Henner Schierenbeck | Michael Lister | Stefan Kirmße Ertragsorientiertes Bankmanagement
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Henner Schierenbeck | Michael Lister | Stefan Kirmße Ertragsorientiertes Bankmanagement
Henner Schierenbeck | Michael Lister | Stefan Kirmße
Ertragsorientiertes Bankmanagement Band 2: Risiko-Controlling und integrierte Rendite-/Risikosteuerung 9., aktualisierte und überarbeitete Auflage
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Prof. Dr. Dres. h.c. Henner Schierenbeck ist Ordinarius für Bankmanagement und Controlling sowie Vorsteher der gleichnamigen Abteilung am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum der Universität Basel. Prof. Dr. Michael Lister ist Inhaber des Lehrstuhls für Finanzen, Banken und Controlling an der School of Management and Innovation der Steinbeis-Hochschule Berlin. Prof. Dr. Stefan Kirmße ist geschäftsführender Partner der Unternehmensberatung zeb/rolfes.schierenbeck.associates, Honorarprofessor der Wissenschaftlichen Hochschule Lahr und Privatdozent an der Universität Duisburg-Essen.
1. Auflage 1985 1.– 4. Auflage unter dem Titel: Ertragsorientiertes Bankmanagement – Controlling in Kreditinstituten . . 8. Auflage 2003 9., aktualisierte und überarbeitete Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Stefanie Brich | Renate Schilling Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0447-8
Vorwort zur 9. Auflage von Band 2 Mit der 9. Auflage erscheint das „Ertragsorientierte Bankmanagement“ in einer überarbeiteten Version. Zahlreiche Elemente wurden formal und inhaltlich korrigiert. Die wichtigste Neuerung betrifft jedoch die Autorenschaft. Im Sinne eines langfristig geplanten, geordneten Generationenwechsels treten Professor Dr. MICHAEL LISTER und Professor Dr. STEFAN KIRMßE neu als Mitautoren des „Ertragsorientierten Bankmanagement“ auf. Mit der Änderung der Autorenschaft soll eine grundlegende strukturelle Überarbeitung der folgenden Auflagen des Gesamtwerkes verbunden werden. Aus Zeitgründen konnte diese Aufgabe jedoch noch nicht für die 9., deshalb nur geringfügig veränderte Auflage des zweiten Bandes erfüllt werden. In der 9. überarbeiteten Auflage wurden neben diversen Fehlerkorrekturen auch einige inhaltliche Überarbeitungen vorgenommen. So wurden die Kapitel zum Management operationeller Risiken, zum Liquiditätsrisikomanagement sowie zur Risikokapitalallokation um Erkenntnisse aus aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten wesentlich ergänzt oder vollständig erneuert. Hinsichtlich des operationellen Risikos sowie des Liquiditätsrisikos werden dazu moderne Messansätze präsentiert, mit denen sich auch für diese Risikokategorien der Value at Risk bzw. der Liquidity at Risk berechnen lassen. Gleichzeitig werden alternative Steuerungsansätze für diese Risikokategorien vorgestellt. Hinsichtlich der Risikokapitalallokation wurden einige Definitionen überarbeitet. Zudem wurde das neu entwickelte Modell der Dualen Risikokapitalallokation und –bepreisung in das Gesamtkonzept integriert. Darüber hinaus wurden die bankaufsichtlichen Kapitel auf den neuesten Stand gebracht. Für Fehlerhinweise und inhaltliche Anregungen der Leser sowie Anmerkungen der Autoren rund um das Thema Ertragsorientiertes Bankmanagement wurde eine eigene Internetseite unter www.ertragsorientiertesbankmanagement.de eingerichtet. Schon jetzt bedanken wir uns bei allen Lesern für wertvolle Mails. Weitere Unterlagen und Informationen zum Buch, insbesondere zum Online-Service GablerPlus, finden Sie unter www.gabler.de. An der Bearbeitung der Neuauflage waren wieder zahlreiche Personen beteiligt. Professor Dr. ULRICH KOCH, Dr. MARC. D. GRÜTER und Dr. MICHAEL POHL haben wertvolle Beiträge zur inhaltlichen Überarbeitung geleistet. Hinweise und Anregungen diverser Personen zu Verbesserungen des Werkes haben uns erreicht. Stellvertretend seien hier Professor Dr. BERND ROLFES, Professor Dr. CLAUDIA WÖHLE sowie Dr. ULF MORGENSTERN genannt. Die formale Überarbeitung wäre ohne eine Heerschar von unterstützenden Personen nicht denkbar. An vorderster Front stehen hier die Sekretärinnen ELKE GOLDSCHMIDT, SANDRA DECKERT und MARIANNE RYSER, sowie die studentischen Hilfskräfte stud. inf. ANDREAS FORSTER und NIKO A. SCHÜLER B.A. Zudem haben sich die Assistenten der beteiligten Lehrstühle eingebracht. Hierzu zählen Dipl.-Kfm. MICHAEL NAHR, Dipl.-Kfm. SIMON ZABY sowie als assoziiertes Mitglied Dipl.-Kffr. SASKIA BAUMANN. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle Dipl.-Kfm. MARKUS KUDERNATSCH, der die Koordination des Gesamtprojektes übernommen und mit großem Engagement durchgeführt hat. Ihnen allen gebührt unser herzlichster Dank. Basel / Berlin / Münster, im April 2008 HENNER SCHIERENBECK / MICHAEL LISTER / STEFAN KIRMßE V
Vorwort zur Neuauflage Band 1 und Band 2 (5. Auflage) Band 3 (2. Auflage) Die Arbeiten zu der nun vorliegenden Neuauflage des "Ertragsorientierten Bankmanagements" waren zeitraubender und weit umfangreicher als ursprünglich angenommen. Obgleich nur gut zwei Jahre seit dem Erscheinen der 4. Auflage vergangen sind, haben die Entwicklungen speziell auf dem Gebiet des Risiko-Managements bzw. Risiko-Controllings eine fast komplette Überarbeitung dieses wichtigen Teils mit sich gebracht. Aber auch die stärkere Betonung des Shareholder Value-Gedankens machten eine Überarbeitung der Passagen zum Rentabilitäts-Management erforderlich. Dazu kam die Möglichkeit, wichtige Ergebnisse meiner Mitarbeiter aus ihren Dissertationen in der Neuauflage mit zu verarbeiten. Das hatte insbesondere Auswirkungen auf die Teile "Risikomessung und Risikokapitalallokation" (M. LISTER), "Währungsrisiko" (M. NOLTE), "Kostenmanagement" (M. EVERDING), "Qualitätsmanagement" (M. BERGMANN) sowie "Länderrisikosteuerung" (S. KLOSE). Insgesamt war damit allerdings der Gesamtaufwand des neuen Manuskripts so angewachsen, daß ich mich entschließen mußte, das Gesamtwerk zu teilen. Zusammen mit einer kompletten Überarbeitung und Erweiterung der "Fallstudien" zum Ertragsorientierten Bankmanagement erscheint das Werk nun erstmals in drei Bänden:
Band 1: Grundlagen, Marktzinsmethode und Rentabilitäts-Controlling Band 2: Risiko-Controlling und Bilanzstruktur-Management Band 3: Fallstudien mit Lösungen Im neuen Band 1 sind gegenüber der 4. Auflage die Ausführungen im zweiten Kapitel zu dem (1982 von mir begrifflich als "Marktzinsmethode" eingeführten, seitdem ständig weiterentwickelten und mittlerweile allseits anerkannten) pretialen Rechnungskonzept noch einmal an einigen wichtigen Stellen präzisiert worden. Das gilt insbesondere für die Problematik gespaltener Geld- und Kapitalmarktsätze im Margen- und Barwertmodell sowie der Kalkulation von Bankgeschäften mit Optionscharakteristika. Ferner sind die Verfahren zur Kalkulation von Risikokosten in Einklang mit neueren Erkenntnissen überarbeitet worden. Präzisiert wurden darüber hinaus die Ausführungen zu den Ergebniskomponenten des Nicht-Kundengeschäftes, wie sie sich im Handels-, Treasury-, und Anlageergebnis niederschlagen. Ein besonderer Schwerpunkt der Überarbeitung lag im dritten Kapitel bei der Steuerung der Bankrentabilität. Hier wurde insbesondere das Shareholder Value-Konzept integriert und ausführlicher auf die Erfolgsfaktoren von Wettbewerbsstrategien im Bankgewerbe eingegangen. Qualitäts- und Kostenstrategien stehen dabei eindeutig im Vordergrund und haben folgedessen auch einen breiten Raum in der Überarbeitung erhalten. VI
Der neue Band 2 wurde fast vollständig neu geschrieben. Zu vieles in den letzten zwei bis drei Jahren ist auf diesem Gebiet neu entwickelt worden, zuviel hat sich auch in der aufsichtsrechtlichen Diskussion über die Finanzrisiken verändert, als daß hier nur hätte ergänzt werden können. Geblieben ist lediglich die bewährte, sich als äußerst fruchtbar und tragfähig erwiesene Grundkonzeption. Zwei Aspekte prägen insbesondere das neue erste Kapitel gegenüber der vorherigen Auflage: Die stärkere Verzahnung des Konzepts Ertragsorientierter Banksteuerung mit dem RisikoManagement, was sich insbesondere in der Herausarbeitung von Risikotragfähigkeits- und Risiko-Chancen-Kalkülen zeigt, sowie die ausführliche Darstellung des "Value at RiskKonzepts" zur Messung von Einzelrisiken und ihre Integration in die Risikoposition der Gesamtbank. Im zweiten Kapitel wurden die Verfahren und Instrumente des Risiko-Controllings, gegliedert nach den einzelnen Risikokategorien, neu bearbeitet. Im Vordergrund standen dabei wie schon in der vorherigen Auflage, das Zinsänderungs-, das Währungs-, das Aktienkurs- sowie das Ausfallrisiko. Im einzelnen fanden dabei natürlich die neueren Entwicklungen zur Messung und Steuerung dieser Risiken Eingang, wobei besonderer Wert auf die konzeptionelle Trennung (und letztlich Integration) von Marktwertrisiko- und periodischer ErfolgsrisikoAnalyse gelegt wurde. Gegenüber der 4. Auflage sind die bankaufsichtsrechtlichen Risikobegrenzungsnormen nicht einzeln bei jeder Risikokategorie, sondern zusammenfassend am Schluß in einem eigenständigen Abschnitt behandelt worden. Gleichzeitig erfolgte sowohl eine Ausweitung dieser Gesichtspunkte als auch eine Gewichtsverlagerung. In den Mittelpunkt gerückt wurden ihrer übergeordneten Bedeutung wegen die Empfehlungen des BASLER AUSSCHUSSES FÜR BANKENAUFSICHT bei der BANK FÜR INTERNATIONALEN ZAHLUNGSAUSGLEICH (BIZ), die in ihrer gesamten richtungsweisenden Breite und Tiefe dargestellt worden sind. Hierin eingebettet wurden dann die länderspezifischen Vorschriften erörtert, wobei die vergleichende Analyse auf die EU, Deutschland und die Schweiz beschränkt wurde. Das dritte und abschließende Kapitel ist vergleichsweise vollständig von der alten Auflage übernommen worden. Wesentliche Erweiterungen wurden jedoch im Zusammenhang mit der Frage einer Ertragsorientierten Risikokapitalallokation im Rahmen einer integrierten Risiko-/ Renditesteuerung vorgenommen. Eine besondere Rolle spielen hier die risikoadjustierten Rentabilitätskennziffern RORAC und RAROC, deren Aufbau, Wirkungsweise und Integration in das bewährte ROI-Analysekonzept ausführliche Behandlung gefunden haben. Der neue Band 3 enthält abschließend ausgewählte Fallstudien zu den wesentlichen Teilgebieten und Fragestellungen des modernen "Ertragsorientierten Bankmanagements". Die Neubearbeitung der Fallstudien war natürlich im Einklang mit den Änderungen und Erweiterungen der ersten beiden Bände, zu denen eine enge Verzahnung besteht, erforderlich. Hinzu kamen zahlreiche Anregungen, die eine oder andere Fragestellung mit aufzunehmen. Insgesamt sind die einzelnen Fallstudien damit auch zum Teil deutlich länger geworden, was zusammen mit der höheren Gesamtzahl (es sind nun insgesamt 48 Fälle mit Lösungen) zu einem deutlich höheren Umfang dieses Bandes geführt hat.
VII
Eine besondere Problematik bestand darin, daß die Fallstudien zum "Ertragsorientierten Bankmanagement" bislang nur in der ersten Auflage erschienen waren und ein inhaltlicher Konnex mit der dritten Auflage des Basiswerkes bestand. Für das nunmehr vereinheitlichte Gesamtwerk ist die Auflagenzählung zur Vermeidung von Irritationen konsequent fortgeschrieben worden. Dennoch gilt natürlich, daß Band 1 und Band 2 (mit ihrer 5. Auflage), sowie Band 3 (mit seiner 2. Auflage) vollständig aufeinander abgestimmt sind. Ein so großes Werk wie das vorliegende ist letztlich nur als Gemeinschaftsprojekt zu bewältigen. Entsprechend lang ist die Liste derer, denen an dieser Stelle Dank abzustatten ist. Genannt wurden bereits meine ehemaligen Mitarbeiter, die Herren DR. MATTHIAS BERGMANN, DR. MATTHIAS EVERDING, DR. MATTHIAS NOLTE, DR. SEBASTIAN KLOSE sowie insbesondere mein Habilitand DR. MICHAEL LISTER. Ihm gebührt besonders herzlicher Dank für das überdurchschnittliche Engagement und die fruchtbare Kooperation insbesondere auf dem Gebiet des Risiko-Controllings. Während des langen Entstehungsprozesses dieser nun dreibändigen Gesamtausgabe haben mich ferner maßgeblich mit jeweils unterschiedlichen Beiträgen die folgenden Mitarbeiter unterstützt: Herr DIPL.-VW. TORSTEN ARNSFELD, DR. PETER BOHNENKAMP, Herr LIC.RER.POL. MATTHIAS HERZOG, Frau DIPL.-KFFR. VERA KAEPPLER, Herr LIC.RER.POL. STEFAN PAUL, Herr M. LITT. CHRISTIAN SPIEKER sowie FRAU LIC.RER.POL. CLAUDIA WÖHLE. Ihnen allen gebührt mein herzlicher Dank und auch Nachsicht dafür, wenn ich gelegentlich zu stark als Zuchtmeister des "Ertragsorientierten Bankmanagements" aufgetreten sein sollte. Da das Werk reproduktionsreif zum Verlag geschickt werden konnte, mußten zahlreiche Hilfskräfte viele Tage, halbe Nächte und Wochenenden opfern, damit das äußere Erscheinungsbild so werden konnte, wie es sich jetzt vor dem Leser ausbreitet. Dank schulde ich in diesem Sinne Frau STUD.RER.POL. KERSTIN ALZNAUER, Herrn CAND.RER.POL. MICHAEL BITTNER, Herrn CAND.RER.POL. PATRICK JUNG, Herrn STUD.RER.POL. NEBOJSA KOVACEVIC, Frau STUD.RER.POL. SANDRA PFAFFEN, Frau STUD.RER.POL. MADELEINE PLATTNER, Herrn CAND.RER.POL. MARC SCHWARZ sowie Frau CAND.RER.POL. DOREEN WILKE. Die Gesamtkoordination der Arbeiten oblag bei Band 1 und 2 Herrn LIC.RER.POL. STEFAN PAUL und für Band 3 Frau LIC.RER.POL. CLAUDIA WÖHLE, die dieses Projekt mit zielstrebiger Umsicht, nur selten nachlassender Energie und - wie man am Endprodukt sieht - äußerst erfolgreich zu Ende geführt haben. Auch für das neue Gesamtwerk waren meine Kollegen Herr PROF. DR. BERND ROLFES, Duisburg, Herr PROF. DR. REINHOLD HÖLSCHER, Kaiserslautern, Herr DR. ARND WIEDEMANN, Basel immer verläßliche und kompetente Gesprächspartner, denen ich hierfür und für Ihre Freundschaft danke.
Basel, im Februar 1997 HENNER SCHIERENBECK
VIII
Vorwort zur 1. Auflage Die Bankenwelt befindet sich derzeit mitten in einer geschäftspolitischen Umbruchphase. Gekennzeichnet ist diese durch eine sich mehr oder minder radikal vollziehende Abkehr von der betonten Wachstumsphilosophie der sechziger und siebziger Jahre, die in einem ausgeprägten Volumensdenken oder anders ausgedrückt, in der Fixierung auf möglichst hohe Wachstumsraten der Bilanzsummen, also im Ansammeln von Krediten und Einlagen um nahezu jeden Preis ihren geschäftspolitischen Niederschlag fand. Damit verbunden ist auch eine gewisse Relativierung der Bedeutung des Bankmarketing, das seinen Stellenwert in der Geschäftspolitik der Kreditinstitute neu zu definieren hat. Denn Marketing galt in den Jahren zuvor vielerorts als eine Art Zauberwort, um das Wachstumsdenken in konkrete Geschäfte umzusetzen: Aus Bankbeamten sollten Verkäufer werden; Marktforschung wurde entwickelt, um sie gezielt zur Akquisition von Geschäften einsetzen zu können; das Filialnetz wurde erweitert und die Bankorganisation grundlegend verändert; um Kundenorientierung und Marktpräsenz bis in den letzten geographischen Winkel sicherzustellen. Die gegenwärtig zu beobachtende Wende in der Geschäftspolitik vieler Kreditinstitute ist nun mit der Rückbesinnung auf den Ertrag als eigentliches Ziel und letztlich auch Voraussetzung für Bilanzsummenwachstum verbunden. Denn man erkennt zunehmend, daß Wachstum ohne oder mit unzureichendem Ertrag grundsätzlich mehr Probleme schafft als es löst. Nicht unwesentlichen Anteil an dieser Neuorientierung der Geschäftspolitik haben dabei die veränderten Rahmenbedingungen im Bankgewerbe: Das durchschnittliche Wachstum der Nachfrage nach Bankleistungen hat sich deutlich verlangsamt; es besteht ein erhöhter Wettbewerb um die privaten Ersparnisse, der nicht nur auf den Bankmärkten im engeren Sinne ausgetragen wird; die Zinsschwankungen sind stärker geworden und die Erfahrungen mit der inversen Zinsstruktur in der unmittelbaren Vergangenheit haben ihre Spuren hinterlassen; die Betriebskosten steigen bei zunehmend geringeren Möglichkeiten, diese über das Wachstum des bilanzwirksamen Geschäftes aufzufangen; und nicht zuletzt ist das Bankgeschäft in fast allen Bereichen deutlich risikoreicher geworden, Kreditausfälle verzehren einen immer größer werdenden Teil des Betriebsergebnisses. Ebenso wie das Bankmarketing historisch mit den Wachstumsprozessen der sechziger und siebziger Jahre verbunden ist, wird gegenwärtig vielerorts das Bank-Controlling als ein neues Schlüsselwort verwendet, um diese Umorientierung der Geschäftspolitik in Richtung auf eine verstärkte Ertragsorientierung zu kennzeichnen. Sich mit Fragen des Controlling zu beschäftigen, ist in der Praxis sogar geradezu als Indiz für die Einsicht zu werten, daß die Erzielung angemessener Erträge und die Begrenzung von Risiken erste Priorität in der Geschäftspolitik verdienen. "Ertragsorientiertes Bankmanagement" und "Controlling" beschreiben damit grundsätzlich den gleichen Sachverhalt, wenngleich bei ersterem explizit die geschäftspolitische Richtung angesprochen wird, während Controlling als Begriff sehr viel schillernder ist und eigentlich nur implizit die erwähnten Bezüge zu einer ertragsorientierten Geschäftsphilosophie aufweist.
IX
Das Lehrprogramm und die Publikationen des Instituts für Kreditwesen sowie die mehrfach durchgeführten Praktikerseminare weisen seit einer Reihe von Jahren einen deutlichen Schwerpunkt im Bank-Controlling auf. Es lag daher nahe, die im Laufe der Zeit immer zahlreicher und umfangreicher gewordenen Manuskripte und sonstigen Unterlagen zu einer Monographie zusammenzufassen, um so eine einheitliche Grundlage für das universitäre Lehrprogramm zu haben und gleichzeitig auch für die Praxis den Stand des "Controllingwissens" zu dokumentieren. Ich habe mich dabei von dem Bestreben leiten lassen, ein einheitliches integriertes Konzept vorzustellen, das alle wesentlichen Bereiche des Controlling abdeckt, und, soweit möglich, in Einklang mit neueren Strömungen in der Bank-Managementliteratur steht. Zur besseren Lesbarkeit sind eine Vielzahl von Abbildungen und Übersichten in den laufenden Text eingefügt worden. Ausgewählte Übungsaufgaben ermöglichen zudem die weitere Vertiefung des Stoffes. Ein Buch wie das vorliegende kann alleine anhand der Veröffentlichungen auf diesem Gebiet nicht geschrieben werden. Ergänzend notwendig waren vielmehr zahllose Gespräche und Arbeitssitzungen mit Praktikern und Kollegen über viele Jahre einschließlich des Studiums von realisierten Controllinglösungen "vor Ort". Ich darf in diesem Zusammenhang stellvertretend für die vielen Gesprächspartner aus der Praxis und den Universitäten meinen Kollegen, Herrn DR. H. WIELENS, Honorarprofessor an der Universität Münster, und Herrn DR. W. V. SCHIMMELMANN, Vorstandsmitglied der DG Bank Frankfurt, nennen, denen ich vielfältige Anregungen und Hinweise verdanke. Besonderer Dank gebührt auch meinen früheren und gegenwärtigen Mitarbeitern, die mir stets kompetente und engagierte Gesprächspartner waren. In der letzten Phase haben mich hier die Herren DR. B. ROLFES, DIPL.-KFM. R. HÖLSCHER, DIPL.-KFM. R. BANKEN sowie FRAU DIPL.-KFM. U. KILHEY nachhaltig unterstützt. Meine Sekretärin FRAU H. SCHERER besorgte die Reinschrift der oft schwierig zu entziffernden Manuskripte, FRAU CAND. RER. POL. C. ERNST fertigte die Zeichnungen und HERR DIPL.-KFM. J. KLIEM koordinierte alle technischen Arbeiten der Drucklegung. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank.
Münster, Dezember 1984 HENNER SCHIERENBECK
X
Inhaltsübersicht Band 1: Grundlagen, Marktzinsmethode und Rentabilitäts-Controlling Einleitung Controlling als integriertes Konzept Ertragsorientierter Banksteuerung ................
1
Erstes Kapitel Aufgaben und organisatorische Einordnung des Bank-Controllings ........................
4
A. Die Aufgaben und Instrumente des Controllings in Finanzinstituten ........................
4
I. Der Aufgabenwürfel im Bank-Controlling ......................................................... II. Instrumente und Techniken des Bank-Controllings ...........................................
5 26
B. Die Einbindung des Controllings in die Strukturorganisation von Finanzinstituten .. I. Die Bildung von Controlling-Stellen .................................................................. II. Die Besetzung von Controlling-Stellen .............................................................. C. Der Einführungsprozess des Controllings ..................................................................
28 29 36 38
Zweites Kapitel Die Marktzinsmethode als Grundpfeiler modernen Bank-Controllings ...................
43
A. Die Marktzinsmethode im Margenkalkül ...................................................................
43
I.
Anforderungen an eine steuerungsadäquate Marge ............................................
44
II. Traditionelle Verfahren der Margenkalkulation ................................................. 53 III. Die Marktzinsmethode als entscheidungsorientiertes Verrechnungszinsmodell 70 B. Die Marktzinsmethode im Barwertkalkül .................................................................. 157 I. Der Konditionsbeitrags-Barwert ......................................................................... 158 II. Das Treasury-Konzept der Marktzinsmethode ................................................... 194 C. Spezielle Anwendungsprobleme der Marktzinsmethode ........................................... 220 I.
Bestimmung von Konditions- und Strukturbeiträgen bei gespaltenen Geldund Kapitalmarktsätzen ...................................................................................... 220 II. Kalkulation von Bankgeschäften mit nicht-deterministischen Geschäftsverläufen .............................................................................................. 250 III. Pro und Contra der periodischen und barwertigen Zinsergebnissteuerung ........ 287
XI
Drittes Kapitel Rentabilitäts-Controlling und ROI-Management ....................................................... 293 A. Rentabilitäts-Management im Dualen Steuerungsmodell .......................................... I. Dimensionen des Dualen Steuerungsmodells ..................................................... II. Integrative Instrumente des Dualen Steuerungsmodells ..................................... III. Grenzen des Dualen Steuerungsmodells ............................................................. B. Konzeption eines integrierten Kalkulations- und Kennzahlensystems für das
293 293 298 301
ROI-Management ....................................................................................................... I. Vom Konditionsbeitrag zum Netto-Ergebnis ..................................................... II. ROI-Analyse auf der Grundlage von Daten der Einzelgeschäftskalkulation ..... III. ROI-Analyse auf der Grundlage von Daten des externen Rechnungswesens .... C. Das Management der Bankrentabilität .......................................................................
304 304 386 422 467
I.
Bestimmung von Zielgrößen im Rentabilitäts-Management .............................. 467
II. Formulierung von Wettbewerbsstrategien im Rentabilitäts-Management ......... 531 III. Kontrollen und Abweichungsanalysen im Rentabilitäts-Management ............... 631 Literaturverzeichnis .......................................................................................................... 675 Stichwortverzeichnis ......................................................................................................... 719
Band 2: Risiko-Controlling und integrierte Rendite-/Risikosteuerung Erstes Kapitel Risiko-Controlling im Konzept Ertragsorientierter Banksteuerung .........................
1
A. Einführung in die Problemstrukturen des Risiko-Controllings .................................. I. Grundsätze einer ertragsorientierten Risikopolitik .............................................
1 2
II. Abgrenzung relevanter Risikokategorien ........................................................... III. Integrationsdimensionen des Risiko-Controllings ..............................................
3 9
B. Der Risikotragfähigkeitskalkül im Risiko-Controlling .............................................. I. Quantifizierung des Risikopotentials der Gesamtbank ....................................... II. Bestimmung der verfügbaren Risikodeckungsmassen nach Art und Höhe ........ III. Verknüpfung von Risikopotentialen und Risikodeckungsmassen ......................
15 16 23 33
C. Der Risiko-Chancen-Kalkül als zentraler Bezugspunkt eines integrierten Rentabilitätsund Risiko-Controllings .............................................................................................. 44 I. Risikoadjustierte Performance-Kennzahlen ........................................................ 44 II. Kontrolle der risikoadjustierten Ergebnisse ........................................................ 52
XII
Zweites Kapitel Interne Risikomodelle und regulatorische Konzepte für das Risiko-Controlling ....
56
A. Einführende Grundlagen ............................................................................................. 56 I. Interne Modelle versus regulatorische Konzepte ................................................ 56 II. Grundlagen einer bankinternen Risikomessung ................................................. 58 III. Verwendung interner Modelle für aufsichtliche Zwecke ................................... 101 B. Zur Philosophie und Konkretisierung bankaufsichtlicher Risikobegrenzungsnormen 116 I. Konzeption regulatorischer Massnahmen ........................................................... II. Institutionelle Rahmenbedingungen der Bankenregulierung .............................. III. Materielle Ausgestaltung aufsichtlicher Eigenkapitalnormen ............................ C. Interne Modelle und regulatorische Konzepte für das Risiko-Controlling ................ I. Das Kreditrisiko ..................................................................................................
116 128 138 154 154
II. Das Zinsänderungsrisiko ..................................................................................... 294 III. IV. V. VI.
Das Währungsrisiko ............................................................................................ Das Aktienkursrisiko .......................................................................................... Das operationelle Risiko ..................................................................................... Das Liquiditätsrisiko.............................................................................................
403 447 487 512
Drittes Kapitel Konzeption einer integrierten Rendite-/Risikosteuerung ........................................... 526 A. Grundlagen einer integrierten Rendite-/Risikosteuerung ........................................... 526 I. Die vier Stufen einer integrierten Rendite-/Risikosteuerung .............................. 526 II. Integrierte Rendite-/Risikosteuerung mit Hilfe risikoadjustierter Kennzahlen .. 528 B. Verfahren zur Allokation von Risikokapital im Bankportfolio .................................. 537 I. Ansätze zur Dekomposition des Gesamtbank-Value at Risk ............................. 537 II. Risikokapitalallokation unter zusätzlicher Berücksichtigung von Rendite-/ Risikorelationen .................................................................................................. 566 C. Steuerung des Zinsbuchs als angewandtes Beispiel einer integrierten Rendite-/ Risikosteuerung .......................................................................................................... 669 I. Kernfunktionen des Treasury-Managements ...................................................... 669 II. Konzeption der marktwertorientierten Zinsbuchsteuerung und deren Einbindung in die Steuerung des Zinsänderungsrisikos ..................................... 671 III. Prozessstufen der integrierten Rendite-/Risikosteuerung des Zinsbuches ......... 673 Literaturverzeichnis Stichwortverzeichnis
...................................................................................................... 693 ...................................................................................................... 739
XIII
Band 3: Fallstudien mit Lösungen (6. Auflage) Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie
1: 2: 3: 4: 5:
Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie
6: 7: 8: 9:
Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie
10: 11: 12: 13: 14: 15: 16: 17: 18: 19: 20:
Fallstudie 21: Fallstudie 22: Fallstudie 23: Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie
XIV
24: 25: 26: 27: 28: 29: 30: 31: 32: 33: 34:
Methoden zur Ermittlung des Konditionsbeitrags-Barwertes .............. Immunisierung des Zinsspannenrisikos mit Zinsswaps ....................... Capital Asset Pricing Model (CAPM) und Eigenkapitalkosten ........... Hedging mit Caps und Floors ............................................................... Abgrenzung von Risikobelastungsszenarien im Risikotragfähigkeitskalkül .................................................................... Erfolgsquellenanalyse bei schwankenden Zinssätzen .......................... Leistungsstörung im Kreditgeschäft ..................................................... Bestimmung von Markteinstandszinssätzen ......................................... Unexpected-Loss-Kalkulationen für das Ausfallrisiko im Kreditportfolio ...................................................................................... Einsatz der ROI-Analyse im Fusions-Controlling ................................ Strukturergebnisvorlauf und zinsinduziertes Marktwertrisiko ............. Strukturergebnisvorlauf und Währungsrisiko ...................................... Berechnung des Value at Risk im analytischen Grundmodell ............. Ausfall eines Swap-Partners ................................................................. Struktureller Gewinnbedarf und ROI-Kennzahlen ............................... Ermittlung des Gesamt-Eigenmittelunterlegungserfordernisses .......... Limitsteuerung und Limitkontrolle im Handelsbereich ....................... Herleitung von Zielrentabilitäten aus Kapitalmarkterfordernissen ...... Abweichungsanalyse im Zinsüberschuss-Budget ................................ Berücksichtigung gespaltener Geld- und Kapitalmarktsätze im Perioden- und Barwertkalkül ................................................................ Vergleich von Marktzinsmethode und Pool-Methode .......................... Abweichungsanalyse im Produktivitätsergebnis .................................. Granularität und insolvenzspezifische Verbundeffekte als Einflussgrößen für den Value at Risk des Kreditportfolios .................. Prozessorientierte Standard-Einzelkostenrechnung ............................. Value at Risk für das Währungsrisiko .................................................. Alternative Möglichkeiten des Kreditrisikotransfers ........................... Controlling-System der Express-Bank ................................................. Geschäftsstellenrechnung ..................................................................... Eigenkapitalbedarfsanalyse .................................................................. IVG als Ansatz eines Wertorientierten Vergütungssystems................... Risikoadjustierte Eigenkapitalkosten im Risiko-Chancen-Kalkül ....... Laufzeit- und Marktbewertungsmethode .............................................. Dimensionale Ergebnisrechnung im Bank-Controlling ....................... Messung des Zinsspannenrisikos im Elastizitätskonzept .....................
1 7 18 28 39 48 62 69 80 92 105 115 128 138 144 152 164 173 178 191 207 215 233 246 256 265 276 285 295 306 315 323 334 369
Fallstudie 35: Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie
36: 37: 38: 39: 40: 41: 42: 43: 44: 45: 46: 47: 48: 49: 50:
Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie
51: 52: 53: 54: 55: 56: 57:
Fallstudie 58: Fallstudie 59: Fallstudie 60: Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie Fallstudie
61: 62: 63: 64: 65: 66:
Kalkulation von Ausfallrisikokosten mit der optionspreistheoretischen Risikokostenmethode ..................................................... Hedging mit Aktienindex-Futures ........................................................ Regulatorische Behandlung des Gegenparteienrisikos ........................ Regulatorische Ansätze zur Behandlung des operationellen Risikos ... Value at Risk eines Corporate-Bond-Portfolios ................................... Value at Risk zinsinduzierter Marktwertrisiken ................................... Integrierte Rendite-/Risikosteuerung des Zinsbuchs ............................ Deckungsbeitragsrechnung im Barwertkalkül ...................................... Periodisierung des Konditionsbeitrags-Barwertes ............................... Klassische Effektivzinsverfahren ......................................................... Treasury-konforme Effektivzinsrechnung und Margenkalkulation ..... Grundmodell der Marktzinsmethode .................................................... Expected-Loss-Kalkulation für das Ausfallrisiko ................................ Ratingmigrationen und Bonitätsrisikokosten ....................................... Kalkulation des Treasury-Erfolgs im Wertbereich ............................... Berücksichtigung von Liquiditätserfordernissen im Marktzinsmodell ................................................................................... Erweiterte ROI-Analyse anhand der UBS-Konzernrechnung .............. Währungstransformationsbeitrag .......................................................... ROI-Schema und vertikale Erweiterungen ........................................... Risikoadjustierte Kennzahlensystematik .............................................. Konzept der Finanzbewirtschaftung bei der UBS ................................ Determinanten des Währungsrisikos .................................................... Risikostatus und Risikolimite auf Gesamtbank- und Geschäftsbereichsebene ........................................................................................ Der Ergebniswürfel ............................................................................... Kostenorientierte Mindestmargenkalkulation ...................................... Anwendungsvoraussetzungen für die Verwendung eines analytisch ermittelten Value at Risk ...................................................................... Aufsichtsrechtliche Erfassung des Liquiditätsrisikos ........................... Alternative Verfahren der Risikokapitalallokation .............................. Eigenmittelunterlegung des Marktrisikos ............................................. Strategische Geschäftsfeldplanung ....................................................... Behandlung eigener Aktien am Beispiel der UBS ................................. Strukturelle Reihenfolge der Fallstudien gemäß Gliederungslogik im „Ertragsorientierten Bankmanagement“ ...............................................
385 396 404 421 428 439 457 471 481 492 500 511 518 527 535 551 558 573 580 593 601 611 622 631 640 657 665 678 691 711 723 734
XV
Inhaltsverzeichnis Band 2: Risiko-Controlling und integrierte Rendite-/Risikosteuerung Erstes Kapitel Risiko-Controlling im Konzept Ertragsorientierter Banksteuerung .........................
1
A. Einführung in die Problemstrukturen des Risiko-Controllings ..................................
1
I.
Grundsätze einer ertragsorientierten Risikopolitik .............................................
2
II. Abgrenzung relevanter Risikokategorien ...........................................................
3
III. Integrationsdimensionen des Risiko-Controllings ..............................................
9
1. Risikointegration ...........................................................................................
10
2. Prozessintegration ..........................................................................................
12
3. Zielintegration ...............................................................................................
14
B. Der Risikotragfähigkeitskalkül im Risiko-Controlling ...............................................
15
I.
Quantifizierung des Risikopotentials der Gesamtbank .......................................
16
1. Der Value at Risk als Maßgröße für das Risikopotential ..............................
16
2. Der Gesamtbank-Value at Risk .....................................................................
21
3. Value at Risk und Ökonomisches Kapital .....................................................
22
II. Bestimmung der verfügbaren Risikodeckungsmassen nach Art und Höhe ........
23
1. Abgrenzung unterschiedlicher Risikodeckungsmassen .................................
23
2. Komposition aufsichtlich anerkannter Haftungsmittel ..................................
24
a) Komponenten des aufsichtlichen Kernkapitals .......................................
25
b) Komponenten des aufsichtlichen Ergänzungskapitals ............................
26
c) Komponenten des aufsichtlichen Nachrangkapitals ................................
28
d) Abzugsposten und Randbedingungen der Eigenmittelanrechnung .........
30
3. Abstufung von Risikodeckungsmassen im Risikotragfähigkeitskalkül ..........
31
III. Verknüpfung von Risikopotentialen und Risikodeckungsmassen ......................
33
1. Differenzierung der Gleichgewichtsbedingungen im Risikotragfähigkeitskalkül für alternative Belastungsszenarien ....................
33
2. Abstimmung von Risikopotential und Risikodeckungsmassen am Beispiel ...........................................................................................................
34
3. Risikolimitierung als Budgetierung von Ökonomischem Kapital .................
40
XVII
C. Der Risiko-Chancen-Kalkül als zentraler Bezugspunkt eines integrierten Rentabilitäts- und Risiko-Controllings ....................................................................... I.
44
Risikoadjustierte Performance-Kennzahlen ........................................................
44
II. Kontrolle der risikoadjustierten Ergebnisse ........................................................
52
Literaturhinweise ..............................................................................................................
55
Zweites Kapitel Interne Risikomodelle und regulatorische Konzepte für das Risiko-Controlling ....
56
A. Einführende Grundlagen .............................................................................................
56
I.
Interne Modelle versus regulatorische Konzepte ................................................
56
II. Grundlagen einer bankinternen Risikomessung .................................................
58
1. Statistische Messverfahren ............................................................................
58
a) Berechnung von Maßzahlen in der beschreibenden Statistik ..................
59
b) Einsatz der beurteilenden Statistik für Risikomodelle ............................
67
c) Anforderungen an Finanzmarktdaten für statistische Auswertungen ......
73
2. Bestimmung des Value at Risk ......................................................................
76
a) Quantifizierung des Value at Risk anhand des analytischen Grundmodells ..........................................................................................
76
(1) Berechnung des Value at Risk einer einzelnen Position ...................
76
(2) Aggregation einzelner Value at Risk mit Hilfe der Korrelationskoeffizienten-Matrix .....................................................
83
(3) Erfassung des Gesamtbankrisikos mit einer Risikomatrix ...............
85
b) Simulative Vorgehensweise zur Quantifizierung des Value at Risk .......
86
(1) Historische Simulation ......................................................................
89
(2) Monte-Carlo-Simulation ...................................................................
92
3. Analyse der dargestellten Value at Risk-Modelle .........................................
95
a) Überprüfung der wichtigsten Modellannahmen .....................................
96
b) Mögliche Erweiterung der Modelle ........................................................
98
c) Einsatzmöglichkeiten der einzelnen Modelle ..........................................
99
III. Verwendung interner Modelle für aufsichtliche Zwecke ...................................
101
1. Anforderungen an interne Marktrisiko-Modelle ...........................................
101
2. Anforderungen an interne Kreditrisiko-Modelle ...........................................
109
3. Anforderungen an interne Modelle zur Messung operationeller Risiken .....
114
Literaturhinweise ..............................................................................................................
115
XVIII
B. Zur Philosophie und Konkretisierung bankaufsichtlicher Risikobegrenzungsnormen .......................................................................................... I.
116
Konzeption regulatorischer Massnahmen ...........................................................
116
1. Bankenregulierung als Folge von Marktversagen .........................................
116
2. Kritischer Vergleich alternativer Regulierungsinstrumente ..........................
117
a) Einlagensicherungssysteme als primäre Regulierungsinstrumente .........
117
b) Methoden der Eigenmittelregulierung als sekundäre Regulierungsinstrumente .........................................................................
119
c) Weitere Instrumente der Bankenregulierung.............................................
122
(1) Limitierung des Liquiditätsrisikos ....................................................
122
(2) Begrenzung von Grosskrediten und Klumpenrisiken .......................
125
II. Institutionelle Rahmenbedingungen der Bankenregulierung ..............................
128
1. Historie der aufsichtlichen Eigenmittelregulierung .......................................
128
2. Organisation der Bankenaufsicht in Deutschland und in der Schweiz ..........
133
a) Gesetzliche Grundlagen ...........................................................................
133
b) Träger der Bankenaufsicht .......................................................................
135
c) Prozesse der Bankenaufsicht ...................................................................
136
III. Materielle Ausgestaltung aufsichtlicher Eigenkapitalnormen ............................
138
1. Identifikation unterlegungspflichtiger Risiken ..............................................
138
2. Determinierung der erforderlichen Eigenmittelhöhe und Ermittlung der Eigenkapitalquote ..........................................................................................
140
3. „Basel II“ als Fortentwicklung des bankaufsichtlichen Regelwerks ............
143
a) Pfeiler 1: Mindesteigenmittelanforderungen ..........................................
144
b) Pfeiler 2: Aufsichtsrechtlicher Überprüfungsprozess .............................
145
c) Pfeiler 3: Kontrolle durch den Markt ......................................................
148
(1) Anwendungsbereich der Eigenmittelvorschriften .............................
148
(2) Eigenkapitalstruktur ..........................................................................
149
(3) Kapitaladäquanz ................................................................................
149
(4) Risiko-Exposure ................................................................................
150
Literaturhinweise ..............................................................................................................
153
C. Interne Modelle und regulatorische Konzepte für das Risiko-Controlling .................
154
I.
Das Kreditrisiko ..................................................................................................
154
1. Das Kreditrisiko im Spannungsfeld von erwarteten und unerwarteten Verlusten ........................................................................................................
154
2. Management von Kreditrisiken .....................................................................
158
a) Diskussion ausgewählter Kreditrisikomodelle ........................................
158 XIX
(1) Quantifizierung des Ausfallrisikos auf Portfolio-Ebene ...................
158
(a) Risikoergebnisbasierte Kreditrisikomessung ............................
158
(b) CreditRisk+™ ...........................................................................
161
(2) Quantifizierung des Bonitätsrisikos auf Portfolio-Ebene .................
173
(a) CreditMetrics™ ........................................................................
174
(b) CreditPortfolioView™ ..............................................................
180
(3) Vergleich der Kreditrisikomodelle aus anwendungsorientierter Sicht ..................................................................................................
191
b) Konzepte und Maßnahmen zur Begrenzung des Kreditrisikos ...............
194
(1) Systematisierung der Ansätze zur Risikobegrenzung .......................
194
(2) Risikodiversifikation des Kreditportfolios ........................................
197
(a) Normportfolio und strukturelle Risikolimite ..............................
197
(b) Diversifikation des Portfolios durch Granularität .....................
202
(c) Diversifikation des Portfolios durch die Nutzung risikoreduzierender Verbundeffekte ...........................................
208
(3) Transfer der Risiken im Kreditportfolio .............................................
218
(a) Mobilisierungsstrategien ...........................................................
219
(b) Einsatz von Kreditderivaten .....................................................
220
3. Aufsichtliche Konzepte zur Begrenzung des Kreditrisikos ...........................
232
a) Das spezifische Risiko als Komponente des Marktrisikos ......................
233
b) Gegenparteirisiken von Handelsbuchpositionen .....................................
235
c) Begrenzung des Kreditrisikos ..................................................................
236
(1) Grundlagen ........................................................................................
236
(2) Ermittlung der anrechnungspflichtigen Risikovolumina ..................
237
(a) Berechnung des Risikovolumens bei bilanziellen Geschäften ...
237
(b) Berechnung des Risikovolumens bei traditionellen ausserbilanziellen Geschäften ...................................................
238
(c) Berechnung des Risikovolumens bei modernen ausserbilanziellen Geschäften ...................................................
239
(3) Gewichtung der Risikovolumina in Abhängigkeit des jeweiligen Risikogehalts .....................................................................................
256
(a) Methodik nach Basel I ................................................................
256
(b) Die Neuregelung der Bonitätsgewichtung im Rahmen von „Basel II“ ....................................................................................
260
(4) Abbildung der Risikostruktur mittels aufsichtlicher Kennzahlen .....
289
Literaturhinweise ..............................................................................................................
293
XX
II. Das Zinsänderungsrisiko .....................................................................................
294
1. Begriff, Ausprägungen und Steuerungsbereiche des Zinsänderungsrisikos .....................................................................................
294
2. Management von Zinsänderungsrisiken ........................................................
298
a) Konzeption moderner Zinsrisikomessverfahren ......................................
298
(1) Grundlagen ........................................................................................
298
(2) Quantifizierung von Marktwertrisiken ...............................................
301
(a) Indirekte Bestimmung von Marktwertrisiken ...........................
301
(b) Direkte Bestimmung von Marktwertrisiken mittels Cash Flow-Neubewertung .................................................................
320
(3) Quantifizierung des Zinsspannenrisikos .............................................
325
(a) Das Konzept der Zinsbindungsbilanz .......................................
326
(b) Das Elastizitätskonzept .............................................................
329
b) Begrenzung des Zinsänderungsrisikos ....................................................
349
(1) Instrumente zur Limitierung des Zinsänderungsrisikos ....................
349
(a) Bilanzwirksame Steuerungsinstrumente ...................................
350
(b) Ausgewählte Finanzderivate .....................................................
352
(2) Strategien zur Limitierung des Zinsänderungsrisikos ......................
365
3. Aufsichtliche Konzepte zur Begrenzung von Zinsänderungsrisiken ..............
379
a) Identifikation der anrechnungspflichtigen bilanziellen und ausserbilanziellen Geschäfte ....................................................................
379
b) Quantifizierung von Risikopositionen und Unterlegung mit Eigenmitteln .............................................................................................
385
c) Abbildung der Risikostruktur mittels aufsichtlicher Kennzahlen ...........
400
Literaturhinweise ..............................................................................................................
402
III. Das Währungsrisiko ............................................................................................
403
1. Das Devisenhandelsgeschäft und dessen Instrumente ...................................
404
2. Interne Modelle zur Analyse und Limitierung des Währungsrisikos ............
416
a) Wechselkursverschiebungen als Ursache von Währungsrisiken ............
416
b) Dimensionen der Risikoquantifizierung von Fremdwährungsgeschäften ......................................................................
417
(1) Handelsbilanzorientierte Betrachtungsweise ....................................
417
(a) Das Devisenkursrisiko ..............................................................
417
(b) Das Swapsatzrisiko ...................................................................
418
(2) Marktwertorientierte Betrachtungsweise ..........................................
424
(a) Modellierung der Marktwertrisikoparameter ...........................
424
(b) Kalkulation des Marktwertrisikos von Währungsportfolios.......
427
XXI
c) Instrumente zur Steuerung des Währungsrisikos......................................
430
(1) Absicherung mit Hilfe klassischer Währungsinstrumente ................
432
(2) Risikosteuerung mit modernen Absicherungsinstrumenten ...............
433
3. Aufsichtliche Konzepte zur Risikobegrenzung von Fremdwährungsgeschäften ............................................................................
437
a) Identifikation der anrechnungspflichtigen bilanziellen und ausserbilanziellen Geschäfte ....................................................................
437
b) Quantifizierung von Risikopositionen und Unterlegung mit Eigenmitteln .............................................................................................
441
c) Abbildung der Risikostruktur mittels aufsichtlicher Kennzahlen ...........
444
Literaturhinweise ..............................................................................................................
446
IV. Das Aktienkursrisiko ..........................................................................................
447
1. Begriff und Wesen des Aktienkursrisikos .....................................................
447
2. Management von Aktienkursrisiken................................................................
447
a) Messung von Aktienkursrisiken ..............................................................
448
(1) Das Aktienkursrisiko im Grundmodell der Risikomessung .............
448
(2) Der Einsatz des Beta-Faktors im Rahmen eines Indikator-Modells...
450
b) Maßnahmen zur Steuerung von Aktienkursrisiken .................................
453
(1) Die Risikodiversifikation von Aktienportfolios .................................
454
(a) Das Konzept der Kapitalmarktlinie ............................................
454
(b) Beispiel zur Bestimmung eines optimal diversifizierten Aktienportfolios ..........................................................................
462
(c) Der Einsatz des Capital Asset Pricing Models zur Strukturierung von Aktienportfolios...........................................
466
(2) Hedging von Aktienkursrisiken mit derivativen Instrumenten...........
467
(a) Hedging mit Aktienoptionen ......................................................
468
(b) Hedging mit Aktienindexfutures ................................................
478
3. Aufsichtliche Konzepte zur Begrenzung des Aktienkursrisikos ...................
482
a) Identifikation der anrechnungspflichtigen bilanziellen und ausserbilanziellen Geschäfte......................................................................
482
b) Quantifizierung von Risikopositionen und Unterlegung mit Eigenmitteln...............................................................................................
483
c) Abbildung der Risikostruktur mittels aufsichtlicher Kennzahlen ...........
485
Literaturhinweise ..............................................................................................................
486
V. Das operationelle Risiko .....................................................................................
487
1. Typologisierung des operationellen Risikos .................................................
487
2. Management des operationellen Risikos .......................................................
488
a) Identifizierung des operationellen Risikos ..............................................
489
XXII
(1) Qualitative Ansätze der Risikoidentifikation......................................
489
(2) Quantitative Ansätze der Risikoidentifikation....................................
491
b) Messung des operationellen Risikos .........................................................
492
(1) Ansätze zur qualitativen Bewertung des operationellen Risikos........
493
(a) Basisinstrumente zur qualitativen Risikobewertung.................
493
(b) Entwicklung eines bankinternen Operational Risk RatingSystems .....................................................................................
494
(2) Risikoquantifizierung durch Modellierung von Verlustdaten ............
496
(a) Stochastische Modellierung ......................................................
496
(b) Extremwerttheorie.....................................................................
501
(3) Kausale Risikomessung als Synthese qualitativer und quantitativer Messansätze ........................................................................................
502
c) Steuerung des operationellen Risikos........................................................
502
(1) Ansatzpunkte zur Vermeidung und Minderung operationeller Risiken ................................................................................................
503
(2) Instrumente des alternativen Risikotransfers ......................................
503
(a) Traditionelle Versicherungsprodukte .......................................
503
(b) Alternative Risk Transfer..........................................................
504
(c) Hybride Instrumente .................................................................
505
(3) Problemstrukturen der Bestimmung optimaler Steuerungsmaßnahmen .......................................................................
505
3. Aufsichtliche Konzepte zur Begrenzung operationeller Risiken ..................
507
Literaturhinweise ..............................................................................................................
511
VI. Das Liquiditätsrisiko ............................................................................................
512
1. Begriff und Wesen des Liquiditätsrisikos .......................................................
512
a) Objekt- und bankbezogenes Liquiditätsrisiko ...........................................
512
b) Originäres und derivatives Liquiditätsrisiko .............................................
513
c) Überleitung zahlungsstrombezogener in erfolgswirksame Liquiditätsrisiken .......................................................................................
515
2. Messung von Liquiditätsrisiken ......................................................................
516
a) Messung zahlungsstrombezogener Liquiditätsrisiken...............................
516
(1) Messung dispositiver Liquiditätsrisiken .............................................
516
(2) Messung struktureller Liquiditätsrisiken ............................................
518
b) Ermittlung des erfolgswirksamen Liquiditätsrisikos.................................
519
(1) Erfolgswirkung dispositiven Liquiditätsbedarfs .................................
519
(2) Erfolgswirkung strukturellen Liquiditätsbedarfs ................................
520
(3) Erfolgswirkung von Liquiditätsüberschüssen.....................................
520
XXIII
3. Maßnahmen zur Steuerung von Liquiditätsrisiken..........................................
521
a) Steuerung des dispositiven Liquiditätsrisikos ...........................................
521
b) Steuerung des strukturellen Liquiditätsrisikos ..........................................
523
Literaturhinweise ................................................................................................................
525
Drittes Kapitel Konzeption einer integrierten Rendite-/Risikosteuerung ...........................................
526
A. Grundlagen einer integrierten Rendite-/Risikosteuerung ...........................................
526
I.
Die vier Stufen einer integrierten Rendite-/Risikosteuerung ..............................
526
II. Integrierte Rendite-/Risikosteuerung mit Hilfe risikoadjustierter Kennzahlen ..........................................................................................................
528
1. Das Grundschema eines risikoadjustierten Kennzahlensystems ...................
529
2. Planung und Kontrolle der risikoadjustierten Ergebnisse .............................
530
a) Planung geschäftsbereichsbezogener RORAC-Kennzahlen ...................
531
b) Kontrolle der risikoadjustierten Ergebnisse ............................................
533
B. Verfahren zur Allokation von Risikokapital im Bankportfolio ..................................
537
I.
Ansätze zur Dekomposition des Gesamtbank-Value at Risk .............................
537
1. Kriterienkatalog .............................................................................................
537
2. Darstellung der alternativen Ansätze .............................................................
540
a) Allokation auf Basis von Stand-alone-Größen ........................................
540
b) Verwendung des diskreten Delta-Value-at-Risk .....................................
544
c) Allokation mit Hilfe proportional adjustierter Value at Risk-Größen .....
547
d) Konzept des marginalen Delta-Value-at-Risk .........................................
552
e) Verwendung des proportional adjustierten Delta-Value-at-Risk ..............
557
3. Kritische Würdigung der Allokationsmethoden ............................................
558
Literaturhinweise ..............................................................................................................
565
II. Risikokapitalallokation unter zusätzlicher Berücksichtigung von Rendite-/ Risikorelationen ..................................................................................................
566
1. Zum Problem der optimalen Risikokapitalallokation ....................................
566
2. Modellanalytische Rendite-/Risiko-Optimierung der Bilanzstruktur ...........
572
a) Bestimmungsfaktoren der optimalen Bilanzstruktur im Modell .............
572
b) Lösung des Optimierungsmodells ...........................................................
580
(1) Optimierung der Kundengeschäftsstruktur mit Hilfe des Simplex Algorithmus ........................................................................
580
XXIV
(2) Optimierung der Bilanzstruktur unter Berücksichtigung der optimalen Kundengeschäftsstruktur ..................................................
587
c) Sensitivitäts- und parametrische Variationsanalysen ..............................
591
3. Ein Praxisansatz zur Optimierung der Risikokapitalallokation .....................
596
a) Schrittweise Optimierung anhand einer exemplarischen Beispielbank ..
596
(1) Beschreibung der Ausgangssituation ................................................
596
(a) Risikomessung im Geschäftsbereich Asset Management ........
596
(b) Risikomessung im Geschäftsbereich Firmenkundengeschäft ....
601
(c) Ermittlung des Gesamtbank-RORAC .......................................
604
(2) Mehrdimensionale Optimierung der Gesamtbank unter Nebenbedingungen ...........................................................................
605
(3) Praxisorientierte Allokation im Rahmen einer Korridor-Planung ....
617
b) Entwicklung eines Best Practice-Ansatzes zur bereichsspezifischen Zuordnung von Risikokapital ..................................................................
619
(1) Definition der allgemeingültigen Nebenbedingungen ........................
619
(2) Technischer Ablauf der sukzessiv optimierten Allokation von Risikokapital .......................................................................................
622
(3) Grenzen der praktischen Implementierbarkeit in Banken .................
635
4. Modell der dualen Risikokapitalallokation und –bepreisung unter Berücksichtigung zentraler und dezentraler Risikokompetenzen ...................
636
a) Das Grundmodell der dualen Risikokapitalallokation und -bepreisung ...
636
(1) Prozess und Prämissen des dualen Allokations- und Bepreisungsansatzes ...........................................................................
636
(a) Prozess der dualen Allokation von Risikokapital .....................
636
(b) Prämissen des Modells..............................................................
638
(2) Herleitung der Normstruktur und der zentral allozierten Risikokapitalkosten.............................................................................
639
(a) Risk-Return-Profil der Bank in der Ausgangssituation ..............
639
(b) Festlegung des Normportfolios bei unverändertem GesamtVaR .............................................................................................
643
(c) Ermittlung der zentral allozierten Risikokapitalkosten in der Normstruktur...............................................................................
649
(3) Kalkulation der dezentral verantworteten Risikokapitalkosten ..........
649
b) Erweiterungen des Modells der dualen Risikokapitalallokation und -bepreisung ................................................................................................
657
c) Möglichkeiten und Grenzen des dualen Allokations- und Bepreisungsmodells...................................................................................
665
Literaturhinweise ..............................................................................................................
668
XXV
C. Steuerung des Zinsbuchs als angewandtes Beispiel einer integrierten Rendite-/ Risikosteuerung ........................................................................................................... I.
669
Kernfunktionen des Treasury-Managements ......................................................
669
II. Konzeption der marktwertorientierten Zinsbuchsteuerung und deren Einbindung in die Steuerung des Zinsänderungsrisikos .....................................
671
III. Prozessstufen der integrierten Rendite-/Risikosteuerung des Zinsbuches .........
673
1. Generierung des Gesamtbank-Cash Flow der zinsabhängigen Positionen ...
674
2. Bewertung des Cash Flow-Profils und Aufstellung der Marktwertbilanz ....
676
3. Ermittlung von Performance und Risikostatus ..............................................
679
4. Ableitung von Steuerungsmaßnahmen ..........................................................
685
5. Ex post-Analyse und Risiko-Reporting .........................................................
691
Literaturhinweise ..............................................................................................................
692
Literaturverzeichnis ..........................................................................................................
693
Stichwortverzeichnis .........................................................................................................
739
XXVI
Erstes Kapitel Risiko-Controlling im Konzept Ertragsorientierter Banksteuerung A. EINFÜHRUNG IN DIE PROBLEMSTRUKTUREN DES RISIKO-CONTROLLINGS Ertragsorientiertes Bankmanagement betont zwar das Primat der Rentabilität, bindet aber konzeptionell Wachstums- und risikopolitische Ziele entsprechend abgestuft stets mit ein. Die Risikodimension ist für die Gesamtkonzeption Ertragsorientierter Banksteuerung in mehrfacher Hinsicht von zentraler Bedeutung: (1) Die Vorschriften der Bankenaufsicht und der speziellen Bankgesetze sollen sicherstellen, dass Kreditinstitute ihre Risiken hinreichend begrenzen und Sorge für eine den eingegangenen Risiken gegenüber adäquate Eigenmitteldeckung tragen. (2) Schlagend werdende Risiken beeinflussen die Bankrentabilität einerseits in der Regel negativ, andererseits ist das gezielte Eingehen von Risiken Voraussetzung dafür, um eine angemessene Performance überhaupt zu ermöglichen. (3) Schließlich ist die Erweiterung des Konzepts Ertragsorientierter Banksteuerung hin zu einer Wertsteuerung im Sinne des Shareholder Value-Konzepts gleichbedeutend mit einer integrativen Berücksichtigung des Rentabilitäts- und Risiko-Controllings. Diese explizite Integration von Rentabilitäts- und Risikokriterien gilt heute als Inbegriff moderner Gesamtbanksteuerung. Damit ergänzt der vorliegende Band 2 des Gesamtwerks „Ertragsorientiertes Bankmanagement“ die Themenbehandlung in zweifacher Weise: Zum einen wendet sich der Fokus von der Rentabilitäts- und Ergebnissteuerung, die Band 1 beherrscht hat, zur Risikosteuerung, die sich mit Fragen der Risikomessung und Risikobegrenzung im Rahmen von Tragfähigkeitsanalysen auseinanderzusetzen hat. Zum anderen wird das Risiko-Controlling konsequent mit dem Rentabilitäts-Controlling im Sinne eines Konzepts zur integrierten Rendite-/Risikosteuerung verknüpft. Letzteres ist folgerichtig der Höhe- und Schlusspunkt des Gesamtkonzepts Ertragsorientierter Banksteuerung. Abbildung 1 verdeutlicht diese so verstandene Struktur eines modernen Bank-Controllings. Die eingezeichneten Pfeile versinnbildlichen einerseits die skizzierten Entwicklungslinien und andererseits die Rückkoppelungsbeziehungen, indem die Rentabilitäts- und Ergebnissteuerung letztlich auch Impulse seitens der Risikosteuerung erhalten wird und beide nicht unbeeinflusst von einer integrierten Gesamtschau von Rentabilitäts- und Risikosteuerung gesehen werden können.
H. Schierenbeck et al., Ertragsorientiertes Bankmanagement, DOI 10.1007/978-3-8349-9142-3_1, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
1
Integrierte Rendite-/Risikosteuerung
Risikosteuerung Risikomessung Risikotragfähigkeitsanalysen Risikobegrenzung
Rentabilitäts- und Ergebnissteuerung Gesamtbank
Geschäftsbereiche
Abb. 1: Die Gesamtkonzeption Ertragsorientierter Banksteuerung
I.
Grundsätze einer ertragsorientierten Risikopolitik
Die ertragsorientierte Risikopolitik ist als Teil der Geschäftsphilosophie für die Konzeption eines integrierten Risiko-Controllings von besonderer Bedeutung. Sie ist – wie die ertragsorientierte Geschäftspolitik und die ertragsorientierte Wachstumspolitik – als wesentlicher Baustein eingebunden in die Triade des Ertragsorientierten Bankmanagements (vgl. Band 1, S. 1 ff.). Wichtige Aspekte zur Philosophie dieses dritten Grundprinzips verdeutlichen die nachfolgenden Grundsätze (vgl. Abb. 2): •
Grundsatz 1: Risikoübernahme darf kein Selbstzweck sein und muss dem Rentabilitätsdenken konsequent untergeordnet werden. Dementsprechend müssen im Rahmen einer ertragsorientierten Risikopolitik die Risiken und Chancen von Geschäften und Geschäftsstrukturen stets aufeinander abgestimmt werden. Erst wenn sich im Rahmen dieses Abstimmungsprozesses ein lohnendes Risiko-Chancen-Profil zeigt, also eine akzeptable RisikoErtragschance im Verhältnis zum vorhandenen Risikopotential zu erwarten ist, sollten Risiken übernommen werden.
•
Grundsatz 2: Selbst wenn aber die Übernahme von Risiken in diesem Sinne als lohnenswert erscheint, muss stets noch geprüft werden, ob sich ein Kreditinstitut die Übernahme dieser Risiken überhaupt leisten kann. Das heißt, es ist zwingend eine Abstimmung zwischen den zu quantifizierenden Risikopotentialen einerseits und den allokierten Risikodeckungspotentialen des Kreditinstitutes andererseits vorzunehmen. Die sogenannte Risikotragfähigkeitskapazität hat also stets konsequent das existierende Risikopotential zu begrenzen.
2
Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze zur ertragsorientierten Risikopolitik ergeben sich für ein Kreditinstitut also zwei zentrale Problemstellungen: Das Risiko-Management muss zuerst klären, ob sich das Kreditinstitut die Risikoübernahme überhaupt leisten kann bzw. ob die Risikotragfähigkeit des Kreditinstitutes gegeben ist. Des Weiteren muss überprüft werden, ob sich die Übernahme der Risiken überhaupt lohnt, d.h. welche Chancen eines Kreditinstitutes aus der Übernahme von Risiken entstehen. Diese getrennt voneinander zu beantwortenden Fragestellungen führen zwangsläufig zu den beiden im Risiko-Controlling der Kreditinstitute zu unterscheidenden Risikokalkülen, dem Risikotragfähigkeitskalkül (vgl. Teil B.) und dem Risiko-Chancen-Kalkül (vgl. Teil C.).
Risikotragfähigkeitskapazität (Risk Taking Capacity)
Risikopotential (Risk Exposure) Value at Risk
Grundsätze der Risikotragfähigkeit
Liquidity at Risk
Risiko-Ertragschancen (Risk Performance)
Grundsätze der Risikoperformance
Abb. 2: Risikokalküle im Konzept ertragsorientierter Banksteuerung
Die Einigung auf einen einheitlichen Risikobegriff ist die Grundlage für die Formulierung von Risikotragfähigkeits- und Risiko-Performance-Grundsätzen. Das zentrale Messkonzept für das Risikopotential ist der „Value at Risk“, auf den ausführlich einzugehen sein wird (vgl. S. 76 ff.). Da sich dieser aber nur auf die Messung von Erfolgsrisiken bezieht, ist als Pendant dazu entsprechend die „Liquidity at Risk“ – oder auch „Financial Mobility at Risk“ genannt – für Liquiditätsrisiken zu definieren. In der jüngeren Vergangenheit wurden erste wissenschaftliche Arbeiten zum Konzept des Liquidity at Risk veröffentlicht (Pohl 2007, Zeranski 2005). Deren Erkenntnisse werden im zweiten Kapitel Abschnitt C.VI. erörtert.
II.
Abgrenzung relevanter Risikokategorien
Für eine systematische Risikosteuerung im Sinne der genannten Risikokalküle ist insbesondere die saubere Differenzierung der banktypischen Risikokategorien von elementarer Bedeutung. Zu diesem Zweck können verschiedene dichotomische Begriffspaare gebildet werden: •
Finanzrisiken vs. operationelle Risiken,
•
Transaktionsrisiken vs. Positionsrisiken,
3
•
Erfolgsrisiken vs. Liquiditätsrisiken,
•
Gegenparteienrisiken vs. Marktrisiken,
•
einzelgeschäftsbezogene Risiken vs. geschäftsstrukturbezogene Risiken und
•
unsystematische vs. systematische Risiken.
Abbildung 3 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen den genannten Risikokategorien. Mit Ausnahme der Marktrisiken, die stets als strukturabhängige Risiken zu kennzeichnen sind, ist jede Risikokategorie mit beiden Ausprägungen des jeweils nachgelagerten Risikobegriffspaares verknüpft.
Finanzrisiken
Operationelle Risiken
Transaktionsrisiken
Positionsrisiken
Erfolgsrisiken
Liquiditätsrisiken
Gegenparteirisiken
Marktrisiken
einzelgeschäftsbezogene Risiken
geschäftsstrukturbezogene Risiken
unsystematische Risiken
systematische Risiken
Abb. 3: Dichotomie banktypischer Risiken im Zusammenhang
Auf einer ersten Ebene kann zwischen Finanzrisiken und operationellen Risiken unterschieden werden. Finanzrisiken beziehen sich unmittelbar auf die Finanzströme eines Kreditinstitutes und umfassen daher sämtliche Risiken des Wertbereiches. Die operationellen Risiken umfassen hingegen operative sowie strategische Risiken und stellen damit primär auf die Risiken des Betriebsbereiches ab (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1997a). Bei den operativen Risiken können technische Risiken und Verhaltensrisiken unterschieden werden. Technische Risiken beziehen sich dabei auf sämtliche Probleme, die innerhalb der Kommunikation eines Kreditinstitutes sowie der Informatik auftreten können. Nicht überschneidungsfrei von diesen zu trennen sind Katastrophenrisiken, etwa die Gefahr eines Erdbebens oder eines Elektrizitätsausfalls, da aus letzteren auch durchaus negative Implikationen für die Kommunikation oder Informatik erwachsen können. Die Verhaltensrisiken beinhalten schließlich einerseits die Gefahr ungewollter Personalabwanderungen und andererseits die Gefahr, dass ein Kreditinstitut
4
infolge von Betrug, Irrtum oder Fahrlässigkeit ihrer Mitarbeiter oder eines Dritten Schaden nimmt. Von den operativen Risiken abzugrenzen sind die strategischen Risiken. Darunter sind vor allem Investitionsrisiken zu verstehen. Sie beschreiben die Gefahr fehlerhafter Entscheidungen hinsichtlich des Auf- oder Abbaus von Geschäftsfeldern bzw. Produkten. Zu den strategischen Risiken werden auch Ereignisrisiken (Event Risks) gezählt, die sämtliche rechtliche und regulatorische Aspekte umfassen. Die enorme Bedeutung der operationellen Risiken, auf die in Kreditinstituten ein immer stärkeres Augenmerk gelegt wird, lässt sich leicht an der Vielzahl prominenter Beispiele schlagend gewordener operationeller Risiken ablesen. Zu nennen sind in diesem Kontext beispielsweise die Verluste der Metallgesellschaft (1 Mrd. USD), der Daiwa Bank (1,1 Mrd. USD), Barings (1,57 Mrd. USD), der Deutsche Morgan Grenfell (400 Mio. GBP) und die Verluste, die durch den Immobilienspekulanten Schneider (2,56 Mrd. EUR) sowie Balsam (1,18 Mrd. EUR) verursacht wurden. Sowohl Finanzrisiken als auch operationelle Risiken können entweder in Form von Transaktionsrisiken oder als Positionsrisiken auftreten. Transaktionsrisiken umfassen einerseits Abwicklungsrisiken, d.h. alle Gefahren, die aus (fehlerhaften) Arbeitsabläufen entstehen können. Diese treten insbesondere bei komplexen Produkten auf, wie beispielsweise bei Finanzderivaten oder bei bearbeitungsaufwendigen Akkreditivgeschäften und müssen klassenlogisch zu den operationellen Risiken gezählt werden. Andererseits entstehen Erfüllungsrisiken, wenn bei Transaktionen, die Zug-um-Zug abgewickelt werden (wie vor allem im Devisengeschäft) die Gegenpartei ihrer Lieferverpflichtung nicht nachkommt, obwohl die eigene Seite bereits geleistet hat. Davon abzugrenzen sind die Positionsrisiken. Diese ergeben sich, wenn sich der Wert einer Geschäftsposition beispielsweise aufgrund von Marktbewegungen oder Bonitätsveränderungen zum Nachteil des Kreditinstitutes verändert. Bezüglich der Risiken des Wertbereiches lassen sich Erfolgs- und Liquiditätsrisiken unterscheiden. Finanzielle Erfolgsrisiken werden auch als (Eigenkapital-) Verlustrisiken bezeichnet. Sie mindern, wenn sie schlagend werden, den Erfolg eines Kreditinstitutes oder führen sogar zu Verlust. Demgegenüber beinhalten Liquiditätsrisiken primär Fristigkeitsrisiken, die sich in der Gefahr äußern, dass die Liquiditätsdispositionen eines Kreditinstitutes nach Umfang und zeitlicher Struktur nicht in der für die Sicherung der Liquidität notwendigen Qualität aufrechterhalten werden können. Einen besonderen Aspekt des Liquiditätsrisikos beschreibt das Liquidationsrisiko von Anlagen mangels ausreichender Marktliquidität. Abbildung 4 zeigt eine weitergehende Aufteilung von Erfolgsrisiken in Gegenpartei- und Marktrisiken, die ihrerseits jeweils weiter untergliedert sind.
5
Finanzielle Erfolgsrisiken
Gegenparteirisiken
Kreditrisiken
Aktienkursrisiken
aus (klassischen) bilanzwirksamen Geschäften
Marktrisiken
Zinsänderungsrisiken
Währungsrisiken
Rohstoffpreisrisiken
aus Termin-, Options- und Swapgeschäften
Abb. 4: Abgrenzung von finanziellen Erfolgsrisikokategorien (ohne operationelle Risiken)
Gegenparteienrisiken treten in erster Linie als Kreditrisiken auf. In einer ersten Annäherung sind sie mit dem Risiko der Zahlungsunfähigkeit einer Gegenpartei bei Ausleihungen, Garantien oder auch bei Derivatkontrakten verbunden (Ausfallrisiko). In einer erweiterten Version wird auch das Bonitätsrisiko zum Kreditrisiko gezählt. Dieses umschreibt die Gefahr, dass sich die Bonität des Kreditnehmers respektive Anleihe-Schuldners nach Beginn der Kreditlaufzeit bzw. nach dem Kauf eines Wertpapiers verschlechtert. Verknüpfungen des Gegenparteirisikos zum Aktienkursrisiko und zum Zinsänderungsrisiko ergeben sich insofern, als insbesondere Bonitätsrisiken (aber auch Ausfallrisiken) den Kurswert von Aktien- und Zinspositionen negativ beeinflussen. Marktrisiken beschreiben allgemein die Gefahr negativer Entwicklungen eines Marktes für das Kreditinstitut. Hierzu zählen das Aktienkursrisiko, das Zinsänderungsrisiko, das Währungsrisiko und das Rohstoffpreisrisiko. Bei den Aktienkurs- und Zinsänderungsrisiken ist das emittentenspezifische Gegenparteienrisiko von dem allgemeinen Marktrisiko abzugrenzen. Dementsprechend ist unter dem marktabhängigen Aktienkursrisiko allgemein die Gefahr zu verstehen, dass sich der Wert eines Aktienportfolios aufgrund von Marktbewegungen vermindert. Das Aktienkursrisiko umfasst deshalb als Marktrisiko lediglich die Gefahr von Aktienkursschwankungen, die sich aus dem Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage ergeben, die wiederum von den unterschiedlichsten fundamentalen und technischen Faktoren abhängen. Unter dem Zinsänderungsrisiko wird die Gefahr der von Marktzinsänderungen herbeigeführten Verringerung einer geplanten oder erwarteten Zinsergebnisgröße verstanden. Es tritt als Zinsspannenrisiko auf, wenn Marktzinsänderungen zu Lasten der Zinsspanne gehen oder als Marktwertrisiko, wenn Änderungen des Zinsniveaus zu negativen Marktwerteffekten von Aktiv- oder Passivpositionen führen. 6
Das Währungsrisiko kann für Kreditinstitute naturgemäß nur dann entstehen, wenn sie Fremdwährungspositionen in ihrer Bilanz halten, wobei Fremdwährungsaktiva (-passiva) zu einem Verlust führen, wenn die heimische Währung aufgewertet (abgewertet) wird. Wie beim allgemeinen Zinsänderungsrisiko kompensieren sich auch beim Währungsrisiko Erfolgswirkungen auf der Aktiv- und Passivseite. Ertragsbelastungen aufgrund von Währungsparitätsänderungen können sich deshalb nur bei nicht ausgeglichenen Währungspositionen ergeben. Offene Positionen können hierbei als Folge betragsmäßiger Differenzen bei Währungspositionen gleicher Fristigkeit (Devisenkursrisiko) und/oder aufgrund unterschiedlicher Fälligkeiten der Liefer- und Abnahmeverpflichtungen (Swapsatzrisiko) auftreten. In einer weiteren Abgrenzung wird häufig auch das Goldpreisrisiko, d.h. die Gefahr einer für das Kreditinstitut nachteiligen Entwicklung des Goldpreises zum Währungsrisiko, gezählt. Die verbleibenden Edelmetallkursrisiken (Silber, Platin etc.) werden aber im Regelfall den Rohstoffpreisrisiken zugerechnet. Hierunter fallen sämtliche Erfolgseinbußen, die aus einer für das Kreditinstitut ungünstigen Entwicklung von Rohstoffpreisen und/oder Edelmetallpreisen (außer Gold) resultieren. Von den Erfolgsrisiken sind die Liquiditätsrisiken abzugrenzen. Soweit sie nicht als unmittelbare Folge von Erfolgsrisiken auftreten, lassen sich drei Hauptkategorien von Liquiditätsrisiken unterscheiden, wie Abbildung 5 veranschaulicht: •
Das Liquiditätsanspannungsrisiko besteht in der Gefahr, dass mangels ausreichender Marktliquidität Liquidationen erschwert werden (Liquidationsrisiko) und/oder dass erforderliche Anschlussfinanzierungen nicht (oder nur zu schlechteren Konditionen) durchgeführt werden können (Risiko der Anschlussfinanzierung).
•
Das Terminrisiko beinhaltet die Gefahr einer unplanmäßigen Verlängerung der Kapitalbindungsdauer von Aktivgeschäften. Gründe hierfür können im Markt (Markthemmnisse verzögern den Liquiditätszufluss) oder bei der Gegenpartei (Schuldner zahlt nicht pünktlich) liegen.
•
Das Abrufrisiko besteht schließlich in der Gefahr, dass Kreditzusagen unerwartet in Anspruch genommen bzw. Einlagen unerwartet abgerufen werden. Es ist stets ein Gegenparteirisiko und tritt sowohl als aktivisches als auch als passivisches Liquiditätsrisiko in Erscheinung. Darüber hinaus ist es für diese Risikokategorie typisch, dass sie vornehmlich im Großkredit- und -einlagengeschäft auftritt.
7
Liquiditätsrisiken
Gegenparteirisiken
Abrufrisiken
Marktrisiken
Terminrisiken
aus (klassischen) bilanzwirksamen Geschäften
Liquiditätsanspannungsrisiken
aus Termin-, Options- und Swapgeschäften
Abb. 5: Abgrenzung von Liquiditätsrisikokategorien
Bezüglich der Erfolgs- und Liquiditätsrisiken ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass diese sich nicht nur aus den (klassischen) bilanzwirksamen Geschäften, sondern auch aus Termin-, Options- und Swap-Geschäften ergeben können. Die Abgrenzung zwischen einzelgeschäftsbezogenen Risiken und geschäftsstrukturbezogenen Risiken ist erforderlich, da ein Großteil der zu steuernden Risken wie etwa die gesamten Marktrisiken prinzipiell nicht aus dem Einzelgeschäft, sondern aus der Struktur aller Aktiv- und Passivgeschäfte entstehen. Strukturelle Risiken entstehen aber auch im Kreditgeschäft, wo jene sich etwa in der aus der Größen- oder Branchenverteilung ergebenden Risikostruktur des Kreditportfolios ausdrücken. Streng genommen sind es sogar ausschließlich die strukturellen Risiken, die im Kreditgeschäft das Risiko beschreiben. Denn die erwarteten Kreditverluste werden über Risikoprämien in eine Kostenkomponente des Betriebsergebnisses transformiert. Als Kreditrisiko lassen sich daher nur noch die (verbleibenden) unerwarteten Verluste bezeichnen, die auf eine unzureichende Strukturierung (Risikodiversifikation und Risikozerfällung) des Kreditportfolios oder allgemeine Marktentwicklungen z.B. aus Insolvenzwellen zurückzuführen sind. Die Trennung zwischen systematischen und unsystematischen Risiken ist kapitalmarkttheoretisch geprägt. Dabei wird das Gesamtrisiko einer bestimmten Position in zwei Teile zerlegt. Ein Teil des Gesamtrisikos ist darauf zurückzuführen, dass es allgemeine Marktschwankungen, z.B. des Aktienmarktes, gibt. Diesen Risikoteil bezeichnet man als systematisches Risiko. Daneben existiert aber auch ein titelspezifisches Risiko, das durch spezielle, von der Gesamtmarktentwicklung losgelöste Ereignisse entsteht. Letzteres wird als unsystematisches Risiko bezeichnet. Das unsystematische Risiko, das auch als unternehmens- oder titelspezifisches Risiko bezeichnet wird, kann durch Diversifikation eliminiert werden. Für die Gesamtbanksteuerung muss das Gesamtbankrisiko sauber in steuerungsrelevante Teilbereiche zerlegt werden. Dazu wird auf oberster Ebene die Trennung von Finanzrisiken 8
und operationellen Risiken erforderlich. Die Finanzrisiken werden in Liquiditäts-, Kredit- und Marktpreisrisiken unterteilt. Den Marktpreisrisiken werden schlieȕlich Aktienkurs-, Zinsänderungs-, Währungs- und Rohstoffpreisrisiken zugerechnet (vgl. Abb. 6).
Gesamtbankrisiko
Finanzrisiken
Liquiditätsrisiken
Kreditrisiken
Aktienkursrisiken
Operationelle Risiken
Marktpreisrisiken
Zinsänderungsrisiken
Währungsrisiken
Rohstoffpreisrisiken
Abb. 6: Aufteilung des Gesamtbankrisikos
III. Integrationsdimensionen des Risiko-Controllings Auf den Grundsätzen des Risikomanagements aufbauend und vor dem Hintergrund einer exakten Abgrenzung der unterschiedlichen Risikokategorien lässt sich für eine erfolgreiche ertragsorientierte Risikopolitik die zentrale Anforderung formulieren, dass das RisikoControlling eine möglichst hohe Integrationsqualität aufweisen muss. Diesbezüglich sind die drei in Abbildung 7 dargestellten Integrationsdimensionen, und zwar • die Risikointegration, • die Prozessintegration und • die Zielintegration des Risiko-Controllings zu unterscheiden.
9
Risiko-
Integration Prozess-
ZielZiel-
Abb. 7: Integrationsdimensionen des Risiko-Controllings
1.
Risikointegration
Grundsätzlich besteht für ein Kreditinstitut immer die Gefahr, dass sich die Risiken aus verschiedenen Risikokategorien und/oder Unternehmensbereichen kumulieren. Beispielsweise könnten unabhängig voneinander Zinsänderungs- und Kreditrisiken eingegangen werden, die für sich genommen tragbar wären, in der Summe jedoch eine unangemessen hohe Gefahr für das Kreditinstitut darstellen. Gleiches gilt für unterschiedliche Unternehmensbereiche, deren Risikopotential im Einzelfall angemessen, aber in der Summe der Risikopotentiale aller Bereiche existenzbedrohend sein kann. Neben dieser Risikokumulation besteht aber auch die Möglichkeit, dass sich die Risiken aus verschiedenen Positionen kompensieren. So kann sich z.B. das Zinsänderungsrisiko aus einer Zinsoption, für die ein Unternehmensbereich eine Long- und ein anderer Unternehmensbereich eine Short-Position eingegangen ist, aufheben. Dadurch würden aus diesen Positionen zwar für die einzelnen Unternehmensbereiche Risiken entstehen, die sich jedoch gesamtgeschäftsbezogen ausgleichen und somit aus Sicht der Gesamtbank eine risikolose Gesamtposition ergeben. Aus diesen Gründen muss das Risiko-Controlling in der Lage sein, sowohl die einzelgeschäftsbezogenen als auch die strukturellen Problemdimensionen des Risiko-Managements in einem umfassenden Risikostatus der Gesamtbank abzubilden. Der Aufbau eines derartigen Risikostatus der Gesamtbank wird anhand der Risikomatrix in Abbildung 8 aufgezeigt (vgl. KRUMNOW 1990a, S. 12).
10
Dabei werden auf der horizontalen Ebene zunächst die verschiedenen Risikokategorien, wie beispielsweise Kreditrisiken, Zinsänderungsrisiken etc., voneinander abgegrenzt. Auf der vertikalen Ebene werden gleichzeitig die verschiedenen Unternehmensbereiche differenziert. Diese Bereiche können Kundenbereiche, Produktbereiche oder regionale Bereiche sein. Aus der Kombination der horizontal angeordneten Risikokategorien und der vertikal differenzierten Unternehmensbereiche ergibt sich somit die Risikomatrix, die aus einer Vielzahl von risikopolitisch abgegrenzten Geschäftsfeldern besteht. Jedes Feld beinhaltet die einem Unternehmensbereich zuzurechnenden Risikopositionen einer bestimmten Risikokategorie. Diesbezüglich müssen unter Umständen einzelne Positionen mehreren Risikokategorien gleichzeitig zugeordnet werden. Beispielsweise wäre ein variabel verzinslicher Kredit einerseits mit Kreditrisiken behaftet, würde andererseits aber auch bei der Ermittlung des Zinsänderungsrisikos mit berücksichtigt werden müssen.
Kreditrisiko
Zinsänderungsrisiko
Währungsrisiko
...
...
Unternehmensbereich A
Gesamtrisikoposition Unternehmensbereich A
Unternehmensbereich B
Gesamtrisikoposition Unternehmensbereich B Risikomatrix
Unternehmensbereich C
Gesamtrisikoposition Unternehmensbereich C
…
…
Gesamtposition Kreditrisiko
Gesamtposition Zinsänderungsrisiko
...
...
...
Risikoposition der Gesamtbank über alle Risiken als Gegenstand eines integrierten Risiko-Controllings
Abb. 8: Die Risikomatrix
Um den Risikostatus der Gesamtbank abzubilden, müssen die Risiken aus den einzelnen Matrixfeldern aggregiert werden. Dabei ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Risiken nicht einfach addiert werden können, wenn – und davon muss im Regelfall ausgegangen werden – Korrelationen zwischen den einzelnen Risiken bestehen, die kleiner als + 1 sind. Die dadurch erheblich erschwerte Aggregation von Teil-Risikopositionen kann zunächst horizontal für die einzelnen Unternehmensbereiche über alle Risikokategorien hinweg erfolgen, woraus sich die Gesamtrisikopositionen der einzelnen Unternehmensbereiche ergeben würden. Analog lassen sich die Risiken auch vertikal aggregieren und ergeben so die Gesamt-Nettoposition einzelner Risikokategorien über alle Unternehmensbereiche hinweg. In einer zweiten Stufe wären dann die Gesamtpositionen je Risikokategorie einerseits und die Gesamtrisikopositionen je Unternehmensbereich zur Risikoposition der Gesamtbank zu aggregieren. Wie bei einer Matrix11
rechnung üblich könnte hierbei kontrolliert werden, ob die Zusammenfassung der Risiken über die vertikale und die Aggregation über die horizontale Dimension insgesamt zum gleichen Ergebnis führt. Anderenfalls wären die Korrelationsannahmen fehlerhaft. Innerhalb der Felder der Risikomatrix sind die Unternehmensbereiche konsequenterweise verantwortlich für das einzelgeschäftsbezogene Risiko-Management. Gleichzeitig können jedoch bereits hier strukturelle Maßnahmen greifen, indem beispielsweise auf eine entsprechende Risikoverteilung oder Risikodiversifikation hingewirkt wird. Insofern können die Unternehmensbereiche bereits innerhalb der Matrixfelder bzw. innerhalb des gesamten Unternehmensbereiches durch die Umsetzung der Vorgaben der zentralen Struktursteuerung einen Beitrag zum gesamtbankbezogenen Risiko-Management leisten. Grundsätzlich hat allerdings die Geschäftsleitung die oberste Verantwortung für den Risikostatus der Gesamtbank und muss von dieser Warte aus die entsprechenden Steuerungsimpulse auslösen. Das Konzept der Risikomatrix und die letztlich entscheidende Steuerungsgröße „Risikoposition der Gesamtbank“ verdeutlichen als die Notwendigkeit, die Risikokompetenzen auf oberster Geschäftsleitungsebene zu bündeln und diese einem „Chief Risk Officer“ zuzuweisen. In dieser Position würden alle risikopolitischen Verantwortlichkeiten kulminieren, wenngleich selbstverständlich Teilkompetenzen delegiert werden können. Um im letzteren Fall aber die Abstimmung zwischen den Unternehmensbereichen und der Gesamtbanksteuerung zu gewährleisten, ist aus organisatorischer Sicht die Installation eines komplexen Systems von Risikolimiten für alle Bereiche der Risikomatrix erforderlich. Sie stellen eine Voraussetzung dafür dar, dass Risikokompetenzen überhaupt delegiert werden können.
2.
Prozessintegration
Ein integriertes Risiko-Controlling bedarf der möglichst vollständigen Vereinheitlichung und Standardisierung von Datenbasen, Methoden und Tools, um • konsistente Mess-, Bewertungs- und Steuerungsverfahren einsetzen zu können, • maschinelle Auswertungen und Konsolidierungsrechnungen auf verschiedenen Risikoebenen durchführen zu können und • generell alle Prozessstufen des Risiko-Managements, von der (1) Risikoanalyse über die (2) Risikosteuerung bis zur (3) Risikokontrolle, auf der Grundlage eines abgestimmten Gesamtkonzepts zu verzahnen. Betrachtet man beispielsweise den Prozess des Risiko-Managements in seinen einzelnen Phasen, so lassen sich verschiedene Ansatzpunkte zur Vereinheitlichung und Standardisierung des Risiko-Controllings beispielhaft verdeutlichen.
12
Zu (1):
Für die Risikoanalyse bedarf es zunächst der Abgrenzung und Definition aller Risiken, die Gegenstand des Risiko-Controllings sein sollen. Wenngleich sich – nicht zuletzt unter dem Einfluss der Bankenaufsicht – ein diesbezüglicher Konsens in der Bankenpraxis hinsichtlich der einzubeziehenden Risikokategorien herausgebildet hat, sind doch im Detail immer wieder Unterschiede in den Controlling-Systemen der Praxis feststellbar. Mit der Definition von Risiken eng verbunden ist die Messung derselben. Klar ist, dass die verwendeten Messverfahren einen erheblichen Einfluss auf die Quantifizierung der Risikopotentiale haben, so dass einheitliche und durch „backtesting“ abgesicherte Verfahren die Risikoanalyse maßgebend beeinflussen. Für die Integrationsproblematik ist dabei besonders die Fähigkeit der Messverfahren entscheidend, die unterschiedlichen Risikokategorien systematisch entsprechend der dargestellten Risikomatrix zu aggregieren. Auf der Grundlage des Postulats der Risikotragfähigkeit gehören zum Thema Integration auch die einheitliche Definition von Risikodeckungsmassen, die Konzeption von standardisierten Risikobelastungsszenarien und damit verbunden von Simulationsmodellen. Um schließlich die Risiko-Performance konsistent messen zu können, bedarf es der einheitlichen Definition risikoadjustierter Ergebniskennzahlen, die im Einklang mit den verwendeten Risikomesszahlen stehen. Zu (2):
Für die eigentliche Risikosteuerung sind einheitliche Konzepte zur Festlegung von Risikolimiten in den Geschäftsbereichen und ihre systematische Verzahnung mit dem GesamtbankRisikolimit erforderlich. Ferner sind konsistente Kriterien für die Allokation von Eigenmitteln bzw. Risikokapital auf die (Risiko-) Geschäftsfelder des Kreditinstitutes zu entwickeln. Dazu gehört beispielsweise auch die Frage nach der Zuweisung von Portfolioeffekten auf einzelne Geschäftsbereiche. Diese letzte Frage berührt bereits Fragen der Risikoorganisation im Sinne der organisatorischen Verteilung von Risikokompetenzen. Neben den Anforderungen des Kongruenzprinzips (Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten sollten sich decken) spielt die einheitliche Sicherstellung des Grundsatzes, dass derjenige, der Risiken übernimmt bzw. zu übernehmen hat, sowohl für Verluste und Fehlentwicklungen gerade zu stehen hat, wie auch die Gewinne aus Risikopositionen vollständig zugewiesen bekommt, eine zentrale Rolle. Zu (3):
In Bezug auf die Risikokontrolle ist zunächst ein einheitliches und auf die bisherigen Ausführungen abgestimmtes System der Risikoüberwachung aufzubauen. Dieses beinhaltet systematische Soll-/Ist-Vergleiche ebenso wie Zeit- und Quervergleiche. Im Rahmen eines unabhängigen Risiko-Audit sind ferner sowohl die Methoden und Tools in den Risikoprozessen wie auch die infrastrukturellen Rahmenbedingungen für ein effizientes Risiko-Management zu evaluieren. Ihren Niederschlag findet die Risikokontrolle im Risiko-Reporting, bei dem Inhalte, Adressaten und Periodizität der Berichte im Einklang mit den jeweiligen Risikokompetenzen und Informationsbedürfnissen auf einer standardisierten und konsolidierten Basis zu 13
definieren sind. Angemerkt sei, dass die hier angesprochenen Aspekte einer Prozessintegration des Risiko-Controllings nur beispielhafter Natur waren und in vielfacher Weise noch vertieft zu behandeln sind.
3.
Zielintegration
Mit der dritten Integrationsdimension, der Zielintegration, wird schließlich wieder der Bezug zur Triade des ertragsorientierten Bankmanagements hergestellt. Das bedeutet zum einen, dass die Umsetzung der risikopolitischen Grundsätze zur Risikotragfähigkeit und RisikoPerformance eng mit den (strategischen und operativen) Wachstums- und Rentabilitätszielen des Kreditinstitutes abgestimmt werden müssen und prinzipiell die Risikopolitik dabei ihren „dienenden Charakter“ als Instrument zur Sicherung und Stabilisierung der Rentabilitätsentwicklung zu verdeutlichen hat. Es trägt zum anderen aber auch dem Umstand Rechnung, dass das Risiko-Controlling wichtige Nebenziele, wie die unbedingte Einhaltung bankaufsichtlicher Regulierungsnormen und die Beachtung der Auswirkungen des RisikoManagements auf das Rating des Kreditinstitutes zu berücksichtigen hat.
Zentrale Struktursteuerung: (Bilanzstrukturmanagement)
Eigenanlagen Flüssige Mittel
Dezentrale Marktsteuerung
Einzelgeschäftsbezogene Steuerung des KundenKreditgeschäfts
• Steuerung des Eigengeschäfts • Kurzfristige Liquiditätsdisposition • Steuerung des Eigenmittelfonds (Höhe, Struktur, Allokation)
Integration
• Fixierung der Markteinstandssätze für das Kundengeschäft • Gesamtgeschäftsbezogene Steuerung des Kundengeschäfts (durch Limite, Richtkonditionen, Boni/Mali)
Refinanzierungen Eigenmittel
Dezentrale Marktsteuerung
Einzelgeschäftsbezogene Steuerung des KundenEinlagengeschäfts
Abb. 9: Das Duale Steuerungsmodell als Integrationskonzept
Mit der Frage der Zielintegration wird gleichzeitig das Integrationskonzept des Dualen Steuerungsmodells angesprochen, das die Abstimmung von Rentabilität, Risiko und Wachstum mit der Unterscheidung von zentraler Struktursteuerung und dezentraler Geschäftssteuerung verzahnt und auf diese Weise sicherstellt, dass Risikoaspekte sowohl aus dem Blickwinkel der dezentralen Bereiche wie auch dem des Bilanzstruktur-Managements angemessen berücksichtigt werden (vgl. Abb. 9).
14
B. DER RISIKOTRAGFÄHIGKEITSKALKÜL IM RISIKO-CONTROLLING Ein Kreditinstitut kann grundsätzlich nicht verhindern, dass übernommene Risiken zumindest teilweise schlagend werden und zu Verlusten führen. Darum muss mit Hilfe des Risikotragfähigkeitskalküls sichergestellt werden, dass sich ein Kreditinstitut eventuell auftretende Verluste auch leisten kann. Diesbezüglich können für den Risikotragfähigkeitskalkül zwei zentrale Grundsätze formuliert werden (vgl. Abb. 10): (1) Das bei Anwendung des Vorsichtsprinzips kalkulierte (Total-) Risiko- bzw. Verlustpotential darf das in Abhängigkeit von repräsentativen Risikobelastungsszenarien definierte Risikotragfähigkeitspotential der Gesamtbank oder definierter Teilbereiche grundsätzlich nicht übersteigen. (2) Auftretende Verluste durch schlagend gewordene Risiken sind durch die Fixierung eines abgestimmten Systems von Risikolimiten konsequent zu begrenzen.
Verfügbare Festgestelltes
Grundsatz (1)
d
Risikodeckungs-
(Total)- Risikopotential
(Realisierte) Verluste
Grundsatz (2)
aus Risikopositionen
V1
+
V2
+ ···
Vn
massen
d
Allokierte Risikodeckungsmassen
L1
+
L2
+ ···
Ln
Abb. 10: Gleichgewichtsbedingungen im Risikotragfähigkeitskalkül mit: Vi = Realisierter Verlust in Bereich i; Li = Risikolimit für den Bereich i
Während Grundsatz (1) darauf abstellt zu prüfen, ob die verfügbaren Risikodeckungsmassen des Kreditinstitutes für alternative Risikobelastungsszenarien ausreichend wären, um Schieflagen zu verhindern, knüpft Grundsatz (2) an der Notwendigkeit an, den einzelnen Geschäftsbereichen des Kreditinstitutes konkrete Grenzen für die Übernahme von Risiken zu setzen, indem man ihnen periodenspezifische Verlustlimite vorgibt, für die dann entsprechende Risikodeckungsmassen allokiert werden.
15
Im Folgenden wird zunächst auf die Erfassung des (Total-) Risikopotentials eingegangen. Danach wird der Begriff der Risikodeckungsmasse konkretisiert, um im nächsten Schritt die Abstimmung von Risikopotential und Risikodeckungsmassen unter Einbezug der Formulierung von Risikolimiten darzustellen.
I.
Quantifizierung des Risikopotentials der Gesamtbank
Der sogenannte Value at Risk (VaR) stellt das zentrale Messkonzept zur Quantifizierung von Risikopotentialen dar. Zur Ermittlung des VaR wurden bereits zahlreiche Verfahren entwickelt, die in Abhängigkeit von den Charakteristika der betrachteten Risikoart zur Anwendung kommen. Bestimmt man die VaR der einzelnen Risikopositionen, müssen diese zum VaR der entsprechenden Risikokategorie und im nächsten Schritt zum VaR der Gesamtbank aggregiert werden. Dies erweist sich als problematisch, da die verschiedenen Risiken in aller Regel nicht strikt positiv korreliert sind. Mit dem Risikopotential der Gesamtbank bestimmt man gleichzeitig die Mindesthöhe der zur Verlustdeckung vorzuhaltenden Risikodeckungsmassen und damit das sogenannte ökonomische Kapital bzw. Risikokapital. Im Folgenden wird auf die Konzeption des VaR, dessen Aggregation zum GesamtbankRisikopotential und auf den Zusammenhang zwischen VaR und ökonomischem Kapital näher eingegangen.
1.
Der Value at Risk als Maßgröße für das Risikopotential
Den Erläuterungen zum VaR muss die Definition des zugrundliegenden Risikobegriffs vorausgehen. Das Risiko wird dabei grundsätzlich als die in einem unzureichenden Informationsstand begründete Gefahr einer negativen Abweichung des tatsächlichen Ergebniswertes vom erwarteten Ergebniswert gesehen (vgl. LISTER 1997). Der VaR versucht nun, diese negative Abweichung zu quantifizieren und mit einer Wahrscheinlichkeitsaussage zu verknüpfen. Demzufolge ist der Value at Risk definiert als •
der geschätzte,
•
maximale Wertverlust einer Einzelposition oder eines Portfolios,
•
der innerhalb eines festgelegten Zeitraums,
•
mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit,
eintreten kann. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der VaR sowohl auf Basis von Periodenwerten als auch auf Grundlage von Barwerten bestimmt werden kann. In einer barwertorientierten Betrachtung gibt der Value at Risk bezogen auf die Gesamtbank den maximal erwarteten marktwertorientierten Eigenkapitalverlust eines Kreditinstitutes an, den es mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit erleiden wird. Abbildung 11 (vgl. ARNSFELD 2002) illustriert die Zusammenhänge. Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass die Marktwerte der Aktiva und des Fremdkapitals sich zum Nachteil des Kreditinstitutes verändern. Bezüglich der Aktiva besteht dabei die Gefahr sinkender, bezüglich des Fremdkapitals die Gefahr steigender 16
Marktwerte. Sofern die Änderungen der Marktwerte der Aktiva und des Fremdkapitals nicht gleichgerichtet oder nicht im gleichen (absoluten) Ausmaß erfolgen, können sich Minderungen des Marktwertes des Eigenkapitals ergeben. Eben diese Marktwertschwankungen des Eigenkapitals sollen im barwertorientierten Value at Risk-Ansatz quantifiziert werden. Aktiva
Bilanz zu Marktwerten
Passiva
Fremdkapital (zu Marktwerten)
Aktiva (zu Marktwerten)
Marktwert Eigenkapital
Abb. 11: VaR hergeleitet aus den Marktwertschwankungen des Eigenkapitals
Die periodenerfolgsorientierte Value at Risk-Berechnung wird in Abbildung 12 skizziert. Danach werden zunächst die Schwankungen der Erträge und Aufwendungen gemessen. Die Verlustgefahr besteht dabei in einer unerwarteten Verminderung der Erträge beziehungsweise in einer ungeplanten Erhöhung der Aufwendungen. Auch hier führt eine nicht gleichgerichtete und nicht im gleichen (absoluten) Ausmaß erfolgende Veränderung der Aufwendungen und Erträge zu gegebenenfalls negativen Veränderungen des Periodenergebnisses. Diese negativen Veränderungen werden auch als Earnings at Risk (EAR) bezeichnet. Das Zusammenspiel der Ertrags- und Aufwandsschwankungen entscheidet schließlich über das Ausmaß der Schwankungen des Periodenergebnisses. Aufwand
Erfolgsrechnung
Ertrag
Aufwendungen Erträge
Periodenergebnis
Abb. 12: VaR hergeleitet aus den Ergebnisschwankungen
Im Folgenden wird das VaR-Konzept an einem stark vereinfachten Beispiel auf Basis eines imaginären Aktienportfolios demonstriert. Dabei wird von der barwertorientierten Betrachtungsweise ausgegangen (vgl. LISTER 1997).
17
Grundlage zur Bestimmung des VaR sind grundsätzlich Vergangenheitsdaten. In Abbildung 13 werden verschiedene Intervalle definiert und die Häufigkeit, mit der die in der Vergangenheit realisierten Wertveränderungen des Portfolios innerhalb der definierten Intervallgrenzen lagen, abgetragen. Ergebnisintervalle (in 1.000 EUR) + 20 % bis + 15 % + 15 % bis + 10 % + 10 % bis + 5 % + 5 % bis 0 % 0 % bis - 5 % - 5 % bis - 10 % - 10 % bis - 15 % - 15 % bis - 20 %
Häufigkeiten einzeln 13 215 1.359 3.413 3.413 1.359 215 13
Häufigkeiten kumuliert 13 228 1.587 5.000 8.413 9.772 9.987 10.000
Abb. 13: Historische Häufigkeiten der Ergebniswerte eines Aktienportfolios
Graphisch lässt sich dieses Ergebnis, wie in Abbildung 14 dargestellt, anhand einer sogenannten Verteilungsfunktion darstellen. Dabei wird auf der horizontalen Achse die Bandbreite der in der Vergangenheit realisierten Ergebnisse abgetragen, während die vertikale Achse die kumulierten Häufigkeiten der entsprechenden Ergebniswerte repräsentiert. Kumulierte Häufigkeiten (absolut) 10.000 100 % 99,87 % 9.987 97,72 % 9.772 84,13 % 8.413
VaR mit 97,72 % Wahrscheinlichkeit VaR mit 84,13 % Wahrscheinlichkeit
5.000
1.587 228 13 20 %
15 %
10 %
5%
0%
Ergebnisse in 1.000 EUR - 5 % - 10 % - 15 % - 20 %
Abb. 14: Kumulierte Häufigkeiten der Wertveränderungen eines Aktienportfolios (Verteilungsfunktion)
Abbildung 14 macht deutlich, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein maximaler Verlust in Höhe von 5.000 EUR nicht überschritten wird, gerade 84,13 % beträgt. Der VaR mit einer
18
Wahrscheinlichkeit von 84,13 % beträgt gemäß obiger Definition also gerade 5.000 EUR. Entsprechend können auch VaR mit anderen Wahrscheinlichkeiten bestimmt werden. So beträgt beispielsweise der VaR mit einer Wahrscheinlichkeit von 97,72 % 10.000 EUR. Modelle zur Berechnung des VaR legen im allgemeinen Annahmen über die Verteilung der zukünftigen Ergebniswerte zugrunde. Im einfachsten Fall wird dabei die Normalverteilung unterstellt. Sind die Ergebnisse normalverteilt, lässt sich die Verteilung in Form der Gauß’schen Glockenkurve darstellen. Diese wird durch das arithmetische Mittel und die Standardabweichung (STD) der realisierten Ergebnisse hinreichend determiniert und ermöglicht durch die Ermittlung der Fläche unterhalb des Kurvenverlaufs die Bestimmung der Wahrscheinlichkeiten, mit der entsprechende Ergebniswerte unter- oder überschritten werden. Die Standardabweichung kann dabei als Maß für den Risikogehalt einer Position angesehen werden und umschreibt die Streuung der realisierten Ergebnisse um das arithmetische Mittel. Die Verteilung der für das obige Beispiel angenommenen Ergebniswerte entspricht einer Normalverteilung mit dem Erwartungswert 0 EUR und einer Standardabweichung von 5.000 EUR. Häufigkeiten
3.413
3.413
1.359 13 - 20
1.359
215 -15
- 10
215 -5
0
+5
+ 10
Standardabweichung
13 + 15 + 20 (in 1.000 EUR)
Z-Wert = 1 o Wahrscheinlichkeit (Verlust d 5 %) = 84,13 % Z-Wert = 2 o Wahrscheinlichkeit (Verlust d 10 %) = 97,72 % Z-Wert = 3 o Wahrscheinlichkeit (Verlust d 15 %) = 99,87 % Abb. 15: Gauß’sche Glockenkurve und Häufigkeitsverteilung des Aktienportfolios
19
Geht man von einer Normalverteilung aus, ist es möglich, anhand des sogenannten Z-Werts direkt Konfidenzniveaus zu bestimmen. Unter einem Konfidenzniveau oder Sicherheitsniveau versteht man die Wahrscheinlichkeit, mit der ein bestimmter Verlust nicht überschritten wird. Jedem Z-Wert ist eindeutig eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet. Des weiteren gibt der Z-Wert Auskunft über die Höhe des maximalen Verlustes bei der entsprechenden Wahrscheinlichkeit. Dieser lässt sich durch multiplikative Verknüpfung von Z-Wert und Standardabweichung ermitteln (ausführlicher hierzu vgl. die statistischen Grundlagen S. 58 ff.). Aus Abbildung 15 wird ersichtlich, dass dem Z-Wert von 2 ein Konfidenzniveau von 97,72 % entspricht. Im Beispiel wird somit ein maximaler Verlust von 10.000 EUR [=(Z-Wert)2 · (STD) 5.000 EUR] mit einer Wahrscheinlichkeit von 97,72 % nicht überschritten. Durch Variation des Z-Werts können nun verschiedene Szenarien, die verschiedene Risikoneigungen repräsentieren, simuliert werden. Der Zusammenhang zwischen Z-Wert und Wahrscheinlichkeit wird in Abbildung 16 nochmals verdeutlicht (vgl. LISTER 1997). Der gesamtbankbezogene VaR wird dabei als Funktion variierender Wahrscheinlichkeitswerte dargestellt. Dazu wird ein normiertes Risikovolumen von 1 EUR der Berechnung des Value at Risk zugrundegelegt. Für alternative, den Value at Risk determinierende Standardabweichungen von 5 %, 10 % und 15 % ergeben sich die in Abbildung 16 dargestellten Funktionsverläufe. Die Berechnungen erfolgen hier sowie im Folgenden anders als in den bisher verwendeten Beispielen auf Basis stetiger Renditen. Die Verwendung stetiger Renditen ist der Verwendung diskreter Werte vorzuziehen. Dies wird im 2. Kapitel Abschnitt A.II.1.c tiefer gehend erörtert. Dort wird auch die damit einhergehende Rechentechnik erklärt. An dieser Stelle sei lediglich darauf hingewiesen, dass sich der normierte VaR im Beispiel aus der Gleichung: VaR = 1 EUR u e Z WertuSTD 1 ergibt. Ein Z-Wert von 1 entspricht grundsätzlich einem Konfidenzniveau von 84,13 %. Mit einer Erhöhung des ZWertes geht immer auch eine Erhöhung der Sicherheit, respektive des Konfidenzniveaus einher. So steigt dieses auf 97,72 %, wenn der Z-Wert auf 2 erhöht wird und erreicht 99,87 % bei einem Z-Wert von 3. Der maximale Verlust, der mit der jeweiligen Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird, hängt zum einen vom Konfidenzniveau, zum anderen von der entsprechenden Standardabweichung und dem Risikovolumen ab. Für eine Standardabweichung von 15 % und einem Risikovolumen von 1 EUR errechnet sich bei einem Konfidenzniveau von 84,13 % ein VaR in Höhe von 0,1393 EUR. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 97,72 % wird der maximale Verlust 0,2592 EUR nicht übersteigen und die Wahrscheinlichkeit, dass der maximale Verlust kleiner oder gleich 0,3624 EUR ist, beträgt 99,87 % (vgl. Abb. 16). Aus diesen Funktionsverläufen wird außerdem ersichtlich, dass der Value at Risk mit größer werdender Wahrscheinlichkeit überproportional zunimmt. Eine nur marginale Erhöhung des Sicherheitsniveaus führt dann zu einer beträchtlichen Erhöhung des Risikopotentials.
20
Z-Wert = 3
0,40
VaR (in EUR bei RV=1 EUR)
0,35 0,30
Z-Wert = 2
0,25 0,20 0,15
STD = 15 % Z-Wert = 1 STD = 10 %
0,10 0,05
STD = 5 %
0,00 80 % 82 % 84 % 86 % 88 % 90 % 92 % 94 % 96 % 98 % 100 % Wahrscheinlichkeit (in %) Abb. 16: Value at Risk in Abhängigkeit von der Eintrittswahrscheinlichkeit bei einem normierten Risikovolumen in Höhe von 1 EUR. mit: RV = Risikovolumen; STD = Standardabweichung; VaR = Value at Risk; Z = standardnormalverteilte Zufallsvariable
2.
Der Gesamtbank-Value at Risk
Ausgangspunkt für die Bestimmung des Value at Risk der Gesamtbank ist die bereits erläuterte Risikomatrix. In der Risikomatrix werden auf der horizontalen Ebene die verschiedenen Risikokategorien abgebildet, während auf der vertikalen Ebene nach Unternehmensbereichen unterschieden wird (vgl. S. 11). Die Aggregation der einzelnen Risikopositionen unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien zum Risikopotential der Risikokategorie, respektive des Unternehmensbereichs, und im nächsten Schritt zum Gesamtbank-Risikopotential wird allerdings durch bestehende Korrelationen zwischen den Risikoarten erheblich erschwert. Sind Risikoarten stark positiv korreliert, ist damit zu rechnen, dass sich Verluste aus den betreffenden Bereichen kumulieren. So hat die Vergangenheit gezeigt, dass beispielsweise starke Korrelationen zwischen Ausfall- und Zinsänderungsrisiken für die finanzielle Stabilität eines Finanzinstitutes erhebliche Gefahren bergen. Die Hochzinsphase 1980/81 in Deutschland machte deutlich, wie existenzbedrohend die Kumulation von Ausfall- und Zinsänderungsrisiken sein kann. Denn auf der einen Seite stieg die Ausfallrate aufgrund der hohen Konkursrate sprunghaft an (was z.T. sogar durch relativ hohe Kreditzinsen bedingt war). Auf der anderen Seite waren gleichzeitig Ergebniseinbußen aus inkongruenten Finanzierungsverhältnissen zu verzeichnen. Deshalb sind die Interdependenzen zwischen den einzelnen Risikoarten aufzuzeigen und die kumulativen wie auch die kompensierenden Effekte zu analysieren (PROFESSOREN-ARBEITSGRUPPE 1987). 21
Die Analyse der Interdependenzen zwischen den einzelnen Risikoarten geschieht zwangsläufig auf Basis von Vergangenheitsdaten. Als Ergebnis erhält man die sogenannte Korrelationskoeffizientenmatrix, aufgrund derer die verschiedenen Risikoarten miteinander verknüpft werden können. Verschiedene Szenarien können hierbei simuliert werden, indem das der Value at Risk-Ermittlung zugrundeliegende Konfidenzniveau variiert wird (vgl. hierzu ausführlicher S. 35). Allerdings geht man dabei von der impliziten Annahme normaler Marktbedingungen aus. Gefährlich wird die Situation für ein Kreditinstitut im allgemeinen aber gerade dann, wenn von normalen Marktbedingungen nicht mehr ausgegangen werden kann. Deshalb sind bei der Ermittlung des (Total-) Risikopotentials verschiedene Risiko-Szenarien durchzuspielen, wobei unbedingt auch Crash-Szenarien bzw. Maximalbelastungsfälle zu berücksichtigen sind. Gerade bei der Berücksichtigung von Maximalbelastungssituationen muss davon ausgegangen werden, dass die Wahrscheinlichkeit risikoreduzierender Korrelationseffekte eher gering ist. Daher empfiehlt es sich, die verschiedenen Risikopotentiale sicherheitshalber additiv zu verknüpfen, d.h. vollständig positive Korrelationen zu unterstellen.
3.
Value at Risk und Ökonomisches Kapital
Eng verknüpft mit dem VaR ist das sogenannte ökonomische Kapital bzw. Risikokapital: Als ökonomisches Kapital bezeichnet man die Gesamtheit der Risikodeckungspotentiale, die mindestens vorgehalten werden muss, um selbst dann, wenn die vorab definierte Maximalbelastungssituation eintreten sollte, solvent zu bleiben. Das ökonomische Kapital wird also durch das für den Maximalbelastungsfall bestimmte Risikopotential determiniert und muss alle signifikanten Risiken abdecken. Entsprechend geht der Quantifizierung des ökonomischen Kapitals die Definition des Maximalbelastungsfalls voraus. Geht man dabei von der Normalverteilungsannahme aus, besteht – neben der bereits erläuterten Korrelationsproblematik – das Problem, dass eine Erhöhung der Z-Werte zwar zu einer Erhöhung der Risikopotentiale, nicht jedoch zu einer entscheidenden Erhöhung der Wahrscheinlichkeiten führt. Gleichwohl sind für die Zukunft Konstellationen denkbar, die zwar statistisch mit erfasst würden, deren Wirkungen das Kreditinstitut jedoch in die Insolvenz führen könnten. So zeigt beispielsweise die Analyse von Aktienrenditen, dass die große Masse der Beobachtungswerte um den Erwartungswert schwankt. Gleichzeitig können jedoch einzelne extreme Ausschläge mit sehr großen Abweichungen vom Erwartungswert beobachtet werden. So wäre es denkbar, dass von 10.000 untersuchten Renditen 9.999 um einen Erwartungswert von Null zwischen - 8 % und + 8 % schwanken, ein einziger Extremwert aber in Höhe von - 20 % aufgetreten ist. Dieser Wert beeinflusst die statistischen Parameter Erwartungswert und Standardabweichung nur unwesentlich. Wird das Risikopotential basierend auf der Normalverteilungsannahme bestimmt, ergibt sich beispielsweise für ein Konfidenzniveau von 99,99 % ein VaR in Höhe von 153,8 Mio. GE [= 2 Mrd. GE · (e-4·0,02 – 1)]. Wird das Verlustpotential auf Basis des Extremwerts von - 20 % berechnet, ergibt sich ein möglicher Verlust von 362,5 Mio. GE [= 2 Mrd. GE · (e-0,2 – 1)]. Wird nun ökonomisches Kapital in Höhe von lediglich 153,8 Mio. GE vorgehalten, führt dies bei Realisation des Extremwerts zwangsläufig zur Insolvenz des Kreditinstitutes.
22
Demzufolge sollte man sich bei der Bestimmung des Maximalbelastungsfalls und damit des ökonomischen Kapitals nicht allein vom von der Normalverteilung determinierten Konfidenzniveau leiten lassen, sondern unter Verwendung von Simulationsmodellen einen Extremwert für den unerwarteten Verlust bestimmen. Dabei sollte allerdings auch betont werden, dass eine 100 %-ige Sicherheit grundsätzlich nicht zu erreichen ist (vgl. S. 38).
II.
Bestimmung der verfügbaren Risikodeckungsmassen nach Art und Höhe
1.
Abgrenzung unterschiedlicher Risikodeckungsmassen
Hat man die Risikopotentiale für verschiedene Belastungsszenarien definiert, so ist nun zu fragen, in welcher Höhe welche Arten von Risikodeckungsmassen zur Risikoabdeckung zur Verfügung stehen. Hier ergibt sich unmittelbar die Frage nach der Steuerungsphilosophie des Kreditinstituts. In einer barwertorientierten Steuerungskonzeption müsste dem Risikopotenzial grundsätzlich der Barwert des Eigenkapitals gegenübergestellt werden. Daraus resultieren jedoch zwei Probleme. Zum einen muss in komplexeren Überleitungsrechnungen aufgezeigt werden, wie sich schlagend werdende Verluste auf den Periodenerfolg und den Eigenkapitalbuchwert auswirken. Zum anderen orientiert sich das Insolvenzrecht nicht am Marktwert sondern am Buchwert des Eigenkapitals. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden auf eine barwertige Betrachtung der Deckungsmassen verzichtet. Ausgangspunkt der periodenerfolgsorientierten Analyse ist zweckmäßigerweise das bilanzielle Eigenkapital. Das bilanzielle Eigenkapital entspricht dem Buchwert des Eigenkapitals und setzt sich additiv aus dem gezeichneten und eingezahltem Kapital, den offenen Rücklagen bzw. offenen Reserven und dem Reingewinn zusammen. Allerdings beinhaltet das bilanzielle Eigenkapital keine stillen Reserven. Diese sind aber grundsätzlich auch als Risikodeckungsmassen anzusehen. Der Substanzwert des Eigenkapitals, ein Begriff, der regelmäßig in der Unternehmensbewertung Anwendung findet, übersteigt das bilanzielle Eigenkapital um eben diese stillen Reserven (vgl. Abb. 17).
23
Regulatorisches Eigenkapital = Haftungskapital
Substanzwert des Eigenkapitals
Buchwert des Eigenkapitals = bilanzielles Eigenkapital
Stille Reserven • Beteiligungen • Liegenschaften • Risikovorsorge • Pensionsrückstellungen
Nachrangkapital (Tier 3-Kapital)
Ergänzungskapital (Tier 2-Kapital)
Gezeichnetes Kapital Kapitalrücklage
Buchwert des Eigenkapitals
Kernkapital (Tier 1-Kapital)
Gewinnrücklage Reingewinn Abb. 17: Abgrenzung unterschiedlicher Eigenkapitaldefinitionen
Die stillen Reserven können erheblich sein. So betrugen diese in der Vergangenheit beispielsweise bei den deutschen Großbanken 40 % – 70 % des bilanziellen Eigenkapitals. Anzumerken ist allerdings, dass der Anteil der stillen Reserven sinkt. Hauptgründe dafür sind Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen und die zunehmende Verwendung der International Accounting Standards. Der Substanzwert des Eigenkapitals kommt dem tatsächlich verfügbaren Eigenkapital näher als das bilanzielle Eigenkapital. Allerdings werden auch hier potentielle Risikodeckungsmassen wie Nachrang- und Ergänzungskapital vernachlässigt. Diese werden nun konsequent beim regulatorischen Eigenkapital einbezogen.
2.
Komposition aufsichtlich anerkannter Haftungsmittel
Es lassen sich somit die vier unterschiedlich anrechenbaren Eigenkapitalpositionen Kernkapital, Ergänzungskapital, Nachrangkapital sowie Reingewinn voneinander abgrenzen. In seiner Konzeption orientiert sich das regulatorische Eigenkapital tendenziell am bilanziellen Kapitalbegriff. Nationale und internationale Regelungen können hinsichtlich der Definitionen dieser Begriffe voneinander abweichen, was im Folgenden anhand der gesetzlichen Regelungen in Deutschland und in der Schweiz illustriert werden soll (vgl. Abb. 18).
24
Die Definition des Eigenmittelbegriffes des BASLER AUSSCHUSSES beruht im wesentlichen auf den Eigenkapitalvereinbarungen des COOKE-KOMITEES vom Juli 1988 (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1988) und wird auch durch den Vorschlag zur Neuregelung der Eigenmittelvereinbarung von 2001 nicht tangiert. Der im Papier von 1988 bereits verwendete Eigenmittelbegriff, bestehend aus zwei Klassen von Eigenkapital – dem Kernkapital (Tier 1-Kapital) und dem Ergänzungskapital (Tier 2-Kapital) – wurde im Rahmen der expliziten Unterlegung der Marktrisiken 1996 um eine dritte Klasse – dem Nachrangkapital (Tier 3-Kapital) – erweitert. 1998 schliesslich erfolgte die Integration innovativer Kapitalinstrumente in das Kernkapital.
a)
Komponenten des aufsichtlichen Kernkapitals
Das Kernkapital zeichnet sich dadurch aus, dass dessen Komponenten dem Kreditinstitut dauernd als Haftungsmittel frei zur Verfügung stehen (vgl. EIDGENÖSSISCHE BANKENKOMMISSION 1995, S. 35). Zum Brutto-Kernkapital zählt in Deutschland wie in der Schweiz grundsätzlich das gezeichnete Kapital, d.h. das Aktien-, Stamm-, Genossenschafts-, Dotations- oder Partizipationskapital sowie die Kommanditsumme bei Privatbankiers. Daneben dürfen auch offene Reserven respektive Rücklagen angerechnet werden. In Deutschland sind dies die Kapital- und die Gewinnrücklage, in der Schweiz die Reserve für allgemeine Bankrisiken, die „allgemeine gesetzliche Reserve“, die Reserve für eigene Beteiligungstitel und der Posten „andere Reserven“. Im Weiteren zählen zum Kernkapital eventuelle Reingewinne und nachgewiesene Zwischengewinne sowie Gewinnvorträge. Unter „innovative Kapitalinstrumente“ werden Vermögenseinlagen stiller Gesellschafter, Emissionen, die unter Einschaltung einer gruppenangehörigen Zweckgesellschaft begeben werden sowie „preference shares“, bei denen eine Erhöhung des Ausschüttungssatzes („step up“) vorgesehen ist, verstanden. Letztere dürfen dem Kernkapital aber nur zugerechnet werden, wenn eine Reihe von Bedingungen erfüllt sind. So darf der „step up“ frühestens nach zehn Jahren einsetzen und muss „maßvoll“ sein, d.h. er darf höchstens 100 Basispunkte oder 50 % der anfänglichen Kreditmarge betragen. Außerdem wird dem Emittenten grundsätzlich kein Kündigungsrecht eingeräumt. Eine uneingeschränkte Teilnahme am Verlust ist ebenso unabdingbar wie ein Ausschluss fester Ansprüche von Investoren auf Gewinnausschüttungen. Mit dieser erst 1998 beschlossenen Regelung reagierte der BASLER AUSSCHUSS auf das Aufkommen neuartiger Refinanzierungsinstrumente, welche den Kreditinstituten die Beschaffung von kostengünstigem Eigenkapital an den internationalen Kapitalmärkten erlauben. Insgesamt dürfen innovative Kapitalinstrumente 15 % des Kernkapitals nicht überschreiten (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1998, BUNDESAUFSICHTSAMT FÜR DAS KREDITWESEN 1998, EIDGENÖSSISCHE BANKENKOMMISSION 2000). Explizit anerkannt werden in Deutschland zusätzlich Einlagen stiller Gesellschafter sowie anerkanntes freies Vermögen bei Kreditinstituten in der Rechtsform des Einzelkaufmanns, der Personenhandelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft auf Aktien. Dazu findet der „Sonderposten für allgemeine Bankrisiken“ gemäss § 340g HGB Berücksichtigung als Kernkapitalkomponente. Von diesem „Sonderposten für allgemeine Bankrisiken“ ist die „Vorsorge für allgemeine Bankrisiken“ gemäss § 340f HGB zu unterscheiden. Letztere wird, im Gegensatz zum Sonderposten, nicht offen ausgewiesen, sondern als Wertberichtigung vor allem zu
25
Forderungen an Kunden und Kreditinstitute direkt vom Bruttobetrag der betreffenden Position abgezogen. Nicht als Bestandteil des Kernkapitals anerkannt werden Vorzugsaktien. Für gewisse Komponenten in Deutschland gilt eine sogenannte dynamische Betrachtungsweise. Wird beispielsweise gezeichnetes Kapital während des Jahres erhöht oder zurückgezahlt, so erhöht respektive senkt sich dadurch kraft Gesetz direkt auch das Kernkapital, was eine sehr eng an den geschäftspolitischen Bedürfnissen ausgerichtete Eigenmittelsteuerung erlaubt (vgl. BUNDESREGIERUNG 1997, S. 59). Unter die dynamische Betrachtungsweise fallen auch die als Abzugsposten qualifizierten marktunüblichen Kredite an Gesellschafter und die immateriellen Anlagewerte. Diese dynamische Betrachtungsweise gilt aber nicht für Komponenten, die definitionsgemäss an eine festgestellte Bilanz anknüpfen, mithin handelsund steuerrechtlich relevante Bewertungsentscheide abbilden. Für diese ist der nächste Jahresabschluss oder ein Zwischenabschluss massgebend. In diese Kategorie fallen beispielsweise offene Rücklagen, der Sonderposten für allgemeine Bankrisiken sowie nicht realisierte Reserven und Zwischengewinne. Deutschland
Schweiz
• Gezeichnetes Kapital • Eingezahltes Kapital (inkl. Einlagen stiller Gesellschafter, exkl. • Offene Reserven (Reserve für allgemeine Vorzugsaktien)* Bankrisiken, allgemeine gesetzliche Re• Offene Rücklagen (Kapitalrücklagen*, serve, Reserve für eigene BeteiligungsGewinnrücklagen) titel, andere Reserven) • • • •
Reingewinne Nachgewiesene Zwischengewinne Sonderposten für allgemeine Bankrisiken Anerkanntes freies Vermögen*
Abb. 18:
b)
• Reingewinne • Nachgewiesene Zwischengewinne
Komponenten des aufsichtlichen Kernkapitals in Deutschland und in der Schweiz (* = dynamische Komponente)
Komponenten des aufsichtlichen Ergänzungskapitals
Das Ergänzungskapital wird grundsätzlich in zwei Klassen unterteilt. Diese Unterteilung wird vorgenommen, um den unterschiedlichen Anrechnungsgrenzen verschiedener Bestandteile des Ergänzungskapitals Rechnung zu tragen. Im Ergänzungskapital finden sich zum einen stille Reserven. In Deutschland sind dies vor allem die bereits erwähnte Vorsorge für allgemeine Bankrisiken. Hierbei handelt es sich gemäß §340f HGB um versteuerte stille Reserven, die durch eine Unterbewertung von Forderungen an Kreditinstitute, an Kunden sowie von Wertpapieren, die nicht zum Handelsbestand gehören und nicht wie Anlagevermögen behandelt werden, entstehen. Vorsorgereserven dienen zur Absicherung der besonderen Risiken der Kreditinstitute. Zur Anerkennung darf eine Kernkapitalquote (= Kernkapital / Risikoaktiva) von 4 % nicht unterschritten werden. Mit der deutschen Vorsorgereserve vergleichbar sind in der Schweiz die stillen Reserven in den Wertberichtigungen und Rückstellungen, sofern sie in einem besonderen Konto ausgewiesen und speziell als Eigenmittel gekennzeichnet sind. Zusätzlich anrechenbar ist in der Schweiz die 26
Schwankungsreserve für Kreditrisiken, und zwar in Höhe von 1,25 % der risikogewichteten kreditrisikobehafteten Positionen. Im Weiteren werden im Rahmen des Ergänzungskapitals in Deutschland aber auch Vorzugsaktien sowie 45 % der Rücklagen nach § 6b des Einkommensteuergesetzes angerechnet. Dieses erlaubt, einen eventuellen Veräusserungsgewinn bei Grundstücken und Gebäuden im Jahr des Verkaufs von deren Anschaffungs- und Herstellungskosten gewinnvermindernd als Rücklagen einzustellen. Ebenfalls unter das Ergänzungskapital fallen zusätzlich noch die Eigen- und Fremdkapitalcharakter aufweisenden hybriden Instrumente. Da diese gesetzlich nicht geregelt sind, enthält die Bankenverordnung respektive das Kreditwesengesetz die Voraussetzungen zur Anerkennung (vgl. auch SCHWARZ 2004): •
Die bereitgestellten Finanzmittel sind nicht besichert, nachrangig und voll eingezahlt.
•
Der Kapitalgeber kann eine Rückzahlung nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde verlangen.
•
Die bereitgestellten Finanzmittel können zur Verlustkompensation verwendet werden, ohne dass das Kreditinstitut zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeit gezwungen wäre.
•
Wenn mit dem Instrument eine Zinszahlungsverpflichtung verbunden ist, die nicht auf Dauer verringert oder aufgehoben werden kann, sollte eine Vereinbarung bestehen, dass die Bedienung zurückgestellt werden kann, wenn die Ertragslage des Kreditinstitutes Zahlungen nicht mehr zulässt.
Als hybride Finanzinstrumente gelten vor allem Genussrechtsverbindlichkeiten. Anrechenbar sind in Deutschland wie in der Schweiz auch die längerfristigen nachrangigen Verbindlichkeiten mit einer Ursprungslaufzeit von über 5 Jahren (vgl. § 10 KWG und Art. 24 ERV). Unterschiede bestehen allerdings bezüglich der Anrechnung in den letzten Jahren vor der Fälligkeit: Während in Deutschland bei nachrangigen Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von zwei Jahren oder weniger nur noch 40 % als Ergänzungskapital angerechnet werden, verringert sich in der Schweiz der anrechenbare Betrag ab einer Restlaufzeit von 5 Jahren jährlich jeweils um 20 % des ursprünglichen Nominalbetrags. Ebenfalls in beiden Rechtsordnungen wird als Ergänzungskapital die Nachschusspflicht von Mitgliedern von Genossenschaften berücksichtigt In der Schweiz werden hiervon 50 % berücksichtigt. In Deutschland hängt die Höhe der Anrechnung davon ab, ob es sich um eine Kreditgenossenschaft mit beschränkter oder um eine mit unbeschränkter Haftpflicht handelt. Bei ersteren beläuft sich der Zuschlag auf 75 % des Gesamtbetrages der Haftsummen, bei letzteren auf das Doppelte des Gesamtbetrages der Geschäftsanteile. Als weitere Komponente des Ergänzungskapitals werden Neubewertungsreserven anerkannt. Die Neubewertung von Vermögensgegenständen kann nach Ansicht des BASLER AUSSCHUSSES auf zweierlei Weise erfolgen: Zum einen mittels einer förmlichen Neubewertung von Sachanlagen in der Bankbilanz, zum anderen durch fiktive Zurechnung sich aus der Bilanzierung zu Anschaffungskosten ergebender stiller Reserven zu den Eigenmitteln. Diese 27
„latenten“ Bewertungsreserven sind durchaus in der Lage, Verluste aus dem laufenden Geschäft aufzufangen, weshalb sie in die Kapitalbasis miteinbezogen werden dürfen. In Deutschland sind zum einen 35 % der Differenz zwischen Buchwert und Marktwert von notierten und bestimmten nicht notierten Wertpapieren als Ergänzungskapital anrechenbar. Zum anderen dürfen unter bestimmten Voraussetzungen 45 % der Differenz zwischen Buch- und Beleihungswert bei Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten und Gebäuden angerechnet werden. Der Neubewertungsreserve in Deutschland entsprechen in etwa die stillen Reserven im Anlagevermögen und in den Finanzanlagen in der Schweiz. Zur Berechnung des anrechnungsfähigen Betrages sind jedoch zwei Grundsätze zu beachten. Einerseits dürfen die stillen Reserven nicht größer sein als die Differenz zwischen dem Anschaffungspreis und dem Buchwert. Andererseits darf der maximal anrechenbare Betrag 45 % der Differenz zwischen dem Markt- und Buchwert nicht überschreiten. Mit diesen Einschränkungen sollen sowohl mögliche Marktschwankungen als auch die entstehende Steuerbelastung bei der Auflösung dieser Reserven berücksichtigt werden. Allerdings dürfen derartige stille Reserven im gesamten Anlagevermögen berücksichtigt werden.
Klasse 1
• • • • •
Klasse 2
Deutschland
• Längerfristige nachrangige Verbindlichkeiten* • Haftsummenzuschlag bei Genossenschaften*
Abb. 19:
Vorsorgereserven nach § 340f HGB 45 % der Rücklagen nach § 6b EStG Nennwert der Vorzugsaktien* Genussrechtsverbindlichkeiten* Neubewertungsreserven
Schweiz • Stille Reserven im Posten „Wertberichtigungen und Rückstellungen“ • Neubewertungsreserven • Hybride Instrumente • Schwankungsreserve für Kreditrisiken • Längerfristige nachrangige Verbindlichkeiten • Nachschusspflicht bei Genossenschaften im Umfang von 50 %
Komponenten des aufsichtlichen Ergänzungskapitals in Deutschland und in der Schweiz (* = dynamische Komponente)
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass unter Ergänzungskapital solche Kapitalbestandteile subsumiert werden, die im Gegensatz zum Kernkapital des Kreditinstitutes nur zeitweise zur Verfügung stehen (beispielsweise nachrangige Verbindlichkeiten), erst für den Notfall versprochen sind (Nachschusspflicht bei Genossenschaften) oder deren Bildung mit dem Makel minderer Transparenz behaftet ist (stille Reserven). Eine Übersicht liefert Abb. 19.
c)
Komponenten des aufsichtlichen Nachrangkapitals
Das Nachrangkapital wird auch als „Drittrangmittel“ oder „Zusatzkapital“ bezeichnet. Es besteht aus kurzfristigen nachrangigen Verbindlichkeiten mit einer Ursprungslaufzeit von mehr als zwei Jahren. Diese dürfen im Falle eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Institutes oder der Liquidation des Institutes erst nach Befriedigung aller nicht nachrangigen Ansprüche zurückgezahlt werden, dem Institut mindestens fünf Jahre zur Ver28
fügung gestellt werden, die Aufrechnung gegen Forderungen des Institutes ausgeschlossen sein und es dürfen für die Verbindlichkeiten in den Vertragsbedingungen keine Sicherheiten durch das Institut oder durch Dritte gestellt werden (vgl. §10 Abs. 2b S.1 Nr5 KWG i.V. mit §10 Abs. 5a S.1 Nr. 1-3 KWG). Zusätzlich muss vertraglich fixiert sein, dass auf die Verbindlichkeit weder Tilgungs- noch Zinszahlungen geleistet werden müssen, wenn dies zur Folge hätte, dass die Höhe der Eigenmittel des Instituts den gesetzlichen Anforderungen nicht mehr genügen würde. In Deutschland kann zusätzlich noch der Nettogewinn angerechnet werden, der bei einer Glattstellung aller Handelsbuchpositionen entstünde, abzüglich aller Aufwendungen und Ausschüttungen sowie des bei einer Liquidation des Unternehmens voraussichtlich entstehenden Verlustes aus dem Anlagebuch. Deutschland • Kürzerfristige nachrangige Verbindlichkeiten * • Nettogewinn bei hypothetischer Glattstellung aller Handelsbuchpositionen * Abb. 20:
Schweiz • Kürzerfristige nachrangige Verbindlichkeiten
Komponenten des aufsichtlichen Nachrangkapitals in Deutschland und in der Schweiz (* = dynamische Komponente)
Besondere Regelungen gelten für Institute, die nur wenig oder gar keine Handelsbuchgeschäfte tätigen. Sie sind von der Unterlegung der Marktrisiken mit Eigenmitteln weitestgehend befreit (vgl. §1 SolvV), was sich auf die Höhe der anrechenbaren Eigenmittel auswirkt. Als Handelsbuchgeschäfte gelten dabei im Sinne des KWG •
Finanzinstrumente, handelbare Forderungen und Anteile, die das Institut zum Zweck des Wiederverkaufs im Eigenbestand hält oder von dem Institut übernommen werden, um bestehende oder erwartete Unterschiede zwischen den Kauf- und Verkaufspreisen oder Preis- und Zinsschwankungen kurzfristig zu nutzen, damit ein Eigenhandelserfolg erzielt wird,
•
Bestände und Geschäfte zur Absicherung von Marktrisiken des Handelsbuchs und damit im Zusammenhang stehende Refinanzierungsgeschäfte,
•
Aufgabegeschäfte sowie
•
Forderungen in Form von Gebühren, Provisionen, Zinsen, Dividenden und Einschüssen, die mit den Positionen des Handelsbuchs unmittelbar verknüpft sind.
Dem Handelsbuch sind auch Pensions-, Darlehens- sowie vergleichbare Geschäfte auf Positionen des Handelsbuchs zuzurechnen. Demgegenüber bilden alle Geschäfte, die nicht dem Handelsbuch zuzurechnen sind, das Anlagebuch eines Instituts.
29
d)
Abzugsposten und Randbedingungen der Eigenmittelanrechnung
Um zur Summe der aufsichtlich anerkannten Eigenmittel zu gelangen, sind in einem nächsten Schritt die oben ermittelten Werte um die das Haftungssubstrat schmälernden Posten zu korrigieren. Die Korrektur ist vom deutschen wie vom schweizerischen Recht praktisch identisch geregelt. Korrekturposten sind bilanziell ausgewiesene Verluste, immaterielle Anlagewerte wie beispielsweise ein eventueller Goodwill sowie der Buchwert des Bestandes, respektive die Netto-Longposition, an eigenen Aktien. Zudem ist ein eventueller ungedeckter Wertberichtigungs- und Rückstellungsbedarf des laufenden Geschäftsjahres – in Deutschland „Korrekturposten“ genannt – vom Kernkapital abzuziehen. Lediglich in Deutschland sind auch Kredite zu marktunüblichen Konditionen an Gesellschafter, die eine Beteiligung von über 25 % an dem Kreditinstitut halten, abzuziehen (vgl. Abb. 21). Deutschland • Buchwert des Bestandes an eigenen Aktien * • Marktunübliche Kredite an bedeutende Gesellschafter • Immaterielle Anlagewerte * • Bilanz-/Zwischenverluste * • Korrekturposten Abb. 21:
Schweiz • Netto-Long-Position der nicht im Handelsbuch gehaltenen eigenen Aktien • Goodwill • Verluste • Ungedeckter Wertberichtigungs- respektive Rückstellungsbedarf
Abzüge vom aufsichtlichen Kernkapital in Deutschland und in der Schweiz (* = dynamische Komponente)
Des weiteren sind diverse Posten von der Summe des Kern- und Ergänzungskapitals in Deutschland, wo dieses Aggregat auch „haftendes Eigenkapital“ genannt wird, respektive von der Summe des Kern-, Ergänzungs- und Nachrangkapitals (in der Schweiz) abzuziehen. Es handelt sich dabei um Beteiligungen an Finanzdienstleistungsunternehmen und nachrangige Forderungen – in Deutschland nur die längerfristigen – an Finanzdienstleistungsunternehmen, an denen das betreffende Kreditinstitut beteiligt ist. In Deutschland müssen aber auch alle längerfristigen nachrangigen Forderungen an Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen, an denen keine Beteiligung besteht, abgezogen werden. Dies ist in der Schweiz nicht der Fall. Dafür sind kürzer- und längerfristige nachrangige Verbindlichkeiten abzuziehen sowie alle als ergänzendes Kapital oder als Nachrangkapital angerechneten, von dem Kreditinstitut selbst ausgegebenen nachrangigen Schuldtitel außerhalb des Handelsbuches in direktem oder indirektem Eigenbesitz. Nicht alle Kapitalkomponenten dürfen jedoch unbeschränkt angerechnet werden. Vielmehr gelten Randbedingungen, die einzuhalten sind. Unbeschränkt anrechenbar ist lediglich das Kernkapital. Hingegen darf das gesamte anrechenbare Ergänzungskapital die Summe des Kernkapitals nicht übersteigen. Das Ergänzungskapital der Klasse 2 darf wiederum die Hälfte des gesamten anrechenbaren Ergänzungskapitals nicht übersteigen. Auch die Anrechenbarkeit des Ergänzungskapitals der Klasse 1 ist Restriktionen unterworfen. So dürfen die Neubewertungsreserven in Deutschland in Höhe von maximal 1,4 % der anzurechnenden Risikovolumina ange30
rechnet werden, sofern das Kernkapital mindestens 4,4 % dieses anzurechnenden Risikovolumens ausmacht. In der Schweiz dürfen die Schwankungsreserven für Kreditrisiken den Betrag von 1,25 % der anzurechnenden Risikovolumina nicht übersteigen. Die Anrechenbarkeit des Nachrangkapitals ist ebenfalls beschränkt. In Deutschland beträgt die Obergrenze 250 % des Unterschiedsbetrags zwischen dem Kernkapital, das zur Unterlegung von Marktrisiken verwendet wurde, und 40 % des Ergänzungskapitals, das zur Unterlegung von Marktrisiken verwendet wurde. In der Schweiz ist die Obergrenze höher, sie beträgt 250 % des zur Unterlegung von Marktrisiken verwendeten Kernkapitals.
3.
Abstufung von Risikodeckungsmassen im Risikotragfähigkeitskalkül
Für Zwecke der Risikoabdeckung kommt in erster Linie das regulatorische Eigenkapital in Frage, da es konsequent danach fragt, welche Kapitalreserven vorhanden sind bzw. mobilisiert werden können, um eine Unterbilanz infolge von Verlustsituationen zu vermeiden. In einer internen Rechnung kann man zusätzlich stille Reserven berücksichtigen, die zwar einsetzbar, aber aufsichtlich nicht anerkannt sind, desgleichen Gewinne, die zwar erzielt worden sind, aber mangels Beschlussfassung der General-/Hauptversammlung noch nicht als haftendes Eigenkapital anerkannt werden. Als weitere Eigenkapitalkategorie käme der Marktwert des Nettovermögens in Frage. Dieser lässt sich aus dem Börsenwert des Eigenkapitals ableiten oder z.B. mit Hilfe der Discounted Cash Flow-Methode im Rahmen von Unternehmensbewertungsverfahren kalkulieren. In einer periodenerfolgsorientierten Betrachtung ist diese Eigenkapitalkategorie unbrauchbar (vgl. SCHIERENBECK 2003b, S. 407 ff.). Dies liegt zum einen daran, dass der Marktwert des Eigenkapitals vom Unternehmen nicht eingesetzt werden kann, um Verluste abzudecken und zum anderen, dass gerade dann, wenn das Eigenkapital hierfür benötigt würde, es typischerweise nicht mehr uneingeschränkt vorhanden ist. Für die konkreten Risikotragfähigkeitsberechnungen bietet sich eine stufenweise Abgrenzung der Deckungsmassen an, wie sie sich in Erweiterung des regulatorischen Eigenkapitalbegriffs um Rückstellungen für erwartete Verluste, um die gesamten stillen Reserven sowie um den realisierten Gewinn (auch wenn er noch nicht formell beschlossen wurde) darstellen. Eine solche Abstufung kann je nach Lage des Kreditinstitutes unterschiedlich ausgestaltet sein. Mit der in Abbildung 22 vorgeschlagenen Abstufung der Risikodeckungsmassen wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Risiken mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten schlagend werden. Zur Abdeckung der daraus resultierenden Verluste werden im Rahmen des primären und sekundären Deckungspotentials zunächst diejenigen Bestandteile verbraucht, die grundsätzlich ohne Publizitätswirkung verwendbar sind. Der Verbrauch tertiärer Risikodeckungsmassen führt zu einer gegebenenfalls verminderten Gewinnausschüttung, auf die unter Umständen sogar ganz verzichtet wird, sowie gegebenenfalls zu einer Reduktion bzw. Aufzehrung der Sonderposten für allgemeine Bankrisiken. Die Auflösung quartären Risikodeckungskapitals ist bilanztechnisch offenzulegen, belastet jedoch nur die Eigenkapitalgeber. Darüber hinaus beinhaltet die Auflösung quintären Risikodeckungskapitals gegebenenfalls die Inanspruchnahme bestimmter Fremdkapitalpositionen (vgl. LISTER 1997). 31
•
•
Für erwartete Verluste - gebildete Rückstellungen - kalkulierte (Standard-) Risikokosten Übergewinn
Sekundäres Risikodeckungspotential
•
Stille Reserven
Tertiäres Risikodeckungspotential
• •
Mindestgewinn Sonderposten für allgemeine Bankrisiken
Quartäres Risikodeckungspotential
• •
Offene Reserven Gezeichnetes Kapital
•
Ergänzungskapital Klasse I und II (ohne stille Reserven) Nachrangkapital
Primäres Risikodeckungspotential
Quintäres Risikodeckungspotential •
Abb. 22: Stufenweise Abgrenzung der Risikodeckungsmassen in Kreditinstituten
In den wahrscheinlichsten Verlustfällen sollten die primären Risikodeckungspotentiale und damit die für erwartete Verluste gebildeten Rückstellungen und kalkulierten (Standard-) Risikokosten sowie der über den Mindestgewinn hinaus erwirtschaftete Übergewinn ausreichen, um auftretende Verluste abzudecken. Sofern dies nicht ausreicht, sind danach stille Reserven, Mindestgewinnbestandteile und anschließend der Sonderposten für allgemeine Bankrisiken anzugreifen. Diese Vorgehensweise kann schließlich dazu führen, dass kein Jahresüberschuss mehr ausgewiesen werden kann. Im nächsten Schritt sind bilanzierte Kernkapitalien anzugreifen. Im Vordergrund stehen diesbezüglich die offenen Reserven sowie das gezeichnete Kapital. Dieses aus Eigenkapitalbestandteilen zusammengesetzte Risikodeckungspotential wird schließlich um das aus dem Ergänzungs- und Nachrangkapital bestehende quintäre Risikodeckungspotential ergänzt, auf das jedoch nur im äußersten Notfall zurückgegriffen werden sollte. Durch die Abstufung der verschiedenen Risikodeckungsmassen von den ausdrücklich für die Verlustdeckung vorgesehenen, über die still, d.h. ohne Außenwirkung einsetzbaren Verlustdeckungsmöglichkeiten bis hin zu den mit sichtbaren Konsequenzen für Anteilseigner und Nachrangkapitalgeber einsetzbaren Kapitalressourcen zur Verlustdeckung werden zum einen die verschiedenen Sicherheitspolster deutlich, über die ein Kreditinstitut in Verlustsituationen verfügen kann. Zum anderen können hieraus geschäftspolitische Grundsätze hergeleitet werden, die sich auf das tolerierte (Rest-) Risiko beziehen, mit der diese Kapitalressourcen in Anspruch genommen werden müssen.
32
III. Verknüpfung von Risikopotentialen und Risikodeckungsmassen 1.
Differenzierung der Gleichgewichtsbedingungen im Risikotragfähigkeitskalkül für alternative Belastungsszenarien
Für die Überprüfung, ob die verfügbaren Risikodeckungsmassen ausreichen, um die bestehenden Belastungen aus Risikofällen abzudecken, ist es zweckmäßig, die oben angesprochene Abstufung von Risikodeckungsmassen vor dem Hintergrund alternativer Risikobelastungsszenarien zu differenzieren. Konzeptionell lassen sich in diesem Sinne drei repräsentative Risikobelastungsfälle beziehungsweise Belastungsszenarien unterscheiden (vgl. Abb. 23): •
Risikopotential im Normalbelastungsfall, das mit einer hohen Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann und bei dem die Verluste im Rahmen der Erwartungen bleiben.
•
Risikopotential im negativen Belastungsfall, das mit einer geringen bis mittleren Wahrscheinlichkeit schlagend werden könnte.
•
Risikopotential im Maximalbelastungsfall, das den Fall außerordentlich hoher Verluste, die aber mit einer äußerst geringen Wahrscheinlichkeit (1 % oder kleiner) eintreten werden, umschreibt.
Risikopotential
d
Verfügbare Risikodeckungsmassen
Risikopotential im Normalbelastungsfall
d
Primäres Risikodeckungspotential
Risikopotential im negativen Belastungsfall
d
Primäres bis tertiäres Risikodeckungspotential
Risikopotential im Maximalbelastungsfall
d
Primäres bis quintäres Risikodeckungspotential
Abb. 23: Spezifizierung der Gleichgewichtsbedingung für Erfolgsrisiken im Risikotragfähigkeitskalkül
Im Normalbelastungsfall bewegen sich die Verluste im Rahmen regelmäßiger Ergebnisschwankungen. Für Marktrisiken könnte dieser Fall dadurch umschrieben werden, dass die Belastungen im Rahmen der für normale Marktbedingungen definierten Value at Risk-Limite bleiben. Aus diesen Überlegungen lässt sich die Gleichgewichtsbedingung für den Normalbelastungsfall herleiten: Nur dann, wenn in einer Risikotragfähigkeitskalkulation das verfügbare primäre Risikodeckungspotential ausreicht, um diesen Normalbelastungsfall abzudecken, befindet sich das Kreditinstitut diesbezüglich in einer Gleichgewichtssituation. Anders ist die Problemstellung im negativen Belastungsfall, der mit größeren Verlustkonsequenzen, allerdings auch nur mit einer eher geringen Wahrscheinlichkeit einkalkuliert werden muss. Ein
33
Zins- oder Aktienkurs-Crash oder auch der Ausfall eines großen Kreditnehmers mit entsprechenden Wertberichtigungskonsequenzen wäre der gedankliche Bezugspunkt für einen solchen Belastungsfall. Als eine zentrale Gleichgewichtsbedingung hierfür wird gelten müssen, dass zur Abdeckung der hiermit verbundenen Verluste kein Rückgriff auf das offene Eigenkapital erforderlich ist. Im Umkehrschluss heißt dies, dass der Einsatz stiller Reserven, gegebenenfalls der für die Reservendotierung und Dividendenzahlung reservierte Mindestgewinn sowie entsprechende gebildete Sonderposten für allgemeine Bankrisiken diesen Verlustfall abdecken können sollten. Nur bei der dritten Konstellation, die als Maximalbelastungsfall oder als Worst-Case-Szenario bezeichnet werden kann, ist die Gesamtheit aller verfügbaren Risikodeckungsmassen aufgerufen, die entstehenden Verlustsituationen abzudecken. Nur für diesen Maximalbelastungsfall darf also ein Rückgriff auf das offene Eigenkapital und noch weitergehend auf das Ergänzungskapital und Nachrangkapital in Frage kommen. Speziell für den Maximalbelastungsfall sind zwei weitere Anmerkungen im Zusammenhang mit dem Risikotragfähigkeitskalkül hilfreich. Die eine betrifft die Berücksichtigung von Korrelationen zwischen den verschiedenen Risikokategorien zur Bestimmung des TotalRisikopotentials. Die Erfahrung lehrt, dass bei solchen Maximalbelastungsfällen die Wahrscheinlichkeit risikoreduzierender Korrelationseffekte eher gering ist. Daher wird im Maximalbelastungsfall sicherheitshalber eher von einer additiven Verknüpfung von Einzelrisiken zum Gesamtrisiko auszugehen sein. Ein zweiter Aspekt betrifft die zentrale Frage, ob das Kreditinstitut auch für den simulierten Worst-Case seine gesamten verfügbaren Risikodeckungsmassen einzusetzen bereit ist. Wird in diesem Sinne eine geschäftspolitische Vorgabe formuliert, die etwa besagt, dass das maximale Risiko im Rahmen eines bestimmten Konfidenzniveaus nur einen bestimmten Prozentsatz des gesamten haftenden Eigenkapitals belasten darf, wird damit praktisch ein Risiko-Eigenkapital-Koeffizient (REK) festgelegt. Ein REK von beispielsweise 50 % würde angeben, dass auch im angenommenen Maximalbelastungsfall höchstens 50 % der verfügbaren Risikodeckungsmassen einschließlich des offenen Eigenkapitals verbraucht werden darf. Ein solcher Koeffizient drückt also in Verbindung mit dem statistischen Konfidenzniveau in der Value at Risk-Berechnung die Risikobereitschaft bzw. den Risikoappetit der Geschäftsleitung aus.
2.
Abstimmung von Risikopotential und Risikodeckungsmassen am Beispiel
Im nächsten Schritt sollen für die Abstufung des Risikopotentials bestimmte Wahrscheinlichkeiten als Intervallgrenzen formuliert werden und die zwischen diesen Intervallgrenzen liegenden Bestandteile als Risikopotential des Intervalls definiert werden. Legt man die Intervallgrenzen über den Z-Wert fest, so ergibt sich beispielsweise bei einem gesamtbankbezogenen Risikovolumen von 2 Mrd. EUR und einer Standardabweichung von 2 % das in Abbildung 24 dargestellte Bild. Bei der Bestimmung des Risikodeckungspotentials wurde erklärt, dass den primären Deckungsmassen auch die Rückstellungen für erwartete Verluste zuzuordnen sind. In diesem Sinne müsste sich das Risikopotential aus dem für unerwartete Verluste kalkulierten Value at Risk zuzüglich den erwarteten Verlusten zusammensetzen. Im nachfolgenden Beispiel wird auf die Integration der erwarteten Verluste aus Vereinfachungsgründen verzichtet. Somit sind sowohl das primäre Deckungspotential als auch das Risikopotential um die Bestandteile für erwartete Verluste gekürzt. 34
Stufe i
(1)
Z-Wert
(2)
Wkikumuliert
¨ Wkikumuliert
VaRi
¨ VaRi
(in %)
(in %)
(in Mio. EUR)
(in Mio. EUR)
(3) = Fn(Z – Wert)
(4) = Fi – Fi-1
(5)
(6) = (5)i – (5)i-1
= 2 Mrd. EUR -2 % · (2) · [e – 1]
1
1
84,13
–
39,6
39,6
2
2
97,72
13,59
78,4
38,8
3
3
99,87
2,15
116,5
38,1
4
3,5
99,98
0,11
135,2
18,7
5
4
99,99
0,01
153,8
18,6
Abb. 24: Z-Wert und Value at Risk im Verbund einheitlicher Wahrscheinlichkeitsaussagen mit: F(Z) = Wert der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung für Z; i = Index; Wk = Wahrscheinlichkeit; VaR = Value at Risk; Z = standardnormalverteilte Zufallsvariable
In Abbildung 24 werden für verschiedene Wahrscheinlichkeiten respektive Sicherheitsniveaus die VaR ermittelt. Wird das Sicherheitsniveau erhöht, müssen die verfügbaren Risikodeckungsmassen aufgestockt werden. Spalte (4) gibt an, um wieviel das Sicherheitsniveau gesteigert werden kann, wenn entsprechend mehr Risikodeckungsmassen vorgehalten werden. Der dafür notwendige Zuwachs an Risikodeckungsmassen wird in Spalte (6) dargestellt. Risikodeckungsmassen einzeln Primäres Risikodeckungspotential: Übergewinn
Kumuliert
5.000.000 EUR
5.000.000 EUR
Sekundäres Risikodeckungspotential: Stille Reserven
60.000.000 EUR
65.000.000 EUR
Tertiäres Risikodeckungspotential: Mindestgewinn; Sonderposten für allgemeine Bankrisiken
20.000.000 EUR
85.000.000 EUR
Quartäres Risikodeckungspotential: Offene Reserven; Gezeichnetes Kapital
100.000.000 EUR
185.000.000 EUR
Quintäres Risikodeckungspotential: Ergänzungs- und Nachrangkapital (ohne stille Reserven)
50.000.000 EUR
235.000.000 EUR
235.000.000 EUR
235.000.000 EUR
Gesamt
Abb. 25: Beispiel für die stufenweise Einteilung der Eigenkapitalbestandteile
Es ist offensichtlich, dass sich das Sicherheitsniveau mit zunehmendem Z-Wert nur noch marginal steigern lässt. Die Z-Werte können beliebig erhöht werden, ohne dass eine Gesamtwahrscheinlichkeit und entsprechend ein Sicherheitsniveau von 100 % zu erreichen wäre, wie beispielsweise bereits aus der Veränderung des Z-Wertes von 3,5 auf 4 zu ersehen ist. Eine weitere Erhöhung der Z-Werte würde also nur zu einer minimalen Verbesserung des Sicher-
35
heitsniveaus [Spalte (3)] führen, gleichzeitig aber einen deutlichen Zuwachs an benötigten Risikodeckungsmassen [Spalte (6)] mit sich bringen. Im nächsten Schritt findet die Abgrenzung der Risikodeckungsmassen statt. Im Beispiel teilt ein Kreditinstitut das ihm insgesamt zur Verfügung stehende Haftungskapital (regulatorisches Eigenkapital) in Höhe von 235 Mio. EUR in fünf Kategorien von Risikodeckungsmassen auf (vgl. Abb. 25). Diese gesamte Risikodeckungsmasse ist nun mit den Risikopotentialen abzustimmen.
Richtung des Abstimmungsprozesses WahrscheinlichZkeit für Wert maximalen Verlust 99,99 % -4
Betrag in Mio. EUR
FN(Z) in % 100 %
Betrag in Mio. EUR
Risikodeckungskumu- ein- potentiale liert zeln
153,8
235
50
Quintär
- 3,5
99,98 %
135,2
185
100
Quartär
-3
99,87 %
116,5
85
20
Tertiär
-2
97,72 %
78,4
65
60
Sekundär
-1
84,14 %
39,6
5
5
Primär
97,72 % 50 %
2,28 %
Z-Wert - 2 - 1 0 + 1+ 2
Berechnung des VaR : - 2 Mrd. EUR (e Z Wert 2 % 1) - z. B. VaR 2 Mrd. EUR (e 2 2 % 1) - 78,4 Mio. EUR
VaR
Abb. 26: Abstimmung von Risikopotential und Risikodeckungsmassen mit: FN(Z) = Wert der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung
Für die Ermittlung des Risikopotentials des Kreditinstitutes sei weiterhin ein Gesamtrisikovolumen in Höhe von 2 Mrd. EUR bei einer Standardabweichung von 2 % angenommen. Zunächst wird eine vom Risikopotential auf die Risikodeckungsmassen ausgerichtete Zuordnungsbeziehung dargestellt. Dabei wird ein bestimmtes Sicherheitsniveau in Form eines Z-Werts vorgegeben. Für jedes Sicherheitsniveau ergibt sich ein zugehöriges Maß an Risikodeckungsmassen. Im nächsten Schritt werden die für verschiedene Szenarien ermittelten SollRisikodeckungsmassen den Risikodeckungsmassen, über die das Kreditinstitut tatsächlich verfügt, gegenübergestellt. Es zeigt sich, dass für ein Sicherheitsniveau von 97,72 % 78,4 Mio. EUR vorgehalten werden müssen. Dies entspricht dem gesamten primären und sekundären Risikodeckungspotential zuzüglich eines Teils (insgesamt 13,4 Mio. EUR) des tertiären Risikodeckungspotentials. Außerdem wird deutlich, dass die Summe der Risikodeckungspotentiale in Höhe von 235 Mio. EUR, das für ein Sicherheitsniveau von 99,99 % er36
forderliche Ausmaß an Risikodeckungsmassen von 153,8 Mio. EUR deutlich übertrifft (vgl. Abb. 26). Um zu bestimmen, welche Sicherheitsniveaus sich bei gegebener Risikosituation aus den vorgegebenen Risikodeckungsmassen ergeben, d.h. welche Sicherheitsniveaus die entsprechenden Risikodeckungspotentiale garantieren können, muss der umgekehrte Weg beschritten werden. Folglich werden der VaR in Höhe der entsprechenden Risikodeckungsmassen definiert und das sich daraus ergebende Sicherheitsniveau bestimmt. Durch Umstellung der Gleichung zur Bestimmung des VaR ergibt sich: VaR
RV RF
RV (e RMZ 1) RV (e r STD Z - Wert 1)
LN VaR RV Z - Wert
RV
r STD
mit: e = Eulersche Zahl; LN = natürlicher Logarithmus; RF = Risikofaktor; RV = Risikovolumen; RMZ = Risikomesszahl; STD = Standardabweichung; VaR = Value at Risk
Richtung des Abstimmungsprozesses
FN(Z) in %
Wahr100 % Betrag in scheinlich- Mio. EUR Risikokeit deckungsZ-Wert für kumu- ein- potentiale maximalen liert zeln Verlust 50 % 235 50 Quintär - 6,25 99,99 % - 4,85
99,99 %
185
100
Quartär
- 2.17
98,51 %
85
20
Tertiär
- 1,65
95,07 %
65
60
Sekundär
- 0,13
54,98 %
5
5
Primär
98,51 %
Z-Wert
1,49 % - 2,17 - 2 - 1 0 + 1 + 2
Umstellung der Gleichung für den VaR : VaR
- 2 Mrd. .EUR (e Z Wert 2 % 1)
Z Wert
- 85 Mio. EUR
§ - 85 Mio. EUR 2 Mrd. EUR· In ¨¨ ¸ 2 Mrd. EUR © ¹ -2 %
Strenge Nebenbedingung:
Risikodeckungsmassen
+ 2,17
t
Value at Risk (Worst Case)
Abb. 27: Abstimmung von Risikodeckungsmassen und Risikopotential mit: FN(Z) = Wert der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung
37
Werden nun anstatt VaR die jeweiligen Risikodeckungsmassen in die Bestimmungsgleichung für den Z-Wert eingesetzt, lassen sich die den Risikodeckungsmassen entsprechenden Sicherheitsniveaus ermitteln. Zunächst ist dabei der mit der eingesetzten Risikodeckungsmasse korrespondierende Z-Wert zu bestimmen. Das gesuchte Sicherheitsniveau kann sodann anhand der dem jeweiligen Z-Wert zugeordneten Wahrscheinlichkeit abgelesen werden. Demnach entsprechen die von den primären, sekundären und tertiären Risikodeckungspotentialen insgesamt abgedeckten 85 Mio. EUR an potentiellem Verlust bei einem Risikovolumen von insgesamt 2 Mrd. EUR und einer Standardabweichung von 2 % einem Z-Wert von - 2,17 (vgl. Abb. 27). Somit wird der maximale Ausfall mit einer Wahrscheinlichkeit von 98,51 % nicht größer sein als die Summe der ersten drei Kategorien von Risikodeckungsmassen. Abbildung 28 greift die vorstehenden Überlegungen noch einmal auf und fasst die Ergebnisse der Abbildungen 26 und 27 zusammen. Außerdem werden diese ergänzt um eine Aussage bezüglich der in Abbildung 23 skizzierten Belastungsfälle. Dabei wurden drei Belastungsszenarien unterschieden, denen die entsprechenden Risikodeckungspotentiale gegenüberstehen. Man unterscheidet zwischen dem Normalbelastungsfall, dem negativen Belastungsfall und dem Maximalbelastungsfall. Die tatsächlich realisierten Ausfälle entsprechen im Normalbelastungsfall dem Übergewinn, d.h. dem primären Risikodeckungspotential von im Beispiel 5 Mio. EUR (vgl. Abb. 25). Die Wahrscheinlichkeit, dass das primäre Risikodeckungspotential ausreicht, um die sich realisierenden Verluste zu decken, beträgt im Beispiel 54,98 %.
Richtung des Abstimmungsprozesses
Sicherheitsniveau
Z-Wert = 1 Z-Wert = 2 Z-Wert = 3 Z-Wert = 4 84,13 % 97,72 % 99,87 % 99,99 %
Risikodeckungsmassen Primär Sekundär Tertiär Quartär Quintär 5 Mio. 60 Mio. 20 Mio. 100 Mio. 50 Mio.
Kumuliert: 5 Mio.
65 Mio. 85 Mio. 185 Mio. 235 Mio.
ǻ=39,6 Mio.ǻ=38,8 Mio.ǻ=38,1 Mio.ǻ=37,3 Mio. 54,98 % 95,07 % 98,51 % 99,99 % 99,99 %
Kumuliert: 39,6 Mio.
Belastungsfall
78,4 Mio. 116,5 Mio. 153,8 Mio. Normal
Vergleich mit vorhandenen Risikodeckungsmassen
Negativ
Maximal
Sicherheitsniveau bei den jeweils gegebenen Risikodeckungsmassen
Abb. 28: Risikobelastungsszenarien im VaR-Konzept
Der negative Belastungsfall umfasst die primären, sekundären und tertiären Risikodeckungspotentiale. Im Beispiel wird der Verlust den negativen Belastungsfall mit einer Wahrscheinlichkeit von 98,51 % nicht überschreiten. Für den Maximalbelastungsfall gilt, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99 % der Verlust kleiner sein wird als die gesamten Risikodeckungsmassen, d.h. die Summe aus den Reserven für erwartete Verluste, stillen Reserven, 38
Mindestgewinn, Sonderposten für allgemeine Bankrisiken, den offenen Reserven und dem gezeichneten Kapital sowie Ergänzungs- und Nachrangkapitalien von insgesamt 235 Mio. EUR. Aus der Abstimmung von Risikodeckungsmassen und Risikopotential resultiert das Risikotragfähigkeitsprofil der Gesamtbank. Die Geschäftsleitung des Kreditinstitutes muss entscheiden, ob dieses Profil ihren Sicherheitsbedürfnissen entspricht oder ob ihr die Risikoübernahmen gegenüber den Deckungsmassen zu hoch oder zu niedrig erscheinen. Grundsätzlich sind bei der Fixierung der zulässigen Risikopotentiale Stress-Szenarien zu beachten (vgl. hierzu S. 98). Zur Überprüfung der Risikotragfähigkeit muss anhand verschiedener Risikoszenarien festgestellt werden, ob im jeweiligen Belastungsfall ausreichend Deckungsmassen vorhanden sind. Gegebenenfalls müssen dann entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, die zu einer Senkung der Risikopotentiale oder Erhöhung der Risikodeckungsmassen führen. Im Rahmen des Risikotragfähigkeitskalküls und des Risiko-Chancen-Kalküls können risikopolitische Steuerungsmaßnahmen differenziert werden, die sich entweder auf das Einzelgeschäft (Einzelgeschäftssteuerung) oder auf das gesamte Portfolio bzw. auf die Geschäftsstruktur (Portfolio-/Struktursteuerung) beziehen. Für letztere ist auch der Terminus „Bilanzstruktur-Management“ geläufig, sofern die risikopolitischen Maßnahmen sich im Rahmen bilanzieller Geschäfte bewegen. Sowohl die Einzelgeschäftssteuerung wie auch die Portfolio-/Struktursteuerung können weiterhin nach ursachen- und wirkungsbezogenen Maßnahmen differenziert werden. Das Ziel einer ursachenbezogenen Risikopolitik besteht grundsätzlich darin, Einfluss auf die Wahrscheinlichkeitsverteilung und die Höhe möglicher negativer Entwicklungen zu nehmen, um so Risiken zu begrenzen oder ganz zu vermeiden. Wirkungsbezogene risikopolitische Maßnahmen umschreiben hingegen Eingriffe, die der Abfederung oder Abwälzung der negativen Konsequenzen schlagend gewordener Risiken dienen. Innerhalb dieser (zweidimensionalen) Systematik von risikorelevanten Steuerungsimpulsen können die einzelnen konkreten Risikostrategien eingeordnet werden. Für die geschäftspolitische Zielsetzung „Risikobegrenzung“ können prinzipiell fünf Strategien unterschieden werden (in Klammern jeweils ein Beispiel): •
Risikovermeidung (Es werden keine Kredite ohne zweifelsfreie Kreditsicherheiten gewährt.)
•
Risikominderung/-limitierung (Offene Währungspositionen werden reduziert.)
•
Risikodiversifikation (Das Kreditinstitut streut sein Anlagerisiko breit über Branchen, Länder und/oder Anlageformen.)
•
Risikostransfer (Es erfolgt eine Überwälzung von Kreditrisiken auf Dritte.)
•
Risikovorsorge (Das Kreditinstitut bildet Rückstellungen oder dotiert seine Eigenkapitalreserven.) 39
Diese fünf Strategien in die vorgestellte Systematik eingeordnet, ergibt die folgende Übersicht (vgl. Abb. 29): Einzelgeschäftssteuerung Ursachenbezogene Maßnahmen
Portfolio-/Struktursteuerung
Risikovermeidung/ Risikominderung/ Risikolimitierung
Wirkungsbezogene Maßnahmen
Risikodiversifikation
Risikovorsorge
Risikotransfer
Abb. 29: Systematik risikobegrenzender Maßnahmen
3.
Risikolimitierung als Budgetierung von Ökonomischem Kapital
Ausgehend von der Sicherung von Gleichgewichtsbedingungen im Risikotragfähigkeitskalkül für alternative Risikobelastungsszenarien ist in einem weiteren Schritt sicherzustellen, dass den einzelnen Geschäftsbereichen des Kreditinstitutes konkrete Grenzen für die Übernahme von Risiken gesetzt sind. Dies erfolgt über periodenspezifische (Tages-, Monats- und Jahreslimite) Verlustlimite, die den maximalen Risikospielraum der Geschäftsbereiche umschreiben und für die entsprechende Risikodeckungsmassen allokiert werden. Die Funktion dieser Risikolimite im Risikotragfähigkeitskalkül besteht dabei also darin, entstehende Verluste insgesamt und für die einzelnen Teilperioden sowie Teilbereiche des Kreditinstitutes in Einklang mit dem allokierten ökonomischen Kapital strikt zu begrenzen. Die Funktionsweise von Risikolimiten wird deutlich am Beispiel der im Handel üblichen Stop-Loss-Limite. Der Begriff Stop-Loss-Limit beschreibt eine Situation, in der eine bestimmte Handelsposition aufgelöst werden muss, sobald der Verlust der Position ein bestimmtes Niveau erreicht hat, wie das Beispiel in Abbildung 30 verdeutlicht. 1. Schritt: Zielvorgabe und Limitallokation
2. Schritt: Tracking der Ist-Performance
Mio. EUR Ziel-Performance
Mio. EUR
Jan
Jan
Feb
Mär Mai Jul Sep Nov Apr Jun Aug Okt Dez
Ziel-Performance
Ist YTD-Perf.
Feb
Mär Mai Jul Sep Nov Apr Jun Aug Okt Dez Stop-Loss-Limit
Stop-Loss-Limit
4. Schritt: Positionsschließung und Neuallokation Mio. EUR
3. Schritt: Stop-Loss-Impuls
Jan
Jan
Feb
Mär Mai Jul Sep Nov Apr Jun Aug Okt Dez
Mio. EUR Ist YTD-Perf.
Feb
Mär Mai Jul Sep Nov Apr Jun Aug Okt Dez
Stop-Loss-Impuls
Abb. 30: Wirkungsweise von Stop-Loss-Limiten zur Begrenzung auftretender Verluste
40
Ziel-Performance
Stop-Loss-Limit
Hierzu erfolgen zuerst die Vorgabe der Zielperformance und die Limitallokation. Anschließend wird die erreichte Ist-Performance beobachtet. Wenn das vorher festgelegte Verlustlimit erreicht wird, erfolgt bei Zins-, Währungs- und Kursgeschäften sofort eine automatische Schließung noch offener Positionen sowie die Beendigung der betroffenen Geschäfte (StopLoss-Impuls). Anschließend findet eine Neuallokation noch vorhandener Geschäftsvolumina in andere Geschäftsbereiche statt. In Bereichen außerhalb des Handels ist die Ist-Performance nur mit zeitlicher Verzögerung nachvollziehbar. Dementsprechend muss bei der Limitallokation anders vorgegangen werden. So dürfte beispielsweise der Kreditbereich nur solange Kredite vergeben, bis die Summe der Einzel-VaRs unter Berücksichtigung von Korrelationen dem vorgegebenen Risikolimit entspricht. Wird diese Grenze erreicht, dürfen keine neuen Kredite vergeben werden. Grundsätzlich besteht für alle auf statistischen Instrumentarien aufbauenden Risikomodelle das Problem der Periodisierung verwendeter Parameter. Diese Schwierigkeit ergibt sich auch für die Periodisierung der Risikolimite. Insbesondere der Handel wird mit dieser Schwierigkeit konfrontiert. Um zu verhindern, dass ein Geschäftsbereich seine Tätigkeit innerhalb eines weiter gespannten Abrechnungszeitraums aufgrund des vollständigen Verbrauchs des ihm zugeteilten Risikolimits schließen muss, werden Tageslimite definiert. Ansonsten wäre es denkbar, dass ein Portfoliomanager das ihm zugeteilte Jahreslimit durch riskante Geschäfte bereits in der ersten Woche der Abrechnungsperiode verliert. Um innerhalb der Grenzen des ihm zugewiesenen ökonomischen Kapitals zu bleiben, müsste dieser Portfoliomanager im Sinne der Stop-Loss-Limitierung bis zur nächsten Limitzuteilung seine Geschäftstätigkeit einstellen. Ein über den Abrechnungszeitraum eines Jahres verteiltes Risikolimit lässt sich jedoch nicht ohne weiteres auf ein Tageslimit herunterbrechen. Vorgeschlagen wird diesbezüglich z.B. die Anwendung des Wurzelgesetzes (vgl. J.P.MORGAN 1996, S. 38 ff., LISTER 1997, NEUKOMM 2004). Danach gilt: Limit (HD2) = Limit (HD1) /
HD1 HD 2
mit: HDt = Haltedauer Periode t
Demnach ist beispielsweise das Jahreslimit durch den Term Jahresarbeitstage Tage der Limitperiode
250 Tage 1 Tag
zu dividieren, um das Tageslimit zu bestimmen. Bei dieser Konstruktion werden die jährlichen Arbeitstage als Basisgröße verwendet. Alternativ dazu ist die Verwendung der Gesamtzahl von 365 Tagen pro Jahr möglich. Welche der beiden Werte letztlich der richtigere ist, ist nach wie vor umstritten. Entscheidender als die Frage nach der richtigen Tageszahl als Bezugsgröße ist die Verwendung einer einheitlichen Tageszahl über alle Bereiche (HAUCK 1991).
41
Im Folgenden soll ein Jahreslimit in Höhe von 15,811 Mio. EUR periodisiert werden. Dieses ergibt sich beispielsweise aus einem Risikovolumen von 50 Mio. EUR, einer Standardabweichung von 12,67 % und einem Z-Wert in Höhe von 3 [50 Mio. EUR · (e-12,67 % · 3 – 1)]. Die vereinfachte Anwendung des Wurzelgesetzes ergibt ein Tageslimit von 1 Mio. EUR:
15,811 Mio. EUR /
250 1
1 Mio. EUR
Die Periodisierung eines Jahreslimits auf diesem Wege ist grundsätzlich auch ohne Kenntnis der Standardabweichung möglich. Diese Vorgehensweise ist allerdings ungenau. Korrekterweise dürfte das Wurzelgesetz nur auf die Standardabweichung im Exponenten der Eulerschen Zahl bezogen werden (vgl. S. 79). Eine korrekte Berechnung des Tageslimits ist somit nur bei bekannter Standardabweichung und gegebenem Z-Wert möglich. Wird die Berechnung des Tageslimits dementsprechend durchgeführt, resultiert im Beispiel ein täglicher Value at Risk in Höhe von 1,19 Mio. EUR. º ª -12,67 % 3 250/1 50 Mio. EUR «e 1» 1,19 Mio. EUR » « ¼ ¬
Die Anwendung des Wurzelgesetzes erlaubt in beiden Fällen nur eine approximative Lösung (vgl. LISTER 1997). Allerdings fällt der entstehende Fehler relativ gering aus, so dass dieser als geringfügig und deshalb vernachlässigbar angenommen werden kann. Dennoch sollte man sich der Unzulänglichkeiten des Wurzelgesetzes bewusst sein. Die vereinfachte Anwendung des Wurzelgesetzes führt grundsätzlich zu einem größeren Fehler. Demgegenüber lässt sich die korrektere Variante gar nicht ex ante durchführen, da Standardabweichung und Risikovolumen zukünftiger Geschäfte noch nicht bekannt sind. Deshalb ist aus rein pragmatischen Gesichtspunkten die vereinfachte Anwendung des Wurzelgesetzes zu bevorzugen. Treten während der Betrachtungsperiode keine Verluste auf, d.h. das zur Verfügung gestellte Tageslimit wird nicht in Anspruch genommen, können die Tageslimite sukzessive erhöht werden. Dabei sollte nach folgender Formel vorgegangen werden: Limit (HD2) = Limit (HD1) /
HD1 t HD 2
mit: t = Anzahl der Tage, an denen keine Verluste auftraten
Wird beispielsweise weiterhin von einem Jahreslimit in Höhe von 15,811 Mio. EUR ausgegangen und werden in den ersten 100 Tagen keine Verluste realisiert, bedeutet dies eine Erhöhung des Tageslimits auf 1,29 Mio. EUR. 15,811 Mio. EUR /
150 1
1,29 Mio. EUR
Werden jedoch im Laufe der Budgetperiode Gewinne oder Verluste realisiert, kann eine Korrektur der zugewiesenen Risikolimite erforderlich sein. Eine Möglichkeit besteht hierbei in der Anwendung des Imparitätsprinzips. Danach ist bei realisierten Verlusten eine Limitredu-
42
zierung vorzunehmen, während bei realisierten Gewinnen auf die Möglichkeit verzichtet wird, die Risikolimite zu erhöhen. Zur Berücksichtigung von im Laufe einer Budgetperiode realisierten Gewinnen oder Verlusten wird die Korrektur des zugewiesenen Limits nach folgender Gleichung erforderlich: Limit (HDkorrigiert) = (Limit (HD) ± Gewinn / Verlust) /
Resthaltedauer HD 2
Zur Verdeutlichung sei wiederum ein Jahreslimit von 15,811 Mio. EUR unterstellt. Nach 100 Tagen möge der angesprochene Unternehmensbereich einen Verlust in Höhe von 3,162 Mio. EUR realisieren. Daraus ergibt sich eine neue jährliche Limitbasis von 15,811 –3,162 = 12,649 Mio. EUR. Das neue Tageslimit beträgt entsprechend 1,03 Mio. EUR [= 12,649 Mio. EUR / 150 / 1 ].
43
C. DER RISIKO-CHANCEN-KALKÜL ALS ZENTRALER BEZUGSPUNKT EINES INTEGRIERTEN RENTABILITÄTS- UND RISIKO-CONTROLLINGS Bislang ist noch nicht darauf eingegangen worden, ob und inwieweit Risiken, die von dem Kreditinstitut übernommen werden (sollen), sich überhaupt lohnen, beziehungsweise in welche Geschäftsbereiche das Risikokapital zu allokieren ist, um die Risikoperformance zu optimieren. Dies erfolgt nun im Risiko-Chancen-Kalkül. Dessen Kern bilden die risikoadjustierten Eigenkapitalkosten, die im Sinne von Ergebnisvorgaben aus den Risikopositionen erwirtschaftet werden müssen. Diese bankspezifisch ermittelten Eigenkapitalkosten werden anschließend in die Mindest-Eigenkapitalrentabilität (Ziel-ROE) transformiert (vgl. Band 1, S. 467 ff.). Der daraus abgeleitete Ziel-RORAC bildet die Grundlage der risikoadjustierten Performance-Messung.
I.
Risikoadjustierte Performance-Kennzahlen
Vor dem Hintergrund der in Band 1 aufgezeigten Zusammenhänge stellt sich nun die Frage einer möglichst exakten Ergebnismessung von risikobehafteten Geschäften und Geschäftsstrukturen. Denn es ist deutlich geworden, dass aussagekräftige Steuerungskennziffern Ertrags- und Risikogesichtspunkte verknüpfen müssen. Ausgehend von dem im Rahmen der Risikomessung vorgestellten Value at Risk-Konzept sind daher Kennzahlen zur risikoadjustierten Performance-Messung (RAPM) zu formulieren, mit deren Hilfe eine risikoadjustierte Ergebnismessung durchgeführt werden kann. Eine der zentralen Kennzahlen ist hierbei die Kennziffer RORAC („return on risk adjusted capital“). Diese bildet die zentrale Steuerungsgrösse, speziell im Rahmen von Planungsrechnungen zur optimalen Allokation des Risikokapitals (vgl. S. 566 ff.). Der RORAC kann sowohl als Ist- als auch als Plan-/Ziel-Grösse berechnet werden. Dementsprechend gelangen in diesen beiden Fällen auch die Begrifflichkeiten Ist-RORAC respektive Ziel-RORAC zur Anwendung. Zur konkreten Formulierung dieser Kennziffern ist das Risikoergebnis aus Bankgeschäften (vor risikoadjustierten Eigenkapitalkosten) in Relation zum Risikokapital zu setzen, wobei das Risikokapital oder auch ökonomisches Kapital dem mit dem Value at Risk-Konzept gemessenen Risiko entspricht. Das Risikokapital als Bezugsgröße des RORAC entspricht dabei der maximalen Verlustmöglichkeit aus Risikopositionen, die mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit (z.B. 99 %) innerhalb einer bestimmten Periode nicht überschritten wird, aber auch nicht überschritten werden darf (Vorgabe von Risikolimiten). Mittlerweile lässt sich für sämtliche Risiken des Bankgeschäfts, wie im Rahmen der Risikomessung bereits erörtert wurde, ein Value at Risk quantifizieren. Mit Hilfe der risikoadjustierten Rentabilitätskennziffer RORAC können nun Geschäftspositionen beziehungsweise ganze Geschäftsbereiche, die eine unterschiedliche Ri-
44
sikostruktur aufweisen, auf eine einheitliche Bezugsgröße, das Risikokapital, dimensioniert und damit hinsichtlich ihrer Performance sinnvoll verglichen werden. Bei der Berechnung von Ist-RORAC-Grössen ist zwischen dem faktisch genutzten Risikokapital und dem budgetierten Risikokapital (= Risikolimit) zu unterscheiden. Entsprechend ergeben sich zwei RORAC-Kennziffern: •
Ist-RORAC auf Ist-Risikokapitalbasis =
•
Ist-RORAC auf Limitbasis =
Risikoergebnis aus (Ist-) Risikokapital (Ist-) Risikokapital
Risikoergebnis aus (Ist-) Risikokapital Risikolimit
Aus den Gleichungen ist im übrigen ersichtlich, dass der RORAC nur dann definiert ist, wenn das ökonomische Kapital größer als Null ist. Für die Musterbank ergeben sich beispielsweise bei einem Risikolimit von 600 GE, einem Ist-Risikokapital von 500 GE und einem damit erzielten Risikoergebnis von 66 GE ein Ist-RORAC auf (Ist-) Risikokapitalbasis von 13,2 % (= 66 GE / 500 GE) und ein Ist-RORAC auf Limitbasis von 11 % (= 66 GE / 600 GE). Wird der RORAC als Plan-/Ziel-Grösse verwendet, wird dieser folgendermaßen definiert: •
Ziel-/Mindest-RORAC =
Ziel-/Mindest-Risikoergebnis aus (Ist-) Risikokapital geplantes Risikokapital Risikolimit
Diese angestrebte und notwendige Relation wird genau dann erreicht, wenn: •
Ziel-/Mindest-RORAC d IstRORAC
Ist-Risikoergebnis aus Risikopositionen , Allokiertes Risikokapital Risikolimite
denn der Ziel-/Mindest-RORAC drückt die Ziel- bzw. Mindest-Rentabilität für das allokierte Kapital aus, d.h. der Ziel-/Mindest-RORAC quantifiziert den Ziel- bzw. Mindestgewinn, der in Relation zum übernommenen Risiko angestrebt wird. Wie bereits erwähnt wird das Risikokapital auf Basis des Value at Risk-Konzepts bestimmt und entspricht daher dem maximalen Verlust aus Risikopositionen, der mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (Konfidenzniveau) innerhalb einer bestimmten Periode nicht überschritten wird und durch die Definition von Risikolimiten auch nicht überschritten werden darf. Der Mindest-RORAC entspricht dem Mindest-Risikoergebnis, das für das Risikokapital mindestens verdient werden muss. In einem nächsten Schritt soll zunächst die Bestimmung des Mindest-RORAC anhand seiner Determinanten diskutiert werden. Es können drei Faktoren identifiziert werden, welche die Höhe des Mindest-RORAC, beeinflussen:
45
(1) Die Mindest-Eigenkapitalrentabilität EKRMin, die zur Befriedigung der risikoorientierten Ansprüche der Anteilseigner auf das Eigenkapital (zu Marktwerten) erwirtschaftet werden muss. (2) Der Risiko-/Eigenkapitalkoeffizient (REK), der die Risikointensität („Risikoappetit“) des Kreditinstitutes zum Ausdruck bringt. Der Risiko-/Eigenkapitalkoeffizient ist definiert als der Quotient aus Risikokapital und Eigenkapital (zu Buchwerten): REK
Risikokapital Eigenkapital (zu Buchwerten)
mit: Eigenkapital – Risikokapital = Überschusskapital
Der Risiko-/Eigenkapitalkoeffizient drückt also aus, wie viel Prozent des Eigenkapitals in risikobehafteten Geschäften investiert ist. Die letzte Determinante ist (3) Der risikolose Zins rf , in dessen Höhe sichere Erträge erzielt werden können (für das nicht im Risiko stehende Eigenkapital). Zur Bestimmung der Mindest-Eigenkapitalrentabilität (Faktor (1)) können verschiedene kapitalmarkttheoretische Konzeptionen unterschieden werden: (1) Die Mindest-Eigenkapitalrentabilität EKRMin ist diejenige Untergrenze kEK (Kosten des Eigenkapitals), die signalisiert, ab wann gemäß dem Economic Value Added-Konzept (EVA) Wert generiert wird bzw. ab wann positive ökonomische Gewinne erzielt werden. Es gilt: EKRMin = kEK. (2) Die Mindest-Eigenkapitalrentabilität EKRMin ist diejenige Mindestrentabilität, die erzielt werden muss, um das derzeitige Markt-/Buchwertverhältnis (MBV) zu sichern. Zur Bestimmung der Mindest-Eigenkapitalrentabilität müssen zwei Unterfälle unterschieden werden: (a) Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) bzw. Price-Earnings-Ratio (PER) bleibt konstant. Dann gilt aufgrund MBV = EKR · KGV für die Mindestrentabilität: EKRMin = kEK · MBVaktuell (b) Das KGV verändert sich z.B. infolge von Marktzinsveränderungen oder Wachstumsänderungen erwartungsgemäß und das aktuelle MBV soll beibehalten werden. Dann gilt:
EKR Min
k EK MBVaktuell KGVaktuell KGVneu
Mit Hilfe dieser Zusammenhänge kann der Mindest-RORAC (RORACMin) wie folgt berechnet werden: RORACMin =
46
EKR Min rf REK
Durch den Abzug des risikolosen Zinssatzes in obiger Formel wird faktisch impliziert, dass der RORAC das Risikoergebnis (= Gesamtergebnis abzüglich risikofreier Verzinsung auf das Eigenkapital) ins Verhältnis zum Risikokapital stellt. Dies soll an einem einfachen Beispiel demonstriert werden. Für eine Bank soll gelten: Die Untergrenze gemäß EVA-Konzept k EK = 7,6 %, das aktuelle Markt-/Buchwertverhältnis MBVaktuell = 2,8, der Risiko-/ Eigenkapitalkoeffizient REK = 0,6, das aktuelle Kurs-GewinnVerhältnis KGVaktuell = 10,0, das veränderte Kurs-Gewinn-Verhältnis KGVneu = 8,0 und der risikolose Zins rf = 4,0 %. Dann berechnet sich der Mindest-RORAC gemäß den vorher identifizierten Fallunterscheidungen nach: 7,6 % 4,0 % 6,0 % Fall (1): RORACMin 0,6 Fall (2a): RORACMin
Fall (2b): RORACMin
7,6 % 2,8 4,0 % 0,6
28,8 % und für
7,6 % 2,8 10,0 4.0 % 8,0 0,6
37,67 %
Die Richtigkeit dieser Berechnung kann anhand einer vierstufigen Proberechnung überprüft werden, wobei aus Vereinfachungsgründen die Konstanz des KGV (PER) unterstellt wird. Hierbei soll ein Eigenkapitalbuchwert ( EK BW ) in Höhe von 50.000 TEUR unterstellt werden, von dem 30.000 TEUR risikobehafteten Geschäften zugewiesen worden ist. Die vier Schritte sind: (1) Ermittlung des Eigenkapitals zu Marktwerten ( EK MW ). (2) Bestimmung der absoluten Eigenkapitalkosten. (3) Subtraktion der risikofreien Verzinsung auf das Eigenkapital. (4) Bestimmung des Mindest-Risikoergebnisses auf das Risikokapital. Für das geltende Beispiel bedeutet dies: (1) EK MW = EK BW MBVaktuell
50.000 TEUR · 2,8 = 140.000 TEUR.
(2) absolute Eigenkapitalkosten = EK MW k EK
140.000 TEUR 7,6 % 10.640 TEUR
(3) Ergebnisanspruch = absolute Eigenkapitalkosten abzüglich der risikofreien Verzinsung auf das Eigenkapital = 10.640 TEUR 4,0 % 50.000 TEUR 8.640 TEUR (4) RORACMin = 8.640 TEUR / 30.000 TEUR = 28,8 %.
47
Die bisherigen Überlegungen können auch auf den Ziel-RORAC übertragen werden. Grundlage für die Bestimmung des Ziel-RORAC ist die Ziel-Eigenkapitalrentabilität (Ziel-ROE) der Bank. Diese wird in der Regel vor Steuern quantifiziert, da sich der RORAC als interne Steuerungsgrösse vor Unternehmenssteuern definiert. In der Praxis werden zum Teil aber auch Nachsteuergrössen verwendet. Zur Quantifizierung der Ziel-Eigenkapitalrentabilität bestehen prinzipiell drei Konzeptionen: •
die strukturelle Gleichgewichtsrentabilität,
•
die kapitalmarkttheoretische Mindest-Eigenkapitalrentabilität und
•
Ist-Eigenkapitalrentabilitäten von „Best Practice“-Banken als Benchmarks (vgl. Band 1, S. 502 f.).
Der Ziel-RORAC entspricht dem angestrebten Ziel-Risikoergebnis aus dem Risikokapital. Daher muss gelten: Ziel-RORAC t RORACMin. Die den Ziel-RORAC bestimmenden Determinanten sind: (1) Die nach einer der Konzeptionen zu bestimmende Ziel-Eigenkapitalrentabilität (ZielROE), (2) der Risiko-/Eigenkapitalkoeffizient (REK) und (3) der risikolose Zins rf . Mit Hilfe dieser Komponenten kann der Ziel-RORAC, anlog der Vorgehensweise zur Bestimmung des Mindest-RORAC, berechnet werden. Ein weiteres Beispiel soll die Vorgehensweise verdeutlichen. Hierzu gilt: Der risikofreie Zinssatz rf = 4,5 %, die Ziel-Eigenkapitalrentabilität vor Steuern = 21,0 %, der Buchwert des Eigenkapitals = 22.857 Mio. GE, das geplante Risikokapital (Value at Risk) = 16.000 Mio. GE, das Ist-Risikoergebnis aus Risikopositionen = 4.000 Mio. GE, der Risiko/Eigenkapitalkoeffizient (REK) = 16.000 Mio. GE / 22.857 Mio. GE = 0,7. Wenn bei einem REK von 0,7 und einer Ziel-ROE von 21 % unterstellt werden kann, daß der gesamte Ergebnisanspruch der Ziel-ROE aus dem Risikokapital zu erwirtschaften ist, dann besteht zwischen Ziel-ROE und Ziel-RORAC die folgende einfache Beziehung: Ziel-RORAC =
Ziel-ROE / REK
30 %
21 % / 0,7
=
mit: REK = Risiko-Eigenkapital-Koeffizient; Ziel-ROE = Mindest-Eigenkapitalrentabilität vor Steuern
Für die Verknüpfung von Ziel-RORAC, Ziel-ROE und Risiko-Eigenkapital-Koeffizient (REK) existieren im Detail verschiedene Ansätze. Die Möglichkeiten zur Herleitung des ZielRORAC unterscheiden sich in der Definition des Teils des Zielergebnisanspruches, der auf das Risikokapital zu erzielen ist und somit in die Berechnung des RORAC einbezogen wird. Drei mögliche Vorgehensweisen werden im Folgenden vorgestellt:
48
(1) Vom gesamtbankbezogenen Zielergebnisanspruch wird zunächst die risikofreie Verzinsung, die auf den anlagefähigen Buchwert des Eigenkapitals (oder auch auf das aufsichtlich erforderliche Haftungskapital) zu erzielen ist, abgezogen. Es verbleibt der Zielergebnisanspruch für das Risikokapital, der durch Bezugnahme auf den geplanten Value at Risk den Ziel-RORAC ergibt. Ziel-RORAC
Ziel-ROE rF / REK
mit: REK = Risiko-Eigenkapital-Koeffizient; rF = „risikofreier“ Zinssatz; Ziel-ROE = MindestEigenkapitalrentabilität vor Steuern
Es gibt aber auch alternative Definitionsmöglichkeiten. Hier wird dann impliziert, dass entweder nur die risikofreie Verzinsung auf das Überschusskapital (= gesamtes Eigenkapital abzüglich Risikokapital) aus dem RORAC herausgerechnet wird oder sogar überhaupt kein Abzug erfolgt. In diesen Fällen muss man den Geschäftsbeeichen zum Ausgleich eine entsprechende Gutschrift in Höhe der entsprechenden risikofreien Verzinsung (equity kickback) zukommen lassen. (2) Der gesamte Zielergebnisanspruch auf Gesamtbankebene wird auf das geplante Risikokapital bezogen, um den Ziel-RORAC zu bestimmen.
Ziel-RORAC
Ziel-ROE / REK
mit: REK = Risiko-Eigenkapital-Koeffizient; Ziel-ROE = Mindest-Eigenkapitalrentabilität vor Steuern
(3) In den Zielergebnisanspruch aus Risikokapital wird die risikofreie Verzinsung auf das Risikokapital (als Teil des anlagefähigen Buchwerts des Eigenkapitals) einbezogen. Somit enthält der Ziel-RORAC einen Teil der risikofreien Verzinsung auf den Buchwert des Eigenkapitals. Ziel-RORAC mit:
Ziel-ROE rF / REK rF
REK = Risiko-Eigenkapital-Koeffizient; rF = „risikofreier“ Zinssatz; Ziel-ROE = MindestEigenkapitalrentabilität vor Steuern
Abbildung 31 zeigt die Vorgehensweise der verschiedenen Ansätze zur Berechnung des ZielRORAC. Ausgehend von einer Mindest-Eigenkapitalrentabilität vor Steuern in Höhe von 21 %, einem „risikofreien“ Zinssatz von 4,5 %, einem Buchwert des Eigenkapitals von 22.857 Mio. GE und einem geplanten ökonomischen Kapital von 16.000 Mio. GE ergeben sich je nach Ansatz Ziel-RORAC in verschiedener Höhe. Die Unterschiede resultieren aus der differierenden Behandlung der risikofreien Verzinsung. Während in Ansatz (1) auf die risikofreie Verzinsung des Buchwerts des Eigenkapitals verzichtet wird, fordert der Ansatz (2) vom ökonomischen Kapital die Erwirtschaftung des ganzen gesamtbankbezogenen Zielergebnisanspruchs. In Ansatz (3) wird verlangt, daß das Risikokapital zumindest die risikofreie Verzinsung des Risikokapitals erbringen muss.
49
Buchwert des Eigenkapitals: 22.857 Mio. GE Risikokapital: 16.000 Mio. GE Ansatz 1: Gesamtbankbezogener Zielergebnisanspruch - Risikofreie Verzinsung auf den Buchwert des Eigenkapitals
21 % · 22.857 Mio. = 4.800 Mio. 4,5 % · 22.857 Mio. = 1.029 Mio. 3.771 Mio.
= Zielergebnisanspruch aus Risikokapital Ziel-RORAC = 3.771 Mio. = 23,57 % 16.000 Mio. Ansatz 2: Gesamtbankbezogener Zielergebnisanspruch
21 % · 22.857 Mio. = 4.800 Mio. 4.800 Mio.
= Zielergebnisanspruch aus Risikokapital Ziel-RORAC = 4.800 Mio. = 30,00 % 16.000 Mio. Ansatz 3: Gesamtbankbezogener Zielergebnisanspruch - Risikofreie Verzinsung auf den Buchwert des Eigenkapitals abzüglich Risikokapital
21 % · 22.857 Mio. = 4.800 Mio. 4,5 % · 6.857 Mio. = 309 Mio.
= Zielergebnisanspruch aus Risikokapital Ziel-RORAC =
4.491 Mio.
4.491 Mio. = 28,07 % 16.000 Mio.
Abb. 31: Alternative Ansätze zur RORAC-Berechnung am Beispiel
Nachdem die verschiedenen Ansätze zur Berechnung von Ziel-RORAC vorgestellt wurden, sollen diese nun einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Beim Ansatz (1) wird die risikolose Verzinsung auf den Buchwert des Eigenkapitals bei der Ermittlung des Ziel-RORAC vollständig in Abzug gebracht. Die Vorgehensweise entspricht insofern dem Modell einer Zentraldisposition des Eigenkapitals (etwa durch die Treasury). Problematisch bei dieser Vorgehensweise ist allerdings, dass – obwohl entsprechendes Eigenkapital für den Fall schlagender Risiken vorgehalten werden muß – der Ziel-RORAC faktisch die risikofreie Verzinsung des Eigenkapitals nicht als zu erwirtschaftende Komponente enthält. Bei Ansatz (2) muß der gesamte Ergebnisanspruch vollständig aus dem allokierten Risikokapital erwirtschaftet werden. Dies ist naturgemäß umso problematischer, je größer die (i.d.R. positive) Differenz zwischen vorhandenem Eigenkapital und allokiertem Risikokapital ist. Indirekt erzwingt damit dieser Ansatz die Berücksichtigung der Konditionsmarge des Eigenkapitals in der Ist-Rechnung, um einen aussagefähigen Soll-/Ist-Vergleich zu ermöglichen. Hierzu sind grundsätzlich zwei alternative Vorgehensweisen denkbar: 50
•
(Anteilige) Verteilung des Konditionsbeitrags des Eigenkapitals im Bankportfolio (Voraussetzung ist eine differenzierte Allokation des Eigenkapitals zu Buchwerten) oder
•
Zurechnung der Konditionsmarge des Eigenkapitals zum Ergebnisbeitrag des Anlagenbereichs (Voraussetzung ist eine Übertragung der in der Marktzinsmethode vorgenommenen Abgrenzung von Ergebnisbereichen auf die risikoadjustierte Kennzahlensystematik)
Bei Ansatz (3) wird der Mangel der zentralen Disposition des Ansatzes (1) beseitigt, indem sich der Ziel-RORAC nun aus einer „risikolosen“ Komponente und einer auf das Risikokapital bezogenen Risikoprämie zusammensetzt. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass entsprechendes Eigenkapital vorgehalten werden muss, falls Risikokapital bei Verlusten in Anspruch genommen wird. Dieser Ansatz trennt somit zwischen dem buchwertigen Eigenkapital, das zur Abdeckung des Risikopotentials dient und solchem, dem kein Risikokapital gegenüber steht und somit lediglich die risikolose Verzinsung als Ergebnisanspruch erwirtschaften muß. Wenn im Folgenden die Entscheidung für einen der drei Ansätze erforderlich wird, soll Ansatz (1), also der vollständige Abzug der risikolosen Verzinsung auf den Buchwert des Eigenkapitals, zugrundegelegt werden. Für alle drei Ansätze kann im Rahmen eines Soll/Ist-Vergleichs überprüft werden, ob eine Über- oder Unterdeckung des Zielergebnisanspruches vorliegt. Dies ist in Abbildung 32 dargestellt. Ansatz 1: Ist-Ergebnis aus Risikopositionen
4.000 Mio.
- Ergebnisanspruch auf Risikokapital
3.771 Mio.
= Überdeckung Ergebnisanspruch
+ 229 Mio.
Ansatz 2: Ist-Ergebnis aus Risikopositionen + Eigenkapital-Zinsgutschrift
4.000 Mio. 4,5 % · 22.857 Mio. = 1.029 Mio.
= Summe Ist-Ergebnis + Eigenkapital Zinsgutschrift
5.029 Mio.
- Ergebnisanspruch auf Risikokapital
4.800 Mio.
= Überdeckung Ergebnisanspruch
+ 229 Mio.
Ansatz 3: Ist-Ergebnis aus Risikopositionen + Eigenkapital-Zinsgutschrift
4.000 Mio. 4,5 % · 16.000 Mio. = 720 Mio.
= Summe Ist-Ergebnis + Eigenkapital Zinsgutschrift - Ergebnisanspruch auf Risikokapital
4.720 Mio. 4.491 Mio.
= Überdeckung Ergebnisanspruch
+ 229 Mio.
Abb. 32: Soll/Ist-Vergleich zur Bestimmung der Über-/Unterdeckung
51
II.
Kontrolle der risikoadjustierten Ergebnisse
Die (Un-)Gleichgewichtsbedingung im Risiko-Chancen-Kalkül ist sowohl ex ante (in der Planung, beziehungsweise vor der Entscheidung über ein Geschäft) als auch ex post zu kontrollieren: Ziel-/Mindest-RORAC d Ist-RORAC
Ist-Risikoergebnis aus Risikopositionen Allokiertes Risikokapital (Risikolimite)
Dabei ist der Ziel-/Mindest-RORAC Ausdruck der Ziel-Rentabilität für das allokierte Risikokapital. Alternativ könnte man auch sagen, daß dieser den Zielgewinn darstellt, der in Relation zum übernommenen Risiko angestrebt wird. Dies geschieht auch durch die Verwendung einer neu formulierten Kennzahl, dem RAROC. RAROC steht für den Begriff „risk adjusted return on (risk adjusted) capital“. Zur Berechnung dieser Kennziffer wird das risikoadjustierte (Netto-) Ergebnis ins Verhältnis zum ökonomischen Kapital gesetzt. Die Berücksichtigung des Risikos im Zähler erfolgt dadurch, dass vom (Brutto-) Ergebnis aus Risikopositionen risikoadjustierte Eigenkapitalkosten abgezogen werden. Da also sowohl im Zähler als auch im Nenner dieser Kennzahl eine Risikoadjustierung vorgenommen wird, wäre es eigentlich korrekter, von einem „risk adjusted return on risk adjusted capital“ (= RARORAC) zu sprechen. In der Praxis hat sich jedoch der Begriff RAROC durchgesetzt (GROß/KNIPPSCHILD 1995, S. 69 ff.). Ein direkter Bezug zu den Gleichgewichtsbedingungen für den Risiko-Chancen-Kalkül besteht bei der RAROC-Kennziffer insoweit, als sie sich praktisch in der zweiten Gleichgewichtsbedingung wiederfindet: 1. Nettoergebnisse t risikoadjustierte Eigenkapitalkosten 2. Nettoergebnisse nach risikoadjustierten Eigenkapitalkosten aus Risikopositionen t 0
Der RAROC kann also zur Überprüfung der Gleichgewichtsbedingungen im Risiko-ChancenKalkül herangezogen werden, indem er Auskunft darüber gibt, ob die einzelnen Geschäftsbereiche und die Gesamtbank ein positives risikoadjustiertes (Netto-) Ergebnis erwirtschaft haben. RAROCi =
Risikoadjustierter Ergebnisbeitrag Risikokapital
Aus oben stehender Gleichung wird deutlich, dass sich der RAROC bei Verwendung des ökonomischen Kapitals als Bezugsgröße im Nenner vom RORAC nur durch die im Zähler zusätzlich durchgeführte Risikobereinigung der Ergebnisgröße unterscheidet. Die Berücksichtigung des Risikos im Zähler erfolgt, indem vom Ist-/Plan-Risikoergebnis einer (Teil)-Position i ein aus dem Verzinsungsanspruch der Eigenkapitalgeber abgeleitetes risikoadjustiertes ZielRisikoergebnis abgezogen wird. RAROCi =
52
Ist - /Plan - Risikoergebnis Ziel- Risikoergebnis Risikokapital
Das (absolute) Ziel-Risikoergebnis einer im Gesamtbankportfolio enthaltenen (Teil-) Position i bestimmt sich weiterhin durch Multiplikation des Ziel-RORAC mit dem dieser (Teil-) Position zugeordneten Risikokapital. Entsprechend ergibt sich für den RAROC: RAROCi =
Ist - /Plan - Risikoergebnis (Ziel-RORAC u Risikokapital) Risikokapital
Wird der dargestellte Quotient in zwei gleichnamige Brüche zerlegt, kann vereinfachend geschrieben werden: (erwarteter) RAROC = (erwarteter) RORAC – Ziel-RORAC Da es sich bei den risikoadjustierten Eigenkapitalkosten um den oben formulierten und hergeleiteten Ziel-RORAC handelt, lässt sich der Ist-RAROC auch als das Ergebnis des Vergleichs von Ist-RORAC und Ziel-RORAC interpretieren und somit wie folgt formulieren: Ist-RAROC = Ist-RORAC – Ziel-RORAC Aufgrund der großen Bedeutung, die der Kontrolle der Gleichgewichtsbedingung im Risiko-Chancen-Kalkül beizumessen ist, soll diese nachfolgend mit Hilfe eines Beispiels ausführlich erläutert werden (vgl. Abb. 33). Ausgegangen wird von einer Musterbank mit drei Geschäftsbereichen. In einem ersten Schritt werden die statistischen Daten für die Risikomessung bestimmt. Zur Vereinfachung wird hier mit diskreten und nicht, wie es tendenziell exakter wäre, mit stetigen Größen gerechnet. Für den Geschäftsbereich A ergibt sich ein Risikovolumen von 81.600 Mio. GE bei einer Performance-Erwartung von 3,25 % und einer Standardabweichung von 3,29 %. Wenn dem Geschäftsbereich A das Management des gesamten Kreditportfolios obliegt, dann ergibt sich seine Performance-Erwartung beispielsweise als Marktergebnis aus den Konditionsbeiträgen zuzüglich etwaiger Provisionserlöse und abzüglich der Standard-Betriebs- sowie StandardRisikokosten. Die relative Performance-Erwartung von 3,25 % entspricht bei Geschäftsbereich A einer absoluten von 2.652 Mio. GE. Die Geschäftsbereiche B und C weisen ein Risikovolumen von 34.000 Mio. GE bzw. 20.400 Mio. GE auf. Während Geschäftsbereich C eine Performance von 6,0 % erwarten kann, beträgt die Performance-Erwartung von Geschäftsbereich B 4,6 %. Für diese höhere Ergebniserwartung muss jedoch mit 5,8 % auch eine größere Volatilität, d.h. ein größeres Risiko, in Kauf genommen werden. Bei einem unterstellten ZWert von 3 (und diskreter Ermittlung) werden Geschäftsbereich A 8.054 Mio. GE ökonomisches Kapital zugeteilt, den Geschäftsbereichen B und C 4.396 bzw. 3.550 Mio. GE. Wird vereinfachend unterstellt, dass die Wertentwicklungen der Geschäftsbereiche jeweils vollkommen positiv miteinander korreliert sind (Korrelationskoeffizient von + 1), dann muss die Musterbank insgesamt ein ökonomisches Kapital von 16.000 Mio. GE bereitstellen. Der ZielRORAC (vor Steuern) soll hier 30,00 % betragen. Im nächsten Schritt kann nun überprüft werden, ob die drei Geschäftsbereiche ex ante auch die oben postulierte Gleichgewichtsbedingung erfüllen, d.h. ob die Performance-Erwartung in Relation zum ökonomischen Kapital den Ziel-RORAC übersteigt bzw. die Performance-Erwartung größer als die zu verrechnenden Eigenkapitalkosten ist. Denn nur wenn dies der Fall ist, kann ex ante eine Steigerung des Unternehmenswertes erwartet werden. Müssten hier bereits negative Abweichungen konsta53
tiert werden, dann gilt es, entweder kurzfristig den geplanten Maßnahmenkatalog des betroffenen Geschäftsbereiches für die kommende Planungsperiode zu modifizieren oder langfristig die Strategie der Gesamtbank entsprechend anzupassen, d.h. entweder das Risiko nachhaltig zu senken, damit sich mittelfristig die Verzinsungsansprüche der Eigenkapitalgeber reduzieren, oder im Extremfall sogar den Geschäftsbereich abzustoßen. Für die drei Geschäftsbereiche der Musterbank ist die Gleichgewichtsbedingung jedoch ex ante erfüllt [Zeile (9)], so dass keine Anpassungsmaßnahmen notwendig sind. A
B
C
Gesamt
136.000
(1) Risikovolumen in Mio. GE
81.600
34.000
20.400
(2) Performance-Erwartung
3,25 %
4,60 %
6,00 % Ø 4,00 %
2.652
1.564
1.224
3,29 %
4,31 %
5,80 % Ø 3,92 %
8.054
4.396
3.550
(3)
(absolute) Performance-Erwartung (in Mio. GE) [=(1) · (2)]
(4) Volatilität bzw. Standardabweichung (5)
Risikokapital = Value at Risk (Z-Wert = 3; in Mio. GE) [=(1) · (4) · 3]
(6) Ziel-RORAC für alle Bereiche (7) Ergebnisanspruch aus Risikokapital [(5) ·(6)] Performance-Erwartung (8) in % des Risikokapitals [(3) : (5)] (9)
Risikobedingung ex ante erfüllt ? [(8) (6) bzw. (3) (7) ?]
(10)
Realisiertes Nettoergebnis aus Risikopositionen (inkl. equity kickback)
(11)
Ergebnisanspruch (ex post) verdient ? [(10) (7) ?]
5.440
16.000
30 % 2.416
1.319
1.065
4.800
32,93 % 35,58 % 34,48 % 34,00 % ja
Ja
ja
Ja
2.660
1.618
890
5.168
ja
Ja
nein
Ja
(12) Ist-RORAC [= (10) : (5)]
33,03 % 36,80 % 25,07 % 32,30 %
(13) Ist-RAROC [=(12) – (6)]
3,03 %
6,80 % - 4,93 %
2,30 %
Abb. 33: Beispiel zur Ergebniskontrolle im Risiko-Chancen-Kalkül
Am Periodenende muss schließlich überprüft werden, ob die verrechneten Eigenkapitalkosten auch tatsächlich (ex post) verdient wurden. Zu diesem Zwecke werden die realisierten Nettoergebnisse aus den Risikopositionen den verrechneten Eigenkapitalkosten gegenübergestellt. Ganz offenbar haben Geschäftsbereiche A und B ausreichend Ertrag mit dem ihnen zugeteilten ökonomischen Kapital erzielen können. Die Kalkulation des Ist-RAROC macht dies besonders transparent [Zeile (13)], da dieser für beide Geschäftsbereiche positiv ist. Mit anderen Worten haben die Geschäftsbereiche A und B Aktionärswert in der abgelaufenen Periode geschaffen. Ganz im Gegensatz hierzu Geschäftsbereich C, der einen Ist-RAROC von - 4,93 % erwirtschaftete und somit Aktionärswert vernichtet hat. Insgesamt konnte dennoch ein positiver Ist-RAROC in Höhe von 2,3 % erreicht werden. Abbildung 34 zeigt eine alternative Darstellung der Kontrolle der risikoadjustierten Ergebnisse. Die realisierten (Netto-) Ergebnisse der drei Geschäftsbereiche werden den verrechneten Eigenkapitalkosten dieser drei Bereiche 54
gegenübergestellt und saldiert. Dadurch wird sofort deutlich, inwieweit die verrechneten Eigenkapitalkosten tatsächlich verdient werden konnten, d.h. ob positive oder negative risikoadjustierte Ergebnisse für die einzelnen Geschäftsbereiche und die Gesamtbank erzielt wurden.
Soll
Kontrolle der risikoadjustierten Ergebnisse
Verrechnete Eigenkapitalkosten Unternehmensbereich A
2.416
Positives risikoadjustiertes Ergebnis A
244
Verrechnete Eigenkapitalkosten Unternehmensbereich B
1.319
Positives risikoadjustiertes Ergebnis B
299
Verrechnete Eigenkapitalkosten Unternehmensbereich C
1.065
Verrechnete Eigenkapitalkosten aller Unternehmensbereiche Positives risikoadjustiertes Ergebnis (gesamt)
4.800
Haben
Realisiertes (Netto-) Ergebnis Unternehmensbereich A
2.660
Realisiertes (Netto-) Ergebnis Unternehmensbereich B
1.618
Realisiertes (Netto-) Ergebnis Unternehmensbereich C Negatives risikoadjustiertes Ergebnis C Realisiertes (Netto-) Ergebnis aller Unternehmensbereiche
890 175
5.168
368
Abb. 34: Kontrolle der risikoadjustierten Ergebnisse
LITERATURHINWEISE ARNSFELD, T. (2002) BASLER AUSSCHUSS (1988) BASLER AUSSCHUSS (1997a) BUNDESAUFSICHTSAMT FÜR DAS KREDITWESEN (1998) BUNDESREGIERUNG (1997) EIDGENÖSSISCHE BANKENKOMMISSION (1995) EIDGENÖSSISCHE BANKENKOMMISSION (2000) ELTON, E.J. et al. (1978) GROß, H./KNIPPSCHILD, M. (1997) HAUCK, W. (1991)
J.P. MORGAN (1995) KRUMNOW, J. (1990a) LISTER, M. (1997) NEUKOMM, M. (2004) PROFESSOREN-ARBEITSGRUPPE (1987) RAPPAPORT, A. (1999) SCHIERENBECK, H. (2003a) SCHIERENBECK, H./LISTER, M. (2002) SCHIERENBECK, H./WIEDEMANN, A. (1996) SCHWARZ, M. (2004) ZIMMERMANN, H. (2000)
55
Zweites Kapitel Interne Risikomodelle und regulatorische Konzepte für das Risiko-Controlling A. EINFÜHRENDE GRUNDLAGEN I.
Interne Modelle versus regulatorische Konzepte
Die interne Managementperspektive orientiert sich an den beiden zentralen (Un-) Gleichgewichtsbedingungen im Risikotragfähigkeitskalkül, die bereits in Abbildung 10 dargestellt wurden. In einer „Soll“-Betrachtung muss zum einen demnach das festgestellte (Total-) Risikopotential kleiner oder gleich den verfügbaren Risikodeckungsmassen sein. Zum anderen gilt in einer „Ist“-Betrachtung, dass die (realisierten) Verluste aus den Risikopositionen geringer oder maximal in gleicher Höhe wie die allokierten Risikodeckungsmassen ausfallen müssen. Aus der Managementperspektive des Risiko-Controllings bedeutet dies im Kern für die „Soll“-Betrachtung, dass Instrumente zur sachgerechten Quantifizierung der Risikopotentiale zu implementieren sind und dass präzise Informationen über die verfügbaren Risikodeckungsmassen nach Art und Höhe zeitnah zur Verfügung gestellt werden können. Des weiteren gilt, dass Klarheit und Einigkeit darüber bestehen muss, welche Anpassungsmaßnahmen bei drohenden Ungleichgewichtssituationen in Frage kommen bzw. allgemein mit welchen Massnahmen solche Ungleichgewichtssituationen soweit möglich vermieden werden können. Demgegenüber hat die Bankenaufsicht eine dieser Managementperspektive der einzelnen Kreditinstitute deutlich übergeordnete Betrachtungsweise. Allerdings setzt auch die Bankenaufsicht, die mit ihren regulatorischen Vorschriften die Sicherheit und Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten hat und ihr Augenmerk entsprechend auf die systemischen Risiken richtet, letztlich am Risikotragfähigkeitskalkül an und überwacht unter anderem die Risikopositionen der Kreditinstitute in Relation zu ihrer Risikotragfähigkeit. Da aber nicht alle Kreditinstitute über dieselben personellen und finanziellen Ressourcen verfügen, um angemessene interne Modelle zu entwickeln und anzuwenden, müssen die Aufsichtsbehörden dafür sorgen, dass einfach zu applizierende Risikomessmethoden für alle Marktteilnehmer frei zur Verfügung stehen. Diese Einfachheit in der Anwendung geht in vielen Fällen jedoch auf Kosten der differenzierten Ausgestaltung eines solchen Risikomessystems. Um diesen Zielkonflikt zu umgehen, behelfen sich die Aufsichtsbehörden mit einem sogenannten „evolutionären Ansatz“ (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001c): Denjenigen (Groß-) Banken, die sich die Entwicklung sophistizierter interner Modelle mit hoher Messgenauigkeit leisten können, soll die Verwendung die56
H. Schierenbeck et al., Ertragsorientiertes Bankmanagement, DOI 10.1007/978-3-8349-9142-3_2, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
ser Modelle auch für aufsichtliche Zwecke erlaubt werden, sofern die Modelle gewisse Rahmenbedingungen erfüllen, mithin auf vorgegebene Parameter kalibriert sind. Um aber für kleinere Kreditinstitute Anreize zu schaffen, mehr Ressourcen in die Entwicklung interner Modelle zu investieren und damit indirekt das Risikobewusstsein zu erhöhen, sind die aufsichtlichen Standardmodelle meist so konstruiert, dass sie ceteris paribus ein höheres Risikopotential ausweisen als die mit aufsichtlichen Parametern kalibrierten internen Modelle. Dies führt zu einer höheren Eigenmittelunterlegungspflicht und damit auch zu höheren Kosten und somit auch zu einem weiteren Problem, nämlich demjenigen der Wettbewerbsungleichheit zwischen größeren und kleineren Kreditinstituten. Grundsätzlich erscheint nämlich eine Erleichterung bei der aufsichtlichen Eigenmittelunterlegung für größere Institute insofern problematisch, als dieser Vorteil im Wettbewerb wegen der damit verbundenen geringeren Eigenkapitalbelastung für risikobehaftete Geschäfte zu Lasten der kleinen Institute ausgespielt werden kann. Während die Verwendung interner Modelle zur Erfassung von Marktrisiken bereits im Rahmen eines 1995 erschienenen Dokuments geregelt wurde (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1995b), sind die Vorschriften zur Verwendung interner Ratings im Kreditrisikobereich und im Bereich operationeller Risiken Gegenstand der Empfehlungen des BASLER AUSSCHUSSES FÜR BANKENAUFSICHT (vgl. S. 109 ff. und BASLER AUSSCHUSS 2001c). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die Entwicklung und der Einsatz von regulatorischen Konzepten sowie internen Modellen im Spannungsfeld zwischen den Zielen „Sicherheit und Stabilität des Finanzsystems“, „Effizienter Einsatz der knappen Ressource Kapital“ und „Schaffung respektive Sicherung gleicher Wettbewerbsbedingungen für alle Teilnehmer im relevanten Markt“ bewegt, was Abbildung 35 illustriert.
Wettbewerbsgleichheit
Regulatorische Standardkonzepte Interne Modelle Sicherheit und Stabilität des Finanzsystems
Effizienter Kapitaleinsatz
Abb. 35: Regulatorische Standardkonzepte und interne Modelle im Spannungsfeld
Nachfolgend werden somit zunächst die Grundlagen der bankinternen Risikomessung diskutiert, bevor die die qualitativen und quantitativen Voraussetzungen für die Verwendung inter-
57
ner Modelle zu aufsichtlichen Zwecken in den Bereichen Marktrisiko, Kreditrisiko und operationelles Risiko erläutert werden.
II.
Grundlagen einer bankinternen Risikomessung
Die immer stärker werdende und zu höheren Volatilitäten führende Verflechtung der internationalen Finanzmärkte sowie die extreme Zunahme der Handelsvolumina für Finanzderivate hat in Kreditinstituten zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den damit einhergehenden Risiken geführt. Die Antwort darauf war die Entwicklung und Erweiterung unterschiedlicher Konzepte, mit denen sich das immens gestiegene Risikopotential – nicht nur aus Finanzinnovationen – besser abbilden und somit steuern lässt. In diesem Zusammenhang sind Begriffe wie VaR, Money at Risk, EVM, RORAC, RAROCTM (BANKERS TRUST 1995) oder RiskMetricsTM (J.P. MORGAN 1995 und 1996) zu nennen, aus denen sich die Vielfalt an Instrumentarien ablesen lässt. Gemeinsame Basis dieser Konzepte ist der Versuch, mit Hilfe finanzmarkttheoretischer Erkenntnisse und statistischer Verfahren eine möglichst exakte Messung unterschiedlicher Risiken zu erreichen. Risiko wird dabei grundsätzlich definiert als die in einem unzureichenden Informationsstand begründete Gefahr einer negativen Abweichung des tatsächlichen Ergebniswertes vom erwarteten Ergebniswert. Auch die Bankenaufsicht ist bemüht, den größer sowie komplexer gewordenen Risiken von Kreditinstituten mit geeigneten Vorschriften entgegenzutreten und eine angemessene Unterlegung mit Eigenmitteln einzufordern. Dabei zeigt die Bankenkrise des Jahres 2007 dass das Know-how der Kreditinstitute bei der Entwicklung individueller Risikomodelle noch nicht in allen Fällen ausreichend groȕ ist. Gleichwohl können die Risiken mit internen Modellen sicher genauer erfasst werden, als dies mit Hilfe der standardisierten Verfahren der Bankenaufsicht möglich ist. Um von der Bankenaufsicht als vollwertiger Ersatz für die standardisierten Verfahren zugelassen zu werden, müssen die bankinternen Risikomessverfahren eine Reihe von Auflagen erfüllen (vgl. S. 101 ff.). Um Vor- und Nachteile von Risikomodellen abschätzen und Ergebnisse einer Risikomessung richtig interpretieren und verstehen zu können, sollen einleitend die wichtigsten statistischen Grundlagen dargestellt werden.
1.
Statistische Messverfahren
Die Gebiete der Statistik werden grob eingeteilt in die beschreibende und die beurteilende Statistik. Während erstere Zustände und Vorgänge beschreibt und dabei Maßzahlen wie Lagemaße und Streuungsmaße verwendet, baut die beurteilende Statistik auf den Erkenntnissen der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf und schließt auf allgemeine Gesetzmäßigkeiten, die über den Beobachtungszeitraum hinaus gültig sind. Das Vorgehen in Risikomodellen greift auf beide Gebiete zurück. In einem ersten Schritt wird in der Regel mit Hilfe der beschreibenden Statistik eine Anzahl von Daten beschrieben und analysiert. In einem zweiten Schritt erfolgt die Anwendung der beurteilenden Statistik, indem anhand der Erkenntnisse von Vergangenheitsdaten Eintrittswahrscheinlichkeiten für bestimmte Zustände berechnet werden.
58
Sofern dem Verständnis von Risikokonzeptionen dienlich, soll deshalb auf beide Gebiete der Statistik zurückgegriffen werden.
a)
Berechnung von Maßzahlen in der beschreibenden Statistik
Die Aufgabe der beschreibenden Statistik ist einerseits die Darstellung von Beobachtungen anhand sogenannter empirischer Verteilungen und andererseits die Charakterisierung derselben mit Hilfe von Kenngrößen. Die beiden verbreitetsten Kenngrößen sind Lageparameter und Streuungsmaße. Lageparameter beschreiben das Zentrum einer Verteilung, während Streuungsmaße die Abweichung der Beobachtungen vom Zentrum der Verteilung messen. Zur Illustration soll ein Beispiel dienen, welches aus einer Stichprobe von zehn wöchentlichen Renditen des Genussscheins (GSH) des Schweizer Pharmaunternehmens ROCHE besteht (vgl. Abbildung 36). Die wöchentlichen Renditen können in Form einer Häufigkeitsverteilung graphisch dargestellt werden. In Abbildung 37 werden die Beobachtungen in Klassen eingeteilt und die jeweilige Häufigkeit der Beobachtungen einer Klasse auf der y-Achse abgetragen. Dabei ist ersichtlich, dass aufgrund der geringen Anzahl an Daten keine Aussagen über die tatsächliche Verteilung wöchentlicher Renditen des ROCHE Genussscheins gemacht werden können. In Risikomodellen muss deshalb auf eine größere Datenbasis zurückgegriffen werden. Zeitpunkt (t) 08.09.00 15.09.00 22.09.00 29.09.00 06.10.00 13.10.00 20.10.00 27.10.00 03.11.00 10.11.00 17.11.00 Summe
Kurse des ROCHE GSH in CHF (Ka) 15.370 14.850 15.400 15.410 15.720 15.930 16.085 16.240 16.705 16.715 16.965 –
wöchentliche Renditen* (ai) – - 3,383 % 3,704 % 0,065 % 2,012 % 1,336 % 0,973 % 0,964 % 2,863 % 0,060 % 1,496 % 10,090 %
Abweichungen vom Mittelwert – - 4,392 % 2,695 % - 0,944 % 1,003 % 0,327 % - 0,036 % - 0,045 % 1,854 % - 0,949 % 0,487 % –
quadrierte Abweichungen vom Mittelwert – 0,1929 % 0,0726 % 0,0089 % 0,0101 % 0,0011 % 0,0000 % 0,0000 % 0,0344 % 0,0090 % 0,0024 % 0,3314 %
Abb. 36: Analyse der Beobachtungsreihe wöchentlicher Kurse des Roche Holding GSH * Die Renditeberechnung erfolgt zur Vereinfachung noch auf Basis diskreter Renditen (at = Kt / Kt 1 – 1 (mit: a = diskrete Rendite der Datenreihe A; K = Kurswert; t = Zeitpunkt). Wie später noch zu zeigen ist, wird in Risikomodellen auf stetige Renditen zurückgegriffen.
59
Anzahl Beobachtungen in jeweiliger Klasse
4 3 2 1 0 -5%
-4%
-3%
-2%
-1%
0%
1%
2%
3%
4%
Diskrete wöchentliche Renditen Abb. 37: Verteilung der Stichprobendaten
Abbildung 38 zeigt, dass mit wachsender Datenzahl eine pyramidenförmige Verteilung entsteht. Die größer werdende Aussagekraft mit steigender Stichprobengrösse kann damit erklärt werden, dass ein immer größerer Anteil der gesamten Daten der Grundgesamtheit berücksichtigt wird. Den weiteren Ausführungen soll aus Gründen der Nachvollziehbarkeit aber weiterhin die Datenbasis von zehn Renditen dienen.
- 10
-5
0
5
10
wöchentliche diskrete Renditen vom 15.09.00 17.11.00 (10 Beobachtungen)
- 10
-5
0
5
10
wöchentliche diskrete Renditen vom 07.01.00 17.11.00 (46 Beobachtungen)
- 10
-5
0
5
10
wöchentliche diskrete Renditen vom 24.01.97 17.11.00 (200 Beobachtungen)
Abb. 38: Häufigkeitsverteilungen auf Basis unterschiedlich großer Stichproben
Der wichtigste Lageparameter in Risikomodellen stellt im Rahmen der beschreibenden Statistik das arithmetische Mittel dar. Das arithmetische Mittel (AM) gibt den Durchschnitt der beobachteten Daten wieder. Dieser entspricht dem Wert, bei dem die Summe der Abstände auf beide Seiten gleich groß ist. Bei N Elementen einer Datenbasis berechnet sich das arithmetische Mittel gemäß folgender Formel:
60
AM
1 (a1 a 2 ... a N ) N
1 N ¦ai Ni 1
mit: AM = arithmetisches Mittel; N = Anzahl Elemente der Datenbasis; ai = Beobachtungen
Werden die Daten aus obigem Beispiel eingesetzt, erhält man für das arithmetische Mittel ei10,09 % nen Wert von AM 1,009 % 10 In der vorliegenden Stichprobe konnte demnach pro Woche durchschnittlich eine Rendite von etwas mehr als einem Prozent erreicht werden.
Zur Beantwortung der Frage, inwieweit die beobachteten Ergebnisse vom arithmetischen Mittel abweichen, dienen die Streuungsmaße. Das wichtigste Streuungsmaß ist die Varianz respektive die Standardabweichung. Müsste die Streuung der obigen Datenbasis quantifiziert werden, läge intuitiv das Vorgehen nahe, die Summe der Abweichungen vom Mittelwert zu berechnen und durch die Anzahl an Beobachtungen zu teilen. Diese Vorgehensweise führt allerdings zu keinem sinnvollen Ergebnis, da aufgrund der Definition des arithmetischen Mittels die Summe der Abweichungen immer Null ergibt. Aus diesem Grund wird zur Berechnung der Varianz die Summe der durchschnittlichen quadratischen Abweichungen der einzelnen Beobachtungen vom arithmetischen Mittel verwendet: VAR
1 N ¦ a i AM 2 Ni 1
mit: VAR = Varianz; AM = arithmetisches Mittel; N = Anzahl Elemente der Datenbasis; ai = Beobachtungen
Hinweis: Die Summe der quadrierten Abweichung müsste in unserem Beispiel nicht durch N, sondern durch N – 1 geteilt werden. Dies ist immer dann notwendig, wenn eine kleine Stichprobe vorliegt (vgl. BLEYMÜLLER/GEHLERT/GÜLICHER 2004). In Risikomodellen werden allerdings so große Stichproben gewählt, dass diese Korrektur vernachlässigt werden kann und bei der Erarbeitung der Grundlagen dementsprechend weggelassen wird. Für die Beobachtungen aus unserem Beispiel errechnet sich hiermit eine Varianz von VAR
0,3314 % 10
0,03314 %
Prinzipiell besitzt aber die Varianz die Dimension „Quadrat“. Um die gleiche Dimension des Streuungsmaßes zu erhalten wie jene der Beobachtungswerte, wird die positive Quadratwurzel aus der Varianz gezogen, welche als Standardabweichung (resp. Volatilität) bezeichnet wird:
61
STD
1 N ¦ a i AM 2 Ni 1
mit: STD = Standardabweichung; AM = arithmetisches Mittel; N = Anzahl Elemente der Datenbasis; ai = Beobachtungen
Für die wöchentlichen Renditen ergibt sich hiermit ein gerundeter Wert in Höhe von STD
0,03314 %
1,82 %
Mit dem arithmetischen Mittel und der Varianz wurden zwei statistische Maßzahlen eingeführt, welche die Eigenschaften einer Beobachtungsreihe für unsere Zwecke hinreichend gut beschreiben. Weitere statistische Maßzahlen, welche im Rahmen von Risikomodellen zum Teil wichtige Informationen liefern, sind Schiefe und Exzess. Abbildung 39 zeigt Häufigkeitsverteilungen mit unterschiedlicher Schiefe. Bei einer rechtsschiefen Häufigkeitsverteilung liegt der häufigste Wert weiter links als bei einer symmetrischen Häufigkeitsverteilung. Umgekehrtes gilt für eine linksschiefe Häufigkeitsverteilung.
rechtsschief
symmetrisch
linksschief
Abb. 39: Verteilungen mit unterschiedlicher Schiefe
Die statistische Maßzahl Exzess beschreibt, inwieweit die Häufigkeitsverteilung durch einen breiten Gipfel (platykurtisch) oder einen schmalen Gipfel (leptokurtisch) charakterisiert ist (vgl. Abbildung 40). Diese Maßzahl beschreibt also, welcher Anteil der gesamten Anzahl an Beobachtungen einer Verteilung sich im Zentrum und welcher sich an den Enden der Verteilung befindet.
gleiche Anzahl Beobachtungen
platykurtisch
leptokurtisch
Abb. 40: Verteilungen mit unterschiedlichem Exzeß
Neben den statistischen Maßzahlen, welche Häufigkeitsverteilungen charakterisieren, ist zusätzlich von Interesse, wie sich zwei Beobachtungsreihen untereinander verhalten, das heißt 62
inwieweit die Entwicklung von Beobachtungen einer Datenreihe von einer anderen abhängt. Die Stärke dieses Zusammenhangs kann über die Kovarianz beschrieben werden. Die Kovarianz wird berechnet, indem das Produkt der jeweiligen Beobachtungspaare (ai, bi) der beiden Datenreihen gebildet und durch die Anzahl Beobachtungen dividiert wird. Anschließend wird das Produkt der Mittelwerte der beiden Datenreihen A und B abgezogen: COVA, B AM(A B) AM A AM B
1 N ¦ a i b i AM A AM B Ni 1
mit: COV = Kovarianz; AM = arithmetisches Mittel; N = Anzahl Elemente der Datenbasis; ai = Werte der Beobachtungen der Datenreihe A; bi = Werte der Beobachtungen der Datenreihe B
Die Kovarianz hängt von den Einheiten der zugrundeliegenden Beobachtungen ab. Sie liegt stets zwischen - f und + f und kann im Gegensatz zur Varianz auch negative Werte annehmen. Um Zusammenhänge zwischen unterschiedlichen Datenreihen aufzeigen zu können, ist es sinnvoll, die Kovarianz auf ein bestimmtes Intervall zu normieren. Eine solche Normierung der Kovarianz auf Werte zwischen - 1 und + 1 ergibt sich, indem die Kovarianz durch das Produkt der jeweiligen Standardabweichungen dividiert wird. Der normierte Wert wird als Korrelationskoeffizient bezeichnet und berechnet sich wie folgt: COR (A, B)
COVA, B STDA STDB
Zur besseren Verständlichkeit sollen Datenreihen mit Korrelationskoeffizienten von 1, 0 und - 1 veranschaulicht werden (vgl. Abbildung 41). KOR = 1
KOR = 0
Rendite von B
Rendite von B
Rendite von A
KOR = -1
Rendite von B
Rendite von A
Rendite von A
Abb. 41: Datenreihen mit unterschiedlichen Korrelationskoeffizienten
In obigen Diagrammen sind jeweils die Beobachtungspaare (ai, bi) der beiden Datenreihen A und B gegeneinander abgetragen. Wenn es möglich ist, durch die Wertepaare eine Gerade mit positiver Steigung so zu legen, dass alle Paare auf der Geraden liegen, entspricht dies einem Korrelationskoeffizienten von genau eins. Wichtig für das Verständnis ist in diesem Zusam63
menhang, dass bei jedem positiven Steigungswinkel ein Korrelationskoeffizient von eins resultiert, solange alle Punkte auf der Geraden liegen. Mathematisch bedeutet dies, dass die beiden Zeitreihen linear voneinander abhängen. Eine perfekt negative Korrelation erhält man dagegen, wenn es möglich ist, eine Gerade mit negativer Steigung durch alle Wertepaare zu legen, so dass alle Paare auf der Geraden liegen. Sind die Beobachtungspaare hingegen (linear) unabhängig voneinander, wie in der mittleren Graphik dargestellt, erhält man mit obiger Formel einen Korrelationskoeffizienten von Null. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nun anhand des bekannten Beispiels veranschaulicht werden. Die zweite Beobachtungsreihe setzt sich dabei aus den wöchentlichen Renditen der Namenaktie (Na) des Pharmawertes Novartis zusammen, welche jeweils über den gleichen Zeitraum gemessen wurden. Abbildung 42 zeigt in Spalte I und III die Kurse und in Spalte II und IV die diskreten Renditen der beiden Pharmawerte. In Spalte V sind die in die Kovarianzformel einfließenden Produkte der Renditen der Beobachtungspaare berechnet. Des weiteren sind die Summen der Spalten II, IV und V sowie das arithmetische Mittel und die Standardabweichung der diskreten Renditen angegeben. Mit den Informationen aus Abbildung 42 und der weiter oben aufgeführten Formel errechnet sich für die Kovarianz ein Wert von - 0,0083 %: COVA, B
0,0262 % 1,009 % 1,083 % 10
- 0,0083 %
Die Normierung unter Hinzunahme der beiden Standardabweichungen ergibt einen negativen Korrelationskoeffizienten von
COR(A, B)
- 0,0083 % 1,820 % 1,656 %
- 0,276 .
Dieses Resultat ist erstaunlich, da bei Kursrenditen zweier Unternehmen der gleichen Branche ein Wert zu erwarten gewesen wäre, welcher näher bei + 1 liegt. Tatsächlich errechnet sich bei einer signifikanten Datenreihe wöchentlicher diskreter Renditen über 10 Jahre (523 Beobachtungen) ein Korrelationskoeffizient in Höhe von 0,96.
64
Produkt von ai und bi (II · IV)
Zeitpunkt (t)
Kurse GSH ROCHE (Ka)
diskrete Renditen (ai)
Kurse Na Novartis (Kb)
diskrete Renditen (bi)
Spalte
I
II
III
IV
V
08.09.00 15.09.00
15.370 14.850
– - 3,383 %
2.508,54 2.510,48
– 0,077 %
– - 0,00262 %
22.09.00 29.09.00 06.10.00 13.10.00 20.10.00 27.10.00 03.11.00 10.11.00 17.11.00 Summe AM STD
15.400 15.410 15.720 15.930 16.085 16.240 16.705 16.715 16.965 – – –
3,704 % 0,065 % 2,012 % 1,336 % 0,973 % 0,964 % 2,863 % 0,060 % 1,496 % 10,088 % 1,009 % 1,820 %
2.509,51 2.612,21 2.618,99 2.623,84 2.622,87 2.681,01 2.642,25 2.720,00 2.790,00 – – –
- 0,039 % 4,092 % 0,260 % 0,185 % - 0,037 % 2,217 % - 1,446 % 2,943 % 2,574 % 10,826 % 1,083 % 1,656 %
- 0,00143 % 0,00266 % 0,00522 % 0,00247 % - 0,00036 % 0,02136 % - 0,41400 % 0,00176 % 0,03849 % 0,02616 % – –
Abb. 42: Beobachtungsreihe wöchentlicher Kurse des GSH ROCHE und der Na Novartis
Der Zusammenhang zweier Datenreihen erfährt unter Risikosteuerungsaspekten eine große Bedeutung. Sobald ein Korrelationskoeffizient kleiner eins existiert, verfügt ein aus den betrachteten Wertpapieren zusammengestelltes Portfolio über eine kleinere Standardabweichung als das nach den Anteilen gewichtete Mittel der Standardabweichungen der beiden Aktien. Der risikoreduzierende Effekt ist um so größer, je kleiner der Korrelationskoeffizient ist, d.h. je weniger die einzelnen Beobachtungspaare voneinander abhängen. Bei einer perfekt negativen Korrelation zweier Zeitreihen, bestehend aus den Renditen zweier Wertpapiere, könnte sogar ein risikoloses Portfolio konstruiert werden. Im Beispiel können Standardabweichungen von jeweils 1,82 % und 1,66 % beobachtet werden. In Abbildung 43 wurde die Standardabweichung der Renditen eines Portfolios berechnet, welches aus einem Genussschein der ROCHE und fünf Novartis Namenaktien (Na) besteht. Die Standardabweichung ist mit 1,07 % erwartungsgemäß deutlich geringer als die Standardabweichungen der einzelnen Aktien.
65
Zeitpunkt (t)
Kurse GSH ROCHE (Ka)
diskrete Renditen (ai)
Kurse Na Novartis (Kb)
diskrete Renditen (bi)
Spalte
I
II
III
IV
08.09.00 15.09.00
15.370 14.850
– - 3,383 %
2.508,54 2.510,48
22.09.00 29.09.00 06.10.00 13.10.00 20.10.00 27.10.00 03.11.00 10.11.00 17.11.00 STD
15.400 15.410 15.720 15.930 16.085 16.240 16.705 16.715 16.965 –
3,704 % 0,065 % 2,012 % 1,336 % 0,973 % 0,964 % 2,863 % 0,060 % 1,496 % 1,820 %
2.509,51 2.612,21 2.618,99 2.623,84 2.622,87 2.681,01 2.642,25 2.720,00 2.790,00 –
Portfolio: diskrete 1 · Spalte I + Rendite des 5 · Spalte III Portfolios V
VI
– 0,077 %
27.912,70 27.402,40
– -1,828 %
- 0,039 % 4,092 % 0,260 % 0,185 % - 0,037 % 2,217 % - 1,446 % 2,943 % 2,574 % 1,656 %
27.947,55 28.471,05 28.814,95 29.049,20 29.199,35 29.645,05 29.916,25 30.315,00 30.915,00 –
1,989 % 1,873 % 1,208 % 0,813 % 0,517 % 1,526 % 0,915 % 1,333 % 1,979 % 1,067 %
Abb. 43: Diskrete Renditen eines gleichgewichtigen Portfolios des ROCHE GSH und der Novartis Na
In Abbildung 44 sind die Beobachtungspaare als Punkte dargestellt. Dabei ist ersichtlich, dass ein linearer Zusammenhang nur schwer feststellbar ist, da die Punkte sehr stark streuen. Eine Gerade, welche die quadrierten Abstände zu den einzelnen Beobachtungspaaren minimiert, hätte eine leicht negative Steigung (- 0,276).
diskrete Rendite Novartis Na (bi)
5,000 %
0,000 % 5,000 %
- 5,000 %
- 5,000 % diskrete Rendite ROCHE GSH (ai) Abb. 44: Beobachtungspaare der wöchentlichen Renditen der ROCHE (ai) und Novartis (bi)
Es soll hier nochmals darauf hingewiesen werden, dass die ermittelten Ergebnisse des Beispiels aufgrund der kleinen Stichprobe keine repräsentative Abbildung der Grundgesamtheit darstellen.
66
b)
Einsatz der beurteilenden Statistik für Risikomodelle
Damit Risikomodelle in der Praxis verwendbar sind, müssen diese Aussagen über die Zukunft erlauben. Der naheliegendste Weg dies zu tun besteht darin, die aus Vergangenheitsdaten errungenen Kenntnisse in die Zukunft zu extrapolieren. Bei dieser Vorgehensweise wird unterstellt, dass von den Eigenschaften der Häufigkeitsverteilungen vergangener Beobachtungen (arithmetisches Mittel, Varianz und Kovarianz) auf die Verteilung zukünftiger Beobachtungen geschlossen werden kann. Grundlagen eines solchen Vorgehens sind grundsätzlich die Analyse der vergangenen Beobachtungen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse über deren Verteilung, wie sie im letzten Abschnitt behandelt wurden. Aussagen über die Zukunft enthalten aber immer eine Unsicherheitskomponente. Ein in die Zukunft extrapoliertes arithmetisches Mittel wird Erwartungswert genannt. Dies ist wiederum der Wert, von dem angenommen wird, dass die Summe der jeweiligen Abweichungen zukünftiger Beobachtungen gegenüber dem Erwartungswert in beide Richtungen gleich groß sein wird. Ein aus historischen Beobachtungen übernommener Erwartungswert impliziert die Annahme eines im Zeitablauf konstanten Erwartungswertes. Gleiches gilt für Varianz und Kovarianz, welche auf Basis derselben Zeitreihe ermittelt wurden. Muss die Annahme im Zeitablauf konstanter Maßzahlen verworfen werden, bieten sich eine Reihe von Modellen an, welche dieser Veränderung Rechnung tragen. Unterschieden werden können beispielsweise die Methode der gleitenden Durchschnitte, die exponentielle Glättung oder GARCH-Modelle, welche die Daten aus der Vergangenheit hinsichtlich unterschiedlicher Kriterien glätten. Für die Darstellung dieser Modelle soll auf weitergehende Literatur verwiesen werden (z.B. J.P. MORGAN 1996). Allerdings ist auch bei komplizierten Modellen zu beachten, dass die Transformation der statistischen Maßzahlen in die Zukunft nicht besser sein muss als unter der Prämisse konstanter Maßzahlen. Noch unsichere zukünftige Beobachtungen werden in der beurteilenden Statistik Ausprägungen (auch Realisationen) genannt und im Folgenden mit dem Term xi bezeichnet. Eine Gruppe solcher Ausprägungen nennt man Zufallsvariablen. Sie werden mit Großbuchstaben (X, Y, etc.) gekennzeichnet. Der Aktienkurs an einem Tag oder die Aktienkursrendite zweier aufeinander folgender Tage wäre demnach eine Ausprägung, während eine Zeitreihe bestehend aus Aktienkursen oder Aktienkursrenditen eine Zufallsvariable darstellt. Grundsätzlich wird zwischen stetigen und diskreten Zufallsvariablen unterschieden. Von stetigen Zufallsvariablen wird dann gesprochen, wenn diese zumindest in einem bestimmten Intervall jeden beliebigen Wert annehmen können. Im Gegensatz dazu werden Zufallsvariablen als diskret bezeichnet, wenn diese nur endlich viele Ausprägungen annehmen können, wie dies beim Würfeln beispielsweise der Fall ist (vgl. BLEYMÜLLER/GEHLERT/GÜLICHER 2004). So kann beim Würfeln nur die Ausprägung 1, 2, 3, 4, 5 oder 6, nicht aber eine von 4,125 realisiert werden. An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass stetige und diskrete Zufallsvariablen nicht zu verwechseln sind mit stetigen und diskreten Renditen, da mit letzteren Begriffen die Art der Verzinsung unterschieden wird (vgl. S. 73 f.). Die Häufigkeit respektive Wahrscheinlichkeit, mit der Ausprägungen einen bestimmten Wert annehmen, lässt sich nur im Rahmen diskreter Zufallsvariablen berechnen. Im Falle stetiger Zufallsvariablen ist die Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Wert definitionsgemäß un67
endlich klein. Hingegen ist es bei stetigen Zufallsvariablen möglich, Wahrscheinlichkeiten für das Erreichen bzw. Über- oder Unterschreiten eines bestimmten Werteintervalls zu berechnen. Unter der Prämisse, dass Renditen in die Definition stetiger Zufallsvariablen fallen, wäre ein Beispiel eines Werteintervalls die Wahrscheinlichkeit des Auftretens wöchentlicher Renditen zwischen zwei und drei Prozent. Bei statistischen Untersuchungen von Finanzmarktdaten wird häufig Stetigkeit der Zufallsvariablen unterstellt. Sowohl für diskrete als auch für stetige Zufallsvariablen existieren theoretische Verteilungen. Die wichtigste theoretische Verteilung, welche auf stetigen Zufallsvariablen aufbaut, ist die Normalverteilung (auch Gauß‘sche Glockenkurve genannt). Die dominierende Stellung hat die Normalverteilung zum einen der Tatsache zu verdanken, dass viele sozialwissenschaftlich relevante Merkmale annähernd normalverteilt sind. Zum anderen lassen sich weitere theoretische Verteilungen unter gewissen Bedingungen durch die Normalverteilung approximieren. Auch in zahlreichen Risikomodellen bildet die Gauß‘sche Glockenkurve eine wichtige Grundlage. Jede Verteilung stetiger Zufallsvariablen lässt sich auf zwei Arten darstellen. Die Dichtefunktion einer Verteilung beschreibt, mit welcher Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit eine stetige Zufallsvariable einen Wert in einem bestimmten Intervall annimmt. Die Normalverteilung besitzt eine symmetrische Dichtefunktion, welche durch Erwartungswert und Varianz definiert ist:
f n x/EW; VAR
1 STD 2ʌ
1 § x EW · - ¨ ¸ e 2 © STD ¹
2
mit: fn = normalverteilte Dichtefunktion; EW = Erwartungswert; STD = Standardabweichung; x = Ausprägung
Der Erwartungswert entspricht aufgrund der symmetrischen Dichtefunktion dem Wert auf der X-Achse, bei welchem die Dichtefunktion ihr Maximum erreicht. Die Streuung wird durch die Varianz charakterisiert. Abbildung 45 zeigt eine graphische Darstellung verschiedener normalverteilter Dichtefunktionen. Dabei ist ersichtlich, wie sich die Dichtefunktion bei einer Veränderung der Parameter Erwartungswert und Standardabweichung verändert. Je geringer die Standardabweichung ist, desto mehr konzentrieren sich die Häufigkeiten um den Mittelpunkt, den Erwartungswert und vice versa. Die zweite Darstellungsform einer Verteilung ist die Verteilungsfunktion. Die Verteilungsfunktion entspricht dem Integral der Dichtefunktion und gibt damit an, mit welcher Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit die Beobachtungsdaten einen bestimmten Wert oder ein bestimmtes Wertintervall erreichen bzw. über- oder unterschreiten. Die Verteilungsfunktion der Normalverteilung hat einen S-förmigen Verlauf und errechnet sich gemäß folgender Formel:
68
x
Fn x/EW; VAR
1
³ STD
-f
2ʌ
1 § v EW · - ¨ ¸ e 2 © STD ¹
2
dv
mit: Fn = normalverteilte Verteilungsfunktion; EW = Erwartungswert; STD = Standardabweichung; x = Ausprägung
-5
5 EW = 5 STD = 3
15
-5
5 EW = 2 STD = 1,5
15
-5
5
15
EW = 5 STD = 1,5
Abb. 45: Vergleich von Dichtefunktionen der Normalverteilung mit unterschiedlichen EW und STD
Durch eine spezielle lineare Transformation ist es möglich, jede beliebige Normalverteilung in eine Normalverteilung mit einem Erwartungswert von Null und einer Varianz von eins umzuwandeln. Eine solche Verteilung bezeichnet man auch als Standardnormalverteilung. Die Standardisierung erfolgt, indem von jeder einzelnen Ausprägung der Erwartungswert abgezogen und der verbleibende Term durch die Standardabweichung dividiert wird: Z
X EW STD
mit: Z = standardnormalverteilte Zufallsvariable; X = normalverteilte Zufallsvariable; EW = Erwartungswert; STD = Standardabweichung
Der Z-Wert kann demnach auch als der Wert interpretiert werden, welcher dem Vielfachen der Standardabweichung (welche bei der Standardnormalverteilung eins beträgt) entspricht. Der Verlauf der Dichtefunktion der Standardnormalverteilung ist in Abbildung 46, der Verlauf der Verteilungsfunktion in Abbildung 47 dargestellt. In Abhängigkeit von unterschiedlich hohen Z-Werten und damit verbundenen unterschiedlich großen Intervallen variieren die Wahrscheinlichkeiten für das Erreichen bzw. Über- oder Unterschreiten derartiger Intervalle. Es ist ersichtlich, dass an der Stelle Z = 0 der Erwartungswert der Standardnormalverteilung liegt. Aus der Verteilungsfunktion lassen sich verschiedene Aussagen z.B. zu den Eintrittswahrscheinlichkeiten bestimmter Werte ableiten. Für den Erwartungswert von 0 ergibt sich aus der Verteilungsfunktion ein Funktionswert von 50 %. Somit sind mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % die Beobachtungswerte größer und mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % kleiner als der Erwartungswert von 0.
69
0.45
fN(Z)
0.35
0.25
0.15
0.05 -4
-3
-2
-1
2,28 %
0
1
2
95,44 %
3
4 Z-Werte
2,28 %
Wahrscheinlichkeit, dass der Beobachtungswert innerhalb des angezeigten Intervalls liegt Abb. 46: Dichtefunktion der Standardnormalverteilung mit: fN(Z) = Wert der Dichtefunktion der standardnormalverteilten Variablen Z; Z = standardnormalverteilte Zufallsvariable
100 % 97,72 %
FN(Z)
80 % 60 % 50 % 40 %
95,44 % (= 97,72 % – 2,28 %)
20 % 2,28 %
0% -4
-2
0
2
4 Z-Werte
Abb. 47: Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung mit: FN(Z) = Wert der Verteilungsfunktion der standardnormalverteilten Variablen Z; Z = standardnormalverteilte Zufallsvariable
70
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass jede beliebige normalverteilte Zufallsvariable X mit Erwartungswert und Standardabweichung in die standardnormalverteilte Zufallsvariable Z mit einem Erwartungswert von 0 und einer Standardabweichung von 1 überführt werden kann. Diese Eigenschaft kann man sich für die Berechnung von Intervallen zu Nutze machen. Durch die Transformationseigenschaft reichen Kenntnisse über die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung, da jegliche normalverteilte Zufallsvariable standardisiert und wieder in die ursprüngliche Verteilung überführt werden kann. Der mit der Berechnung individueller Häufigkeiten und Verteilungen verbundene Rechenaufwand entfällt somit. Zur Ermittlung der relevanten Wahrscheinlichkeiten kann auf die tabellarisch erfassten Werte der Dichte- und Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung zurückgegriffen werden. Abbildung 48 zeigt Auszüge aus dieser: z FN(z)
0,0000 0,5000
0,5000 0,6915
1,0000 0,8413
1,6449 0,9500
2,0000 0,9772
2,3263 0,9900
3,0000 0,9987
Abb. 48: Funktionswerte der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung für ausgewählte Z-Werte
Der Wert FN(2) = 0,9772 bedeutet, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 97,72 % die Werte der Zufallsvariablen Z unter + 2 und mit einer Wahrscheinlichkeit von 2,28 % (= 100 % – 97,72 %) über + 2 liegen. Da aufgrund der Symmetrie der Normalverteilung die Beziehung FN - z 1 FN z für alle negativen Z-Werte gilt, müssen nur Werte der Dichte- und Verteilungsfunktion für positive Z-Werte erfasst werden. In unserem Beispiel kann deshalb zusätzlich die Aussage gemacht werden, dass entsprechend die Werte der Zufallsvariablen Z mit 2,28 % Wahrscheinlichkeit unter - 2 und mit 97,72 % Wahrscheinlichkeit darüber liegen werden. Die über einem negativen Z-Wert respektive unter einem positiven Z-Wert liegende Wahrscheinlichkeit wird im Rahmen von Risikomodellen in der Literatur auch als Konfidenzniveau bezeichnet. Dieser Ausdruck ist in diesem Kontext zwar statistisch nicht ganz korrekt. Dennoch soll in den folgenden Ausführungen in Anbetracht der Verbreitung in der Literatur weiterhin dieser Ausdruck verwendet werden. Je größer (der negative oder positive) Z-Wert gewählt wird, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieses Konfidenzniveau eingehalten wird. Hier liegt der große Unterschied zur Standardabweichung (auch Volatilität genannt) als Risikomaß, bei welcher nicht nur die negative Abweichung von einem Zielwert, sondern die Gesamtabweichung – also sowohl die positive als auch die negative Abweichung – gemessen wird. Oben gemachte Überlegungen zu einem solchen Konfidenzniveau lassen sich mit den folgenden Beziehungen allgemein darstellen: W X d x i Fn x i EW; VAR W Z d z i
mit: z i
Fn z i
x i EW STD
Ausgehend von einer normalverteilten Zufallsvariablen X mit Erwartungswert EW und Varianz VAR wird die Wahrscheinlichkeit W dafür gesucht, dass eine Ausprägung kleiner xi beobachtet werden kann. Dafür wird die Zufallsvariable X unter Verwendung der bekannten
71
Standardisierungsformel in eine standardnormalverteilte Zufallsvariable Z transformiert, mit dem Resultat, das Sicherheitsniveau zi zu erhalten und dessen Wahrscheinlichkeit in einer standardisierten Tabelle nachschlagen zu können. Um diese Überlegungen zu verdeutlichen, soll die Wahrscheinlichkeit dafür berechnet werden, dass die Rendite einer normalverteilten Zufallsvariablen X (z.B. Aktienkursrenditen eines bestimmten Unternehmens) mit einem Erwartungswert von 1 % und einer Varianz von 4 %2 unter - 3 % liegt. Die Überführung in eine standardnormalverteilte Zufallsvariable erfolgt anhand der Standardisierungsformel: W X d - 3 %
§ - 3 % 1 % · ¸¸ W¨¨ Z d 2% ¹ ©
W Z d - 2
Das Konfidenzniveau bei einer Rendite von - 3 % der normalverteilten Zufallsvariablen X entspricht also dem Niveau bei einer standardnormalverteilten Zufallsvariable Z von - 2, wie in Abbildung 49 dargestellt. fN
Konfidenzniveau
-7%
-5%
-3%
-1%
1%
3%
5%
7%
9%
x
-4
-3
-2
-1
0
1
2
3
4
z
Abb. 49: Beispiel zur Berechnung eines Konfidenzniveaus
In Abbildung 48 kann der Wert der Verteilungsfunktion (97,72 %) bei einem Z-Wert von 2 abgelesen werden. Aufgrund obiger Beziehung, welche durch die Symmetrie der Normalverteilung gegeben ist, berechnet sich ein Wert von 2,28 %: FN - 2 1 FN 2 1 0,9772
0,0228 oder 2,28 %
Mit einer Wahrscheinlichkeit von 2,28 % muss demnach mit Beobachtungen gerechnet werden, die unter - 3 % liegen.
72
c)
Anforderungen an Finanzmarktdaten für statistische Auswertungen
In diesem Abschnitt soll untersucht werden, welche Anforderungen Finanzmarktdaten erfüllen sollten, damit statistische Aussagen wie jene über die Eintrittswahrscheinlichkeit gemacht werden dürfen. Grundlage einer Analyse von Finanzmarktdaten ist in der Regel eine Zeitreihe, welche aus periodisch erhobenen Beobachtungen besteht. Ein häufiges Problem bei Zeitreihen besteht in der Tatsache, dass die beobachteten Werte voneinander abhängen. Diese Arten von linearen Abhängigkeiten müssen von den zuvor beschriebenen Korrelationen und Korrelationskoeffizienten unterschieden werden. In diesem Fall handelt es sich nicht um die Abhängigkeit zwischen zwei unterschiedlichen Zeitreihen A und B, sondern um diejenige zwischen den einzelnen Beobachtungen innerhalb einer Zeitreihe A, auch Autokorrelation genannt. Autokorrelation hat zur Folge, dass die einzelnen Beobachtungen nicht unabhängig voneinander sind und demnach einem Trend unterliegen. Ein solcher Trend bedeutet aber, dass sich der Mittelwert einer Zeitreihe ständig ändert. Wenn eine beobachtete Zeitreihe Prognosezwecken dienen soll, ist es wichtig, dass diese hinsichtlich Mittelwert, aber auch bezüglich Varianz und Kovarianz vom Zeitindex unabhängig ist, d.h. diese Werte sich im Zeitablauf nur unmerklich ändern. Falls eine Zeitreihe diese Eigenschaft erfüllt, spricht man von einer schwach stationären Zeitreihe. Schwach stationäre Zeitreihen werden häufig erreicht, wenn an Stelle des absoluten Betrages (beispielsweise Kurswert) die Veränderungsrate (z.B. Rendite) betrachtet wird. Dadurch entsteht kein Informationsverlust, da Veränderungsraten problemlos wieder in den ursprünglichen Wert überführt werden können (PODDIG/ DICHTL/PETERSMEISER 2003). Veränderungsraten können sowohl stetig als auch diskret berechnet werden (die Erläuterungen erfolgen anhand von Aktienrenditen als Spezialfall allgemeiner Veränderungsraten). Es stellt sich die Frage, welche Definition für Zeitreihenanalysen geeigneter ist. Die diskrete Rendite unterstellt eine zeitpunktbezogene Veränderung eines Basiswertes; die Verzinsung des Kapitals erfolgt in der betrachteten Periode genau einmal. Die diskrete Rendite ergibt sich demnach aus der Überlegung, dass beispielsweise der Kurswert nach einer Periode dem Kurswert im Ausgangszeitpunkt zuzüglich der einmaligen Rendite entspricht:
Kt
K t 1 rtd K t 1
mit: Kt = Kurswert im Zeitpunkt t; Kt–1 = Kurswert im Zeitpunkt t–1; rtd = diskrete Rendite resp. Veränderungs- rate
Löst man obige Gleichung nach der Rendite rtd auf, so ergibt sich die diskrete Rendite aus dem Verhältnis des Verkaufspreises zum Kaufpreis abzüglich eins: rtd
Kt 1 K t 1
Stetige Renditen können aus den diskreten Renditen abgeleitet werden, indem an Stelle einer einmaligen Preisänderung unendlich viele Preisänderungen unterstellt werden, die in unendlich kleinen Abständen eintreten. Der Kurswert nach einer Periode ergibt sich entsprechend gemäß folgender Formel:
73
1· § K t 1 ¨1 rtd ¸ m ¹ ©
bei m Preisänderungen: K t
1· § ¨1 ¸ © m¹
falls m gegen unendlich geht: lim
m of
m
m
e
2,718281828...
s
K t 1 e rt
lautet die Gleichung neu: K t
mit: Kt = Kurswert im Zeitpunkt t; Kt–1 = Kurswert im Zeitpunkt t–1; rts = stetige Rendite resp. Veränderungsrate; e = Eulersche Zahl; m = Anzahl an Preisänderungen
Um die Gleichung nach der stetigen Rendite aufzulösen, müssen beide Seiten der Gleichung mit dem natürlichen Logarithmus multipliziert werden. Für die stetige Rendite resultiert schließlich rts
§ K · ln¨¨ t ¸¸ © K t 1 ¹
ln K t ln K t 1
mit: ln = natürlicher Logarithmus
Die beiden Renditedefinitionen können einfach ineinander überführt werden, wie in den folgenden Gleichungen gezeigt wird: rtd
s e rt 1 respektive rts
ln 1 rtd
Je nach Anwendungsbereich kann die eine Renditedefinition der anderen vorgezogen werden. Stetige Renditen besitzen im Gegensatz zu den diskreten Renditen allerdings viele Eigenschaften, welche den Einsatz von statistischen Verfahren und Modellen erst ermöglichen. Stetige Renditen folgen eher einer symmetrischen Verteilung um den Mittelwert. Dieses Merkmal ist sehr wichtig, da diese Eigenschaft eine notwendige Bedingung für die Normalverteilung darstellt. Diskrete Renditen sind hingegen häufig nicht symmetrisch, sondern rechtsschief. Dies resultiert daraus, dass negative diskrete Renditen auf - 100 % beschränkt sind, während positive diskrete Renditen unendlich groß sein können. Müssen beispielsweise für die Vergleichbarkeit verschiedener Veränderungsraten Tagesrenditen in Monats- oder Jahresrenditen umgewandelt werden, empfiehlt sich zusätzlich der Gebrauch von stetigen Renditen. Diese haben die Eigenschaft, dass die Berechnung von Mehrperiodenrenditen durch einfache Addition vorgenommen werden kann. Die Jahresrendite berechnet sich entsprechend aus der Addition der zwölf Monatsrenditen. Für diskrete Renditen trifft diese Eigenschaft nicht zu. Eine einfache Addition diskreter Renditen ergibt widersprüchliche Resultate, wie Abbildung 50 zeigt. Während sich der Kurs nach drei Perioden im Vergleich zur Ausgangssituation wieder auf dem gleichen Niveau befindet, erhält man als Summe aus den Einzelrenditen für die diskrete Rendite einen Wert von 217 % und bei der stetigen Rendite den „richtigen“ Wert in Höhe von 0 %.
74
Periode Kurswert diskrete Rendite stetige Rendite
0 100 – –
1 300 + 200 % + 110 %
2 50 - 83 % - 179 %
3 100 + 100 % + 69 %
Summe – + 217 % 0%
Abb. 50: Eigenschaften von diskreten und stetigen Renditen
Die Additivität von stetigen Veränderungsraten ist besonders in Risikomodellen eine wichtige Eigenschaft, da die in ein Modell einfließenden Veränderungsraten die gleiche Zeitbasis besitzen müssen. Die gleiche Anforderung gilt in Risikomodellen für Varianzen. Da Varianzen mit ansteigendem Intervall der Datenerhebung größer werden und dadurch Varianzen mit unterschiedlichem Intervall der zugrunde liegenden Daten in einem Risikomodell nicht mehr unmittelbar miteinander verglichen werden können, ist es notwendig, diese auf ein einheitliches Intervall zu kalibrieren. Unter der Annahme, dass die einzelnen Veränderungsraten voneinander unabhängig (d.h. dass diese nicht autokorrelieren) und die Varianzen stationär sind, lässt sich die Varianz eines beliebigen Zeitintervalls (T – t) gemäß folgender Formel berechnen (LISTER 1997): VAR T t
· § N VAR¨ ¦ R n ¸ ¸ ¨ ©n 1 ¹
VAR R 1 VAR R 2 ... VAR R N
N VAR R n
mit: T = Ende des Zeitintervalls; t = Beginn des Zeitintervalls; VART–t = Varianz mit der Zeitbasis (T – t); Rns = Zeitreihe mit stetigen Renditen auf Zeitbasis (T – t) / N; N = Anzahl Zeitreihen mit Zeitbasis (T – t) / N
Die Varianz mit einem Zeitintervall T – t errechnet sich dementsprechend durch Addition der N Varianzen mit einem Zeitintervall von (T – t) / N (z.B. Handelstagen). Abgeleitet aus obiger Gleichung berechnet sich die Standardabweichung eines Intervalls T – t nach der auch als Wurzelgesetz bekannten Gleichung: STD T t
N VAR (R n )
N STD R n
Die Standardabweichung von Jahresrenditen würde demnach bei einer konstanten Standardabweichung von monatlichen Aktienkursrenditen in der Höhe von 5 % wie folgt berechnet: STD1 Jahr
12 5 % 17,32 %
Da die Prämissen für die Anwendung des Wurzelgesetzes sehr restriktiv sind, ist es in Risikomodellen von Vorteil, darauf zu achten, dass die Datenerhebung aus einheitlichen Intervallen besteht.
75
2.
Bestimmung des Value at Risk
In Theorie und Praxis wurde der VaR-Ansatz auf unterschiedlichste Art weiterentwickelt und verfeinert. Dabei blieb die Grundidee der Verknüpfung des potentiellen Verlustes mit einer Wahrscheinlichkeitsaussage in allen Modellvarianten erhalten. Alle VaR-Modelle haben zum Ziel, möglichst exakt Einzelrisiken zu spezifizieren und zu einem Gesamtbankrisiko zusammenzuführen. Hinsichtlich möglicher Vorgehensweisen können für die VaR-Berechnung analytische Ansätze von Simulationen unterschieden werden (vgl. auch MEYER 1999). Grundlage analytischer Modelle sind theoretische Verteilungen, auf deren Basis Wahrscheinlichkeitsaussagen gemacht werden. Im einfachsten Fall wird die Normalverteilung der analysierten Daten unterstellt, welche durch die beiden Maßzahlen Erwartungswert und Standardabweichung charakterisiert ist. Im Unterschied zu den analytischen Modellen entfällt im Rahmen simulativer Modelle die explizite Festlegung theoretischer Verteilungen. Vielmehr werden Informationen direkt aus der simulierten oder historischen Ergebnisverteilung entnommen, wodurch eine unterstellte Verteilung in der Regel nicht mehr benötigt wird. Aufgrund spezifischer Vor- und Nachteile werden beide Modellarten in einem Kreditinstitut eingesetzt. Nachfolgend soll ein Risikomodell mit dem Titel RiskMaster (LISTER 1997) vorgestellt werden, bei welchem Elemente beider VaR-Ansätze verwendet werden. Die Darstellung erfolgt, aufgrund der größeren Bedeutung, auf barwertorientierter Basis. Die Berechnung periodenorientierter Value at Risk deckt sich jedoch mit dem Vorgehen der Barwertberechnung. Das Modell setzt sich zusammen •
aus einem analytischen Grundmodell, das ein standardisiertes Verfahren zur Messung des VaR einzelner Risikokategorien beinhaltet, sowie einer Risikomatrix, in der die einzelnen Risikokategorien aggregiert werden
•
und aus Modellerweiterungen (basierend auf Simulationen), die in Abhängigkeit von der zu bewertenden Risikoart zur Verbesserung der Messergebnisse herangezogen werden.
a)
Quantifizierung des Value at Risk anhand des analytischen Grundmodells
(1)
Berechnung des Value at Risk einer einzelnen Position
In analytischen Modellen wird, wie bereits erwähnt, der VaR unter Rückgriff auf eine theoretische Verteilung und die ihr zugrunde liegenden statistischen Maßzahlen berechnet. Das hier näher betrachtete analytische Grundmodell ist in Abbildung 51 anhand eines standardisierten Verfahrens dargestellt. Die ersten fünf Stufen zeigen die Ermittlung des VaR einer einzelnen Position. In der sechsten Stufe erfolgt die Verknüpfung mehrerer VaR, welche Bestandteil des nächsten Kapitels ist (vgl. hierzu sowie zum Folgenden LISTER 1997).
