Atlan - Im Auftrag der Kosmokraten Nr. 739 Der Erleuchtete
Vom Erleuchteten verfolgt von Hans Kneifel Eine Welt im Ban...
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Atlan - Im Auftrag der Kosmokraten Nr. 739 Der Erleuchtete
Vom Erleuchteten verfolgt von Hans Kneifel Eine Welt im Bann des weißen Nebels Auf Terra schreibt man die Jahreswende 3818/19, als der Arkonide unvermittelt in die Galaxis Manam-Turu gelangt. Das Fahrzeug, das Atlan die Möglichkeit der Fortbewegung im All bietet, ist die STERNSCHNUPPE. Und die neuen Begleiter des Arkoniden sind Chipol, der junge Daila, und Mrothyr, der Rebell von Zyrph. In den Monaten, die inzwischen verstrichen sind, haben die so ungleichen Partner schon manche Gefahr bestanden – immer auf der Spur jener Kräfte, die schon an anderen Orten des Universums verheerend wirkten. In dieser Zeit hat Atlan neben schmerzlichen Niederlagen auch Erfolge für sich verbuchen können. So sind zum Beispiel die Weichen für eine Zusammenarbeit der verbannten Daila mit den Bewohnern der Ursprungswelt gestellt worden – was sich auf den Freiheitskampf der Daila gegen das Neue Konzil positiv auswirken dürfte. Aber Atlan ist längst nicht zufrieden mit dem bisher Erreichten, ebensowenig wie seine Gefährten. Dann bringt Traykon, der seltsame Roboter, neue Erkenntnisse ein. Die »Brücke zum Erleuchteten« wird auf dem Planeten der Leronen entdeckt. Nach der spektakulären Zerstörung dieser »Brücke« flüchtet die STERNSCHNUPPE in die Weiten des Alls. Atlan und seine Gefährten fühlen sich VOM ERLEUCHTETEN VERFOLGT …
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan - Der Arkonide bei den Kaytabern. Chipol, Mrothyr und Traykon - Atlans Begleiter. Natiqua und Ursiue - Feldwächter von Xatjoyn. Linque und Restjue - Zwei Forscher. Maronx und Tranoque - Gäste der STERNSCHNUPPE.
1. Der neue Tag fing so schlecht an, wie der alte geendet hatte. »Tote Katze!« fluchte Natiqua. Er riß seinen Vorderlauf zurück und saugte an der Wunde. Mit den breiten Nagezähnen zog er den langen Holzsplitter aus der Haut und spie ihn aus. Langsam kletterte er die Holzstufen des Beobachtungsturms weiter aufwärts. In wenigen Minuten würde die gelbe Sonne Jamhartay hinter den »Hügeln der fröhlichen Heiterkeit« aufgehen. Es war Zeit, die Tixudkatzen vom Rand des Feldes zu vertreiben. »Was hast du? Ärger?« rief Ursiue von unten. Sie trug die schwere Schleuder und die kantigen Steinbrocken. »Einen Splitter eingerissen«, erklärte Natiqua und erreichte die Plattform. Sie war von einem dichten Kranz aus Rankengeflecht umgeben, dessen lange Dornen nach außen und schräg nach unten deuteten. Natiqua wußte ganz genau, daß sich der Kampf gegen die verdammten Katzen zu einer erbarmungslosen Schlacht um Nahrung und Überleben ausweiten würde – dennoch hoffte er mit der ganzen Inbrunst, die seine Mitkämpfer auszeichnete. Er legte das Gepäck ab, richtete seine Ausrüstung und half Ursiue auf die kleine, nach allen Seiten freie Plattform. Nur ein Dach aus geflochtenem Schilf bot Schutz gegen Sonnenhitze und Regenschauer. »Da sind wir«, sagte er zufrieden, hob den linken Lauf an und drückte die breite Taste des Funkgeräts.
»Posten am Feld ›Hoffnungsblüte‹ bereit. Zwei Mann. Bisher keine auffälligen Vorkommnisse.« Der Funkkoordinator meldete sich augenblicklich. Auf Aytab herrschte seit mehreren Jahreszehntelperioden überaus gespannte Aufmerksamkeit. »Verstanden, Hoffnungsblüte«, sagte er. »Wann werdet ihr abgelöst?« »Anfang der Nacht.« Im selben Augenblick heulte hinter der unzuverlässigen Barriere aus Gestrüpp, Gestank und Dornen eine junge Tixudkatze. »Ich höre«, sagte der Koordinator. »Viel Erfolg, Hoffnungsblüte!« »Danke. Ende.« Das Funknetz des Planeten Aytab war schon immer vorzüglich und außerordentlich leistungsfähig gewesen. Die gesamte Bevölkerung liebte es, ohne jegliche Beschränkung ungehindert und lange sprechen und Nachrichten austauschen zu können. Jetzt, in der Zeit der lebensbedrohenden Krise, stellte sich dieses Netzwerk als perfekte Hilfe im Kampf gegen die entarteten Katzen heraus. Gegen die Mißernten auf den Mannannafeldern half es nicht. Ursiue klappte den Ring der Dornen über der Leiter herunter und setzte sich neben den anderen Flurwächter. Sie schob den Schaft der Schleuder in die Halterung und lud den ersten Stein in den Wurfarm. »Bereit!« sagte sie entschlossen und sah sich um. Ihre großen, schwarzen Augen glitten über das Kornfeld, dessen Begrenzung ebenso unregelmäßig war wie das Vorkommen aus sandigem Lehmboden, auf dem Mannanna wuchs – und nur dort. »Das Korn sieht einigermaßen gut aus. Der Regen in der Nacht hat wohl geholfen«, meinte Natiqua. »Ob wir es ernten werden können – wer weiß?« gab Ursiue zurück. »Ich hoffe es. Sonst wären wir nicht hier.« Die Sonne ging auf. Sie ließ die Farben im Fell der beiden Wächter intensiver werden. Natiquas Fell war blaugrau und schimmerte an
den Spitzen silbern. Ursiue trug ein fast hellblaues Hautgewand, das an den Gelenken dunklere Stellen aufwies. Aufmerksam inspizierten sie die Ränder des Feldes aus bernsteingelben Ähren. »Es wird ein heißer Tag werden.« Die Sonne blendete sie beide. Noch hatte sich der weiße Nebel nicht gezeigt. Dieses Feld würde, wenn sie viel Glück hatten, in zehn, zwölf Tagen abgeerntet werden können. Es bot Nahrung für hundert Familien im Dorf, die einzige Nahrung wohlgemerkt, von der die Kaytaber lebten. Natiqua öffnete, während Ursiue die Schleuder spannte, den Verschluß des Wassersacks. Reines Quellwasser, an dem nirgendwo auf dem gesamten Planeten auch nur der geringste Mangel herrschte, war die zweite Grundlage der Ernährung. Er goß Wasser in zwei dünne Porzellanschalen, fügte jeweils einige Tropfen von Pinz-Saft hinzu und gab der Kollegin die Schale. »Danke, Partner.« Wieder schrie die Katze. Beide Wächter blickten nach rechts. Dorther war der Schrei gekommen. Junge Tixudkatzen waren dort, das bedeutete, daß es auch eine ältere Katzenmutter gab. In dieser Zeit waren die sechsbeinigen Räuber besonders gefährlich. Sie waren nahezu unersättlich, brachen in die Felder ein, und die Nagetiere, die sie sonst fraßen, flüchteten zwischen die Halme des Mannanna. Dann folgten die Sechsbeiner und fraßen aus schierem Hunger auch die Ähren des Korns. »Kannst du etwas sehen?« »Nein. Zuviele Schatten.« Über den schlanken Lauf der Schleuder visierte Ursiue den Rand des Feldes an. Die Bäume warfen lange, schwarze Schatten. Nur der Beobachtungsturm erhob sich ins helle Licht des beginnenden Tages. Die Kaytaber warteten geduldig und registrierten mit äußerster Wachsamkeit jede Bewegung, jede Veränderung der Schatten, jede Gefährdung ihrer Nahrungsquelle. Sie wußten, worum es ging.
Es ging letzten Endes um die Existenz aller intelligenten Bewohner des Planeten Aytab. Dieses Jahr würde vermutlich in die Geschichte des Planeten eingehen. Es war die Zeit der Krisen. Bedrohungen kamen von allen Seiten. Das Schlimmste aber war, daß sich die Kaytaber nicht zu wehren vermochten. Jedenfalls nicht gegen den »Weißen Unheimlichen«. »Weißt du, wir brauchten jemanden, der ganz unkonventionelle Ideen hat. Nur sie können uns wirklich helfen.« »Möglicherweise hast du recht«, erwiderte Natique bedächtig. »Aber woher sollte dieses Wunderwesen kommen?« »Das weiß ich auch nicht.« Seit mindestens einem halben Jahr versuchten die Kaytaber, die wahre Natur dieses nebelhaften Feindes zu erkennen. Sie schafften es nicht, trotz unzähliger Versuche, ihn zu fangen und zu analysieren. Er erschien plötzlich über den Feldern und sank langsam zwischen den Halmen zum feuchten Lößboden hinunter. »Da ist das Biest«, fauchte Natique plötzlich. »Ich sehe die Katze!« Der hölzerne Lauf schwang herum. Ursiue umklammerte mit ihren geschickten Fingern den Auslösehebel. Dann sahen sie beide die Katze. Sie war noch jung, also etwa so groß wie die beiden Kaytaber. Das gelb und dunkelgrau getigerte Fell glitt aus dem Gewirr aus Schatten und Blattwerk hervor. Die Sonnenstrahlen fielen auf die Farben des Fells und auf die sechs langen, muskulösen Beine. Weiße Zähne blitzten auf. Die Tixudkatzen waren hochintelligent und immer hungrig. Jetzt riß das Tier den Rachen weit auf, hob zwei Tatzen und faßte nach den Halmen. »Zeig's ihr, Partnerin!« brummte Natique. Sie war ganz einfach die bessere Wächterin. Sie konnte mit der Schleuder fabelhaft umgehen. Dafür konnte er, Natique, das Gerät schneller reparieren. Die pflanzlichen Sehnen schnellten nach vorn. Der Steinbrocken,
so groß wie eine Kaytaberpranke, flog leise summend durch die Luft. Seine Flugbahn war fast gerade. Der Steinbrocken wirbelte dicht über die Halme und traf die junge Katze Hulit hinter dem Auge. Das Tier kreischte schrill auf und sprang fast senkrecht in die Luft. Dann warf sich die Katze herum und flüchtete in riesigen Sprüngen durch das Gebüsch, schnellte sich über den Wassergraben und hinterließ eine breite Blutspur. Während Natique die Schleuder wieder spannte, hörten sie die Schreie der aufgescheuchten Tixudfamilie. Dann erschollen die Geräusche, mit denen Zweige brachen und Blätter zerrissen wurden. »Ein guter Schuß!« lobte Natique. »Vor denen haben wir ein paar Stunden Ruhe.« »Mindestens bis Mittag.« Sie entspannten sich ein wenig und meldeten den Zwischenfall. Der Weiße Unheimliche ließ sich nicht blicken. Kam er heute nicht, war die Wahrscheinlichkeit groß, daß er morgen die Ernte verdarb. Meist kam der geheimnisvolle Nebel nachts. Selbst wenn das Wetter und die Feuchtigkeitsunterschiede zwischen dem Boden und der Luft eigentlich keinen Dunst zuließen, tauchte der geheimnisvolle Nebel auf. Er löste sich meist nach einem halben Tag, also in den Morgenstunden, wieder auf. Das Feld war anschließend meist verloren. Nur einzelne Ähren oder die oberen Hälften weniger Pflanzen waren noch zu gebrauchen. Der Rest der Pflanzen bot einen mitleiderregenden Anblick. Eine seltsame, vorher in der gesamten planetaren Geschichte nie gekannte Veränderung hatte die Mannannafelder überfallen. Die Pflanzen wirkten zerrupft und unansehnlich. Die Farbe der dunkelgelben großen Körner hatte sich verändert. Die Körner und auch der Schrot, der gemahlen wurde, schmeckten scheußlich. Aß man die Körner trotzdem, rief der Versuch zunächst Übelkeit hervor, dann rasende Kopfschmerzen und Erbrechen, schließlich
Bewußtlosigkeit und Haarausfall mit zeitweiligem Erblinden. Die Kaytaber kannten und erkannten diese typischen Symptome, und deswegen fürchteten sie um ihr Leben. Die Existenz ihrer Rasse stand auf dem Spiel. Natürlich gab es in den Städten und Dörfern Reserven, wie sie immer und zu allen Zeiten angelegt wurden. Aber auch die am meisten gefüllten Speicher leerten sich langsam. Die Dörfer versorgten die Städte; ganze Karawanen schwerbeladener Kaytaber wanderten über die schmalen Wege. Hin und wieder wurden sie von Tixudkatzen in Rudeln angefallen: sie hatten die »vergifteten« Körner gefressen und waren davon bedingungslos aggressiv geworden. Die Kaytaber mußten sich wehren – auch das war in ihrer Geschichte bisher niemals vorgekommen. »Ich hoffe, daß der Weiße Unheimliche unser Feld noch nicht entdeckt hat«, meinte Ursiue nach einer längeren Zeit. Die Sonne war höher geklettert. Die Plattform lag im Schatten. Am Himmel zeigten sich wenige weiße Wolken. Der Mittagswind war noch nicht angesprungen. »Das hoffen wir alle in Xatjoyn. Aber Hoffnung kann trügen.« Nach welchen Gesetzmäßigkeiten der Weiße Unheimliche die Felder überfiel, war nicht zu errechnen. Er schlug einmal an mehreren Stellen zugleich zu, auch über die Kontinente hinweg verteilt. Dann wieder suchte er sich einzelne, meist größere Flächen aus. Und wieder gab es mehrere Tage, auch schon ein halbes Zehnteljahr, in denen völlige Ruhe herrschte. »Was dann? Wir werden bald Not leiden.« »Ich weiß es auch nicht«, knurrte Natiqua. »Die Vorräte schrumpfen.« Ein Denker hatte eine Anzahl von Berechnungen angestellt und ein Szenarium entworfen. Es waren fellsträubende Vorstellungen – oder vielleicht schon bald Wahrheiten. Je nach Menge der ungenießbar gemachten Felder dauerte das Sterben einer
Planetenbevölkerung ein paar Jahre oder weniger. Und die Verhungernden würden von den großen Raubkatzen angefallen und gefressen werden. »Alles fängt an, sich zu verändern«, meinte die junge Kaytaberfrau. »Zum Schlechteren; dorthin führt die Veränderung.« »Du hast recht. Eine Wende in dunkle Zeitalter, wenn die Skeptiker recht behalten.« Wenn die Tixudkatzen eine bestimmte Menge des Mannanna gefressen hatten, änderten sie ihr bisheriges Verhalten. Sie wurden aggressiver, und aus Einzelgängern wurden zusammengerottete Jagdgruppen, die mit großer Schlauheit jagten. Dann gab es für einen Kaytaber, der nicht auf sechs, sondern auf vier Gliedmaßen lief, außerhalb fester Behausungen keine Rettung mehr. All diese Eindrücke und noch mehr die Vorstellungen größerer Schrecken lasteten schwer auf den Planetariern. Bis zum heutigen Tag waren sie aber nicht mutlos geworden. Sie kämpften. Und dank ihrer handwerklichen Geschicklichkeit würden sie noch viele Dinge ersinnen, um die Felder zu retten. Sie hatten es immerhin erreicht, mit dicht geflochtenen Netzen eine Versuchspflanzung zu schützen. Die Matten wurden nur während der Zeit des Sonneneinfalls geöffnet, und die Wächter (ihrerseits gegen die Tixudbestien bewacht) standen bereit, beim ersten Alarm die Matten über das Feld zu breiten. Kurz nach dem höchsten Sonnenstand schob sich auf der gegenüberliegenden Seite des Feldes wieder der kantige Schädel einer Katze aus der Deckung. »Dort, Ursiue«, fauchte der Wächter. »Schon gesehen. Ich warte auf bessere Schußposition.« Wenn der Treffer tödlich sein würde, erschreckte der Kadaver andere Raubkatzen so sehr, daß sie an dieser Stelle nicht ins Feld eindringen würden. Sorgfältig zielte Ursiue, während die Sonne auf ihr Fell brannte und sie an den haarlosen Stellen zu schwitzen begann.
Die Katze sah sich lautlos um. Der Schädel bewegte sich hin und her; das Tier prüfte die Witterung. Aber der Sechsfüßler bemerkte die beiden Wachen nicht, die außerhalb seines Erfahrungsbereiches, nämlich mehr als ein Dutzend Meter, zu schweben schienen. Dann setzte das Tier lautlos eine Pranke vor die andere. Es schob die ausgetrockneten Äste und die Ranken mitsamt den Dornen zur Seite, als ob es sie nicht gäbe. Dann, dicht vor den ersten Ährenbüscheln, die sich gleichmäßig im Mittagswind wiegten, hielt die ausgewachsene Tixudkatze inne. Der dünne Haarkamm zwischen den großen Ohren und dem ersten Schultergelenk bewies, daß es ein Männchen war. Ursiue feuerte das Geschoß ab. Beim Knacken des Verschlusses und beim Schleifen der Sehnenbündel zuckte das Katzenmännchen zusammen. Es war zu spät. Als es den Kopf hochriß, traf der Stein. Er zerschlug die Schädelknochen des Tieres. Im letzten Reflex flüchtete die Tixudkatze ins Dunkel zwischen den Blättern, aber die wilden Todeszuckungen und das Erdreich und die Pflanzenabfälle, die von den langen Krallen und Pranken aus dem Boden des Buschwerks hochgeschleudert wurden, bewiesen, daß es ein tödlicher Treffer geworden war. »Du hast dich verdient gemacht, Ursiue!« staunte Natiqua und schlug ihr kameradschaftlich auf den Nacken. Dann zauste er ihr Fell am Unterkiefer. »Tadellos! Ich habe lange keinen solchen Schuß gesehen.« »Deine Sehnenschnüre sind verdammt kräftig. Das war es, Nati.« »Darauf einen kräftigen Schluck, ja?« »Gern.« Diesmal gab Natiqua nicht nur die Tropfen der Pinzfrucht zum Wasser, sondern auch etwas vom vergorenen Yarmsud. Die wenigen Spuren genügten, über den empfindsamen Metabolismus der Kaytaber ein zurückhaltend rauschhaftes Glücksgefühl zu
erzeugen. »Diesmal meldest du selbst deinen Erfolg«, forderte Natiqua auf. »Ein Lichtblick in unserem harten Dasein, nicht wahr?« Sie lächelte ihn mit zwinkernden Augen an. »Es ist wirklich ein Vergnügen, mit dir zusammen zu wachen und zu arbeiten.« »Das sagt man, und das ist wahrscheinlich nicht falsch«, stimmte er zu und wartete, bis die Partnerin den Funkspruch abgesetzt hatte. Aus der Siedlung kam lauter Jubel. Jedes Katzenmännchen weniger bedeutete, daß es weniger Junge gab. Dennoch waren die Möglichkeiten der Abwehr noch lange nicht umfassend genug. Was für die wenigen Mannannafelder von Xatjoyn zutraf, galt nicht für andere Siedlungen. Aber in einer Handvoll Tagen würden sie hier eine Gruppe junger Kaytaber aus Yutlamal, der Vierzigtausend-Leute-Siedlung hinter dem Fluß, zur Ausbildung bekommen. Natiqua arbeitete bereits an der Herstellung kleinerer, leichterer Schleudern. Sie würden mit hölzernen Pfeilbolzen betrieben werden. Er setzte sich auf die Hinterkeulen und fuhr die Krallen aus den Pranken aus. »Die Gefahr ist nicht kleiner geworden«, sagte er traurig. »Trotz deiner Erfolge.« Er nahm den Spannhebel der Schleuder in die Vorderpranken, packte ihn mit den Händen und zog ihn zu sich heran. Klickend rastete der Schleuderarm vor der Führungsrinne ein. Ursiue legte einen weiteren Stein in den Wurfkorb. Nach einigen auf- und abschwellenden Stößen hörte der Mittagswind endgültig auf. Wieder flirrte die Hitze über dem Feld. Von Stunde zu Stunde näherte sich die Reife der Ähren der Vollendung. Aber … würden sie, Natiqua und Ursiue, auch noch die Ernte des gesunden Korns erleben?
2. »Ob wir es gern hören oder nicht«, bemerkte Chipol hartnäckig, »wir werden vom Erleuchteten gejagt.« »Leider hast du recht«, antwortete der Rebell Mrothyr und entblößte sein raubtierhaftes Gebiß. »Hoffentlich will uns der entartete Stahlmann nicht einreden, daß wir einen offenen Kampf führen sollten.« Die Stimme des Raumschiffs unterbrach nachdrücklich: »Das würde ich zu verhindern wissen.« »Ich auch«, sagte ich. »Vorläufig muß uns alles daran gelegen sein, unsere Spuren gründlich zu verwischen.« Zutreffend! bestätigte mein Logiksektor. Wir befanden uns auf Fluchtkurs. Vier seltsame Persönlichkeiten, oder fünf, wenn ich die STERNSCHNUPPE dazurechnete. Wieder einmal dachte ich an Colemayn-Fartuloon, dessen kauziges Verhalten uns wohl das Leben etwas angenehmer gemacht hätte. In der letzten Zeit gab es nicht allzu viel zum Lachen. Die STERNSCHNUPPE, dieses Meisterwerk unbekannter Erbauer, jagte seit einer Handvoll Stunden auf den fernen H-Plus-Nebel zu, aber es war fraglich, ob wir den Nebel näher würden untersuchen können. Offenen Kampf zu führen, das wäre selbstmörderisch für uns. Uns allen war daran gelegen, unsere Spuren zu verwischen. Dies ging im Weltraum am schnellsten und gründlichsten. Welche seiner Truppen uns der Erleuchtete hinterher geschickt hatte, wußten wir nicht. »EVOLO«, ließ sich Mrothyr vernehmen, »steckt sicher nicht in Wrackbank. Aber dort würden wir mit größter Wahrscheinlichkeit andere Helfer dieses Schreckens finden.« »Darauf kann ich gut verzichten«, murmelte der Daila. Heimliches Eindringen in den H-Plus-Nebel? Pfadfinderflug in
Wrackbank und Suche nach Stützpunkten? Mehr Informationen über diese erstaunliche Zone? Ich schüttelte den Kopf und ließ die schwere Lehne des Kontursessels nach hinten klappen. »Raumschiff? Hast du alle Suchsysteme aktiviert?« fragte ich. »Alle. Auch der Psi-Spürer ist zugeschaltet. Wenn es etwas zu sehen gibt, werde ich mich melden. Ihr solltet euch von den aufreibenden Abenteuern erholen.« »Ich danke dir für einen Ratschlag von großer Wichtigkeit«, antwortete ich ironisch. »Ich werde sofort anfangen, ihn zu befolgen.« »Ich auch. Traykon kann Wache halten«, meinte Chipol und gähnte. »Akzeptiert.« Langsam stemmte ich mich aus dem bequemen Sessel hoch, musterte die Bildschirme und verließ die Zentrale. Ich hatte ein paar Stunden Ruhe durchaus nötig. Die Sternkarte zeigte nur einen Ausschnitt jenes Weltraumbezirks, der in Flugrichtung stand. »Die Information ist keineswegs dürftig«, erklärte mir die STERNSCHNUPPE. »Ich habe einen Planeten entdeckt, der stark strahlt.« »Im Psi-Bereich«, stellte ich fest. »Also hat dein Psi-Spürer Impulse aufgefangen.« »Zutreffend. Und zwar aus diesem Sonnensystem.« Ich kauerte am Kopfende meiner Liege, den Rücken an die gepolsterte Wand gelehnt, in der Hand ein halbleeres Glas Wein. Der große Schirm über der Arbeitsplatte war synchron zu den Bildwänden der Zentrale geschaltet. Eine winzige Sonne begann zu blinken, die Flugbahn wurde projiziert, die Entfernungsangaben erschienen. »Immerhin haben wir ein paar Tage Ruhe gehabt«, sagte ich. »Gibt es mehr Eindrücke?«
Das Schiff antwortete: »Es ist eine eigentümliche Strahlung. Irgendwie dumpf und unbeholfen, wenn ich sie schildern sollte. Bist du interessiert?« »Natürlich«, sagte ich sofort. »Steuere den betreffenden Planeten an und sei so vorsichtig wie möglich. Wir untersuchen den Planeten gründlich, bevor wir etwas unternehmen.« »Verständlich. Ich führe diese Anordnung aus, Atlan.« Die Strahlung – die STERNSCHNUPPE versuchte, sie in optischen Mustern darzustellen – wies höchst ungewöhnlichen Charakter auf. Dumpf und unbeholfen, das war eine zutreffende Charakterisierung. Psionisch'e Energie, die auf seltsame Weise bemerkbar gemacht wurde. Sie hatte nichts Scharfes, Zielgerichtetes, sondern war diffus. Wir hatten gelernt, daß jegliche Psi-Effekte wichtig waren. Bisher hatte es sich so verhalten, warum sollte es an den anderen Stellen ganz anders sein? »Alles klar«, sagte ich. »Diesen Planeten sehen wir uns näher an.« »Ich habe bereits Kurs auf ihn genommen«, erklärte die STERNSCHNUPPE.
