Werner Dahlheim
Gewalt und Herrschaft Das provinziale Herrschaftssystem der römischen Republik
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Walter d...
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Werner Dahlheim
Gewalt und Herrschaft Das provinziale Herrschaftssystem der römischen Republik
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G 1977
Walter de Gruyter · Berlin · New York
CIP-KurztiteUufnahme der Deutschen Bibliothek Dahlheim, Werner Gewalt und Herrschaft: d. provinziale Herrschaftssystem d. röm. Republik. - Berlin, New York : de Gruyter, 1977 ISBN 3-11-006973-3
1977 by Walter de Gruyter & C o . , vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung · Georg Reimer · Karl J. Trübner · Veit & Comp., Berlin« 30, Genthiner Straße 13. Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten, Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin Einband: Lüderitz & Bauer, Berlin
ROBERT WERNER gewidmet
Vorwort Territoriale Machtbildungen sind der Grundstruktur antiker Stadt staaten entgegengesetzt. Allein der römischen Republik gelang es, durch die konzentrierte Bündelung der Machtmittel Italiens die eigenstaatliche Existenz der Staaten des Mittelmeerraumes zum Einsturz zu bringen. Mit der Konsolidierung und der Dauer der römischen Herrschaft bedingte jedoch nur das Ausmaß der Machtentfaltung und nicht der Wille zur Organisation der unterworfenen Welt eine umfassende Neuordnung der bis dahin bestehenden Lebensbedingungen im mediterranen Raum. Die vorliegende Untersuchung hat sich dementsprechend die Aufgabe gestellt, die Konsequenzen dieser für die Antike singulären Akkumulation der Macht und die Entstehung von neuen Formen der Herrschaft als Ergebnis ihrer Unabwendbarkeit faßbar zu machen. Dem römischen Stadtstaat trat seine eigene Machtentfaltung schließlich als übergeordnete Gewalt gegenüber und zerstörte ihn, so daß die Frage nach der Interdependenz der Notwendigkeiten des Herrschaftsraumes und den Verände rungen der stadtstaatlichen Herrschaftsform Bestandteil der Themen stellung sein mußte. Robert Werner und Jürgen Deininger haben durch ihre Anregungen und ihre fördernde Kritik wesentliche Fragestellungen und Antworten er schlossen und vertieft. Ruth Szczepanski brachte das Manuskript in eine lesbare Form. Ihnen allen habe ich für ihre Hilfe zu danken. Berlin, Herbst 1976
Werner Dahlheim
Inhaltsverzeichnis Einleitung
1
1. Methodische Vorbemerkungen 2. Die Funktion der verwandten Begriffe
1 4
I. Provinziale Herrschaftsform als historische Aufgabe: Die Unter werfung Siziliens 1. Die Erbschaft des Ersten Punischen Krieges
12 12
Die Veränderung der Mächtekonstellation im westlichen Mittel meer 12. Die Voraussetzungen des Krieges mit Karthago 14. Die Folgen des Sieges 17 2. Der Friede des Lutatius
19
Der Vorvertrag 19. Der Rückzug Karthagos von der Insel 21. Die Rechtsfolgen des Vertrages 22. Die Vertragsstipulationen 23 3. Herrschaft ohne Interessen
28
a) Das Problem b) Der Quästor in Lilybaeum Die Quellen 30. Die Quästoren seit 267 32. bereiche der Quästoren 33
28 30 Die Aufgaben
c) Die sizilischen Städte 241 bis 277/5 v. Chr Die Nachrichten 36. Das römische Interesse 37. Bedeutung der Insel 37
35 Die militärische
d) Die verworfene Alternative: Die Ausweitung der italischen Wehrgemeinschaft
39
Die Tendenzen zur Territorialherrschaft im Mittelmeerraum 39. Die römischen Kriegsziele 41. Die Reaktion der Griechen 41. Die karthagische Epikratie 42 4. Die Institutionalisierung der Herrschaft a) Die Einrichtung der Provinzialprätur als Ergebnis mili tärischer Sicherheitspolitik
44 44
χ
Inhaltsverzeichnis
Die militärische Besetzung 44. Die Unterwerfung Sardiniens 46. Die Entsendung von Prätoren 48. Die Konfrontation mit den Kelten 50. Die diplomatischen Kontakte mit Karthago 51. Die Absicherung des Herrschaftsbereiches 52 b) Die Herstellung völkerrechtlicher Beziehungen als N o r m der Sicherheitspolitik
53
Die Intervention in Illyrien 53.· Die Ausbildung der amicitia als völkerrechdiches Instrument 54. Die Expansion in die Poebene 55. Die Ausdehnung der Wehrgemeinschaft auf die keltischen Stämme 56 5. Die Organisation der Herrschaft
59
Sizilien nach der Eroberung von Syrakus 212 v. Chr. 59. Die römischen Ziele in der Provinz 61. Die Übernahme der lex Hieronica 62 6. Die Begründung der Territorialherrschaft
65
Der Provinzialprätor 65. Die Maximen der römischen Politik 66. Innenpolitische Struktur und außenpolitische Flexibilität 67. Die innenpolitischen Konsequenzen der Provinzialisierungspolitik 68. Der Handlungsspielraum Roms%69. Die Möglichkeit der Ein gliederung der Unterworfenen 70. Die Formen der Untertänig keit 7 1 . II. Herrschaft als Ausübung von Gewalt: Die Provinzen der Republik 1. Provincia. Die Entwicklung des Begriffes
74 74
provincia 74. Imperium 75. Die Ausbildung von Herrschafts formen als Anpassungsprozeß der militärischen Gewalt 75 2. Die Provinzialisierung Spaniens a) Der Krieg gegen Karthago: Die spanischen Völker als Bundesgenossen (218 bis 206 v. Chr.)
77 77
Die Politik der Scipionen 77. Die Anfänge des Widerstandes 79. Die Bedeutung des Krieges gegen Karthago 82 b) Die Konfrontation: Die Unvereinbarkeit der Kriegsziele (206 bis 197 v. Chr.)
83
Die römischen Kriegsziele nach der Vertreibung der Karthager 83. Die Politik der militärischen Sicherung 84. Die Entsendung von Provinzialstatthaltern 86 c) Der Freiheitskampf und der Versuch seiner friedlichen Beendigung auf völkerrechtlicher Basis (197 bis 178 v. Chr.)
87
XI
Inhaltsverzeichnis
Die Küstenstädte 87. Die Stämme 89. Der Friede des Gracchus 90. Die Unabwendbarkeit der Herrschaft und die Kräfte des Wider standes 93. Die Fürsorge des Siegers für die Besiegten 94 d) Der Vernichtungskrieg (154 bis 133 v. Chr.)
95
Die Grenzen der eigenstaatlichen Entwicklung der Unterworfenen 95. Das soziale Problem 96. Der Vernichtungskrieg als Konsequenz der unentwickelten Herrschaftsform 97. Die Neuordnung nach dem Fall Numantias 100 e) Die Bedingungen der Herrschaft: Die Ziele des Eroberers und das Wohlverhalten der Unterworfenen 102 Die Motive der spanischen Eroberungen 102. Die Stabilisierung der Herrschaft 105. Die Anknüpfungspunkte einer Organisation der Herrschaft 108 3 . Die Interdependenz von Herrschaftsform und beherrschtem Raum: Die Maximen der römischen Ostpolitik seit 200 v. Chr. 110 Der Ausbruch des Zweiten Makedonischen Krieges 110. Die Kriegsziele 110. Die Regelung des Friedens 112. Das Ringen um die griechische Zustimmung 114. Das Scheitern der geschaffenen Ordnung 116 4. Der Zusammenbruch schaftsordnungen
völkerrechtlich
konzipierter
Herr 4
117
a) Die Gründung der makedonischen Republiken und ihre schließliche Provinzialisierung 117 Die nova sapientia der Ostpolitik 117. Die makedonischen Repu bliken und die römische Einschätzung der Provinzialisierungspolitik 119. Die Provinzialisierung Makedoniens 120 b) Der Achäische Krieg und die Neuordnung Griechenlands 146 v. Chr 123 Die Ordnung des Mummius 123. Die Form der Untertänigkeit 127 Das Ziel der Ordnung 129 c) Das erneute Bündnis mit dem griechischen Freiheitsbegriff 131 Die politische Bedeutung des griechischen Freiheits begriffes 131. Die Reaktion der Griechen auf die römische Herrschaft 133 d) Die Provinzialisierung Afrikas Die Kriegsziele 149 135.
Die Provinz 136
135
Inhaltsverzeichnis
XII
III. Die Interdependenz von innerer Krise und äußerer Macht entfaltung: Die Erweiterung des Herrschaftsraumes bis Caesar 138 1. Die Provinzialisierung Herrschaftsraumes
als Alternative zur
Anarchie
des 138
Der Zusammenbruch der hellenistischen Staatenwelt 138. Die Pro vinz Asia 139. Die Provinz Bithynien 140. Der Krieg gegen Jugurtha 140. Kappadokien 140 2. Der Verzicht auf die Kolonisation in den Provinzen als Reflex der inneren Parteienkämpfe 141 Die Provinz Gallia Narbonensis 141. Die außeritalische Kolonisa tion 142. Die italischen Kaufleute und Siedler 143 3. D i e Provinzialisierung als Konsequenz des ungelösten See räuberproblems 145 Die Piraterie 145. Die Provinz Kilikien 146. Die Provinz Cyrenaica 147. Die Provinz Kreta 148. Das Seeräubergesetz des Jahres 100 149. Die Kollision des Herrschaftsbereiches und des Herr schaftssystems 151 4. Die Ansätze zu einer faktischen und ideologischen Vereinheit lichung des Imperiums unter Pompeius 152 Der Seeräuberkrieg 152. Die Antizipation der Einheit des Reiches 153. % Die Ideologie der Weltherrschaft und der Herrschaftsanspruch des Einzelnen 154. Die Ideologie der defensiven Reichsbildung als Antwort der Republik 155. Die aristokratische Freiheit der Repu blik und die Notwendigkeiten des Herrschaftsraumes 157. Die Ordnung des Ostens durch Pompeius 158 5. Der Leistungsanspruch des großen Einzelnen und das neue imperiale Bewußtsein: Caesar 160 Die Unterwerfung Galliens als Reflex inneraristokratischer Aus einandersetzungen 160. Die Annektion Cyperns 162. Die Funk tion der außenpolitischen Rechtsfrage 163. Das neue imperiale Denken 164. Gallien 167 6. Zusammenfassung: Die Antriebskräfte der römischen Reichs bildung Gewalt und Zustimmung als Fundamente der Herrschaft 168. Die Oberdehnung des Herrschaftspotentials 169. Aristokratisches Herrschaftssystem und territorialstaatliche Ordnung 170. Die Kräfte des Widerstandes 170. Die großen Einzelnen 172
168
XIII
Inhaltsverzeichnis
IV. Der politische Freiheitsbegriff und seine Überleitung in die provinziale Herrschaftsform 174 1. Die foederierten Städte
174
a) Die Funktion des Vertrages: Die völkerrechtliche An erkennung 174 Die foederierten Städte in Sizilien 174. Die Funktion der Verträge nach 168 176. Die internationale Anerkennung 178 b) Der Wert des Vertrages: Die Stellung der Foederierten in und zu der Provinz 178 Der Lohn der Loyalität 178. Publikationsweise 179. Die recht lichen Konsequenzen 182. Das Verhältnis zu den Organen der Reichsverwaltung 183 2. Der Ausgangspunkt: Einrichtung und Rechtsstellung der civitates liberae in Sizilien . . *. Die Funktion der Einrichtung 186. politische Bedeutung der Freiheit 189
186 Die Immunität 188.
Die
3. Der politische und rechtliche Inhalt der Freiheit in der römischen Ostpolitik (200 bis 133 v. Chr.) 190 a) Das Problem: Die römische Machtentfaltung und die Souve ränität der Betroffenen 190 b) Die Übernahme des hellenistischen Freiheitsbegriffes
193
Die Freiheitserklärungen nach dem Ende des Zweiten Makedonischen und des Syrischen Krieges 193. Ihre politischen Konsequenzen 195. Unterschiede zu den - Freiheitserklärungen der hellenistischen Könige 198 c) Freiheit und Hegemonie: (1) Die kleinasiatischen Städte bis zur Provinzialisierung Asiens 198 Die Rechtsstellung 199. Die Verpflichtungen 200. Beweise der Loyalität 200. Militärische Hilfe 202. Schiedsrichterfunktionen Roms 202. Die religiöse Präsenz des römischen Herrschafts anspruches 203 d) Freiheit und Hegemonie: (2) Die mutterländischen Grie chenstädte 204 Haliartos, Koroneia und Thisbe 204. nomie 206
Eingriffe in die innere Auto
XIV
Inhaltsverzeichnis
4. Die testamentarisch erlangte Freiheit
207
Das Testament Attalos' III. 207. Das Testament des Ptolemaios Apion 210. Die Cyrenaica bis zur Provinzialisierung 210 V. Herrschaft und Freiheit
213
1. Altfreie und freigelassene Städte in den Provinzen: Die fak tische Bedeutung des rechtlich verschiedenen Gründungs aktes 213 Die unterschiedlichen Gründungsakte (amicitia; lex provinciae) 213. Die afrikanischen civitates liberae 215. SC de Asclepiade 216 2. Die Angliederung der freien Städte an die Provinz: Die klein asiatischen Städte nach 133 v. Chr 217 3. Die Konsolidierung der Herrschaft und die Kontinuität der Freiheit 226 a) Die sullanische Ordnung des Ostens 226 b) Die Grenzen der Freiheit: Die lex Antonia für Termessos 236 c) Die Aufhebung der Untertänigkeit 243 Die civitates liberae in den Bürgerkriegen 243. 25 v. Chr.) 244. Pergamon 245
Mytilene (88 bis
4. Prekarität als rechtsgeschichtlicher und politischer Begriff 247 Das Problem 247. Die Rechtswirkung der Restitutionsakte 249. Die Gründe des Freiheitsentzuges 252 5. Freiheit und Immunität
255
Die Tributpflicht 255. Makedonien und Illyrien 167 v. Chr. 256. Die Vereinbarkeit von Freiheit und Tribut 260 6. Die Grenze zwischen Herrschaft und Freiheit a) Die kleinasiatischen und syrischen Klientelstaaten
261 261
Die Kontinuität der Politik gegenüber den civitates liberae 261. Die Klientelstaaten seit Pompeius 263. Die Neuordnung Judäas 265. Die Restitution der syrischen Dynasten 267. Die klein asiatischen Provinzen und Königreiche 268. Die finanziellen Leistungen der Könige 270. Die Bedeutung der Klientelstaaten für das Imperium 272 b) Die freien Städte Die Städte in Syrien und Kleinasien 274.. Die Städte im Westen 276
273
Inhaltsverzeichnis
c) Die Untertanen
XV 277
Die Grundsätze der Provinzialisierungspolitik 277. Die Alternative des Marcus Antonius 278. Die Autonomie der Stadt als Bestandteil des Herrschaftssystems 278. Die Politik des Pompeius 279. Die Tributpflicht der Untertanen 280 VI. Die Kapazität der Herrschaft
283
1. Die Grenzen einer Objektivierung der Herrschaftsausübung 283 Die Voraussetzungen 283. Senat und Magistrat 284. Die Expan sion und die Freisetzung der magistratischen Gewalt 286. Sullas Reform der Magistratur 289. Die Repetundenverfahren 290. Die lex Sempronia de provinciis consularibus 292. Die Provinzen 293 2. Die Senatsaristokratie und das Imperium
294
Sozialstruktur und Außenpolitik 294." Die Militarisierung der Führungsschicht 296. Die Stabilität der aristokratischen Herrschaft und die defensive Außenpolitik 298. Neue OrdnungsVorstellungen und das Auseinanderbrechen der aristokratischen Solidarität 300 3. Die Einbindung der Führungsschichten der Unterworfenen 303 a) Die römische Bürgerrechtspolitik: Die Verbreiterung der Machtbasis 303 Die Zustimmung der Unterworfenen und die Dauer der Herrschaft 303. Die Bedeutung der Bürgerrechtspolitik 304. Die angesproche nen sozialen Schichtea304. Bürgerrecht und Immunität 307. Die Motive der Verleihung 307. Die Reaktion der freien und foederierten Städte 308 b) Der Verlust des eigenstaatlichen Bewußtseins 313 Die Herauslösung der Führungsschichten der Besiegten 313. Italien als Vorbild für die Provinzen 314. Die Konsequenzen für die Funktionsfähigkeit der Städte 315. Die Trennung von Bürger recht und Immunität seit Caesar 317. Die Wandlung der Fremd herrschaft zur Herrschaft der sozial Führenden 318 c) Die soziale Veränderung des beherrschten Raumes Literatur- und Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Personen- und Sachregister
319 322 325 326
Einleitung 1. Methodische Vorbemerkungen Die Ausbildung der römischen Provinzialherrschaft umfaßt den Zeit raum von der Unterwerfung Siziliens bis zur Unterwerfung Galliens durch Caesar. Dann erst nimmt das Konglomerat von provinzialen Herrschafts bezirken im römischen Bewußtsein die Form eines einheitlichen Ganzen an und wird begrifflich als Imperium Romanum gefaßt1. Die vorab zu stellende Frage nach der anzuwendenden Methode, die dem Ziel der angestellten Überlegungen gerecht wird und die das Ergebnis zwangsläufig präjudiziell:, beantwortet sich damit bereits in einem wesentlichen Punkt: Das Imperium als Ergebnis eines sich zweieinhalb Jahrhunderte hinziehenden Entwick lungsprozesses darf nicht Gegenstand eines systematischen Aufrisses sein, der nur dort sinnvoll sein kann, wo die Formen der Herrschaftsausübung ein für allemal festgelegt waren und daher durch eine Momentaufnahme erfaßt werden können. Doch ist diese Erkenntnis nur eingeschränkt tauglich. Die historische Dimension erschließt den Kausalzusammenhang der einzelnen Erscheinun gen und läßt ihre Verbindung mit den Zielen und Wünschen der jeweils Handelnden zu. Dort, wo es um den Entstehungsprozeß von Herrschafts strukturen geht, stehen nicht nur die Ursachen der Durchsetzung des römi schen Willens zur Debatte, sondern auch der spezifische Charakter der Ord nung, die der besiegten Welt aufgezwungen wurde. Ordnung wird greifbar in den Rechtsformen, die sie annimmt2, und sie kann nach ihrer Funktionali tät, Effektivität und Anpassungsfähigkeit befragt werden. Dies wiederum bedingt eo ipso ein gewisses Maß an Schematisierung der einzelnen histori schen Erscheinungsformen, was nicht heißt, ihrer Natur nach politisch 1
2
Vgl. H. GUNDEL, Historia 12 (1963) S. 305ff., L. BOVE, NOV. Dig. Ital. 8 (1962) S. 209ff. s. v. Imperium. Vgl. D . NÖRR, Imperium und Polis, S. 2. Es kommt hinzu (ohne die originäre Fähigkeit der Römer, Rechtskategorien auszubilden, beschwören zu müssen), daß „Macht stets nach einer rechtlichen Form sucht. In der rechtlichen Einkleidung findet sie, dank dem Be harrungsvermögen des Rechts, eine gewisse Gewähr für die Zukunft; sie findet in ihr zugleich eine gewisse Rechtfertigung vor sich selbst und vor den anderen" (F. GSCHNTTZER, Gemeinde und Herrschaft, 1960, S. 54).
2
Einleitung
orientierte Herrschaftsphänomene in verwaltungsrechtliche Probleme auf zulösen. Diese sind, da sie die alltägliche Herrschaftspraxis verdeutlichen, für die Erkenntnis der Herrschaftsstrukturen eminent wichtig, doch sagen sie wenig darüber aus, warum sie so und nicht anders ausgebildet wurden. Geht es um eine substantielle und nicht um eine formal-organisatorische Be stimmung der römischen Herrschaft, so kommt es wesentlich darauf an, diese Frage nicht unter der Hand durch die Suggestion eines geschlossenen und effizienten, der Abhängigkeit von Herrschaft sich allmählich entziehen den Verwaltungsgebildes überspielen zu lassen, das erst in der hohen Prinzipatszeit greifbar wird. Am Anfang der Sichtung des Materials steht die wenig ermutigende Fest stellung, daß kein antiker Gewährsmann der hier gestellten Frage seine Auf merksamkeit gewidmet hat. Die Griechen des 2. Jhdts. v. Chr. fragten nach den Ursachen des römischen Aufstiegs zur Weltmacht und glaubten sie in dem Charakter der römischen Verfassung und dem Staatsethos der aristokra tischen Elite gefunden zu haben (Polybios) 3 , während gegen Ende der Repu blik - durch Ciceros „Staat" Allgemeingut seiner Zeitgenossen - die stoischen Philosophen der Erklärung der Ursache die moralische und ethische Rechtfertigung der römischen Herrschaft hinzufügten (Poseidonios) und damit jeder Diskussion um die Herrschaftsstrukturen von vorneherein den Boden entzogen4. Den Römern selbst fehlte das Bewußtsein, daß ihre Expansion ein Welt reich geschaffen hatte, das alle bestehenden Formen des staatlichen Lebens neu bestimmen mußte. Es gab kein Wort, keine begriffliche Vorstellung von dieser neuen Welt, aus denen abzulesen wäre, daß die einzelnen Herrschafts bereiche der Magistrate mehr gewesen wären als eine Reihe von Besitzungen der Republik (praedia populi Romani). Kein Römer hat je daran gezweifelt, daß die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten des Stadtstaates ausreichten, den Forderungen des Reichsregiments zu genügen. Alle Auseinandersetzun gen um die Formen der Herrschaftsausübung wurden auf dieser Ebene ge führt und intendierten nur Änderungen, die das Zusammenwirken der stadt staatlichen Entscheidungsträger, nicht aber die Organisationsform an sich, betrafen. Die Republik setzte für alle den Horizont, innerhalb dessen alle Er scheinungsformen der Weltherrschaft eingeordnet wurden. Noch die Erben der Republik, die Monarchen, kleideten ihre Rolle als Weltherrscher in die 3
4
Vgl. Κ. Ε. PETZOLD, Studien zur Methode des Polybios und zu ihrer historischen Aus wertung, 1969 u. Gnomon 42 (1970) S. 381 ff.; 388. J. BLEICKEN, Der Preis des Aelius Aristides auf das römische Weltreich, Nachr. Gott. Ak. Wiss., phil.-hist. Kl. 1966,7, S. 228f., J. VOGT, Orbis Romanus, in: Orbis, 1960, S. 154ff.
Methodische Vorbemerkungen
3
Fiktion von der Fortführung republikanischer Amtsgewalten, und der augusteische Gedanke von der res publica restituta ist auf seine Weise die Kapitulation des Neuen und Notwendigen vor dem Beharrungsvermögen des ganz auf den Stadtstaat konzentrierten Denkens. Was an direkten Aussagen über die Organisationsformen des Imperiums bleibt, sind daher nicht zufällig nur Streustellen, aus denen das Stufengefüge von untertänigen, verbündeten und freien Staaten innerhalb des Herrschafts systems abgelesen werden kann, ohne daß daraus die juristische Gestalt der Herrschaft, ihre historische Begründung oder die Grenzen zwischen ihren einzelnen Teilen als Problem erscheinen5. Auszuwerten sind damit Nach richten, d i e - in einen ganz anderen Zusammenhang gestellt-augenblickliche Erscheinungen erhellen und so den hier gesuchten Gegenstand nicht eigent lich mitteilen, sondern allenfalls Orientierungspunkte an die Hand geben können. Besser steht es mit der inschriftlichen Überlieferung, die vor allem über die Rechtsstellung der freien Städte die gewichtigsten Aussagen macht, da die Festlegung der Freiheit innerhalb des römischen Herrschaftsbereiches der urkundlich öffendichen Form bedurfte, um überhaupt die angestrebte Wirk samkeit erreichen zu können. Doch auch hier traf der Zufall die Auswahl des Materials, so daß die für eine genetische Erfassung der römischen Herr schaftsstrukturen an sich erhellendste zusammenhängende Berichterstattung über eine bestimmte (freie oder untertänige) Stadt innerhalb eines längeren Zeitraums nur in wenigen glücklichen Fällen vorliegt. In der Regel erhellt das Schicksal der Unterworfenen und Freien nur für Momente, ohne daß von vornherein klar ist, ob der greifbare Augenblick eine wichtige Station im Leben der Beherrschten enthüllt, in der die römische Herrschaftspraxis sich wandelt oder neue Akzente erhält und von ihr aus gesehen Schlüsse auf die weitere Entwicklung möglich sind. Methodisch zwingt eine derartige Quellenlage zur Verknüpfung von Momentaufnahmen, deren historisch unterschiedliche Bezugspunkte immer wieder die Frage nach der Berechtigung ihrer Verbindung und den daraus gezogenen Schlüssen aufwerfen. Erst die Übereinstimmung an sich verschie dener Fakten und ihre analoge Deutbarkeit, sobald sie annähernd sicher bestimmbar ist, führen an das gestellte Problem heran6. 5
6
Zu dem Charakter solcher Quellen s. H. KUHN, Die städtische und bürgerliche Ver fassung des Römischen Reiches II, 1865, S. 24ff., T H . MOMMSEN, RStR III, S. 688 Anm. 2, H. HÖRN, Foederati, S. 7f., M. LEMOSSE, Le regime des relations internationales, S. 156f. (zuCass. Dio 54,9,1). Die sich hier aus der spezifischen Quellenlage ergebenden Schwierigkeiten der Interpreta tion sind im Grunde für alle Fragestellungen exemplarisch, die direkt auf die Staats- oder
4
Einleitung
2. Die Funktion der verwandten Begriffe Alle traditionellen Begriffe, die das eigentliche Erkenntnisziel einer Un tersuchung in der höchstmöglichen Form verdichtet vorstellen sollen, ent halten Mißverständnisse, da sie Hypothesen, Fragen und Methoden ein schließen, die nicht überall die gleichen sein müssen. Der Begriff „Herr schaft" wird in seiner historischen, soziologischen und juristischen Verwen dung durchgehend mit oder in Anlehnung an die Definition Max Webers vorgestellt. Danach bedeutet Macht die Möglichkeit, innerhalb einer sozialen Beziehung seinen Willen durchzusetzen, und Herrschaft ,,die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu fin den". Jedes Herrschaftsverhältnis ist demnach bestimmt durch „das aktuelle Vorhandensein eines erfolgreich anderen Befehlenden", was in der prakti schen Verwirklichung heißt, daß bei der soziologisch amorphen Gestalt der Macht Herrschaft nur als „die institutionalisierte, dauerhafte und auf Be fehlsbereiche abgestimmte Macht" in Erscheinung treten kann7. Max Weber hat die Begriffe Macht und Herrschaft als soziologische Kate gorien aufgestellt und definiert. Als solche sind sie für eine historische Be trachtungsweise nur auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau nützlich; ζ. Β. lassen sie sofort die Feststellung zu, ob Herrschaftsverhältnisse be stehen oder nicht. Nun ist unschwer einzusehen, daß damit nicht viel ge wonnen ist. Weiter kommt man, wenn die Begriffe nicht als kategoriale be nutzt werden, sondern als Orientierungslinien für die Erfassung variabler Er scheinungsformen. Auf diese Weise kann gefragt werden, warum Herrschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt der römischen Außenpolitik auftrat, wie und warum sie sich durchsetzte und in welchem Umfang sie überhaupt vor handen war. Die Gefahr dabei, daß sich der Begriff so in der jeweiligen histo rischen Erscheinungsform verflüchtigt, wird weitgehend gebannt, wenn man den Oberbegriff in seine konstitutiven Elemente zerlegt. So umschließt der Begriff Herrschaft die verschiedensten Möglichkeiten wie Hegemonie, Untertänigkeit, Stadtherrschaft, Territorialherrschaft, Gewaltherrschaft usw. Die spezifische, von den historischen Gegebenheiten abhängige Natur
7
völkerrechtlichen Strukturen antiker Herrschaftssysteme abzielen; vgl. etwa A. HEUSS, Stadt und Herrscher des Hellenismus, S. IVf.; 278f., F. GSCHNITZER, Abhängige Orte im griechischen Altertum, 1958, S. 179f. und K.-H. ZIEGLER, Das Völkerrecht der römischen Republik, in: ANRW I 2, 1972, S. 68ff. M. WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft (hg. J. Winckelmann), 1964, S. 38; 691 ff. Vgl. dazu von historischer Seite O. BRUNNER, Bemerkungen zu den Begriffen „Herrschaft" und „Legitimität", in: Neue Wege der Verfassungs- und Sozialgesch.2, 1968, S. 64ff., Ders., HZ 209 (1969) S. 3ff., W. SCHULLER, Die Herrschaft der Athener im Ersten Attischen Seebund, 1974, S. 2ff.
Die Funktion der verwandten Begriffe
5
der jeweiligen Herrschaft rückt also ins Blickfeld und führt zu den Fragen nach den Ursachen ihrer jeweils unterschiedlichen Ausprägung und den Fol gen ihrer Existenz für die Betroffenen und die Träger. Herrschaft und ihre Organisationsformen erscheinen so audh in ihrer Abhängigkeit von den Interessen des Eroberers, die durchaus viel schichtig, ja in sich widersprüchlich sein können: So ist typisch für die im periale Herrschaft Roms zum einen die Sucht der führenden Aristokraten nach Ruhm, Prestige und Reichtum, was die Expansion (neben einer Reihe anderer Gründe) vorwärts trieb, zum anderen aber die Furcht der aristo kratischen Klasse vor der durch die Reichsbildung provozierten Zerstö rung ihrer gesellschaftlichen Struktur, was die spezifische Ausprägung der Herrschaftsform entscheidend bestimmte. Die Unterscheidung zwischen hegemonialer und provinzialer Organisation der Herrschaft erschließt die Gliederung des Imperiums in untertänige oder abhängige Stadtstaaten, Königreiche und Fürstentümer, wirft das Problem der Fähigkeit der Re gierungszentrale auf, ihren Willen bis in die letzten Unterteilungen des Herrschaftsraumes zu entfalten, und weist damit zusammengenommen auf komplizierte Herrschaftsstrukturen, die aus einer im einzelnen zu be stimmenden Mischungvvon unmittelbarer und mittelbarer Herrschaft zu sammengesetzt sind8. Jede Herrschaft beginnt mit der gewaltsamen Eroberung, die den organi sierten staatlichen Widerstand zerschlägt. Auch danach bleibt die nackte Gewalt immer ein Teil der aufgerichteten Herrschaft9, da nichts schneller und gründlicher Menschen zum Gehorsam zwingt, als die Angst vor physi scher Gewaltanwendung. Es gibt kein Herrschaftssystem, das immer ein System der Ungleichheit ist, für das sie nicht die selbstverständliche Grund lage der Erhaltung und der Nutzung der Macht ist. Trotzdem ist sie kein zen traler Bestandteil der Herrschaft, da sie nach der Beendigung des offenen Kriegszustandes gegen Wehrlose gerichtet, weitgehend sinnlos ist10. Solange die reine Gewalt dominiert, bewegt sich das Beziehungsverhältnis zwischen Sieger und Besiegten außerhalb des politischen Raumes. Das Phänomen der Gewalt ist also typisch dadurch gekennzeichnet, daß es sich als dominierendes Element nur vorübergehend behaupten kann (als 8 9
10
Vgl. G. LENSKI, Macht und Privileg, 1973, S. 41 f. Das Bedeutungsfeld auch dieses Begriffes ist vielschichtig und reicht in den Bereich der Rechtsordnung hinein (vgl. etwa H. ARENDT, Über die Revolution2, 1974, S. 19ff.; 232 ff.), was hier gerade ausgeklammert bleiben soll. Gewalt ist hier also zu lesen als militärische und physische und als Terror. R. DAHL-CH. LINDBLOM, Politics, Economics and Weifare, 1953, S. 107ff.
/
I I *
6
Einleitung
Mittel zum Zweck der Herrschaftsaufrichtung)11 und nach der Übernahme der Macht durch den Eroberer die Grenzen des damit neu etablierten poli tischen Bereiches nach außen und innen schützt (als eine Technik unter anderen, die der Kontrolle der Besiegten dient). Herrschaft kommt also ohne das konstitutive Element der Zustimmung der Beherrschten nicht aus12, wobei das Ausmaß, in dem der Beherrschte sich auf das Beherrschtwerden einlassen muß, von dem bestehenden Machtverhältnis zwischen den Kräften des inneren und äußeren Widerstandes und den Möglichkeiten des Einsatzes von Zwangsmitteln abhängt. Beide, der Widerstand und der Zwang, sind an den Nutzen gebundene Größen. Der Widerstand muß ein Ziel finden, das entweder den verlorenen Zustand der gehabten Unabhängigkeit oder eine neue Alternative materiell ι und ideell einem großen Teil der Beherrschten die Leiden des Aufstandes erträglich machen kann. Der Zwang darf von den Herrschenden nicht mehr an Anstrengungen, Kosten und allgemeinem Ansehen fordern, als die Herrschaft selbst einbringt, da die Solidarität der Herrschenden ständig mit der Frage nach der Effektivität ihres Tuns konfrontiert wird13. Alle diese Faktoren zusammengenommen bestimmen denn auch den Grad der Widerstandsfähigkeit des Herrschaftssystems gegen konkurrie rende Reichsbildungen, deren Vorhandensein oder Nichtvorhandensein wiederum das Ausmaß an Anstrengungen mitbestimmt, die der Sieger auf die Organisation seiner Herrschaft konzentriert. Die ideologische Untermauerung der Herrschaft, d. h. die Suggestion der Einsicht, daß das be stehende Verhältnis legiurrTsei und ideelle und materielle Vorteile beinhalte, ist schließlich die letzte Klammer, die die Mehrzahl der Unterworfenen oder ihre politisch und sozial führenden Schichten dazu bewegen kann, die etablierte Herrschaftsordnung als die ihre anzuerkennen. Die römische Republik hat dieses Instrument ebensowenig gehandhabt wie die griechischen Stadtstaaten, die länger dauernde Herrschaftsverhältnisse durchsetzen konnten. Erst die Verknüpfung der Herrschaft mit der Person des Monarchen hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, was allerdings 11
So bereits EDMUND BURKE: „Gewaltanwendung allein ist etwas Vorübergehendes. Für einen Augenblick vermag sie die Oberhand zu gewinnen; sie enthebt jedoch niemanden der Notwendigkeit, die Betroffenen immer wieder von neuem zu unterwerfen: und ein Volk, welches permanent erobert werden muß, wird nicht beherrscht" (zit. nach LENSKI, aaO. S. 80); vgl. A. VIERKANDT, Gesellschaftslehre2, 1928, S. 298.
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13
Hervorgehoben von A. GEHLEN, in: Handwörterbuch der Sozialwiss. VII, 1961, S. 77ff. s. v. Macht. Vgl. K. W. DEUTSCH, Politische Kybernetik, 1966, S. 170ff. (über den Zusammenhang zwischen politischer Macht und sozialer Transaktion).
Die Funktion der verwandten Begriffe
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einer eigenen Klärung bedarf, da nichts an diesem Vorgang selbstver ständlich ist 14 . Letztlich gründet die Stabilität der Herrschaft also darauf, inwieweit sich die Beherrschten mit der neuen Ordnung abfinden oder sie bejahen. So strebte notwendig auch Rom nach der Eroberung danach, die Abhängigkeit seines Spruchrechtes von der Gewalt der Legionen zu verringern und die Herrschaftstechniken zu entwickeln, die auf die Mitwirkung und die Über zeugung der Unterworfenen abgestellt waren und der Gewalt nur die Funk tion des Schutzes einräumten15. Die Gewalt der Anfangsphase wird also in institutionalisierte Formen von Machtausübung gegossen, innerhalb derer das Setzen (oder das Anerkennen) von Rechtsnormen für den angestrebten Gehorsam der Unterworfenen zentrale Bedeutung hat: Die rechtliche Ver pflichtung der Beherrschten in der allgemeinen Setzung von Gerechtigkeitsfrinzipien machtLamgründlichsten das tatsächliche Verhältnis der Abhangigeit vergessen. Der der Herrschaft entgegengesetzte Begriff ist der der Freiheit. Die Frage nach der Entstehung von Herrschaft und dem Vermögen, sie auszu üben, ist also identisch mit der Frage nach den Grenzen der Herrschaft, die durch den Beginn der Freiheit bezeichnet werden16. Damit ist zugleich ge sagt, daß - was im Grunde für jeden Idealbegriff gilt17 - Freiheit keinen Wen an sich bezeichnet, sondern ein Erfahrungswert ist. Er besitzt nur für diejenigen konkrete Bedeutung, die dergleichen als Gut überhaupt jemals empfunden haben und die sich damit in einer politischen Bewußtseinslage be fanden, in der für sie die konkret erfahrenen Ausprägungen der Freiheit zur politischen Ziel Vorstellung wurden. Eine griechische Stadt etwa, die nie im Zentrum des politischen Lebens gestanden hatte und ihren politischen Willen immer nach dem eines stärkeren Nachbarn ausgerichtet hatte, mußte den mit der römischen Herrschaftsüber nahme eingetretenen Verlust an äußerer Bewegungsfreiheit anders empfin den als die führenden Städte der klassischen und hellenistischen Epoche. Für 14
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Dazu A. HEUSS, Alexander der Große und die politische Ideologie des Altertums, Antike u. Abendland 4 (1954) S. 65ff., J. BLEICHEN, Staatliche Ordnung und Freiheit in der römischen Republik, 1972, S. 90ff. J. GAUDEMET, in: Gouvernes et Gouvernants II, 1968, S. 35ff. versucht eine Typisierung des Beziehungsverhältnisses zwischen Rom (Princeps) und den Beherrschten unter dem Oberbegriff der participation indirecte. Die Teilhabe an der Herrschaft geschieht durch groupements officiels (ζ. Β. die Organe der städtischen Selbstverwaltung, die Korporatio nen und die in das Reichsregiment aufgestiegenen Führungsschichten) und durch forces populaires non organisees (ζ. Β. Armee, Kirche, Volksbewegungen). A. HEUSS, Herrschaft und Freiheit, S. 67; pass. Vgl. etwa zum Verfassungsbegriff C. SCHMITT, Verfassungslehre, 1928, S. 36ff.
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Einleitung
sie war die souveräne Entscheidung über das eigene Schicksal substantieller Bestandteil ihres staatlichen Lebens und politischen Selbstverständnisses. Diese Relativierung der Freiheit als in die Entwicklungslinien der Geschichte einzuordnendes und von dort ihren Wert beziehendes Phänomen wird in der Entwicklungsgeschichte der römischen Provinzialherrschaft am deutlichsten am Schicksal der civitates liberae. Freiheit innerhalb der Pro vinzgrenzen war ohne den Gehorsam gegenüber den übergeordneten römischen Interessen a priori undenkbar. Strukturell ist dieser Gehorsam, resultierend aus der ungleichen Machtverteilung, bestimmbar. Was seine Ausbildung angeht, so steht am Anfang nicht die Einsicht, innerhalb der römischen Machtsphäre Freiheit nur partiell verwirklichen zu können, son dern die Furcht vor der Übermacht. Die Vorwegnahme der Bedrohung, die jederzeit zur Realität werden kann, zwingt zum Arrangement mit der un widerruflichen römischen Herrschaft, wobei die Gewöhnung an sie das Ein verständnis mit den die Verhältnisse prägenden Spielregeln langsam nahe legt. Es bedurfte allerdings des immer wiederkehrenden Erlebnisses der eige nen Ohnmacht, der Angst vor der Unbesiegbarkeit der Legionen, um diesen Prozeß in Gang zu halten 18 . Im Endeffekt war zwar die Praktizierung der Freiheit, wie Rom sie verstand, nie mit uneingeschränkter Zustimmung ver bunden, doch war diese meist stärker als der Wunsch nach einem ständig neu zu probierenden Abtasten, wieweit man eigene Vorstellungen und Forde rungen in den bestehenden Machtverhältnissen oder gar gegen sie verfolgen könne. Jede Erörterung von Herrschaft und· Freiheit in der griechischen wie in der römischen Geschichte geht notwendig von der Stadt aus. Der Grund dafür ist einfach, jedoch für den von der modernen Staatsvorstellung aus gehenden Beobachter nicht ohne weiteres greifbar: Die Antike kannte außer der Stadt keine Form politischer Organisation, die theoretisch konzipiert oder als Möglichkeit menschlichen Zusammenlebens anerkannt worden wäre 19 . Unter dem Aspekt der Herrschaftserrichtung betrachtet heißt das, daß diese nur als reine, durch keine verfassungsmäßigen Schranken be grenzte, möglich war. Ihr Bestand hing damit allein von der Fähigkeit des Herrschenden ab, seine Macht zu konsolidieren, was - und hier liegt der 18
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Beispielhaft formuliert von Plutarch (praec. rei publ. ger. 813 E), wenn er dem Staats mann seiner Zeit warnend empfiehlt, stets an den Stiefel des Legionärs über seinem Haupt zu denken und nicht die Grenzen der gewährten Selbständigkeit zu überschreiten; vgl. D. NÖRR, Imperium und Polis, S. 85. Eine ausgezeichnete begriffliche Abklärung der zu bedenkenden Termini (city-state, national State, territorial State and government, people, territory) bei G. BUCCELLATI, Cities and Nations of Ancient Syria, 1967, S..12ff.; 19ff.
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entscheidende Unterschied zur römischen Herrschaft - in der griechischen Welt weder der Attisch-Delische Seebund noch die hellenistischen Monarchien je erreicht hatten. Konsolidierung der Macht und die Ausbildung von Herrschaftsmecha nismen gehen notwendig Hand in Hand. Sie haben gemeinsam, daß sie dyna mische Entwicklungsvorgänge sind. Während jedoch die Konsolidierung auf ein definitives Ziel hin geschieht - die eigene Macht so auszubauen, daß sie von niemanden in Frage gestellt werden kann, - ist die Ausbildung von Herr schaftsformen zwar auf eine bestimmte praktikable Form hin ausgerichtet, aber in sich als Ziel keineswegs spezifisch festgelegt. Die Konstante ist hier die immer neu versuchte Anpassung an die konkrete Situation und nicht der schließlich gefundene (besser: für allein brauchbar empfundene) Modus der Anpassung. Die durch die Rechtswirkung der Eroberung und der Dedition de iure uneingeschränkte Formbarkeit der Unterworfenen ist zunächst offen für die unterschiedlichsten Ausprägungen der Herrschaftsmechanismen, die die Bewußtseinsstruktur der Römer und ihrer politischen Umwelt überhaupt zuließ. Erst die Summe einer Reihe von gemachten Erfahrungen bewirkte ein mehr und mehr zielbewußtes Suchen nach einem den eigenen Möglichkeiten und den vorgefundenen Gegebenheiten adaequaten Herrschaftsschema. Das bedeutet für den historischen Beobachter, daß eine zunächst bewußt seinsarme Stufe der Herrschaftsausübung von einer zunehmend durch die auch geistig bewältigten - Erfahrungen konstruktiver gewordenen Phase abgelöst wird. Für die Entwicklung der römischen Herrschaft ist dies weit gehend identisch mit dem Weg des selbständigen Stadtstaates zur Verwal tungseinheit innerhalb des Imperium Romanum und mit der Entwicklung des Bewußtseins der Herrschenden und Beherrschten, die schließlich beide die Existenz des Reiches als notwendig und selbstverständlich verstanden. Man hat sich in der deutschen Forschung daran gewöhnt, die römische Herrschaft über die antike Welt unter den Begriff des „Reiches" zu fassen, ohne daß die mit diesem Terminus stillschweigend verbundene Vorstellung eines bestimmten politischen Strukturprinzips klare Konturen angenommen hätte 20 . Da die deutsche Sprache keinen anderen zur Umschreibung des 20
Vgl. etwa die Definition von J. VOGT, Vom Reichsgedanken der Römer, 1942, S. 5f.: ,, Wir betrachten als wesenhaft für das Reich das Dasein einer weitausgreifenden politischen Macht, die in einem großen Raum für viele Völker die Fragen der Herrschaft und des Dienstes dauerhaft regelt. In diesem Ordnungsgefüge muß ein geistiges Band wirksam sein, ein einheitliches Ziel sichtbar werden. Über die Regelung des materiellen Getriebes hinaus müssen die Glieder vom Ganzen her die Geborgenheit ihres Lebens gewinnen und den Sinn ihrer Opfer empfangen. So erweist sich das Reich als Einheit von Macht und Geist in einem weltweiten Raum."
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Einleitung
Sachverhaltes brauchbaren Ausdruck kennt und ein Ausweichen auf den Be griff des Imperium Romanum nur das alte durch ein neues Fragezeichen er setzt, ist seine Verwendung unvermeidlich. Gerechtfertigt ist dies allerdings nur unter der Voraussetzung, daß damit nur die Machtstellung Roms als solche und das Gebiet, innerhalb dessen sie Geltung hat, bezeichnet werden kann 21 . Grundsätzlich stellt sich damit die Frage nach der Berechtigung der An wendung von dem modernen Staats- und Völkerrecht entnommenen Be griffen und Vorstellungen, ohne die Herrschaftsverhältnisse nicht umschrie ben werden können. Alle hier einschlägigen Begriffe sind historische Be griffe, deren jeweilige Entstehungsgeschichte ihre konkreten Inhalte geprägt hat. Sie müssen daher erst aus ihrer historischen Gebundenheit herausgelöst und definiert werden 22 . Trotzdem haben sie damit noch keine einheidiche Auslegung erfahren23. Es hilft auch nicht weiter, antike Begriffe als solche stehen zu lassen 24 , da die Römer weder bereit noch in der Lage waren, ihre Herrschaftsmaximen begrifflich klar zu umreißen und damit in gewissem Sinne aus dem Fluß der historischen Entwicklung herauszunehmen. Mo derne Begriffe in Anführungszeichen zu setzen, ist vollends sinnlos, da 21
Vgl. H. D. MEYER, Cicero und das Reich, Diss. Köln 1957, S. 101 f.; 249ff. (dagegen nicht überzeugend W. SUERBAUM, Vom antiken zum frühmittelalterlichen Staatsbegriff, 1961, S. 55f. mit Anm. 146), A. HEUSS, RG, S. 572 (mit der einschlägigen Lit.) und
22 23
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L. WICKERT, Drei Vorträge über Theodor Mommsen, 1970, S. 22 ff. J. BLEICKEN, Staatliche Ordnung, S. 10. Für die Begriffe des Völkerrechts ist dies ohnehin klar. Daß dies auch für die Staats- und Verfassungstheorie gilt, hat E. KÜCHENHOFF, Möglichkeiten und Grenzen begrifflicher Klarheit in der Staatsformenlehre, 1967 auf nahezu tausend Seiten eindrucksvoll gezeigt. Die von ihm als Quintessenz vorgelegte „Tabellarische Übersicht über ein System eindeu tiger Staatsformenbegriffe" (S. 871 ff.) umfaßt mehrere hundert Begriffe. Bereits der Terminus „Staat" ist soweit konkretisiert worden, daß seine Anwendung für Erscheinun gen vor dem Beginn des 17. Jahrhunderts kaum noch möglich erscheint. „Man müßte heute von einer Zweidimensionalität der Staatsbegriffe ausgehen: vom Staat als dem modernen militärisch-bürokratischen Machtstaat mit dem Merkmal der Souveränität und zugleich vom Staat als einem idealtypischen Oberbegriff für politische Hoheitsformen" (TH. SCHIEDER, Staat und Gesellschaft im Wandel unserer Zeit, 1957, S. 179; vgl. H. KRÜGER, Allgemeine Staatslehre2, 1966, S. 1 ff., W. MAGER, Zur Entstehung des modernen Staatsbegriffes, Abh. Mainz. Ak. Wiss., 1968). Wie sehr diese begriffliche Aporie einer Verständigung im Wege stehen kann, zeigt sich ζ. Β. daran, daß F. GSCHNITZER, Gemeinde und Herrschaft, aaÖ. den Begriff Gemeinde im Sinne von Stadtstaat gebraucht und dafür von V. EHRENBERG, Polis und Imperium, 1965, S. 107 den Tadel „irreführend" hinnehmen muß, „denn der Begriff ist kein Bestandteil des eigentlich politischen Wortschatzes". Vgl. H. KRAUSE, HZ 209 (1969) S. 23: „Jeder kennt die Untersuchungen, in denen am entscheidenden Punkt nichts anders als der lateinische oder mittelhochdeutsche Passus einer Quelle erscheint und dem Leser das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit vermittelt, da er annehmen muß, der Vf. und jeder andere bessere Fachgenosse kenne den Aussagewert des Ausdrucks so genau, daß eine Erklärung ganz überflüssig sei."
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gerade diese anzeigen sollen, daß man der modernen Sinngebung mißtraut, im übrigen aber nicht ausdrücken kann oder will, wo die Orientierungs punkte dieses Mißtrauens liegen. Es bleibt im Grunde gar nichts anderes als der Versuch, die moderne Terminologie so zu übernehmen, daß in der Sache kein Zweifel an ihrer Elastizität und Plastizität besteht25. Auszugehen ist dabei von der nicht näher zu beweisenden Beobachtung, daß die Anwendung aktueller Fragestellungen und der mit ihnen verbun denen Methoden und Begriffe nicht von vorneherein den Weg zum histo rischen Verständnis, des Vergangenen versperren, sondern im Gegenteil der Materie neue Erkenntnisse abgewinnen lassen. Die Denkmodelle als solche stehen dem Erkenntnisprozeß nicht im Wege, sondern allein die Art und Weise ihrer Anwendung entscheidet über ihren Wert und Unwert. Als dog matische Prämisse dem zu eruierenden Faktum aufgedrängt, versagen sie als bald, da sie das zu suchende Ergebnis präjudizieren und davon abweichende Aussagen des Materials unterdrücken. Einzig legitim ist daher ihr Gebrauch als heuristisches Modell, wobei die Frage nach ihrer Rechtfertigung theore tisch bei jedem Schritt der Untersuchung neu gestellt werden muß. Notwen dig erhält damit die Übertragung einer modernen Begriffswelt und ihre stän dige Überprüfung an dem historischen Faktum den Charakter des Experi ments, über dessen Gelingen nur die Einsichtigkeit des schließlich erzielten Ergebnisses Auskunft zu geben vermag, ohne daß diese Einsichtigkeit im absoluten Sinne als evident zu charakterisieren wäre26.
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Vgl. A. HEUSS, RG, S. 546, Ders., Zur Theorie der Weltgeschichte, 1968, S. 64ff. (zum Idealtypus Max Webers). Grundlegend E. BETTI, Die Hermeneutik als allgemeine Methodik der Geisteswissen schaften, 1962, F. WIEACKER, Notizen zur rechtshistorischen Hermeneutik, Nachr. Gott. Ak. Wiss., phil.-hist. Kl., 1963,1, A. HEUSS, Zur Hermeneutik des historischen und juristisch-normativen Satzes, in: Studi E. Betti I, 1962, S. 153ff.
I. Provinziale Herrschaftsform als historische Aufgabe: Die Unterwerfung Siziliens 1. Die Erbschaft des Ersten Punischen Krieges Das Ende des Ersten Punischen Krieges veränderte die Mächtekonstella tion im westlichen Mittelmeerbecken von Grund auf. Das bis dahin be stehende Gleichgewicht der Kräfte zwischen den Westgriechen (repräsentiert vor allem durch Syrakus) und Karthago wird abgelöst durch die Vormacht stellung der neuen italischen Macht, die, von Etrurien bis Sizilien reichend, dem syrakusanischen Machtbereich nur noch lokale Bedeutung einräumte und Karthago nur den Spielraum beließ, den sie selbst nicht (oder besser: noch nicht) auszufüllen vermochte. Der Krieg gegen einen Staat, dessen Poli tik konsequent auf das westliche Mittelmeer und die Sicherung der maritimen Herrschaft ausgerichtet war, rückte zudem die strategische Bedeutung des Meeres in das Bewußtsein der römischen Führungsschicht (Polyb. l,20,7f.) und der Besitz Siziliens (und wenig später Sardiniens) erzwang eine Denk weise, die den beherrschten Raum eingebettet sah in eine politische Welt, in der maritime Einflußsphären längst abgesteckt "waren' bzw. umkämpft wurden. Trotzdem konnten die langfristig wirksamen Implikationen dieser Machtverschiebung und dieses veränderten politischen Horizontes von der römischen Aristokratie zunächst ignoriert und die Energien Roms aus schließlich auf Italien konzentriert werden. Nichts drängte dazu, nun medi terrane Politik zu treiben. Die hellenistischen Großmächte, in ihre eigenen Querelen verstrickt, hatten von der Entwicklung im Westen kaum Notiz genommen und taten dies auch fürderhin nicht. Karthago schien nach Kriegsende jahrelang dem endgültigen Untergang näher als dem Wiederauf stieg zu sein. Die römische Führung selbst maß der aus dem Norden drohen den Keltengefahr nach der eigenen 238 begonnenen Expansion in den ligurischen Raum mehr Gewicht bei als ihr tatsächlich zukam und gab sich mit der konsolidierten Lage in Süditalien zufrieden. Das machtpolitisch die Ver hältnisse geradezu umstürzende Ergebnis des von beiden Seiten mit unerbitt licher Härte geführten Ringens stellte also der römischen Politik zunächst
Erbschaft des Ersten Punischen Krieges
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keine neuen von der veränderten Machtlage her bestimmten Aufgaben. Der Sieg über Karthago schuf ein machtpolitisches Vakuum, das mit neuem In halt zu füllen den hellenistischen Staaten die Fähigkeit und der römischen Politik die Freiheit des Handelns fehlte. Wirtschaftspolitische Überlegun gen, die den Antritt des karthagischen Erbes empfohlen hätten, kamen nie mandem in den Sinn. Der noch junge, im wesentlichen durch die Kolonisa tion gesicherte soziale Friede in Italien sah die unteren Bauernschichten ver sorgt und die Reichen damit beschäftigt, ihren Landbesitz in Italien aus der Fülle des Vorhandenen zu mehren. Die Freigabe des ager publicus zur Okku pation durch den Staat veranschaulicht, wo die wirtschaftlichen Interessen lagen und wie sie genutzt wurden. Die in den Häfen der eigenen Kolonien und der Bundesgenossen verrottenden Kriegsschiffe symbolisieren beides: Die Konstellation des politischen Raumes und die politische und wirtschaft liche Konzentration Roms auf Norditalien. Von diesen Zentralpunkten her bestimmt sich denn auch das Schicksal Siziliens, dessen Räumung Karthago vertraglich hatte zugestehen müssen. Gestellt war Rom damit eine Aufgabe, deren Lösung präjudiziert sein mußte von den Zielen und Interessen, mit denen man um Sizilien gekämpft hatte. Die Insel selbst als wehrlose Beute des Siegers besaß keine stabilen Herr schaftsformen, an die ohne organisatorische Schwierigkeiten römische Ord nungsvorstellungen hätten anknüpfen können. Die Möglichkeiten der Unterworfenen, politischen Widerstand zu leisten, waren gering und wur den zudem von Rom nicht provoziert, zumal sich keine der griechischen Städte für eine Rückkehr der Karthager erwärmte. JedeHerausforderung zur Einrichtung von Institutionen, die den Bestand der Herrschaft sicherten, entfiel damit. Das syrakusanische Reich Hierons IL, das politisch und wirt schaftlich einzig relevante Machtgebilde auf der Insel, regelte sein Verhältnis zu Rom seit langem durch den 263 geschlossenen Bundesgenossenschafts vertrag, und da dieser alle Bewährungsproben während des Krieges bestanden hatte, war seine Fortsetzung in Rom nicht einmal Gegenstand des Nach denkens. Sizilien bot daher weder im positiven noch im negativen Sinne An satzpunkte für die aufzuoktroyierende Herrschaftsform. Auch die Erfah rung der römischen Politik umfaßte keine aus einer vergleichbaren Konstella tion ableitbare theoretische Vorstellung, wie Herrschaft außerhalb des in Italien praktizierten föderativ aufgebauten Herrschaftssystems zu organi sieren war. So ist zunächst nach den Vorstellungen zu suchen, mit denen Rom den Krieg gegen Karthago auf Sizilien begonnen und geführt hat1. 1
Die Frage berührt sich nicht mit den wesentlichen Punkten der gerade jüngst wieder heftig geführten Diskussion um den Ausbruch des Ersten Punischen Krieges und die
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Die Unterwerfung Siziliens
Die römisch-karthagischen Beziehungen reichen bekanntlich bis in die ersten Jahre der römischen Republik zurück, ohne daß man von einer Ver bindung beider Staaten, die ein wie auch immer geartetes gemeinsames Ziel voraussetzt, sprechen kann. Die auf karthagische Initiative hin abgeschlosse nen Verträge zur Monopolisierung des karthagischen Handelns in bestimm ten Gebieten kennzeichnen Rom als mehr zufälligen Vertragspartner, dessen Aufnahme in das weitgespannte Vertragsnetz Karthagos eher als eine skur rile Laune karthagischer Diplomaten, denn als eine sinnvolle Vereinbarung zwischen zwei konkurrierenden oder zusammenarbeitenden Staaten er scheint. Erst die beide gleichermaßen bedrohenden Versuche des Pyrrhos, in Unteritalien und Sizilien Fuß zu fassen, bewirkten ein vertraglich festge legtes, zeitlich befristetes Zusammenleben beider, das für den Initiator Karthago auch nur angesichts des römischen Militärpotentials und nur für den konkreten Anlaß Sinn hatte. Formalrechtlich waren damit freund schaftliche Beziehungen hergestellt, aber eben doch nur formalrechtlich, da mit dem Wegfall des gemeinsamen Zieles Karthago wie Rom ihre eigenen, sich in keinem Punkt berührenden Interessen verfolgten. Diese kollidierten erst mit dem römischen Eingreifen zugunsten der Mamertiner in Messana. Entscheidend an diesem Vorgang ist dreierlei: (1) Messana wandte sich um Hilfe an die Macht, die in Unteritalien (und hier vor allem in Rhegion) ihre Herrschaft konsolidiert hatte und von der man auf Grund der damit gegebenen historischen und geographischen Verknüpfungen des unter italischen und sizilischen Raumes annehmen; konnte, daß sie der Frage, wer sich in Messana etablierte, nicht teilnahmslos gegenüberstand. Die« bedeutet, daß die römische Machtausdehnung in Unteritalien, ganz unabhängig davon, wie sie von der römischen Führungsschicht interpretiert wurde, eine neutrale römische Politik gegenüber den Machtverschiebungen im nördlichen Sizilien nur dann zugelassen hätte, wenn der Senat entgegen der seit langem bestehen den (und durch Pyrrhos nachdrücklich demonstrierten) historischen Ver zahnung beider Gebiete bewußt eine Politik des italischen Isolationismus be trieben hätte. Da dafür bei dem Fehlen eines politisch einheitlich strukturier ten Italien jede Voraussetzung fehlte, ist der Zeitpunkt und der konkrete Anlaß des römischen Ubergreifens auf sizilischen Boden nur vorderdaran geknüpfte „Kriegsschuldfrage"; vgl. dazu jetzt den ausgezeichneten Forschungs überblick von F. HAMPL, Zur Vorgeschichte des ersten und zweiten Punischen Krieges, in: ANRW11,1972, S. 412 ff. Es gilt hier, die Kriterien zu eruieren, nach denen eine spezifische Herrschaftsstruktur von ihrer Entstehung her aufgehellt werden kann. Die subjektiven Zielvorstellungen der jeweiligen Entscheidungsträger sind demgegenüber von unter geordneter Bedeutung.
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Erbschaft des Ersten Punischen Krieges
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gründig von Bedeutung. Anders ausgedrückt: Die Ereignisse, die dazu führten, erscheinen theoretisch durch beliebig andere Konstellationen aus tauschbar. (2) Die seit 480 v. Chr. ernsthaft nicht mehr gefährdete Existenz zweier im wesentlichen ebenbürtigen Mächte in Sizilien, Syrakus und Karthago, hatte zu einer klaren Abgrenzung der jeweiligen Einflußsphären geführt, innerhalb derer von beiden unabhängige Städte oder Mächtegruppierungen sich mir unter spezifischen Bedingungen und auch dann nur kurzfristig behaupten konnten. Das Festsetzen einer dritten, Syrakus und Karthago ebenbürtigen Macht an der Straße von Messina veränderte die Voraus setzungen, unter denen in Sizilien Politik gemacht werden konnte, da nun mehr jede mit Karthago und Syrakus unzufriedene, unterdrückte oder auf strebende Stadt darauf bauen mußte, mit Hilfe Roms ihre Ziele durchsetzen zu können. Der Hilferuf der Mamertiner an Rom ist somit typisch für eine Konstellation, die das - nicht gewollte, aber auch nicht aufhebbare - Gleich gewicht der Kräfte auf Sizilien nach dem römischen Sieg im tarentinischen Krieg bereits an der Wurzel getroffen hatte. Den potentiell immer vorhan denen Möglichkeiten einer von Syrakus und Karthago unabhängigen poli tischen Aktivität hatte sich angesichts der nie gelungenen Einigung der Insel ein realer Spielraum geöffnet, in dem Rom die Rolle der Dame auf dem politischen Schachbrett zwangsläufig aufgedrängt werden mußte. (3) Alle Nachrichten über die Anfänge des Ersten Punischen Krieges und die Gründe des römischen Eingreifens in Messana stimmen bei aller Wider sprüchlichkeit darin überein2, daß es einzig um Messana (und nicht um Sizi lien) ging und es nur fraglich ist, ob Rom eine ihm günstig erscheinende Gelegenheit benutzen wollte, die Karthager aus Messana herauszudrängen, wo sie seit der Schlacht am Longanos 268 bereits saßen (so ζ. Β. F. HAMPL), oder ob der Senat davon ausgehen konnte, Krieg allein gegen Hieron IL führen zu müssen und wider Willen in die Auseinandersetzung mit den Karthagern geriet (so vor allem A. HEUSS). Der Bundesgenossen schaftsvertrag, den Rom kurz nach Kriegsausbruch mit Messana schloß und durch den die Stadt Mitglied der Italischen Wehrgemeinschaft wurde, ebenso der Friedens- und Bundesgenossenschaftsvertrag mit Hieron II. und endlich der Entschluß Roms 262 (Polyb. 1,17,1), nur noch zwei Legionen nach 2
Dies gilt auch für Diodor (23,1,4; vgl. Cass. Dio frg. 43,1), der Hieron den Römern vorwerfen läßt, sie hätten es in Wirklichkeit auf den Besitz Siziliens abgesehen. Berichtet wird dies aber als Antwort auf ein Friedensangebot des römischen Konsuls, der für die Auf gabe der Belagerung des bereits mit römischen Truppen besetzten Messana die Beendigung des Krieges gegen Hieron angeboten haben soll. Zu Flor. 1,18,1 ff. und Ampelius 46,2 vgl. A. HEUSS, Der Erste Punische Krieg, S. 460f.
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Die Unterwerfung Siziliens
Sizilien in Marsch zu setzen, lassen keinen Zweifel daran, daß der Krieg begann als Krieg um Messana3. Die römische Wehrgemeinschaft, seit dem Sieg über Tarent Teil des politischen Kraftfeldes in einem Raum, der Süditalien und Sizilien spätestens mit der Italienpolitik Dionysios I. umfaßte, zielte auf die Erhaltung Messanas als Staat, der von den führenden sizilischen Mächten unabhängig blieb und sich an Rom anlehnte. Der Krieg weitete sich, wie Polybios be richtet, erst dann zum Krieg um das Weiterbestehen der karthagischen Epikratie auf Sizilien aus, als Ende 262 Akragas gefallen war und damit die endgültige Niederlage Karthagos den mit den Möglichkeiten einer Krieg führung zur See nie konfrontierten Senatoren greifbar nahe schien4. Der Erste Punische Krieg ist also, sieht man von allen Fragen nach der Rechtmäßigkeit und der moralischen Wertung des römischen Interventions beschlusses ab, geführt worden von einer Großmacht, deren Expansion be reits mit der Festsetzung in Unteritalien in einen Raum vorgestoßen war, in dem die vorhandenen Mächtegruppierungen labil und gleichzeitig unfähig zur weiteren Bewegung hin auf eine neue, Sizilien als Ganzes umgreifende politische Ordnung waren. Kraft seines Schwergewichtes figurierte Rom von nun an bei allen politischen Bewegungen in Sizilien in den dortigen Über legungen als feste Größe. Mit diesem Sachverhalt korrespondierte keines wegs eine bewußte und auf ihre Tragweite hin durchdachte Zielvorstellung Roms, das sich als Führungsmacht der Italischen Wehrgemeinschaft verstand und auch nach dem Kriegsausbruch nur deren Erweiterung um Messana angestrebt hätte5. Eine notwendig auf den Erwerb ganz^Siziliens hinaus laufende Entwicklung der römischen Politik ergibt sich daraus nicht. Solange die Senatsaristokratie die Ausschaltung von Syrakus oder Karthago als Machtfaktor in Sizilien nicht zum politischen Programm erhob, war zwangs läufig nur die Einbeziehung Roms in das in Sizilien wirksame politische Kraftfeld. Das dabei schließlich herausgekommene Ergebnis, die römische Inbesitznahme Siziliens, wird erst präjudiziert durch die eigene Dynamik, die der Krieg von dem Augenblick an gewinnen mußte, als Karthago seine
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So jetzt auch mit guten Gründen J. MOLTHAGEN, Der Weg in den Ersten Punischen Krieg, Chiron 5 (1975) S. 89 ff. Anders A. HEUSS, aaO. S. 487ff;, der den römischen Entschluß als Reaktion auf die kartha gischen Flottenangriffe gegen die italischen Küsten interpretiert, die Rom die Beseitigung der karthagischen Flottenbasen notwendig erscheinen ließen. Hieron II. muß aus diesen Überlegungen herausgehalten werden, da der mit ihm ge schlossene Vertrag befristet war, was a priori jede Absicht, auch ihn in die Wehrgemein schaft aufzunehmen, ausschließt.
Erbschaft des Ersten Punischen Krieges
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passive Kriegführung aufgab, ein neu aufgestelltes Heer in das verbündete Akragas warf, seine Flotten die italischen Küsten verheeren ließ und damit den Krieg zum Entscheidungskampf um den alleinigen Führungsanspruch in Sizilien verwandelte. Damit war auf Grund des bereits vollzogenen Ein bruchs Roms in das auf der Insel wirksame Kräftespiel die Uberlebensfrage für Rom im Sinne der Erhaltung seines Führungsanspruches in Unteritalien und Messana quantitativ anders gestellt. Dies verlieh dem Krieg eine Dimen sion, die das neue taktische Ziel, die Vertreibung Karthagos aus Sizilien, implizierte. Die Überlieferung sagt nichts über die Gründe, die die karthagische Handelsaristokratie, in der man weitsichtigere Diplomaten auf Grund ihrer Geschichte als im römischen Senat vermuten darf, in den Krieg führten. Sicher hat man in der alten Handelsmetropole erkannt, daß Rom spätestens nach dem Anschluß Messanas und Hierons zu einem Machtfaktor auf der Insel geworden war, der nicht mehr neutralisiert werden konnte, sondern willentlich oder nicht - die Entwicklung in Sizilien für alle Zukunft mit bestimmen mußte. Da die damit verbundene latente Bedrohung der eigenen Epikratie ein zu großes Risiko schien, war es in der Tat besser, den Krieg zu führen, bevor sich die römische Macht vollends etabliert hatte und dann unter Umständen den Zeitpunkt der Konfrontation selbst bestimmte. Ein weiterer (letztlich entscheidender) Punkt entzog sich wohl auch der karthagischen Einsicht, jedenfalls weist das taktische Verhalten Karthagos während des Krieges nicht darauf hin: Zum erstenmal in seiner Geschichte war Karthago in die Konfrontation-mit-einem Gegner-gedrängt, dessen Macht von Etrurien bis Messana reichte (d. h. ihm materiell überlegen war), einem direkten Zugriff wie etwa früher Syrakus entzogen war (d. h. existen tiell nie gefährdet werden konnte), und endlich als Sieger, wiederum im Gegensatz zu Syrakus, potentiell stark genug war, die Vorherrschaft Kartha gos im westlichen Mittelmeer zu brechen und damit bei der Struktur des karthagischen Staates als Handelsmacht die Quellen seines Reichtums und seiner Macht versiegen lassen konnte. Charakter, Folgen und Konsequenzen des Ersten Punischen Krieges sind von diesen für Rom und Karthago feststellbaren Prämissen her einzuordnen: Konzeptlos, was den Krieg gegen Karthago auf einem weitgehend von Griechen besiedelten Territorium betraf, gewann Rom den militärischen Waffengang,.ohne in.den eroberten und dedierten griechischen Städten.etwas anderes zu sehen und sehen zu müssen, als den Gegner, den es> nach:.gelten demJKnegsrecht zu strafen und .auszuplündern galt. Das politische Kapital, das beispielsweise. in der propagandistischen Erweckung des uralten
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Die Unterwerfung Siziliens
griechisch-karthagischen Gegensatzes gelegen hätte, blieb ungenutzt6. So zeigt sich am Ende der Sieger mit dem ihm zugefallenen Gewinn in Händen, über dessen Behandlung nachzudenken der Krieg keinen Raum gelassen hatte. Erreicht war die Bestätigung, auch außerhalb Italiens einen Waffengang führen und siegreich beenden zu können. Für die Selbsteinschätzung der neuen Großmacht war dies ebenso wichtig wie für den Erhalt der 272 auf Süditalien ausgedehnten Wehrgemeinscjiajt^^ §diaderübCTstandm Ζ£™^βη?&ί ]&*&>. Die Nobilität hat, wenn nicht im vollen Umfang durchschaut, so doch instinktiv gewußt, daß der Krieg, nachdem er sich zu einem Krieg gegen Karthago ausgeweitet hatte, u_m diese Frage und nicht um irgendwelchen territorialen Gewinn geführt^urdel. Sie hat aber auch - und dies ist ein spezifisches Kennzeichen aller Stationen des römischen Weges zur Weltherrschaft - gemäß der eigenen Wertschätzung in ihrem Bewußtsein dem Risiko der totalen Niederlage wie der Möglichkeit, während des Krieges zu einem nach Teilerfolgen ausgehandelten Frieden zu kommen, keinen Platz eingeräumt und den vollständigen militärischen Sieg zum Ziel an sich erhoben, neben dem alle anderen politischen Überlegungen bedeutungslos wurden. 6
A. HEUSS, Der Erste Punische Krieg, S. 504ff., RG 3 , S. 72. Anders D. KIENAST, Hermes 93 (1965) S. 488f., der ausgehend von dem Senatsbeschluß über die Chrysophorie (zur Sache KIENAST, S. 485 f.) für die Venus von Eryx (Diod. 4,83,7) Rom die Förderung des sizilischen Griechentumsjiiit jdem Ziel zuschrieb, dadurch denJcarthogischen Einfluß auf der Insel einzudämmen (ähnlich A. ALFÖLDI, Die trojanischen Urahnen der Römer, 1957, S. 29). Die Richtigkeit dieses Schlusses hängt von der exakten Datierung des SC in die Zeit um bzw. kurz nach 241 v. Chr. ab, und gerade sie ist mit Sicherheit nicht gegeben (so konnte Κ. ZIEGLER, RE VII Α (1948) Sp. 1780 z. B. die Jahre nach dem Zweiten Punischen Krieg für wahrscheinlich halten). Es ist im Gegensatz zu KIENAST plausibler, daß Rom auf Grund der strategischen Bedeutung des Eryx zunächst an seine militärische Sicherung durch römische Truppen gedacht hat und erst nach dem Wegfall dieser Notwendigkeit, also frühestens nach der Unterstellung der Insel unter einen Imperiumträger, daran ging, auch den Kult des Heiligtums auf dem Eryx neu zu ordnen. Der Bericht des Diodor über das SC schickt außerdem voraus, daß die auf der Insel weilenden römischen Magistrate die Göttin mit großzügigen Geschenken und Festen zu verehren pflegten, so daß auch Diodor das SC zeitlich nach 227/25 v. Chr. einordnet. Es bleibt daher als sicheres Faktum, daß Rom zwar der Hellenisierung sämtlicher sizilischerjStädte y^rs^hujbjeistete und dabei auch^ die Aeneaslegende für seine politischen Zwecke auswertete (vgl. die Münzen von Segesta, BMC Sicily 59ff., A. ALFÖLDI, aaO. S. 29, D. KIENAST, S. 480ff.), aber dies erst dann tat? als_es sidijLur O t e r n a ^ Die von KIENAST rekon struierte Entwicklung wäre erst dann zu vertreten, wenn, was er Z. Sav. Stift. R. A. 85(1968) S. 358 gestützt auf App. Sik. 2,6 zu begründen versucht, Rom bereits seit 241 v. Chr. Jahr für Jahr Imperiumträger auf die Insel entsandt hätte.
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Vgl. A. HEUSS, RG 3 ,
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Es ist in der Geschichte ein zwar seltenes, aber nicht einmaliges Ereig nis, daß ein Staat ohne Absicht und damit unvorbereitet Herr eines großen Territoriums wird. Daraus ergab sich die Schwierigkeit, ein Gebiet_re_gieren zu müssen, das man nicht um seiner selbst_wUlen_jerobert.hattel..für das man noch nicht einmal das Interesse des Ausbeuters aufbrachte und in dem man nur mit dem einen klaren Ziel gekämpftA^^e,Jiekarthagi.sche Epikratie^ zu„beseitigen. Die nach Kriegsende in Rom getroffene Ent scheidung, das ganze Problem auf sich beruhen zu lassen und vermeintlich wichtigere Dinge in Oberitalien zu erledigen, war so durchaus logisch und angesichts der politischen Abwesenheit sonstiger Mächte in diesem Raum auch durchsetzbar. Jede Veränderung dieser Konstellation führte dann allerdings dazu, das sizilische Problem zusammen mit dem Ereignis, das die Veränderung bewirkte, neu durchdenken und lösen zu müssen. Der unter diesen Voraussetzungen auf dem Höhepunkt der Auseinander setzung mit den Kelten gefaßte Entschluß der Republik, das neu gewonnene Gebiet in ständiger Untertänigkeit zu halten, erhält seine eigendiche Bedeu tung damit vor dem Hintergrund der Frage, welche real zu verwirklichenden Vorstellungen die politische Führung Roms an den Begriff der Untertänig keit knüpfte, welche historischen Erfahrungen sie bei der praktischen Ausprägungjiieses Verhältnisses zur Verfügung hatte und in welcher Intensität seine Ausbildung am konkreten Modell seine definitive Gestaltung für die Zukunft bestimmte. Die Einrichtung der ersten römischen Provinz ist also historisch, d. h. nach den Ursachen, die zu ihrer Entstehung führten, und anschließend politisch, d. h. nach ihrem WertxindThreT'DaOerhaftigkeit; zu untersuchen8. 2. Der Friede des Lutatius Der sofort nach dem Ende der Kämpfe zwischen Hamilkar und C. Luta tius Catulus abgeschlossene Präliminarvertrag regelte den endgültigen Rück zug der Karthager aus den noch von ihnen besetzten Gebieten Siziliens, untersagte jeden Angriff auf Syrakus und seine Bundesgenossen und enthielt mit der Forderung auf Kriegsentschädigung und Auslieferung der Gefan8
Bei dieser Fragestellung ist die Skizzierung der am Ende der Entwicklung feststellbaren Verwaltungsformen gegenüber den Motiven ihrer Ausbildung von sekundärer Bedeutung. Ganz außer Betracht bleiben muß die individuelle Ausprägung der Herrschaftsstrukturen durch die Klientel, die bei den beschränkten Verwaltungsmöglichkeiten des Gemeinde staates ein notwendiges Komplement des Nobilitätsregimes bildete. Ihre historische Be gründung liegt jedoch außerhalb der Frage nach der Herkunft der Provinzialordnung. Zu vgl. ist E. BADIAN, FC, S. 1 ff., C H . MEIER, Res publica amissa, 1966, S. 34ff.
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genen die Bestimmungen, die in jedem von Rom geschlossenen Friedens vertrag obligatorisch sind 9. Die Beschränkung des Vorvertrages auf einseitige Prohibitivbestimmungen, die jedes zukünftige Fußfassen Karthagos auf Sizilien unmöglich machen sollten, fand vor den Komitien in Rom wenig Gegenliebe, so daß die Präliminarien verworfen wurden. Im Gegensatz zu Lutatius, der in richtiger Einschätzung der militärischen Erschöpfung Roms einen Entscheidungs kampf auf afrikanischem Boden für wenig aussichtsreich hielt10 und sich im übrigen noch vor Ablauf seiner Amtszeit mit dem Frieden auch den Ruhm, diesen Krieg beendet zu haben, sichern wollte, hoffte der römische Bürger, dem Besiegten noch mehr abpressen zu können. So verhandelte im Frühjahr 241 v. Chr. eine senatorische Zehnmännerkommission unter Leitung des amtierenden Konsuls Lutatius Cerco erneut mit Hamilkar11, ohne jedoch wesentliche Verschärfungen durchsetzen zu können, da der Karthager - die Lage ähnlich wie Catulus einschätzend - für jedes Zugeständnis ein rö misches Entgegenkommen einhandelte12. Der Vertrag verlor damit seine ursprüngliche Aufgabe, den^B^iegtenjiie zur Erlangung des Friedens noryendigen Bedingung diktiererij und weitete sich zu einer umfassenden zweiseitigen Regelung des römisch karthagischen Verhältnisses. Dabei hat die Erweiterung des von Karthago aufzugebenden Gebietes um die Liparischen und Aegatischen Inseln allein formelle Bedeutung13. Bereits in den Vorverhandlungen muß es für beide 9
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Polyb. 1,62,8-9 (Praeliminarvertrag). .3,27,2-6 (Endvertrag); grundlegend E. TÄUBLER, Imp. Rom·. S.-106-if.H88ff.; Die-Vorgeschichte des Zweiten Punischen Krieges, 1921, S. 108ff. Im übrigen sei auf die Behandlung des Vertrages von Η. Η. SCHMITT, Die Staatsverträge des Altertums III, 1969, S. 173ff. verwiesen; dort auch sämtliche Quellen und die einschlägige Literatur. Nach der überzeugenden Analyse F. ALTHEIMS, Naevius und die Annalistik, in: Untersuchungen zur römischen Geschichte I, 1961, S. 111 f. (fußend auf E. TÄUBLER, Hermes 57 (1922) S. 158f.) ist Naevius b. P. frg. 51 Marm. (Sicilienses paciscit obsides ut reddant) wie frg. 52 auf die Präliminarien zu beziehen (anders C. CICHORIUS, Römische Studien, 1922, S. 50ff.) und würde kombiniert mit der Nachricht des Zonar. 8,17,4, wonach Hamilkar dem Lutatius Geiseln stellen mußte, bedeuten, daß Karthago auch die Geiseln, die es von den sizilischen Städten gefordert hatte, an Rom aus lieferte. „Solche Rückgabe der Pfänder, die Karthagos Untertanen bisher banden, hätte gezeigt, daß man ernstlich gewillt war :τη$ Σικελία* πάση* έκστήναι * Ρωμαίοι?, wie dies Zonaras formuliert" (F. ALTHEIM, S. 112). Vgl. weiter A. MAZZARINO, Helikon 6 (1966) 10 S. 639ff. zur Textgestaltung von frg. 52. Polyb. 1,62,7. Zonar. 8,17,7. Polyb. 1,63,1-3. Ohne Zweifel herrschte bei diesen Verhandlungen vollstes Einvernehmen zwischen Cerco und seinem Bruder Catulus, der als Prokonsul nach wie vor das Kommando in Sizilien führte. Dazu im einzelnen E. TÄUBLER, Vorgeschichte, S. 110. O. MELTZER, Geschichte der Karthager II, 1896, S. 353. Im einzelnen räumten die Kar thager nach Vertragsabschluß Lilybaeum, Drepana, den Berg Eryx und die Aegatischen Inseln; vgl. J. H. THIEL, aaO. S. 317 Anm. 829.
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Seiten selbstverständlich gewesen sein, daß die seit Jahren von Rom erober ten Liparischen Inseln auch römisch bleiben und die Aegatische Inselgruppe als zu dem karthagischen Besitz auf Sizilien gehörig mit diesem geräumt werden sollte. Auf den ersten Blick fällt auf, daß die Praeliminarien und die endgültige Vertragsausfertigung die Abtretung Siziliens nicht als solche, sondern als Rückzugsverpflichtung Karthagos formulieren, ein urkundlicher Stil, in dem in fast allen späteren römischen Friedensverträgen Grenzregulierungen aus gesprochen wurden 14 . Die Ausnahmen dieser Regel, die Friedensschlüsse mit Philipp V. und Nabis von Sparta, erklären sich aus der historischen Situation der ersten Phase der aktiven römischen Ostpolitik15. Die Er fordernisse einer bestimmten historischen Konstellation schlagen sich also in der Vertragsterminologie nieder, was zur genauen Auswertung und Interpretation der Regelfälle verpflichtet, deren Sprachgebrauch nicht als bezugslose Topik gewertet werden kann. Auf den Vertrag des Lutatius angewandt heißt das, daß der endgültige Verzicht Karthagos auf die Ausübung seiner Herrschaftsrechte in Sizilien 14
Polyb. 1,62,8.3,27,2. App. Sik. 2,4. Zonar. (Dio) 8,17,4. Zu den gleichlautenden Bestim mungen in den Verträgen mit Tema 228 v. Chr. (Polyb. 2,12,13), Antiochos 188 v. Chr. (Polyb. 21,43,5) und Mithradates 85 v. Chr. (App. Mithr. 55,222. Plut. Sulla 22) s. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 72 mit Anm. 3. Genau umgekehrt liegen die Dinge im Friedens vertrag mit Karthago 201 v. Chr. (und wahrscheinlich auch im Frieden mit Hieron 263 v. Chr., vgl. Diod. 23,4,1), wie F. GSCHNITZER, Wien. Said. 79 (1966) S. 276ff. richtig gesehen hat: hier wird in der Territorialbestimmung nur das umschrieben, was Karthago in "'" Afrika hocri verbleiben soll (Polyb. 15,18,1). Die Formulieruhg erinnefntn die Stilisierung des Deditionsformulars (E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 198, der aus diesem Grunde die Historizität der Klausel bestritt), so daß hier Elemente der Freiheitserklärung in das Ver tragsformular Eingang gefunden haben müssen. Dies wiederum ist nur daher erklärlich, daß Karthago nach Zama ein zur Gänze besiegter Gegner war, der die deditio zwar nicht zu vollziehen brauchte, den Frieden aus der römischen Hand aber nur noch als Geschenk ent gegennehmen konnte. 15 Der Vertrag mit Philipp V. sieht die Auslieferung aller makedonisch besetzten Städte in Griechenland bis zu den Isthmien von Korinth vor, während die besetzten Städte in Klein asien sofort freizulassen waren (Polyb. 18,44,3 f.), ohne daß Rom diesen Vorgang anders als durch eine Gesandtschaft kontrollierte (Polyb. 18,48,1 f. = Liv. 33,35,1 f.). Die Über nahme der Hefrschaftsrechte in den mutterländischen Städten resultierte aus der richtigen Einsicht, daß eine Friedensordnung in Griechenland ohne eine durchgreifende Regelung der verworrenen territorialen Verhältnisse unmöglich war und Philipp V. unter allen Umstän den aus den innergriechischen Angelegenheiten herausgehalten werden mußte. Dies konnte nur dadurch erreicht werden, daß seine Beziehungen zu Rom unabhängig von der Regelung der griechischen Frage normalisiert wurden (grundlegend dazu A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 88f.; Vf., Struktur, S. 83ff.). Ebenso liegen die Dinge beim Abschluß des Vertrages mit Nabis, der zur Übergabe der argivischen Gebiete und der in seiner Hand befindlichen kretischen Städte gezwungen wird (Liv. 34,35,3: traderentur Romanis; 35,9: redderet Romanis).
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nicht automatisch die Herstellung der römischen Verfügungsgewalt, wo sie nicht bereits der Kriegsverlauf begründet hatte, bewirkt. Der Vertrag schafft kein neues Besitzrecht, sondern nur dessen Voraussetzung16, und erst der Entschluß Roms, das Gebiet durch einen Akt der Okkupation dem eigenen Territorium einzuverleiben oder eine sonstwie geartete neue Rechtsordnung herbeizuführen, stellt nach dem Grundsatz der Effektivität das neue Besitz verhältnis her. Der ganze Vorgang setzt sich also aus der erzwungenen ^reliktion Karthagos und der folgenden - de iure nicht zwangsläufig notw?ndjgenj^_Okkupati^ tang (Zession) durchaus zu unterscheiden17. Im Augenblick des Vertrags abschlusses ist also nach römischer Rechtsauffassung das geräumte Territo rium herrenloses Land, das es zunächst vor einem neuen Zugriff des alten karthagischen Herren durch weitere vertragliche Sicherungen zu schützen galt. Die Stilisierung der im Endvertrag neu aufgenommenen Schutz bestimmung für die unter der Oberhoheit (Eparchie) der Vertragsgegner stehenden Gebiete bestätigt diesen Schluß18. Das hier ausgesprochene Verbot,' in den jeweiligen Machtbereichen Hoheitsrechte auszuüben, Be festigungen anzulegen oder Truppen anzuwerben, ist nur für Gebiete sinn voll, in denen die römische Herrschaft noch nicht vollständig errichtet oder ihre Einrichtung nicht von vorneherein als dauernde gedacht war, da ein derartiges Gebot für römisches Territorium selbstverständlich und nicht 16
E. TÄUBLER, Imp.'Rom. S. 15.
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Das griechische VertF'agsrecht kannte, soweit erkennbar, diese Unterscheidung nicht, son dern die Verträge setzten entweder die Abtretung eines Gebietes an den Sieger (bzw. einen Dritten) oder seine sofortige Freilassung und damit seine Widerhersteilung als souveräner Staat fest. So übergaben z . B . Syrakus im Vertrag von 492 v. Chr. Kamarina an Hippokrates von Gela (Hdt. 7,154,3. Philistos in Schol. Pind. Ol. 5,19c, FGrHist. Nr. 556, 15), Thasos seine Peraia an Athen (Plut. Kimon 14,2. Thuk. 1,101,3), die Athener Nisaia, Pegai, Troizen und Achaia 446/5 v. Chr. an Sparta (Thuk. 1,115,1). DerNikiasfriede421 v. Chr. sah die Rückgabe von Amphipolis an Athen und von Pylos, Methone, Atalante und Pteleon an Sparta vor (Thuk. 5,18,5; 7); die Ausführung dieser Bestimmung wurde allerdings größten teils durch die politische Entwicklung überholt. Im ersten Frieden zwischen Dionysios I. und Karthago 405 v. Chr. mußten die Elymer und Sikaner sowie die Städte Selinus, Akragas, Himera, Gela und Kamarina den Karthagern überlassen werden(Diod. 13,114,1a), während im zweiten Frieden 392 v. Chr. diese Zugeständnisse rückgängig gemacht werden konnten (Diod. 14,96,3. K. F. STROHEKER, Dionysios I., 1958, S. 82f.); der dritte Friedens schluß schließlich setzte die Himera-Grenze fest und lieferte insbesondere Selinunt und Akragas an Karthago aus; diese Grenzziehung sollte bis zum Eingreifen Roms Bestand haben (Diod. 15,17,5. Plat. Ep. VII 333a). Zur direkten Freilassung auf Grund eines Ver trages vgl. den Frieden zwischen Athen und Böotien 446 v. Chr. (Diod. 12,6,2), das Bünd nis zwischen Sparta und Elis (Xenophon. Hell. 3,2,30) und den Nikiasfrieden. Polyb. 3,27,4.
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Gegenstand eines Vertrages ist19. Der Friedensvertrag mit Antiochos unter sagte dementsprechend jede Anwerbung in den eroberten und geräumten kleinasiatischen Gebieten diesseits des Tauros20, da in der dem Vertrag fol genden Neuregelung der kleinasiatischen Verhältnisse Rom auf die Beibehal tung seines uneingeschränkten Spruchrechtes verzichtete und die unter worfenen Gebiete entweder freiließ oder unter seine Kombattanten Rhodos und Pergamon verteilte21. Die historische Einordnung dieser Vertragspraxis wird durch die fehlen de Kenntnis von Form und Inhalt der mit den italischen Gemeinden ab geschlossenen Friedensverträge sehr erschwert. Das regelmäßige Ergebnis dieser Abmachungen, die Wiederherstellung der Besiegten als souveräne foederati (meist verbunden mit empfindlichen Gebietsverlusten) oder ihre totale Inkorporation in den römischen Staat, zeigt, daß hier die Abtretungen, da von vorneherein selbstverständlich, auch als solche ausgesprochen wurden. Der Friede mit Karthago scheint daher die begriffliche Trennung zwischen dem Gebietserwerb durch Abtretung und dem Gebietserwerb durch auf die vertraglich festgesetzte Dereliktion folgende Okkupation erst eingeführt zu haben. Dieser bisher auf seine juristische Relevanz untersuchte Tatbestand blieb ohne spektakuläre Folgen, da Rom nicht auf die Okkupation und die Aus übung seiner Hoheitsrechte in den betroffenen sizilischen Städten verzichtet hat. Fraglich ist nur der Zeitpunkt und die Form des Herrschaftsantrittes. Seine eigentliche Bedeutung erhält der Komplex daher erst vor dem Hinter grund der Frage nach der rörriischen"Einsteüirng zu dem Gewinn des~Krieges: Wieweit hatte sich die führende Nobilität bereits mit dem Problem befaßt, welche Vorstellungen hatten sich gebildet, welche Rechtfertigung gab man seinem Verhalten? Die Vertragsterminologie gibt die erste Antwort: Die definitive Inbesitznahme Siziliens war zum Zeitpunkt des Vertragsabr Schlusses eine von vielen Möglichke.iten.. Es wurde bereits als das eigentliche Ziel des Vertrages die Absicht deut lich, jede zukünftige Intervention Karthagos auf Sizilien zu verhindern. Dieser Aufgabe dienen auch sämtliche anderen Vertragsstipulationen soweit sie nicht zur üblichen Vertragstopik gehören, sondern die individuellen 19
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Trotz der zweiseitigen Stilisierung dieser Bestimmung ist klar, daß sie allein gegen Karthago gemünzt war, so daß die Frage nach der konkreten Abgrenzung der betroffenen karthagi schen Eparchie offenbleiben kann. Polyb. 21, 43, 15. D . MAGIE, RR AM II, S. 950 ff. Zur Diskussion der angeschnittenen Probleme im modernen Völkerrecht s. G. ZIMMER, Gewaltsame territoriale Veränderungen und ihre völkerrecht liche Legitimation, 1971, S. 39ff.
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Beziehungen zwischen Karthago und Rom regeln. So wird das in den Präliminarien den Karthagern auferlegte Kriegs verbot gegen Hieron IL und Syrakus in der endgültigen Vertragsausfertigung zur gegenseitigen und all gemeinen Sicherheitsgarantie für die Bundesgenossen umstilisiert 22 , wobei für die römische Politik nach wie vor der Schutz des syrakusanischen socius im Vordergrund stand 23 . Das Königreich Hierons war bei einem neuen karthagischen Versuch, die verlorenen Positionen auf Sizilien wiederzugewinnen, der natürliche Gegner einer solchen Politik 24 . Das Gleiche gilt für Messana? das neben Syrakus der 22 23
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Polyb. 3,27,3; vgl. 29,4; 9. Η. Η. SCHMITT, aao. S. 180 spricht von „Friedensgarantie". Nach D. KIENAST, Entstehung und Aufbau des römischen Reiches, Z.Sav.Stift. R. A. 85 (1968) S. 325 ff. sind unter diese Bestimmung vor allem auch die von Polybios als Symmachoi bezeichneten sizilianischen Städte (1,18,5; 24,3; 40,1; 52,8. vgl. Diod 23,8,1. Zonar. 8,15,12) zu subsumieren, die im Verlauf des Krieges Rom Waffenhilfe geleistet haben und deren Rechtsstellung zu Rom KIENAST auf Grund dieser Tatsache als völkerrechtlich souveräne socii sine foedere definiert. Nun weist gerade die einschlägige Präliminarklausel darauf hin, daß es Rom mit dieser Bestimmung auf den Schutz Hierons, also eines foederatus, abgesehen hatte, während die übrigen sizilischen Gemeinden durch die Eparchiebestimmung betroffen wurden (s. o.). Die Umwandlung der einseitigen Prohibitivklausel im Endvertrag in eine zweiseitige generelle Regelung des Verhaltens den gegen seitigen Bundesgenossen gegenüber geht ferner nicht auf die römische Initiative zurück - bewirkt etwa durch die Erkenntnis, die Fürsorge für die übrigen Gemeinden (socii nach KIENAST) schlicht vergessen zu haben - , sondern sie ist das Ergebnis der neuen Verhand lungen mit Hamilkar, der für jedes über die Präliminarien hinausreichende Zugeständnis ein römisches Entgegenkommen, hier also den Schutz auch der karthagischen Bundes genossen, einhandelte. Endlich sagt die Tatsache, daß einige Griechenstädte militärische Hilfe im Krieg leisteten, nichts über ihre Rechtsstellung zu' Rom aus. KIENAST selbst (S. 363f.) führt richtig aus, daß in späterer Zeit die Provinzialen keineswegs von der Ver pflichtung zur Heenesfolge ausgenommen waren (gegen T H . MOMMSEN, RStR III, S. 738ff.; vgl. etwa Cic. 2 Verr. 1,86f.), ohne daß sich dadurch irgendetwas an ihrem Status als Untertanen geändert hätte. Wie wenig militärische Hilfe über den Rechtsstatus dessen, der sie leistet, auch in der hier interessierenden Epoche aussagt und wie selbstver ständlich sie vom römischen Feldherrn gefordert wurde, illustriert der Illyrische Krieg 229/8 v. Chr. Nach Abschluß der Kampfhandlungen verläßt der Konsul Cn. Fulvius mit dem größten Teil des Heeres das Land, während sein Kollege L. Postumius Albinus aus den umliegenden illyrischen Städten ein Heer sammelt und zum Schutz der Unterworfenen im Lande überwintert (Polyb. 2,12,2. Vf., Struktur, S. 53f.). An der Untertänigkeit der zur Truppenstellung herangezogenen Städte ist hier kein Zweifel möglich (anders G. WALSER, Historia 2 (1953/54) S. 312 f.), da die Neuordnung der illyrischen Verhältnisse erst im Sommer 228 v. Chr. erfolgte und hier allerdings, im Gegensatz zu Sizilien, zur Resti tution der Eroberten und Dedierten führte. Nach G. MANGANARO, Athenaeum N . S. 43 (1965) S. 312ff. ist IG XIV 7 als Brief Hierons IL zu lesen, indem er-zugleich im Namen eines Koinon der Sikelioten-die Bürger von Syrakus auffordert, die Festsetzungen des Vertrages 241 v. Chr. eidlich zu bekräftigen. Der herkömmlichen Deutung zufolge (A. WILHELM, ÖJh. 3 (1900) S. 162ff.; zustimmend H. BERVE, Hieron IL, 1959, S. 48; 61 f.; vgl. P. HERRMANN, Der römische Kaisereid, 1968, S. 40f.) ist die von den Syrakusanern geforderte Eidesleistung mit der Erhebung des Sohnes
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einzige Bundesgenosse auf sizilischem Boden mit effektiv militärischer Ver pflichtung war und blieb 25 und sich auf Grund des abgeschlossenen foedus in nichtsvon denitalischen^socii unterschied. Daß auch sie schon aus rein for malen Erwägungen ebenfalls unter diese Schutzbestimmmung fielen, bedarf keines Beweises 26 . Vertragstechnisch müssen die Namen der beiderseitigen Bundesgenossen im Rahmen dieser Bestimmung genannt oder listenmäßig erfaßt der Vertragsurkunde beigegeben worden sein, da in den Ver handlungen vor dem Ausbruch des Hannibalkrieges die Karthager den Vertrag mehrmals verlasen, um den römischen Gesandten das Fehlen Sagunts und damit die fehlende Berechtigung, für diese Stadt zu sprechen, nachzuweisen 27 . Die folgende Eparchiebestimmung zeigt, wie konsequent die römischen Diplomaten an die ihnen gestellte Aufgabe der Eingrenzung karthagischer Einflußsphären herangingen (man ist versucht zu sagen, sie taten dies mit demselben Geschick, mit dem die karthagischen Gesandten einmal die Ein flußsphären ihrer Stadt abgesteckt hatten). In der geschichtlichen Entwick lung des Vertrages nach Polybios fehlt diese Bestimmung ganz, während sie der Endvertrag als gegenseitige enthält. Analog dem zur Schutzklausel Ge sagten muß sie zunächst einseitig Karthago verpflichtet haben und erst in den Schluß Verhandlungen der Zehnmännerkommission zweiseitig stilisiert wor den sein. Polybios stellt beide Festsetzungen der Klausel (Ι: μηδέν έπιτάττειν μηδ' οικοδομεί ν δημοσία μηδέ ξενολογεΐν; Π: μηδέ προσ-λαμβάνειν είς φιλίαν τους αλλήλων συμμάχους) unter den Oberbegriff der Eparchle, der weder auf Grund der vorhandenen sonstigen Zeugnisse eindeutig als juristisch-technischer in dem Sinne festzulegen ist, daß er
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des Hieron, Gelon, zum Mitregenten in Zusammenhang zu bringen. Abgesehen von den epigraphischen Vorbehalten gegen die auf Ergänzung beruhende Auffassung MANGANAROS (dazu J. u. L. ROBERT, Bull, epigr., REG 79 (1966) S. 515), erscheint eine Vereidigung der Syrakusaner auf den Friedensvertrag, der die Stadt nur als Objekt behandelt und dement sprechend unabhängig von jeder syrakusanischen Willensäußerung funktioniert, wenig sinnvoll. Cic. 2 Verr. 5,19,50. Es ist auffallend, daß in der allein erhaltenen Einleitungsformel der Präliminarien weder auf römischer noch auf karthagischer Seite die Bundesgenossen genannt werden, wie das noch in den beiden ersten römisch-punischen Verträgen der Fall war (Polyb. 3,22,4; 24,3). Die tatsächliche Aufgabe jeder eigenen außenpolitischen Aktivität der italischen socii hat damit Eingang in das römische Vertragsrecht gefunden. Der Friede mit Rom schloß den Frieden mit den Mitgliedern der Wehrgemeinschaft ein. Hieron kann in diesem Zu sammenhang außer Betracht bleiben, da es trotz seiner häufigen Hilfeleistungen in Form von Getreidesendungen, Schiffen und Belagerungsgeschützen unwahrscheinlich ist, daß er sich offiziell mit Karthago im Kriegszustand befand; H. BERVE, Hieron IL, 1959, S. 38; 75. Polyb. 3,21,5. E. TÄUBLER, Vorgeschichte, S. 63ff., F. W. WALBANK, Α Comm. on Polyb. I, 1957, S. 357 (zu Polyb. 3,29,4), H. H. SCHMITT, aaO. S. 180.
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erobertes oder dediertes Untertanengebiet bezeichnet, noch von Polybios im vorliegenden Fall so gebraucht wurde, da die Bundesgenossen als der Eparchie zugehörig aufgeführt werden. Der Begriff umschreibt offensicht lich jede Form von Abhängigkeit, die durch Eroberung oder Dedition ebenso wie durch die politischen Machtverhältnisse hergestellt werden konnte 2 8 . Auf den vorliegenden konkreten Fall angewandt heißt das zunächst, daß sich die Stipulation de iure auf das in Sizilien eroberte wie von Karthago geräumte Gebiet einer- und auf die römischen Bundesgenossen in Sizilien und Italien andererseits beziehen kann. Diese vertragstechnische Inter pretation ist jedoch auf Grund der gegebenen historischen Verhältnisse näher zu erläutern 29 : Teil I. der Eparchie-Bestimmung hat reale Bedeutung für die eroberten und geräumten Städte in Sizilien ebenso wie für die italischen foederati, da Rom während des karthagischen Söldnerkrieges diese Be stimmung vorübergehend außer Kraft setzte, um den Karthagern den An kauf von Hilfsgütern in Sizilien und in Italien und die Anwerbung von Söld-
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Vgl. A. MAUERSBERGER, Polybios-Lexikon I, s. v. Trotzdem stellt Polyb. 3,29,10 die Ter mini Symmachie und Eparchie in einem Kommentar der hier interessierenden Bestimmung nebeneinander: μήτε ξενολογεΐν μήτ* έπιτάττειν μηδετέρους μηδέν έν ταΐ$ α λ λ ή λων επαρχίας καΐ συμμαχίας (gegen diese Gleichsetzung bereits E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 87 Anm. 1). Da Polybios die hier ausgesprochenen Verbote nur auf später hinzu gekommene Bundesgenossen beschränkt wissen will - eine Interpretation, die weder aus dem Vertragstext zu lesen noch irgendwie sinnvoll ist - kommt seiner Lesart insge samt wenig Beweiskraft zu; vgl. F. W. WALBANK, Comm, on Polyb. I, S. 357. App. Sik. 2,4 spricht nur von einem Karthago auferlegten Werbeverbot auf italischem Boden. Da alle übrigen von ihm wiedergegebenen Bestimmungen des Vertrages mit der polybianischen Version der Präliminarien bis auf die Räumung auch der um Sizilien liegenden Inseln übereinstimmen und das Verbot der Werbung im Gegensatz zum End vertrag einseitig festgelegt ist, muß auch hier ein Stück des Präliminarvertrages oder die vom Senat den Zehnmännern gegebene Instruktion (so E. TÄUBLER, Vorgeschichte S. 115) vor liegen. Ebenso einzuordnen ist Zonar. 8,17,6, der neben dem Werbeverbot auch ein Fahr verbot für karthagische Kriegsschiffe in italischen und bundesgenössischen Küsten gewässern kennt (nach H. H. SCHMITT, aaO. S. 180 unhistorisch). Aus beiden Uberlieferungszweigen ergibt sich die räumliche Abgrenzung wie die historische Voraussetzung der Eparchie-Klausel. Neben der Sicherheit Siziliens muß Catulus in den Präliminarien auch für den Schutz der mit Rom verbündeten italischen Küstenstädte gesorgt haben, die im Verlauf des Krieges immer dann von karthagischen Flotten verheert worden waren, wenn die römische Flottenmacht nicht existent oder vernichtet war, also in den Jahren 263-260 und 249-242 v. Chr. (dazu Polyb. l,20,4ff. Zonar. 8,10,6; 15,13; 16,1b; 6. Polyb. 1,56,10. A. HEUSS, Der Erste Punische Krieg, S. 488ff., J, H. THIEL, aaO. S. 144ff.; pass.). Das nach Zonaras festgesetzte Operationsverbot für karthagische Kriegs schiffe trug diesen bitteren Erfahrungen Rechnung und konnte im Endvertrag fallen gelassen werden, da hier die allgemeine Sicherheitsgarantie für die beiderseitigen Bundes genossen dieselben Dienste tat.
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nern in Italien zu ermöglichen30. Teil II zielt vorab auf Hieron IL 31 und Messana, da Bündnisse italischer socii untereinander oder mit dritten Staaten dem Geist der römischen Wehr gern einschaft widersprachen. In der Sache ist das Verbot der Aufnahme in die amicitia so umfassend wie möglich formuliert, so daß die unterbundenen Beziehungen von formlosen diplomatischen Kontakten bis zum Abschluß einer förmlichen Symmachie reichen32. So konnten die Hilfeleistungen Hierons für das von seinen Söld nern bedrängte Karthago auch nur solange unter stillschweigender Billigung Roms durchgeführt werden, solange Rom selbst der Stadt seine freundschaft lichen Beziehungen durch wirtschaftliche Unterstützung (Polyb. l,88,8ff.) bewies. Als der Streit um Sardinien diese Phase des guten Einvernehmens abrupt beendete33, müssen auch die römisch-syrakusanischen Beziehungen durch die offensichtlich weiterlaufenden Hilfesendungen Hierons an Kartha go gestört worden sein, da sich der König 237 v. Chr. nach Rom begab, dort an den Ludi Romani teilnahm und durch ein fürstliches Geschenk von 200000 Scheffeln Getreide die Mißstimmung des römischen Volkes beseitigen konnte 34 . Zusammenfassend zeigt sich also, daß der Friedensvertrag den Rückzug Karthagos aus Sizilien regelte und jede zukünftige karthagische Ein mischung - gleichgültig ob sie in diplomatischer oder militärischer Form er folgte - unmöglich machte. Das künftige Schicksal Siziliens blieb offen, da der Vertrag sich auf den Verzicht Karthagos beschränkte und damit die Über nahme der Herrschaft durch Rom von einem Akt der Okkupation abhängig 30 31
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App. Sik. 2,10. Nach H. BERVE, Hieron IL, S. 38 kann der König nicht zu den betroffenen Symmachoi gerechnet werden, da der Begriff der Eparchie ein stärkeres Abhängigkeitsverhältnis signali siere, als es zwischen Rom und Hieron bestand. Der Terminus ist jedoch so viel schichtig, daß sein konkreter Bezug allein durch die Beantwortung der Frage nach der Effektivität des Verbotes, mit den gegenseitigen Bundesgenossen diplomatische Kontakte aufzunehmen, geklärt werden kann. Da die italischen Bundesgenossen auf Grund der Struktur und der Zielsetzung der Wehrgemeinschaft nur aus formalen Erwägungen unter diese Bestimmung fallen können, bleiben Hieron und Messana die einzigen foederierten Bundesgenossen auf außeritalischem Boden, die Rom zu diesem Zeitpunkt besaß und die daher gemeint sein müssen. Dem Senat stand ohne Zweifel die Ausgangskonstellation des Krieges vor Augen, die Hieron im Bunde mit Karthago gegen Rom sah und die durch das generelle Verbot diplomatischer Beziehungen nicht wiederholbar wurde. Nach Polybios (3,29,9) war es ein wesentliches Ziel des Vertrages, unter allen Umständen zu verhindern, daß ein Vertragskontrahent die Bundesgenossen des Gegenspielers in sein eigenes Bündnissystem aufnahm. Polyb. 1,88,8ff. E D . MEYER, Die römische Politik vom ersten bis zum Ausbruch des zweiten punischen Kriegs, Kl. Schrift. II 2 , 1924, S. 382ff. Eutrop. 3,1. 3,2,1. H. BERVE, Hieron IL, S. 70; 76, der betont, daß ein derartiger Besuch politische Hintergründe gehabt haben muß.
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machte. Dieser Vorgang, der mit der Besetzung des geräumten Gebietes identisch ist, erfolgte aus Gründen der militärischen Zweckmäßigkeit höchstwahrscheinlich sofort nach dem Abzug der karthagischen Truppen, so daß am Ende des Krieges dem römischen Spruchrecht sämtliche sizilischen Gebiete unterstanden, die teils im Verlauf des Krieges erobert oder zur Dedition gezwungen, teils nach Vertragsabschluß okkupiert worden waren. Die Erstgenannten waren nicht Gegenstand der vertraglichen Rückzugsver pflichtung, da die Eroberung als Rechtstitel zum Gebietserwerb ebenso selbstverständlich wie das Recht auf freie Kriegsführung anerkannt wurde und eine vertragliche Bekräftigung nicht benötigte 35 . Vertraglich relevant war immer nur der augenblickliche Besitzstand, nicht der Status quo ante.
3. Herrschaft ohne Interessen a) Das Problem Sizilien unterstand seit 241/0 v. Chr. mit Ausnahme der foederierten socii Hieron IL und Messan^der röm^sch^nV^r^gungsgewalt, ohne daß erkenn bar wäre, in welcher Form die römische Führungsschicht diese auszuüben gedachte. Die elementare Voraussetzung dafür, daß dies überhaupt möglich war, liegt darin begründet, daß es nichts und niemanden gab, der die Repu blik durch äußeren Druck hätte zwingen können, das Erworbene zu organi sieren, um es behaupten zu können-.· Rom befand sich in den Jahren nach dem Krieg außenpolitisch in der günstigen Lage des Außenseiters, der an der Peripherie der eigentlichen Weltpolitik, die die hellenistischen Monarchen unter sich ausmachten, von den Großen in seiner Bedeutung noch nicht er kannt wurde, sein Übergewicht innerhalb seines eigenen Interessengebietes 35
So ist im zweiten Friedensvertrag mit Karthago 201 v. Chr. von einer Abtretung oder Räumung Spaniens nicht die Rede, da das römische Besitzrecht hier sowieso feststand, vgl. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 72. Die griechische Rechtsauffassung ist hier mit der römischen identisch, vgl. etwa E. BIKERMAN, RIDA 4 (1950) S. 123ff., F. KIECHLE, Historia 7 (1958) S. 129 ff. Sie behielt bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges Gültigkeit und wurde erst danach allmählich durch die Anschauung abgelöst, daß vor einer vertrag lichen Beendigung des Krieges die Eroberung keinen festen und endgültigen Erwerb feindlichen Gebietes bewirken könne. Die moderne Völkerrechtslehre nach dem Ersten Weltkrieg stellt das Eroberungsrecht überhaupt in Frage, was wiederum mit der Diskussion um das uneingeschränkte Recht der Kriegsführung einer- und um das Selbstbestimmungs recht der Völker andererseits zusammenhängt. Vgl. H. WEHBERG, Krieg und Eroberung im Wandel des Völkerrechts, 1953, A. TOBLER, in: Wörterbuch des Völkerrechts (hg. StruppSchlochauer) I, 1960, Sp. 438ff. s. v. Eroberung.