76
Stufe 1
Definition des Risikoparameters (RP) und des Risikovolumens (RV)
Stufe 2
Berechnung der Standardabweichung des Risikoparameters STDRP
Stufe 3
Bestimmung einer Risikomesszahl durch Fixierung des Konfidenzniveaus mit der Auswahl des Z-Wertes RMZRP = ± Z-Wert · STDRP
Stufe 4
Ableitung des Risikofaktors RFRP = eRMZRP – 1 Prämisse: Erwartungswert immer gleich Null!
Stufe 5
VaR eines einzelnen Risikoparameters: VaR = RVRP · RFRP
Stufe 6 Verknüpfung der Stufen 1 bis 5 über eine Korrelationskoeffizientenmatrix zum Value at Risk bei einem oder mehreren Risikoparametern. VaR mehrerer Risikoparameter:
>Risikovektor @ VaR Gesamt
· >Korrelationskoeffizentenmatrix @ · >Transponente des Risikovektors@
Abb. 51: Standardisierte Risikoquantifizierung im Grundmodell des bankinternen Risikomodells RiskMaster® mit: e = Eulersche Zahl; i = Index eines beliebigen Risikoparameters; n = Gesamtzahl der Risikoparameter; RMZ = Risikomesszahl; RP = Risikoparameter; RV = Risikovolumen; STD = Standardabweichung; Z = standardnormalverteilte Zufallsvariable
zu Stufe 1: In der ersten Stufe sind die für die jeweiligen Risikopositionen, welche barwertiger (z.B. Aktienwerte) oder periodischer Natur (z.B. Cash Flows) sein können, relevanten Risikoparameter und Risikovolumina zu definieren. Für die Bestimmung der Risikoparameter ist es zunächst wichtig, die Risikokategorien für die Risikopositionen eines Kreditinstitutes zu bestimmen. Abbildung 52 gibt einen Überblick über ausgewählte Risikopositionen und mögliche preisbestimmende Risikokategorien (MEYER 1999).
77
Risikokategorien ZinsWährungsRisikoposition änderungsrisiko risiko
Kursrisiko
VolatilitätsZeitablaufänderungsrisiko risiko
Basisrisiko
Spreadrisiko
Einlagen/ Ausleihungen
x
x
x
Swaps
x
x
x
Zinsfutures
x
x
Anleihen
x
x
Devisenkassageschäfte Devisenoptionen Aktienkassageschäfte
x x
x x
x x
x
x
x
Abb. 52: Ausgewählte Risikopositionen und die ihnen zugrunde liegenden Risiken
Für die verschiedenen Risikokategorien können Risikoparameter definiert werden. Diese stellen sich i.d.R. als stetige Veränderungsrate der Risikokategorie dar. Stellvertretend für die Risikokategorie Aktienkursrisiko besteht der Risikoparameter aus einer Zeitreihe von stetigen Aktienkursrenditen, für das Zinsänderungsrisiko aus Änderungen der ZerobondAbzinsfaktoren, für das Wechselkursrisiko aus stetigen Devisenkursänderungen etc. Des Weiteren können von sämtlichen Ergebnissen aus periodenorientierter Sicht Risikoparameter und darauf aufbauend VaR berechnet werden. Der Risikoparameter von Kostenbudgets könnte in den stetigen Kostenabweichungsraten, der Risikoparameter von Cash Flows in stetigen Abweichungsraten aufeinander folgender Cash Flows etc. bestehen. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass nicht die unmittelbaren Beobachtungen (Aktienkurse, Zinssätze oder Devisenkurse), sondern die sich aus den Entwicklungen dieser Größen ergebenden stetigen Renditen bzw. stetigen Veränderungsraten als Risikoparameter zu betrachten sind, welche im Grundmodell als annähernd normalverteilt angenommen werden. Durch die Ableitung der Risikoparameter aus den Risikokategorien, anstelle einer direkten Ermittlung einer Zeitreihe bestehend aus stetigen Abweichungsraten der Risikopositionen selbst (z.B. bei einer Obligation), können die Renditeverteilungen der Risikoparameter unabhängig von den Risikopositionen verwendet werden. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass beispielsweise die Preisänderungen von zwei unterschiedlichen Zinspositionen mit der gleichen Restlaufzeit durch dieselbe Veränderungsrate des Zerobond-Abzinsfaktors bestimmt werden können und dadurch eine Aufwandsreduktion resultiert. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die historische Datenverfügbarkeit der „standardisierten“ Risikoparameter viel eher gewährleistet ist als diejenige beispielsweise einer Anleihe, welche erst seit zwei Monaten auf dem Markt gehandelt wird. Die statistische Aussagekraft bei der Verwendung von Risikoparametern anstelle der Risikopositionen ist aber nur dann die gleiche, wenn zwischen Risikoparameter und den unmittelbaren Beobachtungen eine lineare Beziehung besteht. 78
Das Risikovolumen wird definiert als das finanzielle Volumen, das einem Risiko ausgesetzt ist. Grundsätzlich kann für sämtliche Ist- und Plangrößen einer Unternehmung, die bestimmten Schwankungen unterliegen, das mit einer festgelegten Wahrscheinlichkeit schlagend werdende Abweichungsrisiko bestimmt werden. Im Modell RiskMaster stehen dabei die Marktwerte des liquiditätsmäßig-finanziellen Bereichs im Vordergrund der Analyse. Allerdings können, wie zuvor beschrieben, grundsätzlich auch Periodengrößen Gegenstand der Analyse sein. zu Stufe 2: In der zweiten Stufe werden der Mittelwert und die Standardabweichung aus einer Datenreihe des jeweiligen Risikoparameters berechnet. Dabei ist zu entscheiden, welche Haltedauer und welcher Beobachtungszeitraum den Berechnungen zugrunde gelegt wird. Von Seiten der Aufsichtsbehörden wird für Marktrisiken beispielsweise eine Haltedauer von zehn Börsentagen verlangt. Konkret bedeutet dies, dass die Standardabweichung aus Veränderungsraten mit einem Zeitraum von zehn Handelstagen berechnet wird. Diese Berechnung kann entweder überlappend erfolgen, indem die erste Veränderungsrate aus dem ersten Handelstag und dem zehnten, die zweite aus dem zweiten und elften usw. berechnet wird. Ein solches Vorgehen hat den Nachteil, dass eine positive Autokorrelation entsteht, welche zu falschen statistischen Resultaten führen kann. Die andere Variante besteht darin, die erste Veränderungsrate aus dem ersten Handelstag und dem zehnten, die zweite aus dem elften und dem zwanzigsten Handelstag zu berechnen, wodurch die Zeitreihe aus den stetigen Veränderungsraten im Vergleich zur ersten Methode um ein Vielfaches kleiner wird.
Kürzere Beobachtungszeiträume weisen grundsätzlich einen stärkeren Zeitbezug zu den aktuellen Marktentwicklungen auf. Damit verbunden ist jedoch das Problem unsicherer Schätzungen und damit stärker schwankender Risikowerte. Die bankaufsichtlichen Verfahren zur Risikomessung legen eher auf lange Beobachtungsperioden Wert, wobei unter Umständen die näher zurückliegenden Beobachtungsdaten eine stärkere Gewichtung erfahren können. Aus statistischer Sicht sind ebenfalls längere Zeiträume kürzeren vorzuziehen, da die statistische Aussagekraft und Annäherung an eine für die weitere Vorgehensweise erforderliche Normalverteilung durch größere Datenreihen des zugrunde gelegten Risikoparameters i.d.R. besser wird. zu Stufe 3: In der dritten Stufe erfolgt die Fixierung der sogenannten Risikomesszahl. Die Risikomesszahl stellt einen mathematischen Ausdruck zur Bestimmung der mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintretenden Entwicklung des Risikoparameters dar. Dabei wird so vorgegangen, dass grundsätzlich definiert werden muss, auf welchem Konfidenzniveau der VaR berechnet werden soll. Soll der VaR beispielsweise auf einem Konfidenzniveau von 99 % berechnet werden, entspricht dies einem Z-Wert von 2,3263. Um diesen Z-Wert auf die Verteilung des Risikoparameters zu transformieren, wird die Transformationsformel von S. 69 nach X aufgelöst.
79
Aus Z
X EW resultiert dann X STD
Z STD EW
mit: EW = Erwartungswert; STD = Standardabweichung; Z = standardnormalverteilte Zufallsvariable; X = normalverteilte Zufallsvariable
Dieser Rechenschritt soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Es sei angenommen, dass der Manager eines Aktienportfolios, der eine Long-Position eines beliebigen Aktienwertes eingegangen ist, anhand der stetigen Veränderungsraten wissen möchte, welche maximale negative Veränderungsrate mit einer Wahrscheinlichkeit von 97,72 % nicht überschritten bzw. mit einer Wahrscheinlichkeit von 2,28 % überschritten wird. Aus dem Verlauf der Dichte- und der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung ist abzulesen, dass der Z-Wert in Höhe von - 2 die Standardnormalverteilung entsprechend teilt. Demzufolge stellt der ZWert von - 2 diejenige maximale negative Abweichung vom Erwartungswert dar, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 97,72 % nicht überschritten wird. Aus einem gemäß Stufe 2 berechneten Erwartungswert der Portfoliorendite von z.B. 5 % und einer Standardabweichung von 10 % bei einer Haltedauer von 100 Handelstagen folgt nach der Transformationsregel:
X
- 2 10 % 5 %
- 15 %
Mit einer Wahrscheinlichkeit von 97,72 % kann angenommen werden, dass die erwartete stetige Rendite bei einer Haltedauer von 100 Handelstagen nicht schlechter als - 15 % ausfallen wird. Die Wahl des Konfidenzniveaus und damit des Z-Wertes kann zum einen aufgrund von aufsichtlichen Bestimmungen erfolgen. Zum anderen handelt es sich meist um subjektive Entscheidungen des Managements, welche nicht zuletzt abhängig sind vom angestrebten Standing des Unternehmens. Aus obiger Rechnung ist ersichtlich, dass mit steigendem Konfidenzniveau, also steigendem Z-Wert, die Abweichung von der erwarteten Rendite steigt. Wie zu zeigen sein wird, steigt bei einer Erhöhung des Konfidenzniveaus der VaR und somit das zu unterlegende Risikokapital, wodurch sich das Kreditinstitut auf einem höheren Sicherheitsniveau befindet. Aus obigen Überlegungen kann die Gleichung für die Risikomesszahl abgeleitet werden: RMZ(RP) = STD(RP) · Z mit: RMZ = Risikomesszahl; RP = Risikoparameter; STD = Standardabweichung; Z = standardnormalverteilte Zufallsvariable Z
Ein Vergleich der Formel für die Risikomesszahl mit der Transformationsformel zeigt die Vernachlässigung des Erwartungswertes bei der Berechnung der Risikomesszahl. Der Risikofaktor basiert demnach auf der Prämisse eines Erwartungswertes von Null. Diese Prämisse wird üblicherweise sowohl aus rechentechnischen als auch aus pragmatischen Erwägungen heraus grundsätzlich akzeptiert. Denn ansonsten würden die Gleichungen zur Risikoberechnung eine ungleich höhere Komplexität verbunden mit höherem Berechnungsaufwand aufweisen. Die Prämisse ist allerdings insofern unproblematisch, als dass das tatsächliche Verlustrisiko gegenüber der Ausgangssituation grundsätzlich zu hoch bewertet wird. Abbildung 80
53 zeigt, dass aus der genannten Prämisse die Risikomesszahl im Beispiel - 20 % anstatt 15 % beträgt; die Sicherheit vergrößert sich also durch die Prämisse eines Erwartungswertes von Null.
Verteilung 2
Verteilung 1
Konfidenzniveau EW = 0 % - 35 %
- 25 % -3 -3
- 15 % - 5 % -2
-2
EW = 5 %
-1 -1
0
5%
15 %
25%
35 %
0
1
2
3
1
2
3
45 % x 4 Z(1) 4
Z(2)
Abb. 53: Auswirkungen der Prämisse eines Erwartungswertes von Null an einem Beispiel
Je nach Risikoparameter und der zu bewertenden Position handelt es sich beim Z-Wert um eine positive oder negative Zahl. Bei einer Long-Position in einer Anleihe beispielsweise besteht das Zinsänderungsrisiko, gemessen anhand des Risikoparameters Zerobond-Abzinsfaktor, in steigenden Zinsen und demnach einer negativen Veränderungsrate des ZerobondAbzinsfaktors. Dementsprechend würde das Risiko in einem negativen Z-Wert begründet sein. Genau entgegengesetzt verhält es sich bei einer Short-Position in der genannten Anleihe, wo das Risiko beim genannten Risikoparameter durch einen positiven Z-Wert charakterisiert wird. Abbildung 54 fasst diesen Sachverhalt anhand einer Matrix zusammen. Risikoparameter Stetige Veränderungsraten von Stetige Veränderungsraten von Position Aktienkursen, ZerobondZerobondrenditen Abzinsfaktoren, Devisenkursen etc. Das Risiko besteht in der Gefahr sin- Das Risiko besteht in der Gefahr Long-Position kender Veränderungsraten steigender Veränderungsraten (in negativen Z-Werten) (in positiven Z-Werten) Das Risiko besteht in der Gefahr Das Risiko besteht in der Gefahr sinShort-Position steigender Veränderungsraten kender Veränderungsraten (in positiven Z-Werten) (in negativen Z-Werten) Abb. 54: Das Risiko in Abhängigkeit von ausgewählten Risikoparametern bei einer Long- resp. Short-Position
81
zu Stufe 4: Die Risikomesszahl bildet die Basis für die Berechnung des Risikofaktors. Zur Erklärung des Risikofaktors ist auf die erste Stufe des Risikomodells zurückzugreifen. Schon bei der Definition der Risikoparameter ist zu beachten, dass diese Werte als stetige Kennziffern zu berechnen sind, um den für die Anwendung statistischer Instrumentarien erforderlichen Verteilungsannahmen gerecht zu werden. In der Folge soll die Risikomesszahl, welche auf Basis stetiger Risikoparameter berechnet wurde, in eine diskrete Kennzahl umgewandelt werden.
Das Vorgehen dieser Umwandlung soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Die stetige Rendite zweier Aktienkurse in Höhe von 100 CHF in t = 0 und 110 CHF in t = 1 ergibt sich aufgrund der bekannten Formel: § 110 · stetige Rendite: LN¨ ¸ © 100 ¹
9,53 %
Die Umwandlung einer stetigen in eine diskrete Rendite erfolgt, indem unter Zuhilfenahme der Eulerschen Zahl in einem ersten Schritt die Logarithmierung rückgängig gemacht wird. In einem zweiten Schritt erfolgt die Berechnung der diskreten Rendite, welche sich aus der einfachen Division der beiden Aktienkurse und der Subtraktion von eins ergibt: § 110 ·
ln ¨ ¸ 110 diskrete Rendite: 1 e © 100 ¹ 1 e 9,53 % 1 10 % 100
mit: e = Eulersche Zahl = 2,718281828; LN = natürlicher Logarithmus
Der Grund für die Umwandlung der auf dem stetigen Risikoparameter aufbauenden Risikomesszahl in eine diskrete Größe liegt darin, dass die logarithmische Verknüpfung zweier Preise dazu führt, dass das Risiko nicht durch die einfache Multiplikation einer bestimmten Position mit der Risikomesszahl ermittelt werden kann. Erst das Rückgängigmachen dieser logarithmischen Verknüpfung durch Berechnung des Risikofaktors ermöglicht in Stufe 5 die Ermittlung des VaR durch eine einfache multiplikative Verknüpfung. Der Risikofaktor ergibt sich in Anlehnung an obige Überlegung: RF(RP) e RMZ(RP) 1 mit: e = Eulersche Zahl = 2,718281828; RF = Risikofaktor; RMZ = Risikomesszahl; RP = Risikoparameter
zu Stufe 5: Der VaR als das mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit schlagend werdende Risiko wird für einzelne Risikoparameter grundsätzlich aus der Multiplikation des in Stufe 1 beschriebenen Risikovolumens mit dem Risikofaktor berechnet: VaR
RF RV
mit: RF = Risikofaktor; RV = Risikovolumen
Grundsätzlich kann für sämtliche Risikopositionen eines Kreditinstituts, die Wertschwankungen unterliegen, das mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit schlagend werdende Abwei-
82
chungsrisiko bestimmt werden. Ein negativer Wert in Stufe 5 zeigt, dass es sich um ein Risiko handelt.
zu Stufe 6: In der sechsten und letzten Stufe werden die Stufen 1 – 5 zusammengeführt. Sofern jedoch nicht nur ein, sondern mehrere Risikoparameter bei der Risikoanalyse der Bankgeschäfte auftreten, sind die zwischen diesen Risikoparametern bestehenden Risikoverbundeffekte zu berücksichtigen. Die Risikoverbundeffekte verdienen deshalb besondere Beachtung, weil sich zwei Risikoparameter üblicherweise nicht gleich entwickeln. Vielmehr ist anzunehmen, dass durch teilweise oder vollständig gegenläufige Entwicklungen risikokompensierende Wirkungen eintreten, die bei der Risikomessung zu erfassen sind. Die Quantifizierung solcher Risikoverbundeffekte über Korrelationen soll im nächsten Abschnitt ausführlich behandelt werden. (2)
Aggregation einzelner Value at Risk mit Hilfe der KorrelationskoeffizientenMatrix
Die Gleich- bzw. Gegenläufigkeit der Entwicklung zweier oder mehrerer Risikoparameter, also das Ausmaß der Risikoverbundeffekte, wird mit Hilfe der im Statistikteil definierten Parameter Kovarianz respektive Korrelationskoeffizient erfasst. Der Einfluss dieser Risikoverbundeffekte kann am besten dargestellt werden, indem ein Portfolio bestehend aus zwei Wertpapieren betrachtet wird. Die Varianz eines solchen Portfolios ergibt sich nach der sog. Linearkombinationsregel: VAR P
w A 2 VAR A w B 2 VAR B 2 w A w B KOVA, B
mit: VAR = Varianz; KOV = Kovarianz; A resp. B = stetige Rendite der Aktie A resp. B; wA resp. wB = Anteilswert der Aktie A bzw. B; P = Portfolio
Im Gegensatz zur Renditeerwartung eines Portfolios, welche sich aus der einfachen gewichteten Addition der einzelnen erwarteten Renditen ergibt, enthält die Varianz eines Portfolios zusätzlich einen (bei nicht vollständig positiver Korrelation) risikoreduzierenden Kovarianzterm. Anstelle des Kovarianzterms kann die Linearkombinationsregel auch mit Hilfe der Korrelation geschrieben werden (vgl. S. 63): VAR P
w A 2 STDA 2 w B 2 STDB 2 2 w A w B KOR A, B STDA STD B
Zur einfacheren Handhabung dieser Beziehung lässt sich die Gleichung in eine Matrizenschreibweise überführen: VAR P
>w A STDA
1 KOR A, B º ª w A STDA º w B STD B @ ª« »¼ «¬ w B STD B »¼ KOR A , B 1 ¬
83
Entsprechend gilt für die Standardabweichung: STD P
>w A STDA
1 KOR A, B º ª w A STD A º w B STD B @ ª« »¼ «¬ w B STD B »¼ 1 ¬KOR A, B
Bei der Zusammenführung von zwei oder mehreren VaR kann unter Annahme der Normalverteilung die dargestellte Linearkombinationsregel angewendet werden. Dabei ist zu beachten, dass die gewichteten Standardabweichungen durch die einzelnen VaR ersetzt werden. Allgemein gilt:
>Risikovektor @ VaR P
>Korrelationskoeffizientenmatrix @ >Transponente des Risikovektors@
mit: VaR RPn RV (RPn ) RF(RPn )
>Risikovektor @ >VaR (RP1 ) VaR (RP2 ) ... VaR (RPn )@ ª Korrelations º «koeffizienten » matrix ¬« ¼»
1 KOR (RP1 , RP2 ) ... KOR (RP1 , RPn ) º ª « KOR (RP2 , RP1 ) 1 ... KOR (RP2 , RPn )» « » ... ... 1 ... «KOR (RP , RP ) KOR (RP , RP ) ... » 1 n 1 n 2 ¬ ¼
>Transponente des Risikovektors@
Risikovektor in Spaltenform .
Diese Formel ist bereits aus Stufe 6 in Abbildung 51 bekannt. Aus der Quadratwurzel der multiplikativen Verknüpfung eines Risikovektors, der Korrelationskoeffizientenmatrix sowie der Transponenten des Risikovektors resultiert der zwei oder mehr Risikoparameter umfassende VaR. Dabei bilden die jeweiligen VaR einzelner Risikoparameter die Elemente des Risikovektors, der zunächst als Zeilenvektor zu definieren ist. Aus den gleichen, in Spaltenschreibweise zusammengefassten Elementen wird die Transponente des Risikovektors gebildet. Die Korrelationskoeffizientenmatrix enthält die zwischen den Risikoparametern bestehenden Korrelationen. Zu beachten ist bei der Aggregation von Long- und Shortpositionen über die Korrelationskoeffizientenmatrix, dass das Risiko i.d.R. zur gleichen Zeit sowohl in steigenden als auch in sinkenden Risikoparametern besteht. Die Berücksichtigung der Gegenläufigkeit von Mittelzuund Mittelabflüssen wird über die Vorzeichen bei der Berechnung der einzelnen VaRRechnung gewährleistet und muss bei der Aufstellung der Vektoren übernommen werden. Aufgrund der fehlenden Linearität des natürlichen Logarithmus und der daraus folgenden Abweichung der Wertänderung, die sich bei einer negativen Standardabweichung ergibt, von derjenigen, die bei einer positiven Standardabweichung resultiert, sollte das Marktwertrisiko der Gesamtposition sowohl in Abhängigkeit eines Anstiegs als auch in Abhängigkeit einer 84
Senkung der relevanten Risikoparameter bestimmt werden. Aus Vorsichtsgründen ist dann der größere der beiden Risikowerte als VaR zu betrachten. Somit müssen stets zwei Szenarien zur Ermittlung eines aggregierten VaR bestehend aus Long- und Shortpositionen berechnet werden. Das erste Szenario impliziert positive Z-Werte, das zweite negative Z-Werte bei der Berechnung der Risikomesszahl. Schon im Zusammenhang mit der Stufe (4) im Modell RiskMaster wurde erklärt, dass das vorgestellte bankinterne Risikomodell unter der Prämisse eines Erwartungswertes von Null arbeitet. Für das VaR-Konzept ist damit die implizite Prämisse verbunden, dass der heutige Marktwert, dessen Schwankungen untersucht werden, am Ende des Planungshorizontes in gleicher Höhe erwartet wird. Damit ist weiterhin die Annahme verbunden, dass am Ende des Planungshorizontes gegenüber dem Ausgangszeitpunkt unveränderte Cash Flows erwartet werden. In rechentechnisch sehr aufwendigen Simulationsverfahren versucht man diesen eher statischen Ansatz durch eine dynamische Betrachtung der Geschäftsabläufe zu ergänzen. Dann müssen allerdings Prämissen bezüglich des Neugeschäfts getroffen werden, die mit Unsicherheiten verbunden sind. Trotzdem stellen diese Simulationen zukünftiger Geschäftsentwicklungen eine sinnvolle Ergänzung der traditionell statischen VaR-Konzeption dar (BRAMMERTZ 1997a und b). (3)
Erfassung des Gesamtbankrisikos mit einer Risikomatrix
Ein großer Vorteil des dargestellten Varianz-Kovarianz-Ansatzes ist, dass das Modell nicht nur dazu geeignet ist, die Verlustgefahren einzelner Risikopositionen oder Geschäftsbereiche zu quantifizieren. Vielmehr lassen sich auch verschiedene Risikokategorien über eine entsprechend formulierte Korrelationsmatrix zusammenführen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Ausgestaltung der Vektoren, die zur Risikoquantifizierung miteinander zu verknüpfen sind. Für ein vollständiges Modell ist es grundsätzlich erforderlich, die Risiken sämtlicher Einzelgeschäfte eines Kreditinstituts zu erfassen und miteinander zu verknüpfen. Da die Korrelationen zwischen allen zu berücksichtigenden Risikoparametern in die Matrix einfließen müssen, steigt die Zahl der Parameter stark an. So werden für die Verknüpfung über die Korrelationskoeffizienten-Matrix bei N Positionen N·(N – 1) / 2 Korrelationen benötigt. Bei 100.000 Positionen wären demzufolge bereits 4.999.950.000 Korrelationen notwendig, um das aggregierte Risiko zu ermitteln. Diese selbst von leistungsfähigen Großrechnern kaum mehr zu bewältigende Datenflut erfordert unbedingt standardisierte Zusammenfassungen bestimmter Geschäfte (BRAMMERTZ 1992). Deshalb ist es sinnvoll, sich von der Einzelgeschäftsbetrachtung zu lösen, innerhalb verschiedener Risikokategorien Risikovolumina zusammenzufassen und die für diese Risikokategorien gesamthaft relevanten Risikoparameter in der Art eines Portfolioansatzes zu Bausteinen der Risikomatrix zu erheben (vgl. hierzu sowie zum Folgenden LISTER 1997). Deren Standardabweichungen führen unter Berücksichtigung des gewünschten Konfidenzniveaus zum jeweiligen VaR. Die einzelnen Risikowerte fließen schließlich in den Risikovektor und dessen Transponente ein. Die Korrelationskoeffizientenmatrix entsteht, indem die Korrelationen der fixierten Risikoparameter ermittelt werden. Durch die multiplikative Verknüpfung der drei Vektoren ergibt sich aus der Quadratwurzel des Ergebnisses der Matrizenrechnung das
85
Gesamtrisiko, gegebenenfalls unter Addition von Standardrisiken. Diese allgemeine Vorgehensweise beschreibt die nachfolgende Gleichung: VaR Gesamt
>VaR (RP1 ) VaR (RP2 ) ... VaR (RPn )@ 1 KOR r (RP1 ), r (RP2 ) ... KOR r (RP1 ), r (RPn ) º ª « KOR r (RP ), r (RP ) 1 ... KOR r (RP2 ), r (RPn ) »» 1 2 « « ... ... 1 « KOR r ( RPn ), r ( RP ) KOR r ( RPn ), r ( RP ) ... 1 2 ¬ ª VaR (RP1 ) º « VaR (RP ) » 2 » « » « ... » « ¬VaR (RPn )¼
... 1
» » ¼
( VaR Standard )
mit: KOR = Korrelationskoeffizient; RP = Risikoparameter
Wesentliche Voraussetzung für eine effiziente Auswahl der Risikoparameter ist die Möglichkeit, die Risikovolumina einer möglichst großen Menge einzelner Geschäfte einem einzelnen Risikoparameter direkt zuordnen zu können. Grundsätzlich kann und muss diesbezüglich jedes Kreditinstitut eine eigene Korrelationsmatrix vor dem Hintergrund der eigenen Geschäftsstruktur aufstellen, da beispielsweise unterschiedliche Fremdwährungs- oder Aktiengeschäfte betrieben werden.
b)
Simulative Vorgehensweise zur Quantifizierung des Value at Risk
Die analytische Vorgehensweise zur Berechnung des VaR kann nur auf solche Positionen angewendet werden, bei denen ein lineares Verhältnis zwischen der Rendite, Veränderungsoder Abweichungsrate auf der einen und der Wertentwicklung der Position auf der anderen Seite besteht oder approximativ hergestellt werden kann. Beispielsweise gilt im Falle einer Aktienoptionsposition diese Aussage nicht mehr. Je nachdem, ob die Option im, am oder aus dem Geld ist, führen Veränderungen des Aktienkurses zu einer über- oder unterproportionalen Veränderung des Optionspreises. Derartige nicht-lineare Beziehungen können im dargestellten analytischen Grundmodell nur mit unzureichender Genauigkeit erfasst werden (vgl. hierzu sowie zum folgenden LISTER 1997; GROß/KNIPPSCHILD 1995, S. 85 ff.; J.P. MORGAN 1995, S. 14 ff.). Das Phänomen nicht-linearer Relationen ergibt sich insbesondere im Zusammenhang mit Finanzderivaten. Finanzderivate sind aus originären Finanzgeschäften abgeleitete Finanzinstrumente. Die Wertentwicklung der Finanzderivate ist von der Wertentwicklung des sogenannten Underlyings abhängig. Die damit verbundene Problematik soll anhand des in Abbildung 55 dargestellten Beispiels einer Calloption dargestellt werden.
86
C
20,410371
- 18,118131 - 20,409974
- 20,00
2,292240
- 36,67
0,000397 83,33
100
120
S
Abb. 55: Problematik nicht-linearer Relationen am Beispiel einer Call-Aktienoption mit: S = Aktienkurs; C = Calloptionspreis; Berechnung des Calloptionspreises mit Hilfe der BLACK/ SCHOLES-Aktienoptionspreisformel mit STD = 18,2322 %; Basispreis X = 100; risikofreier Zins = 5 % für 30 Tage; Laufzeit = 30/365
Abbildung 55 skizziert diesbezüglich den fiktiven, aber typischen konvexen Verlauf des Preises einer Calloption, deren Basiswert eine beliebige Aktie darstellt. Dabei steigt der Calloptionspreis mit zunehmendem Aktienkurs überproportional stark an. Ausgehend von einem Aktienkurs in Höhe von 120 EUR ist ein (stetiger) Kursverfall um - 18,2 % [ = LN (120 / 100)] auf 100 EUR und um - 36,4 % [= 2 (- 18,2322 %) = LN (120 / 83,33)] auf 83,33 EUR zu beobachten. Für diese drei Aktienkurse zeigen sich Optionspreise von 20,41 EUR bei einem Aktienkurs von 120 EUR, 2,29 EUR bei 100 EUR und 0,00 bei 83,33 EUR. Parallel zur Berechnung der Aktienkursschwankung lässt sich nun die Schwankung des Optionspreises bestimmen. Diese beträgt bei einem Optionspreisverfall von 20,410371 EUR auf 2,292240 EUR - 218,65 % und bei einem Verfall von 20,410371 EUR auf 0,000397 EUR - 1084,76 %. Der in Abbildung 56 durchgeführte Vergleich der Veränderungsrate zeigt, dass die Veränderungsrate des Optionspreises bei einer Verdoppelung der (negativen) Aktienkursrendite im vorliegenden Beispiel das 4,96-fache beträgt. Aus diesem Vergleich wird deutlich, dass zwischen dem aus der Option resultierenden Risikowert und dem Risikoparameter Aktienkursrendite keine auch nur annähernd lineare Beziehung herzustellen ist. Optionen können aber grundsätzlich nicht losgelöst vom Underlying bewertet werden. Vielmehr ist in der Preistheorie der Finanzinstrumente verankert, dass der Preis des Derivats maßgeblich von der Preisentwicklung des Underlyings determiniert wird. Daher muss für das Risiko des Finanzinstrumentes unbedingt ein Bezug zur Wertänderung des Underlyings hergestellt werden. Wenn zwischen beiden eine lineare Beziehung besteht, ist diese Relation völlig unproblematisch. Wenn aber, wie im Beispiel, keine lineare Beziehung hergestellt werden kann, steht man insbesondere bei der Risikomessung vor einem Bewertungsdilemma.
87
ZeitOptionspreis punkt (in EUR) (1) (2)
ROP
Faktor
S
rS
Faktor
(in %) (in EUR) (in %) (3) (4) (5) (6) (7) = = = = LN[(2)t/(2)t0] (3)t1,2/(3)t1,1 LN[(5)t/(5)t0] (6)t1,2/(6)t1,1
t0
20,410371
t1,1
2,292240
- 218,65
120,00
t1,2
0,000397
- 1.084,76
4,96
100,00
- 18,23
83,33
- 36,26
2,00
Abb. 56: Analyse der Call-Optionswerte mit: OP = Option; r = Rendite; S = Aktienkurs
Mit Hilfe des analytischen Grundmodells können an dieser Stelle nicht einmal mehr approximative Lösungen berechnet werden. Setzt man die Standardabweichung der Veränderungsrate des Optionspreises in diese Formel ein, ergeben sich aufgrund der erörterten Relationen ebenso falsche Risikowerte wie beim Einsetzen der Standardabweichung des Underlyings. Trotzdem besteht eine relativ einfache Möglichkeit, das Risiko aus Optionen mittels analytischer Modelle zu messen. Das Risiko der in Abbildung 56 beschriebenen Long-Call-Position besteht darin, dass Aktienkurs und damit auch Call-Optionspreis sinken. Zwischen Optionspreis- und Aktienkursentwicklung kann zwar keine lineare Beziehung hergestellt werden. Eine derartige Beziehung ist aber auch nicht unbedingt erforderlich. Solange von einer normalverteilten Aktienkursrendite ausgegangen werden kann, lässt sich das Risiko aus der Optionsposition dadurch quantifizieren, dass ausgehend von dem aktuellen Aktienkurs dessen Schwankungsintervall für eine negative Optionspreisentwicklung festgestellt wird. Dazu wird der Aktienkurs S0 in t = 0 unter Berücksichtigung des gewünschten Konfidenzniveaus mit dem Term e- STD · Z-Wert multipliziert. Der sich daraus ergebende zukünftige Aktienkurs S1 in t = 1 wird ebenso wie der Aktienkurs S0 in t = 0 in die Optionspreisformel eingesetzt. Die Differenz beider Optionspreise stellt das mit der gewünschten Wahrscheinlichkeit zutreffende Risiko dar. Allgemein lässt sich diese Vorgehensweise mit folgender Formel erfassen: VaRC = C(S1) – C(S0) = C[S0 · e- STD(rAKT) · Z-Wert] – C(S0) mit: C (S) = Calloptionspreis bei Aktienkurs S; rAKT = Aktienkursrendite; S = Kurs der Aktie in t; STD = Standardabweichung; VaRC = VaR einer Calloption; Z = standardnormalverteilte Zufallsvariable
Mit Hilfe dieser Gleichung lassen sich grundsätzlich alle Preiseffekte quantifizieren, die in bezug auf Optionen unterschieden werden. Dazu müssen lediglich die jeweiligen Effekte vor dem Hintergrund der Preisbewegung des Underlyings erkannt und in die Optionspreisformel eingesetzt werden, woraus sich eine entsprechende Optionspreisdifferenz ergibt. Das große Problem ergibt sich erst bei der Aggregation einzelner VaR von Derivaten. Da diese Preise nicht normalverteilt sind, kann die Aggregation nicht mit der im letzten Kapitel dargestellten Korrelationskoeffizientenmatrix erfolgen.
88
Diese, mit nicht-linearen Relationen verbundenen Probleme, lassen sich durch simulative Modelle teilweise umgehen, da diese Modelle im Gegensatz zu analytischen Modellen grundsätzlich mit weniger restriktiven Prämissen arbeiten. Die zwei gängigsten simulativen Modelle sind die historische Simulation und die Monte-Carlo-Simulation, welche in der Folge kurz dargestellt werden sollen. (1)
Historische Simulation
Bei den historischen Simulationen werden aus den Daten der Vergangenheit Portfolioveränderungen ohne Verwendung statistischer Parameter generiert. Die historische Simulation ist konzeptionell das einfachste Modell, einen VaR zu berechnen. Dessen Ermittlung soll an drei Schritten dargestellt werden (MEYER 1999, S. 192). In einem ersten Schritt muss eine historische Zeitreihe der preisbestimmenden Parameter oder direkt der Preise der zu bewertenden Position oder des Portfolios aufgestellt werden. Analog zur analytischen Vorgehensweise können auf Basis der aufgestellten Zeitreihe in einem zweiten Schritt stetige Wertänderungen berechnet werden. Einfacher ist es allerdings, diskrete Veränderungsraten zu berechnen, weil im Gegensatz zu analytischen Modellen keine Verteilungsannahmen dieser Veränderungsraten benötigt werden. Durch Multiplikation der diskreten Wertänderungen mit dem aktuellen Wert wird die Position oder das Portfolio für die gesamte Zeitreihe neu bewertet. Die Differenz von aktuellem Positions- oder Portfoliowert und den Zeitreihenwerten reflektieren die Gewinne oder Verluste gemäß unterstellter Halteperiode von beispielsweise einem Handelstag. Im dritten Schritt werden die historischen Gewinne oder Verluste der Größe nach geordnet. Der VaR kann dadurch auf Basis des unterstellten Konfidenzniveaus durch Abzählen ermittelt werden. Die Vorgehensweise geht damit von der impliziten Prämisse aus, dass die Informationen aus der ermittelten vergangenheitsorientierten Zeitreihe für die unterstellte Haltedauer Gültigkeit hat. Diese Vorgehensweise wird in Abbildung 57 und 58 an einem historischen Beispiel illustrativ dargestellt. Untersucht wird das Portfolio eines deutschen Kreditinstitutes per 27.02.01, das sich an diesem Stichtag aus 5.000 Mannesmann-Aktien von 33,25 EUR und aus 10.000 Siemens-Aktien zu einem Kurs von 127,3 EUR zusammensetzt. Zuerst werden zwei historische Zeitreihen aufgestellt, welche jeweils aus den jeweiligen Aktienkursen der letzten 1.000 Handelstage bestehen (Spalten (3) und (4)). Mit Hilfe dieser historischen Zeitreihen lassen sich in einem zweiten Schritt die stetigen täglichen Renditen der beiden Aktien berechnen (Spalte (5) und (6)). Um den Gewinn respektive Verlust aus der jeweiligen eintägigen Haltedauer des Kurswertes im Betrachtungszeitpunkt zu berechnen, werden die stetigen Renditen in diskrete überführt und mit dem Kurswert in t = 0 multipliziert. Den simulierten Gewinn respektive Verlust für das gesamte Portfolio bei einer eintägigen Haltedauer erhält man durch Multiplikation der simulierten Gewinne oder Verluste pro Aktie mit der Anzahl dieser Aktien im Portfolio und der Aggregation der restlichen Aktienpakete.
89
Datum (1)
MAN SIEM Nr. KW KWt t (2)
(3)
(4)
27.02.01
33,25 127,3
28.04.97 29.04.97 30.04.97 01.05.97 02.05.97 05.05.97 06.05.97 07.05.97 08.05.97 09.05.97 12.05.97 ... 13.02.01 14.02.01 15.02.01 16.02.01 19.02.01 20.02.01 21.02.01 22.02.01 23.02.01 26.02.01
25,31 25,41 25,51 25,51 25,33 25,54 25,97 26,56 26,56 26,56 26,51 ... 33,70 33,90 33,80 34,30 33,33 33,60 34,40 33,90 32,75 33,45
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ... 991 992 993 994 995 996 997 998 999 1.000
MAN SIEM rt rt (in EUR (in EUR pro Aktie) pro Aktie) (5) (6) (7) (8) (r) = ln (KWt / KWt–1) = (KWt=0) · (e t – 1) oder KWt / KWt–1 – 1 * oder (KWt=0) · rt * MAN rt
45,97 47,03 0,3943 % 47,96 0,3928 % 47,96 0,0000 % 48,44 - 0,7081 % 49,52 0,8256 % 50,11 1,6696 % 50,23 2,2464 % 50,23 0,0000 % 51,59 0,0000 % 51,87 - 0,1884 % ... ... 145,50 0,4461 % 142,00 0,5917 % 147,20 - 0,2954 % 143,20 1,4685 % 140,70 - 2,8687 % 137,10 0,8068 % 134,00 2,3530 % 131,10 - 1,4642 % 122,20 - 3,4512 % 127,10 2,1149 %
SIEM rt
2,2797 % 1,9582 % 0,0000 % 0,9959 % 2,2051 % 1,1844 % 0,2392 % 0,0000 % 2,6715 % 0,5413 % ... 1,2448 % - 2,4349 % 3,5965 % - 2,7550 % - 1,7612 % - 2,5919 % - 2,2871 % - 2,1879 % - 7,0301 % 3,9315 %
0,1314 0,1309 0,0000 - 0,2346 0,2757 0,5598 0,7554 0,0000 0,0000 - 0,0626 ... 0,1487 0,1973 - 0,0981 0,4919 - 0,9403 0,2694 0,7917 - 0,4833 - 1,1279 0,7107
2,9353 2,5173 0,0000 1,2741 2,8382 1,5167 0,3048 0,0000 3,4467 0,6909 ... 1,5946 - 3,0622 4,6617 - 3,4592 - 2,2224 - 3,2571 - 2,8784 - 2,7550 - 8,6420 5,1045
Gewinn/ Verlust Portfolio (9) (7)·5.000 + (8)·10.000
30.010 25.827 0 11.568 29.761 17.966 6.825 0 34.467 6.596 ... 16.689 - 29.635 46.126 - 32.133 - 26.926 - 31.225 - 24.826 - 29.966 - 92.060 54.598
Abb. 57: Beispiel zur historischen Simulation mit: e = Eulersche Zahl; KW = Kurswert; MAN = Mannesmann; PFW = Portfoliowert; rt = stetige Rendite in t; SIEM = Siemens * Die Berechnungen bei der historischen Simulation können grundsätzlich mit diskreten Renditen erfolgen, da keine Verteilungsannahmen getroffen werden müssen. Das Vorgehen wurde aber, ohne das Resultat zu beeinflussen, der Monte-Carlo-Simulation angepasst, welche stetige Renditen voraussetzt. Dies bedingt in einem zweiten Schritt wieder die Transformation in diskrete Renditen.
Für die Gesamtmenge der festgestellten Gewinne bzw. Verluste wird eine Rangfolge festgelegt. Diese Rangfolge führt im dritten Schritt zu der in den Abbildungen 58 und 59 dargestellten Datenreihe aus den entsprechenden Gewinnen und Verlusten. Die Rangfolge kann schließlich zur Risikobestimmung herangezogen werden. Wenn, wie im Beispiel, an 990. Stelle ein Verlust von 73.700 EUR registriert wurde, so bedeutet dies bei insgesamt 1.000 be90
obachteten Fällen, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % der VaR nicht höher bzw. dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 % der Verlust größer sein wird als 73.700 EUR. täglicher Gewinn/ Verlust Portfolio 213.710 150.491 124.044 103.426 97.450 90.533 89.363 87.359 87.252 86.844 82.110 ...
Nummer (vgl. Abbildung 57) 318 397 132 768 755 737 452 754 908 784 715 ...
Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 ...
täglicher Gewinn/ Verlust Portfolio ... - 73.700 - 77.579 - 78.971 - 92.060 - 92.376 - 95.507 - 97.050 - 107.229 - 113.641 - 138.572 - 142.113
Nummer (vgl. Abbildung 57) ... 420 728 952 999 720 750 365 363 752 373 131
Rang ... 990 991 992 993 994 995 996 997 998 999 1.000
Abb. 58: Rangfolge der Gewinne/Verluste in der historischen Simulation
Das Modell historischer Simulationen berücksichtigt indirekt die zwischen den Positionen bestehenden Korrelationen, da sich der Portfoliowert aus den gegen- oder gleichläufigen Wertentwicklungen der einzelnen Positionen ergibt. Die mathematischen Schwierigkeiten bezüglich der Risikoverknüpfung sind bei diesem Modell nicht relevant. Das Modell ist zudem besonders geeignet, nicht-lineare Risiken zu erfassen. Allerdings wird schon an dem Beispiel mit lediglich zwei Positionen deutlich, mit welchem Aufwand ein Risikostatus für die Gesamtbank, in den sämtliche Risikopositionen eingehen, verbunden wäre. 200.000
100.000 990. Rang 99 %
0
500 - 73.700
- 100.000
- 200.000 Abb. 59: Graphische Darstellung der Rangfolge in der historischen Simulation
91
(2)
Monte-Carlo-Simulation
Im Gegensatz zu den historischen Simulationen wird bei der Monte-Carlo-Simulation versucht, ein von den Daten der Vergangenheit weniger stark beeinflusstes Risikobild zu erzeugen. Dies soll erreicht werden, indem im Unterschied zur historischen Simulation nicht die beobachtbaren historischen Risikoparameter verwendet, sondern Risikoparameter simuliert werden. Mit Hilfe solcher Zufallszahlen, die auf der Basis vorgegebener Verteilungsannahmen generiert werden, können Preisänderungen simuliert und die statistischen Maßzahlen (Erwartungswert, Varianz etc.) berechnet werden. Die Bestimmung des VaR nach dem Monte-Carlo-Verfahren unterscheidet sich im Vergleich zur historischen Simulation in Stufe 1: Beim Monte-Carlo-Verfahren werden Zufallszahlen generiert, welche beispielsweise mittels stochastischer Prozesse in die zu simulierenden Verteilungen transformiert werden. Eine Wiederholung dieses Vorgangs ergibt eine Anzahl von simulierten stetigen Abweichungsraten. Das weitere Vorgehen entspricht dann jenem der historischen Simulation. Am Beispiel der Normalverteilung soll das Vorgehen konkretisiert werden. Der Verlauf einer Normalverteilung kann mit statistischen Formeln unter Kenntnis der Standardabweichung und des Erwartungswertes des Risikoparameters exakt beschrieben werden. Für eine progressive Risikomessung wird durch Zufallszahlen ein zukünftiges Risikobild erzeugt, indem Daten generiert werden, die zwar dem Verlauf der Normalverteilung, nicht jedoch den in der Vergangenheit tatsächlich beobachteten Veränderungsraten entsprechen (SOBOL 1991; PRESS et al. 1986, S. 221 ff.). Abbildung 60 zeigt in Spalte (2) die Zufallszahlen, welche mit Hilfe eines Computers erzeugt wurden. Je größer diese in Spalte (2) abgebildete Menge ist, desto genauer ist die spätere Wahrscheinlichkeitsaussage. Die Zufallswerte, die üblicherweise zwischen 0 und 1 liegen, sind als Wahrscheinlichkeitswerte der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung zu betrachten. Aus diesen Werten lässt sich der zugehörige standardisierte Z-Wert ableiten, indem derjenige Z-Wert gesucht wird, welcher der per Zufallszahl generierten Wahrscheinlichkeit zuzuordnen ist. So führt eine Zufallszahl von 0,5, die einer Wahrscheinlichkeit von 50 % entspricht, gemäß der statistischen Annahmen zu einem Z-Wert von 0. Die aus den Zufallszahlen abgeleiteten Z-Werte sind in Spalte (3) abzulesen. Bekanntlich stellt der Z-Wert die lineare Transformation einer normalverteilten Zufallsvariable X dar und berechnet sich nach der Formel: Z
X EW STD
Um zu den stetigen normalverteilten Zufallsvariablen oder in unserem Beispiel Renditen r zu gelangen, ist diese Formel nach X aufzulösen und X durch r zu ersetzen: r
Z STD EW
mit: EW = Erwartungswert; r = stetige Rendite; STD = Standardabweichung; Z = standardnormalverteilte Zufallsvariable
92
Unter Vorgabe der Standardabweichung und des Erwartungswertes kann demnach die Rendite berechnet werden, welche bei einer bestimmten Zufallszahl zu beobachten wäre. Auf diese Weise lassen sich in den Spalten (4) und (5) der Abbildung 60 aus dem über einen Zufallsgenerator abgeleiteten Z-Wert die entsprechenden Werte für die stetigen Renditen bestimmen. Dabei ist zu beachten, dass durch diese einmalige Bildung von Zufallszahlen eine Korrelation von eins unterstellt wird. Eine von eins abweichende Korrelation kann z.B. über eine Cholesky-Faktorisierung simuliert werden (vgl. JORION 2001, S. 303f.).
Zufallszahl abgeleitete Nr. ZFZi Z-Werte (1)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 ... 991 992 993 994 995 996 997 998 999 1.000
(2)
0,239792 0,210482 0,355872 0,227916 0,571788 0,740389 0,571018 0,182279 0,371535 0,054010 ... 0,920762 0,012597 0,921568 0,927694 0,096532 0,253088 0,792650 0,829196 0,747075 0,235106
(3) mit FN(Zi) = ZFZi - 0,706971 - 0,804749 - 0,369516 - 0,745729 0,180928 0,644545 0,178968 - 0,906714 - 0,327791 - 1,607150 ... 1,410212 - 2,238430 1,415697 1,458832 - 1,301569 - 0,664802 0,815651 0,950993 0,665314 - 0,722134
MAN rt
SIEM rt
(4)
(5)
ri = Zi · STD + EW - 1,5881 % - 1,8116 % - 0,8168 % - 1,6767 % 0,4415 % 1,5012 % 0,4370 % - 2,0447 % - 0,7214 % - 3,6458 % ... 3,2514 % - 5,0888 % 3,2639 % 3,3625 % - 2,9473 % - 1,4917 % 1,8923 % 2,2017 % 1,5487 % - 1,6228 %
- 1,6831 % - 1,9299 % - 0,8312 % - 1,7809 % 0,5585 % 1,7289 % 0,5535 % - 2,1873 % - 0,7258 % - 3,9556 % ... 3,6618 % - 5,5493 % 3,6757 % 3,7846 % - 3,1842 % - 1,5766 % 2,1608 % 2,5025 % 1,7813 % - 1,7214 %
MAN SIEM rt rt (in EUR (in EUR pro Aktie) pro Aktie) (6) (7)
Gewinn/ Verlust Portfolio (8)
(7) · 5.000 + = (KWt=0) · (e(r)t–1) (8) · 10.000 - 0,5239 - 0,5969 - 0,2705 - 0,5529 0,1471 0,5029 0,1456 - 0,6730 - 0,2390 - 1,1904 ... 1,0989 - 1,6497 1,1032 1,1370 - 0,9657 - 0,4923 0,6352 0,7402 0,5189 - 0,5352
- 2,1246 - 2,4332 - 1,0537 - 2,2470 0,7129 2,2200 0,7066 - 2,7542 - 0,9206 - 4,9372 ... 4,7479 - 6,8718 4,7662 4,9101 - 3,9896 - 1,9913 2,7807 3,2259 2,2879 - 2,1725
- 23.866 - 27.317 - 11.889 - 25.235 7.865 24.714 7.794 - 30.907 - 10.401 - 55.324 ... 52.973 - 76.967 53.178 54.786 - 44.724 - 22.375 30.983 35.960 25.474 - 24.401
Abb. 60: Beispiel zur Monte-Carlo-Simulation mit: EW = Erwartungswert; FN(Z) = Wert der Dichtefunktion der Standardnormalverteilung für die Zufallsvariable Z; r = stetige Rendite; STD = Standardabweichung; Z = standardnormalverteilte Zufallsvariable; ZFZ = Zufallszahl
In Abbildung 61 wird erneut das Beispiel eines Portfolios bestehend aus 5.000 MannesmannAktien und 10.000 Siemens-Aktien betrachtet. Die Kurswerte zum Stichtag 27.02.01 betrugen für Mannesmann-Aktien 33,25 EUR und für Siemens-Aktien wiederum 127,3 EUR. Zur 93
Transformation des Z-Wertes in eine stetige Rendite ist es erforderlich, die Parameter Erwartungswert und Standardabweichung zu kennen. Damit ist trotz aller Zukunftsbezogenheit des Konzeptes eine Rückschau in die Vergangenheit erforderlich. Aus den historischen Kursentwicklungen sind gemäß der Vorgehensweise im Grundmodell entweder Standardabweichung und Erwartungswert der beiden Aktien einzeln zu ermitteln und durch Kombination zu Portfoliowerten zu transformieren. Alternativ dazu können diese statistischen Größen unmittelbar durch Simulation der Veränderungsraten eines Portfolios mit gleicher Zusammensetzung bestimmt werden. Aus ersterer Vorgehensweise resultieren für die Mannesmann-Aktien eine Standardabweichung von 2,2858 % und ein Erwartungswert von 0,0279 %, für die SiemensAktien eine Standardabweichung von 2,5245 % und ein Erwartungswert von 0,1017 % bei einer Haltedauer von einem Tag. Setzt man diese Werte in die o.g. Gleichung ein, so ergeben sich für das Beispiel die Renditewerte in den Spalten (4) und (5). täglicher Gewinn/ Verlust Portfolio 111.110 103.120 91.851 91.766 90.343 88.612 88.550 87.710 85.915 85.886 85.610 ...
Nummer (vgl. Abbildung 60) 331 672 621 825 346 321 279 911 222 500 383 ...
Rang 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 ...
täglicher Gewinn/ Verlust Portfolio ... - 84.642 - 84.725 - 86.535 - 86.618 - 87.970 - 92.240 - 94.641 - 97.303 - 99.885 - 106.680 - 134.676
Nummer (vgl. Abbildung 60) ... 258 404 765 899 959 177 658 365 616 212 854
Rang ... 990 991 992 993 994 995 996 997 998 999 1.000
Abb. 61: Rangfolge der Gewinne/Verluste in der Monte-Carlo-Simulation
Wie schon bei der historischen Simulation lässt sich auch für diese Renditen eine absolute Wertänderung pro Aktie bezogen auf den Wert des Betrachtungszeitpunktes (Spalten (6) und (7)) und ebenfalls Gewinne respektive Verluste des Portfolios berechnen (Spalte (8)) und eine Gewinn/Verlust-Rangfolge von 1 bis 1.000 bestimmen. Mit dieser, in Abbildung 61 ausschnittsweise skizzierten Rangfolge lassen sich dann die gewünschten Wahrscheinlichkeitsaussagen formulieren. Beispielsweise wird mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % derjenige Wert, der den 990. Rang belegt und im Beispiel - 84.642 EUR beträgt, nicht überschritten. In Abbildung 62 werden diese Ergebnisse abschließend graphisch dargestellt. Da die historische Simulation und die Monte-Carlo-Simulation auf den gleichen Grunddaten basieren, können die Ergebnisse unmittelbar miteinander verglichen werden. Es zeigt sich, dass die historische Simulation im Beispiel bei gleichem Konfidenzintervall von jeweils 99 % zu einem mit - 73.700 EUR kleineren Risiko führt als die Monte-Carlo-Simulation, für die der VaR - 84.642 EUR beträgt. Ursache dieser Abweichung kann zum einen sein, dass die bei der Monte-Carlo-Simulation zugrunde gelegte Normalverteilung der Veränderungsraten mit der
94
tatsächlichen Verteilung nicht völlig übereinstimmt. So ergeben sich aus diesen Abweichungen nicht vollständig vergleichbare Risikowerte. Diese Abweichung kann auf unterschiedliche Ursachen zurückgehen. Zum einen wurde bei der Monte-Carlo-Simulation im Gegensatz zur historischen Simulation eine Normalverteilung der stetigen Veränderungsraten zugrunde gelegt. Zum anderen führt die einfachheitshalber unterstellte Korrelation von eins zu einer unrealistischen Risikodiversifikation von Null. Darüber hinaus ist bei einer Anzahl von 1.000 Simulationen die statistische Signifikanz für die Schätzung der Enden einer Verteilung zu gering.
Gewinn/Verlust (in EUR)
200.000
100.000 990. Rang 99 %
0
500 - 84.642
- 100.000
- 200.000 Abb. 62: Graphische Darstellung der Rangfolge einer Monte-Carlo-Simulation
Beide Ergebnisse lassen sich des weiteren mit den Resultaten aus der Anwendung des Grundmodells (vgl. Abbildung 51) vergleichen. Hieraus ergibt sich für das Portfolio bei einem Korrelationskoeffizienten zwischen den beiden Aktienpositionen von 0,3108 sowie einem Z-Wert von 2,3263, der einem Konfidenzniveau von 99 % entspricht, ein Risiko in der Höhe von 75.727 EUR. Damit liegt der Risikowert des Grundmodells zwischen den Risikowerten der Monte-Carlo-Simulation und der historischen Simulation, kommt aber in diesem Fall dem Resultat der historischen Simulation deutlich näher. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass der analytische Ansatz zur Ermittlung des VaR nicht immer geeignet ist, das Risiko sämtlicher Bankgeschäfte mit einer ausreichenden Genauigkeit zu erfassen. Vor diesem Hintergrund sind mit den Szenario-Modellen Konzepte entwickelt worden, mit denen analytische Modelle zur Risikoberechnung modifiziert, teilweise sogar ersetzt werden können. Für alle Modellvarianten besteht aber grundsätzlich die Notwendigkeit, auf bestimmte Prämissen zurückzugreifen, welche in der Folge etwas genauer untersucht werden sollen.
3.
Analyse der dargestellten Value at Risk-Modelle
Die Analyse des Grundmodells und der Simulationsmodelle soll mittels unterschiedlicher Kriterien erfolgen. Zunächst werden die den Modellen zugrundeliegenden Annahmen näher betrachtet und deren Relevanz und Praxisbezug untersucht. Darauf aufbauend soll geprüft werden, inwieweit gewisse Prämissen gelockert werden können und inwieweit die Ansätze 95
geeignet sind, das Risikokapital bei Extremsituationen zu quantifizieren. Die gewonnenen Erkenntnissen sollen schließlich dazu dienen, aus den Stärken und Schwächen mögliche Einsatzgebiete für die jeweiligen Ansätze abzuleiten.
a)
Überprüfung der wichtigsten Modellannahmen
In der Literatur gibt es viele verschiedene Varianten analytischer Modelle. Gegenstand der Überprüfung wichtiger Modellannahmen soll im Folgenden aber die auf S. 76 ff. auch als Grundmodell bezeichnete Vorgehensweise sein. Die wichtigsten dem Modell zugrunde liegenden Prämissen sind •
Normalverteilung der Risikoparameter,
•
Konstanz von Erwartungswert, Varianz und Kovarianz (Stationarität der Risikoparameter),
•
lineare Beziehung zwischen Risikoparameter und Risikoposition.
Die Normalverteilung der Risikoparameter spielt im Grundmodell eine zentrale Rolle, da diese sowohl für die Berechnung einzelner VaR zugrundegelegt wird, als auch für die Aggregation mittels Korrelationskoeffizientenmatrix. Ist die Stationaritätsannahme erfüllt, haben die aus der Vergangenheit berechneten statistischen Maßzahlen auch für die Zukunft Gültigkeit und können demnach unmittelbar in die Berechnung des VaR übernommen werden. Dadurch, dass beim dargestellten analytischen Ansatz in der Regel nicht direkt die Preisänderungen der Risikopositionen, sondern die preisbestimmenden Risikoparameter zur Berechnung der statistischen Maßzahlen hinzugezogen werden, muss zwischen ihnen eine lineare Beziehung bestehen. Nur in diesem Fall unterscheiden sich die statistischen Maßzahlen der Risikoparameter und Risikopositionen nicht. Bei der historischen Simulation sind im Gegensatz zu den analytischen Modellen keine Verteilungsannahmen notwendig. Vielmehr dient die empirische Verteilung der beobachteten Zeitreihe der Risikoparameter als Grundlage für die Ermittlung des VaR. Durch den Verzicht auf Verteilungsannahmen entfällt zudem die Berechnung von statistischen Maßzahlen. Die Erfassung der vergangenen Risikoverbundeffekte erfolgt implizit, indem sämtliche Gewinne und Verluste zu gleichen Zeitpunkten bei entsprechendem Aggregationsniveau addiert werden. Aus diesem Grund erübrigt sich zudem die Ermittlung von Korrelationen und der damit zusammenhängenden Prämissen. Bei der historischen Simulation wird jedoch unterstellt, dass die beobachteten Daten aus der Vergangenheit für die Berechnung des VaR repräsentativ sind. Dies bedingt die Stationarität der Verteilung des Risikoparameters. Ist dies nicht der Fall, liefert das Modell trotz der im Vergleich zu den analytischen Modellen wenigen Annahmen falsche Ergebnisse. Wenn die Stationarität der Verteilung nur bedingt zutrifft, stellt sich bei der historischen Simulation (wie beim Grundmodell) die Frage nach der Länge des Beobachtungszeitraums. Kurze Beobachtungszeiträume haben den Nachteil, dass „Ausreißer“ nur ungenügend geglättet werden, indem in Phasen vorübergehend großer Turbulenzen ceteris paribus höhere VaR resultieren, und in kurzfristig ruhigen Phasen das Gegenteil der Fall ist. Diesem Nachteil steht der Vorteil gegenüber, dass kurze Stützperioden den näher zurückliegenden Marktgegebenheiten eher Rechnung tragen. 96
Die Monte-Carlo-Simulation basiert zwar wie die analytischen Modelle auf einer theoretischen Verteilung. Im Gegensatz zu analytischen Modellen kann aber jede beliebige Verteilung zugrunde gelegt und simuliert werden. Dies setzt jedoch voraus, dass gesicherte Erkenntnisse über die Verteilung von Risikoparametern oder über Preisprozesse vorliegen. Die Verteilungsprämisse bei der Monte-Carlo-Simulation ist demnach grundsätzlich weniger restriktiv als bei den analytischen Modellen. Sie beschränkt sich auf die richtige Erfassung der den Risikoparametern zugrundeliegenden Verteilung. Dadurch wird ersichtlich, dass die Intention der Monte-Carlo-Simulation darin besteht, die Vorteile analytischer Modelle mit jenen der historischen Simulation zu verbinden. Aufgrund der Flexibilität des Modells ist aber nicht sichergestellt, dass die mit der Freiheit der Verteilungswahl zusammenhängenden zusätzlichen Annahmen tatsächlich besser sind. Es besteht nämlich die Gefahr, dass ökonomisch unlogische oder sogar unzulässige Werte simuliert werden (vgl. für eine Gegenüberstellung der Prämissen Abbildung 63). Analytisches Grundmodell
Historische Simulation keine Verteilungsannahmen
Monte-CarloSimulation Verteilung frei wählbar
Zugrundeliegende Verteilung
Normalverteilung
Stationarität
Ja
implizit
nicht notwendig
Annahme der Linearität der Preisfunktion
Ja
nein
nein
Abb. 63: Zusammenfassung der Prämissen bei den einzelnen Modellen
Zunächst gilt es somit das analytische Modell danach zu untersuchen, ob die Risikoparameter als approximativ normalverteilt angenommen werden können. In theoretischer Hinsicht kann für zeitlich voneinander unabhängige stetige Renditen respektive Veränderungs- oder Abweichungsraten die Normalverteilung zugrunde gelegt werden, wenn eine genügend große Anzahl an Beobachtungen vorliegt. Dies bedeutet, dass bereits aus theoretischer Sicht die Normalverteilungsannahme derjenigen Risikoparameter kritisch betrachtet werden muss, welche dem Kriterium der Unabhängigkeit nicht genügen (z.B. Aktienrenditen von unregelmäßig gehandelten Nebenwerten, Währungen etc.). Empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass der Annahme der Normalverteilung und Unabhängigkeit stetiger Aktienkursrenditen, Wechselkursänderungen, Zinssatzänderungen etc. kritisch begegnet werden muss (MEYER 1999, S. 252 f.). Häufig kann abweichend von der Normalverteilung eine Schmalgipfligkeit (Leptokurtosis, vgl. S. 62) beobachtet werden. Leptokurtosis bedeutet, dass die Änderungsraten mit größerer Häufigkeit um den Mittelpunkt herum und in den Randbereichen der Verteilung (welche bei der Berechnung von VaR zentral sind) auftreten als dies aufgrund der Normalverteilung erwartet wird. Des weiteren liegt bei vielen Untersuchungen Schiefe und zeitliche Instabilität der statistischen Maßzahlen vor. Es bleibt also fraglich, inwieweit die tatsächliche Verteilung der Risikoparameter durch die Normalverteilung, welche durch die beiden Maßzahlen Erwartungswert und Varianz bestimmt ist, approximiert werden kann. Die Vernachlässigung von Schiefe und Wölbung kommt bei einer von der Normalverteilung abweichenden Verteilung einem Informationsverlust gleich, der zwar die Messung des VaR vereinfacht, gleichzeitig aber die Präzision der Ergebnisse vermindert.
97
Die Instabilität der statistischen Maßzahlen in der Praxis hat zudem negative Konsequenzen für die Genauigkeit der historischen Simulation, da die Stationaritätseigenschaft die zentrale Prämisse in diesem Modell ist.
b)
Mögliche Erweiterung der Modelle
Wie im letzten Abschnitt dargestellt, müssen manche Prämissen in der Praxis verworfen werden. In einer Vielzahl von Modellvarianten wurde deshalb versucht, die Prämissen zu lockern. Bei analytischen Modellen sind dies vor allem die Annahmen der Normalverteilung und der Stationarität. Alternative Modelle der ersten Gruppe richten ihr Augenmerk auf die Berücksichtigung von Schiefe oder Wölbung. Zentral ist in diesem Zusammenhang, dass Verteilungen gewählt werden, welche immer noch die Aggregation einzelner VaR erlauben, aber dennoch Schiefe und/oder Wölbung der zu untersuchenden Daten miteinbeziehen und die Verteilung der zugrundeliegenden Daten so gut wie möglich approximieren. Die Annahme der Unabhängigkeit der Renditen und Konstanz der statistischen Maßzahlen wird bei diesen Ansätzen jedoch beibehalten. Bei der zweiten Gruppe von Modellerweiterungen analytischer Ansätze wird der Nicht-Stationaritätseigenschaft vieler Zeitreihen Rechnung getragen. Dabei wird versucht, die statistischen Maßzahlen mit Hilfe von statistischen Modellen zu prognostizieren (vgl. für eine detaillierte Darstellung MEYER 1999, 263 ff.). Die Prämisse der Stationarität bei der historischen Simulation kann nicht aufgegeben werden, da ansonsten die Daten gemäß Monte-Carlo-Simulation simuliert werden müssten. Unter diesem Blickwinkel könnte die Monte-Carlo-Simulation selbst als Modellerweiterung der historischen Simulation betrachtet werden, welche es zwar ermöglicht, der Nicht-Stationarität von Zeitreihen Rechnung zu tragen, dafür aber nicht mehr die direkten Marktdaten zur Berechnung des VaR heranziehen zu können. Eine weitere Dimension von Modellerweiterungen bilden die sog. Crash-Szenarien oder Stress-Tests. Hier wird die Definition von VaR, bei welcher übliche Marktbedingungen zugrundegelegt werden, erweitert. Einmalige Ereignisse, wie etwa ein Börsencrash oder strukturelle Veränderungen sind Extremsituationen, welche für ein Kreditinstitut in Bezug auf die Risikotragfähigkeit große Relevanz aufweisen und bei der Risikomessung separat berücksichtigt werden sollten (GROß/KNIPPSCHILD 1995, 85 ff.). Bei analytischen Modellen kann dies über die Erhöhung des Z-Wertes erfolgen und/oder über die Erhöhung der Haltedauer. Durch eine Erhöhung des Z-Wertes wird zwar das Sicherheitsniveau erhöht. Ein praxisorientierteres Modell müsste aber zusätzlich die Korrelationen betrachten, da empirische Studien darauf hindeuten, dass sich bei Extremsituationen die Korrelationen verändern und beispielsweise im Fall von Aktienwerten steigen. Bei der historischen Simulation bestünde die Möglichkeit, für die Datenbasis „unruhige“ Marktbedingungen zu verwenden und darauf aufbauend den VaR zu berechnen. Wiederum die meisten Möglichkeiten bietet die MonteCarlo-Simulation. Hier können mit vorgegebenen Parametern extreme Marktbedingungen simuliert werden. Dabei gilt es zu beachten, dass bei einer solchen Simulation die Risikoverbundeffekte eine zentrale Rolle spielen, da diese in Extremsituationen, wie oben erwähnt, nicht jenen bei normalen Marktbedingungen entsprechen.
98
c)
Einsatzmöglichkeiten der einzelnen Modelle
Grundsätzlich ist es sehr schwierig, spezifische Aussagen über Stärken und Schwächen der einzelnen Ansätze aufzulisten, da bei jedem Ansatz wiederum viele verschiedene Modelle unterschieden werden können. Dennoch lassen sich einige Kernaussagen treffen, welche in Abbildung 64 grob dargestellt sind.
Analytische Modelle • einfach kommunizierbar und verständlich • Offenlegung von Risikoverbundeffekten Stärken und Risiken von einzelnen Risikoarten • Grundmodell mit relativ geringem Aufwand implementierbar • sehr restriktive Annahmen Schwächen • Berücksichtigung von nichtlinearen Preisfunktionen schwierig
Historische Monte-Carlo-Simulation Simulation • sehr einfach verständli- • Hohe Flexibilität ches und intuitiv ein• Simulation sämtlicher leuchtendes Modell Risiken möglich • auch nichtlineare Risikomessung möglich
• Anspruch an Datenba- • Definition von Abhänsis sehr hoch gigkeitsbeziehungen • nur implizite Erfassung • hohe Komplexität (damit einhergehend von Risikoverbundefhohes Modellrisiko) fekten
Abb. 64: Stärken und Schwächen analytischer und simulativer Modelle
Die Stärken des analytischen Grundmodells liegen in erster Linie in der einfachen Kommunizierbarkeit und Verständlichkeit und in der relativ einfachen Implementierbarkeit. Die benötigten Daten der Risikoparameter können teilweise aus öffentlichen Quellen bezogen werden. Die größte Schwäche beim Grundmodell sind die sehr restriktiven Verteilungsannahmen. Zusätzlich wird der Einsatzbereich analytischer Modelle durch nichtlineare Preisfunktionen eingeschränkt. Bereits wenige Optionswerte in einem Portfolio können dadurch zu falschen Ergebnissen führen. Die Einsatzmöglichkeiten für das analytische Grundmodell beschränken sich deshalb meist auf Positionen mit linearen Preisfunktionen oder Portfolios mit einem sehr kleinen Anteil an Optionen. Die Ergebnisse der historischen Simulation sind einfach nachzuvollziehen, da sie zum einen direkt aus einer Datenreihe mit Gewinnen und Verlusten ersichtlich sind. Zum anderen überzeugt das Vorgehen, das Risikopotential unmittelbar aus den in der Vergangenheit am Markt aufgetretenen Verluste zu schätzen. Dieses direkte Vorgehen ist der spezifische Vorteil der historischen Simulation, weil keine Approximation an eine Verteilung oder mathematischstatistische Modelle zur Berücksichtigung von Risikoverbundeffekten notwendig sind. Das Risikopotential spiegelt, ausgedrückt als VaR, dabei exakt jenes der Vergangenheit wider. Auch nichtlineare Risiken können im Rahmen der historischen Simulation mittels Preismodellen wie dem Black-Scholes-Optionspreismodell anhand des Underlyings simuliert werden, wenn keine historischen Kurswerte der Optionen bestehen.
99
Der Nachteil der historischen Simulation liegt darin, dass der Anspruch an die Datenbasis groß ist, weil für jede Position eine Zeitreihe bestehend aus Veränderungsraten berechnet werden muss. Der Vorteil des direkten Vorgehens muss deshalb insofern relativiert werden, als aufgrund des großen Rechenaufwands gegebenenfalls Vereinfachungen notwendig werden, indem z.B. verschiedene Positionen in Kategorien zusammengefasst und mit einheitlichen Risikoparametern bewertet werden. Zur Kontrolle solcher Positionen, deren Risiko mit vereinfachten Prämissen ermittelt wurde, könnte von Zeit zu Zeit der VaR mittels vollständiger Neubewertung berechnet werden, um die Approximationen zu überprüfen (MEYER 1999). Aufgrund der einfacheren Berücksichtigung nichtlinearer Preisrisiken – verglichen mit analytischen Modellen – ist die Anwendung der historischen Simulation vor allem bei Positionen oder Portfolios sinnvoll, die einen größeren Anteil von Produkten mit nichtlinearen Bewertungsfunktionen enthalten. Allerdings besteht bei der historischen Simulation keine Möglichkeit, zukünftige Tendenzen zu berücksichtigen, weshalb die Resultate immer vergangenheitsorientiert bleiben. Die Stärken und Schwächen der Monte-Carlo-Simulation hängen aufgrund der Flexibilität sehr stark vom jeweiligen Modell ab. Grundsätzlich kann die Monte-Carlo-Methode alle relevanten Risiken simulieren. Problematisch ist die Behandlung von Abhängigkeiten zwischen Risikopositionen. Bei der Generierung von Zufallszahlen müssen bereits Risikoverbundeffekte berücksichtigt werden. Die Simulation von Korrelationen selbst macht aber wenig Sinn. Korrelationen, wie auch die restlichen Prozessparameter, müssen vielmehr beispielsweise aus Zeitreihenanalysen ermittelt und prognostiziert werden. Der Vorteil gegenüber der historischen Simulation liegt bei einem solchen Vorgehen in der Möglichkeit einer zukunftsgerichteten Schätzung des VaR und in der expliziten Darstellung von Risikoverbundeffekten. Wie die historische Simulation ist die Monte-Carlo-Simulation insbesondere bei nichtlinearen Bewertungsfunktionen geeignet. Im Gegensatz zur historischen Simulation können jedoch weitere Risiken, wie beispielsweise Volatilitätsrisiken, separat simuliert werden. Die Komplexität des Modells hat allerdings den Nachteil, dass dieses nicht mehr leicht verständlich ist. Da für jeden Risikoparameter eine Verteilung vorgegeben werden muss, in welche die (gleichverteilten) Zufallszahlen transformiert werden, ist die Undurchsichtigkeit und das Modellrisiko hoch. Zudem sind die Anforderungen an die Datenverarbeitung enorm. Bei 1.000 Preispfaden für 1.000 Risikoparameter oder Positionen müssten bereits 1 Mio. Neubewertungen erfolgen (MEYER 1999). Die Frage, wo welche Variante angewendet werden soll, kann nicht abschließend beantwortet werden. Die Auswahl beruht nicht zuletzt auf den Implementierungskosten, der Rechenkapazität und dem Know-How des Kreditinstituts. Dabei kann es durchaus sinnvoll sein, eine weniger exakte Risikomessung zugunsten einer exakteren, aber teureren und undurchsichtigeren Methode zu bevorzugen. Simulationen sind bei nicht-linearen Risiken allerdings klar zu bevorzugen, da mittels analytischer Vorgehensweise keine befriedigenden Resultate erreicht werden oder die Komplexität bei der Aggregation explodiert. Bei der Anwendung mehrerer Modellvarianten ist ein Kreditinstitut zusätzlich mit dem Problem der Zusammenführung des VaR basierend auf unterschiedlichen Ansätzen konfrontiert.
100
III. Verwendung interner Modelle für aufsichtliche Zwecke 1.
Anforderungen an interne Marktrisiko-Modelle
Die Überzeugung des BASLER AUSSCHUSSES, dass den Kreditinstituten die Messung von Marktrisiken im Handelsgeschäft auf Basis interner Modelle nicht nur gestattet sein soll, sondern dass diese mittelfristig ausschließlich anzuwenden sind, beruht vornehmlich auf drei Punkten (BASLER AUSSCHUSS 1995b): •
Die Standard-Messverfahren bieten nicht genügend Anreize für eine Verbesserung der Risikomanagementsysteme und für eine permanente Anpassung an Finanzmarktentwicklungen, da sie die Techniken der Risikomessung, die die größte Genauigkeit ermöglichen, nicht anerkennen.
•
Die Methodik der Standard-Messverfahren berücksichtigt Korrelationen und Portfolioeffekte zwischen Instrumenten und Märkten nicht ausreichend und belohnen generell die Risikodiversifikation nicht genügend.
•
Die Standard-Messverfahren sind mit den internen Messystemen der Kreditinstitute zu wenig kompatibel, woraus kostspielige Überschneidungen resultieren.
Infolgedessen testeten 15 Kreditinstitute auf Bitten des BASLER AUSSCHUSSES Risikomessysteme auf ihre Fähigkeit, das Risikopotential (VaR) eines aus rund 350 Positionen bestehenden Portfolios adäquat abzubilden. Der VaR bildet künftig die Basis für die Bestimmung der Eigenmittelanforderungen. Die Ergebnisse dieser Tests wurden auf ihre Kohärenz überprüft und bilden die Basis für die vom Ausschuss erlassenen allgemeinen Kriterien, die Marktrisikofaktoren sowie die qualitativen und quantitativen Standards für die Zulassung interner Modelle, die nachfolgend erläutert werden sollen. Will ein Kreditinstitut ein internes Modell zur Messung des Marktrisikos verwenden, benötigt sie hierfür die explizite Genehmigung der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde. Diese wird nur dann erteilt, wenn folgende vier Mindestvoraussetzungen (allgemeine Kriterien) erfüllt sind: (1) Das Risikomanagement-System des Kreditinstitutes beruht auf einem soliden Konzept und ist korrekt implementiert. (2) Das Kreditinstitut verfügt über genügend hinreichend qualifizierte Mitarbeiter, die im Handelsbereich, der Risikokontrolle, der Revision und gegebenenfalls dem Backoffice mit komplizierten Modellen umgehen können. (3) Die Modelle haben sich nachweislich durch Risikomessung von akzeptabler Genauigkeit bewährt. (4) Krisentests werden regelmäßig von dem Kreditinstitut durchgeführt.
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Damit Finanzinstitute die allgemeinen Kriterien auch einhalten, hat der BASLER AUSSCHUSS acht qualitative Standards aufgestellt (vgl. Abb. 65):
1.
Eine unabhängige Risikokontrollabteilung ist für die Gestaltung und die Implementierung des Risikomanagement-Systems allein verantwortlich und erstellt täglich Analyse und Bericht.
2.
Durchführung regelmäßiger Rückvergleiche („Backtesting“).
3.
Aktive Beteiligung der Geschäftsleitung an der Risikokontrolle mit entsprechenden Befugnissen zur Reduzierung des (gesamten) Risikoengagements.
4.
Integration des internen Modells in das tägliche Risikomanagement.
5.
Festlegung transparenter Limiten für Handel und Risikomanagement.
6.
Routinemäßiges und systematisches Krisentestprogramm mit sofortiger Fehlerkorrektur.
7.
Einhaltung bestimmter Grundsätze und regelmäßige Dokumentation müssen gesichert sein.
8.
Regelmäßige Überprüfung der Tätigkeiten von Handels- und Risikokontrollabteilung hinsichtlich der Einhaltung bestimmter Standards.
Abb. 65: Acht qualitative Standards zur Sicherstellung der Qualität interner Modelle
Einer besonderen Diskussion bedarf lediglich das achte Kriterium, da der BASLER AUSSCHUSS hier ausdrücklich elf Punkte nennt, die es regelmäßig im Rahmen eines internen Prüfverfahrens zu kontrollieren gilt. Spezielles Augenmerk ist dabei zu richten (BASLER AUSSCHUSS 1996a) auf: •
die Angemessenheit der Dokumentation von Risikomanagement-System und -Verfahren,
•
die Organisation der Risikokontrollabteilung,
•
die Einbeziehung der Messgrößen für das Marktrisiko in das tägliche Risikomanagement,
•
den Genehmigungsprozess für die von den Mitarbeitern des Front-Office und des Backoffice verwendeten Risikomodelle und Bewertungssysteme,
•
die Prüfung größerer Änderungen des Risikomessverfahrens, den Umfang der vom Risikomessmodell erfassten Marktrisiken,
•
die Integrität des Management-Informationssystems,
102
•
die Exaktheit und Vollständigkeit der Positionsdaten,
•
die Verifizierung der Uniformität, Zeitnähe, Zuverlässigkeit und Unabhängigkeit der in internen Modellen verwendeten Datenquellen,
•
die Genauigkeit und Angemessenheit der Annahmen über Volatilität und Korrelationen,
•
die Exaktheit der Bewertungs- und Risikotransformationsberechnungen sowie
•
die Überprüfung der Modellqualität durch regelmäßiges Backtesting.
Zentraler Baustein eines internen Modells zur Quantifizierung des Marktrisikos ist die genaue Spezifikation einer Reihe von Marktrisikofaktoren, das heißt der Marktsätze, Marktkurse und Marktpreise, die den Wert von Handelspositionen maßgeblich beeinflussen. Diese müssen hinreichend sein, um die Risiken im Portfolio bilanzieller und außerbilanzieller Handelspositionen adäquat abbilden zu können. Für die genaue Ausgestaltung der Risikofaktoren wird den Kreditinstituten ein gewisser Spielraum gewährt, der indes durch Vorgaben für die einzelnen Risikokategorien limitiert wird. Es müssen eigene Risikofaktoren für Zinssätze in jeder Währung berücksichtigt werden, in der die Kreditinstitute zinsreagible bilanzielle oder außerbilanzielle Positionen hält. Die Renditestrukturkurve ist explizit zu berechnen, etwa über die Schätzung der Renditeentwicklung mit Zerobonds, und in einzelne Laufzeitsegmente zu unterteilen. Damit soll der differierenden Zinssatzvolatilität Rechnung getragen werden. Die Zahl der verwendeten Risikofaktoren, die nichts anderes als Key Rates darstellen, ist von der Komplexität der applizierten Strategien und der Größe ihrer Engagements abhängig. Es sollten bei entsprechendem Volumen jedoch mindestens sechs unterschiedliche Zinssätze Verwendung finden. Überdies muss das Risikomessystem separate Risikofaktoren für das Spread-Risiko, dem Risiko einer nicht vollständig positiven Korrelation zwischen Zinstiteln divergierender Bonität, aufweisen. Für jede Fremdwährung, in der das Kreditinstitut ein nennenswertes Engagement hält, muss ein separater Risikofaktor gebildet werden, da der mit Hilfe des Risikomessystems berechnete VaR in Inlandswährung ausgedrückt ist. Bei Aktienkursen müssen Risikofaktoren für jeden Aktienmarkt konstruiert werden, an dem das Kreditinstitut nennenswerte Positionen hält. Mindestens muss indes ein Risikofaktor die Entwicklung des jeweiligen Aktienmarktes in Gänze abbilden, beispielsweise via eines Marktindexes. Einzelne Positionen können dann mit ihren Beta-Äquivalenten abgebildet werden. Komplexität und Art der Modellrechnung sollten sich nach der Höhe des Engagements und dem Diversifikationsgrad richten. Jeder Rohstoffmarkt, an dem das Kreditinstitut eine nennenswerte Position hält, muss durch einen eigenen Risikofaktor charakterisiert werden. Bei geringeren Engagements ist ein Risikofaktor je Rohstoff, eventuell sogar je Rohstoffgruppe ausreichend. Bei größeren Engagements muss außerdem berücksichtigt werden, wie sich die „Convenience Yield“, d.h. der Nutzen aus dem direkten Eigentum an einem physischen Rohstoff, von Derivativpositionen einerseits und Kassapositionen andererseits in diesem Rohstoff entwickelt. Damit sich die Streuung der Ergebnisse der einzelnen Modelle für eine homogene Gruppe von Positionen in einer relativ engen Bandbreite hält, müssen die jeweiligen Modelle neun quantitativen (Mindest-) Standards entsprechen (vgl. Abb. 66).
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Einer ausführlicheren Erläuterung bedarf auch hier der achte Standard. Die Höhe des sogenannten Multiplikationsfaktors (M) wird von den einzelnen Aufsichtsbehörden in Abhängigkeit von der Qualität des Risikomanagement-Systems des jeweiligen Kreditinstitutes festgelegt und soll helfen, mögliche Schwachstellen im Modellverfahren auszugleichen. Solchen Schwachstellen können folgende Ursachen zugrundeliegen (BASLER AUSSCHUSS 1996c): •
Marktbewegungen weichen häufig von dem Muster der vereinfachten Verteilungsannahme (z.B. Normalverteilung) ab. Beispielsweise können wesentlich öfter Extremwerte auftreten als es die Verteilungsannahme vorgibt.
•
Eine Extrapolation der Historie in die Zukunft ist nicht immer möglich, etwa bei der Veränderung von Volatilitäten und Korrelationen.
•
Die VaR-Schätzungen basieren prinzipiell auf den Positionen am Tagesende. Das Handelsrisiko während des Tages wird vernachlässigt.
•
Das Modell erfasst nicht das Risiko extremer Marktverhältnisse.
•
Die Bewertungsmodelle für die oft komplexen Risiken (z.B. von Optionen) sind häufig zu einfach.
Aus diesen Gründen müssen Kreditinstitute zu einem Floor von drei einen Qualitätsaufschlag (q) hinzuaddieren, der in direktem Zusammenhang mit der Prognosegüte des Modells steht. Diese richtet sich wiederum nach den Ergebnissen der Rückvergleiche („Backtesting“). Sind diese zufriedenstellend und erfüllt das Kreditinstitut die oben genannten qualitativen Standards, dann kann der minimale Aufschlag von null gewährt werden. Wird den Ansprüchen indes nicht entsprochen, dann kann maximal ein Aufschlag von eins vorgegeben werden. Auf diese Weise soll ein positiver Anreiz geschaffen werden, die Prognosequalität des Modells zu wahren bzw. zu verbessern. Im Folgenden sollen die Rückvergleiche, Krisentests und die externe Überprüfung ausführlich diskutiert werden. Viele Finanzinstitute, die für die Quantifizierung des Marktrisikos ein auf internen Modellen basierendes Verfahren applizieren, vergleichen routinemäßig die täglichen Gewinne und Verluste mit den vom Modell errechneten Risikomessgrößen, um auf diese Weise ein Urteil über die Qualität ihrer Messysteme zu gewinnen. Diese Backtesting-Verfahren haben sich durchweg als sehr nützlich erwiesen und sind vom BASLER AUSSCHUSS institutionalisiert worden (BASLER AUSSCHUSS 1996b). Im Mittelpunkt eines jeden Backtesting-Verfahrens steht der Vergleich der tatsächlichen Handelsergebnisse mit den vom Modell errechneten Risikomessgrößen. Liegen diese beiden Größen nahe genug beieinander, so scheint die Qualität des Verfahrens gesichert. Diskrepanzen sind indes ein untrüglicher Indikator für Probleme. Infolgedessen hat der BASLER AUSSCHUSS ein Rahmenkonzept für das Backtesting entwickelt, das auftretende Unstimmigkeiten kanalisieren und systematisieren helfen soll. Die Handelsergebnisse in Form des tatsächlichen Tagesgewinnes oder -verlustes werden dem VaR, also dem täglich gemessenen Wert des Risikopotentials des Kreditinstitutes, gegenübergestellt. Diese VaR-Messgrößen sollten bis auf einen bestimmten, von einem 99 %-Konfidenzniveau determinierten Bruchteil höher aus-
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fallen als die Handelsergebnisse. Es soll folglich ermittelt werden, ob der VaR ausreicht, um mit 99 % aller Fälle die realisierten bzw. realisierbaren Ergebnisse abzudecken. 1.
Der Value at Risk (VaR) ist auf täglicher Basis zu berechnen.
2.
Bei der Berechnung des VaR ist von einem einseitigen Konfidenzintervall von 99 % auszugehen und von einem Preisschock, der einer Haltedauer von mindestens 10 Tagen entspricht, resp. einer geringeren, die mit der Quadratwurzel der Dauer entsprechend heraufskaliert wurde (Alternative gilt nicht für Optionen).
3.
Für den historischen Betrachtungszeitraum gilt eine effektive Mindestdauer von einem Jahr.
4.
Datenreihen sind mindestens alle 3 Monate zu aktualisieren, auf Verlangen auch früher.
5.
Die Wahl des Modelltyps (z.B. Varianz-Kovarianz-Matrix) steht frei, sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind.
6.
Empirische Korrelationen innerhalb einer Risikokategorie können Banken nach eigenem Ermessen ansetzen, zwischen ihnen nur nach expliziter Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde.
7.
Typische Optionsrisiken (Gamma, Vega, etc.) müssen exakt berücksichtigt werden.
8.
Eigenkapitalanforderungen müssen für den höheren der beiden folgenden Werte auf täglicher Basis erfüllt sein: • VaR t – 1 60
¦ VaR t • t 1 M 60 9.
mit M = (3 + q), wobei q einen Qualitätsaufschlag abhängig von den Resultaten des Backtesting darstellt und Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann.
Eigenkapitalanforderungen für das spezifische Risiko bei Zins- und Aktienpositionen müssen erfüllt sein und dürfen die Hälfte des nach dem Standardverfahren berechneten notwendigen Eigenkapitals nicht unterschreiten.
Abb. 66: Neun quantitative (Mindest-) Standards interner Modelle
Die Frage nach der Festlegung der exakten Haltedauer des Portfolios hat sich in diesem Zusammenhang als problematisch erwiesen. Handelsergebnisse scheinen bei genauerer Betrachtung nicht mit den VaR-Messgrößen vergleichbar, da die tatsächlichen Ergebnisse zwangsläufig durch aktives Trading während der Haltedauer verzerrt werden und der VaR ausschließlich auf statischen Tagesendpositionen basiert. Dieser Auffassung folgend, sollten Provisionseinnahmen sowie Handelsgewinne und -verluste aufgrund kurzfristigen Tradings nicht in
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die Definition des Handelsergebnisses einfließen, da sie nichts mit der Risikodefinition des statischen Portfolios gemein haben. Diese Argumentation überzeugt indes lediglich hinsichtlich der Verwendung von VaR-Messgrößen auf der Basis von Preisschocks, die auf eine längere Haltedauer (z.B. zehn Tage) ausgelegt sind. Deshalb setzt das Backtesting-Konzept des BASLER AUSSCHUSSES Risikomessgrößen an, die auf eine Haltedauer von einem Tag ausgelegt sind. Jedoch sind auch hier die Probleme der Ergebnisverzerrung durch IntradayTrading und Provisionserträge nicht gänzlich eliminiert. Soweit das Backtesting-Programm als rein empirische Überprüfung der Genauigkeit der VaRBerechnungen betrachtet wird, ist es auf der einen Seite am sinnvollsten, das tägliche Handelsergebnis derart zu definieren, dass ein Test ohne Verzerrungen möglich ist. Um dieser Forderung zu genügen, sollten Kreditinstitute Rückvergleiche durchführen, die auf hypothetischen Änderungen des Portfoliowertes bei unveränderten Tagesendpositionen beruhen. Auf der anderen Seite ist indessen auch ein Backtesting auf der Grundlage tatsächlicher Tagesgewinne und -verluste nützlich, da es Fälle offenlegen kann, bei denen die Risikomessgrößen die Handelsvolatilität nicht korrekt erfassen, obgleich sie auf statistisch korrekte Weise ermittelt werden. Infolge dieses Dilemmas betont der Ausschuss die Notwendigkeit, Backtesting sowohl anhand hypothetischer als auch anhand tatsächlicher Handelsergebnisse durchführen zu können (BASLER AUSSCHUSS 1996b). Das zu applizierende Backtesting-Programm beinhaltet eine formelle Prüfung und Dokumentation von Ausnahmen auf Quartalsbasis, wobei die Daten der letzten zwölf Monate einzusetzen sind. Dies ergibt ca. 250 Tageswerte für die Rückvergleiche. Bei einem Konfidenzniveau von 99 % bedeutet das, dass der tägliche VaR im Durchschnitt 247,5 (gerundet: 248) Handelsergebnisse abdecken sollte, mithin nur zwei Ausnahmen offen bleiben. Die Verwendung der Anzahl der Ausnahmefälle als primäre Referenzgröße bietet sich aufgrund ihrer Einfachheit und Transparenz an. Dies impliziert jedoch die Unabhängigkeit der täglichen Testergebnisse, wobei der Ausschuss die Probleme dieser Prämisse nicht unerwähnt lässt (BASLER AUSSCHUSS 1996b). Die Qualitätsbeurteilung des internen Modells vollzieht sich nun anhand eines Drei-Zonen-Konzeptes. Diese drei Zonen, die mit den Ampelfarben grün, gelb und rot bezeichnet sind, geben einen numerisch exakt spezifizierten Abweichungsfächer vor, der mit entsprechenden Reaktionen der Aufsichtsbehörde verbunden ist. Die Zonen sind so abgegrenzt, dass ein Kompromiss zwischen zwei Arten statistischer Fehler gefunden werden konnte, derart, dass einerseits ein exaktes Risikomodell mittels der Backtesting-Ergebnisse als ungenau eingestuft wird (Fehler 1. Art) und andererseits, dass ein ungenaues Modell infolge des Backtesting-Ergebnisses nicht als solches erkannt wird (Fehler 2. Art). In Erkenntnis der statistischen Grenzen, dass eine gleichzeitige Minimierung beider Fehler nicht mit einer bestimmten Anzahl von Ausnahmen verknüpfbar ist, hat sich der Ausschuss gegen einen Ansatz mit einer einzigen Schwellenzahl entschieden und dieses Drei-Zonen-Konzept entwickelt. In der grünen Zone entsprechen die Testergebnisse einem exakten Modell und die Wahrscheinlichkeit ist gering, fälschlicherweise ein ungenaues Modell zuzulassen. In der Stichprobe von 250 Werten sind bis zu vier Ausnahmen bei einer Erfassungsquote von 99 % akzeptabel. Wenn es also nur bis zu viermal innerhalb der Stichprobe zu einem Verlustpotential kommt, das höher liegt als das durch das Konfidenzintervall abgedeckte Volumen, dann besteht kein Anlass zu Qualitätsbedenken und es wird der minimale (Qualitäts-) Aufschlag von null gewährt. Bei der roten Zone ist es hingegen höchst unwahrscheinlich, dass die Testergebnisse mit einem exakten Modell erzielt wurden, und die Wahrscheinlichkeit, dass ein 106
exaktes Modell auf dieser Basis verworfen wird, ist sehr gering. Sie beginnt bei zehn Ausnahmen. Dies bedeutet, dass in mindestens zehn Fällen das maximal akzeptierte Verlustvolumen überschritten wurde. Der Multiplikationsfaktor wird automatisch um eins erhöht und das Kreditinstitut wird angehalten, ihr Modell zu überprüfen und zu verbessern. Dazwischen liegt die gelbe Zone. Hier könnten die Backtesting-Ergebnisse sowohl aus einem genauen als auch aus einem ungenauen Modell resultieren. Abbildung 67 zeigt, dass sie bei fünf Ausnahmen beginnt. Bei den vorgegebenen 250 Werten können beispielsweise bei der unterstellten Erfassungsquote von 99 % in 95,88 % der Fälle fünf oder weniger Ausnahmen realisiert werden.
Grüne Zone
Gelbe Zone
Rote Zone
Anzahl der Ausnahmen 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Wahrscheinlichkeit exakter Messung 8,11 % 20,47 % 25,74 % 21,49 % 13,41 % 6,66 % 2,75 % 0,97 % 0,39 % 0,08 % 0,02 %
Kumulative Wahrscheinlichkeit 8,11 % 28,58 % 54,32 % 75,81 % 89,22 % 95,88 % 98,63 % 99,60 % 99,89 % 99,97 %
Erhöhung von „q“ 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,40 0,50 0,65 0,75 0,85
99,99 %
1,00
Abb. 67: Erfassungsgüte des Drei-Zonen-Konzeptes
Aus der Abbildung ist des weiteren ersichtlich, dass die Wahrscheinlichkeit einer exakten Messung bei drei oder mehr Ausnahmen abnimmt. Mit anderen Worten nimmt die Wahrscheinlichkeit eines Fehlers 1. Art ab und die eines Fehlers 2. Art zu. Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, sind in der gelben Zone maximal neun Ausnahmen zulässig. Der Aufschlag erhöht sich in Abhängigkeit der Ausnahmen in der gelben Zone von minimal 0,4 auf maximal 0,85. Die Erhöhung des Multiplikators von 3 um den Qualitätsaufschlag ist nicht zwangsläufig. Gelingt es dem Kreditinstitut glaubhaft nachzuweisen, dass widrige Umstände wie äußerst extreme Marktverhältnisse zu den schlechten Testergebnissen geführt haben, wird ihr ein Teil oder sogar der ganze Aufschlag erlassen. Neben regelmäßigen Rückvergleichen müssen Kreditinstitute, die interne Modelle für die Ermittlung der Eigenmittelunterlegung des von ihnen eingegangenen Marktrisikos verwenden, über ein systematisches und komplexes Krisentestprogramm verfügen (BASLER AUSSCHUSS 1996a). Sie müssen eine Reihe von Faktoren internalisieren, die zu außerordentlichen Verlusten oder Gewinnen im Handelsbestand führen können oder die Kontrolle in diesem Bereich um ein Vielfaches erschweren. Zu diesen Faktoren zählen insbesondere Ereignisse von geringer Wahrscheinlichkeit in allen bedeutenden Risikokategorien. Krisenszenarien müssen die Auswirkungen derartiger Ereignisse auf alle Positionen illustrieren, die sowohl lineare als auch nicht-lineare Preischarakteristika aufweisen. Aufsichtsbehörden können darüber hinaus Kreditinstituten Informationen über Krisentests in folgenden drei großen Bereichen abverlangen: 107
Der erste Bereich bezieht sich auf Szenarien der Aufsichtsbehörde, die keine Simulation durch das Kreditinstitut erfordern, wie etwa Informationen über die größten Verluste in der Meldeperiode. Im zweiten Bereich ist eine explizite Simulation durch das Kreditinstitut erforderlich. Ziel ist es hier, Reaktionen interner Modelle auf Extremsituationen zu untersuchen, beispielsweise die Aktiencrashs von 1987 und ab 2000 oder den EWS-Krisen von 1992 und 1993. Simulationen vor diesem Hintergrund sind von großem Interesse, weil auf den Höhepunkten der Krisen jeweils tagelang Korrelationen innerhalb der Risikofaktorgruppen beobachtet werden konnten, die sich den beiden Extremwerten (plus respektive minus 1) näherten. Der dritte Bereich befasst sich mit eigenen Szenarien des Kreditinstitutes, die den spezifischen Eigenschaften des Portfolios Rechnung tragen. Verlangt werden hier Simulationen von worst case-Szenarien, die vor dem Hintergrund des jeweiligen PortfolioCharakters extreme Wirkungen auf das Handelsergebnis haben können. Schließlich gilt es die Genauigkeit der internen Modelle durch externe Rechnungsprüfer und/oder die zuständigen Aufsichtsbehörden regelmäßig zu kontrollieren. Mindestens muss überprüft werden, ob (1) die internen Prüfverfahren zufriedenstellend funktionieren, (2) die Bewertung komplexer Instrumente von einer qualifizierten, unabhängigen Abteilung geprüft wird, (3) die internen Modelle angemessen hinsichtlich der Geschäftstätigkeit des Kreditinstitutes sind, (4) die Rückvergleiche zuverlässige Angaben über die potentiellen Verluste im Zeitablauf liefern und (5) Datenströme und Vorgänge im Zusammenhang mit dem Risikomessystem transparent und zugänglich sind. Kreditinstitute, die ein internes Modell verwenden wollen, müssen grundsätzlich über ein integriertes Risikomessystem verfügen, das allen genannten Prämissen genügt. Wird bereits jetzt mit Kombinationen von Standardverfahren und internen Modellen gearbeitet, müssen folgende fünf Bedingungen erfüllt sein: (1) Jede Risikokategorie darf nur mit einem einzigen Verfahren beurteilt werden. (2) Die gewählte Kombination der beiden Ansätze darf unter Angabe von stichhaltigen Gründen verändert werden. (3) Ein Wechsel vom internen Modell zurück zum Standardverfahren ist nur bei expliziter Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde zulässig. (4) Kein Element des Marktrisikos darf aus dem Messverfahren ausgeklammert werden, d.h. für alle Risikofaktoren muss das gesamte Engagement berücksichtigt werden. (5) Die nach Standard- und Modellverfahren berechneten Eigenmittelanforderungen sind durch einfache Addition zu aggregieren.
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Mit der Zulassung interner Modelle, einem für die Aufsichtsbehörden revolutionären Schritt, leisten die Aufsichtsbehörden der Erkenntnis Genüge, dass mit einem erprobten und richtig angewandten bankinternen Modell die in einem Wertpapier- und Derivateportfolio enthaltenen Marktrisiken präziser gemessen werden können, als das mit einer schematisierenden Eigenmittelvorschrift traditioneller Art möglich ist (ARTOPOEUS 1996). Fraglich bleibt indes, ob diese Vorgaben den effizientest möglichen ordnungspolitischen Eingriff darstellen. Der angestrebte Kompromiss des BASLER AUSSCHUSSES, einerseits maximale Transparenz sowie Vergleichbarkeit zwischen den internen Modellen zu generieren und andererseits die Kosten des ordnungspolitischen Eingriffes möglichst gering zu halten, führt notwendigerweise zu einem Trade-off. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich bei einer Applikation der historischen anstelle der Monte-Carlo-Simulation oder bei der Verwendung von Risikomatrizen, mithin der Berücksichtigung von Korrelationen zwischen den einzelnen Risikogruppen, sich erheblich geringere VaR-Werte ergeben als bei den quantitativen Vorgaben des BASLER AUSSCHUSSES und damit entsprechend geringere Eigenmittelanforderungen (BEDER 1995). Grundsätzlich steht es den Kreditinstituten frei, nach welchen Prinzipien sie ihre internen Modelle ausgestalten, sofern die oben genannten Voraussetzungen alle erfüllt sind. Es können jedoch mit den analytischen Methoden und den Simulationsmethoden zwei allgemeine Vorgehensweisen unterschieden werden, die derzeit in der Praxis Verwendung finden. Diese beiden allgemeinen Vorgehensweisen lassen sich jeweils noch weiter untergliedern, was bereits auf Seite 76 ff. beschrieben wurde.
2.
Anforderungen an interne Kreditrisiko-Modelle
Mit der Revision der Eigenmittelvereinbarung durch den BASLER AUSSCHUSS FÜR BANKENAUFSICHT wird es den Kreditinstituten erstmals erlaubt sein, zumindest teilweise auch interne Modelle zur Berechnung der aufsichtlichen Eigenmittelanforderung zu verwenden. Grundsätzlich stehen den Kreditinstituten drei verschiedene Methoden zur Verfügung. Im aufsichtlichen Standardansatz (vgl. Seite 260 ff.) stellen Ratings anerkannter Ratingagenturen die wichtigste Determinante der aufsichtlichen Eigenmittelanforderung dar. Je schlechter die Bonität eines Kreditnehmers eingestuft wird, desto höher ist grundsätzlich die Eigenmittelanforderung. Bei diesem Ansatz finden Daten bankinterner Modelle grundsätzlich keine Verwendung. Anders ist dies bei den beiden Ansätzen, die auf der Verwendung bankinterner Bonitätseinstufungen beruhen, nämlich dem – allerdings nur auf Nicht-Privatkundenexposures anwendbaren – Internen Rating-Basisansatz (IR-Basisansatz) und dem fortgeschrittenen IRAnsatz. Grundlegend bei diesen beiden Verfahren ist, dass die bankinternen Bonitätseinstufungen die Basis für die Berechnung der Eigenmittelanforderungen bilden. Dies geschieht grundsätzlich in der Weise, dass Nicht-Privatkunden gemäss den Ergebnissen eines Ratingprozesses (vgl. Band 1, Seite 334 ff.) in Ratingklassen eingestuft werden. Die (vergangenheitsbezogene) durchschnittliche Ausfallrate in jeder dieser Klassen wird in einem nächsten Schritt in eine (zukunftsbezogene) durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit transformiert und den Kreditnehmern in der jeweiligen Ratingklasse zugeordnet. Diese Ausfallwahr109
scheinlichkeit wird schliesslich in ein sogenanntes Brutto-Risikogewicht (BRG) transformiert, das die Eigenmittelanforderung massgeblich beeinflusst. Privatkunden müssen in hinsichtlich der Kreditnehmer- respektive der Fazilitätsspezifika möglichst homogene Segmente eingeteilt werden. Für jedes dieser Segmente sind sodann die Ausfallwahrscheinlichkeit sowie die übrigen Parameter der Eigenmittelanforderung zu schätzen (vgl. Seite 260 ff.). Beim IR-Basisansatz beschränkt sich die Verwendung interner Modelldaten auf die Ausfallwahrscheinlichkeit. Die übrigen Determinanten der Eigenmittelanforderung wie die Verlustrate bei Ausfall (Loss Given Default-Rate, LGD) und das Exposure bei Ausfall (Exposure at Default, EAD) werden von den Aufsichtsbehörden parametrisiert. Anders ist dies beim fortgeschrittenen IR-Ansatz. Hier müssen die Kreditinstitute weitere Parameter, LGD und EAD selbst schätzen. Somit zeigt sich, dass vor allem das Ratingsystem des Kreditinstitutes einen grossen Einfluss auf die Eigenmittelanforderung ausübt. Deshalb definiert der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht diesbezüglich (Minimal-) Anforderungen, um mögliche Missbräuche zu verhindern, ohne jedoch den Kreditinstituten zu starke Beschränkungen bei der Wahl und der Ausgestaltung ihrer internen Modelle aufzuerlegen. Diese Anforderungen betreffen vor allem die Architektur des Ratingsystems, die Rating-Prozesse, die Risikoquantifizierung und die Validierung der ermittelten Daten, die Verwendung der internen Schätzungen sowie den Bereich der Validierung und Überwachung (vgl. Abb. 68). Der Anforderungskatalog ist umfassend und vor allem qualitativer Natur. Die einzelnen Regelungen sind oft sehr allgemein formuliert und sind auslegungs- respektive spezifizierungsbedürftig, was auf zwei Gründe zurückzuführen ist: Zum einen sollen wohl den nationalen Aufsichtsbehörden diskretionäre Spielräume erhalten bleiben, damit diese nationalen Besonderheiten Rechnung tragen können. Zum anderen sind die Regelungen auch noch nicht definitiv. Vielmehr sind sie derzeit in ihrer aktuellsten Form erst im Rahmen eines Technischen Handbuchs vorhanden, auf deren Basis der BASLER AUSSCHUSS quantitative Studien durchführt (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2002). Im Folgenden werden deshalb lediglich die wichtigsten Bestimmungen zitiert.
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• Corporate Governance • Kreditrisikosteuerung • Interne/externe Audits
• Anforderungen an Schätzungen • Ausfalldefinition • Vorgehen bei überfälligen Zahlungen • Verlustdefinition Risikoquantifizierung
Aufsicht/ Überwachung
• Validierungsverfahren • Abhängigkeit der Schätzungen von Konjunkturzyklen Validierung der Schätzungen
Anforderungen an Interne Ratingsysteme bezüglich Verwendung interner Ratings
Ratingprozesse • Integrität des Ratingprozesses • Stress-Testing
Architektur des Ratingsystems • Dimensionen des Ratingsystems • Ratingklassenstruktur • Ratingkriterien • Beurteilungshorizont • Verwendung alternativer Ratingmodelle • Dokumentation der Architektur
• Anforderung an die Anwendungshistorie
Abb. 68: Anforderungsbereiche bei Verwendung interner Ratingsysteme für aufsichtliche Zwecke
Bei der Architektur des Ratingsystems für Kredite an Unternehmen, Kreditinstitute und Staaten gilt es, zwei Dimensionen zu berücksichtigen, nämlich eine kreditnehmerspezifische und eine transaktionsspezifische. So muss jedes Exposure eines Kreditnehmers – unabhängig beispielsweise vom Produkttyp – dieselbe Ausfallwahrscheinlichkeit zugewiesen bekommen. In der transaktionsspezifischen Dimension müssen sich hingegen die kreditnehmerunabhängigen Spezifika ausdrücken, wie beispielsweise die aus der Besicherung abgeleitete Verlustrate bei Ausfall. Diese darf entweder parametrisiert berechnet werden (IR-Basisansatz) oder muss – wie die Ausfallwahrscheinlichkeit – direkt aus den historischen Daten für jede Fazilitäten-Ratingklasse abgeleitet werden (fortgeschrittener IR-Ansatz). Die Ratingsysteme müssen eine „sinnvolle“ Verteilung der Exposures über alle Ratingklassen aufweisen. Das hat zur Konsequenz, dass diese bezüglich der Ausfallwahrscheinlichkeit über mindestens sieben (kreditnehmerbezogene) Ratingklassen für nicht ausgefallene und eine für ausgefallene Kredite aufweisen. Eine konkrete Mindestanzahl für Fazilitäts-Ratingklassen existiert nicht, die Spannen der Verlustraten bei Ausfall in den einzelnen Fazilitäts-Ratingklassen dürfen aber nicht zu gross sein. Ratingsysteme für Kredite an Privatkunden müssen nicht zwingend zwischen der kreditnehmerspezifischen und der transaktionsspezifischen Dimension differenzieren. Vielmehr sind die Retail-Exposures zu möglichst homogenen Segmenten – im Hinblick
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beispielsweise auf demographische Kriterien, Beruf, Einkommen, Alter wie auch auf transaktionsspezifische Kriterien wie Produkt oder Besicherung – zusammenzufassen. Für jedes dieser Segmente ist sodann die Ausfallwahrscheinlichkeit und die Verlustrate bei Ausfall zu schätzen. Eine parametrisierte Berechnung der LGD darf bei Privatkundenkrediten nicht vorgenommen werden. Quantitative Vorgaben zur Mindestanzahl der verschiedenen Segmente existieren nicht. Grundsätzlich kann somit festgestellt werden, dass ein Charakteristikum bei Ratingklassen im Nicht-Privatkundenbereich die Abstufung nach der Höhe beispielsweise der Ausfallwahrscheinlichkeit ist. Das ist im Privatkundenbereich nicht der Fall: verschiedene Segmente können durchaus beispielsweise ein- und dieselbe Ausfallwahrscheinlichkeit aufweisen. Es muss klar dargelegt werden, welche Ausprägungen welcher Ratingkriterien zu welchen Ratings führen. Die Ratingkriterien müssen plausibel und intuitiv sein und eine sinnvolle Differenzierung ermöglichen. Die Ratingsysteme müssen auf jeden Fall so konzipiert sein, dass Kreditnehmer mit demselben Risikoprofil auch in dieselbe Ratingklasse eingestuft werden, unabhängig beispielsweise von der Branche oder der geographischen Herkunft. Alle verfügbaren relevanten Informationen müssen in die Bonitätseinstufung einfliessen und die Informationen müssen aktuell sein. Die Bonitätseinstufung muss auch dem Umstand Rechnung tragen, dass sich die Schuldendienstfähigkeit des Kreditnehmers bei einer möglichen Verschlechterung der ökonomischen Rahmenbedingungen verändern kann. Dies kann beispielsweise mittels Stress-Szenarios antizipiert werden. Die Kreditinstitute müssen die Aufsichtsbehörden davon überzeugen, dass ihre Modelle adäquate Resultate produzieren und auf jeden Fall sicherstellen, dass mechanische Bonitätseinstufungen systematisch überprüft werden, um etwaige Modellfehler zu erkennen. Eine umfassende Dokumentation der Ratingsysteme, der verwendeten statistischen Modelle sowie der Prozesse ist zwingend vorgeschrieben. Zudem müssen die Bonitätseinstufungen mindestens einmal jährlich überprüft werden. Bezüglich der Ratingprozesse gilt, dass jedem Kreditnehmer respektive jeder Fazilität ein Rating zuzuweisen ist. Die Bonitätseinstufungen müssen jeweils von einer bankinternen, vom operativen Geschäft unabhängigen Stelle bestätigt werden. Jedes Rating ist mindestens einmal jährlich zu erneuern oder aber spätestens dann, wenn Informationen publik werden, die einen Einfluss auf die Bonitätseinstufung haben könnten. Einzelfallbezogene Modifikationen bezüglich der Ratingkriterien, -variablen oder -algorithmen oder gar ein „Override“ mechanischer Ratingergebnisse durch Bankmitarbeiter sind nur erlaubt, wenn dafür klare Richtlinien vorgegeben wurden. Vorschriften bestehen auch bezüglich der Aufbewahrung von Daten über Kreditnehmer und Fazilitäten (Inputs in die und Outputs der Ratingsysteme). Vorgeschrieben ist im weiteren die Durchführung von Stresstests zur Bewertung der Sensitivität der Ratingeinstufungen und deren Auswirkungen auf die Eigenmittelanforderungen. Beim Punkt Aufsicht und Überwachung geht es darum, dass alle wichtigen Aspekte, die im Zusammenhang mit der Anwendung von Ratingsystemen für aufsichtliche Zwecke stehen, der Geschäftsführung bekannt und von dieser genehmigt worden sein müssen. Voraussetzung dafür ist, dass die beteiligten Personen über ein gewisses Fachwissen bezüglich des Aufbaus und der Funktion von Ratingsystemen besitzen. Die wichtigsten Parameter jeder Ratingklasse sind – im Rahmen des Reporting – der Geschäftsführung in angemessenen Intervallen zu be112
richten. Kreditinstitute benötigen ein unabhängiges Kreditrisikomanagement, das für die Architektur, die Implementierung und die Performance der Ratingsysteme verantwortlich ist und für eine regelmässige Überprüfung des Ratingsystems und der Ratingprozesse zu sorgen hat. Zudem müssen zumindest einmal jährlich die interne und die externe Revision das Ratingsystem und die Ratingprozesse überprüfen. Wichtig ist auch, dass die verwendeten internen Ratingsysteme auch tatsächlich operativ Verwendung finden und nicht nur zu dem Zweck etabliert wurden, sich für den Internen Rating-Ansatz zur Bemessung der aufsichtlichen Eigenmittelanforderung zu qualifizieren. Um die Internen Rating-Ansätze verwenden zu dürfen, müssen die Ratingsysteme seit mindestens drei Jahren im Einsatz stehen. Die Anforderungen im Hinblick auf die Risikoquantifizierung verlangen, dass die Kreditinstitute für jede Ratingklasse respektive jede Gruppe von Privatkunden eine Ausfallwahrscheinlichkeit schätzen. Diese Ausfallwahrscheinlichkeiten müssen dabei auf den durchschnittlichen Einjahres-Ausfallraten mindestens der fünf vergangenen Jahre beruhen. Für die Verlustraten bei Ausfall, so sie denn geschätzt und nicht parametrisiert übernommen werden, gilt dasselbe. Eine Ausnahme bilden LGD-Schätzungen im Nicht-Privatkundenbereich: Hier beträgt der Zeitraum nicht fünf Jahre, sondern muss einen ganzen Konjunkturzyklus erfassen, mindestens aber sieben Jahre. Der Begriff des Ausfalls wird wie folgt definiert: Ein bestimmter Schuldner ist als ausgefallen zu betrachten, wenn eines oder mehrere der folgenden Ereignisse eingetreten ist (BASLER AUSSCHUSS 2002): •
Es ist unwahrscheinlich, dass der Schuldner seine Zahlungsverpflichtungen (Zins, Tilgung oder Gebühren) voll erfüllen kann.
•
Ein Kreditverlust in Zusammenhang mit irgendeiner Zahlungsverpflichtung des Schuldners tritt auf, beispielsweise verursacht durch eine Abschreibung, Einzelwertberichtigung oder Umschuldung notleidender Kredite in Zusammenhang mit einem Erlass oder einer Verschiebung von Zins-, Tilgungs- und Gebührenzahlungen.
•
Der Schuldner ist mit irgendeiner Zahlungsverpflichtung mehr als 90 Tage im Verzug.
•
Der Schuldner hat ein Konkursverfahren oder ein ähnliches Verfahren zum Schutz von Gläubigern beantragt.
Ausnahmsweise darf von dieser Definition abgewichen werden. Diese Ausnahmen sind aber zu dokumentieren und müssen systematisch sein. Bei Krediten an Unternehmen, Kreditinstitute oder Staaten wird der Fokus bezüglich des Ausfalls auf den Kreditnehmer gerichtet. Bei Krediten an Privatkunden hingegen werden jeweils einzelne Fazilitäten betrachtet, was zur Folge hat, dass bei Ausfall einer einzelnen Fazilität nicht automatisch alle anderen Fazilitäten auch als ausgefallen betrachtet werden müssen. Bei der Schätzung der Verlustrate bei Ausfall ist der Begriff des Verlusts in der aufsichtlichen Definition nicht als buchhalterischer, sondern als ökonomischer Verlust zu interpretieren. Das bedeutet, dass nicht nur alle direkten, sondern auch alle indirekten Kosten, die der Ausfall nach sich zieht, mit einbezogen werden müssen. Die Verlustrate bei Ausfall sollte als Durch113
schnitt der Verlustraten aller Ausfälle über den Betrachtungszeitraum hinweg berechnet werden und nicht etwa als Durchschnitt der jahresdurchschnittlichen Verlustraten. Zudem sind Korrelationen zwischen der Situation des Kreditnehmers und dem Wert der Sicherheit gebührend zu berücksichtigen. Im Privatkundenbereich kann Kreditinstituten grundsätzlich erlaubt werden, den erwarteten Verlust in einer Kunden-/Produktgruppe direkt zu schätzen. Zusätzlich muss aber eine Schätzung entweder der Ausfallwahrscheinlichkeit oder der Verlustrate bei Ausfall erfolgen. Da die Rate des erwarteten Verlusts sich aus dem Produkt von Ausfallwahrscheinlichkeit und Verlustrate bei Ausfall berechnet, kann von dieser Rate des erwarteten Verlusts und einem Faktor auf den anderen Faktor geschlossen werden, ohne diesen direkt berechnen zu müssen. Für Schätzungen des Exposures bei Ausfall (EAD) gelten bezüglich der Betrachtungszeiträume und der operationellen Anforderungen grundsätzlich ähnliche Regelungen wie für die Schätzungen der Verlustraten bei Ausfall und der Ausfallwahrscheinlichkeiten. Im weiteren gelten besondere operationelle Anforderungen an Kreditderivate, Garantien und Forderungen, Immobilien und andere Sicherheiten, damit sie als kreditrisikomindernd anerkannt werden können. Ein wichtiges Kriterium, das erfüllt sein muss, ist insbesondere die rechtliche Durchsetzbarkeit der Verwertung der Sicherheit. Ein weiterer Regelungskomplex betrifft die Validierung der internen Schätzungen. So müssen Kreditinstitute über ein robustes System verfügen, welches die Exaktheit und die Konsistenz der Ratingsysteme und -prozesse validiert. Sie sind auch dazu verpflichtet, ex post realisierte und geschätzte Parameter regelmässig abzugleichen, um eventuelle strukturelle Diskrepanzen zu erkennen. Die geschätzten Parameter sind auch mit externen Daten zu vergleichen. Zugleich müssen bindende Richtlinien bestehen, wie in welchen Fällen Gegenmassnahmen getroffen werden müssen, wenn derartige strukturelle Diskrepanzen auftauchen.
3.
Anforderungen an interne Modelle zur Messung operationeller Risiken
Der BASLER AUSSCHUSS FÜR BANKENAUFSICHT definiert den Begriff des operationellen Risikos als Risiko von Verlusten infolge inadäquater oder fehlender interner Prozesse, Systeme oder infolge fehlerhaften Verhaltens von Mitarbeitern oder externer Ereignisse. Nicht inbegriffen sind explizit strategische Risiken und Image-Risiken. Die qualitativen und quantitativen Anforderungen sind derzeit nur in groben Leitlinien formuliert. Insbesondere im Hinblick auf die quantitativen Anforderungen fehlen dem BASLER AUSSCHUSS derzeit noch die Daten, auf Basis derer solche Anforderungen abgeleitet werden können (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2002). Interne Modelle zur Abschätzung operationeller Risiken müssen vernünftige Schätzungen von unerwarteten Verlusten aus schlagend gewordenen operationellen Risiken liefern. Die Schätzungen müssen auf einer Kombination unter anderem interner und externer Verlustdaten sowie Szenarioanalysen aufbauen.
114
Wollen Kreditinstitute interne Modelle verwenden, so müssen sie in der Lage sein, ihre Exposures gegenüber operationellen Risiken bezüglich jeder einzelnen Aktivität, jedes Prozesses, jedes Produkts und jedes Systems zu identifizieren und zu aggregieren. Zusätzlich ist der Identifikationsprozess regelmässig auf seine Angemessenheit zu überprüfen. Ebenfalls sicherzustellen ist das regelmässige und systematische Reporting aller bezüglich des operationellen Risikos relevanten Daten an die verantwortlichen Stellen. Zudem sind Verlustdatenbanken zu erstellen und laufend zu ergänzen. Im Weiteren muss ein Kreditinstitut, das ein internes Modell zur aufsichtlichen Quantifizierung des operationellen Risikos verwenden will, über eine unabhängige Stelle verfügen, die sich mit dem Management operationeller Risiken auseinandersetzt. Diese Stelle ist für die Architektur und die Implementierung der Systeme und des Reportings zuständig wie auch für die Entwicklung von Strategien zur Identifizierung, Messung, Überwachung und Steuerung operationeller Risiken. Der internen wie der externen Revision obliegt die regelmässige Überprüfung der Systeme und Managementprozesse. Zudem haben sie dafür zu sorgen, dass eine angemessene Validierung der Systeme durchgeführt wird.
LITERATURHINWEISE ARTOPOEUS, W. (1996) BANKERS TRUST (1995) BASLER AUSSCHUSS (1995b) BASLER AUSSCHUSS (1996a) BASLER AUSSCHUSS (1996b) BASLER AUSSCHUSS (1996c) BASLER AUSSCHUSS (1997a) BASLER AUSSCHUSS (2001c) BASLER AUSSCHUSS (2002) BASLER AUSSCHUSS (2004) BEDER, T.S. (1995) BLEYMÜLLER, J./GEHLERT, G./GÜLICHER, H. (2004)
BRAMMERTZ, W. (1992) BRAMMERTZ, W. (1997a) BRAMMERTZ, W. (1997b) GROß, H./KNIPPSCHILD, M. (1995) JORION, P. (2001) J.P. MORGAN (1995) J.P. MORGAN (1996) LISTER, M. (1997) MEYER, C. (1999) PODDIG, T./DICHTL H./PETERSMEIER, K. (2003) PRESS, W.H. et al. (1986) SOBOL, I.M. (1991)
115
B. ZUR PHILOSOPHIE UND KONKRETISIERUNG BANKAUFSICHTLICHER RISIKOBEGRENZUNGSNORMEN I.
Konzeption regulatorischer Massnahmen
1.
Bankenregulierung als Folge von Marktversagen
In der neueren Literatur steht als Begründung für die Existenz von Banken die asymmetrische Informationsverteilung im Vordergrund. Kapitalgeber sind zunächst nicht in der Lage, die Ergebnisse der von ihnen finanzierten Projekte zu beobachten. Dadurch entsteht ein Kooperationsproblem zwischen ihnen und dem Kapitalnehmer. Letzterer besitzt Anreize, das wahre Ergebnis zu verschweigen und eventuelle Gewinne selbst einzubehalten. Allerdings können die Kapitalgeber durchaus Einsicht in das Projektergebnis gewinnen, indem sie den Projektverlauf beobachten. Dies ist jedoch mit Kosten verbunden, die der einzelne Kapitalgeber insbesondere dann nicht zu tragen gewillt ist, wenn er nur einen kleinen Finanzierungsbeitrag geleistet hat. Eine Lösung dieses Problems stellt die Delegation der Überwachung an einen Finanzintermediär dar, womit Monitoring-Kosten nur einmal entstehen, alle Kapitalgeber jedoch davon profitieren können. Dadurch sind Kapitalgeber in der Lage, Kapital billiger zur Verfügung zu stellen, was Wohlfahrtsgewinne nach sich zieht (vgl. DIAMOND 1984). Auf der Passivseite stellt eine Bank eine Liquiditätsversicherung bereit, welche die Haushalte gegen das Schlagendwerden spezifischer Liquiditätsrisiken durch das Auftreten unerwarteter Konsumausgaben absichert. Auch hier ist asymmetrische Information der Grund für die Existenz von Banken (vgl. BRYANT 1980). Es stellt sich nun die Frage, wieso Banken selbst zum Gegenstand der Regulierung werden. Grundsätzlich rechtfertigt sich eine staatliche Regulierung nur dann, wenn ein Marktversagen vorliegt. Ein Marktversagen resultiert beispielsweise aus dem Auftreten externer Effekte, aus der Existenz natürlicher Monopole oder bei Vorliegen einer asymmetrischen Informationsverteilung. Tatsächlich werden durch die Existenz von Banken die beschriebenen Informationsmängel nicht vollständig beseitigt, sondern nur teilweise verlagert (vgl. SANTOS 2000 sowie DOWD 1996 und BENSTON/KAUFMANN 1996 zum Disput über die Notwendigkeit der Bankenregulierung). Dies deshalb, weil die Bank selbst bessere Informationen über ihre Aktivitäten, jeden einzelnen Kunden und ihren Liquiditäts- und Solvenzzustand verfügt als ihre Einleger und Kreditnehmer. Dazu kommt, dass ihre Passivseite liquider als ihre Aktivseite und ihr Fremdkapitalanteil hoch ist. Diese Konstellation birgt die Gefahr von Bankenkrisen („Bank Runs“) in sich, die, sind sie einmal eingetreten, mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden sind. Ein weiterer Ansatzpunkt zur Rechtfertigung der Regulierung von Banken liegt – neben dem Schutz vor Systemkrisen – im Schutz der Gläubiger, d.h. der Einleger. Die asymmetrische Informationsverteilung über den bankeigenen Liquiditäts- respektive Solvenzzustand zugunsten der Banken kulminiert darin, dass die Einleger grundsätzlich die Bank überwachen müssten, um „moral hazard“- und „adverse selection“-Probleme zu vermindern. Allerdings erfor116
dert die Überwachung Zeit und Expertise sowie Zugang zu Informationen, womit ein Grossteil der Einleger als potentielle Überwacher ausfallen, da sie über diese Voraussetzungen nicht verfügen. Aber selbst wenn ein Einleger über Zeit, Expertise und den Informationszugang verfügt, so wird er dann die Bank nicht überwachen wollen, wenn seine Einlage betragsmässig klein ist und die Aufwendungen zur Überwachung den Ertrag – die Sicherung seiner geringen Einlage – nicht rechtfertigen. Beide Gruppen werden sich als Trittbrettfahrer verhalten und darauf spekulieren, dass jemand anders die Überwachungsfunktion übernimmt. Im Extremfall wird die Bank schliesslich überhaupt nicht überwacht. Aber selbst wenn sich mehrere Einleger finden, welche diese Rolle wahrnehmen wollen und können, so liefert das Effizienzargument die Begründung, die Überwachung einer zentralen Stelle zu übertragen, da die Kosten der Überwachung grundsätzlich nicht mehrmals entstehen müssen. Das Grundproblem besteht also in der asymmetrischen Information, die Problemlösung in bestimmten Regulierungsmassnahmen, nämlich einerseits einer Überwachung sowie andererseits einem Einlegerschutz in der Form, dass Banken unter Berücksichtigung der Interessen der Einleger agieren und dass Einleger keinen Grund sehen, ihre Einlagen abzuziehen. Eine weitere Begründung für die Regulierung von Banken liegt darin, dass diese über den Geldschöpfungsprozess in der Lage sind, realwirtschaftliche Grössen zu beeinflussen. Um Instabilitäten der Geldversorgung zu vermeiden, können Banken direkten Kreditbeschränkungen unterstellt werden oder aber zumindest zur Haltung von Mindestreserven bei der Zentralbank verpflichtet werden. Allerdings ist zu beachten, dass den positiven Wohlfahrtseffekten der Bankenregulierung durch die Verhinderung von Systemkrisen auch Kosten gegenüberstehen. Dies insofern, als mit Regulierungsmassnahmen meist eine Einschränkung der grundsätzlich erwünschten Intermediationsfunktion einhergeht, was zu negativen Wohlfahrtseffekten führt (vgl. SCHWARZ 2004).
2.
Kritischer Vergleich alternativer Regulierungsinstrumente
a)
Einlagensicherungssysteme als primäre Regulierungsinstrumente
Zum Schutz vor Bankenkrisen sind Instrumente zu entwickeln, welche die Einleger davon abhalten sollen, ihre Einlagen vorzeitig abzuziehen. Das Kriterium zur Bewertung der Vorteilhaftigkeit der einzelnen Massnahmen ist der Grad der Zielerreichung im Verhältnis zu den entstehenden Kosten. Eine erste Möglichkeit zur Verhinderung von Banken-Runs stellt die Beschränkung des aktivseitigen Handlungsspielraums dar. Banken dürfen dann nur noch in risikolose Wertpapiere wie beispielsweise in von OECD-Ländern emittierte kurzfristige Staatsschuldverschreibungen investieren („narrow banking“). Allerdings wären Banken unter diesem Regime nicht mehr in der Lage, über die Fristentransformation Liquidität zu schaffen, womit auch die entsprechenden Ertragsmöglichkeiten verloren gingen.
117
Ähnlich effektiv wirkt die Verpflichtung zur Refinanzierung von langfristigen, risikobehafteten Forderungen durch Eigenkapital. Dies widerspricht jedoch der Liquiditätsfunktion der Banken und ist kostspielig, womit diese Massnahme in der Summe wohlfahrtssenkend wirkt. Ein weiterer Vorschlag zielt darauf ab, die Konvertibilität einzuschränken: Wenn Banken glaubhaft versichern, nur so viele Vermögensgegenstände zu liquidieren, damit die Nachfrage der Einleger befriedigt werden kann, die tatsächlich konsumieren wollen, so verlören die anderen Einleger, deren Nachfrage lediglich spekulativer Natur ist, die Anreize für einen Banken-Run. Das grosse, mithin unüberwindbare Problem stellen hier die Informationsanforderungen dar, da für die Bank nicht ersichtlich ist, wessen Nachfrage fundamental und wessen Nachfrage nur spekulativ begründet ist. Das wohl älteste Instrument zur Vermeidung von Systemkrisen ist, dass der Zentralbank die Rolle des „lender of last resort“ zugedacht wird. In dieser Rolle versichert die Zentralbank glaubwürdig, illiquiden, jedoch solventen Banken Liquidität zur Verfügung zu stellen. In dieselbe Kategorie – unter Effektivitäts- respektive Kostengesichtspunkten betrachtet – fallen die Einlageversicherungen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Bankensystemstabilität durch Regulierungsinstrumente erreicht werden kann. Allerdings schränken diese entweder die erwünschte Intermediationsfunktion ein, oder aber sie verursachen moral hazard-Probleme, da durch diese Instrumente die Anreize gesenkt werden, Vorkehrungen gegen eine mögliche Illiquidität zu treffen und somit deren Eintrittswahrscheinlichkeit erhöhen. Auch entfallen die Anreize für die Einleger, die Bank zu überwachen und eine spezifische Risikoprämie als Komponente des Einlagensatzes zu verlangen. Wird also eine lender of last resort-Regelung als Regulierungsinstrument auf einer ersten Ebene eingeführt, muss auf einer zweiten Ebene Vorsorge dafür getroffen werden, dass die dadurch entstehenden moral hazard-Probleme eingedämmt werden. So entsteht eine Regulierungshierarchie, in der die Instrumente der zweiten Ebene dazu da sind, die Schwächen der Instrumente der ersten Ebene zu korrigieren. Zur Verminderung des moral hazard-Problems in einer lender of last resort-Regelung wurde vorgeschlagen, dass die Zentralbank einen prohibitiven Zinssatz auf solche Ausleihungen an illiquide Banken erhebt. Dagegen lässt sich einwenden, dass ein prohibitiv hoher Zinssatz die Krise bei der Bank verstärkt, dass eine Ausleihung zu einem solchen Zinssatz dem Markt ein Signal gibt, dass ein Run stattfindet, was das Problem noch verschärfen könnte, und dass das Management Anreize erhält, höhere Risiken einzugehen, um die Krise zu beseitigen („gamble for resurrection“). Zur Verminderung des moral hazard-Problems bei einer Einlageversicherung besteht die Möglichkeit, die Bank mit einer risikoadäquaten Prämie für diese Versicherung zu belasten. Praktisch bestehen jedoch Probleme bei der Implementierung eines solchen Systems aufgrund der Informationsasymmetrie (vgl. SANTOS 2000, S. 9 ff.). Schliesslich besteht die Möglichkeit, durch ein Sicherungsnetz hervorgerufenes moral hazard-Verhalten mittels zusätzlicher Regulierungsmassnahmen einzudämmen. Das meist genutzte Instrument der Regulierung auf der zweiten Ebene stellt die Vorgabe von Eigenmittelnormen dar, die sich an den Risikopositionen der Banken orientieren. Die dargestellten Zusammenhänge werden in Abbildung 69 in einer Übersicht dargestellt.
118
Finanzmärkte (FM) FM durch asymmetrische Informationsverteilung geprägt; deshalb Wohlfahrtsgewinne durch FI
Kreditnehmer
Einleger
Finanzintermediäre (FI) FI ebenfalls Quelle gewisser Informationsasymmetrien, deshalb: 1. Regulierungsebene: Einlagensicherungssysteme (ESS) Einlagensicherungssysteme Quelle von moral hazard-Problemen, deshalb: 2. Regulierungsebene: Eigenmittelregulierung Abb. 69: Grobstruktur der Bankenregulierung im Überblick
b)
Methoden der Eigenmittelregulierung als sekundäre Regulierungsinstrumente
Eigenmittelregulierungsnormen lassen sich in vielfältiger Weise ausgestalten. Grundsätzlich lassen sich vier Ansätze zur Bemessung regulatorischer Eigenmittel unterscheiden, wie in Abbildung 70 dargestellt.
Alternative Ansätze zur Bemessung regulatorischer Eigenmittelanforderungen
Fixed RatioAnsatz
Internal MeasuresAnsatz
PrecommitmentAnsatz
SupervisoryAnsatz
Abb. 70: Alternative Ansätze zur Bemessung regulatorischer Eigenmittelanforderungen
Die derzeit geltende Eigenmittelvereinbarung lässt sich dem Fixed Ratio-Ansatz zuordnen. Charakteristisch für diesen ist, dass er ein Mindestverhältnis zwischen den aufsichtlich als Haftungskapital geltenden Eigenmitteln einerseits und den Bilanzaktiva andererseits vorschreibt. Als Referenz-Bilanzgrösse kann dabei entweder die ungewichtete oder die gewichtete (wie in der erwähnten Regelung) Summe der risikobehafteten Aktiva dienen. Die Wahl eines einheitlichen Verhältnisses zwischen Eigenkapital und Gesamtaktiva der Bank führt jedoch zu Anreizen für die Bank, Anlagen mit geringem Risiko und somit geringen erwarteten Erträgen durch Anlagen mit höherem Risiko und höheren erwarteten Erträgen zu substituieren. Dies deshalb, weil der Abschluss riskanterer Geschäfte mit denselben Kosten bezüglich der Eigenmittelanforderungen verbunden ist wie der Abschluss risikoärmerer Geschäfte (dieses Verhalten wird auch als „regulatorische Arbitrage“ bezeichnet, vgl. SCHWARZ 2004).
119
Die dominierende Herausforderung besteht somit in der Wahl adäquater Risikogewichte, deren Festlegung jedoch mehr oder weniger arbiträr stattfindet. Somit ist es auf der einen Seite möglich, dass die verlangten Eigenmittel unter dem ökonomisch erforderlichen Mindestmass liegen. Andererseits besteht jedoch auch die Gefahr, dass Kapitalisierungen verlangt werden, die über dem optimalen Niveau liegen und somit die Intermediationsfunktion einschränken. Allgemein ausgedrückt besteht das Problem beim Fixed Ratio-Ansatz in der Inkongruenz zwischen ökonomischen und regulatorischen Eigenmittelanforderungen. An diesem Punkt setzt der Internal Measures-Ansatz an. Bei diesem Ansatz bauen die regulatorischen Eigenmittelanforderungen auf den von der Bank mittels interner Risikoquantifizierungsmodelle festgestellten optimalen Kapitalniveaus auf. Das regulatorische Mindestmass der vorhandenen Eigenmittel wird jedoch aus praktischen Überlegungen – wie beispielsweise wegen eventuell vorhandener Modellrisiken – über dem ökonomischen Eigenkapital auf einem bestimmten Konfidenzniveau festgelegt. In der Praxis dürfen Banken dieses Verfahren – mit gewissen Einschränkungen – gemäss BASLER AUSSCHUSS FÜR BANKENAUFSICHT zur Quantifizierung von Marktrisiken verwenden, so sie gewisse Mindestanforderungen erfüllen (vgl. S. 101 ff.). Die Nachteile dieser Methode liegen unter anderem darin, dass sie sehr ressourcenintensiv ist. Dies sowohl auf Seiten der betroffenen Banken, bei denen die Implementierung solcher Modelle grosse Aufwendungen verursacht, wie auch auf Seiten der Aufsichtsbehörden, welche die Angemessenheit der verwendeten Modelle überprüfen und Rahmenanforderungen an die verwendeten Inputparameter formulieren müssen. Trotzdem ist nicht bewiesen, dass diese Methode exaktere Resultate produziert als einfachere und weniger ressourcenintensive Methoden. Zudem besteht noch keine Einigkeit darüber, wie bankinhärente Risiken kategorienübergreifend integriert zu quantifizieren sind. Beim Precommitment-Ansatz schätzt die Bank ex ante, beispielsweise quartalsweise, wie hoch der maximale Verlust – und daraus abgeleitet die Eigenmittelunterlegung – innerhalb beispielsweise der nächsten drei Monate sein wird. Das kann je nach Ausgestaltung des Ansatzes entweder nur für bestimmte Risikokategorien einzeln oder aber für die Bank insgesamt geschehen. Der grosse Unterschied zum Internal Measures-Ansatz besteht darin, dass beim Precommitment-Ansatz die zur Risikoquantifzierung verwendeten Modelle nicht auf dem Prüfstand stehen, die Aufsichtsbehörde also nicht überwacht, auf welche Art und Weise die Verlustschätzung stattfinden soll. Das wird ganz der Bank überlassen. Vielmehr vergleicht die Aufsichtsbehörde nach Ablauf der vereinbarten Frist den von der Bank geschätzten mit dem tatsächlich eingetretenen Verlust. Wurde der Verlust zu Beginn der Periode höher eingeschätzt, als er tatsächlich eingetreten ist – und wurden somit auch mehr Eigenmittel vorgehalten, als tatsächlich benötigt wurden – so erachtet die Aufsichtsbehörde die Sicherheitsbedürfnisse als erfüllt. Erweist sich der geschätzte Verlust jedoch niedriger als der tatsächlich eingetretene, so wird die Bank bestraft. Vorteilhaft bei diesem Ansatz ist die Tatsache, dass es tatsächlich gelingt, die bankintern ermittelten unerwarteten Verluste direkt mit den regulatorischen Eigenmittelanforderungen zu verknüpfen. Zudem kann jede Bank die Berechnungsmodalitäten ihren eigenen Besonderheiten anpassen, was das „one size fits all“-Problem des Fixed Ratio- sowie teilweise des Internal Measures-Ansatz löst. Als Nachteil eines solchen Systems erweist sich jedoch die Tatsache, dass die Aufsichtsbehörde ihre Sanktionen bei einer besonders grossen negativen Diskrepanz zwischen geschätzten und tatsächlich realisierten Verlusten gar nicht 120
mehr durchsetzen kann, da die Bank schon insolvent ist oder durch die Bestrafung in die Insolvenz getrieben würde. Ausserdem stellt die Konstruktion eines Bestrafungssystems, das für alle Beteiligten die richtigen Anreize setzt, vor dem Hintergrund des Prinzipal-Agent-Problems in einer Bank eine grosse Herausforderung für die Aufsichtsbehörde dar (vgl. hierzu und im weiteren DARIPPA/ VAROTTO 1997). In gewissen Fällen ergeben sich nämlich für die Manager Anreize, relativ tiefe Verluste zu schätzen (und somit die Eigenmittelanforderungen niedrig zu halten) und trotzdem eine mit hohen Risiken verbundene Strategie zu fahren, was die Eigentümer nicht verhindern wollen respektive nicht verhindern können. Zumindest teilweise kann dieses Problem durch folgende Konstruktion entschärft werden: In einer ersten Periode verfügt die Aufsichtsbehörde die Anwendung des Precommitment-Ansatzes. Zeigen sich nach Ablauf der Periode keine Abweichungen zwischen geschätzten und tatsächlich eingetretenen Verlusten, darf der Manager mit dem Precommitment-Ansatz weiterfahren. Erweist sich jedoch nach Ablauf der Periode der tatsächliche Verlust höher als der geschätzte, so verfügt die Aufsichtsbehörde die Anwendung eines Fixed Ratio- respektive eines Internal MeasuresAnsatzes für n Perioden. Nach Ablauf dieser n Perioden darf wieder der PrecommitmentAnsatz angewendet werden. Diese Strategie verringert das Agency-Problem, indem der Manager die künftigen Auswirkungen seines Handelns mitberücksichtigen muss. Er sieht sich also einem Trade-off zwischen der Risikoübernahme heute und der Risikoübernahme morgen gegenüber. Ein weiterer Problemkreis erschliesst sich dadurch, dass eine uniforme Festsetzung der Bestrafung, beispielsweise ein Bussgeld, das sich proportional zum „Überverlust“ verhält, nicht für alle Banken zwingend Anreize setzt, durch Wahl einer entsprechend geschätzten Verlustgrösse ihre privaten Informationen über die wahre Risikosituation der Bank preiszugeben. Dieses Problem könnte dadurch entschärft werden, dass die Aufsichtsbehörde den Banken ex ante eine Auswahl verschiedener, auf die Bank zugeschnittenen Kombinationen von Verlustgrössen und Strafen bei deren Überschreitung präsentiert, unter denen sie eine auswählen dürfen. Unter der Voraussetzung, dass der Bank die „richtigen“ Kombinationen präsentiert werden, bringt dies die Banken dazu, ihre tatsächliche Risikosituation preiszugeben. Die Kalkulation der richtigen Kombinationen erfordert jedoch, dass die Aufsichtsbehörden Informationen über die verschiedenen Investitionsalternativen sowie die Kapitalkosten der einzelnen Banken verfügen, was zumindest teilweise nicht der Fall ist. Die vierte Stossrichtung besteht im Supervisory-Ansatz. Innerhalb eines solchen Regimes bestimmt die Bank die Höhe der erforderlichen Eigenmittel selbst. Die Aufsichtsbehörde beurteilt im Anschluss daran nicht nur, ob die Höhe der so berechneten Eigenmittelerfordernisse im spezifischen Fall adäquat ist, sie überwacht auch die Prozesse, mittels welcher der vorzuhaltende Eigenmittelbetrag kalkuliert wurde. Eine Bank, die komplexe Derivatgeschäfte tätigt, würde von der Aufsichtsbehörde verpflichtet, sophistizierte mathematische und statistische Verfahren zur gesamten Risikosteuerung zu verwenden, während eine kleinere Bank, die beispielsweise nur im Hypothekargeschäft tätig ist, einfachere Verfahren verwenden dürfte. Die Fokussierung der Aufsichtsbehörden nicht nur auf die Resultate, sondern auch auf die den Resultaten zugrunde liegenden Prozesse setzt Anreize für die Banken, ihre Risikosteuerungsmechanismen ständig zu verfeinern. Dies setzt allerdings zum einen eine umfassende Kooperationsbereitschaft der Banken voraus, die über ein rigides Sanktionssystem sicherge121
stellt werden müsste. Zum anderen ist dieses Verfahren vor allem für die Aufsichtsbehörden sehr aufwendig und verlangt viel Expertise. Möglich ist natürlich auch eine Kombination verschiedener Ansätze, welche die Nachteile der einzelnen Ansätze kompensiert. Die Neuregelung der Eigenmittelvereinbarung des BASLER AUSSCHUSSES beispielsweise stellt sich als Mischung aus Fixed Ratio-Ansatz, Internal Measures-Ansatz und Supervisory-Ansatz dar (vgl. SCHWARZ 2004). Nur der Precommitment-Ansatz erscheint zumindest derzeit noch als lediglich theoretisches Konstrukt.
c)
Weitere Instrumente der Bankenregulierung
(1)
Limitierung des Liquiditätsrisikos
Schliesslich finden neben den Einlagensicherungsnetzen respektive den Eigenmittelnormen weitere Instrumente der Bankenregulierung in vielen Ländern Anwendung. So werden Banken verpflichtet, gewisse Anteile an liquiden Aktiva dauernd in ihrer Bilanz zu halten. In Deutschland verpflichtet der §11 KWG deutsche Banken allgemein dazu, ihre Mittel so anzulegen, dass jederzeit eine ausreichende Zahlungsbereitschaft gewährleistet ist. Das Gesetz wird durch die Liquiditätsverordnung (LiqV) der BaFin konkretisiert, der neben dem Refinanzierungsrisiko speziell auch das Abrufrisiko bei Banken begrenzen will und weitgehend dem europäischen Standard bankaufsichtlicher Liquiditätsmessung entspricht, indem sie konsequent auf Restlaufzeiten abstellt. Die aktuelle LiqV trat am 1. Januar 2007 in Kraft und löste den bisherigen Grundsatz II ab.
Die LiqV erfasst als wesentliches Merkmal die liquiden Aktiva sowie die tatsächlichen und potentiellen Liquiditätsabflüsse innerhalb eines 12-monatigen Zeitraums, wobei vier Laufzeitbänder gebildet werden: •
Laufzeitband täglich fällig bis zu einem Monat,
•
Laufzeitband über einem Monat fällig bis zu drei Monaten,
•
Laufzeitband über drei Monate fällig bis zu sechs Monaten,
•
Laufzeitband über sechs Monate fällig bis zu einem Jahr.
Die Liquiditätsstrukturen jenseits eines Jahres werden nicht erfasst, da davon ausgegangen wird, dass bei einer solventen und ertragsstarken Bank im Regelfall keine unüberbrückbaren Schwierigkeiten bestehen werden, die entsprechenden Refinanzierungen in diesem Fristenspektrum zu gewährleisten. Betont wird also der kurzfristige Bereich, wobei als besonders kritischer Zeithorizont ein Kalendermonat (also das erste Laufzeitband) eingestuft wird. Hier können unerwartet auftretende Marktturbulenzen am ehesten Gefahren für die Zahlungsfähigkeit der einzelnen Bank herbeiführen. Aber auch der Zeitraum, der von den anderen drei Laufzeitbändern begrenzt wird, ist von bankaufsichtlichem Interesse, da Disproportionalitäten in diesem Bereich gegebenenfalls eine Art Frühwarnsystem für strukturelle Liquiditätsprobleme abgeben können. 122
Der Schwerpunkt der bankaufsichtlichen Kontrolle liegt aber wie bereits erwähnt in der monatlich zu meldenden 1-Monats-Kennzahl, die als Quotient der liquiden Aktiva und der Liquiditätsabflüsse des folgenden Monats gebildet wird. Dabei gelten als liquide Aktiva die folgenden im ersten Laufzeitband (mit Fälligkeit bis zu einem Monat) zu erfassenden Positionen: (a) Zahlungsmittel:
•
Kassenbestand,
•
Guthaben bei Zentralnotenbanken,
•
Inkassopapiere,
•
von Kreditinstituten oder der KfW erhaltene unwiderrufliche Kreditzusagen (inklusive eingeräumter rechtsverbindlicher Refinanzierungsfazilitäten im Rahmen eines Liquiditätsverbundes),
•
Wertpapiere des Umlaufvermögens (einschließlich Handelsbestand), die auf einem geregelten Markt in der Europäischen Union (bzw. auch von Staaten, die zum europäischen Wirtschaftsraum zählen) oder an einer anerkannten Börse eines anderen Landes der Zone A zugelassen sind (aber keine marktbewerteten Wertpapiere, die wie Anlagevermögen behandelt werden),
•
gedeckte Schuldverschreibungen,
•
Anteile von Geldmarkt- und Wertpapierfonds (für die das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften gilt oder – im Fall von ausländischen Investmentanteilen – angewendet wird) in Höhe von 90 % des Rücknahmepreises;
(b) Innerhalb eines Monats fällige, intakte Forderungen (ohne Leistungsstörungen):
•
Forderungen an Zentralbanken,
•
Forderungen an Kreditinstitute,
•
Forderungen an Kunden (einschließlich Wechsel),
•
Forderungen aus Pensionsgeschäften,
•
Ausgleichsforderungen gegen die öffentliche Hand.
Diesen liquiden Aktiva sind die Zahlungsverpflichtungen gegenüberzustellen, die im ersten Laufzeitband zu berücksichtigen sind: •
40 % der täglich fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten,
•
10 % der täglich fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Kunden,
•
10 % der Spareinlagen, 123
•
5 % der Eventualverbindlichkeiten aus weitergegebenen Wechseln,
•
5 % der Eventualverbindlichkeiten aus übernommenen Bürgschaften und Gewährleistungsverträgen,
•
5 % des Haftungsbetrages aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten,
•
20 % der Plazierungs- und Übernahmeverpflichtungen,
•
20 % der noch nicht in Anspruch genommenen, unwiderruflich zugesagten Kredite (ohne Investitions- und Hypothekarkredite, die nach Baufortschritt auszuzahlen sind; hier gilt ein auf 12 % reduzierter Satz).
Die Zahlungsbereitschaft der Bank wird für den Regelfall dann als ausreichend angesehen, wenn die so gebildete Liquiditätskennzahl Werte gleich oder größer eins annimmt. Es gilt also: Liquiditätskennzahl
Liquide Aktiva gemäß Laufzeitband 1 t1 Zahlungsverpflichtungen gemäß Laufzeitband 1
Analog werden die sogenannten Beobachtungskennzahlen für die Liquidität in den Laufzeitbändern 2 bis 4 gebildet. Dabei sind bei ihrer Berechnung die vorhandenen Zahlungsmittelüberschüsse des jeweils vorgelagerten Laufzeitbandes zu berücksichtigen. Ihre Angabe dient lediglich nachrichtlichen Zwecken, muss also nicht in jedem Fall der Bedingung 1 genügen. Wird die Liquiditätskennzahl von 1 nicht eingehalten, so ergibt sich als geschäftspolitische Implikation, dass im ersten Laufzeitband die Zahlungsmittel stärker als die Zahlungsverpflichtungen zuzunehmen haben. Folgende Grundsätze mögen bei der Operationalisierung dieses Ziels hilfreich sein: •
Eine kurze, fristengleiche Geldmarkttransaktion hat keine Auswirkungen auf die Liquiditätskennzahl.
•
Eine Umschichtung bei den anrechenbaren Zahlungsmitteln (Verkauf börsengängiger Wertpapiere, Pensionsgeschäfte) bewirkt ebenfalls keine Verbesserung des Liquiditätskoeffizienten.
•
Neu zufliessende Spar-/Sichteinlagen führen zu einer Zunahme der Zahlungsverpflichtungen um 10 %. Eine Verbesserung der Liquiditätskennzahl tritt ein, wenn eine Anlage in anrechenbaren Zahlungsmitteln (z.B. festverzinsliche Wertpapiere) gewählt wird. Umschichtungen von Sicht- in Spareinlagen sind hingegen irrelevant.
Die aktuelle LiqV ist somit auf eine operative Zahlungsstrombetrachtung ausgelegt und verfolgt das Ziel, unter Berücksichtigung der Abrufrisiken für einen ausreichenden Bestand an Zahlungsmitteln zu sorgen. Den mit der Fristentransformation verbundenen Risiken wird keine Rechnung getragen, weshalb die LiqV kaum zur Sicherstellung der jederzeitigen Zahlungsbereitschaft in der Lage ist.
124
Auch in der Schweiz sind die Liquiditätsvorschriften als direkte Liquiditätsnorm ausgestaltet, so wie das auch in Deutschland mit der LiqV der Fall ist. Im Einzelnen legt Artikel 4 des schweizerischen Bankgesetzes die Grundlagen für die Regelung der Liquidität. Die Liquiditätserfordernisse werden dabei in der Art und Weise formuliert, dass der Mindestbestand an liquiden Anlagen, wie sie in der schweizerischen Bankenverordnung definiert werden, mit Hilfe proportionaler Sätze aus den kurzfristigen Verbindlichkeiten abgeleitet wird, deren Inhalt vom Umfang her unterschiedlich in verschiedenen Artikeln der Bankenverordnung festgelegt ist (vgl. dazu ausführlich BODMER/KLEINER/LUTZ 2006). Nach Art. 4 des Bankgesetzes haben die Banken dafür zu sorgen, dass ein angemessenes Verhältnis besteht •
zwischen ihren greifbaren Mitteln zuzüglich der leicht verwertbaren Aktiven (gemäß Art. 16 BankV) und ihren (auf heimische und fremde Währung lautenden) kurzfristigen Verbindlichkeiten (gemäß Art. 17 BankV).
Dieses angemessene Verhältnis wird dann als erfüllt betrachtet, wenn •
die greifbaren Mittel zusammen mit den leicht verwertbaren Aktiven ständig mindestens 33 % der kurzfristigen Verbindlichkeiten betragen.
Sofern die auf Sicht lautenden und innerhalb eines Monats fälligen Verpflichtungen gegenüber Kunden oder einer Bank 10 % der gesamten unsaldierten, auf Sicht lautenden und innerhalb eines Monats fälligen Verbindlichkeiten übersteigen, hat die Bank die Revisionsstelle zu unterrichten. Dabei werden die Einlagen auf Konten mit Rückzugsbeschränkung mit 15 % einbezogen. (2)
Begrenzung von Grosskrediten und Klumpenrisiken
Im Weiteren können auch gewisse Transaktionen, wie beispielsweise die Vergabe von Grosskrediten, verboten respektive einer Bewilligungspflicht unterstellt werden, denn ein besonderes Risikopotential für eine Bank liegt in der Gefahr des Ausfalls von Grosskrediten begründet. Insbesondere bei einem kumulierten Auftreten kann dies für die Bank solvenzbedrohend sein. Die starke Gefährdung eines Finanzinstituts durch die Vergabe von einigen wenigen Krediten mit hohen Beträgen ist auch von den Gesetzgebern erkannt worden. Eine diesbezügliche Regelung wurde im Dezember 1992 mit der EU-Großkreditrichtlinie – die im Jahre 2000 in die deutsche Kreditinstitutsrichtlinie überführt wurde – verabschiedet. Im Kern der Richtlinie geht es darum, die aktivischen Klumpenrisiken außerhalb des Handelsbuches zu begrenzen. Die Regelungen der EU-Großkreditrichtlinie wurden im Rahmen der 5. Novelle des Kreditwesengesetzes per 31.12.1995 in deutsches Recht übernommen und im Rahmen der 6. Novelle zum Jahreswechsel 1997/1998 teilweise überarbeitet. Zu diesem Zeitpunkt wurde dem KWG die „Verordnung über die Erfassung, Bemessung, Gewichtung und Anzeige von Krediten im Bereich der Großkredit- und Millionenkreditvorschriften des Gesetzes über das Kre125
ditwesen (Großkredit- und Millionenkreditverordnung - GroMiKV)“ durch das Bundesministerium der Finanzen zur Seite gestellt. Diese wurde im Dezember 2006 zuletzt überarbeitet. Sie konkretisiert im Wesentlichen die Groß- und Millionenkreditregelungen der §§ 13, 14 KWG. Die Rechtsgrundlage stellt der § 22 KWG (Rechtsverodnungsermächtigung über Kredite) dar. Mit der GroMiKV in neuerer Fassung wurden neue Meldebögen eingeführt, die einen stärkeren Bezug zur Solvabilitätsverordnung aufweisen. Als wesentliche Änderungen sind aber wohl die neuen Regelungen zur Anerkennung von Sicherheiten und die Berücksichtigung von Standardmethode (SM) und Interne Modelle Methode (IMM) im Rahmen der Berechnung des Kreditäquivalentes von Derivaten zu nennen. Erstere tangieren insbesondere das Netting gegenläufiger Positionen bei Repo-/ Leihgeschäften und stellen den Bezug zur SolvV her. Unterschieden wird zwischen Nichthandelsbuch- und Handelsbuchinstituten. Als Nicht-Handelsbuchinstitute im Sinne des KWG gelten dabei Institute, bei denen •
der Anteil des Handelsbuchs des Instituts in der Regel 5 % der Gesamtsumme der bilanzund außerbilanzmäßigen Geschäfte nicht überschreitet,
•
die Gesamtsumme der einzelnen Positionen des Handelsbuchs in der Regel den Gegenwert von 15 Millionen EUR nicht überschreitet und
•
der Anteil des Handelsbuchs zu keiner Zeit 6 % der Gesamtsumme der bilanz- und ausßerbilanzmäßigen Geschäfte und die Gesamtsumme der Positionen des Handelsbuchs zu keiner Zeit den Gegenwert von 20 Millionen EUR überschreitet (vgl. § 2 XI KWG).
Der Begriff „Kredite“ wird aber für beide Institutskategorien identisch definiert und umfasst Bilanzaktiva, Derivate mit Ausnahme der Stillhalterpositionen von Optionsgeschäften sowie die dafür übernommenen Gewährleistungen und andere außerbilanzielle Geschäfte (vgl. § 44 I GroMiKV). Nicht berücksichtigt werden müssen Kredite an Zentralregierungen und banken der OECD-Staaten sowie an die EU. Nichthandelsbuchinstitute müssen der Deutschen Bundesbank unverzüglich anzeigen, wenn Kredite an einen Kreditnehmer insgesamt 10 % des haftenden Eigenkapitals erreichen oder übersteigen. Ohne Zustimmung der BaFin dürfen aber keine Großkredite gewährt werden, die 25 % des haftenden Eigenkapitals übersteigen. Handelt es sich beim Kreditnehmer um ein Gruppenunternehmen, liegt die Obergrenze bei 20 %. Insgesamt darf die Summe aller Großkredite nicht mehr als 800 % des haftenden Eigenkapitals betragen. Für Handelsbuchinstitute gilt entsprechendes, wobei nicht nur die Gesamtposition aus Handels- und Anlagebuch pro Kreditnehmer auf 25 % des haftenden Eigenkapitals beschränkt wird, sondern auch die Position pro Kreditnehmer im Anlagebuch. Die BaFin kann hiervon zwar Ausnahmen bewilligen, als absolute Höchstgrenze gilt aber, dass die HandelsbuchGesamtposition pro Kreditnehmer höchstens das Fünffache der Eigenmittel betragen darf, die nicht zur Unterlegung von Risiken des Anlagebuchs benötigt werden. Von beiden Institutskategorien gemeldet werden müssen der BaFin aber Kredite, welche die Grenze von 1,5 Millionen EUR übersteigen (vgl. § 14 KWG). Eine schematische Gegenüberstellung der gesetzlichen Regelungen kann der Abbildung 71 entnommen werden. 126
Handelsbuchinstitute Gesamtbuch = Anlagebuch + Handelsbuch
Anlagebuch
NichtHandelsbuchinstitute
Begriff „Großkredit“
Gesamtbuch-GK: GP pro KN t 10 % der haftenden EM
Meldepflicht
GK: viermal jährlich; Überschreitungen von Ober- und Höchstgrenzen: sofort
GroßkreditObergrenzen
Gesamtbuch-GP pro KN d 25 % der haftenden Anlagebuch-GP pro EM und 500 % der haftenKN d 25 % des haftenden den EM, das nicht zur UnterEK legung von Risiken des Anlagebuchs verwendet wird wenn KN Gruppenunternehmen1 d 20 % der haftenden EM
Höchstgrenzen
Anlagebuch-GK: GP pro KN GP pro KN t 10 % im Anlagebuch t 10 % des des haftenden EK haftenden EK
GP pro KN d 25 % des haftenden EK
wenn KN Gruppenunternehmen d 20 % des haftenden EK
6 aller GK im Gesamtbuch
6 aller GK im Anlagebuch
d 800 % der haftenden EM
d 800 % des haftenden EK
6 aller GK d 800 % des haftenden EK
Abb. 71: Die aufsichtliche Begrenzung von Großkrediten nach KWG mit: Gruppenunternehmen = Töchter eines Finanzinstituts, die selber Finanzinstitute sind; KN = Kreditnehmer; EK = Eigenkapital; EM = Eigenmittel; GK = Großkredit; GP = Gesamtposition)
Jedoch müssen bei der Berechnung der Ober- und Höchstgrenzen nicht alle Kredite mit ihrem vollen Volumen angerechnet werden. Ausnahmen gelten für Kredite an bestimmte Gegenparteien, die entweder mit 0 %, 20 % oder 50 % ihres Volumens Eingang in die Kalkulation finden (vgl. §§ 25 ff. GroMiKV). Mit „qualifizierten“ Aktien und mit Schuldverschreibungen besicherte Kredite müssen überhaupt nicht mit einbezogen werden. Die schweizerischen Vorschriften zur Vermeidung von Klumpenrisiken wurden in den Artikeln 83 ff. der Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler (ERV) festgeschrieben. Hiermit wurde der Art. 21 der Bankenverordnung (BankV) abgelöst. Die Verordnung wurde in weiten Teilen ähnlich konzipiert und weicht nur im Aufbau von der Richtlinie der EU und den gesetzlichen Regelungen in Deutschland ab. In Deutschland steht als maßgebliches Kriterium zur Bestimmung eines Großkredites unabhängig von der Gegenpartei der Umfang eines Kreditengagements im Vordergrund. Erst in einem zweiten Schritt können die vorgesehenen Ausnahmebestimmungen in Anwendung gebracht und so das anrechenbare Volumen reduziert werden. Im Gegensatz hierzu überträgt das Schweizer Recht die zur Begrenzung des Gegenparteirisikos festgesetzten Verfahren konsequent auf das Klumpenrisiko. Als Bewertungsmaßstab erfolgt demnach grundsätzlich die Gewichtung jedes Kredites mit der entsprechenden Bonität der Gegenpartei. Die Gewichtungsfaktoren beziehen sich dabei im Wesentlichen auf die zur Begrenzung der allgemeinen Ausfallrisiken verwendeten Werte (vgl. S. 139 ff.). Dabei werden neben bilanziellen Forderungen auch die in ihr Kreditäquivalent umgerechneten und gewichteten Außerbilanzgeschäfte sowie die gegenparteibezogenen offenen Wertpapierpositionen mit in die Berechnungen einbezogen. Die Höhe der Risikogewichte ist davon abhängig, ob vom Kreditinstitut 127
der einfachere Schweizer Ansatz (vgl. Art. 104 ff. ERV) oder der anspruchsvollere internationale Ansatz (vgl. Art. 113 ff. ERV) gewählt wurde. Meldepflichtige Klumpenrisiken sind in jedem Fall gegenparteigewichtete Risikopositionen, die 10 % der eigenen Mittel übersteigen. Entsprechend darf eine gewichtete Risikoposition gegenüber einem Kreditnehmer höchstens 25 % der anrechenbaren eigenen Mittel betragen. Eine Ausnahme besteht dahingehend, dass diese Grenze überschritten werden kann, sofern der Betrag durch freie anrechenbare eigene Mittel gedeckt ist (vgl. Art. 88 ERV). Die Summe aller gegenparteigewichteten Risikopositionen darf maximal das Achtfache der eigenen Mittel betragen. Abbildung 72 soll dies illustrieren. Begriff „Klumpenrisiko“
Risikoposition1 gegenüber einem Kreditnehmer: t 10 % der anrechenbaren eigenen Mittel
Meldepflicht
Viermal jährlich; Überschreitungen von Oberund Höchstgrenzen sofort
Obergrenze
Risikoposition1 pro Kreditnehmer d 25 % der anrechenbaren eigenen Mittel; Überschreitungen erlaubt, wenn vollständig durch frei anrechenbare eigene Mittel gedeckt
Höchstgrenze
Summe aller Klumpenrisiken d 800 % der anrechenbaren eigenen Mittel
Abb. 72: Begrenzung von Klumpenrisiken gemäß ERV mit: 1 = Risikoposition = nach Gegenpartei gewichtete Forderungen + gegenparteigewichtete Kreditäquivalente außerbilanzieller Geschäfte + Netto-Long-Position in Effekten
Forderungen gegenüber Konzerngesellschaften müssen weder bei der Kalkulation der Obernoch der Höchstgrenze berücksichtigt werden wenn diese einer angemessenen Aufsicht unterliegen. Nur von der Bemessung der Höchstgrenze ausgenommen sind unter anderem Forderungen gegen Options- und Futuresbörsen mit Margin-System, multilaterale Entwicklungsbanken und Forderungen mit einer Restlaufzeit kleiner als drei Monate gegenüber Banken oder Effektenhändlern, sofern diese einer anerkannten Aufsicht unterliegen.
II.
Institutionelle Rahmenbedingungen der Bankenregulierung
1.
Historie der aufsichtlichen Eigenmittelregulierung
Im Juli 1982 wurde die grösste italienische Privatbank, die BANCO AMBROSIANO, von den Behörden geschlossen. Die Bank stand wegen nicht zurückgezahlter Auslandsdarlehen im Betrag von rund einer Milliarde USD am Rande des Zusammenbruchs. Den italienischen Behörden gelang es jedoch, die Gelder heimischer Einleger zu sichern. Allerdings weigerten sie sich, dasselbe für die Kunden der luxemburgischen Tochtergesellschaft zu tun, über welche die Bank ihre Euromarktaktivitäten abgewickelt hatte. Dies mit der Begründung, die Tochtergesellschaft sei aus technischer Sicht weder eine Bank noch vollständig im Besitz der Muttergesellschaft (vgl. DALE 1984, S. 163). Für nicht zuständig erklärten sich auch die luxem128
burgischen Aufsichtsbehörden, welche die italienische Zentralbank dafür verantwortlich hielten, die Euromarkt-Gläubiger – 88 Banken mit einem Forderungsbetrag von insgesamt 450 Mio. USD – zu befriedigen. Keine Zentralbank hatte jedoch Anreize, als „lender of last resort“ aufzutreten, wenn ein Bankenzusammenbruch nicht das Finanzsystem des eigenen Landes tangierte, weshalb Italien das Ansinnen zurückwies. In der Folge stiegen die Zinsen weltweit, was kleineren Banken die Refinanzierung erschwerte. Das war ein erster Hinweis darauf, welche Konsequenzen ein Bankenzusammenbruch in einem zunehmend globalisierten Finanzsystem nach sich ziehen könnte, in dem international gültige Regulierungsnormen fehlten. Erschwerend kam hinzu, dass Mexiko einen Monat später ein Zahlungsmoratorium erklärte und die Zinszahlungen einstellte. Dies weckte die Besorgnis, die ganze Region sei nicht ausreichend solvent, was zur Folge hatte, dass in den folgenden 18 Monaten überhaupt keine Kredite mehr in diese Region vergeben wurden. Da die Hälfte der Bankenforderungen an Länder der Dritten Welt von Nicht-US-Banken stammte, entwickelte sich die Verschuldungskrise zu einem Problem internationalen Ausmasses. Zwar erlaubte ein kurzfristiges Krisenmanagement des INTERNATIONALEN WÄHRUNGSFONDS (IWF) in Form von Zuschüssen, Umschuldungen sowie bi- und multilateralen Vereinbarungen zwischen Entwicklungsund Industrieländern eine Beruhigung der Lage. Dennoch wuchs nach dieser Krise international das Interesse an einem verstärkten und international abgestimmten regulativen Sicherheitsnetz, weil sich die Einsicht durchsetzte, dass solche Krisen des internationalen Zahlungsverkehrs zweierlei Bedrohungen in sich bargen. Zum einen wird aufgrund des verringerten Handels zwischen Industrie- und Entwicklungsländern die Weltwirtschaft geschwächt. Zum anderen können Banken, die über zu wenig Eigenmittel verfügen, um solche Kreditverluste zu absorbieren, in die Insolvenz getrieben werden. Das kann wiederum zu einem Banken-Run mit all seinen Konsequenzen führen (vgl. LÜTZ 1998, S. 8 f.). In der Folge wurden in den USA Strategien entwickelt, mit denen solchen Krisen begegnet werden sollte. Als Instrumente einer langfristigen Stabilisierung galten die weltweite politische und ökonomische Liberalisierung sowie eine Stärkung der international tätigen Geschäftsbanken. So wurde zunächst der BASLER AUSSCHUSS FÜR BANKENAUFSICHT damit beauftragt, die Entwicklung der Kapitalisierung der grossen, international tätigen Banken zu untersuchen. Der BASLER AUSSCHUSS wurde 1974 nach dem Zusammenbruch des deutschen Bankhauses HERSTATT und der Probleme der amerikanischen FRANKLIN BANK auf Initiative der G-10 Staaten gegründet. Seinen Sitz hat der BASLER AUSSCHUSS bei der BANK FÜR INTERNATIONALEN ZAHLUNGSAUSGLEICH (BIZ) in Basel, die auch das Sekretariat stellt. Das Ziel besteht zum einen darin, die Kooperation zwischen den Bankenaufsichtsbehörden zu verbessern. Zum anderen geht es darum, mögliche Lücken und Fehlentwicklungen in der Überwachung des internationalen Finanzsystems frühzeitig zu erkennen und durch die Aufstellung allgemeiner Grundsätze Anregungen für eine wirkungsvolle Änderung nationaler Bankenaufsichtsnormen zu geben (vgl. DEUTSCHE BUNDESBANK 1992). Das Gremium besteht derzeit aus Vertretern von Aufsichtsbehörden und Zentralbanken aus Belgien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Luxemburg, den Niederlanden, Spanien, Schweden, der Schweiz, Grossbritannien und den USA, die sich viermal jährlich in Basel treffen. Im weiteren bestehen über dreissig Arbeitsgruppen und Task Forces, die den regelmässigen Austausch pflegen. 129
Zwar verfügt der BASLER AUSSCHUSS nicht direkt über Rechtsetzungs- oder gar Strafkompetenzen. Seine Empfehlungen dienen jedoch den beteiligten Staaten wie auch für viele andere als Leitlinien, nach denen die nationalen Aufsichtsregelungen gestaltet werden. Eine Erkenntnis des BASLER AUSSCHUSSES war, dass die zu der Zeit geltenden Eigenmittelvorschriften international sehr stark differierten, ebenso wie die Rechnungslegungsvorschriften. Während in den USA beispielsweise ein fixer Solvabilitätskoeffizient in Höhe von 5,5 % für alle Geschäfte – ungeachtet ihres Risikogehalts – galt, verwendeten Grossbritannien, Belgien und Frankreich bereits ein etwas sophistizierteres System, in dem risikoreichere Geschäfte stärker gewichtet wurden als risikoärmere. Von einem einheitlichen System konnte aber auch in Europa nicht gesprochen werden. Im Unterschied zu anderen Ländern, in denen gesetzliche Regelungen die Norm waren, trafen sich beispielsweise in Grossbritannien Repräsentanten der Bank of England jeweils bilateral und informell mit Vertretern der einzelnen Geschäftsbanken, um die Kapitalanforderung im Einzelfall auszuhandeln. Eine weitere, äusserst beunruhigende Erkenntnis bestand darin, dass das Volumen der ausserbilanziellen Geschäfte, mit denen die Kapitalanforderungen umgangen werden sollten, bei manchen Banken ein Mehrfaches des Volumens der Kredite an Entwicklungsländer betrug (vgl. BIS 1986 und KAPSTEIN 1992). So wurde auch festgestellt, dass die Eigenkapitaldecke der international tätigen Banken über die Jahre stetig dünner wurde. Zum Untersuchungszeitpunkt war die Eigenkapitalquote amerikanischer Banken auf ein Nachkriegstief von 4,5 % gefallen, in Frankreich betrug sie gerade einmal 2 %. Allgemeiner Konsens war, dass dies angesichts der drohenden Krisen völlig inadäquat und die Einigung auf gemeinsame, international geltende Regelungen nötig sei. Gleichwohl verhinderten unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie ein Standard zu gestalten sei, eine Einigung. Differenzen herrschten vor allem bei den Fragen, ob ein eher statischer oder ein risikobasierter Ansatz gewählt werden sollte, ob auch nachrangige Schuldverschreibungen als Kapitalbestandteile berücksichtigt werden müssten oder ob nicht eventuell doch ein internationales Einlagensicherungssystem mit risikobasierten Prämien die bessere Lösung sei. Verteilungskonflikte behinderten also eine kooperative Lösung, weil jeder Staat die Kosten einer Anpassung zu verringern suchte (vgl. LÜTZ 1998, S. 10). Dass dieser Konflikt letztlich doch noch politisch geregelt werden konnte, lag darin begründet, dass die USA ihre kompromisslose Haltung bezüglich der Gestaltung der Kapitalstandards aufgaben. Ursächlich für diesen Sinneswandel war unter anderem der Umstand, dass im Jahre 1984 die achtgrösste Bank des Landes, die CONTINENTAL ILLINOIS, dem Zusammenbruch nur dank einer massiven Kapitalspritze seitens der Zentralbank, des FED, entgangen war. Die Unzulänglichkeiten des eigenen Regulierungsmodells wurden nun offensichtlich und es ging vor allem dem FED nun darum, gegenüber den eigenen Banken den Eindruck zu vermeiden, man rette jedes Kreditinstitut, unabhängig davon, wie schlecht dessen Management oder wie gross der Risikogehalt des Kreditportfolios sei (vgl. COHEN 1986, S. 295). Dennoch waren die USA nicht bereit, sich im Rahmen einer multilateralen Einigung jedem Kompromiss zu unterwerfen. Auch sträubten sich die Europäer, die Federführung für eine solche Einigung dem BASLER AUSSCHUSS zu überlassen, denn sie planten eine Harmonisierung im Rahmen des europäischen Einigungsprozesses. Nach längeren Diskussionsphasen nahm schliesslich das FED Gespräche mit der BANK OF ENGLAND auf, um die Chancen für eine bilaterale Einigung auszuloten. Diese standen sehr 130
gut, da Grossbritannien den Brüsseler Harmonisierungsbestrebungen eher skeptisch gegenüberstand. Die Intention war, dass eine amerikanisch-britische Einigung, die die Standards an zwei der wichtigsten Finanzplätze der Welt – New York und London – vereinheitlichen würde, eine Signalwirkung auf andere Staaten ausübte, welcher sich diese nicht widersetzen könnten. Diese Strategie war schliesslich zielführend. Im Januar 1987 verkündeten London und Washington eine bilaterale Vereinbarung, den sogenannten „Transatlantischen Deal“. Die Furcht davor, ihre Banken dürften keine Geschäfte in London und New York mehr tätigen, sollten sie diese Standards nicht erfüllen, führte die anderen Länder dazu, die Verhandlungen unter Federführung des BASLER AUSSCHUSSES wieder aufzunehmen. Nach fast einjähriger Arbeit zur Klärung strittiger Punkte und Detailfragen konnten sich schliesslich die Komiteemitglieder im Dezember 1987 auf detaillierte Formeln zur Kategorisierung und Gewichtung von Risiken sowie zur Definition der anrechenbaren Eigenmittel verständigen. „Basel I“ war geboren. Insgesamt konnte die Übereinkunft allerdings nicht als von Grossbritannien und den USA vollständig diktiert angesehen werden, da bei der Klärung der strittigen Punkte auch Modifikationen zugunsten kontinentaleuropäischer und japanischer Präferenzen vorgenommen wurden. Das Gerücht eines angelsächsischen Diktats wurde jedoch von einzelnen Zentralbanken kolportiert, um den teilweise heftigen Widerständen der Geschäftsbanken und der um ihren Einfluss bangenden Politiker in den eigenen Ländern die Spitze zu brechen (vgl. KAPSTEIN 1992, S. 278 ff.). Trotz dieses Durchbruchs bestand für die Aufsichtsbehörden kein – oder zumindest nur kurzfristig – Grund zur Entwarnung. Denn vor allem zwei Entwicklungen führten seit Mitte der achtziger Jahre zu neuen Bedrohungen der Stabilität des internationalen Finanzsystems. Zum einen begünstigte der zunehmende Abbau von Geschäftsbeschränkungen und Kapitalverkehrskontrollen sowie der Technologieschub im Bereich der Informationstechnik immer stärker eine territoriale Ausweitung der wirtschaftlichen Aktivitäten. Zum anderen war aber auch ein struktureller Wandel des internationalen Finanzsystems, verbunden mit der Entstehung qualitativ neuer Finanzierungsformen, zu beobachten. Im Kern ging es dabei um die schrittweise Aufwertung des Handels mit Wertpapieren (Investment Banking) gegenüber dem klassischen Kreditgeschäft. Während 1987 international Bankkredite im Wert von ca. 280 Mrd. USD vergeben und Wertpapiere im Wert von ca. 100 Mrd. USD emittiert wurden, stieg das Volumen der Bankkredite bis 1996 auf ca. 400 Mrd. USD, während sich das Volumen der emittierten Wertpapiere auf ca. 550 Mrd. USD mehr als verfünffachte. Diese Entwicklung bildete die Grundlage für immer neue und komplexere Finanzinnovationen und ihren globalen Handel. Allen voran ist hier das Derivatgeschäft zu nennen, das zunehmend auch ausserhalb der geregelten Börsen betrieben wurde. Dies wiederum hatte zur Folge, dass der individuellen Ausgestaltung der einzelnen Produkte keine Grenzen gesetzt waren, was zu einer grossen Vielfalt, aber auch Komplexität der möglichen Arten von Transaktionen zwischen Kreditnehmern und -gebern führte. Im Kontext der Bankenregulierung ist von Bedeutung, dass die Substitution der klassischen Gläubiger-Schuldner-Beziehung durch marktgängige Arten der Finanzierung eine neue Qualität von Finanzrisiken mit sich brachte. So entging im Jahr 1990 die deutsche DG BANK nur knapp dem Konkurs, im Jahr 1994 musste ORANGE COUNTY den Vergleich anmelden und 1995 brach das britische Bankhaus BARINGS zusammen. Quelle aller Krisen waren Fehlspekulationen einzelner Mitarbeiter im Handelsgeschäft (vgl. hierzu und im weiteren LÜTZ 1998, S. 16 ff.).
131
Durch die Kombination von Produktevielfalt, Hebelwirkungen bei Derivatgeschäften und Variationen marktlicher Steuerungsparameter wie Volatiliäten und Korrelationen mutierte das Risikomanagement zu einer höchst komplexen Aufgabe. Während das Risiko des klassischen Kreditgeschäftes im möglichen Ausfall eines Schuldners oder in der Missachtung von Vertragsbedingungen nur in der Kreditbeziehung selbst begründet lag und sich solche relationalen Risiken noch auf Basis von Reputation oder persönlichem Bekanntheitsgrad kalkulieren und absichern liessen, versagte jetzt das „Gefühl für Risiko“, da die Verluste und ihre Ursachen nicht mehr in linearen Beziehungen zueinander standen. Im weiteren zeigte sich anhand der geschilderten Krisenfälle aber auch, dass der Informationsvorsprung des „front office“ gegenüber dem „back office“ und auch der Geschäftsleitung zum Problem werden kann. Häufig verfügt nur der Händler über ein Verständnis der hochgradig differenzierten Produktvariationen. Auch ist er Teil einer global vernetzten Handelsgemeinschaft, die ein „centre of the universe“-Syndrom pflegt, das sie gegenüber ihren Arbeitgebern häufig autonomisiert. Mehr denn je schien nun das Verständnis der komplexen Geschäfte und die Kontrolle des Innenlebens einer Bank zum zentralen Bestandteil des Risikomanagements zu werden (vgl. ROTBERG 1992, S. 17). Schliesslich produzierte das Aufkommen dieser neuen Instrumente auch eine neue Qualität von Systemrisiken. Direkter als im herkömmlichen Kreditgeschäft waren nun auch Unternehmen anderer Branchen sowie staatliche Körperschaften von den Risiken des Derivatgeschäfts betroffen, was die Krisenanfälligkeit des gesamten Finanzsystems erhöhte. In diesem Kontext schien die Gemeinschaft der Bankenregulatoren damit überfordert zu sein, sichere Standards der Risikobegrenzung zu verhandeln, war hier doch ein Wissen erforderlich, das der Staat allein nicht generieren konnte. Dies rief prompt die Banken auf den Plan, welche die staatliche Wissenslücke dazu ausnutzten, vermehrt auf Selbstregulierung zu drängen. So waren es denn auch Repräsentanten zweier Selbsthilfeorganisationen der Kreditwirtschaft, die GROUP OF THIRTY (G 30) respektive das INSTITUTE OF INTERNATIONAL FINANCE (IIF), welche die entscheidenden Elemente eines neuen, eher qualitativen Ansatzes der Risikoregulierung in die Diskussion brachten: Banken sollten die Möglichkeit erhalten, die zur Absicherung von Handelsgeschäften erforderlichen Eigenmittel auf Basis eigener Modelle zu berechnen. Schliesslich wurde sogar angeregt, die Kompetenz zur Bankenregulierung einem „Standing Committee“ aus Vertretern der wichtigsten international tätigen Banken und einigen Aufsehern zu übertragen. Zustimmung auf Seiten der Aufsichtsbehörde fand allerdings nur der erste Vorstoss, die Privatisierung der Risikomessung. Die Entscheidung über die angemessene Absicherung von Finanzrisiken sei jedoch eine politische, die sich die Staatengemeinschaft selbst vorbehalte (vgl. CROCKET 1997, S. 8). Aus diesem Grund ergänzte der BASLER AUSSCHUSS den internen Modellansatz durch Mindestanforderungen an die Prognosegüte der Modelle und durch zusätzliche Auflagen. Im Jahre 1996 verabschiedete der BASLER AUSSCHUSS schliesslich eine Ergänzung zur Eigenmittelübereinkunft von 1988, in dem die Berechnung der Eigenmittelanforderungen für Marktrisiken geregelt wurde. Eingang in diese Übereinkunft fand der durch aufsichtliche Auflagen erweiterte interne Modellansatz für Marktrisiken, ein Standardansatz zur Berechnung der Marktrisiko-Eigenmittelanforderungen für kleinere Banken sowie qualitative Forderungen an klare Verantwortlichkeiten im bankinternen Risikomanagement. Der neue Akkord 132
(Basel II) ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sich die Mindesteigenmittelanforderungen für Kreditrisiken stärker in Richtung Risikoorientierung und Risikoadäquanz bewegen und erstmals auch operationelle Risiken mit angemessenen Eigenmitteln abgedeckt werden müssen. Mit dem bankgeschäftlichen Überprüfungsprozess und den Offenlegungsstandards wurden zwei neue, qualitativ ausgerichtete Säulen eingeführt.
2.
Organisation der Bankenaufsicht in Deutschland und in der Schweiz
a)
Gesetzliche Grundlagen
In Deutschland stellte die schwere Bankenkrise von 1931 das auslösende Ereignis dafür dar, die Bankentätigkeit gesetzlich zu regeln. Dies mündete im Erlass des Kreditwesengesetzes (KWG) im Jahre 1934. In der Folgezeit wurde das KWG wiederholt geändert und Anfang der 60er Jahre grundlegend revidiert (WASCHBUSCH 2000). Seither werden tiefergehende Eingriffe in das geltende Aufsichtsrecht in eigenen Änderungsgesetzen, den sogenannten „KWGNovellen“, kodifiziert. Die jüngste KWG-Novelle – die sechste – datiert aus dem Jahr 1997 und befindet sich in Überarbeitung. Die siebte Novelle wird in ihrer endgültigen Fassung ab 01. November 2007 gelten. Das KWG schafft damit die Rechtsgrundlage zur nationalen Umsetzung von Basel II. Allerdings kann Deutschland im Bereich des Bankenaufsichtsrechts nicht autonom walten. Vielmehr sind die entsprechenden Richtlinien der EU umzusetzen, die wiederum die Schaffung eines integrierten europäischen Finanzraums anstrebt (vgl. WASCHBUSCH 2000).
Basierend auf den Vorschlägen des BASLER AUSSCHUSSES begann Ende der 80er Jahre die Europäische Union (EU) in Zusammenarbeit mit ihren Mitgliedsländern Richtlinien zu erarbeiten, die eine aufsichtlich einheitliche Handhabung der Gegenpartei- und Marktrisiken unter Berücksichtigung der verschiedenen länderspezifischen Gegebenheiten ermöglichen sollte. Die Notwendigkeit der Schaffung solcher Regelungen erwuchs aus der zum 1. Januar 1993 verbindlich gewordenen 2. Bankrechtskoordinierungsrichtlinie, die eine EU-weite Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit (sogenannter „Europapass“) für Finanzinstitute nach dem Herkunftslandprinzip regelt. Nach dieser Richtlinie unterstehen Institute, die in einem anderen Mitgliedsland der EU Bankgeschäfte betreiben wollen, nur der Aufsicht ihres Heimatlandes. Die Bestrebungen führten schließlich zur Verabschiedung der EUEigenmittelrichtlinie, der EU-Solvabilitätsrichtlinie, der EU-Großkreditrichtlinie und einige Jahre später der EU-Kapitaladäquanzrichtlinie (KAD). Während die Solvabilitätsrichtlinie die Unterlegung des Gegenparteirisikos mit den in der Eigenmittelrichtlinie festgelegten eigenen Mitteln regelt, begrenzt die Großkreditrichtlinie mit den sogenannten Klumpenrisiken einen weiteren Teil des Gegenparteirisikos. Mit der Kapitaladäquanzrichtlinie werden Mindestanforderungen an die Eigenmittel speziell für die Risikobereiche festgelegt, die sich aus dem Handelsbuch ergeben. Angesprochen sind hier sämtliche Finanzinstrumente, wie Wertpapiere (inkl. Aktien) und Devisen sowie alle daraus abgeleiteten Derivate, d.h. Futures, Options, FRAs, Swaps, etc. Zu den von der KAD erfassten Risikobereichen zählen neben dem sogenannten Positionsrisiko (Zinsänderungs- und Aktienkursrisiko) auch das Fremdwährungs-, Abwicklungs-, und Adressenausfallrisiko (SCHULTE-MATTLER 1992; BOOS/HÖFER 1995a). 133
Da die in der Eigenmittel- und Solvabilitätsrichtlinie verabschiedeten Vorschriften grundsätzlich nur für Finanzinstitute gelten, wurden mit der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie („Europapass“ für rechtlich selbständige Wertpapierhäuser) und der bereits angesprochenen Kapitaladäquanzrichtlinie zwei Regelungsbereiche für Wertpapierfirmen geschaffen. Wegen ihres engen inhaltlichen Zusammenhangs sind beide Richtlinien gemeinsam in nationales Recht umzusetzen. Entsprechend ist für alle Finanzinstitute und Wertpapierfirmen, die Wertpapierhandelsgeschäfte betreiben, die Kapitaladäquanzrichtlinie maßgeblich. Für alle sonstigen Bankgeschäfte bildet die Solvabilitätsrichtlinie die Grundlage (GRÖSCHEL 1992). Die erwähnten EU-Richtlinien sind in den vergangenen Jahren in wichtigen Punkten mehrfach geändert und ergänzt worden. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und der Klarheit empfahl es sich deshalb, diese Richtlinien zu kodifizieren und – mit Ausnahme der KAD – zu einem einzigen Text zusammenzufassen. Dies geschah mit der Verabschiedung der EUBankrechtsrichtlinie, die im Juni 2000 in Kraft trat. Im Rahmen der 4., 5. und 6. Novelle des deutschen Kreditwesengesetzes (KWG) bzw. im Rahmen der Novellierung des Grundsatzes I des damaligen Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen (BAKred) wurden die Eigenmittel-, die Solvabilitäts-, die Großkreditrichtlinie und die KAD vollständig in deutsches Recht überführt. Im Rahmen einer Überarbeitung des KWG wurde der Grundsatz I durch die Solvabilitätsverordnung ersetzt. Für ausgesuchte Teilbereiche der Kreditbranche bestehen daneben weitere gesetzliche Vorgaben mit bankenaufsichtlicher Relevanz, so etwa das Hypothekenbankgesetz, das Bausparkassengesetz oder das Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften. In den Bundesländern bestehen daneben Sparkassengesetze und -verordnungen, welche die Aufsicht über die Sparkassen regeln. Verfassungsmäßige Grundlage jeglicher Gesetzgebung im Bereich der Banken und Versicherungen stellt in der Schweiz Art. 98 der Bundesverfassung dar. Dieser besagt, dass der Bund Vorschriften über das Banken- und Börsen- sowie das Privatversicherungswesen erlässt, wobei er dabei der besonderen Aufgabe und Stellung der Kantonalbanken Rechnung trägt. Außerdem kann er Vorschriften über Finanzdienstleistungen in anderen Bereichen erlassen. Die Grundsätze der schweizerischen Bankenaufsicht finden sich im Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, BankG) von 1934, welches – wie das deutsche KWG – als Reaktion auf die Bankenkrise von 1931 erlassen wurde. Das BankG verfolgt einen doppelten Zweck: Schutz der Banken sowie der Bankkunden und die Wahrung der volkswirtschaftlichen Interessen. Inzwischen wurde dieses mehrfach revidiert. Als bedeutend werden dabei die Revisionen von 1971 und 1994 angesehen. Während 1971 der Geltungsbereich des Bankengesetzes durch die Unterstellung der nicht bankähnlichen Finanzgesellschaften ausgeweitet und die Gründungsvoraussetzungen sowie die Interventionsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden verschärft wurden, erfolgte 1994 die Anpassung der schweizerischen Normen an die Vereinbarung des BASLER AUSSCHUSSES. Der Gesetzgeber hat sich dabei nie der Illusion hingegeben, dass das Bankengesetz Bankkrisen in jedem Fall verhindern könne. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass dessen Bestimmungen das Bankwesen in der Schweiz bis heute vor schweren Erschütterungen bewahren konnte (EMCH/RENZ/BÖSCH 2004).
134
Die wesentlichen technischen Normen finden sich in der Verordnung über die Banken und Sparkassen (Bankenverordnung, BankV) und in der Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler (Eigenmittelverordnung, ERV), wo heute die Schaffung von Transparenz und die Risikoerfassung im Vordergrund der Bemühungen stehen (NOBEL 2004). Die vom BASLER AUSSCHUSS und der EU erarbeiteten Regelungsbereiche hatten weitreichende Auswirkungen auch auf Länder, die nicht zum Mitgliederkreis der EU gehören. Die Schweiz sah sich nicht zuletzt zur Stärkung der Konkurrenzfähigkeit ihrer Banken veranlasst, ihre Eigenmittelvorschriften einer Totalrevision zu unterziehen, um sich den internationalen Standards anzupassen. Die 1995 in Kraft getretenen Bestimmungen der Bankenverordnung setzten in einem ersten Schritt neue Regelungen hauptsächlich zur Unterlegung des Gegenparteirisikos um. Die komplexere Unterlegung des Marktrisikos wurde in einem zweiten Schritt 1997 geregelt. Zur Umsetzung von Basel II in schweizerisches Recht erfolgte keine Änderung des Bankengesetzes. Die Umsetzung der neuen Eigenmittelverordnung erfolgte stattdessen über eine eigenständige Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler (Eigenmittelverordnung, ERV).
b)
Träger der Bankenaufsicht
Das institutionelle Kernstück der allgemeinen staatlichen Bankenaufsicht in Deutschland ist die per 1. Mai 2002 gegründete Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Diese ging aus der Zusammenführung der Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen, das Versicherungswesen und den Wertpapierhandel hervor, deren Tätigkeit in den Paragraphen 5 bis 9 des KWG geregelt ist. Die BaFin ist eine rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Sie hat ihre Dienstsitze in Bonn und Frankfurt am Main und beschäftigt rund 1.000 Mitarbeiter. Die BaFin beaufsichtigt etwa 2.100 Kreditinstitute, 800 Finanzdienstleistungsinstitute und über 1.500 Versicherungsunternehmen und Pensinsfonds. Unterstützt wird sie durch die Deutsche Bundesbank, deren Mitwirkungspflicht ebenfalls im KWG geregelt ist. Die Aufgabenteilung wurde wie folgt festgelegt (vgl. WASCHBUSCH 2000): •
Die hoheitlichen Befugnisse gegenüber den einzelnen Instituten wie beispielsweise der Erlass von Verwaltungsakten liegen grundsätzlich bei der BaFin.
•
Soweit die BaFin allgemeine aufsichtliche Regelungen für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute treffen will, hat sie sich mit der Deutschen Bundesbank abzustimmen.
•
Bei der Durchführung der praktischen Bankenaufsicht, d.h. der laufenden Beobachtung der inneren Struktur der Institute wird die BaFin durch die Deutsche Bundesbank maßgebend unterstützt. Die Bundesbank übernimmt mit ihren Landeszentralbanken und Zweiganstalten die routinemäßige Überwachung des Kredit- und Finanzdienstleistungsgewerbes anhand der von den Instituten bei ihr einzureichenden Unterlagen. Diese werden von der Bundesbank ausgewertet und, falls aus aufsichtlichen Gesichtspunkten nötig, zusammen mit einer Stellungnahme an die BaFin weitergeleitet. Diese kann sich somit auf die Kontrolle derjenigen Institute konzentrieren, bei denen Mängel oder bedenkliche Entwicklungen festgestellt worden sind.
135
Ein weiterer wichtiger Träger der Bankenaufsicht sind die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Diesen obliegt unter anderem die Prüfung der handelsrechtlichen Rechnungslegung von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten einerseits sowie die Prüfung des Depotgeschäfts der Kreditinstitute andererseits (vgl. WASCHBUSCH 2000). In der Schweiz obliegt der Eidgenössischen Bankenkommission (EBK) die Aufsicht über das Bankwesen. Im Gegensatz zu Deutschland, das eine eigene Aufsichtsbehörde für den Wertpapierhandel kennt, übernimmt die EBK aber auch die Aufsicht über das Börsenwesen. Neben die Institutsaufsicht tritt hier in bemerkenswerter Weise eine Marktaufsicht (vgl. NOBEL 2004). Ein weiterer wesentlicher Unterschied zu Deutschland stellt die Tatsache dar, dass die EBK dem Eidgenössischen Finanzdepartement zwar administrativ zugeordnet ist, jedoch weisungsungebunden agiert. Dagegen ist das deutsche Finanzministerium jederzeit dazu berechtigt, allgemeine oder spezielle fachliche Weisungen an die BaFin zu erteilen (vgl. REISCHAUER/KLEINHANS 1963).
Das schweizerische Aufsichtssystem beruht grundsätzlich auf der Aufgabenteilung zwischen der EBK als staatlicher Aufsichtsbehörde einerseits und privaten, von der EBK für die Revision anerkannten Revisionsgesellschaften (= Wirtschaftsprüfungsgesellschaften) andererseits, womit – anders als in Deutschland – die Zwischenschaltung der Zentralbank entfällt. Neben der Prüfung der Jahresrechnung nach Form und Inhalt hat die Revisionsstelle auch zu prüfen, ob die Bank oder der Effektenhändler Statuten und Reglemente sowie die Vorschriften der Bankengesetzgebung, die Weisungen der EBK und aufsichtlich relevante Standesregeln einhält. Die Bedeutung des Revisionsberichtes belegt auch die Aussage, dass dieser so zu gestalten ist, dass er den Anspruch erfüllen kann, wichtigstes Aufsichtsinstrument für die EBK zu sein (vgl. EIDGENÖSSISCHE BANKENKOMMISSION 1999). In der Schweiz wurde bereits beim Erlass des Börsen- und Effektenhandelsgesetzes 1995 die Börsenaufsicht der EBK übertragen. Schließlich wurde 2006 von der Bundesverfassung beschlossen, die Eidgenössische Bankenkommision (EBK), das Bundesamt für Privatversicherungen (BPV) und die Kontrollstelle für Geldwäscherei (Kst GwG) in die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMAG) zu integrieren (vgl. EIDGENÖSSISCHE FINANZMARKTAUFSICHT 2006).
c)
Prozesse der Bankenaufsicht
In Deutschland werden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Paragraph 6 des Kreditwesengesetzes zwei verschiedene Aufgabenbereiche zugewiesen:
•
die Beaufsichtigung der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute nach den Vorschriften des KWG, was sich auf das Verhalten der einzelnen Institute bezieht, sowie
•
das Einschreiten gegen bestimmte Misstände im Kredit- und Finanzdienstleistungswesen als Gesamtes.
Das Instrumentarium der deutschen Bankenaufsicht zur Erfüllung dieser beiden Aufgaben lässt sich grundsätzlich in die folgenden vier sachlichen Maßnahmenbereiche einteilen (vgl. WASCHBUSCH 2000): 136
1.
Maßnahmen im Zusammenhang mit der Errichtung eines Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituts: Dabei geht es um die Erteilung der notwendigen Bewilligungen und die Prüfung, ob die hierfür vorgeschriebenen Anforderungen erfüllt sind.
2.
Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Ordnungsrahmen der laufenden geschäftlichen Tätigkeit von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten: Die diesbezüglichen Normen sind darauf ausgerichtet, dass die Institute Mindeststandards für ein ordnungsgemäßes und risikobewusstes Geschäftsgebahren einhalten (vgl. ARTOPOEUS 1994).
3.
Maßnahmen betreffend die Informationsgewinnungswege der BaFin und der Deutschen Bundesbank: Hier interessiert, welche Mitteilungspflichten den Instituten und ihren Prüfern auferlegt werden.
4.
Maßnahmen betreffend der Eingriffsrechte der BaFin: Relevant ist an dieser Stelle, wann und wie die zwangsweise Durchsetzung aufsichtlicher Gebote und Verbote sowie die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten vonstatten gehen soll.
Vor allem Punkt 2 bedarf einer etwas eingehenderen Betrachtung. Hier geht es erstens um die Rahmenvorschriften für die innere Struktur der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, zweitens um die Rahmenvorschriften für die Gestaltung und Durchführung des Kreditgeschäftes, drittens um die Rahmenvorschriften für das Betreiben von Handelsgeschäften und viertens um die Rahmenvorschriften über das Eingehen von bedeutenden Beteiligungen. Bezüglich der „inneren Struktur“ der Institute – wobei es vor allem um Normen zur angemessenen Eigenmittelausstattung sowie zur Begrenzung von Liquiditätsrisiken geht – verzichtet das KWG aus Gründen der Flexibilität auf abschliessende gesetzliche Regelungen, im Gegensatz zu den Normen über die Risikoverteilung. Vielmehr wird die nähere inhaltliche Ausgestaltung an die BaFin delegiert, die mit dem Erlass des Grundsatzes I über die Eigenmittel der Institute sowie des Grundsatzes II über die Liquidität der Institute diesem Auftrag nachkommt (vgl. WASCHBUSCH 2000). Die Grundsätze I und II werden im Rahmen der nationalen Umsetzung von Basel II in Deutschland durch die Solvabilitätsverordnung bzw. durch die Liquiditätsverordnung ersetzt. Während 2007 die Grundsätze I und II und die Verordnungen parallel Anwendung finden, besitzen die Grundsätze I und II ab 2008 keine Gültigkeit mehr. Grundsätzlich lassen sich die für Deutschland genannten Aufgaben- und Maßnahmenbereiche auch auf die Schweiz übertragen. Der rechtliche Rahmen zur Beurteilung der Angemessenheit der Eigenmittel stellen die Bankenverordnung (BankV) dar. Zur Umsetzung von Basel II wird der BankV ab 2007 die Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler (ERV) zur Seite gestellt. Dazu werden Vorschriften zum Eigenmittelbegriff und zur Risikoverteilung aus der BankV herausgelöst und in die ERV übertragen. Im Bereich der Überprüfung der laufenden geschäftlichen Tätigkeit von Banken und Finanzdienstleistern kommt den angesprochenen Normen zur Eigenmittelausstattung, zur Liquidität und zur Risikoverteilung eine zentrale Rolle zu. Aus diesem Grund werden diese im Folgenden näher betrachtet. Abbildung 73 stellt dar, an welcher Stelle diese Problemkomplexe behandelt werden.
137
Deutschland
Schweiz
Gegenparteirisiko • Definition der Eigenmittel
§§ 10/10a Kreditwesengesetz
Art. 13-32 Eigenmittelverordnung
• Ausfallrisiko
Grundsatz I BaFin; §§ 8 – 268 Solvabilitätsverordnung
Art. 33-67 Eigenmittelverordnung
• Klumpenrisiko
§§ 13/13a/13b/14 Kreditwesengesetz; Groȕkredit- und Millionenkreditverordnung
Art. 83-123 Eigenmittelverordnung
Marktrisiko
§ 10 Kreditwesengesetz; Grundsatz I BaFin; §§ 294 – 312 Solvabilitätsverordnung
Art. 68-76 Eigenmittelverordnung
Liquiditätsrisiko
§ 11 Kreditwesengesetz; Grundsatz II BaFin; Liquiditätsverordnung
Art. 15-20 Bankenverordnung
Operationelle Risiken
§§ 269 – 293 Solvabilitätsverordnung
Art. 77-82 Eigenmittelverordnung
Abb. 73: Bankaufsichtliche Risikonormen ab 2007 im Überblick
III. Materielle Ausgestaltung aufsichtlicher Eigenkapitalnormen 1.
Identifikation unterlegungspflichtiger Risiken
Seit Ende des Jahres 1997 müssen Banken neben ihren Kreditrisiken auch ihre Marktrisiken messen und auf weltweit konsolidierter Basis mit Eigenmitteln unterlegen (BASLER AUSSCHUSS 1996a; SCHULTE-MATTLER 1996a). Mit der Einführung von Basel II sind schließlich auch operationelle Risiken zu unterlegen (vgl. S. 487 ff). Der BASLER AUSSCHUSS unterscheidet somit vier separat zu unterlegende Risikokategorien: das Ausfallrisiko, das operationelle Risiko, das spezifische Risiko und das allgemeine Marktrisiko. Grundsätzlich folgt die Berechnung der Eigenmittelunterlegung dem sogenannten Building Block Approach, d.h. Markt-, Gegenpartei- und operationelle Risiken werden konsequent getrennt. Allerdings wird beim Marktrisiko lediglich im Handelsbestand („Trading Book“) ein allgemeines Marktrisiko und ein spezifisches Risiko unterschieden. Zum Handelsbestand zählen Positionen in Finanzinstrumenten und Waren, welche •
die Bank entweder gezielt für den kurzfristigen Wiederverkauf eingeht bzw. hält, um Arbitrage betreiben zu können,
•
durch „matched principal brokering“ respektive durch „market making“ zustande kommen, d.h. durch die Vermittlung übereinstimmender Positionen oder durch Bereitstellung von Liquidität oder
138
•
zur Absicherung anderer Handelsbuchpositionen bzw. einer Gruppe von Handelsbuchpositionen dienen (BASLER AUSSCHUSS 2004).
Im Folgenden wird nun die Abgrenzung zwischen Markt- und Gegenparteirisiken näher betrachtet. Mit dem spezifischen Risiko wird – unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Long- oder Short-Position handelt – dem Risiko Rechnung getragen, dass sich das Kursverhalten eines spezifischen Papiers gegenüber dem Gesamtmarkt verändert. Verschlechtert sich die Bonität eines Wertpapieremittenten, so sinkt, infolge der höheren geforderten Risikoprämie, prinzipiell auch der Wertpapierkurs. Entsprechend steigt dieser, wenn sich die Bonität des Emittenten verbessert. Demzufolge sieht sich eine Bank dem Risiko ausgesetzt, dass sie negative Wertveränderungen hinnehmen muss, wenn sich die Emittentenbonität bei einer „Long“-Position verschlechtert respektive bei einer „Short“-Position verbessert. Das allgemeine Marktrisiko ist demgegenüber definiert als das Risiko von Verlusten aus bilanziellen und außerbilanziellen Positionen aufgrund von Veränderungen der entsprechenden Marktpreise, die nicht auf einzelne Emittenten beschränkt sind, sondern den Gesamtmarkt betreffen. Abbildung 74 veranschaulicht, dass diesem Risiko alle Positionen mit Ausnahme von Kreditrisikopositionen ausgesetzt sind. Diese werden auf keinem Markt gehandelt und unterliegen ausschließlich dem bereits bekannten Ausfallrisiko.
x
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x
Devisen
Aktien
Fwds Futures, Swaps
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Fwds Futures, Swaps
x x
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Fwds Futures, Swaps
x x
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x
(e) Kreditrisiko positionen außerbilanziell
Derivate Optionen
Derivate
Rohstoffe
(d) Rohstoffpositionen
Derivate
FRAs, Futures, Swaps
x
(c) Devisenpositionen
bilanziell
Gegenparteirisiko • Ausfallrisiko
Derivate
Optionen
• spezifisches Risiko
(b) Aktienpositionen
Optionen
Marktrisiko • allgemeines Marktrisiko – linear – nichtlinear
Wertpapiere
Risikoklasse
(a) Zinspositionen
Optionen
Risikobehaftete Positionen
x
x
Abb. 74: Klassifizierung risikobehafteter Positionen gemäß BASLER AUSSCHUSS
Eine überschneidungsfreie Zuordnung der Risikokategorien „Spezifisches Risiko“ und „Ausfallrisiko“ zu den beiden Risikoklassen Gegenpartei- und Marktrisiken ist hierbei nicht möglich (SCHIERENBECK 1994c), da sie grundsätzlich dasselbe Risiko beschreiben. Beim spezifischen Risiko bezieht sich das Risiko der Bonitätsverschlechterung, respektive maximal des Ausfalls einer Gegenpartei, nur auf Positionen im Trading Book und beim Ausfallrisiko auf die verbleibenden Positionen im Anlagebuch („Banking Book“). Abbildung 74 zeigt demzufolge die vom BASLER AUSSCHUSS verfolgte Unterteilung in Markt- und Ausfallrisiken sowie die sachlogisch näherliegende und in Abbildung 74 grau unterlegte Differenzierung in allgemeines Markt- und Gegenparteirisiko. Die vom BASLER AUSSCHUSS vorgenommene
139
Unterscheidung in lineare und nicht-lineare Marktrisiken wird im Zusammenhang mit der Behandlung der Optionspreisrisiken eingehender diskutiert (vgl. bspw. S. 379 ff.).
2.
Determinierung der erforderlichen Eigenmittelhöhe und Ermittlung der Eigenkapitalquote
In seiner ersten Empfehlung aus dem Jahr 1988 schrieb der BASLER AUSSCHUSS Eigenmittelanforderungen lediglich für das Ausfallrisiko vor. Danach musste der Solvabilitätskoeffizient, der das Verhältnis von Eigenmitteln zu gewichteten Risikoaktiva ausdrückt, mindestens 8 % betragen. Durch die zusätzliche Unterlegungspflicht für Marktrisiken und für operationelle Risiken – vom BASLER AUSSCHUSS 1996 (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1996a) bzw. 2004 (BASLER AUSSCHUSS 2004) beschlossen – erfährt die notwendige Eigenmittelanforderung eine erhebliche Erweiterung. Allerdings soll sich durch die Unterlegungspflicht für operationelle Risiken die aufsichtliche Eigenmittelanforderung an eine Bank im Durchschnitt nicht erhöhen. Vielmehr sollen sich die zusätzlichen Anforderungen und die aus den genaueren Kreditrisiko-Schätzverfahren resultierenden Einsparungen ungefähr entsprechen. Um dem Risiko gesamthaft Rechnung zu tragen, verknüpft der BASLER AUSSCHUSS die einzelnen Risiken numerisch miteinander. Die Summe der Messgrößen für das Marktrisiko, das sich wiederum aus dem spezifischen Risiko und dem allgemeinen Marktrisiko zusammensetzt, und für das operationelle Risiko wird grundsätzlich mit 12,5 (d.h. dem Kehrwert der Mindesteigenmittelquote von 8 %) multipliziert. Der resultierende Betrag wird nun zu der für die Zwecke des Ausfallrisikos ermittelten Summe risikogewichteter Aktiva hinzuaddiert. Das aufsichtliche Eigenkapital darf nun 8 % der so berechneten Summe der risikogewichteten Aktiva nicht unterschreiten. Die gesamten Eigenmittelanforderungen gemäß BASLER AUSSCHUSS (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1996a und BASLER AUSSCHUSS 2004) setzen sich wie folgt zusammen und sind in Abbildung 75 übersichtlich dargestellt. (a) Kreditrisiko gemäß den Eigenmittelvereinbarungen in ihrer bisherigen Fassung, d.h. den Vorschlägen von 1988 und ihren Modifikationen bis und mit den Vorschlägen des BASLER AUSSCHUSSES von 2001, ohne Schuldverschreibungen und Aktien im Handelsbestand sowie ohne Rohstoffpositionen, aber inklusive des Gegenparteirisikos aus allen OTC-Derivaten im Handels- und Anlagebuch; plus (b) entweder: der arithmetischen Summe der Eigenmittelanforderungen für das spezifische Risiko und das allgemeine Marktrisiko gemäß Standardverfahren; oder anhand der von einem internen Modell errechneten Messgröße oder der arithmetischen Summe einer Kombination der beiden; plus (c) entweder das operationelle Risiko gemäß dem Rahmenwerk des BASLER AUSSCHUSSES von 2004 nach dem Basisindikatoransatz oder dem Standardansatz oder anhand den fortgeschrittenen Messansätzen errechneten Messgrößen.
140
Zinsänderungsrisiken
Aktienkursrisiken
Währungsrisiken
Rohstoffrisiken
Kreditrisiken
Operationelle Risiken
Brutto-/NettoBarwerte offener Positionen
Brutto-/NettoBarwerte offener Positionen
NettoBarwerte offener Positionen
NettoBarwerte offener Positionen
Risikoäquivalentes Volumen
Bruttoerträge resp. durchschnittliche Bilanzsumme
allgemeines Marktrisiko
allgemeines Marktrisiko
Kreditrisiko
operationelles Risiko
Diverse Aufrechnungsmöglichkeiten
•
•
0 – 150 % (Anrechn. faktoren) •
8% (innerhalb Bagatellgrenze 0 %)
0,6 – 15 %
8%
Kapitalfaktoren (12 – 18 %)
= Eigenmittelbedarf
= Eigenmittelbedarf
= Eigenmittelbedarf
= Eigenmittelbedarf
allgem. Marktrisiko
spezifisches Risiko
allgem. Marktrisiko
spezifisches Risiko
• •
•
•
•
Risikogewichte • 0 – 12 % (je nach Emittent und Restlaufzeit)
5 – 150% (Disallowance Factors)
0 - 4 % (in Einzelfällen auch 8 %)
8%
=
=
Eigenmittelbedarf
Eigenmittelbedarf
•
gesamter Eigenmittelbedarf Abb. 75: Ermittlung des Gesamteigenmittelbedarfes gemäß BASLER AUSSCHUSS
Anhand des Beispiels in Abbildung 76 soll nun verdeutlicht werden, wie die Eigenmittel quote für Banken zu berechnen ist (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1996a). Die zur Kalkulation des Kreditrisikos risikogewichteten Aktiva betragen bei der Musterbank 7.500 GE. Für das Kreditrisiko wurde demnach insgesamt ein Eigenmittelbedarf von 600 GE (= 7.500 · 8 %) ermittelt, für das Marktrisiko und das operationelle Risiko ein solcher von 350 GE respektive von 180 GE. Die Bank verfügt über eigene Mittel in Höhe von 1.500 GE, wobei 700 GE auf das Kernkapital (Tier 1-Kapital), 100 GE auf das Ergänzungskapital (Tier 2-Kapital) und 700 GE auf das Nachrangkapital (Tier 3-Kapital) entfallen. In einem ersten Schritt müssen die Messgrößen für das Marktrisiko (als Summe des allgemeinen Marktrisikos und des spezifischen Risikos) und für das operationelle Risiko in Höhe von 350 GE respektive 180 GE mit 12,5 multipliziert werden, um den entsprechenden risikogewichteten Betrag in Höhe von 4.375 GE respektive 2.250 GE zu erhalten. Auf diese Weise gelingt eine numerische Verknüpfung zwischen der Berechnung des Eigenmittelbedarfs für das Kreditrisiko (bei dem sich die Eigenmittelanforderung nach den risikogewichteten Aktiva richten) und der für das Marktrisiko (als Summe der Messgrößen für das allgemeine Marktrisiko und das spezifische Risiko) sowie für das operationelle Risiko. Insgesamt sind demnach 14.125 GE (= 7.500 GE + (350 GE + 180 GE) · 12,5) unterlegungspflichtig.
141
In einem zweiten Schritt wird der Mindesteigenmittelbedarf ermittelt, der sich bei einem Solvabilitätskoeffizienten von 8 % auf 1.130 GE beläuft. Diese 1.130 GE setzen sich aus dem Eigenmittelbedarf für die gewichteten Risikoaktiva in Höhe von 600 GE (= 8 % · 7.500 GE), dem Eigenmittelbedarf für das Marktrisiko in Höhe von 350 GE (= 8 % · 4.375 GE) und demjenigen für das operationelle Risiko in Höhe von 180 GE (= 8 % · 2.250 GE) zusammen. Im dritten Schritt müssen die anrechenbaren Eigenmittel zugeordnet werden, die zur Erfüllung der einzelnen Anforderungen herangezogen werden können. Grundsätzlich sollte auf der ersten Anrechnungsstufe soviel Tier 2- und Tier 3-Kapital wie möglich eingesetzt und die Verwendung von Kernkapital minimiert werden, da dieses als einziges Eigenmittelelement unbeschränkt zur Unterlegung aller Risiken herangezogen werden kann. Bei den folgenden Überlegungen wird davon ausgegangen, dass das Tier 3-Kapital auch weiterhin ausschliesslich zur Unterlegung von Marktrisiken reserviert ist, die Unterlegung des operationellen Risikos mithin aus Tier 1- respektive Tier 2-Kapital zu erfolgen hat. •
Zunächst wird das Kreditrisiko untersucht: Da Tier 3-Kapital ausschließlich zur Unterlegung von Marktrisiken verwendet werden darf und im Beispiel nur 100 GE Tier 2Kapital zur Verfügung stehen, müssen neben diesen 100 GE insgesamt noch 500 GE aus dem Tier 1-Kapital zur Unterlegung der Kreditrisiken aufgewendet werden, um den Bedarf in Höhe von 600 GE (= 7.500 GE · 8 %) zu decken.
•
Um die Eigenmittelanforderung für das Marktrisiko zu erfüllen, soll aus den genannten Gründen möglichst viel Tier 3-Kapital verwendet werden. Dessen Verwendung ist indes auf 250 % des zur Marktrisikounterlegung benutzten Tier 1-Kapitals limitiert. Somit können 250 GE Tier 3-Kapital und 100 GE Tier 1-Kapital aufgewendet werden, um das Marktrisiko entsprechend zu unterlegen.
•
Zur Unterlegung des operationellen Risikos werden nun noch 180 GE Tier 1-Kapital herangezogen. Insgesamt verfügt die Bank nach Unterlegung der gesamten Risikopositionen noch über 20 GE Tier 1-Kapital und 350 GE Tier 3-Kapital.
Risikoposition
Eigenmittelanforderung (= 8 %)
Adressenausfallrisiko 7.500
600
Verfügbare Eigenmittel
Allg. Marktrisiko und spez. Risiko 4.375
350
Tier 1Kapital 800 Tier 2Kapital 100
Operationelles Risiko 2.250
180
Tier 3Kapital 600
14.125
1.130
1.500
Anrechenbare EigenmittelEigenmittel zuordnung nach (ohne ungeKapitalklassen nutztes Kapital der Klasse 3) Tier 1-Kapital Tier 1500 Kapital Tier 2-Kapital 800 100 Tier 2Tier 1-Kapital Kapital 100 100 Tier 3-Kapital 250 Tier 3Kapital Tier 1-Kapital 250 180 1.130
Abb. 76: Berechnung der Eigenmittelquote für die Musterbank
142
1.150
Ungenutzte, aber anrechenbare Eigenmittel
Ungenutzte und nicht anrechenbare Eigenmittel der Klasse 3
Tier 1Kapital 20
Tier 3Kapital 350
20
350
Die anrechenbaren Eigenmittel betragen somit 800 GE in der Kategorie Tier 1, 100 GE in der Kategorie Tier 2 und 250 GE in der Kategorie Tier 3. Letzteres aufgrund der „250 %Regel“, welche der Bank die Obergrenze für die Verwendung von Tier 3-Kapital vorgibt (nicht mehr als 250 % des zur Unterlegung von Marktrisiken verwendeten Tier 1-Kapitals). Im Beispiel wurden 100 GE Tier 1-Kapital zur Unterlegung von Marktrisiken verwendet, womit sich die Verwendung von Tier 3-Kapital auf 250 GE beschränkt. Bei der Berechnung der tatsächlichen Eigenmittelquote darf neben den bereits zur Unterlegung herangezogenen Eigenmitteln nur noch das überschüssige Tier 1-Kapital in Höhe von 20 GE (= 800 GE – 500 GE – 100 GE –180 GE) verwendet werden, da nur dieses zur Unterlegung aller Risikoarten geeignet ist. Übrig bleibt Tier 3-Kapital in Höhe von 350 GE (= 600 GE – 250 GE), das nicht genutzt werden darf. Insgesamt ergibt sich eine Eigenmittelquote für die Musterbank von 8,14 % [= 1.150 GE / 14.125 GE].
3.
„Basel II“ als Fortentwicklung des bankaufsichtlichen Regelwerks
Zum 1. Januar 2007 wird die seit 1988 geltende und seither mehrfach ergänzte Eigenkapitalvereinbarung in Deutschland und in der Schweiz weitgehend revidiert. Dazu sind vom BASLER AUSSCHUSS Vorschläge ausgearbeitet worden, die im Juni 1999 in einem ersten Konsultationspapier publiziert wurden (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1999). Aufgrund der Stellungnahmen der an dieser Vernehmlassung beteiligten Parteien wurden diese Vorschläge überarbeitet und in einem zweiten, im Januar 2001 veröffentlichten Konsultationspapier dargelegt (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001h). Die folgende, zweite Vernehmlassungsrunde wurde Ende Mai 2001 abgeschlossen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse zur weiteren Überarbeitung der Vorschläge verwertet. Diese überarbeiteten Vorschläge wurden im Oktober 2002 interessierten Banken mit der Bitte zugänglich gemacht, deren Konsequenzen auf die Eigenmittelunterlegung zu kalkulieren (Quantitative Impact Study 3; QIS 3). Das dritte Konsultationspapier wurde im April 2003 veröffentlicht. Nach Abschluss der Konsultationsfrist wurden die neuen Eigenmittelvereinbarungen („Basel II“) unter dem Titel „International Convergence of Capital Measurement and Capital Standards: A Reviesed Framwork“ (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2004) im Juni 2004 verabschiedet und veröffentlicht. Zwar stellt dieses Rahmenwerk die endgültige Fassung der neuen internationalen Eigenkapitalanforderungen dar, dennoch wurde dieses im Juli 2005 um Regelungen zur Behandlung von Handelsaktivitäten und Doppelausfalleffekten ergänzt. Da die Empfehlungen des Basler Ausschusses keine rechtszwingende Verpflichtung haben, wurde auf Ebene der Europäischen Union an einem eigenen Konsultationsprozess gearbeitet. Dieser umfasste vier Konsultationsrunden bis im Juli 2004 der erste Kommissionsvorschlag vorgestellt wurde. In Anlehnung an das Basler Rahmenwerk wurden schlieȕlich vom Europäischen Parlament und Rat die Bankenrichtlinie 2006/48/EG und die Kapitaladäquanzrichtlinie 2006/49/EG im Juni 2006 verabschiedet. Diese sind von den Mitgliedsstaaten bis Ende 2006 umgesetzt worden.
143
In der neuen Eigenkapitalvereinbarung sollen die Empfehlungen des BASLER AUSSCHUSSES, dessen Regelungen bisher an vielen verschiedenen Ansatzpunkten anknüpften, ein umfassendes Fundament in Form dreier Pfeiler erhalten, was Abbildung 77 verdeutlicht (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001h, BASLER AUSSCHUSS 2002, BASLER AUSSCHUSS 2003, SCHULTE MATTLER 2003, BASLER AUSSCHUSS 2004 sowie hierzu und im weiteren SCHWARZ 2004).
Konzeption des Vorschlags des Basler Ausschusses zur Neuregelung der Eigenkapitalvereinbarung („Basel II“)
Pfeiler 1: Mindesteigenmittelanforderungen
Pfeiler 2: Aufsichtsrechtlicher Überprüfungsprozess
Pfeiler 3: Kontrolle durch den Markt
Abb. 77: Konzept zur Neuregelung der Eigenkapitalvereinbarung des BASLER AUSSCHUSSES
In Deutschland erfolgt die Umsetzung anhand einer Überarbeitung des Kreditwesengesetzes. Zur Konkretisierung der neuen Regelungen wurden diesem zwei Rechtsverordnungen, die Solvabilitätsverordnung (SolvV) und die Großkredit- und Millionenkreditverordnung (GroMIKV) und zusätzlich die sogenannten Mindestanforderungen für das Risikomanagement (MaRisk) zur Seite gestellt. So werden durch die SolvV weitestgehend die Säulen I und III des Basler Rahmenwerkes umgesetzt. Mit der GroMiKV werden dieser besondere Regelungen im Kreditvergabeprozess bzgl. Groß- und Millionenkrediten zur Seite gestellt. Die qualitativen Anforderungen der Säule II werden in Deutschland hingegen in den MaRisk konkretisiert. In der Schweiz wurden sämtliche Neuerungen von Basel II in enger Anlehnung an das Basler Rahmenwerk übernommen. So wird in einigen Angelegenheiten direkt auf das englischspragige Rahmenwerk des Basler Ausschusses verwiesen. Basel II wurde innerhalb des geltenden Bankengesetzes (BankG) sowie in der Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung für Banken und Effektenhändler (ERV) umgesetzt.
a)
Pfeiler 1: Mindesteigenmittelanforderungen
Der erste Pfeiler besteht aus den Mindesteigenmittelanforderungen, wobei die Regelungen der Eigenkapitalvereinbarung von 1988 vor allem im Bereich des Kreditrisikos weiterentwickelt und ausgebaut wurden, um die Schwächen der falten Eigenkapitalvereinbarung von 1988 auszumerzen. Diese bestehen zum einen darin, dass nur zwei Risikokategorien, Marktund Kreditrisiken, explizit mit Eigenmitteln unterlegt werden müssen, dass aber beispielsweise operationelle Risiken vollständig ausgeklammert sind. Zum anderen liegt das Problem darin, dass eines der wichtigsten Differenzierungskriterien zur Bemessung der Risikogewichte – die OECD-Mitgliedschaft im Heimatstaat – die Risikoadäquanz der Eigenmittelanforderungen nur sehr bedingt gewährleisten kann. Dieses stellt somit kein verlässliches Mass für die Bonität der zugrunde liegenden Schuldner dar. So profitieren beispielsweise insbesondere Schuldner mit geringer Bonität, die in OECD-Ländern beheimatet sind, von diesen Regelun144
gen, während solvente Unternehmen in Nicht-OECD-Ländern – wie selbst beispielsweise Singapur oder Taiwan – benachteiligt werden. Banken können somit über sogenannte regulatorische Arbitrageprozesse die geltenden Regelungen unterlaufen (SCHWARZ 2004). Unter regulatorischer Arbitrage versteht man einen Prozess, bei dem die Bank die erforderlichen regulatorischen Eigenmittel für einen Satz bilanzwirksamer Positionen relativ zu dem mittels interner Risikomodelle gemessenen erforderlichen ökonomischen Eigenkapital reduziert (vgl. JONES 2000, S. 35ff.) Das kann beispielsweise dadurch erreicht werden, dass sich die Bank auf die Generierung und Haltung von kreditrisikobehafteten Positionen konzentriert, deren ökonomische Eigenkapitalunterlegung über der regulatorischen liegt. Vergibt eine Bank in der Schweiz unter diesen Regelungen plötzlich mehr Kredite an schweizerische Unternehmen mit einer schlechteren Bonität, so führt dies ceteris paribus zu einer Erhöhung des Ausfallrisikos. Die Erhöhung der erwarteten Verluste sollte über die Erhöhung der Standard-Risikokosten und damit die Vereinnahmung höherer Zinserträge antizipiert werden, wenn die durch die höheren Standard-Risikosten beeinflussten Kreditkonditionen auch am Markt durchgesetzt werden können. Das aus betriebswirtschaftlicher Sicht ebenfalls erhöhte Risiko unerwarteter Verluste findet jedoch in der aufsichtlichen Betrachtung keinen Niederschlag, die aufsichtlich erforderliche Eigenmittelunterlegung bleibt zumindest unverändert. Dieser Vorgang wird auch „cherry picking“ genannt (vgl. SCHWARZ 2004). Die Entwicklung neuer Instrumente zur Steuerung von Ausfallrisiken begünstigte die Verbreitung von Prozessen regulatorischer Arbitrage. Als derartige Finanzinnovationen gelten beispielsweise Kreditderivate, Nettingvereinbarungen für Bilanzpositionen oder auch die Verbriefung von Geschäften, die mit Ausfallrisiken behaftet sind, und der anschliessende Handel damit. Dies nicht zuletzt deshalb, weil regulatorische Arbitrage über standardisierte Verbriefungstransaktionen mit niedrigeren Transaktionskosten verbunden sind als das traditionelle „cherry picking“. Die Eigenmittel-Begriffsdefinitionen bleiben praktisch unverändert, ebenso das einzuhaltende Verhältnis zwischen Risikopotential und Eigenmitteln. Thematisiert wurde die Definition des Eigenmittelbegriffs bereits in den Ausführungen zum Risikotragfähigkeitskalkül (vgl. S. 23 ff.). Bezüglich der Messung des Risikopotentials ergeben sich hinsichtlich der Messung des Marktrisikos praktisch nahezu keine Änderungen. Hingegen ergeben sich neue Vorschläge zur Messung des Potentials operationeller Risiken. Ausserdem wird hinsichtlich des Kreditrisikos eine Neukonzeption der Risikogewichtungsschematik postuliert, die sich näher am tatsächlichen Ausfallrisiko orientiert. Die Ausführungen dazu finden sich in den Kapiteln zu den jeweiligen Risikokategorien.
b)
Pfeiler 2: Aufsichtlicher Überprüfungsprozess
Der aufsichtliche Überprüfungsprozess stellt eine wesentliche Neuerung bei der Eigenkapitalvereinbarung nach „Basel II“ dar. Hierbei wird die Notwendigkeit einer qualitativen Bankenaufsicht besonders betont, was nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck kommt, dass dieser 145
Überprüfungsprozess als integraler Bestandteil der neuen Eigenkapitalvereinbarung gleichberechtigt neben den Säulen „Mindestkapitalanforderungen“ und „Förderung der Markttransparenz“ steht. Er unterstreicht die Notwendigkeit des Aufbaus einer funktionstüchtigen Gesamtbanksteuerung und eines internen Eigenmittelmanagements (vgl. hierzu und im weiteren BASLER AUSSCHUSS 2001d, BASLER AUSSCHUSS 2004 sowie SCHWARZ 2004). Der bankaufsichtliche Überprüfungsprozess basiert auf vier Grundsätzen, die letztlich sehr weitreichende Informationsrechte und vielfältige Eingriffsmöglichkeiten in die Unternehmenspolitik einer Bank manifestieren (vgl. WILKENS/ENTROP/VÖLKER 2001, S. 192). Diese vier Grundsätze sollen im Folgenden näher beleuchtet werden. Der erste Grundsatz besagt, dass Banken über ein Verfahren zur Beurteilung ihrer angemessenen Eigenkapitalausstattung im Verhältnis zu ihrem Risikoprofil sowie eine Strategie für den Erhalt ihres Eigenkapitalniveaus aufweisen sollten (vgl. hierzu und im weiteren BASLER AUSSCHUSS 2001g, S. 4). Die Banken sind also aufgefordert, intern Techniken zu entwickeln, um die Höhe des für ihre Geschäftstätigkeit erforderlichen Risikopuffers in Form von Eigenkapital selbst zu ermitteln, beispielsweise durch die Entwicklung eines Kapitalallokationsmodells. Konkretisiert wird diese Anforderung in fünf Punkten. So haben Geschäftsleitung und Aufsichts- respektive Verwaltungsrat die Kapitalanforderungen bei der Festlegung strategischer Pläne explizit zu berücksichtigen. Ebenfalls obliegt es ihnen, die Angemessenheit der Risikosteuerungsverfahren im Lichte des Risikoprofils der Gesamtbank zu beurteilen. Diese Aufgabe kann jedoch nur dann wahrgenommen werden, wenn die Beteiligten über ein tiefes Verständnis der Natur der Risiken und der Mechanik, wie Risiken zu welchen Kapitalanforderungen führen, verfügen. Der Aufsichts-/Verwaltungsrat hat auch festzulegen, wie hoch der Grad an Risikotoleranz sein soll. Schliesslich hat er dafür zu sorgen, dass die Geschäftsleitung auch tatsächlich in der Lage ist, das Ausmass der Risikoübernahme und die daraus entstehenden Kapitalanforderungen jederzeit zu messen. Als Elemente eines fundierten Verfahrens zur Beurteilung der angemessenen Kapitalausstattung nennt der BASLER AUSSCHUSS: •
Vorschriften und Prozeduren, die dazu dienen, sämtliche eingegangenen Risiken zu identifizieren und zu messen und deren Reporting sicherzustellen.
•
Einen Prozess, der die identifizierten und gemessenen Risiken in eine Kapitalanforderung übersetzt.
•
Einen Prozess, der vor dem Hintergrund der strategischen Pläne und dem damit verbundenen geplanten Ausmass der Risikoübernahme die Zielausstattung mit Eigenmitteln festlegt.
•
Interne Kontrollmechanismen zur Überprüfung der Integrität und der Adäquanz der dargestellten Prozesse.
Die Bank sollte auch bei Risiken, bei denen keine Eigenmittelunterlegungspflicht besteht, in der Lage sein, diese zu quantifizieren. Dies betrifft vor allem das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch oder zusätzliche, bei den Eigenmittelanforderungen nicht berücksichtigte operationelle Risiken. 146
Zu implementieren ist auch ein Reporting-System, das der Geschäftsleitung und dem Aufsichts-/Verwaltungsrat in regelmässigen Zeitabständen erlaubt, die Sensitivität und die Angemessenheit der in den einzelnen Modellen zur Risikomessung getroffenen Annahmen zu überprüfen und gegebenenfalls deren Korrektur anzuordnen. Zudem sollen die Gremien auch den Grad der Übereinstimmung von Eigenmittel-Soll und Eigenmittel-Ist auf einer statischen wie auch auf einer dynamischen Ebene im Hinblick auf die strategischen Ziele kontrollieren können. Auch die periodische Überprüfung der Prozesse und Instrumente zur Beurteilung der Kapitaladäquanz stellt eine wichtige Komponente dar. Unabhängige interne und/oder externe Stellen sollten in diesem Zusammenhang die Angemessenheit der Risikosteuerungsprozesse bezüglich Umfang und Komplexität der eingegangenen Risiken überprüfen, Klumpenrisiken identifizieren, Genauigkeit und Vollständigkeit der in die Risikosteuerungsprozesse eingehenden Daten verifizieren sowie die Funktionsfähigkeit der Modelle auch unter extremen Marktbedingungen testen. Laut zweitem Grundsatz sollten die Aufsichtsinstanzen die bankinternen Beurteilungen und Strategien zur angemessenen Eigenkapitalausstattung überprüfen und bewerten. Gleiches gilt für die Fähigkeit der Banken, ihre aufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen zu überwachen und deren Einhaltung sicherzustellen. Die Aufsichtsinstanzen sollten angemessene aufsichtliche Massnahmen ergreifen, wenn sie mit dem Ergebnis dieses Verfahrens nicht zufrieden sind. Vor allem soll überprüft werden, ob die Höhe der Eigenmittel mit dem Risikoprofil der Bank übereinstimmt und ob die Geschäftsleitung respektive der Aufsichts- oder Verwaltungsrat den Aufsichtspflichten diesbezüglich auch nachkommt. Banken müssen diverse Mindeststandards bezüglich der Risikosteuerungsprozesse respektive der Veröffentlichung von relevanten Daten einhalten, wollen sie beispielsweise von der Aufsichtsbehörde die Genehmigung zur Verwendung interner Ratingmodelle erhalten. Solche zusätzlichen Anforderungen sind auch zu erfüllen, wenn beispielsweise ABS-Transaktionen als eigenmittelentlastend anerkannt werden sollen. Aufgabe der Aufsichtsbehörde ist es nun sicherzustellen, dass die Bank diese Mindestanforderungen auch tatsächlich erfüllt. Dabei kann sie auf VorOrt-Prüfungen, externe Überprüfungen anhand eingereichter Unterlagen, Gespräche mit dem Bankmanagement und auf Durchsicht der Arbeitsergebnisse externer Wirtschaftsprüfer (sofern sich diese mit Eigenmittelaspekten befasst haben) zurückgreifen. Die Aufsichtsinstanzen sollten von den Banken erwarten, dass sie eine höhere Eigenkapitalausstattung als das aufsichtlich geforderte Mindesteigenkapital vorhalten, und die Aufsichtsinstanzen sollten die Möglichkeit haben, von den Banken eine höhere als die Mindesteigenkapitalausstattung zu fordern. Dies stellt den dritten Grundsatz dar. Hierbei geht es vor allem darum, Risiken zu antizipieren, denen nicht die Banken als Ganzes ausgesetzt sind, sondern nur die einzelne Bank. Damit werden die Aufsichtsbehörden beispielsweise ermächtigt, Eigenmittelanforderungen für Zinsänderungsrisiken im Bankenbuch zu formulieren. Der vierte Grundsatz nennt die Eingriffsmittel. Die Aufsichtsinstanzen sollten frühzeitig eingreifen, um zu verhindern, dass das Eigenkapital unter die geforderte Mindestausstattung fällt, die aufgrund des Risikoprofils einer bestimmten Bank notwendig ist. Sie sollten schnelle Abhilfe fordern, wenn das Eigenkapital nicht erhalten oder nicht wieder ersetzt wird. Die Aufsichtsbehörden sollen dabei unter anderem das Recht erhalten, eine Absetzung der Ge147
schäftsleitung oder des Aufsichts-/Verwaltungsrates zu verlangen oder Restriktionen bezüglich der Auszahlung von Dividenden und Boni an die Geschäftsleitung zu erlassen. Die Ausführungen des BASLER AUSSCHUSSES zeigen, dass Eigenmittelzuschläge nach wie vor einen integralen Bestandteil der zweiten Säule darstellen. Über bankaufsichtliche Mindestregulierungen hinausgehende Eigenmittelzuschläge in das Ermessen von nationalen Aufsichtsbehörden zu stellen, erscheint ziemlich bedenklich, wird doch damit die postulierte Allgemeingültigkeit der in Säule 1 geregelten Eigenmittelanforderungen wieder aufgeweicht.
c)
Pfeiler 3: Kontrolle durch den Markt
Als dritter Pfeiler dienen Offenlegungsvorschriften. Diese sollen eine komplementäre Nutzung der Marktmechanismen für bankaufsichtliche Ziele ermöglichen. Der Absicht liegt die Überlegung zugrunde, dass gut informierte Marktteilnehmer eine risikobewusste Geschäftsführung und ein wirksames Risikomanagement von Banken in ihren Anlage- und Kreditentscheidungen honorieren oder aber risikoreicheres Verhalten entsprechend sanktionieren. Für die Banken soll sich somit ein zusätzlicher Anreiz ergeben, ihre Risiken zu kontrollieren und effizient zu steuern (vgl. hierzu und im weiteren BASLER AUSSCHUSS 2001e, BASLER AUSSCHUSS 2004 sowie SCHWARZ 2004). Um eine solche Marktdisziplin zu erreichen und den Interessen sowohl der Banken als auch der Marktteilnehmer gerecht zu werden, wurde ein flexibles Konzept erarbeitet. So können hinsichtlich der Häufigkeit und des Umfangs der Offenlegung bei der Bestimmung der bankindividuellen Offenlegungspraxis die Grundsätze der Wesentlichkeit und des Schutzes vertraulicher Informationen berücksichtigt werden. Während grundsätzlich eine halbjährliche Veröffentlichung der vorgegebenen Berichtspunkte empfohlen wird, können beispielsweise Banken mit regionaler und/oder geschäftlicher Begrenzung, die ein stabiles Risikoprofil aufweisen, eine jährliche Berichterstattung praktizieren. Auch die Unterscheidung nach zentralen und ergänzenden Informationen erlaubt eine Berichterstattung in Abhängigkeit vom eigenen Risikoprofil. Lediglich von grossen, international tätigen Banken wird das volle Spektrum an Offenlegung erwartet (vgl. DEUTSCHE BUNDESBANK 2001, S. 31f). Inhaltlich beziehen sich die Transparenzvorgaben auf die vier Bereiche Anwendungsbereich der Eigenmittelvorschriften, Eigenmittelstruktur, Kapitaladäquanz und Eigenmittelausstattung. Im Folgenden sollen die Offenlegungsanforderungen innerhalb dieser vier Bereiche genauer dargelegt werden. (1)
Anwendungsbereich der Eigenmittelvorschriften
Banken sollen ausdrücklich offen legen, in welchem Bereich die Eigenmittelvorschriften angewendet werden. Ziel ist es, den übrigen Marktteilnehmern darüber Klarheit zu verschaffen, welche Gesellschaften zur Bank gehören und wie diese erfasst werden. Anzugeben sind vor allem: •
148
Eventuell bestehende Differenzen zwischen der Konsoliderungsmethodik, die zum Zweck der Erstellung eines Jahres- oder Halbjahresabschlusses nach Massgabe nationa-
ler Rechnungslegungsvorschriften verwendet wurde und derjenigen, die zum Zweck der Ermittlung der konsolidierten Eigenmittelanforderungen angewendet wurde, •
das in der Gruppenhierarchie zuoberst stehende Unternehmen, für das aufsichtliche Eigenmittelanforderungen gelten,
•
die Gesellschaften innerhalb der Gruppe, die vollkonsolidiert werden, die teilkonsolidiert werden und bei denen ein Abzug vorgenommen wird (die also nicht konsolidiert werden), sowie diejenigen, von denen Extrakapital anerkannt wird,
•
der aggregierte Betrag des anerkannten Extrakapitals von Versicherungsgesellschaften innerhalb der Gruppe,
•
Name, Sitzland und Anteil der Stimmrechte an solchen Gesellschaften, die weder konsolidiert noch abgezogen werden, sowie der Buchwert der Beteiligung an diesen Gesellschaften,
•
die Namen der nicht konsolidierten (d.h. abgezogenen) Gesellschaften, die ihre regulatorischen Kapitalanforderungen nicht erfüllen, sowie der aggregierte Betrag dieser Defizite.
(2)
Eigenkapitalstruktur
Anhand von Informationen zur Eigenkapitalstruktur können sich andere Marktteilnehmer ein Bild von der Fähigkeit zur Absorption potentieller Verluste der Bank machen. Offenzulegen sind deshalb •
die Höhe des Kernkapitals, getrennt nach eingezahltem Stammkapital, ausgewiesenen Rücklagen, innovativen Kapitalinstrumenten, Goodwill und anderen Posten, die vom Kernkapital abgezogen werden,
•
weitere Abzüge von der Eigenmittelbasis,
•
die Gesamtsumme von Ergänzungskapital und Drittrangmittel sowie die Gesamtsumme der anrechnungsfähigen Eigenmittel sowie
•
die Charakteristika aller Kapitalbestandteile, vor allem wenn es sich um innovative Kapitalinstrumente handelt (Step-up-Regelungen, Restlaufzeiten, Rang des Instruments im Insolvenzverfahren etc.).
(3)
Kapitaladäquanz
Zu publizieren sind die Eigenmittelanforderungen für das Ausfallrisiko, das Marktrisiko sowie das operationelle Risiko, aufgeschlüsselt nach den verwendeten Verfahren (Standardansatz, Interner Rating (IR)-Basisansatz, fortgeschrittener Interner Rating-Ansatz für das Ausfallrisiko; Standardansatz, Interner Modellansatz für das Marktrisiko; Basisindikatoransatz, Standardansatz oder Interner Modellansatz für das operationelle Risiko). Auch offenzulegen ist die Kernkapitalquote sowie die Gesamteigenmittelquote für die Gruppe. Während die Kernkapitalquote das Verhältnis des Gesamt-Eigenmittel-Soll zum Kernkapital ausdrückt, 149
zeigt die Gesamteigenmittelquote das Verhältnis von Gesamt-Eigenmittel-Soll zum Gesamtkapital. (4)
Risiko-Exposure
Schliesslich sind detaillierte Informationen zum Risiko-Exposure in den Kategorien Ausfallrisiken, Marktrisiken und operationelle Risiken offenzulegen. Um welche Informationen es sich konkret handelt, hängt davon ab, welche aufsichtlichen Verfahren die Bank zur Ermittlung ihrer Eigenmittelanforderungen verwendet. Bezüglich der Ausfallrisiken sind – unabhängig von den verwendeten Verfahren – von allen Banken grundsätzlich folgende Informationen zu veröffentlichen: •
Informationen darüber, wie der Ausfallbegriff konkret definiert wird oder was unter zweifelhaften, überfälligen und notleidenden Krediten genau verstanden wird,
•
Bezüglich der Forderungen eine geographische Aufgliederung, eine Aufgliederung nach Gegenparteien sowie eine Aufgliederung nach Restlaufzeiten, unterteilt nach Typen verschiedener Geschäfte (bspw. Kredite, zugesagte Linien und Eventualforderungen, Wertpapiere und OTC-Derivate),
•
den Umfang von überfälligen und notleidenden Krediten vor und nach Abzug der Risikovorsorge, aufgegliedert nach Ländern oder Regionen und Gegenparteien, sowie Angaben darüber, wie viele Tage die Zahlungen für überfällige respektive notleidende Kredite im Rückstand sind,
•
den Umfang der Abschreibungen und Rückstellungen für Kreditverluste,
•
den Umfang des Kreditrisikos, der mittels Kreditderivaten oder Verbriefungsmethoden an Dritte transferiert wurde.
Banken, die den Standardansatz verwenden, haben zusätzlich folgende Angaben zu publizieren: •
Die Namen der externen Ratingagenturen, deren Ratings zur Einstufung der Kreditnehmer verwendet wurden,
•
eine Beschreibung der Vorgehensweise, wie die bei den verschiedenen Agenturen eingesetzten alphanumerischen Skalen mit den entsprechenden Risikogewichten abgestimmt wurden,
•
die Strategie für die Übertragung der öffentlichen Ratings bestimmter Anleihen auf die für ihre Kredite geltenden Schuldnerratings,
•
den Betrag der ausstehenden Positionen in jeder Ratingklasse, aufgegliedert nach den Einstufungen der verschiedenen Ratingagenturen.
Verwendet eine Bank den Internen Rating-Ansatz, hat sie zunächst folgende qualitative Informationen zu publizieren:
150
•
Für jede Schuldnerkategorie, ob eine Bank eine eigene Schätzung des Verlusts bei Ausfall respektive des Exposure bei Ausfall vorgenommen hat oder ob sie auf die aufsichtlichen Parametrisierungsverfahren abstellt,
•
für jede Schuldnerkategorie Informationen über die Schätzungs- und Validierungsverfahren für die Ausfallwahrscheinlichkeit sowie – bei Verwendung des fortgeschrittenen IRAnsatzes – für den Verlust bei Ausfall respektive das Exposure bei Ausfall,
•
für jede Schuldnerkategorie die geltenden Definitionen für den Ausfall (sofern dieser von der Referenzdefinition des BASLER AUSSCHUSSES abweicht,
•
die Vorgehensweise bei der Steuerung und Anrechnung von Sicherheiten,
•
die Struktur des internen Ratingsystems.
Allerdings sind auch quantitative Informationen zu publizieren. Die Veröffentlichung dieser Daten ist eine notwendige Bedingung im Hinblick auf die Genehmigung der Verwendung von Internen-Rating-Ansätzen durch die Bankenaufsicht. Bezüglich der Risikoeinschätzung sind folgende Informationen relevant: •
Das gesamte Exposure bei Ausfall, die gewichtete durchschnittliche Restlaufzeit (bei Verwendung des fortgeschrittenen Ansatzes) und die gewichteten durchschnittlichen Verlustraten bei Ausfall (ebenfalls bei Verwendung des fortgeschrittenen Ansatzes) in den Schuldnerkategorien „Hypothekarkredite“ und „Übrige Privatkundenkredite“ sowie aggregiert für die Kategorien „Unternehmen“, „Banken“ und „Staaten“ für jeweils jede Ratingklasse respektive Risikosegment sowie
•
der Betrag der Granularitätsanpassung, sofern dieses Element explizit Eingang in die Eigenmittelvereinbarung findet.
Bezüglich der Überprüfung der getätigten Annahmen sind folgende Punkte offenzulegen: •
Für jede Kreditnehmerkategorie (für Banken, Unternehmen und Staaten allerdings aggregiert) und für jede Stufe der Ausfallwahrscheinlichkeit der Gesamtbetrag aller ausgefallenen Exposures, die Ausfallrate (definiert als Anzahl der durch das Jahr hindurch ausgefallenen Kreditnehmer geteilt durch die Anzahl der Kreditnehmer zu Beginn des Jahres) sowie den Betrag der Einzelwertberichtigungen und Abschreibungen,
•
bei Banken, die den fortgeschrittenen Ansatz verwenden (ebenfalls für jede Kreditnehmerkategorie, für „Banken“, „Unternehmen“ und „Staaten“ allerdings aggregiert) die tatsächlichen Verlustraten bei Ausfall bezogen auf das jeweilige Exposure,
•
ebenfalls bei Banken, die den fortgeschrittenen Ansatz verwenden (auch für jede Kreditnehmerkategorie, für „Banken,“ „Unternehmen“ und „Staaten“ allerdings aggregiert) den Bruttobetrag der zugesagten, aber nicht in Anspruch genommenen Kreditlinien, für diese das geschätzte Exposure bei Ausfall in Prozent sowie das tatsächliche durchschnittliche Exposure bei Ausfall bei ausgefallenen Kreditnehmern,
•
den Betrag sämtlicher Exposures (sowohl in Anspruch genommene als auch nicht in Anspruch genommene) sowie den totalen Verlust bei Hypothekarkrediten und übrigen Privatkundenkrediten relativ zum jahresdurchschnittlichen Exposure. 151
Bezüglich der Kreditrisikominderungstechniken gilt es, alle von den Aufsichtsbehörden verlangten qualitativen Informationen zu publizieren (hierbei geht es vor allem um Strategien und Prozesse, mit welchen die Wertentwicklung der Sicherheiten überwacht wird). Als quantitative Angaben sind zu publizieren: •
der Betrag des gesamten Kreditexposures,
•
der Betrag des Exposures, der durch Sicherheiten gedeckt ist (nicht bei Banken, die den fortgeschrittenen Ansatz verwenden),
•
der Betrag des Exposures, der durch Nettingkontrakte besichert ist,
•
der Betrag des Exposures, der durch Garantien oder Kreditderivate besichert ist,
•
das anzurechnende Risikovolumen vor und nach Anrechnung der Kreditrisikominderungstechniken.
Ist die Bank an Verbriefungstransaktionen beteiligt, so muss sie auch dazu Angaben machen. So muss sie klarstellen, welche Rolle sie in welchen Verbriefungstransaktionen spielt und wie diese Transaktionen buchhalterisch behandelt werden. Quantitativ muss publiziert werden: •
Der aggregierte Betrag der verbrieften Kredite und Zusagen, aufgegliedert nach Verbriefungskategorie (traditionell oder synthetisch) und Asset-Kategorie,
•
der aggregierte Betrag des Kreditexposures, der auch nach einer Verbriefungstransaktion noch in der Bank verbleibt, beispielsweise durch Bereitstellung von Bonitätsverbesserungen und
•
die Beträge der verbrieften Forderungen, die mehr als 30 Tage in Verzug sind.
Allerdings bestehen Offenlegungspflichten nicht nur im Hinblick auf Ausfallrisiken. Auch bezüglich der Marktrisiken sind diverse Informationen offenzulegen. Vor allem betrifft dies die Eigenmittelanforderungen resultierend aus Zinsänderungsrisiken, Aktienkursrisiken, Wechselkursrisiken und Rohstoffrisiken sowie die Eigenmittelanforderungen, die aus Optionspositionen resultieren. Banken, die interne Modelle verwenden, müssen zusätzlich die Charakteristika der verwendeten Modelle sowie die Stresstesting-Verfahren beschreiben. Anzugeben ist auch der aggregierte Value at Risk bezüglich der Marktrisiken sowie eine Gegenüberstellung von Value at Risk-Schätzungen und tatsächlichen Verlusten. Eine weitere Risikokategorie stellt das operationelle Risiko dar. Auch hier sind die jeweils verwendeten Methoden zur Berechnung der Eigenmittelanforderung sowie die resultierenden Eigenmittelanforderungen für jedes Geschäftsfeld zu publizieren. Schliesslich sind Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch Objekt von Offenlegungsverpflichtungen. Anzugeben ist hier vor allem, in welcher Höhe sich das ökonomische Kapital bei Annahme eines standardisierten Zinsschocks absolut und im Verhältnis zum Gesamt-Eigenmittel-Soll verändert. Mit dem Inkrafttreten von Basel II ist die fortwährende Weiterentwicklung des Aufsichtsrechts nicht abgeschlossen. Es ist zu erwarten, dass im Rahmen von „Basel III“ sämtliche Risikopositionen mit Eigenmitteln zu unterlegen sein werden. Dazu gehören vor allem die bisher nur in der zweiten Säule berücksichtigten Zinsänderungsrisiken des Anlagebuches. 152
Angesichts der zunehmenden Mobilisierung von Kreditgeschäften erscheint es zukünftig angebracht, interne portefeuilleorientierte Kreditrisikomodelle zur Bestimmung der Eigenmittelunterlegung zuzulassen (vgl. Wilkens et al 2007).
LITERATURHINWEISE ARTOPOEUS, W. (1994) BANK FOR INTERNATIONAL SETTLEMENTS
(1986) BASLER AUSSCHUSS (1996a) BASLER AUSSCHUSS (1999) BASLER AUSSCHUSS (2001d) BASLER AUSSCHUSS (2001e) BASLER AUSSCHUSS (2001g) BASLER AUSSCHUSS (2001h) BASLER AUSSCHUSS (2002) BASLER AUSSCHUSS (2003) BASLER AUSSCHUSS (2004) BENSTON, G./KAUFMANN, G. (1996) BODMER/ KLEINER/LUTZ 2006 BOOS, K.-H./HÖFER, B. (1995a) BRYANT, J. (1980) COHEN, B. (1986) CROCKET, A. (1997) DALE, R. (1984) DARIPPA, A./VAROTTO, S. (1997) DIAMOND, D. (1984) DEUTSCHE BUNDESBANK (1992) DEUTSCHE BUNDESBANK (2001)
DOWD, K. (1996) EIDGENÖSSISCHE BANKENKOMMISSION (1999) EIDGENÖSSISCHE FINANZMARKTAUFSICHT
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153
C. INTERNE MODELLE UND REGULATORISCHE KONZEPTE FÜR DAS RISIKO-CONTROLLING Ausgehend von den allgemeinen statischen Messverfahren und Konzepten für die bankinterne Risikomessung, die grundlegend erläutert worden sind, werden nun die einzelnen banktypischen Risikokategorien einer vertieften Analyse unterzogen. Behandelt werden dabei im einzelnen •
das Kreditrisiko,
•
das Zinsänderungsrisiko,
•
das Währungsrisiko,
•
das Aktienkursrisiko,
•
das operationelle Risiko sowie
•
das Liquiditätsrisiko.
Neben Fragen der Messung bzw. Quantifizierung dieser Risiken im konkreten Einzelfall stehen die Ansatzpunkte und Instrumente zu einer Begrenzung als Bestandteile der Risikotragfähigkeitsdiskussion im Vordergrund.
I.
Das Kreditrisiko
1.
Das Kreditrisiko im Spannungsfeld von erwarteten und unerwarteten Verlusten
Kreditverluste können mit einer bestimmten statistischen Wahrscheinlichkeit vorhergesehen werden. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass solche Kreditverluste, die im statistischen Erwartungsbereich liegen, auch nicht einfach undifferenziert zusammen mit „echten“ Verlustüberraschungen in einen Topf geworfen werden dürfen. Wie in Band 1 (vgl. S. 305 ff.) ausführlich erläutert, sind die vorhersehbaren Kreditverluste damit auch konsequent in die Kalkulation des Betriebsergebnisses bzw. genauer in die Kosten des Kreditgeschäftes einzubeziehen. Die so kalkulierten Standard-Risikokosten haben also die Funktion, den erwarteten Verlust abzudecken und ihn prinzipiell bereits bei der Kreditvergabe zu berücksichtigen. Kreditrisiken, die diesen erwarteten Verlust umschreiben, können dementsprechend nicht mehr Gegenstand des Kreditrisikos sein, das nunmehr in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. Als Kreditrisiko, das eine mögliche Verlustüberraschung umschreibt, kann damit nur der unerwartete Verlust bezeichnet werden, der über den bereits bei der Standard-RisikokostenRechnung antizipierten erwarteten Verlust hinausgeht. In Anlehnung an Abbildung 189 in Band 1 (vgl. S. 314) und der dort vorgenommenen Abgrenzung von Ausfallrisiko und Boni154
tätsrisiko einerseits, sowie der Unterscheidung in eine ex ante- und eine ex post-Betrachtung anderseits, verdeutlicht Abbildung 78 die beschriebene Sichtweise. In einer ex-ante Betrachtung ist das Ausfallrisiko also gekennzeichnet durch einen innerhalb des vorgegebenen Konfidenzniveaus über den Expected Loss hinaus gehenden möglichen Kreditausfall, wohingegen für das Bonitätsrisiko gilt, dass es hier den möglichen zusätzlichen Wertverlust auf Grund von Rating-Migrationen und migrationsinduzierten Veränderungen der Credit-Spreads beschreibt. In einer ex-post Betrachtung müssen naturgemäß die zur Abwicklung des erwarteten Verlustes verrechneten Standard-Risikokosten mit den tatsächlich anfallenden IstRisikokosten verglichen werden. Der Saldo dieser beiden Größen wird durch das KreditRisikoergebnis dargestellt. Immer dann, wenn dieses Kredit-Risikoergebnis kleiner als Null ist, sind unerwartete Kreditverluste schlagend geworden. Wie Abbildung 78 ferner verdeutlicht, erfolgt die rechnungstechnische Abbildung des Bonitätsrisikos in aller Regel durch eine Barwertrechnung, wohingegen beim Ausfallrisiko sowohl eine barwertige Rechnung wie – und das ist bei den derzeitigen Konzepten die Regel – eine Periodenrechnung möglich ist.
ex ante
ex post
Kreditrisiko als Ausdruck des Unexpected Loss / unerwarteten Verlusts Ausfallrisiko Bonitätsrisiko = innerhalb des Konfidenzniveaus über den Expected Loss hinausgehender insolvenzinduzierter möglicher migrationsinduzierter möglicher Kreditausfall Wertverlust Periodenrechnung Barwertige Rechnung verrechnete Standard-Risikokosten < Ist-Risikokosten Kredit-Risikoergebnis < 0
Abb. 78: Abbildungsmöglichkeiten des aus dem „Unexpected Loss“ hergeleiteten Kreditrisikos
Hingewiesen sei auf den Umstand, dass das hier zu behandelnde Kreditrisiko noch mindestens zwei weitere Dimensionen aufweist: •
Angesprochen ist zum einen das spezifische Erfüllungsrisiko (bzw. Settlement Risk). Dies entsteht dann, wenn eine Transaktion mit gegenseitigen Lieferverpflichtungen bei Fälligkeit nicht Zug-um-Zug abgewickelt werden kann und die Gegenpartei ihrer Verpflichtung nicht nachkommt, obwohl die eigene Seite bereits geliefert hat. Von besonderer Bedeutung ist das Erfüllungsrisiko im Devisen- und Edelmetallgeschäft.
•
Zum anderen ist das Länderrisiko zu erwähnen. Es überformt die kreditnehmerspezifische Ausfallrisiko- bzw. Bonitätsproblematik und entsteht dadurch, dass speziell im internationalen Kreditgeschäft grenzüberschreitende Kapitaldienstleistungen aufgrund von Tansferschwierigkeiten, die auf hoheitliche Maßnahmen eines ausländischen Staates zurückzuführen sind, nicht erfolgen können (BÜSCHGEN 1999; CRAMER 1981; BAXMANN 1985). Das internationale Kreditgeschäft weist folglich eine zweistufige Risikostruktur auf: Auf der Ebene des Kreditnehmers das Ausfall- bzw. Bonitätsrisiko und auf der Ebene politökonomischer Rahmenbedingungen das Länderrisiko. Letztes kann auch dann schlagend werden, wenn keine relevanten kreditnehmerspezifischen Ausfall- bzw. Bonitätsrisiken bestehen.
Während für das Länderrisiko üblicherweise ebenfalls Standard-Risikokosten kalkuliert werden können und es auch Ansätze zur Quantifizierung des unerwarteten Verlustes gibt (vgl. 155
KLOSE 1996), sind Erfüllungsrisiken bzw. Settlement Risks nur schwer in diese Kalkulationssystematik einzubinden. Da diese üblicherweise durch technische und vertragliche Regelungen gesteuert werden (vgl. z. B. UBS 2000a, S. 58 f.), werden sie deshalb aus pragmatischen Gründen auch nicht selten dem operationellen Risiko zugeordnet (vgl. S. 487 ff.). Im Folgenden soll weder auf das Erfüllungsrisiko noch auf das Länderrisiko weitergehend eingegangen werden. Das „normale“ Kreditrisiko, wie es in den nun folgenden Betrachtungen weiter analysiert wird, weist drei weitere Besonderheiten auf, die bei der Implementierung von Kreditrisikomodellen und der Formulierung von geschäftspolitischen Strategien zur Begrenzung von Kreditrisiken zu berücksichtigen sind:
Wahrscheinlichkeitsdichte der Kreditverluste
(1) In aller Regel sind die Wahrscheinlichkeiten für Kreditverluste deutlich rechtsschief verteilt (vgl. Abb. 79). Dies bedeutet unter anderem, dass die Quantifizierung des Kreditrisikos mit einem standardmäßigen Value at Risk Ansatz äußerst problematisch ist, da die zentrale Bedingung für die Gültigkeit dieses Ansatzes – die Normalverteilung der Kreditverluste – nicht erfüllt ist (vgl. S. 179). Es bedarf hier also entsprechender ergänzender methodischer Überlegungen, um dieses Phänomen angemessen zu berücksichtigen. In Frage kommen hierbei grundsätzlich Simulationsmodelle, mit deren Hilfe Kreditrisiken bestimmt werden können, ohne mit expliziten Verteilungsannahmen arbeiten zu müssen. Allerdings wird in der Praxis nicht selten mit der Verwendung eines hohen Z-Werts im Value at Risk Ansatz die Kreditrisiken einfach approximiert. Standard-Risikokosten = „expected loss“
„unexpected loss“
Konfidenzniveau = 99,87 %
99,87 %-Quantil der Verlusthöhe
Kreditverluste
Abb. 79: Wahrscheinlichkeitsverteilung für Kreditverluste
(2) Obwohl durch die Berücksichtigung von Standard-Risikokosten eine saubere Trennung zwischen erwarteten Verlusten und unerwarteten Verlusten vollzogen wird und nur Letztere den Gegenstand der Kreditrisikoquantifizierung darstellen, ist der erwartete Verlust 156
wegen vielfacher Interdependenzen zum unerwarteten Verlust bei der Messung des Kreditrisikos immer wieder mit zu berücksichtigen: •
Bezogen auf das Ausfallrisiko besteht ein Grund etwa darin, dass bei der Kalkulation von Standard-Risikokosten die drei Hauptkomponenten (erwartete Ausfallrate, Rückzahlungsquote bei Ausfall und Kreditvolumen bei Insolvenz) als voneinander unabhängige Variablen modelliert werden, dass aber im Portfolio-Fall, der für das hier abgegrenzte Kreditrisiko von zentraler Bedeutung ist, dies grundsätzlich nicht zulässig ist (vgl. hierzu BRÖKER 2000, S. 22 f.).
•
Ein weiterer Aspekt berührt die Tatsache, dass die Komponenten der Grundgleichung des Ausfallrisikos selbst unerwartete Entwicklungen nehmen können. So können sich nicht nur die Erwartungswerte für die Ausfallrate, die Rückzahlungsquote und das Kreditvolumen verändern, sondern auch ihre Wahrscheinlichkeitsverteilung.
Analoge Aussagen lassen sich für das Bonitätsrisiko herleiten. Hier sind es die Interdependenzen zwischen Rating-Migrationen und Credit Spreads einerseits und die Veränderungen der Erwartungswerte (einschließlich ihrer Verteilungsmuster) andererseits, die für diese Parameter eine komplexere Modellierung notwendig machen. (3) In Analogie zur Kapitalmarkttheorie lässt sich auch beim Kreditrisiko eine systematische und eine unsystematische Komponente unterscheiden. Es gilt die These, dass das Kreditrisiko, also der unerwartete Verlust, durch Diversifikation des Kreditportfolios verringert werden kann. Dieser Teil des Kreditrisikos wird als unsystematisches Risiko bezeichnet. In einem Marktportfolio von Krediten, in dem sämtliche Kredite eines Marktes (eines Landes, einer Region oder sogar der ganzen Welt) enthalten sind, läge definitionsgemäß eine maximal mögliche Diversifikation vor. Das dann dennoch verbleibende Kreditrisiko, das stark durch makroökonomische Einflussgrößen geprägt ist, wäre dann als systematisches Kreditrisiko zu bezeichnen. Hinzuweisen ist auf die Tatsache, dass infolge der Beschränkung des Kreditrisikos auf den unerwarteten Verlust die Analogie zur Kapitalmarkt- bzw. Portfoliotheorie nur bedingt möglich ist. So wäre es zumindest denkbar, dass ein vollständig diversifiziertes Kreditportfolio das Kreditrisiko im Sinne des unerwarteten Verlustes nicht nur vollständig eliminiert, sondern sogar negativ wird, indem die verrechneten Standard-Risikokosten systematisch größer werden als die tatsächlichen Ist-Risikokosten. In so einem Falle würde eine Bank durch ihre Kreditdiversifikation effektiv zusätzliche Erträge erwirtschaften. Dieser Sachverhalt scheint in der Praxis durchaus auch zu existieren. So hat beispielsweise bei der schweizerischen Großbank UBS eine eigenständige Abteilung (mit der Bezeichnung „Risikotransformation“) die Aufgabe, solche zusätzlichen Erträge im Sinne eines positiven Risikoergebnisses zu erzielen (vgl. UBS 2000a). Ähnliches lässt sich auch bei anderen Großbanken finden.
157
2.
Management von Kreditrisiken
a)
Diskussion ausgewählter Kreditrisikomodelle
(1)
Quantifizierung des Ausfallrisikos auf Portfolio-Ebene
In den letzten Jahren ist eine Vielzahl von Ansätzen zur Quantifizierung des Kreditrisikos entwickelt worden. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang beispielsweise das vom Verfasser vorgestellte Modell einer Kreditrisikomessung auf Basis der historischen KreditRisikoergebnisse, CreditRisk+TM von Credit Suisse Financial Products, CreditMetricsTM von J.P. Morgan und CreditPortfolioViewTM von McKinsey & Co. Gemeinsam ist allen Modellen sowohl ihr Ziel, die unerwarteten (Kredit-)Verluste zu messen, als auch die explizite Betrachtung des gesamten Kreditportfolios, d.h. die Berücksichtigung von Diversifikationsbzw. Risikostreuungseffekten. Die Konzepte unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der zugrundeliegenden Risikoauffassung. (a)
Risikoergebnisbasierte Kreditrisikomessung
Bei der Kreditrisikomessung auf Basis des Kredit-Risikoergebnisses wird das Risiko als Abweichung der effektiven von den erwarteten Kreditausfällen (Ausfallrisiko) und als Abweichung der tatsächlich eingetretenen von den erwarteten (durch Bonitätsänderung des Kreditnehmers bedingten) Marktwertverlusten von marktfähigen Kredittiteln (Bonitätsrisiko) verstanden, d.h. mit den Schwankungen des Kredit-Risikoergebnisses gleichgesetzt. Das Kreditrisiko besteht hier also darin, dass das Kredit-Risikoergebnis einen negativen Saldo aufweist. Die Bestimmung des erwarteten Verlustes im Kreditgeschäft wurde bereits im Rahmen der Nettomargenkalkulation und bei der Diskussion der Grundlagen des Risiko-Controllings erörtert (vgl. insbesondere Band 1, S. 317 ff.). Danach werden die im Kundengeschäft vereinnahmten Standard-Risikokosten den tatsächlichen Ist-Risikokosten im Konzept der einzelgeschäftsbezogenen Ergebnissystematik im Kredit-Risikoergebnis gegenübergestellt. Wenn das Kredit-Risikoergebnis einen Saldo von Null aufweist, dann ist kein Kreditrisiko schlagend geworden, denn die Standard-Risikokosten sind ex ante in der richtigen Höhe kalkuliert worden. Allerdings lassen sich positive oder negative Salden des KreditRisikoergebnisses nicht von vornherein ausschließen. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass sich allein schon aufgrund von Kalkulationsunsicherheiten bei kleinen Grundgesamtheiten ein ständig schwankendes Kredit-Risikoergebnis zeigt. Abbildung 80 visualisiert ein solches beispielhaft. Ein stark schwankendes Kredit-Risikoergebnis ist dabei einerseits ein Indikator für eine falsche bzw. ungenaue Kalkulation der Standard-Risikokosten. Andererseits kann es insbesondere bei negativen Abweichungen wertvolle Hinweise für eine unzureichende Risikodiversifikation liefern (vgl. S. 197 ff.).