* Natürlich deutete nichts auf eine Falle EVOLOS hin, auf einen Hinterhalt des Erleuchteten oder seiner Helfer. Wir hatten auch nicht erwartet, dafür Anzeichen zu finden. »Wenn dort etwas oder jemand auf uns lauert«, meinte Mrothyr, und seine bernsteingelben Augen glühten auf, »dann hat er es geschickt angestellt.« »Eine Falle«, erklärte ihm Chipol und nahm den Blick nicht von den verschiedenen Bildern der Schirme, »ist eine schlechte Falle, wenn man sie erkennt.« »Überdies werden nicht im All zehn Schiffe auf uns lauern. Die Gefahr ist, wenn sie wirklich existiert, auf dem Planeten verborgen.«
Die STERNSCHNUPPE führte die Sonne, drei Planeten und einige Monde unter einer Zahlenkodierung, solange wir keinen Namen dafür gefunden hatten. Mehr Ergebnisse der Fernortung erreichten uns und wurden verarbeitet. Zwei Planeten mit je einem Mond befanden sich in großer Sonnennähe und außerhalb der ökologischen Sphäre; eine eiserstarrte Welt und eine Gluthölle mit lebensfeindlicher Oberfläche. Der dritte Planet, von dem die Signale stammten, wurde von zwei Monden umkreist und entsprach den gewohnten Spezifikationen. Wir würden ohne Schwierigkeiten dort leben können, und die geringfügig reduzierte Oberflächenschwerkraft konnte unseren Aufenthalt sogar gemütlicher werden lassen – falls wir landeten. Eine Welt, auf der Wasser und Festland ausgewogen verteilt waren. Es gab keine besonders großen Meere. Meer und Land mischten sich, über die gesamte Planetenkugel verteilt, in bizarren Mustern. Zwei gutausgeprägte Polkappen und starke Bewaldung konnten wir erkennen. »Ich habe nicht den geringsten Hinweis auf die Anwesenheit von Raumschiffen innerhalb der Grenzen dieses Systems«, erklärte das Schiff. »Auch außerhalb nicht?« »Nein. Ihr seht die Fernaufnahmen. Auf dem Planeten sind keine Anlagen zu erkennen, die als Raumhafen benützt werden können.« »Raumschiffe können auch«, schaltete sich Traykon ein, »unter bestimmten Bedingungen aus dem Wasser heraus starten und ebenso landen.« »Ich konnte auch keine größeren Metallmassen orten. Weder über Wasser noch darunter.« »Dann ist die Falle wirklich gut vorbereitet«, murmelte ich und zuckte die Schultern. »Sehen wir weiter. Warten wir. Prüfen wir jede weitere Information.« »Ich arbeite unablässig daran.«
Das »kosmische Objekt Nummer VII/39« wurde von uns bei jeder Stellung des Sonnenlichts, bei Tag und Nacht, mit sämtlichen Geräten und Objektiven, einschließlich des Psi-Spürers, ununterbrochen beobachtet. Unser Diskusschiff schwebte im Ortungsschatten des sonnenfernsten Mondes und war so gut versteckt, wie es unter diesen Umständen nützlich erschien. Nichts rührte sich. Unverändert wanderten die Echos der Psi-Effekte über die Landmassen des Planeten. Sie waren schwach, fast gar nicht zu spüren. Aber das Schiff wandelte seine Erfahrungen in Signale um, die es auf die Wiedergabe der normaloptischen Ansichten einspiegelte. Ein Fachmann der Ortung auf einem terranischen Schlachtschiff hätte es nicht besser machen können. Das Schicksal schien wieder einmal eine hervorragende Dramaturgie im Sinn gehabt zu haben. Genau in der Stunde, als die sorgfältige Beobachtung langweilig zu werden begann, gab das Raumschiff eine Meldung ab. »Ich habe einen Funkspruch aufgefangen. Bevor ich ihn dekodiere, erkläre ich, daß er ins All hinaus gestrahlt wurde, vermutlich per Richtstrahler. Er war nicht energiereich, noch weniger als die ständigen Funkkontakte zwischen den Siedlungen.« »Was besagt der Funkspruch?« »Mir scheint, daß sie in wirklicher oder gespielter Hilflosigkeit diesen Funkspruch abgesetzt haben. Sie haben keine Raumfahrt, scheinen aber zu wissen, daß es andere Planeten und Raumschiffe gibt. Sie riefen irgend jemanden. Nicht gezielt uns.« »Sicher?« »Soweit es Sicherheit gibt, ja. Es sind die Kaytaber. Ihre einzige Nahrungsquelle wird durch die Einwirkung von etwas, das sie den Weißen Unheimlichen nennen, vernichtet. Sie bitten um jede Art von Hilfe.« Ich glaubte, nicht richtig verstanden zu haben, obwohl ich sehr genau zughört hatte. Ich stellte meine Fragen. »Der Spruch war nicht länger?«
»Es scheint, daß die Richtfunkanlage überhastet gebaut wurde oder zusammenbrach. Nicht länger.« »Keine darüber hinausgehenden Informationen? Wer ist dieser Unheimliche?« »Wird nicht ausgesagt.« »Eigenartig. Ein Hilferuf.« »So klingt es. Die Kaytaber nennen sich untereinander auch ›Kornesser‹.« »Etwas Neues«, sagte Chipol und lachte. »Man kann den Knechten des Erleuchteten jedenfalls einen gewissen Einfallsreichtum nicht abstreiten.« Für jeden an Bord deutlich verständlich entschied ich: »Wir warten und analysieren weiter. Wenn es eine Falle für uns oder andere ist, werden die Helfer des Erleuchteten ungeduldig. Mich macht die lebhafte Funkkommunikation auf dem Planeten stutzig. Wenn die Kaytaber in der Lage sind, die Technik des Funkverkehrs bis zur Perfektion zu entwickeln, müssen sie erstens vorzügliche Handwerker sein und zweitens eine wahre Unmenge unterschiedlicher anderer Erfindungen gemacht haben. Deswegen macht mich das Fehlen von Flugplätzen, Häfen und größeren Bauwerken mehr als mißtrauisch.« »Ich glaube, ich verstehe deine Einwände«, antwortete das Schiff. »Die Beobachtung wird fortgesetzt.« So weit die Ortungsgeräte der STERNSCHNUPPE reichten, fand keine Raumschiffbewegung statt. Die Falle auf dem zweiten Planeten bewegte sich nicht. Unverändert aber waren die psionischen Aktivitäten. Das alles zusammengerechnet ergab keinen Sinn. Also warteten wir weiter.
*
Aus Xatjoyn kam die Ablösung, die während der Nacht die Mannannafelder bewachen würde. Die erste Gruppe bestand aus sechzehn Kaytabern unterschiedlichen Alters. Sie waren mit Nahrungsmittelrationen ausgerüstet, mit verschiedenen Waffen und Funkgeräten. Die vierbeinigen Kaytaber liefen schnell in einer Reihe hintereinander zwischen den Häusern hervor und auf das Tor des hohen Flechtzauns zu. Auch vor dem Zaun, unter den ausladenden Ästen der Schattenbäume, waren kleine Felder angelegt worden. Vielleicht wurden sie vom Weißen Unheimlichen übersehen. Knarrend schwang das Tor auf. Das I Funkgerät des Anführers summte schrill. »Hier Trupp Drei. Traxmo spricht.« »Durique aus der Einsatzleitung. Ihr seid dem Feld .Heile Sehnsucht der Nacht' zugeteilt.« »Richtig. Wir sind am Tor.« Die nächste Information klang bedrohlich. »Aus Yutlamal haben wir gehört, daß sich der Unheimliche dort auf einem mittelgroßen Feld niedergelassen hat. Sie gehen mit Räucherfackeln gegen den Nebel vor.« »Wir sind bereit, Durique, dasselbe zu unternehmen. Genügend Fackeln für›Heile Sehnsucht‹ haben wir.« »Ich notier's. Viel Erfolg, Trupp Traxmo.« »Danke.« Hinter dem letzten des Trupps wurde das Tor wieder sorgfältig geschlossen. Der mächtige Zaun war noch nicht alt; man hatte ihn zum Schutz gegen die rasenden Tixudkatzen aufgestellt. Zwei Angriffe hatte er bereits hinter sich. Die Katzenrudel waren mit Schleudersteinen, zugespitzten Stöcken und Feuerbränden zurückgetrieben worden. Insgesamt sieben Katzen hatte man getötet oder so schwer verwundet, daß sie irgendwo im Gebüsch verenden würden. Angst und Schrecken mehrten sich in der Bevölkerung. Xatjoyn war nicht sonderlich groß und lag weitab von Yutlamal.
Niemand hatte die geringste Freude an der Vorstellung, das Dorf verlassen zu müssen. Noch arbeitete die Kornmühle und stellte Schrot her, und noch waren die Rationen ausreichend. Das Feld »Heile Sehnsucht der Nacht« lag in einem Talkessel jenseits des Waldes. Dort gab es einen fast kreisrunden Fleck besten Lößbodens, und bis zum heutigen Abend waren die Halme unversehrt geblieben. Riesengroß und blutrot näherte sich die Sonne dem Horizont. Schweigend liefen die Wachen durch die schmale Lücke in einer Buschreihe. Schon vor Urzeiten waren jene Wälle aus Dornenpflanzen angelegt worden, um die Felder zu schützen. Dann überquerte der Zug die schmale Brücke, die sich über dem Bewässerungskanal spannte. »Nicht soviel Lärm!« rief Traxmo unterdrückt nach hinten. Vor ihnen, zur Rechten, tauchte das Gittergerüst des Wächterturms auf. Von der untergehenden Sonne wurde es mit blutrotem Licht überschüttet und hob sich scharf gegen die Wolken ab. »Mit Lärm verscheuchen wir die Katzen!« meinte grimmig der letzte Mann im Zug. Er trug eine riesenlange Lanze, deren Blatt von einem geschmiedeten Eisenblech gebildet wurde. »Oder locken sie an.« Auf vier Läufen bewegten sich die Kaytaber schnell und sicher. Wurden sie gezwungen, sich auf die Hinterläufe aufzurichten, waren ihre Bewegungen wacklig und keineswegs kraftvoll. Die Planetarier waren standortbedingte Lebewesen und hatten niemals die Notwendigkeit sehen können, größere Reisen zu unternehmen. Was sie brauchten, gab es in der näheren Umgebung. Und wenn sie miteinander sprechen wollten: es gab ein hervorragendes Funknetz. Man sagte, daß bereits Erfindungen gemacht worden waren, die eines Tages das Funken von Bildern ermöglichen konnten. Alle diese Forschungen hatte man heute abgestellt.
Das Überleben war an erste Stelle gerückt. Die Möglichkeit, daß die Bevölkerung eines ganzen Planeten verhungerte, war so nahe gekommen wie nie zuvor. Die Gruppe teilte sich. Traxmo schickte drei Leute auf den Turm, und die beiden restlichen Gruppen würden gleichzeitig aus verschiedenen Richtungen das Feld umrunden, immer wieder, die ganze Nacht hindurch. »Führt den Gerätecheck durch«, sagte er, ehe er selbst mit der schweren Last in den beiden Rückentaschen die Leiter hinaufzuklettern begann. Der untere Rand des Tagesgestims berührte die lernen Berge. »Nun? Irgendwelche Besonderheiten oder Absonderlichkeiten?« fragte er, nachdem er sich auf der engen Plattform bis nach hinten durchgedrängt hatte. Der Wächter antwortete: »Nichts, Traxmo. Das Übliche. Wir haben eine junge Katze getötet.« »Sie vermehren sich wie verrückt«, meinte der zweite Tageswächter. »Es ist eine schlimme Zeit.« Alles geriet aus den Fugen. Die Hoffnungslosigkeit nahm zu, weil sich noch immer nichts gezeigt hatte, womit der Weiße Unheimliche wenigstens in seinem Charakter und seiner Wirkung erkennbar wurde. »Kommt gut zurück«, wünschte Traxmo. »Und sorgt dafür, daß wir morgen rechtzeitig abgelöst werden.« Die Tageswächter packten ihre Ausrüstung zusammen, enterten die Leiter hinunter und verschwanden im Unterholz. Ruhig und in schönster Reife lag das Feld unter der Plattform da, tief im Schatten, bewacht von vielen Augenpaaren. Unterhalb der Wolkenmasse zuckten die ersten Blitze. Nach einer Weile, in der er die wenigen Fackellichter rund um das Mannannafeld beobachtet hatte, deutete Traxmo auf die große Scheibe des Mondes und sagte:
»Warum hat uns die Natur dazu gezwungen, nur von einem einzigen Nahrungsmittel leben zu müssen?« Er fügte einen langen Seufzer hinzu. »Erkundige dich beim Schicksal. Oder bei der Sonne«, kam die Antwort von hinten. Die Xatjoyner saßen verteilt vor dem niedrigen Geländer und versuchten, in den Stunden zwischen Abenddämmerung und erstem Mondlicht etwas zu erkennen. Sie hofften inbrünstig, daß es nicht der Weiße Unheimliche sein würde, der Vernichter des Lebens. »Dort kriege ich auch keine Antwort.« »Vielleicht kommt sie aus dem Weltall.« »Reines Wunschdenken.« »Der Wunsch«, murmelte brummend einer der Blaubepelzten, »ist oft der Vater des Ereignisses.« »Utopie!« Der Anbau von Mannanna war nur auf wenigen Flächen möglich. Den einzigartigen Lößboden gab es nur an bestimmten Stellen des Planeten. Dort befanden sich auch die Siedlungen, die Bewässerungsanlagen und die Wege. Da Körnernahrung und Wasseraufnahme – abgesehen von wenigen Gewürzen, Spurenstoffen und Früchten – eine regelmäßige Folge kleiner Mahlzeiten bedingten, war die gesamte Zivilisation der Kaytaber auf diese Notwendigkeiten aufgebaut. Die erste Schale voller Wasser ging von Hand zu Hand. Leise wanderten die Wächtergruppen um das kostbare Feld. Das nächtliche Schweigen füllte sich mit den Lauten der wilden Tiere. Nachtjagende Vögel waren hinter kleinen Nagetieren her. Zahllose Insekten summten und zirpten. »Bald werden wir hier lärmende Hektik haben«, sagte Traxmo, um das Schweigen der Wächter etwas aufzulockern. »Du sprichst von den Holprigs?« »Wovon sonst? Schließlich sind die Straßen, auf denen sie fahren, die besten Wege der Katzenrudel.«
»Immerhin haben sie noch immer Angst vor den Fahrzeugen.« Die geschickten Handwerker hatten vor etwa drei, vier Generationen die Wägelchen erfunden. Die Räder bestanden aus Eisenfelgen, die Reifen aus gepolsterten Schläuchen, die aus Leinen und Naturgummi hergestellt waren. Daher die zutreffende Bezeichnung. Der Motor wurde von flüssigen Kohlenwasserstoffen betrieben, und für kurze Entfernungen und größere Lasten waren jene Holprigs ideale Maschinen. Sie wurden fast nur zum Transport von Gütern verwendet. In Xatjoyn gab es immerhin zehn dieser Gerätschaften, für eine Anzahl von Straßen, die im wesentlichen nur vom Ort zu den Feldern führten. »Wahrscheinlich auch nicht mehr lange. Ihr wißt, daß sie anfangen, wie denkende Wesen vorzugehen.« »Wer weiß das nicht!« stöhnte Traxmo und beobachtete weiter die Flammen der Fackeln. Sie hatten sich jetzt in fast gleichmäßigen Abständen um das Feld verteilt. Der Donner kam näher, und Wolken schoben sich vor den Mond. Der Wetterschutz über der Plattform würde kaum verhindern, daß die Wächter naß wurden, aber im späten Sommer war es nicht weiter lästig. Traxmo hob seinen Vorderlauf und schaltete auf Rundruf. Von allen Flurwächtern kamen beruhigende Meldungen, auch von den Nachbarfeldern. »Wieder eine Hoffnung mehr«, meinte er, nachdem das Gerät schwieg, »die enttäuscht werden kann.« »Jeder bittet darum, daß du unrecht haben mögest!« belehrte ihn Vanjart, der Schleuderschütze. Schwarze Wolken, Donner und Blitze kamen näher. Einige Funkmeldungen trafen ein und bestätigten, was die Leute aus Xatjoyn schon ahnten. Das Gewitter mit dem Regen würde über den Ort und die umliegenden Felder hinwegziehen. Aus Yutlamal, mehrere Tagesmärsche entfernt, kam die bisher erste Meldung, die jeden Zuhörer augenblicklich ernüchterte und
niederdrückte. Im Süden der großen Stadt hatte der Weiße Unheimliche sich eines Feldes bemächtigt. Während Traxmo die Antenne des Funkgeräts einschob, fluchte er leise und erbittert. Aber das änderte auch nichts mehr.
* Die beiden brennenden Bäume entließen im strömenden Regen riesige weiße Dampfwolken in die Luft. Das Gewitter war über die Felder hinweggerollt. Die blitzenden Entladungen waren jetzt vor den Bergen zu sehen. Wolken bedeckten den gesamten Himmel; es gab keinen Schimmer Mondlicht mehr. Auch die meisten Fackeln waren vom Regen ausgelöscht worden. Triefend naß hockten Traxmos Leute unter provisorischen Blätterdächern. Die Nacht war dunkel, aber nicht so schwarz, als daß die scharfen Augen der Wächter nicht den dünnen, langgezogenen Streifen gesehen hätten, der von Osten kam. Traxmo schob sich, als er die erste Spitze des eisig schimmernden Nebels sah, bis an den Rand der Plattform. Einen Moment später formte seine Kehle ein langgezogenes Zischen, das höchste Erregung ausdrückte. »Der Unheimliche!« ächzte er. »Ich sehe ihn«, stieß sein Nachbar hervor. Sofort fingen die Funkgeräte zu arbeiten an. Rund um das Feld entstand raschelnde Bewegung. »Los! Fackeln! Alle Abwehrmaßnahmen!« schrie Traxmo in heller Wut. Die Rauchfackeln wurden entzündet. Der weiße Streifen wurde länger und dicker. An seinem Ende kondensierte sich ein großer,
runder Fleck. Die ersten Ausläufer berührten den Rand des Feldes und zerfaserten zwischen den Halmen. »Schneller!« Die Flammen wurden größer und zahlreicher. Aufgestört hasteten die Wachen auf drei Läufen durch das Unterholz und auf dem kaum sichtbaren Pfad, den der Regen in eine lehmige Rutschbahn verwandelt hatte. Dichter gelber Rauch löste sich von den Fackelschäften und kroch tief über dem Boden dahin. »Alarm! Geht auf den Nebel los!« Die Schleuder krachte. Der Steinbrocken wirbelte durch die Dunkelheit und riß eine lange, dünne Spur in den Nebelkopf. Sofort schloß sich der Unheimliche wieder, und er kroch unaufhaltsam näher. Die Spitze hatte schon fast die Mitte des Feldes erreicht, das sich hell zwischen dem Wald abhob. Zwei Rauchfackeln kamen von rechts und links heran. Todesmutig warfen sich die Kaytaber in den Weg des Weißen Unheimlichen. Der Körnerfresser drang weiter vor und schien den gelben Rauch zu schlucken. In der Mitte des Feldes verbreiterte sich der Feind und kroch nach allen Richtungen. Das Ende rückte lautlos nach; der Nebel wirkte wie Wasser, das sich langsam ausbreitete und dem natürlichen Gefälle folgte. Zwei Kaytaber kämpften sich vom gegenüberliegenden Ende des Feldes durch die schwankenden Halme auf die Kernzone des Nebels zu. Überall breitete sich der ätzende Rauch aus, und an den Stellen, an denen Nebel und Rauch zusammentrafen, bildeten sich leuchtende, dünne Linien, in denen es zu blitzen und zu kochen schien. Der Weiße Unheimliche hatte jetzt völlig das Mannannafeld erreicht. Er schwebte inmitten der Flammen und des Rauches über den Halmen wie ein riesiges, straff gespanntes Tuch. Aus seiner Masse ragten die lodernden Fackeln hervor und der Abwehrrauch, dessen Gestank bis hinauf zur Wachturmplattform stieg. In ihrer Verzweiflung schrien die Wachen, rannten hin und her
und zertrampelten die Halme. Traxmo gab mit einer Stimme, die vor Erregung schrill geworden war, die Meldung an das Dorf weiter. Dann geschah, was sie alle schon ein paarmal gesehen hatten. Der kalt leuchtende Nebel verdünnte sich und sank zu Boden. Auf diesem Weg berührte er die Halme und die vollen, strotzenden Ähren. Dann war er verschwunden. Auch das Leuchten verging völlig. Nur noch die Fackeln und der Rauch blieben übrig. Hoffnungslos schlichen die Wächter aus dem Feld heraus und blieben abwartend an den verwüsteten Rändern stehen. Die Fackeln brannten knisternd nieder. Später rissen die Wolken auf und erlaubten dem Mond, sein weißes Licht auf die Szenerie der Vernichtung zu werfen. Traxmo senkte den Kopf bis tief auf die Bretter der Plattform. Er schloß die Augen und hörte sich sagen: »Die ganze Ernte vernichtet. In drei Tagen hätten wir ernten können!« »Es wird nicht ein einziges Korn übrigbleiben«, brummte Vanjart. »Nur Fressen für die Katzenrudel.« »Wir haben genug Zeit«, meinte ein anderer nach einer Weile, »um unsere ganze Energie in die Jagd auf Tixudkatzen zu konzentrieren.« »Das werden wir auch tun müssen.« Die Ausstrahlung oder Witterung des verdorbenen Mannanna würde sofort die Katzenfamilien anlocken. Sie fraßen die Körner in sich hinein, als gäbe es nichts anderes. Und dann würden sie, halb rasend vor Angriffswut, das Dorf Xatjoyn angreifen. Niemand wußte, warum das zerstörte Korn die Katzen zu reißenden Bestien machte. Wieder betätigte Traxmo das Funkgerät. »Traxmo spricht«, sagte er niedergeschlagen. »Sammelt euch beim Gerüst. Wir gehen zurück nach Xatjoyn und organisieren mit den anderen zusammen die Abwehr der Katzenbestien. Heute nacht ist
nichts mehr zu machen.« »Verstanden. Wir kommen.« Zögernd bewegten sich die Fackeln von zwei Richtungen auf den Fuß der Holzkonstruktion zu. Die Kaytaber auf der Plattform verstauten ihre Ausrüstung in den Rückentaschen und schlossen die Schnallen der Tragegurte. »Erntezeit! Früher feierten wir mit Pinz-Saft fröhliche Feste«, meinte ein Kaytaber fast schluchzend. Seine Gefährtin legte ihm tröstend die Pranke in den Nacken. »Die guten Tage werden wiederkommen. Noch keiner von uns ist bisher verhungert.« »Ein schwacher Trost.« Nacheinander kletterten sie vorsichtig die Leitern hinunter. Schweigend traf sich die Gruppe. Es wurde abgezählt: sie waren vollzählig. Fünf neue Fackeln entzündeten sich an der zuckenden Flamme einer abgebrannten Fackel. Als sich die Kaytaber umdrehten, um einen letzten Blick auf das Feld zu werfen, löste sich der Nebel auf, hob sich und fügte sich dichter und weißer zusammen. Der weiße Unheimliche verschwand. Es ging rätselhaft blitzschnell vor sich, am Tag wie in der Nacht. Diesmal aber sahen die Frauen und Männer um Traxmo etwas, was ihnen allen bisher entgangen war. Es schien, daß der Nebel senkrecht nach oben gezuckt sei, wie ein nahezu unsichtbarer Blitz, der zu den Sternen oder zum Mond hinaufjagte und verschwand wie ein flüchtiger Gedanke. Die fassungslosen Kameraden erwarteten sie bereits am Tor und brachten sie in einem langen, schweigenden Zug bis zum Versammlungshaus. Es war längst schon zum Zentrum aller einschlägigen Abwehrversuche gemacht worden, zur Funkstation, zum Waffenlager und zu einem Ort, an dem man die Hoffnungslosigkeit durch Ansätze von sinnvollem Handeln überwinden konnte.
