JOHN KIRBY Flucht durch die Hölle Sie wurden gehetzt von Banditen und Comanchen – und alle wollten ihren Tod
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JOHN KIRBY Flucht durch die Hölle Sie wurden gehetzt von Banditen und Comanchen – und alle wollten ihren Tod
Die Hauptpersonen des Romans: Chuk Adams – Er hatte schon mit dem Leben abgeschlossen, aber dann bot sich ihm eine Chance zur Flucht aus dem Lager der Comanchen. Luz Murano – Sie wurde verraten von dem Mann, den sie liebte. Dario Navarro – Er war ein eiskalter Comanchero, den nichts anderes interessierte als reiche Beute. Joe Lamont – Der Händler witterte ein Geschäft, aber er hatte sich verrechnet. Alistair MacMahon – Er war es gewohnt, sich das, was er haben wollte, zu kaufen, aber Luz Murano war unerreichbar für ihn. * »Navarro!« Die harte, herausfordernde Stimme drang von der Straße herauf, durch das offene Fenster und hallte wider unter der niedrigen, von massiven Querbalken getragenen Decke. »Navarro, komm heraus! Ich bin es, Pablo Torres! Ich will mit dir um die Frau kämpfen. Unsere Colts sollen entscheiden, wem sie gehört. Hörst du mich, Navarro?« Luz Murano fühlte, wie Dario Navarros Lippen an ihrem Hals erstarrten. Das Fieber der Leidenschaft, das noch Sekunden -1-
zuvor ihren Körper hatte erschauern lassen, erlosch mit erschreckender Plötzlichkeit. Jetzt empfand sie die Kühle der Nacht, die mit dem Luftzug des Windes durch das offene Fenster kam. Sie öffnete die Augen und sah Helligkeit und Schatten vom Schein der Petroleumlampe auf dem Tisch über Wände und Decke des kleinen Raumes huschen. »Dario«, flüsterte sie und griff unwillkürlich nach einer Hand des Mannes, der neben ihr auf dem schmalen Bett gelegen hatte und sich nun aufrichtete. »Wer ist das, und was will er von dir?« Dario Navarro erhob sich, trat an das Fenster und warf einen Blick hinaus. Dann drehte er sich um, und sein Blick begegnete dem Luz Muranos. Sie saß hoch aufgerichtet auf der Lagerstatt, und das weiche, schwankende Licht der Petroleumlampe zeichnete jede Linie ihres schönen Körpers rotgolden vor dem Hintergrund der weißen Adobewand. Nachtschwarz, mit einem metallischen Schimmer, glänzte ihr langes, bis auf den Rücken herabfallendes offenes Haar. Ebenso schwarz waren ihre Augen, mit Wimpern, schwarz schimmernd wie Holzkohle, und der hohe Bogen der Wangenknochen gab ihnen am Ende eine leichte Schrägneigung nach oben. Brennend rot leuchteten die Lippen, die nun in Furcht vibrierten. »Wer ist dieser Mann, und warum will er mit dir kämpfen?« wiederholte sie mit bebender Stimme. »Deinetwegen will er mit mir kämpfen«, erwiderte er. »Er will dich mir wegnehmen. Und da er weiß, daß er mich töten muß, wenn er dich besitzen will, fordert er mich zum Revolverkampf heraus.« »Wirst du …?« Luz Murano stockte. »… die Herausforderung annehmen?« vollendete Dario Navarro den Satz an ihrer Stelle. »Ich habe keine Wahl. Torres und ich stehen beide außerhalb des Gesetzes. Das einzige Gesetz, das es für Männer wie uns gibt, ist das da.« -2-
Er deutete auf den Revolvergurt, der an einem Bettpfosten hing. Luz Murano folgte mit dem Blick seiner ausgestreckten Hand und schauderte unwillkürlich, als sie den Gurt mit den beiden Colts sah. Er war aus schwarzem Leder, die große Schnalle aus reinem Silber. In den Schlaufen schimmerten die Messinghülsen der 44er - 40er Revolverpatronen. Kalt blinkten die silbernen Colts mit den schneeweißen Elfenbeingriffen in den Zwillingshalftern. »Ich habe bemerkt, wie Torres dich anstarrte, als er dir zum ersten Mal begegnete«, fuhr Dario Navarro fort. »Und ich ahnte gleich, was geschehen würde.« Luz Murano fröstelte. Aber es war nicht die Kühle der Nacht, die sie zittern ließ. Es war die Angst, die wie eine eiskalte Hand ihr Herz umschloß. Als wollte sie den Bann der Furcht brechen, erhob sie sich, trat zu dem Mann, den sie liebte, umschlang ihn mit beiden Armen und legte den Kopf weit in den Nacken, so daß sie ihm in die Augen sehen konnte. »Was kümmert es dich, ob ein betrunkener Narr dich zum Revolverkampf herausfordert?« fragte sie ungehalten. »Verlangst du von mir, daß ich von diesem Fenster aus zusehe, wie du hinausgehst, um – um vielleicht erschossen zu werden?« Dario Navarro machte sich frei und hielt Luz Murano mit den Händen auf Armeslänge von sich ab. »Es gibt Dinge, die ein Mann tun muß«, erwiderte er, »und Kämpfe, denen er nicht ausweichen darf. Wenn er nicht festhalten kann, was ihm gehört, wird es ihm genommen. Vergiß nicht, daß auch ich dich einem Mann weggenommen habe.« »Du hast mich ihm nicht weggenommen, Dario, denn ich habe ihm nie gehört. Er hat weder meine Liebe noch meinen Körper besessen. Ich bin freiwillig mit dir gegangen, ohne -3-
danach zu fragen, wohin unser gemeinsamer Weg führen würde. Ich fühlte, daß ich dich ebenso liebte, wie ich den anderen Mann, den zu heiraten meine Familie mich zwingen wollte, haßte und verabscheute. Und um meiner großen Liebe willen bitte ich dich, nicht hinauszugehen.« »Dann müßte ich dich Torres lassen«, schloß Navarro, und ein Ausdruck von Härte trat auf sein Gesicht. Luz Murano schüttelte sich unwillkürlich. Er ließ sie los, setzte sich auf die Bettkante, zog seine Stiefel an und knöpfte die engen Gamaschenhosen über den Schäften zu. Dann stand er auf, schlüpfte in seine Jacke, griff nach dem Waffengurt und schnallte ihn um. Die Halfter mit den beiden Colts saßen nach mexikanischer Art so hoch an seinen Hüften, daß die Griffe fast seinen Ellenbogen berührten. Er setzte den Hut auf. Jetzt wirkte er noch düsterer in dem matten Lichtschein, der den Raum erfüllte. Seine Charro-Kleidung – die Gamaschenhosen, die kurze Bolerojacke, selbst das Hemd – war schwarz, verziert mit glitzernder Silberstickerei. Weiß hoben sich die elfenbeinernen Griffe der Colts von dem dunklen Untergrund ab. Der wagenradgroße schwarze Sombrero beschattete das scharfgeschnittene, verwegene Gesicht Navarros. »Dario«, begann Luz Murano, doch mehr als das eine Wort brachte sie nicht über die Lippen. Er sah sie einen Augenblick lang an, dann drehte er sich um und verließ das Zimmer. Die Tür fiel hinter ihm zu. Luz Murano kämpfte gegen den Bann der Furcht, unter dem sie stand. Sie wollte zur Tür, um den Geliebten zurückzuhalten, aber es war schon zu spät. Das Geräusch seiner Schritte war bereits verklungen. Eine Hand auf den Mund gepreßt, als wolle sie einen Aufschrei auf ihren Lippen ersticken, sah sie sich hastig nach ihrer Kleidung um. Schließlich griff sie nach dem -4-
Männerhemd, das sie zu tragen pflegte, streifte es über und lief zum Fenster. Der Platz vor der Bodega lag in hellem Mondlicht. Außerdem brannten unter ihrem Fenster zwei in verrosteten Eisenringen steckende Fackeln. In ihrem Schein erblickte Luz Murano deutlich den Mann, der keine zehn Schritte vor dem Eingang der Bodega stand. Er trug die übliche Charro-Kleidung und wie Navarro zwei Colts an den Hüften. Über seiner Brust und seinem Rücken kreuzten sich schwere Patronengurte. Der breitrandige Sombrero verbarg sein Gesicht vor Luz Muranos Blicken. Aber sie konnte sehen, wie er seine krummen Reiterbeine fest gegen die Erde stemmte, um einen sicheren Stand zu haben. Sein Oberkörper schwankte leicht vor und zurück. In der herabhängenden linken Hand hielt er einen fast leeren, ledernen Weinschlauch, seine Rechte lag auf dem Griff des Colts. Außer ihm war kein Mensch auf dem Marktplatz der kleinen mexikanischen Stadt Coyame zu sehen. Die niedrigen Lehmziegelhäuser jenseits des Platzes schienen sich tief in den Schatten der spanischen Missionskirche zu ducken, deren Turm mit der freihängenden Glocke fahlweiß in den Nachthimmel ragte. »Navarro!« hörte Luz Murano den Betrunkenen grölen. »Komm heraus, Navarro! Oder bist du zu feige, dich zum Kampf zu stellen?« Dann hörte sie eine Tür unter ihrem Fenster knarren und das dumpfe Geräusch von Stiefeln auf der schmalen Veranda, die sich vor der Bodega befand. »Hier bin ich, Torres«, sagte Dario Navarro und trat hinaus in den Lichtkreis der Fackeln. »Was willst du von mir?« »Du weißt genau, was ich von dir will: die Frau, mit der du nach Coyame gekommen bist. Ich will sie haben. Wenn ich dich töten muß, um sie zu bekommen, werde ich es tun.« -5-
»Du brauchst nicht weiterzureden, Torres«, entgegnete Navarro. »Zwischen uns sind Worte überflüssig. Die Frau ist mein, und mein wird sie bleiben. Bring mich um, wenn du kannst!« »Du willst wirklich dein Leben für sie aufs Spiel setzen?« Pablo Torres’ Stimme klang ungläubig und lauernd zugleich. »Sie ist es wert«, antwortete Navarro. »Ja, ich kenne ihren Wert«, sagte Torres höhnisch. »Und deshalb werde ich sie mir nehmen. Wenn du sterben willst, dann stirb!« Das letzte Wort war kaum über seine Lippen gekommen, als er den Weinschlauch fallen ließ, den er bisher in der Linken gehalten hatte. Und noch bevor dieser den Erdboden berührt hatte, zuckten Pablos Hände zu den Colts. Aber Dario Navarro zog mit einer fließenden Bewegung. Er war so schnell, daß Luz Murano ihm nicht mit den Augen folgen konnte. Das Krachen der Schüsse wurde von den Mauern der Missionskirche zurückgeworfen. Torres drückte ab, als sein Körper schon im Fallen war und die Mündungen seiner Colts bereits nach unten wiesen. Das Blei aus den Waffen fuhr vor seinen Stiefelspitzen in die Erde. Dann fiel er auf die Knie. Doch obwohl er tödlich verwundet war, flackerte der Lebensfunke noch immer in ihm. Mit einer verzweifelten Anstrengung hob er beide Hände und richtete die Revolvermündungen auf Navarro. Aber er kam nicht mehr dazu, die Zeigefinger noch einmal um die Abzugshähne zu krümmen. Dario Navarro stand mit leicht gespreizten Beinen da, die silbernen Colts im Hüftanschlag. Noch halb betäubt vom Dröhnen der Schüsse stand Luz Murano am Fenster und blickte hinab in Pablos bärtiges Gesicht, dessen Augen einen imaginären Punkt am Nachthimmel anzustarren schienen. -6-
Luz spürte ein Würgen in der Kehle, wandte sich, elend von Entsetzen und Widerwillen, ab und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand neben dem Fenster. Sie war jung und dem Tod in dieser grausamen Weise noch nie zuvor begegnet. Sie zitterte am ganzen Körper, und das Würgen in ihrer Kehle wollte nicht nachlassen. Eisige Schauer liefen ihr über den Rücken. Sie wußte nicht, wie lange sie so dagestanden hatte, als sie ein Geräusch an der Tür hörte. Das Entsetzen, das sie gefangengehalten hatte, verschwand von einer Sekunde zur anderen, und ihre Umgebung drang wieder in ihr Bewußtsein. Der Türriegel wurde zurückgeschoben, die Tür schwang nach innen auf, und Dario Navarro stand auf der Schwelle. Ihre Blicke trafen sich. Luz Murano überkam ungeheure Erleichterung darüber, daß der Mann, den sie liebte, lebend zu ihr zurückgekehrt war. Es war ein Gefühl, das alles andere auslöschte. Navarro nahm den Hut ab und warf ihn auf einen Hocker neben der Tür. Dann streckte er Luz die Arme entgegen. Mit einem erstickten Laut warf sie sich an seine Brust. Er umschlang sie, drückte sie an sich und vergrub sein Gesicht in ihrem duftenden schwarzen Haar. Sie hielt still. Noch nie zuvor war ihr die Anwesenheit eines anderen Menschen so sehr gegenwärtig geworden wie in diesem Augenblick. Ihr war, als gäbe es nur sie und ihn auf der Welt. »Du bist da, du bist wieder bei mir«, flüsterte sie erleichtert. »Hast du denn geglaubt, ich ließe dich in die Hände eines Mannes wie Pablo Torres fallen?« fragte er, und seine Stimme klang heiser. Er sagte ihr nicht, wie sehr er sie brauchte. Doch sie war ihm so nahe, daß sie sein Begehren fühlte, ohne daß er es in Worte kleiden mußte. *
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Es mochten Minuten, Stunden oder die halbe Nacht vergangen sein, als Luz die Augen öffnete, den Kopf zur Wand drehte und Dario neben sich liegen sah. Seine Lider waren noch geschlossen. Er schien zu schlafen. Sie stützte sich auf einen Ellenbogen und betrachtete sein scharfgeschnittenes, männliches Gesicht, das selbst im Schlaf nicht den besonderen Zug von Härte verlor, der sie manchmal erschreckte. Über sich selbst lächelnd, schüttelte sie den Kopf. Eine schwere, schwarze Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht. Sie strich sie zurück, dann, als könnte sie die körperliche Trennung von dem Mann, dem ihre Liebe gehörte, nicht länger ertragen, streckte sie die Hand aus und berührte sein Gesicht. Ihre Fingerspitzen zogen die Linien seiner geschlossenen Augen, seines Mundes und seines Kinns nach. Da öffnete er die Lider. »Ich liebe dich«, sagte sie schlicht, aber mit großem Ernst. Dann ließ sie ihren Kopf auf seine Brust sinken und umschlang ihn mit beiden Armen, um ihm so nahe wie möglich zu sein. »Es macht mich glücklich, dich zu berühren«, fuhr sie fort. »Ein Leben an der Seite dieses Americanos hätte ich nicht ertragen. Als meine Familie mich zwingen wollte, ihn zu heiraten, weil er bereit war, für mich zu bezahlen, hätte ich meinem Leben beinahe ein Ende gemacht. Dann aber kamst du, und ich wußte, daß ich weiterleben wollte – für dich.« »Die Muranos waren, ebenso wie meine eigene Sippe, eine der reichsten und ältesten Familien Mexikos«, stellte Dario Navarro bitter fest. »Doch nun, da die Americanos ihnen die Bergwerke, das Weideland, all die großen Besitzungen genommen haben, war die stolze Familie bereit, ihre Tochter an den Mann zu verkaufen, der sie ohne weiteres durch betrügerische Machenschaften um die letzten, kläglichen Reste ihres einstmals gewaltigen Vermögens bringen könnte. Für eine halbe Million US-Dollar waren sie willens, ihre eigene Tochter preiszugeben. Ich selbst habe keine Angehörigen mehr, und dieser Umstand hat mir wahrscheinlich manche -8-
Demütigung erspart. Ich habe nur noch das hier.« Er griff über seinen Kopf und zog einen der silbernen Colts aus der Halfter des Revolvergurts am Bettpfosten: »Damit werde ich mir einen Teil dessen zurückholen, was die Americanos meiner Sippe gestohlen haben, als sie Texas, Neumexiko und Arizona mit Betrug und nackter Gewalt von Mexiko abtrennten.« »Ich kann deine Handlungsweise verstehen«, antwortete Luz Murano. »Aber den aufständischen Indianern jenseits des Rio Grande Winchester-Gewehre zu verkaufen, das ist doch ausgesprochen gefährlich. Du hast mir selbst gesagt, daß die Americanos dich hängen würden, könnten sie deiner habhaft werden.« Dario Navarro lachte. »Das da«, er hielt ihr den Colt vor das Gesicht, »wird verhindern, daß ich in ihre Hände falle. Ich bin ein besserer Revolverkämpfer als jeder Americano.« »Ich weiß«, erwiderte sie schaudernd. »Aber jedesmal, wenn du den Rio Grande überschreitest, droht dir der Tod.« »Ich lebe, um zu kämpfen.« Er unterbrach sich, als draußen auf dem Korridor das polternde Geräusch von Stiefeln und das Klirren von Sporen laut wurden. Gleich darauf schlug jemand mehrmals mit der Faust gegen die Tür. Dario Navarro machte eine schnelle Handbewegung, und schon war die Mündung seines Colts auf die Tür gerichtet. »Qien es?« fragte er scharf. »Wer ist da?« »Manolo, Don Dario«, antwortete eine Männerstimme. »Gabriel ist von der anderen Seite des Rio Grande zurückgekehrt. Er hat eine versiegelte Nachricht für Sie mitgebracht.« Eine Unmutsfalte teilte plötzlich Navarros Stirn. Er schien Mühe zu haben, seinen Ärger zu bezwingen. Verständnislos fing Luz Murano seinen raschen Seitenblick auf. Sie konnte ihn nicht deuten. -9-
»Bueno, ich komme«, erwiderte Navarro. Er schob den Colt in die Halfter, erhob sich und kleidete sich an. Als er den Waffengurt um seine Hüften schlang, sah er auf Luz nieder, die sich in eine Decke gehüllt hatte. »Versuche zu schlafen«, riet er ihr. »In wenigen Stunden wird es dämmern. Und noch bevor die Sonne aufgeht, werden wir mit den Wagen zum Rio Grande aufgebrochen sein. Ich werde Manolo als Wachtposten vor der Tür lassen. Du brauchst keine Angst zu haben.« »Ich habe nur Angst um dich, nicht um mich«, fiel sie ihm ins Wort. »Du betreibst ein gefährliches Geschäft, Dario.« »Vielleicht nicht mehr lange. Vielleicht werde ich es bald nicht mehr nötig haben, Waffenhandel mit den Indianern zu treiben«, deutete er rätselhaft an. Doch bevor Luz Murano eine Frage über die Lippen bringen konnte, hatte er den Raum schon verlassen. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloß. Luz ließ sich zurücksinken und blickte zur Decke hinauf, wo der flackernde Schein der Petroleumlampe schwankte und tanzte. Dario Navarros Worte hatten die alte Wunde in ihrem Herzen, nämlich die Scham über das, was ihre eigene Familie ihr hatte antun wollen, wieder aufgerissen. Nur Navarro hatte sie davor bewahrt, durch die Hand des verhaßten Americanos entehrt zu werden. Selbst wenn sie Dario Navarro weniger geliebt hätte, als sie es tat, hätte seine Hilfe schon ausgereicht, ihm ihre Treue bis an das Ende aller Tage zu sichern. Dann erinnerte sie sich an seine seltsame Andeutung, daß er nicht mehr lange gezwungen sein würde, Waffenhandel mit den aufständischen Comanchen in Texas zu treiben. Sie rätselte daran herum, ob die Wagenladungen, die er diesmal über den Rio Grande bringen wollte, einen so großen Gewinn abwerfen würden, daß er damit ein neues Leben beginnen konnte – ein Leben an ihrer Seite, irgendwo in Mexiko … - 10 -
Es gab immer wieder Stunden, in denen ihr klarwurde, wie wenig sie eigentlich von dem Mann wußte, den sie liebte. Manchmal war er ihr auf eine Weise fremd, die sie selbst nicht zu erklären vermochte. Aber was hätte sie anderes von einem Mann erwarten können, der das Dasein eines Revolvermannes, eines Comancheros führte? Das Wissen um ständig lauernde Gefahren verwandelt einen Menschen, dachte sie. Der Colt gehörte zu Dario Navarro wie sein eigener Schatten. Erst eine Stunde zuvor hatte sie mit angesehen, wie er im Revolverduell einen Mann getötet hatte, und wenige Minuten später hatte sie sich ihm hingegeben. Ja, erkannte sie, Gesetzlosigkeit verändert die Menschen. Alles Gute und alles Böse kommt dann deutlich zum Vorschein. Auch mich hat dieses Leben verändert. Auch ich bin nicht mehr die, die ich einmal war. Aber das schien ihr bedeutungslos im Vergleich zu der Liebe, die sie für Dario Navarro empfand. Sie griff nach ihrem Hemd und schlüpfte hinein. Sie zog die Decke bis zu den Hüften hoch und rief: »Manolo!« Die Tür wurde aufgestoßen, ein Mann erschien auf der Schwelle. Er hielt eine Winchester im Hüftanschlag, den Zeigefinger um den Abzug gekrümmt. Rasch und mißtrauisch wanderte sein Blick durch den Raum. Er trug abgewetzte Charro-Kleidung, einen Colt an der rechten Hüfte und gekreuzte Patronengurte über den Schultern. Seine Gestalt war untersetzt, die Beine vom Reiten gekrümmt. Er hatte ein altes, zerfurchtes Gesicht, einen kurzen, ergrauten Bart und hellere Augen, als Luz Murano sie jemals bei einem ihrer mexikanischen Landsleute gesehen hatte. Selbst der Schatten der wagenradgroßen Krempe des abgegriffenen Sombreros, den Manolo trug, konnte seine Augen nicht verdunkeln. »Dona Luz?« »Komm herein, Manolo«, forderte sie ihn auf. »Schließ die - 11 -
Tür. Sag mir, was in der Nachricht stand, die für Dario aus Texas gebracht wurde!« Der Graubärtige ließ die Tür hinter sich ins Schloß fallen. Die Winchester in beiden Händen, stand er da und erwiderte Luz Muranos Blick. »Der Brief war versiegelt, Dona Luz«, antwortete er ausweichend. »Manolo, du hast für meine Familie gearbeitet, als die Muranos noch reich und mächtig waren«, sagte sie. »Du hast mich schon gekannt, als ich noch ein Kind war. Wir beide können einander doch vertrauen.« »Das ist wahr, Dona Luz«, bestätigte Manolo mit schwerfällig klingender Stimme. »Ich ging mit Ihnen zu Dario Navarro. Zum einen, weil ich in Ihrer Nähe bleiben wollte. Ich habe nicht vergessen, daß ich es war, der Sie zum erstenmal auf ein Pferd setzte. Ich habe keine Kinder. Aber Sie waren mir immer wie eine Tochter.« »Dann berichte mir, was in dem Brief gestanden hat«, bat Luz Murano. »Darios Gesicht hat sich verändert, als du die Nachricht erwähntest. Manolo, ich weiß, ich kann mich auf deine Treue verlassen. Du mußt mir die Wahrheit sagen. Ich liebe Dario. Alles, was ihn angeht, ist auch meine Sache. Ich will, und ich muß es wissen, wenn ihm Gefahr droht. Was stand in dem versiegelten Brief?« »Ich weiß es nicht, Dona Luz.« »Heute nacht ist viel geschehen, Manolo. Mehr und mehr beschleicht mich das Gefühl, daß dies keine gute Nacht ist. Ich habe Angst. Ich weiß nicht, warum. Aber ich habe Angst. Vielleicht, weil ich mit ansehen mußte, wie Dario Pablo Torres erschoß.« Das war keine Feststellung mehr, sondern schon eine Frage. Doch sie erhielt von Manolo keine Antwort darauf. Als sie ihm in die Augen sah, wich er ihrem Blick aus und starrte auf die Winchester in seinen Händen. Sein Verhalten berührte sie - 12 -
seltsam, denn solange sie sich erinnern konnte, war er ihrem Blick nie ausgewichen. »Manolo«, fuhr sie eindringlich fort, »wenn es auf der anderen Seite des Rio Grande zu einem Kampf kommt, dann beschütze den Mann, den ich liebe. Willst du mir das versprechen?« Manolo schwang den Lauf seiner Winchester auf die rechte Schulter, den Finger noch immer in den Abzugsbügel gehakt. Mit dem Kinn wies er auf den leeren Ziegenledersack, der an einem Wandhaken hing. »Der Weinschlauch ist leer«, stellte er fest. »Soll ich ihn wieder füllen lassen, Dona Luz?« * Als sie den dünnen, schmutziggelben Rauch sahen, den der heiße Wüstenwind hinter den fernen Hügeln emporwirbelte, und das unregelmäßige Gewehrfeuer hörten, zügelte Dario Navarro seinen schwarzen Hengst, und Luz Murano sah, wie seine rechte Hand langsam zum Elfenbeingriff des Colts glitt. Auch sie hielt ihr Pferd an und lauschte auf das Peitschen der Schüsse. Navarro richtete sich in den Steigbügeln auf, drehte sich im Sattel um, nahm seinen Sombrero ab und gab damit den beiden Planwagen, die hundert Meter hinter ihm heranrollten, das Zeichen zum Halt. Gabriel Apodaca galoppierte nach vorn und brachte sein Pferd neben Navarro mit einem so harten Zügelruck zum Stehen, daß das Tier in den Hinterbeinen einknickte. Der Vaquero war ein gefährlich aussehender Mann mit sichelförmigem Schnurrbart und stechenden schwarzen Augen. Sein breites, narbiges Gesicht zeigte deutlich einen indianischen Einschlag. »Mierda!« fluchte er auf Spanisch, und seine Mundwinkel zuckten verächtlich unter den herabhängenden - 13 -