158
Standard-Risikokosten Ist-Risikokosten Kredit-Risikoergebnis =
in eine Wahrscheinlichkeitsaussage überführen
Zeit
Bestimmung des VaR des Kreditportfolios Abb. 80: Risikomessung auf Basis des Kredit-Risikoergebnisses
Diese periodischen Schwankungen des Kredit-Risikoergebnisses um den Wert von Null können nun konzeptionell in eine Wahrscheinlichkeitsaussage transformiert werden. Darauf aufbauend lässt sich nun ein Value at Risk mit Hilfe eines bankinternen Risikomodells ermitteln. Als zentrale Voraussetzung für die Aussagekraft eines solchen Modells ist allerdings eine hinreichend große historische Datenbasis erforderlich. Angesichts der Tatsache, dass der Einsatz der Standard-Risikokostenkalkulation mit konsistenten statistischen Verfahren über einen längeren Zeitraum in der Bankpraxis eher die Ausnahme denn die Regel ist, ist diese Bedingung derzeit nur schwer zu erfüllen. Auch fehlen mit gleicher Begründung empirische Daten über den Einfluss von Portfoliostrukturen (Rating-Verteilungsstrukturen, Kreditnehmerzahl- und Volumengrößenverteilung, Diversifikationsqualitäten u.ä.) auf diese KreditRisikoergebnisschwankungen. Eine weitere Bedingung für ein solches Risikomodell ist hingegen vergleichsweise leicht zu erfüllen: Die Prämisse der Normalverteilung von Kredit-Risikoergebnissschwankungen. Sie wird näherungsweise dadurch erfüllt, dass durch den periodischen Vergleich von StandardRisikokosten und Ist-Risikokosten gleichsam ein Regelkreis inganggesetzt wird, der durch periodische Anpassung der Standard-Risikokosten systematisch auf ein KreditRisikoergebnis von Null hin tendiert. Dies wird allerdings nur über Schwankungen und natürlich stets mit einem zeitlichen Lag als Durchschnittswert – betrachtet etwa über einem kompletten Konjunkturzyklus – erreicht. Die statistische Analyse des Kredit-Risikoergebnisses wird in Abbildung 81 anhand eines Beispiels demonstriert. Dabei wird ermittelt, inwieweit die kalkulierten StandardRisikokosten von den tatsächlichen Ist-Risikokosten abweichen. Für die Messung des Value at Risk ist konkret die Standardabweichung zwischen diesen Größen entscheidend. Diese errechnet sich aus den jährlichen prozentualen Abweichungen des periodischen KreditRisikoergebnisses von den jeweils verrechneten bzw. geplanten Standard-Risikokosten. Mit
159
Hilfe des Erwartungswertes, also der durchschnittlichen Abweichungsrate, sowie der Verteilungsfunktion der Abweichungsraten kann überprüft werden, ob die Bedingung für eine näherungsweise Normalverteilung erfüllt sind. Ist das gegeben, kann durch die Multiplikation mit dem gewünschten Z-Wert, der das Konfidenzniveau determiniert, der Value at Risk ermittelt werden. (Ist-) KreditRisikoergebnis
kumuliertes KreditRisikoergebnis
(in 1.000 GE) (in 1.000 GE) (in 1.000 GE) (1) (2) (3) = (1) – (2) 1.000 1.250 - 250 1.110 1.310 - 200 1.250 1.240 10 1.280 1.450 - 170 1.350 1.320 30 1.200 980 220 1.320 950 370 1.490 1.590 - 100 1.200 1.390 - 190 1.270 1.380 - 110 1.450 1.330 120 1.460 1.210 250 1.480 1.370 110 1.400 1.280 120 1.530 1.620 - 90 1.200 1.250 - 50 Erwartungswert: Standardabweichung:
(in 1.000 GE) (4) - 250 - 450 - 440 - 610 - 580 - 360 10 - 90 - 280 - 390 - 270 - 20 90 210 120 70
PeriStandardode Risikokosten
(0) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
IstRisikokosten
Abweichungsrate Risikoergebnis zu StandardRisikokosten (5) = (3) / (1) - 25,0 % - 18,0 % 0,8 % - 13,3 % 2,2 % 18,3 % 28,0 % - 6,7 % - 15,8 % - 8,7 % 8,3 % 17,1 % 7,4 % 8,6 % - 5,9 % - 4,2 % - 0,4 % 14,1 %
Abb. 81: Statistische Analyse des Kredit-Risikoergebnisses
Aus den Werten in Abbildung 81 ergibt sich eine Standardabweichung von 14,1 % und ein Erwartungswert von - 0,4 %. Bildet man entsprechende Klassen von Abweichungsraten (beispielsweise in 10-Prozent-Schritten zwischen + 30 % und - 30 %) zeigt sich zudem eine recht gute Annäherung an eine Normalverteilung. Unter Annahme eines vorgegebenen Z-Werts von - 3 und geplanten Standard-Risikokosten in der Folgeperiode von 6 Mio. GE ergib sich ein VaR von VaR = 14,1 %. · (- 3) · 6 Mio. GE = (- 42,3 %) · 6 Mio. GE = 2,538 Mio. GE Mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 99,87 % werden demnach die Ist-Risikokosten in der Folgeperiode um maximal 2,538 Mio. GE höher ausfallen als die geplanten StandardRisikokosten. In dieser Größenordnung wären dann zusätzlich Eigenmittel für das Kreditportfolio zu unterlegen.
160
Abschließend sei noch darauf verwiesen, dass bei der Berechnung der Abweichungsrate Risikoergebnis zu Standard-Risikokosten der periodenübergreifende Charakter des KreditRisikoergebnisses zu berücksichtigen ist. Insofern kann es sinnvoll sein, die über mehrere Perioden hinweg aggregierten Standard- und Ist-Risikokosten miteinander zu vergleichen. Außerdem sind gegebenenfalls für die Aggregation des Gesamtbankrisikos und die damit verbundene Berechnung von Korrelationen mit anderen Risikoparametern die Barwerte der Standard-Risikokosten als Datenbasis zugrunde zulegen. (b)
CreditRisk+TM
Kreditrisiken weisen in bezug auf die Art des Eintretens von Kreditereignissen und die Höhe der sich daraus ergebenden Verluste für die kreditgebende Bank zahlreiche Ähnlichkeiten zu versicherungswirtschaftlichen Risiken auf. Charakteristisch für beide Bereiche sind die Seltenheit des Kredit- bzw. Schadensereignisses, die ex ante schwer quantifizierbaren potentiellen Verlust- bzw. Schadensvolumina und die Existenz der Risikointerdependenzen zwischen den Kreditnehmern bzw. Versicherungsnehmern. Aufgrund dieser Ähnlichkeiten können die in der Versicherungswirtschaft bereits entwickelten und implementierten methodischen Ansätze zur Quantifizierung und Steuerung des Versicherungsrisikos auf den Bereich des Kreditrisikos übertragen werden. Die in diesem Kontext entwickelten aktuarischen Kreditrisikomodelle betrachten das Eintreten von Kreditereignissen – analog eines Schadensereignisses in der Versicherungswirtschaft – ausschließlich als Insolvenzereignisse, ohne dabei die Möglichkeiten der Bonitätsveränderungen der Kreditnehmer in der Modellierung zu berücksichtigen. Als Determinanten des Ausfallrisikos werden im aktuarischen Basismodell vier Risikoparameter identifiziert. Die ersten drei Risikoparameter Kredit-Exposure (Kreditexpositionen im Insolvenzfall) sowie erwartete Rückzahlungsquote im Insolvenzfall und erwartete Ausfallrate werden im Basismodell ausschließlich als konstante Größen unterstellt. Als vierter Risikoparameter bilden die ebenfalls als konstant unterstellten paarweisen Ausfallkorrelationen die Risikointerdependenzen zwischen den Kreditnehmern ab. Die zentralen Mängel des aktuarischen Basismodells liegen insbesondere in den restriktiven Annahmen über die zeitliche Konstanz der Risikoparameter begründet, welche die Realität keineswegs widerspiegeln. Zusätzlich einschränkend wirken die schwer quantifizierbaren Ausfallkorrelationen, die weder in der Praxis zur Verfügung stehen noch direkt gemessen werden können, auf die praktischen Anwendungsmöglichkeiten des aktuarischen Basismodells ein. Das von Credit Suisse Financial Products im Jahre 1997 entwickelte CreditRisk+TM ist eine Weiterentwicklung des aktuarischen Basismodells. Dabei fasst CreditRisk+TM das Kreditrisiko ebenfalls als Ausfallrisiko auf und quantifiziert den sich daraus ergebenden „Unexpected Loss“ auf Portfolioebene für ein bestimmtes Konfidenzintervall sowie einen bestimmten Zeithorizont. Mit Hilfe dieses Modells ist es möglich, Steuerungsinformationen sowohl für ein aktives Portfoliomanagement als auch für die Bildung einer angemessenen Rückstellung für Verluste aus Kreditausfällen zu generieren. Dieses Modell zeichnet sich in der Praxis insbesondere wegen seiner einfachen Handhabung und der geringen Anforderung an Inputdaten
161
aus. Zur Erfassung des „Unexpected Loss“ benötigt das CreditRisk+TM dabei lediglich fünf Arten von Inputdaten (vgl. Abb. 82): 1.
das Kredit-Exposure bei Ausfall,
2.
die Rückzahlungsquote bei Ausfall,
3.
die erwartete Ausfallsrate
4.
die Volatilität der Ausfallsrate und
5.
die Ausfallkorrelationen im Portfoliofall.
Veränderliche Ausfallraten
Volatilität der Ausfallrate
Value at Risk aus Kreditrisiken Rating des Kredits
RückzahlungsKredit-Exposure quote bei Ausfall
Erwartete Ausfallrate
Kredit-Exposure nach Verwertung der Kreditsicherheiten
Ausfallkorrelationen Zuordnung Einflussfaktoren
Erwarteter Verlust des Kreditportfolios
Wahrscheinlichkeitsverteilung der Portfolioverluste Abb. 82: Aufbauschema des CreditRisk+TM
Aus Abbildung 82 ist zunächst ersichtlich, dass sich die Höhe des erwarteten Verlustes eines Kreditportfolios aus der Summe der erwarteten Kreditverluste – Expected Loss – der einzelnen Kreditengagements ergibt, deren Höhe sich wiederum mittels der Grundgleichung zur Kalkulation von Standard-Risikokosten ermitteln läßt (vgl. Band 1, S. 317 ff.). Dabei dient der erwartete Verlust zusammen mit dem maximal zu erwartenden Verlust des Kreditportfolios, welcher unter Zugrundlegung eines vorgegebenen Konfidenzniveaus zu bestimmen ist, als Grundlage zur Kalkulation des Unexpected Loss des Kreditportfolios (vgl. Abb. 83):
162
Unexpected Loss (Unerwarteter Verlust) des Kreditportfolios
=
Mit einem vorgegebenen Konfidenzniveau maximal zu erwartender Portfolioverlust
Expected Loss (Erwarteter Verlust) des Kreditportfolios
Abb. 83: Grundgleichung zur Bestimmung des Unexpected Loss
Die Höhe des Unexpected Loss des Kreditportfolios wird in CreditRisk+TM durch die Granularität des Kreditvolumens einerseits und durch die Volatilität der Ausfallraten sowie die Risikointerdependenzen zwischen den Kreditnehmern andererseits determiniert. Der Unexpected Loss eines Kreditportfolios wird um so größer, je weniger Kreditnehmer das Portfolio enthält und je höher das Volumen ist, das die einzelnen Kreditengagements aufweisen. Wird das Volumen des Kreditportfolios auf möglichst viele unterschiedliche Kreditnehmer verteilt und so die Granularität des Kreditportfolios entsprechend erhöht, kann der Unexpected Loss erheblich reduziert werden (mehr dazu vgl. S. 202 ff.). Auf die Wirkungen von Volumen und Granularität auf die Höhe des unerwateten Verlustes des Kreditportfolios wird im einzelnen noch einzugehen sein. Um die Vorgehensweise nachvollziehbar darzustellen, wird bei der Modellierung des CreditRisk+TM zunächst von konstanten Ausfallraten und Unabhängigkeit zwischen den Kreditnehmern ausgegangen. Unter diesen Annahmen wird somit die Höhe der unerwarteten Verluste eines Kreditportfolios im wesentlichen durch zwei Faktoren bestimmt: •
Anzahl der Kreditausfälle
•
Verlusthöhe der einzelnen Ausfälle
Zur Bestimmung der Anzahl der Kreditausfälle werden in CreditRisk+TM zunächst die erwarteten Ausfallraten verwendet, welche grundsätzlich durch die Heranziehung eines externen Ratings (falls vorhanden) oder mittels Verfahren des internen Ratings durch die kreditgebende Bank zu ermitteln sind. Für ein Portfolio mit N Krediten ergibt sich die zu erwartende Anzahl an Kreditausfällen als Summe der einzelnen erwarteten Ausfallraten: N
P
¦ pi
i 1
mit: P = erwartete Anzahl an Kreditausfällen; pi = erwartete Ausfallrate des Kreditnehmers i; N = Anzahl der Kredite im Portfolio
Unter Annahme einer einheitlichen Ausfallrate für alle Kreditnehmer (p = pi), welche weiterhin als voneinander unabhängig angesehen werden, lässt sich die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Kreditausfälle durch die sogenannte Binomialverteilung beschreiben (vgl. BLEYMÜLLER et al. 2004):
163
WnN
§ N· n ¨¨ ¸¸ p 1 p N n ©n¹
N!
N n ! n !
p n 1 p N n
mit: WnN = Wahrscheinlichkeit dafür, dass von N Kreditnehmern n ausfallen
Anzahl der Kreditausfälle
Binomialverteilungen
Wahrscheinlichkeiten
Kumulierte Wahrscheinlichkeiten
0
W040
§¨ 40 ·¸ 0,050 1 0,05 40 0 ©0¹
=
12,851 %
12,851 %
1
W140
§¨ 40 ·¸ 0,051 1 0,05 401 ©1¹
=
27,055 %
39,906 %
2
W240
§¨ 40 ·¸ 0,052 1 0,05 40 2 ©2¹
=
27,767 %
67,674 %
3
W340
§¨ 40 ·¸ 0,053 1 0,05 40 3 ©3¹
=
18,511 %
86,185 %
4
W440
§¨ 40 ·¸ 0,054 1 0,05 40 4 ©4¹
=
9,012 %
95,197 %
5
W540
§¨ 40 ·¸ 0,055 1 0,05 405 ©5¹
=
3,415 %
98,612 %
6
W640
§¨ 40 ·¸ 0,056 1 0,05 40 6 ©6¹
=
1,049 %
99,661 %
7
W740
§¨ 40 ·¸ 0,057 1 0,05 407 ©7¹
=
0,268 %
99,929 %
8
W840
§¨ 40 ·¸ 0,058 1 0,05 40 8 ©8¹
=
0,058 %
99,987 %
9
W940
§¨ 40 ·¸ 0,059 1 0,05 40 9 ©9¹
=
0,011 %
99,998 %
=
0,002 %
100,000 %
=
· · ·
· · ·
=
0,00 %
100, 000 %
10
40 W10
· · · 40
40 W40
§¨ 40 ·¸ 0,0510 1 0,05 40 10 © 10 ¹ · · · §¨ 40 ·¸ 0,0540 1 0,05 40 40 © 40 ¹
Abb. 84: Wahrscheinlichkeiten der Kreditausfälle in einer Binomialverteilung
Im Folgenden soll anhand eines Beispiels die Vorgehensweise zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeiten von Kreditausfällen mittels Binomialverteilung demonstriert werden. Das Beispielportfolio besteht aus 40 voneinander unabhängigen Kreditnehmern mit jeweils identischer Ausfallrate in Höhe von 5 %. Die Anzahl der erwarteten Kreditausfälle beläuft sich innerhalb der Betrachtungsperiode somit auf 2: 164
40
P
¦ pi
40 5 %
2
i 1
Mit welcher Wahrscheinlichkeit ein, zwei oder mehrere Kreditnehmer ausfallen, wird mit Hilfe der Binomialverteilung ermittelt und in Abbildung 84 dargestellt. Aus den dargestellten kumulierten Wahrscheinlichkeiten lässt sich die Aussage ableiten, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,661 % nicht mehr als 6 Kreditnehmer ausfallen werden (vgl. Abb. 84). In Abbildung 85 werden die Ergebnisse dieses Beispiels graphisch dargestellt:
30 %
Wahrscheinlichkeiten
25 % 20 % 15 % 10 % 5% 0% 0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Anzahl der Kreditausfälle Abb. 85: Binomialverteilte Wahrscheinlichkeiten von Kreditausfällen
In der praktischen Anwendung von CreditRisk+TM wird für die Beschreibung der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Kreditverluste eine Poissonverteilung unterstellt, da diese für geringe Ausfallraten eine gute Approximation der Binomialverteilung erzielen kann und ferner nicht die Unterstellung identischer Ausfallraten für alle Kreditnehmer erfordert. Die Wahrscheinlichkeiten der Kreditausfälle lassen sich mit Hilfe der Poissonverteilung folgendermaßen ermitteln (vgl. BLEYMÜLLER et al. 2004): Poisson W(n)
e- μ μ n n!
mit: μ = erwartete Anzahl an Kreditausfällen; W(Poisson = Wahrscheinlichkeit dafür, dass n Kreditnehmer ausn) fallen; e = eulersche Zahl; n = Anzahl der Kreditausfälle
Bei der Wahrscheinlichkeitsaussage, dass in einer Betrachtungsperiode keiner der Kredite ausfällt, also n = 0, reduziert sich die obige Formel auf:
165
Poisson W(n 0)
e- μ
Für ein Kreditportfolio, das beispielsweise aus vier Krediten mit den jeweiligen erwarteten Ausfallraten in Höhe von 1 %, 4 %, 6 % und 8 % besteht, beträgt die Zahl der erwarteten Kreditausfälle: 4
μ
¦p
1% 4 % 6 % 8 %
i
0,19
i 1
Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass keiner der Kredite während der Betrachtungsperiode ausfällt, beläuft sich somit auf: W(nPoisson 0)
e-μ
e - 0,19
82,70 %
Da die gleiche Verlustsumme sowohl aus einigen Ausfällen mit hohem Kredit-Exposure als auch aus einer Vielzahl von Ausfällen mit jeweils geringem Kredit-Exposure resultieren kann, stellt neben der Anzahl der Kreditausfälle die Höhe des Kredit-Exposure der einzelnen Kreditengagements das zweite Element für die Höhe der unerwarteten Verluste eines Kreditportfolios dar. Um die Volumenstruktur des Kreditportfolios abzubilden, werden alle Kredite in Größenklassen, die auch als „Exposure-Bänder“ bezeichnet werden, eingeteilt. Demnach wird in jedem Exposure-Band der potentielle Verlust eines Kredits stets als ein ganzzahliges Vielfaches einer Grundeinheit L (z.B. 1 Mio. GE) ausgedrückt. Der durch die Grundeinheit L normierte erwartete Kreditverlust aller Kreditnehmer, welche einem bestimmten ExposureBand j angehören, lässt sich durch folgende Beziehung ausdrücken: M
¦ p x Vx
Hj
x 1
L
mit: İj = durch Grundeinheit L normierter Kreditverlust des Exposure-Bandes j; px = erwartete Ausfallrate des Kreditnehmers x; Vx = Kredit-Exposure des Kreditnehmers x, M = Anzahl der Kreditnehmer innerhalb eines Exposure-Bandes
Auf Basis dieser Werte kann die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein mit der Grundeinheit L normiertes Kreditvolumen n in einer Betrachtungsperiode ausfällt, mittels einer Rekursionsformel hergeleitet werden (vgl. BRÖKER 2000): n
W( n )
Hj
¦ n W(n j) j 1
mit: W(n) = Wahrscheinlichkeit für den Ausfall mit einem Volumen von n
Unter Zugrundelegung des Expected Loss der einzelnen Exposure-Bänder wird die Wahrscheinlichkeitsverteilung für alle potentiellen Ausfallvolumina mit Hilfe der oben stehenden Formel ermittelt.
166
Anhand eines Beispiels soll die Herleitung der Wahrscheinlichkeitsverteilung für alle möglichen Ausfallvolumina demonstriert werden. Das Beispielportfolio besteht aus 4 Kreditnehmern mit jeweiligem Kredit-Exposure in Höhe von 1, 2, 3 und 4 Mio. GE sowie erwarteten Ausfallraten von 4 %, 8 %, 6 % und 1 %. Die Korrelationen zwischen den Kreditnehmern sowie die Schwankungen der Ausfallraten bleiben unberücksichtigt. In einem ersten Schritt werden die Volumenstruktur sowie die erwarteten Verluste des Beispielportfolios durch Exposure-Bänder abgebildet (vgl. Abb. 86), dabei wird 1 Mio. GE als Grundeinheit für die Exposure-Bänder bestimmt:
ExposureBänder 1 2 3 4
1 2 3 4
Summe bzw. Durchschnitt:
(1) 1 Mio. 2 Mio. 3 Mio. 4 Mio.
(2) 4% 8% 6% 1%
(3) 1 Mio. 1 Mio. 1 Mio. 1 Mio.
(4) = (1) · (2) / (3) 0,04 0,16 0,18 0,04
Erwarteter Kreditverlust (Expected Loss in GE) (5) = (3) · (4) 0,04 Mio. 0,16 Mio. 0,18 Mio. 0,04 Mio.
10 Mio.
4,2 %
1 Mio.
0,42
0,42 Mio.
Exposure Erwartete Grundeinheit (in GE) Ausfallrate (1 Moi. GE)
Erwarteter normierter Kreditverlust
Abb. 86: Abbildung der Volumenstruktur des Kreditportfolios durch Exposure-Bänder
Anschließend werden beginnend mit der Wahrscheinlichkeit dafür, dass in einer Betrachtungsperiode kein Kredit ausfällt, mit Hilfe der obigen Rekursionsformel sukzessive die einzelnen Wahrscheinlichkeiten für den Ausfall von Kreditvolumina in Höhe von 1 Mio. GE, 2 Mio. GE usw. ermittelt, wie dies in Abbildung 87 dargestellt wird. Die in der zweiten Spalte von Abbildung 87 aufgeführten kumulierten Wahrscheinlichkeiten können als Grundlage für eine Aussage über den Value at Risk des Kreditportfolios dienen. Mit einem Konfidenzniveau von 99,89 %, das etwa einem Z-Wert in Höhe von 3 in der Standardnormalverteilung entspricht, würde das Ausfallvolumen die Grenze von 6 Mio. GE nicht überschreiten. Der Unexpected Loss des Kreditportfolios würde also bei einem Expected Loss in Höhe von 0,42 Mio. GE (= 0,04 Mio. GE + 0,16 Mio. GE + 0,18 Mio. GE + 0,04 Mio. GE) den Wert von 5,58 Mio. GE (= 6 Mio. GE – 0,42 Mio. GE) mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,89 % nicht überschreiten (vgl. Abb. 87).
167
Ausfall- kumulierte volumina Wahrn in Mio. scheinGE lichkeit
Wahrscheinlichkeit Wn
0
82,70 %
82,70 %
1
86,00 %
3,31 %
2
92,69 %
6,68 %
3
97,91 %
5,23 %
4
99,21 %
1,30 %
5
99,65 %
0,44 %
6
99,89 %
0,24 %
7
99,97 %
0,07 %
8
99,99 %
0,02 %
9
100,00 % 0,01 %
10
100,00 % 0,00 %
ExposureBand 1 e
ExposureBand 2
ExposureBand 3
ExposureBand 4
(4 % 8 % 6 % 1 %)
0,04 82 ,70 % 1 0,04 0,16 3,31 % 82 ,70 % 2 2 0,04 0,16 0,18 6,68 % 3,31 % 82 ,70 % 3 3 3 0,04 0,16 0,18 0,04 5,23 % 6,68 % 3,31 % 82 ,70 % 4 4 4 4 0,04 0,16 0,18 0,04 1,30 % 5,23 % 6,68 % 3,31 % 5 5 5 5 0 ,04 0 ,16 0 ,18 0 ,04 0 , 44 % 1,30 % 5, 23 % 6 , 68 % 6 6 6 6 0,04 0,16 0,18 0,04 0,24 % 0,44 % 1,30 % 5,23 % 7 7 7 7 0,04 0,16 0,18 0,04 0,07 % 0,24 % 0,44 % 1,30 % 8 8 8 8 0,04 0,16 0,18 0,04 0,02 % 0,07 % 0,24 % 0,44 % 9 9 9 9 0 ,04 0 ,18 0 ,16 0 ,04 | 0 ,01 % 0 ,02 % 0 ,07 % 0 , 24 % 10 10 10 10
Expected Loss = 0,42 Mio. GE
Unexpected Loss (Value at Risk) = 5,58 Mio. GE
90 % Wahrscheinlichkeit
80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0% 0
1
2
3
4
Konfidenzniveau = 99,89 % Abb. 87: Bestimmung der Verlustverteilung in CreditRisk+TM
168
5
6
10 Verlust in Mio. GE
Wahrscheinlichkeitsdichte der Kreditverluste
Im Folgenden soll anhand eines weiteren Beispiels mit einem modifizierten Kreditportfolio gezeigt werden, wie die Höhe der unerwarteten Verluste des Kreditportfolios dadurch beeinflusst wird, dass die Annahme über die im Zeitablauf konstanten Ausfallraten und die Prämisse der Unabhängigkeit der Kreditnehmer aufgehoben wird (vgl. hier sowie zum folgenden BRÖKER 2000). Das betrachtete Kreditportfolio besteht aus 40 Kreditnehmern, die in der Ausgangssituation zunächst unkorreliert voneinander jeweils eine konstante und identische Ausfallrate von 5 % aufweisen. Die einzelnen Kredit-Exposure liegen zwischen 1 und 17 Mio. GE und verteilen sich gleichmäßig auf die jeweiligen Kreditnehmer. Unter Zugrundelegung eines unterstellten durchschnittlichen Verlustes im Insolvenzfall in Höhe von 7,5 Mio. GE für die Kreditnehmer beläuft sich der erwartete Verlust des Kreditportfolios auf 15 Mio. GE (= 40 · 5 % · 7,5 Mio. GE). Mit einem Konfidenzniveau von 99 % ergibt sich somit ein maximal zu erwartender Portfolioverlust in Höhe von 52,38 Mio. GE. Dieses Ergebnis führt schließlich zu der Aussage, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % der unerwartete Verlust des Kreditportfolios die Grenze von 37,38 Mio. GE (= 52,38 Mio. GE – 15 Mio. GE) nicht überschreiten wird (vgl. Abb. 88). Expected Loss = 15 Mio. GE
Unexpected Loss (Value at Risk) = 37,38 Mio. GE
Kreditverluste Konfidenzniveau = 99 % Abb. 88:
Verlustverteilung des Kreditportfolios mit 40 unabhängigen Kreditnehmern bei Annahme konstanter Ausfallraten
Diese Verlustverteilung ändert sich nun deutlich, wenn zugelassen wird, dass die Ausfallraten im Zeitablauf schwanken und zugleich die Prämisse der Unabhängigkeit der Kreditnehmer aufgehoben wird. Empirisch ist der Fall schwankender Ausfallraten eher belegt als der Fall konstanter Ausfallraten, wie Abbildung 89 zeigt: Für den Zeitraum von 1970 bis 1997 verzeichnet die Ausfallrate der Rating-Kategorie B (nach Moody´s) deutliche Schwankungen. So sind z.B. in den Jahren 1976 und 1979 keine Ausfälle zu verzeichnen, während im Jahre 1970 insgesamt 23,4 % der Anleihen dieser Kategorie ausfielen. Damit ist ersichtlich, dass die Ausfallraten keineswegs als zeitlich konstant betrachtet werden dürfen. Sie sind vielmehr einer mehr oder weniger starken Volatilität unterworfen (vgl. BRÖKER 2000).
169
25,0 %
Historische Ausfallrate
20,0 % 15,0 % 10,0 % 5,0 %
1996
1994
1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
1970
0,0 %
Jahr Abb. 89: Historische Ausfallraten für das Moody´s Rating B
Durch die Einführung der Volatilität der Ausfallrate in die Modellierung soll die Ausfallrate einzelner Kreditnehmer nun als Zufallsgröße aufgefasst werden. Dabei lässt sich die Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung der Ausfallrate durch eine Gammaverteilung approximativ beschreiben (vgl. BLEYMÜLLER et al. 2004). Die Approximation durch die Gammaverteilung weist den Vorteil auf, dass diese die Eigenschaft über Zweiparameterverteilung besitzt, und daher lediglich durch Angabe des Mittelwertes und der Standardabweichung vollständig bestimmbar ist. Die bisher verwendete Rekursionsformel zur Ermittlung der Verlustverteilung eines Kreditportfolios wird demnach unter Berücksichtigung der zufallsverteilten Ausfallraten im Folgenden modifiziert werden. Werden nun zusätzlich zufallsverteilte Ausfallraten und eine Ausfallkorrelation in Höhe von + 1 zwischen den Kreditnehmern unterstellt, ändert sich das oben geschilderte Beispiel dahingehend, dass zwar weiterhin eine einheitliche Ausfallrate von 5 % für alle Kreditnehmer gilt, diese jedoch jeweils einer Standardabweichung von ebenfalls 5 % unterworfen sind. Dadurch bleibt zwar die Höhe des erwarteten Portfolioverlusts gleich, es erhöht sich dagegen der maximal zu erwartende Verlust des Kreditportfolios deutlich (im Modell von BRÖKER um 65 % von 52,38 Mio. GE auf 86,47 Mio. GE). Der sich daraus ableitende unerwartete Portfolioverlust beläuft sich bei einem Konfidenzniveau von 99 % auf 71,47 Mio. GE (= 86,47 Mio. GE – 15 Mio. GE) (vgl. Abb. 90). Für den Fall, dass die Ausfallkorrelation zwischen den Kreditnehmern eine Höhe von weniger als + 1 aufweist, würde der unerwartete Portfolioverlust naturgemäß wieder niedriger ausfallen als das oben stehende Ergebnis. Im Folgenden wird darauf jedoch nicht weiter eingegangen (vgl. hierzu S. 208 ff.).
170
Wahrscheinlichkeitsdichte der Kreditverluste
Expected Loss = 15 Mio. GE
Unexpected Loss (Value at Risk) = 71,47 Mio. GE
Kreditverluste Konfidenzniveau = 99 % Abb. 90: Verlustverteilung des Kreditportfolios mit 40 Kreditnehmern bei schwankenden Ausfallraten
In bezug auf die Faktoren, die sich auf die Schwankungen und Korrelationen der Ausfallraten der Kreditnehmer auswirken, unterscheidet CreditRisk+TM zwischen spezifischen und systematischen Einflussfaktoren. Bei den spezifischen Einflussfaktoren handelt es sich um Faktoren wie z.B. Managementqualität, Marktstellung des Kreditnehmers, Produktsortiment der kreditnehmenden Unternehmung etc, die einen direkten Bezug zu einzelnen Kreditnehmern aufweisen. Darum können die Wirkungen dieser Faktoren auf den Unexpected Loss eines Kreditportfolios – ähnlich der unsystematischen Risiken eines Aktienportfolios – dadurch eliminiert werden, dass dieses Portfolio über eine Vielzahl an Kreditnehmer diversifiziert wird. Die auch als Hintergrundfaktoren bezeichneten systematischen Einflussfaktoren beziehen sich im Gegensatz zu spezifischen Einflussfaktoren vornehmlich auf makroökonomische Größen und haben entscheidenden Einfluss auf die Höhe des Unexpected Loss des Kreditportfolios. Sie determinieren dabei im wesentlichen das Ausmaß der Schwankungen der Ausfallraten und der Risikointerdependenzen zwischen den Kreditnehmern (Ausfallkorrelationen). Durch eine Signifikanzanalyse werden alle Kreditnehmer, deren Schwankungen der Ausfallrate eng mit einem einzigen systematischen Einflussfaktor (z.B. Baukonjunktur) zusammenhängen, zu einem Hintergrundsektor (z.B. Sektor Bauwirtschaft) zusammengefasst. Diese Vorgehensweise impliziert, dass alle Kreditnehmer innerhalb eines Hintergrundsektors eine hohe Risikointerdependenz untereinander aufweisen und daher als homogen betrachtet werden können. Die Bildung eines Hintergrundsektors richtet sich nach dem Vorhandensein eines relevanten systematischen Einflussfaktors, und die Auswahl von systematischen Einflussfaktoren orientiert sich dabei wiederum an Kriterien wie hoher Erklärungsgehalt, Portfolioanteil, Überschneidungsfreiheit und größtmögliche Unabhängigkeit. Um ein idealtypisches Kreditportfolio zu gestalten, soll demnach zwischen den Kreditnehmern innerhalb eines Hintergrundsektors eine Korrelation in Höhe von 1 bestehen, und zwischen den Hintergrundsektoren grundsätzlich Unabhängigkeit herrschen und damit eine Korrelation von Null (vgl. Abb. 91). Für den Fall, dass die Schwankungen der Ausfallrate eines Kreditnehmers von
171
mehreren systematischen Einflussfaktoren beeinflusst werden, besteht in CreditRisk+TM die Möglichkeit, den Kreditnehmer volumenmäßig auf verschiedene Hintergrundsektoren aufzuteilen. Die Höhe der Ausfallkorrelation zweier Kreditnehmer ist also im wesentlich davon abhängig, inwieweit sie den identischen systematischen Einflussfaktoren zugeordnet werden können. Durch die Einführung der systematischen Einflussfaktoren ist CreditRisk+TM somit besser als das aktuarische Basismodell in der Lage, die Auswirkung von Ausfallkorrelationen zu berücksichtigen, ohne jedoch diese explizit als Inputdaten für die Modellierung ermitteln zu müssen.
Hintergrundsektor Deutschland Kreditnehmer 1
Kreditnehmer 2
...
Hintergrundsektor Europäische Bauwirtschaft Kreditnehmer N
Kreditnehmer 1
Kreditnehmer 2
...
Kreditnehmer N
Korrelation = 1
Korrelation = 1
Systematischer Einflussfaktor: Allg. Konjunkturlage in Deutschland
Systematischer Einflussfaktor: Baukonjunktur in Europa
Korrelation = 0 Abb. 91: Bildung von Hintergrundsektoren eines idealtypischen Kreditportfolios in CreditRisk+TM
Die Bildung der Hintergrundsektoren ermöglicht einerseits eine ursachenbezogene Risikoerkennung und andererseits die Eröffnung eines Horizontes zur Formulierung weiterer Diversifikationsstrategien. Nach Auffassung von CreditRisk+TM kann ein Kreditportfolio erst dann als diversifiziert betrachtet werden, wenn eine ausreichende Anzahl an möglichst voneinander unabhängigen Hintergrundsektoren gebildet wird, und dabei jeder Kreditnehmer einem dieser Hintergrundsektoren zugeordnet werden kann. Das Klumpenrisiko ist besonders virulent, wenn das Kreditportfolio nur aus einem einzigen Hintergrundsektor bestünde. Die Grenze der Diversifikation wird erreicht, wenn durch weitere Sektorbildung keine zusätzliche signifikante Reduktion des unerwarteten Verlustes möglich wird. Abbildung 92 zeigt das Verhältnis zwischen der mit einem 99 %-igen Konfidenzniveau festgestellten Verlustverteilung eines Mehrsektor-Kreditportfolios und der eines Einsektor-Kreditportfolios (vgl. CREDIT SUISSE 1997). Dabei ist zu erkennen, dass der Diversifikationseffekt bei dem Übergang eines Einsektor-Kreditportfolios auf ein Zweisektor-Kreditportfolio am größten ist. Dieser Effekt schwächt sich jedoch mit der steigenden Anzahl der gebildeten Sektoren sukzessiv ab.
172
1
Quotient
0,8 0,6 0,4 0,2 0 1
2
3
4
5
6
7
8
9
Anzahl der Sektoren Abb. 92:
Quotient der Verlustverteilung eines Mehrsektor-Kreditportfolios und eines EinsektorKreditportfolios
Bei der Beurteilung des CreditRisik+TM als Kreditrisikomodell wird vor allem die geringe Datenanforderung als ein wesentlicher Vorteil für den praktischen Einsatz dieses Modells angesehen. Die vier Eingangsparameter, nämlich das Kredit-Exposure sowie die erwartete Rückzahlungsquote bei Ausfall, die erwartete Ausfallrate und deren Volatilität, lassen sich relativ problemlos durch die von der Bank vorgenommenen Zeitreihenanalysen und Risikoeinstufungen der Kreditnehmer ermitteln. Durch die Zuordnung und Einteilung der Kreditnehmer zu den Hintergrundsektoren mit Hilfe von systematischen Einflussfaktoren ist mit CreditRisk+TM möglich, dass einerseits die Auswirkungen von Risikointerdependenzen zwischen den Kreditnehmern reflektiert werden, und andererseits die Notwendigkeit zur Quantifizierung der schwer zugänglichen und zeitlich instabilen Ausfallkorrelationen umgangen wird. Damit ist das CreditRisk+TM besser als das aktuarische Basismodell in der Lage, das Kreditrisiko mit hoher Präzision zu erfassen (vgl. BRÖKER 2000). Die Ausbaufähigkeit von CreditRisk+TM zeigt sich an der Möglichkeit, das zu erwartende Kreditrisiko nicht nur auf eine bestimmte Betrachtungsperiode (z.B. auf Jahresbasis), sondern auch in den folgenden Betrachtungsperioden bzw. in den Folgejahren zu ermitteln. Damit verbunden ist auch explizit die Möglichkeit, neben der Quantifizierung des Ausfallrisikos auch das Bonitätsrisiko als Gefahr unerwarteter Kurswertveränderungen von marktfähigen Kredittiteln über mehrere Perioden zu erfassen. (2)
Quantifizierung des Bonitätsrisikos auf Portfolio-Ebene
Neben der Kreditrisikomessung auf Basis effektiver Ausfälle, lässt sich das Kreditrisiko auch in Form eines Marktwertverlustes quantifizieren, der aufgrund von Bonitätsveränderungen eines oder mehrerer Kreditnehmer auftreten kann. Im Extremfall kann eine solche Veränderung in der Zahlungsunfähigkeit eines Kreditnehmers münden. Im Rahmen der Ausführung 173
über CreditRisk+TM ist bereits darauf eingegangen worden, dass neben der Quantifizierung des Ausfallrisikos ebenfalls die Möglichkeit besteht, in einer Modellerweiterung das Bonitätsrisiko von marktfähigen Kredittiteln zu erfassen. Nachfolgend werden zwei Ansätze vorgestellt, die ausschließlich das Bonitätsrisiko als Gegenstand der Modellierung betrachten. Mit CreditMetricsTM wird zunächst ein Ansatz vorgestellt, der das Kreditrisiko mit Hilfe einer Marktwertbetrachtung zu quantifizieren versucht. Dieser Ansatz wird in CreditPortfolioViewTM durch die Hinzunahme makroökonomischer Parameter als zusätzliche Einflussgrößen der Bonität erweitert. (a)
CreditMetricsTM
Ziel von CreditMetricsTM ist es, das aus kreditbezogenen Ereignissen herrührende Portfoliorisiko zu bestimmen, d.h. die Unsicherheit des zukünftigen Portfoliowertes am Zeit- bzw. Risikohorizont bedingt durch Veränderungen in der Kontrahentenbonität zu messen (vgl. im folgenden J.P.MORGAN 1997). Die Risikoquantifizierung in CreditMetricsTM lässt sich in drei Schritte untergliedern (vgl. Abb. 93). Im ersten Schritt wird das Kredit-Exposure jedes Finanzinstrumentes innerhalb eines Portfolios bestimmt. Dabei wird zwischen Instrumenten mit einem stabilen Exposure – Exposure liegt stets nahe bei pari, wie z.B. das einer Floating Rate Note – und Instrumenten mit einem marktabhängigen variablen Exposure (z.B. festverzinsliche Anleihen) unterschieden. Wesentlich ist der nun folgende zweite Schritt. Hier werden für jedes Instrument mögliche Wertänderungen aufgrund eines geänderten Ratings (sogenannte Down- oder Upgradings), im Extremfall eines Kreditausfalls, berechnet. Jeder dieser möglichen Wanderungsbewegungen (Migrationen) ist dabei eine andere Wahrscheinlichkeit zugeordnet, eine sogenannte Migrationswahrscheinlichkeit. Migriert ein Kreditnehmer im Laufe seines Kreditengagements in eine andere Rating-Klasse, dann hat dies zur Konsequenz, dass der dem Kreditgeschäft zugrundeliegende Zahlungsstrom mit einer neuen, der aktuellen Rating-Klasse entsprechenden Zinsstruktur zu bewerten ist. Da für diese neue Zinsstruktur andere Credit Spreads gelten, bedingt die Migration eine Änderung des Marktwertes des Kredits. Im dritten Schritt werden unter Berücksichtigung der Korrelationen der kreditbezogenen Ereignisse (Migrationen) die Volatilitäten der einzelnen Instrumente zusammengefasst und eine aggregierte Portfoliovolatilität bestimmt, um daraus schließlich einen Value at Risk abzuleiten. Zur Bestimmung des Value at Risk ist auch hier die nunmehr bereits bekannte zweigeteilte Vorgehensweise notwendig. Zunächst werden die erwarteten Marktwertbewegungen abgegriffen, um darauf aufbauend Schwankungen um den ermittelten Erwartungswert identifizieren zu können. Die Quantifizierung des Value at Risk erfolgt dabei letztlich immer in Abhängigkeit eines im voraus zu fixierenden Risikohorizontes.
174
Exposition
Einzelbonitätsrisiko der Kreditengagements
Korrelationen
Verteilung der Marktwerte unter Berücksichtigung von Rating-Migrationen
Kredit-Exposure der Einzelpositionen
Value at Risk einzelner Kreditengagements
Volatilität des Kreditportfolios
Value at Risk auf Portfolioebene Abb. 93: Aufbauschema vom CreditMetricsTM
Die Bestimmung der Migrationswahrscheinlichkeiten stellt den Ausgangspunkt für die Bestimmung des Erwartungswertes eines Kreditgeschäftes oder eines Kreditportfolios am Jahresende bzw. zum Zeitpunkt t = 1 dar. Zu diesem Zwecke werden auf Basis historischer Migrationsbewegungen in den jeweiligen Rating-Klassen die relativen Häufigkeiten ermittelt, als Wahrscheinlichkeiten interpretiert und in sogenannten Migrationsmatrizen erfasst. Abbildung 94 zeigt beispielhaft eine solche Migrationsmatrix für einen Risikohorizont von einem Jahr (vgl. STANDARD & POOR’S 1996). Ausgehend von der Migrationsmatrix in Abbildung 94 bestehen für jeden Kreditnehmer insgesamt acht mögliche Zustände von AAA bis zu einem Ausfall, die er am Ende des Jahres einnehmen kann. Dabei sind allen Ereignissen unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeiten zugeordnet. Für einen Kreditnehmer, der zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses (in t = 0) in die Rating-Klasse AA eingestuft wurde, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass er am Ende des Jahres immer noch dieser Rating-Klasse angehört 90,65 %. Die sämtlichen Migrationswahrscheinlichkeiten lassen sich stets zu 100 % addieren. Dabei besitzt die konstante Bonität die höchste Wahrscheinlichkeit. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 7,79 % wird sich der Kreditnehmer um eine Rating-Klasse verschlechtern und mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,70 % sogar verbessern.
175
Rating am Jahresende (t = 1)
Migrationswahrscheinlichkeit wi in % Anfängliches Rating (t = 0) AAA
AA
A
BBB
BB
B
CCC
AAA
90,81
0,70
0,09
0,02
0,03
0,00
0,22
AA
8,33
90,65
2,27
0,33
0,14
0,11
0,00
A
0,68
7,79
91,05
5,95
0,67
0,24
0,22
BBB
0,06
0,64
5,52
86,93
7,73
0,43
1,30
BB
0,06
0,06
0,74
5,30
80,53
6,48
2,38
B
0,12
0,14
0,26
1,17
8,84
83,46
11,24
CCC
0,00
0,02
0,01
0,12
1,00
4,07
64,86
Ausfall
0,00
0,00
0,06
0,18
1,06
5,20
19,79
Abb. 94: Migrationsmatrix für acht Rating-Klassen
Darauf aufbauend gilt es, den Marktwert des Kredits am Ende des Betrachtungszeitraums zu bestimmen. Dieser wird offensichtlich im wesentlichen durch die für den Kreditnehmer dann relevante Risikoklasse determiniert. Da diese jedoch nicht mit Sicherheit bekannt ist, muss auf der Grundlage deterministischer Kurswerte ein Erwartungswert berechnet werden.
Betrachtungszeitpunkt t = 1
Zahlungsstrom t=2 t=3
··· t=n
Erwartungswert in t = 1
Deterministische Kurswerte für
Abb. 95:
176
+
· wi · wi
AAA
· wi
AA A
· wi · wi
BBB BB
+
· wi · wi
B CCC
+
· wi
+ + + +
· FZR – (t – 1) ··· · FZR – (t – 1)
· FZR – (t – 1)
Ausfall (= recovery rate)
Vorgehensweise bei der Ermittlung des erwarteten Marktwertes eines marktfähigen Kredits mit: FZR = Forward-Zerobondrendite; wi = Migrationswahrscheinlichkeit
Zu diesem Zwecke sind zunächst die jeweiligen (Forward-)Zerobondrenditen (FZR) bzw. alternativ die (Forward-)Zerobondabzinsfaktoren aus den rating-spezifischen Zinsstrukturen abzuleiten und mit diesen die entsprechenden (erwarteten) Zahlungsströme zu bewerten. Nun ist in der Migrationsmatrix deutlich geworden, dass den deterministischen Kurswerten unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeiten anhaften. Deshalb müssen zur Ermittlung des Erwartungswertes des Kreditgeschäftes die deterministischen Kurswerte jeweils mit der entsprechenden Wahrscheinlichkeit aus der Migrationsmatrix gewichtet werden. Abbildung 95 veranschaulicht die formale Vorgehensweise zur Bestimmung des Erwartungswertes. Die konkrete Ermittlung des Erwartungswertes soll nun mit Hilfe eines Beispiels verdeutlicht werden. Es liege ein Kredit über 1 Mio. GE mit einer Nominalverzinsung von 6 % und einer Laufzeit von 5 Jahren zugrunde. Der Kreditnehmer werde bei Geschäftsabschluss der RatingKlasse AA zugeordnet. Der Risikohorizont betrage ein Jahr und die „Recovery Rate“, der durchschnittlich zu erwartende Resterlös eines Kredits in dieser Rating-Klasse, belaufe sich auf 510.000 GE. Mit Hilfe der entsprechenden (Forward-)Zerobondrenditen für AA-Kreditnehmer (vgl. Abb. 96) können die deterministischen Kurswerte berechnet werden. So beläuft sich beispielsweise der deterministische Kurswert des wegen einer Anleihenemission begebenen Kredits zum Zeitpunkt t = 1 bei unveränderter Bonität auf: 1.091.724 GE
60.000 GE
60.000 GE 1
1,0365
60.000 GE 1,0422
2
60.000 GE 1,0478
(Forward-) Zerobondrenditen
Rating am Jahresende
1 Jahr
Laufzeit 2 Jahre 3 Jahre
4 Jahre
3
1.060.000 GE 1,0517 4 Deterministische Kurswerte des Kredites am Jahresende (xi)
AAA
3,60 %
4,17 %
4,73 %
5,12 %
1.093.529 GE
AA
3,65 %
4,22 %
4,78 %
5,17 %
1.091.724 GE
A
3,72 %
4,32 %
4,93 %
5,32 %
1.086.430 GE
BBB
4,10 %
4,67 %
5,25 %
5,63 %
1.075.309 GE
BB B
5,55 % 6,05 %
6,02 % 7,02 %
6,78 % 8,03 %
7,27 % 8,52 %
1.020.064 GE 980.859 GE
15,05 %
15,02 %
14,03 %
13,52 %
836.258 GE
CCC Ausfall
-
-
-
-
510.000 GE
Abb. 96: (Forward-) Zerobondrenditen und Kreditbarwerte am Ende der Betrachtungsperiode
Der Erwartungswert des AA-Kredits kann durch Addition der mit den Migrationswahrscheinlichkeiten (in Abb. 94 grau unterlegt) gewichteten rating-spezifischen deterministischen Kurswerte ermittelt werden:
177
Erwartungswert (in t 1) 1.093.529 GE 0,70 % 1.091.724 GE 90,65 % 1.086.430 GE 7,79 % 1.075.309 GE 0,64 % 1.020.064 GE 0,06 % 980.859 GE 0,14 % 836.258 GE 0,02 % 510.000 GE 0,00 % 1.090.970 GE
Rating in t = 1
Der Erwartungswert des Kredits beläuft sich somit am Ende des unterstellten Risikohorizontes von einem Jahr auf 1.090.970 GE, und der Expected Loss des Kredits beträgt demnach 754 GE (= 1.091.724 GE – 1.090.970 GE). Um nun auf Basis des Erwartungswertes die Wertschwankungen des Kredits und darüber den Value at Risk bestimmen zu können, bedarf es einer Aussage über die zugrundeliegende Verteilung. Kann eine Normalverteilung unterstellt werden, dann steht mit der Standardabweichung ein etabliertes Schwankungsmaß für die Quantifizierung des Risikos zur Verfügung. Wie aus Abbildung 97 entnommen werden kann, beträgt die Standardabweichung im Beispiel 6.058 GE. Wird nun ein Z-Wert von 3 festgelegt, dann ist die negative Wertveränderung des Kredits, also der Value at Risk, aufgrund von Bonitätsänderungen am Ende des Jahres mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,87 % nicht größer als 18.174 GE.
Migrationswerte xi in t = 1 AAA 1.093.529 GE AA 1.091.724 GE A 1.086.430 GE BBB 1.075.309 GE BB 1.020.064 GE B 980.859 GE CCC 836.258 GE Ausfall 510.000 GE
Summe: Abb. 97:
wi in % 0,70 90,65 7,79 0,64 0,06 0,14 0,02 0,00
wi · xi 7.655 GE 989.648 GE 84.633 GE 6.882 GE 612 GE 1.373 GE 167 GE 0 GE
wi · xi = EW(xi) = 1.090.970 GE
xi – EW(xi)
wi · [xi – EW(xi)]2
2.559 GE 45.839 GE 754 GE 515.360 GE - 4.540 GE 1.605.644 GE - 15.661 GE 1.569.708 GE - 70.906 GE 3.016.597 GE - 110.111 GE 16.974.205 GE - 254.712 GE 12.975.641 GE - 580.970 GE 0 GE wi · [xi – EW(xi)]2 = STD(xi)2 = 36.702.994 GE; bzw. STD(xi) = 6.058 GE
Berechnung von Erwartungswert und Standardabweichungen für einen AA-Kredit (in Anlehnung an J.P. MORGAN 1997) mit: EW(xi) = Erwarteter Marktwert des Kredits in t = 1; STD (xi) = Standardabweichung des Marktwerts
Die Normalverteilungsannahme von Marktwerten der Kredite steht jedoch im Widerspruch zur Realität, da diese gerade nicht symmetrisch verteilt sind. Denn dem aus Banksicht günstigsten Ereignis, der ordnungsgemäßen Rückführung des Kredits, welches mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit eintritt, steht der Restwert des Kredits im Insolvenzfall, d.h. die Bank erhält bei einer unterstellten Recovery Rate von 51 % gerade 510.000 GE, mit einer sehr geringen Eintrittswahrscheinlichkeit gegenüber (vgl. Abb. 97). Abbildung 98 stellt die linksschiefe Verteilung des Marktwertes des Kredits im Vergleich zur Normalverteilung dar. Berechnet man den Value at Risk unter Verwendung der kumulierten Wahrscheinlichkeiten, so ist aus Abbildung 97 abzulesen, dass beispielsweise ein Marktwert in Höhe von 1.020.064 178
GE mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,84 % (= 0,7 % + 90,65 % + 7,79 % + 0,64 % + 0,06 %) nicht unterschritten wird. Hiervon ist der erwartete Marktwert von 1.090.970 GE abzuziehen, um so den Value at Risk von 70.906 GE (= 1.090.970 GE – 1.020.064 GE) als den unerwarteten Marktwertverlust zu erhalten. Um unter Ansatz der Normalverteilungsannahme auf das gleiche Konfidenzniveau von 99,84 % zu kommen, müsste ein Z-Wert von 2,95 verwendet werden, woraus sich ein Value at Risk von 17.871 GE (= 2,95 · 6.058 GE) berechnet. Dieser ist also um 53.035 GE niedriger als der sich aus der tatsächlichen Verteilung ergebende Value at Risk (vgl. Abb. 98). Die Normalverteilung ist also offensichtlich nicht geeignet, die potentiellen Wertänderungen eines Kredits oder eines Kreditportfolios adäquat zu beschreiben und damit ist auch die Verwendung der Standardabweichung als Risikoparameter unsachgemäß. Es ist vielmehr angezeigt, die bereits oben vorgestellten Perzentile (99,84 %) als statistische Parameter zu verwenden und Wahrscheinlichkeitsaussagen unmittelbar auf Basis der historischen Beobachtungen zu treffen. VaR nach CreditMetricsTM: 70.906 GE
100 % 90 %
Erwartungswert: 1.090.970
80 % 70 % VaR nach Normalverteilungsannahme: 17.871 GE
60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0% 510.000
1.020.064
1.075.309 1.086.430 1.091.724 1.093.529 Marktwert des Kredits in GE
Abb. 98:
VaR des Kredits jeweils nach CreditMetricsTM und nach Normalverteilungsannahme mit einem Konfidenzniveau von 99,84 %
Nachdem die grundsätzliche Vorgehensweise zur Bestimmung des Kreditrisikos mit Hilfe von CreditMetricsTM dargestellt wurde, gilt es nun die Betrachtungen auf Portfolioebene auszudehnen. Dabei nimmt der Komplexitätsgrad erheblich zu, denn die Anzahl der möglichen Ergebniskonfigurationen am Jahresende wächst exponentiell. Bei acht Rating-Klassen und zwei Kreditnehmern steigt die Anzahl beispielsweise bereits auf 64 (= 82) an. Trotz dieses Nachteils liegt in der Möglichkeit das Risiko des Kreditportfolios gesamthaft zu messen, gerade die Stärke des Ansatzes begründet. Denn anstatt Kredite einer isolierten Betrachtung zu unterziehen, können Interdependenzen zwischen den Kreditnehmern berücksichtigt und damit die Vorteile einer Diversifikation quantifiziert werden. Die Ermittlung und anschließende Berücksichtigung von Korrelationen zwischen den einzelnen Kreditereignissen erweist sich als überaus anspruchsvoll. Dieser Baustein gehört denn auch zu den umstrittensten Bereichen des Konzepts von CreditMetricsTM. Das Problem ist dabei zweischichtig. Einerseits 179
sind Informationen, aus denen sich Korrelationsdaten direkt ablesen lassen nur in geringer Menge und zudem in meist schlechter Qualität vorhanden. Andererseits sind die Modelle, die eine indirekte Schätzung der Korrelationen erlauben auf äußerst restriktive Annahmen angewiesen. Insgesamt sind vier Möglichkeiten vorstellbar, um die notwendigen Korrelationen zu schätzen: (1) Effektive Rating- und Ausfallkorrelationen: Die Grundlage bilden von den RatingAgenturen erhobene historische Rating- und Ausfallkorrelationen. Dies ermöglicht zwar eine objektive Messung, die jedoch durch Datenknappheit erheblich eingeschränkt wird. Kreditnehmerspezifische (nach unterschiedlichen Märkten, Einkommen etc.) Analysen sind kaum möglich. Als Konsequenz dessen werden praktisch sämtliche Schuldner mit demselben Rating gemessen. (2) Korrelationen von Zinsspreads: Sie stellen das wahrscheinlich objektivste Kriterium zur Messung der Korrelation zwischen Änderungen des Markt- oder Kurswertes eines Aktivums und Änderungen der Bonität dar. Auch hier macht sich die schlechte Datenqualität negativ bemerkbar. Ein zusätzliches Problem besteht darin, dass Anleihen eines Emittenten zum Teil mit unterschiedlichen Spreads (zum Beispiel aus Liquiditätsgründen) gehandelt werden. (3) Vom Anwender vorgegebene konstante Korrelationen: Die Vorgehensweise repräsentiert den mit Abstand einfachsten Ansatz. Positiv ist anzumerken, dass der Ansatz die Möglichkeit bietet, bestimmte Risikokonzentrationen bei einzelnen Großkrediten explizit zu berücksichtigen. Als nachteilig ist jedoch die Subjektivität zu beurteilen und die Gefahr andere Klumpenrisiken zu vernachlässigen. (4) Aktienkurskorrelation: Besonders positiv ist hier hervorzuheben, dass zukunftsgerichtete Marktinformationen effizient ausgenutzt werden. Als problematisch sind indes der rechnerische Aufwand zu bezeichnen und die Problematik der Behandlung nichtbörsennotierter Unternehmen. Die Herausforderung der Umsetzung des Modells beschränkt sich selbstverständlich nicht nur auf die sachgerechte Bestimmung der tatsächlichen Korrelationen. Ähnlich komplex stellt sich die Ermittlung der Werteverteilung des Portfolios dar. Aus Vereinfachungsgründen schlägt CreditMetricsTM die Beschränkung auf eine Teilmenge der potentiellen Werte vor, die das Portfolio annehmen kann. Um dabei mögliche statistische Verzerrungen (weitestgehend) bereits ex ante ausschließen zu können, sollte die Eingrenzung der Daten mit Hilfe einer simulierten Zufallsstichprobe (Monte-Carlo-Simulation) erfolgen. Je umfangreicher dabei die Stichprobe ist, umso besser gelingt die Approximation an eine stetige Verteilung und desto geringer ist die statistische Verzerrung. (b)
CreditPortfolioViewTM
Einige der in letzter Zeit entwickelten Modelle zur Kreditrisikomessung erweitern die Risikobetrachtung um eine explizite Berücksichtigung makroökonomischer Größen. Hintergrund dieser Entwicklung sind empirisch gestützte Zweifel, ob eine ausschließliche Fokussierung auf die ziemlich groben Rating-Klassen bzw. Migrationswahrscheinlichkeiten eine bestmögliche Schätzung (Messung) des Kreditrisikos ermöglichen. Untersuchungen für den
180
amerikanischen Markt belegen, dass in den Jahren 1973 - 1993 makroökonomische Größen, wie beispielsweise die Änderungsrate des Bruttoinlandsprodukts, einen signifikanten Einfluss auf die Ausfallraten hatten. Empirische Untersuchungen für Belgien, Deutschland, Japan, die Schweiz und Spanien bestätigen diesen Zusammenhang (vgl. WILSON 1997). Die zukünftige Wertentwicklung von Krediten bzw. Kreditportfolios sollte also in Abhängigkeit mehrerer Faktoren (auch makroökonomischer) modelliert werden. In diesem Kontext stellt das von McKinsey & Co entwickelte CreditPortfolioViewTM eine Verfeinerung und Weiterentwicklung des Rating-Migrationsansatzes dar, welches in der Lage ist, sowohl Ausfallrisiko als auch Bonitätsrisiko unter Bezugnahme makroökonomischer Einflussgrößen zu quantifizieren. Dabei wird implizit unterstellt, dass für ein gut diversifiziertes Kreditportfolio (vgl. S. 213 ff.) die Entwicklungen der makroökonomischen Einflussgrößen (Konjunkturkennzahlen) als wesentliche Ursachen für die Volatilität der Ausfallraten und für die Rating-Migrationen der Kreditnehmer aufgefasst werden können. Die Quantifizierung des Kreditrisikos erfolgt in CreditPortfolioViewTM grundsätzlich durch die Modellierung von zwei Komponenten (vgl. Abb. 99). Ausfallraten bzw. Rating-Migrationen
Exposition Kredit-Exposure Rückzahlungsder quote bei Ausfall Einzelpositionen Volatilitäten
RatingMigrationswahrscheinlichkeiten
Korrelationen
Erwartete Ausfallrate
Makroökonomische Parameter
Korrelationen
Monte-Carlo-Simulation
Wahrscheinlichkeitsverteilung des Kredit-Exposure nach Verwertung der Kreditsicherheiten
Bedingte Ausfallraten bzw. Rating-Migrationswahrscheinlichkeiten
Wahrscheinlichkeitsverteilung der Portfolioverluste Abb. 99: Aufbauschema vom CreditPortfolioViewTM
Die erste Komponente umfasst die Ermittlung der gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsverteilung von Kredit-Exposure und der Rückzahlungsquote. Es wird unterstellt, dass sowohl Kredit-Exposure als auch Rückzahlungsquote einer mehr oder weniger starken Volatilität unterworfen sind, und somit diese Eigenschaften in der Modellierung entsprechende Berücksichtigung finden müssen. Bei dem in die Modellierung eingehenden Kredit-Exposure kann es sich sowohl um liquide als auch um illiquide Kreditpositionen handeln. Ähnlich wie in CreditMetricsTM wird der Marktwert eines marktfähigen Kredittitels am Ende des Prognosehori181
zonts durch die Diskontierung der noch ausstehenden Zahlungstranchen mit der ratingklassen-spezifischen Zinsstrukturkurve ermittelt. Im Falle der illiquiden Kreditpositionen ist das barwertige Kredit-Exposure grundsätzlich durch die Diskontierung der zukünftigen potentiellen Verluste auf den Betrachtungszeitpunkt zu bestimmen. Die zweite und zentrale Komponente des CreditPortfolioViewTM, auf welche später noch ausführlicher eingegangen wird, befasst sich mit der Ermittlung von sektorspezifischen bedingten Ausfallraten bzw. Rating-Migrationswahrscheinlichkeiten unter Berücksichtigung von makroökonomischen Einflussfaktoren. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Verluste des Kreditportfolios ergibt sich schließlich aus der Zusammenführung der beiden genannten Komponenten. Wie bereits erwähnt, wird in CreditPortfolioViewTM unterstellt, dass das zukünftige Risikobild der Ausfallraten bzw. der Rating-Migrationswahrscheinlichkeiten der Kreditnehmer entscheidend von den Entwicklungen der Konjunkturzyklen abhängt. Folgerichtig ist anzunehmen, dass in einer Aufschwungsphase der Volkswirtschaft die sich tatsächlich einstellenden Ausfallraten im Vergleich zu deren zeitlichen Durchschnittswerten eher geringer ausfallen werden. Existiert für den Kreditnehmer eine Rating-Einstufung und handelt es sich um einen marktfähigen Kredittitel, ist im Falle eines Wirtschaftsaufschwungs für den Kreditnehmer eher mit einer Verbesserung der Rating-Klasse und für den Kredittitel mit einer Erhöhung des Kurswertes zu rechnen. Wird dagegen von einer Rezession ausgegangen, wird sachlogisch das Gegenteil der Fall sein. Intuitiv würden die Ausfallraten der jeweiligen Kreditnehmersektoren unterschiedlich stark auf die Einflüsse von makroökonomischen Größen reagieren. Diese Intuition wird zudem durch die Empirie bestätigt. Abbildung 100 zeigt die Entwicklungen der Ausfallraten von acht Wirtschaftsbranchen (Kreditnehmersektoren) in den Jahren zwischen 1964 und 1992. Die im Zeitablauf schwankenden Ausfallraten lassen dabei die Vermutung zu, dass diese im wesentlichen durch die Konjunkturzyklen bedingt waren. Dabei ist es auffallend, dass die Entwicklungen der Ausfallrate in den meisten Branchen ähnliche Verlaufsmuster aufweisen. Jedoch unterscheiden sich die Verlaufsmuster der Ausfallraten einiger Branchen deutlich von dem Gesamtmarktindex. Dieses Phänomen kann dadurch erklärt werden, dass die Ausfallraten der jeweiligen Wirtschaftsbranche auf die zyklischen Konjunkturentwicklungen unterschiedlich stark reagieren. Dabei besteht eine Analogie zur CAPM-Theorie, bei welcher das Risiko der jeweiligen Sektoren auf Grund der unterschiedlichen Höhe des sektorspezifischen Beta-Faktors unterschiedliche Sensitivität auf die Entwicklung des Gesamtmarktrisikos aufweist.
182
Insolvenzhäufigkeit in %
2,00 1,80 1,60 1,40 1,20 1,00 0,80 0,60 0,40 0,20 1992
1990
1988
1986
1984
1982
1980
1978
1976
1974
1972
1970
1968
1966
1964
0
Jahre Land- und Forstwirtschaft
Baugewerbe
Energie und Bergbau
Handel
Verarb. Gewerbe
Verkehr und Nachrichtenübermittlung
Kreditinstitute und Versicherungsgewerbe Dienstleistg. v. Unternehmen u. Fr. Berufen Gesamtmarktindex
Abb. 100: Entwicklung der Ausfallraten der acht Wirtschaftsbranchen in Deutschland in den Jahren 1964 – 1992 (Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden)
Der Gesamtmarktindex allein ist aber kein geeigneter Erklärungsfaktor, um die unterschiedlichen Verlaufsmuster der Ausfallraten verschiedener Wirtschaftsbranche zu erklären, da die Kreditnehmersektoren auf die Entwicklung dieses Index unterschiedlich stark reagieren. Vielmehr müssen für jeden Kreditnehmersektoren sektorspezifische makroökonomische Einflussfaktoren identifiziert werden, die den Entwicklungsverlauf der Ausfallraten dieses Sektors im wesentlichen determinieren. Die Identifizierung und Herausfilterung solcher makroökonomischen Einflussfaktoren kann anhand der Verfahren der multivariaten Diskriminanzanalyse erfolgen, welche in der Kreditwürdigkeitsprüfung eingesetzt werden (vgl. Band 1, S. 339 ff.). Demnach werden durch Regressionsanalysen makroökonomische Einflussfaktoren identifiziert, deren Wertentwicklungen einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklungen der Ausfallraten aufweisen. Um dabei den Rechenaufwand zu begrenzen, ist es sinnvoll, die Anzahl der Einflussfaktoren auf 2 bis 4 zu begrenzen. Als wichtigste makroökonomische Einflussfaktoren sind insbesondere die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts, die Geld- und Kapitalmarktzinssätze, die Arbeitslosenquote sowie der Börsenindex zu nennen. Nachdem für jeden Kreditnehmersektor die relevanten makroökonomischen Einflussfaktoren identifiziert und eine funktionale Beziehung zu den Entwicklungen von Ausfallraten hergeleitet worden sind, werden in der Modellierung des CreditPortfolioViewTM anhand dieser gewonnenen Kenntnisse die sogenannten bedingten Ausfallraten bzw. Rating-Migrationswahr183
scheinlichkeiten hergeleitet. Im Folgenden wird die Vorgehensweise des CreditPortfolioViewTM zur Herleitung dieser Größen näher erläutert. In einem ersten Schritt werden die Zeitreihen der makroökonomischen Einflussgrößen sowie die statistische Grundgesamtheit für die Ermittlung der sektorspezifischen Ausfallraten und Rating-Migrationswahrscheinlichkeiten zusammengestellt. Diese liefern die statistische Basis für die in den nachfolgenden Schritten noch durchzuführenden Analysen. Das CreditPortfolioViewTM unterstellt in bezug auf die makroökonomischen Einflussfaktoren eine zeitliche Autokorrelation in den historischen Entwicklungen dieser Faktoren. So könnte beispielsweise die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts für das Jahr 2000 durch deren Wertentwicklungen in den vergangenen 10 Jahren determiniert sein. Aufgabe des zweiten Schritts ist es, durch Regressionsanalysen eine funktionale Beziehung zwischen dem Wert eines makroökonomischen Einflussfaktors eines beliebigen Jahrgangs und dessen zuvor realisierten Werten herzustellen. Diese funktionale Beziehung lässt sich durch folgende Gleichung ausdrücken (vgl. hier sowie zum folgenden BRÖKER 2000): X j,i, t
D i,0 D i,1 X j,i, t 1 D i,2 X j,i, t 2 ... D i, n X j,i, t n H j,i, t
(1)
So wird der Wert des makroökonomischen Einflussfaktors i (z.B. Baukonjunktur) des Kreditnehmersektors j (z.B. Baubranche) für das Planjahr t (z.B. 2001) durch die Werte, die zuvor in den Jahren zwischen t – 1 (z.B. 2000) und t – n (z.B. 1992) realisiert worden sind, determiniert. Die Parameter Di sind Konstante, mit deren Hilfe der Wert eines makroökonomischen Einflussfaktors eines beliebigen Jahrgangs durch dessen in der Vergangenheit realisierte Werte bestmöglich erklärt werden kann. Die unerwarteten Entwicklungen der makroökonomischen Einflussfaktoren werden dagegen durch die Einführung eines normalverteilten Residualterms Hj,i,t als Korrekturfaktor berücksichtigt. Ob eine so ermittelte Funktion zur Prognose der zukünftigen Wertentwicklungen eines makroökonomischen Einflussfaktors geeignet ist, zeigt sich daran, ob diese zu nachträglichen Prognosen der historischen, bereits realisierten Werten schon eine hohe bzw. signifikante statistische Güte aufweisen kann. Mit Hilfe einer solchen Funktion können grundsätzlich auch eine mehrperiodische Prognose durchgeführt werden (vgl. Abb. 101). Im Zuge der Prognose ergibt sich ein Set von zukünftigen Wertentwicklungen des makroökonomischen Einflussfaktors (Strahllinien in der Abbildung), die jeweils mit einer Wahrscheinlichkeit verbunden ist. Unter Zuhilfenahme eines vorgegebenen Konfidenzniveaus kann daraus schließlich eine Wahrscheinlichkeitsaussage abgeleitet werden. Auf diesen wird später noch näher eingegangen. In einem dritten Schritt wird zunächst versucht, mittels der Regressionsanalyse eine funktionale Beziehung herzuleiten, mit derer Hilfe die Entwicklungen der sektorspezifischen Ausfallraten durch Berücksichtigung der makroökonomischen Einflussgrößen vorausgesagt werden können. Dabei besitzt diese Beziehung folgende Ausprägung: Pj, t
184
f y j, t
(2)
Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts
3% 2,5 % 2% 1,5 % 1% 0,5 % 0 -0,5 % -1 % -1,5 % 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001
2002 2003
Betrachtungszeitpunkt Tatsächliche Wachstumsrate des BIP Prognostizierte Wachstumsrate des BIP Abb. 101: Tatsächliche und prognostizierte Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts
Demnach hängt die Höhe der Ausfallraten Pj,t des Kreditnehmersektors j (z.B. Bausektor oder Region Freiburg) im Zeitpunkt t im wesentlichen von den relevanten makroökonomischen Einflussfaktoren ab, die zunächst unter einen sektorspezifischen Index yj,t zusammengefasst werden. Zur Herleitung des sektorspezifischen Index werden zunächst aus einer Fülle von in Frage kommenden makroökonomischen Einflussfaktoren diejenigen ausgewählt, die jeweils einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung der sektorspezifischen Ausfallraten aufweisen. Diese werden dann schließlich über die folgende Funktion zum sektorspezifischen Index yj,t verdichtet: y j, t
ȕ j,0 ¦ ȕ j,1 X j, i, t Ȟ j, t
(3)
i
Wird die Gleichung (3) in Gleichung (2) eingesetzt, so erhält die Gleichung (2) folgende Ausprägung: Pj, t
f y j, t
§ · f ¨ E j,0 ¦ E j,1 X j,i, t Q j, t ¸ ¨ ¸ i © ¹
(4)
Dabei wird jeder makroökonomische Einflussfaktor Xj,i,t durch einen konstanten Sensitivitätsparameter Ej,i gewichtet, dessen Höhe so gewählt wird, dass mit dessen Hilfe die sektorspezifischen Ausfallraten eines beliebigen Jahrgangs durch die ausgewählten makroökonomischen Einflussfaktoren bestmöglich prognostiziert bzw. erklärt werden können. Die unerwar-
185
tete Entwicklung des sektorspezifischen Index wird ebenfalls durch einen als normalverteilt unterstellten Residualterm Qj,t zum Ausdruck gebracht. Ähnlich wie die Vorgehensweise im zweiten Schritt wird eine so hergeleitete Funktion erst dann zur Prognose von zukünftigen Entwicklungen der Ausfallraten eingesetzt, wenn diese bei der nachträglichen Prognose bereits realisierter Ausfallraten eine hohe statistische Güte aufweisen kann (vgl. Abb. 102). Wird nun die Gleichung (1) zur Prognose der Wertentwicklungen von makroökonomischen Einflussgrößen ebenfalls in die Gleichung (4) eingesetzt, kann damit eine funktionale Beziehung hergeleitet werden, welche die sektorspezifischen Ausfallraten durch die Zeitreihenentwicklungen der makroökonomischen Einflussfaktoren zu prognostizieren bzw. zu erklären in der Lage ist (vgl. SAUNDERS 2002): P j, t
f X j, i, t n ; Ȟ j, t , İ j, i, t
(5)
Mit den aktuellen sowie historischen Werten der relevanten makroökonomischen Einflussfaktoren als Inputdaten, und unter der Berücksichtigung der zufallsverteilten Residualterme in der Modellierung, können die sektorspezifischen Ausfallraten bzw. RatingMigrationswahrscheinlichkeiten für die Planperiode mittels der obigen Gleichung prognostiziert werden. Aus Gleichung (5) zur Prognose von sektorspezifischen Ausfallraten geht hervor, dass die Ergebnisse der Prognose im wesentlichen durch die Zufallsentwicklung der beiden Residualterme determiniert sind. Die Unterstellung der Normalverteilung für die beiden Residualterme weist den Vorteil auf, dass der Verteilungsverlauf der beiden Terme lediglich durch die Kenntnis der Standardabweichung und des Erwartungswertes abgebildet werden kann. Dabei erfolgen die Zufallsverteilungen der beiden Residualterme nicht unabhängig voneinander, sie sind vielmehr miteinander korreliert. Die Korrelationen der beiden Terme lassen sich aus den historischen Zeitreihen ableiten und zeigen sich in folgender Form: E
ª Kov Ȟ ªȞº « İ » normalverteilt zur Kovarianzmatrix « Kov İ, Ȟ ¬ ¼ ¬
Kov Ȟ, İ º Kov İ »¼
(6)
Werden die Ausfallraten eines Kreditnehmersektors mit Hilfe eines Modells simuliert, so gehen die Korrelationen der beiden Terme implizit in die Modellierung ein. Auf diese Weise werden im Rahmen eines Simulationsmodells die sektorspezifischen Ausfallraten und makroökonomischen Einflussfaktoren unter Berücksichtigung ihrer Interdependenzen simuliert. Da ferner unterstellt wird, dass die Normalverteilungseigenschaft der beiden Residualterme auch für die Zukunft fortgeschrieben werden darf, bietet sich das Monte-Carlo-Simulationsmodell als ein geeignetes Instrument an. Die Vorgehensweise von Schritt eins bis drei wird durch Abbildung 102 verdeutlicht. Simuliert werden z.B. die Ausfallraten der Tabakverarbeitungsindustrie in Deutschland (vgl. BRÖKER 2000). Als sektorspezifische makroökonomische Einflussfaktoren kämen beispielsweise die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts, der Leitzinssatz und die Arbeitslosenquote in Frage. Zunächst werden alle möglichen zukünftigen Entwicklungen der sektorspezifischen makroökonomischen Einflussfaktoren mittels der Gleichung (1) simuliert. Die Simulationsergebnisse gehen anschließend mittels Gleichung (5) in die Simulation der Ausfallraten ein (vgl. Abb. 102). Dabei erfolgen die Simulationsdurchläu186
fe insbesondere unter Berücksichtigung der zwischen den sektorspezifischen Ausfallraten und makroökonomischen Einflussfaktoren bestehenden Korrelationen. Auf diese Weise können Ausfallraten nicht nur für das Planjahr t (z.B. 2001), sondern auch für die Folgejahre prognostiziert werden (vgl. MCKINSEY & COMPANY 1998).
Simulationen der makroökonomischen Einflussfaktoren
Arbeitslosenquote
in % p.a.
0,15 0,10
Leitzinssatz
0,05 0
2002
2003 2003
2000 2000
2002
1999 1999
2001
1998 1998
2001
1997 1997
1996
1995
1994
1993
1992
Wachstumsrate des BIP
Jahr
Ausfallrate in % p.a.
0,35 0,30 0,25 0,20 0,15 0,10 0,05 1996
1995
1994
1993
1992
0
Jahr Tatsächliche Ausfallrate
Prognostizierte Ausfallrate
Durchschnittl. Ausfallrate
Abb. 102: Monte-Carlo-Simulation von makroökonomischen Einflussfaktoren
187
Im Zuge der Projizierung von sektorspezifischen Ausfallraten wird auch eine sektorspezifische durchschnittliche Ausfallrate ermittelt. Dabei handelt es sich um eine Ausfallrate, welche sich aus dem Durchschnitt der in der Vergangenheit realisierten Ausfallraten ergibt. Sie ist also eine bei dem langfristigen Konjunkturtrend (durchschnittliche Konjunkturlage) zu erwartende Ausfallrate, bei der die Einflüsse der zyklischen Konjunkturentwicklungen geglättet werden. Um die Frage zu beantworten, inwieweit eine durch Simulation projizierte Ausfallrate die ihr zugrundegelegte Konjunkturlage ausdrückt, wird in einem vierten Schritt die Kennzahl Risikofaktor eingeführt. Dabei drückt diese das Verhältnis zwischen den projizierten Ausfallraten und der durchschnittlichen Ausfallrate aus (vgl. MCKINSEY & COMPANY 1998):
rt
Pt P
(7)
mit: rt = Risikofaktor für das Planjahr t; Pt = simulierte Ausfallrate für das Planjahr t; P = durchschnittliche Ausfallrate
Für den Fall, dass der Risikofaktor einen Wert von größer als 1 aufweiset, wird die projizierte Ausfallrate höher ausfallen als die durchschnittliche Ausfallrate. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass es sich hier gegenüber dem langfristigen Wachstumstrend um eine schwächere Konjunkturlage oder sogar um eine Rezession handelt. Wird diese Kenntnis auf die Rating-Migrationswahrscheinlichkeiten eines Kreditnehmersektors übertragen, so kann die Aussage abgeleitet werden, dass für die Betrachtungsperiode die Rating-Einstufungen der Kreditnehmer innerhalb dieses Sektors eher abgewertet als aufgewertet werden. Im Gegensatz dazu impliziert ein Risikofaktor von kleiner als 1 eine Aufschwungsphase der Volkswirtschaft, da die projizierte Ausfallrate geringer ausfallen wird als die durchschnittliche Ausfallrate. Für diese Konstellation ist eher mit aufwärts tendierten Rating-Migrationen der Kreditnehmer zu rechnen. Die Rating-Migrationen bleiben von den makroökonomischen Einflussfaktoren unberührt, wenn der Risikofaktor einen Wert von genau 1 aufweist, da in diesem Fall die sich einstellende Konjunkturlage genau der durchschnittlichen Konjunkturlage entspricht. Abbildung 103 verdeutlicht die oben geschilderten Sachverhalte (vgl. MCKINSEY & COMPANY 1998). Risikofaktor
Konjunkturlage
Einfluss auf Rating-Migrationen
r=1
Langfristiger Wachstumstrend
Kein
r>1
Rezession
Vermehrt abwärts tendierende Rating-Migrationen
r<1
Aufschwung
Vermehrt aufwärts tendierende Rating-Migrationen
Abb. 103: Risikofaktoren und Rating-Migrationen
Aufgrund dieser Beziehung können die Simulationsergebnisse von projizierten Ausfallraten unmittelbar mit Hilfe einer linearen Transformation (vgl. Gleichung (7)) in eine Reihe von Risikofaktoren überführt werden. Werden nun alle erdenklichen Konjunkturlagen und deren 188
zugehörigen Ausfallraten im Rahmen der Monte-Carlo-Simulation berücksichtigt, so ergibt sich ein Set von Risikofaktoren, die sämtliche Feinabstufungen der Konjunkturlage von Rezession bis zur Aufschwung abbilden (vgl. Abb. 104).
Rezession 2,00 Risikofaktor
1,75 1,50 1,25 1,00 0,75 0,50 0,25
Aufschwung 2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
0
Jahr Abb. 104: Monte-Carlo-Simulation von Risikofaktoren
Ein einfaches Beispiel soll diesen Sachverhalt verdeutlichen. In einer einperiodigen Betrachtung sollen die Rating-Migrationswahrscheinlichkeiten eines Kreditnehmersektors von der Rating-Klasse B (Moody´s), welche mit einer durchschnittlichen Ausfallrate in Höhe von 6,78 % verbunden ist, mit Hilfe der Monte-Carlo-Simulation hergeleitet werden. Wird die Simulation nur einmal durchgeführt und eine projizierte Ausfallrate in Höhe von 7,91 % ermittelt, so beträgt der Risikofaktor: r
7,91% 6,78%
1,167
Da in dieser Simulation der Risikofaktor größer als 1 ist, deutet dieses Ergebnis auf eine schwächere Konjunkturlage sowie vermehrte abwärts tendierende Rating-Migrationen hin. Wird beispielsweise eine weitere Simulation vorgenommen und dabei eine projizierte Ausfallrate in Höhe von 6,80 % ermittelt, so beträgt der Risikofaktor genau 1. In diesem Fall findet eine konjunkturbedingte Rating-Migration des Kreditnehmers nicht statt, da die projizierte und die durchschnittliche Konjunkturlage exakt übereinstimmen. Werden nun auf diese Weise genügend Simulationen durchgeführt, so ergibt sich ein Set von Simulationsergebnissen, die sämtliche Rating-Konstellationen – von Rating-Upgrades bis Kreditausfall – abbilden. Daraus kann schließlich eine Wahrscheinlichkeitsaussage in bezug auf die zukünftigen Entwicklungen der Ausfallraten des betreffenden Kreditnehmersektors abgeleitet werden. Dabei wird diese umso genauer und plausibler sein, je größer die Anzahl der durchgeführten Simulationen ist.
189
Im Folgenden wird die Vorgehensweise der Monte-Carlo-Simulation und die Ableitung einer Wahrscheinlichkeitsaussage anhand der Abbildung 105 kurz erläutet. In dem vorliegenden Beispiel wird durch insgesamt 1.000 Simulationen eine Reihe von Ausfallraten durch Zufallsziehungen projiziert (vgl. Abb. 105, Spalte 2), wobei jede dieser Ausfallraten ihrer Höhe nach einem Rang zugewiesen wird (vgl. Spalte 1). Mittels der bereits erläuterten Gleichung (7) werden die projizierten Ausfallraten anschließend in Risikofaktoren transformiert (Spalte 4). So erzeugen die Simulationen 1.000 Risikofaktoren, deren unterschiedliche Höhe auf unterschiedliche zukünftige Konstellationen der Konjunkturlage hindeutet. Rang
Projizierte Ausfallrate
Durchschnittliche Ausfallrate
(1) 1000 ... 990 989 988 987 986 985 ... 385 384 383 382 381 380 ... 1
(2) 35,00 % ... 26,41% 25,80% 25,43% 25,23% 24,81% 23,24% ... 6,84 % 6,83 % 6,83 % 6,81 % 6,78 % 6,77 % ... 0,00 %
(3) 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 % 6,78 %
Projizierte Risikofaktor (4) = (2) / (3) 5,162 ... 3,896 3,805 3,750 3,721 3,659 3,428 ... 1,009 1,008 1,007 1,004 1,000 0,999 ... 0
Kumulierte Wahrscheinlichkeit (5) = (1) · 0,1 % 100,00 % 99,00 % 98,90 % 98,80 % 98,70 % 98,60 % 98,50 % ... 38,50 % 38,40 % 38,30 % 38,20 % 38,10 % 38,00 % ... 0,1 %
Abb. 105: Projizierung von Ausfallraten und Risikofaktoren mit Hilfe der Monte-Carlo-Simulation
Aufgrund der Anzahl durchgeführter Simulationen beträgt die Eintrittswahrscheinlichkeit jedes projizierten Risikofaktors bzw. jeder projizierten Konjunkturlage 0,1 % (= 1 / 1.000). Wird beispielsweise ein Risikofaktor in Höhe von genau 1 projiziert, und belegt dieser den Rang 381, so beträgt die kumulierte Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Ausfallraten dieses Kreditnehmersektors in der Betrachtungsperiode nicht höher ausfallen werden als die durchschnittliche Ausfallrate, 38,1 % (= 0,1 % · 381). Somit kann in bezug auf die zukünftige Rating-Entwicklung dieses Kreditnehmersektors die Aussage abgeleitet werden, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 38,1 % der betreffende Kreditnehmersektor seine Rating-Klasse entweder beibehalten oder sogar verbessern kann (vgl. Abb. 105, Spalte 5). Wird risikopolitisch ein Konfidenzniveau in Höhe von 99 % gefordert, und beträgt die mit dem Rang 990 belegte projizierte Ausfallrate 26,41 %, so führt dies zu der Aussage, dass für die Betrachtungsperiode eine Ausfallrate dieser Höhe mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % nicht überschritten wird (vgl. Abb. 105, Spalte 5). Auf diese Weise können für den betreffenden Kreditnehmersektor Rating-Migrationswahrscheinlichkeiten sowohl für Upgrades als auch für Downgrades
190
relativ einfach hergeleitet werden. Die Ergebnisse lassen sich weiter verfeinern, wenn die Anzahl der Simulationsdurchläufe entsprechend erhöht wird. Insgesamt stellt das CreditPortfolioViewTM eine Verfeinerung und Weiterentwicklung des Rating-Migrationsansatzes dar, indem zusätzlich den Auswirkungen von makroökonomischen Einflussfaktoren auf das Kreditportfolio Rechnung getragen wird. Dabei werden folgende Aspekte durch die Modellierung des CreditPortfolioViewTM deutlich: •
In CreditPortfolioViewTM werden für jeden Kreditnehmersektor die sektorspezifischen bedingten Rating-Migrationswahrscheinlichkeiten bzw. Ausfallraten ermittelt. Demnach könnten zwei Kreditnehmer gleicher Rating-Klasse wegen ihrer unterschiedlichen Sektorzugehörigkeit voneinander abweichende Rating-Migrationswahrscheinlichkeiten aufweisen, da unterschiedliche makroökonomische Einflussfaktoren in die Modellierung der jeweiligen Ausfallraten eingehen und somit unterschiedliche Ergebnisse hervorrufen. Dies steht im Unterschied zu CreditMetricsTM, wo ungeachtet der Sektorzugehörigkeit allen Kreditnehmern einer Rating-Klasse dieselben Rating-Migrationswahrscheinlichkeiten zugewiesen werden.
•
In CreditPortfolioViewTM werden die Korrelationen der Migrationswahrscheinlichkeiten zweier Kreditnehmer implizit durch die Berücksichtigung der Sektorzugehörigkeiten, der Rating-Klassen sowie der makroökonomischen Einflussfaktoren abgebildet.
Trotz der konzeptionellen Verfeinerungen gegenüber anderen vorgestellten Kreditrisikomodellen muss jedoch auf die große Unsicherheit in der Modellierung des CreditPortfolioViewTM hingewiesen werden, die prinzipiell mit Prognosen auf Basis historischer Daten einhergeht. Denn die aus der Historie abgeleiteten Zusammenhänge gelten in erster Linie ausschließlich für den beobachteten Markt und den untersuchten Zeitraum. Ob diese Zusammenhänge auch in der Zukunft und eventuell sogar für andere Märkte Bestand haben, ist ungewiss. (3)
Vergleich der Kreditrisikomodelle aus anwendungsorientierter Sicht
Wie in den vorangegangenen Kapiteln bereits erläutert wurde, hängt der Einsatzerfolg eines Kreditrisikomodells von Kriterien wie theoretische Fundierung, Richtigkeit der Prognose und konzeptionelle Integrationsfähigkeit in den Kreditmanagementprozess ab. Um jedoch eine erfolgreiche Implementierung eines Kreditrisikomodells auch in der Praxis zu gewährleisten, ist es von großer Bedeutung, dass eine Reihe zusätzlicher Kriterien erfüllt werden müssen. Zu nennen sind dabei vor allem die technische Implementierbarkeit, Akzeptanz von Seiten der Mitarbeiter, Flexibilität des Modellansatzes und nicht zuletzt die Wirtschaftlichkeit des Modelleinsatzes (vgl. hier sowie zum folgenden BRÖKER 2000). In bezug auf die technische Implementierbarkeit existieren für alle drei Kreditrisikomodelle Softwarelösungen: für CreditMetricsTM und CreditPortfolioViewTM gibt es jeweils die Softwarelösung CreditManagerTM und CreditPortfolioViewTM, für CreditRisk+TM wurde eine Softwarelösung entwickelt, die auf dem Tabellenkalkulationsprogramm von Microsoft ExcelTM basiert und über das Internet den Nutzern kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Der Vorteil dieser Softwarelösung besteht darin, dass diese relativ unproblematisch in bestehende Datenverarbeitungsstrukturen eingebunden werden kann. Neben der standardisierten Soft191
warebasis wird die Implementierung von CreditRisk+TM zusätzlich durch die geringeren Anforderungen an Daten-Input erleichtert. Unter Akzeptanz werden zunächst die Übersichtlichkeit und Einfachheit des anzuwendenden Kreditrisikomodells verstanden. Demnach muss das Kreditrisikomodell sich einerseits durch die transparente und verständliche Struktur des Ansatzes sowie die einfache Handhabung und andererseits durch die hohe Plausibilität und Nachvollziehbarkeit der Modellresultate auszeichnen. So sollten nicht nur Spezialisten und Modellentwickler, sondern auch die meisten Bankmitarbeiter das Modell verstehen und beherrschen können. Ferner versteht man unter der Akzeptanz auch den richtigen Maß an Komplexität und Detailgenauigkeit in der Modellkonzeption, so dass dieses Kreditrisikomodell trotz der geforderten Übersichtlichkeit und Einfachheit gerade noch in der Lage ist, die Realität mit hohem Zufriedenheitsgrad abzubilden. In diesem Kontext ist im Gegensatz zu CreditRisk+TM und CreditMetricsTM bei CreditPortfolioViewTM anzuführen, dass gerade die Komplexität seiner Modellkonzeption die Akzeptanz der Mitarbeiter im Kreditbereich gegenüber diesem Modell überfordert, da dieses Modell entgegen der Intuition der Bankmitarbeiter sich nicht primär mit der Bonität der einzelnen Schuldner beschäftigt, sondern sein Schwerpunkt in der betonten Hervorhebung der makroökonomischen Einflüsse auf den Verlust des Kreditportfolios sieht. Das Kriterium der Flexibilität beinhaltet grundsätzlich die Fähigkeit eines Kreditrisikomodells, Quantifizierung bzw. Analysen von Kreditrisiken schnell durchzuführen. Explizit damit verbunden ist die Fähigkeit eines solchen Modells, nicht nur Modellresultate schnell und unkompliziert erzeugen zu können, sondern auch sich mit geringem Aufwand an geänderte Unweltzustände und Anforderungen anzupassen. So besteht beispielsweise für CreditRisk+TM neben seiner Fähigkeit, Modellresultate wegen der einfachen Handhabung schnell und einfach zu ermitteln, auch explizit die Möglichkeit, ohne größeren Aufwand eine Modellanpassung an konjunkturelle Szenarien vorzunehmen. Ebenfalls zeigt sich die Flexibilität von CreditMetricsTM an der Fähigkeit, durch leicht vorzunehmende Modellanpassung z.B. verschiedene makroökonomische Einflüsse stärker in der Modellierung einzubinden. Die Flexibilität von CreditMetricsTM wird jedoch, ähnlich wie die des CreditPortfolioViewTM, durch die in der Modellierung erforderliche Monte-Carlo-Simulation erheblich reduziert. Die rechenintensive Monte-Carlo-Simulation erweist sich besonders bei umfangreichen Portfolios als sehr zeitaufwendig und nimmt leicht Rechenzeiten von mehreren Stunden in Anspruch. Dies führt dazu, dass die in der Praxis oft erforderlichen Analysen zu den Auswirkungen von bestimmten Marktszenarien (z.B. Stresstests), zu Änderungen der Portfoliostruktur und zu Variationen der Eingangsparameter nicht ohne weiteres und vor allem nicht genügend intensiv durchgeführt werden können. Im Gegensatz dazu kann das CreditRisk+TM die gleiche Analyse innerhalb weniger Minuten übermitteln, was dazu führt, dass sich die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Modellergebnisse durch die Möglichkeit der im großen Umfang durchführbaren Analysen erheblich erhöht. Wegen des steigenden Drucks der Aufsichtsbehörden und der großen Bedeutung des Kreditrisikos auf das Jahresergebnis sehen sich viele Banken veranlasst, umfassende Kreditrisikomodelle aufzubauen und zu pflegen. Da dies mit hohen Investitionsausgaben verbunden ist, stellt sich die Frage der Wirtschaftlichkeit mit großem Nachdruck. Für die kleineren Banken mit in der Regel regional geprägten Kreditgeschäften und relativ kleinen Kreditportfolios ist es oft sinnvoll, auf Grund der begrenzten Ressourcen auf vorhandene Kreditrisikomodelle zu192
rückzugreifen und diese je nach geschäftspolitischen Gegebenheiten institutsspezifisch anzupassen. Gerade für diese Banken, bei welchen vornehmlich die Ausfallrisiken im Vordergrund des Kreditrisikomanagements stehen, erscheint der Einsatz von CreditRisk+TM vorteilhaft, da dies nicht zuletzt wegen der kostenlosen Benutzung der Software auch mit vergleichsweise geringerem Implementierungs- und Umsetzungsaufwand verbunden ist. Die Modellerweiterungen bzw. -modifikationen von CreditRisk+TM sind ebenfalls mit geringem Aufwand durchführbar. Im Gegensatz dazu käme der Einsatz von CreditPortfolioViewTM vor allem für die größeren Banken in Frage, da diese wegen ihres in der Regel umfangreichen Kreditportfolios eher den höheren Aufwand für die Implementierung des anspruchvollen Modells rechtfertigen können und auch stärker daran interessiert sein sollten, makroökonomische Aspekte in ihrem Risikomodell zu integrieren. Insgesamt zeichnet sich das CreditRisk+TM in bezug auf alle angesprochenen Kriterien wegen der standardisierten Softwarebasis, der verständlichen und einfachen Handhabung und nicht zuletzt wegen der nur mit vergleichsweise geringem Aufwand durchführbaren Modellumsetzungen und -anpassungen aus. In der Abbildung 106 werden die bereits aufgeführten Wertungen tabellarisch zusammengefasst. Kreditrisikomodelle Vergleichskriterium
CreditRisk+
TM
CreditMetricsTM
CreditPortfolioViewTM
Konzeption • Initiator
Credit Suisse Financial Products (1997) Etablierte Methodik der Versicherungsmathematik
Etablierter Ansatz der Statistik / Versicherungsmathematik
• Datenanforderungen
Kostenloses und standardisiertes Excel-Tool Relativ gering
CreditManagerTM Relativ hoch
CreditPortfolioViewTM Relativ hoch
Akzeptanz
Relativ hoch
Relativ hoch
Relativ niedrig
• Einfache / schnelle Analysen und Adaptionen • Sehr schnelle Rechengeschwindigkeit
• Flexibilität durch Eingangsparameter
• Modellierung und Parametrisierung sehr flexibel • Sehr langsame Rechengeschwindigkeit wegen Monte-Carlo-Simulation
• Methodische Grundlagen
J.P. Morgan (1997)
McKinsey & Company (1997) Etablierter statistischer Ansatz
Technische Implementierbarkeit • Software
Flexibilität
Wirtschaftlichkeit
Implementierungs- und Umsetzungsaufwand relativ gering
• Sehr langsame Rechengeschwindigkeit wegen Monte-CarloSimulation Implementierungs- und Umsetzungsaufwand mittel bis hoch
Implementierungs- und Umsetzungsaufwand relativ hoch
Abb. 106: Kreditrisikomodelle im Überblick (vgl. auch BRÖKER 2000)
193
b)
Konzepte und Maßnahmen zur Begrenzung des Kreditrisikos
(1)
Systematisierung der Ansätze zur Risikobegrenzung
Ausgehend von der Konzeption, Standard-Risikokosten für die erwarteten Kreditverluste zu kalkulieren, und insofern basierend auf der prinzipiellen Eingrenzung des Kreditrisikos auf die Möglichkeit darüber hinausgehender unerwarteter Verluste, sind Maßnahmen bzw. Instrumente zur Begrenzung eben dieses Kreditrisikos zu beschreiben. Ihren Schwerpunkt haben diese naturgemäß auf Portfolioebene, obgleich einzelne Aspekte auch das Kreditrisiko im Einzelgeschäft berühren. Für eine mögliche Systematisierung der risikopolitischen Ansätze erscheint zunächst die Trennung in ursachen- und wirkungsbezogene Strategien zweckmäßig. Ursachenbezogene Ansätze der Risikopolitik haben gemeinsam, dass sie die Wahrscheinlichkeitsverteilung und Höhe der möglichen Kreditverluste unmittelbar positiv beeinflussen. Demgegenüber können wirkungsbezogene Ansätze der Risikopolitik dahingehend charakterisiert werden, dass sie zur Abfederung oder Abwälzung der Konsequenzen schlagend gewordener Kreditrisiken dienen. Abbildung 107 zeigt die, dieser Zweiteilung zuordenbaren, fünf unterschiedlichen Risikostrategien. Sie werden im folgenden kurz charakterisiert, wobei die Risikodiversifikation und der Risikotransfer in gesonderten Abschnitten ausführlicher analysiert werden. Ursachenbezogene Begrenzung Wirkungsbezogene Begrenzung des Kreditrisikos des Kreditrisikos = Maßnahmen zur Abfederung oder = Einflussnahme auf die WahrscheinlichAbwälzung der Konsequenzen bei keitsverteilung und Höhe der möglichen schlagend gewordenen Kreditverlusten Kreditverluste RisikoRisikoRisikoRisikoRisikovermeidung minderung diversifikation transfer vorsorge (1) (2) (3) (4) (5) Abb. 107: Systematisierung der Ansätze zur Kreditrisikobegrenzung
Zu (1): Risikovermeidungsstrategien im Kreditgeschäft sind in der Regel gleichbedeutend mit dem Verzicht auf dieses Geschäftsfeld, da unerwartete Verluste bei Kreditgewährungen grundsätzlich nicht auszuschließen sind. Allenfalls in Verbindung mit einer extrem konservativen Besicherungspolitik, die auch bei Insolvenz der Kreditnehmer sicherstellt, dass die Bank keine Kreditverluste erleidet, dürften Kreditgeschäfte (praktisch dann natürlich nur vereinzelt) in Frage kommen. Zu (2):
Wenn das Geschäftsfeld „Kredit“ geschäftspolitisch gewollt ist, obwohl durch Bestellung von Kreditsicherheiten kein 100 %-iger Schutz vor unerwarteten Kreditverlusten möglich ist, kommen entsprechende Risikominderungsstrategien in Frage. Diese stehen zum einen im Zusammenhang mit dem systematischen Einsatz einer effizienten Kreditwürdigkeitsprüfung bzw. Bonitätsanalyse der Kreditnehmer. Ziel muss es dabei sein, Fehleinschätzungen 194
hinsichtlich der Einstufung von Kreditnehmern in die entsprechenden Rating-Stufen als Voraussetzung für ein risikoadjustiertes Kredit-Pricing (vgl. hierzu ausführlich Band 1, S. 319 ff.) zu verringern. Gleichzeitig liefern die Bonitätsanalysen Indikatoren für die im Einzelfall geforderten Kreditsicherheiten und für die Bestimmung von kreditnehmerindividuellen Kreditobergrenzen, da Kreditnehmer je nach Rating-Stufe und angebotenen Kreditsicherheiten stets nur für bestimmte Kreditgrößenordnungen „gut“ sind. Zum anderen müssen die entsprechenden organisatorischen und personellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass •
eine qualifizierte Kreditsachbearbeitung erfolgt,
•
die Organisationsstruktur des Kreditvergabeprozesses risikobegrenzend wirkt und
•
der Einsatz einer integrierten Kreditüberwachung sichergestellt wird.
Im einzelnen ist die fachliche Qualifikation der Kreditsachbearbeiter wichtige Voraussetzung, um den vom Kreditkunden gewünschten Finanzierungsbedarf richtig beurteilen zu können. Erreicht werden kann dies durch eine sorgfältige Auswahl der Mitarbeiter sowie durch systematisch geplante und regelmäßig stattfindende Weiterbildungsmaßnahmen. Zum anderen ist allerdings auch auf die persönliche Integrität des Kreditsachbearbeiters Wert zu legen. Im Rahmen regelmäßiger Beurteilungsverfahren ist die Störanfälligkeit der Kreditverantwortlichen gegen falsch verstandene Erfolgszwänge, aus denen ein überhöhtes Risikopotential resultieren kann, festzustellen (vgl. S. 487 ff. sowie SCHMOLL 1990a). Darüber hinaus spielen organisatorische Regelungen eine wichtige Rolle in der Kreditrisikopolitik. An erster Stelle steht hier die Notwendigkeit, den „Risikoappetit“ der Entscheidungsträger durch klare Kompetenzregelungen, präzise Zuweisung von Verantwortlichkeiten sowie allgemein durch Beseitigung von organisatorischen Anreizen, Kreditrisiken ohne ausreichende Abgeltung zu übernehmen, zu beschränken. Ob eine solche risikobegrenzende Organisationsstruktur schon dadurch geschaffen wird, dass – wie üblich – Kreditentscheidungen ihrem Volumen nach gestaffelt mehrere Hierarchieebenen zu durchlaufen haben (vgl. SCHMOLL 1990b; KÜSPERT/HOHENEGG 1982), ist allerdings mehr als fraglich. Als weiteres wichtiges Instrument ist der Einsatz einer integrierten Kreditüberwachung zu nennen. Im Gegensatz zu der laufenden Kreditüberwachung, die mittels der erörterten Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung vom Marktbereich durchgeführt wird, ist im Rahmen der Kreditrevision insbesondere die Unabhängigkeit der Prüfinstanz gegenüber den zu prüfenden Vorgängen und Personen hervorzuheben. Denn nur dadurch, dass die prüfende Instanz keine Verantwortung für die Ergebnisse aus dem Kreditgeschäft trägt und auch hierarchisch nicht von den zu Prüfenden abhängig ist, kann vermieden werden, dass die Aufdeckung von Schwachstellen im Entscheidungsprozess durch Weisungen beteiligter Dritter gefährdet wird. Anhand zentral verfügter Richtlinien sollen Soll-Ist-Abweichungen in der Kreditvergabe- und Kreditüberwachungspraxis aufgedeckt werden. Damit die beabsichtigten Wirkungen eintreten können, ist die Kreditrevision zum einen systematisch in das Kreditgeschäft und die Organisationsstruktur zu integrieren. Zum anderen müssen sämtliche Kreditgeschäfte Gegenstand der Revisionsaktivitäten sein, damit eine vollständige Aufbereitung des risikobehafteten Geschäftes gewährleistet ist (vgl. BAETGE 1988). 195
Als konkretes Beispiel für zentral vorgegebene Richtlinien im Bereich der laufenden Kreditüberwachung können Weiterbearbeitungsgrundsätze genannt werden. So ist beispielsweise im Rahmen der globalen Weiterbearbeitung dafür Sorge zu tragen, dass Überziehungslisten in regelmäßigen Zeitabständen kommentiert werden. Darüber hinaus sind maschinell erstellte Kontoauswertungen laufend zu bearbeiten, damit gegebenenfalls eine Negativkartei mit besonders gefährdeten Engagements aufgebaut werden kann. Bezogen auf einzelne Kreditengagements bietet sich die Definition bestimmter Indikatoren an, bei deren Eintreten von den Kundenbetreuern bestimmte, ebenfalls fest definierte, abgestufte Maßnahmen zu ergreifen sind. Zu (3): Risikodiversifikationsstrategien basieren auf den Grundsätzen der Risikostreuung und Risikoverteilung, indem die Struktur des Kreditportfolios so gesteuert wird, dass das unsystematische Risiko (vgl. S. 157) möglichst weitgehend reduziert wird. Dies wird dadurch erreicht, dass
•
das Volumen des Kreditportfolios auf möglichst viele unterschiedliche Kreditnehmer verteilt wird und so die Granularität des Kreditvolumens entsprechend hoch ist und gleichzeitig
•
keine Konzentration der Kreditvolumina in den einzelnen Kreditnehmersegmenten mit gleichgerichteter Korrelation (Kreditnehmergruppen, Branchen, Regionen, Länder) besteht oder anders ausgedrückt, dass möglichst geringe strukturelle Abweichungen zum „Marktportfolio“ auftreten.
Die Zuordnung der Risikodiversifikation zu sowohl der ursachen- wie auch der wirkungsbezogenen Risikopolitik in Abbildung 107 ist im Übrigen die Folge einer begrifflichen Unschärfe. Denn zum einen sorgt Risikodiversifikation natürlich dafür, dass sich die Wahrscheinlichkeitsverteilung und Höhe der möglichen Kreditverluste zum Positiven hin verändert, zum anderen mildert eine hohe Granularität aber auch die spürbaren Konsequenzen bei schlagend gewordenen Risiken nachweislich ab (vgl. BRÖKER 2000, sowie S. 202 ff.). Zu (4): Risikotransferstrategien umschreiben Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, Risiken aus dem Kreditportfolio auch auf den Kreditnehmer selbst oder auf Dritte zu übertragen. Was Letzteres betrifft, stehen Maßnahmen zur Mobilisierung von Krediten und Einsatzmöglichkeiten von Kreditderivaten im Vordergrund. Diese neuen Instrumente stehen den klassischen Absicherungsmaßnahmen gegenüber, bei denen das Risiko auf den Kreditnehmer selbst abgewälzt wird. Zum einen kann hier eine extrem konservative Besicherungspolitik zur Folge haben, dass mit großer Sicherheit auch unerwartete Verluste durch Rückgriff auf entsprechend werthaltige Kreditsicherheiten abgedeckt werden können. Zum anderen ist eventuell auch die Verrechnung exzessiver Risikoprämien, die auch Teile des unerwarteten Verlustes mit abdecken sollen, hier einzuordnen.
196
Zu (5): Risikovorsorgestrategien als klassisches Instrument der wirkungsbezogenen Kreditrisikopolitik berühren schließlich konzeptionell das nach Einsatz der vier genannten Gruppen von Maßnahmen bzw. Instrumenten noch verbleibende Kreditrisiko. Dies ist durch geeignete Kapitalunterlegungsmaßnahmen aufzufangen, sei es durch Bildung von Wertberichtigungen zur Risikovorsorge oder durch Dotierung von Eigenkapitalreserven der unterschiedlichsten Art.
Diese sind auch das Haupteinsatzgebiet der bankaufsichtlichen Eigenkapitalnormen, welche die Mindeststandards für eine entsprechende Risikovorsorge regulieren. Weiterführende Ausführungen zum Inhalt dieser Eigenkapitalnormen sind an entsprechender Stelle zu finden (vgl. S. 133 ff.). (2)
Risikodiversifikation des Kreditportfolios
(a)
Normportfolio und strukturelle Risikolimite
Aus der Sicht des Risiko-Controllings kann das Kreditportfolio einer Bank mit Hilfe einer dreidimensional ausgelegten Klassifizierungsstruktur seiner risikorelevanten Merkmale charakterisiert werden. Konzeptionell handelt es sich dabei also um die Abbildung eines Risikostrukturwürfels, dessen Koordinaten die entsprechenden Merkmalsausprägungen des Portfolios beschreiben (vgl. Abb. 108). 1. Dimension: Rating-Klasse 2. Dimension: Größenklasse 3. Dimension: Wirtschaftssektoren
Wirtschaftssektoren A, B, C ...
Kreditvolumina in • Rating-Klasse 1 und • Größenklasse I und • Wirtschaftssektor A
Rating-Klassen 1, 2, 3, ... Größenklassen I, II, III, ...
Abb. 108: Risikostrukturwürfel
197
Die erste Dimension verdeutlicht die Struktur des Kreditportfolios gegliedert nach RatingStufen. Zwar könnte argumentiert werden, dass durch den Ansatz von Standard-Risikokosten Rating-Unterschiede zwischen Kreditnehmern vollständig berücksichtigt werden und folglich für die Abbildung der Risikostruktur des Kreditportfolios nicht mehr von Bedeutung sein können (vgl. Band 1, S. 319 ff.). Dieses Argument verkennt aber den Umstand der Volatilität von Ausfallraten und dass diese typischerweise um so größer ist, je schlechter das SchuldnerRating ist. Abbildung 109 zeigt ein empirisches Beispiel für diese Zusammenhänge. Es verdeutlicht die Notwendigkeit, die Rating-Struktur des Kreditportfolios für die Abbildung seiner Risikostruktur mit einzubeziehen, trotz Verwendung der Erwartungswerte der Ausfallraten für die Standard-Risikokosten-Kalkulation und damit ihrer Ausblendung aus dem eigentlichen Kreditrisiko. Nur erwähnt sei, dass die Abbildung der Struktur des Kreditportfolios nach Rating-Klassen ergänzt werden könnte •
um die Kreditlaufzeiten im Portfolio (sofern dies nicht bereits in die Einstufung des Schuldner-Ratings eingeflossen ist) sowie
•
um die Qualität der Kreditsicherheiten in den verschiedenen Rating-Klassen,
so dass diese erste Dimension zu einer komplexen Risikoklasseneinteilung des Kreditportfolios, die sich an den Kriterien der „Expected Loss“-Kalkulationen orientiert, mutieren würde. Ausfallrate Rating-Klasse
Mittelwert
1970 – 1997 Standardabweichung
Aaa Aa A Baa Ba B Caa - C
0,00 % 0,03 % 0,01 % 0,12 % 1,34 % 6,78 % 24,06 %
0,00 % 0,12 % 0,05 % 0,29 % 1,40 % 5,30 % 19,72 %
Abb. 109: Empirisch ermittelte annualisierte Ausfallraten je Rating-Stufe (aus: Moody´s Investor Service, Default Rates 1920 – 1997 1998)
Die zweite Dimension des Risikostrukturwürfels beschreibt die Struktur des Kreditportfolios in Hinblick auf die Größenverteilung der Kreditengagements. Damit wird bereits der erste Aspekt der im folgenden näher beschriebenen Diversifikationsqualität des Kreditportfolios angesprochen. Abgebildet wird folglich die Granularität des Kreditvolumens, also seine Verteilung auf unterschiedlich zahlreiche, in ihrem Risikogehalt zunächst als unverbunden angesehene Kreditnehmer. Schließlich wird in der dritten Dimension der entscheidende Aspekt der Risikostreuung von Kreditengagements über unterschiedliche Wirtschaftssektoren als Diversifikationsmerkmal
198
abgebildet. Da es sich bei dieser Frage darum handelt, das Ausmaß des unsystematischen Kreditrisikos durch explizite Nutzung von Risikoverbundeffekten, also von möglichst tiefen Korrelationen zwischen diesen Sektoren zu reduzieren, ist als erstes zu fragen, wie solche Wirtschaftssektoren zweckmäßig zu definieren sind. In Frage kommen dabei regelmäßig die einzelnen Branchen oder Wirtschaftszweige einer Volkswirtschaft oder, darüber hinaus, eines supranationalen Wirtschaftsraums (wie der EU) oder sogar der Weltwirtschaft. Mögliche Abgrenzungskriterien könnten aber auch regionale oder nationale Sektoren sein. Im Privatkundengeschäft kämen grundsätzlich die verschiedenen Kreditnehmergruppen als Sektorvariable in Betracht. Die Gestaltung des so konzipierten Risikostrukturwürfels stellt eine zentrale Aufgabe der Geschäftsleitung dar, die in der Definition eines Normportfolios mündet, mit dem die (Plan-) Struktur des Kreditportfolios und damit gleichzeitig die Stoßrichtung für das Kreditgeschäft vorgegeben werden. Ein derartiges Normportfolio fixiert gleichzeitig die Ziel-Rentabilität des Kreditportfolios und schafft die Rahmenbedingungen für dessen ausgeglichene Risikostruktur. Letztere wird dabei an dem Value at Risk des Kreditportfolios bzw. der Höhe und Wahrscheinlichkeitsverteilung der (unerwarteten) Kreditverluste gemessen. Da die Abbildung des Normportfolios im dreidimensionalen Risikostrukturwürfel nur schwer visualisiert werden kann, ist es sinnvoll, den Risikostrukturwürfel in zwei zweidimensionale Risikostrukturmatrizen zu transformieren, wobei die erste Matrix lediglich die beiden Diversifikationsstrategien (Granularität und Risikostreuung) betrachtet, während die zweite Matrix diese zusammenfasst und gemeinsam dem Merkmal „Rating-Stufe“ gegenüberstellt (vgl. Abb. 110). Die erste Risikostrukturmatrix (vgl. Abb. 110) verdeutlicht in der Verknüpfung der Strukturmerkmale „Granularität“ und „Risikostreuung“, welche Bereiche als risikopolitisch bedenklich einzustufen sind und wo das Kreditportfolio dementsprechend ein hohes unsystematisches Kreditrisiko aufweisen wird (Felder 3.2, 2.3, 3.3). Demgegenüber hätte ein Portfolio, dessen Schwerpunktstruktur durch die Matrixfelder 1.1, 2.1 und 1.2 gekennzeichnet ist, diesbezüglich ein deutlich geringeres – im Extremfall sogar vernachlässigbares – unsystematisches Kreditrisiko. Wegen der Gegensätzlichkeit der Merkmalsausprägungen 3.1 und 1.3 müssten hier detailliertere Analysen aufzeigen, ob die Kombination von hoher (geringer) Risikostreuung durch Nutzung tiefer (hoher) Korrelationen zwischen den Wirtschaftssektoren verbunden mit geringer (hoher) Granularität des Kreditportfolios per Saldo eher positive oder eher negative Risikoeffekte auslöst (vgl. ausführlich hierzu S. 208 ff.). In der zweiten Risikostrukturmatrix (vgl. Abb. 110) werden entsprechend der obigen Zuordnung die beiden Kriterien der Diversifikation gebündelt und in die kombinierten Ausprägungen „hoch“, „mittel“ und „niedrig“ überführt. Gegenübergestellt wird nunmehr das dritte Strukturkriterium „Verteilung über Rating-Stufen“. Um wiederum eine Dreiteilung zu bekommen, werden die Rating-Stufen gebündelt, die eine „Investment Grade“-Kategorie ausdrücken (bei Moody´s wären das beispielsweise die Rating-Stufen Aaa bis Baa3; vgl. Band 1, S. 332 ff.), die zur Kategorie „Sub Investment Grade“ gehören (Ba1 bis B3) und die schließlich als gefährdete Kredite (Caa bis D) einzustufen sind.
199
Risikostreuung über WirtRisikover- schaftssektoren teilung über
hoch
mittel
gering
hoch
1.1
1.2
1.3
mittel
2.1
2.2
2.3
gering
3.1
3.2
3.3
DiversifikationsRisikograd Verteilung verteilung der Kredite über Granularität über Rating-Stufen
hoch
mittel
gering
„Investment Grade“Kategorien
1.1
1.2
1.3
„Sub Investment Grade“-Kategorien
2.1
2.2
2.3
Gefährdete Kredite
3.1
3.2
3.3
Granularität
Abb. 110: Risikostrukturmatrizen
So ergeben sich analog zur ersten Risikostrukturmatrix wiederum 9 Felder und eine entsprechende Zuordnung. Im Unterschied zur ersten Matrix kann die Verteilung der Kredite über die Rating-Stufen als Prozentverteilung quantitativ angegeben werden, so dass sich die Risikostruktur aus der Verknüpfung einer vertikalen Zellenspalte mit der dazugehörigen Ausprägung des Diversifikationsgrades ergibt. Risikopolitisch besonders problematisch sind also Portfoliostrukturen, die eine ungünstige Verteilung des Kreditportfolios über die RatingStufen (also beispielsweise hohe bzw. steigende Anteile der „Sub Investment“ und/oder „gefährdeten“ Kredite mit einem nur mittleren oder sogar geringen Diversifikationsgrad kombinieren. Umgekehrt sind hohe bzw. steigende Anteile von „Investment Grade“-Krediten kom-
200
biniert mit einem hohen oder zumindest mittleren Diversifikationsgrad kennzeichnend für eine hohe Portfolioqualität. Aus den dargestellten Zusammenhängen ergeben sich nun die konkreten Überlegungen zur Definition des Normportfolios. In bezug auf das Diversifikationskriterium kann als Ausgangspunkt das sogenannte Marktportfolio, das sämtliche Kredite in einem definierten Kreditmarkt enthält, zugrundegelegt werden. Hier wären dann geschäftspolitisch gewollte Abweichungen des Bankportfolios vom Marktportfolio zu definieren. Diese müssten dann noch um normative Vorgaben hinsichtlich der anzustrebenden Verteilungsstruktur in bezug auf die Schuldner-Ratings ergänzt werden. Ein sich so ergebendes Normportfolio würde sich also durch Strukturlimiten in bezug auf die drei Dimensionen des Risikostrukturwürfels auszeichnen. Von Bedeutung ist dabei die richtige Interpretation solcher Strukturlimiten. In ihrem Kern handelt es sich um portfolioorientierte Volumens- und Abweichungslimiten, indem zwar geschäftspolitische Strukturkennzahlen mit Grenzwerten (Mindest- und/oder Höchstwerten) ausgestattet werden, zugleich aber auch zulässige Abweichungen definiert werden, soweit sie im Einzelfall aus geschäftspolitischen Gründen akzeptiert werden können.
100 %
kumulierter relativer Anteil der einzelnen • Rating-Klassen, • Größenklassen oder • Wirtschaftssektoren am realisierten Portfolio
D A
91 % realisiertes Portfolio C
A´
55 % B
Normportfolio
40 % kumulierter relativer Anteil der einzelnen • Rating-Klassen, • Größenklassen oder • Wirtschaftssektoren am Normportfolio
C´ B´
20 % 30 %
70 %
100 %
Abb. 111: Grafische Darstellung der kumulierten relativen Portfolioanteile – die Portfoliokurve
201
Die Portfoliokurve ist ein Instrument, mit dem diese Abweichungen erfasst werden können (vgl. KLOSE 1996). Das Diagramm in der Abbildung 111 wird von zwei Achsen aufgespannt, auf denen die kumulierten relativen Anteile des Kreditvolumens in einer spezifischen Risikostrukurdimension am gesamten Kreditvolumen des realisierten Portfolios respektive des Normportfolio abgelesen werden können. So besitzt in dem in Abbildung 111 dargestellten Beispiel das Kreditvolumen des Wirtschaftssektors C einen Anteil am Gesamtvolumen des Normportfolios respektive am Gesamtvolumen des realisierten Portfolios von 10 % respektive 15 %. Der Wirtschaftssektor C wird entsprechend aufgrund der kumulativen Form der Abbildung in der Grafik durch den Punkt (30 %; 55 %) [= (20 % + 10 %; 40 % + 15 %)] beschrieben. Die Reihenfolge, in der die Risikostrukturdimensionen (Rating-Stufen, Größenklassen, Wirtschaftssektoren) abgetragen werden, bestimmt sich dabei nach der Intensität der relativen Abweichung des Volumenwerts einer Risikostrukturdimension in bezug auf den Volumenwert dieser Risikostrukturdimension im Normportfolio. Je höher die Bank relativ in einer Rating-Klasse, Größenklasse oder Wirtschaftssektor engagiert ist, desto weiter links wird diese in der Grafik abgetragen. Die in Folge dieser Abtragungsreihenfolge entstehende konkave Krümmung der Kurve ist dabei ein Maß für die Intensität der portfoliobezogenen Konzentrationsabweichung der einzelnen Dimensionen im realisierten Portfolio vom Normportfolio. Würde hingegen ein Kreditportfolio realisiert, das sich durch eine Identität mit dem Normportfolio auszeichnet, so erhielte man in allen drei Dimensionen eine Diagonale. Da die Diagonale stellvertretend für die Einhaltung der Strukturvorgaben des Normportfolios steht, kommen damit für die operationale Formulierung des Abweichungslimits grundsätzlich zwei Kennziffern in Frage: •
zum einen die maximale vertikale Entfernung der Portfoliokurve von der das Normportfolio darstellenden Diagonalen,
•
zum anderen die Fläche zwischen dem Portfolio und der Diagonalen.
Welche der beiden Kennzahlen für das Management von Kreditrisiken verwendet wird, bleibt der einzelnen Bank überlassen. Verfeinerungen der Kreditrisiko-Steuerung lassen sich darüber hinaus durch verschiedene Modifikationen der Portfoliokurve vornehmen. Diese zielen dann insbesondere darauf ab, die Korrelationen der drei Dimensionen des Risikostrukturwürfels untereinander in den Ansatz mit zu integrieren (vgl. KLOSE 1996). (b)
Diversifikation des Portfolios durch Granularität
Die Strategie zur Diversifikation eines Kreditportfolios über Granularität setzt an der Aufteilung des Portfolio-Volumens auf einzelne Kreditnehmer an. Dabei ist explizit die Strategie gemeint, welche zum Ziel hat, das Kreditvolumen eines Portfolios insgesamt auf möglichst viele kleinere Kredite zu verteilen. Auf diese Weise kann dem besonderen Risikopotential von Ausfällen größerer Kredite, welche insbesondere bei den durch Größenkonzentration geprägten Kreditportfolios häufiger vorkommen und bei deren kumulierten Auftreten für die Bank solvenzbedrohend sein können, Rechnung getragen werden.
202
Die Qualität der Diversifikation über Granularität zeigt sich an dem Ausmaß der Ergebnisstreuung um den Erwartungswert des Portfolioverlusts. Dabei können ein gut und ein schlecht diversifiziertes Kreditportfolio durchaus denselben erwarteten Portfolioverlust aufweisen. Der Unterschied besteht nur darin, dass bei einem schlecht diversifizierten Kreditportfolio die Ergebnisschwankungen um den Erwartungswert wesentlich höher ausfallen werden als die eines gut diversifizierten Kreditportfolios. Zur Beschreibung des Ausmaßes von unerwarteten Ergebnisschwankungen bietet die Statistik die Standardabweichung an, welche als Streuungsmaß zeigt, ob mehr oder weniger große Abweichung vom Erwartungswert zu erwarten ist. Im Folgenden wird dieser Sachverhalt anhand eines Beispiels näher erläutert. Eine Bank steht vor der Alternative, entweder 10 größere Kredite mit jeweils einem Kredit-Exposure in Höhe von 10 Mio. GE (Kreditportfolio A) oder 40 Kredite mit jeweils einem Kredit-Exposure in Höhe von 2,5 Mio. GE (Kreditportfolio B) zu vergeben. Dabei ist jeder Kredit mit einer erwarteten Ausfallrate von 10 % verbunden. Im Falle eines Kreditausfalls muss die Bank mit einem Totalausfall des Kreditengagements rechnen. Um den mit der Erhöhung der Granularität einhergehenden Diversifikationseffekt sauber aufzeigen zu können, wird für das vorliegende Beispiel unterstellt, dass keine Risikointerdependenzen zwischen den Kreditnehmern bestehen. Demnach betrage die paarweise Ausfallkorrelation zwischen den Kreditnehmern stets Null und die Erhöhung der Ausfallrate eines Kreditnehmers hat keine Auswirkung auf die Ausfallraten der übrigen Kreditnehmer. Gemäß der Grundgleichung zur Kalkulation der Standard-Risikokosten kann der erwartete Verlust eines Kreditportfolios wie folgt dargestellt werden: N
EW (V)
¦ K i p i (1 ri )
i 1
mit: EW(V) = Erwarteter Verlust des Kreditportfolios; Ki = Exposure der einzelnen Kredite; pi = erwartete Ausfallrate; ri = erwartete Rückzahlungsquote
Demgemäß stellt sich der erwartete Verlust des Kreditportfolios A mit 10 Krediten mit einem Volumen von je 10 Mio. GE als die Summe des erwarteten Verlusts aller Einzelkredite dar: EW(V) Portfolio A
10 >10 Mio. GE 10 % 1 0 % @ 10 >1 Mio. GE @ 10 Mio. GE
Demnach beträgt der erwartete Verlust jedes Einzelkredits 1 Mio. GE, und der erwartete Portfolioverlust insgesamt 10 Mio. GE. Dies entspricht einer erwarteten Anzahl an Kreditausfälle von genau 1. Bei der Ermittlung der Standardabweichung für Kreditportfolio A müssen zunächst sämtliche zukünftigen, jeweils mit einer Wahrscheinlichkeitsaussage verbundenen Zustände eines Kredits aufgestellt werden. Für das Beispiel kann in bezug auf den zukünftigen Zustand eines Kredits nur zwischen Ausfall und Nichtausfall des Kreditnehmers unterschieden werden (vgl. Abb. 112):
203
Eintrittswahrscheinlichkeit des Kreditereignisses (W) W( n 0) p i 10 %
Kreditausfall
W( n 1)
Kein Kreditausfall
1 pi 1 10 %
Verlusthöhe (V) V = 10 Mio. GE
90 %
V = 0 GE
Abb. 112: Eintrittswahrscheinlichkeiten der Kreditereignisse und Verlusthöhe des Einzelkredits bei Kreditportfolio A
Für einen Einzelkredit wird also mit einer Wahrscheinlichkeit von 10 % einen Verlust in Höhe von 10 Mio. GE entstehen und mit einer Wahrscheinlichkeit von 90 % wird der Kredit ordnungsmäßig getilgt. Die Schwankungen um den erwarteten Verlust dieses Einzelkredits, nämlich die Standardabweichung STD, stellt die Wurzel aus der Varianz dar, die anhand der folgenden Formel errechnet werden kann: N
2 ¦ X i EW (V) W (X i ) (n )
Varianz STD 2
i 1 N
STD
¦ X i EW (V) 2 W (X i ) ( n ) i 1
mit: Xi = Einzelereignis; W(Xi)(n) = Eintrittswahrscheinlichkeit
Die Standardabweichung eines Einzelkredits beläuft sich demnach auf: STD
0 1 Mio. GE 2 90 % 10 Mio. GE 1 Mio. GE 2 10 %
3 Mio. GE
Um die Standardabweichung des Kreditportfolios herzuleiten, müssen grundsätzlich die zwischen den Kreditnehmern bestehenden Ausfallkorrelationen in die Berechnung einbezogen werden. Wegen der hier vereinfacht geltenden Annahme einer Ausfallkorrelation von Null ergibt sich die Varianz der Portfolioverluste als die Summe der Varianz aller Einzelkredite, welche das Kreditportfolio insgesamt ausmachen: N
Varianz Portfolio
¦ Varianzi
i 1
Infolgedessen kann die Standardabweichung des Kreditportfolios als die Wurzel der Portfoliovarianz dargestellt werden: N
STD Portfolio
¦ Varianzi
i 1
N
¦ STD i2
i 1
Die Standardabweichung des Kreditportfolios A, welches zunächst aus 10 unabhängigen Kreditnehmern besteht, beläuft sich somit auf 9,487 Mio. GE:
204
STD Portfolio A
2 STD12 STD 22 ... STD10
90 Mio. GE
9,487 Mio. GE
Alternativ zu dem Kreditportfolio A, welches 10 größere Kredite umfasst, bestehe für die Bank die Möglichkeit B, 40 kleinere Kredite mit jeweils einem Kredit-Exposure in Höhe von 2,5 Mio. GE zu vergeben. Mit den zuvor getroffenen Annahmen ändert sich der Erwartungswert des Portfolioverlusts durch diese alternative Kreditvergabepolitik nicht: EW(V) Portfolio B
40 >2,5 Mio. GE 10 % 1 0 % @ 40 >0,25 Mio. GE @ 10 Mio. GE
Aufgrund der sich neu einstellenden Konstellation beträgt die Anzahl der erwarteten Kreditausfälle 4 und der erwartete Verlust eines Einzelkredits 0,25 Mio. GE. Demnach beläuft sich die Standardabweichung eines Einzelkredits auf: STD
0 0,25 Mio. GE 2 90 % 2,5 Mio. GE 0,25 Mio. GE 2 10 % 0,75 Mio. GE
Die Standardabweichung des Kreditportfolios mit 40 kleineren Krediten beträgt nunmehr: STD Portfolio B
STD12 STD 22 ... STD 240
22,5 Mio. GE
4,743 Mio. GE
Insgesamt fällt die Standardabweichung der Portfolioverluste nun mit 4,743 Mio. GE um 4,744 Mio. GE geringer aus als die des Kreditportfolios A (9,487 Mio. GE). Dabei beträgt der durch die Diversifikation erreichte Rückgang des Risikos gut 50 %. Aus diesen Ergebnissen lässt sich der Schluss ziehen, dass durch die Diversifikation über Granularität die möglichen Verluste wesentlich dichter um den Erwartungswert streuen, während durch die Vergabe von weniger aber größeren Krediten deutlichere Ausschläge in den negativen, aber auch positiven Bereich zu erwarten sind. Diese Tendenz setzt sich fort, wenn die Granularität der Portfoliostruktur im Zuge der Diversifikation weiter erhöht wird. Abbildung 113 zeigt beispielhaft, wie die Standardabweichung dieses Kreditportfolios sich bei unverändertem Gesamtkreditvolumen allein durch die Erhöhung der Granularität der Portfoliostruktur reduzieren lässt. Wie bereits erläutert, verringert sich die Standardabweichung des Kreditportfolios bereits um 50 %, wenn die Kreditnehmerzahl von 10 auf 40 zunimmt. Erhöht sich die Anzahl der Kreditnehmer auf 100, so beläuft sich die Höhe der Standardabweichung auf lediglich 3 Mio. GE, welche gegenüber eines Portfolios mit 10 Krediten einem Risikorückgang um ca. 68 % entspricht. Wird darüber hinaus angenommen, dass das Portfolio nun aus 25.000 Kunden mit je einem Kredit-Exposure von 4.000 GE besteht (z.B. ein Portfolio aus zahlreichen Kreditkartenkunden), so weist der erwartete Verlust dieses Portfolios zunächst wegen des unveränderten Gesamtvolumens und der unveränderten Ausfallrate von 10 % wiederum eine gleichbleibende Höhe von 10 Mio. GE auf. Aufgrund der wesentlich erhöhten Granularität der Portfoliostruktur beläuft sich die Standardabweichung der Portfolioverluste jedoch nur noch auf 189.736,66 GE. Dies entspricht lediglich ca. 2 % der Standardabweichung, welche sich bei einem Portfolio mit gleichem Gesamtvolumen aber nur 10 Kreditnehmern ergibt. 205
Kreditportfolio A
Standardabweichung in Mio. GE
12 10 8
Kreditportfolio B
6 4 2 0 10
20
30
40
5.000
10.000 15.000 20.000 25.000 Anzahl unabhängiger Kredite
Gesamtvolumen der alternativen Kreditportfolios: jeweils 100 Mio. GE Abb. 113: Diversifikationseffekt bei zunehmender Granularität
Das Risikobild eines Kreditportfolios kann mit Hilfe der Value at Risk-Angabe vertieft untersucht werden, indem die in der Zukunft sich möglicherweise einstellende Portfolioverluste jeweils mit einer Wahrscheinlichkeitsaussage verbunden werden. Da in bezug auf das Beispielportfolio für alle Kreditnehmer eine identische Ausfallrate und eine Ausfallkorrelation von Null unterstellt werden, bietet sich zur Ermittlung der Verlustverteilung des Portfolios die Binomialverteilung an. Dabei lässt sich die Verlustverteilung des Kreditportfolios A mit 10 größeren Krediten folgendermaßen darstellen (vgl. Abb. 114). Aus Abbildung 114 geht hervor, dass beispielsweise mit einem Konfidenzniveau von 99,837 %, was in etwa einem Z-Wert von 3 entspricht, die Anzahl der Kreditausfälle nicht höher als vier bzw. der damit verbundene Portfolioverlust nicht höher als 40 Mio. GE sein wird. Der unerwartete Verlust des Beispielportfolios beläuft sich bei diesem Konfidenzniveau auf 30 Mio. GE (= 40 Mio. GE – 10 Mio. GE) und entspricht damit dem 3-fachen des erwarteten Verlustes. In Analogie zur Ermittlung des Value at Risk eines Kreditportfolios A mit 10 Kreditnehmern kann für das alternative, aus 40 kleineren Krediten bestehende Kreditportfolio B mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,853 % davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der Kreditausfälle nicht höher sein wird als 10. Der damit verbundene unerwartete Portfolioverlust fällt mit einer Höhe von 15 Mio. GE (= 25 Mio. GE – 10 Mio. GE) deutlich geringer aus als der des Portfolios mit 10 größeren Krediten. Mit dem gewählten Konfidenzniveau entspricht der unerwartete Portfolioverlust nur noch dem 1,5-fachen des erwarteten Portfolioverlusts. In Verbindung mit den vorherigen Ergebnissen bezüglich der Reduzierung der Standardabwei206
chung bei zunehmender Granularität kann daraus ein allgemein gültigen Sachverhalt abgeleitet werden: Das aus einem möglichen unerwarteten Verlust des Kreditportfolios resultierende Risiko eines Kreditportfolios nimmt mit zunehmender Granularität sukzessiv ab. Das Risiko bei Vergabe von größeren Krediten ist damit wesentlich höher als das bei Vergabe einer Vielzahl von kleineren, voneinander unabhängigen Krediten. Ein eindrückliches Beispiel für den positiven Risikoeffekt zunehmender Granularität liefert auch die von der Beratungsgesellschaft ZEB durchgeführte Simulationsstudie eines Kreditportfolios bestehend aus 1.000 Kreditnehmern. Allein schon durch Verteilung des Kreditvolumens der 5 größten Kreditengagements auf 25 unabhängige gleich große Kreditfälle (also die Erhöhung der Kreditnehmerzahl um lediglich 20) liess den Value at Risk des Kreditportfolios um 25 % reduzieren (vgl. ZEB 2001). Anzahl Ausfallder volumen Kredit- in Mio. GE ausfälle
Wahrscheinlichkeiten
Binomialverteilungen
Kumulierte Wahrscheinlichkeiten
0
0
W010
§¨10 ·¸ 0,100 1 0,10 10 0 ©0¹
= 34,868 %
34,868 %
1
10
W110
§¨10 ·¸ 0,101 1 0,10 10 1 ©1¹
= 38,742 %
73,610 %
2
20
W210
§¨10 ·¸ 0,10 2 1 0,10 10 2 ©2¹
= 19,371 %
92,981 %
3
30
W310
§¨10 ·¸ 0,103 1 0,10 10 3 ©3¹
=
5,740 %
98,720 %
4
40
W410
§¨10 ·¸ 0,10 4 1 0,10 10 4 ©4¹
=
1,116 %
99,837 %
5
50
W510
§¨10 ·¸ 0,105 1 0,10 10 5 ©5¹
=
0,149 %
99,985 %
6
60
W610
§¨10 ·¸ 0,106 1 0,10 10 6 ©6¹
=
0,014 %
99,999 %
7
70
W710
§¨10 ·¸ 0,107 1 0,10 10 7 ©7¹
=
0,001 %
100,000 %
8
80
W810
§¨10 ·¸ 0,108 1 0,10 10 8 ©8¹
=
0,000 %
100,000 %
9
90
W910
§¨10 ·¸ 0,109 1 0,10 10 9 ©9¹
=
0,000 %
100,000 %
10
100
§¨10 ·¸ 0,1010 1 0,10 10 10 = ©10 ¹
0,000 %
100,000 %
10 W10
Abb. 114: Risikostruktur des Kreditportfolios A aus 10 Großkrediten
Mit diesen Erkenntnissen fällt es leicht, Kreditportfolios hinsichtlich ihrer risikorelevanten Größenstruktur und -verteilung zu kennzeichnen und Ansatzpunkte für sinnvolle Strukturli207
miten hieraus abzuleiten. Ein Praxisbeispiel verdeutlicht das Gesagte (vgl. Abb. 115). Während im Portfolio I mit 59,9 % ein relativ hoher Anteil des Kredit-Exposure auf Kredite unter 50.000 GE und nur ein relativ geringer Teil (= 11,1 %) auf größere Kredite (bis 2,5 Mio. GE) entfällt, zeigt sich für das Portfolio II eine genau gegenläufige Verteilung. Hier entfällt mit 26,3 % lediglich ein guter Viertel des Kredit-Exposure auf die kleinste Größenklasse, während Kredite oberhalb 2,5 Mio. GE nahezu ein Drittel (= 29,1 %) ausmachen. Diese Tendenz setzt sich auch in den nächsthöheren Größenklassen fort, so dass hier mehr als die Hälfte des Kredit-Exposure auf Kredite oberhalb von 500.000 GE entfällt. Angesichts dieser Strukturunterschiede ist das Kreditportfolio II unter Granularitätsgesichtspunkten als deutlich gefährdeter einzustufen als das Portfolio I. Beträge in 1.000 GE bis 50 bis 100 bis 250 bis 500 bis 1.000 bis 2.500 darüber Summe Beträge in 1.000 GE bis 50 bis 100 bis 250 bis 500 bis 1.000 bis 2.500 darüber Summe
Kreditportfolio I Anzahl der Kreditnehmer Kredit-Exposure absolut relativ absolut relativ 932 88,9 % 23.263 59,9 % 72 6,9 % 3.538 9,1 % 23 2,2 % 3.193 8,2 % 12 1,1 % 1.975 5,1 % 5 0,5 % 2.562 6,6 % 4 0,4 % 4.299 11,1 % 0 0% 0 0% 1.048 100,0 % 38.831 100,0 % Kreditportfolio II Anzahl der Kreditnehmer Kredit-Exposure absolut relativ absolut relativ 1.283 76,2 % 35.758 26,3 % 230 13,7 % 12.072 8,9 % 75 4,4 % 10.493 7,7 % 45 2,7 % 8.213 6,0 % 22 1,3 % 12.812 9,4 % 15 0,9 % 17.141 12,6 % 13 0,8 % 39.526 29,1 % 1.683 100,0 % 136.015 100,0 %
Abb. 115: Beispiel für die Risikostruktur von Kreditportfolios bei unterschiedlicher Größenverteilung
(c)
Diversifikation des Portfolios durch die Nutzung risikoreduzierender Verbundeffekte
Neben – oder besser – zusammen mit den Maßnahmen, den Value at Risk eines Kreditportfolios durch die Erhöhung der Granularität zu reduzieren, besteht die Möglichkeit, diesen durch explizite Ausnutzung der zwischen den Kreditnehmern bzw. Kreditnehmersektoren bestehenden Risikoverbundeffekte weiter zu reduzieren. Das Prinzip der Diversifikation über die Nutzung von Risikoverbundeffekten basiert auf den Erkenntnissen der für den Wertpapierbereich entwickelten Portfolio-Selection-Theorie, die besagt, dass das Gesamtrisiko eines Portfolios
208
dann gesenkt werden kann, wenn unterschiedlich risikobehaftete und in ihrer Entwicklung nicht gleichverlaufende Anlagen miteinander kombiniert werden (MARKOWITZ 1952 und 1991). Übertragen auf den Kreditbereich bedeutet dies, dass etwaige Risikointerdependenzen zwischen den einzelnen Kreditnehmern oder zwischen übergeordneten (Wirtschafts-)Sektoren, denen die Kreditnehmer zugeordnet werden können, genutzt werden können, um das Kreditportfoliorisiko zu reduzieren. Statistisch werden solche Risikointerdependenzen durch Korrelationen abgebildet, die sich theoretisch zwischen + 1 und - 1 bewegen können. Dabei impliziert ein Korrelationsmaß von + 1 eine strikt positive Risikointerdependenz zwischen Kreditnehmern oder Kreditnehmersektoren. Interpretiert werden kann dies in der Weise, dass in einem solchen Fall eine Erhöhung der Ausfallwahrscheinlichkeit bei einem Kreditnehmer (-sektor) mit einer gleichgerichteten relativen Erhöhung der Ausfallwahrscheinlichkeit beim anderen Kreditnehmer (-sektor) verknüpft ist. Mit abnehmender positiver Korrelation reduziert sich nun diese gleichgerichtete Risikointerdependenz bis bei einer Korrelation von Null die im vorherigen Abschnitt angenommene Risikounabhängigkeit herrscht. Theoretisch, wenn auch im Gegensatz zu Aktienportfolios bei Kreditportfolios eher selten anzutreffen, kann die Korrelation der Veränderung von Ausfallwahrscheinlichkeiten sogar negativ sein, was dann entsprechend günstige Auswirkungen auf das Gesamtrisiko hat. Generell gilt, dass sich für Bankkredite (im Gegensatz zu wertpapiermäßig verbrieften Krediten) die statistische Schätzung der Ausfallkorrelationen zwischen einzelnen Kreditnehmern als äußerst schwierig darstellt, da es an der entsprechenden Datenbasis weitestgehend mangelt, ganz abgesehen von dem enormen, angesichts des mit der Anzahl von Kreditnehmern im Quadrat steigenden Ausfallkorrelationen entstehenden rechentechnischen Aufwands. Letzterer reduziert sich bei Betrachtung von Kreditportfolios mit Sektorspezifikation und entsprechender Verwendung von Sektorkorrelationen (etwa in bezug auf die Veränderung von Insolvenzwahrscheinlichkeiten). Verbesserte Möglichkeiten ergeben sich auch bei wertpapiermäßig verbrieften und gehandelten Krediten, sofern sie mit einem Rating versehen sind, denn in einem solchen Fall stehen Marktdaten über rating-spezifische Wertschwankungen solcher Kredittitel zur Verfügung, die für paarweise Korrelationsrechnungen verwendet werden können. Geht man davon aus, dass solche paarweisen Ausfallkorrelationen durch statistische Regressionsanalyse geschätzt werden können, so lassen sich die Value at Risk aller einzelnen Kredittitel unter der Berücksichtigung ebendieser durch folgenden funktionalen Zusammenhang in einen Value at Risk des gesamten Kreditportfolios zusammenführen (vgl. VARNHOLT 1997): VaR Kreditportfolio
n m
¦¦ w n w m VaR KN i VaR KN j Uij
i 1j i
mit: KNi = Kredit eines einzelnen Kreditnehmers i oder Kredite eines nach Sektoren differenzierten Teilportfolios i; VaR (KNi) = Value at Risk des Kredits bzw. des Teilportfolios i; VaR (Kreditportfolio) = Value at Risk des Kreditportfolios; wi = Gewichtung des Kredits i am Wert des Kreditportfolios; Uij = Ausfallkorrelation zwischen Kredit i und Kredit j
209
Der obigen Gleichung zufolge kann der Value at Risk eines Kreditportfolios bei gegebener Granularität nur dann reduziert werden, wenn zwischen den Kreditnehmern Ausfallkorrelationen existieren, die kleiner als + 1 sind. Sollte zwischen den Kreditnehmern eine Ausfallkorrelation von genau 1 bestehen, so ergibt sich der Value at Risk des Kreditportfolios als die Summe der Value at Risk aller Kreditnehmer. Dieser Fall tritt grundsätzlich dann ein, wenn z.B. das Kreditportfolio nur aus Kreditnehmern besteht, die der gleichen Branche angehören und aus der gleichen Region stammen. Damit ist ein Kreditportfolio in seiner extremsten Form durch das Konzentrationsrisiko geprägt. Mit sinkenden positiven Ausfallkorrelationen reduziert sich der Value at Risk des Kreditportfolios dann aber entsprechend. Abschließend ist zu klären, inwiefern der risikoreduzierende Effekt der Granularität von den paarweisen Ausfallkorrelationen der Kredite abhängig ist. Den Berechnungen wurden zwei Portfolios unterschiedlicher Granularität zu Grunde gelegt. Das erste Portfolio beinhaltet 2 volumenmässig grössere Kredite von je 50 Mio. GE. Dieses soll mit einem Portfolio mit 3 volumenmäßig kleineren Krediten, die jeweils ein Volumen von 33,33 Mio. aufweisen. GE verglichen werden. Bezüglich der kreditnehmerspezifischen Ausfallrate wurde bei sämtlichen Kreditnehmern ein einheitlicher Wert von 10 % unterstellt. Die Messung des Credit Value at Risk basiert auf einem Signifikanzniveau von 99,9 % (vgl. Abb. 116).
Credit Value at Risk (99,9 %)
100 95 90 85 80 75 70 65 60 55 50 0%
10 %
20 %
30 %
2 Kredite mit je 50 Mio. GE
40 %
50 % 60 % Korrelation
70 %
80 %
90 % 100 %
3 Kredite mit je 33,33 Mio. GE
Abb. 116: Credit Value at Risk eines Kreditportfolios in Abhängigkeit von den Korrelationen und von der Granularität
Wie aus der Abbildung 116 hervorgeht, hängt das Ausmaß der risikoreduzierenden Effekte durch die Erhöhung der Granularität im Kreditportfolio wesentlich von den paarweisen Ausfallkorrelationen ab. Allgemein gilt: Bei strikt positiven Ausfallkorrelationen gibt es auch keinen positiven Granularitätseffekt, d.h. die Größenstruktur des Kreditportfolios beeinflusst das Portfoliorisiko nicht. Je niedriger jedoch die (positiven) Ausfallkorrelationen ausfallen,
210
desto stärker wirkt sich der risikoreduzierende Effekt der Granularität aus. Eine Reduktion der hier unterstellten kreditnehmerspezifischen Ausfallrate würde bei beiden Portfolios zu einem flacheren Kurvenanstieg im Bereich tiefer Ausfallkorrelationen führen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Steuerung des Portfoliorisikos über die zwischen den Kreditnehmern bestehenden paarweisen Ausfallkorrelationen deren exakten Kenntnisse voraussetzt. Um zum einen den Schätzaufwand in Grenzen zu halten und zum anderen die Problematik der fehlenden Datenbasis zu umgehen, ist es sinnvoll, Kreditnehmer zu Kreditnehmergruppen respektive in Wirtschaftssektoren zusammenzufassen. Somit beschränkt sich die Schätzung von Korrelationen nur auf die zwischen den Kreditnehmergruppen bestehenden Risikointerdependenzen. Die Bildung solcher Sektoren kann dabei nach Kriterien wie Regionen, Branchen usw. erfolgen. Es werden all diejenige Kreditnehmer in einer Gruppe zusammengefasst, die in bezug auf das Sektorbildungskriterium homogene Eigenschaften aufweisen und bei denen in bezug auf die Ausfallraten eine weitgehend gleichläufige Entwicklung zu erwarten ist. Die zeitlichen Entwicklungen der sektorspezifischen Ausfallraten können grundsätzlich durch eine Zeitreihenanalyse hergeleitet werden. Dabei dienen diese als Grundlage für die Schätzung von intersektoralen Korrelationen im Rahmen einer Regressionsanalyse. Unter der Berücksichtigung eben dieser Korrelationen lassen sich die sektorspezifischen Value at Risk schließlich zum Value at Risk des gesamten Kreditportfolios aggregieren (vgl. Abb. 117).
Kreditnehmer 1
... Kreditnehmer N
Kreditnehmer 1
... Kreditnehmer N
Kreditnehmergruppe 1
Kreditnehmergruppe 2
VaR1
VaR2
Kreditnehmer 1
...
... Kreditnehmer N
Kreditnehmergruppe M
...
VaRM
Korrelationen zwischen den Kreditnehmergruppen
Value at Risk des Kreditportfolios Abb. 117: Aufbauschema der Diversifikationsstrategie nach Kreditnehmergruppen
Zielsetzung jeglicher Diversifikationsstrategie muss es sein, das Portfoliorisiko spürbar und nachhaltig zu senken. Die Strategie zur Diversifikation des Kreditportfolios unter expliziter Ausnutzung der zwischen den Kreditnehmersektoren bestehenden Risikoverbundeffekte hat primär die Aufgabe, das Konzentrationsrisiko des Portfolios aus verschiedenen Betrachtungswinkeln zunächst ursachenbezogen zu strukturieren. Wird ein Kreditportfolio nach Kre211
ditnehmersektoren diversifiziert, dann müssen die Sektoren so gebildet werden, dass zwischen den Kreditnehmern innerhalb eines Sektors hohe Ausfallkorrelationen unterstellt werden dürfen, und dass die Sektoren untereinander möglichst geringe oder sogar gegenläufige Korrelationen aufweisen. Auf diese Weise kann der Value at Risk des gesamten Kreditportfolios – wie bereits durch das obige Beispiel gezeigt – gemindert werden. Dabei wird der Erfolg einer Diversifikationsstrategie daran gemessen, inwieweit der Value at Risk des diversifizierten Kreditportfolios den eines durch Konzentrationsrisiko geprägten Kreditportfolios unterschreitet. Im Folgenden wird zunächst näher auf die Diversifikation nach Branchen eingegangen. Werden die Kreditnehmersektoren nach Branchen gebildet und danach diversifiziert, so werden alle Kreditnehmer, welche dieselbe Branchenzugehörigkeit aufweisen, in einem Sektor zusammengefasst. Zur Ermittlung der historischen Entwicklung der sektorspezifischen Ausfallraten können grundsätzlich offizielle branchenspezifische Insolvenzstatistiken (z.B. des Statistischen Bundesamtes) herangezogen werden, welche im einem weiteren Schritt als Grundlage für die Regressionsanalyse zur Herleitung der zwischen den Branchen bestehenden Korrelationen dienen. Eine auf dieser Grundlage formulierte Diversifikationsstrategie stößt in der praktischen Umsetzung schnell an ihrer Grenze, da unter den Wirtschaftszweigen bzw. Branchen in bezug auf die Ausfallraten ein in der Regel recht hohes Korrelationsmaß besteht. Demnach führt oftmals die Krise einer Branche, welche sich letztendlich in der Erhöhung der durchschnittlichen Ausfallrate dieser Branche niederschlägt, auch zu Krisensituationen der restlichen Branchen. In einer empirischen Untersuchung von VARNHOLT werden die branchenspezifischen Konkurszahlen für fünf schweizerische Wirtschaftsbranchen in den Jahren zwischen 1980 und 1995 untersucht (vgl. VARNHOLT 1997). Abbildung 118 gibt die hieraus abgeleiteten Branchenkorrelationen wieder. Dabei wird eine extrem hohe Risikointerdependenz zwischen den untersuchten Branchen ersichtlich.
DienstleistunIndustrie Bau Private Gewerbe
DienstLeistungen 1 0,97841044 0,99181102 0,99005398 0,98315704
Industrie
Bau
Private
Gewerbe
0,97841044 1 0,97016533 0,96882458 0,962733
0,99181102 0,97016533 1 0,9927329 0,99052666
0,99005398 0,96882458 0,9927329 1 0,99014934
0,98315704 0,962733 0,99052666 0,99014934 1
Abb. 118: Korrelationen der Konkurszahlen Schweizer Branchen
Wie schon allgemein hergeleitet, kann bei solch hohen positiven Korrelationen nicht erwartet werden, dass das Portfoliorisiko über Branchendiversifikation signifikant sinkt. Unterstellt man beispielsweise, dass ein Kreditportfolio gleichmäßig auf die 5 Branchen aufgeteilt ist, so sinkt der Value at Risk des Portfolios gegenüber dem Worst Case-Szenario (Korrelationen + 1) nur um 0,73 %! In der bereits angesprochenen Studie der Beratungsgesellschaft ZEB wird ebenfalls eine Diversifikation nach Branchen simuliert. Obwohl eine wesentlich feinere Sektoreinteilung vorgenommen wird, und ein zunächst durch Branchenkonzentration geprägtes Kreditportfolio nach sämtlichen Branchen diversifiziert wird, bewirkt diese jedoch nur einen 212
Rückgang des Portfoliorisikos um 3 % (vgl. ZEB 2001). Als entscheidender Faktor hierfür ist wiederum die auch dort festgestellte hohe positive Branchenkorrelation in bezug auf Konkursentwicklung und -wahrscheinlichkeiten. Werden die Sektorbildungen nach den regionalen Gesichtspunkten vorgenommen, so werden alle Kreditnehmer derselben Region bzw. desselben Lands in einem Sektor zusammengefasst. So können unterschiedlich starke Insolvenzentwicklungen in den Regionen zur Reduktion des Portfoliorisikos beitragen. Dabei könnte die Diversifikation nach Regionen nicht nur innerhalb eines Landes, sondern über Landesgrenzen oder sogar Kontinentalgrenzen hinaus erfolgen. Die Diversifikation nach Regionen – das gilt im übrigen auch für Branchen – wird allerdings grundsätzlich durch den Aktionsradius eines Finanzinstitutes determiniert. So steht Regionalinstituten, wie etwa die Sparkassen oder Primärgenossenschaften, diese Form der Diversifikation praktisch nicht zur Verfügung. Eine verfeinerte Methode, um sich sektorspezifischer Korrelationseffekte zur Risikoreduktion zu bedienen, besteht in einer hierarchischen Strukturierung des Kreditportfolios. Beispielsweise könnte auf der ersten Ebene zunächst nach regionalen Gesichtspunkten diversifiziert werden (vgl. Abb. 119). Dabei kann jeder der so gebildeten regionalen Sektoren als Teilportfolio des gesamten Kreditportfolios dargestellt werden. Wobei jedes Teilportfolio mit seinem sektorspezifischen Kreditrisiko zum Value at Risk des gesamten Kreditportfolios beiträgt. Der Risikobeitrag jedes Teilportfolios kann grundsätzlich wiederum dadurch gemindert werden, dass innerhalb jedes Teilportfolios weitere Sektoren gebildet werden und hiernach diversifiziert wird. So kann beispielsweise das Teilportfolio Region 1 weiter nach den in dieser Region tätigen Branchen diversifiziert werden. Der sich durch die Ausnutzung der zwischen den Branchen bestehenden Risikoverbundeffekte ergebende Diversifikationseffekt mindert demnach den Risikobeitrag dieses Teilportfolios. Nach diesem Schema stellt sich jede Branche innerhalb einer Region wiederum als ein Teilportfolio dar, welches zu dem Credit Value at Risk des gesamt Kreditportfolios einen indirekten Risikobeitrag liefert. Folgerichtig ist es ferner denkbar, jede Branche als Teilportfolio durch weitere Sektorbildungen zu diversifizieren, um dadurch dessen Risikobeitrag weiter zu reduzieren. Bezieht sich ein solches Teilportfolio auf die Firmenkunden aus dem Handel, kann z.B. untersucht werden, ob eine weitere Sektorbildung nach Großhandel, Handelsvermittlung und Einzelhandel den Risikobeitrag dieses Teilportfolios signifikant reduzieren kann. Besteht das Teilportfolio beispielsweise aus Privatkunden, so bietet sich eine weitere Diversifikationsmöglichkeit in der Sektorbildung und Diversifikation nach Berufsgruppen an. Werden sämtliche Risikoverbundeffekte identifiziert und – soweit für eine Bank geschäftspolitisch möglich ist – sämtliche Teilportfolios danach diversifiziert, so gelangt man an Teilportfolios auf der untersten Hierarchieebene einer Kreditportfolio-Pyramide. Innerhalb eines solchen Teilportfolios wird keine weitere Sektorbildung vorgenommen, und diese enthalten nur noch einzelne Kreditnehmer mit ihrem jeweiligen Kreditvolumen.
213
Abb. 119: Kreditportfolio-Hierarchie mit: KV = Kreditvolumen
214
KV 1
... KV N
Granularität
...
KV 1
... KV N
Granularität
Branche M
KV 1
... KV N
Granularität
Branche 1
...
KV 1
...
... KV N
Granularität
Branche M
Diversifikation nach Branchen
Diversifikation nach Branchen
Branche 1
Region 2
Region 1
Diversifikation nach Regionen
KV 1
... KV N
Granularität
Branche 1
...
KV 1
... KV N
Granularität
Branche M
Diversifikation nach Branchen
Region L
Diversifikation des Kreditportfolios nach Regionen, Branchen und Granularität
Um eine mögliche Größenkonzentration innerhalb eines Teilportfolios zu vermeiden, bietet sich wiederum die Diversifikation über Granularität an. Wie aus dem vorangegangenen Beispiel hervorgeht, hängt die risikoreduzierende Wirkung, welche sich aus der Erhöhung der Granularität des Portfolios ergibt, jedoch entscheidend davon ab, inwieweit die zwischen den Kreditnehmern bestehenden Ausfallkorrelationen durch den Aufbau einer KreditportfolioHierarchie reduziert werden können (vgl. Abb. 119). Alternativ zur Diversifikation nach Wirtschaftszweigen, Branchen oder regionalen Gesichtspunkten, wird das Kreditportfolio im Rahmen eines Mehr-Faktoren-Modells nach den (in der Regel makroökonomischen) Faktoren diversifiziert, die als wesentliche Ursachen für die unerwarteten Verluste eines Kreditportfolios angesehen werden können. So wird der unerwartete Verlust jedes Einzelkredits durch seine Sensitivität auf die Wertänderung eines oder mehreren Faktoren erklärt. Auf diese Weise entfällt die Ermittlung der Ausfallkorrelationen zwischen den Kreditnehmern, weil diese durch ihre gemeinsamen Faktorsensitivitäten beschrieben und erklärt werden können (vgl. VARNHOLT 1997). Ausgangspunkt eines Mehr-Faktoren-Modells ist eine volkswirtschaftliche Branchenanalyse. Dabei werden für die im Kreditportfolio enthaltenen unterschiedlichen Branchen die wertbestimmenden Faktoren identifiziert, auf deren Wertänderungen die Ausfallraten der Kreditnehmer sensitiv reagieren. Bei den untersuchten Faktoren kann es sich um konjunkturelle Faktoren wie Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts oder Arbeitslosenquote handeln. Zusätzlich können auch Wirtschafts- oder Marktindikatoren wie die Höhe des Zinsniveaus oder ein Börsenindex für die Analyse herangezogen werden. Dabei kann ein MehrFaktoren-Modell nur dann seine Modelleinfachheit und -übersichtlichkeit bewahren, wenn alle in Frage kommenden Faktoren nach der Stärke und Umfang ihres jeweiligen Einflusses auf den entsprechenden Kreditnehmer untersucht werden. Daraus werden nur diejenigen für das Modell ausgewählt, deren Wertentwicklung einen entscheidenden Einfluss auf die Höhe des unerwarteten Portfolioverlustes besitzt. In Abbildung 120, die eine solche Sensitivitätsanalyse beispielhaft zeigt, werden im Rahmen einer Regressionsanalyse für die im Beispielportfolio enthaltenen Kreditnehmer untersucht, wie sensitiv ihre Ausfallraten auf die Wertentwicklungen der jeweiligen Faktoren reagieren.
Kreditnehmer 1 2 3 4 5 6 Durchschnitt
Wechselkurs
Rohölpreis
0,8856 0,9446 0,3122 0,1729 0,3700 0,2541
0,9657 0,9467 0,8892 0,2476 0,2813 0,1149
0,4899
0,5742
R2 für die Faktoren WachsArbeitslo- Verbrautumsrate senquote cherpreis des BIP 0,4589 0,2361 0,9658 0,4632 0,1546 0,9632 0,4084 0,1482 0,8923 0,3679 0,1443 0,9845 0,5824 0,1008 0,9651 0,4010 0,1732 0,9210 0,4470
0,1595
0,9487
DAX
EZBZinssatz
0,4410 0,4592 0,4236 0,3698 0,4435 0,4662
0,9879 0,9633 0,9751 0,9475 0,9844 0,9614
0,4339
0,9699
Abb. 120: Sensitivitätsanalyse mit R2 als adjustiertes Regressionsmaß
215
Die gesuchten Sensitivitäten werden dabei mit Hilfe eines adjustierten Regressionsindex R2 dargestellt. Dabei kann festgestellt werden, dass die Ausfallraten aller Kreditnehmer auf die Entwicklungen der Faktoren Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von Deutschland und EZB-Zinssatz hohe Sensitivitäten aufweisen. Auf die Änderungen des Rohölpreises weisen nur die Kreditnehmer 1, 3 und 5 jeweils eine signifikante Sensitivität auf, und die Änderungen des Wechselkurses haben nur Einfluss auf die Kreditnehmer 5 und 6. Die restlichen Faktoren wie Dax, Verbraucherpreis und Arbeitslosenquote werden für die weiteren Analysen ausgesondert, da auf deren Wertänderungen keiner der Kreditnehmer sensitiv ist. Abbildung 121 visualisiert die Beziehungen zwischen den ausgesuchten Faktoren und den einzelnen Kreditnehmern. Anderes als die vorher erläuterten Diversifikationsstrategien können im Rahmen dieses Modells keine klar voneinander abgegrenzten Kreditnehmersektoren gebildet werden, da die Ausfallrate jedes Kreditnehmers gleichzeitig von mehreren Faktoren unterschiedlich stark beeinflusst wird.
Kreditnehmer 1
Faktor 1 Rohölpreis
Kreditnehmer 2
Kreditnehmer 3
Faktor 2 Wechselkurs
Kreditnehmer 4
Kreditnehmer 5
Faktor 3 Wachstumsrate des BIP
Kreditnehmer 6
Faktor 4 EZB-Zinssatz
Korrelationen zwischen den Faktoren
Value at Risk des Kreditportfolios Abb. 121: Aufbauschema eines Mehr-Faktoren-Modells
In Abbildung 121 wird deutlich, dass die Höhe des unerwarteten Verlusts des Beispielportfolios, welches aus insgesamt 6 Kreditnehmern besteht, im wesentlichen durch die Entwicklung der vier Faktoren – Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts, EZB-Zinssatz, Rohölpreis und Weselkurs – determiniert wird. Während die Ausfallraten sämtlicher Kreditnehmer von den Faktoren Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts und EZB-Zinssatz abhängig sind, determinieren die Entwicklungen der Faktoren Rohölpreis und Wechselkurs nur einen Teil der Kreditnehmer direkt. Eine eindeutige Gruppenbildung kann somit nicht vorgenommen werden. Der Value at Risk des gesamten Kreditportfolios lässt sich etwa durch die Berücksichtigung der zwischen den Faktoren bestehenden Korrelationen im Rahmen einer multivariaten Wahrscheinlichkeitsverteilung ermitteln. Die angesprochenen Korrelationen lassen sich nicht nur durch statistische Beobachtungen und Analysen ermitteln. Für diese existieren in vielen Fällen auch Kausalitätszusammenhän-
216
ge. So lässt sich z.B. die negative Korrelation zwischen den Faktoren Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts und EZB-Zinssatz volkswirtschaftstheoretisch begründen. Die zwischen den Faktoren Wechselkurs und EZB-Zinssatz bestehende, statistisch nachweisbare negative Korrelation kann ebenfalls im Rahmen der Zinsparitätstheorie theoretisch erklärt werden. Vor diesem Hintergrund können die angesprochenen Risikoverbundeffekte zwischen den Faktoren schließlich im Rahmen einer Diversifikationsstrategie dazu verwendet werden, den Value at Risk eines Kreditportfolios zu reduzieren. Nur erwähnt sei, dass es grundsätzlich ebenfalls denkbar ist, ein solches Mehr-Faktoren-Modell in die Kreditportfolio-Hierarchie zu integrieren. So könnten beispielsweise für die Teilportfolios Regionen jeweils ein MehrFaktoren-Modell konstruiert werden, um sich regionenspezifischer makroökonomischer Faktoren zur Erkennung der Risikoquellen und zur Begrenzung des Risikobeitrags dieser Teilportfolios zu bedienen. Neben den Möglichkeiten, durch Ausnutzung der zwischen den Faktoren bestehen Risikoverbundeffekte das Portfoliorisiko zu reduzieren, können im Rahmen eines Mehr-FaktorenModells zusätzlich noch Strategien zur wirkungsbezogenen Begrenzung des Kreditrisikos abgeleitet werden. Im Rahmen dieses Modells können Kreditnehmersektoren identifiziert werden, deren Ausfallraten von einem oder mehren Faktoren abhängen. Bezogen auf das oben stehende Beispiel hängt die Entwicklung der Ausfallraten von Kreditnehmer 1 und 2 von der Wertentwicklung aller vier Faktoren ab. Für beide Kreditnehmer wird von einer identischen erwarteten Ausfallrate in Höhe von 10 % ausgegangen. Wird unterstellt, dass nur der Faktor Wechselkurs sich bei gegebener Wertkonsistenz der restlichen Faktoren ändern kann, so ergibt sich in bezug auf den Faktor Wechselkurs folgendes Risikobild: KreditExposure
(Änderung der) Ausfallrate durch Wechselkursänderung bei
1
1 Mio. EUR
10 %
2
1 Mio. EUR
Kreditnehmer
Faktorspezifischer Kreditverlust
0,80 EUR/USD 8% (- 2 %) 15 % ( + 5 %)
0,90 EUR/USD
0,23 Mio. EUR
0,2 Mio. EUR
10 %
1,00 EUR/USD 17 % (+ 7 %) 5% ( - 5 %) 0,22 Mio. EUR
Abb. 122: Alternative faktorspezifische Kreditverluste in Abhängigkeit vom Wechselkurs
Bleibt der Wechselkurs bei 0,90 EUR/USD, so ändern sich die Ausfallraten der beiden Kreditnehmer nicht. Wird von einem sinkenden Wechselkurs ausgegangen, so sinkt die Ausfallrate des Kreditnehmers 1 (z.B. ein exportorientiertes Unternehmen), die Ausfallrate vom Kreditnehmer 2 (z.B. ein Unternehmen aus verarbeitender Industrie, das auf importierte Rohstoffe angewiesen ist) wird dagegen steigen. Wird von einem steigenden Wechselkurs ausgegangen, so ergibt sich ein genau umgekehrtes Risikobild. Bemerkenswert ist jedoch, dass in einer isolierten Betrachtung das Kreditrisiko sowohl im steigenden als auch im sinkenden Wechselkursen begründet ist. Es liegt somit nahe, zur Begrenzung des Risikobeitrags des Faktors Wechselkurs für das gesamte Kreditportfolio derivative Instrumente einzusetzen. So kann in diesem Fall das sich aus den Wertschwankungen des Wechselkurses ergebende Kreditrisiko durch den Abschluß eines sich auf den Wechselkurs zwischen Euro und US-Dollar beziehenden Future-Kontraktes begrenzt werden. Da das Kreditrisiko sowohl im steigenden 217
als auch im sinkenden Wechselkurs begründet ist, müssen dabei gleichzeitig in eine Longund eine Short-Position eingegangen werden. Das Beispiel verdeutlicht, dass grundsätzlich auch derivative Instrumente zur Begrenzung des Kreditrisikos eingesetzt werden können, wenn deren Basistitel mit den relevanten Faktoren übereinstimmen. Existiert ein derivatives Instrument, dessen Laufzeit und Basistitel mit denen des faktorspezifischen Kreditrisikos übereinstimmen, so kann durch dessen Einsatz ein perfektes Hedging herbeigeführt werden. Anderenfalls ist es in vielen Fällen möglich – z.B. im Rahmen eines Delta Cross Hedging – eine synthetische derivative Position aufzubauen. Dieser Ansatz wird bereits von vielen Banken in den USA praktiziert, welche ihre Kredite an Landwirte durch den Abschluß von Commodity Futures auf die wichtigsten landwirtschaftlichen Produktionsfaktoren bzw. Erzeugnisse absichern. Dabei stützt sich diese Vorgehensweise auf die Erkenntnis, dass die Preise der Produktionsfaktoren und vor allem die Preise der Agrarerzeugnisse wertbestimmende Faktoren für die Höhe der Ausfallraten dieser Kreditnehmer sind (vgl. VARNHOLT 1997). Bei den angesprochenen derivativen Instrumenten handelt es sich in der Regel um standardisierte Finanzprodukte, für welche ein organisierter Abwicklungsmarkt existiert, was eine hohe Abwicklungssicherheit bedeutet. Das Kredit-Derivaten typischerweise inhärente Kontrahenten-Risiko ist für diese Instrumente somit nicht von Relevanz. (3)
Transfer der Risiken im Kreditportfolio
Treten bei der Umsetzung des vorgegebenen Normportfolios Abweichungen auf, die über die vorgegebenen Abweichungslimiten hinausgehen – mithin also unerwünscht sind – so stehen der Geschäftsleitung verschiedene Instrumente zur Verfügung, nachträglich auf das nun bereits realisierte Kreditportfolio Einfluss zu nehmen. Diese lassen sich wie folgt unterscheiden: Mobilisierungsstrategien beinhalten den realen Verkauf von Aktiva, der Einsatz von Kreditderivaten transferiert die Kreditrisiken mittels derivativer Strukturen. Die genannten Strategien lassen sich zusätzlich auf der Aggregationsebene differenzieren. Die Strategien können sich einerseits auf einzelne Kredite, andererseits auch auf ganze Kreditportfolios beziehen (vgl. Abb. 123). Mobilisierungsstrategien Verkauf Einzelgeschäft Syndizierung Direkte Portfolio Verkäufe Portfolio Asset Backed Securities (ABS) Abb. 123: Instrumente zum Transfer von Kreditrisiken
218
Einsatz von Kreditderivaten Credit Default Produkte Credit Spread Produkte Total Return Produkte Credit Linked Notes
Basket Credit Swaps Index-Kreditderivate Synthetische Securitisation
(a)
Mobilisierungsstrategien
Eine neuere Möglichkeit besteht darin, unerwünschte Kreditpositionen aus der Bilanz herauszunehmen. Theoretisch ist ein Verkauf einzelner Kredite möglich, wird aber aufgrund des hohen Bewertungsaufwandes kaum praktiziert (vgl. VARNHOLT 1997). Bei der Syndizierung von Krediten wird ein Kredit aufgrund seiner Größenordnung von zwei oder mehreren Banken (Bankenkonsortium) gewährt. Die Möglichkeit, eine Vielzahl an Krediten zu transferieren, stellt der direkte Verkauf ganzer Kreditportfolios oder Teilen hiervon dar. Erst dadurch lohnt sich der hohe Bewertungsaufwand des Kreditverkaufs. Eine zweite Möglichkeit besteht im Handel mit forderungsgestützten Wertpapieren (Asset Backed Securities). Kreditaktiva werden bezüglich Laufzeit und Bonität in möglichst homogene Gruppen eingeteilt und in einen Forderungspool überführt. Die die Anteile an diesem Forderungspool bezeichnenden Wertpapiere können anschließend an einem Sekundärmarkt gehandelt werden. Technisch wird dies erreicht, indem die Bank den Forderungspool mit bilanzbefreiender Wirkung an eine ausschließlich zu diesem Zweck gegründete Zweckgesellschaft („Special Purpose Vehicle“) verkauft, die fortan als Gläubiger der im Pool enthaltenen Forderungen auftritt und der die Zins- und Tilgungszahlungen zufließen. Diese Zweckgesellschaft refinanziert sich über die Emission von Wertpapieren, die mit den übertragenen Forderungen besichert sind und bedient aus den Zins- und Tilgungsleistungen die Wertpapiere. Dabei sind zwei Ausgestaltungen möglich: Beim „Pass-through-Verfahren“ leitet die Zweckgesellschaft die Zahlungen entsprechend der eingehenden Höhe direkt an die Wertpapierinhaber weiter. Zahlungsverzögerungen, Zahlungsausfälle, aber auch vorzeitige Tilgungen wirken sich unmittelbar auf die Investoren aus. Im Gegensatz dazu erfolgt beim „Pay-through-Verfahren“ eine zeitliche Umstrukturierung der Zahlungsströme. Die laufend eingehenden Zins- und Tilgungszahlungen aus den Forderungen werden gesammelt und entsprechend den vorher vereinbarten Konditionen periodisch an die Investoren ausgeschüttet. Die Höhe der Einzahlungen entspricht dabei in den seltensten Fällen der Höhe der Auszahlungen, weshalb in diesen Fällen ein aktives Zinsmanagement vonnöten ist. Denkbar ist, dass sich die Bank verpflichtet, Fehlbeträge und Überschüsse der Zweckgesellschaft in den einzelnen Perioden zu vorab fixierten Konditionen zu refinanzieren bzw. anzunehmen. Damit kann das Zinsänderungsrisiko bei der Bank belassen werden (vgl. OHL 1994). Positive steuerliche Effekte entstehen, wenn alle Risiken, die mit den Finanzaktiva verbunden sind auf den Käufer übertragen werden und die Liquidierung der Aktiva steuerlich als Verkauf anerkannt wird (vgl. PERRIDON/STEINER 2006). Die Bank kann sich so des Kreditrisikos der verbrieften Aktiva entledigen und gleichzeitig sofort den Barwert der Kundenzahlungen vereinnahmen. Allerdings muss sie zumindest auf einen Teil des Konditionsbeitrags verzichten, da zum einen der Investor ein Entgelt für die Risikoübernahme für sich beanspruchen wird und zum anderen der Zweckgesellschaft eine Kommission zu entrichten ist. Zur Steuerung des Kreditportfolios ist natürlich auch der Erwerb von forderungsgestützten Wertpapieren durch die Bank denkbar (vgl. Abb. 124).
219
Abtretung der Forderung
Darlehen
Kreditschuldner
Kurswert der Forderung
Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle)
Anleihensgläubiger
Bank (Originator)
Erwerb von Anleihensanteilen
Kapitaldienst Abb. 124: Struktur eines Asset Backed Security-Geschäfts
Eine spezielle Variante von Asset Backed Securities sind Collateralised Debt Obligations (CDO). Wie bei Asset Backed Securities steht auch eine eigens zum Forderungsankauf gegründete Zweckgesellschaft im Mittelpunkt der Transaktion. Diese investiert in ein möglichst breit diversifiziertes Portfolio und finanziert sich durch die Emission der CDO. Die Bedienung dieser Wertpapiere wird aus den Zins- und Tilgungszahlungen der angekauften Forderungen bestritten. CDO lassen sich nach der Art der unterliegenden Vermögenswerte unterscheiden. Üblicherweise kommen in einer CDO-Transaktion Forderungen gegenüber Schuldnern in Form von Darlehen (Loans) und/oder Schuldverschreibungen (Bonds) zur Verbriefung. Aufgrund des überwiegenden Inhalts des verbrieften Forderungspools wird deshalb von Collateralised Loan Obligations (CLO) bzw. von Collateralised Bond Obligations (CBO) gesprochen. CDO können weiter durch die Herkunft der Forderungen und die Intention des Initiators der Transaktion differenziert werden. Die Darlehen oder Schuldverschreibungen können zum einen aus der Bilanz einer Bank kommen. In diesem Fall wird die Transaktion als Balance Sheet-CDO bezeichnet. Dabei werden der Transaktion üblicherweise Forderungen zugrunde gelegt, die eine Bonität im Investment Grade-Bereich besitzen. Zum anderen können die zur Verbriefung bestimmten Wertpapiere am Kapitalmarkt gekauft werden. Dazu werden praktisch nur hochverzinsliche Wertpapiere mit einer Bonität unterhalb des Investment GradeBereichs ausgewählt. Durch die Zusammenstellung eines Non Investment Grade-Portfolios und dessen Refinanzierung über ABS sollen Zins- und Kursgewinne realisiert werden. Aus diesem Grund werden derartige Transaktionen als Arbitrage-CDO bezeichnet. Während bei Arbitrage-CDO die Investoren die Struktur der Transaktion beeinflussen, kann bei Balance Sheet-CDO der Forderungsverkäufer (Originator) die Struktur bestimmen (vgl. BUND 2000). (b)
Einsatz von Kreditderivaten
Kreditderivate lassen sich sowohl auf Einzelgeschäfts- wie auch auf Portfolioebene anwenden. Im Folgenden werden aus diesem Grund unter Punkt (1) die Instrumente zur Limitierung von Einzelgeschäftsrisiken abgehandelt, unter Punkt (2) die Konstrukte zur Begrenzung des Portfoliorisikos. 220
(1) Kreditderivate sind Finanzinstrumente, die individuell vereinbart und nur auf außerbörslichen Märkten (Over-the-Counter, OTC) gehandelt werden. Sie erlauben es einem Investor ein bestimmtes Kreditrisiko zu erwerben oder zu veräußern. Dabei ist es nicht erforderlich, dass dieser im Besitze der zugrundeliegenden Forderung ist. Der Veräußerer des Kreditrisikos wird als Risikoverkäufer („Sicherungsnehmer“, „Protection Buyer“), der Erwerber des Kreditrisikos als Risikokäufer („Sicherungsgeber“, „Protection Seller“) bezeichnet. Kreditderivate ermöglichen es dem Risikoverkäufer, das Kreditrisiko eines Basisinstruments zu separieren und isoliert auf den Risikokäufer zu transferieren. Der Risikoverkäufer hält nach der Transaktion nur noch die kreditrisikolose Liquiditätskomponente des Basisinstruments (ROLFES 1999).
Mit Kreditderivaten wird es möglich, Verluste aus Kreditgeschäften bei Eintritt eines vorher bestimmten Kreditereignisses (Credit Event) oder bei Credit Spread Veränderungen mittels Ausgleichszahlungen zu kompensieren. Diese beziehen sich auf ein dem zu besichernden Aktivum möglichst gleichartiges oder identisches Referenzaktivum. Als Referenzaktivum kommen Anleihen, Kredite einzelner oder mehrerer Kreditnehmer (Baskets) oder synthetische Kreditrisikopositionen, z.B. ein Index, in Frage. Grundsätzlich gilt, dass die Bonität des Kreditnehmers den Wert eines Kreditderivats bestimmen sollte. Der Kreditnehmer dient dem Kreditderivat als Basis und wird als Referenzschuldner bezeichnet. Der Wert eines Kreditderivates ist jedoch meistens an ein bestimmtes Referenzaktivum des Kreditnehmers geknüpft. Als „Ausfall“ des Referenzschuldners werden gebräuchlicherweise folgende, vor Vertragsabschluss spezifizierte Kreditereignisse qualifiziert: •
Konkurs
•
Nicht erfolgte Zahlung bei Fälligkeit
•
Zahlungsverweigerung
•
Umstrukturierung
•
Moratorium
•
Qualifizierter Verzug
Der Eintritt eines Kreditereignisses wird nicht durch eine der beiden Vertragsparteien publiziert, sondern muss durch eine neutrale, öffentliche Nachrichtenquelle (sogenannte Publicly Available Information) bestätigt werden. Damit soll gewährleistet werden, dass die beiden Vertragsparteien von dem Ereignis, das die Ausgleichszahlung auslöst, unabhängig sind (vgl. HÜTTEMANN 1997). Die nach Eintritt eines Kreditereignisses erfolgende Abwicklung (Settlement) kann auf verschiedene Weisen erfolgen. Bei der physischen Abwicklung (Physical Settlement) zahlt der Risikokäufer den Nominalwert und erhält dafür das Referenzaktivum. Zu beachten ist, dass diese Abwicklungsform meistens nur für am Markt notierte Anleihen in Betracht kommt, da die physische Lieferung eines Kredits rechtlich problematisch ist. Besteht das Referenzaktivum aus einem synthetischen oder abstrakten Wert, wie beispielsweise einem Index oder ei221
ner Zinsspanne, ist die physische Abwicklung ausgeschlossen (vgl. BURGHOF/HENKE/ RUDOLPH 1998). Eine zweite Möglichkeit besteht in Form der Barabwicklung (Cash Settlement) durch die Zahlung der Differenz zwischen dem Nominalwert und dem Marktwert des Referenzaktivums nach Eintritt des Kreditereignisses. Der Marktwert wird durch eine Händlerumfrage (Dealer poll) ermittelt. Drittens kann die Ausgleichszahlung auch mittels eines sogenannten "Binary Payment" erfolgen. Dabei wird bei Vertragsabschluss ein fixierter, vom tatsächlich erlittenen Kreditverlust unabhängiger, Ausgleichsbetrag vereinbart (vgl. ROLFES 1999). Die Größe des Marktes für Kreditderivate kann nicht exakt gemessen werden und beruht deshalb auf Schätzungen. Das Marktvolumen in Abbildung 125 zeigt jedoch einen zunehmenden Trend (vgl. OFFICE OF THE COMPTROLLER OF THE CURRENCY 2002). So stieg allein das Volumen der unter US-amerikanischen Banken gehandelten Kreditderivate von 55 Mrd. USD Ende 1997 auf 635 Mrd. USD bis und mit dem 4. Quartal 2002. 700 600 Mrd. USD
500 400 300 200 100 0 Q4/97
Q2/98
Q4/98
Q2/99
Q4/99
Q2/00
Q4/00
Q2/01
Q4/01
Q2/02
Q4/02
Abb. 125: Volumen der unter US-amerikanischen Banken gehandelten Kreditderivate
Da Kreditderivate außerbörslich (Over-the-Counter = OTC) gehandelt werden, ist eine individuelle Ausgestaltung möglich. Deshalb existiert eine Vielzahl verschiedener Ausprägungen. Mittlerweile haben sich vier Arten von Kreditderivaten etablieren können. Dies sind Credit Default Produkte, Credit Spread Produkte, Total Return Produkte sowie Credit Linked Notes. Daneben gibt es noch exotische und hybride Produkte, die jedoch nur einen kleinen Marktanteil aufweisen. Bei Credit Default Produkten ist die Auszahlung vom Eintritt eines Kreditereignisses im Referenzaktivum abhängig. Der Risikoverkäufer erhält im Falle eines eingetretenen Kreditereignisses aufgrund der von ihm geleisteten Prämie [ausgedrückt in Basispunkten (BP)] das Recht auf eine Ausgleichszahlung (vgl. Abb. 126).
222
Prämienzahlung • einmalige Prämie bei einer Credit Default Option • annualisierte Prämie bei einem Credit Default Swap (BP p.a.) Risikokäufer
Risikoverkäufer Ausgleichszahlungen bei Eintritt des Kreditereignisses im Referenzaktivum Referenzaktivum (Anleihe/Kredit)
Abb. 126: Risikotransfer mittels eines Credit Default Produktes
Die Höhe der Ausgleichszahlung ist abhängig von der bei Vertragsabschluss bestimmten Abwicklungsmethode (vgl. S. 221 f.). Bei Credit Default Produkten wird zwischen dem Credit Default Swap und der Credit Default Option unterschieden. Als Unterscheidungsmerkmal dient meistens der Prämienzahlungsmodus. Bei einer einmaligen Prämienzahlung wird von einer Option gesprochen, bei periodisch annualisiert erfolgenden Prämienzahlungen von einem Swap (vgl. HOHL/LIEBIG 1999). Oft ist aber das gleiche Produkt gemeint, da es strittig ist, ob es sich dabei um eine Option oder um einen Swap handelt. Einige Autoren führen an, die Klassifizierung als Option sei nicht korrekt, da keine asymmetrische Zahlungsstruktur vorliege, wie sie für Optionen charakteristisch ist. Die Zahlungsstruktur sei symmetrisch, da sich der Preis eines Credit Default Swaps analog zu den Veränderungen im Credit Spread des Referenzaktivums anpasse (vgl. BOWLER/TIERNEY 2000). Hingegen bezeichnet das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen in Deutschland die Struktur zwar als Credit Default Swap, ordnet sie aber gerade aufgrund ihrer asymmetrischen Zahlungs- und Risikostruktur als Option ein (NORDHUES/BENZLER 1999). Credit Default Produkte dienen zur Absicherung des Ausfallrisikos einer in einem Portfolio enthaltenen Anleihe oder eines Kredits. Dazu schließt die Bank beispielsweise einen Credit Default Swap ab. Die Bank tritt als Risikoverkäuferin auf und zahlt dem Risikokäufer (andere Bank oder Versicherung) für die Übernahme des Ausfallrisikos eine entsprechende Prämie. Der Risikokäufer ersetzt dem Risikoverkäufer bei Eintritt eines vertraglich festgelegten Kreditereignisses den entstandenen Wertverlust im Referenzaktivum. Das Referenzaktivum ist aber weder gegen Marktwertverluste, die beispielsweise aufgrund einer Credit Spread Ausweitung im Zusammenhang mit einer Bonitätsherabstufung entstehen können, noch gegen Verluste infolge von Zinssatzänderungen abgesichert. Durch den Abschluss des Credit Default Swaps entsteht dem Risikoverkäufer zudem ein neues Kontrahentenrisiko, das durch diese Struktur auch nicht abgesichert wird (vgl. LANDRY/RADEKE 1999).
223
Bei einer Credit Spread Option handelt es sich um eine Option, deren Basis ein Renditespread zwischen einem bestimmten Referenzaktivum und einem Benchmark-Aktivum ist. Als Benchmark-Aktivum kann eine zweite Kreditrisikoposition in Frage kommen, meistens wird aber ein risikoloses Aktivum verwendet, wobei die Differenz zur risikobehafteten Position (Referenzaktivum) als Credit Spread bezeichnet wird. Eine Credit Spread Option gibt dem Käufer das Recht, das zugrundeliegende Referenzaktivum zu einem festgelegten Credit Spread, innerhalb einer bestimmten Frist, vom Optionsverkäufer zu kaufen (Call) oder zu verkaufen (Put). Der Käufer einer Credit Spread Call Option profitiert somit von einer Spread-Verringerung. Der Käufer einer Credit Spread Put Option hingegen profitiert von einer Spread-Ausweitung. Der Ausübungspreis (Strike) wird als Marge über LIBOR (London Interbank Offered Rate) festgelegt. Sie kann individuell festgelegt werden und sollte in der Höhe der maximal tolerierbaren Credit Spread Ausweitung entsprechen. Für das erhaltene Recht muss der Käufer dem Verkäufer der Option eine Prämie bezahlen. Die Prämie enthält neben dem inneren Wert, das heißt der Differenz zwischen dem aktuellen Credit Spread und dem Strike Spread, auch einen Zeitwert, der durch die Restlaufzeit der Option bestimmt ist. Als weitere Determinante der Prämie ist die Volatilität des Credit Spreads zu beachten. Je höher die Volatilität des Credit Spreads, desto teurer ist die Prämie. Wesentlich bei Credit Spread Put Optionen ist die Unterscheidung in american und european Style Optionen. Bei einer europäischen Credit Spread Put Option führt ein Schadenereignis zum Verfall der Option, da nur das reine Spread-Risiko abgesichert wird. Bei der amerikanischen Credit Spread Put Option ist jedoch auch das Ausfallrisiko abgesichert (vgl. HEINRICH 2001). Prämie (BP p.a.)
Optionsverkäufer (Risikokäufer)
Optionskäufer (Risikoverkäufer) Ausgleichszahlung in Höhe von: Max >0, Spread bei Fälligkeit – Strike Spread@
Referenzaktivum Abb. 127: Credit Spread Put Option
Möchte die Bank, eine in ihrem Portfolio enthaltene Anleihe gegen Marktwertverluste infolge einer Credit Spread Ausweitung absichern, kauft sie eine Credit Spread Put Option, der die abzusichernde Anleihe als Referenzaktivum zugrunde liegt. Falls diese infolge einer Credit Spread Ausweitung an Wert verliert, kann der Verlust mit dem Gewinn aus der Optionsposition – abzüglich der Prämie – kompensiert werden. Dies aufgrund des Rechts des Käufers, das Referenzaktivum zum Ausübungspreis an den Verkäufer der Credit Spread Put Option zu verkaufen (vgl. Abb. 127). Das Risiko zinsinduzierter Marktwertänderungen ist wiederum nicht abgesichert. Zudem besteht auch bei Credit Spread Optionen ein Kontrahenten-Risiko. 224
Bei Total Return Produkten wird die gesamte Wertänderung des Referenzaktivums als Maßstab für die periodisch erfolgende Auszahlung herangezogen. Diese beinhaltet nicht nur bonitätsbedingte, sondern zusätzlich auch zinsinduzierte Marktwertänderungen. Total Return Produkte werden derzeit überwiegend als Total Return Swaps ausgestaltet. Dabei überträgt der Risikoverkäufer den gesamten wirtschaftlichen Ertrag (Total Return) des Referenzaktivums auf den Risikokäufer (vgl. Abb. 128). Das Referenzaktivum wird jeweils zu festgelegten Terminen, in der Regel quartalsweise, bewertet. Falls der festgestellte Marktwert unter dem zuletzt ermittelten Wert liegt, erhält der Risikoverkäufer vom Risikokäufer die Differenz als Ausgleichszahlung. Im gegenteiligen Falle einer Marktwertsteigerung muss der Risikoverkäufer diese jedoch an den Risikokäufer im Sinne einer Ausgleichszahlung abtreten. Der Risikoverkäufer leitet zudem auch sämtliche Zinszahlungen des Referenzaktivums an den Risikokäufer weiter. Dieser zahlt ihm dafür LIBOR zuzüglich/abzüglich einer Prämie. Wesentlich ist, ob dem Total Return Produkt ein fest- oder variabel verzinsliches Referenzaktivum zugrunde liegt. Bei einem fest verzinslichen Referenzaktivum werden bonitäts- sowie zinsinduzierte Marktwertrisiken transferiert. Bei einem variabel verzinslichen Referenzaktivum ist das Zinsänderungsrisiko jedoch bereits aufgrund der variablen Verzinsung weitgehend ausgeschlossen. Übrig bleibt hauptsächlich das Bonitätsänderungsrisiko. Damit entspricht ein Total Return Produkt mit variabel verzinslichem Referenzaktivum einem Credit Spread Produkt (vgl. BURGHOF/HENKE/RUDOLPH 1998).
Zinsen + Marktwertsteigerung Risikokäufer
LIBOR + Prämie/Spread (BP p.a.) + Marktwertsenkungen
Risikoverkäufer
Referenzaktivum Abb. 128: Total Return Swap
Falls die Bank zusätzlich zum Ausfall- und Spread-Risiko auch das zinsinduzierte Marktpreis-Risiko absichern möchte, findet sie im Total Return Swap ein geeignetes Instrument. Bezüglich der Ausgleichszahlung ist es nicht relevant, ob die Wertänderung zins- oder bonitätsbedingt ist. Auch beim Total Return Swap bleibt die Bank als Risikoverkäufer im Besitze des zugrunde liegenden Referenzaktivums. Der Risikokäufer erwirbt lediglich eine synthetische Kreditrisikoposition, die dem Risikoprofil des Referenzaktivums entspricht. Aufgrund der potentiellen Ausgleichszahlungen beider Swap-Parteien besteht nicht mehr ein einseitiges Kontrahenten-Risiko, sondern beide Swap-Parteien sehen sich mit einem solchen konfrontiert (vgl. LANDRY/RADEKE 1999). Eine Credit Linked Note ist als eine Kombination aus einer Anleihe und einem Kreditderivat definiert. Die Credit Linked Note ist wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer Anleihe, im Gegensatz zu den zuvor betrachteten Basisstrukturen, voll bilanzwirksam und muss deshalb re225
finanziert werden. Credit Linked Note ist der Oberbegriff über alle Anleihen oder Schuldtitel, in die ein Kreditderivat eingebettet ist. Oft wird als Credit Linked Note allerdings nur die Credit Default Linked Note bezeichnet. Credit Linked Notes können aber auch als Credit Spread Linked Notes oder als Total Return Linked Notes ausgestaltet sein. Im Folgenden soll beispielhaft die Funktionsweise der Credit Default Linked Note aufgezeigt werden. Bei einer Credit Default Linked Note emittiert der Risikoverkäufer eine Anleihe. Die Rückzahlung der Anleihe ist an den Ausfall eines kreditrisikosensitiven Instruments geknüpft. Der Risikokäufer kauft die Anleihe vom Risikoverkäufer zum Nominalbetrag. Die Bereitstellung des Kapitals und die Übernahme des Kreditrisikos werden durch entsprechende Zins- und Prämienzahlungen entschädigt. Die Höhe der Rückzahlung ist vom Eintritt eines Kreditereignisses im Referenzaktivum während der Laufzeit der Credit Linked Note abhängig. Falls ein Kreditereignis eintritt, erhält der Risikokäufer als Tilgung lediglich den Marktwert des ausgefallenen Referenzaktivums. Anderenfalls wird die Credit Default Linked Note zum Nominalbetrag getilgt (vgl. Abb. 129). Credit Linked Notes werden oft von einer Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle) ausgegeben, die zu einer Verbesserung der Emittentenbonität führen soll (vgl. BURGHOF/HENKE/RUDOLPH 1998). Die Gemeinsamkeit aller bisher beschriebenen Produkte besteht hauptsächlich im Kreditrisiko-Transfer des Referenzaktivums. Gleichzeitig entsteht aber jeweils ein neues Kontrahentenrisiko mit der Gegenpartei des Derivatgeschäfts. Bei einer Credit Linked Note hingegen existiert für den Risikoverkäufer kein Kontrahentenrisiko. Im Falle eines Kreditereignisses ist das benötigte Kapital bereits vorhanden, da es bereits bei Kauf der Credit Linked Note bereitgestellt worden ist (vgl. HEIDORN 1999). Nominalbetrag Zinsen + Prämien (BP p.a.)
Risikokäufer
Rückzahlung des Nominalbetrags
Risikoverkäufer
Ausgleichszahlung bei Eintritt des Kreditereignisses im Referenzaktivum
Referenzaktivum Abb. 129: Credit Default Linked Note
Zusätzlich zur Absicherung des Kontrahenten-Risikos kann, je nach Ausgestaltung der Credit Linked Note, auch das Ausfall-, Credit Spread-, oder Marktpreis-Risiko abgesichert werden. Abbildung 130 (in Anlehnung an HEINRICH 2001) fasst die Ergebnisse bezüglich der Eignung der vier häufigsten Arten von Kreditderivaten zur Absicherung der verschiedenen Risiken aus Sicht des Risikoverkäufers nochmals in einer Übersicht zusammen.
226
Ausfallrisiko
Credit Default Produkte
Credit Spread Produkte
Total Return Produkte
Credit Linked Notes
abgesichert
bei american Style Option
abgesichert
Credit Default Linked Note
bei european Style Option
abgesichert
Credit Spread Linked Note
abgesichert
Total Return Linked Note
Spread-Risiko MarktpreisRisiko KontrahentenRisiko
abgesichert
Abb. 130: Zuordnung geeigneter Kreditderivate-Strukturen zur Limitierung verschiedenartiger Risiken
Bevor das Kreditrisiko mittels Kreditderivaten auf eine Gegenpartei transferiert werden kann, ist die Eignung der Kreditrisikoposition als Referenzaktivum zu prüfen. Zur Auswahl möglicher Referenzaktiva sind zwei Kriterien zu berücksichtigen. Das erste Kriterium besteht in der Existenz einer neutralen, von allen Marktteilnehmern akzeptierten Bonitätsbeurteilung für den Kreditnehmer, beispielsweise in Form eines externen Ratings. Mittels der Bonitätsbeurteilung kann die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls des Referenzaktivums zumindest approximativ abgeleitet werden. Dies ist für die Preisbildung von Kreditderivaten wesentlich. Das zweite Kriterium stellt die Kapitalmarktfähigkeit eines Unternehmens dar. Dabei ist wichtig, ob dieses in der Lage ist, durch die Emission von Wertpapieren Kapital aufzunehmen, und ob es bereits von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat. Marktpreise bereits emittierter Wertpapiere vereinfachen die Preisbildung von Kreditderivaten. Bezüglich dieser zwei Kriterien können nun vier Kreditnehmertypen identifiziert werden (vgl. Abb. 131).
Ja
Nein
mit
Kreditnehmertyp I
Kreditnehmertyp III
ohne
Rating
Kapitalmarktfähigkeit
Kreditnehmertyp II
Kreditnehmertyp IV
Abb. 131: Zuordnung von Kreditnehmern zu Typus I-IV (in Anlehnung an ROLFES 1999)
Im Typ I und II finden sich vor allem staatliche und supranationale Kreditnehmer sowie Finanzinstitute, institutionelle Investoren und Großunternehmen. Referenzaktiva dieser beiden Typen sind für die Ausgestaltung von Kreditderivaten geeignet. Marktrelevante Ereignisse
227
werden aufgrund der Pflicht zur ad-hoc Publizität sofort bekannt gegeben. Außerdem sind Credit Spreads am Kapitalmarkt beobachtbar. Kreditnehmer vom Typ III verfügen zwar über ein Rating, nicht aber über eigene Kapitalmarktfähigkeit. Die Möglichkeit zum Risikotransfer wird mit Hilfe der Asset Securitisation erreicht. Kreditnehmer des Typus IV stellen mittelständische Unternehmen dar, die weder über ein Rating verfügen, noch mit Finanztiteln am Kapitalmarkt vertreten sind. Deshalb sind Referenzaktiva dieses Kreditnehmertyps für den Risikotransfer mit Kreditderivaten höchst ungeeignet. Zudem bestehen Informationsasymmetrien, falls die Bank als Risikoverkäufer von eigenen Krediten auftritt. Diese konkretisieren sich in der Problematik der Adverse Selection und des Moral Hazards. Adverse Selection entsteht vor Vertragsabschluss durch einen Informationsvorsprung des Risikoverkäufers gegenüber dem Risikokäufer. Dies aufgrund der Tatsache, dass die Bank häufig über die besten Informationen bezüglich der Bonität ihrer Schuldner verfügt. Deshalb wird sie vor allem Kredite besichern wollen, die im Vergleich zu sonst gleichwertigen Krediten mit einem höheren Risiko verbunden sind. Das Problem des Moral Hazard kommt darin zum Ausdruck, dass die kreditvergebende Bank nur noch einen verminderten Anreiz zur Überwachung der Kreditposition hat, da sie durch die Absicherung kein Kreditrisiko mehr trägt. Deshalb erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls der betreffenden Kreditposition (vgl. ROLFES 1999).
(2) Der Transfer von Kreditrisiken mittels Derivatstrukturen kann nicht nur bezogen auf einzelne Geschäfte, sondern auch auf ganze oder Teile von Kreditportfolios erfolgen. Im Folgenden sollen drei Konstruktionen betrachtet werden. Diese dienen einerseits einer Risikolimitierung, andererseits können dadurch Strategien zur Diversifikation des Kreditportfolios konkretisiert werden. Die Diversifikation vollzieht sich dabei über unterschiedliche Kreditnehmergruppen. Eine Möglichkeit zur Begrenzung von Portfoliorisiken stellen Basket-Konstrukte dar. Beispielhaft sei hier der für Basket-Konstrukte am häufigsten verwendete Basket Credit Default Swap dargestellt. Dieser entspricht einem Credit Default Swap, der sich auf mehrere Referenzaktiva von verschiedenen Schuldnern bezieht. Die Auszahlung eines Basket Credit Default Swaps kann entweder proportional an das Kreditrisiko aller im Basket enthaltenen Kredite geknüpft sein (Green-Bottle-Struktur), oder vom ersten Ausfall eines im Basket enthaltenen Kredits (First-to-default-Struktur) abhängig gemacht werden (vgl. BURHOF/HENKE/RUDOLPH 2000). Diese Konstruktion erlaubt nicht nur eine Begrenzung des Portfoliorisikos, sondern kann bei Verwendung eines doppelten Basket Credit Swaps zu einer Portfoliodiversifikation beitragen. Bank A habe sich beispielsweise auf die Kreditvergabe an in der Luftfahrtindustrie tätige Unternehmen spezialisiert, weshalb sie bezüglich dieser Branche ein Klumpenrisiko aufweist. Dieses könnte sie mittels eines Basket Credit Default Swap auf einen Risikokäufer transferieren. Da sie aber nur eine Kreditrisikodiversifikation und nicht einen Kreditrisikoabbau anstrebt, tritt sie selbst zusätzlich als Risikokäufer auf. Sie übernimmt mit einem zweiten Basket Credit Default Swap einen Teil des Kreditrisikos von Bank B (vgl. Abb. 132). Diese hat z.B. hohe Kreditpositionen in der Erdölindustrie ausstehend. Die beiden Industrien weisen eine 228
nur gering positive, möglicherweise sogar eine negative Korrelation auf. Während die Luftfahrtindustrie beispielsweise von tiefen Erdölpreisen profitiert, schwächt sich im Gegensatz dazu der Geschäftsgang der Erdölindustrie ab, was tendenziell zu gehäuften Insolvenzen führt. Beide Banken können durch die doppelte Basket Credit Default Swap Transaktion eine bessere Diversifikation erreichen und ihre einseitigen Ausrichtungen auf die jeweiligen Industrien reduzieren (vgl. ROLFES 1999).
Prämie/Spread (BP p.a.)
Bank A Zinszahlungen
Default Zahlung bei Eintritt eines Kreditereignisses in der Erdölindustrie Default Zahlung bei Eintritt eines Kreditereignisses in der Luftfahrtindustrie
Kredit I an Luftfahrtindustrie Kredit II an Luftfahrtindustrie Kredit III an Luftfahrtindustrie Korb (Basket) mehrerer Referenzaktiva
Bank B Zinszahlungen
Kredit I an Erdölindustrie Kredit II an Erdölindustrie Kredit III an Erdölindustrie Korb (Basket) mehrerer Referenzaktiva
Abb. 132: Doppelter Basket Credit Default Swap
Eine weitere Möglichkeit zur Begrenzung von Portfoliorisiken ist der Einsatz von IndexKreditderivaten. Charakteristischerweise liegt auch den Index-Kreditderivaten das Kreditrisiko als Basis zugrunde. Diese Derivate beziehen sich auf Indizes für Unternehmensausfälle oder auf bestimmte Branchen. Die Indizes sollen bestmöglichst mit den abzusichernden Kreditrisikopositionen korreliert sein. Ein Beispiel für Index-Kreditderivate sind die Futures und Optionen auf den Quarterly Bankruptcy Index (QBI). Der Handel dieser Produkte wurde im November 1998 durch die Chicago Mercantile Exchange (CME) aufgenommen. Dieser Index wird vierteljährlich erhoben und berichtet über die Anzahl Konkursanträge vor US-Gerichten. Untersuchungen der Chicago Mercantile Exchange (CME) zeigen, dass eine hohe Korrelation zwischen dem Index und den Kreditkartenausfällen bei Kreditkartenunternehmen besteht. Damit ist die Voraussetzung zur Absicherung der Ausfälle bei Kreditkartenunternehmen mit CME-QBI-Produkten gegeben. Zur Absicherung werden beispielsweise Futures gekauft, die bei Anstieg des Index an Wert gewinnen. Mit dem Anstieg des Index sind aufgrund der hohen Korrelation auch Verluste durch steigende Kreditkartenausfälle verbunden. Diese können mit dem Wertgewinn in der Futuresposition kompensiert werden. Das dritte Instrument, welches zur Begrenzung von Portfoliorisiken vorgestellt werden soll, ist die sogenannte Synthetische Securitisation. Dies sind strukturierte Transaktionen, bei welchen Banken Kreditderivate zum Risikotransfer eines bestimmten Forderungpools an Drittparteien benützen. Der Transfer kann bilanzwirksam mittels Emission von Credit Linked Notes in Tranchen unterschiedlicher Bedienung (sogenannte Collateralised Loan Obligations), oder bilanzunwirksam z.B. durch Verwendung von Credit Default Swaps erfolgen. Die Synthetische Securitisation ermöglicht den Transfer des Kreditrisikos, ohne dass Aktiva aus
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der Bilanz des Originators entfernt werden müssen. Synthetische Securitisation lässt sich im Vergleich zur traditionellen Securitisation flexibler einsetzen. Es lassen sich vorrangige Kreditrisiken transferieren und nachrangige Risiken zurückbehalten. Weiter können auch spezielle Elemente wie ein Leverage oder die Auszahlung in einer anderen Währung eingebaut werden (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001a). Ein Beispiel von Synthetischer Securitisation ist die durch die Bank UBS Warburg getätigte HAT-Transaktion. Die Transaktion basiert auf einer synthetischen Collateralised Loan Obligation. Dabei dienen Kredite an Schweizer Klein- und Mittelbetrieben mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 2,5 Mrd. CHF als Grundlage der Verbriefung (vgl Abb. 133). Neu ist, dass die UBS nicht wie bei der traditionellen Securitisation üblich ihr Kreditportfolio auslagert, sondern bloß einen Teil des Kreditrisikos. Die originären Kredite verbleiben weiterhin in der Bilanz der UBS. Die Kundenbeziehung verändert sich dadurch nicht. Komponenten der synthetischen Struktur
Kreditderivate
Emission
Credit Default Swap
Klasse A: vorrangig 250 Mio. CHF (Aa1) Klasse B: nachrangig 100 Mio. CHF (Baa3)
Erlös aus Anleiheemission
Helvetic Asset Trust Schweizer Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle)
Tilgung und Zinsen
Tilgung und Zinsen aus Collateral +Risikoprämie
Erwerb Collateral
Investoren
Securitisation
Risikoprämie
Garantie für Kreditverluste zwischen 125 Mio. CHF und 475 Mio. CHF
UBS Schweizer Unternehmenskreditportfolio Gesamtvolumen 2,5 Mrd. CHF
Collateral 350 Mio. CHF, hoher Bonität mindestens Aa1, AA+
Abb. 133: Kreditderivate als Bestandteil einer Synthetic Securitisation
Um das Kreditrisiko zu transferieren, wird ein Credit Default Swap mit der Zweckgesellschaft Helvetic Asset Trust (HAT) abgeschlossen. Treten in dem vertraglich festgelegten Zeitraum von fünf Jahren Kreditverluste ein, so muss die UBS die anfänglichen Verluste in Höhe von 125 Mio. CHF selbst übernehmen. Übersteigen die aufgelaufenen Kreditverluste den genannten Selbstbehalt, so muss HAT den darüber hinausgehenden Teil übernehmen, 230
welcher jedoch auf eine Höhe von 350 Mio. CHF beschränkt ist. Für diese Risikoübernahme leistet die UBS jährlich eine Risikoprämie. HAT emittiert daraufhin zwei Anleihetranchen die sich hinsichtlich des Rangs unterscheiden (Klasse A: vorrangig; Klasse B: nachrangig). Mit dem Emissionserlös erwirbt HAT Anleihen hoher Bonität die den Zweck eines Collaterals (Pfand) besitzen und in erster Linie zur Sicherstellung der Forderungen der UBS aus dem Credit Default Swap dienen. Sobald die Ansprüche der UBS aus dem Credit Default Swap befriedigt sind, wird das verbleibende Collateral zuerst zur Tilgung der Anleihen aus Klasse A und schließlich aus Klasse B verwendet. Während der Laufzeit werden die Zinsen aus dem Collateral zusammen mit der Risikoprämie an die Investoren weitergeleitet (vgl. Abb. 133). Da der Investor keinen Einblick in das Kreditportfolio erhält, werden die beiden Anleihetranchen von der Ratingagentur Moody's bewertet. Zusätzlich überprüft eine Revisionsgesellschaft das UBS-Portfolio alljährlich, damit die Qualität nicht unter einem Austausch von Krediten leidet. Mit diesem Konstrukt kann die UBS die Allokation des ökonomischen Kapitals als auch das Risiko-Chancen-Profil ihres Kreditportfolios optimieren (vgl. UBS AG 2000c).
231
3.
Aufsichtliche Konzepte zur Begrenzung des Kreditrisikos
Bereits im Jahre 1988 machte der BASLER AUSSCHUSS Vorschläge zur Unterlegung des Ausfallrisikos mit Eigenkapital. Grundsätzlich sind sämtliche aktivischen und außerbilanziellen Positionen dem Risiko des Ausfalls einer Gegenpartei ausgesetzt, wenn auch in unterschiedlichem Maße, und daher anrechnungspflichtig. Kredite und außerbilanzielle Positionen (ohne Derivate)
Risikovolumen
Nominalbetrag
Kreditumrechnungsfaktor Derivate
•
Anrechnungsfaktor
Marktbewertungsmethode Laufzeitmethode
Standardmethode Interne Modelle
abhängig vom positionsinhärenten Gegenparteirisiko
= angerechnetes Risikovolumen Abb. 134: Identifikation bilanzieller und außerbilanzieller Positionen, die dem Ausfallrisiko ausgesetzt sind
Zu unterscheiden gilt es lediglich – wie erwähnt – zwischen Positionen mit einem Marktwert und anderen Positionen, denn bei ersteren wird das Ausfallrisiko in Form des spezifischen Risikos separat unterlegt. Durch diese Trennung werden Derivate indes doppelt erfasst, da sie auch bei den Positionen ohne Marktwert Berücksichtigung finden. Bei diesen wird hinsichtlich des positionsimmanenten Risikos alleine nach der Bonität der jeweiligen Gegenpartei in Form eines spezifischen Anrechnungsfaktors differenziert. Durch dessen Multiplikation mit dem entsprechenden Risikovolumen erhält man das angerechnete und zu unterlegende Risikovolumen (vgl. Abb. 134). Die bankaufsichtlichen Vorschriften des BASLER AUSSCHUSSES erfassen das Gegenparteirisiko nahezu vollständig. Einerseits wird das klassische Ausfallrisiko bei bilanziellen und außerbilanziellen Positionen ohne Marktwert begrenzt. Andererseits beschränkt es das spezifische Risiko, welches darin besteht, dass sich der Kurs einer Marktwertposition aufgrund von emittentenspezifischen Gründen stärker oder schwächer verändert als der Markt. Einzig das Gegenparteirisiko bei Fremdwährungspositionen, Gold, Rohstoffen und Edelmetallen bleibt bislang unberücksichtigt.
232
a)
Das spezifische Risiko als Komponente des Marktrisikos
Die Eigenmittelunterlegung für das spezifische Risiko ist gemäß Building Block Approach nur bei Zinsinstrumenten und Aktien inklusive Positionen in Finanzderivaten vonnöten. Sie soll als Schutz vor ungünstigen Kursentwicklungen eines spezifischen Wertpapiers dienen, die im Emittenten begründet sind. Die Bemessungsgrundlage zur Berechnung des Eigenmittelbedarfes für das spezifische Risiko bei Zinspositionen bilden die unabhängig von ihrer Ausrichtung summierten Nettopositionen in Zinsinstrumenten. Eine Aufrechnung der einzelnen zinsrisikotragenden Positionen ist nur bei einander deckenden Positionen derselben Emission gestattet. Bei Wertpapieren aus unterschiedlichen Emissionen ist eine Aufrechnung auch dann nicht zulässig, wenn die Papiere von demselben Emittenten begeben sind, da naturgemäß Differenzen etwa bei Kupon, Liquidität oder Tilgungsmerkmalen zu divergierenden Kursen führen können. Die Nettogesamtposition muss nun gemäß den beiden Merkmalen „Kategorie“ und „Laufzeit“ gestaffelt werden, um den unterschiedlichen Risiken – und damit den unterschiedlichen Unterlegungssätzen – Rechnung zu tragen (vgl. Abb. 135). Zu der Kategorie „Staat“ zählen sämtliche Arten von Staatspapieren (inklusive Anleihen, Schatzwechseln und anderen kurzfristigen Instrumenten). Diese mussten bis anhin bezüglich des besonderen Risikos nicht mit Eigenmitteln unterlegt werden. Nach Inkrafttreten von Basel II gelten nun auch für Staatspapiere, die ein gewisses Mindestrating unterschreiten, Kapitalanforderungen. Unter dem Begriff „qualifiziert“ werden Aktiva subsumiert, wie beispielsweise Wertpapiere öffentlicher Schuldner oder multilateraler Entwicklungsbanken, die eines der drei folgenden Kriterien erfüllen (vgl. § 303 Abs. 3 SolvV bzw. Art. 4 ERV): •
„Investment-Grade“-Rating durch mindestens zwei Rating-Agenturen.
•
Ein „Investment-Grade“-Rating und kein existierendes schlechteres durch eine andere Rating-Agentur.
•
Ohne Rating, aber Titel börsengehandelt und von hoher Anlagequalität.
Jede Aufsichtsbehörde ist für die Überwachung und Einhaltung dieser Kriterien verantwortlich, insbesondere für das dritte Kriterium, d.h. für die Einhaltung der Anlagequalität bei Titeln ohne Rating. Ferner liegt es in ihrem Ermessen, Schuldverschreibungen von Banken oder Wertpapierhäusern in diese Kategorie aufzunehmen, die zwar die Basler Eigenmittelvereinbarungen applizieren, jedoch keinem der drei Kriterien genügen. Unter einem Investment Grade-Rating versteht man ein Rating von „BB“ oder besser. Für die Wertpapiere der Kategorie „Sonstige“ gilt eine Unterlegung von 8 %. Da indes in einigen Fällen das spezifische Risiko bei Schuldverschreibungen bestimmter Emittenten, die bis zur Fälligkeit im Vergleich zu staatlichen Titeln eine hohe Rendite abwerfen, wesentlich größer sein kann, ist es jedem Mitgliedstaat freigestellt, einen höheren Unterlegungssatz als 8 % zu fordern. Auch kann sogar ein Aufrechnungsverbot bei der Jahresband- respektive Durationsmethode im Rahmen der Limitierung des allgemeinen Marktrisikos für derartige Wertpapiere erlassen werden. Von Eigenmittelanforderungen für das spezifische Risiko befreit sind Zinsswaps, Währungsswaps, FRAs, Forward-Devisenkontrakte und Zinsfutures sowie Futures auf einen Zins233
index (z.B. Euribor), denn sie stellen rein zinssatzbezogene Risikopositionen dar. Anders hingegen Futures-Kontrakte, denen eine Schuldverschreibung oder ein auf einem Korb von Schuldverschreibungen basierender Index zugrunde liegt. Für diese muss das spezifische Risiko explizit unterlegt werden, jeweils in Abhängigkeit vom positionsinhärenten Risiko (vgl. Abb. 135). Position/ Restlaufzeit
AAA bis AA-
Staatspapiere A+ bis Alle BBB anderen
Qualifizierte Aktiva
Sonstige
d 6 Monate
0%
0,25 %
8%
0,25 %
8%
6 Monate bis 2 Jahre
0%
1,00 %
8%
1,00 %
8%
> 2 Jahre
0%
1,60 %
8%
1,60 %
8%
Abb. 135: Unterlegung des spezifischen Risikos bei Zinspositionen
Bei Aktienpositionen entspricht die Summe der maßgeblichen Beträge der Aktiennettopositionen (unabhängig von deren Ausrichtung) der unterlegungspflichtigen Größe für das spezifische Risiko. Der Eigenmittelbedarf von grundsätzlich 4 % reduziert sich nur bei einem liquiden sowie diversifizierten Portfolio auf 2 % und bei einer Netto-Long- bzw. Netto-ShortPosition auf einen Indexkontrakt, wenn dieser auch auf einem gut diversifizierten Portfolio basiert, auf 0 %. Bei Optionen ist eine explizite Unterlegung des spezifischen Risikos nur dann notwendig, wenn das vereinfachte Standardverfahren angewendet wird. Die errechnete Position muss in diesem Fall – wie dargelegt – mit 8 % Eigenmitteln unterlegt werden. Wird indessen, wie zumeist üblich, das Delta-plus-Verfahren angewandt, dann gehen die zur Replikation verwendeten Positionen mit ihren Deltawerten bei den jeweiligen Standardverfahren in die Bruttogesamtposition ein und werden entsprechend unterlegt. Bei Banken, die interne Modelle verwenden, darf die Eigenmittelunterlegung des gesamten spezifischen Risikos weder für Zins- noch für Aktienpositionen die Hälfte (50 %-Floor) der nach dem Standardverfahren berechneten Eigenmittelunterlegung nicht unterschreiten (BASLER AUSSCHUSS 1996a). Für Banken, deren Modelle das spezifische Risiko teilweise oder gar völlig vernachlässigen, gilt die sich nach Anwendung der Standardverfahren ergebende Eigenmittelanforderung für dieses Risiko. Damit wird der Anforderung Rechnung getragen, dass zur Zeit noch ein gewisses Schutzpolster beim spezifischen Risiko notwendig ist, da sich bei einigen Elementen des spezifischen Risikos im Bankgewerbe noch kein Konsens herausgebildet hat, wie diese in optimaler Weise in ein Modell einzubeziehen sind. So werden – wie erwähnt – bislang keine eigenen Eigenmittelanforderungen für das spezifische Risiko bei Devisen, Gold, Rohstoffen oder Edelmetallen erhoben. Gemäß den Vorschlägen des BASLER AUSSCHUSSES soll eine teilweise Ermäßigung bei der Unterlegung des spezifischen Risikos dann gewährt werden, wenn Positionen durch Kreditderivate wie Credit Default Swaps und Credit Linked Notes abgesichert sind. Diese Kreditderivate müssen jedoch hinsichtlich des Referenzwertes, der Laufzeit und der Währung genau mit dem zugrundeliegenden Kredit übereinstimmen. Sofern nun die Transaktion das Risiko
234
überträgt, wird eine Verringerung von 80 % für das spezifische Risiko auf der Seite der Transaktion angewandt, welche mit einer höheren Kapitalanforderung belastet ist. Für die andere Seite der Transaktion beträgt die Verringerung 100 %, d.h. eine Unterlegung ist nicht nötig. Werden Forderungen durch Total Rate of Return Swaps abgesichert, die hinsichtlich Referenzwert, Laufzeit und Währung genau übereinstimmen und die das Risiko auch tatsächlich übertragen, so können die übereinstimmenden Positionen vollständig aufgerechnet werden. Besteht nun eine Laufzeit- oder Währungsinkongruenz zwischen zugrundeliegender Forderung und dem Absicherungsinstrument, so muss nur die höhere der beiden Kapitalanforderungen berücksichtigt werden (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001h und § 303 SolvV).
b)
Gegenparteirisiken von Handelsbuchpositionen
In Deutschland hat im weiteren eine explizite Eigenmittelunterlegung der Gegenparteirisikopositionen des Handelsbuches, also des in Marktrisikopositionen enthaltenen Kreditrisikos zu erfolgen. Bei der Umsetzung der EU-Kapitaladäquanzrichtlinie wurden folgende Risiken berücksichtigt: •
Abwicklungsrisiko
•
Vorleistungsrisiko
•
Gegenparteirisiko bei Wertpapierpensions- und -leihgeschäften
•
Gegenparteirisiko von OTC-Derivaten
Ein Abwicklungsrisiko entsteht, wenn Geschäfte zum vertraglich vereinbarten Erfüllungszeitpunkt noch nicht abgewickelt sind. Kommt es beispielsweise bei einem Termingeschäft zwischen dem Kauf und der Lieferung der Papiere zu einer Verzögerung, müssen die Papiere unter Umständen zu einem höheren Kurs am Markt gekauft werden. Hier wird die positive Differenz zwischen den ursprünglichen Vertragskonditionen und dem aktuellen Marktwert des Geschäfts (also das potentielle Risiko) als Bemessungsgrundlage herangezogen. Der mit Eigenmitteln zu unterlegende Betrag ergibt sich aus der Multiplikation des errechneten positiven Differenzbetrages mit einem Gewichtungsfaktor, der sich ebenfalls nach den versäumten Liefertagen richtet (SCHULTE-MATTLER/TRABER 1997). Abbildung 136 stellt die verschiedenen Gewichtungsfaktoren dar (vgl. für Deutschland § 16 SolvV):
235
Versäumte Liefertage
Gewichtungsfaktor
weniger als 5
0%
5 bis 15
8%
16 bis 30
50 %
31 bis 45
75 %
mehr als 45
100 %
Abb. 136: Gewichtungsfaktoren zur Unterlegung des Abwicklungsrisikos
Erfolgt eine Leistung vor dem vertraglich vereinbarten Erfüllungszeitpunkt, ist die Gegenleistung dem Risiko ausgesetzt, dass die Gegenpartei bis zum Erfüllungszeitpunkt ausfallen kann. Dies wird unter dem Begriff „Vorleistungsrisiko“ subsumiert. Ausgangspunkt für die Anrechnungspflicht ist hier der Wert der geschuldeten Gegenleistung, die mit dem Bonitätsgewicht der Gegenpartei multipliziert und anschließend mit 8 % Eigenmitteln unterlegt werden muss. Basis für die Anrechnungspflicht bei Wertpapierpensions- und -leihgeschäften ist beim Pensionsgeber der Betrag, zu dem der aktuelle Marktwert der übertragenen Finanzinstrumente den erhaltenen Geldbetrag oder den aktuellen Marktwert der empfangenen Sicherheiten einschließlich der aufgelaufenen Zinsen übersteigt, respektive umgekehrt beim Pensionsnehmer. Dieser Betrag ist – ebenfalls bonitätsgewichtet – mit 8 % Eigenmitteln zu unterlegen. Beim Gegenparteirisiko von OTC-Derivaten ist der mittels Marktbewertungs-, Laufzeit-, Standardmethode resp. internen Modellen errechnete Kapitalbetrag mit dem Bonitätsfaktor der Gegenpartei zu gewichten und mit 8 % zu unterlegen. Bei ersteren beiden Verfahren wird bei der Berechnung auf den so genannten Wiedereindeckungsaufwand (marktbewertet oder laufzeitbewertet) abgestellt. Auch in der schweizerischen Eigenmittelverordnung gelten die Gewichtungsfaktoren zur Unterlegung des Abwicklungsrisikos (vgl. Art. 63 ERV).
c)
Begrenzung des Kreditrisikos
(1)
Grundlagen
Die Ermittlung der Eigenmittelanforderung für das Ausfallrisiko vollzieht sich grundsätzlich nach dem in Abbildung 137 dargelegten Schema.
236
Für alle Geschäfte gilt:
Risikovolumen
•
Anrechnungsfaktor
Anrechnungspflichtiges = • Risikovolumen
Solvabilitätskoeffizient
Eigenmittel= anforderung
Solvabilitätskoeffizient
Eigenmittel= anforderung
Für Kredite und außerbilanzielle Geschäfte ohne Derivate gilt: Nominalbetrag des • Geschäfts
Kreditumrech• nungsfaktor
Anrechnungsfaktor
Anrechnungspflichtiges = • Risikovolumen
Abb. 137: Berechnung der Eigenmittelanforderung des Ausfallrisikos
Zur Eigenmittelanforderung für das Ausfallrisiko gelangt man, indem das anrechnungspflichtige Risikovolumen mit dem Solvabilitätskoeffizienten gewichtet wird. Unterstellt man ein anrechnungspflichtiges Risikovolumen von beispielsweise 20.000 EUR und multipliziert dieses mit dem derzeit gültigen Solvabilitätskoeffizienten von 8 %, so beläuft sich die Eigenmittelanforderung auf 1.600 EUR. Die Berechnung des anrechnungspflichtigen Risikovolumens vollzieht sich in zwei Schritten: Zunächst gilt es, das Risikovolumen des jeweiligen Geschäfts zu bestimmen, bevor das Risikovolumen durch Multiplikation mit einem gegenparteispezifischen Bonitätsgewichtungssatz in das anrechnungspflichtige Risikovolumen transferiert wird. Eine weder vom BASLER AUSSCHUSS noch in der EU bzw. Deutschland vorgesehene Abzugsmöglichkeit von den erforderlichen Eigenmitteln regelt Artikel 33 der Schweizerischen Eigenmittelverordnung. Kantonalbanken mit Staatsgarantie ist es möglich, maximal 12,5 % der erforderlichen eigenen Mittel abzuziehen. (2)
Ermittlung der anrechnungspflichtigen Risikovolumina
Zunächst gilt es, das Risikovolumen zu bestimmen. Dieses berechnet sich als Produkt der Bemessungsgrundlage des Geschäftes – bei bilanzwirksamen Positionen ist dies der Nominalwert – und einem Kreditumrechnungsfaktor. Um das anrechnungspflichtige Risikovolumen zu erhalten, muss das ermittelte Risikovolumen mit einem gegenparteispezifischen Bonitätsgewicht multipliziert werden. (a)
Berechnung des Risikovolumens bei bilanziellen Geschäften
Bei bilanzwirksamen Geschäften beträgt der Kreditumrechnungsfaktor grundsätzlich 100 %, nur bei außerbilanziellen Geschäften variiert er zwischen 0 und 100 %, abhängig
237
vom positionsinhärenten Gegenparteirisiko. Die Risikovolumina werden auch als „Kreditäquivalente“ bezeichnet. (b)
Berechnung des Risikovolumens bei traditionellen ausserbilanziellen Geschäften
Die traditionellen außerbilanziellen Positionen werden gemäß BASLER AUSSCHUSS bei der Zuordnung der positionsspezifischen Kreditumrechnungs- bzw. Kreditumwandlungsfaktoren in vier Gruppen unterteilt. In der ersten Gruppe finden sich Instrumente mit hohen Risiken, die zu 100 % angerechnet werden müssen. Positionen mittleren Risikos sind mit einem Faktor von 50 % umzuwandeln. Die Gruppe mit Positionen niedrigeren bis mittleren Risikos müssen mit einem Faktor von 20 % transformiert werden, während die Positionen der vierten und letzten Gruppe, die ihrerseits ein vernachlässigbares Risiko aufweisen, nicht angerechnet werden müssen, ergo einen Kreditumwandlungsfaktor von 0 % aufweisen. Diese Gliederung wurde in Deutschland ohne wesentliche Änderung in den Grundsatz I bzw. in die seit 01.01.2007 gültige Solvabilitätsverordnung übernommen. Die Kreditumrechnungsfaktoren betragen für ein Institut, welches den Kreditrisikostandardansatz verwendet: •
Kreditumrechnungsfaktor 100 %: Risikoaktiva mit hohem Ausfallrisiko (beispielsweise Termingeschäfte mit Aktivpositionen, Bürgschaften und Garantien für Bilanzaktiva, etc.),
•
Kreditumrechnungsfaktor 50 %: Risikoaktiva mit mittlerem Ausfallrisiko (beispielsweise. Verpflichtungen aus „Note Issuance Facilities“ (NIFs) und „Revolving Underwriting Facilities“ (RUFs), Eröffnung und Bestätigung von Akkreditiven, etc.),
•
Kreditumrechnungsfaktor 20 %: Risikoaktiva mit mittlerem bis niedrigem Ausfallrisiko (beispielsweise durch Frachtpapiere besicherte Dokumentenakkreditive, etc.),
•
Kreditumrechnungsfaktor 0 %: Risikoaktiva mit niedrigem Ausfallrisiko: unmittelbar kündbare Kreditlinien mit fristlosem und unbedingtem Kündigungsrecht.
Für Institute, die den auf internen Ratings basierten Ansatz (IRB) wählen, gelten leicht abweichende Regelungen: •
Kreditumrechnungsfaktor 0 %: unverbindlich eingeräumte Kreditlinien oder Kreditlinien mit einem fristlosen und unbedingten Kündigungsrecht, der nicht in Anspruch genommene Teil einer revolvierenden Ankaufszusage
•
Kreditumrechnungsfaktor 20 %: bspw. kurzfristige oder mit Warenpapieren abgesicherte Dokumentenakkreditive
•
Kreditumrechnungsfaktor 50 %: bspw. nicht kurzfristige oder nicht mit Warenpapieren besicherte Dokumentenakkreditive oder unwiderrufliche Kreditsicherungsgarantien, die nicht den Charakter eines Kreditsubstitutes haben
•
Kreditumrechnungsfaktor 75 %: bspw. Verpflichtungen aus „Note Issuance Facilities“ (NIFs) und „Revolving Underwriting Facilities“ (RUFs) oder nicht in Anspruch genommene Kreditlinien, die keinen Kreditumrechnungsfaktor von 0 % bedingen
238
•
Kreditumrechnungsfaktor 100 %: Kreditsicherungsgarantien in Form eines Kreditsubstitutes und sonstige traditionelle außerbilanzielle Geschäfte, die nicht in § 101 SolvV berücksichtigt wurden.
Kreditinstitute, die den fortgeschrittenen IRB-Ansatz anwenden dürfen, schätzen die Kreditumrechnungsfaktoren nach den Vorgaben der §§ 135 ff. SolvV selbst. Die Anwendung des fortgeschrittenen IRB-Ansatzes ist mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde prinzipiell ab 2008 möglich. Für die Forderungsklasse „Mengengeschäft“ müssen die Kreditumrechnungsfaktoren stets vom Institut selbst bestimmt werden. In der Schweizer ERV wurden für die Eventualverpflichtungen und unwiderruflichen Zusagen (Art. 41) zur Bestimmung der Kreditäquivalente Faktoren festgelegt, mit denen der Nominal- oder Barwert des jeweiligen Geschäfts zu multiplizieren ist. Die Höhe des Faktors ist hierbei abhängig vom gewählten Ansatz. Beim Schweizer Ansatz (SA-CH) bewegen sich die Faktoren zwischen 0 % (bspw. ohne Auflagen kündbare Kreditzusagen) und 625% (Einzahlungs- und Nachschussverpflichtungen auf gewisse Beteiligungstitel). Im Internationalen Ansatz (SA-BIZ) bewegen sich die Faktoren zwischen 0% (bspw. ohne Auflagen kündbare Kreditzusagen) und 100 % (z.B. alle übrigen Eventualverpflichtungen). Für schweizerische Kreditinstitute, die den IRB-Ansatz verwenden, gelten die Kreditumrechnungsfaktoren nach den Vorgaben des SA-BIZ (vgl. Art. 40, 41 ERV i.V.m. Anhang 1). (c)
Berechnung des Risikovolumens bei modernen ausserbilanziellen Geschäften
Für moderne ausserbilanzielle Geschäfte (Finanzderivate wie Swap-, Termin- und Optionsgeschäfte) ist eine Sonderregelung vonnöten, da Banken das Ausfallrisiko hier nicht für den vollen Nennwert ihrer Kontrakte tragen, sondern nur für die Kosten der Beschaffung von Ersatzmitteln (Wiedereindeckungsaufwand). Deshalb besitzen sie keinen einheitlichen Kreditumrechnungsfaktor. Aufgrund dieser Tatsache und infolge ihrer Komplexität sollen die Bestimmungen für Swaps, Futures und Optionsgeschäfte im Folgenden anhand von konkreten Beispielen gesondert und im Detail erläutert werden. Der BASLER AUSSCHUSS bestimmt die Höhe des mit Eigenkapital zu unterlegenden anrechnungspflichtigen Betrages bei Finanzderivaten prinzipiell nach dem in der Abbildung 138 dargestellten Konzept (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1988 und ARNOLD/SCHULTE-MATTLER 1990). Das angerechnete Risikovolumen ergibt sich dabei – wie beim BASLER AUSSCHUSS – stets aus dem Produkt des Risikovolumens (= Kreditäquivalent) mit einem Bonitätsgewichtungssatz (vgl. Abb. 138). Die bisher geltende Höchstgrenze von 50% für die „Adressengewichtung“ von OTC-Derivattransaktionen (50 %-Cap) wurde aufgehoben.
239
angerechnetes Risikovolumen
=
Marktbewertungsmethode
risikoäquivalentes Volumen
Standardmethode
•
Anrechnungsfaktor
Interne Modelle
Laufzeitmethode
Abb. 138: Konzeption der Eigenmittelunterlegung für Finanzderivate
Das risikoäquivalente Volumen wurde vor Inkrafttreten von Basel II unter Anwendung der Marktbewertungsmethode oder der Laufzeitmethode (nur für Nichthandelsbuchinstitute zulässig) ermittelt. Im Rahmen der deutschen Solvabilitätsverordnung und der schweizerischen Eigenmittelverordnung sind neben diesen beiden Verfahren nunmehr auch die so genannte Standardmethode (SM) und interne Modelle eingeführt bzw. zugelassen worden. Die Laufzeitmethode ist in der Schweiz nach der Eigenmittelverordnung nicht mehr zugelassen. Im Wesentlichen wird das risikoäquivalente Volumen jeweils von drei Faktoren bestimmt: •
dem als Bemessungsgrundlage dienenden Kapitalbetrag der Geschäfte,
•
der Laufzeit der Geschäfte sowie
•
methodenspezifischer Umrechnungsfaktoren.
Die Nettobemessungsgrundlage nach der Standardmethode ist nach folgender Formel für jede Aufrechnungsposition zu bestimmen: ª º § · N 1,4 u max «CMV CMC; ¦ ¨ ¦ RPTij ¦ RPC lj ¸ u Fj » j © i l ¹ ¬ ¼ mit: N = Nettobemessungsgrundlage der Aufrechnungsposition, CMV = Summe der aktuellen Marktwerte der derivativen Adressenausfallrisikopositionen innerhalb der Aufrechnungsposition, CMC = Summe der aktuellen Marktwerte der finanziellen Sicherheiten in der Aufrechnungsposition, RPTij = die Risikopositionen i, die der Absicherungsgruppe j zugeordnet sind, RPClj = die Risikopositionen l aus finanziellen Sicherheiten, die der Absicherungsgruppe j zugeordnet sind, Fj = aufsichtlicher Risikofaktor
In obiger Formel wird der größere der beiden Beträge aus einerseits dem Marktwert der Derivate unter Berücksichtigung von Sicherheiten und andererseits der aufsichtlich festgelegten Risikoposition mit 1,4 multipliziert. Die Risikofaktoren Fj zur Bestimmung der aufsichtlichen Risikoposition sind der folgenden Abbildung 139 zu entnehmen.
240
Risikokategorie
Risikofaktor
Zinsrisikopositionen aus Bareinlagen, die als Sicherheit gestellt wurden
0,2 %
Zinsrisikopositionen aus Basiswertkomponenten von Credit Default Swaps
0,3 %
Andere Zinsrisikopositionen aus Basiswertkomponenten
0,6 %
Fremdwährungsrisikopositionen
2,5 %
Risikopositionen aus elektrischem Strom
4,0 %
Goldrisikopositionen
7,0 %
Aktienrisikopositionen
7,0 %
Andere Edelmetallrisikopositionen
8,5 %
Sonstige Rohwarenrisikopositionen
10,0 %
Übrige Risikopositionen
10,0 %
Abb. 139: Risikofaktoren bei der Standardmethode
Die Sicherheiten sind sodann nach Art und Laufzeit des zugrunde liegenden Referenzzinssatzes in Bänder mit einer Laufzeit von höchstens einem Jahr, zwischen einem und höchstens fünf Jahren oder mehr als fünf Jahren einzuordnen. Zinsrisikopositionen in Finanzierungskomponenten mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr dürfen unberücksichtigt bleiben. Zinsrisikopositionen in Fremdwährung begründen jedoch immer eine eigene Risikoposition. Bei nicht zinsbezogenen Geschäften mit linearem Risikoprofil sind die Marktwerte der zugrunde liegenden Underlyings maßgeblich. Bei zinsbezogenen Geschäften sind die Barwerte der Zahlungsströme mit der Modified Duration zu multiplizieren. Bei Positionen mit nicht linearem Risikoprofil sind die Beträge außerdem deltagewichtet zu bestimmen. Bei den Risikopositionen aus Credit Default Swaps ist der Nominalbetrag der Verbindlichkeit mit der Restlaufzeit des Credit Default Swaps (in Jahren) zu multiplizieren. Das aufgezeigte Vorgehen entspricht auch den schweizerischen Regelungen (vgl. Art. 44 ERV). Die Anwendung von internen Modellen zur Berechnung des Risikovolumens bei modernen ausserbilanziellen Geschäften bedarf der Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Die internen Modelle werden in Deutschland unter dem Begriff Interne-Modelle-Methode (IMM) und in der Schweiz unter dem Begriff Expected-Positive-Exposure-Modellmethode (EPEModellmethode) subsumiert. Die Nettobemessungsgrundlage bei der IMM ist der gewichtete Durchschnitt der effektiven Erwartungswerte der Verteilung der positiven Marktwerte, welcher mit einem Risikofaktor zu multiplizieren ist. Der Faktor ist vom Institut selbst zu schätzen, indem das Verhältnis des gewichteten Durchschnitts der Erwartungswerte der Verteilung der positiven Marktwerte und des Risikokapitals für das Adressenausfallrisiko der Aufrechnungspositionen bestimmt wird. Dabei muss das Institut die Korrelationen zwischen einzelnen Geschäften und finanziellen Sicherheiten sowie die Granularität der einzelnen Absicherungsgruppen berücksichtigen. Die Schätzungen sind vierteljährlich zu überprüfen. Eine Untergrenze von 1,2 darf der Risikofaktor nicht unterschreiten. Damit die Aufsichtsbehörde das IMM-Verfahren zulässt, sind eine Reihe von Mindestanforderungen zur erfüllen. Exempla-
241
risch ist bspw. zu nennen, dass die Datenbasis, auf die sich die IMM stützt, mindestens drei Jahre umfasst und mindestens quartalsweise aktualisiert wird oder dass die Prognosegüte im Rahmen von Backtestings regelmäßig zu validieren ist. Zudem muss das interne Modell ein wesentlicher Bestandteil bei der Kreditvergabe, des Kreditrisikomanagements, der internen Kapitalallokation und der Unternehmenssteuerung an sich sein (vgl. § 224 SolvV). In der Schweizer Eigenmittelverordnung wird bezüglich der Mindestanforderungen auf das Basler Rahmenwerk verwiesen (vgl. Rundschreiben EBK-RS 06/1 der Eidgenössischen Bankenkommission). Aufgrund der besonderen Bedeutung sollen im Folgenden die etablierten Verfahren Laufzeitund Marktbewertungsmethode diskutiert werden. Die Bemessungsgrundlagen differieren prinzipiell bei beiden Verfahren. Zur Bestimmung der maßgeblichen Laufzeit sind jedoch grundsätzlich – in Abhängigkeit der jeweiligen Kontraktart – dieselben Verfahren vorgesehen. Weisen bei Termingeschäften die Geschäftsgegenstände selbst eine bestimmte Laufzeit auf (beispielsweise bei Termingeschäften mit festverzinslichen Wertpapieren oder Optionen auf diese Papiere), so wird die Laufzeit des Geschäftsgegenstandes als maßgebliche Laufzeit herangezogen. In den anderen Fällen determiniert die Laufzeit des Geschäftes selbst die maßgebliche Länge (beispielsweise bei Devisentermingeschäften). Bei zinsvariablenzinsvariablen Zinsswaps (Basis-Swaps) und Termingeschäften mit Floating-Rate-Notes wird als maßgebliche Laufzeit die Zeit bis zum nächsten Zins-Fixing gewählt. Bei der Laufzeitmethode (auch Original-Exposure-Methode resp. in der Schweiz Ursprungsrisikomethode genannt) wird auf die exakte, mithin komplexe Berechnung des aktuellen Ausfallrisikos in Form der Wiederbeschaffungskosten verzichtet. Das risikoäquivalente Volumen wird hier vielmehr pauschal auf Basis des Nominalbetrags des Kontrakts ermittelt (vgl. Abb. 140).
risikoäquivalentes Volumen
=
laufzeitabhängiger Gewichtungssatz
•
Bemessungsgrundlage (Nominalbetrag des Swap-/Termingeschäfts)
Abb. 140: Ermittlung des risikoäquivalenten Volumens mit der Laufzeitmethode
Um das potentielle Ausfallrisikoengagement zu schätzen, wird der Nominalbetrag des Geschäfts mit laufzeitabhängigen Gewichtungssätzen multipliziert. Als Laufzeit ist bei Währungsinstrumenten die Ursprungslaufzeit anzusetzen, während es bei Zinskontrakten den nationalen Aufsichtsbehörden obliegt, entweder die Ursprungs- oder die Restlaufzeit als relevante Laufzeit zu deklarieren. Die Gewichtungssätze sind in Abbildung 141 aufgeführt.
242
Laufzeitabhängige Gewichtungssätze für Laufzeit
Zinskontrakte
Devisenkontrakte und Gold
1 Jahr und darunter
0,5 %
2,0 %
über 1 Jahr bis 2 Jahre
1,0 %
5,0 % (= 2,0 % + 3,0 %)
für jedes weitere Jahr
1,0 %
3,0 %
Abb. 141: Bei der Laufzeitmethode zu applizierende Gewichtungssätze
Der Einsatz der Laufzeitmethode ist in Deutschland nur Instituten ohne Handelsbuch möglich und ausschließlich für die Unterlegung von Zins-, Wechselkurs- und Goldgeschäften vorgesehen (vgl. § 17 SolvV). Diesbezüglich sind dieselben laufzeitbezogenen Sätze wie in den Empfehlungen des BASLER AUSSCHUSSES anzurechnen. Ebenso dient als Bemessungsgrundlage das Nominalvolumen des entsprechenden Geschäfts. Bei der komplexer strukturierten Marktbewertungsmethode (Mark to market- oder auch Current-Exposure-Methode genannt) wird das risikoäquivalente Volumen zunächst anhand des aktuellen Eindeckungsaufwands – auch Current Exposure genannt – ermittelt. Zur Berücksichtigung zukünftiger Risiken (Potential Exposure) wird das Current Exposure um einen Summanden ergänzt, der sich aus der Multiplikation des Nominalbetrages des Termin-, Options- oder Swapgeschäfts mit einem restlaufzeitabhängigen Zuschlagssatz („Add on“) ergibt (vgl. Abb. 142).
risikoäquivalentes Volumen
=
Potential Exposure
Nominalbetrag des Termin-, Options- und/ oder Swapgeschäfts
•
+
Current Exposure
laufzeitbezogener Zuschlagssatz („Add on“)
Abb. 142: Ermittlung des risikoäquivalenten Volumens mit der Marktbewertungsmethode
Der aktuelle Eindeckungsaufwand – auch Current Exposure genannt – wird durch die Wiederbeschaffungskosten determiniert, soweit diese nach einer täglich vorzunehmenden Bewertung der Kontrakte zu Marktpreisen entstehen würden („Ersatzkostenprinzip“). Dabei werden nur Kontrakte mit positivem Marktwert angerechnet, das heißt die Differenz zwischen den (ungünstigen) Marktkonditionen zum Bewertungsstichtag und den ursprünglichen vertraglichen Bedingungen ist positiv. Nur in diesem Fall entstünde bei Ausfall des Partners ein Verlust. Bei Kontrakten mit negativem Marktwert könnte ein Ersatzgeschäft dagegen zu günstigeren Konditionen abgeschlossen werden, so dass hier kein Ausfallrisiko besteht. Eine Verrechnung von Geschäften mit positivem und negativem Wert ist unzulässig.
243
Unabhängig von der Höhe (und auch dem Vorzeichen) der Wiederbeschaffungskosten wird für sämtliche Kontrakte ein Add on ermittelt, um auch mögliche höhere Ausfallrisiken bei zukünftigen Wertänderungen („Potential Exposure“) mit zu berücksichtigen. Errechnet wird dieser Betrag auf der Grundlage der Nominalbeträge des gesamten Kontraktbestandes und der Restlaufzeiten. Die relevanten Zuschlagssätze können der Abbildung 143 entnommen werden. Forward-Kontrakte, Swaps, erworbene Optionen und vergleichbare Derivate, die keiner Spalte dieser Matrix zugeordnet werden können, sind wie „andere Rohstoffkontrakte“ zu behandeln. Die Marktbewertungs- und Laufzeitmethode sollen im Folgenden für Finanzswaps, unbedingte und bedingte Termingeschäfte anhand von Beispielen verdeutlicht werden. Laufzeitabhängige Zuschlagssätze für Fälligkeit
Zinskontrakte
Kontrakte auf Devisen und Gold
Edelmetallkontrakte (ohne Gold)
andere Rohstoffkontrakte
1 Jahr und darunter
0,0 %
1,0 %
6,0 %
7,0 %
10,0 %
über 1 Jahr bis 5 Jahre
0,5 %
5,0 %
8,0 %
7,0 %
12,0 %
über 5 Jahre
1,5 %
7,5 %
10,0 %
8,0 %
15,0 %
Aktienkontrakte
Abb. 143: Restlaufzeitbezogene Zuschlagssätze („Add ons“) bei der Marktbewertungsmethode
Während die in der SolvV aufgelisteten und für deutsche Banken geltenden „Add ons“ mit denjenigen des BASLER AUSSCHUSSES identisch sind, gelten bezüglich der Bemessungsgrundlage sowie der Umrechnung folgende Bestimmungen: Als Bemessungsgrundlage dient bei den •
Swapgeschäften: der effektive Kapitalbetrag bzw. der aktuelle Marktwert des Geschäftsgegenstandes sowie bei
•
Termingeschäften und Optionen: der zum Marktkurs umgerechnete Anspruch auf Lieferung oder Abnahme des Geschäftsgegenstandes (vgl. § 21 SolvV).
Ein besonderes Problem bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage resultiert aus der notwendigen Umrechnung von Fremdwährungs-Risikoaktiva in die jeweilige Landeswährung. Hier bestimmt die SolvV, dass wahlweise entweder der zum Stichtag geltende ESZBReferenzkurs oder der historische, bei der Erstverbuchung maßgebliche Devisenkurs verwendet werden darf (vgl. § 5 SolvV). Die Bestimmungen in der Schweiz unterscheiden sich in einigen Punkten leicht von denen des BASLER AUSSCHUSSES. So gelten Rundschreiben EBK-RS 06/1 der EIDGENÖSSISCHEN BANKENKOMMISSION zur Bestimmung der Add ons und Kreditumrechnungsfaktoren folgende Bemessungsgrundlagen:
244
•
Finanzswaps:
Nennwert des Kontrakts oder Barwert der Forderungsseite (bestehend aus Nennwert und Zinsen),
•
Termingeschäfte: Marktwert des Geld- oder Lieferanspruchs,
•
Optionen:
Marktwert des Geld- oder Lieferanspruchs, delta-gewichtet.
Die Matrix der Add ons bzw. der Kreditumrechnungsfaktoren ist im Vergleich zu den Bestimmungen des BASLER AUSSCHUSSES – und somit auch im Vergleich zu den Bestimmungen der SolvV – in dem Sinne erweitert, als dass explizit zwei Kategorien für Kreditderivate mit bestimmten Referenzforderungen gebildet worden (vgl. Abb. 144).
Marktbewertungsmethode Add ons Restlaufzeit Laufzeit Zinskontrakte
0,0 %
1 bis 5 Jahre 0,5 %
Kontrakte auf Devisen und Gold
1,0 %
5,0 %
7,5 %
Aktienkontrakte
6,0 %
8,0 %
10,0 %
Edelmetallkontrakte (ohne Gold)
7,0 %
7,0 %
8,0 %
Übrige Rohstoffkontrakte
10,0 %
12,0 %
15,0 %
Kreditderivate (mit Referenzforderung der Kategorie „Zentralregierungen und Zentralbanken“ oder „qualifizierte Zinsinstrumente“ nach Art. 4 Bst. e ERV)
5,0 %
5,0 %
5,0 %
Kreditderivate (mit Referenzforderung der Kategorie „Übrige“ nach Anhang 6 ERV)
10,0 %
10,0 %
10,0 %
Basiswert
< 1 Jahr
> 5 Jahre 1,5 %
Abb. 144: Umrechnungssätze für die Marktbewertungsmethode gemäß ERV
Gemäss Schweizer Recht kann durch das verminderte Risiko bei börslich und außerbörslich gehandelten Termingeschäften, die einem täglichen Margenausgleich unterliegen, und bei Kontrakten mit einer maximalen ursprünglichen Laufzeit von 14 Tagen auf die Berechnung eines Add ons verzichtet werden. Die Mechanik der Marktbewertungs- sowie der Laufzeitmethode sollen im Folgenden an einigen Beispielen demonstriert werden, wobei die Sätze des BASLER AUSSCHUSSES verwendet werden: Eine Bank hat im Zeitpunkt t = 0 einen Zinsswap mit zwei Industrieunternehmen A und B über 100 Mio. EUR über eine Gesamtlaufzeit von 5 Jahren abgeschlossen. Die Bank zahlt während der Laufzeit jährlich einen Festzins in Höhe von 8 % und erhält im Gegenzug halbjährlich Zinszahlungen in Höhe des variablen 6-Monats-Euribor-Satzes. Das Ausfallrisiko beschränkt sich auf die allfällige negative Zinsdifferenz, die der Bank bei Ausfall eines 245
Swappartners im Falle eines geänderten Zinsniveaus durch die Schließung der offenen Position erwachsen kann. Nach Ablauf von 3 Jahren – also im Zeitpunkt t = 3 – soll für diesen Zinsswap, der nunmehr eine Restlaufzeit von 2 Jahren aufweist, zunächst das risikoäquivalente Volumen nach der Marktbewertungsmethode ermittelt werden. Bei Ausfall des Industrieunternehmens A entstünde für die Bank eine offene Festzinsposition, denn sie erhält aus dem Gegengeschäft mit dem Industrieunternehmen B einen Festzins in Höhe von 8 % und zahlt selbst den EuriborSatz. Um auch bei zukünftigen Zinssteigerungen keinen weiteren Verlust aus dieser offenen Zinsposition zu erleiden, müsste die Bank für die Restlaufzeit des ursprünglichen Swapgeschäftes einen entsprechenden Ersatzswap abschließen. Durch den Ausfall des Unternehmens A kann in Abhängigkeit von der bisherigen Zinsentwicklung ein Gewinn oder Verlust entstehen, der durch die Konditionen des Ersatzswaps determiniert wird. Im Beispiel wird unterstellt, dass für einen adäquaten Ersatzswap mit einer Laufzeit von 2 Jahren ein jährlicher Festzins in Höhe von 10 % zu zahlen ist. In jedem Jahr der Restlaufzeit des zu bewertenden Swaps erlitte die Bank einen Verlust in Höhe von 2 Mio. EUR, da sie bezogen auf den Nominalwert von 100 Mio. EUR einen Festzins in Höhe von 8 % erhielte, aber im Rahmen des fiktiven Ersatzswaps selbst 10 % zahlen müsste (vgl. Abb. 145).
t=0
Industrieunternehmen A
Euribor Bank
8 % Festzins
8 % Festzins
'=2% 10 % Festzins t=3
Fiktiver Ersatzswap bei Ausfall von A Laufzeit 2 Jahre
8 % Festzins Bank
Euribor
Euribor
Bestehendes Gegengeschäft zu gleichen Konditionen mit Industrieunternehmen B
Euribor
Abb. 145: Das Swapgeschäft im Zeitablauf
Der Marktwert des Festsatz-Zahlungsstroms entspricht dem Barwert dieser jährlichen Verluste. Um diesen Barwert zu erhalten, sind die jährlichen Verluste mit dem gültigen Zinssatz für die Restlaufzeit (z.B. 10 %) zu diskontieren. Der Barwert der Verluste beträgt somit für das Beispiel 3,471 Mio. EUR (vgl. Abb. 146). In der Praxis wird häufig eine exaktere Bewertung unter Berücksichtigung der jeweils gültigen Zinsstruktur vorgenommen, bei der die jeweiligen zukünftigen jährlichen Verluste mit
246
den für die Laufzeit gültigen Zerobond-Abzinsfaktoren verbarwertet werden (KNIPPSCHILD 1991). Die variablen Zahlungen aus dem Ersatzswap und dem ursprünglichen Swap sind in diesem Fall identisch, da unterstellt wird, dass der Partner unmittelbar nach dem Zinsfixing für den variablen Euribor-Satz ausfällt. Ein von Null verschiedener Marktwert des variablen Zahlungsstroms kann sich nur unter der Prämisse ergeben, dass der derzeit gültige Zinssatz für Gelder mit einer Laufzeit bis zum nächsten Zinsfixing nicht dem bereits festgelegten variablen Zins entspricht.
t=3
Current Exposure (Marktwert Ersatzswap)
t=4
(10 % – 8 %) · 100 Mio. EUR = 2 Mio. EUR
t=5
(10 % – 8 %) · 100 Mio. EUR = 2 Mio. EUR
1,818 Mio. + 1,685 Mio. =
·
3,471 Mio. EUR
1 1,1
·
1 1,12
Abb. 146: Berechnung des Current Exposure des Swap
Der Marktwert des variablen Zahlungsstroms kann mit dem Kurs einer Floating Rate Note (abzüglich des Auszahlungskurses) verglichen werden. Die FRN notiert am Tag des Zinsfixing zu 100 %, weist also einen Marktwert von Null auf, während zwischenzeitlich durchaus aufgrund von Zinsänderungen geringfügige Kursschwankungen auftreten können. Der Marktwert des Festsatzzahlungsstroms eines Swaps ist analog hierzu, mit dem Kurs einer hinsichtlich Laufzeit und Zinszahlungen entsprechenden Anleihe (abzüglich des Auszahlungskurses) zu vergleichen. Für den Zinsswap wurde im Beispiel ein Marktwert in Höhe von 3,471 Mio. EUR ermittelt. Dieser Wert ist nach der Marktbewertungsmethode des BASLER AUSSCHUSSES um einen Zuschlag für das zukünftige Risiko in Höhe von 0,5 % auf den Nominalbetrag des Swaps zu erhöhen (vgl. Abb. 147).
247
t=3
Potential Exposure
100 Mio. · 0,5 % =
0,500 Mio. EUR
Abb. 147: Berechnung des Potential Exposure des Swap
Insgesamt ergibt sich somit ein risikoäquivalentes Volumen in Höhe von 3,971 Mio. EUR (vgl. Abb. 148).
t=3
risikoäquivalentes Volumen
3,471 Mio. + 0,5 Mio. =
3,971 Mio. EUR
Abb. 148: Aggregation von Current und Potential Exposure zum gesamten Anrechnungsvolumens des Swaps nach der Marktbewertungsmethode
Bei der einfachen Laufzeitmethode wird das risikoäquivalente Volumen in Abhängigkeit von der (Ursprungs- oder Rest-) Laufzeit über pauschale Anrechnungsfaktoren geschätzt, wobei bei Zinskontrakten für eine Laufzeit von 1 bis 2 Jahren 1 % und für jedes weitere Jahr zusätzlich 1 % anzusetzen sind (vgl. Abb. 141). Wird unterstellt, dass die Restlaufzeit noch genau zwei Jahre beträgt, ergibt sich ein risikoäquivalentes Volumen von 2,0 Mio. EUR (= 100 Mio. EUR · (1 % + 1 %)). Die Laufzeitmethode führt bei diesem Beispiel aufgrund der relativ hohen Zinsschwankung zu einer geringeren Anrechnung als die Marktbewertungsmethode. Im Vergleich zu einem Zinsswap ist die Quantifizierung des Marktwertes eines Währungsswaps komplizierter, da sich eine solche Swap-Transaktion in drei Schritten vollzieht: 1.
Austausch der Kapitalbeträge
2.
Austausch der Zinszahlungen und
3.
Rücktausch der Kapitalbeträge zum ursprünglichen Wechselkurs.
Der Wert des Swaps hängt somit von mehreren Determinanten ab (Wechselkurs sowie Zinsniveau im In- und Ausland). Im Folgenden soll beispielhaft die Marktbewertung eines Währungsswaps im Vergleich zur Laufzeitmethode verdeutlicht werden. Eine Bank hat mit einem Industrieunternehmen A einen Währungsswap mit einer Laufzeit von 5 Jahren abgeschlossen, bei dem die Bank – bei einem zum Abschlusszeitpunkt gültigen Wechselkurs von 2,00 CHF/EUR – 100 Mio. EUR von dem Unternehmen A erhält. Dafür überlässt sie dem Unternehmen A 200 Mio. CHF. Während der Laufzeit zahlt die Bank für die empfangenen EUR einen EUR-Zins in Höhe von 11 % und erhält im Gegenzug für die ausgehändigten CHF von dem Unternehmen A CHF-Zinszahlungen in Höhe von 8 %. Zur Verdeutlichung des Ersatzkostenprinzips sei im folgenden – wie beim Zinsswap – unterstellt, dass die Bank ausschließlich das Gegenparteirisiko in Form des Ausfallrisikos des Währungsswaps ermitteln will (vgl. Abb. 149). Auch beim Währungsswap beschränkt sich das Ausfallrisiko auf mögliche höhere Eindeckungskosten.
248
Nach Ablauf von drei Jahren soll im Beispiel für diesen Swap eine Marktbewertung vorgenommen werden. Zu diesem Zeitpunkt gelten folgende Konditionen: •
Wechselkurs = 1,50 CHF/EUR
•
EUR-Zins bei einem Ersatzswap mit einer Laufzeit von 2 Jahren = 10 %
•
CHF-Zins bei einem Ersatzswap mit einer Laufzeit von 2 Jahren = 10 %
Austausch Zinsen während der Laufzeit
Industrieunternehmen A
Industrieunternehmen A
200 Mio. CHF
200 Mio. CHF Bank
100 Mio. EUR
100 Mio. EUR
8%= 16 Mio. CHF
8%= 16 Mio. CHF Bank
11 % = 11 Mio. EUR
11 % = 11 Mio. EUR
Bestehendes Gegengeschäft zu gleichen Konditionen mit Industrieunternehmen B
Austausch Kapitalbeträge in t = 0
Abb. 149: Konzeption des Währungsswaps im Beispiel
Bei einem fiktiven Ausfall des Industrieunternehmens als Swap-Partner würde die Bank einen Ersatzswap zu obigen Konditionen abschließen können. Für 100 Mio. EUR, die die Bank von dem neuen Partner erhält, zahlt sie im Austausch bei dem derzeit gültigen Wechselkurs nur 150 Mio. CHF. Während der nächsten 2 Jahre erhält sie daher nur CHF-Zinszahlungen in Höhe von 15 Mio. CHF (= 10 % · 150 Mio. CHF) und muss im Gegenzug selbst für die erhaltenen EUR-Mittel 10 Mio. EUR (= 10 % · 100 Mio. EUR) zahlen. In Verbindung mit dem ursprünglich abgeschlossenen Gegenswap entsteht für die Bank aus dem CHF-Zahlungsstrom jährlich ein Verlust in Höhe von 1 Mio. CHF, da sie an den Swap-Partner B wie bei Abschluss des Geschäfts vereinbart 16 Mio. CHF leisten muss, während sie durch den Ersatzswap nur 15 Mio. CHF erhält. Aus dem EUR-Zahlungsstrom resultiert hingegen ein Gewinn in Höhe von 1 Mio. EUR, da die Bank bei dem Ersatzswap 10 Mio. EUR zahlt und 11 Mio. EUR von dem Partner B erhält. Umgerechnet zum geltenden Wechselkurs entsteht für die Bank aus dem EUR- und CHF-Zinszahlungsstrom insgesamt ein Gewinn von 0,5 Mio. CHF pro Jahr. Bei dem nach 2 Jahren – also in t = 5 – anstehenden Rücktausch der Kapitalbeträge kann die Bank die 100 Mio. EUR aus dem ursprünglichen Gegenswap mit dem Partner B im Rahmen des Ersatzswaps weiterleiten, so dass der Rücktausch der EUR ergebnisneutral ist. Bei Rücktausch der CHF-Beträge entsteht jedoch ein Verlust in Höhe von 50 Mio. CHF, da die Bank aus dem fiktiven Ersatzswap nur 150 Mio. CHF erhält, dagegen 200 Mio. CHF für den ursprünglichen Gegenswap benötigt. Im zweiten (respektive fünften) Jahr würde sich somit unter Berücksichtigung der Gewinne und Verluste aus den Zinszahlungsströmen insgesamt ein 249
Verlust in Höhe von 49,5 Mio. CHF ergeben, gegenüber dem Gewinn aus dem ersten (respektive vierten) Jahr in Höhe von 0,5 Mio. CHF (vgl. Abb. 150).
Fiktiver Ersatzswap bei Ausfall von A, Laufzeit 2 Jahre
Austausch Zinsen in t = 4
Fiktiver Ersatzswap bei Ausfall von A, Laufzeit 2 Jahre
Austausch Zinsen in t = 5
Fiktiver Ersatzswap bei Ausfall von A, Laufzeit 2 Jahre
Rücktausch Kapitalbeträge in t = 5
Fiktiver Ersatzswap bei Ausfall von A, Laufzeit 2 Jahre
150 Mio. CHF Bank
Erfolg bei Austausch der Zinsen und Kapitalrücktausch
100 Mio. EUR 10 % = 15 Mio. CHF
8 % = 16 Mio. CHF Bank
10 % = 10 Mio. EUR
11 % = 11 Mio. EUR
10 % = 15 Mio. CHF
8 % = 16 Mio. CHF Bank
10 % = 10 Mio. EUR
11 % = 11 Mio. EUR
150 Mio. CHF
200 Mio. CHF Bank
100 Mio. EUR
100 Mio. EUR
Bestehendes Gegengeschäft mit Unternehmen B
Austausch Kapitalbeträge in t = 3
- 1 Mio. CHF + 1 Mio. EUR = + 0,5 Mio. CHF (Saldo in t = 4)
- 1 Mio. CHF + 1 Mio. EUR = + 0,5 Mio. CHF Saldo in t = 5: - 49,5 CHF
- 50 Mio. CHF
Abb. 150: Marktbewertung des Beispiel-Währungsswaps
Zum Zeitpunkt der Bewertung kann der Marktwert des Währungsswaps (= Wiederbeschaffungskosten) als Barwert der saldierten zukünftigen fiktiven Verluste und Gewinne errechnet werden. Im Beispiel erfolgt vereinfachend wiederum eine Diskontierung dieser Größen mit dem gültigen CHF-Zinssatz für Gelder mit entsprechender Restlaufzeit (10 % für 2 Jahre), so dass sich ein Marktwert des Swaps (Current Exposure) in Höhe von 40,454 Mio. CHF ergibt (vgl. Abb. 151). Dieser Wert ist nun um einen Zuschlag (Add on) in Höhe von 5 % des Nominalbetrages für zukünftige mögliche weitere Zins- und Wechselkursschwankungen zu erhöhen (Potential Exposure, vgl. Abb. 152). Insgesamt beträgt das risikoäquivalente Volumen des Swaps somit 50,455 Mio., was durch Abbildung 153 dargestellt wird.
250
t=3
Current Exposure + 0,455 Mio. + (- 40,909 Mio.) = 40,455 Mio. CHF (Marktwert Ersatzswap)
t=4
- 1 Mio. CHF + 1 Mio. EUR (bei 1,5 CHF/EUR) = 0,5 Mio. CHF
t=5
-50 Mio. CHF + 0,5 Mio. CHF = - 49,5 Mio. CHF
·
1 1,1
·
1 1,12
Abb. 151: Current Exposure des Währungsswap
t=3
200 Mio. · 5 % =
10,000 Mio. CHF
40,455 Mio. + 10,000 Mio. =
50,455 Mio. CHF
Potential Exposure
Abb. 152: Potential Exposure des Währungsswap
t=3
risikoäquivalentes Volumen
Abb. 153: Das risikoäquivalente Volumen des Währungsswap nach der Marktbewertungsmethode
Gemäß der Laufzeitmethode sind 5 % für die ersten 2 Jahre der Laufzeit anzusetzen. Für jedes weitere Jahr erhöht sich dieser Zuschlagssatz um 3 Prozentpunkte, so dass der Anrechnungsfaktor für den Beispielswap mit einer Ursprungslaufzeit von 5 Jahren insgesamt 14 % beträgt. Da es sich um einen Währungskontrakt handelt, ist die Ursprungslaufzeit maßgebend. Somit ergibt sich aus der Multiplikation von Nominalvolumen und Zuschlagssatz ein risikoäquivalentes Volumen von 28 Mio. CHF (= 200 Mio. CHF · 14 %). An den gezeigten Beispielen wurde deutlich, dass der Marktwert von Zinsswaps wesentlich von der Restlaufzeit abhängt, da ein Verlust, der infolge von Zinsänderungen entstehen könnte, in jedem Jahr der Restlaufzeit anfällt. Diesem Zusammenhang trägt der BASLER AUSSCHUSS Rechnung, indem er einerseits den Ansatz der Marktbewertungsmethode zulässt, die die Restlaufzeit explizit berücksichtigt. Andererseits erhöht sich bei der Laufzeitmethode der Gewichtungssatz für jedes weitere Laufzeitjahr über der Untergrenze von zwei Jahren um jeweils 1 Prozentpunkt. Mit abnehmender Restlaufzeit des zu bewertenden Zinsswaps sinkt insofern tendenziell die absolute Höhe des Ausfallrisikos. Bei Währungsswaps wird der Marktwert hauptsächlich durch Wechselkursänderungen determiniert. Der hieraus resultierende Verlust tritt nur einmal am Ende der Laufzeit des zu bewertenden Geschäfts auf, so dass mit abnehmender Restlaufzeit des Geschäfts tendenziell keine Minderung des Ausfallrisikos zu erwarten ist. Das Ausfallrisiko hängt vielmehr von der Ursprungslaufzeit ab, da Wechselkursschwankungen umso wahrscheinlicher sind, je länger ein solches Geschäft läuft.