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ohne große Kraftanstrengung behaupten konnte 36 und endlich keinerlei Ehr geiz entwickelte, im Konzert der Großmächte um jeden Preis mitspielen zu wollen. Die diplomatischen Kontakte mit den hellenistischen Staaten blieben minimal und ephemer und beschränkten sich dort, wo sie auf Initiative der anderen Seite zustande kamen (ζ. Β. Ägypten), auf den gelegentlichen Aus tausch von Gesandtschaften, die das freundschaftliche Wohlverhalten unter einander dokumentierten, aber jede Verwicklung in politische Affären ver mieden 37 . Im Grunde war die tatsächliche Bedeutung des Sieges über die Punier noch nicht soweit bewußt geworden, daß man mit dem daraus gewonnenen Kapital außenpolitisch zu wuchern verstanden hätte. Die Er leichterung und Genugtuung, einen so schweren Waffengang siegreich über standen zu haben, überwog die aus einer eingehenden Analyse der macht politischen Verhältnisse im Mittelmeerraum zu ziehende Erkenntnis, daß Rom führend im westlichen Mittelmeer geworden war. Damit ist zwar das Phänomen der ausbleibenden Herrschaftsausübung als solches nicht, wohl aber seine historische Möglichkeit erklärt. Vor diesem Hintergrund ist weiter zu begreifen, daß zu dem bereits während des Krieges zum größten Teil eroberten Territorium noch jede konkrete Beziehung fehlte, es sei denn, man versteht das mit dem Ende der Kampfhandlungen notwendige Aufhören von Plünderungen und Brandschatzungen als erstes Anzeichen eines sich wandelnden Verhältnisses zwischen Sieger und Besieg ten. Und nur aus diesem Grunde war es möglich, daß die Aufgabe der nach Sizilien entsandten Zehnmännerkommission ganz im Gegensatz zur späteren Tätigkeit dieses Kollegiums 38 primär im Aushandeln des nach der Ablehnung der Präliminarien notwendig neuen Friedensinstrumentes bestand 39 und nicht in der Neuordnung der durch den Krieg zerrütteten Verhältnisse. Wie 36
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38
Zu vergleichen ist diese Entwicklungsphase Roms etwa mit der Stellung Englands im 17. und 18. Jhdt., das nicht wie Spanien und Frankreich zur Aufrechterhaltung eines europäischen Übergewichtes gezwungen wurde oder - wie Holland und Portugal - auf eigenem Boden das Übergewicht anderer stärkerer Völker abzuwehren hatte, sondern in Ruhe die Aus breitung seiner kolonialen Niederlassungen fortführen und die in der europäischen Politik verstrickten Konkurrenten ausschalten konnte. Nach wie vor grundlegend M. HOLLEAUX, Rome, la Grece et les monarchies hellenistiques au troisieme siecle av. J . - C , 1921, S. 1 ff., Rev. de Phil. 50 (1926) S. 46ff.; 149ff. Zu den gesicherten Spuren römisch-griechischer Kontakte im 3. Jhdt. s. F. W. WALBANK, JRS 53 (1963) S. 2f., A. DONATI, Epigraphica 27 (1965) S. 2 ff. Es genügt, auf die umfangreiche und langjährige Tätigkeit derartiger Kommissionen nach den Friedensschlüssen mit Philipp V. und Anuochos III. zu verweisen, um klar zu machen, daß es hier vornehmlich um die Behebung der Kriegsauswirkungen in politischer, wirt schaftlicher und verfassungsrechtlicher Hinsicht ging (vgl. B. NIESE, Geschichte der griechischen und makedonischen Staaten seit der Schlacht bei Chaironea II, 1899, S. 648 ff.; 757ff.). ' 39 Polyb. 1,63,1 f.
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weit hier wenigstens Ansätze einer auf Dauer berechneten Regelung versucht wurden, entzieht sich unserer Kenntnis ebenso wie später natürlich nicht auszuschließende Verwaltungsakte Roms. Gesucht werden kann daher nur nach Spuren einer möglichen Tätigkeit eines römischen Verwaltungsbeamten nach 241 v. Chr., die weiteren Aufschluß über den Zeitpunkt und das Aus maß der Herrschaftsorganisation geben. Hatte der Kriegsverlauf und der Frieden gezeigt, daß der Erste Punische Krieg kein Kolonialkrieg und nicht mit dem Ziel geführt worden war, die römischen Kassen mit Beutegeldern zu füllen, so verschafft allein die Kenntnis der weiteren Behandlung des erober ten Landes Klarheit darüber, ob diese im Kriege bedeutungslosen Vor stellungen nicht nach dem Siege doch noch Einzug hielten.
b) Der Quästor in Lilybaeum Als erster Verwaltungstechniker im eroberten Sizilien wird im allge meinen ein Quästor angesprochen, der als ordentlicher Beamter im 1. Jhdt. v. Chr. in Lilybaeum nachweisbar ist 40 . Seit T H . MOMMSEN, der diesen Schluß nur zögernd aus den vorhandenen spärlichen Indizien zog, überwiegt das Unbehagen an dieser nur mit dem Elan des rigorosen Systematikers zu vertretenden Auffassung, jedoch unterdrückte die deprimierende Erkennt nis, nach der Streichung dieses Quästors kein einziges Zeichen römischer Fürsorge für die gewonnenen Gebiete finden zu können, jede einschneidende ; Kritik 41 . Im Grunde ist die Geschichte des nach MOMMSEN seit 240 v. Chr. in Lilybaeum residierenden Quästors die Geschichte einer scharfsinnigen Ver knüpfung der Nachrichten über die Verdoppelung der Quästorenstellen im Jahre 267 v. Chr. und über die außerhalb der urbs im 1. Jhdt. und später nachweisbaren quästorischen Amtsbezirke. Die Aussagen der Quellen über die Ereignisse im dritten Jahrhundert sind wenig hilfreich. Nach Livius wurde in den Jahren zwischen 267 und 264 aus nicht näher angegebenen Gründen die Zahl der vorhandenen Quästoren von vier auf acht erhöht 42 . Dieselbe zeitliche Angabe findet sich bei Lydus (s. u.), der das Konsulat des 40
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Ps.-Ascon. in div. 2 (Stangl): Cum enim a duobus quaestoribus Sicilia regi soleat, uno Lilybitano, altero Syracusano, ipse vero Lilybitanus quaestor fuerit. Die Liste dieser Quästoren bei T. R. S. BROUGHTON, MRR II, S. 477ff. Ausführlich F. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, S. 206ff., der auf die ältere Literatur verweist und für das Folgende zu vergleichen ist. Liv. per. 15: quaestorum numerus ampliatus est, ut essent . . . (Zahl fehlt in der Hand schrift).
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M. Atilius Regulus und des L. lulius Libo 267 nennt, während Tacitus die Verdoppelung mit der Besteuerung Italiens und der Gewinnung der Provin zen in Verbindung bringt43. Ist damit die Vermehrung der Quästorenstellen im dritten Jhdt. als hin reichend gesichert anzusehen, so blieb ihre Zweckbestimmung bereits dem Kombinationsvermögen der antiken Gewährsmänner überlassen44. Die Ein stufung Italiens als steuerpflichtig (stipendiaria) in dem auch in den sonst ge nannten Details fehlerhaften Exkurs des Tacitus über die Quästur45 ist für die Zeit der römischen Wehrgemeinschaft so unhaltbar46 wie die Verbindung dieser Tatsache mit der Gewinnung der Provinzen ungenau ist, wenn man einmal Italia stipendiaria auf Grund von Livius und Lydus als die vollständige Einbeziehung Italiens in die Wehrgemeinschaft nach dem Pyrrhoskrieg ver steht. Immerhin wird soviel deutlich, daß Tacitus auch den Tätigkeitsbereich der neuen Quästoren in der Finanzverwaltung sieht und ihre Funktion seiner Auffassung nach nicht grundsätzlich von den Aufgaben der quaestores urbani und der Feldherrnquästoren verschieden gewesen sein kann, die die Leitung und Aufsicht über das gesamte aerarium p. R. bzw. über die Kriegs kasse besaßen. Anders Lydus. Ihm zufolge wurden die neuen Quästoren mit dem Flottenbau zur Vorbereitung eines Krieges gegen die Bundesgenossen des Pyrrhos betraut und führten aus diesem Grunde den Titel quaestores classici47. Bereits die gegebene Datierung ist konstruiert und wohl nur aus dem Bemühen zu erklären, das Ereignis möglichst eng mit dem Pyrrhoskrieg zu verbinden. Wenn weiter als Aufgabe'der Quästoren die Beschaffung~eirier Flotte angegeben wird, so ist dies weder in der Sache noch auf Grund der
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Ann. 11,22,5: duplicatus numerus, stipendiaria iam Italia et accendentibus provinciarum vectigalibus. Das gilt in noch höherem Maße für die erste Verdoppelung der Quästorenstellen im Jahre 421, vgl. die Lit. bei G. WESENER, aaO.
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Sp. 811 f.
Dazu E. H A H N , Die Exkurse in den Annalen des Tacitus, Diss. München 1933, S. 37ff., G. WESENER, aaO. Sp. 803f., E. KOESTERMANN, Kommentar zu Tacitus Annalen III, 1967, S. 71 ff. stipendiaria Italia bedeutet nichts anderes, als daß sich feste stipendia über Italien genauso wie später über die Provinzen erstreckt hätten (vgl. T H . MOMMSEN, RStR III, S. 729). Nun bedarf es keiner Erörterung, daß die latinischen und italischen socii Roms grundsätz lich keine ständigen Abgaben an Rom zahlten. Ihre Verpflichtung erschöpfte sich ent sprechend dem mit Rom abgeschlossenen Bundesgenossenschaftsvertrag in militärischen Leistungen im Kriegsfall, die in Einzelfällen möglicherweise durch bestimmte Geldsummen abgelöst werden konnten. de mag. 1,27. F. DE MARTINo,aaO.S. 207,H. B. MATTiNGLY,SuetoniusClaud.,24,2and the ,,Italian Quaestors", in: Hommages M. RENARD II, 1969, S. 510f.
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gegebenen historischen Begründung haltbar48, da der Aufbau der römischen Flotte für das Jahr 261 feststeht und ein Krieg gegen die Bundesgenossen des Pyrrhos nach 272 nicht bekannt und historisch auch nicht vorstellbar ist. Selbst einmal abgesehen von diesen Fehlern und Ungereimtheiten bleibt ein unüberbrückbarer Widerspruch zwischen der geschilderten militärischen Aufgabe und der abschließend zugesprochenen Dauerfunktion. Das bei Lydus belegte Amt der quaestores classici ist daher zu streichen, da es weder historisch richtig begründet erscheint noch mit den zugeschriebenen Funk tionen in Einklang zu bringen ist. Offenkundig hat Lydus bzw. seine Quelle nur die Tatsache der Erhöhung der Quästorenzahl vor Ausbruch des Ersten Punischen Krieges gekannt und willkürlich in den damit vorgegebenen histo rischen Zusammenhang eingeordnet49. Die somit verbleibenden sicheren Indizien weisen auf eine reine Ver doppelung der Quästorenzahl 267 v. Chr., ohne daß den neu hinzuge kommenen Beamten irgendwelche neuen Spezialkompetenzen zugewiesen wurden. Die Erweiterung des römischen Gebietes in Italien und der Ausbau der Wehrgemeinschaft nach dem Pyrrhoskrieg bedingten ein ständiges Anwachsen der Aufgaben der römischen Oberbeamten, die alle verwaltungsund finanztechnischen Fragen an ihre Hilfsbeamten delegieren mußten, wollten sie ihren wichtigsten Funktionen als Feldherrn der Republik gerecht werden. Da die Quästoren von den Konsuln praktisch zu jeder beliebigen Tätigkeit herangezogen werden konnten50, traf sie jede Ausweitung des konsularischen Amtsbereiches, so daß die Erhöhung gerade ihrer Zahl der Bewältigung der gewachsenen Aufgaben am ehesten dienlich sein konnte51. Seine eigentliche Bedeutung erhält das Problem erst durch Berichte aus dem ersten Jhdt. v. Chr. und der Zeit des frühen Prinzipats, wonach in Ostia, Süditalien und in der Gallia Cisalpina jeweils ein Quästor seinen Amtssitz gehabt haben muß. Wiederum im Anschluß an MOMMSEN hat man sich daran gewöhnt, diese Zeugnisse mit der Vermehrung der Quästorenstellen 267 v. Chr. zu verbinden, aus ihnen den Amts- und Kompetenz bereich der neuen Beamten zu erschließen und den vierten Quästor mit dem 48
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Nach Polyb. 1,20,9 ff. besaßen die Römer bei Ausbruch des Ersten Punischen Krieges nicht einmal ein Boot, um Truppen nach Messana überzusetzen; vgl. J. H. THIEL, aaO. S. 32 f. Die Quellenfrage ist für Lydus weitgehend ungeklärt, vgl. A. KLOTZ, RE 13 (1927) Sp. 2213ff. s. v. Lydos. Dazu im einzelnen G. WESENER, aaO. Sp. 811 ff. Bereits die Tatsache der Verdoppelung spricht gegen eine spezielle Kompetenz der neuen Beamten und für eine allgemeine Anpassung an einen gewachsenen Aufgabenbereich. Es wäre doch ein eigenartiger Zufall, wenn neue Quästoren mit neuen Zweckbestimmungen die Zahl der vorhandenen Quästoren gerade verdoppelt hätten.
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in Lilybaeum nachweisbaren zu identifizieren52. Ostia als Hafenstadt er innerte zudem an die von Lydus gebrauchte titulare Wendung ,,quaestores classici", wodurch derselbe Wirkungsbereich charakterisiert zu sein scheint, der bei einem Amtssitz in einer Hafenstadt notwendig vorgegeben ist. Nun kann eine Verbindung zeitlich so weit auseinanderliegender Zeugnisse und Fakten methodisch nur gerechtfertigt sein, wenn die historischen Verhält nisse beider Zeiträume wenigstens bis zu einem gewissen Grade in Einklang zu bringen sind. Und fragt man so, so zeigt sich sehr schnell, daß die Probleme der im ersten Jhdt. v. Chr. in den genannten Orten residierenden Quästoren grundsätzlich andere als die im dritten Jhdt. überhaupt denkbaren waren. Die Berichte über den Quästor in Ostia besagen ausdrücklich, daß ihm die Sorge für die annona und res frumentaria oblag53 - eine sofort einsichtige Aufgabe in einer Zeit, in der die Getreideversorgung der Hauptstadt fort während besondere Maßnahmen erforderte. Das dritte Jhdt. kannte diese Sorge bekanntlich nicht. Die nur bei Suet. Claud. 24,2 bezeugte und nicht näher umschriebene gallische Quästur lokalisierte MOMMSEN (RStR. II, S. 572 mit Anm. 1 u. 2.) in der Cisalpina, indem er die Nachricht von Plut. Seit. 4,1, wonach Serto rius in diesem Gebiet als Quästor Aushebungen vorgenommen hatte, auf die Tätigkeit eines ,,italischen Quästors" bezog. Doch war Sertorius zu diesem Zeitpunkt sicher Quästor eines in der Cisalpina gegen die aufständischen Bundesgenossen operierenden Imperiumträgers54 und seine Aufgabe zudem ad hoc durch die militärische Ausnahmesituation vorgeschrieben und dem entsprechend mit dieser beendet. Ebensoviel (oder besser: ebensowenig) sagt die Notiz des Tacitus aus, nach der im Jahre 24 n. Chr. ein Sklavenaufstand in der Nähe von Brundisium niedergeworfen werden konnte, als sich der Quästor Curtius Lupus an die Spitze der Besatzung dreier zufällig in der Nähe kreuzender Galeeren 52
53
T H . MOMMSEN, RStR III, S. 571 f., J. H. THIEL, aaO. S. 33f., A. J. TOYNBEE, Hannibals
Legacy I, 1965, S. 387f., G. WESENER, aaO. Sp. 819, K. J. BELOCH, Der italische Bund, S. 216, R. MEIGGS, Roman Ostia, 1960, S. 24f., H. MATTINGLY, JRS 25 (1945) S. 65; 68. Dagegen wieder F. DE MARTINO, aaO. S. 207f. Cic. pro Sest. 17,39: quod a se quaestore Ostiensi per ignominiam ad . . . M. Scaurum rem frumentariam sciebat. pro. Mur. 18. Vell. 2,94,3. Zu den weiteren Belegen s. Η. Β. MATTTNGLY, aaO. S. 506.
54
Η . Β. MATTINGLY, aaO. S. 507, dessen Beweisgang darauf hinausläuft, die gallische Quästur überhaupt zu streichen und das Beweisstück Suet. Claud. 24,2 (detractaque Ostiensi et Gallica provincia) durch eine Emendation (detractaque Ostiensi et callium provincia) zu beseitigen, wodurch zwei gesicherte italische Quästuren übrigblieben, die 267 v. Chr. .(S. 509) eingerichtet worden wären.
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stellte und die Aufständischen vernichtete, bevor sie in die Berge entkommen konnten. Der Amtssprengel dieses Quästors befand sich offenbar in diesem Gebiet und seine Aufgabe umfaßte die Oberaufsicht über die Saumpfade im Gebirge: erat iisdem regionibus Curtius Lupus quaestor, cuiprovincia vetere ex more calles evenerat55. Kurz nach diesen Ereignissen muß den Quästoren dieser Aufgabenbereich entzogen worden sein, da bei der Abschaffung aller außerstädtischen Quästuren im Jahre 44 n. Chr. ein süditalischer Amtssitz nicht mehr genannt wird und nach Cassius Dio seit 44 kein Quästor mehr außerhalb Roms residierte. Claudius, auf den diese Neuordnung zurückgeht, hat außerdem die Quästoren, die noch in Ostia und der Gallia Cisalpina ihr Amt ausübten, nach Rom abberufen und der Quästur die seit Augustus entzogene Verwal tung des Aerariums zurückgegeben56. Für eine Festlegung der Zweckbestimmung der aufgeführten Quästuren reicht somit allein das Material über Ostia aus. In Süditalien und in der Gallia Cisalpina dagegen läßt sich nur die Tatsache dort amtierender Quästoren mit möglicherweise wechselndem Amtssitz feststellen57, da die überlieferten militärischen Funktionen den Gegebenheiten des Augenblicks entsprachen und mit diesen wegfielen. In Analogie zu den Kompetenzen der Provinzialquästoren führten auch diese Beamte in Abwesenheit eines Imperiumträgers das Kommando; im übrigen blieben sie reine Verwaltungsbeamte. Dieses 55
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Tac. ann. 4,27,1. Die bereits von LIPSIUS vorgenommene Verbesserung von calles zu Cales (in Kampanien) konnte auch vonK, NIPPERDEY-P. ANDRESEN, P. Cornelius Tacitus Annalen I 11 , 1915 nicht erwiesen werden, so daß an. der alten Lesart festzuhalten ist (ROLFE, Am. Journ. of Phil. 36(1915) S. 323 ff., E. KOESTERMANN, aaO. II, 1965, S. 102f.). Auch diesmal hat sich die gesamte Forschung der Autorität MOMMSENS gebeugt, die Änderung von Lipsius als kanonisch hingenommen und einen Quästor in Cales (der ältesten römischen Kolonie in Kampanien) akzeptiert, der von dort aus seine Befugnisse über Süditalien ausgedehnt haben soll. Suet. Claud. aaO. Cass. Dio 60,24,1. Tac. ann. 13,28f. ILS 966f. Α. Η. M.JONES, Studies in Roman Government and Law, 1960, S. 106. Cass. Dio führt die Einrichtung dieser Quästuren auf Augustus zurück (55,44, z. J. 9 v. Chr.), jedoch zeigen die Nach richten bei Cicero und Plutarch, daß sie bereits im ersten Jhdt. v. Chr. bestanden haben. Offensichtlich hat Augustus an diese provinciae quaestoriae wieder angeknüpft und sie neu festgelegt. Denn daß die Quästur auf Grund der vorangegangenen Bürgerkriege reformiert werden mußte, wird durch die Abschaffung der quaestores aerarii bereits im Jahre 28 v. Chr. hinlänglich klar. In der Gallia Cisalpina ist Ariminum am wahrscheinlichsten. Im Süden erwähnt Cic. ad Att. 2,9,1 einen Quästor in Formiae. Die von Tac. ann. 4,27,1 f. geschilderten Ereignisse weisen in die Gegend von Brundisium. Es ist nicht auszuschließen, daß Amtssitz und Auf gabenbereich je nach Lage der Dinge wechselten, da die quästorischen Kompetenzen Jahr für Jahr durch den Senat festgelegt wurden: Ulpian Dig. 1,13,1,2: ex quaestoribus quidam solebant provincias sortiri ex senatus consulto, quod factum est D. Druso et Porcina cos.; vgl. Cic. 2 Verr. 1,13,24, Philipp. 2,20,15. TH. MOMMSEN, RStR. II, S. 532 Anm. 3.
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Ergebnis schließt jede Rückprojizierung dieser Quästoren in das dritte Jhdt. v. Chr. und damit eine Koppelung der auf sie bezogenen Zeugnisse mit den Berichten über die Verdoppelung der Quästorenstellen 267 v. Chr. aus. Weder im ersten noch im dritten Jahrhundert lassen sich Quästoren mit dem bei Lydus angegebenen Aufgabenbereich einer Flottenausrüstung auch nur wahrscheinlich machen, und die spärlichen Notizen über die Quästur im ersten Jahrhundert skizzieren Verhältnisse und Probleme, die im dritten Jhdt. nicht relevant waren. Somit fällt auch die letzte von MOMMSEN gezogene Folgerung, den vier ten der 267 neu hinzugekommenen Quästoren mit dem im ersten Jhdt. in Lilybaeum residierenden Provinzialquästor gleichzusetzen. Diese Identifi zierung entsprang zunächst der Verlegenheit, nur die Spuren dreier Quästo ren in Ostia, Süd- (bzw. nach MOMMSEN im campanischen Cales) und Nord italien gefunden zu haben, den vierten aber auf Grund des Lydus-Berichtes in einer Hafenstadt suchen zu müssen. Quellenmäßig deutet nur die in diesem Punkt fehlerhafte Nachricht des Tacitus, der die Verdoppelung der Quästo ren mit der Einrichtung der Provinzen in Verbindung bringt, auf eine Pro vinzstadt, die diese Bedingung erfüllen muß. Nun spricht neben allem ande ren bereits der Zeitfaktor gegen Lilybaeum. Die Einrichtung neuer Quästo renstellen 267 muß einem konkreten Bedarf entsprochen haben, der wahr scheinlich auf den allgemein gewachsenen Aufgabenbereich der römischen Oberbeamten zurückzuführen ist. Zu diesem Zeitpunkt war aber Sizilien nicht Gegenstand römischer Politik, so daß man im Jahre 241/0 ein verwal tungstechnisches Revirement fordern riiüßfe, durch das ein Quästor für Lilybaeum freigestellt und seine bisherige Aufgabe auf seine Kollegen verteilt wurde. Wieso sollte man aber dann auf einen reinen Verwaltungsbeamten bei einer Aufgabe verfallen, die hauptsächlich und vorrangig die Führung eines militärischen Kommandos bedingte, denn in einem gerade eroberten Land kam man nicht ohne Truppenstationierungen aus. So übernahmen denn auch 227/5 Prätoren die sizilische und sardinische Provinz, da nach römischer Rechtsauffassung nur ein Imperiumträger dauernde militärische Aufgaben wahrnehmen konnte.
c) Die sizilischen Städte 241 bis 227/5 v. Chr. In den Jahren bis 227/5 v. Chr. weist nichts auf eine auf die sizilischen Verhältnisse zugeschnittene Fürsorge Roms. Die durch die Stationierung kleinerer Truppenverbände notwendig anzunehmenden Verwaltungsakte
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wurden offenbar von Rom aus ad hoc verfügt und die Unterworfenen im übrigen ihrem Schicksal überlassen. Was dies konkret für Auswirkungen hatte und wie die Betroffenen sich ihr Leben einrichteten, bleibt im Dunkel. Absteckbar ist nur der Rahmen, in dem dies geschah. So ergibt sich zunächst aus dem römischen Desinteresse die Regelung der inneren Angelegenheiten unter eigenen Magistraten und nach eigenen Gesetzen nach Gutdünken, d . h . diese innere Autonomie funk tionierte nicht nur formal, sondern es blieb ihr auch inhaltlich jeder erdenk liche Spielraum. Dies ist ablesbar an dem Recht der Münzprägung, das nach 241 nachweisbar mindestens 22 Städte ausübten 58 , und dies wird ergänzt durch diplomatische Kontakte auch mit Städten außerhalb Siziliens, wobei diese Kontakte allerdings nicht mit eigenständiger Politik verwechselt wer den dürfen. So faßten 242 Kamarina und die Geloer in Phintias Asyliebeschlüsse für das Asklepiosheiligtum in Kos, nachdem eine ko'ische Festgesandtschaft an sie und die unteritalischen foederati Neapel und Elea Einladungen zur Feier der penteterischen Asklepieia überbracht hatten 59 . Wirtschaftlich scheint sich die Insel von den Verwüstungen des Krieges60 sehr schnell erholt zu haben. Jedenfalls muß der überseeische Handel mit Rom bis zum Beginn des Hannibalkrieges einen erheblichen Umfang ange nommen haben, da die lex Claudia des Jahres 218 dem Senatorenstand den überseeischen Handel als Erwerbszweig verschloß, was das Vorhandensein von Handel in der vom Gesetz verbotenen Art und Weise voraussetzt 61 . 58 59
60 61
B. V. HEAD·, H N 2 , 1911, S. 118ff., A. HOLM, <Sesek Siziliens III, S. 706ff. G. MANGANARO, Historia 13 (1964) S. 414ff. (mit weit. Beispielen). H. BENGTSON, Historia 3 (1954/55) S. 456 ff. erschließt aus diesen religiös-pietätvollen Beziehungen ein politisches Interesse Roms an einer Verbindung italischer und sizilischer Gemeinden mit Kos und ordnet dies in den größeren Zusammenhang der römisch-ägyptischen Be ziehungen ein. Nun sprechen die erhaltenen Asylieurkunden von der alten Verbunden heit der Eingeladenen mit Kos, so daß sie unschwer in das Beziehungsfeld Mutter stadt und Kolonie eingeordnet werden können, womit auch der Grund deutlich wird, der Kos überhaupt zur Entsendung der Festgesandtschaft veranlaßt hat. Rom hatte davon sicher Kenntnis, doch lag dies unterhalb der Schwelle, von der aus man im Senat bereit war, sich damit zu beschäftigen. Den Besuch von Festspielen (verbunden mit Asylieerklärungen) griechischen Städten im eigenen Machtbereich zu verbieten, wäre sinnlos gewesen; sich davon politisches Kapital zu erhoffen, politisches Analphabeten tum. Dazu A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 4f. Liv. 21,63,3: nequis Senator cuive Senator pater fuisset maritimam navem quae plus quam trecentarum amphorarum esset haberet. Wie schnell sich überseeischer Handel bei der Aussicht auf ein lukratives Geschäft entwickeln konnte, zeigen die Nachrichten über den Umfang des italischen Handels mit Afrika 240: Polyb. 1,83,7f. Ziel der lex Claudia war es sicher nicht, die wirtschafdiche Überlegenheit der Senatoren zugunsten und auf Druck eines bereits mächtig gewordenen Ritterstandes hin zu beschneiden
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Diesen auf private Initiative hin geknüpften wirtschaftlichen Beziehun gen entspricht kein erkennbares Interesse des Staatsapparates an der Aus beutung Siziliens, wie es überhaupt ein spezifisches Kennzeichen der römischen Herrschaftsstruktur werden sollte, daß die soziale und wirtschaft liche Durchdringung des beherrschten Raumes trotz ihrer entscheidenden Bedeutung für die Stabilität dieser Herrschaft ohne staatliche Lenkung von statten ging. Die Übernahme finanz- und steuertechnischer Einrichtungen der Karthager nach 241 bleibt unwahrscheinlich. Der feststellbare Effekt eines solchen mit Sicherheit nicht auszuschließenden Schrittes war dann je denfalls derart, daß die Fortführung karthagischer Organisationsformen ohne nennenswerten Nutzen blieb und dementsprechend rückschließend als weit gehend wertlos zu bezeichnen ist. Rom war im Keltenkrieg und in den ersten Jahren des Hannibalischen Krieges des öfteren gezwungen, von seinem Bundesgenossen Hieron Getreidelieferungen anzufordern62, so daß dieser aus seinem begrenzten Territorium weit mehr herausgewirtschaftet haben muß als die Römer aus den übrigen gewiß nicht weniger reichen Teilen Siziliens. Zwar hatten Appian zufolge die sizilischen Gemeinden Rom Tri bute zu entrichten und sich an den Hafenzöllen zu beteiligen63, jedoch sind diese Maßnahmen in die Zeit nach der Errichtung der Prätur zu datieren, mit der sie Appian denn auch in Verbindung bringt. Dem römischen Staat kam es also zunächst nicht auf vermehrte Ein künfte an, was wiederum notwendig die Vorstellung ausschloß, die neu gewonnenen Gebiete als Quelle des Reichtums zu begreifen und dement sprechend einzurichten. Damit bestätigt'sich uncT setzt sich die während des Krieges offenkundige Tendenz der römischen Politik fort, den Krieg nicht als Kolonialkrieg geführt zu haben, da die Ausbeutung Siziliens als ökonomisches Nutzobjekt seine politische und wirtschaftliche Ordnung voraussetzt 64 .
62
(so etwa M. GELZER, Kl. Schrift. I, S. 32, A. J. TOYNBEE, aaO. S. 350f.), sondern erreicht werden sollte (und wurde) damit die Reglementierung des Lebensstils der herrschenden Aristokratie im traditionellen Sinne, die der Versuchung, ihre kommer ziellen Interessen auch auf Kosten ihres Führungsanspruches zu betreiben, offenbar nicht widerstanden hatte; vgl. A. HEUSS, RG 3 , S. 81 f., J. BLEICHEN, Das Volkstribunat der klass. Rep. 2 , 1968, S. 31 f., CHR. MEIER, Res publica amissa, 1966, S. 66; 313. Diod. 25,14. Liv. 22,37,1 ff. 23,38,13. A. HEUSS, Der Erste Pun. Krieg, S. 510f. A. J. TOYNBEE, aaO. S.
63
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216.
App. Sik. 2,6; zu den Zöllen S. J. DE LAET, Portorium, 1949, S. 65ff., F. VITTINGHOFF, RE 22 (1953) Sp. 351 f. s. v. Portorium. Die wirtschaftliche Organisation Siziliens hat Rom erst nach dem Hannibalischen Krieg durchgeführt, indem es nach der Einbeziehung des syrakusanischen Reiches in die Provinz die dort auf der lex Hieronica ruhende Finanz-, Steuer- und Wirtschaftsform
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Von vorneherein zu verneinen ist weiterhin eine theoretisch denkbare Zwangslage (oder die Vorstellung davon), neuen Besiedlungsraum finden zu müssen, da von einer Überbevölkerung Roms oder der italischen Bundesstädte keine Rede sein kann, Italien für eine großzügige Koloni sationspolitik Möglichkeiten in Fülle bot 65 , und Sizilien schließlich für damalige Verhältnisse ein dicht besiedeltes Land war. Das Streben nach einem räumlich-demographischen Vorteil - eines der typischen Argumente imperialistischer Expansion im 19. Jahrhundert, man denke etwa an die Algerienpolitik Frankreichs - fehlt hier völlig und hätte eine ganz andere Einstellung zu dem eroberten Raum bewirken müssen. Zusammengefaßt läßt das Feststellbare den Willen des Senates er kennen, mit der Erhaltung des nach dem Sieg eingetretenen Status quo auszukommen und eine Entscheidung über die in der römischen Verfü gungsgewalt stehenden Städte nur insofern zu fällen, als man ihnen - ent sprechend der bereits während des Krieges verfolgten Politik - den Zugang zur italischen Wehrgemeinschaft verschloß. Die Aufgabe des Friedens schlusses, Karthago von der Insel zu vertreiben und damit als potentiell gefährlichen Gegner für die Zukunft auszuschalten, wird nicht um ein neues, auf Sizilien selbst, seine wirtschaftlichen und politischen Möglich für ganz Sizilien übernahm: A. HEUSS, Der Erste Punische Krieg, S. 508ff.,
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L. PARETI, Storia di Roma II, 1952, S. 427f., F. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, S. 287ff. (Zur Frage der Herkunft der lex Hieronica jetzt zusammenfassend A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 223f., B. J. MÜLLER, Ptolemaeus II. Philadelphos als. Gesetzgeber, Diss. Köln 1969, S. 19ff.). J. CARCOPINO, La loi de Hieron et les Romains, 1914, S. 70ff. datiert die definitive Übernahme ins jähr 132 v. Chr.; dagegen spricht der große zeitliche Abstand zum Ende des Hieronischen Reiches. Der römische Senat war gerade nach der Eroberung von Syrakus unmittelbar mit der Frage konfrontiert, ob die dort etablierte Wirtschaftsform gut oder schlecht war, so daß seine Entscheidung nur in dieser Zeit sinnvoll gewesen sein kann. A. J. TOYNBEE, aaO. S. 222ff. plädiert für 227 v. Chr., da er davon ausgeht, daß mit der Entsendung des Prätors eine erste Ordnung der dortigen Verhältnisse vorgenommen wurde. Diese an sich naheliegende Annahme übersieht die im einzelnen noch aus zuführende Motivation dieses Schrittes ebenso wie die erste und ursprüngliche Funktion eines Imperiumträgers, die in der Ausübung des militärischen Kommandos und nicht in der Durchführung verwaltungstechnischer Aufgaben besteht. Das eine bedingt das andere erst dann, wenn die militärische Präsenz zur Dauereinrichtung wird, ihre ursprüngliche Zweckbestimmung mangels lohnender Aufgaben verliert und die Verwaltung von keinem anderen Beamten übernommen wird. So wurden gegen Ende des Krieges in den Jahren 247/45 die Bürgerkolonien Alsium, Fregenae und Aesulum gegründet, 244 Brundisium und 241 Spoletium als latinische Kolonien eingerichtet (E. T. SALMON, The Coloniae Maritimae, Athenaeum N. S. 41 (1963) S. 3ff.; 16ff., A. J. TOYNBEE, aaO. I, S. 183f.) und 241 das römische Bürger gebiet um zwei neue Tribus (Velina und Quirina) erweitert, s. Ed. MEYER, Kl. Schrift. II, 1924, S. 378 f. Der Ausruf Senecas (dial. 12,7,7), ubicumque vicit Roma nus, habitat, gilt für diese Zeit nur für Italien.
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keiten hin ausgerichtetes Ziel erweitert. Die Insel blieb, was sie während des Krieges war: ein Objekt von größter militärischer Bedeutung gegen über Karthago, auf der sich angesichts der Schwäche der in Nordafrika um seine Existenz kämpfenden Stadt selbst die institutionelle Etablierung der militärischen Macht erübrigte66. War bereits die Eroberung Siziliens ein bloßes Akzidenz der Auseinandersetzung mit Karthago, so wurde die Ausbildung der neuen Herrschaftsstrukturen in dem gewonnenen Land von anderen Faktoren als von der Erkenntnis und dem Willen bestimmt, Sizilien römischen Interessen gleich welcher Art dienstbar zu machen. Vom Ergebnis des Krieges aus beurteilt haben die Römer die Insel erobert, ohne zu wissen, was sie taten. d) Die verworfene Alternative: Die Ausdehnung der Italischen Wehrgemeinschaft Das für die Zukunft der römischen Reichsbildung schlechthin Funda mentale an diesem Vorgang ist - bezogen auf Subjekt und Objekt der Herrschaftsausübung- zweierlei: (1) Die Einstellung der Senatsaristokratie zu dem so bitter erkämpften Gewinn des Krieges bleibt ausgerichtet auf die militärische Effektivität, die schon Entstehung und Struktur der Wehr gemeinschaft in Italien bestimmt hatte. (2) Die in Sizilien mit Kriegsende eingetretenen Bedingungen erscheinen für Rom gegenüber den in Italien geschaffenen Tatbeständen soweit anders, daß eine Ausdehnung der Wehrgemeinschaft-auf die Insel nicht mehr erwogen wird, obwohLdas zu Be ginn des Krieges mit Messana geschlossene foedus den ersten Schritt dazu bedeutet hatte. Der damit zwar noch nicht getane aber jetzt letztlich un vermeidlich gewordene Schritt zur Ausbildung der Territorialherrschaft ist, was seinen historischen Entstehungsprozeß angeht, alles andere als selbstverständlich und bedarf der Erklärung. Dazu ist es nützlich zu wissen, daß die das dritte Jahrhundert bewe genden Tendenzen im gesamten Mittelmeerbereich die Überlebenschancen des Stadtstaates als eigenständigen Souverän mehr und mehr einengten und die von ihm entwickelten (und ihm auch gemäßen) Formen der Expansion auf foederativer Basis zum Absterben verurteilten. In Griechenland, soweit es politisch noch eine aktive Rolle spielen konnte, war an die Stelle hegemonialer Bindungen an einen Stadtstaat der Bundesstaat (Koinon) als
66
Vgl. R. M. ERRINGTON, The Dawn of Empire, 1971, S. 27: ,,for Rome, Sicily would have remained valuable even if the fighting had reduced it to an unpopulated desert".
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Die Unterwerfung Siziliens
Organisationsform von Herrschaft getreten67, während im Osten die hellenistische Monarchie den Kristallisationspunkt dazu abgab. Diese im Sinne der Entwicklung von Herrschaftsformen fortschrittliche Grund tendenz wird um so deutlicher, wenn man sieht, daß Karthago noch wäh rend und ungeachtet des Ersten Punischen Krieges in Libyen seine Herr schaft in einem Maße auszubauen und zu konsolidieren beginnt, wie man das in der Handelsmetropole während der vorangegangenen Jahrhunderte nie für nötig gehalten hatte68. Die Herrschaft schließlich, die die Barkiden nach 237 im südlichen Spanien errichteten, war bereits ein ständig expan dierender Territorialstaat unter einer karthagischen Dynastie, die zwar auf die Verbindung mit Karthago aus politischen, wirtschaftlichen und gesell schaftlichen Gründen ebensowenig wie die hellenistischen Monarchien auf die griechischen Städte verzichten konnte, deren Herrschaftsraum seiner Struktur nach aber etwas ganz anderes darstellt als der aristokratisch regierte Stadtstaat in Nordafrika. Ihre Entstehung verdankt sie denn auch einer spezifischen Ausnahmesituation, und ihre Verfestigung konnte nur gegen den Widerstand der karthagischen Führungsschicht vorangetrieben werden. Die so greifbare Entwicklungslinie, die in allen historischen Erschei nungen des 3. Jhdts. konstant bleibt, hat sich auch in der Expansion Roms durchgesetzt - eine Feststellung von allgemeiner Bedeutung, die die Ab kehr Roms von der foederativen Form der Herrschaftsbegründung in Sizilien des Charakters des Außergewöhnlichen und des Singulären ent kleidet und sich als Ausdruck eines allgemeinen politischen Verhaltens in einem von den Grundstrukturen her gleichen politischen Raum erweist. Der genuine Reflex auf die politischen Verhältnisse in Sizilien steht jedoch am Anfang einer spezifischen Ausformung von Territorialherrschaft, der nach Umfang und Dauer gemessen - nun doch das Attribut der histo rischen Einmaligkeit zukommt und die, trotz des völligen Schweigens der Überlieferung, zu dem Versuch zwingen muß, die bei dem Zerbrechen der föderativen Herrschaftsform im einzelnen wirksamen Kräfte zu benennen. 67
68
Dazu jetzt A. GIOVANNINI, Untersuchungen über die Natur und die Anfänge der bundesstaatlichen Sympolitie in Griechenland, 1971, der die Koina unter Verweis auf die sie tragenden Stämme und Stammbünde („Ethne") nicht als „Nachfolger" der von den Stadtstaaten getragenen Symmachien gelten lassen will (S. 10f.). Dies ist unter dem Gesichtspunkt des Trägers der einzelnen Herrschaftsform zweifellos richtig, doch in die historische Entwicklung eingeordnet beweist die Entstehung von primär nicht mehr von den Städten getragenen Organisationsprinzipien das Ende der Expansionskraft der Polis und der von ihr dabei entwickelten Form der Symmachie, die als solche keineswegs in juristisch eindeutiger Weise systematisiert werden kann. Vgl. O. MELTZER, Geschichte der Karthager II, 1896, S. 336f.
Herrschaft ohne Interessen
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Dabei muß von der Phase des Krieges ausgegangen werden, von der an die mit dem Bündnisabschluß mit Messana noch erkennbare Politik der Ausweitung der Wehrgemeinschaft nicht mehr praktiziert wurde. D. h. zu fragen ist zunächst nach derpolitischen Zielvorstellung?_die^ Rom .nach dem Frieden mit Hieron II. entwickelte, und dann nach den militärischen und politischen Konsequenzen, die sich aus der Ausweitung des Krieges in das Gebiet der karthagischen Epikratie ergaben. Der Entschluß des Senates, die ursprüngliche Beschränkung des Kriegszieles auf Messana aufzugeben und jetzt die Vertreibung der Karthager von der ganzen Insel zu versuchen, verlieh der An und Weise des Vorgehens wie der den eroberten Städten gegenüber einzuschlagenden Politik eine ganz andere Dimension als bisher. Als Kriegsziel ohne eigen ständigen Wert hätte allein eine für den Fortgang des Krieges relevante Bedeutung dieser Städte Rom ein Nachdenken über ihren Status abnötigen können, nachdem der Krieg selbst nicht den erhofften schnellen Erfolg gebracht hatte und in einem nicht endenwollenden Ringen erstarrt war, in dem meist die Verzweiflung die Hoffnung auf einen guten Ausgang überwog. Militärische Hilfe war in dieser Situation, das einzige, was den Senat, das um eine Hoffnung auf schnelle Beute ärmere Volk und die in Sizilien kommandierenden Magistrate interessieren konnte, und sie blieb aus, und dies nicht von ungefähr. Gewiß gab es sizilische Städte, die Hilfe leisteten, doch^bestand sie ausschließlich in der Bereitstellung von Getreide und der Lieferung von Kriegsmaterial69 und müßte zudem meist unter Druck bei getrieben werden 70 . Weder Schiffe noch Truppen sizilischer Städte griffen auf römischer, Seite in die Kämpfe ein71, und gerade dies war es, was im Kriegsfall den konkreten Wert der italischen Bundesgenossen ausmachte, die auch in diesem Krieg auf den römischen Flotten und neben den Le gionen fochten. Das ausschließliche Ziel der in Italien praktizierten Wehr69
Polyb. 1,18,5; 40,1; 52;8; vgl. Diod. 23,8,1. Zonar: 8,15,12. Selbst Hieron IL be schränkte sich, was ihm die Römer 248 durch den Nachlaß der restlichen Kriegs kontribution und mit territorialen Zugeständnissen dankten, auf die Lieferung von ' Lebensmitteln, Belagerungsmaschinen, Schiffen etc., vgl. Polyb. 1,18,11; 52,6. Zonar. 8,14,7. Diod. 23,9,5. 70 Polyb. 1,40,1; 9. A. HEUSS, Der Erste Punische Krieg, S. 505f. 71 Die Dinge mögen ähnlich gelegen haben wie bei dem Versuch Scipios, seine Invasions armee für Nordafrika durch eine Reitertruppe aus der kriegsfähigen sizilischen Jugend zu verstärken. Die Eingezogenen versagten so kläglich - zweifellos weil sie es so wollten - , daß Scipio sie entwaffnen und ihre Pferde seinen Offizieren übergeben ließ: Liv. 29,1,1 ff., App. Lib. 8.
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gemeinschaft, die Herstellung militärischer Zusammenarbeit bei An erkennung der römischen Vormachtstellung, ergab sich weder aus dem ge steckten Kriegsziel noch aus dem Verhalten und den Möglichkeiten derer, in deren Land der Krieg entschieden werden sollte. Der Grund dafür ist einfach zu finden: Für die sizilischen Griechen war jiie römische Hilfe für den mamertinischen Raubstaat durch nichts zu rechtfertigen72; ihre Sympathien gehörten Hieron IL, der der militärischen Lösung des Problems greifbar nahe war, und die meisten von ihnen über trugen sie auf die Karthager, als die siegreichen Römer sie die ganze Härte ihres Kriegsrechtes und nichts anderes spüren ließen73. Das nahezu gleiche Bild zeigten die Kämpfe auf griechischem Boden während des Ersten Ma kedonischen Krieges, als die römischen Oberkommandierenden im Verein mit dem aitolischen Bundesgenossen, nur darauf bedacht, Philipp V. an einem Eingreifen auf dem italischen Kriegsschauplatz zu hindern, die ganze Brutalität der römischen Kriegsmaschinerie entfalteten. Die Empö rung der griechischen Öffentlichkeit, die dem Widerstand gegen die römische Intervention panhellenische Züge verlieh74, kann vergleichsweise nach 262 in den griechischen Städten Siziliens kaum geringer gewesen sein und ließ keinerlei Neigung aufkommen, dem um einen für ihn relevanten strategischen Vorteil verbissen kämpfenden Rom mehr an Hilfsbereitschaft entgegenzubringen, als für die Sicherung der eigenen Existenz vor dem Wüten des Siegers tunlich schien75. Ein zweiter nicht .minder «gewichtiger Gesichtspunkt ergibt sich aus der Ausweitung des Krieges aufdie karthagische Epikratie. Der römische Vor stoß nach dem Fall von Akragas in die Gebiete westlich des Halykos traf auf Gebiete, in denen sich die karthagische Herrschaft seit dem Krieg mit Dionysios I. 409/5 yA_Chr. in.der _ Weise konsohdiert hatte, daß aus der faktischen Abhängigkeit einiger phoinikischer Küstenstädte ein geschlosse ner Herrschaftsraum geworden war76. Die hier befindlichen Städte be saßen zwar noch ihre lokale Autonomie, da Karthago wie Rom die 72
Vgl. Diod. 23,1,3.
73
T. FRANK, in: CAH VII, S. 677f., A. HEUSS, aaO. S. 506f., A. J. TOYNBEE, aaO. II,
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S. 4f., D . ROUSSEL, Les Siciliens entre les Romains et les Carthaginois ä l'epoque de la premiere guerre punique, 1970, S. 120ff. Deutlich ablesbar an den Reden des Akarnanen Lykiskos (211/0 v. Chr.; Polyb. 9,37f.) und des Rhodiers Thrasykrates (207 v. Chr.; Polyb. 11,4,6ff.): J. DEININGER, Der poli tische Widerstand gegen Rom in Griechenland 217-86 v. Chr., 1971, S. 29 ff. Als nach 249 der karthagische Widerstand auf dem Eryx Erfolg zu haben schien, stellten die sizilischen Städte offenbar jede Hilfe ein, da das römische Belagerungsheer vor Lilybaeum sich um den Nachschub selber kümmern mußte, Polyb. 1,55,3. K. F. STROHEKER, Dionysios I., 1958, S. 49ff.
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kommunale Selbstverwaltung der Beherrschten durch einen zentralen Verwaltungs- und Herrschaftsapparat nicht ersetzen konnte 77 , an ihrer Aus richtung auf die außen- und wirtschaftspolitischen Bedürfnisse Karthagos besteht jedoch kein Zweifel. Diesem Faktum trägt bereits der 348 v. Chr. abgeschlossene zweite römisch-punische Vertrag Rechnung, indem er Westsizilien im Gegensatz zu Libyen und Sardinien Karthago, was den Handel mit ihm angeht, gleichstellt78. Im einzelnen sind nach dem Vorgang des 405 v. Chr. zwischen Dionysios I. und Karthago geschlossenen Friedens, der die Grundlage aller späteren Abmachungen bildete, zwei unterschiedlich geprägte Herr schaftszonen zu unterscheiden 79 . Die um die Gebiete der Elymer und Sikaner erweiterten alten phoinikischen Kolonien bildeten den inneren Ring der Epikratie, der unter ständiger militärischer Kontrolle stand 80 , an den sich als äußerer Ring die griechischen Städte anschlössen, die zum außenpolitischen Wohlverhalten und zu Tributleistungen verpflichtet waren 81 . In den Kriegen, in denen es um die Existenz der karthagischen Epikratie ging, hob man auch in diesen Städten Truppen aus 82 , d. h. die Verpflichtung zur Waffenhilfe war selbstverständlicher Bestandteil der hergestellten Abhängigkeit. Die Dedition derartiger Gemeinden konnte von Rom, ihrer abhängigen Rechtslage entsprechend, nicht als Handlung einer souveränen Gemeinde, sondern als Kapitulation eines Teiles der karthagischen Epikratie ver standen werden. Dies^hatte zur Folge, daß Rom nicht die Verfügungs gewalt über ein vorher völkerrechtlich autonomes Gemeinwesen über nahm, sondern Rechtsnachfolger Karthagos wurde bzw. sich selbst in dieser Rolle sah. Damit war zwar objektiv keine bestimmte Verhaltens77
78 79 80
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82
Das gilt auch für den administrativen Ausbau der karthagischen Herrschaft in Afrika, vgl. G. C H . PICARD, L'administration territoriale de Carthage, in: Mel. A. Piganiol III, 1966, S. 1257ff. Polyb. 3,24,12. R. WERNER, Der Beginn der römischen Republik, 1963, S. 323; 326. Diod. 13,114,1; StV. II, S. 152f. Diod..16,9,4. A. HEUSS, in: Rom und Karthago (hg. J.Vogt), 1943, S. 105. Davon blieb die innerstaatliche Struktur der betroffenen Städte nicht unberührt. So finden sich in der Stadt Eryx Sufeten als die höchsten Beamten der Stadt, und die Göttin des Berges wird mit Astarte gleichgesetzt und als solche verehrt: D. KIENAST, Hermes 93 (1965) S. 480. Diod. 13,59,3; 114,1. 14,65,2; A. HEUSS, Der Erste Punische Krieg, S. 510f.; zu optimistisch W. ENSSLIN, in: Rom und Karthago (hg. J. Vogt), 1943, S. 264ff., der an einen Zehnten ähnlich der hieronischen decuma denkt. Diod. 19,106,5: Aushebungen bei den Symmachoi in Sizilien. In den Quellen findet sich denn auch regelmäßig der Terminus Symmachoi zur Bezeichnung der Städte inner halb der Epikratie: Diod. 13,62,6. 14,48,5. 20,29,6. 23,9,5. Zonar. 8,16,1.
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weise von vornherein präjudiziert, da Rom als Sieger in jedem Fall nach Belieben schalten und walten konnte, doch änderte sich die subjektive Einstellung zu den geschaffenen Tatbeständen. Wesentlich sinnvoller als ad hoc getroffene Einzelentscheidungen über das Schicksal gerade erober ter oder dedierter Städte mußte jetzt das Abwarten auf die Erreichung des gesteckten Kriegszieles erscheinen, um dann eine generelle für die ehe malige karthagische Epikratie passende Regelung zu treffen. Nichts davon kann zu dem Schluß, führen, daß Rom die Kohäsionsfähigkeit der Wehrgemeinschaft als erschöpft ansah. Die Aufnahme kel tischer Stämme nach 222 v. Chr. bestätigt dies. Auch die verbreitete An nahme 8 3 , daß Rom im Bewußtsein einer italischen Zusammengehörigkeit die Ausweitung der Wehrgemeinschaft auf außeritalische Staaten ablehnte, ist nicht schlüssig. Allein die spezifische Situation des auf Sizilien gegen Karthago geführten Krieges konnte dazu führen, die Entscheidung bis Kriegsende zu vertagen und danach an der durch den zwanzigjährigen Krieg geschaffenen Situation festzuhalten. Verfangen im Koordinatennetz der zwischen Karthago und Rom ausgetragenen Auseinandersetzung be saßen aus römischer Sicht die sizilischen Städte keinen eigenständigen Wert, der sie als Partner wie Messana qualifiziert hätte, das bezeichnen derweise foederatus wurde, bevor überhaupt der Krieg mit Karthago ernstlich begonnen hatte. Die Größenordnung des Problems und die Plötzlichkeit, mit der die Entscheidung nach Kriegsende gefordert wurde, taten ein übriges, um die Senatsaristokratie zu der Überzeugung zu bringen, die Perpetuierung des Status quo für eine Lösung zu halten.
4. Die Institutionalisierung a) Die
Einrichtung
der Herrschaft
der Provinzialprätur als Ergebnis Sicherheitspolitik
militärischer
Die Ausbildung und Einrichtung der direkten Herrschaft orientierte sich an dem Rechtszustand, der sich aus dem durch die Eroberung bzw. 83
Vgl. etwa F. KLINGMÜLLER, Philologus 69 (1910) S. 77, E. MEYER, Römischer Staat und Staatsgedanke2, 1964, S. 87. Es kommt als zweites Argument hinzu, daß sich die süditalischen Griechenstädte in nichts von denen auf Sizilien unterschieden, ohne daß Rom darin ein Hindernis für ihre Aufnahme in die Wehrgemeinschaft gesehen hätte. Anders war der historische Kontext, in dem sich ihre Beziehungen zu Rom entwickelt hatten. -
.e Institutionalisierung der Herrschaft
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Dedition und die auf die vertraglich fixierte Räumung folgende militä rische Okkupation ergeben hatte. Die historische Entwicklung der Jahre nach 241 v. Chr! bestimmte die materielle Fixierung dieses Rechtszustan des, der als solcher seiner konkreten Ausgestaltung nichts vorweg genommen hatte. Der Rechtseffekt der Eroberung und der Dedition ist die totale Ver nichtung der bestehenden Rechtsordnungen, ohne daß dadurch ein dauernder für den Frieden relevanter Status begründet worden wäre. Die auf Grund des Kriegsrechts auf den Sieger übertragene uneingeschränkte Verfügungsgewalt eröffnet diesem jede denkbare Möglichkeit, mit dem Besiegten nach Gutdünken zu verfahren. Die Rechtsfolge des Sieges schafft keinen neuen Rechtszustand, sondern bildet seine Voraussetzung84. Jede dem Sieg folgende Neuordnung ist dementsprechend ein unabhän giger in nichts determinierter Akt des Siegers, der seine Interessen beliebig mit den Möglichkeiten der Besiegten in Einklang bringen kann. Nicht anders liegen die Dinge bei der auf die Dereliktion Karthagos folgende Okkupation der ehemaligen karthagischen Gebiete. Ihre militä rische Besetzung ist zwar der erste notwendige Schritt zur Inbesitznahme des herrenlosen Landes, sie bewirkt jedoch nur die rechtliche Gleich stellung der betroffenen Gebiete mit den eroberten und dedierten Städten und nicht eine positive Regelung im Sinne einer dauernden Ordnung. In beiden Fällen fehlen als die wesentlichen Merkmale des definitiven Ge bietserwerbs der^rkennbare Wille zur Erwerbung der Gebietshoheit und die effektive Hefrschaftsausübung, wobei sich Art und Maß der Effektivi tät nach den historischen Gegebenheiten auszurichten haben 85 . Dabei ver steht sich von selbst, daß für ein hochzivilisiertes Land wie Sizilien die militärische Besetzung kein Mittel der Herrschaftsorganisation ist. Das Ausbleiben der effektiven Herrschaftsübernahme kennzeichnet die römische Aporie, über die Entscheidung, den sizilischen Städten den Zu gang zur italischen Wehrgemeinschaft zu verwehren, hinauszukommen. Die bisherigen in Italien praktizierten Herrschaftsformen boten keine Ansatzpunkte für die Entwicklung eines Modells, nach dem man rechts gestaltende Anordnungen in Sizilien hätte treffen können, um damit die Herrschaft zu organisieren oder wenigstens seinen Willen dazu kenntlich zu machen. Die Möglichkeit, Besiegte in ständiger Untertänigkeit zu halten, 84 85
Grundlegende Erörterung bei A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 223f.; 289ff. Vgl. G. WESENBERG, RE 23 (1957) Sp. 1009 s. v. provincia in Anlehnung an P. GUGGENHEIM, Lehrbuch des Völkerrechts,.1948, S. 405; vgl. weiter F. BERBER, Lehr buch des Völkerrechts I, 1960, S. 335ff.
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Die Unterwerfung Siziliens
war zwar als solche erkannt, aber als zu praktizierende Rechtsform nicht durchdacht worden. Dies mußte dazu führen, daß nicht der gestaltende Wille Roms, sondern die historische Entwicklung, in erster Linie die dauernde Konfrontation mit der Existenz eines im rechtlosen Raum ver : harrenden Territoriums, die Strukturen der Herrschaftsordnung be^ stimmte. Die mit dem Frieden des Jahres 241 eingetretene Normalisierung des Lebens in den sizilischen Städten ist die sicherste Feststellung, die sich zunächst treffen läßt, da die Ausübung der Kriegsrechtes gegenüber einer wehrlosen und friedlichen Bevölkerung unsinnig ist. ,,Kriegsrecht verliert, sobald es zum Dauerzustand wird, notwendigerweise den Ausnahme charakter und wird infolgedessen nicht mehr so verstanden 86 ." Die erste Konsequenz des Fehlens einer neuen Ordnung mußte somit die Beibehaltung der alten kommunalen SeljDstverwaltung mit dem dazu gehörigen Beamtenapparat sowie die Fortführung der ursprünglichen Handels- und Wirtschaftsform sein. Diese einmal von Rom hinge nommene Entwicklung war in Friedenszeiten de facto nicht spektakulär zu ändern, sondern konnte nur in die zukünftige Herrschaftsorganisation ein gebaut werden, ja deren Ausbildung war damit in bestimmten Punkten bereits festgelegt. Die Erkenntnis, die Dinge in der gehabten Art und Weise nicht unbe grenzt treiben lassen zu können, wurde der Nobilität denn auch nicht durch eine Veränderung der in Sizilien etablierten Verhältnisse aufgezwun gen. Die zusätzlichen Schwierigkeiten, die sich nach der Erwerbung Sardi niens durch den Additionalvertrag des Jahres 238/37 auf Sardinien und Korsika ergaben, gaben dafür den entscheidenden Anlaß 87 . Beide Inseln waren durch den Seekrieg gegen Karthago ins römische Blickfeld gerückt, nachdem man seit 259 ohne durchschlagenden Erfolg versucht hatte, die dortigen karthagischen Flottenbasen auszuschalten, von denen aus immer wieder die italische Küste verheert worden war 88 . 86 87
88
A. HEUSS, Herrschaft und Freiheit, S. 114. Polyb. 3,27,8. Auch in dieser Zusatzbestimmung zum Vertrag des Lutatius wird nur die Räumung der Insel durch Karthago festgelegt, so daß hier ebenfalls erst die militärische Besetzung durch römische Truppen die Verfügungsgewalt Roms begründete. Zu den Vorgängen im einzelnen, die zum Abschluß der Additionsklausel führten, s. F. W. WALBANK, ClPh. 44 (1949) S. 15ff., Comm. on Polyb. I, 1957, S. 130ff.; 148f. Es muß offen bleiben, ob auch Korsika in diesem Vertragspassus genannt wurde, da Polybios (vgl. 1,88,8-12) nur von Sardinien spricht, andererseits die karthagischen Besitzungen auf der Insel dasselbe Schicksal wie die auf Sardinien erlitten hatten. Zu den Kämpfen vgl. O. LEUZE, Klio 10 (1910) S. 406ff. u. J. H. THIEL, Α History of Roman Sea-Power before the Second Punic War, 1954, S. 193 ff.
i Institutionalisierung der Herrschaft
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Bereits Regulus hatte 256 die Räumung Sardiniens in seinen Vertrags vorschlägen gefordert89, und bei der Ablehnung des Lutatiusvertrages durch die Komitien hat man sicherlich nicht zuletzt an Sardinien gedacht, wie überhaupt die Küsten des westlichen Mittelmeeres unter dem Ein druck der Seegeltung Karthagos für die militärische Planung und den Wirkungsbereich der römischen Außenpolitik eine völlig neue Bedeutung gewonnen hatten90. Der Senat hatte gelernt, daß die Sicherheit der itali schen Küsten von der See her jederzeit bedroht werden konnte, solange man die im Westen vorgelagerten Inseln mit ihren Flottenbasen nicht selbst kontrollierte. Kontrolle war bei den auf Sardinien und Korsika gegebenen Verhältnissen und bei der römischen Abneigung, eine eigene Flotte ständig zu unterhalten, nur durch Annexion zu erreichen. So zwang man Karthago zur vertraglichen Räumung, als es nach erfolgreicher Niederwerfung der Söldneraufstände in Afrika daran ging, die letzten Zufluchtsnester der Aufständischen in Sardinien auszuräuchern und dort die alte Machtposition - womöglich in gesteigertem Umfang - wieder auf zubauen. Im Grunde holte Rom 237 nach, was bereits 241 logisch gewesen wäre 91 , aber zu diesem Zeitpunkt nicht notwendiger Bestandteil der Sicherheitspolitik war, da die Anstrengungen der letzten Kriegsjahre Karthago für eine Stabilisierung seiner Position auf den immer unruhigen Inseln keine Zeit mehr gelassen hatten. Bei der Frage nach den Motiven der römischen Politik sind also zwei Punkte von entscheidender Wichtigkeit:^Die Erkenntnis des strategischen Wertes der beiden Inseln, die 241 in der Euphorie des Sieges nicht in poli tische Konsequenzen umgesetzt worden war, omd die gesteigerte Aktivität Karthagos nach seinem Sieg im Söldnerkrieg. Dessen Konsequenz konnten karthagische Kriegsschiffe im tyrrhenischen Meer und der drohende Aus bau der karthagischen Macht vor den Toren Latiums und Kampaniens sein, wobei die Vermutung naheliegen mußte, daß Karthago hier den Ver lust Siziliens langfristig zu kompensieren gedachte92. 89 90
91 92
Dio frg. 43,22 Boiss. Polyb. 1,20,5; 7f. Κ. Ε. PETZOLD, Historia 20 (1971) S. 198. Zu weitgehend J. VOGT, in: Orbis, 1960, S. 181 ff. Die Politik der scharfen Beobachtung aller Vorgänge auf den Italien gegenüberliegenden Küsten wurde gradlinig fortgesetzt durch die Entsendung einer Gesandtschaft an Hamilkar 231 (Dio frg. 46 Boiss.), der Intervention in Illyrien 229/8 (Polyb. 2,8ff.), der amicitia mit Sagunt (Vf., Struktur, S. 157 Anm. 87), ohne daß aus alledem die Absicht erkennbar wäre, etwas anderes als die Sicherung Italiens erreichen zu wollen. Polyb. 1,88,8-12. Stellt man dies fest, so hat man damit keine politische Erpressung eingesegnet, sondern die Motive des Erpressers aufgezeigt. Die Feststellung von Recht und Unrecht genügt als
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Die Unterwerfung Siziliens
Nach dem Rückzug Karthagos setzte die einheimische Bevölkerung den römischen Invasionstruppen einen zähen, in der Form von Guerilla kriegen geführten Widerstand entgegen93, der nur durch die ständige militärische Präsenz, die über den Rahmen von symbolischen Besatzungs kontingenten hinausging, zu brechen war. So ist die Einrichtung Sardi niens als provincia eines Prätors im Jahre 227/5»die_ Konsequenz der Erfahrung, ohne die Etablierung der Militärgewalt und ihrer langfristigen Organisation nicht auskommen zu können. Diese Maßnahme wurde analog auch für Sizilien verfügt94, ohne daß hier die innere Situation einen solchen Schritt gefordert hätte95, aber auch ohne daß hier ein Konflikt mit bereits bestehenden Verwaltungseinrichtungen heraufbeschworen worden wäre. Die Möglichkeit, die für Sardinien und Korsika getroffene Regelung zwangslos auf Sizilien übertragen zu können, weist geradezu auf das bis herige Fehlen derartiger Einrichtungen. Nun erklärt zwar die Situation auf Sardinien und Korsika ausreichend die Einrichtung einer militärischen Verwaltung, die die Befriedigung auf ständischer Gebiete am effektivsten vorantreiben kann. Jedoch reicht das als Begründung weder für deren Übertragung auf das friedliche Sizilien noch für den gewählten Zeitpunkt aus. Auch in Sardinien war man bis dahin mit von Fall zu Fall entsandten Heeren unter einem amtierenden Konsul oder Prätor ausgekommen, und der mit der Verdoppelung der Prätorenstellen vorgenommene Eingriff in die römische Magistratur setzt die Erkenntnis, der führenden Nobilität voraus, mit den vorhandenen Im-
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Aufgabenstellung für den Historiker nicht; traurig genug, daß man nach E. BADIAN, Riv. di Fil. 1972, S. 92 solche Binsenweisheit zu Papier bringen muß. Vgl. dazu Ed. MEYER, Kl. Schrift. II, 1924, S. 380ff., P. MELONI, Sei anni di lotte di Sardi e Corsi contro i Romani (236-231 av. Chr.), Studi Sardi 9 (1950) S. 121 ff., A. LIPPOLD, Consules, 1963, S. 122ff. Liv. per. 20: praetorum numerus ampliatus est, ut essent quattuor, vgl. 33,42,8. Zonar. 8,19,9. Solin. 5,1, p. 52 M. Auf die Priorität Sardiniens bei der Einrichtung weist Dig. 1,2,2,32: Capta deinde Sardinia, mox Sicilia, item Hispania, deinde Narbonensi provincia totidem praetores, quot provinciae in dicionem venerant, creati sunt. Vgl. G. ROTONDI, Leges publicae populi Romani, 1912, S. 248, T. R. S. BROUGHTON, MRR I, S. 229, A. HEUSS, Der Erste Punische Krieg, S. 512f. Appian zufolge (Sik. 2,6) wurde die Prätur bereits nach Kriegsende in Verbindung mit der Auflage von Tributen eingerichtet. Diese Nachricht ist als ein Teil des annalistischen Verfälschungs prozesses zu werten, durch den auch die Räumung Sardiniens als eine Stipulation des Friedensvertrages in die Jahre 241/0 hinaufdatiert wurde, vgl. E. TÄUBLER, Vor geschichte, S. 24ff.; 93ff. Das gilt auch dann, wenn man die bereits in dieser Zeit zu datierende Banditen tätigkeit, die vor dem Ausbruch des Ersten Sklavenkrieges gefährliche Ausmaße ange nommen hatte (Diod. 34,2,1), so in Rechnung stellt, wie dies G. MANGANARO, Über die zwei Sklavenaufstände in Sizilien, Helikon 7 (1967) S. 209 f. tut.
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periumträgern die Probleme nicht mehr lösen zu können. Diese Ent scheidung ist tiefgreifender, als daß sie durch militärische Schwierigkeiten in einem doch keineswegs zentralen Bereich der römischen Herrschafts interessen allein provoziert worden sein kann. Es gab dafür einfachere Lösungen als die Veränderung des Oberamtes. Trotzdem ist an dem Kern der Sache nicht vorbeizukommen, daß die Entsendung eines Imperiumträgers zunächst und ursprünglich an die Funktion der Führung größerer; Truppenverbände und nicht an die Über nahme oder Einrichtung einer Verwaltung gebunden ist96. Dieser Auf gabenbereich des Prätors kann aber erst dann als gegeben angenommen werden, wenn die außenpolitische Konstellation zur Zeit der Verdoppe lung der vorhandenen Prätorenstellen die Sicherung der gesamten erwor benen außeritalischen Gebiete durch die Stationierung starker Truppen verbände erforderte bzw. Rom von dieser Notwendigkeit überzeugt war. 96
A. ROSENBERG, RE 18 (1916) Sp. 1202 f. s. v. Imperium. Gegen die durch T H . MOMMSEN, RStR. II, S. 74ff.; I, S. 116ff. begründete Lehre des alle militärischen, Jurisdiktio nellen und polizeilichen Kompetenzen umfassenden Imperiums gewinnt neuerdings die Vorstellung von dem ursprünglich auf die reine Militärgewalt festgelegten Imperium, das erst nach und nach mit dem wachsenden Zugriff des Staates auf die zivil- und strafrechtlichen Domänen der gentes jurisdiktioneile Funktionen erhält, mehr und mehr an Geltung: A. HEUSS, Z. Sav. Stift. R. A. 64 (1944) S. 57ff., J. BLEICKEN, RE 23 (1959) Sp. 2444 ff. s.v. provocatio, Kl. Pauly II, 1967, Sp. 138lf. Die Einrichtung der Prätur nach den Sextisch-Licinis^e^njGesetzen ist weiter entgegen der Motivierung der Quellen (Dig. 1,2,2,27. Liv. 6,42,11) nicht aus dem Bedürfnis abzuleiten:, eine neue Ordnung der Rechtssprechung vorzunehmen, sondern der Vorgang zielt-als -eine Etappe des Ständekampfes zunächst ausschließlich auf eine Umgruppierung des höchsten Amtes im Staate, ohne daß sich dabei an der ersten Verpflichtung auch des Prätors, ein militärisches Kommando zu führen, irgend etwas geändert hätte. Erst die gewohnheits mäßig geübte Praxis, den mit dem Imperium minus ausgestatteten Magistrat mit der Gerichtsbarkeit zu belasten, führte dann zur Aufteilung bestimmter Ressortfunktionen innerhalb des Oberamtes (vgl. F. WIEACKER, Vom römischen Recht, 1944, S. 97). Schließlich ist auch die Errichtung der sogenannten Fremdenprätur 242 v. Chr. (Liv. per. 19) wohl schwerlich in der Absicht geschehen, Klagefälle zwischen Römern und Peregrinen bzw. Peregrinen untereinander aburteilen zu können. 242 befand sich Rom in der letzten entscheidenden Phase des Ersten Punischen Krieges, in der man mit der Aufstellung der Flotte des Lutatius noch einmal alle Kräfte angespannt hatte und in der man gewiß nicht an die Sorgen der Peregrinen gedacht haben wird. Es erscheint viel plausibler, daß der neu gewählte Prätor im Rahmen dieser militärischen Kraftanstrengung auch militärische Funktionen (etwa die Aufstellung einer neuen Armee) erhielt und ihm der von den Quellen von Anfang an zugeschriebene Auf gabenbereich erst im Laufe der Entwicklung in den Jahren nach dem Krieg organisch zuwuchs. Zu dieser Interpretation s. bereits B. G. NIEBUHR, Römische Geschichte III, S. 731 (zustimmend G. WESENBERG, RE 22 (1954) Sp. 1952), ohne allerdings weit reichenden Anklang zu finden; vgl. zum derzeitigen Forschungsstand D. DAUBE, JRS 41 (1951) S. 66ff., F. SERRAO, La „iurisdictio" del pretore peregrino, 1954, S. 7ff.
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Nach dem karthagischen Rückzug aus Sardinien wird die römische Politik von zwei Faktoren bestimmt, die ihre volle Bedeutung in den Jahren vor dem Ausbruch des Keltenkrieges erhalten :'/)Erstens blieb die Sorge um die Sicherung der Karthago entrissenen Gebiete, die bereits den Friedensvertrag geprägt hatte, und Zweitens drängte die nach 237 wieder beginnende Konfrontation mit den Kelten zur diesmal endgültigen Ent scheidung. Trug der Vorstoß der Boier und ihrer transalpinen Verbün deten 237 auf Ariminum nach Ablauf der 45jährigen Waffenruhe (Polyb. 2,21,5) noch episodenhafte Züge 97 , so manövrierte der römische Einbruch in Ligurien seit 236 98 , die Aufteilung des ager Gallicus 2 3 2 " und die Bündnisse Roms mit den Cenomanen und Venetern in den Jahren -da nach 100 die Kelten in eine Situation, in der sie entweder zum Entschei dungskampf rüsten oder tatenlos zusehen mußten, wie ihr Territorium Stück für Stück von den Römern annektiert wurde 101 . Angesichts dieser Entwicklung ist es müßig zu fragen, ob Rom die Konfrontation bewußt herbeigeführt hat oder nicht. Von einem bestimm ten Punkt an entfalteten die einmal geschaffenen Tatbestände eine eigene Dynamik, der beide Kontrahenten auf Grund fehlender Verständigungs möglichkeiten ohnehin weitgehend ausgeliefert waren. Die Kelten jedenfalls begannen zu Beginn der dreißiger Jahre mit einer intensiven 97
98
Quellen, Chronologie und Darstellung bei R. WERNER, Der Beginn der römischen Republik, 1963, S. 98 f. Ursprünglich wohl als organische Fortsetzung der Erwerbung Sardiniens gedacht, A. LIPPOLD, Consules, 1963, S. 130-Anm. 217.
99 R. WERNER, aaO. S. 99. 100 P o l y b . 2,23,2f. Kurz vor Ausbruch des Krieges wurde ihnen die Aufstellung von 2 0 0 0 0 Mann befohlen, die Order bekamen, bei Ausbruch der Feindseligkeiten in die Cisalpina einzufallen ( P o l y b . 2,24,7f.). Für die Kelten mußten also diese Bündnis abschlüsse den Versuch der Einkreisung bedeuten.
101
Nach Polyb. 2,21,7ff. hat bereits die Besiedlung des ager Gallicus in den benachbarten Boiern und Insubrern die Überzeugung gefestigt, jetzt zu einem Waffengang auf Leben und Tod herausgefordert zu sein. Nun ist seit langem klar, daß in diesem polybianischen Zitat die bei Fabius Pictor vorliegende Propaganda der senatorischen Gegner des Flaminius gegen dessen Agrarpolitik steckt (M. GELZER, Kl. Schrift. III, 1964, S. 72f., F. CASSOLA, I gruppi politici romani nel III secolo a.C., 1962, S. 209ff.) und daher nicht ohne weiteres als richtig angesehen werden kann. Die Viritanassignationen im ehemaligen Senonengebiet für sich genommen ergeben denn auch keine augenfällige Bedrohung, die durch die Anlage befestigter Kolonien wesentlich wirkungsvoller hätte gestaltet werden können (J. BLEICKEN, Das Volkstribunat der klassischen Republik, 1955, S. 29ff., R. M. ERRINGTON, The Dawn of Empire, 1971, S. 43). Den realen Hintergrund der Nobilitätspropaganda (den sie gehabt haben muß, wenn sie wirksam sein sollte) können daher nur die Ereignisse in Oberitalien insgesamt gebildet haben, wobei es wiederum ein spezifi sches Charakteristikum der Propaganda ist, die tatsächlichen Gründe wegzulassen oder zu vereinfachen.
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Vorbereitung auf den bevorstehenden Waffengang102, was wiederum Rom, das seine Keltenfurcht nie ganz hatte überwinden können, dazu brachte, Heerschau über die eigenen Kräfte zu halten 103 und den Bestand des Herrschaftsgebietes gegen jede mögliche Koalition militärisch und diplomatisch abzusichern. Nach der Vereisung der Beziehungen zu Karthago durch die Besetzung Sardiniens und nach den ersten Nachrichten über die Erfolge Hamilkars in Spanien lag für den Senat nichts näher, als an einen Versuch des ganz offensichtlich wieder zu Kräften gekommenen Karthago zu denken, wenigstens Teile der verlorenen Positionen bei Entladung des sich in Norditalien zusammenziehenden Gewitters wiederzugewinnen 104 . Mit den Anwachsen der Kriegsgefahr im Norden beginnt daher die römische Diplomatie ihren erfolgreichen Versuch, durch das foedus mit Massilia 228/6 die karthagischen Operationen in Spanien genauestens zu über wachen 105 und schließlich durch den Abschluß des Ebrovertrages mit Hasdrubal eine direkte Verbindung zwischen Karthagern und Kelten unmöglich zu machen 106 . Trotz dieser Vorsorge war natürlich die Reaktion Karthagos nicht abzusehen, wenn Rom im Verlauf des Krieges in ernste Schwierigkeiten geraten sollte, so'daß. „der^militärische Schutz der 241/37 okkupierten Gebiete ebenso dringlich wie die diplomatische Absicherung erschien. Zwischen 227 und 225 wurden daher zwei Legionen nach Tarent und Sizilien 107 und kurz vor Ausbruch der Feindseligkeiten zwei weitere Legionen unter dem Befehl des Konsuls C. Atilius Regulus nach Sardinien 102
Polyb. 2,22,1 ff. Polyb. 2,24,1 ff. 104 Dieser Schluß reicht keineswegs aus, um etwa mit G. GIANNELLI, Roma nelPeta delle guerre puniche, 1938, S. 132 oder L. PARETI, Storia di Roma II, 1952, S. 248 f. an eine propagandistische und militärische Hilfe Karthagos bei den keltischen Vorbereitungen zu denken. Polybios, dessen Darstellung hier eingehend genug ist, weiß davon nichts, und die Tatsache, daß sich Hasdrubal zum Abschluß des Ebrovertrages entschloß, macht seine Passivität in diesem Punkt vollends klar; vgl. F. CASSOLA, aaO. S. 218f. 105 H. G. WACKERNAGEL, RE 14 (1930) Sp. 213ff. s. v. Massilia. Für Massilia, dessen Ein fluß südlich der Pyrenäen bis Tarraco reichte, war spätestens mit der Gründung Neu karthagos die Gefahr eines karthagischen Vorstoßes endang der Küste nach Norden sichtbar und damit die alte, fast schon verjährte Frontstellung gegen Karthago wieder aktuell geworden. io6 Polyb. 2,13,7. R. M. ERRINGTON, Rome and Spain before the Second Punic War, Latomus 29 (1970) S. 25ff.; 34ff. Die Wahl des Ebro als Grenze entsprang offensichdich der richtigen Überlegung, daß erst von den Küstenplätzen nördlich dieses Flusses eine kartha gische Landung in Etrurien möglich sein konnte. 107 Polyb. 2,24,13. ' 103
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verlegt 108 . Diese Maßnahme ist nur aus der akuten Sorge um das Verhalten Karthagos zu erklären, da der Abzug von 4 Legionen aus der eigentlichen Kampfzone sonst unsinnig gewesen wäre 109 . In diesen Rahmen einer erkennbar zielbewußten Politik der Vorun b^.^l^^^^i Ä^^tU^1^}^ d der damit verbundenen militärischen und diplomatischen Sicherung Siziliens und Sardiniens für den Fall einer von Karthago angebotenen Revanchepartie paßt nun auch die Einrichtung prätorischer Amtssprengel auf beiden Inseln in den Jahren zwischen 228 und 225 1 1 0 . Die dort sich unter Umständen ergebenden Aufgaben und die zu ihrer Erfüllung stationierten Einheiten bedurften eines Imperiumträgers, der unabhängig von aus Rom nur unter zeitlichen und räumlichen Schwierigkeiten zu gebenden Befehlen Entscheidungen auch von weit reichender Bedeutung fällen konnte. Die räumliche Ausdehnung des römischen Machtbereiches schrieb also in der Stunde der außenpolitischen Gefahr die bis dahin vermiedene Ausweitung des römischen Oberamtes vor, wobei die Reflektion über die momentane Sicherung des Erworbenen darüber hinaus zu der Erkenntnis geführt haben muß, wenn nicht den Status der Besiegten, so doch die Grenzen des Herrschaftsanspruches nach außen in einer dauernden Regelung festlegen zu müssen. Damit war in Sizilien und Sardinien die Herrschaft Roms instimtionalisiert, aber noch nicht organisiert 111 . 108 109
Polyb. 2,36,6. Der Zusammenhang dieser Truppenvefschiebungen mit einem befürchteten karthagischen Revancheakt ist richtig gesehen von L. PARETI, Studi minori III, 1965, S. 119, G. D E SANCTIS, Storia dei Romani III l 2 , 1967, S. 298, J. H. THIEL, aaO. S. 350 Anm. 27,
110
F. W. WALBANK, Comm. on Polyb. I, S. 196 (mit der abweichenden Lit.). Wie groß die römische Furcht vor einem punischen Angriff über See gerade auf die beiden Außen posten war, zeigen die Maßnahmen, die nach der Niederlage an der Trebia 218 getroffen wurden. Wiederum wurden in aller Eile starke Truppenverbände auf beiden Inseln und in Tarent konzentriert und 60 Penteren ausgerüstet (Polyb. 3,75,4), obwohl für den flüchti gen Beobachter die Hauptgefahr in Oberitalien zu drohen schien. Als in den Jahren 216/15 der karthagische Angriff auf beide Inseln tatsächlich erfolgte, war Rom mit zwei Legionen auf Sizilien (Liv. 23,25,10) und einer auf Sardinien (Liv. 23,24,12) wohl ge rüstet. Eine genauere Datierung ist nicht möglich, da Liv. per. 20 die Verdoppelung der Prätorenstellen von zwei auf vier zwischen dem Ende des Illyrischen und dem Beginn des Gallischen Krieges erwähnt und sämtliche anderen Berichte keine weiteren Anhalts punkte bieten. Vgl. J. M. N A P , Die römische Republik um das Jahr 225 v. Chr., 1935, S. 59f., A. LIPPOLD, Consules, 1963, S. 133 Anm. 229f., G. DE SANCTIS, aaO. S. 194
111
Anm. 114. Der erste Prätor in Sizilien war Gaius Flaminius (Sqlin. 5,1, p. 52 M.), so daß die Ver mutung naheliegt, die getroffene Regelung wurde gegen den Willen der Nobilität von den Volkstribunen durchgesetzt, vgl; L. LANGE, Römische Altertümer II 3 , 1879,
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Bewirkte die militärische Zwangslage die ständige Anwesenheit eines Prätors, so diese im Lauf der Zeit ein ständig wachsendes Maß verwaltungs- und zivilrechtlicher Kompetenzen, eine Entwicklung, die um so näherlag, als die Gerichtsbarkeit in Rom seit langem von den Prätoren ausgeübt wurde. So wie die Stellung eines Kommandanten in einer eroberten Stadt ihn beinahe zwangsläufig dazu führt, entweder selbst obrigkeitliche Funktionen und die Pflege des Rechts auszuüben oder durch Beauftragte ausüben zu lassen, so führte die Institutionalisierung des nulit^scjhen^^ Herrschaft. Die Phase der Eroberung und der auf sie folgenden Unsicherheit, was mit den Besiegten zu geschehen habe, findet jetzt ihren vorläufigen Abschluß. b) Die Herstellung völkerrechtlicher Beziehungen als Norm der Sicherheitspolitik Aus dem bisher Gesagten wird klar, daß die Ausbildung der Provinzialherrschaft weder zwangsläufig aus der Rechtsfolge von Eroberung, Dedition und vertraglicher Räumung resultierte noch anhand eines bereits durchdachten Herrschaftsmodells erfolgte, sondern von der Entwicklung der inneren Situation in Sizilien und Sardinien und der außenpolitischen Konfrontation mit den Kelten bestimmt wurde. Dies wiederum setzt voraus (und bestätigt den gezogenen Schluß), daß die römische Politik auch zwischen den beiden Pünischen Kriegen durchaus andere Alter nativen bei der Behandlung besiegter und eroberter Staaten kannte bzw. bei der bewährten Praxis der in Italien ausgebildeten Wehrgemeinschaft
blieb. Als im Jahre 229 v. Chr. die römische Intervention in Illyrien mit der freiwilligen Dedition der griechischen Küstenstädte Korkyra, Apollonia, Epidamnos und Issa sowie der illyrischen Stämme der Parthiner und Atintanen begann 112 und mit der Eroberung des größten Teiles des illyrischen Reiches der Tema noch im selben Jahre erfolgreich zu Ende geführt wurde 1 1 3 , stand Rom vor denselben Problemen wie in Sizilien und
S. 153f., K. JACOBS, Gaius Flaminius, 1937, S. 52f., J. BLEICKEN, aaO. S. 30. Zu den sizilischen Statthaltern allgemein s. J. KLEIN, Die Verwaltungsbeamten von Sizilien und Sardinien, 1878. 112 Polyb. 2,11,1-12. na Polyb. 2,11,16-17; 12,1-3. Zu Ablauf und Auswirkung der illyrischen Expedition s. Vf., Struktur, S. 53ff., K. E. PETZOLD, Rom und Illyrien, Historia20 (1971) S. 199ff.
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Sardinien. Selbst die Intention des Eingreifens war wohl nur zum geringen Teil die von Polybios in den Vordergrund gerückte staatlich geförderte Piraterie der Illyrer gegen italische Kaufleute, sondern, wie bei der Okku pation Sardiniens, der Wunsch, die italische Ostküste vor einem unliebsamen Nachbarn, der die Seeräuberei als Mittel der Reichsbildung praktizierte, zu schützen. Trotzdem und trotz des totalen Sieges gelangte die römische Politik hier zu ganz anderen für die spätere Ostpolitik richtungsweisenden Maximen bei der Behandlung der Besiegten. Der Friedensvertrag mit Teuta setzte zwar analog zum Frieden mit Karthago die Räumung Illyriens mit Ausnahme einiger weniger Plätze fest, doch war an eine Übernahme der direkten Herrschaft von vorneherein nicht gedacht. Ein Teil des eroberten und geräumten Territo riums wurde als selbständiger Staat unter Demetrios von Pharos, der rechtzeitig die Fronten gewechselt hatte, restituiert, während die griechischen Seestädte und die südillyrischen Stämme, die sich bei Ausbruch des Krieges freiwillig dedien hatten, ihre volle Souveränität zurückerhielten. Sie blieben mit Rom allein durch das Verhältnis der amicitia verbunden und hatten konkret wohlwollende Neutralität im Kriegsfall zu wahren und freundschaftliche Beziehungen zu pflegen. Damit war allein durch die Zerschlagung jeder größeren Machtbildung in Illyrien das gesteckte Kriegsziel, eine als mögliche Bedrohung der italischen Küste interpretierte Entwicklung beenden zu müssen, erreicht worden. Die Wiederherstellung der völkerrechtlichen Souveränität der Besiegten ist ein wesentliches Kriterium der römischen Italienpolitik. Die in Illyrien daran geknüpften Modalitäten unterscheiden sich davon in dem entschei denden Punkte, daß auf die vertragliche Begründung einer Wehrgemein schaft mit Rom verzichtet wird. Diese Modifikation entspringt zunächst der unterschiedlichen Bedeutung, die den außeritalischen Staaten im Gegensatz zu den italischen Gemeinden für Rom zukam. Hier sind die rechtlichen Beziehungen untereinander ihrem Ursprung wie ihrer Aus prägung nach von dem Gedanken der Wehrgemeinschaft beherrscht, die bei der weiterbestehenden Autonomie einer italischen Gemeinde als populus sui generis nur durch den Abschluß eines ewigen Bundes genossenschaftsvertrages zu erreichen war. Dagegen war die militärische Zusammenarbeit mit einem außeritalischen Staat keineswegs lebens wichtig, da dieser das Fundament der römischen Macht wohl erweitern konnte, niemals aber zu diesem selbst wurde. Das völkerrechtliche -Verhältnis der formlosen amicitia wurde dementsprechend - erst mit den
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ersten diplomatischen Kontakten außerhalb Italiens entwickelt und zuerst mit Massilia im 4. Jhdt., dann verstärkt im 3. Jhdt. mit Rhodos, Ägypten und Karthago hergestellt. Von diesen Amicitiaverhältnissen unterschieden sich die Beziehungen zu den illyrischen Städten und Stämmen weder inhaltlich noch formal, wohl aber durch die historischen Voraussetzungen ihres Zustandekommens, da jetzt zum erstenmal ehemals dedierte und er oberte Gemeinwesen in diese loseste Form völkerrechtlicher Bindungen aufgenommen wurden. Die römische Politik hat also bei der Behandlung dedierter und er oberter Staaten durchaus neue, den konkreten Gegebenheiten angepaßte Formen entwickelt und keineswegs von einem vorgegebenen Modell der Untertänigkeit ausgehend aus dem Faktum der Eroberung irgendwelche Herrschaftsansprüche abgeleitet oder gar die Okkupation Siziliens als Prä zedenzfall verstanden. In Sizilien und Sardinien war de iure und de facto jede nicht auf der Untertänigkeit beruhende Rechtsordnung möglich, solange Rom sich in diesem speziellen Fall nicht durch innere oder äußere Konstellationen zur Übernahme und Ausübung der direkten Herrschaft gedrängt sah. Während an der dalmatinischen Küste die auf dem Völker recht gegründete Ordnung von keiner außerhalb dieses Bereiches liegenden Macht bedroht wurde 114 , wies der durch den Sieg von 241 nicht aus der Welt geschaffte und sich seit der Sardinien-Affäre wieder zuspitzende Gegensatz zu Karthago den Weg zur direkten Herrschaft in Sizilien und Sardinien, da eine andere Lösung die hier unverzichtbare militärische Sicherung nicht zu garantieren schien. Auf dem zweiten Schauplatz römischer Expansion in den 20er Jahren des 3. Jhdts., der Gallia Cisalpina, führte die römische Abneigung, ohne N o t die in Sizilien praktizierte aber in ihren Konsequenzen noch nicht durchdachte Politik weiter zu betreiben, zur letzten Ausweitung der Wehrgemeinschaft. Bereits vor dem Ausbruch des Keltenkrieges war mit dem Abschluß von Bundesgenossenschaftsverträgen mit den Cenomanen und Venetern 115 die römische Absicht erkennbar geworden, die Wehr gemeinschaft auch auf die Gallier auszudehnen, ohne daß damit allerdings, 114
115
Makedonien war durch die illyrische Expedition noch nicht in das römische Blickfeld geraten und auch Antigonos Doson fühlte sich von der nach Kriegsende getroffenen Regelung in keiner Weise tangiert: H. J. DELL, Antigonos III. and Rome, ClPh. 62 (1967) S. 94 ff. Die Griechen waren verständlicherweise froh, die illyrischen Piratennester brennen und ihren Adriahandel wieder sicher zu sehen und sparten daher nicht mit Bei fall, als eine römische Gesandtschaft zu den Aitolern, Achäern und Athenern reiste und sich ihrerseits glücklich zeigte, die griechische Zufriedenheit auskosten zu können. Polyb. 2,23,2; 24,7f.; 32,4. Liv. 21,55,4. Strab. 5,216.
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wie das Beispiel Messana demonstriert, die eingeleitete Entwicklung zwangsläufig in diese Richtung weiterlaufen mußte. In der Tat ist auf den ersten Blick schwer einzusehen, warum den seit langem als gefährlich erkannten Barbaren nach dem totalen Sieg das zugestanden werden sollte, was man den Griechen auf Sizilien, durch Kultur, Religion und Ge schichte weit mehr mit Rom verbunden, trotz des im foedus mit Messana erkennbaren Ansatzes schließlich doch verweigert hatte. Trotzdem hat sich Rom nach dem Krieg, der mit der Eroberung und der Dedition sämtlicher gallischer Stämme überaus glücklich endete 116 , zur Fortführung der italischen Politik im Norden entschlossen. Das aus der Überlieferung nur unvollkommen rekonstruierbare Bild der Neuordnung der Gebiete dies- und jenseits des Po in den Jahren zwischen 222 und 218 läßt klar erkennen, daß beide die Wehrgemeinschaft und ihren Zusammen halt garantierende Einrichtungen, das auf ewig abgeschlossene foedus und die Anlage latinischer Kolonien, auch hier die Eckpfeiler der neuen völkerrechtlichen Ordnung bildeten. So wurde die Souveränität der Anaren (oder Anamaren), Insubrer und Boier nach ihrer Dedition wieder hergestellt und mit allen drei Stämmen ein foedus aequum oder iniquum abgeschlossen 117 , während für die Kontrolle und Sicherung der Bundes116
Polyb. 2,35,2ff. A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 260ff. Das ursprüngliche Kriegsziel, die Abwehr der Keltengefahr, wurde erst nach der Schlacht von Telamon aufgegeben. Danach, so berichtet Polyb. 2,31,8, war man in Rom entschlossen, das Land um den Po gänzlich zu befrieden und lehnte jedes keltische Friedensangebot ab, Polyb. 2,34,1 f. -. .-
117
Polyb. 2,31,1 f. (Dedition und Vertragsabschluß der Anaren; Lokalisierung bei F. W. WALBANK, Comm. on Polyb. I, 1957, S. 207). 2,31,9: deditio der Boier; der kurz danach zu datierende Vertrag ergibt sich aus dem polybianischen Bericht des Abfalls der Kelten von Rom nach den ersten Nachrichten von Hannibals Alpenübergang (3,40,6f.). Dem nach hatten die Boier schon lange darauf gewartet, mit den Römern zu brechen und sogar die Preisgabe ihrer gestellten Geiseln riskiert. Der von Polybios zur Kennzeichnung des be stehenden Rechtsverhältnisses gewählte Terminus amicitia ist bei der Willkür, mit der den völkerrechtlichen Status betreffende Begriffe gehandhabt werden, mit vertraglicher societas zu übersetzen, zumal nur dann von einem eigendichen Abfall (vgl. Liv. 21,25,2) die Rede sein kann. Geiseln können beim Vertragsabschluß wie bei der deditio gestellt werden, ihre in beiden Fällen grundverschiedene Zweckbestimmung weist jedoch die hier genannten Geiseln als bei einem Vertragsabschluß gestellt aus. Bei der Über gabe schützten sie den Sieger vor einer Schein-Dedition und galten nach dem ord nungsgemäßen Vollzug als Kriegsgefangene, im Friedensvertrag dagegen garantierten sie die pünktliche Zahlung der den Besiegten auferlegten Kriegskontributionen und könnten nur in diesem Fall über einen längeren Zeitraum hinweg festgehalten werden. - Die Insubrer schließlich dedierten sich gegen Kriegsende (Polyb. 2,35,1) und fielen zusam men mit den Boiern zu Hannibal ab (3,40,8). Nach Cic. pro Balb. 14,32 waren sie foederati Roms: quaedam foedera exstant, ut Cenomarum, Insubrium, Helvetiorum, Japudum . . . quorum in' foederibus exceptum est, ne quis a nobis civis recipiatur.
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genossen die 219 eingerichteten Kolonien latinischen Rechts, Cremona und Placentia, sorgen sollten 118 (bekanntlich ohne Erfolg, da sie in die all gemeine Abfallbewegung beim Erscheinen Hannibals in Oberitalien mit hineingerissen wurden). Das Ende des Krieges gegen Hannibal sah diese Prinzipien unverändert wirksam. Auf den Abfall der süd- und norditali schen Bundesgenossen und auf die im ligurischen Raum noch vorhandene Bedrohung durch keltische Stämme reagierte Rom in der gewohnten Weise durch die Anlage von Kolonien latinischen Rechtes 119 . Der nach wie vor die Nobilität leitende Gedanke, daß die Aufnahme in die Wehrgemeinschaft die Unterworfenen der römischen Politik am besten dienstbar machen konnte, wird in diesem Fall besonders eindringlich bewiesen, da die gallischen Stämme weder mit Rom noch mit den anderen Völkern Italiens irgend etwas gemein hatten (von der kurzfristigen Interes sengemeinschaft im Dritten Samnitenkrieg abgesehen: Polyb. 2,19,5ff.). So verstand man in Rom unter dem Begriff Italien auch nur das Land von der Südspitze der Halbinsel bis Pisa und Ancona, umfassend die Städte und Stämme der Wehrgemeinschaft, die bis 264 das Bündnis mit Rom ge schlossen und zusammen den Ersten Punischen Krieg siegreich bestanden hatten. Das durch die gemeinsam geführten Kriege herangewachsene Ge fühl der Zusammengehörigkeit, am augenfälligsten in der gemeinsamen Tracht, der Toga, zum Ausdruck gebracht, übertrug sich in der Folgezeit nicht auf die Gebiete nördlich der skizzierten Grenze 120 . Selbst der Bundesgenossenkrieg hat daran nichts geändert. Die lex Julia, stattete im Jahre 90 hur die launischen" Kolonien mit dem vollen Bürgerrecht aus (App.b.c. 1,49), während die lex Pompeia ein Jahr später den übrigen Ge meinden nur das latinische Recht gewäh.-te (Cic. ad Att. 5,2,3), so daß Sulla schließlich das Gebiet nördlich des Rubicon als Amtssprengel eines Promagistrats einrichten konnte 121 . Die in dem Begriff der Gallia Cisalpina ausgebildete Vorstellung, daß Italien den keltisch besiedelten Raum nicht umfaßte, wurde in der politischen und rechtlichen Realität erst dann na Polyb. 3,40,5. Vell. 1,14,7. Tac. hist. 3,34: propugnaculum adversus Gallos. Liv. per. 20. A. J. TOYNBEE, aaO. II, S. 265f., Ε. Τ. SALMON, Roman Colonisation under the Republic, 1969, S. 65 ff. 119 Thurii Copia und Vibo Valentia dämpften seit 193/2 die unruhigen Bruttier und Bononia und Aquileia (189 u. 181) schirmten zusammen mit den in den 90er Jahren verstärkten Kolonien Narnia, Cosa, Placentia und Cremona Oberitalien gegen die Kelten ab: E. T. SALMON, aaO. S. 100ff., U. EWINS, The Early Colonisation of Cisalpine Gaul, PBSR 20 (1952) S. 54ff., BRUNT, It. Manpower, S. 190ff. 120 Vgl. F. KLINGNER, Italien. Name, Begriff und Idee im Altertum in: Römische Geisteswelt4, 1961, S. 15ff. 121
J. MARQUARDT, RStV I2, S. 218f.
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gegenstandslos, als Caesars Bürgerrechtspolitik die Transpadaner in den Verband der Vollbürger eingliederte 122 . Die römische Politik in diesem Raum in. den Jahrzehnten von 230-180 muß daher von der Einsicht bestimmt worden sein, daß zwar nicht von der Lebensform und der Denkweise der dort lebenden Völker her, wohl aber geographisch die Alpen die natürlichen Grenzen Italiens bilden 123 . Anders als in Illyrien, das zu weit entfernt war, um die römische Macht basis verstärken zu können, gab die geographische Gegebenheit den Völkern in der Poebene eine derartige Bedeutung, daß nur ihre direkte Beherrschung oder ihre bundesgenössische Bindung als echte Alternativen in Frage kamen. Daß Rom sich für die letzte Lösung entschied, weist die Provinzialisierung Sardiniens und Siziliens wiederum als durch die beson dere Situation bedingte Regelung aus. Diese besaß außerdem noch kein organisatorisches Profil und konnte daher auch nicht als praktikables Werkzeug römischer Politik verstanden werden. Nach dem Zweiten Punischen Krieg mußte allerdings die Beschrän kung des Bündnissystems auf Italien bei gleichzeitiger organisatorischer Durchdringung der großen territorial beherrschten Inseln und schließlich Spaniens dem öffentlichen Bewußtsein von Römern und Italikern klar machen, wie tiefgreifend der Unterschied zwischen Italien und den Provinzen tatsächlich war. Italien erschien nunmehr geographisch und politisch eingebettet in eine Welt, die Römer und Italiker gemeinsam er obert hatten, die beherrscht wurde vom Willen des Senates und der römi schen Magistrate und die sich sehr schnell der privaten Initiative römischer und italischer Kaufleute und Händler öffnete. Umgekehrt wurde Rom von den Provinzialen sehr bald mit Italien identifiziert, dessen Bevölkerung ihnen mit weitgehend identischen Interessen gegenübertrat, wobei es in der täglichen Praxis relativ gleichgültig war, ob man es mit einem italischen oder römischen Bürger zu tun bekam, da beide als Sieger auftraten und den besonderen Schutz des Statthalters genossen. Der rechdiche Unter schied zwischen dem freien italischen Bürger und dem untertänigen Pro vinzialen setzte sich in der sozialen Wirklichkeit in den Unterschied zwischen Herrschenden und Beherrschten um.
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Jetzt gewinnt die Auffassung Raum, die Gallia Cisalpina als flos Itaüae und firmamentum imperii populi Romani zu verstehen: Cic. Phil. 3,13. Polyb. 2,14ff. Cato frg. 85 (Peter). F. KLINGNER, aaO. S. 17f.
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5. Die Organisation der Herrschaft Wie weit sich die Dinge in Sizilien noch vor dem Ausbruch des Zwei ten Punischen Krieges entwickelt hatten, welchen Rechtsstatus man den einzelnen Städten zugestand und in welcher Form die Beziehungen der Gemeinden untereinander geregelt wurden, entzieht sich der Rekonstruk tion 1 2 4 . Wenn angesichts des römischen Engagements im Norden Italiens der Senat überhaupt an einer Lösung dieser Aufgabe interessiert war, so wird er entsprechend dem gleich zu behandelnden Grundsatz des Mar cellus das Verhalten der sizilischen Städte im Verlauf des Krieges zum Ausgangspunkt seiner Regelung gemacht und die Gemeinden, die sich frühzeitig der römischen Sache angeschlossen und Waffenhilfe geleistet hatten 125 , als populi sui generis restituiert haben. Die Ausweitung des Zweiten Punischen Krieges auf Sizilien und die Kämpfe um Syrakus schufen jedenfalls eine ganz neue Lage und führten nach dem Sieg zu einer neuen Ordnung der Verhältnisse 126 . Den Anfang machte kurz nach der Einnahme von Syrakus M. Claudius Marcellus, nachdem aus allen Teilen der Insel Gesandte zu ihm gekommen waren und seine Entscheidung erbaten. Dem Bericht des Livius zufolge er hielten alle Städte, die vor der Eroberung von Syrakus treu geblieben oder in die römische amicitia zurückgekehrt waren, den Status von socii, während die übrigen der Verfügungsgewalt des Siegers unterworfen wurden: dispar ut causa earum (sc. civitates Siciliae), ita condicio erat, qui ante captas Syracusas aut nori desciverant aut fedierant in ämicitiam, ut socii fideles accepti cultique; quos metus post captas Syracusas dediderat, ut victi a vic124
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Die Nachricht des Livius, daß Sizilien und Sardinien.bereits.vor dem_.Au^rah_des_ Zweiten Punischen Krieges steuerpflichtig gewesen seien ,(23,48,7), ist von zweifelhaftem Wert, da die ständigen Schwierigkeiten, die in beiden Provinzen stehenden Heere aus reichend zu verpflegen und zu besolden (vgl. etwa Liv. 23, 21,1 ff.), weit eher das Bild einer nur im militärischen Bereich vorhandenen Herrschaft vermitteln. Im übrigen ist nicht auszuschließen, daß sich hinter der livianischen Formulierung vectigales fuissent das Stipendium verbirgt, das als Folge der Friedensschlüsse von 241 und 237 für den Unterhalt der auf den Inseln stationierten römischen Truppen zu leisten war und das von Fall zu Fall nach Bedarf neu festgesetzt wurde. Vgl. Polyb. 1,18,5; 24,3; 40,1; 52,8. Diod. 23,8,1. Zonar. 8,15,12. Noch im Jahre 213 hatten starke karthagische Verbände in Agrigent Fuß gefaßt und große Teile der Südküste und des Binnenlandes unter ihre Kontrolle gebracht. Die Folge war das Zustandekommen eines Bundes mehrerer sizilischer Gemeinden und der Ab schluß eines Bündnisses mit Karthago: App. Sik. frg. 4. Liv. 25,26,13; 17,1. Das religiöse Zentrum des Widerstandes gegen Rom wurde Morgantina: W. HOFFMANN, Hermes 89 (1961) S. 490; D. WHITE, Demeters Sicilian Cult as a Political Instrument, GRBS 5 (1964) S. 269ff.
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tore leges acceperunt (25,40,4). Der von Livius gebrauchte Begriff socius sagt für sich genommen wenig oder gar nichts aus. Aus der Gegenüber stellung zweier verschieden behandelter Kategorien, von denen die eine a victore leges zu erwarten hat 127 , wird jedoch deutlich, daß der Terminus socius hier die Entlassung aus der römischen Verfügungsgewalt signali siert, ohne allerdings die praktischen und rechtlichen Konsequenzen dieses Aktes näher zu erhellen. Der Status der schlechter gestellten..Gemeinden ist durch die Verpflichtung zu regelmäßigen Leistungen von Abgaben an Rom gekennzeichnet, was weiter zu dem Schluß führt, daß der erste und wesentliche Vorzug der Entlassung aus dem römischen Spruchrecht die Befreiung von diesen Abgaben gewesen sein muß. Die auf Polybios zurückgehende Schilderung des Livius über die Vorgänge auf der aitolischen Bundesversammlung, die im Frühjahr 199 stattfand, deckt weitere Grundsätze der Ordnung des Marcellus auf. Auf dieser Versammlung verteidigt sich der römische Gesandte L. Furius Purpurio gegen den makedonischen Vorwurf, Rom habe Sizilien unter jocht, mit einem Abriß der römischen Außenpolitik seit dem Pyrrhoskrieg, deren Folgen er unter dem Leitsatz behandelt, daß die Besiegten das Schicksal erlitten hätten, das sie verdienten: neque infitias imus Siciliam provinciam nostram esse et civitates, quae in parte Carthaginiensium fuerunt et uno animo cum Ulis adversus nos bellum gesserunt, stipendiarias nobis ac vectigales esse128. Daraus ergibt sich das Motiv der unterschied lichen Verfahrensweise des Marcellus (die■ Haltung derGemeinden im Krieg) und das wiehtigste J K e r m z e ^ (die Tributpflicht). Dabei fällt sofort auf, daß die Begründung des Verfahrens nur sinnvoll unter dem Gesichtspunkt von Strafe und Lohn sein kann, für die Einrichtung eines territorial geschlossenen Herrschaftsraumes aber unsinnig ist. Nicht dieser, sondern die Zufälligkeiten des Kriegsverlaufes bestimmen die Rechtsstellung der Unterworfenen, die in freie und unter127
128
Das Recht, sich selbst Gesetze geben zu können, erscheint in den Quellen als das wesent liche Merkmal der Souveränität; so etwa in den Freiheitserklärungen für dedierte oder eroberte Städte, vgl. ζ. Β. Liv. 37,32,14. 38,39,12. Cic. 2 Verr. 2,37,90. Dementspre chend wird der durch die Restitution herbeigeführte Zustand mit suis legibus uti oder suo iure uti bezeichnet, ζ. Β. Liv. 38,44,4. Liv. 31,31,9 (vgl. 31,29,7). Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die makedonische Propaganda in Griechenland vor und während des Zweiten Makedonischen Krieges das römische Vorgehen gegen die Griechenstädte Siziliens dazu benutzt hat, um den mutter ländischen Griechen die Konsequenzen einer Unterstützung der römischen Sache in düsteren Farben zu malen, was wiederum die römischen Diplomaten zwang, die in Grie chenland bekannten Tatsachen mit den Verwicklungen der Punischen Kriege zu begrün den. -
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tänige Gemeinden nach einem Prinzip aufgeteilt werden, das der prakti schen Herrschaftsorganisation durchaus im Wege sein kann. Die Anordnungen des Marcellus wurden zwar vom Senat bestätigt 129 , doch flammten die Kämpfe auf der Insel von neuem auf, als es dem von Hannibal nach Sizilien gesandten numidischen Reiterführer Myttones gelang, die letzten Stützpunkte der Karthager, vor allem Agrigent, erfolg reich zu halten 130 . Erst nach dem Übertritt dieses Mannes auf die Seite Roms infolge ständiger Kompetenzquerelen im karthagischen Lager nahm der Nachfolger des Marcellus, M. Valerius Laevinus, Agrigent, was den diesmal endgültigen Abfall der verbliebenen karthagischen Stützpunkte von der verloren geglaubten Sache zur Folge hatte 131 . Laevinus hat nun die Neuordnung Siziliens gemäß den von .Marcellus; praktizierten M a x m Ende geführt ur^jrnit dem Fri Insel den Rechtsstatus verliehen, den sie bis zum Ersten Sklavenkrieg behalten sollte. Zu fragen ist zunächst nach der nach dem Willen des Siegers in bleibender Untertänigkeit verharrenden Staatenkategorie. Die Einrichtung tributpflichtiger Gemeinden weist unmißverständlich auf jiie_Übernahme der lex Hieronica hin, die Hieron die Grundlagen seiner Macht und, im Gegensatz zu Rom, die Möglichkeit verschafft hatte, Getreide und son stige Anbaugüter im Überfluß zu produzieren. Die Erkenntnis der Effek tivität der auf diesem Gesetz beruhenden Wirtschaftsform muß dem Senat und den in Sizilien kämpfenden Feldherrn in den ersten Kriegsjahren auf dramatische Weise klargeworden sein, da ihre Heere ständige Versorgungs schwierigkeiten hatten und die schier unerschöpfliche Hilfe des Königs in Anspruch nehmen mußten 132 .
129
130 131 132
Liv. 26,32,5f. Zu der vorausgegangenen Senatsdebatte über die Beschwerden der Syrakusaner gegen Marcellus s. A. LIPPOLD, Consules, 1963, S. 265ff. Liv. 26,21,14ff. Liv. 26,29-32; 40. Zu den Nachschubproblemen, vor denen die römische Führung vielfach kapitulieren mußte, vgl. etwa den Bericht des Livius (23,21,1 f.) über die Situation auf Sizilien und Sardinien im Jahre 216, als die Prätoren beider Provinzen dringende Hilferufe nach Rom sandten, da sie für ihre Truppen weder Getreide noch Geld zur Verfügung hatten und die Lage erst durch eine großzügige Spende Hierons stabilisiert werden konnte. In vielen Fällen wurden den eroberten Städten Getreidelieferungen als Kriegsentschädigung auf erlegt (Liv. 23,41,7) oder von den Unterworfenen überhöhte Steuern und Natural leistungen eingetrieben (Liv. 23,32,9), die natürlich Abfallbewegungen geradezu heraus forderten. 215 wurde der Senat selbst am ägyptischen Hof um Getreiclelieferungen vor stellig (Polyb. 9,lla,l. Liv. 27,4,10; dazu M. HOLLEAUX, Rome, la Grece et les'monarchies hellenistiques au troisieme siecle av. J.-C., 1921, S. 66ff.). Weitere Belege bei F. W. WALBANK, Comm. on Polyb. II, S. 137, E. DE SAINT-DENIS, LEC 9 (1940) S. 129f.
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Erstes Ziel des Siegers konnte demnach nur sein, auch nach der Zer störung des syrakusanischen Reiches die wirtschaftliche Kraft des Landes aufrechtzuerhalten und ein Gleiches in den übrigen Teilen der Provinz zu erreichen, da der Krieg gegen Hannibal noch lange nicht entschieden war und die Versorgung Italiens und der Heere sichergestellt werden mußte. Ohnehin hatte der aus dem Erlaß der lex Claudia ablesbare Aufschwung des Handels mit Sizilien dessen wirtschaftliche Bedeutung ins rechte Licht gerückt und ermöglichte nach dem Sieg die schnelle Konzentration von Ideen, Energien und Interessen auf dieses Problem. Dementsprechend begann Laevinus sofort nach der Befriedung mit dem Wiederaufbau des gestörten Wirtschaftslebens,: consul (sc. Laevinus) . . . coegisset Siculos positis tandem armis ad agrum colendum animos convertere, ut esset non incolarum m o d o alimentis frugifera insula, sed urbis Romae atque Italiae, id quod multis saepe tempestatibus fecerat, annonam levaret 133 . Dieser von Laevinus nicht zuletzt wegen der kriegsbedingten schwieri gen Versorgungslage eingeleitete Ausbau Siziliens zum ökonomischen Nutzobjekt mit Hilfe der lex Hieronica hat die in dieses Projekt gesteckten Erwartungen weit über den eigentlichen Anlaß hinaus erfüllt, wie die um fangreichen Getreidelieferungen aus der Provinz in den Jahrzehnten der Auseinandersetzung mit den hellenistischen Staaten des Ostens zur Ge nüge zeigen 134 . D_^ Erfolg bestimmte Auffassung von dem, was die .eroberten G e b ^ und in .welche Richtung der Ausbau neuer Provinzen zu treiben'war. Ihre Charakteri sierung als praedia p.R. (d. h. als Ausbeutungsobjekte des römischen 133
134
Liv. 26,40,15. Vgl. die Rede des Laevinus über die Lage in Sizilien vor dem Senat nach Liv. 27,5,5: desertam recoli tandem terram, frugiferam ipsis cultoribus populoque Romano pace ac bello fidissimum annonae subsidium. Die wirtschaftliche Reorganisation der Insel wurde mit soviel Elan vorangetrieben, daß der Senat im Jahre 207 die Konsuln ermahnen mußte, nicht nur für den Anbau in Sizilien, sondern auch für die Wiederher stellung des römischen Bauernstandes Sorge zu tragen (Liv. 28,11,8: consules . . . moniti ab senatu sunt, ut in agros reducendae plebis curam haberent; . . . minime convenire Siciliae quam Italiae colendae maiorem curam esse), und bereits im Jahre 202 kam es zu einem Überangebot sizilischen und sardinischen Getreides auf den römischen Märkten (Liv. 30,38,5: per eos dies commeatus ex Sicilia Sardiniaque tantam vilitatem annonae effecerunt, ut pro vectura frumentum nautis mercator relinqueret). Zu den einzelnen Phasen des ökonomischen Ausbaus s. V. M. SCRAMUZZA, Roman Sicily, in: ESAR III, 1937, S. 233f., A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 210ff., R. SCALAIS, La restauration de Pagriculture sicilienne par les Romains, Musee Beige 27 (1923) S. 243ff., La Prosperite agricole et pastorale de la Sicile depuis la conquete romaine jusqu'aux guerres serviles, ebda. 28 (1924) S. 79ff., J. CARCOPINO, La Sicile agricole au dernier siecle de la republique, Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 4 (1906) S. 128ff. Liv. 29,36,1 f. 33,42,9. 37,2,12; 50,9. 42,31,8.