Beim ersten Morgengrauen kamen die Tixudkatzen aus allen Richtungen am Feld zusammen. Sie waren schnell und unvorsichtig. Einige fingen sich in den Fallen. Die meisten anderen, die das jämmerliche Geschrei der verwundeten und sterbenden Tiere nicht im mindesten beeindruckte, machten sich sofort über das feuchte Korn her und schlangen Körner und Grannen in sich hinein. Einige ganz junge Tiere zögerten noch, aber dann folgten sie dem Beispiel der Elterntiere. Je mehr sie fraßen, desto größer wurde ihr Hunger. Obwohl sie sich die Mägen mit den aufquellenden Körnern vollschlugen, wuchs der Drang, sich auf Beutetiere und jene großen Vierbeiner zu stürzen, sie zu schlagen und zu fressen. Schon hörten die ersten erwachsenen Tiere auf, an den Halmen zu zerren. Sie richteten ihre langen, kantigen Schädel hoch, legten die Köpfe in den Nacken und fingen an, den Mond jagen zu wollen. Schließlich duckte sich das erste Tier, ein riesiges Weibchen. Es schlug die sechs Pranken tief in den Boden und riß sie heulend und maunzend vor Haß und Wut nach hinten durch. Zerfetzte Halme und gelber, nasser Lehm flogen nach allen Seiten. Das Tier sprang in die Höhe und hetzte in riesigen Fluchten quer durch das Feld zum Waldrand hinüber. Dann erreichte es die schmale Fahrstraße, die auf kürzestem Weg zur Siedlung der Kaytaber führte. Der heulende und kreischende Chor, der aus der Richtung des Feldes herüberschallte, wurde unerträglich laut. Eine Stunde nach Sonnenaufgang erfolgte der Angriff von mehr als sechzig Tixudkatzen auf das Dorf. Ein furchtbarer Kampf brach aus.
3.
Der mächtige Kopfteil mit der Kommunikationsscheibe wandte sich mir zu, und Traykon erklärte leidenschaftslos: »Ich habe die wichtigsten Informationen und die häufigsten Wiederholungen herausgefiltert.« Er hat dir eine Menge Arbeit erspart, sagte der Logiksektor. Höre ihm gut zu. »Ich höre aufmerksam zu«, sagte ich. »Jeder von uns hat versucht, die Funksprüche zu analysieren.« »Wenn Erfahrungen zusammengelegt werden, potenzieren sie sich meist«, sagte Traykon. »Sinnspruch durchgerechnet und für richtig befunden. Richtig, Atlan?« »Richtig«, brummte ich. Ab und zu war ich noch zu verblüffen, selbst oder gerade von diesem Konglomerat unterschiedlicher robotischer Charaktere. »In Kurzform. Zum Mitdenken«, fuhr Traykon fort. »Die STERNSCHNUPPE kann mich kontrollieren.« »Er meint«, klärte uns Mrothyr auf, »daß wir uns konzentrieren sollen. Sonst vermögen wir seinen vor Klugheit triefenden Darlegungen nicht zu folgen.« »Ich hätte es eleganter ausgedrückt«, antwortete der Roboter und ließ die langen Arme bewegungslos an den Seiten herunterhängen. »Die Kaytaber berichten einander von einem Nebel. Weißer Unheimlicher. Er verdirbt ihre einzige Nahrung. Mannanna, eine besonders vitamin- und elementreiche Kornart, die nur an wenigen Stellen wächst. Keine sonderlich große Bevölkerung. Lebt nur in Tälern, in denen lehmiger Sandboden existiert.« »Darf ich auch etwas sagen?« erkundigte ich mich, ohne die Augen von den Bildschirmen zu heben. Wir verbrachten nun schon den zweiten Tag damit, den Planeten zu beobachten. »Gern.« »Es ist Lößboden, also verwittertes und von Urflüssen angeschwemmtes Material. Es dürfte auch in Flußdeltas zu finden sein. Besonders fruchtbarer Boden.«
Schweigend hörten Chipol und Mrothyr zu. »Der Nebel vernichtet die Getreidekörner. Dann löst er sich spurlos auf. An dieser Stelle mißt STERNSCHNUPPEs Psi-Spürer schwache Aktivitäten. Es gibt sechsbeinige Katzen, die nach dem Genuß der verdorbenen Körner rasend werden und die Kaytaber angreifen. In drei oder vier Jahren, rechneten sie aus, sind alle Planetarier verhungert. Sie haben keine Feuerwaffen, keine Energiegeschütze. Nur mechanische Waffen. Primitivstadium. Scheinen liebenswerte Burschen zu sein.« Nachdenklich gab ich zu: »Deine Feststellungen decken sich mit dem, was wir herausgehört haben. Gut gemacht, Traykon.« »Konnte nicht anders. Hin und wieder gibt es richtige Schlachten gegen die Katzen. Sie sind doppelt so groß wie die Kaytaber.« »Das alles hört sich nicht nach Falle an«, meinte Chipol nach einer Weile. »Das ist zu abenteuerlich, als daß es erfunden sein konnte. Es deckt sich zudem mit der Analyse der optischen Fernbeobachtung.« Schließlich meldete sich die STERNSCHNUPPE. »Außerdem wissen die Kaytaber, daß es außerhalb von Aytab …« »Wovon?« fragte der Zyrpher schnell. »Sie nennen den Planeten Aytab. Jamhartay ist die Sonne. Wiederholung: Außerhalb ihres Planeten, denken sie, gibt es Leben. Diese Unbekannten funkten sie an. Ein Blitz schlug in den Sender, konnte ich heraushören.« Ich lachte kurz. »Sie meinen doch nicht etwa uns?« »Jeden, der sie hört. Legenden! Keiner setzt große Hoffnungen in diesen verzweifelten Versuch.« »Also totale Resignation?« »Sie wehren sich mit all ihrem Einfallsreichtum und größtem persönlichem Einsatz. Ein tapferes Völkchen von wenigen Millionen Individuen. Diese Zahl ist eine erste, überschlägige Schätzung.« »Niemand erwartet, daß du sie hättest zählen können«, bemerkte
Mrothyr und lachte dröhnend. Unsere Neugierde war ständig gewachsen. Immer wieder fragten wir das Schiff, ob auch nur das geringste Anzeichen einer Falle oder eines besonders geschickten Hinterhalts zu merken war. Noch wartete ich. »Gibt es eine Hauptstadt?« »Nicht feststellbar. Eine der größten Siedlungen nennt sich Yutlamal.« »Wie viele Einwohner?« »Möglicherweise zwanzig- bis vierzigtausend. Kaum größer.« »Ist sie gefährdet?« »Die Meldungen besagen, daß dort identische Zustände wie an allen anderen Orten herrschen.« »Also Hunger und die Angst vor Katzenangriffen.« »Zutreffend.« Ich verschränkte meine Arme und fragte: »Hat jemand von euch etwas dagegen, wenn wir unser Versteck verlassen und einen simplen, wenn auch eindeutigen Versuch unternehmen? Ein niedriger Orbit, aus dem die STERNSCHNUPPE augenblicklich wieder starten kann, wenn sich unser Verdacht erhärtet?« »Nichts dagegen«, antwortete Chipol. Mrothyr nickte nur. Der Roboter stimmte zu, und ich brauchte nur noch zu sagen: »Richte es so ein, STERNSCHNUPPE, daß deine Flugbahn dich in die Nähe der Stadt Yutlamal führt.« »Verstanden, Atlan.« Sofort setzte sich das Diskusschiff in Bewegung. Selbstverständlich tauschten wir unablässig unsere Meinungen und Erfahrungen aus. Immer wieder kam einer von uns auf die zurückliegenden Erlebnisse zu sprechen und entwickelte neue Theorien über die wichtigen Themen: das Neue Konzil, die Ligriden, Hyptons, die Stahlmänner, der Erleuchtete und EVOLO, jene seltsamen, gefährlichen Abkömmlinge aus Alkordoom. Wir
besaßen eine riesige Menge von wichtigen Mosaiksteinchen, eine noch größere Masse von anscheinend weniger wertvollen, und einige Teile eines Bildes von erschreckender Großartigkeit lagen mehr oder minder klar vor uns. Noch zu vieles war undeutlich und voller Rätsel. Vieles wußten wir nicht einmal. In diesem Zusammenhang sahen wir den Versuch, das Psi-Rätsel von Aytab aufzuklären. Mit der Annäherung an den Planeten wurden sämtliche Bilder schärfer und klarer. Schließlich schwebten wir über den Wolken und mitten darin. Unter uns lag die Landschaft einer Welt, die von ihren Bewohnern nicht verunstaltet und nicht über Gebühr ausgebeutet wurde. Ein herrlicher Planet – aber jede Welt, auf die solche Feststellungen zutrafen, war schön und ein Juwel der Schöpfung. »Winzige Felder!« bemerkte Traykon. »Und die Siedlungen sind nicht viel größer. Wenn uns jemand sehen sollte …« »… dann wird er uns für die wunderbaren Helfer aus dem All halten. Sie greifen nach jedem Hoffnungsschimmer.« Langsam und gründlich waren der Flug und die durchgeführten Untersuchungen. Wir sahen auf einer Straße – natürlich stark vergrößert – ein sechsrädriges Wägelchen dahinrollen, das wie eine Kreuzung aus landwirtschaftlichem Nutzfahrzeug und Boot aussah. Der erste Orbit führte etwa entlang des Äquators. Dämmerung, Tag und Nacht wechselten sich ab. In der Dunkelheit gab es nur wenige Lichter, die zudem winzig waren. Also fehlten auch größere Energiestationen und Kraftwerke. Wir würden wohl ein Völkchen liebenswerter Handwerker antreffen, die sich ausschließlich mit sanfter Energie und deren Erzeugung beschäftigten; gute Handwerker, von denen jedes natürliche Material gekonnt verwendet wurde. »Spätestens jetzt«, bemerkte die STERNSCHNUPPE nach einigen
Stunden und drückte aus, was wir dachten, »hätten wir etwas von einem Hinterhalt merken müssen.« »Absolut zutreffend!« pflichtete Traykon dem Schiff bei. Der Roboter hörte weiterhin die Funksprüche ab, die niemals zur Ruhe kamen. »Ziemlich geschwätzig! Wenn sie sich nur auf das Wesentliche beschränken würden!« gab der Roboter seinem Unmut Ausdruck. »Reisen bildet. Man erfährt viel Neues«, sagte ich. »Sage uns, wenn etwas ganz Besonderes passiert.« Wie oft schon hatte ich einzelne Planeten angeflogen. Wie häufig starrte ich die Bilder auf den Schirmen an. Ich kannte jeden Typ von Planet: groß, klein, bewohnt, unbewohnt, einladend, abschreckend oder märchenhaft. Es war immer wieder gleich faszinierend, lautlos über die Formationen einer Welt dahinzugleiten. Diesmal hieß das Ziel Aytab. Und bald darauf meldete das Zwiegespann Traykon und STERNSCHNUPPE: »Die Stadt Yutlamal wird von einer riesigen Menge Katzen angegriffen!« Der Extrasinn mahnte: Hilf ihnen, Arkonide. Du weißt, daß sie es wert sind! Er wußte wieder einmal mehr als ich. Ich nickte. Dann sagte ich: »Wir helfen den Kaytabern. Geh tiefer, STERNSCHNUPPE, und setz die Lähmwaffen ein. Ich nehme an, daß die Planetarier ihre Siedlungen nicht verlassen können, solange sie von den Tieren belagert werden. Also hungern sie. Ein Notfall – schnell.« Abrupt änderte der Diskus seinen Kurs, setzte die Geschwindigkeit herauf und jagte auf die Siedlung zu. Sie lag inmitten eines leicht hügligen Bereichs zwischen den senkrechten Hängen eines Urstromtals. Die Auskunft des Schiffes besagte – wir durchflogen gerade die Nachtzone Aytabs –, daß im Augenblick der Landung über Yutlamal Morgendämmerung herrschen würde. Fast feierlich meinte der Zyrpher:
»Wieder einmal erscheinen wir aus der Sonne. Die Retter aus dem Licht.« Natürlich fieberten wir den Augenblicken entgegen. Die Bilder auf den Schirmen änderten langsam ihre Helligkeit. Schließlich jagten wir entlang der Tag-Nacht-Grenze nach Süden und hatten links von uns die aufgehende Sonne. Ihre Strahlen verwandelten die STERNSCHNUPPE in einen unerträglich hell schimmernden Punkt, und irgendwann würde der Unterschallknall über das Land donnern.
* Intelligentes Leben war gefährdet. Soviel schien mir unverrückbar sicher zu sein. Das Bild war unvollständig, und nichts deutete auf den wahren Zusammenhang dieser Gefährdung hin. Ich war weit entfernt davon, zu vermuten, daß jene undeutlichen Psi-Signale etwas mit dem Nebel zu tun haben konnten. Aber: alles war denkbar, vieles war möglich. Ohne zu wissen, wie gefährlich die Katzen wirklich waren, sagte ich mir, daß sie offensichtlich gegenüber den halbverhungerten Kaytabern die besseren Siegeschancen hatten. Rasende Tiere begriffen nicht, wenn eine Situation aussichtslos für sie war – sie kämpften, bis sie sich nicht mehr bewegen konnten. Dennoch war ich zutiefst überrascht, als auf den Bildschirmen die verschiedenen Bilder und die Ausschnittvergrößerungen auftauchten.
* Linque und Restjue kämpften in der vordersten Linie. Jeder von ihnen trug Fackeln in den Rückentaschen, lange Messer in den
Gurten und eine lange Lanze. Ihre Spitze bestand aus einer nadelfein zugeschliffenen Spitztülle. Nicht eine einzige Waffe, abgesehen von den Messern, war traditionell. Jede war erst in der letzten Zeit entwickelt worden und entsprechend wenig gut. Aber sie reichten aus, diese Lanzenspitzen, um Tixudkatzen zu töten. »In den Rachen! In die Brust!« grollte Linque. Eigentlich war er Handwerker und Forscher, Bastler. Aber jetzt befanden sich rund dreißigtausend erwachsene Bewohner Yutlamals am Zaun und auf den Mauern der Stadt. An vier Stellen griffen die rasenden Tiere an. Sie warfen sich immer wieder gegen den Zaun. Ihre sechs Krallenpranken und die Zähne rissen an den Verstrebungen. Die Katzen sprangen hoch und versuchten, den Zaun zu überklettern. Aber die Bastbänder rissen meist, und die schweren Körper fielen, sich überschlagend, unter grauenvollem Kreischen in den Wallgraben hinunter. Immer wieder richteten sich die Kämpfer auf die Hinterläufe auf. Sie packten die Lanzen und stießen sie mit aller Kraft durch die Zwischenräume des Zaunes. Fast jeder Stoß traf, so dicht war die Masse der jungen und erwachsenen Tiere. Von hinten gellte ein Befehl. »Zündet die Treibstoffspur an!« Wieder rammte Restjue, der sich verzweifelt wieder in seinen Arbeitsraum zurücksehnte, die Lanze nach vorn und bohrte die bluttriefende Spitze tief in den Körper einer heulenden Tixudkatze. Einige Kaytaber rannten zu dem Röhrensystem, das unter dem Zaun aus Balken, Ästen, Dornen und Flechtwerk hindurchführte. Sie trugen brennende Fackeln. Schon züngelten kleine Flammen hoch, breiteten sich aus und verschwanden in den Röhren. Ein Katapultbrocken heulte über die Köpfe der Kaytaber hinweg und zerschmetterte den Schädel eines Tixudmännchens, das sich durch eine Lücke ganz oben im Zaun zwängen wollte. Aufheulend starb das Tier. Drei Viertel aller Einwohner der Stadt hatten im Lauf von nur
einem Jahr diese Befestigung gebaut. Zuerst hätte es ein Kanal werden sollen. Dann begannen die ersten Angriffe der rasenden Katzen. Der Aushub des zukünftigen Kanals wurde dazu verwendet, einen Wall aufzutürmen. In diesen Wall setzten die Kaytaber gefällte Bäume ein. Die Stämme wurden mit Holz und Ranken aus den umliegenden Wäldern verflochten. An einigen Stellen bildeten die Bruchsteinmauern einzelner Häuser einen sicheren Wall, eine Abwehr gegen die Katzenrudel. Es schienen einige tausend Katzen zu sein, obwohl schon viele getötet worden waren. Schleudern krachten, Steine zerfetzten Tierleiber und Astwerk. Es regnete in der ersten Helligkeit des Morgens Rindenstücke und verdorrte Blätter. Die Tiere sprangen vor, überschlugen sich, purzelten übereinander und griffen wieder an. Auf Hausdächern standen Schleudern. Besonders mutige Männer stachen mit ihren Messern durch die gitterförmigen Öffnungen des Geflechts. Man hatte den Treibstoff, mit dem die Holprigs angetrieben wurden, außerhalb des Zaunes, im Graben, ausgegossen, in einem fast geschlossenen Kreis – rund um Yutlamal. Jetzt begann das treibstoffgetränkte, zerwühlte Erdreich zu brennen. Der scharf stechende Geruch des verdunsteten Treibstoffs hatte die Bestien nicht aufhalten können. »Es brennt! Tadellos! Wir schaffen es!« Der rasende Kampf ging weiter. Brennende Tiere rasten im Zickzack unter furchtbarem Heulen hin und her. Überall innerhalb des Zaunes, der ständig erschüttert wurde vom Anprall der besinnungslos kämpfenden Tiere, die in ihrer Gier und Raserei jeglichen Instinkt verloren hatten, standen und liefen die Verteidiger der Stadt. Sie waren von dem massierten Angriff überrascht worden, obwohl eine Attacke der Tixudkatzen erwartet worden war. Das Feld, dessen Mannannaähren von den Katzen restlos
gefressen worden waren, blieb leer und verwüstet zurück. Irgend etwas, das in den Körnern war, hatte die Tiere zu organisierten Bestien gemacht – die kleinsten ebenso wie die alten, zahnlosen Einzelgänger. Sie witterten Kaytaberblut. Hunderte lagen verblutend und tot vor dem Zaun. Jetzt versuchten die brennenden Tixudkatzen, irgendwohin zu entkommen. Sie rannten immer wieder gegen andere Tiere, rissen sie nieder, gegen den wankenden Zaun und den Wall hinauf und wieder hinunter zur brennenden Sohle des breiten Grabens. Die ersten trockenen Äste fingen Feuer und brannten lichterloh. Die ersten Sonnenstrahlen warfen waagrechte Schatten. Die Reste der Sendeantenne am höchsten Punkt der Stadt schienen aufzuglühen. Ein furchtbarer, jeden Lärm übertönender Donnerschlag hallte über die Stadt und das Umland hinweg. Selbst die Tixudkatzen erschraken und hörten für die Dauer des langanhaltenden Echos mit ihrem irrsinnigen Kampf auf. Tausende Kaytaber blickten unwillkürlich nach oben. Sie sahen einen silbernen Diskus, doppelt soviel im Durchmesser wie in der Höhe, umgeben von einem breiten Ring an der Stelle, an der die Hälften zusammenstießen. Der Diskus war schnell erschienen, wurde jetzt langsamer und ging in eine schräge Lage über. Dann zuckte ein breitgefächerter Strahl von unbestimmbarer Farbe herunter. Ein begeisterter Aufschrei ging durch die Menge der Kaytaber. Sie wußten nicht, was hier vor sich ging, aber sie glaubten alle, daß es die Antwort auf ihren verzweifelten Hilferuf war. Langsam senkte sich der riesenhafte Gegenstand. Ein Ding, das aus dem Himmel kam, grausilbern aufblitzend in den ersten Sonnenstrahlen. Wo der fahle Strahl aufkam, zuckten die Tixudkatzen zusammen und blieben regungslos liegen. »Wasser! Löscht den Zaun, sonst brennt die Stadt nieder«, schrie es aus der Menge.
Die Kaytaber begriffen schnell. Die wenigen Tore wurden aufgerissen, noch ehe die seltsame, hilfebringende Erscheinung hinter den nächsten Häusern und Teilen des Zaunes verschwunden war. Mit Hämmern, Messern, Speeren und großen Steinbrocken fielen die Kaytaber über die Tixudkatzen her und schlachteten sie ab. Der unbekannte Gegenstand beendete den ersten Kreisflug um die Grenzen der Stadt. Dann dröhnte abermals ein schriller Lärm auf. Er war doppelt deutlich zu hören, da das wahnsinnige Geschrei der Tixudkatzen aufgehört hatte. Zischend wurde Wasser in die kleinen Brände geschüttet. Weißer Dampf wallte auf und breitete sich aus. Der Lärm dauerte etwa zehn, fünfzehn Atemzüge lang. Er kam aus der Richtung der Flußkrümmung. Dann riß er ab, und der riesige Besucher schwebte quer über Yutlamal hinweg. Er schien einen Platz zu suchen, an dem er landen konnte.
* Traykon-6 erhöhte die Leistung seines Stimmapparats und rief geradezu hingerissen aus: »Das sind putzige Burschen! Ihr Anblick berührt eine meiner Komponenten besonders intensiv. Liebenswerte Geschöpfe. Seht nur die Farben an. Die koordinierten Bewegungen.« Zum erstenmal sahen wir die Planetarier genau. Sie ähnelten kleineren Bären, hatten aber nicht deren scheinbare Plumpheit. Sie bewegten sich, wenn sie auf allen Vieren liefen, höchst elegant, sicher und schnell. Der Roboter fuhr fort, sie in höchsten Tönen für die attraktivsten Wesen zu halten, die ihm je untergekommen wären, uns ausgeschlossen. »Sie wirken tatsächlich harmlos und lustig«, meinte Chipol.
