, was auf eine Weise erkannt und auf eine andere Weise nicht [erkannt] wird, ist in der einen Hinsicht etwas Bewusstes, in der anderen etwas Unbewusstes. Je mehr Arten der Erkenntnis von einer Sache [vorliegen], desto offensichtlicher ist [die Sache], und je weniger Arten der Erkenntnis [vorliegen], desto ungewisser ist sie. Die Seele erkennt sich selbst und die geistigen und körperlichen Kräfte und den größten Teil des Körpers und der Organe nur auf diese [eine] Erkenntnisweise. Daher [scheint] sie sie fast gar nicht zu erkennen. Zu dieser [Erkenntnisweise] gehören der Schutzreflex beim Straucheln und die spontane [Berührung] der Hand zum Kratzen eines juckenden Körperteils. Denn in diesen Fällen ist die Handlung weder 71 Gegenstand der Vorstellung noch Gegenstand des Denkvermögens; und selbst wenn dem so wäre, würden die beiden [Seelenvermögen] nicht ausrei125 126
BihĮ nach al-shuצŧr (p. 70, l. 5) fehlt in BadawÁs Edition, ist aber in ms. A bezeugt. Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. Al-ήabĮצiyyĂt I: al-SamĂ צal-ίabĮצĮ, p. 72, für das folgende Zitat bes. Zeile 14f.
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chen. Die Seele scheint als Instrument für die Wirkungen der horizontal [geordneten] Intellekte zu dienen, die ihrerseits je nach [ihren] Fähigkeiten den Zusammenhalt der [Seele] mit [ihren] Kräften verwalten. Es ist folglich nicht notwendig, [anzunehmen,] dass zwei unabhängige Ursachen für eine einzige Wirkung zusammentreffen. F ü n f t e A n s i c h t : Für den [oben] erwähnten Beweis, dem zufolge das Inhaerens nicht das inhärierte Substrat bewahren kann 127 , ist es nicht notwendig, [anzunehmen,] dass das Inhaerens ein Akzidens sei. Seine Akzidentalität, sofern zutreffend, wäre aber für diesen [Beweis] hinreichend, da das Zugrundeliegende zu den Ursachen des Akzidens gehört, nicht umgekehrt. Zu dieser Ansicht ist zu erwidern, dass [al-SuhrawardÁ] die Akzidentalität der [seelischen] Kräfte entweder [nur] zur Verdeutlichung in dem Beweis erwähnt oder, weil er von der Wahrheit [dieser Lehre] überzeugt ist. S e c h s t e A n s i c h t : Dass die Ernährung zusammengesetzt ist, ist in der Zusammensetzung des inhärierten Substrats der nutritiven [Seelen]vermögens begründet, denn die Teile des inhärierten Substrats dienen als Instrumente des [Seelen]vermögens. Die Wirkung variiert also, weil das Instrument [der Wirkung] variiert. Zu dieser Ansicht ist zu erwidern, dass es ziemlich abwegig ist, dass die unterschiedlichen, bei der Ernährung involvierten Bewegungen der Aufnahme der Nahrung, ihrer Zuführung zu den Organen und ihrer [peptischen] Anpassung an diese automatisch und von der Seele und ihren Kräften unbemerkt ablaufen. Ihr Prinzip aber liegt in dem, was die Struktur des Körpers aufbaut 128 , die Seele in dieser Struktur ansiedelt und letztere so präpariert, dass die Seele in ihr frei walten kann, sie in Ordnung halten und, soweit dies möglich ist, zur Vollkommenheit führen kann; und dies ist der Intellekt, welcher der „Herr der Art“ ist. S i e b e n t e A n s i c h t : Nach [Ansicht] „des Meisters“ [Ibn SÁn] sind nicht jene [Seelen]vermögen die Wirkursache der vegetativen Wirkungen, sondern das erste Prinzip, welches durch die Gesamtheit jener Vermögen [wirkt], wie [oben] dargelegt. Die natürlichen Wirkungen bedürfen also keiner horizontal [geordneten] Intellekte. Zu dieser Ansicht ist zu erwidern, was schon zur zweiten [Ansicht] erwidert wurde, dass nämlich der erhabene Schöpfer und die vertikal [geordneten] Intellekte zu mächtig und von zu hohem Rang sind, um selbst die 72 127 128
Cf. supra, p. 284 f. Ich lese mit ms. A mĂ banĂ bunyata l-badan anstelle von mĂ bayna bunyati l-badan der Edition.
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Verwaltung der Körper zu übernehmen, diese vielmehr den horizontal [geordneten] Intellekten anvertraut werden muss, die für diese Aufgabe taugen. Es könnte jemand [Folgendes] einwenden: Wären die horizontal [geordneten] Intellekte mit der Verwaltung der korporellen Arten betraut, so würden sie um derentwillen existieren. Dies ist unmöglich, weil das Geringere nicht Zweckursache des Ehrwürdigeren sein kann. Dazu sagen wir, dass wir die angeführte Notwendigkeit nicht konzedieren. Sie entbehrt jeder Grundlage. A c h t e A n s i c h t : Jene abgetrennte Kraft ist mit diesem Körper entweder kausal oder durch ihre Verwaltung und Leitung verbunden. Im ersten [Fall] ist sie nicht das, was den [Körper] leitet, im zweiten [Fall] ist sie Seele für ihn, doch durchaus nicht Intellekt. Zu dieser Ansicht ist zu erwidern, dass das, was die Existenz von [seelischem] Pneuma und Herz [noch] vor den übrigen Organen bewirkt, der Intellekt ist, nicht die Seele. Denn die Seele entsteht nach der Entstehung des Pneumas. Vielmehr emaniert aus der Seele nach [Ansicht] „des Meisters“ [Ibn SÁn] nur die Existenz der [Seelen]vermögen und der übrigen Organe. Seiner [Ansicht] nach ist die [Seele] ebenso zugleich kausal wirkend und leitend, wie der Intellekt zugleich kausal wirkend und leitend ist. N e u n t e A n s i c h t : Warum sollte es nicht zulässig sein, dass jene abgetrennte Kraft eine Vielzahl von Intellekten ist, deren Anzahl der der Individuen der Art entspricht, derart dass jedem Individuum je ein Intellekt korrespondiert, welcher es erhält und beschützt? Zu dieser Ansicht ist zu erwidern, dass der Intellekt nicht mit einer so leichten und in kurzer Zeit [zu erledigenden] Aufgabe betraut sein kann. Hat er doch die Macht für Aufgaben von vielfacher [Anforderung] und unendlichem Zeitaufwand. Z e h n t e A n s i c h t : Trüge dieser Intellekt für alle Individuen einer Art Fürsorge, so müsste er in Reaktion auf deren Affektionen durch diese affiziert werden, so dass er zusammen mit dem Körper eine einzige Art bildete, so wie 73 die Seele und der Körper eine [Art] bilden, und er genau wie die Seele durch den Körper zur Vollkommenheit gelangt. Dann müsste er also vermittels des Körpers wirken, so wie es die Seele tut. Zu dieser Ansicht ist zu erwidern, dass der Intellekt bestimmt nicht durch die Affektionen der Individuen der Art affiziert wird, da er nicht Prinzip der seelischen Wirkungen von Erkenntnis und willentlicher Bewegung ist, son-
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dern nur Prinzip 129 der vegetativen und animalischen Wirkungen. Wenn der Intellekt mit den Individuen der Art verbunden ist, [so] nicht deshalb, weil er durch sie zur Vollkommenheit gelangt. Seinem Wirken 130 eignet durchaus kein [extrinsischer] Zweck. Vielmehr ist seinem Wirken130 wie [im Fall] des erhabenen Schöpfers und der vertikal [geordneten] Intellekte ein [extrinsischer] Zweck abzusprechen. E l f t e A n s i c h t : Die Formung des [seelischen] Pneumas aus dem Samen [geschieht] vor der Formung der Organe, mit Ausnahme des Herzens. Denn während seiner Formung aus dem Samen muss das Pneuma eine Hülle haben, die es schützt, vor der Auflösung bewahrt, und wachsen lässt; und dies ist das Herz. Mit der Entstehung des [Pneumas] entsteht die Seele. Sie lässt alle natürlichen, animalischen und seelischen Kräfte auf einen Schlag in es einströmen, lässt es anwachsen und aus dem Herzen ausströmen, und formt für es, im Moment seines Ausströmens aus dem [Herzen], so etwas wie eine Membran, die es vor der Zerstreuung (nämlich [durch] die Adern und Venen) bewahrt. Zuerst strömt [das Pneuma] in die Richtung der Leber und macht sich bei deren Formung die Kraft der Konzeptualisierung zu eigen, denn deren [Formung] ist in diesem Moment dringender erforderlich als die des Gehirns. Aus diesem Grund ist die Leber zu Beginn der Entstehung größer als das Gehirn; später ist es umgekehrt. Also ist die Seele das, was den Körper hervorbringt und ihn leitet. Und das, was den Körper verwaltet, muss seine Wirkursache sein, und diese muss das sein, was ihn leitet, nämlich die Seele. Es besteht also kein Anlass, dem Intellekt die Hervorbringung des [Körpers] und einen Teil seiner Leitung, nämlich die Leitung der vegetativen und animalischen Wirkungen, zuzuschreiben und [anzunehmen, dass] die Seele [nur] mit der übrigen Leitung, also den seelischen Wirkungen von Erkenntnis und willentlicher Bewegung, betraut sei. Zu dieser Ansicht ist zu erwidern, dass aus der Leitung der [seelischen] Kräfte im Körper nicht notwendig auf dessen Hervorbringung zu schließen ist, noch auch der umgekehrte [Schluss zwingend ist] 131 . Denn die Wirkursache von Pneuma und Herz ist nicht die Seele, wenngleich diese jene beiden leitet. Man könnte [Folgendes] einwenden: Der Intellekt kann das Pneuma nicht früher als die Seele existieren lassen, woraufhin dann die [Seelen-]vermögen aus ihr in das [Pneuma] strömen, denn die [Seelen]vermögen sind die Form des Pneumas. Das Ganze kann aber nicht ohne seine Teile existieren. 129
130 131
„Prinzip ... Prinzip“, von BadawÁ aus einer marginalen Korrektur ediert, ist in ms. A in textu überliefert. „Denken“ (al-צaql statt al-fiצl) ms. T. Cf. al-SuhrawardÁ, KitĂb al-MashĂriצ, p. 462.
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Appendix I
Dazu sagen wir [dies]: Die Mischung, durch die das Pneuma in die Lage versetzt wird, sich mit der Seele zu verbinden, ist verschieden von der Mischung, die im Pneuma nach seiner Verbindung mit der Seele entsteht. Entsprechendes gilt für [seine] Form. Z w ö l f t e A n s i c h t : „Der Lichtmetaphysiker“ [al-SuhrawardÁ] erwähnt [Folgendes]: Aus den vegetativen und animalischen Wirkungen ist auf die Existenz horizontal [geordneter] Intellekte zu schließen, die für alle Individuen der Art gleichermaßen Fürsorge tragen. Auf der Grundlage dieses Schlusses kommt man intuitiv zu dem Urteil, dass jeder korporellen Art ein spirituelles Wesen zukommt. Dieses hat spirituelle Dispositionen, die gewissermaßen durch die korporellen Beziehungen, die in der betreffenden Art vorliegen, beschrieben werden 132 . Dies ist strittig, da notwendig folgt, dass jedem Individuum der Art zwei Wesen korrespondieren, ein ihm spezifisches, und ein allgemeines, das ihm und anderem eignet. Dies ist unmöglich. D r e i z e h n t e A n s i c h t : Wäre ein Intellekt das Wesen der Art, so existierte die Quiddität der Art extramental separat, ganz so wie es die bekannte Ansicht derer ist, die die Existenz der [Platonischen] Urbilder lehren. 75 Zu diesen beiden Ansichten ist zu erwidern, dass „Wesen“ [hier] nicht im strikten Wortsinn zu verstehen ist, weshalb es indeterminiert gebraucht wird. Daher folgt keine der beiden genannten Paradoxien. V i e r z e h n t e A n s i c h t : Mit der Gleichsetzung von „Wesen der Art“ und „Intellekt“ 133 muss entweder die Quiddität der [Art] gemeint sein oder [der Umstand], dass der [Intellekt] durch [seine] Verwaltung und Leitung mit der [Art] verbunden ist, vergleichbar der Verbindung von unseren Seelen und Körpern. Im ersten Fall müsste die Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder in der von „dem Meister“ [Ibn SÁn] dargestellten Form richtig sein, doch [Ibn SÁn] vertritt sie nicht. Im zweiten Fall müsste das Wesen, so wie es dort verwendet wird, nur den Individuen, nicht aber der Art zukommen. Folglich müssten jedem partikularen Körper zwei Seelen eignen, und der Intellekt müsste eine Seele sein. Beides ist unmöglich. Zu dieser Ansicht ist zu erwidern, dass es [durchaus] zulässig ist, dass ein und demselben Individuum zwei Seelen eignen, deren eine der anderen als Instrument dient. F ü n f z e h n t e A n s i c h t : Im Vergleich zu der Verbindung von Seele und Körper ist der Intellekt weniger [eng] mit der Art verbunden. Entweder 132 133
Cf. ibid., p. 461-463. Ich lese bi-kawni dhĂti l-nawצi l-צaqla anstelle von bi-kawni l-nawצi dhĂta l-צaqli der Edition.
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behindert nun die Defizienz dieser Verbindung den Fluss der Dispositionen von einer der beiden verbundenen [Entitäten] zu der anderen, oder sie [behindert dies] nicht. Wenn sie es tut, [dann] können aus den spirituellen Dispositionen keine korporellen Beziehungen [in die Sinnenwelt] herabsteigen. Wenn sie [den Fluss der Dispositionen] aber nicht behindert, [dann] muss der Intellekt durch die Affektionen der Körper affiziert werden, da in diesem Fall [auch] die Dispositionen von den [Körpern] unablässig zu dem Intellekt hinaufsteigen. Zu dieser Ansicht ist zu erwidern, dass wir [der zweiten Option] zustimmen, der zufolge die Defizienz dieser Verbindung den Fluss der Dispositionen von einer der beiden verbundenen [Entitäten] zu der anderen nicht behindert. Doch bringt die spirituelle Disposition die korporellen Beziehungen hervor, ohne dass [ein vergleichbarer Prozess] in umgekehrter Richtung [stattfindet], denn die Individuen der Art werden durch den Intellekt zur Vollkommenheit gebracht, nicht aber umgekehrt. S e c h z e h n t e A n s i c h t : Warum sollte es nicht zulässig sein, dass allen Arten ein einziger Intellekt zukommt, dessen Emanation umfassend ist (vergleichbar dem Intellectus agens der Peripatetiker), ohne dass jeder Art je ein Intellekt eignete? Zu dieser Ansicht ist zu erwidern, dass der Intellekt das Wesen der Art ist. Zwei [verschiedenen] Arten kann aber nicht ein und dasselbe Wesen zukommen. Dies ist jedoch strittig, denn so, wie es möglich ist, dass [der Intellekt] ein Wesen für eine Vielzahl von Individuen ist, so könnte er auch ein Wesen für eine Vielzahl von Arten sein. Die Individuation wäre dann nur so möglich, wie sie, der Darstellung „des Meisters“ [Ibn SÁn] zufolge, in der Doktrin von der Existenz der [Platonischen] Urbilder gelehrt wird. S i e b z e h n t e A n s i c h t : Selbst wenn man alle [genannten] Prämissen konzediert, wird die Existenz solcher Intellekte lediglich für die pflanzlichen und animalischen Arten nachgewiesen, nicht aber für die übrigen Körper. Gesucht war aber [ein Beweis] ihrer Existenz für alle [Arten]. Zu dieser Ansicht ist zu erwidern, dass der angeführte Beweis nicht nur aus den vegetativen und animalischen Wirkungen schließt, sondern auch daraus, dass das Inhaerens und die Seele nicht das inhärierte Substrat und den Körper erhalten können 134 . Diese [Prämisse] umfasst [durchaus] alle korporellen Arten. Wer diese Ansicht vertritt, wird hierzu [einerseits] durch seine Überzeugung von der Richtigkeit [der Argumente] der Befürworter der [Existenz der] Urbilder und [andererseits] durch seine Unfähigkeit, die aus 134
IstibqĂץuhumĂ, wie in ms. A, ist istibqĂץuhĂ der Edition vorzuziehen.
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Appendix I
ihrer Leugnung [entstehenden] Aporien zu lösen, veranlasst 135 . Er vereinigt die beiden Ansichten und setzt [einerseits] die Quiddität der Individuen nicht als etwas Separates an, [andererseits] macht er das Separate gewissermaßen zu einem Teil ihrer Wesen. Insofern ist seine Ansicht bloß eine Erweiterung der Ansicht der Peripatetiker, sowie die Einführung gewisser Unterschiede zwischen den horizontal [geordneten] Intellekten und der Seele, denen zuvor die Sorge um den Körper, seine Verwaltung, sein Schutz und seine Bewahrung gemeinsam zugeschrieben wurden. [Diese Unterschiede sind:] 1. Die Seele ist derart mit dem Körper verbunden, dass die beiden eine Wirklichkeit bilden, während der Intellekt nicht in dieser Weise mit dem [Körper] verbunden ist. 2. Die Verbindung der [Seele] mit dem [Körper] dient ihrer Vervollkommnung, die des Intellekts mit ihm ist nicht derart. 3. Die [Seele] wirkt nur vermittels des [Körpers], der [Intellekt] kann auch ohne ihn als Instrument wirken. 4. Die [Seele] nimmt Schaden, wenn der [Körper] Schaden nimmt, der [Intellekt] ist nicht derart. 5. Die [Seele] ist mit genau 136 einem Körper verbunden, der Intellekt ist nicht derart. Die horizontal [ge77 ordneten] Intellekte gleichen also den vertikal [geordneten] darin, dass sie ohne den Körper als Instrument wirken können, doch sie können [anders als diese] des Körpers in [ihrer] Wirksamkeit nur entbehren, insofern sie Intellekte sind, während sie die vegetativen und animalischen Bewegungen vermittels [korporeller] Instrumente bewirken, insofern sie wie Seelen sind. Zweiter Ansatz: Keine Art des Körpers an sich oder des zusammengesetzten Körpers ist auf zufällige Weise wirklich, da sie [nur] auf eine [bestimmte] Weise ewig existiert. [Die Art] des Menschen tritt nur als Mensch in Erscheinung, [die] des Pferdes nur als Pferd, [die] der Dattelpalme nur als Dattelpalme, und [die] des Weizens nur als Weizen. Und die Verschiedenheit aller Federn des Pfauengefieders ist nicht in der Verschiedenheit dieser Federn selbst begründet, denn deren Verschiedenheit selbst etabliert nicht die Definition der Vielheit [des Pfauengefieders]. Daher muss jeder Art ein je spezifischer Intellekt zukommen, der sie verwaltet und erhält, und aus dem innerhalb der [Art] diese wundersam vielfältigen Variationen 137 entstehen, was zu beweisen war. Man könnte [Folgendes] einwenden: [(i)] Der [Begriff des] Zufalls wird [hier] so verwendet, als handele es sich um eine Restriktion der absoluten Existenz einer Sache gegenüber seiner Nichtexistenz, oder um deren Indifferenz gegenüber der Existenz oder Nichtexistenz an sich. Dies ist falsch, da 135 136 137
Ich lese inna mĂ baצathahŧ ilayhi anstelle von innamĂ baצathahŧ ilayhi der Edition. Ich lese mit ms. A annahĂ innamĂ. InnamĂ ist in den übrigen mss. ausgefallen. Ich lese hĂdhihi l-kithĂru l-צajĮba anstelle von hĂdhihi l-ĂthĂru l-צajĮba der Edition.
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der Zufall weder eine Restriktion der absoluten Existenz der [Sache] noch deren Indifferenz gegenüber der Existenz oder Nichtexistenz an sich ist, sondern [entweder] eine Restriktion ihrer Existenz gegenüber ihrer Wirkursache oder die Indifferenz gegenüber ihrer Existenz oder Nichtexistenz aus dieser [Wirkursache]. Außerdem [hängen] die Fortdauer der Existenz der Art oder die Vielfältigkeit ihrer Existenz von der Wirkursache ab (selbst wenn [der Umstand], dass die Art einem [bestimmten] Plan folgt, einen natürlichen oder willentlichen Plan voraussetzt), wohingegen ihre Nichtexistenz zu den akzidentellen Zwecken gehört, die dem Wirken [der Wirkursache bloß] aus einer [ihr extrinsischen] Notwendigkeit oder accidentaliter folgen, aber nicht nach einer der beiden Arten des Vorsatzes von der Wirkursache geplant sind 138 . Denn auf eine dieser beiden Weisen von der Wirkursache geplant zu sein, ist wesenhafter Zweck eines solchen natürlichen oder willentlichen Wirkens. Dies zwingt aber nicht zu [der Annahme], dass die Wirkursache ein Intellekt sei, der in dem [oben] behaupteten Sinne ein Wesen für die Art wäre. Des Weiteren [hängt] die Verschiedenheit der Farben der Federn sehr wohl von der Verschiedenheit der Mischungen ihrer Teile mit der Vielzahl unterschiedlicher Farben ab. Warum sollte es nicht zulässig sein, dass ihre Art-Formen sich ebenso unterscheiden, wie ihre Mischungen all diesen Unterschieden unterworfen sind? [(ii)] Außerdem erfordert die Lehre, der zufolge die Intellekte wie Urbilder für die Arten seien, dass diese existieren, um als Modelle der [Arten] und [deren] Vorlage für die erste Wirkursache bei seiner Hervorbringung der Arten zu dienen. Das ist unmöglich, weil das, was die Dinge zur Existenz bringt, bei seiner Hervorbringung von ihnen nicht eines Musters hierfür bedarf, auf welches er bei der Hervorbringung zurückgreift. [(iii)] Wäre dem so, bedürfte das Urbild in seiner von der [ersten Ursache] abhängigen Existenz [wiederum] eines anderen Urbilds; und [diese] Notwendigkeit führte zu einem Regressus ad infinitum. Außerdem: [(iv)] Bestünde die Hervorbringung der [ersten Ursache] in dem Modell, auf dass dieses als Mittel zu ihrer Hervorbringung der Art diene, so müsste der Körper [des Modells] ehrwürdiger als der Intellekt sein, insofern er 139 in diesem Fall Zweckursache für ihn wäre. Dies widerspricht aber den Grundwahrheiten eines von den Beeinträchtigungen absurder Überzeugungen unberührten Intellekts. Sodann: [(v)] Warum sollte es nicht zulässig sein, dass der für die Art sorgende Intellekt von geringerem Rang als unsere Seelen oder die himmlischen Seelen sei? 138
139
Ich lese mit mss. A, L, S und Y an takŧna maqΥŧdata l-fĂצili anstelle von an yakŧna maqΥŧda l-fĂצili („geplant ist“, mit „ihre Nichtexistenz“ als Subjekt) der Edition. Li-kawnihĮ, wie in ms. A überliefert, ist bi-kawnihĮ der Edition (p. 78, l. 9) vorzuziehen.
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Appendix I
Auf den ersten [Einwand] kann man [wie folgt] antworten: Mit der „Wirklichkeit“ der Arten ist [hier] deren wirklicher Hervorgang aus ihrer Wirkursache gemeint, nicht ihre Wirklichkeit an sich. Auf den zweiten und den dritten [Einwand] kann man nur auf der Grundlage der Lehre von [der Existenz] der Urbilder in ihrer [allgemein] bekannten Form antworten. Auf den vierten [Einwand ist zu erwidern], dass aus [dem Umstand], dass der Intellekt wie ein Modell für den Körper ist, nicht folgt, dass die Wirkursache ihn zur Erschaffung eines Körpers in derselben Weise benutzt wie zur Erschaffung eines Intellekts. Diese folgte nur dann, wenn die Wirkursache bei ihrer Hervorbringung der Wirkung darauf angewiesen wäre, auf eine andere, frühere Wirkung zurückzugreifen und die zweite [Wirkung] wie die erste zu machen. Dies ist aber absurd, weil es zu einem Regressus ad infinitum führt, und weil die zwischen den beiden Wirkungen vorliegende Beziehung nicht notwendig impliziert, dass die frühere Wirkung um der späteren Wir79 kung willen existiert. Wäre dies der Fall, so müsste das später Verursachte ehrwürdiger sein als das früher [Verursachte], da es in diesem Fall Zweckursache für dieses wäre. Das ist unmöglich, weil das Bewirkte nicht ehrwürdiger sein kann als die Wirkursache. Auf den fünften [Einwand ist zu erwidern], dass der horizontal [geordnete] Intellekt die Causa efficiens für die Existenz der Körper und ihrer Seelen sowie für deren Vollkommenheit im Handeln und in der Wissenschaft ist. Die Seele ist nicht fähig, den Körper hervorzubringen, nicht zu reden von der Hervorbringung dessen, was ehrwürdiger als der Körper ist. Dritter Ansatz (dieser gleicht dem ersten [Ansatz]): Einigen Seelenvermögen, nämlich den drei vegetativen Seelenvermögen, werden Wirkungen zugeschrieben, die nur von einer erkenntnisfähigen Wirkursache [ausgehen] können, und zwar die vegetativen Wirkungen der Formung, des Wachstums und der Ernährung. Auch ist es unmöglich, dass die wundersame Struktur, die die Körper der Lebewesen, und insbesondere des Menschen, aufweisen, aus einer Kraft hervorgeht, die gar kein Bewusstsein von diesen hat und [ausschließlich] auf [den Kräften] des Samens basiert, [derart, dass] diese [Kraft] die formende Kraft wäre, die aus der Seele des Vaters in die Materie des [Körpers] einfließt. Denn entweder müsste der Spermatropfen an sich eine homoiomere Zusammensetzung haben (so, wie er sich den Sinnen darbietet), oder er hat nicht [eine solche Zusammensetzung]. Wenn er [sie] nun hätte, [dann] müsste die aus [ihm als] der formenden Kraft in jene Materie einströmende Gestalt eine Kugel sein. Denn wenn die einheitliche, einfache Wirkursache ohne Bewusstsein ist, so bewirkt sie in einem einheitlichen, einfachen Rezipienten nur eine einheitliche, homogene Affektion. Dann aber müsste
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das Lebewesen eine Kugel sein, was absurd ist. Wenn er aber nicht [von homoiomerer Struktur] ist, können in ihm nicht die Struktur der Teile und deren wechselseitige Relationen bewahrt sein, da der Spermatropfen flüssig, feucht und irresistent ist. Also könnte die einheitliche Beziehung, durch die die Organe überwiegend charakterisiert sind, keinen Bestand in den [Körperteilen] haben. Das steht aber im Widerspruch zur Realität. Folglich ist es auch nicht möglich ist, dass [der Spermatropfen] keine homoiomere Struktur aufweist. Also kann man die Struktur [des Körpers] nicht auf die erwähnte Kraft zurückführen, da sie ohne Bewusstsein ist. Auch das Wachstum kann nicht aus einer Kraft ohne Bewusstsein, also der Wachstumskraft, hervorgehen. Denn Wachstum geschieht nur durch Zufuhr von Materie in den wachsenden Körper, [durch] die Entstehung von Hohlräumen, die diese Materie aufnehmen, und [durch] die Bewegungen dieser Materie in diverse Richtungen gemäß den unterschiedlichen Positionen der Organe und ihren unterschiedlichen, in Länge, Breite und Tiefe zweckmäßigen Ausrichtungen 140 . Diese unterschiedlichen Bewegungen können nicht aus einer einheitlichen, einfachen und unbewussten Kraft wie der Wachstumskraft hervorgehen, denn wenn die einheitliche und einfache Bewegungsursache ohne Bewusstsein ist, muss die von ihr in den bewegten Körper ausgehende Bewegung notwendig eine einheitliche, einfache [und] homogene Bewegung sein. Auch die Ernährung kann nicht aus einer Kraft ohne Bewusstsein, also der nutritiven [Seelen]kraft, hervorgehen. Denn Ernährung geschieht nur durch die Aufnahme von Nahrung, [durch] das Auffüllen von Hohlräumen, die durch die Auflösung bestimmter Teile entstehen, mit dieser Nahrung, durch ihre [peptische] Verbindung mit verschiedenen [Körper]teilen in unterschiedlichen Weisen [und] mittels unterschiedlicher Bewegungen 141 , und durch ihre Assimilation in Farbe, Konsistenz, etc. Ihre Wirkursache muss erkenntnisfähig sein. Folglich muss der Ursprung der [korporellen] Formung, des Wachstums und der Ernährung erkenntnisfähig sein; und diese erkenntnisfähige [Entität] ist nicht die menschliche Seele, denn die drei Kräfte dauern in [unserem] 140
141
Ich lese mit ms. A aΥwĂb. Die übrigen Handschriften haben aΥwĂt. BadawÁ übernimmt eine marginale Korrektur von ms. S, die aΥwĂt durch aͧwĂl („Dispositionen“) ersetzt. Ich lese hier fĮ l-jihĂti l-mukhtalifati bi-ͧarakĂtin mukhtalifa anstelle von fĮ l-jihĂti lmukhtalifa der Edition und lasse dafür die folgende Wiederholung des Syntagmas wa-ilΥĂqihĮ bihĂ fĮ l-jihĂti l-mukhtalifati bi-ͧarakĂtin mukhtalifa, bei der es sich vermutlich um die Interpolation einer marginalen Ergänzung/Korrektur handelt, unberücksichtigt.
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Appendix I
Körper fort, auch wenn wir ihrer nicht bewusst sind. Aus [dem Umstand], dass wir ihrer [Wirkung] in unserem Körper nicht bewusst sind, ist unmittelbar und mit Gewissheit ersichtlich, dass die der Erkenntnis unfähigen Lebewesen sie gewiss [auch] nicht in ihren Körpern wahrnehmen. Diese erkenntnisfähige [Entität] ist also etwas anderes als eine Seele [und] sorgt sich um die Arten der animalischen und pflanzlichen Lebewesen, was zu beweisen war. [Einwand: Selbst] unter der Voraussetzung, dass wir alle Prämissen akzeptieren, folgt aus diesem Beweisgang nicht [der Schluss], dass jeder Art ein ihr spezifischer Intellekt zukommt, da die gesuchte Entität auch eine umfassende [Quelle der] Emanation wie der Intellectus agens sein könnte. Dieser umfasst sogar 142 die Mineralien und materiellen Dinge und die Himmelssphären und kann auch einen Teil des Samens „informieren“. 81 Wir sagen [aber]: Nach [Ansicht] „des Meisters“ [Ibn SÁn] können [die betreffenden Wirkungen] aus der Seele des Erzeugers in den [Körper] einströmen. Auch die Formgebung durch die Formen der übrigen Organe ist nach seiner [Ansicht] etwas, das aus der Seele des Erzeugers in den [Körper] einströmt 143 . So, wie das, was das Pneuma aus dem Samen entstehen lässt, keine formgebende Kraft ist, so ist es auch möglich, dass das, was das Herz aus ihm entstehen lässt, nicht die [Form des Herzens] erzeugt. Das, was alle lebenswichtigen Organe aus dem Samen entstehen lässt 144 , muss nach [Ansicht] der Peripatetiker also nicht eine formgebende Kraft sein, die aus der Seele des Erzeugers in dem Samen entsteht, wie der [Verfasser des obigen] Beweises meint. Den Ärzten 145 zufolge ist dies aber offensichtlich. Wer sich mit dem Problem und der Lösung in dem ersten Ansatz befasst hat, dem sind diese [auch] in dem vorliegenden Ansatz vertraut, so dass eine weitschweifige Wiederholung überflüssig ist. Vierter Ansatz: Es ist möglich, dass die horizontal [geordneten] Intellekte existieren. Sie sind ehrwürdiger als die korporellen Arten. Das Sein des Ehrwürdigeren geht dem Sein des Minderwertigen voraus. Also existieren die horizontal [geordneten] Intellekte, was zu beweisen war. Es könnte jemand [Folgendes] einwenden: Die Existenz diese Intellekte wäre nur dann möglich, wenn die Quidditäten der Körper in der Weise etwas 142 143 144 145
Ich lese ay͏an yaצummu anstelle von ay͏an lĂ yaצummu. Die Negation ist sowohl aus syntaktischen Gründen als auch unter doktrinalen Aspekten widersinnig. Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. Al-ήabĮצiyyĂt VIII: al-ͦayawĂn. Ed. A. Muntaהir, S. Zyid, A. IsmÁl, Qum 1406, pp. 401-407. Zu lesen ist, wie in den vorangehenden Sätzen, mukawwin anstelle von muΥawwir der Edition. „Einigen Ärzten“ (ba ͏צal-aίibbĂ )ץin ms. A.
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Separates wären, wie „der Meister“ [Ibn SÁn] von den Anhängern der Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder berichtet. So, wie „der Lichtmetaphysiker“ [al-SuhrawardÁ] sich die Lehre von der Existenz der Urbilder zu eigen macht, ist sie sehr unglaubwürdig, wohingegen das, was „der Meister“ [Ibn SÁn] von den Anhängern dieser Lehre tradiert, sehr überzeugend ist. „Der Meister“ Abʗ Naהr al-FrbÁ hat die Urbilder als Formen des Wissens interpretiert, welche bei dem erhabenen Schöpfer sind; und [auch] Aristoteles lehrte diese [Formen des Wissens], so dass sich zwischen ihm und Platon ein Streit erhob. Die Späteren gaben [Aristoteles] Recht; doch ist [die Sache] strittig, denn es wird suggeriert, dass das Wissen des erhabenen Schöpfers Formen zum Gegenstand hat, was unmöglich ist. Außerdem hat Platon gelehrt, dass die Urbilder außerhalb aller Erkenntnisvermögen existieren, nicht nur außerhalb unserer Intellekte. Die erwähnte Interpretation mag richtig sein, kann aber für die beiden Widersacher keinen Kompromiss darstellen.
SIEBENTE UNTERSUCHUNG: Zu [der These], dass das Urbild alles Universale umfasst. Dies ist die Bedeutung der ersten [Lehr]meinung 146 , weshalb „der Meister“ [Ibn SÁn] sie nicht separat [behandelt], obwohl er mehrfach auf sie eingeht. Sie wird mit demselben Argument wie die erste [Lehr]meinung bewiesen; und ihre Kernaussage ist [Folgende]: Jede Natur ist eine separate Natur. Alles, was derart ist, wird extramental [von anderen Dingen] partizipiert. Alles, was dieser Art ist, ist dort abgetrennt; und dies ist das gesuchte Ergebnis. Die Kernaussage ihrer Widersacher ist [Folgende]: Die Natur [einer Sache] wird nicht extramental [von anderen Dingen] partizipiert. Wäre dem so, müsste ein und dieselbe Sache zugleich durch Gegensätze qualifiziert sein, was unmöglich ist. Außerdem folgte aus [dem Umstand], dass die [Natur] durch die korporellen Individuationsprinzipien qualifiziert sein müsste, dass sie zugleich [mit der Materie] verbunden und separat existieren müsste, was absurd ist. Zusammenfassend ist zu beiden [Positionen] zu erwidern, dass das, was aufgrund einer intelligiblen Einheit Eines ist, die simultane Qualifikation durch [Gegensätze] zulässt. Oder [wir sagen], dass es durch diese nur in Bezug auf seine Individuen qualifiziert wird, nicht aber an sich. Oder [wir sagen], dass die [Annahme der] extramentalen Partizipation nicht erfordert, dass das Partizipierte dort durch die Propria [seiner Partizipanten] qualifiziert 146
Cf. p. 228 f.
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Appendix I
sei, wie ja [auch] die Partizipation im Intellekt nicht erfordert, dass das Partizipierte dort zugleich durch sie qualifiziert sei. Oder [wir sagen], dass [diese Annahme] lediglich erfordert, dass es extramental zugleich durch sie in universaler Weise qualifiziert sei, dass es aber unmöglich ist, dass es extramental zugleich durch sie nicht in universaler Weise, sondern in partikularer Weise qualifiziert sei. Oder [wir sagen], dass es durch diese qualifiziert sein muss, dass aber aus seiner Qualifikation durch diese nicht folgt, dass das [Partizipierte] etwas Stoffliches sei, da etwas seinem Wesen nach mit einer Qualifikation verbunden 147 , [aber] von der [ihr] zugeschriebenen Spezifikation abgetrennt sein kann.
147
Ich lese kawni muqĂranati l-dhĂti bi-l-Υifati anstelle von kawni muqĂranati l-dhĂti lΥifata der Edition.
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
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Zweites Kapitel
83
Über die „herabhängenden Urbilder“, [in] drei Untersuchungen
E RSTE U NTERSUCHUNG : Erklärung der Wirklichkeit und Qualität des [„herabhängenden Urbilds“]. Das „herabhängende Urbild“ ist die Form des Individuums, also des Körpers oder der korporellen [Eigenschaft], die außerhalb aller Erkenntnisvermögen existiert [und] von dem stofflichen Substrat des [Individuums] unvollständig abgetrennt ist, vergleichbar der Abtrennung der Vorstellungsform des Individuums von der [Materie]. Das Urbild eines Körpers subsistiert aufgrund seiner Substantialität durch sich selbst. Das Urbild der korporellen [Eigenschaft] subsistiert aufgrund von deren Akzidentalität durch das Urbild des Körpers. Das erstgenannte Urbild ist eine Substanz, und es ist in Bezug auf das, was wir unter dem Ausdruck „Urbild“ verstehen, früher [als das zweitgenannte Urbild]. Das zweitgenannte Urbild ist ein Akzidens. Das Urbild einer Substanz ist eine Substanz, das eines Akzidens ist ein Akzidens. Das „herabhängende Urbild“ eines Akzidens kann eine Substanz sein; [aber dies gilt] nicht umgekehrt. Angesichts des breiten vorstellbaren Spektrums [variierender] Ehrwürdigkeit zwischen den niedersten Klassen der Seelen und den höchsten Klassen der Körper spricht man in Bezug auf das „herabhängende Urbild“ sowohl von der [sogenannten] „Welt des herabhängenden Urbilds“ als auch von der „Welt der Vorstellungen“ und der „Welt der abgetrennten Erscheinungsformen“; und in der Sprache der Gelehrten des religiösen Rechts wird dies „Barzakh“ genannt 148 . Der erste Gelehrte, der die Lehre von der Existenz des [„herabhängenden Urbilds“] in eindeutiger Form eingeführt hat, ist „der Lichtmetaphysiker“ [al-SuhrawardÁ]. Dieser behauptet, dass sie bereits von den ersten Gelehrten [der Antike] propagiert worden sei, wie er in [seinem Buch] Metaphysik der Erleuchtung erklärt 149 .
148 149
Zu „Barzakh“ vgl. oben, pp. 124 f., 154, 170. Cf. al-SuhrawardÁ, ͦikmat al-ishrĂq, pp. 10f., 155f. (ed. Corbin), pp. 2f., 107f. (ed. Walbridge/Ziai); außerdem idem, KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt, pp. 494-496, 502f.
85
302
Appendix I
Das 150 , worauf bereits die Alten aufmerksam gemacht haben, sei [demzufolge der Umstand], dass eine von der sinnlichen Welt verschiedene, räumlich ausgedehnte Welt 151 existiere, welche der sinnlichen Welt korrespondiere 152 hinsichtlich der Himmelssphären und der Elemente (mit allem, was an Sternen, zusammengesetzten [Dingen], Mineralien 153 , Pflanzen, Tieren und Menschen zu diesen beiden gehört) sowie der Ewigkeit der urbildlichen Bewegung der Sphären dieser [Welt] 154 . Und [weiter, dass] die Elemente und zusammengesetzten [Dinge] dieser [Welt] die Einwirkungen der Bewegungen ihrer Himmelssphären und die Erleuchtungen durch die 86 noetischen Welten aufnehmen 155 . [So] entstehen in ihr unzählige Arten von unterschiedlichen „herabhängenden Formen“, [die] gemäß ihrer Filigranität und Kompaktheit unterschiedliche Klassen [bilden]. Jede Klasse umfasst unendlich viele Individuen, wenngleich die Klassen [selbst] endlich sind. Der Grund hierfür ist [dieser]: Zwar ist die urbildliche Welt endlich hinsichtlich der ersten Emanation, die die Himmelssphären und Sterne, deren Seelen, die Elemente und die ursprünglichen, urbildlichen, aus diesen zusammengesetzten Mineralien und pflanzlichen und animalischen Lebewesen hervorbringt. Diese bedürfen nämlich [ihrer] Ursachen und der noetischen [Seins]modi 156 , 150
151
152
153
154
155 156
Der hier beginnende Abschnitt bis „voneinander unterscheiden“, p. 304 ult., stimmt wörtlich überein mit QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ, RisĂla, p. 241, l. 9 – p. 243, l. 13 (vgl. dazu supra, pp. 168, 214f.). Dieser Abschnitt von QuՈb al-DÁns RisĂla weist wiederum einige wörtliche Übereinstimmungen mit seinem Kommentar zu al-SuhrawardÁs ͦikmat al-ishrĂq auf; cf. Sharͧ-i Ԉikmat al-ishrq-i SuhrawardĮ az צAllĂma Maͧmŧd Ibn Masצŧd KĂzirŧnĮ. Ed. A. NʗrnÁ, M. Muԉaqqiq. Tehrn 1383/2004, p. 493, l. 14 – p. 494, l. 13. Al-SuhrawardÁ benutzt diverse Bezeichnungen für die „Welt der herabhängenden Urbilder“, beschreibt sie jedoch meines Wissens nirgends als „räumlich ausgedehnte Welt“ (צĂlam miqdĂrĮ). Yaͧdhŧ ͧadhwa l-צĂlami l-ͧissĮ ist durch homoioteleuton in einigen mss. und BadawÁs Edition ausgefallen, jedoch in ms. A bezeugt und durch QuՈb al-DÁns RisĂla, p. 241, l. 10, bestätigt. Anstelle von „zusammengesetzten [Dingen], Mineralien“ steht in der Parallelstelle in QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs RisĂla „aus den Mineralien zusammengesetzten [Dingen]“. Vgl. hierzu al-SuhrawardÁ, ͦikmat al-ishrĂq, pp. 131 f., 174-177 (ed. Corbin), pp. 94, 117 f. (ed. Walbridge/Ziai). Vgl. ibid., p. 174 f. (ed. Corbin), p. 117 (ed. Walbridge/Ziai). Die Seinsmodi oder Aspekte (jihĂt) der noetischen und luminösen Entitäten sind fundamental für al-SuhrawardÁs Theorie der Entfaltung der Vielheit aus der Einheit. Ihre Erscheinungsformen sind die unterschiedlichen Arten von Licht, die Vielfalt der Richtungen der Lichtemanation, sowie die Interferenzen und
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und diese Modi sind endlich, [wie] aus dem Beweis der Endlichkeit ihrer urbildlichen Wirkungen 157 folgt, der auf der Endlichkeit der noetischen Stufen aufbaut. Aber das, was aus den abgetrennten Erscheinungsformen bei der zweiten Emanation nach Maßgabe der in den unendlichen Kreisläufen [der Sphären] entstehenden [luminösen] Dispositionen entsteht, ist nicht endlich. Vielmehr können die [Individuen] unendlich sein, weil diese Erscheinungsformen nicht [simultan] geordnet sind und weil die Zusammensetzung [der Individuen] aus ihnen nicht die Folge einer [aktualen] Unendlichkeit ist 158 . Diese Welt [der „herabhängenden Urbilder“] umfasst [unterschiedliche] Klassen, deren jede [unterschiedliche] Arten dessen umfasst, was in unserer hiesigen Welt ist, jedoch nicht unendlich viele 159 . Ein Teil von ihr wird von den Engelgleichen und den Besten der Menschen bevölkert, ein anderer Teil von Engeln, Geistern und Dämonen. Niemand außer dem erhabenen Schöpfer kennt die [exakte] Zahl dieser Klassen und dessen, was sie umfassen. Je höher eine Klasse ist, zu der man gelangt, desto angenehmer im Vergleich zur vorangehenden ist ihr Anblick, schöner ihre Erscheinung, intensiver ihre Spiritualität und größer das [durch sie bereitete] Vergnügen. Die letzte dieser Klassen, also ihre höchste, grenzt an die noetischen Lichter und ist diesen nahezu ähnlich. Die Wunder dieser Welt kennt nur Gott, der Erhabene.
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Reflexionen, durch die ein noetisches Licht zur Quelle einer Vielzahl weiterer luminöser Entitäten wird. Die Seins- / Lichtmodi der noetischen Entitäten sind endlich. Ihre wichtigsten Kategorien sind Notwendigkeit und Kontingenz; cf. ibid., pp. 138f., 141-143 (ed. Corbin), pp. 99-101 (ed. Walbridge/Ziai). Ich lese mit QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ, RisĂla, p. 242, l. 5, maצlŧlĂtihĂ al-mithĂliyya anstelle von maצlŧlĂt al-mithĂliyya der Edition BadawÁs. Der arabische Text ist schwierig. Ich lese li-צadami tarattubi tilka l-ashbĂͧi waצadami tarakkubin baצda [tarakkubi buצdin ed. BadawÁ] ghayri mutanĂhin minhĂ. AlSuhrawardÁ zufolge setzt eine aktuale Unendlichkeit voraus, dass die einzelnen Glieder der Unendlichkeit simultan, nicht aber sukzessiv geordnet sind, und dass das Unendliche nicht auf einer anderen geordneten Unendlichkeit basiert; cf. ͦikmat al-ishrĂq, pp. 181f. (ed. Corbin), pp. 120 f. (ed. Walbridge /Ziai). Voraussetzung einer möglichen Unendlichkeit der Individuen ist daher, dass die aus den unendlichen Bewegungen der Lichter und Gestirnssphären emanierenden „herabhängenden Urbilder“ nicht simultan geordnet sind, da sie sonst eine aktuale Unendlichkeit bilden würden, die aus ihnen zusammengesetzten Individuen also nach einer Unendlichkeit entstehen würden und den angeführten Kriterien zufolge nicht unendlich sein könnten. Sowohl nach dem Vorangehenden als auch nach den folgenden Ausführungen ist lĂkinnahĂ tatanĂhĂ anstelle von lĂkinnahĂ lĂ tatanĂhĂ der Edition zu lesen. Alternativ könnte in Erwägung gezogen werden, lĂkinnahŧ lĂ yatanĂhĂ mit mĂ fĮ צĂlaminĂ als Subjekt zu lesen.
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Die Mystiker [sehen] in ihr die Gegenstände ihres Verlangens und Strebens nach einer Offenbarung [dieser] Wunder und nach den außergewöhnlichen Aspekten des Gewöhnlichen, wie einer simultanen oder zeitversetzten Erscheinung ihrer urbildlichen Körper an verschiedenen Orten, oder die Herbeiholung von Speisen, Getränken, Kleidungsstücken, etc. nach ihren Wünschen. Auch die, die sich in der Magie oder Wahrsagerei 87 hervortun, zeugen von dieser [Welt] und bringen wundersame Dinge aus ihr zur Erscheinung. Diese Welt dient auch zur Verifikation der [jenseitigen] Auferstehung der Körper, von welcher in den göttlichen Bestimmungen die Rede ist; und Entsprechendes [gilt für] die göttlichen Erscheinungsformen, ich meine die trefflichen, vorzüglichen, überwältigenden und gewaltigen Erscheinungsformen, in welchen die erste Ursache sich offenbart, sowie die Erscheinungsformen, die der Erscheinung des ersten Intellekts und ähnlicher [Dinge] angemessen sind. Denn jedem Intellekt eignen viele Erscheinungsformen mit unterschiedlichen, seinem Erscheinen angemessenen Formen. Manchmal sind die göttlichen Erscheinungsformen 160 , wenn sie sich denn offenbaren, dem Gesichtssinn zugänglich. Zum Beispiel hat Moses, Sohn des Imrn (Gott schenke ihm Heil!), den erhabenen Schöpfer wahrgenommen, als er auf dem Berg Sinai und andernorts erschien, wie in der Thora erwähnt wird; und der Prophet (Gott schenke ihm Heil!) und seine Gefährten (Gottes Wohlgefallen sei mit jedem von ihnen!) sahen Gabriel (Gott schenke ihm Heil!), als er in der Gestalt Diԉya al-KalbÁs 161 (Gottes Wohlgefallen sei mit ihm!) erschien. Die gesamte „Welt des Urbildes“ kann der Erscheinungsort des Lichtsder-Lichter und der anderen abgetrennten Lichter sein. Jedes von ihnen erscheint in einer bestimmten Form [und] zu einer bestimmten Zeit gemäß den Dispositionen von Wirkursache und Empfänger. Das Licht-der-Lichter, die Intellekte, die himmlischen Seelen, und das separate und nichtseparate Menschsein der vollkommenen [Menschen] erscheinen also gemäß den Dispositionen von Wirkursache und Empfänger nur in Formen, die sich durch Schönheit und Hässlichkeit, Filigranität und Kompaktheit und andere derartige Qualitäten voneinander unterscheiden. 160
161
Ms. A ergänzt maϕĂhir, QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ, RisĂla, p. 243, l. 4f. ergänzt maϕĂhiru fĮ hĂdhĂ l-צĂlam (also: „Manchmal erscheinen die göttlichen Erscheinungsformen [+ in dieser Welt]“). Diԉya b. KhalÁfa b. Farwa b. Fuӱla al-KalbÁ, ein Mann von sprichwörtlicher Schönheit, gehörte zu den Gefährten Muԉammads. Der islamischen Überlieferung zufolge erschien der Engel Gabriel dem Propheten in der Gestalt Diԉya al-KalbÁs, der seinerseits Muԉammad als Gesandter an den Hof des byzantinischen Herrschers Flavius Heraklius Augustus diente.
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Man könnte [Folgendes] einwenden: Mit [der Feststellung], dass die gesamte „Welt des Urbildes“ der Erscheinungsort des erhabenen Gottes und anderer, engelhafter Wesen sein kann, ist nicht gemeint, dass der erhabene [Gott] und der Engel mittels Distribution oder auf andere [Weise] zwei Quidditäten für alle urbildlichen Erscheinungsformen darstellen können, sondern, dass die beiden durch jene wahrnehmbar sind 162 wie die Körper für die Seelen [wahrnehmbar sind], so wie wir uns gegenseitig durch den Körper des [anderen] wahrnehmen. Aber die Verbindung mit dem urbildlichen Körper ist der Herausbildung der Art untergeordnet. Wie also können die vertikal [geordneten] Intellekte und der Schöpfer [einerseits] erhabener sein als die Herausbildung [der Art], und [andererseits] nicht erhabener sein als die Verbindung [mit dem Urbild]? Außerdem: Moses sah [Gott] weder auf dem Berg Sinai noch andernorts, sondern bat ihn darum, [ihn] sehen zu dürfen. Ihm wurde diese Gnade aber nicht gewährt, und er wurde für sein Ersuchen zurechtgewiesen. Wahr ist, dass er Worte hörte, die er als von Gott [kommend] erkannte, weil der, der die Offenbarung formte, dieser die Form von ihm [kommender,] hörbarer Worte verlieh. Und der Prophet und seine Gefährten sahen Gabriel nur deshalb in der Gestalt Diԉya al-KalbÁs, weil ihm von dem Formgeber die Gestalt des [Diԉya al-KalbÁ] verliehen worden war, nicht aber, weil er etwa mit einem urbildlichen Körper von der Art von Diԉyas Körper verbunden gewesen wäre. [Darauf] entgegnen wir [so]: Die Verbindung [mit dem Urbild], welche der Herausbildung [der Art] untergeordnet ist, also die Verbindung der Seele mit dem urbildlichen Körper, ist [gerade] um deren Perfektionierung und Vervollkommnung willen. Was aber die Verbindung mit dem [Urbild] angeht, welche nicht hierin begründet ist, sondern darin, dass Gott oder ein Engel durch sie so gesehen oder erkannt werden kann, wie wir einander durch den Körper des anderen sehen und der andere eine Wahrnehmung von uns hat, so zwingt dies nicht zu [der Annahme], dass in dem Wesen [Gottes oder des Engels] oder in einer darin aufgehobenen Qualität eine Defizienz oder eine Veränderung vorliegt. Vielmehr [liegt diese nur] in den Verhältnissen und Relationen [vor], die mit der Vollkommenheit [Gottes oder des Engels] überhaupt nicht verbunden sind. Mit [der Etablierung] dieser Welt werden auch all die prophetischen Verheißungen der Freuden für diejenigen, die in das Paradies eingehen, und der Qualen für diejenigen, die dem ewigen Feuer geweiht sind, mit allen Arten der Annehmlichkeiten und körperlichen Schmerzen verifiziert, denn für den „zweiten Körper“ [der Auferstehung], über den die Seele [dort] ver162
Zu lesen ist an yakŧnĂ humĂ ... yudrakĂni anstelle von an yakŧna lahumĂ ... yudrakĂni der Edition.
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Appendix I
fügen wird, gilt genau wie für den sinnlichen Körper [dieser Welt], dass ihm alle äußeren und inneren Sinne eignen werden. In beiden ist das [eigentliche] Erkenntnis[organ] die rationale Seele, nur dass diese in dieser Welt mittels korporeller Instrumente erkennt, in der „Welt des Urbildes“ dagegen mittels [urbildlicher] Erscheinungsformen der Instrumente. 163
89 ZWEITE UNTERSUCHUNG: Über das, was auf die Existenz einer „Welt
der herabhängenden Urbilder“ schließen lässt. Diese [Untersuchung] umfasst [drei Argumentations]ansätze. Erster Ansatz: [Der Umstand], dass eine partikulare Form, wie beispielsweise die Form Zayds, in der Vorstellung unvollständig abgetrennt existiert, zwingt zu [der Annahme], dass sie potentiell [auch] extramental gemäß ihrer Quiddität unvollständig abgetrennt existiert. In Anbetracht des Gutseins der [extramentalen Welt] und des [Umstands, dass] die [göttliche] Vorsehung beides 164 umfasst, muss man zu der Gewissheit kommen, dass die partikulare Form [auch] extramental unvollständig abgetrennt existiert. Folglich ist die Doktrin von der Existenz der „Welt der herabhängenden Urbilder“ richtig, was zu beweisen war. Dies wirft [gewisse] Probleme auf. E r s t e s P r o b l e m : Aus der unvollständig abgetrennten Existenz der partikularen Form in der Vorstellung kann auf die Möglichkeit ihrer unvollständig abgetrennten extramentalen Existenz lediglich im Sinne einer intellektualen Potentialität (also im Sinne einer Vermutung) geschlossen werden, nicht aber im Sinne einer wesenhaften Potentialität (also im Sinne der Negation einer wesenhaften Notwendigkeit und der Affirmation ihres Gegensatzes). Bindend165 für eine Schlussfolgerung ist aber [nur] die wesenhafte Potentialität, nicht die intellektuale, denn letztere schließt nicht eine wesenhafte Unmöglichkeit aus. 163
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Bei diesem Absatz („Mit [der Etablierung] ... Instrumente“) handelt es sich um ein wörtliches Zitat von QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ, RisĂla, p. 243, l. 14 – p. 244, l. 4, welche wiederum auf seinen SuhrawardÁ-Kommentar, Sharͧ-i ͦikmat al-ishrĂq, p. 494, l. 16ff., zurückgreift. Der vorangehende hypothetische Einwand und seine Widerlegung sind hingegen in keinem der beiden Werke QuՈb al-DÁns zu finden, in ms. A allerdings auch nur in margine überliefert. Ms. S ergänzt in margine: „i.e., die Potentialität und das Gutsein [des Extramentalen]“. Al-muqayyid mss. T und Y, al-mufĮd („nützlich“) in den übrigens mss.
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Zu diesem Problem ist zu erwidern, dass der Begriff von der partikularen unvollständig abgetrennten Form, beispielsweise [der Form] Zayds, insofern universal ist, als sie von der in das stoffliche Substrat [Zayds] eingeprägten Form und von der Vorstellungsform von ihm und von seinem „herabhängenden Urbild“ (wenn es denn existiert) gilt. Wenn nun ein Individuum der Art [dieser Form] durch eine Qualität qualifiziert ist, müssen auch alle übrigen Individuen gemäß der Quiddität durch sie qualifizierbar sein. Denn notwendigerweise kann die Quiddität durch das, wodurch sie in einem der Individuen [der Art] qualifiziert ist, in jedem Individuum [dieser Art] qualifiziert werden, derart, dass keines der Individuen eine Qualifikation durch diese Qualität ausschließt und diese Qualifikation gemäß der Quiddität der Individuen nicht grundsätzlich unmöglich ist.