251
Die Anrechnungsfaktoren nach der Laufzeitmethode sind daher für solche Transaktionen ursprungslaufzeitbezogen formuliert worden. In gleicher Weise wie bei Financial Swaps werden auch die ausfallbedingten Eindeckungsrisiken von außerbörslich gehandelten Termingeschäften und eigenen erworbenen Optionsrechten, die auf Zinssätzen oder Wechselkursen basieren, von der Basler Eigenkapitalvereinbarung erfasst. Als Beispiel für die Anrechnung von Termingeschäften soll in der Abbildung 154 ein Devisentermingeschäft über 10 Mio. USD analysiert werden. Der Einfachheit halber wurde für dieses Beispiel die direkte Notierung der Wechselkurse – wie auf den Seiten 403 ff. beschrieben – gewählt. Am 26.04.01 verkauft eine Bank A insgesamt 10 Mio. USD auf Termin per 29.10.02 zu einem Terminkurs von 1,00000 EUR/USD an ein Unternehmen B. Am 30.04.01 beträgt der Kassakurs 1,05263 EUR/USD, der Terminkurs (Restlaufzeitkurs) per 29.10.02 0,98078 EUR/USD.
30.04.01
Current Exposure (Marktwert ErsatzTermingeschäft)
29.10.02
10 Mio. USD · (1 – 0,98078) EUR/USD = 192.200 EUR
166.596 EUR
·
1 1,11,5
Abb. 154: Das Current Exposure des Devisentermingeschäfts
Um zum risikoäquivalenten Volumen gemäß Marktbewertungsmethode zu gelangen, muss der potentielle Eindeckungsaufwand aus der Differenz der Terminkurse bezogen auf das festgelegte Fremdwährungsvolumen ermittelt werden. Nur ein positiver Eindeckungsaufwand (d.h. ein eventuell entstehender Verlust) ist zu berücksichtigen. Im Beispiel beläuft sich dieser Aufwand auf 192.200 EUR (= (1,00000 EUR/USD 0,98078 EUR/USD) · 10 Mio. USD). Dieser Verlust würde jedoch erst bei Fälligkeit des Termingeschäfts anfallen, so dass exakterweise der Barwert dieses Verlustes als Current Exposure anzurechnen ist. Dieser Barwert beträgt im Beispiel 166.596 EUR, wobei für die Diskontierung ein EUR-Zins für 1,5 Jahre in Höhe von 10 % gewählt wurde (vgl. Abb. 154). Zur Berücksichtigung des zukünftigen Risikos ist dieser Wert bei einer Restlaufzeit des Geschäfts von mehr als einem Jahr um einen Zuschlag in Höhe von 5 % der Bemessungsgrundlage zu erhöhen (Potential Exposure). Diese Bemessungsgrundlage entspricht dem Nominalvolumen des Geschäfts zum Kassakurs des Betrachtungszeitpunkts am 30.04.01 (Stichtagskursprinzip). Daraus ergibt sich folglich ein Potential Exposure in Höhe von 526.315 EUR. (vgl. Abb. 155 i.V.m. Abb. 143).
252
30.04.01
10 Mio. USD • 1,05263 EUR/USD • 5 % =
Potential Exposure
526.315 EUR
Abb. 155: Das Potential Exposure des Devisentermingeschäfts
Addiert man nun Current Exposure und Potential Exposure, gelangt man zum risikoäquivalenten Volumen des Devisentermingeschäfts in Höhe von 692.911 EUR (vgl. Abb. 156).
30.04.01
risikoäquivalentes Volumen
166.596 EUR + 526.315 EUR =
692.911 EUR
Abb. 156: Risikoäquivalentes Volumen des Devisentermingeschäfts nach der Marktbewertungsmethode
Nach der Laufzeitmethode beträgt der Anrechnungssatz für das Devisentermingeschäft über 10 Mio. USD bei einer Ursprungslaufzeit von 1,5 Jahren 5 %, woraus ein risikoäquivalentes Volumen von 500.000 USD resultiert. Unter Berücksichtigung des bei der Marktbewertungsmethode erwähnten Stichtagskursprinzips, bei dem das berechnete risikoäquivalente Volumen in Fremdwährung zum Kassakurs des Betrachtungszeitpunktes umgerechnet werden muss, ergibt sich ein risikoäquivalentes Volumen in Höhe von 526.315 EUR (= 10 Mio. USD · 5 % · 1,05263 EUR/USD). In Analogie zu den Termingeschäften wird auch das Ausfallrisiko bei eigenen erworbenen Optionsrechten bestimmt. Als Beispiel wird ein Devisenoptionsgeschäft analysiert. Bei diesem Geschäft kauft Bank A eine Put-Option über 2 Mio. GBP am 11.12.00 von Bank B. Die Option verfällt am 11.06.01, und der Ausübungspreis beträgt 2,35 CHF/GBP. Als Prämie für die Option verlangt Bank B 0,0299 CHF pro 1 GBP. Ein Ausfallrisiko ist insofern gegeben, als dass Bank B als Abnehmerin der GBP ausfallen kann und Bank A dann gegebenenfalls einen neuen Put kaufen müsste. Der potentielle Eindeckungsaufwand nach der Marktbewertungsmethode am 07.02.01 wird durch die aktuelle Prämie einer vergleichbaren, am Markt gehandelten Option (mit identischem Basispreis und gleicher Restlaufzeit) determiniert. Der GBP-Kurs beläuft sich zu dem Zeitpunkt auf 2,42 CHF/GBP, die Prämie der Option auf 0,0322 CHF. Multipliziert man diese Prämie mit dem Geschäftsvolumen in Höhe von 2 Mio. GBP, ergibt sich ein Current Exposure von 64.400 CHF (vgl. Abb. 157).
07.02.01
Current Exposure (Marktwert Ersatz-Put)
2 Mio. GBP • 0,0322 CHF/GBP =
64.400 CHF
Abb. 157: Das Current Exposure einer Devisenoption
Um dem Potential Exposure Rechnung zu tragen, muss das Geschäftsvolumen zum aktuellen Kassakurs umgerechnet und mit dem entsprechenden Add on für Devisenkontrakte mit einer Restlaufzeit unter einem Jahr in Höhe von 1 % multipliziert werden, woraus ein Betrag von 48.400 CHF resultiert (vgl. Abb. 158). 253
07.02.01
Potential Exposure
2 Mio. GBP • 2,42 CHF/GBP • 1 % =
48.400 CHF
Abb. 158: Das Potential Exposure einer Devisenoption
Addiert man die beiden Komponenten, so erhält man ein risikoäquivalentes Volumen von 112.800 CHF, was Abbildung 159 illustriert:
07.02.01
risikoäquivalentes Volumen
64.400 CHF + 48.400 CHF =
112.800 CHF
Abb. 159: Risikoäquivalentes Volumen des Devisenoptionsgeschäfts nach der Marktbewertungsmethode
Nach der Laufzeitmethode ergibt sich bei einer Ursprungslaufzeit der Option von 6 Monaten am 07.02.01 ein risikoäquivalentes Volumen in Höhe von 96.800 CHF (= 2 Mio. GBP · 2,42 CHF/GBP ·2 %). Zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage wurde hierbei nach dem Stichtagskursprinzip der aktuelle Kassamittelkurs in Höhe von 2,42 CHF/GBP verwendet. In Abbildung 160 werden die nach Marktbewertungs- und Laufzeitmethode ermittelten risikoäquivalenten Volumina der untersuchten Instrumente zusammenfassend einander nochmals gegenübergestellt: Risikoäquivalentes Volumen nach der Marktbewertungsmethode
Laufzeitmethode
Zinsswap
3.971.000 EUR
2.000.000 EUR
Währungsswap
50.455.000 CHF
28.000.000 CHF
Devisentermingeschäft
692.911 EUR
526.315 EUR
Devisenoptionsgeschäft
112.800 CHF
96.800 CHF
Abb. 160: Risikoäquivalente Volumina der Beispielgeschäfte nach Marktbewertungs- und Laufzeitmethode
Die Auswahl zwischen Laufzeit- und Marktbewertungsmethode ist in Deutschland allerdings nur den sogenannten Nichthandelsbuchinstituten freigestellt, und auch diese dürfen die Laufzeitmethode ausschließlich für die Unterlegung von Zins-, Wechselkurs- und Goldgeschäften vorsehen. Alle anderen Institute haben die Marktbewertungsmethode, Standardmethode oder interne Modelle anzuwenden. Bereits im Jahre 1994 wurde in gewissem Umfang das bilaterale Netting, die Verrechnung gegenläufiger Kontrakte mit demselben Geschäftspartner, bei modernen außerbilanziellen Geschäften („Off Balance Sheet-Netting“) erlaubt, womit das anrechnungspflichtige Ausfallrisiko aus dem gesamten Spektrum von Forward-Kontrakten, Swaps, Optionen und ähnlichen Derivaten vermindert werden kann. Aufgrund einer rechtsverbindlichen NettingVereinbarung wird das Ausfallrisiko von einem Brutto- auf einen Nettobetrag reduziert. Grundlage und Voraussetzung ist jedoch, dass die Netting-Vereinbarungen auch tatsächlich risikomindernd wirken, sie also im Konkursfall vor Gericht Bestand haben. Die vom BASLER 254
AUSSCHUSS zugelassenen Netting-Verfahren müssen deshalb folgende drei Voraussetzungen erfüllen (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1995b und SCHULTE-MATTLER/TRABER 1997): •
Die Netting-Vereinbarung muss durch ein einheitliches Vertragsverhältnis geregelt sein, so dass alle einbezogenen Transaktionen abgedeckt sind und durch eine einzige Zahlung ausgeglichen werden.
•
Sie müssen „Legal Opinions“ vorweisen, d.h. wohlbegründete schriftliche Rechtsauskünfte, die in den jeweiligen Ländern der Geschäftspartner von den zuständigen Gerichten anerkannt werden und eine Art Aufrechnungsgarantie darstellen.
•
Eine ständige Aktualisierung der Netting-Vereinbarung an Gesetzesänderungen muss garantiert sein.
Der BASLER AUSSCHUSS gestattet die Anwendung zweier verschiedener Nettingverfahren. Das Netting durch Novation gestattet Banken Kontrakte mit Novationsklausel miteinander aufzurechnen, wenn jede Verpflichtung zwischen einer Bank und ihrer jeweiligen Gegenpartei über die Lieferung einer bestimmten Währung an einem bestimmten Wertstellungstag automatisch mit allen anderen Verpflichtungen für dieselbe Währung und denselben Wertstellungstag verschmolzen wird, wobei ein einziger Nettokontrakt rechtswirksam die vorherigen Bruttoverpflichtungen substituiert. Unter dem Begriff Netting durch Close-Out werden Netting-Verfahren mit Liquidationsklauseln subsumiert. Dieses Verfahren ermöglicht die automatische Glattstellung der Kontrakte durch Saldierung, sobald eines von mehreren exakt festgelegten Ereignissen eintritt, wie etwa die Bestellung eines Liquidators oder die Zahlungsunfähigkeit eines Teilnehmers (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1993). Bei der Laufzeitmethode ist eine stichtagsbezogene Saldenverrechnung der Kontrakte jedoch nicht möglich, da eine aktuelle Marktbewertung nicht stattfindet. In diesem Fall wird das Ausfallrisiko über die originär vereinbarten Nominalbeträge geschätzt, wobei die Zuschlagssätze hier pauschal um 25 % gesenkt werden dürfen (vgl. Abb. 161). Fälligkeit
Zinskontrakte Normal
Reduziert
Devisenkontrakte und Gold Normal
Reduziert
weniger als 1 Jahr
0,5 %
0,35 %
2,0 %
1,50 %
1 bis 2 Jahre
1,0 %
0,75 %
5,0 %
3,75 %
für jedes weitere Jahr
1,0 %
0,75 %
3,0 %
2,25 %
Abb. 161: Verminderung der Zuschlagssätze durch außerbilanzielles Netting bei der Laufzeitmethode
Bei der Marktbewertungsmethode werden im Zuge des Close-out-Netting die Ersatzkosten von gegenläufigen Kontrakten mit einem Kontrahenten miteinander saldiert. Es werden mithin die Nettowiederbeschaffungskosten berücksichtigt, so diese positiv sind. Überdies hat der BASLER AUSSCHUSS den Add on für die Marktbewertungsmethode ebenfalls reduziert. Der Zuschlag berechnet sich nach:
255
Z
0,4 u S 0,6 u V u S
mit: Z = Add on Zuschlag, S = Summe der zukünftig zur erwartenden Erhöhungen des Wiedereindeckungsaufwendungen, V = Verhältnis aus laufenden Wiederbeschaffungskosten netto und laufenden Wiederbeschaffungskosten brutto
Für das Zinsswap-Beispiel von Seite 245 ff. bedeutet dies bei der Laufzeitmethode eine Reduktion der notwendigen Eigenmittelunterlegung konsequenterweise um 25 %, d.h. von 2 Mio. EUR auf 1,5 Mio. EUR und bei der Marktbewertungsmethode entsprechend. Die Normen der SolvV sind mit denjenigen des BASLER AUSSCHUSSES grundsätzlich identisch. Kleinere Abweichungen ergeben sich für die Schweiz: Ein Netting ist hier nur bei Verwendung der Marktbewertungsmethode möglich. Zusätzlich wird, neben dem „Netting by Novation“ und dem „Close-Out-Netting“, auch das „Payment-Netting“ anerkannt. Beim „Payment-Netting“ können glattgestellte Geschäfte mit derselben Gegenpartei, bei denen ein Saldoausgleich der gegenseitigen Zahlungsverpflichtungen bei Fälligkeit vertraglich vereinbart wurde, aufgerechnet werden. Auf die Berechnung eines Zuschlags bzw. auf eine Verminderung der Anrechnungssätze, wie vom BASLER AUSSCHUSS, der EU und Deutschland vorgesehen, wird im Schweizer Recht jedoch verzichtet.
(3)
Gewichtung der Risikovolumina in Abhängigkeit des jeweiligen Risikogehalts
(a)
Methodik nach Basel I
In einem nächsten Schritt ist das für bilanzielle und außerbilanzielle Geschäfte ermittelte risikoäquivalente Volumen mit dem bonitätsspezifischen Anrechnungsfaktor zu gewichten, um zum anrechnungspflichtigen Risikovolumen zu gelangen. Differenzierungskriterium für die Risikoanrechnungsfaktoren ist die Bonität der Kontrahentengruppen. In der Übereinkunft von 1988 wurde als entscheidendes Zuordnungskriterium die Zugehörigkeit zur OECD definiert (vgl. Abb. 162). Darüber hinaus werden die Geschäfte nach Banken, Nichtbanken, staatlichen Stellen und sonstigen Aktiva unterschieden. Bis zum 31.12.2007 dürfen die Regelungen gemäß Basel I weiterhin von den Kreditinstituten angewandt werden. Kontrakte, die an anerkannten Handelsplätzen mit täglichen Einschüssen (Margin-System) gehandelt werden, können von der Eigenmittelunterlegung ausgenommen werden. Diese Voraussetzung ist an sämtlichen organisierten Terminbörsen (z.B. DTB, EUREX) erfüllt. Begründet wird die Befreiung dieser Geschäfte damit, dass stets eine bonitätsmäßig einwandfreie Börseneinrichtung (Clearing House) anstelle des ursprünglichen Kontraktpartners die Vertragserfüllung garantiert. Als problematisch stellt sich in diesem Zusammenhang die Behandlung der Einschüsse („Initial Margins“) dar, die beim Aufbau einer Termin- bzw. Optionsposition an das Clearing House zu leisten sind, um evtl. zukünftig entstehende Verluste abdecken zu können. Diese Einschüsse sind nur dann ebenfalls anrechnungsfrei, wenn sie – wie von Banken üblicherweise praktiziert – im Wege einer Verpfändung von Wertpapieren geleistet werden. Erfolgt die Einschussleistung dagegen ausnahmsweise in Form von Barzahlungen, so sind diese aufgrund ihres Forderungscharakters bilanzierungspflichtig und wie „normale“ Forderungspositionen als Risikoaktiva anzurechnen.
256
Bilanzielle und außerbilanzielle („traditionelle“ und „moderne“) Geschäfte Organisierte Terminbörsen mit MarginSystem
Nichtbanken
OECDStaaten NichtOECDStaaten
Banken
20 % 1 0%
Staatliche Stellen ZentralSonstige regierungen/ öffentliche -banken Haushalte
0%
Hypothekarkredite, Nifs und Rufs
0 %, 20 %, 50 %, 100 % 3
100 %
50 % 100 % 20 % 2
100 %
100 %
Abb. 162: Risikoanrechnungsfaktoren des Basler Ausschusses gemäß Vereinbarung von 1988 1: inklusive multilateraler Entwicklungsbanken außerhalb der OECD 2: bei Restlaufzeit von 1 Jahr oder darunter 3: nach Ermessen der nationalen Aufsichtsbehörden
In Deutschland existieren zur Bonitätsgewichtung sechs verschiedene Gewichtungssätze. Grundsätzlich erfolgt allerdings eine Anrechnung zu 100 %. Ausgenommen hiervon sind nur Forderungen an gewisse öffentlich-rechtliche Institutionen, an Finanzinstitute sowie hypothekarisch gesicherte Wertpapiere und Realkredite. Das Risikovolumen umfasst damit auch den Grundbesitz (vgl. Abb. 163). Im Vergleich zu den entsprechenden Richtlinien der EU respektive des BASLER AUSSCHUSSES umfasst der Grundsatz I zwei zusätzliche Anrechnungsfaktoren. Neben den Anrechnungsfaktoren 0 %, 20 %, 50 % und 100 % müssen grundpfandrechtlich gesicherte Bauspardarlehen zu 70 %, Schuldverschreibungen von unter öffentlicher Aufsicht stehenden Kreditinstituten im OECD-Raum zu 10 % angerechnet werden. In der Schweiz werden gemäss BankV die dem Kreditrisiko unterliegenden Positionen in die Kategorie der gegenparteibezogenen und in die Kategorie der nicht gegenparteibezogenen Positionen unterteilt. Im Unterschied zu den Bestimmungen des BASLER AUSSCHUSSES können dabei die Gewichtungssätze über 100 % liegen. Für die gegenparteibezogenen Positionen (Art. 12a) wurden Anrechnungssätze zwischen 0 % und 250 % festgelegt, wobei auch in der Schweiz grundsätzlich von einer 100 %Unterlegung ausgegangen wird (beispielsweise für ungedeckte Kredite an Private). In den Genuss eines tieferen Gewichtungssatzes kommen Kredite an Regierungen und Banken in OECD-Ländern, wobei die Regelung im Vergleich zum deutschen Grundsatz I differenzierter ausfällt und Laufzeiten mitberücksichtigt werden (Anrechnungsfaktoren entweder 0 %, 25 %, 50 %, 75 % oder 100 %). Auch bei Forderungen mit hypothekarischer Deckung sieht die Schweizer Bankenverordnung eine von den deutschen Bestimmungen abweichende Anrechnung vor. Forderungen gegenüber Options- und/oder Financial-Futures-Börsen, die einer angemessenen Aufsicht unterstehen und bei denen die Kontrakte einer täglichen Bewertung mit Marktkursen und die Deckung einem täglichen Margenausgleich unterliegen, werden ungeachtet ihrer Laufzeit mit 25 % risikogewichtet (im Gegensatz zu 0 % im Grundsatz I). Nachrangige Forderungen sind grundsätzlich mit 250 % zu gewichten. Die nicht gegenparteibezogenen Positionen (Art. 12b) stellen die andere zu bewertende Kategorie innerhalb der Bilanzaktiva dar. Hierfür sind im Vergleich zur EU insgesamt sehr viel 257
strengere Anrechnungssätze vorgesehen. Bis auf einen unter den Sonstigen Aktiven bilanzierten Aktivsaldo des Ausgleichskontos (Gewichtungssatz 0 %) beziehen sich diese Anrechnungssätze ausschließlich auf Liegenschaften und Sachanlagen (Gewichtungssätze: Bankgebäude 250 %, andere Liegenschaften 375 % bzw. übrige Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte, ohne Goodwill sowie unter den Sonstigen Aktiven bilanzierte abschreibungspflichtige Aktivierungen 625 %).
Forderungen an öffentliche Haushalte
Position
Gewichtungssatz
Barmittel
0%
• Zentralregierungen/ -banken • Sonstige öffentliche Haushalte
Forderungen an Banken
Forderungen an Nichtbanken
• in OECD-Staaten
0%
• in Nicht-OECDStaaten
100 %
• in EU-Staaten
0%
• in OECD-Staaten
20 %
• in Nicht-OECDStaaten
100 %
• in OECD-Staaten • in Nicht-OECDStaaten
• Wohnungsbaukredite
• gewerbliche Realkredite
• Ursprungslaufzeit d 1 Jahr
20 %
• Ursprungslaufzeit > 1 Jahr
100 %
• d 60 % des Verkehrswertes
50 %
• > 60 % des Verkehrswertes
70 %
• Bauspardarlehen
100 %
• d 60 % des Verkehrswertes
50 %
• > 60 % des Verkehrswertes
100 %
Sonstige Forderungen
100 %
Sachanlagen/Vermögensgegenstände
100 %
Abb. 163: Bonitätsgewichtungsfaktoren nach dem Grundsatz I BaFin
258
20 %
Position
Gewichtungssatz 0%
Sachanlagen
• Zentralregierungen/ Zentralbanken
• Sonstige öffentliche Haushalte • in OECD-Staaten
• in OECD-Staaten - wenn nachrangig
0% 50 %
• in Nicht-OECD-Staaten
100 %
• EU und EZB
0%
• Bank für Internation. Zahlungsausgleich
25 %
• in OECD-Staaten - wenn nachrangig
25 % 50 %
• in Nicht-OECD-Staaten
100 %
• Restlaufzeit d 1 Jahr
25 %
• Restlaufzeit > 1 Jahr und < 3 Jahre
50 %
• Restlaufzeit > 3 Jahre
75 %
• Ursprungslaufzeit d 1 Jahr
50 %
• Ursprungslaufzeit > 1 Jahr
100 %
• d 2/3 des Verkehrswertes
50 %
• > 2/3 des Verkehrswertes
75 %
• landwirtschaftliche Liegenschaften in der Schweiz
• d 2/3 des Verkehrswertes
50 %
• Bauland, Büro-/ Geschäftshäuser in OECD-Staaten
• d 1/2 des Verkehrswertes
75 %
•Großgewerbliche Objekte in OECD-Staaten
• d 1/3 des Verkehrswertes
75 %
• in Nicht-OECDStaaten grundpfandgesicherte Forderungen
Forderungen an Nichtbanken
Forderungen an Banken
Forderungen an öffentliche Haushalte
Barmittel
• Wohnliegenschaften in OECD-Staaten
• andere Forderungen
100 %
• andere nachrangige Forderungen
250 %
• Bankgebäude und Beteiligungen an entsprechenden Immobilien-Gesellschaften
250 %
• andere Liegenschaften und Beteiligungen an entsprechenden Immobilien-Gesellschaften
375 %
• übrige Sachanlagen und immaterielle Anlagewerte
625 %
Forderungen an Options-/Financial-Futures-Börsen mit Margin-System
25 %
Abb. 164: Bonitätsgewichtungsfaktoren nach Art. 12a resp. 12b BankV
259
(b)
Die Neuregelung der Bonitätsgewichtung im Rahmen von „Basel II“
Mit dem Vorschlag zur Neuregelung des Bonitätsgewichts von 2001 wird ein Ansatz propagiert, der die Mängel dieser doch allzu groben Klassifizierung überwindet und auf die tatsächliche Bonität der Schuldner abstellt (vgl. hierzu und im weiteren BASLER AUSSCHUSS 2001h, BASLER AUSSCHUSS 2002 sowie BASLER AUSSCHUSS 2004). Grundsätzlich wird dabei zwischen dem aufsichtlichen Standardverfahren und den Internen Ratingverfahren unterschieden (vgl. hierzu und zum Folgenden NAHR 2008). Das aufsichtliche Standardverfahren wird im Folgenden unter Punkt (1), die Internen Ratingverfahren werden unter Punkt (2) abgehandelt.
(1) Die Bonitätseinstufungen werden durch externe Stellen, beispielsweise von RatingAgenturen oder – bei der Risikogewichtung von Forderungen an Staaten – den Exportversicherungen der G-10 Länder, übernommen. Ab 2007 wird den Banken zugestanden, die Bonitätseinstufung mittels bankinterner Rating-Systeme selbst vorzunehmen. Im Rahmen der vom BASLER AUSSCHUSS vorgeschlagenen Standardmethoden wird allerdings nur auf die Ermittlung des anzurechnenden Risikovolumens mittels externer Bonitätsbeurteilungen eingegangen, für die Voraussetzungen und Vorgehensweise bei der Verwendung interner Ratings wird auf den entsprechenden Seiten verwiesen (vgl. S. 274 ff.). Damit eine Bank für aufsichtliche Zwecke die Einschätzungen eines externen Bonitätsbeurteilungsinstituts („External Credit Assessment Institution“, ECAI) übernehmen darf, muss letzteres folgenden sechs Eignungskriterien genügen (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001h und BASLER AUSSCHUSS 2004): •
Objektivität: Die Methode zur Vergabe von Bonitätsbeurteilungen muss streng und systematisch sein und einem Validierungsverfahren unterliegen, das auf historischen Erfahrungswerten beruht. Zudem müssen die Bonitätsbeurteilungen ständig überwacht werden und auf Veränderungen der finanziellen Situation reagieren.
•
Unabhängigkeit: Ein Institut sollte unabhängig sein und keinerlei politischem oder wirtschaftlichem Druck unterliegen, der das Rating beeinflussen könnte.
•
Transparenz: Die einzelnen Bonitätsbeurteilungen sollten sowohl inländischen als auch ausländischen Institutionen mit berechtigtem Interesse unter gleichen Bedingungen zugänglich sein.
•
Veröffentlichungen: Das Institut sollte seine allgemeine Beurteilungsmethodik (einschließlich der Definition des Begriffs „Ausfall“, des Zeithorizonts und der Bedeutung jedes Ratings), die tatsächlich in jeder Bonitätsbeurteilungskategorie beobachteten Ausfallraten sowie die Migrationswahrscheinlichkeiten (vgl. Seite. 174 ff.) veröffentlichen.
•
Ressourcen: Ein Institut sollte über ausreichend Ressourcen verfügen, um qualitativ hochwertige Bonitätsbeurteilungen durchzuführen. Die Mitarbeiter sollten in ständigem Kontakt mit den leitenden und den operativen Ebenen des beurteilten Unternehmens stehen, um auch qualitative Ansätze in die Beurteilung zu integrieren.
260
•
Glaubwürdigkeit: Die Bonitätsbeurteilungen sollten von unabhängigen Parteien verwendet werden und die internen Verfahren sollten die missbräuchliche Verwendung vertraulicher Informationen verhindern.
Im Folgenden erfolgt die Bonitätseinstufungsnotation gemäß den Rating-Unternehmen STANDARD & POOR’S (S & P), wonach auch das Standardverfahren gemäss Basler Ausschuss kalibriert ist. Zum Vergleich werden in Abb. 165 den Ausfallraten von STANDARD & POOR’S diejenigen von MOODY’S gegenübergestellt (vgl. BASLER AUSSCHUSS FÜR BANKENAUFSICHT 2000b). Rating-Stufe gemäß S&P AAA AA+ AA AAA+ A ABBB+ BBB BBBBB+ BB BBB+ B BCCC
Rating-Stufe gemäß MOODY’S Aaa Aa1 Aa2 Aa3 A1 A2 A3 Baa1 Baa2 Baa3 Ba1 Ba2 Ba3 B1 B2 B3 Caa1-C
1 Jahres-Ausfallrate
1 Jahres-Ausfallrate
S&P
S&P
MOODY’S
0.15 % 0.27 % 0.11 % 0.40 % 0.48 % 0.32 % 0.82 % 1,15 % 1,36% 3,21 % 5,79 % 6,88 % 12,23 % 16,18 % 24,66 % 29,16 % 41,29 %
0.22 % 0.25 % 0.50 % 0.45 % 0.75 % 0.66 % 0.45 % 1,45 % 1,29 % 2,79 % 8,45 % 9,66 % 20,76 % 25,56 % 28,52 % 37,49 % 38,30 %
0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,03 % 0,04 % 0,07 % 0,20 % 0,19 % 0,30 % 0,62 % 0,78 % 1,19 % 2,42 % 7,93 % 9,84 % 20,39 %
MOODY’S 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,07 % 0,00 % 0,00 % 0,00 % 0,04 % 0,08 % 0,31 % 0,64 % 0,59 % 2,55 % 3,56 % 6,85 % 12,41 % 18,31 %
Abb. 165: Transformation von Rating-Stufen in Ausfallwahrscheinlichkeitsintervalle
Die nationalen Aufsichtsbehörden entscheiden darüber, ob die Bonitätsbeurteilungen einer externen Ratingagentur für aufsichtliche Zwecke verwendet werden dürfen. In diesem Zusammenhang werden die oben genannten Kriterien geprüft. Die Transformation kann über die für das jeweilige Rating-System ermittelten durchschnittlichen historischen Ausfallraten in den einzelnen Kategorien vollzogen werden. So sind den einzelnen Rating-Stufen von STANDARD & POOR’S die in Abbildung 165 dargestellten durchschnittlichen Ausfallraten zugeordnet. Um nun Rating-Systeme ineinander überführen zu können, müssen aus diesen Ausfallraten Ausfallwahrscheinlichkeitsintervalle gebildet werden. Gemäss Basel II erfolgt eine Kategorisierung der Schuldner in verschiedene Kategorien. In eine erste Kategorie fallen Forderungen gegenüber Zentralstaaten und deren Zentralbanken. Die Risikogewichte werden dabei wie in Abbildung 166 dargestellt festgelegt. Forderungen an die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, den Internationalen Währungs-
261
fonds, die Europäische Zentralbank und die Europäische Union wird ein Risikogewicht von 0 % zugeordnet. Bonitätsbeurteilung des Schuldners AAA bis BBB+ bis A+ bis AAABBBZentralstaaten/ Zentralbanken
0%
20 %
50 %
BB+ bis B-
unter B-
ohne Rating
100 %
150 %
100 %
Abb. 166: Risikogewicht für Zentralstaaten und Zentralbanken
Der BASLER AUSSCHUSS lässt den nationalen Aufsichtsbehörden in dieser Kategorie aber insofern einen Ermessensspielraum, als dass für Kredite von Banken an ihren Heimatstaat respektive ihre Heimatzentralbank geringere Risikogewichte erlaubt werden können, sofern die Forderung auf die Heimatwährung lautet und in dieser refinanziert ist. Im Rahmen eines vereinfachten Standardansatzes kann hier auch auf ein externes Rating verzichtet und das Bonitätsgewicht nach den Länderrisikogewichtungen der Exportversicherungsagenturen der G-10Staaten bemessen werden. Die zweite Kategorie umfasst Forderungen gegenüber Banken, Wertpapierhäusern, Multilateralen Entwicklungsbanken („Multilateral Development Banks“, MDB) und sonstigen, nicht-zentralstaatlichen öffentlichen Stellen („Public Sector Entities“, PSE). Bei letzteren erhalten die nationalen Aufsichtsbehörden jedoch den Ermessensspielraum, diese wie Forderungen gegen ihren Zentralstaat zu behandeln. Bezüglich der Behandlung von Ansprüchen gegenüber Schuldnern aus dieser zweiten Kategorie erhalten die nationalen Aufsichtsbehörden insofern einen Ermessensspielraum, als dass sie unter den zwei folgenden Optionen wählen können. •
Zum einen können die Risikogewichte von Banken, Wertpapierhäusern und PSE in dem Sinne mit denjenigen der Zentralstaaten verknüpft werden, als dass sie in den drei besseren Rating-Kategorien eine Risikoklasse schlechter gestellt werden sollen als ihr Heimatstaat. Für die beiden unteren Rating-Kategorien und für nicht geratete Schuldner gilt derselbe Anrechnungsfaktor wie für den entsprechenden Heimatstaat.
•
Der zweite Ansatz besteht darin, die Bonitätsbeurteilungen von Banken, Wertpapierhäusern, PSE und MDB direkt über deren Ratings vorzunehmen. Lediglich hier wird der Laufzeit einer Forderung als risikodeterminierendem Faktor Beachtung geschenkt. So sollen Forderungen mit Ursprungslaufzeiten von weniger als drei Monaten eine Risikoklasse besser eingestuft werden als die Gesamtbank. Die Untergrenze wird aber in jedem Fall bei einem Anrechnungsfaktor von 20 % angesetzt, wobei diese Regelung für Banken, die mit einem „B-“ oder einem noch tieferen Rating versehen sind, nicht gilt. Bezüglich der Forderungen an Multilaterale Entwicklungsbanken gilt, dass denjenigen MDB ein Risikogewicht von 0 % zugewiesen wird, die vom BASLER AUSSCHUSS als außerordentlich gut beurteilt werden (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001h).
Die vorgeschlagenen Risikogewichte für Forderungen gegenüber Schuldnern dieser zweiten Kategorie werden in Abbildung 167 zusammengefasst.
262
Ursprungslaufzeit der Forderung
Option 1 Option 2
Bonitätsbeurteilung des Staates (Option 1) respektive des Schuldners (Option 2) AAA bis AA-
A+ bis A-
BBB+ bis BBB-
BB+ bis B-
unter B-
ohne Rating
keine Differenzierung
20 %
50 %
100 %
100 %
150 %
100 %
> 3 Monate
20 % 2
50 %
50 %
100 %
150 %
50 %
d 3 Monate 1
20 % 2
20 %
20 %
50 %
150 %
20 %
Abb. 167: Risikogewichte für Banken, Wertpapierhäuser, PSE und Multilaterale Entwicklungsbanken 1: Gilt nicht für Banken, die ein Rating von B- oder tiefer aufweisen 2: Für als vom Basler Ausschuss als außerordentlich gut eingestufte MDB gilt ein Anrechnungsfaktor von 0 %
Die dritte Kategorie besteht aus Ansprüchen gegenüber übrigen Unternehmen, wobei ein Unternehmen – im Gegensatz zur Regelung von 1988 – über einen tieferen Anrechnungsfaktor als das Land verfügen darf, in welchem das Unternehmen eingetragen ist. Nutzniesser dieser neuen Regelung werden dabei vor allem nicht-staatliche Schuldner sogenannter „Emerging Markets“ sein, da Banken diese neu mit einem Anrechnungsfaktor belegen dürfen, der tiefer als der des entsprechenden Heimatstaats ist. Nationale Aufsichtsbehörden dürfen Forderungen an Unternehmen ohne Rating nach Ermessen auch höhere Risikogewichte als 100 % zuweisen. Die Risikogewichte für Forderungen gegenüber Unternehmen sind in Abbildung 168 dargestellt. Bonitätsbeurteilung des Schuldners
übrige Unternehmen
AAA bis AA-
A+ bis A-
BBB+ bis BB-
Unter BB-
ohne Rating
20 %
50 %
100 %
150 %
100 %
Abb. 168: Risikogewichte für „übrige Unternehmen“
Für alle Kategorien gilt, dass Ausleihungen, die vollständig durch Grundpfandrechte respektive Hypotheken auf Wohnimmobilien abgesichert sind, ein Risikogewicht von 35 % zugeordnet wird. Besteht die Besicherung in gewerblichen Immobilien, so beträgt der Anrechnungsfaktor grundsätzlich nicht mehr als 100 %, bei Erfüllung der nachfolgend erläuterten Kriterien können aber auch tiefere Risikogewichte greifen: In hoch entwickelten und seit langem etablierten Märkten kann beispielsweise Grundpfandrechten auf Büroimmobilien und Mehrzweck-Geschäftsräume ein begünstigtes Risikogewicht von 50 % für den Teil des Kredits erhalten, der nicht den niedrigeren Wert entweder der Hälfte des Marktwertes oder drei Fünftel des Beleihungswertes der Immobilie überschreitet. Jeder Kreditteil, der über diese Grenzen hinausgeht, muss mit 100 % angerechnet werden (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001h). Länder, die diese Ausnahmebehandlung anwenden wollen, müssen die Erfüllung einiger sehr strenger Bedingungen erfüllen.
263
Unter anderem dürfen: •
Verluste aus gewerblichen Immobilienkrediten bis zum niedrigeren Wert entweder von der Hälfte des Marktwertes oder von drei Fünftel des Beleihungsauslaufes („Loan-toValue“) auf Grundlage des Beleihungswertes nicht größer als 0,3 % der ausstehenden Kredite in jedem Jahr sein, und
•
die Gesamtverluste aus gewerblichen Immobilienkrediten in keinem Jahr größer als 0,5 % der ausstehenden Kredite sein.
Dies soll an einem Beispiel erläutert werden: Unternehmer B möchte einen Bürokomplex erwerben, der Kaufpreis (Marktwert) beträgt 11 Mio. EUR. Finanziert wird dieser Kauf durch Eigenkapital in Höhe von 4 Mio. EUR, für den Rest nimmt der Unternehmer bei Bank A einen Kredit auf, den er mit dem Bürokomplex besichert. Die Bank setzt den Beleihungswert der Immobilie auf 9,5 Mio. EUR fest und gewährt dem Unternehmer einen Kredit in Höhe von 7 Mio. EUR. Die Hälfte des Marktwertes liegt bei 5,5 Mio. EUR, drei Fünftel des Beleihungswertes entsprechen 5,7 Mio. EUR. Werden die Kriterien erfüllt, die die Privilegierung rechtfertigen, dürfen 5,5 Mio. EUR mit 50 % angerechnet werden, für die restlichen 1,5 Mio. EUR gilt ein Faktor von 100 %. Insgesamt besteht eine Unterlegungspflicht in Höhe von 340.000 EUR (= (5,5 Mio. EUR · 50 % + (7 Mio. EUR – 5,5 Mio. EUR) · 100 %) · 8 %). Eine Eigenmittelunterlegung wird auch für Wertpapiere verlangt, die über einen Forderungspool besichert sind („Asset Backed Securities“, ABS). Die Transaktion besteht darin, bestimmte, genau definierte Gruppen von Buchkrediten oder Schuldverschreibungen rechtlich oder wirtschaftlich von einer ursprünglich kreditgebenden Institution (Originator) an eine mit dieser verbundenen Zweckgesellschaft („Special Purpose Vehicle“, SPV) zu übertragen. Der Originator entledigt sich somit der mit diesen Forderungen verbundenen Kreditrisiken. Das SPV finanziert diesen Forderungskauf durch die Emission von ABS, wobei die übertragenen Forderungen als Sicherheit dienen (vgl. S. 219 ff. und BASLER AUSSCHUSS 2001a). Künftig müssen nun Banken, die in verbriefte Wertpapiere investieren, für diese Papiere Eigenmittel vorhalten. Da auf dem internationalen Markt begebene ABS typischerweise über eine Bonitätsbeurteilung mindestens einer Rating-Agentur verfügen, lässt sich das nach Basel II vorgeschlagene System der Bestimmung der Risikogewichte auch auf ABS anwenden. Der BASLER AUSSCHUSS schlägt hierbei die in Abb. 169 dargestellten Anrechnungssätze vor.
Externe Bonitätsbeurteilung von Verbriefungen, inkl. Asset Backed Securities AAA bis AARisikogewicht
20 %
A+ bis A-
50 %
BBB+ bis BBB-
100 %
Abb. 169: Unterlegungssätze für Verbriefungen
264
BB+ bis BB-
B+ und geringer
ohne Rating
350 %
Kapitalabzug jeweils 50 % vom Kern- und Ergänzungskapital
Kapitalabzug jeweils 50 % vom Kern- und Ergänzungskapital oder „Look-Through“
Allerdings gibt es auch Forderungsverbriefungen, für die keine Bonitätsbeurteilung existiert, beispielsweise bei Privatplazierungen. Diese werden grundsätzlich vom Kapital abgezogen. Vorrangige („senior“) ABS-Tranchen ohne Bonitätsbeurteilung können jedoch unter das „Look-Through“-Regime fallen, das heißt, sie werden der Risikokategorie zugeordnet, die für die zugrundeliegenden Aktiva vorgesehen ist. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Anleger tatsächlich dem Risiko des zugrundeliegenden Forderungspools ausgesetzt sind und nicht dem des Emittenten. Diese Voraussetzung gilt dann als erfüllt, wenn •
die Investoren die Rechte an den zugrundeliegenden Forderungen entweder direkt halten oder ihre Interessen von einem unabhängigen Treuhänder vertreten werden (beispielsweise, indem ein erstrangiger Anspruch auf die zugrundeliegenden Forderungen besteht),
•
die zugrundeliegenden Forderungen bei der Emission der Wertpapiere nicht notleidend sind,
•
die Zusammensetzung des Forderungspools jederzeit bekannt ist,
•
die Wertpapiere so strukturiert sind, dass die Zahlungen aus den zugrundeliegenden Forderungen die Zahlungsansprüche der Wertpapiere ohne unangemessenes Vertrauen auf Wiederanlageerfolge vollständig erfüllen, und
•
die für die Investoren bereitgestellten, aber noch nicht ausgezahlten Mittel kein bedeutendes Wiederanlagerisiko tragen.
Nachrangige („junior“) ABS-Tranchen ohne Rating werden, wenn sie die genannten Bedingungen erfüllen, mit einem Anrechnungsfaktor von 100 % belegt. Behält ein Originator einen Teil einer nachrangigen ABS-Tranche zurück, wird dies als Bonitätsverbesserung angesehen und das investierte Kapital von den Eigenmitteln abgezogen. Separate Bonitätsgewichte werden für kurzfristige geratete Forderungen wie beispielsweise Commercial Papers festgelegt. Diese gelten nur für die spezielle Emission und dürfen weder auf andere ungeratete kurzfristige Forderungen noch irgendwelche langfristigen Papiere des gleichen Emittenten übertragen werden (vgl. Abb. 170). Externe Bonitätsbeurteilung von kurzfristigen, gerateten Forderungen A1/P1 Risikogewicht
20 %
A2/P2 50 %
A3/P3
Andere Ratings
100 %
Kapitalabzug 50 % Kern- und Ergänzungskapital
Abb. 170: Unterlegungssätze für kurzfristige geratete Forderungen
Forderungen an Privatkunden und kleinere Firmen, die ein Exposure von jeweils 1 Mio. EUR nicht übersteigen (Retail-Portfolio), werden im Standardansatz einheitlich mit einem Risikogewicht von 75 % bedacht. Damit Kredite dem Retail-Portfolio zugeordnet werden können, müssen folgende vier Bedingungen erfüllt sein:
265
•
Kreditnehmerkriterium: Die Kreditnehmer sind entweder eine oder mehrere natürliche Personen oder ein Kleinunternehmen
•
Produktkriterium: Der Kredit muss zu einer der nachfolgenden Kreditarten gehören: revolvierende Kredite und Kreditlinien (inkl. Kreditkartenforderungen und Überziehungskredite), persönliche Kredite sowie Leasingforderungen (z.B. Abzahlungsgeschäfte, Autofinanzierungen oder Autoleasing, Studenten- und Ausbildungskredite, andere private Finanzierungen) oder Kredite bzw. Kreditlinien für Kleinunternehmen. Wertpapiere (wie Anleihen oder Aktien) können dem Retail-Portfolio nicht zugeordnet werden. Dies gilt unabhängig von einer evtl. Börsennotierung. Immobilienkredite sind dann ausgenommen, wenn sie Forderungen darstellen, die durch Wohnimmobilien besichert sind.
•
Granularitätskriterium: Das Retail-Portfolio muss angemessen diversifiziert sein und die Risiken so weit reduziert werden, dass das Risikogewicht von 75 % der Aufsicht gerechtfertigt erscheint. Dies könnte dadurch sichergestellt werden, dass ein zahlenmässiges Limit gesetzt wird, wonach z.B. die zusammengefassten Kredite an einen einzelnen Schuldner 0,3 % des gesamten für aufsichtliche Zwecke gebildeten Retail-Portfolios nicht übersteigen.
•
Betragskriterium: Der Wert der zusammengefassten Retail-Kredite an einen Kreditnehmer darf 1 Mio. EUR nicht übersteigen.
Für alle übrigen Aktiva gilt ein einheitlicher Anrechnungsfaktor von 100 %. Existieren von unterschiedlichen Bonitätseinstufungsinstituten zwei Ratings für eine Forderung, so muss grundsätzlich der höhere Anrechnungsfaktor verwendet werden. Existieren mehr als zwei Ratings, so ist von den beiden besten Ratings dasjenige maßgebend, welches mit einem höheren Anrechnungsfaktor verbunden ist. Aus europäischer Sicht kritisch zu werten ist der Rückgriff auf externe Ratings, da diese in Europa sehr wenig verbreitet sind. Während in den USA rund 8.000 Nichtbanken über ein externes Rating verfügen, sind es in Deutschland nicht einmal 30 (vgl. ROLFES/EMSE 2000b). Der Vorschlag liefert darüber hinaus insofern falsche Anreize, als dass Unternehmen, die über eine schlechte Bonität verfügen und damit ein Rating von unter „B-“ zu befürchten haben, sich tendenziell keiner Beurteilung einer Rating-Agentur unterziehen werden. Dieses Verhalten seitens des Unternehmens zieht eine geringere Eigenmittelunterlegung für die Bank nach sich, was sich für das Unternehmen in besseren Kreditkonditionen niederschlagen dürfte. Damit werden die Bemühungen konterkariert, das tatsächliche Risiko in der aufsichtlichen Unterlegungspflicht auszudrücken. Durch das Basler Rahmenwerk soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass in den letzten Jahren eine Vielzahl von Techniken und Instrumente zur Begrenzung von Kreditrisiken entwickelt wurden („Credit Risk Mitigation“) und denen der Eigenkapitalakkord von 1988 nicht Rechnung trägt. Basel II identifiziert vier Instrumente respektive Techniken zur Begrenzung von Kreditrisiken: Sicherheiten, Netting von Bilanzpositionen und Kreditderivate respektive Garantien sowie Verbriefungen (vgl. Abb. 171).
266
Instrumente und Techniken zur Begrenzung von Kreditrisiken
Sicherheiten
Netting
Kreditderivate und Garantien
Verbriefungen
Abb. 171: Instrumente und Techniken zur Kreditrisiko-Begrenzung
Damit Kapitalerleichterungen für Sicherheiten gewährt werden können, haben diese einigen Anforderungen zu genügen: So müssen die rechtlichen Vereinbarungen bezüglich der Bereitstellung der Sicherheiten durchsetzbar sein, die Kreditqualität des Schuldners und der Wert der Sicherheit dürfen keine bedeutende positive Korrelation aufweisen und die zusätzlichen Risiken, die der Bank durch die Akzeptanz der Sicherheit entstehen (beispielsweise rechtliche oder operationelle Risiken), müssen von der Bank kontrolliert und gesteuert werden. Bezüglich der Instrumente ist die Anerkennung auf folgende beschränkt: •
Bareinlagen bei der kreditgebenden Bank
•
Wertpapiere, die ein Rating von BB- oder besser aufweisen und von Staaten (respektive PSE, die wie Staaten behandelt werden) emittiert sind,
•
Wertpapiere, die ein Rating von BBB- oder besser aufweisen und von PSE, Banken, Wertpapierfirmen oder sonstigen Unternehmen emittiert sind,
•
kurzfristige Anleihen mit einem externen Rating von A3 oder besser,
•
ungeratete Anleihen, die von Banken begeben werden, an einer anerkannten Börse gehandelt werden und weitere Anforderungen erfüllen,
•
Aktien, die zu einem Hauptindex zählen und
•
Gold.
Zur Quantifzierung des Umfangs der Kapitalerleichterung werden zwei Ansätze genannt, die von den Banken alternativ verwendet werden dürfen: der einfache und der umfassende Ansatz. Unter dem einfachen Ansatz wird der Anrechnungsfaktor für den besicherten Teil einer Forderung durch den Anrechnungsfaktor für das Sicherungsinstrument substituiert (vgl. Abb. 172).
267
Risikovolumen
·
Risikogewicht Sicherheit mindestens aber 20 %
=
angerechnetes Risikovolumen
Ausnahmen: Risikogewicht 0 % resp. 10%, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind Abb. 172: Substitution der Risikogewichte im einfachen Ansatz
Ein Anrechnungsfaktor von weniger als 20 % wird jedoch nur dann gewährt, wenn einige zusätzliche Bedingungen erfüllt sind. So müssen unter anderem Kredit und Sicherheit auf dieselbe Währung lauten und einer täglichen Marktbewertung respektive einer täglichen Nachschussverpflichtung unterliegen (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001h). Die Vorgehensweise beim umfassenden Ansatz ist komplexer. Um etwaige Preisveränderungen der Sicherheit in das Kalkül mit einzubeziehen, muss der Wert der Sicherheit um Sicherheitsmargensätze („Haircuts“) bereinigt werden. Sicherheitsmargensätze werden für die Volatilität des Kredits, für die Volatilität der Sicherheit und – im Falle von Währungsinkongruenzen zwischen Kredit und Sicherheit – für die Währungsvolatilität berechnet. Somit ergibt sich das bereinigte Exposure nach Einbezug der Sicherheiten als: E* = Max (0; E · (1 + HE) – C · (1 – H C – HFX)) mit: E* = bereinigter Umfang des Exposures nach Anrechnung der Sicherheiten; E = Umfang des Exposures vor Anrechnung der Sicherheiten; C = Wert der Sicherheit; HE = Sicherheitsmargensatz für die Volatilität des Kredits; HC = Sicherheitsmargensatz für die Volatilität der Sicherheit; HFX = Sicherheitsmargensatz für die Volatilität der Währungen
Die Sicherheitsmargensätze werden vom BASLER AUSSCHUSS vorgegeben (vgl. Abb. 173), allerdings können es die Aufsichtsinstanzen den Banken gestatten, ihre eigenen Schätzungen der Marktpreis- und der Wechselkursvolatilität zu verwenden, um die Sicherheitsmargensätze zu bestimmen. Dabei müssen aber bestimmte Bedingungen beachtet werden (vgl. hierzu und im weiteren BASLER AUSSCHUSS 2001h, BASLER AUSSCHUSS 2002 und BASLER AUSSCHUSS 2004). So kann die Erlaubnis nur solchen Banken erteilt werden, die bereits die aufsichtliche Anerkennung für ein internes Marktrisikomodell besitzen. Von den Banken wird im weiteren verlangt, dass sie die Sicherheitsmargensätze für jede Wertpapierkategorie berechnen. Als zentrale Parameter werden vom BASLER AUSSCHUSS eine Haltedauer von mindestens 10 Handelstagen (5 Handelstage für Wertpapierpensions- und -leihgeschäfte, wenn eine tägliche Nachschussverpflichtung gegeben ist) und ein Konfidenzintervall von 99 % vorgegeben. Ebenso sind zur Identifikation von Abweichungen zwischen historischen Beobachtungen und potentiellen Volatilitäten Stresstests vorgeschrieben. Die geschätzten Sicherheitsmargensätze dürfen die Korrelationen zwischen dem unbesicherten Kredit, der Sicherheit und den Wechselkursen nicht berücksichtigen. Erfolgt bei Kapitalmarkttransaktionen wie Wertpapierpensions- oder –leihgeschäften, Derivategeschäften und Wertpapierkrediten die Nachschussverpflichtung von Sicherheiten nicht täglich oder wird bei besicherten Kreditver268
gaben der Marktwert der Sicherheiten nicht täglich ermittelt, so müssen die Sicherheitsmargensätze erhöht werden. Das Vorgehen sei an zwei Beispielen demonstriert: Im Beispiel 1 vergibt eine Bank X einen Kredit in Höhe von 5 Mio. EUR an ein Unternehmen Y, welches keine externe Bonitätsbeurteilung aufweist. Als Sicherheit hinterlegt dieses Unternehmen Aktien eines im Dow JonesIndex geführten Unternehmens Z im Marktwert von 6 Mio. USD, was bei einem aktuellen EUR/USD-Kurs von 0,9386 5,6316 Mio. EUR entspricht. Zuerst ist nun der bereinigte Wert der Sicherheit zu berechnen. Der aktuelle Wert der Sicherheit beträgt 5,6316 Mio. EUR, während die Sicherheitsmargensätze für den Kredit 0 % (da der Kredit in bar vergeben wird), für die Besicherung 15 % und für das Fremdwährungsrisiko 8 % betragen. E* = 5.000.000 EUR · (1 + 0 %) – 5.631.600 EUR · (1 – 15 % – 8 %) = 663.668 EUR Der bereinigte Wert der Sicherheit beträgt 4.336.332 EUR, was eine Unterdeckung des Kredits im Umfang von 663.668 EUR bedeutet. Diese erhalten – da das Unternehmen über keine externe Bonitätsbeurteilung verfügt – ein Risikogewicht von 100 %. Die Eigenmittelunterlegung beläuft sich dementsprechend auf 53.093 EUR (= 663.668 EUR · 100 % · 8 %). Im Beispiel 2 verleiht Bank W der Bank X zehnjährige, mit einer Bonitätsbeurteilung von AA versehene Staatsschuldverschreibungen im Wert von 11,2 Mio. USD und erhält dafür eine siebenjährige, mit einer Bonitätsbeurteilung von AAA versehene Schuldverschreibungen eines Unternehmens im Wert von ebenfalls 11,2 Mio. USD (Securities Lending-Geschäft). Es existieren somit keine Währungsdifferenzen. Ebenfalls wird unterstellt, dass die Restlaufzeiten des Kredits und der Sicherheit identisch sind, d.h. keine Fälligkeitsdifferenzen bestehen. Der bereinigte Wert des Exposures beläuft sich somit bei einem Sicherheitsmargensatz von 4 % für den Kredit, einem von 8 % für die Sicherheit und einem von 0 % für die (nicht existierende) Währungsdifferenz auf E* = 11.200.000 EUR · (1 + 4 %) – 11.200.000 EUR · (1 – 8 % – 0 %) = 1.344.000 EUR Bank X verfügt über ein Rating von AA, was ein Risikogewicht von 20 % nach sich zieht. Bei einem Solvabilitätskoeffizienten von 8 % führt dies zu einer Eigenmittelunterlegung im Umfang von 21.504 EUR. Vereinbarungen über das Netting von Bilanzpositionen („On-Balance-Sheet Netting“) für Kredite und Einlagen werden gestattet, wenn eine fundierte rechtliche Grundlage für das Netting besteht und die von der Netting-Vereinbarung betroffenen Forderungen und Verbindlichkeiten jederzeit identifizierbar sind. Wenn eine Währungsinkongruenz vorliegt, sollte ein Sicherheitsmargensatz auf der Seite der Verbindlichkeit zum Einsatz gelangen. Zur Berechnung des Anrechnungsfaktors gelangen dieselben Formeln wie bei den Sicherheiten zur Anwendung.
269
Restlaufzeit d 1 Jahr
Besicherung
Kredit
Emissionsrating Anleihe: AAA bis AA resp. A1
Sicherheitsmargensätze in Abhängigkeit der Gegenpartei Banken/ Staaten Unternehmen 0,5 % 1%
> 1 Jahr und d 5 Jahre
2%
4%
> 5 Jahre
4%
8%
1%
2%
3%
6%
6%
12 %
15 %
-
Emissionsrating d 1 Jahr Anleihe: A bis BBB> 1 Jahr und d 5 Jahresp. A2/A3 und anre erkannte ungeratete > 5 Jahre Anleihen Emissionsrating Analle Laufzeiten leihe: BB Aktien in einem Hauptindex
15 %
Andere börsennotierte Aktien
25 %
Barsicherheit
0%
Gold
15 %
Zuschlag für Fremdwährungsrisiken
8%
Abb. 173: Standard-Sicherheitsmargensätze für den Kredit, die Besicherung und eventuelle Fremdwährungsinkongruenzen
Die Kreditrisikobegrenzung durch Netting sei an Beispiel 3 dargestellt: Die Bank X vergibt einen Kredit in bar in Höhe von 5 Mio. USD – was bei einem aktuellen EUR/USD-Kurs von 0,9386 einem Betrag von 4.693.000 EUR entspricht – mit einer Laufzeit von 3 Jahren an die Bank Y (Rating: AAA). Bank Y leistet im Gegenzug eine Einlage in EUR mit einer Laufzeit von ebenfalls 3 Jahren im Wert von 4,2 Mio. EUR. Angenommen wird, dass die Voraussetzungen für ein Netting gegeben sind. Ein Sicherheitsmargensatz muss lediglich für die Fremdwährungsinkongruenz angewendet werden, da im Beispiel keine Fälligkeitsdifferenzen bestehen. Der bereinigte Wert des Kredits ergibt sich wie folgt: E* = 4.693.000 EUR · (1 + 0 %) – 4.200.000 EUR · (1 – 0 % – 8 %) = 829.000 EUR Das Rating von Bank Y impliziert einen Anrechnungsfaktor vor Berücksichtigung von Sicherheiten von 20 %, was zu einem Unterlegungsbetrag in Höhe von 13.264 EUR führt Bevor Kapitalerleichterungen für eine Garantie oder für den Einsatz von Kreditderivaten gewährt werden, muss die Bank bezüglich ihrer Risikosteuerungsprozesse einigen Anforderungen genügen. Ersteres deshalb, weil Garantien und Kreditderivate zwar das Kreditrisiko reduzieren, gleichzeitig aber andere Risiken – beispielsweise rechtliche Risiken – erhöhen. Banken müssen deshalb robuste Vorgehensweisen und Verfahren anwenden, um diese Risiken zu kontrollieren. Anforderungen bestehen aber auch an die Ausgestaltung des Instruments. So muss eine Garantie oder ein Kreditderivat eine unmittelbare Forderung an den Sicherungsgeber darstellen und an bestimmte Kredite gebunden sein, so dass der Umfang der 270
Absicherung klar definiert ist. Vor allem aber darf es dem Sicherungsgeber faktisch nicht gestattet sein, die Kreditabsicherung einseitig zu kündigen. Bezüglich der Kreditderivate werden vorerst nur Credit Default Swaps und Total Return Swaps, die eine den Garantien entsprechende Kreditabsicherung bieten, anerkannt. Als anerkennungsfähige Sicherungsgeber gelten Staaten, PSE und Banken, die ein niedrigeres Risikogewicht als der Schuldner aufweisen, sowie Unternehmen mit einem Rating von „A-“ oder besser. Auf den abgesicherten Teil des Kredits wird das Risikogewicht des Sicherungsgebers angewendet, während das Risikogewicht des unbesicherten Teils demjenigen des Schuldners entspricht. Lautet das Absicherungsinstrument auf eine andere Währung als der Kredit, muss vom Nennwert der Absicherung eine Sicherheitsmarge abgezogen werden. Die Besicherung mittels Garantien und Kreditderivaten sei anhand des Beispiels 4 verdeutlicht: Eine Schweizer Bank vergibt ein Darlehen in Höhe von 2 Mio. CHF an ein Unternehmen Y ohne Rating (Anrechnungsfaktor grundsätzlich 100 %) und erhält dafür eine Garantie eines Unternehmens Z mit einem Rating von AAA (Anrechnungsfaktor grundsätzlich 20 %) für drei Viertel des Kreditbetrages, ebenfalls in CHF. Weiterhin sei unterstellt, dass die Bank sämtliche operationellen Anforderungen erfüllt, welche für die aufsichtliche Anerkennung der Garantie erforderlich sind. Somit wird auf den Betrag von 1,5 Mio. CHF (= 75 % · 2 Mio. CHF) ein Risikogewicht von 20 % angerechnet, auf 0,5 Mio. CHF (= 25 % · 2 Mio. CHF) ein Risikogewicht von 100 %. Bei einem Solvabilitätskoeffizienten von 8 % führt das zu einem Unterlegungsbetrag von 64.000 CHF. Für alle Arten von Kreditabsicherungen stellt sich nun die Frage, wie Laufzeitinkongruenzen – d.h. die Fälle, in denen die Restlaufzeit der Absicherung kleiner als die Restlaufzeit des zugrundeliegenden Kredits ist – zu behandeln sind. Der BASLER AUSSCHUSS schreibt dazu folgendes Verfahren vor (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2004): Grundsätzlich sollen nur laufzeitinkongruente Absicherungen mit einer Restlaufzeit größer als ein Jahr anerkannt werden, d.h., dass der Anrechnungsfaktor des Schuldners unverändert bleibt, wenn er einen Kredit mit einem Instrument absichert, dessen Restlaufzeit weniger als ein Jahr beträgt und dessen Fälligkeit nicht mit derjenigen des Kredits übereinstimmt. Beträgt die Restlaufzeit der Absicherung hingegen mehr als ein Jahr, verringert sich zwar das Risikogewicht für den Kredit. Er ist dann aber immer noch höher, als wenn der Kredit laufzeitkongruent abgesichert worden wäre. Dieser Sachverhalt widerspiegelt sich in der folgenden Formel: C*
§ t 0,25 C (1 H C H FX ) ¨¨ © T 0,25
· ¸¸ ¹
mit: C* = um Laufzeitdifferenzen bereinigter Wert der Sicherheit; HC = Sicherheitsmargensatz für die Volatilität der Sicherheit; HFX = Sicherheitsmargensatz für die Volatilität der Währungen; t = Restlaufzeit der Absicherung; T = Restlaufzeit des Kredits
271
Eingesetzt in die Formel zur Berechnung des bereinigten Werts des Exposures ergibt sich: § t 0,25 · ¸¸ ) E* = Max (0; E · (1 + HE) – C · (1 – H C – HFX) · ¨¨ © T 0,25 ¹ mit: E* = bereinigter Umfang des Exposures nach Anrechnung der Sicherheiten; E = Umfang des Exposures vor Anrechnung der Sicherheiten; C = Wert der Sicherheit; HE = Sicherheitsmargensatz für die Volatilität des Kredits; HC = Sicherheitsmargensatz für die Volatilität der Sicherheit; HFX = Sicherheitsmargensatz für die Volatilität der Währungen; t = Restlaufzeit der Absicherung; T = Restlaufzeit des Kredits
Auch hier sollen die Auswirkungen der Bestimmungen mit Hilfe eines Beispiels verdeutlicht werden. Als Grundlage dient Beispiel 3, in welchem die Kreditrisikobegrenzung durch Netting erreicht wird. Abweichend von den Vorgaben sei nun angenommen, dass die EUREinlage eine Laufzeit von nur 2 Jahren aufweist. Dies im Gegensatz zum Kredit, der über 3 Jahre läuft. Das Risikogewicht des Kredits beträgt allein auf Basis des Ratings der Gegenpartei 20 %. Bezieht man die Nettingvereinbarung mit ein und unterstellt Laufzeitkongruenz der beiden Geschäfte, so resultiert ein Unterlegungsbetrag von 13.264 EUR. Weisen die beiden Geschäfte nun aber die beschriebenen unterschiedlichen Laufzeiten auf, so ergibt sich ein unbereinigtes Exposure in Höhe von 2.234.091 EUR. § 2 0,25 E* = 4.693.000 EUR · (1 + 0 %) – 4.200.000 EUR · (1 – 0 % – 8 %) · ¨¨ © 3 0,25 = 2.234.091 EUR
· ¸¸ ¹
Bei einem Gegenpartei-Risikogewicht von 20 % und einem Solvabilitätskoeffizienten von 8 % entspricht dies einem Unterlegungsbetrag von 35.745 EUR (= 2.234.091 EUR · 20 % · 8 %). Eine weitere Spezifikation erfahren Regelungen für multilaterales Netting, dass naturgemäß nur im Devisengeschäft Relevanz besitzt. Banken, die einem multilateralen Netting-System, wie dem Londoner „Exchange Clearing House“ (ECHO) oder dem New Yorker „Multinet“ angehören, können nach Auffassung des BASLER AUSSCHUSSES zwar ihr Abwicklungsrisiko hinreichend mindern, nicht jedoch die teils beträchtlichen Cash Flow- und Kontraktrisiken, resultierend aus der Mitgliedschaft beim Clearinghaus selber (BASLER AUSSCHUSS 1996d). Um bei Bankzusammenbrüchen selbst möglichst wenig in Anspruch genommen zu werden, verteilen Clearing-Häuser die daraus resultierenden Verluste zunehmend auf die einzelnen Mitglieder entsprechend eines ex ante festgelegten Verlustverteilungsschlüssels. Aus diesem Grunde müssen sich die Kapitalunterlegungsvorschriften für jede Bank konsequenterweise an diesem ausrichten. Dabei wird implizit von der maximal zu erwartenden Verlustzuweisung ausgegangen (BASLER AUSSCHUSS 1996d). Um daneben auch den potentiellen zukünftigen Risiken bei Terminkontrakten ausreichend zu genügen, soll bis auf weiteres von einem bilateralen anstatt multilateralen Netting ausgegangen werden, selbst wenn die Bank de facto Mitglied in einem multilateralen Netting-System ist. Auf die statistische Ausfallwahrscheinlichkeit einer Bank und wie es diese zu berücksichtigen gälte geht der Ausschuss nicht näher ein, sondern fordert die Kreditwirtschaft auf, dazu Untersuchungen durchzuführen. Auf Basis dieser Ergebnisse soll dann eine verbindliche Richtlinie erstellt werden. Die bei ClearingSystemen übliche Hinterlegung von Papieren (Collateral) führt überdies nur dann zu einer Verringerung der erforderlichen Kapitalunterlegung, wenn die betroffene Bank genau nach-
272
weisen kann, welche der hinterlegten Papiere zur Verringerung ihres Ausfallrisikos herangezogen werden können. In seinen Bemühungen, die Lücken zwischen aufsichtlichem und ökonomischem Kapital zu schließen, ortete der BASLER AUSSCHUSS bereits im Konsultationspapier von 1999 in einem weiteren Bereich Handlungsbedarf. So nutzen einige Banken Lücken in der Eigenkapitalvereinbarung von 1988 dazu, um mit Asset Backed Securities- (ABS)-Transaktionen – das heißt mit der Verbriefung von Forderungen – die Eigenmittelanforderungen zu senken, ohne dass damit das ökonomische Risiko in nennenswertem Umfang reduziert wurde (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1999). Aus diesem Grund formulierte der BASLER AUSSCHUSS Anforderungen, welche die ursprünglich kreditgebende Bank (Originator) erfüllen muss, will sie die übertragenen Forderungen von der Eigenmittelunterlegung befreien: •
Die übertragenen Forderungen müssen rechtlich absolut von der übertragenden Bank ausgesondert sein („clean break“). Das heißt, die übertragende Bank und ihre Gläubiger dürfen selbst im Konkursfall auf die Vermögenswerte keinen Zugriff mehr haben, was durch ein Rechtsgutachten bestätigt sein muss.
•
Der Erwerber ist eine – nach Maßgabe der nationalen Aufsichtsbehörden – geeignete Zweckgesellschaft („Special Purpose Vehicle“, SPV) und die Anspruchsberechtigten des SPV haben das Recht, die Ansprüche auszutauschen oder zu verpfänden.
•
Die transferierende Bank darf weder eine effektive noch eine indirekte Kontrolle über die übertragenen Vermögenswerte ausüben – was eine Rolle als Forderungsverwalter („Service-Agent“) allerdings nicht ausschliesst.
Aber selbst wenn die übertragenen Forderungen rechtlich absolut von der übertragenden Bank ausgesondert sind, kann es für den Originator Anreize geben, eine über die vertraglichen Verpflichtungen hinausgehende Unterstützung für den zugrundeliegenden Forderungspool zu gewähren. Als Beispiel sei hier die Aufrechterhaltung seiner Reputation genannt. Um diese Anreize zu verkleinern, schlägt der BASLER AUSSCHUSS Sanktionen bei solchem Verhalten vor. Wenn festgestellt wurde, dass eine als Originator fungierende Bank erstmalig außervertraglich in Anspruch genommen wurde, so werden alle Forderungen (das heißt alle Tranchen), die mit dieser Konstruktion in Verbindung stehen, so behandelt, als befänden sie sich in der Bilanz des Originators. Dies hat zur Folge, dass für alle diese Forderungen wieder Eigenmittel vorgehalten werden müssen. Wird festgestellt, dass eine als Originator fungierende Bank zum wiederholten Mal außervertraglich in Anspruch genommen wurde, werden alle verbrieften Forderungen so behandelt, als befänden sie sich in der Bilanz des Originators. Zusätzlich werden der Bank Kapitalerleichterungen für Verbriefungstransaktionen nach Maßgabe der nationalen Aufsichtsbehörde für einen bestimmten Zeitraum verwehrt. Banken, die als Originatoren von ABS auftreten, können auch nach dem Verkauf des Forderungspools als Forderungsverwalter oder Bereitsteller von Bonitätsverbesserungen („Credit 273
Enhancements“, beispielsweise durch Garantien oder Rückkaufszusagen) mit diesem Forderungspool verbunden bleiben. Grundsätzlich müssen ursprünglich kreditgebende Banken und Forderungsverwalter, die ein Credit Enhancement stellen, den vollen Betrag der Bonitätsverbesserung vom Kapital abziehen. Dabei ist aber die risikogerechte Kapitalanforderung zu berücksichtigen, die angenommen worden wäre, wären die Forderungen in der Bilanz verblieben (vgl. Abb. 169 und BASLER AUSSCHUSS 2001a). Kapitalerleichterungen durch Verbriefungsverfahren werden grundsätzlich nur dann gewährt, wenn bestimmten Offenlegungsanforderungen Genüge getan wurde. (2) Die neue Eigenkapitalvereinbarung (vgl. S. 143 ff.) soll für die Banken Anreize schaffen, auch eigene Schätzungen von Risikoparametern zur Bemessung von Kreditrisiken zu verwenden. Dies, weil solche internen Schätzungen sensitiver auf Veränderungen zentraler Treiber von Kreditrisiken reagieren als der relativ pauschale Standardansatz des BASLER AUSSCHUSSES. Mit dem Basisansatz und dem fortgeschrittenen Ansatz existieren nun grundsätzlich zwei Methoden zur Berechnung der Eigenmittelanforderung basierend auf internen Ratings. Im Basisansatz schätzt die Bank lediglich die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Engagements selbst, während die restlichen Parameter standardisiert vom BASLER AUSSCHUSS vorgegeben werden. Im fortgeschrittenen Ansatz schätzt die Bank auch die restlichen Parameter selbst. Als Anreiz zur Verwendung eigener Schätzungen soll insgesamt eine Verminderung der anzurechnenden Risikoaktiva dienen. Den Umfang dieser Verminderung quantifiziert der BASLER AUSSCHUSS mit ungefähr 2 bis 3 % gegenüber dem Standardverfahren (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001e). Zentral ist jedoch die vorgenommene Einschränkung, dass lediglich die interne Schätzung gewisser Risikoparameter erlaubt ist, nicht aber die Verwendung bankinterner Portfolio-Kreditrisikomodelle zur Bemessung des aufsichtlichen Kapitals. Als Grund wird angeführt, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt zwar die Validierung von Input- und Output-Daten bankinterner Rating-Systeme durch die Aufsichtsbehörden möglich ist, nicht aber derjenigen zur Messung von Portfolioeffekten (beispielsweise Parameter zur Diversifikation und Konzentration). Die Anerkennung von Portfolio-Kreditrisikomodellen wird für einen späteren Zeitpunkt aber in Betracht gezogen. Will eine Bank auf internen Ratings basierende Ansätze zur Messung ihrer Kreditrisiken verwenden („Internal Ratings-Based Approach“, IRB), muss sie zunächst die Aktiva des Anlagebuchs in eine der folgenden fünf Kreditnehmerklassen einordnen: 1.
Kredite an Unternehmen und solche öffentlichen Stellen („Public Sector Entities“, PSE), die im Standardansatz (vgl. S. 260 ff.) nicht wie Staaten behandelt werden. Zusätzlich muss eine Einordnung in eine der folgenden Unterklassen erfolgen: Projektfinanzierung, Objektfinanzierung (bspw. Leasing, Vermietung), Warenfinanzierung, „normale“ Immobilienfinanzierung und „high volatility“-(Gewerbe-) Immobilienfinanzierung. Beträgt das Exposure der Bank gegenüber einem (Klein-) Unternehmen weniger als 1 Mio. EUR, so darf dieses wie ein Kredit an einen Privatkunden behandelt werden.
2.
Kredite an Banken, Wertpapierhäuser und an solche Multilateralen Entwicklungsbanken, die die Kriterien für einen Anrechnungsfaktor von Null im Standardansatz nicht erfüllen.
274
3.
Kredite an Staaten, Zentralbanken und an solche öffentliche Stellen (PSE), die im Standardansatz wie Staaten behandelt werden, sowie an Multilaterale Entwicklungsbanken, die im Standardansatz einen Anrechnungsfaktor von Null erhalten würden.
4.
Kredite an Privatkunden. Um als Privatkundenkredit zu gelten, muss der Kredit erstens an eine natürliche Person vergeben und/oder durch eine solche garantiert sein. Allerdings können auch Kredite an Gewerbetreibende, Kleinunternehmen und Freiberufler als Privatkundenkredite gelten, wenn die Bank diese Kredite im Risikomanagement- respektive Rating-Prozess konsistent wie solche behandelt und wenn das Exposure 1 Mio. EUR nicht übersteigt. Zweitens muss er einer der folgenden Produktarten zuzuordnen sein: revolvierende Kredite (Überziehungen, Kreditrahmen, etc.), private Baufinanzierungen resp. übrige Privatkundenkredite. Schliesslich muss ein Kredit, um als Privatkundenkredit zu gelten, aus einem großen Pool – dessen Mindestgröße von den nationalen Aufsichtsbehörden festgelegt werden kann – von Krediten stammen, die im Risikomanagement-Prozess allesamt konsistent behandelt werden.
5.
Anteile an Unternehmen ohne Aktien im Handelsbuch, aber inklusive Schuldverschreibungen und sonstige Forderungen, die Eigenkapitalcharakter aufweisen (zum Beispiel Zinszahlungen, die von der Gewinnhöhe abhängig sind).
Im nächsten Schritt wird für jeden Kredit das anzurechnende Risikovolumen bestimmt, das sich – wie beim Standardverfahren – aus der Multiplikation der Größe „erwartete Kreditinanspruchnahme“ (Kreditbetrag) und bonitätsabhängigem gegenpartei- respektive geschäftsspezifischem Anrechnungsfaktor ergibt (vgl. Abb. 174).
erwartete Kreditinanspruchnahme (Exposure at Default)
•
Risikogewicht (auf internen Ratings basierend)
=
anzurechnendes Risikovolumen
Abb. 174: Berechnung des anzurechnenden Risikovolumens brutto auf Einzelkreditebene
Die anzurechnenden Risikovolumina der einzelnen Kredite sind nun zunächst innerhalb jeder Kreditnehmerklasse und dann über alle Kreditnehmerklassen aufzusummieren (vgl. Abb. 175).
275
Unternehmen: anzurechnendes Risikovolumen (Summe der angerechneten Risikovolumina aller Kredite) +
Banken: anzurechnendes Risikovolumen (Summe der angerechneten Risikovolumina aller Kredite)
+
Staaten: anzurechnendes Risikovolumen (Summe der angerechneten Risikovolumina aller Kredite)
+
Privatkundenkredite: anzurechnendes Risikovolumen (Summe der angerechneten Risikovolumina aller Kredite)
+
Anteile an Unternehmen: anzurechnendes Risikovolumen (Summe der angerechneten Risikovolumina aller Kredite)
=
Ȉ der anzurechnenden Risikovolumina aller Kreditnehmerklassen
Abb. 175: Aufsummierung der anzurechnenden Risikovolumina aller Kreditnehmerklassen
Im Folgenden wird nun auf die Bestimmung der einzelnen Komponenten zur Ermittlung des anzurechnenden Risikovolumens eingegangen. Als erstes ist die erwartete Kreditinanspruchnahme zum Zeitpunkt des Ausfalls des Kredits (Exposure at Default, EAD) – vereinfacht auch als „Kreditbetrag“ bezeichnet – zu bestimmen. Aufbauend auf der Ausfalldefinition entspricht der Kreditbetrag bilanzieller Positionen in allen Kreditnehmerklassen dem Buchwert des Kredits vor Abzug eventueller Einzelwertberichtigungen oder Teilwertabschreibungen und nach Ausschöpfung aller NettingMöglichkeiten. Die Voraussetzungen, um gegenläufige Geschäfte gegeneinander aufzurechnen, sind dieselben wie im Standardansatz des BASLER AUSSCHUSSES (vgl. S. 254 ff.), ebenso die Methoden, wie beim Auftreten von Währungs- und Laufzeitinkongruenzen zu verfahren ist. Zur Ermittlung der erwarteten Inanspruchnahme außerbilanzieller Geschäfte muss zwischen traditionellen außerbilanziellen Geschäften (beispielsweise zugesagte, aber nicht in Anspruch genommene Kreditlinien) und OTC-gehandelten Devisen-, Zins-, Aktien- und Rohstoffderivaten unterschieden werden. Bei traditionellen außerbilanziellen Geschäften wird die erwartete Kreditinanspruchnahme bestimmt, indem das Volumen des außerbilanziellen Geschäfts mit einem Kreditumrechnungsfaktor multipliziert wird. Zur Bestimmung der Kreditumrechnungsfaktoren existieren mit dem Basis- und dem fortgeschrittenen Ansatz zwei Methoden. Im Basisansatz entsprechen die Kreditumrechnungsfaktoren der traditionellen außerbilanziellen Geschäfte denen, die auch im Standardansatz verwendet werden (vgl. S. 237 ff.), mit Ausnahme nicht in Anspruch genommener Kreditzusagen (Note Issuance Facilities (NIF) oder Revolving Underwriting Facilities (RUF)). Letzteren wird ein Kreditumrechnungsfaktor von 75 % zugewiesen, der im Standardansatz nicht existiert (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2004,
276
TZ. 311 UND TZ. 312). Mit anderen Worten geht der BASLER AUSSCHUSS davon aus, dass ein Kreditnehmer zum Zeitpunkt des Ausfalls 75 % der derzeit noch nicht in Anspruch genommenen Zusagen beansprucht haben wird. Im fortgeschrittenen Ansatz dürfen Banken die Schätzung der erwarteten Kreditinanspruchnahmen selbst vornehmen, so sie die gestellten Bedingungen erfüllen (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001h). Diese Bedingungen – meist qualitativer Art – sollen unter anderem die Vollständigkeit und Glaubwürdigkeit, die Überwachung, die Offenlegung und die interne Validierung der EAD-Zuordnung sicherstellen. Bezüglich letzterer sind mindestens jährlich Tests durchzuführen, um die Auswirkungen möglicher Ereignisse oder zukünftiger Veränderungen der Wirtschaftslage auf die Eigenmittelausstattung der Bank zu erkennen. Auch müssen EAD-Schätzungen auf einer Mindestbeobachtungsperiode basieren, die einen kompletten Konjunkturzyklus, mindestens aber 7 Jahre umfasst. Die EAD-Schätzungen müssen unter Verwendung eines ausfallgewichteten Durchschnitts und nicht mittels eines zeitgewichteten Durchschnitts berechnet werden. Bei Retailkrediten muss die Mindestbeobachtungsperiode auf mindestens fünf Jahren basieren. Wenn die Höhe der Kredite, für welche die EAD geschätzt werden, stark schwankt, muss die Bank EADSchätzungen verwenden, die auch für einen konjunkturellen Abschlag angemessen sind, sofern diese Werte konservativer sind als der langfristige Durchschnitt. Das Vorgehen zur Schätzung des Kreditbetrages von OTC-Optionen auf Devisen, Zinsen, Aktien und Rohstoffe im Basisansatz ist identisch mit demjenigen zur Ermittlung des risikoäquivalenten Volumens von Derivaten im Standardansatz (vgl. Abb. 138 und S. 239 ff.). Abbildung 176 fasst das Vorgehen zur Ermittlung der erwarteten Kreditinanspruchnahme nochmals zusammen:
Ermittlung der erwarteten Kreditinanspruchnahme bei Ausfall (nach Abzug von Einzelwertberichtigungen)
Bilanzpositionen grundsätzlich Nominalwert, Netting wie im Standardverfahren
traditionelle außerbilanzielle Geschäfte
Zins-, Devisen-, Aktien-, Rohstoffderivate
Basisansatz: wie Standardverfahren, Kreditzusagen aber grundsätzlich 75 %, in Ausnahmefällen 0 %
Basisansatz: Marktbewertungsmethode wie im Standardverfahren
fortgeschrittener Ansatz: Rückgriff auf eigene Schätzungen der Kreditumrechnungsfaktoren
Abb. 176: Bestimmung des Kreditbetrages im IRB-Ansatz
277
In einem nächsten Schritt sind für die verschiedenen Geschäfte die Risikogewichte zu bestimmen, mit deren Hilfe die Bonitätsgewichtung durchgeführt wird. Das Risikogewicht stellt eine Funktion verschiedener Inputparameter dar. Während sich die Methoden zur Bestimmung von Risikogewichten für Kredite an Unternehmen, Staaten und Banken sehr stark ähneln, weicht diejenige für Kredite an Privatkunden etwas von diesen ab. Allen Methoden gemeinsam ist jedoch die Verwendung des gegenparteispezifischen Inputparameters „Ausfallwahrscheinlichkeit“ (Probability of Default, PD) und des geschäftsspezifischen Inputparameters „Erwartete Verlustrate bei Ausfall“ (Loss given Default Rate, LGD). Der – ebenfalls geschäftsspezifische – Inputparameter „Restlaufzeit“ (Maturity, M) wird nur zur Bestimmung der Risikogewichte bei Krediten an Unternehmen, Staaten und Banken angewendet, nicht aber bei Krediten an Privatkunden explizit berücksichtigt. Die Basis für die Quantifizierung der Inputparameter zur Kalkulation der Risikogewichte für Nicht-Privatkundenkredite – also für Kredite an Banken, Staaten und Unternehmen – ergibt sich aus der Bonitätseinstufung jedes einzelnen Kreditnehmers (vgl. S. 256 ff.). Um sich für aufsichtliche Zwecke zu qualifizieren, muss ein bankinternes Rating-System im Minimum sieben Klassen für nicht-notleidende respektive nicht-zweifelhafte Kredite und mindestens eine Klasse für notleidende respektive zweifelhafte Kredite aufweisen. Im weiteren sollte das Rating-System zwei Dimensionen berücksichtigen: •
eine kreditnehmerspezifische Dimension, in der alle Kredite eines Kreditnehmers ungeachtet ihrer Spezifikationen dasselbe Rating aufweisen und
•
eine transaktionsspezifische Dimension, in der die Besonderheiten der einzelnen Kredite berücksichtigt werden.
Darüber hinaus gelten weitere Anforderungen hinsichtlich Vollständigkeit und Glaubwürdigkeit der Rating-Zuordnung, der Überwachung von Rating-Systemen und Prozessen und der Kriterien sowie der Ausrichtung des Rating-Systems (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001h und BASLER AUSSCHUSS 2004). Grundsätzlich ergeben sich nun die Inputparameter für das Risikogewicht eines einzelnen Kredits aus dem Durchschnitt dieses Parameters in den einzelnen Rating-Klassen (bei NichtPrivatkundenkrediten) respektive in den einzelnen Segmenten (bei Privatkundenkrediten; vgl. Abb. 177).
278
Anrechnungsfaktor gemäss IRB-Ansatz abhängig von
gegenparteibezogenem Inputparameter
Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) Nicht-Privatkundenkredite: basierend auf Durchschnittswerten der einzelnen RatingKlassen
Privatkundenkredite: basierend auf Durchschnittswerten der einzelnen Segmente
geschäftsspezifischen Inputparametern
Erwartete Verlustrate bei Ausfall (LGD) Nicht-Privatkundenkredite: basierend auf Durchschnittswerten der einzelnen RatingKlassen
Privatkundenkredite: basierend auf Durchschnittswerten der einzelnen Segmente
Restlaufzeit (M) Einbezug nur bei NichtPrivatkundenkrediten
Abb. 177: Inputparameter zur Bemessung des Anrechnungsfaktors
Zur Quantifizierung dieser Inputparameter stellt der BASLER AUSSCHUSS den Banken mit dem Basisansatz und dem fortgeschrittenen Ansatz grundsätzlich jeweils zwei Verfahren zur Auswahl. Die Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default, PD) eines Kredits wird im IRBVerfahren mit der durchschnittlichen Ausfallrate der Rating-Klasse (Nicht-Privatkundenkredite) respektive des Segments (Privatkundenkredite) gleichgesetzt, welcher der entsprechende Kreditnehmer zugeordnet wurde (zur Bonitätseinstufung von Gegenparteien vgl. S. 439 ff.). Diese Ausfallwahrscheinlichkeit verringert sich, wenn ein anerkannter Sicherungsgeber existiert (Staaten, PSE und Banken, die ein niedrigeres Risikogewicht haben als der Schuldner, oder Unternehmen, die eine tiefere Ausfallwahrscheinlichkeit aufweisen, als es dem Rating von „A-“ entspricht), oder wenn das Geschäft über ein Kreditderivat abgesichert wurde. Für alle Gegenparteien, mit Ausnahme der Kreditnehmerklasse „Staaten“ wird allerdings eine Mindest-Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,03 % unterstellt. Die Ausfallwahrscheinlichkeit der Kreditnehmer, die in Übereinstimmung mit der Ausfalldefinition einer Ausfallklasse zugeordnet werden, beträgt 100 %. Im Basisansatz bemisst sich dann das Risikogewicht des besicherten Teils des Exposures, indem für diesen Teil die Ausfallwahrscheinlichkeit (PD) der Gegenpartei durch diejenige des Garanten substituiert wird. Auf den unbesicherten Teil des Kredits ist die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers anzuwenden. Die Behandlung einer eventuellen proportionalen Besicherung erfolgt in Übereinstimmung mit dem Standardansatz.
279
Grundsätzlich können bei den Kreditderivaten nur Credit Default Swaps und Total Return Swaps anerkannt werden. Sind aber bei solchen Kredit und Referenzwert nicht identisch, liegt also ein Asset Mismatch vor, dann müssen zur Anerkennung der Referenzwert und die zugrundeliegende Forderung vom selben Schuldner emittiert und der Referenzwert gleichoder nachrangig gegenüber dem zugrundeliegenden Kredit sein. Zudem muss eine rechtlich wirksame wechselseitige Verweis-Klausel (beispielsweise eine Cross-Default- oder eine Cross-Acceleration-Clause) existieren. Die Behandlung von Restlaufzeitinkongruenzen zwischen Kredit und Besicherung erfolgt nach derselben Formel wie im Standardansatz (vgl. S. 281 ff.). Verwenden Banken den fortgeschrittenen Ansatz zur Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeiten unter Berücksichtigung von Garantien und Kreditderivaten, können sie den Grad der Risikoübertragung innerhalb aufsichtlich definierter Parameter selbst festsetzen. Auch ist der Kreis der anerkannten Garanten nicht eingeschränkt. Grundsätzlich wird dem Kredit dann die Ausfallwahrscheinlichkeit zugeordnet, die derjenigen der Rating-Klasse respektive des Segments des Garantiegebers entspricht, oder aber – bei nicht vollständiger Substitution – eine, die zwischen derjenigen der Rating-Klasse respektive des Segments des Schuldners und der des Garantierenden liegt. Allerdings darf in keinem Fall dem mit einer Garantie besicherten Kredit eine Ausfallwahrscheinlichkeit zugewiesen werden, die vorteilhafter als die des Garantiegebers ist. Das bedeutet, dass auch vorteilhafte negative Korrelationen zwischen dem Ausfall des Kreditnehmers und des Garantierenden nicht berücksichtigt werden dürfen. Zudem gilt eine Reihe weiterer Einschränkungen und Mindestanforderungen für Garantien und Kreditderivate, die erfüllt sein müssen, bevor eine Bank den fortgeschrittenen Ansatz anwenden darf (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001h). Speziell bei Kreditderivaten sind zusätzlich dieselben Anforderungen wie im Basisansatz zu erfüllen, wenn aus nicht übereinstimmenden Aktiva Restrisiken herrühren. Zusammengefasst werden die wichtigsten Punkte in Abb. 178.
Ausfallwahrscheinlichkeit (PD)
Kredit nicht mit Kreditderivat oder Garantie besichert
PD des Kredits entspricht durchschnittlicher PD der RatingKlasse des Kreditnehmers
Kredit mit Kreditderivat oder Garantie besichert
Basisansatz: PD des Kredits entspricht durchschnittlicher PD des Sicherungsgebers; Grad der Risikoübertragung parametrisiert
Abb. 178: Die Quantifizierung der Ausfallwahrscheinlichkeit
280
fortgeschrittener Ansatz: PD des Kredits entspricht durchschnittlicher PD des Sicherungsgebers; Grad der Risikoübertragung bankintern geschätzt
Die erwartete Verlustrate bei Ausfall (Loss Given Default Rate, LGD) ist der zweite Inputparameter zur Berechnung des Anrechnungsfaktors. Im Gegensatz zur Ausfallwahrscheinlichkeit beruht sie nicht auf einer Einschätzung der Gegenpartei, sondern des spezifischen Geschäfts. Zur Bestimmung der Höhe der erwarteten Verlustrate sind mehrere Ebenen zu betrachten: Zunächst ist zu unterscheiden, ob Kredite an Unternehmen, Banken oder Staaten vergeben werden, oder ob es sich um Geschäfte mit Privatkunden handelt. Im ersten Fall stellt der BASLER AUSSCHUSS zwei Ansätze zur Verfügung: einen Basisansatz und – für Banken, welche die zusätzlichen qualitativen Anforderungen erfüllen – einen fortgeschrittenen Ansatz. Im zweiten Fall existiert durch die Tatsache, dass die Aufsichtsbehörden keine Parameter zur Verfügung stellen, sozusagen nur ein fortgeschrittener Ansatz. Im nur bei Krediten an Nicht-Privatkunden anwendbaren Basisansatz werden schliesslich wiederum zwei Fälle unterschieden, nämlich die, ob ein Kredit mit anerkannten Sicherheiten besichert ist oder nicht. Ist ein Kredit nicht besichert, so wird vorrangigen Ansprüchen grundsätzlich eine Verlustrate bei Ausfall in Höhe von 45 % unterstellt, nachrangigen eine solche von 75 %. Wird ein Nicht-Privatkundengeschäft jedoch mit anerkannten Sicherheiten unterlegt, so ist im Basisansatz weiter danach zu unterscheiden, ob es sich bei der Sicherheit um eine finanzielle oder eine physische Besicherung handelt. Die Methodik für die Akzeptanz von anerkennungsfähigen finanziellen Sicherheiten lehnt sich eng an die Darstellung des „umfassenden Ansatzes“ für Sicherheiten im Standardansatz an (vgl. S. 268 ff.): Zuerst muss der bereinigte Wert des Exposures (E*) gebildet werden. Dies geschieht in derselben Weise wie im Standardansatz. Danach wird die effektive erwartete Verlustrate bei Ausfall ermittelt, indem die erwartete Verlustrate vor Einbezug der Sicherheiten (entweder 45 % oder 75 %) mit einem gewichteten Verhältnis aus dem Forderungsbetrag nach Kreditrisikominderung und dem aktuellen Wert der Forderung (Forderungsbetrag) multipliziert wird. E *· § LGD* max¨ 0; LGD ¸ E ¹ © mit: LGD* = effektive Verlustrate bei Ausfall unter Einbezug der finanziellen Sicherheiten; LGD = Verlustrate bei Ausfall ohne Einbezug der finanziellen Sicherheiten; E = Forderungsbetrag; E* = Forderungsbetrag nach Kreditrisikominderung
Innerhalb des Basisansatzes unterscheidet sich von der genannten Methode zum Einbezug finanzieller Sicherheiten die Methode zum Einbezug physischer Sicherheiten. Darunter fallen Wohn- und Gewerbeimmobilien, Forderungen sowie andere anerkannte Sicherheiten resp. Sicherungsinstrumente, welche die gestellten Anforderungen erfüllen (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2002). Entscheidend ist hier das Verhältnis des Werts der Sicherheiten zum Nominalbetrag des Kredits. Allerdings darf die Bewertung der Sicherheit den aktuellen Verkehrswert nicht übersteigen, und der Bank sollte ein erstes Pfandrecht an der Sicherheit, respektive eine erstrangige Grundschuld auf die Sicherheit eingeräumt worden sein. Unterschreitet nun dieses Verhältnis von Nominalbetrag des Kredits zum Wert der Sicherheit beispielsweise bei Immobilien die Untergrenze von 30 %, so wird der Kredit so betrachtet, als wäre er unbesichert und entsprechend wird eine Verlustrate bei Ausfall von 45 % respektive 75 % unter-
281
stellt. Übersteigt das Verhältnis beispielsweise bei Immobilien die Obergrenze von 140 %, wird dem Kredit eine Ausfallrate bei Verlust von 35 % zugeordnet. Liegt – wiederum bezüglich Immobiliensicherheiten – das Verhältnis zwischen 30 % und 140 %, so erhält der Teil des Exposures, der zu 140 % abgesichert ist, eine LGD von 35 %. Das restliche Exposure wird als unbesichert betrachtet und erhält demnach eine LGD von 45 % (respektive 75 %). Diese Zusammenhänge werden in Abbildung 179 nochmals dargelegt, wobei die beschriebene Untergrenze des Verhältnisses aus Wert der Sicherheit und Höhe des Exposures als C*, die beschriebene Obergrenze als C** bezeichnet wird. Erwartete Verlustraten bei Ausfall (LGD) im Basisansatz
unbesicherte Forderungen
vorrangige Forderungen an Unternehmen: 50 %
Forderungen durch anerkennungsfähige finanzielle Sicherheiten besichert
Enge Anlehnung an den „umfassenden Ansatz“ für Sicherheiten im Standardansatz
Forderungen durch anerkennungsfähige physische Sicherheiten besichert
Sicherungsinstrument
LGD*
C*
C**
Forderungen (Receivables)
35 %
0%
125 %
Immobilien
35 %
30 %
140 %
Andere Sicherheiten
40 %
30 %
140 %
nachrangige Forderungen an Unternehmen: 75 % Abb. 179: Ermittlung der Verlustraten bei Ausfall im Basisansatz mit: LGD* = LGD des abgesicherten Teils.
Schliesslich existiert noch der Fall, in welchem ein Kredit durch einen Pool finanzieller und physischer Sicherheiten besichert ist. In einem solchen Fall muss der Kredit aufgeteilt werden, und zwar in einen Teil, der ausschliesslich durch finanzielle Sicherheiten besichert ist, einen Teil, der ausschliesslich durch physische Sicherheiten besichert ist und einen Teil, der unbesichert ist. Anschliessend muss das Risikogewicht für jeden Teil individuell berechnet werden. Bei Erfüllung bestimmter zusätzlicher Mindestanforderungen kann die Aufsichtsbehörde der Bank die Verwendung des fortgeschrittenen Ansatzes zur Bestimmung der Verlustraten bei Ausfall (LGD) erlauben. Dabei kann sie ihre eigenen internen Schätzungen für die Verlustraten bei Ausfall von Unternehmenskrediten verwenden. Dies erfolgt – ähnlich wie bei der Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit – bei Nicht-Privatkundenkrediten über die Verwendung eines speziellen LGD-Ratings, worin jeder Kredit einer bestimmten LGD-Rating-Klasse zugeordnet sein muss. Die geschätzte Ausfallrate des Kredits entspricht dann der durchschnittlichen Ausfallrate der LGD-Rating-Klasse, welcher der Kredit zugeordnet ist. Bei Privatkundenkrediten entspricht die geschätzte Verlustrate der durchschnittlichen Verlustrate im entsprechenden Segment. Als Verlust zählt dabei nicht allein der im Rechnungswesen ver282
buchte Verlust. Vielmehr werden auch Abzinsungseffekte, Refinanzierungskosten sowie direkte und indirekte Kosten der Kreditabwicklung im Verlustfall miteinbezogen. Die qualitativen Mindestanforderungen, welchen die Bank genügen muss, um Ausfallraten selbst zu schätzen, sind sehr umfangreich (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001h und BASLER AUSSCHUSS 2004 sowie ausführlich dazu S. 260 ff.). So müssen unter anderem die angenommenen Ausfallraten eine konservative Schätzung der durchschnittlichen Ausfallraten über einen hinreichend langen Zeitraum darstellen – das heißt ein gesamter Konjunkturzyklus, mindestens aber 7 Jahre –, gleichzeitig aber auch zukunftsgerichtet sein. Darüber hinaus muss eine Bank für jeden Kredit eine Verlustrate schätzen, die einen etwaigen wirtschaftlichen Abschwung berücksichtigt. Diese kann nicht geringer sein als die langfristige durchschnittliche Verlustrate. Im Weiteren ist die Bank für die Festlegung angemessener Verfahren zur kalkulatorischen Erfassung von Sicherheiten verantwortlich. In jedem Fall muss aber eine konservative Bewertung erfolgen. Die verwendeten LGD-Schätzungen müssen außerdem in die Verfahren zur Bemessung der Kreditkonditionen, das heißt der Bestimmung der Risikokosten, eingehen. Vorgeschrieben ist auch mindestens einmal jährlich eine interne Validierung des angewendeten Verfahrens hinsichtlich der Frage, ob die tatsächlichen Verluste den Schätzungen entsprechen sowie die Durchführung von sogenannten „Stress-Tests“. Mit Hilfe dieser sollen zukünftige Veränderungen der Wirtschaftslage oder andere Ereignisse, die ungünstige Auswirkungen auf die LGD-Schätzungen der Bank haben könnten, erkannt, sowie deren Auswirkungen auf die gesamte Eigenmittelausstattung bewertet werden. Als Untersuchungsobjekte können gemäß BASLER AUSSCHUSS hier Konjunkturabschwünge, Marktrisiko-Ereignisse und Korrelationen zwischen Ausfallraten- und Ausfallwahrscheinlichkeiten über alle Kredite hinweg dienen. Im Gegenzug steht es dafür den Banken vollkommen frei, auch zusätzliche Besicherungen bei der Schätzung der erwarteten Verlustrate bei Ausfall zu berücksichtigen. Die verschiedenen Möglichkeiten der LGD-Schätzungen sind in Abbildung 180 dargestellt.
LGD-Schätzungen
Kredite an Nicht-Privatkunden
Basisansatz
Kredit besichert
finanzielle Sicherheiten
Kredite an Privatkunden
fortgeschrittener Ansatz
Kredit nicht besichert
Kredit besichert
physische Sicherheiten
Kredit nicht besichert
fortgeschrittener Ansatz
Kredit besichert
Kredit nicht besichert
finanzielle und physische Sicherheiten
Abb. 180: Verfahren der Schätzung von erwarteten Verlustraten bei Ausfall
283
Zur Bestimmung der Restlaufzeit wird im Basisansatz, der auf Geschäfte mit Privatkunden ebenso wie auf Geschäfte mit Nicht-Privatkunden anwendbar ist, ein auf alle Kredite anwendbarer Durchschnittswert von 2,5 Jahren unterstellt. Bei Wertpapierpensions- und ähnlichen Geschäften wird die Restlaufzeit mit 6 Monaten angenommen. Berücksichtigt die Bank die Restlaufzeit explizit, wie im fortgeschrittenen Ansatz vorgesehen, so wird diese begrenzt. Die minimale Restlaufzeit beträgt nach den Vorgaben des BASLER AUSSCHUSSES 1 Jahr, die maximale Restlaufzeit 5 Jahre. Bei einem Instrument mit einem vorher festgesetzten Tilgungsplan ist die Restlaufzeit das wie folgt definierte gewichtete Mittel der restlichen Tilgungen:
¦ *
RLZ =
t Pt
t
¦
Pt
t
mit: RLZ* = gewichtete Restlaufzeit; P = gemäß Vertrag fällige Tilgung; t = Zeitpunkt
Allerdings können die nationalen Aufsichtsbehörden Banken für Kredite Erleichterungen gewähren, die an Unternehmen mit demselben Sitzstaat vergeben wurden, deren konsolidierte Umsätze sowie die Bilanzsumme weniger als 500 Mio. EUR betragen. In solchen Fällen werden für die effektive Restlaufzeit auch bei Einbezug der effektiven Restlaufzeit pauschal 2,5 Jahre unterstellt. Mit den nun entweder über den Basisansatz oder über den fortgeschrittenen Ansatz ermittelten Inputdaten „Ausfallwahrscheinlichkeit“, „Verlustrate bei Ausfall“ und „Restlaufzeit“ lassen sich nun die Risikogewichte für den Kredit errechnen. In einem ersten Schritt ist ein „Brutto-Risikogewicht“ für den Kredit zu ermitteln, das auf der berechneten Ausfallwahrscheinlichkeit entweder der Rating-Klasse oder des Segments des Kredits sowie auf einer Standard-Korrelation beruht. In den ursprünglichen Vorschlägen des Basler Ausschusses zur Neugestaltung der Eigenkapitalvereinbarung war neben dem unerwarteten Verlust zunächst auch der zu erwartende Verlust (mit Ausnahmen im Retailportfolio) vollständig mit Eigenmitteln zu unterlegen. Diese Vorgehensweise sorgte für Kritik seitens der Kreditwirtschaft, da erwartete Verluste bereits durch entsprechende Wertberichtigungen abgedeckt sind. Eine Unterlegung des zu erwartenden Verlustes würde de facto einer Doppelbelastung gleichkommen. Der Basler Ausschuss hat diese Kritik aufgegriffen und die Funktionen des IRBAnsatzes derart angepasst, dass die durch Wertberichtigungen abgedeckten erwarteten Verluste nicht mit Eigenmitteln zu unterlegen sind. Um zu überprüfen, ob die vorhandenen Wertberichtigungen zur Deckung der erwarteten Verluste ausreichen, müssen die Expected Loss-Beträge der Forderungen (mit Ausnahmen für bestimmte Beteiligungspositionen sowie Verbriefungen) aufsummiert und mit den gesamten anerkennungsfähigen Wertberichtigungen verglichen werden (vgl. NAHR 2008). Ein Differenzbetrag kann ggf. dem Ergänzungskapital zugerechnet werden bzw. muss vom haftenden Eigenkapital abgezogen werden (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2004, S. 12, S. 74f., S. 111):
284
Fall A: Summe der EL-Beträge < Summe der anerkennungsfähigen Wertberichtigungen Der Differenzbetrag kann bei Zustimmung der Aufsicht dem Ergänzungskapital zugerechnet werden. Dabei ist ein Cap i.H.v. 0,6 % der gewichteten Risikoaktiva zu beachten.
Fall B: Summe der EL-Beträge > Summe der anerkennungsfähigen Wertberichtigungen Der Differenzbetrag ist jeweils zu 50 % vom Kern- und Ergänzungskapital abzuziehen. Abb. 181: Erwartete Verluste und Wertberichtigungen
Von der Formel zum BRG ist daher der Term PD u LGD im Vergleich zur ursprünglichen Fassung zu subtrahieren. Die Formel für das Brutto-Risikogewicht (BRG) lautet für Privatkundenkredite, unabhängig davon, ob es sich um private Hypothekarkredite, revolvierende Kredite oder übrige Privatkundenkredite handelt, grundsätzlich wie folgt: 0,5 º ª ª º § R · -0,5 ¸ G(0,999)» - PD u LGD» u 12,5 u 1,06 BRG PK « N «(1 R) G(PD) ¨ ©1- R ¹ ¼» ¼» ¬« ¬« mit: BRG = Benchmark-Risikogewicht, PD = Ausfallwahrscheinlichkeit; N(.) = Verteilungsfunktion der Standard-Normalverteilung; G(.) = Inverse der Verteilungsfunktion der Standard-Normalverteilung; NPK = Nicht-Privatkundenkredite; RK = Risikoklasse; R = Standard-Korrelation
Für private Hypothekarkredite wird die Standard-Korrelation einheitlich auf 0,15 und für revolvierende Privatkundenkredite auf 0,04 festgelegt. Die Standard-Korrelationen der übrigen Privatkundenkredite sind von der berechneten Ausfallwahrscheinlichkeit abhängig. Sie bewegen sich im Intervall zwischen 3 % und 16 %. Mit steigender Ausfallwahrscheinlichkeit sinken die Werte für die Korrelationsfaktoren. RHypo = 0,15 R revPKK
0,04
R übrPKK
§ § 1 e 35PD · · § 1 e 35PD · ¨1 ¨ ¸ ¸¸ 0,03 ¨¨ 0,16 35 ¸ ¨ ¨ 1 e 35 ¸ ¸ ¹¹ © 1 e ¹ © ©
Bei einer unterstellten LGD von 40 % für Hypothekar- und die übrigen Privatkundenkredite (welche typischerweise besichert sind) und 45 % für revolvierende Kredite (welche typischerweise unbesichert sind), ergeben sich in Abhängigkeit der unterstellten PD die in Abbildung 182 dargestellten Werte für das Bruttorisikogewicht.
285
PDRK
0,01 % 0,05 % 0,10 % 0,25 % 0,5 % 1,00 % 3,00 % 5,00 % 10,0 %
BRGHypo
4,07
15,07
25,98
52,15
86,61
140,80 287,64 388,90 561,00
BRGrevPKK
0,97
3,93
7,11
15,39
27,29
47,86
BRGübrPKK
4,40
16,01
27,09
51,82
80,20
115,77 171,76 196,19 257,45
112,94 165,39 270,49
Abb. 182: Benchmark-Risikogewichte für Kredite an Nicht-Privatkunden in Abhängigkeit von der Ausfallwahrscheinlichkeit (Werte jeweils in Prozent) mit: PD = Ausfallwahrscheinlichkeit; BRG = Benchmark-Risikogewicht; RK = Risikoklasse; NPK = Nicht-Privatkundenkredit
Schliesslich muss das berechnete BRG um die Sicherheiten korrigiert werden. Das geschieht durch Multiplikation des BRG mit dem entsprechenden Wert für den LGD. Gemäß Definition des Basler Ausschusses sind revolvierende Kredite wie bspw. Kreditkartenforderungen grundsätzlich unbesichert, eine LGD von 45 % ist somit typisch. Somit ergeben sich die Algorithmen zur Berechnung des Risikogewichts (RG) für die einzelnen Privatkundenkategorien wie folgt: RGHypo = LGD · BRGHypo RGrevPKK = LGD · BRGrevPKK RGübrPKK = LGD · BRGübrPKK Insgesamt ergeben sich in Abhängigkeit der unterstellten PD und der LGD von oben die in Abb. 183 dargestellten Werte für die Risikogewichte. PDRK
0,01
0,05
0,10
0,25
0,50
1,00
RGHypo
1,63
6,03
10,39
20,86
34,64
56,32
115,06 155,56 224,40
RGrevPKK
0,44
1,77
3,20
6,92
12,28
21,54
50,82
74,43
121,72
RGübrPKK
1,76
6,41
10,84
20,73
32,08
46,31
68,70
78,48
102,98
3,00
5,00
10,00
Abb. 183: Benchmark-Risikogewichte für Kredite an Privatkunden (Werte jeweils in Prozent) mit: PD = Ausfallwahrscheinlichkeit; BRG = Benchmark-Risikogewicht; RK = Risikoklasse
Die Algorithmen zur Berechnung der Risikogewichte für Kredite an Unternehmen, Banken und Staaten entsprechen grundsätzlich denen für Privatkunden. Allerdings werden sie noch um einen Term erweitert, der der expliziten Restlaufzeit Rechnung trägt.
BRG U,B,S
286
0,5 ª º º ª § R · «12,5 N «(1 R) - 0,5 G(PD) ¨ ¸ G(0,999)» PD LGD» LZ 1,06 ©1- R ¹ «¬ »¼ »¼ «¬
Der Laufzeitfaktor LZ wurde vom BASLER AUSSCHUSS dabei wie folgt kalibriert: LZ =
1 (M 2,5) (0,11852 - 0,05478 · ln (PD)) 2 1 1,5 (0,11852 - 0,05478 · ln (PD)) 2
Grundsätzlich wird im IRB-Basisansatz eine parametrisierte Restlaufzeit M von 2,5 Jahren für alle Exposures unterstellt. Beim fortgeschrittenen IRB-Ansatz werden hingegen die effektiven Restlaufzeiten der Engagements verwendet. Allerdings dürfen Banken auf freiwilliger Basis auch im IRB-Basisansatz die effektiven Restlaufzeiten mit einbeziehen. Eine Erleichterung existiert für kleinere Unternehmen: Auch bei Verwendung des fortgeschrittenen IRBAnsatzes sowie bei ansonsten expliziter Berücksichtigung der Restlaufzeit im IRBBasisansatz dürfen Banken bei Exposures gegenüber allen Unternehmen, deren jährlicher konsolidierter Umsatz sowie die Bilanzsumme 500 Mio. EUR nicht übersteigt, eine parametrisierte Restlaufzeit von 2,5 Jahren unterstellen. Der Korrelationsfaktor wird grundsätzlich wie bei den Privatkundenkrediten berechnet, allerdings verändert sich das Intervall auf Werte zwischen 12 % und 24 %:
R U, B,S
50 PD · · § § § 1 e 50 PD · ¸ 0,24 ¨1 ¨ 1 e ¸¸ 0,12 ¨ ¨ 1 e 50 ¸ ¨ ¨ 1 e 50 ¸ ¸ © ¹ © ¹¹ ©
Kredite an kleinere Unternehmen (SME, Small- and Medium-Sized Entities), deren konsolidierte Umsätze den Wert von 50 Mio EUR nicht übersteigen, erhalten ein reduziertes Risikogewicht. Dieser „Rabatt“ findet seinen Niederschlag in einer Reduktion des Korrelationsfaktors und hängt in seiner Höhe vom Umfang der konsolidierten Erträge des Unternehmens ab. Bei einem konsolidierten Umsatz unter 5 Mio. EUR wird der Wert für den Umsatz automatisch auf 5 Mio. EUR angehoben, bei einem konsolidierten Umsatz von genau 50 Mio. EUR entsprechen sich ceteris paribus die Werte für die Korrelationsfaktoren bei „grossen“ und „kleinen“ Unternehmen. Der Korrelationsfaktor präsentiert sich somit wie folgt:
R SME
50 PD · · § § § 1 e 50 PD · ¸ 0,24 ¨1 ¨ 1 e ¸ ¸ 0,4 §¨1 S 5 ·¸ ; 0,12 ¨ ¨ 1 e 50 ¸ ¨ ¨ 1 e 50 ¸ ¸ 45 ¹ © ¹ ¹¹ © © ©
für S < 50 Mio. EUR
Auch hier sollen die Risikogewichte in Abhängigkeit unterschiedlicher Ausfallwahrscheinlichkeiten dargestellt werden. Dabei sollen drei Fälle unterschieden werden: (1) Unternehmen, welche einen jährlichen konsolidierten Umsatz von weniger als 50 Mio. EUR aufweisen (und einer Bilanzsumme, die weniger als 500 Mio. EUR beträgt). Diese kommen in den Genuss eines verminderten Korrelationsfaktors. Gleichzeitig darf bei diesen – selbst wenn ansonsten eine explizite Restlaufzeitberücksichtigung gewählt wird – in jedem Fall eine parametrisierte Restlaufzeit von 2,5 Jahren angenommen werden. (2) Unternehmen, welche einen jährlichen konsolidierten Umsatz von mehr als 50 Mio. EUR und weniger als 500 Mio. EUR aufweisen (und einer Bilanzsumme, die weniger als 500 Mio. EUR beträgt). Bei diesen darf in jedem Fall eine parametrisierte Restlaufzeit von 287
2,5 Jahren verwendet werden. Ein Abzug beim Korrelationsfaktor darf aber nicht vorgenommen werden. (3) Alle übrigen Unternehmen, Banken und Staaten: Ein Abzug beim Korrelationsfaktor darf nicht vorgenommen werden. Eine parametrisierte Restlaufzeit von 2,5 Jahren darf nur bei Anwendung des IRB-Basisansatzes mit parametrisierter Restlaufzeitberücksichtigung unterstellt werden, nicht aber bei Anwendung des IRB-Basisansatzes mit Berücksichtigung der expliziten Restlaufzeiten und auch nicht beim fortgeschrittenen IRB-Ansatz. Unterstellt wird in allen Fällen eine LGD von 45 % und – im Fall (3) – zusätzlich eine effektive Restlaufzeit von 4 Jahren. In den Fällen (1) und (2) beträgt die angenommene Restlaufzeit 2,5 Jahre. Im weiteren wird bezüglich des Falles (1) unterstellt, dass der konsolidierte jährliche Umsatz 25 Mio. EUR beträgt. Die resultierenden Risikogewichte werden in Abbildung 184 dargestellt. Wird bei Fall (3) unterstellt, dass der IRB-Basisansatz mit parametrisiertem Einbezug der Restlaufzeit (2,5 Jahre) angewendet wird, so entsprechen die Risikogewichte denjenigen bei Fall (2). PDRK
0,03
0,05
0,1
0,25
0,5
1
RG (1)
13,61
18,56
28,56
47,33
67,17
90,10
RG (2)
15,50
21,12
31,95
53,61
75,98
101,99 147,65 177,47 240,70
RG (3)
22,86
30,18
43,79
69,66
95,02
123,02 169,01 198,74 262,31
3
5
10
129,45 155,51 213,89
Abb. 184: Benchmark-Risikogewichte für Kredite an Nicht-Privatkunden (Werte jeweils in Prozent) mit: PD = Ausfallwahrscheinlichkeit; BRG = Benchmark-Risikogewicht; RK = Risikoklasse
Zu beachten ist im Weiteren, dass Exposures gegenüber (Klein-) Unternehmen, die 1 Mio. EUR nicht übersteigen, wie Privatkundenkredite behandelt werden dürfen. Banken, welche die Mindestanforderungen für die Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeiten im IRB-Ansatz für Spezialfinanzierungen nicht erfüllen, müssen ihre internen Risikoklassen fünf aufsichtlich vorgegebenen Kategorien zuordnen, die alle mit einem bestimmten Risikogewicht versehen sind. Das Risikogewicht hängt dann zum einen davon ab, ob dem jeweiligen Engagement das Attribut „strong“, „good“, „satisfactory“, „weak“ oder „default“ zugeordnet wird, zum anderen davon, ob es sich um eine Finanzierungsfazilität einer hochvolatilen Gewerbeimmobilie handelt oder um eine sonstige Spezialfinanzierung. Die Eigenmittelanforderung ergibt sich nun insgesamt dadurch, dass das Produkt aus Risikovolumen und Risikogewicht mit dem Solvabilitätskoeffizienten von 8 % multipliziert wird (vgl. Abb. 185).
288
Attribut
„strong“
„good“
„satisfactory“
„weak“
„default“
RG HVCRE
95 %
120 %
140 %
250 %
0%
RG andere SL
70 %
90 %
115 %
250 %
0%
Abb. 185: Benchmark-Risikogewichte für Kredite an Nicht-Privatkunden mit: RG = Risikogewicht; HVCRE = hochvolatile Gewerbeimmobilie (high-volatility commercial real estate); SL = Spezialfinanzierung (special lending)
(4)
Abbildung der Risikostruktur mittels aufsichtlicher Kennzahlen
Um das Ausfallrisiko besser steuern zu können, lassen sich die Risikostrukturkennzahlen in die bereits erwähnten zwei Gruppen unterteilen: Kennzahlen zur Analyse des Volumens sowie Kennzahlen zur Beurteilung der Risikotragfähigkeit. Aufbauend auf der Definition des Risikovolumens gemäß BASLER AUSSCHUSS lässt sich eine Kennzahl definieren, die das Ausmaß des risikotragenden Geschäftsvolumens am gesamten Geschäftsvolumen angibt. • Risikovolumensquote
=
Risikovolumen (gemäß BASLER AUSSCHUSS) Geschäftsvolumen
Neben dem Anteil des risikotragenden Geschäftsvolumens am gesamten Geschäftsvolumen der Bank, ist für die Steuerung der Risiken insbesondere die Risikostruktur innerhalb der risikobehafteten Volumina von Bedeutung. Einen ersten Einblick in die Zusammensetzung des Risikovolumens kann man erhalten, in dem die Risikovolumina in den einzelnen Anrechnungsklassen ins Verhältnis zum gesamten Risikovolumen gesetzt werden.
•
Volumensverteilung über die Risikogewichte
=
Risikovolumina in den einzelnen Anrechnungsklassen Gesamtes Risikovolumen
Die Volumenverteilung über die Risikogewichte kann darüber hinaus zu einer Kennzahl verdichtet werden. Die Risikoanrechnungsquote illustriert, mit welchem durchschnittlichen Prozentsatz die jeweiligen Risikovolumina der Bank nach den Vorschriften des BASLER AUSSCHUSSES angerechnet werden. Diese Kennzahl verdeutlicht damit die Risikointensität der einzelnen Volumina. •
Risikoanrechnungsquote
=
angerechnetes Risikovolumen (gemäß BASLER AUSSCHUSS) gesamte Risikoaktiva
Zur Beurteilung der Risikotragfähigkeit der Ausfallrisiken lassen sich aus den bankaufsichtlichen Vorgaben insgesamt zwei zentrale Kennziffern ableiten, wobei die erste – die Eigenmittelquote einer Bank – noch unterteilt werden kann:
289
•
Eigenmittelquote
=
Eigenmittel (gemäß BASLER AUSSCHUSS) Bilanzsumme (evtl. Geschäftsvolumen)
•
Eigenkapitalquote
=
bilanzielles Eigenkapital Bilanzsumme (evtl. Geschäftsvolumen)
Als Auffanggröße für Verluste kann neben dem Kernkapital insbesondere auch das Ergänzungskapital als Haftungskapital herangezogen werden. Damit lässt sich dann die folgende Kennzahl bestimmen: •
Haftungsquote
=
Kernkapital + Ergänzungskapital Bilanzsumme (evtl. Geschäftsvolumen)
Um die Risikotragfähigkeit adäquat beurteilen zu können, muss die zweite bedeutende Kennzahl letztendlich zu einem Vergleich der Risikoaktiva und dem Risikodeckungspotential führen. Um das Verhältnis zwischen diesen Größen zu beurteilen, kann die Auslastung von bankaufsichtlichen Normen bestimmt werden. Der bereits erwähnte Solvabilitätskoeffizient (vgl. S. 237 ff.) darf in keinem Fall 8 % unterschreiten.
•
Solvabilitätskoeffizient
=
anrechenbare Eigenmittel (gemäß BASLER AUSSCHUSS) gewichtete Risikoaktiva +12,5 · (Anrechnungsbeträge für Marktpreisrisiken + operationelles Risiko)
Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die Vorschriften des BASLER AUSSCHUSSES zwar die Hauptdimension des Ausfallrisikos, den Ausfall einer Gegenpartei, fast vollständig abdecken. Die Verteilung der Risiken respektive deren Korrelationen werden indes völlig vernachlässigt. Das aktivische Klumpenrisiko etwa wird nicht berücksichtigt, obgleich es im deutschen KWG schon seit geraumer Zeit Erwähnung gefunden hat. Die Begrenzung des Kreditrisikos durch den BASLER AUSSCHUSS beschränkt sich jedoch nicht nur auf die bisher dargestellten quantitativen Aspekte. Vielmehr wird seit einiger Zeit auch versucht, vermehrt qualitative Aspekte in der Bankenaufsicht zu berücksichtigen. So veröffentlichte der BASLER AUSSCHUSS im Jahre 2000 Prinzipien zum Management von Kreditrisiken, die den nationalen Aufsichtsbehörden als Kriterien bei der Evaluation bankinterner Kreditrisiko-Managementprozesse dienen sollen (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2000a). Die Anforderungen betreffen dabei die in Abbildung 186 aufgeführten vier Bereiche.
290
Aufbau eines angemessenen Umfelds
Richtlinien zur Kreditgewährung
Aufbau und Pflege effizienter Kreditprozesse
Sicherstellung adäquater KreditrisikoKontrollen
Abb. 186: Anknüpfungspunkte für die Prinzipien zum Management von Kreditrisiken
Im Punkt „Aufbau eines angemessenen Umfelds“ wird unter anderem festgehalten, dass die Festlegung sowie die regelmäßige Überwachung der Kreditrisikopolitik in den Aufgabenbereich des obersten Verwaltungsorgans fällt, welches die Entscheidungen auf Basis der bankspezifischen Risikotragfähigkeits- und Risiko-Chancen-Kalküle zu treffen hat. Für die operative Umsetzung der Strategie und die Implementierung von Kreditrisikomess-, -steuerungsund -überwachungsprozessen auf Einzelkredit- wie auf Portfolioebene trägt demgegenüber die Geschäftsleitung die Verantwortung. Zudem muss sichergestellt sein, dass sämtliche Kreditrisiken in allen Aktivitäten einer Bank identifiziert werden, besonders bei der Lancierung neuer Produkte. Der zweite Punkt besagt, dass die Kreditgewährung nur im Rahmen klar definierter geschäftspolitischer Grundsätze erfolgen darf. Konkret bedeutet das, dass die Kriterien der Kreditgewährung klar definiert sein müssen, zudem müssen die Banken ihre Zielmärkte wie die eigenen Produkte in bezug auf Struktur, Zweck und Rückzahlungsquellen des Kredits genaustens kennen. Auch sollten Kreditlimiten auf Einzelkreditbasis wie auf Basis verbundener Gegenparteien – bilanziell und außerbilanziell – etabliert sein, und festgelegte Kriterien für die Gewährung neuer oder die Verlängerung bestehender Kredite bestehen. Kredite an verbundene Unternehmen und an Bankorgane sind denselben Prinzipien zu unterwerfen wie Kredite an Drittparteien. Der Aufbau und die Pflege effizienter Kreditprozesse umfasst neben der Sicherstellung einer laufenden Kreditadministration für alle mit Gegenparteirisiken behafteten Bankportfolios die Gewährleistung einer integrierten Kreditabwicklung, die alle vorhandenen Kreditgeschäfte hinsichtlich ihres Risikogehalts fortlaufend kontrolliert und die Adäquanz von Risikovorsorgemaßnahmen sicherstellt. Zudem sollten interne Rating-Systeme im KreditrisikoManagement verwendet und weiter entwickelt werden, welche auf den Komplexitätsgrad der abgeschlossenen Geschäfte abgestimmt sind. Unabdingbar sind auch der Aufbau eines Management-Informationssystems, das eine adäquate Steuerung des Kreditrisikos aller bilanzieller 291
und außerbilanzieller Aktivitäten erlaubt und insbesondere Risikokonzentrationen identifiziert, sowie die ständige Überwachung von Zusammensetzung und Qualität des Kreditportfolios. Zudem sollten potentielle makroökonomische Veränderungen bei der Bewertung der Risiken von Einzelkrediten und Portfolios mit einbezogen werden. Zur Sicherstellung adäquater Kreditrisiko-Kontrollen gehört die Implementierung eines Systems zur unabhängigen und fortlaufenden Überprüfung der KreditrisikomanagementProzesse und institutionalisierte Berichterstattung über die Resultate an Aufsichtsrat und Geschäftsleitung, die Gewährleistung einer zeitnahen Meldung bei Abweichungen von festgelegten Strategien, Prozessen und Limiten an die zuständige vorgesetzte Stelle und die ex anteFestlegung von Maßnahmen, welche die negativen Konsequenzen von sich abzeichnenden Kreditverlusten mindern und den Umgang mit problembehafteten Krediten regeln.
292
LITERATURHINWEISE ARNOLD, W./SCHULTE-MATTLER, H. (1990) BAETGE, J. (1988) BASLER AUSSCHUSS (1988) BASLER AUSSCHUSS (1993) BASLER AUSSCHUSS (1995b) BASLER AUSSCHUSS (1996a) BASLER AUSSCHUSS (1996d) BASLER AUSSCHUSS (2000a) BASLER AUSSCHUSS (2000b) BASLER AUSSCHUSS (2001a) BASLER AUSSCHUSS (2001e) BASLER AUSSCHUSS (2001g) BASLER AUSSCHUSS (2001h) BASLER AUSSCHUSS (2002) BASLER AUSSCHUSS (2003) BASLER AUSSCHUSS (2004) BAXMANN, U.G. (1985) BLEYMÜLLER, J./GEHLERT, G./GÜLICHER, H. (2004) BOWLER, T./TIERNEY, J.F. (2000) BRAKENSIEK, T. (1991) BRÖKER, F. (2000) BRÖKER, F./LEHRBASS, F.B. (2001) BÜSCHGEN, H.E. (1999) BUND, S. (2000) BURGHOF, H.-P./HENKE, S./RUDOLPH, B. (1998) BURGHOF, H.-P./HENKE, S./RUDOLPH, B. (2000) CRAMER, M. (1981) CREDIT SUISSE (1997) CREDIT SUISSE (2001) EIDGENÖSSISCHE BANKENKOMMISSION (2006) EIGERMANN, J. (2001) HEIDORN, T. (1999) HEINRICH, M. (2001) HOHL, S./LIEBIG, T. (1999) HÜTTEMANN, P. (1997) JOHANNING, L./RUDOLPH, B. (2000)
J. P. MORGAN (1997) KIRMßE, ST. (1996) KIRMßE, ST. (2001) KLOSE, S. (1996) KNIPPSCHILD, M. (1991) KÜSPERT, H./HOHENEGG, A. (1982) LANDRY, S./RADEKE, O. (1999) LISTER, M. (1997) MARKOWITZ, H.M. (1952) MARKOWITZ, H.M. (1991) MCKINSEY & COMPANY (1998) MOODY’S (1998) NAHR, M. (2008) NORDHUES, H.-G./BENZLER, M. (1999) OFFICE OF THE COMPTROLLER OF THE CURRENCY (2002) OHL, H.P. (1994) PERRIDON, L./STEINER, M. (2006) ROLFES, B. (1999) ROLFES, B./EMSE, C. (2000b) ROLFES, B./SCHIERENBECK, H. (2001) RUDOLPH, B. (1984a) RUDOLPH, B. (2001) SAUNDERS, A. (2002) SCHIERENBECK, H. (2003a) SCHMOLL, A. (1990a) SCHMOLL, A. (1990b) SCHULTE-MATTLER, H./ TRABER U. (1997) STANDARD & POOR’S (1996) UBS AG (2000a) UBS AG (2000c) VARNHOLT, B. (1997) WAHRENBURG, M./NIETHEN, S. (2000) WILSON, T. (1997) ZEB (2001) ZUBERBÜHLER, D. (1997)
293
II.
Das Zinsänderungsrisiko
1.
Begriff, Ausprägungen und Steuerungsbereiche des Zinsänderungsrisikos
Das Zinsänderungsrisiko hat für die Banken traditionell eine besondere Bedeutung, was nicht zuletzt davon herrührt, dass der Großteil des Ertrags aus dem zinstragenden Geschäft erwirtschaftet wird. Aber auch bei den Banken, die das Dienstleistungs- und Handelsgeschäft vermehrt betonen, kann auf ein wirksames Controlling der Zinsänderungsrisiken letztlich nicht verzichtet werden. Grundsätzlich kann zwischen einem bonitäts- und einem marktzinsinduzierten Zinsänderungsrisiko unterschieden werden. Ersteres wird systematisch im Zusammenhang mit dem Kreditrisiko behandelt (vgl. S. 154 ff.). Im Folgenden geht es daher lediglich um das marktzinsinduzierte Zinsänderungsrisiko. Allgemein wird unter dem (marktzinsinduzierten) Zinsänderungsrisiko die Gefahr einer von Marktzinsänderungen herbeigeführten negativen Entwicklung des periodisierten Zinserfolgs und/oder barwertiger Zinspositionsgrößen verstanden. Entsprechend läßt sich beim Zinsänderungsrisiko das zinsinduzierte Marktwertrisiko und das Zinsspannenrisiko voneinander unterscheiden. In einer isolierten Betrachtung besteht das zinsinduzierte Marktwertrisiko in der Gefahr, daß sich die Marktwerte von Aktivpositionen durch steigende Zinsen reduzieren beziehungsweise die Marktwerte von Passivpositionen durch fallende Zinsen erhöhen. Im Rahmen des marktwertorientierten Risikobegriffs werden sämtliche bilanzwirksamen und bilanzunwirksamen Geschäftspositionen einer Bank auf potentielle Veränderungen der Marktwerte hin untersucht, indem die Schwankungen sämtlicher diskontierter Cash Flows ermittelt werden. Führt man Aktiv- und Passivseite zusammen, so besteht das gesamte bilanzielle Marktwertrisiko in der Gefahr, dass sich der im Marktwert des Eigenkapitals ausdrückende Saldo aktivischer und passivischer Marktwerte aufgrund von Zinsänderungen verschlechtert. Dabei ist zu beachten, dass die marktwertorientierte Eigenkapitaldefinition nicht dem finanzbuchhalterischen Eigenkapital entspricht (vgl. dazu auch Abb. 189). Sofern die Marktwerte der Verbindlichkeiten bei Zinsänderungen absolut stärker reagieren als die Marktwerte der Aktiva führen Phasen steigender Zinsen zu Gewinnen und Phasen sinkender Zinsen zu Verlusten hinsichtlich der Veränderungen des Marktwertes des Eigenkapitals. Diese als Marktwertreagibilität bezeichnete Sensitivität von Aktiva und Verbindlichkeiten in bezug auf Zinsänderungen ist von zwei Faktoren abhängig (vgl. Abb. 187). Der erste Faktor umfasst die noch vorzustellenden Sensitivitätsmaße (vgl. dazu S. 301 ff.). Sensitivitätsmaße, wie z.B. Key Rate Durationen oder Basispoint Values, erklären, wie stark die Marktwerte auf eine bestimmte, in der Regel auf 1 % normierte Zinsveränderung reagieren. Die zu unterstel294
lende wahrscheinliche Zinsveränderung stellt gleichzeitig den zweiten, die Marktwertreagibilität beeinflussenden Faktor dar. Bezüglich der Beurteilung der Gesamtwirkung alternativer Sensitivitätsmaße und Zinsveränderungen ist beispielsweise vorstellbar, dass sich zunächst die Zinsstrukturkurve nicht parallel verändert, sondern dreht. Durch die Drehung kann z.B. ein geringer Verfall langfristiger Zinsen und ein starker Anstieg kurzfristiger Zinsen resultieren. Aus diesem Grunde ist es möglich, dass die Marktwertveränderung langfristiger Cash Flows trotz eines hohen Sensitivitätsmaßes geringer ausfällt, als die Marktwertveränderung kurzfristiger Cash Flows mit geringem Sensitivitätsmaß. Dementsprechend sind Marktwertveränderungen stets in Abhängigkeit von Sensitivitätsmaßen und Zinsentwicklungen zu beurteilen. Zinsänderungsrisiko Marktwertreagibilität der Verbindlichkeiten > Marktwertrisiko Marktwertreagibilität der Aktiva (des Eigenkapitals) Marktwertreagibilität der Verbindlichkeiten < Marktwertreagibilität der Aktiva
Zinsanstieg
Zinssenkung
Gewinn
Verlust
Verlust
Gewinn
Abb. 187: Marktwertrisiko und Bilanzstruktur
Vom zinsinduzierten Marktwertrisiko abzugrenzen ist das Zinsspannenrisiko. Das Zinsspannenrisiko besteht in der Gefahr, dass sich der periodisierte Zinserfolg in Gestalt der Bruttozinsspanne einer Bank vermindert. Damit bezieht sich das Zinsspannenrisiko grundsätzlich auf alle Geschäftspositionen, deren Zinserträge oder -aufwendungen sich verändern können. In einer wiederum isolierten Betrachtung führen Verringerungen des durchschnittlichen Aktivzinses oder Erhöhungen des durchschnittlichen Passivzinses zu einer Verringerung der Bruttozinsspanne. Mit einer Verringerung des durchschnittlichen Aktivzinses ist aber grundsätzlich auch eine Verringerung des durchschnittlichen Passivzinses verbunden. Eine Gefahr der Verringerung der Bruttozinsspanne entsteht demnach, wenn der durchschnittliche Aktivzins stärker fällt als der Passivzins. Umgekehrt führt die Erhöhung des Passivzinses zu einer Verringerung der Bruttozinsspanne, wenn gleichzeitig der durchschnittliche Aktivzins weniger stark steigt. Wird zusätzlich berücksichtigt, dass variabel verzinsliche Positionen unterschiedlich stark auf Marktzinsänderungen reagieren, sind die entsprechenden Zinsanpassungselastizitäten zu ermitteln (vgl. dazu ausführlich S. 329 ff.). Aus der Berechnung und Gegenüberstellung durchschnittlicher aktivischer und passivischer Zinsanpassungselastizitäten ergeben sich für die Gesamtbank schließlich sogenannte Elastizitätsüberhänge. Bei einem aktivischen Elastizitätsüberhang resultiert bei sinkenden Zinsen ein Verlust und bei steigenden Zinsen ein Gewinn (vgl. Abb. 188).
295
Zinsänderungsrisiko
Zinsanstieg
Zinssenkung
aktivischer Elastizitätsüberhang
Gewinn
Verlust
passivischer Elastizitätsüberhang
Verlust
Gewinn
Zinsspannenrisiko
Abb. 188: Zinsspannenrisiko und Bilanzstruktur
Eine gewisse Kombination von Marktwert- und Zinsspannenrisiko gibt es bei einer handelsbilanzorientierten Betrachtung, wo sich neben der Veränderung der Bruttozinsspanne auch die Kursveränderungen der aktivischen bilanzwirksamen Positionen und der Positionen für Finanzderivate aus dem Handelsbestand, dem Anlagebestand sowie der Liquiditätsreserve ergebnisbeeinflussend niederschlagen. Demgemäß setzt sich das Zinsänderungsrisiko aus dem Zinsspannenrisiko und dem Marktwertrisiko der aktivischen bilanzwirksamen Positionen und der Derivate zusammen. Hinsichtlich der Derivate ist dabei zu beachten, dass diese sowohl als long- oder short-Positionen erfolgswirksame Marktwertveränderungen mit sich bringen (vgl. Abb. 189). Für die Höhe des gesamten Zinsänderungsrisikos ist letztlich entscheidend, welche Effekte sich aus der Summe der beiden, unter Umständen gegenläufigen Risikokategorien ergeben. Im Falle einer Zinssenkung erhöhen sich die Marktwerte der betroffenen aktivischen Positionen. Gewinnerhöhende und sich in der GuV niederschlagende Zuschreibungen können jedoch nur für Wertpapiere des Umlaufvermögens vorgenommen werden. Allerdings entstehen bezüglich der übrigen aktivischen Wertpapiere stille Reserven, die im Bedarfsfall durch den Wertpapierverkauf gewinnrealisierend aufgelöst werden könnten. Die positive Marktwertentwicklung fällt diesbezüglich um so höher aus, je stärker die betroffenen aktivischen Positionen auf Zinsveränderungen reagieren.
Aktiva
Passiva
sonstige Aktiva
Marktwert der Aktiva mit GuVAktiva wirksamen Marktwertveränderungen
Marktwert der Verbindlichkeiten
Ø Aktivzins
Ø Passivzins
handelsbilanzorientierte Risikoanalyse
Bruttozinsspanne
Abb. 189: Varianten der Zinsänderungsrisikoanalyse
296
Marktwert des Eigenkapitals
marktwertorientierte Risikoanalyse
Im Falle eines aktivischen Elastizitätsüberhangs ergibt sich bei Zinssenkungen ein Druck auf die Bruttozinsspanne. Ob und inwiefern die sich aus der sinkenden Bruttozinsspanne ergebenden Verluste durch Gewinne aus ansteigenden Marktwerten kompensiert werden und damit zu einer Neutralisierung oder sogar Erhöhung der Reingewinnspanne führen, hängt neben der Höhe des Elastizitätssaldos auch von der Reagibilität der aktivischen Positionen ab. Aus einem Zinsanstieg resultiert eine im Gegensatz zur Zinssenkung genau umgekehrte Ergebnisentwicklung. Die Marktwerte aktivischer Wertpapierpositionen fallen und ergeben einen Abschreibungsbedarf, der aufgrund des anzuwendenden Niederstwertprinzips stets GuVwirksam ist. Die daraus resultierende Verlustwirkung wird durch einen passivischen Elastizitätsüberhang, der zu Verringerungen der Bruttozinsspanne führt, zusätzlich erhöht. Damit ist eine insgesamt negative Veränderung der Reingewinnspanne verbunden. Die konzeptionelle Grundlage einer handelsbilanzorientierten Analyse des Zinsänderungsrisikos bildet das in Abbildung 190 dargestellte ROI-Konzept (vgl. ausführlich Band 1, S. 422 ff.). Bezugspunkt ist hierbei die Reingewinnspanne, dies deshalb, weil sich Marktwertrisiken abschreibungspflichtiger Wertpapiere in Abhängigkeit der bilanziellen Einordnung der risikobehafteten Geschäfte in drei verschiedenen Kennzahlen des ROI-Grundschemas niederschlagen können (vgl. Abb. 190). Bei Wertpapieren der Liquiditätsreserve wirken sie sich in der Risikospanne aus, die ansonsten vor allem für das schlagend gewordene Ausfallrisiko reserviert ist. Bei Wertpapieren, die dem Handels- bzw. Anlagebestand zugeordnet sind, finden sie ihren Niederschlag in der Handels- bzw. der AOSE-Spanne. Zusammengefasst lassen sich die Marktwertkonsequenzen von Marktzinsänderungen damit erst auf Ebene der Reingewinnspanne analysieren. Das Zinsspannenrisiko beeinflusst über seine Wirkung auf die Bruttozinsspanne ebenfalls die Reingewinnspanne. Allgemein gilt: Um die Gesamtwirkung von Zinsspannenrisiko und Marktwertrisiko im handelsbilanzorientierten ROI-Grundschema darzustellen, sind die Einzelwerte nach der Gleichung ¨RGSP = (¨MW + ¨BZSP) / BS mit: ¨RGSP = Veränderung der Reingewinnspanne; ¨MW = Marktwertveränderung; ¨BZSP = Veränderung der Bruttozinsspanne; BS = Bilanzsumme
zusammenzufassen. Diese handelsbilanzorientierte Sichtweise des Zinsänderungsrisikos, wie sie sich im ROIGrundschema zeigt, ist nun konsequent von der marktwertorientierten Betrachtung zu trennen. Dies natürlich zunächst auch deshalb, weil wegen spezifischer Bewertungsvorschriften in der Handelsbilanz – man denke an das Niederstwertprinzip der Aktivseite und die Bilanzierung von Verbindlichkeiten zum Rückzahlungsbetrag auf der Passivseite – schlagende Marktwertrisiken in der Handelsbilanz nur teilweise erfasst werden. Will man eine vollständige Risikoanalyse durchführen, ist folglich von einer reinen Marktwertbilanz auszugehen, die keine Rücksicht auf vorhandene Bilanzierungsvorschriften nimmt und auch die Risikowirkungen auf die Bruttozinsspanne konzeptionell enthält.
297
Bruttogewinnspanne Reingewinnspanne
Bruttoertragsspanne
Bruttozinsspanne
+
Bruttobedarfsspanne
Provisionsspanne
+
+ Handelsspanne
Risikospanne sität uid Liq erve res
els d n nd Ha esta b gela An tand e b s
Marktwertrisiko
+ AOSESpanne
Zinsspannenrisiko
Zinsänderungsrisiko Abb. 190: Einbindung von Zinsänderungsrisiken in das ROI-Grundschema
2.
Management von Zinsänderungsrisiken
a)
Konzeption moderner Zinsrisikomessverfahren
(1)
Grundlagen
Voraussetzung einer adäquaten Risikosteuerung ist die systematische Risikoanalyse. Die Bank muss über ein Instrumentarium verfügen, mit dessen Hilfe sie sich ein zutreffendes Bild über die bestehenden Marktwert- bzw. Zinsspannenrisiken verschaffen kann (Schreiben des BaFin vom 24.2.1983 in CONSBRUCH et al. 1983). Hieraus leitet sich für die Zinsrisikomessung nun die Aufgabe ab, die möglichen negativen Ergebnisabweichungen im Hinblick auf ihre Eintrittswahrscheinlichkeiten zu analysieren. Klassische Messkonzepte sind dazu nicht in der Lage, da sie mit subjektiven Szenarien bezüglich der Entwicklung von Zinssätzen operieren. Moderne Konzepte zur Risikomessung verwenden dagegen – wie im Folgenden gezeigt wird – Methoden, welche es erlauben, spezifischen Marktzinsänderungen die entsprechenden Eintrittswahrscheinlichkeiten zuzuordnen und damit Wahrscheinlichkeitsaussagen bezüglich der Marktwert- und Zinsspannenveränderungen abzuleiten.
298
Moderne Zinsrisikomessverfahren setzen also bei der Analyse von Zinsänderungsrisiken an der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Marktzinsänderungen an. Dabei wird im Folgenden von der auch in der Praxis üblichen Prämisse ausgegangen, die stetigen Veränderungsraten von Marktzinsen ließen sich approximativ als normalverteilt charakterisieren. Die Normalverteilung stimmt nicht exakt mit der empirisch beobachtbaren Verteilung stetiger Veränderungsraten von Marktzinsen überein. Insbesondere ordnet sie größeren Veränderungsraten kleinere Wahrscheinlichkeiten zu als empirisch beobachtet und erfasst beobachtbare „Ausreißer“ nur unzureichend. Sie weist jedoch gegenüber anderen statistischen Verteilungen den Vorteil auf, dass sie vollständig über die beiden Parameter Mittelwert und Standardabweichung (STD) beschrieben werden kann. Dies erlaubt Aussagen über die Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte, aus Sicht der Bank negative Ausprägungen stetiger Veränderungsraten von Marktzinsen eintreten können. Alternativ hierzu ließen sich beispielsweise mit leptokurtischen Verteilungen bessere Messergebnisse erreichen. Allerdings müsste auch hier für eine Gesamtbankrisikosteuerung wieder auf die Normalverteilung zurückgegriffen werden. Auf der Grundlage dieser, für moderne Zinsrisikomessverfahren zentralen Normalverteilungsannahme von Marktzinsänderungen, bestimmt sich das Zinsänderungsrisiko – sei es als Marktwertrisiko oder als Zinsspannenrisiko – sodann wie folgt (vgl. Abb. 191): Zunächst ist der Risikoparameter als stetige Veränderungsrate von Marktzinsen (z.B. Zerobond- oder Kuponrenditen) zu definieren, sowie dessen Volatilitäten zu bestimmen. Diese statistischen Größen sind einerseits von der Wahl der Zeitpunkte zwischen denen die Marktzinsänderungen gemessen werden abhängig. Andererseits wird das Ergebnis wiederum durch das statistische Signifikanzniveau, wie auch durch die Wahl des Analysezeitraums beeinflusst (vgl. dazu ausführlich S. 58 ff.). Die Zeitpunkte, zwischen denen die Zinssatzänderungen gemessen werden sollen, können grundsätzlich beliebig festgelegt werden. Im Rahmen der operativen Risikosteuerung, beispielsweise der Steuerung des Zinsänderungsrisikos eines Handelsportfolios, empfiehlt es sich, der Berechnung der Standardabweichungen stetige Veränderungsraten zugrundezulegen, die aus den Zinssätzen unmittelbar aufeinander folgender Tage ermittelt wurden. Damit wird quasi eine „Halte- bzw. Liquidationsperiode“ (Zeitraum bis zur Absicherung) von einem Tag unterstellt. Vielfach werden aus Vorsichtserwägungen jedoch längere Liquidationsperioden angesetzt, die zu größeren Volatilitäten führen, obwohl auch große Positionen am Markt relativ schnell abgesichert werden können. Von bankaufsichtlicher Seite her, beispielsweise im Rahmen der Marktrisikoregelungen des BASLER AUSSCHUSSES oder der Kapitaladäquanzrichtlinie, werden prinzipiell Haltedauern von 10 Tagen vorgeschlagen respektive verlangt. Für die Risikosteuerung im Rahmen eines mittel- bis langfristigen Planungshorizontes, beispielsweise der Aktiv-Passiv-Steuerung, sind die Zinsvolatilitäten dagegen für stetige Veränderungsraten längerer Zeitintervalle (z.B. eine Rechnungslegungsperiode) zu bestimmen. Entweder wird bei der Berechnung der Veränderungsraten dabei direkt von einem längeren Zeitintervall zwischen den Marktzinsen der maßgeblichen Beobachtungstage ausgegangen, oder die Standardabweichungen stetiger Veränderungsraten eintägiger Halteperioden werden unter Anwendung des Wurzelgesetzes in Standardabweichungen für längere Zeitintervalle hochgerechnet.
299
1.
Bestimmung laufzeitspezifischer Zinsvolatilitäten %
3. 3M. 1J. 2J. 3J. 4J. ...
t
Ermittlung laufzeitspezifischer Zinsrisiken %,%, GE GE 2J.
Bestimmung laufzeitspezifischer Zinssensitivitätsparameter %, GE
3M.1J. 3M. 1J.
2J.
5.
3M. 1J. 2J. 3J. 4J. ... t
3M. 3M. 1J. 1J. 2J. 2J. 3J. 3J. 4J. 4J. ... ... 3M. 3M. 11 -- -- -- -- -1J. -- 11 -- -- -- -1J. 2J. -- -- 11 -- -- -2J. 3J. -- -- --- 11 -- -3J. 4J. - - - - 11 4J. ...... -- -- -- -- - 1-1
4J. 3J. 3J.
4J.
Bestimmung der Zinskorrelationen
...... t t
- - - - -
2.
4.
Aggregation laufzeitspezifischer Zinsrisiken zum Gesamtrisiko rel. rel. HäufigHäufigkeit keit 95% 90%
X
0
Wertänderung
Marktwert-/Zinsspannenänderung
Abb. 191: Konzeption moderner Zinsrisikomessverfahren (vgl. GROß/KNIPPSCHILD 1995)
Unter Berücksichtigung der spezifischen Zinsvolatilitäten sind danach die laufzeitspezifischen Zinsrisiken zu ermitteln. Diese können teils indirekt über (daraus abgeleitete) laufzeitspezifische Sensitivitätsparameter, teils direkt anhand von Bewertungsmodellen, im Falle der Marktwertrisiken beispielsweise anhand des Barwertmodells, bestimmt werden. Letztere zeigen dabei sowohl die Richtung als auch die Intensität der Reaktion bankbetrieblicher Ergebnisgrößen auf vorgegebene Marktzinsänderungen auf. Sensitivitätsanalysekonzepte umfassen bei Marktwertbetrachtungen die klassische Durationsanalyse, das Konzept der Key Rate Duration und die Basispoint Value-Methode. Bei einer Zinsspannenbetrachtung findet das Elastizitätskonzept Anwendung. Auf diese wird im Folgenden noch näher einzugehen sein. Die Marktzinsänderungen unterschiedlicher Laufzeiten vollziehen sich jedoch nicht unabhängig voneinander, sondern es lassen sich vielmehr Interdependenzen zwischen diesen beobachten. Deshalb sind die laufzeitspezifischen Zinsrisiken schließlich unter Berücksichtigung der Zinskorrelationen zum Gesamtrisiko zu aggregieren. Im Folgenden werden zunächst die Marktwertrisiken und ihre Aggregation zum Gesamtrisiko näher untersucht.
300
(2)
Quantifizierung von Marktwertrisiken
Unabhängig vom theoretischen Konstrukt zur Bestimmung von Marktwertrisiken ist zunächst zu überlegen, welches Geschäftsvolumen überhaupt einem Zinsänderungsrisiko ausgesetzt ist. Diesbezüglich lassen sich mit dem Single Cash Flow, dem produktspezifischen Cash Flow und dem Super Cash Flow im Folgenden drei Varianten zur Definition des Risikovolumens voneinander abgrenzen (vgl. WITTROCK/JANSEN 1996 und hierzu sowie zum folgenden LISTER 1997). Im Rahmen der Single Cash Flow-Variante wird das Marktwertrisiko eines einzelnen Cash Flows gemessen. Bei der produktspezifischen Variante wird das Marktwertrisiko einer aus mehreren, zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallenden Single Cash Flows bestehenden Zinsrisikoposition, z.B. eines festverzinslichen Wertpapiers quantifiziert. Die Super Cash Flow-Variante weitet die Cash Flow- und damit die Risikoerfassung auf mehrere oder sämtliche Zinsrisikopositionen einer Bank aus. Hierbei wird jedes zu berücksichtigende Produkt zunächst in seine einzelnen Single Cash Flows zerlegt. Danach werden die laufzeitgleichen Zahlungen über alle Positionen aggregiert. Die resultierenden Super Cash Flows bilden anschließend die Basis für die Berechnung des Marktwertrisikos. (a)
Indirekte Bestimmung von Marktwertrisiken
Klassische und moderne Konzepte zur Analyse der Zinssensitivität von Marktwerten Mit den Durationskonzepten von MACAULAY (MACAULAY 1938) und FISHER/WEIL (FISHER/WEIL 1971) sollen zunächst die „Klassiker“ marktwertorientierter Sensitivitätsanalyseverfahren erörtert werden. Ausgehend von der Kritik an diesen Konzepten soll mit dem Konzept der Key Rate Duration und der Basispoint Value-Methode zwei moderne, als Indikatormodelle (vgl. S. 308 ff.) zu bezeichnende Ansätze zur Analyse der Marktwertsensitivität von Zinsrisikopositionen gegenüber Marktzinsänderungen vorgestellt werden. Die Duration, erstmals von MACAULAY Ende der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts entwickelt, wurde zunächst als eine einfache, eindimensionale Größe zur Festlegung der „durchschnittlichen Laufzeit“ von kupontragenden Anleihen konstruiert. Diese ergibt sich mathematisch als gewogener Mittelwert der einzelnen Zahlungszeitpunkte, zu denen Zahlungen (Zins- und Tilgungszahlungen) stattfinden. Als Gewichtungsfaktor der einzelnen Zahlungszeitpunkte dient dabei das Verhältnis des Barwertes der jeweiligen Zahlung zum Barwert der gesamten Zahlungsreihe. Die allgemeine Formel für die Berechnung der MACAULAY Duration lautet wie folgt: n
¦ t CFt (1 R ) - t
D
t 1
M0
mit: D = Duration; M0 = Marktwert im Zeitpunkt 0; CFt = Cash Flow (Rückfluss) im Zeitpunkt t; R = Marktrendite; t = Zeitindex; n = Restlaufzeit
301
Die Vorgehensweise bei der Bestimmung der Duration einer Zinsrisikoposition sei anhand eines festverzinslichen Wertpapiers mit folgenden Ausgestaltungsmerkmalen demonstriert: •
Nominalvolumen:
1 Mio. GE
•
Zinskupon:
4 % (jährlich nachschüssig)
•
Restlaufzeit:
3 Jahre
•
Aktueller Marktwert:
1 Mio. GE
•
Marktrendite:
4%
Ausgangspunkt der Durationsberechnung bildet die mit Hilfe eines Liquiditätsplanes ermittelte Zahlungsreihe der zu analysierenden Zinsrisikoposition (Spalte [1] und [2], Abb. 192). Zunächst ist der Barwert aller Zahlungen zu bestimmen, wobei als einheitlicher Kalkulationszinsfuß die aktuelle Marktrendite (Verfallrendite) eines Wertpapiers mit gleichem Zinskupon und identischer Restlaufzeit verwendet wird (Spalte [3]). Aus diesen Barwerten ergibt sich im Verhältnis zum gesamten Barwert anschließend eine Anteilsquote (Spalte [4]), die als Gewichtungsfaktor für die Zahlungszeitpunkte verwendet wird (Spalte [5]). Die Duration des Wertpapiers ergibt sich schließlich aus der Summe der gewichteten Zahlungszeitpunkte. Sie beläuft sich im Beispiel auf 2,88610 Jahre. Wie aus der Berechnung hervorgeht, handelt es sich bei der Duration nach MACAULAY insofern um eine durchschnittliche Laufzeit, als sie die durchschnittliche Dauer der Kapitalbindung, bezogen auf die Barwerte der Cash Flows misst. Bei Zerobonds entspricht die Duration der Restlaufzeit, da nur am Laufzeitende Zahlungen anfallen. Bei Kuponpapieren ist sie wegen der Zinszahlungen dagegen stets kleiner als die Restlaufzeit. Dabei ist die Duration um so niedriger, je höher Kupon (Nominalzins) und Marktrendite sind und je früher die Tilgung einsetzt. Zahlungszeitpunkt t (1) 1 2 3 Summe
Cash Flow im Zeitpunkt t
Barwert (Verfallrendite = 4 %)
(2) 40.000 40.000 1.040.000 1.120.000
(3) = (2) · 1,04-t 38.461,54 36.982,25 924.556,21 1.000.000,00
Anteilsquote = Gewichtungsfaktor (4) = (3) / 1 Mio. 0,03846 0,03698 0,92456 1,00000
MACAULAY
Duration (5) = (1) · (4) 0,03846 0,07396 2,77368 2,88610
Abb.192: Bestimmung der Duration nach MACAULAY am Beispiel eines festverzinslichen Wertpapiers
Für die Quantifizierung von Marktwertrisiken ist die Duration deswegen interessant, weil sich mit dieser Maßzahl die Sensitivität eines Marktwertes gegenüber Veränderungen der Zinsstrukturkurve relativ einfach abschätzen lässt. Hierzu ist die MACAULAY Duration lediglich durch den Term (1 + Marktrendite) zu dividieren. Analytisch ergibt sich diese von HICKS 1939 als Modified Duration bezeichnete Größe aus der ersten Ableitung der „klassischen“
302
Barwertformel nach der Marktrendite, dividiert durch den aktuellen Marktwert der Zinsrisikoposition (vgl. ELLER 1991). Diese wird im Folgenden zunächst hergeleitet: Nach der klassischen Barwertformel bestimmt sich der Barwert / Marktwert M0 einer Zinsrisikoposition mit n Jahren Restlaufzeit nach folgender Formel: n
M0
¦ CFt (1 R) - t
t 1
mit: M0 = Marktwert im Zeitpunkt 0; CFt = Cash Flow (Rückfluss) im Zeitpunkt t; R = Marktrendite; t = Zeitindex; n = Restlaufzeit
Leitet man diese nach der Marktrendite R ab, dann ergibt sich: wM 0 wR
n
¦ - t CFt (1 R ) - t 1
t 1
-
n 1 ¦ t CFt (1 R ) - t 1 R t 1
Der hinter dem Summenzeichen stehende Term entspricht der mit dem aktuellen Marktwert der Zinsrisikoposition multiplizierten Duration nach MACAULAY. Somit läßt sich dieser Ausdruck auch schreiben als: wM 0 wR
-
1 D M0 1 R
bzw. wM 0 wR
- MD M 0
mit
MD
Modified Duration
1 D 1 R
Diese erste Ableitung kann zur linearen Approximation der konvexen Beziehung zwischen dem Marktwert und der Marktrendite einer Zinsrisikoposition verwendet werden. Je größer die tatsächliche Änderung der aktuellen Rendite 'R dabei ist, desto ungenauer ist die Approximation der Marktwertänderung 'M0. Wird obige Gleichung auf beiden Seiten durch den aktuellen Marktwert dividiert, so erhält man die prozentuale Änderung der Zinsrisikoposition M0 / M0 bei einer Änderung der Marktrendite um R: wM 0 M0 wR
- MD
Für das betrachtete Wertpapier ergibt sich eine Modified Duration in Höhe von 2,7751 (2,8861 / 1,04). Dieser Wert besagt, dass eine einprozentige Veränderung der Marktrendite zu einer Marktwertänderung der 4 %-Anleihe in Höhe von approximativ 2,77 %-Punkten führt. Dabei ist zu beachten, dass der Marktwert invers auf Renditeänderungen reagiert. D.h. sinkende Renditen führen zu höheren Marktwerten und steigende Renditen zu sinkenden Marktwerten.
303
Die Qualität der Modified Duration als exaktes Maß für die Zinssensitivität von Marktwerten ist in dreierlei Hinsicht begrenzt (vgl. hierzu BÜHLER 2000). Aufgrund der Diskontierung sämtlicher Cash Flows mit der aktuellen Marktrendite (Verfallrendite) eines Wertpapiers mit gleichem Zinskupon und identischer Restlaufzeit als einheitlichem Kalkulationszins, wird erstens implizit von einer horizontalen Renditestruktur ausgegangen. Zweitens bildet die Modified Duration die Marktwertkonsequenzen von Parallelverschiebungen dieser Renditestrukturkurve ab. Dies kann anhand des folgenden Beispiels illustriert werden. Ausgehend von einer horizontalen Renditestruktur für die bereits betrachtete 4 %-Anleihe auf dem Niveau von 4 % sei zunächst eine Parallelverschiebung derselben um 0,5 %-Punkte nach oben auf ein Niveau von 4,5 % unterstellt. Infolge dieses Anstiegs sinkt der mit Hilfe der klassischen Barwertformel berechnete Marktwert um 13.744,82 GE bzw. 1,3745 %-Punkte. Bei einer Parallelverschiebung um 0,5 %-Punkte nach unten auf ein Renditeniveau von 3,5 % steigt der Marktwert dagegen um 14.008,19 GE bzw. 1,4008 %-Punkte. Addiert man die beiden Marktwertveränderungen, so ergibt sich eine absolute Marktwertänderung von 27.753,01 GE (= 13.744,82 GE + 14.008,19 GE), was einer relativen Veränderung von 2,7753 %-Punkten (= 1,3745 % + 1,4008 %) entspricht. Dieser Wert zeigt die relative Veränderung des Marktwerts bei einer Veränderung sämtlicher Zinssätze um ± 0,5 %-Punkte (also insgesamt 1 %Punkt) auf und ist nahezu identisch mit der Modified Duration. Je größer dabei das Ausmaß der Parallelverschiebung ist, desto ungenauer wird drittens der mit Hilfe der laufzeitspezifischen Zerobondrenditen exakt berechnete Marktwert durch die Modified Duration approximiert. Die Annahme einer horizontalen Renditestruktur ist insofern von geringerer Bedeutung, als sie durch das Konzept der Effective Duration aufgehoben werden kann. Im Rahmen dieses von FISHER/WEIL vorgeschlagenen Ansatzes werden die Barwerte der einzelnen Cash Flows mit Hilfe der laufzeitspezifischen Renditen von Zerobonds bzw. den korrespondierenden Zerobond-Abzinsfaktoren bestimmt. Sind diese am Markt nicht verfügbar, dann lassen sie sich, wie bereits an anderer Stelle gezeigt (vgl. Band 1, S. 164 ff.), synthetisch aus den am Markt beobachtbaren Renditestrukturkurven von Kuponpapieren replizieren. Die allgemeine Formel für die Berechnung der Effective Duration lautet wie folgt: n
¦ t CFt (1 ZBR t ) - t
ED
t 1
M0
mit: ED = Effective Duration; n = Restlaufzeit; t = Zeitindex; CFt = Cash Flow (Rückfluss) im Zeitpunkt t; ZBRt = laufzeitspezifische Zerobondrendite; M0 = Marktwert im Zeitpunkt 0
Für das betrachtete Wertpapier ergibt sich unter der Annahme der in Spalte [3] gegebenen laufzeitspezifischen Zerobondrenditen eine Effective Duration in Höhe von 2,88472 Jahren (vgl. Abbildung 193).
304
Zahlungszeitpunkt t
Cash Flow Laufzeitspezifische im ZerobondZeitpunkt t rendite
(1)
(2)
(3)
1 2 3 Summe
40.000 40.000 1.040.000 1.120.000
2,750 % 3,386 % 4,034 % -
Barwert
Anteilsquote = Gewichtungsfaktor
(4) = (2) · (1 + (3))-t (5) = (4) / 1 Mio. 38.929,44 37.423,10 923.647,40 1.000.000,00
0,03893 0,03742 0,92365 1,00000
Effective Duration (6) = (1) · (5) 0,03893 0,07484 2,77095 2,88472
Abb. 193: Bestimmung der Effective Duration am Beispiel eines festverzinslichen Wertpapiers
Als Folge der Diskontierung der einzelnen Zahlungen mittels der laufzeitspezifischen Zerobondrenditen resultiert nach dem Konzept von FISHER/WEIL eine – verglichen mit dem Ansatz von MACAULAY – geringere durchschnittliche Kapitalbindungsdauer. Bei inversem Verlauf der Zinsstrukturkurve der Zerobondrenditen würde sich dagegen eine Effective Duration ergeben, die größer ist als die MACAULAY Duration. Dabei ist die Abweichung um so größer, je steiler die Renditestruktur verläuft und je länger die Restlaufzeit der betrachteten Zinsrisikoposition ist. In Analogie zur Modified Duration resultiert durch Division mit dem Term (1 + R) eine Modified Effective Duration in Höhe von approximativ 2,7738. Im Gegensatz zur Annahme einer horizontalen Renditestruktur erscheint dagegen die Prämisse einer Parallelverschiebung der Renditestruktur problematisch. Parallel bedeutet dabei nicht nur, dass die Renditeänderungen für sämtliche Fristigkeiten perfekt korreliert sein müssen, sondern auch, dass das Ausmaß der Renditeänderungen über das gesamte Fristenspektrum völlig identisch sein muss. Faktoranalysen zeigen jedoch, dass die Annahme perfekter Korrelationen nicht der Realität entspricht (BÜHLER 2000). Darüber hinaus können oft auch Drehungen der Renditestruktur beobachtet werden. Ursache des in Verbindung mit größeren Renditeänderungen auftretenden Approximationsfehlers ist die Tatsache, dass die Modified Duration gemäß der mathematischen Herleitung nur für infinitesimal kleine Renditeänderungen Gültigkeit besitzt. Da die Marktwert-RenditeKurve jedoch stets linksgekrümmt bzw. konvex fallend verläuft, wird die Erhöhung des Marktwertes als Reaktion auf einen Renditerückgang tendenziell zu niedrig, die Verringerung in der Folge eines Renditeanstiegs dagegen tendenziell zu hoch eingeschätzt. Abbildung 194 verdeutlicht den Approximationsfehler bei der Abschätzung der Marktwertänderung mit Hilfe der Modified Duration graphisch. Die Modified Duration stellt die Steigung einer an die Marktwert-Rendite-Kurve angelegten Tangente dar, sie entspricht damit also der Steigung dieser Funktion im Tangentialpunkt (in Abbildung 194 repräsentiert durch den Punkt [R0,M0]). Je weiter man sich von diesem Tangentialpunkt, d.h. vom Renditeniveau der Ausgangssituation entfernt, desto größer wird der Abstand der Tangente von der Marktwert-Rendite-Kurve (Abstand zwischen Mreal und MD) und damit der Bewertungsfehler der Duration. Für gleiche Renditeniveaus wird dieser Abstand vom Grad der Konvexität der jeweiligen Zinsrisikoposition determiniert, wobei der Bewertungsfehler mit dem Konvexitätsgrad steigt (FIEBACH 1994).
305
Marktwert Konvexe Beziehung zwischen Marktwert und Rendite
M1real
Approximationsfehler der Duration M1 D
Unterstellte lineare Beziehung zwischen Marktwert und Rendite im Rahmen der Durationskonzepte
M0 M2real M2 D -'R R1
+'R R0
R2
Rendite
Abb. 194: Konvexität der Marktwert-Rendite-Kurve und Linearitätsannahme der Durationskonzepte
Um auch Marktwertkonsequenzen größerer Renditeänderungen hinreichend genau erfassen zu können, muss dieser Konvexitätseffekt also unbedingt berücksichtigt werden. Das Ziel besteht dabei letztlich darin, den bei der Abschätzung von zinsänderungsbedingten Marktwertschwankungen mit Hilfe der Duration auftretenden Bewertungsfehler durch die Erweiterung um einen von der Konvexität abhängigen Korrekturfaktor zu reduzieren (vgl. hierzu FABOZZI 2005). Die Konvexität misst die Veränderungsrate der Duration, die sich aus einer Änderung der Marktrendite ergibt. Folglich lautet die allgemeine Formel zur Berechnung der Konvexität wie folgt: K
1 T ( t ) ( t 1) CFt ¦ M 0 t 1 (1 R ) t
mit: K = Konvexität; M0 = Marktwert im Zeitpunkt 0; CFt = Cash Flow (Rückfluss) im Zeitpunkt t; R = Marktrendite; t = Zeitindex
Die Vorgehensweise zur Berechnung der Konvexität einer Zinsrisikoposition soll anhand des bereits zuvor verwendeten Wertpapiers erfolgen (vgl. Abb. 195).
306
Zahlungszeitpunkt t
t · (t + 1)
Cash Flow im Zeitpunkt t
(1) 1 2 3 Summe
(2) 2 6 12 -
(3) 40.000 40.000 1.040.000 -
Barwert Barwert · (t · (t + 1)) (Verfallrendite = 4 %) (5) = (4) · (2) (4) = (3) · 1,04-t 38.461,54 76.923,08 36.982,25 221.893,49 924.556,21 11.094.674,56 1.000.000 11.393.491,12
Abb. 195: Bestimmung der Konvexität anhand eines festverzinslichen Wertpapiers
Zur Berechnung der Konvexität sind in einem ersten Schritt die Anzahl Zahlungszeitpunkte zu ermitteln. Die einzelnen Zahlungszeitpunkte werden im Folgenden mit dem Term (t + 1) multipliziert. Analog der Ermittlung der MACAULAY Duration sind die Barwerte der Zahlungsreihe unter Verwendung der Verfallrendite zu bestimmen. Die Summe aus den einzelnen Barwerten entspricht wiederum dem Marktwert des Wertpapiers. Anschließend werden die Barwerte der einzelnen Zahlungen mit dem in Spalte [2] ermittelten Term multipliziert. Die in Spalte [5] resultierenden Ergebnisse werden addiert, wobei die sich daraus ergebende Summe zur Ermittlung der Konvexität mit dem Marktpreis des Wertpapiers zu dividieren ist. Für das festverzinsliche Wertpapier ergibt sich folglich eine Konvexität von 11,39349 (= 11.393.491,12 / 1.000.000). Für festverzinsliche Wertpapiere zeigt sich, dass sie unabhängig von Renditeveränderungen eine positive Konvexität besitzen. Sowohl positive als auch negative Veränderungen der Marktrendite ergeben einen positiven Effekt des Konvexitätsterms auf die Preisänderung. Die geschätzte Preisänderung bei einer Änderung der Marktrendite wird in einem ersten Schritt mit der Duration approximiert. Die Konvexität schätzt dann in einem zweiten Schritt eine weitere Preisanpassung. Zur Darstellung einer verbesserten Approximation der Preisänderung unter Verwendung der Kovexität sei ein Anstieg der Verfallrendite um 0,5 %-Punkte von 4 % auf 4,5 % unterstellt. Der mittels der Barwertformel berechnete Marktpreis des Wertpapiers beträgt 986.255,18 GE. Dies entspricht einer Wertreduktion von 13.744,82 GE gegenüber der Ausgangssituation. Die unter Berücksichtigung der Konvexität geschätzte Preisänderung wird sodann nach folgender Formel ermittelt: 'M
º 1 ª 1 º ª1 2 «¬- 1 R D Mac 'R M 0 » « 2 (1 R ) 2 K ('R ) M 0 » ¼ ¬ ¼
mit: 'M = Veränderung des Marktwerts; R = Marktrendite; DMac= Macaulay Duration; 'R = Veränderung der Marktrendite; K = Konvexität; M0 = Marktwert im Zeitpunkt 0
Der erste Summand der Klammer entspricht der durch die Modified Duration geschätzten Marktwertänderung in Höhe von - 13.875,46 GE. Der daraus resultierende Approximationsfehler beträgt folglich - 130,64 GE. Dieser lässt sich nun durch Einbezug der oben berechneten Konvexität vermindern. Dazu wird die mittels der Modified Duration berechneten Marktwertänderung durch den zweiten Summanden der Klammer korrigiert. Für diese ausschließlich auf die Konvexität zurückzuführende Preisänderung ermittelt sich ein Wert in Höhe von 136,94 (dieser sowie die folgenden Werte wurden auf Basis ungerundeter 307
Zwischenresultate berechnet). Die beiden Summanden werden schließlich addiert und mit dem Marktwert des Wertpapiers im Zeitpunkt 0 multipliziert. Die dadurch geschätzte Marktwertänderung beträgt neu - 13.743,79 GE (= - 13.875,46 + 131,67) GE, und weicht damit nur geringfügig um + 1,03 GE von der tatsächlichen Preisänderung ab. Wenngleich die Güte der Approximation und damit die Eignung der Modified Duration als Zinssensitivitätskennzahl dadurch deutlich gesteigert werden kann, so stellen diese Ansätze nach wie vor nur Näherungslösungen für die tatsächliche Marktwertveränderung dar. Das von CHAMBERS/CARLETON (CHAMBERS/CARLETON 1988) und HO (HO 1992) entwickelte Konzept der Key Rate Duration ist im Unterschied zur Modified Duration und Modified Effective Duration in der Lage, die Marktwertkonsequenzen komplexer, d.h. paralleler und nicht-paralleler Veränderungen der Renditestruktur abzubilden. Dabei wird von der Prämisse ausgegangen, dass die Renditestruktur und deren Veränderung durch bestimmte Schlüsselrenditen, sogenannte Key Rates, determiniert wird. Die Marktwertsensitivität einer Zinsrisikoposition wird im Rahmen dieses Konzepts durch ein Set laufzeitspezifischer Sensitivitätskennzahlen, sogenannte Key Rate Durationen, beschrieben. Jede dieser Key Rate Durationen gibt dabei an, wie der Marktwert prozentual auf die Veränderung einer einzelnen Key Rate reagiert. Für die Berechnung der Key Rate Durationen einer Zinsrisikoposition müssen zuerst die Key Rates und anschließend die Key Rate-Bewegungen definiert werden. Die Anzahl der Key Rates ist beliebig wählbar, die Auswahl derselben sollte aufgrund der Charakteristika der betrachteten Zinsrisikopositionen und unter Berücksichtigung des Steuerungsziels der Analyse erfolgen. Soll beispielsweise das Marktwertrisiko eines Handelsportfolios gesteuert werden, dann empfiehlt sich die Festlegung einer größeren Anzahl Key Rates. Soll hingegen ein Key Rate Duration-Profil als Entscheidungsgrundlage für die Geschäftsleitung erstellt werden, so kann die Zinssensitivität der betrachteten Positionen anhand einiger weniger Key Rates anschaulich dargestellt werden. Allgemein sollten in denjenigen Laufzeitsegmenten mehr Key Rates festgelegt werden, in denen das Zinsrisiko der betrachteten Positionen groß ist. Im betrachteten Beispiel werden die 1-, 2- und 3-Jahres-Zerobondrenditen als Key Rates festgelegt. Die Definition einer Key Rate-Bewegung geht aus Abbildung 196 hervor. Die durchgezogene Linie stellt die aktuelle Zerobond-Renditestruktur dar, während die gestrichelten Linien die Veränderungen der Renditestruktur bezüglich Bewegungen der einzelnen Key Rates um 'KRt zum Ausdruck bringen. Wie Abbildung 196 verdeutlicht, wird dabei von einem linearen Verlauf der Renditestruktur zwischen den einzelnen Key Rates ausgegangen. Die Veränderungen der Zinssätze, die nicht als Key Rates ausgewählt wurden, unter Umständen aber zur Bewertung von Zinsrisikopositionen benötigt werden, können damit durch lineare Interpolation zwischen den einzelnen Key Rates ermittelt werden. Erhöht sich beispielsweise die als Key Rate gewählte 1-Jahres-Zerobondrendite um 1 %-Punkt, dann steigen etwa die nicht als Key Rates gewählten Zerobondrenditen mit 6 bzw. 18 Monaten Restlaufzeit jeweils um 0,5 %-Punkte. Im Falle identischer Key Rate-Änderungen würde sich die Zerobond-Renditestruktur parallel verschieben.
308
Zerobond-Renditestruktur
Zerobondrendite (in %) 5,0 ' KR3
aktuelle Zerobond-Renditestruktur
4,0 ' KR2 ' KR1 3,0
2,0
1
2
3
Restlaufzeit in Jahren
Abb. 196: Bewegung der Key Rates
Key Rate Durationen können entweder analytisch bestimmt oder numerisch approximiert werden. Im Gegensatz zur Macaulay und Effective Duration ist eine analytische Bestimmung nur dann möglich, wenn das zeitliche Anfallen der Cash Flows einer Zinsrisikoposition mit den Laufzeiten der gewählten Key Rates übereinstimmt. Ist dies der Fall, dann ergeben sich die einzelnen Key Rate Durationen aus den partiellen Ableitungen der Barwertformel nach den laufzeitspezifischen Key Rates dividiert durch den aktuellen Marktwert und lassen sich nach folgender Formel berechnen:
KRD t
wM 0 wKR t M0
t CFt (1 KR t ) - t 1 M0
mit: KRDt = laufzeitspezifische Key Rate Duration; M0 = Marktwert im Zeitpunkt 0; CFt = Cash Flow (Rückfluss) im Zeitpunkt t; KRt = laufzeitspezifische Key Rate; t = Zeitindex
Für die im Beispiel betrachtete 4 %-Anleihe mit 3 Jahren Restlaufzeit ergeben sich die folgenden Werte: KRD1
1 40.000 GE (1,0275) - 2 1.000.000 GE
KRD 2
2 40.000 GE (1,03386) - 3 1.000.000 GE
KRD 3
3 1.040.000 GE (1,04034) - 4 1.000.000 GE
0,03789
0,07239
2,66350
309
Die partiellen Ableitungen lassen sich in Analogie zur Modified Duration ebenfalls zur linearen Approximation der konvexen Marktwert-Rendite-Beziehung einsetzen. Werden diese zur Abschätzung der Marktwertkonsequenzen von Key Rate-Änderungen ('.Rt) größeren Ausmaßes angewandt, so wird die Erhöhung des Marktwertes als Reaktion auf eine sinkende Key Rate wiederum tendenziell zu niedrig, die Verringerung des Marktwertes in Folge einer steigenden Key Rate dagegen tendenziell zu hoch eingeschätzt. Für Zinsrisikopositionen, bei denen das zeitliche Anfallen der Cash Flows nicht mit den Laufzeiten der gewählten Key Rates übereinstimmt, lassen sich Key Rate Durationen vereinfachend numerisch approximieren. Bei der numerischen Approximation von Key Rate Durationen sind unter Verwendung entsprechender Bewertungsmodelle zunächst die relativen Marktwertänderungen zu ermitteln, die sich für vorgegebene Veränderungen der einzelnen Key Rates (z.B. 0,10 %-Punkte) ceteris paribus ergeben. Zur Bewertung der Cash Flows, deren zeitlicher Anfall nicht mit den Laufzeiten der jeweils gewählten Key Rates übereinstimmen, werden die relevanten Zinssätze bzw. deren Veränderung dabei durch lineare Interpolation bestimmt (vgl. hierzu Abb. 196). Setzt man die sich ergebende Marktwertänderung anschließend in Relation zu den jeweils unterstellten Key Rate-Änderungen, dann erhält man die numerisch approximierten Key Rate Durationen. Für die numerische Berechnung der Key Rate Durationen einer Zinsrisikoposition gilt damit allgemein:
KRD t
'M 0 M0 'KR t
mit: KRDt = laufzeitspezifische Key Rate Duration; M0 = Marktwert im Zeitpunkt 0; KR = laufzeitspezifische Key Rate; t = Zeitindex
Aufgrund der Division der relativen Marktwertänderung durch die unterstellte Key RateÄnderung respektive der damit einhergehenden Annahme eines linearen Verlaufs zwischen Marktwert und Key Rate begeht man dabei – im Unterschied zur analytischen Key Rate Duration – bereits bei der Bestimmung der Key Rate Duration selbst einen Bewertungsfehler. Dieser fällt je nach Richtung und Ausmaß der unterstellten Key Rate-Änderung unterschiedlich hoch aus. In Abbildung 197 wird die numerische Berechnung der Key Rate Durationen der 4 %Anleihe schrittweise demonstriert. Hinsichtlich der Veränderung der als Key Rates definierten 1-, 2- und 3-Jahres-Zerobondrenditen wird dabei von einem Zinsanstieg um jeweils absolut 0,10 %-Punkte ausgegangen.
310
Ausgangssituation
Zeitpunkt t
Cash Flow in t
KRt (in %)
Marktwert (in GE)
1 2 3
40.000,00 40.000,00 1.040.000,00
2,750 3,386 4,034
38.929,44 37.423,10 923.647,40
M0 = 1.000.000,00
Szenario 1
Szenario 2
Szenario 3
' KR1 = + 0,1 % 0% ' KR2 = 0% ' KR3 =
' KR1 = 0% ' KR2 = + 0,1 % 0% ' KR3 =
' KR1 = 0% 0% ' KR2 = ' KR3 = + 0,1 %
KRt (in %) 2,850 3,386 4,034 M1 = 'M0 = KRD1 =
Marktwert (in GE)
KRt (in %)
Marktwert (in GE)
KRt (in %)
Marktwert (in GE)
38.891,59 37.423,10 923.647,40 999.962,09 - 37,91 0,03791
2,750 3,486 4,034 M2 = 'M0 = KRD2 =
38.929,44 37.350,81 923.647,40 999.927,65 - 72,35 0,07235
2,750 3,386 4,134 4,134 M3 = 'M0 = KRD3 =
38.929,44 37.423,10 920.989,02 997.341,56 - 2.658,44 2,65844
Abb. 197: Numerische Berechnung von Key Rate Durationen am Beispiel einer 3-jährigen 4 %-Anleihe
Zur Illustration der Vorgehensweise sei die relative Marktwertänderung der 4 %-Anleihe infolge einer Veränderung der 1-Jahres-Key Rate betrachtet. Bei einem Anstieg der 1-JahresKey Rate von 2,75 % um 0,10 %-Punkte auf 2,85 % reduziert sich der Marktwert des betrachteten Wertpapiers von 1 Mio. GE auf 999.962,09 GE, d.h. um 37,91 GE bzw. 0,003791 %-Punkte. Dividiert man die relative Marktwertänderung durch die unterstellte Key Rate-Änderung in Höhe von 0,10 %-Punkten, dann resultiert daraus eine numerisch approximierte Key Rate Duration in Höhe von 0,03791. Bei einer Schwankung der 1-Jahres-Key Rate um 1,0 %-Punkt verändert sich der Marktwert der 4 %-Anleihe somit näherungsweise um 0,03791 %-Punkte. Bei entsprechenden Änderungen der 2- und 3-Jahres-Key Rates schwankt der Marktwert um 0,07235 %-Punkte bzw. 2,65844 %-Punkte. Bei der Ermittlung laufzeitspezifischer Basispoint Values (vgl. FABOZZI 2005) wird grundsätzlich nach den gleichen Prinzipien verfahren wie bei der Berechnung von Key Rate Durationen. Im Unterschied zum Key Rate Duration-Konzept werden mit den Basispoint Values dabei jedoch nicht nur laufzeitspezifische Zinssensitivitäten gegenüber bestimmten ausgewählten Key Rates, sondern gegenüber sämtlichen positionsrelevanten Zerobondrenditen ermittelt. Zudem widerspiegelt jeder Basispoint Value die absolute Marktwertänderung der
311
betrachteten Zinsrisikoposition hinsichtlich der Änderung einer einzelnen Zerobondrendite in Höhe eines Basispunktes. Die Berechnung kann – in Analogie zur Key Rate Duration – entweder analytisch oder numerisch erfolgen. Analytisch ergeben sich laufzeitspezifische Basispoint Values aus den partiellen Ableitungen der Barwertformel nach den laufzeitspezifischen Zerobondrenditen sowie anschließender Multiplikation mit einem Basispunkt und können nach folgender Formel ermittelt werden: BPVt = -
wM 0 1BP = t CFt (1 ZBR t ) - t 1 1BP wZBRt
mit: BPVt = laufzeitspezifischer Basispoint Value; M0 = Marktwert im Zeitpunkt 0; BP = Basispunkt; t = Zeitindex; CFt = Cash Flow (Rückfluss) im Zeitpunkt t; ZBRt = laufzeitspezifische Zerobondrendite
Durch Einsetzen in obige Formel resultieren für das betrachtete Wertpapier die folgenden laufzeitspezifischen Basispoint Values: BPV1 = 1 · 40.000 GE · (1,0275)- 2 · 0,0001 = 3,79 GE/BP BPV2 = 2 · 40.000 GE · (1,03386)- 3 · 0,0001 = 7,24 GE/BP BPV3 = 3 · 1.040.000 GE · (1,04034)- 4 · 0,0001 = 266,35 GE/BP Bei einer Veränderung der 1-jährigen Zerobondrendite um 1 BP schwankt der Marktwert der 4 %-Anleihe approximativ um 3,79 GE, bei entsprechenden Schwankungen der 2- und 3Jahres-Zerobondrenditen jeweils um 7,24 GE bzw. 266,35 GE. Numerisch werden die Basispoint Values approximiert, indem unter Verwendung entsprechender Bewertungsmodelle zunächst die absoluten Marktwertänderungen zu ermitteln sind, die sich für vorgegebene Veränderungen der einzelnen Zerobondrenditen, z.B. 1 Basispunkt, ceteris paribus ergeben. Setzt man diese anschließend in Relation zu den jeweils unterstellten Änderungen der Zerobondrenditen, dann erhält man die numerisch approximierten laufzeitspezifischen Basispoint Values. Für die Berechnung gilt allgemein: BPVt
-
'M 0 ǻZBR t (in BP)
mit: BPVt = laufzeitspezifischer Basispoint Value; M0 = Marktwert im Zeitpunkt 0; ZBRt = laufzeitspezifische Zerobondrendite; t = Zeitindex; BP = Basispunkt
Zur Demonstration der Vorgehensweise bei der numerischen Berechnung sei die absolute Marktwertänderung der 4 %-Anleihe infolge einer Veränderung der 1-jährigen Zerobondrendite betrachtet. Bei einem Anstieg der 1-Jahres-Zerobondrendite von 2,75 % um 1 BP auf 2,76 % reduziert sich der Marktwert der zukünftigen, in einem Jahr erwarteten Zahlung in Höhe von 40.000 GE von 38.929,44 GE um 3,79 GE auf 38.925,65 GE. Dividiert man die absolute Marktwertänderung durch die unterstellte Zerobondrendite-Änderung in Höhe von 312
1 BP, dann resultiert ein numerisch approximierter Basispoint Value bezüglich der 1-Jahres Zerobondrendite in Höhe von 3,79 GE. Bei einer Schwankung der 1-jährigen Zerobondrendite um 1 BP verändert sich der Marktwert der 4 %-Anleihe somit näherungsweise um 3,79 GE. Für entsprechende Schwankungen der 2- und 3-jährigen Zerobondrenditen resultieren Werte in Höhe von 7,24 GE und 266,31 GE. Verknüpfung marktwertorientierter Sensitivitäts- und Risikoparameter am Beispiel laufzeitspezifischer Basispoint Values
Bei der indirekten Quantifizierung von Marktwertrisiken sind die vorstehend diskutierten Sensitivitätsparameter mit den als Risikoparameter zugrundezulegenden stetigen Veränderungsraten der Zerobondrenditen zu verknüpfen. Die konkrete Vorgehensweise soll im Folgenden am Beispiel laufzeitspezifischer Basispoint Values aufgezeigt werden. Gemäß der standardisierten Vorgehensweise im analytischen Grundmodell des VaR (vgl. S. 76 ff.) sind zuerst die stetigen Veränderungsraten der relevanten Zerobondrenditen als Risikoparameter zu definieren. In einem zweiten Schritt ist die Standardabweichung (STD) dieses Risikoparameters zu bestimmen. Die Risikomesszahl (RMZ) ergibt sich im Anschluss daran aus der Multiplikation der Standardabweichung (STD) der stetigen Veränderungsrate der (relevanten) Zerobondrendite (ZBRt) mit dem Z-Wert. Geht man davon aus, dass das Risiko in der Gefahr steigender Zinsen besteht, dann bestimmt sich die Risikomesszahl einer Long-Position (zukünftiger Mittelzufluss) aus der Multiplikation des Z-Werts mit der positiven Standardabweichung. Bei Short-Positionen (zukünftigen Mittelabflüssen) besteht das Risiko in der Gefahr sinkender Zinsen, so dass sich die Risikomesszahl aus der Multiplikation des Z-Werts mit der negativen Standardabweichung ergibt. Durch Potenzierung der Eulerschen Zahl e mit der ermittelten Risikomesszahl und anschließender Subtraktion von 1 resultiert der laufzeitspezifische Risikofaktor (RF). Da die laufzeitspezifischen Basispoint Values (BPVt) jedoch die Marktwertkonsequenzen absoluter Zerobondrenditeänderungen aufzeigen, muss der Risikofaktor anschließend in einen absoluten Multiplikator überführt werden. Dies wird durch Multiplikation mit der aktuellen, in Basispunkten ausgedrückten Zerobondrendite erreicht. Der Value at Risk einer einzelnen Zahlung VaR Bt PV ergibt sich schließlich aus der multiplikativen Verknüpfung von laufzeitspezifischem Basispoint Value, laufzeitspezifischem Risikofaktor und aktueller, in Basispunkten ausgedrückter Zerobondrendite. Abbildung 198 fasst die Vorgehensweise zusammen.
313
Stufe 1
Definition der stetigen Veränderungsraten der relevanten Zerobondrendite (ZBRt) als Risikoparameter
Stufe 2
Berechnung der Standardabweichung der stetigen Veränderungsraten der (relevanten) Zerobondrendite (STDtZBR)
Stufe 3
Bestimmung der laufzeitspezifischen Risikomesszahl (RMZtZBR) durch Multiplikation der Standardabweichung der stetigen Veränderungsraten der (relevanten) Zerobondrendite mit dem gewünschten Z-Wert RMZtZBR = ± Z-Wert · STDtZBR
Stufe 4
Stufe 5
Ableitung des laufzeitspezifischen Risikofaktors (RFtZBR) durch Potenzierung der Eulerschen Zahl e mit der Risikomesszahl und anschließender Subtraktion von 1 (RFtZBR = eRMZt – 1) Ermittlung des Value at Risk des Single Cash Flows (VaRtBPV) durch Multiplikation von laufzeitspezifischem Risikofaktor, laufzeitspezifischen Basispoint Value und aktueller (relevanter) Zerobondrendite in Basispunkten (BP)
Abb. 198: Indirekte Ermittlung des Value at Risk einer einzelnen Zahlung
Damit weicht die hier gewählte Vorgehensweise grundsätzlich vom standardisierten Grundmodell des VaR ab, da auf die Definition des Risikovolumens verzichtet wird. Formal entspricht das Risikovolumen in der hier gewählten Vorgehensweise der Multiplikation des Basispoint Values mit der Zerobondrendite. Das Ergebnis dieser Multiplikation ist jedoch materiell nicht bzw. nur schwer als Risikovolumen interpretierbar. Um Aussagen über das Marktwertrisiko einer aus mehreren, zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallenden Single Cash Flows bestehenden Zinsrisikoposition (Produkt Cash Flow) treffen zu können, müssen neben den isolierten Marktwertrisiken der einzelnen Single Cash Flows zusätzlich auch die paarweisen Korrelationen der Risikoparameter bekannt sein. Im Falle perfekt positiver Korrelationen (Korrelationskoeffizienten = + 1) zwischen den stetigen Veränderungsraten der Zerobondrenditen ergibt sich das Gesamtrisiko aus der Addition der Verlustrisiken der einzelnen Single Cash Flows. Weisen die Korrelationskoeffizienten dagegen Werte zwischen - 1 und + 1 auf, d.h. bestehen zwischen den einzelnen Zahlungen risikokompensierende Effekte, dann bestimmt sich der Value at Risk einer aus mehreren Single BPV allgemein nach folgender Formel: Cash Flows bestehenden Zinsrisikoposition VaR
314
>VaR
BPV 1
@
VaR BPV VaR BPV 2 t
1 KOR(ZBR1, ZBR 2 ) ª «KOR(ZBR , ZBR ) 1 2 1 « « « ¬ KOR(ZBR t , ZBR1 ) KOR(ZBR t , ZBR 2 )
VaR BPV
KOR(ZBR1, ZBR t ) º KOR(ZBR 2 , ZBR t )»» » » 1 ¼
ªVaR BPV º 1 « BPV » «VaR 2 » « » « » BPV ¬«VaR t ¼»
Zur Risikoquantifizierung der sich aus mehreren Zinsrisikopositionen zusammensetzenden Super Cash Flows sind zunächst laufzeitspezifische Basispoint Values für auf 1 GE normierte Cash Flows zu bestimmen. Jeder dieser normierten Basispoint Values gibt an, wie sich der Marktwert einer zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft anfallenden Zahlung in Höhe 1 GE verändert, wenn sich die entsprechende laufzeitkongruente Zerobondrendite um einen Basispunkt verändert. Dies kann anhand der mit der Renditeänderung korrespondierenden Veränderung der Zerobond-Abzinsfaktoren abgelesen werden. Die vereinfachte Formel zur numerischen Approximation von auf 1 GE normierten Basispoint Values BPVt1 GE lautet somit: BPVt1 GE
-
'ZB - AFt 'ZBR t (in BP)
1GE
mit: BPV t = laufzeitspezifischer normierter Basispoint Value; ZB-AFt = laufzeitspezifischer ZerobondAbzinsfaktor; ZBRt = laufzeitspezifische Zerobondrendite; t = Zeitindex; BP = Basispunkt
Mit Hilfe dieser laufzeitspezifischen normierten Basispoint Values lassen sich dann Basispoint Values für beliebige, zu bestimmten zukünftigen Zeitpunkten anfallende Super Cash Flow Volumina nach folgender Gleichung bestimmen: BPVt
BPVt1 GE CFt 1GE
mit: BPVt = laufzeitspezifischer Basispoint Value; BP V t = laufzeitspezifischer normierter Basispoint Value; CFt = Cash Flow/Super Cash Flow im Zeitpunkt t; t = Zeitindex
Die Super Cash Flow-orientierte Quantifizierung des Marktwertrisikos kann damit grundsätzlich anhand obiger Formel zur produktspezifischen Risikoberechnung erfolgen. Allerdings ist dabei zu beachten, dass das Risiko für ein aus aktivischen und passivischen Zinsrisikopositionen bestehendes Portfolio i.d.R. sowohl in der Gefahr sinkender als auch in der Gefahr steigender Zinsen besteht. Der Gegenläufigkeit der Long- und Short-Positionen ist dabei jeweils 315
entweder über die Vorzeichen der Super Cash Flows bei der Aufstellung der Vektoren oder über veränderte Vorzeichen der relevanten Korrelationskoeffizienten Rechnung zu tragen. Aufgrund der fehlenden Linearität des natürlichen Logarithmus erfolgt eine Abweichung der Wertänderung, die sich bei einer negativen Standardabweichung ergibt, von derjenigen, die bei einer positiven Standardabweichung resultiert. Deshalb muss das Marktwertrisiko der Gesamtposition des weiteren sowohl in Abhängigkeit eines Zinsanstiegs als auch in Abhängigkeit einer Zinssenkung bestimmt werden. Aus Vorsichtsgründen ist dann der größere der beiden Risikowerte als Value at Risk zu betrachten. Die vorstehend beschriebene allgemeine Vorgehensweise zur Bestimmung zinsänderungsbedingter Marktwertrisiken mittels laufzeitspezifischer Basispoint Values soll nun beispielhaft anhand der in Abbildung 199 dargestellten Positions- und Marktdaten schrittweise erläutert werden. Die betrachtete Bank weise per 01.07.96 eine Bilanz mit insgesamt 4 Positionen auf. Bei den Aktiva handelt es sich um ein 3-jähriges Geschäft über 1,0 Mio. GE mit einer Verzinsung von 4,0 % p.a. und ein 2-jähriges Geschäft über 2,0 Mio. GE mit einer Verzinsung von 6,0 % p.a. Daneben bestehen zwei 2-jährige Passiva über je 1,5 Mio. GE zu 2,0 % bzw. 3,0 % p.a.
Aktiva Position A B
Passiva Laufzeit 3 Jahre 2 Jahre
Zerobondrendite ZBR [0;1] ZBR [0;2] ZBR [0;3]
Nominalzins 1 Mio. GE 4,0 % 2 Mio. GE 6,0 % Volumen
Aktuelles Niveau 2,750 % 3,386 % 4,034 %
Standardabweichung 2,181900 % 2,516385 % 2,561373 %
Position C D
ZBR [0;1]
1 0,558710 0,485715
LaufNominalVolumen zeit zins 2 Jahre 1,5 Mio. GE 3,0 % 2 Jahre 1,5 Mio. GE 2,0 % Korrelationen ZBR [0;2] 0,558710 1 0,591403
ZBR [0;3]
0,485715 0,591403 1
Abb. 199: Positions- und Marktdaten zur indirekten Quantifizierung des Marktwertrisikos mittels laufzeitspezifischer Basispoint Values
Hinsichtlich der Zerobond-Renditestruktur wird ein normaler Verlauf mit einer 1-jährigen Zerobondrendite von 2,75 %, einer 2-jährigen von 3,386 % und einer 3-jährigen von 4,034 % unterstellt. Anstelle fiktiv gewählter Werte handelt es sich dabei um die beispielhaft aus den 1-, 2- und 3-Jahres-Euro-Schweizerfranken-Sätzen per 01.07.96 abgeleiteten Zerobondrenditen. Der Berechnung der Standardabweichung der als Risikoparameter zugrundegelegten stetigen Veränderungsraten dieser Zerobondrenditen liegt ein Analysezeitraum von sechseinhalb Jahren (01.01.90 bis 01.07.96) zugrunde. Die Halteperiode beträgt 5 (Werk-)Tage. Für die Standardabweichung der stetigen wöchentlichen Veränderungsraten der 1-jährigen Zerobondrendite ergibt sich ein Wert von 2,181900 %. Die Standardabweichungen der stetigen wöchentlichen Veränderungsraten der 2- und 3-jährigen Zerobondrenditen betragen jeweils 2,516385 % bzw. 2,561373 %. Als Z-Wert wird ein mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,87 % verbundener Wert in Höhe von 3 gewählt. 316
Zur Single Cash Flow-spezifischen Risikoberechnung sei Position A betrachtet. Das Marktwertrisiko bezüglich dieser Position, bei dem es sich um die bis anhin betrachtete 3-jährige 4 %-Anleihe handelt, besteht darin, dass der Marktwert sich aufgrund eines Anstiegs der Zerobondrenditen verschlechtert. Um die Risikoberechnung nicht unnötig zu erschweren, wird auf die Quantifizierung des durch das „Rutschen“ auf der Renditestruktur entstehenden Effektes im Folgenden verzichtet. Für den in einem Jahr aus der 4 %-Anleihe erwarteten Single Cash Flow in Höhe von 40.000 GE ergibt sich folgendes Marktwertrisiko: RMZ1ZBR
STD 1ZBR Z - Wert ZBR
2,181900 % 3
RF1ZBR
e RMZ1
BPV1
1 CF1 (1 ZBR1 ) - 2 1 BP
VaR 1BPV
6,545700 %
1 e 6,545700 % 1 6,76468 % 40.000 GE (1,0275) - 2 0,0001 3,79 GE/BP
BPV1 RF1ZBR ZBR 1 (in BP)
3,79 GE/BP 6,76468 % 275 BP
70,51 GE Unter den getroffenen Annahmen errechnet sich ein Value at Risk in Höhe von 70,51 GE. Dieser Wert bedeutet, dass der Marktwert der in einem Jahr erwarteten Zahlung in Höhe von 40.000 GE innerhalb einer Woche mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 0,13 % um mehr als 70,51 GE sinkt. Auf diese Weise lässt sich für jeden Single Cash Flow das entsprechende Verlustrisiko bestimmen. Für die in zwei und drei Jahren erwarteten Single Cash Flows ergeben sich auf die jeweiligen Risikoparameter bezogene Verluste in Höhe von: VaR BPV 2 VaR 3BPV
7,24 GE/BP 7,841412 % 338,6 BP 192,23 GE 266,35 GE/BP 7,987057 % 403,4 BP
8.581,75 GE
Der Marktwert der in zwei (drei) Jahren erwarteten Zahlung in Höhe von 40.000 GE (1.040.000 GE) sinkt innerhalb einer Woche mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 0,13 % um mehr als 192,23 GE (8.581,75 GE). Bei perfekt positiv korrelierten Risikoparametern würde sich das zinsinduzierte Marktwertrisiko des betrachteten Wertpapiers aus der Addition der Verlustrisiken der einzelnen Single Cash Flows ergeben. Danach betrüge das Verlustrisiko der 4 %-Anleihe 8.844,49 GE (= 70.51 GE + 192,23 GE + 8.581,75 GE). Unter Berücksichtigung der in Abbildung 199 dargestellten paarweisen Korrelationen zwischen den stetigen Veränderungsraten der 1-, 2und 3-Jahres-Zerobondrenditen, errechnet sich der Value at Risk des Wertpapiers zu:
317
ª3,79 GE/BP 275 BP 7,244 GE/BP 338,6 BP 266,35 GE/BP 403,4 BPº « 6,545700 % » 1) (e 7 ,549155 % 1) (e 7,684119 % 1) ¬ (e ¼ 1 0,558710 0,485715º ª «0,558710 1 0,591403»» « «¬0,485715 0,591403 »¼ 1
VaR BPV
ª 3,79 GE/BP 275 BP (e 9,545700 % 1) º « » 10 ,549155 % 1) » « 7,244 GE/BP 338,6 BP (e «266,35 GE/BP 403,4 BP (e 7 ,684119 % 1)» ¬ ¼
= 8.731,70 GE Wie obige Rechnung verdeutlicht, ist das Marktwertrisiko der 4 %-Anleihe geringer als die Summe der Marktwertrisiken der einzelnen Single Cash Flows. Bedingt durch die Berücksichtigung der Korrelationseffekte sinkt der Value at Risk der 4 %-Anleihe von 8.844,49 GE auf 8.731,70 GE. Der risikoreduzierende Effekt der Korrelation beläuft sich damit auf 112,79 GE bzw. 1,28 %. Zur Super Cash Flow-orientierten Risikoberechnung sind die Positionen A, B, C und D zunächst in ihre einzelnen Single Cash Flows zu zerlegen. Aus der Saldierung der laufzeitgleichen Zahlungen resultieren sodann erwartete Mittelzuflüsse in einem und in drei Jahren in Höhe von 85.000 GE und 1.040.000 GE und ein erwarteter Mittelabfluss in zwei Jahren in Höhe von - 915.000 GE. Für die auf 1 GE normierten Basispoint Values ergeben sich bei unterstellten Veränderungen der Zerobondrenditen in Höhe von jeweils 1 Basispunkt approximativ die folgenden Werte: BPV11 GE
'ZB - AF1 'ZBR1(in BP)
0,9731413 GE 0,9732360 GE 276 BP 275 BP
0,0000947 GE/BP
BPV21 GE
'ZB - AF2 'ZBR 2 (in BP)
0,9353896 GE 0,9355705 GE 339,6 BP 338,6 BP
0,000181 GE/BP
BPV31GE
'ZB - AF3 'ZBR3 (in BP)
0,8878690 GE 0,8881250 GE 404,4 BP 403,4 BP
0,0002561 GE/BP
Aus der Multiplikation der normierten Basispoint Values mit den laufzeitkongruenten Zahlungen erhält man anschließend die Basispoint Values der einzelnen Super Cash Flows. Nach Einsetzen in obige Formel zur produktorientierten Berechnung des Marktwertrisikos berechnen sich in Abhängigkeit der jeweiligen Zinsentwicklung schließlich die folgenden Risikowerte:
318
Die Berechnungen in Abbildung 200 zeigen, dass das Risiko im Falle eines Zinsanstiegs 6.815,22 GE beträgt, d.h. der Marktwert der Bankbilanz sinkt innerhalb einer Woche mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 0,13 % um mehr als 6.815,22 GE. Im Falle einer Zinssenkung resultiert dagegen ein Value at Risk in Höhe von 6.311,05 GE. Wird aus Vorsichtsgründen der höhere der beiden Werte als Risikowert betrachtet, dann beträgt das Marktwertrisiko über alle vier Positionen hinweg 6.815,22 GE.
Zinsanstieg ª85.000 GE 0,0000947 -915.000 GE 0,000181 1.040.000 GE 0,0002561º « » 6 ,545700% 338,6 (e 7 ,549155% 1) 403,4 (e 7 ,684119% 1) 1) ¬275 (e ¼
VaR
1 0,558710 0,485715º ª «0,558710 1 0,591403»» « »¼ 1 ¬«0,485715 0,591403
BPV
ª 85.000 GE 0,0000947 275 (e 6 ,545700% 1) º « » 7 ,549155% 1) » « -915.000 GE 0,000181 338,6 (e «1.040.000 GE 0,0002561 403,4 (e 7 ,684119% 1)» ¬ ¼ 6.815,22 GE
Zinssenkung ª85.000 GE 0,0000947 -915.000 GE 0,000181 1.040.000 GE 0,0002561º « » - 6 ,545700% 338,6 (e - 7 ,549155% 1) 403,4 (e - 7 ,684119% 1) 1) ¬275 (e ¼
VaR
BPV
1 0,558710 0,485715º ª «0,558710 1 0,591403»» « «¬0,485715 0,591403 »¼ 1 ª 85.000 GE 0,0000947 275 (e - 6 ,545700% 1) º « » - 7 ,549155% 1) » « -915.000 GE 0,000181 338,6 (e «1.040.000 GE 0,0002561 403,4 (e - 7 ,684119% 1)» ¬ ¼
6.311,05 GE
Abb. 200: Indirekte Super Cash Flow-orientierte Bestimmung des Marktwertrisikos am Beispiel laufzeitspezifischer Basispoint Values
319
Bislang wurde bei der Berechnung von Marktwertrisiken implizit unterstellt, dass die untersuchten Marktwertänderungen ohne eine Veränderung der Restlaufzeit erfolgen. Korrekterweise wäre jedoch zu berücksichtigen, dass sich bei einer entsprechend langen Haltedauer selbst bei konstantem Zinsniveau eine Marktwertänderung durch den „Rutsch“ auf der Zinsstrukturkurve ergibt. Demzufolge müsste bei der Berechnung der stetigen Veränderungsraten der Zerobondrenditen grundsätzlich auch die Verkürzung der Restlaufzeit mit berücksichtigt werden. Sofern die Haltedauern entsprechend kurz sind, ist dieser Effekt vernachlässigbar. Bei einer längeren Haltedauer können sich durch die Veränderung der Restlaufzeit jedoch durchaus Marktwertveränderungen ergeben. Möglich wäre ferner, dass der Effekt einer Zinsänderung durch die Verkürzung der Restlaufzeit kompensiert wird. (b)
Direkte Bestimmung von Marktwertrisiken mittels Cash Flow-Neubewertung
Im vorangegangenen Abschnitt wurde exemplarisch anhand der Value at Risk-Bestimmung mittels laufzeitspezifischer Basispoint Values dargestellt, wie Marktwertrisiken von Single-, Produkt- und Super Cash Flows unter Verwendung von Sensitivitätsparametern quantifiziert werden können. Eine einfachere Variante zur Quantifizierung von Marktwertrisiken stellt die direkte Value at Risk-Bestimmung mittels Neubewertung der jeweils betrachteten Cash Flows dar. Gemäß der standardisierten Vorgehensweise bei der Risikoquantifizierung im Rahmen des analytischen Grundmodells des VaR lassen sich entsprechende Beziehungen aufbauen. Als Risikoparameter fungiert dabei nicht wie bisher die stetige Veränderungsrate der Zerobondrenditen, sondern die stetige Veränderungsrate der Zerobond-Abzinsfaktoren, deren Standardabweichung (STD) zu berechnen ist. Für einen in der Zukunft erwarteten Mittelzufluss (Long Position) ergibt sich die Risikomesszahl (RMZ) aus der Multiplikation der negativen, bei einem zukünftigen Mittelabfluss (Short Position) der positiven Standardabweichung mit dem Z-Wert. Der Risikofaktor (RF) berechnet sich sodann aus der Potenzierung der Eulerschen Zahl e mit der ermittelten Risikomesszahl und Subtraktion von Eins. Die multiplikative Verknüpfung von aktuellem Marktwert der Zahlung und laufzeitspezifischem Risikofaktor führt schließlich zum Value at ZB-AF Risk eines Single Cash Flow VaR t . Abbildung 201 fasst die Vorgehensweise zusammen.
320
Stufe 1
Definition der stetigen Veränderungsraten des relevanten ZerobondAbzinsfaktors (ZB-AFt) als Risikoparameter
Stufe 2
Berechnung der Standardabweichung der stetigen Veränderungsraten des (relevanten) Zerobond-Abzinsfaktors (STDtZB-AF)
Stufe 3
Bestimmung der laufzeitspezifischen Risikomesszahl (RMZtZB-AF) durch Multiplikation der Standardabweichung der stetigen Veränderungsraten des (relevanten) Zerobond-Abzinsfaktors mit dem gewünschten Z-Wert (RMZtZB-AF= ± Z-Wert · STDtZB-AF)
Stufe 4
Stufe 5
Ableitung des laufzeitspezifischen Risikofaktors (RFtZB-AF) durch Potenzierung der Eulerschen Zahl e mit der Risikomesszahl und anschließender Subtraktion von 1 (RFtZB-AF = eRMZt – 1) Ermittlung des Value at Risk des Single Cash Flows (VaRtZB-AF) durch Multiplikation von laufzeitspezifischem Risikofaktor und aktuellem Marktwert des Cash Flow (CFt)
Abb. 201: Direkte Ermittlung des Value at Risk einer einzelnen Zahlung
Unter Berücksichtigung der zwischen den stetigen Veränderungsraten der ZerobondAbzinsfaktoren einzelner Laufzeiten bestehenden Korrelationen ergibt sich der Value at Risk ZB-AF einer sich aus mehreren Single Cash Flows zusammensetzenden Zinsrisikoposition VaR allgemein nach:
>VaR VaR ZB-AF
ZB-AF 1
@
-AF VaR 2ZB-AF VaR ZB t
1 KOR(ZB - AF1 , ZB - AF2 ) ª «KOR(ZB - AF2 , ZB - AF1 ) 1 « « KOR(ZB - AF , ZB - AF ) KOR(ZB - AF , ZB - AF ) t 1 t 2 ¬
KOR(ZB - AF1 , ZB - AFt ) º KOR(ZB - AF2 , ZB - AFt )» » » 1 ¼
ªVaR ZB-AF º 1 » « «VaR 2ZB-AF » » « » « « ZB-AF » VaR t ¼» ¬«
Auch die Super Cash Flow-orientierte Quantifizierung des Marktwertrisikos kann anhand vorstehender Formel erfolgen. Hierzu sind lediglich anstelle einzelner Single Cash Flows die 321
zu Super Cash Flows aggregierten laufzeitgleichen Zahlungen der zu berücksichtigenden Geschäfte der Berechnung des Risikovolumens zugrundezulegen. Zu beachten ist dabei, dass das Risiko für ein aus aktivischen und passivischen Zinsrisikopositionen bestehendes Portfolio i.d.R. sowohl in der Gefahr sinkender als auch in der Gefahr steigender ZerobondAbzinsfaktoren besteht. Der Gegenläufigkeit von Mittelzu- und -abflüssen ist wiederum entweder über die Vorzeichen der Super Cash Flows bei der Aufstellung der Vektoren oder über veränderte Vorzeichen der relevanten Korrelationskoeffizienten Rechnung zu tragen. Aufgrund der fehlenden Linearität des natürlichen Logarithmus und der daraus folgenden Abweichung der Wertänderung, die sich bei einer negativen Standardabweichung ergibt, von derjenigen, die bei einer positiven Standardabweichung resultiert, muss das Marktwertrisiko der Gesamtposition sowohl in Abhängigkeit eines Anstiegs als auch in Abhängigkeit einer Senkung der relevanten Zerobond-Abzinsfaktoren bestimmt werden. Aus Vorsichtsgründen ist dann wiederum der größere der beiden Risikowerte als Value at Risk zu betrachten. Zur Veranschaulichung der allgemeinen Vorgehensweise bei der Zerobond-Abzinsfaktorgestützten Kalkulation von Marktwertrisiken sei wiederum von der in Abbildung 199 dargestellten vereinfachten Bankbilanz ausgegangen. Anstelle der stetigen Veränderungsraten der Zerobondrenditen werden im Folgenden jedoch die beispielhaft aus den 1-, 2- und 3-JahresEuro-Schweizerfranken-Sätzen per 01.07.96 abgeleiteten stetigen Veränderungsraten der Zerobond-Abzinsfaktoren als Risikoparameter zugrundegelegt (vgl. Abb. 202). Für die stetigen wöchentlichen Veränderungsraten des 1-jährigen Zerobond-Abzinsfaktors ergibt sich im Analysezeitraum vom 01.01.90 bis 01.07.96 eine Standardabweichung in Höhe von 0,132164 %. Die Standardabweichungen der stetigen wöchentlichen Veränderungsraten des 2- und 3-jährigen Zerobond-Abzinsfaktors betragen jeweils 0,291007 % bzw. 0,367924 %.
Aktiva Position A B
Passiva Laufzeit 3 Jahre 2 Jahre
Nominalzins 1 Mio. GE 4,0 % 2 Mio. GE 6,0 % Volumen
Position C D
LaufNominalVolumen zeit zins 2 Jahre 1,5 Mio. GE 3,0 % 2 Jahre 1,5 Mio. GE 2,0 %
Korrelationen ZerobondAktuelles StandardAbzinsfaktor Niveau abweichung* ZB-AF[0;1] ZB-AF[0;2] ZB-AF[0;3] 1 0,582205 0,504633 ZB-AF[0;1] 0,973236 0,132164 % 0,582205 1 0,746350 ZB-AF[0;2] 0,935571 0,291007 % 0,504633 0,746350 1 ZB-AF[0;3] 0,888125 0,367924 % * Standardabweichung der stetigen wöchentlichen Veränderungsraten der aus den EuroSchweizer-Franken-Sätzen für den Beobachtungszeitraum vom 01.01.90-01.07.96 abgeleiteten Zerobond-Abzinsfaktoren Abb. 202: Positions- und Marktdaten zur direkten Bestimmung des Marktwertrisikos
Die Single Cash Flow-spezifische Risikoberechnung sei wiederum anhand der Position A erläutert. Für die in einem Jahr aus der 4 %-Anleihe erwartete Zahlung in Höhe von 40.000 GE ergibt sich folgendes Marktwertrisiko:
322
RMZ1ZB - AF
- STD1ZB - AF Z - Wert RMZ1ZB-AF
RF1ZB - AF
e
RV1ZB - AF
CF1 ZB - AF1
VaR1ZB - AF
- 0,132164 % 3
- 0,396492 %
1 e - 0,396492 % 1 - 0,395707 %
40.000 GE 0,973236
RV1ZB - AF RF1ZB - AF
38.929,44 GE
38.929,44 GE (- 0,395707 %)
- 154,05 GE
Unter den getroffenen Annahmen errechnet sich ein VaR in Höhe von 154,05 GE. Dieser Wert bedeutet, dass der Marktwert der in einem Jahr erwarteten Zahlung in Höhe von 40.000 GE innerhalb einer Woche mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 0,13 % um mehr als 154,05 GE sinkt. Auf diese Weise lässt sich für jeden Single Cash Flow das entsprechende Verlustrisiko bestimmen. Für die in zwei und drei Jahren erwarteten Single Cash Flows ergeben sich auf die jeweiligen Risikoparameter bezogene Verluste in Höhe von: VaR 2 ZB - AF
RV2ZB - AF RF2 ZB - AF
37.422,84 GE (- 0,869221 %)
VaR 3 ZB - AF
RV3 ZB - AF RF3 ZB - AF
923.650,00 (- 1,097703 %)
- 325,29 GE
- 10.138,93 GE
Der Marktwert der in zwei (drei) Jahren erwarteten Zahlung in Höhe von 40.000 GE (1.040.000 GE) sinkt innerhalb einer Woche mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 0,13 % um mehr als 325,29 GE (10.138,93 GE). Werden die in Abbildung 202 dargestellten paarweisen Korrelationen zwischen den stetigen Veränderungsraten der 1-, 2- und 3-Jahres-Zerobond-Abzinsfaktoren berücksichtigt, errechnet sich das Verlustrisiko des gesamten Wertpapiers zu: ª40.000 GE 0,973236 40.000 GE 0,935571 1.040.000 GE 0,888125º « - 0,396492 % » 1) (e - 0,873021 % 1) (e - 1,103772 % 1) ¬ (e ¼
VaR ZB-AF
1 0,582205 0,504633º ª «0,582205 1 0,746350»» « «¬0,504633 0,746350 »¼ 1 ª 40.000 GE 0,973236 (e - 0,396492 % 1) º « » - 0,873021 % 1) » « 40.000 GE 0,935571 (e 1,103772 % «1.040.000 GE 0,888125 (e 1)»¼ ¬
10.463,52 GE
Aufgrund der bestehenden Korrelationen zwischen den einzelnen Zerobond-Abzinsfaktoren von kleiner 1 entspricht der Value at Risk des Wertpapiers nicht der Summe der Verlustrisi323
ken der einzelnen Single Cash Flows, sondern fällt mit insgesamt 10.463,52 GE um 154,75 GE geringer aus. Zur Super Cash Flow-orientierten Risikoberechnung sind die Positionen A, B, C und D – in Analogie zur Basispoint Value-gestützten Methodik – zunächst in ihre einzelnen Zahlungen zu zerlegen. Die laufzeitgleichen Zahlungen sind sodann zu aggregieren und mit den entsprechenden Zerobond-Abzinsfaktoren zu multiplizieren. Für die einzelnen Super Cash Flows (SCF) ergeben sich damit die folgenden Risikovolumina: RV1ZB - AF
SCF1 ZB - AF1
RV2ZB - AF
SCF2 ZB - AF2
- 915.000 GE 0,935571 - 856.047,47 GE
RV3ZB - AF
SCF3 ZB - AF3
1.040.000 GE 0,888125 923.650,00 GE
85.000 GE 0,973236 87.725,06 GE
Nach Einsetzen in vorstehende Formel ergeben sich in Abhängigkeit der jeweiligen Entwicklung der Zerobond-Abzinsfaktoren die in Abbildung 203 genannten Verlustrisiken. Diese Werte weichen von den mit Hilfe indirekter Bewertungsverfahren ermittelten Value at RiskGrößen geringfügig ab (vgl. Abb. 200). Hierfür gibt es verschiedene Ursachen: •
Die Korrelationen zwischen Zerobondrenditen sind insbesondere aufgrund der Logarithmierung nicht identisch.
•
Während bei Zinssenkungen die Zerobondrenditen kleiner werden und sich damit negativ entwickeln, steigen die Werte der Zerobondabzinsfaktoren. Bei Zinserhöhungen ergeben sich umgekehrte Entwicklungen. Deshalb resultieren wiederum aufgrund der Logarithmierung unterschiedliche Ergebnisse.
•
Während bei den indirekten Verfahren bezüglich der untersuchten Zinssätze lineare Veränderungen unterstellt werden, versuchen die direkten Verfahren der Krümmung der Barwertfunktion gerecht zu werden.
324
Zinsanstieg
ª85.000 GE 0,973236 -915.000 GE 0,935571 1.040.000 GE 0,888125º « » « (e- 0,396492% 1) » (e- 0,873021% 1) (e- 1,103772% 1) ¬ ¼
VaR ZB-AF
1 0,582205 0,504633º ª «0,582205 1 0,746350» «¬0,504633 0,746350 »¼ 1 ª 85.000GE 0,973236 (e- 0,396492% 1) º « » - 0,873021% 1) » « - 915.000GE 0,935571 (e 1,103772% «1.040.000GE 0,888125 (e 1)» ¬ ¼
6.795,51GE
Zinssenkung
ª85.000 GE 0,973236 - 915.000 GE 0,935571 1.040.000 GE 0,888125º « » 0,873021% 1,103772% « (e 0,396492% 1) » ( e 1 ) ( e 1 ) ¬ ¼
VaR
ZB- AF
1 0,582205 0,504633º ª «0,582205 1 0,746350» »¼ «¬0,504633 0,746350 1 ª 85.000GE 0,973236 (e 0,396492% 1) º « » 0,873021% 1) » « - 915.000GE 0,935571 (e «1.040.000GE 0,888125 (e1,103772% 1)» ¬ ¼
6.870,87 GE Abb. 203: Direkte Super Cash Flow-orientierte Bestimmung des Marktwertrisikos
(3)
Quantifizierung des Zinsspannenrisikos
Mit dem Konzept der Zinsbindungsbilanz wird zunächst der klassische Ansatz zur Quantifizierung von Zinsspannenrisiken diskutiert. Ausgehend von der Kritik an diesem Konzept wird mit dem Elastizitätskonzept anschließend ein modernes Verfahren zur Zinsspannenrisikomessung vorgestellt.
325
(a)
Das Konzept der Zinsbindungsbilanz
Im Rahmen des auf SCHOLZ (SCHOLZ 1979) zurückgehenden Konzepts der Zinsbindungsbilanz werden betragsmäßige Inkongruenzen zwischen dem aktivischen und passivischen Festzinsaltgeschäft, sogenannte Festzinsüberhänge bzw. die diesen gegenüberstehenden Festzinslücken als Ursache des Zinsspannenrisikos angesehen. Festzinsüberhänge bzw. Festzinslücken lassen sich stichtagsbezogen aus der Gegenüberstellung der jeweils vorhandenen Bestände der Festzinspositionen beider Bilanzseiten ermitteln. Als Festzinspositionen im engeren Sinne gelten dabei (gemäß BaFin) nur Geschäfte mit einer Zinsbindung von 6 Monaten und länger. Hat ein Finanzinstitut dabei in größerem Umfang Aktiva als Passiva zu Festzinsbedingungen vereinbart, dann besteht, wie Abbildung 204 verdeutlicht, ein aktivischer Festzinsüberhang. Dieser äußert sich in einer Festzinslücke auf der Passivseite. Im umgekehrten Fall resultiert dagegen ein Festzinsüberhang auf der Passivseite bzw. eine aktivische Festzinslücke. Aktiva
Zinsbindungsbilanz
Passiva Geschlossene Festzinsposition
Festzinsüberhang
Gesamtbilanz
Geschlossene variabel verzinsliche Positionen
Abb. 204: Darstellung eines aktivischen Festzinsüberhangs
Die Bedeutung von Festzinsüberhängen bzw. Festzinslücken als Determinanten des Zinsspannenrisikos erwächst aus der Tatsache, dass Festzinspositionen während ihrer Zinsbindung nicht an geänderte Marktzinsen angepasst werden können. Hingegen passen sich die variabel verzinslichen Positionen der Festzinslücke an Marktzinsänderungen an. Im Falle eines aktivischen Festzinsüberhangs bzw. einer passivischen Festzinslücke führt dieses unterschiedliche Zinsanpassungsverhalten damit zwingend zu einer Reduktion der Zinsspanne bei steigendem Zinsniveau, im Falle eines passivischen Festzinsüberhangs bzw. einer aktivischen Festzinslücke ergibt sich dagegen eine Verringerung der Zinsspanne bei sinkendem Zinsniveau. Die Intensität der Reaktion der Zinsspanne auf Veränderungen des Zinsniveaus ist dabei vom Volumen des Festzinsüberhangs bzw. der Festzinslücke abhängig. Die Vorgehensweise zur Ermittlung der Sensitivität der Zinsspanne gegenüber Marktzinsänderungen im Konzept der Zinsbindungsbilanz soll anhand der in Abbildung 205 dargestellten Zinsbindungsbilanzen verdeutlicht werden. Dem Beispiel liegt eine aktuelle Bankbilanz mit einer Bilanzsumme von 500 Mio. GE zugrunde. Im Aktivbereich bestehen Festzinspositionen in Höhe von 350 Mio. GE zu einem Durchschnittszins von 6,83 %, im Passivgeschäft
326
Festzinspositionen im Umfang von 250 Mio. GE mit einer durchschnittlichen Verzinsung von 4,69 %. Die Zinsspanne der geschlossenen Festzinsposition beträgt folglich 2,14 %. Da lediglich 250 Mio. GE der 350 Mio. GE festzinsgebundenen Aktiva durch festzinsgebundene Passiva gedeckt sind, besteht im aktuellen Betrachtungszeitpunkt (t = 0) ein Festzinsüberhang im Aktivbereich in Höhe von 100 Mio. GE. Dem steht eine entsprechende Festzinslücke im Passivbereich gegenüber. Unter der Bedingung, dass zukünftig keine FestzinsNeugeschäfte abgeschlossen werden, beträgt der Bestand an Festzinsaktiva zum nächsten Stichtag (t = 1) nur noch 230 Mio. GE. Bis zu diesem Zeitpunkt (z.B. Quartals- oder Jahresende) sind also bereits Festzinsmittel in Höhe von 120 Mio. GE an die Bank zurückgeflossen. Der Bestand an Festzinspassiva schmilzt dagegen lediglich um 70 Mio. GE auf 180 Mio. GE ab, so dass sich der aktivische Festzinsüberhang auf 50 Mio. GE reduziert. In t = 2 und t = 3 erhöht sich dieser wieder leicht auf jeweils 55 Mio. GE. t=0
Zeitachse A 1. Stichtagsbezogene Gegenüberstellung der Festzinspositionen Aktivfestzins = 6,83 % Passivfestzins = 4,69 % 2. Ermittlung des Festzinsüberhangs resp. der Festzinslücke 3. Ableitung der Zinsüberschussveränderung bei 'MZ = r 1 %-P. 4. Bestimmung der Veränderung der BZSP bei 'MZ = r 1 %-P.
t=1 P A
t=2 P A 200
t=3 P A 155
P 100
350 250 230 Mio. Mio.
180
100 Mio.
50 Mio.
55 Mio.
55 Mio.
±1 Mio.
± 0,5 Mio.
± 0,55 Mio.
± 0,55 Mio.
± 0,20 %
...
...
...
145
Bilanzsumme 500 Mio. Abb. 205: Bestimmung der Zinssensitivität der Bruttozinsspanne mit Hilfe der Zinsbindungsbilanz
Während für die Festzinspositionen des Aktivüberhangs für die Dauer der Zinsbindung eine Anhebung der Zinssätze nicht möglich ist, erhöht sich bei einem Anstieg des Zinsniveaus um 1 %-Punkt der Zinsaufwand der variabel verzinslichen Geschäfte der passivischen Festzinslücke um 1 Mio. GE (100 Mio. · 1 %-Punkt). Dies führt zu einer Reduktion des Zinsüberschusses in gleichem Ausmaße. Eine 1 %-ige Marktzinssenkung führt dagegen zu einer Verringerung des Zinsaufwands der variabel verzinslichen Passiva der Festzinslücke in Höhe von 1 Mio. GE. Infolge des konstant bleibenden Zinsertrages der aktivischen Festzinspositionen des Überhangs ergibt sich somit eine entsprechende Verbesserung des Zinsüberschusses. Setzt man die Veränderung des Zinsüberschusses in Höhe von ± 1 Mio. GE in Relation zum entsprechenden Stichtagsvolumen der Gesamtbilanz in Höhe von 500 Mio., dann resultiert für die Bruttozinsspanne als Reaktion auf eine 1 %-ige Marktzinsänderung eine Veränderung von ± 0,20 %-Punkten (vgl. Abb. 205).
327
Prinzipiell benötigt man bei der Sensitivitätsbestimmung der Bruttozinsspanne keine Angaben über die Durchschnittsverzinsung der einzelnen Blöcke, da neben der Marktzinsänderung allein die Differenz der aktivischen und passivischen Festzinsvolumina als Komponenten in die Berechnung eingehen. Mit Hilfe blockspezifischer Durchschnittszinsen lassen sich jedoch kritische Zinssätze, sogenannte Grenzzinssätze berechnen, bis zu denen die durchschnittliche Verzinsung der Festzinslücke, d.h. der offenen variablen Passiv(Aktiv)-Position ansteigen (fallen) darf, bevor – je nach Grenzzinstyp – Teilergebnisse negativ werden. Beispielhaft können folgende Grenzzinssätze unterschieden werden: •
Der Grenzzins Typ A kennzeichnet jenen durchschnittlichen variablen Passivzins, bei dem der Zinsüberschuss aus der offenen Festzinsposition negativ wird. Im obigen Beispiel beträgt er 6,83 %.
•
Der Grenzzins Typ B kennzeichnet jenen durchschnittlichen variablen Passivzins, bei dem neben dem Zinsüberschuss aus der offenen Festzinsposition auch der Zinsüberschuss aus der geschlossenen Festzinsposition aufgezehrt ist. Für das Beispiel ergibt sich folgende Rechnung: Die Zinsspanne der geschlossenen Festzinsposition beträgt 2,14 % (= 6,83 % – 4,69 %). Bezogen auf ein Volumen von 250 Mio. GE resultiert daraus ein Zinsüberschuss aus dem kongruent gedeckten Teil des Festzinsgeschäfts in Höhe von 5,35 Mio. GE. Dieser wird bei einer Marktzinserhöhung genau dann vollständig verzehrt, wenn der durchschnittliche Zinssatz der variablen Passiva der Festzinslücke (100 Mio. GE) um 5,35 %-Punkte (5,35 Mio. GE / 100 Mio. GE) auf 12,18 % (6,83 % + 5,35 %) steigt.
Für die praktische Risikosteuerung liefern die vorstehend genannten Grenzzinssätze allerdings nur bedingt entscheidungsrelevante Informationen. Denn aufgrund der Grenzzinssätze allein kann noch keine Entscheidung darüber getroffen werden, ob die offene Festzinsposition bei einer Über- oder Unterschreitung der Grenzzinssätze zu schließen ist oder nicht. Um einen solchen Entscheid zu fällen, ist stets der Umfang der offenen Festzinsposition zu berücksichtigen. So stellt beispielsweise für eine Bank mit einer in Relation zur Bilanzsumme verschwindend geringen offenen Festzinsposition das Über- oder Unterschreiten der Grenzzinssätze i.d.R. keine besorgniserregende Situation dar. Des weiteren bleiben die volumensmäßigen und/oder risikostrukturellen Auswirkungen einer Schließung offener Festzinspositionen auf die geforderte Mindestmarge in der Kalkulation der kritischen Zinssätze unberücksichtigt. Würde sich beispielsweise die Mindestmarge aufgrund einer gewachsenen Bilanzsumme, bedingt durch die Glattstellung des Festzinsüberhangs, oder infolge einer verschlechterten Risikostruktur erhöhen, dann wären die Grenzzinssätze bei Vorliegen eines Aktivüberhangs zu hoch, bei Vorliegen eines Passivüberhangs dagegen zu niedrig angesetzt worden. Darüber hinaus kann ein Zinsüberschuss von „Null“ für eine Bank keinesfalls einen risikoadäquaten Schwellenwert bilden. Die Unzulänglichkeiten des Zinsbindungskonzepts reichen jedoch weit über die nur bedingt entscheidungsrelevante Steuerungsinformation der Grenzzinssätze hinaus. Der wohl schwerwiegendste Kritikpunkt wird dabei in der Beschränkung der Zinssensitivitätsanalyse auf den Festzinsüberhang selbst gesehen. Dies erscheint nämlich nur dann sachgerecht, wenn •
328
innerhalb der Betrachtungsperiode keine Festzinsgeschäfte auslaufen,
•
im beidseitig variabel verzinslichen Geschäft die Veränderung des Durchschnittszinses der variablen Aktiva infolge einer Marktzinsänderung in jedem Fall der Veränderung des Durchschnittszinses der variablen Passiva entspricht und
•
der Durchschnittszins der variabel verzinslichen Positionen der Festzinslücke in gleichem Umfang schwankt wie der Marktzins.
Wie anhand der in Abbildung 206 dargestellten Zinsdifferenzen deutlich wird, reagieren die Zinssätze variabel verzinslicher Geschäfte jedoch unterschiedlich stark auf Marktzinsänderungen. Zeitraum Sparzins Festgeldzins Hypothekenzins Kapitalmarktzins Geldmarktzins
1974 – 1978 1978 - 1981 - 3,49 + 2,50 - 8,19 + 7,71 - 4,51 + 5,87 - 5,30 + 5,90 - 13,11 + 9,33
1981 - 1988 - 3,00 - 9,23 - 5,73 - 5,80 - 10,28
1988 - 1992 1992 – 2005 + 0,83 - 2,85 + 5,26 - 6,14 + 4,39 - 3,96 + 3,00 - 5,25 + 6,59 - 8,20
Abb. 206: Zinsdifferenzen zwischen den Wendepunkten der deutschen Zinsentwicklung (Quelle: Monatsberichte der Dt. Bundesbank, eigene Berechnungen)
So reagiert etwa im Einlagenbereich der Festgeldzins erheblich stärker auf Marktzinsänderungen als der Sparzins. Dies führte in der Zinsanstiegsphase von 1988 bis 1992 z.B. dazu, dass der Sparzins bei den deutschen Banken im Durchschnitt lediglich um 0,83 %-Punkte angehoben wurde, während der Festgeldzins um mehr als das Sechsfache, nämlich um 5,26 %Punkte anstieg. Ähnliche Unterschiede werden auch zwischen dem kurzen und dem langen Ende der Zinsstrukturkurve am Geld- und Kapitalmarkt sichtbar. Denn die normale Zinsstruktur drehte sich über die mehr als doppelt so hohe Zinsreagibilität des Geldmarktzinses von + 6,59 %-Punkten gegenüber dem Kapitalmarktzins von nur + 3 %-Punkten während der Zinsanstiegsphase zwischen 1988 und 1992 in eine inverse Zinsstruktur. I.d.R. wird daher weder eine Marktzinsänderung von einem Prozentpunkt zu einer Änderung des durchschnittlichen Überhangfinanzierungs- respektive Anlagezinses von ebenfalls einem Prozentpunkt führen, noch eine gleichmäßige Entwicklung der Durchschnittzinsen im variabel verzinslichen Aktiv- und Passivgeschäft stattfinden. Eine Beschränkung der Sensitivitätsanalyse auf den Festzinsüberhang wird somit zwangsläufig zu einer Fehleinschätzung der Auswirkungen von Marktzinsänderungen auf die Bruttozinsspanne führen. (b)
Das Elastizitätskonzept
Aus Kritik an der Zinsbindungsbilanz heraus wurde, aufbauend auf ein vereinfachtes Konzept der Zinssensitivitätsanalyse von LEE (LEE 1981), von ROLFES das Elastizitätskonzept entwickelt. In diesem werden nicht allein Inkongruenzen zwischen aktivischen und passivischen Festzinspositionen als Ursache des Zinsspannenrisikos angesehen, sondern zusätzlich das unterschiedliche Konditionenanpassungsverhalten der variabel verzinslichen Positionen (ROLFES 1985a). Zu den variabel verzinslichen Positionen zählen dabei auch in ihrer Zinsbindung auslaufende und damit „variabel“ werdende Festzinspositionen.
329
Verfahren zur Bestimmung von Zinsanpassungselastizitäten
Wesentliches Element zur Abbildung der Reagibilität variabel verzinslicher Positionen bezüglich Veränderungen von Marktzinsen stellt die sogenannte Zinsanpassungselastizität dar. Diese ist folgendermaßen definiert: Hi =
' PZ Ti ' MZ T
mit: H = Elastizität; PZ = Positionszins; MZ = Marktzins; i = Position i; T = Betrachtungszeitraum
Die Zinsanpassungselastizität bezeichnet die Relation zwischen der absoluten Veränderung der abhängigen Variable „Positionszins“ und der absoluten Veränderung der erklärenden Variable „Marktzins“. Damit spiegelt sie die in der Praxis für den Großteil der Bankprodukte zu beobachtende Tatsache wider, dass sich die Entwicklung der Konditionen von Kundengeschäften eng an der Veränderung bestimmter Geld- und Kapitalmarktzinsen orientiert. Hierbei kann von einem Ursache-Wirkung-Zusammenhang ausgegangen werden, d.h. Änderungen von Kundenkonditionen werden als Reaktion auf Änderungen entsprechender, als Referenzzinssätze gewählter Geld- und Kapitalmarktzinsen vorgenommen. Die Ermittlung von Zinsanpassungselastizitäten kann zum einen direkt anhand des vorstehenden Differenzenquotienten erfolgen. Diese Rechenoperation wird als Grundmodell der Elastizitätsberechnung bezeichnet (vgl. SCHWANITZ 1996). Zum andern lassen sich Zinsanpassungselastizitäten mittels Verfahren der Regressionsanalyse bestimmen. Auf beide Ansätze wird im Folgenden näher eingegangen. Das Grundmodell der Elastizitätsberechnung sei zunächst anhand einer variabel verzinslichen Position verdeutlicht. Innerhalb einer fiktiv unterstellten Betrachtungsperiode steige der als Referenzzins gewählte Marktzins um 5 %-Punkte von 4 % auf 9 %. Gleichzeitig erhöhe sich der Zinssatz der variabel verzinslichen Position von 7 % auf 10 %, also um 3 %-Punkte. Für die variabel verzinsliche Position ergibt sich damit im betrachteten Zeitraum eine Zinsanpassungselastizität von + 0,6. Das bedeutet, dass bei einem Anstieg des Referenzzinses um absolut 1 %-Punkt der Positionszins um absolut 0,6 %-Punkte steigt. Unterstellt man, dass die zinsvariable Position als Aktivposition im Zeitpunkt t = 0 zum Referenzzins refinanziert wird, dann beläuft sich die Zinsmarge in t = 0 auf 3 % (= 7 % – 4 %), während sie in t = 1 nur noch 1 % (= 10 % – 9 %) beträgt (vgl. Abb. 207).
330
Zinssatz (in %) Zinsanpassungselastizität 3% H 0,6 5%
12
10 Hypothekenzins
Reduktion der Zinsmarge: - 2 % Zinsmarge: 1 %
+3% 8 Marktzins: + 5 % 6
Zinsmarge: 3%
4 Betrachtungsperiode t=0
t t=1
Abb. 207: Die Zinsanpassungselastizität einer variabel verzinslichen Position
Während für Festzins-Neugeschäfte – in Analogie zu den variabel verzinslichen Positionen – positive Elastizitäten ermittelbar sind, reagieren Festzinspositionen während ihrer Zinsbindung nicht auf Marktzinsänderungen und weisen damit innerhalb dieser Zinsbindungsfrist stets eine Zinsanpassungselastizität von Null auf. Dies wird in Abbildung 208 deutlich. Während der als Referenzzins gewählte Marktzins wiederum um 5 %-Punkte steigt, bleibt der Zinssatz der nunmehr betrachteten Festzinsposition aufgrund der die Betrachtungsperiode annahmegemäß überdauernden Zinsbindungsfrist konstant bei 7 %. Aus der Relation der absoluten Veränderungen der Zinssätze ergibt sich für die Festzinsposition daher eine Zinsanpassungselastizität in Höhe von Null. Bei wiederum unterstellter Refinanzierung in t = 0 verringert sich damit die Zinsmarge innerhalb des betrachteten Zeitraums von + 3 % auf - 2 %. Von zentraler Bedeutung bei der Bestimmung von Zinsanpassungselastizitäten ist die Wahl des als Referenzzins zugrundezulegenden Marktzinses. Zur Verbesserung der Positionszinsprognose empfiehlt es sich dabei, als Referenzzins für eine Produktart denjenigen Geld- und Kapitalmarktzins zu wählen, der den höchsten Erklärungsbeitrag zur Variation des Positionszinses liefert. Eine undifferenzierte Elastizitätsberechnung in Form einer von obiger Definition der Zinsanpassungselastizität ausgehenden einfachen Divisionsrechnung ist dabei nicht in der Lage, Informationen bezüglich der Güte eines Marktzinses als Referenzzins zu liefern. Deshalb wird mit der Regressionsanalyse und dem darauf aufbauenden Elastizitätsdiagramm nachfolgend ein Verfahren vorgestellt, das die Qualität eines Marktzinses zur Erklärung einer Konditionenentwicklung einzuschätzen vermag. Die Beurteilung nach statistischen Kriterien soll dabei exemplarisch am Beispiel der Berechnung der Zinsanpassungselastizität für variable Hypothekarkredite unter Verwendung des 3-Monats-Euribor als Referenzzins verdeutlicht
331
werden. Als Datenbasis dienen die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze im Zeitraum von 1988 bis 2005, wobei der jeweils laufende 6-MonatsDurchschnittswert herangezogen wurde.
Zinssatz (in %) Zinsanpassungselastizität 0% H 0,0 5%
12 10
Reduktion der Zinsmarge: - 5 %
konst. Positionszins Zinsmarge: -2%
8 6
Zinsmarge: 3%
Marktzins: + 5 %
4 Betrachtungsperiode t=0
t t=1
Abb. 208: Die Zinsanpassungselastizität einer Festzinsposition während der Zinsbindungsdauer
Zunächst werden die historischen Zeitreihen des 3-Monats-Euribor (vormals Fibor) und des variablen Hypothekenzinses (var. Hypo-Zins) in ein Koordinatensystem übertragen. Auf der Abszisse werden die Beobachtungswerte für die unabhängige Variable (3-Monats-Euribor), auf der Ordinate diejenigen für die abhängige Variable (var. Hypo-Zins) abgetragen. Für jeden Zeitpunkt (z.B. Monatsende) ergibt sich somit eine Kombination aus einer Euribor- und einer var. Hypo-Zins-Beobachtung, die als Punkt im Diagramm dargestellt wird. Werden sämtliche Beobachtungswerte der Zeitreihen übertragen, dann entsteht eine sogenannte Punktwolke. Aus deren Form erhält man Hinweise auf den zur Beschreibung der Abhängigkeit des var. Hypo-Zinses vom Euribor geeigneten mathematischen Funktionstyp. Abbildung 209 zeigt ein solches auch als Streuungsdiagramm bezeichnetes Koordinatensystem. Da die Punktestreuung das Bestehen eines linearen Zusammenhangs der Variablen nahelegt, d.h. mit steigendem Euribor auch der var. Hypo-Zins steigt, erscheint es angemessen, die Abhängigkeit durch eine Lineare Regressionsfunktion (Regressionsgerade) zu beschreiben. Unter den prinzipiell unendlich vielen Regressionsgeraden, die durch die Punktwolke gelegt werden können, ist dabei diejenige zu wählen, die die im Streuungsdiagramm erkennbare Grundtendenz des Zusammenhangs möglichst gut beschreibt. Zur Evaluation dieser optimalen Regressionsgeraden, deren Steigung dann der gesuchten Zinsanpassungselastizität entspricht, bietet sich die Methode der kleinsten Quadrate an. Damit wird die Summe der quadrierten Abweichungen der einzelnen Kombinationspunkte von der gesuchten Geraden minimiert. Für den var. Hypo-Zins lässt sich auf diese Weise für die Zeit von 1988 bis 2005 ein Elastizitätswert in Höhe von 0,66 bestimmen. Aus der Relation der durch die Regressi332
onsfunktion erklärten Abweichungsquadratsumme und der zu erklärenden Gesamtabweichungsquadratsumme resultiert für den betrachteten Zeitraum schließlich ein Bestimmtheitsmaß in Höhe von 0,939. D.h. 93.9 % der Variation des var. Hypo-Zinses können durch die Veränderung des 3-Monats-Euribor erklärt werden. Damit ist die Abweichung vom Maximalwert, der 100 % beträgt, grundsätzlich noch zu hoch.
var. Hypo-Zins 12,00 10,00
a) Streuungsdiagramm
Regressionsgerade
8,00 6,00 4,00
D
Elastizität = 0,66
0,00 0,00 2,00 4,00 Bestimmtheitsmaß = 93,9 %
b) Elastizitätendiagramm
var. Hypo-Zins 12,00
2,00
6,00
10,00 3-Mon.-Euribor 8,00 10,00 12,00 8,00
Zinssenkung 1993/1995
6,00 4,00 Daten: 1988-2005 Quelle: Deutsche Bundesbank
Zinsanstieg 1999/2000
2,00 0,00 0,00
2,00
4,00
6,00
8,00
3-M.-Euribor
Abb. 209: Elastizitätsanalyse mittels Streuungsdiagramm und Elastizitätsdiagramm
Eine Verbesserung der Qualität der zuvor ermittelten Elastizitätswerte wird durch die Berücksichtigung von Verzögerungen in der Konditionenanpassung erreicht, welche bei Aktiv- und Passivgeschäften als konditionenpolitisches Instrument eingesetzt werden. Die zeitliche Erstreckung dieser sogenannten Time-Lags ist dabei sowohl von der Zinsänderungsrichtung, als auch von der Zinsänderungsintensität, d.h. der Geschwindigkeit der Marktzinsänderung abhängig. Beispielsweise lässt sich hinsichtlich der Zinsänderungsrichtung beobachten, dass Banken in Zeiten des Übergangs von einer Hochzins- in eine Niedrigzinsphase den zeitlichen Spielraum nutzen und die Zinsanpassung bei Kundenkrediten hinauszögern. In Zinsanstiegsphasen sind sie hingegen geneigt, die Zinsentwicklung möglichst schnell an ihre Kreditnehmer weiterzugeben. Umgekehrte Relationen gelten für die Einlagengeschäfte. Des weiteren stellt man fest, dass je nach Höhe der Zinsänderungsintensität die Reaktion bei der Konditionenanpassung durch eine Art Trägheitseffekt unterschiedlich hoch sein kann. Zur Identifikation von Zinsanpassungsverzögerungen findet das sogenannte Elastizitätsdiagramm Anwendung (SCHWANITZ 1996). Dabei handelt es sich um ein modifiziertes Streuungsdiagramm, bei dem die in der klassischen Regressionsanalyse geforderte Unabhängigkeit der Ereignisse insofern aufgehoben wird, als die Kombinationspunkte der jeweils folgenden Zeitpunkte durch Linien miteinander verbunden sind. Auf diese Weise gelingt es, die zeitli333
che Struktur der Ereignisse sichtbar zu machen. Anpassungsverzögerungen sind dann als schleifenartige Kurvenverläufe zu erkennen. In Abbildung 209 ist das Elastizitätsdiagramm für den betrachteten var. Hypo-Zins dargestellt. Deutlich sichtbar ist darin der schleifenartig verlaufende Anpassungspfad des var. Hypo-Zinses in der 1993 einsetzenden Zinssenkungsphase. Eine einfache Methode zur Messung der zeitlichen Erstreckung der Zinsanpassungsverzögerung besteht darin, die Zeitreihe mit dem identifizierten Time-Lag soweit in die Vergangenheit zu verschieben, bis das Bestimmtheitsmaß ein Maximum erreicht. So muss etwa die Zeitreihe des var. Hypo-Zinses um 2 Monate korrigiert werden, damit der Erklärungsbeitrag der Regressionsfunktion maximiert wird. Dies bedeutet, dass Banken Änderungen des 3-MonatsEuribor im Durchschnitt erst nach zwei Monaten an ihre Hypothekarkredit-Kunden weitergegeben haben. Wird die Zeitreihe des var. Hypo-Zinses um diesen 2-monatigen Verzögerungseffekt korrigiert, dann ergibt sich folgendes Elastizitätsdiagramm: var. Hypo-Zins 12,00 Verzögerung: 2 Monate 10,00 8,00 6,00 Elastizität = 0,66 4,00 2,00 0,00 0,00
2,00
4,00
6,00
8,00
10,00
3-Mon.12,00 Euribor
Bestimmtheitsmaß = 95,1 % Abb. 210: Elastizitätsdiagramm der Time-Lag-korrigierten KK-Zins-Zeitreihe
Auffallend ist zunächst, dass die schleifenartigen Anpassungspfade zum Teil in sich zusammengefallen sind. Damit lassen sich graphisch weniger Hinweise auf zeitliche Verzögerungen in der var. Hypo-Zins-Anpassung identifizieren. Des weiteren sind die einzelnen Kombinationspunkte dichter um die ermittelte Regressionsgerade angeordnet. Numerisch wird diese geringe Punktestreuung durch ein von 0,939 auf 0,951 gestiegenes Bestimmtheitsmaß belegt. Nach dem Herausfiltern der Verzögerungseffekte wird also mehr der Variation des var. Hypo-Zinses durch die Euribor-Entwicklung erklärt. Generell lässt sich feststellen, dass sich für den überwiegenden Teil der in den Bundesbankberichten aufgeführten Bankprodukte Zinsanpassungselastizitäten mit einem hohen Bestimmtheitsmaß berechnen lassen (vgl. Abb. 211). Für den Großteil der variabel verzinslichen 334
Geschäfte stellt dabei der Geldmarktzins (3-Monats-Euribor) den Referenzzins mit dem höchsten Bestimmtheitsmaß dar. Bezüglich der Festzinsgeschäfte lässt sich eine deutliche Anlehnung an die Kapitalmarktsätze jeweils identischer Laufzeiten beobachten. Zinsanpassungselastizität
Bestimmtheitsmaß
Referenzzins
Anpassungsvermögen
Kontokorrentkredit • 100-500 TEUR • 500-2.500 TEUR
0,70 0,64
85 % 83 %
3-Mon.-Euribor 3-Mon.-Euribor
3 Monate 1 Monat
Wechselkredit
0,88
81 %
3-Mon.-Euribor
keine
Ratenkredit 5-15 TEUR
0,37
83 %
3-Mon.-Euribor
3 Monate
Hypo.-Kredit (fest) mit • Laufzeit 2 Jahre • Laufzeit 5 Jahre • Laufzeit 10 Jahre
0,99 0,98 0,95
98 % 99 % 99 %
2-J.-GKM-Zins 5-J.-GKM-Zins 10-J.-GKMZins
1 Monat 1 Monat keine
Hypo.-Kredit (variabel) Festgeld • 50-500 TEUR • 500-2.500 TEUR
0,66
95 %
3-Mon.-Euribor
2 Monate
0,85 0,91
100 % 100 %
3-Mon.-Euribor 3-Mon.-Euribor
1 Monat 1 Monat
Sparbrief (Laufzeit 4 Jahre)
0,87
99 %
4-J.-GKM-Zins
1 Monat
Habenzins
Sollzins
Produktart
Abb. 211: Zinsanpassungselastizitäten ausgewählter Soll- und Habenzinssätze
Die Zinssensitivität der Bruttozinsspanne im Elastizitätskonzept Die Messung der Sensitivität der Bruttozinsspanne gegenüber Marktzinsänderungen erfolgt im Rahmen des Elastizitätskonzepts grundsätzlich in 3 Schritten. Erstens sind die Zinsanpassungselastizitäten sämtlicher Bilanzpositionen zu bestimmen. In einem zweiten Schritt sind die Zinsanpassungselastizitäten in der von ROLFES vorgeschlagenen Elastizitätsbilanz den jeweiligen Positionsvolumina zuzuordnen (ROLFES 1989). In einem letzten Schritt ergeben sich aus der Berechnung und Gegenüberstellung durchschnittlicher aktivischer und passivischer Zinsanpassungselastizitäten für die Gesamtbank schließlich sogenannte Elastizitätsüberhänge. Diese geben Auskunft über Richtung und Intensität der Zinsspannenänderung bezüglich Veränderungen eines oder mehrerer Referenzzinsen. Welches Profil die ermittelten Elastizitätsüberhänge dabei aufweisen können, wird in Abbildung 212 aufgezeigt.
335
Profil 1
Profil 2
i
Profil 3 i
i Ø AZ Ø AZ
Ø AZ
Ø PZ Ø PZ t
Ø PZ t
t
Abb. 212: Darstellung von Zinselastizitätsprofilen
Profil 1 ist gekennzeichnet durch ein Elastizitätsgleichgewicht, d.h. der durchschnittliche Aktivzins (Ø AZ) reagiert auf Referenzzinsänderungen genau gleich wie der durchschnittliche Passivzins (Ø PZ). Änderungen des Zinsniveaus – gleich welcher Richtung – haben somit keinen Einfluss auf die Zinsspanne. Profil 2 stellt insofern eine ungleichgewichtige Situation dar, als der durchschnittliche Aktivzins stärker auf Referenzzinsänderungen reagiert als der durchschnittliche Passivzins (AktivElastizitätsüberhang). Daher verbessert sich bei steigenden Referenzzinssätzen die Zinsspanne, während sie sich in Phasen sinkender Referenzzinssätze verschlechtert. Bei Profil 3 verläuft die Entwicklung genau gegensätzlich. Da der durchschnittliche Aktivzins weniger reagibel ist als der entsprechende Passivzins (Passiv-Elastizitätsüberhang), profitiert eine Bank von einem sinkenden Zinsniveau, während sie bei einem Anstieg des Zinsniveaus eine Verschlechterung der Zinsspanne hinnehmen muss. Die beschriebene Vorgehensweise zur Messung der Sensitivität der Bruttozinsspanne gegenüber Marktzinsänderungen soll anhand der in Abbildung 213 dargestellten stark vereinfachten Elastizitätsbilanz der bereits bekannten Modell-Bank illustriert werden. Dabei sei zunächst von folgenden Prämissen ausgegangen: •
Innerhalb der Betrachtungsperiode stehen keine Festzinspositionen zur Prolongation oder Substitution an.
•
Die Geschäftsstruktur bleibt während der Betrachtungsperiode konstant.
•
Der 3-Monats-Euribor liefert den höchsten Erklärungsbeitrag zur Variation der Zinsen variabler Positionen.
Die Bilanzstruktur der betrachteten Bank ist durch einen vergleichsweise hohen Anteil an Festzinsgeschäften gekennzeichnet (vgl. auch Zinsbindungsbilanz aus Abbildung 205). So stehen einem aktivischen Festzinsblock in Höhe von 350 Mio. GE passivische Festzinsvolumina in Höhe von 250 Mio. GE gegenüber. Während das Festzinsgeschäft für die Dauer der Zinsbindung ex definitione eine Zinsanpassungselastizität von 0 aufweist, ergibt die Volumensgewichtung der zum 3-Monats-Euribor ermittelten Elastizitätswerte eine durchschnittli-
336
che Zinsanpassungselastizität des variabel verzinslichen Aktivgeschäftes in Höhe von 0,80, wohingegen sich für das variabel verzinsliche Passivgeschäft ein Wert von 0,40 ergibt. Passiva
Block
Volu- Zinsmen elas(Mio. tiziGE) tät
Position
(0)
(1)
(2)
(3)
unverz. Aktiva
20
0
Kundenkredite fest (4 Jahre)
Ertragsveränderung bei ǻ MZ = + 1 %-Pkt. (GE)
( 4) ( 2) (3) :100 (5)
(8)
(9) (7) (8) :100
60
0
0
90 100
0 0
0 0
¦ „Fest“
250
0
0
Spareinlagen
200
0,25
+ 500.000
Interbanken3-MonatsGeld
50
1,00
+ 500.000
¦ „Var.“
250
0,40
+ 1.000.000
500
0,20
+ 1.000.000
0
kredite fest (2 Jahre)
100
0
0
¦ „Fest“
350
0
0
0,60
+ 300.000
kredite
100
0,90
+ 900.000
¦ „Var.“
150
0,80
+ 1.200.000
500
0,24
+ 1.200.000
¦ „Gesamt“
(7)
Schuldverschreibungen • (LZ 5 Jahre) • (LZ 2 Jahre)
0
50
(6) unverzinsl. Passiva
230
V Kontokorrent-
Position
Volu- Zins- Aufwandsveränderung bei men elas(Mio. tiziǻ MZ = GE) tät + 1 %-Pkt. (GE)
0
F Interbanken-
HypoDarlehen (LZ 2 Jahre)
Block
Aktiva
F
V
¦ „Gesamt“
Elastizitätsüberhang = 0,04
Abb. 213: Bestimmung des gesamtbankbezogenen Elastizitätsüberhangs
Aus den vorstehenden Daten lässt sich für den durchschnittlichen Aktivzins eine Zinsanpassungselastizität in Höhe von 0,24 bestimmen. Für den durchschnittlichen Passivzins ergibt sich dagegen ein Elastizitätswert in Höhe von 0,20. Per Saldo verbleibt damit ein aktivischer Elastizitätsüberhang in Höhe von 0,04, der besagt, dass sich die Bruttozinsspanne bei einem 1 %-igen Anstieg des 3-Monats-Euribor um 0,04 %-Punkte erhöht bzw. bei einer 1 %-igen Senkung des 3-Monats-Euribor um 0,04 %-Punkte verringert. Bei einer Bilanzsumme in Höhe von 500 Mio. GE entspricht dies einer Veränderung des Zinsüberschusses in Höhe von + 200.000 GE bzw. - 200.000 GE. Damit führt jedoch bereits diese stark vereinfachte Elastizitätsbilanz sowohl betrags- als auch richtungsmäßig zu einer völlig anderen Aussage hinsichtlich der Zinssensitivität der Bruttozinsspanne der Modell-Bank als die Zinsbindungsbilanz (vgl. Abb. 205). Dies ist ausschließlich auf die variabel verzinslichen Bilanzpositionen zurückzuführen. I.d.R. verändern sich nämlich die Zinssätze der zur Refinanzierung des aktivischen Festzinsüberhangs verwendeten variabel verzinslichen Passiva nicht proportional zur Marktzinsänderung – wie von der Zinsbindungsbilanz unterstellt – sondern unterproportional. Demzufolge müssen auch die unterproportional und ungleich reagierenden Geschäfte der geschlossenen variabel verzinslichen Position bei der Ermittlung der Zinssensitivität berück-
337
sichtigt werden. Für eine detaillierte Analyse kann die dargestellte Bilanz deshalb in folgende drei Schichten eingeteilt werden: •
Der Festzinsblock (F/F-Schicht) enthält diejenigen festverzinslichen Forderungen, die auch festverzinslich refinanziert wurden. Dabei handelt es sich annahmegemäß um Festzinsgeschäfte, die innerhalb der Betrachtungsperiode nicht zur Prolongation oder Substitution anstehen. Deshalb resultieren für die einzelnen Positionen Zinsanpassungselastizitäten in Höhe von Null. Änderungen des 3-Monats-Euribor haben damit keinen Einfluss auf den Ergebnisbeitrag der F/F-Schicht.
•
Im zweiten Block (F/V-Schicht) stehen einem aktivischen Festzinsüberhang variabel verzinsliche Mittel gegenüber. Für die Festzinspositionen des Überhangs ergeben sich Zinsanpassungselastizitäten in Höhe von Null. Die variabel verzinslichen Mittel dagegen reagieren mit einer durchschnittlichen Zinsanpassungselastizität in Höhe von 0,40 auf Marktzinsänderungen. Aus diesem Grunde verringert sich im Falle eines Anstiegs des 3Monats-Euribor um 1 %-Punkt der Ergebnisbeitrag der F/V-Schicht und damit der Zinsüberschuss um 400.000 GE (= 100 Mio. GE · 0,40 · 1 %-Punkt) bzw. die Bruttozinsspanne um 0,08 %-Punkte (= 100 Mio. GE · 0,40 · 1 %-Punkt /500 Mio. GE). Verglichen mit der Zinsbindungsbilanz fällt damit die Veränderung des Ergebnisbeitrags der F/V-Schicht infolge einer 1 %-igen Marktzinserhöhung um 600.000 GE bzw. 0,12 % geringer aus.
•
Im dritten Block (V/V-Schicht) stehen den variabel verzinslichen Aktiva variabel verzinsliche Passiva gegenüber. Die variablen Aktivzinsen sind hingegen mit einer Zinsanpassungselastizität von 0,80 reagibler als die variablen Passivzinsen mit einer Zinsanpassungselastizität von 0,40. Deshalb erhöht sich im Falle eines Anstiegs des 3-MonatsEuribor um 1 %-Punkt der Ergebnisbeitrag des rein variablen dritten Blocks und damit der Zinsüberschuss um 600.000 GE (= 150 Mio. GE · 0,40 · 1 %-Punkt) bzw. die Bruttozinsspanne um 0,12 %-Punkte (150 Mio. GE · 0,40 · 1 %-Punkt / 500 Mio. GE).
Insgesamt, d.h. über alle drei Schichten hinweg, ergibt sich damit bei einem 1 %-igen Anstieg des 3-Monats-Euribor eine Erhöhung des Zinsüberschusses um 200.000 GE bzw. der Bruttozinsspanne um 0,04 %-Punkte. Dies entspricht nicht der in der Zinsbindungsbilanz ermittelten Verminderung um 1 Mio. GE bzw. 0,20 %-Punkte. Dieser extreme Unterschied verdeutlicht die angesichts falscher Zinsreagibilitätsprämissen möglichen Fehlsteuerungsimpulse der Zinsbindungsbilanz. Zur Erweiterung des Grundmodells sind in einem nächsten Schritt die Festzinsabläufe in das Modell zu integrieren. Diesbezüglich erfordert der Einbezug innerhalb des Betrachtungszeitraums auslaufender Zinsbindungen zunächst Annahmen über deren weitere Disposition. Da die Prämisse der Strukturgleichheit fürs erste weiterhin aufrechterhalten werden soll, wird im Folgenden davon ausgegangen, dass auslaufende Zinsbindungen prolongiert, d.h. durch Neugeschäfte der gleichen Produktart verlängert werden. I.d.R. ergeben sich dabei zwischen dem Abschlussdatum eines auslaufenden Festzinsaltgeschäfts und dem zukünftigen Neugeschäftsabschlussdatum Unterschiede im Zinsniveau und/oder in der Zinsstruktur. Neugeschäfte müssen deshalb zu einer von der ursprünglichen Verzinsung abweichenden Kondition abgeschlossen werden. Dies führt zu einer Veränderung der Zinsspanne, wobei zwei Effekte zu unterscheiden sind:
338
Der erste Effekt trägt der Tatsache Rechnung, dass sich die Zinsspanne auch dann als Folge auslaufender Zinsbindungen verändern kann, wenn die Marktzinsen innerhalb der Betrachtungsperiode konstant bleiben. Verantwortlich dafür sind in der Vergangenheit, d.h. zwischen ursprünglichem Geschäftsabschlussdatum und aktuellem Betrachtungszeitpunkt stattgefundene Marktzinsänderungen. Diese haben jeweils zu Veränderungen der Neugeschäftskonditionen geführt, wie anhand Abbildung 214 deutlich wird.
10,12 % deterministischer Festzinsablaufeffekt: 3,57 %-Punkte
6,55 %
t=-3 Abschluss des Altgeschäfts
t=-2
t=-1
t=0
t=1
Aktueller Betrachtungszeitpunkt
Prolongation
t=2
t=3
Abb. 214: Bestimmung des deterministischen Festzinsablaufeffekts
Im Beispiel wird ein festverzinslicher Kundenkredit mit 4-jähriger Zinsbindung unterstellt, der vor drei Perioden zum Zinssatz von 6,55 % abgeschlossen wurde. Dieses Geschäft stehe mit Ablauf der Zinsbindung im Zeitpunkt t = 1 zur Prolongation an. Von t = - 3 bis zum aktuellen Betrachtungszeitpunkt t = 0 hätten sich die Neugeschäftskonditionen für diese Produktart im Zuge der allgemeinen Zinsentwicklung von ursprünglich 6,55 % nach einer zwischenzeitlichen Zinssenkung bis auf 10,12 % erhöht (in Abbildung 214 wird diese in der Vergangenheit stattgefundene Zinsentwicklung durch eine Kurve verdeutlicht). Bei innerhalb des Zeitraums von t = 0 bis t = 1 konstant bleibenden Marktzinsen würde der in t = 1 auslaufende Kundenkredit also nicht zu 6,55 % sondern zu 10,12 % prolongiert werden. Die Änderung der Neugeschäftskondition des Kundenkredits beliefe sich damit auf + 3,57 %-Punkte (= 10,12 % Neugeschäftskondition - 6,55 % Altgeschäftskondition). Diese vom Betrachtungszeitpunkt aus gesehen bereits in der Vergangenheit vollzogene Veränderung der Neugeschäftskondition wird fortan als deterministischer Festzinsablaufeffekt (FAE) bezeichnet. Der deterministische Charakter dieses Effektes ergibt sich aus der Tatsache, dass die vergangene Entwicklung nicht mehr unsicher ist, sondern deren Erfolgswirkung zum aktuellen Betrachtungszeitpunkt bereits feststeht. Neben der in der Periode von t = - 3 bis t = 0 bereits eingetretenen und im Jahr der Prolongation erfolgswirksam werdenden Änderung der Neugeschäftskondition ist ein zweiter Effekt zu berücksichtigen. Es handelt sich dabei um die mögliche Veränderung der Neugeschäftskondition als Folge sich im Zeitraum von t = 0 bis t = 1 ändernder Marktzinsen, die als Elastizitätseffekt im Festzinsablauf bezeichnet wird. Dies geschieht analog zur Behandlung variabel verzinslicher Positionen über die Zinsanpassungselastizität. Es wird eine Neugeschäftselastizität des 4-jährigen Kundenkredits von 1 gegenüber dem zinsbindungsgleichen
339
Kapitalmarktzins als Referenzzins unterstellt. Folglich ergeben sich für das in t = 1 zu prolongierende Festzinsgeschäft in Abhängigkeit vom jeweils unterstellten Marktzinsszenario die in Abbildung 215 dargestellten elastizitätsbedingten Veränderungen der Neugeschäftskondition.
Elastizitätseffekte: ' · MZElastizität 11,12 % Szenario 1 10,12 %
Szenario 2 9,12 % ·
t = -1
t=0
t=1
Aktueller Betrachtungszeitpunkt
Prolongation
t=2
Neugeschäftselastizität: 1,0
t=3
t=4
t=5
Szenario 1: ' MZ = + 1 %-Pkt. Szenario 2: ' MZ = - 1 %-Pkt.
Abb. 215: Bestimmung des Elastizitätseffekts im Festzinsablauf
Um ein möglichst hohes Bestimmtheitsmaß zu erhalten, kann die Zinsanpassungselastizität von Festzinsneugeschäften mit Laufzeiten über einem und unter fünf Jahren in KreuzElastizitäten gegenüber dem 1- und 5-jährigen Kapitalmarktzins transformiert werden. Grundlage hierfür bildet die Beobachtung, dass die Veränderung der Kapitalmarktzinsen in diesem Laufzeitbereich teils durch den 1-jährigen Kapitalmarktzins, teils durch den 5jährigen Kapitalmarktzins erklärt werden kann (SCHWANITZ 1996). Um die relevanten Kreuz-Elastizitäten zu berechnen, werden zunächst sogenannte Renditeelastizitäten bestimmt. Mit diesen kann die Reagibilität von Kapitalmarktzinsen unterschiedlicher Laufzeit hinsichtlich Veränderungen des 1- und 5-jährigen Kapitalmarktzinses als Referenzzinsen zum Ausdruck gebracht werden. Für den deutschen Kapitalmarkt sind im Zeitraum von 1976 bis 1994 die in Abbildung 216 dargestellten Renditeelastizitäten mit einem als hoch zu bezeichnenden Bestimmtheitsmaß nachweisbar (SCHWANITZ 1996). Der 4-jährige Kapitalmarktzins weist zum Beispiel empirisch ermittelte Renditeelastizitäten in Höhe von H zum 1-jährigen Kapitalmarktzins und in Höhe von H zum 5jährigen Kapitalmarktzins auf. Bei einem unterstellten Anstieg des 1-jährigen Kapitalmarktzinses um absolut 1 %-Punkt und des 5-jährigen Kapitalmarktzinses um absolut 0,5 %-Punkte würde sich der 4-jährige Kapitalmarktzins somit entsprechend um absolut 0,56 %-Punkte (= 0,12 · 1 + 0,88 · 0,5) erhöhen.