»Allerdings scheinen sie mit den Katzen weniger lustig umzugehen.« »Wahrscheinlich begleichen sie eine alte Rechnung«, sagte ich. Wir sahen diese Bärenartigen mit hellblauen bis silberblauen Fellen genau; wie sie mit tödlichen Waffen einigermaßen unbeholfen hantierten, wie sie sich auf die Hinterbeine aufrichteten und plötzlich weitaus hilfloser wirkten, wie sie ihre Stadt verteidigten. Ich sagte: »Beenden wir dieses Massaker. STERNSCHNUPPE. Stelle mit dem Desintegrator eine Kanal-Verbindung zwischen dem Graben und dem Fluß her.« »Verstanden. Willst du eine Flutwelle?« »Nein. Wir ertränken sonst die Kaytaber.« »Also einen schmalen Durchbruch.« Das Raumschiff hatte eine zweite Umrundung beendet. Die Stadt war auf einem niedrigen Hügel erbaut. Die Häuser erreichten nur selten eine Höhe von mehr als zwei Stockwerken. Graben, Wall und Zaun wirkten, als wären sie in aller Eile hergestellt und unter dem Diktat der drohenden Angriffe ausgeführt worden. Was diesen Ort betraf, so schienen wir tatsächlich zum richtigen Zeitpunkt eingegriffen zu haben. Die STERNSCHNUPPE überflog die Stadt, bewegte sich in eine günstige Position und setzte einen gezielten Desintegratorstrahl ein. Flußwasser verwandelte sich in Dampf, Erdreich und Gestein wurden in hochschießende Fontänen aus Gas umgeformt, und gurgelnd und schäumend lief das Wasser in den entstehenden Graben. Der Graben wurde länger, und die Vernichtung eines kleinen Stückes Land endete an dem Kanal der Kaytaber. Das heulende Dröhnen des Projektors riß ab. Flußwasser, vermischt mit Schlamm und pflanzlichen Abfällen, lief in den kreisförmigen Graben hinein und breitete sich nach
beiden Seiten aus. Die ersten Tixudkadaver begannen auf dem Wasser zu schwimmen. Die Kaytaber begriffen und rannten springend den Hang des Grabens hinauf, durch die Lücken und die Tore des Zaunes, dessen Reste an einigen Stellen noch qualmten. »Es scheinen wirklich tüchtige, handwerklich sehr geschickte Burschen zu sein!« schwärmte Traykon. Auf dich wirken sie mehr wie Spielzeugbären von eineinviertel Meter Höhe, sagte der Logiksektor. Das waren also die reinen Vegetarier, die sich nur von Körnern und Wasser ernährten und von einigen Tropfen Fruchtsaft – wenn wir die Funksprüche richtig interpretiert hatten. Ich sagte zur STERNSCHNUPPE: »Suche eine geeignete Landestelle aus, nicht zu weit entfernt von der sogenannten Stadtgrenze. Noch etwas: hast du irgendwelche bedrohlichen Aktivitäten orten können?« »Nein. Unsere Ankunft wird auf normalfunktechnischem Weg über den ganzen Planeten hinweg bekanntgegeben. Sie haben Schwierigkeiten, richtige Bezeichnungen zu finden.« »Das wird sich bald ändern«, sagte ich. »Wir gehen hinaus.« »Sie werden Spalier für uns stehen«, erklärte Traykon zufrieden. Das Diskusschiff fuhr die Landestützen aus, zog noch einmal einen sehr viel engeren Kreis und landete neben den hochragenden Stämmen eines Waldstreifens. Der Schleuse und der Rampe gegenüber lag eine Brücke aus Bohlen, die über den Graben führte und jetzt von Kaytabern besetzt war, die nicht wußten, ob sie auf das Schiff zulaufen oder in die Stadt zurückkehren sollten. Der Graben war voller Tierleichen. Traykon zeigte Ungeduld, als er auf den Bildschirmen sah, daß sich eine große Gruppe Kaytaber aufmachte, um uns entgegenzulaufen. Sie waren ohne jede Scheu. Offensichtlich war es für sie so etwas wie ein kleines Wunder, daß ihr Hilferuf so schnell beantwortet worden war. Ob sie wußten, daß die STERNSCHNUPPE ein Raumschiff war?
Ich kontrollierte noch einmal den Indikator, der die Luftzusammensetzung zeigte. Wir konnten in der Tat ohne Raumanzug aus dem Schiff hinaus. »Öffne die Schleuse«, sagte ich. »Fahre die Rampe aus, lasse aber die Schutzschirme aktiviert. Halbe Kapazität der Projektoren.« »In Ordnung«, antwortete das Schiff. Ich gab dem Roboter eines unserer kleinen Kommunikationsgeräte und bedeutete ihm, die Verbindung zum Schiff auf keinen Fall abreißen zu lassen. »Das hatte ich, bei allem Forscherdrang, auch nicht vor«, erklärte Traykon. Beide Schleusenschotte öffneten sich, die Rampe schob sich aus dem Schiff und berührte den Boden. Langsam ging ich hinter der Maschine mit dem auffallend großen Kopfteil auf den Ausgang zu. »Vergiß nicht«, meinte Mrothyr, der auf Chipol und den Roboter fast argwöhnisch herunterblickte und seine auffällige Mütze über den Schädel herunterzog, »daß wir hier sind, um die Psi-Effekte zu untersuchen.« »Meinst du«, fuhr ihn der Daila an, »daß wir das eine Sekunde lang vergessen haben? Schließlich müssen wir erst mit den Kaytabern sprechen können, um Fragen zu stellen.« »Ist schon gut«, murmelte der Zyrpher und massierte seine graue Haut unter dem linken Auge. »Ich wollte euch nur erinnern.« »Überflüssig!« Ich wollte auch diesmal kein Risiko eingehen. Während ich mich ausrüstete, ließ ich die Bilder auf den Schirmen nicht aus den Augen. Das Raumschiff zeigte Totalansichten und Ausschnitte, Schwenks und Vergrößerungen. Die Auswahl war, wie immer, perfekt und sehr informativ. Ich sah die Häuser, die gepflegten Grünzonen dazwischen, die wenigen Straßen und die vergleichsweise riesige Anzahl der Kaytaber. Traykon hatte vermutlich recht: von diesen blaufelligen Bärenartigen hatten wir keine Gefahren zu gegenwärtigen. Sie
würden uns mit ihren behelfsmäßigen Waffen nichts anhaben können. Chipol bestätigte ungewollt meine Gedanken, als er einwandte: »Ich habe nicht eine einzige Feuerwaffe gesehen. Kein Geschütz, keinen Projektor, nichts.« »Aber jeder Zehnte trägt ein Funkgerät am Vorderbein«, sagte Mrothyr. »Das war zu erwarten.« Ich vermochte nicht, weibliche und männliche Individuen voneinander zu unterscheiden. Vermutlich waren sie gleich stark, gleich wendig und gleichberechtigt. Die verschiedenen Anlagen ließen auf den ersten Blick erkennen, daß diese Planetarier hervorragende Handwerker waren. Inzwischen hatte sich der »Stadtgraben« mit Wasser gefüllt. Ich hatte vergessen, für einen Abfluß zu sorgen. Ich lachte verlegen und erteilte dem Schiff einen entsprechenden Befehl. Der Robot verließ die Zentrale und stand bald darauf im Erfassungsbereich der Schleusen-Linsen. Ich schaltete die betreffenden Mikrophone ein und drosselte die Lautstärke der Wiedergabe, als der Lärm der aufgeregten Volksmenge hereindrang. Zwei große, schlanke Kaytaber waren die ersten, die den Robot begrüßten. Sie stellten sich auf die Hinterläufe, schaukelten mit ihren Körpern und vollführten eine Begrüßungsgeste. Noch immer wirkten sie gutmütig. Ihre Gesichter, weniger bärenhaft, erlaubten ein großes Spektrum verschiedener Ausdrucksmöglichkeiten. »Zur Sicherheit, Chipol, bleibe du noch im Schiff«, bat ich. »Einverstanden. Ich fliege mit der STERNSCHNUPPE mit.« »Gut. Sieh zu, daß sie keinen Fehler macht.« Fast beleidigt antwortete das Raumschiff: »Ich mache so gut wie niemals Fehler.« Ich winkte ab und ging langsam hinaus. Die ersten Schritte hatten
uns sicher die Sympathie der Bevölkerung eingebracht. Aber würden wir von ihnen auch etwas über die Psi-Geheimnisse erfahren? Es würde eine meiner ersten Fragen sein. Mrothyr, der sich ebenso reichhaltig ausgerüstet hatte wie ich, kam einen Schritt hinter mir aus der Schleuse. Wir führten dieselbe Begrüßungsgeste aus, die wir von den Kaytabern gesehen hatten. Traykon wandte uns die Sichtplatte seines Körperkopfes zu, zeigte zuerst auf den einen, dann auf den anderen Kaytaber und erklärte.: »Das ist Restjue, und dies Linque. Beide sind Forscher. Sie bitten uns um Hilfe. Ich helfe ihnen. Schließlich kann ich auf lange Jahre der Praxis in Forschungslaboratorien zurückblicken. Ich nenne sie einfach Links und Rechts, wegen der Einfachheit.« »Du scheinst schon sehr familiär mit ihnen zu sein«, antwortete ich. Es kam mir irgendwie vertraut vor, was der Robot sagte. Woher? Warum? Die »Forscher« begrüßten auch uns, und schnell bildete sich ein Kreis aufgeregt wartender Kaytaber um die Schleuse. Ich rief: »Geht zurück vom Schiff. Es startet und verschafft eurer Stadt in Kürze eine weitere Attraktion.« »Ihr habt unseren Notruf gehört? Ihr helft uns auch gegen den Weißen Unheimlichen?« Ich hob abwehrend die Hände und versuchte, die Menge von uns wegzuschieben. In einiger Verwirrung gehorchten sie. Hinter uns ertönten die Geräusche, mit denen sich die Rampe zurückzog und die Schleusentür schloß. Die STERNSCHNUPPE startete in größter Vorsicht und schwebte erst eine geringe Distanz dicht über dem Grasboden, ehe sie höher stieg. »Wir tun, was wir können«, sagte ich. »Was könnt ihr uns über diesen seltsamen Feind sagen? Wir wissen, daß ihr verhungert, wenn er zu mächtig wird.« Ob wir wollten oder nicht – es wurde wirklich so etwas wie ein
Triumphzug. Restjue und Linque eskortierten .uns, von einer ständig anwachsenden Menge gefolgt, über die Straße, über die Brücke und durch die weit offenen Tore des Zaunes bis zur Stadt. Rechts und links standen die Bärenwesen und wirkten fast ausnahmslos, als erwarteten sie von uns binnen einer Stunde die Lösung aller ihrer existentiellen Probleme. Schließlich zogen uns die Forscher, gefolgt von einer Abordnung der Siedlung, in ihr Labor. Auf mich wirkte es wie eine mittelalterliche Alchimistenstube des terranischen vornaturwissenschaftlichen Zeitalters. »Halt!« sagte ich laut und deutete auf ein Fenster. »Seht zu, was das Raumschiff tut.« Die STERNSCHNUPPE suchte die Stelle des größten Gefälles aus. Wieder dröhnte der Desintegrator auf. Diesmal war der Strahl aus dem Projektor eng gebündelt und schnitt eine mäandernde Linie in den Erdboden. Sie folgte einem kleinen Geländeeinschnitt, durch den wenig später das Wasser teilweise ablief und sich, vorbei an einem Wald, irgendwohin ergoß. Ich war ziemlich sicher, dort einen anderen, weitaus breiteren Fluß gesehen zu haben. Wir überblickten von hier aus die Brücke und einen Teil des wassergefüllten Grabens. Die treibenden Kadaver der Tixudkatzen schwangen lautlos herum, wurden von der Strömung erfaßt und trieben durch den Abfluß weg. Über dem Wald erschien wieder die STERNSCHNUPPE und landete an der alten Stelle. Draußen erhob sich ein Jubel aus einigen zehntausend Kehlen. »Wir sind die Helden des Planeten«, meinte Mrothyr. Was er sagte, war völlig zutreffend. »Und jetzt zu den wirklich wichtigen Fragen«, sagte ich und sah mich nach einer Sitzgelegenheit um. Es gab keine. Also setzten sich Mrothyr und ich auf einen Tisch. »Wer oder was sendet auf diesem Planeten Psi-Strahlen aus?« fragte Mrothyr und schaute sich unter den Kaytabern um. Niemand
in diesem Raum verstand, was wir meinten. Das war zu erwarten, sagte seltsam unbetont der Logiksektor.
4. Unsere nächste Frage galt den Tixudkatzen. »Früher fraßen sie nur ein bißchen von dem Korn. Es war ein Leckerbissen für sie. Sie vermehrten sich auch nicht so verblüffend stark wie seit dem ersten Auftauchen des Weißen Unheimlichen. Jetzt fressen sie mit rasender Gier nicht nur kleine Tiere, andere Pflanzen und auch uns, wenn es ihnen gelingt, uns zu fassen. Sie ernten in großen Rudeln die Felder ab und fressen jeden Halm.« Linque verzog sein spitzes Gesicht mit der runden, schwarzen Nase zu einem Ausdruck, der als melancholisches Lächeln zu deuten war. »Das erspart uns die Arbeit des Sichelns und Strohbindens. Sie werden rasend, und was das heißt, habt ihr gesehen, denn sonst hättet ihr uns nicht in wenigen Atemzügen aus einer lebensbedrohenden Lage geholfen. Wir können manchmal nicht einmal mehr an die Mannannafelder heran, selbst wenn sie nicht ruiniert und verdorben sind.« »Wie groß ist die Not wirklich?« fragte ich. Wir erfuhren, daß es auf dem gesamten Planeten so war. Mehr und mehr Felder wurden überfallen und unbarmherzig verdorben. Jetzt war überall die Erntezeit nahe; die Magazine waren fast leer. Nicht alle Felder waren schon ruiniert, und überall rüstete man, mit der Ernte anzufangen. Keine bisher entwickelte Abwehrmethode half. Es gab viele Verletzte und Tote, die den rasenden Tixudkatzen zum Opfer gefallen waren. Es war nicht vorauszusehen, welches Feld – winzig klein oder riesengroß – als nächstes vom Weißen Unheimlichen heimgesucht werden würde.
Noch war nicht ein einziger Kaytaber verhungert. Noch nicht. Aber in der Zeit bis zur nächsten Aussaat (wovon sollten sie säen, wenn sie nicht einmal ernten konnten?) würde der Hunger um den Planeten gehen. Dazu kamen die andauernden Kämpfe, die wertvolle Arbeitskräfte von der Ernte und der Pflege der Felder abzog. Die Anbaufläche war nur noch an wenigen, schwer zu findenden Stellen möglich, von denen viele weit außerhalb der Siedlungen liegen mochten. Und daß einzig und ausschließlich jenes Mannannakorn die Nahrung bildete, wußten wir schon. Restjue deutete traurig auf zwei große Holzschalen, in denen die ausgebrochenen und gereinigten Körner lagen, so groß wie kleine Maiskörner. Eine Schale war weiß, holzfarben also, die andere schwarz. »Wir untersuchen seit knapp einem Jahr die Körner. Wir kennen nur die Effekte, nicht den Grund. Die wahren Zusammenhänge können wir euch nicht nennen. Wir wissen sie selbst nicht.« »Das soll sich in absehbarer Zeit ändern!« erklärte hoffnungsvoll der Roboter. »Ich werde mich mit den beiden Freunden hier sofort an die Arbeit machen.« »Falls du dazu meinen offiziellen Auftrag brauchst«, sagte ich, »hiermit hast du ihn.« »Danke, Atlan.« Ich wandte mich an Mrothyr, der noch immer all jene Waagen, Löffel, Brennstellen, Tiegel und Röhrchen aus Ton bestaunte, die Zeichnungen, die beschriebenen Schieferplatten und ein Sammelsurium von technischen Geräten, die allesamt so aussahen, als könne man mit ihnen Funkgeräte zusammenbasteln. »Ich glaube, wir sollten uns einmal jeweils ein Mannannafeld ansehen, ein zerstörtes und eines, das noch nicht überfallen wurde. Führt ihr uns hin?« »Ich übernehme das«, sagte ein Kaytaber mit einem dunkelblauen
Fell, einem besonders großen Funkgerät und zwei großen Taschen, die an breiten Gurten dicht hinter den Vorderpranken befestigt waren. »Ich bin Maronx, so etwas wie ein Oberster Flurhüter.« »Nehmt einen Holprig!« riet Restjue laut. »Dann geht es schneller.« »Guter Hinweis. Kommt, Atlan und Mrothyr. Ihr seid nicht vom selben Volk? Oder bist du nur jünger?« fragte er und zeigte auf mich. Ich überließ es, innerlich über diese Auszeichnung lachend, Mrothyr, eine zufriedenstellende Erklärung abzugeben. Ich aktivierte den Minikom und sagte: »STERNSCHNUPPE. Wir lassen uns die Umgebung zeigen. Kontrolliere, soweit möglich, zusammen mit Chipol unseren Weg.« »Wird ausgeführt«, antwortete die Stimme des Schiffes augenblicklich. Wieder führte man uns durch einen Teil der Stadt. Die Kaytaber waren tatsächlich sehr emsig, gut organisiert und handwerklich außerordentlich geschickt. Verschiedene Arbeitsgruppen hatten sich in kurzer Zeit gebildet. Die eine stocherte im Wasser herum und sorgte dafür, daß die vielen Kadaver weggeschwemmt wurden. Die nächste reparierte den Zaun, eine andere räumte die vielen Wurfgeschosse und Werkzeuge weg, und ein Team bereitete einen Holprig vor. Ich erkannte in einem Magazingebäude, das mit Erntemaschinen gefüllt war, mehrere jener kleinen Wagen. Ich deutete auf die Reifen und bemerkte: »Unser überaus kluger Robot sollte ihnen beibringen, wie man sauber geformte und ausgewuchtete Reifen herstellt. Die Dinger sind mehr viereckig als rund.« »Wir schweben lautlos im Raumschiff«, erwiderte der Rebell ungerührt und ging in echter Bewunderung dreimal um das Gefährt herum, »dann wird uns eine sportlich harte Fahrt richtig guttun.« »Wenn deine Reißzähne klirrend aufeinanderschlagen«, meinte ich grinsend, »wirst du wohl anders darüber denken.«
Maronx ließ ein großes Tor öffnen. Vormittägliches Sonnenlicht strömte herein und ließ die tanzenden Staubwolken sichtbar werden. Dann startete er das Gerät. Er drehte eine handgroße Klinke. Zündung? Dann packte er einen Hebel, der mindestens eineinhalb Meter lang war und öffnete verschiedene Ventile. Er riß mit ungestümer Kraft nacheinander fünfmal an dem Hebel. Unter der vorderen Abdeckung ertönten schnarrende Laute. Beim sechstenmal donnerten die Zündungen eines mehrzylindrigen Explosionsmotors auf, wurden leiser, und Maronx schrie: »Setzt euch bitte auf die Ladefläche. Wir sind nicht auf eure Sitzbedürfnisse eingerichtet. Aber schon arbeitet man daran, Sitze für euch zu zimmern.« Ein solches Gefährt, oder Variationen davon, hatte ich in einigen planetaren Museen gesehen. Es donnerte los, die Räder holperten über den glatten Boden des Magazins, der aus gestampftem Lehm bestand. Die Federung war miserabel. Die hölzerne Konstruktion ächzte und stöhnte. Aber in guter Straßenlage und mit beachtlicher Geschwindigkeit schoß der Holprig aus der Halle hinaus und auf die Straße. Eine Glocke, vom Rad gedreht, gab ein überaus lautes Geräusch von sich. Eine Gruppe Kaytaber rettete sich mit eleganten Sprüngen. »Er fährt bald lichtschnell«, schrie Mrothyr durch den hämmernden Lärm und klammerte sich ebenso wie ich an den Brüstungen der geflochtenen Ladefläche fest. Unsere Körper wurden von einer Serie harter Stöße unablässig erschüttert. »Er reitet den Holprig!« schrie ich zurück. »Daher der zutreffende Name.« Lederriemen als Federung, Holzbalken, Eisenteile und ein Motor, der immer leiser wurde, je länger er lief, das waren die Bestandteile dieses Geräts. Es war erstaunlich wendig und schien fast kippsicher zu sein. Wir donnerten die schmale Straße hinunter, wirbelten Staub
auf, jagten andere Stadtbewohner auseinander und dröhnten über die Brücke. Zwischen den Bäumen konnten wir nicht mehr unterscheiden, ob die unrunden Reifen mit erstaunlicher Unwucht und viel zu hohem Eigengewicht oder der sandige Weg mit Fahrrillen und Querfugen den Holprig fast auseinanderrissen. Und dabei stand Maronx hinter dem Steuerrad. Er bediente nur eine ungefüge Bremse und einen Hebel, der die Treibstoffzufuhr regelte. Die Fahrt zu dem unversehrten Feld dauerte nicht länger als zehn Minuten. Dann bremste der Kaytaber hart. Das Fahrgerät schwang halb herum und kam in einer Sandwolke zum Stehen. Wir brauchten nicht abzuspringen; es schleuderte uns fast von der Ladefläche. »Fährst du immer so?« fragte ich hustend und hielt mich am Rahmen des Seitenteils fest. In glaubwürdigem Ernst versicherte Maronx: »Um euch nicht zu erschrecken, fuhr ich behutsam.« Mrothyr neben mir stieß ein schauerliches Gelächter aus und keuchte schließlich: »Sieh es sportlich, Arkonide.« »Bleibt mir etwas anderes übrig?« Wir gingen auf einen schmalen Pfad hinauf, der einen Bewässerungsgraben überquerte. Dann sahen wir den Wachturm, geschickt aus geschälten Baumstämmen zusammengesteckt und etwa zwanzig Meter hoch, von einer Plattform mit Dach gekrönt. Ein ovales Feld breitete sich hinter einer dichten Hecke aus. Maronx sagte etwas in sein Funkgerät, und der Lauf eines archaischen Steinkatapults schwang zur Seite. Drei Flurwächter winkten begeistert zu uns herunter. »Eine unserer letzten Hoffnungen!« sagte Maronx und führte und bis dicht an die Halme heran. Sie waren mehr als kniehoch, goldgelb und trugen etwa knapp handlange Ähren mit fünf Reihen ebenfalls gelber Körner. Sie sahen aus wie eine Mischform zwischen Mais und Weizen. Das Feld, von dem der Geruch reifenden Getreides sehr
intensiv hochströmte, wiegte sich leicht in einem warmen Wind. Ich nahm behutsam einen Halm zwischen die Finger und fühlte das nahezu reifende Korn. »Wann soll geerntet werden?« »In drei Tagen.« »Und wenn ihr es, um dem Unheimlichen zuvorzukommen, schon heute ernten würdet?« erkundigte, noch ehe ich die Frage stellen konnte, sich der Zyrpher. »Dann würden wir es nicht vertragen. Wir haben es schon seit unzähligen Generationen ausprobiert. Es fehlt, zusammen mit einer ganz bestimmten, lebensnotwendigen Härte, ein chemischer Prozeß. Er findet in den letzten Tagen der Reife statt. Je nach Sonnenscheindauer sind es drei, zwei oder vier Tage. Wir können es sehr genau ausrechnen, Fremder!« »Wir glauben dir.« Die Dornenhecke sollte vor größeren Tieren und natürlich vor den sechsbeinigen Tixudkatzen schützen, zusammen mit dem Geschütz und anderen Wächtern. Für den Normalfall würde dieser Schutz auch genügen – dies waren Erfahrungswerte einer Planetenrasse, die seit unbestimmbar langer Zeit nichts anderes getan hatte. »Der Weiße Unheimliche … kommt er nur in den Nächten?« Die Antwort kam augenblicklich. »Nein. Zu jeder beliebigen Stunde. El gibt kein System. Wir haben alles berechnet. Mondschein, Regen, Trockenheit, Neumond – er schlägt wahllos zu, und in den einzelnen Gebieten sind immer ein paar Tage dazwischen. Auch dies ist nicht zu berechnen. Es kann auch, weitaus seltener, in der darauffolgenden Nacht das Nachbarfeld verdorben werden.« Tiefe Hoffnungslosigkeit und ebensolche Verzweiflung sprachen aus diesen Erklärungen. Ich setzte mich auf einen dicken Baumstamm, der sauber abgesägt und entrindet war. Benützungsspuren ließen den Schluß zu, daß hier die Flurwachen Rast machten.