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Z w e i t e s P r o b l e m : Die unvollständig abgetrennte partikulare Form in der Vorstellung ist ein Akzidens in einem korporellen Substrat. Die extramentale unvollständig abgetrennte partikulare Form ist aber, sofern sie existiert, eine Substanz. Aus dem Nachweis der Unvollständigkeit der Abtrennung der erstgenannten Form in der Vorstellung folgt also nicht, dass nachgewiesen werden kann, dass die zweite, extramentale [Form] gemäß ihrer Quiddität unvollständig abgetrennt sei. Denn die Quidditäten der beiden sind verschieden, und es könnte sein, dass die unvollständig abgetrennte partikulare Form gar nicht extramental gemäß ihrer Quiddität existieren kann. Zu diesem Problem ist [Folgendes] zu erwidern: Selbst wenn die partikulare Form von Zayd in der Vorstellung ein Akzidens ist, insofern sie dort nur qua Disposition ist, so ist sie doch eine Substanz, insofern sie Zayd entspricht. Es ist aber in Anbetracht [dieser] Entsprechung, dass die [Form] dem [Zayd] und seinem „herabhängenden Urbild“ (sofern es existiert) ähnlich ist. Also ist es möglich, dass sein „herabhängendes Urbild“ gemäß seiner Quiddität extramental existiert, was an dieser Stelle zu beweisen war. D r i t t e s P r o b l e m : Durch die unvollständig abgetrennte partikulare Form in der Vorstellung werden nur solche Naturen erkannt, die zur Kategorie der Qualität gehören. Also ist die unvollständig abgetrennte Form ein Akzidens. Ein Akzidens kann aber nicht extramental durch sich subsistieren. Zu diesem Problem ist zu erwidern, dass auch Zayd durch seine Vorstellungsform akzidentell vorstellbar ist. In Anbetracht der Entsprechung [zwischen Vorstellungsform und vorgestelltem Gegenstand] ist ihm diese [Form] ähnlich. Die Quiddität der beiden ist also dieselbe wie die Quiddität von [Zayds] „herabhängendem Urbild“ einschließlich ihrer Substantialität; und [auch] sein „herabhängendes Urbild“ ist ihm ähnlich. Also kann sein „herabhängendes Urbild“ gemäß seiner Quiddität extramental existieren, insofern
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seine Quiddität 166 nicht voraussetzt, dass irgendetwas von ihren Individuen extramental nicht existiert. In diesem Fall würde nämlich ein Teil von ihnen dort gar nicht existieren. V i e r t e s P r o b l e m : Wir konzedieren nicht, dass das Gute der „Welt der Urbilder“, vorausgesetzt sie existiert, das Schlechte überwiegt, denn es könnte sein, dass ihr Gutsein ein [anderes,] größeres Gutes nicht zustande kommen lässt. Wir konzedieren [ihr Gutsein], dies jedoch [nur, sofern] es von der Bedingung der dauerhaften Nichtexistenz [dieses größeren Guts] abhängt, so dass es durchaus nicht notwendig ist 167 . Zu diesem Problem ist zu erwidern, dass das Gutsein der „Welt der Vorstellungen“ zweifellos ihr Schlechtsein überwiegt. Andernfalls könnte sie nicht ehrwürdiger als die Sinnenwelt sein. Was die angeführte Bedingung angeht, so müsste das [größere Gute] möglich und [außerdem] mehr gut als schlecht sein. Dann müsste es aber existieren, da es unter die [göttliche] Vorsehung fällt und wir wegen der inakzeptablen [Konsequenzen] keinen Regressus ad infinitum annehmen wollen. F ü n f t e s P r o b l e m : Der Begriff von der partikularen Form Zayds ist universal. Weshalb sollte es also nicht zulässig sein, dass das Separate zu den spezifischen Konkomitanten eines solchen Begriffs gehört, ungeachtet der Partikularität des [der Form zugrunde liegenden Individuums]? Zu diesem Problem ist zu erwidern, dass [in der Tat] das vollständig Separate zu den spezifischen Konkomitanten des universalen Begriffs der partikularen Form Zayds gehört. Hingegen ist das unvollständig Separate eine Qualität des intellektualen Partikularen, also der partikularen Vorstellungsform von Zayd. Wenn nun das [eine] intellektuale Partikulare als unvollständig Separates qualifizierbar ist, muss es [auch] möglich sein, die übrigen Particularia so zu qualifizieren, insofern die den Particularia gemeinsame Quiddität weder ausschließt, dass ihr diese Qualifikation zukommt, noch, dass sie ihr nicht zukommt. 92 S e c h s t e s P r o b l e m : Aus [dem Umstand], dass etwas durch eine [gewisse] Qualität qualifiziert wird, folgte nur dann, dass etwas ihr Ähnliches [auch] durch diese [Qualität] qualifiziert werden kann, wenn [etwas Ähnliches] notwendig an allen Konkomitanten der Quiddität partizipierte. Das ist aber der Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder zufolge nicht möglich. 166
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Bi-maצnĂ anna mĂhiyyatahŧ, von BadawÁ aus ms. Y ergänzt, wird durch ms. A bestätigt. Ich lese lĂ yŧjabu l-battata anstelle von lĂ yŧjadu l-battata der Edition.
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Zu diesem Problem ist zu erwidern, dass für die Quiddität im Sinne irgendeines der Individuen, ohne Beschränkung auf ein konkretes [Individuum], durchaus gilt, dass jedes beliebige Partikulare durch diese Qualität qualifiziert werden kann. S i e b e n t e s P r o b l e m : Weshalb sollte es nicht zulässig sein, dass [die Existenz] der „Welt 168 des herabhängenden Urbilds“ durch etwas Anderes verhindert werden kann, so dass es [in diesem Fall] gar nicht existieren würde? Zu diesem Problem ist zu erwidern, dass das, was den spezifischen Ausschlag für das Sein des Kontingenten durch die Wirkursache [im Gegensatz zu seiner bloßen Kontingenz] gibt, [darin besteht], dass sein Sein für es selbst oder für das Ganze der Welt mehr gut als schlecht ist und nicht das Zustandekommen eines größeren oder gleichgroßen [anderen Guts] verhindert. Wenn dies für das [Sein des Kontingenten] gilt, folgt daraus notwendig seine Existenz. Nun gilt dies für die „Welt der herabhängenden Urbilder“ (andernfalls müsste die Sinnenwelt ehrwürdiger als sie sein, was absurd ist); also muss die „Welt der herabhängenden Urbilder“ notwendig aus der Wirkursache hervorgehen, was zu beweisen war. Zweiter Ansatz 169 : [Es gibt] viele Zeugnisse von Propheten, Heiligen und gottsuchenden Weisen über die „Welt der herabhängenden Urbilder“; und die Informationen, die uns durch diese Zeugnisse [zur Verfügung stehen], sind derart, dass wir zu der Überzeugung [kommen können], dass die Existenz dieser [Welt] für sie unmittelbar erfahrbar war, uns aber zuverlässig überliefert ist. Was die Propheten angeht (Gott schenke ihnen Heil!), so berichtet beispielsweise der Prophet [Muԉammad] (er sei in vorzüglichster Weise gesegnet und geehrt!) von dem [Zwischenreich des] Barzakh und der dortigen korporellen Manifestation der Taten [des Menschen] 170 . Wollte jemand einwenden, dass eine [solche] Manifestation der Taten zu [der Annahme] zwinge, dass das Urbild eines Akzidens eine Substanz sei, was im 93 Widerspruch zu der Lehre „des Lichtmetaphysikers“ [al-SuhrawardÁ] stehe, 168
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צālam, ms. A, fehlt in den übrigen mss. und BadawÁs Edition, wird aber durch die folgende Lösung des Problems bestätigt. Fast der gesamte „Zweite Ansatz“ stimmt nahezu wörtlich mit QuՈb al-DÁn alShÁrzÁ, RisĂla, p. 244, l. 5 – p. 248, l. 4 überein. Dies betrifft auch die Zitate aus Ibn al-ArabÁs al-FutŧͧĂt al-Makkiyya und al-ShahrazʗrÁs Sharͧ ͦikmat al-ishrĂq. Lediglich die beiden hypothetischen Einwände (eingeleitet durch „Wollte jemand einwenden“), weiter unten auf dieser Seite sowie am Ende des „Zweiten Ansatzes“, wurden von dem Verfasser des vorliegenden Werks ergänzt. Cf. al-QurץĂn XXIII:100, X:30, und oben, p. 232, Anm. 32.
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der zufolge das Urbild eines Akzidens ein Akzidens ist 171 , sowie im Widerspruch zu der Lehre [al-ShahrazʗrÁs,] des Verfassers des „[Göttlichen] Baumes“, der zufolge das Urbild eines Inhaerens in der Wirklichkeit oder in der Vorstellung dem Urbild des inhärierten Substrats inhäriere 172 , [so] sagen wir [Folgendes]: Die Lehre von den [Platonischen] Urbildern lässt es zu, dass das Urbild eines Akzidens eine Substanz sei, und wird [somit] von der [Annahme einer] korporellen Manifestation der Taten [des Menschen] gestützt; und [auch] diejenigen, die die [Existenz von] Urbildern in den Mathematica bestätigen, lehren [die Existenz] primitiver Gestalten, obwohl die Gestalt [als solche] ein Akzidens ist, die [urbildliche] primitive Gestalt aber eine Substanz. Die Worte „des Lichtmetaphysikers“ haben keine Beweiskraft; und was al-ShahrazʗrÁ meint, wenn er die Subsistenz des Urbilds einer Qualität in dem Urbild des Wesens der Vorstellung zuordnet, ist, dass ihr Urbild auch durch sich subsistieren kann, aber zuweilen als durch das Urbild des Wesens subsistierend vorgestellt wird, und ein andermal so vorgestellt wird wie bei der korporellen Manifestation der Taten [des Menschen im Jenseits]. Was [al-ShahrazʗrÁ] meint, ist also nicht das oben Gesagte. Was nun die Heiligen angeht, so [finden wir] ein Beispiel in den Lehren des Meisters und Erforschers und Entdeckers der Wahrheit, des Vollendeten und zur Vollendung führenden MuԉyÁ l-DÁn [Ibn] al-ArabÁ (Gott möge Wohlgefallen an ihm haben!). Dieser erwähnt nämlich in Kapitel LXIII der „Mekkanischen Errungenschaften“ [mit dem Titel] „Über die Erkenntnis der Fortdauer des Menschen in dem Barzakh zwischen [dieser] Welt und der Auferweckung“ die Wirklichkeit des Barzakhs173 . Er sagt [dort], dass „der [Barzakh] eine intelligible Barriere“ zwischen den beiden benachbarten [Welten] sei, „die mit keiner der beiden identisch sei, jedoch die Kraft der beiden in sich habe“ 174 . [Sie sei] „wie die Linie, die das Sonnen[licht] von dem Schatten trennt“ 175 , und „nur der Vorstellung [zugänglich]“ 176 , „genauso wie [es sich verhält, wenn] der Mensch seine Form in einem Spiegel wahrnimmt und mit Gewissheit erkennt, dass das, was er erkennt, eine [gewisse] Ansicht 171 172
173
174 175 176
Cf. al-SuhrawardÁ, KitĂb al-MuqĂwamĂt, Buch III, pp. 129-131 (ed. Corbin). Cf. Shams al-DÁn al-ShahrazʗrÁ, RasĂץil al-shajara al-ilĂhiyya fĮ צulŧm al-ͧaqĂץiq alrabbĂniyya, vol. 3, pp. 371-373 (ed. Görgün). Das genannte Kapitel findet sich in MuԉyÁ l-DÁn Ibn al-ArabÁ, al-FutŧͧĂt alMakkiyya. Vol. IV: al-Safar al-rĂbiצ. TaԉqÁq wa-taqdÁm Uthmn Yaԉy. Cairo 1412/1992, pp. 406-425. Vgl. im Einzelnen die folgenden Fußnoten. Ibid., p. 407, l. 10 – p. 408, l. 3. Ibid., p. 407, l. 7 Ibid., p. 408, l. 6.
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seiner Form ist, da er sie aufgrund der geringen Ausdehnung des Körpers des Spiegels stark verkleinert oder aufgrund seiner großen Ausdehnung vergrößert wahrnimmt. Er kann nicht leugnen, dass er seine Form sieht, und doch weiß er [zugleich], dass im Spiegel nicht seine Form 177 ist, und dass sie auch nicht etwas zwischen ihm und dem Spiegel ist“ 178 . „Folglich ist es weder wahr noch falsch, wenn er sagt, er sehe seine Form [und] er sehe seine Form nicht. Was ist also diese Form im Spiegel? Wo ist ihr [wirklicher] Ort? Was gilt von ihr, wenn sowohl Affirmation als auch Negation zutreffen, [wenn sie] sowohl Seiendes als auch Nichtseiendes, Gewusstes wie auch Nichtgewusstes ist? —Diese Wirklichkeit hat Gott seinen Dienern als ein Beispiel offenbart, auf dass sie wissen und realisieren, dass sie, wenn sie [schon] in der Erkenntnis dieser Wirklichkeit versagen oder in Verwirrung geraten und kein wahres Wissen von ihr erlangen, obwohl sie Teil [dieser] Welt ist, um so mehr versagen werden und unwissend und ratlos sind hinsichtlich [der Erkenntnis] ihres Schöpfers. Auf diese Weise will [uns Gott] verdeutlichen, dass die Epiphanien des Wahren eine subtilere und feinsinnigere Bedeutung haben als das, was die [menschlichen] Intellekte in Verwirrung stürzt und dessen Wirklichkeit sie nicht erfassen können, so dass sie in ihrer Ratlosigkeit fragen: Eignet dieser [Sache] nun eine Quiddität oder nicht? Denn die Intellekte schreiben ihr weder ein absolutes Nichtsein zu —der Gesichtssinn hat ja eine gewisse Wahrnehmung—, noch ein absolutes Sein —sie wissen ja, dass etwas [Bestimmtes] nicht da ist 179 —, noch auch eine reine Potentialität. Dies ist die Art von Wirklichkeit, zu welcher der Mensch im Schlaf und nach seinem Tode gelangt. Dann sieht er die Akzidenzien als durch sich selbst subsistierende Formen, die zu ihm sprechen und zu denen er spricht, [und] als Körper, die von Geistern bewohnt werden, ohne dass er an deren [Realität] zweifelte. Der Epiphaniker hingegen sieht im Wachzustand das, was der Schlafende im Traum und der Verstorbene post mortem sieht. Ebenso sieht er, wie die Formen der Taten [des Menschen] im Jenseits abgewogen werden, obwohl es sich bei ihnen um Akzidenzien handelt, und er sieht den Tod in der Gestalt eines wohlgeformten Hammels 180 , obwohl dem Tod 177
Ich lese mit dem zitierten Text Ibn al-ArabÁs Υŧratuhŧ anstelle von Υŧratun der Edition BadawÁs; Υŧratuhŧ auch QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ, RisĂla, p. 245, l. 5.
178
Ibn al-ArabÁ, al-FutŧͧĂt IV, p. 408, l. 12 – p. 409, l. 4.
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Ich lese mit dem zitierten Text Ibn al-ArabÁs mĂ thamma anstelle von mĂ thammat der Edition.
180
„Der Tod ist ein wohlgeformter Hammel, welcher am Tag der Auferstehung geopfert wird“, so lautet ein bekannter Spruch der islamischen Tradition, der u. a. von Abʗ l-Shaykh Ibn Ԉayyn in seinem KitĂb al-צAϕama unter Berufung auf Wahb Ibn Munabbih (gest. 114/732) tradiert wird; zu diesen beiden cf. Josef van
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gerade die Separation von jeglichem Zusammenleben zugeschrieben wird“ 181 . „Es gibt Menschen, die diese Vorstellung mit dem Auge der Sinneswahrnehmung erkennen, und andere, die sie mit dem Auge der Vorstellung erkennen, und dies im Wachzustand. Was den Schlaf angeht, so ist [die Erkenntnis] mit dem Auge der Vorstellung gewiss“ 182 . Im Folgenden erwähnt [Ibn al-ArabÁ] die Trompete und die Posaune [des Jüngsten Gerichts] und beschreibt letztere als luminöses Horn 183 . Dann sagt er: „Nach dem, was wir [im Vorangehenden] festgestellt haben, erkenne also [dies]: Wenn Gott, der Gepriesene, die Geister aus diesen natürlichen Körpern, wo sie auch seien, und [aus] den elementaren [Körpern] ergreift, verleiht er ihnen korporelle Formen, die in dem Ganzen dieses luminösen Horns [aufgehoben] sind 184 . Dann erkennt der Mensch alle Dinge, die er nach [seinem] Tod in dem [Limbus des] Barzakh erkennt, nur [noch] mit dem Auge der Form, in der er sich in [diesem] Horn befindet!“ 185 Und am Ende [dieses] Kapitels sagt er: „In dem Barzakh hinterlegt jeder Mensch als Pfand das, was er [durch gute Taten] erworben hat, und gibt dies in den Formen seiner Taten als Sicherheit, bis er am Tag der Auferstehung in dem [Akt der] 95 „zweiten Erschaffung“ wiedererweckt wird. ,Gott spricht die Wahrheit und führt den [rechten] Weg‘ 186 .“ 187 Auch das Folgende ist Gottes Wort: „Wenn schließlich der Tod zu einem von ihnen kommt, sagt er: ,Herr, sende mich zurück [ins Leben]! Ich will [dann] wohl richtig handeln dort, wo ich [zuvor] gefehlt habe.‘ — Mitnichten! Das sind nichts als Worte, die er da spricht! Hinter ihnen [wartet schon] der [Limbus des] Barzakh bis zum Tag ihrer Auferstehung.“ 188
181 182 183 184
185 186 187 188
Ess, Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert Hidschra. Vol. II. Berlin: De Gruyter 1992, pp. 629, 702-706. Ibn al-ArabÁ, al-FutŧͧĂt IV, p. 409, l. 8 – p. 410, l. 12. Ibid., p. 411, l. 2-4. Cf. ibid., pp. 414-416. Diese befremdlich anmutende Assoziation basiert auf Ibn al-ArabÁs Deutung der Homonymie des arabischen Wortes Υ-w-r, das einerseits die himmlische Posaune des jüngsten Gerichts bezeichnet, andererseits die Pluralform des Wortes Υŧra, „Form“, ist. Hinzu kommt, dass die Form des Menschen mit dem Einblasen des Geistes/Pneumas entsteht, so wie das Blasen als solches die Form und das Prinzip des Posaunentons ist. Ibn al-ArabÁ fasst daher die hornförmige Posaune, die den eschatologischen Vorstellungen zufolge die Seelen (qua Form des Leibes) wieder zum Leben erweckt, als Bild des Ganzen aller menschlichen Formen. Ibid., p. 422, l. 12 – p. 423, l. 3. Cit. al-QurץĂn XXXIII:4. Ibn al-ArabÁ, al-FutŧͧĂt al-Makkiyya. Vol. IV, p. 425, l. 4-6. Cit. al-QurץĂn XXIII:99-100.
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Was [schließlich] die Weisen angeht, so [werden sie erwähnt], weil „Platon, Sokrates, Pythagoras, Empedokles und andere der Alten [die Existenz] von ,herabhängenden Urbildern‘ der Vorstellung lehrten, welche keinem Substrat inhärieren [und] erleuchtet oder verschattet sind. Des Weiteren waren sie der Meinung, dass diese [Urbilder] separate, von der Materie abgetrennte Substanzen seien, die fest im diskursiven Denken und in der Vorstellung der Seele 189 [verankert] sind, derart dass diese beiden [Seelenvermögen] die Erscheinungsorte dieser ,herabhängenden Urbilder‘ sind, die in den konkreten Dingen existieren, ohne [ihnen] zu inhärieren“ 190 . Und [sie lehrten,] dass „die Welt [aus] zwei Welten [bestehe], einer ,Welt der Idee‘ 191 , die in die ,Welt der [göttlichen] Herrlichkeit‘ und die ,Welt der Intellekte und Seelen‘ unterteilt sei, und eine ,Welt der Formen‘, die [ihrerseits] in sinnliche Formen, also die ,Welt der Himmelssphären und der Elemente‘ und was zu diesen gehört, und in Erscheinungsformen, also die ,Welt der herabhängenden Urbilder‘, unterteilt sei“ 192 . Wollte aber jemand einwenden, dass damit [lediglich bestätigt werde], dass die Erscheinungsformen in dem Vorstellungsvermögen eingraviert seien, nicht aber deren extramentale Existenz, da sie andernfalls für jeden mit einem intakten Wahrnehmungsvermögen [Ausgestatteten] sichtbar sein müssten, [so] entgegnen wir [Folgendes]: So, wie den Peripatetikern zufolge die Vorstellung von den [Erscheinungsformen] gewissen Bedingungen unterliegt, die nur einige Individuen erfüllen, andere aber nicht, so gibt es auch für ihre Wahrnehmung Bedingungen, die nur einige [Individuen] erfüllen, andere nicht. Dritter Ansatz 193 : „Sehen geschieht nicht durch die Einprägung der Form des Gesehenen in das Auge“ 194 . Denn dass das Sehen nicht auf diese Weise 189
190
191 192 193
Ich lese mit dem hier zitierten Text al-ShahrazʗrÁs (vgl. die folgende Anmerkung) al-takhayyul al-nafsĮ anstelle von al-takhayyul al-naqshĮ der Edition. Ein Zitat aus al-ShahrazʗrÁs Sharͧ ͦikmat al-ishrĂq, p. 552, l. 3-8 (ed. Ziai). Das obige Quadrivium antiker Philosophen wird auch in al-ShahrazʗrÁs al-Shajara alilĂhiyya, vol. 3, p. 375 (ed. Görgün) als Zeuge für die Platonischen Urbilder angeführt. Zu al-SuhrawardÁ, vgl. oben, Anm. 438. Al-ShahrastnÁ, KitĂb al-Milal wa-l-niͧal, p. 167 (ed. Beirut 1981) sieht hingegen gewisse Diskrepanzen zwischen Platon und Sokrates bei der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Urbildern und Sinnendingen. צālam al-maצnĂ. Cit. al-ShahrazʗrÁ, Sharͧ ͦikmat al-ishrĂq, p. 552, l. 9-11. Auch der Beginn des “Dritten Ansatzes” hat diverse wörtliche Entsprechungen in QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs RisĂla. Diese reichen bis „unterschiedlich beurteilt werden“ (p. 315, l. 27), entsprechend p. 249, l. 2 – p. 250, l. 11 in Walbridges Edition der RisĂla.
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Appendix I
stattfinden kann, ist beispielsweise daran zu erkennen, dass etwas Großes nicht in etwas Kleines [wie das Auge] eingeprägt werden kann. „Sehen geschieht auch nicht durch die Emission von Sehstrahlen aus dem Auge“194 zu dem Gesehenen. Denn dass dies unmöglich ist, ist daran zu erkennen, dass das, was die Emission in Bewegung setzt 195 , entweder ein Akzidens oder eine Substanz sein [müsste]. Die erste [Alternative] ist auszuschließen, da die Be96 wegung nicht durch ein Akzidens zustande kommen kann. Aber auch die zweite [Alternative] ist auszuschließen, da diese Substanz entweder ein Körper oder unkörperlich sein muss. Letzteres ist unmöglich, da die Veränderung in der Substanz nicht ohne Körper geschehen kann; und das Erste ist unmöglich, da die Bewegung der [Substanz] entweder naturgemäß oder willentlich oder widernatürlich [geschehen müsste], aber keine dieser Möglichkeiten offensteht. Was die erste [Möglichkeit] betrifft, so weil die [Emission] nicht in [nur] einer Richtung [erfolgt]. Im zweiten [Fall], wenn also [die Emission] unserem Willen unterliegt, müssten wir in der Lage sein, bei geöffneten Augen nicht zu sehen, was unmöglich ist. Wenn sie aber dem [Willen] der [bewegenden Substanz] unterliegt, müsste diese ein Lebewesen sein, was [auch] unmöglich ist. Und was die dritte [Möglichkeit] betrifft, so weil die Bewegung nicht widernatürlich sein kann, wenn sie gar nicht natürlich erfolgen kann, da die widernatürliche [Bewegung] die der natürlichen [Bewegung] entgegengesetzte [Bewegung] ist, und wo keine natürliche [Bewegung] ist, da ist keine widernatürliche. „Vielmehr [besteht] das Sehen in dem Gegenüber von gesundem Auge und lichterfülltem [Gegenstand]“ 196 derart, dass dieser in einer unmittelbaren Erleuchtung durch die Seele ergriffen wird und diese ihn sieht. Die Form aber, die die [Seele] in einem Spiegel sieht, wie die Form des Himmels, ist weder in dem [Spiegel], da sie an unterschiedlichen Orten und von unterschiedlichen Standpunkten der Betrachter sichtbar ist, noch in der Luft. Denn wäre sie in der [Luft] und sähen wir sie [nicht wirklich im, sondern] nur hinter dem Spiegel, müsste sie in der Luft hinter dem [Spiegel] sein. Dann aber dürfte sie wegen der Undurchlässigkeit des Spiegels [gar] nicht sichtbar sein. Sie ist auch nicht im Gesichtssinn oder im Gehirn, da etwas 194
195
196
Cit. al-SuhrawardÁ, ͦikmat al-ishrĂq, p. 134, l. 11f. (Corbin), p. 96, l. 10f. (Ziai/ Walbridge). Zu al-SuhrawardÁs Theorie des Sehens vgl. auch al-SuhrawardÁ, KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt, pp. 485-489. Ich lese muͧarrikuhŧ anstelle von naͧwa annahŧ der Edition. BadawÁ merkt an, dass die Textstelle unleserlich ist. Der Satz fehlt in QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs RisĂla. Cit. al-SuhrawardÁ, ͦikmat al-ishrĂq, p. 134, l. 12f. (Corbin), p. 96, l. 11 (Ziai/ Walbridge).
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Großes nicht in etwas Kleines [wie das Gehirn] eingeprägt werden kann; noch auch ist sie die Form des Himmels an sich, derart, dass Sehstrahlen aus dem Auge in den Spiegel emittiert und von dort in den Himmel reflektiert würden. Denn wir haben [bereits] geklärt, dass das Sehen nicht mittels Sehstrahlen [vollzogen] wird, ganz zu schweigen von deren Reflexion. Und sie ist bestimmt nicht in einem Körper. Auch die Lederhaut des Auges ist eine [Art] Spiegel für die Seele, in der Formen der Gegenstände des Gesichts gesehen werden 197 . Aber so, wie die in einem Spiegel gesehenen Formen nicht in diesem sind, so sind auch die Formen, mittels deren die Seele die konkreten Wahrnehmungsgegenstände sieht, nicht in der Lederhaut. Vielmehr entstehen sie im Moment der Opposition [von Auge und Wahrnehmungsobjekt], so dass eine unmittelbare Erleuchtung von der Seele auf den lichterfüllten [Gegenstand] fällt, sofern er wahrnehmbar ist. Handelt es sich aber um eine reine Erscheinungsform, so ist ein anderer Erscheinungsort, wie etwa ein Spiegel, [für den Sehvorgang] notwendig. Wenn die Lederhaut des Auges [selbst] in Opposition zu einem Spiegel tritt, fällt eine unmittelbare Erleuchtung von der Seele [auf sie], so dass sie den Spiegel mittels des Spiegels der Lederhaut und des externen Spiegels sieht. Also: [Für] die in einem Spiegel gesehenen Formen 198 , ja, für alle Formen der Gesichtswahrnehmung und sogar für alle Formen der Vorstellung [gilt, dass] sie weder im Geist existieren, da etwas Großes nicht in etwas Kleines eingeprägt werden kann, noch in den konkreten Wahrnehmungsgegenständen, da sie andernfalls für jeden mit einem intakten Wahrnehmungsvermögen [Ausgestatteten] sichtbar sein müssten. Aber sie sind auch nicht gänzlich Nichtseiendes, denn dann könnten sie nicht begriffen, voneinander differenziert und unterschiedlich beurteilt werden. Noch sind sie Teil der Welt der vollständig abgetrennten Dinge, zu welcher der erhabene Schöpfer, die Intellekte und die [himmlischen] Seelen gehören. Denn sie sind ja korporelle, unvollständig abgetrennte Formen. Folglich existieren sie in einer [eigenen,] anderen Welt, nämlich der als „Welt der Vorstellung“ bezeichneten 199 . Demnach ist die Lehre von der Existenz der „Welt der herabhängenden Urbilder“ zutreffend, was zu beweisen war. [Gegen diesen „Dritten Ansatz“] gibt es [diverse] Einwände. 197
Cf. al-SuhrawardÁ, ͦikmat al-ishrĂq, pp. 102f. (Corbin), p. 73 (Ziai/Walbridge).
198
Fa-l-Υuwaru, mss. A und Y; fa-l-Υŧratu („Form“) ed. BadawÁ.
199
Dieser Abschnitt („Also ... bezeichneten“) gibt nahezu wörtlich al-ShahrazʗrÁ, Sharͧ ͦikmat al-ishrĂq, p. 509, l. 8-14, wieder.
97
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Appendix I
E r s t e r E i n w a n d : Das, worin [irgendeine] Form der Welt eingeprägt ist, das Auge oder das Gehirn [etc.], lässt sich in ebenso viele Klassen einteilen wie die nach Zahl und Gestalt unermesslichen Klassen [von Formen] der Welt. Demnach korrespondieren die Maße der Vorstellungsformen mit den Maßen der Teile des sensus communis, denen sie inhärieren; und sie verhalten sich zueinander hinsichtlich der Ausdehnung proportional zum Verhältnis ihrer [korrespondierenden] extramentalen herabhängenden [Urbilder] in der [extramentalen Welt]. [Formen, die] einander nahe sind im sensus communis, korrespondieren mit ihren herabhängenden [Urbildern], die einander extramental nahe sind, und die zwischen ihnen [bestehenden] Relationen der Dimensionen im sensus communis korrespondieren mit den Relationen der Dimensionen, die zwischen ihren herabhängenden [Urbildern] extramental [bestehen], so dass das, was extramental groß ist, durch eine Form gesehen wird, die eine [proportional] große Ausdehnung hat, und das, was extramental klein ist, durch eine [Form] gesehen wird, die eine [proportional] kleine Ausdehnung hat, soweit die Unzulänglichkeit der Vorstellung dies zulässt. 98 Auf diesen Einwand ist zu erwidern, dass primär und wesenhaft die Ausdehnung der Form des Wahrnehmungsinhalts gesehen wird. Die Ausdehnung des extramentalen Gegenstands des Sehens wird hingegen [nur] sekundär und vermittels der Wahrnehmung der Ausdehnung der Form gesehen. Wäre nämlich seine Ausdehnung 200 klein, die Ansicht der [Form des Wahrnehmungsinhalts] aber zugleich groß, müsste der Gesichtssinn [dem Einwand zufolge] hinsichtlich des Ausmaßes des Gesehenen ständig irren, was unmöglich ist. Vielmehr wissen wir spontan, dass das Gesehene [im] ersten [Sinne] dem Gesehenen [im] zweiten [Sinne] hinsichtlich der Ausdehnung entspricht. Jemand könnte [Folgendes] einwenden: Die Erscheinungsform wird nur insofern als etwas Großes gesehen, als es um [schon] Erkanntes geht, nicht insofern es um den Erkenntnis[prozess selbst] geht. [Nur] als [schon] Erkanntes ist sie groß. Folglich geht die Erkenntnis der Ausdehnung des Gesehenen durchaus nicht fehl, gleich ob es sich um das Gesehene [im] ersten [Sinne] handelt oder nicht. Dazu sagen wir [dies]: Die Erscheinungsform hat nur eine einzige Ausdehnung, gleich welche Bedeutung man voraussetzt; und dies ist eine intellektuale Ausdehnung. Dies ist offensichtlich, wenn ihr nichts Konkretes korrespondiert. Und wenn letzteres der Fall ist, dann liegt eindeutig ein Fehler vor, wenn sie in der Größe des korrespondierenden [Konkreten] gesehen wird. 200
Ich lese miqdĂruhŧ anstelle von miqdĂruhĂ der Edition.
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Z w e i t e r E i n w a n d : In den Hinweisen 201 erwidert [al-SuhrawardÁ] auf die Ablehnung [der Theorie] der Einprägung [der Formen], die damit [argumentiert, dass] dann —wie wir oben erwähnt haben— notwendig etwas Großes etwas Kleinem inhärieren müsse, auf eine andere Weise 202 . Dabei konzediert er, dass die Form, mittels welcher wir den Himmel sehen, nicht kleiner als dieser sei, da wir ihn durch sie so sehen, wie er ist. Diese Form sei [aber] ein Akzidens; und es gehöre nicht zu den Voraussetzungen eines Akzidens, in [jedweder] Hinsicht mit dem Zugrundeliegenden übereinzustimmen. Das, was die Form aufnimmt, ist die Materie; und diese kann sowohl die kleine als auch die große Ausdehnung aufnehmen. Auf den [hypothetischen] Einwand gegen diese Erwiderung, dass dann notwendig in ein und demselben Ding zwei Ausdehnungen, eine große und eine kleine, auftreten müssten, was unmöglich ist, antwortet er, dass die beiden großen und kleinen Ausdehnungen nur dann nicht gemeinsam in ein und demselben inhärierten Substrat auftreten können, wenn es sich bei ihnen um zwei konkrete Dinge handelt. Wenn aber die eine von ihnen eine wirkliche, konkrete Ausdehnung ist, während die andere eine urbildliche, intellektuale Ausdehnung ist, dann sei ihre Koexistenz in ein und demselben Zugrundeliegenden durchaus nicht unmöglich 203 . Wenn dem aber so ist, dann steht [al-SuhrawardÁs] dort [vorgebrachte] Erwiderung im Widerspruch zu der mit dieser Konsequenz [argumentierenden] Ablehnung [der Theorie] der Einprägung [der Formen]. Auf diesen Einwand ist zu erwidern, dass [al-SuhrawardÁ] die Erwiderung in den Hinweisen als Bericht über die Peripatetiker präsentiert, nicht als etwas, wovon er überzeugt ist und was er für wahr hält. 201
Shihb al-DÁn al-SuhrawardÁ, al-TalwĮͧĂt al-lawͧiyya wa-l-צarshiyya („Buch der Hinweise auf die [göttliche] Tafel und den [göttlichen] Thron“). Der erste Teil dieser Schrift, der die Logik zum Gegenstand hat, ist in einer Edition von AlÁ Akbar Fayyӱ mit dem Titel Manίiq al-TalwĮͧĂt, Teheran 1955 (Intishrt-i Dnishgh-i Tihrn; 270), zugänglich. Teil II wurde bisher nicht ediert. Der dritte, der Metaphysik gewidmete Teil ist ediert in Shihâbaddîn Yahyâ asSuhrawardî, Opera metaphysica et mystica. Edidit et prolegomenis instruxit Henricus Corbin. Vol. 1 (Bibliotheca Islamica; 16). Istanbul 1945, pp. 1-121.
202
Cf. al-SuhrawardÁ, al-TalwĮͧĂt al-lawͧiyya wa-l-צarshiyya, Teil III, pp. 74-76; vgl. auch id., ͦikmat al-ishrĂq, pp. 92f., 100f. (Corbin), pp. 65f., 71f. (Ziai/Walbridge); id., KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt, pp. 227-230.
203
Cf. al-SuhrawardÁ, al-TalwĮͧĂt al-lawͧiyya wa-l-צarshiyya, Teil III, pp. 21f., id., KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt, pp. 296f.
99
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Appendix I
D r i t t e r E i n w a n d : Darauf hinzuweisen, dass die Formen des Gesehenen nicht in der Lederhaut [des Auges] sind, nachdem [schon] darauf hingewiesen wurde, dass sie nicht im Gesichtssinn sind, ist tautologisch. Auf diesen Einwand ist zu erwidern, dass mit [der Feststellung, dass] die Formen nicht im Gesichtssinn sind, gemeint ist, dass sie nicht in der Kreuzung der beiden bogenförmigen luminösen Sehnerven sind, die zu den beiden Augen führen. [Es liegt] also keine Tautologie [vor]. V i e r t e r E i n w a n d : Was ist gemeint mit [der Aussage,] die in einem Spiegel gesehene Form des Himmels sei nicht die Form des Himmels selbst? Ist [gemeint, dass] sie nicht die in das stoffliche Substrat des Himmels eingeprägte Form ist, oder, dass sie nicht die Form des Himmels ist, durch die der Himmel gesehen wird? — Wenn ersteres [gemeint] ist, so wird [dies] konzediert. Jedoch [ist zu beachten], dass die Umkehrung hiervon nicht zu der Annahme von Sehstrahlen zwingt, so dass aus deren Invalidität auf die Invalidität der Umkehrung geschlossen werden könnte. Was vielmehr auf die Invalidität der Umkehrung schließen lässt, ist [der Umstand], dass die in einem Spiegel gesehene Form des Himmels auch nicht da sein kann, während die in das stoffliche Substrat des [Himmels] eingeprägte Form des Himmels nichtsdestotrotz existiert, so dass die in einem Spiegel gesehene Form des Himmels nicht die in das stoffliche Substrat des Himmels eingeprägte Form sein kann. Wenn aber letzteres [gemeint] ist, so ist dies auch falsch, da das mittels eines Spiegels Gesehene gerade insofern gesehen wird, als es mittels des Spiegels durch die in ihm sichtbare Form gesehen wird. Auf diesen Einwand ist zu erwidern, dass die in einem Spiegel gesehene Form des Himmels nur dann die Form des Himmels selbst sein könnte, wenn 100 Sehen durch Reflexion stattfände. Denn fände es durch eine Einprägung [der Form] statt, so müsste diese [eingeprägte] Form die Form des Himmels sein, die der Spiegel in den Gesichtssinn gelangen lässt, ohne sie [selbst] aufzunehmen, und [dies] auch dann, wenn sie in dem [Spiegel] bloß vorgestellt ist. Wollte jemand einwenden, dass diese Antwort nur dann gelte, wenn das Sehen entweder durch Einprägung [der Form] oder durch Reflexion stattfände, was nicht behauptet worden sei, so entgegnen wir, dass sich [diese] Antwort an der Argumentation der Peripatetiker orientiert. Denn ungeachtet ihrer [Meinungs]verschiedenheiten sind sie sich darin einig, dass das Sehen auf eine dieser beiden [Weisen stattfinden muss]. Ist es also nicht durch Einprägung [der Form], muss es durch Reflexion sein. F ü n f t e r E i n w a n d : [Al-SuhrawardÁ] fasst das Sehen als ein dem lichterfüllten [Gegenstand] unmittelbar präsentes Erleuchten durch die Seele, welches dessen Sichtbarkeit mittels der Lederhaut [des Auges] allein zur Folge hat, sofern es sich um einen [konkreten] Wahrnehmungsgegenstand
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handelt, oder mittels der Lederhaut [des Auges] in Verbindung mit einem Spiegel, sofern es sich um eine „herabhängende Erscheinungsform“ handelt. Gleichwohl erfordert 204 seine These, dass die Lederhaut [des Auges] wie ein Spiegel sei 205 , dass jeder Gegenstand des Sehens [im] ersten [Sinne] eine „herabhängende Erscheinungsform“ ist. Andererseits [lehrt er, dass] das Gesehene [im] zweiten [Sinne], welches durch das Gesehene [im] ersten [Sinne] gesehen wird 206 , sich [nur] im Sehvorgang mittels der Lederhaut [des Auges] allein befindet, nicht aber im Sehvorgang durch diese zusammen mit dem Spiegel. Diese Unterscheidung ist falsch, da die Form des in einem Spiegel Gesehenen ein Gegenstand des Sehens an sich ist, nur dass es [eben] durch diese Form [gesehen wird], weil sie von diesem [Gegenstand des Sehens] das Gesehene [im] ersten [Sinne] ist. Auf diesen Einwand ist zu erwidern, dass wir nicht konzedieren, dass die Form des Wahrnehmungsinhalts in einem Spiegel ebenfalls ein Wahrnehmungsinhalt an sich ist. Denn ein Wahrnehmungsinhalt an sich wäre sie nur dann, wenn die Sehstrahlen des Auges von dem Spiegel auf den Gegenstand des Sehens reflektiert würden, wie dies die Anhänger der Sehstrahlentheorie lehren, oder wenn der Spiegel die Form des Gesehenen in das Auge gelangen ließe, ohne sie [selbst] aufzunehmen, wie dies die Anhänger der Theorie der Einprägung [der Form] lehren. Wenn aber das Sehen ein dem lichterfüllten [Gegenstand] unmittelbar präsentes Erleuchten durch die Seele ist, durch welches sie diesen sieht, wie „der Lichtmetaphysiker“ [al-SuhrawardÁ] meint, dann befindet sich das Gesehene [im] zweiten [Sinne] nur im Sehvorgang mittels der Lederhaut [des Auges] allein. Es befindet sich seiner [Ansicht] nach aber durchaus nicht im Sehvorgang durch diese zusammen mit dem Spiegel. Die Anhänger der Theorie der Reflexion [der Sehstrahlen] und der Theorie der Einprägung [der Form] fassen also die in einem Spiegel vorgestellte Form als Wahrnehmungsinhalt an sich, während „der Lichtmetaphysiker“ [al-SuhrawardÁ] das [so Vorgestellte] nicht als Wahrnehmungsinhalt [an sich] fasst. Vielmehr besteht für ihn der Wahrnehmungsinhalt nur in dem „herabhängenden Urbild“ des [Vorgestellten]. S e c h s t e r E i n w a n d : Die Doktrin [al-SuhrawardÁs] impliziert, dass das Sehen nicht in der Etablierung der Form des Gesehenen im Gesichtssinn besteht. Wenn dies zuträfe, müsste es auch zulässig sein, dass das Wissen nicht in der Etablierung der Form des Erkenntnisgegenstands im Wissenden besteht. 204 205 206
Zu lesen ist yŧjibu anstelle von tŧjibu der Edition. Cf. supra, p. 315, Anm. 197. Zur Unterscheidung zwischen primären und sekundären Gegenständen des Sehens vgl. oben, p. 316.
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Auf diesen Einwand ist zu erwidern, dass Sehen und Wissen nicht dasselbe sind. Denn das Sehen hat nur Seiendes zum Gegenstand, das Wissen kann aber auch Nichtseiendes zum Gegenstand haben. Dadurch, dass es Nichtseiendes zum Gegenstand haben kann, ist klar, dass es mittels Formen [statthat]. S i e b e n t e r E i n w a n d : In der [Metaphysik der] Erleuchtung zeigt [al-SuhrawardÁ] auf, dass das Wissen in der Etablierung der Form des Erkenntnisgegenstands im Wissenden besteht, indem [er folgendermaßen argumentiert:] Würde im Wissensakt nicht das in der Seele etabliert, was im Moment des Nichtwissens nicht [in ihr] etabliert ist, bestünde zwischen den beiden Dispositionen von Wissen und Nichtwissen kein Unterschied, was absurd ist. Wird es aber etabliert, so muss das, was etabliert wird, dem Erkenntnisgegenstand, und nur diesem, spezifisch sein. Dies ist, was für die Form gilt. Wissen besteht also in der Etablierung der Form [des Erkenntnisgegenstands], was zu beweisen war207 . Wäre dieser Beweis korrekt, bestünde jede Erkenntnis in der Etablierung einer Form [in der Seele]. Dann muss aber entweder die Ungültigkeit dieses Beweises oder die Gültigkeit der Lehre von der Einprägung [der Form] anerkannt werden. Da nun 208 die Ungültigkeit des Beweises nicht anerkannt wird, muss man also die [Lehre von der] Einprägung für zutreffend halten. Auf diesen Einwand ist zu erwidern, dass das, was in der Seele entsteht, wenn Wissen entsteht, eine seelische Qualität sein muss, derart dass Wissen in dieser seelischen Qualität besteht. Was aber im Gesichtssinn entsteht, wenn Sehen entsteht, kann etwas Anderes als eine Qualität sein, so dass das Sehen nicht in einer solchen Qualität besteht. Vielmehr entsteht etwas im Gesichtssinn bei dem Zustandekommen eines Sehakts nur deshalb, weil sowohl [gewisse] Voraussetzungen erfüllt als auch [gewisse] Hinderungsgründe nicht vorhanden sind. 102 A c h t e r E i n w a n d : Wenn [al-SuhrawardÁ] lehrt, dass sowohl [die Theorie] der Einprägung [der Form] als auch [die Theorie] der Reflexion [der Sehstrahlen] falsch seien, ergibt sich für ihn die Konsequenz, dass er die Ursache für Irrtümer des Gesichtssinns nicht aufzeigen kann. Dies lässt erkennen, dass er in der Optik ein Dilettant 209 war. 207
Ein entsprechender Gedankengang ist in ͦikmat al-ishrĂq nicht zu finden. Gewisse Parallelen enthält aber al-SuhrawardÁs KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt, p. 488 f.
208
Ich lese mit ms. A wa-idh anstelle von wa-idhĂ der Edition.
209
RĂjilan, von BadawÁ in Zweifel gezogen, wird auch durch ms. A bestätigt.
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
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Auf diesen Einwand ist [Folgendes] zu erwidern: So, wie Beweise von Urteilen über das Sehen mittels Reflexion [der Sehstrahlen] auch dann zutreffen, wenn der Beweisführende [der Theorie] des Sehens mittels Einprägung [der Form] anhängt, da sich die Urteile [über die beiden Theorien] nicht in der Weise voneinander unterscheiden, in welcher sich das Sehen mittels Reflexion [der Sehstrahlen] und [das Sehen] mittels Einprägung [der Form] voneinander unterscheiden, so können auch Beweise von Urteilen über [das Sehen] mittels Reflexion [der Sehstrahlen] und [das Sehen] mittels Einprägung [der Form] richtig sein, wenn der Beweisführende eine andere [Theorie] vertritt, in diesem Fall die [Theorie der] nichtrepräsentationalen Erleuchtung. N e u n t e r E i n w a n d : Angenommen, die Form, durch die der Sehakt entsteht, ist [tatsächlich] ein „herabhängendes Urbild“, so konzedieren wir doch nicht, dass sie im [Moment der] Opposition von Gesichtssinn und Gesehenem entsteht, da sie in diesem Moment [auch] etwas ewig Existierendes sein kann. Auf diesen Einwand ist zu erwidern, dass die in einem Spiegel gesehene Form sich nur in dem Augenblick im Zustand der Sichtbarkeit befindet, da die beiden [Voraussetzungen] zusammentreffen, und [dies] mit Notwendigkeit 210 . Z e h n t e r E i n w a n d : Gesetzt den Fall, die Form, durch die der Sehakt [statthat], entsteht im Moment der Opposition [von Gesichtssinn und Gesehenem] und ist zugleich ein „herabhängendes Urbild“ — was lässt aber dann darauf schließen, dass die „Welt der herabhängenden Urbilder“ ewig existiert, was bewiesen werden soll? Auf diesen Einwand ist zu erwidern, dass das zu Beweisende, also die ewige Existenz der „herabhängenden Urbilder“, nicht aus der Form, durch die der Sehakt [statthat], hergeleitet wird, sondern aus den Vorstellungsformen. Diese lassen [in der Tat] auf das [zu Beweisende] schließen 211 . E l f t e r E i n w a n d : Wenn die Vorstellung nicht mittels der Einprägung [der Form] entsteht, zugleich aber Nichtseiendes zum Gegenstand haben kann, dann müsste es [auch] möglich sein, dass das Wissen ohne die Etablierung der Form im Intellekt entsteht und zugleich Nichtseiendes zum Gegenstand haben kann. Das wird aber von niemandem gelehrt. 210
211
Anstelle von wa-bi-l-͏arŧrati ediert BadawÁ aus Marginalien der mss. S und T wa-turĂ fĮ l-mirץĂti bi-l-͏arŧrati („und [die Form] notwendig in einem Spiegel gesehen wird“). Der Zusatz „und die Vorstellungsformen sind ewig“, den BadawÁ hier aus Marginalien der mss. S und T ediert, wird durch ms. A nicht gestützt.
103
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Appendix I
Auf diesen Einwand ist zu erwidern, dass die Vorstellung nur das zum Gegenstand hat, was in der „Welt der herabhängenden Urbilder“ existiert. Das Wissen hat aber nicht nur das zum Gegenstand, was in der „Welt der Platonischen Urbilder“ existiert, derart dass die in sich widersprüchlichen, unmöglichen [Dinge nicht im Wissen, sondern] extramental existierten. Es könnte jemand [Folgendes] einwenden: Auch die Vorstellung kann das Nichtmögliche zum Gegenstand haben, denn wir können das Vakuum und einen zweiten Gott und andere unmögliche [Dinge] vorstellen. Außerdem [gilt] notwendig oder evidenterweise [Folgendes]: Die Unmöglichkeit der Existenz ist zwingend nur für das, was durch den Begriff von einem zweiten Gottes 212 qualifiziert würde, nicht aber für den Begriff von einem zweiten Gott [selbst]. Der Begriff von einem zweiten Gott ist zu unterscheiden von einem zweiten Gott 213 . Andernfalls müsste der Begriff des zweiten Gottes gleich [dem] des Erhabenen sein, und dem Erhabenen müsste eine Quiddität eignen, die [nur] seine Existenz, nicht aber die Existenz des ihm Gleichen erfordert. Das wäre [aber] eine Bevorzugung [eines der beiden], ohne dass ein Kriterium der Bevorzugung [vorläge]. Aus der extramentalen Existenz des Begriffs eines zweiten Gottes folgt also nicht die extramentale Existenz eines zweiten Gottes. Was wir vorstellen, ist aber nur der Begriff eines zweiten Gottes, nicht das, was an sich durch den Begriff eines zweiten Gottes qualifiziert würde, denn wir stellen nur seinen Begriff, nicht sein Wesen vor. Entsprechendes gilt für die übrigen unmöglichen [Dinge]. Weshalb sollte es also nicht zulässig sein, dass alles, was wir seinem Wesen nach vorstellen, extra104 mental existiert, womit schließlich der Nachweis, dass das Wissen Form sei, weil es [auch] das Nichtmögliche zum Gegenstand hat, widerlegt ist! [Demnach] ist unser Wissen von irgendeiner Sache eine Relation zwischen unseren Seelen und der [Sache], ohne dass diese in irgendeiner Weise in sie eingeprägt wäre; und damit fällt [auch] der Nachweis der Abgetrenntheit der Seele mittels [des Arguments, dass] sie der Ort ist, dem die Formen des Wissens inhärieren. Denn wie sollte es möglich sein, in diesem Fall ihre Abgetrenntheit nachzuweisen? [Also] ist es zulässig, dass alle intelligiblen Formen in der „Welt der Platonischen Urbilder“ durch sich subsistieren und der Mensch sie mit dem Auge seines Intellekts erschaut, ohne dass irgendeiner von ihnen eine Subsistenz in der Seele des Menschen eignete, so wie [auch] alle Formen der Vorstellung durch sich subsistieren und vom Menschen mittels der Vorstellung gesehen werden, ohne dass irgendeine von ihnen in die Seele oder den Körper eingeprägt wäre. 212 213
Ich ignoriere wa-huwa l-shayץu, in margine mss. S, T (BadawÁ p. 103, l. 12). In den Handschriften S und T wird in margine ergänzt: „denn der Begriff eines zweiten Gottes ist vorstellbar, ein zweiter Gott aber nicht“. BadawÁ übernimmt diese Glosse, die von ms. A und den übrigen mss. nicht gestützt wird.
Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder
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[Dazu] sage ich: Zum ersten [Punkt] ist zu erwidern, dass nicht die Vorstellungsform selbst das Vakuum oder der zweite Gott oder ein anderes der nichtmöglichen [Dinge] ist. Gewiss, zuweilen urteilt man über gewisse Vorstellungsinhalte, dass sie beispielsweise das Vakuum seien. Aber dieses Urteil ist nicht richtig. Zum zweiten [Punkt ist zu erwidern], dass es zahlreiche 214 Argumente dafür gibt, dass das Wissen Form ist. Aus der Widerlegung eines der [Argumente] —hier [des Arguments, dass das Wissen] das Nichtseiende zum Gegenstand haben kann— folgt nicht, dass auch die anderen [Argumente] widerlegt sind. Ebenso: Wenn das Wissen [wirklich] nicht Form wäre, sondern eine reine Relation, [so] rechtfertigt dies doch nicht, das [Wissen] als solches als Entsprechung [von Gegenstand und Inhalt des Wissens] oder als Repräsentation [des Gegenstands des Wissens] zu qualifizieren, da die Relation als solche nicht durch diese beiden [Konzepte] qualifiziert ist. Für die Abgetrenntheit der Seele [existieren] zahlreiche Argumente. Aus der Widerlegung eines der [Argumente] —hier [des Arguments, dass] sie der Ort ist, dem die Formen des Wissens inhärieren— folgt nicht, dass auch die anderen [Argumente] widerlegt sind, zum Beispiel [das Argument, dass] die [Seele] die abgetrennten [Dinge] als etwas ihr Ähnliches, Abgetrenntes sieht (denn diese Sichtweise geht notwendig von etwas Abgetrenntem aus, nicht von etwas Körperlichem). Des Weiteren folgt aus dem Nachweis, dass alle Begriffe nichtmöglicher [Dinge] extramental [existieren können], lediglich, dass alle Quidditäten von vorgestellten Gegenständen des Wissens 215 extramental existieren [können]. Was aber die anhand ihres konkreten Seins verifizierten Gegenstände des Wissens und die ihnen korrespondierenden konkreten Wissensinhalte der Vorstellung unter Absehung von ihren Quidditäten angeht, so existieren diese nur im Intellekt, nicht aber extramental. Denn ihre formale Partikularität, die eine [veritative] Verknüpfung ist, ist eine Leistung des Intellekts. Es könnte jemand [Folgendes] einwenden: Etwas, das durch ein Urteil nach Art der Proposition „Zayd ist ein Mensch“ für wahr erklärt wird, existiert in dem Konkreten, nicht im Intellekt. Denn existierte es im Intellekt, müsste es entweder in der Seele oder in einem [ihrer] korporellen Organe existieren. Die erste [Option] ist unmöglich, da die partikulare Form von Zayd nicht der Seele eingeprägt sein kann; und die zweite ist unmöglich, da die universale Form des Menschen nicht einem korporellen Organ eingeprägt sein kann. 214
215
Ich lese mit ms. A kathĮratun anstelle von kabĮratun der Edition. BadawÁ merkt an, dass die Handschriften unklar sind. Al-maצlŧmĂt, ms. A.
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Appendix I
[Dazu] sage ich: Das Urteil über ein Individuum setzt nicht voraus, dass das [Individuum] ein partikularer Erkenntnisgegenstand sei. Dass die Form des [Individuums] dadurch einen Erkenntnisinhalt konstituiert, dass sie universaliter in der Seele etabliert ist, ist [durchaus] nicht unmöglich. Wenn dies nun so ist, dann muss das Wissen neben dem Seienden auch Nichtseiendes zum Gegenstand haben, und die Seele muss der Ort der Formen des Wissens sein. In diesem Fall ist es [also] korrekt, aus [dem Umstand, dass] das Nichtseiende Gegenstand des Wissens sein kann, zu schließen, dass das Wissen Form sei, und aus [dem Umstand, dass] die [Seele] der Ort der Formen des Wissens ist, [zu schließen, dass] die Seele abgetrennt sei. Dass eine Sache an sich abgetrennt existiert, ist [aber] keine hinreichende Bedingung dafür, dass die Seele Wissen von ihr hat. Aus der extramentalen Existenz gewisser Intelligibilia folgt daher nicht, dass das Wissen nicht Form des Gegenstands des Wissens im Wissenden sei. Vielmehr ist unabdingbare Voraussetzung des Wissens der Seele von der Sache, dass die [Seele] von ihr durch eine Einwirkung affiziert wird, die [nur] dieser [Sache] und nichts Anderem entspricht. Dieses Affiziertwerden oder die Affektion ist [genau] das Wissen der Seele von der [Sache]. Es könnte jemand [Folgendes] einwenden: [Wenn es nun] so ist, dass die Seele die Particularia durch deren Formen erkennt, ohne von ihnen affiziert 106 zu werden, und [wenn] sie diese Formen durch andere Formen gewahrt, ohne durch sie affiziert zu werden, warum sollte es dann nicht zulässig sein, dass sie auch die Universalien auf die Weise denkt? [Dazu] sage ich: [Dies ist so], weil —wie oben gesagt— die intellektuale Existenz [der Form] etabliert sein muss und [eben] darin das Wissen von der konkreten Existenz besteht. Außerdem ist in dem von euch erwähnten Beispiel zwischen der Erkenntnis des Partikularen mittels einer der Seele präsenten Form und [der Erkenntnis] der Universalien zu unterscheiden, weil die [Form in der partikularen Erkenntnis] in einem [korporellen] Organ etabliert werden muss, sofern sie nicht in der Seele etabliert wird, da sie durchaus nicht in der Seele existiert, [und] auch im Körper keine Existenz hat. Also ist das Wissen auch unter der Voraussetzung der Existenz der Urbilder Form, jedoch [derart, dass] beide, das Wissen und der Gegenstand des Wissens, völlig abgetrennt sind. Unter der Voraussetzung, dass die [Urbilder] nicht existieren, sind [hingegen] beide abgetrennt, sofern der Gegenstand des Wissens etwas Göttliches ist, jedoch ist nur das Wissen, nicht aber der Gegenstand des Wissens, abgetrennt, sofern letzterer etwas Mathematisches oder Natürliches ist.
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DRITTE UNTERSUCHUNG: Über das, was man gegen die vorbringen kann, die [die Existenz] „herabhängender Urbilder“ auf der Grundlage peripatetischer Prinzipien leugnen ([unter] der Berücksichtigung der auf illuminationistischen Prinzipien basierenden Gegenargumente).
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Diese [Untersuchung] umfasst [siebzehn Argumentations]ansätze. Erster Ansatz: Die partikularen Formen der Vorstellung, die unvollständig von dem stofflichen Substrat abgetrennt sind, müssen eine Position haben. Denn wenn sie keine Position hätten, stünden sie zu allen Orten, Positionen und Ausdehnungen in demselben Verhältnis. Dann wären sie [aber] etwas Universales und vollständig Abgetrenntes, was in sich widersprüchlich ist. Auf diesen Ansatz ist [Folgendes] zu erwidern: Auch wenn die Formen der Vorstellung nicht positional im Sinne einer wahrnehmbaren Position sind, so sind sie doch positional im Sinne einer vorstellbaren Position, i.e., sie verhalten sich derart, dass ihnen in der Vorstellung ein konkretes Hier oder Dort zugewiesen werden kann. Sie sind also unvollständig abgetrennt, weil sie zwar in der Sinneswahrnehmung von der Materie abgetrennt sind, nicht aber [in] der Vorstellung. Wollte jemand einwenden, dass das stoffliche Substrat [doch] etwas Intelligibles, nicht aber etwas Sinnliches oder Vorstellbares sei, so entgegnen wir, dass die Materie für „den Lichtmetaphysiker“ [al-SuhrawardÁ] der Körper ist, und dieser zuweilen wahrnehmbar und zuweilen vorstellbar ist. Zweiter Ansatz: Eine Wahrnehmung oder eine reine Vorstellung oder eine Vorstellung, die wie die Erfahrung von etwas Präsentem ist, gibt es von der partikularen Form nur, sofern diese konkrete [Bestimmungen von] Position, Ort, Quantität und Qualität hat. Also hat die [partikulare Form] eine Position, was zu beweisen war. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass die Positionalität der Vorstellung einer Vorstellungsform lediglich erfordert, dass die [Form] eine Position in der Vorstellung hat, nicht aber, dass sie eine sinnlich wahrnehmbare Position hat. Ihr wird [also nur] die sinnliche Position abgesprochen, nicht Position schlechthin. Dritter Ansatz: Die Vorstellungsformen 216 werden als teilbar nur hinsichtlich der Teile [ihrer] Position vorgestellt. Also müssen sie etwas Positionales sein. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass die Vorstellungsform nur in der Vorstellung als hinsichtlich der Teile [ihrer] Position teilbar vorgestellt wird, nicht in der Sinneswahrnehmung. Dies zwingt also lediglich zu [der Annahme] 216
Al-Υuwar al-khayĂliyya, ms. A, „die Vorstellungsform“, ed. BadawÁ.