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Volkes) durch Cicero 135 kennzeichnet das Ergebnis eines Entwicklungs prozesses, an dessen Anfang die erste Vorstellung davon, was die römische Herrschaft überhaupt an effektivem Nutzen bringen sollte, an die Wirk samkeit des hieronischen Wirtschaftssystems geknüpft war. Die Ausdehnung der lex Hieronica auf ganz Sizilien bedingte die Über tragung der von Hieron entwickelten Verwaltungs- und Steuerungsmecha nismen, deren Ziel eine zentrale Kontrolle des Bebauers, der von ihm be bauten Parzellen und des erzielten Bodenertrages war 136 . Notwendig damit verbunden waren Eingriffe in die autonome Selbstverwaltung der sizilischen Städte, denen das Aufbringen der Steuer nicht selbst über lassen, sondernanPächter übergeben _wurde, deren Kontrolle dem römi schen Prätor oblag. So sahen sich die städtischen Gerichte, sofern sie über haupt mit den die lex Hieronica betreffenden Fällen befaßt wurden, an die höhere Weisung des Gesetzes und des römischen Statthalters gebunden 137 . Rom übernahm so die von Hieron seit der Einführung der zehnprozentigen Ertragssteuer praktizierten Eingriffsvorbehalte in die Selbstverwaltung der untertänigen Gemeinden, die im hellenistischen Osten keine Parallelen haben 138 . An der Rechtsstellung dieser Gemeinden 139 gegenüber Hieron muß sich Laevinus schon auf Grund der Übernahme der lex Hieronica auch bei seiner übrigen Organisationstätigkeit orientiert und damit zum erstenmal die Frage nach der Rechtsform der Untertänigkeit gestellt haben. Das Verhältnis der im hieronischen Machtbereich liegenden Gemeinden war zum einen bestimmt durch den Eintritt in~einHBundesgenbssenschaftsverhältnis^ das per se die juristisch fixierte Untertänigkeit ausschließt, und zum anderen durch die Unterwerfung unter die lex Hieronica, aus der ein direktes Untertanenverhältnis der gesamten Kontribuentenschaft hervor ging. Die bestehende Bundesgenossenschaft konnte also die Usurpation 135
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137
Cic. 2 Verr. 2,3,7: Et quoniam quasi quaedam praedia p. R. sunt vectigalia nostra atque provinciae, quem ad modum vos propinquis vestris praediis maxime delectamini, sie populo Romano iueunda suburbanitas est huiusce provinciae. Vgl. dazu H. D. MEYER, Cicero und das Reich, Diss. Köln 1957, S. 228ff., F. D E MARTINO, Storia della costituzione romana II, S. 281 gegen T. FRANK, JRS 17 (1927) S. 141. Das konstruktive Prinzip der lex Hieronica wie die Modalitäten ihrer Anwendung sind in Umrissen bekannt, s. M. ROSTOVTZEFF, Geschichte der Staatspacht, 1902, S. 350ff., J. CARCOPINO, La loi de Hieron 1914, H. BERVE, Hieron IL, 1959, S. 67f.; pass., A. J. TOYNBEE, aaO. II, S. 224ff., R. T. PRITCHARD, Historia 19 (1970) S. 352ff. Cic. 2 Verr. 2,32.
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H. BERVE, Hieron IL, S. 62
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Nach dem Frieden mit Rom 263/2 Akrai, Neeton, Heloros, Leontinoi, Megara Hyblaia und andere unbekannte kleinere Städte: Diod. 23,4,1. H. Berve, aaO. S. 50.
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Die Unterwerfung Siziliens
der Herrschaftsgewalt Hierons im wirtschaftlich-ökonomischen Bereich auf Grund der überlegenen Macht des Königs und der Stadt Syrakus nicht verhindern, jedoch geht aus ihrem institutionell unveränderten Weiter bestehen eindeutig hervor, daß Hieron nicht als Grundeigentümer, son dern nur kraft überlegener Herrschaftsgewalt die Praktizierung seines Steuersystems begründen konnte 140 . Das erste wäre nur dann denkbar ge wesen, wenn er die in seinem Herrschaftsbereich gelegenen Städte mit Ge walt erobert und als sein Eigentum behandelt hätte. Die in den Quellen zur Bezeichnung des bestehenden Rechtsverhält nisses gebrauchten Begriffe spiegeln die beiden Pole der hieronischen Herrschaft. N u r in den Fällen, in denen die zwischenstaatliche Struktur der Beziehungen zwischen Stadt und Monarch noch tatsächliche Relevanz besaß, taucht der Begriff der Symmachie auf141; in allen anderen Fällen wird die mit der lex Hieronica aufgezwungene Untertänigkeit auch als solche bezeichnet 142 . Basis und Ausgangspunkt der hieronischen Herrschaft war also die lokale Autonomie der abhängigen Städte, in deren innere Angelegenheiten der König nur soweit eingriff, soweit das für das Funktionieren seines Steuersystems notwendig war. Da auch im karthagischen Machtbereich die Selbstverwaltung der zur Epikratie gehörenden Städte mit Sicherheit unangetastet blieb, sah sich der römische Sieger einer auf der Autonomie der Abhängigen und Unterworfenen beruhenden Ordnung gegenüber, die er zwar de iure auf Grund des Siegerrechtes von Grund auf hätte ändern können, wozu er d r f a c t o jedoch gar nicht in der Lage war,: ^da als Alternative zur städtischen Selbstverwaltung nur der Aufbau eines eigenen 140
So richtig T. FRANK, JRS 17 (1927) S. 141 ff., H. BERVE, aaO. S. 52 gegen M. ROSTOVTZEFF, Staatspacht, S. 353ff., Studien zur Geschichte des römischen Kolonates, 1910, S. 234f., J. CARCOPINO, aaO. S. 67ff., die auf Grund der großen Ähnlich keit der lex Hieronica mit dem Steuergesetz des Ptolemaios Philadelphos (U. WILCKEN, Chrestomatie, nr. 181. 249. 258. 299) auch auf die Gleichheit der Rechtsgrundlagen beider Gesetze schlössen. 141 Das gilt zunächst vor allem für die Präliminarien zwischen Rom und Karthago (Polyb. 1,62,8). Dementsprechend werden auch beim Abschluß des Friedensvertrages mit Hieron 263/2, obwohl das nicht ausdrücklich überliefert ist, in den Einleitungsformalien neben Hieron und Syrakus die Bundesgenossen als Vertragspartner genannt worden sein. Vgl. auch Liv. 23,30,12f. (zum Versuch des Gelon, Syrakus und die socii zum Abfall von V Rom zu bewegen). Der Terminus Symmachos (socius) umschreibt also auch hier einen nur noch formal bestehenden Tatbestand und sagt über die konkrete Ausprägung des Verhältnisses nichts aus; vgl. E. BIKERMAN, Rev. de Phil. 13 (1939) S. 339; 346f. 142 Vgl. Polyb. 2,1,2 (dazu A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 173). 1,83,3. Diod. 23,4,1. Liv. 24,29,7 (zur Forderung der Syrakusaner nach dem Tode des Hieronymos, ut quicumque populi sub regibus fuissent, et suae dicionis essent). 22,56,7. 24,7,9. H. BERVE, aaO. S. 51.
e Begründung der Territorialherrschaft
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Beamtenapparates denkbar ist. Bekanntlich hat kein antiker Staat Formen territorialer Beherrschung entwickelt, die über die Stadt hinausgereicht hätten, so daß dieser Punkt nicht weiter zu verfolgen ist. Die praktische Ausübung der durch den Sieg gewonnenen Verfügungsgewalt über die sizilischen Städte war von vorneherein auf die Möglichkeit eingeschränkt, innerhalb der bestehenden städtischen Gliederung Siziliens (a) eine auf der Autonomie der einzelnen Gemeinden beruhende Herrschaftsordnung auf zurichten und (b) die Verpflichtungen der Unterworfenen gegenüber Rom entsprechend ihrer Verdienste für die Sache des Siegers während des Krieges abzustufen oder ganz auf sie zu verzichten.
6. Die Begründung der Territorialherrschaft Die Entscheidung der Senatsaristokratie, größere Territorien als Pro vinzen einzurichten, in denen sich bestimmte Formen der Untertänigkeit bereits ausgeprägt und über einen längeren Zeitraum hinweg ihre Brauch barkeit auch bewiesen hatten, ergab sich nicht aus einer klaren Zielvor stellung, die planvoll verwirklicht worden wäre. Vielmehr führten eine Reihe von einzelnen nach den jeweiligen Erfordernissen getroffenen Ent schlüssen die römische Politik an einen Punkt, wo die Institutionalisierung der Herrschaft in der Form der dauernden Entsendung eines Imperium trägers die den Umständen entsprechende einfachste und zugleich effek tivste Lösung war. Dessen Aufgabenbereich war zunächst von den militä rischen Notwendigkeiten bestimmt, die sich aus der befürchteten neuen Konfrontation mit Karthago ergaben. Jedoch genügte allem die Tatsache der ständigen Anwesenheit und der absoluten Machtfülle eines Prätors, um seine zivilen Funktionen in den Vordergrund treten zu lassen, die schließlich nach der Übertragung der lex Hieronica auf ganz Sizilien eine breite Skala administrativer und jurisdiktioneller Tätigkeit umfaßten. Der eigentliche Kompetenzbereich der Prätur in Rom, die Jurisdiktion, wird so auch in den Provinzen der zentrale, der allerdings hier materiell und formell ungebunden ausgefüllt werden konnte. Zusammen mit den mili tärischen Funktionen ergab sich daraus eine Machtfülle, die schließlich die Funktionsfähigkeit des Systems überhaupt in Frage stellte und herrschafts soziologisch gesehen die Führungsschicht auseinanderdividierte. Die Praxis der Senatsaristokratie, jeweils akute Aufgaben mit improvi sierten ad-hoc-Lösungen zu meistern, vermittelt auf den ersten Blick den Eindruck einer erstaunlichen Flexibilität in außenpolitischen Grundsatz-
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entscheidungen. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man die breite Skala von praktizierten Lösungen ins Auge faßt. So führte die Intervention in Illyrien zur Begründung von Amicitiaverhältnissen, die dem ange strebten Ziel, an der Italien gegenüberliegenden Adriaküste wohlwollend gesinnte Nachbarn zu wissen, durchaus gerecht wurden. Gefunden war mit diesem völkerrechtlichen Instrument die Form außenpolitischer Kon takte, die das römische Interesse an den griechischen Städten und der Staatenwelt des östlichen Mittelmeerraumes adaequat zum Ausdruck brachte und zugleich flexibel genug war, um die Wandlungen dieses Inter esses und die bis 168 eingetretenen politischen Veränderungen in diesem Raum völkerrechtlich regulierbar zu machen. Die 230-180 in Oberitalien getroffene Entscheidung zur letzten Ausweitung der Wehrgemeinschaft ist das Ergebnis der zweifellos richtigen Einsicht, daß die Wehrkraft der kelti schen Stämme angesichts der geographischen Gegebenheiten nicht neu tralisiert werden konnte und daher den römischen Zielen dienstbar ge macht werden mußte. Diese von ihrer Effektivität her besehen so erfolgreiche Politik der adhoc-Improvisation verbirgt jedoch in ihrem Kern eine starre und inflexible politische Struktur, die in den Besonderheiten des Entscheidungsträgers begründet liegt. Alle außenpolitischen Entscheidungen waren ungeachtet der verfassungsmäßigen Rechte der Komitien die alleinige Domäne der Senatsaristokratie, die ihren Herrschaftsanspruch nur solange garantiert sah, solange die Solidarität in ihren eigenen Reihen eine gar nicht.weiter reflektierte .Selbstverständlichkeit war. Dies wiederum konnte nur gewähr leistet sein, wenn die soziale Basis dieser Solidarität, die ungefähr gleiche Verteilung der politischen und sozialen Klientel, nicht beseitigt wurde. Nicht von ungefähr blieb dieser Punkt geradezu sakrosankt im Bewußtsein der Nobilität. Alle ihre Entscheidungen wurden, ohne daß die führenden Nobiles die Besonderheiten ihrer Sozial- und Herrschaftsverhältnisse wirklich durchdacht hätten, eingespannt zwischen die Pole von gleicher dignitas und gleicher sozialer Machtbasis aller Aristokraten, deren sinn fälligster Ausdruck die Klientel war. Jede Erweiterung der Bürgerschaft, jede durchgeführte Kolonisation und jede Ausdehnung des Herrschafts raumes erschloß dem einzelnen Aristokraten potentiell die Möglichkeit, aus dem Kreis der gleichen Ersten politisch und ökonomisch herauszutreten und damit das Fundament des gemeinsamen Regiments zu unterminieren. Von hierher besehen war die Erweiterung des Oberamtes um zwei Prätoren, die die Funktionen von uneingeschränkt regierenden Statthaltern ohne_kollegiale Kontrolle übernahmen, bereits ein nicht mehr kalkulier-
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bares Risiko, das man 197 bei der Provinzialisierung Spaniens wiederholte, bevor der Senat die ganze Tragweite dieser Maßnahme begriff und sie künftig nicht mehr anwandte. Bei Wegfall aller Sicherungen, die der römi sche Staat ansonsten gegen eine selbstherrliche Amtsführung eingebaut hatte (Kollegialität, Intercession, gesetzliche Schranken), mußte der Senat, rechtlich ohne Kompetenzen, die Wirksamkeit semer_ Anordnungen im provinzialen Bereich einzig davon abhängig machen, daß der Statthalter nicht vergaß, daß er nach seiner Amtszeit in den Kreis der Senatsaristo kratie zurücktrat und hier seinen politischen und sozialen Rang nicht gegen den Willen seiner Standesgenossen behaupten konnte. Die Expan sionskriege des 2. Jhdts. und die Zahl der zu beherrschenden Staaten, die die verzweifelte hellenistische Welt dem Senat vor die Füße geworfen hatte, ließen auch diesen Damm brechen. Die sozialen Bedingungen der Herrschaft der Nobilität sind dafür ver antwortlich, daß Rom an einer Ausweitung des Herrschaftsraumes nur in soweit interessiert sein konnte, soweit die anzuwendenden Formen der Beherrschung die soziale und politische Macht der Aristokratie nicht zerstörten. Der Hunger nach gesteigerter Macht und Reichtum, der die römische Führungsschicht nicht minder anspornte als vergleichbare Ari stokratien sonst auch, hatte hier seine natürliche Grenze, die erst der Zu sammenbruch der gesamten mittelmeerischen Staatenwelt illusorisch wer den ließ. Der soziale Kontext der römischen Herrschaftsentfaltung macht auch begreifbar, warum der improvisatorische Charakter des Entscheidungsprozesses ~für die römische Außenpolitik seirdem Ersteh Punischen" Krieg so typisch ist und wo die Unfähigkeit der Republik zu tiefgreifenden administrativen und politischen Reorganisationsversuchen selbst in einer Zeit herrührt, in der das Provinzialregiment für die Unterworfenen unerträglich geworden war und die Substanz der Herrschaft der Senats aristokratie zu zerstören begann. Dies war vom System her betrachtet die Konsequenz einer improvisierend arbeitenden Entscheidungsmaschinerie und soziologisch gesehen die Folge der Herrschaftsbedingungen der aristokratischen Operateure. Der Verzicht auf die Ausweitung der italischen Wehrgemeinschaft in Sizilien ist daher nicht deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil dadurch ein neues Strukturelement in der römischen Außenpolitik auf taucht, sondern weil der Stadtstaat R o m d a m i t -zwar:_fflght_ sofort und konsequent, aber^ auf das Ende hin besehen, eben doch - die Herrschafts form.verläßt, die ihm als solchem am angemessensten war. Dies gilt nicht nur für die sozialen Voraussetzungen territorialer Herrschaft,- sondern auch
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für die Organisationsformen, die ein Stadtstaat entwickeln kann. Das die Wehrgemeinschaft tragende föderative Prinzip wurzelte in der Überzeu gung, daß jede Art von Beziehungen, die man als Stadtstaat zu einem an deren Staat aufnahm, auch dort, wo es um die Aufrichtung von Herrschaft ging, am besten durch vertragliche Abmachungen herzustellen war und sich im völkerrechtlichen Raum am besten entfalten konnte. Für Rom gilt wie für jede griechische Stadt, daß jede andere Form von Herrschaft den Aufbau einer Verwaltung mit der dazugehörigen Beamtenschaft gefordert hätte, zu der genügend geeignete Kräfte gar nicht vorhanden waren und die, wären sie vorhanden gewesen, das innere Gefüge des Staates gesprengt hätten. Daraus folgt, daß die Provinzialherrschaft von dem Augenblick an, von dem sie aus dem Stadium reiner militärischer Machtausübung heraus kam und in Provinzialordnung überführt wurde - was auf die Dauer gar nicht anders denkbar war - die Kapazität der Republik überforderte. Als zu dem Herrschen das Regieren hinzukam, war der Aufbau eines Apparates unerläßlich, der nur, wie seit Augustus tatsächlich geschehen, durch die Hereinnahme neuer Führungsschichten in das bestehende Machtgefüge funktionieren konnte. Geht man davon aus, daß die Fähig keit eines Entscheidungssystems, neue Verfahrensweisen der Beherrschung zu erfinden, von seiner Fähigkeit abhängt, die Kenntnisse über einge tretene politische Entwicklungen zu neuen Mustern von Lösungsmöglich keiten zusammenfügen, so bot die inflexible politische Struktur Roms dazu wenig Spielraum. Die Möglichkeiten einer Führungsschicht, in ihrem bisherigen -Erfahrungshorizont nicht aufgetauchte Probleme wirksam vorauszusehen und darauf zu reagieren, haben dort ihre Grenzen, wo die Beseitigung der eigenen unangefochtenen Machtposition Teil der zu ent werfenden Lösung sein muß. Die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Umgewichtung der vorhandenen Machtstruktur war für die Nobilität eine „übermäßige" Herausforderung (Toynbee), die allenfalls in einer existenz bedrohenden Krise (ζ. Β. von der Größenordnung des Bundesgenossen krieges) hätte angenommen werden können. In dem Maße, in dem die Nobilität durch die Herrschaft einzelner ihrer Mitglieder über große terri toriale Räume um den Bestand ihrer Macht als geschlossene Führungs schicht fürchten mußte, in dem Maße verfiel ihre Fähigkeit, das von
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konnte. Worum es ihr ging und was ihr zu wissen genügte, war, daß nichts in Sizilien ohne ihr Machtwort geschehen konnte und daß alles, was immer dort geschah, dem römischen Nutzen dienen mußte, und der schrieb zunächst nur vor, daß die Besiegten das Faktum der römischen Herrschaft widerspruchslos hinnahmen. Auch als die Dinge eine eigene Dynamik entwickelt hatten und zu einem stärkeren Engagement zwangen, verlor man in Rom mit guten Gründen nie die Gewißheit, daß, komme was wolle, die Legionen jede innere und äußere Bedrohung beseitigen konnten. Diese Gewißheit hat denn auch in den folgenden Jahrhunderten des Weltreiches nie getrogen, so daß kein gewaltsamer Anstoß von sehen der Unterworfenen oder von den außerhalb des Herrschaftsgebietes leben den Völkern die Republik gezwungen hat, aus Gründen der Selbsterhal tung die provinziale Herrschaft so zu organisieren,„daß jiiejmejir_war. als ten Ausbeutung der Unterworfenen. Es zeigt sich hier als einer der wichtigsten Attribute der politischen Macht die Fähigkeit, auf Grund der verfügbaren Ressourcen einen relativ großen Handlungsspielraum zu besitzen, der gleichzeitig eine hohe Fehler marge einschloß. Was immer Willkür und Ausbeutung in den Provinzen anrichteten, diese Fehler schlugen nicht als unmittelbar schwerwiegende Schäden auf die Urheber zurück, da die nahezu unbegrenzten militäri schen Mittel Roms jede aus den Provinzen oder den Nachbarstaaten kommende"Bedrohung der Sicherheit nicht zuließen. Selbst der an dramaSscKeh Höhepunkten gewiß nicht arme Krieg des Mithradates VL Eupa^ tor, der zeitweise ganz Kleinasien und weite Teile Griechenlands in den Widerstand gegen die römischen Herren riß, vermochte deren Herrschaft im Osten nicht ernsthaft in Frage zu stellen. Die Selbstverständlichkeit, mit der die Legionen selbst Gefahren dieser Größenordnung beseitigten, wurde Bestandteil der Methode und Strategie einer Führungsschicht, deren politischer Realitätsverlust den Punkt erreicht hat, wo die Notwendigkeit der Übernahme verwaltungstechnischer Ordnungsfunktionen nur parallel zum Prozeß der Selbstparalysierung der führenden Aristokratie erkennbar wurde. Der eigentliche Unterschied zwischen der Phase der Eroberung Italiens und der Eroberung des Weltreiches wird also aufgeschlüsselt durch die Frage nach der dem System adaequaten Herrschaftsorganisation und nach seiner Fähigkeit, sich selbst entsprechend den neuen Herrschaftsaufgaben zu verändern, ohne die eigene Identität aufzugeben. Dies ist nicht eine Frage nach dem Wollen, sondern nach den grundsätzlichen Möglichkeiten
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eines Systems, die von der Flexibilität seiner Struktur, seinen Hilfsmitteln und seiner Bewegungsfreiheit gegenüber konkurrierenden Alternativen be stimmt werden. Die Einigung Italiens unter der römischen Herrschaft auf föderativer Basis paßte in den Rahmen der mediterranen Konzeption des Stadtstaates, und das angewandte Prinzip der Herrschaftserrichtung durch vertragliche Angliederung galt für die griechischen Städte ebenso wie für Rom 1 4 3 . Anders - und darin liegt der Grund des römischen Erfolges - war nur die Art und Weise der Ausführung. Ein kurzer Blick auf die von Griechen und Römern gleichermaßen praktizierte Kolonisation macht dies paradigmatisch klar: Von beiden wurden die entsandten Kolonien (für Rom sind hier die latinischen Kolonien relevant) als selbständige Staaten eingerichtet, von Rom von vorneherein jedoch unter strategischen Ge sichtspunkten angelegt und durch den Abschluß eines unbefristeten Bun desgenossenschaftsvertrages so an die Vormacht gefesselt, daß Cicero sie mit vollem Recht die eigentlichen Bollwerke (propugnacula) der römischen Herrschaft über Italien nennen konnte 144 . Erklärt ist damit allerdings nur der römische Erfolg in Italien, nicht jedoch der Schritt von der Herrschaft mittels Verträgen zur Herrschaft durch Ausbildung von Untertänigkeit. Auch hier hilft ein Vergleich mit den griechischen Verhältnissen weiter. In einem wesentlichen Punkt unterscheidet sich nämlich die römische Expansion in Italien grundsätzlich von den Versuchen griechischer Städte, Herrschaften zu begründen. Ich meine die Inkorporation, die zunächst durch die Einbeziehung des fremden eroberten Territoriums in den ager Romanus und die Aufnähme der überlebenden Bevölkerung in Rom, dann aber, als man auf die ersten stammfremden Städte (Caere) stieß, in der Form der Beibehaltung der kommunalen Autonomie der Eroberten, ver bunden mit der Gewährung des Voll- oder Halbbürgerrechts (dies gehand habt nur für eine Übergangszeit), ausgeübt wurde 145 . Die Konsequenz war, daß Rom binnen verhältnismäßig kurzer Zeit sein städtisches Terri torium so vergrößerte, daß nur noch ein kleiner Teil seiner Bürger über143 144 145
Hierzu und zu dem Folgenden A. HEUSS, Herrschaft und Freiheit, S. HOff. Zur Organisation vgl. A. HEUSS, RG 3 , S. 61 ff.; J. BLEICKEN, Chiron 4 (1974) S. 392ff. Zum Gedankengang A. HEUSS, Herrschaft und Freiheit, S. 112. Die gleiche Rechts stellung kommt den römischen Bürgerkolonien zu, deren Unterschied zu den Muntzipien rein historisch nach der verschiedenen Form ihrer Entstehung begründet ist. Traten die Munizipien als ursprünglich souveräne Gemeinwesen in die römische Bürger gemeinde durch Verleihung des Bürgerrechtes ein, so wuchsen die römischen Kolonien aus dieser Bürgergemeinde heraus und bildeten von Anfang an als Bestandteil einer römi schen Tribus eine planmäßig angelegte Gemeinde von römischen Bürgern auf römischem ager publicus (Gell. noct. Att. 16,13,8. U. VON LÜBTOW, Das römische Volk, 1955, S. 639).
.e Begründung der Territorialherrschaft
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haupt in der Lage sein konnte, das Bürgerrecht auszuüben, was bekannt lich nur in der urbs möglich war, da alle staatlichen Rechtsakte an den Boden der Stadt gebunden waren und von hier ihren Ausgang nehmen mußten. Für eine griechische Stadt hatte sich eine derartige Ausbreitung ihrer Struktur als Lebensgemeinschaft der Bürger nach immer verboten 146 . Entscheidend an diesem Sachverhalt ist, daß das römische Staats verständnis nicht a priori auf eine territoriale Begrenzung des Staates hin festgelegt ist, sondern den römischen Staat dort als existent ansieht, wo ciyes Romani leben, ganz unabhängig davon, ob sie nun als solche ihre Rechte ausüben konnten, oder nicht 147 . Theoretisch stand damit einer un begrenzten territorialen Ausdehnung Roms nicht im Wege, was auf die Einrichtung von Untertanengebieten bezogen heißt, daß im römischen Be wußtsein dem damit eingeleiteten Übergang vom Stadt- zum Territorial staat nicht von vorneherein eine unüberwindliche Barriere entgegenstand. Die Einrichtung der sizilischen Provinz bedeutet somit auch ,,die erste Preisgabe ,stadtstaatlichc bestimmten Denkens zugunsten einer mehr terri torial gerichteten Staatsauffassung"148. Konkret heißt das zunächst, daß Herrschaft in der Form der Schaffung von untertänigen Gebieten denkbar wurde 1 4 9 , obwohl Untertänigkeit in Rom faktisch und begrifflich bis zu
146
Dies bestimmte auch die Definition der Polis bei Piaton und Aristoteles, vgl. E. MEYER, Vom griechischen und römischen Staatsgedanken, in: Eumusia, Festgabe E.
147
Zu der hier nicht zu verfolgenden römischen Staatsauffassung s. E. "MEYER, aaOT S. 30ff., G. JELLINEK, Allgemeine Staatslehre3, 1928, S. 292ff., W. SUERBAUM, Vom antiken zum frühmittelalterlichen Staats begriff, 1961, S. 1 ff.; pass. Der hier nur ge streifte Fragenkomplex läßt sich befriedigend nur in strenger Auseinandersetzung mit dem neuzeitlichen Staatsbegriff klären, vgl. etwa W. MAGER, Zur Entstehung des modernen Staatsbegriffes, Abh. Mainz. Ak. Wiss. Geistes- u. Sozialwiss. Kl., 1968, 9, D. NÖRR, Der Staat 6 (1966) S. 353 ff. und C H . MEIER, Gnomon 41 (1969) S. 373
148
A. VON STAUFFENBERG, Foederati, S. 42. STAUFFENBERG hat, gestützt auf E. TÄUBLER,
HOWALD, 1947 L S.^3f.^36.
149
J~
H. HÖRN und A. HEUSS noch einmal klargemacht, daß die Anschauung TH. MOMMSENS, das Imperium sei eine nur weniger konsolidierte Erweiterung der italischen Wehr gemeinschaft, nicht zu halten ist. Das Athen der Pentekontaetie ist soweit nicht gekommen. Die ursprünglich förderative Struktur des attisch-delischen Seebundes, in dem die Rolle Athens im Gegensatz zu der Roms in der Wehrgemeinschaft nicht bereits vom Gründungsakt her als die der Vormacht konzipiert worden war (H. D. MEYER, Historia 12 (1963) S. 405ff.), wurde im Lauf der Entwicklung zwar aufgegeben, aber nicht durch einen neuen Herrschaftsapparat und eine neue auf diesen zugeschnittene ideologische Begründung ersetzt (vgl. A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 7ff., Herrschaft und Freiheit, S. 112). Athen blieb der griechi schen Vorstellung der Polis als Personalverband verhaftet, zu dem das Territorium eben nicht wesensgemäß dazugehört, so daß die dem modernen Staatsbegriff selbstver ständliche Identifizierung zwischen Staat und Territorium erst hätte vorgenommen
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Die Unterwerfung Siziliens
diesem Zeitpunkt nie als Dauerzustand, sondern nur als aus der Rechts folge von Dedition und Eroberung resultierendes Provisorium bis zur Ein richtung einer definitiven Ordnung (d. h. Restitution oder Inkorporation) bekannt war. Diese Untertänigkeit war mit der aus dem Kriegsrecht be gründeten absoluten Verfügungsgewalt des Siegers identisch und konnte nur als vorübergehend gedacht sein. Ihre Perpetuierung mußte sie zwangs läufig ihrem Wesen nach ändern, da sie sich als Dauereinrichtung ohne Rechtsform von selbst aufgelöst hätte. Es bedurfte bei dieser Rechtsform keiner besonderen römischen Initia tive. Die Konsequenzen des einmal gefaßten Entschlusses, Herrschaft in Sizilien durch einen Prätor auszuüben, führten von selbst dazu. Als nach der Kapitulation von Syrakus die Übertragung der lex Hieronica auf die ganze Insel als die wirtschaftlich vielversprechendste Lösung erschien, be deutete dies praktisch, daß die Untertänigkeit neben dem absoluten Regi ment des Statthalters ihren ^zweiten sinnfälligen Ausdruck in der dauerndsiLJ^hföbi?]^^^ Die rechtlichen Modalitäten orientierten sich nach dem Gesetz des Königs Hieron und richteten sich nach den von ihm geschaffenen Grundlagen aus: Die Unterworfenen be wahrten ihre kommunale Autonomie und ihr Boden blieb ager peregrinus oder wurde als ager publicus Romanus in bestimmten Fällen eingerichtet, was einer gesonderten.Entscheidung in Rom bedurfte 151 . Der Vorgang der Provinzialisierung ist nicht identisch mit der Übernahme des Obereigen tums an Grund und Boden der Unterworfenen, so daß die römische Provinzialherrschaft keine neue bodenrechtliche Qualität schuf152. Pro vinzialisierung hieß die JÜbernÄhme_^der politischen Gewalt,„die.in diesem speziellen Fall_ die^ Weiterführung der als effektiv beobachteten Normen
150
151
werden müssen, um mit dem bis dahin fehlenden Ausdruck für Staatsgebiet auch die Vorstellung der Gebietshoheit zu gewinnen; vgl. F. HAMPL, Polis ohne Territorium, Klio 32 (1939) S. 1 ff.; 55ff., F. GSCHNITZER, Gemeinde und Herrschaft, SB Ost. Ak. Wiss., phil.-hist. Kl. 235, 3, 1960. Diese war, solange der Status der Untertänigkeit nur als Ubergangsstadium verstanden wurde, nur in der Form von ephemeren Entschädigungen für entstandene Kriegskosten, den Unterhalt und die Besoldung der im feindlichen Land stationierten Truppen denkbar gewesen. - Zur späteren ideologischen Begründung der Tributpflicht s. Cic. ad Q. fr. 1,1,34: id autem Imperium cum retineri sine vectigalibus nullo modo possit, aequo aninio parte aliqua suorum fructuum pacem sibi sempiternam redimat atque otium. So wurden das frühere Königsland im syrakusanischen Gebiet und der leontinische Acker 212 v. Chr. zugunsten des römischen Volkes eingezogen und den früheren Besitzern auf dem Wege der Pachtung gegen einen Bodenzins (vectigal) zur Nutzung überlassen ( T H . MOMMSEN, RStR. III, S. 730; 734; vgl. T. FRANK, JRS 17 (1927) S. 141 ff.).
152
Von grundlegender Bedeutung dazu sind jetzt die Ausführungen von J. BLEICKEN, In provinciali solo dominium populi Romani est vel Caesaris, Chiron 4 (1974) S. 359 ff.
ie Begründung der Territorialherrschaft
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der lex Hieronica implizierte. Die eingetriebenen Steuern sind somit ,,Ausdruck der römischen Herrschaft, nicht des römischen Eigentums" 153 Die auf dem Siegerrecht beruhende absolute Verfügungsgewalt, zu nächst und ihrem Wesen nach die Möglichkeit, jeden Herrschaftsmecha nismus zu installieren, der den Römern und ihrer politischen Umwelt theoretisch faßbar ist, hatte sich mit den ersten konkreten Rechtsformen der durch ihre Perpetuierung begründeten Untertänigkeit zur Herrschafts ausübung gewandelt. Die Summe der dabei in den folgenden Jahrzehnten gemachten Erfahrungen zog schließlich die lex Rupilia.
153
J. BLEICKEN, aaO.
S.
405.
II. Herrschaft als Ausübung von Gewalt: Die Provinzen der Republik 1. Provincia. Die Entwicklung des Begriffes Der Begriff provincia beinhaltete ursprünglich den Aufgabenbereich, den die Imperiumträger, entweder .unter _sich ausmachι ten „oder., der ihnen von Senat und Volk zugeteilt wurde,. Er diente erst dann zur Bezeichnung einer sachlichen und jräumlichen JVerwal tun ^ ajsjclie. Tätigkeitsgebiete_der_ Promagistrate in der Regel mit.den .^Grenzen^..der^Jii^torisch, gewachsejiejn^ Die Benennung der auf spanischem, afrikanischem und kleinasiatischem Boden eingerichteten Pro vinzen als Hispania, Africa und Asia sagt konkret nichts anderes, als daß in diesen geographischen Räumen die dorthin entsandten Imperiumträger die römischen Interessen im weitesten Sinne des Wortes zu wahren hatten, unter denen die militärische Sicherung des Untertanengebietes und die Durchsetzung des römischen Willens innerhalb dessen Grenzen natur gemäß den ersten Platz einnahmen 2 . Erst die Jahr.für Jahr geübte Anwen dung des Begriffes auf untertänige Länder und das Nebeneinander mehre rer Provinzen in einem geographischen Raum führte zur Gleichsetzung 1
2
Nach wie vor grundlegend TH. MOMMSEN, Ges. Schrift. IV, S. 92ff; RStR. I, S. 51, dessen Einengung des Begriffes auf den Wirkungskreis eines Imperiumträgers nicht un widersprochen geblieben ist. Zusammenfassende Behandlung bei F. DE MARTINO, Storia della costituzione romana I, S. 414ff., Ρ. Ρ. SPRANGER, Untersuchungen zu den Namen der römischen Provinzen, Diss. Tübingen 1955 (maschschriftl.), S. 170ff. Beide Wonbedeu tungen laufen bis in die frühe Kaiserzeit nebeneinander her; der ursprüngliche Sinn liegt zum Beispiel vor, als 60 v. Chr. der Senat_ den künftigen Konsuln Caesar und Bibulus die_Saumpfade...Italiens als.provincia bestimmt hatte (Suet. Caes. 19); dagegen hat sich die geographisQhe Wortbedeutung beLCicero durchgesetzt, wenn er die Provinzen als praedia populi Romani anspricht (2 Verr. 2,3,7; vgl. ad fam. 9,7,2). Der erste sichene Beweis für die sich verändernde Wortbedeutung ist, soweit ich sehe, die 174 v. Chr. von Tiberius Gracchus am Tempel der Mater Matuta angebrachte Siegesinschrift: Ti. Semproni Gracchi consulis imperio auspicioque legio exercitusque p. R. Sardiniam subegit. In ea provincia hostium caesa aut capta supra octoginta milia (Liv. 41,28,8). Ρ. Ρ. SPRANGER, aaO. pass., dessen engere Deutung, in dieser Namensgebung zeige sich ein imperialistischer Anspruch Roms auf noch nicht eroberte Gebiete in diesen Räumen (ebenso A. BETZ, Gymnasium 71 (1964) S. 269), der Einzelanalyse der Provinzialentwicklung nicht standhält; vgl. auch E. BADIAN, RI, S. 23.
/incia. Die Entwicklung des Begriffes
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von Verwaltungseinheit und magistratischem Funktionsbereich, notwen dig allein schon, um Kompetenzüberschreitungen zu vermeiden3. Es ent spricht dieser begriffsgeschichtlichen Entwicklung, daß der Terminus provincialis in republikanischer Zeit sehr selten und im offiziellen Sprach gebrauch nie zur Bezeichnung der untertänigen Provinzialbevölkerung verwandt wurde 4 . Die gleichen Voraussetzungen gelten für die begriffliche Ausweitung von Imperium als ,,Befehlsgewalt und Befehlsbereich des römischen Vol kes" 5 . Zunächst verstanden als Amtsgewalt eines römischen Beamten, hier der römischen Provinzialstatthalter, wurde der Begriff ausgedehnt auf das Amtsgebiet, in dem diese Gewalt wirksam wurde, dann, als äußeres Kenn zeichen der Macht Roms, (untechnisch) als Imperium populi Romani ge faßt, und schließlich, als Addition aller Befehlsbereiche der einzelnen Statthalter, zum Imperium Romanum (Tac. 2,61,2) als Herrschaftsbereich des römischen Volkes stilisiert. Diese hinreichend bekannten Fakten sind der Frage nach den Motiven zugrunde zu legen, die zu den Provinzgründungen nach der Einrichtung Siziliens geführt haben. Sind die dort praktizierten Herrschaftsformen als Modell begriffen und zielstrebig im Verlauf der Expansion auf die neu ge wonnenen Gebiete übertragen worden? Oder war es, wie bei der Entsen dung eines Prätors nach Sizilien und Sardinien, die Sorge um die eigene Sicherheit und die der neu hinzugekommenen Einflußsphären, die durch die Etablierung der ständigen militärischen Präsenz erreicht werden sollte? Es spielt dabei keine Rolle, ob diese Sorge tatsächlich den realen Gegeben heiten entsprach oder ob allein in der römischen Vorstellung die politische Konstellation gefährlich schien, da die römische Interpretation der Sach lage die einzig verbindliche war. Bejaht man das letztere, so ergibt sich notwendig für die Ausprägung konkreter Herrschaftsformen, daß sie das Ergebnis eines Anpassungs prozesses einer längeren vorwiegend militärischen Gewaltausübung an die zivilen und administrativen Bedürfnisse des unterworfenen Landes sind. Die Dynamik dieses Prozesses wird dabei wechselseitig bestimmt: einmal durch die in längeren Friedenszeiten wachsende Bereitschaft der militäri schen Kommandoträger, ihren Aufgabenbereich über den primär militäri schen Auftrag hinausgehend zu begreifen, und zum anderen durch die von 3 4 5
Vgl. P. WILLEMS, Le senat de la republique romaine II, 1885, S. 532ff. Dazu D. KIENAST, Z. Sav. Stift. R. A. 85 (1968) S. 332 Anm. 3. A. ROSENBERG, RE 9 (1916) Sp. 1210f.; vgl. U. VON LÜBTOW, Das römische Volk, 1955, S.' 652, W. SUERBAUM, Vom antiken zum frühmittelalterlichen Staatsbegriff, 1961, S. 52ff.
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Herrschaft als Ausübung von Gewalt
Fall zu Fall verschieden schnell und tiefgreifend sich entwickelnde Er kenntnis der Unterworfenen, mit der fremden Macht, auf deren Beseiti gung ernsthaft nicht mehr zu hoffen war, leben, und dort, wo eine eigene Entscheidung angesichts einer möglichen Konfrontation mit den römi schen Interessen nicht mehr möglich schien, diese auch fördern zu müssen. Das beim ersten flüchtigen Zusehen auffallende Faktum, daß sich innerhalb der einzelnen Provinzen die römische Verwaltungstätigkeit mit verschiedener Intensität entwickelte und man unter diesem Gesichtspunkt durchaus von fortgeschrittenen und rückständigen Provinzen sprechen kann, findet so seine natürliche Erklärung. Die Schlüsselrolle in diesem sich erst langsam entwickelnden Herr schaftssystem kam zweifellos den Provinzialstatthaltern zu. Ihre Macht fülle war absolut; sie verkörperten in den Provinzen Rom unmittelbar, und weder über noch neben ihnen gab es eine Instanz, der sie verantwort lich gewesen wären oder an die die Untertanen hätten appellieren können 6 . Selbst die später gegen erpresserische Bereicherung in den Provinzen ein gerichteten Repetundengerichte besaßen demgegenüber aufs Ganze ge sehen den Wert des berühmten Tropfens auf dem heißen Stein, so daß den Unterworfenen im Grunde nur die Zuversicht blieb, daß die Prolongie rung eines promagistratischen Imperiums einmal aufhörte und - vielleicht - ein Mann vom Schlage eines Rutilius Rufus das Kommando übernahm. Daraus folgt, daß auf die Dauer der römischen Herrschaft hin gesehen die Summe der Erfahrungen und Berichte der Proyinzialprätoren die Richtung bestimmte, in der schließlich mehr und mehr zielbewußt ein den eigenen Möglichkeiten und den vorgefundenen Gegebenheiten adaequates Herr schaftsschema angestrebt wurde. Auf eine kurze Formel gebracht ist die Entstehung der römischen Provinzialherrschaft dadurch gekennzeichnet, daß die Sache (die Herrschaft) das Programm (die Art und Weise des Herrschens) bestimmte und nicht umgekehrt.
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Cic. ad Q. fr. 1,1,22 . . . tot civitates unius hominis nutum intuentur, ubi nullum auxilium est, nulla conquestio, nullus senatus, nulla contio. Zu den Aufgaben eines Statthalters s. ad Q. fr. 1,1,25; 32.
Die Provinzialisierung Spaniens
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2. Die Provinzialisierung Spaniens a) Der Krieg gegen Karthago: Die spanischen Völker als Bundesgenossen (218-206 v. Chr.) Die römische Eroberung spanischer Gebiete 7 ist wie die Eroberung Siziliens ein Ergebnis des Sieges über Karthago. Beide Länder waren weder das Kriegsziel Roms noch selbstgewählte Kriegsschauplätze, son dern vom Gegner kontrollierte Territorien, aus denen er vertrieben werden mußte, um seine Machtbasis empfindlich zu schwächen8. Dieses Ziel schloß die Inbesitznahme der von Karthago gehaltenen spanischen Länder von vornherein solange aus, solange die römische Kriegführung auf die Hilfe der einheimischen Völker angewiesen war und dieser nur sicher sein konnte, wenn sie peinlich genau an der Identität der eigenen Kriegsziele mit denen der Bundesgenossen festhielt, die den Teufel nicht mit Beelzebub austreiben wollten. Die zur Niederwerfung des Gegners auf spanischem Boden anzuwen denden Mittel waren damit durch die vorgefundene Lage bereits festgelegt: Die beiden Scipionen, die von 218-211 die römischen Armeen in Spanien führten, suchten neben ihren kriegerischen Unternehmungen vor allem durch Bündnisabschlüsse mit den Einheimischen die südlich des Ebro keineswegs durchgehend gefestigte Epikratie zu sprengen9. Dabei gelang es ihnen über den spanischen Kriegsschauplatz hinausgreifend bereits 214/13, mit dem numidischen König Syphax freundschaftliche Beziehun gen anzuknüpfen, die ganz auf eine offensive Kriegführung auch auf afrikanischem Boden abgestellt waren 10 . Diese Politik des Zusammengehens mit den spanischen und gegebenen falls afrikanischen Stämmen gegen den karthagischen Machteinfluß ist von 7
8
9
Zu dem hier im einzelnen nicht relevanten Verlauf der römischen Eroberung Spaniens sei auf die Standardwerke verwiesen: Grundlegend K. GÖTZFRIED, Annalen der römi schen Provinzen beider Spanien 218-154, Diss. Erlangen 1907, E. ALBERTINI, Les divisiones administratives de PEspagne romaine, 1923, S. 9ff., C. H. V. SUTHERLAND, The Romans in Spain, 1939 und E. BADIAN, FC, S. 116ff., mit dem ich in den wesent lichsten Punkten übereinstimme. L. H O M O , L'Italie primitive et les debuts de Pimperialisme romain, 1925, S. 374. J. M. BLAZQUEZ, Las alianzas en la Peninsula Iberica y su repercusion en la progresiva conquista romana, RIDA 14 (1967) S. 220; 222f. Liv. 21,60,1 ff.: (Scipio) exposito ibi exercitu orsus a Lacetanis omnem oram usque ad Hiberum flumen partim renovandis societatibus partim novis instituendis romanae dicionis fecit . . . nee pax modo aput eos sed societas etiam armorum parta est. Vgl. E. BADIAN, FC, S. 116, J. M. BLAZQUEZ, aaO.
10
Dazu Vf., Struktur, S. 229f.
S.223 ff.
Herrschaft als Ausübung von Gewalt
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Publius Scipio (dem späteren Africanus) konsequent und erfolgreich fortgesetzt worden. Der 208 zustande gekommene Vertrag mit dem Ilergetenfürsten Indibilis kann als typisch für Form und Inhalt der mit einer Reihe spanischer Stammesführer hergestellten völkerrechtlichen Ver hältnisse gelten 11 . Nach Polybios bestand der Hauptinhalt der beschwore nen Vereinbarungen in der Festlegung der iberischen Waffenhilfe und in der Unterordnung der zu stellenden Hilfstruppen unter das Kommando des römischen Imperiumträgers 12 . Ganz offensichtlich handelte es sich um ad hoc zustandegekommene Militärpakte, die auf gemeinsam fest gelegte Ziele hin abgeschlossen wurden und nach deren Erreichen er löschen sollten 13 . Scipio strebte keine für die Nachkriegszeit verbindliche Regelung an, zu der die spanischen Fürsten, denen es um die Beseitigung der als drückend und ungerecht empfundenen karthagischen Herrschaft und die Wiederherstellung der alten Freiheit ging 14 , gewiß nicht in dieser Form bereit gewesen wären, sondern er beschränkte sich auf die Ver stärkung der eigenen (und damit auf die Schwächung der gegnerischen) 11
12
J. M. BLAZQUEZ, aaO. S. 230ff. Der erste spanische Große, der sich zur Zusammen arbeit mit Scipio bereit fand, war der Edetanerfürst Edekon, der nach der Einnahme Neukarthagos im römischen Lager erschien, die deditio vollzog und in die amicitia aufgenommen wurde (Polyb. 10,34,1-35,1). Polybios zufolge konnte Edekon den Römer davon überzeugen, daß seine Anerkennung als amicus et socius die übrigen Stammesfürsten dazu bringen würde, „ihm (Scipio) bedingungslos als seine Bundes genossen bei allen Operationen zu helfen", und er selbst darauf brenne, ,,nach besten Kräften seine und seiner Freunde Ergebenheit gegen Scipio und die römische Sache zu beweisen" "(34,fff7): "Der nächstliegende Schluß daraus" ist, daß "Scipio hier analog wie im Falle des Indibilis die Kampfesbereitschaft des Spaniers vertraglich fixierte (so K. GÖTZFRIED, aaO. S. 21); anders D. KIENAST, Ζ. Sav. Stift. R. A. 85 (1968) S. 338f., der die persönliche Aufnahme des Edekon in die amicitia für das ausschlaggebende Moment des Vorganges hält. Für Scipio mußte es jedoch einzig und allein darauf ankommen, den ganzen Stamm, dessen Führer Edekon war und den er nach außen repräsentierte, für den Krieg einsetzen zu können. Polyb. 10,38,3. Η. Η. SCHMITT, Die Staatsverträge des Altertums III, 1969, S. 277, E. BADIAN,
13
14
FC, S. 117.
Zu den spanischen Hilfskontingenten
s. T. Y.OSHIMURA,
Historia 10 (1961) S. 489f. Polybios erwähnt nichts von einer Vertragsbestätigung durch Senat und Volk in Rom, was - falls es keine Auslassung ist - seinen Grund entweder darin hat, daß diese Ver träge nicht generell und umfassend das zukünftige Schicksal zwischen den Vertrags partnern regelten (nicht durchschlagend, da der ebenfalls zeitlich befristete Bundes genossenschaftsvertrag mit dem Aitolischen Bund 212 vom Volk ratifiziert wurde), oder Ausdruck der Überzeugung Scipios ist, daß Vertragsabschlüsse in die alleinige Kompetenz des Imperiumträgers fallen. Davon ging er jedenfalls aus, als er 201 dem Senat androhte, den Vertrag mit Karthago auf eigene Verantwortung abzuschließen, falls dieser die von ihm ausgehandelten Präliminarien nicht zu ratifizieren gedenke (App. Lib. 56,245). Polyb. 10,36,1 ff.
Die Provinzialisierung Spaniens
79
Position. Das wesentliche Element des Erfolges seiner diplomatischen Bemühungen um die einheimischen Stämme liegt in der Glaubwürdigkeit, m it der er die Ziele seiner Kombattanten zu seinen eigenen machte. Gerade hier liegt aber der eigentliche Grund der praktisch sofort nach der Vertreibung der Karthager einsetzenden Abfallbewegung unter den spanischen Bundesgenossen. Nach der Entscheidungsschlacht von Illipa im Frühjahr 206 und der Zurückdrängung der letzten intakten kartha gischen Armeeinheiten auf den Raum um Gades begann Scipio mit der Unterwerfung spanischer Völker15. Dazu zwang ihn die nüchterne Er kenntnis, daß sein bereits zu diesem Zeitpunkt gefaßter Plan, den Krieg auf afrikanischem Boden zu entscheiden16, nur dann Aussicht auf Erfolg haben konnte, wenn in Spanien ein erneutes Zusammengehen Karthagos mit Rom feindlichen Stämmen unmöglich gemacht worden war. Es scheint, daß auch der Senat aus ähnlichen Erwägungen heraus auf eine Regelung der spanischen Verhältnisse drängte; jedenfalls berichtet Zonaras, daß Scipio den Auftrag erhalten habe, μέχρις αν πάντα τά εν τ-rj Ιβηρία καταστήστ) άρχει ν των έκεϊ προσετάχθη 17 . Diese von der Intention her nach wie vor auf den Krieg mit Karthago und nicht auf die Aufrichtung der römischen Herrschaft in Spanien zielen de Politik konnte jedoch in ihrer faktischen Auswirkung, der Zerschla gung Rom möglicherweise feindlich gesinnter Machtkonstellationen und der Stationierung römischer Truppen als Kontrollorgane, von den spani schen Fürsten gar nicht anders als die Ablösung des karthagischen durch den-römischen Herrschaftsanspruch verstanden werden 18 . - Die von den 15
App. Ib. 28,111: αυτός (sc. Scipio) δ ' έπήει την άλλη ν Ίβηρίαν καΐ ύπήγετο. Zu den einzelnen Operationen s. Polyb. ll,24,10f., K. GÖTZFRIED, aaO. S. 26ff., T. R. S.
16
Polyb. 11,24 a, 1-3. Liv. 28,17,2f. Zur Einordnung des polybianischen Fragments
BROUGHTON, MRR I, S. 229, F. W. WALBANK, Comm. on Polyb. II, 1967, S. 305. F. W. WALBANK, aaO. S. 18. 17
18
9,10,1. Polyb. 11,33,8 berichtet anläßlich der Abreise Scipios nach Rom, πάντα κατά την Ίβηρίαν διατάξας, und bestätigt damit, daß Scipio eine Ordnung der Dinge versucht haben muß. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß dies ohne Absprache mit dem Senat geschah; vgl. K. GÖTZFRIED, aaO. S. 25. Die Nachricht Appians,στρατηγούς Ιβηρίας ετησίους ες τά έθνη τ ά είλημμένα επεμπον (Ib. 38,152) und Florus', (Scipio) stipendiariam nobis provinciam fecit (2,17,7), nehmen.die ersten 197 getroffenen Re gelungen vorweg (s. u.). Die Gründung der Stadt Italica am Baetis als Bollwerk gegen die Lusitaner, in der einige zurückgelassene Truppenteile und nicht transportfähige Verwundete eine neue Heimat fanden, mußte dem wachsenden Argwohn der Iberer neue Nahrung geben. Schien es doch so, als ob die Römer begännen, sich in Spanien selbst häuslich ein zurichten; App. Ib. 38,153. Die Rechtsstellung, die die Stadt erhielt, bleibt im Dunkel, da sie weder als Kolonie noch als Munizipium genannt wird. Aus dem Namen geht ledig-
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Bundesgenossen unter ihnen eingegangene vertragliche Verpflichtung, Kriegshilfe unter dem Kommando römischer Offiziere zu leisten, wurde von Scipio vor allem deswegen formuliert, um die bittere Erfahrung seines Vaters und seines Onkels, die 211 von ihren iberischen Bundesgenossen auf dem Schlachtfeld im Stich gelassen worden waren, nicht am eigenen Leibe erfahren zu müssen 19 . Sie hatte jetzt, wo man nicht mehr gegen das verhaßte Karthago, sondern gegen einheimische Stämme marschierte, jeden Sinn verloren und erschien als ein Instrument der sich jetzt demas kierenden römischen Unterdrückung20. Keine römische Versicherung, Karthago müsse auch die Möglichkeit einer Wiederaufnahme der alten Politik durch die Zerstörung möglicher Kristallisationspunkte genommen werden, konnte daran etwas ändern. Im Gegenteil. Das Gefühl, vom Regen in die Traufe geraten zu sein, muß sich zu kaum verhüllter Erbitterung gesteigert haben, als Scipio - seinerseits unter Zugzwang - daran ging, die ebenfalls als einen Teil der Kriegshilfe gegen Karthago gedachten und geforderten finanziellen Leistungen21 von den Verbündeten verstärkt einzutreiben, um, wie er selbst öffentlich er klärte, seinen meuternden Legionen den längst überfälligen Sold bezahlen zu können 22 . So nimmt es nicht wunder, daß sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die enttäuschten Hoffnungen der nach der alten Unabhängigkeit strebenden Fürsten in einer Serie von Aufständen entluden, die wiederum zwangsläufig die Verstärkung des militärischen Engagements Roms herausforderten. Damit war ein Knoten geschnürt, dessen Auflösung bei lieh hervor, daß auch bundesgenössische Italiker als Bürger aufgenommen wurden; vgl. F. VITTINGHOFF, Römische Kolonisation und Bürgerrechtspolitik unter Caesar und Augustus, 1951, S. 72, E. BADIAN, FC, S. 119. 19
20
21
22
Beredter Ausdruck dieser Sorge ist die Anordnung Scipios vor der Schlacht von Ilipa, die iberischen socii so zu postieren, daß ihnen ein Ausbrechen aus der Schlacht ordnung unmöglich war, Polyb. 11,20,5 ff. Die von Polybios (10,40,2ff. = Liv. 27,19,3ff.) berichtete Begrüßung des Scipio als ,,König" durch die übergelaufenen spanischen Truppen nach der Schlacht von Baecula 208 ist nicht so zu verstehen, daß sie dem Römer die Herrschaft (etwa ähnlich der des Hasdrubal) angetragen hätten, sondern sie ist Ausdruck der bewundernden Anerkennung der militärischen Größe des römischen Feldherrn, vgl. A. AYMARD, in: fitudes, 1967, S. 387ff., F. W. WALBANK, Comm. on Polyb. II, S. 252f. und D. KIENAST, Z. Sav. Stift. R. A. 78 (1961) S..405ff., der den Bericht als erstes Zeugnis einer imperato rischen Akklamation interpretiert. Diese hatten bereits die älteren Scipionen von ihren spanischen Bundesgenossen fordern müssen, da sie, wie sie 215 dem Senat brieflich mitteilten, ihre Legionen weder besolden noch ausreichend ernähren konnten (Liv. 23,48,4f.). Die hier sichtbar wer dende finanzielle Misere hatte sich, wie die Meuterei des Jahres 206 beweist, inzwischen nicht gebessert. Polyb. 11,25,9.
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der sachlichen Unvereinbarkeit der Standpunkte letztlich nur die gewalt same Unterdrückung des spanischen Freiheitswillens sein konnte. Als erster benutzte der Stamm der Ilergeten unter Indibilis und Mandonius die im Sommer 206 im römischen Heere ausbrechende Meuterei als günstige Gelegenheit, die Kampfgemeinschaft mit Rom aufzukündigen und auf eigene Faust den Traum von der alten Unabhängigkeit zu ver wirklichen23. Es gelang Scipio zwar, durch schnelles Zupacken den Gegner noch einmal zum Frieden zu zwingen. Er konnte jedoch aus Zeit gründen weder die Zentren des Aufstandes noch dessen Führer in die Hand bekommen, so daß der von ihm diktierte Friede, der als einzige Bedingung die Zahlung der Kriegskosten enthielt24, nur ein demonstra tiver Versuch sein konnte, die Abgefallenen und die, die nur auf eine Ge legenheit dazu warteten, davon zu überzeugen, daß die römische Politik nicht die von ihnen befürchtete Wendung in Richtung auf eine Unter werfung der spanischen Völkerschaften hin vollzogen hatte. Der Versuch mißlang. Kurz nach der Abreise Scipios brach im Sommer 205 der Aufstand mit doppelter Wucht erneut los, getragen von der Hoff nung, „Spanien von aller Fremdherrschaft für immer befreien und zu seinen alten Sitten und Gebräuchen zurückführen zu können"25. Auch diesmal behielt Rom die Oberhand und zwang die Besiegten zur Dedition, als deren Vorbedingung die Auslieferung der Rädelsführer gefordert wurde 26 . Der anschließend an die Restitution gewährte Friedensvertrag sah die Zahlung des doppelten Jahressoldes, die Heeresverpflegung und Bekleidung für ein halbes Jahr und die Stellungen Geiseln vor27. Außer dem wurden römische Besatzungen in die strategisch wichtigen Plätze 23
24 25 26 27
Polyb. 11,31-33. Liv. 28,31,5-34,1 ff. App. Ib. 37. Zonar. 9,10,2ff. F. W. WALBANK, Comm. on Polyb. II, S. 309ff. Nach U. SCHLAG, Regnum in senatu. Das Wirken römischer Staatsmänner von 200 bis 191 v. Chr., 1968, S. 23f. brach Scipio den Krieg vom Zaun, um Beute zu machen und seine Kriegskasse aufzufüllen. Die Quellen wissen davon nichts. Im Ganzen charakterisiert U. SCHLAG die römische Politik in den Jahren 206-204 dahingehend, daß ,,das eroberte Gebiet vertraglich als römisches Territorium gesichert werden mußte" (S. 40). Man fragt sich sofort, mit wem man das hätte tun können und gerät bei der vergeblichen Suche nach möglichen Vertragskontrahenten in tödliche Verlegenheit, sobald man auf die Feststellung der Vf.in stößt, daß bis zur Abreise Scipios trotz des gegenteiligen Wunsches der Ilergeten mit diesem Stamm „vertragliche Abmachungen weder getroffen noch in Aussicht gestellt wurden" (S. 23). Der daraus gezogene Schluß, ,,so konnte im vertragslosen Zustand unter den Nach folgern Scipios gar kein neuer Krieg ausbrechen", der dann 205 tatsächlich ausbrach (s. o.), begräbt schließlich jede Hoffnung auf Verständigung. Liv. 28,34,11. App. Ib. 37,148. J. M. BLAZQUEZ, aaO. S. 233. Liv. 29,1,24. Liv. 29,3,3. A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 67f., Η. Η. SCHMITT, aaO. S. 284f. Liv. 29,3,5.
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verlegt28, um zukünftige Erhebungen ein für allemal auszuschließen - ein Mittel, daß im Endeffekt den Konflikt nicht beheben sondern nur zuspit zen konnte, da damit in der Tat (wenn auch auf die Tragweite hin betrach tet nicht bewußt) die römische Herrschaft etabliert wurde. Die Folge war denn auch eine nahezu ununterbrochene Kette von Kriegen, die bei dem weit ausgedehnten Kriegsschauplatz, der die gesamte Ostküste Spaniens umfaßte, die praktisch seit 217 bestehende Aufteilung Spaniens in zwei Kommandobereiche römischer Feldherrn zur unumgänglichen Notwen digkeit werden ließen 29 . Die militärische Notwendigkeit des Krieges gegen Karthago, die Ver sorgungsschwierigkeiten der im Lande operierenden Truppen, die finan ziellen Nöte der Feldherrn und der römische Wille, diese Schwierigkeiten mit den Ressourcen des Landes zu beheben, lösten den Widerstand der Stämme gegen Rom aus. Die Bilanz der römischen Politik gegenüber den Städten fiel in dieser Phase vergleichsweise günstig aus, zumal da diese seit langem gelernt hatten, mit Formen jener Abhängigkeit zu leben, die ihre politische und materielle Substanz nicht brechen wollten. Vor allem im Baetis-Tal, an der Ostküste und im Gebiet von Carthago Nova und Tarraco traf Rom auf eine Reihe blühender Städte, die Griechen, Phoiniker und Karthager, angezogen durch die reichen Bodenschätze und die günstige Handelslage, angelegt hatten30. Ihnen gegenüber war die Fortset zung der mit Massilia um die Mitte der zwanziger Jahre begonnenen Poli tik vertraglich geregelter Zusammenarbeit das Nächstliegende, solange es Rom allein um die Gewinnung von Freunden und Bundesgenossen gegen Karthago und nicht um Spanien selbst zu tun war. Es müssen also Vertragsabschlüsse mit den ehemals feindlichen phoinikischen Städten analog dem mit Gades 205 abgeschlossenen Vertrag ange nommen werden 31 , während die Rechtsstellung der griechischen Städte, von denen die massaliotischen Kolonien Emporion und Rhode als römi sche Stützpunkte (vergleichbar etwa mit Korkyra) bekannt sind 32 , der 28 29
App. Ib. 38,157. Bereits die Prorogation der Imperien im Jahre 208 für Scipio und M. Iunius Silanus lassen deutlich erkennen, daß der Senat eine Zweiteilung Spaniens für unvermeidlich hielt: et P. Scipioni et M. Silano suae Hispaniae suique exercitus in annum decreti (Liv. 27,22,7. Ρ. Ρ. SPRANGER, aaO. S. 36).
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32
Dazu R. THOUVENOT, Essai sur la province de Betique, 1940, S. 55ff., P. BOSCHGIMPERA, La Nouvelle Clio 3 (1951) S. 274ff. Zum Vertrag mit Gades, dessen Form und Inhalt nach wie vor umstritten ist, Η. Η. SCHMITT, Staatsverträge III, S. 277ff. (mit Lit.). Polyb. 3,76,1. Liv. 21,60,1. 34,8,7 (Emporion). Liv. 34,8,7 (Rhode). E. BADIAN, FC, S. 118.
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Massilias entsprochen haben wird. Dabei ist es von untergeordneter Be deutung, ob in jedem Fall ein formeller Vertrag zustande kam oder die Symmachie in einem formlosen Amicitiaverhältnis von Fall zu Fall aktuali siert wurde. Entscheidend ist, daß mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, daß Rom mit diesen Städten völkerrechtliche Beziehungen anknüpfte, wie es das bereits mit den griechischen Städten an der illyri schen Küste 229/8 getan hatte, und ihnen damit hier wie dort zu verstehen gab, daß es nicht an der Aufrichtung der eigenen direkten Herrschaft in diesen Räumen interessiert war. b) Die Konfrontation: Die Unvereinbarkeit der Kriegsziele (206^197 v. Chr.) Die römische Politik in Spanien während des Zweiten Punischen Krieges, die durch alle Höhen und Tiefen des Erfolges und des Scheiterns hindurchging, war ein Teil des Krieges gegen Hannibal und Karthago und unbeirrbar darauf ausgerichtet, die karthagische Machtbasis in diesem Lande zu zerstören. In diesem Ringen waren die spanischen Stämme und Städte nicht der Preis des Sieges, sondern sie spielten die Rolle des um worbenen Dritten, dessen Hilfe für den Ausgang des Kampfes als ent scheidend angesehen wurde. Das durch die vorgefundenen Verhältnisse der römischen Diplomatie in die Hand gegebene Mittel, den spanischen Wunsch nach Abwerfung der karthagischen Herrschaft mobilisieren zu können, konnte man um so erfolgreicher handhaben, als man in der Tat die eigenen Kriegsziele guten Gewissens mit denen der Spanier identifizie ren durfte und damit der eigenen Politik das Maß an Glaubwürdigkeit verlieh, das letztlich für den Erfolg ausschlaggebend war. Formal und inhaltlich beschränkten sich die hergestellten Bundes genossenschaften auf die Erreichung des gemeinsamen Kriegszieles, d. h. sie sollten nach Kriegsende erlöschen bzw. auf das Verhältnis der amicitia reduziert werden. Die Geister schieden sich erst an der unterschiedlichen Auffassung über den Punkt, an dem man das gesteckte Ziel als erreicht betrachten konnte. Für Rom war ein Abzug aus den spanischen Positionen vor der endgültigen Niederlage Karthagos auf allen Kriegsschauplätzen aus unmittelbar einleuchtenden Gründen nicht möglich. Für die spanischen Völker mußte die Beibehaltung der militärischen Präsenz Roms und die Ausdehnung des Krieges auf einheimische Völker nach der Zerschlagung der karthagischen Epikratie jetzt den römischen Herrschaftsanspruch signalisieren und neben dieser Erkenntnis das bittere Gefühl hervorrufen, um den Preis des Sieges betrogen worden zu sein.
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Scipio hat diesen Stimmungsumschwung sehr wohl begriffen und ver sucht, durch eine demonstrativ milde Behandlung der ersten Abtrünnigen, durch Truppenreduzierungen33, durch die Aufnahme freundschaftlicher oder vertraglicher Beziehungen mit den ehemals feindlichen Städten wie Gades und durch eine behutsame Ordnung der Verhältnisse34 jeden An schein zu vermeiden, daß Rom der Nachfolger Karthagos in Spanien sein wolle. Die in seinen Augen für die Sicherung des Friedens unumgängliche Ausschaltung möglicherweise feindlich gesinnter Stämme, die ihm unter dem Druck der Meuterei seiner Legionen aufgezwungene Beitreibung finanzieller Kriegshilfen von den Bundesgenossen, die Gründung Italicas und seine frühe Rückkehr nach Rom 35 verurteilten seine Bemühungen ebenso zum Scheitern wie die seiner Nachfolger im Kommando, L. Cor nelius Lentulus und L. Manlius Acidinus36, die gehalten waren, neben dem Schutz Spaniens vor einem erneuten karthagischen Zugriff den Krieg auf dem afrikanischem Schauplatz durch materielle Hilfeleistungen, die den Bundesgenossen als ein Teil ihrer Verpflichtung zur Militärhilfe auf erlegt wurden 37 , zu unterstützen38. Die für Rom nur folgerichtige (und wohl auch unvermeidbare) Fortsetzung des Krieges unter Heranziehung der spanischen Bundesgenossen, die den Krieg, was sie betraf, längst ge wonnen und beendet glaubten, ließ keine Verständigung aufkommen. Das Ende des Hannibalkrieges 201 sah durch die langjährige Stationie rung römischer Truppen und durch die ständige Anwesenheit römischer 33
Nach Liv! 29,1,21 (vgl. 28,38,1) und App. Ib. 38;Ϊ52 hat Scipio seine Kerntruppen nach Italien geführt, was angesichts seiner weiteren' Pläne unbedingt glaubwürdig ist; vgl. L. PARETI, Storia di Roma II, 1952, S. 470f., A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 647ff.
34
Das Rekonstuierbare bei E. BADIAN, FC, S. 118f.
35
Es ist nicht auszuschließen, daß diese von seinen innenpolitischen Gegnern forciert wurde, vgl. Cass. Dio frg. 57,54f. Boiss. = Zonar. 9,11,3; A. LIPPOLD, Consules, 1963, S. 188 Anm. 476. Zur Opposition, die sich nach Scipios Rückkehr gegen ihn formierte, H. H. SCULLARD, Roman Politics 220-150 B. C , 1951, S. 75f. Ihr Imperium wurde bis 201 Jahr für Jahr prorogiert und zwar, wie aus dem zum Jahr 204 berichteten Vorgang hervorgeht (Liv. 29,13,7), nicht allein durch den Senat, sondern auch durch die Komitien. Nach T H . MOMMSEN, RStR. II, S. 652 orientierte sich dieser Bestellungsmodus an der Übertragung des Kommandos an Scipio 211 und wurde erst nach der Erhöhung der Prätorenzahl von 4 auf 6 197 v. Chr. aufgegeben. Anders
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U. SCHLAG, aaO. S. 24ff. 37
38
Diese Leistungen sind ebensowenig wie das nach dem Aufstand von 205 verdoppelte Stipendium (s. o.) als regulärer Tribut zu verstehen; dazu E. BADIAN, FC, S. 120, der mit Recht eine Politik bewußter Ausbeutung vor 197 ausschließt: ,,There is no evidence in all this of any particular desire for economic exploitation or of a deliberate experiment in the form of government to be adopted." 203 wurden Waffen, Proviant und Bekleidung für die afrikanischen Legionen geliefert (Liv. 30,3,2) und 202 Getreide nach Rom gesandt (Liv. 30,26,6).
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Imperiumträger, die - wie im Falle Siziliens - allein durch ihr bloßes Dasein administrative und jurisdiktioneile Funktionen angetragen be kamen und auszuüben begannen, Rom soweit in die spanischen Ange legenheiten hineingezogen, daß ein totaler Abzug nicht mehr im Bereich des Möglichen lag. Hinzu kam, daß das nach und durch den Sieg gestei gerte römische Selbstbewußtsein eine Preisgabe einmal erkämpfter Posi tionen nur unter besonderen Umständen (wie sie ζ. Β. 197 in Griechen land gegeben waren) unbeschadet zulassen konnte, und daß die auch nach der Ausschaltung des großen Rivalen nicht geschwundene Furcht vor ihm 39 gerade der Räumung Spaniens im Wege stand, wo die unsicheren und fluktuierenden Machtverhältnisse, die man selbst nicht hatte stabilisieren können, ein erneutes Fußfassen Karthagos zu begünstigen schienen40. Die Beibehaltung einer funktionsfähigen ,, Aufsich tsinstanz" wurde so ein Ele ment des römischen Sicherheitsbedürfnisses41. Darin liegt eingeschlossen, daß der Senat auch jetzt nicht mehr als die Erhaltung des Status quo an strebte, was in der Ende 201 getroffenen Entscheidung deutlich wird, beide in Spanien stationierte Heere auf eine Legion und 15 Kohorten, rekrutiert aus italischen foederati, zu reduzieren, und das Kommando nur noch einem Imperiumträger zu übertragen42. Damit war nun allerdings (was man vermutlich auch gar nicht mehr beabsichtigte) bei der fortgeschrittenen Verkrampfung der Beziehungen auf die spanischen Fürsten kein Eindruck mehr zu machen, für die jede Reorganisation der römischen Präsenz nach der Schlacht von Zama, ganz gleich, wie sie aussah, nur die Bestätigung dessen sein konnte, was sie ins39
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Es ist müßig, darüber zu streiten, ob die römische Furcht vor Karthago, die wesentlich zu dessen Untergang 146 beigetragen hat, objektiv gerechtfertigt war oder nicht. Die Frage kann nur lauten, ob sie überhaupt bestand oder erst nachträglich als Recht fertigung des eigenen Verhaltens an die Wand gemalt wurde. Da sämdiche Nachrichten die Furcht vor Karthago als Motiv des Dritten Punischen Krieges nennen, besteht m. E. keine Möglichkeit, an diesem Faktum und seiner politischen Relevanz vorbei zukommen. Der im Winter 203/2 zwischen Hannibal und Scipio ausgehandelte Präliminarvertrag sah den karthagischen Verzicht auf jede zukünftige Intervention in Spanien noch aus drücklich vor (Liv. 30,16,10: Hispania abstinebant; H. H. SCHMITT, Staatsverträge III, S. 291), ebenso das Verhandlungsangebot Hannibals kurz vor der Schlacht von Zama (Polyb. 15,7,7. Liv. 30,30,25. H. H. SCHMITT, Staatsverträge III, S. 295). Die (allein erhaltenen) Präliminarien des definitiven Friedensvertrages verzichteten dagegen auf eine derartige Selbstbindung Karthagos; offenbar sah Scipio in der ausdrücklichen Fesdegung des karthagischen Besitzstandes auf afrikanischen Boden (Polyb. 15,18,1) und in der auferlegten Einschränkung des Rechtes auf selbständige Kriegsführung (Polyb. 15,18,4) die Sicherheit Siziliens, Sardiniens und Spaniens jetzt hinreichend gewährleistet.
41
A. HEUSS, RG,
42
Liv. 30,41,5.
S.
247.
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geheim und offen immer befürchtet hatten: Der Antritt des karthagischen Erbes durch Rom. So wurde nicht zufällig der neue Prokonsul C. Corne lius Cethegus (200 v. Chr.) nach seinem Eintreffen in der Provinz mit einem Aufstand im Gebiet des ager Sedetanus konfrontiert 43 , den man in Rom offenbar für so gefährlich hielt, daß für die Jahre 199 und 198 ent gegen der 201 getroffenen Regelung wiederum zwei Imperium träger, C. Cornelius Blaeso und L. Stertinius, mit dem Kommando in Spanien betraut wurden 4 4 . Ihre Tätigkeit bleibt im Dunkel, doch müssen beide in militärische Aktionen verwickelt gewesen sein, da der eine von ihnen 196 eine ovatio feierte, nachdem er offenbar mit einem Antrag auf Gewährung eines Triumphes gescheitert war, und der andere wenigstens die Absicht hatte, sich um einen Triumph zu bemühen 45 . Die Dinge hatten sich jedenfalls so entwickelt, daß man in Rom zu der Einsicht gelangte, daß die bisherige Praxis, die militärische Präsens in Spanien durch ad hoc jeweils neu bestimmte Magistrate aufrechtzuerhal ten, nicht geeignet sein konnte, den ständigen von größeren Kämpfen unterbrochenen Querelen in Spanien ein Ende zu machen. Die Erfahrung hatte zudem gezeigt, daß das langgestreckte Küstengebiet von den Pyre näen bis Neukarthago und die anschließenden südlichen Landschaften im Raum des heutigen Granada und Andalusien, durchzogen von hohen Gebirgsketten und bewohnt voneinander unabhängigen vielfach sich feind lich gegenüberliegenden Stämmen, nur durch zwei selbständig operierende Feldherrn gegen die unruhigen und kaum bekannten Grenzvölker im Norden, "in der Mitte' und im" Süden geschützt werden konnten 46 . So entschloß sich der Senat 198, analog zu dem 227/5 in Sizilien und Sardinien angewandten Verfahren die Zahl der Prätoren generell von vier auf sechs zu erhöhen (von denen zwei als Amtsbereich Spanien zugewiesen 43 44
45
46
Liv. 31,49,7. Einzelheiten fehlen. Liv. 31,50,11. Möglicherweise veranlaßte auch der Ausbruch des Zweiten Makedoni schen Krieges den Senat, den Unruheherd in Spanien so gründlich wie möglich unter Kontrolle zu halten. Liv. 33,27,1 ff. U. SCHLAG, aaO. S. 60f. Der Schluß von A. SCHULTEN, in: CAH VIII, S. 311 f., der Verzicht des Stertinius auf eine Bewerbung um den Triumph beweise, daß die von ihm mitgeführte Beute ,,not as booty in war but by taxation and extortion" gewonnen sein müsse, würde konsequent zu Ende gedacht besagen, daß jeder römische Sieg, der nicht in einem Triumphzug des siegreichen Feldherrn seine Krönung fand, aber reiche Beute in die römische Scheuer gebracht hatte, entweder nicht statt gefunden hat oder eine von der Überlieferung glorifizierte Ausbeutungsaktion war. Die Triumphal fasten berichten 178 und 174 von Triumphen ex Lusitania Hispania(que) ex Hispania Celtiberia, so daß zu dieser Zeit der Begriff Hispania noch nicht mit der Vorstellung von der ganzen Pyrenäenhalbinsel verbunden gewesen sein kann; Inscr. Ital. XIII 1, S. 81, R P. SPRANGER, aaO. S. 33f.
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bekamen)47, die Provinz zu teilen48 und den Unterworfenen die Zahlung von jährlichen Tributen aufzuerlegen49. Damit war im Gegensatz zur bis herigen Praxis der römische Herrschaftsanspruch auf spanische Gebiete offiziell als Maxime der zukünftigen Politik festgelegt; die Frage war nur, wie Herrschaft hier organisiert werden mußte. c) Der Freiheitskampf und der Versuch seiner friedlichen Beendigung auf völkerrechtlicher Basis (197-178 v. Chr.) j Es dient der Sache nicht, die einzelnen Phasen des sofort nach Be kanntwerden der römischen Entscheidungen mit ungekannter Heftigkeit ausbrechenden Freiheitskampfes der spanischen Völker in extenso weiter zu verfolgen. Zu fragen ist vielmehr, ob in den dunklen Jahrzehnten des blutigen Kampfes Rom und seine Feldherrn ein Ziel verfolgten, das über die angestrebte Konsolidierung der Herrschaft durch Gewalt hinausging und eine politische und rechtliche Ordnung der spanischen Verhältnisse anvisierte. Die natürlichen Anknüpfungspunkte dafür waren die Küstenstädte, mit denen man in den Jahren des Karthagerkrieges freundschaftliche und ζ. Τ. bundesgenössische Beziehungen angeknüpft hatte und die als griechi sche oder phoinikische Handelskolonien weit mehr an der Aufrechterhal tung des guten Einvernehmens mit Rom, als an einem Zusammengehen mit den wilden iberischen Stämmen in einem Krieg mit ungewissem Ausgang interessiert gewesen sein müssen. Trotzdem finden wir die phoinikischen Seestädte bereits in den 197 ausbrechenden Kämpfen auf der Seite der Einheimischen 50 , d. h. auch sie interpretierten die römischen Maßnahmen 47
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Liv. 32,27,6: sex praetores illo anno primum creati crescentibus iam provinciis et latius patescente imperio; G. V. SUMNER, Proconsuls and Provinciae in Spain 218/7-196/5 B. C , Arethusa 3 (1970) S. 92ff. Liv. 32,28,11. Zur Grenzziehung, die sich an den seit langem herauskristallisierten Operationsgebieten orientierte, s. F. BRAUN, Die Entwicklung der spanischen Provinzialgrenzen in römischer Zeit, in: Quellen u. Forschungen z. Alt. Gesch. u. Geographie 17, 1909, S. 82ff., E. V. SUTHERLAND, aaO. S. 48f. u. map 2.
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Dies ergibt sich zwingend aus der seit 196 feststellbaren schlagartigen Erhöhung der aus den Provinzen nach Rom gesandten Gold- und Silberbeträge: E. BADIAN, FC, S. 120; das Material bei J. J. VAN NOSTRAND, Roman Spain, in: T. FRANK, ESAR III, 1937, S. 128f. Zur Art und Weise der Tributbeitreibung s. E. V. SUTHERLAND, aaO. S. 53f. Namentlich genannt werden Sexi und Malaca, die als erste bei der römischen Intervention in Spanien von Karthago abgefallen waren, und denen sich gewiß ein großer Teil der übrigen Städte angeschlossen hat; K. GÖTZFRIED, aaO. S. 45, E. BADIAN, FC. S. 121, . D. KIENAST, Cato der Zensor, 1954, S. 43.
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als den Beginn einer Unterdrückungspolitik, die sie schlimmer als die ihnen hinreichend bekannte karthagische Variante, die sie ertragen hatten, einschätzten. Die Unzufriedenheit wurde offenbar durch die nach 205 in die Städte gelegten römischen Truppen ausgelöst, die in den Augen der Betroffenen bis 201 allenfalls noch als Schutz-, danach nur noch als Besat zungstruppen angesehen werden konnten. Gades, dessen Vertrag mit Rom den Römern das Recht eingeräumt hatte, jährlich einen praefectus, in dem nach Lage der Dinge ein militärischer Befehlshaber zu sehen ist, in die Stadt zu entsenden, hatte 199 durch eine Gesandtschaft den Senat zum Verzicht auf die Ausübung dieses Rechtes bewegen können 51 . Dies war den übrigen Städten wahrscheinlich nicht oder nur zum Teil gelungen, so daß neben der Sache selbst auch die Ungerechtigkeit ihrer Handhabung die Erbitterung darüber schürte. Die Ziel- und Planlosigkeit der römischen Politik in diesen Jahren könnte durch kein anderes Faktum deutlicher ge macht werden als eben durch dieses Verspielen der sicheren Ausgangsbasen einer wie auch immer gedachten Durchdringung und Befriedung des be anspruchten Herrschaftsbereiches. Daran änderte auch die Reorganisation der Provinzen durch M. Porcius Cato nichts, der 195/4 mit einem konsularischen Heer den Auf ruhr für eine Weile dämpfen konnte 52 und dessen Anordnungen durch Senatsbeschluß für die zukünftigen Statthalter verbindlich gemacht wur den 53 . Was Cato unter Ordnung der Verhältnisse verstand, beschränkte sich auf die Zerstörung aller erreichbaren spanischen Widerstandsbasen54 und auf die Steigerung der römischen Einkünfte in den unterworfenen Gebieten 55 ; Ansätze einer politischen Neugliederung sind nicht erkenn bar56. 51
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Liv. 32,2,5; zur zugrunde gelegten Interpretation der Stelle s. WEISSENBORN Z. St., E. BADIAN, ClPh. 49 (1954) S. 250ff.; H. H. SCHMITT, Staatsverträge III, S. 279 weist mit Recht auf die Möglichkeit hin, daß diese Bestimmung von vorneherein als auf die Kriegsdauer beschränkt gedacht war. Zu Catos mit Fortune geführten spanischen Feldzügen s. R. HELM, RE 22 (1953) Sp. 112ff. s. ν. Μ. Porcius Cato Censorius. Nach Catos Weggang brachen in der Citerior die Unruhen von neuem aus (Liv. 35,1-2), während sie in der Ulterior nur durch den Winter unterbrochen worden waren. Plut. Cato mai. ll,3f. E. BADIAN, FC, S. 121. Nach dem Sieg befahl Cato, an einem bestimmten Tag die Mauern sämtlicher nördlich des Ebro gelegenen Städte zu schleifen (Polyb. 19,1 bei Plut. Cato mai. 10,3. 32,2. App. Ib. 41,167ff.), und in einer Rede rühmte er sich später, mehr Städte erobert zu haben, als er Tage in Spanien verbrachte (H. MALCOVATI, ORF 2 , frg. 55, S. 25). Was hier als ,,Stadt" apostrophiert wird, ist natürlich nicht mehr als eine befestigte Siedlung (Polyb. 25,1,1). Nach Livius regelte Cato die Abgaben aus den spanischen Eisen- und Silbergruben neu, so daß die Provinz ,,νοη Tag zu Tag reicher wurde" (34,21,7: pacata provincia vectigalia
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Dahinter steckt neben einem gerüttelten Maß an politischem Unver stand die Hilflosigkeit einem Gegner gegenüber, den man nicht wie Kar thago oder die hellenistischen Monarchen so besiegen konnte, daß er eine oktroyierte oder ausgehandelte Friedensregelung akzeptierte. Die Ant wort, die man allein darauf fand, war die Ausrichtung aller Energien auf die totale Niederwerfung der spanischen Völker, was in einem geographi schen Raum von dieser Größenordnung die kontinuierlich fortschreitende Ausdehnung des Krieges unvermeidlich werden ließ. Die nach und nach im römischen Gesichtskreis auftauchenden Stämme in Inneren des Landes konnten angesichts der römischen Politik, mit Gewalt eine Ordnung zu setzen, die keine war, ihr Heil nur im entschlossenen Widerstand suchen eine Erkenntnis, die nicht allen gemeinsam und zum selben Zeitpunkt auf ging, so daß es immer wieder vor dem Hintergrund alter, jetzt anachro nistisch gewordener Stammesfehden zur Aufnahme bundesgenössischer Beziehungen mit Rom kam. Das von den Statthaltern kontrollierte Gebiet selbst wuchs nie zu einer Einheit zusammen, da keine Vorstellung davon existierte, wie diese auszu sehen hätte, und die fehlende Konsolidierung der römischen Herrschaft sie auch nicht von innen her, d. h. von den Sachzwängen eines befriedeten Untertanengebietes, nahelegte. Es blieb ein Konglomerat von unverbunden nebeneinanderbestehenden Teilen: die treu gebliebenen befreundeten oder verbündeten Küstenstädte (etwa Gades und Sagunt), verbündete Stammesfürstentümer57 und das aus der Rechtsfolge der Eroberung oder
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magna instituit ex ferrariis argentariisque, quibus tum institutis locupletior in dies provincia fuit). Die dahinter erkennbare Vorstellung, die Provinz als Ausbeutungs objekt zum Nutzen des römischen Volkes behandeln zu müssen (ebenfalls ablesbar an den ungeheuren Summen, die Cato als Kriegsbeute an das Aerarium ablieferte und die die höchsten waren, die je aus Spanien herausgepreßt wurden: Liv. 34,46,2-3), läßt weiter den Schluß zu, daß Cato auch die von den Unterworfenen zu leistenden Tribute neu festsetzte und die Art und Weise ihrer Beitreibung regelte; vgl. E. BADIAN, FC, S. 121. Die Tatsache, daß die Überlieferung und Cato selbst an seinen Taten nichts anderes erwähnenswert fanden als die Steigerung der Einnahmen für Rom, ist bezeichnend genug. Im übrigen ließ der Zeitdruck, unter dem der hartgesottene Innenpolitiker von dem Augenblick an stand, von dem an die Wahl seines großen Gegners Scipio Africanus zum Konsul für das Jahr 194 sicher war und mit der Möglichkeit seiner Entsendung nach Spanien gerechnet werden mußte, eine differenzierte Neuregelung gar nicht zu. Worauf es ankam war erreicht, als die Kämpfe beendet waren, die Beute sich riesig genug ausnahm und die Provinzen so beruhigt schienen, daß dem verhaßten Africanus kein neues Betätigungsfeld eröffnet werden konnte, wo er frischen Lorbeer und ver größerten Einfluß hätte gewinnen können. Der Brief der Scipionen an Prusias von Bithynien während des Syrischen Krieges zählt unter den Königen, denen Rom ihre angestammte Herrschaft überlassen und ζ. Τ.
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Dedition nicht entlassene Untertanengebiet, aus dem man seit Cato mit System herauszupressen begann, was sich herauspressen ließ. Die Klammer, die diese Teile zusammenhielt, war der Prätor, dessen Aufgabe sich im wesentlichen auf die militärische Sicherung des Bestehenden nach außen und auf die Durchsetzung des römischen Willens nach innen be schränkte. Dies hieß hier gegenüber den de iure selbständigen Städten und Völkern die Sicherung ihrer Loyalität und gegenüber den Unterworfenen die Aufrechterhaltung der Ausbeutung. Daran konnte sich solange nichts ändern (und hat sich auch nichts ge ändert), solange die andauernden und sich in das Landesinnere ausdehnen den Kämpfe mit den Einheimischen neue Koalitionen erzwangen und neue Untertanengebiete schufen, denen man mit den begehrlichen Augen eines Cato gegenübertrat, und die daher jede sich bietende Gelegenheit beim Schopf ergriffen, mit dem Schwert eine Wandlung der Verhältnisse zu er zwingen. Die Tatkraft des Statthalters, aufgezehrt bei der Sisyphusarbeit der militärischen Konsolidierung, reichte nicht aus, um den Mangel an konstruktiver Phantasie des Senates, was das Durchdenken von Organi sationsformen der Herrschaft anging, wettzumachen. Darüber darf der durch Tiberius Sempronius Gracchus 179/8 für ein Vierteljahrhundert gesicherte Friede nicht hinwegtäuschen58, der zur mili tärischen Voraussetzung die zum erstenmal gelungene Eroberung Keltiberiens und die Schwächung der Lusitaner hatte59. Die von ihm als Statt halter der Hispania Citerior getroffenen Regelungen differieren weder in der Zielvorstellung noch in der praktischen Ausführung von der seit Scipio verfolgten Politik?0. Daß er im Gegensatz zu seinen Vorgängern damit Erfolg hatte, lag an der Konsequenz, mit der diese Politik auf der soliden
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vermehrt hatte, auch den iberischen Fürsten Culchas auf (Polyb. 21,11,7; daß es sich bei diesem Brief um unverhüllte Propaganda handelte, tut hier nichts zur Sache). Dieser muß demnach, obwohl einer der Träger des Aufstandes von 197 (Liv. 33,21,8), nach der Unterwerfung in seiner früheren Rechtsstellung bestätigt worden sein. Die römische Politik hat also nicht zielstrebig auf die Unterwerfung eines geschlossenen Territoriums hingearbeitet, sondern nach wie vor in der Erhaltung der großen Fürstentümer die beste Gewähr für die Sicherung der eigenen Machtstellung gesehen. Dies wiederum ist nur erklärlich, wenn die römischen Ziele in Spanien auf die Erhaltung des mit dem Ende des Hannibalkrieges hergestellten Zustandes und nicht auf eine expansive Machtaus dehnung ausgerichtet waren. Diese ist erst das Ergebnis der immer tieferen Verstrickung in den spanischen Freiheitskampf, dessen Kraftreserven erst dann erschöpft waren, als auch die kelitiberischen Stämme des Landesinneren 133 endgültig die Waffen streckten. Zu den wenigen Kampfhandlungen bis 154 s. Liv. 41,26; 28,6. Act. triumph. CIL I2, p. 48. Obseq. 10. Liv. 43,4,1-4. per. 43. Flor. 1,33,14.
59
Einzelheiten bei K. GÖTZFRIED, aaO. S. 52 ff.
60
Grundlegend zur Statthalterschaft des Tiberius Gracchus E. BADIAN, FC, S. 122 ff.
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Basis eines großen militärischen Sieges durchgeführt wurde, und an der auf beiden Seiten gewonnenen Einsicht in die Fruchtlosigkeit einer Fortset zung des mörderischen Ringens, so daß man gewillt war, wenigstens für eine gewisse Zeit die getroffenen Vereinbarungen zu halten61. Ausgangs und Angelpunkt der von Gracchus anvisierten Stabilisierung des Status quo war die von den gegebenen Verhältnissen diktierte Aufgabe, das eigentliche Untertanengebiet von den freien Völkern der Halbinsel zu isolieren, Machtbildungen von potentiell gefährlicher Größenordnung zu künftig unmöglich zu machen und für den Fall künftiger kriegerischer Verwicklungen bundesgenössische Hilfe sichern zu müssen. Das dazu ein zig verfügbare Instrument bildeten vertragliche Abmachungen62, in denen die Verpflichtung zur militärischen und finanziellen Hilfe im Krieg den ersten Platz einnahmen63. Außerdem - und das enthüllt den Geist und die Intention der gracchanischen Politik - enthielten die Verträge das Verbot neuer Städtegründun gen 64 , wodurch in der Form anders, aber in der Sache genau dasselbe er reicht werden sollte, was bereits Cato durch die gewaltsame Zerstörung der städtischen Zentren in Spanien angestrebt hatte: die Ausschaltung möglicher Kristallisationskerne eines neuen Widerstandes gegen Rom. Dieses strategisch-militärischen Zieles wegen verzichtete man selbst auf den Versuch, die auf der kommunalen Selbstverwaltung ruhende provinziale Organisation durchzusetzen. Damit begab man sich zugleich der Möglichkeit, die Einnahmen kontinuierlich zu steigern und verharrte auf einer Stufe der Ausbeutung des beherrschten Gebietes, die momentanen Plünderungen zur Deckung der Kriegskosten näherkam als einer kon61
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Über die in der Hispania ulterior von L. Postumius Albinus verfolgte Politik schweigen die Quellen. Da auch hier der Friede bis 154 gesichert werden konnte und 179 beide Statthalter gemeinsam gegen die Keltiberer vorgegangen waren, scheint es nicht zweifel haft, daß auch die in beiden Provinzen gesetzte Ordnung identisch ist; vgl. K. GÖTZ FRIED, aaO. S. 94ff., F. MÜNZER, RE 22 (1953) Sp. 914; 917 s. v. L. Postumius Albinus Nr. 41. Die Vertragsabschlüsse des Gracchus werten alle Quellen übereinstimmend als typisches Merkmal der von ihm gesetzten Ordnung: App. Ib. 43,179. Liv. 40,50,5. Plut. Tib. Gracch. 5. Liv. per. 41. Die besondere Betonung der Beeidung dieser Verträge durch Appian besagt nicht, daß dies vorher anders gewesen sei, sondern bezieht sich auf den Streit um die Rechtsgültigkeit der von Q. Pompeius und Hostilius Mancinus 141 bzw. 137 abgeschlossenen Verträge. App. Ib. 44,182. Die vertraglich vereinbarten Tribute sind auch hier ein Teil der bundesgenössischen Verpflichtung zur Hilfe im Kriegsfall. Vgl. zu dieser Auffassung Tac. hist. 4,74,1: nam neque quies gentium sine armis neque arma sine stipendiis neque stipendia sine tributis haben queunt. App. Ib. 44,182ff.
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sequenten Nutzung des Gewonnenen. Auch hier zeigte sich, daß der Überfluß der Einnahmen keine Neigung zeugte, auf die spanischen Probleme mehr als militärische Energien zu richten. Die auf den ersten Blick wegen ihres vordergründigen Erfolges so kon struktiv erscheinenden Maßnahmen des Gracchus schrumpfen beim nähe ren Zusehen auf den Versuch zusammen, die bestehenden Machtverhält nisse einzufrieren. Der Preis dafür ist der Verzicht darauf, den spanischen Völkern die mit dem römischen Eingreifen in Spanien an sich natürliche zivilisatorische und organisatorische Weiterentwicklung zu ermöglichen, die der Ausbildung römischer Herrschaftsformen letzten Endes die allein brauchbaren Anknüpfungspunkte städtischer Selbstverwaltungsorganis men geliefert hätte. Daß eine solche Politik erfolgreich gewesen wäre, hatte Rom selbst mit der Bildung der italischen Wehrgemeinschaft bewie sen. Diese war deswegen dauerhaft und funktionsfähig geblieben, weil man es verstanden hatte, die Vielzahl italischer Städte und Stämme auf ein auch für sie sinnvolles politisches Ziel zu einigen und ihnen den Zugang zur Urbanität als Fortschritt gegenüber den bis dahin praktizierten staat lichen Organisationsformen erstrebenswert zu machen. Nun hat der Senat bereits in den ersten Jahren des Ersten Punischen Krieges eine Ausdehnung der Wehrgemeinschaft über Italien hinaus für nicht mehr opportun gehalten und in Sizilien zum erstenmal die Politik der Herrschaftsaufrichtung durch Bundesgenossenschaftsverträge aufge geben. Doch war auch hier nach dem Fall von Syrakus und nach der Übernahme der lex Hieronica an der elementaren Grundvoraussetzung festgehalten worden, daß die Erhaltung der Städte als funktionsfähige poli tische Organismen die Herrschaftsausübung allein möglich machen kann. Offenbar war dieser Vorgang in seiner ganzen Tragweite nicht so bewußt vollzogen worden, daß der Senat den Grundsatz von den in Sizilien vorgefundenen Verhältnissen abstrahiert und zur Ausbildung eines Herr schaftsmodells verwandt hätte65. In Spanien wurde im Lärm der Waffen nur der Ruf nach dem Ende des blutigen Schauspiels gehört, das man durch die gewaltsame und vertragliche Niederhaltung des Gegners er reichen zu können glaubte66. 65
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Konsequent tat dies als erster Pompeius, der bei der Einrichtung der bithynischpontischen Provinz die bestehende Einteilung des Gebietes in Landkreise beseitigte und die neue Provinz in elf überschaubare Stadtbezirke gliederte. Die Gründung der Stadt Graccurris durch Tiberius Gracchus sollte denn auch nichts anderes als ein sichtbares Zeichen seines Sieges für die Nachwelt sein: Tib. Sempronius Gracchus proconsul Celtiberos victos in deditionem accepit, monimentumque operum suorum Gracchurim oppidum in Hispania constituit (Liv. per. 41, Fest. 86L).
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An dieser auf das Endergebnis hin besehen notwendig negativen Bilanz Jes gracchanischen Versuches, zu einer friedlichen Verständigung zu kommen, ändert nichts der geschickte Schachzug, die nomadisierenden Stämme durch Landverteilungen und Landschenkungen seßhaft zu niachen67. Damit war es zwar gelungen, Teile der ärmeren spanischen Be völkerungsschichten der römischen Sache zu verpflichten. Als dahinter stehende Intention wird jedoch nur der Wunsch erkennbar, die Stabilität der vertraglich hergestellten Ordnung nicht durch umherziehende Habe nichtse, die in einem neuen Waffengang nichts zu verlieren und alles zu gewinnen hatten, gefährden zu lassen. Es stellt sich bei dieser Beurteilung der Dinge sofort die Frage, was denn, wenn nicht die spezifische Form der gracchanischen Neuregelung, den Frieden eine Generation lang aufrechterhielt. Die Antwort gibt das Bild, das die beiden Kontrahenten im Verlauf der vorangegangenen Jahr zehnte des Krieges voneinander gewonnen hatten, und die Art, wie sie die nach den erfolgreichen Kriegszügen des Gracchus entstandene Sachlage einschätzten. Den freien spanischen Fürsten muß das stetige Vordringen der römischen Macht klargemacht haben, daß eine Vertreibung der Legio nen nicht mehr im Bereich des Denkbaren liegen und die römische An wesenheit in Spanien als unumstößlich nur noch hingenommen werden konnte. Das Angebot des Gracchus, den Status quo verbindlich zu fixie ren, muß ihnen nach der Kette der erlittenen Niederlagen als außerordent licher Glücksfall erschienen sein, dessen Beständigkeit es unter allen Um ständen zu prüfen galt68. ~ " '"""" Ein spezifisches Kennzeichen ihrer von jetzt an auf die Defensive aus gerichteten Überlegungen ist die Tatsache, daß bis 133 jedes römische Friedensangebot, das die vertraglich gesicherte Erhaltung des Bestehenden beinhaltete, sofort akzeptiert wurde und zwar auch dann noch, als die mit diesen Angeboten angestellten römischen Betrugsmanöver keinen Zweifel daran lassen konnten, daß man römischerseits in solchen Abmachungen nur vorübergehende Regelungen sah, die man sofort bei der nächst günsti gen Konstellation zu umgehen gewillt war. Die Unterworfenen sahen dagegen ihre Zukunft auf die Alternative fixiert, entweder mit der Waffe ein erträgliches Dasein zu erkämpfen, wozu begründete Aussicht auf Erfolg nicht mehr bestand, oder auf einen 67 68
App. Ib. 43,179. Noch im Winter 152/1 forderten Gesandte der Arevaker in Rom den Senat auf, beide Seiten sollten sich ungeachtet der ausgebrochenen Zwistigkeiten an die unter Gracchus geschlossenen Verträge halten: Polyb. 32,2,15.
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römischen Sinneswandel zu hoffen, der sie aus ihrer Rolle als Ausbeu tungsobjekte hinausführte. Und hier schien es in der Tat Anzeichen dafür zu geben, daß Rom seine bisherige Politik revidierte. Bereits Gracchus hatte in einer großzügigen Geste auf die vertraglich den freien Stämmen auferlegten militärischen und finanziellen Hilfeleistungen verzichtet69 und damit zu erkennen gegeben, daß Rom den spanischen Völkern gegenüber, nun da Frieden hergestellt war, zu Konzessionen bereit war. Die durch schlagende Wende im beiderseitigen Verhältnis schien sich dann im Jahre 171 anzubahnen, als sich der Senat zum erstenmal die Klagen mehrerer Gesandtschaften aus beiden spanischen Provinzen anhörte70, gegen die hauptsächlich beschuldigten Statthalter die Einleitung eines Rekuperato renverfahrens erreichte71 und schließlich durch einen offiziellen Beschluß die Modalitäten der Tributeintreibung verbindlich regelte72. Der Kernsatz des SC verbot den Statthaltern, die Unterworfenen zu zwingen, zu einem willkürlich festgesetzten Preis den Zwanzigsten ihrer Ernte zu verkaufen, und beendete die Beitreibung der Tribute durch Militärkommandanten. Dies zeigt ganz deutlich (und wurde sicher auch so verstanden), daß man in den Unterworfenen begann, Untertanen zu sehen, denen gegenüber ein Mindestmaß an Verantwortung sichtbar werden mußte 73 und die den Schutz des römischen Staates gegen allzu krasse Will kürakte anrufen konnten. In dieses Bild wachsender römischer Fürsorge gehört schließlich die im selben Jahr erfolgte Gründung der latinischen Kolonie Carteia (Algeciras) an der spanischen. Südostküste, in der die
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App. Ib. 44, 183. Socii in der livianischen Terminologie, was nicht mit F. de FONTENAY DE FONTETTE, Leges repetundarum, 1954, S. 22 Anm. 2 zu dem Schluß verleiten darf, in ihnen völkerrechtlich autonome Gemeinden zu sehen; richtig Y. BONGERT, Recherches sur les recuperateurs, in: Varia IX, 1952, S. 107. 71 Liv. 43,2,1 ff. 72 Liv. 43,2,12: ita praeteritis silentio oblitteratis in futurum tarnen consultum ab senatu Hispanis, quod impetraverunt, ne frumenti aestimationem magistratus Romanus haberet neve cogeret vicensumas vendere Hispanos, quanti ipse vellet, et ne praefecti in oppida sua ad pecunias cogendas imponerentur; vgl. H. H. SCULLARD, Roman Politics 220-150 B. C , 1951, S. 201 f., A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 636f. 73 Auf den Effekt hin besehen ist es ohne Belang, ob diese gewandelte Vorstellung der Überzeugung entsprang, den Untertanen gegenüber Verantwortung tragen zu müssen, oder ob die Überlegung dahinter stand, die Situation in Spanien zur Vermeidung eines neuen Aufstandes auf diese Weise entschärfen zu können, oder ob persönliche Feind schaften und Gruppeninteressen, die in vielen ähnlich gelagerten Fällen das Zustande kommen von Repetundenverfahren erst ermöglichten (Beispiele bei A. J. TOYNBEE, - aaO. II, S. 608 ff.), auch hier ausschlaggebend waren.
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Nachkommen in Spanien gebliebener Soldaten und spanischer Frauen auf ihre Bitte hin eine neue Heimat fanden74. Im Grunde verdrängte die objektiv in diesem Ausmaß nicht begründete Sorge um den Erhalt des Bestehenden, die in der weiterschwelenden Furcht vor Karthago kaum nachvollziehbare Dimensionen erreicht75, den Willen zur theoretischen Durchdringung der mit der Eroberung und der Perpetuierung ihrer Rechtsfolgen gestellten Strukturprobleme. Dies reduzierte die Tätigkeit des Senates auf ad hoc getroffene und von außen heran getragene Entscheidungen, die zwar die überkommenen Vorstellungen von den spanischen Provinzen als reine Ausbeutungsobjekte einebnen halfen, aber kein formuliertes Ziel fanden, auf das sich eine Gruppe von Senatoren - wie ζ. Β. bei der innenpolitisch anstehenden Agrarfrage geschehen - hätte konzentrieren können. So bedurfte es eines neuen, zwei Jahrzehnte an dauernden Waffenganges, der an Brutalität und Härte alles bis dahin Ge kannte in den Schatten stellte und in dem die herkömmlichen, zuletzt von Tiberius Gracchus praktizierten Methoden endgültig abwirtschafteten, um umgeben von der Ruhe des Friedhofs auf eingeebnetem Feld ein neues Regiment zu etablieren, das von außen und innen ungestört mehr aus sich selbst herauswuchs, als daß es vorher konzipiert worden wäre76. d) Der Vernichtungskrieg (154-133 v. Chr.) Die 154 ausbrechende Segeda-Krise und die Unmöglichkeit, sie zu iso lieren, lieferten dem Senat den Beweis dafür, daß die allein auf die Erhal tung des Status quo ausgerichtete Ordnung des Gracchus kein Weg war, 74
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Liv. 4 3 , 3 1 ^ . A. J. N. WILSON, Emigration, S. 24f., H. GALSTERER, Unters, z. röm. Städtewesen auf der iberischen Halbinsel, 1971, S. 7f. Gewiß ist richtig, daß z. B. zwischen den schweren Zwischenfällen an der numidischkarthagischen Grenze 154/3 und den römischen Niederlagen in Spanien zur selben Zeit ein Zusammenhang (wenn auch nicht im Sinne einer Kausal Verknüpfung) bestand (App. Lib. 68,306). Die schweren gegen die Lusitaner erlittenen Schlappen, die Entsendung eines konsularischen Heeres nach Keltiberien und die Verlegung des Amtsantrittes der Konsuln auf den ersten Januar müssen in Karthago sehr schnell bekanntgeworden sein und die radikalen Elemente in der Stadt in ihrem Entschluß bestärkt haben, nun mit Massinissa abrechnen zu können. Trotzdem kann natürlich keine Rede davon sein, daß Karthago an neue Anknüpfungspunkte in Spanien gedacht hat oder, wenn es dies wirk lich getan hätte, eine reale Chance zur Verwirklichung einer derartigen Politik gehabt hätte. Zu den Ereignissen siehe H. SIMON, Roms Kriege in Spanien 154-133 v. Chr., 1962, S. 23 f. Zur Beurteilung der karthagischen Politik s. W. HOFFMANN, Historia 9 (1960) S. 334ff. Das Ziel der römischen Spanienpolitik war natürlich nicht der Krieg um seiner selbst willen. Er war das Mittel zum Frieden, von dessen Gestalt die römische Vorstellung je doch zu unpräzise war, als daß der Vernichtungskrieg zu vermeiden gewesen wäre.
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der die iberische Halbinsel einem dauernden Frieden näherbringen konnte. Segeda war um diese Zeit daran gegangen, sich zu vergrößern, und hatte zu diesem Zweck mit dem Bau einer neuen größeren Mauer begonnen und die umwohnende Bevölkerung, darunter den benachbarten Stamm der Titther, zu einem Synoikismos gezwungen 77 . Ganz offensichtlich hatte sich die Stadt wirtschaftlich und politisch in diesem Raum so weit vor wärts entwickelt, daß ihre räumliche Ausdehnung als der konsequente Ab schluß dieses Prozesses in die Wege geleitet wurde 78 , wobei es nicht ohne Gewalt gegen Teile der Beller und gegen die Titther abging, die dem ihnen aufoktroyierten Zusammenschluß keine positiven Seiten abgewinnen wollten 79 . Dieser für sich genommen keineswegs ungewöhnliche Vorgang, wäre in der politischen Landschaft des alten Spanien ohne nennenswerte Kompli kationen vollzogen worden. An der Randzone einer Großmacht, deren erklärtes Ziel die Verhinderung neuer politischer Gruppierungen in diesem Raum war, nahm er die Dimension einer für die Ruhe der Provinz gefähr lichen Machtkonstellation an. Der Senat reagierte denn auch sofort, verbot die Weiterführung des Mauerbaus unter Berufung auf den Paragraphen des mit Gracchus abgeschlossenen Vertrages, der den Bau befestigter Städte untersagte, und hob die Befreiung von der Pflicht, materielle und finan zielle Kriegshilfe zu leisten, auf - offenbar war er davon überzeugt, daß nur exemplarische Härte die Wiederholung eines derartigen Vorfalles ver hindern könne. Daran muß ihm gerade zu diesem Zeitpunkt viel gelegen gewesen sein, da zu derselben Zeit die Kämpfe in der Hispania ulterior wieder aufgeflammt waren, in die auch die diesseitige Provinz hinein gerissen wurde 8 0 . Auch hier zerstörten die Angriffe der Lusitaner die Illu sion, die in vorstaatlichen Organisationsformen und zumeist in bitterer Armut lebenden spanischen Völker dadurch niederhalten zu können, daß man ihnen die Ausbildung städtischer Lebensformen untersagte und damit selbst die Bildung der Kristallisationskerne unterband, an die römische Herrschaft hätte anknüpfen können. Für die Lusitaner, das zeigen ihre Streifzüge bis nach Afrika ganz deut lich 81 , ging es um nichts anderes als um die gewaltsame Gewinnung von 77
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App. Ib. 44,180ff. Zum ganzen Vorgang und seiner Auswertung H. SIMON, aaO. S. 15 ff. Diod. 31,39. A. SCHULTEN, Numantia I, 1914, S. 239; 330. Ihre Beschwerdegesandtschaften machten dies vor dem Senat deutlich: Polyb. 35,2,3-11. App. Ib. 48,204f. H. SIMON, aaO. S. 13ff.; 19. App. Ib. 57,240. H. SIMON, aaO. S. 23.
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Beute und Land, kurz: um die Verbesserung ihrer kümmerlichen Lebens verhältnisse, die ein starker ΒevölkerungsÜberdruck immer armseliger werden ließ. Die natürlichen Hilfsquellen des lusitanischen Hochlandes waren im Gegensatz zu den reichen Küstenstrichen Südspaniens zu be grenzt, als daß die wirtschaftlichen und sozialen Probleme im eigenen Land aus eigener Kraft zu lösen gewesen wären. Die römischen Feldherrn haben diese Wurzel des Übels wohl erkannt und hie und da versucht, durch Um- und Neuansiedlungen lusitanischer Stämme mit der Schaffung erträglicher Lebensbedingungen die Unruheherde zu beseitigen82. Trotz dem mußte die römische Politik hier zwangsläufig in eine Sackgasse ge raten, da das einzig erfolgversprechende Mittel, eine generelle Neuvertei lung des Bodens vor allem auf Kosten der reichen Küstenstämme und Städte, selbst bei bestem Willen außerhalb der Möglichkeiten Roms lag und wohl auch jedes anders strukturierte antike Staatsgebilde überfordert hätte 83 . Die mit dem eruptiven Aufbrechen dieser Krisenherde eingeleitete letzte Phase des spanischen Krieges ist gekennzeichnet durch die sich immer mehr im Senat festigende Überzeugung, nur durch die physische Vernichtung der noch kämpfenden Stämme die Provinzen endgültig be frieden zu können. Dabei spielt neben den in Spanien gemachten Erfah rungen die in den siegreichen Kriegen im Osten gewonnene Selbsteinschät zung, die auf Kompromisse angelegte Friedensschlüsse mit der römischen Waffenehre für nicht mehr vereinbar hielt, ebenso mit wie die nach 168 allenthalben spürbar werdende mißtrauische Verhärtung der Außenpolitik, die aus der Verlegenheit geboren wurde, die bis 171 praktizierten Metho den als im Grunde gescheitert begreifen zu müssen, ohne eine Alternative dazu zu sehen. Die Ruinen von Korinth, Karthago und schließlich Numantia sind die Meilensteine eines politischen Weges, von dem die, die ihn beschritten, nicht wußten, wohin er sie führen sollte. Auf den spanischen Kriegsschauplätzen riskierte jeder Feldherr, der jetzt noch zu dem Mittel der friedlichen Verständigung griff, daß Senat 82
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150 räumte Ser. Sulpicius Galba gegenüber lusitanischen Gesandten ein, daß ihre materielle Not sie zu ständigen Raubzügen zwinge, und versprach ihnen die Zuweisung neuer Wohnsitze, ein Angebot, das die Lusitaner freudig annahmen und für das sie als Gegenleistung bereitwillig ihre Waffen abgaben; App. Ib. 59,249ff. Ihre Niedermetzelung löste bekanntlich den Viriathuskrieg aus. Nach dem Tod des Viriathus ergaben sich seine Truppen unter Tautalos nach einer letzten vergeblichen Offensive an die Küste dem Q. Servilius Caepio und wurden auf eigenen Wunsch hin innerhalb der Provinzgrenzen angesiedelt (App. Ib. 75,320f. Diod. 34,1,4) - eine späte Erfüllung der von Galba gemachten und nicht eingehaltenen Versprechungen; H. SIMON, aaO. S. 138.