Schnurrbartenden. »Diese verdammten Comanchen! Immer müssen sie alles niederbrennen. Hoffentlich haben sie nicht auch noch den Rest in den Flammen umkommen lassen, sondern genügend übrigbehalten, so daß sich der Handel mit ihnen lohnt.« Sie befanden sich seit Mitternacht in Texas. Im Mondlicht hatten sie den Rio Grande durchquert, nachdem Dario Navarro und Apodaca eine Furt ausfindig gemacht hatten, die weder von US-Kavallerie noch von den Texas-Rangers, den Todfeinden der Comancheros, überwacht wurde. Nun lag der Grenzfluß zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten schon fünfundzwanzig Meilen hinter ihnen, und vor ihnen erhoben sich die Ausläufer der Vieja-Berge – ein wildes, einsames Land, glühend unter einer unbarmherzigen Sonne. Zum erstenmal hatte Luz Murano den US-Staat Texas betreten, wo jedem Comanchero im Jahr 1875 der Strick oder – wenn er Glück hatte – eine Kugel drohte. »Iron-Jacket hat noch immer gute Preise für WinchesterGewehre und Patronen bezahlt. Diesmal wird es genauso sein. Er wird es dir gleich selbst bestätigen, Gabriel«, prophezeite Dario Navarro seinem Begleiter. Das Gewehrfeuer war plötzlich verstummt, und wie aus dem Nichts tauchten jetzt vierzig, fünfzig Reiter aus einer zunächst unsichtbaren Bodensenke zwischen den Hügeln auf und kamen im Schritt und in fächerförmiger Linie heran. Dario Navarro schob mit dem Daumen die lederne Sicherheitsschlaufe vom Hammer seines rechten Colts und hakte die Zeigefinger in den Abzugsbügel. Apodaca tat es ihm nach. Sie warteten in untätiger Spannung. Luz Murano fühlte einen eisigen Schauer über ihren Rücken rinnen, als die Indianer, kaum zehn Schritte entfernt, ihre Pferde anhielten. Einer von ihnen hob mit der rechten Hand eine Winchester in Schulterhöhe und stieß einen rauhen, kehligen Laut aus. Auf dem Kopf trug er eine Büffelfellhaube, - 14 -
aus der zwei krumme Hörner ragten. Das von seiner Kopfbedeckung herabhängende Fell war weit geschnitten und fiel wie ein Mantel um seine Schultern. Seine Hosen aus rotem Stoff bedeckten die Oberschenkel bis zum Knie und gingen dann wieder in Bisamfell über. Adlerfedern wehten von seinen Schultern und dem unteren Rand des zottigen Umhangs. Darunter trug er einen alten spanischen Brustpanzer, in dem sich die Sonne spiegelte. Doch das Gesicht des Comanchen war noch weitaus eindrucksvoller. Luz Murano konnte den Blick nicht von ihm wenden. Die Lider der grausam funkelnden Augen waren weiß bemalt, ein ockerfarbener Streifen zog sich über den Nasenrücken empor und umschloß die Augen. Diese Bemalung verlieh dem dunklen Gesicht einen unmenschlichen Ausdruck. Luz konnte sich seiner Wirkung kaum entziehen. »Buenas tardes, jefe!« begrüßte Dario Navarro die Ankömmlinge, denn Spanisch war die einzige Sprache, die Comanchenbanden am Rio Grande außer ihren eigenen Stammesdialekten beherrschten. »Wir haben Gewehre und Patronen in den Wagen, um mit dir Handel zu treiben.« »Du mein alter Freund«, erwiderte der Indianer, der des Spanischen nur gebrochen mächtig war. »Wir reden viel, wir trinken viel, wir handeln viel. Mein Lager dort. Komm!« Er deutete mit dem Lauf seines Winchester-Karabiners nach Osten, wo die wildgezackte Kette der Vieja-Berge durch den zitternden Sonnenglast schimmerte. »Du viel Whisky?« fragte er dann fast beiläufig, und seine Stimme klang lauernd. »Einen ganzen Wagen voll, wenn du das bezahlen kannst«, nickte Dario Navarro. »Ich viel Gold, viel Vieh, viele Pferde«, gab der Comanche zurück. »Wir handeln. Komm!« Navarro nahm die Hand vom Colt und richtete sich in den Steigbügeln auf, um den Wagen das Zeichen zum Anrollen zu - 15 -
geben. Dreimal stieß er die rechte Faust in die Höhe. »Adelante, Muchachos!« erscholl seine Stimme. »Wir fahren weiter!« Auf dem Bock jedes Planwagens saßen zwei Männer. Die langen Zügelriemen der sechs Maultiere, die das erste Gefährt zogen, lagen in Manolos Händen. Er feuerte das Gespann mit einem Schrei an, die Tiere legten sich schnaubend ins Geschirr, und der schwere Wagen ruckte und schwankte. Die großen Räder mahlten einen Augenblick lang leer im Sand, aber dann begann der Planwagen langsam nach Osten zu rollen. Eine Staubfahne erhob sich und hüllte den zweiten Wagen völlig ein. Luz Murano ritt zwischen Dario Navarro und Apodaca in die Bodensenke hinab, aus der kurz zuvor die Comanchen aufgetaucht waren. Sie war noch immer von Rauch und dem Gestank schwelender Brände erfüllt. Drei brennende Wagen – zwei davon umgestürzt – wurden von prasselnden Flammen umlodert. Tote Maultiere hingen in den Geschirren. Neben einem der Wagen lag ein Mann. Eine lange, federgeschmückte Comanchenlanze ragte aus seinem Rücken. Wenige Schritte davon entfernt ein zweiter, die Brust von Schüssen zerfetzt. Beide waren durch Tomahawk-Hiebe grausam verstümmelt. Auf dem Hinterrad eines der umgestürzten Wagen war der Körper eines dritten Mannes mit gespreizten Armen und Beinen festgebunden. Sein Kopf hing herab. Er war tot. Seine Kleidung hatte bereits Feuer gefangen. Mehr konnte Luz Murano nicht erkennen, denn der heiße Wüstenwind drückte die Rauchschwaden zu Boden, so daß sie den Anblick unmenschlich grausamer Zerstörung mehr und mehr vor ihr verbargen. Der Gestank, der die Luft verpestete, ließ ihr eine würgende Übelkeit in die Kehle steigen. Unwillkürlich preßte sie eine Hand vor den Mund. - 16 -
»Dieser stinkende Qualm stammt von brennenden Büffelhäuten«, erklärte Dario Navarro, unberührt von den Schrecken, an denen sie vorbeiritten. »Die Toten waren Büffeljäger. Die Comanchen hassen von allen Americanos die Büffeljäger am meisten und bereiten ihnen ein grauenvolles Ende, wenn sie lebend in ihre Hände fallen. Die Büffeljäger sind die schlimmsten Feinde der Comanchen – gefährlicher als die US-Kavallerie und die Texas-Rangers –, denn sie schießen die Bisons zu Hunderttausenden ab und nehmen den Indianern so die Nahrung. Die meisten Comanchen hat der Hunger schon in die Reservationen getrieben. Nur Iron-Jacket und ein paar andere Häuptlinge morden, brennen und plündern mit ihren Banden noch immer in West-Texas. Sie glauben noch immer, wenn sie nur genügend Weiße töten, werden die Büffel, die alten Zeiten und die Freiheit zurückkehren. Und dazu …« »Dazu brauchen sie Winchester-Gewehre und Patronen«, vollendete Luz Murano Navarros begonnenen Satz. »Um damit Menschen zu töten – Männer und wahrscheinlich auch Frauen und Kinder.« »Die Americanos sind meine geschworenen Feinde. Sie haben meiner Familie alles gestohlen. Warum sollte ich sie also schonen?« erwiderte Dario Navarro. Sein Gesichtsausdruck wurde kalt und hart, »Die Americanos haben auch nicht danach gefragt, was mit uns geschehen würde, als sie uns unsere Besitztümer und unser Land raubten. Was ist mit dir, Luz? Ich denke, du haßt die Americanos? Schreckt dich der Anblick von ein paar Toten?« »Ja«, gab Luz Murano zu, »aber noch mehr schreckt mich der Gedanke, daß sie mit Waffen getötet wurden, die du den Comanchen verkauft hast.« Dario Navarro lachte auf. »Mich schrecken die Toten nicht.« »Manchmal bist du mir fremd«, sagte sie leise, und der Klang ihrer Stimme verriet, daß sie schauderte. »Manchmal habe ich - 17 -
das Gefühl, sehr, sehr weit von dir entfernt zu sein – auch wenn ich dir so nahe bin, daß ich nur die Hand ausstrecken müßte, um dich zu berühren. Bedeuten andere Menschen dir überhaupt etwas, Dario?« Seine Augen verengten sich. »Ich gelte bei den Mexikanern und den Americanos als Bandit«, antwortete er. »Würde ich mich von Gefühlen leiten lassen, Wäre ich bald ein toter Mann. Aber ich will nicht sterben, Luz. Um keinen Preis. Ich will leben. Und wenn ich andere töten muß, um am Leben zu bleiben, dann tue ich es.« »Dann bist du nicht besser als der Mann, dem du mich weggenommen hast«, entgegnete Luz Murano fest. »Auch er kannte weder Mitleid noch Erbarmen mit anderen. Ihn würde der Anblick toter Menschen auch nicht schrecken. Und dabei war ich so sicher, daß du anders seist.« »Ich bin, wie ich bin«, unterbrach er sie zornig. »Ich glaube, du siehst in den meisten Menschen nur Feinde, die du mit deinen Colts töten mußt, Dario. Ich fange an, dich zu sehen, wie du wirklich bist. Dir bedeutet kein Mensch etwas – vielleicht nicht einmal ich.« * Das Dorf der Comanchen zog sich jenseits eines flachen Wasserlaufs in der sonnenverbrannten Wüste hin, zwischen Dorngestrüpp und verdorrten Cottonwoodbäumen, die kaum Schatten gaben. Jetzt, mitten im Sommer, führte der Fluß nur wenig Wasser. Es reichte kaum an die Naben der großen Wagenräder. Die Kutscher peitschten auf die Maultiere ein, die aus Leibeskräften zogen. Die eisernen Radreifen knirschten auf den Steinen, die den Grund des Flußbettes bedeckten. In eine Wolke von glitzerndem Wasserstaub gehüllt, jagten die schweren Planwagen hintereinander zum anderen Ufer hinüber. - 18 -
Luz Murano zwang ihren Braunen mit einem Sporenstoß die jenseitige Uferböschung hinauf. Die Büffelhautzelte der Comanchen mit ihren rußgeschwärzten Rauchklappen lagen hell im Sonnenschein. Überall weideten riesige Pferdeherden, und Krieger, Squaws, Kinder und ganze Scharen magerer, halbverhungerter Indianerhunde kamen den Wagen der Comancheros entgegen. Der Geruch von Schmutz und dem beißenden Holzrauch vieler Feuer erfüllte die Luft. Dann wurde Luz Muranos Aufmerksamkeit abgelenkt. Während sie neben den holpernden Wagen durch das Comanchenlager ritt, sah sie zwischen zwei Büffelhauttipis ein aus geschältem Stangenholz bestehendes mannshohes Gerüst, an dem ein Mann mit ausgebreiteten Armen festgebunden war. Man hatte ihm das Hemd vom Leib gerissen. Sein Kopf hing vornüber. Es war ein Weißer mit aschblondem Haar. Neben ihm stand ein Comanche mit einer Winchester in der linken Armbeuge und trug einen Revolvergurt mit einem Armeecolt in der Halfter um die Hüften geschlungen. Als die Wagen vorbeifuhren, hob der Gefangene mühsam den Kopf und sah zu Luz Murano auf. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke, dann sank das Kinn des Mannes wieder auf die Brust. »Wer ist das?« fragte Dario Navarro, der neben Iron-Jackett ritt. Der Indianer deutete auf den Gefangenen. »Er Texas-Ranger«, erwiderte er mit seiner kehligen Stimme in gebrochenem Spanisch, und in seinen dunklen Augen loderte der Haß wie eine Flamme auf. Mit seinem wilden Lächeln zeigte er Zähne wie ein Wolf. »Wir fangen TexasRanger. Er morgen Tod der tausend Martern sterben. Heute wir reden, handeln und trinken viel.« Im Weiterreiten drehte sich Luz Murano im Sattel um. Wie gebannt hing ihr Blick an dem Mann, der an das Gerüst gefesselt war. - 19 -
Die Wagen erreichten die jenseitige Grenze des Comanchenlagers. Navarro gab das Zeichen zum Halt. Die Kutscher kurbelten die Bremsklötze an den Rädern fest, schlangen die Zügelleinen um die eisernen Kurbelgriffe und stiegen, müde und steifbeinig durch die mühselige Fahrt, von den Böcken. Dabei benutzten sie geschickt die Speichen der Vorderräder als Trittleitern. Sofort waren die Planwagen von Indianern umgeben, die aufmerksam abwarteten, was sich jetzt abspielen würde. Die wilden, breitflächigen Gesichter der Comanchen mit ihren funkelnden, dunklen Augen flößten Luz Murano Angst ein. Viele der Indianer trugen Winchester-, Spencer- oder Henry-Repetiergewehre und mit Patronen gefüllte Munitionsgurte. Manche waren nackt bis auf Lendenschurz und Mokassins und nur mit Adlerfedern geschmückt. Einige waren in Hemden oder Uniformjacken gehüllt, wieder andere trugen schwarze Truppenhüte auf dem strähnigen Haar und hatten gelbe Kavalleriehalstücher um ihre Hälse gewunden – Beutestücke von Überfällen oder aus Gefechten gegen die USArmee. Luz saß ab. Dario Navarro ritt um die Wagen herum und vergewisserte sich, daß die Planen überall gut festgezurrt waren. Er zog an den Seilen, die durch metallgefaßte Ösen in der steifen Leinwand liefen, und rüttelte an den hinteren Klappen der Wagenkästen. »Stell einen Wachtposten zu jedem Wagen«, sagte er halblaut zu Apodaca. »Diese Comanchen stehlen wie hungrige Wölfe«, fügte er erläuternd hinzu. Den Kutschern befahl er dann: »Spannt die Maultiere aus, und treibt sie zusammen. Vorwärts, beeilt euch! Adelante! Adelante!« Luz riet er: »Du bleibst bei den Wagen!« Dann setzte er seinem schwarzen Hengst die Sporen an und galoppierte mit Iron-Jacket davon. Die meisten Comanchen folgten ihnen. Nur - 20 -
wenige Krieger blieben – offenbar als Wachtposten – zurück. Luz Murano hatte den Eindruck, daß die Indianer die Comancheros in gewisser Weise als Gefangene betrachteten. Stumm und regungslos standen sie da, die Zeigefinger in die Abzugsbügel ihrer Winchester-Gewehre gehakt, aber ihren aufmerksamen Augen entging nichts. Luz suchte mit den Blicken nach Manolo. Der Graubart war gerade dabei, seinen Maultieren die Geschirre abzunehmen, während Apodaca und die übrigen Comancheros aus Seilen und Holzpfählen einen behelfsmäßigen Korral errichteten. Ihr Pferd am Zügel hinter sich herziehend, ging Luz Murano auf ihn zu. Als sie vor ihm stehenblieb, sah er auf und sagte: »Die verstümmelten Toten waren kein schöner Anblick, nicht für einen Mann, und schon gar nicht für eine Frau. Aber die Comanchen verstümmeln nun einmal ihre erschlagenen Feinde. Und die, die lebend in ihre Hände fallen, martern sie zu Tode.« »Und Dario liefert ihnen Winchester-Gewehre und Munition, mit denen sie solche unmenschlichen Grausamkeiten begehen«, entgegnete sie bedrückt. »Weiß er denn nicht, was er tut, wenn er Waffenhandel mit den aufständischen Indianern treibt?« »Er weiß es, er weiß es ganz genau«, sagte Manolo und warf die Maultiergeschirre auf den Bock seines Wagens. »Aber die Comanchen zahlen für jedes Gewehr, für jede Patrone, für jede Flasche Schnaps den zehnfachen Preis in Gold, erbeutetem amerikanischem Geld und gestohlenen Pferden oder Rindern. Männer wie Dario Navarro fragen nicht danach, ob an dem Geld, das sie verdienen, Blut klebt. Er hat nur zwei Freunde – seine Colts. Er hält nur einem Menschen die Treue – sich selbst. Jeden anderen würde er verraten und verkaufen, wenn nur die gebotene Summe hoch genug wäre.« Luz Murano sah ihm in die hellen Augen, und diesmal wich er ihrem Blick nicht aus wie in jener Nacht in Coyame. Das - 21 -
unheimliche Gefühl, daß sich – unbemerkt von ihr – in der Zwischenzeit etwas Unwiderrufliches ereignet hatte, beschlich sie. Unvermutet kam ihr die versiegelte Nachricht, die Gabriel Apodaca für Navarro über den Rio Grande nach Coyame gebracht hatte, wieder in den Sinn. Offenbar war dieser Gedanke die ganze Zeit über in ihr lebendig gewesen, ohne daß sie sich dessen bewußt geworden war. Manolos plötzliche, versteckte Andeutung hatte jetzt ausgereicht, sie wieder daran zu erinnern. »Was willst du damit sagen?« fragte sie ihn forschend, um endlich Aufklärung über den geheimnisvollen Vorgang in jener Nacht zu erhalten. »Ich habe seit damals in Coyame nach einer Gelegenheit gesucht, unbelauscht mit Ihnen zu reden, Dona Luz. Doch das erwies sich als unmöglich, weil Sie sich immer in Navarros Nähe aufhielten«, antwortete Manolo leise. Unauffällig sah er sich nach den anderen Comancheros um, dann nahm er zwei Seilenden aus dem Wagen und band die sechs Maultiere in zwei Gruppen zusammen. »Helfen Sie mir, die Tiere zum Fluß zu treiben und zu tränken, Dona Luz!« bat er sie laut. Und mit gedämpfter Stimme fügte er hinzu: »Ich muß mit Ihnen sprechen. Es ist vielleicht Ihre letzte Chance.« Der beschwörende Klang seiner Stimme verriet ihr, daß es ihm ernst war mit dem, was er sagte. Sie schlang die Zügel ihres Braunen um die Wagendeichsel, dann nahm sie das eine Seilende aus Manolos Hand. Am Comanchendorf vorbei, führten sie die sechs Mulis zum Fluß und ließen sie am Ufer saufen. »Ich weiß jetzt, was in dem Brief stand, den Gabriel nach Coyame brachte«, begann Manolo nach einem Augenblick des Schweigens. Er stützte seine Hand auf den Widerrist eines Maultieres, die andere legte er auf seinen Colt. Das Sprechen schien ihm nicht leichtzufallen, denn die Worte kamen nur - 22 -
mühsam und zögernd über seine Lippen. »Dieser Americano, Dona Luz, der Sie begehrt und den zu heiraten Ihre Familie Sie zwingen wollte, hat Navarro eine Nachricht geschickt, daß er bereit sei, einhunderttausend Dollar in Gold für Sie zu bezahlen.« »Wie?« Luz’ Stimme versagte. »Dona Luz, ich glaube, daß Dario Navarro von Anfang an nichts anderes im Sinn hatte, als Sie gegen ein ungeheures Lösegeld an diesen Americano auszuliefern. Er hat Sie nicht entführt, weil er Sie liebte. Für ihn war alles nur ein kalt berechnetes Geschäft. Ein Comanchero wird selten reich, und am Ende droht ihm ein Strick oder eine Kugel. Navarro aber will Geld, viel Geld. Was immer er Ihnen erzählt hat, Dona Luz, es war nur eine einzige große Lüge. Für hunderttausend Dollar will er Sie verkaufen, und ich glaube, daß bis dahin nur noch wenige Tage vergehen werden. Wenn er das Geld erst hat, kann Dario Navarro Texas für immer den Rücken kehren. Ich habe nur einen kurzen Blick auf das versiegelte Schreiben werfen können, als Navarro es eine Minute lang offen auf den Tisch der Bodega in Coyame liegen ließ. Und die Sprache der Americanos ist mir nicht sehr geläufig. Aber ich habe genug gelesen, um Sie zu warnen. Nehmen Sie sich in acht vor ihm. Auch Gabriel Apodaca und andere Comancheros scheinen von diesem unwürdigen Handel zu wissen. Und einer von ihnen muß Pablo Torres gewesen sein. Aus Andeutungen, die Gabriel gemacht hat, konnte ich entnehmen, daß es bei dem Revolverkampf zwischen Navarro und Torres um Sie ging. Torres wollte Sie Dario Navarro wegnehmen, um selbst das Lösegeld zu kassieren. Aber er war betrunken und nicht schnell genug mit dem Colt – deshalb mußte er sterben. Don Dario hat ihn nicht um Ihrer Liebe, sondern um hunderttausend Dollar in Gold willen erschossen, Dona Luz.« Manolos Gesicht verschwamm vor Luz’ Augen. Sie hatte auf einmal den Eindruck, ihn aus weiter Ferne zu hören. Eine jähe - 23 -
Schwäche überfiel sie, und sie mußte sich gegen eines der Mulis lehnen. Alles Blut wich aus ihrem Gesicht. Sie wollte etwas sagen, bewegte die Lippen, brachte aber keinen Laut hervor. Das Maultier, an dem sie sich festhielt, tat ein, zwei Schritte zur Seite, um das Gewicht an seiner Flanke loszuwerden. Luz Murano taumelte, doch da war Manolo schon bei ihr und hielt sie fest. »Ich weiß, daß dies ein schlimmer Augenblick für Sie ist, Dona Luz«, sagte er rasch. »Aber es ist nicht der geeignete Moment, Schwäche zu zeigen. Sie müssen fort von hier – und zwar schnell.« Mit einer heftigen Bewegung machte sich Luz von ihm frei. »Ich glaube kein Wort von dem, was du gesagt hast«, stieß sie hervor, noch immer bleich bis auf die Lippen. Aber was sie noch mehr erschreckte als das Gehörte, war die Tatsache, daß sie in ihrem Innersten bereit war, Manolo zu glauben und mit ihrem unbeherrschten Ausbruch offenbar nur sich selbst belügen und beruhigen wollte. »Das glaube ich nicht, bevor Dario es mir selbst gesagt hat«, setzte sie hinzu, und ihre eigene Stimme klang ihr fremd in den Ohren. »Mag sein, daß er Ihnen jetzt die Wahrheit sagen würde, vielleicht würde er aber auch alles leugnen«, erwiderte Manolo. »Doch von dem Moment an, in dem er erfahren hätte, daß Sie die Wahrheit kennen, wären Sie nichts anderes mehr als seine Gefangene. Und Ihre letzte Chance zur Flucht wäre vertan. Sie würden unweigerlich für hunderttausend Golddollar an den Americano verkauft, den Sie hassen. Sie wissen, was ihm Geld bedeutet. Wir müssen jetzt kaltes Blut bewahren, Dona Luz, und genau überlegen, was zu tun ist. Möglicherweise geht es jetzt um unser beider Leben.« Luz Muranos Blick flackerte. »Fliehen?« fragte sie. Aber wohin? Dario wird nicht zulassen, daß ich das Lager verlasse. Er würde mich sofort verfolgen.« - 24 -
»Vielleicht gibt es in den Bergen im Osten ein Versteck, wo zwei Menschen sich verbergen können«, unterbrach Manolo sie. »Aber ich kenne Texas nicht. Doch es gibt einen Mann, dem es gelingen mag, Navarro und seine Banditen und die Comanchen von Iron-Jacket abzuschütteln.« »Wer soll das sein?« »Der Texas-Ranger.« »Aber – aber er ist ein Gefangener und wird bewacht. Niemand kann an ihn herankommen und schon gar nicht befreien. Doch selbst, wenn das gelänge, er könnte sich kaum im Sattel halten. Er ist zu schwach. Außerdem, was soll aus dir werden, wenn du nicht …?« Abermals unterbrach Manolo sie: »Denken Sie nicht an mich, Dona Luz. Denken Sie an sich selbst. Ich komme schon zurecht. Und dieser Texas Ranger scheint ein kräftiger Mann zu sein. Er wird sich schon im Sattel halten, wenn es um sein und Ihr Leben geht. Fünfzig Meilen östlich von hier – auf der anderen Seite der Vieja-Berge – liegt Fort Davis. Wenn Sie es erreichen, sind Sie in Sicherheit.« »Was hast du vor, Manolo?« »Navarro und Iron-Jacket feilschen jetzt um die WinchesterGewehre und die Munition in den Planwagen«, antwortete der Graubärtige. »Wenn der Handel zustande gekommen ist, wird der Schnaps in Strömen fließen. Bis Mitternacht kann sich mit Sicherheit in diesem Lager kein Comanche – und wahrscheinlich auch keiner von Navarros Leuten – mehr auf den Beinen halten. Dann werde ich zwei Pferde satteln und den Texas-Ranger befreien. Aber alles hängt davon ab, daß Sie sich Dario Navarro gegenüber nicht verraten, Dona Luz. Ein falsches Wort – und alles ist verloren. Ich werde …« Er hielt plötzlich inne. Luz Murano wandte den Kopf. Zwei weitere Comancheros kamen heran, um ihre Pferde und Maultiere am Flußufer zu tränken. Rasch drehte sie ihnen den Rücken zu, weil sie fürchtete, sich allein schon durch ihren - 25 -