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Appendix I
ihrer Positionalität gemäß der Vorstellung, nicht [gemäß] der Sinneswahrnehmung. Ihr wird [also nur] die sinnliche Position abgesprochen, nicht [die Position] in der Vorstellung. Vierter Ansatz: Die Vorstellungsformen216 werden nur als wechselseitig kontinuierliche oder jeweils diskrete [Formen] vorgestellt. Zwischen solchen, die diskret sind, [bestehen] Trennungen, die ein Mehr oder Weniger zulassen. Folglich sind sie etwas Positionales, was zu beweisen war. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass die den Vorstellungsformen in der Vorstellung anhaftende Kontinuität oder Diskretion lediglich in der Vorstellung bestehen muss, nicht in der sinnlichen Wahrnehmung. Dass die [Vorstellungsformen] einer der beiden [Eigenschaften] bedürfen, zwingt lediglich zu [der Annahme], dass ihnen in der Vorstellung eine Position eignet, nicht [dazu, dass] ihnen in der sinnlichen Wahrnehmung eine Position eignet. Ihnen wird [also nur] die sinnliche Position abgesprochen, nicht [die Position] in der Vorstellung. 109 Fünfter Ansatz: Die Vorstellungsform wird nur als in einem Raum [befindlich] oder räumlich ausgerichtet vorgestellt; folglich ist sie etwas Positionales. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass die den Vorstellungsformen in der Vorstellung anhaftende räumliche Ausrichtung eine solche der Vorstellung ist, nicht eine räumliche Ausrichtung in der sinnlichen Wahrnehmung. Sie zwingt lediglich zu [der Annahme] einer Position in der Vorstellung, nicht aber in der sinnlichen Wahrnehmung; und dass die [Formen] in der Vorstellung eine Position haben, in der Sinneswahrnehmung aber nicht, erkennen wir [durchaus] an. Sechster Ansatz: Die Vorstellungsform wird nur in einem gefüllten oder einem leeren Raum vorgestellt; folglich ist sie etwas Positionales. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass der den Vorstellungsformen anhaftende gefüllte oder leere Raum nur bei deren Vorstellung [auftritt], nicht in der Sinneswahrnehmung. Er zwingt [also] lediglich zu [der Annahme], dass ihnen in der Vorstellung eine Position eignet, nicht [dazu, dass] ihnen in der sinnlichen Wahrnehmung [eine Position eignet]; und wir haben nichts Anderes gelehrt. Siebenter Ansatz: Wenn wir ein Quadrat vorstellen, dem zwei gleichgroße Quadrate wie Flügel angegliedert sind, so stellen wir die drei Quadrate in einem stofflichen Substrat als in ein mittleres und zwei äußere gegliedert vor. Folglich sind die Vorstellungsformen etwas Positionales, was zu beweisen war.
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Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass dies lediglich zu [der Annahme] zwingt, dass die Vorstellungsform auf dem Urbild der sinnlichen Materie fußt, nicht aber auf der sinnlichen Materie selbst. Es zwingt [also] lediglich zu [der Annahme], dass ihnen in der Vorstellung eine Position eignet, nicht [dazu, dass] ihnen in der sinnlichen Wahrnehmung eine Position eignet. Was wir ablehnen, ist aber nur letzteres, nicht die erste [Alternative]. Achter Ansatz: Der rechte Flügel [der drei oben beschriebenen Quadrate] ist von dem linken Flügel weder durch die Quiddität, nämlich das Quadratsein, verschieden, da die beiden Flügel[quadrate] dieselbe Gestalt haben, gleich aussehen und gleichgroß sind, noch auch durch ein akzidentelles Proprium, es sei denn [durch] etwas Stoffliches. Denn das einzige, was ihn in der Vorstellung [gegenüber dem anderen Flügelquadrat] auszeichnet, ist die [räumliche] Distanz 217 ; und diese gehört zu den Dispositionen der [räumlichen] Ausrichtungen des stofflichen Substrats. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass dies lediglich zu [der Annahme] zwingt, dass die Vorstellungsform auf dem Urbild des stofflichen Substrats fußt, nicht aber auf dem stofflichen Substrat selbst. Was wir als unmöglich bezeichneten, ist [aber], dass sie auf dem stofflichen Substrat selbst fußt, nicht, dass sie auf der Vorstellung davon fußt. Neunter Ansatz: Die Unterscheidung der beiden rechts und links liegenden Quadrate ist nur mittels eines stofflichen Akzidens möglich, denn das akzidentelle Unterscheidungskriterium muss entweder dem [rechten Quadrat] selbst eignen oder in seinem Verhältnis zu dem [bestehen], woraus es gebildet ist, oder in seinem Verhältnis zu dem stofflichen Substrat. Die beiden ersten [Alternativen] sind absurd; also ist die dritte [Alternative] wahr. Folglich sind die Vorstellungsformen etwas Positionales, was zu beweisen war. Die erste [Alternative] ist absurd, weil jenes [wesenhafte] Unterscheidungskriterium entweder zu den Konkomitanten der Quiddität gehören oder ein separates Akzidens sein [müsste]. Im ersten [Fall] wäre es beiden [Quadraten] gemeinsam, könnte also nicht den Unterschied zwischen den beiden ausmachen. Und im zweiten [Fall] wäre das Vorstellungsvermögen gezwungen, in der Unterscheidung zwischen dem rechten und dem linken Flügel[quadrat] das [separate Akzidens] zu dem rechten [Flügelquadrat] in Beziehung zu setzen. Das kann aber so nicht [zutreffen], da das rechte [Flügelquadrat] in der Vorstellung von dem linken unterschieden wird, solange es wesenhaft existiert, ohne dass etwas Anderes in Betracht gezogen werden müsste, zu dem die Vorstellung das rechte [Flügelquadrat] in Beziehung setzte. Und die 217
Bi-l-tabĂyun, codd., ed. BadawÁ. “Ist [seine] rechte Position” (bi-l-tayĂmun) ms. A.
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zweite [Alternative] ist absurd, weil die Vorstellungsform auch ohne Abstraktion aus etwas [ihr] Extrinsischem bestehen kann. 111 Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass dies lediglich zu [der Annahme] zwingt, dass die Vorstellungsform auf dem Urbild des Körpers fußt, nicht aber [zu der Annahme,] dass sie auf dem [Körper] selbst fußt. Dies zwingt [aber] lediglich zu [der Annahme], dass ihr in der Vorstellung eine Position eignet, nicht [dazu, dass] ihr in der sinnlichen Wahrnehmung eine Position eignet. Was wir für unmöglich halten, ist aber nur letzteres, nicht die erste [Alternative]. Zehnter Ansatz: Aus dem, was in dem neunten [Ansatz] erwähnt wurde, ist [Folgendes] zu entnehmen: Der Unterschied zwischen dem rechten und dem linken Flügel[quadrat] kann nicht in der Quiddität und seinen wesenhaften Eigenschaften, also den Konkomitanten der [Quiddität], sowie in dem bestehen 218 , was ihm durch sein Verhältnis zu dem Extrinsischen, aus dem es gebildet wurde, akzediert. Der [Unterschied] kann [nämlich] nicht in etwas bestehen, was ihm wesenhaft eignet und zugleich separat ist, denn etwas Akzidentelles, durch das zwei Dinge voneinander verschieden sind, ist nur im Intellekt separat. Denn auch für das Vorstellungsvermögen gilt noch, dass es [dort etwas Anderem] inhärieren muss. Dann ist [aber] zu fragen: Was ist es, das dieses separate Akzidens in dem einen [Quadrat] bewirkt, auf dass es dadurch von dem anderen unterschieden sei? Denn solange der Gegenstand der Vorstellung nicht durch ein Individuationsprinzip 219 zu etwas Individuellem geworden und mit einer partikularen Position [versehen] ist, kann er nicht [zu einem Gegenstand] in der Vorstellung werden. Und als Intelligibile ist er [zwar] Gegenstand des Intellekts, [jedoch] von einem [quidditativ gleichen] anderen Intelligibile erst unterschieden, nachdem ihm der Intellekt etwas zugeordnet hat, was ihn von dem [anderen] unterscheidet. In dieser Weise wird die Quiddität des rechten Quadrats unter Absehung von dem linken [Quadrat] zum Gegenstand des Intellekts. Diese verknüpft der Intellekt dann mit der rechten Position und unterscheidet so das [rechte Quadrat] von dem linken. Die Vorstellungsform des [rechten Quadrats] gelangt also nur als [schon] durch die rechte Position von dem linken Quadrat unterschieden in das Vorstellungsvermögen. Auf diesen Ansatz ist [Folgendes] zu erwidern: [Dieser] Ansatz läuft darauf hinaus, dass eine Vorstellungsform von einer anderen Vorstellungsform nur durch ihre sie individuierenden, stofflichen Akzidenzien, welche ein 218
219
Ich lese mit ms. A yamtani צu an yakŧna. In den übrigen mss. und BadawÁs Edition (p. 111, l. 5) fehlt yamtaniצu. „Durch seine Individuation“ (bi-tashakhkhuΥihĮ) mss. A und L.
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Teil oder wie ein Teil von ihr sind, unterschieden wird. Dies zwingt lediglich zu [der Annahme], dass sie gemäß der Vorstellung korporell und positional ist, nicht aber [gemäß] der Sinneswahrnehmung. Wir lehren aber nichts Anderes. Elfter Ansatz: Vorstellungsformen, wie etwa die Formen von Menschen, stellen wir in derselben Weise unterschiedlich groß und klein vor, wie wir sie auch sehen 220 . Der Grund ihrer Unterschiedenheit liegt entweder in dem Verhältnis, welches sie zu etwas ihnen Extrinsischem einnehmen, aus dem sie gebildet werden, oder in ihrer Quiddität, oder in ihrem [materiellen] Kern. Die beiden ersten [Alternativen] sind absurd; die erste, weil zwei Formen, [von denen] eine groß und eine klein [ist], immer schon Formen je einzelner Individuen sind. Und die zweite ist absurd, da die beiden [Formen] hinsichtlich der Definition kongruieren [können]. Folglich ist die dritte [Alternative als die zutreffende] zu bestimmen, derart dass die Kleinheit der kleinen [Form] darin begründet ist, dass sie einem kleinen Teil [der Materie] eingeprägt ist, während die Größe der großen [Form] darin begründet ist, dass sie einem großen Teil [der Materie] eingeprägt ist. Also ist die Vorstellungsform etwas Stoffliches, und folglich etwas Positionales, was zu beweisen war. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass der kleine Teil, in den die kleine Vorstellungsform eingeprägt ist, und der große Teil, in den die große Vorstellungsform eingeprägt ist, nicht ein wahrnehmungsfähiger, durch das Gehirn gesteuerter Körper, sondern ein rein vorstellungsmäßiger Körper ist. Zwölfter Ansatz: Wäre die Vorstellungsform nicht positional, dann müssten wir in der Lage sein, weiß und schwarz an ein und derselben Stelle in einer einzigen Erscheinungsform zusammenfließend vorzustellen, so wie wir sie an zwei [unterschiedlichen] Stellen an ihr auftretend vorstellen können. Denn gemäß der Voraussetzung, dass sie nicht etwas Positionales sind, besteht [zwischen dem Erscheinen an] einer Stelle oder [an] zwei Stellen kein Unterschied, da in diesem Fall keine Einteilung in [unterschiedliche] Positionen vorliegt. Diese Konsequenz ist [aber] absurd; folglich ist die Vorstellungsform etwas Positionales, was zu beweisen war. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass nur dann folgt, dass es möglich sein müsse, weiß und schwarz an ein und demselben Ort in einer Vorstellungsform zusammenfließend vorzustellen, wenn vorausgesetzt wird, dass die [Formen] sowohl in der Vorstellung als auch in der Sinneswahrnehmung nicht positional seien. Wenn aber [nur] für die Vorstellung deren Positionalität und für die Sinneswahrnehmung ihre Nichtpositionalität vorausgesetzt 220
„So, als ob wir sie sähen“ (ka-annĂ nanϕuru ilayhĂ anstelle von ka-mĂ nanϕuru ilayhĂ) ms. A.
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wird, so folgt durchaus nicht, dass das erwähnte Zusammenfließen vorstellbar sein müsse. Dreizehnter Ansatz: Die Lehre von den „herabhängenden Urbildern“ zwingt zu [der Annahme], dass es gewisse durch sich subsistierende, nichtpositionale Seiende gibt, die nicht [sich selbst] denken. Dies widerspricht dem Prinzip, auf dem [die These] basiert, dass der erhabene Schöpfer und die [himmlischen] Intellekte Wissen von allen Dingen haben, i.e. [dem Prinzip], dass alle durch sich subsistierenden, nichtpositionalen Seienden in der Lage sind, [sich selbst] zu denken. Dies hat zur Folge, dass das Wissen des erhabenen Schöpfers und der Engel nicht als gewiss gelten kann, was nach übereinstimmender Ansicht [der Gelehrten] abzulehnen ist. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass die durch sich subsistierende, von der Materie abgetrennte Substanz nur dann Wissen von sich selbst haben muss, wenn sie auch von dem Urbild ihres [Wesens] abgetrennt ist. Denn [hätte sie Wissen von sich selbst und] subsistierte durch das Urbild ihres [Wesens], kann ihr die Eigenschaft des Selbstwissens nicht dahingehend zugeschrieben werden, dass sie sich als allein durch sich selbst subsistierend beurteilt. Hingegen basiert die Gewissheit über das Selbstwissen des erhabenen Schöpfers und der [himmlischen] Intellekte darauf, dass diese durch sich selbst subsistieren und vollständig abgetrennt sind, nicht darauf, dass sie durch sich selbst subsistieren, aber [nur] unvollständig abgetrennt sind. Vierzehnter Ansatz: Existierten die „herabhängenden Urbilder“, so müssten sie Intellekte sein oder Dinge, die notwendig durch sich selbst und ohne inhäriertes Substrat sind. Alles, was sich so verhält, ist entweder durch sich selbst Notwendiges oder Intellekt oder separate Seele. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass die nichtpositionale Substanz nur unter der Bedingung auf den erhabenen Schöpfer, die Intellekte und die Seele reduziert werden kann, dass sie auch in der Vorstellung nichtpositional ist. 114 Fünfzehnter Ansatz: Existierten die „herabhängenden Urbilder“, müssten sie [sich selbst] denken, da sie nichtpositional sind, durch sich selbst subsistieren, nicht als Verwalter oder Lenker mit den Körpern verbunden sind, und nicht durch diese subsistieren. Alles, was sich so verhält, ist etwas sich selbst Denkendes, da sein Wesen ihm selbst als etwas Abgetrenntes präsent ist und notwendig der Subsistenz durch etwas Anderes entbehrt. Alles, was ein abgetrenntes Wesen hat, denkt dieses Wesen. Also denken die „herabhängenden Urbilder“ ihr eigenes Wesen. Alles, was sich selbst denkt, ist in der Lage, anderes zu denken. Sein Wesen ist potentiell anderes denkend. Also wird es
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auch actualiter anderes 221 denken; denn gelangte sein Denken dieses Anderen 222 nicht zur Verwirklichung, müsste es von einer Ursache abhängen, die auf ein stoffliches Substrat zurückgeht. Dann müsste [sein Wesen] aber korporell sein, was der Hypothese seiner Abgetrenntheit widerspräche. Also denken die „herabhängenden Urbilder“ sich selbst und alle [übrigen] Dinge. Das aber ist unmöglich. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass die Wesen der „herabhängenden Urbilder“ nicht diesen [selbst] präsent sind, sondern in der Materie der Erscheinungsformen präsent sind. Außerdem erfordert die potentielle Existenz des Denkens nur dann seine aktuale Existenz, wenn die durch sich subsistierende und von der Materie abgetrennte Substanz auch von der Vorstellung der [Materie] abgetrennt ist. Die „herabhängenden Urbilder“ denken sich also nicht selbst; und nicht alles, was ihnen möglich ist, wird durch sie verwirklicht. Sechzehnter Ansatz: Wäre die Vorstellungsform, beispielsweise die von Zayd, nicht positional, könnte sie in dem stofflichen Substrat von Zayd keine Position haben. Dann müsste sie [aber] universal [und] intellektual und ein Platonisches Urbild sein, was im Widerspruch [zu den Eigenschaften einer Vorstellungsform] steht. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass die Vorstellungsform von Zayd in der Vorstellung [durchaus] eine Position in dem stofflichen Substrat von [Zayd] hat. Sie ist also keineswegs ein Platonisches Urbild. Siebzehnter Ansatz: Die [seelische] Kraft, mittels der die Seele die Gegenstände des Gesichtssinns wahrnimmt, ist korporell, da das Zustandekommen des Sehvorgangs davon abhängt, dass dem stofflichen Substrat des Gesehenen eine spezifische Position in Bezug auf sie eignet. Wenn sie [also] etwas Positionales ist, ist [auch] das durch sie Gesehene —gleich ob [das Gesehene] im ersten oder in einem anderen [Sinne]— etwas Positionales. Nun ist aber das Gesehene im ersten [Sinne] nach [der Ansicht al-SuhrawardÁs] das „herabhängende Urbild“. Demnach müsste das „herabhängende Urbild“ etwas Positionales sein, was im Widerspruch [zu seiner Theorie] steht. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass das Sehvermögen eine sensuelle Position haben kann, während die durch es im ersten [Sinne] gesehene Erscheinungsform eine Position in der Vorstellung hat. Denn es ist durchaus nicht unmöglich, dies zu denken, wenn man voraussetzt, dass das Sehen [der Erscheinungsform] in dem Zusammen[treffen] der vollständig von der Materie abgetrennten rationalen Seele und der Erscheinungsform in der oben erläuterten Weise der nichtrepräsentationalen Erleuchtung besteht. 221 222
Ich lese mit ms. A li-ghayrihĂ bi-l-fi צli anstelle von li-ghayrihĂ der Edition. Ich lese mit ms. A taצaqquluhĂ li-ghayrihĂ anstelle von taצaqquluhĂ der Edition.
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Appendix I
Drittes Kapitel
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Darüber, dass das Sein an sich [zwar] quidditativ ein durch sich notwendiges Sein sein kann, nicht aber im Sinne seiner Particularia (wie es die als Einheitslehre bezeichnete Doktrin in dem Glaubensbekenntnis einiger Mystiker [lehrt]) 223 [Nota bene:] Mit „sein können“ ist hier die intellektuale oder die universale wesenhafte Möglichkeit gemeint. Im vorliegenden Fall [bedeutet] es dasselbe wie „wesenhafte Notwendigkeit“, da alles, was [wesenhaft] notwendig sein kann, notwendigerweise [auch] notwendig ist. Denn wäre es etwas Kontingentes oder Nichtmögliches, könnte es nicht Notwendiges sein, da die drei Dinge nicht ineinander umschlagen können. Dieses [Kapitel umfasst] zwei Untersuchungen. 119 ERSTE UNTERSUCHUNG: Über die [Dinge], aus denen man schließen
kann, dass das Sein an sich nicht ein durch sich notwendiges Sein sein kann. Diese [Untersuchung] umfasst [sechsundzwanzig Argumentations]ansätze. Erster Ansatz: Das Sein an sich ist eine Natur, die von einem und von vielen prädiziert wird. Eine Natur, für die dies gilt, wird also nicht durch sich selbst, sondern aufgrund von etwas Anderem auf diese Weise prädiziert. Also ist sie verursacht. Also ist das Sein an sich verursacht. Also kann es nicht etwas Notwendiges sein, was zu beweisen war. Auf diesen Ansatz ist [Folgendes] zu erwidern: [Dies] erfordert lediglich, dass die Prädikabilität der Natur in Bezug auf das Partikulare durch anderes verursacht ist. Es zwingt nicht zu [der Annahme], dass das Sein der [Natur] an sich durch anderes verursacht sei. Außerdem schließt die Prädikation von dem Einen nicht die Prädikation von den Vielen aus, sondern ist ein Teil davon. Weshalb sollte es nicht zulässig sein, dass beiden Prädikationsweisen für das Sein an sich [gelten], insofern durch es das Eine und das Viele qua bestimmtes Sein zur Existenz gelangen? Zweiter Ansatz: Das Sein an sich ist eine Natur, die äquivok von den spezifischen Seinsweisen prädiziert wird. Jede Natur, die äquivok von unterschiedlichen Dingen prädiziert wird, ist etwas Akzidentelles für diese Dinge. 223
Dieses Kapitel befasst sich nur marginal mit „Platonischen Urbildern“. Anknüpfungspunkt ist die Frage, ob die Konzeption des Seins an sich als „Platonisches Urbild“ die im Anschluss an Ibn al-ArabÁ vertretenen pantheistischen oder monitaristischen Theorien der Einheit von Sein und Gott zulässt.
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Die Natur, die ihren Individuen akzediert, bedarf dieser Individuen. Also bedarf das Sein an sich der spezifischen Seinsweisen. Diese sind von ihm verschieden. Das, was eines von ihm Verschiedenen bedarf, ist durch sich selbst Mögliches 224 . Also ist das Sein an sich durch sich selbst Mögliches. Folglich ist das Sein an sich nicht durch sich selbst Notwendiges, was zu beweisen war. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass es sich bei einer den Individuen akzedierenden Natur [nur] dann um ein Akzidens handelt, welches dieser Individuen bedarf, wenn [die Natur] sich aus einem durch diese Individuen subsistierenden Akzidens herleitet. Wenn sie sich aber nicht aus einem durch die Individuen subsistierenden225 Akzidens herleitet, dann bedarf sie nicht der Individuen. Nun ist das Sein an sich nicht aus irgendetwas hergeleitet. Also bedarf es auch nicht der spezifischen Seinsweisen. Vielmehr existiert das Sein an sich der Theorie der [Platonischen] Urbilder zufolge extramental abgetrennt von jeglichem inhärierten Substrat und separat von allen spezifischen Seinsweisen. Während die spezifischen Seinsweisen den Quidditäten akzedieren, akzediert das Sein an sich überhaupt keiner Quiddität, sondern ist von allen Quidditäten abgetrennt. Daher kann es auch Notwendiges sein. Dritter Ansatz: Das Sein an sich qualifiziert die Quiddität. Das Qualifizierende bedarf des Qualifizierten. Also bedarf das Sein an sich des Qualifizierten. Also bedarf das Sein an sich der Quiddität. Diese ist verschieden von ihm. Also bedarf es des von ihm Verschiedenen. Also ist es Mögliches, und nicht Notwendiges, was zu beweisen war. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass das Sein an sich eine Quiddität durchaus nicht qualifiziert. Vielmehr ist die spezifische Seinsweise in jeder Quiddität das, was die Quiddität qualifiziert. Es könnte jemand [Folgendes] einwenden: Aus dem Sein an sich leitet sich das Seiende an sich her. Das Seiende an sich ist zum Beispiel das Prädikat in dem Satz „der Mensch ist seiend“. Also qualifiziert das Sein an sich den Menschen. [Darauf] entgegnen wir [so]: Es ist denkbar, dass das Sein an sich eine Quiddität im Intellekt qualifiziert, nicht aber extramental. Extramental verhält sich die Sache umgekehrt. Also bedarf die Quiddität extramental des Seins an sich, nicht umgekehrt. Vierter Ansatz: Das Sein an sich ist eine begriffliche Entität, die der Quiddität im Intellekt akzediert, wenn dieser die [Quiddität] zum konkreten 224
225
„Also bedarf ... Mögliches“, in mss. L, S und T durch homoiarchon ausgefallen, wird auch durch ms. A bestätigt. QĂץimin bi-l-afrĂd in allen mss. Nur ms. T liest qĂץimin bi-tilka l-afrĂd („durch diese Individuen subsistierenden“), was BadawÁ übernimmt.
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Appendix I
[Ding] oder zum Geist mit Hilfe des Ausdrucks „in“ in Beziehung setzt. Es gehört also zu den Wirkungen des Intellekts und ist folglich nicht Notwendiges, was zu beweisen war. Wir sagen aus [folgendem] Grund, dass es eine begriffliche Entität ist: Wäre es etwas Wirkliches und qualifizierte es die Quiddität, und ist die Qualifikation hinsichtlich des Seins später als das Wesen, so müsste die Quiddität dem Sein durch das Sein vorangehen, was unmöglich ist. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass das Qualifizierende nur dann später als das Qualifizierte sein muss, wenn es nicht dessen Sein ist. Wenn aber das Qualifizierende das Sein des Qualifizierten ist, dann ist es nicht später als dieses. Vielmehr sind das Sein des Qualifizierenden und das des Qualifizierten zugleich. Allerdings tritt das Sein des Qualifizierten zu diesem hinzu, während das Sein des Qualifizierenden hinsichtlich des Seins dieses selbst ist, und [nur] hinsichtlich des Begriffs zu ihm hinzutritt 226 . Außerdem kann Seiendes auch weder im Geist noch im extramentalen [Bereich] sein, da es diesen beiden vorangeht, es sei denn, man meinte mit extramentalem Seienden [alles] Seiende, das nicht im Geist ist. In diesem Fall müsste alles Seiende notwendig in einem der beiden sein. „Der Meister“ [Ibn SÁn] erklärt im [KitĂb] al-ShifĂ ץdas Konkrete „als das [Ding], aus dessen Substanz, wenn sie in ihm etabliert ist, ihre Wirkungen und Bestimmungen hervorgehen.“ 227 122 Fünfter Ansatz: Wäre das Sein etwas Notwendiges und ist seine Notwendigkeit darin begründet, dass es Sein ist, und ist das kontingente Sein [auch] Sein, [so] müsste das Sein des Kontingenten Notwendiges sein, was unmöglich ist. Ist seine Notwendigkeit aber in etwas Anderem begründet als [dem Umstand], dass es Sein ist, muss es durch anderes, nicht durch sich selbst, Notwendiges sein, was zu beweisen war. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass die absolute Notwendigkeit des Seins in sich gründet, nicht in [dem Umstand], dass das [Sein] Sein ist. Daraus folgt aber nicht, dass das bedingte Sein etwas Notwendiges sei. Denn das Sein an sich erfordert lediglich seine [eigene] Notwendigkeit, nicht die Notwendigkeit der bedingten Seinsweisen. Das, was die Notwendigkeit des Seins an sich erforderlich macht, ist nicht [der Umstand], dass es Sein an sich ist. Erforderte [der Umstand], dass es Sein an sich ist, die Notwendigkeit des Seins an sich, [so] bräuchte man nicht anzunehmen, dass das bedingte Sein, um bedingtes Sein zu sein, das Sein der Notwendigkeit erfordert.
226 227
Ich lese mit mss. A, L und Y wa-zĂץidun anstelle von zĂץidun der Edition. Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ. Al-IlĂhiyyĂt, p. 140, l. 16f.
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Sechster Ansatz: Wäre das Sein an sich etwas Notwendiges, so wäre alles Sein etwas Notwendiges, da alle Individuen [dieses] durch sich notwendigen Seins an der wesenhaften Notwendigkeit partizipierten. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass die wesenhafte Notwendigkeit auch zu den spezifischen Konkomitanten des Seins an sich gehören kann, ohne [dass] die bedingten Seinsweisen [daran partizipierten]. Denn wie du weißt, hat die Quiddität Konkomitanten, die keinem ihrer Individuen zukommen. Siebenter Ansatz: Wäre das Sein an sich etwas Notwendiges, so müsste jede Quiddität durch sich notwendiges Sein sein. Denn das Sein ist eine Qualifikation, und die Quiddität ein Wesen; und wenn die Qualifikation notwendig ist, muss die Wesenheit in höherem Grade notwendig sein. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass das Sein, welches die Quiddität qualifiziert, das der [Quiddität] spezifische Sein ist. Das Sein an sich aber, an welchem alle Quidditäten partizipieren, qualifiziert keine der Quidditäten, sondern ist von allen [Quidditäten] abgetrennt. Diese sind seine Konkretisierungen. Wenn es mit einer von ihnen verbunden ist, existiert diese so lange, wie es mit ihr verbunden ist; und wenn die Verbindung unterbrochen ist, existiert diese Quiddität nicht. Wir könnten auch [dies] entgegnen: Das Sein qualifiziert die Quiddität im Intellekt, nicht extramental. Extramental ist es mit dieser identisch und [entweder] früher als sie oder zugleich mit ihr. Achter Ansatz: Wäre das Sein an sich etwas Notwendiges, so bestünde die Wirklichkeit des Notwendigen darin, Sein an sich zu sein, und das [Notwendige] wäre in seinem Wesen in höchstem Grade konzeptionell fassbar, so dass ein wesenhaftes Konzept von ihm, dem Erhabenen, evident sein müsste. Dies steht im Gegensatz zum Konsens aller Gelehrten. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass das, was von dem extramental durch sich subsistierenden [und] von jeglichen Substraten der Inhärenz, den Quidditäten und deren Seinsweisen freien Sein an sich in dem Intellekt existiert, [bloß] ein begrenzter [und] eingeschränkter Aspekt seiner [diversen] Aspekte ist, nicht aber sein [alles Andere] begrenzendes und umfassendes Wesen. Denn dieses ist überwältigend in seiner Erscheinung und blendet den Intellekt, so dass der es nicht erkennen kann. Darin liegt [jedoch] eine Schwierigkeit, denn zweifellos gibt es einige Dinge, deren wesenhaften Konzepte evident sind. Nun ist das Sein an sich das offensichtlichste [aller] Dinge. Folglich müsste es wesenhaft konzeptionell fasslich sein. Oder wir sagen: Die konzeptionelle Erfassung des Erhabenen muss [möglich] sein, und das, was nicht erkannt wird, betrifft [nur] die positive Bestimmung dieses Konzepts als das durch sich notwendige Sein, nicht die Konzeption des Kon-
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zepts 228 selbst, welche das Sein an sich ist. Aber [auch] darin liegt eine Schwie124 rigkeit, denn das Notwendige müsste [diesem Ansatz zufolge] erst nach der Erkenntnis, dass der Erhabene das Sein an sich ist, wesenhaft konzeptionell erfasst werden, obwohl es auch schon vorher [erfasst sein] muss. Oder wir sagen: Wir fordern nicht, dass das Sein an sich die Wirklichkeit des durch sich notwendigen Seins sei, sondern [lediglich], dass das eine wahrheitsgemäß von dem anderen ausgesagt wird, ohne zu implizieren, dass es die Wirklichkeit des anderen sei. Aber [auch] darin liegt eine Schwierigkeit, denn wenn das Sein an sich notwendig ist, kann die extramental existierende Wirklichkeit des Notwendigen nichts Anderes als das Sein an sich sein. Folglich wird ihr Wesen konzeptionell erfasst, indem sein Wesen konzeptionell erfasst wird. Nein, die [beste] Erwiderung [auf diesen Ansatz] besteht in der Ablehnung des oben erwähnten Konsenses mit den Worten des Meisters und Erforschers [der Wahrheit], des Patrons der Heiligen, [Ibn al-ArabÁ], aus [seiner Schrift] Die Ringsteine [der Weisheit]: „Für die Gläubigen und die Gnostiker 229 ist die Schöpfung intelligibel und die Wahrheit wahrnehmbar [und] erfahrbar. Für andere als diese beiden Gruppen ist die Wahrheit intelligibel und die Schöpfung erfahrbar.“ 230 Neunter Ansatz: Das Sein an sich ist etwas Allgemeines. Das Allgemeine existiert nicht extramental, sondern [nur] im Intellekt. Folglich ist das Sein an sich nicht etwas Notwendiges. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass [dieses Argument] weder gemäß der Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder richtig ist, was offensichtlich ist, noch gemäß der Leugnung dieser Lehre. Denn das allgemeine Sein im Sinne der Natur des Seins existiert [sehr wohl] extramental, auch wenn seine Existenz dort nicht der Bedingung der Allgemeinheit unterliegt. Zehnter Ansatz: Das Sein wird wesenhaft von den Particularia und akzidentell von den Universalien prädiziert. Das Sein an sich ist etwas Universales. Wäre das Sein an sich etwas Notwendiges, dann müssten die individuellen kontingenten [Dinge] in eminenterem Sinne Sein sein als der Erhabene, was unmöglich ist. 228
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Al-mutaΥawwar, ms. A. Ansonsten wird BadawÁs Ergänzung (p. 123, l. 17) auf der Grundlage von ms. Y durch ms. A bestätigt. Lit. „die Leute des Entdeckens und Findens“ (ahl al-kashf wa-l-wujŧd). Vgl. dazu W. C. Chittick, “Presence with God”, Journal of the Muhyiddin Ibn צArabi Society 20 (1996). Cit. MuԉyÁ l-DÁn Ibn al-ArabÁ, FuΥŧΥ al-ͧikam li-l-Shaykh MuͧyĮ l-DĮn Ibn צArabĮ [...] wa-l-taצlĮqĂt צalayh. Ed. Abʗ l-Al AfÁfÁ. Beirut: Dr al-Kitb al-ArabÁ, o.J. [Nachdruck 1980?], p. 108, l. 11-13.
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Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass wir nicht konzedieren, dass die Individuen in eminenterem Sinne Sein sind als die Arten. Vielmehr verhält es sich umgekehrt, da das Sein der Arten fortdauert, das der Individuen aber nicht. Der bekannten Darstellung „des Meisters“ [Ibn SÁn] zufolge kann die Art nach [Ansicht] derjenigen, die die Existenz der [Platonischen] Urbilder lehren, sogar ohne irgendeines ihrer stofflichen Individuen extramental existieren.
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Elfter Ansatz: Wäre das Sein an sich etwas Notwendiges, derart dass der erhabene Schöpfer mit dem Sein an sich identisch wäre, dann müsste der erhabene Schöpfer etwas Universales sein. Folglich könnte er für keines der kontingenten Individuen Wirk[ursache] sein, da Ursache des individuellen Verursachten nur etwas Individuelles, nicht aber etwas Universales sein kann. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass das extramental existierende Universale, welches dort abgetrennt von der Materie ist, in der [extramentalen Welt] insofern eines ist, als es eine intellektuale individuelle Einheit [bildet]. Das Eine qua intellektuale individuelle Einheit kann [durchaus] Wirk[ursache] für ein Sein mit individueller Einheit sein, [gleich ob diese Einheit] intellektual oder nichtintellektual [ist]. Zwölfter Ansatz: Wäre das Sein an sich etwas Notwendiges, derart dass der erhabene Schöpfer mit dem Sein an sich identisch wäre, dann könnte der [Schöpfer] nicht sich-selbst-denkend und [alle] Dinge denkend sein. Denn das, was sich-selbst-denkend und [alle] Dinge denkend ist, muss etwas Wirkliches, Partikulares sein. Das Sein an sich aber ist etwas Universales, und das Universale kann kein Wissen von irgendetwas haben. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass [für] das Sich-selbst-denkende nur [gelten] muss, dass es durch sich selbst subsistierend [und] vollständig von der Materie abgetrennt als intellektuale Einheit existiert. Nach der Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder trifft dies auf das Universale zu. Also ist es zulässig, dass es sich selbst denkt. Dreizehnter Ansatz: Wäre der erhabene Schöpfer mit dem Sein an sich identisch, könnte ihm keine der folgenden acht Qualifikationen zukommen: Leben, Macht, Willen, Wissen, Gehör, Gesicht, Sprache und Ewigkeit. Denn das, was durch diese [Dinge] qualifiziert ist, ist in jedem Fall etwas Wirkliches, Partikulares. Das Sein an sich aber ist nicht etwas Wirkliches, Partikulares. Vierzehnter Ansatz: Wäre der erhabene Schöpfer mit dem Sein an sich identisch, könnte er nicht selbstsuffizient, mächtig und großmütig sein. Denn das, was durch eine dieser drei [Eigenschaften] qualifiziert ist, ist in jedem Fall ein Individuum. Das Sein an sich aber ist kein Individuum.
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Fünfzehnter Ansatz: Wäre der erhabene Gott mit dem Sein an sich identisch, könnte er nicht Objekt der Verehrung und der Anrufung für die Erlangung von Beistand oder die Abwehr von Schaden sein. Denn das Objekt der Verehrung und der Anrufung ist in jedem Fall ein Individuum. Das Sein an sich aber ist kein Individuum. Auf diese drei Ansätze ist zu erwidern, dass [für] das, was durch die genannten Dinge qualifiziert ist, lediglich [gelten] muss, dass es als intellektuale Einheit eines ist. Gemäß der Lehre von der Existenz der [Platonischen] Urbilder ist das Sein an sich [aber] qua intellektuale Einheit extramental eines. Folglich ist es zulässig, dass es durch die genannten Dinge qualifiziert ist. Sechzehnter Ansatz: Der erhabene Gott kann uns in den Sinn kommen, ohne dass wir zugleich das Sein an sich denken, und vice versa. Folglich ist das eine nicht mit dem anderen identisch. Also ist das Sein an sich nicht durch sich notwendiges Sein, was zu beweisen war. 127 Siebzehnter Ansatz: Wäre das Sein an sich mit dem erhabenen Schöpfer identisch, müsste [auch] die veritative Bestimmung des einen mit der des anderen identisch sein, was nicht der Fall ist. Denn das eine kann wahrheitsgemäß bestimmt werden, während das andere zugleich nicht wahrheitsgemäß bestimmt wird. Auf diese beiden Ansätze ist zu erwidern, dass beide nur darauf schließen lassen, dass das Sein an sich und das durch sich notwendige Sein nicht substitutiv 231 sind, nicht aber darauf, dass sie voneinander verschieden sind. Wir aber sind der Ansicht, dass sie substitutiv sind, denn wir behaupten, dass das eine wahrheitsgemäß von dem anderen affirmiert werden kann, eben weil beide in jeder Hinsicht koinzidieren. Von zwei Dingen, bei welchen das eine wahrheitsgemäß von dem anderen affirmiert werden kann, kann aber [durchaus] das eine konzeptionell erfasst werden, während zugleich das andere nicht konzeptionell erfasst wird, so dass zugleich die Existenz des einen wahrheitsgemäß und die des anderen nicht wahrheitsgemäß bestimmt wird. Achtzehnter Ansatz: Wäre das Sein an sich etwas Notwendiges, so müsste das Notwendige in die Vielfalt der Particularia entfaltet sein, was Polytheismus wäre. Auf diesen Ansatz ist [Folgendes] zu erwidern: Aus [dem Umstand], dass das durch sich notwendige Sein wahrheitsgemäß von dem Sein an sich 232 ausgesagt werden kann, folgt nicht, dass es wahrheitsgemäß von seinen Particularia ausgesagt werden kann. Denn die erste Figur [des Syllogismus] 231 232
Lit. „frei von Veränderlichkeit/Wechsel ineinander“ (muίlaq al-taghĂyur). Ich lese mit ms. A al-wujŧdi l-muίlaqi. Al-muίlaq fehlt in BadawÁ, p. 127, l. 14.
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ist [hier] unfruchtbar, und die [Propositio] maior ist indefinit. Es folgt also nicht, dass das durch sich notwendige Sein in die Vielheit der Particularia entfaltet ist. Neunzehnter Ansatz: Das Sein an sich ist nicht auf ein einziges Individuum reduzierbar. Das durch sich notwendige Sein ist auf ein einziges Individuum reduzierbar. Folglich ist das Sein an sich nicht notwendiges [Sein]. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass die [Propositio] maior des angeführten Schlusses unserer [Ansicht] nach nicht universal gültig ist. Deshalb ist nicht zu schließen, dass das Sein an sich nicht das durch sich notwendige Sein sei. Denn die zweite Figur [des Syllogismus] ist [hier] unfruchtbar, und die [Propositio] maior ist partikular.
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Zwanzigster Ansatz: Existierte das Sein an sich extramental, so müsste ihm ein anderes Sein eignen. Das Problem würde sich also auf das andere Sein verschieben, und es entstünde ein Regressus ad infinitum. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass das Sein an sich als solches existiert. Es ergibt sich also kein Regressus ad infinitum. Wenn [sein Sein] ein anderes [Sein] ist, so ist [dies] von ihm nur begrifflich verschieden. Bei begrifflichen Entitäten ist aber ein Regressus ad infinitum nicht ausgeschlossen. Einundzwanzigster Ansatz: Wäre das Sein an sich etwas Notwendiges, müsste es allen übrigen Seienden wesenhaft eignen. Denn eignete es ihnen akzidentell, bedürfte es ihrer und wäre etwas Kontingentes, was in sich widersprüchlich ist. Wenn es ihnen nun wesenhaft eignet, muss es eine Gattung sein, da es das Allgemeinste [aller] wesenhaften [Dinge] ist, die es gibt. Wäre es aber eine Gattung für sie, müsste es [von der Art] einer höchsten Gattung sein, und die höchste Gattung müsste eines sein. Das ist aber unmöglich, denn wenn diese Gattung eine Substanz ist, kann sie nicht Gattung für die Akzidenzien sein. Vielmehr wäre die Substanz Gattung für sie. Wenn sie aber ein Akzidens ist, kann sie nicht Gattung für die Substanzen sein. Also kann das Sein an sich nicht etwas Notwendiges sein, was zu beweisen war. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass wir nicht konzedieren, dass diese höchste Gattung in dem Fall, dass sie eine Substanz ist, keine Gattung für die Akzidenzien sein könne, sondern die Substanz eine Gattung für sie sein müsse. Denn Substantialität kann Teil der spezifischen Konkomitanten der Quiddität der [Gattung] unter Ausschluss ihrer Individuen sein. Auch ist es nicht [richtig], dass die Substanz eine Gattung für sie sein müsste. Denn die Substanz ist nicht für jede Substanz einschließlich ihrer selbst und der spe-
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zifischen Differenzen ihrer Arten eine Gattung, sondern nur für die fünf Substanzen 233 . Zweiundzwanzigster Ansatz: Sein [an sich] und Quiddität sind qua Gegenstände des Wissens substitutiv. Also sind entweder beide Seiendes, oder die Quiddität ist Seiendes, das Sein aber nicht, oder vice versa. Im ersten [Fall] müssen die beiden entweder koinzidieren oder substitutiv sein. Wenn sie koinzidieren, müssten die Ursachen der Quiddität mit den Ursachen des Seins identisch sein, was unmöglich ist. Wenn sie substitutiv sind, so müssen sie durcheinander subsistieren; andernfalls könnten sie nicht durcheinander qualifiziert sein. Also subsistiert entweder das Sein durch die Quiddität, woraus folgt, dass die Quiddität dem Sein nach früher ist als das Sein, was unmöglich ist, da etwas nicht früher sein kann als es selbst. Oder die Quiddität subsistiert durch das Sein, woraus folgt, dass die Quiddität dem Sein nach später ist als das Sein. Auch das ist unmöglich, da etwas nicht später sein kann als es selbst. Im dritten [Fall] könnte überhaupt keinem Ding extramental eine Quiddität eignen, was notwendigerweise absurd ist. Also ist die zweite [Alternative als einzig richtige] zu bestimmen. Folglich ist das Sein an sich nicht etwas Notwendiges, da das Notwendige nicht nichtsein kann. Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass wir [der Alternative] zustimmen, der zufolge Quiddität und Sein [an sich] zwei extramentale Seiende sind, die dort koinzidieren. Jedoch koinzidieren sie extramental [derart, dass] die 130 Koinzidenz ihrer Ursachen nicht notwendig zu [der Annahme] ihrer Substituierbarkeit im Intellekt zwingt. [Der Umstand,] dass ihre extramentale Koinzidenz die Koinzidenz ihrer Ursachen erfordert, hat keinen Vorrang vor [dem Umstand], dass ihre intellektuale Substituierbarkeit die Substituierbarkeit 233
Welche „fünf Substanzen“ unser Anonymus hier meint, wird nicht deutlich. In der arabisch-islamischen Philosophie und Theologie kursieren diverse „FünfSubstanzen-Theorien“. Zu nennen sind etwa der nur in lateinischer Übersetzung erhaltene Traktat al-KindÁs über die fünf Substanzen (Liber de quinque essentiis), in welchem al-KindÁ Form, Materie, Ort, Zeit und Bewegung behandelt, oder die auf Porphyrius und Empedokles zurückgeführte Lehre von den fünf elementaren Prinzipien im Jbir-Corpus (cf. Paul Kraus, „Dschbir ibn Ԉajjn und die IsmÁlijja“, in P. Kraus, Alchemie, Ketzerei, Apokryphen im frühen Islam. Gesammelte Aufsätze. Hrsg. und eingeleitet von Rémi Brague. Hildesheim: Georg Olms, 1994, p. 37. [Erstmals erschienen Berlin, 1930]). Abʗ Bakr al-RzÁ spricht von Gott, Allseele, Materie, Ort und Zeit als den fünf fundamentalen Substanzen. Ibn Taymiyya schreibt Ibn SÁn und seinen Anhängern die Lehre von den folgenden fünf grundlegenden Substanzen zu: Körper, Intellekt, Seele, Form und Materie (cf. Majmŧ צal-fatĂwĂ, vol. IX, „SuΊila Shaykh al-islm an al-aql“). Zu al-SuhrawardÁs Klassifikation der Substanzen vgl. al-SuhrawardÁ, KitĂb al-MashĂri צwa-lmuίĂraͧĂt, Buch III, p. 220f.
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ihrer Ursachen erfordert. Außerdem ist bei der [obigen] Abweisung [dieser Alternative] zu berücksichtigen, ob mit „Sein“ Sein an sich oder bedingtes Sein gemeint ist. Wenn das Sein an sich [gemeint] ist, so konzedieren wir nicht, dass die beiden durcheinander subsistieren müssen. Wenn dies aber konzediert werden muss, so ziehen wir es vor, dass die Quiddität durch das Sein an sich subsistiert. (Zu der Feststellung, „dass dann die Quiddität dem Sein nach später als das Sein sein müsse, was unmöglich ist, da etwas nicht später sein kann als es selbst“, sagen wir [Folgendes]: Das Sein, gegenüber welchem das [Sein der Quiddität] später ist, ist das Sein an sich, während das spätere Sein das bedingte Sein ist. Dass das bedingte Sein später als das Sein an sich ist, ist aber [durchaus] nicht unmöglich.) Wenn hingegen das bedingte Sein [gemeint] ist, so folgt aus [dem Umstand], dass die Quiddität extramental ohne das [bedingte Sein] existiert, nicht, dass sie dort ohne das Sein an sich existiere. Also folgt [auch] nicht, dass das Sein an sich extramental nicht existieren könne. Also folgt [auch] nicht, dass das Sein an sich nicht etwas Notwendiges sein könne. Dieser Ansatz ist also unvollständig. Dreiundzwanzigster Ansatz: Das Sein an sich ist ein Verhältnis. Ein Verhältnis erfordert zwei [Dinge], die sich [irgendwie] zueinander verhalten. In diesem Fall sind dies [(i)] die Quiddität und [(ii)] die extramentale [Welt] oder der Geist. Das, was [eines anderen] bedarf, ist etwas Kontingentes. Also ist [das Sein an sich] nicht etwas Notwendiges 234 . Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass das Sein an sich kein Verhältnis ist, vielmehr ein Verhältnis nur den spezifischen Seienden zukommt. Vierundzwanzigster Ansatz: Das Sein an sich muss das Sein von etwas sein, [das] entweder im Intellekt oder extramental [ist]. Folglich ist es ein relationales Akzidens. Wie kann es dann etwas Notwendiges sein? Auf diesen Ansatz ist [Folgendes] zu erwidern: Wäre [der Einwand] korrekt, müsste das Sein des Notwendigen zu diesem hinzutreten, was absurd ist. Vielmehr besteht keine Notwendigkeit, dass das Sein, welches allgemeiner als das Sein des Kontingenten ist, der Quiddität akzediert. Wenn dem aber so ist, warum sollte es dann unzulässig sein, dass es etwas Notwendiges ist, sofern es als an sich seiend [und] durch sich subsistierend begriffen wird? Fünfundzwanzigster Ansatz: Das Sein an sich ist ein Verhältnis. Ein Verhältnis ist eine begriffliche Entität. Folglich ist [das Sein an sich] eine begriffliche Entität. Also ist es nicht etwas Notwendiges. 234
„Also ist [das Sein an sich] etwas Kontingentes; also ist es nicht etwas Notwendiges“ (fa-huwa mumkinun fa-lĂ yakŧnu wĂjiban) ms. A.
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Auf diesen Ansatz ist zu erwidern, dass beide Prämissen unzulässig sind. Die [Propositio] minor [ist unhaltbar], weil wir das Sein konzeptionell als an sich Seiendes erfassen können, ohne es dabei als Sein für etwas [Bestimmtes] zu konzipieren. Die [Propositio] maior [ist unhaltbar], weil ein Verhältnis sowohl nach [Ansicht] der Peripatetiker als auch nach [Ansicht] der Illuminationisten etwas Wirkliches ist. Der einzige, der es als begriffliche Entität auffasst, ist „der Lichtmetaphysiker“ [al-SuhrawardÁ] 235 , dessen Lehre wir [hier] vernachlässigen können. Denn zu den Verhältnissen und Relationen gehören [auch] solche [Dinge], von denen wir zwingend wissen, dass wir nicht [nur] von ihnen sprechen, sondern sie [auch extramental] vorfinden. Allerdings ist das Sein des Verhältnisses wegen seiner Defizienz, die in der Vielzahl ihrer Bedingungen begründet ist, vage. Denn [das Verhältnis] bedarf nicht nur eines Substrats, das in einem Verhältnis steht, sondern auch dessen, zu dem dieses sich [in einer bestimmten Weise] verhält. Jemand könnte [Folgendes] einwenden: Wer das [Verhältnis] als etwas Begriffliches auffasst, fasst es [durchaus] als Seiendes auf. Er fasst lediglich das Erkenntnissubjekt, das das [Verhältnis] begreift, als seine Wirk[ursache] auf, während das [Verhältnis] selbst daneben [noch] auf anderen Dingen und Bedingungen basiert. Wenn es erkannt und einer Sache zugesprochen wird, liegt ein wahres Urteil vor, sofern die Bedingungen erfüllt sind. Bloß hypothetische Entitäten [verhalten sich] anders, denn diese bedürfen nicht der Erfüllung [gewisser] Bedingungen oder der Aufhebung [gewisser] Hinderungsgründe. Bei ihnen kann es sich vielmehr um Wesen handeln, wohin132 gegen es sich bei begrifflichen Entitäten nur um Qualifikationen handelt. Die Zusammensetzung einer hypothetischen Entität hat keine Entsprechung zu einer Zusammensetzung, deren zwei Grundelemente gemäß ihrer Natur sind. Die Zusammensetzung einer begrifflichen Entität hingegen hat insofern eine Entsprechung zu einer Zusammensetzung zweier [Grundelemente] gemäß ihrer Natur, als sie, sofern sie eine Bedingung impliziert, dann etwas [anderes] notwendig macht, wenn die Zusammensetzung der beiden gemäß ihrer Natur etwas [anderes] notwendig macht, und etwas Notwendiges ist, wenn die Zusammensetzung der beiden gemäß ihrer Natur etwas Notwendiges ist. Hierauf [basiert] der Schluss [al-SuhrawardÁs]. Darauf antworten wir [so]: Der Mensch, ja sogar ein vernunftloses Lebewesen, erkennt die Existenz der Qualifikation der Nachkommenschaft anhand des Nachkommens selbst, aber das Lebewesen ist evidenterweise 235
Dies trifft meines Erachtens nur auf al-SuhrawardÁs Theorie der Relationalität von Kontingenz und Notwendigkeit zu, cf. KitĂb al-TalwĮͧĂt, Teil III, p. 25, nicht auf al-SuhrawardÁs Theorie von Relation (i͏Ăfa) und Verhältnis (nisba) im Allgemeinen, cf. KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt, Buch III, pp. 263-272.
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nicht die Wirk[ursache] dieser Existenz, [sei es] der Natur nach oder willentlich oder gewaltsam. Das, was aus dem Begriffsvermögen hervorgeht, ist lediglich sein Urteil, dass [diese] Qualifikation dem Wesen zukommt. Sechsundzwanzigster Ansatz: Wäre das Sein an sich etwas Notwendiges, könnte es keine der Seinsweisen des Kontingenten zur Existenz bringen, denn die Ursache kann nicht von dem Verursachten prädiziert werden. Folglich ist es nicht etwas Notwendiges, da das Notwendige etwas sein muss, das [zumindest] einen Teil der Seinsweisen des Kontingenten zur Existenz bringt 236 . Auf diesen Ansatz ist [Folgendes] zu erwidern: Das Lebewesen beispielsweise kann [zwar] nicht im Sinne eines Teils oder des [dem Sein nach] Früheren von dem Menschen prädiziert werden, aber es kann von ihm in einem anderen Sinne wahrheitsgemäß prädiziert werden. Warum sollte es nicht zulässig sein, dass in ähnlicher Weise das Sein an sich im Sinne der Wirk[ursache] nicht von dem bedingten Sein prädiziert werden kann, während es in einem anderen Sinne als identisch mit dem bedingten Sein wahrheitsgemäß von diesem prädiziert werden kann?
Z WEITE U NTERSUCHUNG : Über die [Dinge], aus denen man schließen kann, dass das Sein an sich ein durch sich notwendiges Sein sein kann. Diese [Untersuchung] umfasst [siebzehn Argumentations]ansätze. Erster Ansatz: Das Sein an sich ist unempfänglich für das Nichtsein. Andernfalls folgte aus seiner Empfänglichkeit für dieses, dass es nichtseiendes Sein sein [könnte], was in noch höherem Grade undenkbar ist. Dieser Ansatz ist falsch, denn wir konzedieren nicht, dass es undenkbar sei, dass Sein zu Nichtseiendem werden kann. Denn wenn Zayd nicht [mehr] da ist, ist sein Sein nicht [mehr] da. Also wird sein Sein zu Nichtseiendem. Zweiter Ansatz: Das Sein an sich hat eine Wirklichkeit. Das, was für das Nichtsein empfänglich ist, hat nicht eine Wirklichkeit. Also ist das Sein an sich gänzlich unempfänglich für das Nichtsein. Dieser Ansatz ist falsch, denn das, was für das Nichtsein empfänglich ist, kann durchaus eine Wirklichkeit haben, wie etwa Zayd oder der Mensch. Die [Propositio] maior des angeführten Syllogismus der zweiten Figur ist also nur partikular wahr. Folglich ist der [Syllogismus] unfruchtbar. 236
„Denn die Ursache ... bringt“ ist nach ms. A (li-mtinĂצi ͧamli l-צillati צalĂ l-maצlŧli fa-lam yakun wĂjiban li-wujŧbi kawni l-wĂjibi mŧjidan li-ba͏צi wujŧdĂti l-mumkinĂt) ergänzt und vermutlich durch homoioteleuton nach al-mumkinĂt, ed. BadawÁ, p. 132, l. 11, ausgefallen.
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Dritter Ansatz: Wäre das Sein an sich für das Nichtsein oder das Nichtsein an sich für das Sein empfänglich, müsste eine Sache, die actualiter Sein hat, zugleich durch dessen Gegensatz qualifizierbar sein, was notwendigerweise falsch ist. Dieser Ansatz ist ebenfalls falsch, da einer der beiden Gegensätze von dem 134 anderen [entweder] in abgeleiteter [Bedeutung] oder univok ausgesagt werden kann. So wird [beispielsweise] das Universale von dem Begriff des Partikularen absolut ausgesagt. Wollte jemand einwenden, dass das Partikulare an sich nicht durch das Universale qualifiziert werde, insofern es sein Gegensatz ist, so entgegnen wir, dass auch das Seiende auf diese Weise durch das Nichtseiende qualifiziert werden kann. Diese drei Ansätze werden von Kaml al-DÁn Abd al-Razzq al-KshÁ (Gott erbarme sich seiner!) in seinem Kommentar zu ,Die Ringsteine der Weisheit‘ angeführt. Am Ende seiner Argumentation erklärt [al-KshÁ], dass das Sein an sich und das Nichtsein an sich nicht [wechselseitig] für einander empfänglich seien, dass „aber die konkreten Einzeldinge für beide“, also das Sein und das Nichtsein, „empfänglich seien, und dass die in der noetischen Welt etablierten Zustände der [konkreten Dinge] durch das Sein offensichtlich und durch das Nichtsein verborgen würden“. 237 Er [äußert sich] unmissverständlich dahingehend, dass das Nichtseiende ein Ding im Zustand des Nichtseins, nicht aber das Ding [als solches] sei. Vierter Ansatz: Wäre das Sein an sich für das Nichtsein empfänglich, und ist es in der Weise ein Konkomitant des notwendigen Seins, dass das Nichtseins dessen, für das es ein Konkomitant ist, das Nichtsein des Konkomitanten impliziert, und impliziert [des Weiteren] die Kontingenz der Existenz des Konkomitanten die Kontingenz der Existenz dessen, für das es ein Konkomitant ist, dann könnte das Notwendige, [Gott,] der Erhabene, [auch] nichtsein, was unmöglich ist. Dieser Ansatz ist problematisch, da das Sein an sich für das Nichtsein in Bezug auf es selbst empfänglich sein kann, ohne [für es in Bezug auf] das Wesen des notwendigen Seins [empfänglich zu sein]. Fünfter Ansatz: Das Sein [an sich] ist evidenterweise nicht etwas Unmögliches, und es ist auch nicht etwas Kontingentes. Denn in diesem Fall hätte es eine Seinsursache, die entweder [(a)] in seiner Quiddität oder [(b)] in einer 237
Cf. Sharͧ al-UstĂdh al-fĂ͏il wa-l-צālim al-kĂmil al-Shaykh צAbd al-RazzĂq alQĂshĂnĮ צalĂ Fuהʗ הal-ԉikam li-l-UstĂdh al-akbar al-Shaykh MuͧyĮ l-DĮn ibn alצArabĮ [...] wa-bi-asfal kull ΥaͧĮfa ͧall al-mawĂ͏i צal-khafĮya min Sharͧ BĂlĮ EfendĮ. Ed. MuהՈaf al-BbÁ al-ԈalabÁ. Kairo: al-MaՈbaa al-Maymuniyya, s.d., p. 3.
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seiner Individuen bestehen oder [(c)] diesen beiden extrinsisch sein müsste. Die erste [Alternative] hätte zur Folge, dass etwas in nichtzirkulärer Weise Ursache seiner selbst sein müsste. Die zweite [Alternative] hätte zur Folge, dass etwas in zirkulärer Weise Ursache seiner selbst sein müsste. Und die dritte [Alternative] hätte zur Folge, dass Nichtseiendes auf Seiendes einwirken müsste. Alle drei Konsequenzen sind [aber] offensichtlich absurd. Also ist das Sein an sich das durch sich notwendige Sein, was zu beweisen war. Diesen Ansatz hörte ich von [meinem] Lehrer (Gott erbarme sich seiner!). Der [Ansatz] ist anfechtbar, da [(i)] eine faktische Separation der drei Zustände [(a-c)] erforderte, dass sie faktisch in Bezug auf ein bestimmtes Individuum verifizierbar wären. In Bezug auf das „natürliche Universale“ können die drei Zustände nämlich gemeinsam auftreten, derart dass einige seiner Individuen notwendig, eine zweite Gruppe kontingent, und eine dritte Gruppe unmöglich sind. Denn eine Natur wird durch Gegensätze nicht als solche selbst, sondern nur vermittels ihrer Individuen qualifiziert. Außerdem [(ii)] sind wir der Meinung, dass die Natur des Seins kontingent ist und dass ihre Ursache eines ihrer Individuen ist, nämlich das notwendige Sein. Wir konzedieren nicht, dass sie dem [notwendigen Sein] der Natur nach vorangeht, [denn] sie müsste nur dann der Natur nach früher als dieses sein, wenn sie ihm wesenhaft eignete, was ihrer [Ansicht] nach abzulehnen ist, da sie von diesem äquivok ausgesagt wird 238 . Und weiter, [(iii)] warum sollte es nicht zulässig sein, dass die Wirkursache des Seins an sich nicht in diesem selbst liegt oder in einem seiner Individuen, ja sogar in irgendeiner Wirklichkeit, von der das Sein ausgesagt wird? — Dann ergäbe sich [auch] nicht die Konsequenz, dass Nichtseiendes auf Seiendes einwirken müsste. Zur ersten Ansicht kann man erwidern, dass die Natur [einer Sache] extramental eine ist, wie oben dargelegt, und [dass] alles, was eines ist, durch einen der drei Zustände [(a-c)] unter Ausschluss der beiden anderen qualifizierbar sein muss. Zur dritten [Ansicht kann man erwidern], dass die Wirklichkeit einer Ursache darin besteht, dass die Wirklichkeit des Verursachten genau dann zur Existenz kommt, wenn die Existenz der Wirklichkeit der Ursache gegeben ist. Wenn also etwas Wirkliches, von dem das Sein ausgesagt wird, Wirkursache des Seins an sich wäre, müsste eines seiner Individuen, nämlich das Sein ebenjenes Wirklichen, [wiederum] eine Ursache haben. Diese 238
Auf wessen Ansicht hier Bezug genommen wird, ist nicht klar. Möglicherweise ist צindahŧ („seiner [Ansicht] nach“) anstelle von צindahum der Edition zu lesen, da sich offenbar der gesamte Absatz auf den Ansatz des Lehrers unseres Anonymus bezieht. Oder es ist allgemein von den Anhängern der avicennischen Lehre der Äquivozität des Seins die Rede.