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und Volk seine Anordnungen kurzerhand annullierten, ihn frühzeitig aus der Provinz abriefen und ihm im schlimmsten Fall dem tödlichen Vorwurf der Feigheit aussetzten 84 . Die skrupellosen Karrieremacher unter den Statthaltern - und es waren ihrer nicht wenige - begriffen derartige Lektio nen am schnellsten und warfen die ihrem Stand Jahrhunderte lang selbstverständlichen Grundsätze von Treu und Glauben über Bord, wenn es galt, den Gegner durch Versprechungen, vorgetäuschte Abmachungen und zum Schein geschlossene Verträge zu hintergehen. Vielfach war dies bei völliger militärischer Unfähigkeit der eingesetzten Feldherrn überhaupt der einzige Weg, um mit heiler Haut dem mit dem Mut des Verzweifelten kämpfenden Gegner zu entkommen. Der Krieg nahm den Charakter an, den Cicero rückblickend als typisch für den ganzen Zeitraum der spanischen Eroberung formulierte: cum Celtiberis bellum ut cum inimicis gerebatur, uter esset, non uter imperaret 85 . Friede war somit nur noch auf dem Wege der bedingungslosen Kapitulation zu erreichen, ein Grundsatz, den Q. Pompeius, als Prpkonsul der Hispania citerior 140/39 durch das wohl niederträchtigste Betrugsmanöver gegen die Numantiner ausgezeichnet 86 , zweifellos nach den ihm vom Senat mitgegebenen Instruktionen so formulierte: έκέλευεν αυτούς 'Ρωμαίους επιτρέπει ν (deditio), ού γ α ρ ειδέναι συνθήκας ετέ ρας 'Ρωμαίων αξίας 8 7 . 84
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Polyb. 3ίΜ,3; 3,4. Der Betroffene, M. Claudius Marcellus, als Konsul 152 nach Spanien entsandt, um die Kriege in beiden Provinzen gegen Lusitaner und Keltiberer zu beenden, war der letzte große Feldherr, der bewußt an die von Gracchus formulierte Maxime der friedlichen "'Verständigung anzuknüpfen versuchte, damit aber nur noch bedingt Erfolg hatte: Seine ersten Friedensvorschläge auf der Basis der gracchanischen Ordnung wurden Ende 152 im Senat als unehrenhaft abgelehnt (Polyb. 35,2-3) und seine ein Jahr später mit den Bellern, Titthern und Arevakern abgeschlossenen Präliminarverträge in Rom nur bestätigt, da ihnen die deditio des Feindes vorangegangen war (App. Ib. 50,214. 63,268. Polyb. 35,2,15. Liv. per. 48). Zu den Details s. H. SIMON, aaO. S. 35ff.; 44f. Cic. de off. 1,12,38. Polyb. 35,1,1; 6 spricht von einem irOpivos TTOXepos, ein „Krieg wie Feuer**. Zum Vorgang H. SIMON, aaO. S. 114ff. App. Ib. 79,340. Zu der zu keinem Kompromiß mehr bereiten Haltung des Senates A. E. ASTIN, Scipio Aemilianus, 1967, S. 147ff. Bereits im Sommer 152 forderten Ge sandte Rom freundlicher Stämme den Senat auf, entweder dauernd ein Heer in Spanien zu stationieren und jährlich einen Konsul dorthin zu entsenden oder ein Exempel zu statuieren, das künftige Kriege ein für allemal unmöglich machen würde (Polyb. 35,2,5-11; die Alternative kann nur als die Propagierung des Vernichtungskrieges verstanden werden). H. SIMON, aaO. S. 41 hat zu Recht darauf verwiesen, daß diese martialischen Forderungen genau die Absichten der Kreise in Rom zum Ausdruck bringen, die eine Fortsetzung des Krieges bis zur endgültigen Niederwerfung des
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Auch dort, wo die Umstände keine andere Wahl als die vertragliche Einigung mit dem Gegner offenließen, verstand man dies als einen be dauerlichen Rückschlag, den es so schnell als möglich zu revidieren galt. 140 erreichte Viriathus nach der Zernierung der Legionen des Q. Fabius Maximus Servilianus den Abschluß eines Vertrages aequis condicionibus (Liv. per. 54), in dem ihm der Besitz des eroberten Gebietes (wahrschein lich Bäturien) bestätigt und sein Volk in die amicitia et societas p. R. auf genommen wurde88. Für Viriathus die wohl kaum noch erhoffte Krönung seines Kampfes, erschien der Vertrag dem Senat nicht mehr als ein lästiges Stück Papier89, dessen er sich noch im gleichen Jahr dadurch entledigte, daß er zunächst dem Nachfolger des Servilianus, Q. Servilius Caepio, die Weisung erteilte, Viriathus zu schaden, so gut er könne, und ihm schließ lich, als dies den Spanier nicht aus seiner Reserve herauslockte, offiziell die Wiederaufnahme des Krieges befahl90. Die treibende Kraft dieser ganz auf die totale Niederwerfung des Geg ners abzielende Politik war zweifellos Scipio Aemilianus, dessen erstes politisches Auftreten im Jahre 152/1 bereits gegen die von M. Claudius Marcellus vorgelegten Friedensvorschläge zur Beendigung des keltiberischen Krieges gerichtet war91, der 137 bei der Verwerfung des MancinusVertrages eine (wenn nicht die) Schlüsselrolle spielte92 und der schließlich 133 seine Vorstellungen persönlich in die Tat umsetzte, als er Numantia dem Erdboden gleichmachte, ohne erst die Weisungen des Senates abzu warten 93 . "■■"
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Gegners anstrebten, so daß die Annahme naheliegt, daß die spanischen Gesandten das Manuskript von „wohlmeinenden" römischen Politikern in die Hand gedrückt bekamen. App. Ib. 69,294. Diod. 33,14. Liv. per. 54. ep. Oxyrh. 54, Z. 185f. Der Vertrag, der als Bundesgenossenschaftsvertrag mit angehängten Friedensbedingungen (vgl. den Ver trag mit Karthago von 201) stilisiert gewesen sein wird, wurde vom Volk ohne weiteres bestätigt. Die Abwesenheit des Scipio Aemilianus, der zu dieser Zeit seine Gesandt schaftsreise in den Orient bereits angetreten haben muß, wird dazu wesentlich bei getragen haben; Α. Ε. ASTIN, aaO. S. 125f.; 142f. Liv. ep. Oxyrh. 54, Z. 185f.: deformis pax. Diod. 33,1,4.
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App. Ib. 70,297. H. SIMON, aaO. S. 124f.
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Polyb. 35,4,8. H. SIMON, aaO. S. 38f. Mit K. BILZ, Die Politik des Publius Cornelius Scipio Aemilianus, 1935, S. 51 f. ist einschränkend festzuhalten, daß der Einfluß des jungen Mannes auf die Senatsentscheidung nur minimal und keineswegs ausschlaggebend gewesen sein kann. Vgl. im übrigen zur Spanienpolitik des Aemilianus ED. MEYER, Kl. Schrift. I 2 , 1924, S. 401 f., Η. Η. SCULLARD, Scipio Aemilianus and Roman Politics, JRS 50 (1960) S. 59ff., J. M. BLAZQUEZ, La Conquista de Hispania, Klio 41 (1963) S. 171 ff., A. E. ASTIN, aaO. S. 139f.
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H . SIMON, aaO. S. 149ff., Α. Ε. ASTIN, aaO. S. 131 ff.
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App. Ib. 98,424—426. Die ausdrückliche Erwähnung der Eigenmächtigkeit des Vorgehens muß darauf zurückgehen, daß dieser Entschluß Scipios auf Kritik im Senat gestoßen
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Der ersehnte Erfolg, die Ruhe der Provinzen, um die man solange ge bangt hatte, war da, auch wenn sie nicht die Ruhe der Ordnung, sondern die Ruhe der Toten war. Für Scipio selbst war dieser Erfolg identisch mit der Erfüllung der selbstgesteckten Aufgabe; er begnügte sich damit, das Gebiet der Ausgerotteten unter den Nachbarn zu verteilen, die Helfers helfer in den Städten der Arevaker und wohl auch der Vakkäer zu ver folgen und zu bestrafen94 und im übrigen alles für eine schnelle Abreise nach Rom vorzubereiten, die er - ein wohl einmaliger Vorgang - noch vor der Ankunft der senatorischen Zehnmännerkommission, die das eroberte Gebiet neu ordnen sollte, antrat95. Das politische Glaubensbekenntnis dieses Mannes bringt Diodor, über Polybios wahrscheinlich direkt an eine Äußerung Scipios anknüpfend, auf die der römischen Politik nach 168 zugedachte einfache Formel, daß der Erhalt des Gewonnenen am besten durch Terror und durch die Vernich tung der noch verbliebenen Gegner gesichert werden könne: ούτοι δε σχεδόν την αρχήν πάσης της οικουμένης έχοντες ταύτην ήσφαλέσαντο φόβω και τη των επιφανέστατων πόλεων άπωλεία. Κόρινθον γαρ κατέσκαψαν και τους κατά τήν Μακεδονίαν έρριζοτόμησαν, οίον τον Περσέα, και Καρχηδόνα κατέσκαψαν και εν Κελτιβηρία τήν Νομαντίαν, και πολλούς κατέπληξα ντο 96 . Es entsprach dieser Auffassung, daß Scipio an der nach dem Sieg notwendig gewordenen Neuordnung der Ver hältnisse wenig Sinnvolles fand. Ein auf ein solches Credo reduziertes Be wußtsein kann an Handlungen nichts Erstrebenswertes finden, die dazu geeignet sind, die gehegte Illusion, daß mit dem Schwert alle Arbeit ge leistet werden könne, anzutasten. Über die Tätigkeit der Senatskommission schweigt die Überlieferung. Die Tatsache ihrer Absendung ist jedoch Beweis genug dafür, daß der Senat diesmal ernsthaft gewillt war, über die bisherige Praxis von ad hoc
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war. Inhaltlich dürfte sich diese eher an der Ausschaltung des Senates als an der Angemessenheit des Vorgehens entzündet haben. Vgl. Α. Ε. ASTIN, aaO. S. 153f. Ebenso hat die Verschlechterung der politischen Stellung Scipios in der zweiten Hälfte des Jahres 132 ausschließlich innenpolitische Gründe: J. BARON UNGERN-STERNBERG VON PÜRKEL, Untersuchungen zum spätrepublikanischen Notstandsrecht, 1970, S. 137ff. App. Ib. 98,427. App. Ib. 99,428. Diod. 32,4,5; vgl. 32,2; s. dazu H. STRASBURGER, JRS 55 (1960) S. 46 mit Anm. 58, F. W. WALBANK, ebda. S. 10f., Κ. Ε. PETZOLD, Studien zur Methode des Polybios und zu ihrer historischen Auswertung, 1969, S. 63. App. aaO. nennt drei Gründe Scipios für die Zerstörung Numantias: erstens der Nutzen Roms, zweitens Erbitterung und Kampfeslust gegen den hartnäckigen Gegner und drittens die Überzeugung, nur so Ruhm gewinnen zu können. Ohne Zweifel sind alle drei Motive richtig, s. Α. Ε. ASTIN, aaO.
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gefällten Entscheidungen und feldherrlichen Anordnungen hinauszu kommen und dem Frieden ein dauerhaftes Gesicht zu geben97. Die Aus bildung neuer Herrschaftsstrukturen oder die Übertragung der in Sizilien ablesbaren Organisationsformen scheidet dabei angesichts einer Politik aus, die sich einzig und allein seit Jahren auf die physische Ausschaltung des Gegners konzentriert hatte 98 . So scheint es kein Zufall zu sein, daß keine Anzeichen auf einen Verzicht der seit Gracchus unverändert beibe haltenen Maxime weisen, den spanischen Stämmen die Entwicklung städti scher Lebensformen zu verwehren. Die Erkenntnis, daß gerade hier die Unmöglichkeit, zu einer friedlichen Verständigung mit den einheimischen Völkern zu kommen, begründet gewesen sein könnte, kann niemals das Ergebnis einer Vernichtungspolitik gewesen sein. Diese Feststellung ist, auf ihren historischen Effekt hin befragt, aller dings von geringer Bedeutung und charakterisiert vor allem die auch nach 133 weiterbestehende Orientierungslosigkeit der römischen Oberschicht, was die politischen Bemühungen um die inhaltliche Fixierung praktikabler Herrschaftsinstitutionen angeht. Da mit dem Zwang, jede gefährlich erscheinende Machtbildung in Spanien verhindern und zerschlagen zu müssen, das dazu gefundene Mittel ohne formelle Beseitigung wegfiel, konnte der bereits seit dem ersten römischen Fußfassen in Spanien unver meidbare Prozeß der Urbanisierung nach der jetzt erreichten Stabilisierung der Macht und auf Grund der jeder höheren politischen Organisations form immanenten Anziehungskraft von selbst in Gang kommen. Die außerhalb des eigentlichen Untertanengebietes verbliebenen Stämme fielen als politische Größe nicht mehr ins Gewicht. Die Aus dehnung des römischen Herrschaftsbereiches auf den größten Teil der Halbinsel reduzierte die Bedeutung zukünftig möglicher Kriege, die nicht ausblieben 99 , auf Grenzscharmützel, die den Bestand der Provinzen nicht mehr gefährden konnten. Die römische Politik war damit von dem Zwang befreit, Bundesgenossen gewinnen und die Hauptenergie auf den Schutz der Provinzen verwenden zu müssen, so daß sich die Zehnmänner kommission damit begnügt haben wird, mit den noch freien Völkern ein freundschaftliches Einvernehmen herzustellen. Im übrigen vertraute sie mit gutem Grund darauf, daß trotzdem noch ausbrechende Streitigkeiten von den Statthaltern ohne viel Mühe gemeistert werden konnten. Ihre Tätigkeit beschränkte sich also - darauf deuten die spärlichen Indizien 97
Vgl.
98
Liv. 8,13,14: pacem . . . parare in perpetuum vel saeviendo vel ignoscendo.
99
App. Ib. 99ff.; E. V. SUTHERLAND, aaO. map. 2.
E. BADIAN, FC, S.
124f.
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auf die Regelung territorialer Streitigkeiten und die Neufestsetzung des Tributs innerhalb des provinzialen Herrschaftsbereiches. Eine Reorgani sation der Herrschaft lag außerhalb ihrer Möglichkeiten. Der Sieg des Jahres 133 bescherte den Unterworfenen nicht die Ablösung der römischen Gewaltausübung durch die römische Regierung, schuf aber zum ersten Mal seit dem Ende des Hannibalkrieges die Voraus setzung dafür, daß sich die Tätigkeit der römischen Statthalter nahezu aus schließlich auf die Administration konzentrieren konnte. Bei der ihnen zugestandenen monarchischen Machtfülle war dies der entscheidende Punkt, von dem aus die verhängnisvolle Aufspaltung der spanischen Szenerie in unter Waffen stehende Sieger und Besiegte langsam zu über brücken war. Herrschaft begann zu versachlichen, d. h. die Sachzwänge drängten zur Ausbildung praktikabler Ordnungsgedanken, ohne daß diese Entwicklung durch äußere Kriege gestört oder gar unterbunden werden konnte. Erst jetzt verlor innerhalb des spanischen Machtbereiches der Begriff provincia nach und nach seine inhaltliche Fixierung auf den militä rischen Aufgabenbereich eines Imperiumträgers und kündete von einer territorialen Verwaltungseinheit, deren rechtliche Ausformung zur Haupt aufgabe des Statthalters wurde. e) Die Bedingungen der Herrschaft: Die Ziele des Eroberers und das Wohlverhalten der Unterworfenen Das den einzelnen Stationen der römischen Spanienpolitik gemeinsame Kennzeichen ist die Divergenz zwischen den jeweils gesteckten Zielen und den von der Sache her gestellten Anforderungen. Rom behielt die Ent wicklung der Dinge mir solange im Griff, solange Spanien als ein Kriegs schauplatz unter anderen im Kampf gegen Karthago nicht mehr forderte als die Bekämpfung des Gegners. Die damit gegebene Aufgabe, die Kar thager aus ihren spanischen Stützpunkten zu vertreiben, löste man mit der gewohnten militärischen Gründlichkeit und mit bemerkenswertem diplo matischen Geschick, indem man die einheimischen Fürsten zur vertraglich fixierten Bundesgenossenschaft gewann, die eigenen Ziele mit den ihren gleichsetzte und dabei absolut glaubwürdig wirken konnte, da in der Tat nur die Schwächung der punischen Machtstellung auf dem Spiel stand. Der Riß, der nach dem Sieg auf spanischem Boden zwischen den Partnern auf brach und der, nie überbrückt, alles Folgende in Bewegung setzen sollte, wurde durch den gar nicht zu vermeidenden Verlust an Glaubwürdigkeit ausgelöst, als sich die römischen Truppen in Spanien festzusetzen be gannen. Die Motive dafür sind vielschichtig: Die Sorge vor einem Wieder-
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aufstieg des von Hannibal geführten Karthago, die verworrene Situation in den spanischen Küstenregionen, die Teile der dortigen Städte sich eng an Rom anlehnen ließ, das Selbstbewußtsein des Siegers, der nahezu unbe grenztes Vertrauen in die Überlegenheit seiner Legionen setzen durfte, die lange Dauer des Krieges und die Anziehungskraft des spanischen Silbers boten Grund genug, die gewonnenen Positionen in Spanien zu halten. Die Form, in der man dies tat, hing entscheidend von dem Wohlverhalten der Einheimischen ab, zumal da es Rom nach wie vor nicht darum ging, Spanien als Besiedlungsraum, als ökonomisches Ausbeutungs objekt oder als Reservoir neuer Untertanenschichten zu nutzen. Der Krieg hatte kein neues Interesse gezeugt, das auf die Nutzung des Raumes oder der dort lebenden Menschen gerichtet wäre, nachdem die Gründe seines Ausbruches mit Spanien selbst nichts zu tun gehabt hatten. Theoretisch implizierte dies, daß auch die loseste Form von Beherrschung den römischen Interessen der militärischen Sicherheit und der Kontrolle aller das ganze Ordnungsgefüge betreffenden Vorgänge genügt hätte. Dies setzte ein äußerstes Maß an Einverständnis von seiten der Betroffenen voraus, das diese nur dann haben konnten, wenn die römischen Vor stellungen erkennbare Vorteile enthielten, ζ. Β. Sicherheit gegen aus wärtige Feinde oder materielle Verbesserungen. Für die spanischen Stämme war Rom jedoch mit dem Entschluß, seine Legionen im Lande zu belassen, in die Fußstapfen Karthagos getreten und zu einem Gegner geworden, gegen den man mit der Erbitterung des Getäuschten zu Felde zog und aus dessen weiteren Reaktionen man nur die Bestätigung der Er kenntnis las, schmählich hinters Licht geführt worden zu sein. Der Senat, durch diese neue Frontstellung eindringlich von der Rich tigkeit seines Entschlusses überzeugt, zu diesem Zeitpunkt die spanischen Stützpunkte auf keinen Fall räumen zu können, hielt entschlossen an seiner Politik fest. Karthago war - wenigstens in seinen Augen - als Machtfaktor im westlichen Mittelmeer nur geschwächt, nicht aber ausge schaltet, und seit den in Griechenland und der Ägäis ausgebrochenen Kriegen drohten Verwicklungen mit gar nicht überschaubaren Konsequen zen. Die explosive Lage in Spanien forderte damit verstärkt den Einsatz der Legionen, die immer der sicherste Faktor bei der Lösung dramatischer außenpolitischer Zuspitzungen waren. Damit war letztlich bereits die Ent scheidung gefallen, die seit 197 jährlich die Entsendung von zwei Prätoren analog zu dem in Sizilien und Sardinien erprobten Verfahren vorsah. Mit diesem Entschluß hatte sich die Situation grundlegend geändert: An die Stelle eines fremden Landes, in dem man mit Hilfe einheimischer
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Völker gegen einen Dritten Krieg geführt hatte, trat jetzt ein Herrschafts bereich, der von befreundeten und feindlichen Stämmen und Städten umgeben und durchzogen war und für den es kein Rechtsmodell gab, anhand dessen der Status der Untertänigkeit, den man den Besiegten auf zwang, hätte organisiert werden können. Dieser Mangel wäre zu beheben gewesen, wenn sich der römischen Führung das Problem als solches gestellt hätte. Der Senat beurteilte die Verhältnisse jedoch nicht wesentlich anders als zur Zeit des karthagischen Krieges; noch immer stand an erster Stelle des politisch Notwendigen die Maxime, die in Spanien erkämpfte Position vorrangig aus Sicherheitsgründen, d. h. unter militärischen Ge sichtspunkten, halten zu müssen. Als potentieller Gegner war nur Kar thago in den Hintergrund getreten; nicht zuletzt die Exilierung Hannibals 195 auf Betreiben des Senates hat diesem viel von der Sorge genommen, Karthago könnte in dem unruhigen Spanien die zerrissenen Fäden traditio neller barkidischer Politik neu knüpfen. Wichtiger war, daß die in Griechenland 197/6 gefallene Entscheidung die außenpolitische Szenerie weiter kompliziert hatte und von diesem Zeitpunkt an die politischen Energien des Senates weitgehend absorbierte. Spanien rückte an die Peri pherie der Geschehnisse und des Interesses. Die Befriedung rebellierender Stämme in dem beanspruchten Herrschaftsbereich war der Tatkraft der Statthalter überlassen. Daß dieses Problem tatsächlich bestand, ist keine Frage, nur war es objektiv ein Problem von mittlerweile sekundärer Bedeutung geworden, dessen Überbewertung den Blick: auf die von der Sache her dringlicher diktierte Aufgabe, Herrschaft nicht nur zu gewinnen, sondern auch auszuüben, verstellte. So nimmt es nicht wunder, daß allein das in Angriff genommen wurde, was ein notwendiges Akzidens des Krieges ist: die Organisation seiner Finanzierung, zu der die Mittel, entsprechend den Gepflogenheiten, aus dem unterworfenen Land in der Form von Jahres tributen herausgepreßt wurden. Man vergaß nicht, daß bei diesem Ge schäft noch wesentlich mehr als nur die nackten Kriegskosten herauszu holen waren. Nicht umsonst war M. Porcius Cato der Lehrmeister gewesen. Trotzdem führte dies nicht zu einem bewußten Ausbau des wirtschaft lichen Potentials des Landes, dessen Agrarverfassung, wie die Zahl der marodierenden Bergvölker zeigt, ohnehin der Umstrukturierung bedurfte. Für eine Übernahme der in Sizilien anhand der lex Hieronica praktizierten Formen der Intensivierung der Agrarproduktion fehlten wichtige Voraus setzungen: In den beherrschten Gebieten wurde die ausschlaggebende
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politische Gewalt durch Stämme repräsentiert. Ihre staatlichen Ordnungs prinzipien differierten und boten wenig Ansatzpunkte für eine Herrschaftsorganisatiön, deren praktische Umsetzung ohne die Inanspruch nahme der Behörden und Institutionen der Unterworfenen nicht möglich W ar. Hinderlicher noch war der Umstand, daß die Befriedung des bean spruchten Territoriums noch ausstand. Denn das Funktionieren eines komplizierten Wirtschaftsmechanismus ist neben den bürokratischen Not wendigkeiten auf den ungestörten Ablauf der Produktionsvorgänge, der Verteilung des Produzierten und der Umsetzung des Gewinnes angewie sen. Zunächst konzentrierte sich die römische Aktivität auf die Stabilisie rung und nicht auf die Organisation der Herrschaft, so daß die Art und Weise, in der die geforderten Tributleistungen eingetrieben wurden, den jeweiligen Gegebenheiten angepaßt wurden. Der Gewinn, der auch auf diese Weise zu erzielen war, reichte zudem völlig aus, da gleichzeitig die Kriege im Osten und die Einnahmen aus Sizilien und Sardinien der römi schen Aristokratie und einer breiten Schicht wohlhabender Ritter und Bürger ( C H . MEIER: „Großbourgeoisie") Reichtümer in einer Größen ordnung bescherten, die nach 168 jede Steuereintreibung in Rom über flüssig machte. Es ist dies ein deutliches Indiz dafür, daß die Fülle der Ein nahmen die Möglichkeiten, sie zu investieren und zu verbrauchen, über stieg. Für Spanien hieß dies, daß im wesentlichen die Ausbeutung des Silbers die Kassen Roms und der Statthalter so ausreichend füllte, daß keine Energien darauf zu" konzentrieren waren, das ganze Wirtschafts system zum Zwecke der Produktionssteigerung zu reorganisieren100. Auf einen Nenner gebracht heißt das, daß die Prätoren sich zunächst darauf beschränken mußten, dem römischen Willen mit Gewalt Geltung zu verschaffen. Bei den in Spanien gegebenen Verhältnissen, wo nicht wie in Sizilien und Sardinien ein geographisch abgeschlossener Raum die Auf rechterhaltung der Herrschaft wesentlich erleichterte, war damit nur zu erreichen, daß die Unterworfenen jede sich bietende Gelegenheit zum Aufstand nutzten und die noch freien Stämme von ihren gewohnten Raub- und Kriegszügen nicht abließen, was wiederum als römische Reaktion die kontinuierliche Ausweitung des Krieges ins Landesinnere herausforderte. Die dadurch steigende Belastung der Legionen und der in immer weitere Ferne rückende Erfolg hat es an Versuchen nicht fehlen lassen, zu einer friedlichen Verständigung auf der Basis des Status quo zu 100
Zur Höhe der Einnahmen Roms vgl. E. BADIAN, Publicans and Sinners, S. 30ff.
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kommen. Das angewandte Mittel, das eigentliche Untertanengebiet durch eine Kette von foederierten Gemeinden zu schützen, die man zur Waffen hilfe verpflichtete, und denen man den Zugang zu städtischen Organisa tionsformen verwehrte, konnte jedoch nur in einer Phase der beiderseiti gen Erschöpfung und Resignation die Verhältnisse für eine längere Zeit stabilisieren. An sich war der Versuch, auf foederativem Wege dem römischen Willen Geltung zu verschaffen, der der römischen Herrschaftspraxis gemäße, da so Aufwand und Herrschaftsinteresse in ein sinnvolles Ver hältnis zu setzen waren. Die in Spanien in die Vertragspolitik geknüpfte Intention, die mit dem karthagischen und römischen Eindringen einge leitete Entwicklung der einheimischen Stämme zu höheren staatlichen Organisationsformen zu verhindern, hieß jedoch die Lunte unter dem Pulverfaß weiterglimmen lassen, da ihr der Verzicht auf die der römischen Herrschaftsaus Übung am nächsten liegenden Orientierungspunkte inhaeriert. Dasselbe Verfahren in Italien angewandt, hätte die Ausbildung der Wehrgemeinschaft ebenso verhindert, wie es in Spanien den Wiederaus bruch der Kriege unvermeidlich gemacht hat. Die den Entwicklungs prozeß der italischen Wehrgemeinschaft spezifisch auszeichnende Politik Roms, den geschlagenen, restituierten und zum Vertragsabschluß gezwun genen Gegner langsam zur Urbanität hinzuführen, wenn er sie nicht bereits besaß, vermittelte den Betroffenen einen auch für sie spürbaren Fortschritt, an dessen Vervollkommnung sie selbst aus neu entfachtem und auf ein durchschaubar sinnvolles Ziel gerichteten politischen Ehrgeiz inter essiert waren. Die römische Minimalforderung militärischer Bundeshilfe hinderte die Bundesgenossen in keiner Weise daran, den eigenständigen Wert dieser neu entstehenden politischen Heimat als Gewinn zu verstehen und sich damit bewußt zu identifizieren. Das genaue Gegenteil dieser Politik praktizierte man in Spanien, wodurch die politische Effektivität des foederativen Prinzips völlig entwertet wurde. Der Zweck war hier nicht die Herstellung einer auf Kooperation abzielenden Ordnung - was aller dings immer bedeutet hatte, die Festlegung der Ziele, auf die diese sich richtete, und die Art und Weise der Durchsetzung der alleinigen Entschei dung Roms zu überlassen. Trotzdem war dies eine Art von Herrschaft, die eine Interessengemeinschaft zwischen Herrschenden und Beherrschten in einer Form begründete, die für jeden das Gemeinsame verständlich machte und die die Solidarität schuf, die auch schwere Belastungen wie etwa Hannibals Italienfeldzüge nicht sprengen konnte. In Spanien diente die
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Begründung vertraglicher Verhältnisse nur der Niederhaltung des Gegners mit anderen Mitteln als denen des Krieges. Nun ist allerdings schwer vorstellbar, wie angesichts der bestehenden Konfrontation die römische Ordnung anders hätte durchgesetzt werden können als durch eine Serie von siegreich geführten Kriegen. Die völlig unterschiedliche Interessenlage der Kontrahenten hatte Konflikte provo ziert, für die es andere Steuerungsmöglichkeiten als den Krieg nicht gab. Faktisch mußte unter diesen Umständen hier wie anders auch die römische Herrschaft durch ein Stadium militärischer Gewaltanwendung hindurchgehen, da die römische Politik allenfalls punktuell die Einsicht wecken konnte, daß die römische Ordnung in der Form der Provin zialisierung bessere Lebensbedingungen als die Eigenstaatlichkeit garantie ren würde. Formen, mit denen man die Vorteile des Provinzialsystems hätte vorstellen können, existierten ohnehin nicht, was auch vorausgesetzt hätte, daß man sich in Rom über den Wert der Sache selbst im klaren gewesen wäre. Die Ideologisierung der Expansion nach außen entfiel somit völlig, so daß der Freiheitsparole der spanischen Völker nur die überlegene Militärtechnik der Legionen entgegengesetzt werden konnte. Von der Funktion des Herrschaftssystems her betrachtet, hatte dies für die untertänigen Gebiete verheerende Konsequenzen, die ihren Urheber nicht unberührt ließen. Der hohe Blutzoll, das Zerbröckeln der Disziplin in der Armee, die jetzt erstmalig fühlbar werdende Korruption der einge setzten Feldherren und die langjährige Abwesenheit tausender italischer Bauern trugen erkennbar zur Verschlechterung der innenpolitischen Ver hältnisse bei. Trotzdem hat die Nobilität keine Veranlassung gesehen, ihre Herrschaftspraxis mangelhaft und unergiebig zu finden. Die aufs Ganze besehen letztlich immer siegreichen Kriege ließen nur den Schluß zu, daß der eingeschlagene Weg der richtige war, und der im Verhältnis zum Erreichten durchaus ökonomische Einsatz der eigenen Kräfte half selbst in schwierigen Einzelfällen - dafür bietet gerade die Spanienpolitik Beispiele genug —, die Lage zu meistern. So war es gerade die Beständigkeit des Erfolges, die beharrlich den Blick auf die Strukturprobleme des beherrsch ten Raumes verstellte und gleichzeitig die Grundlage eines Imperiums schuf, das seine Schöpfer begrub, als sie seine Organisation nicht realisie ren konnten. Die letzte Phase des totalen Krieges gegen die spanischen Völker ist somit das Ergebnis einer Politik, die den Anschluß an ihre Aufgabe aus Mangel an schöpferischer Phantasie verpaßte. Die fehlende Herausforde rung durch die Sache oder den eigenen Egoismus erzeugte nichts weiter als
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die Einsicht in das unmittelbar Notwendige, das mit der gewohnten Sicherheit auch getan wurde. Das 133 Erreichte, die Niederwerfung der letzten Hochburgen des Widerstandes, war eine politisch tote Landschaft, in der jede Ordnung denkbar war, da es für sie kein Modell und keine Einsicht gab, wie sie hätte konzipiert werden können. Trotzdem war jetzt der Ansatzpunkt gegeben, von dem her eine Organisation der Herrschaft angestrebt werden konnte. Die Tatsache, daß die Herrschaft als solche unanfechtbar geworden war, veränderte das Bewußtsein der Untertanen, die ihr Leben nun auf die neue, römische Welt einstellten, da es keine Hoffnung auf Veränderung mehr gab. Die Erinnerung an die vorher unabhängigen politischen Einheiten erlosch, und die Individuen fühlten sich mehr an den Erobererstaat als an die traditio nelle oder lokale Gemeinschaft gebunden. Es blieb ihnen nichts mehr als der Glaube, unter der römischen Herrschaft bessere Lebensbedingungen zu erhalten, und die gewiß nur langsam wachsende Einsicht, ihr Los als römische Untertanen allein in dem damit gesteckten Rahmen erträglich gestalten zu können. Dieselbe Bewußtseinsveränderung gilt für die römi sche Führungsschicht, die die Praxis von pragmatischen ad-hoc-Improvisationen in die Politik des blindwütenden Umsichschlagens geführt hatte, ohne daß damit mehr als ein neuer Ausgangspunkt erreicht worden war. Es fehlte nicht an Entscheidungen, die ansatzweise eine Ordnung der Verhältnisse antizipierten und die das Problem der Untertänigkeit und der ihr aufzudrückenden Rechtsform zwar nicht, in seinem ganzen Umfang sichtbar machten, aber doch dazu führten, in den Untertanen nicht nur Objekte der Ausbeutung, sondern auch der Fürsorge zu erkennen. Diese rückblickend an sich selbstverständlich anmutende Vorstellung mußte als unumgängliche Voraussetzung dafür gewonnen werden, daß die eigentlich relevante Frage, welche Form der Untertänigkeit zu geben sei, überhaupt Gesprächsgegenstand des Senates werden konnte. Die Folge rungen, die man zog und 171 auch in die Tat umsetzte, reichten nicht aus, um den einmal eingeschlagenen Kurs der Spanienpolitik zu korrigieren. Sie erhielten aber ihre Effizienz nach 133, als die sachlichen Voraussetzungen der römischen Zielsetzung keine Fehldeutungen mehr zuließen. Die Kristallisationspunkte der nach 133 einsetzenden Organisation der Herrschaft waren zunächst die Statthalter, deren Funktion der nur spora disch gestörte Friede im wesentlichen auf die zivil- und verwaltungs rechtliche Ausformung des Zusammenlebens lenkte. In der Phase des massiven Widerstandes der spanischen Stämme vor allem Kommandanten der Besatzungstruppen, verkörperten sie jetzt die Instanz, durch die das
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römische Regiment seine Abhängigkeit von der nackten Gewalt ver ringerte und seine rechtliche Autorität steigerte. Der begrenzte administra tive Apparat, den die Republik ihnen dabei zur Verfügung stellen konnte, überließ weite Teile der staatlichen Autorität den Organen der provinzialen Selbstverwaltung 101 , die in der städtischen Ausformung den Inten tionen der römischen Kontrolle und Oberaufsicht am nächsten kamen. So führten bereits die verwaltungstechnischen Bedürfnisse in einem befriede ten Land zur Verstädterung, d. h. dort, wo die alte Stammesstruktur noch bestimmend war, schuf Rom in einem Oppidum einen administrativen Mittelpunkt, von dem aus die Pflichten und Lasten der Herrschaft verteilt und gesteuert wurden. Dasselbe Ergebnis der Urbanisierung ergab sich aus dem kräftig ein setzenden Romanisierungsprozeß, der der offiziell organisierten Förde rung nicht bedurfte, „sondern der soziale Niederschlag der politischen Superiorität Roms insgesamt ist und sich infolgedessen in der Breite all der Kontakte vollzogen hat, die sich notgedrungen in dem Zusammenleben einstellten" 102 . Im Lande gebliebene Soldaten, die auch außerhalb der angelegten latinischen Kolonien seßhaft wurden, italische Händler und schließlich die italischen Bauern, die die Agrarkrisen des 2. und 1. Jhdts. von ihren Höfen vertrieben hatten, strömten in ein Land, dessen Reich tümer der Initiative der neuen Herren offenstanden. Dessen traditionelle Führungsschichten in den Städten boten dem nunmehr endgültigen Sieger ihre Dienste an, während die Bewohner des flachen Landes die Ein^ treibung der verlangten Tribute uncTdie" von Fall zu Fall vorgenommenen Rekrutierungen widerspruchslos hinnahmen und im übrigen in den alten überkommenen Formen weiterlebten 103 . War dieser Prozeß der Anpassung und der Romanisierung einmal aus dem Anfangsstadium heraus, so reduzierte sich das Problem der Herr schaftsausübung auf den Aufbau einer funktionierenden Verwaltung, da es 101
102
103
Dies nicht vorrangig aus Gründen der Begrenzung der Verwaltungskosten, wie etwa H. VOLKMANN, Gymnasium 68 (1961) S. 395 ff. annimmt, sondern weil die dafür notwendige Schicht geschulter Bürokraten gar nicht zur Verfügung stand und ihre Heranziehung das Monopol der politischen Macht der Aristokraten früher oder später zerbrechen mußte. A. HEUSS, Herrschaft und Freiheit, S. 113 (formuliert bezüglich der Romanisierung Italiens). Vgl. A. J. N. WILSON, Emigration, S. 22ff.; H. GALSTERER, Unters, z. röm. Städte wesen auf der ib. Halbinsel, 1971, S. 1 ff.; pass., P. A. BRUNT, It. Manpower, S. 230ff. Ein wichtiges Indiz für die Intensität des Romanisierungsprozesses ist die Verbreitung des Lateinischen, dazu A. GARCIA Υ BELLIDO, Die Latinisierung Hispaniens, in: ANRW Ι 1 , Ί 9 7 2 , S. 462 ff.
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neben der führenden romanisierten Schicht im Gegensatz zum griechi schen Osten keine politisch oder wirtschaftlich relevanten Kräfte gab, die eigenständigen Wert besessen hätten oder davon überzeugt gewesen wären. Die einheimische Bevölkerung fand ihr neues Lebensgefühl zwang los innerhalb der mit der Romanisierung gegebenen Urbanisierung und Zivilisierung, zu der es keine Alternative mehr gab. 3. Die Interdependenz von Herrschaftsform und beherrschtem Raum: Die Maximen der römischen Ostpolitik seit 200 v. Chr. Als im September 200 die römischen Legionen in Korkyra und in den Häfen von Epirus an Land gingen, griffen sie in einen Krieg ein, der die bestehenden machtpolitischen Konstellationen in Griechenland, der Ägäis und des kleinasiatischen Festlandes völlig zu verändern drohte104. Seit dem Frühjahr des Jahres 202 hatte der makedonische König Philipp V., gestützt auf ein Geheimabkommen mit Antiochos III., begonnen, die ptolemäischen Außenbesitzungen in der Ägäis und die wichtigsten freien Griechenstädte am Hellespont und in der Propontis zu erobern105. Dieser planvoll vorangetriebenen Expansion hatten die Betroffenen, darunter vor allem die um die Freiheit der Seehandelsstraßen der Ägäis besorgten Rhodier und Pergamener, langfristig wenig entgegenzusetzen. Vor dem düsteren Hintergrund dieser Erkenntnis, dem siegreichen Vormarsch des makedonischen Heeres nach Pergamon, Karien und der rhodischen Peraia, war im Herbst 201 der Entschluß in Rhodos und-Pergamon gefaßt worden, Rom um Hilfe zu bitten106. Die dadurch ausgelösten diplomati schen Aktivitäten hatten dem Senat schließlich die Überzeugung aufge nötigt, daß nur der sofortige Kriegseintritt eine radikale Veränderung der politischen Landschaft im östlichen Mittelmeer verhindern könne. Die römischen Kriegsziele lagen damit von vornherein fest und wurden in zwei Ultimaten an Philipp V. formuliert. Der König solle, so hieß es da, den Krieg gegen die Griechen beenden, die ptolemäischen Besitzungen 104
Die folgenden Ausführungen zielen lediglich auf die Motive, die Form und die Stabilität der römischen Ordnung des griechisch-ägäischen Raumes. Die schier unübersehbare Literatur ist eingearbeitet und gewürdigt von J. DEININGER, Der politische Widerstand gegen Rom in Griechenland, 1971 und R. WERNER, Das Problem des römischen Imperialismus und die römische Ostpolitik im 2. Jhdt. v. Chr., in: ANRW I 1, 1972, S. 501 ff. Ferner heranzuziehen sind E. BADIAN, Foreign Clientelae, 1958, R. M. ERRINGTON, The Dawn of Empire, 1971 und W. DAHLHEIM, Struktur, S. 83ff.; 207ff.
105
R. WERNER, S. 540ff.
106
App. Mak. 4,2. Justin. 30,3,5. Vf., Struktur, S. 239.
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nicht antasten und Wiedergutmachung für das ungerechtfertigte Vorgehen gegen die römischen amici Rhodos und Pergamon leisten 107 . Während des Krieges propagierten römische Gesandte in allen für sie erreichbaren grie chischen Städten diese Ziele, und der Oberkommandierende Titus Quinctius Flamininus drängte in mehreren Verhandlungen mit Philipp 198/7 immer wieder darauf, auf dieser Basis zum Friedensschluß zu kommen 108 . Die Politik Roms entfaltete sich also auf dem Grundsatz, im östlichen Mittelmeer und auf dem griechischen Festland keine Veränderung der politischen Landschaft zuzulassen, die das bestehende Kräfteverhältnis verschoben und bestehende politische Freundschaften, die man seit 212 ge knüpft hatte, zerstört hätte. Dieser politische Leitgedanke wurzelte in der Sorge vor einer mög licherweise gefährlichen neuen Mächtegruppierung im griechischen Raum und in dem Selbstbewußtsein der römischen Aristokratie, die keinen Grund sah, befreundete Staaten in einem Krieg mit dem König im Stich zu lassen, mit dem man bereits einmal und mit wenig Glück die Waffen ge kreuzt hatte und dessen Bündnis mit Hannibal in den Jahren äußerster eigener Bedrängnis nicht vergessen war. Die sich während des Krieges deutlich zugunsten der römischen Politik und ihren Maximen verschie bende Sympathie der griechischen Öffentlichkeit muß die Gewißheit des Senates gestärkt haben, einen Krieg zu führen, der nach den Jahren heftig ster Ablehnung Roms durch die Griechen, die seit 212 deutliche Züge eines panhellenischen Widerstandes angenommen hatte 109 , nun von der breiten Zustimmung der wichtigsten Städte und Bündegeträgen wurde. Der Sieg von Kynoskephalai sah den Senat und Flamininus daher in besonderem Maße vor die Aufgabe gestellt, die Glaubwürdigkeit der römi schen Kriegsziele zu beweisen und in Griechenland eine Ordnung zu setzen, die ein stabiles Fundament für ein ausgewogenes Kräfteverhältnis bilden mußte. Eine Vormacht, die die griechischen Kräfte einem einheit lichen politischen Willen unterstellen konnte, sollte es nach dem römi schen Willen ebensowenig geben wie einen kleinen Kreis deutlich begün stigter Römerfreunde. Dies hätte die dadurch notwendig benachteiligten Staaten zu potentiellen Gegnern gemacht, deren getäuschte Hoffnungen zudem den besten Zündstoff zu neuen Konflikten geboten hätten. Im Visier lag damit eine balance of power-Politik 110 , die zwischen der Skylla 107
Polyb. 16,27,2; 34,3f.
108
DAHLHEIM, Struktur, S. 248.
109
DEININGER, Widerstand, S. 23ff.
110
R. M. ERRINGTON, Empire, S. 152.
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der ganz unterschiedlichen griechischen Interessen und der Charybdis der faktischen Dominanz Roms hindurch mußte. Diese Dominanz war in einem labilen politischen Raum kaum zu neutralisieren, da die Versuchung einzelner, gegebenenfalls mit römischer Hilfe zu erreichen, was sonst nicht durchzusetzen war, durch nichts gezügelt werden konnte. Der Versuch, diesen Kurs zu steuern, ist nicht an dem Willen der römischen Akteure gescheitert. Sehr schnell sollte sich zeigen, daß die Motive der griechischen Staaten, die auf römischer Seite in den Krieg eingegriffen hatten, mit dem römischen Kriegsziel nicht in Deckung zu bringen waren und Griechenland in ein romfreundliches und romfeind liches Lager spalteten, als Flamininus daran ging, mit der ganzen Autorität des Siegers die römische Konzeption zu verwirklichen. Bereits die Frie densverhandlungen mit Philipp V. am Eingang des Tempetals111 enthüllten das Mißverhältnis zwischen dem römischen Willen und den Vorstellungen des Aitolischen Bundes, der entschlossen war, den Krieg bis zur Be seitigung der makedonischen Monarchie fortzusetzen112, um aus den Trümmern der ehemals makedonischen Vormachtstellung in Griechenland die eigene zimmern zu können. Für Flamininus war dies kein Gegenstand des Nachdenkens, da ihm die traditionelle Rolle Makedoniens als Boll werk Griechenlands vor den nördlichen Barbarenvölkern unverzichtbar schien und niemand besser dem aitolischen Drang nach der Führungsrolle in Griechenland entgegentreten konnte als der makedonische König (Polyb. 18,34,1), Der Friedensvertrag beließ daher der makedonischen" Kröne ihre urtein-" geschränkte Souveränität über die alten Stammlande und steckte darüber hinaus die Grenzen ab, innerhalb derer in Zukunft in Griechenland Politik gemacht werden konnte 113 . Die entscheidenden Bedingungen des Ver trages setzten die Freiheit und Unabhängigkeit der altfreien griechischen Städte in der Form der Selbstbindung der beiden Vertragskontrahenten fest, erwirkten den unter makedonischer Botmäßigkeit stehenden klein asiatischen Städten die Freiheit und regelten die Übergabe derselben Städtekategorie auf europäischem Boden an Rom 114 . Das wenig später mit großem propagandistischem Aufwand inszenierte Freiheitsdekret von Korinth kündigte die Freilassung aller nach dem Friedensschluß unter dem 111 112 113 114
Polyb. 18,36-37. Liv. 33,12. Polyb. 18,36,7f. App. Mak. frg. 9,1. Polyb. 18,44,2ff. W. DAHLHEIM, Struktur, S. 83ff.
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römischen Spruchrecht stehenden griechischen Städte an. Realisiert wurde dieses Programm 194 mit der Räumung der letzten von römischen Truppen noch gehaltenen Positionen115. Die im Vertrag mit Philipp V. juristisch und mit der Freiheitserklärung von Korinth programmatisch vollzogene Bindung der römischen Politik an die Freiheit der Griechen zog dieser zugleich eine Grenze, die nicht mehr überschritten werden konnte, ohne Rom direkt herauszufordern. Der vertragliche Verzicht Philipps auf jeden zukünftigen Versuch, die Freiheit der griechischen Städte anzutasten, verlieh dem damit geschaf fenen Status durch die gleichlautende Verpflichtung Roms allgemein ver bindlichen Charakter. Dies galt für Antiochos III., dessen Vorstoß gegen die kleinasiatischen Griechenstädte seit 197 vom Senat mit wachsendem Unwillen verfolgt wurde, da diese Expansion über kurz oder lang wieder um den Konflikt mit dem befreundeten Pergamon bedeuten mußte. Dies galt weiter für die Aitoler, die landauf, landab verkündeten, daß die Römer den Griechen die Ketten vom Fuß genommen hätten, um sie ihnen um den Hals zu schmieden116. Diese aus der Enttäuschung um die ent gangene Vormachtstellung gespeiste Propaganda verfing nur wenig, da sie vor allem nach der Rückkehr der Legionen nach Italien auch den letzten Anflug von Glaubwürdigkeit verloren hatte117. Nur dem politischen Träu mer konnte verborgen geblieben sein, daß der von Flamininus und einer senatorischen Zehnmännerkommission geschaffene Zustand eine politische Landschaft bot, in der die Griechen in gesicherten Grenzen leben-konn ten, was sie seit Generationen nichrmehr gekannt hatten. Die überwie gende Mehrheit versuchte denn auch diese Ordnung zu verteidigen, als Antiochos III. dilettantisch, aber mit der Gebärde eines vermeintlich Großen, sich anschickte, seinen Einflußbereich auf das griechische Mutter land auszudehnen118. Es kristallisiert sich damit als Kern des politischen Willens Roms die Absicht heraus, in Griechenland und in der Ägäis eine machtpolitisch neutrale Zone zu schaffen, in der weder die hellenistischen Königreiche 115
R. WERNER, aaO.
116
Plut. Flam. 10; Liv. 35,38,10. J. DEININGER, Widerstand, S. 63. Ein Beispiel genügt: Als im Frühsommer 192 der Aitoler Thoas die Stadt Chalkis mit der Begründung gewinnen wollte, die Stadt sei jetzt schwerer gefesselt als zur Zeit der makedonischen Herrschaft, erklärten ihm die Magistrate, man sei niemanden Untertan und benötige daher auch keinen Schutz: Liv. 35,38,8ff. J. DEININGER, Widerstand, S. 82. Gerade das Buch DEININGERS über den Widerstand der Griechen gegen Rom macht eindrucksvoll klar, daß die Geschichte des Widerstandes in diesen Jahren zugleich die Geschichte der bereitwilligsten Kollaboration der Griechen mit den Römern ist.
117
118
S. 553 ff.
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noch neu sich formierende Mächte wie der Aitolische Bund das Über gewicht erhalten sollten. Die breite Zustimmung, von der das Funktio nieren dieses Systems nach dem römischen Rückzug abhängen mußte, sollte die Idee der Freiheit bringen, die hinsichtlich ihrer praktischen Di mension mit dem starren Festhalten an dem 196/94 geschaffenen Status identisch war. Alle entscheidenden Schritte der römischen Politik zielten auf diesen Punkt: Die Ablehnung des von den Aitolern geforderten Vernichtungs krieges gegen die makedonische Krone diente der Sicherung Griechenlands nach Norden und der Ausbalancierung des Kräfteverhältnisses in Nord west- und Zentralgriechenland. Der Vertrag mit Philipp und die Prokla mation von Korinth schrieben juristisch und deklamatorisch den Status quo fest. Die Neuordnung der innergriechischen Verhältnisse in den Jahren 196-194 suchte die von den unterschiedlichen Verfassungen aus gehende Instabilität der einzelnen Städte zu beseitigen, und der schließ liche Truppenabzug demonstrierte spektakulär die römische Entschlossen heit, die propagierten Kriegsziele mit dem eigenen Tun glaubwürdig in Deckung zu bringen, was angesichts der aitolischen Propaganda besonders dringlich schien. Die Tatsache, daß Rom überhaupt darangehen konnte, auf diese Weise den griechischen Raum zum politisch neutralen zu machen, hing von zwei Voraussetzungen ab: Erstens von der Chance, daß das Gros der griechi schen Staaten bereit war, die Konsequenzen der römischen Politik als vor teilhaft-zu begreifen, und zweitens von der Einsicht der Griechen, daß die Freiheit des Handelns dort aufhörte, wo sie den einmal etablierten Status zu zerstören drohte. Die Instanz, die darüber kraft selbst zuerkannter Autorität nach außen und innen wachen sollte, konnte nur Rom sein. Was damit konkret gemeint war, zeigen die Ereignisse vor Ausbruch des Syrischen Krieges. Die diplomatischen Auseinandersetzungen mit Antiochos III. begannen auf den Isthmien von Korinth 196, als die sena torische Kommission einer Gesandtschaft des Königs erklärte, Antiochos habe die Freiheit der autonomen Griechenstädte Kleinasiens zu respektie ren und jeden Versuch zu unterlassen, mit Truppen den Hellespont zu überschreiten119. Auf dem Höhepunkt der Krise, den Verhandlungen in Rom 194, lenkt der Senat in der Frage der kleinasiatischen Städte (wenn auch stark verklausuliert) ein, macht dieses Zugeständnis jedoch von dem völligen Rückzug der seleukidischen Truppen aus Europa abhängig120. 119
Polyb. 18,47,1.
Liv. 34,57ff. Diod. 28,15. App. Syr. 6.
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Teil der Freiheit Griechenlands war also ihre Abgrenzung nach außen, die die römischen Waffen sicherstellten121. Innerhalb dieser unter dem römischen Schild ein fast künstliches Leben führenden Welt war der außenpolitische Spielraum dementsprechend eingegrenzt. Verbot der Geist der gesetzten Ordnung ohnehin ihre macht politische Modifikation von Seiten der Befreiten122, so gebot der von der Mehrheit nicht bestrittene Genuß dieser von Rom geschenkten Freiheit die Entschlossenheit, sie gegebenenfalls mit Rom zusammen zu verteidigen. Im November 192 wurde dies spätestens offenkundig, als Flamininus vor dem Koinon in Aigion die Kriegserklärung des Achäischen Bundes an Antiochos forderte und darauf verwies, daß dies für den Weiterbestand der Freundschaft mit Rom unerläßlich sei123. Die Unterstützung Roms in diesem Krieg wurde von dem Achäischen Bund ebenso selbstverständlich gefordert wie von einem vertraglich dazu verpflichteten Bundesgenossen und damit die Entscheidung zu einer Existenzfrage des Bundes (Liv. 35,49,13: nam quod Optimum esse dicunt, non interponi vos bello, nihil immo tarn alienum rebus vestris est; quippe sine gratia, sine dignitate praemium victoris eritis). Die charakteristischen Elemente der römischen Ordnung Griechen lands sind damit erkennbar. Der Sieg über Makedonien ließ es zu, auf der Basis der partikularen Interessen der einzelnen Städte und Bünde eine Politik der Neutralisation des Machtpotentials der Griechen durchzu setzen. Dabei war der entscheidende Faktor die breite Zustimmung der Betroffenen, die in der unter dem Vorzeichen'der Freiheit gesetzten Ordnung die Möglichkeit sahen, über ihre Geschicke mit einem Maß an Souveränität zu entscheiden, das seit mehreren Generationen in einer Reihe blutiger Kriege und makedonischer Interventionen nicht zu errei chen gewesen war. Das römische Interesse an der Ausnutzung des Sieges konzentrierte sich also auf die Befriedung und die machtpolitische Nivellierung eines Raumes, dessen Interventionsmöglichkeiten in der Adria und in Süditalien während des Hannibalischen Krieges nur durch 121
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R. WERNER, aaO. S. 555 hält als Leitsatz der römischen Außenpolitik richtig fest: „Für Antiochos und die Hellenen hat abgewandelt das gleiche zu gelten, was Caesar dem Ariovist bezüglich Galliens darlegte, nämlich entweder ein freies Hellas oder allen falls ein römisch beherrschtes Griechenland, auf keinen Fall aber ein seleukidisches." Besondere Umstände konnten zur vertraglichen Festlegung führen: Im Vertrag mit Nabis 195 muß sich dieser verpflichten, nichts gegen die griechische Freiheit zu unter nehmen (Liv. 34,35,9f.). Dieselbe Stipulation erscheint im Friedensvertrag mit Antiochos III. (DAHLHEIM, Struktur, S. 266f.). Liv. (P) 35,48-50,4.
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das direkte militärische und politische Eingreifen auf dem griechischen Festland zerstört werden konnten und in dem die Expansion Philipps V. seit 202 eine machtpolitische Konzentration von bis dahin nicht gekann tem Ausmaß zu schaffen drohte. Auch der Sieg von Kynoskephalai hat in der Seriatsaristokratie nicht den Wunsch nach territorialen Neuerwerbungen wecken können. Die mili tärisch-strategische Absicherung des neuen Interessengebietes garantierte die völkerrechtlich geregelte und kontrollierte Freiheit der Griechen. Andere Interessen existierten nicht. Daraus ergibt sich, daß die Aufrich tung der provinzialen Herrschaft nur dann der Nobilität als ultima ratio in den Sinn kam, wenn die Besiegten oder die umliegenden Völker und Staaten den Widerstand gegen eine römische Kontrolle ihres politischen Aktionsradius entschlossen so forcierten, daß nur die ständige Präsenz der römischen Gewalt diesen brechen konnte. Die Ordnung Griechenlands hat ihre Bewährungsprobe nicht bestehen können. Die Entschlossenheit der Aitoler, die römische Kontrolle durch die eigene Vormachtstellung in Griechenland zu ersetzen, erreichte das Ausmaß, das einen neuen Krieg unvermeidlich machte. Dabei war entschei dend, daß allein schon das Vorhandensein der hellenistischen Monarchien die Hoffnung ständig nähren mußte, Rom doch noch aus dem griechi schen Raum herausdrängen zu können. Der Gedanke des nondum omnium dierum solem occidisse (Liv. 39,26,9) faszinierte nicht nur die breiten Unterschichten in den griechischen Städten, die sich von den vermeintlich märchenhaften Schätzen der Könige eine Besserung ihrer elenden Situation versprachen, sondern schlug auch Teile der führenden Aristokratien in seinen Bann, die die Träume einstiger politischer Größe nicht begraben wollten. Wie ausschlaggebend die Existenz der hellenistischen Könige hierfür war, zeigt die abrupte und tiefgreifende Veränderung der innenpolitischen Landschaft in den griechischen Städten nach dem Sturz des makedonischen Königtums 168/7. Die Nachricht von Pydna löste eine vollständige poli tische Entmachtung der romfeindlichen Kräfte aus, die dem Sieger ans Messer geliefert wurden, wobei einige Städte die Arbeit des Henkers gleich selbst übernahmen124. Schließlich sprengte auch die bloße Existenz Roms die von ihm ge setzte Ordnung. Die Versuchung, mit Hilfe des Senates innenpolitische Fehden zu entscheiden, wenn man die Welt nur in Feinde und Freunde Liv. 45,28,7. J. DEININGER, Widerstand, S. 191 ff.
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der Römer zu teilen brauchte, oder die Neigung, vor den römischen Schiedsrichter Querelen zu bringen, die die Städte ansonsten unter sich und meist mit einer Kompromißformel gelöst hatten, war zu groß, als daß man ihr hätte widerstehen können 125 . So kamen bereits 197 die ersten Gesandtschaften der Römerfreunde nach Rom, die sich nach 189 zu regel rechten Pilgerzügen auswuchsen. Sie führten zu der paradoxen Situation, daß der Senat, der die politische Stabilität Griechenlands bei seinem Tun im Auge hatte, nicht weniger als die hellenistischen Könige zur Instabilität und schließlichen Auflösung der eigenstaatlichen Verantwortung der Grie chen das Seine beitrug. Den römischen Aristokraten ist dies, wie die folgenden Jahrzehnte zeigten, nicht bewußt geworden. Sie hätten dafür auch ihre eigene Rolle auf eine kritische Distanz durchdenken müssen, zu der angesichts einer von Erfolg zu Erfolg eilenden Politik, die seit 189 den gesamten Mittelmeerraum in ihren Bann geschlagen hatte, kein Weg wies.
4. Der Zusammenbruch völkerrechtlich konzipierter Herrschaftsordnungen a) Die Gründung der makedonischen Republiken und ihre schließliche Provinzialisierung Der Krieg gegen Perseus kennzeichnet, was bereits Polybios eindring lich begründet hat, einen Wendepunkt der. römischen Politik126. Ihre Grundkonzeption hatte auf der Überzeugung beruht, im Rahmen völker rechtlicher Regelungen der griechischen Staatenwelt ein Verhalten auf zwingen zu können, das Verstöße gegen die 196 und 188 etablierten Ord nungen nicht zuließ, die die Griechen an den politischen Willen Roms gebunden hatten. Der Krieg von 171/168 und seine Auswirkungen auf das Verhältnis der griechischen Staaten zu Rom verhalf im Senat der resignie renden Erkenntnis zum Durchbruch, nunmehr Herrschaft in einer Weise begründen zu müssen, daß sie notfalls auch ohne die Zustimmung der Makedonen und Griechen funktionierte. 125
Beispiele in den einschlägigen Kapiteln von B. NIESE, Gesch. der gr. und maked. Staaten, III. 126 P o l y b . 3 0 , 6 , 3 f. Liv. (P) 42,47,9 spricht v o n einer nova sapientia (dazu F . W . WALBANK, JRS 55 (1965) S. 3 ; pass.). Zur polybianischen Sicht der römischen Außenpolitik ein gehend u n d überzeugend Κ. Ε. P E T Z O L D , Studien zur Methode des P o l y b i o s und zu ihrer historischen Auswertung, 1969, S. 60ff. Z u den Auswirkungen des Perseuskrieges auf die hellenistische Staatenwelt A . H E U S S , R G 3 , S. 116ff., J. D E I N I N G E R , Widerstand, S. 191 ff., R. M . E R R I N G T O N , Empire, S. 229ff.
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Die Bedrohung, die sich daraus für die griechischen und hellenistischen Staaten und ihre Selbständigkeit ergab und der sie letzten Endes erliegen sollten, erhielt ihre eigentlich tödliche Gefährlichkeit durch die Verlegen heit des Senates, keine Alternative zu der bisherigen Politik zu sehen. Was nach Pydna allein noch blieb und praktikabel schien, war die Beibehaltung der nicht ersetzbaren Formen des völkerrechtlichen Verkehrs gegenüber einer politischen Umwelt, die man im übrigen durch ständige Kontrollen, Drangsalierungen und brutale Einmischung auf römischem Kurs zu halten gedachte. Die bereits 179 ausgesprochene Mahnung des Kallikrates an seine achäischen Landsleute, der Wille der Römer sei wichtiger als alle Gesetze und Verträge127, wird jetzt für den gesamten Osten zur Richt schnur, die allein den Weg zum Überleben weisen konnte. Dieser Vorgang erhält seine eigentliche Relevanz durch die aus ihm ab lesbare Erkenntnis, daß die in Sizilien, Sardinien und Spanien sich entwickelnde Herrschaftsform nicht als Ordnung verstanden wurde, die in irgendeiner bis dahin erreichten Ausprägung Modellcharakter für die Ausübung von Herrschaft beanspruchen konnte. Die Entwicklung von ad hoc angewandten und determinierten Herrschaftspraktiken zum Modell für Herrschaftsausübung überhaupt setzt voraus, daß seine Anwendbar keit auf verschieden strukturierte Staaten unabhängig von ihrer Einord nung in den sie umgebenden und bestimmenden politischen Raum für denk bar gehalten wird. Dies wiederum hing davon ab, ob die bisher gemachten Erfahrungen mit dem Instrument der Provinzialisierung dessen Überlegen heit über alle anderen Alternativen offenkundig gemacht hätten und für das System selbst diese Herrschaftsform problemlos zu handhaben war. Beides traf nicht zu. Die Schwierigkeiten in Spanien waren seit der Einrichtung der ständigen Präturen eher größer als geringer geworden, und die lange Bindung starker Militärverbände an die damit zusammen hängenden Aufgaben hatte neue Probleme aufgeworfen. Sizilien wurde regiert nach dem von Hieron II. entwickelten Organisationsschema, über das man das allumfassende Spruchrecht des Prätors gestülpt hatte, und die Ablösbarkeit dieser Synthese von ihren lokalen Bedingungen war ohne experimentelle Zwischenphasen so gar nicht möglich. Zudem sah der Senat mit Sorge, daß die Habgier der Führungsschichten schon bald nach der Einrichtung der Provinz zur intensiven Nutzung des sizilischen Landes bei gleichzeitiger Vernachlässigung des italischen Bodens geführt hatte 128 . Da 127 128
Polyb. 24,8,6. Vgl. 24,11,2. 33,16,7. Liv. 28,11,8.
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schließlich der Krieg gegen Perseus mit einem glänzenden Sieg geendet hatte, konnte im Ernst nicht die Rede davon sein, daß die in Griechenland betriebene Politik falsch war. Weit näher lag die Einschätzung, daß die Adressaten dieser Politik sich ihrer garantierten Freiheit nicht würdig erwiesen hatten. So konzentrierte sich das römische Interesse darauf, nur diesen Punkt zu korrigieren, und das schrieb nur vor, der Freiheit ein Korsett anzulegen, das dem Gitterwerk eines Gefängnisses entschieden ähnlicher war als dem bisher schützenden Schild eines wohlmeinenden Hegemon. Die Niederlage des makedonischen Monarchen auf dem Schlachtfeld von Pydna hatte als erste Konsequenz die Vernichtung des makedonischen Königtums zur Folge, in dem man die eigentliche Ursache für die irreparable Störung des praktizierten Systems einander die Waage halten der Mittelstaaten sah. Der makedonische Staat selbst wurde in vier Repu bliken zerschlagen, denen jede Kommunikation, die zur Wiederherstellung des alten Staatsgebildes hätte führen können, verboten wurde und die man so weit entwaffnete, daß sie zu schwach waren, irgend jemandem gefähr lich zu werden, die aber stark genug blieben, um den Schutz der gefähr deten Nordgrenze allein tragen zu können. Jeder dieser Staaten bekam eine Verfassung und wurde zu jährlichen Tributleistungen verpflichtet, womit gleichzeitig ein römisches Eingriffs recht in die inneren Angelegenheiten der Republiken soweit verankert war, daß alle Maßnahmen zur Sicherung der regelmäßigen Zahlungen von vornherein legitimiert waren. Da die Entscheidung darüber, was die Zah lungen gefährden konnte und was nicht, ausschließlich beim Senat lag, war die der Ordnung vorangestellte Erklärung der Freiheit der neuen Repu bliken nichts weiter als die römische Willensbekundung, die Selbst verwaltung der Makedonen im Rahmen der auferlegten Verfassun gen durch kein eigenes Ordnungssystem ersetzen zu wollen129. Der Begriff der Freiheit beschreibt jetzt konkret die kontrollierte Autonomie, deren Grenzen bestimmt werden durch die römische Entschlossenheit, ein direktes Engagement in Makedonien zu vermeiden. Die Notwendigkeiten der Herrschaftsökonomie diktierten die Freiheitserklärung für die Make donen und legten sie inhaltlich fest. Anders formuliert: Die hier sich auftuende Antinomie zwischen Herr schaft und dem fehlenden Willen, sie auch auszuüben, was wiederum die 129
Zur Neuordnung Makedoniens Liv. 45,18f.; 30; 32. B. NIESE III, S. 180ff., P. MELONI, Perseo e la fine della monarchia macedone, 1953, S. 409ff., Ρ. Α. MACKAY, in: Ancient Macedonia, 1970, S. 256 ff.
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Ausbildung der Fähigkeit dazu blockierte, riß Rom und die hellenistische Staatenwelt in die letzte Phase der Auseinandersetzung, die bestimmt ist von dem verzweifelten Wunsch der römischen Führungsschicht, jeden potentiellen Gegner der 168/67 gesetzten Ordnung diesmal rechtzeitig zu erkennen und ihm beizeiten das Handwerk zu legen. Am Ende dieser Politik, die den hellenistischen Staaten, wie das Beispiel Attalos III. zeigt, selbst den Willen zum Überleben raubte, stand die Einrichtung von Provinzen auf relativ eingeebnetem Feld, ohne daß damit zunächst mehr erreicht worden wäre als die militärische und politische Konsolidierung der Herrschaft. Dieses letzte Stück des Weges zur Weltherrschaft war ange sichts einer politischen Führung unumgänglich geworden, die die Not wendigkeit, an die Stelle des selbst angerichteten Chaos eine Ordnung setzen zu müssen, nicht begriff, an dem Unvermögen, die richtigen Ent scheidungen zu treffen, innerlich litt und wohl instinktiv gespürt haben mag, daß die von der Sache her sich aufdrängende Pflicht zur Herrschafts ausübung die Kräfte des eigenen städtisch organisierten Gemeinwesens überstieg und nur auf Kosten auch dessen Umstrukturierung zu bewälti gen gewesen wäre, was wiederum das Ende der seit Jahrhunderten behaupteten eigenen Führungsrolle bedeutet hätte. Der Aufstand des Andriskos, dessen Funke wenig später auf Griechen land übersprang, bewirkte den Zusammenbruch der Vorstellung, politisch ins Nichts geschleuderte Staaten bei Erhaltung ihrer Selbständigkeit durch von Fall zu Fall geübte schikanöse Überwachung im Zaum halten zu können. Jetzt blieb als Alternative allein die Beseitigung der völkerrecht lichen Autonomie der Aufständischen und ihre Herabdrückung in den Status der Untertänigkeit, will sagen, der direkten militärischen Kontrolle durch ständig im Land stationierte Truppen. Das Wenige, das eine Rekon struktion der der makedonischen Provinzialordnung zugrunde liegenden Überlegungen möglich macht, zeigt deutlich, daß damit nichts anderes als die Wiederholung eines neuen Krieges gegen Rom ein für allemal verhin dert werden sollte 130 . 130
M. GVYN MORGAN, Metellus Macedonicus and the Province Macedonia, Historia 18 (1969) S. 422ff., wies nach, daß Q. Caecilius Metellus (Macedonicus), der als Prätor 148 den Krieg erfolgreich beendete und 147 die ersten entscheidenden Erfolge gegen den Achäischen Bund errang, die Organisation der Provinz nicht vor Sommer 147 in Angriff genommen haben kann (dagegen spricht nicht, daß die Ära der Provinz Macedonia von Herbst 148 an gezählt wird, s. dazu Μ. Ν . T O D , ABSA 23 (1918/19) S. 206ff., Studies pres. to D. M. ROBINSON II, 1953, S. 382ff.). Die Vf.in versucht darüber hinaus plausibel zu machen, daß wahrscheinlich nicht Metellus, sondern erst L. Mummius mit der ihm- beigegebenen senatorischen Zehnmännerkommission der
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Die 167 eingerichteten vier Teilrepubliken blieben samt ihren Synhedrien als lokale Organisationseinheiten ebenso bestehen131 wie die einstigen Ver fügungen des L. Aemilius Paullus, soweit dies möglich war, in Kraft blieben 132 , so daß von einer strukturellen Umorganisation des Landes keine Rede sein kann. Konkret bedeutete das Ende ihrer völkerrechtlichen Selbständigkeit133 für die Makedonen die Entwaffnung, die Beibehaltung der Tributpflicht, die sich jetzt aus dem Status der Untertänigkeit ergab, die ständige Stationierung römischer Truppen134 und die ständige An wesenheit eines römischen Imperiumträgers, dessen Kompetenzen all umfassend waren. Damit war in die seit 167 bestehende Ordnung de iure souveräner Staaten die militärische Gewalt installiert worden, ohne daß diese in irgendeiner Form mit dem beherrschten Untertanengebiet von Anfang an in der Weise verknüpft worden wäre, daß damit konstitutiv die bestehen den Verhältnisse verändert oder neue politische Kräfte in Dienst gestellt worden wären. Herrschaft verstand sich nicht als von der Sache, d. h. von den Unterworfenen oder von den eigenen Bedürfnissen her gestellte Aufgabe, sondern als Gewaltausübung zur Verhinderung von, wie man aus den gemachten Erfahrungen schließen zu müssen glaubte, anders nicht zu vermeidenden neuen kriegerischen Auseinandersetzungen135.
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eigentlich Verantwortliche für die definitive Neuordnung Makedoniens war. Dies mag nun richtig sein oder nicht - es hängt nicht allzuviel daran - , sicher ist jedenfalls, daß Mummius, dadurch daß er den am Achäischen Krieg beteiligten Teil Griechenlands dem makedonischen Statthalter unterstellen konnte, das Recht gehabt haben muß, auch in Makedonien nach seinen Vorstellungen zu verfahren. Daß er es tat, ist wenig wahr scheinlich, da die Zehnmännerkommission nicht länger als sechs Monate in Griechen land weilte (Polyb. 39,5,1) und mit ihrer Abreise die Neuordnung als abgeschlossen betrachtet werden muß. C H . EDSON, ClPh. 41 (1946) S. 107 (zu den Münzen), J. A. O. LARSEN, ClPh. 44 (1949) S. 88ff., Representative Government in Greek und Roman History, 1966, S. 109 mit Anm. 7, P. MELONI, Perseo, S. 420. Von dieser bis in die flavische Zeit reichenden Organisation ist das makedonische Koinon als unabhängig davon existierende Repräsen tation der Städte zu trennen: J. DEININGER, Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit, 1965, S. 53 Anm. 2. Liv. 45,32,7. lustin. 33,2,7. Es gilt die im Grunde selbstverständliche Einschränkung, daß der Krieg die Dinge in vielen Fällen so verändert hat, daß Neufestsetzungen unver meidbar wurden; vgl. M. GWYN MORGAN, aaO. S. 427.
133 134
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Flor. 1,30,5: Macedoniam Servitute multavit. In der nur sehr lückenhaft erhaltenen Zusammenfassung der makedonischen Geschichte 167-147 durch Polybios (36,17,12ff.) findet sich die Bemerkung, daß Makedonien nach Kriegsende ein römisches Heerlager war. Zu den Statthaltern Makedoniens s. W. F. JASHEMSKI, The Origins and History of the proconsular and the propraetorian Imperium t o 2 7 B . C , 1950, S. 53f.; 129ff. Die aus späterer Zeit bezeugte Freiheit von Thessalonike, Amphipolis (Plin. n. h. 4,35; 38) und Obermakedonien (Strab. 7,7,8. Caes. b. c. 3,34. Plin. n. h.' 4,35), die in der
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Der für die Ordnung im Inneren wegweisende Gesichtspunkt der militärischen Erhaltung der Herrschaft bestimmte ebenso die Sicherung der Provinz nach außen. Es blieb hier gar nichts anderes übrig, als das Erbe der großen Makedonenkönige anzunehmen und an ihre Politik der Grenzsicherung gegen die Völker des Balkans, also vor allem, gegen Skordisker, Dardaner und Thraker, anzuknüpfen136, da in diesem Raum (bis auf Augustus) der römische Einflußbereich nur soweit reichen konnte, wie dies Schwert und Speer der Legionen zuließen137. Diese Aufgabe kam für Rom keineswegs überraschend. Bereits Titus Quinctius Flamininus mußte die historische Funktion des makedonischen Raums, Griechenland als Bollwerk vor den nordischen Barbarenvölkern zu dienen, seinen Verbündeten unmißverständlich klarmachen, die den Krieg 197 bis zur bedingungslosen Kapitulation Philipps V. weitergeführt haben wollten. Auch L. Aemilius Paullus besaß bei allem Vernichtungswillen Weitsicht genug, die eingerichteten vier Kantone militärisch so stark zu lassen, daß sie die Grenze nach Norden hin verteidigen konnten. Die Konsequenzen, die sich jetzt aus der Übernahme der direkten Herrschaft ergaben, verlangten also nur eine gründliche Vorbereitung auf eine Aufgabe, zu deren Lösung kein besserer Meister zu finden war. Ausgangspunkt jeder Überlegung war, daß man nun im Gegensatz zu der 167 geübten Politik ein elementares Interesse daran haben mußte, die Provinz so stark wie irgendmöglich zu machen. Das hieß bei der geo graphischen Entfernung als erstes, die Verbindungswege zur Provinz kurz und sicher zu halten; Dazu" gab es nur ein Mkifel: Mail inkorporierte die westlich an Makedonien angrenzenden illyrischen Stämme138 sowie Epirus 139 der Provinz, wodurch diese in breiter Front an die adriatische Küste stieß und von Italien über das Meer direkt zu erreichen war. Kurze Zeit später trieb man in wenigen Jahren die via Egnatia, die von Epidamnos und Apollonia aus über Lychnidos, Edessa und Pella Thessalonike
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Regel mit der Einrichtung der Provinz in Verbindung gebracht wird (vgl. J. A. O. LARSEN, Greek Federal States, 1968, S. 443f.; 449), ist höchstwahrscheinlich eine spätrepublikanische Auszeichnung von um Rom bzw. seine damaligen Herren verdiente Gemeinden. Im Jahre 148 erscheint eine solche differenzierte Behandlung Makedoniens solange nicht plausibel, solange keine Indizien darauf hinweisen, daß die genannten Gemeinden gegen Andriskos auf seiten Roms Front gemacht haben. Vgl. J. VOGT, in: Orbis, 1960, S. 206f., G. H. STEVENSON, Roman Provincial Ad ministration, 19^9, S. 23. Cic. in Pis. 16,38. Strab. 7, frg. 10. B. NIESE, aaO. S. 336, St. I. OOST, Roman Policy in Epirus and Acamania in the Age of the Roman Conquest of Greece, 1954, S. 82; 88.
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erreichte, quer durch die Balkanhalbinsel und schuf so eine direkte Landverbindung zwischen dem adriatischen und dem ägäischen Meer140. Damit zeigt sich, daß auch die zweite Funktion, die dem makedoni schen Raum eignete, Brücke und Ausfallstor zum asiatischen Kontinent zu sein, in das Blickfeld der römischen Politik mit der Provinzialisierung Makedoniens gerückt ist 141 . Angesichts des durch nichts zu überwinden den Mißtrauens gegenüber den hellenistischen Monarchien und auf Grund der in Griechenland gemachten Erfahrungen, die die römische Ent schlossenheit, bei jeder vermuteten Gefahr militärisch zu intervenieren, nur bestärkt haben können, erscheint dies nur als selbstverständliche Folge eines ausschließlich auf die gewaltsame Erhaltung des Status quo ausge richteten Denkens. b) Der Achäische Krieg und die Neuordnung Griechenlands 146 v. Chr. Der Krieg in Griechenland ging im Sommer 146 mit der Zerstörung Korinths zu Ende 142 . Die an ihm beteiligten griechischen Staaten, also die ganze Peloponnes mit Ausnahme Lakoniens, Megaris, Ostlokris, Phokis, Böotien und Chalkis verfielen dem römischen Spruchrecht und wurden von L. Mummius und einer senatorischen Zehnmännerkommission von Herbst 146 bis Frühjahr 145 (Polyb. 39,5,1) als untertänige Gemeinden eingerichtet. Unbeteiligt blieben die im Krieg Neutralen: Sparta, Athen und die thessalischen, magnetischen, ainianischen, perrhäbischen, aitolischen und akarnanischen Koina. Ihr Verhältnis zu Rom blieb völkerrecht-
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Strab. (P) 7,7,4 (322f.). Cicero (de prov. cons. 2,4, in Pis. 17,40) nennt diese Straße eine militaris via, wodurch, ohne den Terminus technicus jetzt ausleuchten zu wollen, ihre primär strategische Bedeutung klar zum Ausdruck kommt; vgl. T H . PEKARY, Untersuchungen zu den römischen Reichsstraßen, 1968, S. 10ff.
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J. VOGT, aaO.
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Der einzige zusammenhängende Bericht über den Krieg und seine Folgen aus der Feder des Pausanias (7,16,1 ff.) gibt bekanntlich mehr Rätsel auf, als er zu lösen vermag (vgl. im übrigen Zonar. 9,31. Flor./ίί32,4-7. lustin. 34,2,1-6). Die vielbehandelte Frage, wie der juristische und faktische Status Griechenlands nach der Katastrophe ausgesehen haben muß, scheitert denn auch letzten Endes an der höchst ungern ein gestandenen Einsicht, daß die vorhandenen dürftigen Spuren die Rekonstruktion eines klaren Bildes der Herrschaftsorganisation nicht zulassen. So kann und soll auch hier nicht mehr versucht werden, als aus den vorhandenen Fragmenten römischer Organi sationstätigkeit die allgemeine Richtung herauszudestillieren, in die sich die römische Griechenlandpolitik nach 146 bewegte. Grundlegend dazu S. ACCAME, II dominio romano in Grecia della guerra acaica ad Augusto, 1946, J. DEININGER, Widerstand, S. 232ff. und jetzt TH. SCHWERTFEGER, Der Achäische Bund von 146 bis 27 v. Chr., 1974 (mit einer eingehenden Würdigung der bisherigen Literatur).
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207.
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licher Natur, d. h. sie wurden als amici oder foederati populi Romani be stätigt143. Die Verfügungen des Mummius und der Senatskommission setzten im einzelnen Folgendes fest 144 : (1) Die besiegten Staaten wurden dem make donischen Statthalter unterstellt, die aus dem Siegerrecht abgeleitete Ver fügungsgewalt also perpetuiert145. (2) Die Betroffenen erhielten ζ. Τ. neue Verfassungen, ζ. Τ. wurde ihnen die alte Rechtsordnung belassen146. Versucht wurde damit erneut, die in der sozialen Destruktion begründete Labilität der städtischen Ordnungen in der Weise zu beseitigen, daß die traditionellen aristokrati143
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S. ACCAME, II dominio, S. 1 ff., M. GELZER, Gnomon 21 (1949) S. 21 (zu den Beweis stellen). Die von S. ACCAME angestellte Überlegung, daß die wenigen bekannten foedera mit griechischen Städten allein vom Senat ohne Zustimmung des Volkes abgeschlossen wurden, ist von F. W. WALBANK, JRS 37 (1947) S. 206f. mit Recht zurückgewiesen worden. Die unmittelbaren ephemeren Kriegsfolgen können hier außer Betracht bleiben. Darunter fallen die Entwaffnung, die Schleifung der Mauern, die Exekution der Rädelsführer des Krieges bzw. der Männer, die man in Rom dafür hielt, die Einziehung und der Verkauf ihrer Güter und schließlich die Beitreibung der Kriegskosten; s. dazu B. NIESE, aaO. S. 351 f. IG VII 2413/4 (Zwei Briefe eines Konsuls an den isthmischen und ionischen Verband der dionysischen Künstler aus dem letzten Drittel des zweiten Jhdts.; dazu R: K. SHERK, Roman Documents, S. 249ff.) in der Interpretation S. ACCAMES, II dominio, S. 2ff.; Cic. 2 Verr. 2,1,55: quid de L. Mummio, qui urbem pulcherrimam atque ornatissimam Corinthum, plenissimam rerum omnium, sustulit urbesque Achaiae Boeotiaeque multas sub Imperium p. R. dicionemque subiunxit (S. ACCAME, S. 8). Das SC, das um 140 v.'Chr. den Gfenzstreit der thessalisehen Gemeinden Narthakion und Meliteia entschied (Syll.3 674, R. K. SHERK, Roman Documents, S. 49ff.), berief sich bei seinem Schiedsspruch auf die 196 von Quinctius Flamininus gegebene Ordnung (Z. 50ff.; 63ff.) und erneuerte die mit beiden Städten bestehende amicitia (Z. 16ff.; 60f.), so daß hier ganz deutlich die Verfügungsgewalt des makedonischen Statthalters nicht Platz griff, wie sie das im Falle einer Sozialrevolte in Dyme (s. u.), einer am Achäischen Krieg beteiligten Stadt, tat. Der Thessalische Bund muß also auch nach 146 außerhalb der Provinz geblieben sein. Das Schreiben des makedonischen Statthalters Q. Fabius Maximus an die achäische Stadt Dyme, durch das der Versuch einer Sozialrevolutionären Umgestaltung der gelten den Verfassung beendet wird (R. K. SHERK, Roman Documents, S. 246ff.), spricht von der den Achäern gegebenen Politeia, gegen die sich der Umsturzversuch gerichtet habe. Damit in Einklang steht der Auftrag der Zehnmännerkommission an Polybios, ,,die Städte zu bereisen und in Zweifelsfällen zu entscheiden, bis sich die Achäer an die Ver fassung und die Gesetze gewöhnt hätten" (Polyb. 39,5,1 ff. Paus. 8,30,9). Die auf sechs Monate beschränkte Tätigkeit der Senatskommission sowie die an Polybios delegierte Aufgabe, alle auftauchenden Interpretationsschwierigkeiten in den Städten selbst zu klären, zwingen zu dem Schluß, daß die gegebenen Verfassungen nur ganz allgemein skizziert worden sein können und vielfach wohl nur auf eine Bestätigung der vor 146 bestehenden Verhältnisse hinausliefen; vgl. C. B. WELLES, ,,Greek Liberty", JJP 15 (1965) S. 29ff.
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sehen Führungsschichten die Staatsangelegenheiten unangefochten lenken konnten. Nur wenn diese Rolle der sozial tonangebenden Gruppen unan greifbarer Bestandteil der Verfassung geworden war, schienen die politi schen Artikulationsmöglichkeiten der von Natur demokratischen und frei heitsliebenden Massen, die bei einem Umsturz nichts zu verlieren und alles zu gewinnen hatten, hinreichend beschnitten. Bereits die Neuordnung von 168 in Makedonien war von der Überzeugung bestimmt gewesen, die Ge fahren, die radikale Demokratien für die innere Stabilität römisch kontrol lierter Territorien bedeuten konnten, paralysieren zu müssen147. Damit war weder zu diesem Zeitpunkt noch 146/5 gesagt, daß die demokratischen Verfassungen beseitigt und durch oligarchische ersetzt worden wären148. Im formalen Sinne blieben die griechischen Städte gewiß demokratisch regiert. Die Institutionen wurden nur so eingerichtet, daß der Zugang zu den wichtigsten Entscheidungsgremien allein den sozial führenden Klassen möglich war. Die Einführung eines Census für die Äm terbekleidung war dafür das einfachste und wirkungsvollste Mittel149. Die Revolte von Dyme läßt allerdings keinen Zweifel daran, daß die mit römi scher Hilfe erreichte Legitimationsbasis der Herrschaft der Besitzenden schmal war und wohl nirgends allgemeine Verbindlichkeit erlangen konnte 15a . (3) Der Achäische Bund wurde aufgelöst und territorial wie organisa torisch neu gegründet. Dasselbe geschah mit dem Boiotischen, Phokischen und Lokrischen Bund151. Diese Entscheidung war die praktische Umset zung der im Sommer 147 durch die Gesandtschaft des L. Aurelius Orestes erhobenen Forderung, Sparta, Korinth, Argos, Herakleia am Oita und das 147
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Liv. 45,18,6: commune concilium gentis esset ne improbum vulgus ab senatu Romano aliquando libertatem salubri moderatione datam ad licentiam pestilentem traheret. Tat sächlich war gerade vor dem Ausbruch des Dritten Makedonischen Krieges die Rom feindlichkeit der unteren Schichten besonders kraß in Erscheinung getreten, vgl. A. GIOVANNINI, BCH 93 (1969) S. 853ff. Cicero (ad Q. fr. 1,1,25) spricht mit seiner Ermahnung an seinen Bruder, provideri abs te ut civitates optimatium consiliis administrentur, nur das aus, was für jeden Statthalter längst zur selbstverständlichen Richt schnur des Handelns geworden war. J. TOULOUMAKOS, Der Einfluß Roms auf die Staatsform der griechischen Stadtstaaten, 1967, S. 11 ff. (Auswertung des epigraphischen Materials). T H . SCHWERTFEGER, aaO. S. 65 f.
i5o £)j e antirömische Bewegung in Athen seit dem Ende des 2. Jhdts., die in dem Aufstand des Jahres 88 gipfelte, ist denn auch das Ergebnis starker sozialer Spannungen: J. DEININGER, Widerstand, S. 245 ff. 151
Paus. 6,16,9. T H . SCHWERTFEGER, aaO. S. 19ff. Zu Boiotien s. P. ROESCH, Thespies et la Confederation beotienne, 1965, S. 71 ff., zu Phokis S. ACCAME, aaO., S. 201 f., zu Lokris L. LERAT, Les Locriens de lOuest, 1952, S. 129ff.
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arkadische Orchomenos müßten aus dem Bund ausscheiden152. Bereits zu diesem Zeitpunkt war dieses Ansinnen der logische Schlußpunkt der sena torischen Politik gewesen, die die jahrzehntelangen Querelen um Sparta nicht länger zu tolerieren bereit war und dahinter wohl den Versuch des Bundes vermutete, im noch freien Teil der Balkanhalbinsel eine führende Position zu gewinnen. (4) Korinth wurde auf Anordnung des Senates nach Kriegsende dem Erdboden gleichgemacht und sein Territorium teils als ager publicus einge richtet, teils an Sikyon verschenkt153. Hier, wo der Krieg seinen Ausgang genommen hatte und wo eine römische Gesandtschaft fast gelyncht wor den wäre, gedachte man ein Exempel zu statuieren, das wie die Vernich tung Karthagos und später Numantias als Menetekel vor weiterem Auf ruhr warnen sollte. Jetzt trat Rom den letzten Funken des antirömischen Widerstandes mit einer pedantischen Gründlichkeit aus, die nach der Hin richtung der Führer des Bundes und nach der Veränderung der Verfassun gen, die jede politische Einflußnahme der unteren Schichten unterbanden, nicht vor dem Versuch zurückschreckte, auch die Erinnerung an die großen Führer des Bundes zu ächten154. Alle diese Maßnahmen zielten dar auf, einen weiteren organisierten griechischen Widerstand unmöglich zu machen, wobei die Zerstörung Korinths den Griechen unauslöschbar ins Gedächtnis rufen sollte, was es hieß, gegen Rom die Waffen zu erheben155. (5) Der Achäische Bund und alle sonst im Krieg besiegten und re organisierten Städte wurden tributpflichtig156. Darauf weist neben der all gemeinen Überlegung, daß die Unterstellung unter den makedonischen Statthalter hier seinen praktischen Grund gehabt haben muß, das Vorhan densein von Städten, die ausdrücklich die Immunität erhalten hatten und somit die Ausnahme der Regel darstellten157. 152
Polyb. 38,9,6. J. DEININGER, Widerstand, S. 223ff. und RE Suppl. 11 (1968) Sp. 523f. Cic. de leg. agr. 1,5. SCHWERTFEGER, S. 41 f. Da auch die lex agraria von 111 (CIL I 2 , 585, Z. 96-105) auf griechischem Boden nur das konrinthische Gebiet als ager publicus ausweist, handelt es sich um das einzige Stück Land, das zum römischen Eigentum erklärt und von den Censoren verpachtet wurde. 154 Polyb. 39,3,3ff. 155 Mit dem Handelsneid römischer Kapitalisten, wie dies Mommsen und nach ihm viele andere angenommen haben, hat die Zerstörung Korinths also nichts zu tun; vgl. bereits T. FRANK, Am. Hist. Review 18 (1913) S. 233ff. 156 Paus. 7,16,9 spricht verallgemeinernd von einer für alle Griechen verbindlichen Tribut pflicht, was ebensowenig wie seine Annahme, alle griechischen Koina seien aufgelöst worden, stimmen kann. 157 SCHWERTFEGER, S. 68f. Bereits S. ACCAME, II dominio, S. 18,ff. kam zu diesem Schluß, jedoch halten seine Beweise einer Überprüfung nicht stand: (1) Das SC über Oropos aus dem Jahre 73 (Syll.3 747, SHERK, S. 133ff.) beweist zwar, daß zu diesem Zeitpunkt
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Der in dieser Form den Griechen auferlegte Status der Untertänigkeit bewirkte zunächst und ganz allgemein, daß das römische Spruchrecht überall dort wirksam werden konnte, wo es der Statthalter Makedoniens für angebracht hielt. Die Unterdrückung der Sozialrevolte in Dyme 115 liefert dafür den näheren Anschauungsunterricht158. Der amtierende Pro konsul der Provinz schaltete sich in die Auseinandersetzungen ein und teilte der Gemeinde brieflich mit, zu welcher Beurteilung der innerstädti schen Entwicklung er gekommen sei. Gleichzeitig setzte er die Organe der Stadt davon in Kenntnis, daß er die Rädelsführer des Umsturzes verurteilt bzw. ihre Überführung nach Rom angeordnet habe159. Weder die poli tische Führung noch die Gerichtsinstanzen der Stadt wurden mit dem Fall überhaupt befaßt, und die Entscheidung fiel nicht nach den Gesetzen Dymes, was die juristische Struktur des Vorganges in ganz anderem Licht erscheinen lassen würde, sondern nach den Gesetzen Roms und war un mittelbar rechts wirksam. Das Eingreifen des römischen Beamten war also keine subsidiäre nur für den vorübergehenden Zweck vorgenommene Maßnahme, sondern die selbstverständliche Ausübung einer rechtens aner kannten Funktion. Trotzdem machen gerade dieser Eingriff und die für ihn gegebene Be gründung ganz deutlich, daß Rom diese Art des Vorgehens nur durch die besonderen Umstände gerechtfertigt sah und seiner Verfügungsgewalt selbst Grenzen gesetzt wissen wollte. Seine Intervention, so erklärte der Prokonsul der Stadt, müsse erfolgen, da die von Rom gegebene Verfassung durch den Umsturz außer Kraft "gesetzt* worden "sei und dies gegen die griechische Freiheit und die von ihm repräsentierte römische Politik verpublicani in Böotien Steuern eintrieben, doch sagt dies, da Sulla die Verhältnisse in Griechenland neu geordnet hatte, über die Lage der Dinge vor Sulla nichts aus. (2) IG VII 2413/14 gewährt den angesprochenen Techniten u. a. die Atelie (Z. 4ff.), ohne daß sich schlüssig beweisen ließe, daß damit mehr gemeint war als die Befreiung von den lokalen Steuerlasten. (3) Aus App. b. c. 1,79,364 geht lediglich hervor, daß Sulla Brundisium Steuerfreiheit zugestand (gemeint ist sicher die Befreiung vom portorium, B. W. HENDERSON, Cl. Rev. 11, 1897, S. 251 ff., E. GABBA, ed. Appian, 1958,
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S. 212f.), und dies hat mit Patrai, das ACCAME analog dazu ebenso ausgezeichnet sehen will, nichts zu tun. Vgl. H. HILL, The Roman Revenues from Greece after 146 B. C., ClPh. 41 (1946) S. 35ff., F. W. WALBANK, JRS 37 (1947) S. 206. Zum Vorgang J. DEININGER, Widerstand, S. 243f.,. SCHWERTFEGER, S. 24ff.; 66ff.; 70ff., SHERK, S. 246ff. Syll. 3 684. Nach Aussage des Briefes war der Aufruhr erfolgreich gewesen (vgl. M. ROSTOVTZEFF, GWHW II, S. 599 zu den wahrscheinlichen Plänen der Aufstän dischen), so daß die Wiederherstellung des alten Zustandes wahrscheinlich durch ein römisches Truppendetachement erfolgte. Der Adressat des Briefes ist jedenfalls bereits wieder die alte zurückgeführte Regierung.
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stoße (Z. 9f.; 13ff.). D . h. zur politischen Maxime verallgemeinert, daß ein römischer Eingriff in die innerstädtischen Belange einer griechischen Stadt nur dann angebracht sein konnte, wenn der Bestand der 146 etablier ten Ordnung gefährdet schien. In allen anderen Fällen blieb die Regelung ihrer Angelegenheiten Sache der Gemeinden. So ist es keine bezugslose Floskel, wenn das Schreiben an Dyme spezifiziert an die Archonten, Synhedrien und die Stadt adressiert wurde, sondern Ausdruck einer gezielt ver mittelten Vorstellung, nach der die Organe der Stadt als Hoheitsträger respektiert wurden. Die hier sichtbar werdende Bewegungsfreiheit der dem römischen Spruchrecht unterstellten Griechen bei der Lösung ihrer inneren Probleme fand ihren sinnfälligsten Ausdruck in der Reorganisation des Achäischen Bundes unter offizieller römischer Federführung160. Die Intervention in Dyme läßt zwar keinen Zweifel daran, daß die Kompetenzen der Bundes organe dann, wenn es nach römischer Interpretation um den Bestand der geschaffenen Ordnung ging, außer Kraft gesetzt werden konnten, doch ist an ihrer erneuten Institutionalisierung nicht zu zweifeln. So kämpfte 122 ein Truppenkontingent des Achäischen Bundes, das aus dem gesamten Bundesgebiet ausgehoben worden war, unter dem Kon sul Gnaeus Dominus in Gallien. Der Kommandeur der Einheit, ein gewisser Dämon aus Patrai, den seine Soldaten nach der Rückkehr durch ein Reiterstandbild in Olympia ehrten, war von den Bundesbehörden mit dem Kommando beauftragt worden 161 . Vorangegangen war offenbar eine offizielle römische Aufforderung, Truppen für den gallischen Krieg zu stellen, worauf 4*e Bundesbehörden tätig wurden, die Zahl der von den einzelnen Städten zu stellenden Truppen und den Oberbefehl festlegten und für die technische Durchführung des ganzen Unternehmens sorgten. Die Bundesorgane übten damit auf dem militärischen Sektor ihre alten 160 W e n n die Inschrift von D y m e von der den Achäern gegebenen Verfassung spricht, so ist damit offensichtlich die bei der Wiederherstellung des Bundes neu festgesetzte Bundes satzung w i e die Verfassung der einzelnen Städte gemeint. Von hierher wird das Aus maß der in D y m e ausgebrochenen Revolte, die eine Bedrohung des ganzen Bundes darstellte, erst recht verständlich, was wiederum die scharfe römische Reaktion um so erklärlicher macht. 161
Erhalten ist die Ehreninschrift für Dämon, die über den Umfang des Bundesterri toriums nach 146 und über einen Teil der Kompetenzen der Bundesbehörden Auskunft gibt: E. KUNZE, Bericht über die Ausgrabungen in Olympia V, 1956, S. 160ff., SEG XV, 1958, 254. Die Inschrift ist von SCHWERTFEGER, S. 27ff. im Anschluß an LARSEN, Fed. States, S. 500f. und gegen L. MORETTI, Riv. di Fil. 93 (1965) S. 278ff.
mit dem Krieg des Domitius gegen die Allobroger und Averner 122 verbunden und eingehend interpretiert worden.
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Funktionen wieder aus, was angesichts der Wichtigkeit dieser Kompeten zen besagt, daß dies bei untergeordneten Aufgaben ebenso gewesen sein muß. Dies gilt mit großer Wahrscheinlichkeit für die Einziehung des Tribu tes, dessen Modalitäten im Zusammenhang mit der Restitution des Bundes geregelt worden sein müssen 162 . Da ohnehin römische Behörden nur in Ausnahmefällen die Steuereintreibung vornahmen und die Tätigkeit von publicani nicht nachweisbar ist 163 , ist in Analogie zu der 168 bis 148 gegenüber den makedonischen Republiken geübten Praxis davon auszu gehen, daß die achäischen Bundesbehörden die Globalverpflichtung nach eigenem Gutdünken auf die Städte verteilten und Rom gegenüber für den pünktlichen Eingang der Zahlungen verantwortlich waren 164 . Alles in allem erscheint als Ziel der Ordnung von 146 die Verhinderung eines zukünftigen organisierten Widerstandes in Griechenland, das völker rechtlich souveräne Staaten nur noch nominell und eingespannt in die Untertanengebiete Makedonien und Achaia kannte. Das Interesse der Herrschaft ist demnach seit 168 unverändert geblieben, so daß nicht zu fällig ihre Ökonomie mit der in Makedonien 168 gesetzten Ordnung in wichtigen Punkten identisch ist 165 . In beiden Fällen werden timokratische Verfassungen eingeführt, Tribute auferlegt, die ein römisches Eingriffs recht von der Sache her begründen, und in beiden Fällen wird die Erklä rung der Freiheit der Besiegten der Ordnung vorangestellt. Damit war mehr ausgesprochen als eine Garantie der Selbstverwaltung, die in den Provinzen"ebenfalls nicht zu ersetzen war. Vorgestellt wurde wiederum wie 196 auf den Isthmien von Korinth ein politisches Programm, das jetzt besagte, daß Rom seine Herrschaft nur im Rahmen der 146 getroffenen Regelung auszuüben gedachte. Jede Änderung und jede über die Über wachung der Ordnung hinausgehende Kompetenz des in Makedonien re gierenden Magistrats wird so ausgeschlossen bzw. von der Einsicht der Griechen abhängig gemacht, daß jeder neue Akt des Widerstandes die Provinzialisierung wie in Makedonien zur Konsequenz haben würde.
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Ebenso SCHWERTFEGER, S. 73f., der auf Inschr. v. Olympia 328 verweist, aus der allerdings nicht zu entnehmen ist, ob es sich bei den Forderungen des Proquästors Q. Ancharius (ca. 73/71) um die 146 festgelegten Tribute oder um einmalige gesondert begründete Zahlungen handelt. Entscheidend ist allerdings, daß in jedem Fall der Bund und nicht die einzelnen Städte offiziell tätig werden. H. HILL, The Roman Middle Class in the Republican Period, 1952, S. 55 ff. SCHWERTFEGER, S. 74. SCHWERTFEGER, S. 72.
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Die Unterstellung der 146 Besiegten unter das Spruchrecht eines Pro konsuls ist also keine totale, sondern die Übertragung der Aufsichts funktion, die üblicherweise der Senat ausübte und auch nach 168 über die makedonischen Republiken ausgeübt hat, an den Magistrat, der von der benachbarten Provinz aus die Entwicklung der Dinge weit besser beobach ten und notfalls korrigieren konnte als der Senat, dem nur das Instrument der Gesandtschaften zur Verfügung stand. Die Herrschaftsökonomie, die 147 zum wiederholten Male gemachte Erfahrung, von Rom aus nicht schnell genug auf Verwicklungen in den kontrollierten Räumen reagieren zu können, und das begrenzte Herrschaftsinteresse führten zu einer Ord nung, die das Spruchrecht des Statthalters mit der Freiheit der Beherrsch ten verband. Im Grunde verbietet dies, die Realität der römischen Herrschaft durch den Begriff „Untertänigkeit" ausschließlich begreifbar machen zu wollen. Auch die im juristischen Sinne freien befreundeten oder foederierten Ge meinden Griechenlands besaßen angesichts der römischen Machtentfaltung realiter nur den Spielraum ihrer Freiheit, den ihnen die römische Politik offenhielt. Ereignisse wie die in Dyme hätten auch ihnen gegenüber zu römischen Reaktionen geführt, wobei es relativ unwichtig ist, ob der in Makedonien residierende Statthalter kraft Rechtsanspruch oder kraft Machtanspruch auf dem Umwege über eine Weisung an die zuständigen Organe, in seinem Sinne tätig zu werden, dem römischen Willen Geltung verschafft hätte 166 . Der Unterschied zwischen freLund unfrei wird erst faßbar, wenn man die Art und Weise, in der der juristische Sachverhalt und seine praktischen Konsequenzen das Selbstverständnis der Griechen traf, in die Überlegung mit einbezieht. Ein derartiger Versuch kann, da bereits der äußere Ablauf der römischen Herrschaftsentwicklung in Griechenland in der Zeit von 146/5 bis auf Sulla in nahezu völliges Dunkel gehüllt ist, in vielem nur spekulativ sein und nicht mehr beanspruchen als das Abstecken des Hori zontes, in dem die wenigen bekannten Fakten zu verankern sind. 166
Hinsichtlich der finanziellen Leistungen ist der Unterschied zwischen den tributpflich tigen und den frei gebliebenen Städten in der Praxis nicht erheblich gewesen, da auch diese im Rahmen der von ihnen geforderten bundesgenössischen Hilfe zu schweren finanziellen Zugeständnissen bereit sein mußten. Man vgl. etwa die Ende des 2. Jhdts. von Messene geforderten Leistungen, die neben Truppen und Sklaven für die Schiffs bemannung auch Kontributionen umfaßten, die die Stadt zwangen, eine Notsteuer von acht Obolen {2 Prozent des geschätzten Eigentums) auf das Eigentum zu legen, deren Erhebung unter der Beobachtung römischer Beamter erfolgte: IG V, 1433; dazu A. WILHELM, JÖAI 17 (1914) S. 1 ff.; 96ff., M. ROSTOVTZEFF, WGHW II, S. 593ff., LARSEN, Fed. States, S. 501 f.
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c) Das erneute Bündnis mit dem griechischen Freiheitsbegriff Ausgangspunkt jeder weiteren Überlegung ist die zunächst über raschende Beobachtung, daß Rom noch in der 146/5 bewerkstelligten Neuordnung die Freiheit Griechenlands verwirklicht sah und der Pro konsul Makedoniens in seinem Brief an Dyme die dortigen Umsturzpläne als gegen die den Griechen gegebene Freiheit gerichtet bezeichnen konnte (Ζ. 15) 167 . Es steht außer Frage, daß die politische Führung Roms den substantiellen Wesensunterschied zwischen der 196 in Korinth den Grie chen gewährten völkerrechtlichen Freiheit und der 146/5 den Besiegten des Achäerkrieges nicht genommenen Entscheidungsfreiheit im Inneren ge sehen hat. Rechtlich war letztere nichts anderes als eine freiwillige jeder zeit revidierbare Selbstbindung der römischen Verfügungsgewalt. Die Be zeichnung unterworfener Städte als frei, obwohl sie nur in Relation zu anderen Unterworfenen als frei betrachtet werden konnten, setzt ein poli tisches Bewußtsein voraus, dem die Begriffe Freiheit, Autonomie und Untertänigkeit nicht ausschließlich dazu dienten, bestimmte Ausprägun gen von Herrschaftsformen zu kennzeichnen oder abzugrenzen. Sie wer den vielmehr den im historischen Prozeß der Herrschaftsentwicklung in verschiedenen Formen neu auftauchenden Möglichkeiten untergeordnet und kennzeichnen die hier jeweils in den Vordergrund gerückte konkrete Ausformung. Der Wert, den die römische Politik auch jetzt noch auf die Betonung der griechischen ^Freiheit Jegte, muß im Zusammenhang mit der seitdem Zweiten Makedonischen Krieg und der Proklamation von Korinth 196 ge übten Freiheitspolitik gesehen werden. Die Frage ist, warum man in Rom diese Anknüpfung für notwendig und politisch ergiebig hielt, obwohl die historische Entwicklung anscheinend längst darüber hinweggeschritten war und man selbst die politischen Maximen eines Flamininus im Achäischen Krieg und mit der ihm folgenden Neuordnung zu Grabe ge167
Ebenso spricht Zonaras (9,31,6; 7) davon, daß die Griechen 145 für frei und autonom erklärt wurden. Sulla trennte bei den Friedensverhandlungen mit Mithradates (App. Mithr. 58,237) deutlich zwischen der Provinz und Griechenland, das er als frei be zeichnet. Dagegen sieht Diodor (32,26,2) den Verlust der griechischen Freiheit als das Ergebnis des verlorenen Krieges von 146 (ebenso Maccab. 1,8,9-10, s. dazu G. COLIN, Rome et la Grece de 200 ä 146, 1905, S. 641 f.). Es hilft angesichts der klaren Aussage des Dyme-Briefes nicht, die unterschiedliche Wertung des Sachverhaltes durch die Überlieferung hinweginterpretieren zu wollen. Sie muß erklärt werden vor dem Hinter grund einer Freiheitsvorstellung, deren Horizont nicht durch die rechdichen Antipoden „Untertan" und „frei" (im Sinne von keinem fremden Eingriff unterworfen) begrenzt wird.
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tragen hatte. Die nächstliegende Überlegung ist, daß man sich in Rom der Faszination, die solange von der Vorstellung der griechischen Freiheit aus gegangen und unter deren Vorzeichen die Politik eines halben Jahrhun derts gestellt worden war, nicht soweit entziehen konnte, daß man die griechischen Untertanen als den anderen gleich ansah. Damit eng zusammen hängt die von der römischen Nobilität gehegte Bewunderung für die historische und kulturelle Sonderstellung Griechen lands, die von der Verachtung, mit der man die Unfähigkeit der Griechen auf dem Felde der politischen Behauptung konstatierte 168 , unberührt blieb. So forderte Cicero von seinem als Statthalter Asiens amtierenden Bruder Quintus, alle ihm von Senat und Volk anvertrauten Untertanen zu achten, zu schützen und glücklich zu machen. Das gelte zwar auch gegen über wilden Barbarenstämmen, Afrikanern, Spaniern oder Galliern, müsse aber gerade denen gegenüber immer wieder neu bewiesen werden, denen man im Grunde die eigene humanitas verdanke. Denn ohne die Griechen und der Beschäftigung mit ihren Wissenschaften seien die Erfolge Roms nicht möglich gewesen 169 . Entkleidet man diese Aussage ihres rhetorischen Ballastes, so wird deutlich, daß Herrschaft über Griechen von Cicero und - wie nicht zweifelhaft sein kann - der Mehrzahl seiner Standesgenossen anders ver standen wurde als Herrschaft über Spanier, Gallier und andere barbarische Völker 170 . Überträgt man diese Auffassung in die Zeit der Begründung dieser Herrschaft, so basiert diese auf dem Bewußtsein, mit der Zuord nung eines Teiles von Griechenland zur makedonischen Provinz einen Schritt zu tun, der wie alle bisherigen Provinzialisierungen auf die Siche rung der Herrschaft abzielte, aber doch in der Art und Weise seiner Aus führung den besonderen Gegebenheiten auf griechischem Boden Rechnung tragen mußte. Die Nobilität hat seit ihren ersten Erfahrungen im Umgang mit der griechischen Welt immer gewußt, daß sie es im Gegensatz zu den bis herigen Problemen, sei es bei der Schaffung der italischen Wehrgemein168
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So soll Scipio nach dem Sieg über Antiochos III. die Aufstellung seiner Statue zusammen mit den Statuen von Griechen mit der Bemerkung verweigert haben, „wenn sie in Haufen kommen, widern sie mich an": Cic. orat. 2,262. Cic. a d Q . fr. l,l,27f. Bei Strabo 9,2,2 ist die römische Weltherrschaft schließlich das Ergebnis einer Politik, die Gewalt nur gegen die Barbaren anwandte. Ähnliche Vorstellungen finden sich bei Diodor (30,8. 32,4,4f.), Poseidonios (FGrHist. 87,43) u. a. Zu greifen sind hier Teile der römischen Herrschaftsideologie, die in nur sehr begrenztem Umfang der Realität entsprach; anders sieht dies E. BADIAN, Roman Imperialism2, 1968, S. 11; 29ff.