340
0,12 0,31 0,55
1,00
1,00 0,88
0,95
0,90
0,86
0,82
0,78
8 J.
9 J.
10 J.
0,69 0,45
1 J.
2 J.
3 J.
4 J.
5 J.
6 J.
7 J.
Abb. 216: Empirisch ermittelte Renditeelastizitäten für Laufzeiten von 1 bis 10 Jahren
Bei festverzinslichen Kapitalmarktgeschäften entsprechen die Kreuz-Elastizitäten den in Abbildung 216 dargestellten Renditeelastizitäten. Bei festverzinslichen Kundengeschäften, z.B. des betrachteten Kundenkredits mit 4-jähriger Zinsbindung, bestimmen sich die KreuzElastizitäten aus der Multiplikation von Neugeschäftselastizität des Kundengeschäfts und den Renditeelastizitäten des zinsbindungsgleichen Kapitalmarktgeschäfts. Weist der 4-jährige Kundenkredit beispielsweise eine Neugeschäftselastizität von 1,0 gegenüber dem 4-jährigen Kapitalmarktzins als Referenzzins auf, dann resultieren die beiden folgenden KreuzElastizitäten:
H Kreuz 1;4
0,12 1 0,12 und H Kreuz 5;4
0,88 1 0,88
Bei der Bestimmung dieser Elastizitätswerte wurde eine Nebenbedingung aufgestellt: Die Summe der beiden Kreuzelastizitäten muss 1 ergeben. Diese Bedingung ist grundsätzlich erforderlich, damit auch Parallelverschiebungen der Zinsstrukturkurve mit Hilfe der Elastizitäten dargestellt werden können. Allerdings wird im Laufzeitbereich über 5 Jahre von der Einhaltung der Bedingung aufgrund der Dominanz des Bestimmtheitsmaßes bei der Auswahl von Elastizitäten wieder abgesehen (vgl. SCHWANITZ 1996). Für Kapitalmarktgeschäfte mit Laufzeiten von 5 Jahren und länger liefert der 1-jährige Kapitalmarktzins als Referenzzins keinen Erklärungsbeitrag (vgl. Abb. 216). Daher nehmen die Renditeelastizitäten der Kapitalmarktgeschäfte und damit die Kreuz-Elastizitäten von Kapitalmarkt- und Kundengeschäften bezüglich des 1-jährigen Referenzzinses im Laufzeitbereich von 5 Jahren und länger jeweils den Wert Null an. Neben diesem aus Festzinsabläufen resultierenden Effekt lassen sich in Analogie hierzu hinsichtlich der Ergebniswirkung struktureller Änderungen der Bilanz ebenfalls zwei Effekte unterscheiden. Um diese zu illustrieren sei für die Aktivseite der Ausgangs-Elastizitätsbilanz folgende Volumensentwicklung geplant: 341
vor Strukturänderung
nach Strukturänderung Aktiva
Position
unverzinsl. Aktiva Kundenkredite fest (4 Jahre)
Volumen Anteil Zins Elasti(Mio. in % in % zität GE) 20 230
4 46
0 6,55
Block
Block
Aktiva
Position
Volumen Anteil Zins Elasti(Mio. in % in % zität GE)
0
unverzinsl. Aktiva
20
4
0
0
0
Kundenkredite fest (4 Jahre)
230
46
6,55
0
F Interbanken-
F Interbanken-
kredite fest (2 Jahre)
100
20
8,83
0
kredite fest (2 Jahre)
100
20
8,83
0
¦ „Fest“
350
70
6,83
0
¦ „Fest“
350
70
6,83
0
Hypo-Darlehen (LZ 2 Jahre)
50
10
8,97
0,60
Hypo-Darlehen (LZ 2 Jahre)
100
20
8,97
0,60
kredite
100
20
12,48
0,90
kredite
50
10
12,48
0,90
¦ „Variabel“
150
30
11,31 0,80
¦ „Variabel“
150
30
10,14 0,70
500
100
8,17
500
100
7,82
V Kontokorrent-
¦ „Gesamt“
V Kontokorrent-
0,24
¦ „Gesamt“
Struktureffekt I
Struktureffekt II
' Aktivzins = - 0,35 %-Punkte
' Elastizität Aktivseite = - 0,03
0,21
Abb. 217: Bestimmung der Struktureffekte I und II
Während die Volumina der Festzinspositionen im Betrachtungszeitraum jeweils konstant bleiben mögen, sei für die Kontokorrentkredite ein Abschmelzen der Position um 50 Mio. GE auf 50 Mio. GE geplant. Das Volumen der variabel verzinslichen Hypothekendarlehen steige dagegen um 50 Mio. GE auf 100 Mio. GE. Bei einer insgesamt konstant bleibenden Bilanzsumme in Höhe von 500 Mio. GE geht damit der Bilanzsummenanteil der höherverzinslichen Kontokorrentkredite auf 10 % zurück. Der Anteil der niedriger verzinslichen Hypothekendarlehen steigt hingegen auf 20 %, so dass sich zum einen die Durchschnittsverzinsung der Aktivseite um 0,35 %-Punkte auf 7,82 % reduziert. Neben dieser als Struktureffekt I bezeichneten Veränderung des durchschnittlichen Aktiv- bzw. Passivzinses führt die strukturelle Änderung der Bilanz zum anderen zu einer neuen Gewichtung der Zinsanpassungselastizitäten der einzelnen Bilanzpositionen. Im Beispiel hat dies zur Konsequenz, dass sich die durchschnittliche Zinsanpassungselastizität der Aktivseite um 0,03 auf 0,21 verringert. Der durchschnittliche Aktivzins weist damit eine geringere Sensitivität gegenüber die sich im Zeitraum von t = 0 bis t = 1 ändernden Marktzinsen auf. Diese strukturbedingte Veränderung der durchschnittlichen Zinsanpassungselastizität der Aktiv- bzw. Passivseite wird fortan als Struktureffekt II bezeichnet.
342
Die Integration der Effekte auslaufender Zinsbindungen in die Elastizitätsbilanz erfolgt durch Einfügen dreier zusätzlicher Spalten. In diesen werden die Kreuz-Elastizitäten bezüglich des 1- und 5-jährigen Marktzinses und die deterministischen Festzinsablaufeffekte angezeigt. Zu beachten gilt dabei, dass eine Relativierung der ermittelten Werte über den Anteil der in der Betrachtungsperiode auslaufenden Volumina am Gesamtvolumen der betreffenden Produktart vorzunehmen ist. Zur Berücksichtigung der Ergebniswirkung struktureller Änderungen der Bilanz sind zwei zusätzliche Spalten einzufügen. In diese werden die aktuelle Durchschnittsverzinsung und die in der Betrachtungsperiode geplante Geschäftsvolumensänderung jeder Bilanzposition übertragen. Die Struktureffekte selbst werden in zwei zusätzlichen Zeilen ausgewiesen. In der in Abbildung 218 dargestellten Elastizitätsbilanz werden die beschriebenen Erweiterungen in Form der Einbeziehung von Festzinsablaufeffekten und Struktureffekten explizit berücksichtigt. Um direkt Informationen über die einzelnen Positionen ableiten zu können, werden dabei nur in sich vollkommen homogene Bilanzpositionen betrachtet. Aus den Elastizitäts- und deterministischen Festzinsablaufwerten der Festzinsgeschäfte wird deutlich, dass sämtliche Positionen im Laufe der Betrachtungsperiode fällig und prolongiert werden. Dabei weisen die Kundenkredite, die Interbankenkredite und die Schuldverschreibungen mit 2-jähriger Laufzeit jeweils Neugeschäftselastizitäten von 1 zur zinsbindungsgleichen Kapitalmarktrendite als Referenzzins auf. Dadurch stimmen die positionsspezifischen Kreuz-Elastizitäten mit den entsprechenden Renditeelastizitäten überein. Der Elastizitätswert der 5-jährigen Schuldverschreibungen in Höhe von 0,80 ist dagegen als Ausdruck der im Vergleich zur Kapitalmarktrendite unterdurchschnittlichen Reagibilität des Neugeschäftszinses zu interpretieren. Die deterministischen Festzinsablaufeffekte geben jeweils die in der Vergangenheit bis zum aktuellen Betrachtungszeitpunkt bereits eingetretenen Änderungen der Neugeschäftskonditionen an. Bei Neugeschäftselastizitäten von 1 geht daraus gleichzeitig hervor, dass der entsprechende Kapitalmarktzins in den zurückliegenden Jahren seit Kundengeschäftsabschluss ebenfalls um genau diesen Wert gestiegen ist. Ferner ist anzumerken, dass im variablen Geschäft den 2-jährigen Hypothekendarlehen der 3-Monats-Euribor als Referenzzins zugrundeliegt. Hier wurde auf die Integration von Kreuzelastizitäten verzichtet, da der 3-Monats-Euribor als Referenzzins das höhere Bestimmtheitsmaß aufweist. Durch Gewichtung der Zinssätze, Elastizitäten und deterministischen Festzinsablaufeffekte mit den jeweiligen Volumina erhält man die entsprechenden Durchschnittswerte der Aktiva und Passiva. Als Differenz aus dem durchschnittlichen Aktivzins in Höhe von 8,17 % und dem durchschnittlichen Passivzins in Höhe von 4,65 % ergibt sich eine Bruttozinsspanne in Höhe von 3,52 %. Diese hätte die Bank am Ende der Betrachtungsperiode erwirtschaftet, falls sich während der Betrachtungsperiode weder die Bilanzstruktur und die Geld- und Kapitalmarktzinsstruktur ändern, noch Festzinsbindungen auslaufen würden. Unabhängig von der zukünftigen Zinsentwicklung wirken jedoch ein positiver Saldo deterministischer Festzinsablaufeffekte von 1,20 %-Punkten und ein negativer Saldo der Struktureffekte I von - 0,35 %-Punkten auf die Höhe der zukünftigen Zinsspanne. Ersterer resultiert vor allem aus dem hohen Volumensanteil der in einer Niedrigzinsphase abgeschlossenen und in der Betrachtungsperiode auslaufenden Kundenkredite mit 4-jähriger Zinsbindung. Letzterer ergibt sich aus der Umschichtung hochverzinslicher Kontokorrentkredite im Umfang von 50 Mio. GE in niedriger verzinsliche Hypotheken-Darlehen. Aufgrund ihres deterministischen Charakters sind jedoch beide Effekte bei der Quantifizierung des Zinsspannenrisikos nicht zu berücksichtigen.
343
Abb. 218: Bestimmung referenzzinsspezifischer Elastizitätsüberhänge unter Berücksichtigung auslaufender Zinsbindungen und struktureller Änderungen der Bilanz
344 230 100 350 50
6,55 %
Interbanken8,83 % kredite fest (2 J.)
6,83 %
¦/ „Fest“
Hypo-Darlehen 8,97 % LZ 2 Jahre
3,52 %
Bruttozinsspanne
Struktureffekt I -0,35 %
8,17 %
¦/ „Gesamt nach SE II“ 500
–
500
¦/ „Gesamt“ 8,17 %
–
150
¦/ „Variabel“ 11,31 %
Struktureffekt II
100
12,48 %
Kontokorrentkredite
20
–
–
–
–
0,21
-0,03
0,24
0,80
0,17
0
0,17
–
–
–
0,24
0,55
0,12
–
0,01
3 M. 0,06
1 J.
0,26
5 J.
Elastizitätsüberhänge
0%
–
0%
0%
-50 % 0,90
+100 % 0,60
0%
0%
0%
0%
Position
• (LZ 5 Jahre) • (LZ 2 Jahre)
–
–
– 9,08 %
Interbanken3-Monats-Geld ¦/ „Variabel“ 4,61 %
3,49 %
Spareinlagen
4,69 %
4,54 % 7,63 %
–
Pos.Zins
0
- 0,35 %
Struktureffekt I
0,49 1,61 %
0
1,20 %
FAE
Struktureffekt I
¦/ „Gesamt nach SE II“
Struktureffekt II
0%
4,65 %
–
0,49 1,61 % ¦/ „Gesamt“ 4,65 %
–
–
–
0,71 2,31 % ¦/ „Fest“
0,45 -0,14 %
–
FAE
unverzinsl. Passiva Schuldver0,88 3,57 % schreibungen –
Elastizität Pos.- Volumen ' Vol. Zins (Mio. GE) 3 M. 1 J. 5 J.
–
unverzinsl. Aktiva Kundenkredite fest (4 Jahre)
Position
Aktiva
0%
–
0%
0%
0%
0%
0%
0% 0%
0%
0,20
0
0,20
0,40
1,00
0,25
–
– –
–
0,11
0
0,11
–
–
–
0,22
0 0,55
–
–
–
–
–
0 0,23 0,41 %
0
0,23 0,41 %
–
–
–
0,47 0,82 %
0,80 2,43 % 0,45 -0,14 %
–
FAE
FAE = deterministischer Festzinsablaufeffekt
500
–
500
250
50
200
250
90 100
60
Elastizität Volumen ' Vol. (Mio. GE) 3 M 1 J. 5 J.
Passiva
Aufgrund der Tatsache, dass sich die Zinsanpassung der variabel verzinslichen Positionen überwiegend am 3-Monats-Euribor orientiert und die Neugeschäftselastizitäten zu prolongierender Festzinsaltgeschäfte mit Hilfe von Renditeelastizitäten in Kreuz-Elastizitäten zum 1und 5-jährigen Kapitalmarktzins als Referenzzins transformiert werden können, ergeben sich drei referenzzinsspezifische Elastizitätsüberhänge. Da es sich dabei ausschließlich um aktivische Überhänge handelt (3 Monate: 0,01; 1 Jahr: 0,06; 5 Jahre: 0,26), besteht für die Beispiel-Bank damit ein Zinsspannenrisiko in der Gefahr sinkender Zinsen. Zur Messung dieses Zinsspannenrisikos werden die Elastizitätsüberhänge im Folgenden nun mit den Volatilitäten der entsprechenden Referenzzinssätze verknüpft. Verknüpfung referenzzinsspezifischer Elastizitätsüberhänge und Volatilitäten zumZinsspannenrisiko
Zur Quantifizierung des Zinsspannenrisikos mittels referenzzinsspezifischer Elastizitätsüberhänge sind zunächst die Erwartungswerte und Standardabweichungen (STD) der Risikoparameter zu bestimmen. Dazu werden die stetigen Veränderungsraten der Referenzzinsen (RZ) 3-Monats-Euribor, 1-Jahres- und 5-Jahres-Kapitalmarktzins zugrunde gelegt. Die Risikomesszahl (RMZ) ergibt sich aus der Multiplikation der Standardabweichung (STD) der stetigen Veränderungsrate der Referenzzinsen mit dem Z-Wert. Da bei aktivischen Elastizitätsüberhängen (EÜ) das Risiko in der Gefahr sinkender Zinsen besteht, bestimmt sich die Risikomesszahl aus der Multiplikation des Z-Werts mit der negativen Standardabweichung. Bei passivischen Elastizitätsüberhängen besteht jedoch das Risiko in der Gefahr steigender Zinsen, so dass sich die Risikomesszahl aus der Multiplikation des Z-Werts mit der positiven Standardabweichung ergibt. Durch Potenzierung der Eulerschen Zahl e mit der Risikomesszahl und anschließender Subtraktion von 1 wird die stetige Risikomesszahl sodann in eine diskrete Risikomesszahl transformiert. Dabei handelt es sich bei dem daraus resultierenden Risikofaktor (RF) um einen relativen Multiplikator für die Veränderung eines Referenzzinses. Die referenzzinsspezifischen Elastizitätsüberhänge (EÜt) zeigen jedoch die Sensitivität der Zinsspanne gegenüber absoluten Referenzzinsänderungen auf. Deshalb muss der Risikofaktor anschließend in einen absoluten Multiplikator überführt werden. Dies wird durch Multiplikation mit dem aktuellen Referenzzins erreicht. Schließlich resultiert das refeaus der multiplikativen Verknüpfung von renzzinsspezifische Zinsspannenrisiko ZSPR EÜ t referenzzinsspezifischem Elastizitätsüberhang, referenzzinsspezifischem Risikofaktor und aktuellem Niveau des jeweiligen Referenzzinses. Abbildung 219 fasst die Vorgehensweise zusammen.
345
Stufe 1
Definition der stetigen Veränderungsraten des relevanten Referenzzinssatzes (RZt) als Risikoparameter
Stufe 2
Berechnung der Standardabweichung der stetigen Veränderungsraten des (relevanten) Referenzzinssatzes (STDtRZ)
Stufe 3
Bestimmung der referenzspezifischen Risikomesszahl (RMZtRZ) durch Multiplikation der Standardabweichung der stetigen Veränderungsraten des (relevanten) Referenzzinssatzes mit dem gewünschten Z-Wert (RMZtRZ= ± Z-Wert · STDtRZ)
Stufe 4
Stufe 5
Ableitung des referenzspezifischen Risikofaktors (RFtRZ) durch Potenzierung der Eulerschen Zahl e mit der Risikomesszahl und anschließender Subtraktion von 1 (RFtRZ = eRMZt – 1) Ermittlung des referenzspezifischen Zinsspannenrisikos (ZSPRtEÜ) durch Multiplikation von referenzspezifischem Elastizitätsüberhang (EÜ), referenzspezifischem Risikofaktor und aktuellem Niveau des (relevanten) Referenzzinses (RZt)
Abb. 219: Quantifizierung des Zinsspannenrisikos mittels referenzspezifischer Elastizitätsüberhänge
Bei der hier gewählten Vorgehensweise wird wiederum nur auf Teile des standardisierten Ablaufschemas zurückgegriffen. Eine vollständige formale Übertragung der Stufen des Grundmodells ist wegen der Berechnung des Zinsspannenrisikos als relative Größe nicht möglich, da der Value at Risk im Grundmodell als absoluter Wert berechnet wird. Gleichwohl entsprechen bei der hier vorgestellten Vorgehensweise die Elastizitätsüberhänge dem Risikovolumen und das Zinsspannenrisiko dem Value at Risk. Um Aussagen über das gesamte Zinsspannenrisiko treffen zu können, gilt es zweierlei zu beachten: Zum einen müssen neben den Volatilitäten zusätzlich wiederum die paarweisen Korrelationen der Referenzzinsen berücksichtigt werden. Zum anderen ist zu beachten, dass das Risiko für eine durch aktivische und passivische Elastizitätsüberhänge charakterisierte Bilanz sowohl in der Gefahr sinkender als auch in der Gefahr steigender Zinsen besteht. Der Gegenläufigkeit in den einzelnen Laufzeitbereichen ist dabei jeweils entweder über die Vorzeichen der Elastizitätsüberhänge bei der Aufstellung der Vektoren oder über veränderte Vorzeichen der relevanten Korrelationskoeffizienten Rechnung zu tragen. Aufgrund der fehlenden Linearität des natürlichen Logarithmus erfolgt eine Abweichung der Zinsspannenänderung, die sich bei einer negativen Standardabweichung ergibt, von derjenigen, die bei einer positiven Standardabweichung resultiert. Deshalb muss das gesamte Zinsspannenrisiko sodann sowohl in Abhängigkeit eines Zinsanstiegs als auch in Abhängigkeit einer Zinssenkung bestimmt werden. Aus Vorsichtsgründen ist dann der größere der beiden Risikowerte als Zinsspannenrisiko zu betrachten. Allgemein bestimmt sich das gesamte Zinsspannenrisiko somit nach folgender Formel: 346
>ZSPR ZSPR EÜ
EÜ 3 M.
ZSPR1EÜ J.
@
ZSPR 5EÜ J.
1 KOR(RZ3 M. , RZ1 J. ) KOR(RZ3 M. , RZ5 J. )º ª « KOR(RZ , RZ ) 1 KOR(RZ1 J. , RZ5 J. ) »» 1 J. 3 M. « «¬KOR(RZ5 J. , RZ3 M. ) KOR(RZ5 J. , RZ1 J. ) »¼ 1
ª ZSPR EÜ º 3 M. « » EÜ ZSPR « 1 J. » « EÜ » «¬ ZSPR 5 J. »¼
Die vorstehend beschriebene allgemeine Vorgehensweise zur Messung des Zinsspannenrisikos mittels referenzzinsspezifischer Elastizitätsüberhänge soll nun beispielhaft anhand der in Abbildung 218 dargestellten Elastizitätsbilanz schrittweise erläutert werden. Die hierzu benötigten Bilanz- und Marktdaten sind Abbildung 220 zu entnehmen. Hinsichtlich der Fristenstruktur der Zinssätze wird ein normaler Verlauf mit einem 3-MonatsEuribor von 3,396 %, einem 1-jährigen Kapitalmarktzins von 3,594 % und einem 5-jährigen Kapitalmarktzins von 5,875 % unterstellt. Die Standardabweichung der stetigen jährlichen Veränderungsraten des 3-Monats-Euribor betrage 18,349832 %, die der 1 und 5-jährigen Kapitalmarktzinsen jeweils 23,619033 % bzw. 24,599321 %. Als Z-Wert wird wiederum ein Wert in Höhe von 3 gewählt, der mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,87 % verbunden ist. Aktiva
Passiva
Elastizität 3 M. 1 J. 5 J.
Elastizitätsüberhang 3 M. 1 J. 5 J.
Elastizität 3 M. 1 J. 5 J.
0,21
0,01
0,20
0,17
Referenzzinsen RZ3M. RZ1J. RZ5J
0,49
Aktuelles Niveau 3,396 % 3,594 % 5,875 %
0,06
Standardabweichung* 18,349832 % 23,619033 % 24,599321 %
0,26
RZ3M. 1 0,785676 0,360641
Korrelationen RZ1J. 0,785676 1 0,750675
0,11
0,23
RZ5J. 0,360641 0,750675 1
* Standardabweichung der jährlichen stetigen Veränderungsraten der 3-Monats-Euribor, des 1- und des 5-Jahres-Kapitalmarktzinses Abb. 220: Bilanz- und Marktdaten zur Quantifizierung des Zinsspannenrisikos mittels referenzzinsspezifischer Elastizitätsüberhänge
Zur referenzzinsspezifischen Zinsspannenrisikoberechnung sei der Elastizitätsüberhang gegenüber dem 3-Monats-Euribor betrachtet. Da es sich um einen positiven Überhang han-
347
delt, besteht das Risiko für die Beispiel-Bank in der Gefahr eines sinkenden 3-MonatsEuribor und berechnet sich wie folgt: RZ RMZ 3M. RZ RF3M.
RZ Z - Wert - STD 3M.
e
EÜ 3M. EÜ ZSPR 3M.
RZ RMZ 3M.
-18,349832 % 3
- 55,049496 %
1 e - 55,049496 % 1 - 42,333569 %
A P Ø ZE 3M. Ø ZE 3M.
0,21 0,20
RZ RZ 3M. EÜ 3M. RF3M.
0,01
0,01 (- 42,333569 %) 3,396 %
- 0,01437 %
Der Berechnung der Risikomesszahl ist die negative Standardabweichung der jährlichen stetigen Veränderungsraten zugrundegelegt. Es ergibt sich ein Wert in Höhe von - 55,049496 %. Nach Potenzierung der Eulerschen Zahl e mit der Risikomesszahl und Subtraktion von 1 resultiert sodann ein Risikofaktor in Höhe von - 42,333569 %. Dieser besagt, dass nur gerade in 1,3 von 1.000 Fällen der 3-Monats-Euribor innerhalb eines Jahres um mehr als 42,333569 % relativ sinkt. Aus der multiplikativen Verknüpfung des Risikofaktors mit dem referenzzinsspezifischen Elastizitätsüberhang in Höhe von 0,01 und dem aktuellen Niveau des 3-MonatsEuribor in Höhe von 3,396 % errechnet sich das Zinsspannenrisiko gegenüber dem 3-MonatsEuribor schließlich zu 0,014376 %. D.h. die Zinsspanne sinkt als Reaktion auf eine Veränderung des 3-Monats-Euribor innerhalb eines Jahres mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 0,13 % um mehr als absolut 0,014376 %-Punkte. In Analogie zur Berechnung des referenzzinsspezifischen Zinsspannenrisikos bezüglich des 3-Monats-Euribor berechnen sich die Zinsspannenrisiken hinsichtlich des 1- und 5-JahresKapitalmarktzinses entsprechend zu: EÜ ZSPR 1J.
RZ EÜ1J. RF1J. RZ1J.
0,06 (- 50,765274 %) 3,594 %
- 0,109470 %
EÜ ZSPR 5J.
RZ EÜ 5J. RF5J. RZ 5J.
0,26 (- 52,192116 %) 5,875 %
- 0,797235 %
Die Zinsspanne sinkt als Reaktion auf eine Veränderung des 1-Jahres-Kapitalmarktzinses (5-Jahres-Kapitalmarktzinses) innerhalb eines Jahres mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 0,13 % um mehr als 0,109470 % (0,797235 %) absolut. Bei perfekt positiv korrelierten Risikoparametern würde sich das gesamte Zinsspannenrisiko aus der Addition der referenzzinsspezifischen Zinsspannenrisiken ergeben und betrüge - 0,921081 % (= (- 0,014376 %) + (- 0,109470 %) + (- 0,797235 %)). Unter Berücksichtigung der in Abbildung 220 dargestellten paarweisen Korrelationen zwischen den stetigen Veränderungsraten des 3-Monats-Euribor, des 1-Jahres- und des 5-Jahres-Kapitalmarktzinses, errechnet sich das gesamte Zinsspannenrisiko jedoch zu:
348
0,06 3,594 % 0,26 5,875 % ª0,01 3,396 % º « (e - 55,049496 % 1) (e - 70,857099 % 1) (e - 73,797963 % 1)» ¬ ¼
ZSPR EÜ
1 0,785676 0,360641º ª «0,785676 1 0,750675»» « »¼ «¬ 0,360641 0,750675 1 ª 0,01 3,396 % (e - 55,049496 % 1) º » « - 70,857099 % 1)» «0,06 3,594 % (e «0,26 5,875 % (e - 73,797963 % 1) » ¼» ¬«
= 0,888561 % Wie obige Rechnung verdeutlicht, ist das gesamte Zinsspannenrisiko geringer als die Summe der referenzzinsspezifischen Zinsspannenrisiken. Bedingt durch die Berücksichtigung der Korrelationseffekte sinkt das Risiko von 0,921081 % auf 0,888561 %. Der risikoreduzierende Effekt beläuft sich damit auf 0,03252 %.
b)
Begrenzung des Zinsänderungsrisikos
(1)
Instrumente zur Limitierung des Zinsänderungsrisikos
Nachdem im vorherigen Abschnitt ausführlich das Instrumentarium der Risikomessung erörtert wurde, ist nunmehr aufzuzeigen, wie eine auf den Ergebnissen der Risikoanalyse aufbauende Limitierung des Zinsänderungsrisikos vorgenommen werden kann. Risikolimitierungsstrategien ergeben sich aus dem Risikotragfähigkeitskalkül. Danach ist grundsätzlich zu überprüfen, inwieweit sich eine Bank die Übernahme von Risiken überhaupt leisten kann oder will. Dazu wird das Risikopotential mit den zur Verfügung stehenden Risikodeckungsmassen abgestimmt und das Risikopotential durch ein System von Risikolimiten begrenzt. Sofern sich also aus der Risikoanalyse zeigt, dass die sich aus dem Abstimmungsprozess von Risikopotential und Risikodeckungsmassen ergebenden, geschäftsbereichsspezifisch zugeteilten Risikolimite durch eingegangene Positionen überschritten werden, sind entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten. Diese Gegenmaßnahmen zielen grundsätzlich darauf ab, die Höhe des bereits übernommenen Risikopotentials zu reduzieren.
Um Marktwertrisiken auszuschalten sind beispielsweise neue Positionen so aufzubauen, dass die aus den vorhandenen Positionen resultierenden Marktwertverluste möglichst exakt durch Gewinne aus den neuen Positionen kompensiert werden. Auf diese Weise lässt sich der Marktwert des Eigenkapitals stabilisieren. Derartige Positionen können sowohl über entsprechende Wertpapiere als auch durch den Einsatz von Finanzderivaten aufgebaut werden. In diesem Zusammenhang werden in den nachfolgenden Abschnitten mit Zinsswaps, -futures
349
und -optionen einige ausgewählte Derivate vorgestellt und deren Einsatzmöglichkeiten zur Risikobegrenzung erörtert. Grundsätzlich lassen sich Positionen konstruieren, die zu einer vollständigen Begrenzung von Zinsänderungsrisiken führen. Damit verbunden ist einerseits die Ausschaltung der Gefahr, unerwarteter Verluste. Andererseits beraubt man sich aber auch der Gewinnchance. Damit wiederholt sich die bereits mehrfach getroffene Aussage, dass eine Bank ohne die Übernahme von Zinsänderungsrisiken auch keine Chance auf entsprechende Zinsgewinne hat. (a)
Bilanzwirksame Steuerungsinstrumente
Zur Verringerung ihrer Zinsrisiko-Exposition stehen einer Bank im Rahmen herkömmlicher bilanzwirksamer Steuerungsmaßnahmen grundsätzlich zwei unterschiedliche Ansatzpunkte offen. Zum einen kann bereits durch den gezielten Einsatz von •
Richtkonditionen
•
Limiten und gegebenenfalls
•
Boni-/Mali-Systemen
im Kundengeschäft die Bilanzstruktur beeinflusst werden (vgl. Band 1, S. 298 ff.). So kann die Bank durch Veränderung der relativen Differenzen zwischen den Konditionen vergleichbarer Bankprodukte mit unterschiedlicher Fristigkeit und den damit einhergehenden Nachfrageänderungen seitens der Kunden die gewünschte Bilanzstrukturveränderung zu erreichen suchen. Die Bank möchte beispielsweise in Erwartung einer sich drehenden normalen Zinsstruktur ihre bis anhin betriebene positive Fristentransformation „zurückfahren“. Dies kann sie durch eine Erhöhung der relativen Differenzen zwischen den Konditionen vergleichbarer Aktivpositionen unterschiedlicher Fristigkeit die Nachfrage in Richtung kürzerfristiger Aktivpositionen lenken. Entsprechend kann sie die Nachfrage nach längerfristigen Passivpositionen durch eine Erhöhung der relativen Differenzen zwischen den Konditionen vergleichbarer Passivpositionen unterschiedlicher Fristigkeit erhöhen. Die dabei zugleich stets entstehenden Margeneffekte einer solchen „Spreiz-“Politik bei den Kundenkonditionen sind allerdings im Sinne einer kombinierten Ertrags-/Strukturoptimierung sorgsam zu beachten. Alternativ dazu oder in Kombination kann durch Limite die Möglichkeit der Marktbereiche, Geschäfte zu tätigen, begrenzt werden, sofern dies aus Gesamtbanksicht nötig erscheint. Dabei dienen Limite dazu, die volumensmäßige Entwicklung bestimmter Geschäftsarten im Hinblick auf die gewünschte Bilanzstruktur zu steuern. Zur Reduktion der positiven Fristentransformation wäre es beispielsweise denkbar, das Geschäftsvolumen längerfristiger Aktivpositionen bzw. kürzerfristiger Passivpositionen auf ein bestimmtes Niveau zu begrenzen, welches nicht überschritten werden darf. Allerdings muss konstatiert werden, dass rigide Volumenslimite in der Regel im totalen Widerspruch zu einer kundenorientierten und (wenn die Limite bei ansonsten rentablen Produkten greifen) ertragsorientierten Geschäftspolitik stehen. Wenn Richtkonditionen und Limite nicht oder nur unzureichend in der Lage sind, das verfolgte Bilanzstrukturziel zu realisieren, können Bonus-/Malus-Systeme eingesetzt werden. 350
Mit ihrer Hilfe werden die von den Marktkonditionen ausgehenden Erfolgsanreize verstärkt (Bonus) oder abgeschwächt (Malus). Von Vorteil ist dabei, dass Bonus-/Malus-Systeme, ohne dass sie direkte Margeneffekte auslösen würden, die Geschäftsstruktur zu beeinflussen in der Lage sind. Zudem weisen sie für die Marktbereiche im Vergleich zu Limiten nicht die gleiche rigide Wirkung auf. Zur Reduktion der positiven Fristentransformation wäre beispielsweise ein Bonus-/Malus-System denkbar, das längerfristige Aktivpositionen und kürzerfristige Passivpositionen mit einem Malus belastet, um deren relative Attraktivität für den Marktbereich zu dämpfen. Umgekehrt könnten kürzerfristige Aktivpositionen und längerfristige Passivpositionen mit einem Bonus versehen werden, um die Marktbereiche zum Abschluss derartiger Geschäfte zu motivieren. Als wesentlicher Nachteil von Bonus-/MalusSystemen ist zu sehen, dass sie die Tendenz haben, den Preismechanismus des Marktes infolge der Interventionen des Bilanzstruktur-Managements zu konterkarieren und durch den Aufbau einer „Schattenrechnung“ Akzeptanzprobleme schaffen können. Insofern sind Bonus/Malus-Systeme stets mit äußerster Behutsamkeit und nur dann anzuwenden, wenn andere Instrumente versagen und das System nicht manipulativ wirkt, sondern betriebswirtschaftlich fundiert aufgebaut ist. Wegen der hier nur angedeuteten Probleme einer strukturellen Steuerung des Kundengeschäfts spielen kompensatorische Geschäfte auf dem Geld- und Kapitalmarkt (Interbankengeschäfte, aktivische und passivische Wertpapiergeschäfte) eine erheblich größere Rolle, wenn es um die Steuerung der Bilanzstruktur geht. Im einzelnen sind dabei Maßnahmen denkbar, die zu folgenden Bilanzeffekten führen: •
Bilanzverlängerung
•
Bilanzverkürzung
•
Aktivtausch
•
Passivtausch
Zur Verdeutlichung der Wirkungsweise der einzelnen Maßnahmen sei eine Bank unterstellt, die positive Fristentransformation betreibt. Deren Marktwert der Vermögenspositionen bei steigendem Zinsniveau also stärker fällt als der Marktwert der Verbindlichkeiten. Will die Bank das in der Gefahr steigender Marktzinsen bestehende Zinsänderungsrisiko nicht tragen, dann kann sie die Angleichung der Durationen der Aktiv- und Passivseite (ohne Eigenkapital) anstreben. Dazu nimmt sie im Rahmen einer Bilanzverlängerung längerfristige Passiva (z.B. langfristige Interbankenverbindlichkeiten) auf und legt die erhaltenen Mittel in kürzerfristige Aktiva (z.B. 3-Monats-Geld) revolvierend wieder an. Im Gegensatz dazu führt eine Bilanzverkürzung zu einer Verringerung des Zinsänderungsrisikos, wenn längerfristige Aktiva (z.B. festverzinsliche Wertpapiere mit Laufzeiten von länger als 5 Jahren) verkauft und zur Tilgung kurzfristiger Passiva verwendet werden. Bei einem Aktivtausch werden dagegen Aktiva mit langer durchschnittlicher Zinsbindungsdauer gegen Aktiva mit kurzen Durationen getauscht. Bei einem Passivtausch wird entsprechend umgekehrt auf der Passivseite vorgegangen. Die beschriebenen Maßnahmen können in der Regel schnell am Markt durchgeführt werden. Sie vermindern die Fristentransformation, reduzieren damit das Zinsänderungsrisiko, führen 351
jedoch auch zu einer Verringerung der Fristentransformationsmarge. Im Falle bilanzverlängernder Maßnahmen erhöht sich des weiteren die Bilanzsumme, wodurch sich relative Ergebniskennzahlen, wie z.B. die Bruttozinsspanne, verschlechtern. Zusätzlich werden auch Kosten erhöht, die an die Bilanzsumme gekoppelt sind. Unter Umständen können bilanzverlängernde Maßnahmen auch zu einer Erhöhung der gewerbesteuerlichen Dauerschulden führen, wenn als Absicherungsmaßnahme sehr langfristige Mittel aufgenommen werden, die evtl. den Dauerschulden zuzurechnen sind (VÖGELE 1987). Weiterhin können durch zusätzliche bilanzwirksame Transaktionen Engpässe in aufsichtlichen Risikonormen entstehen, die beim Einsatz der in den folgenden Abschnitten diskutierten bilanzunwirksamen Absicherungsinstrumente nur bedingt gegeben sind (vgl. S. 379 ff.). Schließlich beinhaltet die aktivische Komponente einer bilanzverlängernden Sicherungstransaktion ein Ausfallrisiko über den gesamten Forderungsbetrag. Dadurch kann sich trotz der Reduzierung des Zinsänderungsrisikos ein erhöhtes Gesamtbankrisiko ergeben. Die anderen drei bilanzwirksamen Maßnahmen zur Steuerung des Zinsänderungsrisikos (Bilanzverkürzung, Aktiv- und Passivtausch) sind nicht mit den Nachteilen der bilanzverlängernden Maßnahmen versehen. Insbesondere den bilanzverkürzenden Maßnahmen sollte im Hinblick auf die Risikosteuerung Beachtung geschenkt werden, da tendenziell Ausfallrisiken vermindert werden können und sich eine Bilanzsummenverringerung positiv auf die relativen Ertragskennzahlen auswirkt. (b)
Ausgewählte Finanzderivate
Sehr viel einfacher, flexibler und meistens auch kostengünstiger gestaltet sich der Einsatz derivativer Finanzprodukte. Diese entweder an organisierten Börsen oder außerbörslich (Overthe-Counter = OTC) gehandelten Instrumente zeichnen sich weltweit – wie aus Abbildung 221 ersichtlich – durch ein anhaltendes starkes Wachstum aus (vgl. BIZ 2003; ISDA 2003). Finanzderivate Börsengehandelte Instrumente Zinsfutures Zinsoptionen Währungsfutures Währungsoptionen Aktienindexfutures Aktienindexoptionen Außerbörslich gehandelte Instrumente Zinsswaps Währungsswaps Sonstige derivative Zinsinstrumente
1997 12.409 7.587 3.640 42 119 211 810 29.035
1998 13.943 8.031 4.624 32 49 291 917 50.997
1999 13.533 7.925 3.756 37 22 334 1.459 58.265
2000 14.278 7.908 4.734 74 21 377 1.163 63.009
2001 23.798 9.265 12.493 66 27 342 1.605 69.207
2002 23.874 9.951 11.760 47 27 334 1.755 99.832
22.291 1.824 4.920
-
-
-
-
-
Abb. 221: Entwicklung der Märkte für ausgewählte derivative Finanzinstrumente (am Jahresende ausstehende, zugrundeliegende Kapitalbeträge in Mrd. USD)
352
Typisches Merkmal der an den Börsen gehandelten Kontrakte ist ihre weitgehende Standardisierung, die erst einen börsenmäßigen Handel ermöglicht. Im Vergleich dazu zeichnen sich OTC-Produkte vor allem dadurch aus, dass die relevanten Vertragsbestandteile wie Laufzeiten, Nominalbeträge, Basiswerte, Zinsanpassungstermine etc. nicht standardisiert sind. Die einzelnen Ausstattungsmerkmale können statt dessen flexibel auf die Bedürfnisse der Nachfrager zugeschnitten werden. Diese erhöhte Flexibilität geht jedoch häufig einher mit einer erheblich eingeschränkten Handelbarkeit der Produkte. Insbesondere bei deutlich von den gängigen Ausstattungsmerkmalen abweichenden Vereinbarungen können Positionen deshalb oft nur unter größeren Preiszugeständnissen aufgelöst werden (vgl. dazu S. 5). In einzelnen Produkten hat sich jedoch – das gilt zumindest für solche Verträge, die in ihren Merkmalen der üblichen Ausstattung entsprechen – ein durchaus liquider Sekundärmarkt entwickelt (vgl. MEYER/WITTROCK 1993). Neben der bereits angesprochenen handelsorganisatorischen Differenzierung lassen sich Finanzderivate auch ihrem Ergebnisprofil nach unterscheiden. Zum einen gibt es Instrumente mit Optionscharakter, die sich aufgrund des mit ihnen verbundenen Wahlrechtes durch ein asymmetrisches Ergebnisprofil auszeichnen. Zum anderen weisen Instrumente mit Verpflichtungscharakter ein symmetrisches Ergebnisprofil auf. Sämtliche mit Optionsrechten verbundenen Instrumente erlauben aufgrund ihres asymmetrischen Ergebnisprofils eine Begrenzung des Zinsänderungsrisikos bei gleichzeitiger Bewahrung einer Zinsänderungschance. Der Einsatz von Optionen gegen Zinsänderungsrisiken kann je nach Wahrscheinlichkeit der erwarteten Zinsentwicklung und den mit der Limitierung verbundenen Kosten durchaus sinnvoller sein, als eine Absicherung mit symmetrischen Instrumenten. Für Derivate mit Verpflichtungscharakter ist zwar keine Prämie zu zahlen, sie kommen aber einem Verzicht auf Zinsänderungschancen gleich. Nach Feststellung eines Absicherungsbedarfs ist daher zunächst festzulegen, ob eine generelle Absicherung oder eine „Versicherung“ eingesetzt werden soll. Erst im Anschluss sollten dann instrumentspezifische Unterschiede (börsengehandelt oder OTC, mögliche Absicherungszeiträume, Marktliquidität, relative Preiswürdigkeit etc.) innerhalb dieser Kategorien als Entscheidungskriterium herangezogen werden (FIEBACH 1994). Die wesentlichen Instrumente des Zinsbereichs können danach beispielsweise wie folgt systematisiert werden (FIEBACH 1994):
353
Zinsderivate
Over-The-Counter (OTC)
Börsengehandelt
Optionscharakter
Verpflichtungscharakter
Optionscharakter
Verpflichtungscharakter
asymmetrisches Ergebnisprofil
symmetrisches Ergebnisprofil
asymmetrisches Ergebnisprofil
symmetrisches Ergebnisprofil
• Caps, Floors, Collars • Swaptions
• Zinsswaps
• Zinsoptionen
• Forward Rate Agreements
• Optionen auf Zinsfutures
• Zinsfutures
Abb. 222: Systematisierung derivativer Zinsinstrumente
Folgende derivative Zinsinstrumente sollen bezüglich ihrer Ausgestaltungsmerkmale und im Hinblick auf ihre Einsatzmöglichkeiten im Rahmen der Steuerung des Zinsänderungsrisikos näher beleuchtet werden: •
Zinsswaps
•
Zinsoptionen
•
Zinsfutures
•
Forward Rate Agreements
(a) Financial Swaps beinhalten den Austausch von Zahlungsforderungen (Asset Swap) oder den Austausch von Zahlungsverbindlichkeiten (Liability Swap) zwischen den Swap-Partnern. Für Banken sind vor allem die Liability Swaps von Bedeutung, so dass sie bei der weiteren Darstellung im Vordergrund stehen.
Liability Swaps lassen sich unterscheiden in einen Austausch von Verbindlichkeiten mit verschiedenen Zinsberechnungsbasen (klassischer Zinsswap) und mit verschiedenen Währungen (Währungsswap). Zudem sind verschiedene Kombinationen in Abhängigkeit von den getauschten Währungen und den Zinsberechnungsbasen möglich, wie Abbildung 223 verdeutlicht (GONDRING/HERMANN 1986). In seiner Grundstruktur stellt der klassische Zinsswap einen Austausch von zinsvariablen und zinsfixen Mitteln dar. Die den auszutauschenden Zinszahlungen zugrundeliegenden Kapitalbeträge entsprechen sich dabei sowohl in der Höhe als auch in der Währung. Bei einem 354
Zinsswap werden (im Gegensatz zum Währungsswap) zu Beginn der Transaktion keine Kapitalbeträge getauscht, sondern ausschließlich die während der Laufzeit anfallenden Zinszahlungen. Diese sind auf einen vereinbarten Grundbetrag zu zahlen. Als Referenzzins für die variablen Zahlungen wird häufig der Libor-Satz (London Interbank Offered Rate) gewählt, aber auch andere Bezugsbasen sind möglich (z.B. Euribor). Die festen Zahlungen ergeben sich aus dem laufzeitspezifischen Swapsatz. Dieser lässt sich als Termin-Zinssatz (Forward Rate) mit mehreren Erfüllungszeitpunkten charakterisieren (ZIMMERMANN 2000). Weitere Gestaltungsmöglichkeiten bieten sich in der Festlegung des Zinsanpassungszeitraums der variablen Seite (z.B. alle drei oder sechs Monate).
B zahlt: Zinsfixe EUR Mittel USD Zinsvariab- EUR le Mittel USD
A zahlt: Zinsfixe Mittel Zinsvariable Mittel EUR USD EUR USD WährungsKlassischer Zins-Wähswap Zinsswap rungsswap WährungsZins-WähKlassischer Swap rungsswap Zinsswap Klassischer Zins-WähBasisBasis-WähZinsswap rungsswap swap rungsswap Zins-WähKlassischer Basis-WähBasisrungsswap Swap rungsswap swap
Abb. 223: Die Kombination von Zins- und Währungstauschgeschäften
Von ihrer Zahlungsstruktur her ähneln Swaps den sogenannten Back-to-Back-Krediten, bei denen es sich um eine gegenseitige Kreditvergabe handelt (ANTL 1986a). Während ein Swap rechtlich nur eine Transaktion darstellt, die von zugrundeliegenden Geschäften unabhängig ist, beinhaltet die gegenseitige Kreditvergabe zwei Verträge. Dies hat zur Folge, dass bei Ausfall der einen Partei die andere weiterhin ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen muss, während im Fall des Swaps der „verbleibende“ Partner die Zahlungen einstellen kann. Ein weiterer Vorteil der Swap-Kontrakte liegt in der größeren Flexibilität. Das heißt, Swaps können in ihrer Cash-Flow-Struktur individuell an die jeweiligen Bedürfnisse des SwapPartners angepasst werden, was bei einer gegenseitigen Kreditgewährung nicht üblich ist (LERBINGER 1988). Der wichtigste Unterschied zwischen den angesprochenen Finanzinstrumenten liegt allerdings in ihrer bilanziellen Behandlung. Back-to-Back-Kredite werden im vollen Umfang in der Bilanz erfasst und wirken somit bilanzverlängernd. Swap-Kontrakte werden hingegen nach geltender Auffassung als bilanzneutrale Transaktionen behandelt, da sie keine direkte Geldaufnahme oder -anlage darstellen (GLAAB/KRAFT 1986). Dieser Unterschied ist im Rahmen des Risiko-Managements von Bedeutung, da Swap-Geschäfte mit weniger Eigenmitteln unterlegt werden müssen als bilanzwirksame Back-to-Back-Kredite. Finanzinstitute tätigen Swap-Transaktionen aus verschiedenen Gründen. So können sie z.B. durch Ausnutzung von komparativen Finanzierungsvorteilen ihre Refinanzierungskosten senken. Dieser Arbitrageansatz ist im Prinzip auf Ricardos Theorem der komparativen Kosten zurückzuführen (RICARDO 1817). Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
355
•
Die Swap-Partner müssen entgegengesetzte Finanzierungsinteressen hinsichtlich der Zinsberechnungsbasis haben.
•
Zwischen den Partnern sollte ein Bonitätsunterschied bestehen.
•
Die Differenz der Risikoprämien, die Gläubiger für zinsfixe Mittel verlangen, muss verschieden sein von der Differenz der Risikoprämien bei variabel verzinslichen Mitteln.
Am Beispiel eines klassischen Zinsswaps zwischen einer Bank bester Bonität und einem Unternehmen mit schlechterer Bonität soll nun die Zahlungsstruktur eines Swap-Geschäftes dargestellt werden (vgl. Abb. 224). Die betrachtete Bank sucht eine variabel verzinsliche Finanzierung, während das Unternehmen an einer Festzinsfinanzierung interessiert ist. Die gültigen Marktkonditionen für die Bank und das Unternehmen sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengefasst.
Zielfinanzierung Zinskosten: • Zinsvariable Mittel • Zinsfixe Mittel Summe
Unternehmen Fest
Bank Variabel
Arbitragepotential
Libor + 1 % 12,0 %
Libor 10,0 %
- 1,0 % + 2,0 %
-
-
+ 1,0 %
Abb. 224: Zahlungsstruktur eines Swap-Geschäfts
Bei den angenommenen Marktkonditionen ergibt sich ein positives Arbitragepotential in Höhe von 1 %. Das heißt, die Swap-Partner können durch Abschluss eines Zinsswaps ihre Refinanzierungskosten im Vergleich zu den Marktkonditionen reduzieren. Anstatt die gewünschte Zielfinanzierung direkt über den Geld- und Kapitalmarkt abzuwickeln, wäre im vorliegenden Fall folgender Zinsswap denkbar (vgl. Abb. 225).
10,5 % Unternehmen
Bank Libor
Libor + 1 % FRN-Kreditgeber
10 % Austausch der Zinszahlungen
Festzins-Anleihegläubiger
Abb. 225: Zahlungsstruktur eines klassischen Zinsswaps
Das Unternehmen emittiert eine variabel verzinsliche Anleihe zu Libor + 1 % (Floating-RateNote), während die Bank eine Festzinsanleihe zu 10 % am Markt plaziert. Anschließend tauschen Bank und Unternehmen ihre Zinszahlungen in der oben dargestellten Weise aus. Während die Bank fixe Zinszahlungen erhält und variable leistet (sogenannter Receiver Swap), zahlt das Unternehmen fixe Zahlungen und erhält variable (sogenannter Payer Swap). Der 356
Austausch der Zinszahlungen und die damit verbundene Aufteilung des vorhandenen Arbitragepotentials ist zwischen den Swap-Partnern frei verhandelbar. Unternehmen Kosten zinsvariable Mittel Libor + 1 % Swap-Inflow Libor Swap-Outflow - 10,5 % Nettokosten (mit Swap) 11,5 % Kosten (ohne Swap) 12,0 % Zinsersparnis durch Swap 0,5 %
Bank Kosten zinsfixe Mittel Swap-Inflow Swap-Outflow Nettokosten (mit Swap) Kosten (ohne Swap) Zinsersparnis durch Swap
10,0 % 10,5 % - Libor Libor – 0,5 % Libor 0,5 %
Abb. 226: Beispielhafte Aufteilung des Finanzierungsvorteils auf die beiden Swap-Partner
Im gewählten Beispiel wird von einer hälftigen Aufteilung des komparativen Finanzierungsvorteils auf beide Swap-Partner ausgegangen, so dass beide Parteien eine Zinsersparnis von 0,5 %-Punkten gegenüber einer Finanzierung zu Marktkonditionen erzielen (vgl. Abb. 226). Im Beispiel ist das Swap-Geschäft mit einer gleichzeitigen Begebung von Anleihen durch die Swap-Partner verbunden. Die Anleihenemission ist jedoch keine Voraussetzung für ein Swap-Geschäft, da lediglich zwei Zahlungsströme ausgetauscht werden. Man kann allerdings davon ausgehen, dass bis heute ein Großteil der am Euromarkt emittierten Anleihen swapinduziert ist. Die Anbindung an Kapitalmarkttransaktionen hat sich jedoch im Zuge der Etablierung eines leistungsfähigen Sekundärmarktes deutlich verringert (ZAHN 1991). Zinsswaps dienen nicht nur dem Erzielen von Arbitragevorteilen, sondern werden auch zur Risikoabsicherung eingesetzt. So profitiert der Käufer eines Payer Swaps von steigenden Zinssätzen, während der Käufer eines Receiver Swaps von fallenden Marktzinsen profitiert. Im Rahmen des Bilanzstrukturmanagements eignet sich demzufolge ein Payer Swap zur Absicherung gegenüber steigenden Zinssätzen, falls die Bank positive Fristentransformation betreibt. Eine Bank mit negativer Fristentransformation hingegen kann das Risiko steigender Zinssätze mittels eines Receiver Swaps absichern. Interpretiert man nämlich bei positiver Fristentransformation die kurzen Zinsbindungsfristen der Passivseite als Überhang variabler Zinsaufwendungen, so werden die variablen Zinszahlungen gegen Festzinszahlungen ausgetauscht. Interpretiert man dagegen bei negativer Fristentransformation die kurzen Zinsbindungsfristen der Aktivseite als Überhang zinsvariabler Einkünfte, so werden durch den Receiver Swap die variablen Zinserträge gegen feste Zinserträge ausgetauscht. Schließlich betätigen sich große international tätige Banken am Swap-Markt auch als Vermittler. In der Rolle als sogenannter „Arranger“ beschränkt sich die Bank dabei auf das Zusammenbringen potentieller Swap-Partner, während sie als sogenannter „Intermediär“ die Rolle eines zwischengeschalteten Vertragspartners übernimmt (BINKOWSKI/BEECK 1995). (b) Mit einer Zinsoption ist für den Käufer das Recht, nicht aber die Verpflichtung verbunden, einen bestimmten Zinstitel zu einem bestimmten Fälligkeitstermin (europäische Option) oder jederzeit vor dem Verfalltermin (amerikanische Option) zu einem im Voraus festgelegten Kurs zu kaufen (Kaufoption, Call) oder zu verkaufen (Verkaufsoption, Put). Für dieses Recht zahlt der Käufer dem Verkäufer eine Prämie. Im Gegenzug übernimmt der Verkäufer
357
der Option (Stillhalter) die Verpflichtung, den entsprechenden Zinstitel bereitzustellen oder zu übernehmen. Zinsoptionen werden in den unterschiedlichsten Varianten gehandelt. Bei den börsengehandelten Optionen sind insbesondere Optionen auf Zinsfutures (Futures Options) von Bedeutung. Hierbei handelt es sich um das Recht zum Kauf bzw. Verkauf eines Future-Kontraktes. Bei Ausübung der Option geht die Optionsposition in eine entsprechende Futures-Position über (BEILNER 1992). So übernimmt z.B. der Käufer eines Euro-Bund-Future Calls bei Ausübung eine entsprechende Kauf- (Long-) Position im Euro-Bund-Future. Optionen auf Futures wurden erstmals 1982 am Chicago Board of Trade gehandelt und sind mittlerweile weit verbreitet. Beispielsweise werden an der Eurex Optionskontrakte auf den Euro-Bund- sowie den Euro-Bobl-Future angeboten. Die Absicherung von Zinsänderungsrisiken mit Futures-Optionen (vgl. hierzu FIEBACH 1994) gleicht vom Prinzip her dem Hedging-Ansatz mit Aktienoptionen, der im Rahmen der Steuerung des Aktienkursrisikos ausführlich erläutert wird (vgl. S. dazu 467 ff.). Die dort beschriebenen Zusammenhänge können weitgehend auf Zinsoptionen übertragen werden, so dass der Steuerungsansatz im Folgenden nicht weiter vertieft werden soll. Parallel zum Wachstum des Swap-Marktes hat sich auch im OTC-Bereich ein breites Spektrum an Zinsoptionen herausgebildet. Ein häufig verwendetes Instrument ist der sogenannte Cap (vgl. HAUSER 2005). Dieser stellt die vertragliche Vereinbarung einer Zinsobergrenze (Cap oder Strike-Rate) auf einen fiktiven zugrunde liegenden Kapitalbetrag für eine fixierte Laufzeit dar. Ein Cap eignet sich deshalb zur Absicherung zinsvariabler Passiva gegen steigende Zinsen. Übersteigt der Referenzzinssatz an den sogenannten Rollover-Terminen die vertraglich festgelegte Zinsobergrenze, so ist der Cap-Verkäufer (Stillhalter) verpflichtet, die Zinsdifferenz an den Cap-Käufer zu zahlen. Liegt der Referenzzins dagegen unterhalb der Zinsobergrenze, so findet keine Ausgleichszahlung statt. Gezahlt wird lediglich die auf den Kapitalbetrag bezogene Zinsdifferenz. Weder am Anfang noch am Ende der Laufzeit des Caps findet eine Kapitalbewegung statt. Caps werden in den führenden Währungen mit Laufzeiten bis zu 10 Jahren gehandelt, wobei der Schwerpunkt im Laufzeitbereich von 5 bis 10 Jahren liegt. Die Nominalbeträge belaufen sich auf mindestens 1 Mio. EUR. Am liquidesten ist der Markt für out-of-the-money Caps, d.h. für Caps, deren Zinsobergrenze leicht bis weit oberhalb des aktuellen Marktzinsniveaus liegt. Die Determinanten der Cap-Prämie sind die Laufzeit des Caps, die Höhe der Zinsobergrenze im Verhältnis zum aktuellen Marktzinsniveau und der erwartete zukünftige Zins bzw. die Zinsvolatilität (vgl. PERRIDON/STEINER 2006). Im Gegensatz zum Cap stellt der Floor eine Zinsuntergrenze dar (vgl. Abb. 227). Dieses Instrument eignet sich zur Absicherung variabel verzinslicher Aktiva gegen sinkende Zinsen. Sinkt der Referenzzins unter den vereinbarten Zins, so erhält der Käufer des Floors eine Ausgleichszahlung vom Verkäufer. Die Ausgestaltungsmerkmale entsprechen denen eines Cap. Wie bei jeder Option erhält der Verkäufer eines Caps (Floors) für seine eingegangene Verpflichtung eine Prämie vom Käufer, die als eine Art Versicherungsprämie gegen das Risiko steigender (sinkender) Zinsen interpretiert werden kann. Die Prämie kann als Einmalprämie zu Beginn des Geschäfts oder als laufendes (annualisiertes) Entgelt gezahlt werden. 358
Ein Collar entsteht schließlich aus der Kombination eines gekauften Caps mit einem verkauften Floor. Beide Geschäfte lauten über den gleichen Nominalbetrag, die Strike-Rate beim Floor ist jedoch niedriger als beim Cap. Im Ergebnis entsteht so ein Absicherungsprofil, das sowohl nach oben (durch den gekauften Cap) als auch nach unten (durch den verkauften Floor) begrenzt ist. Der Käufer des Collars bezahlt maximal den Cap-Satz, partizipiert jedoch an Zinssenkungen nur bis zur festgelegten Floor-Grenze. Das Ziel einer derartigen Strategie besteht darin, die Kosten für die Vereinbarung einer Zinsobergrenze (zu zahlende CapPrämie) durch die vereinnahmte Floor-Prämie zu reduzieren. Das Absicherungsprofil eines Collars und seiner Komponenten bei annualisierten Prämien wird in Abbildung 227 aufgezeigt. Die gestrichelte Linie markiert dabei die Zinskosten ohne Absicherung, das Vorteilsfeld ist jeweils durch eine graue Fläche gekennzeichnet. Neben dem Collar haben sich weitere Instrumente mit spezifischen Risiko-/Chancenprofilen herausgebildet, die sich jeweils aus der Kombination von Caps und/oder Floors ergeben (z.B. Corridor, Participating Cap). Diese unterscheiden sich zwar in ihren Ausstattungsmerkmalen (z.B. Strike, Nominalbetrag, Laufzeit) voneinander, können jedoch stets auf die grundlegenden Optionselemente zurückgeführt werden (vgl. hierzu DRESDNER BANK 1991). Long Cap
Long Collar
Zinskosten (in %) Zinskosten (in %)
8%
1% 7% Cap: zu zahlende Prämie:
Referenzzins bei Verfall (in % p.a.) 7,0 % 1,0 %
7,6 % 5,6 %
Short Floor Zinskosten (in %)
5% 7%
4,6 %
5% Floor: erhaltene Prämie:
Referenzzins bei Verfall (in % p.a.) 5,0 % 0,4 %
Referenzzins bei Verfall (in % p.a.)
zu zahlende Prämie (= Absicherungskosten): 1 % – 0,4 % = 0,6 %
Abb. 227: Payoff-Strukturen von Caps, Floors und Collars
359
Als letztes Instrument aus dem Bereich der OTC-Zinsoptionen haben die 1987 eingeführten Swaptions größere Bedeutung erlangt. Dabei handelt es sich um das Recht, in einen hinsichtlich Laufzeit und Zinshöhe spezifizierten Zinsswap einzutreten („Swap auf Abruf“). Der Verkäufer der Swaption übernimmt im Fall der Ausübung, die üblicherweise nur am Ende der Laufzeit möglich ist (europäische Option), die Rolle des Swap-Partners. Grundsätzlich sind sogenannte „Payer Swaptions“ (Festzinszahler im Rahmen des Swaps) und „Receiver Swaptions“ (Festzinsempfänger) zu unterscheiden. Swaptions werden typischerweise mit Laufzeiten von weniger als 1 Jahr auf Swaps mit einer Laufzeit zwischen 3 und 10 Jahren gehandelt. Die Nominalbeträge bewegen sich vornehmlich zwischen 50 und 100 Mio. USD, das Mindestvolumen kann bei 10 Mio. USD angesiedelt werden (DUNKLEY 1992; UBS AG 2000b). (c) Zinsfutures beinhalten die vertragliche Verpflichtung, ein u.a. nach Art und Menge standardisiertes Zinsinstrument des Geld- oder Kapitalmarktes zu einem im voraus festgelegten Kurs an einem späteren, standardisierten Erfüllungstermin zu liefern oder zu übernehmen. Unmittelbar nach Abschluss einer Futures-Transaktion tritt ein „Clearing House“ als Kontrahent des Verkäufers und des Käufers in jeden Vertrag ein und gewährleistet die Kontrakterfüllung. Dieses Substitutions-System ist von zentraler Bedeutung für die Funktionsfähigkeit des Terminbörsenhandels. Zum einen ermöglicht es die jederzeitige Glattstellung von eingegangenen Positionen vor Kontraktfälligkeit. Dies kann unabhängig davon geschehen, ob der ursprüngliche Kontraktpartner ebenfalls zu einem solchen Gegengeschäft bereit ist oder nicht. Zum anderen erübrigt sich dadurch für die ursprünglichen Kontraktpartner die gegenseitige Prüfung der Kreditwürdigkeit. Die Übernahme einer solchen Erfüllungsgarantie wird vor allem durch die Sicherheitsleistungen der Clearing-Mitglieder und ein sogenanntes MarginSystem ermöglicht (vgl. dazu EUREX 1999). Die Additional Margin (selbe Bedeutung wie Initial Margin) dient dazu, die zusätzlich anfallenden möglichen Glattstellungskosten abzudecken. Potentielle Glattstellungskosten würden dann entstehen, wenn vom aktuellen Marktwert eines Portfolios die angenommene ungünstigste Preisentwicklung (Worst Case Loss) eintreten würde. Die Variation Margin ist ein täglicher Gewinn- und Verlustausgleich und fällt unter Verwendung des mark-to-market Verfahrens bei Futures und bei Optionen auf Futures an. Die Variation Margin sorgt dafür, dass Gewinne und Verluste der offenen Position, die durch Kursveränderungen entstehen, täglich ausgeglichen werden. Es handelt sich dabei nicht um eine Sicherheitsleistung die hinterlegt wird, sondern um einen täglichen Barausgleich. Der Inhaber einer Long-Position die am Vortag zu einem niedrigeren Preis als dem Tagesendwert bewertet wurde, bekommt deshalb die Preisdifferenz zum Tagesendwert gutgeschrieben. Der Inhaber der entsprechenden Short-Position hingegen muss die Preisdifferenz leisten. Einige, vornehmlich US-amerikanische Terminbörsen haben des weiteren ein bestimmtes Mindestniveau für die Margin-Konten definiert, das bei ca. 75 % der Additional Margin liegt. Solange diese sogenannte „Maintenance Margin“ nicht unterschritten wird, führen angefallene Bewertungsverluste zwar zu einer Belastung des Margin-Kontos, sie sind jedoch nicht mit einer Nachschussforderung verbunden. Eine Nachschusspflicht, die das Margin-Konto wieder auf den ursprünglichen Initial Margin-Stand bringen muss, wird erst bei Unterschreitung der Maintenance Margin ausgelöst. Mit dem an der Eurex angebotenen Euro-Bund-Future (Basiswert: 8,5 - 10,5 jährige fiktive langfristige Schuldverschreibung der Bundesrepublik Deutschland), dem Euro-Bobl-Future (Basiswert: 4,5 - 5,5 jährige fiktive langfristige Schuldverschreibung der Bundesrepublik 360
Deutschland), dem Euro-Buxl-Future (Basiswert: 20 - 30,5 jährige fiktive langfristige Schuldverschreibung der Bundesrepublik Deutschland) und dem Euribor-Future (Basiswert: 3 Monats-Termingelder in EUR) sind die wesentlichen Bereiche der EUR-Zinsstrukturkurve abgedeckt (vgl. EUREX 2000). Der Preis eines Zinsfutures wird wie bei den Futures allgemein durch die sogenannte „cost of carry“ bestimmt. Die Bestimmung des Futures-Preises soll an einem fiktiven Beispiel verdeutlicht werden. Zu bestimmen ist der Kurs eines Futures auf eine 6 %-ige EURBundesanleihe, die am 1.1.01 mit einer Endfälligkeit am 20.10.09 zu einem Kurs von 90 notiert. Der Geldmarktsatz für 3 Monate soll 9 % p.a. betragen, d.h. 2,25 % für 3 Monate. Um den Futures-Preis per 1.4.01 d.h. in 3 Monaten zu errechnen, soll folgende Strategie betrachtet werden (BEILNER/MATHES 1990b): •
Kauf der Bundesanleihe in t = 0 zum Kurs von 90 plus Zahlung der aufgelaufenen Stückzinsen
•
Kreditaufnahme des hierfür benötigten Kapitalbetrags in t = 0
•
Verkauf der Bundesanleihe via Futures (Short-Position) in t = 0 per drei Monate zum Futures Preis F0
Die beim Kauf zu zahlenden Stückzinsen beziehen sich auf den Zeitraum vom 20.10.00 bis zum 1.1.01 (= 71 Tage) und belaufen sich auf 1,183 EUR ( = 6 EUR · 71 Tage/360 Tage). Insgesamt muss somit ein Kredit in Höhe von 91,183 EUR aufgenommen werden, der nach 3 Monaten inkl. der Zinsen zu tilgen ist. Der Rückzahlungsbetrag beläuft sich auf 93,235 EUR (= 91,183 EUR · 1,0225). An den Terminen t = 0 und t = 1 fallen die aus Abbildung 228 ersichtlichen Zahlungen an: Strategie Short Futures Anleihenkauf Kreditaufnahme Saldo
t=0 0
t=1 F0 + Stückzinsen
- 91,183 EUR + 91,183 EUR 0
- 93,235 EUR F0 – 93,235 EUR + Stückzinsen
Abb. 228: Zahlungsstruktur zur Bestimmung des Futures-Preises
Bis zur Fälligkeit des Futures sind für den Zeitraum vom 20.10.00 bis zum 1.4.01 Stückzinsen aufgelaufen, die 2,683 EUR (= 6 EUR · 161 Tage/360 Tage) betragen. Diese Stückzinsen stehen dem Futures-Verkäufer als Inhaber der Anleihe zu. Ein Verkauf des Futures in t = 0 wird somit nur dann durchgeführt, wenn der zu erzielende Verkaufserlös die Kreditrückzahlung abzüglich der vereinnahmten Stückzinsen abdeckt, d.h. wenn sich der Futures-Kurs auf mindestens 90,552 EUR (= 93,235 EUR – 2,683 EUR) beläuft. Die Differenz zwischen dem Kassakurs der Anleihe und dem Futures-Kurs wird als Basis bezeichnet. Diese (Simple) Basis kann einerseits in einen Teil differenziert werden, der aufgrund von Arbitrageüberlegungen gerechtfertigt ist (Carry Basis). Andererseits in einen über die Carry Basis hinausgehenden Teil (Value Basis), der tendenziell eine Über- bzw. Unterbewertung des Terminkontraktes anzeigt. Weicht der Futures-Kurs zu weit von seinem theoretischen Wert ab, d.h. nimmt die Value Basis einen zu großen Wert an, so werden Arbitrageprozesse ausgelöst (LIFFE 361
1992). Am Fälligkeitstag des Futures müssen Kassakurs und Terminkurs übereinstimmen, so dass die Basis mit abnehmender Restlaufzeit des Futures gegen einen Wert von 0 konvergiert. (d) Von den Zinsfutures zu unterscheiden sind die individuell vereinbarten und außerbörslich gehandelten Forward Rate Agreements (Zinssicherungsvereinbarungen). Im Rahmen eines Forward Rate Agreements (FRA) vereinbaren zwei Vertragspartner einen Zinssatz, der auf eine bestimmte fiktive Einlage mit festgelegter Fälligkeit zu einem vereinbarten Erfüllungstermin zu zahlen ist. Der im Zusammenhang mit einem 6 - 9 Monats-FRAs vereinbarte FRASatz kennzeichnet beispielsweise den Zins, der in 6 Monaten (Vorlaufzeit) für eine 3-MonatsEinlage zu zahlen ist. Der der Kalkulation zugrunde gelegte Kapitalbetrag wird zwar vereinbart, jedoch nicht effektiv geleistet. Der Käufer des FRAs erhält (zahlt) eine Ausgleichszahlung in Höhe der Differenz zwischen dem vereinbarten Referenzzins (z.B. 3-Monats-Libor) und dem festgelegten FRA-Satz, wenn der Referenzzins über (unter) dem vereinbarten FRASatz liegt. Der FRA-Käufer profitiert also von steigenden Zinsen und kann sich so gegen einen Zinsanstieg absichern. Der Kauf eines FRA entspricht somit materiell dem Kauf einer Refinanzierungsmöglichkeit. Demgegenüber sichert sich der Käufer eines Zinsfutures (Kauf einer Geldanlagemöglichkeit) gegen sinkende Zinsen ab. Die Bemessung der Ausgleichszahlung bei einem FRA soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Beträgt der FRA-Satz (iFRA) beispielsweise für ein 6 - 9 Monats-FRA über 100 Mio. GE 8,1 % p.a. Der Referenzzins für eine 3-Monats-Einlage sei nach 6 Monaten auf it1 = 8,5 % p.a. gestiegen. Dem Käufer des FRAs steht nun nach 9 Monaten ein Ausgleich in Höhe der auf den Kapitalbetrag bezogenen Zinsdifferenz zu. Ausgleichszahlung = =
(it1 – iFRA) · Kapitalbetrag · Zinstage/360Tage (8,5 % – 8,1 %) · 100 Mio. GE · 90 Tage/360 Tage = 100.000 GE
Dieser Betrag wird tatsächlich schon nach Ablauf der Vorlaufzeit, also nach 6 Monaten als Barwert gezahlt, der sich durch Abzinsung mit dem für 3 Monate gültigen Zins in Höhe von 8,5 % ergibt. Im Unterschied zu Zinsfutures auf Geldmarktinstrumente sind FRAs in der Abwicklung vergleichsweise einfach konstruiert. So sind z.B. im Gegensatz zu den Futures weder zu Beginn des Geschäftes Einschüsse noch zwischenzeitliche Variation Margins erforderlich. Dadurch wird die Liquiditätsplanung deutlich erleichtert. Wie sämtliche OTC-Produkte bieten FRAs den Marktteilnehmern wegen der fehlenden Standardisierung (Beträge, Laufzeit, Referenzzins) ein höheres Maß an Flexibilität. Andererseits ist der Abschluss eines FRAs jedoch i.d.R. mit höheren Kosten verbunden. Zudem besteht je nach Bonität des Vertragspartners ein Erfüllungsrisiko, das bei den Futures durch die Zwischenschaltung des Clearing House weitgehend ausgeschlossen werden kann. Wenngleich weltweit aggregierte Zahlen über das exakte Marktvolumen nicht verfügbar sind, so besteht dennoch Einigkeit darüber, dass die FRAs nach den Zinsswaps das zweitgrößte Segment des OTC-Marktes für derivative Zinsprodukte darstellt. Für viele Banken scheinen diese Instrumente dabei eine ähnliche Bedeutung zu haben wie die Zinsswaps (BIZ 2001). FRAs werden heute in allen führenden Währungen hauptsächlich über 3-, 6- und 12-MonatsZinsperioden mit Vorlaufzeiten bis zu 18 Monaten angeboten. Die übliche Größenordnung
362
beläuft sich auf 50 Mio. USD, wobei das Mindestvolumen bei 10 Mio. USD anzusiedeln ist (NORFIELD 1992). Zinsfutures und Forward Rate Agreements können zur Arbitrage, zur Spekulation oder zum Hedging eingesetzt werden. Ziel einer Hedge-Strategie besteht prinzipiell darin, einen weitgehenden Ausgleich der Verluste in der Kassaposition durch entsprechende Gewinne in der Position des Absicherungsinstrumentes herbeizuführen. Zu diesem Zweck muss neben der Auswahl eines geeigneten Kontraktes stets die notwendige Kontraktanzahl (Hedge-Ratio) bestimmt werden. Hierfür werden in der Literatur verschiedene Verfahren vorgeschlagen. Die generelle Grundlage zur Bestimmung der Hedge-Ratio bildet das Nominalwertprinzip (KÖPF 1987). Beim Nominalwertprinzip, das auch als „Naiver Hedge“ bezeichnet wird, werden die Nominalwerte der abzusichernden Kassaposition und des Futures in Relation gesetzt. Hedge - Ratio
Nominalwert der Kassaposition Nominalwert des Futures
Diese Methode beinhaltet jedoch wesentliche Mängel (GAY/KOLB 1983). Sie vernachlässigt vor allem: •
Laufzeitunterschiede zwischen Futures- und Kassainstrument,
•
Bonitätsunterschiede zwischen den Schuldnern der zugrunde liegenden Zinstitel,
•
unterschiedliche Preisvolatilitäten,
•
unterschiedliche Kuponstrukturen.
Zur Berücksichtigung dieser Faktoren ist es sinnvoll, in Kontrakte mit Geldmarkt- und Kapitalmarkttiteln zu differenzieren. Dies aufgrund der Tatsache, dass bei Kapitalmarktpapieren aufgrund ihrer verglichen mit den Geldmarktpapieren langen Laufzeit spezifische Probleme auftauchen. Im Folgenden sollen deshalb zunächst kurz mögliche Ansätze für auf Geldmarkttiteln basierenden Futures betrachtet werden. Eventuell vorhandene Laufzeitunterschiede zwischen der abzusichernden Position und dem Basiswert des Futures werden beim sogenannten Laufzeitäquivalenz-Ansatz berücksichtigt. Für Geldmarktpapiere ist direkt ersichtlich, dass bei einem 12-Monats-Titel im Vergleich zu einem 6-Monats-Titel eine doppelt so hohe Wertveränderung entsteht. Dementsprechend kann die Hedge-Ratio nach diesem Ansatz wie folgt ermittelt werden (FITZGERALD 1990; CORDERO 1987).
Hedge - Ratio
Nominalwert der Kassaposition Laufzeit der Kassaposition Nominalwert des Futures Laufzeit des Futures
Ein hierzu alternativer Ansatz setzt – basierend auf der bereits diskutierten Basispoint ValueMethode – die Marktwertkonsequenzen der abzusichernden Kassaposition und der Futuresposition bezüglich eines Anstiegs der Marktrendite um einen Basispunkt (= 0,01 %-Punkt) zueinander in Relation (CBOT 1990). Der Marktwert eines 12-Monats-Titels verändert sich bei einer Zinsänderung doppelt so stark wie der Marktwert eines 6-Monats-Titels. Der Ge363
genwert eines Basispunktes ist folglich doppelt so groß, weshalb dieser Ansatz zum gleichen Ergebnis führt wie die Laufzeitäquivalenz. Hedge - Ratio
Nominalwert der Kassaposition Basispoint Value der Kassaposition Nominalwert des Futures Basispoint Value des Futures
Durch die Einbeziehung des Zins- bzw. Preiszusammenhangs zwischen Futures- und Kassaposition kann dieser Ansatz weiter verbessert werden. Hierbei wird mit Hilfe einer Regressionsanalyse versucht, aus der Analyse historischer Zeitreihen den Grad des Zusammenhangs zwischen den Marktwertveränderungen des Futures und der abzusichernden Kassaposition zu ermitteln. Der Regressionskoeffizient kann dann als Gewichtungsfaktor verwendet werden, um gegebenenfalls unterschiedliche Zinselastizitäten zwischen Kassa- und Terminposition zu berücksichtigen: Hedge - Ratio
Nominalwert der Kassaposition Laufzeit der Kassaposition Regressions koeffizient Nominalwert des Futures Laufzeit des Futures
Problematisch ist dabei die Stabilität des Regressionskoeffizienten im Zeitablauf. Deshalb ist neben der sorgfältigen Auswahl der als relevant angesehenen Analysezeiträume vor allem darauf zu achten, dass die Entwicklung dieses Parameters zeitnah überwacht wird, um gegebenenfalls Anpassungen der Position vornehmen zu können. Unter dieser Voraussetzung kann dieser Ansatz im Bereich der geldmarktorientierten Futures als das am besten geeignete Verfahren charakterisiert werden (MERRICK 1990, SIEGEL/SIEGEL 1990). Den auf Kapitalmarktpapieren basierenden Futures liegen i.d.R. fiktive Anleihen (sogenannte Notional Bonds) zugrunde. Diese sind hinsichtlich Zinssatz und Laufzeit standardisiert. So lautet z.B. der Euro-Bund-Future der Eurex auf eine fiktive Schuldverschreibung der Bundesrepublik Deutschland mit 6 % Nominalverzinsung und 8,5-10,5 jähriger Laufzeit. Die Spezifikationen des Euro-Bund-Futures sind in Abbildung 229 zusammengestellt. Bei der Preisbildung für Futures auf Kapitalmarktpapiere ist die Möglichkeit der effektiven Lieferung des zugrundeliegenden Papiers von entscheidender Bedeutung. Für eine Lieferung stehen dabei regelmäßig mehrere verschiedene Anleihen mit bestimmten Merkmalen zur Auswahl. So können z.B. beim Euro-Bund-Future Anleihen mit einer Restlaufzeit von mindestens 8,5 bis maximal 10,5 Jahren unabhängig von der Kuponausstattung geliefert werden. Der Verkäufer eines solchen Kontraktes wird seine bei Kontraktfälligkeit eintretende Lieferverpflichtung somit mit der vergleichsweise billigsten Anleihe erfüllen. Die Anleihe mit dieser Eigenschaft wird auch als „Cheapest-to-Deliver“ (CTD) bezeichnet (KIRSCHNER 1992). Wegen dieses Zusammenhangs orientiert sich der Kurs des Futures während der Kontraktlaufzeit stets an der Kursentwicklung der jeweiligen CTD. Da sich die lieferbaren Anleihen im Hinblick auf Laufzeit und Kuponzahlungen vom fiktiven Basiswert des Futures unterscheiden, weisen diese Papiere i.d.R. voneinander abweichende Marktwerte auf. Ohne einen entsprechenden Ausgleich müsste der Käufer eines Kontraktes in Abhängigkeit von der tatsächlich gelieferten Anleihe möglicherweise zu viel oder zu wenig bezahlen. Um einen wertmäßigen Ausgleich für diese Ausstattungsunterschiede herbeiführen zu können, haben die Terminbörsen für jede lieferbare Anleihe differenziert nach Lieferter364
minen sogenannte Preis- bzw. Konversionsfaktoren definiert. Diese Faktoren spiegeln das Wertverhältnis einer lieferbaren Anleihe zum jeweiligen Kontraktstandard wieder. Bezogen auf den Euro-Bund-Future werden die Anleihen z.B. so gestaltet, dass sie zur Fälligkeit des Euro-Bund-Futures eine Rendite von 6 % aufweisen. Basiswert: Kontraktwert: Erfüllung:
Preisermittlung: Minimale Preisveränderung: Liefertag:
Fiktive langfristige Schuldverschreibung der Bundesrepublik Deutschland mit 8½ bis 10½ jähriger Laufzeit und einem Kupon von 6 Prozent. EUR 100.000 Eine Lieferverpflichtung aus einer Short-Position in einem EuroBUND-Future-Kontrakt kann nur durch bestimmte Schuldverschreibungen – nämlich Anleihen der Bundesrepublik Deutschland – mit einer Restlaufzeit von 8½ bis 10½ Jahren am Liefertag erfüllt werden. Die Schuldverschreibungen müssen ein Mindestemissionsvolumen von 2 Mrd. Euro aufweisen. In Prozent vom Nominalwert; auf zwei Dezimalstellen. 0,01 Prozent; dies entspricht einem Wert von EUR 10.
Der Liefertag ist der zehnte Kalendertag des jeweiligen Quartalsmonats, sofern dieser Tag ein Börsentag ist, andernfalls der darauffolgende Börsentag. Liefermonat: Die jeweils nächsten drei Quartalsmonate des Zyklus März, Juni, September und Dezember. Lieferanzeige: Clearingmitglieder mit offenen Short-Positionen müssen der Eurex am letzten Handelstag des fälligen Liefermonats bis zum Ende der PostTrading-Periode anzeigen, welche Schuldverschreibungen sie liefern werden. Letzter HandelsZwei Börsentage vor dem Liefertag des jeweiligen Quartalmonats, Hantag: delsschluss für den fälligen Liefermonat ist 12.30 Uhr MEZ. Täglicher Abrech- Volumengewichteter Durchschnitt der Preise der letzten fünf zustande nungspreis: gekommenen Geschäfte, sofern sie nicht älter als 15 Minuten sind, oder der volumengewichtete Durchschnitt der Preise aller während der letzten Handelsminute zustandegekommenen Geschäfte, sofern in diesem Zeitraum mehr als fünf Geschäfte zustandegekommen sind. Ist eine derartige Preisermittlung nicht möglich, oder entspricht der so ermittelte Preis nicht den tatsächlichen Marktverhältnissen, legt die Eurex den Abrechnungspreis fest. Handelszeit: 8:00 bis 19:00 Uhr MEZ Abb. 229: Kontraktspezifikation des Euro-Bund-Futures (Quelle: EUREX 1999)
(2)
Strategien zur Limitierung des Zinsänderungsrisikos
Aus der Vielzahl der einer Bank zur Verfügung stehenden instrumentellen Möglichkeiten zur Begrenzung des Zinsänderungsrisikos seien drei Finanzinstrumente für die folgenden Ausführungen herausgestellt: •
bilanzverlängernde Geld- und Kapitalmarktgeschäfte
365
•
Zinsswaps als Finanzderivate mit Verpflichtungscharakter
•
Floors als Finanzderivate mit Optionscharakter
Anhand dieser Instrumente soll die grundsätzliche Vorgehensweise bei der Immunisierung der bankbetrieblichen Zielgrößen „Zinsspanne“ und „Marktwert des Eigenkapitals“ gegen Marktzinsänderungen illustriert werden. Immunisierung der Zinsspanne im Zinszyklus
Als abzusichernde Bilanz sei vereinfachend zunächst die in Abbildung 213 dargestellte Elastizitätsbilanz gewählt. Bei dieser wird davon ausgegangen, dass innerhalb der Betrachtungsperiode weder Festzinsgeschäfte auslaufen noch Strukturveränderungen stattfinden. Die durchschnittliche aktivische Zinsanpassungselastizität gegenüber dem 3-Monats-Euribor beträgt 0,24, während für die durchschnittliche passivische Zinsanpassungselastizität ein Wert in Höhe von 0,20 ermittelt wird. Wegen des aktivischen Elastizitätsüberhangs in Höhe von 0,04 ergibt sich bei einer Senkung des 3-Monats-Euribor um 1 %-Punkt aufgrund der Bilanzsumme in Höhe von 500 Mio. GE eine Verringerung des Zinsüberschusses von 0,2 Mio. GE. In diesem Zusammenhang ist für die Limitierung von Zinsspannenrisiken der Ausgleich von aktivischen oder passivischen Elastizitätsüberhängen anzustreben. Formal ist dazu der Elastizitätssaldo so zu verändern, dass er gegen Null strebt. Beispielsweise kann der im Falle eines aktivischen Elastizitätsüberhangs positive Elastizitätssaldo reduziert werden, indem die durchschnittliche aktivische Elastizität gesenkt und/oder die durchschnittliche passivische Elastizität erhöht werden. Dazu können •
aktivische Positionen mit Elastizitäten, die über der durchschnittlichen aktivischen Elastizität liegen, in Positionen mit Elastizitäten, die unter der durchschnittlichen aktivischen Elastizität liegen, gewandelt werden,
•
zusätzlich aktivische Positionen aufgebaut werden, deren Elastizität unter der durchschnittlichen aktivischen Elastizität liegt,
•
passivische Positionen mit Elastizitäten, die unter der durchschnittlichen passivischen Elastizität liegen, in Positionen mit Elastizitäten, die über der durchschnittlichen passivischen Elastizität liegen, gewandelt werden oder
•
zusätzlich passivische Positionen aufgebaut werden, deren Elastizität über der durchschnittlichen passivischen Elastizität liegt.
(a) Um die Zinsspanne auf einem bestimmten Ausgangsniveau stabilisieren zu können sind die bilanzverlängernden Geld- und Kapitalmarktgeschäfte so zu gestalten, dass die durchschnittlichen aktivischen und passivischen Zinsanpassungselastizitäten nach Durchführung der entsprechenden Geschäfte ausgeglichen sind. Hierzu ist in einem ersten Schritt zunächst zu bestimmen, welche Positionen die Bank bezüglich der Eigengeschäfte eingehen soll. Grundsätzlich kann sie zum einen kurzfristige variabel verzinsliche Mittel mit hohen Elastizitäten am Geldmarkt aufnehmen und in langfristigen festverzinslichen Kapitalmarkttiteln mit Elastizitäten von Null während der Zinsbindung anlegen. Zum andern kann sie lang-
366
fristige Festzinsmittel am Kapitalmarkt aufnehmen (Null-Elastizität während der Zinsbindung) und diese kurzfristig variabel am Geldmarkt anlegen (hohe Elastizität). Da im Beispiel ein aktivischer Elastizitätsüberhang von 0,04 vorliegt, präferiert die Bank die Aufnahme von 3-Monats-Geld (3-MG) mit einer Zinsanpassungselastizität von 1 und deren Wiederanlage in ein langfristiges festverzinsliches Wertpapier (WP) mit einer Elastizität von Null während der Zinsbindung. Dadurch wird einerseits die durchschnittliche passivische Zinsanpassungselastizität erhöht, andererseits die durchschnittliche aktivische Zinsanpassungselastizität verringert. In einem zweiten Schritt muss die Höhe des Eigengeschäftsvolumens ermittelt werden. Der Zinsertrag auf der Aktivseite verringert sich bei einer Reduktion des 3-Monats-Euribor um 1 % um 1,2 Mio. GE. Auf der Passivseite sinkt der Zinsaufwand infolge jedoch nur um 1,0 Mio. GE. Deshalb muss die Zinsaufwandsverringerung um 0,2 Mio. GE höher sein, um auf beiden Bilanzseiten die gleichen Veränderungen zu erreichen. Bei einer EuriborVerzinsung im variablen Bereich (Zinsanpassungselastizität = 1,0) gelingt dies durch die Aufnahme von 20 Mio. GE 3-Monats-Geld und dessen Anlage in einen langfristigen Festzinstitel. Das Volumen ergibt sich dabei aus der Bedingung gleicher durchschnittlicher Zinsanpassungselastizitäten der Aktiv- und Passivseite nach Durchführung der Eigengeschäfte und kann nach folgender Formel berechnet werden: Eigengeschäftsvolumen
Bilanzvolumen ( ZE Passiv ZE Aktiv ) ZE Eigengeschäft - Aktiv ZE Eigengeschäft - Passiv
Eigengeschäftsvolumen
500 Mio. GE 0,20 0,24 0 1
20 Mio. GE
Durch das zusätzliche Volumen mit einer Elastizität von Null sinkt die durchschnittliche Aktivelastizität von 0,24 auf 0,23, während die durchschnittliche Passivelastizität durch die 3Monats-Geld-Aufnahme von 0,20 auf 0,23 ansteigt und damit reagibler wird. Das Ergebnis ist – wie Abbildung 230 verdeutlicht – ein Elastizitätsüberhang in Höhe von Null. Es ist jedoch zu beachten, dass die Bilanzsumme ausgeweitet wurde und so unerwünschte Margeneffekte (z.B. Sinken der Bruttozinsspanne oder Eigenkapitalquote) in Kauf genommen werden müssen.
367
t=0 Vol. Ertragsveränderung Zins(in Mio. (in Mio. GE) elastizität GE) bei ǻ MZ = - 1 %
WP
Vol. AufwandsverändeZins(in Mio. rung (in Mio. GE) elastizität GE) bei ǻ MZ = - 1 %
F
350
0
0
F
250
0
0
V
150
0,80
- 1,20
V
250
0,40
- 1,00
BS / Ø
500
0,24
- 1,20
BS / Ø
500
0,20
- 1,00
F
20
0
0
V
20
1,00
- 0,20
GV / Ø
520
0,23
- 1,20
GV / Ø
520
0,23
- 1,20
3-MG
Abb. 230: Immunisierung der Zinsspanne gegen Marktzinsänderungen durch bilanzwirksame Eigengeschäfte mit: BS = Bilanzsumme; GV = Geschäftsvolumen; WP = Wertpapier; 3-MG = 3-Monats-Geld
(b) Um die Zinsspanne mittels Zinsswaps zu immunisieren, ist das Swapgeschäft so zu gestalten, dass die durchschnittlichen aktivischen und passivischen Zinsanpassungselastizitäten nach Durchführung des Swaps ausgeglichen sind. Im Folgenden wird zunächst wiederum von der in Abbildung 213 dargestellten Elastizitätsbilanz ausgegangen, anhand derer die grundsätzliche Vorgehensweise der Immunisierung durch Zinsswaps erläutert werden soll. Daran anschließend wird aufgezeigt, welche Probleme sich beim Einsatz von Swaps unter Berücksichtigung innerhalb der Betrachtungsperiode auslaufender Festzinsgeschäfte und der damit erforderlichen Immunisierung der Elastizitätsüberhänge gegenüber dem 3-MonatsEuribor, dem 1-Jahres- und dem 5-Jahres-Kapitalmarktzins als Referenzzins ergeben (vgl. S. 325 ff.). Schließlich wird der bis dahin vorgestellte einperiodische Immunisierungsansatz auf mehrere Perioden ausgedehnt. Die Immunisierung der Zinsspanne durch Zinsswaps erfolgt – in Analogie zur Absicherung mittels bilanzverlängernder Geld- und Kapitalmarktgeschäfte – grundsätzlich in 2 Schritten. In einem ersten Schritt ist zunächst zu bestimmen, welche Position die Bank beim Swapgeschäft eingehen soll: Zum einen kann sie feste Zinszahlungen erhalten und variable leisten, zum andern kann sie variable Zinszahlungen bekommen und feste zahlen. Da im Beispiel ein aktivischer Elastizitätsüberhang von 0,04 vorliegt, mit anderen Worten die durchschnittliche passivische Zinsanpassungselastizität um 0,04 zu niedrig ist, muss die Bank ein Swapgeschäft abschließen, bei dem sie einen festen Zins erhält und dafür einen variablen Zins zahlt (Receiver Swap). Dadurch wird erreicht, dass sich die durchschnittliche passivische Zinsanpassungselastizität erhöht. Im Beispiel wird hierzu ein Zinsswap mit einer variablen Zinszahlung auf der Basis des 3-Monats-Euribor eingesetzt, für die eine Zinsanpassungselastiziät von 1 gilt. Die Festzinszahlung weist dem gegenüber eine Elastizität von Null auf. In einem zweiten Schritt muss die Höhe des Swapvolumens ermittelt werden. Da sich auf der Aktivseite der Zinsertrag bei einer Verringerung des 3-Monats-Euribor um 1 %-Punkt um 1,2 Mio. GE verringert, auf der Passivseite dagegen der Zinsaufwand nur um 1,0 Mio. GE
368
sinkt, muss – damit auf beiden Bilanzseiten wiederum die gleichen Veränderungen erreicht werden – die Zinsaufwandsverringerung um 0,2 Mio. GE höher sein. Bei einer EuriborVerzinsung im variablen Bereich (Zinsanpassungselastizität = 1,0) gelingt dies mit einem Swapvolumen von 20 Mio. GE (= 0,2 Mio. GE/1,0 · 100). Dieses ergibt sich – in Analogie zur Berechnung des Eigengeschäftsvolumens – aus der Bedingung gleicher durchschnittlicher Zinsanpassungselastizitäten der Aktiv- und Passivseite nach Durchführung des Swaps und kann mittels folgender Formel bestimmt werden: Swapvolumen
Bilanzvolumen ( ZE Passiv ZE Aktiv ) ZE Swap - Aktiv ZE Swap - Passiv
Swapvolumen
500 Mio. GE (0,20 0,24) 0 1
20 Mio. GE
Schließt die Bank einen Receiver-Swap über 20 Mio. GE ab, dann ist die Zinsspanne – wie Abbildung 231 entnommen werden kann – gegen Marktzinsänderungen immunisiert. t=0 Vol. Ertragsveränderung Zins(in Mio. (in Mio. GE) elastizität GE) bei ǻ MZ = - 1 %
Zinsswap
Vol. AufwandsverändeZins(in Mio. rung (in Mio. GE) elastizität GE) bei ǻ MZ = - 1 %
F
350
0
0
F
250
0
0
V
150
0,80
- 1,20
V
250
0,40
- 1,00
BS / Ø
500
0,24
- 1,20
BS / Ø
500
0,20
- 1,00
F
20
0
0
V
20
1,00
- 0,20
GV / Ø
500
0,24
- 1,20
GV / Ø
500
0,24
- 1,20
Abb. 231: Immunisierung der Zinsspanne gegen Marktzinsänderungen durch einen Zinsswap mit: BS = Bilanzsumme; GV = Geschäftsvolumen
Im Unterschied zur Immunisierung mittels bilanzwirksamer Eigengeschäfte bleibt die Bilanzsumme beim Abschluss des Swapgeschäfts konstant bei 500 Mio. GE. Die aktivischen und passivischen Zinsanpassungselastizitäten sind bei 0,24 angeglichen, da die aus dem Swapgeschäft erhaltene Festzinszahlung aufgrund ihrer Elastizität von 0 keine Änderung der durchschnittlichen aktivischen Zinsanpassungselastizität bewirkt. Bei Swapgeschäften erfolgt ein Elastizitätsausgleich somit also immer über die weniger variable Seite der Bilanz auf das Niveau der jeweils höheren Zinsanpassungselastizität. Unter Berücksichtigung im Betrachtungszeitraum auslaufender Festzinsgeschäfte sind neben dem bis anhin betrachteten Elastizitätsüberhang gegenüber dem 3-Monats-Euribor zwei weitere Elastizitätsüberhänge zu berücksichtigen. Gemäß den Ausführungen zur Messung 369
von Zinsspannenrisiken im Elastizitätskonzept verwendet man dabei den 1-Jahres- und den 5Jahres-Kapitalmarktzins als Referenzzins (vgl. S. 325 ff.). Die Immunisierung dieser zusätzlichen Überhänge durch Zinsswaps erweist sich insofern jedoch problematisch, als eine Anhebung der Zinsanpassungselastizitäten gegenüber dem 1- und 5-jährigen Kapitalmarktzins zwecks Elastizitätsausgleichs mittels Swaps nicht ohne weiteres möglich ist (SCHWANITZ 1996). So müssten beispielsweise die zum Ausgleich der drei in Abbildung 232 dargestellten Elastizitätsüberhänge erforderlichen Swapgeschäfte folgendermaßen ausgestaltet sein: •
Swap 1: Aufgrund des aktivischen Euribor-Elastizitätsüberhangs in Höhe von 0,01 (= 0,21 – 0,20) ist die Passivseite durch einen Receiver Swap reagibler zu machen. Da der variable Zinssatz des Swaps und der Referenzzins des Elastizitätsüberhangs identisch sind, stellt dies kein Problem dar. Das benötigte Swapvolumen liegt bei 5 Mio. GE.
•
Swap 2: Der auf den 1-Jahres-Kapitalmarktzins bezogene Elastizitätsüberhang ist auch aktivisch und liegt bei 0,06 (= 0,17 – 0,11). Deshalb ist zwecks Ausgleich der durchschnittlichen aktivischen und passivischen Zinsanpassungselastizitäten des weiteren ein Receiver Swap über 30 Mio. GE abzuschließen. Dieser müsste allerdings mit einer variablen Verzinsung ausgestattet sein, die sich mit einer Elastizität von 1 am 1-jährigen Kapitalmarktzins orientiert. Eine solche Swapkonstruktion ist derzeit jedoch am Markt nicht verfügbar.
•
Swap 3: Das gleiche Problem trifft auch auf den aktivischen Elastizitätsüberhang gegenüber dem 5-Jahres-Kapitalmarktzins als Referenzzins in Höhe von 0,26 (= 0,49 – 0,23) zu. Das entsprechende Swapgeschäft zum Ausgleich der Elastizitäten muss als Receiver Swap über 130 Mio. GE abgeschlossen werden, dessen variabler Zinssatz sich mit einer Elastizität von 1 am 5-jährigen Kapitalmarktzins orientiert. Auch diese Swapausgestaltung ist derzeit am Markt nicht verfügbar. t=0 Elastizität
Volumen 3 M. BS / Ø
500
0,21
Swap 1
5
0,00
Swap 2
30
Swap 3
130
GV / Ø
500
1 J. 0,17
0,17
Elastizität 3 M.
1 J.
5 J.
0,11
0,23
BS / Ø
500
0,20
Swap 1
5
1,00
Swap 2
30
0,00
Swap 3
130
0,49
GV / Ø
500
0,49
0,00
0,21
Volumen
5 J.
1,00 1,00
0,21
0,17
0,49
Abb. 232: Ausgestaltungsprofil der Swapgeschäfte zur Immunisierung der Elastizitätsüberhänge gegenüber dem 3-Monats-Euribor, dem 1-Jahres- und dem 5-Jahres-Kapitalmarktzins als Referenzzins mit: BS = Bilanzsumme; GV = Geschäftsvolumen
370
Der bis anhin betrachtete einperiodische Immunisierungsansatz gibt keine Information darüber, wie die Zinsswaps hinsichtlich ihrer Laufzeit zu gestalten sind. Um solche Informationen zu gewinnen, muss die mögliche Veränderung der Bilanzstruktur und deren Auswirkung auf die zukünftigen Elastizitätsüberhänge berücksichtigt werden. Unter solchen dynamischen Aspekten ist das Zinsspannenrisiko unter Beachtung der zeitlichen Erstreckung von Festzinspositionen über eine Kombination von Zinsswaps mit unterschiedlicher Laufzeit abzusichern. Eine solche intertemporäre Immunisierung der Zinsspanne soll vereinfachend zunächst anhand der bereits in Abbildung 205 dargestellten Zinsbindungsbilanz verdeutlich werden. Zuerst wird der am weitesten in der Zukunft liegende Festzinsüberhang in der Zinsbindungsbilanz durch einen Zinsswap ausgeglichen. Retrograd werden anschließend die restlichen Festzinsüberhänge ausgeglichen (KNIPPSCHILD 1991; NABBEN 1990). Bei diesem Ansatz ist – wie Abbildung 233 zeigt – ersichtlich, dass es aufgrund des zunächst abnehmenden und dann wieder zunehmenden Festzinsüberhangs sinnvoll ist, entgegengesetzte Swaps verschiedener Laufzeiten abzuschließen. Während die Bank bei dem Swap mit 4jähriger Laufzeit Festzinszahlungen leistet (Payer Swap), empfängt sie bei dem 2-jährigen Swap die Festzinszahlung (Receiver Swap). Im 1-Jahres-Bereich fungiert das Institut wiederum als Festzinszahler. Festzinspositionen (Mio. GE) • Aktiv (= positiv) • Passiv (= negativ) Festzinsüberhang Zinsswaps: Swap 1: Laufzeit = 4 Jahre, - 55 restliche offene Positionen Swap 2: Laufzeit = 2 Jahre, + 5 restliche offene Positionen Swap 3: Laufzeit = 1 Jahre, - 50 restliche offene Positionen
t=0 350 - 250 + 100
t=1 230 - 180 + 50
t=2 200 - 145 + 55
t=3 155 - 100 + 55
- 55 + 45 +5 + 50 - 50 0
- 55 -5 +5 0
- 55 0
- 55 0
Abb. 233: Steuerung des Zinsspannenrisikos über eine Kombination von Zinsswaps
Die intertemporäre Immunisierung der Zinsspanne gegenüber Marktzinsänderungen kann auf das Konzept der Zinselastizitätsbilanz übertragen werden. Da das variable Geschäft in der Analyse mitberücksichtigt wird, müssen hinsichtlich seiner Struktur zunächst zwei Prämissen unterstellt werden: •
Die durchschnittliche Elastizität des variablen Geschäfts auf der Aktiv- und Passivseite bleibt unverändert.
•
Bei Veränderung der Festzinsüberhänge in den einzelnen Jahren erfolgt ein entsprechender Ausgleich über variabel verzinsliche Geschäfte.
371
Zur Illustration der Vorgehensweise im Rahmen des Elastizitätskonzepts sollen die Wirkungen von Festzinsabläufen wiederum unberücksichtigt bleiben. Die Bilanzstruktur bleibe im ersten Jahr unverändert, um dann zu Beginn des zweiten Jahres (t = 1) durch Strukturänderungen ein anderes Elastizitätsprofil zu erhalten (vgl. Abb. 234 und Abb. 235). So erhöhen sich durch Umschichtung von festverzinslichen Positionen in variabel verzinsliche die Aktivelastizität auf 0,432 und die Passivelastizität auf 0,256. Damit vergrößert sich der Elastizitätsüberhang in t = 1 auf 0,176 (= 0,432 – 0,256), so dass bei sinkendem 3-Monats-Euribor im zweiten Jahr ein Rückgang des Zinsüberschusses um 0,88 Mio. GE zu befürchten ist. Um wiederum die Zinsspanne auf dem aktuellen Niveau stabilisieren zu können, sind die Swapgeschäfte nun so zu gestalten, dass in jedem Jahr die durchschnittlichen aktivischen und passivischen Zinsanpassungselastizitäten ausgeglichen sind. Begonnen wird mit der Berechnung des am längsten laufenden Swaps, in diesem Fall für das zweite Jahr. Der Swap wird also eine Laufzeit von 2 Jahren haben. Aufgrund der Umschichtung zu Beginn des zweiten Jahres weist die Bank einen aktivischen Elastizitätsüberhang in Höhe von 0,176 auf. Folglich ist die durchschnittliche passivische Zinsanpassungselastizität verglichen mit der durchschnittlichen aktivischen Zinsanpassungselastizität um 0,176 zu niedrig. Um sie zu erhöhen, ist das Swapgeschäft auf der Passivseite variabel zu gestalten. Damit ist die von der Bank einzunehmende Position eindeutig bestimmt: Sie schließt einen Receiver Swap ab, bei dem sie einen festen Zins erhält und dafür variable Zahlungen leistet. Das Swapvolumen bestimmt sich in Analogie zur einperiodischen Betrachtungsweise aus der Bedingung gleicher durchschnittlicher Zinsanpassungselastizitäten der Aktiv- und Passivseite nach Durchführung des Swaps. Eingesetzt in obige Formel resultiert ein Kontrakt-Volumen in Höhe von 88 Mio. GE. Dieser Receiver-Swap mit 2-jähriger Laufzeit und einem Volumen von 88 Mio. GE gleicht – wie Abbildung 234 zeigt – die durchschnittlichen Aktiv- und Passivelastizitäten im zweiten Jahr genau aus. Die Bank ist folglich immun gegen Zinsänderungen.
372
t=0 Vol. Ertragsveränderung Zins(in Mio. (in Mio. GE) elastizität GE) bei ǻ MZ = - 1 %
2-JahresZinsswap
Vol. AufwandsverändeZins(in Mio. rung (in Mio. GE) elastizität GE) bei ǻ MZ = - 1 %
F
230
0
0
F
180
0
0
V
270
0,80
- 2,16
V
320
0,40
- 1,28
BS / Ø
500
0,432
- 2,16
BS / Ø
500
0,256
- 1,28
F
88
0
0
V
88
1,00
- 0,88
GV / Ø
500
0,432
- 2,16
GV / Ø
500
0,432
- 2,16
Abb. 234: Elastizitätsbilanz in t = 1 nach Abschluss eines 2-jährigen Receiver-Swaps mit: BS = Bilanzsumme; GV = Geschäftsvolumen
Als nächstes gilt es, die Auswirkungen des für das zweite Jahr abgeschlossenen Swapgeschäfts für das Vorjahr zu analysieren. In Abbildung 235 ist ersichtlich, dass – bei unterstelltem Zinsrückgang – die Aufwandsveränderung im ersten Jahr durch das Swapgeschäft von 1 Mio. GE auf 1,88 Mio. GE angestiegen ist und damit um 0,68 Mio. GE über der Ertragsveränderung auf der Aktivseite liegt. Um auch im ersten Jahr einen Elastizitätsausgleich zu erreichen, nimmt die Bank beim zweiten Swapgeschäft eine andere Position im Swapvertrag ein: Diesmal gilt die Zielsetzung die Ertragsseite (Aktivseite) variabler zu machen. Deshalb schließt die Bank einen Payer Swap ab, bei dem sie variable Zinszahlungen erhält und Festzinszahlungen leistet. Das benötigte Volumen errechnet sich zu 68 Mio. GE und führt zu einer aktivisch und passivisch identischen durchschnittlichen Zinanpassungselastizität von 0,376. Dadurch, dass die Elastizitäten innerhalb des Betrachtungszeitraums (2 Jahre) ausgeglichen sind, haben Marktzinsänderungen somit keinen Einfluss mehr auf die Zinsspanne. Die Ausführungen machen deutlich, dass eine Immunisierung der Zinsspanne mit Swaps im Rahmen der Elastizitätsbilanz maßgeblich durch die gesetzten Prämissen beeinflusst wird. Die Notwendigkeit einer dynamischen Bilanzstrukturplanung als grundlegende Voraussetzung für eine effiziente Risikosteuerung wird beim Ansatz der Zinselastizitätsbilanz somit offenkundig.
373
t=0 Vol. Ertragsveränderung Zins(in Mio. (in Mio. GE) elastizität GE) bei ǻ MZ = - 1 %
Vol. AufwandsverändeZins(in Mio. rung (in Mio. GE) elastizität GE) bei ǻ MZ = - 1 %
F
350
0
0
F
250
0
0
V
150
0,80
- 1,20
V
250
0,40
- 1,00
BS / Ø
500
0,24
- 1,20
BS / Ø
500
0,20
- 1,00
2-JahresZinsswap
F
88
0
0
V
88
1,00
- 0,88
1-JahresZinsswap
V
68
1,00
- 0,68
F
68
0
0
GV / Ø
500
0,376
- 1,88
GV / Ø
500
0,376
- 1,88
Abb. 235: Elastizitätsbilanz in t = 0 nach Abschluss eines 2-Jahres-Receiver-Swaps und eines 1-Jahres-PayerSwaps mit: BS = Bilanzsumme; GV = Geschäftsvolumen
(c) Beim Einsatz von Zinsoptionen zur Begrenzung des Zinsspannenrisikos besteht das Ziel wiederum in einem Elastizitätsausgleich. Es stellt sich also auch hier die Frage, wie beispielsweise mit Hilfe von Caps, Floors oder Collars die Zinsanpassungselastizitäten einzelner Bilanzpositionen bzw. der Bilanzseiten gezielt verändert werden können. Zur Illustration der Vorgehensweise sei analog zur Risikobegrenzung mittels bilanzwirksamer Eigengeschäfte und Zinsswaps von der in Abbildung 213 dargestellten, durch einen aktivischen Elastizitätsüberhang gekennzeichneten, Elastizitätsbilanz ausgegangen. Angesichts der für die kommende Periode erwarteten rückläufigen Zinsentwicklung (im Beispiel sei das Szenario eines Rückgangs des 3-Monats-Euribor unterstellt) soll hier nun die durchschnittliche aktivische Zinsanpassungselastizität verringert werden, wobei die Chance, von wider Erwarten steigenden Marktzinsen zu profitieren, beibehalten werden soll. Hierzu möchte die Bank die derzeitige Zinsanpassungselastizität (ZEIst) der Aktivseite in Höhe von 0,24 mit Hilfe eines Floors derart reduzieren, dass die durchschnittliche Elastizität der gesamten Aktivseite auf 0,20 sinkt und damit genau der durchschnittlichen Elastizität der Passivseite entspricht. Die Absicherung soll mit Hilfe des folgenden Floors durchgeführt werden: •
Floor-Rate:
9,0 %
•
Referenzzins:
3-Monats-Euribor (Zinsanpassungselastizität = 1)
•
Laufzeit:
1 Jahr
In Abhängigkeit des jeweils gewählten Floor-Volumens ergibt sich nun folgendes Bild:
374
Unterstellte Marktzinsentwicklung
9,0 %-Floor (Referenzzins = 3-Monats-Euribor) Vol. = 0 Mio. GE
Vol. = 10 Mio. GE
3-Monats-Euribor Aktivzinsunfloored
Vol. = 15 Mio. GE
Vol. = 20 Mio. GE
Aktivzinsfloored
9,0 %
8,17 %
8,17 %
8,17 %
8,17 %
8,0 %
7,93 %
7,95 %
7,96 %
7,97 %
7,0 %
7,69 %
7,73 %
7,75 %
7,77 %
6,0 %
7,45 %
7,51 %
7,54 %
7,57 %
ZE = 0,24 ZE = 0,22 ZE = 0,21 ZE = 0,20 Abb. 236: Die Steuerung der Zinsanpassungselastizität durch alternative Floor-Volumina
Ohne Floor-Kauf würde die unterstellte Zinssenkung entsprechend der Zinsanpassungselastizität der Aktivseite in Höhe von 0,24 zu einem Rückgang des durchschnittlichen Aktivzinses von derzeit 8,17 % auf 7,93 % führen. Würde ein Floor zu 9 % (bezogen auf den 3-Monats-Euribor als Referenzzins) über 120 Mio. GE abgeschlossen, dann würde sich die Position unter Einbeziehung der vom Verkäufer des Floors zu leistenden Differenzzahlung unabhängig von der Marktzinsentwicklung weiterhin zu 8,17 % verzinsen. Während nämlich beispielsweise im Falle einer 1 %-igen Marktzinssenkung der Zinsertrag aus dem Kontokorrentkreditgeschäft um 1,20 Mio. GE (= 500 Mio. GE · (8,17 % – 7,93 %)) sinkt, erhält die Bank vom Verkäufer des Floors gleichzeitig eine Differenzzahlung in Höhe von 1,20 Mio. GE (= 120 Mio. GE · (9,0 % – 8,0 %). Die Zinsanpassungselastizität der Aktivseite wäre demnach de facto Null. Das benötigte Floor-Volumen in Höhe von 20 Mio. GE, mit dem die durchschnittliche Aktivelastizität um 0,04 auf 0,20 gesenkt werden soll, lässt sich schließlich über folgende Gleichung bestimmen: Floor-Volumen = Bilanzvolumen · (ZEIst – ZEPlan) = 500 Mio. GE · (0,24 – 0,20) = 20 Mio. GE Im Falle einer 1 %-igen Marktzinssenkung sinkt der Zinsertrag der Aktivgeschäfte zwar um 1,20 Mio. GE (= 500 Mio. GE · (8,17 % – 7,93 %)). Gleichzeitig erhält die Bank jedoch vom Verkäufer des Floors eine Differenzzahlung in Höhe von 0,20 Mio. GE (= 20 Mio. GE · (9,0 % – 8,0 %). Unter Einbezug der erhaltenen Zahlung aus dem Floor-Kauf reduziert sich 375
damit der Zinsertrag der Aktivgeschäfte faktisch nur um 1,0 Mio. GE bzw. bezogen auf ein Bilanzvolumen in Höhe von 500 Mio. um 0,20 %-Punkte. Die Zinsanpassungselastizität der Aktivseite beträgt demnach wie gewünscht 0,20. Letztendlich wird dieser Floor relativ teuer sein, da die Strike-Rate dem aktuellen Zinsniveau entspricht. Außerdem wurde bei dem dargestellten Ansatz die Konvexität der FloorPreiskurve, d.h. die nicht-lineare Entwicklung der Floor-Prämie in Abhängigkeit von Marktzinsänderungen nicht berücksichtigt. Hierfür muss auf optionspreistheoretische Zusammenhänge verwiesen werden, die im Rahmen der Steuerung von Aktienkursrisiken näher erläutert werden (vgl. S. 467 ff.). Immunisierung des Eigenkapitals gegenüber zinsinduzierten Marktwertschwankungen Im folgenden Abschnitt gilt das Augenmerk der Risikolimitierung durch Begrenzung zinsinduzierter Marktwertschwankungen des Eigenkapitals. Zur Verdeutlichung der grundsätzlichen Vorgehensweise sei dabei von der in Abbildung 237 dargestellten Bank ausgegangen. Diese weist zwei Aktivpositionen und zwei Passivpositionen (zu Festzinsen) auf, deren Marktwerte und Modified Durationen in folgender Bilanz zu Marktwerten aufgeführt sind:
Aktiva
Marktwert (in GE)
Modified Duration
Position A Position B
1.000.000 2.100.213
2,774 1,881
3.100.213
2,169
Aktivposition
¦/
Passiva
3.100.213
2,169
Modified Duration
Position C Position D
1.489.263 1.460.631
1,907 1,915
Verbindlichk.
2.949.894
1,911
150.319
7,234
3.100.213
2,169
¦/
Eigenkapital ¦/ Gesamt
Marktwert (in GE)
¦/ Gesamt
Abb. 237: Bilanz zu Marktwerten
Die Modified Durationen der Aktiv- bzw. Passivseite (ohne Eigenkapital) ergeben sich als marktwertgewichtete Summen der Modified Durationen der einzelnen Aktivpositionen resp. der einzelnen Verbindlichkeiten. Für die Aktivseite resultiert ein Wert in Höhe von 2,169, für die Passivseite (ohne Eigenkapital) entsprechend ein Wert in Höhe von 1,911. Die Aktivseite der Bankbilanz reagiert damit stärker auf Marktzinsänderungen als die Passivseite. Das Ausmaß dieser Sensitivitätsinkongruenz kann dabei mit Hilfe des sogenannten Modified Duration-Gap gemessen werden. Dieser ist folgendermaßen definiert: Modified Duration-Gap MD A MD L
ML MA
mit: MD = Modified Duration; A = Assets; L = Liabilities; M = Marktwert
376
MDA bezeichnet die durchschnittliche Modified Duration der marktwertgewichteten Aktivppositionen, während MDL die durchschnittliche Modified Duration der marktwertgewichteten Passivpositionen (ohne Eigenkapital) bezeichnet. MA und ML stehen für die Marktwerte. Für das vorliegende Beispiel resultiert ein Modified Duration-Gap in Höhe von: Modified Duration-Gap = 2,169 – 1,911
2.949.894 = 0,3507 > 0 3.100.213
Das positive Vorzeichen ist Ausdruck einer im Vergleich zu den Passivpositionen höheren Zinssensitivität der Aktivpositionen. Dies ist im Falle sinkender Zinsen von Vorteil, führt jedoch bei steigenden Zinssätzen dazu, dass der Marktwert der Aktivpositionen stärker sinkt als der Marktwert der Passivpositionen. Letzteres findet dabei seinen Niederschlag in einer negativen Veränderung des Marktwertes des Eigenkapitals. Aus der Multiplikation des Modified Duration-Gap mit dem Quotienten aus Marktwert der Aktivpositionen und Marktwert des Eigenkapitals (EK) erhält man schließlich die Modified Duration des Eigenkapitals. Diese beschreibt die prozentuale Marktwertänderung des Eigenkapitals hinsichtlich einer einprozentigen Marktzinsänderung. Im Beispiel ergibt sich folgender Wert: Modified DurationEK = Modified Duration-Gap
MA M EK
0,3507
3.100.213 150.319
7,234
Der Marktwert des Eigenkapitals reagiert auf eine einprozentige Veränderung der Marktzinsen im Ausmaß von approximativ 7,234 %-Punkten. Um nun den Marktwert des Eigenkapitals auf dem derzeitigen Niveau zu stabilisieren wird grundsätzlich gleich vorgegangen wie bei der Immunisierung der Zinsspanne. Die Absicherungsinstrumente sind derart zu wählen, dass die durchschnittliche Modified Duration der Vermögenspositionen nach Durchführung der entsprechenden Geschäfte derjenigen der Verbindlichkeiten entspricht. Dadurch ergibt sich ein Modified Duration-Gap bzw. eine Modified Duration des Eigenkapitals von Null. Zur Illustration der Immunisierung des Eigenkapitals gegenüber zinsinduzierten Marktwertschwankungen sei unterstellt, dass die betrachtete Bank die folgende Absicherungsstrategie fährt. Dabei sind zuerst die zur Absicherung zu verwendenden Wertpapiere mit den jeweiligen Modified Durationen zu bestimmen. Beispielhaft wird ein aktivisches Wertpapier mit 1-jähriger Laufzeit und einer Modified Duration von 0,973, sowie ein passivisches Wertpapier mit 2-jähriger Laufzeit und einer Modified Duration von 1,902 verwendet. Daran anschließend lässt sich das benötigte Hedgevolumen nach folgender Formel bestimmen.
377
Hedgevolumen =
M Verb. MD Verb. M Aktiva MD Aktiva MD Hedgepos.( Aktiv) MD Hedgepos.( Passiv )
mit: MVerb. = Marktwert der Verbindlichkeiten; MDVerb.= Modified Duration der Verbindlichkeiten; MAktiva = Marktwert der Aktiva; MDAktiva = Modified Duration der Aktiva; MDHedgepos.(Aktiv) = Modified Duration der aktivischen Hedgeposition; MDHedgepos.(Passiv) = Modified Duration der passivischen Hedgeposition
Im Beispiel ergibt sich ein Hedgevolumen welches in Marktwerten zu verstehen ist in Höhe von: Hedgevolumen =
2.949.894 1,911 3.100.213 2,169 0,973 1,902
1.170.199
Einerseits werden in Höhe des Hedgevolumens 1-jährige Wertpapiere gekauft. Andererseits werden gleichzeitig 2-jährige Wertpapiere emittiert. Die mit den Marktwerten der Aktiva gewichteten Durationen ergeben eine Duration von 1,841 für die Aktivseite. Die gleiche Duration ergibt sich auch für die Passivseite, wobei das Eigenkapital eine Duration von Null aufweist und damit gegenüber Zinsänderungen immunisiert ist. Unter Berücksichtigung der beiden Wertpapiergeschäfte ergibt sich somit die folgende erweiterte Marktwertbilanz: Aktiva
Marktwert (in GE)
Position A Position B
1.000.000 2.100.213
2,774 1,881
Aktivpositionen
3.100.213
2,169
1-JahresWertpapier
1.170.199
0,973
Aktivpositionen
4.270.412
1,841
¦/
¦/
Modified Duration
Passiva
Marktwert (in GE)
Position C Position D
1.489.263 1.460.631
1,907 1,915
Verbindlichk.
2.949.894
1,911
2-JahresWertpapier
1.170.199
1,902
Verbindlichk.
4.120.093
1,909
150.319
0,000
4.270.412
1,841
¦/
¦/
Eigenkapital ¦/ Gesamt
4.270.412
1,841
Modified Duration
¦/ Gesamt
Abb. 238: Erweiterte Marktwertbilanz (inklusive GKM-Absicherungsgeschäfte)
Wie Abbildung 238 verdeutlicht, bleibt der Marktwert des Eigenkapitals durch den Abschluss der beiden Wertpapiergeschäfte unverändert. Eine deutliche Reduktion wird jedoch hinsichtlich der Modified Duration des Eigenkapitals und damit der Zinssensitivität des Eigenkapitals erreicht. Der Grund ist darin zu sehen, dass durch die 1-Jahres-Wertpapiere die Modified Du-
378
ration der Aktivpositionen von 2,169 auf 1,841 gesunken ist, während die Modified Duration der Passivpositionen nach Emission des 2-Jahres-Wertpapiers annähernd konstant geblieben ist. Dies hat zur Folge, dass die Modified Duration des Eigenkapitals von 7,234 nach obiger Formel auf Null sinkt. Der Marktwert des Eigenkapitals reagiert damit nur noch unwesentlich auf Marktzinsänderungen, ist also praktisch zinsimmunisiert worden. Abschließend nur erwähnt sei, dass sich zur Steuerung der Duration selbstverständlich auch andere Zinsinstrumente, wie Swaps, Futures oder Optionen einsetzen lassen.
3.
Aufsichtliche Konzepte zur Begrenzung von Zinsänderungsrisiken
a)
Identifikation der anrechnungspflichtigen bilanziellen und ausserbilanziellen Geschäfte
Grundlage für die Ermittlung der mit eigenen Mitteln zu unterlegenden Zinspositionen bildet ein getrennt für jede Währung aufzustellendes Risikoerfassungssystem in Form einer Zinsablaufbilanz. Betrachtet wird das Zinsänderungsrisiko ausschließlich als Marktwert- und nicht als Zinsspannenrisiko (vgl. S. 294 ff.). (a) Zinsänderungsrisikopositionen Bruttoposition in Wertpapieren +
Swaps Duplikationsprinzip i.e.S.
Bruttoposition in Aktien +
Bruttoposition in Zinsderivaten FRAs, Futures Duplikationsprinzip i.w.S.
(b) Aktienkursrisikopositionen
Bruttoposition in Aktienderivaten
Optionen
Forwards, Futures, Swaps
Optionen
Delta-PlusVerfahren
Duplikationsprinzip i.w.S.
Delta-PlusVerfahren
=
=
Zinsbindungsspezifische Bruttopositionen
Aktienspezifische Bruttopositionen
Emittenten-, laufzeit- und kuponspezifische Aufrechnung der long- und short-Positionen
Emittenten-, laufzeit- und kuponspezifische Aufrechnung der long- und short-Positionen
=
Zinsbindungsspezifische Nettogesamtpositionen
=
Aktienspezifische Nettogesamtpositionen
Die Nettogesamtpositionen bilden die Basis zur Unterlegung des allgemeinen Marktrisikos, die unabhängig von ihrer Ausrichtung summierten Nettopositionen zur Unterlegung des spezifischen Risikos. Abb. 239: Identifikation anrechnungspflichtiger Zins- und Aktienpositionen im Trading Book
379
Wie auch beim Aktienkursrisiko müssen nicht sämtliche zinsabhängigen Geschäfte, sondern lediglich die des Handelsbuches mit Eigenmitteln unterlegt werden (vgl. Abb. 239). Eine explizite Kapitalunterlegung von Zinsänderungsrisiken im Anlagebuch wurde zwar 1999 vom BASLER AUSSCHUSS erwogen, auf Druck der Banken dann jedoch wieder verworfen und im Konsultationspapier von 2001 lediglich den nationalen Aufsichtsbehörden zur besonderen Prüfung empfohlen. Insbesondere Banken, deren Barwert sich als Reaktion auf einen Zinsschock in Höhe von 200 Basispunkten um mehr als 20 % der Summe aus Kern- und Ergänzungskapital reduziert (so genannte „Ausreisser-Institute), sollen speziell überwacht werden (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001d). Dies wurde durch die Europäische Richtlinie 2006/48/EG in Artikel 124 Abs. 5 normiert. In Deutschland ist die Umsetzung in § 25a Abs. 1 Satz 6 KWG i.V.m. § 24 Abs. 1 Nr. 14 KWG konkretisiert, wobei die BaFin, abweichend vom BASLER AUSSCHUSS, zwei Szenarien vorschlägt. Zum einen eine Parallelverschiebung der Zinsstrukturkurve um 130 Basispunkte nach oben und zum anderen eine Paralleleverschiebung um 190 Basispunkte nach unten. Die Institute müssen selbsttätig und laufend überprüfen, ob sie zu den Ausreißer-Instituten zählen und ggf. Meldung an die BaFin machen, welche dann individuelle Vorgaben machen kann. In der Schweiz sind die Regelungen nach Art. 4 Abs. 3 BankG massgeblich, wobei hier von einem 200 Basispunkte Zinsschock ausgegangen wird und die EIDGENOESSISCHE BANKENKOMMISSION nach Art. 4 Abs. 3 ERV im Einzelfall zusätzliche Eigenmittel verlangen kann. Um die zinsrisikotragenden Positionen im Trading Book zu identifizieren, wird zunächst die Bruttoposition der Wertpapiere zu Marktwerten ermittelt. Hinzuaddiert werden muss die Bruttoposition in Zinsderivaten, sofern sie zu einer Erhöhung des Zinsänderungsrisikos beitragen. FRAs, Futures, Swaps und Optionen sind jeweils getrennt nach Long- und Short-Positionen zu erfassen. Wie in Abbildung 239 deutlich wird, sind bei der Auflösung der Derivate in ihre zugrundeliegenden Basispapiere – den Underlyings – unterschiedliche Prinzipien anzuwenden. Bei FRAs und Futures findet das „Duplikationsprinzip i.w.S.“ der Kapitalmarkttheorie Anwendung (vgl. COX/ROSS/RUBINSTEIN 1979). Auf Swaps kann dieses oder alternativ das „Duplikationsprinzip i.e.S.“ der Marktzinsmethode angewendet werden. Bei beiden ist das grundsätzliche Vorgehen insofern identisch, als dass der Zahlungsstrom des jeweiligen Instrumentes repliziert wird. Das Duplikationsprinzip i.e.S. repliziert ausschließlich deterministische Zahlungsströme. Es fordert die Zerlegung des Swaps in synthetische FRAs und die Aggregation der entsprechenden Barwerte. Die aggregierte Position weist dann dieselbe Zinssensitivität auf wie der zugrundeliegende Swap. Das Duplikationsprinzip i.w.S. weist zwei fundamentale Unterschiede zum Duplikationsprinzip i.e.S. auf. Zum einen können mit ihm auch unsichere Zahlungsströme, wie sie beispielsweise bei Optionen auftreten, repliziert werden, und zum anderen haben die Replikationsstrategien hier zumeist einen dynamischen Charakter, d.h. sie müssen im Zeitablauf stetig angepasst werden. Mit Hilfe eines Beispiels soll das Duplikationsprinzip i.w.S. verdeutlicht werden. Als Duplikationsobjekt wird ein long Future auf eine 5-Jahres Obligation mit einer Laufzeit von neun Monaten gewählt. Um das Zahlungsprofil des Futures exakt duplizieren zu können, muss zum Zeitpunkt des Futurekaufes, also in t = 0, das zugrundeliegende Wertpapier zum Preis S(t0) gekauft werden. Finanziert wird der Kauf durch die Aufnahme eines Kredits mit einer Laufzeit von neun Monaten – also bis zum Zeitpunkt t = 1 – und einem Zinssatz von r(t0,t1). Gleichzeitig wird die Obligation in t = 0 per Termin zum Zeitpunkt t = 1 verkauft. 380
Wie auch beim Futures-Verkauf ist der Zahlungssaldo zum Zeitpunkt t = 0 gleich Null. Am Liefertag (t = 1) erhält der Verkäufer den Future-Preis abzüglich der Kreditkosten. Die Kosten für das Halten der Kassaposition, die Kreditkosten, werden als „Cost of carry“ bezeichnet. Der auf diese Weise ermittelte Futures-Preis in t = 1 stellt zunächst nur eine Preisuntergrenze dar (vgl. Abb. 240). Durch eine analoge Überlegung für einen Future-Verkauf lässt sich zeigen, dass die Preisuntergrenze gleichzeitig die Preisobergrenze darstellt und der Future-Preis zum Betrachtungszeitpunkt (t = 0) gerade dem mit dem „risikolosen“ Geldmarktsatz aufgezinsten Kassapreis entspricht (vgl. BEILNER 1992). Infolgedessen muss die LongFuture-Position zum Zeitpunkt ihres Erwerbs als 5-Jahres-Long-Position und 9-MonatsShort-Position in demselben Wertpapier in die relevante (vgl. S. 385 ff.) Zinsablaufbilanz eingestellt werden. t=0
t=1
Kauf der Obligation in t0 zu S(t0)
- S(t0)
Finanzierung des Obligationenkaufs durch Kreditaufnahme
+ S(t0)
- S(t0) · r(t0,t1)
Terminverkauf der Obligation zum Futures-Preis von F(t0,t1)
0
F(t0,t1)
Saldo
0
F(t0,t1) – S(t0) · r(t0,t1)
Abb. 240: Das Duplikationsprinzip i.w.S.
Um die Nettopositionen für jeden Geschäftsgegenstand zu ermitteln, dürfen einander ausgleichende Zinspositionen aufgerechnet werden, sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Eine vollständige Aufrechnung ist grundsätzlich nur bei Instrumenten möglich, bei denen Emittent, Kupon, Währung und Fälligkeit genau übereinstimmen (BASLER AUSSCHUSS 1996a) oder bei übereinstimmenden Positionen in Futures/Forwards und dem entsprechenden Basistitel. Dieser Grundsatz erfährt im Rahmen des Matched Pairs-Ansatzes für Futures, Swaps, FRAs und Forward-Kontrakte eine Modifikation. Danach dürfen gegenläufige Instrumente derselben Kategorie dann aufgerechnet werden, wenn die Papiere denselben Nominalwert und dieselbe Währung aufweisen, sich auf denselben Basistitel beziehen und hinsichtlich der zinsrisikobestimmenden Parameter weitestgehend kongruent sind. Kongruenz ist dann gegeben, wenn sich Futures auf identische Produkte beziehen und ihre Fälligkeitstermine nicht mehr als sieben Tage auseinanderliegen. Swaps, FRAs und Forwards gelten dann als kongruent, wenn sich die nächsten Zinsneufestsetzungstermine, respektive die nächsten Zinsfälligkeitstermine bei festverzinslichen Positionen oder Forwards in den in Abbildung 241 dargestellten Grenzen bewegen. Bei Swaps und FRAs muss zusätzlich der Referenzzinssatz identisch sein, respektive dürfen die Coupons um nicht mehr als 15 Basispunkte differieren (vgl. SCHULTEMATTLER/TRABER 1997).
381
Nächster Zinsneufestsetzungsrespektive Zinsfälligkeitstermin
Datumsmäßige Übereinstimmung
Weniger als 1 Monat nach dem Stichtag
Innerhalb desselben Tages
Zwischen 1 Monat und 1 Jahr nach dem Stichtag
Innerhalb von 7 Tagen
Mehr als ein 1 Jahr nach dem Stichtag
Innerhalb von 30 Tagen
Abb. 241: Erforderliche Fristenkongruenzen beim Matched Pairs-Ansatz
Die relevante Bemessungsgrundlage für das allgemeine Marktrisiko stellen die einzelnen Nettopositionen dar, die in ihrer Summe den anrechnungspflichtigen Betrag für das spezifische Risiko ausmachen. Für jede Währung ist eine eigenständige Meldung für das Zinsänderungsrisiko vorzunehmen. Der Eigenmittelbedarf ist für jede von ihnen separat zu berechnen und dann zu addieren. Eine Aufrechnung zwischen Positionen mit umgekehrten Vorzeichen ist unzulässig. In Deutschland regeln im Bereich des Zinsänderungsrisikos die §§ 298 ff. der Solvabilitätsverordnung (SolvV) die Eigenmittelunterlegung der Risiken, die aus Kurs- oder Wertveränderungen zinsbezogener Geschäfte und Bestände des Handelsbuchs entstehen können. Das Zinsänderungsrisiko im Anlagebuch muss demgegenüber nicht mit Eigenmitteln unterlegt werden. Bei der Ermittlung des Positionsrisikos börsengehandelter Zinstitel sowie der entsprechenden Derivate ist grundsätzlich nach dem Baukastenprinzip, dem sogenannten Building Block Approach, zu verfahren. Dabei sind die erforderlichen Eigenmittel getrennt nach spezifischem, emittentenbezogenem Risiko (Specific Risk) und allgemeinem Preis- bzw. Marktrisiko (General Market Risk) zu ermitteln. Bemessungsgrundlage sowohl für die Unterlegung des spezifischen als auch des allgemeinen Zinsänderungsrisikos ist die Nettoposition einer Geschäftsart. Hierzu werden zunächst alle Kauf- und Verkaufspositionen in gleichen Schuldverschreibungen, Wandelanleihen, Finanzterminkontrakten, Optionen und Optionsscheinen getrennt voneinander ermittelt und anschließend die Long-Position mit einer eventuell vorhandenen Short-Position saldiert. Eine Verrechnung („Netting“) ist jedoch – wie beim BASLER AUSSCHUSS – nur bei gegenläufigen Positionen eines Emittenten innerhalb derselben Emission zulässig (vgl. § 299 SolvV). Zur Ermittlung der Nettoposition sind grundsätzlich die gleichen Verfahren anzuwenden, wie sie auch vom BASLER AUSSCHUSS vorgeschlagen werden. Derivative Instrumente wie Termingeschäfte, Optionen oder Swaps sind nach dem Duplikationsprinzip in ihre Komponenten aufzuspalten, wobei jede ermittelte Einzelkomponente für sich eine eigene Position darstellt. Für die Ermittlung der unterlegungspflichtigen Beträge von Optionen sind verschiedene recht komplexe Verfahren zugelassen worden. Sie richten sich im Wesentlichen nach den in den Basler Marktrisikopapieren erarbeiteten Grundsätzen. Zur Ermittlung der Nettoposition bei Optionen richtet sich die Vorgehensweise zunächst danach, ob die Position zur Unterlegung des allgemeinen oder des spezifischen Risikos herangezogen werden soll. Für das allgemeine Risiko sind Optionsgeschäfte in Höhe ihres Deltaäquivalents (Nominalbetrag des Liefer- respektive Zahlungsanspruchs multipliziert mit dem Deltafaktor) in die Position ein382
zustellen. Beim allgemeinen Risiko sind zusätzlich zum „linearen“ Deltarisiko das „nichtlineare“ Vega- und Gammarisiko zu berücksichtigen. Hierfür stehen mit dem Delta-plusVerfahren und der Szenario-Matrix-Methode zwei Verfahren zur Wahl, die auch vom BASLER AUSSCHUSS vorgeschlagen wurden (vgl. S. 396 ff.). Auf die Umsetzung des so genannten „vereinfachten Verfahrens“ wurde jedoch verzichtet. Auch von der Zulassung von weiteren Sensitivitätsmodellen wurde abgesehen, da der neue Grundsatz den Finanzinstituten und Wertpapierhäusern die Möglichkeit bietet, institutseigene Risikomodelle einzusetzen. Für die Bestimmung des allgemeinen Marktrisikos können nach einheitlicher und dauerhafter Wahl Finanzinstitute respektive Wertpapierfirmen zwischen der Jahresband- und der Durationsmethode wählen (vgl. §§ 301, 302 SolvV). Bei der Umsetzung der beiden Verfahren wurden die Unterlegungssätze bzw. unterstellten Zinsänderungen des BASLER AUSSCHUSS zugrundegelegt. Einander weitgehend entsprechende gegenläufige Positionen können miteinander verrechnet werden. Um jedoch von einer weitgehenden Deckung zweier Positionen sprechen zu können, wurden in der Solvabilitätsverordnung einige Kriterien festgelegt (vgl. § 299 SolvV): Wertpapiere sind als gleich anzusehen, wenn sie 1.
von demselben Emittenten ausgegeben wurden,
2.
auf dieselbe Währung lauten und auf demselben nationalen Markt gehandelt werden,
3.
im Falle der Einbeziehung in die Zinsnettoposition in ihrem Rückzahlungsprofil übereinstimmen,
4.
im Falle der Einbeziehung in die Aktiennettoposition dem Inhaber hinsichtlich des Stimmrechtes dieselbe Stellung verleihen und
5.
im Falle der Insolvenz des Emittenten denselben Rang einnehmen.
Positionen aus derivativen Geschäften sind als einander weitgehend entsprechend anzusehen, wenn 1.
sie denselben Nominalwert haben und auf dieselbe Währung lauten,
2.
im Falle der Einbeziehung in die Zinsnettoposition sich ihre nach ihrem Coupon oder demselben variablen Referenzzinssatz bemessene Nominalverzinsung um nicht mehr als 0,15 Prozentpunkte unterscheidet und
3.
sich die Restlaufzeit oder restliche Zinsbindungsfrist um nicht mehr als die in Abb. 241 festgelegten Zeitspannen unterscheidet.
In der Schweiz wird seit der zweiten Revision der Bankenverordnung bei der Ausarbeitung der Bestimmungen zur Behandlung von Zinsänderungsrisiken nicht länger nur das spezifische Risiko, sondern auch das Marktrisiko erfasst. Getrennt nach Handels- und sonstigen Erträgen ist für Effekten desselben Emittenten mit gleicher Risikogewichtung die NettoLong-Position mit eigenen Mitteln zu unterlegen. Dabei hat die Berechnung der Netto-LongPosition des Handelsbestandes nicht nur für Zinsinstrumente, sondern auch für Beteili383
gungstitel, Devisen- und Rohstoffpositionen grundsätzlich nach folgendem Schema zu erfolgen: effektiver Bestand +/– Position an nicht erfüllten Kassa- und Terminkäufen bzw. -verkäufen (inkl. Financial Futures und Swaps) +
feste Übernahmezusagen aus Emissionen (bereinigt um feste Zeichnungen)
+/– deltagewichtete Lieferansprüche bzw. -verpflichtungen aus Call-Geschäften +/– deltagewichtete Lieferansprüche bzw. -verpflichtungen aus Put-Geschäften Für alle übrigen Bestände ist die Netto-Long-Position wie folgt zu ermitteln: Buchwert des effektiven Bestandes +/– Position an nicht erfüllten Kassa- und Terminkäufen bzw. -verkäufen +
feste Übernahmezusagen aus Emissionen (bereinigt um feste Zeichnungen)
+/– Buchwert der Prämien aus Call-Käufen und geschriebenen Calls +/– Buchwert der Prämien aus Put-Käufen und geschriebenen Puts +/– Lieferansprüche bzw. -verpflichtungen aus Put-Geschäften zum Ausübungspreis –
Wertberichtigungen und Rückstellungen für diese Netto-Long-Position sowie in den sonstigen Passiven erfassten Bewertungsbeträge für enthaltene offene Außerbilanzgeschäfte
Hinsichtlich der Bestimmung der spezifischen Risikopositionen weichen die Schweizer Vorschriften von den Eigenkapitalvereinbarungen des BASLER AUSSCHUSSES leicht ab. Letztere gestatten eine Aufrechnung von Long- und Short-Positionen lediglich in derselben Emission. Die Schweizer Richtlinien hingegen gestatten eine Aufrechnung sämtlicher Positionen in Instrumenten desselben Emittenten, sofern sie derselben Kategorie angehören. Diese Kategorien lehnen sich an die Dreiteilung – Zentralstaat, qualifizierte und sonstige Emittenten – des BASLER AUSSCHUSSES an, unterscheiden bei den sonstigen Emittenten jedoch noch zwischen „hochverzinslichen“ Papieren und sonstigen Aktiva. Diese großzügigere Verrechnungsmöglichkeit wird jedoch durch eine höhere Eigenmittelanforderung für die „qualifizierten“ Zinsinstrumente kompensiert. In Anbetracht der Bedeutung des Optionsgeschäftes schlägt der BASLER AUSSCHUSS vor, die damit zusammenhängenden Risiken gesondert zu erfassen und mit Eigenmitteln zu unterlegen. Grundsätzlich sind daher alle Optionspositionen bei der Berechnung der erforderlichen Eigenmittelunterlegung zu berücksichtigen, also nicht nur diejenigen, die ein Derivat zu einem zinssensitiven Instrument bilden.
384
Der BASLER AUSSCHUSS unterteilt das Optionspreisrisiko in ein „lineares“ und ein „nichtlineares“ Risiko (vgl. Abb. 242). Das lineare Optionspreisrisiko besteht im Deltarisiko, worunter die Sensitivität des Optionspreises gegenüber Preisveränderungen des Basiswertes verstanden wird. Mathematisch ist der Deltawert die erste Ableitung der Optionspreisfunktion nach dem Basiswert. Streng genommen muss das Deltarisiko nicht als lineares, sondern als konvexes Risiko aufgefasst werden, da ein linearer Zusammenhang zwischen Optionspreisund Basiswertpreisveränderung nur bei infinitesimalen Änderungen besteht. Unter dem nicht-linearen Optionspreisrisiko werden mit dem Gamma-, dem Vega-, dem Theta- und dem Rhorisiko insgesamt vier Komponenten subsumiert: Das Gammarisiko ist ein Maß für die Sensitivität des Optionsdeltas gegenüber Preisveränderungen des Basiswertes, folglich die zweite Ableitung der Optionspreisfunktion nach dem Basiswert. Das Vegarisiko misst die Sensitivität des Optionspreises gegenüber Schwankungen der Volatilität des Basiswertes und entspricht somit der ersten Ableitung der Optionspreisfunktion nach der Volatilität. Mit Verkürzung der (Rest-) Laufzeit der Option fällt ceteris paribus der Optionspreis. Das Thetarisiko beschreibt, wie empfindlich der Optionspreis auf eine Veränderung der (Rest-) Laufzeit reagiert und kann somit als erste Ableitung der Optionspreisfunktion nach der Verfallzeit der Option dargestellt werden. Das Rhorisiko drückt schließlich die Abhängigkeit des Optionspreises vom „risikolosen“ Zinssatz aus, also die erste Ableitung der Optionspreisfunktion nach dem Zinssatz. Explizit zu berücksichtigen sind gemäß BASLER AUSSCHUSS lediglich das Gamma- und das Vegarisiko, Theta- und Rhorisiko können vernachlässigt werden.
lineares Risiko
Deltarisiko:
'
GC(.) z0 GS
nichtlineares Risiko
Gammarisiko:
G 2 C(.) G S2
G' z0 GS
Vegarisiko:
GC(.) z0 Gs
Thetarisiko:
GC(.) z0 GT
Rhorisiko:
GC(.) z0 Gr
Abb. 242: Komponenten des Optionsrisikos mit: C(.) = Optionspreisfunktion; S = Preis des Basiswerts; ': Delta; s = Volatilität des Basiswerts, T = Verfallzeit der Option; r = „risikoloser“ Zins
b)
Quantifizierung von Risikopositionen und Unterlegung mit Eigenmitteln
Um die zur Abdeckung des allgemeinen Marktrisikos notwendigen Eigenmittel zu berechnen, stehen bei Zinspositionen zwei alternative Standardmethoden zur Verfügung, die Jahresbandmethode und die Durationsmethode. Erstere wird vom BASLER AUSSCHUSS ursprüng385
lich als Laufzeitmethode bezeichnet. Da dieser Begriff jedoch ein zweites Mal im Zusammenhang mit der Bewertung des Ausfallrisikos bei Derivaten für eine gänzlich unterschiedliche Methode Verwendung findet, wird im Folgenden der Begriff Jahresbandmethode in Zusammenhang mit der Quantifizierung des allgemeinen Marktrisikos bei Zinspositionen verwendet. Die Basis beider Verfahren bildet eine Zinsablaufbilanz (Stromgrößenkonzept) mit festen Gewichtungssätzen, deren im Detail unterschiedliche Zeitraster sich aus jeweils drei laufzeitabhängigen Zonen zusammensetzen. Die Einstellung der erfassten Positionen, die grundsätzlich zu Marktwerten („mark to market“) vorzunehmen ist, in die einzelnen Zonen der Zinsablaufbilanz sowie die konkrete Ermittlung der Risikowerte, erfolgt in Abhängigkeit vom gewählten Verfahren unterschiedlich. Basis beider Verfahren bildet die Netto-Short- respektive Netto-Long-Position im Handelsbestand insgesamt. Die Nettoposition ergibt sich dabei als Differenzbetrag zwischen Kauf- und Verkaufspositionen in gleichen Schuldverschreibungen und Wandelanleihen sowie bei oben angeführter Identität von Finanzterminkontrakten, Optionen, etc. Das einer Position zugemessene Zinsänderungsrisiko ergibt sich stets als voraussichtliche Marktwertänderung infolge einer explizit unterstellten Zinsänderung. Wie oben erläutert, werden die relevanten derivativen Produkte des Handelsbuches entsprechend berücksichtigt. Die Zinsrisikopositionen müssen für jede Währung einzeln berechnet werden, das heißt, eine Aufrechnung zwischen zwei Positionen in unterschiedlichen Währungen ist unzulässig. In den Abbildungen 243, 244, 245 und 246 ist exemplarisch anhand der Jahresbandmethode die fünfstufige Ermittlung der mit Eigenmitteln zu unterlegenden Positionen illustriert. Zunächst wird jede einzelne Zinsposition mit ihrem Marktwert gemäß Zinsfälligkeit bzw. dem Termin der nächsten Zinsanpassung in das entsprechende Laufzeitband eingestellt. Da die Zinssensitivität von Nullkuponanleihen und Anleihen mit einem niedrigen Nominalzins größer ist als die von höher verzinslichen Wertpapieren, schlägt der BASLER AUSSCHUSS zwei separate Laufzeitsysteme vor, wobei die Unterscheidungsgrenze bei einer Kuponhöhe von 3 % gezogen wurde. Das Risikoerfassungssystem der Jahresbandmethode unterscheidet in Abhängigkeit von der Restlaufzeit drei Zonen oder Anrechnungsbereiche mit insgesamt 13 (Kupon höher oder gleich 3 %) beziehungsweise 15 (Kupon tiefer als 3 %) verschiedenen Laufzeitbändern (vgl. § 301 sowie Anlage 1 SolvV). Für den niedrig verzinslichen Bereich (Kupon tiefer als 3 %) gilt dabei in den mittel- und langfristigen Zonen 2 und 3 jeweils eine etwas kürzere Periodenlänge, um dem vergleichsweise höheren Zinsänderungsrisiko niedrig verzinslicher Titel Rechnung zu tragen. Um dennoch die gesamte Spanne an Restlaufzeiten wie im höher verzinslichen Bereich abzudecken, muss demnach die Anzahl der Laufzeitbänder um zwei erhöht werden. Die Einstellung soll exemplarisch anhand einer gehaltenen Long-Position in einer Bundesanleihe mit einem 5 %-Kupon, emittiert im Jahre 2000 und einem Nominal- oder Nennwert von 2.600 EUR gezeigt werden. Die Restlaufzeit beträgt zum Einstellungszeitpunkt 2007 exakt drei Jahre. Für ein laufzeit- und kupongleiches Wertpapier gewährt der Markt eine Verfallrendite von 6,451 %. Damit müssen nun die noch ausstehenden Zahlungen der Bundesanleihe abgezinst werden, um deren Marktwert zu ermitteln. Dieser beläuft sich auf 2.500 EUR, was einen Kurswert 96,15 % impliziert, wie folgende beide Berechnungen zeigen: Marktwert 386
130 EUR 130 EUR 2.730 EUR 1,064511 1,064512 1,064513
2.500 EUR
Kurswert =
2.500 EUR = 96,15 % 2.600 EUR
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass sich der Marktwert der Bundesanleihe alternativ auch unter Verwendung der entsprechenden Zerobond-Abzinsfaktoren bestimmen lässt. In einem nächsten Schritt ist nun der so ermittelte Marktwert in das Laufzeitband „2 bis 3 Jahre“ der Zone 2 eingestellt werden. Für die Berechnung der Eigenmittelunterlegung werden die Nettopositionen zu Marktwerten auf der ersten Stufe in die entsprechenden Laufzeitbänder eingestellt und mit dem entsprechenden laufzeitbandspezifischen Gewichtungsfaktor multipliziert, dessen Höhe mit dem zeitlichen Abstand des Laufzeitbandes vom Analysezeitpunkt ansteigt. Diese Gewichtungsfaktoren geben die Eigenmittelanforderung für die jeweilige Position wieder. Die Grundlage der Gewichtungsfaktoren bildet die für das betreffende Laufzeitband unterstellte Zinsveränderung. Dabei wird eine mit zunehmender Restlaufzeit sukzessiv rückläufige Zinsvolatilität angenommen. Der konkrete Gewichtungsfaktor widerspiegelt dann die prozentuale Kurswertveränderung der Anleihe aus der unterstellten Zinsänderung, die sich bei einem festverzinslichen Wertpapier im jeweiligen Laufzeitband ergibt. MarktrisikoJahresbandmethode = Marktwert · laufzeitspezifischer Gewichtungsfaktor Die gewichteten Nettopositionen sind auf der zweiten Stufe in Long- und Short-Positionen zu trennen und separat zu aggregieren. Die Summe der Beträge dieser beiden Aggregate (636 EUR = 351 EUR + 285 EUR) stellt die Bruttoeigenmittelanforderung für das den Zinspositionen anhaftende allgemeine Marktrisiko dar. Diese Eigenmittelanforderung kann indes noch gesenkt werden, da die offenen Positionen in bestimmter Weise gegeneinander aufgerechnet werden dürfen. Auf der dritten Stufe erfolgt aus diesem Grunde das sogenannte vertikale Hedging (vgl. Abb. 243). Dabei werden innerhalb desselben Laufzeitbandes die Teilsummen aller gewichteten Long- und Short-Positionen gegeneinander aufgerechnet. Die auf diese Weise ermittelten geschlossenen Positionen sind generell mit 10 % (vertikaler Disallowance Factor) Eigenmitteln zu unterlegen, um dem Basisrisiko, d.h. einer möglicherweise nicht gleichläufigen Zinsentwicklung innerhalb eines Laufzeitbandes Rechnung zu tragen. An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass die Matrizen der Abbildungen 243 bis 250 aus Gründen der Übersichtlichkeit gegenüber den „Originalen“ im entsprechenden Papier des BASLER AUSSCHUSSES invertiert wurden. Deshalb erscheinen die Begriffe „horizontales Hedging“ und „vertikales Hedging“ zwar verkehrt, benennen jeweils aber den richtigen Sachverhalt.
387
Laufzeit- LaufzeitAngeBänder I Bänder II nommene Kupon Kupon Zinsän<3% derung t3% Zone 1
0-1 M 1-3 M 3-6 M 6-12 M
0-1 M 1-3 M 3-6 M 6-12 M
1,00 % 1,00 % 1,00 %
Gewicht
0,20 % 0,40 % 0,70 %
Summe Zone 1 Zone 2
1-2 J. 2-3 J. 3-4 J.
1,0-1,9 J. 1,9-2,8 J. 2,8-3,6 J.
0,90 % 0,80 % 0,75 %
1,25 % 1,75 % 2,25 %
Summe Zone 2
Zone 3
4-5 J. 5-7 J. 7-10 J. 10-15 J. 15-20 J. über 20 J.
Barwert NettoPositionen (1. Stufe) long short
Gewichtete Netto-Position. (2. Stufe) long short
5.000 5.000 4.000
10,00 16,00
0,75 % 0,70 % 0,65 % 0,60 % 0,60 % 0,60 % 0,60 % 0,60 %
2,75 % 3,25 % 3,75 % 4,50 % 5,25 % 6,00 % 8,00 % 12,50 %
Verbleibende offene Position long short 10,00 16,00
- 7.500
- 52,50
14.000 - 7.500 26,00
- 52,50
- 2.500
- 31,25
2.500 43,75 2.500 - 2.000 56,25
- 45,00
45,00
43,75 11,25
-4.500 100,00 - 76,25
45,00
55,00
5.000 3,6-4,3 J. 4,3-5,7 J. 5,7-7,3 J. 7,3-9,3 J. 9,3-10,6 J. 10,6-12,0 J. 12,0-20,0 J. über 20 J.
Geschlossene Pos. pro LZ-Band (3. Stufe)
1.500
1.000 1.500 1.000
-52,50 26,00
41,25 -1.000 -1.500 -1.500
45,00 78,75 60,00
-52,50 -31,25
-31,25
41,25 - 32,50 - 56,25 - 67,50
-32,50 -56,25 -22,50
45,00 78,75 60,00
Summe Zone 3
5.000 - 4.000 225,00 - 156,25
45,00
180,00 -111,25
Summe über alle Zonen
24.000 - 16.000 351,00 - 285,00
90,00
261,00 -195,00
Abb. 243: Einstellung der Zinspositionen in die Laufzeitbänder der Jahresbandmethode und vertikales Hedging
Die vierte Stufe besteht aus zwei Teilschritten. Beim horizontalen Hedging sind zuerst Verrechnungen zwischen verschiedenen Laufzeitbändern innerhalb einer Zone vorgesehen (vgl. Abb. 244). Verbleibende offene Position long short 26,00 - 52,50 Zone 1 55,00 - 31,25 Zone 2 180,00 - 111,25 Zone 3 Summe über alle Zonen Offene Position über alle Zonen
Geschlossene Position in den Zonen 26,00 31,25 111,25
Endgültige offene Positionen der Zonen long short 0 - 26,50 23,75 0 68,75 0 92,50 - 26,50 66,00
Abb. 244: Zoneninternes horizontales Hedging bei der Jahresbandmethode
In einem zweiten Schritt dürfen auch offene Positionen zwischen verschiedenen Zonen aufgerechnet werden, was Abbildung 245 darstellt. Dabei werden zuerst die noch offenen Positionen in den drei Zonen aus Abbildung 244 übertragen. Für jedes Zonenpaar wird dann gefragt, welcher Betrag sich aufrechnen lässt – beginnend mit Zone 1 und Zone 2, wo 23,75 EUR aufgerechnet werden können. Anschliessend saldiert man alle Positionen nach dieser ersten Aufrechnung und ermittelt, welcher Betrag in den Zonen 2 und 3 aufgerechnet werden kann. Im Beispiel ist dies hier 0, da sich in Zone 2 kein aufrechenbarer Betrag mehr befindet. Schliesslich sind noch 2,75 EUR in den Zonen 1 und 3 aufzurechnen. Übrig bleibt eine Long-Position von 66,00 EUR.
388
Offene Verblei- Aufrech- Verblei- Aufrech- VerbleiAufrechPositiobende of- nung bende of- nung bende ofnung nen der fene Po- Zonen fene Po- Zonen fene PoZonen ½ Zonen sitionen sitionen sitionen 2/3 1/3 Zone 1 Zone 2 Zone 3
long
0
short
- 26,50
long
23,75
short
0
0
long
68,75
68,75
short
0
0
Aufrechnungsbeträge
0
0
23,75
- 2,75
- 2,75
- 23,75
0
0
0
0
0
0
0
68,75
23,75
0 2,75
- 2,75
0 0
0
66,00 0
2,75
Abb. 245: Zonenexternes horizontales Hedging bei der Jahresbandmethode
Aufgrund eventuell auftretender Zinsstrukturkurvendrehungen, d.h. einer nicht parallelen Verschiebung der Zinsstrukturkurve in verschiedenen Laufzeitbändern, sind auch die durch derartige Verrechnungen geschlossenen Positionen mit bestimmten Prozentsätzen zu unterlegen (SCHULTE-MATTLER 1992). Die Anrechnungsfaktoren für die durch horizontale Aufrechnung geschlossenen Positionen belaufen sich je nach Laufzeitband resp. Zone auf 30 %, 40 % oder 150 % und liegen damit deutlich über dem Anrechnungsfaktor für die durch vertikales Hedging geschlossenen Positionen von 10 %. Die auch durch horizontales Hedging nicht zu schließenden Risikowerte sind mit einem Anrechnungsfaktor von 150 % voll unterlegungspflichtig. In einer fünften Stufe errechnet sich die Kapitalunterlegung für das allgemeine Marktrisiko des betreffenden Währungsbereichs schliesslich aus der Summe der Eigenmittelbedarfe für das vertikale und das horizontale Hedging (zonenintern und zonenübergreifend) sowie für die übrige offene Position. Im Beispiel resultiert ein Eigenmittelbedarf von 174,79 EUR (vgl. Abb. 246).
389
Disallowance Factor
Volumen
10 %
90,00
9,00
Zone 1
40 %
26,00
10,40
Zone 2
30 %
31,25
9,38
Zone 3
30 %
111,25
33,38
40 %
23,75
9,50
40 %
0,00
0,00
150 %
2,75
4,13
150 %
66,00
99,00
Vertikales Hedging, geschlossene Position in den Bändern Horizontales Hedging zonenintern; geschlossene Position in
Horizontales Hedging, zonenübergreifend; geschlossene Position zwischen
Übrige offene Position
Zone 1 und 2 Zone 2 und 3 Zone 1 und 3
Kapitalunterlegung für allgemeines Marktrisiko (Summe)
Eigenmittelbedarf
174,79
Abb. 246: Ermittlung der Kapitalunterlegung bei der Jahresbandmethode
Alternativ zur Jahresbandmethode können die zuständigen Aufsichtsbehörden auch die Durationsmethode zulassen. Die einzelnen Zonen der Durationsmethode entsprechen der Abgrenzung in der Jahresbandmethode. Auch hier erfolgt eine weitere Unterteilung der Zonen in Laufzeitbänder (vgl. § 302 sowie Anlage 1 SolvV). Der wesentliche Unterschied besteht in der Art der Risikoermittlung. Dabei sind die einzelnen Positionen zunächst nicht wie bei der Jahresbandmethode gemäß ihrer nominellen Fälligkeit, sondern gemäß ihrer Modified Duration in die einzelnen Laufzeitbänder einzustellen. Auf diese Kennzahl, die sich aus der Diskontierung der „durchschnittlichen Kapitalbindungsdauer“ (Duration) mit der Rendite einer Position ergibt, wurde bereits im Rahmen der Quantifizierung des Marktwertrisikos ausführlich eingegangen (vgl. S. 301 ff.). Das potentielle Marktrisiko kann dann im nächsten Schritt durch die Multiplikation des Marktwertes der Position mit ihrer spezifischen Modified Duration und der für die Zone unterstellten Zinsänderung (näherungsweise) bestimmt werden. MarktrisikoDurationsmethode = Marktwert · Modified Duration · unterstellte Zinsänderung Analog zur Jahresbandmethode geben die positionsspezifischen Gewichte (Modified Duration · unterstellte Zinsänderung) nichts anderes als die Bruttoeigenmittelanforderung für das der jeweiligen Position anhaftende allgemeine Marktrisiko wieder. Die effektive notwendige Eigenmittelunterlegung kann auch hier wieder durch vertikales und horizontales Hedging gesenkt werden (vgl. Abb. 247).
390
Zone 1
Modified Laufzeiten Duration der Geschäfte
Unterstellte Zinsänderung
0-1 Mt. 1-3 Mte. 3-6 Mte. 6-12 Mte.
1,00 % 1,00 % 1,00 % 1,00 %
0,00 0,20 0,40 0,70
Gewicht = Barwert NettoZinsändePositionen rung • (1. Stufe) Modified Duration long short 0,00 % 0,20 % 0,40 % 0,70 %
Summe Zone 1 Zone 2
1,0-1,9 J. 1,9-2,8 J. 2,8-3,6 J.
1,40 2,34 3,20
0,90 % 0,80 % 0,75 %
1,26 % 1,87 % 2,40 %
3,65 4,65 5,80 7,50 8,75 10,00 13,33 20,83
0,75 % 0,70 % 0,65 % 0,60 % 0,60 % 0,60 % 0,60 % 0,60 %
2,74 % 3,26 % 3,77 % 4,50 % 5,25 % 6,00 % 8,00 % 12,50 %
Summe Zone 2 3,6-4,3 J. 4,3-5,7 J. 5,7-7,3 J. Zone 7,3-9,3 J. 3 9,3-10,6 J. 10,6-12,0 J. 12,0-20,0 J. über 20,0 J.
5.000 5.000 4.000
Gewichtete GeschlosseNetto-Position. ne Pos. pro (2. Stufe) LZ-Band (3. Stufe) long short
Verbleibende offene Position long short
10,00 16,00
10,00 16,00
- 7.500
- 52,50
14.000 - 7.500 26,00
- 52,50
- 2.500
- 31,50
2.500 46,75 2.500 - 2.000 60,00
- 48,00
48,00
46,75 12,00
5.000 - 4.500 106,75 - 79,50
48,00
58,75
1.500
- 52,50 26,00
41,10
- 1.000 - 1.500 1.000 - 1.500 45,00 1.500 78,75 1.000 60,00
- 32,55 - 56,55 - 67,50
- 52,50 - 31,50
41,10 45,00
- 31,50 - 32,55 - 56,55 - 22,50
78,75 60,00
Summe Zone 3
5.000 - 4.000 224,85 - 156,60
45,00
179,85 - 111,60
Summe über alle Zonen
24.000 - 16.000 357,60 - 288,60
93,00
264,60 - 195,60
Abb. 247: Risikoermittlung und vertikales Hedging bei der Durationsmethode
Verrechnungen können zunächst innerhalb einer Zone vorgenommen werden. Das vertikale Hedging vollzieht sich analog zur Jahresbandmethode. Allerdings sind für das Basisrisiko innerhalb eines Laufzeitbandes hier nur 5 % des aufgerechneten Betrages mit Eigenmitteln zu unterlegen, da Unterschiede in der Restlaufzeit der einzelnen Zinsinstrumente eines Laufzeitbandes in der Modified Duration bereits berücksichtigt sind (vgl. Abb. 248). Verbleibende offene Position long short 26,00 - 52,50 Zone 1 58,75 - 31,50 Zone 2 179,85 - 111,60 Zone 3 Summe über alle Zonen Offene Position über alle Zonen
Geschlossene Position in den Zonen 26,00 31,50 111,60
Endgültige offene Positionen der Zonen Long short 0 - 26,50 27,25 0 68,25 0 95,50 - 26,50 69,00
Abb. 248: Zoneninternes horizontales Hedging bei der Durationsmethode
Bei der zoneninternen Kompensation im Rahmen des horizontalen Hedgings entsprechen die Anrechnungssätze (30 % respektive 40 %) denen der Jahresbandmethode. Die innerhalb einer Zone nicht verrechenbaren Positionen können anschließend zonenübergreifend miteinander verrechnet werden, sofern sie eine gegenläufige Ausrichtung haben (vgl. Abb. 249).
391
Offene Positionen der Zonen
Aufrechnung Zonen 1/2
Verbleibende offene Positionen
long
0
short
-26,50
long
27,25
short
0
0
long
68,25
68,25
short
0
0
Aufrechnung Zonen 2/3
Verbleibende offene Positionen
0
0
26,50
0
0
-26,50
0,75
Aufrechnung Zonen 1/3
Verbleibende offene Positionen 0
Zone 1
0
0
0
0,75
0,75
0
0
Zone 2
0
68,25
0
68,25
Zone 3 Summe
0
26,50
0
0 0
Abb. 249: Zonenexternes horizontales Hedging bei der Durationsmethode
Risikowerte, die durch dieses zonenübergreifende horizontale Hedging geschlossen werden, sind mit den gleichen Sätzen (40 % bzw. 150 %) zu unterlegen wie bei der Jahresbandmethode. Die auch mittels zonenübergreifender Hedges nicht verrechenbaren Risikowerte sind wiederum zu 150 % mit Eigenmitteln zu unterlegen. Die restlichen Schritte zur Ermittlung des Eigenmittelbedarfs nach der Durationsmethode sind in Abbildung 250 dargestellt. Disallowance Factor
Volumen
5%
93,00
4,65
Zone 1
40 %
26,00
10,40
Zone 2
30 %
31,50
9,45
Zone 3
30 %
111,60
33,48
40 %
26,50
10,60
40 %
0,00
0,00
150 %
0,00
0,00
150 %
69,00
103,50
Vertikales Hedging, geschlossene Position in den Bändern Horizontales Hedging zonenintern; geschlossene Position in Horizontales Hedging, zonenübergreifend; geschlossene Position zwischen Übrige offene Position
Zonen 1 und 2 Zonen 2 und 3 Zonen 1 und 3
Kapitalunterlegung für allgemeines Marktrisiko (Summe)
Eigenmittelbedarf
172,08
Abb. 250: Ermittlung der Kapitalunterlegung bei der Durationsmethode
Ein Vergleich der Jahresbandmethode und der Durationsmethode anhand des ermittelten Eigenmittelbedarfs (im Beispiel: Jahresbandmethode: 174,79 EUR; Durationsmethode: 172,08 EUR) verdeutlicht, dass die Durationsmethode tendenziell zu einer niedrigeren Eigenmittelbelastung führt. Die Ursache hierfür ist vor allem in der wesentlich präziseren Risikoquantifizierung der Durationsmethode und des deshalb niedrigeren vertikalen Disallowance-Faktors (5 % statt 10 %) zu sehen. Im Gegensatz zur Jahresbandmethode, bei der die 392
einzelnen Positionen unabhängig von ihrer Kuponstruktur in Laufzeitintervalle eingestellt werden, denen dann ohne weitere Differenzierung ein (pro Laufzeitband) einheitlicher Gewichtungssatz zugemessen wird, beinhaltet die Modified Duration neben der spezifischen Kuponausstattung auch die exakte Restlaufzeit einer Position. Die auf Basis dieser Kennzahl ermittelten Risikowerte kommen deshalb der positionsspezifischen Zinssensitivität wesentlich näher. Der vergleichsweise hohe vertikale Disallowance-Faktor kann insofern als „Preis“ für die relativ undifferenzierte Vorgehensweise der Jahresbandmethode interpretiert werden (FIEBACH 1994). Aufgrund der besonderen Bedeutung des Zinsänderungsrisikos wurden weitere bankaufsichtliche Vorschriften erlassen, die das Zinsrisikomanagement betreffen. So wurden etwa im Januar 1997 vom BASLER AUSSCHUSS zwölf qualitative und quantitative Regeln zum Management von Zinsänderungsrisiken erlassen, die inhaltlich den Vorschriften zur Konzeption bankinterner Risikomodelle entsprechen (vgl. S. 101 ff.). Auf deren explizite Erörterung kann deshalb an dieser Stelle verzichtet werden (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1997). In Deutschland muss das spezifische Risiko grundsätzlich mit 8 % Eigenmitteln unterlegt werden (vgl. hierzu § 303 SolvV). Hiervon ausgenommen sind Risikoaktiva, deren Erfüllung von der EU oder einer Zentral- resp. Regionalregierung eines EU-Mitglieds geschuldet wird. Zinsnettopositionen, die gemäss SolvV den Bonitätsstufen fünf oder sechs zuzuordnen sind, müssen mit 12 % Eigenmitteln unterlegt werden. Für Risikoaktive, die durch ein Kreditderivat abgesichert sind, gilt ein Teilanrechnungsbetrag von 80 % auf das spezifische Risiko. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Anforderungen an die Wirksamkeit der Sicherungsbeziehung erfüllt sind, die Referenzverbindlichkeit mit der zu sichernden Position übereinstimmt, das Derivat und die Sicherungsposition in der selben Währung lauten und der Kurs beider sich gleichförmig entwickelt. Für Aktiva mit hoher Anlagequalität (Emittenten, die infolge ihrer Bonität einer Gewichtung von 20 % unterliegen oder deren prognostizierte Ausfallwahrscheinlichkeit nicht höher ist als diejenige der ausgenommenen Risikoaktiva), ist jedoch eine vorherige Gewichtung der Position je nach Restlaufzeit mit 3,125 % (Restlaufzeit < 6 Monate); 12,50 % (Restlaufzeit 6 bis 24 Monate) oder 20 % (Restlaufzeit > 2 Jahre) notwendig. Materiell entspricht diese Vorgehensweise dem Konzept der EU-Kapitaladäquanzrichtlinie. Dies verdeutlicht Abbildung 251.
393
Erforderliche Eigenmittel zur Unterlegung von Marktrisiken (gemäss aufsichtsrechtlicher Definition, also inklusive spezifischem Risiko)
Standardverfahren für Devisen, Gold und Rohstoffe in der gesamten Bank
Standardverfahren für Zinsinstrumente und Beteiligungstitel im Handelsbuch
Beteiligungstitel
Zinsinstrumente
Allgemeines Marktrisiko Nach Laufzeit- oder Durationsmethode ermittelter Wert
Modellverfahren
Spezifisches Risiko Aggregierte Nettopositionen · 8 % (bei schlechter Bonität ·12 %) Ausnahmen: Wertpapier-Zinsnettopositionen in Papieren hoher Anlagequalität sind nach Restlaufzeit zu gewichten: • 3,125 % Restlaufzeit d 6 Monate • 12,50 % Restlaufzeit > 6 Monate und d 2 Jahre • 20,00 % Restlaufzeit > 2 Jahre Keine Berücksichtigung, wenn Gegenpartei OECD-Zentralbank, -regierung, respektive EU oder EU-Regionalregierung Teilanrechnungsbetrag von 80 % für mit Kreditderivat abgesicherte Positionen möglich
Abb. 251: Erforderliche Eigenmittel zur Unterlegung von Marktrisiken gemäß SolvV
Neben den Standardverfahren zur Ermittlung der erforderlichen Eigenmittelunterlegung von Marktrisiken – mittels Jahresband- oder Durationsmethode ermittelter Wert plus einem Zuschlag für das spezifische Risiko – können gemäß §§ 313 ff. SolvV auch interne Risikomodelle verwendet werden. Der Unterlegungsbetrag errechnet sich dann aus dem größeren der beiden folgenden Beträge (vgl. Abb. 252): •
Value at Risk des Vortages
•
Durchschnittlicher Value at Risk der letzten 60 Handelstage, multipliziert mit einem vom BaFin festgelegten institutsspezifischen Faktor, welcher mindestens drei und maximal vier beträgt. Dies ist von der Prognosegüte abhängig. Die Prognosegüte wird von der BaFin im Rahmen eines Backtestings dahingehend bemessen, wie oft das Risiko innerhalb von 250 Handelstagen unterschätzt wurde (vgl. § 318 SolvV i.V.m. Anlage 1 SolvV).
Bei der Bestimmung des Value at Risk ist von einer zehntägigen Haltedauer und einem Konfidenzniveau von 99 % auszugehen. Die historische Datenbasis muss mindestens ein Jahr betragen. 394
Erforderliche Eigenmittel zur Unterlegung von Marktrisiken (gemäss aufsichtsrechtlicher Definition, also inklusive spezifischem Risiko)
Standardverfahren für Devisen, Gold und Rohstoffe in der gesamten Bank
Standardverfahren für Zinsinstrumente und Beteiligungstitel im Handelsbuch
Modellverfahren
Größerer Wert aus: • VaR des Vortages resp. • Durchschnittlicher VaR der letzten 60 Handelstage multipliziert mit einem institutsspezifischen Faktor Abb. 252: Eigenmittelunterlegung von Marktrisiken mit internen Modellen
Bezüglich des allgemeinen Marktrisikos sind die Regelungen in der Schweiz mit denen in Deutschland identisch. Wie bereits erwähnt resultieren jedoch kleinere Abweichungen bezüglich des spezifischen Risikos. Um das spezifische Risiko abzudecken, müssen diese hier nicht nur mit 0,25 % bis 1,6 % wie vom BASLER AUSSCHUSS vorgeschlagen, sondern dies ist nach Emittententypen und Ratingklassen vorzunehmen (vgl. Rundschreiben EBK-RS 06 Marktrisiken der EIDGENÖSSISCHEN BANKENKOMMISSION, Rz. 101). Damit werden die grosszügigeren Verrechnungsmöglichkeiten kompensiert. Eine vergleichende Zusammenfassung ermöglicht Abbildung 253. Die Eigenmittelanforderung zur Unterlegung des allgemeinen Marktrisikos kann entsprechend den Vorschlägen des BASLER AUSSCHUSSES alternativ mit den beiden Standardverfahren Laufzeit- oder Durationsmethode – erhöht um einen Zuschlag für das spezifische Risiko – bzw. mit einem internen Modell bestimmt werden (vgl. Art. 72 und Art. 76 ERV). Die Vorgehensweise ist dieselbe wie in den entsprechenden deutschen Bestimmungen. Lediglich die nicht zu schließenden Positionen sind nur mit 100 % zu gewichten (in Deutschland 150 %). In Anlehnung an die EU-Kapitaladäquanzrichtlinie und im Gegensatz zu den Vorschlägen des BASLER AUSSCHUSSES sehen die Schweizer Vorschriften im Rahmen der sogenannten De-Minimis-Regel gemäß Art. 71 ERV für Institute mit einem „geringen“ Handelsbuch eine Befreiung der Eigenmittelunterlegung für Zins- und Aktienpositionen vor. Die dabei geltenden Grenzwerte legt die Aufsichtsbehörde fest. Nach der BankV galt bisher, dass das Handelsbuch absolut 30 Mio. CHF und relativ 6 % der Summe aller bilanziellen und außerbilanziellen Positionen des Institutes nicht übersteigt. Zusätzlich durfte das Institut keine Kreditderivate im Handelsbuch halten. Wurde keine dieser beiden Grenzen überschritten, dann konnten die Eigenmittelanforderungen von Aktien- und Zinsinstrumenten im Handelsbuch durch die Anwendung der oben dargestellten Gewichtungssätze für die entsprechenden Positionen außerhalb des Handelsbuches bestimmt werden.
395
Erforderliche Eigenmittel zur Unterlegung von Marktrisiken (gemäss aufsichtsrechtlicher Definition, also inklusive spezifischem Risiko)
Standardverfahren für Devisen, Gold und Rohstoffe in der gesamten Bank
Standardverfahren für Zinsinstrumente und Beteiligungstitel im Handelsbuch
Modellverfahren
Beteiligungstitel
Zinsinstrumente
Allgemeines Marktrisiko Nach Laufzeit- oder Durationsmethode ermittelter Wert
Spezifisches Risiko Gewichtete Nettoposition pro Emittent; Gewichtungsfaktoren: • 0 % - 12 %: • 0,25 % - 1,6 %: • 8 % - 12 %:
Zentralstaat, -bank qualifizierte Aktiva sonstige Aktiva
Abb. 253: Eigenmittelunterlegung des Zinsänderungsrisikos im Standardverfahren nach ERV
Bezüglich der Optionspreisrisiken sehen die Basler Marktrisikoregelungen, je nach Ermessen der nationalen Behörden, im Rahmen der Standardverfahren bis zu drei Möglichkeiten (vgl. Abb. 254) zur Ermittlung der Eigenmittelunterlegung vor: Während beim vereinfachten Verfahren die Eigenmittelanforderungen für das spezifische Risiko und das allgemeine Marktrisiko in einem Schritt ermittelt werden, wird bei der Szenario-Analyse und dem als Delta-plus-Methode bezeichneten Standardverfahren separat vorgegangen. Bei beiden Verfahren wird in analoger Weise zunächst die Eigenmittelanforderung für das spezifische Risiko berechnet, bevor separat diejenige für das allgemeine Marktrisiko ermittelt wird.
Lineares Risiko nichtlineares Risiko
vereinfachtes Verfahren x
Standardverfahren x
SzenarioAnalyse x
x
(x)
Abb. 254: Die Berücksichtigung der Risikokomponenten bei der Eigenmittelunterlegung von Optionen
Das vereinfachte Verfahren berücksichtigt im Gegensatz zum Standardverfahren und der Szenario-Analyse nur das so genannte „lineare“ Risiko, wobei die Szenario-Analyse das nichtlineare Risiko nur implizit berücksichtigt. Banken mit geringem Optionsgeschäft, die keine offenen Stillhalterpositionen besitzen, können die Eigenmittelunterlegung nach dem vereinfachten Verfahren ermitteln. Hält die Bank eine Long-Cash/Long-Put-Position respektive eine Short-Cash/Long-Call-Position, berechnet 396
sich der Unterlegungsbetrag durch Multiplikation des Basiswert-Marktwerts mit der Summe der Unterlegungssätze für das allgemeine Marktrisiko und das spezielle Risiko, abzüglich des Betrags, um den sich die Option im Geld befindet. Hält die Bank hingegen lediglich eine Long-Call oder Long-Put-Position, wird der Unterlegungsbetrag durch die Multiplikation des Basiswert-Marktwerts mit der Summe der Anrechnungssätze für das allgemeine Marktrisiko und das spezifische Risiko determiniert. Oder aber er entspricht einfach dem Marktwert der Option, was davon abhängt, welcher der beiden Beträge kleiner ist (vgl. Abb. 255). Diese Mechanik soll anhand des folgenden Beispiels erläutert werden. Berechnung des Unterlegungsbetrages Long Cash/ Long Put oder Short Cash/ Long Call
Long Call oder Long Put (kleinerer der beiden Werte)
Marktwert • des Basiswerts
Marktwert des Basiswerts
Unterlegungssatz allg. Marktrisiko + Unterlegungssatz spez. Marktrisiko
•
–
evt. Betrag, um den die Option im Geld ist
Unterlegungssatz allg. Marktrisiko + Unterlegungssatz spez. Marktrisiko
Marktwert der Option Abb. 255: Berechnung des Unterlegungsbetrages für das Marktrisikos von Optionspositionen mittels vereinfachtem Verfahren
Eine Bank hält 100 XY-Aktien mit einem Marktwert von 10 EUR pro Stück und einen entsprechenden Long-Put mit einem Basispreis von 11 EUR. Der Marktwert dieses Puts beträgt 140 EUR. Der Eigenmittelbedarf errechnet sich dann wie folgt: 100 · 10 EUR · 16 % (je 8 % für das spezifische und das allgemeine Marktrisiko) = 160 EUR, abzüglich des Betrages, mit dem die Option „im Geld“ steht, also 100 EUR (= (11 EUR – 10 EUR) · 100). Der Eigenmittelbedarf beläuft sich somit insgesamt auf 60 EUR. Wird nur die Option im Portfolio gehalten, dann entspricht die notwendige Eigenmittelunterlegung dem niedrigeren der beiden folgenden Werte: Aktueller Marktwert der Option, der im Beispiel 140 EUR beträgt, respektive der Marktwert des Optionsgegenstandes multipliziert mit 16 % (je 8 % für das spezifische und das allgemeine Marktrisiko), was insgesamt 160 EUR ergibt. In diesem Fall beträgt die erforderliche Unterlegung 140 EUR (BASLER AUSSCHUSS 1996a; JAKOB 1996a). Die nichtlinearen Optionspreisrisiken werden hier gänzlich vernachlässigt. Das vereinfachte Verfahren wurde in der Schweiz (vgl. Rundschreiben EBK-RS 06 Marktrisiken der EIDGENÖSSISCHEN BANKENKOMMISSION, Rz. 166 ff.), jedoch nicht in Deutschland, in nationales Recht umgesetzt.
397
Anders beim Standardverfahren (Delta-plus-Methode) das – wie auch die SzenarioAnalyse – als Zwischenschritt zu einem internen Modell konzipiert wurde und die mit Optionen verbundenen Sensitivitäts-Parameter zur Begrenzung des Marktrisikos explizit verwendet. Dem linearen Risiko wird – in Analogie zum Duplikationsprinzip i.w.S. – durch die Berücksichtigung der Marktrisiken des Basiswertes und der Finanzierungsposition Rechnung getragen. Im Unterschied zum Duplikationsprinzip werden nicht die replizierten Positionen, sondern der Deltawert (= Optionsdelta · Nominalwert des Basiswertes) der Option berechnet und in das jeweilige Standardmessverfahren eingestellt. So wird beispielsweise der Deltawert eines im April erworbenen Long-Call auf einen Juni-3-Monats-Zinsfuture als Long-Position mit einer Laufzeit von fünf Monaten und als Short-Position mit einer Laufzeit von zwei Monaten in die entsprechenden Laufzeitbänder für Zinspositionen eingestellt. Das nicht-lineare Optionspreisrisiko wird durch die separate Unterlegung des Gamma- und des Vegarisikos erfasst. Theta- und Rhorisiko werden hingegen vernachlässigt. Grundlage bildet die Taylor-Expansion, die es prinzipiell ermöglicht, die Veränderung einer beliebigen Funktion mittels eines Polynoms abzuschätzen (CHIANG 1984). Da der Optionspreis gemäß dem gängigen Optionsbewertungskonzept nach BLACK und SCHOLES von fünf fundamentalen Größen abhängt (vgl. Band 1, S. 265 ff.), offeriert die Taylorreihe eine elegante Möglichkeit, die Einflussgrößen der einzelnen Modellparameter zu isolieren. Bei Variation des Aktienkurses (S) und der Volatilität (V – den beiden vom BASLER AUSSCHUSS explizit berücksichtigten Parameter – sieht die Gleichung zur Approximation der Optionspreisveränderung eines Calls 'C wie folgt aus (SCHULTE-MATTLER 1996b): 'C
f S, V 1 G2 C 1 G2 C GC GC 'S 'V ' S2 ' V 2 ... 2 G S2 2 G V2 GS GV 1 1 G2 C ' V 2 ... Delta Call 'S Vega Call 'V Gamma Call ' S 2 2 2 G V2
Die ersten drei Terme der Gleichung stellen eine hinreichend genaue Approximation der Optionspreisveränderung dar. Hieraus lassen sich jetzt die Bestimmungsgleichungen für das Gamma- und das Vegarisiko leicht separieren. Für das Gammarisiko lautet diese:
'C
1 G2 C ' S2 2 G S2
1 Gamma Call ' S 2 2
Die Marktwertänderung des Basiswertes ('S) wird durch die Multiplikation des Basiswertes mit einem bestimmten Faktor ermittelt. Dieser soll das allgemeine Marktrisiko des Basiswerts abbilden. Handelt es sich dabei um eine Anleihe, so entspricht der Faktor der korrespondierenden Renditeänderung der Jahresbandmethode. Bei einer Restlaufzeit des Basiswerts von 4 Jahren betrüge dieser somit 2,75 %. Wird die Durationsmethode angewandt, ist als Faktor das Produkt von unterstellter Zinsänderung und Modified Duration anzusetzen. Bei Aktien, Aktienindizes, Fremdwährungen oder Gold sind 8 % und bei Rohstoffen sowie Edelmetallen 15 % anzusetzen. Da die Gamma-Werte für Calls und Puts grundsätzlich positiv sind (FIGLEWSKI 1990), hat der BASLER AUSSCHUSS festgelegt, dass gekaufte Optionen einen po-
398
sitiven Gamma-Effekt und verkaufte einen negativen aufweisen sollen. Die einzelnen Gamma-Effekte sind zu addieren, so dass sich für jeden Basiswert entweder ein positiver oder ein negativer Netto-Gamma-Effekt ergibt. Als „gleicher Basiswert“ sind zu behandeln (BASLER AUSSCHUSS 1996a): •
die Anleihen eines Laufzeitbandes gemäß der Jahresband- resp. Durationsmethode,
•
die Aktien und Aktienindizes eines jeden Ländermarktes,
•
die in derselben Währung notierten Beträge und Gold sowie
•
die in demselben bzw. nach obigen Kriterien substituierbaren Rohstoffe.
Der gesamte Eigenmittelbedarf für das Gammarisiko entspricht dann der Summe des absoluten Betrages aller negativen Netto-Gamma-Effekte. Das Vegarisiko lässt sich durch folgende Gleichung beschreiben: GC 'V V Vega Call 'V V , GV wobei für die relative Änderung der aktuellen Volatilität 25 % anzusetzen ist. Die einzelnen Vega-Effekte sind entsprechend der Gamma-Kategorisierung zu addieren. 'C
Das Vega gibt bei einer einprozentigen absoluten Veränderung der Volatilität den EURBetrag an, um den sich der Optionspreis absolut verändert. Die Berechnung des Unterlegungsbetrages mit der Delta-Plus-Methode soll nun am Beispiel eines Short-Calls europäischer Art auf eine Aktie des Unternehmens X aufgezeigt werden: Der Basispreis der Option beträgt 400 EUR, die Optionsrestlaufzeit 6 Monate. Der Kurswert der X-Aktie beträgt zum Betrachtungszeitpunkt 500 EUR, dies bei einer Volatilität von 20 % p.a. Als risikofreier Zins wird ein Wert von 10 % p.a. unterstellt, der Optionswert beläuft sich auf 120,02 EUR. Zuerst müssen die oben beschriebenen Kennzahlen „Delta“, „Vega“ und „Gamma“ ermittelt werden (vgl. Abb. 256). Daraus leiten sich nun die Unterlegungsbeträge ab: Das Deltaäquivalent beläuft sich auf 488,60 EUR (= 500 EUR · 0,9772). Dieser Wert wird als Short-Position bei den Aktien betrachtet und muss somit mit 8 % Eigenmitteln unterlegt werden, was zu einem Unterlegungsbetrag von 39,09 EUR führt. Zur Abdeckung des Gammarisikos werden Eigenmittel in Höhe von 1,12 EUR benötigt, zur Abdeckung des Vegarisikos 1,75 EUR. Insgesamt beläuft sich der Eigenmittelbedarf für das nichtlineare Risiko auf 2,87 EUR. Addiert man die Unterlegungsbeträge, dann stellt der Saldo von 41,96 EUR (= 39,09 EUR + 2,87 EUR) nichts anderes als eine Schätzgröße für die Barwertveränderung der Option auf Basis der unterstellten Änderungen des Aktienkurses und dessen Volatilität dar (SCHULTE-MATTLER 1996b). Wie bereits erwähnt wird der Eigenmittelbedarf für das Deltarisiko üblicherweise nicht direkt berechnet, sondern über das Deltaäquivalent bei den jeweiligen Positionen berücksichtigt, im Beispiel als Short-Position bei den Aktien.
399
1. Berechnung der Kennzahlen:
• Delta: • Gamma: • Vega:
+ 0,9772 - 0,0014 - 0,3491
2. Berechnung des Eigenmittelbedarfs: a) Deltawert:
500 · | 0,9772 | (geht als Short-Position bei den Aktien ein)
= 488,60 EUR
b) Gammarisiko: | 0,5 · (-0,0014) · (500 · 0,08)2 | = c) Vegarisiko: | (-0,3491) · (r 25 % · 20) | = (Eigenmittelbedarf für die nichtlinearen Risiken) =
1,12 EUR 1,75 EUR 2,87 EUR
Abb. 256: Berechnung des Unterlegungsbetrages für das Marktrisiko von Optionspositionen mittels Delta-plusVerfahren
Banken, die über die notwendigen Voraussetzungen verfügen, können den Eigenmittelbedarf zur Unterlegung des Marktrisikos von Optionsportfolios und die ihnen zugeordneten Risikopositionen aus dem vereinfachten Standard-Messverfahren herausnehmen und separat mit der „Szenario-Matrix-Analyse“, kurz „Szenario-Analyse“ berechnen, sofern dies von der zuständigen Aufsichtsbehörde ausdrücklich gestattet wird. Zunächst wird ein Spread für die Veränderungen der Risikofaktoren im Optionsportfolio festgelegt, der die Charakteristik des Wertegitters der Matrix determiniert. Zur Ermittlung der Eigenmittelanforderung wird bislang unterstellt, dass sich lediglich zwei Dimensionen, der Preis des Basisinstrumentes und dessen Volatilität, gleichzeitig verändern. Auf dieser Basis wird das Optionsportfolio – für jede Instrumentenkategorie getrennt – mit Hilfe von Matrizen neu bewertet. Die Optionsgeschäfte müssen in mindestens sechs Klassen aufgeteilt werden, wobei nicht mehr als drei Laufzeitbänder (gemäß Jahresband- respektive Durationsmethode) zu einer Klasse zusammengefasst werden dürfen. Die Spreads der Preisdimensionen, der ersten Dimension der Matrix, orientieren sich für Zinssätze an denen der Durationsmethode und belaufen sich daher für die Zone 1 auf 100 Basispunkte und für die anderen beiden Zonen auf 90 respektive 75 Basispunkte. Für Aktien, Aktienindizes, Devisen und Gold beträgt der Spread ± 8 % und für Rohstoffe sowie Edelmetalle ± 15 %. Die dabei unterstellte Preisveränderung ist in mindestens sechs gleich große Intervalle aufzuteilen. Die zweite Dimension der Matrix internalisiert eine Änderung der Volatilität und wird mit ± 25 % dieser angesetzt. Nach Abschluss der Berechnungen ist jeder Zelle der Matrix ein spezifischer Nettogewinn oder -verlust der Option und des zugrunde liegenden Absicherungsinstrumentes zugeordnet. Die für jede Instrumentenkategorie, also für jedes Underlying erforderliche Eigenmittelunterlegung entspricht dann dem höchsten in der Matrix enthaltenen hypothetischen Verlust.
c)
Abbildung der Risikostruktur mittels aufsichtlicher Kennzahlen
Um die Struktur des Zinsänderungsrisikos adäquat abzubilden, ist aufgrund der Vorschriften des BASLER AUSSCHUSSES eine vollständige Analyse des Laufzeitenprofils der Aktiv- und Passivpositionen im Handelsbuch der Banken vorzunehmen. Dieses Profil bildet dann die Grundlage für die Einstellung der Geschäftspositionen in die einzelnen Jahresband- bzw. Durationszonen, aus denen sich dann mit Hilfe spezifischer Anrechnungsfaktoren und unter Be400
rücksichtigung verschiedener Hedge-Stufen die erforderliche Eigenmittelunterlegung für das Zinsänderungsrisiko – wie gezeigt – ergibt. Eine Orientierung an den Laufzeitbändern bzw. -zonen erlaubt somit einen Einblick in die institutseigene Struktur des Zinsrisikos. Infolge der präziseren Risikoermittlung ist dabei eine Risikoerfassung auf Basis der Modified Duration einer Erfassung auf Grundlage nomineller Fristigkeiten vorzuziehen. Um die bankindividuelle Risikostruktur zu verdeutlichen, lassen sich im einzelnen folgende Kennzahlen ermitteln: •
Höhe der geschlossenen Position (gesamt)
•
Höhe der geschlossenen Positionen in den einzelnen Laufzeitbändern
•
Höhe der geschlossenen Positionen zwischen verschiedenen Laufzeitbändern einer Zone
•
Höhe der geschlossenen Positionen zwischen verschiedenen Zonen
•
Höhe der offenen Positionen
Darüber hinaus kann dem Building Block-Approach folgend, das Positionsrisiko von Zinstiteln in das spezifische und das allgemeine Marktrisiko differenziert und in Kennzahlen überführt werden:
•
Eigenmittelbelastung gemäß BASLER AUSSCHUSS durch das spezifische Risiko im Zinsbereich
•
Eigenmittelbelastung gemäß BASLER AUSSCHUSS durch das allgemeine Marktrisiko im Zinsbereich
•
Eigenmittelbelastung gemäß BASLER AUSSCHUSS durch Positionsrisiken im Zinsbereich
=
Eigenmittelunterlegung für das spezifische Risiko im Zinsbereich Gesamteigenmittel bzw. Tier 3-Kapital
=
Eigenmittelunterlegung für das allgemeine Marktrisiko im Zinsbereich Gesamteigenmittel bzw. Tier 3-Kapital
=
Eigenmittelunterlegung für das spezifische und das allgemeine Marktrisiko im Zinsbereich Gesamteigenmittel bzw. Tier 3-Kapital
Wird das Tier 3-Kapital als Basis herangezogen, so gibt dieser Quotient den Auslastungsgrad des Nachrangkapitals an. Bei Verwendung der Gesamteigenmittel erhält man entsprechend eine Aussage über die noch offene Risikodeckungsmaße. Für die konkreten nationalen und supranationalen bankaufsichtlichen Vorschriften lassen sich analoge Kennzahlen bilden. Infolge der großen und immer noch wachsenden Bedeutung des Optionsgeschäftes genießen Risikostruktur-Kennzahlen hier eine besondere Notwendigkeit. Für ein funktionierendes Risikomanagement ist es unerlässlich, stets exakt über das Risiko des Optionsportfolios informiert zu sein. Die nachfolgenden drei Kennzahlen bilden die erforderliche Informationsbasis für diesen Zweck, indem sie das lineare und nicht-lineare Optionspreisrisiko sowohl separat betrachten als auch zu einer gemeinsamen Kennzahl, der Optionsrisikoquote, verdichten.
401
=
Summe des (kalkulatorischen) Eigenmittelbedarfs für Deltapositionen gemäß BASLER AUSSCHUSS Gesamteigenmittel bzw. Tier 3-Kapital
Gamma-/Vega• = risikoquote
Summe des Eigenmittelbedarfs für das nichtlineare Optionspreisrisiko gemäß BASLER AUSSCHUSS Gesamteigenmittel bzw. Tier 3-Kapital
•
•
Deltarisikoquote
Optionsrisikoquote
=
Summe des Eigenmittelbedarfs für Optionspositionen gemäß BASLER AUSSCHUSS Gesamteigenmittel bzw. Tier 3-Kapital
LITERATURHINWEISE ANTL, B. (1986a) BASLER AUSSCHUSS (1996a) BASLER AUSSCHUSS (1997) BASLER AUSSCHUSS (2001d) BEILNER, T. (1992) BEILNER, T./MATHES, H.D. (1990b) BINKOWSKI, P./BEECK, H. (1995) BIZ (2003) BÜHLER, A. (2000) CBOT (1990) CHAMBERS, D./CARLETON, W. (1988) CHIANG, A.C. (1984) CONSBRUCH, J. et al. (1983) CORDERO, R. (1987) COX, J./ROSS, S./RUBINSTEIN, M. (1979) DRESDNER BANK (1991) DUNKLEY, P. (1992) ELLER, R. (1991) EUREX (1999) EUREX (2000) FABOZZI, F.J. (2005) FIEBACH, G. (1994) FIGLEWSKI, S. (1990) FISHER, L./WEIL, R.L. (1971) FITZGERALD, M.D. (1990) GAY, G.D./KOLB, R.W. (1983) GLAAB, W./KRAFT, K. (1986) GONDRING, H./HERMANN, A. (1986) GROß, H./KNIPPSCHILD, M. (1995) HAUSER, H. (2005) HO, T.S.Y. (1992)
402
ISDA (2003) JAKOB, K. (1996a) KIRSCHNER, W. (1992) KNIPPSCHILD, M. (1991) KÖPF, G. (1987) LEE, D.R. (1981) LERBINGER, P. (1988) LIFFE (1992) LISTER, M. (1997) MACAULAY, F.R. (1938) MERRICK, J.JR. (1990) MEYER, F./WITTROCK, C. (1993) NABBEN, S. (1990) NORFIELD, A. (1992) PERRIDON, L./STEINER, M. (2006) RICARDO, D. (1817) RINKER, A. (1997) ROLFES, B. (1985a) ROLFES, B. (1989) SCHOLZ, W. (1979) SCHULTE-MATTLER, H. (1992) SCHULTE-MATTLER, H. (1996b) SCHULTE-MATTLER, H./ TRABER, U. (1997) SCHWANITZ, J. (1996) SIEGEL, D.R./SIEGEL D.F. (1990) STEINBERG, R. (1999) UBS AG (2000b) VÖGELE, A. (1987) WITTROCK, C./JANSEN, S. (1996) ZAHN, H. (1991) ZIMMERMANN, H. (2000)
III. Das Währungsrisiko Die große Bedeutung der Devisenmärkte für international tätige Banken wird deutlich, wenn man die täglich umgesetzten Marktvolumina und deren Wachstumsraten betrachtet. Während das Volumen des globalen Devisenhandels 1973 noch 10 bis 20 Milliarden USD pro Tag betrug, waren es 1986 bereits etwa 200 Milliarden USD und 1995 mehr als 1.300 Milliarden USD. Im Jahr 2000 erreichte das tägliche Volumen sogar bereits 1.800 Milliarden USD (BOFINGER 2000 und KLEINERT/MOSDORF 1998). Grundlage sämtlicher Devisengeschäfte bildet der Wechselkurs. Wechselkurse können in Form einer direkten Notierung (auch Preisnotierung) oder einer indirekten Notierung (auch Mengennotierung) dargestellt werden (vgl. Abb. 257). Die direkte Notierung definiert, wie viele Einheiten der Inlandswährung für eine Einheit der Fremdwährung bezahlt werden muss. Aus Sicht einer deutschen Bank stünde demnach der Euro im Zähler, die Fremdwährung im Nenner. Die im Zähler stehende Währung wird auch als Referenzwährung bezeichnet, jene im Nenner als Denominationswährung. Bei der indirekten Notierung wird die Frage beantwortet, wie viele Einheiten Fremdwährung für eine Einheit Inlandswährung geleistet werden müssen. International herrscht zunehmend die indirekte Notierung vor, weshalb mit dem Beginn der Europäischen Währungsunion am 1.1.1999 die indirekte Notierung eingeführt wurde. Da bei der direkten Notierung Fremdwährungszahlungen durch Multiplikation in Inlandswährung umgerechnet werden können, wird allerdings in der Folge aus didaktischen Gründen die direkte Notierung der indirekten vorgezogen. Gleichzeitig wird aber bei grundlegenden Erkenntnissen auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf die indirekte Notierung eingegangen, um der neuen Tendenz Rechnung zu tragen.
Heimmarkt Deutschland: Heimmarkt Schweiz:
direkte Notierung am 01.01.2001 1 USD = 1,06 EUR oder 1,06 EUR/USD 1 USD = 1,61 CHF oder 1,61 CHF/USD
indirekte Notierung am 01.01.2001 1 EUR = 0,94 USD oder 0,94 USD/EUR 1 CHF = 0,62 USD oder 0,62 USD/CHF
Abb. 257: Direkte und indirekte Notierung von Wechselkursen
Entsprechend der Unterteilung in Bargeld und Buchgeld bei inländischen Zahlungsmitteln werden ausländische Zahlungsmittel in Sorten und Devisen differenziert. Unter Sorten werden dabei ausländische Banknoten und Münzen verstanden. Devisen sind auf ausländische Währungen lautende und im Ausland zahlbare Forderungen respektive Verpflichtungen wie Fremdwährungsguthaben bei ausländischen Banken, Schecks oder Wechsel in Fremdwährung, die im Ausland zahlbar sind. Der Devisenmarkt kann verstanden werden als der „Ort“ des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage nach unterschiedlichen Devisen (vgl. hierzu und im folgenden NOLTE 1997). Unter Devisenhandel im weiteren Sinn lässt sich sowohl der ausschließlich über Fremdwährungsguthaben abgewickelte Interbankenhandel als auch der im Geschäft zwischen Banken und Nichtbanken zusätzlich stattfindende Verkehr mit Schecks und Wechseln in Fremdwährung subsumieren. Der Devisenhandel im engeren Sinne umfasst ausschließlich den An- und 403
Verkauf von Devisen gegen Inlandswährung oder andere Währungen auf der Basis von individuell zwischen den Geschäftspartnern fixierten Austauschverhältnissen, den Devisenkursen. Die grenzüberschreitenden Handels- und Finanzgeschäfte heutiger Prägung wären ohne die entsprechende Nutzung von Devisenmärkten undenkbar. Infolge eines hohen Grades an wirtschaftlicher Integration werden auf den Devisenmärkten riesige Volumina umgesetzt. Auf diesen besteht sowohl im Kassa- als auch im Terminhandel jederzeit die Möglichkeit, Verträge über den Tausch von Währungsbeträgen abzuschliessen. Die Devisengeschäfte werden sowohl zum Zahlungsausgleich im Zusammenhang mit Im- und Exporten von Waren und Dienstleistungen, internationalen Portfolioumschichtungen und Direktinvestitionen als auch zur Kursspekulation und als Interventionsmittel der offiziellen Währungsbehörden eingesetzt. In den weiteren Ausführungen wird in einem ersten Schritt das Devisenhandelsgeschäft betrachtet. In einem zweiten Schritt folgt die Quantifizierung des Risikos von Fremdwährungsgeschäften aus handelsrechtlicher und barwertiger Sicht und die Darstellung spezifischer Steuerungsmöglichkeiten.
1.
Das Devisenhandelsgeschäft und dessen Instrumente
Der Handel an den internationalen Devisenmärkten findet in zwei Hauptsegmenten statt, dem Devisenkassa- und dem Devisenterminhandel (vgl. Abb. 258). Klassisches Devisenhandelsgeschäft (1) Devisenkassahandel
Handel mit Devisenforwards
(2) Outright Forwards (3) Devisenswaps
(4) Handel mit Währungsswaps
Devisenhandel
(5) Handel mit Devisenfutures Devisenterminhandel (6) Handel mit Devisenoptionen Abb. 258: Struktur des Devisenhandelsgeschäftes
Im Devisenterminhandel lassen sich die Segmente Devisenforward-, Währungsswap-, Devisenfutures- und Devisenoptionshandel unterscheiden. Zusammen mit dem Devisenkassahandel bildet der Devisenforwardhandel mit seinen Teilsegmenten Outright- und Devisenswap404
handel das, was im klassischen Sinn allgemein unter dem Begriff des Devisenhandels subsumiert wird (vgl. NOLTE 1997). Zu (1): Beim Devisenkassageschäft (auch Devisenspotgeschäft) wird eine Fremdwährung gegen eine andere Fremdwährung oder gegen eine Lokalwährung gekauft oder verkauft. Zwischen Abschluss und Erfüllung liegen zwei Arbeitstage. Der vereinbarte Kurs wird als Devisenkassakurs bezeichnet und kann in den genannten Notierungen definiert sein. Zu (2): Von einem Outright-Geschäft (auch Devisentermingeschäft) wird gesprochen, wenn beide Kontrahenten vereinbaren, die gegenseitig verkauften Devisen erst zu einem späteren als dem marktüblichen Kassatermin zu erfüllen, wobei der Zeitpunkt der Erfüllung (Termin) und der für die Erfüllung geltende Kurs (Terminkurs) bereits beim Abschluss des Geschäfts festgelegt werden. Der vereinbarte Zeitraum zwischen Verpflichtungsgeschäft und Erfüllungsgeschäft stellt die Laufzeit des Termingeschäfts dar. Der Devisenterminmarkt unterscheidet sich vom Devisenkassamarkt in erster Linie dadurch, dass die Erfüllung (Lieferung und Zahlung) zu einem mehr als zwei Geschäftstage entfernten Zeitpunkt erfolgt.
Vertragszeitpunkt
Erfüllungszeitpunkt
Bank
- 500 Mio. USD
+ 500 Mio. USD · TK
Kunde
+ 500 Mio. USD
- 500 Mio. USD · TK
Zeit
t=0
t=2
Jahre
Abb. 259: Beispiel eines Outright-Geschäfts mit: TK = Terminkurs
Abbildung 259 zeigt beispielhaft ein Outright-Geschäft, bei dem die Bank 500 Mio. USD gegen eine bestimmte Summe an EUR in t = 2 tauscht, wobei das Geschäft zu einem festgelegten Terminkurs in t = 0 abgeschlossen wird. Zur Ermittlung des Terminkurses bedient man
405
sich bei unterstellter Vollkommenheit der Finanzmärkte der Zinsparitätentheorie, welche eine Beziehung zwischen den Zinssätzen im In- und Ausland sowie den Termin- und Kassawechselkursen herstellt (BREUER 2000, S. 41). Diese Beziehung kann anhand einer arbitragefreien Replikation des Grundgeschäftes hergeleitet werden: Die Bank könnte anstelle dieses Outright-Geschäftes in inländischer oder ausländischer Währung Geldmarktfinanzierungsund Geldmarktanlagegeschäfte tätigen und dadurch das Outright-Geschäft synthetisch herstellen. Der Terminkurs müsste also so gewählt werden, dass beide Alternativen dieselben Tauschbedingungen ergeben, da sich ansonsten Arbitragemöglichkeiten ergeben würden. Die Berechnung des Terminkurses setzt demnach die Kenntnis über den Kassakurs und die Geldund Kapitalmarktzinsen in der jeweiligen Währung voraus. Wird das kontrahierte Fremdwährungsvolumen in t = n mit (- F) bezeichnet, so errechnet sich der Gegenwert in Inlandswährung zum Zeitpunkt t = n, indem das Kontraktvolumen mit dem Terminkurs multipliziert wird (F · Terminkurs). Diese beiden Ziel-Cash-Flows in t = n gilt es mit Hilfe von Alternativtransaktionen zu erzeugen. In einem ersten Schritt kann die Auszahlung in Fremdwährung in t = n in Form einer Geldmarkt-Finanzierung in Fremdwährung über n Jahre erzeugt werden. Das Kapital ist dabei so zu wählen, dass bei Fälligkeit des Geschäftes inklusive Zinsen exakt die kontrahierte Auszahlung (- F) zurückzuzahlen ist. In t = 0 ist somit ein Betrag in Höhe von F · ZB-AFFremdwährung[0;n] aufzunehmen. In einem zweiten Schritt erfolgt ein Kassakauf inländische gegen ausländische Währung, um den Betrag aus der Geldmarktfinanzierung auszugleichen. Die hieraus resultierende Einzahlung in inländischer Währung ist in einem weiteren Schritt durch eine Geldmarktanlage in Höhe von - F · ZBAFFW[0;n] · Kassakurs zu kompensieren, damit sich die beiden Zahlungsströme in Inlandswährung zum Zeitpunkt t = 0 genau ausgleichen. Die Rückzahlung der inländischen Geldmarktanlage wird im Zeitpunkt t = n genau F · ZB-AFFremdwährung [0,n] / ZBAFInlandswährung [0,n] · Kassakurs betragen. Grundgeschäft t=0
Zeitpunkt
t=n -F F · TK
FW Ziel-Cash Flows IW Replikation t=0 F · ZB-AFFW[0;n]
Zeitpunkt GeldmarktFW finanzierung in IW Fremdwährung FW Kassakauf IW
F · ZB-AFFW[0;n] · KK
FW IW
- F · ZB-AFFW[0;n] · KK
Geldmarktanlage in Inlandswährung
t=n -F
- F · ZB-AFFW[0;n]
F
ZB - AFFW >0; n @ KK ZB - AFIW >0; n @
Abb. 260: Replikation eines Outright-Geschäftes mit: F = Kontrahiertes Fremdwährungsvolumen; FW = Fremdwährung; IW = Inlandswährung; KK = Kassakurs; TK = Terminkurs; ZB-AF = Zerobond-Abzinsfaktor; „-“ = Auszahlung; „+“ = Einzahlung
406
Die allgemein gehaltene Darstellung eines Replikationsprozesses wird im Folgenden anhand der in Abbildung 261 gegebenen Daten konkretisiert, wobei die Zerobond-Abzinsfaktoren bereits aus der Zinsstruktur berechnet wurden.
GKM-Zinssatz EUR ZB-AF EUR GKM-Zinssatz USD ZB-AF USD Kassakurs
Laufzeit 1 Jahr Laufzeit 2 Jahre 4% 5% 0,96154 0,90659 5% 6% 0,95238 0,88949 1,0732 EUR/USD
Abb. 261: Wechselkurs und Zinsen respektive Zerobond-Abzinsfaktor (ZB-AF) für das Beispiel in t = 0
Das Outright-Geschäft entspricht dem Beispiel auf S. 405. Aus Sicht der Bank entsteht dabei eine Forderung in EUR, welche sich aus 500 Mio. USD multipliziert mit dem Terminkurs zusammensetzt. Wie in Abbildung 262 dargestellt, steht dieser Forderung eine Verbindlichkeit von 500 Mio. USD gegenüber. Die Replikation der USD Verbindlichkeit in t = 2 wird, wie bereits allgemein dargestellt, anhand einer Geldmarktfinanzierung in USD mit einer Rückzahlung in t = 2 von 500 Mio. USD erzeugt. In t = 0 wird daher ein Betrag in Höhe von 444,75 Mio. USD (= 500 Mio. USD · 0,88949) aufgenommen. Dieser Betrag wird in EUR gewechselt und über zwei Jahre angelegt und ist im Zeitpunkt t = 2 526,48 Mio. EUR (= 477,30 Mio. EUR / 0,90659) wert. Grundgeschäft t=0
Zeitpunkt Ziel-Cash Flows
USD EUR
Zeitpunkt Geldmarktfinan- USD zierung in USD EUR USD Kassakauf EUR Geldmarkt- USD anlage in EUR EUR
Replikation t=0 444,75 Mio. USD
t=2 - 500 Mio. USD 500 Mio. USD · TK t=2 - 500 Mio. USD
- 444,75 Mio. USD 477,30 Mio. EUR - 477,30 Mio. EUR
526,48 Mio. EUR
Abb. 262: Bestimmung des arbitragefreien Devisenterminkurses durch Replikation der typischen Zahlungsstruktur eines Outright-Geschäftes mit: F = Fremdwährungsvolumen; TK = Terminkurs; ZB-AF = Zerobond-Abzinsfaktor; „-“ = Auszahlung; „+“ = Einzahlung
Unter der Voraussetzung, dass Zerobonds mit entsprechendem Volumen und Laufzeit handelbar sind, lässt sich durch diese Vorgehensweise die typische Cash Flow-Struktur eines Outright-Geschäftes durch eine Kombination aus zwei Geldmarktgeschäften und einem Devisenkassageschäft replizieren (vgl. Abb. 262). Aus der Schlusszahlung der EUR-Anlage kann dabei direkt der arbitragefreie Terminkurs abgeleitet werden, indem die beiden Ziel-Cash Flows gleichgesetzt werden:
407
526,48 Mio. EUR
500 Mio. USD TK
Löst man nach dem Terminkurs auf, ergibt sich dieser wie folgt:
TK
526,48 Mio. EUR 500 Mio. USD
1,0530
EUR USD
Allgemein lässt sich aus Abbildung 260 für den Terminkurs die folgende Formel ableiten: F
ZB - AFAW >0; n @ KK ZB - AFIW >0; n @
F TK
und damit TK
ZB - AFAW >0; n @ KK ZB - AFIW >0; n @
Mit der Verwendung von Denominationswährung und Referenzwährung kann die Formel für den Terminkurs bei der direkten Notierung auch wie folgt geschrieben werden: TK
ZB - AFD >0; n @ KK ZB - AFR >0; n @
mit: ZB-AFD(0,t) = Zerobond-Abzinsfaktor der Denominationswährung und ZB-AFR(0,t) = Zerobond-Abzinsfaktor der Referenzwährung
Für den Fall unterjähriger Devisenforwards lässt sich der Terminkurs formell auch folgendermaßen darstellen:
TK
§ tR · ¨¨1 i R ¸ Basis R ¸¹ © KK § tD · ¨¨1 i D ¸ Basis D ¸¹ ©
mit: R = Referenzwährung; D = Denominationswährung; iR, iD = Zinssätze in den betroffenen Währungen; tR, tD = Laufzeit in Tagen gemäß Usance der jeweiligen Währungen; BasisR, BasisD = Länge des Geschäftsjahres in Tagen gemäß Usance der jeweiligen Währungen
Somit würde sich beispielsweise in t = 0 bei Verwendung der internationalen Usance (actual/360) für eine Laufzeit von 176 Tagen, einem unterstellten Kassakurs von 1,0732 EUR/USD, einem EUR-Zinssatz von 4 % sowie einem USD-Zinssatz von 5 % ein gleichgewichtiger USD-Terminkurs von exakt
408
TK
176 · § ¨1 0,04 ¸ EUR 360 ¹ © 1,0732 176 · USD § ¨1 0,05 ¸ 360 © ¹
1,0681
EUR USD
ergeben. Bei dem in Abbildung 262 dargestellten Vorgehen zur Replikation eines Outright-Geschäfts wurde unterstellt, dass Zerobonds abgeschlossen werden können. Tatsächlich müsste in der Praxis aber die Replikation in der Regel mit Hilfe von Geld- und Kapitalmarktgeschäften durchgeführt werden, wodurch die Replikation an Komplexität zunimmt. Abbildung 263 beinhaltet die konkret abzuschließenden Geldmarkt-Alternativgeschäfte, die zur Replikation eines Outright-Verkaufs von 500 Mio. USD gegen EUR fällig in zwei Jahren notwendig wären. Die Replikation des Outright-Geschäfts erfolgt zunächst, indem zur Erzeugung des ZielCash-Flows von - 500 Mio. USD in t = 2 eine 2-jährige GKM-Geldaufnahme über 471,70 Mio. USD erfolgt. Diese löst bei ihrer Fälligkeit inklusive Zins (6 % p.a.) exakt die gewünschte Auszahlung aus. Des weiteren ist durch eine GKM-Anlage die Zahlung in t = 1 glattzustellen. Die aus den beiden GKM-Geschäften resultierende Nettoeinzahlung von + 444,75 Mio. USD (= 471,70 + (- 26,95)) ist durch einen entsprechenden Kassaverkauf gegen USD zu neutralisieren. Es sind somit zwei Einzeltransaktionen nötig, um die Auszahlung von - 500 USD in t = 2 zu replizieren. Die resultierende Nettoeinzahlung in Höhe von + 444,75 Mio. USD wird kompensiert durch einen Kassakauf EUR gegen USD zu einem Kassakurs von 1,0732 EUR/USD.
Zeitpunkt Geldaufnahme zu 6 % (2 J.) Geldanlage zu 5 % (1 J.) Saldo aus GKM-Geschäften Kassageschäft zu 1,0732 EUR/USD Netto Cash Flows Zeitpunkt Kassageschäft zu 1,0732 EUR/USD Geldanlage zu 5 % (2 J.) Geldaufnahme zu 4 % (1 J.) Saldo aus GKM-Geschäften Netto Cash Flows
t=0 471,70 - 26,95 444,74
in Mio. USD t=1 - 28,30 28,30 0,00
t=2 - 500,00 - 500,00
- 444,74
0,00 t=0
0,00 in Mio. EUR t=1
- 500,00
t=2
+ 477,30
- 501,41 24,11 477,30 0
25,07 - 25,07 0 0
526,48 526,48 526,48
Abb. 263: Konstruktion eines 2-Jahres Outright-Geschäfts anhand von Geld- und Kapitalmarktgeschäften
Mit dem Kassakauf erhält die Bank einen Zufluss an EUR in Höhe von + 477,30 Mio. EUR (= 444,74 Mio. USD · 1,0732 EUR/USD), welcher wiederum durch Geld- und Kapitalmarktgeschäfte in EUR kompensiert wird. Um auf den Anlagebetrag von - 501,41 EUR zu kom409
men, muss in einem ersten Schritt der zu kompensierende Betrag in Höhe von 477,30 Mio. EUR in den Wert in t = 2 umgewandelt werden. Dies erreicht man, indem dieser durch den ZB-AFEUR[0,2] dividiert wird (477,30 Mio. EUR / 0,90659). In einem zweiten Schritt kann ausgehend vom Future Value der Anlagebetrag in Höhe von 526,48 Mio. EUR berechnet werden. Außerdem ist in EUR eine Anlage dergestalt zu konstruieren, dass der Cash Flow in t = 1 Null beträgt. Der arbitragefreie Terminkurs lässt sich nun direkt aus dem Quotienten aus EUR-Zahlung und USD-Zahlung in t = 2 ableiten. Im gewählten Beispiel beträgt er 526,48 EUR / 500 USD = 1,053 EUR/USD und entspricht damit dem Wert aus Abbildung 262. Zu (3):
In der Kategorie Devisenswap (nicht zu verwechseln mit einem Währungsswap) kann der Spot-Forward vom Forward-Forward Devisenswap unterschieden werden. Der wichtigste Devisenswap, der Spot-Forward Devisenswap, stellt eine Kombination von Kassakauf und Terminverkauf oder umgekehrt dar. Abbildung 264 zeigt beispielhaft einen Spot-Forward Devisenswap, bei dem von Seiten der Bank zum einen ein Devisenkassakauf von 500 Mio. USD gegen 536,6 Mio. EUR in t = 0 erfolgt. Gleichzeitig wird im Rahmen eines OutrightGeschäftes ein Devisenterminverkauf in Höhe von 500 Mio. USD gegen 531,5 Mio. EUR abgeschlossen, welcher in einem Jahr fällig wird.
Kassadevisengeschäft
Bank
+ USD 500 Mio.
- EUR 536,6 Mio.
Währungskauf per Kasse; WK 1,0732 EUR/USD
Kunde
Zeit
- USD 500 Mio.
+ EUR 536,6 Mio.
t = 0 + 2 Tage
Outright-Geschäft
- USD 500 Mio.
+ EUR 531,5 Mio.
Währungsverkauf per Termin; WK 1,0630 EUR/USD
+ USD 500 Mio.
- EUR 531,5 Mio.
t = 1 Jahr
Abb. 264: Beispiel für einen Spot-Forward Swap
Der Swapsatz ergibt sich aus der Differenz zwischen Terminkurs und Kassakurs. Im vorliegenden Fall des 1-jährigen Devisenforwards beträgt er folglich 1,0630 – 1,0732 = - 0,0102 EUR/USD. Alternativ kann der Swapsatz auch direkt über den Quotienten der ZerobondAbzinsfaktoren der beteiligten Währungen berechnet werden:
410
Swapsatz
TK KK
§ ZB AFD >0, n @ · ¨¨ 1¸¸ KK © ZB AFR >0, n @ ¹
bzw. für das Beispiel Swapsatz
EUR § 0,95238 · 1¸ 1,0732 ¨ USD © 0,96154 ¹
- 0,0102
EUR USD
Von einem Forward-Forward Swap spricht man, wenn sich der Devisenswap aus einer Kombination von zwei Outright-Geschäften mit unterschiedlicher Laufzeit zusammensetzt. Die Berechnung des Swapsatzes erfolgt analog zum Spot-Forward Swap, wobei der Kassakurs durch den Terminkurs des Outright-Geschäftes mit kürzerer Laufzeit ersetzt wird. Für das Beispiel in Abbildung 265 berechnet sich der Swapsatz entsprechend aus dem zweijährigen abzüglich dem einjährigen Terminkurs: Swapsatz 1,0530
EUR EUR 1,0630 USD USD
- 0,01
EUR USD
Outright-Geschäft
Bank
+ USD 500 Mio.
- EUR 531,5 Mio.
Währungskauf per Termin; WK 1,0630 EUR/USD
Kunde
Zeit
- USD 500 Mio.
+ EUR 531,5 Mio.
t = 1 Jahr
Outright-Geschäft
- USD 500 Mio.
+ EUR 526,5 Mio.
Währungsverkauf per Termin; WK 1,0530 EUR/USD
+ USD 500 Mio.
- EUR 526,5 Mio.
t = 2 Jahre
Abb. 265: Beispiel für einen Forward-Forward Swap
Je nachdem, ob es sich beim ersten Währungstausch um einen Devisenkauf oder -verkauf handelt, wird im internationalen Devisenterminhandel von sogenannten buy-and-sell-Swaps bzw. sell-and-buy-Swaps gesprochen. Im vorherigen Beispiel handelte es sich aus Sicht der Bank demnach um einen buy-and-sell-Swap. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass für die Höhe des Swapsatzes primär die Differenz in den Zinssätzen, die am internationalen Markt für die betreffenden Währungen offeriert werden, entscheidend sind (MOSER 1978; TOPRITZHOFER/MOSER 1977). Im Falle
411
niedrigerer Auslandszinsen fällt der Swapsatz positiv aus; die zugrundeliegende Währung notiert mit einem Report (Premium). Wird unter dieser Konstellation ein buy-and-sell-Swap oder ein Outright-Verkauf abgeschlossen, so ist die Summe der Einzahlungen grösser als jene der Auszahlungen. Bei Sell-and-buy-Swaps sowie Outright-Käufen tritt das Gegenteil ein. Im Fall höherer Auslandszinsen ist der Swapsatz negativ, und die Fremdwährung notiert mit einem Deport (Discount). Die erfolgsmäßigen Auswirkungen der angesprochenen Transaktionen sind in diesem Fall genau entgegengesetzt zum Reportfall. Sind ausländischer und inländischer Zinssatz gleich hoch, so entspricht der Devisenterminkurs exakt dem Devisenkassakurs. In diesem Fall sind die Einzahlungen und die Auszahlungen identisch. Abbildung 266 fasst diesen Tatbestand noch einmal tabellarisch zusammen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass sich durch Anwendung der indirekten Notierung die Zuordnung von Report und Deport gerade umkehrt. Swapsätze Null
(TK = KK)
Report (TK > KK) Deport (TK < KK)
Transaktion Buy-and-sell Swap Sell-and-buy Swap Summe der Einzahlungen gleich Summe der Einzahlungen gleich der Summe der Auszahlungen der Summe der Auszahlungen Summe der Einzahlungen größer Summe der Einzahlungen kleiner als Summe der Auszahlungen als Summe der Auszahlungen Summe der Einzahlungen kleiner Summe der Einzahlungen größer als Summe der Auszahlungen als Summe der Auszahlungen
Abb. 266: Erfolgsbeiträge im Devisenterminhandel bei unterschiedlichen Swapstellen
Devisenswaps erlauben den beiden beteiligten Parteien, einen bestimmten Devisenbetrag für einen bestimmten Zeitraum im Austausch gegen einen anderen Währungsbetrag zu nutzen. Sie werden vorwiegend zur Kurssicherung und zum Ausgleich bzw. gezielten Aufbau von Fristeninkongruenzen bei Devisenzahlungsströmen eingesetzt, wie später noch gezeigt wird.
Zu (4): Im Rahmen eines Währungswaps verkaufen sich zwei Vertragsparteien gegenseitig Fremdwährungsbeträge mit der vertraglichen Verpflichtung, dieselben Beträge zu einem fixierten Wechselkurs an einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zurückzukaufen. Ein Währungsswap vollzieht sich dabei grundsätzlich in drei Schritten (KNIPPSCHILD 1991): 1.
Gegenseitiger Austausch der Finanzierungsmittel zu dem bei Swapabschluss geltenden Kassa-Wechselkurs,
2.
Jährlicher oder halbjährlicher Austausch der anfallenden Zinszahlungen auf der Grundlage der ausgetauschten Nominalbeträge und der vereinbarten Zinssätze sowie
3.
Rücktausch der Kapitalbeträge am Ende der Laufzeit des Swaps zu einem festgelegten Kurs (meist zum ursprünglichen zu Beginn der Laufzeit des Swaps geltenden Kassakurs).
Neben dem Motiv der Wechselkurssicherung tritt häufig auch die Nutzung von Arbitragemöglichkeiten auf. Zur Veranschaulichung der Struktur von Währungsswaps sowie der sich 412
eventuell bietenden Arbitragemöglichkeit mit diesem Geschäft diene nachstehendes Beispiel (vgl. Abbildung 267). Dem folgenden Beispiel liegt ein CHF-Bedarf der Weltbank zugrunde. Diese ist zwar an sämtlichen Anleihemärkten ein geschätzter Schuldner. Sie kann den Markt eines bestimmten Landes allerdings nicht unbegrenzt in Anspruch nehmen. Eine spürbare Sättigung mit Weltbankpapieren war beispielsweise Anfang der achtziger Jahre auf dem Schweizer Kapitalmarkt zu verzeichnen. Daher musste die Weltbank trotz erstklassiger Bonität eine Prämie gegenüber schwächeren Adressen auf dem Schweizer Kapitalmarkt bezahlen (5 % statt wie beispielsweise ITT nur 4,7 %), wohingegen auf dem größeren Markt für langfristige USD-Anleihen keine Sättigungsgrenze bestand und die Bonität der Bank sich hier auch in guten Konditionen widerspiegelte (nur 8 % statt wie beispielsweise ITT 8,5 %). Gleichzeitig konnte die amerikanische Gesellschaft ITT, die USD benötigte, allerdings am USD-Markt nicht ein solches Standing wie die Weltbank aufweist (demnach nur 8,5 %), auf dem Schweizer Kapitalmarkt günstigere Konditionen als die Weltbank erzielen (4,7 %). Insgesamt ergibt sich aus den für die Weltbank sowie für ITT gültigen Marktkonditionen ein Gesamt-Arbitragepotential von 0,8 %. Um dieses allerdings nutzen zu können, bedarf es der Durchführung eines Währungswaps, bei dem die Weltbank anstelle einer CHF-Emission eine USD-Anleihe zu 8 % und - im Gegenzug - ITT eine CHF-Anleihe zu 4,7 % statt einer USDAnleihe begibt. Untersucht man nun die Kosten, die für jeden Swappartner anfallen, so ergeben sich für die Weltbank Nettokosten von 4,7 % (= - 8 % [Zinskosten für USD] + 8 % [Swap-Inflow] – 4,7 % [Swap-Outflow]) anstatt Kosten in Höhe von 5 %, welche ohne Swapvereinbarung angefallen wären, und für ITT Nettokosten von 8 % (= - 4,7 % [Zinskosten für CHF] + 4,7 % [Swap-Inflow] - 8 % [Swap-Outflow]) anstatt Kosten von 8,5 % ohne Swaptransaktion. Damit konnte durch den Währungsswap die Weltbank einen Finanzierungsvorteil von 0,3 %Punkten (= 5 % – 4,7 %) realisieren, während ITT 0,5 %-Punkte (= 8,5 % – 8 %) einsparen konnte. Der gesamte Finanzierungsvorteil von 0,8 %-Punkten ergab sich dabei ausschließlich durch die Bedingung, dass jeder Swappartner Zinszahlungen in der von ihm nicht gewünschten Währung nur weiterleitete. Obgleich die Weltbank insgesamt bei Betrachtung beider Kapitalmärkte ein besseres Standing als ITT hatte (sie hätte bei einer gleichzeitigen Inanspruchnahme des CHF- sowie des USD-Marktes insgesamt nur 13 % (= 5 % + 8 %) aufwenden müssen, während ITT 13,2 % (= 4,7 % + 8,5 %) zu leisten gehabt hätte), erhielt sie nur einen Finanzierungsvorteil von 0,3 %-Punkten und ITT die restlichen 0,5 %-Punkte. In aller Regel werden die Zinszahlungen und damit die Aufteilung des Gesamtfinanzierungsvorteils nicht in der oben beschriebenen Weise bestimmt, sondern sind Verhandlungssache der jeweiligen Swappartner. Theoretisch wäre beispielsweise eine hälftige Aufteilung des Gesamtvorteils oder eine Aufteilung entsprechend dem Standing der Partner auf den durch die Swapvereinbarung betroffenen Kapitalmärkten denkbar (KNIPPSCHILD 1991).
413
1. Austausch der aufgenommenen Fremdwährungskapitalbeträge 100 Mio. USD ITT
Weltbank 150 Mio. CHF 100 Mio. USD
150 Mio. CHF CHF-Anleihe 150 Mio. CHF
USD-Anleihe 100 Mio. USD
2. Austausch der Zinszahlungen während der Swaplaufzeit 8 % auf 100 Mio. USD ITT
Weltbank 4,7 % auf 150 Mio. CHF 8%
4,7 % CHF-Anleihe 150 Mio. CHF
USD-Anleihe 100 Mio. USD
3. Rücktausch der Kapitalbeträge am Ende der Swaplaufzeit 100 Mio. USD ITT
Weltbank 150 Mio. CHF 100 Mio. USD
150 Mio. CHF CHF-Anleihe 150 Mio. CHF
USD-Anleihe 100 Mio. USD
Marktkonditionen Zielfinanzierung Zinskosten - in CHF - in USD
ITT
Weltbank
100 Mio. USD
150 Mio. CHF
Arbitragepotential
4,7 % 8,5 %
5,0 % 8,0 %
+ 0,3 % + 0,5 %
Wechselkurs = 1,5 CHF/USD Abb. 267: Beispiel für einen Währungsswap
414
+ 0,8 %
Zu (5): Bei den Devisenfutures respektive Devisenterminkontrakten handelt es sich um eine standardisierte Form des Devisentermingeschäftes. Der Kauf (respektive der Verkauf) eines Futures beinhaltet die Verpflichtung zur Abnahme (respektive zur Lieferung) eines standardisierten Fremdwährungsbetrages bei einer standardisierten Kontraktfälligkeit zu einem heute festgelegten Kurs. Die überwiegende Zahl der Kontrakte wird durch ein kompensierendes Gegengeschäft rechtzeitig vor Fälligkeit glattgestellt; nur in weniger als 1 % aller Fälle kommen die Kontraktwährungen zur Andienung. Ein weiterer Unterschied zu Devisenforwards besteht darin, dass Futures-Transaktionen an organisierten Börsen abgeschlossen und die Preise für die einzelnen Futures-Kontrakte öffentlich bekanntgegeben werden. Ein „Clearing House“ übernimmt jeweils die Gegenposition zu einer Transaktion und minimiert somit das Bonitätsrisiko. Die damit verbundene Erfüllungsgarantie wird durch ein System von Sicherheitsleistungen und Nachschusspflichten gestützt. So ist bei Geschäftsabschluss ein Sicherheitsbetrag („Initial Margin“) aufzubringen, welcher 5 – 10 % des Kontraktwertes beträgt. Ebenso werden sämtliche Futures-Positionen durch das Clearing House täglich neu bewertet („marking to market“), wobei im Verlauf eines Handelstages erzielte Gewinne dem Sicherheitskonto („Margin Account“) gutgeschrieben werden, während Verluste über dieses Konto - im Sinne der Vermeidung einer Verlustansammlung - gedeckt werden. Sinkt die „Initial Margin“ durch Verluste unter den Wert einer Mindestquote („Maintenance Margin“), welche ca. 75 – 80 % der „Initial Margin“ beträgt, so muss ein Nachschuss („Variation Margin“) geleistet werden, um eine Glattstellung der Futures-Position durch das Clearing House zu vermeiden.
Zu (6): Seit Ende 1982 wurde der Katalog der Absicherungsinstrumente durch die Einführung von Devisenoptionen an der Philadelphia Stock Exchange (PHLX) erweitert. Eine Devisenoption ist ein Vertrag zwischen Käufer und Verkäufer (Stillhalter) des Optionskontraktes, der dem Optionskäufer gegen Zahlung eines bestimmten Preises (Optionsprämie) das Recht einräumt, einen vereinbarten Fremdwährungsbetrag zu einem festgelegten Kurs (Ausübungs- respektive Basispreis) zu kaufen (Kaufoption) oder zu verkaufen (Verkaufsoption). Im Gegensatz zum Devisentermingeschäft beinhaltet eine Devisenoptionsvereinbarung somit nur ein Recht, nicht jedoch die Verpflichtung, den vertraglich festgelegten Devisenbetrag zu kaufen respektive zu verkaufen. Dies charakterisiert eine Devisenoption als ein „bedingtes“ Devisentermingeschäft und grenzt sie von „unbedingten“ Devisentermingeschäften, wie sie Devisenforwards respektive Devisenfutures darstellen, ab. Während bei unbedingten Devisentermingeschäften sich beide Vertragsparteien, d.h. Käufer und Verkäufer, zur Abnahme respektive Lieferung der zugrundeliegenden Devise verpflichten, hat bei einem Devisenoptionsgeschäft nur der Verkäufer (= Stillhalter) die Verpflichtung zur Abnahme respektive Lieferung, sofern der Optionskäufer von seinem erworbenen Optionsrecht Gebrauch macht. Der Käufer einer Devisenoption kann hingegen sein Optionsrecht verfallen lassen oder veräußern; sein Einsatz ist auf die ursprünglich bezahlte Optionsprämie begrenzt (IMO/GITH 1989; KÖPF 1987; LOMBARD/MARTEAU 1990; MEHL 1991). Bezüglich einer weiteren Charakterisierung von Optionsgeschäften, insbesondere ihrer Systematisierung nach unterschiedlichen Merkma415
len sowie die Möglichkeiten ihres Einsatzes hinsichtlich einer Kurssicherung, sei auf die Ausführungen zur Steuerung des Aktienkursrisikos verwiesen (vgl. S. 447 ff.). Eine Besonderheit von Devisenoptionsmärkten stellen synthetisch erzeugte Optionsprodukte dar, welche sich vor allem im anglo-amerikanischen Finanzraum zunehmender Beliebtheit erfreuen. Eine einheitliche Bezeichnung dieser, von den klassischen Devisenoptionen („straight options“) abweichenden Optionskonstrukte existiert bislang noch nicht. Häufig werden diese synthetischen Produkte durch Kombination von Optionen unterschiedlicher Ausrichtungen (Long- respektive Short-Optionsposition) und/oder unterschiedlicher Optionstypen (Call- respektive Putoptionen) oder durch Kombination von Devisenoptionen mit Devisenforwards erzeugt. Im einzelnen können so Optionssonderformen unterschieden werden, die entweder ein Aufschieben der Prämienzahlungen bis zum Ausübungszeitpunkt („Deferred Premium Options“), einen völligen Wegfall der Prämienzahlungen („Zero Cost respektive Premium Options“), eine Verringerung der zu zahlenden Prämie („Debit Cost respektive Premium Options“) oder die Erzielung eines Prämienertrages („Credit Cost respektive Premium Options“) ermöglichen. Alle diese Möglichkeiten bedingen jedoch spezifische Pay-off-Profile, welche sich, im Vergleich zu den Pay-off-Profilen der klassischen Devisenoption, durch eine Beschränkung des möglichen Gewinnpotentials auszeichnen (MEHL 1991).
2.
Interne Modelle zur Analyse und Limitierung des Währungsrisikos
a)
Wechselkursverschiebungen als Ursache von Währungsrisiken
Als Währungsrisiko wird üblicherweise die Gefahr bezeichnet, dass das erzielte Ergebnis aufgrund von Geschäften, die den Übergang von einer Währung in eine andere erfordern, das erwartete Ergebnis unterschreitet (HÖLSCHER 1987a). Bei den angesprochenen Währungsübergängen kann es sich dabei einerseits um effektive Währungswechsel am Devisenkassabzw. Devisenterminmarkt handeln, bei denen schlagend werdende Währungsrisiken sowohl den Gewinn als auch die Liquidität belasten. Die hier angesprochenen Risiken können unter dem handelsbilanzorientierten Risikobegriff subsumiert werden. Andererseits können Devisenkursverschiebungen auch ausschließlich erfolgsrelevante Bewertungsverluste verursachen, welche im Rahmen marktwertorientierter Risikodetermination besprochen werden. Unabhängig davon, ob bei einer Fremdwährungstransaktion ein effektiver oder kalkulatorischer Währungsübergang stattfindet, liegt die Ursache für die Entstehung des Währungsrisikos in der Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Entwicklung der Wechselkurse. Aus dieser Ungewissheit resultiert auch die Bedeutung, die Risiken aus Fremdwährungsgeschäften zu erfassen und mit den bereits dargestellten Instrumenten zu steuern.
416
b)
Dimensionen der Risikoquantifizierung von Fremdwährungsgeschäften
(1)
Handelsbilanzorientierte Betrachtungsweise
(a)
Das Devisenkursrisiko
Ein Devisenkursrisiko entsteht für eine Bank grundsätzlich dann, wenn sie in ihrer Bilanz offene aktivische und/oder passivische Fremdwährungspositionen hält, d.h. wenn in ihrer Bilanz betragsmäßige Inkongruenzen zwischen aktivischen und passivischen Fremdwährungspositionen bestehen. Darüber hinaus muss sich der die jeweilige offene Fremdwährungsposition betreffende Wechselkurs für die Bank in einer ungünstigen Weise verändern. Im einzelnen entstehen nachteilige Wechselkursentwicklungen bei Fremdwährungsaktiva nur dann, wenn der zugrundeliegende Devisenkurs sinkt (Aufwertung der Inlandswährung respektive Abwertung der Auslandswährung) und somit auch die in inländischen Währungseinheiten ausgedrückten ausländischen Vermögens- respektive Forderungspositionen an Wert verlieren. Umgekehrt sind bei Fremdwährungspassiva Belastungen der Reingewinnspanne ausschließlich mit dem Anstieg des zugrundeliegenden Devisenkurses (Abwertung der Inlandswährung respektive Aufwertung der Auslandswährung) verbunden, da dann der Wert der in inländischen Währungseinheiten gemessenen Verpflichtung zunimmt. Neben Kursrisiken beinhalten Fremdwährungsgeschäfte für Finanzinstitute allerdings auch Kurschancen. Diese ergeben sich für Fremdwährungsaktiva immer dann, wenn der Wechselkurs steigt, und – vice versa – für Fremdwährungspassiva, wenn der Devisenkurs fällt. Im Ergebnis führt dies dazu, dass einerseits bei übereinstimmenden aktivischen und passivischen Fremdwährungspositionen Wertsteigerungen auf der einen Seite durch Wertminderungen auf der anderen Seite ausgeglichen werden, andererseits für die Höhe des Devisenkursrisikos respektive der Devisenkurschance nur die Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den Fremdwährungsaktiva und den Fremdwährungspassiva sowie die Richtung und das Ausmaß der Kursänderung (= Volatilität der zugrundeliegenden Devise) entscheidend sind.
Aktiva
Fremdwährungspositionen
Passiva
in Mio.
in Mio.
USD Darlehen
100
100
USD Termineinlagen
JPY Darlehen
200
300
JPY Schuldverschreibung
Abb. 268: Das Devisenkursrisiko bei Fremdwährungspositionen
Gleichen sich Aktiv- und Passivpositionen einer Währung aus, so bezeichnet man diese Positionen als „geschlossen“; umgekehrt wird – wie bereits oben ausgeführt – mit der Bezeichnung „offene Position“ ein entsprechendes Ungleichgewicht zwischen aktivischer und passivischer Fremdwährungsposition gekennzeichnet. Übersteigen bei einer offenen Position die aktivischen Fremdwährungspositionen die passivischen Positionen, so liegt ein aktivischer 417
Überhang oder eine Plus-Position vor; fallen die Aktivpositionen geringer aus als die Passivpositionen, dann besteht ein passivischer Überhang oder eine Minus-Position (HÖLSCHER 1987a). Die aktivischen und passivischen USD-Fremdwährungspositionen in Abbildung 268 heben sich mit je 100 Mio. USD gegenseitig auf, sind also geschlossen, während bei den JPY-Positionen ein passivischer Überhang zu erkennen ist. Bei einer Aufwertung der Heimwährung gegenüber dem JPY wird demnach für die Bank ein Bewertungsverlust aus dem Devisenkursrisiko eintreten. Abbildung 269 fasst noch einmal die Zusammenhänge von Devisenkursrisiken und -chancen sowie die Entwicklung des zugrundeliegenden Devisenkurses gemäß direkter Notierung zusammen. Überhang
Devisenkurs sinkt (Aufwertung) steigt (Abwertung)
Aktivisch Verlust Gewinn
passivisch Gewinn Verlust
Abb. 269: Devisenkursrisiken und -chancen offener Fremdwährungspositionen
(b)
Das Swapsatzrisiko
Neben dem Kursrisiko offener Währungspositionen kann eine weitere Komponente des Währungsrisikos relevant werden, wenn Devisenterminpositionen laufzeitmäßig nicht übereinstimmen: das Swapsatzrisiko. Zur Illustration des Swapsatzrisikos soll das bekannte Zahlenbeispiel dienen. Hierzu sei am 01.01.2001 beispielhaft von folgenden Fremdwährungspositionen ausgegangen: •
500 Mio. USD-Termin-Verbindlichkeiten per 01.01.2002
•
500 Mio. USD-Termin-Forderungen per 01.01.2003.
Die Devisenmarktkonditionen per 01.01.2001 sollen zusammenfassend nochmals dargestellt werden (vgl. Abb. 270): Kassakurs am 01.01.2001
(1)
Terminkurs am 01.01.2001
(2)
per 01.01.2002: 1,0630 EUR/USD
per 01.01.2003: 1,0530 EUR/USD
Swapsatz >0,t@
(1) - (2)
- 0,0102 EUR/USD
- 0,0202 EUR/USD
Impliziter Swapsatz >0,t@
1,0732 EUR/USD
1,0732 EUR/USD
- 0,0202 EUR/USD – (- 0,0102 EUR/USD) = - 0,01 EUR/USD
Abb. 270: Ausgangsdaten zur Ermittlung des Swapsatzrisikos
Obgleich beide Fremdwährungspositionen mit jeweils 500 Mio. USD betragsmäßig geschlossen sind und im laufenden Jahresergebnis kein Kursrisiko mehr schlagend werden kann, enthalten diese Positionen dennoch ein Swapsatzrisiko aufgrund ihrer zeitlichen Inkongruenz. Diese zeitliche Inkongruenz ist in Abbildung 271 dargestellt: Während die USD-Termin418
Verbindlichkeit bereits zum 01.01.2002 fällig wird, erstreckt sich die Laufzeit der USDTermin-Forderung bis zum 01.01.2003.
01.01.2001
01.01.2003
500 Mio. USD
Termin-Forderung
Termin-Verbindlichkeit
01.01.2002
- 500 Mio. USD
Offene Position
Abb. 271: Darstellung des Swapsatzrisikos
Eine Möglichkeit, die mit der Fälligkeit der USD-Termin-Verbindlichkeit auftretende offene Devisenposition vom 01.01.2002 bis zum 01.01.2003 bereits per 01.01.2001 abzusichern, besteht im Abschluss von zwei Termingeschäften im Sinne eines Aufbaus von Gegenpositionen. Zu diesem Zweck wird zur Immunisierung des Währungsrisikos der Terminverbindlichkeit ein Terminkauf von USD mit gleicher Laufzeit abgeschlossen. Das Währungsrisiko der Termineinlage kann mit einem Terminverkauf von USD mit gleicher Laufzeit aufgehoben werden. Der Terminkauf kostet die Bank dabei - 500 Mio. USD · 1,0630 EUR/USD = - 531,5 Mio. EUR. Der Terminverkauf demgegenüber bringt einen Erlös von 500 Mio. USD · 1,0530 EUR/USD = 526,5 Mio. EUR ein. Per Saldo entstehen Absicherungskosten in Höhe von - 5 Mio. EUR. Anstelle von zwei Termingeschäften hätte die Bank aber auch einen ForwardForward-Swap (buy-and-sell vom 01.01.2002 bis 01.01.2003) über 500 Mio. USD abschliessen können. Im gewählten Beispiel ergibt sich für den Forward-Forward-Swap ein sogenannter impliziter Swapsatz von -0,0202 EUR/USD – (- 0,0102 EUR/USD) = - 0,01 EUR/USD. Die erste Swapzahlung ergibt bei den unterstellten Devisenmarktkonditionen einen Swaperlös in Höhe von 500 Mio. USD · 0,0102 EUR/USD = 5,1 Mio. EUR, weil die Devisen per 01.01.2002 günstiger als zum Kassakurs erworben werden können. Die zweite Swapzahlung hingegen verursacht Swapkosten in Höhe von - 500 USD · 0,0202 EUR/USD = - 10,1 Mio. EUR. Insgesamt würden somit durch die Absicherung anhand eines Forward-Forward-Swaps wiederum - 5 Mio. EUR an Nettokosten anfallen, was auch der Multiplikation des impliziten Swapsatzes mit dem Volumen von 500 Mio. EUR entspricht. Um die möglichen Erfolgskonsequenzen einer erst per 01.01.2002 vorgenommenen Absicherung der Ursprungspositionen mit einem Spot-Forward-Swap darstellen zu können, müssen im Folgenden drei Szenarien unterschieden werden: (1) Konstanter USD-Kassakurs, 12-Monats-Swapsatz entspricht dem impliziten Swapsatz, (2) Veränderter USD-Kassakurs, 12-Monats-Swapsatz entspricht dem impliziten Swapsatz,
419
(3) Konstanter USD-Kassakurs, 12-Monats-Swapsatz weicht vom impliziten Swapsatz ab. Zu (1): Da am 01.01.2002 der Kassakauf zum unveränderten USD-Kurs in Höhe von 1,0732 EUR/USD durchzuführen ist, entsteht zunächst im Vergleich zur Forward-ForwardGlattstellung per 01.01.2001 ein Verlust in Höhe von - 5,1 Mio. EUR (= - 536,6 Mio. EUR – (- 531,5 Mio. EUR)). Auf der anderen Seite resultiert aus dem zeitgleich abgeschlossenen Devisenterminverkauf zum USD-Terminkurs von 1,0632 EUR/USD (= 1,732 EUR/USD + (- 0,01 EUR/USD)) ein Gewinn von ebenfalls 5,1 Mio. EUR (= 531,6 Mio. EUR – 526,5 Mio. EUR). Es wird deutlich, dass der per 01.01.2002 abgeschlossene Spot-Forward-Swap zwar andere EUR-Cash-Flows am 01.01.2002 und 01.01.2003 erzeugt als ein am 01.01.2001 kontrahierter Forward-Forward-Swap. Beide Swapalternativen führen dennoch in der Summe zu einem identischen Gesamt-Cash Flow (vgl. Abb. 272). 01.01.2001 Kassa- resp. Terminkurs (in EUR/USD) Glattstellung am 01.01.2002 (in Mio. EUR) Glattstellung am 01.01.2001 (in Mio. EUR) Differenz (in Mio. EUR) Saldo gegenüber der Ausgangslage (in Mio. EUR)
-
01.01.2002 01.01.2003 Kassakurs konstant: Terminkurs neu: 1,0732 1,0632 - 1,0732 · 500 Mio. 1,0632 · 500 Mio. = - 536,6 Mio. = 531,6 Mio. - 1,063 · 500 Mio. 1,053 · 500 Mio. = - 531,5 Mio. = 526,5 Mio. - 5,1 Mio.
+ 5,1 Mio. 0,0 Mio.
Abb. 272: Swapsatzrisiko einer zeitlich offenen Devisenposition bei konstantem Kassakurs und unverändertem impliziten Swapsatz
Zu (2): Anstatt wie unter (1) noch angenommen, soll der Kassakurs am 01.01.2002 nicht mehr 1,0732 EUR/USD sondern jetzt beispielsweise 1,09 EUR/USD betragen. Dies hat zur Folge, dass die zuvor aus dem USD-Kassakauf resultierende negative Cash-Flow-Differenz in Höhe von - 5,1 Mio. EUR nunmehr auf - 13,5 Mio. EUR (= - 545 Mio. EUR – (- 531,5 Mio. EUR)) ansteigt. Da aber der Swapsatz gegenüber dem impliziten Swapsatz vom 01.01.2001 unverändert geblieben ist, bedingt der Anstieg des Kassakurses um 0,0168 EUR/USD ebenfalls ein Ansteigen des relevanten Terminkurses um 0,0168 EUR/USD auf 1,08 EUR/USD (= 1,09 EUR/USD + (- 0,01 EUR/USD)) mit der Folge, dass auch in diesem Fall der - im Vergleich zum Szenario (1) - höhere Verlust in der ersten Swapzahlung durch einen entsprechenden Gewinn in Höhe von 13,5 Mio. EUR (= 540 Mio. EUR – 526,5 Mio. EUR) in der zweiten Zahlung kompensiert werden kann. Die Swapkosten des Glattstellungsswaps betragen, wie auch im ersten Beispiel, - 5 Mio. EUR (= (- 545 Mio. EUR) + 540 Mio. EUR), weshalb sich im Vergleich zur Ausgangssituation per Saldo nichts ändert (vgl. Abb. 273).
420
01.01.2001 Kassa- resp. Terminkurs (in EUR/USD) Glattstellung am 01.01.2002 (in Mio. EUR) Glattstellung am 01.01.2001 (in Mio. EUR) Differenz (in Mio. EUR) Saldo gegenüber der Ausgangslage (in Mio. EUR)
-
01.01.2002 01.01.2003 Kassakurs konstant: Terminkurs neu: 1,09 1,08 - 1,09 · 500 Mio. 1,0632 · 500 Mio. = - 545,0 Mio. = 540,0 Mio. - 1,063 · 500 Mio. 1,053 · 500 Mio. = - 531,5 Mio. = 526,5 Mio. - 13,5 Mio.
-
+ 13,5 Mio. 0,0 Mio.
Abb. 273: Swapsatzrisiko einer zeitlich offenen Devisenposition bei verändertem Kassakurs und unverändertem impliziten Swapsatz.
Zu (3): Wiederum den Fall eines unveränderten USD-Kassakurses unterstellt, resultiert - wie bereits unter (1) dargestellt - aus dem Kassateil des Spot-Forward-Swaps per 01.01.2002 eine Cash-Flow-Differenz zum Forward-Forward-Swap in Höhe von - 5,1 Mio. EUR. Hat sich nun aber zum 01.01.2002 aufgrund einer größeren Zinsdifferenz zwischen den beiden Währungen der periodenspezifische Swapsatz von - 0,01 EUR/USD (impliziter Swapsatz der Ausgangssituation) auf beispielsweise - 0,02 EUR/USD verändert, so kann aufgrund eines von 1,0632 EUR/USD auf 1,0532 EUR/USD (= 1,0732 EUR/USD + (- 0,02 EUR/USD)) gesunkenen USD-Terminkurses kein Gewinn mehr erzielt werden, welcher den Kassamarktverlust egalisieren kann (Opportunitätserfolg = 526,6 Mio. EUR – 526,5 Mio. EUR = 0,1 Mio. EUR). Die Folge ist eine gesamte Cash-Flow-Diffenz von - 5 Mio. EUR gegenüber der Ausgangslage. Die Swapkosten des am 01.01.2002 abgeschlossenen Glattstellungsswaps betragen dementsprechend - 10 Mio. EUR (= - 5 Mio. EUR + (-5 Mio. EUR)) (vgl. Abb. 274). 01.01.2001 Kassa- resp. Terminkurs (in EUR/USD) Glattstellung am 01.01.2002 (in Mio. EUR) Glattstellung am 01.01.2001 (in Mio. EUR) Differenz (in Mio. EUR) Saldo gegenüber der Ausgangslage (in Mio. EUR)
-
01.01.2002 01.01.2003 Kassakurs konstant: Terminkurs neu: 1, 0732 1, 0532 - 1,0732 · 500 Mio. 1,0532 · 500 Mio. = - 536,6 Mio. = 526,6 Mio. - 1,063 · 500 Mio. 1,053 · 500 Mio. = - 531,5 Mio. = 526,5 Mio. - 5,1 Mio.
+ 0,1 Mio. - 5,0 Mio.
Abb. 274: Swapsatzrisiko einer zeitlich offenen Devisenposition bei konstantem Kassakurs und verändertem impliziten Swapsatz.
Das Swapsatzrisiko stellt demnach die Gefahr dar, dass sich – aus heutiger Sicht – der Swapsatz in der Weise verändert, dass sich der Erfolg einer nachträglichen Schließung der offenen Terminposition verschlechtert. In den drei erläuterten Fällen wurden aus Vereinfachungsgründen die aus den zum 01.01.2002 möglichen Differenzinvestitionen resultierenden Refinanzierungs- bzw. Wieder421
anlageeffekte vernachlässigt. Vergleicht man beispielsweise die aus dem Forward-ForwardSwap und dem Spot-Forward-Swap resultierenden Cash Flows, so ergeben sich am 01.01.2002 und am 01.01.2003, wie bereits erörtert wurde, die in den Abbildungen 272 bis 274 und 275 dargestellten Cash Flow-Differenzen. Diese Cash Flow-Differenzen stimmen in ihrer absoluten Höhe völlig überein. Deshalb wurde bislang vereinfachend erklärt, dass beide Swap-Varianten den gleichen Erfolg erbringen. Tatsächlich müssten aber diese Cash FlowDifferenzen mit berücksichtigt werden, da sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, Zinseffekte nach sich ziehen und damit zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Um beide Seiten miteinander vergleichen zu können, müssten prinzipiell die Auszahlungsbeträge am 01.01.2002 in Einklang gebracht werden. Da aber, wie in Abbildung 275 dargestellt, der Forward-Forward-Swap im ersten Szenario zu einer um 5,1 Mio. EUR höheren Auszahlung führt, ist durch eine Kreditaufnahme in Höhe von 5,1 Mio. EUR eine entsprechende Einzahlung zu generieren. Damit ist eine Kreditrückzahlung am 01.01.2003 verbunden, die sich aus dem Kreditbetrag von 5,1 Mio. EUR und einer hierauf zu leistenden Zinszahlung von im Beispiel 0,235 Mio. EUR (bei angenommenen 5 %) zusammensetzt, die bislang außer Acht gelassen wurde. Spot-Forward-Swap und Forward-Forward-Swap würden also unter Berücksichtigung dieser Effekte bei den im Beispiel vorgegebenen Swap-Sätzen nicht mehr übereinstimmen. Der Spot-Forward-Swap führt trotz der unterstellten Identität von implizitem und tatsächlich realisiertem Swap-Satz bei gleichbleibendem Kassakurs zu einem Ergebnisnachteil in Höhe der Zinszahlung von 0,235 Mio. EUR. Eine erfolgsneutrale Situation bei unterstellter Schließung der offenen Währungsposition nach einem Jahr hätte sich nur dann eingestellt, wenn der Kassakurs am 01.01.2002 dem einjährigen Terminkurs am 01.01.2001 entsprochen hätte und der implizite Swapsatz konstant geblieben wäre.
Cash Flow des Spot-ForwardSwaps (Absicherung am 01.01.2002; Szenario (1)) Cash Flow des ForwardForward-Swaps (Absicherung am 01.01.2001) Cash Flow Differenz Kreditaufnahme der Cash FlowDifferenz zu 5 % p.a. Saldo aus Kreditaufnahme und Cash Flow-Differenz
01.01.2001
01.01.2002
-
- 1,0732 · 500 Mio. = - 536,6 Mio.
1,0632 · 500 Mio. = 531,6 Mio.
-
- 1,063 · 500 Mio. = - 531,5 Mio.
1,053 · 500 Mio. = 526,5 Mio.
-
= - 5,1 Mio.
-
01.01.2003
= 5,1 Mio. - 5,1 Mio. · (1 + 5 %) + 5,1 Mio. = - 5,335 Mio. 0,0 Mio.
- 0,235 Mio.
Abb. 275: Berücksichtigung von Barwerteffekten bei der Bestimmung des Swapsatzrisikos
Ergänzend zum oben definierten Swapsatzrisiko kann unter Berücksichtigung der in Abbildung 275 durchgeführten Analyse festgehalten werden, dass ein Swapsatzrisiko immer dann auftritt, wenn für identische Betrachtungsperioden durch eine spätere Glattstellung der Grundgeschäfte im Vergleich zur Glattstellung zum ursprünglichen Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses zusätzliche Swapkosten entstehen oder sich die ursprünglich erwarteten Swaperlöse vermindern.
422
Transaktion Szenario
' Swapstellen
buy-and-sell
sell-and-buy
ZB-AF-Quotient nimmt ab
Report
Erlös
Kosten
Deport
Kosten
Erlös
Report
Erlös
Kosten
Deport
Kosten
Erlös
ZB-AF-Quotient nimmt zu
= (Opportunitäts-) Verlust Abb. 276: Bedingungskonstellationen für die Entstehung von Swapsatzrisiken
Aus der bereits erörterten und für die Berechnung von Swapsatzrisiken aufgestellten Gleichung Swapsatz
TK KK
§ ZB AFD >0, n @ · ¨¨ 1¸¸ KK © ZB AFR >0, n @ ¹
mit: KK = Kassakurs; ZB-AF = Zerobond-Abzinsfaktor
wird deutlich, dass der Eintritt eines Swapsatzrisikos nicht nur vom zur Schließung zeitlich offener Devisenpositionen nötigen Forwardgeschäft abhängt, sondern auch entscheidend davon, ob der betreffende, aus dem Verhältnis der länderspezifischen Zerobond-Abzinsfaktoren gebildete ZB-AF-Quotient zu- oder abnimmt (vgl. Abb. 276). So erleidet eine Bank im Rahmen der direkten Devisennotierung immer dann einen Opportunitätsverlust, wenn bei einem buy-and-sell-Swap der ZB-AF-Quotient sinkt. Wird eine Währung per Termin mit einem Report (ZB-AF-Quotient > 1) gehandelt, sinkt im Vergleich zur Ausgangssituation der zu erzielende Swaperlös. Bei einem Deport (ZB-AF-Quotient < 1) steigen die einem Devisenforward zuzuordnenden Swapkosten. In Fällen, in denen der ZB-AF-Quotient zunimmt, sind mit dem Abschluss von sell-and-buy-Swaps entsprechende Opportunitätsverluste verbunden. Dabei erhöhen sich bei einem zunehmenden Report die Swapkosten, während aus einem abnehmenden Deport sinkende Swaperlöse resultieren. In allen anderen Fällen werden aufgrund von Swapsatzänderungen entsprechende Swapsatzchancen realisiert. Darüber hinaus führen auch Veränderungen des Kassakurses zu Veränderungen des Swapsatzes. Je nachdem in welche Richtung die für die Denominations- oder Referenzwährung relevanten Zinsen und Kassakurse sich bewegen, können sich die Auswirkungen auf den Swapsatz in ihrem kumulativen Gesamteffekt verstärken oder kompensieren. Es soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass die Interpretation bei indirekter Notierung meist umgekehrt verläuft. Ein Report im Rahmen der direkten Notierung beispielsweise stellt bei der direkten Notierung ein Deport dar. Während die beiden Notierungen ineinander über423
führt werden können, indem der reziproke Wert der Ausgangsnotierung genommen wird, ist die Überführung bei Swapsätzen oder gar impliziten Swapsätzen nicht so einfach. Diese müssen aus den jeweiligen Kassa- und Terminkursen neu berechnet werden. Abschließend ist anzumerken, dass gemäß der o.g. Swapsatzgleichung ein wesentlicher Teil des Swapsatzrisikos von der Veränderung der länderspezifischen Zinssätze abhängt. Abweichend von der klassischen Zuordnung zum Währungsrisiko wäre es deshalb durchaus sinnvoll, diesen Teil des Swapsatzrisikos unter dem Zinsänderungsrisiko zu subsumieren. (2)
Marktwertorientierte Betrachtungsweise
(a)
Modellierung der Marktwertrisikoparameter
Im vorangegangenen Abschnitt wurde dargestellt, wie sich im Rahmen des klassischen, jahresergebnisorientierten Risikomanagements Währungsrisiken quantifizieren lassen. Diese ausschließlich periodisch ausgelegte Sichtweise kann allerdings nur bedingt den Anforderungen an moderne Risikomanagementsysteme gerecht werden. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt (vgl. S. 16 ff.), sollten zur Bewertung bzw. Performancebestimmung von Finanzinstrumenten und Marktstrategien zusätzlich oder sogar ausschließlich marktwertbasierte Kalkulationskonzepte zum Einsatz kommen. Darauf aufbauend sind für ein integriertes Risikomanagement entsprechende Verfahren zu entwickeln, mit denen sich das dem Value at Risk entsprechende potentielle Verlustrisiko im Marktwert aktuell gehaltener Positionen quantifizieren und steuern lässt (NOLTE 1997). Negative Ergebnisveränderungen können sich dabei zum einen aus währungsinduzierten und zum anderen aus zinsinduzierten Effekten ergeben. Dabei stellen währungsinduzierte Risiken ergebnismindernde Schwankungen des Devisenkurses dar. Demgegenüber beinhalten die zinsinduzierten Risiken alle Erfolgsminderungen, die aus den Veränderungen der am Markt gültigen Zinsstrukturen und den damit einhergehenden Barwertschwankungen resultieren. Wie sich Marktwertrisiken währungsübergreifend im Portfoliokontext kalkulieren lassen, sei im Folgenden anhand eines vereinfachenden Beispiels erläutert. In einem ersten Schritt ist festzulegen, wie die zukünftigen Marktparameterveränderungen modelliert werden sollen. Zur Erläuterung der hier gewählten Methodik soll die Zeitreihe der für eine GBP-Anlage relevanten ZB-Abzinsfaktoren für Restlaufzeiten von fünf Jahren ZB-AFGBP[0,5] im Zeitraum zwischen 05.02.1997 und 05.02.2001 herangezogen werden (vgl. Abb. 277). Die täglichen Veränderungen, die dem nach dem Grundmodell (vgl. S. 76 ff.) zu definierenden Risikoparameter entsprechen, sollen durch den logarithmierten Quotienten aus dem aktuellen ZBAbzinsfaktor und dem jeweiligen Vortageswert quantifiziert werden: RPZB AF
(stetige) Veränderungsrate der ZB AF
§ ZB AFGBP >0,5@t · ¸¸ LN¨¨ © ZB AFGBP >0,5@t 1 ¹
Die Wahrscheinlichkeitsdichte, d.h. die relative Häufigkeit, mit der die beobachteten Veränderungsraten RP im Erhebungszeitraum auftraten, lässt sich aus der Balkengraphik in Abbildung 277 entnehmen. Zur Risikoquantifizierung soll eine Normalverteilung verwendet wer424
den, die denselben Mittelwert EW(RP) und dieselbe Standardabweichung STD(RP) besitzt wie die historischen Veränderungsraten im ZB-Abzinsfaktor ZB-AFGBP[0,5] (approximierende Normalverteilung). Unter der Annahme, dass sich der entsprechende ZB-Abzinsfaktor genauso verhalten wird wie in der Vergangenheit, lassen sich auf der Basis der Normalverteilungshypothese Eintrittswahrscheinlichkeiten für bestimmte definierte Schwankungsbreiten ableiten. Sollen z.B. lediglich 0,26 % der normalverteilten Veränderungsraten außerhalb des definierten „Schwankungsbandes” liegen, so ergibt sich bei einem Z-Wert von 3 ein kritischer, der Risikomesszahl RMZ entsprechender, Schwankungswert von 3 · STD(RP). Legt man die kritische Veränderungsrate auf das 3-fache der jeweiligen Standardabweichungen fest, so bedeutet dies, dass abstrahiert von Marktwerteffekten aufgrund von Restlaufzeitverkürzungen eine Marktwertverschlechterung über den kritischen Wert hinaus lediglich mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,13 % auftreten sollte.
Feb 97
8
Feb 98
Feb 99
Feb 00
Feb 01
0,05 7
0,025
0 6 -0,025 5 Feb 97
§ ZB AFGBP >0,5@t · ¸¸ ln¨¨ © ZB AFGBP >0,5@t 1 ¹
ZB-AFGBP[0,5] Feb 98
Feb 99
Feb 00
Feb 01
-0,05
Tägliche Veränderungsraten des fünfjährigen ZerobondAbzinsfaktorsGBP [0,5] zwischen dem 05.02.1997 und dem 05.02.2001
Wahrscheinlichkeitsdichte und approximierende Normalverteilung
- 0,02
- 0,01
0
0,01
0,02
Abb. 277: Ableitung einer approximierenden Normalverteilung aus der historischen Wahrscheinlichkeitsdichte der logarithmierten täglichen Veränderungsraten des ZB-Abzinsfaktors für 5-jährige Restlaufzeiten in GBP
Neben diesen zinsinduzierten Risikoeffekten sind für Fremdwährungsgeschäfte selbstverständlich die währungsinduzierten Risikoeffekte von besonderer Bedeutung. Letztere lassen 425
sich erfassen, indem als Risikoparameter die (stetige) Veränderungsrate eines Kassadevisenkurses untersucht wird. Es gilt: § KDK t · ¸¸ RPKDK = (stetige) Veränderungsrate des Kassadevisenkurses = LN ¨¨ © KDK t 1 ¹ mit: LN = natürlicher Logarithmus; KDK = Kassadevisenkurs; RP = Risikoparameter
Um Aussagen über das potentielle Marktwertrisiko eines aus mehreren Geschäften zusammengesetzten Portfolios treffen zu können, sind zunächst die aus den Einzelgeschäften resultierenden Cash Flows zu aggregieren. Daraus ergeben sich für die Zukunft zahlungszeitpunktbezogene Cash Flows, die im Folgenden als Einzelpositionen bezeichnet werden. Diese Einzelpositionen sind anschließend vor dem Hintergrund des zinsinduzierten und des davon zu trennenden währungsinduzierten Risikos mit Hilfe der Veränderungsraten individueller ZB-AF sowie der Veränderungsrate des relevanten Kassadevisenkurses zu bewerten. Für das Zinsänderungsrisiko wird die aus der Schwankung der Zerobond-Abzinsfaktoren die Barwertschwankung jeder Einzelposition abgeleitet, wobei der Einzelpositionsbarwert sich aus der Multiplikation des mit Hilfe des Kassadevisenkurses in die Referenzwährung umgerechneten Einzelpositionswertes bestimmt. Zur Quantifizierung des Währungsrisikos wird die potentielle Schwankung des Kassadevisenkurses mit dem Gesamtbarwert aller in die Referenzwährung umgerechneten Einzelpositionen verknüpft. Über die Korrelationskoeffizientenmatrix der entsprechenden Risikoparameter ergibt sich schließlich das Gesamtrisiko eines auf eine einzige Währung lautenden Währungsportfolios. Bei der Risikoquantifizierung von Fremdwährungsportfolios sind demnach als Risikoparameter stets die Veränderungsraten der für die jeweiligen Cash Flows relevanten ZB-AF sowie die Veränderungsrate des Kassadevisenkurses relevant. Gemäß der standardisierten Vorgehensweise im Grundmodell zeigt sich also: währungsinduzierter Risikoeffekt RPKK = Veränderungsrate des Devisenkurses RMZKK = STD(RPKK) · r Z-Wert RFKK = eRMZ – 1 RVKDK = Summe der Barwerte der Einzelpositionen in Referenzwährung VaRKK = RFKK · RVKK
zinsinduzierter Risikoeffekt RPZB-AF = Veränderungsrate des ZerobondAbzinsfaktors RMZZB-AF= STD(RPZB-AF) · r Z-Wert RFZB-AF = eRMZ – 1 RVZB-AF = Barwert der Einzelposition in Referenzwährung VaRZB-AF = RVZB-AF · RFZB-AF
Abb. 278: Analytisches Vorgehen für der Berechnung des VaR bei währungs- und zinsinduziertem Risikoeffekt
Diese Vorgehensweise soll anhand eines aus zwei Positionen (A und B) bestehenden Portfolios veranschaulicht werden, wobei die Positionen zwei unterschiedliche Zahlungszeitpunkte aufweisen. Zur Ermittlung der Barwerte dieser Positionen sind der ZB-AF A mit dem Einzelpositionswert A und der ZB-AF B mit dem Einzelpositionswert B zu multiplizieren. Der Gesamtbarwert folgt aus der Addition dieser beiden Werte. Zur Bestimmung des Zinsrisikos wird der Barwert der Position A (B) mit der Schwankung des ZB-AFA[0,n] (ZB-AFB[0,n]) verknüpft. Das Währungsrisiko folgt aus der Verknüpfung des Gesamtbarwertes mit der 426
Schwankung des Kassadevisenkurses. Der Bezug auf den Gesamtbarwert erfordert lediglich eine einmalige Währungsrisikoberechnung. Alternativ dazu ließe sich das Währungsrisiko auch berechnen, indem der Barwert jeder Einzelposition bezüglich der Kassadevisenkursschwankung untersucht wird. Für die Berechnung des Portfolio Value at Risk bestehend aus Long- und Short-Positionen müssen zwei Szenarien berechnet werden, da die Gefahr in der Regel sowohl in sinkenden als auch in steigenden Risikoparametern bestehen kann (vgl. S. 84 f.). Ansonsten reicht ein Szenario, in welchem mit einem positiven oder negativen Z-Wert gerechnet wird, je nachdem, ob das Risiko in einem negativen oder positiven Z-Wert begründet liegt. Der Portfolio Value at Risk berechnet sich demnach für zwei Long- resp. Short-Positionen A und B gemäß folgender Formel:
>VaR VaR Gesamt
BW A RP ZB AFA
B VaR BW RP ZB AFB
ª 1 « «KOR ZBAFB ,ZBAFA « KOR KK,ZBAFA ¬
A ;B VaR BW RP KK
KOR ZBAFA ,ZBAFB 1 KOR KK ,ZBAFB
@ KOR ZBAFA ,KK º » KOR ZBAFB ,KK » » 1 ¼
º ªVaR BW A RP ZBAFA » « BW B » «VaR RP ZBAFB » « » «VaR BW A;B RP KK ¼ ¬ mit: A, B = Einzelpositionen; BW = Barwert der Einzelpositionen bzw. Gesamtbarwert; KK = Kassadevisenkurs; KOR = Korrelation; RP = Risikoparameter; ZB-AF = Zerobond-Abzinsfaktor
(b)
Kalkulation des Marktwertrisikos von Währungsportfolios
Die im vorangegangenen Abschnitt erläuterten Grundsätze der Kalkulation von Marktwertrisiken sollen nun anhand der in Abbildung 279 dargestellten Positions-, Markt- und Risikodaten für ein Mehrwährungsportfolio schrittweise erläutert werden. Es sei angenommen, dass ein Finanzinstitut per 01.01.2001 aus dem Devisenkassahandel Positionen in der Höhe von + 200.000 GBP und - 150.000 GBP sowie Terminfälligkeiten über - 300.000 GBP per 01.01.2002 und + 250.000 GBP per 01.01.2003 besitzt. Zuerst sind sämtliche Fremdwährungspositionen mit den aktuellen Kassakursen sowie den fristenkongruenten ZB-Abzinsfaktoren in EUR-Marktwerte umzurechnen. Die auf diese Weise ermittelten Marktwerte bilden die Basis der Kalkulation unkorrelierter, zinsinduzierter Marktwertrisiken der Einzelpositionen, die sich in den Einzelbeträgen des Marktwertrisikovektors wiederfinden. Für die ermittelten Nettobeträge je Fremdwährung werden danach die einzelnen, auf potentielle Kassakursveränderungen zurückzuführenden Marktwertverluste ermittelt und als weitere Komponenten in den Marktwertrisikovektor eingestellt.