Gesichtsausdruck zu verraten. Ihr Herz hämmerte schmerzhaft in ihrer Brust. Sie war keines klaren Gedankens fähig. Dario Navarro hatte sie und ihre Liebe verraten. Schlimmer noch, er hatte ihre leidenschaftliche Liebe niemals wirklich erwidert. Alles war nur Lüge gewesen. Er hatte ihren Körper besessen – und jedesmal, wenn sie sich liebten, genau gewußt, daß er sie für hunderttausend Dollar dem Mann und dem Schicksal ausliefern würde, vor denen er sie angeblich bewahrt hatte. Tränen der Scham und der Erniedrigung traten ihr in die Augen, und ein lautloses Schluchzen erschütterte ihren Körper, der ihr jetzt wie gebrandmarkt vorkam. * Als sie die Mulis zu den Wagen zurückbrachten, war der Lagerplatz schon wieder von berittenen Comanchen umringt. Mehrere Kisten waren ausgeladen und ein Feuer entfacht worden. Dario Navarro stand neben seinem schwarzen Hengst, beide Hände auf die Elfenbeingriffe seiner silbernen Colts gelegt. Luz Murano vermied es, ihn anzusehen, als sie an ihm vorbeiging. »Ich habe die besten Winchester-Gewehre mitgebracht, die es für Geld gibt«, hörte sie ihn anpreisend zu dem Comanchen im spanischen Brustpanzer sagen. »Ich verlange dafür mehr als sonst. Diese neuen Gewehre sind teuer – aber sie sind ihren Preis wert.« »Gut«, erklärte Iron-Jacket sein Einverständnis und schwang sich vom Pferd. Mit seinem bemalten Gesicht und der gehörnten Büffelfellhaube wirkte er wie ein Abbild des Satans. »Du zuerst zeigen Gewehre und Patronen!« forderte er. »IronJacket will Gewehre sehen.« Navarro ging zu dem vordersten Kistenstapel, ergriff eine - 26 -
Axt, die daneben an einem Wagenrad lehnte, zertrümmerte mit einigen Hieben den Deckel der obersten Kiste, brach die zerspaltenen Bretter ab und zog ein in Ölpapier gewickeltes, langes Bündel heraus. Nachdem er das Papier abgerissen hatte, hielt er ein neues, noch eingefettetes Winchester-Gewehr, Modell 1873, in der Hand. Er öffnete eine Munitionskiste, nahm eine Handvoll der glänzenden Messinghülsen heraus und schob nacheinander sechs Patronen in die seitliche Ladeöffnung des Gewehrschlosses. Dann drückte er den Ladehebel nach unten und sah sich um, offenbar auf der Suche nach einem Ziel. Sein Blick fiel auf die etwa zwanzig Schritt entfernte Feuerstelle, und er rief Manolo zu: »Nimm einen Feuerbrand aus der Glut, und halte ihn über deinen Kopf!« Manolo, der seine Maultiere in den Korral getrieben hatte, warf Luz Murano einen raschen Blick zu, zögerte, trat dann aber zum Feuer, nahm einen wie eine Fackel brennenden Ast aus der Glut und hielt ihn hoch. Navarro riß die Winchester an die Wange, und kaum hatte der Kolben die Schulter berührt, zuckte ein Flammenblitz aus der Gewehrmündung. Im Aufpeitschen des Schusses zersprang der lodernde Ast, und das brennende Ende flog hoch. Blitzschnell lud Navarro durch, seine zweite Kugel traf das davonwirbelnde, glühende Holzscheit genau in der Mitte und ließ es in einem Funkenregen zerspringen. Dann drehte er das Gewehr um, trat zu Iron-Jacket und reichte ihm die Waffe. »Ich will fünf Maultiere oder den Gegenwert in Gold und USDollars für eines dieser Gewehre«, verlangte er. »Diese Winchester schießt weiter und genauer als alle anderen Waffen. Damit sind deine Krieger sowohl den Soldaten als auch den Texas-Rangers und Büffeljägern überlegen. Fünf Maultiere sind nicht zuviel für ein solches Gewehr.« Die dunklen Augen des Comanchen blitzten interessiert, als er die Winchester in der Hand hielt. Dann aber schüttelte er - 27 -
abweisend den Kopf, hob die Linke, spreizte die Finger und klemmte den Daumen in die Handfläche. »Iron-Jacket gibt vier Mulis für ein Gewehr und zwanzig Patronen«, sagte er. Luz Murano sah, wie Navarro, statt zu antworten, unvermutet ein, zwei Schritte zur Seite tat und Manolo, der wieder zum Korral wollte, den Weg verstellte. Sie konnte nicht hören, was er sagte. Aber der drohende Ausdruck auf seinem Gesicht war deutlich zu erkennen. Als Manolo zu ihr zurückgekehrt war, fragte sie: »Was hat er zu dir gesagt?« »Er hat mir gedroht, seine nächste Kugel werde zwischen meinen Augen sitzen, wenn ich mich nicht von Ihnen fernhielte, Dona Luz«, murmelte er. »Es scheint, er hat Verdacht geschöpft. Vielleicht habe ich Apodaca gegenüber ein unvorsichtiges Wort fallen gelassen, und er hat Navarro gewarnt. Es scheint, als ob wir nicht mehr viel Zeit zu verlieren hätten. Wir müssen uns jetzt entschließen.« »Du weißt doch, in welche Gefahr du dich begibst, wenn du mir zur Flucht verhilfst«, stellte Luz fest. »Warum tust du das? Warum setzt du dein Leben für mich aufs Spiel?« Manolos zerfurchtes Gesicht nahm einen seltsamen Ausdruck an. »Als Ihr Vater noch lebte, Dona Luz, und die Familie Murano noch reich und mächtig war, habe ich schon für sie gearbeitet. Ihr Vater war ein großzügiger, nobler Mann, Dona Luz. Er nannte mich einmal seinen Freund, und so hat er mich auch behandelt. Dann – nachdem Ihr Vater gestorben war und Ihre Familie den größten Teil ihrer Reichtümer und Besitzungen verloren hatte – erlebte ich, wie der Niedergang der Muranos seinen Lauf nahm. Ihre Brüder, Dona Luz, taugen nichts, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen. Als man Sie zwingen wollte, den Americano zu heiraten, und Sie sich entschlossen, zu Navarro zu gehen, da wußte ich, daß der alte Stolz und das - 28 -
heiße Blut der Muranos nicht mit Ihrem Vater ins Grab gesunken waren. In Ihnen, Dona Luz, lebt alles das weiter, was die Familie Murano einmal ausgezeichnet hat. Deshalb begleitete ich Sie zu Dario Navarro. Deshalb – und weil ich Sie liebe. Nicht wie eine Frau, aber wie eine Tochter. Sie sind der einzige Mensch auf der Welt, dem ich mich zugehörig fühle. Darum helfe ich Ihnen. Gehen Sie jetzt wieder zu den Wagen, und vermeiden Sie es, auch nur einen Blick in meine Richtung zu werfen, wenn jemand es sehen könnte. Wenn alles bereit ist, werde ich es Sie wissen lassen.« Sporenklirrend schritt er davon. Luz Murano ließ einige Minuten verstreichen, dann kehrte sie zu den Planwagen zurück, sattelte ihr Pferd ab und führte es in den Korral. Sie konnte noch immer nicht klar denken. Sie wußte nur, daß sie nicht allein war. Manolo würde ihr helfen. In ihrer Verzweiflung klammerte sie sich an diesen Gedanken. »Ich hatte dir befohlen, das Lager nicht zu verlassen!« Eine Stimme hinter ihr redete sie in scharfem Tonfall an. »Warum bist du mit Manolo zum Fluß gegangen?« Sie fuhr herum. Dario Navarro stand vor ihr. Er verdeckte die schon tief stehende Sonne und wirkte größer und düsterer, als sie es jemals zuvor erlebt hatte. »Sechs durstige Maultiere zur Tränke zu führen, ist nicht leicht für einen einzigen Mann«, erwiderte sie gepreßt. »Worüber hast du mit ihm gesprochen?« Am liebsten hätte sie es ihm ins Gesicht geschrien. Doch sie wußte, daß sie nicht die Gewalt über sich verlieren durfte, denn dies war der entscheidende Augenblick. Navarro schien sich nicht klar darüber zu sein, wie weit sein Mißtrauen gerechtfertigt war. Doch wenn sie bei der Beantwortung seiner Frage auch nur den geringsten Fehler machte, war alles verloren, das fühlte sie. Zu schnell würde er ihr die Möglichkeit zur Flucht nehmen. »Der Anblick dieser Indianer jagt mir jedesmal aufs neue - 29 -
einen Schauer über den Rücken«, erklärte sie ihm. »Manolo versuchte mich zu beruhigen, uns drohe keine Gefahr. Es wären nur etwas gefährlich aussehende Handelspartner.« Er zuckte geringschätzig mit den Mundwinkeln. Das sollte wohl die Andeutung eines Lächelns sein, doch ihr schien es wie eine Fratze. Zugleich aber erkannte sie mit Erleichterung, daß sie seinen Argwohn – zumindest für den Augenblick – eingeschläfert hatte. »Ich weiß, daß Manolo für deine Familie gearbeitet hat und du ihn als Freund betrachtest«, sagte Navarro. »Doch wäre ich an deiner Stelle, Luz, würde ich ihm nicht allzuviel Vertrauen entgegenbringen.« »Ich kenne ihn, solange ich zurückdenken kann«, antwortete sie. »Wir sprechen manchmal von den alten Zeiten, die wir gemeinsam erlebten.« Sie drehte sich um, als wolle sie den Seilkorral schließen. Aber in Wirklichkeit ertrug sie den Anblick Navarros nicht mehr und fürchtete, sich durch ihren Gesichtsausdruck zu verraten, wenn sie gezwungen wäre, ihm noch länger in die Augen zu sehen. Dario Navarro trat von hinten so dicht an sie heran, daß sie seinen Körper spürte. Er legte beide Arme um sie. »Morgen verlassen wir das Comanchendorf wieder«, flüsterte er, den Mund an ihrem Nacken. »Manolo hat recht: Uns droht keine Gefahr von den Comanchen. Aber du darfst unseren Lagerplatz nicht mehr verlassen. In Sicherheit bist du nur hier. Betrunkene Comanchen gelten als unberechenbar, besonders wenn sie einer Frau begegnen. Und heute nacht werden sie betrunken sein, sehr betrunken. Bleib nach Einbruch der Dunkelheit in einem der Wagen, dann wird dir nichts geschehen.« Seine Hände lösten sich von ihr, und sie hörte, wie er sich sporenklirrend entfernte. Mit zitternden Händen schloß sie den Korral. Ihre Lippen waren kalt wie Eis, als sie mit den - 30 -
Fingerspitzen über ihr Gesicht fuhr, um die Tränenspuren wegzuwischen, die sie plötzlich auf ihren Wangen fühlte. * Die Dämmerung kam, und der Fluß schimmerte im roten Licht des Sonnenuntergangs wie ein geschliffener Bronzeschild. Im Dorf der Comanchen dröhnten die hartgespannten Rohhauttrommeln. Das Rasseln von Medizinklappern und das Schrillen von Adlerknochenpfeifen mischte sich in das dumpfe Hämmern. Der flackernde Schein vieler Feuer lag auf den hellen Zeltwänden. Mit dem Anbruch der Dunkelheit wurden die ersten Kisten mit Whiskyflaschen aufgebrochen. Luz Murano beobachtete aus dem Inneren von Manolos Planwagen, wie die Indianer die Flaschenhälse an den Wagenrädern oder mit den Messerrücken abschlugen und den billigen Handelswhisky in sich hineingossen. Es dauerte nicht lange, da fingen die ersten zu torkeln an. Einige begannen, um die Feuer zu tanzen. Andere schwangen sich auf ihre Pferde und jagten in vollem Galopp hin und her, bis sie schwankten und aus den Sätteln fielen. Niemand kümmerte sich um sie. Ihre Stammesgenossen ließen sie liegen, wohin sie gefallen waren, und ritten einfach über sie hinweg. Im tanzenden Feuerschein wirkten die betrunkenen, laut gellenden, in die Luft schießenden Comanchen auf ihren wiehernden, sich bäumenden Pferden wie eine von der Hölle ausgespiene Bande von Teufeln. Einer der Indianer drängte sein Pferd dicht an den Wagen heran, in dem Luz Murano sich aufhielt, schwang sich mit einem wilden Schrei auf den Bock und riß die Plane hoch. In seiner linken Hand glitzerte eine Whiskyflasche, in der anderen hielt er eine schußbereite Winchester, den Zeigefinger um den Abzug gekrümmt. Er starrte in das dunkle Innere des Wagens, und Luz blickte geradewegs in sein häßlich mit weißer Farbe - 31 -
bemaltes Gesicht. Doch entweder war der Comanche schon zu betrunken, oder seine Augen waren vom Licht der vielen Feuer draußen geblendet. Er sah nichts, ließ die Plane wieder fallen, sprang vom Wagenbock auf den Rücken seines gescheckten Pferdes und galoppierte davon. Luz hatte sich gegen den Bretterboden des Wagens gepreßt und den Atem angehalten. Ihr Herz hämmerte wie toll. Draußen schien die Hölle um die Planwagen zu toben. Mehrmals fuhren Kugeln mit reißendem Geräusch durch die Leinenplanen, als die betrunkenen Comanchen sich die Wagen als Ziele für ihre Winchester-Gewehre aussuchten. Dann – Luz wußte nicht, wie lange das Inferno gedauert hatte –, wurde es ruhiger. Erschöpft von der Angst, die sie ausgestanden hatte, lag sie mit dem Gesicht nach unten auf dem Wagenboden. Die Knöchel ihrer zu Fäusten geballten Hände hielt sie vor den Mund gepreßt, um ein krampfhaftes Schluchzen zu unterdrücken, das in ihr aufstieg. Draußen klangen die Geräusche ab. Nur gelegentlich ertönte jetzt noch ein Schuß oder das Wiehern eines Pferdes. Endlos dehnten sich die Minuten. Schließlich hörte Luz, wie jemand auf den Wagen kletterte. Das Gefährt schwankte. Die Plane wurde hochgeschlagen. Jemand bückte sich unter ihr hindurch und ließ sie wieder herabfallen. »Dona Luz …«, sagte eine leise Stimme, und Luz Murano atmete erleichtert auf, als sie Manolo erkannte. Ein Streichholz wurde angerissen. Im Schein der kleinen Flamme beugte sich Manolo über sie. »Mitternacht ist längst vorbei«, fuhr er fort. »Es ist soweit! Im Dorf der Comanchen ist alles still. Haben Sie Ihre Satteltaschen gepackt?« »Ja«, flüsterte Luz. »Dann wollen wir gehen«, sagte Manolo, blies das Streichholz aus und wollte die Wagenplane heben. Doch Luz hielt ihn am Arm fest. - 32 -
»Wo ist Dario?« fragte sie angstvoll. »Er schläft – betrunken wie ein Indianer. Kommen Sie, Dona Luz! Ich habe zwei Pferde gesattelt. Sie werden bei den Tieren warten, während ich den Texas-Ranger befreie.« Sie griff nach ihrem spanischen Hut und den Satteltaschen. Dann folgte sie Manolo. Leise stiegen sie vom Wagen auf die Erde hinab. Die Nachtluft war kalt und trocken, und die Sterne schimmerten zum Greifen nahe. Im Mondlicht hatte die Umgebung nur zwei Farben: ein fahles, dämmeriges Weiß und das harte Dunkelgrau der Schatten. Rauch stieg von erloschenen Feuerstellen auf. Manolo winkte Luz, ihm zu folgen. Er führte sie zur Rückseite des Korrals, wo zwei gesattelte Pferde standen. Eines war ihr eigener Brauner, das andere Apodacas Schecke. »Warten Sie hier«, flüsterte Manolo, »und bleiben Sie immer auf dieser Seite des Pferdes, damit Sie vom Comanchendorf aus nicht gesehen werden können.« Sie nickte. Er bückte sich und schnallte erst den Sporen vom einen, dann vom anderen Stiefel ab. Dann bewegte er sich lautlos auf die Indianerzelte zu. Dort brannte nur noch ein einzelnes kleines Feuer. In seinem Schein konnte Luz das Martergerüst mit dem daran gefesselten Gefangenen und den Wachtposten mit der Winchester im Arm sehen. Sie waren etwa hundert Schritte entfernt. Manolo war mit den Schatten der Zelte verschmolzen, und Luz suchte ihn vergeblich mit den Blicken. Irgendwo bellte ein Indianerhund. Der Comanche drehte sich um und nahm das Repetiergewehr in beide Hände. In der nächtlichen Stille konnte Luz Murano das metallische Geräusch hören, mit dem die Winchester durchgeladen wurde und eine Patrone aus dem Magazin in die Gewehrkammer fuhr. Der Krieger stand reglos und lauschte in die Dunkelheit hinein. Nach einer Weile schien er beruhigt und nahm seine ursprüngliche Stellung wieder ein. - 33 -
In diesem Augenblick tauchte eine Gestalt aus dem Schatten des Zeltes links von dem Wächter auf – Manolo. Zwei, drei rasche lautlose Schritte brachten ihn hinter den Indianer. Luz sah im Flammenschein den Stahl einer Messerklinge in seiner rechten Hand aufblitzen, dann schienen die beiden Männer miteinander zu verschmelzen. Manolo umschlang den Comanchen mit dem linken Arm und preßte die Hand auf den Mund des Kriegers. Dann schlug er kurz zu. Der Körper des Indianers krümmte sich, die Winchester entfiel seinen Händen. Er packte Manolos linken Arm und zerrte daran. Dann ließen seine Finger los, seine Hände glitten ab, und er erschlaffte. Manolo ließ ihn zu Boden sinken, dann stand er auch schon neben dem Martergerüst und durchtrennte mit schnellen Schnitten die Rohhautriemen, die die Arme des Gefangenen an das Querholz fesselten. Kraftlos fiel der Mann auf die Knie. Sein Kopf hing so tief herab, daß er fast die Erde berührte. Manolo machte sich um ihn zu schaffen. Auf einmal wurde Luz Murano bewußt, daß sie wertvolle Zeit ungenutzt verstreichen ließ. Hastig begann sie, ihrem Pferd die Satteltaschen aufzuschnallen, um das Versäumte noch schnell aufzuholen und bereit zu sein für die Flucht. Dann erlosch das Feuer neben dem Martergerüst. Luz wartete atemlos. Nach mehreren Minuten hörte sie leise Geräusche, und zwei Gestalten tauchten aus der Dunkelheit auf. »Hier ist die Frau, Americano. Und hier sind die Pferde«, hörte sie Manolo sagen. Im Licht der Sterne erkannte sie den Gefangenen an seinem hellen Haar. Sein Oberkörper war noch immer nackt. Doch er hatte einen Revolvergurt mit einem Armeecolt in der Halfter umgeschnallt und trug eine Winchester in der rechten Hand – beides stammte von dem Comanchen, den Manolo ausgeschaltet hatte. Luz und der Blonde tauschten nur einen kurzen Blick, dann schob der Mann den Karabiner in den Sattelschuh von - 34 -
Apodacas Schecken. »Ich vertraue Ihnen diese Frau nur an, weil Sie ein TexasRanger, ein Mann des Gesetzes, sind«, wandte sich Manolo an den Blonden. »Bringen Sie sie sicher nach Fort Davis. Die Comanchen werden nicht vor Tagesanbruch aus ihrem Whiskyrausch erwachen. Ihr werdet also einen Vorsprung von mehreren Stunden haben. Nutzt ihn, damit ihr bald in Sicherheit seid! Wenn ihr die Pferde erbarmungslos antreibt, müßte eure Flucht gelingen.« Luz griff nach Manolos Arm. »Warum willst du uns nicht begleiten?« fragte sie mit leiser, aber drängender Stimme. »Hier hast du doch nicht mehr zu erwarten als den Tod.« »Kein Mensch weiß, wann seine letzte Stunde schlägt«, erwiderte Manolo. »Aber wenn ich mit Ihnen fliehen und mich dem Gesetz der Americanos ausliefern würde, müßte ich mit dem Galgen oder wenigstens damit rechnen, den Rest meines Lebens in einer elenden Gefängniszelle zubringen zu müssen. In Mexiko werde ich wegen eines Revolverduells gesucht, in dem ich – als ich bereits zu Navarros Comancheros zählte – einen Mann erschoß. Auch dort droht mir also Gefängnis oder Galgen. Für mich gibt es nur einen sicheren Ort: das Bandolero-Land, das Gebiet der Gesetzlosen auf der mexikanischen Seite des Rio Grande. Würde ich aber heute nacht mit Ihnen fliehen, könnte ich nie mehr dorthin zurückkehren. Meine Flucht wäre das Eingeständnis meines Verrats an Dario Navarro. Und käme ich jemals wieder ins Bandolero-Land, würde er mich finden und töten. Nein, ich muß hierbleiben. Navarro wird annehmen, daß der Gefangene sich mit Ihrer Hilfe befreien konnte. Wahrscheinlich droht mir gar keine Gefahr. Und nun in den Sattel! Vaya con dios! Gehen Sie mit Gott! Möge die Jungfrau von Guadeloupe Sie beschützen!«
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* Manolo öffnete die Augen, als eine Stiefelspitze ihn unsanft in die Seite stieß. Er hatte nicht geschlafen und die sporenklirrenden Schritte, die sich ihm näherten, ebenso gehört wie kurz zuvor den Lärm aus dem Comanchendorf, der ihm verriet, daß die Indianer das Verschwinden ihres Gefangenen und den bewußtlosen Wachtposten neben dem Martergerüst entdeckt hatten. Nachdem Luz Murano und der Texas-Ranger in der Nacht verschwunden waren, hatte Manolo seine Schlafdecke aus dem einen Wagen geholt und sich abseits von den übrigen Comancheros beim Korral niedergelegt. Die Nähe der Pferde und Maultiere beruhigte ihn. Er hatte sein ganzes Leben mit solchen Tieren zugebracht und liebte ihre Ruhe, ihre Gelassenheit und die Geräusche, die sie in der Dunkelheit verursachten. In den vergangenen Stunden hatte er über sein bisheriges Leben nachgedacht. Nun wurde er gestört. Er blickte auf und sah Gabriel Apodaca im Morgengrauen vor sich stehen, eine Winchester in beiden Händen. »Don Dario will dich sprechen«, sagte Apodaca. »Komm mit! Er wartet bei den Wagen auf dich!« Manolo warf die Decke zur Seite und erhob sich. Er war vollständig angekleidet und hatte den Revolvergurt umgeschnallt. Wortlos hob er seinen Hut von der Erde auf. Apodaca sprach kein Wort, während sie zu den Wagen gingen. Doch er hielt seine Winchester so, daß die Karabinermündung auf Manolo gerichtet war. Manolo bemerkte es sehr wohl, und er begriff auch den Sinn dieses Verhaltens. Irgend etwas war anders gekommen, als er es vorausgesehen hatte. Aber jetzt war es für eine Flucht zu spät. Er ging um einen der Wagen herum und blieb unwillkürlich stehen. Ihm gegenüber saß Dario Navarro auf einem Stapel - 36 -
Gewehrkisten, die Stiefel mit den großen mexikanischen Radsporen auf ein kleines Faß gelegt, das vor ihm stand. Im fahlen Licht des Morgengrauens wirkte er düster und furchtbar – wie ein schwarzer Schatten, den die Nacht auf ihrer Flucht vor dem Tag vergessen hatte. Seine Augen funkelten kalt und erbarmungslos unter der wagenradgroßen Hutkrempe. Manolo war, als könnte er sein Urteil in ihnen lesen. Und dieses Urteil lautete: Tod. Navarros rechte Hand lag in seinem Schoß. Sie umspannte einen seiner silbernen Colts. Der Zeigefinger lag am Abzug. Die Mündung der Waffe war auf Manolo gerichtet. Ein Zucken Dario Navarros, und Manolos Leben war zu Ende. »Nun, Manolo«, begann der schwarzgekleidete Comanchero. Sein Gesicht zeigte keine Regung, und seine Stimme klang kalt, fast gleichgültig. »Ich brauche dir nicht zu sagen, was heute nacht geschehen ist. Du hast mich verraten. Aber du hast einen Fehler gemacht. Du hättest mit Luz und dem Gefangenen fliehen sollen. Vielleicht hättest du so dein Leben gerettet. Nun aber wirst du sterben als Strafe für deine Beteiligung.« Als er keine Antwort erhielt, fuhr er fort: »Ich sehe, du bist zu stolz, um zu lügen. Doch Lügen wären auch sinnlos. Sie würden dich nicht retten. Kennst du dieses Messer?« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf ein Messer, das zwischen seinen Stiefeln aufrecht im Deckel des Fasses steckte. Manolo erkannte es. Es war sein eigenes. »Wir haben es neben dem Comanchen gefunden, der den Gefangenen bewachte«, erklärte Navarro. »Wohin sind Luz und der Texas-Ranger geflohen?« Manolo blickte Dario Navarro in die Augen und schwieg. Er hatte einen Fehler gemacht. Sein Leben war so oder so verwirkt. Aber vielleicht konnte er durch sein Schweigen Luz Murano retten. »Sprich, und ich gebe dir mein Wort darauf, daß du schnell und schmerzlos sterben wirst«, stieß Navarro hervor. »Wenn - 37 -