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schaft, sei es bei der Einrichtung der ersten Provinzen, hier mit einem Herrschaftsobjekt zu tun bekam, das nur begrenzt formbar war und ent weder mit den ihm eigenen Wesenselementen aufgenommen oder zer brochen werden mußte. Die im griechischen Bewußtsein untrennbar mit einander verknüpften Begriffe Staat, Freiheit und Autonomie, ausgebildet im Kampf gegen den Herrschaftsanspruch des Attischen Seebundes und von den hellenistischen Monarchen nicht aufgelöst, da ihnen die Macht dazu fehlte, bargen genügend Konfliktstoff, um bei ihrer Unterdrückung die römischen Herren vor unauflösbare Probleme zu stellen. Daran ändert nichts, daß es bei der praktischen Ausprägung des griechischen Freiheitsverständnisses natürlich Abstufungen gab, da auch hier der lapi dare Satz gilt, daß Freiheit als Wert an sich nicht existiert, und als solcher nur von dem begriffen werden kann, der sie einmal (in welcher Form auch immer) erfahren hat. Dies traf im griechischen Bereich nur auf die Städte zu, die immer im Zentrum des politischen Geschehens gestanden hatten. Für die Städte, die als Mitglieder von Bünden, Symmachien und Sympolitien Freiheit und Autonomie in ihrer extremen Ausprägung nur ansatz weise als praktischen Wert empfunden hatten, stellte sich die Alternative Freiheit-Herrschaft nie in ihrer ganzen Schärfe171. Trotzdem hatten sich die Idee der nationalen Besonderheit und das Selbstverständnis der griechi schen Stadt als in sich ruhende Eigenständigkeit im Verlauf der griechi schen Geschichte zu einer ideologischen Einheit verbünden, die ein Leben unter einer Fremdherrschaft, die diese Einheit zerstören wollte, unerträglich erscheinen ließ. Rom hat die Gefährlichkeit dieser Idee für die ungestörte Aufrecht erhai tung seiner Herrschaft (nicht für ihren Bestand; an ihm war so oder so nicht zu rütteln) gesehen. Das aus dieser Einschätzung resultierende Festhalten an der Propagierung der griechischen Freiheit und die offen geübte Politik der Zurückhaltung, was die Ausübung der vindizierten Verfügungsgewalt anging, ist so auch Teil der Einsicht, in Griechen land auf eine besondere Weise auf die Zustimmung der Beherrschten angewiesen zu sein. Davon hing nicht nur die Chance ab, aus Gründen der Herrschaftsökonomie mit einem Minimum an eigener Präsenz auskommen zu können, sondern darin wurzelte auch ein Teil des Selbstverständnisses einer Aristokratie, die sich nicht als Vertreter einer barbarischen Eroberer171
Vgl. die materialreiche Abhandlung von G. TENEKIDES, La notion juridique d'independance et la tradition hellenique, 1954, V. MARTIN, La vie internationale dans la Grece des cites, 1940, S. 76f.; 84f., H. SCHÄFER, Staatsform und Politik, 1932, S. 166ff.
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horde verstand172, sondern ihren Platz in der Tradition und den Wertmaß stäben der großen griechischen und hellenistischen Staaten beanspruchte. Die Griechen erfüllten diesen Anspruch. Polybios widerlegte die offen bar in weiten Kreisen verbreitete Anschauung, Rom verdanke seine Herr schaft dem Glück oder dem blinden Zufall, und unterstrich die moralische und politische Überlegenheit der Römer gegenüber den Griechen173. Nach einer bei Diodor vorliegenden griechischen Quelle wird die römische Ex pansion mit dem Siegeszug Alexanders verglichen, nach dessen milder und gerechter Herrschaft sich die Völker schließlich gesehnt hätten174. Dionys von Halikarnass beschwört die griechische Abstammung der Römer und sieht in ihrem Staat die besten Einrichtungen der griechischen Städte ver wirklicht 175 . In unzähligen Inschriften werden die römischen Großen als ,,Wohltäter", ,,Beschützer" und als Garanten von „Freiheit und Ein tracht" gefeiert176. Alles dies geschieht vor dem Hintergrund einer wach senden Anpassung an die römische Herrschaft, die in den Oberschichten der griechischen Städte aus der Einsicht in die übermächtige Realität geboren und von den Unterschichten langsam und ohne jede Reflexion hingenommen wurde. Diese langsam und tiefgreifende Hinwendung der Unterworfenen zur bewußten Annahme der römischen Herrschaft ist auch hier letztlich das Resultat ihrer Unabwendbarkeit, die die Zukunft nur als römische vor stellbar machte. Der ständige Zustrom römischer und italischer Bürger entwickelte zudem Formen des Zusammenlebens, die unterhalb der Ebene der offiziellen Beziehungen die Normalisierung der unvermeidbar gewor denen Kontakte einleiteten. Der Verlust der äußeren Bewegungsfreiheit der Städte, die unter den hellenistischen Monarchien nur in den wenigsten Fällen noch gegeben war, trat gegenüber den belassenen Möglichkeiten der 172
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Als der Skeptiker Karneadas 156 in zwei öffentlichen Vorträgen über die Gerechtigkeit den Römern demonstrierte, daß ihre Herrschaft auf Habgier und Unrecht aufgebaut sei und die wahre Gerechtigkeit verlange, daß sie das Geraubte zurückgäben und in ihre alten Hütten zurückkehrten, traf er das ideologische Herzstück der römischen Recht fertigung. Gerade die genaue Beachtung der Rechtsformen war immer die Legitimation der Expansion gewesen. Catos Forderung, die Philosophengesandtschaft auszuweisen, ist denn auch die Reaktion einer in ihrer Vorstellungswelt tief getroffenen Aristokratie. Vgl. H. FUCHS, Der geistige Widerstand gegen Rom 2 , 1964, S. 2 ff. Polyb. 1,63,9. Diod. 32,4,1 ff. (nach M. GELZER, Kl. Schrift. II, 1963, S. 64f. aus Polybios). Dazu im einzelnen J. TOULOUMAKOS, Zum Geschichtsbewußtsein der Griechen in der Zeit der römischen Herrschaft, 1971, S. 29f.; 33. Belege bei TOULOUMAKOS, S. 24 und C. J. CLASSEN, Gottmenschentum in der römischen Republik, Gymnasium 70 (1963) S. 312ff.
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Selbstverwaltung in den Hintergrund. Der Rekurs auf die alte Freiheit wurde jetzt endgültig Gegenstand der Geschichtsbücher und der lieb gewordenen Erinnerung, die in der Praxis des politischen Lebens ohne Konsequenzen blieb. Die damit Hand in Hand gehende Auflösung der Gültigkeit der bisher allein tolerierten Handlungsweisen endete nicht in einer völligen Desorientierung der griechischen Stadt, sondern führte zu einer Ausweitung des politischen Horizontes und zur Formulierung eines neuen Selbstgefühls, das ein weites Betätigungsfeld innerhalb des Im periums fand 177 . Die griechischen Gemeinden gingen so nicht in einer für sie aussichts losen Konfrontation mit einer römischen Herrschaftskonzeption zugrun de, sondern sie verwandelten sich unter dem in keine bestimmte Richtung zielenden Druck der allmächtigen römischen Herrschaft zu deren Träger. Der Schritt vom Verständnis des eigenen Status als aus sich selbst heraus gerechtfertigtes und nach allen Seiten hin souveräne Staatsgebilde hin zur Selbsteinschätzung als unentbehrlicher Teil eines großen Ganzen war mög lich geworden durch eine römische Politik, die, so paradox das auf das Ergebnis hin betrachtet klingen mag, lange Zeit nichts anderes beabsich tige, als die politische Umwelt so zu erhalten, wie sie war. d) Die Provinzialisierung Afrikas Die Ursachen des römischen Vernichtungskrieges gegen Karthago können hier auf sich-ber-uhen. Die Untersuchungen-von W. HOFFMANN 1 7 8 haben die entscheidenden Punkte dieser Frage geklärt, so daß darauf verwiesen werden kann. Wichtig für die römische Herrschaftspraxis ist dies: Die römische Forderung an die Karthager nach der Kriegserklärung 149, ihre Stadt zu zerstören und sich mindestens 10 Meilen landeinwärts 177
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Es sei hier nicht vergessen, daß die neue Sinngebung, die das Leben einer griechischen Stadt damit erhielt, ideologisch sehr viel später untermauert wurde; dazu J. BLEICKEN, Der Preis des Aelius Äristides auf das römische Weltreich, Nachr. Gott. Ak. Wiss., phil.-hist. KL, 1966, 7, S. 225ff., D. NÖRR, Imperium und Polis, S. 78. Die römische Politik des 2. Jahrhunderts und das Ende Karthagos, Historia 9 (1960) S. 309ff.; 330ff. HOFFMANNS Nachweis, daß auch Scipio Nasica nicht grundsätzlich gegen die von Cato vertretenen Politik der radikalen Lösung des Problems Stellung genommen hat sondern - was für einen römischen Politiker bis dahin immer selbst verständlich gewesen war — nur ,,das Decorum juristischer Korrektheit" (A. HEUSS, RG 3 , S. 122) gewahrt wissen sollte, konnte von Α. Ε. ASTIN, Scipio Aemilianus, 1967, S. 276ff. nicht überzeugend widerlegt werden. Vgl. im übrigen Η. Η. SCULLARD, Scipio Aemilianus and Roman Politics, JRS 50 (1960) S. 59ff. und (zur Rolle, die Massinissa bei der Abkehr der römischen Politik von der Grundlage der 201 geschaffenen Voraussetzungen spielte) P. G. WALSH, JRS 55 (1965) S. 149ff.
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Herrschaft als Ausübung von Gewalt
neue Wohnplätze zu schaffen179, zielte auf die Vernichtung Karthagos als politisch relevante Größe, schloß aber gleichzeitig die Absicht eines eigenen direkten Engagements im nordafrikanischen Raum aus 180 . Das zugrundeliegende Konzept ist nur in der speziellen Art seiner ge planten Ausführung von den Überlegungen verschieden, die 168/7 zur Beseitigung der makedonischen Monarchie und zur Aufteilung des Landes in vier Republiken geführt haben. Hier wie dort ging es um die Neu tralisierung eines Machtfaktors, der das bisherige System der indirekten Beherrschung durch einander die Waage haltender Mittelstaaten, deren außenpolitischer Aktionsradius vom Senat kontrolliert werden sollte, nicht hinzunehmen gewillt schien oder durch seine besondere historische Auf gabe in dem ihn umgebenden politischen Raum in dieses Konzept nicht eingeordnet werden konnte. War Karthago erst, so drangen die Konsuln des Jahres 149 nach der Dedition der Stadt in die karthagischen Gesand ten, vom Meer entfernt, auf dem es seine ihm jetzt zum Unheil werdende Größe und Macht erlangt hatte, so könne es in Zukunft als souveräne Gemeinde ohne Gefährdung leben 181 - eine diabolische Logik, die aber der festen Überzeugung entsprang, in Nordafrika den Status quo nur so erhalten zu können, und keinen Gedanken daran verschwendete, in irgendeiner Form das Erbe Karthagos antreten zu wollen. Nach dreijähriger Belagerung gingen Karthago und die ihm treu ge bliebenen Städte in Flammen auf. Die überlebende Bevölkerung wählte den Freitod oder wurde auf den Sklavenmärkten verkauft. Die politische Szenerie hatte sich damit grundlegend gewandelt und ließ jetzt nur noch zwei Möglichkeiten offen: Entweder Rom füllte das entstandene Vakuum selber aus oder es überließ diese Aufgabe den Erben Massinissas, was trotz der vom Senat gewiß genau beobachteten Instabilität des numidischen Reiches 182 die Konsequenz einer neuen Großmachtbildung auf afrika/ 179
180
181 182
Liv. per. 49: ut in alium locum, dum a mari decem milia passuum ne minus remotum, oppidum facerent. App. Lib. 81,378. Die seit 153 in Spanien wiederaufflammenden Kämpfe und die in ihnen erlittenen Rück schläge mögen das ihrige dazu beigetragen haben, den Senat vor einer Ausübung der durch die deditio der Karthager erlangten Verfügungsgewalt (dazu A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 71 Anm. 1) abzuschrecken. App. Lib. 86-89, 404-422. W. HOFFMANN, aaO. S. 339. Dieser Sachverhalt hat offensichtlich bei der Entscheidung des Senates gegen Ende der 60er Jahre, das Gebiet der Emporia Massinissa zuzugestehen (Polyb. 31,21,1-8), eine wichtige Rolle gespielt. Der Entschluß Massinissas, dieses Land militärisch zu okku pieren, fiel erst, als Karthago dem König den Durchzug durch dieses Gebiet bei der Verfolgung eines abtrünnigen Vasallen verweigert hatte, was - wenn es zur Regel wurde - für Massinissa bedeutet hätte, daß jeder Abtrünnige oder Thronprätendent in
ZL
menbruch der neuen Herrschaftsordnung
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nischem Boden im Bereich des Möglichen gelassen hätte und daher auch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden konnte 183 . Der Entschluß zur Provinzialisierung ist also auch hier nur aus dem auf das Nächstliegende gerichteten Blickwinkel der römischen Politiker zu verstehen, die ein ständiges militärisches Kommando dort einrichteten, wo es eine andere Alternative nicht gab. Die Richtigkeit dieses Schlusses beweist nicht zuletzt das römische Verhalten nach Beendigung des Jugurthiriischen Krieges. Das eroberte Gebiet wurde aus dem römischen Spruchrecht entlassen und das numidische Königreich, dem Vorgang von 201 analog, unter dem Szepter'des Königs Gauda neu konstituiert, wobei einige Landstriche abgetrennt und dem mauretanischen König Bocchus für seine Hilfe im Krieg übergeben wurden 184 . An eine Ausdehnung der Pro vinz Africa dachte niemand in Rom, da der allein angestrebte Status quo auch auf andere Weise wiederhergestellt und stabilisiert werden konnte.
183
Karthago Schutz finden bzw., was viel gefährlicher war, vom karthagischen Territorium aus ungestraft gegen ihn hätte Krieg führen und agitieren können. Damit war der Bestand des numidischen Reiches und mit ihm die von Rom seit 201 verfolgte Politik des Gleichgewichtes in Nordafrika unmittelbar gefährdet, da Karthago als in sich fest geschlossener Organismus im Grunde weit lebensfähiger war als die von Rom geschaffene heterogene numidische Reichsbildung (vgl. W. HOFFMANN, aaO. S. 328ff.). Weiter muß sich gegen Ende der 50er Jahre jeder einsichtige römische Politiker gefragt haben, ob nach dem Tode des nun fast neunzigjährigen Königs seine Söhne in der Lage und gewillt waren, an der Politik des Vaters gegen Karthago festzuhalten (D. KIENAST, Cato der Zensor, 1954, S. 130). Massinissa selbst schien in dieser Kernfrage Zweifel gehabt zu haben, da er bei der Regelung der Nachfolge Scipio hinzuzog (Polyb. 36,16,10. Liv. per. 50) und damit seinen Söhnen ganz klarmachen wollte, wonach sie ihre Politik auszurichten hatten, wenn ihre Herrschaft Bestand haben sollte. Die Einzelheiten der von Scipio und einer ihm beigeordneten Zehnmännerkommission (BROUGHTON, MRR I, S. 467) geschaffenen Provinzialordnung sind geklärt, s. dazu E. BADIAN, FC, S. 138f., P. ROMANELLI, Störia delle province romane dell'Africa, 1959,
S. 43ff. 184
Dazu im einzelnen T. FRANK, AJPh. 47 (1926) S. 55ff. und P. ROMANELLI, aaO. S. 81 ff., der die Ansicht, Teile des jugurthinischen Reiches seien der Provinz ein gegliedert worden, bündig widerlegen konnte.
III. Die Interdependenz von innerer Krise und äußerer Machtentfaltung: Die Erweiterung des Herrschaftsraumes bis Caesar 1. Die Provinzialisierung als Alternative zur Anarchie des Herrschaftsraumes Die nahezu gleichzeitig erfolgte Provinzialisierung Makedoniens, Afrikas und eines Teiles von Griechenland mutet auf den ersten Blick als der Sieg eines politischen Willens an, der entschlossen schien, die bisher praktizierte Form der indirekten Herrschaft durch eine gezielte Politik der Annektion zu ersetzen. Erst bei näherem Zusehen ergibt sich ein sehr viel differenzierteres Bild. Die Neuorientierung der römischen Politik seit dem Perseuskrieg, ausgelöst durch die Überzeugung der Nobilität, mit der auf völkerrechtliche Kooperation ausgerichteten Politik eines Flamininus in eine Sackgasse geraten zu sein, und gehandhabt als unerbittliche Drang salierung der hellenistischen Staatenwelt, bewirkte hier eine tiefgreifende Demoralisierung1, die wiederum den Lebenswillen und die Lebensfähig keit der-Betroffenen stetig aushöhlte2. Das Eigengewicht der römischen Herrschaft, die ihre Träger nach wie vor als völkerrechtliches Problem begriffen, obwohl dies durch die auf reine Destruktion abgestellten Praktiken sinnlos und unglaubwürdig ge worden war, entwickelte eine eigene, nicht mehr gesteuerte Dynamik, die die hellenistische Staaten weit zum Einsturz brachte und, da nichts anderes mehr als Ordnungsfaktor installiert werden konnte, die Legionen und ihre Befehlshaber zwang, dort stehen zu bleiben, wo sie die Trümmer der ein1
2
Es mag genügen, daran zu erinnern, daß es Eumenes IL 164/3 hinnehmen mußte, daß ein römischer Gesandter auf pergamenischem Boden in den bedeutendsten Städten Be kanntmachungen verbreiten ließ, auf Grund derer jeder attalidische Untertan gehalten war, Beschwerden gegen seinen König vor ein römisches Tribunal zu bringen, das zehn Tage lang in Sardeis tagte; Polyb. 31,6. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 447. Das sinnfälligste Beispiel dafür bietet wieder das Attalidenreich. Als zu der Paralyse des außenpolitischen Aktionsbereiches innere Schwierigkeiten hinzukamen, erschien dem letzten Attaliden ihre Behebung ein sinnloses Tun, das er Rom überließ, indem er ihm sein Reich vor die Füße warf.
ie Provinz als Alternative zur Anarchie
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stürzenden Staatsgebäude beseitigt hatten. Die politische Führung der Republik hat diesen Kausalzusammenhang in seiner ganzen Tragweite nie begriffen, da sie bis zu ihrem eigenen Ende auf den kontinuierlich fort schreitenden Auflösungsprozeß ihrer äußeren Umwelt immer erst dann reagierte, wenn alles drunter und drüber ging und das direkte militärische Engagement unvermeidlich geworden war, um Schaden von den so ständig wachsenden direkt beherrschten Territorien zu wenden. Das entschei dende und den Vorgang charakterisierende Moment an der Einrichtung der Provinzen Makedonien und Afrika ist nicht, daß Rom sich zu diesem Schritt entschloß - denn als es das tat, war es die einzige Lösung, die das selbst heraufbeschworene Chaos noch offenließ -, sondern daß es ihn als Konsequenz einer politischen Neuorientierung gehen mußte, die die Er haltung der politischen Umwelt auf Biegen und Brechen zu erreichen ver suchte und gerade dadurch ihren Einsturz nur beschleunigen konnte. Das erste durchgängig für alle Provinzgründungen bis auf Pompeius konstitutive Element der römischen Außenpolitik ist so verhältnismäßig leicht einzugrenzen: Entweder das militärische Sicherheitsbedürfnis oder das anders nicht mehr zu beseitigende Chaos konnten den Senat dazu bewegen, direkte Herrschaft durch die kontinuierliche Entsendung eines jährlich neu bestimmten Imperiumträgers auszuüben3. Die Verzweiflungstat des Attalos, sein Reich den Römern anzutragen, als er ihm keine gesicherte Zukunft mehr zutraute, hat in Rom zunächst keinerlei Reaktion ausgelöst, obwohl es nicht fraglich sein kann, daß ein derartiger Schritt mit dem Senat vorher abgesprochen worden war. Erst als mit dem Griff des Aristonikos nach der Krone der Attaliden die Republik direkt herausgefordert wurde und es zweifelhaft schien, daß die durch das Testament frei gewordenen pergamenischen Städte dem Prätendenten auf die Dauer Widerstand leisten konnten, griff Rom zunächst mit einer Gesandtschaft, dann mit Hilfe der befreundeten kleinasiatischen Könige und schließlich mit seinen Legionen ein. Dies führte nach deren Sieg zur Provinzialisierung der Kerngebiete des Attalidenreiches, da keine Aussicht mehr bestand, das pergamenische Reich als solches wiederherzustellen4. Der durch die römische Destruktionspolitik ausgelöste Kollaps der pergamenischen Monarchie und seine Folgen in Asien vereitelten also die Rückführung der Legionen, da das entstandene machtpolitische Vakuum 3 4
Vgl. A. HEUSS, RG3, S. 244f.; 248ff. und E. BADIAN, RI, S. 22ff.; pass. D . MAGIE, RRAM, S. 147ff., A. HEUSS, RG, S. 245f., F. CARRATATHOMES, La rivolta di Aristonico e le origini della provincia romana d'Asia, S. 47ff., TH. LIEBMANNFRANKFORT, La frontiere Orientale, S. 137ff.
140
Innere Krise und äußere Machtentfaltung
wenn nicht von Rom selbst so nur von den benachbarten Königreichen auszufüllen war. Die Aussicht jedoch, in die dann voraussehbaren Machtkämpfe von seit jeher rivalisierenden Dynastien hineingezogen zu werden, verlieh der Provinzialisierung die nötige Attraktivität in den Kreisen der Senatsaristokratie. Nicht anders sahen die Gründe aus, die zur Einverleibung Bithyniens führten. Das Land wurde nach dem Tode Nikomedes IL 74 provinzialisiert, der sein Reich ebenfalls an Rom vererbt hatte. Diese Entscheidung war unumgänglich geworden, als Mithradates sich in die Angelegenheit einzumischen begann und ein Sohn des verstorbenen Königs vor dem Senat Anspruch auf den Thron erhob, jedoch bei den Fürsten seines Landes keinen Rückhalt fand, so daß bei seiner Inthronisation mit kriege rischen Verwicklungen gerechnet werden mußte, was nun genau das war, was der Senat auf jeden Fall zu vermeiden trachtete. So erhielt der Statt halter Asiens, Marcus luncus, Order, in Bithynien einzumarschieren und das Land als Provinz einzurichten 5 . Dort, wo die Verhältnisse nach der römischen Intervention auch anders als durch die Provinzialisierung stabilisiert werden konnten, setzte Rom seine herkömmliche Politik fort. Der lange Krieg gegen Jugurtha endete nicht mit der territorialen Erweiterung. Denn die Aufteilung des numidischen Reiches unter den Mauretanier Bocchus und den Numider Gauda, die ihre Treue zu Rom ausreichend bewiesen hatten, konnte den afrikanischen Raum westlich der Provinz Afrika so sichern, daß weitere Komplikationen nicht-zu-befürchten waren: Die Geschichte der klein asiatischen Dynastien bis Pompeius bietet weitere Beispiele für diese außenpolitische Grundregel, die hier nur durch die Vorgänge bei der Restitution Kappadokiens und Paphlagoniens verdeutlicht werden soll. Nachdem der Senat die Räumung dieser Gebiete von Mithradates VI. im Jahre 95 verlangt und auf diplomatischem Wege durchgesetzt hatte, er klärte er sie für alle Zukunft frei6. Gedacht hatte der Senat an die Freiheit von äußerer Beeinflussung und königlicher Machtausübung offenbar in der, wie sich herausstellen sollte, naiven Annahme, daß Kappadokier und Paphlagonier wie die griechischen Städte, bei denen man die Bedeutung der Freiheitspolitik erfahren hatte, in der Befreiung von monarchischer Gewalt ein erstrebenswertes Ziel sahen 7 . Als man die Er5
6 7
Quellen bei BROUGHTON, MRR II, S. 98; 100 Anm. 6; vgl. D. MAGIE, RRAM, S. 320;
1200ff., T H . LIEBMANN-FRANKFORT, La frontiere Orientale, S. 210ff. Strab. 12,2,11 (540). Vgl. A. HEUSS, Stadt u. Herrscher, S. 234 Anm. 1.
Der Verzicht auf die Kolonisation
141
fahrung machen mußte, daß die Kappadokier, damit keineswegs einver standen, sich diese Freiheit verbaten, übertrug der Senat den einheimi schen Fürsten die Wahl eines neuen Königs, der nach Lage der Dinge nur ein Römerfreund sein konnte 8 .
2. Der Verzicht auf die Kolonisation in den Provinzen als Reflex der inneren Parteienkämpfe Die Intervention in die gallischen Verhältnisse am Ende der 20er Jahre des 2. Jhdts., die zur Einrichtung der Gallia Narbonensis führte, wurde ausgelöst durch Machtverschiebungen in Gallien, die Massilia gefährdeten, das Gleichgewicht der Kräfte in Mittel- und Südgallien zu beseitigen drohten und um die Sicherheit der Landverbindung nach Spanien fürchten ließen. Die ohne genaue Grenzziehung gegen die freien gallischen Stämme geschaffene Provinz gewährleistete denn auch vor allem den Schutz der strategisch wichtigen via Domitia, die Italien mit den spanischen Provin zen verband 9 . Verwaltungszentrum der Provinz wurde die wenig später gegründete Kolonie Narbo Martius (118/115), die entsprechend der ureigenen Funk tion der römischen Kolonisation die militärische Sicherung verstärken sollte 10 . Die Aussendung der Kolonie konnte nur nach schweren Ausein andersetzungen im Senat durchgesetzt werden. Die Mehrheit des Senates fürchtete nicht-ohne-Gruni,-daß-diese nach der Gründung von Iunonia (Karthago) zweite große Kolonie außerhalb Italiens den politischen Partei gängern des C. Gracchus, von denen L. Licinius Crassus in der Siedlungs kommission war, eine Klientel verschaffen sollte11, die allein schon auf Grund der Entfernung der Kontrolle der Nobilität entzogen war. Wohl nur die Einsicht in die militärische Notwendigkeit der Anlage ließ den Senat schließlich seinen Widerstand aufgeben12, der im Falle Iunonias zur Abrogation des Gründungsgesetzes geführt hatte. 8 9
10
11
12
T H . LIEBMANN-FRANKFORT, La kontiere Orientale, S. 165ff. A. HEUSS, RG, S. 248, C. H. BENEDICT, AJPh 42 (1942) S. 38ff., E. BADIAN, FC,
S. 208f., RI, S. 23f.; 67f., Notes on Provincia Gallia in the Late Republic, in: Mel. Piganiol II, 1966, S. 901 ff. Vell. l,15,4f. Cic. pro Cluent. 51,140. CH. MEIER, Res publica amissa, S. 313, Ε. Τ. SALMON, Roman Colonisation, S. 121 f. Cic. Brut. 160: voluit adulescens (sc. Crassus) in colonia Narbonensi causae popularis aliquid adtingere. Vgl. .Cic. Font. 13: Narbo Martius, colonia nostrorum civium, specula populi Romani ac propugnaculum. Es ist weiter nicht auszuschließen, daß das Interesse der Ritter
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Innere Krise und äußere Machtentfaltung
Von zwei Ausnahmen abgesehen (Mariana und Aleria auf Korsika) war danach bis Caesar die Gründung von Kolonien auf provinzialem Boden nicht mehr durchsetzbar 13 . Der letzte groß angelegte Versuch des Appuleius Saturninus im Jahre 100, Kolonien in Sizilien, Griechenland und Makedonien für die Veteranen des Jugurthinischen und des Kimbern krieges zu erreichen, nahm zwar die Hürde der Zustimmung des Volkes, überlebte jedoch den Untergang des Tribunen nicht, dem Senat und Ritter unter der Führung des Konsuls Marius den Garaus machten 14 . Der Vor gang erklärt mit aller wünschenswerten Deutlichkeit, was die Ausein andersetzungen um Narbo bereits kennzeichnete: Die Senatsaristokratie las in den Plänen, die in Italien so erfolgreiche Kolonisationspolitik auf die Provinzen auszudehnen, nichts weiter als die Absicht, einer politischen Minderheit auf dem Wege der Veränderung der Klientelverhältnisse den Hebel zu verschaffen, der den alleinigen Führungsanspruch des Senates aus den Angeln heben konnte. Die seit der marianischen Umstrukturie rung der Heeresverfassung vollzogene Militarisierung der Klientel verlieh der geschlossenen Ansiedlung von Veteranen ohnehin eine gefährliche Dimension 15 , deren ganze Brisanz zum erstenmal enthüllt wurde, als Sulla seine Soldaten (ca. 120 000) in geschlossenen Verbänden in ganz Italien ansiedelte, um seinem Regiment die entscheidende Stütze einzuziehen. Nicht minder wirkungsvoll mußte die Ansiedlung in den Provinzen sein. Dafür sprachen eine Reihe gewichtiger Gründe, weil bei konsequen ter Verwirklichung einer solchen Konzeption alle sozialpolitischen Pro bleme; jmit. denen man_si.ch .seil TiheriusLGracchus herumschlug, gelöst werden konnten und der beherrschte Raum die gleichen Stützpunkte bekommen hätte, die sich bei der Unterwerfung Italiens als so wichtig erwiesen hatten. Die Folgen, die dies für die Stabilität des Senatsregimes haben mußte, waren allerdings ebenso klar. Die Verfügbarkeit über im außeritalischem Bereich geschlossen angesiedelte Veteranen gab dem ein zelnen Aristokraten im innenpolitischen Kampf um Macht und Ansehen ein Druckmittel in die Hand, das die Struktur der Verfassung, die mit der Geschlossenheit der Aristokratie und ihrer alleinigen Verantwortung für den Staat stand und fiel, an der Wurzel traf.
13
an dieser für die Entfaltung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit wichtigen Kolonie dazu beitrug, den Senat nachgiebig zu stimmen: E. S. GRUEN, Roman Politics and the Criminal Courts, 1968, S. 136f., E. GABBA, in: ANRW I 1, S. 771 f. J. BLEICKEN, Chiron 4 (1974) S. 399ff., worauf für das Folgende zu verweisen ist.
14
BLEICKEN, S. 402, SALMON, aaO.' S. 128 ff.
15
C H . MEIER, aaO. S. lOOff.
Oer Verzicht auf die Kolonisation
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Bezogen auf die Funktionsfähigkeit des provinzialen Herrschafts systems ist derselbe Schluß unausweichlich. Der mit monarchischer Gewalt die Provinz regierende Magistrat war nur solange keine tödliche Gefahr für den Staat, solange er sich als Exponent und ausführendes Organ der Senatsaristokratie verstand. Seine Herrschaftsfunktion konnte nachhaltig gelähmt werden, wenn in seinem Regierungsbereich eine auf den Wink eines einzelnen Aristokraten hörende militarisierte Klientel theoretisch jederzeit seinem Zugriff entzogen und gegebenenfalls einem anderen politischen Willen unterstellt werden konnte. Verfügte er selbst über eine solche Klientel in seiner Provinz, war die Bindung seiner exekutiven Funktion an die Entscheidungen des Senates, der kein rechtlich institutionalisierter Bestandteil des Herrschaftsapparates war und somit keine rechtlichen Sanktionen einleiten konnte, noch leichter lösbar, als dies die Konstruktion des Regimentes ohnehin gestattete. Aus dem Gesagten wird klar, daß der Verzicht der Republik auf eine Ausweitung der Kolonisationspolitik auf die Provinzen die Konsequenz der spezifischen Struktur des Herrschaftssystems ist. Bestand und Dauer der Herrschaft der römischen Aristokratie hingen von ihrer Einheit ab, die eine Ausdehnung der Klientel des einzelnen über das Maß des Normalen hinaus nicht vertrug. Die durch die Ausweitung der Expansion und durch die daraus folgende Ausdehnung der militärischen Aufgaben bedingte Militarisierung der Klientel reduzierte die Ansiedlungspolitik auf das Mittel der Viritanassignation, nachdem die von Marius einmal suggerierte Vorstellungr.jdaßjdei; Lohn des_Heeresdienstes die Zuweisung von Land nach der Entlassung sein müsse, nicht mehr aus der Welt zu schaffen war. Die Gründung von Narbo spiegelt so die Möglichkeiten einer von der Initiative des Staates selbst vorangetriebenen Romanisierung der Provin zen, für die die Voraussetzungen erst nach der Umwälzung des gesamten Herrschaftssystems gegeben waren. Caesar, der als erster die von der Funktionsfähigkeit der aristokratischen Herrschaftspraxis gesetzte Schranke durchbrach und Kolonien in die Provinzen schickte, tat dies noch als Gegner der Senatsaristokratie, der wie Sulla das eigene Regiment durch die Ausweitung seiner Klientel in dieser spezifischen Form ab sicherte. Erst mit Augustus wird diese Ansiedlungspolitik Teil einer dauer haften Ordnung, die den sachlichen Notwendigkeiten der Sozialkrise in Italien und der Stabilisierung der imperialen Herrschaft Raum geben konnte. Die Romanisierung der gallischen Provinz erfolgte nach ihrer Grün dung sehr schnell auf dem Wege der Privatinitiative und wurde im wesent-
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Innere Krise und äußere Machtentfaltung
liehen getragen von den italischen Kaufleuten, die ihre Handelsbeziehun gen nach Spanien durch die Sicherung der Landverbindung weiter intensivieren konnten. Ihr wirtschaftlicher Einfluß reichte sehr bald weit in das noch freie Gallien hinein, zumal da das Gebirge der Cevennen kein unübersteigbares Hindernis bot. Die Kriege gegen die Kimbern und die Aufnahme freundschaftlicher Beziehungen zu den an die Provinz an grenzenden Stämme und zu den Häduern erleichterten den wirtschaft lichen Kontakt, der für das freie Gallien durch den damit erreichten Anschluß an den mediterranen Wirtschaftsraum große Vorteile brachte. Viele Kaufleute und ehemalige Soldaten fanden so eine neue Heimat in Südfrankreich, das durch sein mediterranes Klima und seinen landschaft lichen Charakter Italien mehr als dem übrigen Gallien glich16. Die Ver leihung des latinischen Bürgerrechtes an die cisalpinen Gallier im Jahre 89 rückte die Provinz noch näher an Italien heran, so daß Cicero 69 konsta tierte, das politische und wirtschaftliche Leben der Narbonensis werde von Römern bestimmt 17 . Die Einordnung der Eroberung Südfrankreichs als die Fortsetzung der römischen Expansion in Oberitalien, die dem rückblickenden Betrachter nahezu selbstverständlich geworden ist, erhält somit diesen Charakter des Selbstverständlichen weniger durch die militärpolitischen Notwendigkei ten als vielmehr durch die Initiative italischer Kaufleute und Siedler, die den Legionen folgten. Sie erst veränderten das politische und soziale Gesicht des neu gewonnenen Gebietes so, daß die römische Herrschaft in ihnen und nicht in der offiziellen AdministratioaJiQnkxete_ Wirklichkeit wurde. Die Niederlassungen der Römer beherbergten die gesellschaftlich führende Schicht der ganzen Provinz, die in allen Wirtschaftszweigen dominierte und den sozialen Gesamtzustand des unterworfenen Landes gründlich verändert hatte. Die Unangefochtenheit des römischen Macht anspruches ruhte wesentlich auf dieser sozialen Gegebenheit. In Rom ver stand man dies sehr wohl, da alle Statthalter, soweit darüber Nachrichten vorliegen, die wirtschaftlichen Ambitionen der Eingewanderten nach Kräften unterstützten. Die Verdichtung dieses Wissens zu einem politi schen Konzept verbot die Struktur des Systems. 16 17
Plin. n. h. 3,31: Italia verius quam provincia. Cic. Font. 11: Referta Gallia negotiatorum est, plena civium Romanorum. Nemo Gallorum sine cive Romano quiequam negoti gerit, nummus in Gallia nullus sine civium Romanorum tabulis commovetur. H. STRASBURGER, Caesar im Urteil seiner Zeitgenossen2, 1968, S. 22f., A. J. N. WILSON, Emigration, S. 11 f.; 64ff., E. BADIAN, FC, S. 309ff.
Ϊ Folgen der nichtsteuerbaren Piraterie
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3. Die Provinzialisierung als Konsequenz des ungelösten Seeräu b erproblems Die Provinzgründungen seit der Jahrhundertwende stehen alle in un mittelbarem Zusammenhang mit der Bekämpfung der gesteigerten Aktivi täten der Seeräuber, die die Rhodier, traditionell mit der Rolle der Seepolizei betraut, nicht mehr in Schach halten konnten, seit sie wegen ihres Verhaltens im Dritten Makedonischen Krieg in Rom in Ungnade gefallen waren 18 . Es bedurfte einer Reihe von Gründen, um die Piraterie in einer Weise überborden zu lassen, daß sie das gesamte Wirtschaftsleben des östlichen Mittelmeerraumes lahmzulegen drohte. Jeder der hier wirk samen Faktoren entfaltete sich jedoch erst auf dem Boden der römischen Expansion, die die hellenistischen Reiche zwar zerschlug oder ihre Lebensfähigkeit strangulierte, aber selbst gebunden blieb an ein Herr schaftssystem, das mit jeder Ausweitung seiner territorialen Verantwor tung seinen Bestand mehr und mehr in Frage stellte und daher das Chaos der zusammenstürzenden hellenistischen Welt der Übernahme der Ver antwortung vorzog. Rhodos führt die Reihe der Beispiele für die Kettenreaktion an, die die rein destruktive Politik des Senates seit 168 auslöste. Nach 167 seiner fest ländischen Besitzungen in Karien und Lykien im Zuge der Bestrafung der östlichen Mittelmeerwelt beraubt_unimiL.dem.neugeschaf£enen-Ereihafen in Delos als wirtschaftlichem Konkurrenten im Nacken, besaß die Insel nicht mehr die Kraft, die Sicherheit der Meere zu garantieren. Das Seleukidenreich, durch den Frieden von Apameia für immer seiner Flotte beraubt 19 , versank nach 168 in Prätendentenkämpfen, die von dem traditionellen Gegner Ägypten und von Rom geschürt wurden. Beiden waren die Seeräuber willkommene Bundesgenossen, was dazu führte, daß die anatolischen und syrischen Küsten der Anlage von Seeräubernestern offenstanden, die auszuheben jenseits der Möglichkeiten auch des gerade nicht in einen Krieg mit einem neuen Thronanwärter verwickelten Seleukiden lag. Die Ptolemäer hatten längst ihren Einfluß in der Ägäis verloren und verzichteten nach dem Tode des Ptolemaios Apion auf die 18 19
Zuletzt erörtert von E. S. GRUEN, ClQuart. 25 (1975) S. 58ff. Noch 164/63 ließ eine römische Gesandtschaft im Auftrag des Senates die Schiffe verbrennen, die Antiochos Epiphanes entgegen den Bestimmungen des Friedensvertrages besaß: Polyb. 31,2,11 f.
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Cyrenaica, war zur Folge hatte, daß sich auch hier die Seeräuber häuslich niederließen (s. u.). Mithradates VI. schließlich, der etwa um 107 wegen der Besetzung Paphlagoniens zum erstenmal mit Rom in Konflikt geraten war, hat in den Seeräubern immer natürliche Bundesgenossen gesehen und ihre Aktivitäten in direkter Relation zu seinen eigenen Interessen gegen Rom angestachelt20. Dieses Bild einer auseinanderbrechenden Staatenwelt, die der Piraterie nichts mehr entgegenzusetzen hatte und dies auch nicht mehr wollte (sieht man einmal von Rhodos ab), wird ergänzt durch das Bild einer erstaun lichen Tatenlosigkeit Roms. Dessen gesteigerter Bedarf an Sklaven in Italien wurde nicht mehr ausschließlich durch die eigenen Kriege gedeckt, sondern auch durch den Sklavenhandel, in dem die Seeräuber führend wurden, die nunmehr ohne politische Rücksichten die Menschenjagd an allen Küsten des östlichen Mittelmeeres betreiben konnten 21 . Die An sprüche des eigenen Wirtschaftssystems traten also ergänzend zu der schwindenden Lebensfähigkeit der hellenistischen Welt als förderndes Element der Piraterie hinzu. Am Ende des zweiten Jhdts. war jedoch der Punkt erreicht, an dem die Piraterie stark genug war, um jetzt selbst die römischen Interessen direkt zu gefährden. Als private Kaufleute, publicani und als Agenten des Verwaltungsapparates waren Römer und Italiker auf eine gewisse Sicher heit der Meere angewiesen. Hinzu kam, daß das wilde Treiben auf den Meeren den Herrschaftsanspruch Roms der Lächerlichkeit preisgab und den Stolz der großen Aristokraten herausforderte. Als.M. Antonius im Augenblick seines Triumphes über die kilikischen Seeräuber das Lösegeld für seine gerade geraubte Tochter bereitstellen mußte, war der römischen Öffentlichkeit auf besonders drastische Weise klargemacht worden, daß die Piraten die Rolle der römischen Ordnungsmacht und das sich aus dieser Aufgabe herleitende königliche Selbstverständnis der Aristokratie ungestraft verhöhnen konnten 22 . Die ersten römischen Abwehraktionen konzentrierten sich auf Kilikien und führten zur Einrichtung der Provinz Cilicia. In den gebirgigen und zerklüfteten Küstengegenden, die der seleukidischen Kontrolle längst entglitten waren, und in Kreta hatten die Piraten ihre wichtigsten Zu fluchtsnester angelegt. 102 nahm der Prätor M. Antonius den Krieg auf 20
21 22
Strabon 14,5,2 (268). Plut. Pomp. 24f. A. HEUSS, RG, S. 244f., ORMEROD, CAH IX, S. 350ff., M. GELZER, Pompeius2, 1973, S. 65f. Strabon aaO. Cic. imp. Cn. Pomp. 32f.
Folgen der nichtsteuerbaren Piraterie
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und führte ihn, ausgestattet mit einem prokonsularischen Imperium (CIL p 2, 2662), so erfolgreich zu Ende, daß er für das Jahr 99 in Anerkennung dieser Leistung unangefochten zum Konsul gewählt wurde. Erreicht war in Kiükien allerdings nicht mehr als die Gründung eines gesicherten mili tärischen Vorpostens 23 , was, wie sich bald zeigen sollte, das Übel nicht beseitigte. Die Möglichkeiten des Ausweichens auf andere Küsten des Mittelmeeres bestanden nach wie vor und wurden von den Seeräuber kapitänen sehr schnell genutzt, die auf das römische Zupacken hin überdies von isolierten Einzelunternehmungen zu gemeinsamen Aktionen übergingen. Die Eskalation der Säuberungsaktionen auf alle gefährdeten Küstenstriche schien so unausweichlich, und die Frage konnte nur sein, in welcher Form Rom dies durchführen würde. Die weitere Entwicklung komplizierte zunächst das Problem noch, da der weiter fortschreitende Verfall der hellenistischen Großreiche Rom neue Pflichten aufbürdete. Im Jahre 96 folgte der König von Kyrene, Ptolemaios Apion, dem Vorbild seines Vaters Ptolemaios Euergetes II. und setzte Rom testamentarisch als Erben seines Reiches ein24. Der Senat reagierte so, daß völlig offenblieb, in welcher Form er das Erbe auch tatsächlich antreten wollte. Im Gegensatz zum attalidischen Erbfall zwangen keine Aufstände oder Prätendentenkämpfe zum militärischen Engagement, so daß kein Anlaß bestand, dort ein ständiges militärisches Kommando, wie es dem eigentlichen Sinn der Provinz entsprach, einzu richten. Die durch das Testament verfügte Freiheit der griechischen Städte d e r "Pentapelis- -nahm -man- zur Kenntnis, wälirend die königlichen Domänen vermutlich sehr schnell verpachtet wurden 25 , da die wachsenden Ansprüche der Staatskasse in diesem Punkt einer Politik des Abwartens keinen Spielraum ließen. Die Folge war, daß das Land jahrzehntelang am Rande der Anarchie dahintrieb 26 und sich der Senat erst im Jahre 75 genötigt sah, durch den mit einem prätorischen Imperium ausgerüsteten Quästor P. Lentulus Marcellinus den Provinzialstatus festzulegen27. 23
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25 26 27
D. MAGIE, RRAM, S. 283f., A. HEUSS, RG, S. 245, B. LEWICK, Roman Colonies in Southern Asia Minor, 1967, S. 21 ff., T H . LIEBMANN-FRANKFORT, La provincia Cilicia et son Integration dans l'empire romain, Hommages ä M. Renard II, 1969, S. 447ff., La frontiere Orientale, S. 205 ff. Liv. per. 70. Obseq. 49. G. PERL, Die römischen Provinzbeamten in Cyrenae und Kreta zur Zeit der Republik, Klio 52 (1970) S. 319ff. PERL, S. 319f. Anders E. BADIAN, Publicans and Sinners, 1972, S. 90. Dazu St. I. OOST, Cyrene, 96-74 B. C., ClPh. 58 (1963) S. lff. Sali. Hist. frg. 2,43 in der Lesart von G. PERL, S. 321. Alle anderen Datierungs vorstellungen sind gegenüber dieser eindeutigen Aussage Sallusts nicht haltbar.
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Innere Krise und äußere Machtentfaltung
Es gibt keine direkten Hinweise auf die Gründe, die den Senat bewogen, einen Quästor extra ordinem und offensichtlich überstürzt mit dieser Aufgabe zu betrauen. Vermuten läßt sich aber, daß die chaotischen Zustände in der Cyrenaica das Ausmaß erreicht hatten, das eine weitere Ausbeutung der königlichen Domänen gefährdete28. Die schnelle Zu nahme von Stützpunkten der Seeräuber29, für die das machtpolitische Vakuum in diesem Raum den günstigsten Nährboden geschaffen hatte, muß die Auflösung der noch vorhandenen Rudimente staatlicher Ordnung ohnehin beschleunigt haben. Pompeius jedenfalls zählte die Cyrenaica unter den von ihm unterworfenen Gebieten im Seeräuberkrieg auf, so daß seine Aktionen dieses Gebiet miteinbezogen haben müssen. In diesen Kontext ist auch die Tätigkeit des Cn. Cornelius Marcellinus (cos. 56) einzuordnen, der als legatus pro praetore des Pompeius seit 67 im Meer um die Cyrenaica operierte und durch eine Reihe von Ehren inschriften als Wohltäter Kyrenes gefeiert wurde 30 . Dies läßt den Schluß zu, daß erst durch Pompeius die Verhältnisse in der neuen Provinz auf eine tragfähige Grundlage gestellt wurden. Alles in allem heißt dies, daß der Senat seit 96 dem wilden anarchischen Treiben in der Cyrenaica taten los zusah und im Jahre 75 erst dann als ultima ratio die Provinzialisierung verfügte, als die durch eine verstärkte Festsetzung der Seeräuber vollends chaotisch gewordene Situation die Einnahmen aus den verpachteten könig lichen Domänen gefährdete. Im östlichen Mittelmeer konzentrierten sich die Kämpfe gegen die Piraten auf Kreta. Dort machte-das Ausmafir des -militärischen Engage ments gleichfalls die Provinzialisierung unvermeidbar. Seit 68 führte der Konsul des Jahres 69, Q . Caecilius Metellus, Krieg auf der Insel und unterwarf sie, die neben Kilikien als Hochburg der Piraten galt, in schweren Kämpfen bis 65 3 1 . Damit war erreicht, was bereits in den Jahren 71-71 M. Antonius Creticus, offenbar mit einem zeitlich nicht befristeten Kommando betraut, erfolglos versucht hatte, obwohl der Krieg mit 28
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OOST, aaO. S. 21 hat zudem wahrscheinlich machen können, daß der Geldbedarf des Senates in den 70er Jahren besonders groß war; vgl. weiter E. BADIAN, JRS 52 (1962) S. 121 f. In diesem Zusammenhang gewinnt die Nachricht besondere Bedeutung, daß Verres während seiner Statthalterschaft Übergriffe der Seeräuber auf die sizilischen und unter italischen Küsten bekämpfen mußte: Sali. Hist. 4,32. Die bereits seit Beginn des Jhdts. stattfindenden Raubzüge an der italischen Küste (Plut. Pomp. 24) müssen also eher zu- als abgenommen haben. J. REYNOLDS, Cyrenaica, Pompey and Cn. Cornelius Lentulus Marcellinus, JRS 52 (1962) S. 97ff., SEG XX, 709. 715. 730f. Liv. per. 100. Plut. Pomp. 29. App. Sic. 6,5-7.
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großem Aufwand vorbereitet worden war und das Imperium des Antonius das Recht eingeschlossen hatte, Truppen, Hilfsmittel und Geldzahlungen aus verschiedenen anderen Provinzen anzufordern 32 . Die fast zehnjährige Dauer des Krieges, die Ausweitung der Kompetenzbereiche beider Feld herren auf andere Provinzen 33 , die schweren Niederlagen des Antonius und die Kontinuität im Kommando, die auch Pompeius nicht durch brechen konnte, machen zusammengenommen deutlich, daß für den Senat auch hier die Notwendigkeit der Befriedung und der Konsolidierung des beherrschten Raumes die Entscheidung zur Provinzialisierung diktierte. Gleichzeitig signalisiert das Imperium extraordinarium des Antonius 34 den ersten Versuch, in praktische Maßnahmen umzusetzen, was das auf geworfene Problem schon längst forderte und was nicht zuletzt deswegen bisher unterblieben war, weil der Senat hellsichtig genug war, die Kon sequenzen solcher Maßnahmen für die Stabilität des eigenen Herrschafts anspruches mitzubedenken. Und dabei war in der Tat einmal mehr zu fragen, welche sachliche Notwendigkeit schwerer wog: Das konsequente Festhalten an der seit langem festgelegten Verantwortung, die die Gewäh rung außerordentlicher Kommandogewalten nur erschüttern konnte und die noch immer jede gefährliche Situation gemeistert hatte, oder die Bereinigung des Chaos im Herrschaftsbereich, dessen Bestand als solcher doch gar nicht auf dem Spiel stand. Eine Antwort auf dieses Problem im Sinne der sachlichen Notwendig keiten des Herrschaftsraumes hatte bereits das Gesetz zur Bekämpfung der Piraterie versucht, das -(höchstwahrscheinlich) Appulertrs Saturrrinus 4m Jahre 100 eingebracht hatte 35 . Die Absichten, die an diese Gesetzesvorlage geknüpft waren, und die Gründe seines Scheiterns demonstrieren erneut, wie jede Reaktion Roms auf Ereignisse im provinzialen Herrschaftsbereich von dieser spezifisch innenpolitischen Fragestellung bestimmt wurde. 32
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Liv. per. 97. IG IV2, 66,25. App. Sic. 6. Cic. Verr. 2,2,8: Imperium infinitum; dazu S. JAMESON, Historia 19 (1970) S. 541 f. Cic. pro Flacco 63 u. 100 weist als Aktionsbereich des Valerius Flaccus, Legat unter Metellus, neben Kreta Achaia cuncta, Boeotia, Thessalia aus. Die Tätigkeit des Antonius in Griechenland zeigt Syll.3 748. Vgl. PERL, S. 330. Vell. 2,31,2ff. Teile des Gesetzes, das in der literarischen Überlieferung nicht erwähnt wird, sind inschriftlich erhalten: G. COLIN, Fouilles de Delphes III 4, S. 36ff., SEG III, 1929, 378. Eine eingehende Behandlung des Gesetzes bei J. VAN OOTEGHEM, Caius Marius, 1963, S. 237ff. und vor allem bei F. T. HINRICHS, Hermes 98 (1970) S, 486ff., der allerdings den u. a. von E. BADIAN, Historia 11 (1962) S. 217 bestrittenen Zusammenhang des Gesetzes mit den Plänen des Marius nicht zweifelsfrei herstellen kann. Das Gesetz ist offenbar nach dem Untergang des Tribunen wie alle seine Gesetze kassiert worden.
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Im einzelnen wies das Gesetz den amtierenden Konsul an, den Königen von Zypern, Aegypten, Kyrene und Syrien durch ein offizielles Schreiben zu verbieten, den Seeräubern in ihrem Hoheitsgebiet Stütz punkte einzuräumen oder Asyl zu gewähren (Z. 8-12). Gesandte der Rhodier sollten vor dem Senat berichten, der danach zu einem Beschluß von dem Konsul aufgefordert werden soll (Ζ. 13-20) 36 . Der Statthalter Asiens wird angewiesen, ähnliche Briefe wie der Konsul an die (wahr scheinlich der Provinz benachbarten) Könige und Städte zu richten und ihnen eine Abschrift der lex zuzustellen (Z. 20-27). Der Prokonsul der makedonischen Provinz soll sich (zu einem nicht näher auszumachenden Zweck) nach Thrakien begeben und wie sein Amtskollege in Asien die Einkünfte der Provinz zur Piratenbekämpfung bereithalten 37 . Begründet wird das Gesetz einleitend mit der Notwendigkeit, die Sicherheit der Meere im Interesse der Römer, Bundesgenossen und Latiner wiederher stellen zu müssen. Aus dem Ganzen wird unschwer deutlich, daß eine erfolgver sprechende Bekämpfung der Seeräuber nach der Vorstellung des Antrag stellers nur im Rahmen einer weiträumigen Planung, die den gesamten östlichen Mittelmeerbereich einschloß, für möglich gehalten wurde. Zwar versucht das Gesetz noch, jedenfalls in seinen rekonstruierbaren Teilen, die Hauptlast der zu übernehmenden Aufgaben auf die verbündeten Königreiche abzuwälzen, legt jedoch ein einheitliches Vorgehen fest, das den Konsul, den Senat und die Statthalter der Ostprovinzen zum gemein-, samen-Handeln verpflichtete-. Damit-^war das-Problem· in den -größeren räumlichen Zusammenhang des östlichen Mittelmeeres eingeordnet und seine Lösung an ein Konzept gebunden worden, das die Machtmittel der Provinzen und der verbündeten Monarchien zu bündeln versuchte. Eine Schlüsselrolle wurde dabei dem Konsul eingeräumt, dem alle Initiativen übertragen wurden und der neben dem Senat die Durchsetzung der einzelnen Maßnahmen garantieren sollte. Verglichen mit der lex Gabinia des Jahres 67 mutet der Katalog der geplanten Aktionen ausgesprochen dilettantisch an. Entscheidend sind denn auch nicht diese, sondern die daraus ablesbare Erkenntnis, daß mit den sachlichen Notwendigkeiten des beherrschten Raumes ein Konzept korreliert, das ungeachtet seiner der Sache gemäßen prinzipiellen Intention 36
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Offensichtlich sollte der Senatsbeschluß unter Berücksichtigung der von den Rhodiern erwarteten Vorschläge weitere Maßnahmen festlegen. Der letzte Teil der Inschrift, soweit sie überhaupt erhalten ist, ist zu lückenhaft, um eine genaue Rekonstruktion zuzulassen; HINRICHS, S. 487f.
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an der Struktur des Herrschaftssystems scheitert und wirklich effektive Maßnahmen gar nicht formulieren kann. Das Gesetz griff mit seinen An ordnungen für den außenpolitischen Bereich unmittelbar in die traditio nellen Kompetenzen des Senates ein, den es auf ein bestimmtes Verhalten festzulegen versucht und dem es den Konsul als mit einem eigenen außen politischen Aufgabenfeld ausgestattetes Organ zur Seite stellt, das An weisungen an Statthalter und Verbündete erteilen kann. Die Festlegung von Aufgabenbereichen und ihre Zuweisung an die einzelnen Magistrate oder Promagistrate im Bereich des Herrschaftsraumes und der Außen politik durch Volksbeschluß hieß nichts anderes als eine Veränderung des administrativen Verfahrens in diesen Angelegenheiten durch eine außer halb des Senates stehende Instanz. Das damit hergestellte Dilemma war unauflöslich: Der Senat, der selbst als exekutives Organ nicht tätig werden konnte und somit gar nicht in der Lage war, Teile des Herrschaftsraumes einem einheitlichen Willen zu unterstellen, mußte alle Versuche, dies auf dem Wege des Volksgesetzes durch Übertragung eines hinsichtlich seiner Funktion festgelegten außer ordentlichen Kommandos zu tun, als Eingriffe in seine ureigenen Kom petenzen abwehren, die den entscheidenden Teil der Legitimation seines Führungsanspruches ausmachten. In diesem Rahmen muß auch die strenge Bindung des Statthalters an seine Provinz gesehen werden. Nicht zufällig schärfte Sulla die alte gesetz liche Regelung neu ein, nach der kein Promagistrat zum Zwecke der Kriegführung die-Grenzen reirer^ den in der Form der Seeräuberplage besonders hartnäckig andrängenden Notwendigkeiten des Herrschaftsbereiches, der die Zusammenfassung und Vereinheitlichung der Herrschaftspraxis forderte, setzten die Notwendig keiten des Herrschaftssystems, das die Einengung und Beschneidung der keiner übergeordneten Institution gehorchenden exekutiven Gewalt ver langte, die Abkapselung der einzelnen provinzialen Herrschaftsräume durch.
38
Cic. in Pis. 21,50: . . . exire de provincia, educere exercitum, bellum sua sponte gerere, in regnum iniussu populi Romani aut senatus accedere, quae cum plurimae leges veteres, tum lex Cornelia maiestatis . . . vetat. Der Senat hat denn auch jede dies bezügliche Eigenmächtigkeit scharf getadelt. So wird das nach Auffassung des Senates grundlose Verlassen der Provinz durch Caesar bei der Verfolgung der Helvetier ebenso verurteilt wie sein Krieg gegen Ariovist, zu dem Caesar durch kein SC autorisiert worden war. Mehr als deklamatorischen Wert besaß diese Reaktion des Senates zu dieser Zeit allerdings nicht.
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Innere Krise und äußere Machtentfaltung
Bezogen auf die Lösung des Seeräuberproblems hieß dies, daß die Bekämpfung der Piraterie nur im Rahmen von auf einzelne Provinzen beschränkte Aktionen (Kilikien, Cyrenaica), oder durch auswärtige Kriege in den noch nicht unterworfenen Gebieten (Kreta) möglich war. Die Ein richtung neuer Provinzen bis auf Pompeius erhielt denn auch von dieser spezifischen Figuration ihre besondere Dynamik und Richtung. Die schließlich doch erfolgte Kollision des Herrschaftsbereiches und des Herr schaftssystems in der Seeräuberfrage in den 60er Jahren warf zum ersten mal den flüchtigen Schatten der Reichseinheit an die Wand und setzte zugleich die Kräfte frei, die sie auf den Trümmern des aristokratischen Herrschaftssystems verwirklichen konnten.
4. Die Ansätze zu einer faktischen und ideologischen Vereinheitlichung des Imperiums unter Pompeius Mit Pompeius und seiner Aktivität im Seeräuberkrieg und im Osten änderte sich die den bis dahin erfolgten Provinzialisierungen zugrunde liegende Motivation nicht grundsätzlich; allein das Ausmaß der Provinzialisierungspolitik und die in ihr wirksame organisatorische Gestaltungs kraft des Pompeius sprengten den Rahmen des bisher Üblichen und von der Nobilität Geleisteten 39 . Der Ansatz dazu liegt in der Seeräuberplage. Der bereits im Jahre 74 gefaßte Plan, die Küste des gesamten Mittelmeeres in einer Tiefe τ ο π 75 km dem "KömTrfaridrö eines"""Imperiümfrägörsi'"'zü unterstellen bzw. seine Amtsvollmacht der der in den betroffenen Provin zen residierenden Statthaltern gleichzuordnen, bestand unter Pompeius seine Bewährungsprobe auf eine Art, die in Rom einen nachhaltigen Eindruck hinterließ. Dies bewirkte nicht nur der durchschlagende Erfolg der ganzen Aktion, die - der Natur der Sache gemäß - keine spektakulären Schlachten aufwies. Was auf diesem Felde an Lorbeeren zu gewinnen war, heimste zur gleichen Zeit Metellus in Kreta ein. Ausschlaggebend war die Art und Weise, in der dieser Krieg allein dadurch gewonnen wurde, daß nunmehr nicht in den jeweils tangierten Provinzen gegen die Seeräuber vorgegangen wurde, sondern allein die Ausdehnung des Imperiums des Pompeius auf 39
Es geht in diesem Zusammenhang allein um die Einordnung der von Pompeius ge tragenen Provinzialisierangspolitik in die Geschichte des Imperium Romanum. Einzel heiten der getroffenen Regelungen s. S. 261 ff. Im übrigen ist auch hier auf A. HEUSS, RG, S. 259ff. zu verweisen, dem ich in wesentlichen Punkten folge.
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alle Küsten des Mittelmeeres den Widerstand der Piraten zusammen brechen ließ 40 . Die durch die umfassende Kommandogewalt möglich aewordene Bündelung der militärischen Ressourcen Roms und die operative Aufteilung des Mittelmeeres erwiesen sich als so effektiv, daß die jahrzehntelangen lokalen Bemühungen um die Niederringung der Piraten als schierer Dilettantismus erschienen. Überzeugender war der römischen Öffentlichkeit gar nicht vor Augen zu führen, daß die Zusammenfassung des Herrschaftsraumes unter einen einheitlichen Willen zu Erfolgen führte, die für jeden Römer, ungeachtet seiner sozialen Stellung, eine direkte Verbesserung seiner Lebensverhältnisse bewirkten 41 . Nunmehr beherrschte Rom tatsächlich das Mittelmeer vom Ozean bis zum Pontos ,,wie einen sicheren und geschlossenen Hafen" 42 , so daß der ursprünglich rein geographische Begriff des nostrum mare nun auch den politischen Herrschaftsanspruch über das römisch gewordene Meer bezeichnen konnte 43 . Der sich unmittelbar anschließende letzte Krieg gegen Mithradates VI., der mit den Seeräubern seine wichtigsten . Bundesgenossen verloren hatte 44 , schloß mit einer umfassenden Neuordnung der Länder vom Bosporus bis nach Palästina. Pompeius, der sich bei der Lösung dieser Aufgabe bewußt in die Nachfolge Alexanders stellte45, hatte damit binnen weniger Jahre die römische Herrschaft in dem Umfang und mit der Intensität verfestigt und spürbar werden lassen, die zum erstenmal das Imperium als einheitliches Ganzes ins römische Blickfeld treten ließen.. Damit war die in derKaiserzekverwirküchteEinhek des Viehes nicht antizipiert. ,,Freilich ist die Spiegelung einer flüchtigen Konstellation in einer späteren dauerhaften Ordnung noch kein Realbezug, und noch weniger bewegten sich die Vorstellungen der Zeitgenossen, auch nicht die des Pompeius, in die Richtung eines von imperialen Aufgaben erfüllten ,Reichsdenkens 4 " 46 . Trotzdem war diese Konstellation für eine kurze Zeit gegeben, und im Zusammenhang mit der Reorganisation des Ostens 40 41
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46
Im einzelnen dazu M. GELZER, Pompeius2, 1973, S. 69ff. Dies traf nicht nur auf die Handel und Gewerbe treibenden Schichten und die publicani zu (Cic. imp. Cn. Pomp. 4; 6), sondern auch auf die proletarischen Massen, die das plötzliche Absinken des Getreidepreises nach dem Sieg in Hochstimmung ver setzte: Plut. Pomp. 26,4. 27,2. Cic. prov. cons. 31. J. VOGT, in: Orbis, 1960, S. 186, V. BURR, Nostrum Mare, 1932, S. 125ff. H. A. ORMEROD, Piracy in the Ancient World, 1924, S. 209ff. Plut. Pomp. 2,1. 34f. 36,2. App. Mithr. 103. 106. R. SYME, The Roman Revolution, 1939, S. 30. A. HEUSS, RG,
S.
260.
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gesehen signalisiert sie für die 60er Jahre eine Konzentration der Kräfte der Republik auf die Belange der Herrschaftsbereiches, wie sie nach 146/5 nicht mehr erreicht worden war. Ein weiteres, auf die Verständigung der Aristokratie über das von ihr Erreichte bezogenes Moment kam hinzu, um die Einheit des beherrschten Raumes gedanklich faßbar zu machen. Seit Sulla verfestigte sich die Auf fassung, daß Rom die gesamte bewohnte Erde unter seine Herrschaft gebracht habe 4 7 . Die Griechen, die als Objekte der römischen Expansion bereits im zweiten Jhdt. darin die Bedeutung der Unterwerfung des hellenistischen Ostens gesehen hatten, übertrugen diese Vorstellung nicht nur auf Rom, sondern sie stellten in der Person Alexanders zugleich auch den Mann, der am sinnfälligsten die Verknüpfung des imperialen An spruches auf die Weltherrschaft mit den Intentionen einzelner Mitglieder der Senatsaristokratie nachvollziehbar machte. Die Verständigung über politische Ziele erfolgte in der Regel so, daß man sie an eine bestimmte Person oder Personengruppe band, da diese Form der Vorstellung dem sehr einfachen Denken der breiten Massen entsprach. Pompeius rühmte sich so, die Grenzen des Imperiums mit den Grenzen der Erde gleich gesetzt zu haben, Caesar demonstrierte den unbegrenzten Machtanspruch Roms bereits durch seine Expeditionen nach Britannien und Germanien, Crassus träumte von der Eroberung Baktriens und Indiens, und sre alle fanden wie Antonius in der Anknüpfung an Alexander den selbstverständ lichen Ausdruck ihres individuell-universalen Herrschaftsanspruches 48 . Damit war im Bereich- des gedanklich- überhaupt Vorstellbaren die Einheit des monarchisch regierten Weltreiches nicht antizipiert, wohl aber der Schritt getan, der den eingeschlagenen Weg dorthin gegenüber der eigenen Öffentlichkeit und gegenüber den Unterworfenen einmal erklärbar machen sollte und seine Legitimation vorbereitete. Selbst der Senat, der das Aufladen des Weltherrschaftsgedankens mit den individuellen Macht ansprüchen einzelner seiner Mitglieder heftig bekämpfte, da damit die ideo logische Basis geschaffen wurde, der im institutionellen Bereich die Monarchie entsprach 49 , hat die Vorstellung des Imperium orbis terrae 47
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J. VOGT, aaO. S. 155f. Auct. ad Herenn. 4,9,13: Imperium orbis terrae, cui imperio omnes gentes, reges, nationes partim vi, partim voluntate consenserunt, cum aut armis aut liberalitate a populo Romano superati essent. D. TIMPE, Historia 14 (1965) S. 208ff., O. WEIPPERT, Alexander-Imitatio und römische Politik in republikanischer Zeit, 1972, D . MICHEL, Alexander als Vorbild für Pompeius, Caesar und Marcus Antonius, 1972. Basis der ideologischen Position des Senates war die Berufung auf die ewigen Normen der Gerechtigkeit, von deren Einhaltung kein Senats- oder Volksbeschluß entbinden
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nicht generell verwerfen können. Zu selbstverständlich war der Glaube, daß dies die ureigenste Leistung der im Senat versammelten Aristokraten war. Zu deutlich und für alle sozialen Schichten greifbar beruhte gerade auf diesem Punkt die Legitimation des Senatsregiments. So taucht der Begriff des orbis terrarum als Bezeichnung des römischen Machtbereiches in der lex Gabinia Calpurnia (58) zum erstenmal in einem offiziellen Dokument auf50, das mit der Autorität des Senates ausgestattet war. Die prinzipielle Unbegrenztheit des römischen Herrschaftsanspruches war damit in die offizielle Terminologie eingeflossen, so daß der Schritt zur organisatorischen Verwirklichung des ideologisch bereits vorweggenom menen Weltreiches nur noch eine Frage der praktischen Umsetzung war. Als politisches Programm war dies allerdings nicht formulierbar. Weder die Senatsaristokratie als Stand noch diejenigen ihrer Mitglieder, die aus der Solidarität des Standes bereits ausbrachen, konnten den objektiven Tatbestand der tödlichen Bedrohung des Senatsregimentes durch den territorialen Herrschaftsbereich so weit durchdenken, daß sie daraus den Schluß gezogen hätten, der aristokratische Herrschaftsanspruch sei ab gewirtschaftet und müsse durch die monarchische Alternative ersetzt werden. Wenn überhaupt, verhilft nur eine Kette von krassen Mißerfolgen zu einer politischen Programmatik, die das bestehende Ordnungssystem gedanklich hinter sich läßt, und dazu fehlte jeder Anlaß. Der Senat ver suchte denn auch, den Symptomen der aus dem Herrschaftsbereich andrängenden Krise zu steuern, und er tat dies mit den Mitteln, die sich bei der-Aufrichtung-der Herrschaft -über -den orbis terrarum- bewährt hatten. Die traditionellen Denkschemata verfestigten sich so eher, als daß sie sich auflösten, und sie fanden ihren festen Rückhalt in einer verstärkten Rückbesinnung auf die Vergangenheit, in die wieder einzutauchen als eine Möglichkeit der Behebung der Mißstände erschien51. Dabei war die konnte (Cic. rep. 3,33). Bezogen auf die Außenpolitik hieß dies, daß nur der Krieg für die Bundesgenossen und den Erhalt des Imperiums gerecht sein könne (Cic. rep. 3,35ff.), was sich in der politischen Praxis in der Form niederschlug, daß Cato im Jahre 54 die Auslieferung Caesars an die von ihm wider das Recht Überfallenen Germanen forderte (Plut. Cat. min. 51,1-5) und gegen die Kriegspläne des Crassus gegen die Parther mit dem Argument des Vertragsbruches agitiert wurde (Plut. Crass. 16,4); D. TIMPE, Mus. Helv. 19 (1962) S. 107ff. 50
SEG
51
J. BLEICKEN, Lex publica, 1975, S. 373ff. Mit der Hinwendung zur Vergangenheit, zum mos maiorum, ist untrennbar die Vorstellung verküpft, daß die eigene Gegenwart nur Fehler häufe und vor allem die moralische Integrität der Führungsschicht dahin sei. Kronzeuge für diese Einschätzung ist Sallust; vgl. R. SYME, Sallust, 1975, S. 242ff.; pass.
I, 333, Z. 14; 20. J. VOGT, aaO.
S.
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überall und nicht zuletzt im persönlichen Lebensstil greifbare Auflösung der Standessolidarität der Führungsschicht der zentrale Punkt, um den die Bemühungen kreisten. Die Bahnen des auf die Behauptung der aristokratischen Herrschafts praxis konzentrierten Denkens verließen auch die Aristokraten nicht, die auf dem Wege der (ideologisch abgelehnten, faktisch aber schrankenlosen) Expansion tatsächlich das Gebäude eines weltumspannenden Imperium vollendeten und damit die Totengräber der Herrschaft ihres Standes wurden. Sie taten dies in ausschließlicher Verfolgung des Zieles, ihre eigene Stellung auf der innenpolitischen Bühne, auf der sie und ihre Standesgenossen die Hauptrollen spielten und immer gespielt hatten, zu stärken und auszubauen 52 . Ihre Argumentation und Legitimation blieb dabei den Ausdrucksformen verpflichtet, in denen sich schon immer die römische Expansion vorgestellt hatte. Cicero, der die bei der römischen Kriegsentscheidung wirksamen Maximen in die klassische Formel ge kleidet hatte, daß Rom aut pro sociis aut de imperio seine Kriege geführt habe, brachte nur auf den stoischen Nenner, was sich als materieller Inhalt des alten ius fetiale erhalten hatte 53 . Als Caesar in seinem Bericht über die ersten gallischen Kriegs jähre diese völkerrechtlichen Gerech tigkeits- und Defensivprinzipien zur Begründung seines Tuns heranzog 54 , argumen tierte er auf der alten ideologischen Basis seines Standes, der selbst die tatsächlich vollzogene imperiale Ausdehnung des Herrschaftsraumes in der durchgeführten Form als Mittel zum Sturz der Republik empfand. Die in. den 50er Jahre-η-angesichts des gallischen und des parteiischen Krieges spürbare Renaissance der Rechtfertigungsideologien ist nichts weiter als ein Abwehrmechanismus der jetzt durch die imperialen Groß taten Einzelner tödlich umklammerten Aristokratie. Die von Cicero im Jahre 45 an Caesar gestellte Forderung, außenpolitische Pläne erst nach der Wiederherstellung der Republik zu verwirklichen, erscheint als die letzte Beschwörung der Einsicht, daß der aristokratische Führungsanspruch im Übermaß der imperialen Expansion erstickte 55 . So weist auch im Bereich der geistigen Auseinandersetzung kein festumrissener Gedanke auf ein neues Verständnis des Herrschaftsraumes. Es zeigen sich, und dies wird in der Adaption des Alexanderbildes besonders 52 53 54 55
J. BLEICKEN, Die Verfassung der römischen Republik, 1975, S. 220ff. M. GELZER, Kl. Schrift. II, S. 6ff., R. WERNER, in: ANRW I 1, S. 527f. D. TIMPE, Historia 14 (1965) S. 204ff. Cic. Att. 13,31,3. Ebenso mahnt Sallust 49 Caesar an die Notwendigkeit, das Be stehende zu erhalten, demgegenüber die Eroberung neuer Räume zurückstehen müsse: ep. ad Caes. 2,13,6.
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auffällig, zwar die Denkansätze, die nach dem Zusammenbruch der Republik tatsächlich das monarchisch geeinte Imperium vorstellbar machen sollten. Sie werden jedoch völlig eingebunden in das für jeden Aristokraten natürliche und immer geübte Bemühen, innerhalb (und nicht jenseits) seines Standes an Macht und Ansehen hervorzustechen. Die Größenordnung, in der dies durch das weltweite Imperium möglich wurde, und nicht die Intention der Handelnden verliehen diesem Tun seine die res publica zerstörende Kraft. So schien es denn in den 60er Jahren, die die des großen Pompeius waren, nur einen flüchtigen Augenblick so, als ob die chaotischen Zustände im Reich die Problematik der römischen Herrschaftspraxis mit so konzentrierter Wucht aufwarfen, daß die untergehende Republik gedrängt sein mochte, über die Beseitigung der Schwierigkeiten hinaus zu einer generellen Neuordnung der Herrschaft vorzustoßen. Der Augen blick verstrich, weil der Senat das Ausmaß der vordergründig gestellten Aufgaben zwar erkannte, aber nicht zulassen konnte und wollte,, daß sie von einem Manne wie Pompeius auf der Basis von durch Volksgesetz übertragenen außerordentlichen Kommanden gelöst wurden und daher, als sein Einspruch dagegen erfolglos geblieben war, keine Bereitschaft zeigte, sich in diesen Fragen zu engagieren 56 . Hortensius hatte in der Auseinandersetzung um die lex Gabinia den Standpunkt der Senatsmehrheit unmißverständlich formuliert: ,,Wenn einem alles zuzuerkennen wäre, so ist Pompeius der Würdigste; aber es darf, nicht alles einem übertragen werderjLi'57. Dam^w-ar-alles gesagt,-was das Dilemma der Aristokratie kennzeichnete: Die wachsende Anarchie auf den Meeren konnte nur die Zusammenfassung aller militärischen Kräfte und Kommandobereiche unter einen Willen beseitigen, untergrub aber zugleich die Basis der eigenen Macht. Als der Konsul Piso im Senat dem Pompeius zurief, wer dem Romulus nachstrebe, werde auch wie dieser enden 58 , erschien die Alternative zur Herrschaft der Besten im Zerrspiegel des politischen Tageskampfes. Der aufgerissene Widerspruch zwischen der aristokratischen Freiheit der Republik und den Notwendigkeiten der äußeren Ordnung vertiefte sich, als Pompeius aus dem Krieg gegen Mithradates VI. zurückkehrte und 56
57 58
C H . MEIER, Res publica amissa, S. 267i.: „Allein der Senat fühlte sich, und ebenfalls mit guten Gründen, durch den weiteren Aufstieg des Pompeius bedroht und hielt diesen inneren Aspekt der großen Kommanden für sehr viel bedeutender als den äußeren." Cic. imp. Cn. Pomp. 52. Plut. Pomp. 25.
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seine Neuordnung des Ostens dem Senat zur Bestätigung vorlegte, die er ohne den Senat, der traditionell in der Form einer Zehnmännerkommis sion bei allen Organisationen neu gewonnener Gebiete mitwirkte, verfügt hatte 59 . Der Senat, der die sachliche Richtigkeit der Ordnung und die Größe der Leistung ernsthaft nicht bestreiten konnte, sperrte sich gegen die verlangte summarische Bestätigung und kaprizierte sich auf eine Behandlung der Verfügungen Punkt für Punkt 60 . Das starre Festhalten an der eigenen und alleinigen Verantwortung in der Außenpolitik verfing sich in den Nie derungen von Geschäftsordnungsdebatten, in denen (neben dem Aus tragen persönlicher Feindschaften) beharrlich das Ziel verfolgt wurde, den übermäßigen Anspruch des auf seine Leistung pochenden Einzelnen zu brechen. Erreicht wurde damit nur, daß sich in dem Triumvirat des Jahres 60 die Kräfte zum massiven Widerstand formierten, die in bis dahin nicht gekannter Übersteigerung entschlossen waren, ihre Machtstellung innerhalb ihres Standes auf dem Wege der Expansion nach außen unwiderrufbar zu festigen. Einen anderen Weg dazu gab es nicht und hatte es auch nie gegeben. Gangbar war er angesichts des sich verhärtenden Widerstandes des Senates nur mit Volksgesetzen, die außerordentliche Amtsvollmachten über einen längeren Zeitraum begründeten. Der Anlaß, der solche Gesetze gegen den geschlossenen Widerstand der Optimaten durchsetzbar machte, war in der Regel eine besondere militärische Nodage des Staates61, wie sie Pompeius in der Seeräuberplage vorfand. Seit Caesars gallischem Kommando hatte man darüber hinaus, gelernt, die. .militärische- Zwangslage-nu^ zu-unter stellen, so daß die Notwendigkeiten der innenpolitischen Behauptung des großen Einzelnen den gesamten noch nicht unterworfenen Teil der bekannten Welt dem militärischen Zugriff der Republik öffneten. Die Phase der letzten großen Ausdehnung des Imperiums vor Augustus erhielt so ihre ungeheure Dynamik aus der verschärften innenpolitischen Kon frontation, deren Auswegslosigkeit in dem Maße wuchs, in dem die von ihr getriebene Expansion von Erfolg zu Erfolg eilte. Die Maximen, nach denen man die Herrschaft in den neu gewonnenen Territorien institutionalisierte, änderten sich dabei natürlicherweise nicht, da es hierauf niemandem ankam. Trotzdem hat Pompeius zum erstenmal konsequent und durchdacht das bis dahin zwar ebenso gültige, aber als 59 60 61
C H . MEIER, aaO. S. 271, J. VAN OOTEGHEM, Pompee le Grand, 1954, S. 254ff. Plut. Pomp. 46. Cat. min. 31,1. M. GELZER, Pompeius, S. 113. War diese nicht greifbar oder gerade vergeben, tat es auch eine zivile Notsituation. So erhielt Pompeius 57 ein umfassendes prokonsularisches Imperium für 5 Jahre, um die Kornversorgung Korns sicherzustellen; M. GELZER, Pompeius, S. 126f.
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solches nicht systematisch verfolgte Prinzip der Urbanisierung der Pro vinzen in die Tat umgesetzt. Die Summe der Erfahrungen verdichtete sich jetzt zur politischen Leitlinie, die auf der Einsicht ruhte, daß die Stadt allein das Objekt römischer Herrschaftsaus Übung sein konnte, da die Ausbildung einer funktionsfähigen Administration jenseits der Möglich keiten der Republik lag 62 . Aufs Ganze gesehen reicht dies allerdings nicht aus, die Leistungen des Pompeius bei der Neuordnung des Ostens als Indiz dafür zu werten, daß Rom mit Pompeius eine neue Stufe seiner Provinzialpolitik erreicht hätte. Der zwei Jahrzehnte lange Krieg gegen Mithradates hatte die Verhältnisse dort so gründlich durcheinander gebracht, daß eine Generalbereinigung unvermeidbar geworden war. Pompeius gab sein kometengleicher Aufstieg die Chance, den im wesentlichen bereits durch Lucullus erfochtenen Sieg über den pontischen König zu vervollständigen, womit ihm gleichzeitig die Aufgabe zufiel, die römische Herrschaft im Osten neu zu verfestigen. Dabei waren die wichtigsten Entscheidungen, die zu fällen waren, von vornherein klar: Pontos konnte als Königreich nicht mehr restituiert werden, d. h. es mußte Provinz werden (die Frage war nur, in welcher Form). Die heillos verwirrten Besitzverhältnisse in Anatolien zwangen zur Reorganisation der kleinasiatischen Königreiche und Fürstentümer. Der Seleukidenstaat war, nachdem Pompeius sich einmal zur Intervention ent schlossen hatte, nur noch zu eliminieren, da er seine Lebensunfähigkeit lange und ausgiebig unter Beweis gestellt hatte. _._Pömpeiujs, wurde. _s.o durch die einmaligeL Gunst -der -Stunde.- zum Gestalter eines unabhängig von ihm in Gang gekommenen Prozesses, der die Verhältnisse im Osten auf ihren Kulminationspunkt gerissen hatte und als Alternative zum Verzicht auf die Herrschaft nur ihre durchgreifende Reorganisation offenließ. Allein die Art und Weise, in der Pompeius diese durchführte, und die Größenordnung der ihm in den Schoß gefallenen Aufgabe räumen ihm in der Geschichte des Imperiums einen einzigartigen Rang ein, nicht aber ein neues Verständnis von dem, was römische Herr schaft hätte sein können und in der Kaiserzeit tatsächlich geworden ist. Seine Gegnerschaft zum Senat ist denn auch eine Konsequenz der Proportion, in der er auf dem außenpolitischen Felde agierte, und nicht der logische Endpunkt einer politischen Zielvorstellung, die mit der bis herigen Praxis des Senates kollidiert wäre. Bezogen auf den subjektiven Willen, erzeugte der zähe Kampf des Senates gegen die Maßnahmen des 62
Die getroffenen Entscheidungen S. 278 ff.
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Innere Krise und äußere Machtentfaltung
Pompeius die Tragik eines Mannes, der nichts weiter wollte, als innerhalb seiner Standesgenossen einen herausragenden Platz einzunehmen, und der sich binnen kurzem ihre unversöhnliche Feindschaft allein durch die Größe seiner Taten zugezogen hatte 63 . Bezogen auf die objektive Struktur der EntScheidungsprozesse mußte für den Senat das Chaos in den Pro vinzen, das die Modalitäten ihrer Beherrschung und ihren ökonomischen Nutzen mcKt entscEeidend"~rJeeinträchtigte7"weit "erträglicher sein als 3ie AnETäuKng^cter MachTmittef eines einzelnen, die die Herrschaft des Systems überhaupt in Frage stellten. Zudem hatten doch gerade die Erfolge des Lucullus in Asien und des Metellus in Kreta bewiesen, daß mit den herkömmlichen Mitteln Krisen im Herrschaftsbereich durchaus zu meistern waren, und selbst wenn man die Leistung des Pompeius als besonders effektiv und ungewöhnlich anerkannte, so war damit doch nicht das sinkende Staatsschiff im letzten Augenblick gerettet, sondern in die lange Kette der Erfolge ein neuer Glanzpunkt geknüpft worden, bei dem es zu fragen galt, wie hoch sein Preis für die Republik tatsächlich war.
5. Der Leistungsanspruch
des großen Einzelnen und das neue imperiale Bewußtsein: Caesar
Die letzte große erfolgreiche Expansion der Republik, die Unter werfung Galliens durch Caesar, ist in besonders auffälliger Weise das Ergebnis der innenpolitischen Konfrontation., diejdic.Kluft zwischen dem Einzelnen und seinem Stand weiter vertiefte. Der im Kampf um seine alleinige Kompetenz im Bereich der Außenpolitik seit dem Konsulat Caesars unterlegene Senat wird durch Gesetze überspielt, die die provinzialen Aufgabenbereiche und die Wahl der Person, die diese übernehmen soll, regeln und somit an die Stelle des Senatsbeschlusses die Entscheidung des Volkes rücken. Das unerläßliche Moment der Legitimation lieferte der außenpolitische Notstand. Da er unverzichtbar war und die Notwendig keit seiner Behebung auch allein die Forderung nach gesteigerter Macht ausreichend begründen konnte, schlug für Gallien die Stunde, das allein eine Aufgabe stellte, die ungefähr der Größenordnung der Taten des Pompeius entsprach. Damit soll nicht geleugnet werden, daß die Unterwerfung Galliens in gewisser Weise eine Aufgabe war, die in der Logik der römischen Expansion lag und früher oder später zu bewältigen war. Zu tiefgreifend 63
Vgl. C H . MEIER, aaO. S. 288ff.
s neue imperiale Bewußtsein: Caesar
161
war der Einfluß Roms seit der Gründung der Narbonensis auf die inneren Angelegenheiten der freien gallischen Stämme, die es nach dem römischen Willen in einem machtpolitischen Gleichgewicht zu halten galt, um die Provinz zu schützen, die aber ihrerseits das Hineinziehen des übermäch tigen Nachbarn in die Auseinandersetzungen um die jeweiligen Interessen als das probateste politische Mittel empfinden mußten. Als nach den Erfolgen des Pompeius im Osten die jahrzehntelange Bindung der politischen Energien Roms im Osten zunächst beendet war und hier allein noch das Partherreich ein weites Feld für den politischen Ehrgeiz einzelner Aristokraten bot, rückte der westliche Mittelmeerraum und Gallien von selbst wieder in das römische Blickfeld. Als in Gallien selbst der Aufstieg der Sequaner und der stärkere Einfluß der germani schen Sueben unter Ariovist, dessen Druck die in der Schweiz ansässig gewordenen Helvetier als erste nachgaben, das von Rom intendierte Gleichgewicht der Kräfte ins Wanken brachte64, war das gallische Problem als solches gestellt und nur die Frage offen, ob es im Sinne des Senates durch eine verschärfte Kontrolle der gallischen Stämme und damit durch die Stabilisierung des Status quo, oder ob es im Stile des Pompeius durch eine groß angelegte Militäraktion gelöst wurde. Der Senat reagierte zunächst mit den traditionell bewährten Mitteln und hatte damit, wie die beruhigte Situation des Jahres 59 beweist, auch Erfolg. Ein Hilfeersuchen der Häduer im Jahre 61 wurde mit einem SC beantwortet, das die gallischen Statthalter anwies, für den Schutz der befreundeten & ä r ^ dem durch Sulla geregelten Verfahren die gallischen Provinzen den amtie renden Konsuln und wies sie an, die gallischen Stämme durch Gesandte vor einer Verbindung mit den Helvenern zu warnen, die mit Streifzügen in das Provinzgebiet begonnen hatten66. Die Situation in Gallien war durch diese Maßnahmen zwar alles andere als bereinigt, aber soweit beruhigt, daß weitere Interventionen, die den Konflikt ausgeweitet hätten, überflüssig wurden und der bereits 121 aufgestellte Grundsatz, liberam debere esse Galliam, nach wie vor praktische Geltung besaß67. 64
65 66
67
Die Fakten bei W. HOFFMANN, Zur Vorgeschichte von Caesars Eingreifen in Gallien, Der altsprachliche Unterricht 4 (1952) S. 5ff., E. BADIAN, in: Mel. Piganiol II, 1966, S. 913ff. Caes. BG 1,35,4. Cic. Att. 1,19,2. D. TIMPE, Caesars gallischer Krieg und das Problem des römischen Imperialismus, Historia 14 (1965) S. 195 ff. Caes. BG 1,45,2f.
162
Innere Krise und äußere Machtentfaltur
Als der Konsul Caesar an diesem Punkt anknüpfte und sich zusätzlich zu der Gallia Cisalpina auch die Transalpina im Frühjahr 59 übertragen ließ 68 , zerbrach dieser Grundsatz. Das zunächst rein außenpolitische Problem einer Krisensteuerung denaturierte zur Begründung eines um fassenden Kommandos, das seinem Träger erst die politische Existenz retten und dann die ersehnte herausragende Stellung jenseits des innen politischen Tageskampfes begründen sollte: Die römischen Legionen fielen in ein Land ein, das weder die Narbonensis ernsthaft bedrohte, noch dabei war, im politischen Chaos wie etwa die hellenistischen Monarchien zu versinken, sondern dem Tatendrang eines Aristokraten das geeignete Feld lieferte, auf dem er wie Sulla und Pompeius Triumphe feiern konnte, die seinen Anspruch auf eine führende Rolle im Staate begründen mußten. Die römische Provinzialpolitik war damit an dem Punkt angelangt, wo sie in die fast hemmungslose Expansion durch die Konfiguration der innenpolitischen Kräfte getrieben wurde, die auch Caesar, wenn er nach der Beendigung seines Konsulates nicht die politische Vernichtung in Kauf nehmen wollte, keinen Handlungsspielraum mehr ließ. Auf eine fast grotesk anmutende Weise geriet so auch das ptolemäische Cypern in den Sog des innenpolitischen Machtkampfes, der der Antriebs motor der Ausweitung des Imperiums geworden war. Nach der Abreise Caesars in seine Provinz rangierte die Brechung des geschlossenen optimatischen Widerstandes gegen die Politik der Triumvirn mit Vorrang im Aufgabenkatalog der in Rom gebliebenen Parteigänger, unter denen der Tribun Clodius eine ScUüsselrpUe eirmahm. Auf seine Initiative hin erhielt M. Porcius Cato den gesetzlichen Auftrag, Cypern zu annektieren und die Schätze des mit der Priesterschaft der Aphrodite von Paphos abzufinden den Königs Ptolemaios für die Staatskasse einzuziehen, die für die Durch führung des julischen Agrargesetzes und des neuen Frumentargesetzes gerüstet sein mußte. Rechtsgrundlage bildete das Testament des letzten legitimen Ptolemäers, der das Lagidenreich Rom vererbt hatte69. Der Verweis auf die Unterstützung, die der König von Cypern angeblich den Seeräubern gewährt hatte, verlieh dem Ganzen darüber hinaus den An schein der vernünftigen Planung, die die Politik der Sicherung der Meere fortzusetzen gedachte70. 68 69
70
C H . MEIER, Historia 10 (1961) S. 68ff. Vgl. im einzelnen ST. I. OOST, ClPh. 50 (1955) S. 98ff., E. BADIAN, JRS 55 (1965) S. HOff., A. DRAGSTEDT, Agon 3 (1969) S. 69ff.; 79f. D . MAGIE, RR AM, S. 384. Zu dem finanziellen Gewinn, den die Annektion brachte, s. E. BADIAN, Rom. Imp. S. 87, D. SCHVCHTING, Cicero und die griechische Gesell schaft seiner Zeit, Diss. Berlin 1975, S. 46ff.
Das neue imperiale Bewußtsein: Caesar
163
Erreicht war damit gleich zweierlei: Mit Cato, der als quaestor pro praetore mit einer langwierigen .Sondermission nach Cypern geschickt wurde, verschwand der Mann für eine längere Zeit von der politischen Bühne in Rom, der die Seele des Widerstandes gegen Caesar gewesen war. Die Form seiner außerordentlichen Bestallung durch ein Plebiszit nahm ihm zudem künftig die Möglichkeit, gegen die Übertragung außerordent licher Imperien wie bisher agitatorisch vorzugehen, ein Punkt, den Caesar mit großer Befriedigung notierte71. Der Herrschaftsbereich war damit endgültig zum Spielball der widerstreitenden innenpolitischen Kräfte ge worden. So wie der Selbsterhaltungstrieb der Senatsaristokratie seit Beginn der außeritalischen Expansion die territoriale Ausweitung des direkt beherrschten Gebietes nur als ultima ratio gestattet hatte, so mündete das Auseinanderbrechen der aristokratischen Standessolidarität in die Begrün dung des Weltreiches. In den Jahren 56-53 scheiterte Roms Ausdehnung über Ägypten und das Partherreich nur an den äußeren Umständen. Eine Intervention in die Thronstreitigkeiten der Ptolemäer durch Pompeius unterblieb, da das dazu begehrte militärische Kommando im Frühjahr 56 nicht durchzusetzen war72. Der Krieg gegen die Parther endete nur deswegen in der Katastrophe von Karrhae weil der Feldherr, der ihn führte, nicht Caesar oder Pompeius, sondern Crassus hieß. Das Jahrzehnt vor dem Bürgerkrieg sieht also die Entfaltung einer hektisch betriebenen außenpolitischen Aktivität, die der Reflex der innerständischen Auseinandersetzung der Aristokratie war, dabei aber zugl_eigh,.dLen.KährbQd£n..£ür...ein.,aeue.$ imperiales Denken schaffte. Die von Caesar für die Unterwerfung Galliens angeführten Beweg gründe können über diesen fundamentalen Tatbestand nicht hinweg täuschen. Caesar war zumindest vor dem Ausbruch des Bürgerkrieges den herkömmlichen Gedankengängen, in denen man sich in Rom über den Krieg und seine Legitimation verständigte, so verpflichtet, daß er auf eine Einordnung der Eroberung Galliens in die alte Defensivideologie des Senates schon deswegen nicht verzichtete, weil sie Teil seines eigenen Denkens war 73 . Hinzu kam, daß seine optimatischen Gegner den Ein71
Plut. Cat. min. 34,4f. M. GELZER, Caesar6, 1960, S. 89f., Kl. Schrift. II, S. 275f.
72
M. GELZER, Pompeius, S. 127f.
73
Der Krieg gegen die Helvetier ist zugleich eine Verteidigung der Provinz und der be drängten bundesgenössischen Haeduer, Ambarrer und ADobroger (BG 1,11,2ff.; vgl. Cic. proc. cons. 33). Ariovist ist der rechtsbrüchige Aggressor, gegen den ganz Gallien um Hilfe bittet (BG 1,35,4). Die Beiger verschwören sich gegen das römische Volk, so daß die Ausweitung des Krieges in den Norden Galliens unvermeidlich wird (BG 2,1,1).
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Innere Krise und äußere Machtentfaltui.
druck, den seine fast beispiellosen Erfolge auf die römische Öffentlichkeit machen mußten, gar nicht anders herunterspielen konnten, als daß sie auf die fehlende Rechtmäßigkeit dieser Kriegszüge verwiesen74. Damit war die aujSfin^olitische Rechtsfrage durch die Konfrontation der Gegner im Bereich der Innenpolitik zu einer Grundsatzfrage gewor den, die darüber entschied, ob Caesars Machtstellung auf Gewalt und Unrecht oder auf der außergewöhnlichen Leistung eines Prokonsuls auf gebaut war, der sich in die Reihe der großen Feldherrn Roms einordnete und auf diese Weise seinen Anspruch auf eine außergewöhnliche Stellung im Staat begründen konnte. Der Streit um die Rechtmäßigkeit der fieber haften außenpolitischen Aktivitäten seit Pompeius war so keine für die Sache letzdich belanglose Quisquilie, die den eigentlichen Streitgegenstand mehr verdecken als klären sollte, sondern die Auseinandersetzung um das Selbstverständnis der Republik und eine ihrer Seinsformen selbst. Zugleich und tatsächlich ist die Eroberung Galliens jedoch der ex zessive Ausdruck eines imperialen Denkens 75 , das in der Weltreichs vorstellung seit Sulla seine erste, in politische Zielvorstellungen jedoch noch nicht umgemünzte Artikulation gefunden hatte. Der römische An spruch auf die Herrschaft ist für Caesar prinzipiell unbegrenzt, so daß es in Gallien als Alternative zu der bestehenden Freiheit nur das iustissimum Imperium populi Romani geben kann76, das über ganz Gallien aufzu richten, Caesar als seine Aufgabe versteht77. Die Kriegszüge nach Britan nien, dem die (faktisch gar nicht durchsetzbare) Tributpflicht auferlegt wird, verdeutlichen, daß jetzt auch die. ultimae terrae dem römischen Zugriff erschlossen werden78. Der Übergang über den Rhein demon strierte die Hybris der von germanischer Seite formulierten Auffassung, die Herrschaft Roms ende an dieser Grenze79. Deutlicher war der
74
75 76 77
78 79
Vgl, im einzelnen M. GELZER, Kl. Schrift. II, S. 7ff., D. TIMPE, aaO. S. 203f., R. WERNER, in: ANRW I 1, S. 529f. Suet. Caes. 24,3. J. H. COLLINS, in: ANRW I 1, S. 924ff. verweist darauf, daß die Quellen wenig darüber berichten. Entscheidend ist jedoch, daß Caesar selbst die Not wendigkeit dieser Legitimation unter Beweis stellte. Grundlegend D. TIMPE, aaO. S. 208ff., auf den für das Folgende zu verweisen ist. BG 1,45,2f. Cicero hat diese Gedankengänge in seiner Rede über die 56 zu verteilenden Provinzen sehr klar vertreten: non enim sibi solum cum iis, quos iam armatos contra populum Romanum videbat, bellandum esse duxit, sed totam Galliam in nostram dicionem esse redigendam. Cic. pro Balb. 13 u. ö. ΒG 4,16,4. Ausschlaggebend ist hier die Widerlegung des germanischen Anspruches und nicht die Sache selbst, da auch Caesar den Rhein als die natürliche Grenze des römischen Herrschaftsbereiches ansah, vgl. D. TIMPE, in: Festschrift E. Burck, 1975, S. 125f.
Das neue imperiale Bewußtsein: Caesar
165
Anspruch auf die unbegrenzte Weltherrschaft gar nicht formulierbar und die beredte (wenn auch erzwungene) Zustimmung Ciceros läßt keinen Zweifel an der nachhaltigen Wirkung, die diese neue Form des politischen Denkens und Handelns auf die römische Öffentlichkeit machte80. Im Begeisterungsrausch über die laufenden Siegesmeldungen fand denn auch der Senat mit seinen Vorbehalten kein Gehör. Die Eroberung Galliens ist also ungeachtet ihrer in der Sprache der traditionellen außenpolitischen Maximen vorgeführten Rechtfertigung das Ergebnis eines neuen imperialen Denkens, das verständlich gemacht wird in Anlehnung an die von den unterworfenen Griechen nicht zufällig schon längst gewonnene Erkenntnis, daß die römische Machtausdehnung die ganze bekannte Welt umfaßte. Dieses neue Denken wird in seiner Größenordnung bestimmt von dem Siegeszug des Pompeius durch den hellenistischen Osten, den sein Träger bewußt in die Tradition des Alexanderzuges einordnete; es ist weiter wie die Erfolge des Pompeius bestimmend für die Pläne des Crassus geworden, der die Legionsadler in Babylon und Ktesiphon aufpflanzen wollte; und es steckte schließlich den Horizont ab, in dem Caesar nach dem Bürgerkrieg das Weltreich verwirk lichen wollte und in dem sich die imperialen Pläne seiner Nachfolger Marcus Antonius und Augustus bewegten. Ihre Antriebskräfte schöpfte diese letzte Phase der Expansion der Republik, in der alle bis dahin gültigen Normen der Außenpolitik über Bord geworfen wurden, aus dem Übermaß an politischem Einfluß, den einzelne Aristokraten gegenüber der Gesamtheit der Nobilität forderten. Die so wechselseitig herausgeforderte aristokratische Gesellschaft setzte die weder ethisch noch juristisch mehr zu integrierende politische Gewalt frei, die ihre Kraft aus dem beherrschten Raum und seiner Ausdehnung schöpfte und steigerte. Das innerhalb der Nobilität immer selbstverständ lich gewesene Streben des einzelnen nach Macht, Ruhm und Einfluß zer brach durch die Größe des Raumes, in dem es sich frei entfalten konnte, die Schranke, die die Nobilität als Stand und politischen Machtfaktor immer vor den individuellen Führungsansprüchen ihrer Mitglieder ge schützt hatte. Die alle vorstellbaren Grenzen übersteigende Leistung eines Sulla, Pompeius oder Caesar in ihren Expansionskriegen gab ihnen nicht nur die Machtmittel in die Hand (im wesentlichen die militarisierte 80
Cic. prov. cons. 33: quas regiones quasque gentis nullae nobis antea litterae, nulla vox, nulla fama notas fecerat, has noster imperator nosterque exercitus et populi Romani arma peregrarunt . . . nunc denique est perfectum, ut imperii nostri terrarumque illärum idem esset extremum.
Innere Krise und äußere Machtentfaltung
166
Klientel), die ausreichten, um die gebündelten Kapazitäten der Senats aristokratie zu vernichten, sondern sie suggerierten ihnen und Teilen der römischen Gesellschaft das Bewußtsein, daß der Staat ihnen die selbst bestimmte Form der Anerkennung schulde. Als Caesar den Rubikon überschritt, führte er den Bürgerkrieg um seiner dignitas willen, und das hieß um das Maß an Anerkennung und politischem Ansehen, das seine Leistungen legitimiert hatten und das ihm seine Standesgenossen vorent halten wollten 81 . Die Provinzen und der neu eroberte Raum sind in diesen Auseinander setzungen nach wie vor nichts weiter als hilflose Objekte. Sie wurden erstrebt und umkämpft, da sie die Forderungen nach den großen militä rischen Kommanden legitimierten, mit denen allein das Außmaß an Taten vollbracht werden konnte, das den einzelnen über seine Standes genossen und schließlich über die res publica erhob. Darüber hinaus dienten sie nur als Lieferanten der finanziellen und sonstigen Mittel, die die italischen Legionen an ihren Feldherrn banden und eine Schar von politisch einfluß reichen Männern in Rom für die eigene Sache verpflichteten. Auf eine Verbesserung^ jler Lebensbedingungen der Provinzialen konzentrierten sich keine Energien, die von einer breiten Schicht im Senat getragen worden wären. Initiativen hierzu beschränkten sich auf Einzelfälle82 oder wurden von Pomjje^_undjseinen politischen Freunden ausgelöst 83 . Selbst Cicero, der als Statthalter Kilikiens seine vorbildliche und unbestechliche Amtsführung sicher zu Recht rühmte, ließ am Ende seines Prokonsulats ein Gebirgsdorf der freien Kilikier" "niederbrennen, um vor dem Senat die Gewährung eines Triumphes fordern zu können 84 . Gerade in diesem gegenüber den östlichen und gallischen Kriegen fast lächerlich anmutenden Bemühen, die eigene dignitas vor der römischen Öffentlich keit unter Beweis zu stellen, wird die Auflösung der alten Normen der Außenpolitik besonders sinnfällig. Zugleich wird klar, welchen Wert die beherrschten Gebiete in diesem aristokratischen Turnier um die Macht besaßen. 81
82
Vgl. H. STRASBURGER, Caesar im Urteil seiner Zeitgenossen2, 1968, S. 52f., C H . MEIER, Res publica amissa, S. 296ff., J. BLEICKEN, Lex publica, 1975, S. 491 ff. Eine genaue Analyse der im einzelnen wirksamen gesellschaftlichen Kräfte bei E. S. GRUEN, The Last Generation of the Roman Republic, 1974. So ζ. Β. Catos Versuch im Jahre 60, die Gewährung eines Pachtnachlasses für die Steuerpächter Asiens zu verhindern (Cic. Att. 1,17,8ff.), und Caesars Repetundengesetz.
83
C H . MEIER, aaO.
84
Cic. Att. 5,20,5. H. STRASBURGER, aaO. S. 23.
S. 92.
Jas neue imperiale Bewußtsein: Caesar
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Gallien erlitt so das Schicksal, das sich als logische Konsequenz aus dieser Funktion der Provinzen ergab. Die Legionen Caesars zerstörten das politische Rückgrat der etwa 60 Stammesgebiete, die sich sprachlich und verfassungsrechtlich soweit voneinander unterschieden, daß sie ein Bewußtsein der nationalen Zusammengehörigkeit erst durch den gemein samen Widerstand gegen Caesar ausbildeten85. Der mit kalter Grausamkeit geführte Krieg preßte ungeheure Mengen an Gold, sonstigen Gütern und Sklaven aus dem gequälten Land, das schließlich militärisch und wirt schaftlich völlig zerbrochen dem Willen des Siegers keinen Widerstand mehr entgegensetzte86. Die Organisation, die Caesar vornahm, regelte allein die Festlegung der Verwaltungseinheit und bestimmte den Rechtsstatus. Der Sieger selbst rühmte sich in seinem Tatenbericht mit keinem Wort einer Leistung, die auf die Neuordnung der Provinz Bezug genommen hätte. Cicero betonte im Jahre 56, daß die gallischen Stämme nach ihrer Niederwerfung noch nicht „durch Gesetze, gewisses Recht und hinreichend festen Frieden gebunden" seien 87 . Nach Hirtius wurde die Provinz als solche ein gerichtet, behielt jedoch eine gewisse Autonomie, die in ihrer konkreten Form nicht greifbar wird. Sueton berichtete, daß Truppen im Lande blieben, „verbündete und wohlverdiente Völker" aus dem Provinzbereich exemiert wurden (Häduer, Remer, Sequaner, Lingonen, Averner) und den Provinzialen ein Tribut in einer Gesamthöhe von 40MU1. Sesterzen jährlich auferlegt wurde88. Für die politische Situation in der Provinz hieß dies nicht mehr, als daß es keinen offenen Widerstand mehr gab, die finanziellen Forderungen erfüllt wurden, der militärisch-administrative Ausbau langsam voranging und die Legionen sich an den strategisch wichtigen Punkten und Kommu nikationslinien festsetzten, die für die Beherrschung eines Landes von der Zivilisationshöhe Galliens entscheidend sind. Das Militär blieb so auch die wichtigste Recht setzende und Ruhe wahrende Instanz. Die Chancen einer Romanisierungdes Landes hatte Caesar selbst als nicht gegeben bezeichnet89 und damit für eine lange Zeit auch recht behalten90. Die Anziehungskraft der 85
Caes. BG 1,1. 6,11,2. Tacitus, Hist. 4,74.
86
J. H. COLLINS, aaO. S. 933 ff., M. GELZER, Caesar6, i960, S. 152 f.
87
Cic. prov. cons. 19. D. TIMPE, Historia 14 (1965) S. 211. Suet. Caes. 25,1. Eutrop. 6,17,3. Cass. Dio 40,43,3. BG 1,1,3; 45,2. 2,15,4f. 6,24,4ff. Während es in der Gallia Comata vor Claudius keine römische Kolonie gab, legten Caesar und die Triumvirn in der Narbonensis eine ganze Kette von Ansiedlungen an;
88 89 90
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Innere Krise und äußere Machtentfaltung
in der mediterranen Klimazone liegenden Narbonensis blieb für Händler und Siedler immer so stark, daß dagegen die Gebiete der rauhen und wenig zivilisierten Gallia Comata nicht aufkamen. Alles in allem und verglichen mit der Sorgfalt, die Pompeius auf die Neuordnung des Ostens verwandt hatte, ist der von H. STRASBURGER ge zogene Schluß unausweichlich, daß das ,,ruinierte Land sich wohl weit gehend selbst überlassen blieb, bis Augustus sich in langer und gründlicher Arbeit seiner Ordnung annahm" (aaO. S. 30). Erst dann waren die Vor aussetzungen dafür gegeben, den beherrschten Raum aus seiner ausschließ lichen Rolle als Legitimationsbasis für die persönlichen Machtansprüche der großen Einzelnen zu befreien und als Sache zu verstehen, die für sich genommen einen eigenständigen Wert besaß.