427
Im unterstellten Beispiel soll die Standardabweichung der logarithmierten täglichen Veränderungsraten des GBP-Zerobond-Abzinsfaktors für 1-jährige Restlaufzeiten 0,00046 betragen. Als Z-Wert soll der Faktor 3 verwendet werden, was einem Konfidenzniveau von 99 % entspricht. Somit lässt sich am 01.01.2001 die Aussage treffen, dass der ZB-AFGBP[0,1] am 02.01.2001 mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,74 % zwischen 0,94679 · e (-0,00046 · 3) = 0,94548 und 0,94679 · e (0,00046 · 3) = 0,94809 liegen wird. Fälligkeit Spot 1 Jahr 2 Jahre KassakursEUR/GBP ZB-AFGBP[0,1] ZB-AFGBP[0,2] KKEUR/GBP
GBPLongpositionen 200.000
GBPShortpositionen - 150.000 - 300.000
GBP-Zins
5,62 % 5,73 %
250.000 1,5855 STD 0,00046 0,00092 0,00546
Korrelationen ZB-AFGBP[0,2] 0,856 1 - 0,079
ZB-AFGBP[0,1] 1 0,856 - 0,076
ZB-AFGBP[0,n]
0,94679 0,89449
KKEUR/GBP - 0,076 - 0,079 1
Abb. 279: Positions- und Risikodaten zur Berechnung des Marktwertrisikos eines Währungsportfolios mit: ZB-AF = Zerobond-Abzinsfaktor; KK = Kassakurs; STD = Standardabweichung
Da im Beispiel sowohl Short- als auch Long-Positionen in die Value at Risk Berechnung einfliessen, muss mit zwei Szenarien gerechnet werden. Dementsprechend wird jeder Value at Risk auf Basis eines positiven und eines negativen Z-Wertes berechnet. Für die Auszahlung von 300.000 GBP (Short-Position) ergibt sich für einen positiven Z-Wert ein dem Value at Risk entsprechendes und in EUR bewertetes, zinsinduziertes Marktwertrisiko zu: - 300.000 GBP 0,94679 1,5855
EUR 0,00046 3 e 1 GBP
- 621,90 EUR
für einen negativen Z-Wert errechnet sich ein zinsinduziertes Marktwertrisiko gemäß:
- 300.000 GBP 0,94679 1,5855
EUR 0,00046 - 3 e 1 GBP
621,04 EUR
Es besteht somit unter den getroffenen Modellannahmen lediglich eine 0,13 % - Wahrscheinlichkeit, dass der Marktwert aufgrund von Änderungen im fristenkongruenten ZerobondAbzinsfaktor täglich um mehr als 621,90 EUR abnimmt. Bei der zweiten Terminposition über 250.000 GBP handelt es sich um eine in einem Jahr fällige Long-Position, für die sich das folgende zinsinduzierte Marktwertrisiko bei positivem ZWert berechnen lässt: 250.000 GBP 0,89449 1,5855
EUR 0,00092 3 e 1 GBP
Für einen negativen Z-Wert ergibt sich als Value at Risk: 428
979,92 EUR
250.000 GBP 0,89449 1,5855
EUR 0,00092 - 3 e 1 GBP
- 977,22 EUR
Es ist deshalb ein negativer Z-Wert zu berücksichtigen, weil das Risiko bei der Long-Position in steigenden Zinsen und damit eines negativen Risikoparameters „Veränderungsrate des zweijährigen Zerobond-Abzinsfaktors“ liegt. Zur Ermittlung des währungsinduzierten Marktwertrisikos ist, wie oben bereits erläutert, der Nettomarktwert mit den entsprechenden Risikokoeffizienten zu multiplizieren. Für das Beispiel in Abbildung 279 ergibt sich eine Short-Position in GBP. Der Value at Risk bei unterstelltem positiven Z-Wert ist dann: § - 300.000 0,94679 · ¸ ¨ 0,00546 3 1 ¨ 250.000 0,89449 ¸ 1,5855 e ¸ ¨ 50.000 ¹ ©
- 272,70 EUR
268,27 EUR
und bei negativem Z-Wert: § - 300.000 0,94679 · ¸ ¨ 0,00546 - 3 1 ¨ 250.000 0,89449 ¸ 1,5855 e ¸ ¨ 50.000 ¹ ©
Der Risikovektor der Marktwerte – bestehend aus zwei Zins- und einer Währungsrisikokomponente, die jeweils den einzelnen Value at Risk-Werten entsprechen – lautet somit für das Szenario 1: VaR = [- 621,90 + 979,92 - 272,70] und für das Szenario 2: VaR = [+ 621,04 - 977,22 + 268,27] Insgesamt ergibt sich somit ein undiversifiziertes Marktwertrisiko, indem alle negativen Value at Risk (die ein Risiko verkörpern) zusammengezählt werden, in der Höhe von - 1871,82 EUR. Durch diesen summarischen Risikoausweis wird allerdings unterstellt, dass die einzelnen Risikoparameter, d.h. die Veränderungsraten der Zerobond-Abzinsfaktoren und jene der Wechselkurse sich so verändern, dass das Risiko maximiert wird. Im betrachteten Beispiel würde dies also heißen, dass der einjährige Zerobond-Abzinsfaktor steigt, während der zweijährige sinkt und der Kassakurs aufgrund der Short-Position steigt. Dies stellt jedoch eine unzulässige Vereinfachung dar. Bei der Bestimmung des Portfoliorisikos müssen vielmehr die paarweisen Korrelationen (vgl. für das Beispiel Abbildung 279) berücksichtigt werden. Der Value at Risk des Fremdwährungsbeispiels beträgt im Szenario 1:
429
VaR Gesamt
>- 621,9
979,92
ª1 ««0,856 «¬- 0,076
0,856
- 272,7@
- 0,076º 1 - 0,079»» »¼ = 628,09 EUR - 0,079 1
ª- 621,9 º ««979,92 »» ¬«- 272,7 ¼»
Für das Szenario 2 ergibt sich ein Value at Risk in der Höhe von:
VaR Gesamt
>- 621,04
- 977,22
ª 1 «« 0,856 «¬- 0,076
0,856 1 - 0,079
268,27@ - 0,076º - 0,079 »» »¼ = 624,9 EUR 1
ª 621,04 º ««- 977,22 »» «¬ 268,27 »¼
Im Falle positiver Veränderungen der Risikoparameter ergibt sich ein Value at Risk für das Fremdwährungsportfolio in der Höhe von 628,09 EUR. Das heißt, dass das betrachtete Portfolio im ersten Szenario mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % innerhalb einer eintägigen Haltedauer nicht mehr als 628,09 EUR an Wert verlieren wird. Dem steht ein Value at Risk bei sinkenden Risikoparametern in der Höhe von 624,9 EUR gegenüber. Da aus Vorsichtsgründen der höhere der beiden Werte betrachtet werden sollte, beträgt das Marktwertrisiko über alle vier Fremdwährungspositionen 628,09 EUR. Wie obige Rechnung verdeutlicht, ist das Marktwertrisiko des Portfolios geringer als die Summe der isolierten Einzelrisiken. Insgesamt beläuft sich der risikoreduzierende Effekt im Beispiel auf beachtliche 1.246,43 EUR, was nicht zuletzt auf die Kombination von Long- und Shortpositionen zurückzuführen ist, welche aufgrund unterschiedlicher Vorzeichen in die Berechnung eingehen.
c)
Instrumente zur Steuerung des Währungsrisikos
Auch für die Steuerung von Währungsrisiken lassen sich Risikooptimierungs- und Risikolimitierungsstrategien unterscheiden. In den vorherigen Abschnitten wurde bereits herausgearbeitet, dass Fremdwährungspositionen neben dem Währungsrisiko grundsätzlich eng mit Zinsänderungsrisiken verbunden sind. Insofern kann zumindest für den zinsrisikoinduzierten Teil auf die im Zusammenhang mit dem Zinsänderungsrisiko erörterten Risikooptimierungsstrategien verwiesen werden (vgl. S. 349 ff.). Da jedoch die Entwicklungen von Kassadevisenkursen zumindest indirekt sowohl von den jeweiligen ausländischen als auch von den inländischen Zinssätzen abhängig sind, müssen diese bislang eindimensionalen, auf inländische 430
Zinsentwicklungen beschränkten Risikooptimierungsstrategien um die Dimension ausländischer Zinsentwicklungen ergänzt werden. Für ein aus USD-Terminpositionen bestehendes Portfolio kann dies bedeuten, dass die Erwartung sinkender Zinsen am amerikanischen Markt zunächst die Erhöhung der Marktwertreagibilität aktivischer Positionen erfordert. Sofern das Fremdwährungsportfolio am inländischen Geld- und Kapitalmarkt refinanziert wurde und für den inländischen Markt steigende Zinsen erwartet werden, wäre gleichzeitig aufgrund der Zweidimensionalität des zinrisikobezogenen Entscheidungsproblems - und damit über die eindimensional betrachteten Risikooptimierungsstrategien beim Zinsänderungsrisiko hinausgehend - die Reagibilität der Passiva zu erhöhen. Schließlich ist die Problematik währungsrisikobehafteter Portfolios um die Entwicklung der Devisenkurse als dritte Problemdimension zu ergänzen. Die Erwartung steigender Devisenkurse würde grundsätzlich den Aufbau aktivischer Fremdwährungspositionen erfordern, während die Erwartung sinkender Devisenkurse die Hereinnahme passivischer Positionen mit sich bringt. An dieser Stelle wird jedoch die besondere Problematik der Fremdwährungsgeschäfte deutlich: Steigende Devisenkurse sind häufig mit steigenden ausländischen Zinssätzen verbunden. Letztere führen jedoch hinsichtlich aufgebauter Aktivpositionen zu einem Kurswertverfall. Insofern können sich unter Umständen die Effekte aus schwankenden Devisenkursen und zinsrisikoinduzierten Marktwertveränderungen kompensieren. Erschwerend kommt hinzu, dass die Entwicklung von Devisenkursen selbstverständlich nicht ausschließlich von internationalen Zinsstrukturen abhängig ist, sondern eine Vielzahl binnen- und außenwirtschaftlicher Faktoren sich devisenkursbeeinflussend auswirken können. Damit wird deutlich, dass Risikopotimierungsstrategien im Bereich der Währungsrisiken einen besonders komplexen Entscheidungsbereich darstellen. Dabei sind grundsätzlich die kumulativen Effekte des dreidimensionalen und aus •
der inländischen Zinsentwicklung,
•
der ausländischen Zinsentwicklung und
•
der von den verschiedensten Faktoren abhängigen Devisenkursentwicklung
bestehenden Entscheidungsfeldes in den Kalkül einzubeziehen. Im Rahmen der Risikolimitierungsstrategien zur Begrenzung von Währungsrisiken existiert mittlerweile eine Vielzahl an Sicherungsinstrumenten, welche zu Beginn des Kapitels bereits ausführlich dargestellt wurden. Grundsätzlich kann eine Sicherung offener Devisenpositionen durch Transaktionen auf dem Devisenkassa- sowie auf dem Devisenterminmarkt erfolgen. Im Folgenden soll der potentielle Einsatz der einzelnen Instrumente zur Absicherung von Währungsrisiken verdeutlicht werden. Dabei wird die vorgenommene Unterscheidung in klassische und moderne Devisenhandelsinstrumente beibehalten.
431
(1)
Absicherung mit Hilfe klassischer Währungsinstrumente
Zur Erläuterung der Kurssicherung über den Devisenkassamarkt soll von folgenden Fremdwährungspositionen ausgegangen werden (Stichtag: 01.01.2001): •
Forderung über 100 Mio. USD, fällig am 30.06.2001 sowie
•
Verbindlichkeit über 40 Mio. USD, fällig am 31.12.2001.
Um die offene aktivische Fremdwährungsposition in Höhe von 60 Mio. USD (100 Mio. USD - 40 Mio. USD) bis zum 30.06.2001 schließen zu können, wird im Folgenden eine USDPosition dergestalt aufgebaut, dass bei einem zum 30.06.2001 eventuell erfolgten USDVerfall der eingetretene Kursverlust aus der aktivischen Devisenposition durch einen entsprechenden Kursgewinn in der kurssichernden Position kompensiert wird. Möglich ist dies dadurch, dass auf dem Devisenkassamarkt eine entsprechende Shortposition eingegangen wird, d.h. dass am 01.01.2001 60 Mio. USD verkauft werden müssen. Ist nun der USD-Kurs zum 30.06.2001 gesunken, so müsste zwar ein Verlust in der aktivischen Devisenposition hingenommen werden, da der in EUR gemessene Vermögenswert gesunken ist; gleichzeitig würde jedoch ein Gewinn in der hedgenden Shortposition erzielt, weil der in EUR ausgedrückte Gegenwert der zu tilgenden Fremdwährungsschuld ebenfalls gesunken ist. Da die absoluten Wertveränderungen von abzusichernder USD-Forderung und hedgender USD-Kassaposition bei USD-Kursveränderungen stets gleich hoch sind, entspricht im Falle eines USDKursverfalls das Kursrisiko in der Netto-Longposition aus den Ursprungsgeschäften exakt der Kurschance in der Shortposition am Kassamarkt. Umgekehrt würde aber auch im Falle einer USD-Kurssteigerung die Kurschance der Netto-Forderung genau dem Kursrisiko in der hedgenden Kassaposition entsprechen. Unabhängig von der eintretenden USD-Kursentwicklung wird somit stets eine Kurssicherung erzielt werden können. Da die abzusichernde USDForderung und der kurssichernde Kassaverkauf ein gegenläufiges und in ihrem absoluten Ausmaß identisches „Preisverhalten“ aufweisen, kann von einer „perfekten“ Absicherung („Perfect Hedge“) gesprochen werden. Selbstverständlich gelingt mit obiger Hedgetransaktion lediglich eine vorübergehende Schließung der offenen Devisenposition. Am 30.06.2001 wird die Forderung über 100 Mio. USD fällig, so dass aus der Summe aus effektiver Devisenkassaposition aus dem ursprünglichen Hedgegeschäft über 60 Mio. USD und der Terminverbindlichkeit über 40 Mio. USD fällig am 31.12.2001 eine neue offene passivische Position in Höhe von 100 Mio. USD entsteht. Diese könnte dann ebenfalls über den Devisenkassamarkt kursgesichert werden, indem - nun umgekehrt zur Absicherung der ursprünglichen Nettoforderung ein Kassakauf von 100 Mio. USD gegen EUR getätigt wird. Um bereits zum 01.01.2001 sowohl betragsmäßige als auch zeitliche Inkongruenzen beseitigen zu können, muss ein fristenkongruentes Hedging für jede Einzelposition durchgeführt werden. Diese Alternative zu Hedging-Transaktionen am Kassamarkt wird für gewöhnlich über den Devisenterminmarkt abgewickelt. Eine Möglichkeit besteht beispielsweise darin, am 01.01.2001 gegen EUR sowohl einen Outright-Verkauf über 100 Mio. USD fällig am 30.06.2001 als auch einen Outright-Kauf über 40 Mio. USD fällig am 31.12.2001 abzuschließen. Eine andere – bei Vollkommenheit der Märkte Cash-Flow-identische – Möglichkeit besteht im gleichzeitigen Abschluss eine Forward-Forward-Swaps (sell-and-buy) über 40 Mio. USD vom 30.06.2001 432
bis zum 31.12.2001 und eines Outright-Verkaufes über 60 Mio. USD fällig am 30.06.2001. Grundsätzlich können Devisenforward-Geschäfte auf jeden abzusichernden Betrag abgeschlossen werden. Häufig ist jedoch ein bestimmtes Mindestvolumen erforderlich, welches üblicherweise bei einer Größenordnung von 1 Mio. USD oder dem Gegenwert dieses Betrages in anderer Währung liegt. Gehandelt werden alle Währungen sowohl gegen Landeswährung als auch untereinander. Das Marktinteresse konzentriert sich grundsätzlich jedoch auf den USD und eine Reihe anderer wichtiger Welthandelswährungen, so dass sich auch in diesen Währungen dementsprechend liquide Terminmärkte entwickelt haben, an denen permanent Abschlüsse möglich sind. Das Absicherungsbedürfnis in anderen, weniger bedeutenden Valuten, die früher nur sporadisch gehandelt wurden, nimmt jedoch von Jahr zu Jahr zu. Einen Einfluss auf die Kursentwicklung kann zum einen die Höhe des abzusichernden Betrages sowie zum anderen auch die abzusichernde Währung selbst haben. Weltwährungen wie der US-Dollar, der Japanische Yen und der Euro haben einen wesentlich tieferen Markt als beispielsweise Nebenwährungen wie die Spanische Peseta oder der Neuseeländische Dollar. Was die Fälligkeiten angeht, sind Abschlüsse auf 1 Monat, 2, 3, 6 und 12 Monate in den meisten Währungen normal. Auch kurze Fälligkeiten bis zu 8 oder 14 Tagen und auch ungerade Daten, sogenannte „broken dates“, sind gewöhnlich unproblematisch handelbar. Transaktionen auf lange Fälligkeiten, sogenannte „long-dates Forwards“, sind nur noch in wenigen Welthandelswährungen durchführbar, in anderen Valuten sind - wenn überhaupt - hingegen nur sporadisch Abschlüsse möglich (BECK 1989; FASTRICH/HEPP 1991). (2)
Risikosteuerung mit modernen Absicherungsinstrumenten
Innerhalb der Gruppe der modernen derivativen Absicherungsinstrumente werden, wie bereits zuvor ausgeführt, Devisenfutures, Devisenoptionen sowie Währungsswaps zusammengefasst. Obgleich Devisenfutures ausschließlich über ein Vielfaches des Kontraktwertes lautende Beträge und nur für bestimmte Fälligkeiten, bis zu maximal einem Jahr, abgeschlossen werden können, eignen sie sich vor allem zur Absicherung kleinerer Währungsbeträge. Aufgrund eines hohen Standardisierungsgrades sind Future-Märkte außerordentlich liquide, so dass auch für kleinere Volumina, für die ein Abschluss eines Devisenforward nur mit Kursaufschlägen möglich wäre, marktgerechte Kurse erzielt werden können. Nachteilig gegenüber Devisenforwards ist jedoch bei einer Kurssicherung mittels Futures, dass auch nach erfolgter Absicherung eine wechselkursbedingte Unsicherheit über zukünftige Zahlungsströme besteht, da gegebenenfalls Nachschusszahlungen zu leisten sind, die ebenfalls auf Fremdwährung lauten (BECK 1989; FASTRICH/HEPP 1991). Das Prinzip des Hedgings mittels Devisenfutures soll anhand des folgenden Beispiels erläutert werden (vgl. Abb. 280). Hierbei sei von einer Shortposition in Höhe von 1.000.000 USD ausgegangen, die am 01.01.2001 bei einem Kassakurs von 1,0732 EUR/USD einem EUR Gegenwert von - 1.073.200 EUR entspricht.
433
Kassaposition 01.01.2001 1.000.000 USD short, Kurs 1,0732; Gegenwert - 1.073.200 EUR 15.01.2001 1.000.000 USD short, Kurs 1,093; Gegenwert - 1.093.000 EUR Verlust: - 19.800 EUR
Futures-Position 01.01.2001 Kauf von 20. März-01-Kontrakten zu 1,0715 15.01.2001 Verkauf von 20. März-01-Kontrakten zu 1,0913 Gewinn: 20.000 EUR (913 – 715 = 198 Ticks; 198 · 5 EUR · 20 = 19.800 EUR)
Abb. 280: Hedging mit Devisenfutures
Da diese Position bei steigendem Kassakurs einen (kalkulatorischen) Bewertungsverlust erleidet, soll beispielhaft mit dem Kauf einer geeigneten Anzahl von USD/EUR-Devisenfutures-Kontrakten (fällig 20.03.2001; Kontraktvolumen 50.000 USD; Tick value 5 EUR) an einer Devisenbörse eine Position aufgebaut werden, die einen möglichst entgegengesetzten Wertverlauf besitzt. Bei der Bestimmung der nötigen Kontraktanzahl soll vereinfachend das Nominalwertprinzip Verwendung finden: allgemein: Kontraktanzahl
Nominalwert der Kassaposition Kontraktvolumen des Devisenfutures
bzw. für das Beispiel Kontraktanzahl
1.000.000 USD 50.000 USD
20
Unterstellt man also eine konstante Future-Basis (zinsbedingte Differenz zwischen Terminkurs und Kassakurs), so sind am 01.01.2001 20 März-2001-Kontrakte zu kaufen. Der entsprechende Terminkurs beträgt bei einem EUR-Zins von 4,5 % und einem USD-Zins von 5,25 %:
TK
79 · § ¨1 0,045 ¸ 360 © ¹ 1,0732 EUR 79 · USD § ¨1 0,0525 ¸ 360 ¹ ©
1,0715
EUR USD
Am 15.01.2001 soll der aktuelle Kassakurs auf 1,093 gestiegen sein. Dies führt in der Kassaposition zu einem Verlust in Höhe von - 19.800 EUR. Um die Wertveränderung der Futureposition vom 01.01.2001 bis zum 15.01.2001 bestimmen zu können, ist wiederum der Terminkurs auf den 20.03.2001 zu berechnen. Bei fälligkeitskongruenten EUR- und USDZinssätzen von 4,4 % bzw. 5,28 % errechnet sich dieser zu:
434
65 · § ¨1 0,044 ¸ EUR 360 ¹ © 1,093 65 · USD § ¨1 0,0528 ¸ 360 © ¹
TK
1,0913
EUR USD
Es ergibt sich somit zwischen dem 01.01.2001 und dem 15.01.2001 eine Terminkursdifferenz von 1,0913 – 1,0715 = 0,0198 EUR bzw. 198 Ticks. Bei einem Verkauf der 20 FutureKontrakte am 15.01.2001 kann somit ein Gewinn von 198 ǜ 5 EUR/Kontrakt · 20 Kontrakte = 19.800 EUR realisiert werden. Es wird deutlich, dass der Gewinn aus dem Future-Hedge den Verlust in der Kassaposition damit kompensiert hat. Eine ungerundete Berechnung würde den Verlust in der Kassaposition mit + 19.826 EUR nicht nur ausgleichen, sondern sogar überkompensieren. Der Grund hierfür liegt darin, dass im gewählten Beispiel nicht nur der Kassakurs gestiegen ist, sondern auch die Futures-Basis abgenommen hat, was sich im Falle von Deportnotierungen zusätzlich positiv auf den Wertverlauf von Futures-Longpositionen auswirkt. Zur Beschreibung des Hedgings mit Devisenoptionen sei erneut das Beispiel aus dem vorangegangenen Abschnitt aufgegriffen. In diesem Fall soll die Shortposition über 1.000.000 USD durch entsprechende Devisenoptionstransaktionen (USD/EUR-Calls an der LIFFE; Kontraktgröße 50.000 USD; Kontraktfälligkeit 20.03.2001, Tick-Value 5 EUR) vom 01.01.2001 bis zum 15.01.2001 gegen einen steigenden USD-Kassakurs gesichert werden, wobei das Prinzip des delta-neutralen Fix-Hedge zur Anwendung kommen soll. Allgemein lässt sich der Preis für auf Kassadevisen lautende europäische Calloptionen mittels folgender Gleichung bestimmen (GARMAN/KOHLHAGEN 1983): C S e(-rf t) N(d1) E e(- rd t) N(d 2 )
mit: d1
STD 2 ·¸ §S· § t ln¨ ¸ ¨ rd rf 2 ¸¹ © E ¹ ¨© STD t
und d 2
d1 STD t ,
wobei C = Wert der Calloption, S = Devisenkassakurs, E = Ausübungspreis, rf = ausländische stetige Rendite bis zur Optionsfälligkeit, rd = inländische stetige Rendite bis zur Optionsfälligkeit, t = Restlaufzeit der Option als Jahresbruchteil, STD = anualisierte Standardabweichung logarithmierter Kassakursveränderungen, N(...) = Wahrscheinlichkeitswert der kumulierten Standardnormalverteilung).
Zur Bestimmung der Prämie vom USD/EUR-Call per 01.01.2001 sollen folgende Werte für die einzelnen preisbestimmenden Faktoren unterstellt werden: S = 1,0732; E = 1,03; rd = 0,044; rf = 0,0512; t = 0,21944 (79 Tage / 360 Tage); STD = 0,1123. Für d1 und d2 errechnen sich demnach folgende Werte:
d1
0,1123 2 · § 1,0732 · § ¸ 0,21944 ln¨ ¸ ¨¨ 0,044 0,0512 2 ¸¹ © 1,03 ¹ © 0,1123 0,21944
0,77728
435
d2
0,77728 0,1123 0,21944
0,72467
Per 01.01.2001 beträgt die Call-Prämie: C 1,0732 e(- 0,0512 0.21944) N0,77728 1,03 e- 0,04400,21944 N0,72467 0,0483 Zur Bestimmung der zur Absicherung der Kassaposition nötigen Kontrakt-Anzahl muss beim delta-neutralen Fix-Hedge zuvor das Call-Delta bei Öffnung der Position bestimmt werden. Allgemein stellt das Options-Delta ein Maß für die Reaktion der Options-Prämie auf infinitesimal kleine Änderungen im Basiswert der Option dar. Es entspricht somit der ersten partiellen Ableitung der Optionspreisformel nach dem Spotsatz. Im Fall der betrachteten CallOption berechnet sich das Delta gemäß: įC įS
e (- rf t) N(d1 ) bzw. für das Beispiel
GC GS
e(- 0,0512 0.21944) N0,77728 0,77277
Die zum delta-neutralen Hedging benötigte Kontraktzahl lässt sich nun z.B. mit Hilfe folgender Gleichung ermitteln: Kassapositionsvolumen 1 Kontraktvolumen Options Delta
Kontraktzahl
Im gewählten Beispiel wären somit 26 Calls (1.000.000/50.000 ǜ 1/0,77277 = 25,88 § 26) zu einem Preis von 0,0483 EUR je USD zu kaufen. 14 Tage später, am 15.01.2001, soll die Optionsposition bei folgenden Konstellationen wieder verkauft werden: S = 1,093 E = 1,03; rd = 0,0431; rf = 0,0515; t = 0,18056; STD = 0,1123. Die Call-Prämie beläuft sich dann auf: C 1,093 e(- 0,05150.18056) N1,23618 1,03 e- 0,04310,18056 N1,18846 0,0636 Der Gewinn aus der gesamten Optionstransaktion beträgt somit 153 Ticks 5 EUR 26 Kontrakte 19.890 EUR Kontrakt Tick Es ist zu beachten, dass der tatsächliche Gewinn bei dem hier vorgenommenen Fix-Hedge vom theoretischen, deltabasierten Gewinn über 0,77277 ǜ 0,0198 ǜ 26 ǜ 50.000 = 19.891,09 EUR abweicht. Dies liegt darin begründet, dass die Call-Preiskurve in Abhängigkeit des Kassakurses einen konvexen Verlauf besitzt und die Delta-Sensitivität bei sofortigen Kassakurserhöhungen somit lediglich stets unter dem tatsächlichen Wertgewinn liegt. Des weiteren muss beachtet werden, dass das Optionsdelta lediglich eine Punktsensitivität zur Veränderung des Kassakurses darstellt, der Optionspreis jedoch eine Funktion des Kassakurses sowie der
436
in- und ausländischen Zinsen, der Restlaufzeit und der Volatilität ist. Abbildung 281 fasst die Kalkulationsergebnisse noch einmal zusammen. Kassaposition 01.01.2001 1.000.000 USD short, Kurs 1,0732; Gegenwert - 1.073.200 EUR 15.01.2001 1.000.000 USD short, Kurs 1,093; Gegenwert - 1.093.000 EUR Verlust: - 19.800 EUR
Options-Position 01.01.2001 Kauf 26 Calls, Prämie 0,0483 15.01.2001 Verkauf 26 Calls, Prämie 0,0636 Gewinn: 19.890 EUR (636 - 483 = 153 Ticks; 153 · 5 EUR · 26 = 19.890 EUR)
Abb. 281: Delta-neutraler Fixed-Hedge mit Devisenoptionen
Zum Zwecke der Absicherung langfristiger Währungsrisiken (bis zu 18 Jahren) dienen die Währungsswaps („Currency Swaps“). Gegenüber Devisenswaps ermöglichen Währungsswaps auch bezüglich anderen Kriterien (Zinsmodalitäten, Cash-Flows etc.) gestalterisch flexiblere Anpassungen an bestehende Devisenaktiv- und Devisenpassivpositionen. Währungsswaps ermöglichen einem Kreditinstitut damit gleichzeitig, eine ausgewogene Bilanzstruktur zwischen zinsvariablen und zinsfixen Fremdwährungsforderungen und -verbindlichkeiten zu realisieren (vgl. auch S. 412 f.).
3.
Aufsichtliche Konzepte zur Risikobegrenzung von Fremdwährungsgeschäften
a)
Identifikation der anrechnungspflichtigen bilanziellen und ausserbilanziellen Geschäfte
Die Eigenmittelunterlegung für das Fremdwährungsrisiko soll Verlustrisiken abdecken, die der Bank aus dem Halten oder Eingehen von Positionen in Fremdwährungen einschließlich Gold erwachsen. Im Gegensatz zum Zins- und Aktienrisiko werden bei den noch folgenden Risikoarten zum einen alle Bankgeschäfte erfasst, folglich auch die des Banking Book. Im Bereich des Fremdwährungsriskos sind dies alle Geschäfte, die einen Fremdwährungsbezug und damit ein potentielles Fremdwährungsrisiko aufweisen. Zum anderen wird nicht mehr zwischen spezifischem und allgemeinem Marktrisiko differenziert, betrachtet wird nur noch letzteres. Die Risikoposition in einer Fremdwährung wird – gemäss den Regelungen des BASLER AUSSCHUSSES – durch Addition der sechs nachfolgenden Positionen ermittelt (vgl. auch SolvV §§ 294 ff.): •
Nettokassaposition in einer Währung; Differenzbetrag zwischen allen bilanziellen Aktiv- und Passivposten, inklusive aufgelaufener (abgegrenzter) Zinsen, sowie Positionen aus noch nicht abgewickelten Kassageschäften
•
Nettoterminposition; Unterschiedsbetrag zwischen allen zu erhaltenden und zu zahlenden Beträgen im Rahmen von Forward-Devisengeschäften, einschließlich Währungs437
futures und des Kapitalbetrages aus Währungsswaps, sofern diese nicht in der Kassaposition enthalten sind •
Gesamtbestand an Garantien und vergleichbaren Instrumenten, die mit Sicherheit in Anspruch genommen werden und voraussichtlich abgeschrieben werden müssen
•
Nettogegenwert aller – abhängig vom Ermessen des meldenden Institutes – künftigen, noch nicht angefallenen, aber bereits voll abgesicherten Einnahmen und Ausgaben
•
Netto-Delta-Äquivalent, bzw. das auf dem Delta basierende Äquivalent des gesamten Bestandes an Devisenoptionen (sofern das Delta-plus-Verfahren appliziert wird)
•
sonstige Positionen, die in Abhängigkeit von spezifischen Rechnungslegungsusancen des betreffenden Landes einen Gewinn oder Verlust in Fremdwährung darstellen
Basis für die Quantifizierung der Eigenmittelunterlegung ist auch hier die Definition der „offenen Gesamtposition“. Zur Messung dieser sind die offenen Positionen in den einzelnen Währungen auf geeignete Weise zu aggregieren. Wesentlich bei der Festlegung des Aggregationsmodus ist die Art und Weise der Behandlung der drei risikodeterminierenden Faktoren, Wechselkursvolatilität, Wechselkurskorrelation und Diversifikationsgrad des Gesamtportfolios. Um eine möglichst simple, aber dennoch adäquate Methode zur Bestimmung der risikobehafteten Fremdwährungspositionen zu gewährleisten, setzt der BASLER AUSSCHUSS keine aktuellen, sondern ausschließlich Durchschnittsgrößen für die drei Dimensionen an. Dabei wurden mit der „Worst case“-, der „Best case“- und der „Middle case“-Methode drei alternative Ansätze zur Ermittlung der offenen Gesamtposition diskutiert, wobei das prinzipielle Unterscheidungsmerkmal die differierende Annahme über die Korrelation zwischen einzelnen Währungspaaren darstellt. Es wurde demnach der Frage nachgegangen, ob bei gegenläufigen Positionen in verschiedenen Währungen gleichzeitig bei allen ein Verlust anfallen kann (Worst case, unterstellte Korrelation + 1 bei gleichgerichteten und - 1 bei entgegengesetzten Positionen), oder ob sich Verluste in einer Währung mit Gewinnen in einer anderen vollständig (Best case, unterstellte Korrelation - 1 bei gleichgerichteten und + 1 bei entgegengesetzten Positionen) oder teilweise (Middle case) kompensieren lassen (SCHULTEMATTLER/TRABER 1997). Die offene Gesamtposition bei der „Worst case“-Methode entspricht der Summe aller in die jeweilige Heimatwährung umgerechneten Absolutbeträge einzelner Fremdwährungspositionen, ungeachtet ob es sich um Long- oder Short-Positionen handelt. Die „Best case“Methode geht von der genau diametralen Prämisse aus. Die offene Fremdwährungsposition wird unter Berücksichtigung der entsprechenden Vorzeichen ermittelt. Bei der „Middle case“-Methode wird keine perfekte Korrelation unterstellt, sondern lediglich eine innerhalb des Intervalls zwischen - 1 und + 1. Verluste in einer Fremdwährungsposition (z.B. long CHF) können also nur teilweise durch Gewinne in entgegengesetzten (z.B. short USD) ausgeglichen werden. Die offene Fremdwährungsposition wird bestimmt, indem zunächst – in die jeweilige Landeswährung umgerechnet – die Teilsummen getrennt nach Long- und ShortPositionen ermittelt werden, wobei die Position in Heimatwährung vernachlässigt wird. Die offene Fremdwährungsposition entspricht dann der größeren der beiden Teilsummen. Da sich die Middle case-Methode als am realitätsnahesten erwies, hat sie Aufnahme in die Marktrisikoregelungen des BASLER AUSSCHUSSES gefunden. 438
Strukturelle Positionen, die Banken explizit eingegangen sind, um sich ganz oder teilweise gegen negative Wechselkurseffekte auf ihre Eigenmittelquote abzusichern, können – nach ausdrücklicher Genehmigung durch die zuständige nationale Aufsichtsbehörde – von der Berechnung der Nettofremdwährungsposition ausgenommen werden. Dies aber nur wenn die Positionen keinem Handelszweck, sondern allein dem Schutz der Eigenmittelausstattung dienen und wenn die Behandlung der Absicherung während der gesamten Laufzeit konstant bleibt (vgl. BASLER AUSSCHUSS 1996a). Mit dieser Regelung wurde einem britischen Anliegen entsprochen, da zahlreiche britische Institute einen Großteil ihrer bilanzwirksamen Geschäfte in einer Fremdwährung – vorzugsweise dem US-Dollar – denominiert haben, während die Rechnungslegung in Pfund Sterling vorgenommen wird. Dieses hat zur Konsequenz, dass der Eigenmittelkoeffizient mit dem entsprechenden Wechselkurs schwankt, und zwar umso stärker, je höher der Anteil der Risikoaktiva in der Fremdwährung ist. Dies obwohl die Position fristenstrukturkongruent geschlossen ist (vgl. SCHULTE-MATTLER/TRABER 1997), was an folgendem Beispiel dargelegt werden soll: Hält eine englische Bank einen bedeutenden Teil ihrer Aktiva beispielsweise in USD und ist die bilanzielle Fremdwährungsposition durch eine betragsmäßig übereinstimmende USDRefinanzierung ausgeglichen, so werden Wechelkursänderungen zu einer Änderung der aufsichtlichen Eigenkapitalquote führen. Durch eine GBP-Abwertung nimmt der Marktwert der USD-Aktiva und USD-Passiva in gleichem Maße zu und hat damit auch bei Anwendung des Marktwertprinzips bei der Bilanzierung keine Auswirkungen auf die Eigenkapitalquote. Die USD-Fremdwährungsposition ist zwar immer noch geschlossen, aufgrund des gestiegenen GBP-Gegenwertes der USD-Aktiva verringert sich jedoch das Verhältnis zwischen den Aktiva und dem Eigenkapital (vgl. SCHULTE-MATTLER/TRABER 1997). Die aufsichtliche Eigenmittelquote verringert sich von 9,1 % in t = 0 auf 7,9 % in t = 1, was Abbildung 282 zeigt. Damit wird die Vorgabe von 8 % nicht mehr erfüllt. Aktiva Position
t=0 2.00 USD/GBP Eigenmittelquote: 9,1 % t=1 1.50 USD/GBP Eigenmittelquote: 7,9 %
GBP-Kredite USD-Kredite
USD
GBP
600
360 300
GBP-Einlagen USD-Einlagen Eigenmittel
660
Summe
360 400
GBP-Einlagen USD-Einlagen Eigenmittel
760
Summe
Summe GBP-Kredite USD-Kredite
Summe
Passiva
600
Position
USD
GBP
600
300 300 60
660 600
300 400 60
760
Abb. 282: Schwankung der aufsichtlichen Eigenkapitalquote einer englischen Bank
Um den Einfluss der Wechselkursschwankung auf den Eigenmittelkoeffizienten zu eliminieren, hätte die Bank beispielsweise eine offene derivative Long-Position eingehen können, etwa durch einen langfristigen Terminkauf in Höhe von 54,55 USD. Genügt dieser Terminkauf 439
den drei genannten Anforderungen (vgl. S. 435 oben), so darf er von der Berechnung der Nettofremdwährungsposition ausgenommen werden und ist infolgedessen nicht unterlegungspflichtig. Bilanziell ändert sich nichts. Erhöht sich der Gegenwert des Future-Kontraktes nun aber, bedingt durch eine Abwertung der Heimwährung (GBP), so darf der realisierte Gewinn in Höhe von 9,09 GBP nach den Marktbewertungsregeln den anrechenbaren Eigenmitteln zugeschlagen werden Die anrechenbaren Eigenenmittel erhöhen sich, so dass der Eigenmittelkoeffizient trotz der Abwertung konstant bei 9,1 % bleibt. Diese Ausnahmeregelung für strukturelle Positionen ist nicht einsichtig, denn bei der Absicherung des Eigenmittelkoeffizienten werden Fremdwährungspositionen eingegangen, die im gleichen Ausmaß Wechselkursrisiken unterliegen wie andere offene Fremdwährungspositionen. Alle Verluste aus offenen Positionen, auch wenn sie ursprünglich die Absicherung der Eigenmittel intendierten, können diese drastisch erhöhen (vgl. SCHULTE-MATTLER/ TRABER 1997). Die nationale Umsetzung präsentiert sich – basierend auf diesen Grundsätzen – wie folgt: Gemäß den Paragraphen 294 ff. SolvV werden Währungs- und Goldpositionen gemeinsam unterlegt, während Geschäfte mit Rohwaren separat zu behandeln sind. EURGegenwert zum Kassakurs
Termin
USDFälligkeiten
Spot
- 100.000
- 92.000
Spot
1 Jahr
500.000
460.000
5 Jahre
- 200.000
- 184.000
Termin
GBPFälligkeiten
EURGegenwert zum Kassakurs
200.000
126.000
3 Monate
- 300.000
- 189.000
2 Jahre
- 400.000
- 252.000
Abb. 283: Fremdwährungspositionen der Bank X
Die Währungsgesamtposition wird bestimmt, indem zuerst für jede Währung sowie für Gold die offene Position in Heimwährung berechnet wird (vgl. Abb. 283). In einem zweiten Schritt werden die offenen Währungspositionen getrennt nach aktivischer und passivischer Ausrichtung zusammengefasst (vgl. Abb. 284): Positionen in EUR GBP
Long 126.000
Short 441.000
USD
460.000
276.000
Summe
Netto-LongPositionen
Netto-ShortPositionen
0
315.000
184.000
0
184.000
315.000
Abb. 284: Ermittlung der Netto-Long- resp. Netto-Short-Positionen
Der größere dieser beiden Posten (Nettowährungsposition) sowie die Goldposition ergeben zusammen die Währungsgesamtposition. Die Schweizer Bankenverordnung regelt in Artikel 12n die Unterlegung der offenen (Marktrisiko-) Positionen in Devisen, Gold und in Rohstoffen. In einem ersten Schritt ist zunächst getrennt nach Fremdwährungen, Gold und Rohstoffen für jede Geschäftsart die offene Posi440
tion zu ermitteln. Bei der Ermittlung der offenen Währungsposition gelangt folgendes Verfahren zur Anwendung:
– +/+ +/+/=
aktivische Devisenposition Passivische Devisenposition nicht erfüllte Kassa- und Terminkäufe bzw. -verkäufe (inkl. Financial Futures/Swaps) feste Übernahmezusagen sofern sie das Preisrisiko der Bank beseitigen Deltagewichtete Lieferansprüche bzw. -verpflichtungen aus Call-Geschäften Deltagewichtete Lieferansprüche bzw. -verpflichtungen aus Put-Geschäften offene Währungsposition
Analog den Bestimmungen der SolvV sind zuerst in allen Währungen die offenen Einzelwährungspositionen zu bestimmen und die aktivischen und die passivischen Posten dann zusammenzufassen. Die grössere der beiden Positionen ergibt die Währungsgesamtposition. Ebenfalls zu berücksichtigen sind wechselkursbezogene Optionspositionen. Hierbei gelten dieselben Regelungen, die schon im Zusammenhang mit dem Zinsänderungsrisiko ausgeführt wurden (vgl. S. 396 ff.)
b)
Quantifizierung von Risikopositionen und Unterlegung mit Eigenmitteln
Im Bereich des Fremdwährungsrisikos sieht der BASLER AUSSCHUSS wie auch der Deutsche und der Schweizerische Gesetzgeber eine relativ einfache Anrechnungssystematik für die berechnete Währungsgesamtposition in Devisengeschäften als Standardverfahren vor, die im angelsächsischen Raum deshalb auch kurzerhand unter dem Begriff „Shorthand-Method“ bekannt ist. Die Determinierung der notwendigen Eigenmittelunterlegung für das allgemeine Marktrisiko lässt sich dadurch charakterisieren, dass die Währungsgesamtposition, d.h. die grössere der Long- resp. Short-Gesamtposition, mit 8 % (10 % in der Schweiz, vgl. Art. 74 ERV) Eigenmitteln unterlegt werden muss. Eine Befreiung (Bagatellgrenze) von der Unterlegung ist in Deutschland zulässig, sofern die höhere der Brutto-Long- beziehungsweise Brutto-Short-Position zuzüglich Gold die Eigenmittel insgesamt nicht übersteigt und die offene Netto-Gesamtposition nicht höher als 2 % der Eigenmittel ist (vgl. § 294 III SolvV). Im Beispiel ergibt sich somit eine Eigenmittelunterlegung in Höhe von 25.200 EUR (= 8 % · 315.000 EUR, vgl. S. 440). Damit wird unterstellt, dass Verluste in einer Position durch Gewinne in einer anderen Position kompensiert werden können und nicht vollständig positiv miteinander korreliert sind. Hinsichtlich der Berechnung der Gesamtposition sind über die Geschäfte des Handelsbuches hinaus alle weiteren Geschäftspositionen mit einzubeziehen. Für die notwendige Umrechnung der Fremdwährungsbeträge in EUR sind die von der Bundesbank veröffentlichten ESZB-Referenzkurse maßgeblich. Falls für eine Fremdwährung von der Bundesbank kein Kurs veröffentlicht wird, ist der Mittelkurs aus feststellbaren An- und Verkaufskursen zugrunde zu legen.
441
Um dem verminderten Risiko gegenläufiger Positionen in hochkorrelierenden Währungen Rechnung zu tragen, müssen solche Währungspositionen nicht in die Nettowährungsposition eingehen. Zur verminderten Nettowährungsposition ist statt dessen die Hälfte des Betrages der ausgeglichenen Währungsposition dieser verminderten Nettowährungsposition hinzuzurechnen und zusammen mit der Goldposition mit 8 % zu unterlegen. Zum Nachweis einer hohen Korrelation sind Simulationsrechnungen durchzuführen, in denen das historische Verlustpotential von währungsverschiedenen geschlossenen Fremdwährungspositionen ermittelt wird. Beträgt bei der Berücksichtigung von täglichen Wechselkursen, 10-tägigen Halteperioden und einer historischen Beobachtungsperiode von 5 Jahren der Verlust in einer geschlossenen Position mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % maximal 4 % der geschlossenen Position, so können die beiden Währungen als ”eng verbunden” respektive hochkorreliert angesehen werden. Alternativ kann auch eine dreijährige Beobachtungsperiode mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % zu Grunde gelegt werden. Die Berechnungen zur Bestimmung der verminderten Nettowährungsposition sind bei erstmaliger Durchführung sowohl der BaFin als auch der Deutschen Bundesbank vorzulegen. Für alle Institute besteht grundsätzlich die Möglichkeit, nach entsprechender aufsichtlicher Prüfung eigene Risikomodelle für die Berechnung zu verwenden. Die Standardmethode nach deutschem Muster sieht ebenfalls die Bagatellgrenze des BASLER AUSSCHUSSES vor. Analog dem Verfahren zur Ermittlung der Währungsgesamtposition wird getrennt für jede Rohware zunächst die Netto-Long- bzw. die Netto-Short-Position ermittelt. Abweichend vom Vorgehen bei der Unterlegung des Währungsrisikos sind jedoch beide Positionen ungeachtet ihrer Ausrichtung zusammenzuzählen und mit 15 % Eigenmitteln zu unterlegen (Unterlegung des direktionalen Risikos, vgl. § 296 V SolvV). Darüber hinaus erfolgt zur Berücksichtigung des Termin-, Zins- und Basisrisikos eine pauschale Unterlegung der Bruttoposition, d.h. aller Long- und Short-Positionen ungeachtet ihrer Ausrichtung mit 3 %. Durch Sicherungsgeschäfte geschlossene Rohwarenpositionen können mit Zustimmung der BaFin unberücksichtigt bleiben. Neben dieser vom BASLER AUSSCHUSS als „vereinfachtes Verfahren“ beschriebenen Methode steht den Instituten als Alternative auch das „Zeitfächerverfahren“ zur Verfügung. Dabei ist die Wahl jedoch einheitlich und dauerhaft auszuüben. Verfahrensanwendung sowie Anrechnungssätze entsprechen dabei den vom BASLER AUSSCHUSS erarbeiteten Vorschlägen (vgl. Abb. 285). Die Rohwarenpositionen sind einem von sieben Zeitfächern, die in Zeitspannen von unter einem Monat bis über drei Jahren aufgeteilt sind, zuzuordnen (vgl. Anlage 1 SolvV). Ähnlich der Jahresband- resp. Durationsmethode sind die Positionen durch horizontales und vertikales Hedging zu schließen und offene Positionen mit unterschiedlichen Faktoren, die sich zwischen 0,6 % und 15 % bewegen, zu gewichten.
442
Erforderliche Eigenmittel zur Unterlegung von Marktrisiken (gemäss aufsichtsrechtlicher Definition, also inklusive spezifischem Risiko)
Standardverfahren für Devisen, Gold und Rohstoffe in der gesamten Bank
Devisen Nettowährungsposition
Standardverfahren für Zinsinstrumente und Beteiligungstitel im Handelsbuch
Gold Offene Goldposition
Währungsgesamtposition · 8 % Ausnahme: „eng verbundene“ Währungen
Modellverfahren
Rohstoffe 6 der Beträge der Rohwareneinzelpositionen · 15 % + 6 der Beträge der Aktiv-/Passivpositionen in den einzelnen Rohwaren · 3 % oder Zeitfächermethode
Abb. 285: Eigenmittelunterlegung des Devisen-, Gold- und Rohstoff-Marktrisikos gemäß SolvV
Für Finanzinstitute und Wertpapierfirmen, die unterhalb der Bagatellschwelle für die Einhaltung der Vorschriften über das Handelsbuch fallen (nach § 2 XI KWG Anteil des Handelsbuches in der Regel < 5 % der gesamten Geschäftstätigkeit, Gesamtpositionen < 15 Mio. EUR, Anteil des Handelsbuches stets kleiner als 6 % der Gesamtsumme aus bilanziellen und außerbilanziellen Geschäften sowie stets kleiner als 20 Mio. EUR), brauchen für die Anrechnung von Optionen „nicht-lineare“ Risiken (also das Vega- und Gammarisiko) aufgrund ihrer aufwendigen Ermittlung nicht zu berücksichtigen. Entsprechend besteht für diese Institute auch kein Wahlrecht zwischen dem Delta-Plus- und dem Szenario-Verfahren. Für alle anderen Institute gelten die im Rahmen des Zinsänderungsrisikos angesprochenen Vorschriften für die Berechnung von Optionsrisiken (vgl. S. 396 ff.). Bei der Ermittlung der Eigenmittelunterlegungsanforderungen für das Rohstoffrisiko wird in der Schweiz exakt dasselbe Verfahren angewendet wie in der SolvV. Lediglich die Anrechnungsfaktoren unterscheiden sich. So sind die offenen Nettopositionen mit 20 % zu unterlegen, während die Eigenmittelanforderung für die Bruttoposition auch hier 3 % beträgt (vgl. Art. 75 ERV). Die folgende Abbildung 286 zeigt die wesentlichen Regelungen der Schweizerischen Eigenmittelverordnung.
443
Erforderliche Eigenmittel zur Unterlegung von Marktrisiken (gemäss aufsichtsrechtlicher Definition, also inklusive spezifischem Risiko)
Standardverfahren für Devisen, Gold und Rohstoffe in der gesamten Bank
Standardverfahren für Zinsinstrumente und Beteiligungstitel im Handelsbuch
Modellverfahren
Devisen
Gold
Rohstoffe
Aufsummierung der NettoLong- resp. der Netto-ShortPositionen und Unterlegung der größeren Position mit 10 %
Nettoposition · 10 %
Nettoposition pro Rohstoffgruppe · 20 % + Bruttoposition pro Rohstoffgruppe · 3 %
Abb. 286: Eigenmittelunterlegung des Marktrisikos aus Devisen-, Gold- und Rohstoffpositionen gemäß ERV
c)
Abbildung der Risikostruktur mittels aufsichtlicher Kennzahlen
Mit Hilfe spezifischer Risikostruktur-Kennzahlen können auch die mit einer bestimmten Bilanzstruktur verbundenen Fremdwährungsrisiken erfasst werden. Zentraler Ansatzpunkt zur Steuerung des Fremdwährungsrisikos sind dabei die eigenen Mittel. Diese stellen das Sicherheitspolster einer Bank für die schlagend gewordenen Währungsrisiken dar, die nicht mehr durch das laufende Jahresergebnis gedeckt werden können. Eine wichtige Strukturgröße zur Limitierung des Fremdwährungsrisikos – inklusive des Goldpreisrisikos – ist das Fremdwährungsrisikopotential gemäß BASLER AUSSCHUSS. In ihm werden sämtliche bilanzwirksamen Fremdwährungspositionen sowie Swap-, Termin- und Optionsgeschäfte mit Fremdwährungskomponenten erfasst. Eine geeignete Darstellungsform ist die nachfolgende Kennzahl:
•
Fremdwährungsrisikoquote
=
Summe der offenen Devisenpositionen gemäß BASLER AUSSCHUSS Gesamteigenmittel bzw. Tier 3-Kapital
Wird das Tier 3-Kapital als Basis herangezogen, so stellt dieser Quotient den Auslastungsgrad des Nachrangkapitals dar. Bei Verwendung der Gesamteigenmittel erhält man entsprechend eine Aussage über die noch offene Risikodeckungsmasse. Um ein differenzierteres Bild über die Zusammensetzung des gesamten Fremdwährungsrisikopotentials zu erlangen, kann anschließend mit Hilfe nachfolgender Strukturkennzahlen untersucht werden, wie hoch der Anteil einer bestimmten Währung am Gesamtwährungsbestand einer Bank ausfällt oder 444
wie hoch der Anteil aller aufwertungs- respektive abwertungsverdächtigen Währungen am gesamten Fremdwährungsportfolio ist: Volumen der offenen Devisenpositionen in einer bestimmten Fremdwährung Gesamtvolumen aller offenen Devisenpositionen gemäß BASLER AUSSCHUSS
•
Fremdwährungsanteilsquote
•
Quote der aufwertungsverdächtigen Devisen
Gesamtvolumen aller aufwertungsverdächtigen Devisen = Gesamtvolumen aller offenen Devisenpositionen gemäß BASLER AUSSCHUSS
•
Quote der abwertungsgefährdeten Devisen
Gesamtvolumen aller abwertungsgefährdeten Devisen Gesamtvolumen aller offenen Devisenpositionen gemäß BASLER AUSSCHUSS
=
=
Um Aufschluss über den Anteil der einzelnen Derivate mit Fremdwährungskomponente an den gesamten offenen Devisenpositionen zu erhalten, können folgende Kennzahlen herangezogen werden:
•
Währungsswapquote
•
Devisentermingeschäftsquote
•
Devisenoptionsgeschäftsquote
=
Währungsswapvolumen Gesamtvolumen aller offenen Devisenpositionen gemäß BASLER AUSSCHUSS
=
Currency-Forward- und -Future-Volumen Gesamtvolumen aller offenen Devisenpositionen gemäß BASLER AUSSCHUSS
=
Nettorisikovolumen aus Devisenoptionsgeschäften Gesamtvolumen aller offenen Devisenpositionen gemäß BASLER AUSSCHUSS
Analog zu den Zins- und Aktienpositionen lassen sich für die konkreten nationalen und supranationalen bankaufsichtlichen Vorschriften die Fremdwährungspositionen betreffend entsprechende Kennzahlen bilden.
445
LITERATURHINWEISE BASLER AUSSCHUSS (1996a) BASLER AUSSCHUSS (2004) BECK, M.S. (1989) BOFINGER, P. (2000) BREUER, W. (2000) FASTRICH, H./HEPP, S. (1991) GARMAN, M./KOHLHAGEN, S. (1983) HÖLSCHER, R. (1987a) IMO, CH./GITH, TH. (1989) KLEINERT, H./MOSDORF, S. (1998)
446
KNIPPSCHILD, M. (1991) KÖPF, G. (1987) LOMBARD, O./MARTEAU, D. (1990) MEHL, J. (1991) MOSER, R. (1978) NOLTE, M. (1997) SCHULTE-MATTLER, H./ TRABER, U. (1997) TOPRITZHOFER, E./MOSER, R. (1977)
IV. Das Aktienkursrisiko 1.
Begriff und Wesen des Aktienkursrisikos
Unter dem Aktienkursrisiko wird allgemein die Gefahr verstanden, dass sich der Wert eines aus Aktien oder aus Finanzderivaten, denen Aktien zugrunde liegen, bestehenden Portfolios aufgrund von Kursbewegungen vermindert. Das Aktienkursrisiko ist eng mit dem Kreditrisiko verbunden, da die Ursachen für das Schlagendwerden beider Risikokategorien identisch sein können. So ist es möglich, dass aufgrund einer Bonitätsverschlechterung eine Forderung an ein (börsennotiertes) Unternehmen vollständig oder teilweise ausfällt und dass gleichzeitig aufgrund der (fundamentalen) Verschlechterung der Unternehmenslage der Aktienkurs dieser Unternehmung sinkt. Dieser Teil des Aktienkursrisikos zählt zu den Gegenparteienrisiken und ist grundsätzlich bereits bei der Steuerung des Kreditrisikos zu berücksichtigen (vgl. S. 154 ff.). In diesem Abschnitt wird das Aktienkursrisiko als ein allgemeines Markt- bzw. Preisrisiko analysiert, das nicht ausschließlich durch die Bonität der börsennotierten Unternehmungen determiniert wird. Das Kurswertrisiko von festverzinslichen Wertpapieren wird nicht durch das (Aktien-) Kursrisiko abgedeckt da das erstgenannte Risiko eine Komponente des Zinsänderungsrisikos darstellt. Interdependenzen zwischen beiden Risikokategorien sind jedoch durchaus vorhanden zumal das Zinsniveau unter anderem auch die Entwicklung der Aktienkurse beeinflusst. Desweiteren stellt die Investition in festverzinsliche Wertpapiere eine Alternative zur Investition in Aktien dar, so dass bei einem sehr hohen Zinsniveau die (mit einem vergleichsweise höheren Risiko behaftete) Aktienanlage weniger attraktiv erscheinen kann. Im Fall steigender Zinsen könnte sich somit ein schlagend werdendes Zinsspannen- und Kurswertrisiko ergeben, das aufgrund der zusätzlichen möglichen Abschreibungen für das Aktienportfolio noch verstärkt wird. Im Rahmen eines umfassenden Risiko-Managements sind diese Interdependenzen zu berücksichtigen. Aufgrund der zahlreichen Determinanten des Aktienkurses stellt sich die Frage, in welchem Maße das Aktienkursniveau vom Zinsniveau bestimmt wird. Bei einem signifikanten Zusammenhang könnte z.B. die Aktienkursentwicklung in Abhängigkeit vom Zinsniveau prognostiziert werden. Idealtypisch wäre dann sogar eine Einbindung der Quantifizierung und Steuerung des Aktienkursrisikos im Rahmen des Zinsrisikomanagements denkbar. Da jedoch ein solch monokausaler Zusammenhang in der Realität nicht gegeben ist, sollen im Folgenden die Interdependenzen von Aktienkursrisiko und Zinsänderungsrisiko bei der Erörterung des Steuerungsinstrumentariums vernachlässigt werden. Gleichwohl werden diese Zusammenhänge bei der Risikomessung über entsprechende Korrelationen mit erfasst.
2.
Management von Aktienkursrisiken
Zur Messung von Aktienkursrisiken können zum einen die bereits vorgestellten Erkenntnisse des Grundmodells (vgl. S. 76 ff.) herangezogen werden. Zum anderen führt der Einsatz von Indikatormodellen zu ergänzenden Aussagen, die zudem für bestimmte Steuerungszwecke teilweise besser geeignet sind (vgl. hierzu sowie zum folgenden LISTER 1997). Aktienkursri447
siken können natürlich nicht nur aus bilanzwirksamen Aktienpositionen, sondern auch aus Finanzderivaten resultieren. Zur Messung der mit diesen Derivaten verbundenen Risiken kann es unter Umständen sinnvoll sein, das Grundmodell zu verlassen und eines der bereits erörterten Erweiterungsmodelle zu nutzen (vgl. S. 86 ff.).
a)
Messung von Aktienkursrisiken
(1)
Das Aktienkursrisiko im Grundmodell der Risikomessung
Um zu demonstrieren wie das Aktienkursrisiko eines Aktienportfolios im Grundmodell zu bestimmen ist, sei ein Portfolio unterstellt, das am 31.03.2003 aus 60.000 Aktien der ABB, 9.000 der CS-Group, 480 der Swisscom, 720 von Nestlé und 2.400 Genußscheinen der Roche besteht. Der Portfoliomanager plant, dieses Aktienpaket nach einer Haltedauer von einem Tag vollständig zu verkaufen. Nach dem Stufenschema des Grundmodells fungiert hier die Aktienkursrendite, mit der sich die Schwankungen von Aktienkursen beschreiben lassen, als Risikoparameter (vgl. hierzu ausführlicher S. 77 ff). Zur Bestimmung der Aktienkursrendite sind unter Berücksichtigung der für das bestehende Portfolio geplanten zukünftigen Haltedauer die historischen Aktienkurse zu Beginn und am Ende der Plan-Haltedauer festzustellen. Aus diesen Aktienkursentwicklungen werden anschließend die stetigen Aktienkursrenditen, deren Erwartungswert und deren Standardabweichung berechnet (vgl. LISTER 1997). Am 31.03.2003 galten für die untersuchten Aktien die in Abbildung 287 genannten Kurse. Das Risikovolumen ergibt sich, indem die Aktienanzahl mit dem aktuellen Kurswert multipliziert wird. Für den Risikoparameter Aktienkursrendite lässt sich nun aus der Standardabweichung beispielsweise bei einem Z-Wert von 3 die Risikomesszahl berechnen. Dabei erhält die Standardabweichung ein negatives Vorzeichen, da es sich bei den Aktienpositionen im Beispiel um long-Positionen handelt. Diesbezüglich besteht eine Verlustgefahr, wenn die Aktienkurse sinken. Aus der Risikomesszahl folgt im nächsten Schritt der Risikofaktor, der die Form (eRMZ – 1) erhält. Schließlich resultieren die Value at Risk-Werte einzelner Aktien aus der Multiplikation des Risikovolumens mit dem Risikofaktor. Sofern die Aktienrenditen nicht vollständig positiv miteinander korrelieren, entspricht das Gesamtrisiko bekanntlich nicht der Summe der Einzelrisiken. Durch teilweise gegenläufige Kursbewegungen vermindert sich das tatsächliche Gesamtrisiko gegenüber der Summe der Einzelrisiken. Nach den bisherigen Ergebnissen lässt sich das Gesamtrisiko mit Hilfe der Formeln für Linearkombinationen berechnen (vgl. S. 83 ff).
448
Risikoparameter Stufe 1
Firma
ABB
CS-Group
Swisscom
Nestlé
Roche
Kurs
3,23
23,25
414,50
274,50
83,65
Anzahl
60.000
9.000
480
720
2.400
Risiko Volumen
193.800
209.250
198.960
197.640
200.760
5,72 %
3,09 %
1,70 %
1,59 %
1,73 %
- 17,15 %
- 9,26 %
- 5,10 %
- 4,76 %
- 5,19 %
Standard abweichung Risiko messzahl
Stufe 2 Stufe 3
Stetige Aktienkursrenditen
Stufe 4
Risikofaktor
- 15,76 %
- 8,85 %
- 4,97 %
- 4,65 %
- 5,06 %
Stufe 5
VaR
- 30.546
- 18.515
- 9.886
- 9.193
- 10.162
Abb. 287: Beispiel zur Quantifizierung von Aktienkursrisiken
Dazu sind die in Abbildung 287 genannten Value at Risk-Kennziffern je Aktienwert mit Hilfe der in Abbildung 288 dargestellten Korrelationskoeffizientenmatrix zu verbinden, woraus sich abschließend das Gesamtrisiko des Aktienportfolios ergibt. Die standardisierte Vorgehensweise im Risikomodell RiskMaster erfolgt für Aktienkursrisiken somit allgemein nach folgenden Gleichungen: •
Risikoparameter = Aktienkursrendite
•
RisikovolumenAKT = Kurs · Aktienanzahl
•
Risikomesszahl (RMZAKT) = ± STD (Aktienkursrendite) · Z-Wert
•
RisikofaktorAKT = ( e RMZ AKT ) – 1
•
VaRAKT = RisikovolumenAKT · RisikofaktorAKT
ABB
ABB
CS-Group
Swisscom
Nestlé
Roche
1,0000
0,4019
0,1788
0,2293
0,3026
CS-Group
0,4019
1,0000
0,3946
0,4062
0,5332
Swisscom
0,1788
0,3946
1,0000
0,1632
0,2511
Nestlé
0,2293
0,4062
0,1632
1,0000
0,5014
Roche
0,3026
0,5332
0,2511
0,5014
1,0000
Abb. 288: Matrix der Korrelationskoeffizienten
449
Für das Beispiel gilt: VaR PF AKT
>- 30.546
- 18.515
- 9.886
- 9.193
- 10.162@
ª 1 «0,4019 «0,1788 «0,2293 «0,3026 ¬
0,4019 1 0,3946 0,4062 0,5332
0,1788 0,3946 1 0,1632 0,2511
0,2293 0,4062 0,1632 1 0,5014
0,3026º ª- 30.546º 0,5332» « - 18.515 » 0,2511» « - 9.886 » 0,5014» « - 9.193 » 1 »¼ «¬ - 10.162 »¼
= 55.658 CHF PF mit: VaR AKT = Value at Risk eines Aktienportfolios
Alternativ zu dieser Vorgehensweise kann auch die angesichts der Vielzahl an möglichen Portfoliozusammensetzungen sehr viel aufwendigere und unpraktikablere Variante der direkten Generierung der Portfolioentwicklung angewandt werden. Dabei bildet die Portfoliorendite den Risikoparameter. Der Portfoliowert entspricht dem Risikovolumen. Das auf diesem Weg berechnete Risikopotential weicht allgemein geringfügig vom Ergebnis der Risikoermittlung anhand des Modells RiskMaster ab. Ursache dieser Ergebnisdifferenz ist insbesondere die Anwendung statistischer Regeln für Linearkombinationen, die im Falle stetiger Kennziffern nur zu approximativen Lösungen führt. Der Value at Risk von Aktienpositionen stellt als Ergebnis der Risikomessung grundsätzlich einen zentralen Parameter im Rahmen der bereits vorgestellten Risiko-Kalküle, zum Beispiel in Verbindung mit der Risikolimitierung oder der Erfassung des Gesamtbankrisikos, dar (vgl. hierzu S. 16 ff.). Gleichwohl wird bei der speziellen Steuerung von Aktienkursrisiken häufig nur auf bestimmte Teile der im Grundmodell ermittelten statistischen Parameter, wie z.B. Standardabweichungen, Korrelationen, etc., oder aber auf ergänzende Steuerungsinformationen, wie sie beispielsweise von Indikator-Modellen geliefert werden, zurückgegriffen. (2)
Der Einsatz des Beta-Faktors im Rahmen eines Indikator-Modells
Indikator-Modelle sind bekanntlich darauf ausgerichtet, die wesentlichen Einflussgrößen des Risikos zu extrahieren. Das bekannteste Indikatormodell stellt zweifelsohne das Marktmodell von SHARPE dar. In diesem nicht unumstrittenen Ein-Faktor-Modell wird mit Hilfe des sogenannten Beta-Faktors versucht, die Kursbewegung einer Aktie im Verhältnis zu einem MarktIndex zu beschreiben. SHARPE´s Indexmodell stellt eine aus heutiger Sicht wesentliche Weiterentwicklung der von MARKOWITZ vorgetragenen Erkenntnisse der Portfoliotheorie dar (MARKOWITZ 1952, SHARPE 1963). Durch die Einführung des Beta-Faktors wurde die für das von MARKOWITZ vorge450
stellte Modell unverzichtbare aber sehr aufwendige Ermittlung von Korrelationskoeffizienten zwischen einzelnen Wertpapierrenditen überflüssig, da in diesem Modell jedes Wertpapier nur noch im Vergleich zum Gesamtmarkt analysiert wird. Mit Hilfe der in Abbildung 289 skizzierten und von SHARPE im Rahmen des Capital Asset Pricing Models (CAPM) entwickelten Wertpapierlinie wird die Renditeerwartung eines Wertpapiers aus dem systematischen Risiko abgeleitet. Unter systematischem Risiko versteht man den Teil des Risikos einer Position der nicht wegdiversifiziert werden kann. Unter Verwendung des Beta-Faktors als Maßstab für das systematische Risiko wird der Verlauf der Wertpapierlinie des CAPM in der Abbildung 289 verdeutlicht. Einer Investition zum risikofreien Zins wird ein Beta von Null, dem Marktportfolio ein Beta von 1 zugeordnet. Entsprechend ergeben sich alle anderen Kombinationen von Renditeerwartung und Beta-Faktor. EW(r)
Wertpapierlinie
EW(ri)
EW(rM)
EW(rRFZ)
BetaM = 1
Betai
Abb. 289: Der Verlauf der Wertpapierlinie im CAPM mit: EW = Erwartungswert; i = Index einer beliebigen Aktie; M = Marktportfolio; r = Rendite; RFZ = Risikofreier Zins
Obwohl das CAPM in zahlreichen empirischen Untersuchungen letztlich weder bestätigt noch widerlegt werden konnte, haben sich die Beta-Faktoren im Rahmen des PortfolioManagements als ein sehr bedeutendes Analyseinstrument durchgesetzt. Beta-Faktoren werden für einzelne Aktien tagtäglich ermittelt und veröffentlicht. Als Maßstab für die Entwicklung des Marktes kann dabei ein möglichst marktbreiter Index herangezogen werden. In Deutschland wird dazu beispielsweise der Deutsche Aktienindex DAX®, in der Schweiz der Swiss Market Index SMI verwendet. Die Zusammenhänge zwischen Marktindex und BetaFaktor sollen beispielhaft am DAX® aufgezeigt werden. Der DAX® ist offiziell am 1. Juli 1988 eingeführt worden. Zur Indexberechnung werden dreißig deutsche Standardwerte herangezogen, die größtenteils an allen deutschen Präsenzbörsen gehandelt werden. Die Werte wurden nach den Kriterien Börsenumsatz, Börsenkapita451
lisierung und frühe Eröffnungskurse ausgesucht. Der DAX® repräsentiert fast sechzig Prozent des gesamten Grundkapitals inländischer börsennotierter Unternehmen und deutlich über 80 % der gesamten Börsenumsätze in deutschen Aktien. Der DAX® wird nach der sogenannten Laspeyres-Formel berechnet und ist mit dem Grundkapital der einzelnen Unternehmungen gewichtet. Der Index wird um Kapitalveränderungen bereinigt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Indizes, die als reine Preisindizes fungieren, wird beim DAX® auch eine Bereinigung um Dividendenabschläge durchgeführt, so dass abrupte Sprünge aufgrund von Dividendenzahlungen nicht auftreten. Der DAX® liefert somit einen zuverlässigen Performance-Maßstab und ist daher besonders geeignet, als Surrogat für die Wertentwicklung des „Marktportfolios“ zu fungieren. In Abbildung 290 werden die BetaFaktoren für ausgewählte Aktien des DAX® dargestellt. Kennzahlen bezogen auf DAX®-Aktienwerte (26. Januar 2001) Kürzel Volatilitäten Korrelation 30 Tage p.a. 250 Tage p.a. DAX ADS ALV BAS BAY BMW CBK DBK DCX DHA DRB DTE EOA EPC FME
22,15 % 40,11 % 25,01 % 27,54 % 26,52 % 50,32 % 28,22 % 36,35 % 36,31 % 37,18 % 37,94 % 54,25 % 32,27 % 56,05 % 30,49 %
22,20 % 41,90 % 34,72 % 30,56 % 29,34 % 42,17 % 32,95 % 37,73 % 30,29 % 32,01 % 41,01 % 56,54 % 33,79 % 69,01 % 34,42 %
Beta
30 Tage
250 Tage
250 Tage
0,0867 0,5754 - 0,0014 0,2003 0,4068 0,6089 0,8338 0,4192 0,2326 0,7333 0,5853 0,2784 0,5104 0,3927
0,2088 0,4770 0,3697 0,4218 0,2572 0,3919 0,4631 0,3367 0,2940 0,3851 0,7063 0,1388 0,5483 0,2085
0,3942 0,7461 0,5090 0,5575 0,4886 0,5818 0,7872 0,4594 0,4239 0,7115 1,7990 0,2112 1,7047 0,3234
Abb. 290: Beta-Faktoren einzelner deutscher Standardwerte (Quelle: Deutsche Börse AG)
Anhand dieser Tabelle lassen sich die Aktien hinsichtlich ihres Risikocharakters einteilen in: •
risikoreiche Papiere (Beta > 1,05),
•
risikonormale Papiere (0,94 d Beta d 1,05) und
•
risikoarme Papiere (Beta < 0,94).
Bei dem Einsatz von Beta-Faktoren im Rahmen des Portfolio-Managements muss insbesondere die Korrelation berücksichtigt werden. In der Tabelle ist der Beta-Faktor der BMWAktie mit 0,4886 relativ tief, d.h. dass dieser Wert bei einem Marktanstieg um 1 % um ca. 0,49 % ansteigt. Da die Wertentwicklung der Aktie jedoch nur zu 40,7 % (30 Tage) bzw. 25,7 % (250 Tage) mit dem Index korreliert, verliert der Beta-Faktor erheblich an Aussagekraft. Um Beta-Faktoren sinnvoll einsetzen zu können, sollte nicht nur die Korrelation sehr 452
hoch sein, sondern weiterhin auch eine zeitliche Stabilität der Beta-Faktoren gewährleistet sein. Im Rahmen des Portfolio-Managements kann das Konzept der Beta-Faktoren unter Berücksichtigung dieser Prämissen (hohe Korrelation und zeitliche Stabilität) im wesentlichen drei Funktionen erfüllen: 1)
Performancemessung unter Berücksichtigung des Risikos: Von gut informierten Portfolio-Managern wird angenommen, dass sie bewusst Risiken eingehen, um Erträge zu erzielen. Portfolios mit unterschiedlichem Risikocharakter müssen hinsichtlich ihrer Performance verglichen werden. Mit dem Beta-Faktoren-Konzept ist es möglich, das systematische Risiko eines Portfolios zu bestimmen und die dafür zu erzielende Risikoprämie im Vergleich zu berücksichtigen. Die „Überrendite eines Portfolios“, die eigentlich nur bei unvollkommenen Märkten auftreten kann, ist dann nicht einfach im Vergleich zum Index zu bestimmen, sondern wird unter Berücksichtigung des Portfolio-Betas um Risikozu- und -abschläge korrigiert.
2)
Portfolio-Bildung unter Berücksichtigung der Beta-Faktoren: Aktienportfolios können anhand von Beta-Faktoren gebildet werden. Es lassen sich verschiedene Strategien unterscheiden. Bei der Bildung von sogenannten Index-Fonds werden Portfolios konstruiert, die ein Portfolio-Beta von 1 aufweisen sollen (LERBINGER 1984). Ziel einer solchen Strategie ist es, ein Portfolio zu bilden, das auf keinen Fall schlechter als der Index abschneidet. Das Portfolio kann hierbei einerseits genauso aufgebaut werden wie der Index, wozu allerdings viel Kapital benötigt wird. Andererseits lässt sich auch mit weniger Kapital unter Berücksichtigung der einzelnen Betas ein Portfolio aufbauen, das bei begrenzter Diversifikation ca. 15 - 20 Aktien enthalten sollte. Neben dem Index-Fonds kann man mit Hilfe der Beta-Faktoren auch sogenannte BetaFonds bilden. In Hausse-Phasen werden Portfolios mit einem Beta größer 1 konstruiert, während in Baisse-Phasen das Portfolio in Aktien mit einem Beta kleiner 1 umgeschichtet wird (vgl. S. 450 ff.).
3)
Beta-Faktoren im aktiven Risiko-Management: Das Beta-Faktoren-Konzept bildet die Grundlage für einen effizienten Einsatz von Hedging-Instrumenten zur Steuerung des Aktienkursrisikos. Als Instrumente dienen hierbei insbesondere Index-Futures und Optionen, die später noch erläutert werden (vgl. hierzu S. 467 ff.).
Damit wird zum einen deutlich, dass der Beta-Faktor als (Risiko-) Indikator ein Instrument der Risikomessung darstellt, mit dem das Risiko einer Renditeschwankung ausgedrückt werden kann. Zum anderen wird die enge Verzahnung des Beta-Faktors mit der Risikosteuerung zum Ausdruck gebracht, da der Beta-Faktor ein zentrales Element bei der Zusammenstellung von Portfolios darstellen kann.
b)
Maßnahmen zur Steuerung von Aktienkursrisiken
Bezüglich der Maßnahmen zur Steuerung von Aktienkursrisiken sind zwei materiell völlig unterschiedliche Bereiche voneinander abzugrenzen. Die erste Kategorie der Steuerungsinstrumentarien umfasst alle Maßnahmen, die im Rahmen der modernen Portfolio- bzw. Kapitalmarkttheorie zur Gestaltung optimal diversifizierter Portfolios einzusetzen sind. Diese 453
Maßnahmen sind zum einen dazu geeignet, die Risiken auf ein bestimmtes Niveau zu begrenzen. Zum anderen lassen sich damit auch aus ertragsorientierter Sicht unter besonderer Berücksichtigung des Risikoaspektes optimierte Aktienportfolios zusammenstellen. Neben diesem Instrumentarium sind bestimmte Hedgingstrategien, die grundsätzlich den Einsatz von Finanzderivaten erfordern, zur Begrenzung von Aktienkursrisiken geeignet. (1)
Die Risikodiversifikation von Aktienportfolios
(a)
Das Konzept der Kapitalmarktlinie
Um die Konzeption der Kapitalmarktlinie darstellen zu können, sind zunächst die aus der Portfoliotheorie bekannten Möglichkeiten der Risikodiversifikation zu untersuchen. Das grundlegende Modell der Portfoliotheorie geht auf MARKOWITZ (1952, 1991) zurück. Danach möchte ein Investor einen gegebenen Kapitalbetrag für eine Periode in Wertpapieren anlegen. Die Renditen der Wertpapiere sind unsicher; bekannt ist aber deren (normalverteilter) Erwartungswert EW und die Standardabweichung STD der Renditen als Risikomaß. Der Investor ist risikoscheu und strebt folgerichtig für sein Portfolio ein möglichst geringes Risiko bei gegebener Renditeerwartung an. In einem ersten Schritt können die Investitionsalternativen nach dem kombinierten Erwartungswert-/Risikokriterium analysiert werden, das ein relativ aussagefähiges Kriterium zur Vorteilsbeurteilung bei Investitionen bzw. Krediten unter Unsicherheit darstellt. Dabei wird üblicherweise die Standardabweichung mit dem Risiko gleichgesetzt. Eine Alternative ist eindeutig vorteilhafter als eine andere, wenn sie: •
bei mindestens gleich hohem Erwartungswert eine niedrigere Standardabweichung hat, bzw.
•
bei höchstens ebenso hoher Standardabweichung einen höheren Erwartungswert aufweist.
Zweifelsfälle können jedoch auftreten, wenn eine eindeutige Rangordnung der Alternativen nach den genannten Regeln nicht möglich ist (z.B. wenn eine Alternative einen höheren Erwartungswert und eine höhere Standardabweichung aufweist). In solchen Fällen muss eine Austauschregel definiert werden, die darüber Auskunft gibt, welche Anzahl zusätzlicher „Erfolgseinheiten“ für notwendig erachtet wird, um eine zusätzliche Risikoeinheit zu kompensieren. Das folgende Beispiel, das von HIELSCHER übernommen wurde (HIELSCHER 1988, S. 23 f.), verdeutlicht die Zusammenhänge (vgl. Abb. 291). Die dargestellten Investitionsalternativen (Ai) unterscheiden sich hinsichtlich des erwarteten Ertrags (EW) und der Standardabweichung (STD). Dem höheren Erwartungswert entspricht also ein höheres Risiko und vice versa.
454
Alternative
Erwartete Standard- Schwankungsintervall mit Schwankungsintervall mit Rendite abweirund 68 % -iger rund 95 % -iger (EW) Wahrscheinlichkeit Wahrscheinlichkeit chung (STD) (erw. Rendite +/- 1 · STD ) (erw. Rendite +/- 2 · STD )
1
30 %
10 %
20 % – 40 %
10 % – 50 %
2
50 %
30 %
20 % – 80 %
- 10 % – 110 %
Abb. 291: Beispiel zum Erwartungswert-/Risikokriterium
Die Standardabweichung kann als Risikomaß zunächst für die Formulierung von Sicherheitsvorgaben verwendet werden. Denn der um die Standardabweichung reduzierte Erwartungswert repräsentiert im Sinne der statistischen Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis, das im Fall der Normalverteilung mit rund 84 %-iger Wahrscheinlichkeit mindestens erreicht wird. Gleichzeitig liegt mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 68 % der Ertrag zwischen 20 und 40 % (vgl. zu diesen statistischen Aussagen S. 69 ff.).
Alternative 1
20 %
40 %
V = 10 %
2 • V = 20 %
10 %
50 % 30 %
Erwarteter Ertrag Alternative 2
V = 30 %
2 • V = 60 % - 10 %
20 %
50 %
80 %
110 % Erwarteter Ertrag
Abb. 292: Vergleich von zwei alternativen Anlagemöglichkeiten
Für beide Alternativen zeigt sich das gleiche Mindestergebnis in Höhe eines Ertrages von 20 %. Bei einem höheren Sicherheitsbedürfnis differenzieren sich die unteren Grenzen der Ergebnisprofile. So muss man beispielsweise die doppelte Standardabweichung (Z-Wert = 2)
455
vom Erwartungswert abziehen, um das Ergebnis zu bestimmen, das mit 98 %-iger Wahrscheinlichkeit mindestens eintreten wird. In diesem Fall weist Alternative 1 noch mit + 10 % ein positives Mindestergebnis auf, während bei Alternative 2 bei einer negativen Entwicklung ein entsprechend positives Mindestergebnis nicht mehr gewährleistet ist. Abbildung 292 veranschaulicht die Dichtefunktion der beiden Anlagealternativen. Es wird deutlich, dass bei Alternative 1 die Streuung der Renditen wesentlich geringer ist. Dementsprechend ist die Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis nahe dem Erwartungswert zu erhalten größer und die Gefahr negative Ausreißer hinnehmen zu müssen ist erheblich geringer. In der Formulierung derartiger Mindestergebnisse als Sicherheitsvorgaben konkretisieren sich ansatzweise die angesprochenen Austauschregeln zwischen Ertrag und Risiko, die allgemein über Risikopräferenzfunktionen abgebildet werden können. Der Normalfall eines risikoscheuen Investors (der Investitionsalternativen umso schlechter bewertet, je höher ihr Risikogehalt ist) kann dabei durch Indifferenzkurven verdeutlicht werden (vgl. Abb. 293): Die Alternativen A und B sind hinsichtlich ihres Erfolgs-/Risikoprofils gleichwertig, da sie auf der gleichen Indifferenzkurve liegen. Dabei führen die angesprochenen Austauschregeln dazu, dass ein gegenüber der Alternative A zunehmendes Risiko mit einem zunehmenden Renditeerwartungswert verbunden ist. Dieser Prozess der Risikoentlohnung führt schließlich zu der Alternative B, deren Erwartungswert-/Risiko-Kombination von einem Investor mit der abgebildeten Indifferenzkurve gegenüber der Alternative A als gleichwertig angesehen wird. Alternative C hat demgegenüber einen höheren Risikogehalt, weil sie auf einer weiter rechts angesiedelten Kurve liegt. Bei gleichem Ertrag ist auf dieser Kurve ein höheres Risiko zu verzeichnen, als auf der zuvor genannten Kurve. Ertrag (EW) Indifferenzkurven
B C A
Risiko (STD) Abb. 293: Indifferenzkurven einer Risikopräferenzfunktion bei Risikoaversion
Die Einzelanalyse der Anlagemöglichkeiten stellt eine wesentliche Voraussetzung für die in einem zweiten Schritt erfolgende Portfolioanalyse dar. Die Portfoliotheorie betrachtet übli-
456
cherweise keine einzelnen Wertpapiere, sondern gemischte Portfolios, wobei die Korrelation zwischen einzelnen Anlagetiteln von großer Bedeutung für die mögliche Zusammenstellung von Portfolios ist. Wenn Anlagen kombiniert werden, deren mögliche Kurs- bzw. Ertragsentwicklung nicht strikt positiv miteinander korreliert sind, können Risiken teilweise, im Grenzfall sogar vollständig, durch Diversifikation aufgehoben werden. Wertpapier i Ertrag (EWi)
a
b
7%
12 %
Risiko (STDi)
9%
8%
Abb. 294: Beispiel zum Zwei-Wertpapier-Fall
Die Grundüberlegungen des Portfoliomodells sollen an einem einfachen, in Abbildung 294 skizzierten Fall mit zwei Wertpapieren verdeutlicht werden (vgl. zum folgenden auch FRANKE/HAX 2003). Isoliert gesehen dominiert im Beispiel eindeutig das Wertpapier b. Es weist die relativ höhere Rendite und gleichzeitig ein geringeres Risiko auf als das Wertpapier a. Die Portfoliotheorie analysiert jedoch gemischte Portfolios und führt schließlich zu der Erkenntnis, dass die Anlage der Mittel ausschließlich in Wertpapier b lediglich ein Grenzfall ist und nicht mehr die einzige effiziente Lösung darstellen muss. Wichtig für den Lösungsansatz der Portfoliotheorie ist die Erkenntnis, dass die erwartete Rendite EW(rPF) eines gemischten Portfolios sich aus den Einzelrenditen der Wertpapiere als gewogener Durchschnitt ergibt: Erwarteter Ertrag des Portfolios: EW(rPF) = qa · ra + qb · rb mit: EW = Erwartungswert; PF = Portfolio; qa (qb) = Anteil der Aktie a (b); qa + qb = 1; ra (rb) = Rendite der Aktie a (b)
Die Standardabweichung STD(rPF) eines gemischten Portfolios, aus der sich im übrigen der Value at Risk ableitet, hängt nicht nur von den Standardabweichungen, sondern, wie schon im Zusammenhang mit dem internen Risikomodell erörtert, auch von den Korrelationen KOR(ri,rj) der einzelnen Renditen ab. Allerdings entsprechen sich Value at Risk und Standardabweichungen nicht, da die Standardabweichung bekanntlich nur ein Element der Risikomesszahl bzw. des Risikofaktors ist und sich erst durch die Verknüpfung mit dem Risikovolumen der Value at Risk ergibt. Insofern bildet die Berechnung der Standardabweichung lediglich eine Vorstufe der Value at Risk-Quantifizierung. Im Sprachgebrauch der Portfoliotheorie wird jedoch die Standardabweichung üblicherweise mit dem Risiko gleichgesetzt. Dementsprechend resultiert das Risiko des aus zwei Wertpapieren bestehenden Portfolios aus der Gleichung (zur Berechnung der Varianz eines Portfolios bestehend aus 2 Wertpapieren vgl. S. 83 ff.): STD ( rPF )
q a2 [STD (ra )]2 q 2b [STD (rb )]2 2 q a q b STD (ra ) STD (rb ) KOR (ra , rb )
457
Wertpapieranteile
Rendite
Risiko (Standardabweichung) bei einem Korrelationskoeffizienten von:
qa
qb
0,0
1,0
12,00
0,080
0,0800
0,0800
0,0800
0,080
0,1
0,9
11,50
0,081
0,0769
0,0726
0,0679
0,063
0,2
0,8
11,00
0,082
0,0746
0,0665
0,0572
0,046
0,3
0,7
10,50
0,083
0,0733
0,0622
0,0485
0,029
0,4
0,6
10,00
0,084
0,0730
0,0600
0,0433
0,012
0,5
0,5
9,50
0,085
0,0736
0,0602
0,0427
0,005
0,6
0,4
9,00
0,086
0,0753
0,0628
0,0470
0,022
0,7
0,3
8,50
0,087
0,0778
0,0674
0,0551
0,039
0,8
0,2
8,00
0,088
0,0812
0,0738
0,0655
0,056
0,9
0,1
7,50
0,089
0,0853
0,0814
0,0733
0,073
1,0
0
7,00
0,090
0,0900
0,0900
0,0900
0,090
(in %)
+ 1,0
+ 0,5
±0
- 0,5
-1
Abb. 295: Erwartungswert-/Risiko-Kombinationen bei alternativen Korrelationskoeffizienten im Zwei-Wertpapier-Fall
Je nach Ausprägung der Korrelationskoeffizienten ergeben sich damit unterschiedliche STD(rPF) für ein gemischtes Portfolio. Abbildung 295 zeigt Beispielrechnungen für den genannten Zwei-Wertpapier-Fall, indem alternativ von •
strikt positiver und negativer Korrelation (Korrelationskoeffizient = + 1 und Korrelationskoeffizient = - 1)
•
gemildert positiver und negativer Korrelation (Korrelationskoeffizient = + 0,5 und Korrelationskoeffizient = - 0,5)
•
fehlender Korrelation (Korrelationskoeffizient = ± 0)
ausgegangen wird. Von Leerverkaufsmöglichkeiten wird im Beispiel abgesehen. Die grau unterlegten Felder repräsentieren die Varianz-minimalen Portfolios für die jeweiligen Korrelationskoeffizienten. Aus der Abbildung 296 wird der Effekt der Risikostreuung ersichtlich: Mit Ausnahme des Falls strikt positiver Korrelation können die Risiken eines gemischten Wertpapierportfolios unter den Wert des gewogenen Durchschnittsrisikos der Einzelpapiere gesenkt werden. Im Fall negativer Korrelation kann das Risiko sogar den Wert Null annehmen. Im Beispiel ist dies exakt bei einem Mischungsverhältnis der Wertpapiere a und b in Höhe von 52,94 % zu 47,06 % der Fall. Hierbei ergibt sich eine Portfolio-Rendite von 9,65 %.
458
Ertrag EW(r)
KOR = 0,5 KOR = 0
0,12
KOR = - 0,5 KOR = - 1
0,11
KOR = 1
0,10
0,09
0,08
0,07
0
0,01 0,02 0,03 0,04 0,05 0,06 0,07 0,08 0,09
Risiko STD(r)
Abb. 296: Das Erwartungswert-/Risiko-Diagramm zur Verdeutlichung des Zusammenhangs zwischen Risiko und Ertrag bei zwei Wertpapieren und variierendem Korrelationskoeffizienten mit: EW = Erwartungswert; KOR = Korrelationskoeffizient; r = Rendite; STD = Standardabweichung
Als ein praxisbezogenes Beispiel für eine Diversifikationspolitik wird in Abbildung 297 ein gemischtes Aktienportfolio bestehend aus CS-Group und ABB-Aktien analysiert, dabei wird wiederum von einer Halteperiode von 30 Tagen ausgegangen. Nach der Portfoliotheorie ergeben sich für verschiedene gemischte Portfolios die in Abbildung 297 angegebenen Renditen und Risiken (zur Berechnung der verschiedenen Parameter vgl. S. 58 ff.). Daran wird ersichtlich, dass das Risiko bei einem Portfolioanteil an ABB-Aktien von 80 % den Minimalwert in Höhe von 8,98 % erreicht (Punkt B). Bei dieser Portfoliomischung wird ein Ertrag von 2,10 % erwartet.
459
Ausgangsdaten ø Rendite Risiko (= STD) Korrelation 2,06 % 9,19 % 0,598 2,26 % 11,89 % Risiko-/Rendite-Kombinationen bei variierenden Anteilen Anteil des Portfolios in Anteil des Portfolios in Rendite Risiko ABB- Aktien CS-Group- Aktien (in %) (in %) Punkt D 0,0 1,0 2,26 11,89 0,1 0,9 2,24 11,27 0,2 0,8 2,22 10,71 Punkt C 0,3 0,7 2,20 10,21 0,4 0,6 2,18 9,79 0,5 0,5 2,16 9,44 0,6 0,4 2,14 9,19 0,7 0,3 2,12 9,03 Punkt B 0,8 0,2 2,10 8,98 0,9 0,1 2,08 9,03 Punkt A 1,0 0 2,06 9,19 Aktie ABB CS-Group
Abb. 297: Beispiel zum Zwei-Wertpapier-Fall
Für das Modell von MARKOWITZ ist darüber hinaus die in Abbildung 298 skizzierte, aus den Daten der Abbildung 297 gewonnene Unterscheidung von zulässigen (möglichen), effizienten und optimalen Wertpapierportfolios charakteristisch: (1) Zulässige Wertpapiermischungen sind solche, die aufgrund der am Markt verfügbaren, anlagefähigen Wertpapiere und bei Einhaltung bestimmter finanzieller Nebenbedingungen realisierbar sind. Sie werden bei gegebenen Korrelationskoeffizienten von der dazugehörigen EW-STD-Linie begrenzt. Im Zwei-Wertpapier-Fall liegen sie auf dieser Linie (im Beispiel gekennzeichnet durch die Verbindung AD, A = Investition nur in ABBAktien; D = Investition nur in CS-Group Aktien) (2) Wertpapiermischungen werden als effizient bezeichnet, wenn es keine anderen Kombinationen gibt, die entweder • bei gleichem EW eine niedrigere STD oder • bei gleicher STD einen höheren EW oder • einen höheren EW und eine niedrigere STD aufweisen. Im Beispiel wird der Bereich effizienter Wertpapierportfolios durch den Verbindungszug BD markiert. Ineffizient wäre es, nur in ABB-Aktien zu investieren, da sich das Risiko durch eine Zumischung von CS-Group Aktien auf 8,98 % vermindern lässt. Außerdem könnte bei gleichem Risikogehalt (STD = 9,19%) der Ertrag bei einem Anteil von 40 % an CS-Group Aktien auf 2,14 % gegenüber ursprünglich 2,06 % gesteigert werden.
460
(3) Das optimale Wertpapierportfolio lässt sich durch Anlegen spezifischer Risikopräferenzfunktionen bzw. Risikoindifferenzkurven bestimmen. Bei risikoscheuem Verhalten sind die Indifferenzkurven konvex, so dass sich aufgrund der Konkavität der Effizienzlinie stets eine eindeutige Lösung ergibt (im Beispiel Punkt C). Die Ableitung der optimalen Lösung im Markowitz-Modell hängt u.a. von der Kenntnis und der zwischenzeitlichen Stabilität aller Korrelationskoeffizienten zwischen den zulässigen Wertpapieranlagen ab. Bei n Wertpapieren ergeben sich aber allgemein 0,5 · (n2 – n) solcher Korrelationskoeffizienten, so dass für eine praktische Anwendung des Markowitz-Modells fast unerfüllbare Informationsanforderungen gestellt werden. Weitere Grenzen des Modells liegen im statistischen Ansatz und der Anwendung des Erwartungswert-/Risiko-Kriteriums, das nur unter einschränkenden Voraussetzungen rationales Verhalten beschreibt (SCHNEIDER 1992).
Rendite Anlegerindividuelle Indifferenzkurve •D
2,25% C •
2,20% 2,15% B
Mögliche Portfoliokombinationen
• •A
2,05%
1,95%
Risiko 9%
10 % 10,21 %
11 %
12 %
Abb. 298: Zulässige und effiziente Wertpapierportfolios im „Zwei-Wertpapier-Fall“ und Bestimmung des optimalen Portfolios
Die in Abbildung 298 dargestellte Effizienzkurve risikobehafteter Wertpapierportfolios bildet den Ausgangspunkt für die Ableitung der Kapitalmarktlinie. Dabei werden allerdings sämtliche risikobehafteten Wertpapiere des Marktes berücksichtigt. Der Verlauf der ursprünglichen Effizienzkurve wird nach unten durch den Punkt B´ begrenzt (vgl. Abb. 299). Alle unterhalb dieses Punktes liegenden Kombinationen von Risiko und Ertrag sind einer oberhalb hiervon liegenden, bei gleichem Risiko zu einem höheren Ertrag führenden Risiko-/RenditeKombination unterlegen. Auf dieser Effizienzkurve liegt auch das Marktportfolio M, das sämtliche risikobehafteten Wertpapiere enthält (vgl. SHARPE 1964). Der Erwartungswert der Rendite des Marktportfolios ist EW(rM) und das Risiko beträgt STD(rM). Verbindet man den Punkt M mit dem risikofreien Zins (RFZ) für risikofreie Kapitalanlagen und verlängert die sich ergebende Linie noch weiter nach rechts, so erhält man die Kapitalmarktlinie (vgl. Abb. 299). Sie beschreibt alle risikoeffizienten Mischungen zwischen der Anlage von Mitteln in das risikobehaftete Marktportfolio und der risikofreien Kapitalanlage. Im Schnittpunkt mit der Y-Achse wird nur in die risikofreie Kapitalanlage investiert; rechts 461
davon wird eine Mischung aus dem Marktportfolio und der risikofreien Anlage bis hin zum Punkt M hergestellt. Wiederum rechts von M wird zusätzlich Kapital zum risikolosen Zins aufgenommen und in das Marktportfolio investiert. Andere Punkte unterhalb der Kapitalmarktlinie sind nicht effizient, was beispielsweise durch einen Vergleich der Alternativen B mit B‘ und E mit E‘ deutlich wird: •
Bei Existenz einer risikolosen Kapitalanlagemöglichkeit kann die Gesamtrendite der Investoren ohne höheres Risiko dadurch gesteigert werden, dass nicht B‘ sondern B realisiert wird. Das heisst, dass nur ein Teil der anlagefähigen Mittel (a < 1) in das Marktportfolio investiert wird, während der Rest (1 – a) zum risikolosen Zins RFZ angelegt wird.
•
Entsprechend gilt bei Finanzierungsmöglichkeiten zum Satz RFZ, dass durch eine zusätzliche Aufnahme von Kapital ein Investitionsvolumen realisiert werden kann, das größer als die vorhandenen Anlagemittel ist (a > 1) und die Rendite steigen lässt, ohne dass sich das Risiko ändert (E statt E‘). Rendite (EW)
Kapitalmarktlinie a>1
a<1 EW(rM)
E• • E‘
B• • M • EW(rM) – RFZ B‘
Steigung = Kapitalmarktlinie
EW(rM) – RFZ STD(rM)
RFZ
STD(rM)
Risiko (STD)
Abb. 299: Der Verlauf der Kapitalmarktlinie
Bei Gültigkeit der Modellprämissen müssten also rationale Investoren, sofern sie ihrer Risikoneigung entsprechend nicht die risikofreie Anlage generell präferieren, ihr Wertpapierportfolio stets so zusammenstellen, dass es strukturell dem Marktportfolio entspricht. Die individuellen Portfolios würden sich also lediglich in ihrer absoluten Höhe und in ihrer Aufteilung der Mittel auf das risikobehaftete Marktportfolio und die risikolose Kapitalanlagemöglichkeit unterscheiden. Die Risikoneigung des Investors bestimmt das entsprechende Aufteilungsverhältnis. (b)
Beispiel zur Bestimmung eines optimal diversifizierten Aktienportfolios
Die Erkenntnisse der Kapitalmarktlinie lassen sich dazu nutzen, ein unter Risikogesichtspunkten optimales Portfolio zusammenzustellen. Ein Anleger steht vor dem Problem, sein Vermögen bzw. sein Eigenkapital auf risikofreie und risikobehaftete Anlagen aufzuteilen. Da er diesbezüglich zwischen mehreren risikobehafteten Anlagen wählen kann, steht er vor dem Problem, die optimale Aufteilung seines Vermögens zu erzielen.
462
Aktie A 14 10 rA 1 0,6 0,5
EW (in %) STD (in %) Korrelationen RA RB RC
Aktie B 19 20 rB 0,6 1 0,3
Aktie C 24 30 rC 0,5 0,3 1
Abb. 300: Statistische Parameter dreier Aktien mit: EW = Erwartungswert; r = Rendite; STD = Standardabweichung
Zur Veranschaulichung dieses Selektionsproblems sei ein Aktienportfolio unterstellt, das sich aus drei Aktien zusammensetzt, deren statistisch relevante Parameter der Abbildung 300 zu entnehmen sind. Für die Modellwelt der Portfoliotheorie ist es dabei zur Vermeidung einer unnötigen Komplexität erforderlich, von diskreten Renditen auszugehen. Unter Berücksichtigung unterschiedlicher Anteilswerte von A, B und C lassen sich alternative Portfolios aufbauen. Mit Hilfe der erläuterten Gleichungen lassen sich daran anschließend Standardabweichung und Erwartungswert dieser Portfolios berechnen.
Erwartungswert
anlegerindividuelle Kapitalmarktlinie
35 % 30 % 25 % 20 % 15,41 % 15 % 10 % 5% 4% 11,02 %
0%
Risiko 0%
5%
10 %
15 %
20 %
25 %
30 %
Abb. 301: Funktion der Kapitalmarktlinie
Die Ergebniswerte dieser Berechnungen, denen die Anteilswerte mit Hilfe eines Zufallszahlengenerators vorgegeben wurden und bezüglich derer short-Positionen in Aktien ausgeklammert wurden, sind als Punktwolke in Abbildung 301 eingetragen. Die Betrachtung der
463
Punktwolke zeigt, dass Portfolios bei identischen Standardabweichungen mit unterschiedlich hohen Renditeerwartungen und umgekehrt bei ein und demselben Renditeerwartungswert mit unterschiedlich hohen Standardabweichungen verbunden sein können. Die Portfoliotheorie bietet an dieser Stelle mathematische Verfahren an, mit deren Hilfe sich die optimale Zusammensetzung des risikobehafteten Teils des Gesamtportfolios berechnen lässt. Auf die mathematische Herleitung dieser komplexen Verfahren muss an dieser Stelle verzichtet werden, da eine verständliche Darstellung dieser Zusammenhänge den Rahmen sprengen würde (vgl. hierzu ausführlich SPREMANN 2007). Statt dessen wird die Vorgehensweise zunächst anhand der Abbildung 301 beschrieben und anschließend die Anwendung der damit verbundenen Gleichungen demonstriert. Eine risikolose Anlage weist nach den finanzmarkttheoretischen Prämissen eine Standardabweichung von 0 auf. Wird diese risikolose Anlage mit einer risikobehafteten Anlage über bestimmte Anteilswerte kombiniert, so ergibt sich für das daraus entstehende Portfolio die Standardabweichung nach: 2 2 VAR (PF) = qRL2 · STD(RL) + qA2 · STD(A) + qRL ·qA· KOR(RL,A) · STD(RL) · STD(A) = 0 + qA2 · STD(A)2 + 0
= qA2 · STD(A)2 STD (PF) =
VAR(PF)
q 2A STD (A) 2
q A STD (A)
mit: PF = Portfolio; q = Anteilswert; qRL + qA = 1; A = beliebige risikobehaftete Anlage; RL = risikolose Anlage; KOR = Korrelationskoeffizient; STD = Standardabweichung; VAR = Varianz
Wenn man demnach eine beliebige risikobehaftete Anlage mit einer risikofreien verknüpft, so ergibt sich für das Risiko des daraus resultierenden Gesamtportfolios stets eine lineare Funktion in Abhängigkeit von Risiko und Anteilswert der risikobehafteten Anlageform. Für den Renditeerwartungswert eines derartigen Gesamtportfolios gilt parallel dazu: rPF = qRL · rRL + qA · rA mit: r = Rendite
Diese Aussagen bilden das Fundament der weiteren Überlegungen. Wenn man den Anteilswert der risikobehafteten Anlageform auf 0 setzt, so hat das Gesamtportfolio ein Risiko von 0 bei einem Renditeerwartungswert in Höhe des risikolosen Zinses. Wenn nun der Anteil des risikobehafteten Investments sukzessiv erhöht wird, so muss sich aufgrund der oben beschriebenen Zusammenhänge eine linear ansteigende Funktion des Renditeerwartungswertes in Abhängigkeit von der Standardabweichung des Portfolios aufzeigen lassen. Die Punktwolke in Abbildung 301 zeigt die Risiko-/Renditekombinationen alternativer, risikobehafteter Portfolios. Diese Portfolios lassen sich ebenfalls mit der risikolosen Anlage kombinieren. Vergleichbar mit dem Marktportfolio muss es ein Portfolio geben, das in Kombination mit der risikolosen Anlage alle anderen Portfolios aus ausschließlich risikobehafteten 464
Wertpapieren dominiert. Diese optimale Portfoliozusammensetzung stellt genau diejenige Kombination von Standardabweichung und Renditeerwartung dar, durch die eine Linearkombination mit der risikolosen Anlage zur Tangente der Punktwolke wird. Im Beispiel befindet sich dieses optimale Portfolio an der Stelle STD = 11,02 % und EW = 15,41 %. Alle Kombinationen aus risikofreier Anlage und eben diesem Portfolio dominieren die in der Punktwolke abgebildeten Portfoliokonstruktionen. Es lässt sich für keine Standardabweichung ein höherer als der von der Linearkombination vorgezeichnete Renditeerwartungswert finden. Bei vorgegebenem Renditeerwartungswert lässt sich keine Kombination mit einer geringeren Standardabweichung darstellen. Diese Linearkombination entspricht grundsätzlich der Konstruktion der Kapitalmarktlinie. Allerdings stellt die Kapitalmarktlinie eine Tangente an das Marktportfolio dar. Im Beispiel wird jedoch ein Portfolio zusammengestellt, das nur einen Teil des Gesamtmarktes beinhaltet. Deshalb kann die in Abbildung 301 konstruierte Gerade nur als eine anlegerindividuelle Kapitalmarktlinie betrachtet werden, die mit der theoretisch exakten Kapitalmarktlinie nicht übereinstimmt. Die mathematische Berechnung des optimal diversifizierten Portfolio erfolgt allgemein mit der Gleichung: ªq A º «q » ¬ B¼
-1
1 KOV(rA , rB )º ª ªEW(rA ) RFZº « «KOV(r , r ) » » 1 B A ¬ ¼ ¬ EW(rB ) RFZ ¼
mit: A, B = beliebige risikobehaftete Anlagen; EW = Erwartungswert; KOV = Kovarianz; RFZ = risikofreier Zins
Der Vektor vor dem Gleichheitszeichen enthält die Anteilswerte. Der erste Vektor der risikobehafteten Anlagen auf der rechten Seite der Gleichung stellt die Inverse der Kovarianzmatrix dar. Der zweite Vektor enthält die über die risikofreie Verzinsung hinaus erwarteten Überrenditen. Für das Aktienbeispiel mit drei risikobehafteten Anlagealternativen ist die Kovarianzmatrix aufzustellen, indem die Korrelationskoeffizienten mit dem Produkt der Standardabweichungen multipliziert werden. Der Vektor der Überrenditen ergibt sich aus der Differenz zwischen den Renditeerwartungswerten und einem risikolosen Zins, der im Beispiel mit 4 % unterstellt wird. Danach ergeben sich die Gleichungen: ªq A º «q » « B» «¬ q C »¼
ª1,0 0,1 0,1 0,6 0,1 0,2 0,5 0,1 0,3 º «0,6 0,2 0,1 1 0,2 0,2 0,3 0,2 0,3» « » «¬ 0,5 0,3 0,1 0,3 0,3 0,3 1,0 0,3 0,3 »¼
ªq A º «q » « B» «¬ q C »¼
ª189,58 - 46,88 - 22,22º ª 0,10 º «- 46,88 39,06 0 »» «« 0,15 »» « «¬- 22,22 0 14,82 »¼ «¬0,20»¼
1
ª0,14 - 0,04º ««0,19 - 0,04»» «¬0,24 - 0,04»¼
465
ªq A º «q » « B» ¬« q C ¼»
ª7,48º « 1,17 » » « ¬«0,74¼»
ª79,64 %º «12,74 % » » « ¬« 7,88 % ¼»
mit: q = Anteilswert
Der sich aus der Multiplikation ergebende Vektor beinhaltet Gewichte, die sich nicht zu 100 % ergänzen. Deshalb ist eine abschließende Standardisierung erforderlich, die schließlich zu den prozentualen Anteilen führt. Das so zusammengesetzte Portfolio weist eine Renditeerwartung von 15,41 % (= 79,64 % · 14,00 % + 12,47 % · 19,00 % + 7,88 % · 24,00 %) bei einer Standardabweichung von 11,02 % auf. Mit Hilfe der Daten lässt sich abschließend die Funktion der Kapitalmarktlinie aufstellen. Deren allgemeine Funktionsgleichung lautet: rKML = RFZ + STD(rKML) · {[EW(rPF) – RFZ] / STD(rPF)} mit: rKML = Renditeerwartungswert der Kapitalmarktlinienfunktion; rPF = Portfoliorendite; RFZ = Risikofreier Zins; EW = Erwartungswert; STD = Standardabweichung
Mit den Zahlen des Beispiels zeigt sich: 4 % + STD(KML) · [(15,41 % – 4 %) / 11,02 %] = 4 % + STD(KML) · 1,03539 Mit Hilfe dieser Modellwelt lässt sich zumindest in einer ex post-Analyse die optimale Zusammensetzung eines Portfolios bestimmen. Dahingegen ist im Rahmen einer ex anteBetrachtung zu beachten, dass die zukünftig tatsächlich eintretenden Renditen genauso wie die Standardabweichungen instabil sind. Dementsprechend ist die zukunftsorientierte Zusammenstellung optimierter Portfolios mit Unsicherheiten verbunden. (c)
Der Einsatz des Capital Asset Pricing Models zur Strukturierung von Aktienportfolios
Die entscheidende Weiterentwicklung der Erkenntnisse der Portfoliotheorie als Grundlage der modernen Kapitalmarkttheorie erfolgte durch SHARPE, der die normative Portfolio-Theorie als Erklärungsmodell für das tatsächliche Anlegerverhalten deutete. Hieraus entstand mit dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) das klassische Modell der Kapitalmarkttheorie. Mit Hilfe der oben beschriebenen zentralen Funktionsgleichung des CAPM wird der Aufwand bei der Zusammenstellung von Aktienportfolios stark verringert. Statt die Korrelationen sämtlicher im Aktienportfolio enthaltenen Aktien untereinander bestimmen zu müssen, reicht es hier aus, die Korrelation eines einzelnen Wertpapiers zum Marktportfolio zu bestimmen. Insofern stellen die mit der Wertpapierlinie verbundenen Erkenntnisse zumindest aus pragmatischer Sicht eine wesentliche Vereinfachung dar. Gleichwohl ist darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Modell, wie bereits erwähnt, stark umstritten ist und empirisch weder verifiziert noch falsifiziert werden konnte.
466
Für das Management von Aktienportfolios ist weniger die Funktionsgleichung der Wertpapierlinie als vielmehr der sich bei der Herleitung dieser Funktionsgleichung ergebende BetaFaktor entscheidend. Der Einsatz dieses Beta-Faktors zur Strukturierung von Portfolios lässt sich vor dem Hintergrund der Funktionsgleichung der Wertpapierlinie an einem einfachen Beispiel demonstrieren. Für ein Portfolio mit einem aktuellen Kurswert von 1 Mio. GE ergibt sich aus der Gewichtung mit den darin enthaltenen, einzelnen Aktienwerten ein portfoliospezifischer Beta-Faktor von 1. Sofern der Anleger, der dieses Portfolio hält, steigende Kurse erwartet, sollte er versuchen, das Beta seines Portfolios zu erhöhen, um von diesen Kurssteigerungen zu profitieren. Um gleichzeitig sein Risiko zu begrenzen, plant er ein maximales Portfolio-Beta von 1,1 nicht zu überschreiten. Wenn er nun am Markt zusätzliche Aktien mit einem Beta von 1,5 kaufen könnte, ergibt sich aus den Gleichungen, 1,1
1.000.000 1 q a 1,5 = geplantes Portfolio-Beta 1.000.000 q a
durch Umstellungen qa
1.000.000 1,1 1.000.00 1,5 1,1
mit: qa = Anteil bzw. Volumen der zusätzlichen Aktienposition
ein zu erwerbendes Volumen von 250.000 GE. Der Kauf von Aktien im Wert von 250.000 GE, die einen Beta-Faktor von 1,5 aufweisen, führt dementsprechend zu einem neuen Portfolio-Beta von 1,1. Dieses Beta führt bei allgemein steigenden Aktienkursen zu einer gegenüber dem Markt überproportionalen Wertsteigerung des Portfolios, sofern die bei den Berechnungen eingesetzten statistischen Parameter konstant bleiben. Allerdings ist damit für den Fall allgemein negativer Kursentwicklungen gleichzeitig die Gefahr überproportional sinkender Portfoliowerte verbunden. (2)
Hedging von Aktienkursrisiken mit derivativen Instrumenten
Die vorgestellten Diversifikationsinstrumentarien zielen im Rahmen von Risikooptimierungsstrategien darauf ab, Portfolios mit dem vom Anleger gewünschten, optimalen Risikogehalt bzw. der optimalen Risiko-/Rendite-Kombination auszuloten. Trotzdem ist der Investor selbst bei Anwendung der portfoliotheoretischen Erkenntnisse nicht vor dem Verlustrisiko gefeit. Die Höhe und Wahrscheinlichkeit dieses Verlustrisikos wird z.B. über den gemessenen Value at Risk definiert. Um sich gegen mögliche Erfolgseinbußen zu schützen, bietet sich im Bereich der Aktienkursrisiken der Einsatz moderner Finanzinstrumente zum Aufbau von Risikolimitierungsstrategien in Form von Absicherung- bzw. Hedging-Strategien an. Dabei stehen insbesondere Aktienoptionen und Aktienfutures im Vordergrund derartiger Konzepte. Ziel aller Hedging-Strategien ist es, zusätzlich zu einem bereits bestehenden Aktienportfolio eine neue (beispielsweise Options- oder Futures-) Position so aufzubauen, dass der aus der originären Position zu erwartende, mögliche Verlust durch den Gewinn, der sich aus der gegenläufig entwickelnden zusätzlichen Position ergibt, möglichst exakt kompensiert werden 467
kann. Dabei lassen sich Hedging Strategien zunächst in fixe und dynamische Strategien unterscheiden. Bei fixen Strategien wird die absichernde Position einmalig aufgebaut und bleibt bis zur Gesamtfälligkeit unverändert. Dynamische Strategien beinhalten die permanente Anpassung der Position an die sich ändernden Preise. Die Steuerung von Aktienkursrisikopositionen, die aus Finanzderivaten bestehen, erfolgt grundsätzlich nach den gleichen, im Zusammenhang mit den originären Aktienkassapositionen zu diskutierenden Prinzipien, so dass diesbezüglich auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden kann. (a)
Hedging mit Aktienoptionen
Eine Option beinhaltet das Recht, aber nicht die Verpflichtung, ein bestimmtes Basisobjekt zu einem vereinbarten Kurs oder Preis (Basispreis, strike price) innerhalb einer festgelegten Frist (= amerikanische Option) oder zu einem vereinbarten Fälligkeitstermin (= europäische Option) zu kaufen (Kaufoption bzw. Call) oder zu verkaufen (Verkaufsoption bzw. Put). Für dieses Recht bezahlt der Käufer dem Verkäufer eine Prämie, die sogenannte Optionsprämie. Der Optionsverkäufer ist hingegen verpflichtet, das entsprechende Objekt zu liefern (Call) oder zu kaufen (Put). Der Optionsinhaber kann sich somit gegen Preisrisiken absichern, ohne dass er auf den Gewinn aus einer für ihn günstig verlaufenden Marktentwicklung verzichten muss. Sollte der Kassamarkt zum Zeitpunkt der Optionsfälligkeit günstigere Konditionen bieten, so wird er die Option verfallen lassen. Es lassen sich hinsichtlich der Kombination der Optionscharakteristika (Call, Put / Kauf, Verkauf) vier verschiedene Gewinn-/Verlustprofile von Optionen unterscheiden, die in der Abbildung 302 dargestellt werden. Bei Fälligkeit entspricht der Wert einer Option bzw. die Optionsprämie grundsätzlich ihrem inneren Wert. Dieser ergibt sich aus der Differenz von Aktienkurs und Basispreis. Der Käufer einer Verkaufsoption wird seine Option z.B. nur dann ausüben, wenn die Aktie unterhalb des vereinbarten Basispreises notiert. Der innere Wert dieser Option (= Basispreis – Aktienkurs) ist hier bereits positiv. Der Käufer kommt jedoch erst dann in die Gewinnzone, sobald er auch die bereits gezahlte Prämie durch die Option verdient hat. Vor Optionsfälligkeit stellt der innere Wert der Option lediglich eine Wertuntergrenze dar. Auch bei einem negativen inneren Wert wird die Optionsprämie positiv sein, so dass sich ein Zeitwert aufbaut. Wertobergrenzen sind beim Call der Aktienkurs und beim Put der Basispreis.
468
Gewinn
Long Call (Kauf einer Kaufoption)
Short Call Gewinn (Verkauf einer Kaufoption) Prämie
Basispreis X Basispreis X
Aktienkurs
Prämie
Long Put Gewinn (Kauf einer Verkaufsoption)
Gewinn
Aktienkurs
Short Put (Verkauf einer Verkaufsoption)
Prämie Basispreis X
Prämie
Aktienkurs
Basispreis X Aktienkurs
Abb. 302: Die Gewinn-/ Verlustprofile von Aktien-Optionen zum Fälligkeitstermin
In Abbildung 303 soll der Zusammenhang zwischen dem inneren Wert und dem Zeitwert einer Option am Beispiel eines Puts verdeutlicht werden. Abbildung 303 zeigt, dass der Wert eines Puts mit sinkendem Aktienkurs ansteigt. Der Wert einer Option kann dabei über Optionspreismodelle ermittelt werden. In den letzten Jahren hat sich am Markt weitgehend das Bewertungsmodell von BLACK/SCHOLES (1973) durchgesetzt. Dieser nicht unumstrittene Ansatz ist darauf ausgerichtet, für alle Investoren akzeptable Gleichgewichtspreise zu produzieren. Abweichungen von diesen Preisen lösen Arbitrageprozesse aus. Der Preis für Optionen wird schließlich durch die folgenden Faktoren bestimmt: •
dem derzeitigem Aktienkurs,
•
dem Ausübungspreis,
•
der Laufzeit der Option,
•
dem kurzfristigen, während der Laufzeit gültigen risikofreien Zinssatz,
•
der Volatilität des Aktienkurses und
•
dem Zeitpunkt und der Höhe der sicheren Dividende.
469
Putprämie
Zeitprämie Innerer Wert Aktienkurs Entgegengesetzte Preisbewegung von Aktienkurs und Optionsprämie, aber unterschiedliches Ausmass Abb. 303: Die Entwicklung der Put-Optionsprämie bei alternativen Aktienkursen
Die Bewertung von Optionen erfolgt prinzipiell entweder mit Hilfe von Duplikations- oder Hedge-Strategien. Duplikationsstrategien bestehen darin, den Wert eines Finanzinstruments dadurch zu bestimmen, dass mit Hilfe bereits bestehender Finanzinstrumente die Wertentwicklung der Option exakt dupliziert werden kann. Demgegenüber wird mit Hilfe von HedgeStrategien versucht, unter Einbezug des zu bewertenden Instruments eine zusammengesetzte Position so aufzubauen, dass deren zukünftige Wertentwicklung sicher ist (vgl. zur Preisbildung von Optionen SCHIERENBECK/WIEDEMANN 1996, S. 326 ff.). Beim Einsatz von Optionen zur Absicherung bzw. zum Hedging von Aktienpositionen lassen sich insbesondere •
die Nominalwertmethode sowie
•
der Delta-Hedge
als wesentliche Hedge-Strategien voneinander abgrenzen. Beide Varianten sind darauf ausgerichtet, ein möglichst optimales Hedge-Ratio zu bestimmen. Das Hedge-Ratio definiert die notwendige Mindestanzahl an Optionen, die zur Absicherung einer Aktie erforderlich ist. Dementsprechend wird das Hedge-Ratio grundsätzlich so formuliert, dass im Zähler die erwartete Aktienkursveränderung und im Nenner die gleichzeitig erwartete Optionsprämienveränderung eingesetzt werden. Die einfachste Variante der Hedge-Ratio-Bestimmung stellt die Nominalwertmethode dar. Die Nominalwertmethode unterstellt entgegen der im Zusammenhang mit Abbildung 303 dargestellten Preisfunktion von Optionen, dass sich bei einer Veränderung des Aktienkurses um eine Geldeinheit der Optionspreis um ebenfalls eine Geldeinheit verändert. Dahinter steckt die Idee, dass sich der Optionspreis im wesentlichen aus dem Inneren Wert einer Opti-
470
on ergibt. Dieser Innere Wert stellt die Differenz zwischen Ausübungspreis der Option und aktuellem Kassakurs dar. Da der Ausübungspreis sich nicht verändert, würde eine Veränderung des Kassakurses tatsächlich zu einer Veränderung des Inneren Wertes im gleichen Ausmaß führen. Dementsprechend weist das Hedge-Ratio nach der Nominalwertmethode immer den Wert 1 auf. Zur Bestimmung der erforderlichen Kontraktanzahl ist zunächst das Verhältnis von Aktienkassapositionsvolumen bzw. der bestehenden Aktienanzahl zur Größe des Optionskontraktes zu bestimmen. Die Bildung dieser Relation ist erforderlich, sofern ein Optionskontrakt das Recht zum Erwerb bzw. Verkauf von mehr als nur einer Aktie enthält. Anschließend erfolgt die Multiplikation mit dem Hedge-Ratio:
Nominalwertmethode (NWM): Hedge-RatioNWM =
Kontraktanzahl =
1 Aktie 1 Option pro Aktie
1
Aktienanzahl Hedge - Ratio NWM Kontraktgröße
Aktienanzahl Kontraktgröße
Um die Nominalwertmethode anhand eines Beispiels zu erörtern, sei ein Investor unterstellt, dessen Portfolio aus 1.000 Aktien einer einzigen Gesellschaft besteht. Der aktuelle Aktienkurs beträgt 100 GE. Der Investor befürchtet sinkende Aktienkurse. Um sich dagegen abzusichern, will er Put-Optionen kaufen. Für eine Put-Option, die zum Verkauf einer einzigen Aktie berechtigt, muss er bei einem Basispreis von 100 GE eine Prämie von 4,37 GE zahlen. Die erforderliche Kontraktanzahl bestimmt er nach der Nominalwertmethode mit: Anzahl Kontrakte =
1.000 · 1 = 1.000 1
Zeitpunkt
Kassaposition
Optionsposition
t=0
Bestand: 1.000 Aktien à 100 GE = 100.000 GE
Kauf: 1.000 Put-Optionen à 4,37 GE = 4.370 GE
t=1
Bestand: 1.000 Aktien à 95 GE = 95.000 GE
Verkauf: 1.000 Put-Optionen à 6,95 GE = 6.950 GE
Gewinn/Verlust
- 5.000 GE
+ 2.580 GE
Gesamterfolg
- 2.420 GE
Abb. 304: Beispiel zur Nominalwertmethode
Für 1.000 Put-Optionen zahlt der Investor, wie Abbildung 304 zeigt, zunächst 4.370 GE. Tatsächlich sinkt der Aktienkurs auf 95 GE. Gleichzeitig steigt der Put-Optionspreis auf 6,95 GE. Somit realisiert der Investor aus der Aktienposition einen Verlust in Höhe von 5.000 GE [= 1.000 Aktien · (100 GE – 95 GE)], während er aus der Optionsposition einen Gewinn in 471
Höhe von 2.580 GE [= 1.000 Optionen · (6,95 GE – 4,37 GE)] erzielt. Insgesamt schafft es der Investor nicht, seinen Kassapositionsverlust vollständig durch die Optionsposition zu kompensieren. Er erreicht aber zumindest eine Ergebnisverbesserung. Statt eines Verlustes von 5.000 GE, den er ohne Absicherung hinnehmen müsste, wird der Gesamtverlust auf 2.420 GE (= 5.000 GE – 2.580 GE) beschränkt. Im Gegensatz zur Nominalwertmethode wird mit dem Delta-Hedge versucht, der Konvexität der Preisfunktion von Optionen Rechnung zu tragen. Das Options-Delta kennzeichnet die Wertänderung einer Option in Relation zur Wertänderung der der Option zugrundeliegenden Basisposition. Damit entspricht das Options-Delta graphisch der Steigung der in Abbildung 305 am Beispiel einer Put-Option dargestellten Optionspreisfunktion.
Putprämie ' Putprämie
DELTA ' Aktienkurs
abs. Putprämienveränderung abs. Aktienkursveränderung
Innerer Wert im Geld
am Geld
aus dem Geld
Aktienkurs
- 1 d 'Put d ca. - 0,5 'Put = ca. - 0,5 ca. - 0,5 d 'Put d 0 Abb. 305: Die Bestimmung des Hedge-Ratios anhand des Options-Deltas
Befindet sich die (Put-) Option am Geld, d.h. der Aktienkurs entspricht dem Basispreis, so ist die Steigung der Kurve annähernd = - 0,5. Ist die Option im Geld, so wird die Option ausgeübt, da der Aktienkurs unter den Basispreis gefallen ist. Bei einem sehr niedrigen Aktienkurs wird der Wert der Option sich parallel steigend zum fallenden Aktienkurs verhalten, so dass die Steigung nahezu - 1 beträgt. Bei einer weit aus dem Geld liegenden Option wird sich der Wert der Option bei geringfügigen Aktienkursverschiebungen kaum verändern, so dass die Steigung nahezu gleich Null ist. Für Call-Optionspreisfunktionen mit steigendem Kurvenverlauf ergeben sich grundsätzlich für das Optionsdelta die gleichen Zahlenwerte, wobei hier das Vorzeichen positiv ist. Abbildung 306 zeigt die Putprämie und das Delta des Puts in Abhängigkeit vom Aktienkurs. Dabei wird von einem Basispreis in Höhe von 100 GE, einer annualisierten Standardabweichung der Aktienkursrenditen von 25 %, einem risikolosen Zins von 5 % p.a. sowie einer Restlaufzeit von 90 Tagen ausgegangen. 472
Putprämie 30,0 20,0 10,0 Aktienkurs
0,0 80
90
100
110
120
130
-0,2 -0,4 -0,6 -0,8 -1,0 Put - Delta Abbildung 306: Putprämie und Delta in Abhängigkeit vom Aktienkurs
Die Preisschwankungen einer Option verlaufen, wie auch in Abbildung 306 ersichtlich, unterproportional zur Schwankung der Aktienkassaposition, deshalb reicht es nicht aus, zur Absicherung einer einzigen Aktie genau eine Option zu erwerben. Statt dessen ist eine entsprechende Adjustierung über das Hedge-Ratio vorzunehmen. Bei einem Delta-Hedge ergibt sich das Hedge-Ratio aus dem Verhältnis von einer Geldeinheit Aktienkursschwankung zum Optionsdelta. Zur Vermeidung negativer Hedge-Ratios ist im Zähler bei der Absicherung mit PutOptionen eine 1 mit negativem Vorzeichen einzusetzen. Die optimale Kontraktanzahl resultiert, wie schon bei der Nominalwertmethode, aus der Multiplikation des Verhältnisses von Aktienanzahl zur Optionskontraktgröße mit dem Hedge-Ratio. Delta-Hedge:
Hedge-RatioPut-Delta =
-1 bzw. Put - Options - Delta
Hedge-RatioCall-Delta =
1 Call - Options - Delta
Kontraktanzahl =
Aktienanzahl Hedge-RatioCall-/Put-Delta Kontraktgröße
473
Basispreis = 110 („im Geld“) Aktienkurs
Basispreis = 100 („am Geld“)
Basispreis = 90 („aus dem Geld“)
Putprä DELTA Hedge- Putprä DELTA Hedge- Putprä DELTA Hedgemie Put Ratio mie Put Ratio mie Put Ratio
100*
10,63 - 0,7257 1,3779
4,37
- 0,4354 2,2967
1,09
- 0,1573 6,3572
99
11,37 - 0,7518 1,3301
4,82
- 0,4672 2,1404
1,26
- 0,1774 5,6369
98
12,14 - 0,7768 1,2873
5,30
- 0,4996 2,0010
1,45
- 0,1994 5,0150
97
12,93 - 0,8005 1,2492
5,82
- 0,5323 1,8786
1,66
- 0,2231 4,4822
96
13,74 - 0,8229 1,2152
6,37
- 0,5651 1,7695
1,90
- 0,2486 4,0225
95
14,58 - 0,8438 1,1851
6,95
- 0,5978 1,6728
2,16
- 0,2759 3,6245
Abb. 307: Hedge-Ratio und Options-Delta bei alternativen Aktienkursen und Basispreisen (*derzeitiger Aktienkurs)
In der Abbildung 307 werden für alternative Aktienkurse und Basispreise die Put-Optionspreise bzw. Put-Prämien, die dazugehörigen Delta-Werte und die sich daraus ergebenden Hedge-Ratios aufgelistet. Zur Berechnung der Put-Prämie mit Hilfe der BLACK & SCHOLESFormel wurde weiterhin von einer annualisierten Standardabweichung der Aktienkursrenditen von 25 %, einem risikolosen Zins von 5 % p.a. sowie einer Restlaufzeit von 90 Tagen ausgegangen. Aus den Zahlenwerten ist zu erkennen, dass •
mit sinkendem Basispreis der Absolutwert des Deltas der Put-Option ebenfalls sinkt, während das Hedge-Ratio steigt und dass
•
mit sinkendem Aktienkurs der Absolutwert des Deltas der Put-Option steigt, während das Hedge-Ratio sinkt.
Im Rahmen eines Fixed-Delta-Hedge soll anhand des zuvor zur Nominalwertmethode beschriebenen Beispiels dessen Ergebnisprofil dargestellt werden. Bei einem Fixed-DeltaHedge wird eine Absicherungsposition einmalig aufgebaut und erst am Ende des Absicherungszeitraums wieder vollständig aufgelöst. Diesbezüglich ergeben sich zu Beginn des Hedges für eine aus 1.000 Aktien bestehende Position, die mit Put-Optionen zu einem Basispreis von 100 GE bei einem aktuellen Aktienkurs von 100 GE gegen sinkende Kurse abgesichert werden soll, die in Abbildung 308 dargestellten Werte. Bei einem unterstellten Aktienkurs von 100 GE und einem gleich hohen Basispreis beträgt die Putprämie nach BLACK/SCHOLES 4,37 GE. Es ergibt sich ein Options-Delta von - 0,4354. Das Hedge-Ratio beläuft sich auf 2,2967, so dass zum Hedgen eines Portfolios, das 1.000 Stück dieser Aktiengattung enthält, 2.297 Put-Optionen benötigt werden. Insgesamt müssen für die Absicherung des Aktienbestands (Gegenwert: 100.000 GE) somit Put-Optionen im Wert von 10.037,89 GE gekauft werden. Nachdem schließlich der Aktienkurs auf 95 GE gefallen ist, wird die Optionsposition verkauft. Es ergibt sich aus der Optionsposition ein Gewinn in Höhe von 5.926,26 GE, der im Falle des Fixed-Delta-Hedge nun sogar den aus der Kassaposition resultierenden Verlust deutlich überkompensiert. Insgesamt führt diese Absicherungsstrategie zu einem Gewinn von 926,26 GE.
474
Zeitpunkt
Kassaposition
Optionsposition
t=0
Bestand: 1.000 Aktien à 100 GE = 100.000 GE
Kauf: 2.297 Put-Optionen à 4,37 GE = 10.037,89 GE
t=1
Bestand: 1.000 Aktien à 95 GE = 95.000 GE
Verkauf: 2.297 Put-Optionen à 6,95 GE = 15.964,15 GE
Gewinn/Verlust
- 5.000 GE
+ 5.926,26 GE
Gesamterfolg
+ 926,26 GE
Abb. 308: Fixed-Delta-Hedge
Dieses grundsätzlich positiv zu beurteilende Ergebnis darf jedoch nicht zu einem falschen Eindruck hinsichtlich der Qualität der zugrundeliegenden Hedging-Strategie führen. Ziel des Hedgings ist es, bezüglich der absichernden Position eine möglichst identische Wertentwicklung im Vergleich zur abzusichernden Position zu erreichen. Sofern nämlich die Einschätzung der zukünftigen Wertentwicklung falsch ist, würde sich beispielsweise in der vorliegenden Konstellation die Gefahr von Verlusten ergeben, die aus der absichernden Position heraus entstehen. Grundsätzlich kann die Qualität eines Fixed-Delta-Hedge nicht zufriedenstellend sein. Schon in Abbildung 307 ist zu erkennen, dass das Options-Delta in Abhängigkeit variierender Aktienkurse schwankt. Aus einem veränderten Delta resultiert gleichzeitig ein verändertes HedgeRatio. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, bietet es sich an, die Optionsposition den veränderten Kennziffern im Rahmen eines Dynamischen-Delta-Hedges anzupassen. Dazu ist es erforderlich, wie in Abbildung 309 verdeutlicht wird, bei sich verändernden Aktienkursen zunächst das neue Options-Delta, hierauf aufbauend das neue Hedge-Ratio und schließlich die eigentlich erforderliche Kontraktanzahl zu bestimmen. Sofern letztere von der bisherigen Kontraktanzahl abweicht, erfolgt eine Anpassung der Optionsposition durch den Kauf- bzw. Verkauf entsprechender Optionen. Im bereits bekannten Beispiel wird davon ausgegangen, dass der Aktienkurs sukzessiv von 100 GE auf 95 GE sinkt. Nach einer Kursänderung von 1 GE wird jedesmal das Hedge-Ratio neu ermittelt und eine Anpassung der Kontraktanzahl vorgenommen. Bei einem Aktienkurs von 99 GE sinkt das Hedge-Ratio z.B. auf 2,1404, so dass für die Absicherung nicht mehr, wie anfangs errechnet, 2.297, sondern wegen des (absolut) gestiegenen Deltas nur noch 2.141 Optionen benötigt werden. Die Differenz in Höhe von 156 Optionen kann zu der auf 4,82 GE gestiegenen Optionsprämie verkauft werden, wobei ein Ertrag in Höhe von 751,92 GE (= 156 · 4,82 GE) anfällt. Bei den anschließend gesunkenen Aktienkursen wird entsprechend der Optionsbestand weiter aufgelöst. Die hierbei erzielten Erträge werden in Abbildung 309 aufgeführt.
475
Kassaposition Zeitpunkt/ -raum
Bestand an Aktien:
t=0
1.000 Aktien à 100 GE = 100.000 GE
t=0 bis t=1
t=1
1.000 Aktien à 95 GE = 95.000 GE
Gewinn/ Verlust
- 5.000 GE
Optionsposition Kurs Prämie erforderliche (in GE) (in GE) Kontraktanzahl (in Stück)
Kauf- (+) / Gewinn/ Verkauf (-) Verlust (in Stück) (in GE)
100
4,37
2.297
+ 2.297
- 10.037,89
99 98 97 96
4,82 5,30 5,82 6,37
2.141 2.001 1.879 1.770
-156 -140 -122 -109
+ 751,92 + 742,00 + 710,04 + 694,33
95
6.95
-
- 1.770
+ 12.301,50
Gesamterfolg
+ 5.161,90 GE + 161,90 GE
Abb. 309: Delta-neutrales Hedging mit Aktienoptionen
Zum Ende des Absicherungszeitraums beläuft sich der Aktienkurs auf 95 GE, so dass für den gesamten Aktienbestand ein Wertverlust von 5.000 GE zu verzeichnen ist. Bei dem Auflösen der restlichen Optionen wird ein Ertrag von 12.301,50 GE erzielt. Der durch den zwischenzeitlichen Verkauf der Optionen erzielte Ertrag beträgt insgesamt 2.898,29 GE. Unter Berücksichtigung der Kosten des Optionskaufes in Höhe von 10.037,89 GE, ergibt sich aus der Optionsposition insgesamt ein Gewinn in Höhe von 5.161,90 GE. Der Wertverlust des Aktienbestands kann somit knapp ausgeglichen werden. Der diesen Wertverlust übersteigende Betrag in Höhe von 161,90 GE ist dadurch zu erklären, dass die Optionsposition nicht stetig, sondern nur bei Kursänderungen von 1 GE angepasst wurde. Der resultierende Gesamterfolg ist im Beispiel beim fixen Hedge größer. Dies hängt allerdings sowohl vom Endkurs als auch den Kursschwankungen innerhalb der Betrachtungsperiode ab. Bei entsprechender Kursentwicklung wird man mit der statischen Methode einen höheren Gesamterfolg erzielen, während in anderen Situation die dynamische Hedging Strategie zu einem vorteilhafteren Ergebnis führt. Dieses Beispiel zeigt jedoch deutlich, dass im Gegensatz zum Fixed-Delta-Hedge eine deutlich genauere Kompensation erreicht werden konnte. Daran zeigt sich die höhere HedgeQualität des Dynamischen-Delta-Hedges, die allerdings mit einem größeren Aufwand verbunden ist. Die bisherigen Ausführungen bezogen sich auf die Absicherung einzelner Aktienbestände mit Hilfe von Optionen auf den gleichen Basiswert. Zur Absicherung des Aktienkursrisikos von Portfolios können Aktienindex-Optionen (z.B. die an der EUREX gehandelte DAX®-Option oder SMI®-Option) herangezogen werden. In diesem Fall muss zum einen das Verhältnis von Aktienanzahl zur Kontraktgröße ausgetauscht werden durch die Relation von Portfolioge476
genwert zum Ergebnis aus der Multiplikation von Indexstand mit der Kontraktgrösse. Zum anderen ist das Portfolio-Beta zu bestimmen und bei dem Hedge-Ratio zu berücksichtigen, um so die bereits erörterten, unterschiedlichen Wertänderungen des Portfolios im Vergleich zum Index zu erfassen (zum Beta-Faktor vgl. S. 466 ff.). Für die Nominalwertmethode bzw. für eine Delta-Hedge-Strategie ergeben sich dabei folgende Hedge-Ratios bzw. Kontraktanzahlen: Nominalwertmethode NWM:
Hedge-RatioNWM = Beta-Faktor Kontraktanzahl =
=
Portfoliowert Hedge-RatioNWM Indexstand Kontraktgröße Portfoliowert Beta-Faktor Indexstand Kontraktgröße
Delta-Hedge:
Hedge-RatioPut-Delta =
-1 Beta - Faktor bzw. Put - Options - Delta
Hedge-RatioCall-Delta =
1 Beta - Faktor Call - Options - Delta
Kontraktanzahl =
Portfoliowert Hedge-RatioCall-/Put-Delta Indexstand Kontraktgröße
Neben der Anpassung der Optionsposition an das aufgrund von Aktienkursänderungen veränderte Options-Delta kann in ähnlicher Form auch eine Positionsanpassung bei einer Veränderung anderer optionswertbestimmender Faktoren vorgenommen werden. Diese preislichen Eigenschaften umfassen insbesondere: •
das Options-Gamma,
•
das Options-Vega und
•
das Options-Theta.
Das Options-Gamma kennzeichnet die Wertänderung einer Option in Relation zur Veränderung des Deltas. Somit lässt sich mit Hilfe des Options-Gamma die Konvexität der Optionspreiskurve und gleichzeitig auch die Nicht-Linearität der Beziehung zwischen der Veränderung des Optionspreises und der Wertänderung des Basisinstruments beschreiben. Das Options-Vega beinhaltet die Wertänderung einer Option in Relation zu einer Veränderung der am Markt gehandelten und damit der implizit im Optionspreis, der sich als Folge der Markteinschätzung ergibt, bereits enthaltenen Volatilität. Das Options-Theta kennzeichnet schließlich 477
den Effekt einer Wertänderung durch die Verkürzung der Restlaufzeit. Die mit diesen preisbeeinflussenden Determinanten verbundenen Hedging-Strategien sollen jedoch hier nicht weiter vertieft werden (vgl. hierzu CORDERO 1989; MEHL 1991; FIEBACH 1994). (b)
Hedging mit Aktienindexfutures
Während Futures-Kontrakte auf Währungen und Zinstitel bereits 1972 bzw. 1975 eingeführt wurden, sind die ersten Aktienindex-Futures erstmalig 1982 am Kansas City Board of Trade gehandelt worden. Seitdem haben die Kontrakte auf Aktienindizes - ebenso wie die anderen Futures-Kategorien - eine explosionsartige Entwicklung erlebt. Mittlerweile übersteigt z.B. das Volumen aller an den US-Terminbörsen gehandelten Kontrakte den Umsatz an der New York Stock Exchange bei weitem. Kontraktspezifikationen des DAX -Futures (FDAX) Basiswert
DAX-Index
Kontraktwert
EUR 25 pro Punkt des DAX
Erfüllung
Erfüllung durch Barausgleich basierend auf dem Schlussabrechnungspreis, fällig am ersten Börsentag nach dem letzten Handelstag.
Preismittlung
In Punkten; auf eine Dezimalstelle
Minimale Preisveränderung 0,5 Punkte; dies entspricht einem Wert von EUR 12,50. Verfallmonate
Die jeweils nächsten drei Quartalsmonate des Zyklus März, Juni, September und Dezember
Letzter Handelstag
Der dritte Freitag des Verfallmonats, sofern dies ein Börsentag ist, andernfalls der davor liegende Börsentag. Handelsschluss ist der Beginn der Aufrufphase der von der Geschäftsführung bestimmten untertägigen Auktion im elektronischen Handelssystem der Frankfurter Wertpapierbörse (Xetra) um 13:00 Uhr MEZ
Täglicher Abrechnungspreis
Letztbezahlter Kontraktpreis; falls dieser älter als 15 Minuten ist oder nicht den aktuellen Marktverhältnisse entspricht, wird dieser von der Eurex festgelegt.
Schlussabrechnungspreis
Wert des DAX; ermittelt auf der Grundlage der am letzten Handelstag in der untertägigen Auktion im elektronischen Handelssystem an der Frankfurter Wertpapierbörse (Xetra) zustande gekommenen Preise für die im DAX enthaltenen Werte
Handelszeit
8:50 bis 20:00 Uhr MEZ
Abb. 310: Der DAX®-Future (Quelle: EUREX 2000)
Unter einem Aktienindex-Future wird hierbei der Kauf oder Verkauf eines dem Index entsprechenden Aktien-Portfolios auf Termin verstanden. Der Kontrakterwerber wird i.d.R. nicht den vollen Kaufpreis entrichten, sondern nur den Betrag, den er als Sicherheitsleistung (margin requirement) hinterlegen muss. In Abbildung 310 sind die Spezifikationen des DAX®-
478
Futures angegeben, der seit November 1990 an der EUREX ehemals Deutschen Terminbörse (DTB) gehandelt wird. Der Preis eines Aktienindex-Futures wird wie bei sämtlichen Futures-Kategorien durch die sogenannte „cost of carry“ bestimmt. Dieser Zusammenhang soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Der Kurs eines Futures auf eine Aktie, die zur Zeit (t = 0) einen Kurs von 100 GE aufweist, soll bestimmt werden. Der Geldmarktsatz für 3 Monate soll 9 % p.a. betragen, d.h. 2,25 % für drei Monate. Um den Futures-Preis zu errechnen, soll folgende Strategie betrachtet werden: •
Kreditaufnahme in t = 0 von 100 GE
•
Kauf einer Aktie in t = 0 zum Kurs von 100 GE
•
Verkauf der Aktie in t = 0 per drei Monate zum Future-Preis F0
Nach drei Monaten wird der Kredit fällig und muss getilgt werden. Die Zins- und Tilgungszahlungen belaufen sich auf 102,25 GE, so dass insgesamt an den Terminen t = 1 und t = 0 folgende Zahlungen anfallen: t=0 Futures-Kontrakt Aktienkauf Kredit Saldo
t=1
0 - 100,00 GE + 100,00 GE 0
F0 - 102,25 GE F0 + (- 102,25 GE)
Abb. 311: Bestimmung des Future-Preises
Ein Verkauf eines Futures in t = 0 wird somit nur dann durchgeführt, wenn der Futures-Preis mindestens 102,25 GE beträgt. Die Differenz zwischen dem Kassakurs und dem Futures-Preis wird als Basis bezeichnet. Sie nimmt mit abnehmender Laufzeit des Futures ab, so dass am Verfalltag des Kontraktes der Future-Preis und der Kassakurs übereinstimmen. Bei einem Abweichen des Futures-Preises von seinem theoretischen Wert setzt ein Arbitrageprozess ein. Futures-Kontrakte werden nicht nur spekulativ oder zur Arbitrage eingesetzt. Sie sind vielmehr auch ein effizientes Hedging-Instrument. Ein Vermögensverwalter geht beispielsweise davon aus, dass die Kurse an den Aktienmärkten in den nächsten Monaten deutlich nachgeben werden. Er möchte aus verschiedenen Gründen die im Portfolio befindlichen Papiere jedoch nicht verkaufen. Um sich gegen eine Wertminderung abzusichern, verkauft er daher eine dem Wert des Portfolios entsprechende Anzahl von Terminkontrakten. Kommt es zu dem erwarteten Kursrückgang, so kann er die Wertminderung des Portfolios durch den bei dem Rückkauf der Kontrakte erzielten Gewinn ausgleichen. Diese Hedging-Strategie ist insbesondere für Großanleger interessant, da das Abstoßen einzelner Papiere zu zeitraubend und zudem kostenträchtig ist. Durch den Erwerb eines Index-Kontraktes kann ein Anleger umgekehrt an einem Kursaufschwung partizipieren, ohne den (kostenintensiven) Kauf von Einzelpositionen zu tätigen, die 479
dann eventuell (aufgrund eines geringen oder im Zeitablauf sinkenden Betas) nicht zu den Börsenfavoriten zählen. Ein Aktienindex-Future ist zum Beispiel auch für einen Vermögensverwalter interessant, dem erst Mittel in zwei Monaten sicher zufließen, der jedoch schon für die nächsten Wochen mit einem Kursanstieg rechnet. Durch den Kauf eines Kontraktes und dem bei der Veräußerung zu höheren Kursen erzielten Gewinn, kann er dann den höheren Kostenaufwand beim späteren Aktienkauf decken. Bei dem Kauf und Verkauf eines Futures ist auf eine hohe Korrelation zwischen den durch den Index erfassten Werten und der Zusammensetzung des abzusichernden Depots zu achten. Die Anzahl der für Hedge-Zwecke zu kaufenden bzw. verkaufenden Futures (Hedge-Ratio) wird über das Portfolio-Beta bestimmt. Als Beispiel soll ein fiktives historisches AktienPortfolio dienen, das sich aus sieben verschiedenen deutschen Aktien zusammensetzt. In der folgenden Übersicht wird die Zusammensetzung des Portfolios dargestellt: Aktie
Anzahl
Preis in EUR
Wert in EUR
Beta
Anteil in %
Bayer
4.500
52,87
237.915
0,5161
11,51
BMW
6.000
39,00
234.000
0,4972
11,32
Deutsche Bank
2.500
90,00
225.000
0,8046
10,89
Karstadt
6.000
36,00
216.000
0,4777
10,45
RWE
4.500
42,70
192.150
0,3818
9,30
SAP
3.500
143,00
500.500
2,1694
24,22
Siemens
3.500
131,69
460.915
1,6289
22,30
2.066.480
1,1267
100,00
Summe / Mittel
-
-
Abb. 312: Berechnung des Portfolio-Betas als Basis des Hedgings mit Futures (Stand: 21.03.2001)
Das Beta des Portfolios ergibt sich aus der Addition der mit dem Portfolioanteil gewichteten Einzel-Betas. Es beträgt hier 1,1267, d.h. dass bei einem Marktanstieg von einem Prozent der Wert des Portfolios um 1,1267 % wächst. Zum Absicherungszeitpunkt steht der DAX® bei 6.200 Punkten. Dieses Portfolio soll mit Hilfe des DAX®-Futures abgesichert werden. Um die Hedgebedingung zu erfüllen, muss die Futures-Position die gleiche Preissensitivität haben wie das abzusichernde Portfolio. Die gewichteten Beta-Faktoren beider Positionen müssen somit identisch sein, wobei der Future, der sich auf den DAX® bezieht, definitionsgemäß ein Beta von 1 aufweist. Eine Anpassung der gewichteten Beta-Faktoren erfolgt nun über die Hedge-Ratio, die wie folgt bestimmt werden kann: Hedge-Ratio =
Portfoliowert Portfolio-Beta Kontraktpreis des Futures
Hedge-Ratio
2.066.480 1,1267 = 13,33 · 1,1267 = 15,02 = 15 DAX®-Kontrakte 6.200 25
Der erste Multiplikator der Gleichung gibt an, dass ca. 13 Kontrakte dem Portfolio gegenübergestellt werden müssen, um einen wertmäßigen Ausgleich des Portfolios und des Absi480
cherungsinstruments zu gewährleisten. Da die Preissensitivität des Portfolios höher ist als die des DAX®, wird dieser Wert durch das Portfolio-Beta korrigiert, so dass insgesamt 15 DAX®-Kontrakte zur Absicherung verkauft werden sollten. In einem zweiten Schritt muss dann untersucht werden, inwieweit das Portfolio mit dem DAX® korreliert. Bei einer geringen Korrelation könnte es beispielsweise sinnvoll sein, in Abhängigkeit von der Risikoneigung eine höhere Anzahl von DAX®-Kontrakten zu verkaufen, da das tatsächliche PortfolioBeta vom unterstellten Portfolio-Beta abweichen kann. Durch den Einsatz von DAX®-Futures kann das Portfolio-Beta auch gezielt auf einen angestrebten Soll-Beta-Wert erhöht oder gesenkt werden, ohne eine Umschichtung des Portfolios vornehmen zu müssen. Hierzu kann man die folgende Formel anwenden (BEILNER/MATHES 1990a): Hedge-Ratio =
Portfoliowert (Soll-Beta – Ist-Beta) Kontraktpreis des Futures
Wird beispielsweise ein Beta von 1,5 angestrebt, dann beläuft sich das Hedge-Ratio auf: 2.066.480 (1,5 1,1267) = 13,33 · 0,3733 = 4,98 = 5 DAX®-Kontrakte 6.200 25 Entsprechend müssen 5 DAX®-Kontrakte gekauft werden, um das Beta der Gesamtposition auf ungefähr 1,5 zu erhöhen. Eine weitere Einsatzmöglichkeit des gezielten Beta-Hedgings zur Steuerung des Aktienkursrisikos soll letztendlich am Beispiel des sogenannten „Stock-Pickings“ verdeutlicht werden (BEILNER/MATHES 1990a). Bei diesem Ansatz versuchen Portfolio-Manager gezielt den Aktienindex hinsichtlich seiner Performance zu übertreffen. Sie kaufen Aktien, die nach ihrer Meinung im Vergleich zu Aktien der gleichen Risikokategorie unterbewertet sind und demnach im Kapitalmarktmodell eine „Überrendite“ aufweisen. Ein Problem besteht nun darin, dass der Kauf dieser Aktien zu keinem Erfolg führt, wenn parallel dazu der Gesamtmarkt fällt. Mit Hilfe des Verkaufs von DAX®-Kontrakten ist es jedoch möglich, sich gegen den Gesamtmarktrückgang abzusichern. Nähert sich die gekaufte Aktie dem Kursniveau der anderen Aktien an, so wird dann in jedem Fall ein Gewinn in Höhe des Betrags der Unterbewertung erzielt. Da der Beta-Faktor keine im Zeitablauf stabile Größe ist, muss bei sämtlichen vorgestellten Strategien die Veränderung des Betas durch entsprechende Zukäufe und Verkäufe von DAX®-Kontrakten ausgeglichen werden, so dass ein dynamisches Hedging erfolgt.
481
3.
Aufsichtliche Konzepte zur Begrenzung des Aktienkursrisikos
a)
Identifikation der anrechnungspflichtigen bilanziellen und ausserbilanziellen Geschäfte
Für die Berechnung des erforderlichen Eigenmittelstandards bei Aktienkursrisiken, die durch das Halten oder Eingehen von Aktienpositionen im Handelsbestand generiert werden, findet ebenfalls der Building Block Approach Anwendung. Durch diese separate Behandlung der einzelnen risikobehafteten Positionen wird implizit eine vollständig positive Korrelation zwischen diesen unterstellt. Sämtliche Long- und Short-Positionen in Aktien und ihnen ähnliche Positionen werden hier erfasst, vorausgesetzt, sie zählen zum Handelsbuch und sind nicht bereits beim Zinsänderungsrisiko berücksichtigt worden, wie etwa Vorzugsaktien ohne Wandelrecht (BASLER AUSSCHUSS 1995a). Hinsichtlich der Eigenmittelanforderungen für das spezifische und das allgemeine Marktrisiko sind analog zum Zinsänderungsrisiko sowohl die Nettogesamtposition als auch die einzelnen Nettopositionen relevant. Zunächst gilt es, die Bruttoposition in Aktien zu Marktwerten (vgl. Abb. 239) zu berechnen. In einem zweiten Schritt muss die Bruttoposition in Aktienderivaten durch die Applikation des Duplikationsprinzips i.w.S. für Forwards, Futures und Swaps sowie des Delta-plus-Verfahrens für Optionen ermittelt werden, um die einzelnen Nettopositionen respektive die Nettogesamtpositionen zu bestimmen. Ein 6-Monats Long-Future auf eine XY-Aktie muss demzufolge als eine Short-Position der XY-Aktien bei den Aktien und als eine 6-Monats Long-Position bei den Zinsinstrumenten eingestellt werden. Die Summe der Nettopositionen (unabhängig von der Ausrichtung) in Aktieninstrumenten bildet hier die Bemessungsgrundlage für das spezifische Risiko. Das allgemeine Marktrisiko hingegen bezieht sich auf den Unterschiedsbetrag zwischen den aktivischen und passivischen Nettopositionen, mithin die jeweilige Differenz zwischen der Summe der Long- und ShortPositionen, die für jeden nationalen Aktienmarkt separat bestimmt werden muss. Damit wird implizit ein Beta-Faktor von 1 unterstellt. Mit dieser Regelung soll dem Risiko Rechnung getragen werden, dass das allgemeine Risiko abhängig vom jeweiligen Aktienmarkt schlagend werden kann. Gegenläufige Positionen von gleichen Aktien die jedoch auf verschiedenen Märkten gehandelt wurden, können entsprechend nicht miteinander verrechnet werden. Die Summe der Unterschiedsbeträge ist zu unterlegen. Für die Erfassung sowohl des spezifischen als auch des allgemeinen Risikos von Optionen stehen grundsätzlich die gleichen Anrechnungsverfahren zu Wahl, wie sie auch für Zinsoptionen gelten (vgl. S. 396 ff.). Bei der Berücksichtigung von Aktienindexkontrakten ist es auch möglich, alle Indexpositionen in die einzelnen Aktienpositionen aufzuschlüsseln, die dem jeweiligen Index zugrunde liegen. Dieses Wahlrecht kann für jeden Index separat ausgeübt werden (vgl. § 306 SolvV bzw. Rundschreiben EBK-RS 06 Marktrisiken der EIDGENÖSSISCHEN BANKENKOMMISSION, Rz. 125). Die auf diese Weise ermittelten Aktienpositionen sind dann mit entsprechenden gegenläufigen Positionen zu verrechnen.
482
b)
Quantifizierung von Risikopositionen und Unterlegung mit Eigenmitteln
Die erforderliche Eigenmittelunterlegung für das allgemeine Marktrisiko bei Aktienkursen lässt sich nach dem Standardverfahren – für jeden Aktienmarkt separat – einfach berechnen. Anrechnungspflichtig ist der Saldo der Summe aller long- und aller short-Positionen auf einem Aktienmarkt insgesamt. Dieser ist einheitlich mit 8 % Eigenmitteln zu unterlegen. Mit dieser Aufrechungsmöglichkeit unterstellt der BASLER AUSSCHUSS implizit, dass die Longund Short-Positionen jeweils – zumindest im Durchschnitt – einen Beta-Faktor von eins aufweisen, denn nur in diesem Fall kompensieren sich gegenläufige Effekte. Die Anzahl der anrechungspflichtigen Positionen verringert sich unter bestimmten Bedingungen, wenn eine Bank eine Arbitragestrategie betreibt. Dazu muss einem Future-Kontrakt auf einem breit abgestützten Index ein Aktienkorb gegenüberstehen, der mindestens zu 90 % dem – in hypothetische Komponenten aufgeschlüsselten – Index entspricht. Das Geschäft muss bewusst als Arbitragegeschäft abgeschlossen worden sein und darüber hinaus separat überwacht werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, dann können beide Positionen bei der Ermittlung des anrechnungspflichtigen Volumens innerhalb des Standardverfahrens vernachlässigt werden. Übersteigt der Wert der Aktien im Korb indes den Wert des Futures-Kontraktes oder vice versa, so wird diese Differenz als offene Long- bzw. Short-Position behandelt (BASLER AUSSCHUSS1996a). In Deutschland wurden diese allgemeinen Bestimmungen wie folgt umgesetzt: Ziel der Bestimmungen im Bereich des Aktienkursrisikos ist es, das Preisrisiko aus sämtlichen offenen Positionen in Anteilspapieren, einschließlich der daraus abgeleiteten Instrumente (wie Aktientermingeschäfte und Aktienindextermingeschäfte respektive -optionen) im Handelsbuch eines Finanzinstituts bzw. Wertpapierhauses zu erfassen (vgl. SCHULTE-MATTLER 1992). Ähnlich dem Vorgehen beim Zinsänderungsrisiko ist zur Ermittlung des erforderlichen Eigenmittelvolumens auch beim Aktienkursrisiko das „Baukastenprinzip“ anzuwenden.
Für das emittentenspezifische, bonitätsbedingte Aktienkursrisiko (Anteilseignerrisiko) wird ein Anrechnungssatz von 4 % auf die Summe der Nettopositionen (unabhängig von der Ausrichtung), d.h. der Summe der getrennt ermittelten offenen Kauf- (Long-) und Verkauf(Short-) Positionen eines Portfolios, festgelegt. Befinden sich hochliquide Aktien von hoher Anlagequalität im Bestand und beträgt der Anteil der so ausgezeichneten Aktien nicht mehr als 5 % gemessen am Wert der gesamten Nettopositionen, so müssen diese nur mit 2 % angerechnet werden. Aktien gelten als hochliquide, wenn sie nachweislich in einen gängigen Aktienindex einbezogen sind. Aktien mit hoher Anlagequalität sind Aktien, die nachweislich in einem Land mit liquidem Aktienmarkt zum Handel an einer Wertpapierbörse zugelassen sind. Ist deren Emittent aber Schuldner von Wertpapieren, die in die Zinsnettoposition einbezogen sind und dort nicht als Aktiva mit hoher Anlagequalität gelten, so zählt auch die Aktienposition nicht als „von hoher Anlagequalität“. Zur Berücksichtigung des allgemeinen Aktienkursrisikos erfolgt eine Unterlegung der Nettogesamtposition, d.h. also der Differenz zwischen den Kauf- und Verkaufspositionen in gleichen Aktien, mit 8 % eigener Mittel (vgl. Abb. 313). Nicht zu berücksichtigen sind im Bestand gehaltene eigene Aktien (vgl. § 304 SolvV).
483
Erforderliche Eigenmittel zur Unterlegung von Marktrisiken (gemäss aufsichtsrechtlicher Definition, also inklusive spezifischem Risiko)
Standardverfahren für Devisen, Gold und Rohstoffe in der gesamten Bank
Zinsinstrumente
Allgemeines Marktrisiko 8 % der Nettogesamtposition pro nationalem Markt
Standardverfahren für Zinsinstrumente und Beteiligungstitel im Handelsbuch
Modellverfahren
Beteiligungstitel
Spezifisches Risiko Aggregierte Nettopositionen • 4 %; Ausnahmen: Nettopositionen in hochliquiden Aktien mit hoher Anlagequalität sind mit 50 % zu gewichten, wenn sie nicht mehr als 5 % des Werts der gesamten Nettoposition bilden
Abb. 313: Eigenmittelunterlegung des Aktienkursrisikos gemäß Standardverfahren der SolvV
Die Vorschriften der Schweizer Bankenverordnung gleichen wie auch beim Zinsänderungsrisiko nahezu vollständig den Vorschlägen des BASLER AUSSCHUSSES. Die Unterlegung des spezifischen Risikos bei den Aktieninstrumenten beträgt in Abhängigkeit von dem Liquiditäts- und dem Diversifikationsgrad des Portfolios 8 % oder 4 %, für Aktienindexkontrakte 2 % (vgl. Art. 73 ERV). Die Nettoposition wird dabei – analog zu den Zinsinstrumenten – durch Verrechnung der Long- und Short-Positionen in Instrumenten desselben Emittenten bestimmt. Zur Abdeckung des allgemeinen Marktrisikos unterliegen Aktienpositionen des Handelsbuches pro nationalem Aktienmarkt oder einheitlicher Währung einer Eigenmittelanforderung von 8 %. Diese Vorschrift entspricht also, mit Ausnahmen der hier anwendbaren De-MinimisRegel, exakt den Vorschlägen des BASLER AUSSCHUSSES. Zur Berechnung der Unterlegung der emittentenspezifischen Risiken wird für Aktien außerhalb des Handelsbuches eine Unterlegung mit 8 % eigener Mittel verlangt, wobei eine pauschale Gewichtung nach dem in Abbildung 314 dargestellten Schema erfolgt. Diese Regelung gilt auch für Aktien im Handelsbuch, wenn die betreffende Bank die De-Minimis-Regel anwendet.
484
Nicht unter Beteiligungen bilanzierte Aktien und andere Beteiligungstitel, die an einer anerkannten Börse gehandelt werden 125 %
Zum öffentlichen Vertrieb zugelassene Anteilscheine von Anlagefonds mit täglicher Rücknahmeverpflichtung; an einer anerkannten Börse gehandelt An einer anerkannten Börse gehandelte Immobilienfondsanteile Nicht unter Beteiligungen bilanzierte Aktien und andere Beteiligungstitel, die auch nicht an einer anerkannten Börse gehandelt werden
250 %
Anteilscheine von Anlagefonds, die nicht zum öffentlichen Vertrieb zugelassen sind oder keine tägliche Rücknahmeverpflichtung aufweisen Nicht an einer anerkannten Börse gehandelte Immobilienfondsanteile Nicht zu konsolidierende Beteiligungen (ohne Handelsbestand) ohne Beteiligungen aus dem Bank- und Finanzbereich
500 %
Aktien und andere Beteiligungstitel in den Finanzanlagen, sofern sie allein oder zusammen mit den unter den Beteiligungen bilanzierten Titeln oder den Titeln im Handelsbuch eine qualifizierte Beteiligung darstellen. Eigene Aktien in direktem oder indirektem Eigenbesitz im Handelsbestand
1.250 %
Nachrangige Schuldtitel in direktem oder indirektem Eigenbesitz im Handelsbestand
Abb. 314: Gewichtungsfaktoren im Rahmen der Marktrisiko-Unterlegung von Aktien außerhalb des Handelsbuches respektive im Handelsbuch bei Anwendung der De-Minimis-Regel gemäß ERV
Auch im Hinblick auf die Quantifizierung von Risikopositionen und die Unterlegung mit Eigenmitteln von Optionspositionen gelten die bereits im Zusammenhang mit dem Zinsänderungsrisiko erwähnten Regelungen (vgl. S. 396 ff.).
c)
Abbildung der Risikostruktur mittels aufsichtlicher Kennzahlen
Wie bereits dargestellt, geht der BASLER AUSSCHUSS auch bei den Positionsrisiken im Aktienbereich nach dem Building Block-Prinzip vor. Um die Struktur der im Aktienportfolio enthaltenen Risiken und die daraus resultierenden Eigenmittelbelastung zu visualisieren, können analog zum Zinsänderungsrisiko die folgenden Kennzahlen gebildet werden:
•
Eigenmittelbelastung gemäß BASLER AUSSCHUSS durch das spezifische Risiko im Aktienbereich
•
Eigenmittelbelastung gemäß BASLER AUSSCHUSS durch das allgemeine Marktrisiko im Aktienbereich
=
=
Eigenmittelunterlegung für das spezifische Risiko im Aktienbereich Gesamteigenmittel bzw. Tier 3-Kapital
Eigenmittelunterlegung für das allgemeine Marktrisiko im Aktienbereich Gesamteigenmittel bzw. Tier 3-Kapital
485
•
Eigenmittelbelastung gemäß BASLER AUSSCHUSS durch Positionsrisiken im Aktienbereich
=
Eigenmittelunterlegung für das spezifische und das allgemeine Marktrisiko im Aktienbereich Gesamteigenmittel bzw. Tier 3-Kapital
LITERATURHINWEISE BASLER AUSSCHUSS (1995a) BASLER AUSSCHUSS (1996a) BASLER AUSSCHUSS (2004) BEILNER, T./MATHES, H.D. (1990a) BLACK, F./SCHOLES, M. (1973) CORDERO, R: (1989) EUREX (2000) FIEBACH, G. (1994) FRANKE, G./HAX, H. (2003) HIELSCHER, U. (1988) LERBINGER, P. (1984)
486
LISTER, M. (1997) MARKOWITZ, H.M. (1952) MARKOWITZ, H.M. (1991) MEHL, J. (1991) SCHIERENBECK, H./WIEDEMANN, A. (1996) SCHNEIDER, D. (1992) SCHULTE-MATTLER, H. (1992) SHARPE, W.F. (1963) SHARPE, W.F. (1964) SPREMANN, K. (2007)
V. Das operationelle Risiko 1.
Typologisierung des operationellen Risikos
Die Identifikation, Messung und Steuerung von Risiken gehört zu den zentralen Aufgaben von Banken. Da im Bereich der Finanzrisiken bereits etablierte Standards existieren, gilt es derzeit vor allem, Konzeptionen zum Management des operationellen Risikos zu entwickeln. Unter operationellem Risiko versteht man die Gefahr von Verlusten, die infolge der Unangemessenheit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder aufgrund externer Ereignisse eintreten. Die Definition schließt Rechtsrisiken ein, nicht aber strategische Risiken oder Reputationsrisiken. Beim operationellen Risiko handelt es sich keineswegs um eine neue Risikoart. Vielmehr war dieses Risiko dem Bankgeschäft von jeher inhärent. Basel II hat ihm jedoch zu einer griffigen Definition und damit zu einem einheitlichen Verständnis verholfen. Aus regulatorischer Sicht steht im Hinblick auf operationelle Risiken die Stabilisierung des Finanzsystems im Zentrum. Sensibilisiert wurden die Regulatoren nicht zuletzt durch etliche extreme Verluste, die Banken in den 1990er Jahren erlitten und die sich nicht vollumfänglich auf Finanzrisiken zurückführen ließen (vgl. SCHIERENBECK/LISTER/ GRÜTER/PAUL 2003, GRÜTER 2006). Zur Grundlage eines effizienten ganzheitlichen Managements gehört ein klar definierter Begriff des operationellen Risikos. Dabei steht generell die ursachenbezogene direkte Definition im Vordergrund. Eine indirekte Definition, die sämtliche Risiken, die sich nicht den Marktoder Kreditrisiken zuordnen lassen, als operationelle Risiken bezeichnet, ist wenig hilfreich. Um ein effizientes Risikomanagement aufbauen zu können, ist es nämlich unumgänglich, die einzelnen Risikoursachen zu kennen (vgl. CRUZ 2004). Als maßgebliche Definitionsinstanz gilt der BASLER AUSSCHUSS. Der von ihm definierte Begriff operationeller Risiken wird bei der anstehenden Umsetzung von Basel II wegweisend sein und spielt vor allem auch im Rahmen der Ausarbeitung der nationalen Gesetzgebungen eine zentrale Rolle Es scheint wenig zweckmäßig, beim internen Management von diesem Begriff abzuweichen, zumal der BASLER AUSSCHUSS eine Orientierung an seiner Definition im Rahmen des Managementprozesses für verbindlich erachtet. Der Gebrauch einer unterschiedlichen Definition operationeller Risiken für das aufsichtliche Management einerseits und für das interne andererseits mag allenfalls bei Großbanken mit gewissen Vorteilen verbunden sein. Der Entwicklung einer zielgerichteten bankinternen Denkweise ist er aber nicht förderlich. Überdies erschwert es die Etablierung von Standards und den Wissenstransfer zwischen den Instituten, wenn sich verschiedene Banken auf unterschiedliche Definitionen des operationellen Risikos stützen. Die Definition operationeller Risiken gemäß BASLER AUSSCHUSS lautet: Operationelles Risiko ist die Gefahr von Verlusten, die in Folge der Unangemessenheit oder des Versagens von • internen Verfahren, • Menschen und • Systemen oder • in Folge externer Ereignisse
487
eintreten. Diese Definition schließt Rechtsrisiken ein, beinhaltet aber nicht strategische Risiken oder Reputationsrisiken. Aus der Definition operationeller Risiken gemäß Basel II leitet sich die in Abb. 315 dargestellte bankbetriebliche Risikokategorisierung ab. Es ist zu erwarten, dass sich zumindest die Großbanken dieser Systematik annähern und damit die Vereinheitlichung der Terminologie im bankbetrieblichen Risikomanagement vorantreiben werden. Finanzrisiken hängen unmittelbar mit den Finanzströmen einer Bank zusammen und umfassen daher sämtliche Risiken des Wertbereiches. Das operationelle Risiko (i.w.S.) lässt sich in operationelle Risiken, wie sie der BASLER AUSSCHUSS versteht (operationelles Risiko i.e.S), und das Geschäftsrisiko unterteilen. Das Geschäftsrisiko umfasst strategische und politische Risiken. Im Rahmen dieser Kategorisierung erscheint das operationelle Risiko, wie es im Kontext der neuen aufsichtlichen Vorschläge interpretiert wird, als eine klar ursachenbezogene Risikokategorie. Die zugrunde liegenden Ereignisse sind grundsätzlich sauber von jenen abzugrenzen, die sich den Finanz- oder den Geschäftsrisiken zuordnen lassen. Die Frage der Zuordnung und gegenseitigen Abgrenzung der Risikoarten erscheint in diesem Licht als reine Definitionsproblematik, der mittels gut strukturierter bankinterner Risikohandbücher zu begegnen ist.
Ursächliche bankbetriebliche Risiken Finanzrisiko
operationelles Risiko (i.w.S.) operationelles Risiko (i.e.S.)
Geschäftsrisiko
Folgerisiko Reputationsrisiko Abb. 315: Bankbetriebliche Risikoarten
2.
Management des operationellen Risikos
Bei der Umsetzung des iterativen operationellen Risikomanagement-Zyklus (vgl. Abb. 316) sind anspruchsvolle Aufgaben bezüglich der sauberen Abgrenzung von Funktionen, der organisatorischen Einbettung und der Definition von Anforderungen zu bewältigen. Formell vollzieht sich der Zyklus durch den Prozess der Identifikation, Messung und Steuerung operationeller Risiken. Inhaltlich wird das Risikovolumen zum einen durch diesen Prozess aktiv beeinflusst. Zum anderen unterliegt er seinerseits einer laufenden Anpassung in Abhängigkeit von Veränderungen der Risikoursachen wie der Prozesse, der Systeme, der Menschen oder der externen Ursachen. Die ausgeprägte Dynamik dieser Risikoart verlangt nach einem Management-Zyklus, der jede Veränderung rasch zu erfassen und im operationellen Risikohorizont abzubilden vermag. Insofern ist aus diesem Blickwinkel eine laufend wiederkehrende (iterative) Identifikation, Messung und Steuerung des operationellen Risikos gefordert (vgl. GRÜTER 2006).
488
Identifikation
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g un ess M
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residuales residuales operationelles Operationelles Risiko Risiko
Abb. 316: Iterativer operationeller Risikomanagementprozess
Begleitet wird der gesamte Prozess durch ein laufendes Reporting gegenüber risikoverantwortlichen Stellen und den Aufbau und Unterhalt eines Data Warehouse zur zentralen Sammlung, Speicherung, Umwandlung und Abrufung von Risikodaten.
a)
Identifikation des operationellen Risikos
Die Risikoidentifikation ist darauf auszurichten, die spezifischen operationellen Risikostrukturen einer Bank möglichst vollständig und differenziert zu beschreiben. Hierzu können qualitative und quantitative Ansätze der Risikoidentifikation diskutiert werden. (1)
Qualitative Ansätze der Risikoidentifikation
Die Ansätze zur qualitativen Identifikation des operationellen Risikos können in ereignisbasierte und prozessbasierte Methoden der Risikoidentifikation untergliedert werden (vgl. Abb. 317). Bei den ereignisbezogenen Ansätzen lassen sich im Weiteren einzelereignisbezogene Analysetechniken und Ansätze zur Analyse von Ereignisverkettungen unterscheiden. Bei den einzelereignisbezognenen Analysetechniken werden unstandardisierte Kreativtechniken und Verfahren auf der Basis standardisierter Fragebögen unterschieden. Zu den bedeutendsten Vertretern der unstandardisierten Kreativtechniken gehören unter anderem Brainstorming und Brainwriting. Diese Verfahren zeichnen sich dadurch aus, dass keine Wirkungen schlagend gewordener operationeller Risiken vorgegeben sind, die es zu erklären gilt. Generell geht es 489
darum, durch Nutzung kreativer Potenziale allfällige Einzelrisiken, wie z.B. eine mögliche Beschädigung des Rechenzentrums in einem Brandfall, zu erfassen. Die Beteiligten können sich entweder mündlich (Brainstorming) oder schriftlich (Brainwriting) zu möglichen Risiken frei äußern. Anschließend tragen die Teilnehmenden die Ergebnisse zusammen und prüfen, diskutieren, modifizieren oder ergänzen sie. Zum Schluss liegt eine Liste potenzieller Risiken vor, die der gesamte Kreis der Befragten für plausibel hält.
Qualitative Ansätze der Risikoidentifikation
Ereignisbasierte Risikoidentifikation
Einzelereignisbezogene Analysetechniken
Prozessbasierte Risikoidentifikation
• Top down-Prozessrisikoanalyse • Bottom up-ProzessrisikoAnsätze zur Analyse von analyse Ereignisverkettungen
• Unstandardisierte Kreativ- • Szenarioanalyse techniken • Ursachenanalyse • Verfahren auf Grundlage standardisierter Fragebogen Abb. 317: Klassifizierung qualitativer Ansätze der Risikoidentifikation
Standardisierte Fragebögen umfassen – ähnlich wie Checklisten – eine strukturierte Sammlung von Fragen. Wichtig dabei ist jedoch, dass die Fragen allgemein formuliert sind, damit sie sich auf möglichst viele organisatorische Bereiche anwenden lassen. Die Standardisierung der Fragen bildet zugleich die Grundlage für die Aggregation und Abbildung der identifizierten Risiken auf höheren organisatorischen Ebenen. Sinnvollerweise sollte man sich bei der Ausarbeitung eines solchen Fragebogens an den Ereigniskategorien nach Basel II orientieren. Die Szenarioanalyse versucht, in einem bestimmten Risikobereich strukturierte Verbindungen zwischen Risikoursachen und Risikowirkungen über mehrere Ebenen hinweg zu ermitteln. Dabei steht die szenariobasierte Verkettung von Ereignissen im Fokus. Szenarioanalysen zur Identifikation von Risiken lassen sich sowohl auf Gesamtbankebene als auch mit Blick auf untergeordnete organisatorische Einheiten, Produkte oder Prozesse einsetzen. Die Qualität der Analyse hängt dabei wesentlich vom sachlichen und fachlichen Wissen der befragten Mitarbeiter ab. Empfehlenswert ist es, die Analyse in einer überschaubaren Gruppe durchzuführen und die Ergebnisse laufend zu protokollieren. Eine gebräuchliche Variante von Szenarioanalysen stellen die Stressanalysen respektive Worst Case-Analysen dar. Hierbei versucht man vor allem solche Effekte zu erfassen, die sich aus einer Verkettung ausschließlich negativ geprägter Ursache-Wirkungs-Relationen ergeben. Die Korridoranalyse will im Unterschied dazu das Spektrum möglicher Wirkungen im Bereich zwischen einer vollständig positiv und einer vollständig negativ geprägten Verkettung von Ereignissen aufzeigen.
490
Die Ursachenanalyse geht im Vergleich zur Szenarioanalyse genau umgekehrt vor. Ausgangspunkt sind hier nicht die Ursachen operationeller Risiken, die mögliche Wirkungen zeigen, sondern früher aufgetretene Wirkungen, von denen her szenariobasiert nach potenziellen Ursachen gesucht wird. Sowohl personell als auch inhaltlich ist die Ursachenanalyse relativ frei ausgestaltbar. Mehrheitlich wird sie allerdings im Rahmen von Gruppenveranstaltungen mit ausgewählten Personen und mit Blick auf einen genau definierten Wirkungsbereich durchgeführt (vgl. MÜNCHBACH 2001, S. 157 ff.; MINZ 2004, S. 102 ff.). Die Top down-Prozessrisikoanalyse versucht, die Ursachen eines unerwünschten Ereignisses prozessbasiert aufzuspüren. Ausgangspunkt ist somit ein gestörter Prozess. Zur Problemlösung ist zunächst der gesamte Prozess aufzuzeigen. Darauf aufbauend ist sodann zu analysieren, welche Ursachen dem unerwünschten Ereignis zugrunde liegen könnten. Der Kreis der Teilnehmenden setzt sich vorzugsweise aus Kompetenzträgern aus den einzelnen Teilprozessen zusammen. Nur so ist gewährleistet, dass sämtliche Ursachen eines fehlgeleiteten Prozesses über sämtliche Teilprozesse hinweg identifiziert werden können (vgl. ZEB 2003, S. 16; LISTER 2002b, S. 80 f.; MÜNCHBACH 2001, S. 160 ff.; MINZ 2004, S. 89 ff.). Die Bottom up-Prozessrisikoanalyse verläuft in genau umgekehrter Richtung, wobei man von einem intakten und störungsfreien Prozess ausgeht. Dieser wird nun, ähnlich wie bei der Top down-Prozessrisikoanalyse, in seine einzelnen Teilprozesse zerlegt, die ihrerseits wiederum entsprechenden Verantwortungsbereichen zugeordnet werden. Auf dieser strukturellen Grundlage lässt sich nun jeder einzelne Teilprozess auf potenzielle Störzustände respektive generelle Fehlerquellen hin untersuchen. Allerdings bleibt man nicht bei einer isolierten Analyse auf Teilbereichsebene stehen, sondern prüft auch, welche kumulativen Effekte der Eintritt mehrerer potenzieller Risiken in einzelnen Teilprozessen mit sich bringen kann. Vom organisatorischen Rahmen her stimmt die Bottom up- mit der Top down-Prozessrisikoanalyse überein. (2)
Quantitative Ansätze der Risikoidentifikation
Neben den Ansätzen zur qualitativen Identifikation operationeller Risiken kann auch die Analyse bankinterner und externer Daten Aufschluss über potenzielle Risiken geben.
Quantitative Ansätze der Risikoidentifikation
Analyse bankinterner Daten
Analyse bankexterner Daten
Abb. 318: Klassifizierung quantitativer Ansätze der Risikoidentifikation
Bankinterne Daten, die sich zur Risikoidentifikation verwenden lassen, stammen •
aus dem Financial und dem Management Accounting,
491
•
aus der bankinternen Prüfung (Audit) und
•
sonstigen bankinternen Informationsquellen (vgl. GRÜTER 2006).
Bankexterne Daten lassen sich im Rahmen der Risikoidentifikation im Sinne eines Benchmarkings nutzen. Bei diesem Verfahren untersuchen Expertenteams bekannte Verlustfälle anderer Institute daraufhin, ob sie auch im eigenen Institut auftreten könnten. Wenn beispielsweise bei einer Bank X fünf Schlüsselmitarbeiter bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen, ist ein solches Ereignis für die eigene Bank nicht zwingend relevant. Beispielsweise dann nicht, wenn die eigene Bank bereits Richtlinien besitzt, die es einem definierten Kreis von Schlüsselmitarbeitern explizit untersagen, gemeinsame Flüge zu unternehmen. Die Quellen bankexterner Verlustdaten sind überaus vielfältig. In Frage kommen: • Geschäftsberichte der Konkurrenz, • öffentliche Medien (Zeitschriften, Internet, Fernsehen und Radio), • Berichte von Brancheverbänden und sportlichen Behörden sowie • Operational Risk Data Pooling-Initiativen (vgl. PEEMÖLLER 2002; LISTER 2002b, S. 78 f.). Die Operational Risk Data Pooling-Initiativen sind - im Unterschied zu den drei anderen Informationsquellen - nur beschränkt öffentlich zugänglich. Wer die Daten dieser Pools nutzen will, muss sich verpflichten, über sämtliche eigenen Verluste lückenlos Meldung zu erstatten. Dies hält heute noch viele Banken davon ab, sich solchen Konsortien anzuschließen. Man befürchtet, dass Konkurrenten, die ebenfalls dem Datenpool angeschlossen sind, auch aus anonymisierten Informationen aufschlussreiche Rückschlüsse ziehen können. Andererseits ist natürlich der Nutzen einer Mitgliedschaft nicht zu unterschätzen. Der Datenpool verschafft einer Bank grundsätzlich die Möglichkeit, aus Fehlern der Konkurrenz zu lernen und somit operationelle Risiken besser zu kontrollieren. Bedeutende Vertreter solcher Operational Risk Data Pooling-Initiativen sind die ORX ASSOCIATION und GOLD (BRITISH BANKERS ASSOCIATION). Grundlegend für den Aufbau einer Verlustdatenbank ist eine standardisierte Datenerfassung. Es muss klar geregelt sein, in welcher Form die einzelnen Mitglieder die Verlustfälle zu melden haben. Faktisch läuft dies auf eine Präzisierung der Ereigniskategorisierung von Basel II hinaus. Entsprechende Richtlinien hat beispielsweise die ORX Association veröffentlicht (vgl. ORX ASSOCIATION 2004).
b)
Messung des operationellen Risikos
Im Unterschied zur Messung von Kredit- und Marktrisiken hat sich für operationelle Risiken in Banken bislang noch kein Standard etablieren können. In den nun folgenden Ausführungen soll das Spektrum möglicher Messansätze aufgezeigt und kritisch beleuchtet werden. Als anzustrebendes Ziel gilt dabei eine möglichst realitätsnahe interne Messung des operationellen Risikos, auf deren Basis sich wirkungsvolle Steuerungsmaßnahmen ergreifen lassen. Im Hinblick auf eine ertragsorientierte Gesamtbanksteuerung drängt sich die Entwicklung eines 492
Messinstrumentariums auf, das nach Möglichkeit mit dem Value at Risk-Konzept zur Messung der Markt- und Kreditrisiken kompatibel ist. (1)
Ansätze zur qualitativen Bewertung des operationellen Risikos
(a)
Basisinstrumente zur qualitativen Risikobewertung
Bei allen Ansätzen zur Messung operationeller Risiken mittels qualitativer Bewertungsverfahren beruht die Verlustschätzung mehrheitlich auf subjektiven Einschätzungen. So stützen sich insbesondere die ereignisbasierten Bewertungsverfahren und die prozessbasierte Schätzung von Risikopotenzialen auf die bereits ausgeführten internen Verfahren der Risikoidentifikation. Risikoindikatoren sind nicht auf Risikowirkungen ausgerichtet, sondern versuchen das Risiko ursächlich abzubilden. Die Basisinstrumente zur qualitativen Bewertung operationeller Risiken können untergliedert werden in: 1.
Ereignisbasierte Bewertungsverfahren (annualisierte Gesamterwartungswerte/ Szenarioanalyse),
2.
Prozessbasierte Abschätzung von Risikopotenzialen und
3.
Risikoindikatoren.
Zu 1.: Die Risikomessung mittels annualisierter Gesamterwartungswerte stellt ein pragmatisches Schätzverfahren dar, dessen Aussagekraft wesentlich von einzelnen, möglicherweise subjektiv geprägten Expertenmeinungen abhängt. Dieser Ansatz eignet sich speziell für die Bewertung von operationellen Risiken, die mittels einzelereignisbezogener Analysetechniken identifiziert worden sind. Entsprechende Risiken sind nach potenzieller Verlusthöhe und Häufigkeit zu bewerten. Auf die einzelnen Ereignisse lassen sich in der vertikalen Dimension die von Basel II vorgeschlagenen Ereigniskategorien anwenden. Bei der zeitlichen Schadensbeurteilung ist in der horizontalen Dimension zwischen Ereignissen zu unterscheiden, die täglich, wöchentlich, monatlich, quartalsweise, jährlich, alle fünf, alle 20, oder alle 100 Jahre eintreten. Die Messung operationeller Risiken mittels szenariobasierter Risikoabschätzung orientiert sich an den Identifikationskonzepten zur Analyse von Ereignisverkettungen. Sie nutzt daher die in der Identifikationsphase eruierten Ereignisverkettungen als Basis. Die alternativen Äste, Best Case oder Worst Case, lassen sich mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten versehen und entsprechend gewichten. Jeder an eine definierte Wahrscheinlichkeit geknüpfte Verlustpfad entspricht einer bestimmten Verlusthöhe. Zu 2.: Die prozessbasierte Abschätzung von Risikopotenzialen setzt eine differenzierte Erfassung sämtlicher Haupt- und Teilprozesse in einer Bank voraus. Dabei erhebt sie Anspruch auf Vollständigkeit der Risikoerfassung in Bezug auf prozessbasierte Abläufe. Sie bezweckt die Abschätzung potenzieller Verluste, die mit Hilfe prozessbasierter Identifikationsansätze 493
ermittelt wurden. Dabei sollte idealtypisch bei der bottom-up-orientierten Variante wie folgt vorgegangen werden: In einer ersten Phase gilt es für die in einem Teilprozess identifizierten Fehlerereignisse zu ermitteln, mit welcher Häufigkeit diese auftreten. Grundsätzlich ist dies aufgrund einer Expertenschätzung möglich oder, falls entsprechende Erfahrungswerte vorliegen, anhand empirischer Daten. In einer zweiten Phase sind in analoger Weise die Durchschnittswerte resp. maximalen Werte für Verluste zu generieren. In einer dritten Phase lassen sich durch einfache Multiplikation der Häufigkeiten mit den Verlusthöhen für einzelne Fehlerquellen, für einzelne Teilprozesse oder für sämtliche Teilprozesse die erwarteten Verluste resp. die Maximalverlustsumme eines gesamten Prozesses ermitteln. Zu 3.: Mit der Risikomessung mittels Risikoindikatoren verbindet man die Erwartung, zukünftige Verluste respektive sich verändernde Risikopotenziale genauer abschätzen zu können. Hinsichtlich ihrer zeitlichen Dimension lassen sich zukunftsgerichtete, zeitnahe und vergangenheitsgerichtete Indikatoren unterscheiden (vgl. GRÜTER 2006, TRIPP et al. 2004, S. 23 ff., DRESDNER KLEINWORT WASSERSTEIN 2003, HOFFMAN 2002, S. 238 ff., FAISST/KOVACS 2003). Für die Risikomessung speziell wertvoll sind nur zukunftsgerichtete ursachenbasierte Indikatoren. Risikoindikatoren sind Kennzahlen, die dazu dienen, die Entstehung operationeller Risiken frühzeitig zu erkennen, um ihre Realisation verhindern oder wenigstens einschränken zu können. Aufgrund eines vermuteten Zusammenhangs zwischen einem oder mehreren Indikatoren und potenziellen oder effektiven Verlusten versucht man zu Aussagen über die Veränderung oder das Eintreten dieser Verluste zu gelangen. Risikoindikatoren lassen sich somit als Instrumentarien einsetzen, die Risiken indirekt und approximativ aufzuzeigen vermögen. Risikoindikatoren sollten leicht messbar sein und nicht mittels aufwändiger Verfahren berechnet werden müssen. Aussagekräftige Risikoindikatoren sollten des Weiteren einen möglichst hohen Grad an Objektivität aufweisen und im Sinne der Wirtschaftlichkeit möglichst einfach zu aktualisieren und in die Managementprozesse zu integrieren sein. (b)
Entwicklung eines bankinternen Operational Risk Rating-Systems
In der bankwissenschaftlichen Literatur wurde ein Scorecard-basierter Ansatz vorgestellt, der darauf abzielt, Erkenntnisse aus dem Kreditrisikomanagement für den Umgang mit operationellen Risiken zu nutzen (für eine ausführliche Beschreibung des Ansatzes vgl. GRÜTER 2006). Die Aufgabe dieses wirkungsbasierten Ansatzes besteht darin, die einzelnen Einheiten, wie Geschäftsbereiche oder Prozesse, mit einem Operational Risk-Rating auf ihre Risikoexponierung hin zu vergleichen, wobei das Ratingsystem laufend den sich verändernden Risikostrukturen angepasst wird. Grundsätzliche Unterschiede zwischen einem Rating im Bereich des Kreditrisikos und einem Rating im Bereich des operationellen Risikos werden in Abb. 319 gegenübergestellt.
494
Bezugspunkt des Ratings Treibende Faktoren zur Festlegung des Ratings
Ziele
Kredit-(Ausfall-)Risiko Kreditnehmer
Operationelles Risiko Organisationseinheit oder Prozess einer Bank
x Typische qualitative Merkmale des Kreditnehmers x Typische quantitative Merkmale des Kreditnehmers
x Qualitative Ursachen des operationellen Risikos in einer Organisationseinheit x Quantitative Ursachen des operationellen Risikos in einer Organisationseinheit x Unterteilung sämtlicher Kunx Unterteilung sämtlicher Organisaden in merkmalshomogene tionseinheiten und Prozesse in Gruppen mit einer einheitlichen einheitliche Gruppen, die eine Ausfallrate ähnliche Exponierung nach operax Verursachungsgerechte Abwältionellen Risiken aufweisen zung erwarteter Verluste auf x Schaffung eines bankinternen Ridie Kreditnehmer sikobewusstseins hinsichtlich der Gefährdung durch operationelle Risiken in den einzelnen Organisationseinheiten oder Prozessen
Abb. 319: Zentrale Merkmale eines Ratings im Bereich des Kredit-(Ausfall-)Risikos und des operationellen Risikos
So findet z.B. die Ratingeinstufung der einzelnen Organisationseinheiten in folgenden drei Teilprozessen statt: 1. Wirkungsbasierte Kategorisierung der Organisationseinheiten (Teilprozess 1) 2. Ratingprognose mittels risikodeterminierender Faktoren (Teilprozess 2) 3. Analyse der Trennschärfe des Modells (Teilprozess 3) In einer ersten Phase werden die Organisationseinheiten im Top-Down-Verfahren den einzelnen Ratingklassen zugeordnet. In der zweiten wird diese Zuordnung bottom up nach Maßgabe typischer Merkmale der Organisationseinheiten nachvollzogen. Abschließend wird das Modell auf seine Trennschärfe hin analysiert. Diese kann dann als gut bezeichnet werden, wenn sich die Top down-Rating-Festlegung durch die Bottom up-Prognose des Ratings auf der Basis risikorelevanter Merkmale befriedigend erklären lässt. Im ersten Teilprozess gilt es zunächst, die Organisationseinheiten einem bestimmten Cluster zuzuordnen. Im zweiten Teilprozess sollen ursächliche Faktoren (bottom up) darauf hin untersucht werden, inwiefern sie das top down definierte Rating aus dem ersten Teilprozess zu erklären vermögen. Die Diskriminanzanalyse dient dabei als grundlegendes statistisches Konzept. In einer dritten Phase ist die Trennschärfe des Modells zu prüfen. Zu diesem Zweck wird die Top downRatingfestlegung mit der ursachenbasierten Prognose des Ratings (bottom up) verglichen. Eine Gegenüberstellung der Ratings wird tendenziell zeigen, dass die Bottom upRatingprognose die Top down-Ratingeinteilung sehr gut zu erklären vermag. Vor dem Hintergrund des daraus entstehenden Ratings der Organisationseinheiten lassen sich schließlich Aussagen über die relative Höhe des operationellen Risikos der einzelnen Einheiten treffen. 495
(2)
Risikoquantifizierung durch Modellierung von Verlustdaten
Mittels Quantifizierung operationeller Risiken anhand von Verlustdaten wird versucht, eine geeignete Basis für die Implementierung bereits praktizierter Verfahren zur Messung von Markt- und Kreditrisiken zur operationellen Risikomessung zu schaffen. Dies geschieht vorrangig in der Absicht, Messgrößen zu generieren, die mit jenen im Bereich der Markt- und Kreditrisiken kompatibel sind, und so eine integrative Erfassung aller Risikoarten in einer Bank ermöglichen. Im Fokus steht dabei neben der Schätzung der erwarteten und unerwarteten Verluste auf Gesamtbankebene die Schätzung der nach Ursache, Wirkung und Verantwortungsbereichen differenzierten Risikopotenziale im Sinne eines transparenten Bottom upRisikomessverfahrens. Der Quantifizierung liegt konzeptionell eine Dreiteilung der Verluste nach Verlusthöhen zu Grunde. Risiken mit geringen Verlustwirkungen bis beispielsweise 10.000 EUR werden häufig vollständig ausgeklammert. Andererseits werden Risiken aus Extremereignissen, die über einem bankspezifisch zu definierenden Schwellenwert (threshold) zu liegen kommen, mittels der Extremwerttheorie quantifiziert. Die zwischen diesen beiden Limiten liegenden Verlustereignisse werden mittels der stochastischen Modellierung quantifiziert. Die wesentlichen Problemaspekte der Quantifizierung auf der Basis verlustdatenbasierter Ansätze sind •
in der nachweislich punktuell mangelhaften Datenlage in einzelnen Geschäftsfeldern resp. Ereigniskategorien,
•
in der hohen Dynamik der Veränderung des operationellen Risikos und
•
in der Ungewissheit über die Vollständigkeit der Risikoidentifikation zu sehen (vgl. GRÜTER 2006).
(a)
Stochastische Modellierung
Bei der Messung operationeller Risiken durch die Anpassung theoretischer Verteilungen greift man auf den versicherungsmathematischen Ansatz der Trennung von Verlusthöhen und Verlusthäufigkeiten zurück. Dadurch lässt sich der Datenbedarf erheblich reduzieren. Grundsätzlich ist es allerdings auch möglich, die theoretische Verteilung direkt an die Verlustverteilung anzupassen. Bei getrennter Betrachtung von Verlusthöhen und Verlusthäufigkeiten wird explizit Unabhängigkeit der beiden Größen unterstellt. Die Anzahl der Fehltransaktionen beispielsweise hängt nicht vom Verlust ab, der bei Auftreten einer Fehltransaktion entstehen kann. Entsprechend wird auch angenommen, dass sich Verlusthöhen und Verlusthäufigkeiten über völlig unterschiedliche aktive Steuerungsmaßnahmen beeinflussen lassen. Aus der Verknüpfung von Verlusthöhen- und Verlusthäufigkeitsverteilung mittels Faltung resultiert die eigentliche Verlustverteilung (für eine ausführliche Darstellung der optimalen Modellierung von Verlusthöhenverteilungen und Verlusthäufigkeitenverteilung sowie der darauf basierenden Herleitung von Verlustverteilungen vgl. GRÜTER 2006).
496
Grundsätzlich gelangt man entweder über die historische Simulation, die direkte theoretische Anpassung an Verlustdaten oder die Kombination der Verlusthöhen- und Verlusthäufigkeiten zu einer Verlustverteilung. Diese ermöglicht in sämtlichen Fällen die Schätzung eines Operational Value at Risk. Die historische Simulation mittels Verlustdaten entfällt im Bereich des operationellen Risikos aufgrund der Datenproblematik wegen mangelnder Praktikabilität. Die direkte Anpassung von theoretischen Verteilungen an Verluste hat gegenüber der getrennten Modellierung von Verlusthöhen und Verlusthäufigkeiten den Nachteil, dass sie sehr datenintensiv ist und erst noch eine geringere Transparenz aufweist. Die getrennte Modellierung bietet beispielsweise auch die Möglichkeit, Maßnahmen zu ergreifen, die gezielt die Verlusthöhen beeinflussen, oder alternativ, die Verlusthäufigkeiten auf ihre Wirkungen hin zu kontrollieren. Auch ist denkbar, die Verlusthöhen oder Verlusthäufigkeiten bei der Quantifizierung mittels qualitativer Informationen zu beeinflussen. Abbildung 321 zeigt anhand eines Beispiels, wie sich aus optimierten Verlusthöhen- und Verlusthäufigkeitenverteilungen eine Verlustverteilung herleiten lässt, die als Basis für die Berechnung eines Operational Value at Risk dienen kann. Dabei werden die in Abb. 320 dargestellten Verteilungen von Verlusthäufigkeiten und -höhen zugrunde gelegt.
Verlusthäufigkeitenfunktion Häufigkeit (in %) Verlusthäufigkeit 60 % 0 30 % 1 10 % 2
Verlusthöhenfunktion Häufigkeit (in %) Verlusthöhe 70 % 5.000 GE 20 % 50.000 GE 10 % 500.000 GE
Abb. 320: Ausgangsdaten zur Berechnung einer Verlustverteilung
Der erwartete Verlust ergibt sich aus der Multiplikation der erwarteten Verlusthäufigkeit mit der erwarteten Verlusthöhe, die sich wiederum aus den wahrscheinlichkeitsgewichteten Einzelzuständen errechnen lassen. Erw. Verlusthäufigkeit = 0 60 % 1 30 % 2 10 % 50 % Erw. Verlusthöhe = 5.000 70 % 50.000 20 % 500.000 10 % 63.500 GE Erw. Verlust = Erw. Verlusthäufigkeit · Erw. Verlusthöhe = 50 % · 63.500 = 31.750 GE Der unerwartete Verlust (Operational Value at Risk) ist an eine Wahrscheinlichkeitsaussage geknüpft und entspricht dem geschätzten maximalen Wertverlust in einer Ereigniskategorie, der innerhalb eines festgelegten Zeitraums, mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintritt. Wird dem Beispiel eine Wahrscheinlichkeit von 99,9 % zugrunde gelegt, so errechnet sich aus der kumulierten Wahrscheinlichkeitsverteilung ein maximales Verlustpotenzial von 550.000 GE. Bereinigt man diesen Wert um den erwarteten Verlust von 31.750 GE, so resultiert bei einem Signifikanzniveau von 99,9 % ein Operational Value at Risk von 518.250 GE (= 550.000 GE 31.750) (vgl. Abb. 321).
497
Verlusthöhenfunktion
Verlusthäufigkeitenfunktion Häufigkeit (in %) 100 %
Häufigkeit (in %) 100 %
80 %
80 %
60 %
60 %
40 %
40 %
20 %
20 %
0%
0% 0 1 2 Verlusthäufigkeit (Anzahl)
5.000
50.000 500.000 Verlusthöhen (in GE)
Verlustfunktion Häufigkeit (in %) Max. Verlustpotenzial 100 % Erwarteter Verlust (99,9 %) 90 % = 31.750 GE = 550.000 GE 80 % 70 % 60 % Operational Value at Risk (99,9 %) 50 % = 518.250 GE 40 % 30 % 20 % 10 % 0% 0
5
10
50
55
100
500
505
550
1.000
Verluste (in Tsd. GE) Abb. 321: Analytische Berechnung der Verlustfunktion
Im Allgemeinen ist es sinnvoll, die Verlustverteilung mit Simulationsverfahren wie der Monte-Carlo-Simulation zu generieren. Dabei gewinnt man jedoch, anders als bei der historischen Simulation, die Risikoparameter, wie die Verlusthäufigkeit oder die Verlusthöhe, nicht aus Daten der Vergangenheit, sondern ermittelt sie mit Hilfe von Zufallszahlen. Damit lassen sich Verluste aus operationellen Risiken simulieren, indem im Rahmen stochastischer Prozesse die Zufallszahlen in die spezifischen zu simulierenden Verteilungen transformiert werden. Wird dieser Vorgang beliebig oft wiederholt, kann man die zufallsbasierte Bandbreite der ganzen Verteilung simulieren. 498
Die im Folgenden beispielhaft skizzierte Monte-Carlo-Simulation wurde mit Crystal Ball 2000.2 durchgeführt (vg. GRÜTER 2006). In einer fiktiven Bank wurden die Anzahl der externen Ereignisse und die damit verbundenen direkt messbaren Verluste untersucht. An die empirischen Daten der Verlusthäufigkeiten- und Verlusthöhenverteilungen wurden in der bereits erläuterten Art theoretische Verteilungen angepasst. Es zeigte sich, dass sich die Verlusthäufigkeiten x optimal durch eine Binomialverteilung annähern lassen. Diese weist bei einem Erwartungswert von 50 Ereignissen pro Monat die folgende stochastische Verteilung auf:
f BIN x / 100; 0,5
mit:
§100 · 100 x ¸ 0,5x 1 0,5 °¨¨ für x ®© x ¸¹ ° 0 ¯
0, 1, 2,..., 100 sonst
f(…) = Dichtefunktion, x = Zufallsvariable (Verlusthöhe)
Die Verlusthöhenverteilung ist stark rechtsschief und konnte optimal durch die folgende Weibullverteilung approximiert werden: 1 11 y / 500 1 ° f WEI y / 1; 500 ® 5001 y e °¯ 0 mit:
für x t 0, D ! 0 und E ! 0 sonst
y = Zufallsvariable (Verlusthöhe), e = Eulersche Zahl, f(…) = Dichtefunktion
Der Erwartungswert der weibullverteilten Verlusthöhen beläuft sich auf 2.500 GE pro externes Ereignis bei einer generellen Mindestverlusthöhe von 2.000 GE pro Ereignis. Somit ergeben sich in der Ausgangssituation die in Abb. 322 dargestellten theoretischen Verteilungen. Mittels Zufallszahlen betreffend Verlusthöhe und Verlusthäufigkeit lässt sich nun die Verlustverteilung generieren. Dabei betrachtet man diese beiden Größen als voneinander unabhängig. Die Verlustverteilung weist einen Erwartungswert von 125.000 GE (= 2.500 GE · 50 externe Ereignisse) auf. Das Maximalverlustpotenzial bei einer Wahrscheinlichkeit von 98 % liegt bei 199.007 GE. Legt man der Berechnung des Operational Value at Risk eine Wahrscheinlichkeit von 98 % zugrunde, so beträgt dieser für das Risiko externer Ereignisse in einer Periode 74.007 GE (= 199.007 GE 125.000 GE).
499
Häufigkeit (in %)
Verlusthöhenverteilung (Weibullverteilung)
Erwartungswert = 2.500
2.000,00 2.748,93 3.497,87 4.246,80 4.995,73
Verlusthäufigkeitenverteilung (Binomialverteilung)
Häufigkeit (in %)
Verlusthöhe (in GE)
Erwartungswert = 50
25
50
74 Verlusthäufigkeit
Abb. 322: Optimal parametrisierte Verlusthöhen- und Verlusthäufigkeitenverteilungen
Häufigkeit (in %) 2,9 % 2,1 %
Operational Value at Risk = 74.007 GE
1,4 % 0,7 % 0% 68.467,53
101.425,27
134.383,00
167.340,74
200.298,47
Verluste (in Tsd. GE) Abb. 323: Verlustverteilung
500
(b)
Extremwerttheorie
Bei der stochastischen Modellierung von Verlusten aus operationellen Risiken im vorangehenden Kapitel steht die optimale Anpassung der theoretischen Verteilungswerte an die empirischen Daten im Vordergrund. Diese Approximation gelingt generell in jenen Bereichen gut, in denen die Bank über ausreichende Daten verfügt. Eine optimale Anpassung der Verteilungsschwänze wird dabei oft vernachlässigt. Die Extremwerttheorie (Extreme Value Theory, EVT) setzt genau an diesem Punkt an und versucht, eine Funktion für die Anpassung der Verteilungsschwänze zu finden, respektive die extremen Verlustereignisse jenseits eines definierten Schwellenwerts eigenständig zu quantifizieren. Dabei werden nur extreme Verlustwerte berücksichtigt. Die zentrale Frage ist, wie viel Risikokapital es für die schwer abschätzbaren Risiken am Verteilungsende zusätzlich zu allokieren gilt. Innerhalb der Extremwerttheorie lassen sich zwei unterschiedliche Ansätze unterscheiden: Der Minima-/MaximaAnsatz und der Peaks-over-Threshold-Ansatz (vgl. NEUKOMM 2004). Der Minima/Maxima-Ansatz unterteilt die Betrachtungsperiode in eine bestimmte Anzahl Teilperioden. Als Extremwert wird in jeder Teilperiode das Minimum oder Maximum definiert und mittels der generalisierten Paretoverteilung modelliert. Im Unterschied dazu gelten beim moderneren Peaks-over-Threshold-Ansatz jene Verlustereignisse als Extremverluste, die einen bestimmten hohen Schwellenwert überschreiten (vgl. Abb. 324). Diejenigen Datenpunkte, welche unterhalb dieses Schwellenwertes zu liegen kommen, fließen entsprechend in die Risikomessung der normalen stochastischen Modellierung ein. Zur praktischen Vorgehensweise bei der Berechung des Operational Value at Risk für Extremereignisse vgl. GRÜTER 2006.
Peaks-over-Threshold-Ansatz Verlusthöhe
Minima-/Maxima-Ansatz Verlusthöhe
Zeit (t)
Zeit (t)
berücksichtigte Verlustereignisse unberücksichtigte Verlustereignisse Abb. 324: Ansatzspezifisch berücksichtigte Verlustereignisse
501
(3)
Kausale Risikomessung als Synthese qualitativer und quantitativer Messansätze
Kausale Risikomessansätze setzen unmittelbar an den einem Risiko zugrunde liegenden Ursache-Wirkungs-Relationen an. Zu den linearen Ansätzen zählt das Sensitivitätskonzept. Bei den nicht linearen unterscheidet man die Bayesschen-Netzwerke, die Neuronalen Netzwerke und Fuzzy Logic. Da die drei Letzteren nur minimal differieren, wird hier lediglich der modernste und wohl auch praxisrelevanteste Ansatz, das Konzept Bayesscher-Netzwerke, vorgestellt. Ein sensitivitätsbasiertes Konzept zur Messung des operationellen Risikos wird in drei Stufen aufgebaut. In einer qualitativ geprägten ersten Phase sind die Ursachen zu identifizieren, die zur Erklärung einer bestimmten Wirkungsgröße potenziell in Frage kommen. In einer zweiten Phase fasst man die Ursachen und die Wirkungen in metrische Werte und testet sie im Regressionsmodell. In der dritten Phase leitet man einen Prozess zur Bereinigung der untersuchten Ursachen ein, bei dem solche Ursachen, die zu wenig zur Erklärung der untersuchten Wirkungsgröße beitragen, sukzessive eliminiert werden. Dieser Prozess führt schließlich zu einem Portfolio von Ursache-Wirkungs-Relationen mit hohem Erklärungsgehalt. Bayessche Netzwerke sind grafische Modelle, die Graphentheorie und Wahrscheinlichkeitstheorie miteinander kombinieren. Man verwendet dabei einen gerichteten azyklischen Graphen, der die Wahrscheinlichkeitsverteilung verschiedener voneinander unabhängiger Ereignisse modelliert (vgl. GRÜTER 2006, YOUNG 2000, COLEMAN 2000, ALEXANDER 2002).
Praktische Anwendungsfelder von Bayesschen-Netzwerken finden sich in allen Wissenschaftsbereichen, in denen es darum geht, mit unsicherem Wissen zu arbeiten. In der Biologie lassen sich damit DNA-Strukturen prognostizieren. In der Meteorologie dienen solche Modelle zur Wettervorhersage und in der Medizin zur Diagnose von Krankheiten. In der Betriebswirtschaft ist ihre Anwendung bislang kaum verbreitet.
c)
Steuerung des operationellen Risikos
Die Steuerungsmaßnahmen zur Begrenzung des operationellen Risikos lassen sich in ursachen- und wirkungsbezogene Maßnahmen unterteilen. Die ursachenbezogenen Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, die Verlusthäufigkeit und die Verlusthöhe potenzieller Verluste zu verringern. Wirkungsbezogene Ansätze gehen vom nicht vermeidbaren oder verminderbaren Risiko aus. Bei der Risikovermeidung schließt man die Übernahme des Risikos vollständig aus. Maßnahmen zur Risikominderung sind im Unterschied dazu darauf ausgerichtet, die Verlusthäufigkeit oder die Verlusthöhe schlagend werdender Risiken zu reduzieren. Im Rahmen der Risikodiversifikation wird unterstellt, dass sich durch die Kombination unterschiedlicher Arten operationeller Risiken so genannte risikomindernde Diversifikationseffekte erzielen lassen. Da es unwahrscheinlich ist, dass mehrere Teilrisiken gleichzeitig schlagend werden, ergibt sich dadurch für die Bank ein günstigeres Risikoprofil. Geeignete Maßnahmen des Risikotransfers sollen Risiken auf Dritte übertragen. Hierbei werden traditionelle von alternativen Instrumenten des Risikotransfers unterschieden. Für die Steuerung des operationellen Risikos eignen sich speziell auch Instrumente, die Risikotransfer und Risikovorsorge kombinieren. 502
Diese hybriden Instrumente werden zusammen mit jenen des Risikotransfers auch als Instrumente der alternativen Risikofinanzierung (ARF) bezeichnet. Die Risikovorsorge resp. die traditionelle Risikofinanzierung dient dazu, Deckungsmassen für potenzielle Verluste bereitzustellen, die unter Berücksichtigung von Kosten-Nutzen-Abwägungen weder gemindert, vermieden oder externalisiert wurden. Als Deckungspotenzial kommen die verschiedenen Elemente des Eigenkapitals inklusive des erwirtschafteten Gewinns in Frage. Verluste aus operationellen Risiken sind über ein abgestuftes System bereitgestellter Risikodeckungsmassen abzufangen. (1)
Ansatzpunkte zur Vermeidung und Minderung operationeller Risiken
Mögliche Strategien zur Vermeidung und Minderung des operationellen Risikos sind überaus vielschichtig. Es scheint jedoch zweckmäßig, die entsprechenden Steuerungsinstrumentarien unmittelbar an den Risikoursachen auszurichten (vgl. GRÜTER 2006). Die Maßnahmen basieren auf den Erkenntnissen der Risikoidentifikation und der Risikomessung. Da die Risiken häufig sehr institutsspezifisch sind, ist auch das Instrumentarium der Vermeidung und Minderung von Risiken sehr spezifisch und fragmentiert. Ein wirksames bankinternes Kontrollsystem bildet die Grundlage einer wirkungsvollen Vermeidung und Minderung des operationellen Risikos. (2)
Instrumente des alternativen Risikotransfers
Bis anhin haben sich Banken und die Versicherungsindustrie hauptsächlich auf den Transfer von Markt-, Kredit- und Zinsänderungsrisiken konzentriert. Dass nun zunehmend auch der Transfer operationeller Risiken zum Thema wird, ist wohl primär auf die Rahmenvereinbarung von Basel II zurückzuführen. Diese ermöglicht es AMA-Banken, das regulatorische Kapital für die Unterlegung des operationellen Risikos, falls sie entsprechende Maßnahmen des Risikotransfers ergreifen, um bis zu 20 % zu reduzieren. Bei Banken, die zur regulatorischen Unterlegung einen Basisindikatoransatz (BIA) oder Standardansatz (STA) verwenden, wird keine transferbedingte Minderung des operationellen Risikos anerkannt. Im Hinblick auf eine interne Optimierung der Rendite-/Risiko-Struktur auf Gesamtbankebene machen aber sauber abgestimmte Risikotransfermaßnahmen für alle Banken Sinn, unabhängig vom aufsichtlichen Risikomessverfahren, das sie verwenden. Bei der alternativen Risikofinanzierung (ARF) operationeller Risiken sind traditionelle Produkte wie Versicherungen, moderne Produkte des alternativen Risikotransfers (ART) und hybride Instrumente zu unterscheiden. Während die traditionellen und modernen Produkte des Risikotransfers auf eine vollständige Externalisierung des Risikos abzielen, kombinieren die hybriden Instrumente Risikotransfer und Risikovorsorge. (a)
Traditionelle Versicherungsprodukte
Bei den traditionellen Versicherungsprodukten können ereignisspezifische Versicherungsprodukte und Basket Insurance-Produkte unterschieden werden. Zum Transfer von ereignis-
503
spezifischen Risiken gibt es speziell für Banken bereits ein breites Angebot an Versicherungsprodukten. Hierzu zählen: •
Berufshaftpflichtversicherungen
•
Vertrauensschadenversicherungen
•
Computerstraftatenversicherungen
•
Organhaftpflichtversicherungen
•
Geschäftsunterbrechungsversicherungen
•
Gebäudeversicherungen.
Konventionelle Versicherungsprodukte eignen sich generell nur sehr begrenzt zur Deckung der Verlustpotenziale in einzelnen oder mehreren Ereigniskategorien. Ihre Laufzeit ist üblicherweise limitiert und der Versicherungsgeber hat häufig gewisse Kündigungsrechte. Basket Insurance-Produkte (multi-line/multi-year-products) sind auf die mehrjährige Deckung gleichzeitig mehrerer oder gar sämtlicher bekannter Ereigniskategorien ausgerichtet. Hierfür werden die mit verschiedenen Risiken verknüpften Deckungen, Deckungsauslöser und Deckungslimite betraglich und zeitlich aufeinander abgestimmt. Die Bündelung einzelner konventioneller Versicherungsprodukte (single-line/single-year-products) zu umfassenden Basket Insurance-Produkten steigert die Marktmacht der Bank, womit es ihr eher gelingt, günstigere Konditionen durchzusetzen. Auch die Korrelationseffekte aus der Aggregation dieser stark unterschiedlichen operationellen Risikoarten muss die Versicherungsgesellschaft bei der Konditionsgestaltung explizit berücksichtigen. Diese dürften sich ebenfalls konditionsmildernd auswirken. Bezüglich der Aggregationsform von Basket Insurance-Produkten ist zwischen einer reinen Aggregation des Selbstbehaltes oder der Deckungssummen und einer kombinierten Aggregation von Selbstbehalten und Deckungssummen zu unterscheiden. Basket Insurance-Produkte haben grundsätzlich den Zweck, den Kapitaleinsatz durch Diversifikation und Streuung zu optimieren. Die Streuung erzielt man durch die längere Vertragsdauer, die Diversifikation durch eine Aggregation stark unterschiedlicher Risikoarten. Das Verhältnis von Versicherungsprämie und Schadenssumme fällt bei Basket InsuranceProdukten damit wesentlich günstiger aus als bei einer konventionellen Versicherungslösung. (b)
Alternative Risk Transfer
Bezüglich der kapitalmarktorientierten Instrumente können exemplarisch Operational Risk Bonds, Operational Risk Swaps oder Operational Risk Derivate differenziert werden. Der Funktionsmechanismus dieser Instrumente ist grundsätzlich identisch zu jenem bei der Externalisierung anderer Risikoarten. Für eine ausführliche Beschreibung dieser Instrumente sei auf GRÜTER 2006 verwiesen. Die Produkte des alternativen Risikotransfers sind wie konventionelle Versicherungen auf eine vollständige Externalisierung des Risikos ausgerichtet, unterscheiden sich von diesen je504
doch im Hinblick auf den Risikoträger und die Versicherungstechnik. Da der ART das Risiko auf den Kapitalmarkt transferiert, erweitert sich der Kreis möglicher Risikoträger erheblich. Als Beispiele wurden der Operational Risk-linked Bond, der Operational Risk Swap und Operational Risk Derivate vorgestellt. Der Operational Risk-linked Bond transferiert die Risiken gegen eine Risikoprämie über eine Zweckgesellschaft vollständig auf den Kapitalmarkt. Beim Operational Risk Swap wird das Risiko gegen Bezahlung einer Risikoprämie direkt auf eine andere Partei übertragen. Dieses Instrument ist ähnlich effektiv wie der Operational Risk-linked Bond, beinhaltet aber aufgrund des Transfers ein weitaus höheres Risiko, da es im Schadensfall bei nicht klar definierten Risikoereignissen zu jahrelangen Rechtsstreiten kommen kann. Operationel Risk Derivate sind vertragliche Vereinbarungen über den bedingten oder unbedingten Kauf oder Verkauf eines Basiswerts an einem oder bis zu einem zukünftigen Zeitpunkt. Die Derivate müssen an einen entweder bankinternen oder -externen Index gekoppelt sein, nach dem sich auch die Ausgleichszahlungen richten. Der Risikotransfer kann bei Operational Risk-linked Bonds, Swaps und Derivaten mit bankspezifischem Trigger als effizient bezeichnet werden, entsprechend ineffizient ist er bei Derivaten mit bankexternem Trigger. Grundsätzlich sind sämtlichen Instrumenten jedoch die bekannten Versicherungsanomalien wie Moral Hazard inhärent. Hinsichtlich Kosteneffizienz können sich die Instrumente wesentlich unterscheiden. Speziell Operational Risk-linked Bonds und Derivate mit internem Trigger eignen sich zur Externalisierung sämtlicher Verlustspektren, wobei diese Instrumente wegen der erforderlichen Masse nur für Großbanken in Frage kommen. (c)
Hybride Instrumente
Hybride Instrumente synthetisieren Risikotransfer und Risikovorsorge. Beispiele dafür sind die Captive Insurance Companies, Finite Risk-Lösungen und Contingent Capital. Captive Insurance Companies nennt man zur Bank gehörende Versicherungsgesellschaften, die im Hinblick auf Geschäftstätigkeit, Trägerschaft, Standort und übernommene Risiken einen hohen Flexibiliätsgrad aufweisen. Finite Risk-Lösungen sind Versicherungskontrakte, bei denen die Bank als Versicherungsnehmer das Risiko partiell durch Ansparvorgänge selbst finanziert. Unter Contingent Capital sind vertragliche Abmachungen über die Kapitalbeschaffung zu definierten Konditionen zu verstehen, die sich bei Eintritt extremer Risikoereignisse zur Verlustdeckung einsetzen lassen. (3)
Problemstrukturen der Bestimmung optimaler Steuerungsmaßnahmen
Risikosteuerung bezweckt, das Risikopotenzial auf der Basis von Kosten-NutzenÜberlegungen gezielt zu beeinflussen. So gesehen macht es i.d.R. wenig Sinn, das Risikopotenzial aus operationellen Risiken vollständig zu vermeiden, zu mindern oder zu transferieren. Im Rahmen einer Synthese der Maßnahmen zur Risikovermeidung resp. -minderung und des Risikotransfers sind vor diesem Hintergrund jene Problemstrukturen zu analysieren, die einem optimalen und rentabilitätssteigernden Portfolio von Steuerungsmaßnahmen zugrunde liegen. Dazu bedarf es zunächst der Modifikation der bis anhin bekannten risikoadjustierten Ergebnismessung. Daran anschließend werden die Problemstrukturen zur Ermittlung des optimalen
505
Sicherungsgrades erörtert. In einem dritten Schritt bleibt zu untersuchen, welche praktischen Herausforderungen bei der Umsetzung optimaler Sicherungsmaßnahmen zu erwarten sind. Die Kosten, die direkt mit dem operationellen Risiko zusammenhängen, werden im Folgenden als Cost of Risk bezeichnet und lassen sich in primäre, mit dem eigentlichen Risiko zusammenhängende Kosten und sekundäre, durch das Risikomanagement bedingte Kosten unterteilen. Die effektiven Verlustwirkungen, die im Rahmen der Ereigniskategorisierung des operationellen Risikos gemäß Basel II ex post erfasst werden, schlagen sich entsprechend im Risikoergebnis nieder. Daneben entstehen Kosten einer gezielten Beeinflussung des operationellen Risikos. Dazu zählen unter anderem Versicherungsprämien sowie direkte und indirekte Kosten des Risikotransfers, aber auch jene Kosten, die mit Maßnahmen der Risikovermeidung oder -minderung verbunden sind. Werden beispielsweise wöchentlich tief greifende interne Kontrollen in der Handelsabteilung einer Bank durchgeführt, sind die entsprechenden Kosten eindeutig auf aktive Steuerungsmaßnahmen zur Minderung operationeller Risiken zurückzuführen. Die Summe aus primären und sekundären Kosten ergeben die Cost of Risk. Diese entwickeln sich in Abhängigkeit des Sicherungsgrades des operationellen Risikos. Dieser entspricht dem Verhältnis des Operational Value at Risk nach Steuerungsmaßnahmen zum originären, ungesicherten Operational Value at Risk. Je stärker das operationelle Risiko gesichert wird, umso höher fallen die Cost of Risk aus. In das Risikoergebnis aus (Ist-)Risikokapital als Teil des Ist-RORAC für das operationelle Risiko fließen – im Unterschied zum Plan-RORAC – die gesamten Verlustwirkungen aus schlagend werdenden Risiken ein (vgl. Abb. 325). Zusätzlich berücksichtigt man sämtliche in der vergangenen Periode entstandenen Kosten für Steuerungsmaßnahmen, wie Versicherungsprämien, Kosten risikovermeidender und mindernder Maßnahmen sowie die mit den Steuerungsmaßnahmen zusammenhängenden Verwaltungskosten. Der Nenner der Ist-RORAC-Größe bezieht sich auf den Operational Value at Risk nach ergriffenen Sicherungsmaßnahmen. Werden keine solchen ergriffen, berücksichtigt man ex post im Zähler des Ist-RORAC lediglich die Verlustwirkungen schlagend gewordener operationeller Risiken. Steuerungsmaßnahmen der vergangenen Periode wirken sich aber aufgrund der Integration sämtlicher Ist-Kosten aus diesen Maßnahmen im Zähler und infolge der Veränderung des (Ist-)Risikokapitals gleichzeitig im Nenner aus. Die RORAC-Kennzahl für das operationelle Risiko ist grundsätzlich negativ.
Verluste aus operationellen Risiken + Kosten durch Steuerungsmassnahmen Ist-RORAC = (Ist-) Operational Value at Risk (inkl. Risikoanpassung durch Steuerungsmassnahmen) Abb. 325: Ist-RORAC des operationellen Risikos
In den Plan-RORAC fließen als Bestandteil des geplanten Risikoergebnisses in erster Linie die erwarteten Kosten im Sinne von Standardrisikokosten aus dem operationellen Risiko ein. Im Weiteren integriert man die voraussichtlichen Kosten der geplanten Steuerungsmaßnahmen. In Abhängigkeit davon passt man auch das geplante Risikokapital im Nenner an. 506
erwartete Verluste aus operationellen Risiken + geplante Kosten durch Steuerungsmassnahmen Plan-RORAC = geplanter Operational Value at Risk (inkl. Risikoanpassung durch Steuerungsmassnahmen) Abb. 326: Plan-RORAC des operationellen Risikos
Um nun die RORAC-Kennzahlen für eine geschlossene Einheit, wie einen Prozess, einen Geschäftsbereich oder die Gesamtbank, bestimmen zu können, sind Risiko und Nettoerlöse der übrigen Risikoarten der betreffenden Einheit zu integrieren. Im Zähler werden die Risikoergebnisse aus dem operationellen Risiko mit jenen der Erfolgsrisiken summiert. Im Nenner aggregiert man die unterschiedlichen Risikoarten. Grundvoraussetzung für eine konsistente Zusammenfassung der Risikomasse ist zunächst, dass man Konfidenzniveau und Haltedauer für alle Risikoarten übereinstimmend ansetzt. Des Weiteren sind Annahmen zur Korrelationen der Risikoarten untereinander zu treffen. Expertenmeinungen zufolge korreliert das operationelle Risiko mit den übrigen Risikoarten in eher geringem Grad. Jede Steuerungsmaßnahme zur Risikovermeidung resp. -minderung oder zur alternativen Risikofinanzierung führt, wie gezeigt, zu einer Veränderung des operationellen Risikos sowie zu Effekten, die sich in den Erlösen niederschlagen. Ein ganzheitliches Konzept zur Bestimmung des dynamisch-optimalen Sicherungsgrades, wie es oben vorgestellt wurde, dient dazu, sämtliche Steuerungsmaßnahmen zu koordinieren und auf eine konsequente Verbesserung des Gesamtbank-Plan-RORAC auszurichten. Für die Darstellung einer möglichen Vorgehensweise vgl. GRÜTER 2006.
3.
Aufsichtliche Konzepte zur Begrenzung operationeller Risiken
Der BASLER AUSSCHUSS verlangt die Unterlegung operationeller Risiken mit Eigenmitteln. Er definiert das operationelle Risiko als „die Gefahr von unmittelbaren oder mittelbaren Verlusten, die infolge der Unangemessenheit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder von externen Ereignissen eintreten“ (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2005). In dieser Definition sind strategische Risiken und Reputationsrisiken nicht enthalten. Da hinsichtlich der Eigenmittelunterlegung operationeller Risiken noch viele Fragen offen sind, soll der dargelegte aufsichtliche Rahmen lediglich die Leitlinien aufzeigen und in Zukunft weiter entwickelt werden. Aufgrund der Daten einer – allerdings relativ kleinen – Anzahl von international tätigen Banken, die bereits mit Modellen zur Messung von operationellen Risiken arbeiten und für diese Risikokategorie auch Kapital allokieren, schätzte der BASLER AUSSCHUSS die durchschnittliche Höhe der Unterlegung zuerst auf ungefähr 12 % des ökonomischen Kapitals einer Bank. Mit Hilfe dieser Größe wurden auch die nachfolgend erläuterten Modelle kalibriert, so dass diese ungefähr eine Unterlegung in Höhe von 12 % der minimalen aufsichtlichen Eigenmittel liefern. Der BASLER AUSSCHUSS war sich jedoch durchaus bewusst, dass diese 12 % lediglich eine mit Vorsicht zu betrachtende Richtgröße 507
darstellen, die empirisch noch nicht validiert ist (vgl. BASLER AUSSCHUSS 2001b). Grundsätzlich stellt sich jedoch das Problem, dass ökonomisches Kapital und minimales aufsichtliches Kapital gleichgesetzt werden können, was zumindest in Frage gestellt werden muss (vgl. ROLFES/EMSE 2000b). Der BASLER AUSSCHUSS schlägt im Rahmen der aufsichtlichen Standardmethoden zwei Modelle vor, um die Höhe der Eigenmittelunterlegung zu bestimmen. Diese unterscheiden sich im Grad der Sophistizierung: Der Basisindikatoransatz ist der trivialste Ansatz, den der BASLER AUSSCHUSS im Rahmen von Basel II zur Bemessung der Kapitalunterlegung von operationellen Risiken vorsieht. Die aufsichtliche Eigenmittelanforderung ergibt sich dabei aus einer Multiplikation des DreiJahres-Durchschnitts der letzten drei positiven jährlichen Bruttoerträge mit dem so genannten Alpha-Faktor. Der Alpha-Faktor wurde im Rahmen der Quantitative Impact Studies geschätzt, indem die gemeldeten Verluste pro Bank in einen linearen Zusammenhang zu den Bruttoerträgen gesetzt wurden. n
K BIA
i 1
mit:
§ Gl
¦ ¨¨ ©
D ·¸ ¸ n ¹
1 n
KBIA = Eigenmittelanforderung im BIA, n = Jahre mit positivem Bruttoertrag, Gl = letzte drei jährliche positive Bruttoerträge, Į = Į-Faktor (15 %)
Der BASLER AUSSCHUSS hat den Alpha-Faktor auf einen Wert von 15 % festgesetzt. Dieser wurde im Rahmen mehrmaliger Studien kalibriert. Negative Bruttoerträge werden folglich bei dieser Formel weder im Zähler noch im Nenner berücksichtigt. Der Bruttoertrag ergibt sich als Summe aus Zinsergebnis und zinsunabhängigem Ertrag. Die Komponente des zinsunabhängigen Ertrages wird vom BASLER AUSSCHUSS jedoch nicht genauer definiert. Diese Aufgabe wird den nationalen Aufsichtsbehörden respektive den nationalen Rechnungslegungsstandards überlassen. Die Indikatorgröße beinhaltet •
keine Wertberichtigungen,
•
keine betrieblichen Aufwendungen und keine an Auslagerungsunternehmen gezahlte Beträge für Auslagerung,
•
keine realisierten Gewinne respektive Verluste aus Wertpapiergeschäften und
•
keine außerordentlichen oder periodenfremden Erträge und Einkünfte aus dem Versicherungsgeschäft.
Im Sinne einer kritischen Würdigung ist positiv festzuhalten, dass sich die aufsichtliche Kapitalunterlegung auf diese Weise einfach berechnen lässt. Auch bedarf dieses Verfahren keiner hoch komplexen Risikomessinstrumentarien. Die weiteren Anforderungen, die das Aufsichtsrecht bei Anwendung des BIA stellt, sind auf ein absolutes Minimum beschränkt. Als problematisch einzustufen ist hingegen die Unterstellung eines kausalen Verhältnisses zwischen dem operationellen Risiko und dem Bruttoertrag einer Bank. Dies entspricht einer 508
starken Vereinfachung der komplexen Verhältnisse und führt hinsichtlich der Risikoexponierung vieler Banken zu einem falschen Bild. Auch für das Zielsystem einer Bank liefert dieser Ansatz irreführende Signale, da er jede Erhöhung des Bruttoertrages mit einem gesteigerten Bedarf an regulatorischen Eigenmitteln verbindet. Dies führt dazu, dass Banken, die ihr Risiko nach dem BIA einschätzen, einem möglichen Wachstum immer skeptisch gegenüberstehen, obwohl – objektiv gesehen – nicht jede Steigerung des Bruttoertrages zwangsläufig ein erhöhtes operationelles Risiko nach sich zieht. Außerdem ist es mit diesem Ansatz nicht möglich, dem spezifischen Charakter einzelner Organisationseinheiten Rechnung zu tragen. Unberücksichtigt bleiben auch sämtliche Organisationseinheiten, die keine Bruttoerträge generieren, wie etwa Stabsstellen. Aus Steuerungsgründen prinzipiell zu bemängeln ist überdies die Tatsache, dass sich nach diesem Ansatz das operationelle Risikokapital nur durch eine Reduktion der Bruttoerträge senken lässt, was für Banken keine vertretbare Option darstellt. Somit bietet dieser Messeansatz keinerlei sinnvollen Anreize für eine Reduktion der aufsichtlichen Eigenmittelunterlegung. Der Standardansatz unterteilt die Gesamtbankstruktur einer Bank in acht Geschäftsfelder, um deren spezifischem Charakter in Bezug auf das operationelle Risiko Rechnung zu tragen. Der BASLER AUSSCHUSS definiert diese Geschäftsfelder sehr ausführlich. Auch beim Standardansatz dient der Bruttoertrag als Indikatorgröße. Dieser wird für die einzelnen Geschäftsfelder separat erhoben und mit dem aufsichtlich vorgeschriebenen geschäftsfeldspezifischen Beta-Faktor multipliziert, woraus sich die Eigenmittelunterlegung für das operationelle Risiko ergibt. Die Bruttoerträge in den Geschäftsfeldern werden gemäß der Vorgabe berechnet. Die vom BASLER AUSSCHUSS festgelegten Kapital- bzw. Beta-Faktoren lassen sich der folgenden Abbildung 327 entnehmen: Die Kapitalanforderung nach dem Standardansatz errechnet sich nach folgender Formel: 3
¦ max>¦ Gl
18
K STA mit:
E 18 ,0
@
Jahr 1
3 KSTA = Eigenmittelanforderung im Standardansatz, Gl1-8 = geschäftsfeldspezifischer jährlicher Bruttoertrag, E = geschäftsbereichsspezifischer Kapitalfaktor
Die Rechnung basiert auf den durchschnittlichen Bruttoerträgen der vergangenen drei Jahre. Bei einem negativen Bruttoertrag gilt für das betreffende Jahr ein von null.
509
Geschäftsbereiche Investment Banking
Banking
Sonstige
Geschäftsfelder
Risikovolumen
Kapitalfaktor
Unternehmensfinanzierung und – beratung
Bruttoerträge
18 %
Handel
Bruttoerträge
18 %
Privatkundengeschäft
Bruttoerträge
12 %
Firmenkundengeschäft
Bruttoerträge
15 %
Zahlungsverkehr und Abwicklung
Bruttoerträge
18 %
Depot- und Treuhandgeschäft
Bruttoerträge
15 %
Wertpapierprovisionsgeschäft
Bruttoerträge
12 %
Vermögensverwaltung
Bruttoerträge
12 %
Abb. 327: Unterlegung operationeller Risiken gemäß Standardansatz
Auf Basis des STA sieht Basel II zusätzlich einen alternativen Standardansatz (ASA) mit drei Varianten vor. Diesen dürfen Banken jedoch nur anwenden, wenn es ihnen gelingt, den Aufsichtsbehörden plausibel darzulegen, dass sie ihre Eigenmittelunterlegung mit diesem Verfahren realistischer ermitteln können. Ein Vorteil des STA liegt darin, dass er der individuellen Geschäftsfeldstruktur einer Bank bei der Risikoabschätzung besser Rechnung trägt. Auch erfordert der STA – genauso wie der BIA – kein besonders aufwändiges Messinstrumentarium. Problematisch sind, wie in Bezug auf den BIA bereits erläutert, die stark vereinfachende Kausalbeziehung zwischen Bruttoertrag und operationellem Risiko sowie die konfliktären Implikationen für die Gesamtbanksteuerung (steigende Bruttoerträge führen zu wachsendem Eigenmittelbedarf). Im Weiteren kann es einer Bank unter Umständen Schwierigkeiten bereiten, die eigene Gesamtstruktur gemäß den aufsichtlich vorgegebenen Geschäftsfeldern zu unterteilen. Lässt sich keine vollständige Segmentierung vornehmen und wird deshalb ein ASA verwendet, so wirkt sich dies auf die Eigenmittelunterlegung häufig nachteilig aus. Abschließend ist auch beim STA zu bemängeln, dass er im Rahmen der ersten Säule keine praxistauglichen Anreize zu einer Reduktion der aufsichtlich anerkannten Eigenmittelunterlegung bietet. Ambitionierte Messansätze zielen darauf ab, ein risikosensitiveres Messinstrumentarium für das operationelle Risiko zu entwickeln. Sie stehen gewissermaßen als Analogon zu internen Modellen im Marktrisiko, weshalb bei diesem Ansatz berechtigterweise von einer Verschmelzung von regulatorischem und internem Kapital gesprochen werden darf. AMAMessansätze wurden im neuen Rahmenwerk nicht vorgeschlagen, da der BASLER AUS-
510
SCHUSS erkannt hat, dass ein „one-size-fits-all-Modell“ für das operationelle Risiko nicht existiert. Die Entwicklung eines AMA wurde folglich vollständig den Banken überlassen. Allerdings werden die AMA-Ansätze nur dann aufsichtlich anerkannt, wenn sie die entsprechenden qualitativen und quantitativen regulatorischen Anforderungen erfüllen. Überdies muss die Bankaufsicht die Verwendung eines AMA-Ansatzes gutheißen. Gegenüber vorangehenden Konsultativpapieren fällt auf, dass in der neuen Rahmenvereinbarung keine konkreten Instrumentarien mehr vorgegeben sind. Spezielle Regelungen gelten für international tätige Banken, die einen AMA-Ansatz verfolgen. Die eigentliche Kapitalanforderung wird vollumfänglich auf der Basis des aufsichtlich anerkannten AMA-Ansatzes berechnet.
Der AMA lässt den Banken bei der Anwendung beliebiger Messansätze weitgehende Freiheiten. Der BASLER AUSSCHUSS definiert lediglich gewisse Anforderungen, denen diese zu genügen haben. Somit bietet dieser Ansatz den Banken die Chance, das aufsichtliche und interne Risiko enger zusammenzuführen und dadurch das aufsichtliche Kapital zur Unterlegung des operationellen Risikos gegenüber jenem nach BIA und STA erheblich zumindest bis zur aufsichtlich gesetzten Limite zu reduzieren. Der AMA ermöglicht es, das operationelle Risiko ursächlich zu messen. Dies schafft im Bereich dieser Risikokategorie die Grundlage für ein ursachenbezogenes Management. Als Nachteile sind die erheblichen notwendigen Investitionen in das Managementinstrumentarium und das Fachpersonal, die hohe Komplexität des Ansatzes sowie die damit verbundenen umfassenden aufsichtlichen Anforderungen zu erwähnen. Auch müssen wesentliche bankinterne Daten offen gelegt werden, die sich Konkurrenten zu Nutzen machen könnten.
LITERATURHINWEISE BASLER AUSSCHUSS (2001b) BASLER AUSSCHUSS (2001f) BASLER AUSSCHUSS (2003) BASLER AUSSCHUSS (2004) BEECK, H./KAISER, T. (2000) BLOHM, H./LÜDER, K. (1995) BRINK, G.J.V.D. (2001) EINHAUS, C. (2002) GEIGER, H./PIAZ, J.-M. (2001) GRÜTER, M. (2006) HOFFMANN, K. (1985) HOFFMANN, D.G. (2002) HÖLSCHER, R. (1999b) JOVIC, D./PIAZ, J.-M. (2001) KAUFMANN, M./DRÖSE, G. (2000) KECK, W./JOVIC, D. (1999) KREIKEBAUM, H. (1997) LISTER, M. (2002a) LISTER, M. (2002b)
MEYER-KAHLEN, W. (1988) MINZ, K.-A. (2004) MÜLLER, W. (1978) MÜNCHBACH, D. (2001) NEUBÜRGER, K.W. (1981) NEUBÜRGER, K.W. (1989) NEUKOMM, M. (2004) PETER, A./VOGT, H.J./KRAß, V. (2000) ROLFES, B./EMSE, C. (2000b) RÜCKER, U. (1999) RUNZHEIMER, B. (1978) SCHIERENBECK, H. (2003a) SCHIERENBECK, H./LISTER, M. (2002) TRIPP ET AL. (2004) UTELLI, CH. (1998) WOLF, K./RUNZHEIMER, B. (2003) ZEB (2003) ZURICH FINANCIAL SERVICES GROUP (1998)
511
VI. Das Liquiditätsrisiko 1.
Begriff und Wesen des Liquiditätsrisikos
Die jederzeitige Sicherstellung ausreichender Liquidität stellt im Bankbetrieb ein vielschichtiges Problem dar, das sich auch im Begriff und Wesen des Liquiditätsrisikos niederschlägt. Es ist einerseits sowohl in einer objekt- als auch in einer subjekt- beziehungsweise bankbezogenen Sichtweise zu sehen. Andererseits tritt es als originäres, wie auch als derivatives Risiko auf. Des Weiteren sind Liquiditätsrisiken in ihrer Zahlungsstromwirksamkeit und ihrer Erfolgswirksamkeit zu betrachten.
a)
Objekt- und bankbezogenes Liquiditätsrisiko
Das objektbezogene Liquiditätsrisiko, das die Liquidität von Produkten und Märkten betrifft, spezifiziert das Risiko, dass eine Bank nicht, oder nur unter Inkaufnahme signifikanter Verluste, in der Lage ist, Positionen am Markt zu liquidisieren (STÜTZEL 1959b; MATZ 1999; BANKS 2005). Der Liquiditätsbegriff wird in diesem Kontext also mit der Geldnähe von Vermögenspositionen verknüpft. In einer formalen Betrachtungsweise kann man die Marktliquidität einer börsengehandelten Position über die Geld-Brief-Spanne oder über die Preiselastizität der Handelsumsätze, also den Einfluss des Transaktionsvolumens auf den Preis, messen. Das objektbezogene Liquiditätsrisiko einer Position, die sich nicht zum Zeitpunkt des Liquiditätsbedarfs selbstliquidisiert, kann gesamthaft durch zwei Faktoren beschrieben werden: •
Die Marktgängigkeit der Position (für börsengehandelte Positionen beispielsweise bestimmt durch die Bestandshöhe in Relation zum Handelsvolumen) und
•
den Zustand des Marktumfeldes (Hoch- oder Niedrigzinsphase, Börsenbaisse oder -hausse, Konjunkturzyklus, ...).
Das subjektbezogene Liquiditätsrisiko bezieht sich, im Gegensatz zum objektbezogenen Liquiditätsrisiko, nicht auf eine einzelne Position, sondern auf die Bank selbst und die Gefahr, dass diese nicht in der Lage ist, Zahlungsverpflichtungen bei Fälligkeit nachzukommen. Es kann daher auch als bankbezogenes Liquiditätsrisiko bezeichnet werden. Ursächlich für das bankbezogene Liquiditätsrisiko können im Wesentlichen die fehlende Fähigkeit sein, Aktiva zu liquidisieren, entsprechende Refinanzierungsmöglichkeiten zu finden sowie das Ausbleiben erwarteter Kundenzahlungen oder der Eintritt unerwarteter Kundenforderungen. Das objektbezogene Liquiditätsrisiko stellt also einen Teilaspekt des bankbezogenen Liquiditätsrisikos dar. Das bankbezogene Liquiditätsrisiko geht aber durch die Gegenüberstellung von Zahlungsverpflichtungen und Zahlungsmittelzuflüssen, die der Bank erwachsen, über das objektbezogene Liquiditätsrisiko hinaus, welches nur einen Teil des den Zahlungsmittelbestand einer Bank betreffenden Risikos abbildet. Die bankbezogene Liquidität kann somit in eine Gleichgewichtsbedingung gefasst werden (vgl. Abb. 328).
512
Zahlungsmittelbestand
+
Liquidationserlöse
+
Refinanzierungszuflüsse
>
(Netto-) Zahlungsmittelbedarf
Abb. 328: Gleichgewichtsbedingung der bankbezogenen Liquidität
b)
Originäres und derivatives Liquiditätsrisiko
Die Trennung zwischen originären und derivativen Liquiditätsrisiken ist hierarchisch dem bankbezogenen Liquiditätsrisiko zuzuordnen, da sie nur bei einer Gesamtbankbetrachtung erfolgen kann und nicht auf dem einzelnen Produkt und dessen Märkten beruht. Der Einfluss objektbezogener Liquiditätsrisiken wird dabei abermals lediglich als untergeordneter Teilaspekt betrachtet. Die originären Liquiditätsrisiken werden klassischerweise in drei Einzelaspekte aufgeschlüsselt. Diese sind das Terminrisiko, das Abrufrisiko sowie eine als Liquiditätsanspannungsrisiko, respektive Substitutionsrisiko oder von einigen Autoren auch als „funding risk“ (z. B. HARRINGTON 1987; MATZ 1999) bezeichnete Komponente (vgl. auch S. 7). Das Terminrisiko beschreibt die Auswirkungen einer möglichen, unplanmäßigen Verlängerung von Aktivgeschäften infolge vertragsinkonformen Verhaltens. Ursächlich für Terminrisiken können sowohl Markthemmnisse – vor allem in Bezug auf Auslandsaktivitäten – als auch nicht fristgerechte Zins- und/oder Tilgungszahlungen der Gegenparteien sein. Das Abrufrisiko bezeichnet die Gefahr, die sich aus der unerwarteten Inanspruchnahme von Kreditzusagen oder dem unerwarteten Abruf von Einlagen ergibt. Der Einlagenabruf kann in diesem Fall entweder aufgrund noch nicht erreichter vertraglicher Fälligkeit unerwartet erfolgen oder die Höhe des Einlagenabzugs überschreiten, der aufgrund bisheriger Erfahrungen erwartet worden ist. Dabei muss die Bank in der Regel auch im ersten Fall dem Auszahlungsbegehren des Kunden aus Standing-Gründen nachkommen. Aus der gleichen Überlegung heraus können auch unerwartete, aktivseitige Neugeschäfte dem Abrufrisiko zugeordnet werden. Obgleich für sie keine Zahlungsverpflichtung besteht, sollte die Bank die Geschäfte bei angemessener Kondition, unabhängig von ihrer Liquiditätssituation, tätigen können. Die Definition des Liquiditätsanspannungsrisikos umfasst schließlich das objektbezogene Liquiditätsrisiko als die Gefahr, dass aufgrund mangelnder Marktliquidität die Veräußerung von Positionen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich ist. Darüber hinaus ist im Liquiditätsanspannungsrisiko auch das nicht auf den Positionsbestand bezogene Marktrisiko eingeschlossen, das sich beispielsweise ergibt, wenn Anschlussfinanzierungen nicht oder ebenfalls nur unter erschwerten Bedingungen möglich sind. Somit kann das Liquiditätsanspannungsrisiko als eine Kombination von Refinanzierungsrisiko und objektbezogenem Risiko verstanden werden.
513
Eine Besonderheit von Liquiditätsrisiken besteht darin, dass sie nicht nur als originäres Risiko auftreten, sondern auch als derivatives Risiko und damit als Folge des Schadenseintritts einer anderen Risikokategorie von deren Eintritt als originäres Risiko abhängig sind. Dies ist zwar teilweise auch für andere Risiken gegeben, da z. B. Kreditrisiken auch als Folge operationeller Risiken eintreten können. Allerdings ist in jenen Fällen meist nur eine eindeutige Risikoabgrenzung vonnöten, um zu entscheiden, ob beispielsweise der Kreditausfall als operationelles Risiko oder als Kreditrisiko zu betrachten ist. Demgegenüber ist das derivative Liquiditätsrisiko als separates Risiko zu betrachten, das aus dem Eintritt des originären Risikos resultieren kann, aber nicht muss. Sein Schlagendwerden ist von Höhe und Grad der Erwartung des originären Risikos sowie dessen Korrelation mit den restlichen Zahlungsströmen innerhalb der Bank abhängig. Ein Überblick des Zusammenhangs zwischen originären Erfolgsrisiken und derivativen Liquiditätsrisiken ist in der folgenden Abb. 329 gegeben.
Erfolgsrisiken Originär Kreditrisiko
Zinsänderungsrisiko
Marktpreisrisiko
Derivativ Operationelles Risiko
Erfolgswirksame Liquiditätsrisiken
Liquiditätswirksame Erfolgsrisiken
Liquiditätsanspannungs- Terminrisiko Abrufrisiko risiko
Derivativ
Originär Liquiditätsrisiken
Abb. 329: Derivative und originäre Liquiditätsrisiken und deren Zusammenhang mit dem Erfolgsrisiko
Versucht man aufbauend auf den gemachten Ausführungen, die dargestellten Definitionen des bank- sowie objektbezogenen Liquiditätsrisikobegriffs und des originären sowie des derivativen Liquiditätsrisikobegriffs zu integrieren, so fällt die Überschneidung der beiden häufig alternativ aufgestellten Definitionen auf. Wie in Abb. 330 deutlich wird, kann durch eine Zusammenführung beider Auslegungsrichtungen eine differenzierte Betrachtung der Liquiditätsrisikoursachen erfolgen.
514
Bankbezogenes Liquiditätsrisiko
Liquiditätsanspannungsrisiko
Refinanzierungsrisiko
Objektbezogenes Liquiditätsrisiko
Marktgängigkeit der Position
Zahlungsmittelbedarfsrisiko
Terminrisiko
Abrufrisiko
Liquiditätswirksame Erfolgsrisiken
Zustand des Marktumfeldes
Abb. 330: Integration bank- und objektbezogener sowie derivativer und originärer Liquiditätsrisikodefinition
c)
Überleitung zahlungsstrombezogener in erfolgswirksame Liquiditätsrisiken
Die bisherigen Ausführungen zum Liquiditätsrisiko – wie auch die aufgestellte Definition für das (bankbezogene) Liquiditätsrisiko – beschreiben dieses immer im Sinne einer Risikogröße betreffend den Zahlungsmittelbestand. Eine Definition, die durchaus probat ist und ihre Begründung in der Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit findet. Die Notwendigkeit der Überleitung des Liquiditätsrisikos als Maß der Zahlungsmittelunsicherheit hin zu einer erfolgswirksamen Größe ergibt sich jedoch beim Versuch, das Liquiditätsrisiko in eine Gesamtbankrisikobetrachtung zu integrieren. Dabei kann nämlich festgestellt werden, dass Risikogrößen, wie beispielsweise Kredit- oder Marktpreisrisiken, erfolgsbezogen sind (vgl. S. 3 ff.). Ebenso wird die Überleitung aus der häufig vorzufindenden Risikodefinition für Banken deutlich, wonach das Risiko in negativen Auswirkungen auf die Erfolgsrechnung besteht. Festzustellen ist, dass für eine Bank als Unternehmung das Risiko primär in den erfolgswirksamen Auswirkungen mangelnder Liquidität und nicht in fehlenden Zahlungsmitteln per se besteht. Als Liquiditätsrisiko sind somit im Rahmen ertragsorientierten Bankmanagements in erster Linie die Auswirkungen auf die Erfolgsrechnung durch eine suboptimale Liquiditätsausstattung zu betrachten.
515
Dabei ist sowohl ein Zuviel als auch ein Zuwenig an Liquidität als suboptimal einzustufen. Kann bei einem Liquiditätsüberschuss von einer unrentablen Überliquidität gesprochen werden, die es ebenfalls zu erfassen und schließlich zu steuern gilt. Die Grundlage zur Überleitung des zahlungsstrombezogenen hin zum erfolgswirksamen Liquiditätsrisiko ergibt sich durch die einfache Multiplikation des unerwarteten Zahlungsmittelbedarfs oder -überschusses vor Vornahme gezielter Ausgleichsgeschäfte – also dem zahlungsstrombezogenen Liquiditätsrisiko – mit der Abweichung vom als „normal“ anzunehmenden Zinssatz (beispielsweise dem EURIBOR), die beim Ausgleich des Zahlungsmittelbedarfs oder -überschusses entsteht, entsprechend Abb. 331. Die Konditionsabweichung spiegelt somit das Liquiditätsanspannungsrisiko wider.
Erfolgswirksames Liquiditätsrisiko
=
=
Zahlungsmittelbestand vor Ausgleichsgeschäften
Erwartungswert des Zahlungsmittelbestandes
•
Konditionsabweichung
Zahlungsmittelbezogenes Liquiditätsrisiko
•
Konditionsabweichung
–
Abb. 331: Überleitung des zahlungsstrombezogenen in das erfolgswirksame Liquiditätsrisiko
2.
Messung von Liquiditätsrisiken
a)
Messung zahlungsstrombezogener Liquiditätsrisiken
Bei der Messung von Liquiditätsrisiken ist zwischen dispositiven, kurzfristigen Liquiditätsrisiken sowie strukturellen, langfristigen Liquiditätsrisiken zu unterscheiden. Während für erstere das Auseinanderfallen von Ein- und Auszahlungen auf täglicher Basis von Bedeutung ist, muss die Messung struktureller Liquiditätsrisiken auf der Zusammensetzung der Bilanz, erwarteten zukünftigen Entwicklungen sowie einer daraus abzuleitenden Liquiditätsablaufbilanz beruhen. (1)
Messung dispositiver Liquiditätsrisiken
Zur Messung des dispositiven Liquiditätsrisikos kann aufbauend auf dem analytischen Grundmodell des VaR (vgl. S. 76 ff.) mit dem LaR eine Maßzahl abgeleitet werden, die, in der Regel basierend auf historischen Daten, den mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit maximal eintretenden Zahlungsmittelbedarf innerhalb eines vorgegebenen Zeitintervalls bestimmt. Dabei kann auf den Saldo des autonomen Zahlungsstroms, das heißt auf alle nicht durch das Liquiditätsrisikomanagement der Bank selbst verursachten Zahlungen, als Risikoparameter zugegriffen werden (vgl. hierzu und im Folgenden ZERANSKI 2005; POHL 2007).
516
Da man sich durch die Definition des Saldos autonomer Zahlungen als Risikoparameter jedoch nicht in der stetigen Betrachtungsebene befindet, entfällt im Modell RiskMaster® einerseits die in Stufe 4 praktizierte Rückrechnung. Andererseits entfällt auch die fünfte Stufe, da das Risikovolumen durch das Abstellen der Berechnung auf einen Absolutbetrag bereits enthalten ist, womit Risikofaktor, Risikomesszahl und LaR identisch sind. Eine Verknüpfung über die Korrelationskoeffizientenmatrix in der sechsten Stufe ist nicht erforderlich, solange der autonome Zahlungsstrom auf Gesamtbankebene betrachtet wird. Werden als Risikoparameter jedoch die Zahlungsströme einzelner Geschäftsbereiche herangezogen, so ergibt sich der LaR der Gesamtbank durch eine Zusammenführung der LaR der einzelnen Geschäftsbereiche über die Korrelationskoeffizientenmatrix. Das nunmehr vierstufige Vorgehen für den LaR ist in Abb. 332 zusammengefasst.
Stufe 1
Definition des Saldos autonomer Zahlungen als Risikoparameter (RP)
Stufe 2
Berechnung der Standardabweichung des Risikoparameters STDRP
Stufe 3
Bestimmung des LaR durch Fixierung des Konfidenzniveaus mit der Auswahl des Z-Werts: LaR
- Z STD RP
Verknüpfung der einzelnen LaR im Falle mehrerer Risikoparameter über eine Korrelationskoeffizientenmatrix zum Gesamtbank-LaR: [Risikovektor]
Stufe 4 LaR gesamt
[Korrelationskoeffizientenmatrix] [Transponente des Risikovektors]
Abb. 332: Adaption des Modells RiskMaster® für den LaR
Auch wenn von diversen Autoren (BRÜGGESTRAT 1990; SÜCHTING/PAUL 1998; SCHULTE/HORSCH 2002) die Normalverteilungsannahme für Liquiditätsrisiken als geeignete Grundannahme vorgeschlagen wird, konstatierte beispielsweise die EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, dass dies eine unzutreffende Vereinfachung darstelle (EZB 2002). Die von ihr vermutete Verletzung der Normalverteilungsannahme bei Cash-Flow-Betrachtungen im Bankbetrieb konnte auch auf empirischer Basis nachgewiesen werden. Daraus abgeleitet wurde vorgeschlagen, von der Normalverteilungsannahme abzurücken und beispielsweise Verfahren der Extremwerttheorie anzuwenden (ZERANSKI 2005). Der Aussagegehalt des LaR als mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit maximal eintretender Zahlungsmittelbedarf innerhalb eines vorgegebenen Zeitintervalls wird hierdurch nicht verändert, jedoch kann zum einen der Verteilungsschiefe der autonomen Zahlungsströme und zum anderen der hohen Bedeutung extremer Ereignisse für die Bestimmung zu haltender Liquiditätsreserven Rechnung getragen werden.
517
(2)
Messung struktureller Liquiditätsrisiken
Zur Beantwortung der Frage, wie groß der erwartete Liquiditätsabfluss innerhalb eines Tages maximal sein kann, kann mit dem LaR auf Basis historischer autonomer Zahlungen eine wichtige Kennzahl zur Risikoquantifizierung abgeleitet werden. Für längerfristige Betrachtungen, die über den dispositiven Rahmen hinausgehen, ist sie jedoch weit weniger geeignet. Hauptursache hierfür ist, dass die Fälligkeiten von Bilanzpositionen vollkommen außer Acht gelassen werden. Ein Verfahren, das explizit auch zur Betrachtung struktureller Liquiditätsrisiken geeignet ist, stellt die Liquiditätsablaufbilanz dar. Dieser, in ähnlicher Form auch als „liquidity gap analysis“ bekannte Ansatz, ist in mehr oder weniger sophistizierter Gestaltung auch in gesetzlichen Vorschriften wie beispielsweise der deutschen Liquiditätsverordnung (vgl. S. 122 ff.) enthalten. Die praktische Implementierung einer Liquiditätsablaufbilanz muss jedoch in mehreren Schritten erfolgen und, um eine risikoadäquate Messung zu ermöglichen, deutlich über die gesetzlichen Anrechnungsfaktoren hinausgehen (vgl. hierzu und im Folgenden POHL 2007). So sind in einem ersten Schritt Ansätze zur Modellierung von Zahlungsströmen für bilanzielle sowie außerbilanzielle Bestandsgeschäfte, zinsunabhängige Positionen sowie für Neu- und Anschlussgeschäfte abzuleiten. Hierbei kann in der Praxis, aufgrund der Vielzahl der zu modellierenden Positionen, zu Beginn der Implementierung als Vereinfachung der Fokus auf den relevantesten Positionen liegen. In einem zweiten Schritt ist mittels Szenario-Analysen oder durch Simulation der Risikofaktoren der Liquiditätsablaufbilanz das zahlungsstrombezogene Liquiditätsrisiko abzuleiten. Als Szenarien können hierbei historische Szenarien wie frühere Börsencrashs, Bankenzusammenbrüche oder politische Ereignisse, aber ebenso hypothetische Szenarien, die entweder bankspezifische oder systemische Belastungen simulieren, zum Einsatz kommen. Im Rahmen der Simulation der Risikofaktoren der Liquiditätsablaufbilanz ist für die einzelnen bilanziellen und ausserbilanziellen Positionen festzustellen, welche Faktoren einen besonderen Einfluss auf die Zahlungen aus der jeweiligen Position aufweisen. Für diese Risikofaktoren sind Verteilungsparameter zu ermitteln, auf deren Basis Monte-Carlo-Simulationen durchgeführt werden können, die als Basis zur Ermittlung hypothetischer Liquiditätsablaufbilanzentwicklungen herangezogen werden können. Dabei ist unabhängig vom Verfahren, das zur Ermittlung der Liquiditätsablaufbilanzen eingesetzt wird, als zahlungsstromwirksames Risiko die Abweichung des Zahlungsstroms in einem Laufzeitband bei Eintritt des Szenarios, das mit vorgegebener Wahrscheinlichkeit nicht unteroder überschritten wird, vom Zahlungsstrom im Erwartungsfall zu betrachten. Bei Einsatz von Risikofaktoren in Verbindung mit Monte-Carlo-Simulationen entsteht somit ein Messverfahren, welches, entsprechend der LaR-Ermittlung aus autonomen Zahlungen, eine konsistente Verknüpfung von Wahrscheinlichkeitsaussage und Risikohöhe ermöglicht.
518
b)
Ermittlung des erfolgswirksamen Liquiditätsrisikos
Um eine Überleitung der auf Zahlungsstromebene ermittelten Liquiditätsrisiken hin zu einer ertragsorientierten Betrachtung vornehmen zu können, bedarf es der Bestimmung eines Kostensatzes als Multiplikator gemäß der in Abb. 331 dargestellten Grundgleichung. Hierzu sind die Kosten kurzfristiger Liquiditätsknappheit, längerfristigen Refinanzierungsbedarfs sowie die Opportunitätskosten, welche durch Überliquidität verursacht werden können, zu betrachten. (1)
Erfolgswirkung dispositiven Liquiditätsbedarfs
Ein kurzfristiger Finanzierungsbedarf ergibt sich immer dann, wenn zum Abschluss eines Geschäftstages ein Netto-Zahlungsmittelbedarf gedeckt werden muss. Ist der Refinanzierungsbedarf festgestellt, wird die Bank die ihr zur Verfügung stehenden Deckungsmassen in einer vordefinierten Reihenfolge in Anspruch nehmen. Hierbei wird sich die Reihenfolge an den Kosten, die mit der Inanspruchnahme der jeweiligen Position verbunden sind, orientieren. Die Bank muss somit in einem ersten Schritt die verfügbaren Risikodeckungsmassen gemäß zu erwartenden Kosten durch die Inanspruchnahme ordnen. Eine vereinfachte Aufstellung hierfür bildet die Aufteilung der Risikodeckungsmassen in aktivische sowie passivische Primär-, Sekundär- und Tertiärliquidität gemäß Abb. 333.
Aktivisch x
Kassenbestand
x
Zentralbankguthaben
x
Aktiva, die nahezu verlustfrei in Liquidität wandelbar sind
Primärliquidität
Sekundärliquidität
Tertiärliquidität
x
Aktiva, die mit Liquidationsdisagios verbunden sind
Passivisch x
Innertagskredite
x
Offenmarkt-/Repogeschäfte mit der Zentralbank
x
Besicherte und unbesicherte GKM-Geschäfte im engeren Sinne
x
Spitzenrefinanzierungs-/ Engpassfinanzierungsfazilität
Abb. 333: Stufenweise Bestimmung der Liquiditätsrisikodeckungsmassen
Da die aktivische Primärliquidität in ihrer Höhe im Wesentlichen durch die Geschäftstätigkeit (im Fall des Kassenbestands) sowie gesetzliche Vorgaben (im Fall der Zentralbankguthaben) definiert ist und die passivische Primärliquidität nur innertäglich zur Verfügung steht, kann sie im Rahmen der Ermittlung der Erfolgswirkung von Liquiditätsrisiken weitgehend vernachlässigt werden. Demgegenüber ist für die aktivische Sekundärliquidität die Erfolgswirkung durch Opportunitätskosten gehaltener, nahezu verlustfrei wandelbarer Aktiva zu erfassen. In der Regel handelt es sich hierbei um risikolose Staatsanleihen, womit sich die Opportunitätskosten, basierend auf dem Gegenpositionsprinzip der Marktzinsmethode bei gespaltenen Geld- und Kapitalmarktsätzen (vgl. Band I, S. 220 ff.), auf den Risikoaufschlag des Insti-
519
tuts belaufen. Diese Opportunitätskosten sind für die Haltedauer bis zum erwarteten Einsatz zur Deckung schlagend werdender Risiken zu berücksichtigen. Für die Tertiärliquidität sind die Liquidationsdisagios, die sich für börsengehandelte Wertpapiere über die Geld-Brief-Spanne ableiten lassen, in die Ermittlung der Erfolgswirkung schlagend werdender Liquiditätsrisiken einzubeziehen. (2)
Erfolgswirkung strukturellen Liquiditätsbedarfs
Während für kurzfristige Liquiditätsrisiken die vorübergehende Überführung von Deckungsmassen in Primärliquidität zum Ausgleich des Liquiditätsbedarfs im Vordergrund steht, geht es bei strukturellen Liquiditätsrisiken um die dauerhafte Refinanzierung negativer Liquiditätssalden. Hierbei ergibt sich die Erfolgswirkung aus Veränderungen des Risikoaufschlags der Bank – entweder durch eine institutsspezifische Ratingveränderung oder eine den Gesamtmarkt betreffende Veränderung der Risikoaufschläge. Zur Ermittlung der Erfolgswirkung sind schließlich Veränderungen im Risikoaufschlag sowie Veränderungen im Zahlungsstrom integriert zu betrachten. Hierfür können entweder barwertige Veränderungen betrachtet werden oder die periodischen Risikoaufschläge, die sich beim Glattstellen offener Liquiditätspositionen ergeben für die gesamte Liquiditätsablaufbilanz ermittelt werden (vgl. hierzu POHL 2007). (3)
Erfolgswirkung von Liquiditätsüberschüssen
Neben den verursachten Kosten, die sich aus der Refinanzierung negativer Liquiditätssalden eines Laufzeitbandes ergeben, sind auch die durch Liquiditätsüberschüsse verursachten Auswirkungen zu beachten. Entscheidend ist es, wie im Fall des Liquiditätsbedarfs, die Kostenkomponenten, welche sich aus gehaltener Überliquidität ergeben, abzuleiten. Dabei kann Überliquidität sowohl als dispositives als auch als strukturelles Phänomen auftreten und in beiden Fällen unterschiedliche Kostengrenzen aufweisen. Darüber hinaus sind die Auswirkungen auf bilanzielle und aufsichtliche Kennzahlen zu beachten. Im Rahmen der Ermittlung des strukturellen erfolgswirksamen Liquiditätsrisikos werden die Kosten struktureller Überliquidität bereits erkennbar. Diese sind die Kosten des Haltens der Liquidität bis zu ihrem erwarteten oder tatsächlichen Verwendungszeitpunkt. In diesem Zusammenhang können die bei Future-Geschäften als „cost of carry“ bezeichneten Nettofinanzierungskosten des Haltens eines Aktivums bis zu dessen geplanter Verwendung übertragen werden. In ihrer Höhe werden die Liquiditätshaltungskosten durch die Differenz aus dem Zinsaufwand, der durch die Liquiditätsaufnahme entsteht und dem Zinsertrag der zwischenzeitlichen Anlage definiert. Da die Liquidität zum geplanten Bedarfszeitpunkt mit absoluter Sicherheit zur Verfügung stehen muss, kommt nur eine risikofreie Anlage in Betracht. Die Liquiditätshaltungskosten belaufen sich somit auf den Risikoaufschlag der jeweiligen Bank. In der dispositiven Betrachtung können, wie in der strukturellen Betrachtung, die Liquiditätshaltungskosten ebenfalls aus der Differenz des Zinsertrags der Anlage und des Zinsaufwands der Aufnahme der Überliquidität abgeleitet werden. Hierbei ist die Überliquidität im dispositiven Kontext als der Teil der Liquidität zu betrachten, der über die Mindestreserve der Bank hinausgeht. Während in der strukturellen Betrachtung mit Laufzeiten, die sich in der Regel im 520
Jahresbereich befinden, entsprechende risikofreie Anlagemöglichkeiten in ausreichendem Ausmaß zur Verfügung stehen, liegt für das dispositive Liquiditätsrisiko eine veränderte Ausgangslage vor. Die Liquiditätshaltungskosten sind hier nicht in jedem Fall durch den Risikoaufschlag definiert. Für dispositive Überliquidität können gesamthaft drei alternative Anlagemöglichkeiten eruiert werden:
(1) Anlage zum Zentralbank- oder Geldmarktsatz, (2) Anlage zum Satz der Einlagefazilität und (3) Verzinsungsfreie Überliquidität auf dem Zentralbankkonto.