du schweigst, werden dich die Comanchen zum Reden bringen«, er deutete mit der Linken auf die Indianer, die die kleine Gruppe umstanden, »und dann wirst du nicht einen, sondern tausend Tode sterben.« »Sie wollten schmutziges Geld aus dem Unglück der Familie Murano schlagen, Don Dario«, sagte Manolo, »indem Sie Luz für hunderttausend Dollar an einen Mann verkauften, den sie haßt.« Seine rechte Hand bewegte sich langsam auf den Colt zu, während er sprach. Er konnte sich ausrechnen, wie gering seine Chance war, zum Schuß zu kommen, da Navarro seine Waffe schon auf ihn gerichtet hielt. Aber wenigstens den Versuch mußte er wagen. Wenn er schon sterben mußte, dann wollte er Dario Navarro mit in die Hölle nehmen. Gelang es ihm, war Luz Murano für immer vor diesem schrecklichen Menschen sicher. »Ich weiß, daß du einmal für die Murano-Sippe gearbeitet hast«, entgegnete Navarro. »Aber ich hätte nicht geglaubt, daß du ihr immer noch die Treue hältst. Was bringt dir das am Schluß ein? Eine Kugel«, beantwortete er selbst seine Frage. »Hat es sich nun für dich gelohnt?« »Ja, das hat es«, antwortete Manolo mit unnatürlich klingender Stimme. »Es hat sich gelohnt, wenn …« Mitten im Wort griff er zur Waffe. Seine Hand schloß sich um den Griff des Colts. Der Revolverlauf fuhr aus der Halfter. Manolo war schnell, aber nicht schnell genug. Er sah den Blitz aus Navarros Revolvermündung stechen. Das Krachen des Schusses dröhnte durch das Morgengrauen. Die Kugel stieß Manolo rücklings zu Boden. Sein Kopf fiel zur Seite. Er war tot. Navarro erhob sich und schob die Waffe in die Halfter. »Es hat sich nicht für dich gelohnt, Manolo«, sagte er geringschätzig, als er über den Toten hinwegstieg, um zu den Pferden zu gehen. - 38 -
* Nun war es Tag, und obwohl die Sonne erst eine Handbreit über dem Horizont stand, zitterte die Luft bereits vor Hitze. Luz Murano und der Texas-Ranger ritten durch wüstes, leeres Land, in dem die Erde meilenweit von trockenem Buschwerk bedeckt war. Vor ihnen ragten die nackten Vieja-Berge auf, eine gezackte Kette weißer und fahlgelber Gipfel, Grate und Felsflanken, da und dort durchbrochen von engen Canyons und ausgetrockneten Flußbetten. Dies war ein Land, in dem alles, der Himmel, die Berge, der Sand, die Steine und die Pflanzen, von Unbarmherzigkeit starrte. »Treiben Sie Ihr Pferd schneller voran, Lady! Oder wollen Sie, daß Iron-Jackets Comanchen uns einholen?« fragte der Blonde und drehte sich im Sattel nach Luz Murano um, die etwas zurückgefallen war. »Wenn ich ihm noch länger die Sporen ansetze, bricht er zusammen«, erwiderte sie. Er machte eine Handbewegung gen Osten. »Ein paar Meilen weiter gibt es eine Wasserstelle. So lange wird sich der Braune schon noch auf den Beinen halten können.« Wortlos trieb sie ihr Pferd an und ließ dabei ihren Blick über den Mann gleiten, der mit nacktem Oberkörper im Sattel des Schecken saß. Bisher hatte sie fast nur seinen Rücken gesehen. Jetzt zeigte ihr das klare, helle Morgensonnenlicht, daß er ein scharfgeschnittenes Gesicht mit blaugrauen Augen hatte. Sein aschblondes Haar hing ihm in die Stirn. Er war hochgewachsen, hatte lange Reiterbeine und war in den Schultern fast so breit, wie ein Axtstiel lang ist. Er trug hochhackige Stiefel und hatte Chink-Chaps – von den Hüften bis zu den Knien reichende, lederne Beinschützer – über seine abgewetzten Levis-Hosen geschnallt. - 39 -
Seine muskulösen Arme zeigten noch immer die blutunterlaufenen Spuren der Rohhautriemen, mit denen er an das Martergerüst der Comanchen gefesselt gewesen war. »Ich kenne nicht einmal Ihren Namen, Lady«, sagte er. »Der Mann, der mich befreite, hat ihn zwar genannt. Aber ich habe ihn nicht im Gedächtnis behalten.« Die schroffe, fast feindselige Art, in der er zu ihr sprach, wirkte verletzend. Trotzdem nannte sie ihm ihren Namen. Er drehte sich halb im Sattel herum. Zum ersten Mal seit ihrer Flucht aus dem Comanchendorf schien er ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Augenscheinlich war er überrascht. Seine graublauen Augen verengten sich, eine tiefe Falte entstand zwischen seinen Brauen, und sein Gesicht nahm einen seltsamen Ausdruck an. Er schien eine Frage auf den Lippen zu haben, schüttelte dann aber den Kopf, wie um einen Gedanken abzuwehren, der in ihm aufgekommen sein mochte. »Mein Name ist Chuk Adams«, erwiderte er. »Wir werden schnell und hart reiten müssen – vielleicht, bis unsere Pferde zusammenbrechen –, um lebend Fort Davis zu erreichen. Navarro und seine Comancheros werden alles versuchen, ihre Gefangenen wieder in die Hand zu bekommen.« »Sie kennen Dario Navarro?« wollte Luz Murano wissen. Ohne daß sie hätte sagen können, warum, war plötzlich ihr Mißtrauen erwacht. Nach kurzem Zögern antwortete er: »Navarro ist in WestTexas kein Unbekannter. Ich habe ihn erkannt, als er im Lager der Comanchen an mir vorbeiritt.« »Ich hatte vergessen, daß Sie ein Texas-Ranger sind, während er ein Gesetzloser ist«, gab Luz Murano zurück. »Ich nehme an, daß man in Texas eine Kopfprämie für Dario ausgesetzt und seinen Steckbrief mit dem Zusatz ‚tot oder lebend‘ versehen hat. Wahrscheinlich kennen Sie sein Gesicht von diesem Steckbrief …« - 40 -
Wieder sah er sie rasch mit dem merkwürdigen Gesichtsausdruck an, der ihr schon zuvor aufgefallen war. »Wie lange waren Sie die Gefangene der Comancheros?« fragte er dann, ohne auf ihre Worte einzugehen. »Ich war keine Gefangene«, antwortete sie. Dann setzte sie hinzu: »Jedenfalls habe ich das lange Zeit geglaubt.« Um ihn die Bitterkeit ihrer Miene nicht merken zu lassen, beugte sie sich im Sattel vor, nahm die Feldflasche vom Sattelhorn und schüttelte sie. Doch die lederumhüllte Blechflasche war leer. »Wir werden bald die Wasserstelle erreichen«, sagte der Mann, der sich Chuk Adams nannte. »Dort können wir trinken und unsere Flaschen füllen. Wer war der Mann, der mich befreit hat?« »Ein Freund, ein guter Freund«, entgegnete sie. »Das muß er wohl gewesen sein«, sagte er. »Kein Mensch würde sein Leben für einen Fremden opfern. Ich nehme an, er ist jetzt bereits tot. Die Comancheros kennen kein Erbarmen mit Verrätern. Ist Ihnen das denn nicht bekannt?« Luz Murano starrte ihn an und wurde bleich. Dann verwandelte sich ihr Entsetzen in lodernden Zorn. Sie war tief betroffen von dieser offensichtlichen Gleichgültigkeit. »Ihnen scheint der Gedanke nichts auszumachen, daß der Mann, dem Sie Ihr Leben verdanken, vielleicht für das sterben mußte, was er für Sie getan hat.« »Er hat es nicht für mich getan, sondern für Sie«, stellte Chuk Adams richtig. »Er würde keinen Gedanken an mich verschwendet haben, hätte er nicht meine Hilfe gebraucht, um Sie zu retten.« Luz Murano fühlte, daß ihre Lippen zu zittern begannen. »Was seid ihr Americanos nur für Menschen?« fragte sie, und ihre Stimme klirrte vor Verachtung. »Ihr seid kalt wie Eis. Ich glaube, ihr wißt nicht einmal, was Gefühle sind. Ihr kennt weder Liebe noch Haß, weder Mut noch Angst, weder Mitleid - 41 -
noch Dankbarkeit. Ihr habt anstelle von Blut Eis in den Adern. Oder ist der Mann, der Ihr Leben gerettet hat, nur deswegen bedeutungslos für Sie, weil er kein Americano, sondern nur ein Mexikaner ist?« Sie wußte, daß sie sinnlose Worte hervorstieß, aber sie konnte es nicht verhindern. Sie hatte ihre Selbstbeherrschung verloren. Alle Mühen, alle Furcht der letzten Stunden stürzten über ihr zusammen und begruben ihr klares Denken unter ihren Trümmern. Sie fühlte, daß ihr Tränen in die Augen traten, und wandte den Kopf zur Seite, um vor Chuk Adams zu verbergen, daß sie weinte. Ihre Hände krampften sich so fest um die Zügel, daß die Lederriemen schmerzhaft in ihre Handflächen schnitten. »Ich wollte mit meinen Worten nur sagen, daß Sie ihm sehr viel bedeutet haben müssen, wenn er sein Leben für Sie aufs Spiel setzte«, hörte sie Chuk Adams antworten. Sie schwieg. Nach einer Weile fuhr er fort: »Ich schätze, Sie hassen die Amerikaner.« »Ja, ich hasse sie«, entfuhr es ihr, »denn ich habe nur Leid durch sie erfahren.« Von da an ritten sie schweigend nebeneinander her. Chuk Adams wandte sich immer wieder im Sattel um und blickte auf ihrer Fährte zurück, als erwarte er jede Minute das Auftauchen von Verfolgern, und seine rechte Hand entfernte sich nie weiter als unbedingt notwendig vom Holzgriff des Armeecolts, der tief an seiner rechten Hüfte festgeschnallt war. Der Boden unter den Hufen der Pferde wurde nun steinig, und die Hufeisen klirrten bei jedem Tritt. Rings um den Mann und die Frau ragten weiße, zerklüftete Felswände in den Himmel. Die seltenen Regenfälle der Wüste hatten Tausende von Rinnen und Schluchten in den Untergrund gefressen. Ein Felsturm reihte sich hier an den anderen, und die tiefen Schrunde zwischen ihnen waren von harten Schatten erfüllt. - 42 -
Sie folgten dem Lauf eines trockenen Flußbettes, ritten über Geröll und gelangten in einen Canyon, dessen Wände bis zu fünffacher Mannshöhe emporragten. Hier stieg Chuk Adams ab, Luz Murano tat es ihm nach, und sie führten ihre Pferde zu versteckt liegenden Wasserlöchern. In Mexiko nannte man diese Stellen Tinajas, Pfannen, denn es waren flache Vertiefungen im Steinboden, in denen sich das Wasser gelegentlicher Regenfälle sammelte und oft lange Zeit erhalten blieb, wenn nicht ein Sandsturm darüber hinwegfegte und alle Feuchtigkeit in wenigen Minuten aufsaugte. Hier war es noch schattig und kühl. Luz Murano und Chuk Adams warfen sich am Rand der einen Felspfanne nieder, während die Pferde an einer anderen Tinaja standen und sich begierig am Wasser erfrischten. Luz zerteilte die dünne weiße Staubschicht auf der Flüssigkeit mit beiden Händen, schöpfte und trank in langen, durstigen Zügen. Das Wasser war beißend kalt. Dann rollte sie auf den Rücken und lag erschöpft mit geschlossenen Augen auf dem Felsboden, während Chuk Adams die Feldflaschen füllte und an den Sattelhörnern befestigte. Bleischwer rieselte die Müdigkeit durch ihren verkrampften Körper, in dem jeder Muskel schmerzte. Sie wußte, daß sie in wenigen Minuten wieder in den Sattel würde steigen müssen, und versuchte, ihre Kräfte zu sammeln. »Wir müssen weiter«, sagte Chuk Adams. Sie zwang sich, die Augen zu öffnen, sah zu ihm empor und richtete sich dann auf die Ellenbogen auf. »Vorwärts«, drängte er. Zornig über ihre eigene Schwäche biß sie die Zähne zusammen, erhob sich und ging zu ihrem Braunen. Doch in dem Augenblick, in dem sie ihren linken Fuß in den Steigbügel setzte und nach dem Sattelhorn griff, um sich aufs Pferd zu schwingen – peitschte ein Schuß durch den Canyon. Der Knall sprang tausendfach gebrochen von den Felswänden der - 43 -
Schlucht zurück. Die Kugel verfehlte Luz nur um eine Handbreite, traf auf Stein und pfiff als Querschläger davon. Ihr Pferd wollte sich aufbäumen, doch Luz’ Gewicht, das schon fest in dem einen Steigbügel verankert war, hinderte es daran. Mit einer verzweifelten Anstrengung schwang sie sich in den Sattel und griff nach den Zügeln, um das wiehernde, schnaubende, erschreckte Tier zu bändigen. Dem ersten Schuß folgte eine Salve von drei weiteren Gewehrschüssen. Luz sah bemalte, befiederte Reiter auf scheckigen Pferden am Eingang des Canyons auftauchen – Comanchen. »Reiten Sie los – schnell!« schrie Chuk Adams ihr zu, während er sich selbst in den Sattel warf. Steigbügel an Steigbügel stoben sie durch den Canyon. Die Schreie der Indianer gellten Luz in den Ohren. Sie peitschte mit den Zügelenden auf den Widerrist ihres Pferdes ein. Gläsern prasselte der Hufschlag der galoppierenden Tiere auf Felsboden und Geröll. Auf einmal hatten sie das Ende der Schlucht erreicht, und eine Ebene lag vor ihnen. Eine Staubfahne aufwirbelnd, jagten sie weiter. Luz warf einen Blick über die Schulter und sah, daß die Comanchen näher kamen. Sie zählte sechs Krieger, die ausgeschwärmt waren und sie und Adams wie eine unerbittliche Wolfsmeute hetzten. Ihre ungesattelten Pferde mit den Knien lenkend, feuerten sie aus ihren WinchesterGewehren. Luz hörte die Kugeln pfeifen. Chuk Adams zog seinen Armeecolt, drehte sich im Sattel herum, so weit er konnte, und jagte den Comanchen heißes Blei entgegen. Einer der federgeschmückten Reiter ließ seine Winchester fallen, warf die Arme hoch und stürzte seitwärts von seinem galoppierenden Pferd. Nur Sekunden später brach Chuck Adams’ Schecke, von einer Kugel getroffen, mit schrillem Wiehern in einer Staubwolke zusammen. Adams wurde aus dem Sattel - 44 -
geschleudert, überschlug sich und richtete sich benommen auf den Knien auf. Die Comanchen waren schon bis auf fünfzig Yards herangekommen, als Luz ihren Braunen zum Stehen brachte, herumwarf und zu Chuk Adams zurückgaloppierte, der den Colt wie auf dem Schießstand hob und den Indianern Schuß auf Schuß entgegenjagte. Als er trommelnden Hufschlag hinter sich hörte und sich umdrehte, sah er Luz Murano auf sich zupreschen. »Den Fuß aus dem linken Steigbügel, schnell!« schrie er ihr entgegen. Sie tat es. Er schob seinen linken Fuß hinein, hielt sich mit der freien Hand am Sattelhorn fest, und sie warf den Braunen abermals herum. Doch das einseitige Gewicht war zu groß. Mit einem reißenden Geräusch platzte der Sattelgurt, und Luz Murano und Chuk Adams stürzten samt dem Sattel zu Boden. Der Braune donnerte mit hochgerecktem Kopf und scheu verdrehten Augen davon. Chuk Adams packte Luz am Arm, riß sie hoch und zog sie mit sich in die Deckung seines toten Pferdes. Er hielt ihr seinen Colt mit dem Griff voran entgegen. »Es sind nur noch drei Patronen in der Trommel. Heben Sie die letzte Kugel für sich selbst auf!« Bevor sie etwas erwidern konnte, hielt sie den schweren Armeecolt bereits in der Hand. Chuk Adams zerrte seine Winchester aus dem Scabbard, lud sie durch und richtete sich hinter seinem toten Pferd auf einem Knie auf. Als er den Gewehrkolben in die Schulter einzog, waren die Comanchen schon bis auf zwanzig Schritt herangekommen. Chuk Adams zielte und krümmte den Finger um den Abzugshahn. Seine Winchester spie einen Flammenblitz aus, und der vorderste Indianer stürzte vom Pferd. Chuk Adams lud durch, suchte blitzschnell über Kimme und Korn das nächste Ziel, während dicht vor ihm eine Kugel in den Pferdekadaver schlug, und schoß abermals. Ein zweiter Comanche ließ seinen - 45 -
Karabiner fallen, griff sich an die Brust, sank auf die Mähne seines scheckigen Pferdes, glitt an der Flanke des Tieres herab, überschlug sich und blieb im Staub liegen. Adams wollte erneut durchladen, doch die nächste Patrone klemmte im Gewehrschloß, und bevor er die Ladehemmung beseitigen konnte, war der dritte Indianer heran. Er schoß mit seinem Spencer-Karabiner auf Chuk Adams. Die Gewehrmündung war Adams so nahe, daß der heiße Pulverdampf ihm fast das Gesicht versengte. Doch im selben Augenblick bäumte sich das Pferd des Comanchen auf, und die Kugel verfehlte ihr Ziel. Chuk Adams packte die Winchester mit beiden Händen am Lauf, holte aus und stieß den Indianer mit einem gewaltigen Kolbenhieb vom Rücken des Ponys. Ein scheußlich bemalter, kreischender Comanche trieb sein Pferd dicht an Adams heran. Er schwang einen federgeschmückten Kavalleriesäbel in der Faust, um seinem Gegner damit den Schädel zu spalten. Chuk Adams ließ seine Winchester fallen, fing den herabsausenden Arm mit der linken Hand auf, umspannte das Handgelenk des Indianers, packte mit der Rechten dessen Patronengurt und warf sich mit seinem ganzen Körpergewicht gegen das Comanchenpony, das aufwiehernd zur Seite fiel und schwer auf die Flanke stürzte. Beide Männer rollten aneinandergeklammert durch den Staub. Luz Murano sah, wie der sechste Comanche sein Pferd zum Stehen brachte und herumwarf. Er trug einen schwarzen Wolfsbalg, dessen Schädel mit den gelben Reißzähnen auf seinem Kopf saß. Das Fell hing ihm über den Rücken hinab. Sein Gesicht war vollkommen mit weißer Farbe beschmiert, so daß die dunklen Augen darin wie leere Höhlen wirkten. Er hielt einen kurzen Kriegsbogen in der Hand, ein Pfeil lag auf der Sehne. Er richtete sich auf dem Pferderücken auf und zielte auf Chuk Adams, der über seinem Gegner lag. Da hob Luz Murano mit beiden Händen den Armeecolt, - 46 -
krümmte den Finger um den Abzugshahn und jagte dem Indianer eine Kugel entgegen. Der Comanche zuckte zusammen. Sein Pfeil schnellte ungezielt von der Sehne. Dann fiel der Krieger vom Pferd und schlug mit dumpfem Geräusch auf der Erde auf. Luz Murano starrte entsetzt auf den Colt in ihren Händen. Sie hatte nie zuvor einen Menschen getötet. Ihre Arme sanken herab, ihre Finger öffneten sich, und die schwere Waffe fiel zu Boden. Sie war wie gelähmt vor Entsetzen. Sie sah, wie Chuk Adams dem Comanchen, mit dem er kämpfte, den Kavalleriesäbel entwand und ihn mit der flachen Klinge niederschlug. Luz Murano kauerte hinter Adams’ totem Pferd. Ihre Arme hingen herab, und ihre Hände lagen vor ihr im Sand, als seien sie nicht Teile ihres Körpers. Nach dem atemlosen Toben des Kampfes, in dem kein Raum für einen klaren Gedanken gewesen war, in dem es nur die Wahl zwischen Überleben und einem schrecklichen Ende gegeben hatte, wirkte die Stille, die sich auf die Frau und den Mann herabsenkte, unheimlich und lähmend. Luz sah Chuk Adams entgegen, der mit schleppenden Schritten auf sie zukam. Neben ihr sank er auf die Knie nieder, fiel zur Seite und lehnte sich gegen den Pferdekadaver. Nur langsam beruhigte sich sein keuchender Atem. Sein Kopf hing vornüber, das Kinn ruhte auf der Brust. Mit einer fahrigen Handbewegung wischte er sich Staub, Schweiß und Blut aus dem Gesicht. »Wir müssen weiter«, murmelte er nach einer Weile. Sie starrte ihn an, als erwache sie aus einem Traum. Dann richtete sie sich ein wenig auf und blickte sich um. Nirgendwo war ein lebendes Pferd zu sehen. Die Tiere der Comanchen und ihr eigener Brauner waren verschwunden. Um sie herum gab es nur Wüste und Berge. Ohne Hoffnung ließ sie sich zurücksinken. - 47 -
»Hätten wir Pferde, gäbe es vielleicht eine Chance für uns«, entgegnete sie und schüttelte mutlos den Kopf. Chuk Adams hob den Blick. »Was wollen Sie denn tun?« fragte er. »Hierbleiben und sich von den Comanchen, die bald hier auftauchen werden, erschlagen lassen? Auf keinen Fall. Jeder Mensch hat nur ein Leben. Und solange ich noch genug Kraft in mir spüre, einen Atemzug, einen Schritt zu tun, einen Revolver in der Hand zu halten, werde ich um mein Leben kämpfen. Nur die Toten kennen keine Hoffnung mehr.« Seine Worte drangen durch die Erschöpfung, das Entsetzen, die Angst, die sie niederdrückten, zu ihr und zwangen sie zu neuer Hoffnung. Sie begriff, daß dieser Mann wirklich bis zum letzten Atemzug um sein und auch um ihr Leben kämpfen würde. Er hatte es bewiesen. Nie zuvor war sie einem Mann wie ihm begegnet, das erkannte sie in diesem Augenblick. »Nehmen Sie Ihre Satteltaschen und Ihre Feldflasche mit«, sagte er und raffte sich auf. »Es wird nicht lange dauern, bis es hier von Comanchen wimmelt. Unsere einzige Rettung sind die Berge. Wir müssen ein Versteck finden, in dem wir sicher sind. Vorwärts!« Er hob den Colt auf und schob ihn in die Halfter. Dann löste er die Satteltaschen und die Feldflasche vom Sattel seines toten Pferdes. Er nahm die Patronengurte von zwei erschossenen Comanchen an sich und hob seine Winchester auf. In westlicher Richtung stolperte er davon, ohne sich länger um Luz Murano zu kümmern, von der er anscheinend annahm, daß sie sich jetzt besänne. Sie folgte ihm, so schnell sie konnte, mit ihren Satteltaschen und der Wasserflasche. Daß sie auf ihrer eigenen Fährte zurückgingen, bemerkte sie in ihrer Verwirrung erst, als sie Chuk Adams beinah eingeholt hatte. »Warum versuchen wir nicht, Fort Davis zu erreichen?« rief - 48 -
sie ihm zu. Und ohne sich dabei umzudrehen, antwortete er: »Weil die Comanchen genau das von uns erwarten. Sie würden uns einholen, bevor wir zwei, drei Meilen weit gekommen wären.« Der Weg zurück wurde für Luz Murano zu einem Marsch durch die Hölle. Immer tiefer gerieten sie in die Berge hinein. Die Sonne stieg höher und höher. Das nackte Gestein warf die sengenden Strahlen wie Brennspiegel zurück. Der Grund war uneben und steinig, und allmählich wurde jeder Schritt zur Tortur. Stolpernd, mechanisch einen Fuß vor den anderen setzend, schleppte sich Luz hinter Chuk Adams her. Ihre hochhackigen Reitstiefel ließen sie immer wieder fehltreten und straucheln. Kahl und gnadenlos starrten ihr von allen Seiten die Felsflanken der Berge entgegen. Schließlich war die ganze Welt wie von der flammenden Sonne in grelle Weißglut getaucht. Himmel und Erde schienen in einer gigantischen, lodernden Flamme miteinander zu verschmelzen. Doch Luz Murano quälte sich weiter, immer weiter, die Angst vor den Comanchen im Nacken. Das Gewicht der Satteltaschen drückte auf ihre linke Schulter, und der Lederriemen der Feldflasche, den sie um ihren rechten Arm gewunden hatte, scheuerte ihr Handgelenk blutig. Sie wußte nicht, wie lange sie vorwärts getaumelt war, als Chuk Adams plötzlich stehenblieb. Sie stieß gegen ihn, bevor sie im Schritt innehalten konnte. Er blickte in einen schmalen, gewundenen Canyon, der sich vor ihnen öffnete. Undeutlich konnte Luz in der Ferne eine dünne graue Staubfahne sehen. »Reiter«, stellte Adams fest. Er ergriff Luz Muranos Arm und zog sie hinter sich her zum Fuß der Felswand zu ihrer Rechten, durch die eine schmale Rinne nach oben führte. »Geben Sie mir Ihre Satteltaschen und die Feldflasche!« - 49 -