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Alternative entbindet also nicht von der erwähnten Einteilung [in Notwendiges, Kontingentes, und Unmögliches]. Sechster Ansatz: Entstünde das Sein des Seins an sich aus etwas Anderem, müsste dieses Andere dem Sein nach früher als das Sein [an sich] sein, was in sich widersprüchlich ist. Dieser Ansatz ist problematisch, da die Wirk[ursache] nicht absolut dem Sein nach früher sein muss als das Verursachte, sondern nur ihrem spezifischen Sein [qua Ursache] nach. Es ist [nämlich] zulässig, dass ein bestimmtes Individuum des Seins an sich dem für dieses Individuum spezifischen Sein nach früher ist als das Sein an sich, sofern dieses [spezifische Sein] mit diesem Individuum identisch ist, ich meine [also] das [durch sich] notwendige Sein. Siebenter Ansatz: Wäre das Sein an sich für das Nichtsein empfänglich, müsste das Sein eine Quiddität sein, was widersprüchlich ist. Dieser Ansatz ist sehr schwach, da Sein und Quiddität zu den begrifflichen Entitäten zählen, jede der beiden also dem anderen akzedieren und von dem [je anderen] univok prädiziert werden kann. Achter Ansatz: Wie oben dargelegt, ist die Lehre von der Existenz der Platonischen Urbilder zutreffend. Nun ist es denkbar, dass das Sein an sich eine wirkliche Art für die bedingten Seinsweisen ist, da man nicht ausschließen kann, dass etwas Wesenhaftes für ein Mehr oder Minder empfänglich sei, und das, was zum Nachweis der [Unzulässigkeit dieser Annahme] vorgebracht wird, nicht hinreichend ist. Demnach wäre es möglich, dass das Sein an sich ein einziges extramentales separates Seiendes für alle inhärierten Substrate, Quidditäten und Seinsweisen ist, das univok von jeder einzelnen 137 bedingten Seinsweise und von deren Gesamtheit als Antwort auf die Frage nach [deren] Wesen ausgesagt wird, derart dass es auch die Vollkommenheit der Wirklichkeit des notwendigen Seins, also das durch sich notwendige Sein [selbst] ist. Dieser Ansatz ist falsch, denn der Nachweis, dass etwas Wesenhaftes für ein Mehr oder Minder nicht empfänglich sein kann, ist durchaus schlüssig. Es kann nicht schaden, ihn [hier] anzuführen, sowie auch die gegen ihn vorgebrachten Einwände und deren Widerlegung anzuführen, um seine Schlüssigkeit [nochmals] zu verdeutlichen. Wir sagen also: Das Wesenhafte lässt ein Mehr oder Minder aus [folgendem] Grunde nicht zu: Wenn das Maß dessen, was man für das Konstituens des Wesens hält, im Zustand der Minderung schwindet, wird das Wesen zunichte. Folglich wäre die Minderung die Vernichtung [des Wesens], was im Widerspruch [zur Hypothese] steht. Wenn es aber nicht schwindet, muss das, was [in diesem Zustand] schwindet, ein Akzidens des Wesens sein. Dann liegt die Minderung aber in
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gewissen Akzidenzien des [Wesens], nicht in ihren wesenhaften [Konstituenzien], was zu beweisen war. Hiergegen wird [Folgendes] eingewendet: Wäre dies zutreffend, wäre [auch] die Qualität aufgrund ebendieser angeführten Prämissen nicht für ein Mehr oder Minder empfänglich. Denn wenn das, was für das die Hitze konstituierende Maß der Hitze gehalten wird, im Zustand der Minderung schwindet, ist die Minderung [ebenfalls] die Vernichtung [der Qualität]. Andernfalls müsste die Minderung in gewissen Akzidenzien der heißen [Dinge] liegen, nicht in ihren wesenhaften [Konstituenzien]. Darauf ist zu entgegnen, dass die Hitze an sich den heißen [Dingen] akzediert. [Von] einer Minderung in dem erwähnten generellen [Sinne] könnte aber wahrheitsgemäß nur [die Rede sein], wenn sie diesen wesenhaft eignete. Wollte aber jemand einwenden, dass die Linie dasselbe wie die Länge sei, die Länge aber ein Mehr oder Minder zulasse, dass also die Linie, und damit das Wesenhafte [aller] Linien, beide [Zustände] zulasse und folglich etwas Wesenhaftes beide [Zustände] zulasse, so entgegne ich [dies]: Die Linie ist von der Länge verschieden, denn Länge und Kürze gehören zur Kategorie des Relativen, während die Linie zur Kategorie der Quantität gehört. Wollte jemand einwenden, dass die Ausdehnung für eine Vergrößerung oder Verkleinerung empfänglich sei, dass [Vergrößerung und Verkleinerung] dasselbe wie Mehr und Minder seien, und weiter, [dass] die Ausdehnung etwas Wesenhaftes für [alles] Ausgedehnte sei, folglich etwas Wesenhaftes ein Mehr und Minder zulasse, so entgegne ich [dies]: Wir konzedieren nicht, dass Vergrößerung und Verkleinerung dasselbe wie Mehr und Minder seien. Wir konzedieren, [dass die Ausdehnung wesenhaft für das Ausgedehnte ist,] aber wir konzedieren nicht 239 , dass ausgedehnte [Dinge] in [ein und] derselben Ausdehnung eine Vergrößerung und eine Verkleinerung zulassen. Vielmehr lassen sie diese nur in [ihrem] Verhältnis zueinander zu, in Abhängigkeit von dem Maß, durch das ihre Ausdehnung und ihr Inhalt bestimmt sind, nicht aber in der Quiddität des Ausgedehntseins. Oder wir sagen [so]: Ausgedehntes kann als wesenhaft Ausgedehntes und als akzidentell Ausgedehntes begriffen werden. Ausgedehnte [Dinge] lassen nur im zweiten [Sinne] eine Vergrößerung oder Verkleinerung zu, die ihnen [bloß] akzediert, nicht aber im ersten, ihnen wesenhaften [Sinne]. Wollte jemand einwenden, dass die Qualität ein Mehr oder Minder zulasse und etwas Wesenhaftes für [alles] Qualitative sei, so entgegne ich [dies]: Die Qualität an sich lässt dies nicht zu. Lediglich einige ihrer Arten lassen 239
So ist der unklare arabische Text (sallamnĂhu lĂkin lĂ nusallima) wohl zu interpretieren. BadawÁs Texteinschub (p. 138, l. 2) wird durch keine Handschrift gestützt.
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dies durch ihr Verhältnis zu ihren Individuen zu. Dies ist ihnen aber akzidentell, selbst wenn die Qualität wesenhaft für diese [Arten] ist. So ist die Qualität wesenhaft für das Weiße und das Schwarze und gilt gleichermaßen für beide, während die beiden akzidentell für ihre Individuen sind und äquivok auf diese angewendet werden. Wollte jemand einwenden, dass Wahrnehmung und willentliche Bewegung ein Mehr und Minder zulassen, obwohl sie doch etwas Wesenhaftes sind, da sie ja differentia specifica [der animalischen Lebewesen] seien, so entgegne ich: Nicht diese beiden, sondern „ausgestattet mit einer animalischen Seele“ ist die differentia specifica [der animalischen Lebewesen]. Es könnte jemand [auch Folgendes] einwenden: Warum sollte es nicht zulässig sein, dass das Wesenhafte ein Mehr oder Minder aufgrund [des Umstands] zulässt, dass das maximal Vermehrte das [ihm] gleiche maximal Verminderte umfasst und [dass] die Vergrößerung und das Sein des Vergrößernden und des Vergrößerten der Quiddität nach gleich sind und beide [auch] der aus beiden gebildeten Summe hinsichtlich der Quiddität gleichen? — Ich entgegne: [Das ist nicht zulässig], weil das Wesenhafte gemäß dem [oben] vorgebrachten Beweis nicht für ein Mehr und Minder empfänglich sein kann, und weil die in der beschriebenen Weise für ein Mehr oder Minder empfängliche Quiddität wegen der Pluralität ihrer Individuen das stoffliche Substrat der [Pluralität] sein müsste. Wenn aber das [Substrat], dem 139 das Vergrößernde und das Vergrößerte inhärieren, ein und dasselbe ist, müssten die beiden [der Quiddität nach] gleichen [Dinge dort] zusammen auftreten, was unmöglich ist. Und wenn es sich um mehrere [Substrate] handelt, muss es sich um zwei Individuen handeln, nicht um eines, welches für sich genommen hinsichtlich der Quiddität stärker [vermehrt oder vermindert] als diese beiden wäre. Dann bestünde der Überschuss des maximal Vermehrten gegenüber dem maximal Verminderten allein in der [größeren] Anzahl. Und es könnte jemand [Folgendes] einwenden: Wir konzedieren nicht, dass die Pluralität der Individuen ein und derselben Art nur aufgrund der Pluralität des aufnehmenden [stofflichen Substrats] möglich sei, denn sie kann auch durch etwas anderes, wie etwa die Möglichkeit der Vermehrung und der Verminderung bestehen, derart dass [beispielsweise] das Sein von Zayd und das Sein von Amr durch die Pluralität der stofflichen Substrate zahlenmäßig verschieden sind, während die separaten Seinsweisen aufgrund von Mehr und Minder eine Pluralität bilden, zugleich aber alle Seienden 240 hinsichtlich der Vollkommenheit [ihrer] Wirklichkeit koinzidieren, entsprechend der Ansicht derer, die lehren, dass das Sein des Notwendigen zu der Quiddität des [durch sich Notwendigen] hinzutritt. — [Dazu] sage ich 240
„Alle Seinsweisen“ (jamĮצi l-wujŧdĂt) ms. A.
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[dies]: Der Beweis, den wir [oben] angeführt haben, lässt nicht zu, dass die Art für ein Mehr oder Minder empfänglich sei und ihre Individuen darin variieren. Er zwingt [vielmehr] zu [der Annahme], dass Mehr und Minder hinsichtlich der Quiddität [des Vermehrten und des Verminderten] notwendig verschieden sind, so dass man nicht mit dem vorgebrachten [Einwand] konfrontiert ist. Neunter Ansatz: „Der Korrektor“ [NaהÁr al-DÁn al-ՇʗsÁ] erklärt, dass das, was aus der Wirk[ursache] hervorgeht, das Sein sei. Hingegen sei die Quiddität ein Konkomitant dieses aus der Wirk[ursache] hervorgehenden Seins, [das] diesem extramental nachfolge, [während] das [Sein] ihm im Intellekt nachfolge 241 . Er tut unmissverständlich kund, dass das Sein etwas Wirkliches und die Quiddität ein intellektualer Begriff seien. Folglich sind die extramentalen Seienden hinsichtlich ihrer verifizierbaren Wirklichkeit ein und dasselbe, nämlich Sein an sich, während die Quidditäten dessen individuelle Bestimmungen sind, durch die im Intellekt die spezifischen Seinsweisen, also die extramentalen konkreten Instantiierungen, unterschieden werden. Dieser Ansatz ist problematisch, denn was „der Korrektor“ [NaהÁr alDÁn al-ՇʗsÁ] damit meint, dass die Quiddität dem Sein qua Sein nachfolgt, während dieses jener qua [Gegenstand des] Intellekts nachfolgt, ist dies: Der Hervorgang des Seins der [Quiddität] aus der Wirk[ursache erfolgt] wesenhaft, während der Hervorgang der [Quiddität] selbst aus der [Wirkursache] akzidentell [erfolgt], denn mit dem Hervorgehenden meint er das Sein [an sich], dem vor dem Nichtsein [an sich] der Vorzug gegeben wurde, nicht das Seiende, dessen Sein der Vorzug vor dessen Nichtsein gegeben wurde. Zehnter Ansatz: Jeder Art eignet eine individuelle Bestimmung, durch die sie sich gegenüber den anderen Arten auszeichnet. Zugleich ist sie für gegensätzliche individuelle Bestimmungen empfänglich. Also ist das Sein an sich eine Quiddität, die sich durch ihre Einzigartigkeit extramental gegenüber den anderen Quidditäten auszeichnet, zugleich aber für voneinander verschiedene Monaden empfänglich ist. Jeder, der dies lehrt, lehrt [implizit], dass das Sein an sich ein durch sich notwendiges Sein sei; also ist das Sein an sich das durch sich notwendige Sein, was zu beweisen war. Wollte aber jemand einwenden, dass jene Lehre nicht notwendig diese Lehre impliziere, da die Anhänger der [Platonischen] Urbilder zwar die erste [Lehre] vertreten, nicht aber die zweite, folglich nicht zu konzedieren sei, dass 241
Eine fast wörtliche Paraphrase von NaהÁr al-DÁn al-ՇʗsÁs IshĂrĂt-Kommentar; cf. Ibn SÁn, KitĂb al-IshĂrĂt wa-l-tanbĮhĂt, vol. 3, p. 245, l. 12-15 (ed. Qum 1375/ 1996).
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jeder, der die erste [Lehre] vertrete, [implizit] die zweite vertrete, so entgegnen wir [dies]: Selbst wenn die zweite Lehre nicht zwingend aus der ersten folgt, so ist ihre [Implikation] durch das Zeugnis der Induktion doch allgemein anerkannt. Außerdem vertreten die Philosophen, die die [Theorie] der [Platonischen] Urbilder lehren, gar nicht die erste [Lehre], denn sie lehren die [Existenz der] Urbilder nur für die Arten, nicht aber für die Gattung, gar nicht zu reden von äquivok [prädizierten] Naturen. Elfter Ansatz: Der Notwendige, der erhabene [Gott], ist gleichbedeutend mit dem Sein. Also ist er [entweder] mit dem Sein an sich oder mit dem [irgendwie] bedingten [Sein] gleichbedeutend. Die zweite [Alternative] würde ein Zusammengesetztsein [Gottes] erfordern. Folglich ist die erste [Alternative als die richtige] zu bestimmen. Also ist das Sein an sich etwas Notwendiges, was zu beweisen war. 141 Dieser Ansatz ist problematisch, denn der erhabene notwendige [Gott] ist [weder] mit dem Sein an sich noch mit dem [irgendwie] bedingten [Sein] gleichbedeutend, sondern mit einem anderen, einfachen Sein, welchem das Sein an sich akzediert. Dieses ist das notwendige Sein. Zwölfter Ansatz: Das Seiende als solches ist für das Nichtsein nicht empfänglich. In dem Fall wäre nämlich das Seiende an sich etwas Nichtseiendes, was evidenterweise unmöglich ist. Wenn [nun] das Sein an sich etwas Notwendiges ist, ist das Nichtsein an sich etwas Unmögliches. Also ist das Kontingente auf [diese] beiden bedingten [Weisen von] Sein und Nichtsein reduzierbar, und das Nichtsein an sich [ist] auf das Unmögliche, das Sein an sich auf das Notwendige [reduzierbar]. Dreizehnter Ansatz: Wie oben dargelegt, ist die Lehre von der [Existenz der Platonischen] Urbilder zutreffend. Das Sein oder das Seiende [an sich] ist also extramental eine Sache, die von dem stofflichen Substrat abgetrennt ist, von allem Sein und [allen] Seienden ausgesagt wird, und deren Aufhebung notwendig zur Aufhebung aller Dinge führt. Es ist also extramental der Natur nach früher als alle anderen Seienden. Folglich gibt es nichts, was Ursache für es wäre; vielmehr ist es Ursache für alle Dinge. Also ist das Sein an sich oder das Seiende an sich etwas [durch sich] Notwendiges; und alle Seienden sind ein einziges intelligibles Individuum. Dies ist nichts anderes als die Lehre von der Koinzidenz der konträren und kontradiktorischen Gegensätze, wie sie von einem Teil der Monitaristen propagiert wird. Vierzehnter Ansatz: Wäre folgende Proposition wahr: „Das Sein an sich oder das Seiende an sich ist Nichtseiendes“, und nähmen wir als eine in der Tat wahre Prämisse folgende Proposition hinzu: „Der erhabene Schöpfer ist
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Sein oder Seiendes“, so müsste folgende Aussage wahr sein: „Der erhabene Schöpfer ist Nichtseiendes“, was unmöglich ist. Hierauf ist zu entgegnen, dass die erste Figur [des Syllogismus] in der Tat zu [dieser] Konklusion führt und dass die [Propositio] maior allgemein ist. Aber die [Propositio] maior des angeführten Syllogismus ist gänzlich falsch. Fünfzehnter Ansatz: [Für] alles außer dem Seienden an sich oder dem Sein an sich [gilt, dass] seine Konzeptualisierung ein Konzept von jedem dieser beiden einschließt und dass die Konzeptualisierung dieser beiden früher ist. Also sind diese beiden wesenhaft für alle anderen Seienden, und keines der [anderen Seienden] ist Wirk[ursache] von einem dieser beiden. Folglich ist jedes dieser beiden etwas Notwendiges. Jemand könnte [Folgendes] einwenden: Die Konzeptualisierung des Seins an sich geht der Konzeptualisierung der [anderen] Dinge nur voran, insofern diese etwas in der Zeit sind, nicht [ihrer] Natur nach 242 . Sie ist also nicht wesenhaft für diese. Also kann ein Teil von ihnen [doch] Wirk[ursache] der [Konzeptualisierung des Seins an sich] sein. Warum sollte [es] nicht [möglich sein, dass] dieses ihnen akzediert, ohne zugleich die allgemeinste der drei spezifischen [Eigenschaften] des Wesenhaften, nämlich die Unmöglichkeit der Aufhebung, zu sein? Darauf erwidern wir [dies]: Die Konzeptualisierung des [Seins an sich] geht der Konzeptualisierung der [anderen Dinge] der Natur nach voran, sofern deren Sein [konzeptualisiert wird]. Diese sind Seiendes, insofern ihnen Sein [eignet], nicht insofern ihnen eine Quiddität [eignet]. Denn die Quiddität ist unserer [Ansicht] nach eine begriffliche Entität, das Sein aber etwas Wirkliches. Wollte jemand einwenden, wie das denn der Fall sein könne, da doch die Quiddität ein Wesen und das Sein dessen Eigenschaft sei, so entgegnen wir, dass wir von der Quiddität so aussagen können, dass sie Seiendes sei, wie man von einem Mann aussagt, er besitze Milch oder Datteln, und von dem Weißen, es habe ein [Substrat,] dem es inhäriere. Wollte jemand einwenden, dass wir [zwar] unmittelbar erkennten, dass unsere Aussage „Der Mensch existiert“ wie die Aussage „Der Mensch ist des Lachens fähig“ sei, [dies] aber nicht den angeführten Beispielen entspreche, so entgegnen wir [dies]: Warum sollte es nicht zulässig sein, dass Quidditäten dasselbe wie spezifische Seinsweisen sind und dass sich die spezifischen Seinsweisen hinsichtlich der Quidditäten unterscheiden und durch die Quiddität von dem Sein an sich verschieden sind, [so dass] das Faktum ihres Seins 242
Min ͧaythu shayץiyyatuhĂ bi-l-zamĂni lĂ bi-l-ίabצi in allen mss. BadawÁ (p. 142, l. 8) ediert sabaqatuhĂ anstelle von shayץiyyatuhĂ.
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das ist, worin sie koinzidieren, während das Faktum ihrer Quiddität das ist, worin sie sich unterscheiden? — Wenn etwas akzidentell von einem Subjekt prädiziert wird, bei dem es sich nicht um ein [logisches] Derivat handelt, ist es nicht zwingend erforderlich, dass das Subjekt [der Aussage] eines Zugrundeliegenden bedarf. Also ist es möglich, dass das Sein an sich an sich Seiendes, durch sich Subsistierendes, extramental Eines, von allen inhärierten Substraten und Quidditäten Abgetrenntes und von allen extramentalen Seinsweisen und Seienden Partizipiertes ist, wie es die Ansicht derer ist, die die Existenz der [Platonischen] Urbilder lehren, [und dass] es durch nichts von diesen Dingen verursacht ist, sondern alles außer ihm [selbst] durch es verursacht ist. Jemand könnte [Folgendes] einwenden: Die [Anhänger der Platonischen Urbilder 243 ] fassen nur das Sein an sich als etwas Notwendiges auf. Aber die Auffassung, dass das Sein an sich etwas Notwendiges sei, hat keinen größeren Anspruch auf Geltung als die Auffassung, dass das Seiende an sich oder etwas anderes Allgemeines etwas Notwendiges sei. Zu lehren, dieses sei etwas Notwendiges, die anderen allgemeinen Dinge aber nicht, ist reine Willkür. Fasst man aber zwei oder mehr Dinge 244 als etwas Notwendiges auf, ergibt sich eine Pluralität des Notwendigen, was widersinnig ist. Hierauf erwidern wir [Folgendes]: Die Dualität von Sein an sich und Seiendem an sich ist etwas Begriffliches. Aus dem [Umstand], dass beide notwendig sind, folgt nicht notwendig die Vielheit [Gottes,] des erhabenen Notwendigen. Dessen Vielheit folgte nicht einmal dann, wenn jedes der allgemeinen Dinge ein durch sich notwendiges Sein wäre, denn sie sind dem Wesen nach Eines, auch wenn sie dem Begriff nach unterschieden sind. Aber sie alle, mit Ausnahme des Seins [an sich], implizieren eine gewisse Zusammensetzung und werden nur durch das Sein [an sich] zu etwas Seiendem. 144 Deshalb kann keines dieser [Dinge] durch sich notwendiges Sein sein, mit Ausnahme des Seins an sich. Dies ist nämlich ohne jede Zusammensetzung, vielmehr existiert es durch sich selbst ewig a parte ante und a parte post. Sechzehnter Ansatz: Die Propheten und Heiligen dehnen den [Begriff des] erhabenen Notwendigen allgemein auf Menschen, [Körper]teile und andere 243
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Im arabischen Text steht lediglich „Sie“ (hum). Eine Glosse in ms. S (cf. BadawÁ, p. 143, Anm. 3) bezieht das Pronomen auf die Monitaristen (al-muwaͧͧidŧn), doch scheinen eher die Anhänger der Urbildlehre gemeint zu sein. Zum einen werden diese unmittelbar zuvor genannt, zum anderen entspricht das Folgende gerade nicht der den Monitaristen im „Dreizehnten Ansatz“ zugeschriebenen Lehre. „Zwei oder mehr allgemeine Dinge“ (mina l-umŧri l-צĂmmati) ms. A.
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Dinge aus. Was die Propheten angeht, so heißt es in dem berühmten ͦadĮth Abʗ Hurayras245 (möge Gott an ihm Wohlgefallen haben!) so: „[Muԉammad,] der Gesandte Gottes sagte: ,Gott, der Erhabene, sagte: »Wer dem feindlich gesinnt ist, der mir freundlich gesinnt ist, dem erkläre ich den Krieg. Das Liebste, was mir mein Diener nahebringen kann, ist [die Einhaltung dessen,] was ich ihm zur Pflicht gemacht habe. Und mein Diener wird mir noch näher kommen durch [nichtobligatorische] gute Taten, für die ich ihn lieben werde. Und wenn ich ihn liebe, werde ich sein Gehör sein, mit welchem er hört, und sein Gesicht, mit welchem er sieht, und seine Hand, mit der er zugreift, und seine Beine, mit denen er geht. Und wenn er mich [um etwas] bittet, werde ich es ihm geben; und wenn er bei mir Schutz sucht, werde ich ihn schützen«‘.“ Was die Heiligen betrifft, so [sprechen sie] so oft [in diesem Sinne], dass es [hier] nicht aufgezählt werden kann. Wenn dies nun zutrifft, so muss der erhabene [Gott] das allgemeinste [aller] Dinge sein; und das ist nichts Anderes als das Sein an sich. Also ist [Gott,] der erhabene Notwendige, das Sein an sich, was zu beweisen war. Siebzehnter Ansatz: Es kann [aus drei Gründen] richtig sein, den [Begriff des] erhabenen [Gottes] auf alle Dinge auszudehnen: entweder, weil er [allen Dingen] inhäriert, oder, weil er mit ihnen koinzidiert, oder, weil er sie [alle] umfasst. Die erste [Alternative] ist unsinnig, denn in diesem Falle bedürfte [Gott] der [Dinge] und würde durch ihre Pluralität zu einer Vielheit. Ungeachtet dieser Absurdität muss dieser Begriff in metaphorischem Sinne richtig sein, [freilich] nicht in Wirklichkeit. Die zweite [Alternative] kommt nicht in Frage, da die Koinzidenz [Gottes mit allen Dingen] unmöglich ist, denn es kann keine Koinzidenz zweier [Dinge] geben, wenn beide oder eines der beiden nichtsein kann. Und wenn beide fortdauernd existieren und notwendig der Begriff der Wesenhaftigkeit und sogar der Ewigkeit oder des Fortdauernden bei beiden identisch ist, während die beiden nicht miteinander identisch sind, sind die beiden eine Zweiheit, aber evidenterweise nicht Eines. Also ist die dritte [Alternative als die richtige] zu bestimmen, und [Gott,] der erhabene Notwendige, ist das Sein an sich, was zu beweisen war. [Hierzu ist Folgendes zu erwidern:] In Wahrheit wird der [Begriff des] erhabenen [Gottes] auf [alle] Dinge [nur] metaphorisch ausgedehnt. Die Heiligen sehen in jedem Ding [Gott,] den Erhabenen, weil das Auge [ihres] 245
Abʗ Hurayra (603-681) war ein Gefährte des Propheten Muԉammad und ist einer der wichtigsten Zeugen für die islamischen Überlieferungen von den Taten und Aussprüchen des Propheten („ԈadÁth“). Das folgende Zitat findet sich u.a. in der ԈadÁth-Sammlung von al-BukhrÁ, al-ΤaͧĮͧ, Buch 76, ԈadÁth 509.
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Intellekts durch das Licht der [Gottes]erkenntnis geblendet und am Sehen gehindert wird. Gelobt sei Gott, von dem [alle Dinge] kommen und zu dem [alle Dinge] zurückkehren! Gesegnet seien Muԉammad und seine Familie ewig und immerdar!
A p p e n d i x II Ibn SÁns „Brief an die Gelehrten in Baghdd“ Übersetzung von Ibn SŅnęs Risęlat ba֢˯ al-afę˯il ilę ֢ulamę֡ madŅnat al-salęm nach der arabischen Edition von I̮sęn YęrshęͶir, unter Hinzuziehung der Teheraner Handschriften ms. Sipahsęlęr 1216 und ms. Sipahsęlęr 2912.
Vorbemerkung Ibn SÁns Brief an die Gelehrten in Baghdd wird in allen bekannten Handschriften anonym überliefert. Yahya Michot hat im Anschluss an Y. MahdawÁ und M. T. Dnish-Pažʗh aufgezeigt, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um ein authentisches Schreiben Ibn SÁns handelt D . Der Text wurde 1953 in dem Band Panj RisĂla von Iԉsn YrshՈir auf der Grundlage von drei Handschriften ediert E . YrshՈir erwähnt außerdem eine Edition von Muԉammad TaqÁ Dnish-Pažʗh in der Zeitschrift Farhang-i ĭrĂn-zamĮn 3 (1954), die mir leider nicht zugänglich ist. Ein drittes Mal wurde der Text in RasĂץil al-Shaykh alRaץĮs AbĮ צAlĮ al-ͦusayn ibn צAbdallĂh ibn SĮnĂ, Intishrt-i BÁdr, Qum D
E
Cf. Y. Michot, Ibn Sînâ: Lettre au vizir Abû Saצd. Editio princeps d’après le manuscrit de Bursa, traduction de l’arabe, introduction, notes et lexique. Beyrouth: Dar al-Bouraq, 1421/2000, pp. *14-*20. Vgl. auch David C. Reisman, The Making of the Avicennan Tradition, pp. 174-185. Zur handschriftlichen Überlieferung cf. Yaԉy MahdawÁ, Fihrist-i nuskhahĂ-yi muΥannafĂt Ibn-i SĮnĂ. Tihrn: Intishrt-i Dnishgh-i Tihrn, 1333/1954, pp. 117-119, sowie die Einleitung der Edition YrshՈirs. Shaykh-i RaΊÁs Abʗ AlÁ SÁn, Panj RisĂla. B muqaddima wa-ԉawshÁ wa-taהԉÁԉi Iԉsn YrshՈir. Tihrn: Intishrt-i Anjuman-i ¬thr-i MillÁ, 1332/1953, pp. 73-90.
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Appendix II
1400/1980, publiziert. Hierbei handelt es sich um einen unveränderten Nachdruck der Edition von YrshՈir м . Der Brief lässt sich grob in drei Abschnitte gliedern. Im ersten Teil beschreibt Ibn SÁn zunächst den Anlass seines Briefs, eine philosophische Auseinandersetzung mit einem greisen Gelehrten, die in Hamadhn stattfand, sodann sein Ansinnen an die Gelehrten Baghdds, die in dieser Auseinandersetzung vorgetragenen Positionen zu prüfen und zu beurteilen. Bei dem Alten aus Hamadhn handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um den aus zahlreichen avicennischen Kontroversen bekannten Abʗ l-Qsim al-KirmnÁ Ƿ . Wer die gelehrten Empfänger in Baghdd sind, erfahren wir nicht Ǹ . Jedoch ist offensichtlich, dass Ibn SÁn sich nicht oder nicht nur aus Gründen der wissenschaftlichen Wertschätzung an sie wendet, sondern (auch) deshalb, weil sein Kontrahent in Hamadhn sich auf diese Baghdader Philosophen beruft. Ibn SÁn musste demnach damit rechnen, dass seine Adressaten nicht seine, sondern die Ansichten seines Kontrahenten stützen würden. Seine Bitte um Aufklärung um der Wahrheit willen ist performativ, das eigentliche Interesse wohl eher polemischer Natur. Bestenfalls erhoffte sich Ibn SÁn eine Bestätigung der von dem Weisen aus Hamadhn vindizierten Lehrtradition und eine Vertiefung seiner Kenntnisse über deren Inhalte. Eine französische Übersetzung dieses ersten Briefabschnitts hat Yahya Michot angefertigt ǹ . Der zweite Abschnitt des Briefs ist der Darlegung der Position Abʗ l-Qsim al-KirmnÁs gewidmet. Diese betrifft die Frage der Existenzweise von „Menschsein“ (insĂniyya), das hier stellvertretend für allgemeine Wesenbegriffe oder Universalien diskutiert wird. Ibn SÁns Ausführung zufolge lehrt der Alte aus Hamadhn eine dreifache Exisм
Ƿ Ǹ ǹ
Ich danke Professor Marwan Rashed, der mir eine Fotokopie dieses Nachdrucks zur Verfügung gestellt hat. Auch der Seitenumbruch wurde in dieser Ausgabe beibehalten. Der Text steht auf den Seiten 462-479, in der untenstehenden Seitenkonkordanz zur Übersetzung ist also 389 zu addieren, um die entsprechende Seitenzahl dieses Nachdrucks zu erhalten. Cf. Michot, Lettre au vizir, pp. *17-*27, *52-*68; Reisman, The Making of the Avicennan Tradition, pp. 166-185. Michot, Lettre au vizir, p. *20f, vermutet wohl zu Recht, dass es sich um die Logiker der Schülergeneration Yaԉy ibn AdÁs handelt. Michot, Lettre au vizir, pp. *10-*14. Einige Sätze wurden auch von David Reisman (The Making of the Avicennan Tradition, p. 174) in das Englische übertragen.
Ibn SÁns „Brief an die Gelehrten in Baghdd“
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tenz des allgemeinen Wesenbegriffs von „Mensch“, eine separate, von aller Vielheit abgetrennte Existenz, eine intellektuale oder in den Intellekt eingeprägte Existenz qua Art- oder Gattungsbegriff, und eine konkrete, mit den Vielen verbundene Existenz qua Natur (ίabĮצa) des Individuums. Offenbar stützt Ibn SÁn sich dabei auf eine Schrift seines Opponenten, denn er spricht von „der Aporie, zu welcher jener Weise eine Abhandlung verfasst hat“ (al-masץalatu llatĮ kataba hĂdhĂ lshaykhu maqĂlatan fĮhĂ) н . Aus metatextuellen und kommentierenden Bemerkungen Ibn SÁns erhellt jedoch, dass er —gemäß seinem aus anderen Werken bekannten Habitus im Umgang mit Werken anderer Philosophen— diese Schrift nicht exakt zitiert, sondern in seinen eigenen Worten zusammenfasst. Eine französische Übersetzung und Analyse dieses zweiten Abschnitts hat Marwan Rashed vorgelegt Ǻ . In dem dritten Abschnitt legt Ibn SÁn seine eigene Position dar. Dabei geht er nur knapp und apodiktisch auf die erste der drei postulierten Existenzweisen des allgemeinen Wesensbegriffs ein: Dieser existiert extramental ausschließlich als ein Vieles, nicht als ein separates Eines. Im weiteren Verlauf konzentriert er sich auf die beiden anderen Existenzweisen, insbesondere auf die intellektuale Seinsweise des allgemeinen Wesensbegriffs sowie auf die Frage, wie sich die Einheit der Definition zu der Vielheit der definierten Individuen verhält. Die folgende Übersetzung basiert auf der Edition von Iԉsn YrshՈir und den beiden Teilübersetzungen von Michot und Rashed. Vom Übersetzer eingefügte Wörter und Explikationen der durch Pronomina und Verbalformen bloß implizierten Begriffe sind zwischen eckige Klammern gesetzt. Alle erhaltenen Handschriften sind recht fehlerhaft, so dass sich der ursprüngliche Wortlaut an vielen Stellen nur erahnen lässt. Da der Text ohnehin sehr schwierig ist, lassen sich einige Unklarheiten nicht mit letzter Sicherheit ausräumen, solange keine weiteren Textzeugen zur Verfügung stehen. Immerhin konnten einige Verlesungen des Herausgebers mit Hilfe der Handschriften н Ǻ
Ed. YrshՈir, p. 77, l. 1. M. Rashed, “Ibn AdÁ et Avicenne: Sur les types d’existants“, in V. Celluprica e C. D’Ancona (eds.), Aristotele e i suoi esegeti Neoplatonic: Logica e ontologia nelle interpretazioni greche e arabe. Atti del convegno internazionale, Roma, 19-20 Ottobre 2001. Elenchos 40. Neapel: Bibliopolis 2004, 107-171, bes. pp. 122-129.
Appendix II
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Tehrn, Sipahslr 1216 und Sipahslr 2912 korrigiert werden ů . Alle Abweichungen vom edierten arabischen Text sind in den Fußnoten verzeichnet.
SIGLA
ů
A
Ms. Teheran, Kitbkhna-i MillÁ Malik 4694 ( ed. YrshՈir)
B
Ms. Teheran, Sipahslr 2912 (Ώ ed. YrshՈir)
C
Ms. Teheran, Sipahslr 1216 (Ν ed. YrshՈir)
Nicht zu reden von der krausen Interpunktion YrshՈirs. Ich danke Dr. Firouzeh Saatchian, die mir freundlicherweise eine Kopie des gesamten Texts von ms. Sipahslr 1216 sowie eine Kopie des ersten Teils des Textes (fol. 268a) der Handschrift Sipahslr 2912 besorgt hat.
Ibn SÁns „Brief an die Gelehrten in Baghdd“
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Abʗ AlÁ ibn SÁn Brief eines tugendhaften Mannes an die Gelehrten Baghdęds 1 Im Namen des barmherzigen Gottes, des Gnädigen
Der Friede Gottes [sei] mit den Würdenträgern von Wissenschaft und Weisheit in Baghdd! Möge Euch Gott ein langes Leben schenken, Euer Wohlbefinden mehren, Seine Weisheit über Euch ausschütten 2 und uns [das Glück] schenken, [demnächst] bei Euch zu weilen! Möge Er uns und Euch vor Irrtum und eitlem Geschwätz bewahren! Er [ist es], der Verstand schenkt und Gerechtigkeit ausgießt; gepriesen sei [Gott] und Friede sei mit Seinem Propheten und seiner Familie, den Edlen und Untadeligen! Zur Sache 3: [Dies schreibt Euch] ein Mann aus Bukhr, der die Philosophie liebt und sich in ihr in gehörigem Maße 4 bemüht. Nachdem ihn seine Reisetätigkeit in diese Region verschlagen hatte, traf er [hier] Leute, die bei Euch studiert haben und die ihn in den Kreis der [hiesigen] Wissenschaftler aufnahmen. [Dort] hörte er von ihnen grundlegende Dinge, die dem glichen, was er von seinen Lehrern, aus den Büchern, die zu durchdenken er sich alle Mühe 74 gegeben hatte, und aus den Schlüssen, die sich [daraus] vermöge seiner [eigenen] Denkkraft 5 ergeben hatten, gelernt hatte 6 , bevor er in die Stadt Hamadhn gekommen war. Dort traf er [auch] einen alten Weisen mit vielen erstrebenswerten Eigenschaften, in den Wissenschaften beschlagen und mit soliden Kenntnissen in den philosophischen Wissenschaften und dem auf der Tradition 1
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Ms. A fügt hinzu: „Betreffs der Kategorien[lehre] Ibn SÁns“ (fĮ maqŧlĂt alShaykh al-raץĮs), ms. C fügt hinzu: „Betreffs der Kategorien[lehre] Ibn SÁns ([Gott] heilige sein Geheimnis!)“ (fĮ maqŧlĂt al-Shaykh al-raץĮs quddisa sirruhŧ), ms. B lässt den gesamten Titel aus und beginnt mit der Basmalah. „Seine ... ausschütten“ fehlt in ms. B. „Zur Sache“ fehlt in ms. B. MĂ ŧtiya mina l-maqdŧr mss. AC : mĂ ŧtiya mina l-ͧikmati l-maqdŧr ms. B, sed del. al-ͧikma. Vielleicht ist auch zu übersetzen: „in dem Maße, wie es ihm [von Gott] beschieden ist“ (cf. Michot, Lettre, p. 11*). Ich lese mit ms. B bi-fikrihĮ anstelle von li-fikrihĮ der Edition und der übrigen mss. Michot scheint wa-li-l-natĂץij anstelle von wa-l-natĂץij der Edition zu lesen: „conformes à ce que [lui-même] avait appris des ses professeurs et des livres [...], ainsi qu’aux conclusions résultant de sa [propre] réflexion“.
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basierenden religiösen Recht 7 . Mit ihm freundete er sich an und genoss seine Gesellschaft 8 . Als er aber die [wissenschaftlichen] Ansichten des [Weisen] in Erfahrung brachte, fand er sie befremdlich, wunderlich und abweichend von dem, was er von den [Lehren der] Alten begriffen hatte. Die Logik [dieses Weisen] war eine andere Logik, [seine] Naturwissenschaft war eine andere Naturwissenschaft, und [seine] Metaphysik war von einer Sorte, wie sie zu den Lehren der Mystiker passen würde, [und] wunderlich. Auch in der Geometrie schien er eine andere Notation zu benutzen. Auch über eine [andere] Sache, die immer wieder auftrat, wunderte er sich: Bei jeder abweichenden [Ansicht] protestierte [der Weise] und behaup75 tete9 , dass dieses [doch] evident sei, jenes Konsens [der Gelehrten] sei, und jenes aus Eurem Munde, der Schar der Philosophen von Baghdd, und aus dem Munde Eurer bereits verstorbenen Vorgänger stamme (Gottes Segen über Euer Leben!). Bei seiner Argumentation benutzte [der Weise] eine andere Art von Syllogismen, von denen er meinte, dass sie die gesuchten Schlüsse hervorbrächten, was sie aber in Wirklichkeit nicht taten, nicht einmal potentiell [und] näherungsweise. Wenn ich für ihn seine Syllogismen analysierte und aufzeigte, dass sie unfruchtbar sind und zu einem Resultat führen, das von dem Gesuchten verschieden ist, zeigte dies keine Wirkung auf ihn 10 . Vielmehr suchte er, die Syllogismen durch [andere] zu korrigieren, die noch weiter fehlgingen als die ersten. Ich sende Euch (Gottes Fürsorge sei mit Euch!) zunächst eine Nachschrift dessen, was er im Widerspruch zu einer Position, auf die Ihr Euch stützt 11 , erklärt 12 , sowie eine Erklärung von mir, in der ich zeige, dass der [Weise] sich weit von der Wahrheit entfernt. Sodann habe ich seine Ansichten zu anderen 76 Problemen notiert. Zu diesen [Problemen] lege ich weder 13 seine noch meine 7 8
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Sic? Der Begriff al-sharĮצa al-samצiyya ist mir nicht als terminus technicus geläufig. MujĂwaratahŧ in allen drei mss.; D. Reisman (The Making of the Avicennan Tradition, p. 174) schlägt vor, muͧĂwara („Konversation“) zu lesen. צInda kulli mukhĂlafatin yuצri͏u [i.e., al-shaykh] wa-yaqŧlu (wa-yaqŧlu om. ms. B). Michot übersetzt „à chaque différend qui se présent il dit“. FĮhi ms. A : fĮhi supra lin. ms. B : צalayhi ms. C. Ich folge, wie Michot, dem Vorschlag YrshՈirs, taqifŧna anstelle von yaqifŧna in allen drei mss. zu lesen. Aus der folgenden Zwischenüberschrift (vgl. nächste Seite) erhellt, dass der Weise aus Hamadhn eine Abhandlung zu diesem Thema verfasst hat. Die „Nachschrift“ (nuskha), die Ibn SÁn hier erwähnt, ist aber keine Kopie dieser Abhandlung, sondern Ibn SÁns eigene Darstellung oder Zusammenfassung der Position des Weisen; vgl. dazu die Vorbemerkung zur Übersetzung. Ich folge Michots Vorschlag, lam ŧrid anstelle von lammĂ/li-mĂ warada in mss. AC und lammĂ/li-mĂ awrada in ms. B zu lesen.
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Schlüsse vor, sondern nur die Doktrin [des Weisen] selbst 14 . Nun bitte ich Euch 15 , die Wahrheit klar kundzutun, denn entweder sind [seine] Ansichten allesamt wahr oder falsch, [jedoch] von einer [gewissen Überzeugungs]kraft 16 , oder [sie sind bloß] unachtsam und mangelhaft [ausgeführt]. Ich bitte Euch daher um Hinweise, welcher [dieser] drei Fälle auf meinen und auf seinen Standpunkt zu diesen Problemen zutrifft. Wenn Ihr die Lehre [dieses] Mannes prüft (Gott schenke Euch ein langes Leben und wache über Eure Absichten!), so achtet darauf, [alle] widersprüchlichen und inkonsistenten Stellen zu tadeln, und keine Rücksicht auf den zu nehmen, der sich dem widersetzen und seine Zeit darauf verschwenden mag 17 ! Hat doch jeder Mensch für sein Handeln einen Grund, auf den sich ein anderer nicht stützen kann. Möge Gott Eure Gemeinschaft 18 beschützen und Euch ein langes Leben schenken! Darstellung des Problems, über das dieser Weise eine Abhandlung verfasst hat. Dieser Weise (Gott verleihe ihm stets Erfolg!) ist der Ansicht, dass ein Menschsein existiere 19 , welches sowohl selbst mit den Akzidenzien verbunden ist, durch welche das Individuum Zayd konstituiert wird, als auch, trotz dieser akzidentellen [Verbindung] 20 , neben diesen Akzidenzien als etwas von ihnen Verschiedenes [existiert] und selbst unveränderlich ist. Wenn Zayd stirbt, trennen sich nur die dem Zayd spezifischen Akzidenzien 14
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Ibn SÁn scheint sich hier auf einen separaten, zweiten Brief zu beziehen. Jedenfalls enthält das vorliegende Dokument keinen entsprechenden Abschnitt. Wa-asץalukum mss. BC : asץalukum ed. YrshՈir. Wa-immĂ bĂίilatun (bĂίilatun ed. YrshՈir : bĂίilan ms. C) lahĂ quwwa ist nicht ganz klar. Ich lese mit den drei mss. min maͧallihĮ maͧalla l-naq͏i wa-l-muqĂbala. Michot folgt dem Vorschlag YrshՈirs, man yaͧilluhŧ maͧalla l-naq͏i... zu lesen, und übersetzt „vous blâmerez quelqu’un dont la position est une position de critique, d’opposition, et dédaignerez quelqu’un qui s’expose à de telles chose et perd son temps en s’en occupant“. Oder: „Eure Zusammenkünfte“ (jamĂצĂtikum) ? Lit., „dass im Sein ein Menschsein ist“ (anna fĮ l-wujŧdi insĂniyyatan wĂͧidatan). Maצa dhĂlika l-צĂri͏ in allen drei mss. Der Satz ist schwierig und nicht ganz klar. Ich zitiere deshalb den arabischen Text und die abweichende Übersetzung von Rashed: fĮ l-wujŧdi insĂniyyatan wĂͧidatan hiya bi-צaynihĂ muqĂranatun li-lצawĂri͏i llatĮ yataqawwamu bihĂ shakhΥu Zaydin wa-hiya maצa hĂdhihi l-צawĂri͏i ghayruhĂ maצa dhĂlika l-צĂri͏. „Il y a dans l’existence une humanité unique, qui est en tant que telle conjointe aux accidents desquels est constitué l’individu de Zayd; elle est, avec ces accidents-ci, différente de ce qu’elle est avec ces accidents-là”.
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von dem [Menschsein], wohingegen dieses Menschsein selbst ewig sei. Lediglich seine Verbindung mit diesen Akzidenzien sei etwas Vergängliches in ihm. Und [er ist der Ansicht], dass 21 in Zayd ein mit dessen Akzidenzien verbundenes Menschsein ist, welches nicht von dem Menschsein verschieden ist, das in Amr verbunden mit dessen Akzidenzien ist 22 , selbst wenn „insofernetwas-mit-diesem-verbunden-ist“ und „insofern-etwas-mit-jenem-verbundenist“ verschieden sind 23 . Das Wesen dieses mit diesem oder jenem Verbundenen, welches den beiden Dingen zugrunde liegt, ist etwas Anderes, Drittes, nicht ein Teil [der beiden Dinge], sondern ein einziges Menschsein, welches 78 mit den Akzidenzien jedes der beiden [Dinge] verbunden ist. Doch nicht nur dies, vielmehr ist es auch ebendieses [eine Menschsein], welches mit den materiellen Dingen verbunden ist 24 , und es ist ebendieses, was zu etwas Abstrahiertem und in den Intellekt Eingeprägtem gemacht werden [kann] 25 , und es ist ebendieses, was [sowohl] im Intellekt jedes einzelnen von uns [Menschen] als auch im Ersten Intellekt ist. Denn es ist ein und dasselbe Wesen, welches durch die Verbindung mit Akzidenzien zum Menschsein Amrs wird 26 und, insofern es zu etwas Intelligiblem wird, Form im Intellekt ist 27 ; und all dies zusammen und zugleich. Er sagt [weiter]: Das Intelligible ist nicht wie ein Bild (mithĂl) für das, was von dem [Menschsein] im [Bereich] der konkreten Dinge existiert, sondern dasselbe wie dieses [konkret Existierende]. Ja, er sagt sogar, dass die nur scheinbar in einen Spiegel eingeprägte Form [Zayds] dieselbe ist wie 21 22
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Ich lese wa-annahŧ anstelle von wa-innahŧ der Edition. Ich lese mit mss. B und C al-muqĂranati li-aצrĂ͏ihĮ anstelle von li-muqĂranatin liaצrĂ͏ihĮ der Edition. Al-insĂniyya („Menschsein“) ist offensichtlich nicht das Subjekt dieses Teilsatzes: wa-in kĂna min ͧaythu huwa (huwa supra lin. ms. B) yuqĂrinu hĂdhĂ ghayrahŧ min ͧaythu huwa yuqĂrinu (hĂdhĂ ... yuqĂrinu om. hom. ms. B) dhĂlika. Auch im folgenden Satz kann sich das Suffix in dhĂtuhŧ nicht auf al-insĂniyya beziehen. Ich lese allatĮ tuqĂrinu anstelle von allatĮ yuqĂrinu der Edition. Ich lese allatĮ tufצalu fa-tutajjaradu <wa->turtasamu fĮ l-צaql anstelle von allatĮ Y-F-צ-L fa-yatajarradu <wa->yartasamu fĮ l-צaql der Edition. Rashed liest tuצqalu anstelle von Y-F-צ-L: „qui est intelligée, qui est abstraite et qui se dessine dans l’intellect“. Ich lese taΥĮru (mit dhĂtun wĂͧidatun als Subjekt) anstelle von yaΥĮru der Edition und baΥĮrun in ms. A. Ich folge dem Vorschlag Ahmad Hasnawis (cf. Rashed, Ibn צAdĮ et Avicenne, Anm. 37), ein wa- nach צAmr einzufügen (ausgefallen durch die Verwechslung von צAmr und צUmar) und lese wa-bi-צtibĂri ͧuΥŧlihĂ maצqŧlatan Υŧratun fĮ l-צaql anstelle von bi-צtibĂri ͧuΥŧlihĂ maצqŧlatan Υŧratan fĮ l-צaql (Υŧratan fĮ l-צaql ed. : fĮ Υŧrati l-צaql ms. B) der Edition.
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die Form, die beim Anblick Zayds [zu sehen ist], nicht eine hiervon verschiedene, dieser [bloß] gleichende [Form] oder eine Vorstellung hiervon, [derart, dass] sie ihrem Wesen nach etwas Anderes wäre. [Und] er sagt: Die Existenz der Arten und Gattungen in den konkreten Dingen besteht darin, dass es ein Wesen gibt, welches als ebendieses mit jedem einzelnen [Element] einer Vielheit verbunden ist. Einmal sagt er, dass zum Beispiel der Mensch eine Art in dem beschriebenen Sinne sei; ein andermal nimmt er [dies] zurück, um das Menschsein anstelle des Menschen als [Art] anzusetzen. Zu dieser Überzeugung ist dieser Mann durch das gelangt, was er von [gewissen] Leuten hörte, die behaupten, dass Individuen [an demselben] partizipierten und [zugleich] voneinander verschieden seien und an einer Wahrheit und einer Idee (maצnan) partizipierten. Er ist nämlich nicht in der Lage zu erschließen, worauf sie mit der Benutzung des Ausdrucks „einer“ an dieser Stelle hinauswollen. Denn er hat die vorgefasste Vermutung, dass sie der Meinung seien, dass ein einziges existierendes Wesen 28 [diese] eine Wirklichkeit sei, und glaubt [daher], dass die Bedeutung ihrer Aussage [diese sei]: die Arten und Gattungen existieren in den konkreten Dingen, insofern sie Naturen sind, nicht [aber], insofern sie Arten und Gattungen sind. [Dies sei] nach Art der [Dinge], die niemandem verborgen sind 29 . Denn was sie damit [sagen] wollten, [sei dies:] die Wirklichkeit von Mensch oder Menschsein existiere [nur] qua Mensch und Menschsein in den konkreten Dinge, nicht aber insofern sie 30 ein Eines ist, an dem [zwar] die Gesamtheit [der Individuen] partizipiert, [dies jedoch] nicht insofern es eine Natur ist. Er setzt [dabei stillschweigend] voraus, dass die Allgemeinheit ein Konkomitant der [Natur] ist. 31 Wir behaupten [hingegen], dass die Debatte über diesen Punkt anders zu führen ist. Denn diese Natur existiert [doch] qua Natur, insofern [anderes] an ihr partizipiert, [und] ist dasselbe wie das Partizipierte. Die [oben zitierten Leute] meinen vielmehr 32 , dass es nicht wahr sei, dass die logischen Arten und Gattungen, welche von der Vielheit abstrahierte Formen in der Seele 28 29
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Lit., „ein einziges Wesen im Sein“ (dhĂtan wĂͧidatan fĮ l-wujŧd). Ich lese mit ms. C ka-mĂ lĂ yakhfĂ צalĂ aͧadin anstelle von kamĂlan yakhfĂ צalĂ aͧadin der Edition und lĂ mĂ lĂ yakhfĂ צalĂ aͧadin in ms. B. Alle drei mss. lesen huwa, vermutlich aufgrund der folgenden maskulinen Form wĂͧid. Bezugswort kann aber nur ͧaqĮqa („die Wirklichkeit“) sein, weshalb ich hiya lese. Der gesamte Absatz wird teils wörtlich, teils paraphrastisch zitiert in Mull דadrs al-ͦikma al-mutaצĂliya fĮ l-asfĂr al-צaqliyya al-arbaצa, vol. 1, p. 273, l. 18 – p. 274, l. 7 (ed. al-Muծaffar, LuՈfÁ). Ich lese mit ms. B wa-lĂkin yaצnŧna anstelle von wa-lĂkin lĂ yaצnŧna ed. YrshՈir nach den beiden anderen Handschriften.
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sind, in den konkreten Dingen existieren. Mit anderen Worten 33 , [ihr] Ziel besteht nicht darin, die Existenz einer partizipierten Natur in den konkreten Dingen zu widerlegen, sondern [darin], zu widerlegen, dass das, was in der Seele von der Vielheit abstrahiert [existiert], in der gleichen Weise in den kon81 kreten Dingen 34 existiert. [Denn] dies ist eine Sache 35 , die [sehr wohl] einem Menschen verborgen bleiben kann, [i.e.] dass das, was in der Seele existiert, also die logische [Entität], nicht etwas in den konkreten Dingen Existierendes ist. [Wenn wir so argumentieren,] dann wiederholt er [nur] seine Behauptung 36 , dass das, was in der Seele und in den konkreten Dingen existiert, ein und dasselbe Wesen sei, nicht etwas anderes, welches dem Seienden in den konkreten Dingen und in der Seele gleicht. Weist man ihn aber auf diesen [Unterschied] hin, so erklärt er: Das intelligible Menschsein beispielsweise existiert nicht in den extramentalen konkreten Dingen insofern es in der Seele ist. Demzufolge 37 scheint er [folgendes] zu behaupten: Die Erforschung und Betrachtung [der Frage], ob das Menschsein als Art (al-insĂniyya alnawצiyya) in den extramentalen konkreten Dingen existiert, bezieht sich nur auf das [Menschsein] insofern es in der Seele ist, also [auf die Frage], ob es, so verstanden, [auch] außerhalb der Seele existiert 38 . Dies ist [seines Erachtens] das eigentliche Problem, als wäre es nötig, [dies] mit Hilfe der [Dinge] 82 zu widerlegen, die in den Büchern der Metaphysik und bisweilen in den Kommentaren zur Logik erwähnt werden. – Gepriesen sei Gott! Kann ein menschlicher Intellekt in der Tat zu der Ansicht gelangen, dass dies ein Streitpunkt zwischen Stoikern und Peripatetikern war, derart, dass seiner Ansicht nach die Stoiker behauptet hätten, dass das Menschsein, insofern es im Intellekt ist, als ebendieses 39 [auch] außerhalb des Intellekts ist, so dass die 33 34
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Lit., „[es ist,] als ob“ (ka-annahŧ). Ich lese ka-mĂ fĮ l-aצyĂn anstelle von fa-lammĂ fĮ l-aצyĂn der Edition. Der edierte Wortlaut p. 80, l. 10 – p. 81, l. 1 ist sinnlos. Rashed schlägt vor, fa-lammĂ fĮ laצyĂn beizubehalten, ändert dafür aber den Satz an zwei anderen Stellen; cf. Rashed, Ibn צAdĮ et Avicenne, p. 125. Zu lesen ist kĂna hĂdhĂ amran anstelle von kĂna hĂdhĂ amrun der Edition. Alternativ ist in Erwägung zu ziehen, hĂdhĂ amkanu an yakhfĂ („dies kann sehr leicht verborgen bleiben“) anstelle von hĂdhĂ amr kĂna yakhfĂ der Handschriften zu lesen. Ich folge Rashed und lese yaqŧlu anstelle von naqŧlu der Edition und taqŧlu in ms. B. Ich folge Rashed und lese fa-yaͧΥulu anstelle von fa-yuͧaΥΥalu der Edition. Ich lese mawjŧdatun khĂrijatun anstelle von mawjŧdan khĂrijan der Edition, das sowohl semantisch als auch syntaktisch problematisch ist. Ich folge dem Vorschlag Ahmad Hasnawis (cf. Rashed, Ibn צAdĮ et Avicenne, Anm. 45), bi-צaynihĂ anstelle von ba͏צuhĂ („partiell“) der Edition zu lesen.
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Peripatetiker es auf sich nehmen mussten, dies zu widerlegen und zurückzuweisen 40 ? Dies nun ist die Lehre [dieses] Mannes, und er meint, dass er dies von Euch übernommen habe und Eure Lehre evident und Konsens [der Gelehrten] sei. * * * Das, wozu ich neige und was ich lehre, [ist dies] 41 : Das Menschsein als Seiendes (al-insĂniyya al-mawjŧda) ist Vieles, nicht ein einziges Wesen, und entsprechendes [gilt für] Lebewesensein als Seiendes (al-ͧayawaniyya almawjŧda). [Menschsein und Lebewesensein sind aber] nicht eine Vielheit, die [nur] dadurch ensteht 42 , dass man unterschiedliche Relationen in Betracht zieht. Vielmehr ist das Wesen des mit den Eigentümlichkeiten Zayds verbundenen Menschseins ein anderes als das Wesen des mit den Eigentümlichkeiten Amrs [verbundenen] Menschseins. Es handelt sich also um zwei Menschsein, ein Menschsein, das mit den Eigentümlichkeiten Zayds verbunden ist, und ein Menschsein, das mit den Eigentümlichkeiten Amrs verbunden ist. Unter den seienden [Dingen] gibt es nicht ein einziges, [die beiden] umfassendes Menschsein 43 . Ebenso ist das Lebewesensein, welches mit der differentia specifica des Menschen verbunden ist, verschieden von dem Lebewesensein, welches mit der differentia specifica des Pferdes verbunden ist. [Dabei handelt es sich] nicht [um] eine Verschiedenheit qua [Verschiedenheit] der Verbindung, [derart, dass] es ein einziges Lebewesensein gäbe, das [auf verschiedene Weise] in Relation zu der differentia specifica des Pferdes und in Relation zu der differentia specifica des Menschen gesetzt wird, so wie jener Weise meint, dass ein einziges Lebewesensein mit entgegengesetzten differentiae specificae verbunden sei. Ich behaupte vielmehr, dass das Lebewesensein jedes der beiden als ein anderes Wesen existiert 44 . Weiter behaupte ich, dass die Bedeutung von „Die existierenden Lebewesen sind Eines“ darin besteht, dass sie Eines 40
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Ich lese naq͏a dhĂlika wa-ibĂץahŧ anstelle von naq͏a dhĂlika wa-anĂ li-llĂh der Edition. Ms. B hat nur naq͏a dhĂlika, ms. C liest Ϫϴ̑Ύϧϭ ϚϟΫ ξϘϧ. Einige Sätze dieses und des folgenden Absatzes zitiert Mull דadr, al-ͦikma almutaצĂliya fĮ l-asfĂr al-צaqliyya al-arbaצa, vol. 1, p. 274. Ich vermute, dass tukawwanu anstelle von yakŧnu der Edition zu lesen ist. Yakŧnu (auch bei Mull דadr) ist mit Sicherheit falsch; vielleicht ist takŧnu („die darin besteht, dass...“) zu lesen. Ich lese insĂniyyatun wĂͧidatun jĂmiצatun anstelle von wĂͧidatu l-insĂniyyati jĂmiצatun der Edition (Mull דadr zitiert diesen Satz nicht). Lit., „ein anderes Wesen im Sein ist“ (dhĂtun ukhrĂ fĮ l-wujŧd).