Entsprechend ergeben sich die Kosten der Überliquidität für die dispositive Betrachtung aus dem Risikoaufschlag der Bank, dem Risikoaufschlag zuzüglich 100 Basispunkten oder dem Refinanzierungssatz der Bank. Neben den direkt quantifizierbaren Kosten der Überliquidität ergeben sich für ein Institut durch gehaltene Überliquidität noch weitere Auswirkungen, die vor allem mit der vergrößerten Bilanzsumme in Zusammenhang stehen. So geht mit einer vergrößerten Bilanzsumme eine Verschlechterung der bilanzsummenbezogenen Kennzahlen einher. In diesem Zusammenhang ist Überliquidität mit den Nebenwirkungen der Limitierung von Zinsänderungsrisiken durch bilanzverlängernde Geschäfte vergleichbar (vgl. S. 351).
3.
Maßnahmen zur Steuerung von Liquiditätsrisiken
Hauptziel der ertragsorientierten Steuerung des Liquiditätsrisikos ist es, im Sinne des RisikoChancen-Kalküls eine systematische Optimierung der Rendite-Risiko-Relation zu erzielen. Hierzu sind Steuerungsmaßnahmen betreffend dispositiver und struktureller Liquiditätsrisiken vorzunehmen. Diese können einerseits auf Basis der vorgestellten Messmethoden eine Reduktion des Risikoniveaus zum Ziel haben. Andererseits besteht auf Basis der Liquiditätskostenmessung die Möglichkeit einer Optimierung des erfolgswirksamen Liquiditätsrisikos durch Beeinflussung des Kostensatzes sowie die interne Bepreisung eingegangener Liquiditätsrisiken.
a)
Steuerung des dispositiven Liquiditätsrisikos
Die Beeinflussung des zahlungsstrombezogenen Liquiditätsrisikos verfolgt das Ziel, den LaR zu minimieren. In diesem Zusammenhang kann auch von ursachenbezogenen Maßnahmen gesprochen werden. Die Verringerung des Kostensatzes ist hingegen wirkungsbezogen, da die negativen Folgen auf den Unternehmenserfolg durch schlagend gewordene Liquiditätsrisiken möglichst gering gehalten werden sollen. Die Systematisierung der Maßnahmen zur Begrenzung dispositiver Liquiditätsrisiken entspricht exakt derjenigen, die bereits im Rahmen des Kreditrisikos aufgezeigt wurde (vgl. S. 194ff.). 521
Die einschneidendste Strategie der Risikosteuerung ist jene der Risikovermeidung. Hierbei wird im Besonderen das Liquiditätsrisiko in seiner derivativen Form (vgl. Abb. 329, S. 514) zum Problem, da nicht jedes Risiko im Bankbetrieb ausgesteuert werden kann – und auch nicht soll. Mit dem Ziel der absoluten Risikovermeidung würde in der Folge die Goldene Bankregel (vgl. HÜBNER 1854) in der ursprünglichen Definition erfüllt. Risikovermeidung muss jedoch nicht nur in dieser absoluten, auf einer Gesamtbankebene beruhenden Sichtweise betrachtet werden. Vielmehr kann Risikovermeidung auch auf einzelne Geschäfte und Geschäftsbereiche oder Risikokategorien beschränkt werden. In diesem Fall sind vor allem jene Risiken, welche unangemessen hoch erscheinen oder keine adäquate Kompensation für das eingegangene Risiko bieten, zu vermeiden. Eine Alternative zur Risikovermeidung stellt der Ansatz der Risikominderung, respektive der Risikobegrenzung dar. Er ist auch Grundlage der meisten staatlichen Liquiditätsnormen (vgl. beispielhaft die deutsche LiqV, S. 122 ff.). Hauptüberlegung dabei ist es, über eine Limitierung der Inkongruenzen zukünftiger Zahlungen oder struktureller Größen die permanente Zahlungsfähigkeit sicherzustellen. Für das dispositive Liquiditätsrisiko besteht das Ziel dabei darin, den LaR möglichst gering zu halten. Hierzu könnten prinzipiell LaR-Limite an einzelne Geschäftsbereiche vergeben werden, die in ihrer Summe, unter Berücksichtigung von Korrelationseffekten, aus der erwarteten Liquiditätsrisikotragfähigkeit des Instituts abzuleiten sind. Die Risikodiversifikation kann im Wesentlichen über drei Wege erreicht werden: (1) Durch die Bank ist anzustreben, die Anzahl der Gegenparteien am Geld- und Kapitalmarkt sowie die Anzahl der Kunden möglichst groß und das Volumen je Geschäftspartner gleichzeitig möglichst gering zu halten. Somit wird die Granularität innerhalb der bilanziellen und außerbilanziellen Positionen verstärkt. (2) Darüber hinaus ist eine möglichst hohe Streuung der Gegenparteien am Geld- und Kapitalmarkt nach deren Geschäftsfeld sowie der Kunden nach Regionen und Branchen zu verfolgen. (3) Abschließend ist auch eine möglichst hohe Granularität der Bilanzpositionen sowie insbesondere der Anlagen, welche der Liquiditätsreserve zugeordnet sind, anzustreben.
Die Risikodiversifikation umfasst nicht nur ursachen-, sondern auch wirkungsbezogene Komponenten. Dies, da beispielsweise die Streuung der Refinanzierungsquellen nicht nur die Risikohöhe, sondern auch die Auswirkungen schlagend gewordener Risiken positiv beeinflusst. Strategien zum Transfer von Risiken werden im Bankbetrieb vor allem im Bereich von Marktpreis-, Zinsänderungs-, Kredit- und operationellen Risiken eingesetzt. Für transferierte originäre Erfolgsrisiken wird deren Wirkung als derivatives Liquiditätsrisiko grundsätzlich ausgeglichen. Ein Problem ergibt sich jedoch in der zeitlichen Betrachtung. So führt beispielsweise der Risikotransfer über Hedging-Maßnahmen, wie sie für Marktpreisrisiken üblich sind, zu einem tatsächlichen Ausgleich des dispositiven Liquiditätsrisikos, da die zah522
lungsstromwirksamen Auswirkungen direkt kompensiert werden. Dahingegen besteht bei klassischen Versicherungslösungen oder alternativem Risikotransfer über Captives häufig keine unmittelbare Deckung des derivativen dispositiven Liquiditätsrisikos. Stattdessen erfolgt erst ein zeitlich versetzter Ausgleich der Erfolgs- und damit auch der Liquiditätswirkung, da die Abwicklung des Schadensfalls Zeit in Anspruch nimmt. Somit besteht in diesen Fällen das erfolgswirksame dispositive Liquiditätsrisiko weiterhin. Beim Versuch des Transfers von originären Liquiditätsrisiken ergeben sich ebenfalls zahlreiche Probleme. So können bestehende Maßnahmen zum Risikotransfer auf den Kunden prinzipiell die mittelbar negativen Erfolgskonsequenzen decken, nicht aber die unmittelbaren liquiditätsmäßigen Folgen. Allenfalls kann beispielsweise die Erhebung von Vorfälligkeitsentschädigungen, die Verrechnung von Zinsaufschlägen für Limitüberziehungen oder die Verrechnung von Gebühren für den Übertrag von Grundschulden bei Hypotheken einen Prohibitivcharakter für Kunden aufweisen (vgl. BAUER 1991). Im Rahmen der Vorsorge gegenüber dispositiven Liquiditätsrisiken kann zwischen Vorsorge im eigentlichen Sinne sowie einem aktiven Management der gesetzlichen Mindestreserve unterschieden werden. Da die gesetzlichen Mindestreservevorschriften sowohl im Euro-Raum als auch in der Schweiz innerhalb der Erfüllungsperiode von einem Monat im Durchschnitt eingehalten werden müssen, um Sanktionsmaßnahmen der Zentralbank zu umgehen, stellt ihre Haltung keine Risikovorsorge im eigentlichen Sinne dar. Dennoch kann die Mindestreserve zur Deckung dispositiver Liquiditätsrisiken eingesetzt werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass für jede Unterdeckung auf täglicher Basis im Rahmen der Durchschnittserfüllung innerhalb der Erfüllungsperiode entsprechende Überdeckungen geschaffen werden müssen. Für die Liquiditätsrisikovorsorge im eigentlichen Sinne ist hingegen ein Liquiditätsportfolio aufzubauen, das durch die Bereitstellung ausreichender Sekundär- und Tertiärliquidität dazu geeignet ist, die Zahlungsfähigkeit der Bank sicherzustellen. Neben der Begrenzung des dispositiven Liquiditätsrisikos in der ursachen- und wirkungsbezogenen Sichtweise kann, aufbauend auf einer Ermittlung geschäftsbereichsbezogener LaR, auch eine interne Verrechnung der dispositiven Liquiditätsrisikokosten eingeführt werden. Diese stellt einen entscheidenden Baustein einer konsequenten Ertragsorientierung dar. Nur auf ihrer Basis wird innerhalb der Bank ein effizienter Einsatz der Primärliquidität sichergestellt.
b)
Steuerung des strukturellen Liquiditätsrisikos
Die Steuerung des strukturellen Liquiditätsrisikos unterscheidet sich von der Steuerung des dispositiven Liquiditätsrisikos darin, dass nicht eine Minimierung des Risikos per se im Vordergrund steht, sondern die Liquiditätsablaufbilanz selbst aktiv bewirtschaftet werden muss. Es ist somit eine Ziel-Liquiditätsablaufbilanz zu definieren, an welcher sich die Steuerungsmaßnahmen zu orientieren haben (vgl. hierzu POHL 2007). Die Ziel-Liquiditätsablaufbilanz hat dabei drei Funktionen zu erfüllen:
523
(1) Sie muss im Rahmen einer zahlungsstrombezogenen Limitierung so gestaltet sein, dass Limite für die maximal zu tolerierenden Zahlungsstromsalden, sowohl für das jeweilige Laufzeitband als auch für die kumulierte Liquiditätsablaufbilanz festgelegt sind. In seiner Höhe hat sich das zahlungsstrombezogene Limit grundsätzlich an den verfügbaren Deckungsmassen zu orientieren. Hierzu kann die Bank die verfügbaren Deckungsmassen der definierten Laufzeitbänder, analog zu dem für die dispositive Risikomessung in Abb. 333 vorgestellten Vorgehen, bestimmen. (2) Ausgehend von der Ermittlung des erfolgswirksamen Liquiditätsrisikos hat über die zahlungsstrombezogene Limitierung hinaus auch eine Limitierung der Erfolgswirkung zu erfolgen. Diese ist konsequent in den Risikotragfähigkeitskalkül der Gesamtbank zu integrieren. (3) Durch das Auseinanderfallen von Forward-Risikoaufschlägen und dem durch die Treasury erwarteten Risikoaufschlag ist die Liquiditätsablaufbilanz auch im Rahmen einer Risiko-Chancen-Betrachtung zu optimieren. Dabei muss durch eingegangene Risiken in Form des ermittelten strukturellen erfolgswirksamen Liquiditätsrisikos eine Mindestrentabilität erwartet werden können, die dem Ziel-RORAC der Bank entspricht. Um die tatsächliche Liquiditätsablaufbilanz an die Ziel-Liquiditätsablaufbilanz anzugleichen, sind in der Regel bilanzielle Geschäfte zu tätigen. Hierunter fällt die Möglichkeit, Aktiva frühzeitig zu veräußern, um negative Zahlungsstromsalden a priori auszugleichen und Liquidationsdisagios – im Gegensatz zu einer kurzfristigen Veräußerung – gering zu halten. Zur Liquidisierung kann im Allgemeinen aber nur auf jene Aktiva zurückgegriffen werden, auf die das Institut zu verzichten bereit wäre beziehungsweise auf die unter dem Ziel der Weiterführung der Geschäftstätigkeit verzichtet werden kann. Ebenfalls zu berücksichtigen ist im Rahmen struktureller Liquiditätsrisiken auch die Möglichkeit der Verbriefung von Forderungen. Diese kann beispielsweise über Asset Backed Securities, bei denen die Forderungen in der Bankbilanz bestehen bleiben oder über TruesaleTransaktionen erfolgen, bei welchen die Forderungen vollständig ausgelagert werden. Eine Alternative zu Verbriefungen in Form von Asset Backed Securities stellt aus Sicht des Liquiditätsrisikomanagements in Deutschland die Möglichkeit dar, Pfandbriefe zu begeben. Während dies bis 2005 nur Hypotheken-, Schiffsbanken und öffentlich rechtlichen Instituten vorbehalten war, ist durch das neue Pfandbriefgesetz (PfandBG) vom 22.05.2005 die Möglichkeit, Pfandbriefe zu emittieren, nahezu allen Instituten eröffnet worden. Von untergeordneter Bedeutung ist hingegen der ausserbilanzielle Transfer der Risiken in Form von Credit Spread Options, Credit Spread Forwards und Credit Spread Swaps. Für eine interne Verrechnung der Liquiditätsrisikokosten wären die Treiber der Volatilität der Zahlungsströme zu eruieren und den einzelnen Geschäftsbereichen respektive Einzelgeschäften zuzuordnen. Abhängig vom Risikoanteil können dabei den Geschäftsbereichen mittels Multiplikation des Risikokapitals mit dem Ziel-RORAC der Bank Risikokosten zugewiesen werden.
524
LITERATURHINWEISE BANKS, E. (2005) BAUER, A. (1991) BRÜGGESTRAT, R. (1990) EZB (2002) HARRINGTON, R. (1987) HÜBNER, O. (1854)
MATZ, L. (1999) POHL, M. (2007) SCHULTE, M. /HORSCH, A. (2002) STÜTZEL, W. (1959b) SÜCHTING, J. /PAUL, S. (1998) ZERANSKI, S. (2005)
525
Drittes Kapitel Konzeption einer integrierten Rendite-/ Risikosteuerung Das Risikomanagement in Banken ist in der jüngeren Vergangenheit ständig wachsenden Anforderungen ausgesetzt. Volatilere Märkte, komplexere Produkte und eine in vielen Ländern zu beobachtende Insolvenzwelle bei den Firmen-Kreditkunden - die allerdings mittlerweile ausläuft - haben zu einem Anstieg des kumulierten Gesamtbankrisikos geführt. Nicht zuletzt deshalb ist ein integriertes Risikomanagement für Banken überlebensnotwendig geworden. Gemäß den neuesten Entwürfen zu „Basel II“ ist festzustellen, dass auch aus aufsichtlicher Sicht mehr denn je eine integrierte Risikobetrachtung und -steuerung bei Banken verlangt wird. Eine wesentliche Aufgabe des integrierten Risikomanagements ist die Beantwortung der Frage nach einer adäquaten Kapitalausstattung vor dem Hintergrund der übernommenen Risiken. Zur Beantwortung dieser Frage können Banken interne Verfahren zur Risikomessung einsetzen. Vor allem bei Grossbanken ist ein starker Trend in Richtung der Perfektionierung interner Risikomessverfahren festzustellen. Die Ergebnisse der Risikomessung bilden die Basis der Risikosteuerung. Im Rahmen einer integrierten Rendite-/Risikosteuerung soll zum einen sichergestellt werden, dass das übernommene Risiko bestimmte Werte nicht überschreitet. Zum anderen soll das Verhältnis von Rendite und Risiko optimiert werden.
A. GRUNDLAGEN EINER INTEGRIERTEN RENDITE-/RISIKOSTEUERUNG I.
Die vier Stufen einer integrierten Rendite-/Risikosteuerung
Konzeptionell basiert ein Modell der integrierten Rendite-/Risikosteuerung auf einem Stufenmodell, das idealtypisch aus vier Komponenten besteht (vgl. Abb. 334). Eine erste Komponente des Stufenmodells stellt die Messung des Risikopotentials auf Geschäftsbereichsund Gesamtbankebene dar. Anhand des im Zweiten Kapitel vorgestellten Instrumentariums können Risikopotentiale quantifiziert werden. Das zentrale Messkonzept hierfür stellt der ausführlich erläuterte Value at Risk Ansatz dar. Er kann auf Periodenbasis oder aber auf Basis von Barwerten berechnet werden. Dazu stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen den sogenannten simulativen Verfahren und den analytischen Methoden (vgl. ausführlich S. 58 ff.).
526
H. Schierenbeck et al., Ertragsorientiertes Bankmanagement, DOI 10.1007/978-3-8349-9142-3_3, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
Demgegenüber steht als weitere Komponente die Ergebnismessung. Die hierzu erforderlichen Daten und betriebswirtschaftlichen Rechenkonzepte wurden im Dritten Kapitel von Band 1 ausführlich behandelt. Von Interesse im Zusammenhang mit der integrierten Rendite-/ Risikosteuerung sind vor allem die Nettoergebnisse der Geschäftsbereiche und der Gesamtbank. Unter Nettoergebnis versteht man dabei den Beitrag, den der entsprechende Bereich unter Einbeziehung sämtlicher direkt zurechenbarer Kosten und Erlöse zum Gesamtergebnis beisteuert. Die Nettoergebnisse fließen in die Kennzahlen zur risikoadjustierten Performancemessung ein.
Risikomessung Gesamtbank-VaR
Geschäftsbereichs-VaR
Risikokapitalallokation Gesamtbank-VaR-Limit
Geschäftsbereichs-VaR-Limite
Risikoadjustierte Performancemessung RORAC/RAROC Gesamtbank
RORAC/RAROC Geschäftsbereiche
Ergebnismessung Gesamtbank bezogene Ergebniszahlen
Geschäftsbereichs bezogene Ergebniszahlen
Abb. 334: Die vier Stufen einer integrierten Risiko-/Renditesteuerung
Mit der Messung des Risikopotentials eng verbunden ist die Risikokapitalallokation. Zu bestimmen ist zum einen das Gesamtbankrisikolimit und daraus abgeleitet zum anderen die Zuweisung von ökonomischen Kapitallimiten für die Geschäftsbereiche. Die Risikokapitalallokation erfüllt zwei wichtige Funktionen. Zum einen dient die Zuweisung von Risikolimiten der Risikobegrenzung und sorgt damit dafür, dass die Geschäftsbereiche 527
keine Risiken eingehen, die einzeln oder in Kombination mit anderen Risiken die Existenz der Bank gefährden könnten. Zum anderen dient die Risikokapitalallokation als Grundlage für die risikoadjustierte Performancemessung. Das betriebswirtschaftliche Kernproblem der Risikokapitalallokation besteht insbesondere auf der Ebene der Geschäftsbereiche darin, diesen so viel ökonomisches Kapital zuzuweisen, dass der Gesamtbank-RORAC möglichst „maximiert“ wird. Kernstück des Stufenmodells ist demnach die risikoadjustierte Performancemessung. Sie bekommt ihren Input zum einen von der Ergebnismessung und zum anderen von der Risikokapitalallokation, verknüpft beide und liefert RAPM-Kennzahlen sowohl für die Gesamtbank, als auch für die Geschäftsbereiche. Eine Rückkopplung zurück zur Risikokapitalallokation ist insoweit eingebaut, als der Prozess der Risikokapitalallokation naturgemäß auch von den Ergebnissen der risikoadjustierten Performancemessung Impulse erhalten muss, will man – wie bereits angedeutet – eine optimale, d.h. „unternehmenswertmaximierende“ Risikokapitalallokation zumindest schrittweise erreichen. Dazu werden zunächst die Grundlagen risikoadjustierter Kennzahlen im Zusammenhang mit der integrierten Rendite-/Risikosteuerung erörtert. Erst im Anschluss daran kann die Risikokapitalallokation problematisiert werden (vgl. B.I.). In einem ersten Schritt wird ein Kriterienkatalog definiert. Hierauf aufbauend sollen die anschliessend vorgestellten alternativen Verfahren der Allokation von Risikokapital auf Grundlage der Dekomposition des Gesamtbank-Value at Risk analysiert und untereinander verglichen werden. In B.II. wird auf das Problem der Risikokapitalallokation unter Berücksichtigung von Rendite-/Risikorelationen eingegangen. In diesem Kapitel werden ein Ansatz zur modellanalytischen Rendite-/RisikoOptimierung der Bilanzstruktur bei gegebenem Risikokapital und ein Praxismodell zur Optimierung der Allokation von Risikokapital vorgestellt. Teil C. geht auf die Steuerung des Zinsbuches als ein Beispiel einer integrierten Rendite-/Risikooptimierung ein.
II.
Integrierte Rendite-/Risikosteuerung mit Hilfe risikoadjustierter Kennzahlen
Grundlage und systematische Voraussetzung für ein dem Rentabilitäts-Management dienendes Steuerungssystem ist ein integriertes Kennzahlensystem. Mit Hilfe eines solchen Kennzahlensystems lassen sich die sachlogischen Zusammenhänge zwischen Marktwert des Eigenkapitals, Eigenkapitalrentabilität und diese Werte beeinflussende Determinanten durchleuchten. Dabei können derartige, auch als ROI- und IVG-Kennzahlensysteme bezeichnete Instrumentarien, unter Verwendung von zwei grundsätzlich unterschiedlichen Datenbasen aufgestellt werden. Entweder basieren diese Konzepte auf den (internen) Daten der Einzelgeschäftskalkulation oder aber auf gesamtbankbezogenen (externen) Daten. Als Bezugsgrößen für die Ergebniskomponenten fungieren vorwiegend Eigenkapitalgrößen sowie das Geschäftsvolumen (vgl. Band 1, S. 426 ff.). Im Zentrum der Risikokapitalallokation steht dagegen die Verwendung eines risikoadjustierten Kennzahlensystems auf Basis der RORACKennziffer. Mit dessen Hilfe lässt sich, im Rahmen eines geschlossenen Regelkreises von Planung und Kontrolle, die gezielte Anpassung der Risikokapitalallokation zur sukzessiven Verbesserung des Gesamtbank-RORAC vornehmen. 528
1.
Das Grundschema eines risikoadjustierten Kennzahlensystems
Im Mittelpunkt risikoadjustierter Kennzahlensysteme steht die Kennziffer RORAC, durch die das ROI-Instrumentarium um die Risikokomponente ergänzt wird. Die RORAC-Kennziffern stellen durch ihre systematische Bezugnahme der (Netto-) Ergebnisse (Abzug von Eigenkapitalkosten) auf das zugeteilte beziehungsweise eingesetzte ökonomische Kapital den Zusammenhang zwischen Ertrag und Risiko her. Wie bereits im Rahmen des Risiko-ChancenKalküls ausgeführt, sind der Ziel-RORAC einerseits und die Ist-RORAC-Werte andererseits für die Ex-post-Kontrolle der Gleichgewichtsbedingung zu ermitteln und einander gegenüberzustellen. Dabei lassen sich verschiedene Ansätze für die Herleitung des Ziel-RORAC aus der ZielEigenkapitalrentabilität unterscheiden. Dies muss sich natürlich auch auf die Definition der Ist-RORAC-Werte auswirken, um einen aussagefähigen Soll-Ist-Vergleich zu ermöglichen (vgl. ausführlich S. 44 ff.). Damit wird auch der Aufbau eines risikoadjustieren Kennzahlensystems von den gewählten Verfahren zur Bestimmung des Ziel-RORAC beeinflusst. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass der gesamte Ergebnisanspruch der Bank aus dem Risikokapital zu erwirtschaften ist (Verfahren 2, S. 48 ff.). Ferner ist festzulegen, wie Diversifikationseffekte zwischen den Geschäftsbereichen zu behandeln sind. Wie noch im Einzelnen erläutert werden wird (vgl. S. 537 ff.), können hier ebenfalls verschiede Ansätze verwendet werden. Vereinfachend wird unterstellt, dass die Geschäftsbereiche auf der Basis des ihnen zugeteilten Risikokapitals performancemässig beurteilt werden (sog. Stand-alone-Ansatz). Unterschieden wird zwischen dem GesamtbankRORAC unter Berücksichtigung des Diversifikationseffekts und einem solchen, bei dem der Gesamtbank-RORAC durch die Annahme perfekt positiv korrelierter Geschäftsbereiche ohne Diversifikationseffekt bestimmt wird. Die Differenz zwischen diesen beiden Kennzahlen kann als Diversifikationseffekt bezeichnet werden und geht als eigenständige Kennzahl in das Kennzahlensystem ein. Eine weitere wichtige Unterscheidung ist die zwischen dem im Rahmen der Jahresplanung zugeteilten Risikokapital (-limit) und dem tatsächlich in Anspruch genommenen Risikokapital (das natürlich nie grösser sein darf als das Risikokapitallimit). Diese Differenzierung führt weiterhin zu der Notwendigkeit, bei der Berechung der RORAC-Kennziffer zwischen den im Nenner einzusetzenden Soll- und Ist-Risikokapitalgrößen zu unterscheiden. Zwischen beiden Kennzahlen erfolgt die Verknüpfung in der Weise, dass der auf das eingesetzte Ist-Kapital bezogene RORAC-Wert durch Multiplikation mit dem Quotienten von IstRisikokapital und Risikolimit zu einem auf das jeweilige Risikolimit bezogenen RORACWert umgerechnet wird. Zusammenfassend ergibt sich hieraus folgendes Grundschema eines risikoadjustierten Kennzahlensystems.
529
(Teil-)RORAC (Limitbasis) GB A Gesamtbank RORAC (Limitbasis) ohne Diversifikation Gesamtbank RORAC (auf Limitbasis)
+
+ Diversifikationseffekt
(Teil-)RORAC (Limitbasis) GB B
RORAC (Limitbasis) GB A • Risikolimit GB A Risikolimit gesamt
RORAC (Limitbasis) GB B • Risikolimit GB B Risikolimit gesamt
(Ist-)RORAC GB A • (Ist-)Risikokapital GB A (Ist-)Risikolimit GB A
(Ist-)RORAC GB B • (Ist-)Risikokapital GB B (Ist-)Risikolimit GB B
Abb. 335: Verknüpfung von geschäftsbereichsspezifischem und gesamtbankbezogenem RORAC mit: GB = Geschäftsbereich
Grundsätzlich gilt, dass sich die vorgestellte RORAC-Kennzahlenhierarchie auf vielfältige Art und Weise erweitern lässt. Denkbar ist beispielsweise auch eine Integration der bankaufsichtlichen Kapitalunterlegung (vgl. SCHWARZ 2003), um Aussagen über die Rentabilität des bankaufsichtlich erforderlichen Kapitals zu erhalten.
2.
Planung und Kontrolle der risikoadjustierten Ergebnisse
Die vorgestellte Kennzahlenhierarchie kann sowohl zu Planungs- als auch zu Kontrollzwecken eingesetzt werden. Diese Anwendungen werden in der Regel auf den internen Gebrauch beschränkt bleiben, da sowohl das ökonomische Kapital und dessen Allokation auf die Geschäftsbereiche sowie die Netto-Ergebnisse je Geschäftsbereich mindestens teilweise unveröffentlichte Daten darstellen. Selbst für den Fall der öffentlichen Bekanntgabe dieser Daten ließe sich jedoch lediglich die Ist-Situation darstellen, da sich eine Veröffentlichung in der Regel nicht auf interne Plan-Daten ausdehnen wird.
530
a)
Planung geschäftsbereichsbezogener RORAC-Kennzahlen
Zur Demonstration der Vorgehensweise bei der Planung risikoadjustierter Ergebnisgrößen (vgl. hierzu sowie zum Folgenden LISTER 1997) seien für eine Bank die folgenden PlanDaten unterstellt: Die Bank verfügt über bilanzielles Eigenkapital in Höhe von 10 Mio. GE, plant eine Ziel-Eigenkapitalrentabilität von 15 % und ein Risikolimit von insgesamt 6 Mio. GE. Dieses wird wie folgt auf die drei Geschäftsbereiche verteilt: A mit 2,5 Mio. GE, B mit 2,5 Mio. GE und C mit 1 Mio. GE. Dabei werden vereinfacht Korrelationseffekte vernachlässigt, d.h. es werden Korrelationen von jeweils + 1 unterstellt. Der Diversifikationseffekt beträgt somit null. Die Umrechnung der ROE nach Steuern in eine ROE vor Steuern geschieht, indem die ROE nach Steuern durch den Term (1 – Steuerfaktor) dividiert wird (vgl. Abb. 336). Da die ROE auf das bilanzielle Eigenkapital bezogen ist, die Kennziffer RORAC aber die Risikolimite zur Basis hat, kann die ROE (gemäß der vereinfachenden Annahme, dass der gesamte Ergebnisanspruch aus dem Risikokapital zu erwirtschaften ist, vgl. S. 48 ff.) durch den Koeffizienten von Risikokapital (auf Limitbasis) und bilanziellem Eigenkapital, dem sogenannten RisikoEigenkapital-Koeffizient (REK), dividiert werden. Das Ergebnis dieser Berechnung ist der auf Limitbasis berechnete Soll-RORAC. Bereinigt man diesen um den Diversifikationseffekt, gelangt man zum Soll-RORAC (ohne Diversifikation). Hieraus lässt sich der Nettoergebnisanspruch für einzelne Geschäftsbereiche definieren, indem die den Geschäftsbereichen zugeordneten Risikolimite mit dem RORAC multipliziert werden. Im Beispiel ergibt sich dabei ein Nettoergebnisanspruch von 0,84 Mio. GE für die Geschäftsbereiche A und B sowie von 0,32 Mio. GE für den Geschäftsbereich C.
531
Abb. 336: Planung geschäftsbereichsbezogener RORAC-Kennziffern mit: GB = Geschäftsbereich; NE = Nettoergebnis; REK = Risiko-/Eigenkapital-Koeffizient; ROE = Return on Equity
532
SollROE nach Steuern 15 % 1 – Steuerfaktor 1 – 0,25 = 75 %
•
SollROE vor Steuern 20 % Soll-REK 6/10 = 60 %
SollRORAC (Limitbasis) 33,33 % • Diversifikationseffekt 0%
+
SollRORAC (Limitbasis) ohne Diversifikation 33,33 % Risikolimit Gesamt 6 Mio. GE
:
Soll-NE Gesamt 2 Mio. GE
Risikolimit GB C 1 Mio. GE
Soll-NE GB C 0,32 Mio. GE
Risikolimit GB B 2,5 Mio. GE
Soll-NE GB B 0,84 Mio. GE
Risikolimit GB A 2,5 Mio. GE
Soll-NE GB A 0,84 Mio. GE
Soll-RORAC (Limitbasis) 33,33 %
Soll-RORAC (Limitbasis) 33,33 %
Soll-RORAC (Limitbasis) 33,33 %
b)
Kontrolle der risikoadjustierten Ergebnisse
Am Ende des Planungszeitraums wird mit einer Ist-Rechnung kontrolliert, inwieweit die Plan-Größen auf Geschäftsbereichs- und auf Gesamtbankebene eingehalten werden konnten. Unter Verwendung der in den Abbildungen 337 und 338 gegebenen Daten lassen sich die tatsächlich realisierten Netto-Ergebnisse berechnen und anschließend das risikoadjustierte Kennzahlensystem aufstellen. Dabei gilt bezüglich des Ist-Risikokapitals wie auch schon bezüglich des Risikolimits, dass zwischen den Geschäftsbereichen stets vollständig positive Korrelationen bestehen. Dadurch lassen sich die Ist-Risikokapitalwerte durch Addition aggregieren, anstatt multiplikativ über eine Korrelationskoeffizientenmatrix miteinander verknüpft werden zu müssen. SZ
GKM
KM
12,0 % 10,0 % 2,0 % 8,0 %
8,0 %
0,0 %
11,2 % 9,6 %
1,6 %
Vol.
Aktiva Kundenkredite
Passiva Kunden80 einlagen Eigenkapi20 Wertpapiere tal 100 Gesamt Gesamt
Vol.
KM
GKM
HZ
90
2,0 %
7,0 %
5,0 %
10
8,0 %
8,0 %
0,0 %
100
2,6 %
7,1 %
4,5 %
Abb. 337: Ist-Zinsertragsbilanz als Basis für die Berechnung der realisierten Netto-Ergebnisse aus Risikopositionen zur Kontrolle der Plan-Kennziffern (Fortsetzung des Beispiels von Abb. 336) mit: GKM = Geld- und Kapitalmarkt; HZ = Habenzins; KM = Konditionsmarge; SZ = Sollzins; Vol. = Volumen in Mio. GE
Es wird die in Abbildung 338 dargestellte Zusammensetzung der Nettoergebnisse unterstellt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang lediglich die Kalkulation der Eigenkapitalverzinsung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der Marktzinsmethode der Zentrale, die hier als Verwalterin des Eigenkapitals fungiert, für das grundsätzlich zinslose Eigenkapital ein Konditionsbeitrag von 8 % zugeschrieben wird. Diese Vorgehensweise ist erforderlich, um aus der Summe sämtlicher Konditions- und Strukturbeiträge den in der Erfolgsrechnung ausgewiesenen Zinsüberschuss zu erhalten. Dieser beträgt im Beispiel 6,7 Mio. GE [ = 100 · (11,2 % – 4,5 %)]. Der gleiche Zahlenwert resultiert aus der Addition von Konditions- und Strukturbeiträgen mit ebenfalls 6,7 Mio. GE ( = 3,4 Mio. GE + 0,8 Mio. GE + 2,5 Mio. GE).
533
Konditionsbeiträge (1) Strukturbeiträge Kursgewinne Personalkosten Sachkosten Nettoergebnis Risikolimit (Ist-)Risikokapital
(2) (3) (4) (5) (6) (7) (8)
Geschäfts Geschäfts bereich A bereich B Kundengeschäft Wertpapiergeschäft 3,4 = 80 · 2 % + – 90 · 2 % – – – + 1,1 - 1,6 - 0,2 - 0,8 - 0,1 + 1,0 + 0,8 2,5 2,5 2,5 2,0
Geschäfts bereich C Zentrale 0,8 =10 · 8 % 2,5 = 100 · 2,5 % – - 1,8 - 1,2 + 0,3 1,0 1,0
Summe
4,2 2,5 1,1 - 3,6 - 2,1 + 2,1
Abb. 338: Berechnung (in Mio. GE) der realisierten Netto-Ergebnisse aus Risikopositionen zur Kontrolle der Plan-Kennziffern (Fortsetzung des Beispiels von Abb. 336 und 337)
Alternativ hierzu ließe sich der Konditionsbeitrag des Eigenkapitals auf die einzelnen Geschäftsbereiche verteilen, indem der gesamtbankbezogene RORAC-Anspruch aus einer um eben diesen Konditionsbeitrag reduzierten Ziel-Eigenkapitalrentabilität vor Steuern abgeleitet wird. Diese Vorgehensweise hätte zur Folge, dass der mit der Bereitstellung des Eigenkapitals verbundene Finanzierungseffekt den das ökonomische Kapital empfangenden Geschäftsbereichen vergütet wird. Demgegenüber ist die Beschaffung des Eigenkapitals üblicherweise eine Aufgabe der Zentrale, die hierfür auch einen entsprechenden Erfolgsbeitrag verursachungsgerecht für sich beansprucht. Die Zahlen aus Abbildung 337 und 338 führen zu dem in Abbildung 339 dargestellten Kennzahlensystem. Dabei zeigt sich, dass im Geschäftsbereich A die aus der Zuweisung von ökonomischem Kapital resultierenden Rentabilitätsanforderungen mit einem Ist-RORAC von 40 % gegenüber einem Planwert von 33,33 % übererfüllt werden konnten. Da das zugewiesene Limit voll ausgeschöpft wurde, besteht zudem zwischen RORAC auf Limitbasis und RORAC auf Ist-Risikokapitalbasis kein Unterschied. Im Geschäftsbereich B wurde, bezogen auf das tatsächlich eingesetzte ökonomische Kapital, ein RORAC von 40 % erzielt. Die Unterauslastung zugewiesener Risikolimite bringt mit sich, dass die für das nicht eingesetzte Kapital bestehende Rentabilitätsforderung durch den eingesetzten Kapitalbestand hätte erfüllt werden müssen. Dies ist jedoch im Beispiel nicht geschehen. Dementsprechend ergibt sich ein auf Limitbasis berechneter RORAC von lediglich 32 %, der unter dem Planwert von 33,33 % liegt.
534
Abb. 339: Kontrolle der Ist-Kennzahlen mit: GB = Geschäftsbereich; NE = Nettoergebnis
535
ROE nach Steuern 15,75 %
1– Steuerfaktor = 75 %
•
ROE vor Steuern 21 % Risikokapital / Eigenkapital = 60 %
•
GesamtRORAC ( Limitbasis) 35,00 % Diversifikationseffekt 0%
+
GesamtRORAC ( Limitbasis) ohne Diversifikation 35,00 %
(Teil-) RORAC (Limitbasis) GB C 5,00 %
+
(Teil-) RORAC (Limitbasis) GB B 13,33 %
+
(Teil-) RORAC (Limitbasis) GB A 16,67 %
(Ist-)RORAC Limitbasis GB C = 30 % • Teillimit/ Gesamtlimit = 16,67 %
(Ist-)RORAC Limitbasis GB B = 32 % • Teillimit/ Gesamtlimit = 41,67 %
(Ist-)RORAC Limitbasis GB A = 40 % • Teillimit/ Gesamtlimit = 41,67 %
Risikolimit = 1/1=1
• Risikokapital
(Ist-)RORAC real GB C = 30 %
Risikolimit = 2 / 2,5 = 0,8
• Risikokapital
(Ist-)RORAC real GB B = 40 %
Risikolimit = 2,5 / 2,5 = 1
• Risikokapital
(Ist-)RORAC real GB A = 40 %
Risikokapital GB C 1 Mio GE
:
Ist - NE GB C 0,3 Mio GE
Risikokapital GB B 2 Mio GE
:
Ist - NE GB B 0,8 Mio GE
Risikokapital GB A 2,5 Mio GE
:
Ist- NE GB A 1,0 Mio GE
Schließlich sind im Geschäftsbereich C sowohl auf Limitbasis als auch bezogen auf das tatsächlich eingesetzte Kapital die Planwerte nicht erreicht worden. Aus der Summe der auf einen einheitlichen Nenner bezogenen Teil-RORAC-Kennziffern resultiert ein Ist-RORAC von 35 %, der nach entsprechenden Umrechnungen zu einer Ist-Eigenkapitalrentabilität nach Steuern von 15,75 % führt. Die Plan-Eigenkapitalrentabilität wurde dementsprechend leicht überschritten. Ursache hierfür ist im Beispiel der mit einem RORAC von 40 % überproportional zum Ergebnis beitragende Geschäftsbereich A, der damit die unterdurchschnittlichen Ergebnisse aus den Bereichen B und C ausgleicht. Damit wird zumindest in der ex postAnalyse klar, dass es sinnvoll gewesen ist, ökonomisches Kapital in den Geschäftsbereich A zu leiten, da dort die übernommenen Risiken überdurchschnittlich und über den Planwert hinaus entlohnt wurden. Demgegenüber war die Risikokapitalzuweisung in die Geschäftsbereiche B und C unwirtschaftlich, da sich bezüglich dieser Geschäftsbereiche noch nicht einmal eine Deckung der auf das ökonomische Kapital bezogenen Rentabilitätsforderung ergab. Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass mit Hilfe des vorgestellten RORACInstrumentariums eine wichtige Erweiterung bzw. Modifikation des bereits bekannten und etablierten ROI-Kennzahlensystem erreicht werden kann. Damit lassen sich über das traditionelle ROI-Kennzahlensystem hinaus die sachlogischen Zusammenhänge zwischen Risiko und Ertrag transparent und in einer integrierten Risikosteuerung nutzbar machen.
536
B. VERFAHREN ZUR ALLOKATION VON RISIKOKAPITAL IM BANKPORTFOLIO Das Zweite Kapitel hat sich ausführlich mit der Quantifizierung und Begrenzung des Risikopotentials einzelner Positionen im Bankportfolio befasst. Gezeigt wurde auch, wie verschiedene Risikopotentiale zu einem Gesamtbankrisiko aggregiert werden können. Dieser Gesamtbank-VaR entspricht jedoch aufgrund von Diversifikationseffekten grundsätzlich nicht der Summe der Einzelrisiken. Daher haben sich die Konzepte der Risikokapitalallokation auch mit diesem Problemkreis auseinander zu setzen. Entscheidend ist jedoch, diese Allokation von Risikokapital mit den erwarteten/geplanten Renditen auf eben dieses Risikokapital zu verbinden. Eine solche Gesamtbank-RORAC-optimierende Risikokapitalallokation ist – das sei betont – natürlich vor allem eine strategische Aufgabe der Geschäftspolitik. Ihr Ergebnis bestimmt maßgeblich den Marktauftritt der Bank im Hinblick auf „Scale“ und „Scope“ und entscheidet letztlich über ihren strategischen Erfolg oder Misserfolg. Praktische Beispiele für strukturbedingte Fehlentscheidungen gerade aus jüngster Zeit bestätigen dies.
I.
Ansätze zur Dekomposition des GesamtbankValue at Risk
1.
Kriterienkatalog
Von Bedeutung sind insbesondere die nachfolgend genannten sieben Kriterien (vgl. hierzu sowie im folgenden PAUL 2001 und SCHIERENBECK et al. 2003), anhand derer die konzeptionellen Vorzüge respektive Nachteile des jeweils betrachteten Ansatzes zur Allokation von ökonomischem Kapital herausgearbeitet werden können. Dabei gilt grundsätzlich, dass derjenige Ansatz zur Allokation von ökonomischem Kapital am besten geeignet ist, der das definierte Anforderungsprofil am weitreichendsten erfüllt. Das erste Beurteilungskriterium zielt auf den Umfang der Risikoerfassung ab. Hierbei ist einerseits die Frage zu stellen, ob sämtliche für das Gesamtbankrisiko relevanten Risikokategorien in der, der Allokation von ökonomischem Kapital vorgeschalteten, Risikomessung erfasst werden. Andererseits ist zu klären, ob die Risikomessung sich auf sämtliche durch die Bank betriebenen Geschäftsaktivitäten bzw. Geschäftsbereiche erstreckt. Der Fokus richtet sich somit auf die Identifizierung etwaiger Lücken in der Risikoerfassung. Neben dem Umfang der Risikoerfassung ist für die Allokation von ökonomischem Kapital auch der Differenzierungsgrad der zugrundeliegenden Risikomessverfahren entscheidend. Denn je detaillierter die Risikomessung durchgeführt wird, desto besser werden die Wirkungszusammenhänge zwischen den verschiedenen bankbetrieblichen Risikokategorien bzw. Risikoparametern und dem Gesamtbankrisiko beschrieben. Zudem ermöglicht erst die Kenntnis dieser Wirkungszusammenhänge die Ableitung risikopolitischer Steuerungsimpulse für die im Gesamtbankportfolio enthaltenen Geschäftsbereiche der Bank. Zu denken wäre hierbei z.B. an das gezielte Erhöhen bzw. die Reduktion des Exposures eines Geschäftsbereiches bezüglich einzelner Risikoparameter. Aber auch die Festsetzung von Risikolimiten wird 537
durch eine differenzierte Risikomessung konzeptionell besser unterstützt als durch einen die Wirkungskanäle der verschiedenen Risikoparameter pauschal beschreibenden Ansatz. Im Rahmen des dritten Beurteilungskriteriums ist zu überprüfen, ob bzw. inwieweit bei der Risikomessung Risikoverbundeffekte berücksichtigt werden. Da die zwischen den bankbetrieblichen Risikoparametern existierenden Korrelationen das Risikopotential von (Teil-) Positionen im Gesamtbankportfolio maßgeblich beeinflussen, sind diese bei der Quantifizierung und Allokation des ökonomischen Kapitals adäquat in den Kalkül zu integrieren. Eine Vernachlässigung bzw. konzeptionell unzureichende Berücksichtigung der existierenden Diversifikationseffekte innerhalb einer (Teil-) Position würde dagegen zu einem falschen Ergebnis für deren Risikopotential und damit letztlich zu einer Fehlallokation von ökonomischem Kapital führen. Für die Beurteilung eines Ansatzes zur Allokation von ökonomischem Kapital ist des weiteren von Bedeutung, dass das zugrundeliegende Risikomessverfahren das ökonomische Risiko der im Gesamtbankportfolio enthaltenen (Teil-) Positionen wiedergibt. Unter dem ökonomischen Risiko ist dabei der Kapitalbetrag zu verstehen, der als Verlust anfällt, wenn bestimmte bankbetriebliche Risikoparameter, die den Wert einer (Teil-) Position beeinflussen, sich zum Nachteil für die Bank verändern. Das Ausmaß der negativen Veränderung der wertbestimmenden Risikoparameter ist dabei abhängig vom Eintritt zukünftiger Umweltzustände, die als Belastungsszenarien interpretierbar sind. Das heisst, für jeden mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eintretenden Umweltzustand resultiert ein (wahrscheinlichkeitsabhängiger) Verlustbetrag, der das jeweilige ökonomische Risiko der zu evaluierenden (Teil-) Position quantifiziert. Neben dem Eintritt zukünftiger Umweltzustände hängt das ökonomische Risiko einer (Teil-) Position aber auch von der angenommenen Haltedauer ab. Hiermit ist der Zeitraum bis zu einer möglichen Glattstellung der betrachteten (Teil-) Position gemeint. Dabei gilt grundsätzlich, je kürzer die Haltedauer ist, desto geringer fällt der zu erwartende Verlust einer (Teil-) Position aus. Ein Verfahren zur Allokation von ökonomischem Kapital muss somit auch den Aspekt der Haltedauer konzeptionell berücksichtigen, um die Messung des ökonomischen Risikos zu gewährleisten. Das fünfte Beurteilungskriterium bezieht sich auf die Aggregation der den einzelnen (Teil-) Positionen zugewiesenen Risikokapitalbeträge hin zum ökonomischen Kapital auf Gesamtbankebene. Nur wenn sich die innerhalb des Gesamtbankportfolios allokierten Risikokapitalbeträge zum ökonomischen Kapital der Gesamtbank zusammenfassen lassen, kann von einer mathematisch konsistenten Allokationsmethodik gesprochen werden. Aus Gründen der Einfachheit wäre hierbei, ähnlich wie bei den Ergebnisbeiträgen einzelner (Teil-) Positionen, eine summarische Verknüpfung wünschenswert. In diesem Fall könnten auch die auf den allokierten Risikokapitalbeträgen basierenden RAPM-Kennzahlen über verschiedene Konsolidierungsstufen hinweg auf einfache Art und Weise aggregiert werden. Dies geschieht, indem sowohl die für mehrere (Teil-) Positionen quantifizierten Ergebnisbeiträge, als auch die jeweils zugewiesenen Risikokapitalbeträge addiert werden. Weiterhin von Bedeutung für die Allokation von ökonomischem Kapital ist die Frage, ob der zugeordnete Risikokapitalbetrag das durch eine (Teil-) Position übernommene zusätzliche Risiko im Sinne einer Grenzbetrachtung abbildet. Sofern dies der Fall wäre, ließen sich
538
Aussagen darüber treffen, wie sich der Risikostatus der Bank durch hinzufügen bzw. durch abbauen der jeweils evaluierten (Teil-) Position verändern würde. Das siebte Kriterium bezieht sich schließlich auf die Unabhängigkeit der Allokation von geschäftsstrukturellen Veränderungen. Hierbei gilt es zu klären, ob die allokierten Risikokapitalbeträge einzelner (Teil-) Positionen in ihrer Höhe durch strukturelle Veränderungen im übrigen Gesamtbankportfolio beeinflusst werden. Denn nur wenn derartige Effekte bei der Allokation von ökonomischem Kapital ausgeschlossen werden, ist eine objektive, isolierte Beurteilung der Risiko-/Rendite-Relation zu evaluierender (Teil-) Positionen sowie ein darauf basierender risikoadjustierter Performance-Vergleich möglich. Abbildung 340 (vgl. PAUL 2001 und SCHIERENBECK et al. 2003) fasst die beschriebenen Beurteilungskriterien für alternative Vorgehensweisen zur Quantifizierung und Allokation von ökonomischem Kapital nochmals zusammen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die obenstehenden vier Kriterien im wesentlichen auf die für eine Allokation von ökonomischem Kapital unverzichtbare Risikomessung abzielen. Die drei untenstehenden Kriterien beziehen sich dagegen auf den der Risikomessung folgenden Allokationsprozess.
Vollständigkeit der Risikoerfassung
Differenzierte Risikomessung
Berücksichtigung von Risikoverbundeffekten
Quantifizierung des ökonomischen Risikos für alternative Belastungsfälle, Haltedauern
Alternative Vorgehensweisen zur Quantifizierung und Allokation von Risikokapital
Grenzcharakter der allokierten Risikokapitalien
Summarische Aggregation der allokierten Risikokapitalien
Unabhängigkeit von geschäftsstrukturellen Veränderungen
Abb. 340: Kriterienkatalog zur Beurteilung alternativer Verfahren zur Quantifizierung und Allokation von ökonomischem Kapital
Im Folgenden soll nun geprüft werden, inwieweit die verschiedenen Allokationsverfahren den Anforderungen des Kriterienkataloges genügen. Die Standardverfahren des BASLER AUSSCHUSSES eignen sich aufgrund der unvollständigen Risikoerfassung und undifferenzierten Risikomessung nur sehr begrenzt zur Allokation von ökonomischem Kapital (vgl. PAUL 2001). Dementsprechend konzentrieren sich die weiteren Erläuterungen auf die internen Verfahren.
539
2.
Darstellung der alternativen Ansätze
Grundlage der vorgestellten Ansätze zur Risikokapitalallokation bildet das im ersten Kapitel vorgestellte Value at Risk-Konzept (vgl. S. 76 ff.). Es stellt eine Möglichkeit dar, verschiedene Risiken zu messen und zum Gesamtbankrisiko zu aggregieren. In der Folge sollen nunmehr verschiedene Ansätze zur differenzierten Allokation von ökonomischem Kapital im Bankportfolio näher betrachtet werden. Dabei soll im Rahmen der Allokation von Risikokapital das auf Gesamtbankebene bestimmte Risikopotential (=Gesamtbank-Risikolimit) auf die einzelnen Geschäftsbereiche verteilt werden. Hierzu lassen sich grundsätzlich fünf verschiedene Ansätze unterscheiden: (a) (b) (c) (d) (e)
Stand-alone-Value-at-Risk Diskreter Delta-Value-at-Risk Proportional adjustierter Value-at-Risk Marginaler Delta-Value-at-Risk und Proportional adjustierter Delta-Value-at-Risk.
In den Ansätzen (b) bis (e) werden Diversifikationseffekte berücksichtigt. Nur in den Ansätzen (c) bis (e) lassen sich die Teilrisiken zum Gesamtbankrisiko addieren. Diese Effekte sollen anhand des nachfolgenden Beispiels erörtert werden. Die Darstellung der Effekte erfolgt anhand eines einfachen Zahlenbeispiels, das zinsrisikoabhängige Zahlungsströme verwendet und somit eine Allokation ausschließlich für zinsrisikoinduzierte Kapitalbeträge vornimmt. Damit werden also den Geschäftsbereichen Risikokapitalbeträge für das Zinsänderungsrisiko zugewiesen, obwohl dieses im zentralen Steuerungsbereich der Treasury anzusiedeln ist und von daher das gesamte zinsrisikoinduzierte Kapital dort anzusetzen wäre. Aus didaktischen Gründen bietet sich eine derartige Vorgehensweise jedoch an, da der VaR-Ansatz, auf dem die Risikokapitalallokationsverfahren basieren, in Beschränkung auf nur eine Risikokategorie für alle Geschäftsbereiche transparent und anschaulich angewendet werden kann (vgl. hierzu sowie im Folgenden PAUL 2001).
a)
Allokation auf Basis von Stand-alone-Größen
Ausgegangen wird von einer Beispielbank, die in den nächsten vier Jahren aus ihren Zinspositionen die in Abbildung 341 dargestellten Zahlungen erwartet. t=0
1
2
3
4
+ 3.195.000 GE
+ 1.635.000 GE
+ 3.095.000 GE
+ 2.435.000 GE
Abb. 341: (Erwartete) Cash Flows der Zinspositionen auf Gesamtbankebene
Um den (zinsrisikoinduzierten) Value at Risk der Gesamtbank zu bestimmen, wird die direkte Verfahrensweise auf Basis der als Risikoparameter zu interpretierenden Zerobond-Abzinsfaktoren gewählt. Dies hat den Vorteil, dass bei der VaR-Berechnung keine Sensitivitätsparameter wie z.B. Key Rate Durations oder Basis Point Values benötigt werden. Statt dessen 540
werden mit der Festlegung der Zerobond-Abzinsfaktoren als Risikoparameter die Auswirkungen von Zinsänderungen auf den Marktwert der zu evaluierenden Position direkt modelliert (vgl. LISTER 1997). Für das Beispiel werden die in Abbildung 342 illustrierten Zerobondrenditen, die diesbezüglich korrespondierenden Zerobond-Abzinsfaktoren, die Standardabweichungen der stetigen Veränderungsraten sowie die kalkulationsrelevanten Korrelationsparameter angenommen. Laufzeit ZerobondZerobondStandard(LZ) rendite Abzinsfaktoren abweichung ZBZBR[0;LZ] ZB-AF[0;LZ] ZB-AF[0;LZ] AF[0;1] (1) (2) (3)=(1+(2))-(LZ) (4) 1 2,50 % 0,9756 0,1525 % 1 2 3,00 % 0,9426 0,2498 % 0,4511 3 3,50 % 0,9019 0,3568 % 0,3962 4 4,00 % 0,8548 0,3912 % 0,3161
Korrelationen ZBZBZBAF[0;2] AF[0;3] AF[0;4] 0,4511 1 0,5098 0,4215
0,3962 0,5098 1 0,6237
0,3161 0,4215 0,6237 1
Abb. 342: Inputdaten des Beispiels
Zunächst gilt es, das ökonomische Kapital der Gesamtbank auf Basis der gegebenen Beispieldaten zu bestimmen. Hierzu müssen in einem ersten Schritt die VaR-Werte für jeden Risikoparameter (VaRLZ) ermittelt werden. Allgemein gilt hier: VaR LZ
RVLZ RFLZ
mit: RVLZ = CFt = LZ · ZB-AF[0;LZ]; RFLZ = e rZ-Wert · STD[ZB-AF (0;LZ)] – 1
Wird obige Gleichung auf die nach einem Jahr erwartete Zahlung angewendet, ergibt sich bezogen auf den 1-jährigen Zerobond-Abzinsfaktor und einen angenommenen Z-Wert von 2 der unten dargestellte VaR-Wert: VaR1. Zu beachten ist hierbei, dass es sich bei der betrachteten Zahlung um einen Mittelzufluss handelt, entsprechend besteht das Risiko in einer Marktwertsenkung, die aus dem Absinken des 1-jährigen Zerobond-Abzinsfaktors resultiert. Folglich wird bei der Bestimmung des Risikofaktors mit einem negativen Z-Wert gearbeitet. In analoger Art und Weise lassen sich auch für die übrigen drei Risikoparameter die entsprechenden VaR-Größen quantifizieren. Auf Basis der in Abbildung 342 gegebenen Grunddaten resultieren die folgenden Werte: VaR 1
RV1 RF1
3.117.037 GE (- 0,3045 %)
9.492,6 GE.
VaR 2
RV2 RF2
1.541.144 GE (- 0,4984 %)
7.680,4 GE ,
VaR 3
RV3 RF3
2.791.513 GE (- 0,7111 %)
19.849,3 GE bzw.
VaR 4
RV4 RF4
2.081.448 GE (- 0,7793 %)
16.221,7 GE .
Der (zinsrisikoinduzierte) Value at Risk der Gesamtbank wird schließlich ermittelt, indem die für jeden Risikoparameter bestimmten VaR-Größen unter Berücksichtigung der Korrelationsparameter aggregiert werden. Es gilt:
541
>9.492,6
VaR Gesamtbank
7.680,4 19.849,3
16.221,7@
0,4511 0,3962 0,3161º ª 1 « 0,4511 1 0,5098 0,4215»» « «0,3962 0,5098 1 0,6237 » « » 1 ¼ ¬ 0,3161 0,4215 0,6237
42.199,3 GE.
ª 9.492,6 º « 7.680,4 » « » «19.849,3» « » ¬16.221,7 ¼ Um nun für die im Gesamtbankportfolio enthaltenen organisatorischen Teileinheiten Risikokapitalbeträge zuweisen zu können, ist es notwendig, die auf der Gesamtbankebene anfallenden Zahlungsströme weiter aufzuschlüsseln. Für das Beispiel wird angenommen, dass sich die Beispielbank in drei Geschäftsbereiche A, B und C untergliedern lässt. Diese können ihrerseits wiederum in je drei weitere organisatorische Teileinheiten zerlegt werden (vgl. Abb. 343). Gesamtbank t CFt 1 3.195 2 1.635 3 3.095 4 2.435
Geschäftsbereich A t CFt 1 1.650 2 445 3 1.065 4 360 A, I t CFt 1 520 2 130 3 615 4 0
A, II t CFt 1 1.035 2 210 3 405 4 95
A, III t CFt 1 95 2 105 3 45 4 265
Geschäftsbereich B t CFt 1 865 2 555 3 690 4 1.405 B, I t CFt 1 735 2 90 3 235 4 1.055
B, II t CFt 1 55 2 165 3 405 4 350
B, III t CFt 1 75 2 300 3 50 4 0
Geschäftsbereich C t CFt 1 680 2 635 3 1.340 4 670 C, I t CFt 1 155 2 210 3 620 4 280
C, II C, III t CFt t CFt 1 335 1 190 2 0 2 425 3 575 3 145 4 95 4 295
(Periodische Cash Flows CFt in 1.000 GE) Abb. 343: Aufschlüsselung des gesamtbankbezogenen Zahlungsstromes auf die organisatorischen Teileinheiten
542
Auf Basis eines bankinternen Ergebnisinformationssystems müssen nun die in den verschiedenen organisatorischen Teileinheiten erzielten Zahlungsströme ermittelt werden, die in ihrer Summe den für die Gesamtbank angenommenen Zahlungsstrom ergeben. Um das Risikopotential der einzelnen organisatorischen Teileinheiten im Gesamtbankportfolio im Sinne eines VaR-Wertes zu quantifizieren, wird erneut die für die Gesamtbank durchgeführte Berechnungsmethodik angewandt. Damit wird für jede Teileinheit faktisch eine sogenannte Stand-alone-Betrachtung durchgeführt. Das heißt, jeder Geschäftsbereich bzw. jede darunter abgegrenzte organisatorische Teileinheit wird als unabhängig von allen übrigen Komponenten des Gesamtbankportfolios angesehen. Analog zu den auf Seite 542 für die Gesamtbank durchgeführten Berechnungen ergeben sich für die definierten Geschäftsbereiche bzw. organisatorischen Teileinheiten die folgenden Stand-alone-VaR-Größen:
Gesamtbank VaR = 42.199,3 Geschäftsbereich A St.-a.-VaR = 12.776,3 A, I St.-a.VaR = 5.143,2
A, II St.-a.VaR = 5.749,9
A, III St.-a.VaR = 2.354,3
Geschäftsbereich B St.-a.-VaR = 15.325,1 B, I St.-a.VaR = 9.280,5
B, II St.-a.VaR = 4.963,2
B, III St.-a.VaR = 1.714,4
Geschäftsbereich C St.-a.-VaR = 14.726,2 C, I St.-a.VaR = 6.138,6
C, II St.-a.VaR = 4.605,2
C, III St.-a.VaR = 4.318,1
Abb. 344: Allokation von ökonomischem Kapital über Stand-alone-VaR-Größen
Fasst man die auf der ersten Konsolidierungsstufe ermittelten Stand-alone-VaR-Größen der drei Geschäftsbereiche additiv zusammen, ergibt sich ein Wert von 42.827,6 GE (= 12.776,3 GE + 15.325,1 GE + 14.726,2 GE), der betraglich über dem für die Gesamtbank bestimmten (zinsrisikoinduzierten) Value at Risk (42.119,3 GE) liegt. Ähnliches gilt auch für die innerhalb der drei Geschäftsbereiche abgrenzbaren organisatorischen Teileinheiten. So stimmt beispielsweise die Summe des auf Stand-alone-Basis ermittelten ökonomischen Kapitals der drei im Geschäftsbereich A enthaltenen organisatorischen Teileinheiten (5.143,2 GE + 5.749,9 GE + 2.354,3 GE = 13.247,4 GE) nicht mit dem Stand-alone-Risikokapital des Geschäftsbereiches (12.776,3 GE) überein. Ursache für diese auf allen Aggregationsebenen beobachtbaren Abweichungen ist die Standalone-Betrachtung, die dazu führt, dass die innerhalb einer Konsolidierungsstufe auftretenden Diversifikationseffekte vernachlässigt werden. Durch diese Vorgehensweise ist eine additive Verknüpfung der in jeder Aggregationsebene ermittelten Stand-alone-VaR-Größen hin zum Value at Risk der jeweils darüber liegenden Konsolidierungsstufe nicht möglich. Zu bemerken ist weiterhin, dass dieser für lediglich zwei Aggregationsstufen dargestellte Effekt sich um so mehr verstärkt, je differenzierter die Allokation von ökonomischem Kapital im Bankportfolio durchgeführt wird. Am gravierendsten wirken sich diese Abweichungen dann aus,
543
wenn Risikokapitalbeträge im Grenzfall bis hinunter auf die niedrigste Aggregationsebene der Einzelgeschäfte allokiert werden sollen.
b)
Verwendung des diskreten Delta-Value-at-Risk
Anstelle der soeben betrachteten Stand-alone-VaR-Größen ließe sich die Allokation von ökonomischem Kapital auch auf Basis des diskreten Delta-VaR durchführen. Die in diesem Fall einzusetzende Kalkulationsmethodik wird erneut anhand des bereits im vorherigen Abschnitt verwendeten Beispiels verdeutlicht. Zuvor wird jedoch kurz auf die Konzeption des diskreten Delta-VaR eingegangen. Allgemein lässt sich der diskrete Delta-Value-at-Risk (ddVaR) einer (Teil-) Position als das Risikopotential definieren, das durch das Hinzufügen dieser (Teil-) Position zu einem bestehenden Portfolio zusätzlich übernommen wird. Diese auch als Netto-Risikobeitrag einer (Teil-) Position zu bezeichnende VaR-Größe lässt sich formal über ein einfaches Differenzenkalkül bestimmen. Hierzu wird zunächst der Value at Risk für das Gesamtportfolio inklusive der zu evaluierenden (Teil-) Position bestimmt und anschließend der Value at Risk des Gesamtportfolios ohne die betreffende (Teil-) Position davon subtrahiert. Als Ergebnis resultiert der gesuchte diskrete Risikobeitrag der untersuchten (Teil-) Position. Für das im Beispiel unterstellte Bankportfolio kann somit beispielsweise der diskrete DeltaValue-at-Risk des Geschäftsbereiches A (ddVaRA) bestimmt werden, indem vom Gesamtbank-VaR (VaRGesamtbank) der Value at Risk des Bankportfolios ohne den Geschäftsbereich A (VaRGesamtbank – A) abgezogen wird. Formal gilt somit:
ddVaR A
VaR Gesamtbank
VaR Gesamtbank A
In der Literatur wird für diese Allokationsmethode teilweise auch der Begriff des „marginalen“ Value-at-Risk verwandt (ARNSFELD 2002). Da das Charakteristikum des in diesem Abschnitt dargestellten Ansatzes jedoch darin besteht, in diskreten Intervallen Teilbereiche oder Einzelpositionen hypothetisch aus dem Gesamtportfolio zu eliminieren und dadurch die Portfoliostruktur wesentlich zu verändern, ist der Begriff des diskreten Delta-Value-at-Risk zu bevorzugen. Marginal- bzw. Grenzbetrachtungen basieren im Gegensatz zu dieser Vorgehensweise grundsätzlich auf der Annahme der Strukturidentität. Im Kapitel d) wird schließlich ein Ansatz dargestellt, bei dem eine tatsächliche Marginalbetrachtung in Form der partiellen Ableitung des Gesamt-Value-at-Risk vorgenommen wird. Dieser wird in Abgrenzung zum diskreten Delta-Value-at-Risk, der in diesem Kapitel dargestellt wird, als marginaler Delta-Value-at-Risk bezeichnet (vgl. KOCH 2005). Da der Value at Risk der Gesamtbank bereits im vorherigen Abschnitt quantifiziert wurde, gilt es zunächst, den Value at Risk des Bankportfolios ohne den Geschäftsbereich A zu bestimmen. Hierzu werden die nach Wegfall des Geschäftsbereiches A auf Gesamtbankebene verbleibenden periodischen Cash Flows benötigt. Diese ergeben sich, indem die im Geschäftsbereich A anfallenden Zahlungen aus dem Zahlungsstrom der Gesamtbank eliminiert werden (vgl. Abb. 345).
544
t (1)
CFtGesamtbank (2)
CFtA (3)
CFtGesamtbank – A (4) = (2) – (3)
1 2 3 4
3.195 1.635 3.095 2.435
1.650 445 1.065 360
1.545 1.190 2.030 2.075
Abb. 345: Cash Flow-Struktur der Gesamtbank ohne Geschäftsbereich A (in 1.000 GE)
Die für das Gesamtbankportfolio ohne Geschäftsbereich A bestimmte Cash Flow-Struktur bildet den Ausgangspunkt für die Bestimmung des VaRGesamtbank – A. Analog zu der bereits für das Gesamtbankportfolio beschriebenen Verfahrensweise (vgl. S. 541 f.) müssen in einem ersten Schritt die laufzeitspezifischen VaR-Größen bestimmt werden (vgl. Abb. 346). CFt LZ ZB-AF[0;LZ] (1) [Ges.bank – A] (3) (2) 1 2 3 4
1.545 1.190 2.030 2.075
RVt [Ges.bank – A]
VaRt RF = e-2·STD(ZB-AF[0;LZ]) = 1 [Ges.bank – A] (5) (4) = (2) · (3) (6) = |(4)·(5)|
0,9756 0,9426 0,9019 0,8548
1.507,32 1.121,69 1.830,94 1.773,72
- 0,3045 % - 0,4984 % - 0,7111 % - 0,7793 %
4,5903 5,5900 13,0191 13,8234
Abb. 346: Laufzeitspezifische VaR-Größen für die Gesamtbank ohne Geschäftsbereich A (in 1.000 GE)
Werden diese laufzeitspezifischen VaR-Werte mit der in Abbildung 342 tabellierten Korrelationskoeffizientenmatrix verknüpft, resultiert für VaRGesamtbank – A:
>4.590,3
VaR Gesamtbank - A
5.590,0 13.019,1 13.823,4@
ª 1 0,4511 0,3962 0,3161º « 0,4511 1 0,5098 0,4215» « » «0,3962 0,5098 1 0,6237» « » ¬ 0,3161 0,4215 0,6237 1 ¼
29.788,6 GE.
ª 4.590,3 º « 5.590,0 » « » «13.019,1» « » ¬13.823,4¼ Für den diskreten Delta-Value at Risk des Geschäftsbereichs A folgt somit: ddVaR A
42.199,3 GE 29.788,6 GE
12.410,7 GE.
545
Analog zu der für den Geschäftsbereich A beschriebenen Vorgehensweise lassen sich auch für die beiden anderen Geschäftsbereiche B und C die diskreten Delta-VaR-Größen quantifizieren. Hierbei ergibt sich für den diskreten Delta-Value-at-Risk des Geschäftsbereichs B ein Wert von 14.884,1 GE bzw. für den Geschäftsbereich C ein Betrag in Höhe von 14.590,4 GE. Begibt man sich innerhalb des Bankportfolios auf die nächste untergeordnete Aggregationsstufe, lassen sich auch für die dort abgegrenzten (organisatorischen) Teileinheiten bzw. (Teil-) Positionen diskrete Delta-Value-at-Risk-Werte berechnen. Die Kalkulationsmethodik entspricht dabei grundsätzlich der Vorgehensweise, die für die Konsolidierungsstufe der Geschäftsbereiche angewendet wurde. Wird für sämtliche im Beispiel abgegrenzten (Teil-) Positionen des Gesamtbankportfolios die beschriebene Vorgehensweise durchgeführt, resultieren die in Abbildung 347 dargestellten diskreten Delta-VaR-Größen. Vergleicht man die einzelnen diskreten Delta-VaR-Größen mit dem zuvor bestimmten Standalone-VaR, fällt auf, dass die diskreten Delta-VaR-Werte durchgängig niedriger ausfallen (vgl. Abb. 347). Zudem wird aus Abbildung 347 deutlich, dass die Summe der diskreten Delta-Value-at-Risk-Werte der drei definierten Geschäftsbereiche (12.410,7 GE + 14.884,1 GE + 14.590,4 GE = 41.885,2 GE) unter dem Value at Risk des Gesamtbankportfolios (42.199,3 GE) liegt. Das gleiche gilt auch für die Summe der diskreten Delta-Value-at-Risk-Werte der innerhalb der drei Geschäftsbereiche abgegrenzten organisatorischen Teileinheiten. Damit ist wie bei der auf Stand-alone-Größen basierenden Allokation von ökonomischem Kapital auch hier eine additive Verknüpfung der Risikokapitalbeträge zum ökonomischen Kapital der jeweils übergeordneten (Teil-) Position bzw. zum ökonomischen Kapital der Gesamtbank nicht möglich. Ursache hierfür ist ebenso wie bei der Stand-alone-Betrachtung die Behandlung der im Bankportfolio auftretenden Diversifikationspotentiale. Gesamtbank VaR = 42.199,3 Geschäftsbereich A ddVaR = 12.410,7
Geschäftsbereich B ddVaR = 14.884,1
Geschäftsbereich C ddVaR = 14.590,4
A, I
A, II
A, III
B, I
B, II
B, III
C, I
C, II
C, III
ddVaR = 4.852,5
ddVaR = 5.354,4
ddVaR = 2.219,2
ddVaR = 8.644,4
ddVaR = 4.861,8
ddVaR = 1.376,4
ddVaR = 6.030,6
ddVaR = 4.402,4
ddVaR = 4.150,5
Abb. 347: Allokation von ökonomischem Kapital auf Basis diskreter Delta-VaR-Größen
Im Gegensatz zu der Stand-alone-Betrachtung, in der Risikoverbundeffekte innerhalb einer Konsolidierungsstufe unberücksichtigt bleiben, werden bei der Berechnung der diskreten Delta-Value-at-Risk-Werte bei jeder zu evaluierenden (Teil-) Position die Diversifikationspotentiale aller übrigen im Bankportfolio enthaltenen (Teil-) Positionen mit berücksichtigt. Dies führt jedoch zu einer systematischen Mehrfacherfassung der Risikoverbundeffekte, die letztlich dafür verantwortlich ist, dass die ermittelten Risikokapitalbeträge in der Summe im546
mer unter dem ökonomischen Kapital der Gesamtbank liegen. Das Problem verstärkt sich dabei ebenso wie bei den Stand-alone-Größen in dem Maße, in dem die Anzahl der Konsolidierungsstufen im Bankportfolio zunimmt.
c)
Allokation mit Hilfe proportional adjustierter Value at Risk-Größen
Die beiden bislang vorgestellten Verfahren zur Allokation von ökonomischem Kapital unterscheiden sich hinsichtlich der Art und Weise, in der die im Gesamtbankportfolio vorhandenen Diversifikationspotentiale Berücksichtigung finden. Dabei wurde deutlich, dass die innerhalb einer Aggregationsstufe auftretenden Risikoverbundeffekte bei der Allokation von ökonomischem Kapital auf Basis von Stand-alone-VaR-Größen bewusst vernachlässigt werden, während es bei der Berechnung des diskreten Delta-VaR zu einer Mehrfacherfassung kommt. Vor dem Hintergrund der in beiden Fällen resultierenden Nicht-Additivität des allokierten ökonomischen Kapitals hin zum ökonomischen Kapital der Gesamtbank wird nunmehr ein weiteres Allokationsverfahren diskutiert, das auf sog. proportional adjustierten VaRGrößen (aVaR) basiert. Grundlage dieses Verfahrens sind die bereits zuvor bestimmten Stand-alone-Risikokapitalbeträge (vgl. Abb. 344). Diese werden nunmehr um die innerhalb der jeweiligen Konsolidierungsstufen vernachlässigten Risikoverbundeffekte adjustiert (vgl. ZAIK et al. 1996). Hierbei sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Vorgehensweisen denkbar, die in der Folge anhand des bekannten Beispiels näher betrachtet werden. Die erste Variante zur Allokation von ökonomischem Kapital auf Basis proportional adjustierter VaR-Größen operiert mit einem gesamtbankbezogenen Adjustierungsfaktor, der für den gesamten innerhalb des Gesamtbankportfolios aufgebauten Allokationsbaum gilt. Die in der Stand-alone-Betrachtung vernachlässigten Diversifikationspotentiale werden nunmehr in den Kalkül integriert, indem das ökonomische Kapital der Gesamtbank zur Summe der auf der untersten Konsolidierungsstufe bestimmten Stand-alone-Risikokapitalbeträge in Beziehung gesetzt wird. Der resultierende Adjustierungsfaktor wird anschließend als Multiplikator für das Stand-alone-Risikokapital in der untersten Aggregationsstufe eingesetzt. Für das Beispiel muss zur Bestimmung des gesamtbankbezogenen Adjustierungsfaktors zunächst die Summe des auf der zweiten (untersten) Konsolidierungsstufe bestimmten Stand-aloneRisikokapitals ermittelt werden. Es ergibt sich ein Betrag von: C, III
¦
Stand - alone - VaR X
44.267,3 GE
X A, I
Für den Adjustierungsfaktor (O) resultiert im Beispiel folglich: Ȝ
VaR Gesamtbank C, III
¦
Stand - alone - VaR X
42.199,3 GE 44.267,3 GE
95,33 %
X A, I
Die Tatsache, dass der im Beispiel bestimmte Adjustierungsfaktor unter 100 % liegt, ist leicht erklärbar. Da bei der Bestimmung des Stand-alone-Risikokapitals auf der untersten Aggregationsebene die zwischen den organisatorischen Teileinheiten bestehenden risikoreduzierenden 547
Korrelationseffekte unberücksichtigt geblieben sind, muss deren Summe über dem ökonomischen Kapital des Gesamtbankportfolios liegen. Die für die neun definierten organisatorischen Teileinheiten gültigen proportional adjustierten VaR-Werte ergeben sich, indem die Stand-alone-Risikokapitalbeträge mit dem gesamtbankbezogenen Adjustierungsfaktor multipliziert werden. Auf Basis dieser proportional adjustierten VaR-Größen der auf der untersten Konsolidierungsstufe abgegrenzten organisatorischen Teileinheiten, lassen sich auch die entsprechenden (adjustierten) Risikokapitalbeträge der jeweils übergeordneten Geschäftsbereiche bestimmen (vgl. Abb. 348). Hierbei macht man sich den Umstand zunutze, dass das gesamte im Bankportfolio enthaltene Diversifikationspotential über den (gesamtbankbezogenen) Adjustierungsfaktor bereits bei der Anpassung der Stand-alone-Risikokapitalbeträge auf der untersten Aggregationsebene berücksichtigt wurde. Daher ergeben sich die proportional adjustierten Risikokapitalbeträge der Geschäftsbereiche, indem die proportional adjustierten VaR-Größen der jeweils enthaltenen (Teil-) Positionen addiert werden. Eine erneute Adjustierung der Stand-alone-VaR-Größen der Geschäftsbereiche ist nicht erforderlich, da die zwischen den organisatorischen Teileinheiten bestehenden Diversifikationspotentiale bereits über den gesamtbankbezogenen Adjustierungsfaktor mit erfasst wurden.
Geschäftsbereich A (Teil-) Position (1) A, I A, II A, III
Stand-alone-VaR (St.-a.-VaRA,I-III) (2)
Gesamtbankbezogener Adjustierungsfaktor (O) (3)
Adjustierter VaR (aVaRA,I-III) (4) = (2) · (3)
5.143,2 5.749,9 2.354,3
95,33 % 95,33 % 95,33 %
4.902,9 5.481,3 2.244,3
Stand-alone-VaR (St.-a.-VaRB,I-III) (2)
Gesamtbankbezogener Adjustierungsfaktor (O) (3)
Adjustierter VaR (aVaRB,I-III) (4) = (2) · (3)
9.280,5 4.963,2 1.714,4
95,33 % 95,33 % 95,33 %
8.847,0 4.731,3 1.634,3
Stand-alone-VaR (St.-a.-VaRC,I-III) (2)
Gesamtbankbezogener Adjustierungsfaktor (O) (3)
Adjustierter VaR (aVaRC,I-III) (4) = (2) · (3)
6.138,6 4.605,2 4.318,1
95,33 % 95,33 % 95,33 %
5.851,8 4.390,1 4.116,3
Geschäftsbereich B (Teil-) Position (1) B, I B, II B, III Geschäftsbereich C (Teil-) Position (1) C, I C, II C, III
Abb. 348: Adjustierte VaR-Größen in den neun organisatorischen Teileinheiten
548
Ähnlich wie für die Konsolidierungsstufe der Geschäftsbereiche muss auch für den letzten Aggregationsschritt hin zum ökonomischen Kapital der Gesamtbank keine Anpassung mehr vorgenommen werden. Das heisst, auch hier lassen sich die proportional (adjustierten) Risikokapitalbeträge der drei Geschäftsbereiche additiv zum ökonomischen Kapital der Gesamtbank aggregieren, da auch die zwischen den Geschäftsbereichen existierenden Risikoverbundeffekte in dem gesamtbankbezogenen Adjustierungsfaktor implizit abgebildet sind. Abbildung 349 zeigt die innerhalb des Gesamtbankportfolios zugewiesenen proportional adjustierten Risikokapitalbeträge. Gesamtbank VaR = 42.199,3 Geschäftsbereich A aVaR = 12.628,5 A, I
A, II
aVaR aVaR = = 4.902,9 5.481,3
A, III
aVaR = 2.244,3
Geschäftsbereich B aVaR = 15.212,6 B, I
B, II
aVaR aVaR = = 8.847.0 4.731,3
B, III
aVaR = 1.634,3
Geschäftsbereich C aVaR = 14.358,2 C, I
C, II
aVaR aVaR = = 5.851,8 4.390,1
C, III
aVaR = 4.116,3
Abb. 349: Allokation von ökonomischem Kapital auf Basis proportional adjustierter VaR-Größen
Anstelle der sehr pauschalen Abbildung der im Bankportfolio auftretenden Diversifikationseffekte über einen einheitlichen Adjustierungsfaktor ließe sich alternativ auch eine stufenweise Adjustierung des für die (Teil-) Positionen quantifizierten Stand-alone-Risikokapitals durchführen. Hierbei wird zunächst von dem an der Spitze des „Allokationsbaumes“ stehenden ökonomischen Kapital der Gesamtbank ausgegangen. Danach werden die auf der ersten Konsolidierungsebene zu verzeichnenden Diversifikationseffekte über einen stufenspezifischen Adjustierungsfaktor in den Kalkül integriert. Im Beispiel werden somit zunächst die Stand-alone-Risikokapitalbeträge der drei Geschäftsbereiche adjustiert. Der hierzu benötigte (stufenspezifische) Adjustierungsfaktor (Ȝ*Ҙ) ermittelt sich, indem das ökonomische Kapital der Gesamtbank zur Summe der Stand-aloneRisikokapitalbeträge der Geschäftsbereiche in Beziehung gesetzt wird. Ȝ*
VaR Gesamtbank C
¦
Stand - alone - VaR GB
42.199,3 GE 42.827,6 GE
98,53 %
GB A
Wird dieser Adjustierungsfaktor anschließend mit dem Stand-alone-Risikokapital der Geschäftsbereiche multipliziert, resultieren deren proportional adjustierte Risikokapitalbeträge, in denen die zwischen den Geschäftsbereichen auftretenden Diversifikationspotentiale enthalten sind (vgl. Abb. 350).
549
Geschäftsbereich (1)
Stand-alone-VaR (St.-a.-VaRA-C) (2)
A B C
12.776,3 15.325,1 14.726,3
Stufenspezifischer Ad- Proportional adjustierter VaR justierungsfaktor (O*) (aVaR A-C) (3) (4) = (2) · (3) 98,53 % 98,53 % 98,53 %
12.588,9 15.100,3 14.510,2
Abb. 350: Proportional adjustierte ökonomische Kapitalien der Geschäftsbereiche A - C
Damit die proportional adjustierten Risikokapitalbeträge für die organisatorischen Teileinheiten der darunter liegenden Konsolidierungsebene bestimmt werden können, wird im Allokationsbaum getrennt nach „Ästen“ vorgegangen. Mit anderen Worten: Für jeden Geschäftsbereich und die darin enthaltenen (Teil-) Positionen wird eine individuelle Adjustierung hinsichtlich der dort auftretenden Risikoverbundeffekte vorgenommen. Um die in jedem Geschäftsbereich zwischen den jeweiligen organisatorischen Teileinheiten bestehenden Diversifikationspotentiale zu berücksichtigen, werden geschäftsbereichsspezifische Adjustierungsfaktoren ermittelt. Diese bilden sich aus dem Verhältnis des Stand-aloneRisikokapitals des Geschäftsbereichs zur Summe der Stand-alone-Risikokapitalbeträge der darin enthaltenen (Teil-) Positionen. Für den Geschäftsbereich A gilt beispielsweise: ȜA
Stand - alone - VaR A A,III
¦
Stand - alone - VaR X
12.776,3 GE 13.247,4 GE
96,44 %
X A,I
In analoger Art und Weise lassen sich für die beiden übrigen Geschäftsbereiche Adjustierungsfaktoren bestimmen. Im Beispiel resultieren für die Geschäftsbereiche B und C die folgenden Werte: ȜB
15.325,1 GE 15.958,0 GE
96,03 % bzw.
ȜC
14.726,3 GE 15.061,8 GE
97,77 %
Um die proportional adjustierten Risikokapitalbeträge der auf der zweiten Aggregationsebene abgegrenzten organisatorischen Teileinheiten bestimmen zu können, müssen jedoch nicht nur die innerhalb jedes Geschäftsbereiches auftretenden Diversifikationseffekte berücksichtigt werden, sondern auch diejenigen, die zwischen den Geschäftsbereichen anfallen. Dies geschieht konzeptionell, indem die Stand-alone-Risikokapitalbeträge der organisatorischen Teileinheiten zunächst mit dem jeweiligen geschäftsfeldspezifischen Adjustierungsfaktor (OGB) und anschließend mit dem die Diversifikationseffekte zwischen den Geschäftsbereichen abbildenden Adjustierungsfaktor (O ) multipliziert werden. Für die im Geschäftsbereich A enthaltene Teileinheit A,I resultiert folglich ein adjustierter VaR-Wert (aVaRA,I) von:
550
aVaR A, I
Stand - alone - VaR A, I Ȝ * Ȝ A
aVaR A, I
5.143,2 GE 98,53 % 96,44 %
4.887,5 GE
Analog lassen sich die proportional adjustierten Risikokapitalbeträge für die verbleibenden acht (Teil-) Positionen bestimmen. Abbildung 351 zeigt die im Rahmen des beschriebenen stufenweisen Adjustierungsprozesses zugewiesenen proportional adjustierten Risikokapitalbeträge im Bankportfolio. Gesamtbank VaR = 42.199,3 Geschäftsbereich A aVaR = 12.588,9 A, I
A, II
aVaR aVaR = = 4.887,5 5.464,1
A, III
aVaR = 2.237,3
Geschäftsbereich B aVaR = 15.100,28 B, I
B, II
aVaR aVaR = = 8.781,7 4.696,4
B, III
aVaR = 1.622,2
Geschäftsbereich C aVaR = 14.510,21 C, I
C, II
aVaR aVaR = = 5.913,7 4.436,6
C, III
aVaR = 4.159,9
Abb. 351: Allokation von ökonomischem Kapital auf Basis stufenweise proportional adjustierter VaR-Größen
Betrachtet man den in Abbildung 349 bzw. 351 dargestellten Allokationsbaum, wird deutlich, dass im Gegensatz zu den bislang diskutierten Allokationsverfahren bei der Verwendung proportional adjustierter VaR-Größen eine additive Verknüpfung der zugewiesenen Risikokapitalbeträge über die verschiedenen Konsolidierungsstufen hinweg bis zum ökonomischen Kapital der Gesamtbank möglich ist. Ursache hierfür ist die konsequente Berücksichtigung der im Bankportfolio auftretenden Risikoverbundeffekte im ökonomischen Kapital jeder abgegrenzten (Teil-) Position. Die Differenzen, die zwischen dem proportional adjustierten ökonomischen Kapital und den auf Basis der Stand-alone-Betrachtung kalkulierten Vergleichswerten auftreten, können dabei als eine Art „Diversifikationsbonus“ für die jeweiligen (Teil-) Positionen interpretiert werden. Zu betonen ist zudem, dass mit zunehmender Verästelung des Allokationsbaums für jeden (zusätzlichen) Zweig entsprechend weitere Adjustierungsfaktoren zu bestimmen sind, die die Risikoverbundeffekte innerhalb dieses Zweiges adäquat wiedergeben. Damit die auf der niedrigsten Aggregationsstufe bestimmten Stand-alone-VaR um die im Gesamtbankportfolio existierenden Diversifikationspotentiale bereinigt werden können, muss ein aggregierter Adjustierungsfaktor multiplikativ aus den auf jeder übergeordneten Aggregationsebene gültigen Anpassungsfaktoren bestimmt werden. Dies bedeutet jedoch, dass für jeden Zweig des Allokationsbaumes ein pfadspezifischer aggregierter Adjustierungsfaktor existiert.
551
d)
Konzept des marginalen Delta-Value-at-Risk
Ein weiteres Verfahren zur Allokation von ökonomischem Kapital im Gesamtbankportfolio basiert auf dem Konzept des sogenannten marginalen Delta-Value-at-Risk (mdVaR). Ähnlich wie bei dem mit Adjustierungsfaktoren arbeitenden Allokationsmodell steht auch hier die additive Aggregation zugewiesener Risikokapitalbeträge zum ökonomischen Kapital der Gesamtbank im Vordergrund. Hierzu wird der bereits hinlänglich bekannte Bewertungsansatz des Value at Risk methodisch modifiziert, so dass sich für jede innerhalb eines Portfolios enthaltene (Teil-) Position sog. marginale Delta-Value-at-Risk-Größen bestimmen lassen, die in der Summe dem Value at Risk des gesamten Portfolios entsprechen. Für den marginalen Delta-VaR, bei dem der Risikobetrag der betrachteten (Teil-) Position im Unterschied zum diskreten Delta-VaR bei Unterstellung einer lediglich marginalen Änderung des jeweiligen Bereichsvolumens ermittelt wird, existieren in der Literatur unterschiedliche Bezeichnungen wie u. a. inkrementeller Value-at-Risk, Delta-Value-at-Risk, Teil-Value-at-Risk und component Value-at-Risk. Die grundlegende Vorgehensweise dieses Allokationsmodells sei nachstehend anhand des bereits verwendeten Beispiels verdeutlicht (vgl. GARMAN 1996 und 1997). Bekanntlich bestimmt sich der (zinsinduzierte) Value at Risk des betrachteten Bankportfolios gemäß:
>RV1 RF1 RV2 RF2 RV3 RF3 RV4 RF4 @
VaR Gesamtbank
ª 1 «Kor 2,1 « « Kor3,1 « «¬Kor4,1
Kor1,2 1 Kor3,2 Kor4,2
Kor1,3 Kor2,3 1 Kor4,3
Kor1,4 º Kor2,4 »» Kor3,4 » » 1 »¼
ª RV1 RF1 º «RV RF » 2 2 » « « RV3 RF3 » « » ¬RV4 RF4 ¼ Das unter der Wurzelfunktion dargestellte Matrizen-Produkt lässt sich nun mathematisch umformen, indem die sowohl im Zeilenvektor als auch in dessen Transponente enthaltenen Risikofaktoren (RFt) in die Korrelationskoeffizientenmatrix integriert werden. Dies hat zur Folge, dass sowohl im Zeilen- als auch im Spaltenvektor nur noch die laufzeitspezifischen Risikovolumina (RVt) verbleiben, die die Barwerte der im Zeitpunkt t erwarteten Zahlungen darstellen. Formal ergibt sich durch einfaches Umstellen der oben formulierten Beziehung demnach für den VaRGesamtbank:
552
>RV1 ª (1 RF12 ) « «Kor2,1 RF2 RF1 « « Kor3,1 RF3 RF1 «Kor RF RF 4,1 4 1 ¬
RV2 RV3 RV4 @
Kor1,2 RF1 RF2 Kor1,3 RF1 RF3 Kor1,4 RF1 RF4 º» Kor2,3 RF2 RF3 Kor2,4 RF2 RF4 » (1 RF2 2 ) Kor3,2 RF3 RF2 Kor3,4 RF3 RF4 »» (1 RF3 2 ) » (1 RF4 2 ) Kor4,2 RF4 RF2 Kor4,3 RF4 RF3 ¼ ª RV1 º «RV » « 2» « RV3 » « » ¬RV4 ¼
Bezeichnet man den Zeilenvektor, der die Barwerte der zukünftigen Cash Flows enthält, mit p, die mit Hilfe der laufzeitspezifischen Risikofaktoren skalierte Korrelationskoeffizientenmatrix mit Q und die Transponente des Zeilenvektors mit p, , gilt für den Gesamtbank-VaR: VaR Gesamtbank
p Q p'
Die rechte Seite dieser Bestimmungsgleichung lässt sich nunmehr wie folgt erweitern: VaR Gesamtbank
p Q p'
p Q p' p Q p'
p
Q p' p Q p'
p
Q p' VaR Gesamtbank
Q p' wird als Delta-VaR (DelVaR) des GesamtbankVaR Gesamtbank portfolios bezeichnet. Hierbei handelt es sich nicht um einen einfachen Wert, sondern vielmehr um einen Spaltenvektor, dessen Zeilenanzahl durch die Anzahl an Zeilen der (skalierten) Korrelationskoeffizientenmatrix Q determiniert wird. Mit Hilfe der DelVar-Matrix lässt sich nun für jede im Bankportfolio enthaltene (Teil-) Position der sog. marginale Delta-Valueat-Risk bestimmen, der als Messgröße für die Zuweisung von ökonomischem Kapital verwendet werden kann. Für eine im Bankportfolio enthaltene (Teil-) Position i, deren barwertige Cash Flows im Zeilenvektor pi darstellbar sind, ergibt sich der folgende marginale DeltaValue-at-Risk:
Der enthaltene Quotient
mdVaR i
p i DelVaR
pi
Q p' VaR Gesamtbank
Da sich die Zahlungsströme sämtlicher im Gesamtbankportfolio enthaltenen (Teil-) Positionen additiv zum Zahlungsstrom der Gesamtbank zusammenfassen lassen, resultiert gemäß den zwei zuletzt genannten Gleichungen aus der Summe der marginalen Delta-VaR-Werte dieser Positionen wiederum genau der Gesamtbank-VaR. Formal bedeutet dies:
553
n
VaR Gesamtbank
§
¦ ¨¨ p i
©
i
Q p' VaR Gesamtbank
· ¸¸ ¹
p
Q p' VaR Gesamtbank
p Q p'
Um im Beispiel die marginalen Delta-VaR-Grössen der drei identifizierten Geschäftsbereiche und der darin enthaltenen organisatorischen Teileinheiten zu bestimmen, gilt es zunächst, die Matrix des Delta-VaR für das Bankportfolio zu bestimmen. Hierzu wird gemäß der erläuterten Vorgehensweise die skalierte Korrelationskoeffizientenmatrix Q benötigt. Auf Basis der in Abbildung 342 tabellierten Korrelationen bzw. Standardabweichungen der ZerobondAbzinsfaktoren ergibt sich für das Beispiel die folgende (4,4)-Matrix. Dabei wird weiterhin von einem Z-Wert in Höhe von 2 ausgegangen:
Q
ª (1 RF12 ) (Kor1,2 RF1 RF2 ) (Kor1,3 RF1 RF3 ) (Kor1,4 RF1 RF4 ) º » « 2) » «(Kor RF RF ) (1 RF (Kor RF RF ) (Kor RF RF ) 2,1 2 1 2 2,3 2 3 2,4 2 4 » « « (Kor RF RF ) (Kor RF RF ) (1 RF3 2 ) (Kor3,4 RF3 RF4 ) » 3,1 3 1 3,2 3 2 » « » «(Kor RF RF ) (Kor RF RF ) (Kor RF RF ) (1 RF4 2 ) 4,1 4 1 4,2 4 2 4,3 4 3 ¼ ¬
Q
ª92,7418 10 -5 « -5 «68,4618 10 «85,7943 10 -5 « -5 ¬«75,0228 10
68,4618 10 -5 2,48357 10 -5
85,7943 10 -5 1,80653 10 -5
1,80653 10 -5 1,63707 10 -5
5,05606 10 -5 3,45631 10 -5
75,0228 10 -5 º » 1,63707 10 -5 » 3,45631 10 -5 » » 6,07382 10 -5 ¼»
Der Delta-VaR des Beispielportfolios lässt sich ermitteln, indem diese Matrix mit den auf Gesamtbankebene bestimmten barwertigen Cash Flows (in Form eines Spaltenvektors) multipliziert und die resultierende (4,1)-Matrix anschließend durch den Gesamtbank-VaR dividiert wird. Die nachfolgenden Formeln illustrieren die notwendigen Kalkulationsschritte zur Quantifizierung des Delta-VaR-Vektors (zu den mathematischen Grundlagen der Matrix- bzw. Skalarmultiplikation vgl. z.B. CHIANG 1984).
DelVaR
ª92,7418 10 - 5 « -5 «68,4618 10 «85,7943 10 - 5 « «¬75,0228 10 - 5
DelVaR
ª 79,0244 10 - 3 º « -3 » «144,1195 10 » «267,6658 10 - 3 » « » «¬ 271,5215 10 - 3 »¼
554
68,4618 10 - 5 2,48357 10 - 5 1,80653 10 - 5 1,63707 10 - 5
85,7943 10 - 5 1,80653 10 - 5 5,05606 10 - 5 3,45631 10 - 5 42.199,3
42.199,3
ª1,8726 10 - 3 º « -3 » «3,4152 10 » «6,3429 10 - 3 » « » «¬6,4343 10 - 3 »¼
75,0228 10 - 5 º ª3.117.073º » « » 1,63707 10 - 5 » «1.541.144 » 3,45631 10 - 5 » «2.791.513» » « » 6,07382 10 - 5 »¼ ¬2.081.448¼
Auf Basis der obigen Zusammenhänge lassen sich die marginalen Delta-VaR-Werte nunmehr für jede im Bankportfolio enthaltene (Teil-) Position durch einfache Vektormultiplikation bestimmen. Um beispielsweise für den Geschäftsbereich A den mdVaRA zu bestimmen, muss der Zeilenvektor der barwertigen Cash Flows mit dem zuvor bestimmten Spaltenvektor des DelVaR multipliziert werden. Auf Basis der in Abbildung 343 angegebenen Cash FlowGrößen und den laufzeitspezifischen Zerobond-Abzinsfaktoren resultiert für den benötigten Zeilenvektor pA:
pA
0 0 0 º ª0,9756 « 0 0 , 9426 0 0 »» >1.650.000 445.000 1.065.000 360.000@ « « 0 0 0,9019 0 » » « 0 0 0,8548¼ ¬ 0
pA
>1.609.756
419.455 960.569 307.730@
Für den gesuchten marginalen Delta-Value-at-Risk des Geschäftsbereiches A gilt somit:
mdVaR A
ª1,8726 10 -3 º « -3 » >1.609.756 419.455 960.569 307.730@ ««3,4152 10 -3 »» 6,3429 10 « -3 » ¬«6,4343 10 ¼»
12.519,8 GE .
Gemäß der für den Geschäftsbereich A dargestellten Kalkulationsmethodik lassen sich auch für die beiden anderen Geschäftsbereiche sowie die darin enthaltenen organisatorischen Teileinheiten die marginalen Delta-VaR-Größen bestimmen. Abbildung 352 zeigt die quantifizierten Werte anhand des bekannten Allokationsbaumes. Gesamtbank VaR = 42.199,3 Geschäftsbereich A mdVaR = 12.519,8 A, I
A, II
A, III
mdVaR mdVaR mdVaR = = = 4.886,9 5.406,4 2.226,5
Geschäftsbereich B mdVaR = 15.041,9 B, I
B, II
B, III
mdVaR mdVaR mdVaR = = = 8.779,5 4.873,6 1.388,8
Geschäftsbereich C mdVaR = 14.637,6 C, I
C, II
C, III
mdVaR mdVaR mdVaR = = = 6.046,2 4.424,1 4.167,3
Abb. 352: Allokation von ökonomischem Kapital auf Basis marginaler Delta-VaR-Größen
Wie bereits formal verdeutlicht, lassen sich die in den verschiedenen Aggregationsstufen auf Basis marginaler Delta-VaR-Größen allokierten Risikokapitalbeträge additiv bis zum ökonomischen Kapital der Gesamtbank aggregieren (vgl. Abb. 352). Die für zwei Konsolidierungsstufen dargestellte Allokationsmethodik lässt sich zudem prinzipiell auch auf tiefere Aggrega555
tionsebenen übertragen. Bezüglich des im Rahmen der Kalkulation benötigten Delta-VaR des Bankportfolios ist weiterhin zu bemerken, dass dieser in seiner Konzeption dem für Optionspositionen bestimmten (linearen) Sensitivitätsparameter, dem Optionsdelta, ähnelt. Während das Optionsdelta die Beziehung zwischen der Wertveränderung des Basisinstrumentes und des Optionspreises (approximativ) beschreibt, zeigt der Delta-VaR die Sensitivität des Gesamtbank-VaR in Bezug auf Veränderungen in der Cash Flow-Struktur an. Alternativ lässt sich der marginale Delta-Value-at-Risk auch als Produkt aus dem Volumen des betrachteten Bereichs und der partiellen Ableitung des Gesamtbank-Value-at-Risk nach dem Bereichsvolumen ermitteln (vgl. Koch 2005, S. 72 f.). mdVaRi
= Vol i
wVaR Gesamtbank wVol i
mit: Vol i = Volumen des Geschäftsbereichs i
Auf diese Weise wird der prinzipiell nur für einen marginalen Bereich gültige partielle Grenzwert des Value-at-Risk als repräsentativer Durchschnittswert für die bereichsbezogene Gesamtposition herangezogen. Eine ähnliche Übertragung einer Grenz- auf eine Durchschnittsbetrachtung wird zulässigerweise im CAPM angewendet, in dessen Rahmen unabhängig vom konkreten Volumen des Gesamt-Portfolios stets eine identische Struktur des Gesamtmarktportfolios vorliegt. Für den marginalen Delta-Value-at-Risk gelten durch die Berücksichtigung der Diversifikationseffekte und der Gesamtvolumenstruktur weitere wesentliche Eigenschaften des CAPM, so dass dieser Ansatz für den Mikromarkt der Bank die analoge Größe zum systematischen Risiko bezogen auf den Gesamtmarkt im CAPM darstellt. Dementsprechend lässt sich der Delta-Value-at-Risk auch als Produkt aus Stand-alone-Valueat-Risk einer (Teil-) Position i und deren Korrelationskoeffizient zur Gesamtbank ermitteln: mdVaRi
= saVaRi * ki, Gesamtbank
Formal entspricht der marginale Delta-Value-at-Risk damit dem systematischen Risiko im CAPM, wobei sachlich zwei wesentliche Unterschiede zu berücksichtigen sind. Innerhalb des Mikromarktes eines einzelnen Kreditinstituts kann eher von einer Realitätsnähe der Prämissen des CAPM bezüglich Informationstransparenz und Homogenität der Erwartungen ausgegangen werden, als dies für den gesamten Kapitalmarkt unterstellt werden kann. Aus diesem Grund scheint der marginale Delta-Value-at-Risk angesichts der konzeptionellen Schlüssigkeit des zugrunde liegenden CAPM-Theoriegerüstes grundsätzlich als bankinterner Bewertungsansatz geeignet. Zu bemängeln ist jedoch, dass der Allokations- bzw. Optimierungsalgorithmus, welcher der Risikozurechnung im CAPM vorgeschaltet ist, im Konzept des marginalen Delta-Value-at-Risk entfällt bzw. dass dieser Zusammenhang nicht problematisiert wird. Das systematische Risiko stellt im Konzept des CAPM jedoch nur im unterstellten Kapitalmarktgleichgewicht einen plausiblen Risikomaßstab dar. In Analogie dazu darf der marginale Delta-Value-at-Risk als Übertragung des Konzepts des systematischen Risikos auf die interne Banksicht ebenfalls nur auf eine intern bereits optimierte Gesamtbankstruktur, nicht jedoch auf zufällig existente, suboptimale Strukturen angewendet werden.
556
e)
Verwendung des proportional adjustierten Delta-Value-at-Risk
Bei der Verwendung von Verfahren auf Basis des proportional adjustierten Delta-Value-atRisk wird die Value at Risk-Lücke analog zur Bestimmung und Verteilung der Kostenlücke im Kostenlückenverfahren ermittelt. Analog zu den Kostenlückenverfahren wird versucht, im Rahmen einer Allokation auf Basis der Beiträge zum Gesamtbankrisiko einen objektiven Performance-Vergleich zu ermöglichen. Als Kostenlücke bzw. Value at Risk-Lücke wird hierbei die Differenz zwischen dem Gesamtbank-VaR und der Summe des mit Hilfe des diskreten Delta-VaR allokierten ökonomischen Kapitals definiert (vgl. hierzu ausführlicher KINDER et al. 2001). Ziel dieser Verfahren ist es, diese Differenz mittels eines möglichst gerechten Schlüssels auf die Geschäftsbereiche zu verteilen. Die anhand des diskreten Delta-VaR ermittelten Risikokapitalbeträge zuzüglich des verteilten ökonomischen Kapitals bilden die Basis für die Performancemessung der Geschäftsbereiche. Zentral hierbei ist, dass nur eine als gerecht empfundene Allokationsform Grundlage für ein gutes Performancemaß sein kann (vgl. RAUHUT, B./SCHMITZ, N./ZACHOW, E.W. 1979). Die Anforderungen an ein solches Verfahren können mit Rückgriff auf die Spieltheorie wie folgt definiert werden (vgl. BAMBERG/COENENBERG 2006): •
Paretooptimalität: Die berechnete Verteilung ist undominiert.
•
Individuelle Rationalität: Keiner Sparte wird ein höheres Risiko verrechnet, als sie für sich alleine genommen besitzen würde.
•
Symmetrie: Haben zwei Sparten identische Korrelationen, Volumina und Standardabweichungen, so fällt für beide die gleiche Risikoverrechnung an.
•
Komplementäre Monotonie: Steigen die Risikokosten einer oder mehrerer Sparten, so dürfen die auf die anderen Sparten verteilten Kosten hierdurch nicht steigen.
•
Strohmanneigenschaft: Eine Sparte, die für die anderen keinerlei Nutzen bringt, bekommt den Value at Risk angerechnet, den sie auch für sich alleine genommen verursacht.
Aus den definierten Anforderungen geht hervor, dass das auf Basis des diskreten Delta-VaR zugewiesene Kapital die Risikokapital-Untergrenze für den jeweiligen Geschäftsbereich darstellt, während keinem Geschäftsbereich mehr ökonomisches Kapital zugewiesen werden kann, als das auf Basis von Stand-alone-Größen ermittelte Risikokapital. Analog zu den Verfahren zur Verteilung der Kostenlücke werden nun zusätzliche Informationen in die Definition der Unter- bzw. Obergrenzen mit einbezogen. So wird beispielsweise im IJ-Wert Verfahren (vgl. TIJS/DRIESSEN 1986) bei der Bestimmung der Obergrenze nicht allein auf die Stand-alone-Risikokapitalbeträge abgestellt. Stattdessen wird vom Gesamtbank-VaR die Summe der übrigen marginalen Risikokapitalbeträge abgezogen und das Resultat mit dem Stand-alone Risikokapital des betreffenden Geschäftsbereichs verglichen. Der kleinere der beiden Werte bildet sinnvollerweise die Oberschranke des Geschäftsbereichs. Alternativ dazu können wie beim modifizierten Grenzkostenverfahren auch für die Bestimmung der Untergrenze alle vorhandenen Informationen berücksichtigt werden. Nicht nur der marginale Beitrag eines Geschäftsbereichs zum Gesamtbank-VaR stellt die Unterschranke dar. Vielmehr wird zusätzlich der Beitrag des entsprechenden Geschäftsbereichs zum Risiko jeder mögli-
557
chen Kombination von Geschäftsbereichen bestimmt. Der so ermittelte kleinste Beitrag entspricht der neuen Unterschranke. Sind Unter- und Oberschranken bestimmt, erweist sich die Verteilung der Kosten- bzw. VaRLücke als unproblematisch. Diese erfolgt nun proportional zur Differenz der Ober- und Unterschranken, wie folgendes Beispiel verdeutlicht. Dabei wird wiederum von einem Gesamtbank-VaR in Höhe von 42,199 Mio. GE ausgegangen. Wird vom Gesamtbank-VaR die Summe der Unterschranken abgezogen, erhält man die zu verteilende Value at Risk-Lücke. Wie Abbildung 353 verdeutlicht, wird diese proportional zur Differenz der Ober- und Unterschranken verteilt. Oberschranke
Unterschranke
Differenz
Anteil an der VaR-Lücke in GE
Risikokapital Endbestand
(1)
(2)
(3) = (2) – (1)
(4)
(5) = (2) + (4)
GB A
12,776
12,411
0,365
0,365 · 0,314/0,942 = 0,122
12,533
GB B
15,325
14,884
0,441
0,441 · 0,314/0,942 = 0,147
15,031
GB C
14,726
14,590
0,136
0,136 · 0,314/0,942 = 0,045
14,635
Summe
42,827
41,885
0,942
0,314
42,199
Abb. 353: Verteilung der VaR-Lücke in Mio. GE (Kostenlücke = 42,199 Mio. GE – 41,885 Mio. GE = 0,314 Mio GE)
Die Oberschranke in der Beispielrechnung leitet sich dabei aus den unter B.I.2.a) ermittelten Stand-alone-VaR auf Ebene der Geschäftsbereiche her, deren Summe (unkorreliert) zu einem Value at Risk von 42,827 Mio. GE führt. Die Unterschranken bilden die diskreten DeltaValue-at-Risk-Größen auf Ebene der Geschäftsbereiche (siehe B.I.2.b)), die in der Summe (unkorreliert) einen Wert von 41,885 Mio. GE ergeben. Die VaR-Lücke (0,314 Mio. GE) ergibt sich aus der Differenz von Gesamtbank-VaR (42,199 Mio. GE) und der Summe der diskreten Delta-VaR (41,885 GE). Die Lücke wird anschließend proportional zum Anteil an der Summe der GB-spezifischen Differenzen von Ober- und Unterschranke auf die Geschäftsbereiche A bis C verteilt. Die Endbestände an Risikokapital der Geschäftsbereiche ergeben sich aus der Summe der Unterschranke (ddVaR) und der anteiligen Lücke. Die GB-spezifischen VaR summieren sich zum effektiven VaR auf Gesamtbankebene von 42,119 Mio. GE.
3.
Kritische Würdigung der Allokationsmethoden
Wie aus der Darstellung der alternativen Allokationsverfahren deutlich wurde, spielt das hierbei verwendete Risikomessverfahren eine zentrale Rolle bei der Zuweisung von ökonomischen Kapitalbeträgen im Bankportfolio. Insofern müssen zunächst die zur Messung der bankbetrieblichen Erfolgsrisiken verwendeten VaR-Konzepte in Bezug auf ihre Tauglichkeit zur Quantifizierung von ökonomischem Kapital näher betrachtet werden, bevor die alternativen Allokationsmodelle kritisch gewürdigt werden. Zur Beurteilung der VaR-basierten Risi-
558
komessverfahren und den darauf aufbauenden Allokationsmodellen werden wiederum die bereits vorgestellten Kriterien herangezogen (vgl. Abb. 340). Das erste Kriterium zur Beurteilung der VaR-basierten Risikomodelle bezieht sich auf den Umfang der Risikomessung. So lässt sich konstatieren, dass für die Bereiche der Markt- und der Gegenparteirisiken eine Erfassung der durch eine Bank diesbezüglich übernommenen Risikopotentiale in Form von VaR-Größen grundsätzlich möglich ist. Insbesondere für die Messung von Marktrisiken existieren mittlerweile eine Vielzahl von VaR-Modellen. Als Beleg für den fortgeschrittenen Entwicklungsstand in diesem Bereich kann die Tatsache gelten, dass VaR-basierte Marktrisikomodelle zunehmend in standardisierter Form auf dem Markt angeboten und verstärkt in der bankbetrieblichen Praxis eingesetzt werden. Auch für den Bereich der Gegenparteirisiken existieren mittlerweile einige standardisierte Risikomodelle. Im Vergleich zu den Marktrisiken ist hier jedoch davon auszugehen, dass diese Verfahren zur Bestimmung von kreditrisikoinduzierten VaR-Größen gegenwärtig noch nicht so weit entwickelt sind und daher ständig Modifikationen und Verbesserungen erfahren. Prinzipiell erscheint allerdings auch für diese Risikokategorie die Quantifizierung von ökonomischem Kapital im Sinne eines Value at Risk möglich. Für die operationellen Risiken fällt das Urteil dagegen zum jetzigen Zeitpunkt negativ aus. Zwar haben sowohl die Banken als auch die bankaufsichtlichen Behörden die Bedeutung dieser Risikokategorie erkannt (vgl. S. 507 ff.). Es existieren jedoch bislang keine methodisch überzeugenden Ansätze zur Bestimmung eines „operational Value at Risk“. Insgesamt kann also festgestellt werden, dass für die VaR-orientierte Risikomessung nicht von einer vollständigen Risikoerfassung ausgegangen werden kann. Ziel zukünftiger Forschungen wird neben der Verbesserung der gegenwärtig im Bereich der Markt- und Gegenparteirisiken vorhandenen Risikomodelle vor allem die Entwicklung von Verfahren zur quantitativen Abbildung operationeller Risiken sein. Schwierig dürfte sich diesbezüglich allerdings der Aufbau einer entsprechenden Datenbank erweisen, die Informationen zur Größe und Häufigkeit von Verlusten aus operationellen Risiken enthält (vgl. dazu S. 487 ff.). In Bezug auf das zweite Beurteilungskriterium, den Differenzierungsgrad der Risikomessung, ergibt sich für den Bereich der Marktrisiken ein positives Urteil. Aufgrund der Tatsache, dass hier eine große Palette von Modellvarianten existiert, ist eine differenzierte Vorgehensweise zur Bestimmung von VaR-Größen unter Berücksichtigung der spezifischen Charakteristika der jeweils untersuchten Marktrisikopositionen möglich. Zu nennen wäre hier z.B. die Problematik nicht-linearer Bewertungsfunktionen, der mit Hilfe sog. Simulationsverfahren begegnet wird (vgl. S. 86 ff.). Für den Bereich der Gegenparteirisiken ist dagegen ein vergleichsweise niedrigerer Differenzierungsgrad festzustellen. Ursache hierfür ist vor allem die Tatsache, dass die für das Gegenparteirisiko relevanten Risikoparameter nicht unmittelbar aus einem Bewertungsmodell extrahierbar sind und daher eher willkürlich festgelegt werden. So kann die im Rahmen des CREDITRISK+-Modells (vgl. S. 174) durchgeführte Sektoranalyse, die auf der Spezifikation sog. Hintergrundfaktoren basiert, als Versuch zur Identifizierung wertbestimmender Risikoparameter im Bereich der Gegenparteirisiken interpretiert werden. Ob damit tatsächlich die „rich-
559
tigen“ wertbestimmenden Risikoparameter ausgewählt wurden, bleibt letztlich unklar, da die konkreten Wirkungszusammenhänge zwischen den spezifizierten Hintergrundfaktoren und den beobachtbaren Verlusten im Kreditrisikobereich nicht bekannt sind. Damit unterscheiden sich die Kreditrisikomodelle entscheidend von den im Bereich der Marktrisiken verwendeten Ansätzen, bei denen die Wirkungszusammenhänge zwischen den relevanten Risikoparametern und dem Verlustpotential der Marktrisikopositionen über entsprechende Preisbildungsfunktionen im Sinne einer „mark-to-market“-Betrachtung dargestellt werden. Ein weiterer Vorzug der diskutierten (bankinternen) Risikomodelle ist in deren Fähigkeit zur Berücksichtigung von Risikoverbundeffekten zu sehen. So werden die innerhalb eines Portfolios auftretenden Diversifikationseffekte im Marktrisikobereich entweder explizit über die statistischen Korrelationen zwischen den wertbestimmenden Risikoparametern modelliert, oder bei den alternativ einzusetzenden Simulationsansätzen durch die Verwendung historischer Daten bzw. über einen Zufallsprozess implizit in den Kalkül integriert. Auch in den zur quantitativen Messung von Gegenparteirisiken entwickelten Risikomodellen werden Diversifikationseffekte im Rahmen der Portfolio-Betrachtung berücksichtigt. Da im Gegensatz zu den Marktrisiken die zugrundeliegenden Korrelationen zwischen den verschiedenen im Portfolio auftretenden „Kreditrisikoereignissen“ jedoch nicht unmittelbar beobachtbar sind, müssen diese über statistische Verfahren indirekt geschätzt und in den Kalkül integriert werden. Die diesbezüglich verwendeten Verfahren sind dabei ständig auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Das heißt, es gilt, die Prognosefähigkeit der Kreditrisikomodelle zu evaluieren, um gegebenenfalls entsprechende Anpassungen bzw. Kalibrierungen des Modells vorzunehmen. Zu erwähnen ist allerdings, dass eventuell vorhandene Diversifikationspotentiale zwischen den beiden genannten Risikokategorien (bzw. zu den gegenwärtig noch nicht quantifizierbaren operationellen Risiken) vernachlässigt werden. Insofern stellen die dargestellten Risikomessverfahren lediglich Teillösungen dar. Von einer integrierten Risikomessung, die auch die Risikoverbundeffekte zwischen den Marktrisiken, Gegenparteirisiken und operationellen Risiken berücksichtigt, kann somit nicht gesprochen werden. Ein weiterer Vorzug der Value at Risk basierten Risikomodelle stellt deren Fähigkeit dar, das ökonomische Risiko zu evaluierender (Teil-) Positionen in Abhängigkeit unterschiedlicher Eintrittswahrscheinlichkeiten und Haltedauern zu quantifizieren. Hierzu ist die Modellierung der Verteilung der wertbestimmenden Risikoparameter bzw. der Verteilung der Wertveränderungen der betrachteten (Teil-) Position notwendig. Da die für den Bereich der Markt- und Gegenparteirisiken diskutierten Risikomessverfahren grundsätzlich alle auf der Modellierung derartiger Verteilungen beruhen, lassen sich entsprechende Aussagen über das mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit maximal eintretende Verlustpotential einer (Teil-) Position innerhalb einer festgelegten Kalkulationsperiode (Haltedauer) machen. Die auf Basis dieser Risikomodelle quantifizierten Verlustpotentiale lassen sich daher im Gegensatz zu den mit Hilfe der aufsichtlichen Standardverfahren ermittelten Vergleichswerten als ökonomisches Kapital im engeren Sinn charakterisieren. Abbildung 354 stellt die Eignung der bankinternen Risikomodelle auf VaR-Basis nochmals anschaulich dar, wobei auf einen Vergleich mit traditionellen nicht-VaR-basierten Risikomethoden verzichtet wird.
560
Beurteilungskriterium
VaR-basierte Modelle
Vollständigkeit der Risikoerfassung (1)
0
Differenzierte Risikomessung (2)
+
Berücksichtigung von Risikoverbundeffekten (3)
+
Quantifizierung des ökonomischen Risikos für alternative Belastungsfälle bzw. Haltedauern (4)
++
Legende:
++ + 0
= = = = =
Kriterium vollständig erfüllt Kriterium annähernd erfüllt Kriterium teilweise erfüllt Kriterium kaum erfüllt Kriterium nicht erfüllt
Abb. 354: Beurteilung der diskutierten bankinternen Risikomessverfahren (VaR-Modelle)
Zur Beurteilung der alternativen Allokationsverfahren wird auch auf die in Abbildung 340 dargestellten Bewertungskriterien zurückgegriffen, die sich unmittelbar auf den Prozess der Allokation von ökonomischem Kapital beziehen. Das heißt, die verschiedenen Allokationsmodelle sind in der Folge dahingehend zu untersuchen, •
ob auf Basis des jeweils allokierten ökonomischen Kapitals eine Grenzbetrachtung durchführbar ist,
•
ob sich die zugewiesenen Risikokapitalbeträge summarisch zusammenfassen lassen,
•
ob eine objektive, unabhängige Kalkulation von ökonomischem Kapital für im Bankportfolio enthaltene (Teil-) Positionen möglich ist.
Betrachtet man das auf Stand-alone-Größen basierende Allokationsmodell näher, wird deutlich, dass die allokierten Risikokapitalbeträge nicht das Risiko wiedergeben, das die Bank durch das Eingehen einer (Teil-) Position zusätzlich übernimmt. Die allokierten Risikokapitalbeträge weisen somit keinen Grenzcharakter auf. Auch hinsichtlich der summarischen Aggregation des den einzelnen (Teil-) Positionen zugewiesenen ökonomischen Kapitals zum ökonomischen Kapital der jeweils übergeordneten Konsolidierungsstufe bzw. bis hinauf zum ökonomischen Kapital der Gesamtbank fällt das Urteil negativ aus. Ursache hierfür ist die Tatsache, dass die in jeder Aggregationsstufe zwischen den voneinander abgegrenzten (Teil-) Positionen auftretenden Risikoverbundeffekte bewusst unberücksichtigt bleiben. Dies hat zur Folge, dass die auf dem allokierten ökonomischen Kapital basierenden RAPM-Kennziffern verschiedener (Teil-) Positionen nicht durch einfache Addition der im Zähler befindlichen Ergebnisgrößen bzw. der im Nenner einzusetzenden Stand-alone-Risikokapitalbeträge aggregiert werden können. Umgekehrt kann aber auch ein für die Gesamtbank ermittelter Zielwert für eine RAPM-Kennzahl nicht unmodifiziert auf die verschiedenen Aggregationsebenen bzw. (Teil-) Positionen übertragen werden. Bezüglich der Unabhängigkeit von geschäftsstrukturellen Veränderungen der auf Standalone-VaR basierenden Allokation von ökonomischem Kapital ist zu konstatieren, dass für jede im Gesamtbankportfolio enthaltene (Teil-) Position ein Risikokapitalbetrag quantifiziert 561
werden kann, der unabhängig von den für andere (Teil-) Positionen kalkulierten Risikokapitalbeträgen ist. Ursache hierfür ist die isolierte Betrachtung der jeweiligen (Teil-) Position im Rahmen des Stand-alone-Kalküls. Der Einsatz dieser Risikokapitalbeträge zur Bestimmung von RAPM-Kennzahlen erscheint immer dann sinnvoll, wenn die risikoadjustierte Performance verschiedener (Teil-) Positionen miteinander verglichen werden soll. Die Unabhängigkeit der quantifizierten Stand-alone-Risikokapitalbeträge führt dazu, dass die für eine bestimmte (Teil-) Position ermittelte RAPM-Kennzahl nicht durch die in anderen Teileinheiten des Portfolios existierenden Geschäftsstrukturen und die daraus resultierenden Risikoverbundeffekte beeinflusst wird. Die im Rahmen einer Stand-alone-Betrachtung quantifizierten Risikokapitalbeträge stellen somit eine objektive Kalkulationsbasis für einen bankinternen Performance-Vergleich dar. Die auf diskreten Delta-Value-at-Risk-Größen basierende Allokation von ökonomischem Kapital zeichnet sich insbesondere durch die Fähigkeit des Modells aus, für jede abgegrenzte (Teil-) Position das hierdurch übernommene zusätzliche Risiko darzustellen. Dagegen ist ebenso wie bei der Stand-alone-Sichtweise eine summarische Zusammenführung der diskreten Risikokapitalbeträge bis zum ökonomischen Kapital des Gesamtbankportfolios nicht möglich, da die Ermittlung der diskreten Delta-VaR-Werte zu einer systematischen Mehrfacherfassung der im Bankportfolio existierenden Risikoverbundeffekte führt. Die Nicht-Additivität der spezifizierten (diskreten) Risikokapitalbeträge bedingt, ähnlich wie bei der Stand-aloneKalkulation, dass es zu Problemen bei der Aggregation der für verschiedene (Teil-) Positionen quantifizierten RAPM-Kennziffern kommt. Aber auch die Transformation gesamtbankbezogener RAPM-Kennzahlen in entsprechende Steuerungsgrößen für die verschiedenen (Teil-) Positionen wird hierdurch erschwert. Die Berücksichtigung sämtlicher Risikoverbundeffekte bei der Kalkulation diskreter VaRWerte hat zudem den Nachteil, dass die Höhe des ökonomischen Kapitals einer (Teil-) Position durch die Struktur des übrigen Bankportfolios wesentlich beeinflusst wird. Eine isolierte Quantifizierung des ökonomischen Kapitals einzelner Geschäftsbereiche oder organisatorischer Teileinheiten ist somit nicht möglich. Stattdessen ist damit zu rechnen, dass die für verschiedene (Teil-) Positionen bestimmten (diskreten) Risikokapitalbeträge im Zeitablauf nicht stabil sind. Treten im Bankportfolio strukturelle Veränderungen auf, werden sich auch die für die Ermittlung der diskreten Delta-VaR-Größen relevanten Diversifikationspotentiale innerhalb des Bankportfolios verändern. Im Gegensatz zur Stand-Alone-Kalkulation scheint ein auf diskreten Delta-VaR-Werten basierender Performance-Vergleich innerhalb des Bankportfolios nicht sinnvoll, da strukturelle Entscheidungen innerhalb eines Geschäftsbereiches über die veränderten Diversifikationspotentiale indirekt Einfluss auf das ökonomische Kapital eines anderen Geschäftsbereiches nehmen können. Ein wesentlicher Kritikpunkt des Allokationsverfahrens auf Basis von diskreten Delta-VaRGrößen ist, wie bereits erläutert, dessen mangelnde Eignung zur Performancemessung. Die angesprochenen Verfahren auf Basis von proportional adjustierten Delta-Value-at-Risk (Kostenlückenverfahren) erfüllen die oben postulierten spieltheoretischen Eigenschaften und können somit als wesentlicher Schritt in Richtung adäquate Performancemessung gesehen werden. Allerdings erhöht sich durch Verwendung dieser Verfahren der Komplexitätsgrad der Risikokapitalallokation wesentlich, was wiederum eine verringerte Transparenz und damit eventuelle Akzeptanzprobleme mit sich bringt. 562
Im Gegensatz zur Ermittlung der diskreten Delta-VaR-Werte werden bei der diskutierten Variante des auf proportional adjustierten VaR-Größen basierenden Allokationsmodells die Diversifikationspotentiale im Bankportfolio nicht mehrfach erfasst. Andererseits wird aber auch eine bewusste Vernachlässigung von Risikoverbundeffekten, wie im Fall der Stand-aloneKalkulation, vermieden. Statt dessen werden die zwischen den verschiedenen (Teil-) Positionen existierenden Diversifikationspotentiale entweder mit Hilfe eines gesamtbankbezogenen (einheitlichen) Adjustierungsfaktors oder über mehrere stufenspezifische Adjustierungsparameter in den Kalkül integriert. Die Vermeidung von Mehrfacherfassungen einerseits und die vollständige Berücksichtigung sämtlicher Risikoverbundeffekte andererseits ermöglicht im Gegensatz zu den beiden zuvor analysierten Allokationsverfahren eine additive Verknüpfung der im Bankportfolio allokierten Risikokapitalbeträge bis hin zum ökonomischen Kapital der Gesamtbank. Die Berücksichtigung der Risikoverbundeffekte über Adjustierungsfaktoren bedingt allerdings, dass eine isolierte, unabhängige Quantifizierung von ökonomischem Kapital für die im Bankportfolio abgegrenzten Teileinheiten nicht mehr möglich ist. Ursache hierfür ist die Tatsache, dass die zur Anpassung der Stand-alone-VaR-Größen verwendeten Adjustierungsfaktoren durch die Struktur des Gesamtbankportfolios und die damit einhergehenden Risikoverbundeffekte beeinflusst werden. Da sich die Zusammensetzung des Gesamtbankportfolios jedoch im Zeitablauf ändern kann, müssen auch die Adjustierungsfaktoren als zeitlich instabil charakterisiert werden. Mit anderen Worten, je nachdem, wie sich das Gesamtbankportfolio zusammensetzt, ergeben sich für die auf Basis proportional adjustierter Stand-alone-VaR allokierten Risikokapitalbeträge unterschiedliche Werte. Damit eignen sich die um die Diversifikationspotentiale adjustierten Risikokapitalbeträge ebenso wenig wie die diskreten DeltaVaR-Werte zur Durchführung eines objektiven Performance-Vergleichs. Darüber hinaus quantifizieren die auf Basis proportional adjustierter VaR-Größen allokierten Beträge auch nicht das durch den Aufbau einer (Teil-) Position übernommene zusätzliche Risiko. Die auf proportional adjustierten VaR-Werten basierende Allokationsmethodik ermöglicht somit ebensowenig eine Grenzbetrachtung, wie das auf Stand-alone-Größen basierende Modell. Auch die mit Hilfe des marginalen Delta-VaR quantifizierten Risikokapitalbeträge unterscheiden sich von den mit Hilfe des diskreten Delta-VaR bestimmten Vergleichswerten. Allerdings ist festzustellen, dass die marginalen Delta-VaR-Größen vergleichsweise am besten in der Lage sind, das marginale Risiko einer (Teil-) Position zu approximieren. Beleg hierfür sind die relativ geringen Abweichungen der marginalen Delta-VaR-Werte von den diskreten Delta-VaR-Größen der im Beispiel analysierten organisatorischen Teileinheiten bzw. Geschäftsbereiche (vgl. Abb. 352 und Abb. 347). Von Vorteil ist zudem die Möglichkeit, die für die verschiedenen Teileinheiten eines Portfolios quantifizierten Risikokapitalbeträge additiv zum ökonomischen Kapital des gesamten Portfolios zusammenzufassen. Grund hierfür ist die Tatsache, dass die zur Bestimmung marginaler Delta-VaR benötigten (barwertigen) Cash Flows der verschiedenen (Teil-) Positionen in der Summe den (barwertigen) Zahlungsstrom des Gesamtbankportfolios ergeben. Damit ist die Multiplikation der barwertigen Zahlungsströme der verschiedenen (Teil-) Positionen mit dem Vektor des DelVaR und die anschließende Summierung der resultierenden mdVaR-Werte mathematisch äquivalent zur Multiplikation der barwertigen Zahlungsströme des Gesamtbankportfolios mit dem DelVaR-Vektor.
563
Hinsichtlich der Unabhängigkeit geschäftsstruktureller Veränderungen des im Bankportfolio allokierten ökonomischen Kapitals bestehen jedoch grundsätzlich die gleichen Probleme wie bei dem auf proportional adjustierten VaR-Größen basierenden Allokationsmodell. Die dem betrachteten Verfahren zugrundeliegenden marginalen Delta-VaR-Größen hängen sowohl von der Höhe der barwertigen Cash Flows der jeweiligen (Teil-) Positionen als auch vom Vektor des DelVaR des Gesamtbankportfolios ab. Dieser Vektor wird jedoch seinerseits durch den Value at Risk des Gesamtportfolios und die auf Gesamtbankebene erwarteten Zahlungsströme determiniert. Strukturelle Veränderungen innerhalb des Gesamtbankportfolios können somit im Zeitablauf zu Veränderungen des DelVaR führen, wodurch auch die marginalen Delta-VaR der im Bankportfolio enthaltenen Teileinheiten als zeitlich instabil anzusehen sind. Mit anderen Worten, ähnlich wie bei der Ermittlung diskreter Delta-VaR-Werte und der auf proportional adjustierten VaR-Größen basierenden Allokation von ökonomischem Kapital ist auch hier eine objektive, unabhängige Quantifizierung von ökonomischem Kapital für im Bankportfolio enthaltene (Teil-) Positionen nicht möglich. Zu kritisieren ist hinsichtlich des Konzeptes des marginalen Delta-Value-at-Risk jedoch insbesondere, dass der Anwendung des marginalen Delta-VaR kein expliziter Optimierungsalgorithmus vorgeschaltet ist. Dies wäre jedoch notwendig, da dessen Einsatz nur bei bereits optimierten Portfoliostrukturen zulässig ist (vgl. B.I.2d)). Abbildung 355 fasst die für die alternativen Allokationsverfahren gewonnenen Analyseergebnisse nochmals in Form des bereits bekannten ordinalen Bewertungsmodells zusammen (vgl. SCHIERENBECK et al. 2003, S. 58). Die Übersicht macht deutlich, dass keines der diskutierten Allokationsverfahren in der Lage ist, den idealtypisch formulierten Anforderungskatalog vollumfänglich zu erfüllen. Aus der Beurteilung geht jedoch hervor, dass je nach Zielsetzung der durchgeführten Analyse unterschiedliche Verfahren zur Allokation von ökonomischem Kapital einzusetzen sind. Geht es beispielsweise um die Beantwortung der Frage, wie sich der Risikostatus einer Bank durch das Hinzufügen bzw. die Eliminierung einer (Teil-) Position aus dem Bankportfolio verändert, scheint das auf diskreten Delta-VaR-Größen basierende Verfahren am geeignetsten. Dagegen ermöglicht nur das mit Stand-alone-Werten operierende Modell eine objektive Vergleichbarkeit der Risikoperformance verschiedener im Bankportfolio enthaltener (Teil-) Positionen im Zeitablauf. Im Hinblick auf die anzustrebende Additivität der allokierten Risikokapitalbeträge sind dagegen die auf proportional adjustierten VaR-Größen basierenden Modellvarianten bzw. das auf den marginalen Delta-VaR abstellende Verfahren vorteilhaft. Eine Aussage, welches der diskutierten Allokationsverfahren letztlich das „Beste“ ist, kann somit nicht eindeutig getroffen werden. Festzuhalten bleibt jedoch, dass die alternativen Allokationsmodelle je nach zu beantwortender Fragestellung offensichtlich unterschiedlich gut geeignet sind.
564
Allokation von ökonomischem Kapital auf Basis von: Beurteilungskriterium St.-a.-VaR
ddVaR
aVaR
mdVaR
KlVaR
Grenzcharakter des allokierten Risikokapitals (5)
++
0
0
Summarische Aggregation des allokierten Risikokapitals (6)
++
++
++
Unabhängigkeit von geschäftsstrukturellen Veränderungen (7)
++
–
–
Legende:
++ + 0
= = = = =
Kriterium vollständig erfüllt Kriterium annähernd erfüllt Kriterium teilweise erfüllt Kriterium kaum erfüllt Kriterium nicht erfüllt
Abb. 355: Beurteilung alternativer Verfahren zur Allokation von ökonomischem Kapital
LITERATURHINWEISE ARNSFELD, T. (2002) BAMBERG, G./COENENBERG, A.G. (2006) CHIANG, A.C. (1984) GARMAN, M. (1996) GARMAN, M. (1997) KINDER, CH. et al. (2001) KOCH, U. (2005) LISTER, M. (1997) MATTEN, C. (2000) PAUL, ST. (2001)
RAUHUT, B./SCHMITZ, N./ZACHOW, E.W. (1979) SCHIERENBECK, H./LISTER, M./HERZOG, M. (1998) SCHIERENBECK, H. et al. (1997) SCHIERENBECK, H. et al. (2003) SCHWARZ, M. (2004) TIJS, S. H./DRIESSEN, T.S.H. (1986) ZAIK, E. et al. (1996)
565
II.
Risikokapitalallokation unter zusätzlicher Berücksichtigung von Rendite-/Risikorelationen
1.
Zum Problem der optimalen Risikokapitalallokation
Ziel der Risikokapitalallokation ist es, den Kapitaleinsatz im Sinne des Risiko-ChancenKalküls zu optimieren. Die Höhe des maximal zulässigen Risikokapitals wird zunächst durch den Risikoträgfähigkeitskalkül vorgegeben. Darauf basierend kann der Mindest-RORAC formuliert werden. Dieser soll für jede eingesetzte Einheit Risikokapital innerhalb der Bank mindestens erwirtschaftet werden. Darüber hinaus kann auch ein höherer Ziel-RORAC bestimmt werden. Im Folgenden wird vereinfacht von der Gleichsetzung von Ziel- und MindestRORAC ausgegangen und generell von Ziel-RORAC gesprochen. Zur Bestimmung des ZielRORAC wurde auf das Verfahren 2 (vgl. S. 48 ff.) zurückgegriffen. Um dieses Ziel zu erreichen, muß der Kapitaleinsatz für die Geschäftsbereiche geplant werden. In einer allgemeinen Vorgehensweise gilt zunächst, daß den Geschäftsbereichen nur Risikokapital zugewiesen werden soll, wenn es diesen voraussichtlich gelingen wird, den ZielRORAC mindestens zu erreichen oder gar zu übertreffen. Um im Planungsprozeß Aussagen hierüber machen zu können, müssen die Geschäftsbereiche definieren, welche PlanRORAC-Werte sie für die kommenden Abrechnungsperioden erwarten. Beim anschließenden Vergleich des Plan-RORAC mit dem Ziel-RORAC wird entschieden, ob die Benchmark erreicht wird und eine Zuweisung von Risikokapital sinnvoll ist. Die folgenden zwei Aspekte sollen das Verhältnis von Ziel-RORAC, Plan-RORAC, Gesamtbank-Value at Risk und Gesamtbank-Limit im Rahmen des Allokationsprozesses verdeutlichen: 1.
Der Value at Risk der Gesamtbank darf das Gesamtbank-Risikolimit nicht übersteigen. Wird diese Bedingung nicht erfüllt, so sind die Risikopositionen in den Geschäftsbereichen, vorzugsweise die mit den niedrigsten Plan-RORAC-Werten, nach Möglichkeit abzubauen. Dieser Schritt ist auch dann zu unternehmen, wenn ansonsten die PlanRORAC-Werte der Bereiche den Ziel-RORAC übersteigen.
2.
Wird das Gesamtbank-Risikolimit nicht überschritten, ist die Abstimmung des ZielRORAC mit dem Plan-RORAC vorzunehmen. Ziel ist es dabei, den Plan-RORAC durch Umschichtungen in der Geschäftsstruktur zu verbessern. Unabhängig davon, ob der Plan-RORAC den Ziel-RORAC übersteigt, geringer als dieser ausfällt oder diesem in seiner Höhe gerade entspricht, trägt dieser Schritt zu einer Verbesserung des Gesamtbank-Ergebnisses bei. Insbesondere wenn der Plan-RORAC geringer ausfällt als der ZielRORAC, kann dadurch eventuell eine Annäherung des Plan-RORAC an den ZielRORAC bewirkt werden. Wenn das Gesamtbank-Limit voll ausgeschöpft wird, erfolgen die Umschichtungen von Geschäftsbereichen mit einem hohen Plan-RORAC zu Lasten derjenigen mit einem geringen Plan-RORAC, sofern dies möglich ist und der Gesamtbank-RORAC dadurch steigt.
Grundsätzlich können im Rahmen des Allokationsprozesses „top-down“ und „bottom-up“Ansätze voneinander abgegrenzt werden.
566
Beim „top-down“-Allokationsprozess wird auf Ebene der Gesamtbank ein bestimmtes Risikokapital fixiert. Dieses bringt den durch den Vorstand definierten „Risikoappetit“ der Gesamtbank zum Ausdruck. Im Rahmen der „top-down“-Allokation des Risikokapitals sind zwei Aspekte zu berücksichtigen. 1.
Werden im Rahmen der Allokation zwischen den Geschäftsbereichen keine vollständig positiven Korrelationen unterstellt, so kann diesen in der Summe mehr Risikokapital zugeführt werden, als auf Gesamtbankebene fixiert wurde.
2.
Die Zuweisung des Risikokapitals erfolgt auf der Grundlage der Plan-RORAC der Geschäftsbereiche und des Ziel-RORAC der Gesamtbank. Eine Zuweisung von Risikokapital in einen Geschäftbereich macht lediglich Sinn, wenn der Plan-RORAC mindestens dem Ziel-RORAC entspricht. Soll der geplante RORAC der Gesamtbank maximiert werden, wird zuerst derjenige Geschäftsbereich mit dem höchsten Plan-RORAC ausreichend mit Risikokapital ausgestattet. Dies wiederholt sich beim zweitbesten und sämtlichen nachfolgenden Geschäftsbereichen gemäss der Rangfolge der geplanten RORAC-Werte. Dieser Prozess dauert so lange an, bis die Menge an zugewiesenem Risikokapital auf die Geschäftsbereiche und unter Berücksichtigung der Geschäftsbereichs-Korrelationen der Menge des definierten Risikokapitals auf Gesamtbankebene entspricht. Im Rahmen eines dynamischen Prozesses können Umschichtungen des Risikokapitals vorgenommen werden, mit dem Ziel den Gesamtbank-Plan-RORAC zu verbessern.
Bei einem „bottom-up“-Allokationsprozess werden auf unteren Ebenen, wie beispielsweise den Geschäftsbereichen, die Risikovolumina und die zu erwartenden Nettoergebnisse geplant. Auf einer höher liegenden Ebene (z.B. Gesamtbank) lassen sich die Ergebnisbeiträge der Geschäftsbereiche unter Berücksichtigung von Korrelationseffekten zum Plan-Ergebnisbeitrag der Gesamtbank zusammenfassen. Dabei können die risikomindernden Korrelationseffekte aus dem Zusammenfügen von Geschäftsbereichen einer zentralen Risikomanagement-Einheit (z.B. Portfoliomanagement) zugerechnet werden. Alternativ besteht die Möglichkeit, die Korrelationen zurück an die Geschäftsbereiche zu verteilen, was zu einer budgetären Reduktion des Risikokapitals auf dieser Ebene führt. Auch bei dieser Vorgehensweise können nachgelagert geschäftsstrukturelle Umschichtungen bei gleich bleibendem oder verändertem Risikokapital vorgenommen werden, um die Risikoperformance auf Ebene der Gesamtbank zu verbessern. Unabhängig davon, ob die Allokation „top-down“ oder „bottom-up“ vorgenommen wird, müssen eine Reihe von schwierigen Problemen gelöst werden. Eine erste Problematik besteht darin, den Ziel-RORAC vergleichbar zu machen mit den einzelnen Plan-RORAC-Werten der Geschäftsbereiche. Anhand der folgenden BeispielBank soll die Problemstellung veranschaulicht werden. Den Berechnungen wird exemplarisch der Ansatz des Stand-alone Value at Risk (vgl. S. 540 ff.) zu Grunde gelegt. Die Bank verfügt über drei Geschäftsbereiche (GB) A, B und C. Der Ziel-RORAC von 45 % wurde aus den Ergebnisanforderungen für Risikopositionen hergeleitet. Für die Planung der Risikokapitalallokation werden die Stand-alone-Werte für den Value at Risk der Geschäftsbereiche ermittelt (vgl. Abb. 356). Für diese werden im Beispiel 9.000 GE (GB A), 5.000 GE (GB B) und 4.000 GE (GB C) unterstellt. Im Sinne einer „bottom-up“-Vorgehensweise gilt es, auf dieser Grundlage zunächst die Plan-RORAC der Geschäftsbereiche zu ermitteln: 567
GB A
GB B
GB C
(1) geplante Stand-alone Value at Risk (in GE)
9.000
5.000
4.000
(2) geplante Nettoergebnisse (in GE)
2.600
1.500
1.500
28,89 %
30,00 %
37,50 %
(3) = (2) / (1) Plan-RORAC (Stand-alone)
Abb. 356: Ertrags- und Risikostruktur der einzelnen Geschäftsbereiche in der Ausgangssituation
Wird zunächst davon ausgegangen, dass zwischen den Geschäftsbereichen keine Diversifikationseffekte auftreten, so resultiert auf Grundlage der Struktur dieser Beispiel-Bank ein Gesamtbank-Plan-RORAC (ohne Einrechnung von Diversifikationseffekten) von
2.600 GE 1.500 GE 1.500 GE 18.000 GE
31,11 %.
Keiner der Geschäftsbereiche würde in diesem Fall den Ziel-RORAC von 45 % erreichen. Anders sieht der Sachverhalt aus, wenn zwischen den Geschäftsbereichen jedoch Korrelationen kleiner eins bestehen. Im Beispiel mag gelten: ª 1 0,25 - 0,05º Geschäftsbereichs-Korrelationen = «« 0,25 1 0,1 »» «¬- 0,05 0,1 1 »¼
Damit lässt sich das Risikokapital sowie der Gesamtbank-Plan-RORAC (mit Einrechnung von Diversifikationseffekten) ermitteln. Es wird unterstellt, dass der Gesamtbank-Value at Risk gerade dem Risikolimit der Beipiel-Bank entspricht ª 1 0,25 - 0,05º ª9.000 º Gesamtbank-VaR = >9.000 5.000 4.000@ «« 0,25 1 0,1 »» ««5.000 »» 12.037,44 GE «¬- 0,05 0,1 1 »¼ «¬4.000»¼
und der Gesamtbank-Plan-RORAC (mit Einrechnung von Diversifikationseffekten) beträgt somit 2.600 GE 1.500 GE 1.500 GE 12.037,44 GE
46,52 %.
Gesamthaft wird der Ziel-RORAC von 45 % mit einem Plan-RORAC von 46,52 % somit auf Grundlage der bestehenden Struktur übertroffen. Um nun den Ziel-RORAC nun mit den Planwerten der Geschäftsbereiche vergleichbar zu machen, muß dieser also auf das unkorrelierte Risikokapital umbasiert und somit zu einem Ziel-RORAC, der den Diversifikationseffekt noch nicht enthält, übergeleitet werden. Zu diesem Zweck wird der Ziel-RORAC (hier angenommen: 45 %) mit dem Verhältnis von korreliertem Risikokapital (12.037,44 GE) zur Summe der Stand-alone Value at Risk der Geschäftsbereiche (9.000 GE + 5.000 GE + 4.000 GE = 18.000 GE) korrigiert (vgl. Abb. 357).
568
Ziel-RORAC (ohne Einrechnung von Diversifikationseffekten)
Gesamtbank-Ziel-RORAC
45,00 % · (12.037,44 GE / 18.000 GE) = 30,09 % +
45,00 %
Diversifikations-Effekt 45,00 % - 30,09 % = 14,91 %
Abb. 357: Herleitung des Ziel-RORAC (ohne Einrechnung von Diversifikationseffekten)
Durch Multiplikation des Gesamtbank-Ziel-RORAC mit 66,87 % (= 12.037,44 GE / 18.000 GE) errechnet sich der Ziel-RORAC (ohne Einrechnung von Diversifikationseffekten) in Höhe von 30,09 %. Die Differenz der beiden RORAC-Werte (45,00 % – 30,09 % = 14,91 %) entspricht dem Diversifikationseffekt. Durch die Gegenüberstellung dieser Größen mit den Plan-RORAC der Geschäftsbereiche verfügt man nun über die rechnerische Grundlage, um Aussagen über die risikoadjustierte Rentabilität dieser machen zu können (vgl. Abb. 358). Dabei wird festgestellt, daß der GB A den Ziel-RORAC nicht erreicht, der GB B einen Plan-RORAC aufweist, der ungefähr dem ZielRORAC entspricht und der GB C den Ziel-RORAC bei weitem übertrifft. GB A (1) Ziel-RORAC (ohne Einrechnung von Diversifikationseffekten)
GB B
GB C
30,09 %
(2) Plan-RORAC (Stand-alone)
28,89 %
30,00 %
37,50 %
(3) = (1) – (2)
- 1,20 %
- 0.09 %
+ 7,41 %
Abb. 358: Vergleich der Plan-RORAC der Geschäftsbereiche mit dem Gesamtbank-Ziel-RORAC (ohne Einrechnung von Diversifikationseffekten)
Würde man auf Grundlage dieser Entscheidungsbasis sich entschliessen, den GB A vollständig abzubauen und das Risikokapital, unter der Annahme gleichbleibender Plan-RORAC der Geschäftsbereiche, dem GB C zuzuführen, ergibt sich folgende neue Zuweisung von Risikokapital:
569
GB A
GB B
GB C
(1) geplante Stand-alone Value at Risk (in GE)
0
5.000
13.000
(2) geplanter Nettoergebnisse (in GE)
0
1.500
4.875
0,00 %
30,00 %
37,50 %
(3) = (2) / (1) Plan-RORAC (Stand-alone)
Abb. 359: Ertrags- und Risikostruktur der einzelnen Geschäftsbereiche nach Reallokation
Unter Annahme derselben Geschäftsbereichs-Korrelationen und konstanter Plan-RORACWerte der Geschäftsbereiche errechnet sich dadurch der folgende neue Gesamtbank-Value at Risk: ª 1 0,25 - 0,05º ª 0 º >0 5.00013.000@ «« 0,25 1 0,1 »» «« 5.000 »» 14.387,50 GE «¬- 0,05 0,1 1 »¼ «¬13.000»¼
Aus dieser veränderten Allokation des Risikokapitals resultiert ein Gesamtbank-PlanRORAC (ohne Einrechnung von Diversifikationseffekten) von
5.000 GE 13.000 GE 18.000 GE
35,42 %.
Es zeigt sich, dass dieser durch die angesprochenen Umschichtungen erheblich verbessert werden konnte. Der Gesamtbank-Plan-RORAC (mit Einrechnung von Diversifikationseffekten) beträgt neu 5.000 GE 13.000 GE 14.387,50 GE
44,31 %
und verschlechtert sich somit gegenüber der ursprünglichen Situation um 2,21 %. Der Abbau eines der drei Geschäftsbereiche führt zu nicht zu vernachlässigenden Auswirkungen auf den Grad der Diversifikation zwischen diesen. Wie Abbildung 360 entnommen werden kann, bricht der Diversifikationseffekt auf Gesamtbankebene um annähernd die Hälfte auf einen Wert von 8,89 % ein. Dies bleibt natürlich nicht ohne Auswirkungen auf den Gesamtbank-Plan-RORAC, der aufgrund der Veränderung des Diversifikationseffektes sogar geringer ausfällt als in der Ausgangssituation. Ebenfalls ist zu beachten, dass nach Reallokation mit einem Plan-RORAC (mit Einrechnung von Diversifikationseffekten) von 44,31 % der Ziel-RORAC von 45 % nicht mehr erreicht werden kann. Dies im Unterschied zur Ausgangssituation, wo der Ziel-RORAC mit einem Plan-RORAC (mit Einrechnung von Diversifikationseffekten) von 46,52 % übertroffen wurde.
570
Ausgangssituation
Plan-RORAC (ohne Einrechnung von Diversifikationseffekten)
Plan-RORAC (mit Einrechnung von Diversifikationseffekten)
31,11 %
46,52 %
Diversifikationseffekt
+
46,52 % - 31,11 % = 15,41 % nach Reallokation
Plan-RORAC (mit Einrechnung von Diversifikationseffekten) 44,31 %
Plan-RORAC (ohne Einrechnung von Diversifikationseffekten) 35,42 % + Diversifikationseffekt 44,31 % - 35,42 % = 8,89 %
Abb. 360: Entwicklung von Plan-RORAC, Plan-RORAC (ohne Korrelation) und des Diversifikations-Effektes durch die Reallokation
Weitere Probleme resultieren aus den Auswirkungen von Umschichtungen der Geschäftstruktur. Werden nur schon geringe volumenmäßige Veränderungen in einem Geschäftsbereich vorgenommen, bleibt dies in der Realität zweifelsohne nicht ohne Auswirkung auf die Geschäftsbereichs-Plan-RORAC-Werte. Diese wurden in dem vorangehenden Beispiel als konstant unterstellt. Die Optimierung der Allokation von Risikokapital stellt somit ein vielschichtiges Problem dar, in dessen Zentrum die Maximierung gesamtbankbezogener Zielgrössen stehen muss. Die Maximierung der Zielgröße muß unter Einhaltung gesetzter Nebenbedingungen erfolgen. Die Einhaltung geltender nationaler aufsichtlicher Normen stellt eine zwingende Voraussetzung dar. Dabei müssen die vorhandenen Eigenmittel zwingend zu jedem Zeitpunkt minestens dem aufsichtlichen Eigenmittelbedarf entsprechen. Als bankinternes Pendant zu den aufsichtlichen Normen müssen die internen Risikogrundsätze erfüllt werden. Dabei ist stets darauf zu achten, daß das Totalverlustpotenzial das Risikotragfähigkeitspotenzial mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht übersteigt. Neben diesen beiden zentralen Restriktionen zur Risikobegrenzung müssen bei der Lösung des Optimierungsproblems weitere zahlreiche technische und strategische Nebenbedingungen berücksichtigt werden. Die technischen Restriktionen resultieren 571
zumeist aus vertraglichen Verpflichtungen im Kundengeschäft, Beschlüssen der Generalversammlung (z.B. bedingte Kapitalerhöhung) sowie marktlichen Gegebenheiten. Aus strategischer Sicht ist jedoch zu hinterfragen, ob bestimmte technisch mögliche Veränderungen aus dem Blickwinkel einer längerfristigen Markt- und Kundensicht auch tatsächlich Sinn machen. Falls dies nicht gegeben ist, erscheint es zweckmäßig, die Restriktionen aus strategischer Sicht zu revidieren. Im Folgenden werden drei Modelle zur optimierten Allokation von Risikokapital vorgestellt, die sich hinsichtlich ihrer grundsätzlichen Vorgehensweise unterscheiden. Den Anfang macht ein modellanalytischer Ansatz auf der Grundlage der linearen Planungstechnik. Das Risikokapital wird hierbei als gegeben gesetzt (B.II.2.). Im Anschluss daran wird die Bestimmung des optimalen Gesamtbankrisikokapitals selbst zum Problem erhoben (B.II.3.), bevor in B.II.4. mit dem Modell der dualen Risikokapitalallokation auch risikoreduzierende Portfolioeffekte integriert werden.
2.
Modellanalytische Rendite-/Risiko-Optimierung der Bilanzstruktur
Zur integrierten Rendite-/Risiko-Optimierung wird im Folgenden ein Modell in seinen Grundzügen vorgestellt, das durch ein sukzessives Vorgehen unter vereinfachenden Annahmen die Herleitung der rendite-/risiko-optimalen Bilanzstruktur bei gegebenem Risikokapital ermöglicht. Es handelt sich dabei um ein lineares Planungsmodell, das im Rahmen eines Entscheidungsfeldes – abgesteckt durch verbindlich zu erfüllende Nebenbedingungen und charakterisiert durch eine zu maximierende Zielfunktion sowie eine endliche Anzahl von Handlungsalternativen – die mathematische Bestimmung einer risiko- und rentabilitätspolitisch optimalen Bilanzstruktur ermöglicht. Die Ausführungen basieren auf einem vom Autor vorgestellten Modell zur Bilanzstrukturoptimierung mit Hilfe eines linearen Planungsansatzes (SCHIERENBECK 1987a und 1999a). In das hier vorgestellte Modell sind neu die Steuerungsimplikationen des Dualen Steuerungsmodells integriert (vgl. hierzu ausführlich WÖHLE 2003).
a)
Bestimmungsfaktoren der optimalen Bilanzstruktur im Modell
Um das komplexe und umfangreiche bankbetriebliche Entscheidungsfeld sowie die diesbezüglichen Rahmenbedingungen auf das Wesentliche zu reduzieren, beinhaltet das Modell eine Reihe von Annahmen und Vereinfachungen, die im Folgenden zunächst kurz zu erläutern sind. Es gilt, unter Rentabilitäts- und Risikokriterien eine einfache Bilanzstruktur für einen Planungszeitraum von einem Jahr zu optimieren. Die Zielfunktion bezieht sich ausschließlich auf den Zinsüberschuss, also eine periodische Erfolgsgröße. Dies ist gleichbedeutend damit, dass der Gewinn maximiert wird, wenn der Zinsüberschuss die einzige Ertragsquelle darstellt und die Kostenkomponenten (Betriebs- und Risikoaufwendungen) gleich Null gesetzt werden oder aber alternativ dazu angenommen wird, dass die entsprechenden Kosten während des Planungszeitraumes vereinfachend als fix angesehen werden können. Die Maximierung dieser periodischen Gewinngröße bedeutet gleichzeitig die Optimierung des Rendite-/RisikoVerhältnisses, wenn man von einem gegebenen Risiko ausgeht, also das Eingehen von Risiken limitiert wird und diese Limite auch voll ausgeschöpft werden. Sobald dies nicht der Fall
572
ist, sind alternative Konstellationen hinsichtlich ihrer Rendite-/Risikoeigenschaften gegeneinander abzuwägen. Bei der Begrenzung des Risikos im Modell wird für das aus den aktivischen Positionen resultierende Kreditrisiko und für das Liquiditätsrisiko auf aufsichtliche Vorschriften zurückgegriffen. Die Limitierung des Zinsänderungsrisikos hingegen erfolgt unter Einsatz des Elastizitätskonzeptes. Die Herleitung der optimalen Bilanzstruktur erfolgt in zwei Stufen. Zunächst wird der Zinsüberschuss, der aus den dezentral zu verantwortenden Kundengeschäften resultiert, maximiert, wobei dabei bestimmte zentral vorgegebene Risikostrukturnormen zu berücksichtigen sind. Deren Einhaltung ist auf Kundengeschäftsebene erforderlich, um einen entsprechenden Beitrag dazu zu erbringen, dass die gesamtbankbezogenen Ziele erreicht werden können. In einem zweiten Schritt wird die Bilanzstruktur insgesamt optimiert, indem die zentral zu verantwortenden Risikostrukturnormen unter Rendite-/Risikoaspekten bei gegebener Kundengeschäftsstruktur möglichst gut ausgenutzt werden. Damit orientiert sich diese Vorgehensweise an den Grundprinzipien des Dualen Steuerungsmodells, das die weitestgehende Dezentralität der Entscheidungen im Kundengeschäft fordert, jedoch zur Umsetzung der Gesamtbankerfordernisse und -ziele steuernde Eingriffe von Seiten der zentralen Struktursteuerung (Zentraldisposition, Treasury, Asset-LiabilityManagement) in das Kundengeschäft erlaubt (vgl. Band 1, S. 7 ff.). In diesem Beispiel geschieht dies im Rahmen des Planungsprozesses dadurch, dass für das Kundengeschäft einzuhaltende Nebenbedingungen formuliert werden, unter denen zunächst das Kundengeschäftsergebnis maximiert wird. In der zweiten Stufe werden von der zentralen Struktursteuerung zusätzlich Eigengeschäfte eingesetzt, um unter Rentabilitäts-/Risikokriterien die Bilanzstruktur insgesamt zu optimieren. Für die modellanalytische Herleitung einer risiko- und rentabilitätspolitisch optimalen Bilanzstruktur werden die folgenden Bestimmungsfaktoren verwendet: (a) die Ist-Bilanzstruktur, in der sich die Ertrags- und Risikostruktur des Alt-Geschäfts widerspiegelt; (b) die zugrunde zu legenden Daten und Prognosen hinsichtlich der Zinsmargen des Alt- und (potentiellen) Neu-Geschäfts; (c) die Konsequenzen des Alt- und (potentiellen) Neu-Geschäfts in bezug auf die Liquidität; (d) die von der Geschäftsleitung der Bank verbindlich fixierten Norm- oder Soll-Werte für ausgewählte Risikostrukturkennzahlen zur Abbildung und Limitierung der Erfolgs- und Liquiditätsrisiken im Alt- und Neu-Geschäft; (e) etwaig zu berücksichtigende Volumenobergrenzen (im Fall begrenzter Marktpotentiale) und/oder Volumenuntergrenzen (im Sinne von notwendigem Mindestgeschäftsvolumen).
573
Zu (a):
In der Ausgangssituation ist die folgende Ist-Bilanz gegeben, in der das Alt-Geschäft der Modellbank wiedergegeben ist (vgl. Abb. 361).
Aktiva Barreserve Forderungen ggü. Banken Kontokorrentkredite Hypothekendarlehen Sachanlagen Summe
Vol. in Mio. Passiva GE 30 150 320 430 70 1.000
Vol. in Mio. GE
Verbindlichkeiten ggü. Banken
140
Sichteinlagen Spareinlagen (Ø Laufzeit: 5 Jahre)
90 700
Eigenkapital
70
Summe
1.000
Abb. 361: Ist-Bilanzstruktur in der Ausgangssituation
Die Verzinsungsmodalitäten der verschiedenen Geschäftsarten sowie die Anrechnungsfaktoren, die im Rahmen der bankaufsichtrechtlichen Vorschriften für die Anrechnung der jeweiligen Positionsvolumina in den entsprechenden Grundsätzen gelten, sind in Abbildung 362 aufgeführt.
Zinsanpassungselastizität
Anrechnungsfaktoren im SolvabilitätsGrundsatz
Anrechnungsfaktoren im LiquiditätsGrundsatz
Aktiva Barreserve Forderungen ggü. Banken Kontokorrentkredite Hypothekendarlehen Sachanlagen
0,0 0,9 0,8 0,0 0,0
100 % 100 % 100 %
20 % 100 % 50 % 100 %
Passiva Verbindlichkeiten ggü. Banken Sichteinlagen Spareinlagen (5 Jahre)
1,0 0,0 0,3
Eigenkapital
0,0
40 % 10 % (1/5 · 100 % =) 20 % 100 %
Abb. 362: Verzinsungsmodalitäten und Anrechnungsfaktoren der verschiedenen Geschäftsarten
Hinsichtlich der Verzinsungsmodalitäten, die über die Zinsanpassungselastizitäten beschrieben werden, wird zunächst grundsätzlich zwischen fest und variabel verzinslichen Positionen unterschieden. Während die fest verzinslichen Positionen definitionsgemäß eine Zinsanpassungselastizität von 0 haben, sind für die variabel verzinslichen Positionen die jeweils ge574
schätzten Werte für die Elastizitäten zwischen 0 und 1 angegeben. Für die Limitierung des Zinsänderungsrisikos in der Bilanz sind daher die Elastizitäten der variabel verzinslichen Geschäfte von Bedeutung, da sich bei diesen Positionen Zinsertrags- und -aufwandsänderungen dadurch ergeben, dass der Positionszins eine unterstellte Marktzinsänderung nur im Umfang der entsprechenden Zinselastizität nachvollzieht (vgl. hierzu ausführlich S. 329 ff.). Zur Begrenzung des Kreditrisikos wird auf die derzeit noch geltenden bankaufsichtlichen Vorschriften des Solvabilitäts-Grundsatzes zurückgegriffen. Eine Anpassung auf die neuen Kreditrisikovorschriften gemäß Basel II ist jedoch problemlos möglich, wie dies zu finden ist bei SCHWARZ 2004. In Abbildung 362 sind die konkreten Anrechnungsfaktoren für die Volumina der aktivischen Positionen angegeben. Zur Anwendung der Vorschrift, die für das angerechnete Risikovolumen einen Unterlegungssatz von mindestens 8 % an haftenden Eigenmitteln fordert, ist vereinfachend das in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital anstelle der aufsichtlich genau definierten Größe der haftenden Eigenmittel anzusetzen (vgl. hierzu ausführlich S. 25 ff.). Bezüglich des Liquiditätsrisikos sind des weiteren die Gewichtungsfaktoren für die Anrechnung der Volumina der einzelnen Bilanzpositionen im Liquiditätsgrundsatz aufgeführt, der sich vereinfachend auf das Laufzeitband von einem Jahr bezieht. Grundsätzlich gilt hier, dass das angerechnete Volumen der kurzfristig fällig werdenden Forderungen größer sein muss als das angerechnete Volumen der kurzfristig fälligen Verbindlichkeiten. Hierzu ist anzumerken, dass bei der Position Spareinlagen nur der im Laufe eines Jahres fällige Betrag zur Anrechnung anzusetzen ist. Geht man von einer durchschnittlichen Laufzeit dieser Position von fünf Jahren aus, so ist ein Fünftel des Bestandes in der Vorschrift über die zu haltende Liquidität anzurechnen. Dies ist gleichbedeutend mit dem hier verwendeten Anrechnungssatz in Höhe von 20 % (= 1/5 · 100 %) (vgl. hierzu ausführlich S. 122 ff.). Auf die Modellierung der Mindestreservevorschriften wird zugunsten der Modelltransparenz verzichtet. Zu (b):
Sowohl in der Ausgangssituation als auch im Planjahr gelten die gleichen Kundenkonditionen und die gleichen Zinssätze am Geld- und Kapitalmarkt. Aus diesen gegebenen Daten lassen sich nach der Marktzinsmethode als entscheidungsorientiertem Zinsverrechnungskonzept die einzelgeschäftsbezogenen Konditionsmargen bzw. -beiträge sowie die Strukturmargen bzw. -beiträge ableiten. Abbildung 363 stellt die entsprechenden Ergebnisbeiträge für die Bilanz in der Ausgangssituation in tabellarischer Form dar. Die Konditionsmarge eines einzelnen Kundengeschäfts ergibt sich aus dem Vergleich der Kundenkondition mit dem Zinssatz für das strukturgleiche Geld- und Kapitalmarktgeschäft. Diese ist dezentral dem für den Abschluss des Kundengeschäftes verantwortlichen Kundenbetreuer im Marktbereich in der entsprechenden Profit Center-Rechnung anzurechnen. Auch für die Zentralpositionen (Interbankengeschäfte, Sachanlagen und Eigenkapital) lassen sich Konditionsbeiträge ermitteln, die jedoch zentral den für die Disposition über diese Positionen verantwortlichen Stellen zuzuordnen sind. Im Falle der Modellbank sind die zentralen 575
Konditionsbeiträge in der Summe gleich null, da vereinfachend gleiche Marktdaten und Volumina für die Positionen Eigenkapital und Sachanlagen angenommen werden und sich damit die aktivischen und passivischen Ergebnisbeiträge dieser Positionen gegeneinander aufheben. Des weiteren weisen die Interbankengeschäfte jeweils eine Konditionsmarge von 0 % auf. Bilanzposition
KM
KB
30
0,0 %
0,000
- 4,0 %
- 1,200
- 1,200
Forderungen ggü. Banken Kontokorrentkredite Hypothekendarlehen Sachanlagen
150 320 430 70
0,0 % 3,5 % 2,5 % - 8,0 %
0,000 11,200 10,750 - 5,600
1,0 % 1,2 % 2,5 % 4,0 %
1,500 3,840 10,750 2,800
1,500 15,040 21,500 - 2,800
Verbindlichkeiten ggü. Banken Sichteinlagen Spareinlagen Eigenkapital
140 90 700 70
0,0 % 4,0 % 2,0 % 8,0 %
0,000 3,600 14,000 5,600
- 0,8 % - 1,120 0,0 % 0,000 -1,8 % - 12,600 - 4,0 % - 2,800
- 1,120 3,600 1,400 2,800
–
–
39,550
Barreserve
Summe
Vol.
SM
SB
–
1,170
ZB
40,720
Abb. 363: Zinsmargen für die einzelnen Geschäftsarten und Zusammensetzung des Zinsüberschusses in der Ausgangssituation (Beträge in Mio. GE) auf Basis einer angenommenen Zinsstrukturkurve mit: KM = Konditionsmarge; KB = Konditionsbeitrag; SM = Strukturmarge; SB = Strukturbeitrag; ZB = Zins(-überschuss-)beitrag
Schließlich beinhaltet der Zinsüberschussbeitrag jeder einzelnen Position eine Strukturmarge. Dabei handelt es sich um eine Laufzeitprämie, welche die Differenz, die am Geld- und Kapitalmarkt für ein Geschäft längerer Fristigkeiten im Vergleich zur Tagesgeldanlage bzw. -refinanzierung gilt, angibt. Da die Summe der Strukturbeiträge auf der Aktivseite höher ist als die der Passivseite – die Modellbank also mehr an Laufzeitprämien erhält als sie zu zahlen hat – ergibt sich ein positives Strukturergebnis. Dieser Ergebnisbeitrag in Höhe von 1,170 Mio. GE wird der zentralen Struktursteuerung ergebnismäßig angerechnet, da diese mit der entsprechenden Gestaltung der Bilanzstruktur auf die Zinsentwicklung spekuliert. Aus der Zusammenfassung sämtlicher Zinsüberschussbeiträge ergibt sich der Zinsüberschuss der Ausgangssituation in Höhe von 40,720 Mio. GE (vgl. Abb. 363). Zu (c):
Im Kundengeschäft stellen die Bilanzbestände zu Beginn des Planjahres gleichzeitig die Untergrenzen für den Bilanzausweis am Ende des Planjahres dar. Vereinfachenderweise wird also unterstellt, dass Neu-Geschäftsabschlüsse mindestens in Höhe der fälligen Alt-Geschäfte getätigt werden. Für die Interbankengeschäfte jedoch wird zugelassen, dass die NeuGeschäftsabschlüsse geringer als die fälligen Alt-Geschäfte ausfallen, so dass die Bilanzbestände im Vergleich zur Ausgangssituation sinken können. Die Bestände am Planungshorizont resultieren somit aus der Fortschreibung der Alt-Geschäfte zuzüglich der NeuGeschäftsabschlüsse der Modellbank zu Beginn des Planjahres. Letzteres bedeutet auch, dass Veränderungen in der Bilanzstruktur nur zu Beginn eines Jahres möglich sind.
576
Alle liquiditätswirksamen Geschäftsvorfälle aus dem Alt- wie auch dem durch das Entscheidungsmodell determinierten, potentiellen Neu-Geschäft werden vereinfachend als Veränderungen der Barreserve dargestellt. Dabei gelten die folgenden Annahmen: •
Neu-Geschäfte führen zu einem Abfluss (Aktivgeschäfte) bzw. Zufluss (Passivgeschäfte) von Barliquidität in voller Höhe des nominellen Kredit- bzw. Einlagenbetrags zu Beginn des Planungszeitraumes (bei angenommener Konstanz des Blocks der Alt-Geschäfte).
•
Zinszahlungen auf das Alt-Geschäft sowie auf die akquirierten Neu-Geschäftsvolumina erfolgen am Ende der Planperiode.
•
Das Volumen der Position Sachanlagen bleibt in der geplanten Bilanzstruktur konstant bei 70 Mio. GE wie in der Ausgangssituation.
•
In der geplanten Bilanzstruktur wird der Plan-Gewinn (hier: geplanter Zinsüberschuss) nicht der Position Eigenkapital zugeführt. Eine solche Erhöhung des Eigenkapitals und damit des Passivvolumens hätte nämlich zur Folge gehabt, dass zum liquiditätsmäßigen Ausgleich auf der Aktivseite die Barreserve ebenfalls um den gleichen Betrag hätte angehoben werden müssen. Dadurch hätte sich jedoch unnötigerweise die Bilanzsumme erhöht. Die hier vorgeschlagene Vorgehensweise ist insofern zulässig, weil beide Fälle keine nachteiligen Auswirkungen auf die Einhaltung der Risikostruktur der Bilanz haben. Es wird somit unterstellt, dass der Gewinn sofort am Ende der Planungsperiode in voller Höhe ausgeschüttet wird.
Zu (d):
Die von der Geschäftsleitung fixierten Norm- oder Soll-Werte für das System der Risikostrukturkennzahlen bilden die risikopolitischen Grenzen des Entscheidungsfeldes der Modellbank ab. Abbildung 364 gibt eine Übersicht über die im Modell implementierten Risikostrukturkennzahlen, wobei einerseits die realisierten Ist-Werte jeweils ausgewiesen sind. Andererseits sind die einzuhaltenden Norm-Werte angegeben, für die als Bemessungsgrundlage jeweils die Positionsvolumina der Schlussbilanz am Ende des Planungszeitraums heranzuziehen sind.
577
realisierte Werte gemäß Ist-Bilanzstruktur
Norm-Werte zur Risikolimitierung
Liquiditäts-Grundsatz
243,90 %
150,00 %
Solvabilitäts-Grundsatz
11,02 %
10,60 %
- 0,410 Mio. GE
- 0,500 Mio. GE
0,410 Mio. GE
- 0,100 Mio. GE
Risikobegrenzungsvorschriften
Zinsänderungsrisiko gemäß Elastizitätskonzept bei unterstellter Marktzinsänderung von - 1 %, d.h. Risiko für den Fall einer höheren Zinselastizität der Aktiven im Vergleich zu den Passiven (= aktivischer Elastizitätsüberhang) Zinsänderungsrisiko gemäß Elastizitätskonzept bei unterstellter Marktzinsänderung von + 1 %, d.h. für den Fall einer höheren Zinselastizität der Passiven im Vergleich zu den Aktiven (= passivischer Elastizitätsüberhang)
Abb. 364: Ist- und Norm-Werte ausgewählter Risikostrukturkennzahlen für die Bilanzstruktur
Im Liquiditäts-Grundsatz werden die innerhalb eines Jahres fälligen kurzfristigen Aktiven den entsprechenden Passivpositionen gegenübergestellt, wobei die Volumina mit den entsprechenden Anrechnungsfaktoren gewichtet werden (vgl. Abb. 362). In den Planungen wird die Bedingung formuliert, dass die Summe der angerechneten aktivischen Positionen mindestens das 1,5-fache der angerechneten Passivpositionen betragen soll. Das bedeutet, dass gegenüber der aufsichtlichen Bestimmung, die ein Verhältnis von mindestens 100 % vorsieht, aus Sicherheitsaspekten ein Puffer berücksichtigt wird. In der Ist-Situation ist diese Restriktion mit einer Relation von 2,439 (= 243,90 %) bei weitem erfüllt. Im Solvabilitäts-Grundsatz gilt, dass das Verhältnis von eigenen Mitteln zu angerechnetem Risikovolumen, das die Summe der mit den positionsspezifischen Anrechnungsfaktoren (vgl. Abb. 362) gewichteten aktivischen Bilanzbeständen darstellt, in der neuen Bilanzstruktur mindestens 10,60 % betragen soll. Verglichen mit den aus der Ist-Situation resultierenden 11,02 % wird also für die Planungen mit einem niedrigeren Zuschlag auf den gesetzlich erforderlichen Solvabilitätskoeffizienten in Höhe von 8 % gerechnet. Setzt man für die haftenden Eigenmittel annahmegemäß das in der Ausgangssituation ausgewiesene Eigenkapital (= 70 Mio. GE) an, so ergibt sich für das Planjahr ein maximal mögliches angerechnetes Risikovolumen in Höhe von 660,3774 Mio. GE (= 70 Mio. GE / 10,6 %). Im Vergleich zur Ausgangssituation kann also durch das Neu-Geschäft insgesamt ein zusätzliches angerechnetes Risikovolumen von 25,3774 Mio. GE genutzt werden. Von Seiten der Geschäftsleitung wird festgelegt, dass hiervon der größte Teil, nämlich 25 Mio. GE, dem neuen Kundengeschäft, der Rest der Zentraldisposition für das Neu-Geschäft zustehen soll. In Bezug auf die Begrenzung des Zinsänderungsrisikos wird auf das Elastizitätskonzept zurückgegriffen (vgl. S. 329 ff.). Unter Ansatz der gegebenen Elastizitäten wird der entweder 578
unter dem Szenario steigender Marktzinssätze oder unter dem Szenario fallender Marktzinssätze möglicherweise resultierende Rückgang des Zinsüberschusses limitiert. Bei einer Marktzinssenkung von 1 %-Punkt soll dieser Rückgang auf den Betrag von 0,5 Mio. GE begrenzt sein. Diese Restriktion würde nur dann greifen, wenn in der geplanten Bilanzstruktur der mögliche Rückgang des Zinsertrags höher als die Minderung des Zinsaufwands ausfallen würde (= positiver Elastizitätssaldo). Für den Fall, dass die optimale Bilanzstruktur zu einem Risiko bei einer Marktzinssteigerung von 1 %-Punkt führt – dies ist genau dann der Fall, wenn die Erträge weniger stark steigen als die aus der Passivseite der Bilanz resultierenden zusätzlichen Zinsaufwendungen (= negativer Elastizitätssaldo) – soll das Risiko auf einen Betrag von 0,1 Mio. GE beschränkt werden. Um mehr als diese Beträge darf der Zinsüberschuss also nicht zurückgehen, wenn man die möglichen Ertrags- und Aufwandsveränderungen, die sich aus den positionsspezifischen Elastizitäten in Verbindung mit der unterstellten Zinsveränderung ergeben, saldiert (vgl. Abb. 362). In der Ausgangssituation reagieren die aktivischen Positionen gemäß der angenommenen Zinselastizitäten stärker auf Zinsänderungen als die Passivpositionen. Damit besteht das Risiko für den Fall von sinkenden Marktzinssätzen. Bei einer unterstellten Zinsänderung in Höhe von - 1 %-Punkt gingen die Zinserträge um 3,91 Mio. GE zurück, die Zinsaufwendungen hingegen nur um 3,50 Mio. GE. Im Saldo bestünde also ein Zinsänderungsrisiko bei diesem Szenario in Höhe von - 0,410 Mio. GE. Von daher ist im Szenario steigender Zinsen in der Ausgangssituation eine Steigerung des Zinsüberschusses zu erwarten, was in Abbildung 364 durch den positiv ausgewiesenen Ist-Wert für dieses Szenario ausgedrückt ist. Von der Geschäftsleitung wird festgelegt, dass das Kundengeschäft einen Beitrag dazu leisten soll, dass die Strukturnorm zur Begrenzung des Zinsänderungsrisikos auf Gesamtbankebene eingehalten werden kann. Konkret wird für das Kundengeschäft die Einhaltung der folgenden Bedingungen – wiederum differenziert nach den möglichen Zinsszenarien – gefordert. Für das neue Kundengeschäft soll gelten, dass das Verhältnis von Ertrags- zu Aufwandsveränderung für den Fall einer Zinssenkung um 1 %-Punkt nicht größer als 120 % sein soll. Umgekehrt soll im Falle einer möglichen Zinssteigerung um 1 %-Punkt das Verhältnis von Zinsertragund Zinsaufwandsänderung größer als 95 % sein. Bei der Formulierung dieser Bedingungen werden die Zinsertrags- und Aufwandsänderungen, die aus dem Alt-Geschäft resultieren, also nicht berücksichtigt. Zu (e):
Neben der Schätzung der Zinsen und den daraus ableitbaren Zinsmargen stellt die Berücksichtigung der marktlichen Möglichkeiten – insbesondere im Kundengeschäft – ein weiteres Prognoseproblem bei der Optimierung der Bilanzstruktur dar (vgl. Abb. 365).
579
Unter- und Obergrenzen für den Volumenzuwachs im Neu-Geschäft (bezogen auf die jeweiligen Volumina in der Ausgangssituation) Kontokorrentkredite
0,0 % – 5,0 % des Positionsvolumens
Hypothekendarlehen
0,0 % – 5,0 % des Positionsvolumens
Sichteinlagen Spareinlagen
0,0 % – 5,0 % des Positionsvolumens 0,0 % – 5,0 % des Positionsvolumens
Bilanzsumme
0,0 % – 4,0 % der Bilanzsumme
Abb. 365: Volumenrestriktionen für die Neu-Geschäftsvolumina im Kundengeschäft sowie für die geplante Bilanzsumme
Das Ergebnis von Marktpotentialanalysen stellen die in Abbildung 365 angegebenen maximalen Volumenzuwächse für die einzelnen Kundengeschäftsarten dar. Im Gegensatz zum Kundengeschäft ist ein Abbau der Volumina einzelner Positionen im Interbankengeschäft zulässig. Für diese Positionen sind keine Obergrenzen für das Neu-Geschäftsvolumen festgelegt, da im Rahmen der Geschäftspolitik ein Bilanzsummenwachstum zwischen 0 % und 4 % fixiert ist.
b)
Lösung des Optimierungsmodells
Die Optimierung der Bilanzstruktur wird – wie bereits angedeutet – in zwei Schritten vorgenommen. Im ersten Schritt erfolgt die Optimierung des Kundengeschäfts. Hierfür werden die unter (a) bis (e) relevanten Daten und Bedingungen in ein lineares Optimierungsmodell eingesetzt, das mit Hilfe des Simplex Algorithmus gelöst werden kann. Im zweiten Schritt wird die um das neue Kundengeschäft erweiterte Bilanzstruktur durch Planung der Interbankengeschäfte und der Barreserve unter Rentabilitäts- und Risikokriterien optimiert. Die geplanten Volumina des Neu-Geschäfts, aus denen sich in Verbindung mit den Volumina der Ist-Bilanzstruktur die neue Bilanzstruktur ergibt, werden mit den folgenden Variablen bezeichnet: X1: Barreserve X2: Forderungen gegenüber Banken X3: Kontokorrentkredite X4: Hypothekendarlehen X5: Verbindlichkeiten gegenüber Banken X6: Sichteinlagen X7: Spareinlagen (1)
Optimierung der Kundengeschäftsstruktur mit Hilfe des Simplex Algorithmus
Im ersten Schritt wird die Summe der Konditionsbeiträge im Kundengeschäft unter Einhaltung der risikopolitischen Norm-Werte und der gegebenen Volumenrestriktionen maximiert. 580
Da es sich hierbei um ein lineares Optimierungsmodell handelt, kann das Verfahren des Simplex Algorithmus angewendet werden (vgl. HOMBURG 2000; BAMBERG/COENENBERG 2006). Unter Berücksichtigung der dargestellten Prämissen und Funktionalzusammenhänge (a) bis (e) wird zunächst das lineare Optimierungsproblem strukturiert, indem die Zielfunktion sowie die einzuhaltenden Restriktionen formuliert werden, wobei hier lediglich die geplanten NeuGeschäftsvolumina eingehen. Anschließend wird die Lösung des linearen Optimierungsmodells mit Hilfe des Simplex Algorithmus dargestellt. •
Zielfunktion für das Kundengeschäft:
Aufgrund der getroffenen Annahmen, ist es ausreichend, dass die Zielfunktion sich nur auf die Summe der Konditionsbeiträge aus dem Neu-Geschäft beschränkt. Der nach Anwendung des Optimierungsalgorithmus resultierende Konditionsbeitrag im Kundengeschäft wäre demnach zu den Konditionsbeiträgen aus dem Alt-Geschäft (= 39,550 Mio. GE) zu addieren, um den gesamten Konditionsbeitrag aus Alt- und Neu-Geschäft zu erhalten. Somit lautet die Zielfunktion für das geplante Neu-Geschäft mit Privat- und Firmenkunden wie folgt: Zielfunktion: Konditionsbeitrag Neu-Geschäft = X3 · 3,5 % + X4 · 2,5 % + X6 · 4,0 % + X7 · 2,0 % •
o
max!
Restriktion Y1: Solvabilitäts-Grundsatz
Für das neue Kundengeschäft ist ein angerechnetes Risikovolumen von maximal 25 Mio. GE vorgesehen, das in die Formulierung der entsprechenden Restriktion für den Simplex Algorithmus eingeht. Die mit den Anrechnungsfaktoren von 100 % bzw. 50 % gewichteten Neugeschäftsvolumina der Kontokorrentkredite bzw. der Hypothekendarlehen dürfen einen Betrag von 25 Mio. GE nicht überschreiten. Restriktion Y1: 100 % · X3 + 50 % · X4 25 Mio. GE •
Restriktionen Y2 und Y3: Zinsänderungsrisiko
Für die Begrenzung des Zinsänderungsrisikos aus dem Kundengeschäft müssen im Rahmen des Optimierungsmodells zwei Restriktionen formuliert werden, um in Abhängigkeit von der Belastung des Zinsüberschusses bei ungünstiger Entwicklung der Zinssätze zwei unterschiedliche Vorsichtswerte zuordnen zu können. Für den Fall, dass bei den durch den Optimierungsalgorithmus resultierenden neuen Kundengeschäftsvolumina die Zinsertragsveränderung bei einer Marktzinsänderung um - 1 %-Punkt höher als die Veränderung der Zinsaufwendungen ausfällt, soll das Verhältnis von Zinsertrags- zu Zinsaufwandsveränderung nicht größer als 120 % sein. Die Herleitung der Restriktion Y2 lautet wie folgt:
581
X3 (- 1 %) 0,8 120 % X 7 (- 1 %) 0,3 o
X3 1 % 0,8 120 % X 7 1 % 0,3
o
1 % · 0,8 · X3 120 % · (1 % · 0,3 · X7)
o
1 % · 0,8 · X3 – 1,2 · 1 % · 0,3 · X7 0 Mio. GE
Restriktion Y2: 0,800 % · X3 – 0,360 % · X7 0 Mio. GE Im umgekehrten Fall darf das entsprechende Verhältnis nicht kleiner als 95 % sein, so dass gelten muss: X3 1 % 0,8 95 % X 7 1 % 0,3 Entsprechend umgeformt ergibt sich hieraus die Restriktion Y3: Restriktion Y3: - 0,800 % · X3 + 0,285 % · X7 0 Mio. GE •
Restriktionen Y4, Y5, Y6, und Y7: Begrenzung des Neu-Geschäfts einzelner Positionen
Durch die Multiplikation des maximalen relativen Volumenzuwachses mit dem jeweiligen Positionsvolumen in der Ausgangssituation erhält man die absoluten Beträge, auf die das Neu-Geschäft für die einzelnen Positionen begrenzt werden soll (vgl. Abb. 365). Die entsprechenden Restriktionen lauten dann wie folgt: Restriktion Y4: Neu-Geschäftsvolumen Kontokorrentkredite 100 % · X3 16,0 Mio. GE Restriktion Y5: Neu-Geschäftsvolumen Hypothekendarlehen 100 % · X4 21,5 Mio. GE Restriktion Y6: Neu-Geschäftsvolumen Sichteinlagen 100 % · X6 4,5 Mio. GE Restriktion Y7: Neu-Geschäftsvolumen Spareinlagen 100 % · X7 35,0 Mio. GE
582
Um die Optimierung der Bilanzstruktur mit dem Simplex Algorithmus vorzunehmen, werden die zu maximierende Zielfunktion und die Restriktionen (= Basisvariablen) in das Ausgangstableau übertragen (vgl. Abb. 366). Dabei sind die Schlupfvariablen, mit deren Hilfe die Ungleichheitsbedingungen in Gleichheitsbedingungen transformiert werden, der Übersichtlichkeit halber nicht aufgeführt. X3 Zielfunktion Y1
X4
3,5 %
2,5 %
100,0 %
50,0 %
X6 4,0 %
X7
RHS
2,0 % o max!
25,000
Y2
0,8 %
- 0,360 %
0,000
Y3
- 0,8 %
0,285 %
0,000
Y4
100,0 %
Y5
Minimumsektor
16,000 100,0 %
Y6 Y7
21,500 4,500
100,0 %
100,0 %
4,5000
35,000
Abb. 366: 1. Simplex-Tableau (Ausgangstableau)
Für die Volumenzuwächse Xi der einzelnen Geschäftsarten (= Strukturvariablen) gilt die Nicht-Negativitätsbedingung, das heißt, dass die Neu-Geschäftsvolumina größer oder gleich Null sind. Die Werte in der letzten Spalte der Tabelle, die mit RHS (Right Hand Side) überschrieben ist, stellen die in den oben formulierten Ungleichungen nicht zu überschreitenden Höchstwerte dar. Stellt man das lineare Optimierungsproblem graphisch dar, so liegt die optimale Lösung immer in (mindestens) einem Eckpunkt des zulässigen Lösungsraumes, in dem die sogenannten Basis-Lösungen konstruiert werden (vgl. hierzu ausführlicher HOMBURG 2000, S. 531 ff.). Genau diese Erkenntnis nutzt die allgemeine Lösung des Entscheidungsproblems mit Hilfe des Simplex Algorithmus, der im Folgenden angewendet wird. Der Optimierungsalgorithmus beginnt mit der Geschäftsart, welche die höchste Konditionsmarge aufweist, nämlich den Sichteinlagen. Zunächst ist jedoch zu prüfen, inwieweit eine der Restriktionen zur Begrenzung des Risikos bei den Sichteinlagen eine Rolle spielt, so dass nicht die absolute Marge, sondern die um die Belastung in der entsprechenden Restriktion relativierte Marge anzusetzen ist. Da es sich um eine Passivposition mit einer Zinselastizität von null handelt, bestimmt in diesem Fall die angegebene Marge tatsächlich die sogenannte PivotSpalte im Ausgangstableau. Um im nächsten Schritt das Pivot-Element zu bestimmen, sind zunächst die Werte der RHSSpalte jeweils durch die Werte der Pivot-Spalte, die sich in der gleichen Zeile befinden, zu teilen. Die Ergebnisse dieser Operation sind in der mit Minimumsektor überschriebenen Spalte aufgeführt. In dieser Spalte zeigt dann der niedrigste positive Wert an, welche Restriktion das Neu-Geschäftsvolumen determinieren wird. Im Beispiel muss dies die Volumenrestriktion für diese Geschäftsart Y6 sein, da die risikobegrenzenden Nebenbedingungen in der oben angeführten Argumentation bereits ausgeschlossen wurden. Es zeigt sich, dass der maximal 583
mögliche Zuwachs in Höhe von 4,5 Mio. GE ausgeschöpft wird. Mit dem niedrigsten Wert in der Spalte Minimumsektor ist gleichzeitig die Pivot-Zeile bestimmt. Das Element, das in der Pivot-Spalte und in der Pivot-Zeile liegt, wird als Pivot-Element bezeichnet und für die weiteren Berechnungen im 2. Simplex-Tableau benötigt. X3 Zielfunktion Y1
X4
Y6
X7
RHS
3,5 %
2,5 %
0,0 %
2,0 %
- 0,1800
100,0 %
50,0 %
0,0 %
0,0 %
25,000
Y2
0,8 %
0,0 %
0,0 %
- 0,360 %
0,000
Y3
- 0,8 %
0,0 %
0,0 %
0,285 %
0,000
Y4
100,0 %
0,0 %
0,0 %
0,0 %
16,000
Y5
0,0 %
100,0 %
0,0 %
0,0 %
21,500
X6
0,0 %
0,0 %
100,0 %
0,0 %
4,500
Y7
0,0 %
0,0 %
0,0 %
100,0 %
35,000
Minimumsektor 50,0000
21,5000
Abb. 367: 2. Simplex-Tableau
Bei der Aufstellung des 2. Simplex-Tableaus werden alle Elemente in der Pivot-Zeile durch das Pivot-Element dividiert. Damit wird erreicht, dass das Pivot-Element auf den Wert 1 gesetzt wird. Des weiteren wird jeweils ein geeignetes Vielfaches der neu gewonnenen Zeile jeweils von den übrigen Zeilen im Ausgangstableau (einschließlich der Zielfunktionszeile) subtrahiert, um alle anderen Elemente in der Pivot-Spalte auf den Wert null zu setzen. Im Beispiel weist das Pivot-Element bereits den Wert 1 (bzw. 100 %) auf, was bedeutet, dass die Restriktion Y6 zu 100 % ausgenutzt werden kann. Zudem betragen bis auf das Element in der Zielfunktionszeile alle übrigen Werte in der Pivot-Spalte bereits null. Somit ist lediglich die folgende Operation für die Zielfunktionszeile durchzuführen: Von allen Elementen dieser Zeile ist das 0,04-fache der Pivot-Zeile aus dem 1. Tableau, die in diesem Fall genauso in dem zweiten Tableau erscheint, zu subtrahieren. Abschließend ist die Strukturvariable X6 in der Spaltenüberschrift mit der Basisvariable Y6 in der Zeilenbezeichnung auszutauschen. Das neue 2. Simplex-Tableau gibt Abbildung 367 wieder. Aus diesem zweiten Tableau lässt sich ablesen, dass nach dem Simplex Algorithmus nun die Geschäftsart Kontokorrentkredite mit der zweithöchsten Marge in Höhe von 3,5 % zum Zuge käme. Entgegen der Vorgehensweise nach dem Simplex Algorithmus, wonach die absolut höchste Marge die Pivot-Spalte bestimmen würde, wird zunächst wiederum geprüft, ob nicht die zweite Geschäftsart auf der Aktivseite – die Hypothekendarlehen – in Abhängigkeit vom Risiko eine bessere relative Marge verspricht, so dass die Ausnutzung der gegebenen Restriktionen zu einem höheren Konditionsbeitrag führt. Die Kontokorrentkredite belasten das angerechnete Risikovolumen mit einem Anrechnungsfaktor von 100 %. Des weiteren geht das Neu-Geschäftsvolumen mit der Zinselastizität in Höhe von 0,8 in die Restriktion zur Begrenzung des Zinsänderungsrisikos ein. Die Hypothekendarlehen hingegen weisen insgesamt eine niedrigere Belastung in den Risikobegrenzungsnormen auf. Für die Begrenzung des Zinsänderungsrisikos ist diese Position wegen der Zinsanpassungselastizität von null nicht relevant. Die Marge von 2,5 % ist um die Anrechnung bei der Begrenzung des Kreditrisikos in Höhe 584
von 50 % zu relativieren, um einen adäquaten Vergleichsmaßstab für die Position Kontokorrentkredite zu erhalten. Während bei den Kontokorrentkrediten 100 GE (= 100 GE · 100 %) angerechnetes Risikovolumen einen Konditionsbeitrag von 3,50 GE (= 3,5 % · 100 GE) erbringen, sind es bei den Hypothekendarlehen 5 GE (2,50 GE Konditionsbeitrag binden 50 GE angerechnetes Risikovolumen). Somit ist die Spalte der Hypothekendarlehen, die mit X4 überschrieben ist, die neue Pivot-Spalte im 2. Simplex-Tableau. Der Minimumsektor zeigt für die Hypothekendarlehen an, dass wiederum die Volumenrestriktion, in diesem Fall Y5, das Neu-Geschäftsvolumen determiniert. Für X4 ergibt sich demnach ein Neu-Geschäftsvolumen in Höhe von 21,5 Mio. GE. Nimmt man mit Hilfe des PivotElementes die erforderlichen Transformationen vor, so erhält man das 3. Simplex-Tableau (vgl. Abb. 368). Im dritten Simplex-Tableau kommen nun die Kontokorrentkredite zum Zuge, da sie eine höhere Marge als die Sparbriefe aufweisen. Hier stellt die Begrenzung des angerechneten Risikovolumens für das Kundengeschäft im Solvabilitäts-Grundsatz die relevante Restriktion dar. Da von den maximal möglichen 25 Mio. GE bereits 10,75 Mio. GE (= 21,5 Mio. GE · 50 %) für das Neu-Geschäft der Hypothekendarlehen gebraucht werden, verbleiben noch 14,25 Mio. GE. Bei einem Anrechnungsfaktor der Kontokorrentkredite in Höhe von 100 % ist ein Volumen in Höhe von 14,25 Mio. GE möglich. Dass dieses geringer ist, als das am Markt maximal erzielbare Volumen von 16,0 Mio. GE, zeigen die Werte der Spalte Minimumsektor im 3. Simplex-Tableau, weshalb der Solvabilitäts-Grundsatz den hier relevanten Engpass darstellt. X3 Zielfunktion Y1
Y5
Y6
X7
RHS
3,5 %
0,0 %
0,0 %
2,0 %
- 0,7175
100,0 %
0,0 %
0,0 %
0,0 %
14,2500
Y2
0,8 %
0,0 %
0,0 %
- 0,360 %
0,0000
Y3
- 0,8 %
0,0 %
0,0 %
0,285 %
0,0000
Y4
100,0 %
0,0 %
0,0 %
0,0 %
16,0000
X4
0,0 %
100,0 %
0,0 %
0,0 %
21,5000
X6
0,0 %
0,0 %
100,0 %
0,0 %
4,5000
Y7
0,0 %
0,0 %
0,0 %
100,0 %
35,0000
Minimumsektor 14,2500
16,0000
Abb. 368: 3. Simplex-Tableau
Schließlich erklärt das vierte Simplex-Tableau das Neu-Geschäftsvolumen für die Geschäftsart Spareinlagen, welche die geringste Marge aufweist. Dieses wird durch die Restriktion für die Begrenzung des Zinsänderungsrisikos im Falle sinkender Zinsen bestimmt. Aufgrund des bereits fixierten Neu-Geschäftsvolumens der Kontokorrentkredite ergibt sich ein Rückgang des Zinsüberschusses im Falle einer Marktzinssenkung um 1 %-Punkt von 0,114 Mio. GE, was maximal 120 % eines möglichen Rückgangs des Zinsaufwandes entsprechen darf. Damit ist der maximale Rückgang des Zinsaufwandes auf 0,095 Mio. GE (= 0,114 Mio. GE / 1,2) begrenzt. Dieser Rückgang wird mit einem Neu-Geschäftsvolumen bei den Spareinlagen in Höhe von 31,6667 Mio. GE (= 0,095 Mio. GE / (1 % · 0,3)) genau erreicht. Da dieses Volu-
585
men geringer ist als der im Rahmen der Marktpotentialanalysen für maximal möglich gehaltene Volumenzuwachs von 35 Mio. GE, ist die Restriktion Y2 der relevante Engpass. Y1 Zielfunktion X3
Y5
Y6
X7
RHS
0,0 %
0,0 %
0,0 %
2,0 %
- 1,2163
100,0 %
0,0 %
0,0 %
0,0 %
14,2500
Minimumsektor
Y2
0,0 %
0,0 %
0,0 %
- 0,360 %
- 0,114
31,6667
Y3
0,0 %
0,0 %
0,0 %
0,285 %
0,114
40,0000
X3
0,0 %
0,0 %
0,0 %
0,0 %
1,7500
Y5
0,0 %
100,0 %
0,0 %
0,0 %
21,5000
X6
0,0 %
0,0 %
100,0 %
0,0 %
4,5000
Y7
0,0 %
0,0 %
0,0 %
100,0 %
35,0000
35,0000
Abb. 369: 4. Simplex-Tableau
Die sukzessive Erhöhung des Konditionsbeitrags im Kundengeschäft zeigt sich in der Zielfunktionszeile an der Veränderung des Elementes in der RHS-Spalte vom ersten bis zum fünften Simplex-Tableau. Das fünfte Simplex-Tableau weist den maximalen Konditionsbeitrag des neuen Kundengeschäfts in Höhe von 1,8496 Mio. GE aus (vgl. Abb. 370). In Verbindung mit dem Alt-Geschäft ergibt sich insgesamt aus der neuen Kundengeschäftsstruktur ein Konditionsbeitrag von 41,3996 Mio. GE. Y1 Zielfunktion X3
0,0 %
Y5 0,0 %
Y6 0,0 %
Y2 0,0 %
RHS
Minimumsektor
- 1,8496
100,0 %
0,0 %
0,0 %
0,0 %
14,2500
X7
0,0 %
0,0 %
0,0 %
100,0 %
31,6667
Y3
0,0 %
0,0 %
0,0 %
0,0 %
0,0238
Y4
0,0 %
0,0 %
0,0 %
0,0 %
1,7500
X4
0,0 %
100,0 %
0,0 %
0,0 %
21,5000
X6
0,0 %
0,0 %
100,0 %
0,0 %
4,5000
Y7
0,0 %
0,0 %
0,0 %
0,0 %
3,3333
Abb. 370: 5. Simplex-Tableau
Unter Berücksichtigung des zusätzlichen Kundengeschäftsvolumens hat die noch unvollständige Bilanz das folgende Aussehen (vgl. Abb. 371).
586
Aktiva
Vol. in Mio. GE
Passiva
Barreserve
30 + ?
Verbindlichk. ggü. Banken
Forderungen ggü. Banken Kontokorrentkredite Hypothekendarlehen Sachanlagen
150 + ? 334,25 451,5 70
Sichteinlagen Spareinlagen
Summe
1.035,75 + ?
Vol. in Mio. GE 140 + ? 94,5 731,6667
Eigenkapital Summe
70 1.036,1667 + ?
Abb. 371: Unvollständige Bilanz nach Berücksichtigung der Neu-Geschäftsvolumina im Kundengeschäft
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass der Kundengeschäftsbereich sich nur am Konditionsbeitrag orientiert, jedoch mit der Fixierung der neuen Kundengeschäftsvolumina auch ein Teil des Fristentransformationsbeitrags feststeht. Dieser ergibt sich nämlich aus der Summe der Strukturbeiträge, die aus der Multiplikation der Neu-Geschäftsvolumina im Kundengeschäft mit den geschätzten Strukturmargen resultieren. (2)
Optimierung der Bilanzstruktur unter Berücksichtigung der optimalen Kundengeschäftsstruktur
Nachdem die Neu-Geschäftsvolumina für das Kundengeschäft fixiert sind, ist die Bilanzstruktur nun in einem zweiten Schritt zu optimieren. Dies geschieht, indem zum einen Interbankengeschäfte abgeschlossen werden können, um zusätzliche Rentabilitätsbeiträge zu erzielen, zum anderen aber auch der erforderliche Volumensausgleich der beiden Bilanzseiten durch Interbankengeschäfte und/oder eine Veränderung der Barreserve vorgenommen wird. Hierbei ist entscheidend, dass einerseits die Risikostrukturnormen eingehalten werden, andererseits die Bilanzstruktur unter Rentabilitätsgesichtspunkten optimiert wird. Diese Aufgabe obliegt der zentralen Struktursteuerung, für die der aus der Bilanzstruktur insgesamt resultierende Strukturbeitrag der relevante Ergebnisbeitrag ist. Ausgehend von der in Abbildung 371 wiedergegebenen unvollständigen Bilanz könnte die zentrale Struktursteuerung zunächst durch entsprechende Maßnahmen den Ausgleich der Bilanzsumme herstellen. Dabei lassen sich die folgenden Extremkonstellationen unterscheiden, die entweder durch das aktivische oder durch das passivische Neu-Geschäftsvolumen im Kundengeschäft bestimmt sind. A: Einerseits könnte die Position Verbindlichkeiten gegenüber Banken um 0,4167 Mio. GE reduziert werden (X5 = - 0,4167 Mio. GE), woraus sich eine durch das aktivische neue Kundengeschäftsvolumen determinierte Bilanzsumme in Höhe von 1.035,700 Mio. GE ergibt. Der Abbau von Verbindlichkeiten gegenüber Banken ist insofern zulässig, da hier nicht wie im Kundengeschäft die für die Anwendung des Simplex Algorithmus erforderliche Nicht-Negativitätsbedingung gilt. Für den Strukturbeitrag von Vorteil ist hier die weniger starke Belastung des Zinsüberschusses durch die negative Strukturmarge der Verbindlichkeiten gegenüber Banken in Höhe von - 0,8 %.
587
B: Andererseits könnten Neu-Geschäfte bei den Forderungen gegenüber Banken in Höhe von 0,4167 Mio. GE abgeschlossen werden (X2 = 0,4167 Mio. GE), woraus sich ein zusätzlicher positiver Strukturbeitrag für diese Position ergäbe. Die Belastung des angerechneten Risikovolumens beliefe sich auf 0,0833 Mio. GE (= 0,1467 · 20 %), wodurch das Maximum von 0,3774 Mio. GE bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Die Bilanzsumme würde dann durch das höhere passivische Neu-Geschäftsvolumen im Kundengeschäft bestimmt und betrüge 1.036,1667 Mio. GE. Zwischen diesen beiden beschriebenen Konstellationen A und B sind alle möglichen Varianten denkbar, die eine Kombination daraus darstellen. Wie Konstellation B gezeigt hat, ist eine zusätzliche Ausweitung der Forderungen gegenüber Banken möglich, um das für den Bereich der Zentraldisposition maximal mögliche angerechnete Risikovolumen in Höhe von 0,3774 Mio. GE auszunutzen. Daraus ergibt sich ein maximaler Volumenzuwachs von 1,8868 Mio. GE (= 0,3774 Mio. GE / 0,2). Dabei wird die Restriktion eines auf 4 % der Bilanzsumme begrenzten Wachstums des Geschäftsvolumens nicht gefährdet. Geht man von diesem maximal möglichen Zuwachs der Forderungen gegenüber Banken von 1,8868 Mio. GE (X2 = 1,8868 Mio. GE) aus, ergeben sich drei weitere mögliche Extremkonstellationen als Eckpunkte für eine sich anschließende integrierte Rendite/Risikobetrachtung. C: Abbau des Volumens der Barreserve um 1,4701 Mio. GE (X1 = - 1, 4701 Mio. GE), um eine ausgeglichene Bilanzsumme in Höhe von 1.036,1667 Mio. GE zu erhalten. Anzumerken ist für diesen Fall, dass ein Abbau der Barreserve möglich ist, da sie aus den liquiditätsmäßigen Konsequenzen der Bilanzstrukturveränderungen im Planjahr resultiert. D: Erhöhung der Verbindlichkeiten gegenüber Banken um 1,4701 Mio. GE (X5 = 1,4701 Mio. GE). Die neue Bilanzsumme betrüge somit 1.037,6368 Mio. GE, wobei die Barreserve in diesem Fall konstant bei 30 Mio. GE bliebe (X1 = 0 Mio. GE). E: Erhöhung der Barreserve um 2,3632 Mio. GE (X1 = 2,3632 Mio. GE) zur Ausschöpfung des maximal möglichen Bilanzsummenzuwachses sowie gleichzeitige Ausweitung der Verbindlichkeiten gegenüber Banken um 3,8333 Mio. GE (X5 = 3,8333 Mio. GE). Die neue Bilanzsumme beträgt somit 1.040 Mio. GE. Wie ersichtlich ist, markieren die Konstellationen C, D und E mögliche Extremkonstellationen, zwischen denen jeweils alle möglichen Varianten auf einem Kontinuum abgebildet werden können. Sofern – ausgehend von den Volumina in Konstellation C – gleichzeitig die Position Verbindlichkeiten gegenüber Banken erhöht und die Barreserve um den gleichen Betrag gesenkt wird, nähert man sich kontinuierlich der Konstellation D. Zwischen D und E sind alle Kombinationen möglich, bei denen – ausgehend von Konstellation D – die Barreserve und die Verbindlichkeiten gegenüber Banken um jeweils den gleichen Betrag erhöht werden, bis das maximal mögliche Bilanzsummenwachstum ausgeschöpft ist. Abbildung 372 gibt eine Übersicht über alle fünf dargestellten Varianten der Bilanzstrukturgestaltung sowie über die für deren Vergleich relevanten Ergebnis- und Risikokennzahlen, die eine Analyse der Rentabilitäts-/Risikowirkungen ermöglichen.
588
Variante X1 (in Mio. GE)
A
B
C
D
E
0
0
- 1,4701
0
2,3632
X2 (in Mio. GE)
0
0,4167
1,8868
1,8868
1,8868
X5 (in Mio. GE)
- 0,4167
0
0
1,4701
3,8333
Bilanzsumme (in Mio. GE)
1.035,7
1.036,1667 1.036,1667 1.037,6368
1.040
(1)
Kennzahl für den Liquiditäts-Grundsatz
243,01 %
243,02 %
243,02 %
243,04 %
243,07 %
(2)
Zinsänderungsrisiko (in Mio. GE)
- 0,4332
- 0,4327
- 0,4460
- 0,4313
- 0,4076
(3)
Strukturbeitrag (in Mio. GE)
1,3118
1,3127
1,3862
1,3156
1,2022
3,029
3,033
3,108
3,051
2,949
Rentabilitäts-/Risiko(4) = Verhältnis zwischen (3)/- (2) Strukturbeitrag und Zinsänderungsrisiko
Abb. 372: Vergleich der möglichen Varianten zur Gestaltung der Bilanzstruktur
Die zur Begrenzung des Liquiditätsrisikos geforderte Risikonorm in Höhe von 150 % wird in allen fünf Varianten bei weitem erfüllt. Zudem liegt diese Risikostrukturkennzahl für die drei Alternativen bei jeweils ca. 243 %, weshalb sie im Folgenden nicht in die Entscheidungsfindung für die bestmögliche Gestaltung der Bilanzstruktur einbezogen wird. Für das Zinsänderungsrisiko (Zeile (2)) ist festzustellen, dass aufgrund der hier nun als gegeben zu betrachtenden optimalen Geschäftsstruktur im Kundengeschäft in Verbindung mit den von der zentralen Struktursteuerung vorgeschlagenen Strukturveränderungen für den Fall einer Zinssenkung die Risikosituation eintritt. Dies zeigt sich darin, dass die Veränderung des Zinsertrags bei unterstellter Marktzinsänderung höher als die des Zinsaufwands ausfällt (= positiver Elastizitätssaldo). Damit stellt der Betrag von - 0,5 Mio. GE den maximal möglichen Rückgang des Zinsüberschuss dar, der in der entsprechenden Restriktion zum Zinsänderungsrisiko im Falle eines aktivischen Elastizitätsüberhangs formuliert wurde (vgl. Abb. 364). Dieser Betrag wird in allen fünf Varianten nicht überschritten. Jedoch ergeben sich voneinander verschiedene Beträge, so dass nur unter Berücksichtigung der Strukturbeiträge (Zeile (3)) eine Entscheidung für die optimale Bilanzstruktur gefunden werden kann. Auf eine Betrachtung der relativen Kennzahlen, also den Elastizitätssaldo und die Strukturmarge, kann verzichtet werden, da beide Größen die Bilanzsumme zur Bezugsbasis haben und sich somit durch den Ansatz der relativen Kennzahlen keine Unterschiede in der Rentabilitäts-Risiko-Analyse ergeben. Vergleicht man die in Abbildung 372 gegebenen Ergebnisse für das Zinsänderungsrisiko (Zeile (2)) und den Strukturbeitrag (Zeile (3)), so ist folgendes festzustellen: Im direkten Vergleich von Konstellation A und B schneidet B besser ab, was in der betragsmäßig höheren Strukturmarge für die Forderungen im Vergleich zu derjenigen der Verbindlichkeiten gegenüber Banken begründet ist, wobei B zudem ein niedrigeres Zinsänderungsrisiko aufweist. Für 589
die Variante B lässt sich jedoch eine Konstellation zwischen C und E finden, mit der sich bei gleichem Risiko ein höherer Ergebnisbeitrag bzw. der gleiche Ergebnisbeitrag mit einem niedrigeren Risiko erzielen lässt. Im Rendite-Risiko-Diagramm, in dem hier auf der X-Achse das Zinsänderungsrisiko und auf der Y-Achse der damit verbundene Strukturbeitrag abgetragen sind, wird unmittelbar deutlich, dass alle Varianten zwischen C und E der Varianten B aufgrund des besseren Rendite-/Risiko-Verhältnisses überlegen sind, weshalb die Betrachtungen im Folgenden auf diese beschränkt werden können (vgl. Abb. 373). Im Vergleich der Varianten E, D und C nimmt sowohl das Risiko als auch der darauf erzielbare Ergebnisbeitrag jeweils zu. Damit bestätigt sich hier der Zusammenhang, dass das Eingehen eines höheren Risikos durch einen höheren Ergebnisbeitrag entschädigt wird. Das Zinsänderungsrisiko nimmt vom Betrag her von Konstellation C zu Konstellation E ab. Dies ist wie folgt zu begründen: Betrachtet man gleiche Volumina für die Positionen Barreserve und Verbindlichkeiten gegenüber Banken, so ergibt sich hier ein negativer Elastizitätssaldo (= Ø aktivische Elastizität – Ø passivische Elastizität) in Höhe von - 1 (= 0 – 1). Dieser wirkt bei unterstellter Zinssenkung entlastend auf die Risikosituation. Da die Bilanz ausgehend von Konstellation C bis hin zu Konstellation E sukzessive um genau diese beiden Positionen verlängert wird, tritt also genau dieser risikomindernde Effekt ein. Der Strukturbeitrag nimmt ebenfalls von Konstellation C über D bis hin zu E kontinuierlich ab. Da die Strukturmarge der Barreserve - 4 %, die der Position Verbindlichkeiten gegenüber Banken jedoch - 0,8 % beträgt, resultiert aus der Bilanzverlängerung ein negativer Zinsspannenbeitrag von - 3,2 %, der auf das jeweilige bilanzverlängernde Volumen zu beziehen ist. Je höher dieses Volumen ist, desto geringer fällt der gesamte Strukturbeitrag aus. Um nun eine Entscheidung für die optimale Bilanzstruktur zu treffen, ist das Verhältnis von Strukturbeitrag zum Betrag des Zinsänderungsrisikos zu betrachten. Dieses Verhältnis zeigt nämlich an, wieviel Ergebnisbeitrag (in GE) in den verschiedenen Konstellationen für eine Geldeinheit eingegangenen Risikos erzielt wird. In Zeile (4) von Abbildung 372 werden die entsprechenden Werte angezeigt. Für Konstellation C ergibt sich das beste Verhältnis, da hier der Einsatz von einer GE eingegangenen Risikos zu dem 3,108-fachen von einer Geldeinheit im Strukturbeitrag führt. Bei allen weiteren Varianten zwischen C und E nimmt diese Rendite-/Risiko-Kennzahl ab, bis sie für E den niedrigsten Wert von 2,949 annimmt.
590
1,40 Strukturbeitrag (in Mio. GE)
C 1,35
D A
1,30
B
1,25 E 1,20 1,15 0,400
0,410
0,420
0,430
0,440
0,450
Zinsänderungsrisiko (in Mio. GE) Abb. 373: Rendite-Risiko-Diagramm
Dass die Entscheidung für Alternative C optimal ist, ist insofern auch einleuchtend, als dass der Strukturbeitrag durch die Volumensausweitung von Konstellation C bis hin zu E einen stärkeren relativen Rückgang erfährt als der Betrag des Zinsänderungsrisikos. Die als Ergebnis des zweistufigen Optimierungsprozesses festzuhaltende optimale Bilanzstruktur ist in Abbildung 374 dargestellt. Somit setzt sich der daraus im Planjahr erzielbare Zinsüberschuss von 42,7858 Mio. GE aus der Summe der dem Kundengeschäft zuzurechnenden Konditionsbeiträge in Höhe von 41,3996 Mio. GE sowie dem Strukturbeitrag von 1,3862 Mio. GE zusammen. Aktiva Barreserve Forderungen ggü. Banken Kontokorrentkredite Hypothekendarlehen Sachanlagen Summe
Vol. in Mio. GE 28,5299 151,8868 334,2500 451,5000 70,0000 1.036,1667
Passiva
Vol. in Mio. GE
Verbindlichkeiten ggü. Banken
140,0000
Sichteinlagen Spareinlagen
94,5000 731,6667
Eigenkapital
70,0000
Summe
1.036,1667
Abb. 374: Unter Rentabilitäts-/Risiko-Kriterien optimale Plan-Bilanzstruktur
c)
Sensitivitäts- und parametrische Variationsanalysen
Von großer Bedeutung für die Praxis sind Untersuchungen hinsichtlich qualitativer und quantitativer Veränderungen der modellanalytisch ermittelten optimalen Bilanzstruktur in Abhän591
gigkeit von Variationen der Ausgangsparameter. Hier sind insbesondere die Sensitivitätsanalyse und die parametrische Variationsanalyse zu nennen. Die Sensitivitätsanalyse untersucht, inwieweit einzelne Ausgangsdaten variiert werden dürfen, ohne dass sich die im Optimierungsansatz gefundene Lösung in der Zusammensetzung der optimalen Geschäftsarten verändert. Hingegen geht die parametrische Variationsanalyse einen Schritt weiter: Hier werden nun einzelne Parameter der Ausgangssituation schrittweise so weit variiert, dass die bisher geschäftsartenmäßig stabile Optimallösung aufgegeben werden muss und neue Geschäftsarten zu den bisher „optimalen“ hinzukommen bzw. bisher „optimale“ Geschäftsarten die optimale Struktur verlassen. Unabhängig davon, ob es sich in diesem Sinne um Sensitivitätsanalysen oder parametrische Variationsanalysen handelt, lassen sich dabei für das vorliegende Modell die folgenden Parameterwerte grundsätzlich variieren: (1) Ergebnisbeiträge der Zielfunktion • Variationen der Konditionsmargen für das Alt- und Neu-Geschäft • Variationen der Strukturmargen für das Alt- und Neu-Geschäft (2) Daten der Ist-Bilanzstruktur • Veränderung der Volumenanteile der einzelnen Geschäftsarten (3) Risiko-Strukturkennzahlen • Variation der Vorsichtswerte für das Kreditrisiko im Kundengeschäft und der zentralen Struktursteuerung • Variation der Vorsichtswerte für das Liquiditätsrisiko auf Gesamtbankebene • Variation der Vorsichtswerte für das Zinsänderungsrisiko auf Gesamtbankebene (4) Volumenrestriktionen • Veränderung möglicher Neu-Geschäftsvolumina im Kundengeschäft • Variation des Bilanzsummenwachstums • Sensitivitätsanalyse
Die Sensitivitätsanalyse untersucht die Stabilität bzw. Sensibilität der modellanalytisch ermittelten optimalen Bilanzstruktur in bezug auf Änderungen der Ausgangsdaten. Variiert man beispielsweise im Rahmen der Sensitivitätsanalyse für das Kundengeschäft die Vorsichtswerte der zur Risikosteuerung verwendeten Strukturkennzahlen (Solvabilitäts-Grundsatz und Begrenzung des Elastizitätssaldos), so zeigt sich, dass eine gewisse Bandbreite besteht, innerhalb derer die Werte dieser Restriktionen variiert werden können, ohne dass •
eine andere Risiko-Strukturkennzahl und/oder
•
eine andere Volumenrestriktion
einen neuen Engpass definieren und somit eine Umschichtung der Geschäftsarten in der bisher optimalen Kundengeschäftsstruktur erzwingen.
592
Am Beispiel der Vorgabe für das angerechnete Risikovolumen des neuen Kundengeschäfts in Höhe von 25 Mio. GE wird im Folgenden die Sensitivitätsanalyse durchgeführt (vgl. Abb. 375). Diese Restriktion zur Begrenzung des Kreditrisikos resultiert aus dem auf Gesamtbankebene angestrebten Solvabilitätskoeffizienten in Höhe von 10,6 %, der für das Neu-Geschäft insgesamt ein angerechnetes Risikovolumen in Höhe von 25,3774 Mio. GE zulässt. Davon werden 25 Mio. GE dem neuen Kundengeschäft zugewiesen. Der sogenannte Stabilitätskorridor beschreibt nun, bis zu welchem Mindest- bzw. Maximalwert dieses angerechnete Risikovolumen (mit entsprechenden Konsequenzen für den Solvabilitätskoeffizienten auf Gesamtbankebene) variiert werden kann, so dass die Zusammensetzung des neuen Kundengeschäfts nach Geschäftsarten erhalten bleibt, sich jedoch die Neu-Geschäftsvolumina entsprechend verändern, letzteres unter Berücksichtigung der weiteren Restriktionen. Sollte die Modellbank aus risikopolitischen Erwägungen den für das Kundengeschäft vorgesehenen Vorsichtswert für das angerechnete Risikovolumen auf einen niedrigeren respektive höheren Betrag verändern, so ist dies innerhalb des in Abbildung 375 wiedergegebenen Stabilitätskorridors möglich, ohne dass eine der vier Geschäftsarten der optimalen Kundengeschäftsstruktur keine Berücksichtigung findet bzw. eine weitere Restriktion wirksam wird. Erst an der Untergrenze bzw. Obergrenze des Korridors ändert sich die Zusammensetzung der optimalen Kundengeschäftsstruktur nach Geschäftsarten. Bei einem angerechneten Risikovolumen von weniger als 10,75 Mio. GE (= 21,5 Mio. GE · 50 %) käme die Geschäftsart Kontokorrentkredite nicht mehr zum Zuge. In diesem Fall würde das maximal mögliche NeuGeschäftsvolumen der Hypothekendarlehen von 21,5 Mio. die Untergrenze für das angerechnete Risikovolumen determinieren. Hingegen begrenzt die Volumenrestriktion der Kontokorrentkredite den Stabilitätskorridor nach oben, da hier nicht mehr als 16 Mio. GE an Neu-Geschäftsvolumen (= 320 Mio. GE · 5 %) möglich sind. Dies führt zu einer maximalen Anrechnung von 16 Mio. GE (= 16 Mio. GE · 100 %), so dass sich eine obere Begrenzung des Stabilitätskorridors von 26,75 Mio. GE ergibt. Stellt man die gleichen Überlegungen bezüglich der Variation des angerechneten Risikovolumens auf Gesamtbankebene an, so ist hier eine Untergrenze von 0 Mio. GE anzusetzen, da erst wenn überhaupt angerechnetes Risikovolumen der zentralen Struktursteuerung zugewiesen wird, diese zusätzlichen Forderungen gegenüber Banken abschließen kann, um den Strukturbeitrag zu erhöhen. Die Obergrenze für das angerechnete Risikovolumen lässt sich von der weiter oben beschriebenen Konstellation E herleiten (vgl. S. 588). In dieser Variante der Bilanzstrukturgestaltung stellt das maximale Bilanzsummenwachstum die Begrenzung für die Aufstockung der Barreserve dar. Würde man diese zusätzliche Barreserve von 2,3632 Mio. GE dem in der Optimallösung vorgesehenen Zuwachs der Forderungen gegenüber Banken von 1,8868 Mio. GE zuschlagen, so betrüge das maximal mögliche Neu-Geschäftsvolumen dieser Position 4,25 Mio. GE. Zu prüfen ist nun, ob die Restriktionen für das Zinsänderungsund das Liquiditätsrisiko diesen Zuwachs von insgesamt 4,25 Mio. GE einschränken. Entsprechende Berechnungen ergeben, dass dies nicht der Fall ist. Während die Kennzahl zur Begrenzung des Liquiditätsrisiko wiederum bei ca. 243 % liegt, steigt das Zinsänderungsrisiko zwar, erreicht jedoch nicht den maximalen Wert von - 0,5 Mio. GE. Somit beträgt die 593
Obergrenze für das der zentralen Struktursteuerung zusätzlich angerechnete Risikovolumen 0,85 Mio. GE (= 4,25 Mio. GE · 20 %).
Mindest-NeuGeschäftsvolumen
NeuGeschäftsvolumen bei optimaler Kundengeschäftsstruktur
maximales NeuGeschäftsvolumen
Kontokorrentkredite X3
> 0 Mio. GE
14,25 Mio. GE
16 Mio. GE
Hypothekendarlehen X4
21,5 Mio. GE
21,5 Mio. GE
21,5 Mio. GE
Sichteinlagen X6
4,5 Mio. GE
4,5 Mio. GE
4,5 Mio. GE
Spareinlagen X7
31,667 Mio. GE
31,667 Mio. GE
31,667 Mio. GE
angerechnetes Risikovolumen gegebener Untergrenze Obergrenze Vorsichtswert Kundengeschäft insgesamt
> 10,75 Mio. GE
25 Mio. GE
26,75 Mio. GE
Abb. 375: Ermittlung des Stabilitätskorridors für die Begrenzung des Kreditrisikos im Kundengeschäft
Fasst man nun die Ergebnisse für das Kundengeschäft und die zentrale Struktursteuerung zusammen, so erhält man die in Abbildung 376 aufgeführten Begrenzungen des Stabilitätskorridors bezüglich des Vorsichtswertes zur Begrenzung des Kreditrisikos. Zu beachten ist dabei, dass bei der Berechnung des gesamtbankbezogenen Solvabilitätskoeffizienten das angerechnete Risikovolumen in Höhe von 635 Mio. GE zu berücksichtigen ist sowie das Eigenkapital von 70 Mio. GE, das für die Anwendung der Vorschrift relevant ist, Verwendung findet. angerechnetes Risikovolumen im Neu-Geschäft
Kundengeschäft Zentrale Struktursteuerung Summe
Untergrenze
gegebener Vorsichtswert
Obergrenze
> 10,75 Mio. GE
25,0000 Mio. GE
26,75 Mio. GE
0,00 Mio. GE
0,3774 Mio. GE
0,85 Mio. GE
> 10,75 Mio. GE
25,3774 Mio. GE
27,60 Mio. GE
gesamtbankbezogener Solvabilitätskoeffizient gegebener Obergrenze Untergrenze Vorsichtswert Gesamtbank
< 10,84 %
10,60 %
10,56 %
Abb. 376: Stabilitätskorridor für die Begrenzung des Kreditrisikos auf Gesamtbankebene
Beabsichtigt die Modellbank also Variationen des Vorsichtswertes außerhalb des ermittelten Korridors, so ist, um die risikopolitischen Vorgaben einzuhalten, eine geschäftsartenmäßige Umschichtung der optimalen Struktur unumgänglich. Dieses ist im folgenden Untersuchungsgegenstand in der parametrischen Variationsanalyse.
594
• Parametrische Variationsanalyse
Die parametrische Variationsanalyse untersucht nicht mehr den Bereich der Stabilität (Sensitivität) der ermittelten Bilanzstruktur. Sie sucht vielmehr nach neuen Optimalstrukturen in Abhängigkeit von – im Vergleich zur Sensitivitätsanalyse – weitergehenden Veränderungen der Ausgangsdaten und -parameter. In Anknüpfung an die bisherigen Ausführungen könnte beispielsweise der Einfluss des von der Geschäftsleitung zu fixierenden Vorsichtswertes für den Solvabilitätskoeffizienten auf die optimale Bilanzstruktur – außerhalb des durch die Stabilitätsanalyse bereits erforschten Bereiches – untersucht werden. Als Grenzen der parametrischen Variationsanalyse sind dabei •
die von der Bankenaufsicht vorgeschriebene Untergrenze für den Solvabilitätskoeffizienten von 8 %, aus dem ein Höchstwert für das angerechnete Risikovolumen von 875 Mio. GE resultiert, sowie
•
die Obergrenze für den Solvabilitätskoeffizienten von 11,02 %, der sich aus dem angerechneten Risikovolumen des Alt-Geschäfts in Höhe von 635 Mio. GE sowie dem Eigenkapital von 70 Mio. GE ergibt,
zu beachten. Im vorliegenden Beispiel der Modellbank ergeben sich aufgrund der gegebenen Restriktionen für die Neu-Geschäftsvolumina und bezüglich des maximal möglichen Bilanzsummenwachstums keine veränderten Geschäftsstrukturen, wenn in der Parametervariation ein Solvabilitätskoeffizienten von unter 10,56 % betrachtet wird (vgl. Abb. 376). Sofern jedoch der Solvabilitätskoeffizient einen Wert von mehr als 10,56 % annimmt, können sich grundsätzlich veränderte Geschäftsstrukturen ergeben, wobei hier jedoch eine entscheidende Rolle die Aufteilung des angerechneten Risikovolumens auf das Kundengeschäft und den Bereich der Zentraldisposition spielt. Somit sind diesbezügliche Annahmen für eine parametrische Variationsanalyse vorzunehmen, um die Stabilitätskorridore für die neuen optimalen Geschäftsstrukturen zu finden. Die Vorgehensweise entspricht dann dem zwei-stufigen Verfahren im vorgestellten Modell. Dabei sind sowohl im Kundengeschäft als auch für den Bereich der zentralen Struktursteuerung jeweils die Grenzwerte zu ermitteln, für welche die jeweils formulierten Restriktionen das Neu-Geschäftsvolumen in den einzelnen Geschäftsarten determinieren. Das vorgestellte Modell beinhaltet eine ganze Reihe von Vereinfachungen, die zum Zwecke der Annäherung an die Komplexität in der bankbetrieblichen Praxis im weiteren sukzessive aufzuheben bzw. zu modifizieren sind. Dabei ändert sich die grundsätzliche Vorgehensweise nicht, die sich an die Philosophie des Dualen Steuerungsmodells anlehnt. Vielmehr werden zunächst die weiteren Steuerungsbereiche des Zentralergebnisses und weitere Kundengeschäftsbereiche sowie sämtliche Komponenten der Netto-Ergebnisse in die Modellstruktur einzubeziehen sein. Entscheidend ist dabei die Integration von Risikoverbundeffekten zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen.
595
Des weiteren können die Risikobegrenzungsnormen in Anlehnung an bankinterne Risikomodelle formuliert werden, wodurch das Modell durch nicht-lineare Zusammenhänge erweitert wird. Für den Fall, dass diese bankaufsichtlich nicht anerkannt werden, sind die entsprechenden externen Vorschriften nach wie vor als Nebenbedingungen zu beachten. Schließlich ist zu überlegen, wie die Ergebnisgrößen und Risikokennzahlen im Rahmen einer barwertorientierten Gesamtbanksteuerung in das Modell einzubeziehen sind, wobei im Rahmen derartiger Steuerungskonzeptionen die im Rahmen des Jahresabschlusses aufzustellende Gewinn- und Verlustrechnung sowie die Bilanz als strenge Nebenbedingungen einzubeziehen sind.
3.
Ein Praxisansatz zur Optimierung der Risikokapitalallokation
a)
Schrittweise Optimierung anhand einer exemplarischen Beispielbank
Als Instrument zur praxisorientierten Allokation von Risikokapital wurde ein Optimierungsansatz entwickelt (vgl. im Folgenden SCHIERENBECK et al. 2003), der sich mittels risikoadjustierter Kennzahlen in den geschlossenen Regelkreis von Planung und Kontrolle integrieren lässt. Dieser Ansatz stellt eine Adaption des durch LISTER 2002b vorgeschlagenen Sukzessivansatzes für nicht-finanzwirtschaftliche Unternehmen dar. Die Konzeption des hier vorgestellten Kozeptes für Banken umfasst zwei wesentliche Elemente: y
Aufbau eines integrierten Systems zur Risiko- und Ergebnismessung innerhalb der Modell-Bank und
y
Maximierung der Rendite-/Risiko-Relation unter schrittweiser Integration alternativer Szenarien sowie unter Beachtung ausgewählter Nebenbedingungen.
(1)
Beschreibung der Ausgangssituation
Die nachfolgenden Kalkulationen und Simulationen basieren auf den Annahmen bezüglich einer Beispielbank mit zwei strategischen Geschäftsfeldern: Geschäftsbereich A (Asset Management) und Geschäftsbereich B (Firmenkundengeschäft). Das Geschäftsvolumen in der Ausgangssituation beläuft sich auf 4.950.000 GE (vgl. SCHIERENBECK et al. 2003, S. 75 ff.). Die Gesamtstruktur ist stark vereinfacht. (a)
Risikomessung im Geschäftsbereich Asset Management
Geschäftsbereich A (Asset Management) besteht aus einem Portfolio von drei unterschiedlichen Typen börsennotierter Anleihen (Anleihe I-III). Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie sich der VaR dieses Geschäftsbereichs (bestehend aus Bonitäts- und Zinsänderungsrisiko) herleiten lässt. Die drei Anleihen zeichnen sich dabei durch folgende Merkmale aus:
596
Anleihe I
Anleihe II
Anleihe III
Nennwert [GE]
10.000
10.000
10.000
Rückzahlung
100 %
100 %
100 %
Nominalzins
5%
6%
7%
Restlaufzeit
2 Jahre
3 Jahre
2 Jahre
100
100
120
1.000.000
1.000.000
1.200.000
50 %
65 %
70 %
Stückzahl Nominelles Volumen [GE] erwartete Ausfallrate
Abb. 377: Ausgangsdaten im Geschäftsbereich Asset Management
Abweichend von der Vorgehensweise von CREDITMETRICS™ wird die erwartete Ausfallrate für jede Anleihe individuell vorgegeben. Dabei weisen die Anleihen die folgende Cashflow-Struktur auf: CF 1. Jahr
CF 2. Jahr
Anleihe I
+ 50.000
+ 1.050.000
Anleihe II
+ 60.000
+ 60.000
Anleihe III
+ 84.000
+ 1.284.000
CF 3. Jahr + 1.060.000
Abb. 378: Jährliche Cashflows der Anleihen I-III
Die Anleihen werden in drei Rating-Klassen (A, B und C) eingeordnet. Anleihe I verfügt dabei über das Rating A, Anleihe II über ein Rating von B und Anleihe III über ein Rating von C. Zwischen den einzelnen Ratings werden folgende jährlichen Migrationen unterstellt: Rating am Jahresanfang
Rating am Jahresende
A
B
C
A
98 %
0,5 %
0%
B
1%
97 %
1%
C
1%
2,5 %
96 %
Ausfall
0%
0%
3%
Abb. 379: Unterstellte Ratingmigrationen der börsennotierten Anleihen
Um die Veränderung des Marktwerts in einem einjährigen Horizont abbilden zu können, bedarf es der Kalkulation des erwarteten Kurswerts der Anleihe unter Berücksichtigung sämtlicher möglicher Rating-Migrationen. Bei der Ermittlung von Barwerten wurden folgende Zerobond-Renditen (vgl. Abb. 380) und die daraus abzuleitenden Forward-Zerobond-Renditen (vgl. Abb. 381) zu Grunde gelegt:
597
Ratingklasse A
B
C
1 Jahr
2.00 %
2.50 %
2.80 %
2 Jahre
2.50 %
2.60 %
2.70 %
3 Jahre
2.70 %
2.80 %
3.00 %
4 Jahre
3.10 %
3.20 %
3.30 %
5 Jahre
3.50 %
3.80 %
3.90 %
Abb. 380: laufzeitspezifische Zerobond-Renditen der verschiedenen Ratingklassen
Bei den Werten handelt es sich um fiktiv gewählte Beispieldaten, denen eine Unvollkommenheit der Märkte zu Grunde gelegt wird. Ratingklasse A
B
C
1 Jahr
3.00 %
2.70 %
2.60 %
2 Jahre
3.05 %
2.95 %
3.10 %
3 Jahre
3.47 %
3.43 %
3.47 %
4 Jahre
3.88 %
4.13 %
4.18 %
Abb. 381: Forward-Zerobond-Renditen in t = 1
Die Marktwerte der drei Anleihen lassen sich zum Zeitpunkt 0 durch Diskontierung auf Grundlage der bonitätsabhängigen Zinsstruktur ermitteln. Es ergeben sich folgende Werte für das Risikovolumen: y
Marktwert des Portfolios mit Anleihen des Typs I =
1.048.425 GE
y
Marktwert des Portfolios mit Anleihen des Typs II =
1.091.257 GE
y
Marktwert des Portfolios mit Anleihen des Typs III = 1.299.086 GE
Der deterministische Kurswert für den Eintritt eines spezifischen Rating-Ereignisses (vgl. Abb. 382) ergibt sich durch Diskontierung der Cashflows der jeweiligen Anleihe mittels den entsprechenden Forward-Zerobond-Renditen. Dabei ergeben sich folgende deterministischen Kurswerte nach der grundlegenden Vorgehensweise von CREDITMETRICS (Werte in GE) (vgl. S. 174 ff. und J.P. MORGAN 1997).
Rating am Jahresende
Anleihe I
Anleihe II
Anleihe III
A
1.069.393
1.116.399
1.330.572
B
1.072.394
1.118.539
1.334.242
C
1.073.391
1.115.691
1.335.461
500.000
650.000
840.000
Ausfall
Abb. 382: Deterministische Kurswerte der drei Anleihen
598
Abschließend kann nun der erwartete Kurswert der jeweiligen Anleihe durch Gewichtung des deterministischen Kurswertes mittels der Wahrscheinlichkeiten der Ratingzustände (aus der Migrations-Matrix) hergeleitet werden. Für die Anleihe I ergibt sich somit ein erwarteter Marktwert von 1.069.463 GE. Die Marktwerte der Anleihen II und III nehmen analog die Werte von 1.118.457 GE und 1.320.585 GE an. Die Standardabweichung der erwarteten Marktwerte führt unter Berücksichtigung eines bestimmten Signifikanzniveaus (Z-Wert = 3) zu den VaR der Risikopositionen. Diese Art der Überführung unterstellt jedoch bezüglich der Verteilung der Zufallsvariable explizit, dass von einer Normalverteilung ausgegangen wird. Unter den gegebenen Annahmen resultieren folgende auf das Bonitätsrisiko bezogenen Risikomasse (für die Berechnungen vgl. SCHIERENBECK et al. 2003). y
VaR des Bonitätsrisikos der Anleihe I =
1.484,86 GE
y
VaR des Bonitätsrisikos der Anleihe II =
1.403,61 GE
y
VaR des Bonitätsrisikos der Anleihe III =
253.551,68 GE
Der Zinsänderungsrisikos lässt sich für die drei Anleihen mittels Risk Master ermitteln (vgl. S. 320 ff.). Der VaR des Zinsänderungsrisikos lässt sich unter Integration der Korrelationen der Zerobond-Renditen herleiten. Im Grundmodell wird von vollständiger Unabhängigkeit der Laufzeiten (Korrelation = 0) ausgegangen, wodurch sich folgende VaR aus dem Zinsänderungsrisiko schätzen lassen: y
VaR des Zinsänderungsrisikos der Anleihe I =
55.426,59 GE
y
VaR des Zinsänderungsrisikos der Anleihe II =
84.510,52 GE
y
VaR des Zinsänderungsrisikos der Anleihe III =
109.017,89 GE
Im Rahmen der Aggregation des Bonitäts- und Zinsänderungsrisikos der einzelnen Anleihen zum totalen VaR eines Anleihentyps wird von einer Korrelation von + 1 beider Risikokategorien ausgegangen. Der VaR einer Anleihe ermittelt sich somit durch die simple Addition beider VaR, wodurch sich folgende Gesamtrisiken ergeben: y
VaR Anleihe I =
56.911,45 GE
y
VaR Anleihe II =
85.914,13 GE
y
VaR Anleihe III =
362.569,56 GE
Bei dieser Vorgehensweise ist jedoch kritisch anzumerken, dass sich bei Veränderungen der Bonität die Marktwerte anpassen und somit auch das Zinsänderungsrisiko einer Änderung unterworfen ist. Der Value at Risk des Geschäftsbereiches Asset Management lässt sich nun damit herleiten, indem Annahmen respektive empirische Schätzungen bezüglich der Abhängigkeit der drei Anleihen untereinander zu Grunde gelegt werden. Im Grundmodell wird vereinfachenderwei-
599
se von vollständiger Unabhängigkeit (Korrelation = 0) ausgegangen. Der VaR des Geschäftsbereiches Asset Management beläuft sich somit auf ungefähr 376.931 GE. In einer dynamischen Betrachtung ist des weiteren davon auszugehen, dass unter Berücksichtigung der marktlichen Durchsetzbarkeit (unter Absprache mit den zuständigen Frontmitarbeitern) das Risikovolumen der einzelnen Anleihen nur beschränkt variiert werden kann. Es werden die folgenden volumenmäßigen Limite fixiert (vgl. Abb. 383):
Volumenmäßige Untergrenze:
ª V º Anleihe I « » V– = « VAnleihe II » «V » «¬ Anleihe III »¼
ª 900.000 º « 900.000 » « » «¬1.080.000»¼
Volumenmäßige Obergrenze:
ª V º Anleihe I » « V+ = « VAnleihe II » « » V ¬« Anleihe III ¼»
ª1.100.000º «1.100.000» « » ¬«1.320.000¼»
Die Volumengrenzen sowie die bestehenden Risikovolumina werden grafisch in Abbildung 383 dargestellt. Volumen [TGE] 1.400 1.200
Anleihe III Anleihe I
Anleihe II
1.000 800 600 400 200 0 Asset Management Strategisch-technische Volumensgrenze Abb. 383: Ausgangs-Volumen im Geschäftsbereich Asset Management (inkl. Volumensgrenzen)
600
(b)
Risikomessung im Geschäftsbereich Firmenkundengeschäft
Der Geschäftsbereich B (Firmenkundengeschäft) beinhaltet ein Portfolio von Firmenkundenkrediten mit einjähriger Restlaufzeit. Die Einteilung der Kredite in bestimmte RatingKlassen erfolgt auf Grundlage der BVR II Rating-Skala der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (vgl. ANDERSEN/HAHN 2001): Rating-Klasse
Ausfallrate
Geschäfte
2a
0,07 %
Kredit WESTSTAR AG
2b
0,10 %
Kredit EASTSTAR AG
Abb. 384: Einordnung der Kredite in der BVR II Rating-Skala
Die beiden angesprochenen Kredite weisen die folgenden Eigenschaften auf: Kreditnehmer
WESTSTAR AG
EASTSTAR AG
Kredit-Volumen [GE]
750.000
1.000.000
Recovery Rate
60,00 %
75,00 %
Kundenzins
4,60 %
4,70 %
Abb. 385: Struktur des Geschäftsbereichs Firmenkundengeschäft
Der GKM-Zins beträgt 3,65 % respektive 3,71 %, wodurch sich Brutto-Konditionsbeiträge in Höhe von 0,95 % (Kredit WESTSTAR AG) und 0,99 % (Kredit EASTSTAR AG) ermitteln lassen. Darauf basierend wird nun die leicht modifizierte Deckungsbeitragsrechnung mit dem Ziel des Deckungsbeitrags III vor Eigenkapitalkosten vollzogen: Kredit WESTSTAR AG
Kredit EASTSTAR AG
Deckungsbeitrag I
0,950 %
0,990 %
í Standard-Risikokosten
0,028 %
0,025 %
í Standard-Betriebskosten
0,500 %
0,500 %
+ Provisionserlöse
0,000 %
0,000 %
= Deckungsbeitrag II
0,422 %
0,465 %
í anteilige Overheadkosten
0,250 %
0,250 %
= Deckungsbeitrag III vor EKK
0,172 %
0,215 %
Abb. 386: Deckungsbeitragsrechnung im Geschäftsbereich Firmenkundengeschäft
Ausgehend vom Deckungsbeitrag I werden die Standard-Risikokosten abgezogen. Diese ergeben sich, indem man den weiter oben berechneten erwarteten Verlust der beiden Kredite jeweils zum Kreditvolumen ins Verhältnis setzt. Die Standard-Betriebskosten von jeweils 0,5 % resultieren aus dem Management Accounting und stellen in diesem Zusammenhang eine grobe Schätzung dar. Da hier davon ausgegangen wird, dass keine Provisionserlöse anfallen, führt dies nach Abzug der Standard-Betriebskosten zum Deckungsbeitrag II. Von diesem
601
sollen nun noch die anteiligen Overheadkosten gedeckt werden, um zum Deckungsbeitrag III zu gelangen. Die anteiligen Overheadkosten resultieren ebenfalls aus dem Management Accounting und wurden im Rahmen dieser Modell-Kalkulationen geschätzt. Als Grundlage der Optimierungen dient der Deckungsbeitrag III vor Eigenkapitalkosten (DB III vor EKK resp. Netto-Marge). Dieser führt zur Kennzahl RORAC, auf Grundlage dessen im Weiteren auch kalkuliert wird. Die Anwendung des Deckungsbeitrags III nach Eigenkapitalkosten würde bekanntlich zur Kennzahl RAROC führen. Die Netto-Marge in Form des Deckungsbeitrags III vor Eigenkapitalkosten unterliegt auf Grund der marktlichen Umstände einer Anpassung in Abhängigkeit von Veränderungen des Geschäftsvolumens. In gesättigten Märkten ist davon auszugehen, dass Strategien mit hoher Volumensexpansion nur durchgesetzt werden können, wenn man dafür eine sinkende Marge in Kauf nimmt. Dies kann zu einer generellen Margenerosion beitragen. In den Berechnungen wurden diesbezüglich drei Achsenabschnitte unterstellt. Bei WESTSTAR AG wurden folgende Anpassungseffekte differenziert: Wird das Kreditvolumen unter 700.000 GE reduziert, lässt sich die Netto-Marge um 50 % erhöhen. Wird das Volumen jedoch auf über 800.000 GE erhöht, beträgt die Marge nur noch 50 % der ursprünglichen NettoMarge. Im dazwischen liegenden Bereich beträgt die Marge konstant 0,172 %. Bei EASTSTAR AG verhält es sich ähnlich: Wird das Volumen auf unter 900.000 GE reduziert, so lässt sich die Netto-Marge um 50 % erhöhen. Bei einer eventuellen volumensmäßigen Expansion auf über 1.100.000 GE reduziert sich die Marge auf 50 % der Netto-Marge. Im dazwischen liegenden Bereich bleibt die Marge auf einem konstanten Niveau von 0,215 %. In der Praxis wird ein solches Anpassungsverhalten bei einzelnen Krediten kaum zu beobachten sein. Diese Vorgehensweise ist jedoch erforderlich, um aufzuzeigen, welche Effekte sich ergeben, wenn in einem Bankportfolio Geschäftsvolumina bzw. Margen insgesamt variiert werden sollen. Die generell für eine Vielzahl von Kreditnehmern geltende Preis-Absatz-Funktion wird deshalb exemplarisch auf zwei einzelne Kreditnehmer verrechnet.
602
Netto-Marge
Kredit EASTSTAR AG 0,323 % Kredit WESTSTAR AG 0,258 % Ausgangsvolumen
0,215 %
Ausgangsvolumen
0,172 % 0,108 % 0,086 %
700.000 800.000 900.000
1.100.000 Kredit-Volumen
Abb. 387: Margenanpassungseffekte
Zur Bestimmung risikoadjustierter Kennzahlen bedarf es neben der Ermittlung von Erfolgsgrößen des Weiteren der Bestimmung des VaR. Dies geschieht hier unter Annahme eines Signifikanzniveaus von 99,87 %, was einem unterstellten Z-Wert von 3 bei unterstellter Standardnormalverteilung entspricht: VaRPortfolio = Verlusthöhe 99,87 %-Quantil – Erwarteter Verlust Die Verlusthöhe des Kreditportfolios auf einem Signifikanzniveau von 99,87 % soll unter Anwendung des Binomialmodells bestimmt werden. Dazu werden die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten des Ausfalls eines Kreditnehmers ermittelt (vgl. ZEB 2001 und S. 163 ff.). Gemäß Binomial-Modell ermittelt sich die Wahrscheinlichkeit für den gemeinsamen Ausfall beider Kreditnehmer ( p E, W ) folgendermaßen:
p E, W
p E p W U E, W V E V W
Dabei ist U E,W die Korrelation zwischen den beiden Krediten und V die Standardabweichung. Da in den Berechnungen von Unabhängigkeit ausgegangen wird, reduziert sich die Berechnung der gemeinsamen Ausfallwahrscheinlichkeit beider Kredite auf folgenden Wert (Werte der einzelnen Ausfallwahrscheinlichkeiten sind der BVR II-Rating-Skala auf S. 601 zu entnehmen). p E, W
pE pW
0,0007 0,001 0,0000007 603
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich kein Verlust einstellt, ergibt sich folgendermaßen: p 1 p E p W p E,W
1 0,0007 0,001 0,0000007 0,9983007
Die Wahrscheinlichkeit, dass EASTSTAR AG ausfällt, beträgt: p p E p E, W
0,001 0,0000007 0,0009993
Die Wahrscheinlichkeit, dass WESTSTAR AG ausfällt errechnet sich wie folgt: p p W p E,W
0,0007 0,0000007 0,0006993
Daraus leiten sich die ereignisspezifischen Verlusthöhen und deren kumulierte Wahrscheinlichkeiten her: Ereignis
Kumulierte Wahrscheinlichkeit (%)
Verlusthöhe [GE]
Kein Ausfall
99,8301 %
Ausfall WESTSTAR AG
99,9000 %
750.000
Ausfall EASTSTAR AG
99,9999 %
1.000.000
100,0000 %
1.750.000
Ausfall beider Kredite
0
Abb. 388: Kumulierte Wahrscheinlichkeiten der Verluste im Kreditportfolio
Um nun das 99,87 %-Verlust-Quantil von 428.250 GE herzuleiten, werden die beiden Ereignisse „Ausfall EASTSTAR AG“ und „kein Ausfall“ betrachtet und die jeweiligen Verlusthöhen auf dem Signifikanzniveau von 99,87 % linear approximiert. Zum VaR des Firmenkundengeschäftes von 427.790 GE auf einem 99,87 %-Signifikanzniveau gelangt man, indem der Quantils-Wert um die erwarteten Verluste der beiden Kredite (WESTSTAR AG: 210 GE; EASTSTAR AG: 250 GE) bereinigt werden. (c)
Ermittlung des Gesamtbank-RORAC
Der VaR auf Gesamtbankebene ( VaR Gesamtbank ) in Höhe von 570.159 GE berechnet sich, indem man die VaR Asset Management und VaR Firmenkundengeschäft über die Geschäftsbereichs-Korrelationen verknüpft. Im Grundmodell wird auch an dieser Stelle von vollständiger Unabhängigkeit der Geschäftsbereiche ausgegangen. Der erwartete RORAC am Ende des ersten Jahres auf Gesamtbankebene in Höhe von 12,8344 % wird berechnet, indem man die erwarteten Ergebnisbeiträge aus den Geschäftsbereichen ins Verhältnis setzt zum Gesamtbank-VaR. Im Geschäftsbereich Asset Management ermittelt sich dies, indem man die Differenz der jeweiligen Anleihen aus dem erwarteten Marktwert (EMW) am Ende der Betrachtungsperiode und dem bestehenden Marktwert ermittelt. Im Geschäftsbereich Firmenkunden werden die jeweiligen Netto-Margen aus der Deckungsbeitragsrechnung mit dem entsprechenden Kreditvolumen multipliziert.
604
RORAC
ǻMWAnleihe I ǻMWAnleihe II ǻMWAnleihe III DB W u KVW DB E u KVE VaR Gesamtbank
mit: 'MW = Deterministische Marktwertveränderung durch Bonitätsmigrationen; DB = Deckungsbeitrag III vor Eigenkapitalkosten; KV = Kreditvolumen
RORAC
RORAC
1.069.463 GE - 1.048.425 GE 1.118.457 GE 1.091.257 GE 1.320.585 GE 1.299.086 GE 0,172 % 750.000 GE 0,215 % 1.000.000 GE 570.159 GE
73.176 GE 570.159 GE
12,8344 %
Auf der Grundlage der definierten Strukturen der Beispiel-Bank soll nun die Funktionsweise der Optimierung der Geschäftsstruktur und der optimierten Allokation von Risikokapital dargestellt werden. (2)
Mehrdimensionale Optimierung der Gesamtbank unter Nebenbedingungen
Auf der Grundlage der vorgängig definierten Gesamtbankstruktur lässt sich in einer anschließenden Phase ein Modell zur optimierten Allokation des Risikokapitals aufsetzen. Das zu lösende Optimierungsproblem definiert sich über die folgenden Restriktionen: 1.
Zielfunktion: Maximierung des Gesamtbank-RORAC
2.
Technische Nebenbedingungen:
a) Volumensrestriktionen der Geschäftsarten im GB A (siehe S. 600) b) Volumensrestriktionen der Geschäftsarten im GB B: Nicht vorhanden c) Margenanpassungseffekte bei Anpassung des Geschäftsvolumens im GB A: Nicht vorhanden d) Margenanpassungseffekt bei Anpassung des Geschäftsvolumens im GB B (siehe S. 602) e) Korrelationen zwischen: 1. den Laufzeiten (bei der Berechnung des Zinsänderungsrisikos) 2. den Anleihen I-III 3. den GB Asset Management und Firmenkundengeschäft alternativ: f.1) Volumen der einzelnen Geschäftsarten t 0 f.2) Volumen der einzelnen Geschäftsarten des GB B (Firmenkundengeschäft) t 0, bei den Geschäftsarten des GB A (Asset Management) sind Leerverkäufe möglich 605
3.
Interne Risikonebenbedingungen:
Wahrscheinlichkeit (Totalverlustpotenzial d Risikotragfähigkeitspotenzial) t E % mit: E % = Signifikanzniveau in Prozent
4.
Aufsichtliche Nebenbedingungen:
Eigenmittelerfordernis nach Bankaufsicht d vorhandene Eigenmittel Das dargestellte Optimierungsproblem wurde mit Microsoft Excel Solver gelöst. Mit Hilfe von Excel Solver kann der Höchst- oder Mindestwert einer Zelle durch Änderungen der Werte in anderen Zellen und der zwingenden Berücksichtigung von Restriktionen ermittelt werden. Grundsätzlich funktioniert Excel Solver, wie auch die meisten anderen Solver-Typen, nach der so genannten „hill climbing“-Methode. Dies bedeutet, dass ausgehend von einer gegebenen Ausgangssituation die Eingangswerte so lange variiert werden, bis sich ein lokales Optimum (z.B. lokal optimaler Gesamtbank-RORAC) einstellt. Dabei muss es sich jedoch nicht zwingend um das globale Optimum handeln. Um diese Möglichkeit zu überprüfen, müssen weitere mögliche Ausgangssituationen in anderen Bandbreiten definiert und wiederum lokal optimiert werden, bis man schließlich zum globalen Optimum gelangt. Das Excel-Tool wurde auf der Grundlage des oben beschriebenen Optimierungsproblems in drei Teilbereiche untergliedert: y
Risiko- und Ergebnismessung in den Geschäftsbereichen
y
Definition der internen und aufsichtlichen Risikonebenbedingungen
y
Ermittlung des Gesamtbank-RORAC
Die Risiko- und Ergebnismessung der Geschäftsbereiche wurde im folgenden Tool-Bereich zusammengefasst (vgl. Abb. 389).
606
Geschäftsbereich A: Asset Management Aktuelles Rating Nennwert Rückzahlung Stückzahl Nominalzins Restlaufzeit (Jahre) Besicherungsquote Nominalwert Marktwert (pro Stück) Marktwert
Anleihe I A 10.000 100 % 100 5% 2 50 % 1.000.000 10.484 1.048.425
Anleihe II B 10.000 100 % 100 6% 3 65 % 1.000.000 10.913 1.091.257
Anleihe III C 10.000 100 % 100 7% 2 70 % 1.200.000 10.826 1.299.086
Rating am Jahresende A B C Erwarteter Ausfall
Anleihe I 1.069.393 1.072.394 1.073.391 500.000
Anleihe II 1.116.399 1.118.539 1.115.691 650.000
Anleihe III 1.330.572 1.334.242 1.335.461 840.000
DKW STD abs
Anleihe I A 1.069.463 494,95
Anleihe II B 1.118.456 467,87
Anleihe III C 1.320.584 84.517,23
3 1.485
3 253.552
55.426,59 21.038 56.911,45
3 1.404 376.930,82 84.510,52 27.200 85.914,13
RORAC
18,5011 %
Z-Wert VaR MW VaR Portfolio VaR Zinsänderungsrisiko Veränderung Bonitätsrisiko VaR total
109.017,89 21.498 362.569,56
Geschäftsbereich B: Firmenkundengeschäft Basis: Binominalmodell BVR II-Rating Kreditvolumen Ausfallrate BVR II Recovery Rate Kundenkondition Zinsertrag Marge Expected Loss
2a Kredit WESTSTAR 750.000 0,0700 % 60 % 4,60 % 1.290 0,172 % 210
2b Kredit EASTSTAR 1.000.000 0,1000 % 75 % 4,70 % 2.150 0,215 % 250
STD abs. 99,87 %
19.839
31.616
STD Portfolio
37.325
VaR Portfolio (Z = 3)
Volumensabhängige Anpassung
427.790 RORAC
0,8041 %
Abb. 389: Tool-Bereich: Zusammenfassung der Risiko- und Ergebnismessung der Geschäftsbereiche
Im folgenden Tool-Bereich (vgl. Abb. 390) wurde das Risiko im Geschäftsbereich Asset Management quantifiziert.
607
Abb. 390: Tool-Bereich: Risikoquantifizierung im Geschäftsbereich Asset Management
Die zu berücksichtigenden internen und aufsichtlichen Nebenbedingungen wurden in Excel folgendermaßen formuliert (vgl. Abb. 391).
A 2,00 % 2,50 % 2,70 % 3,10 % 3,50 %
1. Jahr 50.000 60.000 84.000
RMZ RF VaR
STD ZB-AF
RP*
RMZ RF VaR
STD ZB-AF
RP*
Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4 Stufe 5
3. Jahr 1.060.000 -
C 2,80 % 2,70 % 3,00 % 3,30 % 3,90 %
Anleihe III 362.569,56
Anleihe II 85.914,13
3,080 % - 9,240 % - 8,826 % -
2,980 % 3,010 % - 8,940 % - 9,030 % - 8,552 % - 8,634 % - 4.874,45 - 84.246,80
Anleihe I 56.911,45
2,700 % - 8,100 % - 7,781 % - 4.554,52
3,120 % 3,100 % -9,360 % - 9,300 % - 8,8811 % - 8,935 % - 7.256,56 - 108.776,11
RMZ RF VaR
MW t = 0 10.484,25 10.912,57 10.825,72
1.900 % 2,200 % 1,700 % - 5,100 % - 5,700 % - 6,660 % - 4,972 % - 5,541 % - 6,443 % - 2.437,32 - 55.372,97
2. Jahr 1.050.000 60.000 1.284.000
B 2,50 % 2,60 % 2,80 % 3,20 % 3,80 %
STD ZB-AF
RP*
Risk Master: Anleihe III
Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4 Stufe 5
Risk Master: Anleihe II
Stufe 1 Stufe 2 Stufe 3 Stufe 4 Stufe 5
Risk Master: Anleihe I
Anleihe I Anleihe II Anleihe III
Zahlungsströme
INPUT ZBR 1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre
3
Z-Wert
1 Jahr 1 0 0
1 Jahr 1 0 0 2 Jahre 0 1 0
Anleihe III
Anleihe II
Anleihe I
1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre
1 0 0
Anleihe I
1 Jahr 1 0 0
3 Jahre 0 0 1
3 Jahre 0 0 1
3 Jahre 0 0 1
C 97,28 % 94,81 % 91,51 % 87,82 % 82,59 %
0 1 0
0 0 1
Anleihe II Anleihe III
2 Jahre 0 1 0
Korrelationen Zinssätze
1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre
Korrelationen Zinssätze
1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre
2 Jahre 0 1 0
B 97,56 % 95,00 % 92,05 % 88,16 % 82,99 %
A 98,04 % 95,18 % 92,32 % 88,50 % 84,20 %
Korrelationen Zinssätze
ZB-AF 1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre
Korrelationen Zinssätze
608 108.776,11
84.510,52
4.874,45
0,00
A 1,700 % 1,900% 2,220 % 2,750 % 2,990 %
0,00
84.246,80
55.426,59
55.372,97
VaR-Anleihe III 109.017,89
7.256,56
VaR-Anleihe II
4.554,52
VaR-Anleihe I
2.437,32
STD ZB-AF 1 Jahr 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre
7.256,56 108.776,11 0,00
4.554,52 4.874,45 84.246,80
2.437,32 55.372,97 0,00
B 2,700 % 2,980 % 3,010 % 2,800 % 2,780 %
11.884.899.970,33
7.142.027.361,98
3.072.106.394,67
C 3,100 % 3,120 % 3,080 % 3,500 % 3,450 %
Interne Risikonebenbedingung Erfüllt?
JA
Kernkapital Tier 1
924.800
Ergänzungskapital Tier 2
360.000
Nachrangkapital Tier 3
P RDP
Übergewinn
400.000
S RDP
Stille Reserven
100.000
T RDP
Mindestgewinn
64.800
Sonderposten für allg. Bankrisiken Qa RDP
Qi RDP
0
45.900
400.000
tangiert
564.800
tangiert
Offene Reserven Gezeichnetes Kapital
360.000
Ergänzungskapital
360.000
Nachrangkapital
45.900
Summe
1.330.700
nicht tangiert
1.330.700
Aufsichtliche Risikobedingungen Erfüllt?
JA
nicht tangiert
Bedingung
EK/gewichtete Risikoaktiva 8 %
Effektiver Wert:
Gewichtete Risikoaktiva
14,06 %
Risikogewicht
Exposure bei Ausfall
Eigenmittel (8 %)
Rating
Anleihe I
20 %
500.000
100.000
8.000
A
Anleihe II
100 %
650.000
650.000
52.000
B
Anleihe III
150 %
840.000
1.260.000
100.800
C
Kredit WESTSTAR AG
100 %
300.000
300.000
24.000
kein Rating
Kredit EASTSTAR AG
100 %
250.000
250.000
20.000
kein Rating
2.540.000
2.560.000
204.800
Summe
Abb. 391: Tool-Bereich: Interne und aufsichtliche Risikonebenbedingungen mit: P RDP = primäres Risikodeckungspotential; S RDP = sekundäres Risikodeckungspotential; T RDP = tertiäres Risikodeckungspotential; Qa RDP = quartäres Risikodeckungspotential; Qi RDP = quintäres Risikodeckungspotential; vgl. hierzu S. 33 ff.
Die Verknüpfung der Struktur der Geschäftsbereiche auf Gesamtbankebene und zur zentralen Kennzahl des Gesamtbank-RORAC wurde im folgenden Tool-Bereich vollzogen (vgl. Abb. 392).
609
Gesamtbank-Portfolio RORAC
12,8344 %
Gewinn
73.176
Gesamtvolumen
5.188.768
EKR
20,3268 %
VaR Gesamtbank Korrelationen
376.931
427.790
1
0
376.931
0
1
427.790
376.931
427.790
325.081.262.861
570.159
VaR GB A
376.931
VaR GB B
427.790
Summe stand alone VaR
804.720
Abb. 392: Tool-Bereich: Gesamtbank-RORAC
Auf dieser Grundlage kann nun mit der eigentlichen Optimierung begonnen werden. Durch die Maximierung des Gesamtbank-RORAC im Rahmen der schrittweisen Vorgehensweise werden in einer ersten Phase die Geschäftsvolumina dahingehend variiert. Dabei wird das Gesamtbank-Volumen in einer ersten Phase unverändert bei 5.188.768 GE belassen. Die Optimierung wird unter Einhaltung der gesetzten Nebenbedingungen vollzogen (vgl. dazu S. 605 f.):
GB A total Anleihe I
Geschäftsvolumen Ausgangssituation
Geschäftsvolumen nach Optimierung 1
3.438.768
3.280.000
- 4,62 %
1.048.425
1.100.000
+ 4,92 %
Anleihe II
1.091.257
1.100.000
+ 0,80 %
Anleihe III
1.299.086
1.080.000
- 16,86 %
1.750.000
1.908.768
+ 9,07 %
WESTSTAR AG
750.000
7.614
- 98,98 %
EASTSTAR AG
1.000.000
1.901.154
+ 90,12 %
5.188.768
5.188.768
+/- 0 %
GB B total
Gesamtbank-Volumen (konstant)
Abb. 393: Veränderungen der Geschäftsstruktur durch Optimierung 1
610
Veränderung (in %)
Der Gesamtbank-RORAC, der in der Ausgangssituation 12,83 % betrug, lässt sich durch diese Umschichtungen auf einen Wert von 21,75 % steigern. Der GB A weist ein Geschäftsvolumen von neu 3.280.000 GE auf, der GB B ein solches von 1.908.768 GE. Innerhalb des GB A kommt es zu folgenden volumenmäßigen Verschiebungen: Das Volumen der Anleihen I und II soll auf das technisch durchsetzbare und zuvor definierte Maximum erhöht werden. Die Position an Anleihen III soll auf das technische Minimum reduziert werden. Der Kredit an die WESTSTAR AG sollte annähernd vollständig abgebaut und die Geschäftsbeziehung zu EASTSTAR AG sollte forciert werden – Expansion um ca. 90 % (vgl. Abb. 394). Volumen [TGE] 2.000 EASTSTAR AG 1.900 1.400 1.200
Anleihe III
Anleihe I
Anleihe II
1.000 WESTSTAR AG
800 600 400 200 0 Asset Management Ausgangswerte
Firmenkundengeschäft
Volumen nach Optimierung 1
Abb. 394: Optimierung im Rahmen eines konstanten Geschäftsvolumens
Im Fall der Vernachlässigung technischer Volumens-Ober- und Untergrenzen würde sich die Struktur der Geschäfte erheblich verändern. In einer weiteren Phase kann im Rahmen der schrittweisen Vorgehensweise die Prämisse eines unveränderten Geschäftsvolumens fallen gelassen werden. Im Rahmen der sukzessiven Vorgehensweise wird an dieser Stelle eine Reduktion des Geschäftsvolumens auf 4.000.000
611
GE unterstellt. Daraus ergibt sich die folgende revidierte Volumens-Zusammensetzung in den Geschäftsbereichen (Optimierung 1.1) (vgl. Abb. 395 und 396).
Geschäftsvolumen Ausgangssituation
Geschäftsvolumen nach Optimierung 1.1
Veränderung (in %)
3.438.768
3.274.322
- 4,78 %
Anleihe I
1.048.425
1.094.322
+ 4,38 %
Anleihe II
1.091.257
1.100.000
+ 0,80 %
Anleihe III
1.299.086
1.080.000
- 16,86 %
1.750.000
725.678
- 58,53 %
WESTSTAR AG
750.000
0
- 100,00 %
EASTSTAR AG
1.000.000
725.678
- 27,43 %
Gesamtbank-Volumen (variabel mit Limiten)
5.188.768
4.000.000
- 22,91 %
570.159
319.194
- 44,02 %
Gewinn
73.176
69.590
- 4,90 %
RORAC
12,83 %
21,80 %
+ 70,18 %
GB A total
GB B total
Ökonomisches Kapital (variabel)
Abb. 395: Veränderungen der Geschäftsstruktur durch Optimierung 1.1
Der Gesamtbank-RORAC würde sich durch diese Umschichtungen auf einen Wert von 21,80 % erhöhen. Das Volumen, das in Form von Anleihen I und II gehalten wird, soll auf das maximal mögliche Maß reduziert werden. Die Position mit Anleihen des Typs III soll auf das technische Minimum reduziert werden. Ein Teil der Firmenkundenkredite soll vollständig abgebaut werden (Kredit WESTSTAR AG), der andere Teil erheblich reduziert werden (Kredit EASTSTAR AG).