befahl er, lud sich ihre Last auf und begann, durch die Rinne emporzuklettern. Luz Murano folgte ihm auf dem Fuß, obwohl ihr jede Bewegung unsägliche Mühe bereitete und sie kaum fähig war, einen klaren Gedanken zu fassen. Ihre Kraft reichte nicht mehr aus, als sie sich über den oberen Rand der Felswand schwingen wollte. Chuk Adams beugte sich zu ihr hinunter, packte sie mit beiden Händen und zog sie mit einem Ruck zu sich empor. Keuchend blieb sie auf dem Vorsprung liegen, den sie unter so furchtbaren Anstrengungen erreicht hatte. Neben ihr lud Adams seine Winchester durch. Eine Patrone fuhr mit metallischem Klicken in die Kammer. Dann hob er den Kopf gerade so weit, daß er über den Felsrand blicken und den Canyon übersehen konnte. Nach einigen Minuten hörte Luz Murano Hufschläge durch die Schlucht hallen. »Indianer«, murmelte Chuk Adams und hakte den Zeigefinger in den Abzugsbügel seines Karabiners. »Keinen Laut jetzt – oder wir erleben den Sonnenuntergang nicht mehr.« Vorsichtig hob Luz Murano den Kopf und blickte in die Schlucht hinab. Eine lange Reihe federbehangener Reiter – fast ausnahmslos mit Winchester-Gewehren bewaffnet – kam hinter einer Biegung des Canyons hervor und ritt unter Luz’ und Adams’ Versteck vorbei. * Iron-Jacket, in seiner gehörnten Büffelhaube und dem alten spanischen Brustpanzer, ritt an der Spitze. Ihm folgten fünfundzwanzig Krieger. Luz Murano wagte nicht zu atmen, während die Comanchen vorbeiritten. Erst als der letzte schon vorüber war, ließ sie sich erleichtert zurücksinken – und riß bei dieser Bewegung einen - 50 -
kleinen Stein aus seiner Verankerung, der mit hellem »Klicckliccklick« den Abhang hinuntersprang. Das Geräusch ging beinahe im Hufschlag der Indianerpferde unter. Doch der letzte Comanchenkrieger schien es gehört zu haben. Er brachte seinen Pinto mit einem Schenkeldruck zum Stehen und wandte sich auf dem Pferderücken um, seine Winchester schußbereit in den Händen. Seine dunklen Augen suchten die Felswand ab. Sofort zog Chuk Adams Luz zu Boden. Sie lagen so dicht nebeneinander, daß ihre Körper sich berührten. Er blickte ihr in die Augen, das Gesicht in gespanntem Lauschen erstarrt. Die Knöchel seiner Hände, die den Karabiner umspannten, zeichneten sich hell unter der sonnenverbrannten Haut ab. Instinktiv erkannte Luz, daß er sich zum Kampf bereit machte. Sie lag regungslos da und spürte, wie ihr Herz gegen den Felsboden hämmerte. Ihr Leben und das des Mannes neben ihr hingen sekundenlang an einem dünnen Faden. Entdeckten die Comanchen sie, waren sie verloren. Gegen diese Übermacht hatten sie keine Chance. Dann – etwa eine Minute später – sah Luz, wie Chuk Adams vorsichtig wieder den Kopf hob. Gleich darauf entspannte sich sein Gesicht. Er fuhr sich mit der Zunge über die von der Wüstensonne ausgedörrten, rissigen Lippen, versuchte, ein Lächeln zustande zu bringen. Und sie wußte, daß die Gefahr vorübergegangen war. Auf einmal geschah etwas Seltsames mit ihr. Aus der Tiefe ihrer Brust stieg – unmerklich am Anfang, dann stärker und stärker werdend und schließlich mit nicht mehr zu unterdrückender Gewalt – ein trockenes, stoßweises Schluchzen. Sie schlug beide Hände vor das Gesicht und weinte haltlos. Ihr ganzer Körper bebte und zitterte, als säße etwas in ihr, das sie mit seinen Klauen gepackt hatte und schüttelte. Sie hatte die Grenze ihrer Kraft erreicht. Nach einer Weile fühlte sie, daß Chuk Adams ihr Haar - 51 -
streichelte, um sie zu beruhigen. »Wir können unser Versteck nicht vor Einbruch der Dunkelheit verlassen«, sagte Chuk Adams. »Erst in der Nacht sind wir vor den Comanchen sicher. Sie kämpfen nicht in der Dunkelheit. Das hängt mit ihrer Religion zusammen. Sie glauben, daß ein Mann, der in der Finsternis stirbt, nicht den Weg ins Jenseits findet und auf ewig zwischen den vier Winden umherwandern muß.« »Wohin werden wir uns wenden, wenn wir dieses Versteck verlassen?« fragte sie und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Er machte eine Handbewegung, die eine Ungewisse Richtung anzudeuten schien. »Werden wir mit dem Leben davonkommen?« »Ja, oder wir werden zusammen sterben. Hast du Angst vor dem Tod?« Sie nickte. »Es wird nicht dazu kommen«, beruhigte Chuk Adams sie. Und nach einer Weile setzte er hinzu: »Sag mir, woran du denkst!« »Bis vor vierundzwanzig Stunden«, entgegnete sie, »habe ich nicht einmal gewußt, daß es dich gibt. Nun machen wir uns mit dem Gedanken vertraut, zusammen zu sterben.« »Ich weiß ebensowenig von dir wie du von mir. Ich kenne deinen Namen – Luz. Aber das ist fast schon alles, was ich von dir weiß. Du siehst nicht aus wie eine von den Frauen, die ab und zu mit den Comancheros umherziehen. Erzähl mir von dir!« Luz Murano rollte sich wieder auf den Rücken und blickte zum Himmel hinauf. Die Sonne und der heiße Wüstenwind wärmten ihren nackten Körper. »Meine Geschichte ist die Geschichte meiner Familie und gleichzeitig die vieler Sippen in Mexiko, die reich und mächtig waren, bevor die Americanos Texas, Neumexiko und Arizona - 52 -
von Mexiko abtrennten. Die Familien, die dort große Reichtümer – Baumwollplantagen, Rinderranches, Gold-, Kupfer- und Silberminen – besessen hatten, verloren alles.« »Haßt du deshalb die Amerikaner?« fragte er. »Ja.« »Aber das ist Jahrzehnte her.« »Ich habe es nicht vergessen«, erwiderte Luz mit harter Stimme. »Damals hat meine Familie neun Zehntel ihres Reichtums verloren. Mein Vater konnte diesen Verlust nie verwinden. Er starb bald darauf. Meine drei Brüder übernahmen seine Geschäfte. Doch sie hielten mehr von Vergnügungen als von harter Arbeit, und so kam es, daß sie bald am Rand des finanziellen Ruins standen. Ein Americano, sein Name ist MacMahon, Alistair MacMahon, der schon einen großen Teil unseres ehemaligen Vermögens an sich gebracht hatte, beteiligte sich an den Geschäften meiner Familie. Aber er war ein besserer Geschäftsmann als meine Brüder, deren Schulden bei ihm wuchsen und wuchsen. Schließlich behauptete er, sie schuldeten ihm eine halbe Million US-Dollars. Er hatte Papiere – ich weiß nicht, ob sie echt oder gefälscht waren –, die seine Ansprüche bewiesen. Mit dieser Forderung hätte er meine Familie ruinieren können. Doch daran lag ihm nichts. Er schlug einen Tauschhandel vor. Er wollte meinen Brüdern ihre Schulden erlassen, wenn ich seine Frau würde. Er ist ein untersetzter, schwergewichtiger Mann mit brutalem Gesicht und kalten Augen, kein Mann, der die Liebe einer Frau wecken könnte. Aber er wollte mich haben. Und meine Brüder waren bereit, auf diesen unwürdigen, schmutzigen Handel einzugehen. Sie wollten mich zwingen, MacMahon zu heiraten. Auch gegen meinen Willen hätten sie ihr Vorhaben durchgesetzt. Doch dann trat ein anderer Mann in mein Leben: ein Revolvermann, wie ihr Americanos sagt. Ein Gesetzloser, ein - 53 -
Bandit, ein Comanchero – Dario Navarro. Auch seine Familie war einst reich gewesen. Auch sie hatte alles verloren, als die Americanos große Teile Mexikos besetzten. Er ist von einem glühenden Haß gegen alle Americanos beseelt und treibt Waffenhandel mit den Comanchen am Rio Grande. Er hält das für sein gutes Recht, für eine Art Rache. Auch er wollte mich haben, ebenso wie MacMahon. Ich schenkte ihm meine Liebe, und er nahm mich zu sich. Wahrscheinlich heißt es in Mexiko, er habe mich entführt. Aber das ist nicht wahr. Ich bin freiwillig mit ihm gegangen. Überallhin wäre ich ihm gefolgt, denn ich liebte ihn mehr als irgendeinen anderen Mann auf der Welt.« Sie verstummte und schloß die Augen. Nach einer Weile fuhr sie mit tonloser Stimme fort: »Aber er hat meine Liebe verraten. Von Anfang an war alles, was er zu mir gesagt hat, Lüge. Lügen, Lügen, immer nur Lügen. Er wollte ein Geschäft machen mit MacMahon. Für hunderttausend Golddollar wollte er mich an den Mann ausliefern, den ich hasse.« »Aber er hatte nicht damit gerechnet, daß du einen guten Freund unter seinen eigenen Leuten hattest …« »Ja, Manolo«, sagte Luz Murano. »Er hat einmal für meine Familie gearbeitet. Als ich zu Dario Navarro floh, schloß er sich mir aus freien Stücken an. Meinen Brüdern wollte er nicht länger dienen. Außerdem wollte er mich beschützen, da mein Vater es nicht mehr tun konnte. Er hat sich der Familie Murano, als mein Vater noch deren Oberhaupt war, sehr eng verbunden gefühlt. Aber das habe ich erst in der vergangenen Nacht so richtig erkannt.« »Er muß sehr mutig gewesen sein«, sagte Chuk Adams. »Seine Chance, mit dem Leben davonzukommen, nachdem er mich befreit und uns zur Flucht verhelfen hatte, war nur gering. Er muß das gewußt haben.« »Er hat den Niedergang der Familie Murano ebensowenig - 54 -
verwunden wie mein Vater. Vielleicht war das einer der Gründe, die ihn so handeln ließen, wie er es tat. Du glaubst, er ist tot? Du glaubst, sie haben ihn wirklich umgebracht?« »Comancheros erwarten keine Gnade, aber sie gewähren auch keine. Für sie gilt nur ein Gesetz: töten oder getötet werden.« »Du sprichst diese Worte aus, als ob sie dir recht geläufig wären«, sagte Luz Murano. Sein Tonfall hatte sie sofort hellhörig gemacht. »Ich weiß, wovon ich rede«, erwiderte Chuk Adams mit merkwürdiger Betonung. Er stand auf und begann sich anzukleiden. Luz nickte. »Ja, das weißt du wohl. Du bist ein Texas-Ranger. Und Männer wie du, sagt man, sind Revolverkämpfer, genau wie die Bandoleros.« Sie beobachtete Chuk Adams, der sich hingesetzt hatte, um in seine Stiefel zu schlüpfen. »Ich bin kein Texas-Ranger«, entgegnete er, ohne den Blick zu heben. »Der Stern, den die Comanchen bei mir fanden, als ich ihnen in die Hände fiel, stammte von einem Toten. Ich fand ihn, das heißt ich fand seine Überreste in der Wüste. Wie er starb, weiß ich nicht. Es spielt auch keine Rolle. Den Stern fand ich zwischen den Fetzen seiner Kleidung. Ich nahm ihn an mich, um ihn irgendeinem Sheriff auszuhändigen. Aber kurz darauf überraschte mich eine Comanchenbande, als ich an einer Wasserstelle mein Pferd tränkte und meine Feldflasche füllte. Sie tauchten wie aus dem Nichts auf, und ein Schlag mit einem Gewehrkolben setzte mich außer Gefecht, bevor ich den Colt ziehen konnte. Einer der Indianer muß den Stern des Toten in meiner Tasche gefunden haben, denn sie brachten mich nicht gleich um, wie sie es sonst wohl getan haben würden. Sie machten eine Art Joch aus zwei dürren Ästen, steckten meinen Hals hindurch, fesselten meine Hände an die Enden des - 55 -
Jochs, legten mir eine Seilschlinge um den Nacken und ließen mich die zehn, zwölf Meilen bis zu ihrem Dorf zu Fuß laufen. Dort sollte ich langsam und qualvoll sterben, denn die Comanchen hassen die Texas-Rangers. Aus demselben Grund sind sie nun wie Bluthunde hinter uns her. Die Verfolgung eines anderen Mannes würden sie bald aufgeben. Aber da sie mich für einen Ranger halten, werden sie alles daransetzen, mich zur Strecke zu bringen.« Luz Murano richtete sich auf einem Ellenbogen auf. Ihre Gedanken überstürzten sich. »Wenn du kein Texas-Ranger bist, wer bist du dann?« fragte sie. Chuk Adams schnallte seine Chaps um, dann griff er nach dem Waffengurt, legte ihn um seine Hüften, schloß die Schnalle und befestigte die Revolverhalfter mit einem Lederriemen am Schenkel. »Ich bin ein ganz gewöhnlicher Revolvermann«, antwortete er. »Einer von denen, die man für Geld anwerben kann, damit sie fremde Kämpfe und Fehden austragen.« Er zog den Armeecolt aus der Halfter, stieß die leeren Patronenhülsen, die noch aus dem Gefecht gegen die Indianer stammten, aus den Kammern, zog neue Patronen aus den Gürtelschlaufen und lud die Waffe. Dann schob er sie ins Leder zurück. »Nun weißt du, wer und was ich bin«, fuhr er mit beißender Bitterkeit fort. »Ich nehme an, es ist dir nicht neu, daß es Männer wie mich gibt. Auch in Mexiko kennt man Revolverkämpfer, wenn man sie dort auch anders nennt.« »Pistoleros«, erklärte Luz. Chuk Adams antwortete nicht. »Warst du in einem Auftrag unterwegs, als du den Comanchen in die Hände fielst?« fragte sie. Er nickte. »Um einen Menschen zu töten?« - 56 -
»Wenn nötig, ja. Und es sah so aus, als würde es nötig sein, wenn ich meinen Auftrag erfüllen wollte.« »Du willst mir nicht sagen, worum es ging?« »Nein.« Chuk Adams zögerte, dann setzte er hinzu: »Ich habe noch nie einem Mann in den Rücken geschossen, und nirgendwo in den Staaten hängt ein Steckbrief mit meinem Namen.« Luz begriff, daß er sich rechtfertigen wollte. Und sie war bereit, ihm zu glauben. Sie hatte keine logische Erklärung für diese Bereitschaft, das gestand sie sich selbst ein. Doch sie vertraute ihrem Gefühl. Auch Dario Navarro und seine Comancheros waren Revolvermänner. Doch dieser Americano war anders als sie. »Dieser Mann – MacMahon –, der dich zu seiner Frau machen will«, murmelte Chuk Adams, »ist sehr reich, nicht wahr?« »Allein der Teil des Murano-Vermögens, den er an sich gebracht hat, muß ihn reich gemacht haben«, antwortete sie. »Aber ich glaube, er ist noch viel reicher.« »Und dieser Reichtum könnte dein sein, wenn du nur einwilligen würdest, seine Frau zu werden.« »Ich verschenke mich vielleicht, aber ich verkaufe mich nicht«, unterbrach sie ihn zornig und bitter. »Es ist nur recht und billig, daß ein Mann die Frau, die er liebt, mit allen Mitteln zu erringen versucht«, fand Adams. »Der eine kämpft um sie mit der Kraft seiner Liebe, ein anderer mit seinem Colt, ein dritter mit Geld.« »Bin ich denn nur irgendein schöner, begehrenswerter, seelen- und lebloser Gegenstand, daß man mich mit Geld bezahlen kann?« »Schön und begehrenswert – ja, das bist du«, sagte er. »Frauen wie du können Männer dazu treiben, unglaubliche Dinge zu tun. Ein Mann, und sei er noch so reich, ist einsam, wenn er keine Frau an seiner Seite hat, die er liebt. Ich sage - 57 -
nicht, daß ich billige, was MacMahon tut. Aber ich kann ihn verstehen.« »Ich bin sicher, du würdest nicht versuchen, die Frau, die du liebst, zu kaufen. Dazu bist du zu stolz.« Chuk Adams blickte an Luz vorbei. »Ich könnte einer Frau nichts bieten als ein Stück Land, auf dem noch nicht einmal eine Hütte steht und kein einziges Rind weidet. Wenn ich meinen Auftrag ausführe, werde ich zwar um zehntausend Dollar reicher sein. Aber die Frau, die ich liebe, wird dann unerreichbar für mich geworden sein. Führe ich den Auftrag jedoch nicht aus, bleibe ich arm, und sie ist erst recht unerreichbar für mich.« Luz Murano forschte mit ihren Blicken in Adams’ Gesicht nach dem verborgenen Sinn seiner Worte. Doch er wandte sich schnell ab und hob seine Winchester auf, so daß sie nichts Unausgesprochenes erraten konnte. »Versuche, ein paar Stunden zu schlafen«, sagte er zu ihr. »Trink soviel Wasser, wie du kannst! Dann leg dich nieder und decke dein Gesicht mit dem Hut zu! Die Sonne wird noch lange am Himmel stehen, und wir müssen unsere Kräfte schonen, damit wir den vor uns liegenden Weg schaffen.« »Und du, willst du denn nicht auch schlafen?« fragte Luz ihn erstaunt. Chuk Adams schüttelte nur den Kopf. Er ließ sich am Rand des Felsvorsprungs nieder, legte die Winchester griffbereit neben sich und starrte in den Canyon hinab, wo es nichts zu beobachten gab. Luz trank die Hälfte des Wassers, das sich noch in ihrer Feldflasche befand, dann streckte sie sich auf dem harten Grund aus und bedeckte ihr Gesicht mit dem spanischen Hut. Ihr angespannter, verkrampfter Körper schmerzte. Sie konnte nicht schlafen. Ihre Gedanken bewegten sich schnell und sprunghaft. Vergebens versuchte sie, hinter den Sinn von Chuk Adams’ - 58 -
Worten zu kommen. Diesen blonden Revolvermann umgab ein Geheimnis, das sie nicht zu enträtseln vermochte. Eines aber sagte ihr ihr weiblicher Instinkt. Ein Blick in seine Augen hatte es ihr verraten. Die Frau, die er liebte, war sie selbst. * Nun war es Nacht, aber es waren keine freundlichen Wolken, die an der Scheibe des sinkenden Mondes vorbeijagten. Sie sahen aus wie die Schatten der Angst. Hoch oben im stahlfarbenen Himmel hörte Luz Murano das Stöhnen und Klagen des Nachtwinds. Seit die Dunkelheit hereingebrochen war und sie ihr Versteck verlassen hatten, waren sie ohne Halt marschiert. Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis die Morgendämmerung bleigrau über den östlichen Horizont heraufstieg. Sie bewegten sich in nördlicher Richtung, immer darauf bedacht, im Schutz von Canyons und Bergflanken zu bleiben, in deren schwarzen Schlagschatten sie untertauchen konnten, sobald sich eine Gefahr zeigte. Chuk Adams schritt voran, seine und Luz’ Satteltaschen und Feldflaschen über die linke Schulter geworfen, die Winchester in der rechten Hand. Wenn er Müdigkeit spürte, so zeigte er es nicht. Sein Schritt war stetig und holte weit aus. Er schien keine Erschöpfung zu kennen. Luz Murano erinnerte sich daran, daß er gesagt hatte, er werde sein Leben nicht verlorengeben, solange er noch Kraft in sich fühle. Sie selbst wäre schon lange zusammengebrochen und wahrscheinlich liegengeblieben, wenn Adams’ Mut und Ausdauer sich ihr nicht auf geheimnisvolle Weise mitgeteilt hätten. So bemühte sie sich, mit ihm Schritt zu halten. Die Kühle der Nacht half ihr dabei. Dennoch stolperte und strauchelte sie jetzt - 59 -
immer öfter. Lange würde sie nicht mehr durchhalten. Aber sie wollte auch nicht um eine Ruhepause bitten, wenn Chuk Adams sie ihr nicht aus eigenem Entschluß gewährte. Einmal hatte sie ihn gefragt, welches Ziel vor ihnen läge. Doch er hatte ihr keine Antwort darauf gegeben. Die Mühen und Anstrengungen des Marsches hatten aber auch eine gute Seite. Sie ließen ihr keine Zeit, über das nachzugrübeln, was in den letzten Tagen geschehen war. Sie mußte ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Weg richten, der vor ihr lag und den sie im Dunkel der Nacht mehr ahnte als sah. Plötzlich blieb Chuk Adams stehen, und im selben Augenblick hörte Luz auch schon ein stählernes Klicken. Es wurde dadurch verursacht, daß er den Verschluß seines Karabiners löste. Mit der linken Hand gab er ihr ein Zeichen, sich ruhig zu verhalten. Er wartete lauschend vorgebeugt. Sekunden verstrichen, dann vernahm Luz das näherkommende Knarren hölzerner Achsen, das Rumpeln und Klirren eisenbereifter Wagenräder und das rhythmische, weiche Schnauben von Pferden und Maultieren. Vor ihnen tauchte ein Licht auf, hell und rötlich flackernd. Es war eine Sturmlaterne, die über dem Bock eines MurphyWagens hing, der von vier Mulis gezogen wurde. Gelb und fleckig schimmerte die Leinenplane, die sich lose und faltig über den Spannrippen bauschte. Das Gefährt schwankte und holperte geradewegs auf Luz und Chuk Adams zu. Der Lichtkegel der Laterne fiel auf sie, und der Mann auf dem Wagenbock brachte sein Gespann mit einem Zügelruck zum Stehen. »Wo habt ihr denn eure Pferde gelassen?« fragte er, schob seinen Kautabak mit der Zunge in die andere Backentasche, spitzte die Lippen und spuckte einen Strahl Tabaksaft treffsicher eine Handbreit vor Chuk Adams’ Stiefelspitzen in den Staub. Die auf ihn gerichtete Winchestermündung schien - 60 -
er gar nicht zu bemerken. Er hatte ein verwittertes Gesicht von unbestimmbarem Alter. Luz schätzte ihn nach dem ersten Blick auf etwa fünfzig, sechzig Jahre, vielleicht etwas weniger, vielleicht etwas mehr. Sein Kinn und seine Wangen bedeckte ein grauer Stoppelbart, der an einigen Stellen dunkel geblieben war. Seine Augen blickten verschlagen drein, und sein Mund schien so beweglich zu sein, daß er sich in der einen Sekunde zu einem Lächeln, in der nächsten zu einer grimmigen Grimasse und in der folgenden zu einer abschätzenden Miene verziehen konnte. Er trug über einem Leinenhemd ohne Kragen und Manschetten eine dunkle Weste, die, ebenso wie seine Hose, schon bessere Tage gesehen hatte. Auf seinem Kopf saß ein abgegriffener Zylinderhut. Er hatte einen Revolvergurt mit Zwillingshalftern umgeschnallt, in denen zwei Colts mit nach vorn gerichteten Beingriffen steckten. Neben ihm am Wagenbock lehnte eine Schrotflinte mit abgesägten Läufen. »Wir haben unsere Pferde verloren«, hörte Luz Murano Adams antworten. Der Mann auf dem Bock nickte bedächtig. Seine Augen funkelten gelb im Schein der Laterne. »Keine gute Nacht, die ihr euch für euren Spaziergang ausgesucht habt«, stellte er dann fest. »In Fort Davis heißt es, daß Iron-Jacket und seine Bande abtrünniger Comanchen dieses Gebiet unsicher machen. Sie sind aus ihrer Reservation ausgebrochen und plündern, morden und brennen in WestTexas. Wäre ich an Ihrer Stelle, Mister, dann würde ich sehen, daß ich von hier verschwinde, schon um der Lady willen.« Er musterte Luz Murano, und sein Gesichtsausdruck verriet, woran er dabei dachte. »Sie scheinen keine Angst vor den Comanchen zu haben«, entgegnete Chuk Adams. »Joe Lamont braucht die Rothäute nicht zu fürchten«, erklärte der Mann auf dem Wagen. Zu Luz gewandt fügte er mit fast - 61 -
freundlicher Ehrerbietung hinzu: »Joe Lamont, das bin ich. Ihr Diener, Madam.« Und er griff mit zwei Fingern an den Rand seines Zylinderhuts. »Ich treibe Handel mit den Indianern. Davon lebe ich. Sie kennen mich und lassen mich ziehen, wohin ich will.« »Und wohin wollen Sie jetzt?« fragte Chuk Adams, ohne die Karabinermündung auch nur eine Handbreit zu senken. »Nach Buffalo-Gap.« Lamont nannte einen Namen, den sie beide nie gehört hatten. »Ich habe nie von einer Stadt dieses Namens gehört.« »Das glaube ich Ihnen gern, Mister.« Lamont rieb sich die unrasierten Wangen. »Buffalo-Gap ist eine Geisterstadt. Sie besteht nur noch aus einem Dutzend windschiefer Ruinen. Früher war’s ein Ort, den die Büffeljäger aufsuchten. Aber als die Comanchengefahr zu groß wurde, verließen die Einwohner Buffalo-Gap. Heute gibt’s dort nur noch Präriewölfe, Klapperschlangen und mich, Joe Lamont. Und ab und zu kommen Comanchen dorthin, um mit mir Handel zu treiben.« »Ja, Gewehre und Patronen gegen gestohlene Pferde und geraubtes Vieh.« Chuk Adams nickte zum Zeichen dafür, daß er auch verstanden hatte, was der Alte noch nicht einmal angedeutet hatte. Luz, die den Blick nicht von Lamont wandte, fand, daß dessen Augen sich verengten. Sie hatte plötzlich den Eindruck, daß dieser Mann gefährlich werden konnte. Doch gleich darauf grinste Lamont vielsagend, zuckte mit den Schultern und meinte: »Mag sein, daß sich hin und wieder ein paar Gewehre unter meinen Handelswaren befinden. Wohin wollen Sie, Mister?« »Liegt Buffalo-Gap in der Nähe der Furt durch den Wildhorse Creek?« »Nicht gerade in der Nähe. Aber auch nicht weiter entfernt als zehn, zwölf Meilen, wenn man den direkten Weg einschlägt.« »Dann wollen wir nach Buffalo-Gap. Können Sie uns in - 62 -