Dann zog ich die Waffe und entsicherte sie. Auch hier konnte eine Tixudkatze lauern, vollgefressen mit aggressiv machendem Korn oder auf der Suche nach einem zusätzlichen Leckerbissen. »Nun erzähle uns einmal ganz genau, wie der Weiße Unheimliche es anstellt, eure Nahrung zu verderben.« Wir hörten konzentriert zu und stellten nur drei oder vier Fragen. »Ein weißer Nebel bildete sich urplötzlich, stieß mit einem lanzettartigen Finger vor und berührte das Feld. Die Hauptmasse zog rasend schnell nach, und der Nebel verteilte sich über dem Feld und nahm dessen Form an. Dann schien er sich aufzulösen, sank abwärts und verharrte einige Atemzüge lang. Schließlich hob er sich, ballte sich zusammen und verschwand schneller, als er sich angeschlichen hatte.« Nach einer winzigen Pause fügte Maronx hinzu: »Aus Xatjoyn, das ist eine kleine Siedlung weitab, erfuhren wir vor zwei Nächten, daß es den Anschein hat, daß der Nebel wie ein Blitz in den Himmel hinaufzuckt. Schneller als ein Blitz, und längst nicht so hell. Wie gesagt, diese Wahrnehmung wurde noch nicht durch vielfache Beobachtung verifiziert.« Ich spielte mit der Waffe, blickte in die gelben Augen Mrothyrs, die unter den dicken Augenbrauenwülsten hervorleuchteten, und ich erkannte, daß er an dasselbe dachte wie ich. »Kann es EVOLO sein?« fragte er. »Du denkst wie ich an die Bilder von Cirgro, die ich dir mehrmals geschildert habe?« »Ja. Glückssteine ist das Stichwort.« So war es! Dieser Weiße Unheimliche konnte durchaus identisch sein mit dem Nebel, der die Glückssteine ausgebrannt hatte. Es gab auffällige Unterschiede, die ich klar erkannte. Hier auf Aytab waren die Aktionen geringfügiger, und sie erfolgten nicht auf einen Schlag, sondern in einzelnen Stufen oder Zugriffen. Es war, als taste jemand unsicher umher und holte sich hier einen Happen und dort, einen kleineren oder größeren.
»EVOLO oder nicht«, murmelte ich schließlich und glaubte, im Unterholz nahe dem Turm ein Geräusch gehört zu haben. Um uns waren die Laute friedlicher kleiner Tiere, das Geräusch des Windes, in dem sich die Ähren aneinander rieben, und der gute Geruch frischer, warmer Luft. Ich stieß die Schulter des Kaytabers an und fühlte unter dem weichen Fell harte Muskeln. »Du bist hier zu Hause«, sagte ich. »Die Wachen können es nicht sehen. Sage mir, ob es ein Tixudkätzchen ist.« »Wo?« Ohne aufzustehen, deutete ich in die Richtung des Gerüsts. »Dort. Warte. Ich habe eine gute Waffe.« Die Hologramme auf dem Planeten der Leronen! Dort hatte ich gesehen, wie der wallende Nebel offensichtlich den gesamten Planeten umschlungen und die Glückssteine ihrer psionischen Wirkung beraubt und als wertlose Brocken zurückgelassen hatte. Eine mögliche Erklärung, sagte der Logiksektor genau in dem Moment, in dem Maronx leise zischte, mich anstieß und eine zustimmende Bewegung mit seinem breiten, kantigen Schädel machte. »Tixud. Männchen. Gefährlich!« wisperte er rauh. Ich stand langsam auf, winkte Mrothyr zur Seite und stellte einen Fuß auf den Holzklotz. Dann sah ich die Silhouette des schwarzgelb getigerten Riesenkörpers, doppelt so groß wie der Planetarier hinter mir. Ich umklammerte mit der Linken das Gelenk der rechten Hand, entsicherte die Waffe – während der Erzählung hatte ich den Sicherungsknopf wieder hineingedrückt – und schwang mich dann auf den Stamm. Im selben Augenblick sah mich das Tier und hob den Kopf. Ich feuerte und traf mit dem ersten Schuß. Der dröhnende Schlag der Projektorentladung und die Detonation des Einschlags riß die Wachen fast von der Plattform. Die riesige Katze, deren Kopf fast abgerissen wurde, sprang seitlich in den Busch und verendete mit wilden Zuckungen.
»Ihr seid wirklich die Retter, auf die wir nicht zu hoffen wagten!« sagte der Kaytaber. Er war halb außer sich vor Verblüffung. Das Echo scheuchte zahllose Vögel aus den Baumkronen. Die Insekten begannen ein ohrenbetäubendes Zirpkonzert. Ich schüttelte den Kopf und antwortete: »Wir haben nur andere Waffen als ihr. Mrothyr! Wenn es EVOLO gewesen sein sollte, dann holte er sich aus den Glückssteinen die Psi-Komponenten. Und wenn dieser Weiße Nebel hier identisch mit EVOLO ist, dann sucht er auch danach.« Mrothyrs Gesicht drückte schnelles, erschreckendes Verstehen aus. »Das würde bedeuten …?« »Genau das! In den Mannannakörnern wären dann PsiKomponenten. Und das Schiff hat mit diesem pfiffigen Psi-Spürer gemerkt, wenn ein Feld .abgeerntet' wurde. Das war es! Aber das prüfen wir schnell nach.« Ich schob die Waffe wieder zurück und rief die STERNSCHNUPPE. »Folgende These«, sagte ich. »Mannannakörner, die für Kaytaber ungenießbar sind und Aggressivität bei anderen Lebewesen hervorrufen, sind leer. Vorher waren sie mit psionischen Komponenten geladen. Der Weiße Unbekannte entfernte diese nicht-materiellen Komponenten. Die Raubzüge, dargestellt durch kurze Entladungen, hast du angemessen. Denke darüber nach, beschäftige deine Speicher und Denkmechanismen und rufe uns, wenn du etwas gefunden hast. Noch etwas! Versuche, mit dem Psi-Spürer die Unterschiede zwischen unversehrten und ruinierten Feldern festzukeilen. Oder mit anderen Untersuchungsmethoden! Es eilt nicht. Sei besonders gründlich.« Die STERNSCHNUPPE schien auf ihre unbegreifliche Art nachzudenken. Ks entstand eine beachtlich lange Pause. Schließlich meldete sich das Schiff wieder.
»Ich arbeite an dieser Arbeitstheorie. Verständigt auch Traykon, dessen sogenannte intellektuelle Kapazität höher ist, als wir vermuten.« Ich tippte Mrothyr gegen die Brust. Plötzlich atmete ich freier. Ich war überzeugt, daß wir auf dem richtigen Weg der Überlegung waren. »Das kannst du unternehmen, während wir wieder die tödlich gefährlichen Individualverkehrsmittel des Planeten benutzen.« Ich packte voller Begeisterung den Kaytaber am Nackenfell. »Und jetzt bringe uns bitte etwas langsamer, zu einem zerstörten Mannannafeld. Ich sehe, du hast zugehört. Vielleicht haben wir einen Weg gefunden, euch zu erklären, was vorgefallen ist.« Noch bevor er sich in unangebrachte Euphorie stürzen konnte, hob ich abwehrend beide Hände und sagte: »Das heißt noch lange nicht, daß wir euch auch helfen können.« Tapfer antwortete das sympathische Pelzwesen: »Ein Problem zu erkennen, bedeutet, ein Problem bannen zu können.« Wir gingen auf dem schmalen Pfad auf den Holprig zu, aus dessen armdicken Auspuff eine bläulichgraue Wolke herausbrodelte. »Das ist zwar ein schöner Spruch«, meinte der Zyrpher grimmig, »aber er taugt in diesem Fall nicht viel. Los, du Lenker der fünfeckigen Räder! An das Volant!« Diesmal sprang der Motor des Holprigs schon beim ersten Startversuch an. Der Rauch, der aus dem Endrohr der Anlage kam, stank erbärmlich.
* Für wenige Augenblicke war unsere Stimmung entkrampft. Wir schienen eine Spur klüger geworden zu sein. Die Gefahr aber, die diese Galaxis zu umklammern drohte, wurde nicht geringer. Wirkte
auf Aytab eben dieser EVOLO. dann war seine Macht gestiegen, mit jedem »abgeernteten« Kornfeld etwas mehr. Handelte es sich nicht um EVOLO, war es ebenso schlimm bestellt. Wir ließen die Gefahr nicht aus den Augen, aber wir gestatteten uns, nicht ununterbrochen an sie zu denken und nicht ständig von ihr zu reden. Manam-Turu blieb aufs äußerste gefährdet, auch wenn wir in der seltsamsten aller Benzinkutschen in guter Laune über die staubige Straße ratterten und knatterten. Durch den Geräuschorkan hörten wir das durchdringende Summen des Funkgeräts, das am Oberschenkel des linken Vorderlaufs des Kaytabers an einem federnden Band befestigt war. Ohne die Geschwindigkeit zu drosseln, schaltete Maronx das Gerät ein und hob es an sein großes, bewegliches Ohr. Er lauschte und zwang den schleudernden Holprig in eine enge Kurve. Bäume huschten beängstigend nahe an der Ladefläche vorbei. Deutlich erkannten wir die Unregelmäßigkeiten der Rinde. »Vorntleyt in Gefahr?« schrie er aufgeregt. »Ja? Ich sage es ihnen.« Wieder lauschte er, dann bremste er behutsam. Wir wurden nur mäßig nach vorn geschleudert. Der Lärm des Motors wurde geringer. Er wandte sich um, als der Wagen stand, und sagte in das Quäken und Schnattern des Lautsprechers hinein. »Atlan! Mrothyr! Die nächste große Stadt wird ebenso angegriffen wie wir heute früh. Wollt ihr wieder helfen? Dürfen wir euch bitten? Tausende von Tixudkatzen. Sie haben nicht mehr viel Zeit.« Wir brauchten nicht lange zu überlegen. Ich nickte und sagte hart: »Bringe uns zum Schiff.« »Ist klar, daß wir etwas für euch tun«, rief der Zyrpher. »Aber bringe uns vorher nicht um.« Mrothyr sagte dem Raumschiff, daß wir kämen, und daß sich die STERNSCHNUPPE startbereit halten sollte. Ich brüllte dem Fahrer zu: »Du kommst mit. Halte unterwegs an und nimm jemanden mit, der uns etwas von den Problemen sagen kann.« »Das kann nur Tranoque sein.«
Der Holprig wendete hart und startete durch. Maronx jagte das Gefährt rücksichtslos zur Stadt zurück, raste über die Brücke und rief unterwegs immer wieder nach Tranoque, dem Verantwortlichen für die Tixudabwehr. Wir steuerten den Mittelpunkt der Stadt an, ein Kaytaber sprang neben uns in den Wagenkorb, und dann fing wieder ein Abschnitt einer rasenden Fahrt an, die uns durcheinander rüttelte und bis unmittelbar vor das Schiff brachte. Die Stille, nachdem Maronx den teuflischen Motor abgestellt hatte, war eine Wohltat. Die Rampe war ausgefahren. Chipol erwartete uns. Wir stürmten hintereinander in die Zentrale hinein. Ich wandte mich an Maronx und Tranoque und sagte: »Das Schiff startet jetzt – bitte, STERNSCHNUPPE, schnell! Ihr müßt uns zur Stadt Vorntleyt heranführen. Zuerst die Hauptrichtung. Westen, nicht wahr?« »Ja. Dorthin.« Die Kaytaber deuteten, von den Bildern auf den Schirmen verwirrt, in die falsche Richtung. Ich korrigierte es. Die STERNSCHNUPPE startete und flog in zweitausend Metern Höhe in westliche Richtung. Die Kaytaber waren von der angewendeten Technik fasziniert, aber ebenso nervös machte sie die Funkbotschaft der Nachbarstadt. »Schaut auf dieses Bild«, sagte Chipol freundschaftlich. »Es zeigt die Oberfläche eurer Welt. Wenn ihr die Landkarte kennt, müßt ihr uns genau hinbringen können.« Die zwei Vierfüßler sprachen leise und schnell miteinander. Sie verglichen ihr Wissen mit dem, was sie sahen. Namen flogen hin und her, Irrtümer wurden berichtigt, das Schiff flog in einem langgezogenen Zickzackkurs über Berge, Wälder, Seen und breite Flüsse. Ich hielt Ausschau nach einer typischen Schwemmlandzone. Leise sprach ich mit dem Bewußtsein des Raumschiffs und bereitete es auf die bevorstehende Aufgabe vor. Schließlich sagte die STERNSCHNUPPE zu uns:
»Das Mannannafeld, das ihr zuerst besucht habt, steckt voller wesenloser, aber deutlicher Psi-Komponenten. Ich würde sie, in Ermangelung eines treffenderen Ausdrucks, als pflanzliche, natürlich entstandene Schwingung bezeichnen.« »Also doch!« murmelte ich ohne besonders große Überraschung. »Psionische Anteile.« »Mehr habe ich nicht feststellen können, weil der Startbefehl von euch kam.« »Das läßt sich nachholen«, sagte ich. »Zuerst die Tixudkatzen von Vorntleyt.« Wieder mußte ich in gewissem Sinn die Kaytaber bewundern. Sie hatten eine rasche Auffassungsgabe und brachten das Raumschiff ohne große Irrtümer und Umwege zur nächsten größeren Stadt. »Dreißigtausend von uns. Unzählige Katzen. Die Verteidigung ist noch nicht gut organisiert.« »Da! Die Stadt!« schrie mit der typischen, dunkelgrollenden Stimme der Kaytaber Tranoque. »Helft ihnen, bitte!« »Wir helfen«, beschwichtigte ich. »Genauso schnell und zuverlässig wie bei euch.« Die Stadt war nicht auf einem runden Hügel erbaut, sondern langgezogen. Die Katzen hatten den Zaun an drei Stellen durchbrochen und wurden zwischen den Häusern bekämpft. Die STERNSCHNUPPE schwebte auf die größte Ansammlung der rasenden Tiere hinunter und fuhr die Lähmstrahl-Projektoren aus. Die Strahlen zuckten hinunter und bestrichen die Masse der gelbschwarzen Körper, die sich in unübersichtlichen Mengen zusammendrängten und in ihrer Blutgier gegenseitig behinderten. Das Schiff glitt langsam und in einem wirren Kurs über die Hausdächer und versuchte, alle Tixudkatzen zu bekämpfen. Der junge Daila betrachtete diesen lautlosen, blitzschnellen Wechsel von rasender Angriffsgier und völliger Lähmung und sagte schließlich: »Woher kommen diese Unmengen Raubtiere, Tranoque?«
»Von überall her. Aus den Wäldern, aus den Gebirgstälern – sie wissen, wo die Felder sind. Seit langer Zeit.« »Und sie vermehren sich, seit es den Weißen Unheimlichen gibt, immer stärker«, fügte Maronx hinzu. Die STERNSCHNUPPE bewies wieder einmal, welch außergewöhnliche Konstruktion mir zur Verfügung gestellt worden war. Mit mehreren, unterschiedlich stark gebündelten Strahlen feuerte sie aus ihren Projektoren in verschiedene Richtungen, auf einzelne Katzenrudel ebenso wie auf die durcheinanderquirlenden Keile zwischen den Häuserfronten. An einigen Stellen beruhigte sich das unbeschreibliche Durcheinander aus Feuer, Kampf, Flucht und Angriff. Nur ganz selten trafen die lähmenden Strahlen einzelne Planetarier. Ich erklärte den Kaytabern, daß sie eine Botschaft über die Außenlautsprecher absetzen sollten, und auf welche einfache Weise dies zu bewerkstelligen war. »Verstanden. Erst einmal die Tixudangriffe …« »Natürlich.« Die STERNSCHNUPPE beendete die erste Hälfte ihres Fluges, ging in eine enge Kurve und schwebte wieder zurück in die Richtung auf den kleinen See. Sie hinterließ eine breite Zone von Bewegungslosigkeit. Die Verteidiger der Stadt waren ebenso schnell wie die von Yutlamal. Sie verließen ihre Deckungen und Verstecke und fingen ein riesenhaftes Gemetzel unter den riesigen Katzen an. Dann dröhnte die Stimme Tranoques aus den Außenlautsprechern. Er schilderte, wer wir waren, und daß wir aus Yutlamal kamen. Er gab den Planetariern Ratschläge, wie sie sich der unzähligen Kadaver entledigen konnten. Dann sackten die letzten Tixudkatzen zusammen. Einzelne Exemplare, die noch im Mittelpunkt der Stadt durch die Gassen jagten, wurden mit den herkömmlichen Waffen niedergemacht.
Wider Willen fasziniert sahen wir zu, bis das Schiff fragte: »Zurück zum ersten Landeplatz, Atlan?« »Dorthin fliegen wir. Versuche, auf diesem Flug andere Felder anzumessen. Vielleicht finden wir heraus, was hier vorgeht.« »Ich habe das Problem klar erkannt.« Mrothyr knurrte sarkastisch: »Dann weißt du verdammt mehr als wir alle zusammen.« Wir ahnten in Wirklichkeit viel mehr. Wieder erlebten wir mit, wie eine Welt am Beginn der möglichen Vernichtung stand. Verantwortlich dafür waren skrupellose Mächte und Machtzusammenballungen, deren Namen wir kannten, die aber in diesem Fall bedeutungslos oder auswechselbar waren. Nur deswegen, weil – vermutlich – die Psi-Anteile der Pflanzen als Machtmittel gebraucht wurden, sollten Millionen und aber Millionen von harmlosen Pelzwesen sterben. Das Raumschiff flog eine Spirale um die Stadt und versuchte, die kleineren oder größeren Felder zu entdecken. Sie zeichneten sich undeutlich als gelbe Flächen in der grünen Umgebung ab. Da sie meist tiefer lagen als die Umgebung, entdeckten wir sie erst spät auf den Schirmen. Nach einer Stunde war dieser Versuch abgeschlossen, und das Schiff raste nach Yutlamal zurück. »Wahrscheinlich werden wir euch noch einmal bitten müssen, uns zu helfen«, meinte Maronx bekümmert. »Es gibt unzählige Siedlungen auf unserer Welt.« »Wir helfen«, erklärte Mrothyr, »wo wir können.« »Wir sollten mit Traykon sprechen. Wir fragen ihn, ob er schon etwas herausgefunden hat.« Ich nickte Chipol zu; hoffentlich wurden wir in unseren Absichten und Versuchen nicht von unseren Verfolgern gestört. Noch war kein anderes Raumschiff aufgetaucht; die STERNSCHNUPPE hätte uns gewarnt. Kurz vor der Landung meldete sich noch einmal das Raumschiff. »Ich habe Messungen unternommen. Die Strahlung im
psionischen Bereich ist einwandfrei beweisbar. Aber die Auswertung wird schwierig werden. Ich brauche zumindest einen Kontakt mit dem Weißen Unbekannten, wenn sich dieser Gegner eines Kornfelds bemächtigt.« »Klingt logisch«, schloß Chipol. »Wir warten und tun andere, nützliche Dinge.« Es war früher Nachmittag, als wir landeten und sich die Schleuse wieder öffnete. Sofort verließen uns die Kaytaber; wir versprachen, zu folgen und uns in der Studierstube von Links und Rechts zu treffen.
* Wir umstanden den Roboter, der binnen eines halben Tages das alchimistische Labor in eine einigermaßen ernsthafte Forschungsstätte verwandelt hatte. Mittlerweile befanden sich auch einige neue Hocker vor den Arbeitstischen, so daß wir nicht zu stehen brauchten. »Dafür, daß sie noch nie ein wirkliches Labor von innen gesehen haben«, klärte uns Traykon auf, »sind meine Freunde ausgesprochen clever.« »Ihr habt also alle Geheimnisse gelöst?« erkundigte sich Chipol spöttisch. »Keineswegs. Ich entwickle gerade ein Herstellungsverfahren für eine säurehaltige biologische Waffe. Sie soll den Geruchssinn und die optischen Fähigkeiten der Tixudkatzen verwirren oder lähmen.« »Wie weit bist du gekommen?« fragte ich. »Es funktioniert im Kleinversuch. Aber ich habe mir sagen lassen, daß es riesige Mengen der aggressiven Katzen gibt.« »Zutreffend«, antwortete Mrothyr. »Mittlerweile sind's weniger geworden. Aber der Planet ist groß.« Rindensud, Pflanzensäfte, Teile des niedrig raffinierten Kraftstoffs,
Säure aus bitteren Salzen, die in einigen Lagern leicht zugänglich waren, wurden nach Traykons Rezept miteinander vermischt und immer wieder neu zusammengestellt. Einige Jagdgruppen waren außerhalb der Stadt und sollten Tixudkatzen fangen. Dem Roboter gefiel, wie er uns erklärte, die absolut friedfertige Art der Kaytaber. Krieg oder bewaffnete Überfälle gegeneinander kannten sie gar nicht. Ihr Leben drehte sich ausschließlich um die vordringlichen Probleme und um die Versuche, mit weniger Aufwand mehr leisten zu können – lauter handwerkliche Techniken, die sie zu verbessern versuchten. Ich wandte mich lachend an ihn und meinte: »Wenn die vordringlichen Fragen geklärt sind, solltet ihr versuchen, die Holprigs zu verbessern. Sie haben es in jeder Hinsicht nötig. Keine Fahrt endet ohne Knochenbrüche und lockere Zähne.« »Ist schon vorgemerkt.« Wir verständigten den Roboter von den mittlerweile feststehenden Eigenschaften des Mannanna. Die Kaytaber berichteten uns, daß jedes Forschungsergebnis unverzüglich an die anderen Siedlungen weitergegeben wurde. Unsere Unruhe und Ungeduld nahmen zu. Wieviel Zeit uns noch blieb, auf Aytab die Psi-Vorfälle zu klären, konnte niemand wissen. »Was habt ihr vor?« fragte nach einer Weile, in der er Zahlen und Begriffe an die Tafel schrieb und mit den beiden neuen Freunden sprach, der Roboter. »Ich bleibe hier und mache weiter. Wir sind auf dem richtigen Weg.« Er machte eine umfassende, optimistische Bewegung mit seinem langen Arm. »Wir warten auf den Weißen Unbekannten.« »Rechts« mischte sich ein und erklärte wieder einmal: »Ihr werdet erfahren, wo sich der Nebel zeigt. Wir stehen in ununterbrochener Funkverbindung.« »Wie lange?« wollte Traykon wissen.