612
Volumen [TGE] 2.000 EASTSTAR AG 1.900 1.400 Anleihe III 1.200
Anleihe I
Anleihe II
1.000 WESTSTAR AG
800 600 400 200 0 Asset Management Anfangswerte
Optimierung 1
Firmenkundengeschäft Optimierung 1.1
Abb. 396: Volumens-Verschiebungen durch Optimierung 1 und 1.1
Durch die Unterstellung beliebiger Variation der Gesamtbankvolumina im Rahmen der Optimierung 1.1, lässt sich ein funktionaler Zusammenhang maximal erzielbarer GesamtbankRORAC in Abhängigkeit alternativer Gesamtbankvolumina herleiten (vgl. Abb. 394). Bei den jeweiligen Szenarien der Gesamtbankvolumina wird von einer Optimierung der Gesamtbankstruktur ausgegangen, um den maximal realisierbaren RORAC bei jeweils gegebenem Gesamtbankvolumen zu ermitteln. Im Speziellen sind dies die erzielbaren RORAC unter Annahme der Rahmenbedingungen der Optimierungen 1 (Gesamtbank-Geschäftsvolumen unverändert = 5.188.000 GE; RORAC = 21,75 %) und 1.1 (Gesamtbank-Geschäftsvolumen reduziert = 4.000.000 GE, RORAC = 21,80 %). Der Zusammenhang ist dadurch charakterisiert, dass sich im Bereich zwischen dem ursprünglichen, konstanten Geschäftsvolumen (Optimierung 1) und dem reduzierten Geschäftsvolumen (Optimierung 1.1) ein lokales Maximum der RORAC-Funktion einstellt. Die Bildung der beiden Stufen in diesem Bereich ist auf die Margenerhöhungen der beiden Firmenkundenkredite im Rahmen der Reduktion der Volumina zurückzuführen. Der fallende Funktionsverlauf, respektive sinkende Gesamtbank-RORAC, im linken Bereich des lokalen Maximums ist dadurch zu begründen, dass durch die zunehmende Reduktion der Gesamtbankvolumina mar613
genträchtige Geschäfte abgebaut werden müssen (Geschäftsbereich Firmenkundenkredite), da man im Geschäftsbereich Asset Management auf Grund der technischen Volumensrestriktionen die Volumina der drei Anleihen-Positionen nicht weiter reduzieren kann. Das minimale Geschäftsvolumen beträgt 2.880.000 GE. An diesem Punkt wurde das Geschäftsvolumen des Geschäftsbereiches Firmenkundengeschäft vollständig abgebaut und dasjenige des Geschäftsbereichs Asset Management auf die technische Untergrenze heruntergefahren. Im Bereich rechts der Optimierung 1 steigt der Gesamtbank-RORAC an, da im Rahmen der Berechnungen der Beispiel-Bank unterstellt wird, dass das Firmenkundengeschäft beliebig stark aufgebaut werden kann. 22.5 %
lokales RORACMaximum Optimierung 1.1
Gesamtbank-RORAC
21.5 % 21.0 % 20.5 % 20.0 % 19.5 %
Optimierung 1
technische Volumensrestriktion
22.0 %
19.0 % 18.5 % Ausgangssituation
2. 88 0 3. 00 0 3. 20 0 3. 40 0 3. 60 0 3. 80 0 4. 00 0 4. 20 0 4. 40 0 4. 60 0 4. 80 0 5. 00 0 5. 18 8 5. 30 0 5. 50 0 5. 70 0 5. 90 0
12.7 %
Gesamtbank-Geschäftsvolumina [in 1.000 GE] Abb. 397: Funktionaler Zusammenhang von Gesamtbank-RORAC und Gesamtbank-Geschäftsvolumina
Die Ausprägung eines lokalen RORAC-Maximums lässt darauf schließen, dass es ein bestimmtes Gesamtbank-Geschäftsvolumen geben muss, das dazu führt, dass bei diesem gegebenen Volumen durch Optimierung der Gesamtbank-Struktur ein maximaler RORAC erreicht werden kann. Dieser Fall trifft ein durch die Reduktion des Geschäftsvolumens auf ein Niveau von 4.183.924 GE. Die Geschäftsstruktur, die unter der Annahme eines limitiert variablen Gesamtbank-Volumens zu einem maximalen RORAC führt, kann Abbildung 398 entnommen werden. Das ökonomische Kapital lässt sich durch diese strukturellen Verschiebungen um 44,01 % reduzieren, wohingegen der Gewinn nur geringfügig um 3,96 % abnimmt. Dadurch lässt sich eine Steigerung des Gesamtbank-RORAC um 71,55 % auf einen Wert von 22,01 % bewerkstelligen.
614
Geschäftsvolumen Ausgangssituation
Geschäftsvolumen (Gesamtbank-RORAC maximal)
Veränderung (in %)
3.438.768
3.280.000
- 4,62 %
1.048.425
1.100.000
+ 4,92 %
Anleihe II
1.091.257
1.100.000
+ 0,80 %
Anleihe III
1.299.086
1.080.000
- 16,86 %
GB A total Anleihe I
GB B total
1.750.000
903.924
- 48,35 %
WESTSTAR AG
750.000
4.030
- 99,46 %
EASTSTAR AG
1.000.000
899.894
- 10,01 %
5.188.768
4.183.924
- 19,37 %
570.159
319.258
- 44,01 %
Gesamtbank-Volumen (variabel mit Limiten) Ökonomisches Kapital Gewinn
73.176
70.276
- 3,96 %
RORAC
12,83 %
22,01 %
+ 71,55 %
Abb. 398: Veränderungen der Geschäftsstruktur durch Umsetzung der Gesamtbank-RORAC maximierenden Geschäftsstruktur
Die unterstellte Annahme der Anpassbarkeit des Risikokapitals stellt jedoch in der Bankpraxis erhebliche Probleme dar, denn bei der Reduzierung von Risikokapital wird man mit einem Reallokationsproblem konfrontiert. Aus dieser Perspektive heraus ist es in folgedessen einfacher, den VaR respektive das Risikokapital konstant zu halten und die Ertragspotentiale zu optimieren. So kann auch die eigentliche Umstrukturierung des Gesamtbank-Portfolios zu massiven Kosten führen, die den dadurch entstehenden Nutzen zunichte machen oder im schlimmsten Fall sogar übertreffen. Technisch würde die Möglichkeit bestehen, dass man diese Kosten der Reallokation für sämtliche mögliche Veränderungen des Einzelgeschäftsvolumens ermittelt und in die Berechnungen mit einbezieht (funktionale Zusammenhänge ermittelt) und unmittelbar mit den Einzelgeschäfts-Ergebnisbeiträgen verknüpft. Bei der Ermittlung des RORAC würden diese Kosten berücksichtigt, indem man die RORAC-Grundformel folgendermaßen ergänzt: RORAC
Ergebnisbeiträge Reallokationskosten VaR Gesamtbank
Werden das Risikopotential in Form des Gesamtbank-VaR und das totale Geschäftsvolumen auf dem gleich bleibenden Niveau von 570.159 GE konstant gehalten, so ergibt sich die optimierte Gesamtbank-Struktur nach der zweiten Optimierung gemäss Abbildung 399. Wird auch hier wiederum die Restriktion der Konstanz des Gesamtbankvolumens (unter Beibehaltung eines gleich bleibenden VaR-Niveaus) aufgehoben, würden bei einer möglichen Erhöhung des Gesamtbankvolumens auf 5.300.000 GE und der Beibehaltung des GesamtbankVaR die strukturellen Veränderungen gemäss Abbildung 400 resultieren. 615
Geschäftsvolumen Ausgangssituation
Geschäftsvolumen nach Optimierung 2
3.438.768
3.520.000
+ 2,36 %
1.048.425
1.100.000
+ 4,92 %
Anleihe II
1.091.257
1.100.000
+ 0,80 %
Anleihe III
1.299.086
1.320.000
+ 1,61 %
GB A total Anleihe I
GB B total
Veränderung [%]
1.750.000
1.668.768
- 4,64 %
WESTSTAR AG
750.000
740.257
- 1,30 %
EASTSTAR AG
1.000.000
928.511
- 7,15 %
Gesamtbank-Volumen (konstant)
5.188.768
5.188.768
+/- 0,00 %
Ökonomisches Kapital (konstant)
570.159
570.159
+/- 0,00 %
RORAC
12,81 %
13,08 %
+ 2,11 %
Abb. 399: Veränderungen der Geschäftsstruktur durch Optimierung 2
Geschäftsvolumen Ausgangssituation GB A total
Geschäftsvolumen nach Optimierung 2.1
Veränderung (in %)
3.438.768
3.520.000
+ 2,36 %
Anleihe I
1.048.425
1.100.000
+ 4,92 %
Anleihe II
1.091.257
1.100.000
+ 0,80 %
Anleihe III
1.299.086
1.320.000
+ 1,61 %
1.750.000
1.780.000
+ 1,71 %
GB B total WESTSTAR AG
750.000
740.306
- 1,29 %
EASTSTAR AG
1.000.000
1.039.694
+ 3,97 %
5.188.768
5.300.000
+ 2,14 %
Ökonomisches Kapital (konstant)
570.159
570.159
+/- 0 %
RORAC
12,81 %
13,13 %
+ 2,50 %
Gesamtbank-Volumen (variabel)
Abb. 400: Veränderungen der Geschäftsstruktur durch Optimierung 2.1
Die resultierenden Volumensänderungen durch die Optimierungen 2 und 2.1 werden in der folgenden Abbildung 401 grafisch veranschaulicht:
616
Volumen [TGE] 1.400 Anleihe III
1.300 1.200
Anleihe II
Anleihe I
EASTSTAR AG
1.000 WESTSTAR AG
800 600 400 200 0 Asset Management Anfangswerte
Optimierung 2
Firmenkundengeschäft Optimierung 2.1
Abb. 401: Volumensauswirkungen der Optimierungen 2 und 2.1
In einer praxisorientierten Umsetzung würde man sich angesichts der geringfügigen Veränderungen an dieser Stelle der schrittweisen Optimierung 2.1 wohl nicht dazu entschließen, diese strukturelle Veränderung umzusetzen. Es ist davon auszugehen, dass die Rentabilitätssteigerung durch die Reallokationskosten überkompensiert würde. Jedoch sind die Wirkungen, die durch die Umsetzung von Optimierung 1 erzielt wurden, als überaus interessant zu bezeichnen. (3)
Praxisorientierte Allokation im Rahmen einer Korridor-Planung
Im Rahmen der Planung einer optimalen Allokation ist für die Geschäftsleitung auch von Interesse, wie sich Abweichungen bezüglich der Parametrisierung (z.B. unterstellte Korrelationen) von historischen oder erwarteten Werten auf die optimierte Allokation auswirken würden. Geht man davon aus, dass als strategische Vorgabe die Konstanz des Gesamtbankvolumens vorausgesetzt wird, würden sich durch die Unterstellung extrem positiver, extrem negativer und „normaler“ (zwischen den Extremwerten liegender) Korrelationen der Geschäftsbereiche drei unterschiedliche optimierte Ziel-Allokationen ergeben (vgl. Abb. 402). Die Konstanz des Gesamtbankvolumens ist eine eher praxisferne Annahme. Sie vereinfacht allerdings das weitere Vorgehen enorm und wird auch aus didaktischen Gründen der Untersuchung zugrunde gelegt.
617
Welche Auswirkungen würden sich auf die optimierte Allokation Bestehende Allokation ergeben, falls die Korrelationen stark abnehmen würden?
Korrelationen =-1
Welche Auswirkungen würden sich auf die optimierte Allokation ergeben, falls die Korrelationen stark zunehmen würden würden?
Korrelationen =+1 Korrelationen = EW
Allokation im best case
Effektive Allokation (Optimierung 1)
Allokation im worst case
Volumen GB A
3.280.000
3.280.000
3.280.000
Volumen GB B
1.908.768
1.908.768
1.908.768
Volumen Gesamtbank
5.188.768
5.188.768
5.188.768
Ökonomisches Kapital
123
319.275
319.251
VaR GB A
319.251
319.251
319.251
VaR GB B
319.128
3.870
0
Abb. 402: Best und worst case-Simulationen auf Grundlage der Optimierung 1
Die Darstellung zeigt, dass es bei der Unterstellung unterschiedlichster Konstellationen bezüglich der Korrelationen der Geschäftsbereiche es einer vollständig abweichenden Ausrichtung der Geschäftsstruktur bedarf. Die erwarteten Korrelationen (Korrelation = EW) entsprechen dabei den Werten in der Ausgangssituation. Bezüglich der Volumensveränderungen auf Ebene der Geschäftsbereiche zeigen sich selbst unter extremen Konstellationen nur geringfügige Veränderungen. Abschließend ist noch auf die Fragestellung einzugehen, wie mit den entstandenen Korrelationen zwischen den einzelnen Ebenen umzugehen ist. In Anlehnung an die vorangehenden Ausführungen liegt es nahe, zu argumentieren, dass die entstehenden Korrelationseffekte verursachungsgerecht der Ebene der Gesamtbank zuzuweisen sind und somit nicht auf die einzelnen Geschäftsbereiche herunter gebrochen werden dürfen. Die Vergleichbarkeit der PlanRORAC-Werte der Geschäftsbereiche und des Ziel-RORAC kann hier analog zur Vorgehensweise in B.II.1. erfolgen. Der Diversifikationseffekt bildet die Differenz zwischen dem Gesamtbank-Plan-RORAC (ohne Einrechnung von Diversifikationseffekten) und dem Gesamtbank-Plan-RORAC.
618
b)
Entwicklung eines Best Practice-Ansatzes zur bereichsspezifischen Zuordnung von Risikokapital
Vor dem Hintergrund des vorgestellten Beispiels zum Sukzessivansatz soll nunmehr ein allgemeingültiges Ablaufschema erarbeitet werden. Dazu werden zuerst die Prozessstufen des Beispiels identifiziert und anschließend generalisiert (vgl. im Folgenden SCHIERENBECK et al. 2003). (1)
Definition der allgemeingültigen Nebenbedingungen
Wie aus den exemplarischen Berechnungen in B.II.3.a) hervorgeht, weist ein Modell zur optimierten Allokation von Risikokapital, insbesondere bei Banken, eine große Vielzahl zu berücksichtigender Nebenbedingungen auf. Die Nebenbedingungen resultieren aus y
aufsichtlichen,
y
strategischen respektive operationellen Restriktionen sowie der
y
Berücksichtigung interner Risikonebenbedingungen.
Bezüglich der Berücksichtigung von aufsichtlichen Nebenbedingungen wurde im vorangegangenen Beispiel auf die Bestimmungen des Grundsatz I BaFin abgestellt. Diese Variante wurde gewählt, um unnötige Komplexitäten zu vermeiden. Diesbezüglich sollte auch der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen nicht im Bereich der bankenaufsichtlichen Steuerungsprobleme liegen. Außerdem ist die finale Auseinandersetzung der Basel II-Vorschriften im Rahmen nationalen Aufsichtsrechts noch nicht bekannt. Aber auch im Rahmen künftiger Regelungen wird generell bei jeder Allokation folgende Bedingung erfüllt sein müssen: NB 1.01:
Aufsichtlicher Eigenmittelbedarf d vorhandene Eigenmittel
Bei der Beispielbank umfassen die adressausfallrisikobehafteten Positionen des Anlagebuches (Risikoaktiva) die Bilanzaktiva, außerbilanzielle Geschäfte, Swap-Geschäfte und Optionsrechte. Die Eigenmittelunterlegung soll mindestens 8 % der Risikoaktiva entsprechen. Die gewichteten Risikoaktiva (anrechnungspflichtiger Betrag) ergeben sich durch die Gewichtung des Kreditäquivalenzbetrages mit einem durch Grundsatz I vorgeschriebenen Anrechnungsfaktor. Die nächste durch interne Risikogrundsätze determinierte Bedingung basiert auf den theoretischen Grundlagen des 1. Kapitels. Im Mittelpunkt des Risikotragfähigkeitskalküls als Grundregel zur Verlustrisikobegrenzung stehen die Berücksichtigung struktureller Risiken, die Orientierung am Totalverlustpotenzial und die Begrenzungsmaßstäbe für das Totalverlustpotenzial. Daraus resultiert eine Grundregel der internen Risikosteuerung (Risikotragfähigkeitsprinzip). Diese fordert eine Verlustbegrenzung in Abhängigkeit von einem gewählten Sicherheitsniveau: Das Totalverlustpotential (in Form des Gesamtbank-VaR) darf die Risikotragfähigkeit einer Bank bei dem vorgängig definierten Sicherheitsniveau E nicht übersteigen. NB 2.01:
W (Totalverlustpotenzial d Risikotragfähigkeitspotential) t E %
619
Die strategischen und technischen Nebenbedingungen wenden sich der Thematik von Volumensänderungen und Margeneffekten, des Einflusses der Wahl bestimmter Korrelationen und Signifikanzniveaus zu. Bezüglich der Herleitung von Einzelgeschäfts-Margen in Abhängigkeit bestimmter Volumens-Anpassungen lässt sich folgender Zusammenhang unterstellen: NB 3.01:
Brutto-Marge (BM) = b – a · 'Volumen
Bei der Annahme eines linearen Zusammenhangs zwischen Volumensänderungen und den daraus resultierenden Bruttomargen lässt sich der Verlauf dieser linearen Kurve über zwei Parameter beschreiben: Einen fixen Achsenabschnitt b und ein Sensitivitätsmaß a. Dabei bringt das Sensitivitätsmaß a zum Ausdruck, in welchem Maße sich eine Veränderung des Volumens auf die Bruttomarge auswirkt. Die Nebenbedingung 3.01 unterliegt jedoch einer weiteren Restriktion, welche in der möglichen Veränderung der Volumina begründet ist ('Volumen). Die technischen Volumensgrenzen (TVG) lassen sich für jedes einzelne Geschäft in Absprache mit den Marktbereichen herleiten. Diese technischen Volumengrenzen können in einem weiteren Schritt durch strategisch definierte Volumen-Korridore (SVK) konkretisiert werden. Dabei kommen zwangsläufig die strategisch sinnvollen (durch die Geschäftsleitung definierten Korridore) innerhalb der technisch machbaren Grenzen zu liegen. Der Nutzen dieser strategischen Anpassungen ist in folgenden Punkten zu sehen: y
Reduktion des Klumpenrisikos
y
Förderung eines Geschäftsfelds mit einer mittelfristig erwarteten hohen Attraktivität
y
Beibehaltung der Struktur eines vorübergehend konjunkturell bedingt ertragsschwachen Geschäftsbereiches und
y
Beibehaltung des bestehenden Kundennutzens/Image.
Die Ungleichungen lassen sich somit wie folgt formulieren:
VU TVG 1
NB 3.02a:
620
V1
VO TVG 1
V VU TVG 2 V d 2 d O TVG 2 VO TVG x VU TVG x Vx
NB 3.02b:
VU SVK 1 VO SVK 1 V1 VU SVK 2 VO SVK 2 V2 d d VU SVK x VO SVK x Vx
mit: Vx = gesuchtes optimales Volumen der Geschäftsposition x; VU TVG x = minimaler Punkt der TVG der Geschäftsposition x; VO TVG x = maximaler Punkt der TVG der Geschäftsposition x; VU SVK x = minimaler Punkt des SVK der Geschäftsposition x; VO SVK x = maximaler Punkt des SVK der Geschäftsposition x
Da die Nebenbedingung 3.02a prinzipiell der Nebenbedingung 3.02b untergeordnet ist, ist im Rahmen der Optimierung lediglich die Restriktion 3.02b zu berücksichtigen. Die Soll-Eigenkapitalrentabilität lässt sich mittels unterschiedlichster Verfahren herleiten (vgl. Band 1, S. 467 ff.) Hierzu zählen Verfahren der strukturellen Gleichgewichtsrentabilität, kapitalmarkttheoretisch abgeleitete Renditeforderung der Anteilseigner und die Orientierung an „Best-Practice“-Banken. Unabhängig vom Verfahren sollte jedoch eine Zielallokation in jedem Falle eine erwartete Eigenkapitalrentabilität erzielen, die über der eigentlichen SollRentabilität zu liegen kommt oder dieser mindestens entspricht. NB 3.03:
EKR M t EKR S
mit: EKRS = Soll-Eigenkapitalrentabilität; EKRM = Mindest-Eigenkapitalrentabilität
Weiter sind die Korrelationen zu erwähnen, deren Auswirkungen im Rahmen einer szenariobasierten Betrachtung untersucht werden können. Korrelationsannahmen werden auf unterschiedlichsten Ebenen benötigt: Zwischen Geschäftsbereichen, zwischen einzelnen Assets und zwischen den Zerobond-Renditen unterschiedlicher Laufzeiten. Im Rahmen der optimierten Risikokapitalallokation wird in Abhängigkeit der Entscheidungsursache von unterschiedlichen Korrelationen ausgegangen: Entscheidungssituation
Korrelationsannahmen
1. Analyse der Auswirkungen auf die optimale Risikokapital-Allokation bei extrem möglichen Konstellationen der Korrelationen
+ 1; 0 und - 1
2. Berechnung der effektiv vorzunehmenden (optimierten) Allokation von Risikokapital
erwartete oder historische Werte
Abb. 403: Best und worst case-Simulationen auf Grundlage der Optimierung 1
Dies führt zur Formulierung der folgenden Ungleichung bezüglich der Korrelationswerte:
NB 3.04:
1 Korr12 Korr1n 1 -1 -1 11 1 Korr21 1 Korr2n - 1 1 - 1 11 1 d d Korrn1 Korrn2 1 -1 -1 -11 1 1 1 1
mit: Korr: erwartete oder historische Korrelationen auf unterschiedlichsten Ebenen
621
Ein wesentlicher Einflussfaktor auf das Allokationsergebnis liegt in dem der Risikomessung (unter Annahme einer Normalverteilung) zu Grunde liegenden Signifikanzniveau in Form des Z-Wertes. Je höher dieser Wert angesetzt wird, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieses Sicherheitsniveau nicht überschritten wird. Dadurch steigt jedoch das zu unterlegende ökonomische Kapital der zu Grunde liegenden Geschäfte an. Auch bei diesem Einflussfaktor kann, ähnlich der Vorgehensweise bei der Berücksichtigung der Korrelationen, im Rahmen der Planungsphase die Auswirkung auf das optimale Allokationsergebnis unter der Annahme extrem hoher und tiefer Signifikanzniveaus untersucht werden. Für die effektive Allokation optimiert man jedoch mit Werten, welche aus den strategischen Vorgaben der Geschäftsleitung resultieren. Entscheidungssituation
SignifikanzAnnahmen
1. Analyse der Auswirkungen auf die optimale RisikokapitalAllokation bei unterschiedlichen Konstellationen des Signifikanzniveaus
z.B. Z = 1,6449 und Z=3
2. Berechnung der effektiv vorzunehmenden (optimierten) Allokation von Risikokapital
Strategisch vorgegebener Z-Wert
Abb. 404: Signifikanzniveau in Abhängigkeit der Entscheidungssituation
Daraus resultiert die folgende Nebenbedingung: NB 3.05:
FN z E
mit: FN z = Funktionswerte der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung; z = Z-Wert (in Abhängigkeit der oben erwähnten Entscheidungssituationen); E = (in Abhängigkeit der obigen beiden Entscheidungssituationen) gewähltes Signifikanzniveau in % (0 – 100 %)
(2)
Technischer Ablauf der sukzessiv optimierten Allokation von Risikokapital
Als Fortsetzung der sukzessiven Kalkulationen und Optimierungsprozesse auf Grundlage der Beispielbank (vgl. S. 596 ff.) sowie der allgemeinen Erfassung einschränkender Nebenbedingungen (vgl. S. 605 ff.), sollen nun die Erkenntnisse in eine allgemeingültige Vorgehensweise im Sinne eines Best Practice-Ansatzes zur optimierten Allokation von Risikokapital überführt werden. Dies soll auf zwei Ebenen erfolgen: 1.
Entwicklung einer generellen Vorgehensweise in enger Anlehnung an die Struktur der Beispielbank, die ausschließlich auf das Kreditgeschäft konzentriert ist (niedriger Abstraktionsgrad).
2.
Entwicklung einer generellen Vorgehensweise für sämtliche Typen von Banken (hoher Abstraktionsgrad).
Der Prozess der optimierten Allokation von Risikokapital vollzieht sich auf Basis der bestehenden Struktur der Beispielbank im Rahmen eines revolvierenden Planungsprozesses un-
622
ter Variation elementarer Parameter. Er umfasst ein zweistufiges Vorgehen: Erstens den Aufbau eines integrierten Systems zur Messung sämtlicher Risiken innerhalb einer Gesamtbankstruktur und zweitens die optimale Ausrichtung dieser Struktur unter Rendite-/RisikoAspekten. In einer ersten Phase soll ein Flussdiagramm zum strukturierten Aufbau der Gesamtbankstruktur und der damit verbundenen Risikomessung anhand der vorgestellten Beispiel-Bank dargestellt werden (vgl. Abb. 405). In einer zweiten Phase soll ein sehr allgemeines Flussdiagramm hergeleitet werden, das grundsätzlich das Vorgehen für sämtliche Typen von Banken bezüglich der optimierten Allokation von Risikokapital beschreiben soll. Bei der Risikomessung wird auf die in den vergangenen Abschnitten erörterten Verfahren zur Bestimmung des VaR zurückgegriffen. Die Beispielbank hat zur Bestimmung der Zins- und Kreditrisiken auf die Risikomodelle RISKMETRICS und CREDITMETRICS zurückgegriffen und diese mit dem Konzept RISKMASTER verknüpft. Diese Vorgehensweise zur Bestimmung einzelner VaR wird im ersten Teil von Abbildung 405 skizziert.
623
Abb. 405: Flussdiagramm zum Aufbau eines Systems zur optimierten Allokation von Risikokapital
Wurde die grundlegende Systematik der Risikoquantifizierung und der Ergebnismessung definiert, kann man dazu übergehen, das allokierte Risikokapital gezielt umzuschichten. Die Pa-
624
Definition von Geschäftsbereichen
GB …
GB 2
GB 1
…
Aktien
Kredit?
Ermittlung Ergebnisbeitrag
NettoZinssatz
Kreditvolumen
BVR II Ausfallrate
Recovery Rate
Definition Z-Wert NB 3.05
Ermittlung Verlustkurve
AnleihenKorrelation = 0
Bestimmung Z-Wert NB 3.05
Erwarteter Verlust
Ermittlung Verlustquantil bei gegebener Wahrscheinlichkeit
GeschäftsbereichsKorrelationen NB 3.04
VaR Zinsänderungsrisiko
Ermittlung folgender Wahrscheinlichkeiten: 1. kein Ausfall 2. Ausfall Kreditnehmer 1 3. Ausfall Kreditnehmer 2 4. Ausfall sämtlicher Kreditnehmer
Laufzeit-Korrelationen = 0
5. VaR(t) = diskontierter CF(t) × RF(t)
4. RF(t) = exp(RMZ) – 1
3. RMZ(t) = Z-Wert × STD(ZB-AF(t))
2. Bestimmung STD(ZB-AF(t))
1. RP = stetige jährliche Veränderungsraten der ZB-AF(t)
VaR Marktwertrisiko
STD Marktwertveränderung
Erwartete Marktwertveränderung
Zinsänderungsrisiko
RatingMigrationen
Bestimmung Risikovolumen Bestimmung det. Kurswert
RiskMaster®
Börsennotierte Anleihen?
Art der Risikoposition?
Erwarteter Ergebnisbeitrag Kreditportfolio
VaR Kreditportfolio
Gesamtbank-VaR
VaR AnleihenPortfolio
Erwarteter Ergebnisbeitrag AnleihenPortfolio
GesamtbankRORAC
rametrisierung des Optimierungsmodells erfolgt dreistufig im Rahmen einer Korridorplanung (vgl. Abb. 406). Mittels der Parametrisierung extremer Werte (positiv wie auch negativ) in der ersten und zweiten Stufe soll die Bandbreite einer effizienten Allokation im Worst und best case abgesteckt werden. In einer dritten Stufe erfolgt die Kalkulation der optimalen Allokation unter der Annahme geschätzter Parameter mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit. Die Auswirkungen der Variation einzelner Stellschrauben im Rahmen der Planung dieses realistischen Szenarios können darauf aufbauend bestimmt werden. Bestehende Allokation Nebenbedingung 1
-
+
-
Nebenbedingung 2
+
-
…
+
-
+
… Allokation im Negatives worst case Belastungsszenario
Effektive Allokation
Allokation im best case
Abb. 406: Korridor-Planung im Rahmen der optimierten Allokation von Risikokapital
Dieses Konzept überlagert den eigentlichen Optimierungsprozess, der zur transparenten Entscheidungsfindung unter veränderten Annahmen mehrere Male durchlaufen werden sollte. Zu Beginn des Optimierungsprozesses soll festgelegt werden, inwiefern das Gesamtbankvolumen als variabel unterstellt werden kann, das heißt, inwiefern man davon ausgehen kann, dass sich der Neugeldzufluss erhöht, respektive man über die Möglichkeit verfügt, aktiv das Geschäftsvolumen zu reduzieren. Auch eine Reduktion des Gesamtbankvolumens macht durchaus Sinn, wenn sich dadurch Geschäfte abbauen lassen, aus denen langfristig kaum eine angemessene risikoadjustierte Rendite erwirtschaftet werden kann. In diesem Zusammenhang ist auch den Verbundeffekten Aufmerksamkeit zu schenken. Durchaus denkbar sind Fälle, in denen die Streichung einer Teilgeschäftsbeziehung zu einem Kunden zur Folge hat, dass dieser sämtliche Beziehungen zur Bank auflöst. Die Lösung dieses Dilemmas könnte darin gesehen werden, den Optimierungsprozess nicht durch Variation der Einzelgeschäftsvolumina (als kleinste Steuerungseinheit) zu bewerkstelligen, sondern auf Grundlage der Steuerung der einzelnen Kundenbeziehungen. Es erscheint plausibel, dass aus dem Blickwinkel einer Bank die risikoadjustierte Rendite einer Kundenbeziehung und nicht einzelner Geschäfte für die Steuerung relevant sein muss (unter der Annahme einer hohen Relevanz von Verbundeffekten). Dies ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Rahmen der Aufrechterhaltung der Kundenbindung. Geht man von einer vollumfänglichen Variabilität des Gesamtbank-Volumens aus, so sind keine einschränkenden Nebenbedingungen nötig (Solver-NB: keine). Erweiternd wäre auch
625
hier das Setzen von Limiten vorstellbar (Solver-NB: Gesamtbank-Volumen X Mrd. und Gesamtbankvolumen Y Mrd.). In der Praxis würden die möglichen Veränderungen des Gesamtbank-Volumens aus den zusammengefassten möglichen Veränderungen der einzelnen Geschäfte resultieren. Soll im Unterschied dazu die Optimierung der Gesamtbankstruktur unter bestehendem Gesamtbankvolumen erfolgen, muss die einschränkende Restriktion folgendermaßen gesetzt werden: Solver-NB: Gesamtbank-Volumen = bestehendes Volumen. Ein weiterer Aspekt betrifft das ökonomische Kapital. Es ist Ausdruck des Risikoappetits der Gesamtbank. Im Normalfall ist davon auszugehen, dass die Bank versuchen wird, die Relation von Rendite und Risiko unter der Annahme eines konstanten VaR auf Gesamtbankebene (ökonomisches Kapital) in ein vorteilhafteres Verhältnis zu bringen (Solver-NB: Gesamtbank-VaR = bestehender Gesamtbank-VaR). Der Fall, dass man versuchen wird, den RORAC zu maximieren und gleichzeitig das ökonomische Kapital in positiver wie auch negativer Richtung frei oder gemäß Vorgaben der Geschäftsleitung anzupassen versucht, ist nicht abwegig, obwohl dies wiederum zu einem nachgelagerten Reallokationsproblem führt. Falls im Extremfall von einer vollumfänglichen Anpassbarkeit des ökonomischen Kapitals ausgegangen wird, entfällt diesbezüglich eine einschränkende Restriktion. Die Berücksichtigung aufsichtlicher Restriktionen würde sich bei manchen Großbanken zum gegenwärtigen Zeitpunkt erübrigen (Solver-NB: keine), da diese über stattliche Eigenkapitalausstattungen verfügen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass – besonders vor dem Hintergrund des Basel II-Prozesses – ökonomische und regulatorische Kapitalanforderungen zunehmend konvergieren. In diesem Fall müssen die aufsichtlichen Restriktionen (Solver-NB 1.01) im Rahmen des optimierten Allokationsmodells zwingend berücksichtigt werden. Die Berücksichtigung der internen Risikonebenbedingung stellt in den meisten Planungssituationen eine zwingend zu beachtende Restriktion dar. Dabei soll unter Annahme eines gewissen Signifikanzniveaus definiert werden, dass das Totalverlustpotenzial das Risikotragfähigkeitspotential nicht übersteigt (Solver-NB 2.01). Im Rahmen der Parametrisierung des Optimierungsmodells stellen die Korrelationen zwischen Laufzeiten (bei der Berechung des Zinsänderungsrisikos), Assets und organisatorischen Einheiten (Geschäftsbereiche) einen zentralen Einflussfaktor dar. Im Rahmen der StressAnalyse auf Grundlage der best resp. worst case Szenario-Planung werden die Korrelationsmatrizen mittels extremer Korrelationswerte im negativen und positiven Sinne parametrisiert (vgl. Abb. 407). Korrelationen von + 1 führen zu einer rein additiven Verknüpfung der Einzelrisiken. Der auf nächster Ebene aggregierte VaR ist somit maximal und stellt den eigentlichen Worst case dar, da mit diesem Geschäft ein maximal mögliches Risiko verbunden ist. Im Unterschied dazu können Korrelationen von – 1 zum angenommenen best case führen, da sich durch die Zusammenfassung von Einzelrisiken in hohem Maße Diversifikationseffekte mobilisieren lassen. Soll nicht die Spannbreite der optimierten Allokation unter extremen Fällen untersucht werden, sondern die Allokation unter normalen Bedingungen (Zuhilfenahme historischer oder erwarteter Werte) vorgenommen werden, so parametrisiert man die Korrelationsmatrizen mit den entsprechenden Werten (NB 3.04).
626
Abb. 407: Flussdiagramm zur optimierten Allokation von Risikokapital (1)
627
Solver-NB: keine
nein
ja
ja
Solver-NB: keine
Solver-NB: keine
Solver NB 2.01: Wahrscheinlichkeit (Totalverlustpotenzial = Risikotragfähigkeitspotenzial) = x%
ja
Sollen Korrelationsannahmen für den Normalbelastungsfall und nicht den Extremfall unterstellt werden?
nein
Soll die interne Risikonebenbedingung berücksichtigt werden?
Solver NB 1.01: Aufsichtsrechtlicher Eigenmittelbedarf = vorhandene Eigenmittel
nein
Sollen die aufsichtsrechtlichen Nebenbedingungen bei der Allokation berücksichtigt werden?
Solver-NB: GB-VaR = bestehender VaR
Solver-NB: keine
ja
Soll der Gesamtbank-VaR (Economic Capital) als variabel unterstellt werden?
Solver-NB: 3.1: GB-Volumen = bestehendes Volumen
nein
Soll das Gesamtbank-Volumen als variabel unterstellt werden?
Abb. 408: Flussdiagramm zur optimierten Allokation von Risikokapital (2)
628 Korrelation worst case: Sämtliche Korrelationen auf 1 initialisieren NB 3.04
Parameter a und b im positiven Szenario NB 3.01: BM = b – a ·ǻ Volumen
Parameter a und b im negativen Szenario NB 3.01: BM = b – a ·ǻ Volumen
best- resp. worst case-SzenarioPlanung
Korrelation best case: Sämtliche Korrelationen auf -1 initialisieren NB 3.04 Empirische/geschätzte Korrelation
ja
X
ja
nein
Solver-NB: keine
ja
nein
Sollen die Auswirkungen von Margenanpassungen (MAE) untersucht werden?
und VX = VU SVK X
ja
Verteilung der Korrelationseffekte auf die Geschäftsbereiche oder Beibehaltung auf Gesamtbankebene
neue Geschäftsvolumina
RORAC maximieren durch Simulation
Ziel-Allokation
Empirische resp. geschätzte Werte der Parameter a und b NB 3.01: BM = b – a ·ǻ Volumen
Solver NB 3.03: Erwartete EKR = Soll-EKR
Erreichung der Ziel-EKR
nein
Sollen die Margenanpassungen für den Normalfall – und nicht für den Extremfall berücksichtigt werden?
Solver NB 3.01b.1: VX = VO SVK Solver NB 3.01b.2: …
Eingabe von Volumsgrenzen auf Einzelgeschäftsebene
Welche Annahmen sollen bezüglich technischer und strategischer Volumensgrenzen gestellt werden?
nein
Sollen Korrelationsannahmen für den Normalbelastungsfall und nicht den Extremfall unterstellt werden?
Als Restriktionen bezüglich der volumensmäßigen Veränderung der Einzelgeschäfte sind die auf S. 600 beschriebenen strategischen Volumens-Korridore (SVK) relevant, welche im Rahmen der Planung nach dem Gegenstromverfahren definiert wurden. Die Veränderung der Margen unterliegt im dargestellten Modell einer zweidimensionalen Anpassung. Bei gegebenem Umfeld im normalen Planungsfall verändern sich die Einzelgeschäfts-Netto-Margen in Abhängigkeit des Grades der Volumensexpansion respektive -reduktion der einzelnen Geschäfte. Für die Untersuchung der Auswirkungen auf die optimale Allokation von Risikokapital wiederum im positiven wie auch im negativen Maximalbelastungsfall werden entsprechend optimistische respektive pessimistische Größen und volumensbasierte Margen-Anpassungsverläufe unterstellt. Sind sämtliche Nebenbedingungen in Abhängigkeit des untersuchten Szenarios (vgl. Abb. 406) definiert worden, kann unter Berücksichtigung sämtlicher szenarioabhängiger Nebenbedingungen mit Hilfe eines Solvers eine optimale Rendite-/Risiko-maximierende Lösung bezüglich der Einzelgeschäfts-Volumina gefunden werden. Um abschließend die Risikokapital-Allokation auf zwei unterschiedlichen AggregationsEbenen vorzunehmen, werden die sich ergebenden Korrelationseffekte im Sinne des adjustierten VaR proportional zum vorhandenen VaR aufgeteilt. Die optimale Allokation des Risikokapitals ist an diesem Punkt unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Nebenbedingungen gefunden. Auf den getroffenen Erkenntnissen aufbauend soll nun auf der Ebene eines höheren Abstraktionsgrades der Versuch unternommen werden, eine generell gültige Vorgehensweise zur optimierten Allokation von Risikokapital (unabhängig vom Typ der Bank) herzuleiten. Dazu wird der Allokationsprozess in drei Teilprozesse untergliedert: 1. Definition der Prozesse und Methoden zur Rendite-/Risikomessung (vgl. Abb. 409) 2. Definition der Planungs-Parameter (vgl. Abb. 410) 3. Sukzessive Variation der Geschäftsvolumina oder Stückzahlen auf unterschiedlichen Ebenen (Gesamtbank, Geschäftsbereiche und Einzelgeschäfte) (vgl. Abb. 411) Von zentraler Bedeutung im Rahmen des Teilprozesses der Definition der Prozesse und Methoden zur Rendite-/Risikomessung (vgl. Abb. 409) scheint die Festlegung von klar abgegrenzten Geschäftsbereichen. Für jeden Geschäftsbereich ist die Frage zu beantworten, welche Risikokategorien (Markt-, Kredit- und operationelle Risiken) auftreten. Da diese auf Einzelgeschäftsebene erfasst werden, müssen die Einzelgeschäfts-VaR der jeweiligen Risikokategorie, unter Berücksichtigung der Einzelgeschäfts-Korrelationen, zum VaR der Risikokategorie in dem betreffenden Geschäftsbereich zusammengefasst werden. Im Teilprozess 2 (vgl. Abb. 410) werden diese, in Abhängigkeit des unterstellten Planungs-Szenarios, entsprechend parametrisiert. Weiter sind die Deckungsbeiträge zu ermitteln. Es ist durchaus denkbar, dass diese Vorgehensweise nicht nur für das Kredit- und das Marktrisiko relevant ist, sondern auch für operationelle Risiken.
629
Wurden diese Kernelemente ermittelt, geht man dazu über, die unterstellten Korrelationen zwischen den Risikoarten zu definieren. Im nachgelagerten Teilprozess 2 (vgl. dazu Abb. 410) werden diese in Abhängigkeit von unterstellten Szenarien (worst case, best case oder Prognose) in der Parametrisierung angepasst. Unter Einbeziehung der RisikoartenKorrelationen werden die VaR der Risikoarten mittels des Kovarianz-Ansatzes zum VaR des betreffenden Geschäftsbereichs zusammengefasst. Schließlich werden die GeschäftsbereichsVaR unter Einbeziehung der Korrelationen zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen (ebenfalls unter Zuhilfenahme des Kovarianz-Ansatzes) zum VaR der Gesamtbank zusammengefasst. Auch diese Korrelationen können in der zweiten Planungsphase, in Abhängigkeit des unterstellten Szenarios, angepasst werden. Aus der Aggregation sämtlicher Deckungsbeiträge und dem VaR auf Gesamtbankebene lässt sich abschließend der RORAC auf oberster Ebene ermitteln.
630
Abb. 409: Teilprozess 1: Definition der Prozesse und Methoden zur Rendite-/Risikomessung
631
GB B
GB C
Definition der Korrelationen zwischen den Risikokategorien
nein
Sind in dem Geschäftsbereich operationelle Risiken vorhanden?
nein
Sind in dem Geschäftsbereich Kreditrisiken vorhanden?
nein
Sind in dem Geschäftsbereich Marktrisiken vorhanden?
GB A
Definition von Geschäftsbereichen
ja
ja
ja
Ermittlung des RORAC auf Gesamtbank-Ebene
Summation sämtlicher Deckungsbeiträge
Gesamtbank-VaR
Bestimmung der Geschäftsbereichs-Korrelationen
Bestimmung des Geschäftsbereichs-VaR aus den VaR der Risikokategorien und der Berücksichtigung der Korrelationen zwischen den Risikokategorien
Bestimmung der Korrelationen
Bestimmung der Korrelationen
Bestimmung des Stand-alone-VaR auf Einzelgeschäftsebene
Bestimmung des Stand-alone-VaR auf Ursachenebene
Bestimmung der Korrelationen
Bestimmung des Stand-alone-VaR auf Einzelgeschäftsebene
VaR GB A
Bestimmung des VaR der Risikokategorie
Bestimmung des VaR der Risikokategorie
Bestimmung des VaR der Risikokategorie
VaR GB C
Bestimmung der Deckungsbeiträge
Bestimmung der Deckungsbeiträge
Bestimmung der Deckungsbeiträge
Die Definition der Planungsbasis kann mit zwei unterschiedlichen Zielen erfolgen (vgl. Abb. 410). 1. Planung im Normallfall 2. Überprüfung der Auswirkungen extremer Konstellationen (Stressanalyse bezüglich der optimierten Allokation von Risikokapital) Zunächst gilt es, für sämtliche Einzelgeschäfte (oder alternativ auf Portfolioebene im Falle homogener Einzelgeschäfte) so genannte Deckungsbeitrags-Volumens-Funktionen zu ermitteln, die eine Relation von Volumensanpassungen (oder Stückzahl) auf die realisierbaren Deckungsbeiträge herstellen. Bezüglich der Schätzung solcher Funktionen werden vermutlich die Marktbereiche grundsätzlich die größte Erfahrung aufweisen. Anschließend werden sämtliche Korrelations-Matrizen (vgl. Abb. 410) in Abhängigkeit vom jeweils unterstellten Szenario definiert. Als Basis der Planungen müssen auch die möglichen Veränderungen der Einzelgeschäftsvolumina näher untersucht und mittels so genannter technischer Volumensgrenzen versehen werden. Die technisch umsetzbaren Volumensgrenzen können aus strategischen Überlegungen heraus in bestimmter Weise angepasst werden (z.B. kein Abbau des Geschäftsbereichs „Financial Planning“ trotz temporär negativer Deckungsbeiträge). Wird das Gesamtbankgeschäftsvolumen als konstant unterstellt, so kann dies trotzdem zu erheblichen Umschichtungen zwischen den Geschäftsbereichen oder den Einzelgeschäften führen. Wird das Gesamtbankgeschäftsvolumen diesbezüglich nicht limitiert, so ist eine maximale Expansion im Umfang der aggregierten Differenzen von bestehenden Einzelgeschäftsvolumina in der Ausgangssituation und den strategischen Volumensobergrenzen möglich. Wird der Value at Risk auf Gesamtbankebene konstant gehalten, so kommt dies dem grundsätzlichen Ziel vieler Banken nahe, den „Risikoappetit“ auf Ebene der Gesamtbank konstant zu halten. Dies schließt jedoch ebenfalls die Möglichkeit nicht aus, innerhalb des Portfolios Umschichtungen hin zu Geschäften mit einem höheren erwarteten Rendite-/Risiko-Verhältnis vorzunehmen, um so die Rentabilität zu steigern. Wird diese Restriktion nicht gesetzt, kann das ökonomische Kapital beliebig variiert werden, um einen maximalen RORAC zu erzielen. Analog zur Überlegung des Gesamtbankgeschäftsvolumens resp. dem Gesamtbank-VaR können auch die Volumina resp. VaR einzelner Geschäftsbereiche konstant gehalten werden. Abschließend ist noch zu definieren, ob die interne Risikonebenbedingung und die aufsichtlichen Restriktionen bei der Planung erfüllt werden sollen.
632
Unterstelltes Szenario?
worst case ?
Prognose?
best case?
Definition der Deckungsbeitrags-VolumensFunktionen
Definition der Deckungsbeitrags-VolumensFunktionen
Definition der Deckungsbeitrags-VolumensFunktionen
Definition der Korrelationen
Definition der Korrelationen
Definition der Korrelationen
Definition der strategischen (SVG) und technischen Volumensgrenzen (TVG)
Definition der strategischen (SVG) und technischen Volumensgrenzen (TVG)
Definition der Strategischen (SVG) und technischen Volumensgrenzen (TVG)
ja
Soll das Gesamtbankgeschäftsvolumen konstant gehalten werden?
Gesamtbankgeschäftsvolumen = konst.
nein Soll der VaR auf Gesamtbankebene (ökonomisches Kapital) als konstant unterstellt werden?
ja Gesamtbank-VaR = konst.
nein ja
Soll das Geschäftsvolumen in einzelnen Geschäftsbereichen als konstant unterstellt werden?
Geschäftsvolumen GB X = konst.
nein ja
Soll der VaR in einzelnen Geschäftsbereichen als konstant unterstellt werden?
VaR GB X = konst.
nein Sollen die aufsichtsrechtlichen Nebenbedingungen eingehalten werden?
ja
Aufsichtsrechtlicher Eigenmittelbedarf d vorhandene Eigenmittel
nein Soll die interne Risikonebenbedingung eingehalten werden?
ja
Wahrscheinlichkeit(Totalverlustpotenzial d Risikotragfähigkeitspotenzial) d x %
nein
Abb. 410: Teilprozess 2: Definition der Planungs-Parameter
Im Rahmen des abschließenden dritten Teilprozesses (sukzessive Variation der Geschäftsvolumina) wird zunächst das szenariobasierte Optimierungsproblem (Maximierung des RORAC unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Restriktionen) mittels eines Solvers gelöst (vgl. Abb. 411). Dies führt zu einer optimalen, RORAC-maximierenden Planungsstruktur der Gesamtbank. Auf Einzelgeschäftsebene (und aggregiert auch auf höherer Ebene) entstehen dadurch Planungsintervalle im Bereich zwischen den bestehenden Volumina und den oben ermittelten optimalen Ziel-Volumina. Die Geschäftsleitung kann nun die einzelnen Volumina auf unterschiedlichen Aggregationsstufen sukzessiv durch mögliche Anpassungen variieren. Aus dieser Verhandlung heraus resultieren die unterschiedlichsten Planstrukturen der Ge633
samtbank, die in Abhängigkeit des gewählten Szenarios zu entsprechenden Veränderungen der zentralen Zielgrößen wie des Return on Equity (ROE), der Deckungsbeiträge, des Gesamtbank-VaR oder des Gesamtbank-RORAC führen. Kann sich die Geschäftsleitung mit einem der Szenarien einverstanden erklären, setzt man dieses als Ziel-Allokation fest und versucht in der operativen Phase, diese angestrebten Änderungen in der Geschäftsstruktur umzusetzen. Variation der Volumina und Maximierung des Gesamtbank-RORAC (unter Berücksichtigung sämtlicher Restriktionen)
Optimale Gesamtbankstruktur mit einem maximalen RORAC
Szenariobasierte Variation einzelner Volumina (Gesamtbank oder Einzelgeschäfte) im technisch möglichen Intervall zwischen Ausgangssituation und vollständig optimiertem Zustand
Szenario 1
Szenario 2
Szenario n
' ROE?
' Deckungsbeiträge?
' Gesamtbank-VaR?
' Gesamtbank-RORAC?
nein
Soll das Szenario 1 umgesetzt werden? ja Ziel-Allokation
Abb. 411: Teilprozess 3: Sukzessive Variation der Geschäftsvolumina
Aufgrund der Unsicherheiten, die mit der Allokation verbunden sind, sollten aber nicht fixe Werte als Zielgrößen vorgegeben werden. Vielmehr sollten, wie z.B. bei der Definition des Norm-Portefeuilles für das Kreditgeschäft (vgl. S. 197 ff.), Ziel-Korridore als Ergebnis alternativer Szenarien vorgegeben werden.
634
(3)
Grenzen der praktischen Implementierbarkeit in Banken
Die Modelle zur optimierten Allokation von Risikokapital müssen zwei zentrale Anforderungen erfüllen (vgl. HALL 2002, S. 33 ff.): y
Robustheit der Allokation: Da mit der Allokation von Risikokapital eine Grundlage für die Zukunft gelegt werden soll, fließen meist erwartete Ergebnisgrößen ein, welche keinesfalls exakt prognostiziert werden können. Es ist davon auszugehen, dass unterschiedliche Banken bei der Planung ähnliche Geschäftsfelder mit interessanten Rendite-/Risiko-Verhältnissen avisieren. Dies führt in einer nachgelagerten Phase dazu, dass die hohen erwarteten Ertragspotentiale auf Grund der hohen Konkurrenzsituation einer Margenerosion unterliegen, falls dies nicht durch Sonderfaktoren ausgeschlossen werden kann (z.B. hohe Innovationskraft der Bankprodukte oder hoher Reputationsgrad). Neben den erwarteten Ergebnisbeiträgen sind auch die unterstellten Korrelationen unterschiedlichster Art zur Aggregation einheitlicher Risikomasse ähnlichen Schwankungen unterlegen, die von verschiedensten bankinternen und -externen Faktoren verursacht werden. Wiederum sind auch die Volatilitäten der Risikoparameter keinesfalls stabil. Die Allokation ist demzufolge zahlreichen Unsicherheiten ausgesetzt.
y
Modularität und Flexibilität des Modells: Ein Modell zur optimierten Allokation von Risikokapital im Sinne einer integrierten Rendite-/Risiko-Steuerung der Gesamtbank sollte der Geschäftsleitung die Möglichkeit des „Denkens in Varianten“ offen lassen. Ein Modell sollte keine Punktlandungen prognostizieren, sondern als Basis der internen Verhandlungen bezüglich der optimalen Allokation Entscheidungsgrundlagen erarbeiten und die Auswirkungen unterschiedlichster Szenarien transparent machen. Das integrierte Modell soll in hohem Maße anpassbar sein, was die Berücksichtigung von Margeneffekten und sonstigen technischen und strategischen Nebenbedingungen anbelangt. Das Ergebnis sollten keine einzelnen Zielwerte, sondern Zielkorridore sein.
Mit diesen Erfolgsfaktoren kann ein Modell zur Risikokapitalallokation bewertet werden. Die mangelnde Robustheit kann sämtlichen Value at Risk-basierten Modellen angelastet werden. Korrelationen unterliegen großen zeitlichen Schwankungen. Auch sind diese in hohem Grad abhängig vom gewählten Beobachtungszeitraum. Im Rahmen der Begründung von Korrelationsannahmen kann das Modell selbst keine Hilfestellung leisten. Das Modell zeigt jedoch auf, welche Auswirkungen sich auf die optimale Allokation ergeben würden, falls extreme Konstellationen auftauchen. Auch können die Auswirkungen leichter Schwankungen um erwartete oder historische Werte analysiert werden (Margen, Korrelationen u.s.w.). Der Sukzessivansatz ist in Hinsicht auf Modularität und Flexibilität positiv zu bewerten. Er lässt genug Spielraum für die Analyse der Wirkungsweise strategischer Alternativen und lässt sich folglich optimal in den Planungsprozess auf der Grundlage des Gegenstromverfahrens integrieren.
635
4.
Modell der dualen Risikokapitalallokation und -bepreisung unter Berücksichtigung zentraler und dezentraler Risikokompetenzen
Ein zentrales Grundproblem von Risikokapitalallokations- und -bepreisungsansätzen besteht in einer mangelnden Berücksichtigung risikoreduzierender Portfolioeffekte. In den folgenden Abschnitten wird ein Modell in seinen Grundzügen dargestellt (vgl. ausführlich KOCH 2005), welches eine Integration dieser Effekte ermöglicht und zudem das Nebeneinander zentraler und dezentraler Entscheidungskompetenzen berücksichtigt. Damit greift das Modell den Grundgedanken des dualen Steuerungsmodells von Schierenbeck (vgl. Band 1, S. 7 ff.) auf, an welchem sich die in der deutschen Kreditwirtschaft vorherrschenden Managementkonzepte orientieren.
a)
Das Grundmodell der dualen Risikokapitalallokation und -bepreisung
(1)
Prozess und Prämissen des dualen Allokations- und Bepreisungsansatzes
(a)
Prozess der dualen Allokation von Risikokapital
Die Grundidee des dualen Steuerungsmodells beinhaltet die Steuerung eines Kreditinstitutes durch eine zentrale Stelle bei paralleler dezentraler Verantwortlichkeit der marktnahen Bereiche. Übertragen auf den Allokationsprozess impliziert dies ein Nebeneinander von zentralen und dezentralen Allokationsentscheidungen. In diesem Zusammenhang obliegt die Festlegung der generellen Portfoliostruktur einer zentralen Stelle, wobei sämtliche existierenden Profile in Frage zu stellen sind und aus bereichsübergreifender Perspektive in Hinblick auf das Ziel einer ergebnisoptimalen Portfoliostruktur neu festzulegen sind. Durch diese umfassende Betrachtungsweise weisen die zentralen Planungen einen grundsätzlichen, globalen Charakter auf und umfassen einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont, wie beispielsweise ein Geschäftsjahr. Die dezentrale Allokation erfolgt im Rahmen der zentral festgelegten Portfoliostruktur, wobei die dezentralen Instanzen unter Berücksichtigung bestimmter Limite von der Normstruktur abweichen dürfen. Derartige Abweichungen resultieren aus dezentral zu verantwortenden Entscheidungen, die tendenziell eher einen operativen Charakter aufweisen, wie beispielsweise die Vergabe zusätzlicher Kreditengagements oder der Aufbau von Personaloder Sachressourcen. Der Prozess der Allokation und Bepreisung von Risikokapital vollzieht sich im dualen Allokationsansatz in acht Schritten (vgl. Abb. 412).
636
zentrale Struktursteuerung
2.
1.
Dezentrale Planung
3.
Plausibilisierung der Planwerte
4.
Allokation
Lieferung der Planwerte (Gegenstromverfahren)
5.
Budgetierung Zielvereinbarung Limitfestsetzung Preisstellung für Risikokapital
8.
Soll-Ist-Abgleich Ex-postReporting
6. Dezentrale Allokation innerhalb der Limite 7. Umsetzung der Planungsvorgaben
dezentrale Geschäftssteuerung
Abb. 412: Prozess der dualen Allokation und Bepreisung von Risikokapital
Im ersten Schritt erfolgt die dezentrale Planung auf Geschäftsbereichsebene, die aus einer Festlegung der Markt- und Ergebnispotenziale sowie der notwendigen Ressourcen aus Sicht der dezentralen Instanzen besteht (1). Durch Übermittlung dieser Planwerte an die zentrale Allokationsinstanz (2) lassen sich die Planwerte im Rahmen des sog. Gegenstromverfahrens mit den Vorstellungen der zentralen Stellen abgleichen und plausibilisieren (3). Bei abweichenden zentralen und dezentralen Beurteilungen impliziert dies die Ausübung der Entscheidungskompetenz durch die zentrale Instanz (4). Auf Basis der Allokation des Risikokapitals auf die Geschäftsbereiche ergeben sich die Markt- und Ergebnisziele sowie die jeweils anzusetzenden Risikokapitalkosten für die einzelnen Geschäftsbereiche (5). Innerhalb der vereinbarten Limite können die dezentralen Einheiten eigene Dispositionen treffen, die zu Abweichungen von der zentral vorgegebenen Normstruktur führen (6). Im Wesentlichen besteht die Aufgabe der dezentralen Stellen darin, die Planungsvorgaben umzusetzen und die vorgegebenen Ziele zu erreichen (7). Im Fall von dezentralen Dispositionen, die von der Normstruktur abweichen, lassen sich die Risikokapitalkosten mit Hilfe des dualen Modells durch die zentrale Stelle situativ anpassen (8). Als Resultat dieser dualen Steuerung ergeben sich die geschäftsbereichsbezogen anzusetzenden Risikokapitalkosten aus der Kombination zentraler und dezentraler Dispositionen. Diese duale Betrachtung erfordert daher eine Ermittlung der Risikokapitalkosten über einen kombinierten, beide Phänomene berücksichtigenden Ansatz.
637
(b)
Prämissen des Modells
Das Ziel des Grundmodells der dualen Risikokapitalallokation und -bepreisung besteht in einer Berücksichtigung des Nebeneinanders zentraler und dezentraler Entscheidungen. Um diesen Effekt zu isolieren, werden Prämissen gesetzt, die im Grundmodell weitgehend analog zu den Annahmen der Portfolio- und Kapitalmarkttheorie bzw. zu den daraus abgeleiteten praxisorientierten Modellen zur Strukturierung und Risk-Return-Steuerung von Wertpapierportfolios sind. Im Rahmen der Erweiterung des Grundmodells werden die Prämissen teilweise modifiziert (vgl. dazu Kapitel B.II.4.b)). In Anlehnung an die Portfoliotheorie wird unterstellt, dass die Investoren ein risikoscheues Verhalten mit dem Ziel einer Maximierung des zukünftigen erwarteten Nutzens aus den risikobehafteten Investitionen zeigen. Errechnet wird der Ertrag dabei in Form des Erwartungswertes der diskreten Anlagerenditen, für die eine Normalverteilung unterstellt wird. Das Risiko wird anhand der Standardabweichung ermittelt, die mit Hilfe des Z-Wertes der Standardnormalverteilung auf unterschiedliche Konfidenzniveaus skaliert werden kann (vgl. S. 67 ff.). Durch die Verwendung konstanter, von der konkreten Allokationsentscheidung unabhängiger Erwartungswerte der Renditen bleiben leistungswirtschaftliche Konsequenzen der Investition in strategische Geschäftsfelder im Grundmodell zunächst unberücksichtigt. Diese Prämisse entspricht der Annahme des CAPM, nach der davon auszugehen ist, dass sämtliche Investitionsalternativen vorgegeben und bekannt sind. Die konkrete Ausprägung der Zielgröße Eigenkapitalrentabilität wird im Rahmen des Modells nicht thematisiert. Das Modell ist grundsätzlich auf periodenüberschuss- und auf marktwertbezogene Renditen anwendbar, wobei der Betrachtungszeitraum ein Geschäftsjahr umfasst. Zudem wird eine vollständige Eigenkapitalfinanzierung unterstellt. In Hinblick auf das Ziel der reinen Risikokapitalzurechnung ist dies nicht von Bedeutung, da die Kapitalüberlassungsprämie annahmegemäß bereits separiert ist und die Höhe der geforderten Risikoprämie somit nicht durch das nominell gebundene Kapital, sondern nur durch das ökonomische Kapital determiniert wird. Im Unterschied zu den Prämissen des CAPM basiert das duale Modell auf der Annahme, dass sich die Eigenkapitalgeber nicht ausschließlich am systematischen, sondern am ökonomischen Risiko der Bank orientieren. Aufgrund der eingeschränkten Markttransparenz ziehen die Eigenkapitalgeber das bilanzielle Eigenkapital als extern beurteilbaren Faktor für die Höhe des Risikos heran. Wird intern die Höhe des Eigenkapitals am ökonomischen Risikokapital ausgerichtet, resultiert daraus für die Eigenkapitalgeber mittelbar eine Orientierung am ökonomischen Risiko. Diese Orientierung am ökonomischen Value-at-Risk im Rahmen der Allokation korrespondiert zu der bei deutschen Banken aktuell mehrheitlich durchgeführten Vorgehensweise. Für den Auf- und Abbau des zur Höhe des ökonomischen Risikos korrespondierenden Eigenkapitals existieren im Modell keine Restriktionen. Dies gilt analog für den Auf- und Abbau von Positionen bzw. Risikoprofilen. Zudem wird in diesem Zusammenhang eine unendliche Anpassungsgeschwindigkeit bei der Veränderung der Eigenkapitalbasis unterstellt. Auch die Höhe des risikolosen Zinssatzes wird im Rahmen des Modells nicht problematisiert. Risikobedingte Renditeaufschläge auf Fremdkapitalpositionen können gegebenenfalls auch als Risikokapitalkosten im Modell behandelt werden.
638
In Hinblick auf Homogenität der Erwartungen und Transparenz ist zwischen der externen Markt- und der bankinternen Perspektive zu unterscheiden. Bankintern liegen abweichende Erwartungen auf Seiten der zentralen und der dezentralen Instanzen vor, die im dualen Ansatz explizit berücksichtigt werden. Darüber hinaus wird bankintern von vollständiger Transparenz in dem Sinne ausgegangen, dass die zentrale Stelle über vollständige Kenntnis bezüglich der dezentral aufgebauten Risikoprofile verfügt. Extern liegt hingegen nur eingeschränkte Transparenz vor, so dass die Investoren keine Kenntnisse über die tatsächlichen Risikoprofile besitzen und daher das bilanzielle Eigenkapital als Risikoindikator heranziehen. Des Weiteren wird davon ausgegangen, dass die interne Einschätzung von der externen Marktbeurteilung abweicht, wodurch die Möglichkeit einer Ex-ante-Planung von "Überrenditen" besteht. Homogenität der Erwartungen ist extern gegeben, so dass die Eigenkapitalgeber Risiken einheitlich beurteilen und übereinstimmende Risikoprämien fordern. (2)
Herleitung der Normstruktur und der zentral allozierten Risikokapitalkosten
(a)
Risk-Return-Profil der Bank in der Ausgangssituation
Im Folgenden wird der duale Risikokapitalallokations- und -bepreisungsansatz mit Hilfe eines durchgehenden Zahlenbeispiels dargestellt. Die im Beispiel betrachtete Bank umfasst drei Geschäftsbereiche, deren erwartete Renditen für zehn Szenarios in der Ausgangsstruktur die folgende Abbildung 413 zeigt.
639
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
GB A 10,0% -2,0% 12,0% 23,0% 6,0% 2,0% 8,0% 9,0% 10,0% 6,0%
GB B 6,0% -4,0% 8,0% 15,0% 8,0% 6,0% 12,0% 7,0% 6,0% 5,0%
GB C 2,0% 6,0% 3,0% -3,0% 0,0% 3,0% 6,0% 8,0% 3,0% 6,0%
MW STD
8,40% 6,26%
6,90% 4,68%
3,40% 3,10%
Eigenkapitalanteile 41,18%
23,53%
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
6,24% 0,35% 7,88% 11,94% 4,35% 3,29% 8,24% 8,18% 6,59% 5,76%
MW STD
6,28% 3,00%
35,29%
Abb. 413: Erwartete Renditen der Geschäftsbereiche und der Gesamtbank für zehn Szenarios bei gegebener Portfoliostruktur
In der Ausgangssituation ist das Eigenkapital der Gesamtbank in Höhe von insgesamt 1.700 Mio. GE auf Geschäftsbereich A mit 700 Mio. GE, auf B mit 400 Mio. GE und auf C mit 600 Mio. GE verteilt. Wie die Abbildung 413 zeigt, ergeben sich daraus für die Gesamtbank ein Mittelwert der Renditen von 6,28 % sowie eine Standardabweichung von 3 %. Aus den erwarteten durchschnittlichen Eigenkapitalrenditen der Geschäftsbereiche, die im Beispiel zwischen 3,4 % und 8,4 % liegen, ergeben sich die Risiko-Renditen durch Abzug der risikolosen Verzinsung (Rf) in Höhe von 3 %. Mit Hilfe der Risiko-Renditen lässt sich unter Bezugnahme auf das Risiko in Form des Stand-alone-Value-at-Risk (vgl. dazu S. 540 ff.) die RORACKennziffer (vgl. S. 44 ff.) berechnen. Der Stand-alone-Value-at-Risk (saVaR) wird im Beispiel für ein Konfidenzniveau von 95 % ermittelt. Daher wurden die in der nachfolgenden Abbildung 414 dargestellten Volatilitäten als Risikofaktoren in % aus der Standardabwei-
640
chung abgeleitet und mit Hilfe des Z-Wertes – wie oben bereits erwähnt – auf ein Konfidenzniveau in Höhe von 95 % skaliert. Der Stand-alone-RORAC des Geschäftsbereichs A in Höhe von 52,41% ergibt sich demzufolge, indem die Risiko-Rendite in Höhe von 5,4 % durch das Risiko in Höhe von 10,30366 % dividiert wird. Dieser Wert impliziert, dass für das Eingehen eines Risikos in Höhe von einer Geldeinheit eine Rendite von 0,5241 Geldeinheiten erwartet wird. Die RAROC-Kennziffer erlaubt eine Beurteilung der Rentabilität durch Subtraktion des Ziel-RORAC vom Ist-RORAC. In den nachfolgenden Rechenbeispielen wird von einem ZielRORAC von 30 % ausgegangen. Im Rahmen des ersten Kapitels, Abschnitt C (vgl. S. 44 ff.), werden die verschiedenen Varianten zur Berechnung des Ziel-RORAC erörtert. Im nachfolgenden Beispiel wird die erste Variante (Basisvariante) berechnet. Der Zielergebnisanspruch wurde dabei um den Ertrag aus der risikofreien Anlage des gesamten Eigenkapitals reduziert. GB A
GB B
GB C
8,40% 10,30366%
6,90% 7,69574%
3,40% 5,10707%
A
B
C
A B C
1 0,813428 -0,609792
0,813428 1 -0,506660
-0,609792 -0,506660 1
RORAC
52,41%
50,68%
7,83%
22,41%
20,68%
-22,17%
Ø EK-Rendite Value-at-Risk (relativ) Korrelationen
(Rf = 3%; Basis saVaR)
RAROC (Ziel-RORAC = 30%)
Abb. 414: Daten der Geschäftsbereiche in der Ausgangssituation
Abb. 414 zeigt, dass die Geschäftsbereiche A und B positive RAROC-Werte aufweisen, während der Geschäftsbereich C die geforderte Rendite nicht erreicht. Bei isolierter Betrachtung wäre somit eine Investition in Geschäftsbereich C ökonomisch unvorteilhaft. Da die Korrelationen (k) jedoch zeigen, dass die Geschäftsbereiche nicht vollständig positiv korreliert sind und Geschäftsbereich C sogar negative Korrelationen in Höhe von -0,6098 und -0,5067 aufweist, bestehen auf Gesamtbankebene Diversifikationspotenziale. Diese können dazu führen, dass eine Investition in Geschäftsbereich C trotz des negativen RAROC sinnvoll ist und auf Gesamtbankebene ein höherer RAROC erzielt wird als beispielsweise bei ausschließlicher Investition in Geschäftsbereich A, der mit 0,2241 den höchsten RAROC aufweist. Die Stand-alone-Value-at-Risk-Werte in Geldeinheiten ergeben sich durch Multiplikation der Volatilitäten mit dem Eigenkapitalvolumen und betragen somit für Geschäftsbereich A 72,13 Mio. GE, für B 30,78 Mio. GE und für C 30,64 Mio. GE. Der Gesamtbank-Value-at-Risk lässt sich unter Berücksichtigung der Korrelationen in der Ausgangssituation wie folgt ermitteln:
641
>72,13
VaR Gesamtbank
30,78 30,64@
1 0,8134 0,6098º ª « 0,8134 1 0,5067 »» « 1 ¼» ¬« 0,6098 0,5067
83,96
ª72,13 º «30,78» « » ¬«30,64¼» Mit einem Wert von 83,96 Mio. GE liegt er deutlich unter der Summe der Einzelrisiken der Geschäftsbereiche, die 133,55 Mio. GE beträgt. Dies resultiert aus den Diversifikationseffekten, wobei sich insbesondere die negative Korrelation des Geschäftsbereichs C reduzierend auf das Gesamtrisiko auswirkt. Bei der gegebenen Ausgangsstruktur beträgt die Risiko-Rendite der Gesamtbank 3,28 %, was einem geplanten absoluten Risiko-Ergebnis in Höhe von 55,80 Mio. GE entspricht. Dieses Risikoergebnis wird im Wesentlichen durch die Geschäftsbereiche A und B erzielt, wohingegen Bereich C aufgrund der geringen Risiko-Rendite von 0,4 % lediglich ein Risikoergebnis von 2,4 Mio. GE erwirtschaftet (vgl. Abb. 415). Zeile
GB A
GB B
GB C
Gesamtbank
(1) (2) (3)=(1)*(2)
Eigenkapital Risiko-Rendite Risiko-Ergebnis
700 5,40% 37,80
400 3,90% 15,60
600 0,40% 2,40
1.700 3,28% 55,80
(4) (5)=(1)*(4) (6) (7)=(5)*(6)
VaR (relativ) saVaR k zu Gesamtbank mdVaR
10,30% 72,13 0,9347 67,42
7,70% 30,78 0,8805 27,10
5,11% 30,64 -0,3446 -10,56
1 83,96
(8)=(3)/(7) (9) (10)=(8)-(9) (11)=(7)*(10)
RORAC Ziel-RORAC RAROC Überdeckung
56,07% 30% 26,07% 17,5752
57,56% 30% 27,56% 7,4687
-22,73% 30% -52,73% 5,5678
66,46% 30% 36,46% 30,6117
Abb. 415: Planwerte der Risk-Return-Kennzahlen in der Ausgangssituation
Durch Bezugnahme auf den marginalen Delta-Value-at-Risk (vgl. S. 552 ff.) der Geschäftsbereiche lassen sich Diversifikationseffekte zwischen den einzelnen Bereichen berücksichtigen. Bei Anwendung des marginalen Delta-Value-at-Risk (Zeile 7) ist die Additivität der Bereichswerte zum Gesamtbank-Risiko gewährleistet. Der marginale Delta-Value-at-Risk lässt sich durch Multiplikation des Stand-alone-Value-at-Risk mit dem Korrelationskoeffizient zur
642
Gesamtbank ermitteln. Durch die nahe bei 1 liegenden Korrelationen der Bereiche A und B ergibt sich auf diese Weise lediglich eine geringe Reduzierung der Risikowerte. Der marginale Delta-Value-at-Risk des Geschäftsbereichs C weist durch die negative Korrelation einen negativen Wert auf, was ökonomisch bedeutet, dass aufgrund der risikoreduzierenden Wirkung sogar eine negative Rendite des Geschäftsbereichs C akzeptiert werden kann, solange diese nicht mehr als 30 % (abgeleitet aus dem Ziel-RORAC) des reduzierten Risikos beträgt. Auf Gesamtbankebene ergibt sich durch die risikoreduzierenden Effekte ein RORAC von 66,46%, der deutlich über den RORAC-Werten der einzelnen Geschäftsbereiche liegt. Im Vergleich zum Ziel-RORAC erreichen die Geschäftsbereiche A und B höhere Werte, während der RORAC- und der RAROC-Wert des Geschäftsbereichs C in besonderer Weise zu interpretieren sind. Würde der Geschäftsbereich C einen Verlust in Höhe von 30 % des marginalen Delta-VaR erzielen, ergäbe sich durch Division der zwei negativen Werte ein RORAC in Höhe von 30 %, der exakt dem Ziel-RORAC entspräche und somit aus Investorensicht neutral zu beurteilen wäre. Da im vorliegenden Beispiel jedoch ein Risiko-Ergebnis von 2,4 Mio. GE für Bereich C geplant wird, weist der Plan-RORAC einen negativen Wert in Höhe von -22,73% auf. Unter Bezugnahme auf den aus Gesamtbanksicht akzeptablen Verlust des Bereichs C in Höhe von 30 % des VaR ergibt sich ein RAROC von -52,73%, woraus durch Multiplikation mit dem negativen VaR eine Überdeckung in Höhe von 5,5678 Mio. GE resultiert. Bei einem ersten Blick auf die Überdeckungen liegt die Interpretation nahe, dass Geschäftsbereich A eine besonders positive "Leistung" erbringt, da dieser die höchste Überdeckung erzielt. Die unterschiedlichen Plan-RORAC-Werte spiegeln jedoch nicht die unterschiedliche Leistungsfähigkeit wider, sondern ergeben sich als Konsequenz der suboptimalen Strukturierung des Bankportfolios. Bei einer verursachungsgerechten Zuweisung von Ergebniseffekten dürfen sich strukturelle Fehlallokationen jedoch nicht auf die Ergebnisrechnung dezentraler Einheiten auswirken. Eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Ertrags-Risiko-Chancen erfolgt vielmehr über die unterschiedliche Gewichtung im Portfolio. Die Fehlallokation zeigt sich im Beispiel auch mathematisch, wie etwa bei Betrachtung der RORAC-Werte der Geschäftsbereiche A und B. Diese lassen sich als Grenz-RORAC-Werte interpretieren, die angeben, wie sich im jeweiligen Bereich eine marginale Änderung des gebundenen Eigenkapitals verzinsen würde. Durch Substitution einer Einheit VaR von Geschäftsbereich A zugunsten von Geschäftsbereich B ließe sich somit der Gesamt-RORAC bei gleich bleibendem Risiko der Gesamtbank steigern. Im Sinne des Ausgleichs der Grenz-Risikorenditen werden in einer optimalen Struktur die RORAC-Werte auf Basis des marginalen Delta-VaR zum Ausgleich gebracht, so dass sich keine Verbesserung des Gesamtbank-RORAC durch Verschiebungen des Eigenkapitals zwischen den Geschäftsbereichen erzielen lässt.
(b)
Festlegung des Normportfolios bei unverändertem Gesamt-VaR
Da die RORAC-Kennzahlen in der gegebenen Ausgangsstruktur unterschiedliche Werte aufweisen, lässt sich die Rendite des Eigenkapitals durch eine Umstrukturierung des Portfolios verbessern. Zur Herleitung der optimalen Portfoliostruktur können aufgrund der hier zunächst zugrunde gelegten linearen Ertrags-Risiko-Funktionen portfolio- bzw. kapitalmarkttheoretische Erkenntnisse herangezogen werden. Abbildung 416 zeigt die mathematische Ermittlung 643
der RORAC-maximalen Portfoliostruktur, wonach sich die Anteile q der einzelnen Geschäftsbereiche durch Multiplikation des Vektors der Risiko-Renditen mit der Inversen der Kovarianzmatrix der Eigenkapitalrenditen ergeben. -1 qA qB qC
KOV (rA, rA) KOV (rB, rA) KOV (rC, rA)
=
KOV (rA, rB) KOV (rB, rB) KOV (rC, rB)
qA qB qC 1 x 10,30366% x 10,30366% 0,813428 x 7,69574% x 10,30366% -0,609792 x 5,10707% x 1,030366%
KOV (rA, rC) KOV (rB, rC) KOV (rC, rC)
rA – rf rB – rf rC – rf
x
= -1
0,813428 x 10,30366% x 7,69574% 1 x 7,69574% x 7,69574% -0,506660 x 5,10707% x 7,69574%
-0,609792 x 10,30366% x 5,10707% -0,506660 x 7,69574% x 5,10707% 1 x 5,10707% x 5,10707%
8,40% – 3,00% 6,90% – 3,00% 3,40% – 3,00%
x
-1 qA qB qC
qA qB qC
=
0,010617 0,006450 -0,003209
=
329,61 -299,51 176,84
qA qB qC
0,006450 0,005922 -0,001991
-0,003209 -0,001991 0,002608
x
5,40% 3,90% 0,40%
-299,51 499,33 12,74
176,84 12,74 610,71
x
5,40% 3,90% 0,40%
=
6,83 3,35 12,49
30,11% 14,79% 55,10%
Abb. 416: Ermittlung der RORAC-maximalen Portfoliostruktur
Wie in der Abb. 416 ersichtlich, resultieren aus dem Ergebnisvektor nach Normierung auf 100 % die Anteilswerte der Geschäftsbereiche von 30,11 % für Geschäftsbereich A, 14,79 % für Bereich B und 55,10 % für Bereich C. Unter Bezugnahme auf beispielsweise ein Eigenkapitalvolumen von 100 Mio. GE und die Anteile gemäß optimaler Portfoliostruktur ergeben sich die Stand-alone-Value-at-Risk-Werte
644
der einzelnen Geschäftsbereiche mit 3,10 Mio. GE (= 30,11 Mio. GE · 10,30 %) für Bereich A, 1,14 Mio. GE (= 14,79 Mio. GE · 7,70 %) für Bereich B und 2,81 Mio. GE (= 55,10 Mio. GE · 5,11 %) für Bereich C. Daraus resultiert ein diversifizierter Value-at-Risk des Normportfolios in Höhe von 3,27 Mio. GE.
>3,10
VaR Norm-Portfolio
1,14 2,81@
1 0,8134 0,6098º ª « 0,8134 1 0,5067 »» « «¬ 0,6098 0,5067 1 »¼
3,27
ª3,10 º «1,14 » « » «¬2,81»¼ Indem der angestrebte Value-at-Risk von 83,96 Mio. GE, der sich in der Ausgangssituation ergab, durch den Value-at-Risk des Normportfolios dividiert wird, erhält man einen Faktor von 25,67. Durch Multiplikation der prozentualen Anteile der einzelnen Geschäftsbereiche mit diesem Faktor lassen sich die Eigenkapitalgrößen der Geschäftsbereiche in Höhe von 773,12 Mio. GE für Bereich A, von 379,59 Mio. GE für B und von 1.414,69 Mio. GE für Bereich C ermitteln. Die daraus resultierende Renditeverteilung im Normportfolio zeigt Abbildung 417, aus der sich ein im Vergleich zur Ausgangsstruktur unveränderter Value-at-Risk von 83,96 Mio. GE ergibt.
645
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
GB A 10,0% -2,0% 12,0% 23,0% 6,0% 2,0% 8,0% 9,0% 10,0% 6,0%
GB B 6,0% -4,0% 8,0% 15,0% 8,0% 6,0% 12,0% 7,0% 6,0% 5,0%
GB C 2,0% 6,0% 3,0% -3,0% 0,0% 3,0% 6,0% 8,0% 3,0% 6,0%
MW STD VaR (relativ, 95%)
8,40% 6,26% 10,30%
6,90% 4,68% 7,70%
3,40% 3,10% 5,11%
Eigenkapitalanteile 30,11%
14,79%
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
5,00% 2,11% 6,45% 7,49% 2,99% 3,14% 7,49% 8,15% 5,55% 5,85%
MW STD VaR (relativ, 95%)
5,42% 1,99% 3,27%
55,10%
Abb. 417: Erwartete Renditen der Geschäftsbereiche und der Gesamtbank für zehn Szenarios bei RORACmaximaler Portfoliostruktur
Zur Veranschaulichung bietet sich eine grafische Analyse an, bei der die Geschäftsbereiche in Abhängigkeit von ihrem optimalen Portfolioanteil auf der Ordinate positioniert werden. Auf diese Weise befinden sich die optimalen Eigenkapitalvolumina der Geschäftsbereiche für jedes Zielniveau des Gesamt-Value-at-Risk auf einer Ursprungsgeraden, deren Steigung durch den Wert des angestrebten Gesamt-VaR determiniert wird. Mit Hilfe eines derartigen Portfoliostrukturdiagramms werden mögliche Fehlstrukturierungen direkt sichtbar.
646
obere Grenze 3.500
Eigenkapital
obere Grenze 1.400 1.414
obere Grenze 687,67
773 700 untere Grenze 600
600
untere Grenze 500
400 379 untere Grenze 350
14,79% GB B 30,11%
GB A 55,10%
GB C
Abb. 418: Portfoliostrukturdiagramm für einen Gesamt-VaR von 83,96 Mio. GE
Abb. 418 zeigt die Wertebereiche für die einzelnen Geschäftsbereiche als weiße Flächen, welche die aus dezentraler Sicht unter Berücksichtigung der maximal ab- bzw. ausbaubaren Geschäftsvolumina möglichen Gesamtpositionen darstellen. Im Gegensatz zu Wertpapierinvestitionen, auf denen der portfoliotheoretische Ansatz der Strukturoptimierung basiert, sind 647
Geschäftsbereiche einer Bank regelmäßig nicht beliebig skalierbar, da sich die unterstellten Ertrags-Risiko-Funktionen bei Überschreitung bestimmter Grenzwerte verändern. Ökonomisch bestehen Restriktionen beispielsweise in Form der Beschaffung qualifizierter Mitarbeiter oder begrenzten Kundenpotenzialen. In einer Erweiterung des Grundmodells der dualen Allokation und Bepreisung lassen sich auch derartige Wachstumsrestriktionen explizit integrieren (vgl. dazu Kapitel B.II.4.b)).
GB B
kAB = 0,81
GB A Eigenkapital: 773,12 VaR: 79,66 (10,30%)
Eigenkapital: 379,59 VaR: 29,21 (7,70%) kB Norm-PF 0,68
kA Norm-PF Norm-Portfolio 0,71 Eigenkapital: 2.567,42
kBC = -0,51
VaR: 83,96 (3,27%) kC Norm-PF 0,11 kAC = -0,61
Summe VaR der GB: 181,12 (7,05%)
GB C Eigenkapital: 1.414,69 VaR: 72,25 (5,11%)
Abb. 419: Portfoliostruktur und Korrelationen des RORAC-maximalen Portfolios bei einem Gesamt-VaR von 83,96 Mio. GE
Die Risikoanalyse in Abb. 419 zeigt, dass sich durch die Anpassung der Ausgangsstruktur an die RORAC-maximale Struktur die Korrelationen zur Gesamtbank verändert haben. Die Risikoreduktion auf Gesamtbankebene ist auf 53,6 % gestiegen (Gesamt-VaR von 83,96 Mio. GE im Vergleich zur Summe der Geschäftsbereichs-VaR von 181,12 Mio. GE). In der Ausgangssituation betrug die Risikoreduktion lediglich 37,1 %. Durch den erhöhten Volumenanteil von Geschäftsbereich C hat sich dessen Korrelation von zuvor -0,34 auf +0,11 erhöht, da dieser die Gesamtstruktur nun wesentlich beeinflusst und nicht lediglich als Ausgleich gegenüber der Dominanz der Bereiche A und B wirkt.
648
(c)
Ermittlung der zentral allozierten Risikokapitalkosten in der Normstruktur
Das Risiko-Ergebnis der Gesamtbank hat sich durch die Umstrukturierung des Portfolios auf 62,21 Mio. GE erhöht. Daraus resultiert ein im Vergleich zur Ausgangsstruktur höherer RORAC von 74,10%, der auch für sämtliche Geschäftsbereiche gilt (vgl. Abb. 420). Durch eine Verschiebung der Eigenkapitalanteile zwischen den Geschäftsbereichen ist nun keine Verbesserung des Gesamtbank-RORAC erreichbar. Zeile
GB A
GB B
GB C
Gesamtbank
(1) (2) (3)=(1)*(2)
Eigenkapital Risiko-Rendite Risiko-Ergebnis
773,12 5,40% 41,74
379,59 3,90% 14,80
1.414,69 0,40% 5,66
2.567,42 2,423% 62,21
(4) (5)=(1)*(4) (6) (7)=(5)*(6)
VaR (relativ) saVaR k zu Gesamtbank mdVaR
10,30% 79,66 0,7072 56,34
7,70% 29,21 0,6838 19,98
5,09% 72,25 0,1057 7,64
1 83,96
(8)=(3)/(7) (9) (10)=(8)-(9) (11)=(7)*(10)
RORAC Ziel-RORAC RAROC Überdeckung
74,10% 30% 44,10% 24,8494
74,10% 30% 44,10% 8,8074
74,10% 30% 44,10% 3,3690
74,10% 30% 44,10% 37,0258
Abb. 420: Planwerte der Risk-Return-Kennzahlen des RORAC-maximalen Portfolios bei einem Gesamt-VaR von 83,96 Mio. GE
Erzielten sämtliche Geschäftsbereiche tatsächlich die geplanten Renditen, resultierten daraus Ex-post-RORAC-Werte in identischer Höhe. Damit ergeben sich in der Optimalstruktur im Gegensatz zur suboptimalen Ausgangsstruktur aus der Bewertung anhand des marginalen Delta-VaR adäquate Steuerungsimpulse. Weitere zentrale Ergebnisse in Hinblick auf die Ermittlung bereichsbezogener Eigenkapitalkosten bestehen darin, dass bei linearen ErtragsRisiko-Funktionen der Gleichgewichtsalgorithmus des CAPM auch für die Herleitung einer bankinternen Optimalstruktur anwendbar ist. Zudem zeigt sich, dass sich bei Verlassen des geschlossenen Gleichgewichtsmodells die Möglichkeit einer Optimierung der Portfoliostruktur in dem Sinn ergibt, dass ex ante bereits "Risiko-Renditen" planbar sind.
(3)
Kalkulation der dezentral verantworteten Risikokapitalkosten
Das Modell der dualen Risikokapitalallokation und -bepreisung beruht auf einem Nebeneinander zentraler und dezentraler Kompetenzen. In den vorherigen Abschnitten wurde zunächst gezeigt, wie die Grob-Allokation auf Basis der Ermittlung des Soll-Portfolios durchgeführt werden kann. Dies erfolgt auf zentraler Ebene unter Berücksichtigung der Ertrags-, Risikound Verbundwirkungen sämtlicher Geschäftsbereiche. Die ermittelten Eigenkapitalvolumina der Geschäftsbereiche sind mit den jeweiligen dezentralen Stellen vereinbart und als mit hinreichender Wahrscheinlichkeit realisierbar akzeptiert worden. Dennoch sind Abweichungen von diesen Werten möglich, die jedoch nur eine geringe Wahrscheinlichkeit aufweisen bzw. als nicht in jedem Fall am Markt durchsetzbar betrachtet werden, so dass sie nicht als Grund649
lage der Planung des Optimalportfolios, beispielsweise in Form eines höheren Gesamt-Valueat-Risk-Niveaus, herangezogen werden. Der im Beispiel unterstellte Gesamtbank-VaR ist keine streng einzuhaltende Nebenbedingung, sondern es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Investoren bei angemessener Rendite auch ein höheres Risikoniveau akzeptieren. Vice versa würde aus einem geringeren Gesamtbankrisiko ein entsprechend reduzierter Renditeanspruch resultieren. Dezentral können sich kurzfristig Abweichungen von den Plandaten ergeben, beispielsweise aufgrund konkret anstehender Einzelgeschäfte, deren Deckungsbeiträge die geplanten Werte übersteigen, oder weil aufgrund von reduzierten Marktchancen die geplanten Eigenkapitalvolumina nicht realisiert werden können. In diesen Fällen sind die dezentral zu verantwortenden Eigenkapitalkosten unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten zu kalkulieren. Im Beispiel soll zunächst davon ausgegangen werden, dass der Geschäftsbereich A anstelle des geplanten Eigenkapitals von 773,12 Mio. GE nur ein geringeres Eigenkapital in Höhe von 500 Mio. GE beansprucht. Die relativen Value-at-Risk-Größen und die Risiko-Renditen entsprechen weiterhin den Planwerten. Daher reduzieren sich das erzielte Risiko-Ergebnis und der Standalone-Value-at-Risk des Geschäftsbereichs A proportional zum Eigenkapitalvolumen. Die Korrelationen der Geschäftsbereiche untereinander bleiben im Vergleich zur Ausgangssituation konstant, während sich die Korrelationen zur Gesamtbank aufgrund der neuen Volumenstruktur des Eigenkapitals verändern. Wegen der durch das niedrigere Eigenkapitalvolumen geringeren Korrelation zur Gesamtbank des Geschäftsbereichs A sinkt dessen marginaler Delta-VaR im Vergleich zum Risiko-Ergebnis überproportional, woraus im Vergleich zur Ausgangssituation ein höherer marginaler RORAC resultiert (vgl. Abb. 421). Zeile
GB A
GB B
GB C
Gesamtbank
(1) (2) (3)=(1)*(2)
Eigenkapital Risiko-Rendite Risiko-Ergebnis
500,00 5,40% 27,00
379,59 3,90% 14,81
1.414,69 0,40% 5,66
2.294,28 2,07% 47,46
(4) (5)=(1)*(4) (6) (7)=(5)*(6)
VaR (relativ) saVaR k zu Gesamtbank mdVaR
10,30% 51,52 0,4656 23,99
7,70% 29,21 0,5146 15,03
5,11% 72,25 0,3882 28,05
1 67,07
(8)=(3)/(7) (9) (10)=(8)-(9) (11)=(7)*(10)
RORAC Ziel-RORAC RAROC Überdeckung
112,56% 30% 82,56% 19,8061
98,48% 30% 68,45% 10,2994
20,18% 30% -9,82% -2,7545
70,77% 30% 40,77% 27,3400
Abb. 421: Risk-Return-Kennzahlen auf Basis des marginalen Delta-VaR bei einer Unterschreitung des Planvolumens durch Geschäftsbereich A
Da in der neuen Struktur die Korrelation des Geschäftsbereichs C zur Gesamtbank gestiegen ist, ergibt sich für Bereich C ein im Vergleich zur Ausgangssituation reduzierter RORAC von 20,18%, obwohl sich für Risiko-Ergebnis und Stand-alone-Value-at-Risk exakt die geplanten Werte eingestellt haben (vgl. Abb. 422).
650
GB A
GB C
379,59
3,90% 3,90% Soll Ist
10,30% Soll
10,30% Ist
29,21 29,21
1.414,69
379,59
51,52
379,59
79,66
500,00
773,12
VaR: -35,33%
72,25
0,40% 0,40% Soll Ist
72,25
379,59
5,40% Ist
14,80 14,80
1.414,69
5,40% Soll
27,00
500,00
773,12
41,74
1.414,69 5,66 5,66 1.414,69
Ertrag: -35,32%
NettoErtrag
StandAloneRisiko (VaR)
GB B
7,70% 7,70% Soll Ist
5,11% 5,11% Soll Ist
Risikoanrechnung:
Risikoanrechnung: + 267,27%
x Risikoanrechnung: -34,16%
0,7072
Portfolioeffekt (k)
-24,74%
0,6838 0,4656
0,5146 0,3882 0,1057
Optimal- Istportfolio Portfolio
Optimal- Istportfolio Portfolio
Optimal- Istportfolio Portfolio
Abb. 422: Analyse der resultierenden Veränderungen aufgrund einer Unterschreitung des Planvolumens durch Geschäftsbereich A
Wären die geringeren Geschäftspotenziale des Bereichs A bereits im Rahmen der Planung bekannt gewesen, so dass ein geringeres Eigenkapitalvolumen angesetzt worden wäre, hätte der Bereich C ebenfalls ein entsprechend verändertes Eigenkapitalvolumen zugewiesen be651
kommen. Damit verstoßen die dargestellten Ergebnisse gegen den im Rahmen der Risikokapitalallokation bedeutenden Grundsatz der Einzelbewertung, da aus einer den Bereich A betreffenden Abweichung von den Planwerten veränderte Ergebnisse der Geschäftsbereiche B und C resultieren. In Hinblick auf den Grundsatz der Einzelbewertung ist daher zu gewährleisten, dass die Risikoquantifizierung und dabei insbesondere die Ermittlung des Korrelationseffektes stets auf Basis der zuvor geplanten Struktur durchgeführt werden. Der duale Ansatz ermöglicht eine derartige Berücksichtigung der ermittelten Optimalstruktur, die aufgrund der Ertrags- und Risikoplanungen sämtlicher Geschäftsbereiche entstanden ist. Hierzu werden der diskrete DeltaValue-at-Risk (vgl. S. 544 ff.), bei dem das Risiko eines Geschäftsbereichs durch die Annahme einer vollständigen Elimination dieses Bereichs aus dem Gesamtbankportfolio ermittelt wird, sowie der marginale Delta-Value-at-Risk (vgl. S. 552 ff.), welcher eine Grenzbetrachtung vornimmt, herangezogen. Der duale Delta-Value-at-Risk eines Bereichs i (dualdVaRi) ergibt sich als Summe des marginalen Delta-Value-at-Risk einer Position i (mdVaRi) und des diskreten Delta-Value-at-Risk dieser Position (ddVaRi). Da im Beispiel zunächst nur das Eigenkapitalvolumen eines Geschäftsbereichs vom geplanten Wert abweicht, lässt sich der diskrete Delta-Value-at-Risk dieses Bereichs als Differenz aus dem Ist-Wert und dem Plan-Wert des Gesamtbank-VaR (VaRG) ermitteln. Da der marginale Delta-Value-at-Risk dem Produkt aus geplantem Stand-alone-Value-at-Risk des Bereichs (saVaRiPlan) und Korrelationskoeffizient des Geschäftsbereichs zur Gesamtbank auf Basis der Planstruktur (ki,GPlan) entspricht, ergibt sich der duale Delta-Value-at-Risk als: dualdVaRi = (saVaRiPlan * ki,GPlan) + (VaRGIst - VaRGPlan) Für die übrigen Geschäftsbereiche, deren Eigenkapitalvolumina nicht von den geplanten Werten abweichen, entspricht der duale Delta-Value-at-Risk dem jeweiligen marginalen DeltaValue-at-Risk, der auf Basis der Planstruktur ermittelt wurde. Abb. 423 zeigt im ersten Block die tatsächlich erzielten Risiko-Ergebnisse der Geschäftsbereiche und im zweiten Block die marginalen Delta-Value-at-Risk-Werte auf Basis der Planstruktur. Im dritten Block werden zusätzlich die Value-at-Risk-Werte der Geschäftsbereiche in der Ist-Struktur dargestellt, die der Ermittlung des Gesamtbank-VaR dienen.
652
Zeile
GB A
GB B
GB C
Gesamtbank
(1) (2) (3)=(1)*(2)
Eigenkapital Risiko-Rendite Risiko-Ergebnis
500,00 5,40% 27,00
379,59 3,90% 14,80
1.414,69 0,40% 5,66
2.294,28 2,07% 47,46
(4) (5) (6) (7)=(5)*(6)
Plan-Eigenkapital saVaR (Plan) k zu Gesamt (Plan) mdVaR (Plan)
773,12 79,67 0,7072 56,34
379,59 29,21 0,6838 19,98
1.414,69 72,25 0,1057 7,64
2.567,42
(8) (9) (10) (11)=(9)*(10)
Ist-Eigenkapital saVaR (Ist) k zu Gesamt (Ist) mdVaR (Ist)
500,00 51,52 0,4656 23,99
379,59 29,21 0,5146 15,04
1.411,69 72,25 0,3882 28,05
2.294,28
(12) ddVaR (13)=(7)+(12) dualdVaR
-16,88 39,45
0 19,98
0 7,64
-16,88 67,08
(14)=(3)/(13) (15) (16)=(14)-(15) (17)=(13)*(16)
68,43% 30% 38,43% 15,1637
74,10% 30% 44,10% 8,8074
74,10% 30% 44,10% 3,3690
70,77% 30% 40,77% 27,3401
RORAC Ziel-RORAC RAROC Überdeckung
1 83,96
1 67,08
Abb. 423: Berechnung der dualen Eigenkapitalkosten bei einer Unterschreitung des geplanten Eigenkapitalvolumens durch Geschäftsbereich A
Der diskrete Delta-Value-at-Risk der Gesamtbank ergibt sich durch Subtraktion des PlanValue-at-Risk vom Ist-Value-at-Risk der Gesamtbank und weist im Beispiel einen negativen Wert in Höhe von -16,88 Mio. GE auf, da das tatsächliche Risiko unterhalb des geplanten Risikos liegt. Da die Reduzierung des Gesamtbank-Value-at-Risk durch die Abweichung vom geplanten Eigenkapitalvolumen des Geschäftsbereichs A entstanden ist, wird die Veränderung des Risikos in Form des diskreten Delta-Value-at-Risk vollständig diesem Geschäftsbereich zugerechnet (Zeile 12). Die dualen Delta-Value-at-Risk-Werte der Geschäftsbereiche A, B und C ergeben sich durch Addition des geplanten marginalen Delta-Value-at-Risk und des diskreten Delta-Value-atRisk (Zeile 13). Die Gesamt-Delta-Value-at-Risk-Werte der Bereiche B und C entsprechen den geplanten marginalen Delta-Value-at-Risk-Werten, da für diese Bereiche keine Abweichungen von den Planwerten vorliegen. Aus diesem Grund entsprechen auch die erzielten RORAC-Werte sowie die Überdeckungen dieser Bereiche exakt den geplanten Werten. Für Bereich A ergibt sich im Vergleich zur Planung eine geringere Überdeckung, welche nicht allein aus der Abweichung des Eigenkapitalvolumens, sondern zudem aus den daraus resultierenden geringeren Diversifikationseffekten resultiert. Realisiert ein Geschäftsbereich ein im Vergleich zur Planung höheres Eigenkapitalvolumen, verändern sich die Ergebnisse analog. Im Beispiel überschreitet der Geschäftsbereich A den Planwert und weist ein Ist-Eigenkapitalvolumen in Höhe von 1.000 Mio. GE auf. Da sowohl
653
Risiko-Ergebnis als auch Stand-alone-Value-at-Risk volumenproportional ansteigen, ergäbe sich bei isolierter Betrachtung keine Veränderung des RORAC-Wertes. Durch die veränderte Volumenstruktur des Eigenkapitals ändern sich jedoch die Korrelationen der Geschäftsbereiche zur Gesamtbank (vgl. Abb. 424), so dass eine Bewertung mit dem marginalen DeltaValue-at-Risk zu einer Reduzierung des RAROC-Wertes auf 34,49% führt. Zeile
GB A
GB B
GB C
Gesamtbank
(1) (2) (3)=(1)*(2)
Eigenkapital Risiko-Rendite Risiko-Ergebnis
1.000,00 5,40% 54,00
379,59 3,90% 14,81
1.414,69 0,40% 5,66
2.794,28 2,66% 74,47
(4) (5)=(1)*(4) (6) (7)=(5)*(6)
VaR (relativ) saVaR k zu Gesamtbank mdVaR
10,30% 103,04 0,8126 83,73
7,70% 29,21 0,7505 21,92
5,11% 72,25 -0,0529 -3,82
1 101,83
(8)=(3)/(7) (9) (10)=(8)-(9) (11)=(7)*(10)
RORAC Ziel-RORAC RAROC Überdeckung
64,49% 30% 34,49% 28,8817
67,51% 30% 37,51% 8,2229
-148,09% 30% -178,09% 6,8066
73,12% 30% 43,12% 43,9112
Abb. 424: Risk-Return-Kennzahlen auf Basis des marginalen Delta-VaR bei einer Überschreitung des geplanten Eigenkapitalvolumens durch Geschäftsbereich A
Auch bei einer Überschreitung des Eigenkapitalvolumens von Bereich A ergeben sich bei Bewertung mit dem marginalen Delta-VaR Veränderungen der Ergebnisse der Geschäftsbereiche B und C, obwohl diese die Planwerte exakt einhalten (vgl. Abb. 425).
654
GB A
GB B
GB C
5,40% Soll
379,59
41,74
5,40% Ist
14,80 14,80
379,59
54,00
1.000,00
773,12
NettoErtrag
1.414,69 5,66 5,66 1.414,69
Ertrag: +29,37%
3,90% 3,90% Soll Ist
0,40% 0,40% Soll Ist
10,30% Soll
10,30% Ist
29,21 29,21
1.414,69
72,25
72,25
379,59
103,0 4
379,59
79,67
1.000,00
773,12
StandAloneRisiko (VaR)
1.414,69
VaR: +29,34%
7,70% 7,70% Soll Ist
5,11% 5,11% Soll Ist
x Risikoanrechnung: +14,90%
0,7072
0,8126
Risikoanrechnung: +9,75%
0,6838
Risikoanrechnung: -150,05%
0,7505
Portfolioeffekt (k)
0,1057 Optimal- Istportfolio Portfolio
Optimal- Istportfolio Portfolio
-0,0529 Optimal- Istportfolio Portfolio
Abb. 425: Analyse der Abweichungen bei einer Überschreitung des geplanten Eigenkapitalvolumens durch Geschäftsbereich A
Wie Abb. 426 zeigt, ergeben sich im Gegensatz dazu bei Anwendung des dualen Bepreisungsansatzes für die Geschäftsbereiche B und C keine Änderungen der Ergebnisse bei Einhaltung
655
der Planwerte. Nur für Geschäftsbereich A zeigen sich andere Werte, da dieser vom geplanten Eigenkapitalvolumen abgewichen ist. Zeile
GB A
GB B
GB C
Gesamtbank
(1) (2) (3)=(1)*(2)
Eigenkapital Risiko-Rendite Risiko-Ergebnis
1.000,00 5,40% 54,00
379,59 3,90% 14,80
1.414,69 0,40% 5,66
2.794,28 2,66% 74,46
(4) (5) (6) (7)=(5)*(6)
Plan-Eigenkapital saVaR (Plan) k zu Gesamt (Plan) mdVaR (Plan)
773,12 79,66 0,7072 56,34
379,59 29,21 0,6838 19,97
1.414,69 72,24 0,1057 7,64
2.567,39
(8) (9) (10) (11)=(9)*(10)
Ist-Volumen saVaR (Ist) k zu Gesamt (Ist) mdVaR (Ist)
1.000,00 103,04 0,8126 83,73
379,59 29,22 0,7505 21,92
1.414,69 72,26 -0,0529 -3,82
2.794,28
(12) ddVaR (13)=(7)+(12) dualdVaR
17,88 74,22
0 19,97
0 7,64
17,88 101,84
(14)=(3)/(13) (15) (16)=(14)-(15) (17)=(13)*(16)
72,76% 30% 42,76% 31,7348
74,10% 30% 44,10% 8,8074
74,10% 30% 44,10% 3,3690
73,12% 30% 43,12% 43,9112
RORAC Ziel-RORAC RAROC Nettoergebnis
1 83,96
1 101,84
Abb. 426: Herleitung der dualen Eigenkapitalkosten bei einer Überschreitung des geplanten Eigenkapitalvolumens durch Geschäftsbereich A
Der RORAC des Geschäftsbereichs A ist im Vergleich zur Plansituation gesunken und beträgt nun lediglich 72,76%. Dies begründet sich damit, dass der Anstieg des Gesamtbank-Value-atRisk um 17,88 Mio. GE (101,84 Mio. GE – 83,96 Mio. GE) Bereich A zuzurechnen ist, da er durch dessen Ausweitung des Eigenkapitalvolumens verursacht wird. Im Vergleich zum daraus resultierenden Anstieg des dualen Delta-Value-at-Risk erhöht sich das Risiko-Ergebnis weniger stark, was die Reduzierung des RORAC-Wertes von Bereich A zur Folge hat. Da die Renditen der zusätzlich getätigten Geschäfte des Bereichs A dennoch über dem Ziel-RORAC liegen, hat sich durch die Eigenkapitalerhöhung die Überdeckung des Geschäftsbereichs A und somit auch der Gesamtbank erhöht. Diese Beispiele haben gezeigt, dass bei Anwendung des dualen Ansatzes im Gegensatz zur alleinigen Betrachtung des diskreten Delta-Value-at-Risk eine Additivität der Einzel-VaR zum Gesamtbank-VaR gegeben ist. Im Vergleich zum Grundmodell des marginalen Delta-Valueat-Risk werden die Werte zudem nur auf die Optimalstruktur angewendet, da nur in dem Fall von schlüssigen Steuerungsimpulsen auszugehen ist. Der duale Ansatz ermöglicht auf diese Weise eine Einzelbewertung bei simultaner Berücksichtigung der Portfolioeffekte, indem zentrale Allokationsentscheidungen unter Einbeziehung der Korrelationen auf Basis des marginalen Delta-Value-at-Risk erfolgen, während bei dezentralen Dispositionen die Optimal656
struktur als gegeben gilt und die Abweichung durch einen Einzelbereich mit Hilfe des diskreten Delta-Value-at-Risk abgebildet wird.
b)
Erweiterungen des Modells der dualen Risikokapitalallokation und –bepreisung
Im zuvor beschriebenen Grundmodell der dualen Risikokapitalallokation und -bepreisung wurde vereinfachend unterstellt, dass die geplanten Eigenkapitalvolumina der Geschäftsbereiche der ermittelten Optimalstruktur entsprechen. Dieses Grundmodell lässt sich dahingehend erweitern, dass es auch in Fällen anwendbar ist, in denen bereits in der Planung eine vom Optimum abweichende Struktur gewählt wird. Würde beispielsweise die Prämisse einer Obergrenze in Form eines maximalen Gesamt-VaR aufgegeben, wäre theoretisch ein beliebiger Ausbau der Geschäftsbereiche sinnvoll, solange die Risiko-Rendite zusätzlicher Positionen mindestens den Zielwert erreicht. Ein unendlicher Ausbau ist in der Realität, insbesondere im Kundengeschäft, jedoch regelmäßig nicht möglich. Derartige Wachstumsrestriktionen lassen sich im dualen Allokations- und Bepreisungsmodell ebenfalls berücksichtigen. Wenn die Volumenobergrenzen der Geschäftsbereiche nicht zufällig exakt proportional zur Optimalstruktur verlaufen, entspricht die optimale Portfoliostruktur der Bank unter Berücksichtigung der Wachstumsgrenzen nicht der portfoliotheoretischen Optimalstruktur. Da das optimale Eigenkapitalvolumen erreicht ist, wenn der marginale RORAC aller noch ausbaufähigen Bereiche so weit gesunken ist, dass er exakt dem Ziel-RORAC entspricht, führt eine Maximierung des RORAC in dem Fall nicht zwingend zu einer überdeckungsmaximalen Portfoliostruktur. Die überdeckungsmaximale Portfoliostruktur lässt sich mit Hilfe eines sachlogischanalytischen Sukzessivansatzes ermitteln. Dabei wird zunächst die Optimalstruktur so lange ausgebaut, bis ein Bereich an den Wachstumsengpass gerät. Auf Basis dieser maximal realisierbaren Optimalstruktur wird im Folgenden über einen möglichen zusätzlichen Eigenkapitalausbau entschieden. In einem ersten Schritt wird das vor dem Hintergrund des eingeschränkten Wertebereichs maximal realisierbare Eigenkapitalvolumen der Optimalstruktur ermittelt. Grafisch ist dies mit Hilfe eines Portfoliostrukturdiagramms möglich (vgl. Abb. 427).
657
Eigenkapital
Abb. 427: Ermittlung des realisierbaren Optimalportfolios mit Hilfe eines Portfoliostrukturdiagramms
Dabei ist die Portfoliostrukturgerade mit der größten Steigung zu ermitteln, bei der sämtliche Schnittpunkte mit den senkrecht verlaufenden Geschäftsbereichsstrecken innerhalb der definierten Wertebereiche liegen. Im Beispiel lässt sich die maximal realisierbare Optimalstruktur des Eigenkapitals bei einer Ursprungsgeraden durch das Maximalvolumen von Bereich A in Höhe von 1.400 Mio. GE resp. durch das Maximalvolumen von Bereich B in Höhe von 687,67 Mio. GE ermitteln. Der Bereich C könnte zwar ein höheres Eigenkapitalvolumen realisieren, jedoch ergeben sich bei einer Portfoliostrukturgerade durch das maximal Eigenkapitalvolumen von Bereich C in Höhe von 3.500 Mio. GE für die Bereiche A und B Eigenkapi658
talvolumina außerhalb der definierten Wertebereiche, so dass diese Portfoliostruktur nicht realisierbar ist. Als Alternative zur grafischen Herleitung kann die Ermittlung der Optimalstruktur auch analytisch erfolgen. Unter Bezugnahme auf das Maximalvolumen von Bereich B in Höhe von 687,67 Mio. GE und die zuvor ermittelten Portfolioanteile ergibt sich für Bereich A ebenfalls ein Eigenkapitalvolumen von 1.400 Mio. GE (= 687,67 * 30,11/14,79) und für Bereich C von 2.561,94 Mio. GE (= 687,67 * 55,10/14,79). Bei der ermittelten Optimalstruktur nutzt lediglich ein Geschäftsbereich nicht das maximal mögliche Volumen aus, so dass sich ein eindimensionales Optimierungsproblem ergibt. Das optimale Eigenkapitalvolumen dieses Geschäftsbereichs lässt sich nun rechnerisch ermitteln, indem die partielle Ableitung der Funktion der Überdeckung gleich Null gesetzt wird und unter Einbeziehung der Eigenkapitalobergrenzen für die übrigen Geschäftsbereiche aufgelöst wird. Allgemein lässt sich die Funktion der Überdeckung wie folgt definieren: Überdeckung Portfoliovolumen (Portfoliorendite risikoloser Zins) Portfoliovolumen Portfoliorisiko Ziel RORAC Als Funktion von A, B und C ergibt sich die Überdeckung folgendermaßen: f A, B, C
C B A · rA rB rC rf ¸ ABC ABC ¹ ©ABC
A B C §¨
A2 B2 2 2 k A,A ı A k B,B ı B 2 2 A B C A B C C2 2AB 2 k ı k ı ı A B C 2 C,C C A B C 2 A,B A B 2BC 2AC k ı ı k ı ı A B C 2 A,C A C A B C 2 B,C B C
(A B C) Ziel-RORAC
mit: A; B; C rA; rB; rC rf ıA ; ıB ; ıC kA,B
= = = = =
(Eigenkapital-)Volumen Geschäftsbereich A; B; C Rendite Geschäftsbereich A; B; C risikoloser Zins Standardabweichung der Rendite des Geschäftsbereichs A; B; C Korrelationskoeffizient zwischen A und B
659
Durch Nutzung der Eigenschaft kA,A = kB,B = kC,C = 1 und weitere Umformungen ergibt sich f A, B, C
rA rf A rB rf B rC rf C 2
2
A 2 ı A B2 ı B C2 ı C
2
2AB k A,B ı A ı B
Ziel-RORAC
2AC k A,C ı A ı C 2BC k B,C ı B ı C
Die partielle Ableitung dieser Funktion nach C lautet wie folgt: f' C
rC rf
2
ZielRORAC ı C C A k A,C ı A ı C B k B,C ı B ı C 2
2
2
2
2
A ıA B ıB C ıC
2
2AB k A,B ı A ı B 2AC k A,C ı A ı C 2BC k B,C ı B ı C
Wird die partielle Ableitung nach C nun mit null gleichgesetzt, ergibt sich folgende Gleichung: 2
rC rf
2
A 2 ı A B2 ı B C2 ı C
2
2AB k A,B ı A ı B 2AC k A,C ı A ı C 2BC k B,C ı B ı C
2
Ziel-RORAC ı C C A k A,C ı A ı C B k B,C ı B ı C
Durch Einsetzen der Eigenkapitalobergrenzen für A in Höhe von 1.400 Mio GE und für B in Höhe von 687,68 Mio. GE und Auflösen der Gleichung nach C, ergibt sich als optimales Eigenkapitalvolumen für Bereich C ein Wert von 3.045,43 Mio. GE. Dieses analytisch ermittelte Optimum lässt sich auch über eine grafische Analyse plausibilisieren (vgl. Abb. 428).
660
Überdeckung
70 65 60 55 50 500
1000
1500
2000
2500
3000
3500
4000
Eigenkapital GB C Abb. 428: Überdeckung der Gesamtbank in Abhängigkeit vom Eigenkapitalvolumen des Geschäftsbereichs C
Bei fix unterstellten Eigenkapitalvolumina für Bereich A in Höhe von 1.400 Mio. GE und für Bereich B von 687,67 Mio. GE würde bei dem minimal möglichen Eigenkapitalvolumen des Bereichs C eine Überdeckung der Gesamtbank von knapp 52 Mio. GE erzielt. Bei einer Ausweitung des Eigenkapitalvolumens des Bereichs C steigt die Überdeckung bis zum ermittelten Optimum von 3.045,43 Mio. GE an. Bei diesem Eigenkapitalvolumen beträgt die Überdeckung 67,6 Mio. GE und würde bei einer weiteren Eigenkapitalerhöhung sinken. Bei einer Ausweitung über 3.045,43 Mio. GE würde ein unter dem Ziel-RORAC von 30% liegender Grenz-RORAC realisiert. Daher wäre eine Maximalausschöpfung des Marktpotenzials ökonomisch unvorteilhaft. Die Überprüfung, ob das ermittelte Norm-Eigenkapitalvolumen innerhalb des Wertebereichs liegt, kann wiederum mit Hilfe des Portfoliostrukturdiagramms durchgeführt werden (vgl. Abb. 429). Das Diagramm zeigt, dass die Normstruktur realisierbar ist und veranschaulicht zudem das Ausmaß der „Strukturstörung“ in Form der Abweichung von der Portfoliostrukturgeraden. Insbesondere in Hinblick auf die Beurteilung ex post entstehender Abweichungen ist die Analyse sinnvoll, da sie aufzeigt, ob diese Abweichungen zu einer Annäherung an die Portfoliostrukturgerade führen oder die Entfernung von der Optimalstruktur vergrößern.
661
obere Grenze 3.500
Eigenkapital
3.045,43
2.561.94
obere Grenze 1.400
obere Grenze 687,67 untere Grenze 600 untere Grenze 500
untere Grenze 350 GB B (14,79%)
GB A (30,11%)
GB C (55,10%)
Abb. 429: Normportfolio im Portfoliostrukturdiagramm
Das so ermittelte Normportfolio, welches die höchste Überdeckung generiert, wird nun – wie bereits erläutert – im Regelfall vom RORAC-maximalen Optimalportfolio abweichen. Die Ursache besteht darin, dass die geforderte Risikoprämie im Beispiel nicht dem bankinternen Gleichgewichtswert entspricht, so dass eine Abweichung von der RORAC-maximalen Struktur trotz des resultierenden Rückgangs der Risiko-Renditen so lange sinnvoll ist, wie die zu-
662
sätzlichen Positionen einen über der Zielrendite liegenden RORAC und somit eine Steigerung der Überdeckung erzielen. Zur Ermittlung der Eigenkapitalkosten für dieses überdeckungsmaximale Normportfolio kann nicht auf den marginalen Delta-Value-at-Risk zurückgegriffen werden. Bei Anwendung des marginalen Delta-Value-at-Risk ergibt sich keine verursachungsgerechte Zuweisung der Eigenkapitalkosten, da der marginale Delta-Value-at-Risk nicht als repräsentativ für die gesamte Position betrachtet werden darf, was bei dieser Vorgehensweise unterstellt würde. Lediglich in der Optimalstruktur entspricht der Grenz- dem Durchschnitts-Value-at-Risk, so dass sich durch die Betrachtung des Grenzwertes in Form des marginalen Delta-Value-at-Risk schlüssige Steuerungsimpulse ergeben. Bei Strukturen, die vom Optimalportfolio abweichen, ist aus diesem Grund bereits im Rahmen der zentralen Planung – analog zum Vorgehen bei dezentralen Dispositionen bei Vorliegen des Optimalportfolios – der duale Delta-Value-atRisk zu verwenden. Wenn lediglich ein Geschäftsbereich von der idealtypischen Optimalstruktur abweicht, errechnet sich der duale Delta-Value-at-Risk dieser Position im Normportfolio durch Addition des marginalen Delta-Value-at-Risk des Bereichs bezogen auf die realisierbare Optimalstruktur und diskretem Delta-Value-at-Risk, der sich aus der Differenz des Gesamtbankrisikos im Optimal- und im Normportfolio ergibt: dualdVaR i
Norm
mit: dualdVaRiNorm mdVaRiOpt ddVaRiNorm;Opt
mdVaR i
Opt
ddVaR i
Norm;Opt
= dualer Delta-Value-at-Risk des Bereichs i im Normportfolio = marginaler Delta-Value-at-Risk des Bereichs i im Optimalportfolio = diskreter Delta-Value-at-Risk des Bereichs i im Normportfolio bezogen auf das Optimalportfolio
Für die übrigen Geschäftsbereiche entspricht der duale Delta-Value-at-Risk im Normportfolio jeweils dem marginalen Delta-Value-at-Risk im Optimalportfolio. Bei nicht optimalen Portfoliostrukturen ist das duale Modell somit ebenfalls anwendbar. Im Unterschied zur Vorgehensweise bei Vorliegen der Optimalstruktur ist jedoch bereits im Rahmen der zentralen Allokation und Zuweisung der Risikokapitalkosten eine differenzierte Kalkulation marginaler und diskreter Value-at-Risk-Prämien vorzunehmen. Dies zeigt, dass die im Grundmodell angenommene Trennung der Anwendung des marginalen Delta-Valueat-Risk auf zentrale Strukturentscheidungen und des diskreten Delta-Value-at-Risk bei dezentralen Dispositionen nur für den Fall der Übereinstimmung von portfoliotheoretisch ermittelter Optimalstruktur und zentral allozierter Normstruktur gilt. Bei Portfoliostrukturen, die aufgrund von Wachstumsrestriktionen oder auch ohne vorgeschalteten Allokationsprozess durch Zufall entstanden sind und demzufolge nicht mit der Optimalstruktur übereinstimmen, lassen sich nur durch den dualen Value-at-Risk schlüssige pretiale Lenkungsimpulse erzielen. Weicht nun bei einer zentral allozierten Normstruktur, die nicht dem Optimalportfolio entspricht, ein Geschäftsbereich aufgrund einer dezentralen Disposition vom geplanten Eigenkapitalvolumen ab, werden die in der Ist-Struktur zurechenbaren Eigenkapitalkosten ebenfalls
663
über den dualen Value-at-Risk ermittelt. Dieser ergibt sich in dem Fall durch Addition des dualen Delta-Value-at-Risk des Bereichs im Normportfolio und dem diskreten Delta-Valueat-Risk des Bereichs im Ist-Portfolio bezogen auf das Normportfolio: dualdVaR i
Ist
dualdVaR i
Norm
ddVaR i
Ist; Norm
mit: dualdVaRiIst = dualer Delta-Value-at-Risk des Bereichs i im Ist-Portfolio dualdVaRiNorm = dualer Delta-Value-at-Risk des Bereichs i im Normportfolio ddVaRiIst;Norm = diskreter Delta-Value-at-Risk des Bereichs i im Ist-Portfolio bezogen auf das Normportfolio
Da sich der duale Delta-VaR des Normportfolios – wie zuvor beschrieben – aus dem marginalen Delta-VaR des Optimalportfolios und dem diskreten Delta-Value-at-Risk des Normportfolios bezogen auf die Optimalstruktur zusammensetzt, lässt sich der duale DeltaVaR eines Bereichs im Ist-Portfolio auch folgendermaßen ermitteln: dualdVaR i
Ist
mdVaR i
Opt
ddVaR i
Norm;Opt
ddVaR i
Ist; Norm
Auf diese Weise wird die Abweichung des Ist-Portfolios vom idealtypischen Optimalportfolio in zwei Bestandteile unterteilt. Dabei handelt es sich zum einen um die zentral geplante Abweichung in Form der Differenz der Risikowerte von Optimal- und Normportfolio und zum anderen um die aus der dezentralen Disposition resultierende Abweichung zwischen Ist- und Norm-Value-at-Risk. Diese Differenzierung zwischen den beiden Komponenten des diskreten Value-at-Risk ist von Bedeutung, da die Abweichungen von unterschiedlichen Bereichen verursacht werden können. Auch in Fällen mehrdimensionaler Optimierungen zur Herleitung der zentral allozierten Struktur oder bei multiplen dezentralen Abweichungen lässt sich das duale Modell nutzen (vgl. KOCH 2005, S. 120 ff.). Für die Anwendung in diesen Fällen wird es um das Konstrukt des optimalen Anpassungspfades erweitert. Dieses Konstrukt impliziert, dass das Gesamteigenkapitalvolumen entlang des Allokationsprozesses stets in der Weise verändert wird, dass die marginalen RORAC-Werte sämtlicher zu betrachtender Geschäftsbereiche ausgeglichen sind. Auf diese Weise beschreibt der optimale Anpassungspfad, wie das Risikokapital bei einem unterstellten stufenweisen Aufbau des konkret zu bewertenden Profils aufzuteilen ist, wenn in jeder Zwischenphase die jeweils dann gültige Optimalstruktur vorliegen soll. Die bereichsspezifischen Risiken ergeben sich schließlich als Integral der partiellen Grenz-Value-atRisk-Werte entlang dieses Anpassungspfades. Bei mehreren dezentralen Abweichungen von der Normstruktur besteht zudem die Frage nach der Aufteilung des zusätzlichen Value-at-Risk auf die einzelnen Bereiche. In diesem Fall bieten sich drei alternative Ansätze an. Können die Abweichungen in eine zeitliche Reihenfolge gebracht werden, lassen sich die bereichsbezogenen Value-at-Risk-Werte im Rahmen des sog. Sukzessivansatzes über eine verkettete Anwendung des diskreten Delta-Value-at-RiskAnsatzes ermitteln. Ist eine chronologische Sortierung nicht möglich, da die Abweichungen simultan erfolgen, wäre zum einen eine proportionale Verteilung entstehender ResidualValue-at-Risk-Werte denkbar. Diese erscheint jedoch in Hinblick auf die Zielsetzung einer verursachungsgerechten Zuweisung konzeptionell fragwürdig. Alternativ bietet sich auch in 664
diesem Fall die Berechnung mit Hilfe des optimalen Anpassungspfades an, die jedoch in der praktischen Umsetzung vergleichsweise aufwändig ist. Die Prämisse eines konstanten Erwartungswertes der Renditen ist in Hinblick auf Wertpapierinvestments als realitätsnah anzusehen, da die am Markt zu findenden Investitionsalternativen grundsätzlich als konstant anzusehen sind und durch die Auswahl eines atomistischen Investors in ihrer Struktur nicht verändert werden. Bankintern ist jedoch nicht von einer Unabhängigkeit der Kapitalzuweisung auf die Geschäftsbereiche und den bereichsbezogenen Renditeaussichten auszugehen. Durch die Zuweisung von Kapital werden in der Regel die leistungswirtschaftlichen Strukturen beeinflusst, wie beispielsweise durch den Aufbau zusätzlicher Ressourcen oder verstärktem Wachstum im risikobehafteten Geschäft. Zur Berücksichtigung dieser Interdependenz lassen sich zum einen – wie in den zuvor beschriebenen Beispielen – konstante Planrenditen für begrenzte Wertebereiche definieren. Zum anderen lassen sich volumenabhängige Rendite- und Risikofunktionen modellieren, wobei im Speziellen die insbesondere in Kundengeschäftsbereichen vorzufindenden Phänomene der sinkenden Grenzerträge aufgrund begrenzter Marktpotenziale sowie des hohen Anteils an Fixkosten zu berücksichtigen sind. Die Erweiterung des dualen Modells um die Integration nicht linearer Renditefunktionen ist möglich, indem wiederum das Konstrukt des optimalen Anpassungspfades zum Einsatz kommt (vgl. KOCH 2005, S. 165 ff.). Dabei erfordert die Berücksichtigung nicht linearer Funktionen im Modell bereits bei Vorliegen der Optimalstruktur eine explizite Berechnung des Integrals der bereichsbezogenen Grenzrisiken. Dies liegt daran, dass im Gegensatz zum linearen Modell die Gleichsetzung von Grenz- und Durchschnittsbetrachtung nicht möglich ist, so dass der marginale Delta-Value-at-Risk nicht verwendbar ist. Für das CAPM lässt sich daraus schließen, dass bei Veränderungen der leistungswirtschaftlichen Strukturen, beispielsweise aufgrund von Kapitalerhöhungen, das systematische Risiko – entsprechend dem marginalen Delta-Value-at-Risk – nicht mehr in jedem Fall als Risikomaß einsetzbar ist. Zudem lässt sich auf Basis des dualen Ansatzes eine risikoartenbezogene Risikosystematik mit Hilfe sog. „Risikobäume“ entwickeln, mit der eine lückenlose und redundanzfreie Modellierung geschäftsbereichsbezogener Risikoprofile möglich wird. Dabei ist festzustellen, dass eine unvollständige Betrachtung von Risikoarten zu einer nicht adäquaten Zuweisung von Risikokapital auf die Geschäftsbereiche führen kann. Bei vollständiger Betrachtung der Risikoarten ist das Grundmodell der dualen Allokation und Bepreisung jedoch nutzbar. Auch die Modellerweiterungen lassen sich im Rahmen der kompositionellen Sichtweise anwenden, wobei lediglich in bestimmten Fällen, wie etwa bei bereichsübergreifenden Abweichungen, zusätzliche Prämissen erforderlich sind (vgl. KOCH 2005, S. 218 ff.). c)
Möglichkeiten und Grenzen des dualen Allokations- und Bepreisungsmodells
Eine wesentliche Anforderung an einen entscheidungsorientierten Allokations- und Bepreisungsansatz besteht in einer Addierbarkeit der Bereichswerte, um sicherzustellen, dass die Summe der auf die Geschäftsbereiche verteilten Risikokapitalkosten der Höhe des auf Gesamtbankebene geltenden Risikokapitalkostenanspruchs entspricht. Im Gegensatz zu Standalone-Value-at-Risk und diskretem Delta-Value-at-Risk, bei denen eine Addierbarkeit lediglich durch Skalierung der Werte in Relation zum Gesamtbankniveau herbeizuführen ist, wird diese Anforderung durch den dualen Ansatz vollständig erfüllt. Im Vergleich zum marginalen 665
Delta-Value-at-Risk, der ebenfalls eine Addierbarkeit der Werte gewährleistet, ist beim dualen Ansatz durch die Integration eines Optimierungsansatzes darüber hinaus eine verursachungsgerechte Zuweisung der Risikokapitalkosten gegeben. Die Anforderung der Vollständigkeit bezieht sich in Hinblick auf einen Allokationsansatz auf eine sachlich lückenlose Erfassung sämtlicher Risikoarten. Im Rahmen der Erweiterung des Grundmodells zu einem risikoartenbezogenen Ansatz lässt sich zeigen, dass in diesem Zusammenhang die Betrachtung sämtlicher Risikoarten nicht nur möglich, sondern unverzichtbar ist. Dabei stellt sich insbesondere die Frage nach der Berücksichtigung der Korrelationen zwischen den Risikoarten und den Geschäftsbereichen. Dadurch kann ein Zielkonflikt zur Anforderung der Zeit- und Prognosestabilität entstehen, gemäß welcher zu gewährleisten ist, dass das Allokationsmodell auf den relevanten Risikodeterminanten aufsetzt und durch den Allokationsprozess möglicherweise entstehende Änderungen des Risikoprofils unmittelbar und konsistent abbildet. Diese Anforderung gilt analog auch für die gesamte Portfoliotheorie sowie darauf basierende Modelle wie beispielsweise das CAPM. Obwohl die Generierung stabiler Korrelationen im Rahmen zukunftsgerichteter Planungsansätze problematisch sein kann, stellt die Vernachlässigung von Korrelationen keine adäquate Lösung dar. Im Rahmen des risikoartenbezogenen Ansatzes ist die Anforderung der Prognose- und Zeitstabilität somit eher erfüllt als im Grundmodell, in dem implizit von statischen Geschäftsstrukturen ausgegangen wird. Die Anforderungen der Einzelbewertung und der Grenznutzenorientierung, die generell an Controllingsysteme zu stellen sind, werden in Bezug auf Allokationsmodelle in spezieller Weise interpretiert, da sich insbesondere durch Korrelationsbeziehungen Grenzen einer idealtypischen Einzelbewertbarkeit ergeben. Mit Hilfe des Konstrukts des optimalen Anpassungspfades ist innerhalb der Normstruktur eine Separierung der bereichsbezogenen Risikokapitalkosten über eine permanente Grenzbetrachtung möglich. Dies erfolgt durch eine gedankliche Elimination des Bereichs mit der geringsten Rentabilität aus dem Portfolio. Bei dezentralen Dispositionen wird hingegen auf diskrete Änderungen des Gesamtrisikos abgestellt. Im Rahmen eines in sich geschlossenen Allokationsansatzes ist zudem Zielgrößenadäquanz in dem Sinn zu beachten, dass sämtliche für die Geschäftsbereiche definierten Plan- und Risikowerte konsistent an der auf Gesamtbankebene relevanten Zielgröße ausgerichtet werden. Daher ist insbesondere weitgehende Flexibilität sicherzustellen, um die Integration verschiedener, in sich konsistenter Planungsdaten und -dimensionen zuzulassen. Durch die Anwendbarkeit des Modells auf periodenüberschuss- und wertorientierte Zielgrößen ist Zielgrößenadäquanz grundsätzlich gegeben. Das Kriterium der Objektivität ist ebenfalls erfüllt, da der Ansatz eine konzeptionell schlüssige, eindeutige und willkürfreie Aufteilung der Risikokapitalkosten auf die Teilbereiche ermöglicht. Es verbleiben lediglich in begrenztem Maße subjektive Entscheidungsmöglichkeiten durch die Wahl einer der alternativen Vorgehensweise zur Behandlung simultaner dezentraler Abweichungen. Ein weiteres wesentliches Beurteilungskriterium stellt die praktische Anwendbarkeit dar. In Hinblick auf die organisatorischen Voraussetzungen ist die Grundidee des dualen Steuerungsmodells von besonderer Bedeutung, da die Kombination aus zentralen Instanzen und eigenverantwortlichen dezentralen Stellen für die Anwendbarkeit und die Notwendigkeit des Modells gegeben sein muss. Zudem ist technisch sicherzustellen, dass die erforderlichen Da666
ten zeitnah und mit dem notwendigen Detaillierungsgrad generierbar sind. Speziell für kleinere Institute können sich dadurch Grenzen der Anwendbarkeit ergeben, da das Modell vergleichsweise hohe Datenanforderungen, beispielsweise in Hinblick auf eine vollständige Erfassung der Risikoarten stellt. Für die im Grundmodell verwendeten Parameter wie Erwartungswert und Standardabweichung dürfte die Lokalisierung dezentraler Abweichungen faktisch lediglich bedingt möglich sein. Aus diesem Grund bietet sich für den Einsatz in der Praxis die risikoartenbezogene Erweiterung des Modells an. Diese differenzierte Vorgehensweise lässt sich idealerweise mit der Modellierung nicht linearer Ertrags-Risiko-Funktionen kombinieren, wodurch das Modell jedoch eine relativ hohe Komplexität erhält, so dass sich die Anwendung im Speziellen für größere Institute eignet. Zudem ist in der Praxis die Prämisse der unendlichen Geschwindigkeit bezüglich der Anpassung der Eigenkapitalbasis nicht gegeben, so dass Eigenkapital ungenutzt bleiben kann. Würden den Geschäftsbereichen aus diesem Grund auch für de facto nicht genutztes, jedoch zugewiesenes Kapital Risikokapitalkosten angerechnet, könnte dies die Bereiche dazu veranlassen, das allozierte Risikokapital in jedem Fall vollständig zu nutzen. Da dadurch jedoch der Anreiz zu einer bereichsübergreifenden Sichtweise behindert würde, wäre als Alternative denkbar, bei einer „Rückgabe“ des ungenutzten Risikokapitals die zugeteilten Risikokapitalkosten zumindest teilweise zu senken. Darüber hinaus kann die analytische Lösbarkeit der Ermittlung des optimalen Anpassungspfades bei steigender Anzahl der betrachteten Bereiche und einer simultanen Berücksichtigung nicht linearer Funktionen beeinträchtigt werden. In diesen Fällen bestehen Alternativlösungen über numerische Iterationen und Regressionen, die jedoch teilweise nur eine begrenzte Exaktheit aufweisen. Neben der im Modell vorausgesetzten Orientierung am ökonomischen Kapital sind für Kreditinstitute die aufsichtlichen Vorschriften zur Eigenmittelunterlegung zwingend zu berücksichtigen. Das duale Modell unterstellt, dass das ökonomische Kapital den relevanten Engpass darstellt. Analog wäre es jedoch auch auf das regulatorische Kapital anwendbar, wodurch die ökonomische Aussagefähigkeit jedoch zu hinterfragen wäre, da die regulatorischen Vorschriften gegenüber bankinternen Kalkülen tendenziell weniger präzise gestaltet sind. Insgesamt lässt sich feststellen, dass mit dem dualen Allokations- und Bepreisungsansatz ein Modell existiert, welches eine Integration von Portfolioeffekten sowie weiterer real existierender Phänomene wie beispielsweise sinkende Grenzrenditen erlaubt. Darüber hinaus ermöglicht es eine angemessene Berücksichtigung des dualen Steuerungsprinzips in Kreditinstituten. Im Vergleich zu zahlreichen anderen Ansätzen der Zuweisung bereichsbezogener Risikokapitalkosten, bei denen regelmäßig auf die explizite Berücksichtigung der Allokation verzichtet wird, weist das duale Modell zwar einen höheren Komplexitätsgrad auf, zielt jedoch auch darauf ab, den Aspekt der Risikokapitalallokation nicht primär in Hinblick auf einen Ergebnisausweis, sondern einer ständigen Analyse bestehender Risikoprofile zu betrachten.
667
LITERATURHINWEISE BAMBERG, G./COENENBERG, A.G. (2006) ELTON, E.J./GRUBER, M.J. (2002) HALL, CH. (2002) HERI, E.W. (2001) HOMBURG, CH. (2000) J.P. MORGAN (1997) KINDER, CH. et al. (2001) KOCH, U. (2005) LISTER, M. (2002b) MATTEN, C. (2000)
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C. STEUERUNG DES ZINSBUCHS ALS ANGEWANDTES BEISPIEL EINER INTEGRIERTEN RENDITE-/RISIKOSTEUERUNG Das dritte Kapitel „Konzeption einer integrierten Rendite-/Risikosteuerung“ wird durch die Darstellung eines angewandten Beispiels abgeschlossen. Anhand der marktwertorientierten Zinsbuchsteuerung wird aufgezeigt, wie sich aus den Ergebnissen der Risikoanalyse unter Berücksichtigung von Risikotragfähigkeitsüberlegungen ertragsorientierte Steuerungsmaßnahmen unter Rendite-/Risiko-Kriterien ableiten lassen, deren Ergebnisse permanent im Sinne eines vollständigen Regelkreises von Planung und Kontrolle (Controlling-Zyklus) der Kontrolle und Abweichungsanalyse unterzogen werden müssen. Ganz im Sinne der einleitend vorgestellten Grundkonzeption des Gesamtwerkes „Ertragorientierte Banksteuerung“ (vgl. S. 1 ff.) werden die in beiden Bänden vorgestellten Instrumente und Verfahren der Ergebnisund Risikomessung abschließend zusammengeführt, um nun schließlich die Integration von Rendite- und Risikosteuerung beispielhaft aufzuzeigen. Es erfolgt an dieser Stelle die Beschränkung auf den Bereich des Zinsänderungsrisikos. Die Konzeption und Methodik lässt sich jedoch auf die weiteren Risikobereiche – wie etwas das Kreditrisiko – mit entsprechenden Modifikationen übertragen, um dann auf Gesamtbankebene aggregiert zu werden. Wichtige Grundlagen für das Verständnis der folgenden Ausführungen bilden einerseits die Kapitel zur Marktzinsmethode (vgl. Band 1, S. 43 ff.), hier insbesondere die Abschnitte zur Marktzinsmethode im Barwertkalkül (vgl. Band 1, S. 157 ff.) sowie in diesem Band 2 neben den allgemeinen Grundlagen zum Risikotragfähigkeits- und Risiko-Chancen-Kalkül (vgl. S. 15 ff.) die Abschnitte über das Zinsänderungsrisiko (vgl. S. 294 ff.), hier vor allem die entsprechenden Abschnitte zur Quantifizierung und Absicherung des zinsinduzierten Marktwertrisikos (vgl. S. 300 ff. und 349 ff.).
I.
Kernfunktionen des Treasury-Managements
Die Zinsbuchsteuerung mit dem bewussten Eingehen von Zinsänderungsrisiken liegt als zentrale Aufgabe im Verantwortungsbereich der Treasury. Bevor auf die Konzeption und die konkrete Vorgehensweise eingegangen wird, sind zunächst die Kernfunktionen und Aufgaben der Treasury kurz zu umreißen. Diese beinhalten als Teil der Gesamtbanksteuerung die Steuerung der Marktpreisrisiken – soweit diese nicht dem Handelsbereich zugeordnet sind – sowie der Liquiditätsrisiken. Abbildung 430 gibt einen Überblick über die vier Kernfunktionen, die ein modernes Treasury-Management (vgl. SCHIERENBECK/WIEDEMANN 1995) umfasst: •
Die Transformationsfunktion beinhaltet die Steuerung der Geschäftsstrukturen in bezug auf die angestrebten Inkongruenzen bei Elastizitäten, Fristen und Währungen, durch die sich in Abhängigkeit von den eingegangenen Risiken Erfolgsbeiträge erzielen lassen. In der marktwertorientierten Sichtweise werden bewusst zu bestimmten Zeitpunkten Zahlungsstromüberhänge eingegangen, um durch das dadurch eingegangene Risiko Vermögenswertsteigerungen zu erzielen.
669
•
Im Rahmen der Liquiditätssicherungsfunktion hat die Treasury die Einhaltung von Liquiditätssicherungsnormen sicherzustellen sowie die Liquiditätsreserve zu steuern. Somit ist hier die Steuerung des Liquiditätsrisikos angesprochen, die jedoch auch die Möglichkeit der Generierung von Erträgen durch eine geschickte Liquiditätsdisposition eröffnet.
•
Zur Preisstellungsfunktion zählt die Vorgabe der Einstandskonditionen für die Marktbereiche. Um den Marktbereichen das ihnen dezentral anzurechnende Marktergebnis zinsänderungsrisikofrei zuzuweisen, kauft die Treasury quasi das Zinsänderungsrisiko dieser Geschäfte an. Dies erfolgt dadurch, dass als Einstandszins für die Kundengeschäfte jeweils der Zins eines zahlungsstrukturkongruenten Gegengeschäftes, das am Geldund Kapitalmarkt durch die Treasury abgeschlossen werden kann, bestimmt wird. Denn würde die Treasury tatsächlich die jeweiligen Gegengeschäfte zu den Kundengeschäften abschließen, so wäre der dem Kundengeschäft zuzurechnende (Brutto-) Konditionsbeitrag – bei Steuerung des Kundengeschäfts über Barwertgrößen barwertig oder bei Steuerung über periodische Erfolgsgrößen als periodisches Ergebnis – tatsächlich zinsänderungsrisikofrei zu vereinnahmen.
•
Mit der Zuweisung einer Koordinationsfunktion für die Treasury wird abschließend die enge Verzahnung aller Teilfunktionen verdeutlicht. Basis der Koordinationsfunktionen bildet das Duale Steuerungsmodell (vgl. hierzu Band 1, S. 293 ff.). Danach muss die Treasury im Rahmen der zentralen Struktursteuerung die Steuerung des Eigenmittelfonds sowie die Liquiditätsdisposition übernehmen. Für die dezentrale Marktsteuerung wirkt die Treasury über die Vorgabe von Markteinstandszinssätzen, volumenabhängigen Limiten, Richtkonditionen sowie Boni oder Mali auf die Marktbereiche ein.
Transformationsfunktion
Liquiditätssicherungsfunktion
Preisstellungsfunktion
Koordinationsfunktion Abb. 430: Kernfunktionen des Treasury-Managements
Neben diesen Kernfunktionen lässt sich das Aufgabengebiet der Treasury in Abhängigkeit von den Gegebenheiten der einzelnen Bank noch weiter ergänzen. Zu erwähnen sind hier die mögliche Angliederung des Eigenhandels mit dem kurzfristigen Eingehen von Positionen zur Ausnutzung von Arbitragepotentialen sowie mit der Durchführung des Handels für den Anlagebestand und zur Liquiditätssicherung. Des weiteren könnten Research-Aufgaben von der Treasury übernommen werden, wozu u.a. die Marktbeobachtung, die Entwicklung von Prognosen von Marktdaten sowie die Erarbeitung von Anlagestrategien gehören. Schließlich ist es
670
denkbar, dass die Treasury interne Dienstleistungen für das Kundengeschäft erbringt, indem sie Entscheidungen für Kundendepots trifft oder auch das Financial Engineering von komplexen Produkten übernimmt.
II.
Konzeption der marktwertorientierten Zinsbuchsteuerung und deren Einbindung in die Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Mit der Steuerung des Zinsbuches durch die Treasury im allgemeinen ist die Transformationsfunktion angesprochen, welche die Zielsetzung verfolgt, durch das Eingehen von Zinsänderungsrisiken Erfolgsbeiträge zu realisieren. Abbildung 431 gibt einführend zunächst einen Überblick über die Bereiche der Zinsbuchund damit der Zinsänderungsrisikosteuerung. Die Integration der von diesen drei Bereichen ausgehenden Steuerungsimpulse kann nur dann gelingen, wenn die entsprechenden Analysen auf denselben Geschäftsdaten aufsetzen und vor dem Hintergrund gleicher Zinsprognosen und -szenarien stattfinden.
Marktwertorientierte Steuerung des strategischen Zinsbuches mit der risikoadjustierten Performance als Zielgröße
Abstimmung der Zielgrößen
Abstimmung der Zielgrößen
gemeinsame Datenbasis: Geschäftsdaten und Zinsstrukturkurven
Marktwertorientierte Steuerung des Handelsbuches für zinsabhängige Geschäfte mit der risikoadjustierten Performance als Zielgröße
Abstimmung der Zielgrößen
Steuerung des periodischen Treasury-Ergebnisses als Bestandteil des periodischen Zinsüberschusses und damit des Jahresüberschusses (traditionelle Aktiv-Passiv-Steuerung) Abb. 431: Einbindung der marktwertorientierten Steuerung des Zinsbuches in die Steuerung des Zinsänderungsrisikos
Allgemein werden im Zinsbuch einer Bank alle zinstragenden Geschäfte der Bank erfasst. Hierzu gehören neben den Kundengeschäften auch Anleihen, Zinsderivate und Interbankenforderungen und -verbindlichkeiten. Sofern im Handel zinsabhängige Positionen eingegangen werden, um kurzfristig durch das Ausnutzen von Marktunvollkommenheiten Erfolgsbeiträge zu erzielen, sind diese separat im Handelsbuch (Trading Book) zu erfassen. Somit existiert 671
getrennt vom strategischen Zinsbuch auch ein für Zinsgeschäfte definiertes Handelsbuch, um zwischen einer langfristigen, strategisch ausgerichteten und einer kurzfristigen Steuerung unterscheiden zu können. Im Folgenden liegt der Fokus der Betrachtungen auf der marktwertorientierten Steuerung des Zinsbuches insgesamt, wobei jedoch eine Abgrenzung der TeilPortfolios (strategisches Zinsbuch und Handelsbuch für zinsabhängige Geschäfte) problemlos vorgenommen werden kann. Steuerungsgegenstand einer marktwert- bzw. vermögensorientierten Zinsbuchsteuerung bildet der Marktwert des Zinsbuches. Für dessen Ermittlung werden die ausstehenden Ein- und Auszahlungen mit den aktuellen Zinssätzen diskontiert und miteinander saldiert. Eine Performance ergibt sich aus den Veränderungen des Marktwertes innerhalb eines bestimmten Betrachtungszeitraumes im Vergleich zu einer Benchmark. Die Performance ist jedoch in Relation zum eingegangenen Risiko – gemessen mit dem Value at Risk-Ansatz – zu setzen, um eine risikoadjustierte Performance-Kennziffer zu erhalten. Diese wird auch – wie bereits einleitend ausführlich behandelt – als RORAC, also Return on Risk adjusted Capital bezeichnet. Im Risiko-Chancen-Kalkül ist die geplante oder simulierte risikoadjustierte Performance-Kennziffer mit der Zielgröße für den RORAC – hergeleitet aus Gesamtbankergebnisansprüchen – zu vergleichen, um sodann darauf ausgerichtete Maßnahmen der integrierten Rendite-/Risikosteuerung zu ergreifen. Als Nebenbedingung darf das eingegangene Risiko ein vorgegebenes Limit nicht überschreiten, um auch dem Risikotragfähigkeitskalkül adäquat Rechnung zu tragen.
Die Ausrichtung auf Bar- bzw. Marktwerte bietet für den Bereich der Zinsbuchsteuerung im Vergleich zu der klassischen, an Periodengrößen ausgerichteten Steuerung eine Reihe von Vorteilen hinsichtlich der Transparenz der Ergebnisse und Risiken, weshalb dieser Ansatz sich in der Praxis vermehrt durchsetzt. Im Rahmen einer barwertigen Ergebnissteuerung ist es möglich, die über den Betrachtungszeitraum hinausgehenden, in der Zukunft liegenden Effekte in die Steuerung mit einzubeziehen. Sobald sich Änderungen in den relevanten Risikoparametern ergeben, werden diese sofort über die Bar- bzw. Marktwertveränderung erfasst. Somit lassen sich Risiken frühzeitig erkennen und sofort geeignete Steuerungsmaßnahmen ergreifen. Dagegen zeigt der Ausweis des periodischen Zinsüberschusses bzw. der Bruttozinsspanne lediglich ein unvollständiges Bild über das Ergebnis von getroffenen Fristentransformationsentscheidungen, deren Auswirkungen sich in der Regel über mehrere Perioden erstrecken, da der Erfolgsausweis sich nur auf einen begrenzten Zeitrahmen im Sinne einer Momentaufnahme bezieht. Hierauf angesetzte Steuerungsimpulse führen sodann möglicherweise zu Fehlsteuerungen. Zudem unterliegt die periodische Abgrenzung von Erfolgsbeiträgen – wenn sie denn überhaupt verursachungs- und periodengerecht vorgenommen werden kann – immer einem gewissen Gestaltungsspielraum, der die Objektivität der Ergebnisse beeinträchtigen kann. Mit der barwertigen Messung von Ergebnissen werden sämtliche Steuerungsbereiche hinsichtlich ihres durch das eingegangene Risiko relativierten Erfolgs miteinander vergleichbar. So lässt sich beispielsweise in Abhängigkeit vom übernommenen Risiko der Erfolg aus dem Handelsbuch für Aktien mit dem aus dem Zinsbuch vergleichen. Zudem wird mit der Erfassung des Erfolgs als Bar- oder Marktwertveränderung der Vergleich mit externen Bench-
672
marks ermöglicht, was im Falle des Zinsbuches beispielsweise ein Marktindex für Rentenpapiere sein könnte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass grundsätzlich gänzlich auf die Periodisierung von Erfolgsgrößen bei der Steuerung im Zinsbereich verzichtet wird. Diese ist allein schon aufgrund der notwendigen Überführung von barwertigen Erfolgsgrößen in das Zahlenwerk des externen Rechnungswesens erforderlich. Des weiteren werden an die Bank von Seiten der Eigenkapitalgeber periodische Gewinnforderungen gerichtet, die anteilsmäßig auch durch die im Zinsbuch eingegangene Fristentransformation zu erfüllen sind (vgl. Abb. 431). So stellt im Rahmen einer auf Periodengrößen ausgelegten Aktiv-Passiv-Steuerung die relevante Ziel- und Steuerungsgröße dar, wobei das Zinsänderungsrisiko in einem solchen Ansatz ebenfalls als Periodengröße – beispielsweise mit Hilfe des Konzepts der Elastizitätsbilanz – zu erfassen ist. Im Vergleich zu barwertigen bzw. vermögensorientierten Steuerungskonzepten ist zu beachten, dass hier neben der differierenden zeitlichen Dimension auch Unterschiede hinsichtlich des Umfangs der einbezogenen Geschäfte bestehen. Die traditionelle, auf eine mehrperiodische Betrachtung des Zinsüberschusses ausgerichtete Bilanzstruktursteuerung berücktsichtigt explizit die prognostizierten Strukturveränderungen und deren Ergebniskonsequenzen. Strukturveränderungen resultieren aus Festzinsabläufen und entsprechenden Planungen über Anschlussgeschäfte. Für die Berücksichtigung der ergebnismäßigen Konsequenzen werden Prognosen hinsichtlich der Veränderung der Geld- und Kapitalmarktsätze aufgestellt, die unter Berücksichtigung der spezifischen Zinsanpassungselastizitäten auf das Kundengeschäft übertragen werden. Eine besondere Berücksichtigung erfährt in der periodischen Aktiv-Passiv-Steuerung das Handelsbuch zinstragender Geschäfte, da hierüber auch Barwertveränderungen erfasst werden, sofern diese nach den Bewertungsvorschriften der externen Rechnungslegung als GuVwirksame Abschreibungen angesehen werden können. Des weiteren gelten für das Trading Book spezielle aufsichtliche Vorschriften, um die Marktrisiken in den Handelsbüchern einheitlich zu erfassen.
III. Prozessstufen der integrierten Rendite-/Risikosteuerung des Zinsbuches Abbildung 432 gibt einen Überblick über die fünf Prozessschritte der marktwertorientierten Zinsbuchsteuerung, die Gegenstand der folgenden Ausführungen sind (vgl. hierzu und im Folgenden MENNINGHAUS 2001). Die einzelnen Prozessstufen werden anhand eines einheitlichen Beispiels illustriert, das mit Hilfe des von der Unternehmensberatung zeb/rolfes.schierenbeck associates entwickelten Programmpakets – bestehend aus den Modulen zeb/cash.flow-manager und zeb/risk.returnmanager – berechnet wurde. Der zeb/cash.flow-manager erfasst die für die barwertige Steuerung des Zinsbuches erforderlichen zinsrisikoäquivalenten Cash Flows aller verzinslichen Bankgeschäfte auf Basis der durch die operativen Systeme zur Verfügung gestellten Daten. Der zeb/risk.return-manager ermöglicht eine Performance- und Risikoanalyse für das gesamte Zinsbuch und auch für speziell definierte Teil-Portfolios. Dispositionsentscheidungen werden 673
durch laufende Ergebnis- und Risikosimulationen unterstützt. Zudem wird durch einen dynamischen Risikolimitierungsansatz flankierend nachgehalten, inwiefern Vermögenslimite bereits ausgelastet sind und ob sich geplante Maßnahmen im Rahmen der noch freien Risikolimite realisieren lassen. An dieser Stelle wird allerdings nur eine aktive Steuerung des Zinsbuches vorgestellt. Bei einer aktiven Zinsbuchsteuerung versucht die Bank, eine bessere Performance als der Marktdurchschnitt zu erzielen. Die Cashflows werden so gestaltet, dass der größtmögliche Barwertzuwachs erreicht werden kann. Im Gegensatz dazu wird im Rahmen einer passiven Zinsbuchsteuerung auf eine eigene Marktmeinung verzichtet. Stattdessen wird eine Cashflowstruktur generiert, deren Rendite-/ Risiko-Relation sich in der Vergangenheit als effizient erwiesen hat. Auf die Darstellung der passiven Zinsbuchsteuerung wird an dieser Stelle verzichtet.
(1)
Generierung des Gesamtbank-Cash Flow der zinsabhängigen Positionen
(2)
Bewertung des Cash Flow-Profils und Aufstellung der Marktwertbilanz
(3)
Ermittlung von Performance und Risikostatus
(4)
Ableitung von Steuerungsmaßnahmen
(5)
Ex post-Analyse und Risiko-Reporting
Abb. 432: Prozessschritte der marktwertorientierten Zinsbuchsteuerung
1.
Generierung des Gesamtbank-Cash Flow der zinsabhängigen Positionen
Ausgangspunkt der marktwertorientierten Zinsbuchsteuerung ist die Aufstellung der Cash Flows sämtlicher zinsabhängiger Positionen der Bank bezogen auf den Analysestichtag, die dann zu einem Gesamtbank-Cash Flow aggregiert werden. Dabei sind sowohl die zinsänderungsrisikorelevanten Zahlungsströme der Kundengeschäfte als auch die der Eigengeschäfte zu erfassen, unabhängig davon, ob diese aus bilanziellen oder aus außerbilanziellen Geschäf674
ten resultieren. Bei der Ermittlung der Cash Flows sind lediglich die Zahlungsströme zu erfassen, die für die Ermittlung des Zinsänderungsrisikos relevant sind. Diese sind nur zum Teil mit den im Rahmen der Liquiditätssteuerung relevanten Cash Flows identisch. Die Erfassung der Zahlungsströme klassischer Festzinsgeschäfte stellt kein Problem dar, da hier Zins- und Tilgungsleistungen fest vereinbart sind. Das gleiche gilt für festverzinsliche Wertpapiere, für die laufende Couponzahlungen und die Rückzahlung des Anlagebetrags feststehen. Hier resultiert das Zinsänderungsrisiko daraus, dass die festvereinbarten zukünftigen Zahlungen mit veränderten Zinssätzen diskontiert werden, so dass sich ein barwertiger Vermögensverlust bzw. ein barwertiger Anstieg der Zahlungsverpflichtungen ergibt. Für die Aufstellung der Cash Flows von Geschäften mit unsicheren Zahlungsströmen existieren verschiedene Konzepte, bei denen mit Hilfe von zusätzlichen Parametern die Unsicherheit über die Höhe und den zeitlichen Anfall zukünftiger Zahlungsströme erfasst werden können. Hierauf wird im Rahmen der Kalkulation von Produkten mit unsicheren Zahlungsströme mit Hilfe der Marktzinsmethode eingegangen (vgl. Band 1, S. 250 ff.). Zu erwähnen sind hier u.a. das Elastizitätskonzept und die Methode gleitender Durchschnitte für die Abbildung variabler Zinszahlungen sowie die Annahme von Ablauffiktionen, um den variablen Kapitalverlauf von Geschäften zu erfassen. Im Falle der Anwendung des Elastizitätskonzeptes würde sich der originäre Zahlungsstrom eines variabel verzinslichen Geschäfts durch die Kombination eines Festzinsgeschäfts mit einem variabel verzinslichen Geschäft abbilden lassen. Da hier nur der Zahlungsstrom des Festzinsgeschäftes dem Zinsänderungsrisiko ausgesetzt ist, ist nur dieser als Cash Flow für die Zinsbuchsteuerung zu erfassen. Des weiteren kann die Unsicherheit der Zahlungsströme von Geschäften durch die Einräumung von Kündigungsrechten bedingt sein, weshalb die Aufspaltung dieser Produkte in ihre einzelnen Bestandteile vorzunehmen ist, für die in einem zweiten Schritt jeweils separat die entsprechenden zinsrisikoäquivalenten Cash Flows aufgestellt werden können. Auch derivative Geschäfte werden mit den Cash Flows ihrer Basisinstrumente erfasst, wobei die Möglichkeit besteht, bei Optionen deren Delta-Risikoäquivalente anzusetzen (vgl. S. 472 ff.). Um tiefergehende Analysen durchführen zu können, ist bei der Erfassung der Daten darauf zu achten, dass diese in einer für sämtliche Dimensionen der Zinsänderungsrisikosteuerung einheitlichen Datenbasis zusammengestellt werden. Somit ist gewährleistet, dass nicht nur im Rahmen der barwertigen Zinsbuchsteuerung, sondern auch in der traditionellen, auf Periodengrößen ausgerichteten Aktiv-Passiv-Steuerung auf die gleichen Daten zurückgegriffen wird. Des weiteren ist es sinnvoll, bereits in der Zusammenstellung der Cash Flows eine Zuordnung zu übergeordneten Portfolios bzw. Bilanzpositionen vorzunehmen, um später auch Aussagen über die Performance und den Risikostatus dieser einzelnen Teil-Portfolios (z.B. Kundengeschäftsportfolio, Eigengeschäftsportfolio) bzw. Bilanzpositionen zu ermöglichen. Von besonderer Bedeutung ist zudem die Abgrenzung der Positionen mit eindeutig determinierten Cash Flows von den Positionen, deren Cash Flows durch den zusätzlichen Einsatz von Parametern generiert wurden. Hierdurch lassen sich strukturierte Analysen durchführen, durch welche die Sensitivität des Gesamtbank-Cash Flow bzw. des Cash Flow-Profils auf Parametervariationen ermittelt werden kann.
675
2.
Bewertung des Cash Flow-Profils und Aufstellung der Marktwertbilanz
Die Zusammenfassung der in der ersten Prozessstufe ermittelten Cash Flows führt zu dem gesamtbankbezogenen Brutto-Cash Flow des Zinsbuches am Analysestichtag. Abbildung 433 zeigt das Brutto-Cash Flow-Profil für das Beispiel-Zinsbuch per 30.09.2000. Dabei sind die zu erwartenden Einzahlungen aus zinsabhängigen Positionen mit einem positiven, die zu erwartenden Auszahlungen mit einem negativen Vorzeichen versehen. Des weiteren sind die Zahlungen der Übersichtlichkeit halber quartalsweise zusammengefasst. In einem nächsten Schritt sind die Netto-Cash Flows durch die Zusammenfassung von Einund Auszahlungen, die zum gleichen Zeitpunkt anfallen, zu bilden. Dadurch werden Kompensationseffekte zwischen Ein- und Auszahlungen berücksichtigt, damit eine differenzierte Analyse der aktuellen Risikosituation möglich wird.
Brutto-Cash Flow-Profil des gesamtbankbezogenen Zinsbuches per 30.09.2000
500.000 400.000 300.000
Tsd. EUR
200.000 100.000 0 - 100.000 - 200.000 - 300.000
31.12.2010
31.12.2009
31.12.2008
31.12.2007
31.12.2006
31.12.2005
31.12.2004
31.12.2003
31.12.2002
31.12.2001
- 500.000
31.12.2000
- 400.000
Abb. 433: Beispiel: Brutto-Cash Flow-Profil für das gesamte Zinsbuch am Analysestichtag 30.09.2000
Aus dem Profil der Netto-Cash Flows ist bereits optisch ein erster Eindruck über die Risikosituation zu gewinnen. Je ausgeprägter die Zahlungsstromspitzen sind und je weiter insbesondere hohe Cash Flows in der Zukunft liegen, desto größer ist das Zinsänderungsrisiko. Abbildung 434 zeigt das Netto-Cash Flow-Profil für das Beispiel-Zinsbuch.
676
Netto-Cash Flow-Profil des gesamtbankbezogenen Zinsbuches per 30.09.2000
350.000 300.000 250.000 200.000
Tsd. EUR
150.000 100.000 50.000 0 - 50.000
31.12.2010
31.12.2009
31.12.2008
31.12.2007
31.12.2006
31.12.2005
31.12.2004
31.12.2003
31.12.2002
31.12.2001
- 150.000
31.12.2000
- 100.000
Abb. 434: Beispiel: Netto-Cash Flow Profil für das gesamte Zinsbuch am Analysestichtag 30.09.2000
Um den Markt- oder Barwert des Zinsbuches per Analysestichtag zu bestimmen, sind sämtliche ausstehenden Netto-Cash Flows zunächst mit den aktuellen Zinsen zu bewerten, d.h. auf den Analysestichtag zu diskontieren. Als Zinssätze sind die für die Bank gültigen Geld- und Kapitalmarktzinssätze, eventuell differenziert nach den Konditionen an den verschiedenen Zinsmärkten und unter Berücksichtigung von Geld-/Brief-Spannen zu verwenden. Die Summe sämtlicher verbarwerteter Netto-Cash Flows stellt den Markt- oder Barwert des Zinsbuches am Analysestichtag dar, der dann im Folgenden den Gegenstand der Steuerung bildet. Die für das Beispiel-Zinsbuch aktuell gültige Zinsstrukturkurve ist in Abbildung 435 wiedergegeben.
677
6,5 %
Aktuelle Zinsstrukturkurve am 30.09.2000 5,850 %
6,0 %
5,610 %
5,5 %
5,250 % 4,980 %
4,996 %
Tagesgeld
3 Monate
5,0 % 4,5 % 4,0 % 1 Jahr
5 Jahre
10 Jahre
Abb. 435: Beispiel: Aktuell, am Analysestichtag 30.09.2000 gültige Zinsstrukturkurve
Während für die Berechnung des Markt- bzw. Vermögenswertes des gesamtbankbezogenen Zinsbuches die Netto-Cash Flows herangezogen wurden, muss sich aus der Marktwertbilanz für das Zinsbuch, die sich aus den für jede Bilanzposition diskontierten Cash Flows zusammensetzt, genau der gleiche Barwert des Zinsbuches ergeben. Abbildung 436 gibt für das Beispiel die Marktwertbilanz des Zinsbuches wieder. Aus der Saldierung der Barwerte der aktivischen Vermögens- und passivischen Verbindlichkeiten-Positionen ergibt sich der aktuelle Marktwert des Zinsbuches in Höhe von 687.968.915 EUR. Zinsgebundene Aktiva Eigenhandel Interbankenkredite Kundenkredite Unverzinsliche Positionen Summe
Zinsgebundene Passiva Eigenhandel Interbankeneinlagen Kundeneinlagen Unverzinsliche Positionen Marktwert des Zinsbuches 7.167.714.183 Summe
2.017.258.530 604.926.955 4.217.932.787 327.595.911
1.053.645.283 1.627.853.282 3.182.030.496 616.216.207 687.968.915 7.167.714.183
Abb. 436: Beispiel: Marktwertbilanz am Analysestichtag 30.09.2000 (Beträge in EUR)
Der Marktwert des Zinsbuches stellt gleichzeitig den Barwert des Zinsüberschusses dar, der sich gemäß Marktzinsmethode aus der Summe der Konditions- und StrukturbeitragsBarwerte zusammensetzt. Das heißt, dass nicht nur das der Treasury zuzurechnende barwertige Ergebnis aus der Fristentransformation im Zinsüberschuss-Barwert enthalten ist, sondern auch die Konditionsbeitrags-Barwerte der Kundengeschäfte, die im Falle der Steuerung der Kundengeschäfte über periodische Erfolgsgrößen noch nicht dem Kundengeschäft verrechnet wurden. Im Folgenden soll jedoch von einer barwertigen Steuerung des Kundengeschäfts ausgegangen werden, weshalb bei der Performance-Berechnung nur die KonditionsbeitragsBarwerte des Kundenneugeschäftes entsprechend zu berücksichtigen sind.
678
3.
Ermittlung von Performance und Risikostatus
Eine positive Marktwertveränderung für den Barwert des Zinsbuches und damit im Betrachtungszeitraum eine positive Rendite zu erzielen, stellt für die Treasury noch keine Leistung dar. Zunächst sind aus der Barwertveränderung zwischen Analysestichtag und Ende des Betrachtungszeitraums die Konditionsbeitrags-Barwerte des Kundenneugeschäfts zu separieren. Des weiteren ist eine Benchmark zu definieren, welche die Treasury zu übertreffen hat. Somit wird erst die Differenz zwischen simulierter bzw. erzielter Rendite und der Benchmark als mögliche bzw. realisierte Performance bezeichnet. Als Benchmark kann einerseits ein risikoadäquater Performance-Index, wie beispielsweise der REXP™, verwendet werden. Andererseits ist es möglich, die sichere Verzinsung in Höhe des Geld- und Kapitalmarktzinssatzes für die Laufzeit des Betrachtungszeitraumes anzusetzen. Wendet man letztere Variante an, so ergibt sich die Benchmark als Differenz zwischen dem aus der sicheren Anlage am Ende des Betrachtungszeitraumes resultierenden Marktwert des Zinsbuches abzüglich des aktuellen Marktwertes per Analysestichtag. Der Marktwert am Ende des Betrachtungszeitraumes könnte alternativ auch berechnet werden, indem die am Ende des Betrachtungszeitraumes ausstehenden Netto-Cash Flows mit den aus der aktuellen Zinsstrukturkurve fortgerechneten Forward Rates diskontiert werden (vgl. Band 1, S. 207 ff.), wobei Korrekturen aufgrund unterschiedlicher Bewertungsmöglichkeiten für die während des Analysezeitraumes auslaufenden Cash Flows vorzunehmen sind. Im Folgenden wird diese Vorgehensweise verwendet, so dass die Verwendung von Forward-Rates zur Ermittlung des Marktwertes des Zinsbuches das Benchmark-Szenario darstellt. In der Phase der Situationsanalyse sind zunächst verschiedene Zinsszenarien, die sich auf das Ende des Betrachtungszeitraumes beziehen, aufzustellen, um die Sensitivität des Marktwertes des Zinsbuches auf Zinsänderungen zu erfassen. Angewendet auf die Netto-Cash Flows ergeben sich die simulierten Marktwerte des Zinsbuches per Ende des Betrachtungszeitraumes, so dass sich aus den Marktwertveränderungen im Vergleich zum aktuellen Wert des Zinsbuches – korrigiert um die Benchmark – die Performances unter den verschiedenen Zinsszenarien ergeben. Für das Beispiel-Zinsbuch werden im Folgenden vier verschiedene Zinsszenarien per 31.12.2000 zur Performance-Analyse herangezogen (vgl. Abb. 437): • Konstante Zinsstrukturkurve wie am 30.09.2000 • Forward Rates, die sich aus der Zinsstrukturkurve vom 30.09.2000 für den 31.12.2000 ableiten lassen (= Benchmark-Szenario) • Steigende Zinsen: Parallelshift um + 40 Basispunkte im Vergleich zur aktuellen Zinsstrukturkurve • Sinkende Zinsen: Parallelshift um - 40 Basispunkte im Vergleich zur aktuellen Zinsstrukturkurve
679
6,5 %
6,250 %
Zinsszenarien per 31.12.2000
6,010 %
6,0 % 5,650 % 5,5 %
5,380 % 5,002 %
5,396 %
4,5 %
5,610 % 5,450 % 5,250 %
4,980 %
5,850 %
5,348 %
5,068 %
5,0 %
5,879 %
5,663 %
5,210 %
4,996 % 4,850 %
4,580 %
4,596 %
Tagesgeld
3 Monate
4,0 % 1 Jahr
5 Jahre
10 Jahre
Zinsstruktur vom 30.09.2000
Forward Rates
Parallelshift + 40 BP
Parallelshift - 40 BP
Abb. 437: Beispiel: Für die Performance-Simulation unterstellte Zinsszenarien per 31.12.2000
Die folgende Abbildung 438 gibt eine graphische Darstellung der Marktwertänderungen des Zinsbuches für die verschiedenen Zinsszenarien. Aus dem Vergleich mit dem aktuellen Marktwert sowie unter Einbezug des Benchmark-Szenarios, für das die Forward Rates angesetzt werden, ist die Performance unmittelbar ersichtlich. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass für das Forward Rate-Szenario angenommen wird, dass im Simulationszeitraum auslaufende Geschäfte zu den entsprechenden Forward Rates angelegt werden.
680
Aktueller Marktwert sowie simulierte Marktwerte per 31.12.2000 710.000
706.275 697.345
700.000 690.000
696.633 688.736
687.969
680.000 670.000 aktuell Tsd. EUR
konstante Zinsen
Forward Rates
steigende Zinsen
sinkende Zinsen
Abb. 438: Simulierte Marktwerte per 31.12.2000 für die unterstellten Zinsszenarien
Die daraus resultierenden Ergebnisse für die Performance-Simulation per 31.12.2000 sind in Abbildung 439 zusammengestellt.
Zinsszenario
konstante Zinsen Forward Rates steigende Zinsen sinkende Zinsen
Marktwert relative aktueller bei Eintritt Marktwert- absolute PerMarktwert Zinsveränderung Performance formance szenario
relative Performance p.a.
(1)
(2)
(3) = (2) – (1)
(4) = (3) – 8.664
(5) = (4) / (1)
(6) = (5) / 90 · 360
687.969 687.969 687.969 687.969
697.345 696.633 688.736 706.275
9.376 8.664 767 18.306
711 0 - 7.897 9.642
0,103 % 0,000 % -1,148 % 1,402 %
0,430 % 0,000 % - 4,650 % 5,890 %
Abb. 439: Beispiel: Performance-Simulation für den Zeitraum 30.09.2000 bis 31.12.2000 für die unterstellten Zinsszenarien (absolute Beträge in Tsd. EUR)
Für die Quantifizierung des Risikos kann auf eine individuelle Zinsprognose oder aber auf das Value at Risk-Verfahren zurückgegriffen werden. Im ersten Fall sind die Zinssätze für ein geschätztes worst case-Szenario anzusetzen, aus denen sich ein maximaler Marktwertverlust des Zinsbuches berechnen lässt. Diese worst case-Barwertrendite ist wiederum um die risikolos erzielbare Marktwertveränderung zu korrigieren, um somit einen Wert für die Performance in diesem Szenario zu erhalten. Eine bessere, von der individuellen Zinsprognose unabhängige Möglichkeit der Risikomessung stellt das Value at Risk-Konzept dar. Auf Basis eines bestimmten Konfidenzniveaus, mit dem eine bestimmte Wahrscheinlichkeit verbunden ist, wird mit dem Value at Risk der maximale Verlust beschrieben, der innerhalb einer bestimmten Haltedauer nicht überschritten
681
wird. Für die Ermittlung des Value at Risk können beispielsweise im Rahmen des VarianzKovarianz-Ansatzes historische Volatilitäten und Korrelationen verwendet werden. Das Ergebnis für den Value at Risk lässt sich zudem validieren, indem durch eine Sensitivitätsanalyse festgestellt wird, bei welcher Zinsänderung in Form eines Parallelshifts – im Fall des Beispiel-Zinsbuches bei steigenden Zinsen – sich eine negative Performance in Höhe des Value at Risk ergäbe. Die Berechnung des aktuellen Value at Risk für das Beispiel-Zinsbuch ergibt, dass zum 30.09.2000 mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 % der Verlust innerhalb einer Halteperiode von 10 Tagen nicht größer als 7.194 Tsd. EUR sein wird (vgl. Abb. 440). Dieser Wert entspricht in etwa dem Marktwertverlust, wenn eine Parallelverschiebung der Zinssätze – ausgehend von der aktuellen Zinsstrukturkurve – um + 30 Basispunkte vorgenommen wird, woraus sich eine negative Performance in Höhe von - 7.238 Tsd. EUR ergibt.
680.775 Tsd. EUR
687.969 Tsd. EUR
Marktwert des Zinsbuches
99 % Konfidenz Abb. 440: Beispiel: Value at Risk des Zinsbuches per 30.09.2000
Schließlich sind die Performance und die Ergebnisse der Risikoquantifizierung zu einem Risk-Return-Profil zusammenzuführen. Dies geschieht durch die RORAC-Kennziffer, in der die Performance auf das quantifizierte Risiko bezogen wird. Wird für das Risiko der Value at Risk angesetzt, so lautet die entsprechende Berechnungsformel wie folgt: RORAC =
Performance Value at Risk
Bei der Berechnung der RORAC-Kennziffer ist zu beachten, dass sowohl für die Performance als auch für den Value at Risk eine einheitliche zeitliche Bezugsbasis gewählt wird. Wählt man den Simulationszeitraum als Bezugsbasis, so ist der Value at Risk, der sich auf eine Haltedauer von 10 Tagen bezieht, entsprechend umzurechnen. Im Beispiel ergibt sich für den Be-
682
trachtungszeitraum 30.09. bis 31.12.2000 (bei Anwendung des Wurzelgesetzes) ein Value at Risk in Höhe von 18.059 Tsd. EUR. In Verbindung mit den Performance-Daten für die verschiedenen Zinsszenarien (vgl. Abb. 439) lassen sich die in Abbildung 441 aufgeführten RORAC-Kennziffern berechnen. Zinsszenario
absolute Performance (Simulationszeitraum) (1)
konstante Zinsen Forward Rates steigende Zinsen sinkende Zinsen
711 0 - 7.897 9.642
Value at Risk (Simulationszeitraum)
RORAC
(2)
(3) = (1) / (2)
18.059 18.059 18.059 18.059
3,9 % 0,9 % - 43,7 % 53,4 %
Abb. 441: Beispiel: RORAC-Simulation für den Zeitraum 30.09.2000 bis 31.12.2000 für die unterstellten Zinsszenarien (absolute Beträge in Tsd. EUR)
Abschließend ist im Rahmen der Analyse des Risikostatus die Auslastung des von der Gesamtbanksteuerung im Rahmen der Risikokapitalallokation vorgegebenen Risikolimits und damit das freie Risikokapital festzustellen, um so Erkenntnisse über den risikopolitischen Handlungsspielraum zu erhalten. Durch die Zuweisung von Risikolimiten an die einzelnen Geschäftsbereiche soll erreicht werden, dass die auf Gesamtbankebene gültige Ungleichgewichtsbedingung im Risikotragfähigkeitskalkül durch die Aktivitäten der Geschäftsbereiche im Rahmen der vorgegebenen Grenzen eingehalten werden kann (vgl. S. 531 ff.). Von daher ist es unabdingbar, dass in einem geeigneten Reporting die Auslastung des Risikolimits für die Zinsbuchsteuerung laufend kontrolliert wird. Abbildung 442 zeigt allgemein auf, wie die laufende Kontrolle des zugewiesenen Risikolimits in einem dynamischen Limitierungsansatz zu erfolgen hat. Der Vorteil dieses Ansatzes ist darin zu sehen, dass der Verzinsungsanspruch der Treasury Berücksichtigung findet, bereits eingetretene negative Barwertveränderungen des Zinsbuches erfasst werden und die laufende Value at Risk-Messung adäquat einbezogen wird. Zu Beginn der festgelegten Planungsperiode – hier ein Jahr – lässt sich der Marktwert des Zinsbuches durch die Treasury zum risikolosen Zinssatz bis zum Ende des Jahres anlegen, wodurch die Benchmark bestimmt ist. Aus der Differenz zwischen aktuellem Marktwert – in Abbildung 442 die fett gezeichnete Kurve – und der Benchmark ergibt sich zu jedem Zeitpunkt die aktuelle Performance des Zinsbuches (d). Wird von der Benchmark das der Zinsbuchsteuerung im Rahmen der Risikokapitalallokation zugeteilte Risikolimit (c), welches das maximal realisierbare Verlustpotential darstellt, abgezogen, so erhält man den nicht zu unterschreitenden Mindestbar- oder -vermögenswert des Zinsbuches. In Abbildung 442 ist diese Vermögensuntergrenze durch die gestrichelte Kurve dargestellt, die im Zeitablauf um die risikolos erzielbare Barwertrendite ansteigt. Damit wird verhindert, dass die Treasury allein durch die risikolose Verzinsung des Zinsbuchwertes das ihr zugeteilte Risikolimit ausweiten kann.
683
Beträge in GE
2 3 1
4 Realisierung des aktuellen Marktwertes durch Glattstellung aller Positionen und Anlage des Marktwertes zum risikolosen Zinssatz bis Jahresende!
01.01.XX
01.07.XX
31.12.XX
1
Risikolimit
Barwert des Zinsbuches
2
Performance
Barwert des Zinsbuches am 01.01.XX risikolos verzinst
3
Value-at-Risk
4
Freies Risikokapital
Barwert des Zinsbuches abzgl. Value-at-Risk Barwert des Zinsbuches abzgl. Risikolimit am 01.01.XX risikolos verzinst (= Vermögensuntergrenze)
Abb. 442: Beispielhafte Darstellung der laufenden Kontrolle des Risikolimits für die Zinsbuchsteuerung
Zieht man zu jedem Zeitpunkt vom aktuellen Marktwert des Zinsbuches den aktuellen Value at Risk (e) ab, so erhält man die in Abbildung 442 gepunktet gezeichnete Kurve, deren Abstand zur Vermögensuntergrenze zu jedem Zeitpunkt das freie Risikokapital (f) bildet. Damit ist also der Teil des Risikolimits beschrieben, der noch nicht durch Barwertverluste und den aktuellen Value at Risk ausgenutzt ist. Um die laufende Limitauslastung nachzuhalten, ist zu jedem Zeitpunkt zu prüfen, ob der aktuelle Marktwert des Zinsbuches abzüglich des aktuellen Value at Risk die Vermögensuntergrenze erreicht bzw. unterschritten hat. Sobald dies der Fall ist, sind alle Positionen glattzustellen, was innerhalb von 10 Tagen, die bei der Berechnung des Value at Risk als Haltedauer bzw. Glattstellungsperiode angesetzt wurden, auch möglich sein sollte. Der durch die entsprechenden Transaktionen realisierte Marktwert des Zinsbuches ist dann bis zum Ende des Jahres risikolos anzulegen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass der zu Beginn der Periode festgelegte Mindestwert für den Marktwert des Zinsbuches am Ende des Betrachtungszeitraumes auch erreicht wird.
684
4.
Ableitung von Steuerungsmaßnahmen
Bei der Ableitung von Steuerungsmaßnahmen ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die aktuelle Risikosituation und die aktuelle Limitauslastung Hedging-Maßnahmen erfordern, um das mit der Cash Flow-Struktur verbundene Risiko zu reduzieren bzw. die Einhaltung des zugewiesenen Limits sicherzustellen. Für das Beispiel-Zinsbuch sind in Abbildung 443 die relevanten Daten zusammengestellt, die zu einer Limitauslastung per 30.09.2000 von 69,20 % des korrigierten Limits per 01.09.2000 führen.
+ – = – =
Limit per 01.09.2000 Barwertveränderung Verzinsungsanspruch aus risikoloser Verzinsung Verbleibendes Limit vor Risikovorsorge Value at Risk (10 Tage; 99 %) Freies Risikokapital
20.000 3.793 2.759 21.033 7.194 13.839
100,00 % 18,96 % 13,80 % 105,17 % 35,97 % 69,20 %
Abb. 443: Beispiel: Limitauslastung des Zinsbuches zum 30.09.2000 (Beträge in Tsd. EUR)
Sofern diesbezügliche Maßnahmen nicht erforderlich sind, da das Risiko und die Limitauslastung – wie im Falle des Beispiel-Zinsbuches – moderat sind, kann vor dem Hintergrund einer realistischen Zinsstrukturprognose der Treasury die Optimierung der Zielgrößen Performance und Risiko, die in der RORAC-Kennziffer zusammengeführt werden, durch Veränderung des Cash Flow-Profils vorgenommen werden. Dabei gilt es, den im Rahmen des Planungsprozesses aus den Gesamtbankzielen abgeleiteten Ziel-RORAC anzustreben, wobei das Risikolimit weitestgehend auszunutzen ist, jedoch niemals überschritten werden darf. Es handelt sich bei dieser Vorgehensweise, die sich unter Verwendung einer Zinsprognose am Ziel-RORAC ausrichtet, um eine aktive Strategie, die einen kurz- bis mittelfristigen Anlagehorizont hat. Die realistische Zinsstrukturprognose der Treasury, die für das Beispiel-Zinsbuch in Abbildung 444 dargestellt ist, gründet sich auf entsprechende Untersuchungen der ResearchAbteilung bzw. auf interne Prozesse, welche die Ableitung einer Zinsprognose für das eigene Haus zum Ziel haben. Bevor Entscheidungen über Maßnahmen der Zinsbuchsteuerung getroffen werden, muss die Zinsprognose im Vergleich zu den Forward Rates analysiert werden. Gemäß Abbildung 444 ist diesbezüglich folgendes festzustellen: Für den Laufzeitbereich von bis zu ca. 7 Jahren liegt die Zinsstrukturkurve der Forward Rates über der Zinsstrukturkurve der Zinsprognose. Das bedeutet, dass eine Performance-Steigerung dadurch erreicht werden kann, wenn in diesem Bereich im Cash Flow-Profil Einzahlungsüberschüsse angestrebt werden. Die Marktwerterhöhung resultiert dann nämlich aus der Abzinsung der positiven NettoCash Flows mit im Vergleich zu den Forward Rates niedrigeren Zinsen. Für den Laufzeitbereich darüber ist im Umkehrschluss das Cash Flow-Profil so zu verändern, dass Auszahlungsüberschüsse generiert werden, die mit höheren Zinsen als den Forward Rates diskontiert ebenfalls eine Marktwertsteigerung des Zinsbuches bewirken. Somit lautet eine erste Hand-
685
lungsempfehlung, dass die Treasury bei Annahme ihrer Zinsprognose die Veränderung des Cash Flow-Profils durch langfristig refinanzierte, kurzfristige Anlagen vornehmen sollte.
Forward Rates und Zinsprognose Treasury per 31.12.2000 6,5 % 6,100 % 6,0 %
5,663 % 5,879 %
5,348 %
5,5 % 5,002 %
5,068 %
5,500 %
5,0 % 4,800 %
4,5 % 4,500 % 4,0 % 3,5 %
4,250 % Anstreben von Auszahlungsüberschüssen
Anstreben von Einzahlungsüberschüssen
3,0 % Tagesgeld
3 Monate
Forward Rates
1 Jahr
5 Jahre
10 Jahre
Zinsprognose Treasury
Abb. 444: Beispiel: Forward Rates und Zinsprognose Treasury per 31.12.2000
Allgemein lassen sich diese Zusammenhänge zwischen der Veränderung der Performance in Abhängigkeit vom Cash Flow-Profil wie in Abbildung 445 dargestellt formulieren.
Einzahlungsüberschüsse Auszahlungsüberschüsse
Veränderung der Performance bei Zinsen gemäß Prognose Zinsen gemäß Prognose höher als Forward Rates ... niedriger als Forward Rates ... Negativ positiv Positiv negativ
Abb. 445: Auswirkungen auf die Performance bei alternativen Konstellationen der Abweichung der Zinsprognose von den Forward Rates
Das vorliegende Netto-Cash Flow-Profil (vgl. Abb. 446) lässt dagegen – insbesondere im langfristigen Bereich – auf hohe Risikopotentiale schließen, wie die hohen Auszahlungsüberschüsse per Ende 2003 und die hohen Einzahlungsüberschüssen im Jahre 2010 unmittelbar zu erkennen geben. Passend zu dem Cash Flow-Profil ergibt sich in Verbindung mit der Zinsprognose der Treasury eine negative Performance für den Betrachtungszeitraum in Höhe von 3.908 Tsd. EUR. In Verbindung mit dem aktuellen, auf den Simulationszeitraum bezogenen
686
Value at Risk von 18.059 Tsd. EUR berechnet sich somit ein RORAC von - 21,6 %. Da dieser Wert weit entfernt von dem für das Beispiel angenommenen Ziel-RORAC von 30 % liegt, sind konkrete Steuerungsmaßnahmen zu formulieren, die eine entsprechende Veränderung des Cash Flow-Profils bewirken.
Netto-Cash Flows des gesamtbankbezogenen Zinsbuches per 30.09.2000
350.000 300.000
bei Eintritt der Zinsprognose Treasury risikobehaftete Netto-Cash Flows
250.000 200.000
Tsd. EUR
150.000 100.000 50.000 0 - 50.000
31.12.2010
31.12.2009
31.12.2008
31.12.2007
31.12.2006
31.12.2005
31.12.2004
31.12.2003
31.12.2002
31.12.2001
- 150.000
31.12.2000
- 100.000
Abb. 446: Beispiel: Netto-Cash Flow Profil für das gesamte Zinsbuch am Analysestichtag 30.09.2000
Ein erster Vorschlag für Steuerungsmaßnahmen (Vorschlag 1) beabsichtigt den Ausgleich der risikobehafteten Netto-Cash Flows, d.h. der Einzahlungsüberschüsse gegen Ende 2003 und der Auszahlungsüberschüsse in 2010 durch den Abschluss von Zinsderivaten (vgl. S. 352 ff.). Konkret soll am 1.10.2000 ein Bündel bestehend aus zwei Zinsswaps abgeschlossen werden: • Payer-Swap: Swap-Volumen 150.000 Tsd. EUR, Ende der Laufzeit: 30.06.2010, • Receiver-Swap: Swap-Volumen 140.000 Tsd. EUR, Ende der Laufzeit: 31.12.2003. Dass die gewünschten Auswirkungen der beiden Swap-Geschäfte auf das Netto-Cash FlowProfil des Zinsbuches auch eintreten, verdeutlicht anschaulich Abbildung 447, welche das Cash Flow-Profil aus der gegebenen Ist-Situation und das der beiden Swaps zusammenfasst. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Swaps in ihre zinsrisikoäquivalenten Bestandteile zerlegt werden. So lässt sich der Payer Swap (Receiver Swap) durch eine Long-Position (ShortPosition) in eine Floating Rate Note und eine Short-Position (Long-Position) in ein festverzinsliches Wertpapier duplizieren. Zinsrisikorelevant sind nur die Zahlungsströme der beiden festverzinslichen Wertpapiere, die im aus der Zusammenfassung beider Swaps resultierenden Cash Flow-Profil von Abbildung 447 dargestellt sind. Dabei sind die bei Abschluss der Swaps fälligen Prämienzahlungen nicht aufgeführt. Die Kapitalbeträge von 150.000 Tsd. EUR (= Aufnahmebetrag in das festverzinsliche Wertpapier beim Payer-Swap) und 140.000 Tsd. EUR (= Anlagebetrag in das festverzinsliche Wertpapier beim Receiver-Swap) saldieren
687
sich im Zeitpunkt des Abschlusses beider Swaps am 1.10.2000 zu einem positiven NettoCash Flow in Höhe von 10.000 Tsd. EUR. Am Ende der Laufzeit beider Swap-Geschäfte sind die entsprechenden Gegenzahlungen beider Wertpapiere erfasst. Des weiteren sind die relevanten Festzinszahlungen – wiederum für beide Swaps saldiert – im Cash Flow-Profil festgehalten sind. Sofern diese beiden Zinsswaps durchgeführt werden, ist nicht nur eine bessere Performance auf den Marktwert des Zinsbuches zu erwarten. Es verändert sich auch der Value at Risk, da nach der Umsetzung von Vorschlag 1 ein neues Cash Flow-Profil gilt. Es gelingt, die ursprünglich negative Performance auf einen Wert von - 658 Tsd. EUR anzuheben und damit nahezu auszugleichen. Gleichzeitig reduziert sich der Value at Risk für den Betrachtungszeitraum deutlich auf 11.625 Tsd. EUR. Insgesamt ergibt sich somit ein wesentlich besseres Rendite-Risiko-Verhältnis, da der erwartete RORAC von - 21,6 % auf - 5,7 % steigt. Im Sinne einer integrierten Rendite-/Risikosteuerung gilt es jedoch die Performance in Abhängigkeit vom eingegangenen Risiko zu optimieren, um den Ziel-RORAC zu erreichen. Aus diesem Grund wird ein zweiter Steuerungsvorschlag (Vorschlag 2) entwickelt, der die Performance positiv gestalten soll. Konkret sollen am 1.10.2000 zwei Forward-Swaps mit den folgenden Merkmalen abgeschlossen werden: • Forward-Payer-Swap: Swap-Volumen 150.000 Tsd. EUR, Beginn: 31.03.2003, Ende der Laufzeit: 30.06.2010, • Forward-Payer-Swap: Swap-Volumen 100.000 Tsd. EUR, Beginn: 31.04.2004, Ende der Laufzeit: 31.03.2010. Abbildung 448 stellt wiederum anschaulich dar, wie sich das Cash Flow-Profil des Zinsbuches durch die beiden Forward-Payer-Swaps in der angestrebten Weise verändert, wobei die Erfassung der relevanten Zahlungsströme analog zu Vorschlag 1 erfolgt. Die PerformanceAnalyse ergibt einen Wert von 1.409 Tsd. EUR. In Verbindung mit einem Value at Risk von nur 8.691 Tsd. EUR berechnet sich nach Umsetzung von Vorschlag 2 ein erwarteter RORAC in Höhe von 16,2 %. Das Rendite-Risiko-Verhältnis hat sich somit stark verbessert. Die aufgezeigten Effekte auf die Performance und den Risikostatus, die aus der Durchführung beider Vorschläge resultieren, sind wiederum genauer zu analysieren, um die Sensitivität der Ergebnisse gegenüber Abweichungen von der realistischen Zinsprognose zu prüfen. Abschließend werden die Ergebnisse der verschiedenen Analysen nochmals anschaulich im Risk-Return-Diagramm dargestellt (vgl. Abb. 449). Dabei sind die erwarteten RORAC, die sich bei unverändertem Cash Flow-Profil aus den verschiedenen Zinsprognosen ergeben, in die Graphik eingezeichnet. Des weiteren ist unmittelbar ersichtlich, wie sich der erwartete RORAC durch die Maßnahmen der Steuerungsvorschläge verbessert. Insbesondere der nach Durchführung von Vorschlag 2 bei Eintritt der Zinsprognose der Treasury zu erwartende RORAC zeigt anschaulich die Ergebniskonsequenzen einer integrierten Rendite-/Risikosteuerung für das Zinsbuch.
688
Netto-Cash Flow-Profil des gesamtbankbezogenen Zinsbuches per 30.09.2000 vor Abschluss des Swap-Bündels (Vorschlag 1)
350.000 300.000 250.000 200.000
Tsd. EUR
150.000 100.000 50.000 0 - 50.000
31.12.2010
31.12.2009
31.12.2008
31.12.2007
31.12.2006
31.12.2005
31.12.2004
31.12.2003
31.12.2002
31.12.2001
- 150.000
31.12.2000
- 100.000
+ 150.000
Netto-Cash Flow-Profil des Swap-Bündels
100.000
Tsd. EUR
50.000 0 - 50.000 - 100.000
31.12.2009
31.12.2008
31.12.2007
31.12.2006
31.12.2005
31.12.2004
31.12.2003
31.12.2002
31.12.2001
- 200.000
31.12.2000
- 150.000
= Netto-Cash Flow-Profil des gesamtbankbezogenen Zinsbuches per 30.09.2000 nach Abschluss des Swap-Bündels (Vorschlag 1)
350.000 300.000 250.000 200.000
Tsd. EUR
150.000 100.000 50.000 0 - 50.000
31.12.2010
31.12.2009
31.12.2008
31.12.2007
31.12.2006
31.12.2005
31.12.2004
31.12.2003
31.12.2002
31.12.2001
- 150.000
31.12.2000
- 100.000
Abb. 447: Beispiel: Herleitung des Netto-Cash Flow Profil nach Durchführung von Vorschlag 1 per 30.09.2000
689
Netto-Cash Flow-Profil des gesamtbankbezogenen Zinsbuches per 30.09.2000 vor Abschluss des Swap-Bündels (Vorschlag 2)
350.000 300.000 250.000 200.000
Tsd. EUR
150.000 100.000 50.000 0 - 50.000
31.12.2010
31.12.2009
31.12.2008
31.12.2007
31.12.2006
31.12.2005
31.12.2004
31.12.2003
31.12.2002
31.12.2000
- 150.000
31.12.2001
- 100.000
+ 150.000
Netto-Cash Flow-Profil des Swap-Bündels
Tsd. EUR
100.000 50.000 0 - 50.000 - 100.000
31.12.2009
31.12.2008
31.12.2007
31.12.2006
31.12.2005
31.12.2004
31.12.2003
31.12.2002
31.12.2001
- 200.000
31.12.2000
- 150.000
= Netto-Cash Flow-Profil des gesamtbankbezogenen Zinsbuches per 30.09.2000 nach Abschluss des Swap-Bündels (Vorschlag 2)
350.000 300.000 250.000 200.000 150.000
Tsd. EUR
100.000 50.000 0 - 50.000
31.12.2010
31.12.2009
31.12.2008
31.12.2007
31.12.2006
31.12.2005
31.12.2004
31.12.2003
31.12.2002
31.12.2001
- 150.000
31.12.2000
- 100.000
Abb. 448: Beispiel: Herleitung des Netto-Cash Flow Profil nach Durchführung von Vorschlag 2 per 30.09.2000
690
Performance 12.000 10.000
erwartete RORAC bei Eintritt der verschiedenen Zinsszenarien
53,6 %
8.000 Ziel-RORAC
6.000 4.000 2.000
3,9 %
16,2 %
- 5,7 %
0 - 2.000
5.000
10.000
15.000
- 8.000 - 10.000
0 % 20.000 - 21,6 %
- 4.000 - 6.000
Value at Risk
Erwartete RORAC bei Eintritt Zinsprognose Treasury ohne Steuerungsmaßnahmen nach Umsetzung von Vorschlag 1
- 43,7 %
nach Umsetzung von Vorschlag 2 Abb. 449: Beispiel: Darstellung der RORAC-Kennziffern im Risk-Return-Diagramm bei Eintritt der Zinsszenarien sowie nach Ableitung von Steuerungsmaßnahmen im Risk-Return-Diagramm
5.
Ex post-Analyse und Risiko-Reporting
Während sich die vorhergehenden Ausführungen mit den aus der aktuellen Situation ableitbaren erwarteten Erfolgs- und Risikogrößen – also mit geplanten Größen über Performance und Risikostatus – befassten, ist in einer Ex post-Analyse die vergangene Entwicklung der relevanten Steuerungsgrößen festzuhalten. Deren Abweichungen von den geplanten Größen sind zu analysieren und daraus Entscheidungsgrundlagen für zukünftige Steuerungsmaßnahmen abzuleiten. Speziell für den Ansatz des Value at Risk ist das sogenannte Backtesting anzuwenden, um ex post die Qualität des geplanten Value at Risk einer Überprüfung unterziehen zu können. Aufschlussreich sind zudem separate Analysen für die verschiedenen TeilPortfolios des Zinsbuches. In einem regelmäßigen Reporting-Zyklus sind die entsprechenden Ergebnisse der Ex postAnalyse den Entscheidungsträgern zur Verfügung zu stellen. Dabei sollten jedoch auch die weiteren Steuerungsdimensionen – wie die Entwicklung des Zinsüberschusses und Erfolgswirkungen von Abschreibungen auf Wertpapiere im Handelsbereich – dargestellt werden, die für die Aktiv-Passiv-Steuerung von Bedeutung sind. Der vorgestellte Ansatz einer integrierten Rendite-/Risikosteuerung des Zinsbuches stellt klar auf Barwertgrößen als Ziel- und Steuerungsgrößen ab, wobei jedoch als strenge Nebenbedingung ein entsprechender periodischer Erfolgsausweis gewährleistet sein muss. Wesentlich für 691
die Akzeptanz einer barwertorientierten Steuerung ist die jederzeitige Überführbarkeit von barwertigen in periodische Erfolgsgrößen und umgekehrt, die zudem eventuell auftretende Widersprüche in den Ergebnissen von barwertiger und periodischer Steuerung aufdeckt. Derartige Überführungsrechnungen sind für das Verständnis der barwertigen Zinsbuchsteuerung unabdingbar und ermöglichen erst die integrierte Rendite-/Risikosteuerung des Zinsbuches nach dem Barwertansatz mit dem periodischen Erfolgsausweis als strenger Nebenbedingung (vgl. hierzu ausführlich BANNERT 2000).
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Stichwortverzeichnis (I) = Band 1 (II) = Band 2
ABC-Analyse 391 ff. (I) Ablauffiktion 106 f. (I) Ablauforganisation, Optimierung der 602 f. (I) Ablösesaldo, zahlungsneutraler 276 ff. (I) Abrufrisiko 7, 513 (II) Absicherungsinstrumente 352 ff., 415 (II) - moderne 433 ff. (II) Absicherungsmaßnahme 196 (II) Abweichungsanalyse 21 ff., 631 ff. (I) Abweichungslimit 201 (II) Abweichungsursachen 641 ff. (I) Abwicklungsrisiko 5, 235 f. (II) Add on 243 ff. (II) Additivität 75 (II) Adjustierung, stufenweise 549 (II) Adjustierungsfaktor 547 (II) Aggregation - von ökonomischem Kapital 538 (II) - summarisch 561 (II) - Risikokapitalbeträge 538 (II) Aggregationsebene 543 (II) A-Kategorie 391 (I) Aktienindexfutures, Hedging mit 478 ff. (II) Aktienindex-Option 476 ff. (II) Aktienkursrisiko 6, 447 ff., 482 (II) - Management 447 (II) - Messung 448 ff. (II) Aktiv-Aktiv-Vergleich 275 f. (I) Aktiv-Engpass 225 (I) Aktiv-Passiv-Steuerung 673 (II) Aktiv-Passiv-Vergleich 276 (I) Aktivtausch 351 (II) Allokation - Unabhängigkeit von geschäftsstrukturellen - Risikokapital, sukzessiv optimierte 622 (II) Veränderungen 539 (II) Allokationsprozess - „bottom-up“ 567 (II) - „top-down“ 567 f. (II) Alpha-Fehler in der Diskriminanz-Analyse 340 (I) Alternativensuche 19 f. (I) Analytische Methode 109 (II) Anlagebuch 29, 139, 380 (II) Anlageergebnis 418 f. (I) Anrechnungsfaktoren 248 ff., 443 (II) Ansatz, fortgeschrittener 274 (II) Anschlussgeschäft, Kalkulation 284 ff. (I) Äquivalenziffernkalkulation 367 f. (I) Arbeitszeitmanagement 597 f. (I) Arbitrage, regulatorische 145 f. (II) Arbitrageergebnis 413 (I) Arithmetisches Mittel 60 f. (II) Asset Backed Securities 218 ff., 264 (II)
Asset-Liability-Committee 9 (I) Assets under Management and Administration 432 (I) Asset-Swap 354 (II) Aufgabenanalyse, permanente 627 f. (I) Aufwandsproduktivität 430 (I) Aufwandsrentabilität 430, 445 ff., 611 ff. (I) Ausfallkorrelation 209 f. (II) Ausfallrate 331 ff. (I) - empirische 333 (I) - laufzeitabhängige 319 ff. (I) - sektorspezifisch 186 (II) Ausfallraten-Laufzeitgitter 322 f. (I) Ausfallrisiko 314, 317 f. (I), 138, 155, 232 (II) Ausfallrisikobewertung, kundenindividuelle 350 (I) Ausfallwahrscheinlichkeit 331 ff. (I), 278 ff. (II) Ausprägung 67 (II) Ausprägung von Zufriedenheit 565 (I) Ausschüttungsquote 436 (I) Außerordentliche Ergebnisspanne 425 (I) Außerordentliches Ergebnis 425 (I) Autokorrelation 73 (II) Backtesting 104 ff. (II) Back-to-Back-Kredit 355 f. (II) BaFin 135 ff. (II) - Grundsatz I 137, 258 (II) - Grundsatz II 137(II) Bank für internationalen Zahlungsausgleich BIZ 129 (II) Bank-Controlling 1 ff. (I) - Techniken 26 f. (I) Bankenaufsicht 129, 133 ff. (II) Bankengesetz (schweizerisches) 134 f. (II) Bankenverordnung (schweizerische) 134 (II) Banking Book 139 (II) Bankkostenrechnung, traditionelle 363 ff. (I) Bankleistungsqualität, Messung der 564 ff. (I) Bank-Managemententscheidungen 22 ff. (I) Bankprodukte, Kalkulation 95 ff. (I) - mit Kündigungsklauseln 262 ff. (I) - mit nicht-deterministischen Geschäftsverläufen 250 ff. (I) - mit unbekannter Kapitalbindung 254 ff. (I) - mit variabler Verzinsung 251 ff. (I) Bankrechtskoordinierungsrichtlinie 133 (II) Basel II 143 ff. (II) Basisansatz (interne Kreditrisikomodelle) 274 ff. (II) Basispoint Value 312 ff. (II) - analytische Bestimmung 312 (II) - normierter 315 f. (II) - numerische Approximation 312 f. (II)
H. Schierenbeck et al., Ertragsorientiertes Bankmanagement, DOI 10.1007/978-3-8349-9142-3, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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- Methode 363 (II) Basisstrategien 535 (I) Basket-Konstrukte 228 ff. (II) Basler Ausschuss 25, 57, 101 ff., 129 ff., 247 ff., (II) Baukastenprinzip 483 (II) Bayessche Netzwerke 502 (II) Belastungsfall - negativ 33 f. (II) - maximal 33 f. (II) - normal 33 f. (II) Benchmark 218, 249, 291, 468, 502 (I) Benchmark-Risikogewicht - Nicht-Privatkundenkredit 286 f. (II) - Privatkundenkredit 286 f. (II) Benchmark-Szenario 679 (II) Beobachtungszeitraum 79 (II) Berichtswesen 16 (I) Beschäftigungsabweichung 420, 642 (I) Beschwerdeanalyse 568 f. (I) Best case 438 ff. (II) Best-Practice Banken 468, 502 f. (I) Beta-Faktor 450 ff. (II) Beta-Fehler in der Diskriminanz-Analyse 340 (I) Beta-Fonds 453 (II) Betriebliches Vorschlagswesen 585 f. (I) Betriebs-(Markt-) Vergleich 654 (I) Betriebsabrechnungsbogen (BAB) 364 ff. (I) Betriebsaufwendungen 424 (I) Betriebsbereich, Erfolgsbeiträge im 409 (I) Betriebsergebnis - Kundengeschäft 407 ff., 640 (I) - Nicht-Kundengeschäft 640 (I) Betriebskostendeckungsbedarf, Determinanten 507 (I) Betriebsvergleich 654 (I) Bewertungsphase 20 (I) Bilanzen, kompensierte 426 (I) Bilanzkurs 435 (I) Bilanzpolitik 443 (I) Bilanzstruktur-Management 24, 296, 486 (I), 39 (II) Bilanzstrukturoptimierung 572 ff. (II) Bilanzverkürzung 351 (II) Bilanzverlängerung 351 (II) Binomialverteilung 163 ff. (II) BIZ 129 (II) B-Kategorie 391 (I) Black/Scholes-Modell 265 (I) Blueprinting 580 (I) Bombenwurf-Strategie 39 (I) Bonitätsanalyse 336 ff. (I) - empirisch-induktive Verfahren 337 ff. (I) - logisch-deduktive Verfahren 337 ff. (I) - Punkt-Bewertungsverfahren 338 f. (I) - Scoring-Modell 338 f. (I) - traditionelle 337 (I) Bonitätsbeurteilungsinstitut 260 (II) Bonitäts-Rating 342 (I) Bonitätsrisiko 314, 318 f. (I), 155 (II) Bonus-Malus-System 300 (I), 350 (II) Bottom up-approach 11 (I)
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BP14-Bonitäts-Rating nach Baetge 342 (I) Break Even-Rechnungen 307 (I) Brutto-Ergebnisgröße 304 (I) Bruttoertragsspanne 425 (I) Bruttogewinnspanne 425 (I) Brutto-Konditionsbeitrag 305 (I) Bruttomarge im Kundengeschäft 508 (I) Brutto-Risikogewicht 285 (II) Bruttozinsspanne 425 (I) Budget - Arten 638 ff. (I) - Funktionen 633 f. (I) Budgetierung 634 ff. (I) - Grundsätze 634 ff. (I) - Prozess 635 (I) - Zwecke 634 ff. (I) Budgetkontrolle 633 ff. (I) Budgetkontrollprozess 637 ff. (I) Budget-Management 25, 296 (I) Building Block Approach 138, 482 (II) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 135 ff. (II) Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen 134 (II) Buy-and-sell-Swap 411 f. (II) Cap 358 f., 374 ff. (II) Cap-Bewertung, adaptierte Optionspreisformel zur 271 (I) Cash Flow - Neubewertung 320 ff. (II) - Produkt 301, 314 (II) - Single 301, 314 (II) - Super 301, 315 (II) Cash Flow-Eigenkapitalrentabilität 444 (I) Cash Outflow to Investors 493 ff. (I) C-Kategorie 391 (I) Clearing House 360 f. (II) Collar 359, 374 ff. (II) Collateralised Debt Obligations 220 (II) Controlling - Aufgaben 5 ff. (I) - Begriff 1 (I) - Einführungsprozess des 38 ff. (I) Controlling Funktionen 2 (I) Controlling- hierarchische Einordnung 32 ff. (I) Controlling-Aktivitäten, materielle 22 ff. (I) Controlling-Organisation 31 f. (I) - funktionsorientierte 30 f. (I) - nach Funktionsbereichen 30 ff. (I) - nach Organisationsbereichen 31 f. (I) Controlling-Stellen, Besetzung von 36 ff. (I) Controlling-System, Zentralisationsgrad 29 (I) Controlling-Zyklus, institutionalisierter 11 ff. (I) Convenience Yield 103 (II) Cooke-Komitee 25 (II) Corporate Center 465 (I) Cost Drivers 375 f. (I) Cost of carry 381, 479, 520 (II) Cost of Equity 493 ff. (I) Cost of Risk 506 (II) Cost/Income Ratio 430, 445 ff., 611 ff. (I)
Cost-Center 599 (I) Crash-Szenario 98 (II) Credit Default Option 223 f. (II) Credit Default Produkte 222 ff. (II) Credit Default Swap 223 f. (II) Credit Linked Note 225 f. (II) Credit Spread Option 224 f. (II) CreditMetricsTM 174 ff. (II) CreditPortfolioViewTM 180 ff. (II) CreditRisk+TM 161 ff. (II) Critical-Incident-Technique (CIT) 570 f. (I) Cross Selling Kennziffern 438 (I) Cross-Selling 8 (I) Currency Swap 437 (II) Current Exposure 243 ff. (II) Customer Benefit Banking 551 ff. (I) Damnum 125 (I) DAX® 451 ff. (II) Deckungsbedarf, indirekt 514 f. (I) Deckungsbeitrag I; II; III 305 (I) Deckungsbeitragsrechnung - relative 397 (I) - stufenweise 305 f., 307, 396 ff. (I) Deltaäquivalent 382 (II) Delta-Hedge 470 ff. (II) - dynamischer 475 (II) - fixed 474 (II) Delta-plus-Methode 398 (II) Delta-plus-Verfahren 378 (I), 234, 383, 482 (II) Deltarisiko 383, 385, 399 (II) Delta-Value-at-Risk 544, 551 ff. (II) - marginaler 552 ff., 642, 650, 653, 663 f. (II) - diskreter 653, 662 f. (II) - dualer 652 ff., 663 f. (II) - proportional adjustierter 557 ff. (II) Denominationswährung 403 (II) Deport (Discount) 412 (II) Devisen 403 (II) Devisenforwardhandel 404 (II) Devisenfutures 415, 433 ff. (II) Devisenfuturehandel 404 (II) Devisenhandel 403 f. (II) Devisenhandelsgeschäft 404 (II) Devisenkassageschäft 405 (II) Devisenkursrisiko 7, 417 f. (II) Devisenkursverschiebungen 416 (II) Devisenmarkt 403 (II) Devisenoption 415 f., 435 ff. (II) Devisenoptionshandel 404 (II) Devisenspotgeschäft 405 (II) Devisentermingeschäft 242, 252 ff., 405 ff. (II) Devisenterminhandel 404 f. (II) Devisenterminkontrakt 415 (II) Devisenterminmarkt 432 f. (II) Dichtefunktion 68 (II) Dienstleistungsqualität 557 ff. (I) Differential, semantisches 574 f. (I) Differenzierungsgrad der Risikomessung 537 f. (II) Disagio 125 (I)
Disagioabgrenzung, effektivzinskonstante 147 ff. (I) - bei Annuitätentilgung 153 f. (I) - bei endfälliger Tilgung 149 ff. (I) - bei Ratentilgung mit Freijahren 151 ff. (I) - bei Ratentilgung ohne Freijahre 150 f. (I) - bilanzielle 154 f. (I) Disagioverbrauchszeit 127 (I) Discounted Cash Flow-Verfahren 486 ff. (I) Diskriminanz-Analyse - Abgrenzungsfehler 340 (I) - multivariate 339 f. (I) Diskriminanzwert 339 (I) Diversifikation 157 (II) - regionale 213 (II) Diversifikationseffekt 529 (II) Diversifikationsstrategie 172, 196 (II) Dividend Rate 436, 493 ff. (I) Dividendenrate 436 (I) Dividendenrendite 436 (I) - erwartete 499 (I) Divisionskalkulation, einfache 367 (I) Drei-Zonen-Konzept 106 ff. (II) Drittrangmittel 28 (II) Duale Strukturorganisation, marktorientierte 7 ff. (I) Duales Steuerungsmodell 12, 293 ff. (I), 14, 573 (II) - integrative Instrumente 298 ff. (I) Duplikationsansatz 164 (I) Duplikationsprinzip 81 (I) - i.e.S. 380 (II) - i.w.S. 380 f. (II) Duration - Effective 304 ff. (II) - MACAULAY 301 ff. (II) - Modified 302 ff. (II) - Modified Effective 305 ff. (II) Durationskonzepte 301 ff. (II) Durationsmethode 383, 385, 398 (II) Durchschnittsbilanz 427 (I) Durchschnittszinsertragsbilanz 54 (I) EBK 136 (II) Eckwerte, produktivitätsorientierte 595 f. (I) Economic Profit 487 ff. (I) - (Netto)-Konzept 490 (I) Economic Value Added (EVA) 481 (I) Economies of scale 607 f. (I) Edelmetallkursrisiko 7 (II) Effektivzins - nach ISMA 133 ff. (I) - nach PangV 131, 135 ff. (I) - nach US 132 ff., 137 ff. (I) - treasury-konformer (TEZ) 142 ff. (I) Effektivzinsrechnung 124 ff. (I) - marktzinsorientierte 142 ff. (I) Effektivzinsverfahren - dynamische 130 ff.(I) - klassische dynamische 130 ff. (I) - statische 126 (I) - traditionelle Methoden 124 ff. (I)
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Effizienzlinie 461 f. (II) Eidgenössische Bankenkommission 136 (II) Eigengeschäfte, kompensatorische 300, 415 (I) Eigenkapital - bilanzielles 428 (I), 23 (II) - Immunisierung 376 ff. (II) - Marktwert 377 (II) - Marktwert des 434 (I) - regulatorisches 24 (II) - Substanzwert 23 (II) Eigenkapital pro Aktie 434, 481 (I) Eigenkapitalallokation 515 (I) Eigenkapitalbedarf 470 (I) Eigenkapitalkosten 305 f., 516 ff. (I) - risikoadjustierte 44 (II) - risikokapitalproportionale 517 ff. (I) - volumenproportionale 516 ff. (I) Eigenkapitalquote 439 (I), 140 (II) Eigenkapitalrentabilität 428, 434, 439, 467 ff., 481 (I) - geschäftsbereichsbezogene 465 (I) - Management der 467 ff. (I) Eigenkapitalvereinbarung 143 (II) Eigenkapitalwachstumsrate 441 (I) Eigenmittel, anrechenbare 141 (II) Eigenmittelabzugsposten 28 (II) Eigenmittelanforderung 237 ff. (II) Eigenmittelbedarf 143 (II) Eigenmittelbegriff 25 (II) Eigenmittelerfordernis 470 (I) Eigenmittelquote 141 ff. (II) Eigenmittelunterlegung, von Marktrisiken 395 (II) Eigenmittelverordnung (schweizerische) 135 (II) Einflussfaktor 171 ff. (II) - makroökonomischer 182 ff. (II) - spezifischer 171 (II) - systematischer 171 (II) Einflussgrössen - makroökonomisch 184 (II) Einlagensicherungssysteme 117 ff. (II) Einlegerschutz 116 (II) Einstandszins 95 ff., 221 ff. (I) - elastizitätsorientierter 102 ff. (I) - nach der Methode gleitender Durchschnitte 105 f. (I) Einzelbewertung, grenznutzenorientierte 45 (I) Einzelgeschäftsbezogene Ergebnissystematik 410 ff., 459 ff. (I) Einzelgeschäftssteuerung 22 ff. (I), 39 (II) Einzelkostenprinzip 371 (I) Einzelkostenprinzip, Riebelsches 371, 398 (I) Einzelwertberichtigung 315 f. (I) Elastizitätsbilanz 335 ff. (II) Elastizitätsdiagramm 333 f. (II) Elastizitätseffekt im Festzinsablauf 339 f. (II) Elastizitätskonzept 329 ff. (II) Elastizitätsüberhang 335 ff. (II) Engpassprinzip 224 ff. (I) - Kritik am 227 ff. (I) Entity-Methode 486 (I) Entscheidungsvorlagen, Erarbeitung von 19 f. (I) Equity Growth Rate 493 ff. (I)
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Equity Kickback 49 (II) Equity per Share 484, 493 ff. (I) Equity-Methode 486 (I) Erfolgsfaktoren, strategische 533 (I) Erfolgsquellenanalyse - bei schwanken Zinssätzen 112 ff. (I) - bei schwankenden Wechselkursen 119 ff. (I) Erfolgsrisiken, finanzielle 5 f. (II) Erfüllungsrisiko 5, 155 (II) Ergänzungskapital 26 (II) Ergebnis, risikoadjustierte Planung und Kontrolle der 530 ff. (II) Ergebnis/Geschäftsvolumen-Relationen 391, 393 f. (I) Ergebnis/Mengen-Relationen 391, 395 f. (I) Ergebnisentstehung, Transparenz der 14 (I) Ergebnisgröße des Wertebereichs 409 (I) Ergebnisinformation - Akzeptanz der 49 ff. (I) - entscheidungsrelevante 13 f. (I) - Postulat der „richtigen“ 46 f. (I) Ergebniskontrollen 21 (I) Ergebnisrechnung - geschäftsbereichsbezogene 462 (I) - Postulat der integrierten 48 f. (I) Ergebnissteuerung 672 f. (II) - barwertige 672 f. (II) - horizontale 430 (I) Ergebnisstruktur, vertikale 431 (I) Ergebnissystematik - einzelgeschäftsbezogene 410 ff. (I) - gesamtbankbezogene 422 ff. (I) Ergebnisvolatilität 486 (I) Ergebniswürfel 387, 461 (I) Ertrags-/Kurswert eines Kundengeschäftes 283 (I) Ertragsgewissen 1 (I) Ertragsintensitäten 437 ff. (I) Ertragsmanagement 483 (I) Ertragsorientierte Banksteuerung 481 (I), 1 (II) Ertragsorientierte Geschäftsphilosophie 6 f. (I) Ertragsorientierte Risikopolitik 2, 486 (I) Ertragsorientierte Wachstumspolitik 2, 485, 536 ff. (I) Ertragsstruktur, horizontale 430 (I) ERV 135 Erwartete Verlustrate bei Ausfall 278, 281 (II) Erwarteter Verlust 311 (I), 156 ff. (II) Erwartungswert 67, 203, 448 ff. (II) EU-Bankrechtsrichtlinie 134 (II) EU-Eigenmittelrichtlinie 133 (II) EU-Großkreditrichtlinie 133 (II) EU-Kapitaladäquanzrichtlinie 133 (II) Eulersche Zahl 74 (II) EU-Solvabilitätsrichtlinie 133 (II) EU-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 134 (II) Evolution, Konzept der geplanten 39 (I) Expected Loss 311 (I), 155 ff. (II) Exposure at Default 276 (II) Exposure-Bänder 166 ff. (II) Extremwerttheorie 501 f. (II) Exzess 62 (II)
Fachfunktionen, controlling-spezifische 17 ff. (I) Fachressorts, zentrale 9 (I) Feedback-Kontrolle 633 (I) Feedforward-Kontrolle 633 (I) Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse 581 f. (I) Feinsteuerung, aktionsorientierte 12, 295 (I) Festzinsablaufeffekt, deterministischer 339 (II) Festzinsgeschäfte 96 (I) Festzinslücken 326 ff. (II) Festzinsüberhänge 326 ff. (II) Filialkalkulation 398 ff. (I) Finalprinzip, Schichtung nach dem 62 (I) Financial Leverage 431 (I) Financial Mobility at Risk 15 (I) Financial Swap 354 ff. (II) Finanzderivate 352 ff. (II) Finanzierungsinstrumente, hybride 27 (II) Finanzrisiken 3 f., 488, 500 (II) Fixed-Delta-Hedge 474 (II) Fixed Ratio-Ansatz 119 f. (II) Floor 358 ff., 374 ff. (II) Flow-to-Equity-Ansatz 490 (I) Forward Rate Agreement 362 ff. (II) Forward Rates 164 ff., 207 ff. (I) Forward-Abzinsfaktoren 207 ff. (I) Forward-Forward-Swap 411 f. (II) Forward-Zerobondrendite 177 (II) Fremdwährungsrisiko 437 ff. (II) Frequenz-Relevanz-Analyse 571 (I) Fristentransformation, Zinserfolg aus der, 71 ff., 194 ff. (I) Fristentransformationsbeitrag 77, 194 ff. (I) Fristentransformationsbeitrags-Barwert 194 ff. (I) Frühwarnsystem 668 ff. (I) - Ablaufphasen des 670 ff. (I) Führungsinformationssystem, steuerungsadäquates 13 ff. (I) Futures Option 358 (II) Gammarisiko 383, 385, 398, 443 (II) Gammaverteilung 170 (II) Garantie 438 (II) Gauß’sche Glockenkurve 19 (II) Gegengeschäfte, zahlungstrukturkongruente 161 ff. (I) Gegenparteirisiko 7, 235 f. (II) Gegenpositionsprinzip 84, 160, 229 f. (I) Gegenseitenkonzept 84, 160, 229 f. (I) Gegensteuerung, antizipative 633 (I) Gegenstromverfahren, Planung nach dem 11 (I) Geld- und Kapitalmarktsätze, gespaltene 220 ff. (I) Geld-Briefspanne bei GKM-Zinssätzen 220 ff. (I) Gemeinkostenblock 421 (I) Gemeinkostenkontrolle 626 f. (I) Gemeinkostenwertanalyse 541, 628 f. (I) Genehmigungsverfahren 618 f. (I) Gesamtbankbezogene Ergebnissystematik 422 ff. (I) Gesamtbank-Cash Flow der zinsabhängigen Positionen 674 ff. (II) Gesamtbanksteuerung 22 ff., 296 (I), 1 ff. (II) Geschäftsfelder, strategische 534 (I)
Geschäftsfeldstruktur-Tabelle 539 f. (I) Geschäftskonzeption 551 ff. (I) Geschäftsphilosophie, ertragsorientierte 6 f. (I) Geschäftsrisiko 488 (II) Geschäftsstellenkalkulation, Stufenschema der 404 (I) Geschäftsstellenrechnung 398 ff. (I) - mit Hilfe der Marktzinsmethode 400 ff. (I) Geschäftssteuerung 296 (I) Geschäftsstruktur, risikorelevante 470 (I) Geschäftsvolumen 426 (I) Geschäftsvolumen/Mengen-Relationen 391, 392 (I) Gewichtungsfaktor, laufzeitspezifischer 387 (II) Gewinn pro Aktie 434 (I) Gewinn- und Verlustrechnung, Erfolgsspaltung in der 422 ff. (I) Gewinnbedarf, struktureller 516 (I) Gewinneinbehaltung 470 (I) Gläubigerschutz 116 (II) Gleichgewichtsbedingung 15, 53, 529 (II) - im Risiko-Chancen Kalkül 51 ff. (II) - im Risikotragfähigkeitskalkül 15 ff., 33 ff. (II) Gleichgewichtsrentabilität, strukturelle finanzielle 468 (I) - Determinanten 468 ff. (I) Gleitende Durchschnitte, Methoden der 105 f. (I) Globalsteuerung, potentialorientierte 12, 295 (I) Gold 437 (II) Goldene Bankregel 63 (I) Goldpreisrisiko 7, 444 (II) Granularität 163 ff., 202 ff. (II) Grenzbetrachtung 538 (II) Grenzcharakter 561 (II) Grenzkostenprinzip 512 (I) Grenzkostenverfahren, modifiziertes 557 (II) Grenzprinzip 370 (I) Grenzzinssätze 328 (II) GroMiKV 126 ff. (II) Größenklassen 166 ff., 202 (II) Großkredit- und Millionenkreditverordnung 126 ff. (II) Großkredite 125 ff. (II) Grundgleichung der Verlusterwartung auf Einzelgeschäftsebene 317 (I) Grundmodell, analytisches 76 ff. (II) Grundsatz I BaFin 137 f., 258 (II) Grundsatz II BaFin 137 ff. (II) Gruppenarbeit 605 f. (I) Haftungskapital 290 (II) Haltedauer 79, 105 (II) Handelsbestand 138, 482 (II) Handelsbuch 380 (II) Handelsbuchgeschäfte 29 (II) Handelsergebnis 412 ff. (I) - Determinanten des 507 f. (I) Handelsspanne 425 (I) Hedge-Ratio 363 ff. (II) Hedging 467 ff. (II) - horizontal 388 ff. (II) - vertikal 387 (II) Hierarchische Kostenzuordnung 373 (I)
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Hintergrundfaktoren 171 (II) Identität der Rechnungskreise 189 (I) Imagestudie 573 (I) Immunisierung - der Zinsspanne 366 (II) - des Eigenkapitals 376 (II) - intertemporäre 371 ff. (II) Implizite Markt-Risiko-Prämie 496 (I) Incremental Value Generation (IVG) 486 ff. (I) Index-Fonds 453 (II) Index-Kreditderivate 229 (II) Indifferenzkurven 456 (II) Informationsfunktion 2 (I) Informationsmanagement, systematisches 13 (I) Informationspolitik 481 (I) Informationsverteilung, asymmetrische 116 (II) Infrastruktur, controlling-adäquate 6 ff. (I) Inkrementalismus 39 (I) Innerer Wert 468 (II) Insolvenzdaten, historische 334, 349 (I) Instrument - derivatives 218 (II) - klassisch 432 (II) - hybrid 27 (II) Internal Measures-Ansatz 120 (II) Internal Ratings-Based Approach 274 (II) Interne Risikomodelle 56, 394 (II) - Aktienkursrisiko 447 ff. (II) - Kreditrisiko 109 ff., 154 ff. (II) Interne Zinsfußmethode, dynamische 128 f. (I) Interner Rating (IR)-Basisansatz 149 (II) Interner Rating-Ansatz, fortgeschrittener 149, 274 ff. (II) Internes Modell 56, 114, 154 ff., 240 ff. (II) Investitionscontrolling 619 ff. (I) Investitionsportfolio 621 f. (I) Investment Grade 333 (I) Investment Grade-Rating 233 (II) Investor Relations 481 (I) Ist-(Ausfall-)Risikokosten 315 f. (I) Ist-(Bonitäts-)Risikokosten 316 (I) Ist-RORAC 543 ff. (I), 44, 529 (II) IVG per Share 493 ff. (I) IVG-Analyse 486 ff. (I) IVG-Kennzahlensystem 528 (II) Jahresbandmethode 383, 385, 387, 398 (II) Kalkulation - einer Geschäftsstelle 404 (I) - einer Kundengruppe 407 (I) - einer Produktgruppe 406 (I) - eines Filialbezirks 404 (I) - eines Geschäftsabschlusses 404 (I) - eines Girokontos 407 f. (I) - eines Kunden 407 (I) - eines Kundenberaters 404 (I) - eines Produktes 406 (I) Kalkulations- und Kennzahlensystem für das ROIManagement 304 ff. (I) Kalkulationsobjekt 363 f. (I)
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Kalkulationsverfahren, Probleme und Grenzen des 361 (I) Kalkulations-Wirtschaftlichkeit 51 (I) Kapazitätssteuerungssystem 593 ff. (I) Kapitalhebel 431 (I) Kapital, ökonomisch 22, 544 ff. (II) Kapitalinstrumente, innovative 25 (II) Kapitalkosten, Bestimmung der 490 (I) Kapitalmarkt 413, 431 (II) Kapitalmarktlinie 454 ff. (II) Kennzahlensystem - integriertes 528 ff. (II) - IVG 528 (II) - risikoadjustiertes 528, 529 ff. (II) - ROI 528 (II) Kennzahlenvergleich - Betriebs- bzw. Konkurrenz-Vergleich 452 (I) - Soll-Ist-Vergleich 452 (I) - Zeitvergleich 452 (I) Kernkapital 25 (II) Key Rate 308 ff. (II) Key Rate Duration 308 ff. (II) - analytische Bestimmung 309 ff. (II) - numerische Approximation 310 f. (II) Klumpenrisiko 125 ff., 172 (II) Kommissionsspanne 425 (I) Konditionsabweichung 650 ff. (I) - geschäftsstellenspezifische 665 (I) - marktbedingte 665 (I) Konditionsbeitrag/-marge 80 f., 184 ff. (I) - der Sachanlagen 109 f., 418 (I) - des Eigenkapitals 109 ff., 416 (I) Konditionsbeitrags-Barwert 158 (I) - bei Existenz einer Geld/Brief-Spanne 243 ff. (I) - Berechnungsmethoden 161 ff. (I) - effektivzinsabhängige Verteilungsregeln 176 ff., 184 ff. (I) - kapitalbindungsproportionale Verteilung 184 ff. (I) - kostenorientierte Verteilung 180 ff. (I) - rückflussproportionale Verteilung 182 f. (I) - Verrentungskonzeptionen 174 ff. (I) - Verteilung nach dem Prinzip treasury-konformer Margenkalkulation 187 ff. (I) - Verteilungsregeln nach dem Proportionalitätsprinzip 176 ff. (I) - zeitproportionale Verteilung 176 ff. (I) Konfidenzniveau 71 (II) Kongruenz 381 (II) Kongruenzprinzip 13 (II) Konjunkturzyklus 182 (II) Konkurrenzvorteile, komparative 551 (I) Kontaktpunkt-Analyse 572 f. (I) Kontokalkulation 406 ff. (I) Kontrolle - operative 632 (I) - strategische 633 (I) - der Gleichgewichtsbedingungen 53 (II) - der zugewiesenen Risikolimits 683 (II) Kontrolle und Abweichungsanalyse 21 f., 631 ff. (I) Kontrollsystem, bankinternes 503 (II)
Konvexität 306 f. (II) Konzentrationsabweichung 202 (II) Koordinationsfunktion 2 (I), 670 (II) Korrelation 171 f., 209 (II) Korrelationskoeffizient 63 ff. (II) Korrelationskoeffizienten-Matrix 83 ff. (II) Korridor-Planung 617 ff. (II) Kosteneffizienz 591 ff. (I) Kostenhebel 431 (I) Kostenintensitäten 436 f. (I) Kostenlückenverfahren 557 ff. (II) Kostenmanagement 483 (I) - Instrumente des 591 ff. (I) Kostenstruktur, horizontale 430 (I) Kostenursachenanalysen 375 (I) Kovarianz 63 (II) Kreditäquivalent 327 (I) Kreditderivate 196, 220 ff. (II) Kredit-Exposure 327 (I) - kreditnehmerinduzierte Veränderung 328 (I) - marktpreisinduzierte Veränderung 328 (I) Kreditinanspruchnahme, erwartete 275 ff. (II) Kreditlaufzeit, durchschnittliche 126 (I) Kreditnehmergruppe 211 (II) Kreditnehmerklassen 274 ff. (II) Kreditportfolio-Hierarchie 215 (II) Kreditportfoliorisiko 465 (I) Kreditrisiko 6, 154 (II) - Quantifizierung des 158 (II) - Rechnungskomponenten des 313 ff. (I) - Steuerung des 291 (II) - systematisches 156 (II) - unsystematisches 156, 199 (II) Kredit-Risikoergebnis 417 f. (I), 155 (II) Kreditrisikomessung - auf Basis effektiver Ausfälle 158 ff. (II) - auf Basis von Wertänderungen 174 ff. (II) - risikoergebnisbasiert 158 ff. (II) Kreditrisikomodell 191 ff. (II) - interne 109 ff. (II) - aktuarische 161 ff. (II) Kreditrisikopolitik 195 (II) Kreditsachbearbeitung 195 (II) Kreditsicherheit 328 f. (I), 195 (II) Kreditüberwachung, integrierte 195 (II) Kreditumrechnungsfaktor 276 (II) Kreditwesengesetz 133 ff. (II) Kreditwürdigkeitsprüfung 336 ff. (I), 194 (II) Kreuz-Elastizität 340 ff. (II) Krisentestprogramm 107 (II) Kundengeschäft, (Teil-) Betriebsergebnisrechnungen 396 ff. (I) Kundengeschäftsergebnis 404 ff. (I) - Analyse 386 ff. (I) - Auswertung nach Konten bzw. Kunden 406 ff. (I) - Auswertung nach Produkten 405 ff. (I) - Auswertung nach Vertriebswegen 398 ff. (I) - Auswertungsrechnungen des Marktergebnisses 386 ff. (I) - dimensionsspezifische Auswertungsrechnungen 396 ff. (I) - Integration in das Gesamtbankergebnis 410 ff. (I)
Kundengeschäftsvolumen 401 (I) Kundengruppen-Geschäftsstellen-Matrix 389 f. (I) Kundengruppenkalkulation 407 (I) Kundenkalkulation 406 ff. (I) Kunden-Rating 331 (I) Kundenvermögen 432 (I) Kündigungsrecht bei Bankprodukten, Bewertung des 265 f. (I) Künstliche-Neuronale Netz-Analyse 337, 341 ff. (I) Kurs/Gewinn-Verhältnis 434, 484 f., 493 (I) Kursergebnis 413 (I) Kursrendite, erwartete 499 (I) Kurswert, deterministischer 211 (I), 177 ff. (II) KWG 133 ff, 290 ff. (II) Kybernetischer Prozess 17 ff. (I) Länderrisiko 155 (II) LaR 516 (II) Laufzeitäquivalenz-Ansatz 363 (II) Laufzeitband 386 (II) Laufzeitmethode 242 ff., 255, 386 (II) Laufzeitprämie 72 (I) Lean Banking 554 f. (I) Leerkosten 420 (I) Leistungsinanspruchnahme, normierte 371 (I) Leistungskompetenz 561 ff. (I) Leistungsstörungen, Kalkulation von 274 ff. (I) Leistungsverrechung, interne 402 f. (I) Lender of Last Resort 118 (II) Lernkurveneffekt 607 (I) Lernstatt 586 (I) Liability-Swap 354 (II) Limite 299 f. (I), 350 (II) - Abweichungs- 201 (II) - Volumens- 201 (II) Limitierung, zahlungsstrombezogene 524 (II) Limitierungsansatz, dynamischer 683 f. (II) Linieninstanz 30 (I) Liquidationsrisiko 7 (II) Liquidität, Vorschriften zur 89 f. (I) Liquiditätsablaufbilanz 523 f. (II) Liquiditätsanspannungsrisiko 7 f., 513 (II) Liquiditätsbedarf 519 ff. (II) Liquiditätskennzahl 124 (II) Liquiditätsreservehaltung, Kosten der 86 ff. (I) Liquiditätsrisiko 5, 7 f., 122 ff., 512 ff. (II) - bankbezogenes 512 f. (II) - Deckungsmassen 519 f. (II) - derivates 513 ff. (II) - dispositives 516 ff. (II) - erfolgswirksames 516 ff. (II) - Messung von 516 ff. (II) - objektbezogenes 512 f. (II) - originäres 513 ff. (II) - Steuerung 521 ff. (II) - strukturelles 516 ff. (II) - subjektbezogenes 512 f. (II) - zahlungsstrombezogenes 515 ff. (II) Liquiditätssicherungsfunktion 670 (II) Liquiditätsverordnung 122 ff. (II) Liquidity at Risk 15 (I) Long-dates Forwards 433 (II)
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Loss Given Default LGD 329 (I) Loss Given Default Rate 278 ff., 281 (II) Macaulay Duration 301 (II) Management - by Exception 11 (I) - by Objectives 9 (I) - von Aktienkursrisiken 447 (II) Managementbereiche im Bank-Controlling 22 ff. (I) Management-Techniken 26 ff. (I) Marge, Steuerungsfunktion der 45 (I) Margenabweichung 645 ff. (I) Margenkalkulation - Anforderungen 44 ff. (I) - Kosten-/Nutzenaspekte 51 f. (I) - marktzinsorientierte 144 ff. (I) - traditionelle Verfahren 53 ff. (I) Margin-System 360 (II) Market Value Added 493 ff. (I) Market-Maker 234 (I) Market-User 234 (I) Marktattraktivitäts-/Wettbewerbsstärken-Matrix 545 ff. (I) Marktbewertungsmethode 243 ff. (II), 255 f. (II) Marktergebnis 387 f., 402 (I) Marktorientierte Duale Strukturorganisation 7 ff. (I) Marktportfolio 201, 461 ff. (II) Marktpositionsmarge 234 (I) Marktrisiko 6, 138, 140 (II) - allgemeines 138, 140, 383, 482 (II) - Eigenmittelunterlegung 395 (II) - spezifisches 138, 140 (II) Marktrisikofaktoren 103 (II) Marktrisiko-Modelle- interne 98 ff. (II) Mark-to-market 243 (II) Marktversagen 116 (II) Marktwert der Aktiva 350 f. (I) Marktwert des Eigenkapitals 350 f. (I), 377 (II) - Werttreiber 481 (I) Marktwert des Fremdkapitals 350 f. (I) Marktwert pro Aktie 434 (I) Marktwert/Nennwert-Verhältnis 435 (I) Marktwertbilanz 676 ff. (II) Marktwertrendite 499 (I) Marktwertrisiko 301 ff., 314, 424 ff. (II) - direkte Bestimmung 320 ff. (II) - indirekte Bestimmung 301 ff. (II) - produktspezifisches 301 (II) - Quantifizierung 301 ff. (II) - Single Cash Flow-Variante 301, 314 (II) - Super Cash Flow-Variante 301, 315 (II) - zinsinduziert 291 (II) Marktwert/Buchwert-Verhältnis 434, 488, 499 (I) Marktzinsmethode 70 ff., 405 (I) - Grundmodell der 71 ff., 195 (I) - im Barwertkalkül 157 ff., 196 (I) - im Margenkalkül 70 ff. (I) - spezielle Anwendungsprobleme 220 ff. (I) - Treasury-Konzept der 194 ff. (I) - weitere Anwendungsbereiche 287 (I)
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Mark up 305 f. (I) Master-Clerical-Data-Verfahren 381 (I) Matched Funds Transfer Pricing Concept 70 (I) Matched-Pairs-Ansatz 381 (II) Matrix-Organisation 8 (I) Maximalbelastungsfall 33 (II) Maximalkostenkonzept 610 (I) MBV-Korrekturfaktor 501 f. (I) Mehr-Faktoren-Modell 215 (II) Messansatz, ambitionierter 510 (II) Messkonzeption - Beurteilung der 566 (I) - Bewertung der 576 f. (I) MFTP-Concept 70 (I) Middle case 438 ff. (II) Migrationsmatrix 175 f. (II) Migrationswahrscheinlichkeit 319 (I), 174 ff. (II) Mindest-Bruttomarge im Kundengeschäft 508 (I) Mindest-Eigenkapitalrentabilität 495 ff. (I) Mindesteigenmittelanforderungen 144 ff. (II) Mindesteigenmittelbedarf 142 (II) Mindestmarge, kostenorientierte 510 ff. (I) Mindestreserve, Vorschriften zur 86 ff. (I) Mindest-Total Investor Performance 499 ff. (I) Minus-Position 418 (II) Mitarbeiterproduktivität 438 (I) Mobilisierungsstrategien 219 ff. (II) Modell - internes 101, 154, 240 (II) - Marktrisiko 101 ff. (II) - operationelle Risiken 114 (II) Modified Duration 305 ff. (II) Modified Duration-Gap 376 (II) Monetäre Anreizsysteme 599 f. (I) Monotonie, komplementäre 557 (II) Monte-Carlo-Simulation 92, 186 ff., 499 f. (II) Moody`s 332 (I) Mortalitätsraten 320 (I) Multimoment-Verfahren 380 (I) Multiplikationsfaktor 104 (II) Nachrangkapital 28 f. (II) Nebenbedingungen 605 (II) - aufsichtsrechtliche 606 (II) - interne 606 (II) - technische 605 (II) Netting 254 ff. (II) - durch Novation 255 ff. (II) - durch Close-Out 255 ff. (II) - Payment Netting 256 (II) Netto-(Markt-)Ergebnis 305, 392 (I) Nettoerträge aus dem Handelsgeschäft 424 (I) Nettofinanzierungskosten 520 f. (II) Nettogewinnspanne 425 (I) Netto-Margenkalkulation 307 ff. (I) Nettoposition 382 (II) Nettozinsspanne 445 (I) Netto-Zinsüberschuss 445 (I) Neubewertungsreserven 27 (II) Nominalwertmethode (NWM) 470 ff. (II) Nominalwertprinzip 363, 434 f. (II) Nominalzins 125 (I)
Non performing loans 336 (I) Normalbelastungsfall 33 (II) Normalverteilung 19, 68, 424, 435 (II) Normportfolio 197 ff., 643 ff., 662 ff. (II) Notierung - direkte 403 (II) - indirekte 403 (II) Nullkupon-Anleihe 169 (I) Nutzeninkasso 624 (I) Objekt-Rating 331 (I) Ökonomischer Gewinn 487 ff. (I) Ökonomisches Kapital 22, 544 (II) Operating Leverage 431 (I) Operational Risk Rating System 494 f. (II) Operational Value at Risk 497 ff. (II) Operationelles Risiko 4, 114, 138, 487 (II) - Aufsichtsrechtliche Konzepte zur Begrenzung 507 ff. (II) - Begrenzung des 507 ff. (II) - Management des 488 ff. (II) - Messung 114 f. (II) - Qualitative Ansätze des 489 (II) Opportunitäts-/Gegengeschäfte 96 ff. (I) Opportunitätskonstruktionen für sonstige Bilanzpositionen 109 (I) Opportunitätsprinzip 81, 84, 159, 223 f. (I) Opportunitätszinsmethode 70 (I) Options - Gamma 477 f. (II) - Theta 477 f. (II) - Vega 477 f. (II) Optionsbewertung nach dem Black/Scholes-Modell 265 (I) Optionscharakteristika von Bankprodukten 111 ff. (I) Optionspreismodell zur StandardRisikokostenkalkulation 349 ff. (I) Optionspreisrisiko - lineares 385, 398, 401 (II) - nicht lineares 385, 398, 401 (II) Optionspreistheoretische Risikokostenmethode 361 ff. (I) Optionspreistheorie 265, 353 ff. (I) Organisationsmacht 377 (I) Original-Exposure-Methode 242 (II) OTC-Produkte 353 f. (II) Outright-Geschäfte 405 ff. (II) Outsourcing 600 f. (I) Overheadkosten 306, 421, 642 (I) - Steuerung der 624 ff. (I) - Verteilung der 515 (I) Paretooptimalität 557 (II) Passiv-Engpass 226 (I) Passivtausch 351 (II) Pass-through-Verfahren 219 (II) Payer Swap 356 f. (II) Payment-Netting 256 (II) Pay-off-Diagramm 263 (I) Pay-Out Ratio 436, 493 ff. (I) Pay-through-Verfahren 219 (II)
Performance 679 ff. (II) Performancemessung 453 (II) - risikoadjustierte 528 (II) Performing loans 336 (I) Personalaufwendungen 424 (I) Personalkostenspanne 425 (I) Plan-RORAC 566 (II) Planung - nach dem Gegenstromverfahren 11 (I) - Prinzip der revolvierenden 295 (I) Planung und Kontrolle 2 (I) - der risikoadjustierten Ergebnisse 530 (II) Planungsmodell, lineares 572 (II) Planungsprozess, strategischer 23, 531 ff. (I) Plus-Position 418 (II) Poissonverteilung 165 ff. (II) Pool-Methode 58 ff., 400 (I) Portfolio-Konzepte 544 ff. (I) Portfoliokurve 202 (II) Portfolio-Management 23, 296 (I) Portfolio-Selection-Theorie 208 ff. (II) Portfoliosteuerung 39 (II) Portfoliostruktur 648 (II) Positionsrisiko 5 (II) Potential Exposure 248 (II) Prämissenkontrollen 21 (I) Precommitment-Ansatz 120 (II) Preisabweichung 420, 642 (I) Preiselastizität der Nachfrage 521 (I) Preisgestaltung - kostenorientierte 615 (I) - wertschöpfungsorientierte 616 (I) Preisstellungsfunktion 670 (II) Price-to-Book Ratio 493 ff. (I) Primanotisierung 391 (I) Prinzip der Zielkonstanz 637 (I) Prinzip der Zielvereinbarung 636 (I) Prioritätenprinzip 637 (I) Probability of Default 278 f. (II) Problemanalyse 17 ff. (I) Produktarten-Geschäftsstellen-Matrix 390 (I) Produktarten-Kundengruppen-Matrix 390 (I) Produktartenrechnung 405 ff. (I) Produkt Cash Flow 314 (II) Produktfunktionen, Zusammenfassung von 608 ff. (I) Produktgruppenkalkulation 406 (I) Produktivitätsergebnis 419 f. (I) Produktivitätskennzahlen 437 ff. (I) Produktivitätsmanagement 483 (I) Produktivitätsverbesserungs-Programme 553 (I) Produktqualität 557 ff. (I) Profit Center 9, 599 (I) Profit Center-Organisation, kundenorientierte 8 (I) Prognosephase 20 (I) Programme, strategische 535 (I) Projektabrechnungsverfahren 623 f. (I) Projektkosten 376 (I) Provisionsergebnis, Determinanten 507 f. (I) Provisionserlöse 305 (I) Provisionsspanne 425 (I) Provisionsüberschuss 424 (I)
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Prozess, kybernetischer 17 ff (I) Prozessfunktionen im Bank-Controlling 17 ff. (I) Prozessintegration 12 ff. (II) Prozesskostenrechnung, relative 373 (I) Prozessorientierte Standard-Einzelkostenrechnung, Aufbau 370 ff. (I) Prozessrisikoanalyse 491 (II) Prozessstufen der integrierten Rendite/Risikosteuerung des Zinsbuches 673 ff. (II) Punkt-Bewertungsverfahren zur Bonitätsanalyse 338 f. (I) Qualitätsanalyse 579 ff. (I) Qualitätsaufschlag 104 (II) Qualitäts-Handbuch 583 f. (I) Qualitätsimplementierung, Katalysatoren der 588 f. (I) Qualitätskontrolle, statistische 581 (I) Qualitätskostenanalyse 581 f. (I) Qualitätsmerkmale 557 (I) - Systematisierung der 559 ff. (I) Qualitätsstandards 577 ff. (I) Qualitätszirkel 585, 589 (I) Quality-Audit 584 (I) Quality-School 583 f. (I) Quantifizierung - des Zinsspannenrisikos 325 (II) Rangstellung der Gläubigerposition 329 (I) RAPM 44 ff. (II) Rappaport-Ansatz 486 (I) RAROC 52 ff., 643 (II) RARORAC 52 ff. (II) Rating 331 (I) Rating-Migration 319 (I) Ratingsystem - externes 332 ff. (I) - internes 334 ff. (I) Rationalität, individuelle 557 (II) Raumarbitrage 413 (I) Receiver Swap 356 f., 368 ff. (II) Rechnungswesen 16 (I) Rechtsschiefe Verteilung von Kreditverlusten 315 (I) Recovery Abteilung 330 (I) Recovery-Maßnahmen 328 (I) REFA-Zeitmessverfahren 380 (I) Referenzwährung 403 (II) Regressionsanalyse 184 (II) Reingewinnspanne 425, 439 (I) REK 34, 531 (II) Rendite - diskret 73 (II) - stetig 73 f. (II) Rendite-/Risikosteuerung 294 (I) - integrierte 526 ff., 673 (II) Renditeelastizität 340 f. (II) Renditeforderung - der Eigenkapitalgeber 495 ff. (I) - kapitalmarkttheoretisch 495 ff. (I) Rendite-Risiko-Diagramm 590 f. (II) Rendite-Risiko-Verhältnis 590, 688 (II)
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Renditevolatilität 496 f. (I) Rentabilität, Primat der 1 (I) Rentabilitätsanalyse - auf Grundlage der Daten der Einzelgeschäftskalkulation 304, 386 ff. (I) - mit Hilfe des ROI Schemas 436 ff. (I) Rentabilitäts-Controlling 1 ff. (II) Rentabilitäts-Leverage-Effekt 440 (I) Rentabilitätslücke 536 f. (I) Rentabilitätsmanagement, Bestimmung von Zielgrößen 467 ff. (I) Rentabilitätsprinzip, Schichtung nach dem 65 f. (I) Rentabilitätssteuerung 294 (I), 1 (II) Rentabilitätsziele 467 ff. (I) Replikation 407 (II) Replikationsportfolio 106 (I) Report (Premium) 412 (II) Restkosten 377 (I) Restkostenanalyse 400 (I) Restlaufzeit 224 ff., 424 ff. (II) Restlaufzeitinkongruenz 280 (II) Restschuld, nominelle 283 (I) Retail Maßnahmen 298 ff. (I) Return on Assets under Management and Administration 433 (I) Return on Equity 428, 434, 439, 467 ff., 481 (I) Revolvierende Planung 295 (I) Rhorisiko 385 (II) Richtkonditionen 299 (I) Riebelsches Einzelkostenprinzip 371, 398 (I) Risiken 3 ff. (II) - Ausfall- 138 (II) - einzelgeschäftsbezogene 8 (II) - geschäftsstrukturbezogene 8 (II) - ökonomische 538, 560 (II) - operationelle 4, 114 f., 138, 487 (II) - spezifische 138, 232 ff., 482 (II) - systematische 8, 157, 451 ff. (II) - unsystematische 8, 157 (II) - Transfer von 522 (II) Risikoadjustierte Ergebnisse 530 ff. (II) - Kontrolle 530 ff. (II) - Planung 530 ff. (II) Risikoadjustierte Konditionengestaltung 312 (I) Risikoanalyse 13 (II) Risikoaufwendungen 425 (I) Risikobegrenzung 1, 39 (II) - Standards 132 (II) Risikobelastungsfälle 33 (II) Risikobelastungsszenarien 15 (II) Risiko-Chancen-Kalkül 44 ff., 51 (II) Risiko-Controlling 294 (I), 1 ff. (II) Risikodeckungsbedarf, Determinanten 506 (I) Risikodeckungsmassen 13, 23, 33 ff. (II) - Abstufung 31 ff. (II) Risikodiversifikation 39, 194 ff., 454, 522 f. (II) Risiko-Eigenkapital-Koeffizient 34, 531(II) Risikoerfassung, Umfang der 537 (II) Risikoergebnis 412 ff. (I), 158 ff. (II) Risikofaktor 82, 188 (II) Risikogewichte 278, 284 (II) - Brutto 285 ff. (II)
Risikoindikatoren 494 (II) Risikoindikation 14 f. (I) Risikointegration 10 ff. (II) Risikointerdependenz 171, 209 (II) Risikokalküle 3 (II) Risikokapital 22 ff., 44 (II) - auf Limitbasis 531 ff. (II) Risikokapitalallokation 527 f., 537 ff., 540 ff. 566 ff., 636 ff., 657 ff. (II) - optimale 566 ff. (II) - Optimierung der 571 ff (II). - Praxisansatz zur Optimierung der 596 ff. (II) - sukzessive Optimierung der 622 ff. (II) - Verfahren 540 ff. (II) Risikokapitalbepreisung 636 ff., 657 ff. (II) Risikokapitalkosten 639 ff., 649 ff. (II) Risikokategorie 14 f. (I), 3, 77 ff. (II) Risikoklasse 331 (I), 176, 198 (II) Risikoklassen, Generierung von 340 (I) Risikokompetenzen 12 (II) Risikokontrolle 13 (II) Risikokosten - barwertige 316, 355 (I) - periodische 316 (I) Risikokosten im Kreditgeschäft, Zweiteilung 311 (I) Risikokosten-Barwert 355 ff., 360 (I) Risikolimite 12 f. (II) - Kontrolle der zugewiesenen 683 f. (II) - Periodisierung der 41 (II) - strukturelle 197 ff. (II) Risikolimitierung 39 ff. (II) Risikolimitierungsstrategien 349 (II) Risiko-Management 3 (II) - integriertes 526 (II) Risikomatrix 10 f., 85 f. (II) Risikomessung 15 (I), - Umfang der 559 (II) - Differenzierungsgrad der 559 (II) Risikomesszahl 79 f. (II) Risikomessverfahren 537 (II) Risikominderung 39, 194 ff., 522 (II) Risikomodell, intern 394 (II) Risikoorganisation 13 (II) Risikoparameter 77 f. (II) Risikoperformance-Information 14 f. (I) Risikopolitik 16, 486 (I) - ertragsorientierte 2 ff. (II) - ursachenbezogene 39 (II) - wirkungsbezogene 39 (II) Risikoposition 78 (II) - Gesamtbank 11 (II) Risikopotential 33 f. (II) - Gesamtbank 16 ff. (II) - kalkuliertes (Total-) 15 (II) Risikopräferenzfunktion 456 (II) Risikorente 313 (I) - Konzept der 357 (I) Risiko-Reporting 13, 691 ff. (II) Risikospanne 425 (I) Risikostatus 10, 679 ff. (II)
Risikosteuerung 294 (I), 1, 13 (II) - operativ 299 (II) Risikostreuung 196, 458 ff. (II) Risikostrukturkurve 355 ff., 358 (I) Risikostrukturmatrix 199 ff. (II) Risikostrukturwürfel 197 ff. (II) Risiko-Szenarien 22, 32 ff. (II) Risikotragfähigkeitsinformation 14 f. (I) Risikotragfähigkeitskalkül 15 ff., 33 (II) Risikotransfer 39, 194 ff., (II) - alternativer 503 ff. (II) Risikoüberwachung 13 (II) Risikovektor 84 (II) Risikoverbundeffekte 83, 538, 560 (II) Risikovermeidung 39, 194, 522 (II) Risikoverteilung 196 (II) Risikovolumen 232, 237, 257 ff., 275 f. (II) - anrechnungspflichtig 237, 256 (II) Risikovorsorge 39, 197 (II) RiskMaster 76, 449 f. (II) Risk-Return-Diagramm 568 f. (I) ROAMA 433 (I) Rohstoffpreisrisiko 7 (II) ROI-Analyse - mit Daten der Einzelgeschäftskalkulation 304, 386 ff., (I) - mit Daten des externen Rechnungswesen 422 ff. (I) ROI-Grundschema 428 ff. (I) - für Vermögensverwaltungsbanken 432 ff. (I) - Strukturkennzahlen 430 ff. (I) ROI-Kennzahlen 425 (I) - Analyse der Zusammenhänge 439 ff. (I) - bereichsbezogene 504 f. (I) - Bezugsgrößen 426 f. (I) - im erweiterten ROI Schema 435 f. (I) ROI-Kennzahlenhierarchie 422 ff. (I) ROI-Kennzahlensystem 528 (II) ROI-Kennzahlenvergleich 452 ff. (I) ROI-Schema, erweitertes 434 f., 481 (I) ROI-Strukturkennzahlen 431 ff. (I) Roll-back-Verfahren 490 ff. (I) RORAC 45 ff., 529 ff. (II) - geschäftsbereichsspezifisch 530 (II) RORAC-Kennzahlenhierarchie 530 (II) RORAC-Plan 566 ff. (II) RORAC-Soll 531 (II) RORAC-Ziel 529, 566 (II) Rückzahlungsquote 328 f. (I) Sachaufwendungen 424 (I) Sachkostenspanne 425 (I) Schätzfehler, statistischer 334 ff. (I) Schichtenbilanz-Methode 61 ff. (I) Schiefe 62 (II) Scoring-Modell zur Bonitätsanalyse 338 f. (I) Segmentberichtserstattung 462 (I) Selektionsproblem 463 ff. (II) Self-Controlling 12, 29 (I) Sell-and-Buy-Swap 411 f. (II) Sensitivitätsanalyse 215, 592 (II)
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Sensitivitätsanalyseverfahren, marktwertorientiertes 301 ff. (II) Service-Center 599 (I) Shareholder Value-Konzept 2, 480 (I) - Strategieempfehlungen und operative Maßnahmen 480 (I) Shorthand-Method 441 (II) Sicherheitskoeffizient 431 f. (I) Simplex Algorithmus 580 ff. (II) Simulation 108 (II) - historische 89 ff. (II) - Monte-Carlo 92 ff., 186, 499 f. (II) Simulationsmethode - analytisch 109 (II) - Single Cash Flow 301 (II) Situationsanalyse 19 (I) Skaleneffekte 607 f. (I) SMI 451 (II) Soll-Deckungsbeitrag 307 (I) Soll-Eigenkapitalrentabilität 502 (I) Soll-Ist-Vergleich 21, 641 ff. (I) - einfacher 643 ff. (I) - kombinierter 653 ff. (I) Soll-Margen, Planung der 522 ff. (I) Solvabilitätskoeffizient 470 (I), 140, 237, 290 (II) Solvabilitätsverordnung 137 (II) Sonderfaktoren, finanzielle 462 (I) Sondertilgung 284 ff. (I) Sonstige betriebliche Erträge 424 (I) Sonstiges Ergebnis, Determinanten 507 f. (I) Sorten 403 (II) Speculative Grade 333 (I) Spezialisierung der Controlling-Aufgaben 29 (I) Spot-Forward Devisenswap 410 ff. (II) Stabsstelle 30 (I) Stand-alone-Ansatz 529 (II) Stand-alone-Betrachtung 543 (II) Stand-alone-Größen 540 ff. (II) Standard & Poor`s Corporation (S&P) 332 (I) Standard Betriebskosten 306 (I) Standards der Risikobegrenzung 132 (II) Standard-(Ausfall-)Risikokosten - Grundgleichung der Kalkulation 317 (I) - zentrale Kalkulationsparameter 327 ff. (I) - periodische 344 ff. (I) Standard-(Bonitäts-)Risikokosten - barwertige 346 ff. (I) - Grundgleichung der Kalkulation 319 (I) Standardabweichung 19, 61 f., 203 f. (II) Standardansatz 149, 509 (II) Standard-Arbeitsabläufe 372 (I) Standardmethode 240 ff. (II) Standardauslastung 372 (I) Standard-Bearbeitungszeiten 372 (I) Standard-Betriebskostenkalkulation 363 ff. (I) Standard-Einzelkostenrechnung, prozessorientierte 370 ff. (I) Standardisierung der Produktpalette 609 f. (I) Standardnormalverteilung 69 (II) Standardrelationen 596 f. (I) Standard-Risikokosten 306 (I), 158 (II) - Kalkulation am Beispiel 343 ff. (I)
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- Optionspreismodell für die Kalkulation 349 ff. (I) Standard-Risikokosten, Portfolioeffekte 313 (I) Standard-Risikokosten-Barwert 355 ff. (I) Standard-Risikokostenkalkulation 311 ff. (I) Standard-Verbrauchsmenge 372 (I) Standardverfahren 234 (II) Stärken- und Schwächenprofil 19 (I) Stationarität 96 (II) Stellenbesetzung im Controlling 28 (I) Stellenbildung im Controlling 28 (I) Steuerung 297 (I) - dezentrale 297 (I) - des Kreditrisikos 291 (II) - duale 14 (II) Steuerungsmodell, duales 573, 636 ff. (II) Steuerungsprozess, bankbetrieblicher 17 ff. (I) Stichtagsbilanz 427 (I) Stichtagszinsertragsbilanz 53 (I) Stochastische Modellierung 496 ff. (II) Stop-Loss-Limite 40 (II) Straight option 416 (II) Strategien zur Risikobegrenzung 39 ff., 194 ff. (II) - Risikodiversifikation 39, 194 ff. (II) - Risikominderung/-limitierung 39, 194 ff. (II) - Risikotransfer 39, 194 ff. (II) - Risikovermeidung 39, 194 ff. (II) - Risikovorsorge 39 (II) Stress-Szenarien 39 (II) Stress-Test 98, 283 (II) Streuungsdiagramm 332 f. (II) Strohmanneigenschaft 557 (II) Strukturabweichung 641 ff., 648 ff. (I) - geschäftsstellenspezifische 664 (I) - marktbedingte 663 (I) Strukturbeitrag 73 (I) - Determinanten des 74 (I) Struktureffekt I 342 ff. (II) Struktureffekt II 342 ff. (II) Strukturelle Gleichgewichtsrentabilität 468 ff. (I) Strukturelle Position 439 (II) Strukturergebnis 413 f. (I) Strukturmarge 73 (I) - Aufspaltung der 233 f. (I) Struktursteuerung 296 (I), 39 (II) Stückleistungskalkulation 367 (I) Sukzessivansatz 657 ff. (II) Super Cash Flow 301, 315 (II) Supervisory-Ansatz 121 f. (II) Swapsatz 410 f. (II) - impliziter 419 ff. (II) Swapsatzrisiko 7, 418 ff. (II) Swaption 360 (II) Swapvolumen 368 (II) Swiss Market Index SMI 451 (II) Symmetrie 557 (II) Syndizierung 219 (II) Synthetische Securitisation 229 f. (II) Szenarioanalyse 400, 490(II) Szenario-Matrix-Methode 378 (II) Target Costing 611 (I)
Teilbetriebsergebnisrechnung im Kundengeschäft 396 ff. (I) Terminkurs 405 ff. (II) - arbitragefreier 410 (II) Terminrisiko 7, 513 (II) Testkäufe 567 (I) TEZ-Verfahren 142 ff. (I) Thetarisiko 385 (II) Tier 1; 2; 3 25 ff., 444 (II) Tilgungsverrechnungstermin 125 (I) Top down-approach 11 (I) Total Investor Performance (TIP) 499 ff. (I) Total Return Produkte 225 f. (II) Total-Risikopotential 15 (II) Trading Book 138, 671 (II) Tragfähigkeitsprinzip 610 (I) Transaktions-Rating 331 (I) Transaktionsrisiko 5 (II) Transfer von Risiken 522 (II) Transformationsergebnis 415 ff. (I) Transformationsfunktion 669 (II) Transformationsregel für Rating-Systeme 335 f. (I) Treasury Management-Kernfunktionen 669 ff. (II) Treasury-Erfolg 211 ff. (I) Treasury-Ergebnis 415 ff. (I) Treasury-Konzept der Marktzinsmethode 194 ff. (I) Triade des Ertragsorientierten Bankmanagements 2 (II) IJ-Wert Verfahren 557 (II) Typologie von GKM-Opportunitäts-/Gegengeschäften 97 ff. (I)
Verlustlimite 40 (II) Verlustpotential, kalkuliertes (Total-) 15 (II) Verlustrate - erwartet bei Ausfall 278, 281 (II) Verlustverteilung 499 f. (II) Verrechnungssaldo in der Filialkalkulation 399 (I) Verrechnungszins gemäß Marktzinsmethode 400 (I) Verrechungssaldo - Bewertung des 399 ff. (I) - einlagen- und kreditartendifferenzierter 400 (I) - kostenorientierter 399 f. (I) - lenkpreisorientierter 400 (I) - zinsspannenorientierter 400 (I) Verschuldungskrise 129 (II) Versicherungsprinzip der StandardRisikokostenkalkulation 332 (I) Verteilung 483 ff. (II) - theoretische 68 (II) Verteilungsannahme 96 (II) Verteilungsfunktion 68 (II) Verursachungsprinzip 637 (I) Vignette-Methode 575 (I) Volatilität 61 f. (II) Volatilität der Ausfallrate 170 (II) Volumen, risikoäquivalentes 240 ff., 277 (II) Volumen/Mengen-Relationen 391, 394 f. (I) Volumenabweichung 644 ff. (I) Volumenlimite 201 f. (II) Vorfälligkeitsentschädigung 275 f. (I) Vorleistungsrisiko 235 f. (II)
Übergewinn 305 f. (I) Unabhängigkeit von geschäftsstrukturellen Veränderungen 561 (II) Unerwarteter Verlust 314 (I), 156 ff. (II) Unexpected Loss 314 (I) Ungleichgewichtsbedingung - im Risiko-Chancen-Kalkül 52 ff. (II) Unternehmenswertsteigerung 481 (I) Ursachenanalyse 491 (II) Ursprungslaufzeit 262 (II) Ursprungsrisikomethode 242 (II) Usancen am Geld und Kapitalmarkt 125 (I)
Wachstumsabweichung 641 ff., 648 ff. (I) - geschäftsstellenspezifische 663 (I) - marktbedingte 662 (I) Wachstumspolitik, ertragsorientierte 2, 486, 536 ff. (I) Wahrscheinlichkeiten - bedingte 320 f. (I) - kumulierte 165, 190 (II) Wahrscheinlichkeitsverteilung von Kreditverlusten 315 (I) Währungsinstrument, klassich 432 (II) Währungsrisiko 7, 403 (II) Währungsswap 354, 412 ff. (II) Währungsswaphandel 404 (II) Währungstransformation, Zinsergebnis aus der 77 ff. (I) Währungstransformationsbeitrag 77 (I) Wechselkurs 403 (II) Weighted Average Cost of Capital (WACC) 486 (I) Wertanalyse 580 (I) Wertänderungen 174 (II) Wertbereich, Erfolgsbeiträge im 409 f. (I) Wertgenerierung, inkrementelle 486 ff. (I) Wertorientierte Unternehmensführung 480 f. (I) Wertbereichdienstleistungsrichtlinie 134 (II) Wertschöpfungskette 600 (I) Wertsynthese 20 (I) Werttreiber 481 (I) Wholesale Maßnahmen 298 (I)
Value at Risk 15 (I), 16 ff., 82 ff., 156 (II) - proportional adjustierter 547 ff. (II) Value Performance Rate 493 ff. (I) Variabel verzinsliche Geschäfte 96 (I) - Kalkulation 251 ff. (I) Varianz 61 (II) Variationsanalyse, parametrische 592 ff. (II) Vegarisiko 383, 385, 398 f., 443 ff. (II) Verantwortungsprinzip 637 (I) Verbrauchsabweichung 420, 642 (I) Verbriefung, von Forderungen, 524 (II) Verfahren, vereinfachtes 437 (II) Verfahrens-/Verhaltenskontrollen 21 (I) Vergleich, institutsinterner 654 (I) Verlust - erwartet 156 (II) - unerwartet 156 (II)
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Wiederanlage- oder Nachfinanzierungsprämisse 141 (I) Workout 328 (I) Worst case 438 ff. (II) Würfelmodell 387 ff. (I) Wurzelgesetz 41, 75 (II) Zahlungsmittel 403 (II) Zahlungsprofil - des Eigenkapitals 351 (I) - des Fremdkapitals 351 (I) Zahlungsstrombetrachtung 124 (II) Zahlungsströme, unsichere 250 ff. (I) Zeitarbitrage 413 (I) Zeitreihe 73 (II) Zeitwert 468 (II) Zentralbank 118 (II) Zentrale Steuerung 297 (I) Zentralergebnis 412 ff. (I) Zero-Base-Budgeting 628 f. (I) Zerobond, Effektivzins eines 170 (I) Zerobond-Abzinsfaktoren - Berechnung von 168 ff. (I) - für gespaltene Geld- und Kapitalmarktsätze 241 ff. (I) - Suboptimalität 245 ff. (I) Zerobondrendite, (Forward) 177 ff. (II) Zielanalyse 17 f. (I) Ziel-Eigenkapitalrentabilität 467 ff. (I) - Dekomposition 504 ff. (I) Ziel-RORAC 44, 524, 529, 566, 643, 659 ff. (II) Zielgrößen, gesamtbankbezogene 467 (I) Zielintegration 14 ff. (II) Zielkostenmanagement 611 f. (I) Zielplanung 17 f. (I) Zielvereinbarungen 298 f. (I) Zins- und Aktienposition, anrechnungspflichtige 379 (II) Zinsänderungsrisiko 6, 294, 379, 386 (II) - aufsichtsrechtliche Begrenzung 379 ff. (II) - Begrenzung des 349 ff. (II) - bonitätsinduziertes 294 (II) - Instrumente zur Limitierung 349 ff. (II) - Management des 298 ff. (II) - marktzinsinduziertes 294 (II) - Steuerung des 671 ff. (II) Zinsanpassungselastizität 102 (I), 330 ff. (II)
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Zinsbindungsbilanz 325 ff. (II) Zinsbuch 671 ff. (II) Zinsbuchsteuerung 669 ff. (II) - marktwertorientierte 669 ff. (II) - aktive 674 (II) - passive 674 (II) Zinselastizität 102 ff. (I), Zinsergebnis 413 (I) Zinsergebnissteuerung 287 ff. (I) - barwertige 287 ff. (I) - periodische 287 ff. (I) Zinsertragsbilanz 53 ff. (I) Zinsfutures 360 ff. (II) Zinsniveauabweichung 650 ff. (I) Zinsoption 357, 374 ff. (II) Zinsspanne, Immunisierung der 366 ff. (II) Zinspannenrisiko 294 ff. (II) - Quantifizierung des 325 ff. (II) Zinsparitätentheorie 406 (II) Zinsrisikomessverfahren 298 ff. (II) Zinssatz, risikofreier 496 (I) Zinsstrukturkurve - „Rutschen“ auf der 204 (I) - deterministische 209 f. (I) - inverse 74 (I) - normale 71 (I) Zinsswap 354 ff., 368 ff., 687 (II) Zinsszenarien 679 f. (II) Zinstagezählung, Methoden der 125 (I) Zinsüberschuss 424 (I) - Aufspaltung des 91 ff. (I) Zinsüberschuss-Barwert 200 f. (I) Zinsüberschussbeiträge 95 (I) - dezentral zu verantworten 95 (I) - zentral zu verantworten 95 (I) Zinsverrechnungstermin 125 (I) Zufallsvariable 67 (II) - diskret 67 (II) - stetig 67 (II) Zuordnungsprinzipien von Bank- und GKMGeschäften 97 ff. (I) Zusatzkapital 28 (II) Zuschlagskalkulation 369 f. (I) Zuschlagssatz 243 ff. (II) Zuwachssparen, Kalkulation 262 ff. (I) Zweite Grad-Abweichung 645 ff. (I) Z-Wert 69 ff. (II)
Autorenverzeichnis Prof. Dr. Dres. h. c. Henner Schierenbeck ist Ordinarius für Bankmanagement und Controlling sowie Vorsteher der gleichnamigen Abteilung am Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum der Universität Basel.
Prof. Dr. Michael Lister ist Inhaber des Lehrstuhls für Finanzen, Banken und Controlling an der School of Management and Innovation der Steinbeis-Hochschule Berlin.
Prof. Dr. Stefan Kirmße ist geschäftsführender Partner der Unternehmensberatung zeb/rolfes.schierenbeck.associates, Honorarprofessor der Wissenschaftlichen Hochschule Lahr und Privatdozent an der Universität Duisburg-Essen.
H. Schierenbeck et al., Ertragsorientiertes Bankmanagement, DOI 10.1007/978-3-8349-9142-3, © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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