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hinsichtlich der in der menschlichen Seele festgelegten Definition sind 45 . Das Lebewesensein nun entspricht 46 in dem Sinne jedem der beiden, wie jedes der 84 beiden sich zu seiner Definition verhält 47 . Wenn man mir nun entgegenhält, wie denn diese eine Definition beiden entsprechen könne 48 und wie aus einer Vielheit eine Definition abzuleiten sei, so entgegene ich [dies]: Das sind zwei [verschiedene] Fragen. Was die erste [Frage] angeht, so [gilt dies deshalb], weil die Definition wahrheitsgemäß von jedem der beiden ausgesagt werden kann. Zur zweiten Frage [ist zu sagen], dass die Bedeutung der Definition aus einem einzigen Individuum [einer Vielheit] hervorgehen kann, sofern es [nur] in das Vorstellungsvermögen eingeprägt ist, so dass das rationale Vermögen seine akzidentellen Konkomitanten 49 abschälen und [seine] intelligible Form erfasst werden kann. [Wenn] dann irgendein Individuum, welches dem Intellekt als etwas auf diese Weise Abgeschältes präsentiert wird 50 , [diesen] keine andere intelligible Form erwerben lässt, und [wenn] die Disposition des einen Individuums der des anderen entspricht (abgesehen davon, dass das, woraus [die intelligible Form] erworben wurde, zufällig schon vorher im Vorstellungsvermögen und im Geist konzeptualisiert worden war) — was sich so verhält, von dem sagt man, dass es eine Definition habe. Wenn sich aber so etwas wie die Form eines individuellen Pferdes dem 85 Geist präsentiert, nachdem die Quiddität von Menschsein [bereits] in die Seele eingeprägt ist, und [wenn] dann [dort] die Akzidenzien der [individuellen Form] abgeschält werden, so dass die Quiddität des [Pferdes] zu etwas erworbenem [Intelligiblen] wird, welches sich von dem zuvor Erworbenen 45
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Ich lese mit ms. B wĂͧidan bi-l-ͧaddi l-mutaqarriri fĮ l-nafsĮ l-insĂniyya anstelle von wĂͧidan bi-l-ͧaddi inna/anna l-ͧadda l-mutaqarrira fĮ l-nafsĮ l-insĂniyya der übrigen mss. und der Edition. Anna l-ͧadd ist eine Verschreibung, die durch die irrtümliche Verknüpfung des Alifs am Ende von wĂͧidan mit dem folgenden bi-lͧadd entstanden ist. Die Lesart bi-l-ͧaddi i/anna l-ͧadd entstand durch die Interpolation einer marginalen oder interlinearen Korrektur dieser Verschreibung. MuίĂbiqun ed. YrshՈir, vermutlich ist entweder muίĂbiqatun oder tuίĂbiqu zu lesen. Zu lesen ist nisbatan ilĂ nisbati kulli wĂͧidin minhumĂ li-ͧaddihĮ anstelle von nisbatan ilĂ kulli wĂͧidatin minhumĂ wĂͧidatan der Edition. Die komplizierte Diktion hat die Kopisten verwirrt. Diese haben entweder nisbatan ilĂ oder ilĂ nisbati statt nisbatan ilĂ nisbati geschrieben. Kulli wĂͧidin ist korrekt in mss. A und C überliefert, von YrshՈir aber falsch nach ms. B ediert. Die Verschreibung von li-ͧaddihĮ in wĂͧidatan lässt sich leicht aus dem Schriftbild erklären, zumal die Kopisten den gesamten Satz nicht verstanden haben. Ich lese lahumĂ anstelle von lahĂ der Edition. Ich lese lawĂͧiqahu l-צĂri͏ata anstelle von lawĂͧiqahĂ l-צĂri͏ata der Edition. Ich lese צar͏uhŧ anstelle von צara͏ahĂ der Edition.
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unterscheidet — was sich so verhält, von dem sagt man, dass es etwas anderes sei und eine andere Definition habe. Es kann sich [mit der zweiten Frage] aber auch so verhalten, wie der [Weise zu lehren] wünscht, i. e. derart, dass diese intelligible Form nur aus einer Vielheit etabliert wird, wenn diese sich dem Geist präsentiert. Dies jedoch nicht so wie er meint, [also] derart, dass 51 in dieser Vielheit ein Menschsein zu finden wäre, das numerisch eines ist und Eines bleibt, wenn die Akzidenzien abgeschält werden, welches [dann] die intelligible Definition wäre. Vielmehr [verhält es sich damit] anders, nämlich derart, dass der Intellekt in Bezug auf jedes [von zwei] Individuen [zunächst] ein je anderes Menschsein für wahr hält 52 . Wenn dann [im Intellekt] die Akzidenzien verschwinden, können diese [je anderen Menschsein] nicht mehr ein Vieles im Intellekt bleiben 53 . Vielmehr verschwindet diese Vielheit und die Bedeutung von Menschsein wird als ein Eines [in den Intellekt] eingeprägt, obwohl es zuweilen den Anschein haben mag, dass es eine zu einer einzigen Sache vereinigte Dreiheit sei 54 , oder dass 55 [man] in seiner Seele die Form eines [Menschseins] 56 mit [unterschiedlichen] Relationen habe. Vielmehr hört dessen Form mit dem Verschwinden der Akzidenzien auf zu existieren. Denn jede einzelne dieser [individuellen Formen], sofern es sie [überhaupt] gibt, existiert ihrem Wesen nach [nur] zusammen mit dem, was mit ihr verbunden ist. Erst wenn die beiden [individuellen Formen] vernichtet sind 57 , bleibt die Definition in einem zweiten [Schritt]. Allerdings liegt hier ein weiteres Problem, denn [entweder] scheint es sinnvoll, nicht zu konzedieren, dass der Intellekt das Individuum qua Individuum denkt 58 , sondern [zu behaupten], dass die Form der Individuen dauerhaft im Vorstellungsvermögen ist, und dann in der Seele die Form des 51
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Ich lese צalĂ mĂ yaqaצu צinda ka-annahŧ anstelle von Ϫϣ ϙΪϨϋ ϊϘϳ Ύϣ ϰϠϋ (ms. A, YrshՈir), ήϣ ϙΪϨϋ ϊϘϳ Ύϣ ϰϠϋ (ms. C), ϭ ϙΪϨϋ ϊϘϳ Ύϣ ϰϠϋ (ms. B). YuΥĂdiqu in allen drei mss. Ich sehe keinen zwingenden Grund, dies durch yuΥĂdifu („in jedem Individuum ... antrifft/vorfindet“) zu ersetzen, wie von YrshՈir, p. 85, Anm. 10, vorgeschlagen. Ich lese tabqĂ anstelle von yabqĂ der Edition. Ich lese tuttaͧadu shayץan wĂͧidan anstelle von yattaͧidu shayץan wĂͧidan der Edition. Ich lese mit mss. A und C aw annahŧ anstelle von wa-annahŧ der Edition. Ich lese Υŧratu wĂͧidatin anstelle von Υŧratun wĂͧidatun der Edition. Ich lese fa-idhĂ baίalĂ innahŧ baqiya l-ͧadd. Ms. A liest anstelle ϰϘΑ Ϫϧϻ ϞτΑ ΫΎϓ ΪΤϟϭ, mss. B und C haben ΪΤϟϭ ϰϘΑ Ϫϧ ϻ ϞτΑ ΫΎϓ . Ich lese צasĂ an lĂ yusallama (an lĂ yusallama ms. B : lĂ yusallimu YrshՈir) anna (anna correxi : lahŧ YrshՈir) l-צaqla yaצqilu (yaצqilu correxi : taצqilu ms. B : biצaql YrshՈir) l-shakhΥa min ͧaythu shakhΥ.
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Appendix II
87 Begriffs (Υŧrat al-maצnĂ) auf eine Art und Weise entsteht, deren Erklärung, müsste man sie vorlegen, eine ausführliche Darlegung erfordert. Oder man konzediert, dass der Intellekt die Individuen je einzeln denkt 59 , derart, dass er, wenn die Eigentümlichkeiten der [Individuen] beseitigt sind, in Bezug auf jedes von ihnen „Menschsein“ denkt. Dieses ist dann 60 als ein und dasselbe [Menschsein] im Intellekt. Ich meine [dies so]: Ein Menschsein ist im Vorstellungsvermögen Zayds und ein anderes [Menschsein] ist im Vorstellungsvermögen Amrs. Dann wird von jedem der beiden 61 [individuellen Menschsein] die Verbindung fortgenommen, die zwischen ihm und den Eigentümlichkeiten [des Individuums] besteht, sowie [sein] Verhältnis zu den beiden Orten 62 . Diese bleiben also nicht selbst als etwas in die Seele Eingeprägtes bestehen, und es ist auch nicht so, dass eines der beiden mit dem anderen identisch wird. Vielmehr werden beide vernichtet, jedoch nicht [so, dass] mit deren Vernichtung auch die Form von Menschsein im Intellekt vernichtet wird. Diese ist also seine Definition 63 , und zu [ihrer] Erlangung ist ein einziges Individuum hinreichend. Bedürfte sie [nämlich mehrerer] Individuen, so könnte es passieren, dass bei der Vernichtung des einen Menschseins 88 während der Abschälung [der Akzidenzien] eine Definition von Menschsein in die Seele [Zayds] eingeprägt wird, die nicht mit dem intelligiblen Menschsein identisch ist 64 , welches in dem Individuum Amr 65 ist; ja gewiss [wäre dem so]! Ich sage dazu [Folgendes]: Die Bedeutung von Menschsein und von Lebewesensein sind in einem anderen Sinne 66 [je] Eines, und zwar [wie folgt]: Existierte nicht eine Vielheit von Substraten oder differentiae specificae, [so] könnte dieses intelligibile nicht in eine Vielheit im Sein unterteilt werden. Vielmehr hätte diese intelligible Form [gar] kein Sein, wenn die Vielheit der Substrate und differentiae specificae aufhört [zu existieren] derart, dass es überhaupt keine Vielheit gibt. Oder das, was von diesem [intelligibile] existiert, 59
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Ich folge dem Vorschlag YrshՈirs und lese yaצqilu anstelle von taצqilu ms. B und yughfilu mss. AC, ed. YrshՈir. Ich lese mit ms. B thumma hiya anstelle von ϲϫ Ϣϟ der Edition. Vermutlich ist minhumĂ anstelle von minhĂ der Edition und maצahĂ in ms. B zu lesen. I.e., zu den beiden Vorstellungsvermögen Zayds und Amrs. Ich lese wa-l-nisbatu li-l-maw͏iצayni anstelle von wa-l-nisbatu l-maw͏iצayn der Edition. Ich lese ͧadduhĂ anstelle von ͧadduhŧ der Edition. Ich lese laysa huwa צayna l-insĂniyyati l-maצqŧla anstelle von laysa huwa צani linsĂniyyati l-maצqŧla der Edition. FĮ shakhΥi צAmr. Zu erwarten wäre fĮ nafsi צAmr („in der Seele Amrs“). Ich lese mit ms. B iצtibĂran Ăkhara anstelle von iצtibĂr Ăkhar der Edition.
Ibn SÁns „Brief an die Gelehrten in Baghdd“
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müsste mit diesem koinzidieren und dasselbe sein, was aber auf den individuellen Menschen und das individuelle Pferd nicht zutrifft. Denn wenn wir uns vorstellen, dass es keine Vielheit von Substraten gibt 67 , dann hat das, was davon 68 intelligibel ist, entweder [gar] keinen Bezug zu Seiendem oder [sein Bezug] ist kein Bezug zu [Dingen,] die existieren müssen 69 . Folglich hängt es nicht nur vom Zusammentreffen 70 einer Vielheit von Substraten ab, ob der intelligiblen Form 71 ein Bezug zu einer existierenden Vielheit 72 entsteht, sondern auch davon, dass ihr nicht ein Bezug zu einem Einen Selbigen eignen kann. Weiter sage ich [dies]: Wenn man sagt, dass den vielen Individuen eine Definition eignet, und mit „Definition“ ein Erkenntnisinhalt gemeint ist, so bedeutet dies nicht, dass in dieser Welt nur eine einzige Definition 73 für diese 74 existiert. Vielmehr eignet ihnen in jeder [einzelnen] Seele eine Definition, die [von der Definition in einer anderen Seele] numerisch verschieden ist. Zu sagen, etwas habe eine Definition, [kann] sich auf einen Menschen und auf eine Form beziehen 75 . Denn eine Form in der Seele ist in dieser Seele eine Definition für all diese [vielen Individuen], welche ihrer Formen auch immer man als die [Form] annimmt, die der Abstraktion 76 der Akzidenzien und der Bildung [des Konzepts] einer Quiddität, welche in das Wesen der Seele eingeprägt wird 77 , vorausgeht 78 . Das, was von ihr eingeprägt 67
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Cf. IlĂhiyyĂt V.1, p. 195, wo Ibn SÁn das heptagonale Haus als Beispiel für ein imaginatives Universale anführt. Die Vielen, von welchen dieses Universale potentialiter prädizierbar ist, existieren entweder gar nicht oder nicht notwendig (cf. Anm. 69). Ich lese mit ms. B minhĂ anstelle von minhumĂ der Edition, i.e. von der nicht oder bloß potentiell existierenden Vielheit. Ich lese aw takŧnu nisbatan ilĂ l-mawjŧdĮna lĂ maͧalata anstelle von aw yakŧnu nisbatun ilĂ l-mawjŧdĮna lĂ maͧalata der Edition. Cf. IlĂhiyyĂt V.1, p. 195, laysa yajibu an yakŧna ŧlĂץika l-kathĮrĮna lĂ maͧalata mawjŧdĮna („it does not follow necessarily that these many must exist“, übers. M. Marmura, p. 148). Oder: vom zufälligen Sein ?, ittifĂq. Ich lese li-l-Υŧrati l-maצqŧlati anstelle von li-Υŧratihi l-maצqŧlati ms. A, YrshՈir, bi-Υayrŧratihi l-maצqŧla ms. B, li-Υayrŧrati l-maצqŧla ms. C. Lit. „zu einer Vielheit im Sein“ (ilĂ kathratin fĮ l-wujŧd). Ich lese illĂ wa-ͧaddun wĂͧidun. YrshՈir ediert ΪΣϭ ΪΣϭ ϻ˷ und merkt an, dass anstelle von ΪΣϭ ͧadd zu lesen sei. Koordinierte Umstandssätze können jedoch auch nach illĂ durchaus mit wa- angeschlossen werden. Zu lesen ist entweder lahĂ oder li-hĂdhihĮ anstelle von li-hĂdhĂ der Edition. Cf. IlĂhiyyĂt V.2, p. 209f. Zu lesen ist tutajarrada anstelle von yutajarrada der Edition. Zu lesen ist tanίabi צu anstelle von yanίabi צu der Edition. Cf. IlĂhiyyĂt V.1, p. 205.
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wird, ist ebendiese [eine Definition]; und diese Beziehung [zwischen quidditativer Form und individuellen Formen] existiert für jedes einzelne Individuum. Betrachten wir aber ihre Beziehung zu verschiedenen Seelen, so eignet ihr in jeder Seele eine [numerisch] andere Definition. So also stellt sich das Problem dar, welches zwischen <mir und> 79 jenem Weisen bei der Verifikation seiner eigenen Lehre zutage trat. Dieses Schreiben habe ich am Freitag nach Baghdd abgesandt. Unendlicher Preis sei dem, der Güte und Intellekt schenkt, dem [wahren] Schenker! Schluss [des Briefs].
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bayna, ed. YrshՈir.
Appendix III דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ Al-ͦikma al-mutaצĂliya fĮ l-asfĂr al-צaqliyya al-arbaצa, Maslak I: Marԉala 4, Faהl 9 „Verifikation der Platonischen Formen und Urbilder“ Übersetzung nach der arabischen Edition von Ri˯ę al-MuΜaffar und Ri˯ę LuͶfŅ, unter Hinzuziehung von ms. Qum, Kitębkhęna-i ֢UmſmŅ 6136 und ms. Paris, Bibliothèque nationale Ar. 6819.
Vorbemerkung דadr al-DÁn al-ShÁrzÁs Opus magnum, al-ͦikma al-mutaצĂliya fĮ l-asfĂr al-צaqliyya al-arbaצa, gliedert sich in vier Hauptabschnitte: (i) die Erste Philosophie, (ii) die Wissenschaft von Gott und seinen Attributen, (iii) die Wissenschaft von Gottes Schöpfung und Wirken in dieser Welt, (iv) die Wissenschaft von der Seele und ihrer jenseitigen Rückkehr zu Gott. Die Erste Philosophie (i), die דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ auch Universale Wissenschaft nennt, ist wiederum in elf Bereiche mit spezifischen Untersuchungsgegenständen unterteilt: (1) die fundamentalen Konzepte: Sein, Notwendigkeit, und Kontingenz, (2) die Prädikationsweisen von Sein, Nichtsein, Notwendigkeit und Möglichkeit, (3) das Verhältnis zwischen Wesenheit (Quiddität) und Sein, Notwendigkeit und Kontingenz, (4) Wesenheit und ihre logischen und ontologischen Eigenschaften (Individuation, Universalität, Partikularität, etc.), (5) Eines und Vieles und ihre Konkomitanten (Selbigkeit, Verschiedenheit, Gegensatz, etc.), (6) Ursache und Wirkung, (7) Potenz und Akt, (8) Bewegung, Veränderung, Entstehen und Vergehen,
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Appendix III
(9) Früher und Später, (10) Wissen, und (11) die (aristotelischen) Kategorien des Seins D . Bei dem unten übersetzten Abschnitt handelt es sich um das neunte und letzte Kapitel von Teil 4 der Ersten Philosophie (i). Nachdem דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ in den vorangehenden acht Kapiteln dieses Teils die Wesenheit (mĂhiyya) als solche sowie die Konzepte von Universalität, Partikularität, Individuation, Gattung, Art, differentia specifica, Form und Materie untersucht hat, widmet er sich in diesem Kapitel ausschließlich der Frage, ob und wie Platonische Formen und Urbilder existieren. Seine Hauptquellen sind die dem Aristoteles zugeschriebene und in ihrer Authentizität von דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ nicht angezweifelte Theologia Aristotelis, sodann (Ps.-?)al-FrbÁ, al-Jam צbayna raץyay alͧakĮmayn, Avicenna, al-SuhrawardÁ und MÁr Dmd. דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ folgt im Wesentlichen al-SuhrawardÁ darin, dass Platonische Formen Intellekte oder luminöse noetische Entitäten des kosmos noêtos sind, differenziert aber deutlicher als jener zwischen deren Sein und deren Wirken. Ihrem Sein nach sind Platonische Formen durch-sich-subsistierende, vollkommene Entitäten, ihr auf die Arten und deren Individuen gerichtetes Wirken lässt hingegen Abstufungen der Vollkommenheit, ein Mehr oder Weniger, Früher oder Später, etc. zu und bedarf daher eines Ortes oder Substrats der Inhärenz. Dieses kann ein materielles Substrat wie die materielle Art oder ein immaterielles Substrat wie der Intellekt qua Ort der Universalbegriffe sein. Die Urbildlichkeit dieser Formen besteht darin, dass ihrem Sein und ihrem Wirken ein und dieselbe Wahrheit oder Wirklichkeit (ͧaqĮqa) zugrunde liegt, die aber nur in ihrem über das Sein hinausgehenden Wirken partizipierbar ist. Deshalb gibt es von dieser Wirklichkeit keinen univoken Begriff. Die folgende Übersetzung basiert auf der neunbändigen Edition von M. Riӱ al-Muծaffar und Riӱ LuՈfÁ, Qum 1378-83/1958-63, die ich in der fünften Auflage (Bayrʗt: Dr IԉyΊ al-Turth al-ArabÁ, 1419/ 1999) benutzt habe. Das übersetzte Kapitel steht in Band II, p. 46, l. 9 – p. 81, l. 16. Vom Übersetzer eingefügte Wörter und Explikationen der durch Pronomina und Verbalformen bloß implizierten Begriffe sind zwischen eckige Klammern gesetzt. Auslassungen in Zitaten Mull D
Vgl. meinen Versuch über die Struktur dieses Werks, „The Structure of Mull דadr’s al-ͦikma al-MutaצĂliya fĮ l-AsfĂr al-צAqliyya al-Arbaצa and His Concepts of First Philosophy and Divine Science. An Essay”, Medioevo 32 (2007), 199-239.
Mull דadr: „Verifikation der Platonischen Formen“
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דadrs sind durch [...] gekennzeichnet. Zu Korrekturzwecken wurden die Editionen der zitierten Texte sowie die beiden folgenden Handschriften von Mull דadrs Werk herangezogen:
SIGLA Q
Ms. Qum, Kitbkhna-i UmʗmÁ-yi Ԉaӱrat-i ¬yatullh alUծm MarashÁ NajafÁ 6136 (foll. 171b-184b)
P
Ms. Paris, Bibliothèque nationale Ar. 6819 [R 82536] (foll. 88a96a)
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דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ Al-ͦikma al-mutaצĂliya fĮ l-asfĂr al-צaqliyya al-arbaצa, Maslak I: Mar·ala 4, Faυl 9
„Verifikation der Platonischen Formen und Urbilder“ Von dem göttlichen Platon wird berichtet, dass er, in Übereinstimmung mit seinem Lehrer Sokrates, „in vielen seiner Aussprüche gelehrt habe, dass die existierenden Dinge abgetrennte Formen 1 in der göttlichen Welt haben, die er zuweilen ,göttliche Urbilder‘ nenne. [...] Diese seien nicht der Unbeständigkeit und Vergänglichkeit unterworfen, sondern ewig. Das Unbeständige und Vergängliche seien vielmehr 2 nur die existierenden Dinge, die werden.“
In der Metaphysik des [KitĂb] al-ShifĂ ץerklärt „der Meister“ [Ibn SÁn]: „Einige waren der Meinung, dass die Einteilung [in sensitive und intelligible Erkenntnisinhalte] zu [der Annahme] zwinge, dass in jedem Ding zwei Dinge existieren, zum Beispiel zwei Menschen in dem, was Menschsein ist, ein vergänglicher, sinnlicher Mensch und ein intelligibler, abgetrennter, ewiger und unveränderlicher Mensch. Jedem der beiden wiesen sie eine Existenz[weise] zu und nannten die abgetrennte Existenz[weise] ,urbildliche Existenz‘. Jedem einzelnen natürlichen Ding wiesen sie eine [solche] abgetrennte Form zu, die das sei, was der Intellekt [von ihm] aufnehme. Denn das Intelligible sei etwas Unvergängliches, während alles, was von diesen [Dingen] wahrnehmbar ist, vergänglich sei. Sie 3 konzipierten die Wissenschaften und die Beweise so, dass sie auf diese [Intelligibilia] gingen und diese erfassen. Es war ein bekannter [Umstand], dass Platon und sein Lehrer Sokrates diese Ansicht in einer extremen Form vertraten und lehrten, dass dem Menschsein etwas (maצnan) eigne, das als Eines existiert, an 4 dem die Individuen partizipieren und das nach deren Vergehen fortbesteht, und dass dieses nicht etwas Sinnliches, Vielfältiges und Vergängliches sei. Folglich sei es etwas Abgetrenntes, Intelligibles. (Ende [des Zitats])“ 5
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Ich lese mit ms. P Υuwaran mujarradatan anstelle von Υuwarun mujarradatun der Edition und Υuwaran mujarradan in ms. Q. Ein Zitat von (Pseudo?) al-FrbÁ, L’armonia delle opinioni dei due sapienti, p. 68, l. 15 – p. 69, l. 3 (mit geringfügigen Auslassungen). Ich lese mit mss. PQ (und Ibn SÁn) wa-jaצalŧ anstelle von wa-jaצalŧhĂ der Edition. Ich lese mit ms. P und dem avicennischen Text fĮhi anstelle von fĮhĂ der Edition. Cf. Ibn SÁn, KitĂb al-ShifĂץ: al-IlĂhiyyĂt VII.2, p. 310, l. 14 – p. 311, l. 8. Vgl. dazu auch oben, pp. 85 ff., und MÁr Dmds Interpretation dieses Abschnitts, p. 195f.
Mull דadr: „Verifikation der Platonischen Formen“
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Lasst uns also, mit Gottes Hilfe und Unterstützung, zunächst darlegen, in welchen Weisen diese Worte [Platons] interpretiert wurden und was an den einzelnen Interpretationsweisen jeweils auszusetzen ist, um dann das [vorzubringen], was wir für die wahre Verifikation der abgetrennten Formen und Urbilder halten. Wir sagen: „Der Meister“ [Ibn SÁn selbst] hat [Platons] Worte dahingehend interpretiert, dass für jedes Ding eine von den Konkomitanten abgetrennte, für Gegensätze empfängliche Quiddität existiert. Es kann [jedoch] kein Zweifel darüber bestehen, dass Platon, zu dessen Schülern ein so bedeutender Mann wie „der Erste Lehrer“ 6 gehörte, darüber erhaben war, dass man ihn für unfähig halten könnte, zwischen Abgetrenntheit hinsichtlich des intellektualen Begriffs (bi-ͧasabi צtibĂri l-צaql) und Abgetrenntheit hinsichtlich des Seins zu unterscheiden, oder zwischen [(i)] der Quiddität unter völliger Absehung von ihrer Verbindung mit [oder Abgetrenntheit von] etwas und [(ii)] der Quiddität unter der Bedingung, dass sie nicht mit etwas verbunden ist, [zu unterscheiden], oder [dass man ihm zur Last legt], den Begriff des Einen (alwĂͧid bi-l-maצnĂ) mit dem Einen der Zahl nach und dem Sein nach 7 vermischt zu haben, so dass aus dem [Umstand, dass] ,Menschsein‘ Eines dem Begriff nach ist, folgte, dass es der Zahl nach oder dem Sein nach Eines wäre und als ebendieses in den Vielen existierte, oder 8 [dass man ihm zur Last legt], ignoriert zu haben, dass man, wenn der Mensch gemäß seiner Wesensdefinition nicht [auch] etwas von den Akzidenzien (wie Einheit und Vielheit) ist, lehren müsste, dass der Mensch qua Mensch ein einziger und ewig sei, oder andere widersprüchliche Lehren über seine Definition ins Auge fassen müsste, oder [dass man ihm] die Ansicht [zuschreibt], unsere Aussage „Der Mensch existiert ewig“ bedeute, dass ein und dasselbe Menschsein ewig sei. Wie [kann man dies Platon zur Last legen]? — Ist doch der Unterschied zwischen diesen Dingen und die Differenzierung dieser Bedeutungen nicht einmal den durchschnittlich [begabten] Seelen unter den Anfängern im Unterricht der Geisteswissenschaften verborgen, von jenen Geistesgrößen gar nicht zu reden! „Der Zweite Lehrer“ 9 sagt in [seinem] Buch Die Harmonie der Lehren Platons und Aristoteles’, dass es Hinweise darauf gebe, dass den existierenden Dingen in dem Wissen Gottes, des Erhabenen, ewige, unwandelbare und 6 7 8 9
I. e., Aristoteles. „Und dem Sein nach“ (wa-l-wujŧd) om. mss. PQ. Ich lese mit mss. PQ aw anstelle von wa der Edition. I. e., al-FrbÁ.
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unveränderliche Formen eignen 10 . Und einer der rezenten [Philosophen] erklärt dies [wie folgt] 11 : In der sinnlichen Welt existieren sinnliche Dinge, zum Beispiel der Mensch zusammen mit seinem stofflichen Substrat und seinen spezifischen Akzidenzien, also der natürliche Mensch. Will man das verifizieren, was der Mensch ist, muss man sein Wesen an sich betrachten, ohne dabei das zu berücksichtigen, was mit ihm an Einheit, Vielheit und anderen zu dem Menschsein hinzutretenden Akzidenzien vermischt ist. Dies ist die Bedeutung, die von den vielen [Menschen], dem Zayd und dem Amr etc., prädiziert wird, also der von den extramentalen Akzidenzien abgetrennte Mensch, der mittels der intellektualen Individuation ein Individuum bildet 12 . Wenn der Intellekt ,Mensch‘ von Zayd und von Amr aussagt, bezieht er sich zweifellos auf die von den extrinsischen Akzidenzien abgetrennte Bedeutung, die sogar von der Abgetrenntheit und Absolutheit [des Begriffs] abgetrennt ist. Diese Bedeutung ist also zweifellos etwas Existierendes. Was [die Frage] betrifft, ob diese Existenz extramental oder intramental ist, so müsste im ersten [Fall gelten], dass das Individuationsprinzip etwas Extramentales, Akzidentelles und dem Sein nach Späteres als die Quiddität sei. Also ist die zweite [Alternative als die richtige] zu bestimmen, das heißt, dass sie im Intellekt durch die intellektuale Individuation als etwas Individuelles derart existiert, dass es möglich ist, sich auf sie zu beziehen, ohne sich dabei auf ihre Individuation zu beziehen. In diesem Sinne ist sie eine Substanz, da sie in dieser einen Bedeutung von Substanzen prädiziert wird. Damit ist also die Existenz noetischer Substanzen in den Intellekten nachgewiesen, solcher Substanzen, die Quidditäten der extramental existierenden Dinge sind; und genau dies ist, was Platon lehrt. Wollte aber jemand einwenden, dass Platon doch bekanntermaßen nachgewiesen habe, dass noetische Substanzen qua universale Quidditäten 13 der extramentalen Individuen im [Bereich] der konkreten [Dinge] existieren, so entgegnen wir [dies]: Vielleicht meinte er mit konkreten [Dingen] die Intellekte, denn diese sind konrete [Dinge] für die sinnliche Welt 14 , während die sinnliche Welt nach seiner Ansicht nur ein Schattenbild von diesen ist (Ende des Zitats).
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Diese Interpretation ist sehr abwegig, denn das, was von Platon und den Alten und von der Kritik an deren Lehre durch die Anhänger Aristoteles’ überliefert ist, lässt darauf schließen, dass jene Formen extramental existie10
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Dies sagt (Pseudo?)al-FrbÁ nicht wörtlich, wohl aber sinngemäß, cf. L’armonia delle opinioni dei due sapienti, p. 71, und oben, pp. 67-69. Bei dem folgenden Abschnitt scheint es sich um ein Zitat zu handeln. Die Quelle konnte ich nicht ausfindig machen, doch entspricht die beschriebene Position recht exakt der Darstellung der anonymen „Abhandlung über die Platonischen noetischen Urbilder“, pp. 239-241. Ich lese al-mutashakhkhiΥu anstelle von al-mutashakhkhiΥati der Edition. MĂhiyyĂtun kulliyya, wie in ms. P, ist mĂhiyyĂtun kulliyyĂtun der Edition vorzuziehen. Ich lese li-l-צĂlam al-ͧissĮ anstelle von al-צĂlam al-ͧissĮ der Edition.
Mull דadr: „Verifikation der Platonischen Formen“
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ren [und] durch sich subsistieren, nicht in einem Substrat oder Gegenstand der Inhärenz. Auch wird berichtet, [Platon] habe gesagt: „Als ich [von meinem Körper] abgetrennt war, sah ich luminöse Himmelssphären“ 15 , und Hermes habe zu sagen gepflegt: „Ein spirituelles Wesen warf mir die Erkenntnisse zu. Ich fragte es, wer es sei, und es antwortete: ,Ich bin deine vollkommene Natur‘.“ 16 Würden ihre Worte nicht eindeutig darauf schließen lassen, dass es für jede Art ein abgetrenntes individuelles Seiendes in der [göttlichen] Welt der Schöpfung (צĂlam al-ibdĂ צ17 ) gibt, so wäre ihnen nicht zum Vorwurf gemacht worden, was al-FrbÁ berichtet, dass nämlich aus ihren Lehren folge, dass in den Intellekten „Linien, Flächen und Himmelssphären existieren müssten, sodann die Bewegungen und Rotationen dieser Himmelssphären, und dass dort [unterschiedliche] Wissenschaften existieren müssten, wie die Astronomie, die Musikologie, [die Theorie] der Tonsysteme, die Medizin, die Geometrie, [die Kunst der Vermessung] rektilinearer und sphärischer Ausdehnungen, [die Wissenschaft] von kalten und heißen Dingen und allgemein von den affektiven und rezeptiven Qualitäten, von Universalien und Particularia, von stofflichen Substraten und Formen, und andere Absurditäten.“ 18
Unser Meister und Lehrer, auf den wir uns in den Wissenschaften stützen (möge Gott seine Erhabenheit und seinen Ruhm erhalten!), sagt in einer seiner theoretischen Schriften [dies] 19 : „Es gibt zwei unterschiedliche Weisen des [göttlichen] Ratschlusses (qa͏Ă)ץ: den des [göttlichen] Wissens (צilmĮ) und den des konkreten [Seins] (צaynĮ). So wie es [auf den einen] zutrifft, dass damit die Evidenz in dem Wissen 20 [Gottes] und die Nachahmung (tamaththul) im kosmos noêtos gemeint ist, so trifft es [auf den anderen] zu, dass damit die Existenz in den konkreten Dingen gemeint ist. Wie wir dir bereits erklärt haben, ist die aktuale Unendlichkeit im [Bereich] der [göttlichen] Hervorbringung (al-qadar) unmöglich, nicht aber im [Bereich] des 21 [göttlichen] Ratschlusses . Denn der Herr über Ratschluss und Hervorbringung transzendiert das Unendliche und ist nicht unfähig, die gesamte Unend15 16 17 18
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Cf. Fußnote 437. Cf. al-SuhrawardÁ, KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt, Teil III, p. 464, l. 1f. Sic mss. PQ; al-צĂlam al-ibdĂ צin der Edition. Ein Zitat von (Pseudo?) al-FrbÁ, L’armonia delle opinioni dei due sapienti, p. 69, l. 5-9. Es folgt ein Zitat aus MÁr Dmd, al-Ufuq al-mubĮn, p. 444, l. 3 – p. 445, l. 3 (mit geringfügigen Auslassungen). „In dem Wissen“ (fĮ l-צilm) דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ, „durch das Wissen“ (bi-l-צilm) MÁr Dmd, al-Ufuq al-mubĮn, p. 444, l. 4. Ich lese mit ms. P und dem Wortlaut MÁr Dmds lĂ fĮ l-qa͏Ă ץanstelle von li-anna l-qa͏Ă ץder Edition.
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lichkeit zu umfassen, sei es als ein Ganzes oder in Bezug auf die einzelnen Teile [der Unendlichkeit]. Er ist der [All-]Umfassende, [All-]Wissende. Des Weiteren [haben wir bereits erklärt], dass 22 das, was im Bereich der ewigen Fortdauer existiert, dessen Sein Schritt für Schritt im Reich der veränderlichen Dinge zur aktualen Vollendung gelangt und das als vollendetes Verwirklichtes ewig und atemporal im Bereich der ewigen Fortdauer bleibt, quantitativ endlich sein muss, 22 gleich ob a parte ante oder a parte post. Und [wir haben erklärt], dass die materiellen Dinge nicht unter den [göttlichen] Ratschluss fallen, ich meine [die materiellen Dinge] nach der Realisierung ihrer stofflichen Substrate gemäß [ihrem] konkreten Sein im Bereich der ewigen Fortdauer und [ihrer] Präsenz als [kon23 kretes] Seiendes bei dem Herrn über Ratschluss und Hervorbringung, sondern dass sie und ihre stofflichen Substrate in dieser Hinsicht auf ein und derselbe Stufe stehen. Wenn du also von uns vernimmst, dass die materiellen Dinge nur im [Bereich] der [göttlichen] Hervorbringung und im Reich der Zeit materiell sind, nicht aber im [Bereich] des [göttlichen] Ratschlusses in der ewigen Fortdauer und in der dem Allwissenden [und] Wahren präsenten Realisierung [seines Ratschlusses], so begreife, dass wir damit meinen, dass das stoffliche Substrat nicht in dieser Weise des Seins früher ist, nicht [aber], dass das stoffliche Substrat dort abgetrennt und losgelöst wäre, derart dass das Materielle in einem anderen Sinne abtrennbar wäre. Sofern die temporalen existierenden Dinge unter den konkreten [göttlichen] Ratschluss fallen, das heißt, [sofern] sie im Bereich der ewigen Fortdauer verwirklicht sind, werden sie am treffendsten als ,konkrete Urbilder‘ oder ,[Urbilder] des [göttlichen] Ratschlusses‘ (al-muthul al-צayniyya aw al-qa͏Ăץiyya) und als ,existierende Formen‘ oder ,ewig fortdauernde [Formen]‘ bezeichnet. Sofern sie unter die [göttliche] Hervorbringung fallen, das heißt, [sofern] sie im Reich der Zeit realisiert sind, [werden sie am treffendsten] als ,konkrete Dinge des Werdens‘ (al-aצyĂn al-kawniyya) oder als ,durch [göttliche] Hervorbringung Werdendes‘ (al-kĂץinĂt al-qadariyya) [bezeichnet]. Dies ist ein Geheimnis, welches die Weisen unter den Wahrheitssuchern (al-ͧukamĂ ץmin ahl al-taͧΥĮl) in Allegorien (marmŧz) [beschrieben]; und ich bin überzeugt, dass „das 24 25 Vorbild der Griechen“ nichts anderes als dieses Geheimnis [meinte] . Aber die 26 Anhänger des Lehrers der Peripatetiker hatten eine schlechte Meinung von ihm, verließen sich auf das, was ihnen ihre Vermutungen suggerierten, waren nachlässig in [ihren] Forschungen, aber freigebig mit ihrer Diskreditierung der
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Ich lese mit dem Wortlaut MÁr Dmds wa-anna anstelle von wa-inna der Edition. Ich lese mit mss. PQ und dem Wortlaut MÁr Dmds wa-l-ͧu͏ŧri l-wujŧdiyyi anstelle von al-wujŧd Į der Edition. MÁr Dmd ergänzt: „der göttliche Platon“. Bei MÁr Dmd heißt es: „mit der Immaterialität der Formen und der herabhängenden Urbilder nichts anderes als dieses Geheimnis meinte“, al-Ufuq al-mubĮn, p. 444, l. 23f. Ich lese mit mss. PQ und MÁr Dmd muצallimi l-mashshĂץiyyati anstelle von almuצallim al-mashshĂץiyya der Edition.
Mull דadr: „Verifikation der Platonischen Formen“
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Platonischen Urbilder und der Auflistung ihrer Nachteile. Ihr ganzes Wirken zielte nur darauf ab, das Licht der Weisheit zu löschen und in Dunkelheit zu hüllen“ (Ende des Zitats).
Wir resümieren: Alle materiellen und temporalen Dinge, gleich ob an sich oder in ihrer Beziehung zueinander, bedürfen des Raums, der Zeit und der Dispositionen, die dazu führen, dass sie einander verdecken. Nichtsdestotrotz nehmen sie in Bezug auf das sie umfassende Wissen Gottes, des Erhabenen, welches ein überschauendes, beobachtendes, entdeckendes, vollkommenes und seiendes Wissen ist, ein und denselben Rang hinsichtlich der Beobachtung und dem Sein ein. Keines von ihnen geht dem anderen in dieser Hinsicht voraus. In ihrer Präsenz bei dem Wahren Ersten eignet ihnen also weder Novität noch Vergehen oder Entstehen. Also bedürfen sie in dieser [göttlichen] Beobachtung weder der materiellen Qualifikationen noch der korporellen Dispositionen. In dieser Hinsicht sind sie folglich genauso zu beurteilen wie die von Raum und Zeit abgetrennten Dinge, und nichts anderes als ebendies meinten die Alten mit den abgetrennten Urbildern, so dass man ihnen die bekannten unwillkommenen und widrigen [Folgen] nicht entgegenhalten kann. Du magst nun [Folgendes] sagen: Angenommen man konzediert, dass für die werdenden Individuen, die nicht anders als materiell existieren, gilt, dass sie in einem anderen Sinne abgetrennt sind, so kann dennoch kein Zweifel daran bestehen, dass sie in ihren Existenzweisen vielfältig sind. Doch von den Platonikern wird überliefert, dass aus [dem Umstand], dass für jede korporelle Art ein ewiges abgetrenntes Individuum [existiert], ebenso auf die Einheit der [werdenden Individuen] zu schließen sei wie auf deren Abgetrenntheit zu schließen ist. — [Aber] wie [könnten sie das behauptet haben]? Ist doch die Abgetrenntheit zugleich Voraussetzung der Einheit, wie [andernorts] bewiesen wurde. Ihre Worte in diesem Sinne auszulegen, ist völlig abwegig. Andere interpretieren die Platonischen Urbilder als „herabhängende Entitäten“, die Teil der „Welt des Urbildes“ sind. Dies ist angesichts des Vorangegangenen auch nicht korrekt, zum einen [deshalb], weil diese Gelehrten, die von „herabhängenden Urbildern und Erscheinungsformen“ sprechen, [daneben] auch [die Existenz] der Platonischen Urbilder lehren. Zum anderen, weil diese Urbilder etwas Luminöses, Prächtiges und Statisches in der Welt der noetischen Lichter sind, während jene „herabhängenden Erscheinungsformen“ Wesen mit korporellen Dispositionen sind, teils verschattet, so dass sie den Elenden Leid bringen, also hässliche schwarzgraue Formen 27 , deren Anschauung die Seele verletzt, teils erleuchtet, so dass 27
Ich lese Υuwar sŧd wurq anstelle von ϕέϭΫ Ϯγ έϮλ der Edition und ϕέί ΩϮγ έϮλ („bläulich-schwarze Formen“) in mss. PQ.
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die Glücklichen sich ihrer erfreuen, also schöne, glänzende, strahlend-weiße Formen wie eine wohlbewahrte Perle. 53 Der von Platon und dessen Lehrern und den [alten] Persern faszinierte „Gottsucher und Meister“ [al-SuhrawardÁ] kam, diesen zustimmend, zu der Ansicht, dass es für jede einfache himmlische und materielle Art und alle daraus zusammengesetzten pflanzlichen und animalischen [Dinge] je einen von der Materie abgetrennten Intellekt gebe, durch den die Wahrheit (ͧaqq) dieser Art bewahrt werde und der „der Herr und Meister“ dieser Art sei. Zu deren Nachweis argumentiert er auf unterschiedliche Weisen: Erstens: Im [KitĂb al-MashĂri צwa-] al-MuίĂraͧĂt erwähnt er, dass die vegetativen Kräfte, die zu den [Kräften] der Nahrungsaufnahme, des Wachstums und der Fortpflanzung gehören, Akzidenzien sind, [und zwar] entweder, wie die Alten meinen, indem sie irgendeinem Substrat inhärieren, oder, wie die rezenten [Philosophen] meinen, indem sie einem Substrat inhärieren, das ihrer entbehren kann, weil die materiellen Formen für die Etablierung der Existenz der Materie ausreichen (andernfalls wäre es nicht richtig, von einer Existenz der materiellen und aus [unterschiedlichen] Stoffen gemischten Dinge zu sprechen). Wenn die[se] Formen für die Etablierung [der Existenz] der Materie ausreichend sind, müssen die drei genannten Kräfte Akzidenzien sein, und wenn diese Kräfte Akzidenzien sind, ist ihr Substrat entweder der pneumatische [Lebens]geist oder die Körperorgane. Ist es der Geist, der sich in ständiger Fluktuation und Veränderung befindet, so müssen sich auch die [ihm] inhärierenden Kräfte mit der Veränderung der Orte seiner Inhärenz 28 [ständig] verändern. Sind es aber die Körperorgane, so gibt es darunter keine, die nicht von der Körperwärme, sei diese nun angeboren oder 54 von außen [zugeführt], beherrscht werden. Da nun die pflanzlichen Körper Feuchtigkeit und Hitze enthalten und es in der Natur der [Hitze] liegt, die Feuchtigkeit aufzulösen, sind diese Teile in ständiger Veränderung und Fluktuation. Wird ein Teil des inhärierten Substrats zerstört, so wird [auch] die darin befindliche Kraft zerstört. Das aber, was fortbesteht, wird durch die Zufuhr von Nahrung verändert. Folglich kann das, was die Mischung in [ihrer ständigen] Veränderung bewahrt und über einen gewissen Zeitraum erhält, nicht die Kraft [selbst] oder die vergänglichen [Körper]teile sein, denn das, was nicht ist, kann keine Wirkung [auf das Seiende] ausüben. Ebensowenig können die Kraft und die [Körper]teile, die erst danach entstehen werden, das die [Mischung] Erhaltende und Bewahrende sein, da sie nur aufgrund der Mischung existieren. Sie sind dieser also nachgeordnet, und das Nachgeordnete erhält nicht das Ursprüngliche. Da die nutritive Kraft zum Zweck der Aufnahme von Nahrung in dem sie aufnehmenden [Körper] Hohlräume schafft, sind [des Weiteren] unterschiedlich ausgerichtete Bewe28
Ich lese maͧĂllihĮ anstelle von maͧĂllihĂ der Edition.
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gungen für die aufgenommene [Nahrung] und den aufnehmenden [Körperteil] notwendig, sowie die Auffüllung der hierfür hergestellten Hohlräume mit Nahrung und deren Verbindung mit [Körper]teilen von unterschiedlicher Quiddität und Lage. Derartige vielfältige Wirkungen einschließlich ihres wundersamen Zusammenspiels, der wunderbaren, vollkommenen Ordnung, der trefflichen Dispositionen und der zweckmäßigen Planung können nicht aus der Natur einer Kraft hervorgehen, die der Erkenntnis unfähig ist. Nun haben Pflanzen und Tiere keinen [fortwährenden] Bestand in sich [selbst]; und die Ansicht, Pflanzen hätten eine abtrennbare, verwaltende Seele, ist nicht wahr (wäre dem so, wäre sie vergeudet, unwirksam und auf ewig ohne Aussicht auf Vervollkommnung, was absurd ist). Und weiter, die Kraft, die die [rezenten Philosophen] als Vorstellungsvermögen bezeichnen, ist eine unzusammengesetzte Kraft. Wie könnte aus ihr die Konzeption der [verschiedenen] Organe und ihrer vielfältigen Nutzen für den Erhalt der Individuen und der Arten und was sonst noch alles in den Anatomiebüchern erwähnt wird hervorgehen? Wer scharf nachdenkt und dies sowie die sich hieraus ergebenden Schlüsse und die in der Literatur über Fauna und Flora [beschriebenen] Wunder der Schöpfung bedenkt, wird erkennen, dass diese wunderbaren Wirkungen und wundersamen Taten nicht aus einer Kraft hervorgehen können, die weder Entscheidungsgewalt noch Erkenntnisfähigkeit besitzt, sondern aus einer von der Materie abgetrennten, der Erkenntnis ihrer selbst und anderer Dinge fähigen Kraft hervorgehen muss. Diese die pflanzlichen Körper verwaltende Kraft nennt man Intellekt, und dieser gehört zu den horizontal geordneten [Intellekten], die „die Herren der Bilder und der Idole“ sind. Wollte jemand einwenden, dass diese Kraft [auch] unsere [menschlichen] Körper bewirken müsste, das, was diese verwaltet, aber unsere rationalen Seelen sind, so antworten wir [dies]: Was wir mit Sicherheit wissen, ist [lediglich], dass wir diese wunderbaren Akte der Verwaltung nicht genau kennen und uns 29 keine Informationen darüber zur Verfügung stehen, wann genau die [aufgenommene] Nahrung in die separaten unterschiedlichen Organe gelangt, dass wir auch bei einem perfekt [ausgebildeten] Intellekt nicht bemerken, wann sie in die Ingredienzien ihrer Mischung zerlegt wird und diese den verschiedenen Organen, Stellen und Richtungen [des Körpers] zugeführt werden und dabei die unterschiedlichsten Formen annehmen und den wunderlichsten Zwecken [dienen], von dem uns angeborenen [Wissen] und Zeiten der Unwissenheit und mangelhaften [Erkenntnisfähigkeit] ganz zu schweigen. Das, was diese Wirkungen 30 auslöst, sind also nicht unsere 29 30
Ich lese mit mss. PQ najidunĂ anstelle von najiduhĂ der Edition. „Diese Dispositionen“ (hĂdhihi l-aͧwĂl) ms. Q.
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56 Seelen und nicht etwas [aus diesen] Zusammengesetztes, derart dass der eine Teil wirkte und der andere erkennte. 31 Zweitens: Betrachtet man die in dieser unserer Welt auftretenden Arten, so findet man, dass sie nicht durch puren Zufall auftreten. Andernfalls gäbe es [hier] bei uns keine [dauerhaft] bewahrten Arten. Es müsste dann möglich sein, dass aus einem Menschen etwas anderes als ein Mensch, aus einem Pferd etwas anders als ein Pferd, aus einer Dattelpalme etwas anderes als eine Dattelpalme und aus Weizen etwas anderes als Weizen entstünde. Das ist aber nicht der Fall, vielmehr haben die [Arten] fortwährenden Bestand auf ein und dieselbe Weise, ohne sich zu wandeln und zu verändern. Dinge, die ständig auf ein und dieselbe Weise sind, basieren nicht auf puren Zufällen 32 . Des Weiteren ist es nicht so, wie die Peripatetiker behaupten, dass nämlich die wunderbare Farbenvielfalt im Gefieder des Pfaus in den [zufälligen] Mischungen [der Elemente] dieser Federn gründete. Abgesehen davon, dass 57 sie hierfür keinen Beweis haben, können sie auch diese Ursachen der Farben nicht im Einzelnen bestimmen. Wie können sie dann aber zu diesen unterschiedlichen Schlüssen [hinsichtlich der Mischungen] kommen, wenn sie sich gar nicht an einer präzisen Gesetzmäßigkeit in dieser Art orientieren können 33 ? Richtig ist [vielmehr], was die Alten sagten: Für jede korporelle Art muss es eine abgetrennte, luminöse, durch sich subsistierende Substanz geben, die die [Art] verwaltet, sich um sie sorgt und sie bewahrt. Diese [Substanz] ist „das Universale dieser Art (kulliyyu dhĂlika l-naw)צ. Damit meinten sie aber nicht das Universale, welches der [universale] Begriff der Sache selbst ist und an welchem [etwas] partizipieren kann“ 34 . Wie könnten sie eine solche Bedeutung gemeint haben, wenn sie dieser [Substanz] zugleich [die Eigenschaft] zuerkennen, durch sich selbst zu subsistieren, also sich selbst und anderes zu denken und ein eigenes, von anderen nicht partizipiertes Wesen zu haben? Auch waren sie nicht der Überzeugung, dass „die Herren der Arten“ des Menschen oder des Pferdes oder anderer Arten nur um dessen willen existieren, was unter diese Art [fällt], derart dass diese Art ein Paradigma und Urbild für jenen abgetrennten Intellekt wäre. Denn sie waren fest davon überzeugt, dass 31
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Die hier skizzierten Gedanken basieren auf al-SuhrawardÁ, KitĂb al-MashĂri צwa-lmuίĂraͧĂt, Teil III, pp. 455-462. Die vorangehenden Zeilen sind eine Paraphrase von al-SuhrawardÁ, ͦikmat alishrĂq, p. 143, l. 11-13, p. 145, l. 6f. (Corbin) / p. 101, l. 19-21, p. 102, l. 16f. (Ziai/Walbridge). Eine Paraphrase von al-SuhrawardÁ, KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt, Teil III, p. 460, l. 15 – p. 461, l. 1. Mull דadr zitiert al-SuhrawardÁ, KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt, Teil III, p. 463, l. 8f.
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das Höhere nicht um des Niederen willen realisiert ist, das dem Rang nach unter es [fällt]. Hätten sie dies gelehrt, müsste es nämlich für [jedes] Urbild [wiederum] ein anderes Urbild geben, und immer so weiter, was unmöglich ist. Was sie meinten, ist vielmehr [dies]: Aufgrund seiner Abgetrenntheit steht der „Herr der Art“ zu allen Individuen der Art in ein und dieselben Beziehung der Fürsorge und der fortdauernden Emanation über sie, so als wäre er in Wirklichkeit das Ganze und der Stamm und sie seine Zweige 35 . Drittens schließen sie auf [die Existenz] dieser [„Herren der Arten“] ausgehend von dem Prinzip der Potentialität des Erhabenen und des Niederen. [Dieses besagt] nämlich, „dass in dem Fall, dass das niedere Potenzielle existiert, das erhabenere Potenzielle bereits existieren muss“ 36 . Ein Beweis dieses [Prinzips] ist in seinen Büchern zu finden 37 . Da nun in der korporellen Welt bei den Himmelssphären, den Gestirnen, den Elementen und den aus ihnen zusammengesetzten [Dingen] wunderbare Ordnungsverhältnisse und subtile Beziehungen auftreten und desgleichen in der Welt der Seelen bei den Dispositionen ihrer Kräfte und der Art und Weise ihrer Verbindung mit den Körpern wunderbare geistige und wundersame korporelle [Strukturen] auftreten, und [da des Weiteren] kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Wunder der Ordnung und die Subtilität der Beziehungen und der Struktur, die in dem luminösen kosmos noêtos auftreten 38 , erhabener und edler sind als das, was in diesen beiden Welten, die dem Sein nach später sind, auftritt, müssen solche Dinge also in jener Welt [bereits existieren]. Wie [anders], sind doch die wunderbaren Ordnungsverhältnisse und wundersamen Beziehungen in der korporellen Welt Schatten und Spuren von dem, was im kosmos noêtos ist? Dieses sind die wahren Dinge (al-ͧaqĂץiq) und die Ursprünge (uΥŧl), die korporellen Arten 39 aber die aus ihnen hervorgehenden Verzweigungen (furŧ )צ40 . Außerdem behaupten die, die [die Existenz] der Platonischen Urbilder lehren, nicht, dass ,Lebewesensein‘ ein anderes Urbild habe als ,ZweibeinigesWesen-Sein‘, und ,Zweiflügeliges-Wesen-Sein‘ wieder ein anderes Urbild habe, noch behaupten sie, dass der Duft von Moschus ein anderes Urbild habe als 35
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Cf. al-SuhrawardÁ, ͦikmat al-ishrĂq, § 169, p. 160f. (Corbin) / p. 109 (Ziai/Walbridge). Mull דadr zitiert al-SuhrawardÁ, ͦikmat al-ishrĂq, p. 154, l. 5f. (Corbin) / p. 107, l. 3f. (Ziai/Walbridge). Cf. ibid., § 164; al-SuhrawardÁ, KitĂb al-TalwĮͧĂt al-lawͧiyya wa-l-צarshiyya, Teil III, p. 51f.; KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt, Teil III, p. 434 f. Ich lese al-wĂqiצata anstelle von al-wĂqi צder Edition. Ich lese mit mss. PQ wa-l-anwĂצu l-jusmĂniyyatu anstelle von wa-l-anwĂצu nawצu ljusmĂniyyati der Edition. Vgl. zu diesem Abschnitt al-SuhrawardÁ, ͦikmat al-ishrĂq, § 165.
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der Moschus oder dass die Süße des Zuckers ein anderes Urbild habe als der Zucker. Vielmehr lehren sie, dass für alles, was von den korporellen Arten unabhängig existiert, etwas ihm Entsprechendes (amrun yunĂsibuhŧ) in der göttlichen Welt (צĂlam al-quds) [existiert], und weiter, dass jedem abgetrennten Licht, das zu den „Herren der Bilder“ (arbĂb al-aΥnĂm) gehört, in der Welt des reinen Lichts luminöse, spirituelle Dispositionen von noetischen Lichtstrahlen und Dispositionen der Entzückung und der Liebe, der Über- und Unterordnung und der Macht und andere Dinge und Dispositionen eignen. Wenn ihr Schatten auf die korporelle Welt fällt, ist sein Bild (Υanamuhŧ) der Moschus zusammen mit seinem Wohlgeruch, oder der Zucker zusammen mit dem süßen Geschmack, oder die Form (Υŧra) des Menschen oder des Pferdes oder eine andere Art-Form mitsamt der Verschiedenheit 41 ihrer Organe und deren unterschiedlichen Zwecken und Qualifikationen in Entsprechung zu dem, was in [der Welt] der abgetrennten Lichter existiert 42 . Dies ist also, was „der Gottsucher und Meister“ [al-SuhrawardÁ] zu diesem Thema zu sagen hat, und es ist zweifellos sehr gut und subtil. Allerdings gibt es darin [auch] Dinge, bei welchen er nicht die zweckmäßigste [Konzeption] erreicht hat. Zum Beispiel kann man aus diesen Worten nicht ersehen, ob die noetischen Lichter derart Teil der Wirklichkeit ihrer sinnlichen Bilder (aΥnĂmihĂ) sind, dass ein bestimmtes Individuum aus der Gesamtheit der In60 dividuen jeder korporellen Art abgetrennt ist, während die übrigen [Individuen] materiell sind, oder ob es sich nicht so verhält, sondern jedes dieser abgetrennten Lichter ein Urbild für eine materielle Art ist, nicht aber für die Individuen der [Art]. Die Berichte über Platon 43 und die Kritik der Peripatetiker an ihm lassen eindeutig darauf schließen, dass diese „noetischen Herren“ Teil der Art ihrer materiellen Bilder 44 sind. Diese [Interpretation] wird dadurch gestützt, dass die [antiken] persischen Weisen den „Herrn“ jeder Art nach dieser Art benannten, derart, dass sie in Bezug auf die Pflanze mit dem Namen ,Meerträubel‘ 45 (hŧm), die in ihren Gesetzesniederschriften vorkommt, einen „Herrn der Art“ verehrten, den sie ,Meerträubelengel‘ (hŧmĮzid) nannten. Analog [verfuhren sie] mit allen [anderen] Arten und nannten den himmlischen „Herrn des Bildes“ des Wassers Khordd, den der Bäume Mordd, und den des Feuers OrdÁbehesht. 41 42 43 44
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Maצa khtilĂf al-SuhrawardÁ, צalĂ khtilĂf Mull דadr. Dieser Abschnitt ist ein Paraphrase von al-SuhrawardÁ, ͦikmat al-ishrĂq, § 168. Mss. PQ ergänzen: „und die Alten“ (wa-l-qudamĂ)ץ. Ich lese mit mss. PQ aΥnĂmihĂ l-mĂddiyya anstelle von aΥnĂmihi l-mĂddiyya der Edition. Genauer: Der Große Meerträubel, Ephedra major.