»So lange es nötig ist – und so lange, wie wir nicht gestört werden«, antwortete ich. Die frische Luft, die herzliche Gastfreundschaft und die geringere Schwerkraft sagten uns zu. Weder wir noch die Kaytaber hatten aus naheliegenden Gründen Schwierigkeiten mit der Unterbringung und der Bewirtung. Wir aßen kein rohes Korn. »Mit dem Hauptproblem seid ihr nicht weitergekommen?« fragte ich den Roboter. Er entwickelte ein Arbeitstempo, das seine Assistenten sichtlich überforderte. Ständig gab er neue, leicht verständliche Grundlagen-Erklärungen. »Vielleicht verändert das Korn die Art der Psi-Komponente beim Reifen, durch den Eingriff des Nebels, vielleicht auch beim Genuß durch die Kaytaber. Ich untersuche es, wenn ich mit der Säuredestillation fertig bin.« »Wie willst du das untersuchen?« fragte Mrothyr voller Verwunderung. Für uns gab es keine Möglichkeit, abgesehen von dem Instrument an Bord der STERNSCHNUPPE, irgend etwas in diesem Bereich aufzuspüren. »Mir fällt immer etwas ein!« lautete die unwirsche Antwort. Ich dachte über das Gehörte nach. Der Logiksektor meldete sich und erklärte: Sage es dem Raumschiff. Es scheint ein wichtiger Gedankengang zu sein. Ein Korn, dessen Eigenschaften bei Tixudkatzen rasende Aggressivität und eine drastische Steigerung des Organisationstalents, was den Angriff auf Planetarier betraf, herbeiführte? Als Gegner die friedfertigen, liebenswerten Kaytaber, die sich gegenseitig und anderen nichts antaten? Ich murmelte, von diesem Gegensatz überzeugt: »Das ist offensichtlich wirklich eine tiefe, lange Überlegung wert. Ich werde diese Theorie mit der STERNSCHNUPPE diskutieren.« In den letzten Stunden hatten sich uns ein halbes Dutzend Planetarier angeschlossen, die von Maronx und Tranoque angeführt
wurden. Wir versuchten, auf unseren kurzen Gängen zwischen dem Raumschiff und den einzelnen Bezirken Yutlamals, den Planetariern einige Hinweise zur leichteren Lebensführung zu geben, ohne in einen unerträglich belehrenden Ton zu verfallen. Sie hörten zu, als würden wir neue kosmische Gesetze verkünden. Wir sahen bald ein, daß ihre Technik sich sehr spezialisiert entwickelt hatte. Jedes Verfahren, das sie kannten, war seit vielen Generationen immer wieder verfeinert worden. Es war eine maschinenarme Zivilisation, weil sie nicht auf Eroberung abzielte, sondern auf Erhaltung. Die Geburtenrate, erfuhren wir, war ziemlich konstant. Anzahl der Kaytaber und Nahrungsmittelmenge hielten einander also die Waage in einem soliden biologischen Gleichgewicht. Aber hin und wieder gelang es uns dennoch, ihnen einen Ansatz zu einer weniger arbeitsaufwendigen Technik zu zeigen, einen leichteren Weg zu größerer Effizienz. Halblaut sagte ich, mitten auf der sauber gekehrten Holzbrücke über dem langsam rinnenden Wasser des neuen Stadtgrabens: »Lassen wir den Roboter ruhig weiterforschen. Er hat ein Funkgerät, kann uns also jederzeit erreichen.« Chipol schaute hinüber zur STERNSCHNUPPE und bestätigte: »Er ist förmlich im Schaffenswahn. Dort im Labor ist er gut aufgehoben. Wir sollten uns nicht überraschen lassen.« »Zudem«, wandte der Zyrpher ein und klopfte auf den Kolben seiner Waffe, »müssen wir damit rechnen, daß demnächst wieder eine Stadt überfallen wird.« An der halb schuldbewußten, halb hoffnungsvollen Reaktion der beiden Anführer merkten wir, daß sie unablässig an das Schicksal ihrer Artgenossen gedacht hatten. »Aber niemand weiß, ihr hilfreichen Fremden aus dem schwarzen Raum zwischen Mond und Sternen, an welcher Stelle der Welt sich die Tixudkatzen demnächst zusammenrotten werden.« »Sicherlich dort, wo vor kurzer Zeit der Weiße Unsichtbare
zugeschlagen hat. Denn dort sind die Felder verwüstet worden.« »Das hieße: Xatjoyn!« fauchte Maronx und blieb auf drei Beinen stehen. Schon sprach er in sein Funkgerät und rief den Siedlungsvorsteher oder den Feldwachen-Verantwortlichen von Xatjoyn. »Und niemand weiß, wo der Nebel sich demnächst – und wann! – zeigen will«, überlegte ich laut. »Wir warten auf einschlägige Beobachtungen.« Langsam gingen wir auf die ausgefahrene Rampe zu. Das Raumschiff hatte inzwischen die Schutzschirme desaktiviert, um Energie zu sparen. Ein vernünftiger Entschluß nahe der friedlichen Stadt der harmlosen Kaytaber. Ich ließ mich in einen Sessel fallen und berichtete der STERNSCHNUPPE, was Traykon mir zu bedenken gegeben hatte, und was ich selbst dachte. Ich erwähnte EVOLO und dessen inzwischen bekannte Aktivitäten und bat um Mithilfe. Schließlich erwähnte ich die voraussehbare Lage einiger Siedlungen, die demnächst in lebensfeindliche Bedrängnis geraten würden. Nach einer Minute antwortete das Raumschiff. An dem Zögern und der Art der Antwort konnten wir drei merken, daß irgendwo ein überaus schwieriger Denkprozeß ablief. Wahrscheinlich waren es mehrere gleichzeitig, von denen die Kapazität in Anspruch genommen wurde. »Es ist sinnvoll, wenn ich starte und in einen planetennahen Orbit gehe. Zweckmäßigerweise sollten Kaytaber an Bord sein, obwohl ich mich jederzeit in die Funknetze einschalten kann.« Ich deutete auf Maronx und seinen Kameraden. »Holt einen Sack Körner und meinetwegen auch einen Wasservorrat. Allerdings gibt es auch bei uns frisches Wasser. Ihr geht mit uns auf einen längeren Flug. Macht inzwischen einige Kodeworte aus, damit das, was ihr funken wollt, auch vorrangig weitergegeben wird.« Voller Begeisterung rief Tranoque:
»Von euch werden unsere Märchen und Legenden berichten. Ihr helft uns mehr, als ihr je wissen könnt! Fliegen! In diesem herrlichen Schiff des Raumes …« Er rannte hinaus und bat einen Yutlamaler, einige Tagesrationen Mannanna für zwei Personen zu holen und zwei Wasserbehälter, voll mit frischem Quellwasser, dazu etliche Pinz-Früchte zum Auspressen. »Wie schön!« sagte Mrothyr und ging in die Richtung seiner Aufenthaltsräume. »Wie ich es sagte: die Retter aus der Sonne werden zu Gestalten planetarer Mythen.« »Das hat euch Zyrphern auch niemand an der Wiege gesungen«, rief ihm der Daila fröhlich nach. Ich konnte an dieser Fröhlichkeit nicht recht teilhaben. Mich beschäftigten jene Zwischenfälle, auf die wir förmlich warteten. Nur das Unangenehme und Gefährliche trifft mit Sicherheit ein, Atlan! versuchte der Logiksektor seinen makabren Trost. Kurz darauf schwebte das Raumschiff einige tausend Meter hoch über der Oberfläche Aytabs. Die Stadt Yutlamal versank in der Abenddämmerung.
5. Chipol und Mrothyr schliefen wahrscheinlich. Ich lag ruhig in dem Sessel im Zentrum der Kontrollen und Bildschirme. Rechts und links neben mir, wie riesige, aufmerksame Haustiere, hatten sich die beiden Kaytaber ausgestreckt. Ihre Köpfe ruhten auf den Vorderpranken, aber die großen Augen waren geöffnet, und die runden, von dünnem Fell umsäumten Ohren richteten sich bei jedem Klicken, Summen oder Wispern der Apparaturen in eine andere Richtung. Ich hatte gegessen, geduscht, mich automatisch massieren lassen und hielt jetzt einen Becher in den Fingern. Der Geruch eines mittelguten Alkohols hing in der Luft der
Zentrale. Es war ruhig; auf den Schirmen zeigten sich Ortungsbilder und Landkarten, die aus Ansichten außerhalb meines optischen Spektrums komponiert waren. Die STERNSCHNUPPE zog einen riesigen Kreis über den größten Landmassen des Planeten. Langsam wanderte der Mond über einen der Bildschirme. Für die Kaytaber war er so deutlich und groß wie nie zuvor zu sehen. Überdies suchte das Schiff mit Ausschnittvergrößerungen die Oberfläche des kraterübersäten Gestirns ab. Die Bärenwesen waren hingerissen. Der Flug hatte ihnen eine Überraschung nach der anderen gezeigt. Sie staunten zwar, aber die Erscheinungen waren für sie erkannte Teile eines erklärbaren Universums. Ich nahm einen Schluck und sagte mir, daß wir trotz aller Begeisterung nicht weitergekommen waren. »Es wird hoffentlich eine ruhige Nacht«, murmelte ich dann. »Ihr seid nicht müde?« »Wir schlafen immer in kurzen Intervallen«, lautete die Auskunft. »Deswegen scheinen wir stets aufmerksam zu sein.« »Xatjoyn hat sich bisher nicht gemeldet«, gab ungefragt das Schiff zu bedenken. »Ich horche die Frequenz ab.« »Ich weiß nicht, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist«, sagte stockend Tranoque. »Wir versäumen nichts«, beschwichtigte ich. »Wir warten. Entweder auf die Tixudbestien oder auf den Weißen Unheimlichen.« »Oder auf beide«, brummte Maronx. Oder auf EVOLOS Überfall? In weitem Umkreis des Planetensystems bewegte sich kein Raumschiff, keine Flotte. Nicht der winzigste Linearschock wurde gemessen. Die Hyperfunksprüche oder deren verstümmelte Bruchstücke enthielten keine alarmierenden Informationen. Der Planet lag dunkel und schweigend unter uns, nur vom Licht des Mondes und der Sterne schwach überglänzt. Die riesigen
Wasserflächen zeigten das einzigartige Muster aus winzigen Lichtreflexen und Wellenfronten. Dünne Nachtwolken schienen unter uns hinwegzuziehen. »So haben wir uns die Welt nicht vorstellen können!« sagte zum zwanzigstenmal in dieser Form oder ähnlich einer von den beiden Kaytabern. »Aytab ist wunderschön. Am Tag und besonders in der Nacht«, gab der andere zurück. Auch die Antwort hatte ich schon zwei dutzendmal gehört. Ich konnte sie verstehen: sie fühlten sich auf einzigartige Weise ausgezeichnet und genossen jede Minute dieses Fluges. Abermals verging ereignislos mehr als eine Stunde. Das Schiff kreiste wie ein guter Geist über Aytab. Wir näherten uns der Linie zwischen Dunkel und Tag, die von Osten um den Planeten raste. Das Schiff hatte wieder eine Umkreisung beendet. Auf einem Monitor zeichnete der zurückgelegte Kurs sich als scharfe Linie zwischen den Umrissen von Inseln und Kontinenten ab. Einige blinkende Punkte mit Kennbuchstaben daneben erklärten die Lage von größeren Siedlungen. Ein weiteres Pünktchen sagte aus, daß sich dort, unweit Yutlamals, der Ort Xatjoyn befand. Urplötzlich wischten die realen Bilder seitlich und dann nach oben aus den großen Bildschirmen weg. Die andruckabsorbierenden Geräte irgendwo im Schiff heulten dumpf auf. Die STERNSCHNUPPE hatte ihre Geschwindigkeit ruckartig heraufgesetzt und ging in einen verwegenen Sturzflug. Mit geringer Verzögerung erklärte das Schiff: »Ich habe einen Notruf aufgefangen. Nicht aus Xatjoyn. Ein großes Feld Korn wird gerade vom Weißen Unheimlichen überfallen.« Maronx sprang auf und schüttelte sich. »Wo?« brummte er auf. »Der Ort nennt sich Yarmrix.« »Kenne ich. Also diesmal in der Morgendämmerung.«
Die Schutzschirme bauten sich schnell auf. Der rasende schräge Sturz brachte die Luft um uns herum in Aufruhr. Feine Farbschleier huschten über die sonst kaum sichtbaren Schirmfelder. Es dauerte nur eine Handvoll Sekunden, dann glitt der Diskus in eine Schrägkurve und bremste scharf ab. Wir sahen die Landschaft zwischen Nacht und Tag förmlich auf uns zuschießen. Aus den tiefen Schatten von Wäldern, von einer Savanne umgeben, löste sich ein nierenförmiger hellerer Fleck. »Alarmmeldung bestätigt«, sagte das Schiff und spielte in die Zentrale ein, was der aufgeregte Feldwächter berichtete. Jetzt standen beide Kaytaber mit gesträubtem Fell neben mir und blickten die Bilder auf den großen Schirmen an. Die holografischen Wiedergaben ließen erkennen, daß alle Schilderungen exakt zutrafen, die wir bisher von den Eingeborenen gehört hatten. Der bläulichweiße Nebel zeigte sich deutlich. Er hob sich als diffuse Masse, die einen langen, tastenden Finger mit nadelfeiner Spitze ausschickte, vor dem dunklen Untergrund ab. Als das Schiff abgebremst hatte und wartend über den Wipfeln der Bäume schwebte, begannen sich Wachturm und Plattform mit den aufgeregt umherspringenden Feldwachen deutlich gegen den hellen Streifen am Horizont abzuzeichnen. »Das ist er. Kein Zweifel.« »Und wieder wird ein Feld verdorben«, wimmerte Maronx. Ich knurrte: »Es ist eines der letzten. Ich verspreche es euch.« Schweigend und voller Entsetzen sahen wir zu, wie der Nebel das Feld erreichte, sich ausbreitete und die Hauptmasse nach sich zog. Jetzt war er so groß wie das Feld und besaß genau dieselbe Form. »STERNSCHNUPPE?« fragte ich halblaut. Die Antwort erschreckte uns. »Ich sehe den Nebel. Mit keinem meiner Instrumente kann ich ihn anmessen. Es ist, als sei er nicht da.«
»Mache den Hochenergieprojektor klar.« »Ausgeführt.« »Und beobachte weiter. Psi-Strahlung vorhanden?« »Das Mannannafeld überlagert in dem nahen Bereich alles andere mit seiner Strahlung. Ich kann nicht sagen, ob der Nebel selbst PsiKomponenten enthält.« Ich sah, daß der Nebel dasselbe Aussehen hatte wie jene Schwaden, die ich auf Cirgro gesehen hatte. Die Größenunterschiede allerdings waren beträchtlich. Dieser Unheimliche vor unseren Augen erreichte nur einen winzigen Prozentsatz der planetenumhüllenden Wolken. »Noch keine Messung?« rief ich unterdrückt. Das Raumschiff schwieg. Nach einer Weile senkte sich der Nebel zwischen die Halme und verschwand fast völlig. »Achtung! Wenn er sich kondensiert, feuerst du einen Probeschuß ab!« befahl ich. »Verstanden.« Der Nebel hatte von der Anwesenheit eines Raumschiffs, das über dem Rand des Feldes schwebte, nicht die geringste Notiz genommen. Wir waren für ihn nicht wichtig. Er kümmerte sich nicht um uns. Wir stellten keine Bedrohung dar. Dann hob sich der Weiße Unheimliche über die Ähren hinaus. Als er sich zusammenzog und etwa nur noch die Hälfte des Feldes überdeckte, schoß die STERNSCHNUPPE. Grell aufblitzend und mit donnerndem Dröhnen fuhr der Hochenergieblitz ins Zentrum des »unsichtbaren« Nebels hinein. Es gab nicht einmal einen Leuchteffekt. Der Nebel ballte sich zusammen, während rings um ihn und unter ihm das Korn zu schwelen begann. Dann verschwand er, und auch mir war es, als würde er an den Linsen vorbei senkrecht, schnell wie ein Gedanke, in den Weltraum flüchten. »Nun hast du es selbst erlebt, Atlan«, sagte Maronx voll tiefer
Trauer. »Die Arbeit eines Jahres ist vernichtet. Jetzt ist unsere Nahrung nur Fressen für Katzen.« »Hast du schon eine Analyse, STERNSCHNUPPE?« fragte ich und leerte den Becher. Der Rest Alkohol schmeckte fad und schal. »Es sind einander widersprechende Beobachtungen«, führte das Schiff aus. »Ihr habt, ebenso wie meine normaloptischen Anlagen, den Nebel gesehen. Auf den gespeicherten Bildern ist er nicht mehr vorhanden; ich wiederhole in Kürze die Aufzeichnung. Keines meiner Detektorgeräte hat ausgeschlagen. Es ist, als sei er nicht vorhanden. Und der Psi-Spürer zeigt jetzt, nachdem der Nebel verschwunden ist, auf dem Feld die gleiche Intensität wie zuvor an.« Ich fragte hoffnungsvoll: »Aber eine andere Bedeutung?« »Das kann ich nicht feststellen. Dafür ist der Psi-Spürer nicht geeignet.« Ich schluckte einen Fluch herunter und fühlte mich wie ein Kämpfer, der seinen Gegner nicht hatte besiegen können, weil er sich durch Flucht entzog. Die Kaytaber blickten mich schweigend an. Dann schauten sie auf die Bildschirme und konnten nichts anderes sehen als ihre eigenen Leute, die das Feld und den Wachturm verließen. »STERNSCHNUPPE«, sagte ich, und fast haßte ich mich dafür, daß ich diese Anordnung erteilte, »zerstöre die Halme und die Körner dieses Mannannafeldes. Dann wird es in der näheren Umgebung keine rasenden Tixudkatzen mehr geben.« »Verstanden.« Mit breit gefächerten Desintegratorstrahlen löste das Schiff die Pflanzen in eine staubende Wolke aus Spreu auf, die in die Höhe schwebte und sich auf den Blättern der Bäume und der Büsche ablagerte. Das Raumschiff verließ seinen Standort und ging wieder in eine Kreisbahn. Wir warteten; diesmal auf den Überfall der entarteten Sechsbeiner. Für einige Zeit würde sich der Unheimliche
mit diesem Psi-Diebstahl oder mit der Veränderung der Psi-Anteile zufriedengeben.