6. Zusammenfassung: Die Antriebskräfte
der römischen Reicbsbildung
Herrschaft ruht auf den Fundamenten von Gewalt und Zustimmung, wobei ihre Begründung durch Gewalt geschieht, ihre Stabilität aber von der Zustimmung abhängt. Die jeweilige historische Konstellation be stimmt dabei, wann das Moment der Zustimmung unverzichtbar für den Erhalt der Herrschaft wird. Genauer: Herrschaft als reine Ausübung von Gewalt wird dann illusorisch, wenn der Widerstand gegen sie einen bestimmten Grad der Geschlossenheit und damit der Effektivität erreicht, oder wenn er von außerhalb des-beherrschten Raumes" die materiellen und ideologischen Hilfsmittel erhält, die ihn befähigen, sich bei seiner Bekämpfung wie eine Hydra zu behaupten. Die römische Herrschaft über Italien bis in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts ruhte wesentlich auf dem Fundament der Zustimmung, da auf der Basis eines stillschweigenden Konsens ein Austausch der Interessen möglich wurde. Dies war schon deswegen ein unverzichtbarer Bestandteil der Herrschaft, da Rom kein Monopol der bewaffneten Kräfte besaß und die Besiegten ihre Führer und Waffen behielten. Die römische Führungs schicht verzichtete also auf den letzten Einsatz ihrer Gewaltmittel, indem sie die Unterworfenen restituierte oder als Bürger inkorporierte, den beherrschten Raum mit Kolonien durchsetzte - Sieger und Besiegte erhielten dort gemeinsam eine neue Funktion - , und der politischen Elite der Besiegten einen gemeinsamen Weg in die Zukunft wies. Die Lebens/] ß. DEMOUGEOT, RAC VIII, 1971, Sp. 843ff. Die Schaffung einer starken KlienjeJ vor /1 den Toren Italiens spielte dabei fraglos eine große Rolle.,
Antriebskräfte der Reichsbildung
169
Situation und die Ordnung der Bezwungenen bekamen so ein gewisses Moment der Vorhersagbarkeit und ein Ziel, dessen Vorteile im Vollzug der Herrschaft sehr schnell deutlich wurden oder an vorhergegangenen Beispielen abgelesen werden konnten. Die Begründung der Provinzialherrschaft seit 227/5 bis Augustus ist demgegenüber bestimmt von der umgekehrten Relation zwischen Gewalt und Zustimmung, wozu allerdings in der Phase ihrer Herausbildung verschiedene von den ganz unterschiedlichen historischen Konstellationen beeinflußte Momente führten. Der entscheidende liegt in der Struktur des Herrschaftssystems, das die Institutionalisierung der Verantwortung seiner exekutiven Gewalt und damit ihre Einbindung in den Willen der politischen Eliteschicht nicht leisten konnte, ohne sich selbst zu zerstören (dazu S. 283ff.). Dies schloß im Grunde bereits die Möglichkeit der Beherrschung großer territorialer Räume aus. Daß es dennoch dazu kam, liegt in dem Ausmaß der Gewalt begründet, das das dem römischen Willen hörige Italien in einer Welt entfalten konnte, der eine vergleichbare Macht konzentration fremd war und die diese nur im Zusammenschluß ihrer Kräfte hätte erreichen können. Als die Konfrontation außeritalischer Mächte mit Rom einsetzte, war der Zeitpunkt längst verstrichen, zu dem das römische Machtpotential durch eine Sprengung der Herrschaft in Italien zu erschüttern gewesen wäre. Hannibal liefert dafür den historischen Anschauungsunterricht. Weiter brach die Ausdehnung des italischen Gewaltpotentials in eine Welt ein, die in einer Weise bereits politisch verflochterrwär,niaß der Zusam menbruch eines oder mehrerer ihrer Teile auf das Ganze zurückwirkte und so Rom Entscheidungen aufzwang, die zwar nicht dem Willen zum Herrschen wohl aber den Möglichkeiten dazu zuwiderliefen. Es war dies ein Vorgang, der sich so nur dem Rückblickenden erschließt; dem Zeit genossen versperrte allein schon die Tatsache des Erfolges der römischen Expansion den Zugang zu diesen Zusammenhängen. Die Geschichte der Provinzgründungen ist so zuallererst dadurch typisch gekennzeichnet, daß Rom den Weg der Provinzialisierung nur dort wählte, wo es jede andere Möglichkeit versperrt sah. Dies hieß, daß zunächst das Ausmaß des Widerstandes gegen den römischen Führungs anspruch die Form der Herrschaft bestimmte. In Spanien, dessen Völker in der römischen Machtentfaltung, die sich im Kontext einer sie unmittel bar gar nicht tangierenden Auseinandersetzung vollzog, nichts mit ihren Interessen Übereinstimmendes erkannten, war der Widerstand nur durch die ständige Präsenz der militärischen Gewalt zu brechen. In Griechenland
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Innere Krise und äußere Machtentfaltun^,
bewirkte die breite Zustimmung vor allem der Führungsschichten eine Politik, die den einzelnen Staaten nichts außer dem außenpolitischen Wohlverhalten abverlangte und dafür traditionellen politischen Forderun gen entgegenkam, so daß Rom seinen Hegemonieanspruch im Bündnis mit dem griechischen Freiheitsbegriff entfaltete. Erst als dies am makedo nischen Widerspruch, der sich mit der seit langem schwelenden sozialen Krise der griechischen Städte verband, scheiterte, führte der so aufge worfene Widerstreit zwischen den römischen Forderungen und dem griechischen Willen, diese in einem erträglichen Verhältnis zu den eigenen Interessen zu sehen, nach einer langen, qualvollen Phase römischer Drang salierungen zur Unterwerfung. Diese bereits aus der Überdehnung des Herrschaftspotentials resultie rende Politik der Destruktion strangulierte die Lebensfähigkeit der helle nistischen Staaten durch ihre Dauer und durch ihre Unwiderruflichkeit. Attalos III. war der erste, der darauf konsequent reagierte, den Selbst mord seines Reiches dessen Siechtum vorzog und damit die römischen Legionen zwang, dort stehen zu bleiben, wo sie die Konsequenzen dieses politischen Selbstmordes ausräumen mußten. Das karthagische Territo rium bildet keine Ausnahme, da auch dort eine Politik, die jedes Augen maß für das gerade noch Zumutbare verloren hatte, zunächst nur eine Verlegung des ansonsten autonomen Stadtstaates forderte und durch den dadurch ausgelösten Widerstand in einer politisch instabilen Landschaft um die Provinzialisierung gar nicht herum kam. Etabliert war-xUdurch im Bereich des-Mittelmeeres nur die direkte römische Gewaltausübung; eine Organisation der Herrschaft, die über haupt ein gewisses Maß an Interessenidentität und damit Zustimmung hätte herstellen können, blieb aus. Dies zeigte sich am augenfälligsten in dem Überhandnehmen der Seeräuberplage, deren ineffektive Bekämpfung in Verbindung mit dem weiter fortschreitenden Zerfall der hellenistischen Staatengebäude bis Pompeius weitere Provinzialisierungen unumgänglich machte. Die konzentrierte Wucht, mit der in diesem Zusammenhang die ungelösten Probleme des Herrschaftsraumes aufgeworfen wurden, spiegelte schließlich unter Pompeius für einen flüchtigen Moment die Einheit des Imperiums, die zu realisieren, die spezifische Form des Systems unmöglich machte. Bestimmt wird der Prozeß der römischen Reichsbildung also letztlich von zwei Faktoren, deren ständige Konfrontation im realpolitischen Raum der Entwicklung ihre ungeheure Dynamik verlieh: Zum einen die fast unbegrenzten Ressourcen der römischen Machtentfaltung nach der
Antriebskräfte der Reichsbildung
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Einigung Italiens, die eine politisch und wirtschaftlich hochkomplizierte Welt zum Einsturz brachte, zum anderen die Stabilität eines stadtstaatlich strukturierten aristokratischen Herrschaftssystems, zu dem der Wille zur Machtentfaltung als wesentlicher Teil seiner Legitimation im Kontext des inneren Sozialgefüges dazugehörte, dem jedoch jede Anpassungsfähigkeit an territorialstaatliche Ordnungsaufgaben fehlte. Der ständig wachsende Herrschaftsbereich spaltete in diesem Prozeß das Fundament der Herr schaft der Senatsaristokratie, indem die Übernahme nicht zu vermeidender Herrschaftsfunktionen die Geschlossenheit und die Solidarität der poli tischen Elite sprengten. Gleichzeitig wurden aber dadurch die Kräfte frei, die die römische Politik weiter auf der Bahn der Expansion vorwärts trieben. Expansion und Herrschaftsordnung gerieten so mehr und mehr in den Sog der Konfrontation der innenpolitischen Kräfte, die sich mit und seit der Begründung der Weltherrschaft weltweit entfaltete und selbst die entlegensten Teile des Imperiums in Mitleidenschaft zog. Kräfte, die sich auf die Organisation des Herrschaftsraumes hätten konzentrieren können, wurden so nicht nur nicht freigesetzt, sondern die wenigen Ansätze dazu im institutionellen Bereich verkümmerten, so daß sich die Fürsorge für die Unterworfenen, die immer ein Teil der Rechtfertigungsideologie seit der Beherrschung Italiens war, auf die private Initiative einiger weniger beschränkte. Selbst die Beendigung des Mithradatischen Krieges sah den Senat zufrieden mit der Beseitigung des Störenfriedes und ohne Interesse gegenüber der von Pompeius verfügten Neuordnung des-"gesamten Ostens. Diese Frage figurierte als Bestandteil des inneren Streites um Macht und Prestige und besaß keinen Wert an sich. Herrschaft verblieb so im Bannkreis der Gewaltausübung, weil das Herrschaftssystem von sich aus keine Kräfte zu ihrer Überwindung mobilisierte und weil weder der geschlossene Widerstand der Betroffenen noch ein nennenswerter Druck von außen die Zustimmung der Unterworfenen zu einem notwendigen Ferment der Herrschaft machte. Mit der Ausschaltung des makedonischen Königtums hatte die römische Machtentfaltung spätestens die Grenze überschritten, hinter der ihr äußere Kriege oder Aufstände in den beherrschten Gebieten hätten gefährlich werden können91. Gleichgültig, was sich jetzt noch an Macht91
Polyb. 6,57,5. A. HEUSS, RG, S. 237ff., HZ 216 (1973) S. 53f., C H . MEIER, Res publica amissa, S. 159. Im Krisenbewußtsein des ersten Jhdts. schlug sich dies in der Auffassung nieder, daß der Verfall der öffentlichen und privaten Moral u. a. eine Konsequenz der schwindenden. Furcht vor auswärtigen Feinden war. Nach Sallust
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Innere Krise und äußere Machtentfaltun^,
konstellationen zusammenfand, es besaß nur mehr den Stellenwert einer peripheren Störung, die die Existenz der Republik und ihres Macht bereiches nicht mehr ernstlich gefährdete. Die Folge war, daß kein Druck von außen Rom dazu zwingen konnte, sein Herrschaftsgebiet so zu organisieren, daß es zu einem stabilen und damit widerstandsfähigen Ganzen zusammenwuchs. Was immer an kriegerischen Aufgaben die Zeit nach 146 stellte, rief auch dort, wo diese durch eigene Nachlässigkeit oder Fehleinschätzung eine über ihren eigentlichen Stellenwert hinausreichende Bedeutung ge wannen (so der Einfall der Kimbern und Teutonen und der Krieg gegen Mithradates), nicht viel mehr als eine Erschütterung der Ränder des Herrschaftsgebildes hervor und reichte nicht aus, die Nobilität vor die Frage nach der Tauglichkeit ihrer Herrschaftspraktiken zu stellen. Die weltweite Ausdehnung des Kampfes der Aristokratie um die Macht bündelte in seiner letzten Phase auf den äußeren Herrschaftsbereich bezogene Energien, die das Weltreich, das ideologisch bereits seit Sulla als verwirklicht vorgestellt wurde, nun auch faktisch realisierbar machten. Damit erreichte der für das aristokratische Denken immer konstitutive Wille, durch besondere Leistungen einen besonderen Anspruch auf Macht und Ansehen zu legitimieren, die Dimension, die die Summe der außen politischen Erfolge abgesteckt hatte. Ein neues imperiales Denken war die Folge, das die herkömmliche Verständigung über die Expansion und ihre Legitimität aushöhlte und den Anspruch auf das Weltreich ideologisch an den Einzelnen band, der in der Erfüllung dieses Anspruches die Begrün dung für die geforderte Anerkennung seiner herausragenden Stellung innerhalb seiner Standes genossen fand. So wenig es der außenpolitischen Logik entbehrte, daß Rom im ersten Jhdt. das im zweiten begründete Imperium zur Herrschaft über den gesamten Mittelmeerraum ausdehnte und die angrenzenden Staaten direkt (Gallien, Britannien) oder indirekt (Partherreich, Armenien) seinem Willen unterwarf, so sehr lagen die Antriebskräfte dazu im Desintegrationsprozeß der politischen Elite Roms, durch den die zerstörende Kraft des aristokratischen Willens zur Macht analog zur Ausdehnung des äußeren Machtbereiches potenziert wurde. Wie elementar diese Kraft war, verdeutlicht gerade Augustus, der das Imperium organisatorisch einigte und die Weichen für seine Festigung im sozialen Bereich stellte und damit der eigentliche Gründer des Weltreiches wandte sich nach dem Untergang des großen Gegners Karthago alles zum Schlechten, saevire fortuna ac miscere omnia coepit (Cat,. 10,1).
Antriebskräfte der Reichsbildung
173
wurde, das mehr war als die Addition von mit Gewalt den politischen und ökonomischen Interessen Roms und Italiens geöffneten Provinzen. Gerade Augustus, der den Kampf um die Macht auf dem Schlachtfeld entschieden hatte, konnte sowenig wie Caesar und Pompeius darauf verzichten, seinen Führungsanspruch mit seinen Taten auf dem Feld der Außenpolitik zu legitimieren. Nicht ohne Grund hat gerade er die Grenzen des Imperiums erweitert wie keiner vor ihm und den Gedanken der Weltherrschaft an seine Person geknüpft, um durch die universale Ausdehnung des be herrschten Raumes die Rolle des Weltherrschers der italischen öffendichkeit gegenüber beanspruchen zu können92. Die Überschrift des Berichtes über seine Taten, „quibus orbem terrarum imperio populi Romani subiecit", suggeriert genau dies und ist nichts weiter als die Fortsetzung und Überhöhung des Leistungs anspruches der großen Imperiumträger der untergehenden Republik. Trotzdem schufen die einmal erreichte Unanfechtbarkeit des Führungs anspruches (dem nicht zuletzt die Teilung der Provinzen in senatorische und selbst direkt beherrschte diente), die wachsende Einsicht in die Effektivität einer die Untertanen scherenden, aber nicht strangulierenden Herrschaftspraxis und ein erstes Verständnis von der Einheit des Imperiums" die JüafTund den ^Ansatzpunkt, von denen aus die Versach lichung der Herrschaft und damit die völlige Umorientierung des Staates möglich wurden.
A. HEUSS, Zeitgeschichte als Ideologie, in: Festschrift E. Burck, 1975, S. 69ff.
IV. Der politische Freiheitsbegriff und seine Überleitung in die provinziale Herrschaftsform 1. Die foederierten Städte a) Die Funktion des Vertrages: Die völkerrechtliche Anerkennung Ausgangspunkt der Frage nach der Stellung der foederierten Städte sind die bei der Unterwerfung Siziliens feststellbaren Modalitäten der Herr schaftsorganisation. Bekannt ist im Detail nur das Sizilien der Verrinen1, d. h. die Ordnung, die nach dem Ersten Sizilischen Sklavenaufstand der Prokonsul P. Rupilius im Einvernehmen mit einer senatorischen Zehn männerkommission vornahm2 und die nach dem Ende des Zweiten Sklavenkrieges unwesentlich modifiziert wurde. Es ist sicher, daß der Sklavenkrieg den bis zu diesem Zeitpunkt bestehenden Zustand sowohl was die Rechtsstellung der einzelnen Gemeinden zu Rom als auch was die ökonomische Ausbeutung der Insel angeht, vielfach modifiziert hat. Es liegt jedoch auf der Hand, daß bereits von Marcellus und Laevinus das in 1
E. BADIAN, FC, S.
2
Cic. 2 Verr. 2,32: ex P. Rupili decreto, quod is de decem legatorum sententia statuit, quam illi (sc. Siculi) legem Rupiliam vocant. 39: legem esse Rupiliam, quam P. Rupilius consul de decem legatorum sententia dedisset: hanc omnes semper in Sicilia consules praetoresque servasse. Quellen s. bei J. CARCOPINO, La loi de Hieron, 1914, S. 72f. Zur Ordnung selbst vgl. M. SCRAMUZZA, in: T. FRANK, ESAR III, 1937, S. 246ff., A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 218ff.; 327, G. H. STEVENSON, Roman Provincial Administration, S. 82f. Die lex data des Rupilius ist das erste bekannte Gesetz dieser Art, auch wenn es seiner Intention nach in eine Reihe zu stellen ist mit allen von römischen Imperiumträgern verfügten Neuordnungen eroberter Gebiete, soweit sie über den Rahmen von Freilassungen hinausreichten und die Modalitäten der zukünftigen Ausübung der römischen Herrschaft regelten. Das trifft auf die Einrichtung der Provin zen Africa, Macedonia und Asia sowie auf die Ordnung der Verhältnisse in Achaia 146/5 zu. Über den jeweiligen Inhalt der von den spezifischen historischen Umständen und nicht von einem einmal festgelegten Schema geprägten Gesetzen sagt das natürlich nichts. Ihr Zustandekommen ist bis auf Pompeius vom Zusammenwirken zwischen Senatskommission und Feldherrn abhängig, ein Verfahren, das seit dem Frieden des Jahres 241 für alle Friedensregelungen kanonisch wurde; vgl. T. R. S. BROUGTHON, MRR I, S. 320f.; 337; 363; 435; 434; 467f.; 509. Zur Sache: F. DE MARTINO, Costituzione II, S. 283ff., E. BADIAN, in: Mel. Piganiol II, 1966, S. 901 f.
38.
Die foederierten Städte
175
der lex Rupilia erkennbare Prinzip der abgestuften Herrschaft entwickelt und angewandt wurde, da die Übertragung der lex Hieronica auf die ganze Insel,' datiert man sie in die Jahre nach 210, zumindest die Einteilung in steuerpflichtige und steuerfreie Gemeinden voraussetzt. Die Ordnung der lex Rupilia lag ihrer Struktur, nicht ihrer Aus prägung im Einzelfall nach bereits vor 132 vor, so daß die von Cicero berichtete Rechtsstellung der sizilischen Städte als solche, aber nicht ihr Bezug im einzelnen zu übernehmen ist3. Entscheidendes Kriterium der hier sichtbaren Differenzierung der Rechtsstellung war, wie bereits aus geführt, die unterschiedliche Haltung der Städte im Hannibalischen Krieg, die das Maß der ausgeschütteten Privilegien festsetzte: Perpaucae Siciliae civitates sunt bello a maioribus nostris subactae; quarum ager cum esset publicus populi Romani factus, tarnen Ulis est redditus; is ager a censoribus locari solet. Foederatae civitates duae sunt, quarum decumanae venire non soleant, Mamertina et Tauromenitana, quinque praeterea sine foedere immunes civitates ac liberae, Centuripina, Halaesina, Segestana, Halicyensis, Panhormitäna; praeterea omnis ager Siciliae civitatum decumanus est, itemque ante Imperium populi Romani ipsorum Siculorum voluntate et institutis fuit4. Die hier erkennbare Organisationsform der Provinz, die als ein heterogenes Gebilde Völker- und staatsrechtlicher Bestandteile erscheint, führt weit über die tastenden Versuche vor dem Hannibalischen Krieg hinaus, die eroberten Teile der Insel nach innen und außen vor jeder Bedrohung militärisch abzusichern. Das .zeigt sich bereits bei den-Städten, die als foederati ihre uneingeschränkte völkerrechtliche Autonomie be hielten. Neben Messana treten Tauromenion und Neton in dieses Rechts verhältnis ein, die erst nach dem Tode Hierons II. den Vertrag mit Rom 3
4
Wenn E. BADIAN, FC, S. 32 annimmt, daß wesentlich mehr Städte als die von Cicero genannten fünf zu civitates liberae ac immunes erklärt wurden, so hängt das mit der noch zu kritisierenden Bedeutung zusammen, die er dieser Städtekategorie in der Ent wicklung der zukünftigen Maximen der römischen Außenpolitik beimißt. Das Faktum als solches ist natürlich möglich, die von ihm herangezogenen Belege (Liv. 25,40,4. 26,40,14) sagen jedoch darüber nichts aus. Cic. Verr. 3,13. Zur Interpretation S. CALDERONE, Kokalos 10/11 (1964/65) S. 65ff. Die letzte Bemerkung Ciceros, wonach das Land der civitates decumanae schon in vor römischer Zeit nach dem eigenen Willen der Sikelioten steuerpflichtig war, ist einmal sachlich falsch, da zwischen Hieron und Karthago untertänigen Städten nicht geschieden wird, und vermittelt zum anderen den Eindruck, als ob die Abgaben nach der lex Hieronica eine freiwillige Leistung der Griechen gewesen wären, die dank der römischen Großmut in der bestehenden Art und Weise weitergeleistet werden konnten. Die ganze Passage trägt unverkennbar propagandistische Züge und ist von der objektiven Wahrheit meilenweit entfernt; vgl. H. BERVE, Hieron IL, 1959, S. 66.
176
Freiheit und provinziale Herrschaftsfoi
geschlossen haben können, da Neton zum syrakusanischen Machtbereich gehörte (Diod. 23,4) und Tauromenion nach Appian (Sik. 5) beim Vor marsch des Marcellus auf Syrakus zu Rom abfiel5. Bezeichnenderweise fehlt in den ihnen zugestandenen Verträgen jede militärische Verpflichtungsklausel6, so daß der eigentliche und ursprüng liche Zweck eines foedus, die Festsetzung gegenseitiger Waffenhilfe, nicht mehr gegeben ist. Die trotzdem erfolgte Gewährung eines derartigen Vertrages kann demnach nur als Geste der politischen Begünstigung gewertet werden. Das foedus wird entgegen seiner ursprünglichen Zweck bestimmung zum Garantieschein lokaler Souveränität umgewandelt. Damit zeigen sich hier die ersten Anzeichen einer Entwicklung, die nach 168 auf Grund der tatsächlichen Überlegenheit Roms auch im außerprovinzialen Bereich der römischen Außenpolitik den Abschluß von Verträgen zur reinen Anerkennung der staatlichen Unabhängigkeit eines um Rom verdienten Staates werden ließ7. Das beweisen am deutlichsten 5
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7
Tauromenion taucht zwar bei Diod. 23,4 als zur syrakusanischen Epikratie gehörend auf, doch konnte H . BERVE, aaO. S. 36 f. starke Zweifel an dieser Zuordnung geltend machen. Vgl. zur Geschichte der Stadt S. CALDERONE, aaO. S. 87ff.; zur Beibehaltung des Münzrechtes P. R. FRANKE, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 9 (1958) S. 80 Anm. 160 und zur Verfassung F. SARTORI, Athenaeum 32 (1954) S. 356ff., G. MANGANARO, Arch. Class. 15 (1963) S. 13ff., S. CONSOLO LANGHER, Helikon 3 (1963) S. 407ff. mit Anm. 92. Zu beiden Verträgen jetzt Η. Η. SCHMITT, Die Staatsverträge des Alter tums III, 1969, S. 250ff. Cic. 2 Verr. 2,160. 3,13. 5,49ff.; 56. J. CARCOPINO, La loi de Hieron, S. 213f., A . J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 219f. Die von App. Sik. 5 berichtete eidliche Verpflichtung des Marcellus,. in Tauromenion Truppen. weder, zu stationieren noch zu werben (μήτε φρουρήσειν τ η ν πόλιν μήτε στρατολογήσειν ά π ' carrfjs) ist nicht auf den Bundesgenossenschaftsvertrag, der auf jeden Fall mit dem Senat abge stimmt werden mußte, sondern auf die ad hoc gewährten und von der konkreten Situation bestimmten Zugeständnisse beim Übertritt der Stadt auf die römische Seite (deditio) zu beziehen (gegen H. H . SCHMITT, aaO. S. 257). Die Annahme J. CARCOPINOS, aaO. S. 216f. (zustimmend M. CAPOZZA, Le rivolte servili di Sicilia, in: Atti delPlstituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti 115, 1956/57, S. 80) und Α. Η. Μ. JONES', in: Anatol Stud., S. 113, Neton habe eine schlechtere Rechtsstellung als Messana und Tauromenion erhalten und sei tributpflichtig gewesen, ist nicht einsichtig und widerspricht zudem Cic. 2 Verr. 5,22,56, wonach Neton gegenüber Verres darauf pochte, denselben Vertrag wie Messana zu besitzen: eandem suam causam foederis esse docuerunt. Von vorneherein undenkbar ist ein von K. ZIEGLER, RE 17 (1936) Sp. 145 s. v. Neton angenommener Vertragsartikel, der die Stadt ausdrücklich von Getreide lieferungen freigestellt hätte. Die Abgabenfreiheit ist eine selbstverständliche Rechtsfolge und kein Teil des Vertrages. Grundsätzlich gleich ist das Bemühen der Lykier um ein Bündnis mit Rhodos zu bewerten (Polyb. 22,5,5f.; 8, Η. Η. SCHMITT, Rom und Rhodos, 1957, S. 91 ff.), als auf Grund der 188 in Kleinasien von der römischen Zehnmännerkommission getroffenen Regelung rhodische Kommissare in Lykien daran gingen, die rhodische Herrschaft zu organisieren. Der Vertragsabschluß schien den Lykiern der sicherste Schutz vor dem
Die foederierten Städte
177
die demütigenden Kniefälle von Rhodos vor dem Senat zur Erlangung eines foedus in den Jahren 168-164, die allein den Zweck hatten, Rom zur Anerkennung wenigstens der staatlichen Unabhängigkeit zu bewegen, nachdem die römische Hegemonie die Freiheit der politischen Ent scheidung schon beseitigt hatte8. Die Fortsetzung dieser Politik illustrieren die inschriftlich erhaltenen Verträge der Jahre um 1009, die (1) entweder als zweiseitig stilisierte foedera aequa urkundlich die dominierende Rolle Roms nur darin zum Ausdruck bringen, daß die Verpflichtungen des Vertragsgegners an erster Stelle genannt werden 10 , oder (2) wie die Verträge mit Knidos und Mytilene Elemente des foedus aequum mit denen des Klientelvertrages urkundlich verbinden11. Diese Entwicklung der römischen Vertragspolitik wird wohlgemerkt von der wachsenden Überlegenheit Roms bestimmt, das mehr und mehr
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Absinken in die Untertänigkeit, was wiederum die rhodischen Politiker zur strikten Ablehnung des Vertrages veranlaßte. Verlauf und Erfolg der rhodischen Bemühungen s. bei Η. Η. SCHMITT, Rom und Rhodos, S. 151 ff. Also die foedera mit Astypaleia (IG XII 3,173), Methymna (IG XII 2,510), Kibyra (OGIS II, 762), Thyrrheion (IG XII 1,483), Mytilene (IG XII 2,35), Knidos (E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 450) und Callatis (A. PASSERINI, Athenaeum N . S. 13 (1935) S. 57ff.). Form und Inhalt dieser Verträge sind geklärt, so daß sich eine weitere Erörterung erübrigt, s. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 44ff., A. HEUSS, Klio 24 (1934) S. 14ff., S. ACCAME, II dominio, S. 75ff., A. D.ONATI, Epigraphica 27 (1965) S. 12ff. Der Verlust des eigentlichen Symmachiegehaltes der Verträge zeigt sich in dem all mählichen Wegfall der κατά τό sÖKCupov-Klausel (literarisch-noch bei Polyb. 28,13,5 z. J. 169 belegt), nach der der Vertragspartner im Bündnisfall die Aufforderung zur Hilfe abwarten konnte. Historisch konnte diese Formel auch zur Zeit der ersten erhaltenen Vertragsabschlüsse keine Relevanz mehr besitzen, so daß sich in den Fällen, in denen sie noch erhalten ist, allein ihre einstige Bedeutung widerzuspiegeln vermag (E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 55f.; 224).
11
Die hier ühprnnn-imene Interpretation dieser bejdej^Vmrägedujx^^ Imp. Rom. S. 64f.; 450ff. als Mischtypen basiert allerdings allem auf der Ergänzung von Zeile lf. des Vertrages mit Mytilene: Ό [δήμ]οβ~δ] MvmT^väfcov'αρχή [ν καΐ επικρά τεια ν ην μέχρι vöv εσχεν] φυλασσέτω ούτως ως άν τι κ[ρατήται άρίστωι δικαίωι άρίστωι τε νόμωι (vgl. R. Κ. SHERK, Roman Documents, S. 150. TÄUBLER zu stimmend H. HÖRN, Foederati, 1930, S. 71). Das bedeutet, daß in diesem Vertrag zwei entgegengesetzte Elemente, die Einleitungsbestimmung des foedus iniquum (Maiestasklausel) und die Neutralitäts- und Allianzbestimmung des foedus aequum, miteinander Verbunden werden, was sich, nach TÄUBLER, im knidischen Vertrag innerhalb der Einleitungsbestimmung wiederholt (Z. 10ff.). Diese Ergänzung im mytilenischen Vertrag ist nicht unbestritten geblieben, vgl. W. PATON, IG XII 2,35, der eine sinnvolle Restauration für unmöglich hält, A. N . SHERWIN-WHITE, RC, S. 159, V. ARANGIORUIZ, Riv. di Fil. 70 (1942) S. 130, S. ACCAME, II dominio, S. 98f. und A. DONATI,
Epigraphica 27 (1965) S. 20ff., die in beiden Fällen ein foedus 3εςμΜη für wahr scheinlicher halten.
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Freiheit und provinziale Herrschaftsfon
auf jede Art von Hilfe und Zustimmung verzichten konnte und im Grunde nur noch aus innerstaatlichen Gründen die Grenzen seiner Machtbefugnis selbst festlegte. Davon zu trennen sind die bekannten Versuche bedrohter Städte im Einflußbereich der hellenistischen Großmächte, durch den Abschluß eines Vertrages, gleichgültig welchen Inhaltes, den eigenen souveränen Status international anerkennen und damit aufwerten zu lassen. So bemühte sich z.B. 193 Teos in Rom mit Erfolg um den Abschluß eines Asylievertrages12, um mit diesem Schritt den freien Status der Stadt international zum Bewußtsein zu bringen. Dies kam zu diesem Zeitpunkt der römischen Politik genau entgegen, die die Freiheit der kleinasiastischen Griechenstädte propagierte, um Antiochos in die Rolle eines Unterdrückers der griechischen Freiheit zu manövrieren13. Denselben Zweck konnte eine um ihre Unabhängigkeit bangende Gemeinde mit der Aufnahme in bereits bestehende internationale Verträge erreichen. So verlieh Antiochos VIII. Seleukeia Pieria für ihre auch in Zeiten der Not bewiesene Treue die Freiheit und teilte dies Ptolemaios XI. gleichzeitig mit der Absicht mit14, die Stadt in die mit ihm abgeschlosse nen Verträge aufzunehmen. Beiden geschilderten Vorgängen gemeinsam ist die Auffassung, daß der Abschluß eines Vertrages oder die Aufnahme in einen solchen als Vertragssubjekt als internationaler Rechtsakt gilt, der zur Voraussetzung die völkerrechtliche Souveränität der Kontrahenten und zur selbstverständlichen Folge die Anerkennung eben dieser Souveränität hat. b) Der Wert des Vertrages: Die Stellung der Foederierten in und zu der Provinz Zu fragen bleibt, welche realen Faktoren das Zusammenleben der civitates foederatae mit dem sie umgebenden provinzialen Herrschafts bereich bestimmen, was in gewisser Weise Rückschlüsse auf die Intensität der römischen Herrschaft zuläßt15. Es ist unbestritten, daß in diesem Punkt die Entwicklung der foederierten Gemeinden von der der civitates liberae nicht verschieden ist, d. h. das foedus konnte keine Schranke gegen den Zwang und den Willen, mit der Provinz zu leben, und gegen die 12
13
Syll. 3 601. Liv. 34,57,6. M. HOLLEAUX, Klio 13 (1913) S. 137ff.; 156ff., A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 152 f. Vf., Struktur, S. 102ff. (mit weit. Beispielen).
14
C. B. WELLES, RC, S. 288ff.
15
Außer Betracht bleiben hier die foederierten Randstaaten, s. dazu M. LEMOSSE, Le regime des relations internationales, S. 20ff., und hier S. 261 ff.
Die foederierten Städte
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damit verbundenen ökonomischen und sozialen Veränderungen in den Städten bilden. Welche Vorstellungen verbanden Römer und foederierte Städte also noch mit dem Vertrag und wo sahen sie seinen Bezugspunkt zur Realität der römischen Herrschaft? Das wichtigste Element der Beziehungen zu Rom ist zweifellos nach wie vor die Verpflichtung, in allen auswärtigen Kriegen loyal auf der römischen Seite zu stehen, wobei es, was das Ausmaß der zu leistenden Hilfe anbelangt, weniger auf das, was darüber im Vertrag gesagt war, als auf die römischen Bedürfnisse ankam. Die zentrale Bedeutung dieses Punktes gilt bereits für das Zustandekommen des Vertrages mit einer Stadt, die zum Vertragsabschluß nur dann zu gelassen wurde, wenn ihre Taten für Rom das Maß des Selbstverständ lichen (und dies war in den Jahrzehnten des Bürgerkrieges sehr hoch bemessen) weit überstieg. So betonen die Bürger von Pergamon (oder Elaia) in einem Dekret über den Bündnisabschluß mit Rom (129) eingangs des langen und breiten ihre Verdienste um Rom ganz allgemein und besonders im Krieg gegen Aristonikos, um dann festzustellen: [εξ ών I ij-myvous ό δήμος [ό 'Ρωμ]αίων την π[ροαίρε]|σιν τοΟ ημετέρου [δήμου] και άττοδεξίάμενος] | την ευνοιαν προσ[δέδεκ]ται τον δήμ[ον] | ημών προς τε την φ[ιλίαν] καΐ συμμα[χίαν] 16 . Auch die foederierten Städte sahen nicht anders als Rom die Gewäh rung des Vertrages als Belohnung ihrer Loyalität und waren bemüht, dieses ausschlaggebende Faktum in den Vordergrund zu rücken und nicht den Vertrag als solchen. Dessen inhaltliche Festlegungen waren formelhaft erstarrte Relikte einer vergangenen Epoche, in der es die wichtigste Aufgabe der römischen Außenpolitik war, Hilfe bei gleichgewichtigen Partnern zu finden, die einer Gegenleistung bedurfte. Die Vorstellungen der Beteiligten über diese politische Wirklichkeit deckten sich also. Die folgerichtige Konsequenz aus dieser Einschätzung des Vertrages bestand für die Städte darin, ihre eigene Entscheidung zum Vertragsabschluß als praktisch bedeutungslosen Vorgang zu werten. So erklärt es sich, daß die Veröffentlichungen der Verträge auf der Seite der griechischen Kontrahen ten (die römische Publikationsform ist bekanntlich inschriftlich nicht erhalten17) neben dem eigentlichen Vertragstext noch andere Schriftstücke, 16
17
Syll. 3 694, Z. 19ff. = IGRR IV, 1962. Die Wahrscheinlichkeit spricht für Pergamon als Bündnispartner, vgl. L. ROBERT, fitudes anatoliennes, 1937, S. 49 Anm. 3, D. MAGIE, RRAM II, S. 1045 Anm. 34. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß in Rom nur der Vertrag, da allein relevant, auf gestellt wurde.
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Freiheit und provinziale Herrscha
rm
wie ζ. Β. SCC und Briefe der Konsuln enthalten, ,,die mit dem Vertrag selbst nur in einem losen tatsächlichen Zusammenhang stehen, rechtlich aber mit ihm gar nichts zu tun haben"18. Die Begründung für diese Publikationsweise wird vor dem Hinter grund der skizzierten Auffassung von dem Wert der foedera ganz klar: Die Entscheidung des römischen Senates, durch die Gewährung eines formellen foedus die Souveränität eines Staates anzuerkennen und zu garantieren (darin liegt der konkrete Wert der Allianzbestimmung), bedeutete für die betreffende Gemeinde mit Recht mehr als ihr eigener Entschluß, den Vertrag abzuschließen. Die zweite nicht minder paradigmatische Konsequenz der Vorstellung von der Bedeutungslosigkeit des Vertrages an sich zeigt sich in der Sorge, die die Foederierten darauf verwandten, alle römischen Verfügungen über ihr Schicksal jederzeit präsent zu haben. Nicht weil man damit den Rechtsstatus hätte bekräftigen können, diesen regelte der Vertrag in unmißverständlicher Form, sondern weil sie der sichtbare Beweis des römischen Wohlwollens und der römischen Überzeugung von der Loyalität der betreffenden Stadt waren. So wandten sich Anfang der 30er Jahre des ersten Jahrhunderts v. Chr. Gesandte der vereinigten Städte Plarasa und Aphrodisias an Antonius mit der Bitte, den Städten Kopien der Urkunden zuzusenden, die sie be träfen19. Antonius sagt dies zu und erklärt brieflich, er werde den Ge meinden ein decretum, ein SC, das iusiurandum (womit nur ein foedus gemeint sein kann) und eine lex aushändigen lassen (Coli. A y Z. 21 ff.-). Nach Eingang der Kopien publizieren die vereinigten Städte (soweit dies aus der Inschrift hervorgeht) folgende Schriftstücke: Erstens den Brief des Antonius, in dem die Überlassung der Akten zugesagt wird; zweitens einen (inhaltlich nicht verifizierbaren) Brief des Julius Caesar, den Antonius in seinem Schreiben nicht angekündigt hat und der daher entweder von der Gemeinde auf eigenen Beschluß hin auf die Inschrift gesetzt wurde oder - und das scheint wahrscheinlicher - von Antonius beigelegt wurde, da bereits Caesar den Rechtsstatus der Stadt geregelt hatte; drittens ein Dekret der Triumvirn (ebenfalls verloren) und viertens 18
19
A. HEUSS, Klio 27 (1934) S. 244ff., der auch zu dem Folgenden zu vergleichen ist. Den von HEUSS genannten Beispielen ist hinzuzufügen, daß Sardes und Ephesos neben ihrem 94 miteinander geschlossenen Vertrag das Vermitdungsschreiben des Prokonsuls, dessen Initiative die Einigung zu danken war, mitpublizierten; R. K. SHERK, Roman Documenta, S. 256ff. Die Inschriften s. bei FIRA I2, 43, S. 185 ff. und R. K. SHERK, Roman Documenta, S. 163ff. (dort auch die Literatur); zur Chronologie Ders., Historia 15 (1966) S. 123f.
Die foederierten Städte
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das von Antonius angekündigte SC, das sich auf das Dekret der Triumvirn beruft, also nach 43 zu datieren ist. Das ebenfalls versprochene foedus und die lex 20 fehlen auf der Inschrift, doch sind sie unbedenklich als fünftes und sechstes Dokument den vorliegenden hinzuzufügen. Bemerkenswert an diesem Vorgang ist zweierlei: Einmal enthält das SC eine dezidierte Freiheitserklärung, in der mit keinem Wort auf das foedus Bezug genommen wird, so daß dieses unabhängig davon und später ab geschlossen worden sein muß21. Zum anderen ergibt sich aus der Anforde rung der Unterlagen und der Publizierung gerade der Freilassungsakte, daß die Städte in dieser detaillierten Aufstellung ihrer Rechte die eigent liche reale Basis ihrer Beziehungen zu Rom sahen, die durch das foedus nur formal verfestigt werden konnten22. Das analoge Verhalten des foederierten Mytilene verdeutlicht diesen Schluß. Die Stadt veröffentlichte neben dem SC über den Vertragsabschluß und den Vertrag selbst (25 v. Chr.) 23 die Dokumente aus den Jahren nach Pharsalos, die die Restitution der Stadt als civitas libera zum Inhalt haben24. Darunter befindet sich ein Edikt Caesars (46/45 v. Chr.), in dem festgesetzt wird, daß niemand in Mytilene Befreiung von den städtischen Abgaben beanspruchen kann, sondern jeder dort Ansässige zur Steuer20
Aller Wahrscheinlichkeit nach der Beschluß der Komitien, den Vertrag abzuschließen;
21
Anders E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 177f.
22
Das Freiheitsdekret bestimmte im einzelnen: (1) Die Zusicherung von Freiheit, Immuni tät und eigener Gerichtshoheit, tiie soweit reichte, daß kein Bürger von Aphrodisias einer Vorladung nach Rom, in welcher Form sie auch immer vorgebracht werden mochte, Folge leisten mußte. (2) Die von den Triumvirn den Städten eingeräumten Privilegien werden bestätigt (Einzelheiten fehlen). (3) Der Tempel der Aphrodite erhält das Asylrecht. (4) Das Eigentum an Grund und Boden sowie die Abgabenfreiheit für die den Städten gehörenden Dörfern, Ländereien, Wäldern u. a. wird garantiert. Charak terisiert wird der damit herbeigeführte Rechtszustand als der, der einer befreundeten Gemeinde besten Rechts eingeräumt wird: [καθ]άπερ καΐ Tis πολιτεία τ'φ καλλίστω δικαίω καλλίστω τε νόμω εστίν, [ήτις 6ήμο]υ τοΟ * Ρωμαίων τήν έλευθερίαν καΐ την άτέλειαν έχει φίλη τε καΐ σύμμαχος γεγένηται (Coli. Β, Ζ. 7ff.). Von hier bis zur Gewährung des Vertrages war nur noch ein kleiner Schritt zu tun. Urkundlich ist der Vertrag so* aufgesetzt, daß an die allgemeinen Bundesgenossen schaftsbestimmungen die (nur verstümmelt erhaltenen) Regelungen über den Umfang der mytilenäischen Eparchie (Lesbos und einige andere benachbarte Inseln, Coli, d, Z. 21 ff.) als Spezialbestimmungen angehängt wurden. Derartige Stipulationen begegnen in allen Friedensverträgen in der Form, daß die Landesgrenzen des Besiegten neu festgesetzt wurden, außerdem sind sie in den Freiheitserklärungen Sullas, die dieselbe Funktion wie die Friedensverträge haben, häufig nachweisbar (s. S. 226 ff.). Auch die Verbindung zwischen Bundesgenossenschafts- und Friedensvertrag ist nicht ungewöhnlich, vgl. den Vertrag von 201 mit Karthago. R. K. SHERK, Roman Documents, S. 146 ff.
E. TÄUBLER, Imp.
23
24
Rom.
S.
179.
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Freiheit und provinziale Herrschaftsform
leistung verpflichtet ist 25 . Dieser Entscheid besaß nach dem Vertragsab schluß für Mytilene keine unmittelbare rechtliche Bedeutung, da der Ver trag die juristische Lage gänzlich verändert hatte. Trotzdem war das Festhalten an diesem Edikt und seinem Inhalt, das die Stadt überhaupt zu einem funktionsfähigen Organismus machte, lebenswichtiger als der Ver trag, dessen Klauseln gegenüber den mit der römischen Herrschaft vorge schriebenen Lebensbedingungen blind waren 26 . Der Wert eines foedus, das einer im provinzialen Machtbereich liegen den Stadt gewährt wurde, liegt also einzig und allein in seiner Funktion, der beste und unübertreffbare Ausdruck der römischen Zufriedenheit mit der so ausgezeichneten Stadt zu sein. Die mit seinem Abschluß sich er gebenden rechtlichen Konsequenzen sind mit denen einer Freiheitserklä rung identisch, von denen sich der Vertrag durch die Beeidung beider Kontrahenten als zweiseitiger Rechtsakt formal zwar grundlegend unter scheidet, jedoch eo ipso nicht mehr Rechtssicherheit verleiht als diese. Beide garantieren ein Bündel von Privilegien, von denen die wichtigsten die Abgabenfreiheit und das Recht auf Selbstverwaltung ohne statthalter25
26
Die Betroffenen waren in erster Linie Bürger, die das römische Bürgerrecht erlangt hatten und daraus den Anspruch auf Befreiung von den städtischen munera ableiteten. Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß das sechste, nur in wenigen Fragmenten überhaupt erkennbare Dokument des Potamon-Monuments (Coli, e) sich auf die An wendung des mytilenäischen Rechtes im Rahmen des römischen Rechtes sowie auf weitere, der Stadt gewährte Privilegien bezieht, s. V. ARANGIO-RUIZ, Riv. di Fil. 70 (1942) S. 125ff., Acta Divi Augusti I, 1945, S. 232ff. Wäre dem so, so hätten wir den Beweis dafür, daß Augustus für-das feederierte Mytücnc wie Caesar für die civitas libera zusätzlich zu dem Vertrag spezielle Regelungen für notwendig hielt, die sich ganz konkret auf das Zusammenleben mit der römischen Macht beziehen, was wiederum klar machen würde, daß für die augusteische Bürokratie das foedus als Generalvollmacht für Freiheit und Autonomie ohne Ausführungsbestimmungen nicht mehr ausreichte. Daß dem wahrscheinlich so war, legt die Bestimmung des 45 mit Knidos abgeschlossenen Vertrages (Datierung nach C. CICHORIUS, Rh. Mus. 76 (1927) S. 327f. vgl. D. MAGIE, RRAM II, S. 1259f. Anm. 5) nahe, in der es heißt: [προνο]ίο: τη [ρ]είτωσαν [δ]πω$ έ[κατ]έρου του δ[ήμου το δίκ]αιον τηρήται (Ε. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 451, Ζ. 4f.). Eine ähnliche Bestimmung findet sich allein im foedus Cassianum (Dion. Hai. 6,95,2: των τ* Ιδιωτικών συμβολαίων αϊ κρίσεις έν ήμέραις γιγνέσθωσαν δέκα, παρ' ois αν γένηται το συμβόλαιον; vgl. Fest. ρ. 166f., 30f. L) und regelt hier die privatrechtlichen Beziehungen zwischen Römern und Latinern bei bestimmten Rechts geschäften dahingehend (eingehend dazu R. WERNER, Der Beginn der römischen Re publik, 1963, S. 445f.; 451 ff.), daß „je nach dem O n e des Privatkontraktes ein Römer der Gerichtsbarkeit einer latinischen Stadt und ein Latiner der Gerichtsbarkeit Roms überstellt werden konnte" (R. WERNER, S. 451). Eine solche Vereinbarung über gegen seitige Rechtshilfe war bei den engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Rom und Latium unumgänglich, und daß sie 400 Jahre später wieder auftaucht, beweist, wie eng die Verbindung zwischen dem römischen Herrschaftsbereich und den aus ihm de iure exemierten Städten bereits geknüpft war.
Die foederierten Städte
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liehe Kontrolle waren - Dinge, die im Vertragstext keinen Platz hatten, wohl aber in den Freiheitserklärungen, die entweder für die foederierte Stadt bereits vorlagen, oder deren Inhalt beim Vertragsabschluß still schweigend unter beiderseitigem Begreifen der Notwendigkeiten, die das Vorhandensein des Imperiums diktierte, vorausgesetzt wurden. Generaliter galt für foederierte und nicht foederierte civitates liberae der Grundsatz, den Augustus dem Rat des foederierten Knidos 6 v. Chr. nach der Klärung eines innerstädtischen Rechtsfalles mitteilte, dessen politische Bedeutung die Intervention des Kaisers ausgelöst hatte: ,,Ihr scheint mir wohl gut daran zu tun, wenn ihr Vorsorge trefft, daß auch die Akten Eures Archivs sich mit meiner Meinungsäußerung im Einklang befinden"27. Der dieser offiziösen Äußerung zugrundeliegende Gedanke, daß die gewährte Entscheidungsfreiheit an den übergeordneten Interessen des Imperiums und des Kaisers seine Grenzen finden muß, formulierte und begründete bereits Cicero in seiner Verteidigungsrede für den Gaditaner Baibus, die als solche natürlich nicht als beispielhaft für die damalige römische Auffassung gelten darf. Der Ankläger des Baibus ζ. Β., das ergibt sich aus der Natur der Sache, sah die Dinge anders. Gegen sein juristisch nicht zu erschütterndes Argument, es sei nicht möglich, daß ex foederato populo quemquam potuisse, nisi is populus fundus factus esset, in hanc civitatem venire28, führt Cicero zwei Überlegungen ins Feld: Erstens stünde dieses den Foederierten in der Tat eigene Bestätigungsrecht ihnen nur auf Grund eines römischen beneficium, nicht aber kraft eigener ursprünglicher Souveränität zu 29 —Zweitens-sei es nur -dort-anwendbar> wo 27
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Syll. 3 780, Z. 37ff. Ubers. nach R. HELBING, Auswahl aus griechischen Inschriften, 1915, S. 73f. Zum Vorgang: R. K. SHERK, Roman Documents, S. 341 ff. Im übrigen ist Augustus bemüht, wenigstens formal die auch in Rechtssachen unabhängige Stellung der Stadt nicht zu verletzen. So spricht er von Asinius Gallus, der als damaliger Prokonsul Asiens die Untersuchung auf sein Geheiß hin betrieben hatte, als „Freund" (Z. 11) u. nicht als Prokonsul, um den Eindruck zu vermeiden,die Stadt unterstünde der Gerichtsbarkeit eines römischen Beamten. Pro. Balb. 8,19. Die Verleihung des Bürgerrechtes an Baibus durch Pompeius ohne ausdrückliche Zustimmung der Gaditaner verstieß also - auch diese Konsequenz ist unanfechtbar - contra foedus, id est contra populi Romani religionem et fidem (4,10). Das vielumstrittene fundus fieri (zu den damit aufgeworfenen Fragen J. COUSIN, in: Ciceron Discours XV, Coli. Bude, 1962, S. 218ff.) ist mit H. BRAUNERT, Der altspr. Unterricht, Reihe 9 (1966) S. 58ff.; 61 dahingehend zu definieren, daß „ein autonomer Staat eine ihm nicht gehörende Sache - hier: ein fremdes römisches Gesetz - im eigenen Staate durch einen selbständigen und unabhängigen Beschluß begründet und damit für den eigenen Staat als Norm übernimmt". Der gleiche Sachverhalt liegt, wie auch Cicero betont (8,20; 11,27), bei den civitates liberae vor. Pro Balb. 8,21: postremo haec vis est istius et iuris et verbi, ut fundi populi beneficio nostro, non suo iure fiant.
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Freiheit und provinziale Herrschai
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nachweislich nur die internen Interessen der Foederierten auf dem Spiel stehen, nicht aber dort, wo das Wohl des Imperium tangiert sei: de nostra vero re publica, de nostro imperio, de nostris bellis, de victoria, de salute fundos populos fieri noluerunt30. Die juristisch hieb- und stichfeste Beweisführung des Gegners31 wird an der Realität der römischen Herrschaftsentwicklung und den sich daraus ergebenden Normen des Zusammenlebens gemessen, die - was Cicero gewiß nicht ohne Stocken von den Lippen ging - von einem bestimmten Punkt der Herrschaftsstabilisierung jeden an überholten Faktoren orien tierten Rechtssatz zur praktischen Bedeutungslosigkeit verurteilten, was zur konkreten Folge hat, daß jede Berufung auf ihn diesen Sachverhalt nur entlarven kann. Trotz der bereits beim Abschluß klar zutage tretenden Auffassung des Vertrages als Privileg32 entwickelte sich die damit im Ansatz angelegte Aushöhlung der mit dem foedus garantierten Souveränität erstaunlich langsam33. Erst in der Kaiserzeit bleibt von der ehemaligen mit konkretem Inhalt zu füllenden Rechtsstellung der foederati in der Regel nur noch die leere Hülle, an der allein die um einen Ehrentitel besorgte Eitelkeit der Städte Erstrebenswertes fand34. Das beste Beispiel dafür sind die municipia foederata und die coloniae foederatae35, für die ein Vertragsabschluß mit Rom von vornherein irrelevant war. Daß selbst der Jurist Ulpian (50,15,1 pr.) an einer derartigen Kombination nichts Außerordentliches fand, zeigt, wie weit sich das römische Bewußtsein von den noch in der Republik vorhandenen Vorstellungen von.dem. Wert- emes-foedus entfernt hatte 36 . Auch dort, wo sich die Bewahrung spezifischer Eigenrechte einer 30 31
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Pro Balb. 8,22. Cicero hat eine Widerlegung erst gar nicht versucht, vgl. 8,20 u. 21, wo er auf der Basis des Anklägers selbst eine Reihe von Beispielen anfuhrt, aus denen ersichtlich wird, daß römische Gesetze erst durch den Beschluß einer foederierten Gemeinde dort ange nommen wurden. Kronzeugnis ist die Lex Julia des Jahres 90 v. Chr., von der Cicero sagt, qua lege civitas est sociis et Latinis data; Qui fundi populi facti non essent, civitatem non haberent (8,21). M. KÄSER, Z. Sav. Stift. R. A. 57 (1937) S. 348. Inhalt und Ausmaß der von den Foederierten behaupteten Rechte s. bei J. MARQUARDT, RStVI 2 , S. 75 f. D . NÖRR, Origo, S. 569f., Polis und Imperium, S. 60f., F. DE MARTTNO, Storia della costituzione romana IV 2, S. 675ff., G. STEVENSON, Roman Provincial Administration, S. 163 f. P. VEYNE, Latomus 19 (1960) S. 429ff. In Frage kommen Camerinum, dessen foedus noch im Jahre 210 n. Chr. erneuert wird· (CIL XI, 5631), Capena, Tarquinia und die colonia Fla via constans emerita Helvetiorum foederata. Anders F. DE MARTTNO, Storia IV 2, S. 690f.
Die foederienen Städte
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foederierten Gemeinde erkennen lassen, bedürfen sie der ausdrücklichen Anerkennung des Kaisers, die dieser auf Grund und mit Verweis auf das bestehende foedus gewährt. Der Vertrag selbst wird jedoch nur noch als beneficium verstanden 37 . Die Entwicklung bis hierhin war nicht der Endpunkt eines bewußt von Rom in diese Richtung gezwungenen Prozesses, sondern eine Summe der Faktoren, die, mit der Dauer des Imperiums bis in die feinsten Verästelun gen wirksam, die allesumspannende römische Herrschaft ausmachten und das Bewußtsein aller Beteiligten von dem Eigenwert ihrer vertrauten Welt Zug um Zug veränderten. Die aufgezeigte Anpassung der Foederierten und die damit verbundene Reduzierung der Idee von der eigenstaatlichen Qualität und der politischen Effizienz einer civitas foederata (oder libera) ist nicht nur das Ergebnis des römischen Druckes, sondern ebenso wesent lich die Folge der Einsicht der Betroffenen, daß politische Betätigung nur noch im Rahmen des Imperiums sinnvoll und daher erstrebenswert ist. Das Imperium wurde nicht mehr als zufälliges Herrschaftsgebäude be griffen, auf dessen Einsturz man geduldig zu warten hätte, sondern als notwendige Aufgabe, zu der die politisch führenden Schichten aller Städte, gleichgültig ob foederiert, frei oder unfrei, drängten. Die einzelnen Phasen des Stabilisierungsprozesses der römischen Herrschaft stehen also durch aus in einem dialektischen Verhältnis zu den Stationen der Bewußtseins bildung in den foederierten und freien Städten. Vor dem Hintergrund dieses Sachverhaltes stellt sich die abschließende Frage, ob die Einrichtung-von civkates-foederatae innerhalb^der Provinz grenzen als ein festes Substrat der römischen Herrschaft verstanden und gebraucht wurde. Dagegen spricht zunächst die geringe Zahl von foede rierten Städten, deren Konstituierung außerdem nicht als durchgängige Erscheinung bei jeder Provinzgründung beobachtet werden kann. Ent scheidend ist jedoch folgende Überlegung: (1) Die Rechtsstellung eines foederatus beinhaltet konkret das Zugeständnis einer Reihe von Rechten, die die Nutznießer aus dem Kreis der Untertanen eximieren. Die damit gewonnene Freiheitsqualität wird in der Regel durch eine die einzelnen Begünstigungen detailliert enthaltene Freiheitserklärung und nicht durch 37
D. NÖRR, Imperium und Polis, S. 61 verweist auf Amisos, dessen Vertrag auf Augustus zurückgeht (A. H. M. JONES, Greek City, S. 324 Anm. 67), in dem dem römischen Recht zuwiderlaufende Vereine durch Trajan erlaubt werden: Amisenos, quorum libellum epistulae tuae iunxeras, si legibus istorum, quibus beneficio foederis utuntur, concessum est eranum habere, possumus, quominus habeant, non impedire (Plin. ep. 10,93. vgl. die Anfrage des Plinius: Amisenorum civitas libera et foederata beneficio indulgentiae tuae legibus suis utitur; ep. 92).
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ein foedus, dessen Inhalt dazu nichts sagt, erworben. Der bei der Organi sation einer Provinz feststellbare Gegensatz zeigt sich dementsprechend nicht in der Antithese von „verbündet" und „untertänig", sondern von „frei" und „untertänig", wobei unter „frei" „verbündet" als eine spezi fische Ausprägung zu subsumieren ist. (2) Der Vertrag verliert bei seiner Anwendung im provinzialen Bereich völlig seinen ursprünglichen Zweck, die Herstellung herrschaftsfreier bundesgenössischer Hilfe, und fungiert nur noch als ein besonderes Kennzeichen römischer Wertschätzung, mit der konkrete Rechte verbunden sind, die mit dem Vertragsinhalt nichts zu tun haben und für die der Vertrag als solcher nur die rechtliche Voraus setzung schafft. Wäre der Status eines foederatus als tragende Komponente des Verhältnisses zwischen Rom und den aus der Provinz ihrer Verdienste wegen eximierten Gemeinden verstanden worden, so hätte sich der Vertrag zu einem Typus wandeln müssen, der den realen Bedürfnissen gerecht geworden wäre. Daraus folgt, daß der zweiseitig stilisierte Bundesgenossenschaftsver trag - mit dem Wegfall seiner Zweckbestimmung sinnlos geworden durch ein neues Formular hätte ersetzt werden müssen. Rom hat diesen Weg nicht beschritten, so daß die weiter bestehenden Vertragsverhältnisse soweit zu anachronistischen Relikten herabsanken, daß sie ihre inhalt lichen Stipulationen stillschweigend den Freiheitserklärungen entlehnen mußten, die im provinzialen Bereich die geeigneten Instrumente des römischen Willens geworden waren, für Rom geleistete Taten gebührend zu belohnen.. .-.. -,-— . . - , . . - .„..-.
2. Der Ausgangspunkt: Einrichtung und Rechtsstellung der civitates liberae in Sizilien In der von Cicero gegebenen Rangfolge der sizilischen Städte er scheinen die civitates sine foedere immunes ac liberae nach den foederierten Städten. Es muß dahingestellt bleiben, ob die ihnen gegebene Bezeich nung bereits der offiziellen Terminologie des ausgehenden dritten Jahr hunderts entspricht. Klar ist, daß diese Städte als Lohn für ihre Haltung in beiden Punischen Kriegen38 von den im Rahmen der lex Hieronica dem 38
Panormos war 254 nach schweren Kämpfen erobert worden (Polyb. 1,38,7-9) und im Zweiten Punischen Krieg einer der wichtigsten römischen Stützpunkte; K. ZIEGLER, RE 18 (1949) Sp. 664f. s. v. Panormos. Kentoripa blieb seit 263 treu (Diod. 23,4) und die Segestaner beriefen sich mit so großem Erfolg auf die von Aeneas abgeleitete Stammesverwandtschaft mit den Römern (Diod. 23,5), daß ihnen maximos agros atque
civitates liberae in Sizilien
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Land auferlegten Lasten befreit wurden. Dabei konnte die überlassene Freiheit der Selbstverwaltung nicht als besondere Vergünstigung ver standen werden, da sie auch den civitates stipendiariae zukam und ihre Setzung ganz andere Gründe als die Verleihung der Immunität hatte. War diese ein reines Privileg, so wurzelte jene ebenso in der Unfähigkeit der römischen Republik, einen umfassenden Verwaltungsapparat aufzubauen, wie in der vorgegebenen städtischen Struktur Siziliens, die, da nicht zer störbar, als Baustein der Herrschaft akzeptiert werden mußte. Die Bedeutung der Einrichtung von civitates liberae für die sizilische Provinz wird erst voll verständlich, wenn man diesen Vorgang eingebettet in die Gesamtordnung wertet. Die dabei verwirklichten Ziele waren, wie gezeigt, von drei Grundsätzen bestimmt worden: Erstens von der notwen digen Restitution der dedierten und eroberten Städte als autonome Gemeinwesen mit eigener Selbstverwaltung, zweitens von der der römischen Versorgungslage dienlichen Ausweitung der lex Hieronica auf die ganze Insel und drittens von der Beibehaltung der 227/5 eingerichteten Prätur, die mehr und mehr ihrer eigentlichen militärischen Aufgaben stellung entkleidet, zivil- und verwaltungsrechtliche Kompetenzen, vor allem im Hinblick auf das Funktionieren der lex Hieronica, an sich zog. In diesem Rahmen ist die Immunitätsverleihung an besonders verdiente Städte, die ihre wirtschaftliche Prosperität natürlich erheblich steigerte39, eine Ausnahmeregelung des zweiten Grundsatzes und als solche von sekundärer Wichtigkeit und von der Intention her kein eigenständiges Fer ment der Provinzialisierung. Es kanrderrr Senat nicht-primär-darauf an, in den civitates liberae eine bestimmte Städtekategorie mit klar umrissenen Rechten gegenüber der Vormacht Rom zu schaffen - wo man das wollte, hatte man einen Vertrag abgeschlossen - , sondern es ging um die Privile gierung einiger weniger, für die die Abgabenfreiheit eine adaequate Ent schädigung ihrer für Rom erbrachten Leistungen war. Als notwendige Folgerung daraus ergibt sich, daß diese civitates liberae in diesem speziel-
39
optimos (Cic. 2 Verr. 5,125; 3,92. T H . MOMMSEN, CIL X, p. 751) geschenkt wurden. Über Halaisa und Halikyai fehlen Einzelheiten. Von Halaisa berichtet Diod. 14,16,3: έν δε τοις ύστερον χρόνοις της πόλεως π ο λ λ ή ν έπίδοσιν λαμβανούσης δια τε τά$ ά π ό της θαλάττηϊ εργασίας καΐ δια τήν Οπό * Ρωμαίων δοΟεΐσαν άτέλειαν; d. h. er bringt das Aufblühen der Stadt durch ihren See handel ausdrücklich mit der von Rom gewährten Steuerfreiheit in Verbindung. Kentoripa war nach Cicero (2 Verr. 4,23,50) eine civitas totius Siciliae multo maxima et locupletissima (dazu passen die archäologischen Funde, die auf eine reiche Stadt schließen lassen). Die Formulierung ist zwar so unbestreitbar rhetorische Übertreibung, doch zeigt sie dieselbe Entwicklung der Stadt wie im Falle Halaisas. Zu Segesta vgl. Cic. 2 Verr. 5,47,125 und zu Panormos K. ZIEGLER, aaO. Sp. 665.
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Freiheit und provinziale Herrsche
im
len Fall dem römischen Herrschaftsbereich nur partiell und nicht grund sätzlich wie die civitates foederatae entzogen waren. Das zeigt sich sowohl in dem materiellen Inhalt des Freilassungs dekretes wie in den Auflagen, die den freien Städten nach ihrer Konsti tuierung gemacht werden konnten und die ihrer Rechtsstruktur nach die Existenz der Stadt zwar nicht berührten, sie aber de facto den steuerpflich tigen Gemeinden bis auf das Privileg der Immunität nach Belieben des Statthalters gleichschalten konnten 40 . Der Restitutionsakt stellte die terri toriale Integrität mit der bemerkenswerten Ausnahme her, daß von der zugebilligten Immunität ausdrücklich die Bewohner ausgenommen wur den, die das Bürgerrecht der civitas libera nicht besaßen, aber Land inner halb der städtischen Grenzen bebauten41. Dieser Satz galt auch dann, wenn der Bürger einer steuerfreien Stadt im Gebiet einer anderen ebenfalls steuerfreien Gemeinde Güter oder Pachtungen besaß42. Da die Besitzver hältnisse innerhalb der civitas libera naturgemäß variabel waren, be deutete diese Regelung, daß ihre Entscheidungsfreiheit über ihr Territorium in einem wesentlichen Punkt eingeschränkt bzw. auf die Mitwirkung bei der Durchführung der lex Hieronica im eigenen Lande reduziert war und 40
41
42
Dazu zählt zuerst die Verpflichtung zur Heeresfolge, die mit der wachsenden Macht und Ausdehnung des römischen Herrschaftsgebietes allerdings immer unnötiger wurde. Bereits Scipio hob in Sizilien 205 ex totius Siciliae iuniorum numero principes genere et fortuna equites aus (Liv. 29,1,1-11), um sich im Endeffekt dann doch mit der Ab lösung der Waffenhilfe durch materielle Leistungen zufrieden zu geben. Segesta und Kentoripa hatten noch zur Zeit des Verres ein Schiff zur Bekämpfung der Seeräuber zur Verfügung zu stellen (Cic.„2~ Verr, 5,86; -88).-In diesen, Rahmen fallen -auch -die außerordentlichen Getreidelieferungen anläßlich der Kriege im Osten, von denen die civitates liberae nicht verschont blieben. Überhaupt konnten außerordentliche Lieferun gen gegen Bezahlung (frumentum imperatum) von Rom jederzeit verlangt werden (Cic. 2 Verr. 3,72,170ff.; 77,180. 4,21,76. vgl. A. HOLM, Geschichte Siziliens im Altertum III, 1898, S. 381, V. M. SCRAMUZZA, in: T. FRANK, ESAR III, S. 255f.). Regelmäßig zu leisten waren die Hafenzölle, s. dazu S. J. DE LAET, fortorium, 1949, S. 65ff., S. ACCAME, II dominio, S. 61 f. Was das Rechtswesen angeht, so galt der Satz der lex Rupilia, daß Prozesse zwischen einem Römer und einer sizilischen Gemeinde vor dem Statthalter auszutragen waren (Cic. 2 Verr. 2,13,32), offenbar auch für die freien Städte (Cic. aaO. 2,27,66). Auf jeden Fall, das zeigt das Verfahren des Verres gegen Sopater aus Halikyai (2 Verr. 2,28,68ff., dazu W. KUNKEL, Untersuchungen zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens in vorsullanischer Zeit, 1962, S. 80), gingen die Kapitalklagen gegen Bürger freier Städte an den Statthalter. Schließlich waren Gerichts konvente der Prätoren in diesen Gemeinden möglich (vgl. Liv. 31,29,8f.), wie aus drücklich von Panormos bezeugt ist (Cic. 2 Verr. 2,26,63. 5,7,16). Bezeugt für Halikyai, Cic. 2 Verr. 3,91. 5,15; s. dazu J. CARCOPINO, La loi de Hieron, 1914, S. 212f. Vgl. die Abgabenpflicht des Panormitaners Diokles in Segesta; Cic. 2 Verr. 3,40,93, W. HÖRBERG, Die römische Provinzialverwaltung auf Sizilien, Diss. Erlangen 1966, S. 46.
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sie in den Wirkungskreis der provinzialen Finanzverwaltung einbezogen wurde43. Besagt also das Zugeständnis der Freiheit, von Cicero gleichrangig neben das Privileg der Immunität gestellt, hinsichtlich der tatsächlichen Stellung, die diese Städte innerhalb der Provinz einnahmen, wenig, so spiegelt es doch die besondere Betonung, die Rom bei der Einrichtung der Provinz auf dieses Attribut legte. Es war den römischen Politikern natürlich nicht verborgen geblieben, welche Bedeutung in der jahrhun dertelangen Auseinandersetzung zwischen Syrakus und Karthago der Begriff der Freiheit für die sizilischen Städte gewonnen hatte und wie oft in den Kämpfen des Zweiten Punischen Krieges die Griechen die Forde rung nach Selbstbestimmung ihres Schicksals gegen beide Kontrahenten erhoben und ihre Parteinahme von dem Verhalten der Feldherrn gerade in diesem Punkt abhängig gemacht hatten44. Das römische Entgegenkommen erweist sich also zunächst als ein Akt der Propaganda und der politischen Klugheit, der reale Zinsen brachte, da Rom die Mitarbeit der Beherrschten, basierend auf der bewußten An nahme der geschaffenen Machtverhältnisse, durch kein ausgebildetes und durchdachtes Instrumentarium der Herrschaftsausübung ersetzen konnte45. Die Grenzen der Freiheit der sizilischen civitates liberae setzte kein Rechts titel (er bestand nur für die Immunität), sondern die römische Einsicht in 43
44
Vgl. S. ACCAME, II dominio, S. 60f..
- So forderten z. Bv die Einwohner-von -Henna 214- den -Abzug des römischen~Stadtkommandanten L. Pinarius, si liberi in societatem, non servi in custodiam traditi esse Romanis (Liv. 24,37,6). Die Leontiner fielen nach dem gewaltsamen Ende des Hieronymos von Syrakus mit der Begründung ab, sie hätten die Befreiung von dem Tyrannen überhaupt erst ermöglicht und könnten daher den Anspruch von Syrakus auf die Rechtsnachfolge nicht anerkennen, sondern hätten ein Recht auf Bewahrung der endlich erkämpften Freiheit (Liv. 24,29,6ff.). Rom, von dem man wußte, daß es Hieron II. und damit den Bestand seiner Eparchie gestützt hatte, geriet so in den Sog des Hasses, den man in der Stadt gegen die schjirte, die die errungene Freiheit zu gefährden drohten (vgl. H. BERVE, Hieron II., 1959, S. 52f.). 45 Vgl. S. CALDERONE, aaO. S. 96ff. Im Zusammenhang mit der Neuordnung der Ver hältnisse nach dem Sieg in Sizilien kam es zu heftigen Diskussionen im Senat über die Art und Weise des Vorgehens gegen Syrakus. Eine starke Minderheit erklärte, man hätte sich damit begnügen müssen, die Tyrannis in der Stadt zu beseitigen, und im übrigen die Gesetze und die Freiheit von Syrakus wiederherstellen sollen (Liv. 26,32,2: cum tyrannis bellum gerendum fuisse . . . hostibus et Syracusanorum et populi Romani, et urbem recipi, non capi, et acceptam legibus antiquis et Übertäte stabiliri). Ein Teil der Senatsaristokratie schätzte die Wirkung einer großzügigen Politik gegen das abgefallene Syrakus auf die griechische Öffentlichkeit der Insel so hoch ein, daß man dafür auf die Bestrafung und die konsequente Ausnutzung des Sieges zu verzichten bereit war.
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den - durch die historische Entwicklung natürlich modifizierbaren - prak tischen Wert politischer Begriffe, die zwar streng genommen ihrer inhalt lichen Bedeutung nach überholt waren, jedoch dank ihrer Wirkung auf die Angesprochenen nach wie vor politisch effektiven Gehalt besaßen.
3. Der politische und rechtliche Inhalt der Freiheit in der römischen Ostpolitik (200-133 v. Chr.) a) Das Problem: Die römische Machtentfaltung und die Souveränität der Betroffenen Das Problem der civitates liberae erhält seine eigentliche Relevanz für den Prozeß der römischen Reichsbildung vor dem Hintergrund weiter gehender Fragenkomplexe, die über den sizilischen Rahmen hinaus auf die Funktion der römischen Freilassungen und Freiheitserklärungen im völkerrechtlichen wie im provinzialen Bereich abzielen. Zu fragen ist erstens danach, welchen Einfluß die in Sizilien zuerst getroffene Entschei dung, civitates liberae einzurichten, auf die römische Provinzialisierungspolitik bis zu dem Zeitpunkt, von dem an tatsächlich von einem geschlos senen System der römischen Reichs- und Untertanenstädte gesprochen werden kann, genommen hat. Damit identisch ist die Frage nach den Ver änderungen, denen der Status einer solchen Stadt unterworfen wurde, und nach der Funktion, die die Gewährung dieser privilegierten Stellung von Fall zu Fall besaß. Zweitens ist "Klarheit darüber" zu "schaffen, ob und in welchem Grade die Freiheitserklärungen im außerprovinzialen Bereich, wie sie zuerst in Illyrien 228 ausgesprochen wurden und seit 197/6 im griechisch-hellenistischen Osten ein wichtiges Instrument der römischen Politik darstellten, von den Einrichtungen sogenannter civitates liberae innerhalb der Provinzen ihrer Zielsetzung wie ihrer konkreten Wirksam keit nach zu trennen sind. Der in der Forschung in der Regel eingeschlagene Weg, nach dem konkreten Inhalt der „Freiheit" der civitates liberae zu suchen, sie prak tisch nach gewissen äußeren empirischen Merkmalen aufzuschlüsseln46, ist prinzipiell solange unergiebig, als von einer festen Reichsorganisation nicht gesprochen werden kann, sondern die Elemente, aus denen sie sich im frühen Prinzipat zusammensetzen sollte, noch dem historischen Ent46
Vgl. z . B . J. MARQUARDT, RStV P, S. 71 ff., Α. Η. Μ. JONES, in: Anatol. Stud. S. 103 ff.
Die Freiheit in der Ostpolitik
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wicklungsprozeß unterworfen sind. Was Freiheit materiell für eine civitas libera bedeutete, ist zunächst von den sich jeweils wandelnden politischen Umständen in der Entwicklung der römischen Herrschaft abhängig und damit am Einzelfall orientiert und erst innerhalb des historischen Ablaufs verständlich. Eine Angelegenheit des staatsrechtlichen Aufrisses wird die Frage erst in dem Augenblick, in dem an die Stelle des Entwicklungs prozesses die Organisation der römischen Herrschaft und ihrer Freiräume getreten ist, bzw. anders ausgedrückt: Kontinuität und Stabilität der römischen Herrschaft zur Ausbildung von Rechtsformen geführt haben. Die Restitution der illyrischen Städte 228 entließ diese ohne Einschrän kung aus dem römischen Spruchrecht und stellte zwischen den Freigelasse nen und Rom das völkerrechtliche Verhältnis der amicitia her (s. S. 53 ff.). Dasselbe gilt für die von der Freiheitsproklamation von Korinth betroffe nen griechischen Gemeinden47 und von den kleinasiatischen Städten, die im Verlauf der Neuordnung Kleinasiens nach Apameia auf Grund ihres Eintretens für Rom im Syrischen Krieg nicht den römischen Bundes genossen Pergamon und Rhodos zugeteilt wurden, sondern die Freiheit be- oder erhielten. Diese Stationen der römischen Ostpolitik sind ihrer historischen Vor aussetzung nach von der Abneigung der führenden Nobilität bestimmt, in Griechenland und Kleinasien andere als mit den Mitteln der Außenpolitik durchsetzbare Interessen zu wahren. Sie schlössen dementsprechend kon sequent mit der Herstellung völkerrechtlicher Beziehungen zu allen ehe maligen Gegnern uod^B^ejsiegteii-ali^DieuiL den .meisten Fällen zustande gekommene amicitia, im dritten Jahrhundert im außeritalischen Bereich durch Ereignisse oder Übereinkommen, die keine dauernden für die Kontrahenten wichtigen politischen Berührungsflächen schufen, ent wickelt und inhaltlich auf gegenseitige wohlwollende Neutralität begrenzt, wird im Verlauf der Kämpfe mit den hellenistischen Staaten zunehmend von der Bereitschaft der Partner, notfalls Rom militärisch zu unterstützen, abhängig gemacht. Sie bewirkte so eine der vertraglichen Bundesgenossen schaft angenäherte Bindung an Rom. Der völlige Wandel der Machtver hältnisse nach 168, eingeleitet durch die Vernichtung des makedonischen Königtums und den Machtanspruch eines römischen Senators an AntiochosIV., seine Expansionspolitik gegen Ägypten aufzugeben, führte schnell zu den Konsequenzen, die sich aus der Verbindung ungleich mächtiger Staaten auf Grund der der Macht immanenten (aber nicht not47
Vf., Struktur, S. 83ff.
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wendig bewußten) Wirkung naturgemäß ergaben. Bestimmte vor 168 noch die Wichtigkeit des Partners für die Durchsetzung der römischen Ziele den Grad seiner Abhängigkeit, so jetzt die Ausprägung des römischen Bewußt seins von den realen Möglichkeiten und Verpflichtungen der Machtaus übung. Es ist keine Frage, daß sich im Sog dieser Entwicklung das Verhältnis der früheren amici zu Rom grundlegend ändern mußte. Gegenüber der Realität des römischen Machtanspruches war jetzt das ursprüngliche Rechtsverhältnis zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Die Formlosigkeit der amicitia, bei gleichen Interessen und annähernd gleicher Machtverteilung für jeden Kontrahenten die beste Gewähr weitestgehender Freiheit und Unabhängigkeit, bewirkte das genaue Gegenteil, als die siegreichen Legionen auf griechischem und kleinasiatischem Boden die alten Macht verhältnisse beseitigt hatten. Da formal eine rechtskräftige Verpflichtung, die Souveränität der amici in allen Punkten zu respektieren, ebensowenig wie eine gleiche Interessenlage der Betroffenen existierte, gestattete gerade das am losesten konzipierte Verhältnis der amicitia praktisch jeden Eingriff und jede Forderung des allmächtig gewordenen Rom. Für die Stadtstaaten unter den amici bedeutete die Ausweitung der römischen Macht, daß sie, umgeben teils von festen römischen Einfluß zonen, teils von römischem Provinzialboden, ihre außenpolitische Souve ränität völlig verloren und ihre Politik nur auf ein Ziel ausrichten konnten: der Bewahrung der innenpolitischen Autonomie. Von der historischen Entwicklung gewissermaßen überrollt und zu anachronistischen Relikten einer politischen Szenerie degradiert, die sich gerade durch die Vielfalt und Flexibilität der politischen Möglichkeiten und Bindungen ausgezeichnet hatte, drängten sie entweder auf den Abschluß eines Vertrages, um eine verbriefte Garantie ihrer Entscheidungsfreiheit im Inneren zu erhalten, oder begannen, die der amicitia immanente libertas als realiter allein zu bewahrenden Rechtsstatus in den Vordergrund zu stellen und, wenn möglich, durch ein Dekret, eine lex oder ein SC bestätigen zu lassen. Ihren führenden Politikern konnte nicht entgangen sein, daß die in der neuen politischen Wirklichkeit liegende Antinomie von tatsächlicher Herrschaft und der Unfähigkeit, sie auch auszuüben, ausreichend Spielraum zur Er langung dieses Zieles beließ, da Herrschaft eben nur dort existent ist, wo sie auch faktisch gehandhabt wird48. 48
In Rom fand man damit noch aus einem anderen Grund offene Ohren. Bereits das Beispiel Sizilien zeigte, daß die Republik die Belohnung ihr treu ergebener Städte auch dann einer Ausweitung ihres direkten Machteinflusses vorzog, wenn der damit zu er-
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Zusammenfassend ergibt sich als Ergebnis, daß von einer bestimmten Phase der römischen Machtentfaltung an eine Gruppe von Städten, die ihr seit langem bestehendes völkerrechtliches Verhältnis zu Rom über die kriegerischen Verwicklungen des zweiten Jahrhunderts hinweg retten konnten 49 , zwar ihre äußere Entscheidungsfreiheit verloren aber innerhalb ihrer respektierten Grenzen ihre Autonomie bewahrten. Das Ausmaß der ihnen verbliebenen Freiheit ist von Fall zu Fall verschieden gewesen. b) Die Übernahme des hellenistischen Freiheitsbegriffes Der Zweite Makedonische Krieg, geführt unter dem Vorzeichen, die Freiheit der Griechen wahren zu wollen, endete mit der vertraglichen Selbstbindung Philipps V. und Roms an dieses Ziel, was die altfreien Griechenstädte anging. Die Freiheitsproklamation von Korinth und die ihr folgende Neuordnung der griechischen Verhältnisse setzten diese Politik durch die Freilassung der unter das römische Spruchrecht geratenen Staaten fort50. Während der Vertrag und das die Proklamation anordnende SC die Freiheit ganz allgemein festsetzten, fächerte die Freiheitserklärung die libertas zusätzlich in ihre entscheidenden Wesensmerkmale auf. Daraus ergibt sich51, daß Flamininus und die senatorische Zehn männerkommission erkannt haben müssen, daß Freiheit für die Griechen ein vielschichtiges Phänomen war, daß mit Tributpflicht und fremder Besatzung durchaus vereinbar war 52 und somit der Konkretisierung im Einzelfall bedurfte, um den Betroffenen das Ausmaß der zugestandenen Entscheidungsfreiheit über das eigene Schicksal klarzumachen53.
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zielende Nutzeffekt nicht mehr oder nur gering gegeben war. Diese Einstellung durch zieht wie ein roter Faden die römische Außen- und Provinzialisierungspolitik und hat wesentlich zur Erhaltung der Freiheit der alten amici beigetragen. Es spielt dabei keine Rolle, ob sie die Herstellung dieses Verhältnisses einer römischen Freiheitserklärung verdanken oder dem eigenen Entschluß, freundschaftliche Beziehun gen mit Rom aufzunehmen (ζ. Β. Lampsakos, s. u.). s. o. S. HOff.
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Grundlegend dazu A. HEUSS, Stadt und Herrscher. Formal schließt sich die Proklama tion des Flamininus eng an die Freiheitsverkündigungen hellenistischer Herrscher an; vgl. Diod. 19,61,3 (Proklamation des Antigonos an die Gesamtheit der Griechen), Polyb. 4,25,7 (Proklamation Philipps V. vor dem Bundesgenossenkrieg an die aitolischen „Untertanen**), 4,84,4f. (Philipp V. nach der Eroberung von Elis im Bundesgenossenkrieg), 15,24,2f. (Freiheitserklärung an Thasos); vgl. D . M A G I E , RRAM II, S. 828 Anm. 13, A. HEUSS, in: Hommages Preaux, 1975, S. 403ff. \ Die Übernahme des hellenistischen Stils zeigen weiter das Asyliedekret für Teos 193 (Syll. 3 601, Z. 20) und die Freiheitserklärung an Delphi 189 (R. K. SHEÄK, aaO. S. 21 ff. Α, Z. 5). Anders noch der Brief der Scipionen an Herakleia (s. u.).
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Diese Erkenntnis vertiefte das diplomatische Ringen mit AntiochosIII. vor Ausbruch des Syrischen Krieges und die Regelung der kleinasiatischen Verhältnisse nach dem Kriege. Die Neutralitätsbestimmung des Friedens vertrages legte dem Seleukiden die Verpflichtung auf, den Durchzug Rom feindlicher Truppen durch sein Gebiet und das seiner ,,Untertanen" zu verhindern, setzte also voraus, daß es innerhalb der Grenzen des seleukidischen Herrschaftsbereiches Städte mit eigenem Staatsgebiet und eigener völkerrechtlicher Personalität gab. Bei der Neuordnung Kleinasiens in Apameia verfuhr man zwar nach dem Grundsatz, allen Städten, die am Tage der Entscheidungsschlacht nach vorangegangener deditio freundschaftliche Beziehungen zu Rom aufgenommen hatten, für frei zu erklären54, d. h. man machte ihr Verhalten zu Rom zum Ferment der Regelung. Trotzdem kreisten die wochenlangen Erörterungen um den Modus des Verfahrens im Senat (Sommer 189) nicht zuletzt um die Tributverpflichtungen, die einigen Freistädten von AttalosI. und AntiochosIII. auferlegt worden waren und an deren Weg fall diese Städte natürlich ein elementares Interesse hatten55. Gleichzeitig 54
Liv. (A) 37,56,2: Lycaoniam omnem . . . et Lydiam Ioniamque extra ea oppida, quae libera fuissent quo die cum rege Antiocho pugnatum est . . . et Cariam, quae Hydrela apellatur . . . et oppida, nisi quae libera ante bellum fuissent . . . haec omnia . . . regi Eumeni iussa dari. Rhodiis . . . pars Cariae data . . . oppida . . . nisi quae eorum oppida in libertate fuissent pridie quam cum Antiocho rege in Asia pugnatum est. In diesem Punkt ist der annalistische Bericht, dem höchstwahrscheinlich das offiziöse SC über die bei der Neuordnung einzuhaltenden Richtlinien zugrunde liegt, der Version des Polybios (21,24,6f.= Liv. 37,.55>5f.. und 21,46,2f_.= Liv. 38,39,7ί..) vorzuziehen, wo nach die autonomen Städte, die vor dem Krieg Tribut an Antiochos entrichtet, im Krieg aber Rom die Treue gehalten hatten, davon zu befreien waren, während die früher dem Attalos Tributpflichtigen und diejenigen, die auf der Seite des Antiochos gekämpft hatten, an Eumenes weiter zu zahlen hatten; vgl. TH. MOMMSEN, RF 2 , S. 523f., M. HOLLEAUX, REG 45 (1932) S. 131 Anm. 1, E. BIKERMAN, Le Statut des villes d'Asie apres la paix d'Apamee, REG 50 (1937) S. 218ff., D. MAGIE, RRAM II, S. 950f., U. BREDEHORN, Senatsakten in der republikanischen Annalistik, Diss. Mar burg 1968, S. 228 ff. Die Freiheit erhielten entsprechend dem vom Senat aufgestellten Grundsatz, den die Scipionen bereits brieflich im Winter 190/89 an Herakleia am Latmos mitgeteilt hatten (Syll.3 618, Z. 10: συγχωρούμε ν δέ ΰμϊν τήν τε έλευθερίαν καθότι καΐ [ταΐς ά]λλαις πόλεσιν, δσαι ήμϊν τήν έτττΐ τροπήν 2δωκαν, εχουσιν υ[φ'αυτούς πά]ντα τά αυτώμ πολιτευεσθοπ κατά τους υμετέρους νόμους), die Städte Alexandreia Troas, Chios, Klazomenai, Kolophon, Kos, Dardanos, Erythrai, Herakleia am Latmos, Ilion, Mylasa, Milet, Phokäa, Rhoiteion, Sestos, Smyrna und Tenedos. Nicht unter die Kompetenz der Zehnmännerkommission fielen die Städte, die nicht zum Reich des Antiochos gehört hatten und ihre alte Rechtsstellung behielten (dazu E. BIKERMAN, aaO. S. 229), vgl. A. H. M. JONES, Cities, S. 52ff., D . M A G I E , RRAM I, S. 108f.
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Der in seinem historischen Bezug als falsch einzustufende Bericht des Polybios spiegelt diese für die kleinasiatischen Städte wichtigste Frage nach ihren zukünftigen Verpflich tungen, wobei es den Städten, die Antiochos nach 198 Attalos I. entrissen hatte,
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machte die Politik des Antiochos vor und die des Eumenes nach dem Kriege dem Senat deutlich, in welch entscheidendem Maße die Propagie rung der Freiheit von den politischen Vorbedingungen abhing und trotz ihrer allgemeingültigen Formulierung unlösbar mit dem Vorhandensein eines politischen Gegners, gegen den sie gerichtet wurde, verknüpft war56. Ihr unausgesprochenes, aber von allen Beteiligten als selbstverständlich hin genommenes Ziel war die Gewinnung von Bundesgenossen57 in der poli tischen Auseinandersetzung und nicht die Verwirklichung eines prinzipiell von allen angestrebten juristisch fixierbaren Status der freien Griechen städte. So wird die römische Forderung an den Seleukiden seit den Isthmien von Korinth, die Freiheit der autonomen Griechenstädte in Kleinasien nicht anzutasten58, von Antiochos seinerseits mit einer Freiheitsproklama tion beantwortet59, ohne daß damit - wie man unbefangener Weise an-
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darauf ankam, ob sie wieder in die pergamenische Tributpflicht zurückkehren mußten oder nicht. Die seit langem seleukidischen Städte sahen ihre Hoffnung auf Freiheit sowieso durch die Ansprüche des Eumenes schwinden und werden die rhodische Forderung nach genereller Freilassung lebhaft unterstützt haben. In unserem Zusammen hang ist entscheidend, daß aus dem Bericht des Polybios klar die Kompatibilität von Tribut und autonomen Status im hellenistischen Bereich ersichtlich wird; vgl. A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 106ff.; 186f. mit Verweis darauf, daß selbst zwischen σύνταξις (freiwilliger Abgabe) und φόρος (Tribut) kein exakter Unterschied erkennbar ist. Anders D . M A G I E , RRAM II, S. 829ff.; 951. Dem Senat muß dieses Faktum spätestens zu diesem Zeitpunkt klar geworden sein. Der Vertragsvorschlag des Pyrrhos an Rom (App. Samn. 10,3: Ιδίδου δ'αυτοΐς ειρήνην καΐ φιλίαν καΐ συμμαχίαν προς Πυρρό ν, εί Tapavnvous μέν ες ταϋτα συμπεριλάβοιεν, τους δ'άλλους "Ελληνας τους εν 'Ιταλία κατοικουντας ελευθέρους καΐ αυτό νομους έωεν) macht hier keine Ausnahme. Gebunden an sein Programm, für die Befreiung Großgriechenlands zu kämpfen, hing von der Durchsetzung dieses Punktes seine Machtstellung in Unteritalien ab. Deren Wert allerdings weniger in der hie und da geleisteten militärischen Hilfe lag, sondern (1) in der moralischen und propagandistischen Bedeutung ihrer zustimmenden Haltung und (2) in ihrer Kapazität als wirtschaftliche Absatzmärkte für die Produkte der hellenistischen Staaten (vgl. dazu H. BRAUNERT, Historia 13 (1964) S. 102ff.). Polyb. 18,47,1. Polyb. 20,8,1. Die Wirklichkeit sah allerdings erheblich anders aus. Antiochos ging zwar gegen die griechischen Städte mit äußerster Behutsamkeit vor, um auch nur den An schein von Knechtung zu vermeiden, gewährte im Effekt jedoch nur eine Anzahl von Vorrechten (ζ. Β. Freiheit von der Verwaltung durch königliche Funktionäre, Freiheit von Besatzung, innere Autonomie), deren Summe von der völkerrechtlichen Freiheit weit entfernt war. So rühmte Alabanda vor der delphischen Amphiktionie den König, ,,da er nach dem Vorbild seiner Ahnen der Stadt Demokratie und Frieden bewahrt habe" (OGIS 234, Z. 19ff.), und Jasos dankte für die Gewährung von „Demokratie und Autonomie" (OGIS 237; in die Stadt wird eine syrische Garnison gelegt: Liv. 37,17,3), ohne daß die Freiheit mit einem Wort erwähnt worden wäre. Vgl. Η. Η . SCHMITT, Untersuchungen zur Geschichte Antiochos* des Großen und seiner Zeit, 1964,
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nehmen sollte - in irgendeiner Weise eine Annäherung der Standpunkte zustande gekommen wäre. Die tatsächliche Freiheit der kleinasiatischen Städte war eine Frage von sekundärer Wichtigkeit. Entscheideiid für Antiochos und für Rom war, hier eine politische Waffe gefunden zu haben, mit der der Gegner als Unterdrücker der griechischen Freiheit gebrandmarkt werden konnte und damit in den angesprochenen Städten und in Griechenland jeden Kredit verlieren sollte. Worauf es ankam, war, wer für sich in Anspruch nehmen konnte, der „Befreier" zu sein60, woraus sich dann selbstverständlich die politische Stellungnahme der betroffenen Städte ergab. Waren sich in dieser Phase der Auseinandersetzung Rom und Eumenes über die Freiheit der kleinasiatischen Städte noch einig61, so änderte sich nach dem Sieg die Lage für den Pergamener grundlegend. Gegen die rhodische Forderung, die Freiheitspropaganda vor dem Krieg jetzt kon sequent in die Tat umzusetzen, beschwor er im Sommer 189 den Senat, diesen Grundsatz aufzugeben, da er sonst befürchten müsse, nicht nur die zu befreienden Städte zu verlieren, sondern auch die zu seinem Reich gehörenden, die ihre Hoffnung auf Unabhängigkeit im Zuge der all gemeinen Befreiung zum Abfall treiben könnte62. Die völlig veränderte politische Konstellation in Kleinasien richtete jetzt die politische Waffe der Freiheitserklärung gegen den Monarchen, der als einziger Beherrscher griechischer Städte übriggeblieben war und für den die Fortführung der Freiheitspolitik jetzt politischer Selbstmord gewesen wäre 63 . Das Dilemma,-iii das diese neue Situation die-römische Politik versetzte, war nahezu unlösbar und nur, weil Rom der unangefochtene
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S. 96 ff. Demgegenüber konnte es seinen wohlberechneten Eindruck nicht verfehlen, als Rom 193 der Stadt Teos neben der Asylie auch die Freiheit von Tributleistungen zugestand (Syll. 3 601, Z. 20ff., R. K. SHERK, Roman Döcuments, S. 214ff.) und damit klarmachte, daß es im Gegensatz zur seleukidischen Praxis nicht daran dachte, irgendwelche Leistungen von den kleinasiatischen Städten zu verlangen. So ist der Jubel in Kleinasien nach dem römischen Sieg erklärlich, glaubten sich doch die einen ,,der Abgaben, die anderen der Besatzungen, alle aber der königlichen Prostagmata ledig" (Polyb. 21,41,2). Polyb. 18,51,9 (zu den Verhandlungen in Lysimacheia). A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 226 f. Diesen Grundsatz hatte Antiochos bereits 196 den um ihre Freiheit bangenden Städten klargemacht, in dem er ihnen mitteilen ließ, brevi quod peterent habituros, sed cum satis et ipsis et omnibus aliis apparent,· ab rege impetratam eos libertatem, non per occasionem raptam habere (Liv. (P) 33,38,5). Liv. (P) 35,17,1. Bereits Attalos hatte im Zweiten Makedonischen Krieg diese Politik vertreten; Polyb. 18,41,9. Polyb. 21,19,8. A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 242, RG, S. 110.
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Sieger war, nicht obendrein gefährlich. Gleichgültig wie der Senat ent schied, er geriet entweder mit Pergamon, Rhodos oder den eigenen seit den Isthmien von Korinth proklamierten Grundsätzen in Konflikt64. Die schließlich gefundene differenzierende Lösung, im Grunde nur ein ge schicktes Ausweichen vor den von den Beteiligten aufgeworfenen Fragen, war ein Kompromiß, der viele Hoffnungen enttäuschte. Rom bekam also selbst die Gefährlichkeit der von ihren historischen Bedingungen nicht zu trennenden Freiheitserklärung zu spüren, ohne allerdings im Verlauf seiner weiteren Ostpolitik daraus irgendwelche Konsequenzen ziehen zu müssen. Dafür sorgte nicht der politische Weitblick der römischen Führungs schicht, sondern die Macht der Legionen. Das historisch relevante Ergebnis dieser von der hellenistischen Frei heitspolitik wesentlich beeinflußten Phase des römischen Ausgreifens in den Osten ist die tiefgreifende Veränderung der Machtverhältnisse und die im Senat wachsende Einsicht, daß die Freiheit, wie sie in der hellenisti schen Staatenwelt als Mittel der Politik gehandhabt wurde65, die nach Apameia und Pydna unbestrittene römische Vormachtstellung nicht über dauern konnte. Mit der Konsolidierung der äußeren Herrschaft, die kein hellenistischer Staat erreicht hatte, entzieht sich die Anwendung der Frei heitserklärung durch Rom der Abhängigkeit von historisch wechselnden Bedingungen. Sie wird ein Teil der von Rom lange nicht ergriffenen, ihm aber kraft seiner Existenz aufgezwungenen Aufgabe, einen völker- oder staatsrechtlichen Status für eine Städtekategorie zu finden, die zwar inner halb des eigener* Machtbereiches, aber außerhalb der direkten Machtaus übung stand. *4 Liv. (P) 34,58,7. Vgl. PSDECH, La methode historique de Polybe, 1964, S. 229, E. WILL, Histoire politique du monde hellenistique II, 1967, S. 193ff. Dieses Dilemma wurde um so fataler - und hier auch von schwerwiegenden Konsequenzen begleitet - , als Philipp V. daran ging, seine als Bundesgenosse gemachten Eroberungen seinem Reich zu inkorporieren, in Thrakien Ainos und Maroneia zurückgewann und in den Ver handlungen von Thessalonike (Juni 185) dieselben Gründe wie Eumenes gegen die rö mischen Befreiungsabsichten vorbrachte (Liv. 39,28,1. F. W. WALBANK, Philip V of Macedon, 1940, S. 232ff.), ohne daß der Senat aus Mißtrauen gegen den König diese Argumentation anerkannte. 65 Auch diese abschließenden Bemerkungen basieren auf der Beurteilung der Beziehungen zwischen Stadt und Herrscher im Hellenismus, wie sie A. HEUSS gegeben hat. Seine Auffassung fand die entschiedene Gegnerschaft von E. BIKERMAN, Rev. de Phil. 13 (1939) S. 335ff„ H. BENGTSON, DLZ 69 (1939) S. 561 ff. und F. DE MARTINO, Gostituzione II, S. 318 f. Einen vermittelnden Standpunkt nehmen C. PREAUX, Recueil de la soc. J. Bodin VI, 1954, S. 69ff., D. MAGIE, Studies in Honor of W. Prentice, 1941, S. 173ff. und V. EHRENBERG, Der Staat der Griechen2, 1965, S. 230ff. ein. Forschungsüberblick bei H. BRAUNERT, Saeculum 19 (1968) S. 60ff.
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In der hellenistischen Staatenwelt war der Freiheitsbegriff spezifisch im Kräftespiel der Großmächte verankert und dementsprechend von vorn herein nicht dazu geeignet, zu einer juristisch brauchbaren Abgrenzung zwischen unabhängigen und untertänigen Städten zu führen. In der Geschichte der römischen Machtentfaltung wird er dagegen zu einem Ferment staatlicher Organisation, worüber die Tatsache, daß die führende Nobilität dazu lange Zeit nicht bereit war, nicht hinwegtäuschen darf. Das geregelte Nebeneinander von autonomen und nicht autonomen Städten innerhalb eines Machtbereiches wird also erst in dem historischen Augenblick möglich, in dem das Problem der Freiheit seine Abhängigkeit von jeweils wechselnden politischen Zielen und Konstellationen und damit seine politische Sprengwirkung verlor. Es ist daher von vornherein nicht möglich, Rom als den Rechtsnachfolger der hellenistischen Herrscher zu begreifen und von hier her die Rechtsstellung der civitates liberae und der civitates stipendiariae genetisch und strukturell aufzuhellen (ganz abge sehen davon, daß die bisherige Klärung der hellenistischen Herrschafts prinzipien noch eine Reihe von wichtigen Fragen offenläßt)66. Beiden historischen Phasen, in denen nach den leitenden Ordnungs gedanken der Herrschaft gefragt werden muß, ist allerdings das Problem gemeinsam, ob und wie lange die als frei anerkannten Städte als selbstän dige politische Einheiten (d. h. nicht nur als Selbstverwaltungssprengel) verstanden wurden oder ob die Entwicklung zur Ausbildung einer staats bildenden Konzeption geführt hat, in der die freie Stadt keine Funktion mehr besaßund'verschwinden mußte. —■ ----c) Freiheit und Hegemonie: (1) Die kleinasiatischen Städte bis zur Provinzialisierung Asiens An den in Apameia getroffenen Entscheidungen hat Rom, sieht man von den das Prinzip nicht durchbrechenden Korrekturen nach 168 einmal 66
So etwa E. BIKERMAN, Hermes 67 (1932) S. 59f., Α. Η. Μ. JONES, in: Anatol. Stud., 1939, S. 106ff., F. CERUTI, I Greci cTAsia nella politica romana, Epigraphica 17 (1955) S. 113ff.; 142. Wie wenig dienlich Vergleiche zwischen den freien Städten im helle nistischen und römischen Machtbereich sind, zeigt etwa H. BENGTSON, Die Strategie in der hellenistischen Zeit II, 1944, S. 218, der unter Berufung auf G. DE SANCTIS, Riv. di Fil. 53 (1925) S. 77 die Rechtsstellung der nach Apameia dem Attalidenreich zugeord neten Städte mit den civitates liberae sine foedere in den römischen Provinzen ver gleicht. Wesentlich naheliegender wäre - wenn überhaupt - ein Vergleich mit den civi tates stipendiariae, wenn man mit BENGTSON (S. 226) schon davon ausgeht, daß diese Städte „zunächst grundsätzlich den Organen der allgemeinen Territorial Verwaltung unterstellt gewesen sind".
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ab 67 , bis zur Provinzialisierung Asiens zäh festgehalten68. Die freien Städte waren ihrer Rechtslage nach souverän, wobei der Begriff als juristische Qualität verstanden werden muß und tatsächliche Einschränkungen im praktischen Gebrauch dieser Fähigkeit auf Grund des bestehenden Macht gefälles nicht berührt. Konkret ist damit gesagt, daß diese Städte als Völkerrechtssubjekte Verträge abschließen konnten 69 , eigene Münz67 167 wurden die karischen und lykischen Städte, die 188 an Rhodos gefallen waren, und Stratonikeia und Kaunos für frei erklärt (Polyb. 30,5,12; E. MEYER, Die Grenzen der hellenistischen Staaten in Kleinasien, 1925, S. 147), eine Entscheidung, die rein poli tische Gründe hatte und rechtlich nicht legitimiert war (dazu A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 106ff., Stadt und Herrscher, S. 184ff., Η. Η. SCHMITT, Rom und Rhodos, 1957, S. 93ff.)· Es fehlte natürlich auch nicht an mißverständlichen Auslegungen der Neu ordnung von Apameia, die den Senat des öfteren zur Interpretation zwangen. So wurden Gesandte der karischen Stadt Apollonia am Salbakos (L. und J. ROBERT, La Carie2 (1954) S. 303 ff. Nr. 167), der lykischen Gemeinde Araxa (G. E. BEAN, Notes and Inscriptions from Lycia, JHS 68 (1948) S. 46ff. Nr. 11) und aus Alabanda (M. HOLLEAUX, REG 11 (1898) S. 258ff., H. H. SCHMITT, aaO. S. 87f.) bereits um 188 in Apameia bzw. Rom vorstellig, um ihre Zuweisung an Rhodos rückgängig machen zu lassen. 177 erreichte eine Gesandtschaft der Lykier in Rom die Absendung einer Senatsgesandtschaft an Rhodos, die die Ordnung von Apameia anhand der Kommissions akten neu auslegte und erklärte, die Lykier seien den Rhodiern „nicht έν δωρεά, sondern als Freunde und Bundesgenossen gegeben worden** (Polyb. 25,4,5. Liv. 41,6,11 f.), was wiederum rhodische Recherchen in Rom auslöste (Polyb. aaO.; 6,1). 135 berief sich Samos in einem seit Jahrhunderten schwelenden Grenzstreit mit Priene auf die Entscheidung des Vulso und der Zehnmännerkommission, ohne allerdings damit im Senat durchzukommen, der in diesem Punkt die Ordnung von Apameia für rechts ungültig erklärte und Priene das umstrittene Gebiet zuteüte (I. von Priene, 41-42, R. K. SHERK, Roman Documents, S. 54ff.). Zweifellos vermitteln diese Zeugnisse nur einen -flüchtigen -Einblick in-die nach Apameia dem Senat gestellten Probleme; vgl-.F. CERUTI, Epigraphica 17 (1955) S. 134ff. 68 D . MAGIE, RRAM I, S. 111 ff., Α. Η. Μ. JONES, Cities, S. 52ff. 69 Vgl. die Isopolitieverträge zwischen Milet und Pedasa (176/5: Milet I 3, nr. 149), Milet und Apollonia am Rhyndacus (Milet I 3, nr. 155, Α. Η. Μ. JONES, The Greek City, S. 36f.) und Priene und Bargylia (I. von Priene, nr. 47). 173/2 schloß Milet einen Vertrag mit Herakleia am Latmos (Syll.3 633), aus dem hervorgeht, daß beide Städte wiederum mit Rhodos verbündet waren (Z.35f.: μηθέν υττεναντίον πρασσόντων των δήμων τήιπρ05*Ροδίο^συμμαχίαι). Zu vertraglichen Beziehungen Mylasas mitkre tischen Städten s. SGDI 5157-5164, Inscr. Cret. IV, nr. 177-178. Ein Koinon bildeten Mytilene, Eresus, Methymna und Amissa (IG XI 4, 1064, L. ROBERT, REG 38 (1925) b. 38f., S. ACCAME, Riv. di Fil. 74 (1946) S. 104f.). Mylasa schließlich erreichte den Zusammenschluß der ihm benachbarten Gemeinden unter seiner Herrschaft (D. MAGIE, RRAM II, S. 908 Anm. 130 u. 131). Vgl. T. R. S. BROUGHTON, Roman Asia, in: T. FRANK, ESAR IV, S. 509, F. CERUTI, Rend. Ist. Lomb. 91 (1957) S. 696, D. MAGIE, RRAM I, S. 112 f.
Auch nach 133 blieb das Vertragsrecht erhalten. So bereinigten die Städte Sardis und Ephesus ihre Differenzen unter dem Prokonsulat des Q. Mucius Scaevola auf vertrag lichem Wege (98/97 oder 94/93, OGIS II, 437, L. ROBERT, REA 62 (1960) S. 342ff., R. K. SHERK, Roman Documents, S. 256ff.). Bezeichnend an diesem Vorgang ist, daß Mucius Scaevola diese Lösung selbst inaugurierte, also einmal die völkerrechtliche
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prägung und eigene Administration besaßen, von jeder Tributleistung frei waren und den Titel amicus et socius führten70, jedoch generaliter die Richtlinien ihrer Außenpolitik auf die römischen Ziele hin auszurichten hatten71. Im Grunde war ihr Leben nach dem Sieg der westlichen Großmacht sorgenfreier geworden, da Rom sich als Hüter und Wahrer ihrer Freiheit verstand und die Sicherung ihrer inneren und äußeren Existenz über nommen hatte72, ohne wie Antiochos III. (und die hellenistischen Monar chen überhaupt) in diesem Raum eigene Macht- und Wirtschaftsinter essen - außer der Erhaltung des Gleichgewichts der Kräfte - zu verfolgen, woraus sich gerade die Abhängigkeit der Freiheit von der jeweiligen politischen Konstellation ergeben hatte. Die Präsenz der römischen Macht im Bereich der freien Städte findet dementsprechend ihren sinn fälligen Ausdruck in vier Faktoren, deren gemeinsames Kennzeichen der fehlende inhaltliche Bezug auf das Rechtsverhältnis ist. (1) In allen kritischen Momenten der römischen Ostpolitik war es für die freien Städte unumgänglich, ihre Loyalität in Rom zu versichern und das bestehende Amicitiaverhältnis bei dieser Gelegenheit erneuern zu lassen. So strömten z. B. bereits vor dem Sieg von Pydna die Abord nungen nahezu sämtlicher griechischer Staaten in Rom zusammen, um ihre Verdienste in diesem Krieg vor dem Senat gebührend ins Licht zu rücken
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Form der Regelung, durchaus guthieß,-zum, anderen aber .durch sein Eingreifen keinen Zweifel daran ließ, daß das römische Interesse Unruheherde innerhalb der Provinz grenzen nicht zuließ. Zur Münzhoheit siehe D . MAGIE, RRAM I, S. 115, F. CERUTI, aaO. S. 696f., M. ROSTOVTZEFF, in: Anatol. Stud., 1939, S. 295 Anm. 1, L. ROBERT, Monnaies antiques en Troade, 1966 (zu Alexandreia Troas und Ilion). Vgl. OGIS441, Z. 25ff.; 65ff., 455, Z. 14f., Syll.3 674, Z. 36ff., 679, Z. 4lff., 688, Z. 4ff.; 7ff., 705, Z. 6ff., 55f., 785, Z. 17f., IGRR IV, 262, Z. 3ff., 1028, Z. 4ff., IG IV l 2 , 63, Z. 3ff., Inscr. Cret. III, 410, Z. 3; 10ff., R. K. SHERK, Roman Documents, S. 63ff., Z. 2ff., Liv. 29,19,7ff. Inhaklich ist dieser Titel auf die amicitia zu reduzieren und besagt nichts weiter als bestehende freundschaftliche Beziehungen, deren Aktualisierung von Fall zu Fall anders aussehen konnte. Der 180/79 zwischen Pharnakes und Pontos und Chersonesos geschlossene Epimachievertrag (IPE I 2 402 = Ε. Η. MINNS, Scythians and Greeks, 1913, S. 646, nr. 17a) enthält als Selbstverpflichtung beider Vertragsgegner die Klausel την τε irpos * Ρωμαίους φιλία ν διαφυλασσόντων (Ζ. 3f.; 25f.), d. h. beide haben die Ausrichtung ihres zukünftigen Handelns nach den römischen Wünschen zur Maxime ihrer Politik erhoben. Vgl. E. BADIAN, FC, S. 112. So erzwang ζ. Β. die römische Dreiergesandtschaft, die 154 den Krieg zwischen Attalos H. und Prusias II. beendete, die Aufnahme eines Artikels in den Friedensvertrag, der Prusias eine Entschädigung für die Verwüstung des Gebietes von Methymna, Aigai, Kyme und Herakleia auferlegte; Polyb. 33,13,8.
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und um an ihrer Treue keinen Zweifel aufkommen zu lassen73. Worauf es letztlich ankam, zeigt die Nachricht, daß Lampsakos darum bat, ut in amicitiam populi Romani reciperentur (§ 9), und daraufhin in das Verzeich nis der römischen socii aufgenommen wurde (formulam referre)74, d. h. die offizielle Bestätigung seines Status und seiner freundschaftlichen Bezie hungen zu Rom durch ein SC oder durch ein Dekret erhielt, auf Grund dessen die Eintragung in die formula amicorum75 erfolgte76. Den feier lichen Rahmen dieses für die griechische Gemeinde höchst bedeutsamen Augenblickes bildete ein Opfer auf dem Kapitol, die Publizierung des her gestellten Rechtsverhältnisses auf einer ehernen Tafel, die im Kapitol auf gestellt wurde, und die Einschreibung des veranlassenden SC in das Ärar 77 . Verstanden wurde der ganze Vorgang von beiden Beteiligten als das, 73
Liv. (A) 43,6,1 ff. Gab es keine Leistungen zu berichten, so galt es, die Bereitschaft z u zukünftiger Unterstützung glaubwürdig zu machen: Milesii nihil . . . praestitissent memorantes, si quid imperare ad bellum senatus vellet, praestare se paratos esse policiti s u n t (§ 4). 74 Liv. aaO. 10. Cic. 2 Verr. 1,32,81. 75 D a z u eingehend D . KIENAST, Z. Sav. Stift. R. A . 85 (1968) S. 388 ff. 76 W a r dieses Ziel einmal erreicht, so galt die Position der freien Stadt als so gefestigt, daß daraus auch in Bagatellfällen Kapital zu schlagen war. So erneuerte ζ. Β. das kretische Hierapytna 112 in einem Streit mit Itanos vor dem Senat seine amicitia et societas und machte gleichzeitig darauf aufmerksam, daß dieser Status den Itaniern und Knossiern nicht gewährt worden sei (Inscr. Cret. III 4, nr. 10, S. 91 ff.; 106, Z. 11. R. K. SHERK, Roman Documents, S. 78 ff.). In diesem konkreten Fall blieb das durch sichtige Manöver erfolglos, doch läßt sich unschwer vorstellen, was es bedeuten mußte, w e n n ein Staat- der -römischen-.Ungnade sicher sein konnte.- Dies hat niemand ein dringlicher demonstriert als der bithynische König Prusias, als er nach Pydna vor rö mischen Gesandten in der Kleidung eines römischen Freigelassenen erschien und sich im Senat vor den versammelten patres auf den Boden warf (Polyb. 30,18,1 f.). Die verächdiche Kritik des Polybios an diesem Manne, der die Wirkung seines Verhaltens durchaus richtig eingeschätzt hatte und als Freund des römischen Volkes trotz seiner im Krieg gezeigten Passivität heimkehrte, zeugt eher von dem politischen Unverstand des Achäers als v o n der „Unmännlichkeit" des Bithyniers, der weniger für seinen guten R u f in den Geschichtsbüchern als für die Erhaltung seines Königreiches zu sorgen hatte. 77 S C de Mytilenaeis (Syll. 3 764 Col. b, Ζ . 2 0 ί ί . ) : χ ά ρ ι τ α φ ι λ ί α ν σ ν μ μ σ χ ί α ν ά ν α ν ε ώ σ α σ θ α ι , ά ν δ ρ α ς α γ α θ ο ύ ς καί φίλους π ρ ο σ α γ ο ρ ε ο σ α ι , έν Κ α π ε τ ω λ ί ω ι θ υ σ ί α ν π ο ι ή σ α ι έξεϊναι, ά τε αύτοΐς π ρ ό τ ε ρ ο ν Οπό σ υ γ κ λ ή τ ο υ φ ι λ ά ν θ ρ ω π α σ υ γ κ ε χ ω ρ η μ έ ν α ή ν, τ α ύ τ α §ν δ έ λ τ ω ι χ α λ κ ή ι γ ε γ ρ α μ μ έ ν α π ρ ο σ η λ ώ σ α ι έξεΐναι, ό τ α ν Θέλωσιν. (Vgl. das SC de Thasiis Col. II (E 4 - 8 ) , C . D U N A N T - J . POUILLOUX, Recherches sur PHistoire et les cultes d e Thasos II: fitudes thasiennes V , 1958, S. 43). Ebenso wird bei der Aufnahme von Privatpersonen in die römische amicitia verfahren: Das SC de Asclepiade aus dem Jahre 78 weist die Konsuln an, drei griechische Kapitäne, die im Bundesgenossenkrieg mit R o m gekämpft hatten, in die formula amicorum eintragen z u lassen und ihnen die Möglichkeit eines Opfers auf dem Kapitol und die Aufstellung einer Bronzetafel zu geben: Uteique . . . consules . . . videretur eos in ameicorum formulam referundos curarent, eisque tabulam aheneam amicitiae in Capitolio ponere remque deivinam facere
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was er seiner formalen Struktur nach auch war: als einseitiger Akt, der den Willen des stärkeren Partners bezeugen sollte, das gewährte völkerrecht liche Verhältnis ernst zu nehmen. ) (2) Im Kriegsfall waren die römischen Heerführer so zu unterstützen, wie man das von einer verbündeten Gemeinde erwartete. Dazu gehörte die Stellung von Truppen, Schiffen, Belagerungsmaterial, Geld und Ge treide 78 . Einquartierungen römischer Verbände galten als selbstverständ lich, wenn sich der Krieg im Gebiet der civitates liberae abspielte oder die Legionen zum ÜberwinBern in Übersee zwang. Alle diese Verpflichtungen waren durchaus mit der Freiheit verträglich, da sie zeitlich begrenzt blieben und der Erreichung eines Zieles dienten, zu dem die civitates liberae durch ihre amicitia zu Rom grundsätzlich ihr Einverständnis gegeben hatten. (3) In Streitfällen mit anderen Staaten war es in der Regel unvermeid bar, Rom als Schiedsrichter anzurufen, oder wenigstens seine Zustimmung bei der Festsetzung eines Schiedsgerichtes einzuholen. Bereits der Frie densvertrag mit Antiochos macht diesen Anspruch Roms deutlich. Er ver pflichtete den König, gegen Europa und die Inseln nur einen Verteidi gungskrieg zu führen und in einem solchen Fall die gegen ihn kriegführen den Mächte weder zu unterwerfen noch in eine amicitia aufzunehmen. Die strittigen Probleme mußten einem Schiedsgericht vorgelegt werden79, in dem angesichts der dominierenden Rolle Roms nur der Senat gesehen werden kann. Diese Rolle war für die römischen Diplomaten ausge sprochen neu, da-jdie-ierritorialen-Verhältnisse- in Italien in der Regel stabil und im übrigen im Verlauf der kriegerischen Eroberung und Organisation
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79
liceret (CIL I 2 , 588, Z. 12 f. Lat. R. K. SHERK, Roman Documents, S. 124ff.); vgl. L. GALLET, RHDFE 16 (1937) S. 262f., CH. DIEHL-G. COUSIN, BCH 9 (1885) S. 464 Anm. 2, P. FOUCART, Mem. de l'Acad. des Inscr. et Belles-Lettres 37 (1906) S. 333 (SC de Thisbe). Die Erlaubnis zur Aufstellung derartiger Inschriften ist also Ausdruck der hergestellten amicitia (vgl. auch die Weih- und Dankinschriften asiatischer Städte und Könige bei A. DEGRASSI, Inscr. Lat. lib. reip. I, nr. 174-181, S. 114ff.). Das Ver fahren deckt sich weitgehend mit dem, das wir bei der Publizierung der foedera des zweiten Jahrhunderts kennen. Während in Rom der eigentliche Vertragstext auf eherne Tafeln gegraben und das diesen Akt anordnende SC nur dem Ärar zugeleitet wurde, war die griechische Gemeinde vor allem an diesem SC in der richtigen Erkenntnis interessiert, hier die entscheidende Willenserklärung Roms in der Hand zu haben. Vgl. zum Dritten Makedonischen Krieg etwa Liv. 43,6-8. Zu den Leistungen der freien Städte im Aristonikosaufstand s. Syll. 3 694, Z. 15ff., D . M A G I E , RRAM I, S. 49f.; 159f.; II, S. 1038ff., M. ROSTOVTZEFF, GWHW II, S. 637f. Noch in der Zeit des Tiberius wurde aus diesen Hilfeleistungen politisches Kapital geschlagen, vgl. Tac. Ann. 4,56 (zu den res gestae der Stadt Smyrna). Polyb. 21,43,24-26. Die gegebene Deutung dieser Bestimmung ergibt sich aus der Über setzung des Livius (38,38,16-17), vgl. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 443.