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Aber der Lichtmetaphysiker [al-SuhrawardÁ] übertrug die Diktion der Alten für diese „Herren“ und ihre Benennung jedes „Herrn“ mit dem Namen seines Bildes auf das [der Art] entsprechende und [für sie] ursächliche Abgetrennte, nicht auf das der Art Ähnliche (al-mumĂthala al-nawצiyya) [selbst]. Dies erhellt aus seinen Worten im [KitĂb al-MashĂri צwa-] al-MuίĂraͧĂt: „Wenn du Empedokles, Agathodaimon und andere von den ,Herren der Arten‘ reden hörst, so verstehe recht, was sie damit meinen! Glaube nicht, dass sie lehren, der ,Herr der Art‘ sei ein Körper oder etwas Korporelles oder habe Kopf und Beine! Und kommt dir der Spruch des Hermes unter: ,Ein spirituelles Wesen 46 warf mir die Erkenntnisse zu. Ich fragte es, wer es sei, und es antwortete : Ich 47 bin deine vollkommene Natur‘, so verstehe ihn nicht so, als sei dieses [spirituelle Wesen] wie wir [Menschen]“ (Ende [des Zitats]) 48 .
Zu diesen [Unklarheiten] gehört des Weiteren [Folgendes]: Wenn zwei Beine, zwei Flügel und andere derartige Körperteile Teil des Wesens des Lebewesens sind, wie kann dann ein einfaches luminöses Wesen sein Urbild sein, ganz gleich, ob es allein für sich oder in Verbindung mit seinen luminösen Dispositionen betrachtet wird? Ist doch die Ähnlichkeit (al-mumĂthala) etwas zwischen dem Urbild und dem, dessen Urbild es ist (bayna lmithĂl wa-l-mumaththal lahŧ), selbst wenn nicht vorausgesetzt wird, dass [diese] in jeder Hinsicht [ähnlich sind]. Immerhin muss doch gelten, dass jedes substanzielle [Abbild] einem substanziellen [Urbild] gegenübersteht, und jedes akzidentelle einem akzidentellen. Außerdem [ist nicht klar], ob diese „Herren“ nach [al-SuhrawardÁs] Ansicht Teil der Wirklichkeit des Lichts sind und ihre Bilder deren Erscheinung (ϕuhŧr), seien es Schattenwesen (barĂzikh) oder verschatteten Dispositionen, und welcher Art die Entsprechung (munĂsaba) zwischen den Lichtern und den luminösen Dispositionen [auf der einen Seite] und den Schattenwesen und verschatteten Dispositionen [auf der anderen Seite] ist. Bilden doch seiner Ansicht nach 49 alle abgetrennten noetischen und psychischen Lichter und die sinnlichen [Lichter] der Gestirne und der [himmlischen] Elemente eine einzige einfache Wahrheit, ohne sich voneinander zu unterscheiden, außer durch ein Mehr oder Weniger an Intensität oder durch Dinge außerhalb [des kosmos noêtos], wohingegen die Wirkungen der horizontal [geordneten] noetischen Lichter, die die „Herren der Bilder“ sind, in den 46
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Ich lese mit ms. P und dem zitierten Text al-SuhrawardÁs fa-qĂlat anstelle von faqĂla der Edition. Ich lese mit dem zitierten Text al-SuhrawardÁs annahĂ anstelle von annahŧ der Edition. Al-SuhrawardÁ, KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt, Teil III, p. 463, l. 17 – p. 464, l. 3. Ich lese mit mss. PQ צindahŧ anstelle von צindahum („ihrer Ansicht nach“) der Edition.
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Quidditäten unterschiedlicher Wesen bestehen! Er ist nämlich der Meinung, dass die Wirkung in der Herstellung der Quiddität [an sich] unter Ausschluss [ihres] Seins besteht, da dieses zu den begrifflichen Entitäten gehört. Die Diversität der Wirkungen muss aber entweder in der Diversität der Rezipienten [der Wirkung] oder in der Diversität des Agens begründet sein. Wenn nun kein Rezipient für die Wirkung existiert, muss die [Diversität] in der Diversität des Agens gründen. Und [weiter,] wenn die Wirkungen der Intellekte verschieden sind und diese Diversität der Wirkungen weder ausschließlich eine Diversität der Rezipienten ist, da die Rezipienten und ihre Dispositionen [nur] ein Teil der Gesamtheit der unterschiedlichen Effekte der [Wirkungen der Intellekte] sind, jedoch nicht [wiederum] ein [weiterer] Rezipient für die Rezipienten [und die übrigen Effekte] existiert, noch in der Diversität jener Wirkursachen gründet, da diese sich nur durch ein Mehr oder Weniger an Vollkommenheit unterscheiden, dann muss die Diversität ihrer Wirkungen auch von dieser Art sein. Dies verschafft einem auch dahingehend Gewissheit, dass die Wirkungen der Intellekte und der hohen Prinzipien, die existierende luminöse Entitäten sind, in den Existenzweisen der Quidditäten unter Ausschluss ihrer universalen Bedeutungen bestehen müssen, 62 und dass 50 die Diversität der von den Existenzweisen abstrahierten Quidditäten nur in der Diversität der Ordnung der Existenzweisen [dieser luminösen Entitäten] begründet ist: dem Mehr oder Weniger an Intensität, dem Früher und Später und der Zusammensetzung und Singularität. Denn in Anbetracht ihrer Ordnung und der zwischen ihnen auftretenden Beziehungen eignen den Existenzweisen unterschiedliche Konkomitanten. Was die Zahl und die Ordnung ihrer unterschiedlichen Eigentümlichkeiten und Wirkungen angeht, so eignen diesen Ordnungen und Relationen, obwohl sie [allesamt] aus Monaden hervorgehen und die Eins in [jedem von] ihnen in ähnlicher Weise [präsent ist] (wa-l-wĂͧidu mutashĂbihun fĮhĂ), wunderbare Eigentümlichkeiten und wundersame Wirkungen, über die die Mathematiker und die Astronomen Bescheid wissen 51 . [Vorläufige] Einsicht: Es ist also angemessen, die Worte der Alten dahingehend zu interpretieren, dass für jede korporelle Art in der [göttlichen] Welt der Schöpfung (צĂlam al-ibdĂ )צein vollendetes, vollkommenes Individuum existiert, welches Ursprung und Prinzip (al-aΥl wa-l-mabda )ץist, während die übrigen Individuen der Art dessen Verzweigungen, Effekte und Wirkungen sind. Jenes [vollendete Individuum] bedarf aufgrund seiner Vollendung und Vollkommenheit weder eines stofflichen noch eines mit ihm zusammenhängenden inhärierten Substrats. Anders verhält es sich mit diesen [Wirkun50 51
Zu lesen ist wa-anna anstelle von wa-inna der Edition. Zu lesen ist yaצlamuhĂ anstelle von yaצlamuhŧ der Edition.
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gen], denn aufgrund ihrer Defizienz und Unvollkommenheit bedürfen sie in ihrem Wesen oder in ihrer Wirkung eines stofflichen Substrats (wie du bereits gelernt hast, können die Individuen ein und derselben Art hinsichtlich der Vollkommenheit und Defizienz variieren). Nun sagen einige [Folgendes]: Wie kann eine einzige Wirklichkeit (alͧaqĮqa al-wĂͧida) teils durch sich selbst, teils durch anderes subsistieren? Wäre [es wahr, dass] ein Teil von ihr eines Substrats der Inhärenz entbehren kann, dann müsste doch das Ganze [dieses Substrats] entbehren können! — Dies ist aber nicht in einem absoluten Sinne wahr, sondern [lediglich] im [Fall] einer Univokation (fĮ l-mutawĂίiץa). Dass einige Existenzweisen eines inhärierten Substrats entbehren können, bezieht sich aber nur auf ihre Vollkommenheit, und diese ist in ihrer Substantialität begründet. Hingegen ist ihre Potentialität und erst recht ihre Unvollkommenheit in ihrer Akzidentalität begründet, ebenso ihre Defizienz und ihre Relation zu einem inhärierten Substrat. Dass etwas einem Substrat inhäriert, zwingt also nicht zu [der Annahme], dass auch das, was mit ihm die[selbe] partizipierte Wirklichkeit teilt, einem Substrat inhäriert, wenn zuvor ihre Unterschiedlichkeit hinsichtlich Vollkommenheit und Defizienz und Mehr und Weniger in Betracht gezogen wurde. Außerdem hast du [bereits] gelernt, dass jede korporelle Art einzig durch die Art-Form, die mit der differentia specifica vereinigt ist, konstituiert und zu etwas Wirklichem und zu einer Art wird, während das stoffliche Substrat in dem Ganzen etwas Dunkles ist und seine Existenz darin besteht, potenziell etwas anderes zu sein. Ebenso ist die durch die [Arten] gebildete Gattung eine Quiddität, die nur unvollständig mit der differentia specifica vereinigt ist. Die 63 übrigen Formen, Kräfte, Qualitäten und die artunterscheidenden Prinzipien sind in dem zusammengesetzten [Ding] wie [allgemeine] Bedingungen, Instrumente und Verzweigungen eines einzigen Wesens, welches selbst ein Bild (Υanam) für den „Herrn“ der entsprechenden Art ist. So, wie diese [Dinge] Bilder für die „Herren“ der entsprechenden Arten sind, die sich zu dem [„Herrn der Art“] verhalten wie Zweige zu einem einzigen Stamm, in der gleichen Weise [verhält es sich mit] den Dispositionen, Relationen und Gestalten, die die Schatten der noetischen Dispositionen und der ideellen Relationen ihrer luminösen „Herren“ enthalten. Und der „Herr“ der menschlichen Art, den man den „Heiligen Geist“ nennt und der der Intellekt ist, der sich in die [Art] ergießt, verhält sich zu den „Herren“ der übrigen animalischen und pflanzlichen Arten so, wie sich die Bilder [der einen Art] zu den Bildern [der anderen Arten] verhalten. Zwar bedürfen jene materiellen ArtFormen wie Menschsein, Pferdsein, Stiersein etc. in dieser unserer Welt der Konstituierung mittels eines sinnlichen, stofflichen Substrats. In der hohen Welt [des kosmos noêtos] bedürfen sie aber einer solchen Konstituierung nicht, vielmehr sind sie im kosmos noêtos von der Materie abgetrennt, durch
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sich subsistierend und frei von jeglicher Inhärenz in etwas anderem. So wie die Formen des Verstands Akzidenzien sind, die nicht durch sich, sondern durch den Verstand subsistieren, sofern sie von extramentalen Dingen erlangt wurden, und durch sich subsistierende Substanzen sind, sofern sie von < ... > 52 erlangt wurden, in dieser Weise ist auch über die Formen der korporellen Arten zu urteilen, die aus jenen abgetrennten noetischen Platonischen Urbildern zu einer stofflichen Realität werden (ͧĂsilatun fĮ l-mĂdda). Denn die abgetrennten noetischen Formen (Υuwar) sind in ihrem Wesen vollkommen und in ihrer Quiddität vollendet, so dass ihre Subsistenz eines inhärierten Substrats entbehren kann, während die korporellen Formen, die ihre Bilder (aΥnĂm) sind, defizient sind und für ihre Subsistenz eines inhärierten Substrats bedürfen, da sie nur durch etwas anderes vollkommen sein und daher nicht durch sich selbst subsistieren können. [Es verhält sich mit ihnen] wie [mit] den Form-Substanzen (al-jawĂhir al-Υŧriyya), die im Verstand als etwas von den konkreten stofflichen Dingen Erlangtes existieren. Denn diese sind zwar im Intellekt abgetrennt von dem stofflichen Substrat, extramental aber nicht von diesem abgetrennt. Entsprechendes gilt für die noetischen Formen, die die „Herren der Arten“ sind: Diese sind zwar im kosmos noêtos abgetrennt, aber ihre korporellen Bilder (aΥnĂm) und Schatten, ich meine die Art-Formen (al-Υuwar al-nawצiyya), sind nicht von dem stofflichen Substrat abgetrennt. Dass jene Großen der Philosophie die in der göttlichen Welt durch sich 64 subsistierenden noetischen Formen als Urbilder (muthul) bezeichneten, sollte dich nicht zu der Vermutung verleiten, sie seien der Ansicht gewesen, dass die „Herren der Arten“ nur deshalb von dem Wahren, dem Schöpfer hervorgebracht worden sind 53 , um als Urbilder und Paradigmata dessen zu dienen, was unter ihm ist 54 . Denn das, wofür etwas als Urbild und Paradigma dient, muss ehrwürdiger und erhabener [als das Paradigma] sein, da es der Endzweck ist. Dies trifft aber auf die Intellekte nicht zu. Jene [Großen der Philosophie] vertreten nämlich noch entschiedener als die Peripatetiker [die Lehre], dass das Erhabenere nicht um des Niederen willen sein kann. Sie sind sogar der Ansicht, dass die Formen der korporellen Arten [nur] Bilder (aΥnĂm) und Schatten jener noetischen luminösen „Herren“ sind und zwischen ihnen nicht [einmal] eine Beziehung der Ehrwürdigkeit und Vollkommenheit besteht. Außerdem: Wie [sollte es möglich sein, dass] der Notwendige, der Erhabene, für seine Hervorbringung der Dinge gewisser Urbilder (muthul) bedürfe, 52
53 54
An dieser Stelle sind einige Wörter, vielleicht al-jawĂhir al-צaqliyya („den noetischen Substanzen“), vermutlich durch homoioteleuton ausgefallen. Ich lese innamĂ ŧjidat anstelle von innamĂ wajadat der Edition. Aus dem folgenden Satz erhellt, dass an dieser Stelle li-mĂ taͧtahŧ anstelle von limĂ taͧtahĂ („was unter ihnen ist“) der Edition zu lesen ist.
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derart dass diese als [normative] Vorbilder (dastŧrĂt) seiner Erschaffung und Muster (barnĂmajĂt) seiner Schöpfung dienten? — Wäre dies der Fall, bedürfte er für die Hervorbringung der Urbilder wiederum anderer Urbilder, und so fort ad infinitum 55 . Wollte aber jemand einwenden, dass dies im Widerspruch zu dem „Ersten Lehrer“ 56 stehe, der diese Lehre zurückgewiesen habe, so entgegne ich [dies]: Es ist angemessener, sich dem Wahren anzuschließen [als dem Aristoteles]. Außerdem: [Aristoteles’] Widerlegung beruht entweder auf der allgemein üblichen wörtlichen Interpretation der Worte Platons und der Alten, obwohl doch die [Alten] gewöhnlich ihre Lehre in symbolische und allegorische Worte fassten, insbesondere in diesem Forschungsbereich, zum dem [selbst] die Sprachgewandtesten nichts zu sagen haben und bei dem [selbst] die Verständigsten an Trefflichkeit und Würde vermissen lassen. Oder sie trägt den Makel seines Autoritätsstrebens (ͧubbihĮ li-l-riץĂsati), welches eine Folge [seines] Umgangs mit herausragenden Persönlichkeiten 57 und [seiner] Verbundenheit mit Königen und Herrschern ist. [Wie erklärt sich] sonst, dass seine Schrift mit dem Titel Theologia davon zeugt, dass seine Lehrmeinung zur Frage der Existenz der noetischen Urbilder der Arten und der durch sich subsistierenden abgetrennten luminösen Formen in der [göttlichen] Welt der Schöpfung mit der Lehre seines Lehrers harmoniert? Dort erklärt er nämlich in Kapitel IV: „Jenseits dieser Welt [gibt es] einen Himmel und eine himmlische Erde, ein himmlisches Meer, und himmlische Tiere, Pflanzen und Menschen; und jeder in jener Welt ist himmlisch, und überhaupts nichts ist dort irdisch.“ 58
Des Weiteren erklärt er dort: „Der sinnliche Mensch ist nur ein Bild (Υanam) des noetischen Menschen. Der noetische Mensch ist etwas Spirituelles, und all seine Körperteile sind spirituell. Das Auge hat keinen anderen Platz als die Hand, und [überhaupt] haben alle Kör59 perteile keine verschiedenen Plätze, sondern sind an einem einzigen Ort.“
Und in Kapitel VIII dieser [Schrift] sagt er [dies]: „Das, wodurch in dieser Welt Feuer erzeugt wird 60 , ist nichts anderes als ein feuerartiges Leben; und dieses ist das wahre Feuer. Also ist das Feuer, welches in 55
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„Denn das, wofür etwas als Urbild ... infinitum“ ist eine Paraphrase von alSuhrawardÁ, KitĂb al-MashĂri צwa-l-muίĂraͧĂt, Teil III, p. 461, l. 3-7. I. e., Aristoteles. MuצĂsharat al-khuluq ist nicht ganz klar. (Pseudo-)Aristoteles, Theologia Aristotelis, p. 63, l. 7-9 (ed. BadawÁ). Ibid., Kapitel V, p. 69, l. 7-9. Ich lese yuf צalu bihi l-nĂr anstelle von yuf צalu bihĂ l-nĂr der Edition.
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der oberen Welt über diesem Feuer [hier] ist, in einem eigentlicheren Sinne Feuer. Wenn [dies] wahres Feuer ist, so ist es zweifellos Leben, und sein Leben ist erhabener und ehrwürdiger als das Leben dieses Feuers [hier], da dieses Feuer [hier] lediglich ein Bild (Υanam) von jenem Feuer ist. Somit ist also gezeigt und bestätigt, dass das Feuer, welches in der oberen Welt ist, lebendig ist und dass 61 es dieses Leben ist, was das Leben für dieses Feuer [hier] konstituiert 62 . Entsprechendes gilt für die Beschreibung von Wasser und Luft, [die] dort in einer eminenteren Weise (aqwĂ) [als hier sind]. Sie sind dort nämlich beide lebendig, wie sie es auch in dieser Welt sind, nur dass sie in jener Welt in einer intensiveren [Form] Leben sind, denn es ist jenes Leben, welches sich in das Leben der beiden hier [in dieser Welt] ergießt.“ 63
Des Weiteren erklärt er dort: „Diese sinnliche Welt ist als Ganzes nur ein Abbild und Bild (mithĂl wa-Υanam 64 ) jener Welt. Wenn also diese Welt lebendig ist, ist jene erste Welt a fortiori lebendig, und wenn diese Welt vollkommen [und] vollendet ist, ist jene erste Welt a fortiori vollkommener und vollendeter. Denn sie ist es, die Leben, Kraft, Vollkommenheit und Fortdauer in diese Welt ergießt. Wenn also die obere Welt in höchstem Grade vollkommen ist, so steht außer Zweifel, dass 65 es dort alle Dinge gibt, die es hier gibt, nur eben in einer erhabeneren und ehrwürdigeren Weise 66 , wie mehrfach gesagt. Es gibt dort also einen Himmel mit Leben, und in ihm sind Gestirne, die wie diese Gestirne in diesem Himmel [hier] sind, nur lichtintensiver und vollkommener 67 , und die sich nicht voneinander unterscheiden, wie dies hier zu sehen ist, da sie unkörperlich sind. Und [es gibt] dort eine Erde, die keine Sümpfe hat, sondern überall bewohnbar und von Lebewesen bevölkert ist, sowie eine irdene Natur, die [dieser] hier gleicht, mit lebendigen kultivierten Pflanzen, Seen und lebendig fließenden Strömen, in denen alle [Arten von] Wassertieren leben. Und [es gibt] dort Luft, in der Tiere der Luft leben, die dieser Luft angepasst sind. Alle Dinge dort sind lebendig. Wie könnten sie nicht lebendig sein, sind sie doch in der reinen Welt des Lebens, dem kein Tod beigemischt ist? Die Naturen der Lebewesen dort gleichen den Naturen dieser Lebewesen [hier], nur sind sie dort erhabener und ehrwürdiger als diese, da sie noetisch, nicht animalisch sind.
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Zu lesen ist, mit dem ps.-aristotelischen Text, wa-anna anstelle von wa-inna der Edition. Al-qayyimatu in mss. PQ und Theologia Aristotelis, al-mufĮ͏atu l-qayyimatu (“konstituiert und emaniert“) in der Edition. (Pseudo-)Aristoteles, Theologia Aristotelis, p. 92, l. 12-19 (ed. BadawÁ). Zur Verwendungsweise von mithĂl in den arabischen Plotiniana cf. supra, pp. 38-40. Zu lesen ist, mit dem ps.-aristotelischen Text, anna anstelle von inna der Edition. Ich lese, mit mss. PQ und Theologia Aristotelis, bi-nawצin anstelle von nawצun der Edition. Anwaru wa-akmalu apud Mull דadr, nŧrun wĂͧidun („ein einziges Licht“) Theologia Aristotelis, p. 93, l. 15.
Mull דadr: „Verifikation der Platonischen Formen“
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Wer dies leugnet und fragt, woher denn ein Lebewesen, ein Himmel und die übrigen Dinge, die wir erwähnt haben, in der oberen Welt kommen sollten, dem entgegenen wir [dies]: Die obere Welt ist das vollkommene Lebewesen, in dem alle Dinge [enthalten] sind, weil sie von dem ersten, vollkommenen Schöpfer erschaffen wurde. Daher ist jede Seele und jeder Intellekt in ihr. Und dort gibt es keinerlei Mangel oder Bedürftigkeit, denn alle Dinge dort sind voller Reichtum und Leben, als wären sie Leben im Übermaß und Überfluss. Der Fluss des Lebens dieser Dinge entspringt aus nur einer einzigen Quelle, nicht so, als bestünde nur es aus einer Hitze oder aus einem Odem, vielmehr ist es als Ganzes eine einzige Qualität, in der jede Qualität [enthalten] ist, in welcher [wiederum] jeder Geschmack zu finden ist. Wir sagen: In dieser einen Qualität findest du den Geschmack und die Kräfte von Süße und von Wein und von allen übrigen schmeckbaren Dingen, wie auch von allen wohlriechenden Dingen, von allen Farben, die unter den Gesichtssinn fallen, und von allen Dingen, die unter den Tastsinn und unter das Gehör fallen, also alle Melodien und Rhythmen, sowie von allen wahrnehmbaren Dingen. All diese [Dinge] existieren [dort] in der beschriebenen Weise in einer einzigen, einfachen Qualität, weil diese Qualität 68 animalisch [und] noetisch ist [und] alle beschriebenen Qualitäten umfasst. Sie bietet ausreichend Platz für alle, ohne dass diese sich miteinander vermischen oder sich gegenseitig neutralisieren. Vielmehr sind alle in ihr so bewahrt, als subsistierten sie je für sich.“ 69
Und in Kapitel X dieser Schrift sagt er [dies]: „Jede natürliche Form in dieser Welt ist [auch] in jener Welt, dort jedoch in einer ehrwürdigeren und erhabeneren Weise. Denn hier ist sie mit der Materie verbunden, dort aber ohne die Materie. Jede natürliche Form ist ein Bild (Υanam) der ihr ähnlichen Form dort. [Es gibt] dort also einen Himmel, eine Erde, Lebewesen, Luft, Wasser und Feuer; und wenn diese Form 70 dort ist, dann sind dort sicherlich auch Pflanzen. Jemand mag [Folgendes] einwenden: Wenn in der oberen Welt Pflanzen sind, in welcher Weise sind sie dann dort? Und wenn dort Feuer und Erde sind, in welcher Weise sind sie dann dort? Denn sie müssen dort entweder lebendig oder tot sein. Wenn sie tot sind, so wie hier, welchen Nutzen haben die beiden 71 dann dort? Wenn sie aber lebendig sind, wie können sie dort leben? Wir entgegnen: Bezüglich der Pflanzen können wir sagen, dass sie dort auch lebendig sind, da in den Pflanzen eine „wirkende Ratio“ (kalima fĂצila) ist, deren 68
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Ich lese mit mss. PQ allatĮ waΥafnĂhĂ anstelle von allatĮ waΥafnĂhu der Edition und allatĮ waΥafnĂ des pseudo-aristotelischen Texts. (Pseudo-)Aristoteles, Theologia Aristotelis, p. 93, l. 9 – p. 94, l. 13 (ed. BadawÁ), mit geringfügigen Abweichungen. Ich lese mit ms. Q und (Pseudo-)Aristoteles hĂdhihi l-Υŧratu anstelle von hĂdhihi lΥuwaru der Edition. Ich lese mit mss. PQ und (Pseudo-)Aristoteles ilayhimĂ anstelle von ilayhĂ der Edition.
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Substrat das Leben ist. Wenn nun [schon] die „Ratio“ der materiellen Pflanzen 72 lebendig ist, also in gewisser Weise auch Seele sein muss 73 , dann erst recht diese „Ratio“, die in der Pflanze in der oberen Welt, also der ersten Pflanze, ist. Nur ist sie dort in einer erhabeneren und ehrwürdigeren Weise, denn diese „Ratio“, die in diesen Pflanzen [hier] ist, ist nur durch jene „Ratio“. Jene „Ratio“ ist aber eine [und] 74 universal, alle pflanzlichen „Rationes“ hier sind dagegen „herabhängende Dinge“ . Die „Rationes“ der Pflanzen hier sind viele, aber partikular, so dass alle Pflanzen dieser Welt partikular und durch jene universale Pflanze sind. Was auch immer 75 jemand über Pflanzen [in Erfahrung zu bringen] sucht, er findet es in dieser universalen Pflanze. Wenn dem so ist, sagen wir: Wenn diese Pflanzen [hier] lebendig sind, dann ist a fortiori auch jene Pflanze [dort] lebendig, denn jene Pflanze ist die wahre, erste Pflanze. Diese Pflanzen [hier] aber sind zweite und dritte Pflanzen, da sie ein Bild von jener Pflanze sind. Sie sind nur dadurch lebendig, dass jene Pflanze etwas von ihrem Leben in sie ergießt. Was nun die Erde [hier] angeht sowie [die Frage], ob sie lebendig oder tot ist, so wird uns dies klar werden, sobald wir uns vor Augen führen, was diese Erde ist. Sie ist nämlich ein Bild jener [Erde dort]. Wir sagen also: Dieser Erde [hier] eignet ein gewisses Leben und eine „wirkende Ratio“ (kalima fĂצila). [ ... ] 76 Wenn also diese sinnliche Erde, die ein Bild ist, lebendig ist, dann gilt a fortiori, dass auch 77 jene noetische Erde lebendig ist, dass sie die erste Erde ist, und dass diese Erde [hier] eine jener nachgeordnete und ihr ähnliche Erde ist. Alle Dinge, die in der oberen Welt sind, sind Licht, denn sie sind in dem oberen Licht. Daher 78 sieht jedes von ihnen immer alle Dinge im Wesen des je 79 anderen , und daher sind alle von ihnen in allen von ihnen, und 80 alles ist in einem von ihnen, und eines von ihnen ist alles. Das auf sie fallende Licht ist unendlich. Daher ist jedes einzelne von ihnen überwältigend (Ende [des Zitats] der lichten Ausführungen und ehrwürdigen Worte des [Aristo-
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Kalimat al-nabĂti l-hayŧlĂnĮ apud Mull דadr, kalimat al-nabĂti l-hayŧlĂniyya in der Theologia Aristotelis, p. 153, l. 5f. (ed. BadawÁ). Ich lese, mit (Pseudo-)Aristoteles, fa-hiya anstelle von fa-huwa der Edition. MutaצallaqĂt apud Mull דadr, “mit jener [Ratio] zusammenhängend” (mutaצallaqatun bihĂ) Theologia Aristotelis, p. 153, l. 9. Ich lese, mit (Pseudo-)Aristoteles, kullu mĂ anstelle von kullamĂ der Edition. An dieser Stelle lässt Mull דadr einige Zeilen des zitierten Texts aus, genauer: Theologia Aristotelis, p. 153, l. 17 – p. 154, l. 6 (ed. BadawÁ). Ay͏an ist mit mss. PQ und (Pseudo-)Aristoteles zu ergänzen. Wa-li-dhĂlika apud Mull דadr, wa-ka-dhĂlika („ebenso“) ed. BadawÁ. Wa-li-dhĂlika kĂna kullu wĂͧidin minhĂ yarĂ l-ashyĂץa kullahĂ fĮ dhĂti ΥĂͧibihĮ apud Mull דadr, „in dieser Weise sieht jedes von ihnen die Dinge im Wesen des je anderen“ (wa-ka-dhĂlika kullu wĂͧidin minhĂ yarĂ l-ashyĂץa fĮ dhĂti ΥĂͧibihĮ) Theologia Aristotelis, p. 154, l. 9f. (ed. BadawÁ); cf. Plotinus, Enn. V 8, 4.7f. Durch homoioteleuton ausgefallen bei Mull דadr, cf. Theologia Aristotelis, p. 154, l. 10f. (ed. BadawÁ).
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teles] in der Übersetzung von Abd al-MasÁԉ ibn Abdallh al-ԈimהÁ, korrigiert von Yaqʗb ibn Isԉq al-KindÁ)“. 81
In diesen [Ausführungen] wird eindeutig festgestellt, dass die Platonischen Urbilder existieren, dass 82 den werdenden Dingen im kosmos noêtos luminöse noetische Formen eignen und [dass] der Mensch die [werdenden Dinge] erfasst, wenn sich sein Erkennen auf die universalen Intelligibilia (li-lmaצqŧlĂt al-kulliyya) richtet, obgleich er sie wegen seiner Verbindung (li-ajli taצalluqihĮ) mit dem Leib und den trüben und verschatteten [Dingen] nur unvollkommen erkennen kann (etwa so, wie der Gesichtssinn etwas Fernes bei nebligen, dunklen Luftverhältnissen erkennt). Deshalb sieht der Mensch die noetischen Dinge, die reine, durch sich selbst individuierte Entitäten und unvermischte, selbstexplikative Lichter sind, als etwas Dunkles, Universales, das für ihn von den Vielen wahr sein kann (mubhamatan kulliyyatan muͧtamalata l-Υidqi צindahŧ צalĂ kathĮrĮna). Auf ähnliche Weise sieht man unklare Gestalten in großer Entfernung, bei denen es sich um einen Menschen, ein Pferd oder einen Baum handeln könnte, nur dass diese unklaren Gestalten [hier] hinsichtlich der Position bestimmt sind [und] nur eines von [diesen] verschiedenen [Dingen] sein können, welches auch immer, während der noetische Erkenntnisgegenstand für ihn von den numerisch Vielen wahr sein kann, da er dort keine [bestimmte] Position hat. Generell [gilt, dass] der Ort von Universalität und Allgemeinheit (manĂί al-kulliyyati wa-l-צumŧm) ein defizitäres und schwaches Sein hat und die [universale (?)] Sache ein unklares Sein hat, gleich ob dies in ihrem Wesen und ihrer Quiddität begründet ist oder darin, dass sie in dem Erkennenden nur unvollkommen realisiert ist, weil sie nicht materiell und nicht sinnlich ist. Letzteres ist in der Unzulänglichkeit des Erkenntnisvermögens und in seiner Unfähigkeit begründet, die luminös existierenden Dinge und leuchtenden Intelligibilia unverhüllt und ohne den Schleier des Zweifels und der Ungewissheit zu erkennen, weil es mit der Welt der Materie und der verschatteten [Dinge] verbunden ist. Zusammenfassung und Vervollständigung: In den Ausführungen der Alten 83 und ihrer Anhänger findet man zuweilen die Feststellung, dass es eine urbildliche noetische Welt (צĂlam צaqlĮ mithĂlĮ) gibt, die der sinnlichen Welt in allen substantiellen und akzidentellen Arten korrespondiert. [(i)] Einige von ihnen fassen diese [Welt] als eine Welt urbildlicher, [räumlich] ausgedehnter Gestalten auf. 81
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(Pseudo-)Aristoteles, Theologia Aristotelis, p. 152, l. 14 – p. 154, l. 12 (ed. BadawÁ), mit Auslassungen und geringfügigen Abweichungen. Zu lesen ist wa-anna anstelle von wa-inna der Edition. „Platons und der Alten“ (AflĂίŧn wa-l-qudamĂ )ץmss. PQ.
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[(ii)] Andere von ihnen sagen, dass [damit] die Formen gemeint seien, die in dem Wissen Gottes [und] durch sein erhabenes Wesen subsistierend sind (für diese [Position] sind die Peripatetiker bekannt), und dass die von den Alten tradierte [Position], der zufolge die Formen durch sich selbst subsistieren, gleichbedeutend damit sei, dass die [Formen] durch das Wesen ihres Schöpfers (geehrt sei sein Name!) subsistieren, der ihnen am nächsten und [daher] am besten geeignet sei, ihre Realisierung durch sich selbst zu konstituieren (aqwamu fĮ taͧaΥΥulihĂ min nafsihĂ 84 ), da die Beziehung, die sie zu sich selbst haben, kontingent ist, während die Beziehung, die sie zu ihrem Konstituens haben, notwendig ist. 70 [(iii)] Wieder andere von ihnen sagen, dass [damit] der „Herr der Art“ und der „Herr des magischen Körpers [der Art]“ (ΥĂͧib al-ίilism) gemeint sei, da jede korporelle Art und jeder verschattete magische Körper (ίilism barzakhĮ) einen Intellekt habe, der ihn konstituiert, und ein Licht, welches ihn leitet. Nach dem, was sie sagen, bedeutet die Universalität dieser [Entitäten] nicht, dass sie von den Vielen wahr sind. Denn von den partikularen Körpern und den verschatteten Individuen sind sie nicht wahr, weil sie abgetrennte luminöse [Entitäten] und heilige Intellekte sind. Vielmehr bedeute ihre Universalität nur, dass sie zu allen Individuen, deren magischen Art-Körper (ίilismahĂ al-nawצĮ) sie emanieren, in derselben Beziehung stehen. [(iv)] Und andere von ihnen vertreten die Ansicht, dass [damit] diese [konkreten] materiellen Formen in dieser Welt gemeint seien, insofern sie dem Ersten Prinzip präsent und offenbar sind, in seinen Händen als Urbild dienen, und ihrem Wesen nach dem Wissen [Gottes] weder verborgen noch unzugänglich sind. In diesem Sinne seien sie nämlich wie abgetrennt von den stofflichen Substraten, der Zeit, den sinnlichen Dispositionen und den stofflichen Beimischungen, da ihre unmittelbare Gegenwart und Existenz bei dem Schöpfer durch nichts verhüllt sei. Daher seien sie für den Erhabenen durch sich selbst intelligibel wie die übrigen universalen und abgetrennten [Dinge] [und] würden in seinen Händen nachgeahmt.85 Ich sage [nun]: Es ist ganz offensichtlich, dass jene großen Weisen und die Größten der Heiligen, die sich von allen natürlichen Einflüssen befreit und die höchsten Stufen [in] der Nachfolge [des Propheten] erreicht haben, zu dem Urteil gelangt sind, dass die intelligiblen Formen der Dinge abgetrennt und durch sich subsistierend sind und dass sie es sind, was die intellekt- und vernunftbegabten [Wesen] in ihren Gegenständen des Denkens und Erkennens ergreifen. Also ist [zumindest] gewiss, dass sie existieren. Sie 84 85
Min nafsihĂ mss. PQ , צan nafsihĂ in der Edition. Eine ähnliche Klassifikation der Interpretationsansätze findet sich in Mull דadrs RisĂlat shawĂhid al-rubŧbiyya, in: דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ, Majmŧצa-i rasĂץil-i falsafĮ-yi Τadr al-mutaץallihĮn, ed. Ԉmid NjÁ IהfahnÁ, Tihrn 1378/1999, p. 285f.
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müssen also entweder durch sich subsistieren oder unserer Erkenntnis inhärieren. Letzteres kann nicht zutreffen, andernfalls könnte es dem inhärierten Substrat, welches [unsere] Seele ist, nicht unbemerkt bleiben, insbesondere dann, wenn sie eine reine, hohe 86 Seele ist und ihr keine [korporellen] Qualitäten inhärieren. Man könnte einwenden, dass die [intelligiblen Formen] in der Zeit, da die Seele sie nicht bemerkt, [tatsächlich] nicht durch sie subsistieren [oder] in ihr existieren, sie aber nichtsdestotrotz durch eine abgetrennte noetische Substanz, in der 87 die Intelligibilia bewahrt werden, ewig subsistieren, und dass [die Seele] sie [immer dann] erkennt 88 , wenn sie mit dieser [Substanz] verbunden ist und sich ihr zuwendet und sich als würdig erweist, dass diese Formen aus jener [Substanz] in sie emanieren. [Darauf] entgegnen wir [so]: Abgesehen von den unangenehmen Konsequenzen, die sich aus [der Theorie] der Einprägung der Formen der wahren Naturen in die Seele ergeben, folgt [aus diesem Einwand], dass die Eingravierung der Formen der wahren Naturen und der vielfältigen Arten, die hinsichtlich des Seins auf ein und derselben Stufe stehen, in eine noetische Substanz in gewisser Weise [deren] Erschaffung sein müsste. Das ist aber unmöglich, da den noetischen Prinzipien (al-mabĂdi ץal-צaqliyya) unmöglich Formen der ihnen untergeordneten [Dinge] um des ihnen Untergeordneten willen eingeprägt werden können. Wenn dem so wäre, müsste ja das Höhere durch das Niedere affizierbar sein und durch es zur Vollkommenheit gelangen. Dass dies unmöglich ist, davon sind die Alten nämlich noch entschiedener überzeugt als die Peripatetiker, die Anhänger des „Ersten Lehrers“, [selbst]. Also bliebe [nur die Annahme], dass die [Formen] in sie von oben emaniert werden, was uns [entweder] zum Hervorgang der Vielen aus dem wahren [und] reinen Einen oder zur Präsenz der Formen der Dinge im Wesen des Hocherhabenen bringt. All diese Dinge werden aber von den Lichtmetaphysikern verworfen. Außerdem folgt aus dieser Hypothese, dass es der Seele, wenn sie die Wesen dieser [Arten] erkennt und ihre wahren Naturen begreift, nicht unbemerkt bliebe, dass und wie sie ihr inhärieren. Denn Wissen ist nichts anderes als [der Umstand, dass etwas] einem abgetrennten Wesen nicht unbemerkt bleibt, und Substrat der Inhärenz für nicht-unbemerkte Dinge zu sein ist nicht etwas, das zufällig unbemerkt bleibt, sondern mit Notwendigkeit. Entsprechendes trifft zu auf die Art und Weise ihrer Inhärenz im Substrat der Inhärenz, das Voraussetzung ihrer Seinsweise ist. 86 87 88
Mushrifa oder musharrafa in der Edition, mushraqa („erleuchtete“) in ms. P. Ich lese mit mss. PQ huwa anstelle von wa-huwa der Edition. Ich lese fa-tudrikuhĂ anstelle von fa-yudrikuhĂ der Edition.
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Also ist offensichtlich, dass universale Dinge existieren, die durch sich selbst subsistieren, nicht in einem inhärierten Substrat, [und] die [sowohl] auf ihre materiellen Particularia [als] auch auf ihre Universalia zutreffen (munίabiqatun צalĂ), sofern sie unabhängig von den Bedingungen der Abgetrenntheit oder Nichtabgetrenntheit begriffen werden (ukhidhat) und sofern die Particularia von den stofflichen Substraten, ihren individuellen Restriktionen und ihren sinnlichen, dem Werden unterworfenen Eigenschaften abtrennbar sind, kurz, [durch sich subsistierende Dinge], die so partizipierbar und universal sind, wie die [von anderen postulierten,] durch den Intellekt subsistierenden Formen partizipierbar und universal sind, [jedoch] ohne dass hieraus eine der (genannten) unangenehmen Konsequenzen folgte. Was in den Büchern hinsichtlich der Unmöglichkeit einer extramentalen Existenz des Universalen qua Universale zu finden ist, ebendies spricht nämlich auch insgesamt gegen die Möglichkeit, dass es im Intellekt existiert. 73 Problem und Lösung: „Der Meister“ [Ibn SÁn] sagt in der Metaphysik seines [KitĂb] al-ShifĂ ץzwecks Widerlegung der Existenz [Platonischer] Urbilder und [abgetrennter] mathematischer Gegenstände Folgendes 89 : „Wenn es unter den Gegenständen der Mathematik einen solchen gibt, bei dem es sich nicht um einen sinnlichen mathematischen Gegenstand handelt 90 , existiert entweder gar kein mathematischer Gegenstand im [Bereich der] Sinnendinge, oder es existiert [dort ein solcher]. Wenn im [Bereich der] Sinnendinge kein mathematischer Gegenstand existiert, folgt notwendig, dass es kein sinnliches Quadrat und keinen sinnlichen Kreis 91 gibt. Wenn aber nichts davon sinnlich ist, auf welchem Wege könnte dann ihre Existenz, geschweige denn eine Vorstellung von ihnen 92 nachgewiesen werden? Stammt doch die Grundlage einer Vorstellung von ihnen ebenfalls aus dem sinnlichen Seienden, derart, dass wir von einem, von dem wir annehmen, er könne keines dieser Dinge 89
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Es folgt ein Zitat (mit geringfügigen Auslassungen und Varianten) von Ibn SÁn, KitĂb al-Shifaץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 317, l. 4 – p. 318, l. 12. TaצlĮmiyyun mufĂriqun li-l-taצlĮmiyyi l-maͧsŧsi (lit., „einen mathematischen Gegenstand, der von dem sinnlichen mathematischen Gegenstand verschieden ist“). „Mufriqun li-“ bezeichnet hier keinesfalls (wie weiter unter, folgende Seite) ein die sinnliche Existenz mathematischer Gegenstände voraussetzendes „Abgetrenntsein“ (oder gar eine Abstrahierbarkeit), sondern ein fundamentales „Verschiedensein“, i.e. Nichtsinnlichsein der Mathematica, da die Existenz sinnlicher Mathematica im Folgenden als Konsequenz der Annahme prinzipiell in Frage gestellt wird. Ibn SÁn fügt hinzu: „und nichts sinnliches Numerisches“. Ich lese mit mss. PQ und Ibn SÁn bal ilĂ takhayyulihĂ anstelle von bal ilĂ mabdaץi takhayyulihĂ („geschweige denn der Beginn einer Vorstellung von ihnen“) in der Edition.
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wahrnehmen, urteilen, dass er nichts davon vorstellen, geschweige denn denken könne. Nichtsdestotrotz sind wir gewiss, dass viele von ihnen im [Bereich der] Sinnendinge existieren. Wenn [andererseits] die Natur der mathematischen Gegenstände auch im [Bereich der] Sinnendinge existiert, muss es einen Begriff von dieser Natur als solcher geben: Entweder entspricht ihr Wesen in Definition und Bedeutung dem Abgetrennten oder es ist verschieden von diesem. Ist es [von ihm] verschieden, so sind die intelligiblen mathematischen Gegenstände etwas anderes als das, was wir von den [sinnlichen Mathematica] vorstellen und denken 93 , und wir bräuchten für ihren Existenznachweis zunächst einen neuen Beweis, um uns dann Gedanken über den Zustand ihrer Abgetrenntheit zu machen. (Ihre Vorgehensweise, die beharrlich auf einen Existenznachweis verzichtet und sich [stattdessen] damit befasst, den Beweis ihrer Abgetrenntheit voran zu stellen, ist nämlich nicht vertrauenswürdig.) Wenn es aber [nicht von ihm verschieden ist, sondern] ihm entspricht und dieselbe Definition mit ihm teilt, dann müssen diese [mathematischen Gegenstände] im [Bereich der] Sinnendinge entweder eben aufgrund ihrer Natur und ihrer Definition in den [Bereich der Sinnendinge] gekommen sein — aber wie kann dann abgetrennt sein, was dieselbe Definition wie sie hat? — oder diese [ihre Existenz im Bereich der Sinnendinge] ist etwas, das ihnen aus irgendeinem Grunde akzediert, und sie sind aus diesem [Grunde] akzidentell dort, und ihre Definitionen widersetzen sich der Verbindung dieses [akzidentellen Zustands] mit ihnen nicht. Dann müssten jene abgetrennten [mathematischen Gegenstände] die Eigenschaft haben, materiell zu werden, und diese materiellen [mathematischen Gegenstände müssten die Eigenschaft haben], abgetrennt zu 94 werden . Das steht aber im Widerspruch zu ihrer Überzeugung und zu dem, worauf sie ihre Ansicht gründen. Außerdem müsste für jene materiellen [mathematischen Gegenstände] 95 , die mit den Akzidenzien [der sinnlichen Existenz verbunden] sind, [Folgendes gelten]: Entweder [(i)] bedürfen sie der abgetrennten [mathematischen Gegenstände] bedürfen, die von ihnen verschieden sind, dann müssten auch die abgetrennten [mathematischen Gegenstände] anderer [abgetrennter Entitäten] bedürfen. 93
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Ich lese mit mss. PQ und Ibn SÁn wa-naצqiluhĂ anstelle von aw nataצaqqaluhĂ der Edition. Ich lese, mit dem avicennischen Text, an tufĂriqa anstelle von an yufĂriqa der Edition. HĂdhihi l-mĂddata ist sicher im Sinne des unmittelbar vorausgehenden hĂdhihi lmĂddiyya zu verstehen, wenn nicht gar eine Verschreibung in der handschriftlichen Überlieferung vorliegt. Gewiss ist nicht von „der Materie“ im Allgemeinen die Rede. Entsprechendes gilt für das Suffix –hĂ in Ibn SÁn, p. 318, l. 6, apud Mull דadr, p. 74, l. 3f. Ich ergänze den bei Mull דadr durch homoioteleuton ausgefallenen Text nach Ibn SÁn.
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Bedürfen sie 97 der abgetrennten [mathematischen Gegenstände] aber [(i.b)] nur aufgrund eines ihrer Akzidenzien, derart, dass sie ihrer durchaus nicht bedürften, wenn dieses nicht [ihr] Akzidens [wäre], und also durchaus keine Notwendigkeit besteht 98 , dass die abgetrennten [mathematischen Gegenstände] existieren, dann müsste das Akzidens einer Sache die Existenz von etwas erfordern, was ihr vorausgeht und ihrer entbehren kann, und würde [so] die abgetrennten [mathematischen Gegenstände] zu etwas machen, was der [materiellen mathematischen Gegenstände] bedarf, derart, dass diese notwendig existierten. Verhält es sich aber nicht so, sondern macht [umgekehrt] die Existenz der abgetrennten [mathematischen Gegenstände] die Existenz der [materiellen mathematischen Gegenstände] zusammen mit diesem Akzidens notwendig, warum macht sie dann dieses Akzidens [nur] in anderem, nicht aber in den [abgetrennten mathematischen Gegenständen] selbst notwendig, wenn [ihre] Natur [als solche] dieselbe ist? [(ii)] Wenn sie aber der abgetrennten [mathematischen Gegenstände] nicht bedürfen, dann können diese in keiner Weise ihre Ursachen und vorgängigen Prinzipien 99 sein und müssten [also] defizient sein, denn dieser, mit <der Materie> verbundenen [Entität] haften Kräfte und Wirkungen an, die in dem Separaten nicht zu finden sind. Wie sehr unterscheiden sich doch die primitive [schematische] Darstellung eines Menschen und die lebendige, wirkende Gestalt des Menschen! (Ende des wörtlichen Zitats.)“
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Ich sage: Im Grunde besagt [Ibn SÁns] erstes Argument, dass die Individuen einer Wirklichkeit (al-ͧaqĮqa al-wĂͧida), die eine Definition und eine Quiddität hat, ununterschieden sind hinsichtlich Abgetrenntheit, Korporalität, Unabhängigkeit oder Abhängigkeit von einem stofflichen Substrat, Intelligibilität und sinnlicher Wahrnehmbarkeit. [Diese] seine Feststellung trifft ohne Zweifel nur auf Quidditäten zu, die univok prädiziert werden, nicht auf 75 die äquivoken (fĮ l-mutawĂίiץati mina l-mĂhiyyĂti dŧna l-mushakkakati). Des Weiteren basiert [seine Feststellung] auf [der Annahme], dass das Wesen oder das Wesenhafte qua Wesen oder Wesenhaftes in seiner Wirklichkeit und seiner Quiddität keine [Binnen-]differenzierung aufweist. Wie es sich damit verhält, kam bereits [oben] vor; und dies ist an der vorliegenden Stelle die grundlegende Frage, auf welcher die [weiteren] Untersuchungen aufbauen. Viele Prinzipien der Alten basieren auf [der Annahme], dass ein und dieselbe Wirklichkeit ihrem Wesen nach [zugleich] vollkommen [und] unabhängig und defizitär [und] abhängig sein kann, [und zwar] nicht derart, dass [ihre Wirklichkeit] als etwas Mittleres zwischen ihrem Wesen [auf der einen Seite] 97 98
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Ich lese, mit dem avicennischen Text, taͧtĂju anstelle von yaͧtĂju der Edition. Ich lese, mit mss. PQ und dem avicennischen Text, wa-lĂ kĂna yajibu ... al-battata anstelle von wa-lammĂ kĂna yajibu der Edition (om. al-battata). Ich ergänze nach Ibn SÁn, p. 318, l. 10, li-l-mĂddati. Das vorangehende almuqĂrin, das nicht in allen Textzeugen belegt ist, wird auch durch Mull דadrs Zitat gestützt.
Mull דadr: „Verifikation der Platonischen Formen“
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und ihrer Abhängigkeit oder Unabhängigkeit [auf der anderen Seite] hervorgebracht worden ist, sondern [derart, dass] ihre Unabhängigkeit eine wesenhafte Unabhängigkeit und ihre Abhängigkeit eine wesenhafte Abhängigkeit ist. Das heißt, das Abhängigsein 100 [des Abhängigen] wurde in demselben Akt der Hervorbringung wie das Wesen des Abhängigen hervorgebracht, nicht in einem zusätzlichen Akt der Hervorbringung. Das Abhängige ist folglich wesenhaft abhängig [und] bedarf durch sich selbst der hervorbringenden [Kraft], nicht deshalb, weil es [erst] zu etwas Abhängigem und Bedürftigem wird, ich meine in dem Sinne, dass ihm dies [accidentaliter oder per definitionem] zugeschrieben wird. Der Kern seines zweites Argument [besteht darin], dass Individuen ein und derselben Wirklichkeit nicht wesenhaft teils Ursache, teils Verursachtes sind, sowie [darin], dass in dem Fall, dass ein Verursachtes wesenhaft durch ein anderes Individuum derselben Art verursacht ist, dieses andere [Individuum] ebenfalls durch ein [wiederum] anderes Individuum verursacht sein muss, und so weiter, bis man entweder zu einem Zirkel oder zu einem Regressus ad infinitum kommt, die beide unmöglich sind. Auch dieses [Argument] basiert auf [der Annahme, dass] ein und dieselbe Natur hinsichtlich Früher und Später, Priorität und Fehlen der [Priorität], und Unabhängigkeit und Abhängigkeit keine [Binnen]differenzierung aufweisen kann. Du musst wissen, dass von Platon, den weisen Persern und den Griechen der Antike die Lehrmeinung überliefert wird, [der zufolge] artmäßige Wesenheiten (al-nawצiyyĂt) separat sind und die substanziellen Formen der Wirklichkeiten der natürlichen Körper abgetrennt sind. Die mathematischen Gegenstände sind hingegen ihrer Ansicht nach in ihrer Existenz durchaus etwas Materielles, jedoch in der Definition abgetrennt von der Materie. Ihrer Ansicht nach kann es keine Ausdehnung geben, die nicht in der Materie gründet; und der Beweis hierfür, auf den wir später eingehen werden, [geht so]: Gäbe es eine abgetrennte [Ausdehnung], müsste sie entweder endlich oder unendlich sein. Die zweite [Alternative] ist absurd, da, wie wir [später] zeigen werden, weder fixe noch veränderliche Quantitäten unendlich sein können. Der Grund, [dass sie absurd ist, ist] nicht das, [was Ibn SÁn] im [KitĂb] al-ShifĂ[ ץanführt], nämlich dass die Unendlichkeit der Abtrennung entweder „einzig in der Natur [der Ausdehnung] begründet sein müsste und folglich jede Ausdehnung unendlich sein müsste, oder, wenn ihr [die Unendlichkeit] wegen ihrer Abgetrenntheit von der Materie anhaftet, die Materie das sein müsste, was [ihr] die Form und die Begrenztheit gibt, was beides unmöglich ist“ 101 . Denn du hast ja bereits gelernt, dass dieses [Argument] bei 100 101
Zu lesen ist wohl mit ms. Q faqĮratan anstelle von faqĮran der Edition. Eine nahezu wörtliche Paraphrase von Ibn SÁn, KitĂb al-Shifaץ: al-IlĂhiyyĂt, p. 311, l. 16 – p. 312, l. 2.
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den [Dingen] mit einer [Binnen]differenzierung hinsichtlich Vollkommenheit und Defizienz nicht greift; und Quantitäten gehören zu dieser Klasse [von Dingen]. Die erste [Alternative] ist ebenfalls auszuschließen, weil die Begrenztheit der Ausdehnung im Zustand ihrer Abgetrenntheit in einer festgelegten Definition und einer bestimmten Gestalt nur durch eine Einwirkung [zu erklären] wäre, die ihr von etwas ihrer Natur Extrinsischem akzediert. Einwirkungen gehören aber zu den Wesensakzidenzien der Materie, wie du [später] lernen wirst. Also muss [die Ausdehnung] etwas Nichtseparates sein. Wir hatten aber vorausgesetzt, dass sie separat ist, was hierzu im Widerspruch steht. Zwar führt „der Meister“ [Ibn SÁn] die beiden erwähnten Argumente gegen die an, die [die Existenz] separater mathematischer Gegenstände lehren. Doch sind dieselben [Argumente] seines Erachtens auch auf die Widerlegung [der Existenz] separater Formen anwendbar und werden nur aus methodischen Gründen im Zusammenhang mit dieser Doktrin vorgebracht. Deshalb haben wir sie im Kontext der Lehre von den Platonischen Urbildern und den separaten Formen referiert und Stellung dazu genommen. 77 Erleuchtende Bemerkung: Wenn du fähig bist, dich den göttlichen Mysterien und wahrhaftigen Erkenntnissen zu öffnen, gelangst du wohl zu der Gewissheit und Wahrheit, dass jede Kraft, Vollkommenheit, Disposition und Schönheit, die sich in dieser niederen Welt finden, in Wahrheit Schatten und Nachbildungen (tamthĮlĂt) dessen sind, was in der oberen Welt [existiert, und] erst [hierher] hinabgelangt und trübe und inkorporiert worden sind, nachdem sie [zuvor dort] rein und klar, [alle] Defizienz und Verunzierung übersteigend, abgetrennt von [aller] Eintrübung und Rezeptivität, und erhaben über [allen] Schaden, [alle] Unzulänglichkeit, Mangelhaftigkeit, Schwäche, Vergänglichkeit und Vernichtung gewesen sind, ja, dass alle Formen der werdenden [Dinge] und [alle] Wesen der erschaffenen [Dinge] Spuren (ĂthĂr) und Lichter des wahrhaftigen Seins und des ordnenden Lichts sind. Dieses ist die Quelle der absoluten Schönheit und der vollkommensten [und] trefflichsten Pracht. Im Vergleich zu diesem Meer der Schönheit verhalten sich die Formen geliebter [Dinge] und die Schönheit der spirituellen und korporellen Entitäten wie ein Tropfen, und [wie] ein Sonnenstäubchen im Vergleich zu dieser Sonne der Pracht und Schönheit. Wären ihr Licht und ihr Leuchten nicht in den Erscheinungsformen der seienden [Dinge], gäbe es keine Kontinuität (wuΥŧl) mit „dem Licht der Lichter“, welches das absolute göttliche Sein ist. Denn in ihrer Verzückung 102 durch ein relatives Objekt ihrer Liebe, welches die Seele in aufrichtiger Weise [liebt], wendet sie 102
Ich lese iftĂnihĂ anstelle von iftinĂnihĂ („ihrer Mannigfaltigkeit“) der Edition und ifnĂץihĂ („ihrer Vernichtung“) in ms. P.
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sich dem wahren, absoluten Objekt ihrer Liebe zu, dem, nach dem alles strebt und in dem alles Leben seine Zuflucht findet, und in dessen erhabener Macht die Quelle [aller] Lichter und der Ursprung [aller] Spuren [in dieser Welt] liegen. Dann kommt sie in Kontakt mit der göttlichen Hoheit und wird in ihrem Innersten durch deren Licht erleuchtet, so dass sie die universalen Dinge und die separaten noetischen Formen erkennt, da sie in diesem Zustand zu einem die Universalien erkennenden Intellekt wird (fa-tudriku l-umŧra lkulliyyata wa-l-Υuwara l-mufĂriqata l-צaqliyyata li-ΥayrŧratihĂ ͧĮnaץidhin צaqlan mudrikan li-l-kulliyyĂt). Siehst du denn nicht, wie die Spuren ihrer Lichter, die in der Welt der Engel 103 erscheinen, von ihren spirituellen [und] noetischen Hypostasen herabkommen, in den Formen der Particularia sichtbar werden und [dort] durch Schönheit, Eleganz und ein verführerisches und ansprechendes Äußeres gekennzeichnet sind, die Intellekte in Verwunderung stürzen, die Einsichtigsten 104 und ihre Gefährten in Verwirrung bringen, und ihre Schüler in innere Unruhe und Prüfung versetzen, [und dies,] obwohl sie durch [ihre] Verbundenheit mit der korporellen Finsternis geschwächt und durch die Schwere der Materie verdichtet wurden, nachdem sie zuvor rein, klar und abgetrennt waren? Um wieviel mehr gilt dies für die absolute Schönheit an sich und [für] das gleißende göttliche Licht, das in größter Majestät und unendlicher Herrlichkeit [erstrahlt] und die Intellekte und Herzen vollends überwältigt, [obwohl es] hinter siebzigtausend licht- und schattenhaften Schleiern [steht], wie die [folgende] Überlieferung des Propheten besagt: „Gott hat siebzigtausend Schleier aus Licht und Schatten. Würde er sie lüften, verbrennte der hehre Glanz seines Angesichts jedes [Ding] seiner Schöpfung, auf das er seinen Blick lenkt“ 105 ! [Dies] wird dir [auch] aus seinen [folgenden] Worten klar: „Dieses [weltliche] Feuer [kommt] aus dem Feuer der Hölle, welches mit siebzig Wassern gewaschen und dann herabgesandt wurde“ 106 . Vergleiche dies mit dem [göttlichen] Licht hinsichtlich seiner Leuchtkraft und seiner Verhüllung [durch die göttlichen Schleier]! Gäbe es diese nämlich nicht, so 103 104 105
106
צālam al-malak, oder „in der Welt der [göttlichen] Macht“ (צĂlam al-mulk)? Ich lese al-alibbĂ ץanstelle von al-albĂb der Edition. Die autoritativen Referenzen für diesen ԈadÁth im Kontext metaphysischer Lichtspekulationen sind Abʗ Ԉmid al-GhazzlÁs MishkĂt al-anwĂr, pp. 116, 175f. (ed. al-Shaykh Abd al-AzÁz Izz al-DÁn al-SÁrwn, Bayrʗt 1407/1986) und Ibn al-ArabÁ, al-FutŧͧĂt al-Makkiyya. 14 vols. TaԉqÁq wa-taqdÁm Uthmn Yaԉy. Al-Qhira: al-HayΊa al-miהriyya al-mma li-l-kitb, 1392-1412/1972-92, vol. 4, p. 140 f., vol. 12, p. 562, vol. 13, pp. 419-421, etc. Cf. Tj al-DÁn al-SubkÁ, ήabaqĂt al-shĂfiצiyya al-kubrĂ. 8 vols. TaԉqÁq Maԉmʗd M. al-ՇanԉÁ, Abd al-Fattԉ M. al-Ԉilw. Al-Qhira: MaՈbaat Às al-BbÁ alԈalabÁ, 1383-88/1964-68, vol. 6, p. 387.