Ihrem Wagen mitnehmen?« »Warum nicht?« lachte Lamont. »Über den Preis werden wir uns einigen, wenn wir am Ziel sind, nicht wahr, Mister?« »Adams.« »Adams? Ah, ja.« Lamont spuckte neuerlich einen Mund voll Tabaksaft aus. »Steigen Sie mit der Lady hinten in den Wagen, Mister Adams. Machen Sie es sich bequem, Madam. Wir werden Buffalo-Gap nicht vor Mittag erreichen.« Luz Murano folgte Adams zur rückwärtigen Wagenklappe. Er nahm sie mit beiden Händen um die Hüften, hob sie hoch und schob sie unter die Plane, warf Satteltaschen, Feldflaschen und seine Winchester hinterher und stieg dann selbst ein. Im matten Lichtschein der Laterne, der von draußen durch die Leinenplane hereindrang, sah Luz, daß der Wagen mit Fässern und Kisten angefüllt war. Ein paar Decken und eine zusammengerollte Büffelhaut lagen auch da. Erschöpft ließ sie sich darauf niedersinken. Chuk Adams stieg über sie hinweg nach vorn zu Lamont. »Fahren Sie los!« Lamont schnalzte mit der Zunge, ruckte an den Zügeln, und der Wagen begann zu rollen. »Werden Sie verfolgt?« hörte Luz den Händler fragen. »Ist jemand hinter Ihnen und der Lady her?« »Würde das etwas an Ihrer Hilfsbereitschaft ändern?« »Nicht an meiner Hilfsbereitschaft, nur an meinem Preis, Mister Adams. Aber Sie werden ihn schon bezahlen können. Darüber mache ich mir gar keine Gedanken. Da muß ich Sie völlig beruhigen, so wie die Sache aussieht.« Eine Weile war es still bis auf die Geräusche, die der Wagen und das Maultiergespann verursachten. Dann ertönte Chuk Adams’ Stimme: »Woher kommen Sie?« Und Lamont erwiderte: »Ich sagte es schon, aus Fort Davis. Hab’ dort die Handelswaren gekauft, eine halbe Flasche Whisky getrunken und den Leuten im Saloon zugehört. Es war - 63 -
viel von aufständischen Indianern die Rede, aber auch von mexikanischen Comancheros, die nachts über den Rio Grande kommen, um Iron-Jacket und die anderen abtrünnigen Roten mit Winchester-Gewehren und Patronen zu beliefern. Es hieß auch, daß die Comancheros noch ganz andere, weitaus einträglichere Geschäfte in Texas zu erledigen hätten.« »Schon gut, Lamont. Ich bezahle Ihren Preis«, unterbrach ihn Adams abwehrend. Er stieg wieder durch den Wagen nach hinten und setzte sich neben Luz auf eine Kiste, stützte einen Ellenbogen aufs Knie und seine Stirn in die Handfläche. Luz Murano wollte ihm eine Frage stellen. Aber bevor sie den Mund auftun konnte, wurde sie von Müdigkeit und Erschöpfung überwältigt. Sie fühlte nicht einmal mehr, wie ihr Kopf auf die zusammengerollte Büffelhaut sank. Ein bleischwerer, traumloser Schlaf nahm sie gefangen, in dem sie alle drängenden Gedanken verlor. * Ihr Erwachen geschah jäh und erschreckend. Eine harte Hand legte sich auf ihren Mund. Sie versuchte, sie wegzustoßen, bäumte sich gegen den Arm, der sie festhielt, und öffnete die Augen. Es war heller Tag. Chuk Adams’ Gesicht befand sich dicht vor dem ihren. »Still!« befahl er mit leiser, gepreßt klingender Stimme. Sofort stellte sie ihren Widerstand ein. Er ließ sie los, ergriff ein paar Decken und warf sie über sie. Dann packte er das Büffelfell, zog es über sich, so daß er ganz davon bedeckt war, und legte sich dicht neben sie. »Was ist geschehen?« flüsterte sie. »Reiter kommen auf den Wagen zu«, erklärte er, »und einer davon ist Dario Navarro.« Heiße Angst stieg in Luz Murano auf. Sie wollte die Decken - 64 -
abschütteln und sich aufrichten, doch Adams hielt sie fest. »Bleib ganz ruhig liegen«, murmelte er. »Es sind drei. Vielleicht wird es zum Kampf kommen. Aber ich würde einer Schießerei gern ausweichen, denn Lamont hat Whisky und Schießpulver geladen. Eine verirrte Kugel würde schon ausreichen, um den Wagen und uns in die Luft zu jagen.« Luz drängte sich enger an ihn und lauschte. Minutenlang vernahm sie nichts außer ihren eigenen erregten Atemzügen und dem Schlag ihres Herzens. Dann drang ein anderes Geräusch an ihre Ohren. Es war der Klang eisenbeschlagener Pferdehufe. Der Wagen rollte langsamer und kam zum Stehen. »Wer sind Sie, Americano?« hörte Luz eine Männerstimme fragen. Es war die Dario Navarros. »Mein Name ist Lamont, Joe Lamont«, sagte der alte Händler gelassen. »Ich bin Händler. Aber ich glaube nicht, daß Sie in meinem Wagen etwas finden werden, was von Interesse für Sie ist.« »Ich bin kein Wegelagerer«, erwiderte Navarro. »Ich suche einen Mann und eine Frau. Vielleicht sind Ihnen die beiden unterwegs begegnet.« »Seit ich Fort Davis verließ, habe ich nichts anderes zu Gesicht bekommen als die Hinterteile meiner Maultiere. Eine Abwechslung wäre mir sicher aufgefallen.« »Dann haben Sie sicher nichts dagegen, daß wir einen Blick in Ihren Wagen werfen? Das könnte uns beiden einige Umstände ersparen.« »Nur zu«, gewährte Lamont. Luz hörte, wie er einen Strahl Tabaksaft ausspuckte. Sie wandte den Kopf. Durch einen schmalen Spalt zwischen den Decken, unter denen sie lag, konnte sie Lamonts Rücken und seine rechte, den Reitern offenbar nicht sichtbare Hand erkennen, die nach dem Colt tastete. »Gabriel!« Navarros Stimme war wie das Knallen einer Peitsche. - 65 -
Hufschlag ertönte, dann machte sich eine Hand an der Wagenplane zu schaffen und hob sie hoch. Sie spürte, wie Adams seinen Griff, mit dem er sie hielt, verstärkte. Dicht neben ihrem Gesicht erkannte sie den stählernen Schimmer eines Revolverlaufs. Eine Weile blieb es still, dann meldete Apodacas Stimme: »Fässer, Kisten, Decken, Büffelhäute, Don Dario.« Die Wagenplane fiel wieder herab. Luz merkte, wie Chuk Adams ausatmete. Sein Griff lockerte sich erleichtert. »Ich schlage Ihnen ein Geschäft vor, Lamont«, begann Navarro, einen Handel zu vereinbaren. »Wenn Sie den beiden begegnen, die ich suche, dann schießen Sie dem Mann eine Kugel in den Rücken und liefern mir die Frau aus. Ich bezahle fünftausend US-Dollar für sie.« »Schon recht«, erklärte Lamont. »Fünftausend Dollar sind viel Geld. Ich könnte es brauchen.« »Wohin fahren Sie?« »Nach Buffalo-Gap.« »Bueno«, schloß Navarro. »Ich werde hinkommen. Wenn Sie die Frau dann haben, schließen wir den Handel ab. Vergessen Sie nicht mein Angebot!« »Bestimmt nicht«, versicherte Lamont. »Ich werde es bestimmt nicht vergessen, da können Sie ganz ruhig sein und sich voll auf mich verlassen.« Der Hufschlag mehrerer Pferde ertönte und wurde rasch leiser. Der Murphy-Wagen begann wieder zu rollen. »Sie sind fort, Adams!« rief Lamont über die Schulter. »Sie können herauskommen.« Chuk Adams warf die Büffelhaut ab, schob seinen Armeecolt in die Halfter und befreite Luz von den Decken, die er über sie geworfen hatte. Sie richtete sich auf und fuhr mit den Fingern durch ihr volles, schimmerndes schwarzes Haar, das jetzt vollkommen zerzaust und in Unordnung war. »Sie müssen einen beträchtlichen Wert für die Comancheros - 66 -
haben, Madam«, schlußfolgerte Lamont und kaute auf seinem Priem herum. »Fünftausend Dollar für eine Frau, das ist ein stolzer Preis.« »Fünftausend Dollar sind nur ein kleiner Bruchteil von einhunderttausend«, erwiderte Luz. »Navarro bot Ihnen nur ein Almosen.« »Einhunderttausend?« Lamont drehte sich um, starrte sie ungläubig an und stieß dann einen langen, leisen Pfiff aus. »Aber ich bin nicht unbescheiden«, fügte er rasch hinzu, »ich begnüge mich mit fünftausend.« »Spielen Sie mit dem Gedanken, mich an Navarro auszuliefern?« fragte Luz. Die Angst nahm ihr fast den Atem. Lamont machte eine abwehrende Handbewegung. »Ich würde nicht einmal ein Maultier in die Hände der Comancheros fallen lassen«, erwiderte er. »Aber fünftausend Dollar sind eine schöne runde Summe, mit der sich allerlei anfangen läßt.« Luz Murano war nicht sicher, wie diese Worte gemeint waren. Sie warf Chuk Adams einen fragenden Blick zu, doch der Revolvermann schien ihn nicht zu bemerken. Sie sah von einem der beiden Männer zum anderen. Ein Gefühl der Furcht überkam sie, das sie beinahe ohnmächtig erstarren ließ. * Buffalo-Gap bestand, wie Lamont angekündigt hatte, aus zehn, zwölf verfallenen Gebäuden. Einige waren aus Holz, andere aus Lehmziegeln errichtet worden. Sämtliche Fensterscheiben waren zerbrochen oder erblindet. Die Türen hingen, soweit sie überhaupt noch vorhanden waren, schief in den Angeln. Manche Dächer waren eingesunken und viele Stützpfosten zusammengebrochen. Entwurzelte, verdorrte Büsche lagen zwischen den Ruinen und wurden ab und zu vom - 67 -
heißen Wüstensand ein Stück weitergetrieben. Schwer lastete die Sonnenglut auf der toten Stadt. Lamont brachte sein Gespann vor einem zweistöckigen Gebäude zum Stehen, an dem ein über der Schwingtür angebrachtes, verwittertes Schild verhieß: »Buffalo-ChipsSaloon«. Luz Murano ließ sich von Chuk Adams aus dem Wagen helfen und sah sich in der Geisterstadt um. Nirgendwo war ein Anzeichen von Leben zu entdecken. Die Häuser schienen keine Beziehung mehr zu dem Zweck zu haben, für den sie einst errichtet worden waren. Sie hatten sich angepaßt zu Bestandteilen des einsamen Landes, wie die Berge, der Wüstensand und der Wind. »In diesem Saloon habe ich mein Quartier aufgeschlagen«, erklärte Lamont. Er nahm seinen Zylinder ab, trocknete das lederne Schweißband mit seinem Taschentuch und setzte den Hut wieder auf. »Es wird besser sein, wenn Sie im Haus bleiben und sich so wenig wie möglich draußen blicken lassen. Man kann nie wissen, ob sich nicht Comanchen in der Umgebung herumtreiben, und ich möchte meinen Skalp gern noch länger behalten.« Chuk Adams nahm seine Winchester, die Satteltaschen und Feldflaschen aus dem Wagen und ging vor Luz in den Saloon. Die Schwingtür knarrte, als er sie mit den Schultern aufstieß. Das Innere des Gebäudes war ebenso schmutzig und verwahrlost wie sein Äußeres. Der ehemalige Saloon hatte eine niedrige Decke, von der an Eisenketten zwei rußgeschwärzte Petroleumlampen herabhingen. Die Theke war noch vorhanden, ebenso die Flaschenregale. Doch die waren jetzt leer. An den Wänden und am Fuß der Treppe, die ins Obergeschoß hinaufführte, hatten sich Sandverwehungen gebildet, die den Schritt behinderten. »Keine behagliche Umgebung, nicht wahr?« sagte Lamont, der den Raum hinter Luz und Adams betreten hatte. »Aber ich - 68 -
habe auch nicht vor, mein Leben hier zu beschließen. Ich warte nur auf den Tag, an dem ich genügend Geld beisammen habe, um in irgendeiner kleinen Hafenstadt an der texanischen Küste eine Kneipe aufmachen zu können. Dann kann diese Ruine hier meinetwegen zusammenbrechen, vom Sturm weggeblasen werden oder nur noch den Klapperschlangen als Behausung dienen, die sie jetzt schon immer erobern wollen.« »Und wie lange wird es noch dauern, bis Sie genügend Geld haben, um dieser toten Stadt den Rücken kehren zu können?« fragte Luz. »Nicht mehr lange, Madam. Glauben Sie mir, es wird nicht mehr lange dauern«, antwortete Lamont und ließ ein trockenes Lachen hören. Er deutete auf die Treppe. »Im Obergeschoß gibt es ein paar Räume, in denen Sie unterschlüpfen können«, fuhr er fort. »Ich benütze sie nie. Ich schlafe hier unten. Sie werden also ungestört sein.« Er ging, um den Wagen zu entladen. Luz blickte Chuk Adams zweifelnd an. Aber als er die Treppe hinaufstieg, folgte sie ihm. Einer der Räume, deren Türen Adams aufstieß, hatte blinde, aber heile Fensterscheiben und war deshalb verhältnismäßig sauber. Chuk Adams warf seine Last auf den Bretterboden und lehnte die Winchester gegen eine Wand. »Ich denke, wir bleiben hier«, sagte er. »Es ist ja nur für eine Nacht. Morgen machen wir uns wieder auf den Weg.« »Zur Furt des Wildhorse Creek?« fragte Luz. »Ja.« »Was hat es mit dieser Furt auf sich? Warum müssen wir unbedingt dorthin?« Der Klang ihrer Stimme mußte ihr Mißtrauen verraten haben, denn Adams musterte sie kurz, aber scharf und eindringlich. Dann wandte er sich ab. »Hier gibt’s sogar noch einen Waschtisch und eine Schüssel«, sagte er. »Ich werde einen Eimer Wasser heraufbringen, damit - 69 -
du dir den Staub vom Körper waschen kannst.« »Ich traue diesem Lamont nicht«, entfuhr es ihr. »Er hat ein verschlagenes Gesicht. Und ich fürchte, daß er dazu passende gefährliche Gedanken hegt. Sein Gerede von den fünftausend Dollar, die Dario ihm versprochen hat, wenn er mich ausliefert, gefiel mir gar nicht. Aus irgendeinem Grund scheint er vollkommen sicher zu sein, daß er das Geld wirklich bekommen könnte.« »Glaubst du, Navarro würde ihm die Prämie auszahlen, wenn Lamont sich an die Abmachung mit ihm hielte?« »Nein. Dario teilt niemals mit irgend jemandem. Er würde Lamont nicht mit Dollars, sondern mit Blei bezahlen.« »Denkst du, Lamont weiß das nicht?« Luz fühlte noch immer Zweifel in sich. »Doch«, sagte sie. »Nur ein Narr würde Darios Wort vertrauen. Aber Lamont ist kein Narr. Trotzdem rechnet er fest damit, das Geld zu erhalten, die vollen fünftausend Dollar. Ich frage mich nur, wer sie ihm auszahlen wird.« »Mach dir keine Gedanken«, sagte Adams. »Solange du in meiner Nähe bist, wird niemand Hand an dich legen, weder Lamont noch Navarro oder ein verdammter Comanche.« Er konnte sie nicht damit beruhigen, aber sie freute sich über sein Versprechen. Sie stiegen wieder in den Saloon hinunter, wo Lamont damit beschäftigt war, eine Kiste, die er aus dem Wagen hereingeschafft hatte, mit einem Brecheisen zu öffnen. »Haben Sie ein paar Decken, auf denen wir schlafen können?« erkundigte sich Chuk Adams. »Dort hinten liegen welche.« Lamont deutete mit dem Brecheisen in eine Ecke. Adams warf einen Blick auf den Deckel der Kiste, die Lamont aufgebrochen hatte. »Bibeln« stand darauf. Er schob ihn mit der Stiefelspitze zur Seite, und Luz sah, daß die Kiste Repetiergewehre enthielt. - 70 -
»Bibeln …« Chuk Adams schüttelte den Kopf und warf Lamont einen abschätzigen Blick zu. »Mit irgend etwas muß der Mensch Geld verdienen, wenn er essen will. Und leider haben die Comanchen keine Verwendung für die Heilige Schrift«, gab Lamont mit unbewegtem Gesicht zurück. »Was würden Sie tun, wenn Sie zu Geld kämen, Adams? Jeder Mensch hat doch einen Traum. Was ist Ihr Traum?« »Eine Ranch«, gab Chuk Adams zögernd zu. »Glauben Sie, daß fünftausend Dollar ausreichen könnten, um diesen Traum zu verwirklichen?« Adams zuckte mit den Schultern. »Die wenigsten Träume gehen in Erfüllung«, erwiderte er. »Ihre vielleicht nicht, meine doch«, sagte Lamont. Adams holte vier Decken von dem Stapel in der Ecke, ohne zu antworten. Luz war dem kurzen Gespräch zwischen Lamont und Chuk Adams aufmerksam gefolgt. So viel war ihr inzwischen klar: Es bestand ein Zusammenhang zwischen den zehntausend Dollar, die Adams erwähnte, als sie in ihrem Versteck in den Bergen auf den Anbruch der Dunkelheit gewartet hatten, und den zweimal fünftausend Dollar, die Lamont bereits zwischen sich und Adams aufteilte. Chuk Adams reichte ihr die Decken und forderte sie auf: »Geh schon hinauf. Ich bringe dir gleich einen Eimer Wasser.« »Den kann ich mir selbst holen«, sagte sie. »Der Brunnen ist hinter dem Saloon«, warf Lamont ein. »Dort finden Sie auch einen Eimer, Madam. Schätze, Mister Adams und ich haben noch ein Problem zu klären.« Luz ging hinaus. Als sie mit dem Eimer zurückkehrte, verstummten die beiden Männer und schwiegen, bis sie die Tür ihres Zimmers hinter sich geschlossen hatte. Ihre Gedanken beschäftigten sich unaufhörlich mit den Worten, die zwischen Chuk Adams und Lamont gefallen sein - 71 -
mochten, während sie sich entkleidete und wusch. Es tat gut, den Staub und den beißenden Schweiß vom Körper zu spülen. Plötzlich hörte sie hinter sich das Knarren der Türangeln. Sie drehte sich halb herum. Adams stand auf der Schwelle. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, als er sie sah. Sie war unbekleidet. Auf ihrem Gesicht glitzerten Wassertropfen. Das Sonnenlicht, das gedämpft durch die blinden Fensterscheiben hereindrang, ließ ihre Haut wie mattes Gold schimmern. Eine Zeitlang wartete Chuk Adams reglos und betrachtete sie stumm, dann ging er zu ihr und nahm sie in seine Arme. Sie ließ es geschehen und fühlte den unausgesprochenen, wilden Zweifel, mit dem Chuk Adams rang. »Was hast du?« fragte sie nach einer Weile. Er gab sie nicht frei, sondern umfing sie nur noch fester mit seinen Armen, das Gesicht in ihrem Haar verborgen. »Etwas bedrückt dich. Ich spüre das schon lange. Willst du es mir nicht erzählen? Ist es nicht an der Zeit, daß wir offen zueinander sind? Sag mir die Wahrheit!« »Es gibt nichts zu sagen«, erwiderte er, ohne sie freizugeben. Da machte sie sich mit einer heftigen Bewegung von ihm los, trat einen Schritt zurück und sah ihm ins Gesicht. »Wir denken beide, daß das nicht die Wahrheit ist«, sagte sie. »Warum versuchst du, mir etwas vorzumachen? Wie kann ich dir vertrauen, wenn du mich belügst?« »Ich habe dir versprochen, daß niemand Hand an dich legen wird, solange ich bei dir bin«, wiederholte er. »Ich werde dich mit meinem Colt und, wenn nötig, mit meinem Leben beschützen.« Sie ahnte, daß ein dunkler Doppelsinn in seinen Worten mitschwang. »Das hast du bereits bewiesen. Trotzdem weiß ich nicht, ob ich dir noch länger glauben und vertrauen kann.« Er schwieg, und Luz wartete. Sie spürte, wie hart er innerlich um einen Entschluß kämpfte. - 72 -
»Würdest du mir glauben«, fragte er schließlich, »wenn ich dir sagte, daß ich dich …?« Er brach ab. »Daß du mich liebst?« vollendete sie den begonnenen Satz an seiner Stelle. »Ich habe dieses Wort nicht ausgesprochen«, sagte er heiser. »Wäre unsere Lage eine andere, ich hätte es längst getan. Aber ich kann nicht. Ich darf nicht. Es würde nur eine sinnlose Hoffnung wecken. Und nichts ist schlimmer, als mit einer Hoffnung zu leben, von der man weiß, daß sie niemals in Erfüllung gehen wird.« »Es gibt noch etwas Schlimmeres, nämlich ohne alle Hoffnung zu leben«, sagte Luz. Sie empfand selbst, daß ihre Worte eine Herausforderung an das Schicksal waren. Sie und Chuk Adams waren, nur auf sich selbst gestellt, von tödlichen Gefahren umgeben. Jeder Schritt, den sie taten, mochte sie ihrem Ende näher bringen. Unwillkürlich fragte sie sich, woher sie die Kraft und den Mut nahm, von Hoffnung zu sprechen. Und auf einmal begriff sie, daß Chuk Adams, an dessen hartnäckigem, unbeugsamem Willen zum Leben sie sich so lange aufgerichtet hatte, mutlos geworden war und sie nun genug innere Stärke für zwei aufbringen mußte. Die Last der Entscheidung, wie es weitergehen sollte, ruhte jetzt auf ihren Schultern. Diese Wendung hatte sie nicht vermutet, und sie überlegte, ob sie der Aufgabe gewachsen sein würde, die damit auf sie zukam. * Sie gab ihm Ruhe und Sicherheit, wie Frauen Männern seit Jahrtausenden Ruhe und Sicherheit gaben. Ohne Worte, mit ihrem Körper, mit ihrer Hingabe, ihrem Verlangen, ihrer Leidenschaft. Und er suchte bei ihr gleichzeitig Bestätigung und Vergessen, wie Männer sie zu allen Zeiten bei Frauen gesucht haben. - 73 -
Sie vergaß ihre eigenen Fragen und ihr Mißtrauen. Ihr war, als sei sie von einer schweren Last befreit und nie zuvor einem Mann so nahe gewesen wie jetzt Chuk Adams, dem Americano, dem blonden Revolvermann, dem geliebten Feind. Ja, sie hatte begonnen, ihn zu lieben. Sie gestand es sich selbst ein. Und doch war es vielleicht auch ein wenig der verzweifelte Wunsch, Mühsal, Gefahr und Tod zu vergessen, der sie in seine Arme trieb. Erschöpft und glücklich ruhte sie sich an seiner Seite aus, den Kopf an seiner Brust. »Ich werde bei dir bleiben, solange du mich haben willst«, sagte sie und brach damit endlich das Schweigen. »Ich werde dich nicht verlassen, wenn du mich nicht wegschickst.« Der Gedanke an Dario Navarro war von ihr abgefallen wie der Schatten eines bösen Traumes, den man am Morgen im Strahl der Sonne vergißt. »Luz«, sagte Chuk Adams plötzlich, »wir werden BuffaloGap noch heute nacht verlassen.« »Du hast deinen Entschluß also geändert?« »Ja. Wir werden nicht bis zum Morgen warten. Noch vor Mitternacht reiten wir los.« Mit Erleichterung und Befriedigung stellte Luz Murano fest, daß Adams wieder selbst Entscheidungen traf. »Glaubst du, Lamont wird uns so einfach gehen lassen?« fragte sie zweifelnd. »Dieser Mann flößt mir Widerwillen und Angst ein, sobald er in meine Nähe kommt. Mein allererster Blick auf ihn sagte mir schon, daß er uns gefährlich werden könnte.« »Du hast recht«, gab Chuk Adams zu. »Lamot wird mit Sicherheit versuchen, uns daran zu hindern, Buffalo-Gap zu verlassen. Um so mehr, als wir zwei seiner Pferde brauchen. Ich bin sicher, daß er irgendwo Pferde versteckt hat. Und ohne Pferde würden wir nicht weit kommen.« »Was hast du vor?« wollte Luz wissen. - 74 -
»Ich muß herausfinden, wo seine Pferde stehen. Dazu muß ich den Saloon verlassen. Das wird wahrscheinlich sein Mißtrauen wecken. Er darf mir aber nicht folgen. Du mußt ihn also irgendwie im Saloon festhalten. Versuche es, und lege dir einen Plan zurecht.« »Und wenn mir das nicht gelingt?« »Dann wird es zu einem Revolverkampf zwischen Lamont und mir kommen«, sagte Chuk Adams, »und einer von uns beiden wird sterben müssen.« * Draußen dämmerte es schon, als Luz und Chuk Adams ihr Zimmer verließen und in den Saloon hinabstiegen. Die beiden Petroleumlampen, die an Eisenketten von den Deckenbalken herabhingen, brannten und verbreiteten eine gedämpfte Helligkeit. Lamont stand in einer Ecke vor einem kleinen Kanonenofen und rührte in einer Eisenpfanne. Der Geruch von gebratenem Fleisch erfüllte den niedrigen Raum. »Wir können gleich essen«, sagte der Händler über die Schulter, als er die Schritte auf der Treppe hörte. »Setzen Sie sich an die Theke. Dort steht eine Flasche guten Whiskys. Es ist nicht das Zeug, das ich an die Indianer verkaufe. An der Wand hängt ein Ziegenlederschlauch mit Manzanilla, mexikanischem Wein, den die Lady bestimmt zu schätzen wissen wird.« Chuk Adams legte seine Winchester auf die Theke, wo neben der Flasche drei Gläser standen. Eines füllte er aus dem Schlauch an der Wand bis zum Rand mit Rotwein, in die beiden anderen goß er Whisky. »Womit bezahlen die Indianer eigentlich Ihre Handelswaren?« fragte er dabei. Seine Stimme verriet nichts von dem Interesse, das ihn erfüllte. - 75 -