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Italiens von Rom ein für allemal festgesetzt worden waren. Im hellenisti schen Bereich dagegen bewirkten die fluktuierenden Machtverhältnisse, daß das völkerrechtliche Schiedsverfahren seinem Umfang nach einen notorischen Aufschwung nahm* und Rom beinahe zwangsläufig dazu brachte, die wichtigsten Verfahren an sich zu ziehen, um sein Bemühen um stabile Verhältnisse in den befreiten Gebieten nicht unter der Hand torpediert zu sehen 80 . Diese nicht uneigennützig selbstgewählte Aufgabe bedingte das Amt des Schiedsrichters, das die hellenistischen Könige sehr selten ausgeübt haben81, da für sie eine Stabilisierung der Verhältnisse in den freien Städten - im Gegensatz zu Rom - solange wenig erstrebenswert war, so lange sie im politischen Gegeneinander die freien Städte als moralische, wirtschaftliche und politische Bundesgenossen anvisierten und dafür weder wunschlose noch verärgerte Städte brauchbare Objekte sind. Formalrechtlich gesehen weisen alle Merkmale das Verfahren als völkerrechtliches aus: Zum einen erfolgte der Zusammentritt des römi schen Schiedsgremiums nur für den bestimmten Einzelfall und nach dem Willen der streitenden Parteien, zum anderen unterlag die Zuständigkeit des Schiedsgerichtes nicht seiner eigenen Beurteilungsbefugnis sondern der freiwilligen Unterwerfung der streitenden Städte. (4) Mit der Weihung eines Tempels zu Ehren der Roma, der Einrich tung eines dazugehörenden Kultes oder Agons sowie durch Dedikationen zu Ehren römischer Großer machten die freien Städte augenfällig, daß sie die Überlegenheit Roms- anerkannten, -seine Rolle als die eines Anwaltes, der über ihre Freiheit und Sicherheit wachte, akzeptierten, und bereit waren, die Gegenwart des römischen Willens auch im täglichen städtischen Leben sinnfällig zum Ausdruck zu bringen82. Die regelmäßig abgehaltenen religiösen Zeremonien kamen nach außen und innen einer politischen Demonstration für Rom gleich - besonders 80
81 82
Die einzelnen römischen Entscheidungen sind hier nicht aufzuzählen, s. dazu F. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, S. 343ff., Μ. Ν. TODD, International Arbitration amongst the Greeks, 1913, A. PASSERINI, Athenaeum N. S. 15 (1937) S. 26ff., C. PHILIPPSON, The International Law and Custom of Ancient Greece and Rome II, 1911, S. 152ff., S. ACCAME, II dominio, S. 38; 69ff., D. MAGIE, RRAM I, S. 113f.; II, S. 964f. Anm. 84 u. 85, F. CERUTI, Epigraphica 17 (1955) S. 136ff., Rend. Ist. Lomb. 91 (1957) S. 699ff., R. K. SHERK, Roman Documents, S. 44ff.; 49ff.; 54ff.; 78 ff. A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 143 f. Vgl. R. J. MELLOR, Dea Roma. The Worship of the Godess Roma in the Greek World, 1975, A. DEGRASSI, Le dediche di popoli e re asiatici al Popolo Romano e a Giove Capitolino, Bull. Comm. Arch. Comun. di Roma 74 (1954) S. 19ff. Zu den Dedi kationen zu Ehren römischer Magistrate s. etwa IGRRIV, 1049, Syll.3 616, 617, 649, 650.
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dann, wenn (wie z.B. in den ersten Jahren des Mithradatischen Krieges) die römische Vormachtstellung ins Wanken geraten war und es galt, seine Treue unter Beweis zu stellen. Die senatorischen Diplomaten haban den primär politischen Effekt dieser religiösen Einrichtungen, die bei weiter Verbreitung um so nachhaltiger wirken mußten und in Ansätzen ein Gefühl der Zusammengehörigkeit vermittelten, nach Kräften gefördert und jede Tempelgründung anderen (z.B. militärischen) Hilfeleistungen gleichgesetzt83. Im Grunde knüpften sie damit nur an eine traditionelle Formelsprache an, die sich im Herrschaftsbereich der hellenistischen Könige wie später im Prinzipat im Herrscherkult artikulierte und nicht mehr und nicht weniger als die politische Loyalität verbürgen sollte84. d) Freiheit und Hegemonie: (2) Die mutterländischen Griechenstädte Es liegt in der Natur der Sache, daß die römische Politik im Osten vor der Einrichtung von Provinzen gegenüber den befreundeten Städten keine einheitliche Linie verfolgt hat, sondern versuchen mußte, den Gegeben heiten jeweils neu Rechnung zu tragen. So können die in Kleinasien fest stellbaren Maximen notwendig nur einen Ausschnitt dieser Politik auf zeigen und grundsätzlichen Charakter nur insofern beanspruchen, als sie die völkerrechtliche Form der Beziehungen klarmachen. Innerhalb dieser Voraussetzung waren jedoch Modifikationen möglich, deren Motivierung und konkrete Ausprägung wenigstens dort verdeutlicht werden soll, wo sie paradigmatische Züge tragen. Die" illyrischen Städte, 228 noch als amici 83
84
Liv. 43,6,5. Tac. Ann. 4,56. Wie nachhaltig die Rom-Kulte das Bewußtsein der Bürger beeinflussen mußten, zeigt der milesische Festkalender am deutlichsten, der an jedem Monatsersten ein Opfer an das römische Volk und die Roma vorschrieb, zwischendurch besondere Opfer oder Feste einschob, die die städtischen Behörden strikt zum Opfer anhielt und nicht zuletzt die heranwachsende Generation zur Teilnahme zwang, vgl. BCH 49 (1925) S. 232f.: νικήσαντα Ήραϊα παίδο^ [στάδιον, *Ρω]μαϊα τά έμιλήτωι παϊδα.5 [στάδιον καΐ] δίαυλον, "Ηρηι. F. HILLER VON GAERTRINGEN, RE 15 (1932) Sp. 1611 s. v. Miletos. So war der städtische Herrscherkult in den hellenistischen Reichen nicht Ausdruck der Überzeugung, der übergroßen Macht des Königs huldigen zu müssen, sondern ent sprang ganz konkreten Leistungen der Herrscher für die Städte, die daraufhin ihrerseits im Kult dokumentierten, daß sie auf die Beschützerrolle des Monarchen angewiesen und ihm dafür dankbar waren; vgl. C H . HABICHT, Gottmenschentum und griechische Städte, 1956, S. 222ff.; pass. Die politischen Erwartungen, die an die Einrichtung des Königskultes und der damit demonstrierten Loyalität geknüpft waren, zeigen ζ. Β. die Ehrenbeschlüsse des ionischen Koinon zum Geburtstag Antiochos I. (268/2), in denen das ganze Repertoire des Kultes ausgebreitet wird, um den König abschließend zu ermahnen, für die Erhaltung der Eleutherie und Demokratie der im Koinon ver einigten Städte weiter zu sorgen (OGIS 222, Z. 13ff.).
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ohne jede andere Verpflichtung als der der wohlwollenden Neutralität aus der römischen dicio entlassen, wurden im Augenblick der beginnenden militärischen Aktivität Roms im Osten wichtige Flottenbasen und unent behrliche Stützpunkte des römischen Nachschubs, so daß die praktische Verwirklichung ihrer Beziehungen zu Rom sie jetzt de facto zu ab hängigen Bundesgenossen werden ließ85. Anders die Entwicklung in Griechenland. Im Herbst 171 wurden die böotischen Städte Haliartos, Koroneia und Thisbe erobert bzw. zur Dedition gezwungen und nach den Richtlinigen eines ein Jahr später ergangenen und im Falle Thisbes erhaltenen SC als souveräne Gemeinden restituiert86. Demnach erhält Thisbe zwar die volle Souveränität (Z. 17-20), die innere Verwaltung der Stadt wird jedoch in einer Weise geregelt, die jeden Abfall von Rom zukünftig ausschloß: Die Besetzung der Magistraturen und Priesterstellen sowie die Verwaltung der Einkünfte wird für zehn Jahre den Römerfreunden vorbehalten (Z. 20-24), die zudem ihren priva ten Grundbesitz zurückerhielten (Z. 25-27) und denen, falls sie wegen ihrer Treue zu Rom verbannt worden waren, das Recht eingeräumt wurde, auf der Burg zu wohnen und diese auch zu befestigen (Z. 27-31). Jede Befestigung der Stadt wurde dagegen ausdrücklich verboten (Z. 31). Die makedonischen Parteigänger schloß man von der Rückkehr aus dem Exil aus (Z. 35—45). Im wesentlichen gleich muß das SC für Koroneia (soweit dies aus dem erhaltenen Bruchstück ersichtlich wird)87 und die Entscheidung über-das thrakisehe- Abdera gelautet haben88. Die hier sichtbare Konzeption von entfestigter Stadt und befestigter Akropolis zum Schutz der römischen Parteigänger bei offengehaltener 85
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88
Vgl. im einzelnen W. HENZE, De civitatibus liberis, qui fuerunt in provmciis p. R., 1892, S. 27ff., G. ZIPPEL, Die römische Herrschaft in Illyrien bis auf Augustus, 1877, S. 73ff. Dasselbe gilt für die ionischen Inseln, vgl. dazu S. ACCAME, II dominio, S. 232 ff. Diese Entwicklung war auch hier durchaus mit handgreiflichen Vorteilen für die Betroffenen verbunden, vgl. etwa den wirtschaftlichen Aufschwung Dyrrhachiums (PHILIPPSON, RE 5 (1905) Sp. 1887). Syll. 3 646 = IG VII 2225 = FIRA I 2 nr. 31,1 und 2. Vgl. dazu P. MELONI, Perseo e la fine della monarchia macedone, 1953, S. 245 Anm. 3; 261 ff., A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 637ff., R. K. SHERK, Roman Documents, S. 26ff. Vgl. L. ROBERT, Senatus-consulte de Koronee, in: fitudes epigraphiques et philologiques, 1938, S. 287ff., F. G. MAIER, Griechische Mauerbauinschriften I, 1959, S. 130ff., R. K. SHERK, Roman Documents, S. 32f. Liv. 43,4,11 f.: decreverunt eaderti de Abderitis, quae de Coronaeis decreverant priore anno; eademque pro contione edicere Q. Maenium praetorem iusserunt. et legati duo . . . ad restituendos in libertatem Abderitas missi; vgl. P. MELONI, aaO. S. 264 mit Anm. 2.
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Möglichkeit, römischerseits die wehrlöse Stadt notfalls leicht unteV Kon trolle bringen zu können, wurde bereits nach dem Aitolischen Krieg 189, wie das Beispiel Elateia zeigt 89 , praktiziert. Zusammengenommen zwingen diese analogen Fälle zu dem Schluß, daß Rom in den Gebieten, in denen ihm ein direktes Engagement zukünftig unvermeidbar schien, den völker rechtlichen Status der civitates liberae zwar unverändert ließ, aber ihre Restitution an bestimmte der inneren Situation der Betroffenen angepaßte Auflagen knüpfte und dabei speziell im Dritten Makedonischen Krieg nach einem ganz bestimmten Schema verfuhr: Die Mauern der wieder hergestellten Gemeinden wurden geschleift und ihre innere Verwaltung auf Jahre hinaus in die Hände Rom höriger Parteigänger gelegt, die die Treue der Stadt hinreichend garantierten, da ihre Stellung als von Rom ge schaffene nur solange Bestand haben konnte, solange sie dieses Faktum nicht vergaßen. Der Zweck dieses Verfahrens lag weit entfernt von der gewaltsamen Umgestaltung des städtischen Organismus zugunsten einer unmittelbaren Beherrschung durch Rom. Worum es ging, war allein die Sicherung des loyalen Verhaltens in möglichen zukünftigen Auseinandersetzungen, wozu es der Erhaltung eines funktionsfähigen autonomen politischen Staats gebildes bedurfte. Im Grunde verfuhr Rom hier wie in Asien (wenn auch mit modifizierten Mitteln) nicht wesentlich anders als die hellenistischen Könige, die die innenpolitische Zerklüftung der griechischen Städte da durch auszunutzen verstanden hatten daß sie die innerstaatlichen Gegen sätzlichkeiten [wechselseitig ausspielten und- jeweils, .das städtische. Regi= ment konsequent unterstützten, das ihnen die Solidarität der Stadt mit ihren eigenen politischen Zielen am besten garantierte90. Das konnte in der Praxis so weit gehen, daß der Monarch seinen Vorstellungen durch in die Städte gelegte Besatzungen oder durch Bestimmungen über die Stadt befestigungen91 den nötigen Nachdruck verlieh. Typisch auch hier, daß die Stadt als eigenes politisches Willenszentrum wenigstens potentiell erhalten blieb und es weder den Zielen noch den Möglichkeiten der helle nistischer Herrscher entsprach, sie ihrem Herrschaftsbereich vollständig zu inkorporieren. 89
90 91
Ersichtlich aus dem Ehrenbeschluß der Stadt für Stymphalos (190-185), S. ACCAME, Riv. di Fü. 77 (1949) S. 217, SEG XI, 1954, 1707, F. G. MAIER, aaO. S. 128; 132ff. Hierzu A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 208ff. Belegt allerdings nur einmal für Eumenes IL, der einer ehemals seleukidischen Militär kolonie im Raum von Telmessos auf Anfrage den Wiederaufbau eines Schutzturmes gestattete; F. G. MAIER, aaO. I, S. 248ff., II, 1961, S. 32f.
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4. Die testamentarisch erlangte Freiheit Das Testament Attalos'III. bedeutete für ganz Kleinasien eine ein schneidende Zäsur. Diktiert von der resignierenden Erkenntnis, angesichts der mißtrauischen Vormundschaft Roms und den wachsenden sozialen Spannungen im Inneren den Bestand des Reiches nicht wahren zu können, löste es den Aufstand des Aristonikos aus, der vor allem zur Provinzialisierung der Kerngebiete des Attalidenreiches im Jahre 126 führte. Diese wiederum engte die zukünftige römische Politik gegenüber den verbliebe nen kleinasiatischen Monarchien ganz auf die Sicherung der neu gewonne nen Provinz ein. Das Testament als solches ist hier nicht auf seine rechtliche Einordnung hin zu untersuchen92, die im übrigen gegenüber seinen politischen Auswirkungen bedeutungslos ist. Zu fragen ist nach seinem Inhalt bezüglich Pergamons und der anderen Städte und nach dem rechtserheblichen Wert, den die in ihm ausgesprochene Freiheit für die Betroffenen besaß. Die literarische Überlieferung berichtet nur die Tatsache der Ver erbung93. Weitergehende Schlüsse lassen sich nur aus dem inschriftlich erhaltenen Beschluß der pergamenischen Bürgerschaft ziehen, ihr Sozialgefüge unter dem Druck der ersten Wellen des Aristonikos-Aufstandes neu zu ordnen 94 . Der Text gliedert sich in drei Teile: erstens der recht lichen Begründung der Zuständigkeit der Volksversammlung (Z.2-7), zweitens der Rechtfertigung des materiellen Inhaltes mit der besonderen historischen Situation (Ζ. 7-10)95 und drittens.der Aufzählung der Bestim mungen im einzelnen (Z. 10-38). Der hier interessierende Teill sagt aus, daß mit dem Tode des Königs (μεθιστάμενος εξ ανθρώπων) auch die 92
93
94
Zu dieser Frage F. CARRATA THOMES, La rivolta di Aristonico e le origini della provincia romana d'Asia, 1968, S. 30ff.: „II testamento di Attalo III non puo essere considerato come un'eredita, ma semplicemente come un atto successorio" (S. 39). Aufgeführt bei D. MAGIE, RRAM II, S. 780 Anm. 93, G. CARDINALI, La morte di Attalo III et la rivolta di Aristonico, in: Saggi di St. Am. e di Archeol. off. G. Beloch, 1910, S. 275f. IvP429 = IGRR IV, 289 = OGIS 338; zu datieren in den Frühsommer 133; vgl. T. R. S. BROUGHTON, MRR
95
I, S. 496 Anm.
1.
[άναγκαΐ]ον τέ έστιν Ινεκα της κοινή*.άσ[φ]aXeias καΐ τ[ά ύποτετα]γμένα γένη μετέχειν της TroXnre[ict]s δια το ά π α [σαν εϋ] νοιαμ προσενηνέχθαι Trpos τον δη [μοί ν. Die Bedrohung der allgemeinen Sicherheit zwingt also dazu, die unteren Schichten in die Bürgerschaft aufzunehmen, zumal diese ihre treue Gesinnung bereits bewiesen haben. Es ist heute unbestritten, daß die genannte Bedrohung nur der Aufstand des Aristonikos sein kann und nicht etwa Rom, vor dem man die Bewohner der Chora schützen wollte (so M. SEGRE, Athenaeum N . S. 16 (1938) S. 123f.); vgl. J. VOGT, Sklaverei und Humanität, Historia Einzelschrift 8, 1965, S. 61 ff.
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königliche Herrschaft über die Stadt beendet ist und sie damit ihre Frei heit uneingeschränkt ausüben kann (άττολέλοιπεν την πατρίδα ημών έλευθέραν) 96 . Die noch ausstehende römische Bestätigung besitzt demgegenüber nur noch anerkennenden Charakter (δει δε έπικυρωθηναι την διαθή[κην] υπό c Ρωμαίων), eine Auffassung, die die pergamenische Bürgerschaft durch den vorliegenden Beschluß und durch die Inkorporation der im Testament zuge standenen Teile des Kronlandes (προσορίσας αύτήι και πολε[ιτικήγ] χώραν ή εκριν[εν]) bereits vor dem Eingang der Senatsentscheidung nach drücklich unterstrichen hat. Der für Pergamon (und zweifellos auch für die anderen griechischen Städte97) rechtserhebliche Vorgang ist also die testa mentarisch vorgenommene Selbstauflösung der monarchischen Herrschaft, an deren Stelle zwangsläufig die Freiheit tritt, die von Rom nur noch anerkannt werden kann98. Eine Verweigerung wäre eine wie auch immer motivierte politische Entscheidung des Stärkeren und durch keinen Rechtstitel gedeckt. Die Bestätigung des Senates, die mit größter Wahrscheinlichkeit noch Ende des Jahres 133 erfolgte99, ist denn auch kein eigenständiger Rechtsakt 96 97
Zum Gebrauch des Verbs απολείπει ν s. F. CARRATA THOMES, aaO. S. 32. Solange kein überzeugendes Motiv dafür gefunden werden kann, daß Attalos nur Perga mon die Freiheit gewähren wollte, solange ist daran festzuhalten, daß alle griechischen Städte seines Reiches von der einschlägigen Testamentsklausel profitierten; vgl. G. CARDINALI, aaO. S. 277f., T H . LIEBMANN-FRANKFORT, RIDA 13 (1966) S. 85, F. CARRATA THOMES, aaO.
98
99
S. 36.
Richtungsweisend Α, HEUSSr-Stadt und-Herrscher,- Sr-243-mk-Anm-. 1. Die von Plut. Tib. 14,2 berichtete Reaktion des Tiberius Gracchus, daß es dem Senat nicht zukomme, περί των πόλεων δσαι τή$ 'Αττάλου βασιλεία* ήσαν zu entscheiden, kann nicht auf die nach der Verfügung des Attalos freizulassenden Städte bezogen werden, sondern zielt auf die den Römern überlassenen Teile des Reiches. Dieser Schluß ergibt sich vor dem Hintergrund der sozialpolitischen Ziele, die Tiberius Gracchus mit der attalidischen Erbschaft verwirklichen wollte. Livius zufolge, der in diesem Punkt Plutarch korrigiert (per. 58. Oros. 5,8, vgl. D. C. EARL, Tiberius Gracchus, 1963, S. 94, Α. Ε. ASTIN, Scipio Aemilianus, 1967, S. 350f.), plante der Volkstribun die Vorlage eines Gesetzes, nach dem die materielle Hinterlassenschaft des Attalos an die bedürftigen Bevölkerungs schichten verteilt werden sollte, die wegen des Mangels an verfügbarem ager publicus bei der Landverteilung nicht berücksichtigt werden konnten. Der Ausgangspunkt dieser Überlegung, die Agrargesetzgebung durch andere Maßnahmen ergänzen zu müssen, macht klar, daß es Gracchus auch bei seinem Angriff auf die Verfügungsgewalt des Senates über die geerbten Gebiete speziell um die aus ihnen zu erwartenden regel mäßigen Einkünfte ging, deren Freigabe für seine Zwecke er vom Senat nicht erwarten konnte. IGRR IV, 301 = OGIS 435 R. K. SHERK, Roman Documents, S. 59ff. Die Inschrift selbst,erlaubtJkeine ^ichere Datierung, doch ist sie mit Recht auf die Gesandtschaft des P. Cornelius Scipio Nasica Ende 133 bezogen worden, von der die Quellen nur im Rahmen der stadtrömischen Politik berichten (Plut. Tib. 21. Val. Max. 5,3,2). Allein
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sondern eingebettet in eine generelle Regelung der Verhältnisse im Bereich des ehemaligen Attalidenreiches. Die dem Senat vorgetragene relatio konzentrierte sich auf den Auftrag an die nach Asien zu entsendenden Γτρατηγοί, ,,ob das endgültig sein soll, was in Asien bis zum Tod des Attalos von den Königen richtig gestellt, geschenkt, erlassen, bestraft wurde" 1 0 0 . Der Senat setzte dementsprechend fest, daß die Verfügungen des Attalos und seiner Vorgänger gültig sind und auch nicht von den Sonderbeauftragten außer Kraft gesetzt werden können 101 . Diese Formel enthält die Anerkennung der mit dem Ende der monar chischen Herrschaft gegebenen Freiheit Pergamons und der anderen Städte, doch zielte sie nicht darauf ab. Es ging vielmehr um eine generelle Bestätigung aller unter der Attalidenherrschaft vorgenommenen Einrich tungen und Rechtsordnungen, die naturgemäß das untertänige jetzt in die römische Verfügungsgewalt geratene Gebiet weit mehr betrafen als die frei gewordenen Städte. Rom hat mit diesem SC offiziell zum Ausdruck gebracht, daß es die ihm angetragene Verfügungsgewalt über das pergamenische Reich auch auszuüben gewillt war, ein Vorgang, der, was seine rechtliche Bedeutung angeht, mit der Annahme einer deditio identisch ist 102 . Gleichzeitig traf der Senat die ersten Anordnungen, die inhaltlich auf eine Festschreibung des Status quo hinausliefen und erst durch die Provinzialordnung des M.' Aquillius und einer senatorischen Zehnmänner kommission 126 der veränderten Situation angepaßt wurden 103 . Historisch ist diese eilige pauschal ausgesprochene Sanktionierung nur vor dem Hintergrund.der wachsenden AktiyitäLiJes. Aristonikos erklärlich. Dessen Kreise störte man zunächst nicht mit Waffengewalt, sondern durch die Gesandtschaft des Scipio Nasica, die Anerkennung der Freiheit der Städte (die damit für die Sache des Prätendenten verloren waren) und die Bei behaltung des alten Zustandes in den untertänigen Gebieten.
Strabon (14,646) weiß im Zusammenhang mit den Vorgängen in Asien von der Ankunft einer senatorischen Fünfmännerkommission, die mit der des Scipio identisch sein muß; vgl. J. CARCOPINO, Autour des Gracques, 1928, S. 37ff., J. VOGT, aaO. S. 64f., F. CARRATA THOMES, aaO. S. 44f. Anders D . MAGIE, RRAM II, S. 1033f. (129 100 101
102
103
v. Chr.); dazu R. K. SHERK, Roman Documents, S. 61. Z. 5ff. (Übers, nach J. VOGT, aaO. S. 66). Zur gegenüber der relatio genaueren Formulierung des Stichtages s. J. VOGT, aaO. S. 67 mit Anm. 4. Das Deditionsformular (Liv. 1,38,1-3) endet mit der Aenahme der Dedition durch den Imperiumträger: et ego recipio. Vgl. M. LEMOSSE Synteleia Arangio-Ruiz I, 1964, S. 284 f. BROUGHTON, MRR I, S. 509.
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Freiheit und provinziale Herrschi
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Das Testament des Ptolemaios Apion von Kyrene aus dem Jahre 96 verfügte über ein Land, dessen staatsrechtliche Struktur wie die des Attalidenreiches von der scharfen Trennung zwischen den kyrenäischen Poleis, der sogenannten Pentapolis, und der libyschen Chora basilike geprägt ist 104 . Inhaltlich und bezüglich seiner Rechtsfolgen ist es ebenso wie das Testament Attalos' III. zu beurteilen, da auch hier die Städte frei wurden: Ptolemaeus Cyrenarum rex, cui cognomen tum Apionis fuit, mortuus heredem populum Romanum reliquit, et eius regni civitates senatus liberas esse iussit 105 . Die livianische Ausdrucksweise (liberas esse iubere) besagt für die rechtliche Auswertung nichts, vielmehr ist analog zu dem von seinen Voraussetzungen her gleichen Vorgang des Jahres 133 zu schließen, daß die livianische Formal inhaltlich dem εττικυρωθηναι des pergamenischen Volksbeschlusses entspricht und lediglich die politisch allerdings ent scheidende Zustimmung Roms zu der im übrigen mit dem Tode des Apion rechtskräftig wirksam werdenden Freiheit der Städte ausdrückt. Bestätigt in diesem Punkt der Senatsbeschluß das Testament, so ist über die libysche Chora, die der römischen dicio unterstellt wird, nichts gesagt. Zusammen mit der Nachricht, daß die Cyrenaica 75 provinzialisiert wurde, heißt das, daß Rom weder eine Freilassung noch eine positive Rechtsordnung in den seinem Spruchrecht unterstellten Gebieten für nötig fand. Auf die Geschichte der Pentapolis bis zur Provinzialisierung fällt etwas mehr Licht. Pli/iius d. Ä. weiß von einer Lieferung Silphium, die im Jahre 93 nach .Rom g£smdtjpurde..undli&^ des Dankes für die Bestätigte Freiheit gedacht war106. Dazu paßt eine Ehren-
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Dazu W. OTTO, Zur Geschichte der Zeit des 6. Ptolemäers, Abh. Bayr. Ak. Wiss., phil.-hist. Abt. N. F. 11, 1934, S. 108f. mit Anm. 109 (Verweis auf Diod. 18,19-21. 20,40,1 und das Verfassungsdiagramm von Kyrene, SEG IX, 1938, 1, Z. 2), H. BENGTSON, Die Strategie in der hellenistischen Zeit III, 1952, S. 153ff. Das 155 im ! j Apollotempel von Kyrene veröffentlichte Testament des Ptolemaios VII. Euergetes IL, ■!' das bereits die Vererbung der Cyrenaica an Rom vorsah und Apion sicher als Vorbild gedient hat, spricht ebenfalls von Poleis und Chora (SEG IX, 1938, 7, Z. 20, W. OTTO, aaO. S. 98ff.), auf die ein feindlicher Angriff für möglich gehalten wird. 105 s. o. S. 147ff. Liv. per. 70 Hygin. (Corp. agrim. I, p. 85 (Thulin)): In provincia Cyrenensium . . . agri sunt r'egii, id est illi, quos Ptolemaeus rex populo Romano reliquit. Die übrige Überlieferung vermittelt kein klares Bild; vgl. dazu ausführlich G. OLIVERIO, La stele di Tolemeo neoteros re di Cirene., Doc. ant. dell'Africa ital. 1, 1932, S. 76ff., G. J. LUZZATTO, Appunti sul testamento di Tolemeo Apione a favore di Roma, SDHI 7 (1941) S. 278ff. 106 Plin. n. h. 19,3,40. Über diese Nachricht ist viel gerätselt worden, da sie entweder als Beweis für die Tributpflicht der freien Städte oder als Beleg für die Eintreibung von
Die testamentarisch erlangte Freiheit
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inschrift der Stadt Kyrene für den Konsul C. Claudius Pulcher (92)107, der offenbar in einer nicht näher verifizierbaren Art und Weise für die freien Städte tätig gewesen ist. Die mit der Freiheitsbestätigung begründeten freundschaftlichen Beziehungen zu Rom wurden also praktiziert. Die folgenden Jahre sind gekennzeichnet durch schwere innere Par teienkämpfe in den Städten, in denen die städtischen Bürger, die Bauern der den Städten gehörenden Ländereien, die Metoiken und die Juden um den beherrschenden Einfluß rangen108, um am Ende erkennen zu müssen, daß das Ergebnis ihres Haders die Herrschaft von Tyrannen109 oder die Selbstzerstörung war. Derartige Auseinandersetzungen waren in diesem Raum nichts Neues und sind sicher nicht dem römischen Schuldkonto gutzuschreiben. Es bedurfte nur einer Macht, die stark genug war, um das Schlimmste zu verhüten. In dieser Situation erschien Lucullus, der als Proquästor Sullas 87/86 in Syrien, Kyrene und Ägypten Schiffe zu rekru tieren suchte, als Retter in der Not, dem man die Neuordnung der Verhältnisse und die Aufgabe, eine funktionsfähige Verfassung zu finden, übertragen konnte 110 .
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Abgaben in der libyschen Chora gelesen wurde (so G. PERL, Klio 52 (1970) S. 320); vgl. in extenso St. I. OOST, Cyrene, 96-74 B. C., ClPh. 58 (1963) S. 12ff. u. die dort behandelte Literatur. Das Richtige bei L. GASPERINI, Quaderni di Archeologia della Libia 5 (1967) S. 56. Plinius, der mit der Klage beginnt, daß durch die Mißwirtschaft der publicani das Silphium in der Cyrenaica praktisch verschwunden sei (dazu F. CHAMOUX, Cyrene sous la monarchie des Battiades, 1953, S. 250f.), und nach dem strittigen Teil darüher, Jjofarmiert, -daß-JCaes*r 49 aut dem Ärar-neben Gold und-Silber auch 1500 Pfund Silphium entnommen hat, gibt einen historischen Abriß der Silphiumgewinnung in der Cyrenaica. Dabei kommt es ihm wesendich darauf an, dem Leser den Unterschied zwischen den zur Zeit der Republik noch vorhandenen Mengen und der gänzlichen Ausrottung des Gewürzes zur Zeit Neros deudich vor Augen zu führen. Wären die im Jahre 93 übersandten 30 Pfund der Bruchteil eines Jahr für Jahr fälligen Tributes gewesen (die kleine Menge verbietet sowieso, ihn als Jahresleistung anzu sprechen), so hätte der Gegensatz zum kaiserzeitlicheji Ende der Silphium gewinnung ganz anders klargemacht werden können. Plinius kann also nur Kenntnis von einer einmaligen Lieferung im Jahre 93 gehabt haben, die vor dem historisch sicheren Hinter grund der römischen Passivität in der libyschen Chora als einmaliges Geschenk einer oder der freien Städte, die allein Grund zur Dankbarkeit hatten, gelesen werden muß. Zur allgemeinen wirtschaftlichen Situation der Cyrenaica CH. H. COSTER, in: Studies in Roman Economic and Social History in Honor of A. CH. JOHNSON, 1951, S. 3ff. L. GASPERINI, aaO. S. 54. Die in diesen zeidichen Rahmen gestellte Dedikarion für Aiglanpr (SEG XX, 1960, 729) bietet keine chronologischen Anhaltspunkte, die ihre Verwendung hier rechtfertigen könnten. Strabon, FGrHist. 91 F 7 (Joseph. Ant. Jud. 14,115). Plut. Mor. 255 E-257 Ε (Mul. virt. 19). Polyaen. 8,38. Einzelheiten bei OOST, aaO. S. 16ff. Plut. Luc. 2,4f.
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Freiheit und provinziale Herrschi.
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Es kann nicht ernsthaft bezweifelt werden, daß das Erscheinen des Lucullus in Kyrene ausschließlich seinem militärischen Auftrag zu danken war 111 und die Version des Strabon, daß Lucullus zur Niederwerfung eines jüdischen Aufstandes in die Stadt entsandt wurde, aus seiner Tätig keit in Kyrene nachträglich rekonstruiert wurde. Sulla, der zum Zeitpunkt der Abreise des Lucullus vor Athen lag, keine bemerkenswerten Fort schritte bei der Belagerung machte und durch die vereinigten Flotten des Mithradates und der Piraten seinen Nachschub ernstlich gefährdet sah, kämpfte um seine nackte Existenz. Er hat dabei gewiß nicht daran gedacht, seinen fähigsten Offizier in einem tollkühnen Unternehmen die gegnerische Blockade durchbrechen zu lassen, um in Libyen mit jüdischen Aufständischen zu raufen, ganz abgesehen davon, daß ferner nicht einzu sehen ist, warum die Stadt ein Hilfegesuch an den Geächteten und nicht an den Senat in Rom gerichtet haben soll. Sulla wäre nicht er selbst gewesen, wenn sein ganzes Denken und Handeln nicht ausschließlich um den mili tärischen Erfolg gegen Mithradates gekreist wäre. Damit ist auch die rechtliche Einordnung der lucullischen Tätigkeit in Kyrene eindeutig: sie erfolgte auf Bitten der Stadt und in der Rolle eines Aisymneten, dessen Amt von der Zustimmung der Betroffenen und nicht von der zu postulierenden römischen Herrschaft abgeleitet war und mit der Beendigung der Aufgabe erlosch.
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So Plut. Luc. 2,3. App. Mithr. 33,131.
V. Herrschaft und Freiheit 1. Altfreie und freigelassene Städte in den Provinzen: Die faktische Bedeutung des rechtlich verschiedenen Gründungsaktes Da davon auszugehen ist, daß das Problem der römischen Reichs bildung nur unter entwicklungsgeschichtlichem Aspekt beantwortet wer den kann, ist es wesentlich, den Stationen, die die civitates liberae zu einem privilegierten Bestandteil der Provinzen werden ließen, nachzu gehen. Im Gegensatz zu den untertänigen Städten, deren Status nur im Moment ihrer Einrichtung eigentlich interessiert und hier bereits geklärt werden kann, lassen die wechselnden Geschicke der freien Städte die Entwicklung der Vorstellungen des Senates bei der Einrichtung der Provinzen erkennen. Der Blick auf die Ausbildung der römischen Herr schaftsstrukturen wird hier noch nicht von der Suggestion des geschlosse nen und effizienten kaiserzeitlichen Verwaltungsgebildes getrübt, das über die Notwendigkeit seiner Herkunft wenig auszusagen vermag. Das Ringen um die Freiräume innerhalb der absoluten römischen Ver fügungsgewalt enthüllt -die Möglichkeiten ihrer konkreten Ausbildung ebenso wie die Wirkung, die ihre Perpetuierung im provinzialen Bereich auf die Entstehung der die Untertänigkeit als Status konstituierenden Rechtsformen der Herrschaft haben mußte. Der Wandel der Freiheit der civitates liberae, nur solange realiter von Bedeutung, solange Rom seinen Herrschaftsbereich nicht als Objekt von Verwaltung und Regierung be griff, macht die Marksteine des Weges von der Herrschaft als Gewaltaus übung hin zur Herrschaft als Regierung deutlich. Als Relikt einer als außenpolitisches Phänomen begriffenen Herrschaft erhielt die Freiheit mit deren Wandel eine jeweils neue Sinngebung, an der auch die Ausformung der Untertänigkeit abgelesen werden kann. Es gilt noch einmal den Ausgangspunkt ins Gedächtnis zu rufen: Die Einrichtung Siziliens als Provinz geschah zu dem Zweck, die Insel mili tärisch zu sichern und mittels der lex Hieronica der römischen Versorgung nutzbar zu machen. Sie basierte auf der formalen Integrität der sich selbst regierenden Stadtgemeinde. Als Anerkennung für ihre Rom geleisteten
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Herrschaft und Freiheit
Dienste verzichtete man bei einigen Städten auf ihre Einbeziehung in den Geltungsbereich der lex Hieronica und gewährte ihnen die Immunität. Von der Intention her ging es also dem Sieger nicht um die Schaffung einer spezifischen Rechtskategorie von Städten, die wiederhergestellt als populi sui generis zu Rom völkerrechtliche Beziehungen unterhalten sollten, sondern es ging um die Privilegierung einiger weniger, die man im übrigen als dem römischen Herrschaftsbereich zugehörig betrachtete. Prinzipiell bestand zwischen steuerpflichtigen und steuerfreien Gemeinden kein Unterschied; beide besaßen bezüglich des Rechts, der Gerichte und der Selbstverwaltung denselben Status, wobei für die civitates liberae als Folge ihrer Immunität graduell eine unabhängigere Ausübung der Gerichtshoheit möglich war, da sie den rechtlichen Konsequenzen der lex Hieronica ent zogen waren. Außerdem wird in der Regel der römische Magistrat auf eine Stationierung von Besatzungstruppen in den verdienten und ausgezeich neten Städten verzichtet haben. Diese Ordnung ist nur erklärlich aus der begrenzten Zweckbestimmung der römischen Herrschaft, der es um die Sicherung des Status quo zur Zeit der Unterwerfung mit einem minimalen Aufwand an herrschaftlichen Institutionen ging. Anders entwickelten sich die Dinge im griechischen Osten, beginnend mit dem Ergebnis des Ersten Illyrischen Krieges und im wesentlichen endend mit der Provinzialisierung Asiens. Die im Zuge der Auseinander setzung eroberten, dedierten oder vertraglich gewonnenen Städte werden grundsätzlich«als völkerrechtliche Subjekte restituiert und treten zu Rom wie alle anderen Staaten, mit denen der Senat diplomatische"Beziehungen aufnahm, in das Rechtsverhältnis der amicitia (oder schlössen - was hier als Ausnahme beiseite bleiben kann - einen Vertrag mit Rom). Das Primäre dieser Beziehungen, die die sich aus dem Zwang des tatsächlichen politischen Übergewichtes ergebende Abhängigkeit des Schwächeren nicht aufhalten konnten, war also rechtlich die völkerrechtliche Anerkennung1. Daran änderte de iure die Provinzialisierung des die civitates liberae umgebenden Territoriums nichts. Wohl aber tat sich zwischen der tatsäch lichen und rechtlichen Stellung der civitates liberae ein Widerspruch auf, der wiederum nur durch die nach wie vor begrenzte Zweckbestimmung der römischen Herrschaft und der daraus resultierenden Erhaltung der Städte als selbständige Willenszentren überbrückbar war. Es reichte für die 1
So ist ein Vergleich mit den Beziehungen zwischen Stadt und Herrscher im Hellenis mus auch nur in dieser Zeitspanne und bezogen auf diese Städtekategorie möglich, da (nach den Ergebnissen von A. HEUSS) der hellenistische Herrscher den völkerrechtlichen Status der freien griechischen Städte nicht grundsätzlich verändert hat.
Altfreie und freigelassene Städte
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römischen Ziele aus, wenn die freien Städte von sich aus an der Erfüllung der in der Provinz gestellten Aufgaben mitwirkten, ohne daß das von irgendeinem Legalitätsanspruch Roms abhing. Solange die Machtverhält nisse und das eigene Interesse dieser Städte ihre Willfährigkeit garantier ten, gab es keinen Grund, an der rechtlichen Struktur des gegenseitigen Verhältnisses etwas zu ändern. Im Gegensatz zu den sizilischen civitates liberae, deren Gründungsakt die lex provinciae, d. h. ein einseitiger Rechtsakt war, der der römischen Dankbarkeit entsprang und der von vornherein nach den im sizilischen Herrschaftsbereich festgestellten Bedürfnissen ausgerichtet war, traten diese Städte als souveräne Gemeinden (amici p. R.) nach einer längeren Phase der völkerrechtlichen Kooperation in die Provinz ein. Ihre Stellung ist damit gegenüber den untertänigen Städten grundsätzlich und nicht graduell nach dem Ausmaß der ausgeschütteten Privilegien verschieden. Dementsprechend sind sie weder juristisch ein Teil der Provinz noch wurden sie als solcher wie die sizilischen Freistädte verstanden, auch wenn ihre nackte Existenz von der richtigen (aber der eigenen Entscheidung anheimgegebenen) Ausführung der Wünsche des Provinzialstatthalters abhängen konnte. Dieser in der Zeit der vollendeten Reichsbildung natürlich verschwun denen bzw. bedeutungslos gewordenen Unterscheidung innerhalb der civitates liberae kommt in der Zeit der Republik konkrete. Relevanz zu. Die lex agraria des Jahres 111 setzte in ihrem Afrika betreffenden Teil die Wiedergutmachung für die freien Städte und die stipendiarii fest, die von der Landassignation widerrechtlich in Mitleidenschaft gezogen waren2, und definierte die betroffenen freien Städte als populi liberi, quei eorum in amicitiam populi Romanei bello Poenico proxumo manserunt (Z. 75; 79). D. h.: die Tatsache, daß die Städte Utica, Hadrumetum, Thapsus, Leptis, Aquilla, Usalis und Teudalis vor dem Untergang Karthagos mit Rom völkerrechtliche Beziehungen aufgenommen hatten und damit ihre Existenz nicht der lex provinciae verdankten, ist ein wesentliches Akzidenz ihres Rechtsstatus, der sie von anderen civitates liberae und den civitates stipendiariae unterscheidet. Diese Aussage wird durch die in Z. 78 ff. folgende Aufzählung des vectigalfreien Landes bestätigt, bei der das Territorium der genannten Städte (Z. 79) von dem Gebiet getrennt wird, das die Zehnmännerkom2
CI1 I 2 585, Z. 74-78. Zu den Sachfragen dieser Bestimmungen s. E. G. HARDY, Six Roman Laws, 1911, S. 77ff., F. T. HINRICHS, Z. Sav. Stift. R. A. 83 (1966) S. 287ff.
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mission 146 der Stadt Utica (und wahrscheinlich noch einigen anderen) zuteilte 3 und dessen rechtliche Dignität als von Rom geschenktes Land der des Territoriums der freien Städte nicht gleichgestellt wurde4. Nimmt man hinzu, daß die sizilischen civitates liberae nur eine eingeschränkte Terri torialhoheit besaßen (s. S. 186ff.), so wird deutlich, wie tiefgreifend in dieser frühen Phase der Expansion der Unterschied zwischen den civitates liberae empfunden wurde, und wie, auf die weitere Entwicklung hin betrachtet, isoliert die Stellung der sizilischen Freistädte gesehen werden muß. Im ersten Jahrhundert sieht dies nicht anders aus. Das SC de Asclepiade (78 v. Chr.) 5 , das drei im Bundesgenossenkrieg verdiente griechische Schiffskapitäne als amici p. R. auszeichnet, spricht diesen neben einer Reihe von Steuerprivilegien das Recht zu, in sämtlichen von ihnen oder gegen sie anhängig gemachten Gerichtsverfahren den Gerichtshof selbst zu bestimmen6. Im einzelnen werden drei Möglichkeiten der Prozeßeröff nung zur Wahl gestellt: Entweder vor einem einheimischen, römischen oder freistädtischen Gerichtshof (. . . seive domi legibus sueis veliht iudicio certare seive apud magistratus nostros Italiciis iudicibus seive in civitate leibera aliqua earum, quae perpetuo in amicitia populi Romani manserunt7. Auch hier inhäriert der auf die civitates liberae bezogenen Bestimmung eine Wertung dieser Städte, von denen nur diejenigen den Kapitänen zur Prozeßführung offenstehen, die ohne Unterbrechung loyal an der Freundschaft mit Rom festgehalten hatten8. 3
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Z. 81: eum agrum locunv quem~Xvirei-,-quei~ex lege L4via-factd-creatervre fueruntr Uticensibus* reliquerunt adsignaverunt. App. Lib. 135,640. E. G. HARDY, S. 79 Anm. 32. S. ACCAME, II cjominio, S. 60. War das Gebiet der freien Städte als ager privatus ex iure peregrino von vornherein dem römischen Zugriff entzogen, so verlor das von den Zehnmännern zugestandene Land seinen Charakter als ager publicus nicht und blieb in der Verfügungsgewalt Roms; vgl. P. ROMANELLI, Storia delle province romane dell'Africa, 1959, S. 46 f. Dieses Verfahren war höchstwahrscheinlich hier nicht neu, sondern ist bereits nach Pydna in Illyrien praktiziert worden. Eine von L. ROBERT publizierte Inschrift aus Pharos, die auf die Freilassung der Stadt durch Rom und die dabei im einzelnen getroffenen Verfügungen Bezug nimmt, enthält offensichtlich auch einen Hinweis auf die Überlassung (ususfructus) eines Landfleckens auf 40 Jahre: Hellenica XI/XII, 1960, S. 509; 513f., J. BOSQUET, BCH 85 (1961) S. 591 f. CIL I 2 , 588, IG XIV, 951, SHERX, Roman Documents, S. 124ff. L. GALLET, RHDFE 16 (1937) S. 242ff., 387ff. und A. J. MARSHALL, AJPh. 89 (1968) S. 39ff. Z. 8f. Lat.; 19f. Gr. Dazu S. ACCAME, II dominio, S. 65f. Zu den hellenistischen Wurzeln dieser Wahlmöglichkeit des Gerichtsortes s. F. DE VISSCHER, Ant. Class. 14 (1945) S. 41 ff., der zur Sache mit Recht festgestellt hat, daß die Kapitäne die Wahl der Gerichtsbarkeit, nicht des Rechtes haben. L. GALLET, aaO. S. 399. S. ACCAME, II dominio, 5. 56f. Konkret sind damit alle civitates liberae ausgeschlossen, die im Krieg mit Mithradates von Rom abgefallen, aber
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Bemerkenswerterweise fehlt diese Differenzierung in den in diesem Punkt gleichlautenden Privilegien, die dem syrischen Nauarchen Seleukos von Oktavian verliehen werden9, so daß hier bereits der Zeitpunkt erreicht sein muß, zu dem die Art und Weise des Zustandekommens einer civitas libera für den Charakter ihrer Beziehungen zu Rom bedeutungslos ge worden ist. So ist es endlich nicht mehr und nicht weniger als eine historische Replik, wenn Strabon10 in einem Aufriß der römischen Reichsteile nach den Provinzen die freien Städte nennt, ,,νοη denen die einen von Anfang an in Freundschaft beitraten und die anderen Rom ehrenhalber für frei erklärt hatte"11. Bedeutsam daran ist, daß das Bewußtsein der unterschied lichen Gründungsakte der freien Städte noch zur Zeit des Tiberius lebendig geblieben ist, obwohl seit langem daraus keine praktischen Kon sequenzen mehr gezogen wurden.
2. Die Angliederung der freien Städte an die Provinz: Die kleinasiatischen Städte nach 133 v. Chr. Der Aufstand des Aristonikos nach dem Tode des letzten Attaliden sah die freien Städte der Ägäis und Kleinasiens fast durchweg an der Seite Roms, da für sie an der Seite des Sozialrevolutionärs kein Vorteil erkennbar war, abgesehen davon, daß sie das militärische Kräftepotential Roms richtig-einzuschätzen wußten12-. ©as-Gros ^on ihnen behielt denn
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nach dem Sieg Sullas wieder restituiert worden waren. Dazu paßt, daß dem Oropier Hermodoros von Sulla die Immunität zugestanden wird, weil er kontinuierlich an der Freundschaft zu Rom festgehalten hatte (SC de Oropiis, Syll.3, 747, Z. 50f., SHERK, S. 133) und im Mithradatischen Krieg nicht wie seine Mitbürger abgefallen war (so richtig A. J. MARSHALL, aaO. S. 52f. gegen T H . MOMMSEN, Hermes 20 (1885) S. 275, der in dieser Privilegierung eine Verbeugung vor dem Priesterstatus des Hermodoros sah). Vgl. auch Syll.3, 646, Z. 7f. (SC de Thisbensibus). EHRENBERG-JONES, Documents2, nr. 301, S. 133ff., SHERK, S. 294ff. Z. 55f. 17,3,24. S. ACCAME, II dominio, S. 57 identifiziert die beiden Kategorien mit civitates liberae et amicae mit und ohne foedus, ohne klarmachen zu können, wieso das vertraglich geregelte Rechtsverhältnis der einen Gruppe nicht auch als solches bezeichnet wird. Allein Phokäa sah die Dinge anders und konnte nach dem Ende des Aufstandes vor der römischen Rache nur durch die Intervention seiner Tochterstadt Massilia bewahrt werden (lustin. 37,1,1. T H . HOMOLLE, BCH 19 (1895) S. 553 zu OGIS 489). Zum Krie^sverlauf s. F. CARRATA THOMES, La rivolta di Aristonico e le origini della provincia romana d'Asia; 1968, S. 40ff., A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy Π, 1965, S. 602ff.
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auch nach Abschluß der Organisation der neuen Provinz Asia durch M.' Aquillius 13 126 seine alte Rechtsstellung14. Trotzdem veränderte die Tatsache der Provinzialisierung des pergamenischen Reiches die Situation auch für die freien Städte grundlegend. Das Verständnis von dem, was der Begriff frei an konkreten Elementen enthalten sollte, wurde soweit anders, daß demgegenüber die de iure weiterbestehende völkerrechtliche amicitia nur noch als formale Hülle eines von ganz anderen Faktoren bestimmten Rechtsstatus blieb 15 . Umgeben von Provinzialboden ist für die civitas libera der Repräsen tant der römischen Macht nicht mehr wie früher in erster Linie der Senat und seine Gesandten, sondern der Provinzialstatthalter, der sich nicht wie der Senat vornehmlich um die politische Loyalität der amici zu sorgen hatte - sie garantierten jetzt die in der Provinz stationierten Truppen -, sondern um die Verwaltung, Gerichtsbarkeit und Steuereintreibung in seinem Amtssprengel bemüht war und dabei auf die freien Städte, seit langem wirtschaftliche und politische Zentren Kleinasiens und der Ägäis16, vielfach gar nicht verzichten konnte. Von seiner Sicht aus verstand sich die Freiheit der civitates liberae als Freiraum innerhalb seiner Befehlsgewalt und nicht als Handlungsfreiheit eines souveränen Staates nach verschiede nen Richtungen und gegenüber verschiedenen Partnern. Und dieser Frei raum hatte für ihn seine Grenzen dort, wo das übergeordnete Wohl der Provinz bzw. der römischen Macht begann. Dies wiederum konnte naturgemäß im konkreten Einzelfall eine Frage der Interpretation sein, bei der die-freien Städte ihre Hoffnung auf Durch setzung ihrer Vorstellungen allein auf den Senat richten mußten, der für sie zum gegebenen Verbündeten im Falle statthalterlicher Übergriffe wurde 17 . Der Senat nimmt damit in Ansätzen bereits die Rolle ein, die dem Princeps gegenüber seinen Provinzialbeamten zukam. 13
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Quellen bei BROUGHTON, MRR I, S. 504; 509. Ausdehnung der Provinz: D. MAGIE, RRAMII, S. 1059 Anm. 39. Eine Liste der freien Städte bei V. CHAPOT, La province d'Asie, S. 114ff. R. BERNHARDT, Imperium und Eleutheria, Diss. Hamburg 1971, S. 108ff., der für das Folgende zu vergleichen ist. Dazu H. BRAÜNERT, Historia 13 (1964) S. 98ff. (die Ägäis, der Küstenstreifen Syriens und Südanatolien sowie Cypern als Drehscheibe für den Verkehr der hellenistischen Großmächte miteinander), D. MAGIE, RRAM I, S. 172, A. J. N. WILSON, Emigration, S. 121 ff. Vgl. etwa das SC de agro Pergameno (SHERK, Roman Documents, S. 63ff.), das den Streit zwischen der freien Stadt Pergamon und den publicani entschied. In Sizilien tritt in der ersten Hälfte des ersten Jhdts. ein commune Siciliae in Erscheinung, das die Interessen der sizilischen Städte (gleichgültig ob frei oder nicht) gegen den Prätor in
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Konkret bedeutete die Provinzialisierung für die freien Städte zu nächst, daß die bis 133 maßgeblichen vier Faktoren des römischen Ein flusses (s. S. 200ff.) verstärkt wirksam wurden. Die außenpolitisch sowie so beschränkte Bewegungsfreiheit hörte gänzlich auf. Damit verknüpft war ein generelles Verbot für die Anlage von Befestigungen, die in Zeiten einer möglichen Gefährdung der römischen Herrschaft eine Entscheidung gegen Rom bei vermindertem Risiko erleichtert hätten18. Das Recht auf Vertragsabschlüsse blieb zwar als Ausdruck der de iure unveränderten Souveränität unangetastet, seine Ausübung war jedoch nur auf ausdrück lichen Wunsch und im Einvernehmen mit dem Statthalter möglich19.
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Rom vertritt; dazu J. DEININGER, Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit, 1965, S. 13f. Das Befestigungsverbot wird zum erstenmal greifbar in den Verträgen, die 179 Tiberius Sempronius Gracchus mit den keltiberischen Stämmen schloß. Appian zufolge (Ib. 44,181; vgl. Diod. 31,39) untersagte eine Stipulation dieser Verträge den Stämmen den Bau neuer befestigter Städte, worunter - nach der römischen Interpretation im Konflikt mit Segeda - auch die Verstärkung bestehender Mauern fiel. Im Osten wird eine solche Bestimmung, inhaltlich jetzt zum generellen Befestigungsverbot verschärft, zum ersten mal nach dem Krieg gegen Antiochos und den Aitolischen Bund und - jetzt metho disch — im Dritten Makedonischen Krieg in die Freilassungsdekrete für griechische Städte aufgenommen (s. S. 205f.). Im Jahre 81 schließlich gestattete das SC für das karische Tabai die Befestigung eines Außenpostens (MAMA VI, 162, Z. 12f.), d. h. die Stadt verfügte von sich aus nicht über dieses Recht (vgl. F. G. MAIER, Griechische Mauerbauinschriften II, 1961, S. 32ff.). Die politische Intention, die dahinter steht, bedarf keiner Erörterung. Entwicklungsgeschichtlich hat sich diese Bestimmung, die nicht als ursprüngliche gelesen werden kann, im Rahmen der in den Friedensverträgen immer - detaillierter werdenden-- Auslieferungsbestimmangen^Hiber-Kriegsmaterialien (Kriegsschiffe, Elefanten und sonstige Waffen; E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 80f.) und den ebenfalls immer schärfer formulierten Einschränkungen des Rechtes auf uneingeschränkte Kriegsführung (E. TÄUBLER, aaO. S. 86f.) herausgebildet. Die römische Forderung an die Karthager nach ihrer freiwilligen deditio 149, ihre Stadt zu zerstören und neue Wohnsitze 10 Meilen landeinwärts zu suchen (App. Lib. 81,378), kann als Extrem dieser Entwicklung gelten. Vgl. das Zustandekommen des Vertrages zwischen Sardes und Ephesos 98/97 (oder 94/93): R. K. SHERK, Roman Documents, S. 256 ff. Die Nichtangriffs- und Neutralitäts bestimmung dieses Vertrages (OGIS 437, Z. 66ff.) ist nur noch als Konzession an die alte Formelsprache derartiger Verträge zu verstehen, praktische Bedeutung besaßen allein die das ungestörte nebeneinander dieser Städte regelnden Bestimmungen. Die Sinn losigkeit echter Symmachien (gegen wen hätten sie sich richten sollen?) ließ sie denn auch gänzlich verschwinden. Was blieb, waren Vereinbarungen über die unter dem römischen Schutz zu wahrende Eintracht, die die kaiserzeitlichen Rhetoren unter dem Schlagwon Homonoia propagierten (Arist. or. 42, Dio Chrys. or. 38,41 f. Plut. praec. rei publ. ger. 805A; 808 C) und die auf den sogenannten Homonoia-Münzen vielfach auftaucht (D. KIENAST, Jb. f. Num. u. Geldgesch. 14 (1964) S. 51 ff. Es scheint mir jedoch sehr zweifelhaft, ob (a) die Homonoia-Abkommen einen Vertragsakt darstellen und (b) „eine Weiterentwicklung der Isopolitieverträge der hellenistischen Zeit" (S. 63) sind).
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Angeschlossen an das Wirtschaftsleben der Provinz - vielfach ihr Mittelpunkt - , berührt von neu gebauten römischen Straßen20 und dem seit 133 einsetzenden Zustrom römischer und italischer Kaufleute unbe grenzt offen 21 , veränderte sich die soziale und wirtschaftliche Physio gnomie der freien Städte im selben Maße wie die der Provinz. Der Einfluß der italischen Zuwanderer, in der Regel Vertreter des wohlhabenden Kapitalistenstandes, konnte sich von vornherein nicht auf die wirtschaft liche Komponente beschränken, sondern griff auf das politische Leben der Städte über, da sich die neuen Bürger mit Recht als Repräsentanten der Weltmacht verstanden und, ungeachtet ihres Status als Staatsfremde, bald die bevorrechtigte Schicht in den Städten bildeten22. Sie konnten dies um so ungestörter, als sie von der besitzenden Klasse eher freundlich als feindlich aufgenommen wurden und die nun schon traditionelle römische Politik der Bevorzugung der Besitzenden fortführten und diesen einen entscheidenden Rückhalt boten. In zwei Dingen griff die Provinzialverwaltung direkt auf die freien Städte über. (1) Der technische Vorgang der Ausfuhr und des Verkaufs der in der Provinz durch die Publicanen erhobenen vectigalia, die zum Teil aus Naturalabgaben bestanden, ließ sich vielfach nur in den zentral gelegenen Städten und Häfen abwickeln. Sie mußten daher den Steuerpächtern und ihren Helfern den Transport der erhobenen Abgaben durch ihr Gebiet gestatten und durften sie nicht mit ihren Zöllen belegen. Diese zweifellos mit dem Aufkommen des Problems eingeführte Regelung wird in der lex Antonia (um 70 v. Ghr.) r die die Rechte -4er -pisidischen civitas libera Termessos festsetzte, ausdrücklich aufgeführt: ea lex ieis portorieis capiundeis esto, dum nei quid portori ab ieis capiatur, quei publica populi Romani vectigalia redempta habebunt. Quos per eorum fineis publicani ex eo vectigali transportabunt . . , 23 . Nun sind derartige Ausnahmeregelun20
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Zum Straßenbau des Aquillius s. B. HAUSSOULLIER, Rev. de Phil. 23 (1899) S. 293f., P. FOUCART, La formation de la province romaine d'Asie, Mem. de l'Acad. des Inscr. et Belles-Lettres 37 (1904) S. 330f., D. MAGIE, RRAM I, S. 157f., II, S. 39. T. R. S. BROUGHTON, Roman Asia Minor, in: T. FRANK, ESAR IV, S. 543ff., M. ROSTOVTZEFF, GWFTW II, S. 645ff., A. J. N . WILSON, aaO. S. 121 ff., E. BADIAN, RI,
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S. 66ff. Einige Beispiele zeigen, daß bereits in republikanischer Zeit Römer griechische Magistra turen bekleideten, vgl. Cic. pro Balb. 12,29, der diesen Tatbestand für Athen hervor hebt. S. im übrigen J. TOULOUMAKOS, Der Einfluß Roms auf die Staatsform der griechischen Stadtstaaten, Diss. Göttingen 1967, S. 153f., A. DONATI, I Romani nell' Egeo, Epigraphica 17 (1965) S. 3 ff. FIRA I 2 , 11, Col. II, Z. 32ff. T. R. S. BROUGTHON, aaO. S. 540. Das von C. Gracchus den Rittern übertragene Recht, die bedeutenden direkten Steuern der Provinz in Rom pachten zu können (Cic. 2 Verr. 3,6,12. Schol. Bob. p. 157 Stangl), machte binnen
Die Angliederung der freien Städte
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gen für römische und italische Bürger nicht zum erstenmal gefordert worden; neu ist hier nur die spezifisch auf die Aufgaben der Provinz zugeschnittene Formulierung. Bereits 187 wurde die Freilassung Ambrakias aus dem römischen Spruchrecht an die Bedingung geknüpft, portoria quae vellent . . . caperent, dum eorum immunes Romani ac socii nominis Latini essent24. Rom hat also schon sehr früh eine bevorrechtigte Stellung für seine und die Bürger der bundesgenössischen Städte zu erreichen versucht2?, da die für Ambrakia gültige Bestimmung kaum ein Einzelfall war26. Dabei steht allerdings außer Zweifel, daß derartige einseitige Auflagen zunächst nur" dann angestrebt und möglich wurden, wenn es sich um aus der römischen dicio entlassene und nicht um altfreie Städte handelte. Diese Schranke fiel mit der Provinzialisierung, genauer gesagt mit dem Zwang, als freie Stadt in den Grenzen eines Territoriums leben zu müssen, in dem die römische Herrschaft etabliert und institutionalisiert war und ihre Vertreter begannen, die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Forderungen der Vormacht an die Unterworfenen in einen Ordnungszusammenhang zu bringen. For mal bedurfte es keines juristisch definierbaren Aktes, um die altfreien Städte Kleinasiens zur Mitwirkung an der praktischen Durchführung des römischen Provinzialstatuts zu zwingen. Die Einsicht in die eigene Ohnmacht und die Erkenntnis, zusammen mit dem römischen Herr schaftsbereich die wirtschaftliche Prosperität gesichert zu sehen, reichte dafür aus. (2) Diesen Gesichtspunkt erklärt
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kurzem Wohlstand und Macht der publicani zu einer politischen Größe (CH. MEIER, Res publica amissa, 1966, S. 70ff.), der man schlechterdings derartige bereits durch praktische Überlegungen gerechtfertigte Zugeständnisse nicht vorenthalten konnte. Liv. 38,44,4. Ambrakia war im 2. Jhdt. der wichtigste Umschlaghafen zwischen Italien und den hellenistischen Ländern. Vgl. S. J. DE LAET, Portorium, 1949, S. 90ff., E. BADIAN, FC, S. 89. Daß diese Auflage für die Betroffenen nicht nur negative Folgen, sondern wirtschaftliche Vorteile durch die erhöhte Aktivität der privilegierten italischen Kaufleute mit sich brachte, zeigt ein Dekret der thrakischen Stadt Abdera (kurz nach 189 v. Chr.), das dem römischen Kaufmann M. Vallius Atelie für alle importierten und exportierten Waren, soweit sie seine persönlichen Geschäfte betrafen, gewährte ( C H . AVEZOU-CH. PICARD, BCH 37 (1913) S. 124ff.). Die Abderiten waren also ganz offensichtlich an der Geschäftsausübung des Römers in ihrer Stadt interessiert und ließen sich die Aufmachung seines Handelskontors etwas kosten. Wenn A. J. N . WILSON, aaO. S. 91 f. die italischen socii im Gegensatz zu den lati nischen von dieser Regelung ausnehmen will, so zeigt das nur seine Unkenntnis der offiziellen Bedeutung des Terminus socii nominisve Latini (dazu Lex agraria, CIL I2 585, Z. 21 u. 50; SC de Bacchanalibus, CIL I 2 581, Z. 8). Anders T. FRANK, Roman Imperialism, 1914, S. 279f.; vgl. auch E. BADIAN, RI, S. 17f.
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der Provinzialstatthalter regelmäßig Aufenthalt nahm und Gerichtstag abhielt27, obwohl allein die Bewohner der Provinz und nicht die Bürger der freien Städte unter seiner Gerichtsbarkeit standen28. Seit Jahrhunder ten die politischen und wirtschaftlichen Vororte ihrer Region und als solche auch von den umliegenden Dörfern und Kleinstädten anerkannt, waren sie die natürlichen Versammlungsorte für die wichtigsten, die ganze Provinz betreffenden Entscheidungen29. Es ist wahrscheinlich, daß den Städten ihre Wahl als Gerichtsorte sehr gelegen kam, da einmal ihre nach wie vor führende Rolle betont wurde, ohne bestehende Rechte anzutasten, und zum anderen die Hofhaltung des Statthalters - regelmäßig verbunden mit einem marktähnlichen Treiben das wirtschaftliche Leben stimulieren konnte30. Den Vorgang selbst be schreibt Livius (31,29,8 f.) so: praetor Romanus conventus agit; eo imperio
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D. MAGIE, RRAM I, S. 172, A. H. M. JONES, Cities, S. 61 ff., V. CHAPOT, La province
d'Asie, S. 352ff., A. J. MARSHALL, Governors in the Move, Phoenix 20 (1966) S. 231 ff. Unsere Kenntnis der Gerichtsdistrikte ist überaus lückenhaft. Strab. 13,628 berichtet ohne chronologischen Anhaltspunkt von der Einrichtung. Cicero bestätigt die Einteilung Asiens und Kilikiens in Gerichtssprengel (Ep. ad Farn. 3,8,4. 13,53,2; 67,1. Att. 5,15,3; 21,7. 6,2,4. pro Flacc. 71) und Plin. n. h. 5,105-26 reflektiert die Konvents ordnung der augusteischen Zeit; L. ROBERT, Hellenica VII, 1949, S. 223ff., E. KORNEMANN, RE 4 (1900) Sp. 1173 ff. s. v. Conventus. Eine einigermaßen sichere Fesdegung der ersten Konventsorte ermöglicht der Brief eines römischen Konsuls an das Koinon der „Griechen" (datierbar in die Zeit 56-50, da die phrygischen Konventsorte Kibyra, Synnada und A^pameia, die zu dieser Zeit der kilikischen Provinz zugeteilt waren, nicht genannt sind), in dem .die, Städte Milet, JEphe&os, Xralles, Alabanda, Mylasar Smyrna, Pergamon, Sardis und Adramytteion, offensichtlich Vororte eines conventus, angewiesen werden, das Schreiben des Prokonsuls an die kleineren Städte ihres Distrikt zu verteilen und für seine Publizierung zu sorgen (I. von Priene, 106, SHERK, Roman Documents, S. 272ff.). Die hier zugrundeliegende Konventseinteilung ist aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen 126 und 90 vorgenommen worden (TH. MOMMSEN, Ges. Schrift. IV, S. 68 Anm. 1, D. MAGIE, RRAM II, S. 1059f.), da Rechtsprechung und Provinzialordnung nicht zu trennen sind (A. J. MARSHALL, aaO. S. 233). Lit. zu diesen Fragen bei M. KÄSER, Das römische Zivilprozeßrecht, HdAW X 3,4, 1966, S. 370 Anm. 30. 28
F. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, S. 329ff. D. NÖRR, Imperium und Polis, S. 30ff. So ist auch Cicero zu verstehen, wenn er dem Piso vorwirft (prov. cöns. 6), er habe iuris dictionem in libera civitate contra leges senatusque consulta ausgeübt; vgl. D. MAGIE, RRAM II, S. 1063 Anm. 43; eine andere Deutung bei D. KIENAST, Z. Sav. Stift. R. A. 85 (1968) S. 362 Anm. 101.
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Vgl. A. J. MARSHALL, aaO. S. 238.
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Vgl. L. MITTEIS, Reichsrecht und Volksrecht, 1891, S. 86 Anm. 1, V. CHAPOT, aaO. S. 129, ABOTT-JOHNSON, Municipal Administration, S. 43 Anm. 7, Α. Η. Μ. JONES,
The Greek City, 1940, S. 263, D. MAGIE, RRAM I, S. 172. Gerichtskonvente in den freien Städten sind im übrigen nicht auf Asien beschränkt, sondern in Panormos (Cic. 2 Verr. 2,63. 5,16), Utica (Cic. 2 Verr. 1,70. Val. Max. 9,10,2), Thapsos und Hadrumetum (Bell. Afr. 97,2) bezeugt, vgl. S. ACCAME, II dominio, S. 60.
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evocati conveniunt; excelso in suggestu superba iura reddentem, stipatum lictoribus vident; virgae tergo, secures cervicibus imminent. Die zentrale Bedeutung dieser Städte für den kleinasiatischen Raum, die die römische Provinzialisierung weder beenden konnte noch wollte, läßt es denn auch selbstverständlich erscheinen, daß sie bei der Organisa tion des asiatischen Koinon nicht fehlten. Die ersten Hinweise auf das Zustandekommen einer derartigen Institution stammen aus den neunziger Jahren des ersten Jahrhunderts31, in denen eine Vereinigung provinzialer Städte und Stammesverbände die Mucia, Festspiele zu Ehren des Q. Mucius Scaevola (procos. 98/97 oder 94/93), veranstalteten, bei denen die Mitwirkung der freien Städte auf Grund ihrer bereits vor 133 ein gerichteten Romakulte nicht wun3er nimmt32. Das Ehrendekret dieser Vereinigung für einen gewissen Herostratos zeigt, daß sie ein Synhedrion, also eine regelmäßig tagende Vertreterver sammlung, besaß33, die sich offenbar ganz allgemein mit den Interessen der Provinzialen befaßte und analog zur Tätigkeit des commune Siciliae in Rom und gegenüber dem Prokonsul für die Provinz sprach, falls dies von Rom als zulässig anerkannt wurde, so daß man mit Recht hier von den Vorformen der kaiserzeitlichen Provinziallandtage sprechen kann. Das heißt für die freien Städte, daß sie von Anfang an ungeachtet ihrer spezi fischen Rechtsstellung neben die Untertanengemeinden traten und von Rom in dieser Rolle auch akzeptiert wurden, wenn es um die Interessen der gesamten Provinz ging, deren Schicksal ihr Wohlergehen mehr als die eigene Entscheidung bestimmte. . „. .._ Zusammenfassend bedeutete die Einrichtung der Provinz für die civitates liberae, die seit altersher freundschaftliche Beziehungen an Rom banden, und die nun umgeben von römischem Territorium ihr Leben einrichten mußten, daß sie von Anfang an auf Grund ihrer geographischen 31
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OGIS 437 II Β a, 438 (= IGRR IV, 188), 439. J. DEININGER, Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit, 1965, S. 14f. Der Eingang der oben genannten Dekrete bestimmte als Festteilnehmer ol έν τη ι Άσ(αι δήμοι καΐ τά §θνη καΐ κατ' άνδρα κεκριμένοι έν τη ι προς 'Ρωμαίου* φιλίαι (OGIS 438), wobei ein Teil der δήμοι (d. h. die an dem jeweiligen Beschluß beteiligten Stadtgemeinden: C G . BRANDIS, RE 2 (1896) Sp. 1556f. s. v. Asia) civitates liberae sein müssen, da in einer Anordnung eines römischen Prätors 56/50 v. Chr. an das Κοινόν των "Ελλήνων (SHERK, Roman Documents, S. 273, Z. 43) die wichtigsten Städte des Koinon genannt (Z. 44ff.) und als Freistädte auszumachen sind. Die Zu gehörigkeit zu einem Koinon bzw. Provinziallandtag ist für eine civitas libera also problemlos, vgl. T H . MOMMSEN, RStR III, S*. 744, J. A. O. LARSEN, Representative Government in Greek and Roman History, 1955, S. 221 Anm. 24. OGIS 438, Z. 6-13, J. A. R. MUNRO, JHS 17 (1897) S. 277, J. DEININGER, aaO. S. 15.
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Herrschaft und Freiheit
Lage und ihrer historischen und wirtschaftlichen Bindungen nur mit und nicht außerhalb der Provinz leben konnten. Ihr völkerrechtliches Ver hältnis zu der Tiberstadt wurde de iure weder aufgehoben noch ver ändert - eine Erkenntnis, die für sich genommen wenig Konkretes mehr besagt, aber den Rahmen absteckt, innerhalb dessen nach den Formen des Zusammenlebens gefragt werden kann. Hier spannte die Ausübung der statthalterlichen Gerichtsbarkeit innerhalb ihrer Mauern die freie Stadt in die römische Gebietsverwaltung ein, während die Steuerprivilegien der publicani (zu verstehen als notwendiges Akzidenz der Provinzialordnung, nicht als willkürlich abgepreßte Vergünstigung) das Gleiche im Wirt schaftsleben taten und einer freiwilligen Selbstbeschneidung der Territo rialhoheit gleichkamen. Beides besagt nicht, daß das bestehende Rechtsverhältnis zu einem Begriff ohne Inhalt degradiert worden wäre. Gewiß ist der Tätigkeit der Provinzialstatthalter keine feste Grenze an den Mauern der freien Städte gesetzt worden, jedoch ist dieses Faktum nicht allein ausschlaggebend und von den freien Städten auch nicht als das Ende ihres privilegierten Status verstanden worden. Ihrer rechtlichen Struktur wie ihrem materiellen Inhalt nach berührte die Aufgabe des Statthalters die Existenz der Stadt nicht, da sie auf das Provinzgebiet beschränkt blieb und keine regel mäßigen städtischen Obliegenheiten an sich zog. Die an Gerichtstagen anwesende Gewalt des römischen Volkes ersetzte nicht ein Stück der städtischen Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtssprechung,, und der römische Imperiumträger übte nicht die Funktion eines der Stadt über geordneten Regierungsorgans aus. Die freien Städte befanden sich nach wie vor in sua potestate, d. h. sie besaßen die Verfügungsgewalt über populus, urbs, aquae, termini, delubra, utensilia, divina humanaque omnia 34 . Die mit der Einrichtung der Provinz gegebene Änderung der poli tischen Landschaft auch für die freien Städte ist also mit einer Betrachtung ihrer Rechtslage nicht zu erklären, was allerdings nichts an dem heuristi schen Wert dieser Fragestellung ändert. Nur die sichere Kenntnis dessen, was an Rechtsstrukturen unverändert blieb, ermöglicht die weitere Frage nach den Fakten des politischen Zusammenlebens, die den realiter noch vorhandenen Bewegungsspielraum der civitates liberae begrenzten und steuerten. Das Ergebnis der politischen Einflußnahme auf die freien Städte 34
So die Wesensmerkmale einer souveränen Gemeinde nach Aussage des Deditionsformulars (Liv. l,38,2f. Polyb. 36,4,2) oder im SC de Stratonicensibus (OGIS 441, R. K. SHERK, Roman Documents, S. 105ff.), Z. 94ff.
Die Angliederung der freien Städte
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und ihrer Bereitwilligkeit, mit der konsolidierten römischen Macht zu leben und ihren Wünschen entgegenzukommen,jsvar naturgemäß ein neues Verständnis von dem, was Freiheit besagte. Sie verstand sich jetzt als Freiheit von statthalterlichen Eingriffen und als Recht auf städtisches Eigenleben, nicht aber als Befreiung von der Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit mit Rom und seinen Repräsentanten. Daß dies im besonderen in Kriegszeiten galt und von den freien Städten die uneingeschränkte Unterstützung der römischen Kriegsziele verlangte, ist klar. So sind auch die von Pergamon während des Aristonikosaufstandes geleisteten Tribute ephemere Zahlungen35, die mit dem Ende des Krieges wegfielen und keine ständigen Abgaben, die das Ende der bis dahin für die kleinasiatischen Freistädte selbstverständlichen Immunität bedeutet hätten. 35
Verstanden als regelmäßige Tribute von M. ROSTOVTZEFF, GWHW II, S. 640f., A. H. M. JONES, Cities, S. 59ff., The Greek City, S. 116 und H. BENGTSON, Griechi sche Geschichte4, 1969, S. 504 Anm. 4. Ausgangspunkt der Beweisführung sind zwei inschriftliche Zeugnisse aus dem Anfang der 20er Jahre des zweiten Jahrhunderts, die sich auf die Situation in Pergamon beziehen: die Ehreninschrift des Diodoros Pasparos (IGRRIV, 292; dazu L. ROBERT, £tud. anatol., 1937, S. 45ff.) und das sogenannte SC de agro Pergameno von Adramytteion, ergänzt durch eine Abschrift aus Smyrna (höchstwahrscheinlich 129 v. Chr., IGRR IV, 262, A. PASSERINI, Athenaeum N. S. 15 (1937) S. 252ff., R. K. SHERK, Roman Documents, S. 63ff.). Pergamon, nach dem Willen des Attalos freie Stadt, dankt im ersten Fall seinem Gesandten Diocloros nach Beendigung der Aristonikosaufstandes, da es ihm gelungen war, die Stadt von den römischen Phoroi zu befreien (Z. 11). Da diese in der Ehreninschrift ausdrücklich mit der Anwesenheit römischer Truppen in Kleinasien in Verbindung gebracht werden, sind sie-_zweifdlo^-.ak.Kontribuxiojien_iür den Krieg und nicht als von dea „publicani erhobene Steuern zu verstehen (Z. 7-12; D. MAGIE, RRAM II, S. 1045f., G. TIBILETTI, JRS 47 (1957) S. 136, F. CARRATA THOMES, La rivolta di Aristonico, S. 64f.,
SHERK,
aaO. S. 72). Im zweiten Fall erbittet und erhält eine pergamenische Gesandtschaft die Entscheidung eines Prätors ex SC ττερί χώρα$, ή | [TIS έν άντι]λογία(ι) εστίν δημοσιώ | [ναι* πρό$] Περγαμηνού* (IGRR IV, 262, Ζ. 5-7), d. h. in einem Streit mit den publicani, die Steuern in einem Gebiet eintrieben, das Pergamon als immun reklamierte (vgl. den ähnlich gelagerten Fall de Amphiarai Oropii agris 73 v. Chr., IG VII, 413 = Syll. 3 747, der es wahrscheinlich macht, daß es auch hier um Tempel interessen ging; M. ROSTOVTZEFF, GWHW III, S. 1298 Anm. 86). Der inschriftliche Bericht über die Auseinandersetzung zwingt zu folgenden Schlüssen: (1) Die Tätigkeit der Publicanen in der Provinz Asia setzt entgegen App. b. c. 5,4ff. nicht erst 123/2 ein (auf Grund der diesbezüglichen lex Sempronia des Gaius Gracchus), sondern wesentlich früher. (2) Ihr Versuch, Steuern auch auf dem Territorium einer freien Stadt einzu treiben, resultiert nicht aus der Überzeugung, dazu grundsätzlich berechtigt zu sein, sondern aus den ungeklärten Grenzverhältnissen (Frgj b, Ζ. 7:.έ]τπγνφ τ!νε$ όρο[ι] Περγαμηνών είσίν) die sie sich zunutze machen wollten. Bekanntlich hat Attalos testamentarisch eL<:rseits sein Land Rom vererbt, andererseits Teile der königlichen Chora Pergamon (und vielleicht noch anderen Städten) übergeben (OGIS 338, Z. 5-8), so daß mangels genauer Unterlagen die publicani, an die der vererbte Teil des königlichen Landes verpachtet worden war, ihre Forderungen durchaus plausibel machen
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Herrschaft und Freiheit
3. Die Konsolidierung der Herrschaft und die Kontinuität der Freiheit a) Die sullanische Ordnung des Ostens Mit der Konsolidierung und Institutionalisierung der römischen Herr schaft durch die keineswegs zielbewußt oder nach einem bestimmten Organisationsschema vorgenommene Provinzialisierung der wichtigsten römischen Einflußzonen war die Stellung der civitates liberae ausschließ lich zu einem innerprovinziellen Problem geworden. Veränderungen innerhalb der Provinzen durch äußere Kriege - speziell im ägäischen und kleinasiatischen Raum durch die Expansionskriege des Mithradates VI. und generell durch die Bürgerkriege - trafen nicht zuletzt die freien Städte, deren Status entsprechend ihrer Parteinahme aufgehoben oder bestätigt wurde oder die als ehemals untertänige Gemeinden jetzt auf Grund ihrer Loyalität in diese Rechtsstellung aufrückten. Verleihung und Entzug der Freiheit konnten angesichts der wechseln den Fronten in den Bürgerkriegen bei einzelnen Gemeinden innerhalb von Jahrzehnten wechseln. Damit ist jedoch nicht - wie vielfach angenommen die vermeintliche Willkür Roms gegenüber diesen Städten bewiesen. In jedem nachprüfbaren Fall zeigt sich, daß entweder die jeweiligen Macht haber in Rom oder in der Provinz davon überzeugt waren, daß die degradierte Gemeinde ihr loyales Verhalten verletzt, oder der Verlauf der jeweiligen kriegerischen Auseinandersetzungen die bestehenden Rechtsver hältnisse beseitigt hatte. Analog zu den foederierten Staaten galt auch hier der Satz, daß jeder nach ^einseitigeni Erachten festgestellte BrucÜ einer vertraglichen Bestimmung oder das Abweichen von dem Zweck der bestehenden Beziehungen diese und sämtliche zugestandenen Rechte beendet36. Rechtlich gesehen ist klar, daß die Restitution einer ihres alten Status beraubten Gemeinde in jedem Fall ein einseitiger konstitutiver Akt ist, der allerdings als solcher in keiner Weise die durch ihn mögliche Neuordnung präjudizien. Von der Intention her ging es nicht anders als bisher im provinzialen Bereich um eine der für Rom geleisteten Dienste adäquaten
konnten. Noch der Brief Caesars nach Pharsalos an Pergamon nimmt Bezug auf strittige Grenzfragen aus der Zeit der Provinzgründung (M. SEGRE, Athenaeum N . S. 16 (1938) S. 119ff., Z. 7 der Inschrift). Vgl. zu den Fragen, die die Inschrift im übrigen aufwirft, die Lit. bei SHERK, Roman Documenta, S. 63, und den Forschungsstand bei C. NICOLET, L'ordre equestre ä l'epoque republicaine I, 1966, S. 348 ff. 36
Vgl. T H . MOMMSEN, RStR III, S. 1204 f.
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Belohnung 37 , deren konkrete Ausprägung an der übergeordneten Funk tionsfähigkeit der Provinzen orientiert sein mußte. Als Modell standen dabei die von Anfang an der Provinz integrierten sizilischen Freistädte und die ehemaligen amici zur Verfügung, die auf Grund des völkerrechtlichen Charakters ihres Eintritts in die amicitia nach Bildung der Provinz dieser nur soweit angegliedert wurden, soweit das für die Provinzen und sie selber unvermeidlich war. Da für beide Kategorien die Provinz der über geordnete Orientierungspunkt war, ergibt sich, wie gezeigt, aus dieser Unterscheidung kein grundsätzlicher Wesensunterschied. Einen ersten und wichtigen Einschnitt in der Geschichte der freien Städte des Ostens bildete das Ende des Ersten Mithradatischen Krieges. Die Reorganisation der zurückeroberten Ostprovinz durch Sulla 85/84 brachte für die Mehrzahl der kleinasiatischen Städte das Ende ihres tradi tionellen Anspruches auf Freiheit und Unabhängigkeit38. Allein die Städte, die gegen Mithradates (gleichgültig mit welchem Erfolg) gekämpft hatten, an keinem Massaker an römischen Bürgern beteiligt waren oder durch glückliche Umstände am Rande des Geschehens lagen39, erhielten den Status einer civitas libera40. Dabei ist auffällig, daß das Ausmaß der ihnen nach der Restitution zugestandenen Rechte keinen Zweifel daran läßt, daß Sulla konsequent an den Rechtsstatus anknüpft, den die vor 133 in die amicitia aufgenommenen Städte besessen hatten41. Offensichtlich schien Sulla nur dadurch die römischerseits empfundene Verpflichtung sinnvoll eingelöst. Dies gewinnt seine eigentliche Bedeutung dann, wenn man nicht aus den Augen verliert, daß die civitates liberae innerhalb der Provinz keine notwendige Funktion besaßen, die ihre Beibehaltung vom römischen Standpunkt aus gefordert hätte. Im Gegenteil: eine rechtliche Gleichschaltung aller Provinzstädte würde für den Statthalter zweifellos eine Erleichterung seiner Aufgabe gebracht haben. Dieselbe Überlegung macht jedoch auch deutlich, daß 37 38
R. BERNHARDT, Imperium und Eleutheria, S. 114 ff. Vgl. die Einzelheiten bei App. Mithr. 61,250f., V. CHAPOT, La province d'Asie, S. 35ff., A. H. M. JONES, Cities, S. 62f., D. MAGIE, RRAM II, S. 232ff., R. BERN HARDT, S.
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132.
Im wesentlichen der Nordteil der Provinz Asia, der von der Invasion unberührt geblieben war; D . MAGIE, RRAM, S. 233 f. In sämtlichen erhaltenen Freilassungsdekreten wird die Gewährung der privilegierten Rechtsstellung ausdrücklich vom Verhalten im Krieg abhängig gemacht. Vgl. etwa Z. lff. des SC de Tabenis (s. u.) und App. Mithr. 61,250. Dies wird ausdrücklich für Chios bestätigt (Syll.3 785,. Z. 15f.). Die amicitia mit Chios bestand wahrscheinlich ohne Unterbrechung seit dem Krieg gegen Anriochos III., in dem die Insel römischer Flottenstützpunkt war.
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sich das Zusammenleben zwischen den freien Städten und der Provinz in der Zeit zwischen 126 und 88 so entwickelt hatte, daß das Festhalten an ihrer Existenz für die Provinz keine ernste Belastung sein konnte. Dies wiederum liegt in den nach wie vor begrenzten Zielen der römischen Herrschaft begründet, der es in den Provinzen noch immer allein um die militärische Sicherung und die reibungslose Eintreibung der Abgaben ging. Die den Restituierten gewährten Privilegien konnten natürlich ent sprechend der römischen (allein ausschlaggebenden) Einschätzung bei den jeweiligen Städten differieren, so daß es keinen bestimmten Typus der freien Stadt mit unverkennbaren Merkmalen gibt, der auf einen größeren Zeitraum festzulegen wäre. Die Abhängigkeit von der historischen Situation, in der die Restitutionsakte erfolgten, prägt - das hatte bereits die römische Politik im Dritten Makedonischen Krieg gezeigt - Umfang und Inhalt der zugestandenen Rechtsstellung. Unter dieser Voraussetzung ist es allerdings ebenso logisch, daß die nach dem Ersten Mithradatischen Krieg wiederhergestellten civitates liberae entsprechend der Gleichheit ihrer Verdienste um Rom auch denselben Rechtstatus erhielten. Das karische Stratonikeia, von Mithradates belagert und gestürmt42, von Sulla wegen seines hartnäckigen Widerstandes gegen den pontischen König restituiert, wird schließlich durch ein SC als amicus p. R. be stätigt43. Im einzelnen wird darin festgesetzt: (1) Die amicitia et societas mit Rom wird erneuert. (2) Die Stadt erhält das Recht, nach ihren eigenen Gesetzen zu leben und ihre Institutionen zu bewahren wie vor dem Mithradatischerx Krieg. (3) Alle von ihr im Zusammenhang mit dem_Krieg erlassenen Gesetze und Dekrete bleiben in Kraft44. (4) Die Schenkungen an Einkünften, Städten, Dörfern, Ländereien und Häfen, die Sulla vor genommen hat, werden bestätigt45; die Festsetzung der Höhe der Ab42 43
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App. Mithr. 21,81 und die Zeilen 6-9, 36-40, 46-52 und 83-86 des unten genannten SC. OGIS 441, ΑΒΒΟΤΓ-JOHNSON, Municipal Administration, nr. 17, S. 272ff., R. K. SHERK, Roman Documents, S. 105ff. Lit. bei D. MAGIE, RRAM II, S. 1112f. Anm. 9. In der Inschrift sind zu unterscheiden ein Brief Sullas aus dem Jahre 84 an die Stadt, ein Brief des Diktators aus dem Jahre 81 und mit diesem verknüpft das angefügte SC über die gewährten Rechte. Sulla verzichtet hier also auf eine eigene Entscheidung kraft diktatorischer Vollmacht, um die alten Rechte des Senates zur Geltung zu bringen; E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 158f.; 457f. Diese Bestimmung hängt eng mit der vorausgegangenen zusammen und kann nur Be schlüsse meinen, die die vor dem Krieg bestehende Verfassung in nicht rekonstruierbarer Weise modifizierten und daher von Sulla gesondert bestätigt werden mußten. Ebenso werden dem verbündeten Rhodos Kaunos und einige Inseln zugeteilt, Cic. ad Q. fr. 1,1,33 (E. MEYER, Die Grenzen der hellenistischen Staaten in Kleinasien, 1925, S. 59, Η. Η. SCHMITT, Rom und Rhodos, 1957, S. 181 f.). Der wesentliche Inhalt dieser Zu teilung dürfte sich allerdings auf die Übertragung der auf dem Bodeneigentum beruhen-
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gaben, die diese Gebiete an Stratonikeia zu leisten haben, behält sich Sulla vor. (5) Der Tempel der Hekate erhält das Recht auf Asylie. (6) Die zu künftigen Statthalter der Provinz erhalten Anweisung, für die Wieder beschaffung des im Kriege verlorenen Vermögens der Bürger und für die Rückkehr der Kriegsgefangenen nach eigenem Gutdünken zu sorgen. (7) Die Weihung eines Kranzes sowie ein Opfer auf dem Kapitol werden gestattet46. (8) Zukünftigen Gesandten der Stadt steht die Möglichkeit einer außerordentlichen Audienz vor dem Senat offen. Im wesentlichen dieselben Privilegien müssen das karische Tabai47 (das legt bereits die stellenweise fast wörtliche Übereinstimmung des bruch stückhaft erhaltenen SC mit dem SC für Stratonikeia nahe48), Thasos49 und Abdera50 erhalten haben. den Abgaben, der Hafenzölle und dergleichen beschränkt haben. Die eigentliche Ober hoheit blieb bei den Städten und ihren Behörden bzw. beim römischen Statthalter; T H . MOMMSEN, RStR III, S. 771 f. (mit Verweis auf Cic. ad fam. 13,56,3), Ges. Schrift. V, S. 515. 46 Die üblichen Formalien, durch die das hergestellte Rechtsverhältnis bekräftigt wurde. 47 OGIS 442, MAMA VI, 162, S. 59ff., F. G. MAIER, Griechische Mauerbauinschriften I, 1959, S. 245, R. K. SHERK, Roman Documents, S. lOOff. Der erhaltene Text garantiert der Stadt eine bevorzugte Behandlung (Z. 1-7; konkret ist darunter wohl nur eine allgemeine Zusicherung des römischen Wohlwollens zu verstehen), bestätigt die von Sulla 85/84 gewährten Rechte (Z. 7-10), darunter auch die Zuweisung von untertänigen Gebieten analog dem für Stratonikeia, Thasos und Rhodos getroffenen Verfügungen (Z. 10-11; Deutung des umstrittenen Satzes nach R. K. SHERK, GRBS 6 (1965) S. 295ff., Roman Documents, S. 102f., vgl. G. KLAFFENBACH, Gnomon 27 (1955) S. 234f.) und - erteilt die Erlaubnis zur Befestigung von-Thyessos im tabenischen Gebiet (Z.-12=13). Z. 16ff. folgte wahrscheinlich analog dem SC für Stratonikeia eine Gesandten bestimmung (DOUBLET, BCH 13 (1889) S. 503). Der Geist, in dem diese Dekrete geschrieben wurden, findet am Schluß der Inschrift seinen sinnfälligen Ausdruck: [τήν τε σύ]νκλητον τόν τε δήμο ν τόν "Ρωμαίων [διαλα]νβάνειν ταϋτα airro!s καλώί καΐ [προσηκόντ]ως καΐ άξίως αυτών δεδόσθαι τε —. Das hergestellte Rechtsverhält nis wird auch hier, wie eine Dedikation Tabais in Rom beweist, als amicitia et societas ausgewiesen (IG XIV, S. 695f. b, CIL I 2 , S. 730b, VI 30922b). 48 P. VIERECK, Hermes 25 (1890) S. 624 ff. 49 Inschriftlich erhalten sind ein Brief des Diktators aus dem Jahre 80 mit dem Text des SC an Magistrat und Volk von Thasos sowie ein Brief des Cn. Cornelius Dolabella (procos. 80-78 in Makedonien) über die Durchführung des SC; C. DUNANTJ. POUILLOUX, Recherches sur Phistoire et les cultes de Thasos II: £tudes thasiennes V, 1958, nr. 174 und 175, S. 37ff., R. K. SHERK, Roman Documents, S. 115ff. Beide Dokumente zusammen (im folgenden als Nr. 174 u. 175 aufgeführt) ergeben folgende Rechte: (1) Erneuerung der amicitia und societas (174D, 1-5; 175 col. I, 12). (2) Den thasischen Gesandten wird (zur feierlichen Bekräftigung der amicitia) die Weihung einer Opfergabe und ein Opfer auf dem Kapitol gestattet (174E, 4-8). (3) Die Bürger der Insel erhalten das Recht, nach ihren Gesetzen und Gewohnheiten zu leben (175 col. I, 17). (4) Entsprechend der von Sulla getroffenen Regelung wird der alte Besitz der Insel an Einkünften, Städten, Häfen und Ländereien restituiert (174E, 13-17; F, 1-3; G, 1-7;
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Schwierigkeiten bei der Einordnung bereitet dagegen das Freilassungs dekret für Chios, dessen wesentliche Bestimmungen in einem Brief eines Prokonsuls an die Insel aus dem ersten Jahrzehnt des ersten Jahrhunderts n. Chr. paraphrasierend erhalten sind51. Demnach wurde den Chiern im Jahre 80 durch ein SC entsprechend der suUanischen Ordnung das Recht zugestanden, nach ihren eigenen Gesetzen zu leben, keiner Anordnung eines römischen Magistrats unterworfen zu sein und die innerhalb ihrer Grenzen wohnenden Römer ihrer Gerichtshoheit zu unterstellen (Z. 15-18). Die beiden letzten Punkte sind singulär und mit keiner Bestimmung der oben behandelten SCC in Deckung zu bringen52. Die Eximierung aus dem Amtsbereich der römischen Magistrate ist zwar generell die zwangsläufige Konsequenz auch der den übrigen Städten eingeräumten Rechtsstellung. Die ausdrückliche Formulierung dieses Tat bestandes für Chios zwingt jedoch zu dem Schluß, daß es gewisse Aus nahmen gegeben haben muß, denen außer Chios die anderen Städte unterworfen gewesen sein müssen. Da diese Ausnahmen in den Frei lassungsdekreten nicht spezifiziert wurden, kann es sich nur um Eingriffs möglichkeiten handeln, die sich im Laufe der provinzialen Entwicklung eingebürgert hatten und deren Zweck weniger auf die freien Städte direkt als auf den Modus des Zusammenlebens mit der Provinz und den römi schen Bürgern abzielten. Genauere Schlüsse erlaubt das dritte den Chiern eingeräumte Recht53, das den Prokonsul des Jahres 4 oder 5 n. Chr. zu einer Stellungnahme in
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175 col. I, 16-17). (5) Die Inseln Skiathos und Peparethos fallen unter die thasische Botsmäßigkeit (175 col. I, 18-19). (6) Die von den thrakischen Königen Rhoemetalcas, Tiouta und Ablouperis geraubten Gebiete werden zurückgegeben (174G, 8-15; 175 col. I, 20-25; dazu CH. DUNANT-J. POUILLOUX, S. 51 f.). (7) Die thasischen Gesandten erhalten Gastgeschenke (174H, 1-3). Die Stadt wird in dem Brief des Dolabella an Thasos (175 col. I, 13f.) im Zusammen hang mit der Restitution von Thasos erwähnt. Offenbar ist auch Abdera wegen seines hartnäckigen Widerstandes gegen die Armee des Ariarathes von Sulla ausgezeichnet worden, hat wie Thasos zur Durchführung der Privilegien Gesandte an Dolabella in Thessalonike geschickt und die gleiche Behandlung wie Thasos erfahren. Syll. 3 785 = IGRR IV, 943, EHRENBERG-JONES, Documents2, nr. 317, W. G. FORREST, SEGXXII, 1967, nr. 507, R. K. SHERK, Roman Documents, S. 351 ff. Chios war 86 v. Chr. von Zenobius (General des Mithradates) erobert und die Bevölkerung deportiert worden; E. WILL, aaO. S. 405. Es hilft nicht, mit S. ACCAME, II dominio, S. 59; 75f. Chios als civitas foederata einzustufen (ebenso H. VOLKMANN, Zur Rechtsprechung im Principat des Augustus2, 1969, S. 143; 167 Anm. 2, F. DE MARTINO, Storia della constituzione romana II, S. 280f.). Das erhaltene SC weist eindeutig auf eine civitas libera. Seine Formulierung läßt allein den Schluß zu, daß Chios die Zivil- und Kriminaljustiz übertragen bekam, TH. MOMMSEN, RStR III, S. 702 Anm. 1, L. MITTEIS, Reichsrecht
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einem Streitfall veranlaßte, der sich offenbar daran entzündet hatte, daß ein römischer Bürger die Zuständigkeit des chiischen Gerichtshofes ange fochten und an den Statthalter appelliert hatte54. Inhaltlich war dieses Recht für die römischen amici vor der Einrich tung der Provinz Asia selbstverständlicher Bestandteil ihrer Souveränität und mangels realer Anlässe kein Problem, das in den gegenseitigen Beziehungen eine Rolle gespielt hätte. Dies wird in dem Augenblick anders, in dem im Zuge der Provinzialisierung ein nicht abreißender Strom römischer und italischer Kaufleute in der Provinz heimisch wird, die als Angehörige der römischen Weltmacht in den kleinasiatischen Städten (gleichgültig welcher Rechtsstellung) einen bevorzugten Platz beanspruch ten, im Verlauf ihrer Geschäftstätigkeit zwangsläufig eine Reihe zivilrecht licher Prozesse bewirkten und - was vor allem die strafrechtliche Seite angeht - wenig Neigung gezeigt haben werden, sich dem Spruch eines einheimischen Gerichtshofes zu unterwerfen55. Die Folge davon war, daß die freien Städte auf die Ausübung der ihnen de iure nie bestrittenen Gerichtsbarkeit über cives Romani verzichteten und versuchten, über die statthalterlichen Gerichte nachdrücklicher zu ihrem Recht zu kommen56. Das Freilassungsdekret für Chios, das die Gerichtshoheit dieser freien Gemeinde ausdrücklich einschärft, kennzeichnet innerhalb dieser Ent wicklung die Station, an der das Recht der civitates liberae auf unein geschränkte Handhabung ihrer Gerichtsbarkeit bereits als besonderes
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und Volksrecht, 1891, S. 86 Anm. 5; anders V. ARANGIO-RUIZ, Storia del diritto romano 7 , 1966, S. 330 Anm. U Scritti F_r._Carnelutri IY,J.?5Q, S, 66, der die Regelung allein zivilrechtlich gelten lassen will; dazu E. SCHÖNBAUER, Personalitätsprinzip und Privatrechtsordnung im Römerreich, Anz. Ost. Ak. Wiss., phil.-hist. Kl., 1960, 25, (1961) S. 190f. R. K. SHERK, Roman Documents, S. 353. Dabei muß es sich, das macht die Reaktion deutlich, um einen Fall gehandelt haben, der entweder zu diffizil für den einheimischen Gerichtshof oder - was wahrscheinlicher ist - mit politischen Konsequenzen belastet war. Vgl. die Bitte des foederierten Knidos an Augustus, in einem besonders gelagerten Kriminalprozeß die Entscheidung zu übernehmen; Syll.3 780, H. VOLKMANN, aaO. S. 161 ff. Dieses Problem zwingt bereits im Jahre 91 im Zuge der Neuregelung des Verhältnisses zu Termessos zu einer speziellen Regelung, die die lex Antonia (72/70) wiederaufnimmt, ohne sie inhaltlich zu präzisieren: Quae leges quodque ious quaeque consuetudo L. Marcio Sex. Julio cos. inter civeis Romanos et Termenses maiores Pisidas fuit, eaedem leges eidemque ious eademque consuetudo inter ceives Romanos et Termenses maiores Pisidas esto (CIL I 2 , 589, Z. 19ff. = ILS 38). So wandte sich z. B. eine neunköpfige Delegation des kurze Zeit vorher zur civitas libera erklärten Pergamon zwischen 46 und 44 an den Statthalter der Provinz Asia mit der Bitte, in einem Streit zwischen der Stadt und einem privaten römischen Bürger, der die Rechte des Asklepieions betraf, ein Urteil zu fällen, CH. HABICHT, Die Inschriften des Asklepieion, in: Altertümer von Pergamon VIII 3, 1969, S. 21 ff.; nr. 1.
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Privileg verstanden wurde und damit im Normalfall bereits als ausgehöhlt zu gelten hat. Wie eine Illustration dazu mutet das im SC de Aphrodisiensibus zu Beginn der dreißiger Jahre des ersten Jhdts. den vereinigten Städten Aphrodisias und Plarasa zugestandene Recht an, daß kein Bürger der Stadt einer Vorladung vor ein römisches Gericht, in welcher Form sie auch immer vorgebracht sein mochte, Folge leisten muß 57 . Ein derartiges Zugeständnis ist nur vor dem Hintergrund einer seit längerem eingebür gerten gegenteiligen Praxis erklärlich. Durch äußere Angriffe oder durch die Wirren der Bürgerkriege ent standene Schwierigkeiten innerhalb der Provinzen taten ein übriges, um mit der Beteiligung der freien Städte an den Abwehrkämpfen auch die schrittweise Einschränkung der Gerichtshoheit dort zu forcieren, wo sie den römischen Zielen im Wege sein konnte. So bestimmte die lex Clodia de provinciis consularibus58 des Jahres 58, die dem Konsul L. Calpurnius Piso Makedonien mit gewissen Vollmachten bezüglich der populi liberi Griechenlands übertrug59, neben anderen einschneidenden Maßnahmen die Ausdehnung der Jurisdiktion des Statthalters in Prozessen römischer Gläubiger gegen die freien Städte60. Kurz zuvor hatte noch ein SC im Jahre 60 ein Eingreifen der römischen Staatsgewalt in die Gerichtshoheit der civitates liberae für den Fall, daß allein Privatangelegenheiten römischer Bürger auf dem Spiel stehen, ausdrücklich untersagt61, und die lex Julia repetundarum Caesars 57
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FIRA I 2 38, B, Z. 2f., R. K. SHERK, Roman Documents, S. 163ff. Es ist klar, daß der Anlaß einer derartigen Vorladung nur ein Prozeß gegen einen römischen Bürger oder ein Verfahren von politischer Brisanz sein kann. G. ROTONDI, Leg. publ. p. R., 1912, S. 393f. Cic. dorn. 60. in Pis. 37; dazu S. ACCAME, II dominio, S. 104ff., R. G. M. NISBET, M. Tulli Ciceronis in L. Calpurnium Pisonem oratio, 1961, S. 173 f. Cic. de prov. cons. 7: ut tibi de pecuniis creditis ius in liberos populos contra senatus consulta et contra legem generi tui (sc. lex Julia repetundarum) dicere liceret. Gegenüber den untertänigen Städten war die Hilfe des Statthalters bei der Eintreibung von Schulden natürlich kein Problem; vgl. etwa das Empfehlungsschreiben des Pro konsuls Cicero an den Statthalter Bithyniens mit der Bitte, dem Bankier Cluvius aus Puteoli bei der Eintreibung seiner Schuldscheine von den Städten Mylasa, Alabanda, Bargylia, Kaunos und. dem karischen Herakleia behilflich zu sein, da dies ohne offiziellen Druck wenig Aussicht auf Erfolg versprach. Cicero fügt diskret das Zauber wort „Agitur res Cn. Pompei etiam" hinzu, das geeignet war, alle etwaigen Bedenken des Kollegen in Bithynien zu zerstreuen (ad. fam. 13,5,6; dazu TYRRELL-PURSER IIP, S. 139f.). Cic. Att. 1,19,9; dazu D . R. SHACKELTON BAILY I, S. 339. Der Initiator dieses SC, Ρ. Servilius Isauricus, hat hier seine zum erstenmal sichtbar werdenden Bemühungen um eine gerechte Provinzialordnung als Prokonsul in Asia (46-44) im Stile eines Mucius
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(59) hatte noch einmal die unabhängige Rechtsstellung der freien Städte eingeschärft62. Die Zwangslage, die Provinz Makedonien gegen die in den Jahren 62-60 eindringenden Dardaner, Thraker und Bastarner verteidigen zu müssen 63 , was ohne die Hilfsquellen Griechenlands nicht möglich schien, räumte derartige Bedenken hinweg. Am Ende der Entwicklung steht die völlige Beseitigung der städtischen Gerichtsbarkeit, was die Belange römischer Bürger betrifft, doch nicht, weil sie als unrechtmäßig empfunden wurde, sondern weil sie anachronistisch geworden war64. Die Stellung von Chios nach der Freilassung unterscheidet sich also von der der übrigen Städte im Grunde nur durch die betonte Einschärfung eines Rechtes, das diese de iure zwar auch besaßen, aber tatsächlich ohne ausdrückliche Bestätigung nicht mehr ausüben konnten und wollten. Chios ist damit, was seine Beziehungen zur Provinz angeht, so weit der statthalterlichen Einflußnahme entzogen wie eine civitas foederata65, die sich auf Grund ihres durch den Vertrag garantierten Rechtsverhältnisses auf die Dokumentierung unbedingter Loyalität in Krisenzeiten be schränken konnte. Neben den bisher behandelten Städten erhielten durch Sulla (soweit dies rekonstruierbar ist) Magnesia66, Apollonis67, Ephesos68, Ilion69 und
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Scaevola verwirklicht; vgl. L. ROBERT, Hellenica VI, 1948, S. 39f., D. MAGIE, RRAM I, S. 416f.; II, S. 1270f. G. ROTONDI, aaO. S. 389ff. Cic. in Pis. 37: Nam lege Caesaris, iustissima atque optima, populi liberi plane et vere erant liberi . . . In diesem Gesetz dürfte die Regelung des vorangegangenen SG wiederaufgenommen worden sein. Vgl. Α. Ν . SHERWIN-WHTTE, PBSR 17 (1949) S. 12ff> Zur Chronologie St, I , OOST, AJPh. 77 (1956) S. 19ff. Dazu im einzelnen M. ROSTOVTZEFF, GWHW II, S. 780ff., R. G. M. NISBET, aaO. S. 174ff. Das Schweigen der Überlieferung macht eine genaue Fesdegung der einzelnen Stationen dieses Weges unmöglich. Das Wißbare über die Gerichtsbarkeit der freien Städte überhaupt - und dies ist wenig genug - konzentriert sich auf das erste nachchristliche Jhdt.; s. dazu L. MITTEIS, aaO. S. 87 Anm. 3, H. VOLKMANN, aaO. S. 126ff., J. C O L I N , Les villes libres de POrient greco-romain, 1965, S. 77ff. (speziell zur Straf gerichtsbarkeit), D. N Ö R R , Imperium und Polis, S. 30 ff. Auch diese konnte - wie das Verhalten von Khidos zeigt - in Kriminalprozessen, denen auf Grund der exponierten Stellung der Angeklagten politische Bedeutung zukam, nicht umhin, die römische Entscheidung einzuholen; Syll.3 780, R. K. SHERK, Roman Documents, S. 314ff. (mit Lit.). Strab. 13,3,5. App. Mithr. 61,250. Cic. Flacc. 70-71. C I L I 2 727, A. DEGRASSI, Inscr. Lat. üb. reip. I, nr. 176, S. 118f. Offensichtlich reichte der Abfall von Mithradates im Jahre 86 und die Aufnahme des Kampfes gegen ihn aus (App. Mithr. 48,187. Oros. 6,2,8. Syll. 3 742; dazu J. H. OLIVER, AJPh. 60 (1939) S. 458ff.), um die ephesische Vesper vergessen zu machen. Anders D. MAGIE, RRAM I, S. 237. A p p . Mithr. 61,250.
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Lykien 70 die Freiheit. Damit ist die im wesentlichen seit 188 bestehende Ordnung weitgehend durch eine neue Regelung abgelöst, die sich jedoch, was die Rechtsstellung der freien Städte angeht, nach wie vor an den dort praktizierten völkerrechtlichen Maximen orientierte. Auf einen Nenner gebracht heißt das, daß die Rechtsstellung der civitates liberae sullanischer Prägung die Autonomie in innerstädtischen Angelegenheiten (einschließ lich eigener Finanzverwaltung und eigener Münz- und Zollhoheit), die Immunität, die Gerichtshoheit und die Ausübung von Herrschafts rechten über untertänige Gebiete einschloß. Inhaklich dürften sich diese Herr schaftsrechte auf die Einziehung von Tributen durch die freien Städte beschränkt haben71, was nicht ausschließt, daß weitergehende Zugeständ nisse je nach den politischen Verhältnissen zwischen herrschender und untertäniger Stadt und nach dem Willen Roms möglich waren. Im Falle von Thasos ζ. Β. scheinen die Zuweisungen der thrakischen Besitzungen einer Integration in den thasischen Staat gleichzukommen, während die Ausprägung der Abhängigkeit von Peparethos und Skiathos im einzelnen vom Senat geregelt (d. h. hier doch wohl: eingegrenzt) wurde72. Das Verfahren als solches ist nicht neu, sondern seit dem Ende des dritten Jhdts. häufig angewandt worden 73 , seine Beibehaltung in einer völlig ver änderten politischen Umwelt bis in die Zeit des Principats74 macht deutlich, wie weit Rom noch davon entfernt war, seine Provinzen als Verwaltungs einheiten zu begreifen und dementsprechend einzurichten. Mit dem Sieg Sullas kam für Griechenland und die Provinz Asia der Tag der Abrechnung und der gezielten Ausbeutung, die den Geächteten in die Lage versetzen sollte, den Krieg gegen seine Gegner in Rom mit Aussicht auf Erfolg zu führen. Vor dem Hintergrund der von ihm getroffenen Maßnahmen, die die betroffenen Gemeinden auf Jahre hinaus an den Bettelstab brachten75, erscheinen die den verdienten Städten verliehenen Rechte in um so hellerem Licht. Doch auch sie blieben nicht 70
CIL Ρ 725; 726. Α. DEGRASSI, aaO. nr. 174 u. 175, S. 117f. (zur Datierung S. 116).