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Appendix III
existierte weder ein Wissender noch eine mystische Erkenntnis oder eine [Gottes]erfahrung, da der [Erkennende] durch seine Strahlen verbrennen und zerrinnen würde. So wie die Hitze dieses korporellen Feuers, welche seiner Art-Form folgt, [nur] ein Funken im Vergleich zu dem ideellen Feuer der göttlichen Gewalt ist, nachdem dieses über viele Hypostasen hinabgestiegen ist, vergleichbar dem Feuer, das in der Form des Zornesmutes auf die Ebene der Seele hinabgestiegen ist —denn häufig bewirkt ein starker Zornesmut eine Erhitzung der Säftemischungen, trotz deren Feuchtigkeit, wie sie nicht einmal ein Feuer im Brennholz bewirken kann, trotz dessen hoher Entflammbarkeit, woraus zu erkennen ist, dass nicht alles Wärmeerzeugende heiß sein muss—, in derselben Weise sind die wahrnehmbaren Lichter von Sonne, Mond und Sternen [nur] Schatten und Erscheinungen der ideellen Lichter der Anmut Gottes, Spuren des Leuchtens seines Himmelsreichs und Strahlen seiner Schönheit, nachdem sie zu ihren Plätzen [im Reich] seiner Verfügung und seiner Schöpfung herabgestiegen sind 107 . Weckruf an den Intellekt: Demjenigen, dessen Herz licht und dessen Verstand erleuchtet ist, wird, nachdem er die vorangehenden Grundsätze und Prinzipien bedacht hat, nicht verborgen bleiben, dass 108 die in der Natur der Seelen vorhandene Liebe und Zuneigung zu den guten Eigenschaften des Leibes und den schönen Qualitäten der Körper und ihre ästhetische Wertschätzung materieller und korporeller Zierden ihr höchstes Ziel einzig darin haben, die [Seele] aus dem Schlummer der Gleichgültigkeit und [aus] der lähmenden Ruhe der Unwissenheit wachzurütteln, sie darin zu üben, von den korporellen Dingen und den materiellen Bildern (aΥnĂm) zu den spirituellen 79 Schönheiten, den intelligiblen Kostbarkeiten und den göttlichen Lichtern hinauszuschreiten, und sie zur Erkenntnis ihrer Substanzen, der Ehrwürdigkeit ihrer Materie, der Schönheiten ihrer Welt und des Wohls ihrer Rückkehr zu führen. Denn alle Schönheiten und Kostbarkeiten, alle begehrten Zierden und Annehmlichkeiten, die in den Erscheinungen der Körper und den Gattungen des Leibes zu sehen sind, sind nichts als Farben, Musterungen und Zeichnungen, geformt von den „Herren ihrer Arten“ und den Engeln, die ihre [Existenz] in den stofflichen Substraten und Elementen verwalten. [Die „Herren der Arten“] haben sie mit ihnen ausgeschmückt, damit die Seelen sich ihnen zuwenden, von ihnen angezogen werden, in ihren [Erkenntnis-] bemühungen danach streben, sie zu betrachten und zu bedenken, ihr von der sinnlichen Irreführung abgelöstes Wesen herausfinden und ihren wahren, von der unreinen Schale befreiten Kern erkennen, indem sie die Universalien von den partikularen Dingen abstrahieren, die intelligiblen Dinge im Ausgang 107 108
Ich lese mit ms. P hubŧίihĂ anstelle von ͧubŧίihĂ der Edition. Zu lesen ist anna anstelle von inna der Edition.
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von den sinnlichen Dingen verstehen und [schließlich] das Diesseits zugunsten des Jenseits verwerfen. All dies dient [also] dem Zweck, jene „Zeichnungen“ und Schönheiten in ihrem Wesen zu konzeptualisieren, zu ihnen vorzudringen und ein Bild von ihnen präsent zu haben, so dass den [Seelen] diese geliebten und erstrebten Formen auch dann präsent und für sie konzeptualisierbar sind, wenn jene korporellen Individuen wieder aus der Präsenz der Sinneswahrnehmungen verschwunden sind. Der [Seele steht dann] eine klare, rein spirituelle Form zur Verfügung, die nach wie vor durch ihre attraktiven Eigenschaften ausgezeichnet ist, mit denen sie auf eine ideelle Weise verbunden ist und deren Abtrennung oder Veränderung nicht zu befürchten sind. Sie bedarf dann zu deren Schau (צiyĂn) keiner [weiteren] Informationen (al-khabar) oder eines Beweises (al-bayĂn), kann der Apperzeption der werdenden [Dinge] 109 entsagen und sich aus dem Zustand der Sklaverei und der Vorfälle [der Sinnenwelt] (al-riqq wa-l-ͧadathĂn) befreien. Ein Hinweis auf die Richtigkeit unserer Worte ist jedem bekannt, der schon einmal zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Person geliebt hat und dann von dieser [Person] getrennt wurde oder sie für einen [gewissen] Zeitraum vergessen hat. Trifft er nun diese [Person] zu einem späteren Zeitpunkt wieder, so hat er sich selbst hinsichtlich Schönheit und Anmut gegenüber früher verändert, wie auch jene Zierde und Schönheit, die er einst an der Erscheinung des Körpers jener [Person] und an dem Äußeren ihres Leibes wahrzunehmen pflegte, [verändert sind]. Wenn er nun von diesen [veränderten Äußerlichkeiten] absieht und jene „Zeichnungen“ und Formen betrachtet, die seit jener alten Zeit unverändert in seiner Seele ruhen, findet er sie in unverändertem und ungewandeltem Zustand. Er sieht sie dann vollständig, und sie sind ihm wesenhaft präsent, so wie er sie zuvor zu sehen pflegte. Sie sind nicht verschwunden oder vergangen 110 , sondern zusammen mit ihrer Wirkursache, ihrem konstitutiven Agens und ihrem fortdauernden „Herrn des Bildes“ (rabb ΥanamihĂ) geblieben. Nun findet er an sich und substanziell, was er zuvor jenseits dieser [Formen in den Äußerlichkeiten] gesucht hat 111 . Mit dieser [Erkenntnis] verwirft er sein [früheres Streben] und weiß nun mit Gewissheit, dass jene guten Eigenschaften, Schönheiten und Kostbarkeiten, die er [damals] in jener Person zu sehen pflegte 112 , nicht in jener Person verankert, durch sie dauerhaft und auf sie beschränkt waren, sondern etwas substanziell „Gezeichnetes“ und wesenhaft Geformtes sind, das fortdauert und beständig und unveränderlich in demselben Zustand verbleibt, und dass jene Person nur ein Hinweis auf diese gewesen ist wie jedes andere 109 110 111 112
Ich lese mit mss. PQ al-akwĂn anstelle von al-alwĂn („der Farben“) der Edition. Ich lese lam tafsud anstelle von lam yafsud der Edition. Ich lese kĂna yaίlubu anstelle von kĂnat taίlubu der Edition. Ich lese kĂna yarĂhĂ anstelle von kĂnat tarĂhĂ der Edition
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bildhafte Individuum (shakhΥ ΥanamĮ), das ein Hinweis auf die noetischen Lichter und Erscheinungsort der luminösen Ideen (maϕhar li-l-maצĂnĮ lnŧriyya) ist. Wer verständig und einsichtig ist und unsere Darlegung bedenkt, dessen Seele wird aus dem Schlummer der Gleichgültigkeit erwachen, sich auf ihr Wesen besinnen, ihre Substanz zum Erfolg führen und sich von [allem] anderen befreien. Dabei wird sie von den Mühen, Nöten und Leiden, die die Liebe zu den anderen [Dingen mit sich führt], entlastet und von dem Unglück errettet werden, das den trifft, der den korporellen Dingen zugetan ist und die menschlichen Körper oder den Dirham, den Dinar, Edelsteine und Perlen, den Besitz von Grund und Immobilien 113 , Gärten, Plantagen und Ernteerträgen oder andere vergängliche und unbeständige Dinge liebt. Gott, der Erhabene, spricht: „Beständige Dinge und gute Taten sind im Hinblick auf die Vergeltung das Beste bei Gott und das Beste hinsichtlich der Hoffnung“ 114 . Wenn die Seele aus dem Schlummer der Gleichgültigkeit erweckt wird und aus der lähmenden Ruhe der Unwissenheit aufgewacht ist, [wenn sie] ihr wahrhaft sehendes Auge geöffnet hat, ihre eigene Welt sieht und die Orte ihrer Herkunft und Rückkehr erkennt, dann erlangt sie Gewissheit darüber, dass 115 die korporellen Annehmlichkeiten und die materiellen Schönheiten allesamt Inversionen der noetischen Kostbarkeiten gleichen und [dass] den Vorstellungen von den spirituellen Lichtern keine ursprüngliche Wirklichkeit und kein unabhängiges Wesen eignet, [diese] vielmehr wie eine schmutzige Luftspiegelung sind, die der Verdurstende für Wasser hält. Gelangt er dorthin, findet er nichts. Findet er aber Gott in sich, erfüllt dieser ihn vollkommen (wa-[idhĂ] wajada llĂha צindahŧ fa-waffĂhu). Barmherzige Erleuchtung: Der hochgepriesene Schöpfer hat in seiner Barmherzigkeit und Güte alle sinnlichen korporellen Dinge zu Bildern (mithĂlĂt) [und] Hinweisen auf die spirituellen noetischen Dinge gemacht, und er hat für die Sinneswahrnehmung [kognitive] Ebenen und Stufen gemacht, mit deren Hilfe man zur Erkenntnis der noetischen Dinge aufsteigen kann. Diese [Erkenntnis] ist das höchste Ziel für das Dasein der Seele im Bereich der Sinnendinge und ihr Emporkommen aus dem Reich der materiellen [Dinge]. So wie die Sinnendinge ihrem Wesen nach der noetischen Dinge bedürfen, da sie [wie] Tropfen von deren Licht und Schatten von deren Leuchtkraft sind, ebenso ist die sinnliche Erkenntnis der korporellen Dinge eine Defizienz der Seele und ein Zeichen ihrer starken Abhängig113
114 115
Zu lesen ist, mit mss. PQ, al-͏iyĂ צwa-l-צaqĂr anstelle von al-͏iyĂ ץwa-l-צaqĂr der Edition. Cit. al-QurץĂn, XVIII:46. Zu lesen ist anna anstelle von inna der Edition.
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keit, während die Erkenntnis der noetischen Dinge ein Zeichen ihrer Unabhängigkeit und ihres Glückszustands ist. Denn für die Erkenntnis der korporellen Dinge bedarf die Seele des Körpers und seiner Werkzeuge, um diese mit deren Hilfe zu erfassen 116 . Für ihre Erfassung der spirituellen Dinge sind hingegen ihr Wesen und ihre Substanz hinreichend, wenn sie diese im Ausgang von den sinnlichen Erkenntnismethoden, die sich des Körpers bedienen, begriffen hat 117 . Ist ihr dies gelungen und ist sie zu einem Intellekt geworden und denkt actualiter, so kann sie der Sinneswahrnehmung und der Verbindung mit dem Körper entbehren. Bemühe dich also, mein lieber [Leser], mittels dieses Tempels 118 und seiner Werkzeuge nach ewiger Unabhängigkeit [des Intellekts] zu streben, solange es dir möglich ist [und] ehe deine Zeit abgelaufen, dein Leben ausgehaucht, dein Tempel verfallen und seine Existenz vernichtet ist! Setze alles daran, dass deine Seele nicht abhängig und auf den Tempel angewiesen bleibt, auf dass sie [nur] durch ihn zu Glückseligkeit und Vollkommenheit gelange! Sonst bist du [dereinst] unter denen, die sagen: „Würden wir nur zurückgeschickt!“ Dann würden wir recht handeln, nicht so, wie wir zu handeln pflegten 119 . Oder du musst bis zum Tag der Auferstehung im [Limbo des] Barzakh bleiben. Wie könnten die [die dort sind] begreifen, wann sie auferstehen, solange sie sorglos, heiter, gleichgültig und den natürlichen Leidenschaften und Zierden ergeben sind und sich von den Begierden dieses sinnlichen, tadelswerten Lebens, die der Herr der Herren doch an so vielen Stellen seiner erhabener Schrift missbilligt hat, verführen lassen? Also tadele die, die von diesen intelligiblen Dingen, den „Herren der Bilder“ und den hohen und niederen „Herren der materiellen Dinge“ nichts wissen, ihren Blick nicht von den sinnlichen Dingen emporrichten und nichts als diese kennen! Denn [von diesen] sagt [Gott]: „Sie sind mit dem diesseitigen Leben zufrieden und setzen darin ihre Zuversicht, und sie sind die, die unsere Zeichen ignorieren“ 120 . [Damit] meint er die Dinge des Jenseits und 116 117 118
119
120
Ich lese li-tudrika anstelle von li-yudrika der Edition. Ich lese baצda-mĂ taץkhudhuhĂ anstelle von baצda-mĂ yaץkhudhuhĂ der Edition. Die Bezeichnung des Leibes als „Tempel der Seele“ oder „Tempel“ einer supralunaren oder spirituellen Entität hat eine lange islamische Tradition. Besonders weite Verbreitung erlangte sie im Anschluss an al-SuhrawardÁs intensive Verwendung der Metapher. Zu frühen Belegen siehe J. van Ess, Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert Hidschra. Band 2. Berlin: De Gruyter, 1992, p. 14; Band 3. Berlin 1992, pp. 369-372; Band 6. Berlin 1995, p. 113 f., und die dort angeführte Literatur. Außerdem Bibel, 1. Kor. 6:19. Cf. al-QurץĂn, VI:27: “Würden wir nur zurückgeschickt! Dann würden wir die Zeichen unseres Herrn nicht verkennen, sondern zu den Gläubigen gehören.“ Cit. al-QurץĂn, X:7.
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des Reichs der Glückseligkeit, zu denen sich die Seelen der Vortrefflichsten [der Menschen] emporwenden, nachdem sie sich vom Körper getrennt haben. In diesem Sinne heißt es in dem gelobten Koran: „Zu Ihm steigen die guten Worte auf“, das heißt der Geist des Gläubigen, „und Er hebt die rechtschaffene Tat [zu sich] empor“ 121 , das heißt die Erkenntnisse der noetischen [Dinge], nach denen sich [der Gläubige] sehnt und die ihn dorthin aufsteigen lassen.
121
Cit. al-Qur ץĂn, XXXV:10.
Appendix IV Ibn Kammʗnas al-JadĮd fĮ l-ͧikma – eine Quelle für al-ShahrazʗrÁs al-Shajara al-ilĂhiyya ? Shams al-DÁn al-ShahrazʗrÁs philosophische Summe mit dem Titel RasĂץil al-shajara al-ilĂhiyya fĮ צulŧm al-ͧaqĂץiq al-rabbĂniyya ist bisher kaum erforscht 1 . Wie nicht anders zu erwarten, setzen sich die wichtigsten Quellen dieses umfangreichen Werks aus Schriften Ibn SÁns, al-SuhrawardÁs und Fakhr al-DÁn al-RzÁs zusammen, die auch namentlich genannt werden (zuweilen mit Angabe der betreffenden Titel). Deutlich seltener verweist al-ShahrazʗrÁ auf al-FrbÁ, die Ikhwn alדafΊ, Abʗ l-Barakt al-BaghddÁ, AthÁr al-DÁn al-AbharÁ und andere Philosophen. Sad Ibn Kammʗna, der Bagdader Zeitgenosse al-ShahrazʗrÁs, wird meines Wissens an keiner Stelle namentlich genannt. Allerdings hat einer der Herausgeber von al-ShahrazʗrÁs Werk, N. ԈabÁbÁ, bereits auf Parallelen zu Ibn Kammʗnas Kommentar zu al-SuhrawardÁs KitĂb al-TalwĮͧĂt hingewiesen 2 . Es mag daher von Interesse sein, dass ich eher beiläufig auf Textpassagen gestoßen bin, die meines Erachtens den Schluss nahelegen, dass auch Ibn Kammʗnas Hauptwerk, al-JadĮd fĮ l-ͧikma, zu al-ShahrazʗrÁs Quellen gehörte. Bisher galt das Œuvre QuՈb al-DÁn Maԉmʗd 1
2
Das Werk wurde in den vergangenen Jahren zweimal ediert: (i) Shams al-DÁn alShahrazʗrÁ, RasĂץil al-shajara al-ilĂhiyya fĮ צulŧm al-ͧaqĂץiq al-rabbĂniyya. A Critical Edition Prepared by M. Neçip Görgün. 3 vols. Istanbul: Matbaa ve Cilt Sanayi, 2004. (ii) Shams al-DÁn Muԉammad al-ShahrazʗrÁ, RasĂץil al-shajara alilĂhiyya fĮ צulŧm al-ͧaqĂץiq al-rabbĂniyya. TaԉqÁq, taהԉÁԉ wa-muqaddima-i NajafqulÁ ԈabÁbÁ. 3 vols. Tihrn: MuΊassasa-i pažʗhishÁ-yi ԉikmat wa-falsafa-i Àrn, 1385-1387/ 2006-2008. Cf. al-ShahrazʗrÁ, RasĂץil al-shajara. Al-Mujallad al-thĂnĮ: FĮ l-צulŧm al-ίabĮצiyya, ed. N. ԈabÁbÁ, “Muqaddima-i muהaԉԉiԉ”, p. XXI. Für einzelne Parallelstellen cf. ibid., “Fihrist-i asmÁ-yi ashkh”ה, p. 562 s.n. Ibn Kammʗna. Gewisse doktrinale Parallelen vermerkt auch T. Langermann, “Ibn Kammʗna and the ‘New Wisdom’ of the Thirteenth Century,” Arabic Sciences and Philosophy 15 (2005), 277-327.
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Appendix IV
al-ShÁrzÁs (gest. 710/1311) als der früheste konkrete Beleg für die philosophische Rezeption von Ibn Kammʗnas Opus magnum 3 . Dieses schloss Ibn Kammʗna im Jahre 676/1278 in Bagdad ab 4 . Nur vier Jahre später beendete al-ShahrazʗrÁ die Arbeit an seinen RasĂץil al-shajara alilĂhiyya, wie wir aus dem Kolophon einer Abschrift des Autographen wissen 5 . Folgende Textstellen, die sich vermutlich durch weitere Belege ergänzen lassen, scheinen zu bestätigen, dass al-ShahrazʗrÁ sich darin verschiedentlich eng an Ibn Kammʗnas al-JadĮd fĮ l-ͧikma anlehnt: al-ShahrazʗrÁ, RasĂץil al-shajara al-ilĂhiyya, ed. Görgün
Ibn Kammʗna, al-JadĮd fĮ l-ͧikma, ed. NjÁ IהfahnÁ
Vol. 2, p. 537
p. 172
ƧǁȂǏ DZȂǐƷ Ǻǟ ƧǁƢƦǟ ǭơǁƽȍơ ǹƗ ȄǴǟ DzȈdzƾdzơ ǾǸǴǠǻ Ń ƢƆƠȈNj ƢǼǯǁƽƗ ơƿƛ ƢǻƗ ǭǁƾŭơ Ŀ ǭǁƾŭơ DzǐŹ Ń ǹƜǧ ƢǼLJơȂƷ Ǻǟ ƢƆƦƟƢǣ ǹƢǯȁ Ǯdzƿ DzƦǫ ƔȆNj ƢǼǟ ǦƬǼȇ Ńȁ ǭơǁƽȍơ Ǯdzƿ ǺǷ ǂƯƗ ƢǼȈǧ DZƢŰ Ȃǿȁ ǽƾǠƥ ƢǷȁ ǭơǁƽȍơ DzƦǫ ƢǷ ǹƢȈĈLjǧ
ǭǁƾŭơ ƧǁȂǏ DZȂǐŞ ǹȂǰȇ ǹƗ ƤŸ [...] ǭơǁƽȍơ ƢǼȈǧ DzǐƷ ơƿƛ ǾǻƗ Ȃǿ Ǯdzƿ DzȈdzƽȁ [...] ǭǁƾŭơ Ŀ ǶǴǠdzơ Ǯdzƿ Ǻǰȇ Ń ǹƗ ƾǠƥ ƢǼǟ ƤƟƢǣ ƔȆnjƥ ǶǴǟ ƢǼǟ DZDŽȇ Ńȁ ƔȆNj ƢǼȈǧ DzǐŹ Ń ǹƜǧ ƢǼdz Ȑ Ɔ ǏƢƷ ơǀǯ džȈdzȁ ǾǠǷȁ ǶǴǠǻ ǹƗ DzƦǫ ƢǼdzƢƷ ǹƢȈĈLjǧ ƔȆNj
Vol. 2, p. 532
p. 365f.
ȆǬƦƫ ǹƗ ƢǷƛ ƧǁȂǏ ƢȀǼǟ ƣƢǣ ơƿƛ ƨȈǷǂŪơ ƧȂǬdzơ ƢǿƽȁƢǠƫ ƢŮ ƨǻơDŽƻ ǹȂǰƫ ȃǂƻƗ ƧȂǫ Ŀ ƨǛȂǨŰ ƤLjǯ ńƛ ǁƢǬƬǧơ Śǣ ǺǷ ƢȀȈdzƛ ƱƢȈƬƷȏơ ƾǼǟ Ŀ ǂǬƬǨƬǧ ƢȀƬǻơDŽƻ Ǻǟȁ ƢȀǼǟ DZȁDŽƫ ȁƗ ƾȇƾƳ ƤLjǯ ńƛ (sic leg. pro ƢēƽƢǨƬLJơ) ƢēƽƢǠƬLJơ [...] ƾȇƾƳ
Ŀ ǚǨƸƬƫ Ńȁ ƪdzơǃ ǹƛ [...] ƨǯǁƾŭơ ƧǁȂǐdzơȁ ƨǻơDŽŬƢǯ ƨǯǁƾŭơ ƧȂǬdzơ ǮǴƬdz ǹȂǰƫ ȃǂƻƗ ƧȂǫ ƤLjǯ Ƕnjš ńƛ ƢēƽƢǠƬLJơ Ŀ ƨǯǁƾŭơ ƧȂǬdzơ ƩǂǬƬǧơ ǮǴƫ ǭơǁƽƛ Ȇǫ ǹƢǯ ȅǀdzơ ƤLjǰdzơ Ƕnjš DzưǷ Ń ƨǻơDŽŬƢǯ ȃǂƻƗ ƧȂǫ Ŀ ƪǜǨŴơ ǹƛȁ ȏƆ ȁƗ ƧǁȂǐdzơ ƨǠdzƢǘǷ ǺǷ ǂưǯƗ ńƛ ƢēƽƢǠƬLJơ Ŀ ƨǯǁƾŭơ ƧȂǬdzơ ǂǬƬǨƫ ƢǸǯ ƤLjƬǰȇ ǹƗ ńƛ ƱƢȈƬƷơ Śǣ ǺǷ [...] ƨǻơDŽŬơ [...] ǂǷȋơ DZȁƗ Ȇǫ ƤLjƬǯơ
3
4 5
Cf. R. Pourjavady, S. Schmidtke, A Jewish Philosopher of Baghdad: צIzz al-Dawla Ibn Kammŧna (d. 683/1284) and His Writings. (Islamic Philosophy, Theology and Science. Texts and Studies, 65.) Leiden: Brill, 2006, pp. 28-57; und R. Pourjavady, S. Schmidtke, „QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs (d. 710/1311) Durrat al-tĂj and Its Sources”, Journal Asiatique 292 (2004), 309-328. Cf. Pourjavady, Schmidtke, A Jewish Philosopher, pp. 11, 87. Cf. al-ShahrazʗrÁ, RasĂץil al-shajara al-ilĂhiyya, ed. Görgün, vol. 1, p. ϥ, vol. 3, p. 599f.
„Al-JadÁd fÁ l-ԉikma“ – eine Quelle für „al-Shajara al-ilhiyya“ ?
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[...] ƨȈǷǂƳ ƨǻơDŽŬơ ǮǴƫ ǹȂǰȇ ǹƗ ǃȂŸ ȏȁ (sc. džǨǼdzơ) ƢǿƔDŽƳ ƨǻơDŽŬơ ǹȂǰƫ ǹƗ ƢƆǔȇƗ ǞǼƬŻȁ ǺǷ ƨǻơDŽƻ ƢȀǴǧ ƢŮ ƔDŽƳ ȏ džǨǼdzơ ǹƜǧ [...] ƢǿƾȈǠǷ) ƢǿƾȈǨǷȁ ƢȀǴǸǰǷ Ȃǿȁ ƨȈǴǬǠdzơ ǂǿơȂŪơ ƢȀǼǟ DZơȁDŽdzơ ƾǼǟ (ed.
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Vol. 2, p. 533
p. 368
ňƢǠŭơȁ ƨȈdzƢȈŬơ ǁȂǐdzơ Ŀ džǨǼdzơ ǥǂǐƫ Ƨǂưǯȁ ƨȇǂǰǨdzơ ƧȂǬdzơ ƨǘLJơȂƥ ƨǜǧƢūơ Ŀ Ŗdzơ ƨȈŷȂdzơ ƧǁȂǏ DZȂǐūȁ (sc. DzǬǠdzƢƥ) Ǿƥ DZƢǐƫȐdz ƢǿƾǠƫ ƤLjŞ ǾǻƜǧ ƽơƾǠƬLJȏơ Ǯdzǀdz ƤLJƢǼǷ ƨȈǴǬǟ ǎǐţ ǵDŽǴȇ ƧǁȂǏ ƧǁȂǐƥ ƧǂǰǨdzơ ǥǂǐƫ ƨȈǴǬǠdzơ ǁȂǐdzơ ǺǷ ƧǁȂǏ ƧǁȂǐƥ džǨǼdzơ ƽơƾǠƬLJơ ǺǷ ƨȈǴǬǟ ƧǁȂǏ DZȂǐū džǨǼdzơ ƾǠƬLjƫ ƾǫȁ Ǻǟ ȂǴţ ǹƗ Dzǫ ƨȈǴǬǠdzơ ǁȂǐdzơȁ ƨȈǴǬǟ ƧǁȂǏ ƨǴȈƼƬŭơ ƧƢǯƢŰ
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Vol. 2, p. 533
p. 369
Ƣēơǀƥ ƨƴȈƬǼǴdz ƨƦƳȂǷ ƨǴǠƥ ƢƬLjȈǴǧ ǹƢƬǷƾǬŭơ ƢǷƗȁ ǶǴǠŭơ ǺǷ džǨǼdzơ Ŀ DzǐŹ ǶǴǠdzơ Dzƥ [...] ǩǁƢǨŭơ
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Die Entsprechungen sind nur selten ganz wörtlich, in Gedankenführung und Terminologie aber so eng an das Original angelehnt, dass meines Erachtens über ihren Ursprung kaum Zweifel bestehen können. Da alShahrazʗrÁ im Kontext der zitierten Exzerpte weder auf Ibn Kammʗna noch in irgendeiner Form auf eine andere Autorität verweist, ist mit weiteren Plagiaten in seinem Hauptwerk zu rechnen. 6
7
Eine persische Paraphrase dieses Abschnitts ist auch in QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs Durrat al-TĂj, ed. Mishkt, p. 770 zu finden. Wörtlich aus Ibn Kammʗna, nicht aus al-ShahrazʗrÁ, persisch adaptiert in QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁs Durrat al-TĂj, p. 772 f.
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Index der Personen- und Ortsnamen (Mit Asteriskus markierte Seitenangaben verweisen auf Textstellen in übersetzten Quellentexten.) Abduh, M. 86314 AbharÁ, AthÁr al-DÁn 282113, 407 Abʗ Bakr al-RzÁ 340233 Abֹ Bishr Matt 26-28 Abֹ Hurayra 353* Abʗ l-Barakt al-BaghddÁ 108111, 192 Abʗ l-Skaykh ibn Ԉayyn 311180 Abʗ Sulaymn al-BustÁ (al-MuqaddasÁ) 75 Abʗ Շlib [SulίĂn] 219* Adamson, P. 56, 3387, 89, 37, 66215, 70228, 72231, 235, 73245, 74247, 248, 102356, 104, 105366, 185638 AfÁfÁ, A. 22310, 336230 Agathodaimon 164, 385* A·mad, S. Kh. 161547 ¬l YsÁn, J. 54184 Alexander von Aphrodisias 12, 1217, 1318, 2665, 87315 Alexandria 9, 71 Allma al-ԈillÁ 175 “Alten, die” 111388, 129*, 140*143*, 152*, 198*, 228*, 229*, 234*, 301*, 302*, 313*, 376*, 379*, 380*, 382*, 38443*, 386*, 389*, 393*, 394*, 398*, 399* Alwishah, A. 156527 AmÁn, U. 62204 ¬mirÁ, Abʗ l-Ԉasan 44141 Ammonius Sakkas 70228 Anawati, G. C. 22311 Aouad, M. 2974
Aristoteles 3, 8*, 914*, 10, 12-32, 40127, 48, 54, 56188, 59, 62, 64208, 65-68, 69*, 70-73, 81288, 84, 94*, 96, 98, 100-102, 104, 105, 108, 115*, 116, 119, 121, 128, 140, 141, 152*, 153, 158, 166, 167, 174, 177, 184, 186, 193, 199, 200, 209*, 215, 223*, 230*, 282113, 299*, 375*, 376*, 378*, 389*, 392*, 395* Arnzen, R. 43, 371л Arzhanov, Y. 914 ¬shtiynÁ, S. J. 170590, 187641 “Assoziationisten” (al-mushabbiha) 255*, 256*, 260* Augustinus 123421 Averroes cf. Ibn Rushd Avicenna cf. Ibn SÁn AwjabÁ, A. 200677 BadawÁ, A. 2974, 42138, 43139, 44142, 47151, 48152, 154-158, 49160-163, 86314, 127431, 151521, 175609, 213, 217, 218, 23539, 24653, 25465, 274101, 277105, 106, 280108, 281110, 291129, 297140, 308166, 314195, 320209, 321210, 211, 322213, 323214, 333225, 336228, 347239 Baffioni, C. 75253, 254, 256, 76257, 258 Baghdd 1, 99, 355, 356, 359, 360*, 370* BaghddÁ, M. M. 107375, 285118
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Index Nominum
Bahmany֡r ibn al-Marzub֡n 106, 107, 108377 Bardenhewer, O. 42138, 44142, 47151, 48152, 154-158, 49160-163 Becker, A. H. 914 Beierwaltes, W. 3077, 36106, 124422, 131445 Berg Sinai 304*, 305* Bergjan, S.-P. 144487 Bertolacci, A. 1320, 1422, 24, 1526 , 1734, 2144, 97344 BÁdrfar, M. 86314, 285118 Black, D. L. 159537 Blumenberg, H. 123421 Bouyges, M. 2664, 2769, 60198, 63206 Brock, S. P. 914 Büchli, J. 144487 Bukh֡r֡ 359* BukhrÁ, Abʗ Abdallh M. 353245 Byzanz 9 Charles, A. 145497 Chase, M. 3077, 126 Chittick, W. C. 154524, 336229 Christ, W. 26, 27 Corbin, H. 120409, 412, 130440, 147508, 217, 287124 Daiber, H. 7, 8, 915, 1217, 2974, 120408 D’Ancona, C. 2974, 3075, 3179, 80, 3389, 41132, 134, 42137, 138, 43139, 47150, 49165, 70228, 126427, 430, 127431, 132451, 185638 Dnish-Pažʗh, M. T. 54184, 64210, 355 DashtakÁ, דadr-al-DÁn 192660 Davidson, H. A. 123416, 164566, 165568 DawwnÁ, Jall al-DÁn 186, 189192 Devereux, D. T. 1115
DÁbjÁ, I. 107374 Dieterici, F. 810, 54182, 63206, 127431 Dihdr ShÁrzÁ 186639 Diԉya al-KalbÁ 304*, 305* Dillon, J. M. 40131, 107405 Dodds, E. R. 45147, 46149, 49160, 161 Duffy, J. M. 913 Düring, I. 1318, 2873 Empedokles 52, 53, 99*, 129438, 164, 313*, 340233, 385* Endreß, G. 915, 3181, 42136, 74249, 74250 Euklid 76 Fakhr al-DÁn al-RzÁ 107, 108, 167, 190652, 214, 25465, 285*, 407 Fakhry, M. 64208, 185638 FrbÁ, Abʗ Naהr 8, 9, 3282, 43, 5367, 71, 75, 127431, 159, 186, 198*, 203, 215, 299*, 375*, 377* FarghnÁ, SaÁd al-Din M. 23232 Fayyӱ, A. A. 120409, 317201 Ferrari, C. 104364, 105366, 367 Fine, G. 21, 1115, 1318, 2873, 72240 Flavius Heraklius Augustus 304161 Forget, J. 26079 Gabriel 304*, 305* Galen 4, 5, 1217 Gätje, H. 1217 GhazlÁ, Abʗ Ԉmid 122, 123, 131443, 401105 Gill, M. L. 2456 Görgün, N. 152522, 161548, 408 Gözü Büyükzâde, Ibrâhim Effendi 151 Grignaschi, M. 54184 Gutas, D. 43, 4, 1015, 129438, 164566 Gyekye, K. 101355, 102357, 103359, 104361, 363, 364
Index Nominum Haarbrücker, T. 113397 ԈabÁbÁ, N. 120408, 407 Hadot, P. 3077, 126429, 134460 Hamadhn 356, 359* Harlfinger, D. 1318 Hasnawi, A. 36227, 36439 Henry, P. 126430 Heraklit 31 Hermes 129*, 164, 377*, 385* Hermogenes von Tarsus 8 Heymericus de Campo 211 Horn, C. 21 Ԉubaysh 42136 Hugonnard-Roche, H. 914 Ԉunayn ibn Isԉq 42136 356
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355-370, 372, 374*, 375*, 396*, 39793-96, 398*-400*, 407 Ibn Taymiyya 340233 Ibn Turka, דΊin al-DÁn 186-189 Ikhwn al-דafΊ 75-86, 160546 Iהfahn 153, 185, 186, 214 IsfizrÁ, Abʗ Ԉmid 6 Is·֡q ibn Άunayn 2664 Jabr, M. F. 86314, 285119 Jaeger, W. W. 1319 Jeck, U. R. 75253 Johannes Philoponus 9 Jolivet, J. 112394, 113396-398, 114400, 114401, 115402 Ǹ
Ibn AdÁ 71-75, 99, 102 , 356 Ibn al-ArabÁ 148, 154, 168-170, 176, 186, 187, 193, 197, 213-215, 23232, 309169, 310*, 311177-179, 312*, 332223, 336*, 344237, 401105 Ibn al-NadÁm 42136 Ibn al-Շayyib 99-106 Ibn Kammʗna 155-161, 168, 197, 407-409 Ibn Rushd 14, 1527, 1629, 31, 1734-36, 20, 2146, 47, 2350-52, 2453-55, 2557, 2558, 61, 62, 26, 2771 Ibn SÁn 5, 11, 1734, 86-99, 105108, 110-112, 118-122, 136-139, 152, 155, 158, 160, 164, 165568, 167, 168, 170, 174, 176, 177, 181, 189648, 190652, 191, 193, 196, 197, 202, 203, 214, 215, 223*, 224*, 226*, 227*, 22924, 230*, 240*, 241*, 243*, 244*, 246*, 248*, 250*-253*, 255*-259*, 26079, 262*, 265*, 26687, 88, 267*, 277104, 279*, 282113, 285*, 286*, 287124, 288*-290*, 292*, 293*, 298*, 299*, 334*, 337*, 340233, 349241,
Kasab Baʋizâde, Ibrâhim 151 KshÁ cf. QshnÁ, Abd al-Razzq KtibÁ al-QazwÁnÁ 168 KhafrÁ, Shams al-DÁn Muԉammad 192660 KhalÁft, S. 71230, 72232, 236, 238, 73242, 73243, 74246, 247 KindÁ, Abʗ Yʗsuf 70228, 340233, 393* KirmnÁ, Abʗ l-Qsim 356 Klein, F.-N. 123420, 127432, 144487 Kraemer, J. L. 3282 Kraus, P. 55, 156529, 340233 Lameer, J. 54184 Landauer, S. 26 Langermann, Y. T. 155525, 4072 Langhade, J. 54184 LawkarÁ, Abʗ l-Abbs 107, 108 Leaman, O. 185638 Lewis, G. 35103, 126, 135463 Linley, N. 100349 Luna, C. 1318 LuՈfÁ, R. 114400, 204693, 371, 372 MalÁ, MuԉyÁ l-DÁn Aԉmad 168 Madelung, W. 118406
434
Index Nominum
Madkʗr, I. 22310, 11, 22619 Mahdaw֬, Y. 355 MahdÁ, M. 64210, 65212 Malcolm, J. 21 Malʗf, E. 120408 Margha 168 Marmura, M. E. 87315, 90-92320-325, 93328, 329, 94332, 95335, 96338, 98345, 98346, 36969 Marrone, S. P. 123418 Marsilio Ficino 211 Martini Bonadeo, C. 89, 1320, 67218 Massignon, L. 63206 Mayer, T. 118406 McGinnis, J. 87315 Menn, S. 65213 Menon 86 Michael von Ephesus 9, 2666 Michael Psellos 9 Michot, Y. 355-357, 3594, 6, 3609, 11, 36013, 36117 MÁr Dmd 67217, 186, 192-203, 207, 372, 377*, 37822-26 Mishkt, S. M. 168581, 4096 Monnot, G. 112394, 113396-398, 114400, 401, 115402 Morrow, G. R. 40131, 107405 Moses 304*, 305* Muԉammad (Prophet) 304*, 305*, 309*, 353* Muԉammad Bqir al-Dmd cf. MÁr Dmd Muԉaqqiq, M. 168582, 192661 MuÁn, M. 86314 Mull דadr (דadr al-DÁn alShÁrzÁ) 114400, 155, 185638, 202685, 203-211, 36331, 36541-43, 371-406 Müller, J. 21 MunÁb, A. Ԉ A. 186640, 189649 Muntaהir, A. 298143
MuՈahharÁ, M. 106371 Muծaffar, M. R. 114400, 204693, 371, 372 NjÁ IהfahnÁ, Ԉ. 157532, 211704, 39485, 408 Najjr, F. M. 56188, 58192 Nasr, S. H. 185638 Natorp, P. 21, 1115, 2873 NaծÁf ibn Ayman 14, 15, 18, 19 Neuhausen, H. 75254 Neuplatoniker 9 Nicomachus von Gerasa 202683 Nikolaus von Kues 211 Nöldeke, T. 914 NʗrnÁ, A. 94330, 168582, 198672 O’Meara, D. J. 913 Oudaimah, S. 43140, 44142, 45147, 49164 Owen, G. E. L. 88317 Peripatetiker 121413, 136*, 137, 209*, 210*, 230*, 234*, 270*, 286*, 293*, 294*, 298*, 313*, 317*, 318*, 342*, 364*, 365*, 378*, 382*, 384*, 388*, 394* Pfaff, F. 147510 Philo von Alexandria 123420 Platon 1, 22, 3-6, 7*, 8-11, 1217, 14ff., 15*, 16*, 17-21, 23, 26*, 27-34, 37*, 38, 39, 40126, 130, 41, 42, 43*, 48, 50, 53, 54184, 67*, 68, 69*, 70, 71, 75, 76, 79, 82-84, 93, 94*, 97, 98*, 100*, 101*, 102, 106, 107, 108*-110*, 111388, 112*, 114*, 115*, 116, 117, 119, 126427, 128, 129*, 131, 136, 146, 147510, 148513*, 149518, 149519, 153, 156, 163, 164, 165*, 166, 167, 174, 177, 189, 190, 195, 196, 198*, 199, 201, 202*-204*, 205,
Index Nominum 207*, 211, 222*-224*, 226*, 230*, 265*, 282113, 299*, 313*, 374*-377*, 37824*, 380*, 384*, 389*, 39383*, 395*, 399* Platoniker 22, 42, 98, 209*, 379* Plotin 12, 1217, 29-42, 46, 48, 50, 62, 68, 79, 101, 117, 122, 124423, 125-127, 129438, 131-135, 146, 148, 164, 174, 190, 201680, 39279 Plutarch 52, 53, 114400 Pognon, Henri 914 Porphyrius 4, 56, 64210, 101, 103*, 104, 121, 340233 Pourjavadi, R. 155525, 526, 175611, 4083, 4 Proklos 12, 40131, 42-50, 79277, 107405, 125, 127432, 131, 145497, 147510 Ps.-Alexander [Michael v. Ephesus] 2666 (Ps.-?)al-FrbÁ [KitĂb al-Jam ]צ6771, 198, 199, 372, 375*, 37610, 377* Ps.-Ammonius 50-53, 71 Ps.-Plutarch 4, 6-8 Pythagoras 99*, 129438, 164, 650 189 , 230*, 313* Pythagoreer 17, 99, 100* QshnÁ, Abd al-Razzq 213, 214, 344* QayהarÁ, Sharaf al-DÁn DΊʗd 170590 QʗnawÁ, דadr al-DÁn 168 QuՈb al-DÁn al-ShÁrzÁ 154, 168175, 182, 183, 193, 198, 214, 215, 26079, 302150, 152, 153, 303157, 304160, 306163, 309169, 311177, 313193, 314195, 407, 408, 4096, 7 Rahman, F. 203687
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Rashed, M. 89, 1318, 67216, 71230, 72234, 73241-245, 74246, 247, 87315, 95335, 356м, 357, 36120, 36225, 27, 36434, 36, 37, 39 Razavi, M. A. 147508 Reisman, D. C. 6, 355л, 356Ƿ, ǹ, 3608 Robert Grosseteste 124425 Rolfes, E. 103359 Rosán, L. J. 49159, 160 Rosenthal, F. 3076 Ross, W. D. 21, 1115, 1318, 19, 1527, 1630, 2666, 27, 2873, 72240, 97344 Rudolph, U. 50168, 51170, 53181 Satɜiyn, F. 192660 דadr al-DÁn al-ShÁrzÁ cf. Mull דadr SΊiԉ, A. A. 161547 Schleiermacher, F. 201682 Schmidtke, S. 155525, 526, 175611, 4083, 4 Schmutte, I. M. 147510 Schwyzer, H.-R. 126430 Sergius von R¶shayn 914 Sextus Empiricus 8 ShahrastnÁ, Abʗ l-Fatԉ 14, 42136, 111, 112, 113396, 115402, 116-118, 154, 192, 201, 202, 204689, 204690, 313189, 190, 192 ShahrazʗrÁ, Shams al-DÁn 147508, 152, 161-168, 174608, 175, 178, 182633, 190, 198, 214, 309169, 310*, 313190, 407-409 Shams al-DÁn ibn Maԉmʗd alIהfahnÁ 175 Shams al-Milla Muծaffar 175611 Shields, C. 2873 SijistnÁ, Abʗ Sulaymn 3282 Simplicius 9 Slaveva-Griffin, S. 101353 Söder, J. 21
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Index Nominum
Sokrates 7*, 98*, 195, 198*, 313*, 374* Speer, A. 124425 Stoiker 8*, 82, 364* Strobel, B. 21, 2559, 2768, 37111 SuhrawardÁ, Shihb al-DÁn 5, 79, 119-157, 159, 161-164, 167, 169, 171, 173, 175, 177-179, 181, 185, 189, 190, 192, 193, 196-199, 203, 214, 215, 230*, 233*, 234*, 283*, 284115, 286*, 288*, 289*, 291131, 292*, 299*, 301*, 302150, 151, 154, 302156, 303158, 309*, 310*, 313190, 314194, 196, 315197, 199, 317*-320*, 325*, 331*, 340233, 342*, 372, 37716, 380*, 38231-34, 38335-37, 40, 384*, 385*, 38955, 405118, 407 Syrianus 1318, 2145, 70228 Szlezák, T. A. 1423, 1633, 100350 Tj al-DÁn al-SubkÁ 401106 Taylor, R. C. 42137, 43139, 185638 Thales 51 Themistius 26 Theon von Smyrna 4 Thillet, P. 43140, 44142, 45147, 49164 Timotheus I. 9 Thrasyllus 4 Türker, M. 43139 ՇʗsÁ, NaהÁr al-DÁn 168, 190652, 214, 25568, 69, 259*, 26079, 287124, 349*
TʗyisirknÁ, S. A. 186640, 191657 Ullmann, M. 55, 915, 1217, 132450, 132451, 156529 UrӱÁ, MuΊayyad al-DÁn 168 UsՈth 21, 26-28 Van Ess, J. 81290, 311180, 405118 Wahb ibn Munabbih 311180 Wahba, T. A. 161547 Wakelnig, E. 44141 Walbridge, J. 120412, 122414, 130439, 168583, 169584, 175611, 215Ƕ, 313193 Walzer, R. 22, 55, 55185, 186 Welt, T. 159537 Wisnovsky, R. 76259, 152523 Xenophanes 52 Yaԉy, U. 310173 YrshՈir, I. 86314, 95336, 96339, 355-358, 36011, 36115-17, 36752, 36859 Zyid, S. 22311, 22619, 298143 Zenon 8*, 53 Ziai, H. 120412, 130439, 156527, 164566 Zimmermann, F. 3078
Index Rerum
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Index ausgewählter Begriffe und Dinge (Mit Asteriskus markierte Seitenangaben verweisen auf Textstellen in übersetzten Quellentexten.) Abbild 30, 38-40, 49, 54, 63, 80, 117, 132-134, 165, 173, 231* ڷA. dist. Urbild, Abbild-Urbild-Relation 914, 11, 19, 24, 26, 38-40, 49, 50, 80, 100, 116, 117, 132-135, 141, 142, 148, 149, 154, 163, 165, 166, 170, 172, 181 ڷKoinzidenz von A. und Urbild 179, 182, 183, 272* vgl. auch ڼÄhnlichkeit; ڼǸŹǷɕɇɋɉ, ǸŵоȤɉ; ڼΥanam Abstraktion, abstrahieren 48, 55, 56*, 60*, 64208, 78, 96, 104, 153, 158, 191, 206*, 208, 222*, 226*, 243*, 245*, 246*, 261*, 328*, 362*, 366*, 368*, 369*, 402* ۙмлɇɈл cf. Abbild Ähnlichkeit, Nachahmung, etc. 39, 40*, 49, 51, 56*, 57*, 63*, 82, 100*, 111*, 132, 145, 149, 183, 200, 232*, 377*, 385*, 400* צajĮba cf. Wunder Aktiver Intellekt cf. Intellekt: int. agens Aktualität, in actu 26, 38, 56*, 61, 63*, 76, 81, 83, 90, 92, 330* Akzidens, Akzidentalität, etc. 57*, 65, 76, 96, 107, 115*, 136*, 138, 165*, 182, 187, 189, 192, 193, 195-197, 199, 206*, 211, 222*, 225*, 227*, 235*, 238*, 240*, 242*, 243*, 254*, 264*, 269*, 272*, 276*-282*, 284*, 286*, 289*, 295*, 301*, 307*, 309*, 311*, 314*, 317*, 327*, 328*, 332*, 333*, 339*, 361*, 362*, 366*, 367*, 369*, 375*, 380*, 400* ڷurbildliche Akzidenzien (aצrĂ͏ mithĂliyya) 167, 301*, 310*, 385*, 387*, 388*, 398* צĂlam al-צaql, al-צĂlam al-צaqlĮ, צĂlam al-צuqŧl, etc. cf. kosmos noêtos צĂlam al-ashbĂͧ (Welt der Erscheinungen) 161, 207*, 313* צĂlam al-dhikr (Welt der Erinnerung) 149 צĂlam al-ͧiss/al-ajsĂm, al-צĂlam al-ͧissĮ, etc. cf. kosmos aisthêtos צĂlam al-ilĂh, צĂlam al-rubŧbiyya, צĂlam al-quds (Welt des Göttlichen), etc. 67*, 68, 109*, 127*, 313*, 374*, 384* צĂlam al-mithĂl, al-צĂlam al-mithĂlĮ (Welt des Urbilds) 151-154, 162, 166-170, 174, 182, 187, 188, 190, 191, 196, 201, 232*, 281*, 302*, 304*-306*, 308*, 309*, 322*, 379*, 393* צĂlam al-muthul al-muצallaqa (Welt der herabhängenden Urbilder) 161, 216, 231*, 232*, 281*, 301*, 303*, 308*, 313*, 315*, 321*, 322* Anamnesis(lehre) 54184, 67216, 76, 86, 99, 115402, 118, 149, 150 Angelologie cf. Engel(hafte Wesen)
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Index Rerum
Äquivok, Äquivozität 90, 332*, 345*, 350*, 398* „Argumente aus den Wissenschaften“ (ɋŶ ɇȠмɋů ɋŶ ەɌȟ ɐɅɉ ǻɌůɏɐнɈɅɉ) 68, 72, 97 Art (species) 8*, 11, 15, 16*, 17*, 18-20, 25, 64, 65, 72, 78, 84, 90, 96*, 101, 102*, 103*, 133, 139*-141*, 163, 165*, 171, 172*, 174, 178*, 187, 189, 195, 196, 206*, 207*, 208, 227*, 230*, 232*, 233*, 240*, 261*, 267*, 268*, 271*-275*, 281*-285*, 287*, 288*, 290*-296*, 305*, 337*, 340*, 349*, 350*, 357, 363*, 364*, 372, 379*-383*, 386*, 387*, 393*, 395* vgl. auch ڼForm: Art-Form; „ڼHerr der Art“ ĂthĂr cf. Wirkungszeichen лȉǺɑɌȠɏɐлɐɋɉ cf. Durch-sich-Subsistierendes Auffassungsgabe cf. dhakĂץ Axiom 76, 128 barzakh, Pl. barĂzikh 124, 143, 145, 154, 169, 170, 196, 301*, 309*, 310*, 312*, 423 385*, 394*, 405* ڷb. coni. ǻɈɌȠǷůɋɉ 124 , 310* Beweis 73, 78, 79, 84, 89, 96, 97*, 153, 206, 228*, 235*, 237*, 238*, 262*, 263*, 275*, 374*, 397*, 403* Bild cf. Abbild; Ähnlichkeit; „Herren der Bilder“; Υanam Buch und Feder Gottes 83, 210* ǷлŭɈɕɉ cf. Engel(hafte Wesen) dastŧr (normatives Ur-/Vorbild) 142*, 389* dator formarum 160544, 305* Definition, definiendum, etc. 11, 14, 15, 18, 24, 29, 64209, 65, 72, 74, 76, 84-86, 88*, 96, 97, 98*, 99, 116, 160, 177, 207*, 235*, 237*-239*, 259*, 262*-264*, 275*-277*, 294*, 329*, 357, 366*-369*, 375*, 397*-400* ڷD. dist. rasmȊɌɋмɍлɒŬ 84, 160 Demiurg 33, 54, 70, 102 dhakĂ ץ164 Dialektik 204*, 205 Differentia specifica 65, 66, 90, 269*, 272*, 340*, 348*, 365*, 368*, 372, 387* ǷůɋŭонɏůɎ cf. ǸŶɈлɍɈūɉн; Ordnung Divination cf. taץalluh ǷȠɊл cf. Meinen Drei-Welten-Theorie 62204, 169, 187 „Dritter-Mensch“-Argument 18, 67, 71, 142, 171, 254-255, 269, 295, 383, 389
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Durch-sich-Subsistierendes 50, 60, 91, 96*, 123, 125, 137*, 150, 163, 165*, 169, 171, 173603, 191, 192, 207*, 233*, 279*, 311*, 335*, 382*, 387*, 388*, 395*, 396* Ebenbild 11, 81, 113396, 147508, 170589 ڷEbenbildlichkeit Gottes 80-82 ǸŻǷɋɎ 8, 10, 11, 16-21, 23-25, 27; vgl. auch ڼForm; ڼɈɋɍɒŬ ǸŹǷɕɇɋɉ, ǸŵоȤɉ 914, 11, 12, 49160, 132; vgl. auch ڼAbbild ǸŶɈлɍɈūɉн 144 Eines opp. Nichteines, Einheit, etc. 34, 36*, 45146, 47, 48, 85, 100*, 101, 107, 115*, 121, 122, 135*, 189, 193, 207*, 208, 210, 242*-248*, 261*, 299*, 332*, 353*, 357, 363*, 365*, 371, 374*, 379* ڷNumerisch Eines 240*, 241*, 248*, 271*, 280*, 367*, 369*, 393* ڷSinnliche Einheit dist. intelligible Einheit 243*, 247*, 269*, 270*, 273*, 274*, 280*, 299*, 338*, 352*, 364*, 368*, 375* Eines-über-Vielen 17, 18, 24-25, 27, 36, 47, 73, 85, 89, 96, 128, 154, 160, 165, 171, 182, 188, 189, 239*, 240*, 247*, 262*, 332*, 366*, 367*, 393*, 394* Einprägung von Formen cf. InίibĂצ-Theorie Einzeldinge cf. Particularia Ekstase (out-of-body experience) 79, 80, 125-129, 135, 146, 148, 150, 163, 164, 190 Elemente 85*, 144491, 302*, 313*, 340233, 383*, 385*, 402* Emanation 36, 38, 49, 83, 85, 93, 171, 284*, 290*, 293*, 298*, 302*, 303*, 383*, 394* Engel(hafte Wesen), Geister 41, 42, 69*, 71, 77, 79, 83, 94331, 111, 144, 147, 171, 196, 287*, 287124, 303*, 305*, 330*, 401* Entsprechung (muίĂbaqa, taίĂbuq) von Erkenntnissubjekt und -objekt 117, 138*, 141, 158, 162, 166, 172, 187, 252*, 253*, 25979, 261*, 275*, 307*, 323*, 342*, 385*, 396* Epiphanie 187, 188 Erfahren, unmittelbares Erleben, nichtrepräsentationales Erkennen 79, 128, 129*, 153, 159, 162555, 163, 164, 188*, 203*, 336*; vgl. auch ڼIntuition Eschatologie (Disziplin) 78269, 371 ڷeschatol. Konzepte, etc. 52, 81, 114, 118, 170, 304, 312, 403*-405*; vgl. auch ڼtajassud al-aצmĂl Ethik (Disziplin) 223*, 225* Ewiges, Ewigkeit 15, 34, 44, 113*, 198*, 228*-230*, 235*, 240*, 302*, 337*, 352*, 353*, 374*, 378* Feder cf. Buch Feuer 26, 27, 136*, 390*, 391*, 401*, 402*
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Index Rerum
Form 5, 6*-8*, 10, 11, 14, 16-23, 27, 31, 33, 35, 49, 50, 62, 90, 152, 153, 155-159, 182, 266*, 298*, 320*-323*, 372, 384* Abgetrennte/transzendente F.en 2147, 24, 41, 43-45, 47, 50, 51, 53, 54, 57*, 60*, 61, 63, 64, 67*, 70-73, 77, 86, 89, 90, 96*, 108*, 158, 169, 196, 208699*, 223*, 374*, 375*, 388*, 400* Art-Form 23, 25, 29, 64, 90, 102, 128, 136, 142, 143, 145, 160, 162, 170, 172*, 173, 179, 181, 187, 189, 190, 196, 199, 208, 209, 226*, 228*, 233*, 285*, 286*, 288*, 295*, 384*, 387*, 388*, 399*, 402* Erscheinungsformen (ashbĂͧ, Υuwar shabaͧiyya), Erscheinungen urbildlicher Formen 147508, 167, 231*, 233*, 302156, 303*-306*, 313*, 315*, 316*, 319*, 329*, 331*, 379*, 400* „Erste Form“ 33, 35, 37 Ewige F.en 32, 33, 52, 113* „Form der Formen“ 58-60, 62, 66 F.en der Vorstellung 113*, 117, 147508, 181*, 182, 203*, 207*, 301*, 306*308*, 316*, 321*-323*, 325*-329*, 331* F.en, „eingeprägt“ in das Erkenntnisvermögen cf. InίibĂצ-Theorie F.en im Spiegel, cf. Spiegel F.en in Gott, im Wesen/Wissen Gottes 51-53, 69*, 70, 71, 74, 92*, 94, 101*, 102, 110, 113*, 114*, 118, 191, 203, 299*, 375*, 376*, 394* F. qua Grenze 3496, 399* F.en künstlicher Dinge 32*, 39, 40, 44141, 47 F.en natürlicher Dinge 27, 28, 32*, 39, 40, 44141, 47, 72, 97, 196, 199, 207*, 223*, 229*, 230* Göttliche F.en 44141, 51, 68, 69*, 74, 209* Immanente/materielle/partikulare F.en 8*, 15, 21, 33, 35, 36, 41, 45, 48, 55, 56*, 57*, 60, 61, 63*, 72, 74, 77, 82, 86, 89-91, 100*, 116, 158, 159, 172, 181-183, 189, 190, 208699*, 226*-228*, 266*, 301*, 306*-308*, 313*, 315*, 323*-325*, 329*, 366*, 394* Konstitutive F.en 76, 77, 84, 121 Luminöse F.en 79, 80, 172*, 173, 389* Noetische/intellektuale/intelligible F.en 12, 19, 32*, 35-37, 42, 45-47, 72, 78, 92*, 100*, 111, 114*, 118, 134, 156, 160, 203*, 210, 223*, 240*, 241*, 250*, 251*, 262*, 281*, 322*, 362*, 363*, 366*, 367*, 369*, 393*, 401* Platonische F.en 2-5, 10, 12, 16, 23, 24, 30, 36, 53, 54, 65, 86, 93-95, 97, 102, 106, 108, 109, 111, 119, 159, 171, 185, 186, 193, 196, 200, 203, 209*, 210*, 211, 215, 216 Spirituelle F.en (Υuwar rŧͧĂniyya) 12, 68, 78, 83, 113*, 116-118, 166, 199, 403* Supplementäre F.en 76, 77 Universale F.en (Υuwar kulliyya) 1217, 35, 36*, 48, 72, 74, 78, 90*, 91, 162, 163, 173, 226*, 253*, 323*