»Das kommt darauf an, wie erfolgreich ihre letzten Raubzüge waren«, antwortete Lamont. »Manchmal zahlen sie mit USDollars, manchmal mit Gold- und Silberschmuck. Einmal bot mir ein Comanche eine Bibel, einen Kupferkessel, eine zerbrochene Brille und – Verzeihung, Madam! – eine Damenunterhose für eine Flasche Schnaps. Ich habe ihn zum Teufel gejagt. Aber meistens bezahlen sie mit Pferden, über die sie sowieso verfügen können.« »Ich habe nirgendwo Pferde gesehen, als wir nach BuffaloGap kamen«, sagte Adams wieder mit beiläufigem Tonfall. »Das kommt daher, weil ich die Tiere nach Fort Davis getrieben und dort verkauft habe«, erklärte Lamont. »Es gibt jetzt nur noch ein Pferd hier, meines.« Luz und Chuk Adams tauschten einen Blick. Dann kam Lamont mit der Pfanne zur Theke. »So, da ist das Essen«, sagte er. »Teller habe ich nicht. Aber Gabeln sind da.« Das Essen schmeckte ausgezeichnet. Es war Kaninchenragout, das in einer Sauce aus Rotwein, Kichererbsen, Zwiebeln und Pfefferschoten schwamm. Das Fleisch war zart und von den Knochen gelöst. Luz Murano und Adams aßen trotzdem nur wenig. Doch Lamont schien das nicht zu bemerken. Er leerte die Pfanne, tunkte den Rest der Sauce mit einem Stück Maisbrot auf, trank seinen Whisky aus, trat dann zu dem Ziegenlederschlauch an der Wand und füllte sein Glas mit Wein. »Ich ziehe mexikanischen Wein dem amerikanischen Whisky und Brandy vor«, erklärte er, »obwohl ich auch nichts gegen Schnaps habe. Guter Whisky kann wie Medizin wirken. Die Indianer machen sich gar nichts aus Wein. Sie lieben den minderwertigen Handelswhisky, der mit Petroleum, Holzasche, Pfeffer und Schießpulver versetzt ist. Sie finden, daß der Schnaps der beste ist, der am meisten in der Kehle brennt. So richtig feurig muß er nach ihrem Geschmack sein.« - 76 -
Er kehrte zur Theke zurück, lehnte sich dagegen und drehte das Glas zwischen den Fingern. »Die Comanchen glauben an alle möglichen Verrücktheiten«, sagte er und lachte abschätzig. »Iron-Jacket zum Beispiel trägt einen alten Brustpanzer, der von den spanischen Conquisitadoren stammt. Deshalb gilt er unter den Indianern als kugelfest. Aber wenn er einmal einem sicheren Schützen vor die Gewehrmündung käme, wäre es schnell aus mit der Legende von seiner Unverwundbarkeit und seinem Ruf eines Übermenschen.« Er stürzte die Hälfte des Weins in seinem Glas in einem Zug hinunter und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Jesus Christus, werde ich froh sein, wenn ich keine Comanchen mehr zu sehen brauche«, stöhnte er. »Ich will wieder unter Weißen leben. Der einzige Indianer, den ich zu Gesicht bekommen möchte, ist der auf der Vorderseite der Fünf-Dollar-Goldmünze.« Während er sprach, glaubte Luz Murano draußen Hufschlag zu hören. Doch als Lamont verstummte, war kein Laut zu vernehmen, außer dem Knistern und Knacken des Feuers im Kanonenofen. Sie lauschte angestrengt, wandte aber schließlich ihre Aufmerksamkeit beruhigt wieder Lamont zu, der inzwischen sein Glas geleert hatte. »Sie können sich nicht vorstellen, wie eintönig und aufreibend das Leben in dieser verdammten Wildnis ist, Madam«, fuhr er fort. »Mit der Zeit fängt man an, Selbstgespräche zu führen, nur um den Klang einer menschlichen Stimme zu hören. Es gibt Weiße, die sich Indianer-Squaws nehmen, wenn sie die Einsamkeit nicht länger ertragen zu können glauben. Aber davon halte ich nichts. Die Frauen der Comanchen sind schmutzig und stinken wie verrottete Büffelhäute. Man muß ohne Augen und Nase sein, wenn man mit ihnen leben will.« Er füllte sein Glas erneut aus dem Weinschlauch. Als er ihnen - 77 -
dabei den Rücken zuwandte, gab Chuk Adams Luz ein Zeichen und erhob sich. »Ich werde mir draußen ein bißchen die Füße vertreten«, gab er vor. Als er zur Tür ging, rief Lamont ihm besorgt nach: »Halten Sie sich im Schatten der Häuser und rauchen Sie nicht! Nachts kann man den Glutkegel einer Zigarette ein paar hundert Yards weit sehen.« Mit einem sie bedrückenden Gefühl sah Luz Murano Adams durch die Tür in die Dunkelheit hinaustreten. Nun war sie allein mit Lamont, und es bedeutete ihr nur einen geringen Trost, daß Chuk Adams seine Winchester auf der Theke hatte liegenlassen. »Das Leben hier draußen ist alles andere als angenehm«, setzte der Händler das Gespräch fort. »Reichtümer kann man durch Geschäfte mit den Indianern nicht erwerben. Aus welchem Teil Mexikos stammen Sie, Madam?« fragte er unvermittelt. »Chihuahua«, antwortete sie kurz. »Ah, ich kenne Chihuahua sehr gut«, sagte er lachend. »Dort gibt es den besten Tequila und die schönsten Frauen Mexikos.« Erklärend fügte er hinzu: »Meine Geschäfte führen mich manchmal auf die andere Seite des Rio Grande. Vielleicht sind wir einander drüben in Mexiko sogar schon einmal begegnet.« »Das glaube ich kaum«, sagte sie abweisend. »Ganz recht!« Lamont nickte. Es war ihm anzusehen, daß er vom Whisky und dem Wein ein wenig betrunken war. »Leute wie mich haben Sie wahrscheinlich nur selten bemerkt. Aber vielleicht sind Sie in Ihrem schönen Zweispänner an meinem alten Planwagen vorbeigefahren, ohne auf mich zu achten. Und nun hat das Schicksal uns in dieser gottverlassenen Geisterstadt zusammengeführt. Ich glaube, das hat es nicht ohne Absicht getan. Oder was meinen Sie, Madam? Oft glaubt man doch, wieder einen Plan für das Leben zu erkennen.« - 78 -
Luz erinnerte sich, daß Chuk Adams ihr eingeschärft hatte, den Händler auf jeden Fall im Saloon festzuhalten. »Haben die Indianer niemals versucht, Sie zu bestehlen?« fragte sie, da ihr nichts anderes einfiel und sie ihn auf ein anderes Thema bringen wollte. »Doch«, antwortete Lamont und nickte abermals nachdrücklich, »aber ich habe sie, wenn sie nachts die Pferde wieder stehlen wollten, mit denen sie tags zuvor meine Wachen bezahlt haben, mit ein paar Schüssen aus meiner Schrotflinte vertrieben. Hab’ dabei mehr als einem dieser rothäutigen Diebe Löcher ins Fell geschossen. Es kommt nur darauf an, daß man keinen von ihnen umlegt. Bei den Comanchen gilt das Gesetz der Blutrache. Tötet man einen, hat man die ganze Bande auf dem Hals. Doch ein paar Schrotlöcher setzen die Diebe nur dem Spott ihrer Stammesgenossen aus. Was aber die Pferde angeht, so …« Er brach ab, und seine Augen weiteten sich. Der Nebel der Trunkenheit verschwand aus ihnen so plötzlich, als hätte er nie darin geschwebt. »Mein Pferd!« stieß er hervor. Mit einer zornigen Bewegung schleuderte er sein Glas gegen die Wand, wo es klirrend zerbarst. Sein Gesichtsausdruck verriet Luz, daß er ihren Trick durchschaut hatte. Er wußte jetzt, zu welchem Zweck Chuk Adams den Saloon verlassen und sie die Unterhaltung mit ihm geführt hatte. * Noch bevor Luz etwas sagen oder tun konnte, war der Händler schon bei der Tür. Im nächsten Augenblick hatte er den Raum verlassen. Luz lief hinter ihm her und kam gerade zurecht, um zu sehen, wie er von der Veranda auf die Straße hinunterstieg und dabei mit den Daumen die ledernen Halteschlingen von den Hämmern der Colts hakte. Auf der anderen Seite der Straße tauchte in derselben Sekunde Chuk Adams im offenen Tor einer verfallenen - 79 -
Scheune auf. Er führte ein gesatteltes Pferd am Zügel. Als sein Blick auf Lamont fiel, blieb er stehen. »Sie wollen mich wohl um meinen Anteil an den zehntausend Dollar betrügen?« rief ihm der Händler entgegen. »Ich hätte von Anfang an wissen müssen, daß Ihnen nicht zu trauen ist. Aber Joe Lamont ist nicht so dumm, wie Sie zu glauben scheinen. Das werden Sie noch erfahren und Ihren Irrtum bereuen.« Luz Murano war zwischen den Schwingflügeln der Saloontür stehengeblieben. Sie wollte etwas sagen, brachte aber keinen Ton über die Lippen. Wie gebannt hing ihr Blick an den beiden Männern, die sich im fahlen, langsam verdämmernden Abendlicht auf zwanzig Schritt gegenüberstanden. Lamonts Schultern spannten sich. Seine Hände hingen mit nach außen gekehrten Handflächen dicht über den nach vorn gerichteten Beingriffen seiner Colts, die die Frau deutlich erkennen konnte. Chuk Adams ließ die Zügel des Pferdes fallen, das hinter ihm im Scheunentor stand. Das Tier drehte sich um und trottete schnaubend in seinen gewohnten Stall zurück. Adams’ rechter Arm hing locker herab. Sein Handgelenk berührte den Griff des tiefgeschnallten Armeecolts. »Sie schulden mir fünftausend Dollar, Adams. Dieselbe Summe, die mir der Comanchero für die Frau geboten hat. Entweder, Sie zahlen mich aus, oder es wird überhaupt nichts aus dem Geschäft!« bellte Lamont. Chuk Adams schüttelte den Kopf, ohne dabei sein Gegenüber aus den Augen zu lassen. »Sie werden keinen Cent erhalten«, erwiderte er, »weil ich mich entschlossen habe, auf das Geschäft, von dem Sie sprechen, zu verzichten.« »Sie wollen mir nur etwas vormachen«, gab der Händler zurück. »Aber wenn Sie wirklich auf den Handel verzichten wollen, der Ihnen so viel Geld einbringen würde, werde ich an - 80 -
Ihrer Stelle abschließen.« »Lassen Sie die Hände von der Frau, Lamont! Oder wollen Sie sterben?« Chuk Adams blickte Lamont mit schmalen Augen an. »Sie haben mir einen Dienst erwiesen, den ich nicht vergessen werde. Doch wenn Sie Hand an Luz Murano legen, schieße ich auf Sie, bevor Sie noch einmal an das Geld denken können.« »Woher wollen Sie wissen, daß Sie schneller mit dem Colt sind als ich?« fragte der Händler heiser. »Ich habe schon mehr als einen Mann mit meinen Revolvern getötet und …« In diesem Moment nahm Luz aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung zu ihrer Linken wahr, ein Stück die Straße hinauf. Sie wandte den Kopf und sah, wie sich eine dunkle Gestalt mit einem wagenradgroßen mexikanischen Sombrero, eine Winchester im Anschlag, hinter der Mauerkrone einer Ruine mit eingestürztem Dach aufrichtete. »Chuk!« schrie sie. »Achtung, dort!« Und sie deutete mit ausgestrecktem Arm auf den Heckenschützen. Adams und Lamont wirbelten herum. Beider Hände fuhren zu den Colts. Der Händler brachte seine Revolverläufe einen Sekundenbruchteil vor Chuk Adams aus den Halftern. Doch er kam nicht mehr dazu, die Zeigefinger um die Abzugshähne zu krümmen. Ein Gewehrschuß peitschte über die Straße. Luz Murano sah, wie die Kugel in die Brust des Händlers schlug. Lamonts Gesicht verzerrte sich. Er reckte sich hoch auf und stürzte dann wie ein gefällter Baum zu Boden. Er würde sich nicht mehr erheben. Die nächsten drei, vier Schüsse kamen aus Adams’ Colt. Das Krachen der einzelnen Schüsse verschmolz zu einem anhaltenden Donner. Wie Wetterleuchten flackerte das Mündungsfeuer, das aus dem Lauf des Armeecolts hervorzustechen schien. Der heimtückische Heckenschütze schrie auf. Die Winchester - 81 -
entglitt seinen Händen und fiel von der Mauerkrone herab. Der Mann sank vornüber. Sein Körper wirbelte in die Tiefe und schlug in einer Staubwolke hart auf der Erde auf. Wieder peitschte ein Schuß, diesmal aus einer anderen Richtung. Die Kugel verfehlte Chuk Adams um Handbreite und bohrte sich in die Holzwand hinter ihm. Er warf sich in die Scheune, rollte über den Boden und blieb hinter einem schief in seinen Angeln hängenden Torflügel liegen. Eine Kugel schlug gegen den rostigen Riegel und heulte als Querschläger davon. Hastig stieß Adams die leeren Patronenhülsen aus den Kammern seines Colts, zog neue Patronen aus den Gürtelschlaufen und lud die Waffe. Er fragte sich, mit wieviel Gegnern er es wohl zu tun hatte. Wer seine Gegner waren, daran gab es für ihn keinen Zweifel. Voll Entsetzen sah Luz Murano eine schwarzgekleidete Gestalt in mexikanischer Charro-Tracht, einen silbernen Colt in jeder Hand, aus dem Schatten eines Gebäudes treten und die Straße entlanglaufen – Dario Navarro. Ein zweiter Mann tauchte zwischen zwei Ruinen auf und näherte sich vorsichtig der Scheune, in der Adams verschwunden war. Luz erkannte Gabriel Apodaca. Auch er hielt seine Colts schußbereit in den Händen. Luz wich ins Innere des Saloons zurück. »Kannst du mich hören, Luz?« Navarros laute Stimme hallte durch die Geisterstadt. »Es ist sinnlos, wenn du dich vor mir versteckst! Ich finde dich ja doch. Wenn wir den Americano erledigt haben, komme ich und hole dich. Es gibt keinen Ort, wo du vor mir sicher bist. Aber zuerst werde ich den blonden Gringo töten – so, wie ich Manolo erschossen habe. Du hast doch nicht vergessen, was ich dir einmal gesagt habe: Wer sich mir in den Weg stellt, muß sterben. Du kennst mich, denke daran!« Luz wich Schritt um Schritt von der Saloontür zurück, die zur - 82 -
Faust verkrampfte rechte Hand hielt sie über dem wild pochenden Herzen. Manolo war also wirklich tot. Chuk Adams hatte sich nicht getäuscht. Navarro hatte Manolo erschossen. Ihr einziger Getreuer lebte nicht mehr. Sie war jetzt so gut wie ganz auf sich gestellt. Sie mußte sich selbst helfen. Sie drehte sich um. Ihr Blick fiel auf die Winchester, die Adams auf der Theke liegenlassen hatte, als er den Raum verließ, um das Pferd an sich zu bringen. Auf der anderen Straßenseite lauschte Chuk Adams dem leisen Sporenklirren vor der Scheune, das ihm verriet, daß seine Gegner allmählich näher kamen. Mitten in der Scheune stand Lamonts leerer Murphy-Wagen. Die Plane war abgenommen. Adams kroch unter den Wagenboden und wartete, die Coltmündung auf das offene Tor gerichtet. Bald würden sich seine Gegner zum Handeln entschließen. Er sah einen Schatten und schoß. Der Mann sprang zurück, und Chuk Adams wußte, daß er ihn verfehlt hatte. Vor der Scheune gab Dario Navarro Apodaca ein Zeichen und deutete auf eine baufällige Treppe, die von außen zum Heuboden hinaufführte. Apodaca nickte. Er schob seine Colts in die Halfter, kniete nieder und schnallte seine Sporen ab. Dann zog er die Waffen wieder, schlich an der Scheunenwand entlang bis zum Fuß der Treppe und begann, die Stufen hinaufzusteigen. Leise knarrte das morsche Holz unter seinen Stiefeln. Dieses Knarren war es, was Chuk Adams die Absicht seiner Gegner verriet. Er warf einen Blick nach oben. Der Heuboden lief in einer Höhe von etwa zehn Fuß wie eine Galerie um den Innenraum der Scheune. Adams schob sich auf den Knien unter dem Wagen hervor, erhob sich und tauchte im Schatten einer Ecke unter, die der Eindringling nicht im Blickfeld haben - 83 -
würde. Vom Heuboden ertönte leises Scharren, als würde ein Riegel zur Seite geschoben. Staub rieselte zwischen den Bodenbrettern in die Tiefe. Dann erschien eine dunkle Gestalt am Rand der Galerie, und zwei Colts spien Feuer. Krachend fuhren die Bleigeschosse durch den Boden des MurphyWagens. Hätte Chuk Adams nicht rechtzeitig die Stellung gewechselt, die Kugeln des Mexikaners hätten ihn getötet, ohne daß er auch nur einmal zum Schuß gekommen wäre. Er hob seinen Armeecolt und feuerte zweimal. Seine erste Kugel traf Apodaca mitten ins Herz, die zweite dicht über der Gürtelschnalle in den Leib. Gabriel Apodaca schloß die Augen ohne einen Schrei und stürzte kopfüber in die Hölle. Mit dumpfem Aufprall landete sein Körper in dem leeren MurphyWagen. Chuk Adams blieb im Schatten und wartete. Er wußte nicht, wo sein letzter Gegner sich befand. Daß er es mit drei Männern zu tun hatte, war ihm in derselben Sekunde klargeworden, in der er sich an die drei Comancheros erinnerte, die Lamonts Wagen auf dem Weg nach Buffalo-Gap angehalten hatten. Wahrscheinlich, so überlegte er, war der dritte Mann, Dario Navarro, der gefährlichste von allen. Navarro hatte Lamont also keinen Glauben geschenkt, als der Händler behauptete, Chuk Adams und Luz Murano nirgendwo begegnet zu sein. Oder er war, der vergeblichen Suche überdrüssig, nach Buffalo-Gap gekommen, um zu sehen, ob Luz inzwischen schon in Lamonts Hände gefallen war. Adams sah den Schatten eines Mannes im Scheunentor auftauchen, riß den Colt hoch und schoß zweimal. Beide Kugeln verfehlten ihr Ziel. Doch die zweite durchschlug ein Saloonfenster auf der anderen Seite der Straße und zerschmetterte die dahinter hängende Lampe. Brennendes Petroleum lief aus, und im Nu stand der trockene Holzboden in Flammen. - 84 -
Luz Murano schrie auf und riß beide Arme hoch, um ihr Gesicht vor dem Feuer zu schützen. An Löschen war nicht zu denken. Viel zu schnell griff der Brand um sich und fraß sich in die trockenen Wände. Chuk Adams hörte den Schrei. Er hatte neue Patronen in seinen Colt geschoben und hob gerade den Kopf, als die Flammen hinter den Saloonfenstern aufloderten. »Luz!« rief er und stürmte vorwärts. Die ihm drohende Gefahr bedeutete ihm jetzt nichts. Er wußte, daß Navarro rechts vom Scheunentor stand. Dort war der Comanchero nach Adams’ Schüssen in Deckung gegangen. Und er war bereit, alles auf eine Karte zu setzen. Die Vorstellung, daß Luz in den Flammen umkommen könnte, war ihm schrecklicher als der Gedanke an seinen eigenen Tod. Die Waffe schußbereit in der Faust, verließ er die sichere Deckung der Scheune. Aber er hatte nicht mit Navarros Schnelligkeit gerechnet. Der schwarzgekleidete Mexikaner feuerte aus dem Hüftanschlag. Die Kugel aus seinem Colt traf Chuk Adams’ Revolvergurt an der linken Hüfte und glitt von den Revolverpatronen in den Schlaufen ab. Doch die Wucht des Treffers war so groß, daß Adams um seine Achse gewirbelt wurde. Er stürzte zu Boden. Der Armeecolt flog ihm aus der Hand. Auf der Erde liegend, schnellte er herum, um nach der Waffe zu greifen. Doch da trat ein Fuß, der in einem schwarzen Stiefel mit großem, silbernem Radsporn steckte, auf den Revolver. Groß und düster stand Dario Navarro über dem Texaner. Die Mündungen seiner beiden Colts waren auf Chuk Adams’ Gesicht gerichtet. »Hier ist dein Weg zu Ende, Americano«, verkündete er, und seine Finger krümmten sich um die Abzugshähne. »Du wirst mich nicht mehr stören. Fahr zur Hö…« - 85 -
Plötzlich zuckte Navarro zusammen. Den Knall des Gewehrschusses hörte Adams erst einen Sekundenbruchteil später. Navarros Gesicht wurde auf einmal grau, starr und leer. Er schwankte und fiel vornüber, und er war tot, bevor er auf der Erde aufschlug. Chuk Adams drehte sich um. Er erkannte, wer sein Retter war. Auf der Veranda des Saloons stand Luz Murano, die Winchester noch im Anschlag, mit der sie den tödlichen Schuß abgegeben hatte. Adams kam auf die Beine, hob seinen Revolver auf und schob ihn in die Halfter. Als er zu Luz trat, ließ sie den Karabiner sinken. Ihr Blick hing unverwandt an Navarro, der vor der Scheune auf der Straße lag. »Nun ist es zu Ende«, sagte sie mit einer Stimme, so grau wie ein Morgen ohne Sonnenaufgang. »Nun ist alles zu Ende.« * Im Saloon hatte sich das Feuer schon so weit ausgebreitet, daß es Chuk Adams unmöglich war, ins Obergeschoß hinaufzugelangen, um die Satteltaschen zu holen. Die Treppe stand bereits in Flammen und drohte jeden Augenblick zusammenzubrechen. Gierig griff der Brand um sich. Das trockene Holz, aus dem das Gebäude errichtet war, loderte wie Zunder auf. »Wir müssen fort von hier, und zwar schnell!« Chuk Adams war besorgt. »Der Feuerschein ist zwanzig Meilen weit zu sehen. Es wird nicht lange dauern, bis die Comanchen hier auftauchen. Außerdem hat Lamont Whisky- und Schießpulverfässer im Saloon gelagert, die jede Sekunde in die Luft fliegen können. Komm!« Er nahm Luz die Winchester aus den Händen und zog sie, die von den Geschehnissen der letzten Minuten wie betäubt war, - 86 -
mit sich zur Scheune. Sie schauderte, als sie an Navarro vorbeikam, der bisher so gefährlich gewesen und jetzt für immer ausgelöscht war. Adams holte Lamonts gesatteltes Pferd aus der Scheune und half Luz beim Aufsitzen. Dann führte er das Tier am Zügel die Straße hinunter. Sorgfältig hielt er nach rechts und links Ausschau. Doch erst am Ende der Straße fand er, wonach er gesucht hatte. Dort standen drei Pferde hinter einer Ruine: die Tiere, die die Comancheros dort in Sicherheit hatten stehenlassen. Aber als er nach dem Zügel von Navarros schwarzem Hengst griff, flehte ihn Luz erschrocken an: »Bitte, laß dieses Pferd stehen! Nimm eins der beiden anderen, aber nicht den Hengst! Er ist mir unheimlich.« Chuk Adams sah das Grauen in ihrem Gesicht. Er schob seine Winchester in den Scabbard eines braunen Wallachs, löste dessen Zügel und schwang sich in den Sattel, um den Ort des grauenhaften Geschehens schnell zu verlassen. Sie waren noch keine zweihundert Yards weit gekommen, als hinter ihnen die Hölle losbrach. Das Feuer hatte die Whiskyund Schießpulverfässer erreicht, die nun nacheinander explodierten und so ein Inferno entfesselten. Bei der ersten Detonation brachten Luz und Adams ihre Pferde zum Stehen und drehten sich in den Sätteln um. Während sie noch zurückblickten, riß eine gewaltige Explosion dem Saloon gleichsam das Herz aus dem Leib. Krachend zerbarst das Dach. Eine Flammensäule stieg zum Nachthimmel empor und tauchte die tote Stadt in grelles Licht. Sekunden später brach eine Wand des Saloons in sich zusammen. Dichter Qualm und Schwärme rotglühender Funken stoben aus dem Inneren des brennenden Gebäudes. Das Dröhnen der detonierenden Pulverfässer hallte wie Kanonenschüsse durch die Nacht. Ein Regen von Feuerbränden ging wie ein höllischer Hagelschauer über die Ruinen in der - 87 -