* Die fünfköpfige »Mannschaft« der STERNSCHNUPPE lernte den Planeten Aytab auf seltsame Weise kennen. Im hohen Norden, im Südwesten und zweimal unweit des Äquators wurden wir gerufen. Oder wir fühlten uns verantwortlich. Der Funkverkehr und dessen Notrufe führten uns nacheinander an vier Stellen, an denen sich Tixudkatzen auf die Planetarier stürzten. Vier verschiedene Siedlungen. Viermal erbitterter Kampf der Kaytaber gegen Rudel sechsbeiniger Tixudkatzen, die aus den Wäldern gekommen waren und nach Blut und Fleisch gierten. Viermal kam das Raumschiff fast lautlos aus den Wolken, orientierte sich mit wachsender Erfahrung und feuerte die Lähmstrahlen ab. Die Katzen brachen zusammen, die Kaytaber stürzten aus den Verteidigungsstellen, öffneten die Zäune und fielen ihrerseits über die Angreifer her. Das Raumschiff flog eine Orientierungsrunde und entfernte sich wieder. »Statistisch betrachtet«, sagte Chipol und nahm den Eindruck des Bildes auf, das die Siedlung zeigte. Sie wurde in dem Maß kleiner und wieder zum Teil der farbigen Planetenoberfläche, in dem wir uns entfernten, »haben wir eine gewaltige Menge Tixudkatzen erledigt. Der Druck auf viele Siedlungen ist weg.« »Der Planet ist groß«, widersprach Maronx traurig. »Viele Katzen sind getötet worden. Richtig. Aber noch mehr sind im Gelände versteckt.« »Traykon wird Mittel entwickeln – oder er hat es schon geschafft – , von denen die Siedlungen geschützt werden«, versprach Mrothyr brummend. »Überdies wird es bald kein verdorbenes Korn mehr geben.«
Die STERNSCHNUPPE hatte getan, was sie konnte. Schnell und mit größter technischer Zuverlässigkeit gehorchte sie jeder Anordnung. In vielen Fällen reagierte sie ohne Befehl und selbständig. Jeder Einsatz war erfolgreich, und unsere Schnelligkeit blieb beachtlich. »Ich weiß nicht, wieviel Zeit uns noch bleibt«, sagte ich unruhig. »Es können dramatische Dinge geschehen.« »Was erwartet ihr?« fragte Tranoque. »Etwas, das mit dem Weißen Unheimlichen zusammenhängt«, sagte ich unbestimmt. Ein fünfter Hilferuf erreichte uns. Das Raumschiff raste sofort los und hatte längst die Quelle des Senders geortet. Wir flogen in geringer Höhe über eine Savanne und näherten uns einer Ortschaft, von der die Kaytaber an Bord nicht einmal den Namen kannten. Weit vor uns trieben mehr als ein Dutzend Rauchsäulen schräg in den Abendhimmel. Die Siedlung brannte! Das Diskusschiff jagte auf die Rauchsäulen zu, wurde langsamer und glitt näher heran. Der Zaun aus Flechtwerk war an mehreren Stellen niedergeworfen worden; an zwei Stellen loderten Flammen hoch. Bewegungslose Körper lagen in weitem Umkreis vor den Grenzen dieser kleinen Ansammlung von Häusern. Nach rechts sprang ein großes Rudel Sechsfüßler auf den Waldrand zu und hinterließ eine Staubwolke. Zwischen den Kadavern getöteter Tisxudkatzen lagen die Leichen zerfleischter Kaytaber. Waffen lagen verstreut, einige Speere steckten abgebrochen im Boden. Mindestens fünf Häuser brannten, einige andere bestanden nur noch aus Mauern und geschwärzten Resten. Das Raumschiff änderte seine Richtung, drehte sich und zeigte uns die Ansichten von der anderen Seite der Siedlung. Überall lagen blutüberströmte Leichen – Tixudkatzen in jeder Größe und Kaytaber. Tranoque schaukelte seinen Körper hin und her und murmelte:
»Alle tot. Wir sind zu spät gekommen. Damit haben wir rechnen müssen. Davor haben wir uns gefürchtet – vor solchen Bildern.« Er hatte recht; die kleine Crew mit der STERNSCHNUPPE konnte keine Wunder wirken. Auch für uns war in einem solchen Fall ein Planet viel zu groß. »Ich kümmere mich darum«, erklärte Maronx im selben Tonfall und aktivierte sein Funkgerät. In dieser Siedlung lebte niemand und nichts mehr. Wir sahen nur noch Bilder des Todes. Die Kaytaber hatten sich heldenhaft gegen eine viel zu große Anzahl rasender Raubtiere verteidigt. Die Häuser der Planetarier oder was von ihnen übrig war, die freien Plätze dazwischen, die zerbrochenen Gerätschaften – die Tixudkatzen in ihrer Raserei waren siegreich geblieben. Wer trug die Schuld? Die Antwort schien einfach zu sein: diejenige Macht, die das Korn veränderte und die den Weißen Unheimlichen als Werkzeug benutzte. EVOLO? Es gab keine Sicherheit, diese Behauptung aufzustellen. Noch nicht. »STERNSCHNUPPE. Zurück nach Yutlamal, zu Traykon.« »Dieser Kurs ist eingeschlagen.« Hinter uns blieb die Stätte des Brandes und des vielfachen Todes zurück. Wir, die Fremden, hatten erfahren, welche Ängste die Kaytaber folterten. Und wir konnten nicht helfen. Wir landeten mitten in der Nacht, und die Kaytaber verließen uns. Drei Stunden vor Mittag trafen wir mit Traykon in seiner Wirkungsstätte zusammen. »Ich bleibe hier!« eröffnete er uns. »So lange wie möglich.« »Niemand hat etwas dagegen«, erwiderte ich und schaute mich um. Er war nachts ins Schiff gekommen und hatte uns um einige Gegenstände erleichtert, die wir nicht vermissen würden. Auch ein Hyperfunksender war darunter, den er angeblich für seine Untersuchungen brauchte. Traykon wandte uns die Sichtplatte seines riesigen Kopfteils zu,
packte ein Stück Kreide und stellte sich vor eine sauber geputzte Tafel. Dann sagte er: »Ich unterhielt mich mit der STERNSCHNUPPE. Heute nacht, als ihr geschlafen habt. Zusammen sind wir zu folgendem Ergebnis gekommen.« Wir wechselten einen unruhigen, gespannten Blick, schwiegen aber voller Erwartung. Er zog einen waagrechten Strich auf der Tafel, unterteilte ihn in der Mitte und fügte rechts und links Pfeile an. In der Mitte schrieb er Neutral, auf die rechte Seite: Tixus, aggressiv, minus. Ich ahnte, worauf er hinaus wollte. Alle diese Fragen oder Vermutungen hatte ich selbst schon angestellt und mit der STERNSCHNUPPE diskutiert. Das Schiff war in seiner Forschungsarbeit durch die letzten Einsätze abgelenkt worden. »Sieht gut aus. Mach weiter!« forderte Chipol ihn auf. »Wird gleich noch besser«, sagte der Roboter und schrieb neben den Pfeil auf die linke Seite: Kaytaber, friedfertig, plus. »Alles klar?« fragte er. »Das Mannanna-Korn verändert seine Eigenschaft von plus über neutral bis minus«, sprach Mrothyr seine Gedanken aus. »Die Pflanzen haben eine natürliche Psi-Komponente entwickelt. Dieser Anteil wird bei der Nahrungsaufnahme verarbeitet. Im Idealzustand bleibt sie bei Plus, bedingt also die friedfertige Zielstrebigkeit der Kaytaber. Meinst du das?« »Du hast es erkannt, Mrothyr«, beseitigte der Roboter. »Und jetzt kommt der Weiße Unheimliche ins Spiel.« Er malte eine Wolke, die sich über eine Strichzeichnung senkte. Pfeile deuteten nach rechts. »Die Anteile werden denaturiert, verändert, aufgebrochen … was ihr wollt. Ihnen fehlt nun etwas. Der Charakter des MannannaKorns driftet nach rechts, also zu Minus hin. In diesem Moment kommen die Tixudkatzen, fressen das Korn und werden rasend.« »Da die Kaytaber mit Übelkeit und Krankheit reagieren, wenn sie
denaturiertes Mannanna essen, sind sie nicht in der Lage, dieselben Eigenschaften wie die Katzen zu entwickeln. Sie werden also nicht rasend oder aggressiv.« Ich hatte laut gesprochen, weil in diesem Augenblick unsere Freunde in Traykons Geisteswerkstatt gekommen waren. »Wie sicher sind diese Erklärungen?« fragte der Daila. »Das ist der Stand des Wissens im Augenblick«, bekannte der Roboter. »Wir wissen natürlich nicht, was in dem Augenblick geschieht, wenn der Nebel das Korn berührt.« Er zeigte auf den Hyperfunksender, der inmitten von Porzellanschalen, Gefäßen voller rauchender Flüssigkeiten, Felsbrocken und Pflanzenabfällen stand und dort sehr exotisch wirkte. »Hyperenergie ist weniger als psionische Energie. Irgendwie haben sie miteinander zu tun. Ich werde versuchen, herauszufinden, warum jemand ausgerechnet die psionischen Anteile von Pflanzen verändert oder heraussaugt. Beides kann möglich sein; eine verbindliche Aussage kann nicht getroffen werden. Noch nicht – die STERNSCHNUPPE und ich sind mäßig optimistisch.« Meine Überlegungen zielten nicht ganz in dieselbe Richtung. Immer vorausgesetzt, daß wir es hier mit einem EVOLO-Effekt zu tun hatten, verhielt es sich wahrscheinlich so: »EVOLO ist an seiner Komplettierung brennend interessiert«, sagte ich leise. »Überall her stiehlt er Psi-Anteile. Er besitzt eine gewaltige Menge solcher Komponenten von intelligenten Wesen und sogar von Tieren. Vielleicht bilden die Mannanna-Anteile so etwas wie ein dringend benötigtes Vitamin oder ein Spurenelement. Oder mehrere, oder beides zugleich. Niemand weiß es.« »Zuletzt raubte EVOLO auf Cirgro die Bestandteile aus den sogenannten Glückssteinen. Dort waren die Komponenten in toter Materie gespeichert gewesen. In Steinen.« »Eine Aufeinanderfolge von gut durchdachten Argumenten«, bestätigte der Roboter laut und deutlich. »Nur fehlen die Beweise.«
Fehlten EVOLO wirklich die Anteile aus Psi-Pflanzen? Der Umstand, daß die Raubzüge in unregelmäßigen Abständen stattfanden, sprach ebenfalls dafür. Es war, als würde jemand eine wertvolle oder wichtige Arznei löffelweise einnehmen. Nicht zuviel, nicht zuwenig, wies mich der Logiksektor zurecht. Portionsweise Komplettierung? Schweigend hörten die Planetarier zu. Auch wenn sie nicht alles verstanden, begriffen sie doch, daß wir einer Lösung näherkamen. Nicht aber der Rettung für Aytab, denn wir besaßen keine Waffe, gegen diesen Räuber. Ich führte meine Arbeitshypothese weiter. »Dieser Unheimliche tastet sich offensichtlich an die Felder heran. Er weiß vielleicht nicht, wieviel er wirklich braucht. Irgendwie hat er diesen Planeten und die Psi-Pflanzen entdeckt. Und, da er mächtig ist und offensichtlich keine Beschränkungen von Zeit und Entfernung kennt, entnimmt er den Körnern die Psi-Anteile. Nicht alle, denn sonst würden weder die Plus- noch die Minuswerte wirksam werden können.« »Es hört sich an, als ob es logisch wäre«, sagte Maronx schließlich. »Aber was können wir dagegen tun?« »Gegen die Katzen haben wir ein Mittel entwickelt«, beeilte sich der Robot zu sagen. »Meine Laborpositronik hat eine delikate AntiTixud-Mischung ausgetüftelt. Überall auf dem Planeten gehen jetzt die Handwerker nach diesem Rezept vor. Zugegeben, es erfordert viel Arbeit. Aber es wird die Tiere abschrecken. Atlan, Chipol und du, Graugesichtiger mit dem ausgehenden Haar! Ich kümmere mich um meine fellgeschmückten Freunde. Ihr solltet versuchen, die Angriffe des Weißen Ungeheuers zu stoppen. Klar?« Ich grinste sarkastisch. Woran erinnerte mich seine Sprechweise und Wortwahl plötzlich? Ich kam nicht darauf. »Nichts leichter als das …«, begann ich. Sämtliche Funkgeräte in
unserer Umgebung summten plötzlich auf. Tranoque hob den Kopf, nachdem er mit den Anrufer schnell gesprochen hatte. »Wieder der Weiße Unheimliche. Diesmal ist es anders. Er scheint zu zögern.« »Wo?« rief Mrothyr. Wir drängten alle gleichzeitig aus dem Raum hinaus. Es gab ein wildes Durcheinander. Eine Schale voller Mannannakörner fiel um. »Nicht weit entfernt. Hinter Xatjoyn.« Noch während wir in die breite, gekrümmte Gasse hinunterrannten, sprach ich über den Minikom mit dem Raumschiff. Die STERNSCHNUPPE versicherte, startklar zu sein, wenn wir die Rampe betraten. Chipol und Maronx waren zurückgeblieben, aber als ich winkte, setzte der junge Daila zu einem Spurt an. Tranoque hatte keine Schwierigkeiten, mit Mrothyr und mir Schritt zu halten. Wir rannten, ohne anzuhalten, durch die weit geöffnete Schleuse. Ich schwang mich in den Sessel, in dem ich meistens saß. »Du kennst das Ziel, Schiff?« »Klar erkannt, Atlan. Aber versprich dir nicht zuviel von der Mission.« Noch während sich die Rampe ins Schiff zurückzog und die Schleusentüren zuglitten, schwebte das Raumschiff vom Boden des Planeten weg. Der Kaytaber stand unruhig zwischen den breiten Sessellehnen und heftete seinen Blick auf die Bildschirme. Es war Mittag; die Landschaft über Yutlamal war in grelles Sonnenlicht getaucht. Über uns wölbte sich der dunkelblaue Himmel. »Zwei … Tagesmärsche«, sagte Tranoque laut. Seine Sprache war ein tiefes Bellen. »Zwei Tagesmärsche genau über Xatjoyn hinaus, in fast gerader Linie.« »Ich weiß. Wir sind unterwegs.« Der silbergraue Diskus fegte mit eingezogenen Landestützen, in den Schutz der Schirmfelder gehüllt, auf das Zielgebiet zu. Der Lautsprecher in Tranoques Gerät und die Innenlautsprecher gaben
den Text der nächsten Meldung einigermaßen klar wieder. Es herrschten nur geringe Störungen in den Funkwellen. Gerade jetzt, so schilderte der unbekannte Wächter auf seinem Balkenturm, näherte sich die Spitze des Nebels, kaum sichtbar im grellen Sonnenschein, der Mitte des Feldes. »Da ist es!« rief Chipol aufgeregt. Ich klammerte mich an die Lehnen und beugte mich vor. Das Raumschiff hatte ein fast rechteckiges, ausnehmend großes Mannannafeld erreicht und hielt in der gleichen Position wie in der Nacht an. Wir sahen das Wirken des Nebels. Das Schiff erkundigte sich: »Soll ich schießen? Mit anderen Energiestrahlen? Du weißt, daß es recht sinnlos ist … halt! Alarm! Ich habe einen Linearschock gemessen. Ziemlich stark, sehr nahe …« »Nein!« rief ich und stand halb auf. »Bilder! Ortungsergebnisse. Schnell! STERNSCHNUPPE, das ist wichtig.« Einige Sekunden vergingen ereignislos. Mrothyr, Chipol und ich sahen voller Spannung, wie sich auf den Ortungsschirmen immer mehr Informationen ansammelten. Ein Raumschiff von beachtlicher Masse – also Größe – war im Raum innerhalb der Bahn des dritten Planeten erschienen und verringerte seine Eintauchgeschwindigkeit. »Die Flugbahn endet auf Aytab!« erklärte die STERNSCHNUPPE. Entweder sucht er euch oder den Weißen Unheimlichen, zischte der Extrasinn warnend. Ich bewegte den Blick zwischen beiden Informationssystemen hin und her. Auf den normalen Bildschirmen sah ich, wie sich der Nebel des Feldes bemächtigte und zu verschwinden schien. Die Ortungsschirme zeigten uns, daß das riesige Schiff mit starken Energiefeldern ausgerüstet war. Während es mit unterlichtschnellem Flug auf den zweiten Planeten zujagte, breiteten sich trichterförmige Feldlinien aus. Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte.
Ich sagte: »STERNSCHNUPPE! Es wird ernst. Bereite dich darauf vor, zu flüchten oder zu kämpfen. Hier geht etwas ganz Ungewöhnliches vor.« »Ich meine, daß der Fremde den als EVOLO bezeichneten Nebelbestandteil jagt.« Der andere Schirm. Einige Sekunden waren vergangen. Ich zögerte, dann befahl ich: »Das kann nicht sein. Das ergibt keinen Sinn. Funke das fremde Schiff an und biete ihnen Hilfe und Unterstützung an, wenn sie mit uns zusammen gegen den Nebel kämpfen.« »Ich führe diese Anordnung aus.« Unaufhaltsam kam der Fremde näher. Die ersten undeutlichen Vergrößerungen sagten mir nichts. Ich sah nur, daß es ein riesiges Schiff war, und daß ich die annähernd gerundeten Formen nicht kannte. Noch nie hatte ich ein solches Schiff gesehen, auch nicht auf Abbildungen. »Kennt ihr den Schiffstyp?« fragte ich meine Gefährten. »Nein«, sagten beide gleichzeitig. Eine neue These: Wurde von diesem Schiff, dessen Energiefelder sich immer weiter ausdehnten und mittlerweile planetengroß zu sein schienen, tatsächlich EVOLO gejagt? Oder wollte sich der Erleuchtete dieses Selbständigen Nebelwesens bemächtigen? Dann würde das fremde Schiff uns nicht behelligen, denn wir waren nicht das Ziel seines Einsatzes. Wir sahen, wie sich der Nebel über dem verwüsteten Feld zusammenballte und verschwand. Eine Gruppe von Aufnahmelinsen richtete sich auf uns. Ein Bildschirm wurde grellweiß, dann stabilisierte sich ein Bild darauf. »Wir fordern …«, sagte eine harte, metallische Stimme. Im gleichen Moment, als ich – als wir alle! in die Zentrale eines fremden Raumschiffs hineinblickten, erkannte ich die Zusammenhänge. Die Zentrale war voller Roboter, die haargenau so aussahen wie Traykon!
Die STERNSCHNUPPE handelte mit gewohnter Schnelligkeit. Es dauerte nur Sekunden, dann erlosch das Bild wieder. Nur einige unidentifizierbare Geräusche kamen über die Lautsprecher. Mrothyr stöhnte auf. »Ein Raumschiff des Erleuchteten!« »Ein Robotraumschiff! Nichts wie weg STERNSCHNUPPE!« schrie ich. Ich war nur einige Augenblicke lang vor Entsetzen gelähmt. Das Raumschiff erreichte die unmittelbare Nähe des zweiten Planeten und schien uns entdeckt zu haben. Die riesigen Energiefelder bewegten sich nach allen Seiten. Ich versuchte mir vorzustellen, wie sie versuchten, den Weißen Unheimlichen zu fangen. »Ein mehr als eindeutiger Hinweis«, sagte Chipol von seinem Sessel aus, »daß dieses Schiff vom Erleuchteten ausgeschickt worden ist. Traykon-Nummern-Roboter.« Unser Raumschiff verließ die Oberfläche des Planeten und raste mit voller Beschleunigung schräg zur Sonne in den Weltraum hinaus. Wolkenfetzen machten die rasend schnell wechselnden Bilder vorübergehend undeutlich. »Abwehr aktiviert!« meldete es. »Du wirst sie brauchen!« murmelte Mrothyr. Wir konnten nichts tun. Wir mußten uns wieder auf die Zuverlässigkeit des Schiffes stützen, das mit dem Schiffsgiganten vielleicht fertig werden konnte. Wir waren auf alle Fälle schneller. Also standen die Chancen für eine Flucht gut. Das Robotschiff griff an. Gleichzeitig versuchten die Energiefelder, den umherirrenden oder schon längst verschwundenen Impuls aus Nebelmaterie und Psi-Komponenten zu fangen. »Das muß mißlingen«, sagte Chipol mit pragmatischer Kargheit. Der Kaytaber schüttelte sich und wirkte völlig hilflos. Er stieß ein tiefes, verstörtes Brummen aus und rief gepreßt: »Ich verstehe nichts. Was bedeutet das? Wohin fliegen wir, und
warum?« Ich streckte die Hand aus und packte den langen Pelz in seinem Nacken. Ich versuchte, soviel Beruhigung wie möglich in meine Stimme zu legen, als ich sagte: »Lege dich zwischen den Sesseln zu Boden. Es kann einige Erschütterungen geben. Merke dir alles, damit du es deinen Urenkeln erzählen kannst. Das andere Sternenschiff greift uns an. Es will uns bestrafen, weil wir euch helfen – oder so ähnlich.« Verwirrt folgte er meinem Ratschlag. Unser Schiff ' schlug einen Fluchtkurs ein. Der erste Hochenergiestrahl zuckte mit gewaltiger Blendwirkung an uns vorbei und verlor sich in der Weite des Alls. Die Grundfarbe der Bildschirme hatte sich geändert. Wir befanden uns im Weltraum. Ein zweiter Hochenergiestrahl verfehlte uns um winzige Beträge. Während die Geschwindigkeit der STERNSCHNUPPE zunahm, ging das Robotschiff in eine Kurve, um uns verfolgen zu können. Die Energiefelder tasteten wirr durch das All. Der Weiße Unheimliche war längst verschwunden und zurückgekehrt zu dem, der ihn ausgeschickt hatte. Wir hatten von seinem Fluchtkurs nicht einmal einen fahlen Blitz oder eine andere Version sehen können. Das Raumschiff erklärte lakonisch: »Ich verteidige uns und schieße zurück.« »Tu das!« brüllte ich. Eines der Energiefelder nach dem anderen wurde desaktiviert. Auf den Ortungsschirmen erloschen die entsprechenden farblich gekennzeichneten Umrisse. Die STERNSCHNUPPE schlug einen spiralig gekrümmten Zickzackkurs ein und versuchte, in eine günstige Position zu kommen. Unter uns wölbte sich die Oberfläche des Planeten. Gebannt und unfähig, mehr als die Hälfte aller Geschehnisse zu begreifen, starrte der Kaytaber die Schirme an. Jedes neue Bild zeigte ihm seinen Heimatplaneten aus einem anderen Winkel. Er
wurde hoffnungslos überfordert. »Der Kampf wurde uns aufgezwungen«, stellte Mrothyr fest. Wir ahnten nicht einmal, über welche Feuerkraft das gegnerische Schiff verfügte. Jetzt traf uns der erste Wirkungseinschlag. Ein harter Ruck ging durch das Schiff. Gegenstände flogen und purzelten klirrend und krachend durch die Zentrale. An einigen Stellen färbten sich die Schutzschirme unter höchster Belastung feuerrot. Andere Teile blieben violett und blau. Die Energie wurde in den Weltraum zurückgestrahlt. Dann löste sich der erste Schuß aus den schweren Projektoren der STERNSCHNUPPE. Er traf das Robotschiff. Chipols Ausruf und meine Beobachtungen erfolgten gleichzeitig. Der grellweiße Blitz schlug im hinteren Drittel des Schiffes ein und zeigte augenblicklich Wirkung. Metall wurde zerstört, aufgerissen und verdampft. Flammen und Rauch schossen aus der gezackten Öffnung. Das gegnerische Schiff begann zu taumeln und glitt aus dem Kurs. »Zwinge, wenn irgend möglich, das Robotschiff zu einer Landung oder meinetwegen Bruchlandung auf dem Planeten«, rief Mrothyr. Er winkte zu mir herüber und erklärte: »Dann können unsere Freunde das Wrack ausbeuten, nicht wahr?« »Unverbesserlicher Optimist«, knurrte ich und bedauerte, untätig zusehen zu müssen, wie dieses perfekte Schiff sich wehrte, agierte und auswich. Der Kampf im Weltraum war schnell, energiereich und hart. Die STERNSCHNUPPE kämpfte mit der Schnelligkeit und Sicherheit eines uralten Weltall-Piraten. Den meisten Energiefingern wich dal Schiff gekonnt aus. Die eigenen Geschützprojektoren feuerten in den günstigsten Augenblicken. Das gegnerische Raumschiff wurde insgesamt sechsmal getroffen, ehe es den Versuch aufgab, jenen Nebel fangen
zu wollen. Vielleicht hätten sie damit eine Chance gehabt, wenn die PsiEnergie unmittelbar in eines der Energiefangfelder hineingezuckt wäre. Aber wenn der Nebel nur eine Spur »Intelligenz« hatte (und er besaß sie, sonst würde er sich bei der Vernichtung der Felder nicht so geschickt verhalten können!), dann erkannte er die Fangfelder und wich ihnen aus. Genau das war geschehen, und überdies schienen Roboter wohl nicht die geeigneten Fänger zu sein. Vielleicht hätte der Erleuchtete eine Gruppe Hyptons bitten sollen? »Achtung!« Wieder schlug ein Treffer in die Schutzschirme der STERNSCHNUPPE. Sie verfärbten sich, während unser Schiff dreimal zurückfeuerte. Wir erzielten den entscheidenden Treffer, denn ein Teil des gegnerischen Schiffes flog in einer furchtbaren Entladung auseinander. Eine riesige, sonnenhelle Glutwolke entstand hinter dem kugeligen Körper und schien ihn förmlich in die Richtung des Planeten zu katapultieren. »Hervorragend«, sagte der Zyrpher zufrieden. »Leider besteht der dringende Verdacht, daß der Erleuchtete von uns erfahren hat.« Ich senkte den Kopf. »Dank meines vorschnellen Entschlusses«, murmelte ich. Die STERNSCHNUPPE setzte ihre Geschwindigkeit herab und flog in sicherer Entfernung neben dem Robotschiff her. Obwohl das Schiff an wenigen Stellen die Zeichen ausgeglühter Maschinen oder Energieanlagen zeigte, schienen noch genügend funktionsfähige Roboter an Bord zu sein. Oder es gab festeingebaute Anlagen, die versuchten, den Sturz aufzuhalten oder zu bremsen. Lange Wolken aus Dampf und Rauch zogen hinter dem Wrack her, als es seitlich auf die dichteren Luftschichten auftraf. »Das wird ein tiefer Krater werden«, bemerkte Chipol. Schweigend und noch immer fassungslos sah Tranoque zu, wie das
Schiff abstürzte und dem Boden des Planeten immer näher kam, in einem seltsam unregelmäßigen Flug. »Ich habe jetzt Zeit, mit Atlan über die letzten Feststellungen zu sprechen«, meldete sich das Schiff, das noch immer in achtungsvollem Abstand, mit voll hochgefahrener Schutzschirmenergie, parallel zum Wrack flog. »Nur zu!« sagte ich und ärgerte mich noch immer über mich selbst. »Wir sind mit größter Sicherheit identifiziert worden. Ich habe einen Raffer-Funkspruch im Hyperbereich anmessen können.« »An den Erleuchteten, zweifellos.« Das Schiff äußerte sich verständlicherweise darüber nicht. »Das gegnerische Schiff darf als vernichtet angesehen werden. Der Absturz dürfte jeden selbständigen Robotmechanismus zertrümmern. Die Geschwindigkeit ist hoch.« »Das sehen wir.« Das Wrack befand sich, wie wir, in den dichten Luftschichten. Es raste auf den Mittelpunkt des Bildes zu, das wiederum die Stadt Yutlamal – sehr grob ausgedrückt – als Zentrum hatte. Irgendwo in einem Tausend-Kilometer-Radius um Yutlamal würde sich das Wrack in einer schauerlichen Detonation in das Erdreich bohren. »Ich habe verstanden«, sagte Tranoque nach einer Weile, »daß euch ein mächtiger Feind verfolgt.« »Das ist richtig«, sagte Chipol. »Er schickt solche und größere Schiffe aus, um uns zu fangen.« »Aus diesem Grund werden wir euch nach so kurzer Zeit schon verlassen müssen«, meinte ich bekümmert. »Um euch nicht zu gefährden!« fügte Mrothyr hinzu. »Verstehst du?« »Ja.« Das Wrack wurde schneller und schneller und fiel jetzt wie ein gigantischer Stein senkrecht auf den Kontinent zu. Die STERNSCHNUPPE blieb zurück. Weißglühende Metallfetzen lösten
sich aus den zerrissenen Flächen der Hülle und segelten nach allen Seiten davon. Unsere Stunden auf Aytab waren zweifellos gezählt. Aber wir hatten weder den Weißen Unheimlichen besiegen können, noch kannten wir sein Geheimnis. Daß es sich um eine Reihe von Aktionen handelte, die im Zusammenhang mit EVOLO standen, war so gut wie sicher. Sonst würde sich der Erleuchtete nicht darum gekümmert haben. Unser Raumschiff verringerte die Wirksamkeit der Schutzschirme und glitt leicht wie eine Feder dem alten Landeplatz entgegen. In den wenigen Sekunden, die dem stürzenden Wrack noch blieben, hielten wir erregt den Atem an. Dann schlug die riesige Metallmasse ein. Ein Teil des Erdreichs entlang eines hellen, sandigen Uferstreifens verdampfte, eine riesige Wolke, von Explosionen durchzuckt, breitete sich aus. Die Bewohner des Kontinents würden ein Planetenbeben spüren. Es gab eine riesige Flutwelle, die aufs Meer hinausrauschte und bis weit ins Land hineinwirbelte. Der Krater, den das Wrack geschlagen hatte, füllte sich mit Seewasser. Riesige Dampfwolken stiegen auf und verfinsterten das Sonnenlicht. Mit einem letzten Schwung näherte sich unser Schiff der kleinen Stadt und setzte behutsam wieder auf. Der Erleuchtete war alarmiert worden. Wir mußten wieder fliehen. »Viel Zeit haben wir nicht zu verlieren«, sagte ich. »Ein letztes Gespräch mit den Kaytabern in Traykons Werkstatt.« »Das erscheint mir als richtiger Abschluß«, antwortete Mrothyr. »Gehen wir.« Einige Funksprüche hatten die Kaytaber beruhigt und ihnen die Ursache des Bebens geschildert. Sie würden in den nächsten Jahrzehnten das Wrack plündern können; zumindest über die Gewinnung von Metallen brauchten sie sich wenig Sorgen zu machen.