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Ur-/abbildhafte F.en (Υuwar mithĂliyya) 1217, 88*, 161, 171, 173, 183, 188, 204*, 205, 305* Formlos(igkeit) 34, 40, 55, 59, 82293, 130 FrüheréSpäter 52, 72, 92, 276*, 334*, 340*, 341*, 343*, 345*, 346*, 350*, 371, 376*, 378*, 383*, 386*, 399* Gegensatz, Gegensätzlichkeit, etc. 58*, 149, 165*, 210, 240*, 246*, 268*-270*, 299*, 344*, 345*, 349*, 350*, 371, 375* Geometrie 78, 360*, 377* Gestalt cf. ɈɋɍɒŬ Gnosis cf. Hermetismus Gott(heit), Schöpfer, etc. 7*, 8*, 33-35, 38, 40, 45, 51-53, 59, 68*, 69*, 70, 77, 78, 80-83, 85*, 92-96, 100*, 101, 102, 112*, 123, 131, 141*, 147, 148, 156, 160, 167, 176, 188, 190, 191, 194, 196, 199-201, 202*, 203, 209*, 210, 211, 215, 221*, 279*, 286*, 289*, 291*, 303*, 305*, 311*, 324*, 330*, 335*-338*, 344*, 351*, 353*, 378*, 379*, 388*, 391*, 394*, 401*, 404* ڷSekundäre Gottheit 100*, 322*, 323* vgl. auch צڼĂlam al-ilĂh; ڼForm: F.en in Gott Gutes, Gutsein, das Gute-an-sich 45, 47, 52, 92, 93*, 131, 158, 260*, 306*, 308*, 309*; vgl. auch ڼIdee: I. des Guten ͧads cf. Intuition Harmonie, PlatonéAristoteles [Topos] 31, 32, 67-71, 119 Henaden 46, 47, 140 „Herabhängende“ Ur-/Abbilder/Formen 3, 143, 145-149, 151, 153, 154, 161, 162, 166, 169, 174, 176, 178*, 181-185, 190, 196-200, 207, 215, 216, 219*, 225*, 231*, 301*-331*, 379* Hermetismus, Gnosis 122, 123, 127432, 144 „Herr der Art“ (ΥĂͧib/rabb al-naw )צ140*, 141*, 142, 156, 157, 162, 163, 165*, 166*, 174, 178*, 196, 208699*, 230*, 233*, 286*, 289*, 380*, 382*-385*, 387*, 388*, 394*, 402* „Herren der Bilder“ (aΥͧĂb/arbĂb al-aΥnĂm) 132, 136, 139, 141, 178*, 230*, 381*, 384*, 385*, 387*, 403*, 405* ͧiss mushtarak cf. sensus communis Idee (ŵǷȚл) dist. Form 3, 5, 6*-8*, 9, 1015, 11, 14, 15, 18-20, 22, 25, 96, 363*, 404* ŵǷȚл (rhetorischer Stil) 8-9 I. coni./dist. Mathematica 17f., 20, 100, 101, 108
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I. qua Definitionsgegenstand 18, 24, 84, 89, 160546 I. qua Einzelding vs. Universale 24f., 118 I. qua Ursache 19f., 23, 28, 49 I. des Feuers 15, 26, 27, 136* I. des Frommen 15 I. des Guten 22, 39, 42, 159 I. des Schönen 37-39 vgl. auch ڼSelbstprädikation der I. Imagination cf. Vorstellung(svermögen) צinĂya cf. Vorsehung Individuationsprinzip 187*, 188*, 193-195, 197, 250*, 270*, 274*, 277*, 280*, 299*, 328*, 376* Individuum cf. Particularia Inhärenz, inhärent, etc. 241*, 242*, 245*, 246*, 254*, 258*, 260*, 267*-269*, 272*, 274*, 284*, 285*, 289*, 293*, 310*, 335*, 353*, 377*, 380*, 386*-388*, 395* Inspiration cf. taץalluh Instantiierung 24, 130, 136, 142-144, 156, 157, 162, 166, 172*, 173, 199, 221*, 222*, 254*, 349* Intellekt 34, 35103*, 41, 44, 45, 52, 57, 59, 60*, 61, 63*, 66, 85*, 86, 109, 135*, 138*, 159, 164, 172*, 188, 189, 206*, 221*, 223*-225*, 233*, 236*, 238*, 239*, 245*, 251*, 252*, 258*, 260*, 261*, 269*, 279*, 281*, 285*, 289*, 328*, 362*, 391* Erster I., Nous 34, 47, 70, 80, 82, 91, 101, 112*, 125, 132, 160, 304*, 362* I. acquisitus 60, 61*, 62, 63*, 66 I. agens 56*, 60, 61*, 62, 63*, 66, 82, 164, 165, 293*, 298* Supralunare/luminöse I.e 91, 92, 94, 99, 118, 153, 156, 162, 163, 167, 171, 173, 174, 178*, 179, 216, 230*, 231*, 270*, 283*, 286*, 291*, 292*, 294*, 315*, 330*, 372, 380*, 382*, 394*; vgl. auch ڼEngel(hafte Wesen) Intelligibilia, Intelligibilität 20, 61*, 86, 92*, 94, 107, 110*, 114*, 117, 125, 131, 176, 191, 192, 196, 206*, 222*, 228*, 229*, 234*, 235*, 240*, 241*, 261*, 263*, 273*, 274*, 276*, 324*, 325*, 328*, 336*, 357, 362*, 393*, 395*, 398*, 402* InίibĂצ-Theorie 56*, 96, 113, 153, 157, 158, 313*-315*, 317*, 318*, 321*, 322*, 362*, 368*, 369*, 395* Intuition 122414, 128, 129, 164, 204*, 205; vgl. auch ڼtaץalluh irtasama cf. InίibĂצ-Theorie Źɓɉн cf. Wirkungszeichen (ĂthĂr) Jenseits, jenseitige Hoffnung/Furcht, etc. cf. Eschatologie
Index Rerum
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kalima cf. Logos Kategorien 52, 264*, 265*, 307*, 371 KhawĂriq cf. Wunder Konkomitant, Konkomitanz 94, 115*, 124, 170, 193, 197, 209*, 225*, 226*, 234*, 236*, 238*, 239*, 252*, 259*, 262*, 272*, 273*, 276*, 278*, 279*, 308*, 327*, 328*, 335*, 339*, 363*, 375*, 386* Korrespondenz cf. Entsprechung (muίĂbaqa, taίĂbuq) kosmos aisthêtos 33-35, 40, 54, 79, 80, 83, 100, 112*, 113*, 115*, 116, 117, 128, 132, 133, 142, 144, 146, 162, 163, 169, 174, 179, 187, 204*, 231*, 266*, 302*, 308*, 393* kosmos noêtos 34, 35, 39-41, 71, 75, 79, 83, 100, 109*, 110*, 112*, 113*, 115*, 116, 117, 126, 132-135, 142*, 144, 146, 148, 153, 166, 167, 169, 170, 174, 177179, 187, 190, 203*, 204*, 207*, 231*, 266*, 302*, 313*, 344*, 372, 376*, 377*, 379*, 383*, 385*, 387*, 390*, 391*, 393* kullĮ ίabĮצĮ cf. Universalien: „Natürliches Universale“ kulliyyĂt cf. Universalien Künstliche Dinge dist. natürl. Dinge 27, 39, 40; vgl. auch Form: F.en künstlicher Dinge Licht 33, 38, 77, 79, 80, 82, 121-132, 136, 139, 142*, 143-145, 147-150, 153, 162, 163, 167, 169, 190, 302156, 303*, 304*, 379*, 384*, 385*, 392*, 400*-402*, 404* Logik (Disziplin) 78, 105, 120, 193, 360*, 364* Logos (kalima) 36, 82, 83, 146, 391*, 392* Materie 7*, 8*, 1633, 23, 28, 29, 33, 35103*, 45146, 52, 55, 56, 57*, 62, 65, 83, 91, 97*, 98*, 108*, 113*, 114*, 116, 121, 146, 153, 165*, 182, 190, 195-197, 201, 206*, 207*, 224*, 226*-229*, 238*, 239*, 241*, 246*, 249*, 250*, 262*, 267*, 273*, 297*, 317*, 327*, 372, 391*, 399* ڷErste M., Urmaterie, hylê noêtê 41, 51, 61, 85*, 116, 117, 130, 221*, 222* Mathematik 221*, 224*, 225*, 228*, 235*, 238*, 262*, 386* Mathematische Gegenstände 16-18, 20, 2560, 29, 66, 78, 86, 90320, 96-101, 106, 108*, 115*, 140, 157, 166, 167, 170, 176, 177*, 178, 198*, 216, 221*-224*, 228*-230*, 234*, 235*, 238*, 239*, 262*-267*, 275*-277*, 279*, 280*, 310*, 324*, 386*, 396*-400* ɈȚǺǸɊůɎ cf. Partizipation Meinen dist. Wahrnehmung, Wissen 54184, 205 ɈǸɐлɊȢ-Doktrin 16-18, 21, 29, 98, 100, 108, 166, 167, 196, 201, 223, 398
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Index Rerum
Metaphysik (Disziplin) 22, 62204, 68*, 104*, 105, 120, 193, 221*, 224*, 238*, 360*, 364*, 371, 372 ɈŭɈнɏůɎ cf. Abbild-Urbild-Relation; Ähnlichkeit miraculum cf. Wunder mithĂl, Pl. muthul 2, 3, 11, 19, 24-26, 31, 36, 37*, 39, 40, 48, 49, 67, 80, 89, 93, 97*, 101*, 110*, 113*, 125, 132, 134, 170, 207*, 208 muthul aflĂίŧniyya 67, 86312, 112*, 116, 119, 136*, 140*, 153, 156, 162, 163, 176-181, 191, 192, 208699*, 219*, 225*, 232*, 233*, 260*, 346*, 372, 379*, 383*, 388*, 393*, 400* muthul awwaliyya 109* muthul צayniyya 200, 378* muthul ͧaqĮqiyya 111* muthul ilĂhiyya 31, 67, 199, 374*, 378* muthul muצallaqa cf. Herabhängende Ur/Abbilder muthul nŧriyya 152*, 233*, 234* Monaden 85*, 229*, 349*, 386* ɈɋɍɒŬ, Gestalt, shakl 6, 7*, 10, 56*, 90, 169, 249*, 265* mudabbir cf. Ordnung; ǸŶɈлɍɈūɉн muίĂbaqa cf. Entsprechung Natürliche Dinge dist. künstl. Dinge/Mathematica 26-28, 35103*, 39, 40, 97, 101, 132, 177*, 216, 221*, 224*, 227*-229*, 234*, 235*, 238*, 262*-268*, 324* Naturphilosophie, Naturwissenschaft (Disziplin) 120, 221*, 225*, 228*, 235*, 238*, 239*, 262*, 360* Negative Theologie cf. Theologie, negative Nichtsein cf. Sein Ontologischer Komparativ cf. Sein: Seinsgrade Ordnung, Ordnungsprinzip, verwaltende Kraft, etc. 37, 41, 49, 61, 77, 92*94*, 143-145, 147, 149, 163, 167, 174, 197, 285*, 287*, 288*, 292*, 381*-383*, 400*; vgl. auch ڼǸŶɈлɍɈūɉн ɌлɉɐǸɇșɎ ǹɆɋɉ 34-36 Ɍлɍ۞ǷǸůмɈл cf. dastŧr; mithĂl; qĂlab; Urbild Particularia, Partikularität 1217, 14, 18, 20, 22-25, 29, 36, 48, 64, 73, 74, 84, 86, 87, 96, 98*, 104-106, 108, 112*, 113*, 115*, 117, 133, 136, 138*, 139, 143, 154, 165*, 170, 173, 178*, 179*, 187, 188, 190, 192, 193, 196, 197, 198*, 199-201, 204*, 207*, 222*, 225*, 228*, 231*-237*, 241*, 242*, 245*, 247*, 248*, 250*, 258*, 261*, 267*, 271*, 273*, 274*, 281*, 282*, 290*, 293*, 308*, 324*, 332*-
Index Rerum
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334*, 336*, 337*, 339*, 344*, 361*, 363*, 364*, 366*-370*, 371, 372, 374*, 377*, 379*, 383*, 386*, 392*, 396*, 398*, 399*, 401*, 403*, 404* Partizipation, Partizipanten, etc. 14, 16, 17*, 19, 20, 24, 26, 36, 42, 71, 88*, 91*, 98*, 100*, 101, 118, 136*, 142*, 143, 161, 162, 165*, 166*, 170, 171, 188-190, 194, 195, 206*, 208, 240*, 241*, 245*, 254*, 255*, 259*, 261*, 269*-271*, 273*, 275*-277*, 280*, 282*, 299*, 300*, 335*, 352*, 363*, 364*, 374*, 382*, 396* ڷZwei Arten der P. 88316 Physik cf. Naturphilosophie ɌɇŬɍɕɈл ǸŵǷɅɉ 44, 45, 52; vgl. auch ڼForm der Formen Pneuma 290*-292*, 298*, 312184, 380* Politologie 78269, 225* Position, Positionalität 183, 232*, 233*, 239*, 256*-260*, 264*, 265*, 325*329*, 393* Posteriorität cf. FrüheréSpäter Potentialität, potentialiter 26, 56*, 58194, 59, 66, 76, 81, 83, 92, 209*, 260*, 278*, 306*, 332*, 371, 383* Prädestination, Präscienz 115*, 186, 193, 377*, 378* Prädikation(smodi) 37, 38, 64, 65, 139*, 193-195, 234*, 237*, 239*, 241*, 244*, 245*, 247*, 249*-253*, 259*, 273*, 274*, 276*, 282113, 332*, 343*, 352*, 371 vgl. auch ڼSelbstprädikation Präscienz cf. Prädestination Prinzip 1633, 69, 76, 81, 105*, 109*, 115*, 124, 171, 174, 201, 204*, 209, 229*, 230*, 286*, 287*, 289*, 290*, 386*, 394*, 398* Privation 57, 58*, 139* qadar cf. Prädestination qĂץim bi-dhĂtihĮ, etc. cf. Durch-sich-Subsistierendes qĂlab (Modell, Paradigma) 110*, 141*, 170589, 171, 296*, 382* Quantität 228*, 238*, 239*, 259*, 264*-266*, 325*, 347*, 399*, 400* Quiddität, Wesen 7*, 22, 51, 65, 68*, 69*, 76, 87, 88*, 95, 105, 113*, 121, 124, 133, 136, 137*, 140*, 143*, 152, 154, 159, 160, 162, 170-172, 188, 194, 197, 206*, 208, 210, 211, 222*, 224*-228*, 231*, 233*-239*, 241*, 243*, 244*, 246*-249*, 251*, 255*, 256*, 260*, 263*, 266*, 269*, 271*, 273*, 275*, 277*279*, 281*, 283*, 292*, 294*, 298*, 305*-311*, 323*, 327*, 328*, 330*, 333*335*, 339*-341*, 343*, 344*, 346*, 348*, 349*, 351*, 363*, 365*, 367*, 369*, 372, 385*, 386*, 388*, 393*, 398*, 399* rasm cf. Definition; Symbol, Zeichen
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Ratio cf. Logos (kalima) Raum, räuml. Ausdehnung 76, 98*, 121, 142*, 169, 189, 196, 197, 199-201, 229*, 266*, 279*, 297*, 316*, 317*, 347*, 399* Realität cf. Wahrheit, Wirklichkeit Relation, Relatives, etc. 18, 48, 101, 251*, 264*, 265*, 305*, 322*, 323*, 341*, 342*, 347*, 365* rŧͧ al-qudus 388* Υanam, Pl. aΥnĂm 1217, 39, 132-136, 137*, 139, 140*, 141*, 142, 143, 156, 178*, 200, 208, 384*, 388*-391*, 402*, 404*; vgl. auch „ ڼHerren der Bilder“ Schattenwesen, Schattenreich, etc. cf. barzakh Schau (der Ideen, noetischen Entitäten, etc.) 41, 76, 79, 135, 153, 205, 403* Schönheit, das Schöne, etc. 34, 37, 38, 49, 133-135, 304*, 400*-404* Seele, Seelenvermögen 34, 35103*, 36, 41, 44, 45, 47, 49, 56*, 58*, 72, 74, 75, 78, 79, 83, 85*, 86, 91, 100*, 101, 104, 107, 110*, 111, 116, 123, 125, 133, 137*, 146, 148-150, 156, 157, 160, 164, 166, 169, 170, 174, 178*, 183, 196, 221*, 231*, 242*, 250*, 252*, 254*, 263*, 267*, 270*, 279*, 281*, 284*-298*, 304*, 315*, 322*, 324*, 330*, 381*, 383*, 391*, 395*, 405* Sein, Seiendes 35, 42, 48, 49, 57*, 58*, 60*, 61, 65, 68*, 70, 76, 85, 88, 110, 115*, 116, 121, 123, 131, 158, 159, 173, 176, 187, 191, 193-195, 199*, 202*, 205, 206*, 210, 211, 222*, 237*, 238*, 243*, 244*, 249*-251*, 255*, 25670*, 257*, 263*, 269*, 275*, 298*, 309*, 334*, 335*, 337*, 340*-342*, 349*, 371, 386* Sein/Seiendes-an-sich 47, 70, 109, 176, 187, 188, 196, 215, 216, 258*, 260*, 294*, 311*, 332*-353* Seinsgrade, ontologischer Komparativ 63, 74, 172-174, 187, 205, 209, 346*, 393* Seinstranszendenz 69, 122, 123 Sein, Seiendes opp. Nichtsein, Nichtseiendes 109, 154, 157, 201, 204*, 205, 209*, 262*, 275*, 276*, 282113, 284*, 294*, 295*, 308*, 311*, 315*, 320*, 321*, 323*, 324*, 343*-346*, 349*-351* Selbstprädikation der Idee 22, 29, 37, 38, 85, 89, 99, 140, 141480, 163, 171, 234 sensus communis 148, 206*, 316* shabaͧ, Pl. ashbĂͧ cf. Form: Erscheinungsformen shakl cf. ɈɋɍɒŬ Sich-selbst-Denken 36, 93, 94, 125, 171, 179 Sinnendinge (Gegenstände der Wahrnehmung, etc.) 14, 1528, 16, 17, 20, 21, 29, 49, 54, 64, 84, 97, 98, 104, 113*-115*, 133, 134, 157, 161, 165, 176, 177, 190,
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205, 206*, 228*, 230*, 240*, 255*-263*, 266*, 275*, 315*, 318*, 331*, 374*, 391*, 396*, 397*, 403*, 404* Sinnenwelt cf. kosmos aisthêtos Sonnengleichnis 131, 136, 402 Später cf. FrüheréSpäter Spiegel, Formen im S., Spiegelmetapher 79277, 112*, 113*, 116-117, 145, 147, 166, 181, 182, 203*, 232*, 234*, 284*, 310*, 311*, 314*, 315*, 318*, 319*, 321*, 362* Substanz, Sunstantialität 18, 22-25, 35103*, 37, 44, 53, 55, 65, 76, 79, 89, 107, 115*, 137*, 138*, 182, 195-197, 208, 209, 211, 225*, 266*, 280*, 284*, 301*, 310*, 314*, 339*, 340*, 388* ڷkorporelle S. 56*, 60*, 89, 105, 121, 124, 136*, 189, 190, 307* ڷnichtsinnliche/transzendente S. 21, 23, 36, 37*, 56, 57*, 60, 62, 77, 89, 91*, 106, 166, 167, 200, 202*, 206*, 207, 208699, 233*, 307*, 313*, 330*, 331*, 376*, 382*, 395*, 402* Substrat 7*, 22, 2351, 34, 55, 56*-58*, 61*, 65212, 78, 82, 83, 111, 115*, 134, 136*, 145, 149, 158, 159, 163, 166, 173, 178*, 187, 194, 196, 199*, 208699*, 221*, 222*, 224*, 226*, 227*, 229*-233*, 237*-239*, 241*, 242*, 248*, 263*, 264*, 266*-268*, 272*, 273*, 284*, 293*, 301*, 307*, 310*, 313*, 317*, 318*, 325*, 330*, 331*, 333*, 342*, 368*, 369*, 372, 376*, 377*, 380*, 402* Υŧra, Pl. Υuwar cf. Form Symbol, Zeichen (amĂra, rasm, sima), etc. 100*, 123, 178*, 403* taץalluh 122, 128 tajassud al-aצmĂl 232*, 309*-311* Teilhabe cf. Partizipation ɐūɇǸɏɈл, ίilasmĂt 156, 157, 394* Theologie (Disziplin) 78, 215 ڷnegative T. 52, 68, 69 Übereinstimmung cf. Entsprechung, Wahrheit Universalien, Universalität 15, 18, 19, 24, 25, 29, 31, 35, 37, 47, 48, 50, 64-66, 71-73, 84, 86-96, 99, 101, 102, 104-106, 108, 113*, 115*, 116, 128, 136, 137, 138*, 140*, 142*, 143, 146, 152, 154, 161, 166, 169-171, 178, 179, 181, 197, 203, 208, 209, 211, 216, 233*-237*, 240*, 242*, 244*, 250*, 252*, 262*, 268*270*, 274*, 280*, 299*, 300*, 307*, 308*, 324*, 336*, 337*, 339*, 344*, 352*, 356, 357, 363*, 371, 372, 376*, 377*, 382*, 392*-394*, 396*, 401*, 402* „Natürliches Universale“ dist. logisches Universale 71-73, 95, 105, 171, 195, 198*, 242*-249*, 252*, 253*, 261*, 262*, 282*, 345*, 36967 Akzidentelle vs. konstitutive U.en 252*-253* vgl. auch ڼForm: Universale F.en
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Index Rerum
Univok, Univozität 241*, 249*, 250*, 252*, 259*, 273*, 274*, 276*, 344*, 346*, 372, 387*, 398* Urbild, Paradigma, Urbildlichkeit 11, 19, 23, 24, 26, 30, 36, 38, 39, 49, 54, 64208, 66, 67*, 69*, 71, 80, 86, 89, 93, 97*, 98, 101*, 108, 112*, 113*, 115*, 117, 134, 140*, 141, 142*, 143, 145, 151, 153, 156, 157, 163, 165*, 166, 170-174, 176181, 196, 198*, 200, 207*, 221*, 222*, 229*-232*, 234*, 235*, 237*, 248*, 254*, 255*, 259*, 261*, 265*-268*, 272*, 274*, 279*, 293*, 295*, 299*, 308*, 324*, 327*, 328*, 330*, 333*, 336*, 352*, 382*, 385*, 389* „Luminöses Urbild“ cf. mithĂl: muthul nŧriyya „Platonisches Urbild“ cf. mithĂl: muthul aflĂίŧniyya vgl. auch ڼAbbild-Urbild-Relation; ڼAkzidens: urbildliche A.en; צڼĂlam almithĂl; ڼdastŧr; ڼHerabhängende Ur/Abbilder; ڼqĂlab Ursache (und Wirkung) 18, 19, 23, 34, 38, 45, 46, 53, 93*, 100, 101, 109*, 174, 191, 278*, 288*, 291*, 296*, 345*, 371, 386* causa efficiens 28, 37, 38, 70, 81, 83, 99*, 111, 153, 190652, 204*, 209, 234*, 278*, 291*, 295*-297*, 304*, 309*, 337*, 342*, 343*, 345*, 346*, 349*, 351*, 386*, 403* causa finalis 70, 83, 142*, 163, 204*, 279*, 290*, 295*, 296*, 388* causa formalis 26, 28, 35, 36, 77, 83, 153 Erste U. 33, 38, 40, 45, 48, 49, 55 paradigmatische U. (צilla mithĂliyya) 49 Verwaltung cf. ǸŶɈлɍɈūɉн; Ordnung Vier-Welten-Theorie 109, 110, 169 Vorsehung, (göttliche/himmlische) Fürsorge (צinĂya) 93*, 144, 163, 183, 193, 197, 233*, 239*, 260*, 285*, 286*, 290*, 292*, 306*, 308*, 382*, 383* Vorstellungsvermögen, Vorstellungsgegenstand 3, 8*, 78, 91*, 103, 104, 109, 113*, 117, 145, 147-149, 154, 157, 158, 166, 167, 169, 178, 183, 206*, 207*, 208, 219*, 222*, 224*, 226*, 231*, 232*, 240*, 251*, 256*-259*, 275*, 281*, 285*, 288*, 310*, 312*, 315*, 316*, 321*-323*, 325*-331*, 363*, 366*, 367*, 381*, 396* Wahr(es), Wahrheit 39, 52, 84, 85, 113*, 116-118, 136*, 137, 138*, 140, 143, 158, 163, 166, 169, 172, 173, 178, 179, 181, 182, 187, 195, 222*, 251*-254*, 336*, 338*, 343*, 363*, 372, 383*, 385*, 394* Wahrnehmungsgegenstände cf. Sinnendinge Wahrnehmungsvermögen, Wahrnehmungsakt 15, 57, 78, 114*, 115*, 149, 194, 207, 226*, 25670*, 257*, 258*, 275*, 285*, 288*, 311*-314*, 321*, 325*, 326*, 328*, 329*, 336*, 348*, 398*, 404* ڷW. dist. Wissen, noetische „Schau“ 54, 320*, 403*, 405*
Index Rerum
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waΥf צunwĂnĮ 282113 Welt, Vielzahl von W.en 69*, 71 vgl. auch צ ڼĂlam; ڼDrei-Welten-Theorie; ڼVier-Welten-Theorie; ڼZweiWelten-Theorie Werden, Werdendes dist. Sein, Seiendes 19, 20, 35, 50, 54, 67*, 88*, 116, 130, 153, 188*, 201, 202*, 374*, 378*, 393*, 396*, 400*, 403* Wesen(heit) cf. Quiddität Wiedererinnerung cf. Anamnesis Wirklich, Wirklichkeit 39, 84, 114*, 116, 124, 125, 136, 137, 152, 172, 179, 181, 182, 187-190, 194, 198*, 200, 209, 210, 231*, 253*-257*, 267*, 294*, 296*, 311*, 336*, 337*, 342*, 343*, 345*, 346*, 348*, 349*, 351*, 363*, 372, 398*, 399* ڷW. dist. Nichtwirkliches, Imagination 103, 231*, 310* Wirkungszeichen, aspuren (ĂthĂr) 69* , 70, 115*, 117, 400*-403* Wunder (צajĮbatun, miraculum) 169, 170, 174 Zahl cf. Mathematische Gegenstände Zufall 69*, 70, 193, 294*, 295*, 382*, 395* Zwei-Welten-Theorie 33, 51, 62, 80, 113*, 115*, 116, 170, 203*-204*, 205, 313*, 383*, 400*
Index Locorum
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Index der Textstellen antiker und mittelalterlicher Schriften (Mit Asteriskus markierte Seitenangaben verweisen auf Zitate, Paraphrasen oder Referenzen innerhalb der Quellentexte.) Abſ l-Barakęt al-BaghdędŅ K. al-Muצtabar fĮ l-ͧikma vol. 3, 16-20: 109379 vol. 3, 20.6-12: 109-110 vol. 3, 88-93: 110383, 384 vol. 3, 92.22-93.7: 110-111 vol. 3, 140.19, 141.1, 144f.: 111388111390 Alexander von Aphrodisias De anima cum mantissa 142.28-31: 1217 MaqĂla fĮ l-ibΥĂr 149.30-32: 1217 -֢ĘmirŅ, Abſ l-̭asan K. al-FuΥŧl 108-113, 116 f.: 44141 Aristoteles An. post. I 2, 71b25 f.: 74 I 6, 74b13-15: 73 I 8, 75b21-30: 73 I 11, 77a5-9: 73*, 96 II 7, 92b13 f.: 109 De anima III 8, 432a2: 59 Metaphysica A 6-9: 13 A 6, 987a32-b10: 116 A 6, 987b6-10: 14-16, 100 A 6, 987b10-12: 100 A6, 987b14-22: 16, 17*, 18, 97, 101351, 101352 A 6, 987b29-33: 18
A 9, 990a34-b22: 18 A 9, 990b2-991b9: 13 A 9, 990b12: 72240 A 9, 990b22-27: 18-19 A 9, 990b27-991a20: 19 A 9, 991a20-b3: 19 A 9, 991b3-8: 19, 20* A 9, 991b9-992a23: 20 A 9, 992a24-b18: 20 ̂ 2, 994b16-21: 72-73 B 1: 13 B 2, 997a34-998a19: 21, 98 Z 6, 1031a28-b17: 22-23 Z 8, 1033b26-29, 1034a2 f.: 23-24 Z 15, 1040a3-9: 24 Z 16, 1040b27-30: 24-25 H 1, 1042a11-16: 25-26 ˪ 8, 1050b34-1051a1: 26 I 7, 1057b9: 283113* ˭ 3, 1070a18-20: 26, 27*, 28, 40127 ˭ 3, 1070a21-30: 28 ˭ 5, 1071b14 ff.: 81288 ˭ 10, 1075b27 ff.: 81288 M 1, 1076a33 ff.: 98 M 2, 1076b11-29: 67220 M 2, 1076b29-39: 68222 M 2, 1077a1-4: 68221 M 4-5: 13, 1421, M 4, 1078b32-1079a19: 18 M 4, 1079a19-24: 18-19 M 4, 1079a24-b2: 19 M 5, 1079b14 ff.: 81288 M 5, 1079b24-1080a2: 19 M 5, 1080a2-11: 19-20
Index Locorum Bahmanyęr ibn al-Marzubęn K. al-TaͧΥĮl 401-404: 107372 402.14-403.9: 107373 499-502: 106 -DawwęnŅ, Jalęl al-DŅn Ris. IthbĂt al-wĂjib al-jadĮda 143-145: 191-192 145-149: 192 ShawĂkil al-ͧŧr 17 f.: 189 18.14 f.: 190 19: 189 67, 81, 87f.: 191 89-92: 189-190 94: 190 138-141: 190 Fakhr al-DŅn al-RęzŅ Al-MabĂͧith al-mashriqiyya vol. 1, 162-168: 108377 vol. 1, 199 f.: 107375 vol. 1, 200.24 f.: 108376 vol. 1, 202-205: 25465 vol. 1, 202.11-13: 108 vol. 2, 338-343: 285118 vol. 2, 453-463: 108377 -FęrębŅ AghrĂ͏ al-ͧakĮm fĮ kull maqĂla 37.17-20: 54 37.19 f.: 8 FuΥŧl muntazaצa § 69: 78.12-17: 62204 § 71: 79: 59194 § 73: 80: 58192 IͧΥĂ ץal-צulŧm 121: 62204 K. al-AlfĂϕ al-mustaצmala 59.14-62.1: 64 65.11-23: 65211
K. al-BurhĂn 53-55: 64209 69.9-70.11: 64208 K. al-ͦurŧf 78-80: 65-66 102: 65212 K. al-Jam צbayna raץyay alͧakĮmayn 68.14: 8, 67217 68.15-69.3: 67, 374* 69.5 f.: 67220 69.5-9: 377* 69.6-16: 68221-223 70.1-7: 68224 70.8-71.12: 68-71, 198* 71.1-6: 375*-376* K. al-KhiίĂba 87.1-15: 54184 K. al-SiyĂsa al-madaniyya 36-69: 55-56 36.6-13: 56 37.4-38.1: 56-57 39.1-40.1: 57-58 41.3-6: 58 58.1-59.6: 58194, 59196 60.3-15: 59197 MabĂdi ץārĂ ץahl al-madĮna 56.15-58.3: 55 108.9-12: 55 110.5-9: 58192 120.9-122.2: 58193 144.3-8: 58192 RisĂla fĮ l-צaql 20.4-21.4: 60 21.8-22.5: 61 23.1-4: 62-63 24.4-8: 61 28.6-29.5: 63-64 RisĂlatĂn falsafiyyatĂn 103: 57 104: 55184
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Index Locorum
Sharͧ al-QiyĂs (Dnish-Pažʗh) vol. 2, 474-476: 55184 -FarghęnŅ, Sa֢Ņd al-DŅn Mu̮. MuntaͧĂ al-madĂrik vol. 2, 84-86: 23232 Galen Compendium Timaei 5 ́ .14 : 5 17 ˺˻ . 7 f.: 12 -GhazęlŅ, Abſ ̭ęmid MishkĂt al-anwĂr 116, 175 f.: 401105 Hermogenes ˲̆̒ҫ ѭ̅̆ԩ̎ ̌Ү̖̄̐ (ed. Raabe) II. 10, p. 224: 811 Ibn ֢AdŅ M. fĮ Anna l-צadad laysa huwa dhĂ nihĂya 136: 72234 M. fĮ l-MawjŧdĂt 268: 74250 270 f.: 72232 M. fĮ TabyĮn wujŧd al-umŧr alצĂmma 148-159: 71-74 M. fĮ l-TawͧĮd 400 f.: 74 Ris. fĮ IthbĂt ίabĮצat al-mumkin 343: 72232 Ris. fĮ Naq͏ al-ͧujaj ... anna l-afצĂl khalq li-llĂh 305: 74249 Sharͧ maצĂnĮ maqĂlat al-Iskandar 292 f.: 72234 TafsĮr Metaph. л 227: 72233 250.8-10: 74247 252: 72-73
Ibn al-ʚArabŅ FuΥŧΥ al-ͧikam 108.11-13: 336* Al-FutŧͧĂt al-Makkiyya vol. 4, 140 f.: 401105 vol. 4, 406-425: 310173 vol. 4, 407.7-408.6: 310* vol. 4, 408.12-409.4: 310*-311* vol. 4, 409.8-410.12: 311*-312* vol. 4, 411.2-4: 312* vol. 4, 414-416: 312183 vol. 4, 422.12-423.3: 312* vol. 4, 425.4-6: 312* vol. 10, 464 f.: 23232 vol. 11, 201: 23232 vol. 12, 308: 23232 vol. 12, 562: 401105 vol. 13, 419-421: 401105 Ibn Kammſna Al-JadĮd fĮ l-ͧikma 127: 159540 171: 157532 172-175: 158533 177 f.: 158534 178: 159536 182: 159535 214-218: 160541 366 f.: 160542 367-369: 160545, 546 424, 442 f.: 160543 Al-TanqĮͧat fĮ sharͧ al-TalwĮͧĂt 376 f.: 156527 380: 156528 381: 157530 389-391: 157531 Ibn Rushd TafsĮr MĂ baצd al-ίabĮצa 65.8 f.: 1527 65.9-11: 1629, 31 65.14-66.1: 1734
Index Locorum 66.3 f.: 1735 70.7: 1736 72.2-5: 1837 112-117: 1838 119.2-6: 1939 119-124: 1940 126-129: 1941 129.2 f., 130.9 f.: 2042 131-143: 2043 146-151: 2044 204.10 f.: 2146 207.1-15: 2147 822.7-823.8: 2248, 49 823.15: 2350 829.15-830.2: 2351 830.4 f.: 2248 865.3-6: 2352 865.12: 2454 868.4: 2453 869.17 f.: 2454 983.10-14: 2455 1003.3 f.: 2557 1004.4-6: 2558 1025.6-9: 2561 1026.8 f.: 2562 1206.9-1207.2: 2663 1209.4-7: 2664 1480.9: 2665 1480.10: 2771 1481.4 f.: 2665 1490 f.: 2872 Ibn SŅnę DĂnishnĂma-i צAlĂץĮ: IlĂhiyyĂt 41: 87314 K. al-HidĂya 248.3 ff., 250.5 f.: 86314 257.8-258.2: 98347 K. al-IshĂrĂt wa-l-tanbĮhĂt vol. 1, 28: 25979 vol. 1, 72-74: 26079 vol. 3, 1ff. (Namaί IV.1): 255*
vol. 3, 2.5-3.1: 25670 K. al-Mabda ץwa-l-maצĂd 7.3, 18.8 f.: 95334 67.19-21, 73.6 f.: 94330 84.17-85.7: 93-94 103.15-19: 94331 K. al-NajĂt 497.1-15: 89 657.17-658.1: 91 658.5-659.16: 91323, 324 K. al-ShifĂץ: al-BurhĂn 75-77: 86313 106-109: 95333 120 f.: 282-3113 144 f.: 95333 187.6-18: 96-97 188.4-6: 97, 223* 188.15-189.14: 89318 232.16-233.2: 89318, 96337 al-ͦayawĂn 401-407: 298* al-IlĂhiyyĂt 87.13 f., 89.6: 90320 140.16 f.: 334* 143.10-144.6: 107373 143.14-144.1: 90320 200-203: 24856 204.5: 86312 205: 36978 207.5 ff.: 86314 209 f.: 36975 209.4 f.: 267* 209.6: 250* 209.8 f.: 267* 282.6-13: 90 310-312: 196669* 310.10-12: 99348 310.14-311.8: 374* 311.2 f.: 98347 311.6-16: 98 311.10-13: 229*
453
454 311.14 f.: 223* 311.15 f.: 266* 311.16-312.2: 399* 312.2-5: 266* 312.16-18: 230* 314.2 f.: 98346 315 f.: 262* 317.4-318.12: 396*-398* 318.3-12: 277* 363.5-364.5: 92 365.1-11: 93327 365.11-13: 93 365.14-17: 94 403.3-13: 93329 404.4-8, 405.1-9: 91324 405.16-406.11: 93329 407.14-16: 91 407.18-408.18: 91323, 324 435-437: 286* 435.7 f.: 94331 al-Jadal 276.13-17: 88 276.16: 86312 al-MaqŧlĂt 92-95, 100, 109: 95333 al-QiyĂs 545 f.: 86313 al-SamĂ צal-ίabĮצĮ 15.10-16.4: 88316 23.10-17: 87-88, 202* 34.9 f.: 226* 72.14 f.: 288* Al-MubĂͧathĂt §§ 163-166: 90 f.: 285118 §§ 861-862: 306 f.: 285118 §§ 1012-1013: 32 9 f.: 285118 § 1055: 370: 87314 Ris. ba ͏צal-afĂ͏il 73-90: 359-370 (Übers.) 78.10-80.3: 36331* 82.9-84.1: 36541* 82.9-83.2: 95
Index Locorum 85 f.: 96339 Al-TaצlĮqĂt 64.18 ff.: 87314 צUyŧn al-ͧikma 40.1 f.: 285* 56: 86314 Ibn al-͵ayyib IstithmĂr li-MaqĂlat FĮthĂghŧras 76.9-78.10: 99-100 TafsĮr KitĂb ĭsĂghŧjĮ 37.4-6: 104364, 105365 53.5-14: 104364 54.1-4: 101 54.4-7: 102356 55.19 f.: 103 56.12-20: 102-103 57.6-10: 104361 58.3-5: 104 68.17-20: 104364 TafsĮr KitĂb al-QĂίĮghŧriyĂs 22.17-21: 105366 24.32-25.8: 105364 125.27-30: 106 130.25-29: 105365, 105 132.25-133.9: 105367 135.8-10: 105365 Ibn Turka TamhĮd al-qawĂצid 30: 187 35-37: 188-189 110 f.: 188 143-149: 187 152: 187 162.16-21: 187-188 163 f.: 188 Ikhwęn al-ͫafę֡ RasĂץil vol. 1, 37: 82 vol. 1, 54: 82 vol. 1, 79: 78
Index Locorum vol. 1, 138.9: 79277 vol. 1, 199: 82 vol. 1, 212: 82 vol. 1, 252: 82 vol. 1, 260: 83 vol. 1, 262 f.: 84 vol. 1, 263.15-23: 84 vol. 1, 272-277: 78, 83 vol. 1, 272.19-21: 77 vol. 1, 277: 84 vol. 1, 294: 83 vol. 1, 399.21 ff.: 79-80 vol. 1, 400 f.: 82-83 vol. 1, 401, 405: 76 vol. 1, 405.6 f.: 77 vol. 1, 432.10-13: 78 vol. 1, 447.16-448.9: 80-81 vol. 1, 449.3 ff.: 79 vol. 2, 9: 84 vol. 2, 25.12 f.: 76 vol. 2, 25.14-26.1: 77 vol. 2, 46. 9 f.: 76 vol. 2, 46.13 ff.: 77 vol. 2, 53.6-9: 77 vol. 2, 87.16-88.7: 80-81 vol. 2, 183.16 ff.: 79, 82 vol. 2, 276 f.: 82 vol. 2, 396.12-397.2: 78 vol. 2, 415.20-416.8: 78-80 vol. 3, 6-9: 78-80 vol. 3, 10, 16: 78 vol. 3, 36: 77 vol. 3, 56.20-24: 85 vol. 3, 89.8 ff.: 79, 82 vol. 3, 114, 116: 80 vol. 3, 183: 84 vol. 3, 187: 82 vol. 3, 197 f.: 83-84 vol. 3, 198.3-5: 82-83 vol. 3, 202.18 f.: 85 vol. 3, 235: 76-77 vol. 3, 236: 77
vol. 3, 238: 83 vol. 3, 240: 83 vol. 3, 246: 80 vol. 3, 361 f.: 80 vol. 3, 366-370: 85 vol. 3, 373: 83 vol. 3, 385: 84 vol. 3, 403.1-6: 78, 85 vol. 3, 424: 76 vol. 3, 425, 429 f.: 84 vol. 3, 445: 76 vol. 3, 457: 83 vol. 3, 480: 83-84 vol. 3, 514-516: 82293 vol. 4, 19: 75, 80 vol. 4, 26.5 ff.: 79 vol. 4, 35: 75 vol. 4, 203: 83 vol. 4, 206.13-17: 81, 83 vol. 4, 214 f.: 81 vol. 4, 251.6 ff.: 79 vol. 4, 264: 75 vol. 4, 281.15 ff.: 79 vol. 4, 287 f.: 75 vol. 4, 418 f.: 75 -IsfizęrŅ MasĂץil al-umŧr al-ilĂhiyya 286.17 f.: 6 291.1-3: 6 Johannes Philoponus De aeternitate mundi 25. 4, 22: 912 29.9: 912 552.22: 912 -LawkarŅ, Abſ l-֢Abbęs BayĂn al-ͧaqq: al-צilm al-ilĂhĮ 154-172: 108378 248-262: 107374
455
456 „Liber de causis“ prop. 4: 47 prop. 4: 6.14-7.1: 47151 prop. 4: 7.1-7: 48152 prop. 4: 7.9-12: 48158 prop. 6: 44, 48153 prop. 6: 10.7: 44142 prop. 8: 48 prop. 8: 12.14 f.: 48154, 155 prop. 9: 12.19-13.7: 48156, 157 prop. 13: 15.7, 11-14: 49161, 162 prop. 17: 19.10-12: 49163 prop. 19: : 50166 prop. 22: : 50166 prop. 24-25: 50167 „Liber de causis II“ prop. 2: 321.3-6: 45144-146 prop. 5: 323.13-15: 45143 prop. 8: 327.17-329.2: 45147 prop. 8: 329.2-8: 46149 prop. 9-10: 50167 prop. 13: 50166 prop. 15: 44 prop. 15: 335.15: 44141 prop. 19: 44 prop. 24: 349.3-5: 49164 prop. 26: 50166 prop. 29: 50166 prop. 30: 44 Michael Psellus Philosophica minora Vol. 1, p. 22: 913 Vol. 2, p. 114: 913 MŅr Dęmęd Al-QabĂsĂt 150: 192 150.22-151.9: 193-194 151.10 ff.: 194 152-155: 194-195
Index Locorum 157.23-160.8: 195-196 158.19 f.: 193 160.9-161.19: 197 162 f.: 198 162.15: 67217 163.14-17: 198 163.18-164.3: 198-199 164 f.: 199 165 f.: 200 166.21-167.1: 201679 169.12-18: 202 169.19-170.1: 202 TaqwĮm al-ĮmĂn 316-321: 200 369: 200 Al-Ufuq al-mubĮn 444 f.: 202685 444.3-445.3: 377*-379* 446.22: 67217 446-449: 198672 449.10- 450.10: 199-200 Nicomachus von Gerasa Introductio arithmetica 12.19-23: 202683 Platon Gorgias 493a: 75 Hippias maior 291d: 37 Meno 72c7 ff.: 15 Parmenides 130c2: 27 Phaedo 62b3 ff.: 75 66a: 149518 74-75: 11 75d, 78d: 84 100c: 37 102-106: 11
Index Locorum Phaedrus 249-253: 11 Philebus 64-66: 40126 Protagoras 330d-e: 37 Respublica 476-479: 205694 490a-b: 149518 500b-c: 41 507b9-10: 6 508e1-3: 6 509b: 42 517-521: 11 596a6 ff.: 16, 27 602c: 40130 Sophistes 233c: 149518 246-252: 11 252d: 37 Symposium 211a: 37 Theaetetus 185-186: 109380 Timaeus 27d6-28a1: 201, 202*, 202683* 28-29: 11 30c ff.: 34 37-39: 11 37e3 ff.: 32 40a2: 55 50-52: 11 51b8: 15, 27 53b2: 70227 67e: 283113 90a4-b1: 147510 Plotin Enneades I 4: 8.2-5: 127432 I 6: 9.15-22: 127432 III 5: 3.22-24: 127432
III 6: 7-14: 117 IV 3: 17.8-12; 22.1-8: 127432 IV 5: 2.59: 124423 IV 8: 1.1-11: 79, 125-128, 146 IV 8: 4.1-5: 128432, 146501 V 1: 2.20-23: 128432 V 1: 6.9-16: 135 V 1: 7.25 f.: 3496 V 3: 8.18-24: 127432 V 3: 9.16-20: 128432 V 3: 10-11: 125 V 3: 12.39-44: 126428 V 5: 7.19 ff.: 125 V 6: 1.16-20: 127432 V 6: 4.14-20: 126428 V 8: 4.6: 126428 V 8: 5.22-25: 37110 V 8: 6.1 ff.: 134 V 8: 6.10: 1217 V 9: 13: 40128 VI 6: 9.33 f.: 46148 VI 7: 8.31: 35 VI 7: 11: 146 VI 7: 14.5: 36 VI 7: 21.16: 131446 VI 7: 42.7: 146501 Porphyrius Isagoge I, 1a10 ff.: 101354, 103359 Proklos In Plat. Parmenides comm. 839 f.: 117405 841: 40131 In Plat. Rem publicam comm. vol. 1, 277.27: 131446 In Plat. Timaeum comm. 57: 147510 Institutio theologica prop. 12-13: 45 prop. 72, Cor.: 45146
457
458
Index Locorum
prop. 106: 44 prop. 113: 100.5-9, 12-15: 47149 prop. 113: 100.9-12: 45147 prop. 138: 47 prop. 171: 44 prop. 177: 44 prop. 186: 45143 prop. 191: 44 prop. 195: 170.4 f.: 49161 Ps.-Alexander (=Michael von Ephesus) In Arist. Metaphysica comm. 720.5: 913 812.6: 913 Ps.-Ammonius FĮ ārĂ ץal-falĂsifa 33.6-8: 51 34.4-8: 51 34.10-35.11: 52 36.5-37.11: 52 37.7-38.8: 52-53 39.9-11, 40.11: 53 Ps.-Aristoteles Theologia Aristotelis (ed. BadawÁ) 19.9-13: 1217, 35104, 36108, 41132, 134 22.2-15: 125-128 44.10-11: 3385, 86 48.16: 3384 51.11 f.: 3387, 89 56.10 f.: 3498 58.2-7: 3283 59.15-60.6: 38114 62.1-3: 38116 62.21-64.5: 200679* 63.7-9: 389* 69.4-16: 200679* 69.5 f.: 132453 69.7: 133454 69.7-9: 389*
86.19-87.6: 35103 89.11: 146503 90.12: 146502 91.7-12: 41132 91.18-20: 41132 92.12-19: 389*-390* 93.9-94.13: 390*-391* 93.9 f.: 39124 93.10 f.: 132453 97.9 f.: 35104, 36105 98.2-11: 36107 98.12 f.: 3388 98.14-20: 36108 110.5-10: 201679* 110.7-9: 39124 114.7-10: 135 114.14-18: 3388 114.20-115.2: 39124, 125 119.2-5: 133459 119.6 f.: 132452, 133457 119.9 f.: 3497 120.1-7: 41132, 133, 135, 144488 136.6-12: 133456 136.14: 146502 139.9: 3388 140.12-16: 38115 140.17-19: 3391, 3497, 100 141.6-10: 3391, 34100, 37112 141.12-14: 38115 147.9-15, 20 f.: 3387, 88 148.9-12: 3499 149.7 f.: 34100 152.14-154.12: 391*-393* 152.14-18: 39124, 146506 153.9: 146504 156.13: 133458 159.12-15: 37110, 39119 159.16-160.18: 134462 160.10: 1217 162.11 ff.: 3389 163.2-4: 40131 163.7 f.: 3388
Index Locorum 163.8-11: 3390-3494 163.14 f.: 35104 185.6 f., 15-19: 3495, 96 188.3-7: 3495, 96 196.16 ff.: 3495 Ps.-Plutarch „Aetius Arabus“ ̀ ʚ́ : 7 ˺˿ .14-22: 7-8 Placita philosophorum 878b1-6: 7 882d-e2: 7-8 „Qęla l-Shaykh al-yſnęnŅ“ (ed. BadawÁ) 185.9-11: 3385, 86, 34101 185.10-13: 35102 189.11: 146505 197.9-11: 38117 (ed. D’Ancona) 242.10-16: 41132 245.2-4: 41132 245.10-16: 41134 -QęshęnŅ, ֢Abd al-Razzęq Sharͧ FuΥŧΥ al-ͧikam 3.17-19: 344* -QayͬarŅ, Dę֡ſd b. Ma̮mſd Ris. al-TawͧĮd wa-l-nubuwwa 14-19: 170590 -Qur֡ęn VI.27: 405119 X.7: 405* X.30: 309170 XIV.49: 129437* XVIII.46: 404* XXIII.99 f.: 312* XXIII.100: 309170 XXIV.35: 129437
XXXIII.4: 312* XXXV.10: 406* LV.46: 203* QuͶb al-DŅn al-ShŅręzŅ Durrat al-tĂj 318-335: 170 488-496: 170 489-491: 171 531-536: 170 732 f.: 169 784-798: 171 806: 171 Ris. fĮ TaͧqĮq צĂlam al-mithĂl 241-243: 169-170 241.9-243.13: 302*-304* 243.14-244.4: 305*-306* 244.5-248.4: 309*-313* 244-247: 170 249.2-250.11: 313*-315* 251: 169 Sharͧ ͦikmat al-ishrĂq 19: 169586 245.18-22: 172 246.14-21: 173 358: 174 359.12: 174 362-364: 174 493.14-494.13: 302150 494.16 ff.: 306163 -RęzŅ, QuͶb al-DŅn Sharͧ al-Sharͧ [al-Ishrt] vol. 1, 28-30: 26079 „Ris. fŅ l-֢Ilm al-ilęhŅ“ 167.7-9: 3387, 89 168.8-10: 3387 168.14: 34100, 39122 168.15 f.: 133456 168.20-22: 34101 170.3-7: 40127
459
460
Index Locorum
173.13: 133456 181.8 f.: 146505 „Ris. fŅ l-Muthul al-aflęͶſniyya“ 1-145: 219-354 (Übers.) 7 f.: 177 8.19-9.5: 177 9.1-5: 176 11.3 f.: 176 11.5-9: 177 12.19-13.5: 178 13.7-10: 179, 182 13.11 f.: 178, 182 14.1-3: 179, 182 15.12-15: 176, 179 16-43: 180 23 f.: 175612 44-47: 180 47: 177 48-65: 181 59: 175612 64: 175612 83-115: 182 85.3-5: 181 89-91: 183 95-115: 183 ͫadr al-DŅn al-ShŅręzŅ Al-ͦikma al-mutaצĂliya vol. 1, 273.18-274.7: 36331 vol. 1, 274: 36541 vol. 1, 289-292: 208 vol. 1, 306 f.: 209 vol. 2, 46-81: 374-406 (Übers.) vol. 2, 63.10-20: 208699 vol. 2, 312: 209 vol. 3, 503.18-504.12: 203-204 vol. 3, 505.3-507.10: 206-208 vol. 4, 211-215: 209 vol. 5, 214 f.:114400 vol. 6, 234.10-245.2: 209-210 vol. 6, 283-286: 210-211
Ris. IttiͧĂd al-צĂqil wa-l-maצqŧl 96-98: 211704 Ris. ShawĂhid al-rubŧbiyya 285 f.: 39485 Sextus Empiricus Adversus mathematicos I. 28: 811 IV. 17-20: 811 IX. 365: 811 X. 258: 811 -ShahrastęnŅ, Abſ l-Fat̮ K. al-Milal wa-l-niͧal 165a23-166a31: 112-115 165b12 f.: 203*-204* 166b19-30: 202* 167b1-9: 313190 167b3 f.: 1525 167b5: 1632 172a17-19: 204* 198-230: 112391 K. al-MuΥĂraצa ˼˾ f.: 118406 ˾˹ f.: 118407 -ShahrazſrŅ, Shams al-DŅn Al-Shajara al-ilĂhiyya vol. 2, 541: 161 vol. 3, 157-162: 162 vol. 3, 354-359: 162 vol. 3, 360: 161, 162 vol. 3, 365-371: 163 vol. 3, 367: 163, 164 vol. 3, 371-373: 310172 vol. 3, 371: 175610 vol. 3, 372: 163-164 vol. 3, 373.14-374.13: 165-166 vol. 3, 375: 152, 166, 313190 vol. 3, 376.10-12: 164 vol. 3, 377: 164 vol. 3, 385-388: 162, 166
Index Locorum vol. 3, 389 f.: 166 vol. 3, 390-392: 167 vol. 3, 394 f.: 166-167 vol. 3, 396 f.: 167 vol. 3, 401: 167 vol. 3, 404-406: 164 vol. 3, 597: 167 Sharͧ ͦikmat al-ishrĂq 122f.: 164566 509.8-14: 315* 552.3-8: 313* 552.9-11: 313* 570 f.: 167577, 578 Shams al-DŅn al-IͬfahęnŅ MaίĂli צal-anϕĂr 50.24-51.9: 175612 52.7 ff.: 175612 64.11 ff.: 175612 Simplicius In Arist. Categorias comm. 95.11: 912 -SubkŅ, Tęj al-DŅn ήabaqĂt al-ShĂfiצiyya vol. 6, 387: 401106 -SuhrawardŅ, Shihęb al-DŅn Al-AlwĂͧ al-צimĂdiyya 182: 130440 ͦikmat al-ishrĂq 10-12: 122414 10 f.: 301149 10.11-14: 129 17: 138470 92.6-93.5: 136-137, 317202 100 f.: 317202 102 f.: 315197 106 f.: 123417 107 f.: 123419, 420, 124422 108-110: 124425
110-112: 123419, 125426 113 f.: 123417, 125426 121 f.: 131441 122 f.: 131442 125: 131442 126.10 f.: 130439 126-128: 130440 131 f.: 302154 134.11-13: 314* 138-141: 131441, 132447, 302156 141-143: 302156 143: 132448 143.11-13, 145. 6f.: 382* 145 f.: 132448, 144489 152 f.: 144492 154: 122413, 145494 154.5 f.: 383* 155 f.: 132448, 301149, 38340 159.3-8: 141480 159.3-160.5: 384* 160 f.: 38335 160.1-12: 142-143 161.1: 143484 161.2-11: 139 162-164: 126427 162.2 f.: 377* 165-167: 144489 167 f.: 130440 167.2-4: 144491 169: 132448, 145494, 146500 174-177: 302154, 155 181 f.: 303158 183.11-13: 144490 184 f.: 131441, 145494 186: 131442 186.9-11: 144490 199: 139476 200: 132447 201: 145493 204 f.: 131441 207: 130440 208.4-209.6: 149519
461
462
Index Locorum
211 f.: 145497, 159538 222: 145493, 148512 228 f.: 145495, 145497, 148512 230.3-5: 149517 232: 145498, 147507, 508, 148512 234: 148514 235: 131442 236: 149520 241: 145497 242 f.: 148514, 515 244.4-6: 149516 255: 126427, 147511, 148515 K. al-LamaͧĂt 100 f.: 130439 125: 138470 K. al-MashĂri( צTeil III) 218-221: 124424 220 f.: 340233 225-227: 130439 225.4-12: 138 227-230: 317202 228.17-229.2, 230.4-8: 137-138 263-272: 342235 296 f.: 317203 330.12-333.9: 139471 331.3-332.5: 141481 349-352: 130439 434 f.: 38337 455-462: 38231 460.15-461.1: 382* 461-463: 292* 461.1-7: 141-142, 388*-389* 462: 291131 463.8-12: 140, 143485, 382* 463.17-464.3: 385* 464 f.: 131442 464.1 f.: 377* 466: 128432, 130440 485-489: 314194 487: 145496 488 f.: 320207 494-496: 301149
501.15-502.6: 126427 502: 131444, 301149 K. al-MuqĂwamĂt (Teil III) 129-131: 310171 133 f.: 138469 160: 139474 188: 130440 188.8: 143485 K. al-TalwĮͧĂt: al-צIlm al-ilĂhĮ 4-10: 124424 21 f.: 317203 25: 342235 51 f.: 122413, 38337 68.1-4: 140 74-76: 317202 77: 130439 83 f.: 144492 94 f.: 148514 103: 131441 107.5-12: 149519 111.3-112.4: 128434 112 f.: 126427 117.9-118.11: 140479 161.2-162.2: 128435, 129437 162.11-165.1: 129436 al-Manίiq 5 f.: 138470 90: 138470 QiΥΥat al-ghurba 296: 131444 Timotheus I. Epist. 43 xvii.24-29: 914 -͵ſsŅ, NaͬŅr al-DŅn Sharͧ al-IshĂrĂt wa-l-tanbĮhĂt vol. 3, 5: 25569 vol. 3, 6.1-3: 259* vol. 3, 6.5 f.: 259* vol. 3, 245.12-15: 349* vol. 3, 365-369: 287124
Index Codicum
463
Index der Handschriften Istanbul AyaSofya 2455 213, 217-354 Kairo Talצat 384 218, 24552, 24855, 25263, 25569, 280108, 281110, 111, 333224, 334226 Taymur 144 22822, 24855, 25263, 26384, 273100, 277106, 280108, 295138, 306165, 308166, 315198, 334226, 336228 Taymur 193 218, 22797, 277106, 306165, 321210, 321211, 322212, 213, 333224, 225 Taymur 292 271 95 , 274 101 , 277 105, 106 , 280 108 ,
281110, 111, 295138, 306164, 321210, 211, 322212, 213, 333224, 352243 Paris Bibliothèque nationale Ar. 6819 [R 82536] 371, 373-404 Qum KitĂbkhĂna-i צUmŧmĮ 6136 371, 373-404 Teheran MillĮ Malik 4694 358-370 SipahsĂlĂr 1216 355, 358-370 SipahsĂlĂr 2912 355, 358-370