Nähe des Saloons nieder. Die Vorderfront des Gebäudes war ganz in Rauch und fauchende, züngelnde Flammen gehüllt, die binnen kurzer Zeit alles vernichtet haben würden. Luz und Chuk Adams setzten ihren Pferden die Sporen an und galoppierten weiter. Doch selbst, als die Geisterstadt ihren Blicken längst entschwunden war, glühte der Nachthimmel hinter ihnen noch immer rot. Ohne ihren Pferden eine Ruhepause zu gönnen, jagten sie im Sternenlicht nach Nordosten, über Hügel hinweg und durch trockene Flußbetten hindurch. Das Trommeln der Hufe war das einzige Geräusch, das sie begleitete. Schließlich begannen die Tiere zu keuchen. Luz’ Pferd troff Schaum von den Lefzen und spritzte auf seine Brust, die Steigbügel und die Stiefel seiner Reiterin. Seine Flanken schimmerten dunkel von Schweiß. Da erst ließ Chuk Adams seinen braunen Wallach in Schritt fallen. Auch Luz zügelte ihr Reittier. Beide Pferde hielten die Hälse fast waagerecht ausgestreckt, ein Zeichen äußerster Erschöpfung. »Wir müssen eine Rast einlegen, oder die Tiere brechen zusammen«, sagte Chuk Adams. »In der Nähe gibt es ein Wasserloch. Solange es dunkel ist und wir kein Feuer anzünden, sind wir verhältnismäßig sicher vor den Comanchen. Sie werden sich erst an unsere Verfolgung machen, wenn der Morgen graut. Aber wir werden noch vor Tagesanbruch weiterreiten, damit wir größere Chancen haben, uns endgültig vor ihnen in Sicherheit zu bringen.« * Das Sternenlicht ließ das kleine Wasserloch blinken wie einen schwarzen Spiegel zwischen den flachen Felsplatten, die es umgaben. In eine Decke gehüllt, saß Luz Murano an einen abgestorbenen Baumstamm gelehnt. Der Nachtwind flüsterte - 88 -
im dürren Laub der Cottonwoods, die ein Dickicht rund um die Wasserstelle bildeten. Jetzt, da die Stille der Nacht, das gelegentliche weiche Schnauben der Pferde und der Atem des Windes in den Zweigen ihr Ruhe brachten, versuchte Luz, Ordnung in ihre Gedanken zu bringen und sich Rechenschaft über das zu geben, was in den letzten Stunden geschehen war und was sie selbst in diesem Zeitraum getan hatte. Vor ihrem inneren Auge ließ sie ihre eigenen Taten noch einmal vorbeiziehen. Unerhörtes hatte sie, die sonst wehrlose Frau, vollbracht. Sie hatte Dario Navarro erschossen – den Mann, den sie einmal mehr als alles andere auf der Welt zu lieben geglaubt hatte. Sie hatte ihn getötet, um Chuk Adams’ Leben zu retten und sich selbst vor einem Schicksal zu bewahren, das ihr noch schlimmer schien als der Tod. Ihr war keine Wahl geblieben. Dennoch wußte sie in dieser Stunde nicht, ob es ihr irgendwann gelingen würde, die eine, verhängnisvolle, schreckliche Sekunde zu vergessen, in der sie Dario Navarros Gesicht über dem Visier der Winchester erblickte und ihr Finger sich wie von selbst um den Abzug des Gewehrs gekrümmt hatte. Sie schloß die Augen, um das Bild, das sie in der Dunkelheit der Nacht vor sich sah, zu verjagen. Die Vergangenheit sollte sie jetzt nicht mehr verfolgen. Und was hielt die Zukunft für sie bereit? Es gab in Texas nur einen Menschen, der vielleicht zu ihr stehen würde: Chuk Adams. Aber sie war seiner nicht sicher. Sie konnte nicht in ihn hineinsehen. Sie hatte angefangen, ihn zu lieben, das gestand sie sich ein. Doch er hatte es bisher vermieden, ihr zu sagen, daß auch er sie liebte. Dieser Americano, dieser blonde Revolvermann mit den blaugrauen Augen, war verschlossen und undurchschaubar. Manchmal glaubte sie, seine Gedanken erraten zu können, dann wieder kam er ihr wie ein Fremder vor. Sie wußte so wenig von ihm. - 89 -
Sie ahnte nicht einmal, wo er sich in diesem Moment befand. Nachdem er die Pferde getränkt und an einen Baum gebunden hatte, hatte er seine Winchester aus dem Scabbard gezogen und war in der Dunkelheit untergetaucht, ohne ein Wort zu verlieren. Ihre Gedanken kreisten ständig um ihn. Einmal waren es Hoffnungen, dann wieder Befürchtungen, die sie aufwühlten und ihr alles andere nebensächlich erscheinen ließen. Sie wurde erst aus ihren Gedanken gerissen, als Chuk Adams zwischen den Cottonwoods auftauchte. »Ich habe mich umgesehen. Alles ist ruhig«, sagte er und lehnte seine Winchester gegen den Baum, unter dem Luz saß. »Warum schläfst du nicht? Du mußt Kräfte sammeln für den Weg, der noch vor uns liegt.« »Ich kann nicht«, sagte sie seufzend. Er setzte sich zu ihr, zog sie an sich, so daß ihr Kopf an seiner Brust ruhte, und küßte ihr Haar, das sich weich an sein Gesicht schmiegte. »Ich weiß, wie es ist, wenn nachts die Schatten der Erinnerung kommen und einen bedrängen«, sagte er leise. »Aber mit dem ersten Licht des neuen Tages verschwinden sie.« »Ich möchte vergessen. Ich möchte so gern vergessen.« »Dann schlaf! Bis in den Schlaf werden deine Erinnerungen dich nicht verfolgen.« Luz fühlte die Wärme seines Körpers und die Kraft seiner Arme, die sie hielten. Und was sie nicht erwartet hatte, geschah. Ihre Augen fielen zu. Sie schlief ein, ohne noch einmal an das furchtbare Geschehen der zurückliegenden Stunden zu denken. * Sie erwachte erst aus ihrem bleischweren Erschöpfungsschlaf, - 90 -
als Chuk Adams sie sacht schüttelte. Er mußte sie die halbe Nacht über in seinen Armen gehalten haben, denn ihr Kopf ruhte noch an seiner Brust, als sie die Augen aufschlug. »Es ist an der Zeit, aufzubrechen«, mahnte er. »In einer Stunde wird die Sonne aufgehen. Dann können wir schon viel von unserem Weg zurückgelegt haben.« Luz richtete sich auf und schüttelte ihr Haar zurecht. Es war noch immer dunkel. Aber im Osten bekam der Himmel schon einen grauen Schimmer, vor dem die Äste der Cottonwoods schwarz und starr emporragten. Es war windstill, die Luft klar und kalt von der weichenden Nacht. Luz rollte ihre Decke zusammen, während Chuk Adams zu den Pferden ging, seine Winchester in den Scabbard schob und die Sattelgurte, die er nach dem Absitzen gelockert hatte, wieder festzog. Aus einer Satteltasche seines braunen Wallachs holte er eine Flasche mexikanischen Tequilas, entkorkte sie und reichte sie Luz. »Mehr gibt’s nicht zum Frühstück. Aber das ist immer noch besser als Brunnenwasser.« Er zuckte mit den Schultern und sah sie freundlich an. Sie nahm die Flasche, setzte sie an die Lippen und trank einen großen Schluck. Heiß wie flüssiges Feuer rann der Agavenschnaps durch ihre Kehle. Sie hustete. Tränen standen in ihren Augen, als sie die Flasche zurückgab. Chuk Adams trank ebenfalls und verstaute die Flasche dann wieder in der Satteltasche. Er hatte die Flüssigkeit gut vertragen und zeigte keine Reaktion. »Wirst du durchhalten?« fragte er forschend. Es war ihr, als erwarte er fast eine verneinende Antwort. »Ich bin im Sattel aufgewachsen.« »Es wird ein harter Ritt werden.« Chuk Adams sah sie prüfend an. »Aber wir müssen raus aus dem Comanchengebiet. Und das reicht im Osten bis nach Fort Davis, wie du weißt.« »Ich werde nicht vom Pferd fallen«, entgegnete sie. Sie hielt - 91 -
seinem Blick stand. Sie wußte, daß es um eine Anstrengung ging, der sie gewachsen sein mußte, und schwor sich, keine Schwäche zu zeigen. Er nickte und lächelte flüchtig. Sie saßen auf, verließen das Wasserloch, an dessem Rand sie die Nacht verbracht hatten, und ritten im Schritt in das erste, fahle Morgengrauen hinein. Luz Muranos ganzer Körper schmerzte von den Strapazen der vorangegangenen Tage. Aber sie biß die Zähne zusammen und ließ sich nichts anmerken. »Reiten wir nach Fort Davis?« fragte sie, als sie ein, zwei Meilen zurückgelegt hatten, nach denen sie die Erschöpfung immer mehr vergaß. »Ja«, antwortete er knapp und wehrte so weitere Gespräche ab. Die Sonne erhob sich in blendender Weißglut über den Horizont, als sie ihre Pferde eine Hügelflanke hinauftrieben. Als sie den Rand der Anhöhe erreicht hatten, lag ein breites Tal vor ihnen, in dem ein schmaler, gewundener Fluß im Morgenlicht schimmerte. Chuk Adams beugte sich im Sattel zur Seite, ergriff die Zügel von Luz’ Pferd und zog es hinter sich her in die Deckung einer Gruppe Krüppeleichen. Dann richtete er sich in den Steigbügeln auf und blickte aus zusammengekniffenen Augen in das Flußtal hinunter. Seine rechte Hand lag dabei auf dem Winchesterkolben, der aus dem Sattelschuh unter seinem Bein ragte. »Das ist der Wildhorse Creek«, sagte er. »Und dort unten liegt die Furt. Aber wir werden sie umreiten und den Fluß zwei, drei Meilen weiter oben durchqueren an einer Furt, die du von hier aus nicht sehen kannst.« »Ist der andere Weg nach Fort Davis kürzer?« fragte Luz. Chuk Adams ließ sich in den Sattel zurücksinken und wandte ihr sein Gesicht nicht zu. - 92 -
»Nein«, entgegnete er, »aber manchmal führt der längere Weg schneller zum Ziel. Komm!« Sie verließen den Hügel wieder und ritten nach Norden, wobei Chuk Adams darauf bedacht zu sein schien, den langgezogenen Erdrücken zwischen sich und dem Fluß zu halten. »Warum machen wir einen Umweg?« fragte Luz, die plötzlich von der Ahnung einer drohenden Gefahr überfallen wurde. »Ich dachte, wir wollten Fort Davis so schnell wie möglich erreichen, so daß wir bald in Sicherheit wären.« »Richtig«, bestätigte er, »und deshalb durchqueren wir den Fluß weiter nördlich. Ich werde …« Was er noch hatte sagen wollen, blieb unausgesprochen. Der peitschende Knall eines Gewehrschusses unterbrach ihn, und eine Kugel zerschmetterte sein Sattelhorn. Zwei Handbreit weiter, und sie hätte seinen Körper knapp über dem Revolvergurt durchschlagen. Luz fuhr vor Entsetzen herum. Wie ein gefiederter Rammbock brachen die Comanchen aus einer unsichtbaren Bodensenke hervor, um dem Mann und der Frau den Weg nach Norden abzuschneiden. Unter ihnen sah Luz Iron-Jacket in seiner gehörnten Büffelhaube und dem spanischen Brustpanzer. In der Hand hielt er seine Winchester. Um Brust und Rücken hatte er zwei Patronengurte geschlungen, und der federgeschmückte Fellumhang wehte wie eine Fahne hinter ihm her. Sekundenlang war Luz starr vor Schrecken. »Zur Furt, schnell!« rief Chuk Adams ihr zu, zog seinen Armeecolt, feuerte den Indianern zwei Schüsse entgegen, riß sein Pferd herum, setzte ihm die Sporen an und jagte mit verhängten Zügeln über den Hügel hinweg und in das Flußtal hinab, dicht gefolgt von Luz Murano. Doch ehe die beiden Flüchtenden hundert, zweihundert Yards weit gekommen waren, fluteten hinter ihnen bereits die - 93 -
Comanchen über den Rand der Anhöhe. Schüsse peitschten, und links und rechts von Luz Murano und dem blonden Texaner spritzte der Staub hoch, als das heiße Blei in die Erde schlug. Luz sah nach vorn. Die Furt des Wildhorse Creek war noch etwa zweihundert Yards entfernt. Wieder schlug sie auf ihr Pferd ein, dessen Atem schon in kurzen, keuchenden Stößen ging. Das Tier war von dem langen Nachtritt erschöpft. Wie ein Blitz durchfuhr sie die Erkenntnis, daß es kaum weiter durchhalten würde. Schon spritzte Schaum von seinen Lefzen, und seine Galoppsprünge wurden weniger raumgreifend, krampfhafter, schwerfälliger. Sein Zusammenbruch stand unmittelbar bevor. Dies war der Augenblick größter Angst und Verzweiflung, den sie nur noch hoffend durchbebte. Eine Sekunde darauf schien der Kamm einer flachen Erderhebung links von Luz Murano lebendig zu werden. Dunkle Gestalten erhoben sich dort auf den Knien, und eine Salve aus einem halben Dutzend Gewehren krachte. Die vorderste Welle der Comanchen wurde niedergemäht. Pferde und Reiter wälzten sich auf der Erde. Rasendes Feuer schlug den verfolgenden Indianern entgegen, mehr und mehr Comanchensättel leerten sich. Scheckige Pferde brachen zusammen oder warfen ihre verwundeten oder toten Reiter mit schrillem Wiehern ab. Von einem Moment zum anderen hatte sich das Bild vollkommen verändert. Nichts fürchteten die Indianer mehr als einen Überraschungsangriff. Sie brachten ihre Pferde zum Stehen. Da und dort stürzte ein Comanche aus dem Sattel. Unter den anderen herrschte heillose Verwirrung. Iron-Jacket, der auf seine Unverwundbarkeit vertraute, versuchte, seine Krieger zu einem Angriff auf den unsichtbaren neuen Gegner mitzureißen. Aber als er sich auf dem Pferderücken aufrichtete und die Winchester über dem Kopf - 94 -
schwang, um die Comanchen anzufeuern, fuhr eine Kugel durch seinen spanischen Harnisch und drang ihm in die Brust. Es klang, als hätte jemand auf eine Glocke geschlagen. Iron-Jacket fiel vornüber auf die Mähne seines sich bäumenden Pferdes, glitt an der Flanke des Tieres hinab und blieb im Staub liegen. Die übrigen Indianer rissen ihre Pferde herum und jagten in heilloser Flucht davon, verfolgt von den Schüssen ihrer so überraschend aufgetauchten Gegner. Innerhalb kurzer Zeit waren sie, und mit ihnen eine große Anzahl reiterloser Pferde, in einer Staubwolke verschwunden. Luz und Chuk Adams bemühten sich, ihre eigenen, vor Angst tollen Tiere zu beruhigen. Sie schwangen sich aus den Sätteln, als die Männer auf dem Hügel aus grauem Pulverrauch hervorkamen und zu ihnen herabstiegen. Luz verstand noch nicht, was vorgefallen war. Sie begriff nur, daß sie und Adams dem sicheren Tod entronnen waren, den sie gerade noch vor Augen hatten. Sechs Männer kamen auf sie zu. Fünf von ihnen hielten Winchester-Gewehre in den Händen. Sie trugen Cowboytracht: Chaps, hochhackige Stiefel, ärmellose Lederwesten und Stetsonhüte. Aber ihre tiefgeschnallten Colts, deren Halfter mit Lederriemen an den Oberschenkeln befestigt waren, verrieten ihr wahres Gewerbe. Sie waren Revolvermänner. Nur der sechste Mann war unbewaffnet. Er sah untersetzt und schwergewichtig aus, ein Mann mit brutalem Gesicht und kalten Augen, die von bläulichen Schatten umgeben waren. Im Gegensatz zu den Revolverkämpfern, die an seiner Seite gingen, trug er einen Anzug, was sich ungewöhnlich ausnahm in dieser Umgebung. Luz Murano blickte ihm entgegen, und ihr Blut, das eine Minute zuvor noch heiß durch ihre Adern geronnen war, schien langsam zu Eis zu erstarren. Sie fror. Auf einmal wußte sie, warum Chuk Adams die Furt hatte umreiten wollen und - 95 -
weshalb er im Moment höchster Gefahr doch den Weg hierher eingeschlagen hatte. »MacMahon«, flüsterte sie und starrte auf den Herankommenden. Ihre Lippen wurden eiskalt. Alles schien vor ihren Augen zu verschwimmen. Ihre geheimen, unbestimmten Befürchtungen waren plötzlich schreckliche Wirklichkeit geworden. Dann flog ihr Kopf herum, und ihr Blick traf den Chuk Adams’. »Du arbeitest für MacMahon! Du warst in seinem Auftrag unterwegs, als du den Comanchen in die Hände fielst. Die zehntausend Dollar waren die Bezahlung dafür, daß du mich aus Darios Händen befreitest, um mich an MacMahon auszuliefern. Lamont hatte davon erfahren und verlangte von dir die Hälfte des Geldes für seine Hilfe. So ist es doch?« Bohrend fragte sie, und der Unterton ihrer Stimme enthielt reine Verachtung. Adams schwieg. »Ja, er arbeitet für mich«, antwortete MacMahon an seiner Stelle. »Und ich habe ihm zehntausend Dollar versprochen, wenn er Sie aus den Händen der Comancheros befreien würde, Luz. Ich hätte auch hunderttausend Dollar für Sie bezahlt, wie Navarro es verlangte. Aber ich lasse mich nicht von Banditen erpressen, die mir stehlen, was mir rechtens gehört.« Luz’ Blick ging von Chuk Adams zu MacMahon, der unbewegt vor ihr stand. »Sie haben recht, Dario Navarro war ein Bandit«, gab sie mit bebender Stimme zu. »Aber Sie haben unrecht, wenn Sie glauben, daß er mich Ihnen gestohlen hätte. Ich bin freiwillig zu ihm gegangen, weil ich Sie für das hasse, was Sie meiner Familie angetan haben, und noch mehr für das, was Sie ihr noch antun wollten. Es genügte Ihnen nicht, das Vermögen der Muranos an sich gebracht zu haben. Sie wollten auch noch ihren Stolz brechen, indem Sie ihre Ehre für Geld kauften. - 96 -
Aber ich habe Ihnen nicht gehört, und ich werde Ihnen nie gehören. Wenn Sie das nicht bereits wissen, erfahren Sie es jetzt.« »Luz«, sagte MacMahon, »ich bin hierhergekommen, um Ihre Befreiung selbst in die Hand zu nehmen. Ich würde alles tun, worum Sie mich bitten.« »Dann lassen Sie mich gehen, und verlangen Sie nichts weiter von mir!« »Nein, Luz. Urteilen Sie nicht vorschnell. Ich werde Ihnen die Welt zu Füßen legen. Ich werde …« »Ich will Ihr Geld nicht«, unterbrach sie ihn zornig. »Ich könnte nicht an der Seite eines Mannes leben, dessen Anblick mich jede Stunde meines Lebens daran erinnern würde, daß er einen großen Teil der Schuld am Niedergang meiner Familie trägt, die einstmals groß und stolz geherrscht hat.« »Aber ich …« »Sie hören doch, daß sie nichts mit Ihnen zu tun haben will«, fiel Chuk Adams MacMahon ins Wort. »Lassen Sie sie also zufrieden!« »Sie werden Ihre zehntausend Dollar schon bekommen, Adams«, sagte MacMahon scharf. »Mischen Sie sich nicht ein, oder Sie werden es zu bereuen haben.« »Sie vergessen, daß Sie selbst es waren, der mich für diesen Auftrag angeworben hat. Sie haben hoch gespielt, und Sie haben verloren. Luz Murano will nichts von Ihnen wissen. Und was die zehntausend Dollar angeht, so will ich keinen Cent davon haben. Ich gebe Ihnen den Auftrag hiermit zurück.« »Was wollen Sie damit sagen?« MacMahons bleiches Gesicht zeigte gefährliche rote Flecken, die sich langsam ausbreiteten und seine Erregung verrieten. »Ich arbeite nicht mehr für Sie, Mister MacMahon. Luz und ich werden jetzt auf unsere Pferde steigen und wegreiten. Und es wird besser für Sie sein, wenn Sie nicht versuchen, uns aufzuhalten, auch wenn Sie es noch so sehr wünschen.« - 97 -
»Sie verzichten auf Ihr Geld?« »Ja.« »Aber ich verzichte nicht auf diese Frau«, stieß MacMahon hervor. »Ich fürchte, es wird Ihnen nichts anderes übrigbleiben. Sie können sich natürlich auch einen Revolvergurt umschnallen und sich mir in den Weg stellen. Aber ich glaube nicht«, sagte Chuk Adams kalt, »daß einer Ihrer Leute Ihnen seinen Colt überlassen wird, wenn er weiß, daß Sie die Waffe gegen mich erheben wollen. Ich kenne die meisten von ihnen: Goff, Poinsett, Fessenden, Grant. Wir haben schon in mancher Fehde Seite an Seite gekämpft. Wir sind Freunde und Waffengefährten, die sich oft gegenseitig gerettet haben.« MacMahon starrte ihn an, sprachlos vor Zorn. Seine Kiefermuskeln traten hart und kantig hervor. »Sie haben mich vergessen, Adams«, sagte plötzlich einer der Revolvermänner und trat einen Schritt vor. »Ich zähle nicht zu Ihren Freunden. Und im Gegensatz zu Ihnen arbeite ich immer noch für Mister MacMahon, der mich für meine Arbeit bezahlt.« Er war ein großer, dunkelhaariger Mann mit bleichen Augen und einem Gesicht, das an das eines Wolfes erinnerte. Er hielt seine Winchester im Hüftanschlag. »Befehlen Sie mir, was ich tun soll, Mister MacMahon«, sagte er, ohne Chuk Adams aus den Augen zu lassen. »Lassen Sie sie nicht wegreiten, Bucket!« zischte MacMahon. »Wenn sie es versuchen, schießen Sie Adams nieder.« »Sie haben’s gehört, Adams«, sagte Bucket zu Chuk Adams. »Los, schnallen Sie Ihren Revolvergurt ab und lassen Sie ihn fallen!« »Werden Sie mir in den Rücken schießen, wenn ich mich umdrehe und zu meinem Pferd gehe?« fragte Chuk Adams, der keine Anstalten machte, ihm zu gehorchen. »Versuchen Sie’s lieber nicht!« sagte Bucket mit gehässigem - 98 -
Tonfall. Trotzdem drehte Adams sich um. Er hatte dem Revolvermann kaum den Rücken zugekehrt, als er hinter sich auch schon das metallische Geräusch hörte, mit dem eine Winchester durchgeladen wird und eine Patrone aus dem Magazin in die Gewehrkammer fährt. Er wandte sich nicht zurück, sondern vollführte blitzschnell eine ganze Drehung. Und noch während er herumwirbelte, griff er zum Colt. Die Waffe schien ihm in die Hand zu springen. Er feuerte aus der Bewegung heraus. Seine Kugel traf Bucket und brachte dessen Winchesterlauf aus der Richtung. Der Mann krümmte noch den Finger um den Abzug, doch die Gewehrmündung wies schon zum Himmel, und der Schuß ging ins Leere. Er ließ den Karabiner fallen, fiel vornüber aufs Gesicht und blieb liegen. Chuk Adams’ Blick ging von einem der Männer zum anderen. Keiner außer Bucket hatte sich bewegt. Da ließ er den Armeecolt wieder in die Halfter gleiten. MacMahons Gesicht hatte alle Farbe verloren. Sein Ausdruck verriet Wut und Angst. Aber er wagte es nicht, ein Wort zu sagen. Adams legte beide Hände um Luz’ Hüften und hob sie in den Sattel ihres Pferdes. Dann saß er selbst auf. MacMahon und die vier Revolvermänner sahen ihnen nach, als sie durch die Furt zum anderen Ufer des Wildhorse Creek ritten. Das Wasser spritzte bis zu ihren Steigbügeln hoch. Sie überwanden die Uferböschung und ritten zwischen buschbestandenen Hügeln und Sandverwehungen nach Osten. Luz Murano brach schließlich das Schweigen. »Es war also abgemacht, daß MacMahon und seine angeworbenen Revolvermänner an der Furt auf uns warten sollten?« Chuk Adams nickte bestätigend und begann, ihr die Zusammenhänge zu erklären. - 99 -
»Sie sollten sich dort in einem Zeitraum von zehn Tagen aufhalten. Ich mußte damit rechnen, daß wir – wenn es mir gelang, dich zu befreien – auf dem Rückweg von Dario Navarros Leuten oder den Comanchen verfolgt werden würden. Möglicherweise hätten wir dann Fort Davis nicht erreicht. Die Furt durch den Wildhorse Creek aber war erheblich näher. Luz, ich wurde angeworben, um eine Gefangene aus den Händen der Comancheros zu befreien. Aber ich ahnte nichts von den Hintergründen dieses Handels, als ich ihn abschloß. Nachdem ich dich gesehen und deine Geschichte gehört hatte, war mir klar, daß ich dich nicht an MacMahon ausliefern konnte und wollte. Ich konnte meinen Auftrag nicht mehr ausführen, und wenn es mein Leben gekostet hätte.« Luz Murano sah ihn an, und ihre Augen waren voll Liebe, der sie jetzt ganz nachgab. Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, zögerte dann aber und schwieg. »Worüber machst du dir Gedanken?« fragte sie ihn zärtlich. »Ich bin ein armer Mann«, antwortete er. »Alles, was ich besitze, ist ein Stück Land. MacMahons Auftrag …« »MacMahons Auftrag hätte dir zehntausend Dollar eingebracht, ich weiß«, unterbrach sie ihn und nickte verständnisvoll. »Dann weißt du auch, daß ich dir nichts bieten kann«, entgegnete Chuk Adams. »Nichts außer einem harten Leben auf einer kleinen Heimstätte.« »Und darum wagst du noch immer nicht, es auszusprechen?« »Was?« »Daß du mich liebst!« Chuk Adams beugte sich im Sattel zur Seite, legte einen Arm um Luz Muranos Schultern, zog sie an sich und küßte sie. Ihre warmen, weichen Lippen öffneten sich unter dem Druck der seinen, und sie erwiderte den Kuß. Dann ließ er sie los. Er blickte in ihr schönes, ausdrucksvolles Gesicht und lächelte. - 100 -
»Ja«, sagte er, »ich liebe dich.«
ENDE
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