Yutlamal war von den Vibrationen der Planetenkruste kaum in Mitleidenschaft gezogen worden. Als die Kaytaber uns landen sahen, verloren sie den letzten Rest ihrer Aufregung. Sie erwarteten neue Beben. Tranoque sprach auf eine Gruppe Kaytaber ein, und ständig waren die Funkgeräte in Tätigkeit. Wir gingen die Gasse zu dem Labor hinauf, einem der wenigen Räume, die so hoch waren, daß wir nicht gekrümmt dastehen mußten. »Wohin werdet ihr jetzt fliegen?« wollte Tranoque wissen. Ich wußte es selbst noch nicht. Vielleicht sollten wir etwas Überraschendes unternehmen und tatsächlich versuchen, den HPlus-Nebel Wrackbank zu erkunden? »Das wissen wir nicht.« »Es klingt wohl unbescheiden«, meinte er nach einigen Dutzend Schritten. »Aber wir würden es gern sehen, wenn ihr sehr lange bei uns bleibt.« »Das wäre unter Umständen euer Verderben«, erklärte Chipol ausführlicher. »Wir können uns wehren. Du hast es miterlebt. Ihr könnt es nicht. Wenn unser Feind uns hier findet, kann er den Planeten zerstören. Das würde er tun, ohne zu zögern.« »Und … der Weiße Unheimliche?« fragte er erwartungsvoll. Wir stießen die Tür auf und traten in das Labor ein. Mindestens zwanzig verschiedene Versuche waren im Gang. Traykon arbeitete schnell und offensichtlich an mehreren Programmen. »In einer Stunde mußt du fertig sein«, erschreckte ihn Mrothyr. »Unsere Zeit auf Aytab ist abgelaufen. Du weißt alles?« »Meine kleinen Freunde haben mich verständigt. Der Erleuchtete, nicht wahr?« »So ist es. Das Raumschiff war voller Roboter von deinem Typ.« »Vielleicht ist einer unzerstört geblieben«, antwortete er ungerührt. »Dann habe ich Gesellschaft von meinesgleichen.« »Wie?« fragte der Daila? »Habe ich dich richtig verstanden?« Traykon drehte sich zu uns herum und ließ die Arme sinken. Er
hatte sich zu einem ungewöhnlichen Entschluß durchgerungen. »Ihr habt richtig verstanden. Ich bleibe bis auf weiteres hier auf Aytab. Die Kaytaber haben eine emotionelle Komponente in mir zum Schwingen gebracht.« »Für einen Roboter sprichst du geradezu lyrische Texte«, sagte ich, nicht weniger überrascht. »Einverstanden. Wie lange soll dein Entwicklungshilfe-Einsatz dauern?« »Ein paar Tage«, antwortete er unverbindlich. »Oder einen Monat. Oder länger?« Er wies auf den Hyperfunksender und schloß mit endgültigem Tonfall: »Wenn ihr meint, ohne meine intellektuelle Hilfe nicht länger sein zu können, wißt ihr, wo ich zu finden bin. Dasselbe gilt logischerweise für mich auch.« Ich kam fast in Versuchung, ihm begeistert die Hand zu schütteln. Also wandte ich mich an Maronx und Tranoque und erklärte: »Euer Freund aus Metall bleibt hier. Er wird euch helfen. Fragt ihn; auf vieles weiß er kluge Antworten. Er wird Mittel gegen die überlebenden Tixudkatzen finden, wird euch die Holprigs verbessern und so weiter. Wir kommen zurück und holen ihn ab, wenn es an der Zeit ist.« Begeisterter Jubel antwortete uns. Sofort wurde diese aufregende Neuigkeit über das Funknetz von Yutlamal aus in alle Richtungen weitergegeben. Es war nichts vorzubereiten; in wenigen Minuten konnte die STERNSCHNUPPE wieder starten. Wohin? fragte der Logiksektor. Ich verabschiedete mich von Traykon und ging hinaus vor das Haus. Ein letzter Rundblick. Chipol und Mrothyr traten neben mich und lehnten sich an die rauhe Ziegelwand. »Das war's, wie?« fragte er knapp. »Der Erleuchtete handelt sehr schnell«, gab Chipol zu bedenken. »Wir sollten uns nicht zu lange aufhalten.« »Aber noch haben wir nichts gegen den Weißen Unheimlichen tun
können«, sagte ich, obwohl ich mir denken konnte, daß der Zwischenfall mit dem Roboterschiff auch die weiteren Versuche des Unheimlichen stoppen konnte. »Das können wir vermutlich vom Weltall aus besser. Unsere Versuche am Boden sind kolossal fehlgeschlagen«, erklärte Mrothyr zutreffend. Er ging inmitten einer Gruppe Kaytaber auf die Brücke zu. »Ist auch meine Ansicht«, meinte ich. Die Gruppe der Planetarier, die uns begleitete, wurde immer größer. Wir schlugen und klopften zahllosen Fellwesen auf die Schultern. Mit großen dunklen Augen sahen sie uns nach, als wir uns in die Schleuse zurückzogen. Als hinter mir die innere Schleusenpforte leise zischend zuglitt, taumelte ich unerwartet gegen die Wand. Ein fremder Gedanke nistete sich in meinem Verstand ein. Es war keine flüsternde telepathische Stimme, hatte aber dieselbe Wirkung auf mich. Ich hielt mich an einem Bügel fest und schloß die Augen. Ich verstand deutlich: EVOLO IST NUN VOLLSTÄNDIG. Chipol ergriff meinen Arm und flüsterte erschreckt: »Atlan! Was hast du? Ist dir schlecht?« »Nein. Still.« Eine seltsame Botschaft. Von wem kam sie? Warum erreichte sie gerade mich und gerade in diesem Augenblick? NUN IST EVOLO VOLLSTÄNDIG. Die Bedeutung veränderte sich durch den anderen Wortlaut nicht. Der Druck wich von mir; ich atmete tief ein und aus. Dann fragte ich mit rauher Stimme meine beiden Gefährten: »Habt ihr nichts gehört oder gefühlt? So etwas wie eine Stimme aus der Ferne? Tonlos, aber durchdringend?« Verständnislos schüttelte Chipol den Kopf. Aus seinen Tigeraugen starrte der Zyrpher mich schweigend an.
»Nein.« Ich wiederholte, was ich verstanden hatte, und schilderte, auf welche Weise ich diese Botschaft aufgenommen hatte. Während ich sprach, meldete sich das Raumschiff. »Soll ich starten, Atlan? Gibt es ein Ziel?« Ich brauchte nicht mehr nachzudenken. Auch die vier Worte hatten nichts ändern können. »Kein Ziel. Wir verlassen ohne Hast das Sonnensystem. Dann sehen wir weiter. Schnell kann sich die Lage ändern.« »Start wird ausgeführt, Atlan.« Die STERNSCHNUPPE startete ohne atemberaubende Beschleunigung. In tiefes Nachdenken versunken, betrachtete ich die Kaytaber, die sich zwischen dem wassergefüllten Stadtgraben und dem Landeplatz drängten und zu uns hinaufschauten. Die Häuser wurden kleiner, die gesamte Ausdehnung der Siedlung wurde sichtbar. Wir konnten nur hoffen, daß alles Mannannakorn geerntet werden konnte, und zwar ohne neuen Überfall des Weißen Unheimlichen und ohne nachträglichen Ansturm rasender Tixudkatzen. Der Roboter, wenn er schnell an Ort und Stelle gebracht werden konnte, würde gegenüber den blutdürstigen Sechsbeinern wenig Rücksichten kennen. Die Landschaft schrumpfte zusammen, die Planetenoberfläche krümmte sich, und schließlich blieb die kleiner werdende Planetenkugel inmitten der Weltallschwärze zurück. Ich dachte über die wahre Bedeutung und den vermuteten Urheber der Botschaft nach. EVOLO vollkommen? Etwa durch die Psi-Komponenten der Mannannapflanzen? Das war schwer vorstellbar. Ich nahm in meinem Lieblingssessel Platz, nachdem ich mir etwas zu trinken geholt hatte. War der tödliche Spuk des Weißen Unheimlichen auf den Kornfeldern wirklich vorbei?
Nach dieser seltsamen Botschaft sollte ich eigentlich sicher sein. Aytab würde seinen Frieden wiederbekommen. Trotzdem fehlten die Beweise. Aber vielleicht bekam ich sie früher, als ich dachte. Und auf andere Art und Weise, als mir lieb war.
* Gelona, die Spezialistin, hatte seit einigen Tagen ein schlechtes Gefühl. Als Sonderagentin für Angelegenheiten der Flotte wußte sie, daß sie sich auf ihre Ahnungen verlassen konnte. Dennoch: sie hatte keine Informationen über ungewöhnliche Vorfälle oder irgendwelche Geschehnisse, die ihren Einsatz erfordern würden. Sie lag, in weiche und außergewöhnlich bequeme Polster gekauert, gegenüber dem großen Fenster und blickte auf den Raumhafen hinaus. Ein ligridisches Raumschiff landete fast geräuschlos jenseits der schallsicheren Panoramascheibe. Gelona fuhr fort, leicht duftende Creme in die hauchdünne Schuppung ihrer olivgrünen Haut zu reiben. Auf der Fläche eines Wiedergabegerätes liefen Worte und Sätze ab, und eine leise, eindringliche Stimme las die neuesten Analysen der machtpolitischen Lage der Galaxis Manam-Turu. Konzentriert hörte Gelona zu: Gerüchte und Tatsachen ergaben zusammen ein Bild, das einigermaßen verwirrend war. Dort draußen, in der geschäftigen Ruhe eines planetengebundenen Stützpunkts, lag Station BYTHARK. Das Schiff, ein Kugelraumer, setzte abseits des Kontrollturms auf. Gelona, Dienerin des Gward, wohnte im vierundzwanzigsten Stockwerk eines Hochbauwerks, das überraschend solide gebaut war, obwohl es in Fertigteilbauweise hergestellt worden war. Die Analytikerin warf einen prüfenden Blick auf ihr Gepäck. Es stand stets aufbruchbereit da; sie und ihr Partner mußten bereit sein,
von einer Stunde zur anderen ihren Aufenthaltsort zu verlassen und in einen Einsatz zu gehen. Sie waren ein eingespieltes Paar. Zuverlässigkeit und Schnelligkeit zeichneten sie aus. In einer der schweren, isolierten Taschen mit mehreren Griffen steckte die kleine Positronik, mit der Gelona arbeitete. Sie brauchte Fakten, die ihr Partner brachte, und sie verarbeitete sie. Vor drei Tagen waren sie von einem Einsatz aus der Zentralen Orbiterstation BYTHMAYN zurückgekommen. Ein vermeintlicher Versuch von Sabotage hatte sich als Verkettung vieler, einzeln unbedeutender Vorfälle entpuppt. Die Verantwortlichen waren festgestellt worden. Ihre Bestrafung war nicht mehr Sache der Sonderdetektive. Sie kehrten zum Planeten zurück, wo sich ihre Wege bis zum nächsten Doppeleinsatz wieder trennten. »Was tun mit diesem Abend?« überlegte sie laut. Gelona war ungewöhnlich hübsch. In der Abgeschlossenheit ihrer Wohnräume brauchte sie auf keinerlei Traditionen Rücksicht zu nehmen. Das änderte sich, wenn sie die Räume verließ. Die Tradition ihrer Familie hatte ihr die Rolle zugewiesen, die sie auszufüllen hatte. Im fachlichen Bereich fiel es ihr keine Sekunde lang schwer. Schwierig wurde es im privaten Verhältnis. Die meisten Männer in ihrer Nähe wurden von ihrer Tüchtigkeit abgeschreckt, von ihrem guten Aussehen und ihrer Liebenswürdigkeit hingegen angezogen. Sie sehnte sich nach einem Einsatz irgendwo auf einem fast leeren Planeten, mitten zwischen Pionieren und Fachleuten, die es mit Gward und Gwyn, mit der ständigen Angst, das Gesicht zu verlieren, nicht sklavisch genau nahmen. »Ich riskiere es wieder einmal«, sagte sie und schaltete die Nachrichten aus. »Ich werde ein gutes Glas trinken und mir die Leute ansehen.« Weiche Stoffe, einige helle und praktische Möbelstücke, eine hervorragende Kommunikationsanlage mit
Aufzeichnungseinrichtung, ein dicker Teppichboden und fröhliche Farben – sie hatte die Räume selbst eingerichtet und war jedesmal wieder froh, wenn sie von einem Einsatz zurückkehrte. Allerdings freute sie sich auch, wenn sie auf eine interessante Mission gerufen wurde. Sie kodierte ihr Rufgerät, schaltete es ein und stimmte es mit dem Hauptanschluß ab. Dann zog sie sich um. Es war schade, überlegte sie mit einem kleinen Lächeln, einen solch hübschen Körper ständig allein zu lassen. Auf ihren kahlen Schädel setzte sie eine dunkle Kappe, deren kurzes Kunsthaar ihrem schmalen Gesicht einen aparten Ausdruck verlieh. Die kurze Jacke trug eine dünne Kapuze aus weich fallendem Stoff, die sich Gelona über den Kopf zog. Modische Stiefel, ein gut geschnittener Rock, ein wenig sorgsam ausgesuchter Schmuck, dann die Speicherkarte für die Verrechnung. Sie verließ ihr Apartment, und schon, als sich die Tür mit einem satten Klicken schloß, befand sich die junge Frau wieder innerhalb des Schemas der Tradition. Der Lift brachte sie nach unten. BYTH, so nannten sich der Planet und die drei wichtigen Teile: der Raumhafen mit Wohnbezirk und allen Einrichtungen, die Orbitstation und die Weltraumtankstelle. El war eine milde Nacht. Die Luft loch ein wenig nach den Ausdünstungen der Raumhafentechnik. Langsam schlenderte Gelona unter dem überhängenden Dach entlang, betrachtete die Angebote in den verschiedensten Geschäften und sah zwischen den Ästen der dicht belaubten Bäume das Flackerlicht des kleinen Restaurants, in dem sie nicht unbekannt war. Es gab nicht viele Ligriden in diesem Sonnensystem. BYTH war erst vor kurzem erschlossen worden. Der Raumhafen bildete eine Insel in einer wenig bekannten, aber offensichtlich harmlosen Welt – niemand und nichts störte die Reparaturwerkstätten, die Bewohner
und die Schiffe. Außerhalb eines hohen, aber unregelmäßig runden Palisadenzauns war BYTH zu Ende. Hier aber herrschten Wärme, Kameradschaft und, in Maßen, ausreichende Dienstleistungen. An der langen, halb vollen Bar setzte sie sich und bestellte nach einem langen Rundblick einen milden Drink. Sie registrierte, daß an einem langen Tisch eine Mannschaft aus der radförmigen Raumstation BYTHMAIN saßen. Sie strahlten unverkennbar Unruhe aus. Vielleicht erfuhr sie etwas, das sie – und Partner Kampurt – interessierte. Das Mädchen hinter der Bar sprach sie formell an. »Dienerin des Gward, nicht im Einsatz?« Das Mädchen trug einen Helm von geschwungener Form, war also Dienerin des Gwyn, also ebenso ein motorischer Typ wie Kampurt. »Nein. Ich entspanne. Mein Gefolgsherr ist eine Behörde, also befinde ich mich in einer Zeit, die mir selbst gehört.« »Wie schön für dich. Wann ruft die Behörde wieder?« »Ich weiß es nicht.« Gelona leerte langsam das Glas und bestellte einen schärferen Drink. Ein paar Raumfahrer kamen herein. Selbstverständlich trug jeder eine Kapuze oder einen Helm. Sie bevölkerten lautstark das andere Ende der Bar und warfen aufmerksame Blicke nach Gelona. Sie schnappte einige Bemerkungen auf. Sie beschwerten sich über schlechtes Funktionieren der Raumtankstelle BYTHA. Gelonas berufsbedingte Unruhe stieg. Eben hatte sie dem Mädchen das Rufgerät gezeigt, das ein Symbol darstellte für die Abhängigkeit nahezu aller Ligriden. »P-Lankion«, verstand sie, »hat es gut. Früher ein Fanatiker, und jetzt widmet er sich in seiner unendlichen Weisheit den schönen Künsten.« »Recht hat er. Aber in den letzten Tagen hat ihn niemand mehr gesehen.« »Verlasse dich drauf. Er ist sehr nachdrücklich anwesend.«
Noch ein Hinweis! Gelona hob das Glas und behielt traditionelle Haltung. Sie trank und hörte weiter zu. Ihre Gedanken bewegten sich in verschiedene Richtungen, aber mündeten immer wieder in eine Gewißheit ein: Bald würde das Rufgerät zu zirpen anfangen! »Ich kenne P-Lankion. Er hat die Orbiterstation ausgebaut. Ein großer Mann.« Die Agentin hob den Kopf und hob beide Lidsysteme. Ihr voller Blick traf einen Gwyn-Kommandanten, der vier Sitze weiter an seinem Glas nippte. Er signalisierte ihr durch ein zurückhaltendes Lächeln starkes Interesse. »Du kennst ihn? Ich hörte nur von ihm«, sagte sie förmlich. »Er hat ein Bild gemalt und eine Novelle geschrieben. Mehrere Raumherren sagen, es wären eindeutig Kunstwerke. Ich könnte es nicht beurteilen.« »Ich auch nicht«, sagte sie. »Das Schreiben versuche ich jetzt erst zu lernen, und bis zu dem Tag, an dem ich alt genug bin, um mich einem ernsthaften Versuch zu widmen, ist es noch weit.« »Bei P-Lankion sind diese Tage schon näher.« Der Kommandant nickte und bestellte ein neues Getränk. Gelona kombinierte die wenigen Informationen und begann zu ahnen, daß irgendwo in diesem System aus drei Eckpunkten Schwierigkeiten entweder bestanden, bald auftauchten und daher zu ihrem Problem werden würden. »Du bist hier in Arbeit und Verpflichtung?« fragte der Raumfahrer. »Hier und überall. Ich werde dorthin geschickt, wo es Pannen gibt.« »Dann wirst du niemals in meine Nähe kommen.« »Es gibt in deiner Nähe keine Pannen?« »Nicht, wenn ich in einem Raumschiff bin. Privat, das mag etwas anderes sein.« Die Unterhaltung fing an, interessant zu werden. Gelona sah
aufmerksam zu, wie der Kommandant zwei Sitze näherrückte. Sie bestellte das dritte Glas. Der Inhalt war wieder schwächer konzentriert; sie rechnete mit einem längeren Aufenthalt. Und gerade, als sie ihr Glas hob und in die Augen des Raumfahrers blickte, fing das Armband an, durchdringend zu zirpen. Halb hatte sie es schon erwartet. Sie drückte den winzigen Lautsprecher ans Ohr und hörte, was das Zentralgerät empfing. Sie richtete sich gerade auf. Ihre Erwartungen waren wieder einmal erfüllt worden. Jetzt paßte es ihr am wenigsten. »Startest du nach BYTHA?« fragte sie. »Morgen früh, also in sechs Stunden.« »Dann fliege ich mit deinem Schiff«, sagte sie. Sie leerte das Glas und sagte zu dem Mädchen: »Dienerin des Gwyn. Ab jetzt nur noch Fruchtsaft.« »Ich habe verstanden. Ein Einsatz.« »So ist es.« Am nächsten Morgen, als Gelona mit dem Raumfahrer zusammen – er trug ihr Gepäck – das Apartment verließ, wußte sie, daß es wohl kein einfacher Einsatz werden würde. Aber letzten Endes war jede Mission schwierig in diesen Tagen.
* Die Sonne Jamhartay wurde zu einem Stern unter anderen. Unter Lichtgeschwindigkeit flog die STERNSCHNUPPE in die ungefähre Richtung der Zone, die wir als Einflußzone der Daila kannten. Ruhe war eingekehrt; eine Zeit für schweigende Überlegungen und Gedanken. Das Raumschiff hatte bis jetzt geschwiegen und meldete sich mit leiser, überzeugter Stimme. »Der Effekt der Überlagerung, Psi betreffend, hat nachgelassen. Mein Psi-Spürer wird nicht mehr von den Mannannafeldern
bestimmt. Ich muß es dir erklären, weil ich soeben eine aktuelle Spur gefunden habe.« Ich verstand die Worte, aber noch nicht den Sinn. »Eine Spur von dem Weißen Unheimlichen etwa?« »Sie ist identisch mit früheren Signalen.« »Werde bitte deutlicher«, forderte ich STERNSCHNUPPE auf. Ich stellte mir die Beobachtung des Schiffes wie einen dünnen, fast unsichtbaren Faden vor, der sich von einem Ende der Unendlichkeit bis zum anderen spannte und immer dünner wurde und schließlich verschwand. Als Modell war diese Idee brauchbar. Die Stimme des Schiffes erklärte: »Eine verblassende Spur. Sie deutet in dieselbe Richtung, in die ich gerade fliege.« »Zum Daila-Einflußbereich! Dann hast du dein neues Ziel. Lasse dir Zeit, tanke Energie, überstürze nichts.« »Das muß der Weg des Nebels sein«, murmelte Chipol schläfrig neben mir. »Die Kaytaber. Sie werden sich freuen.« Eine neue Spur EVOLOS? Nun war EVOLO vollständig? Ich zuckte die Schultern. Das Schiff würde uns genau dorthin bringen, wo diese verblassende, undeutliche und fragwürdige Spur hindeutete. Aber es war die einzige Spur, und ich mußte ihr folgen. In dieser Galaxis schien es überall Stellen zu geben, an denen wir etwas über den mächtigen Gegner erfuhren. Waren wir wirklich Zeugen geworden, wie eine der tödlichsten Entwicklungen für diese riesige Sterneninsel wuchs und sich ständig mit neuen Kräften ausstattete? Wir lange würde Traykon warten müssen, bis er wieder zu uns stieß? Lauter Fragen, auf die es keine Antworten gab. Wir waren müde und wußten doch innerlich, daß wir nach dem Erwachen bald wieder mit neuen Gefahren konfrontiert werden würden. Ich hingegen schwor mir, nicht wieder mitten ins Geschehen
einzudringen. Ich mußte geduldiger sein und länger beobachten. Unser Wissen war viel zu gering. Die Auseinandersetzung stand noch immer am Anfang.
ENDE
Nach ihren Erlebnissen auf der Welt im Bann des weißen Nebels sind Atlan und seine Gefährten – abgesehen von Traykon, der als »Entwicklungshelfer« bei den Kaytabern bleibt – bemüht, EVOLOS Spur nicht zu verlieren. Diese Bemühungen führen die STERNSCHNUPPE in das Dreieck der Vernichtung … DREIECK DER VERNICHTUNG – so lautet auch der Titel des nächsten Atlan-Bandes. Der Roman wurde ebenfalls von Hans Kneifel geschrieben.