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Vgl. Liv. 28,39,12 über die Verpflichtungen der Sagunt zugeteilten Gebiete: vectigal ex agro eorum capimus. C H . DUNANT-J. POUILLOUX, aaO. 175 col. I, Z. 17ff.: όμοιας Τ6 Kcd Πεπαρηθίοι* καΐ [ZKIOCOIOIS] γράμματα απέστειλα ίνα υμϊν υπήκοοι ώσιν ώι τρόπωι ή σύγκλητο* ημετέρα ήθέλησεν. Dazu eingehend E. KUHN, Die städtische und bürgerliche Verfassung des römischen Reiches II, 1865, S. 41 ff. D . NÖRR, Imperium und Polis, S. 50ff. Die Fakten sind bekannt, s. App. Mithr. 62,259. Plut. Sulla 25,4; 41,4. Gran. Licin. p. 28,4-5 FL, T. R. S. BROUGHTON, Roman Asia, in: T. FRANK, ESAR IV. S. 517ff., M. ROSTOVTZEFF, GWHW II, S. 746ff., D. MAGIE, RRAM I, S. 237ff.
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ungeschoren, als Sulla, gestützt auf sein Heer und die unbeugsame Gewiß heit, sein Glück schulde ihm noch den Sieg über seine Feinde in Rom, nach Italien aufbrach und alles an Mannschaften und finanziellen Mitteln zusammenraffte, was aus Asien und Griechenland herauszupressen war. Appian berichtet, daß während des Bürgerkrieges ,,alle Provinzen, verbündete Könige und Städte, nicht nur die tributpflichtigen, sondern auch jene, die sich ergeben und Verträge mit Rom geschlossen hatten oder auf Grund ihrer militärischen oder sonstigen Leistungen autonom und immun geblieben waren, jetzt alle angewiesen wurden, Kontributionen zu zahlen und Dienste zu leisten. Einige verloren Teile ihres Gebietes und die Häfen, die ihnen vertraglich zugestanden waren."76 Im Grunde ist damit paradigmatisch die Situation der civitates liberae seit ihrer faktisch vollzogenen Eingliederung in den direkten römischen Herrschaftsbereich durch die Einrichtung der Provinzen Makedonien und Asien gekennzeichnet: Ungeachtet ihrer spezifischen Rechtsstellung waren sie Teile des Ganzen, das von ihnen im Falle der Bedrohung dieselben Pflichten verlangte wie von allen anderen auch. An ihrer Zuordnung als socii zur römischen Wehrgemeinschaft im weiteren Sinne bestand kein Zweifel und als solche waren sie im Ernstfall den Weisungen des zu ständigen Imperiumträgers unterworfen. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob es sich um eine Bedrohung von außen handelte, wie etwa in den Kriegen gegen Aristonikos, die Seeräuber77, Mithradates VI. oder barbarische Völker 78 , oder ob mit Beginn der Bürgerkriege der jeweils Mächtige das 76
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App. b. c. 102,475: έΌνη τε γάρ π ά ν τ α καΐ βασιλείς, όσοι σύμμαχοι (Nikomedes und Ariobarzanes), καΐ πόλεις, ουχ δσαι μόνον υποτελείς (civitates stipendiariae), άλλα καΐ δσαι έαντάς έγκεχειρίκεσαν επί συνθήκαις 2νορκοι (civitates foederatae) καΐ δσαι δια συμμαχίαν ή τίνα άρετήν άλλην αύτόνομοί τε καΐ φόρων ήσαν ατελείς (civitates liberae), τότε πασαι συντελεΐν έκελεύοντο καΐ ύπακούειν, χώρας τε §νιαι καΐ λιμένων κατά συνθήκας σφίσι δεδομένων άφηροΟντο.ΖιίΓη letz ten Punkt vgl. das Freilassungsdekret für Stratonikeia (OGIS 441, Z. 50ff.; 96ff.), das der verdienten Gemeinde πολιτείας προσόδους χωρία κώμας λιμένας anderer Städte übertrug, die - so ist generell zu folgern - es entweder bereits im Krieg mit Mithradates oder im Bürgerkrieg an der nötigen Unterstützung für Sulla hatten fehlen lassen. Das höchstwahrscheinlich im Jahre 100 erlassene Seeräubergesetz suchte ein gemeinsames Vorgehen aller Staaten und Städte des Mittelmeerraumes gegen die Seeräuberplage zustande zu bringen s. o. S. 149 ff. Auf die lex Clodia de provincüs des Jahres 58 wurde bereits verwiesen. Gedeckt durch das Gesetz, das ihm Vollmachten über die populi liberi Griechenlands einschließlich Achaias, Thessaliens und Athens übertrug (Cic. in Pis. 37. de domo 23,60), und unter dem Eindruck der äußeren Gefahr legte Calpurnius Piso den Städten Achaias (und wahr scheinlich auch den anderen) jährliche Kontributionen auf (Cic. pro Sest. 43,94. de prov. cons. 3,5), beschlagnahmte in Dyrrhachion das vectigal und portorium der Stadt, wobei er die Publicanen ausschaltete (de prov. cons. 3,5. in Pis. 36,87; dazu R. G. M.
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Wohl des römischen Volkes und seiner Provinzen mit seiner Person untrennbar verknüpft sah 79 . So oder so rechtfertigten erst ihre außergewöhnlichen Leistungen für Rom oder seine Feldherrn ihre Existenz, die angesichts der mit der kon solidierten Macht gewonnenen Entscheidungsfreiheit des Senates der stän digen Bewährung bedurfte. Das war bereits die Ausgangslage der freien Städte Siziliens, die sich in Griechenland, Asien und Afrika in dem Augenblick ergab, in dem sich die römische Machtentfaltung nicht mehr mit völkerrechtlichen Bindungen begnügte, sondern in der Form direkter Herrschaftsausübung erfolgte. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Wenn Lucullus etwa Amisos nach der Eroberung in die Freiheit entließ und das Territorium der Stadt erweiterte, so tat er dies, weil er der Nachwelt nicht als ein zweiter Mummius, sondern als großer und milder Kriegsherr im Gedächtnis bleiben wollte. Die Größe seiner Erfolge und die Selbstherrlichkeit seiner Kriegführung ließen ihm zu solchen Gesten den nötigen Spielraum. Eine neue Maxime hatte die römische Politik nicht gefunden80, wohl aber der große Einzelne eine neue Form, in der er seine Macht und sein Ethos verständlich machen konnte. b) Die Grenzen der Freiheit: Die lex Antonia für Termessos Die fluktuierenden Machtverhältnisse innerhalb der römischen Füh rungsschicht zwangen die freien Städte, ihre privilegierte Stellung immer von neuem unter Beweis zu stellen und von den jeweiligen Machthabern in Rom neu bestätigen zu lassen, um eine stillschweigende Perpetuierung der ihnen zur Erreichung eines bestimmten Zieles auferlegten extraordinären Verpflichtungen zu verhindern. Der Erfolg war dabei nicht von vorn herein selbstverständlich; Rom und der Senat waren weit und in Krisen zeiten mit anderen Dingen als den Sorgen einer civitas libera beschäftigt. So konnten im Jahre 73 römische Steuereintreiber in das pontische Herakleia eindringen und solange ungestraft ihres Amtes walten, bis sie von den empörten Bürgern erschlagen wurden, was natürlich den Abfall
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NISBET, aaO. S. 157f.), führte weitgehende Requirierungen durch (Cic. in Pis. 35,86. 37,90) und stationierte seine Truppen auch in den freien Städten; Cic. in Pis. 35,86. de prov. cons. 3,5-^,7 (Byzanz). Vgl. M. ROSTOVTZEFF, GWHW II, S. 781 f., S. ACCAME, II dominio, S. 104f., R. G. M. NISBET, aaO. S. 174f. Zur Politik des Pompeius und des Caesar im griechischen Osten s. M. ROSTOVTZEFF, GWHW II, S. 783ff. So voreilig R. BERNHARDT, aaO. S. 137f.
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von Rom bedeuten mußte81. Das pisidische Termessos konnte erst in den Jahren 72-68 82 eine Erneuerung seiner Rechte, die ihm zum Teil bereits 91 (wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Provinzialisierung Kilikiens), zum Teil nach dem Ersten Mithradatischen Krieg gewährt worden waren, durch ein tribunizisches Gesetz erreichen83. Dieses Gesetz weist wie kein anderes Freilassungsdekret die konkreten Folgen aus, die sich einmal aus der ständigen Präsenz der römischen Macht in der Provinz und zum anderen aus den langen kriegerischen Ver wicklungen auf kleinasiatischem Boden ergaben, in die die civitates liberae vielfach ohne ihr Zutun hineingezogen wurden. Termessos wird zunächst als amicus et socius p. R. bestätigt (Z. 7f.), erhält jedoch das damit ver bundene Recht auf eigene Entscheidungsfreiheit im Inneren nur mit der Einschränkung, daß Festsetzungen gegen das vorliegende Gesetz und damit gegen die zum Zeitpunkt seines Erlasses bestehende Verfassung nicht möglich sind84. Das schon seit Beginn der römischen Ostpolitik konsequent angestrebte Ziel, die Stabilität der im Rahmen der Neu ordnung der Besiegten bestätigten oder veränderten Verfassung und damit die Loyalität der Stadt zu sichern85, wird hier also im Freilassungsdekret verankert - gewiß unter dem Eindruck der innenpolitischen Umsturzver81
Memnon. 27,5-6 (FGrHist. 434) mit entstellter Reihenfolge der Ereignisse; dazu M. JANXE, Historische Untersuchungen zu Memnon von Herakleia, Diss. Würzburg 1963, S. 84 f. Folgerichtig ging Herakleia beim Erscheinen der pontischen Flotte zu Mithradates über. 8? Das genaue Datum der lex Antonia ist umstritten, vgl. BROUGTHON, MMR II, S. 130 _ Anm. 4; 141 Anm. 8. Am wahrscheinlichsten erscheint das Jahr-70, s. G. NICCOLINI, I Fasti dei Tribuni della plebe, 1934, S. 249f. 83 C I L P 589. ILS38. FIRA I2, 11, S. 135ff. R. HEBERDEY, Anz. Ak. Wiss. Wien 68 (1931) S. 21 ff. geht davon aus, daß dieses Gesetz, von dem nur der Anfang erhalten ist, nicht allein den Status von Termessos, sondern auch den anderer Städte regelte. Ausgangspunkt seiner Überlegung ist die Bestimmung, die das Recht auf die portoria maritima festsetzte (col. II, Z. 31), sowie die Garantie des bestehenden Territorial besitzes unter Einschluß der insulae (col. I, Z. 15), was beides für Termessos nicht zutreffen kann, da die Stadt im Landesinneren liegt. Beweisbar ist damit jedoch nur, daß sich bei den Freilassungsdekreten wie bei den Verträgen ein feststehendes urkund liches Formular entwickelte, was wiederum auf eine breite Anwendung derartiger Dekrete hinweist; vgl. D. MAGIE, RRAM II, S. 1177 Anm. 34, A. CH. JOHNSON U. a., ARS, 79, S. 75 Anm. 16A. 84 Col. I, Z. 9-11. A. H. M. JONES, in: Anatol. Stud.,S. 114f., E. G. HARDY, Six Roman Laws, 1911, S. 96. 85 J. TOULOUMAKOS, Der Einfluß Roms auf die Staatsform der griechischen Stadtstaaten des Festlandes und der Inseln im ersten und zweiten Jhdt. v. Chr., Diss. Göttingen 1967, hat zu Recht betont, daß es in der Regel keine spektakulären Eingriffe Roms in die Verfassungen der griechischen Städte gegeben hat, sondern daß es sich „um eine mehr latent verlaufende Schwergewichtsverlagerung handelt, die auf Rechnung der Änderung der allgemeinen Zustände geht" (S. 150).
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suche in den Städten, die 88 und später zu Mithradates abgefallen waren. Die folgende Bestimmung sichert der Gemeinde und ihren Bürgern den öffentlichen und privaten Grundbesitz in dem Umfang zu, wie er im Jahre 91, dem Zeitpunkt der ersten Regelung der beiderseitigen Beziehungen also, bestand, wobei der Rückgriff auf die Zeit vor dem Ersten Mithradatischen Krieg voraussetzt, daß die Kämpfe in Kleinasien diesen Besitzstand verändert haben. Von der Restitution ausgenommen wird der rechtmäßig verpachtete Grund und Boden mit dem erklärenden Zusatz, daß alle Pachtverträge, die durch ein unter den Konsuln Lucius Gellius und Gnaeus Lentulus (72 v. Chr.) erlassenes Gesetz verboten worden waren, rechtsungültig sind und der betroffene Boden der Gemeinde zurückerstattet wird86. Die sonstige öffentliche und private Habe, außer den vorher genannten Grundstücken87, wird nach dem Stande vor dem Ersten Mithradatischen Krieg mit Ausnahme der Dinge, die freiwillig veräußert worden waren (quod eius ipsei voluntate ab se non alienarunt), zugestanden (col. I, Z. 28-36). Beide von der Restitution ausgenommene Besitzungen, der rechtmäßig verpachtete Grund und die sua voluntate weggegebene Habe, unterliegen nach dem Willen des Gesetzes nicht mehr dem termessischen Recht, das auf die ausdrücklich zugestandenen loca, agros, aedificia und oppida beschränkt wird 88 . Die rechtlichen Voraussetzungen und Konsequenzen dieser Bestim mungen sind eindeutig: Das Territorium von. Termessos.muß aus histo risch nicht näher rekonstruierbaren Gründen nach dem Ersten Mithrada tischen Krieg unter das römische Spruchrecht gefallen und zum Teil als 86
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Col. I, Z. 13-27: Quei agrei quae loca aedificia publica preivatave Termensium maiorum Pisidarum intra fineis eorum sunt fueruntve L. Marcio Sex. Iulio cos., quaeque insulae eonim sunt fueruntve ieis consolibus, quei supra scriptei sunt, quodque earum rerum ieis consolibus iei habuerunt possederunt usei fructeique sunt, quae de ieis rebus locata non sunt, utei antea habeant possideant; quaeque de ieis rebus agreis loceis aedificieis locata sunt, ac ne locentur sancitum est sanctione, quae facta est ex lege rogata L. Gellio Cn. Lentulo cos., ea omnia Termeses maiores Pisidae habeant possideant; ieisque rebus loceis agreis aedificieis utantur fruantur ita, utei ante Mitridatis bellum, quod preimum fuit, habuerunt possederunt usei fructeique sunt. E. BORMANN, in: Festschrift O. Hirschfeld, 1903, S. 439. Col. II, Z. 22-29: quodque quibusque in rebus loceis agreis aedificieis oppideis iouris Termensium maiorum Pisidarum ieis consulibus, quei supra scriptei sunt, fuit, quod eius praeter locata agros aedificia ipsei sua voluntate ab se non abalienarunt, idem in eisdem rebus loceis agreis aedificieis oppideis Termensium maiorum Pisidarum ious esto. Vgl. (die im übrigen beste) Übersetzung bei A. H. M. JONES, Α History of Rome through the fifth Century I, 1968, S. 270.
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ager publicus an römische Pächter vergeben worden sein89. Der durch das Gesetz restituierte Besitzstand des Jahres 91 wird Eigentum nach dem heimischen Recht von Termessos (eorum sunt fueruntve) und als solches von Rom auch für die Zukunft anerkannt (ita sunto)90. Die davon aus genommenen rechtmäßig verpachteten Ländereien gehen dagegen - das ist die notwendige Konsequenz ihres Ausschlusses - der Stadt endgültig verloren und bleiben ager publicus des römischen Volkes. Ihr Entzug aus der termessischen Gerichtsbarkeit und damit die Unterstellung sämtlicher durch sie ausgelöster Streitfälle unter die Gerichtshoheit des Provinzialstatthalters ist nur die logische Konsequenz dieses Tatbestandes. Mit der Geschichte der Stadt im Ersten und Zweiten Mithradatischen Krieg ist auch die nähere Begründung verloren, warum man in Rom im Jahre 72 die Überzeugung gewonnen hatte, mit gesetzlichem Zwang den offensichtlichen Ausverkauf des termessischen Landes unterbinden zu müssen. Vor dem Hintergrund der von Sulla und seinen Nachfolgern in Griechenland und Kleinasien aus den beherrschten Gebieten heraus gepreßten Steuern und außerordentlichen Kontributionen zur Bekämpfung der Gegner im eignen Lager, der Piraten und des Mithradates beantwortet sich die Frage von selbst. Das unter der römischen dicio stehende Ter messos muß, um die gestellten Forderungen überhaupt erfüllen zu können, wie viele andere Städte Kapitalanleihen bei römischen Gesell schaften oder Privatleuten aufgenommen haben, die, als die Rückzahlun gen nicht pünktlich geleistet werden konnten, die Stadt zwangen, ihren Grund und Boden.in einem Ausmaß zu räumen und damit zur Ver pachtung freizugeben, das schließlich das Eingreifen Roms in der Form des erwähnten Gesetzes zum Schutz des städtischen Grundbesitzes herausforderte91. 89
90
91
Richtig gesehen von TH. MOMMSEN, RStR. III, S. 688 Anm. 1, F. BOZZA, Gaio II, 7 e la proprietä provinciale, Athenaeum N. S. 20 (1942) S. 75 f. Anders A. C H . JOHN SON, AJRS, S. 75 Anm. 18. M. KÄSER, Z. Sav. Stift. R. A. 62 (1942) S. 63 f. Anders E. CARELLI, SDHI 1 (1935) S. 385ff., der auf Grund von Z. 13-17 davon ausgeht, daß das termessische Gebiet ager stipendiarius wird. Offenbar war es der Stadt durch ihr Verhalten in den Kriegsjahren und durch die loyale Erfüllung aller Verpflichtungen, die sie fast an den Rand des Abgrundes brachten, gelungen, ihre alte Rechtstellung als civitas libera seit 188 wieder in Erinnerung zu bringen. Auf das harte Los der Stadt während des Krieges weist die Versicherung des Gesetzes hin, daß bei Rekuperationen von Freien und Sklaven infolge des Krieges die römischen Magistrate durch günstige Entscheidungen behilflich sein sollen (col. II, Z. 1-6); vgl. dazu Y. BONGERT, Recherches sur les Recuperateurs, in: Varia, fitudes de Droit Romain 1, 1952, S. 103f.; 117ff.
240
Herrschaft und Freiheit
Auch dann blieb der Erfolg aus, so daß erst das vorliegende Gesetz, das die alte Rechtsstellung der Stadt restituierte, die Verschleuderung des termessischen Besitzes beenden konnte. Was die Stadt auf jeden Fall als schwere Hypothek ihrer neu gewonnenen Souveränität tragen mußte, war der jetzt gesetzlich verankerte Entzug ihres Verfügungsrechtes über die vor 72 ordnungsgemäß verpachteten Gebiete, wodurch ihr Territorium erheblich verkleinert und die Bewirtschaftung, Verwaltung und Rechts sprechung in dem verbliebenen Teil erschwert wurde, da die als ager publicus anerkannten Ländereien innerhalb der termessischen Grenzen lagen/ Der ganze Vorgang ist in mehrfacher Hinsicht lehrreich. Der Ohn macht der kleinasiatischen Provinzstädte, sich vor allem in den Krisen jahren der römischen Herrschaft dem Zugriff der im Lande operierenden Angehörigen des römischen Kapitalistenstandes zu entziehen, entsprach die Handlungsfähigkeit des Senates. Dieser konnte im Falle von Termessos selbst mit der Schärfe des Gesetzes keinen durchschlagenden Erfolg gegen die Interessen der römischen Bankiers und Großkaufleute erzielen. Erst die spektakuläre Entlassung der Stadt aus der römischen dicio beseitigte die Mißstände. Dies wiederum illustriert das elementare Interesse, das die Städte der Provinzen an der Rechtsstellung einer civitas libera haben mußten, die allein erhoffen ließ, nicht nur den publicani, sondern auch der Aktivität der übrigen Kapitalisten zu entrinnen, soweit sie unerwünscht war. Auch dies gelang einer ciyitas libera nicht immer, wie das eindrucksvolle Beispiel des Negotiators Appujieius Decianus zeigt, der es dem Zeugnis Ciceros zufolge verstanden hatte, sich ein Großgut im Gebiet des freien Apollonis anzueignen, das einem angesehenen Bürger dieser Stadt (weswegen die Geschichte denn schließlich auch an die große Glocke gehängt wurde) gehört hatte92. Die übrigen Bestimmungen der lex Antonia regelten das Verhältnis der Stadt zu den römischen Amtsträgern und den in der Provinz lebenden römischen Bürgern: (1) Einquartierungen römischer Truppeneinheiten zum Zwecke des Uberwinterns werden nur nach vorangegangenem Senats beschluß gestattet (col. II, Ζ. 7-14) 93 . (2) Leistungen dürfen von im staat lichen Auftrag in der Provinz weilenden Beamten und Offizieren nur nach 92
93
Cic. pro Flacc. 70-83. 72: Huius (Amyntas) socrum, mulierem imbecilli consili, satis locupletem, pellexit Decianus ad sese et, cum illa quid ageretur nesciret, in possesione praediorum eius familiam suam collocavit. DazuTH. MOMMSEN, RStR. III, S. 690.
Die Konsolidierung der Herrschaft
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Maßgabe der lex Porcia für ihre persönlichen Ansprüche gefordert werden (col. Π, Ζ. 15-18) 94 . (3) Das Rechtsverhältnis gegenüber römischen Bür gern unterliegt der im Jahre 91 getroffenen Regelung (col. II, Z. 18-22). (4) Hafen- und Landzölle bleiben in der Verfügungsgewalt der freien Stadt. Ausgenommen ist allein römisches Staatseigentum, d. h. also die Sendungen römischer Magistrate und der publicani durch das städtische Gebiet (col. II, Z.32.36) 9 5 . Das für Termessos nichtssagende Zugeständnis der portoria maritima verweist bereits auf den formelhaften Charakter, den diese Bestimmung in dieser Zeit bereits angenommen hat, was angesichts der seit langem üblichen Praxis nicht wunder nimmt (s. S. 220f.). Grundsätzlich sind die Zölle ein natürlicher Ausfluß der städtischen Gebietshoheit, mit der die von Rom auferlegten Ausnahmen juristisch gesehen ebenso kollidierten wie das Requisitionsrecht der römischen Beamten und der Einquartie rungsvorbehalt des Senates. Angesichts des übergeordneten Faktums, daß Freiheit vom Augenblick der Provinzialisierung an nur (oder besser: allein) Freiheit innerhalb und inbezug auf die Provinz sein kann, ist diese Feststellung, da ohne Bezug auf die historische Realität, bedeutungslos. Jede Bestimmung, die das Nebeneinander von Provinz und civitas libera unter dem Gesichtspunkt des übergeordneten Wohles der Provinz regelt und damit im Grunde ermöglicht, ist der Freiheit der civitas libera solange nicht im Wege, solange sie ausschließlich auf diesen Zweck aus gerichtet ist. Daß ζ. Β. die Einquartierung eines römischen Truppenteiles unter bestimmten Umständen für die* freie Stadt ebenso von Nutzen sein 94
Vgl. S. ACCAME, II dominio, S. 59, T H . MOMMSEN, RStR. III, S. 685f. Es erscheint höchst zweifelhaft, daß die nur hier erwähnte lex Porcia dem älteren Cato zu danken ist (so etwa P. FRACCARO, in: Enc. Ital. IX, 1931, S. 456ff., J. GÖHLER, Rom und Italien, 1939, S. 59f.). Die dafür herangezogenen Belegstellen Liv. 32,27,4 (. . . et sumptus, quos in cultum praetorum socii facere soliti erant, circumcisi aut sublati) und Plut. Cat. mai. 6 beweisen allenfalls die von Cato als Statthalter im bewußten Gegen satz zu seine Vorgängern geübte und von ihm gewiß seinen Amtskollegen vorgehaltene bescheidene Amtsführung (Zweifel am Aussagewert dieser Stellen bereits bei G. ROTONDI, Leges publicae p. R., 1912, S. 269f.). Eine gesetzliche Regelung der den Statthaltern von der Provinz und auch von den freien Städten zu leistenden Aufwands entschädigungen erscheint erst von dem Zeitpunkt an plausibel, von dem an das Problem der Ausbeutung von Provinzen überhaupt als solches in das römische Bewußt sein drang, also nicht vor dem ersten Repetundengesetz. Als solches sieht es denn auch P. FRACCARO,
95
Opuscula I,
1956,
S. 165f.
Lit.
bei
G. BARBIERI, in: Diz.
ep.
IV,
S. 711 s. v. lex Porcia. Vgl. TH. MOMMSEN, RStR III, S. 691 f., T. R. S. BROUGHTON, Roman Asia, in: T. FRANK, ES AR IV, S. 540, C. NICOLET, L'ordre equestre a l'epoque republicaine I, 1966, S. 352 f. (über den Zusammenhang mit den fiskalischen Regelungen Sullas).
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Herrschaft und Freihei
konnte wie für die Provinz und ihre Entscheidungsfreiheit nicht bedroht, sondern erhält, würde nur der Bürger einer civitas libera in Abrede gestellt haben, der unter der Freiheit seiner Stadt auch die Freiheit, sich einmal gegen Rom entscheiden zu können, verstand. Ein solches Recht schloß gewiß Willkürlichkeiten in der praktischen Anwendung nicht aus, doch bürgte der Entscheidungsvorbehalt des Senates wenigstens theoretisch (und von hier her von konkreter Bedeutung für das Selbstverständnis der Städte) für die sinnvolle Handhabung, soweit dies bei den gegebenen Verhältnissen überhaupt möglich war. An diesem Punkt wird ganz deutlich, daß die Frage, welche konkreten Elemente der Freiheit eigen sein müssen, um sie nicht zur Illusion werden zu lassen, überhaupt nur unter der Voraussetzung richtig gestellt werden kann, daß ihr materieller Inhalt nicht als absolute Größe feststeht (und damit Abweichungen als solche registriert werden können), sondern sich jeweils an den historischen Gegebenheiten orientiert. Hier ζ. Β. an dem Tatbestand, sich innerhalb der konsolidierten römischen Machtsphäre verwirklichen zu müssen. Wenn man so will, ist das Weiterbestehen staatlicher Freiheit nur ein Ergebnis der römischen Unfähigkeit, um Rom verdiente Gemeinden anders als mit der im Grunde anachronistischen Entlassung aus der römischen Verfügungsgewalt belohnen zu können. Die lex Antonia für Termessos macht die Kristallisationspunkte sicht bar, an die sich die Freiheit innerhalb der römischen Provinzialherrschaft ausrichtet und die als ihr eigentlicher unangreifbarer materieller Inhalt zu gelten haben, Erlässen unter dem ^Eindruck des langen Krieges, ebenso geprägt von den hier gemachten Erfahrungen wie von den Anforderungen des Zusammenlebens der civitas libera mit der Provinz und nicht wie bei den sullanischen Freilassungen mit persönlichen Gefühlen und Zielvor stellungen des Initiators beladen, erscheint dieses Gesetz von seinen Voraussetzungen her dazu am geeignetsten. Es reduzierte Freiheit im wesentlichen auf zwei Elemente, die unbeschadet der im übrigen auf der freien Stadt lastenden römischen Gewalt bestehen: (1) Das Recht auf eigenrechtliches Sacheigentum, speziell den eigenen Grund und Boden (das schließt die Immunität ein 96 ). (2) Das Recht auf unkontrollierte administrative und Jurisdiktionelle Selbstverwaltung innerhalb der von der Herrschaftsmacht eingerichteten oder bestätigten Verfassung. Alle von Rom der civitas libera ansonsten auferlegten Verpflichtungen, die diese Rechte nicht berühren oder als Ganzes aufheben, sind mit ihrem 96
Dies wird ausdrücklich in der diesbezüglichen Bestimmung des SC de Aphrodisiensibus (FIRA I2, 38, Β, Ζ. 13-17) hinzugefügt.
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freien Status vereinbar und ebenso möglich wie weiterreichende Zu geständnisse, die eine zusätzliche Privilegierung bedeuten. c) Die Aufhebung der Untertänigkeit Die Neuordnungen des griechischen Ostens durch Pompeius nach seinem Sieg über Mithradates und durch Caesar nach seinem Sieg über Pom peius orientierten sich an den bisher rekonstruierten Praktiken bei der Ein richtung von civitates liberae. Für die griechischen Städte mußte mit der Fortdauer der Bürgerkriege der Status einer civitas libera um so begehrens werter sein, als er allein nach wie vor mit der Immunität die Reduzierung der zu leistenden Abgaben auf die außerordentlichen Kontributionen gewährleistete, relativen Schutz vor ausgedehnten Einquartierungen römi scher Truppen bot und den Schutz des eigenen Grund und Bodens vor dem Zugriff der publicani und der römischen Kapitalisten sicherte. Die Schwierigkeit war nur, im rechten Augenblick den jeweils Mächtigen zu erkennen, um ihm seine Ergebenheit früh genug beweisen zu können und so der Bestätigung oder Erlangung des begehrten Rechtsstandes gewiß zu sein. In der Regel blieb als einzig gangbarer Weg die Ausrichtung des Handelns nach der von Deiotaros gegenüber Caesar klassisch formulierten Maxime, ,,neque enim se debuisse iudicem esse controversiarum populi Romani, sed parere praesentibus imperiis" 97 . Eine wesentliche Rolle in dem Ringen um die Freiheit spielten jetzt die Bürger einer freien Stadt, die sich freundschaftlicher Beziehungen zu einem"der römischen Großen rührneri'könnten und bereit waren, diese für ihre Vaterstadt in die Waagschale zu legen wie etwa Theophanes und Potamon aus Mytilene, Theopomp aus Knidos und Mithradates aus Pergamon (s. u.) 9 8 . Von allgemein verbindlichen Kriterien, die die Ein richtung von civitates liberae rechtfertigten, kann hier keine Rede sein; worauf es ankam, war die Fähigkeit der städtischen Diplomaten, ihre politischen Freundschaften auch in politisches Kapital umzumünzen. Dieses Kunststück am meisterlichsten vollbracht zu haben, ist das Verdienst der Stadt Mytilene. 88 an der Seite des Mithradates, 80 von Minucius Thermus erobert, zerstört und als civitas stipendiaria eingerich97
98
(Caes.) Bell. Alex. 67,2. Ebenso typisch ist die Antwort Caesars, Deiotaros habe wissen müssen, wo der Senat und das römische Volk Position bezogen habe und wer Italien und die urbs in der Hand gehabt hätte - eine Argumentation, deren scheinbare Rechtsgrundlage, der Sieger handele im Auftrag des römischen Volkes, jeder Bürger kriegsgeneral für sich beanspruchte. Vgl. zu den provinzialen amici L. ROBERT, Ant. Class. 35 (1966) S. 420ff.
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Herrschaft und Freihe
tet, gelang es ihr dennoch mit Hilfe des Historikers Theophanes im Jahre 62, den siegreichen und daher zu noblen Gesten geneigten Pompeius zur Wiederherstellung der alten Freiheit zu bewegen, die in geschickten Verhandlungen der Rhetor Potamon gegen Caesar nach dessen Sieg im Osten bewahren konnte". Damit nicht genug, erreichte man nach Actium die Erneuerung der amicitia und im Jahre 25 schließlich die Überführung des Amicitiaverhältnisses in ein förmliches foedus 100 . Bei näherer Beobachtung dieses abenteuerlichen Schicksals fällt sofort auf, daß die Freilassung durch Pompeius bei ihrer Realisierung auf er hebliche Schwierigkeiten gestoßen sein muß 1 0 1 . Aus dem Jahre 55 datiert ein inschriftlich sehr fragmentarisch erhaltenes SC, aus dem immerhin soviel zu entnehmen ist, daß offenbar auf Ersuchen mytilenäischer Gesandter der Rechtsstatus der Stadt vom Senat in einigen Punkten bekräftigt werden mußte 102 . Anlaß dazu boten Auseinandersetzungen mit den publicani, die eine Herausnahme Mytilenes aus ihren Pachtverträgen durch die Freiheitserklärung nicht akzeptieren wollten und wahrscheinlich auch nicht konnten, ohne finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen103. Sie praktizierten also dasselbe Verfahren, das sie bereits im Falle Herakleias (s. o. S. 236f.) angewandt hatten, und ignorierten die mit der Freiheit verbundene Immunität der Stadt. Diesmal allerdings ohne Erfolg, da Mytilene in diesen relativ friedlichen Jahren gewiß sein konnte, die Aufmerksamkeit des Senates auf sich zu ziehen und mit seinem mächtigen Gönner Pompeius im Rücken, der denn auch das SC eingebracht hatte (Z. 1 d. Inschr.), den publicani mit Erfolg Widerstand leistete. Die anhaltende Fürsorge Roms zeigt weiter ein nach 55 von einem römischen Magistrat (wahrscheinlich dem Statthalter der Provinz Asia) an 99
100
Zur selben Zeit gelang es Caesars gelehrtem Freund Theopomp, die Freiheit seiner Vater stadt Knidos zum Geschenk zu erhalten; Plut. Caes. 48,1. App. b. c. 2,368. Strab. 14,656. SGDI 3504 (Ehreninschrift für einen Nachkommen des Theopomp, der noch hier gerühmt wird, weil er der Stadt [έλευ]θερία καΐ άνισφορία gesichert hat. Zum foedus-Abschluß s. S. 177). Zu dem in vielem paradigmatischen Schicksalen dieser Stadt s. im einzelnen: C. CICHORIUS,
101 102
103
Rom
und
Mytilene,
1888,
F. HILLER VON GAERTRINGEN,
IG XII,
Suppl., 1939, S. 71 ff., S. ACCAME, in: Diz. ep. IV, S. 672ff., R. K. SHERK, GRBS 4 (1963)S. 218f., Roman Documents, S. 114. Plut. Pomp. 42. Vell. 2,18,1. Strab. 13,617. Plin. n. h. 5,139. IG XII, Suppl. 11, S. 208, S. ACCAME, Riv. di Fil. 74 (1946) S. Ulf., R. K. SHERK,
Roman Documents, S. 143ff., auf den für das Folgende zu verweisen ist. R. K. SHERK, aaO. Bekanntlich hatten die Pachtgesellschaften in den Jahren 66-59 schwere Rückschläge erlitten, vgl. H. HILL, The Roman Middle-Class in the Republican Period, 1952, S. 170f., C. NICOLET, L'ordre equestre ä Pepoque republicaine I, 1966, S. 383ff.
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245
die Stadt adressierter Brief104. Dessen ebenfalls nur verstümmelt erhaltener Inhalt läßt erkennen, daß das Territorium der Stadt durch Pompeius ausgedehnt worden war 105 und darüber vermutlich wiederum mit den publicanen ausbrechende Auseinandersetzungen unter Verweis auf das unter Pompeius ergangene SC entschieden wurden. Die im Falle Mytilenes sichtbar gewordenen Probleme dürfen aller dings nicht zu dem verallgemeinernden Schluß verleiten, daß allein die Interessen der Publicanen der problemlosen Restitution einer civitas stipendiaria zu einer civitas libera im Wege gestanden hätten. Davor sollte bereits die Überlegung warnen, daß die Politik der Publicanen nur vor dem Hintergrund des Problems der genauen Abgrenzung des freistädti schen Territoriums, auf das sich der eben zitierte Brief eines römischen Amtsträgers bezog, sinnvoll erscheint. Tatsächlich wurzeln die Schwierig keiten der Umwandlung einer civitas stipendiaria in zwei Punkten: (1) Der genauen Festlegung der territorialen Grenzen der neuen civitas libera gegenüber dem weiterhin tributpflichtig bleibenden Gebiet der umliegen den civitates stipendiariae. Daraus resultierte die Aufgabe des Censors, die Pachtverträge der Publicanen entsprechend zu ändern. (2) Der Neuein richtung oder Bestätigung der städtischen Verfassung, bei der es galt, die römischen Wünsche nach Stabilität der inneren Verhältnisse mit der in der Regel demokratischen Form der Verfassung in Einklang zu bringen. Auf beide Punkte verweist die Freilassung Pergamons. Die Stadt hatte wie Mytilene wegen ihrer allzu willigen Zusammenarbeit mit Mithradates alle Sympathien in Rom verloren und war von Sulla mit dem Entzug ihrer alten Rechtsstellung bestraft worden 106 . Nach Pharsalos erreichte sie die Freiheit mit Hilfe ihres Bürgers Mithradates, der Caesar in Alexandria mit einer zusammengewürfelten Armee syrischer Dynasten entsetzt107 und in der Flut der ihm zuteil gewordenen Ehren und Belohnungen seine Heimat stadt nicht vergessen hatte 108 . Die Freilassung durch Caesar bezeugen zwei 104 105
106
107
-108
IG XII, Suppl. nr. 11, S. 12, R. K. SHERK, Roman Documents S. 269ff. Z. 27f. ist die Rede von einem Gebiet [ττλέ]θρων 5ισχιλίω[ν], das S. ACCAME, in: Diz. ep. S. 673 mit Recht auf dem Festland lokalisiert. App. Mithr. 23,88f. Plut. Sulla 11. Cic. pro Flacc. 57. Die von CH. HABICHT, Die Inschriften des Asklepieions, in: Altertümer von Pergamon VIII 3, 1969, S. 4f. zum Beweis des Gegenteils herangezogene Stelle Cic. pro Flacc. 70f. bezieht sich auf die freie Stadt Apollonis, in der der Negotiatov Decianus, von Cicero in einer meisterlichen Karikatur bloßgestellt, Landbesitz auf Wegen erreicht hatte, die den Propraetor in Asia L. Valerius Flaccus (62 v. Chr.) zum Eingreifen veranlaßt hatten (pro Flacc. 70-83). (Caes.) Bell. Alex. 26ff., M. GELZER, Caesar6, 1960 S. 230ff. Lit. zu Mithradates bei M. ROSTOVTZEFF, WGHW III, S. 1300f.
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Herrschaft und Freiheit
gleichlautende Ehreninschriften für Mithradates, die ihn als Neugründer Pergamons nach Pergamos und Philetairos feiern109, zwei ebenfalls gleich lautende Texte für Caesar, in denen er für die ,,Restituierung von Stadt und Land an die angestammten Götter" geehrt wird110, und ein nur fragmentarisch erhaltenes Schreiben des Diktators an die Stadt, in dem die einzelnen Verfügungen aufgeführt wurden111. Mit dieser Entscheidung Caesars war der Freilassungsvorgang noch nicht abgeschlossen. Fragment F der Inschriften aus Smyrna bezieht sich ebenfalls auf die Modalitäten der Restitution und enthält Grenzregulierun gen gegenüber dem südwestlich an Pergamon angrenzenden Elaia und wahrscheinlich noch anderen Gemeinden112. Dies bestätigt den schon aus sachlichen Erwägungen naheliegenden Schluß, daß die Wiederherstellung einer Stadt als civitas libera mit einer Neufestlegung der Grenzen gegen über den benachbarten civitates stipendiariae Hand in Hand gehen mußte113. Die Neuordnung der inneren Angelegenheiten Pergamons, insbeson dere die Wiederherstellung einer funktionsfähigen Verfassung, blieb dem Prokonsul von Asia, Publius Servilius Isauricus (46-44 v. Chr.), vorbehal ten. Von ihm spricht eine Ehreninschrift als dem Bewahrer und Wohltäter der Stadt, der ihr ,,die angestammten Gesetze und die unbeschränkte demokratische Verfassung zurückgegeben habe"114. Servilius hat sich dabei höchstwahrscheinlich auf das SC Popillianum berufen, das die testa109
110
111
IGRR IV, 1682, L. ROBERT, Inscriptions grecques d'Asie Mineure, in: Anatol. Stud., S. 230. IvP 379 u. 3#0, IGRR IV, 1677. Vgl. Fragment F der Inschriften aus Smyrna (A. PASSERINI, Athenaeum N . S. 15 (1937) S, 276f., L. ROBERT, aaO. S. 229). A. PASSERINI, aaO. S. 272 ff. (mit fälschlichem Bezug auf Smyrna), L. ROBERT, aaO. S. 227, R. K. SHERK, Roman Documents, S. 280ff. Z. 6 erhellt als Objekt des Be schlusses Pergamon, Z. 12 zeigt, daß dabei auf Attalos III. zurückgegriffen wird (PASSERINI), Z. 13 geht es um die Asylie und Z. 16 sind die Heiligtümer erwähnt. Bereits FL HEPDING, Mithradates von Pergamon, Ath. Mitt. 1909, S. 329ff. hat den Freilassungsakt Caesar zugeschrieben; ihm zustimmend M. SEGRE, Athenaeum N. S. 16 (1938) S. 119ff., L.ROBERT, aaO. S. 227f., R. K. SHERK, aaO. S. 283f. gegen D. MAGIE, RRAM II, S. 1258f. Anm. 3, der gestützt auf OGIS 449 (s. u.) erst durch Servilius die Freiheit Pergamons verwirklicht sieht. C H . FIABICHT, aaO. S. 5, für den Pergamon den Status einer civitas libera nie verloren hatte, muß in den vorliegenden Zeugnissen konsequent ,,nicht so sehr rechtserhebliche als vielmehr politisch relevante Bekundungen" sehen.
112
A. PASSERINI, aaO.
113
Die Aufstellung der Dokumente, die den ager Pergamenus betrafen, in Smyrna und anderen Städten macht ebenfalls deutlich, welche Wichtigkeit derartige Regelungen für die übrigen Provinzstädte besaß. IvP 413 = IGRR IV, 433 ?= OGIS 449. Vgl. IvP 414 = IGRR IV, 434; IvP 250 = OGIS 337.
114
S. 276 f. (vgl. G. TIBILETTI, JRS 47 (1957) S.
136).
247
Die Prekarität
mentarischen Verfügungen Attalos'III. ratifiziert hatte115. In diesen Rahmen seiner verfassungsgebenden Tätigkeit gehört auch ein von ihm entschiedener Rechtsstreit zwischen Pergamon und einem römischen Negotiator, in dem es um die Rechte des Asklepieions ging und in dem das von Caesar festgesetzte (oder bestätigte) Asylrecht als bestehend vorausgesetzt wird116. Diese spärlichen Nachrichten vermitteln zwar kein auch nur annähernd klares Bild über die getroffenen Maßnahmen, sie reichen aber aus, um den funktionalen Zusammenhang zwischen Restitution, Neufestsetzung des territorialen Besitzstandes und Verfassungsreform deutlich zu machen117. Es genügte ganz offensichdich nicht, die auch einer civitas stipendiaria zugestandene Selbstverwaltung als nunmehr von der Kontrolle des Provinzialstatthalters ausgenommen zu erklären. Dies wiederum setzt voraus, daß diese Kontrolle in dem Sinne zu deuten ist, daß die Wesens elemente der städtischen Verfassung dem Statthalter als dem eigentlichen Regierungsorgan untergeordnet sind und dementsprechend keine aus sich heraus gerechtfertigte Funktion mehr besitzen118. Die Herauslösung der städtischen Verfassung aus dieser Bindung erzwang damit die Neu organisation im Hinblick auf ihre gewandelte Aufgabe, die städtische Gewalt allein und umfassend auszufüllen.
4. Prekarität als rechtsgeschichtlicher und politischer Begriff Die Frage nach dem Stellenwert der Freiheit innerhalb der konsoli dierten Herrschaft ist mit der Frage, ob die Rechtslage der freien Städte als 115
OGIS 435, Z. 20f., P. FOUCART, Mem. de l'Acad. des Inscr. et Belles-Lettres 37 (1904) S. 317
116
117
118
Anm.
3, H. H E P D I N G , aaO.
S. 339,
C H . HABICHT, aaO.
S. 5 Anm.
7.
Einzelheiten sind nicht rekonstruierbar. Dazu jetzt eingehend C H . HABICHT, aaO. nr. 1, S. 21 ff. Vgl. M. SEGRE, II mondo classico 3 (1933) S. 485ff., 4 (1934) S. 71 (zur richtigen Deutung des Rechtsstreites), L. ROBERT, aaO. S. 228f. und R. SYME, Historia 13 (1964) S. 116 (zur Person des römischen Negotiators). Nach einer an sprechenden Vermutung L. ROBERTS, Hellenica VI, 1948, S. 33 ff. hat Servilius generell die Asylie der Heiligtümer seiner Provinz überprüft. Von diesem Zusammenhang müssen alle an dem Freilassungsvorgang Beteiligten aus gegangen sein, da in Smyrna zu diesem Zeitpunkt sämtliche Verfügungen auf zwei Inschriftenquadern zusammengestellt wurden, die (a) der römische Staat in den Streitigkeiten zwischen Pergamon und den Publicanen erlassen hatte, die (b) das pergamenische Territorium abgrenzten und die (c) die Rechtslage der Stadt klarstellten. Diese Überlegung zielt auf die grundsätzliche rechtliche Struktur der im städtischen Bereich wirksamen Macht des Statthalters und wird von der Frage nach den tatsächlich vorgenommenen Eingriffen nicht tangiert.
248
Herrschaft und Freiheit
prekär, d. h. als von Rom kraft Rechtsanspruch widerruflich begriffen wurde oder nicht, untrennbar verknüpft. Prekarität versteht sich zunächst und vordringlich als ein Begriff der Rechts- und nicht der politischen Geschichte. In dieser steht ohnehin fest, daß Rom von einem bestimmten Zeitpunkt an in der Lage war, jede innerhalb seiner Machtsphäre be stehende Rechtsordnung zu beseitigen. Diese Voraussetzung schränkt den Kreis der freien Städte, deren Rechtsstellung überhaupt prekär sein kann, auf die ein, die ihren Status aus einem römischen Freilassungsdekret nach vorangegangener Eroberung oder Dedition ableiten. Dabei spielt es keine Rolle, ob die römische Willenserklärung im Rahmen einer Provinzialordnung (lex provinciae) oder einer Neuordnung des völkerrechtlichen Nebeneinanders (z.B. Apameia) erging. Die Vorstellung von der prekären Rechtslage dieser civitates liberae basiert auf drei sachlich voneinander abhängenden Überlegungen. Ihnen gegenüber kommt den Aussagen der antiken Nachrchten eine unter geordnete Bedeutung zu, so daß das Allgemeine zunächst erörtert werden muß, um das Problem in den ihm gebührenden Zusammenhang ein zuordnen 119 . Nach T H . MOMMSEN sind die nichtitalischen reichsangehörigen Staaten in ,,autonome" und ,,nicht autonome Untertanen" zu trennen. Die civitates liberae wie die civitates foederatae gehören zur ersten Kategorie und müssen untereinander, obwohl ihr Rechtsverhältnis ,,nicht an sich verschieden" sein kann, durch die bei den civitates liberae wie bei den nichtautonomen Untertanen „bleibende Möglichkeit des Widerrufs" aus einander gehalten werden 120 . So unbestreitbar die von MOMMSEN anhand der Praktizierung des Postliminiums festgestellte grundsätzliche Gleichheit der Rechtslage der freien und foederierten Städte ist, so in sich unschlüssig ist der eingeführte Gegensatz der Widerruflichkeit und der Unwiderruflichkeit, von dem MOMMSEN selbst eingesteht, daß er nirgends ausdrücklich bezeugt ist, sondern allein ,,im Wesen der Freiheit mit foedus und sine foedere" begründet liegt. Nimmt man dies einmal als gegeben hin, so wird dadurch die sachlich gerechtfertigte Abhebung von den nichtautonomen Unter tanen wieder zunichte gemacht, da als deren spezifisches Kennzeichen ebenfalls die widerrufliche Autonomie erkannt wird 121 . 119 120
121
Grundlegend A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 99ff. RStR. III, S. 655ff. Zur Kritik neben A. HEUSS, aaO. F. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, S. 314f. RStR. III, S. 725 f.
Die Prekarität
249
Die Beweisführung MOMMSENS stützt sich auf den Gedanken, daß eine einseitige römische Willenserklärung im Gegensatz zum zweiseitigen Ver tragsabschluß das Recht auf einseitige Korrektur präjudiziell. Die in der Form von leges oder SCC erlassenen Freiheitsakte müssen damit von Staatsorganen ausgesprochen werden, deren Kompetenz allein innerstaat liche Regelungen umfaßte und die im völkerrechtlichen Bereich nur an der internen Willensbildung des Staates, nicht aber an seiner rechtswirksamen Vertretung nach außen beteiligt waren. Diese Konsequenz hat am deut lichsten H . H Ö R N gezogen, wenn er schreibt, daß Rom bei den civitates liberae „keinen Unterschied zwischen Innen- und Außenpolitik" machte, „d. h. man betrachtete diese Staaten in der Praxis als reichsangehörig"122. Damit wird, legt man den Kern dieser seit MOMMSEN weitgehend unreflektiert aufgenommenen Folgerung bloß 123 , der die Freiheit einer Stadt begründende Rechtsakt auf Grund seiner Einseitigkeit und seines Voll zuges durch die vermeintlich nur auf innerstaatliche Funktionen fest gelegten Organe in seiner materiellen Rechtswirkung dahingehend be grenzt, daß er nur eine innerstaatliche Ordnung setzen kann, die als solche durch einen gleichen Vorgang wiederaufhebbar ist. Diese Einengung der als lex oder SC gefaßten Willensentscheidung des römischen Volkes ist nun schlechterdings unhaltbar: (1) Die Entlassung einer eroberten oder dedierten Gemeinde ist eo ipso nur als einseitiger römischer Akt denkbar, der in seiner Auswirkung nicht von vornherein (theoretisch also sogar gegen den Willen des Vollziehenden) als begrenzt verstanden werden kann 124 . (2) In der Form von leges und vor allem SCC sind eine Unzahl von außenpolitischen Entscheidungen gefällt worden, die zu dem Schluß zwingen, daß das Volk und der Senat nicht nur materiell (bezogen auf die interne Willensbildung), sondern auch formell den römischen Staat im völkerrechtlichen Verkehr vertreten, es sei denn, daß die herzustellenden völkerrechtlichen Beziehungen durch ein foedus sanktioniert werden sollen 125 . Es mag genügen, auf die Inthronisierung 122 123
124
125
H. HÖRN, Foederati, 1930, S. 49f. Zur Kritik A. HEUSS, Volk. Grell. S. 109f. Anm. Etwa J. MARQUARDT, RSTV I2, S. 76f., O. KARLOWA, Römische Rechtsgeschichte I, 1885, S. 337, A. H. M. JONES, in: Anatol. Stud. S. 113, M. KÄSER, Z. Sav. Stift. R. A. 62 (1942) S. 55, S. ACCAME, II dominio, S. 46f., U. VON LÜBTOV, Das römische Volk, 1955, S. 663, A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 220. Richtig E. BADIAN, FC, S. 74: ,,the freedom of (say) the Thessalians could not be withdrawn by the Senate any more than that of New Zealand or India can be withdrawn by the British Parlament, which ,unilaterally* granted it." In diesem Fall war die Schwurhandlung der Fetialen (Liv. 1,24,4-9) oder eines Im periumträgers (Polyb. 3,25,6-9) der allein rechtsverbindliche Akt, was speziell die Institution der Auslieferung eines vertragsschließenden Feldherrn an den Vertrags-
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Herrschaft und Freiheit
Massinissas und die Restitution des numidischen Königreiches durch Senat und Volk 126 , auf die seit dem zweiten Jhdt. erfolgte Anerkennung der hellenistischen Herrscher im Falle eines Thronwechsels 127 sowie auf die schiedsrichterlichen Entscheidungen des Senates zu verweisen, um diesen Sachverhalt hinreichend deutlich zu machen. Der bisher verfolgte Ausgangspunkt, von dem Rechtscharakter des Freilassungsaktes auf seine reale Wirkung zu schließen, wurde von E. TÄUBLER und E. BICKERMANN um die Frage nach den Rechtsfolgen von Dedition und Eroberung und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Freilassung erweitert. Aus der richtigen Erkenntnis, daß nach der Eroberung oder Dedition die Verfügungsgewalt des Siegers über den Besiegten absolut ist, wird weiter gefolgert, daß das Siegerrecht ein dauerndes Besitzrecht an den einmal gewonnenen Gebieten schafft. Der Rechtseffekt jeder, in welcher Form auch immer ausgesprochenen Frei lassung wird so auf die Schaffung eines prekären Besitzstandes fest gelegt 128 . Tatsächlich hat der Sieger zwar die unbegrenzte Macht, jede ihm gegner beweist, die den römischen Staat vor dem Zorn der Götter für den Bruch eines Vertrages schützen sollte, den man, war er einmal beschworen, nicht mehr außer Kraft setzen konnte, ohne schuldig zu werden. 126 Ygj Max. 7 , 2 , 6 : Q u a m deinde se (der Senat) prudenter in rege Massinissa gessit! nam cum promptissima et fidelissima eius opera adversus Karthaginienses usus esset eumque in dilatando regno avidiorem cerneret, legem ferre iussit, qua Massinissae ab imperio p. R. libertatem tribueret. Vgl. P. G. W A L S H , Massinissa, JRS 55 (1965) S. 150f. Mit Recht hat D . T I M P E , Hermes 90 (1962) S. 342f. die Ansicht E. BADIANS, F C , S. 129 zurückgewiesen, daß der livianische Bericht (45,13) über die Gratulationsgesandtschaft des Massinissa-Sohnes Masgaba zum Sieg von Pydna die Auffassung Massinissas über*" sein Verhältnis zu R o m dahingehend präzisieren ließe, daß er sich selbst nur die N u t z nießung (usus), Rom aber die Souveränität (dominium et ius) über sein Land zuschreibe. 127 O . B O H N , Q u a condicione iuris reges socii populi Romani fuerint, Diss. Berlin 1876, S. 16ff., P. C . SANDS, T h e Client Princes of the Roman Empire under the Republic, 1908, S. 58ff.; 163ff. (Quellen). Es dürfte w o h l niemand auf die Idee kommen, diese einseitigen Bestätigungsakte des Senates oder der Volksversammlung so zu inter pretieren, daß sämtliche hellenistischen Monarchien seit der Mitte des zweiten Jhdts. einen prekären Rechtsstatus besaßen. 128 E . TÄUBLER, Imp. R o m . , pass., E. BICKERMANN, Hermes 67 (1932) S. 47ff., REG 47 (1934) S. 346ff. (dazu W . W . T A R N , Alexander the Great II, 1948, S. 199ff.), Ant. Class. 5 (1936) S. 472f., Rev. de Phil. 13 (1939) S. 335ff. BICKERMANN geht von den hellenistischen Verhältnissen aus, die die Römer lediglich übernommen haben sollen. Diese' Auffassung widerlegt zu haben, ist das Verdienst von A . HEUSS, Volk. Grdl. S. 101 ff., Stadt und Herrscher, S. 223f.; 289ff. (zustimmend M. ROSTOVTZEFF, G W H W I, S. 412ff., F. G S C H N I T Z E R , Abhängige Orte im Altertum, 1958, S. 171); vgl. auch J. BLEICKEN, Ζ- Sav. Stift. R. A . 84 (1967) S. 427 A n m . 4: „Analog müßte man behaup ten, daß die persönliche Freiheit eines Bürgers deswegen prekär sei, weil der Bürger auf Grund eines Deliktes eingesperrt werden kann.'* Die der Ansicht BICKERMANNS zugrundeliegende Vorstellung, Freiheit ihrer Erwerbsart nach in originäre und derivative trennen zu können, läuft im Grunde auf eine Übertragung einer zivilrechtlichen
Die Prekarität
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richtig erscheinende Regelung zu treffen, jedoch schafft das Siegerrecht nur die Voraussetzung dafür und präjudiziert in keiner Weise den den Frieden bestimmenden Status, der von ganz anderen Faktoren, wie etwa der Fähigkeit, Herrschaftsmodelle zu entwickeln, abhängt. Es bleibt ein kurzer Blick auf die Aussage der Überlieferung, soweit sie expressis verbis von einem prekären Rechtsstand spricht oder im Zusam menhang der geschilderten Ereignisse den Schluß darauf nahelegt. Auch hier hat A. HEUSS bündig nachweisen können, daß in keinem einzigen Fall ein Indiz dafür zu finden ist, daß die Freilassung nach dem Grundsatz der Prekarität gehandhabt wurde 129 , so daß allein die Frage nach der Bedeu tung des Begriffes im konkreten Einzelfall noch offen ist. Geht man von diesem Ausgangspunkt an die Quellen heran, so wird sofort klar, daß Rom dort, wo es eine von ihm getroffene Regelung als vorläufige verstanden wissen wollte, dies ausdrücklich in die Verfügungen ebenso aufnahm wie konkrete Beschränkungen der inneren Entscheidungsfreiheit der civitates liberae 130 . Ansonsten verstand man Freiheit, jedenfalls was ihre juristische Qualität anbelangt, als unwiderruflich.
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Unterscheidung für den Erwerb von Eigentum auf den völkerrechtlichen Bereich hinaus (Hermes 67, S. 51 f.), von dem sie wesensmäßig verschieden ist. Das moderne Völkerrecht hat denn auch die Anwendung dieser Unterscheidung fallen gelassen, vgl. L'HULLIER, Elements de Droit International Public, 1950, S. 243: „aucun interet dans les relations entre £tats"; F. BERBER, Lehrbuch des Völkerrechts, I, 1960, S. 336 (mit Lit.). A. HEUSS, Volk. Grdl. S. 101 ff. Die gegen die Beweisführung von A. HEUSS vorge brachten Einwände S. ACCAMES, II dominio, S. 46f.,~RoTna alla-conqirista der-medi* terraneo Orientale, 1966, S. 59f. sind von F. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, S. 315 Anm. 14 zerstreut worden. Die zur Diskussion stehenden Stellen sind: Liv. 39,37: Rede des Lykortas vor römischen Gesandten, die 184 den Streit um die von den Achäern gewaltsam vorgenommenen Abänderungen der spartanischen Ver fassung schlichten sollten und denen Lykortas vorwirft, se apud Achaeos precaria libertas, apud Romanos etiam Imperium est. Der Erklärung von HEUSS ist hinzuzufügen, daß der achäische Bund zu diesem Zeitpunkt bereits vertraglicher Bundesgenosse war (E. BADIAN, JRS 42 (1952) S. 76ff.), so daß precaria libertas hier von vorneherein nur das de facto bestehende Kräfteverhältnis illustrieren kann. App. Iber.: Streit um Segeda 154. CIL I2 614 = FIRA I 2 51: Dekret über den Rechtsstand der Sklaven der Hastenser. Syll. 3 646 = FIRA I2 31: SC über die Freiheit Thisbes; die hier Z. 21 ff. festgesetzte Zehnjahresklausel bezieht sich nicht auf die Freilassung als Ganzes, sondern auf die Besetzung der Magistraturen und Priesterstellen mit Freunden der Römer. Polyb. 30,5,12 (vgl. Liv. 45,26,6): Die Freiheitserklärung für die Karer und Lykier 167, die man in Apameia den Rhodiern zugesprochen hatte. Die Einordnung dieses Vorganges als eminent politische Entscheidung kann mittlerweile als Allgemeingut der Forschung gelten. Unter den bekannten Zeugnissen ist kein einziges, in dem eine römische Verfügung als Ganze auf Widerruf erlassen wurde. Das o. g. Dekret des L. Aemilius Paullus (procos. in Hispania ulterior 189) setzt zunächst ohne Einschränkung die Freilassung
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Herrschaft und Freihe.
Die Prekarität als rechtsgeschichtlicher Begriff erweist sich damit für die Geschichte der civitates liberae als gegenstandslos. Daß mit dieser Erkenntnis allerdings nur ein Teil der Wahrheit gewonnen ist, wird nach dem ersten flüchtigen Blick auf die Fülle von Beispielen klar, die beweisen, daß der Rechtsstatus freier Städte von Rom oder seinen Feldherrn auf gehoben wurde und vielfach binnen Jahrzehnten mehrmals wechseln konnte 1 3 1 . Dieses Schicksal traf freigelassene ebenso wie von alters her freie Städte, die Rom als solche anerkannt hatte. Da es eine rechtliche Grundlage dafür nicht gibt, sind diese Entscheidungen allein politische Entscheidungen, die in dieser Weise gefällt werden konnten, als Rom Herr eines Reiches wurde, dessen übergeordnete Interessen gegenüber der Freiheit einiger weniger den absoluten Vorrang beanspruchten. Innerhalb der Provinzen ist dieser Sachverhalt ohne weiteres einsichtig. In den Gebieten, in denen man sich erst spät zur Provinzialisierung entschloß, zerfällt die Entwicklung, die zu einer derartigen Verfahrensweise führte, in verschiedene Phasen. Beginnend zunächst mit einer im außenpolitischen Rahmen stattfindenden Kontrolle führten auch sie dahin, daß Entstehen und Fortbestehen der freien Städte von dem Willen des Senates abhing. Einen ersten gewichtigen Einschnitt bildet dabei der Sieg von Pydna132 , dem ζ. Β. die Lykier und Karer ihre Befreiung von der rhodischen Herr schaft verdankten. Dieser Vorgang machte den Rhodiern klar, daß die zukünftige staatliche Existenz von dem politischen Willen der westlichen Großmacht abhing, und bescherte den Befreiten eine Zukunft, die ohne unbedingte Loyalität-gegenüber dem Befreier nicht vorstellbar war. N u n bedarf auch die politische Entscheidung einer absolut überlegenen Macht der Begründung und muß, wenn sie sich wie hier auf einen seiner Rechtslage nach im wesentlichen gleichen Kreis von Betroffenen bezieht, gewissen Normen unterliegen, die allen Beteiligten einsichtig sind. Diese Normen, die den Entzug der Freiheit von der Willkür gleich weit entfernt
der Bewohner der Festung Lascuta, bisher Sklaven der Stadt Hasta, fest, um ihnen dann das bisher ihren Herren gehörende Land, das durch den römischen Sieg ager publicus geworden war, zur widerruflichen Nutzung zu überlassen: agrum oppidumquae, quod ea tempestate possedissent, item possidere habereque iousit, dum poplus senatusque Romanus vellet. Dasselbe gilt für die Zehnjahresklausel im SC de Thisbe und für das Verbot der lex Antonia für Termessos, gegen die bestehende Verfassung zu handeln. 131 Beispiele bei M. LEMOSSE, Le regime des relations internationales, S. 162. 1 2 ^ Für T. FRANK, Roman Imperialism, 1914, S. 211 ff. liegt hier der entscheidende Ein schnitt in der Geschichte der kleinasiatischen Städte, deren Freiheit Rom nicht ursprünglich, sondern erst unter dem Eindruck des Perseuskrieges als prekär verstanden hätte.
Die Prekarität
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erscheinen lassen wie von einer nicht vorhandenen juristischen Rechtferti gung, werden bestimmt von der politischen Funktion, die eine in feier licher Form gegebene Freilassung im Rahmen der römischen Reichs bildung hat. Sie ist unschwer zu erkennen: Es geht um die Regelung des Status eines de facto nach wie vor abhängigen und im provinzialen Bereich dem Lebensrhythmus des angrenzenden römischen Herrschaftsgebietes angepaßten Gemeinwesens, demgegenüber Rom sich auf Grund voran gegangener Leistungen verpflichtet fühlte. Die Gewährung der Freiheit erfolgte dabei unter der nicht eigens formulierten, aber angesichts des Kräftegefälles selbstverständlichen Voraussetzung, daß der Bestand des hergestellten Verhältnisses zu Rom von der loyalen Erfüllung der für das Zusammenleben mit der Vormacht und seinem Herrschaftsgebiet not wendigen Verpflichtungen abhängt. Nichts anderes galt für die foederierten Städte, deren im Vertrag festgesetzte Pflichten nur den Bruchteil von dem ausmachten, was man tatsächlich von ihnen an Zusammenarbeit im Frieden erwartete. Keine freie Stadt hat dementsprechend die verliehene Freiheit anders als unter dieser Voraussetzung gegeben (und somit als eine begrenzte) verstanden, was allerdings mit modernen Vorstellungen von völkerrechtlicher Souve ränität nicht mehr zu erklären ist. Einer von einem absoluten Freiheitsbegriff ausgehende Betrachtungs weise wird die hier erkemibare Handhabung der Freiheit als Einschrän kung erscheinen. Ordnet man sie in den historischen Zusammenhang ein und berücksichtigLden ihr hier realiter zukommenden Wert, so ergibt sich zwingend der gegenteilige Eindruck. Gegenüber der a priori gegebenen Macht, die ohne Herrschaftsanspruch keine wäre, begründeten die Frei lassungsakte wie die Erneuerungen alter Amicitiaverhältnisse nicht die Abhängigkeit des Schwächeren von dem Stärkeren, sie schränkten vielmehr die Ausübung der Herrschaft in wesentlichen Punkten in der Form eines feierlichen und offiziösen Verzichtens ein. Maßstab ist also nicht die Freiheit, von der Teile verlorengegangen wären, sondern die Herrschaft, Hie sich selbst beschränkt. Von hierher gesehen ist es konsequent und in sich logisch, wenn die Freiheitsdekrete keine Aufzählung der zu erfüllenden Verpflichtungen, ohne die die hergestellte Rechtslage nicht von Dauer sein konnte, be inhalten. Sie verstanden sich als Ausfluß der übergeordneten Realität der allumfassenden römischen Gewalt von selbst. Worauf es ankam, war, das Außerordentliche vor dem Hintergrund des Selbstverständlichen zu formulieren. Politisch gesehen war jede Restitution oder Bestätigung als
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Herrschaft und Freihd
civitas libera für den, d er sie erreichte, ein Erfolg und für Rom ein Verzicht. Auf der Basis dieser Einordnung der Funktion der Freilassungen sind die überlieferten Fälle zu beurteilen, die ausweisen, daß eine Stadt ihre Qualität als civitas libera verlor. Entweder lag tatsächlich ein Bruch der an diesen Status geknüpften, wenn auch nicht expressis verbis formulierten Verpflichtung vor; die Haltung vieler Städte in den Mithradatischen Kriegen liefert dafür hinreichend Beispiele. Oder die römischen Großen der Bürgerkriege, die ihr Schicksal mit dem des römischen Staates identifi zierten, waren davon überzeugt (und handelten dementsprechend), daß sich die freien Städte durch mangelnde Loyalität ihnen gegenüber auch an dem römischen Staat verfehlt und ihren Anspruch auf Weiterbestehen ihres Status damit selbst aufgegeben hätten133. In jedem Fall wurde das Ende der Freiheit mit dem Bruch der Loyalität gegenüber Rom motiviert und damit grundsätzlich gegen die civitates liberae nicht anders verfahren als gegen die civitates foederatae, deren Vertrag dann als gebrochen galt, wenn man in Rom die vereinbarte Zusammenarbeit als nicht mehr gegeben interpretierte. Dabei ist es eine Frage von untergeordneter Bedeutung, ob die vorgebrachte Begründung in jedem konkreten Einzelfall als sachlich berechtigt erkannt werden kann oder nicht. Entscheidend ist, daß überhaupt Normen vorhanden waren, die man als verbindlich anzusehen gewillt war. Man versteht dies richtig, wenn man den entscheidenden Wesenszug, den antikes und modernes Völkerrecht gemeinsam haben, nicht aus, den Augen verliert: Jeder Staat besteht grundsätzlich auf dem aus seiner staatlichen Souveränität ab geleiteten Recht, seine Rechte und Pflichten selbst auszulegen und, falls in Zweifelsfällen keine Einigung erzielt werden kann, selbst durchzusetzen. Auf die hier angesprochenen zwischenstaatlichen Beziehungen bezogen heißt das, daß die Erfüllung oder Nichterfüllung vereinbarter oder voraus gesetzter Verpflichtungen nur von dem Willen und der Interpretation der Kontrahenten abhing. Da das bestehende Machtgefälle den civitates liberae die Ausübung dieses Rechtes genommen hatte, blieb die Freiheit der Willensbildung in der Form der Selhstbindung allein bei Rom. 133
Zu den Eingriffen römischer Statthalter in die freie Selbstverwaltung bereits richtig E. KUHN, Die städtische und bürgerliche Verfassung des Römischen Reichs II, 1865, S. 28: „Nur die mangelnde Anschauung eines durch das Bundes Verhältnis modifizierten Verhältnisses der Selbständigkeit könnte verkennen, daß vor dem Untergange der römischen Republik in keinem einzigen Fall eine Verletzung der eigentümlichen Gerechtsame der freien Völker gemeldet wird, ohne daß dieselbe mehr oder weniger zugleich als eine Anomalie bezeichnet würde."
Freiheit und Immunität
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5. Freiheit und Immunität Die Verpflichtungen eines Staates zu finanziellen Leistungen an Rom sind in der Form der Kriegskostenentschädigung, der ad hoc fälligen Bundeshilfe und des dauernden Tributes möglich. Kriegskosten galten als Ersatz für die Aufwendungen an Material und Sold und wurden entweder vertraglich fixiert, oder mit der Restitution einseitig festgesetzt134. Das dabei übliche Verfahren jährlicher Ratenzahlungen und die für ihren pünktlichen Eingang bürgenden Geiseln banden den Besiegten für Jahre an Rom. Die politische Wirksamkeit dieser Regelung wurde in Rom durchaus richtig eingeschätzt, wie die den Karthagern 201 zugemutete Zahlungsdauer von 50 Jahren und die 187 erfolgte Ablehnung des kartha gischen Angebotes, die Restschuld mit einmal zu begleichen, beweisen135. Hier wie im Falle der Bundeshilfe ist die Souveränität des Verpflichteten in jedem Fall Voraussetzung der gestellten Forderung. Die Tributpflicht ist dagegen in zwei Gestalten denkbar: einmal als Tribut des Abhängigen als solchen, zum anderen als Übertragung der Steuerpflicht des Besiegten auf den Sieger, wobei in beiden Fällen die Zahlungen als regelmäßige und zeitlich unbegrenzte verstanden wurden. Der Verzicht auf die Ausübung der Besteuerungsrechte ist ohne weiteres mit dem Ende der Souveränität gleichzusetzen und als wesentliches Kriterium der Untertänigkeit einzuordnen 136 . Bekanntlich kannte die römische Bundesgenossenpolitik in Italien keine Verpflichtung,.die über,die in den auf ewig abgeschlossenen foedera festgelegte Waffenhilfe hinausgereicht hätte. Erst die Begegnung mit dem hellenistischen Freiheitsbegriff in den ersten Jahren der Ostpolitik, ver bunden mit der konsequenten Fortführung des 228 in Illyrien zum erstenmal auf Besiegte angewandten Grundsatzes, außerhalb Italiens die vertragslose amicitia als ausreichende Bindung an Rom anzusehen, führte auch in Rom dazu, die Immunität nicht mehr als selbstverständliches 134
135 136
Zu den vertraglichen Regelungen vgl. man die Friedensschlüsse mit Karthago, Hieron IL, Philipp V., Nabis, die Aitoler und Antiochos III. (E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 68f.). Zu den einer restituierten Gemeinde auferlegten Zahlungsverpflichtungen vgl. die Politik Scipios gegenüber den spanischen Völkerschaften 206/5 (S. 78 ff.). Ebenso wird das ehemals dedierte Phokäa 191 zu Tributleistungen verpflichtet, die schließlich zum er neuten Abfall der Stadt führten (Polyb. 21,6,2ff. Liv. 36,43,11 ff. 37,9,1). Sulla schließ lich forderte nach seinem Sieg über Mithradates von allen abgefallenen kleinasiatischen Städten die Zahlung der Kriegsentschädigung und des Tributes von fünf Jahren (App. Mithr. 62,259). Polyb. 15,18,7. Liv. 30,37,5 (Vertrag von 201). 36,4,7f. (Restschuld). T H . MOMMSEN, RStR. III, S. 681; 684.
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Herrschaft und Freihe
Akzidens der libertas zu verstehen. Terminologisch fand dies seinen sinn fälligsten Ausdruck in dem Begriff der civitas libera et immunis137. Der daraus sich ergebende Schluß, daß civitates liberae tributpflichtig sein können, ohne ihren Rechtsstatus zu verlieren, ist, was seine theoretische Seite angeht, unausweichlich 138 . Die noch zu beantwortende Frage kann also nur lauten, ob und in welchem Umfang und nach welchen Richtlinien die römische Politik diese primär hellenistische und in der Theorie übernommene Unterscheidung zwischen immunen und tributpflichtigen civitates liberae tatsächlich praktiziert hat. Es gilt zunächst das Augenfällige festzuhalten: Dort, wo Freilassungsakte inschriftlich erhalten sind, ist entweder von dauernden Tributleistungen keine Rede, was soviel besagt, daß nichts dergleichen gefordert wurde 139 , oder die Immunität wird ausdrücklich verliehen (ζ. Β. Aphrodisias). Dies ist angesichts der verhältnismäßig großen Zahl er haltener Restitutionen in Verbindung mit den sonstigen Beispielen, in denen die Immunität eigens bezeugt ist 140 , so auffallend, daß MOMMSEN daraus den Schluß zog, für die civitates liberae gelte hinsichtlich der Steuerfreiheit dasselbe Prinzip wie für die italischen foederati141. Das Kronzeugnis, das dieser Folgerung entgegensteht und als kon kreter Beweis für die praktische Durchführung der den hellenistischen Staaten entlehnten Vorstellung von der grundsätzlichen Vereinbarkeit von Freiheit und Tribut herangezogen wird, ist die Behandlung Makedoniens 137
Im Einzelnen A. N. SHERWIN-WHITE, RC, S. 153f., E. BADIAN, FC, S. 88f..
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Α. Η. Μ. JONES, Civitates liberae et immunes in the East, in: Anatol. Stud., S. 108, Greek City, 1940, S. 321 Anm. 45, E. BADIAN, FC, S. 88f. Zur hellenistischen Praxis A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 106ff. Gegen JONES D. MAGIE, RRAM II, S. 966 Anm. 85, der libertas und immunitas als synonyme Begriffe versteht. Es wurde bereits gesagt, daß die Freiheitsdekrete im provinzialen Bereich als Selbst beschränkung der römischen Macht verstanden und formuliert wurden, es also primär auf das ankam, worauf Rom verzichtete, und nicht auf das, wozu die civitates liberae verpflichtet blieben. Dies gilt jedoch nur für die Leistungen, die sich im Rahmen der auch dem hier hergestellten Verhältnis inhaerenten Bundesverpflichtungen bewegten, deren spezifisches Charakteristikum ihre zeidiche Begrenzung ist. Dauernde Verpflich tungen, wie etwa Einquartierungen römischer Truppen, Aufwendungen für im staat lichen Auftrag in der Provinz tätige Beamte und Offiziere, Zollregelungen und dgl., um nur die aus der lex Antonia bekannten Auflagen zu wiederholen, steckten dagegen die Grenzen der Freiheit ab und waren ein wesentlicher Bestandteil der Restitutions akte, zu denen die dauernde Tributpflicht, wenn es sie gegeben hätte, dazugehört. Belege bei T H . MOMMSEN, RStR. III, S. 683 Anm. 3. Ebenso bezeichnend ist, daß die Immunität nie titular geführt wurde, was nicht so recht verständlich wäre, wenn darin für einen ansehnlichen Kreis von civitates liberae die Besserstellung gegenüber den nur freien zum Ausdruck gekommen wäre. RStR. III, S. 682.
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und Illyriens 167 142 . Livius berichtet, daß in der spektakulär in Szene gesetzten Proklamation von Amphipolis zunächst die Makedonen für frei erklärt wurden. Ihre Städte und Ländereien, ihre Gesetze und ihre eigenen Magistrate sollten sie nach dem Willen des Siegers behalten. Nach dieser Grundsatzerklärung wurde im einzelnen verfügt, daß die Hälfte der dem König geleisteten Steuern jetzt dem römischen Volk zu zahlen war und das Land in vier Republiken geteilt wurde 143 . Das gebrauchte Formular enthält alle wesentlichen Souveränitätsmerkmale, die bei /der Dedition auf den Sieger übergingen, so daß kein Zweifel daran besteht, daß die Makedonen aus der römischen Verfügungsgewalt offiziell entlassen wur den und alle im übrigen getroffenen Regelungen auf die Wiederherstellung (im römischen Sinne) funktionsfähiger Gemeinden abzielten. Der annalistischen Interpretation zufolge ist die erreichte Freiheit ihrem Wesen nach als Befreiung von der monarchischen Herrschaft zu verstehen und ein Beweis dafür, daß die römischen Waffen nicht den Freien die Knechtschaft sondern den Dienenden die Freiheit bringen 144 . Zieht man das unverkennbar propagandistische Beiwerk dieser Aussage ab, so bedeutete Freiheit hier, daß die Makedonen in Zukunft keiner dominatio eines Königs mehr unterworfen sein sollten. Der Senat hat derartige Überlegungen, die der Vorstellung von der eigenen römischen Freiheit entsprachen, die man von der Abschaffung des Königtums her leitete und mit der republikanischen Verfassung identifizierte145, gewiß bei seinen Beratungen, die schließlich zur Gründung der vier makedonischen Republiken führten, angestellt. Damit ist jedoch .nur etwas über die konkrete Ausprägung der Freiheit, nicht jedoch über ihre primäre Funk tion und die politische Motivation ausgesagt, die überhaupt Rom veranlaßten, die Freilassung als akzeptable Lösung der makedonischen Frage in Erwägung zu ziehen. 142
E. BADIAN, FC, S. 96f., D. NÖRR, Imperium und Polis, S. 63, J. A. O. LARSEN, Greek
Federal States, 1968, S. 475 f. Liv. 45,29,4ff.: omnium primum liberos esse iubere Macedonas, habentis urbes easdem agrosque (Territorialhoheit), utentes legibus suis (eigenes Recht und legislative Gewalt), annuos creantis magistratus (republikanische Verfassung); tributum dimidium eius, quod pependissent regibus, pondere populo Romano. Diod. 31,8,6 fügt die Besatzungs freiheit hinzu; ebenso Liv. 45,26,12 im Falle Illyriens (s. u.). Vgl. Plut. Aem. 28. lustin. 33,2,7. Strab. 7,48,331. 144 Liv. 45,18,1 ff. über die Beratungen im Senat (vgl. Polyb. 31,2,12). Dieser Aspekt der Freiheitserklärung ist denn auch in der Forschung zumeist in den Vordergrund gerückt, vgl. P. MELONI, Perseo e la fine della monarchia macedone, 1953, S. 414, J. A. O. LARSEN, ClPh. 40 (1945) S. 88ff., A. AYMARD, fitudes, 1967, S. 171 f. 145 Ygj QH WIRSZUBSKI, Libertas als politische Idee im Rom der späten Republik und des frühen Prinzipats, 1967, S. 5 ff.
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Unter diesem wesentlich gewichtigeren Gesichtspunkt heißt frei zu nächst frei von der römischen Herrschaft, die nach und durch den Sieg von Pydna und der Kapitulation des Perseus de iure hergestellt war 146 . Im Senat ist über diese Entscheidung und über die Alternative, Provinzialisierung des ganzen Gebietes, ausführlich diskutiert worden, wie eine Rede Catos zu diesem Thema, aus der ein Fragment erhalten ist, beweist: quare (Hadrianus) omnis trans Eufraten ac Tigrim reliquit exemplo, ut dicebat, Catonis, qui Macedonas liberos pronuntiavit, quia tueri non poterant 147 . Was das Verständnis von Freiheit angeht, so ist hiermit bewiesen, daß damit zuallererst Freiheit von Rom gemeint war 148 . In der Sache hat Cato mit dieser Argumentation an die Überlegungen angeknüpft, die bereits 197 Titus Quinctius Flamininus davor bewahrt haben, dem Drängen der Aitoler auf Vernichtung Makedoniens nachzugeben, und die jetzt nach dem totalen Sieg den Senat das Risiko der direkten Machtübernahme mit allen sich daraus ergebenden personellen und militärischen Konsequenzen in einem durchweg feindselig gesonnenen Land scheuen ließen. Die Beseiti gung der Monarchie und die Restitution von vier leicht in Schach zu haltenden Republiken, von denen drei für die Grenzverteidigung be waffnet wurden, schien alle mit dem Sieg aufgeworfenen Probleme zu lösen. Wesentlich ist hier dies: Die Makedonien gewährte Freiheit begriff man in Rom sehr bewußt als Verzicht auf die Herrschaft, was sie tatsächlich auch war. Es blieb die Verpflichtung, im Inneren nichts an den von Aemilius Paullus getroffenen Maßnahmen hinsichtlich der. ΥβΗΡ^βμ^1^9., der Bewaffnung, der Ausbeutung der Gold- und Silberminen 150 , der 146
So richtig P. V . M. BENECKE, in: C A H VIII, 1930, S. 273f., Α . Ν . S H E R W I N - W H I T E , R C , S. 154. 147 O R F , frg. 1 6 2 , S H A Hadr. 5,3 (Hohl). B. JANZER, Historische Untersuchungen zu den Redefragmenten des M. Porcius Cato, Diss. Würzburg 1936, S. 67f. (zustimmend P. M E L O N I , Perseo, S. 413 Anm. 1) las statt tueri „teneri", was der bessere Kontrast zu liberos nahelegt und außerdem an Fronto p. 206 Ν anschließt, w o es heißt, Hadrianus provincias manu Traiani captas omittere mahnt quam exercitu retinere. Dieser scharfsinnige Schluß wird an der Überlegung zunichte, daß Cato in Rom der letzte gewesen sein m u ß , der an der Fähigkeit R o m s , Makedonien militärisch zu halten, gezweifelt haben kann. Worum es ging, war die Frage, ob es opportun war, den Schutz Griechenlands gegen die Balkanvölker selbst zu übernehmen, und das drückt tueri allein aus; vgl. H . H . SCULLARD, Roman Politics 220-150 B. C , 1951, S. 212 mit A n m . 3. 148
E. BADIAN, F C ,
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D a z u im einzelnen J. A . O . LARSEN, Greek Federal States, S. 295ff., P. M E L O N I , Per seo, S. 409 ff.
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E. B A D I A N , R I ,
S. 97 A n m .
S.
18.
1.
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Grenzziehung und des Verbotes des Salz- und Holzhandels ohne römische Erlaubnis zu ändern 151 , und nach außen loyal die von Rom programmier ten Ziele zu verfolgen. In diesen Rahmen gilt es auch die Verpflichtung zur Zahlung der Hälfte der bisherigen Grundsteuer nach einem ein für allemal festgesetzten Satz, jährlich 100 Talente 152 , einzuordnen. Technisch sah der Vorgang so aus, daß die Städte oder Bezirke den Tribut eintrieben und an die vier Hauptstädte der Republik ablieferten, die für den Transport nach Rom verantwortlich waren 153 . Alle vier Republiken übten also ihre Finanz hoheit auch in diesem Fall uneingeschränkt aus, so daß von einem auch nur teilweisen Außerkraftsetzen ihrer staatlichen Souveränität durch Organe des römischen Staates keine Rede sein kann, was notwendig das Verständnis dieses Tributes als spezifisches Kriterium der Untertänigkeit ausschließt. Des weiteren zeigt das römische Vorgehen in Illyrien154, wo man analog wie in Makedonien verfuhr, daß man selbst im Rahmen dieser Neuordnungen bei der Tributauflage genau zu differenzieren wußte. Eine Reihe von illyrischen Städten und Stämmen erhält neben der Freiheit die Immunität, da sie, wie Livius ausdrücklich betont, auf die römische Seite zu einem Zeitpunkt übergetreten waren, als Genthios noch uneinge schränkt seine Macht behaupten konnte 155 . 151
164/3 bemühte sich eine senatorische Dreimännerkommission (BROUGHTON, MRR I, S. 441) um die Schlichtung von Parteienkämpfen, die nach Polybios (31,2,12) auf die ungewohnte demokratische Verfassung zurückzuführen waren, und 152/1 baten die Makedonen selbst Scipio Aemilianus um Bereinigung ihrer inneren Querelen, was dieser im Hinblick auf spanische Kriegslorbeeren ablehnte (Polyb. 35,4,lOf.) und damit wohl die letzte römische Chance verspielte, den Aufstand des Jahres 148 zu verhindern.
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Plut. Aem. 28,6. P. MELONI, aaO. S. 419.
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Liv. (P) 45,29,10: eo (in den Hauptstädten) . . . pecuniam conferri . . . iussit. Diod. 31,8,9.
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Liv. 45,17,4; 18,7; 26,11-15. BROUGHTON, MRR I, S. 434; 435. G. ZIPPEL, Die rö
mische Herrschaft in Illyrien bis auf Augustus, 1877, S. 95 ff. Die ohne Einschränkung verliehene Freiheit zeigt neben Livius eine Inschrift aus Pharos, die L. ROBERT, Inscriptions hellenistiques de Dalmatie, in: Hellenica XI/XII, 1960, S. 509ff. mit guten Gründen in diesen Zusammenhang gestellt hat. Die Inschrift beweist gleichzeitig, daß Imperiumträger und Senatskommission die zunächst pauschal verfügte Freilassung in jedem konkreten Einzelfall präzisierten und dabei ihr besonderes Augenmerk auf die Festlegung des territorialen Besitzstandes richteten. Liv. 45,26,12f.: non solum liberos, sed etiam immunes fore Issenses et Teulantios, Dassaretiorum Pirustas, Rhizonitas, Olciniatas, quod incolumi Gentio ad Romanos defecissent. Daorseis quoque immunitatem dare, quod relicto Caravantio cum armis ad Romanos transissent. Die Städte Apollonia, Dyrrhachium und Korkyra sind als alte socii et amici Roms ganz sicher bei der Einteilung des Gebietes in drei Regionen eximiert worden; sie erhalten denn auch unter Ubergehung der oben aufgezählten Freistädte die von Genthios gewonnenen Lemben als Geschenk (Liv. 45,43,10). Auch
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Herrschaft und Freiheit
Ihrer Voraussetzung nach erweist sich die Immunität als Ausfluß der römischen Dankbarkeit, die sich in Makedonien, wo niemand an Verrat gedacht hatte, erübrigte. Auch die bevorzugten Städte wurden Teile der neu gegründeten drei illyrischen Freistaaten, womit erneut bewiesen wäre, daß die von den übrigen Gemeinden zu leistenden Zahlungen keine juristisch faßbare Schlechterstellung zu den civitates liberae herkömm lichen Stils begründeten. In Analogie zu den bei der Gründung einer Provinz bekannten Verfahrensgrundsätzen ergibt sich, daß Makedonien, wäre es bereits 167 provinzialisiert worden, wie im Jahre 147 ohne Ausnahme untertänig geworden wäre, während in Illyrien die mit der Immunität Ausgezeichneten den Status von civitates liberae erhalten hätten. Das dem nicht so war, hat allein mit Überlegungen der römischen Führung zu tun, die von der spezifischen Situation der besiegten Makedonen und Illyrer unbeeinflußt blieben und im Grunde auf die seit der Eroberung Siziliens immer neu gestellte Kardinalfrage zu reduzieren sind, ob und wie die römische Republik Territorialherrschaft ausüben konnte oder nicht. Die Kombination von Freiheit und Tribut war denn auch keine neu gefundene Antwort auf diese Frage sondern resultierte aus dem Verzicht auf die Ausübung der gewonnenen Herrschaft. Verbunden war dies mit der Überzeugung, den Besiegten gegenüber zu keinem Entgegenkommen moralisch verpflichtet zu sein. Von hierher gesehen ergibt sich die Funktion des Tributes als Entschädigung für die entstandenen Kriegs kosten, zu leisten durch die Nachfolgestaaten des Antigonidenreiches, beinahe zwangsläufig 156 . Die Auflage von Kriegskosten war, wie bereits gesagt, das übliche Verfahren, von dem Ausnahmen dann gemacht wurden, wenn Rom vorangegangene Verdienste honorieren wollte. Die von den makedoni schen Republiken zu erbringende Leistung von jährlich insgesamt 100 Talenten wäre also die Jahresrate einer Gesamtsumme, auf deren definitive Festsetzung der Sieger verzichtet hat 157 . Dieser Vorgang ist keineswegs so
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dies ein Beweis für die Konsequenz, mit der Rom geleistete Bundeshilfe zu belohnen pflegte. So verstanden von T. FRANK, Roman Imperialism, 1914, S. 209f. u. E. BADIAN, RI, S. 18f. Die Einordnung der Zahlungen als Kriegsentschädigungen schließt die Vor stellung, damit werde Sühne für den begonnenen Krieg geleistet, von vorneherein aus; es ging dabei ausschließlich um Kostenersatz, vgl. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 38f. Möglicherweise ist dies in der komprimierten Darstellung der Quellen auch unter gegangen; so enthält der polybianische Bericht über den Friedensschluß mit Teuta 228 (2,13,3) zwar den Hinweis auf zu leistende Phoroi, es wird jedoch nichts über Zweck,
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auffallend, wie es auf den ersten Blick scheint, wenn man an die in den Friedensschlüssen mit Karthago 201 und Antiochos 189/8 geforderten Summen von 10 000 und 15 000 Talenten sowie an die Karthago zu gemutete Laufzeit von 50 Jahren denkt und die von den Makedonen geforderten Leistungen dazu in Relation setzt. Der bereits im Falle Karthagos sichtbar gewordene und durchaus eingeplante Effekt der Ab hängigkeit, der mit diesen Zahlungen verbunden war, wird hier kon sequent zu Ende gedacht. Dies lag um so näher, als die Makedonen Steuerleistungen an ihren Monarchen, an denen man römischerseits die Höhe des Tributes bemaß, seit eh und jeh gewohnt waren 158 . Zusammenfassend beweist die Behandlung Makedoniens und Illyriens zwar die Vereinbarkeit von Freiheit und Tributleistung, zeigt aber gleich zeitig, daß die Anwendung dieses Grundsatzes seiner Voraussetzung wie seiner konkreten Ausprägung nach von einer ganz spezifischen histori schen Konstellation abhing und daher dem Vorgang jede paradigmatische Bedeutung abzusprechen ist. Als politisch zweckmäßig und den Ver diensten der Freigelassenen adaequat galt dem Senat Immunität als natür liches Korrelat der Freiheit 159 . I
6. Die Grenze zwischen Herrschaft und Freiheit a) Die kleinasiatischen und syrischen Klientelstaaten Im ersten Jahrhundert hat sich an der praktischen Identität von Freiheit und Immunität nichts geändert, obwohl die Voraussetzungen, unter denen Freiheit gewährt oder genommen wurde, im Verlauf der Bürgerkriege immer weniger als allgemein verbindliche Richtlinien gelten konnten und für den rückblickenden Beobachter eher den Anschein willkürlicher Akte der jeweils Mächtigen als objektiv begründete Entscheidungen haben. Was
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Dauer und Höhe ausgesagt. Als Klausel eines Friedensvertrages versteht sich die Ein ordnung dieser Nachricht als Festsetzung der Kriegsentschädigung analog zu sämdichen anderen römischen Friedensverträgen von selbst. Liv. 22,33,5 (z. J. 217) erwähnt eben falls illyrische Zahlungsverpflichtungen, doch müssen diese in einem neuen Friedens vertrag 218 festgesetzt worden sein, da der Frieden mit Teuta durch Demetrios 220/19 gebrochen worden war (Polyb. 3,16,3). Zu -einseitig in den Vordergrund gerückt von Α. Ν. SHERWIN-WHITE, RC, S. 155 und E. BADIAN, FC,
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S. 97.
Den Beginn der Zinspflicht Makedoniens setzt denn auch richtig Porphyrios von Tyros mit der Provinzialisierung an, FGrHist. 260 F 3, 19f. Ebenso Euseb. Chron. S. 143 (Helm; 225 F): Romani interfecto Pseudophilippo Macedonas tributarios faciunt.
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als Generalnenner immerhin blieb, war, was das Zustandekommen angeht, die Abhängigkeit der Entscheidung von vermeintlicher oder tatsächlich nachweisbarer Loyalität gegenüber Rom oder dem, der sich für den legitimen Exponenten des populus Romanus hielt, und, was die praktische Ausführung angeht, die Verknüpfung von Freiheit und Immunität. So verfuhren Sulla in Asien, Pompeius in der Ägäis, Caesar in Gallien, Calpurnius Piso in Griechenland und Nero bei seiner theatralischen, aber nichtsdestoweniger juristisch präzise formulierten Freiheitserklärung für Achaia und die Peloponnes 160 . Trotzdem konnte sich niemand ernsthaft darüber hinwegtäuschen, daß der Verlust der klaren für jedermann einsichtigen Begründung und Recht fertigung des privilegierten Status einer freien Stadt auch das in der politischen Praxis noch gehandhabte Prinzip von der Einheit von Freiheit und Immunität zerstören mußte. Es war eine Frage der Zeit, daß die römischen Feldherrn die Tributpflicht, deren Vereinbarkeit mit der Frei heit sie aus der hellenistischen Praxis längst kannten und theoretisch auch anerkannten, den freien Städten auferlegten und damit die Steuerfreiheit als eine zusätzliche Auszeichnung verstanden. Diese Politik lag um so näher, als die für alle verbündeten und befreundeten Staaten obligatorische Waffenhilfe seit langem in der Regel durch materielle Leistungen ergänzt oder ersetzt worden war 161 , deren Eintreibung in den hektischen Bürger kriegsjahrzehnten de facto kontinuierlich Jahr für Jahr erfolgte. Der von der Sache her fundamentale Unterschied dieser Leistungen zu den an die Untertänigkeit geknüpften·- Steuerauflagen verwischte- sich durch die faktische Handhabung mehr und mehr. So zwangsläufig demnach die Entwicklung zur Tributpflicht der civitates liberae scheint, so wenig lassen sich in den letzten Jahrzehnten der Republik Anzeichen dafür finden, daß man sich in Rom zu einer diesbezüglichen Neuorientierung der Politik entschloß. Cicero trennt dort, wo es auf eine rechtliche Unterscheidung ankam, sehr scharf zwischen den tributpflichtigen Untertanen und den immunen freien Völkern 162 . Antonius nannte, als er_41^ nach der Ankunft in Ephgsos dem 160
Syll.3 814, Z. 12ff. (= ILS 8794). Vgl. B. W. HENDERSÖN, The life and prineipate of the -Emperor Nero, 1903, S. 389ff., M. LEMOSSE, Le regime des relations internationales, S. 159f. 161 In der Kaiserzeit war das Recht der Rekrutierung durch die lex Iulia allein dem Kaiser vorbehalten; vgl. M. LEMOSSE, aaO. S. 161. Zu den Hilfstruppen der Randstaaten in den Bürgerkriegen s. T. YOSHIMURA, Historia 10 (1961) S. 473 ff. 162 Cic. de imp. Pomp. 8: salvis p. R. soeiis atque integris vectigalibus. de leg. agr. 3,41: quos socios res publica habeat, quos amicos, quos stipendiarios; pro Balb. 24. in Pis. 98: socii, foederati, liberi populi, stipendiarii.
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Osten seine Tributforderungen bekanntgab, zunächst nur die von den Provinzialen aufzubringenden Summen und fügte dann die von Königen, Dynasten und freien Städten zusätzlich zu leistenden Beträge hinzu 163 . Caesar eximierte bei der Provinzialisierung Galliens die im Krieg ver dien ten_Gerr^^ des Statthalters uncTveilieh ihnen die Immunität, was für Sueton noch soviel realen Bezug besaß, daß er es in einem aus wenigen Sätzen bestehenden Abriß der caesarischen Gallieripolitik eigens erwähnte 164 . Diese Beispiele machen bereits klar, daß von einem offiziellen und allgemein durchgeführten Systemwechsel bei der Behandlung der freien Städte keine Rede sein kann. Die Neuordnung des Ostens durch Pompeius, der besonders in Syrien eine politisch zerklüftete Landschaft vorfand, die die Erprobung anderer Herrschaftsmodelle als die bisher geläufigen nahegelegt hätte, bestätigt dies. Die Größenordnung der auf geworfenen Probleme führte zwar zu einer neuen Verständigung über die Effektivität der eingesetzten Herrschaftsmittel, Jedoch war damit keine Überlegung verbunden, die das System an sich betroffen hätte. Trotzdem verwandelte allein der Umfang und die Intensität, in der die römische Herrschaft binnen weniger Jahre reorganisiert und entfaltet wurde, den Herrschaftsanspruch, mit dem Rom seinen Provinzen und den angrenzen den Nachbarstaaten entgegentrat. Der neue Alexander, der sich in der Person des Pompeius vorgestellt hatte, verschwand nicht im grauen Alltag von im alten Stile weiterregierender Statthalter, sondern wurde ir^ Crassus, Caesar, Antonius und Augustus realer Bestandteil der- politischen Wirk lichkeit und prägte das Bewußtsein der Untertanen und der verbündeten Könige ebenso neu wie das der römischen Öffentlichkeit. Die Beibehal tung der überkommenen Herrschaftsmittel sagt zwar Entscheidendes über die Möglichkeiten des Herrschaftssystems aus, die neue Dimension und die neue Form ihrer Entfaltung begründete Jedoch letztlich eine neue Stufe der Herrschaft, der die Anpassung der praktizierten Mittel folgen mußte. In dem hier interessierenden Zusammenhang sind wiederholt zwei Probleme aufgeworfen worden, deren Beantwortung zunächst unumgäng lich ist: (1) Welchen Status erhielten die als Königreiche restaurierten ^anclstaat-ert-, deren Aufgabe als den Provinzen vorgelagerte Schutzschilde 163 164
App. b. c. 5,6. Ebenso verfuhr bereits Sulla (App. b. c. 1,102,475). Suet. Caes. 25,1: Omnem Galliam . . . praeter socias ac bene meritas civitates, in provinciae formam redegit, eique in singulos annos stipendii nomine inposuit. Vgl. zur ganzen Frage P. C. SANDS, The Client Princes of the Roman Empire under the Republic, 1908, S. 127ff.
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ihre außenpolitische Bewegungsfreiheit völlig beseitigte und deren innen politische Stabilität wie ihre Loyalität von höchster Wichtigkeit für Rom waren. Diese Funktion bedingte für sich genommenj^hpji eine intensive Kontrolle sämtlicher innerstaatlichen Vorgänge durch die Organe des römischen Staates und legte die Fortsetzung ihrer als selbstverständlich Vorausgesetzten materiellen Hilfe in der Form von jährlichen Zahlungen nahe. (2) Die Verleihung der Autonomie ist für eine große Zahl von Städten, Dynasten und Stammesfürsten hinlänglich belegt. Bezeugt der Terminus Autonomie hier den Rechtsstatus eines freien Staates und kann er mit Eleutherie, verstanden als souveräne Gewalt der Bürgerschaft, ohne weiteres gleichgesetzt werden, was bei dem terminologisch keineswegs exakten Gebrauch beider Begriffe nur von der Sache her zu klären ist? Bejaht man dies, so ist nach der Immunität der Autonomen zu fragen, verneint man, so versteht sich Autonomie nur als kommunales Selbstregi ment innerhalb und unter der Herrschaft des römischen Statthalters, deren spezifisches Kennzeichen die Steuerpflicht ist. Beide Fragenkomplexe sind in der Forschung miteinander auf Grund der meist ungeprüft tradierten Prämisse verknüpft worden, daß ,,with Pompev T fhe client princes became a real part of the empire (reichsangehörigi in Mommsen's Word"), in a sense in which they never had been before. They now pay tribute to the Roman People" 165 . Die zugegeben logische Folgerung daraus ist, daß auch den civitates liberae, weit enger dem römischen Machtbereich verbunden als die außerhalb der Provinz grenzen liegenden Königreiche, wie -diesen--Immunität nur in Ausnahme fällen zugestanden worden sein kann 166 . Dann hätte BADIAN recht, wenn er ^ 5 E. BADIAN T R I . ^ - 7 8 ^ ES gilt gleich hier den von BADIAN herangezogenen Beweis für die Tributpflicht der Randstaaten und freien Städte auszuräumen. Plutarch berichtet, daß durch die neuen Eroberungen die vectigalia von bisher 200 Millionen Sesterzen auf 340 Millionen (und nicht von 200 Mill. auf 540 Mill. wie BADIAN angibt) gestiegen seien und Pompeius 20000 Talente an die Staatskasse abgeführt habe (Pomp. 45), (woraus nach BADIAN folgt, ,,that a large part of the increase must have been due to a / consistent policy of taxing clients" (S. 79). Pompeius hat nicht nur zwei Provinzen ) neu gegründet (Syrien und Bithynien-Pontos) sondern auch die bereits vorhandenen (Asien und Kilikien) reorganisiert und erweitert (dazu J. CARCOPINO, Jules Cesar5, 1968, S. 110f.), sowie die Cyrenaica erst zu einer funktionsfähigen Provinz gemacht (s. S. 147f.). Eine Einnahmesteigerung um 70 Prozent als Ergebnis ist dabei alles andere als verwunderlich. Was die 20000 Talente angeht, so setzen diese sich aus der Beute und den geleisteten Kriegsentschädigungen zusammen, zu denen die Könige Asiens und Syriens gewiß den Löwenanteil beigesteuert haben werden. Doch dies hat mit Tribut nichts zu tun. 166 j){e grundsätzliche Gleichheit der Rechtsstellung einer civitas libera und eines abhängigen Randstaates und damit die Berechtigung zu Analogieschlüssen findet sich bereits bei Sueton, der zur Provinzialpolitik Vespasians schreibt: Achaiam, Lyciam, Rhodum,
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die Leistung des Pompeius dahingehend charakterisiert, daß ,,in fact, Pompey had combined the advantages of the traditional policy (freedom from administration) with the chief advantage (as it now was) of imperialism - large revenues" (S. 79) 167 . Die spärlichen Nachrichten über die Tätigkeit des Pompeius in Syrien vermitteln kein restlos klares Bild über die geschaffene Ordnung 168 und lassen ins Detail gehende Aussagen nur im Falle Judäas zu. Aus dem Bericht des Flavius Josephus ergibt sich, daß Pompeius nach dem hart erkämpften Sieg über die Anhänger des Aristobulos dem Hasmonäerstaat die in den vergangenen Jahrzehnten eroberten Küsten- und transjorda nischen Griechenstädte entzog, die Monarchie beseitigte, dem auf seine Kerngebiete reduzierten Rumpfstaat die Selbstverwaltung unter dem Hohepriester Hyrkanos beließ und ihn tributpflichtig machte 169 . Die von der jüdischen Herrschaft befreiten Städte wurden der syrischen Provinz inkorporiert 170 , die nach ihrer Ordnung zusammen mit Judäa dem Quästor Aemilius Scaurus 171 als Statthalter übergeben wurde 172 .
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Samum libertate adempta, item Trachaeam Ciliciam et Commagenem dicionis regiae usque in id tempus, in provinciarum formam redegit. Die Verbindung mit item zeigt an, daß in beiden Fällen die Herrschaft des römischen Volkes über bis dahin freie Staaten konstituiert wird; vgl. M. LEMOSSE, Le regime des relations internationales, S. 156. Über den Ausgangspunkt, die Einführung des Tributes für die Randstaaten und die freien Städte durch Pompeius, herrscht weitgehende Übereinstimmung; so TH. MOMMSEN, RStR. III, S. 658; 684, T. FRANK, Roman Imperialism, 1914, S. 321 f., Α. Η.Μ. JONES, Cities, S. 258ff., J. VAN OOTEGHEM, Pompee le Grand, 1954, S. 253, J. CARCOPINO, aaO: ~Srtt5. "Die" gegenteilige -Auffassung -hatj soweit ich sehe allein P. G. SANDS, aaO. S. 127ff. vertreten, ohne irgendeine Resonanz zu finden. Zur Eroberung Syriens s. A. BOUCHE-LECLERCQ, Histoire des Seleucides II, 1913, S. 440ff., J. DOBIAS, Les premiers rapports des Romains avec les Parthes et Toccupation de la Syrie, Archiv orientälni 3 (1931) S. 215ff.-, G. DOWNEY, The Occupation of Syria by the Romans, TAPhA 82 (1951) S. 149ff. Zur Ordnung der Provinz s. E. KUHN, Die städtische und bürgerliche Verfassung des Römischen Reichs II, 1865, S. 161 ff., J. MARQUARDT, RSTV I 2 , S. 392ff., U. KAHRSTEDT, Syrische Territorien in hellenistischer Zeit, Abh. Ges. Wiss. Gott., phil.-hist. Kl. N. F. 19,2, 1926, S. 97ff., T H . LIEBMANN-FRANKFORT, La frontiere Orientale, S. 290ff., Α. Η. Μ. JONES, Cities, S. 258ff., J. VAN OOTEGHEM, aaO. S. 244ff., E. WILL, Histoire politique du monde hellenistique II, 1967, S. 426ff. Joseph. AJ 14,4,4 (74-76). bj 1,7,7 (155-157). Vgl. S. ZEITLIN, The Rise and Fall of the Judaean State I2, 1968, S. 354f., A. SCHALIT, König Herodes, 1969, S. 13ff. Kriterium für die Zahl der zur Provinz geschlagenen Städte ist die pompeianische Ära, die auch in Städten nachweisbar ist, die Josephus nicht nennt, so daß die von ihm aufgestellte Liste unvollständig ist; vgl. E. SCHÜRER, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu Christi Ι 3 ' 4 , 1901, S. 299 Anm. 25, II4, S. 113ff. Offenbar ausgestattet mit einem proprätorischen Imperium (ILS 875), dessen Verleihung zu den von der lex Gabinia festgelegten Rechten des Pompeius gehörte, vgl. Syll.3 343. Zur Tätigkeit des Scaurus s. M. ABEL, Histoire de la Palestine I, 1952, S. 288f.
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Das damit hergestellte Verhältnis ist, was seine rechtliche Qualität angeht, kaum zu mißdeuten: Judäa entgeht zwar der Inkorporation in die syrische Provinz, bleibt aber nichtsdestoweniger in der römischen Ver fügungsgewalt, als deren äußeres Zeichen die amtliche Kontrolle des Statthalters, der sich nach Gutdünken in die Angelegenheiten des Hyrkanos einmischte, die Tributpflicht und die Beseitigung des Königtums zu gelten hat. Der letzte Punkt, dem hier mehr als nur symbolische Bedeutung zukommt, zwingt über den fraglichen Einzelfall hinaus zu dem allgemeinen Schluß, daß Rom die Untertänigkeit mit dem Weiterbestehen der Monarchie für unvereinbar hielt und diese in den Fällen, in denen ihr Fortbestand eigens gewährleistet ist, die staatliche Eigenexistenz vor aussetzt. Das Motiv, das zu der auf Judäa angewandten Form der außerprovinzialen Untertänigkeit geführt hat, ist nicht zweifelhaft: Hyrkanos war als treuerJFreund des römischen Volkes, der_dig_FH^'7i'ig'a H^s Pp^p^nis.lgyjl^ unterstützt und den Zustrom des Volkes; j^um Heer des Aristobulos ver hindert hatte, entsprechend zu jtelohnen. Zudem muß Pompeius die Eigenart des jüdischen Pj5stiaa,.und die daraus resultierende Schwierig keit, es ohne Gefährdung der innerprovinzialen Stabilität_in__die Provinz einzugliedern (man denke an die große Zahl der aus der jüdischen Herrschaft in die Provinz überführten Städte), klar erkannt haben. Für ihn mußte die Aufrechterhaltung der Verfügungsgewalt, verbunden mit einem weitgehend unangetasteten Selbstregiment bei sicherer Gewähr der L ^ a l l ^ d e s j j g e n t l i c h e n Oberhauptes-die^unkomplizieiteste^ösung-dey jüdischen Problgrns sein. Ak der anfangs erfolgreiche^ Aufstand des Alexandros, desSohnes^des Aristobulos^J n den Jahren 58/57 bewies, daß Hyrkanos diejljtkraft fehlte, die nötig gewesen wäre, um die Sache Roms in Judäa aufs Beste zu verwalten, zögerte der als Statthalter amtierende Prokonsul A. Gabinius keinen Augenblick, ihm die letzten Reste seiner Macht_zu _entziehen und^ilm^ m i l d e m bedeutungslosen Amtdes J^mpeiaufsehers versehen, aus der politischen Wirklichkeit auszuschalten. Das Land selbst wurde jetzt in fünf SynHecirien aufgeteilt, um seine kulturelle und wirtschaftliche Einheit endgültig zu zerbrechen und damit die Stabili sierung der römischen Herrschaft sicherzustellen173. 172
Joseph, bj aaO. 157. Ebenso Plut. Pomp. 39,2: . . . την δέ Ίονδαίαν κατεστρέψατο. Vgl. App. Syr. 51,255. 173 Joseph. AJ 14,5,4 (91). bj 1,8,5 (167f.). A. SCHALIT, aaO. S. 30ff. Das, was man in Makedonien 167 unter dem ausdrücklichen Verzicht auf die Herrschaft zu erreichen ' versucht hatte, versuchte man hier innerhalb des Herrschaftsgebietes, ohne, was die
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Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das hier gefundene Rezept der außerprovinzialen Untertänigkeit, von der sich die provinziale ja nicht prinzipiell unterscheidet, auch auf einige syrische und arabische Dynasten angewandt wurde, deren historische Eigenentwicklung, Stammesstruktur oder völkische Besonderheit zu der auf der Stadt aufgebauten Provinz schlecht passen wollte. Pompeius hat zwar versucht, vor allem die auf ihren Eroberungen aufgebauten und darauf ausgerichteten Machtgebilde vieler .Tyrannen, vor_allem des Libanon, zu zerschlagen174 und den von diesen Gewaltherrschaften befreiten Städten eine sichere Zuflucht in der Provinz zu geben. Doch ist diese der des Sisyphos gleiche Arbeit nicht überall restlos gelungen. Entweder haben einige dieser Tyrannen die Säuberung überstanden oder sie waren als Beschützer der Provinz gegen die Bergvölker und nomadisierenden Araberstämme, die von den Provinz städten allein nicht in Schach gehalten werden konnten, unentbehrlich. Sicher ist„ daß die arabischen Herrscher, denen es im Verlauf des ersten Jahrhunderts gelungen war, ihren Staat im syrischen Kulturland und über seine Städte auszuweiten 175 , in ihren alten Rechtstellungen belassen und als amici populi Romani anerkannt wurden, wobei es allerdings ohne Grenzkorrekturen 176 , größere Zahlungen von Bestechungsgeldern und Kriegskostenentschädigungen nicht abging. ~~ ~ So "konnte sich der Fürst von Chalkis, der Ituräer Ptolemaios Mennaiou, von seinen αμαρτήματα los- und die Anerkennung für 1000 Talente erkaufen 177 . Sampsigeramos wurde nach seinem Mord an dem letzten Seleukiden' Antiochos XI-IL- als Phylarch 4n -Emesa-und- Arethusa bestätigt 178 . Der Nabatäerfürst Aretas tll., der einmal davon geträumt
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Herstellung von Untertänigkeit anbelangt, weitergekommen zu sein als bis zur dauernden Tributpflicht und zur allmächtigen Gegenwart der Legionen. Strab. 16,2,18. Joseph. AJ 14,3,2 (38ff.). Plut. Pomp. 39,2. U. KAHRSTEDT, aaO. S. 101 f. Dazu eingehend F. ALTHEIM-R. STIEHL, Die Araber in der Alten Welt I, 1964, S. 305ff., E. SCHÜRER, aaO. I 3 ' 4 , S. 707ff. Strab. 16,755 (zur Festlegung des Territoriums der Ituräer; vgl. H. VOLKMANN, RE 23 (1959) Sp. 1767 s. v. Ptolemaios Nr. 60). Ohne Zweifel lief diese territoriale Neu ordnung auf eine drastische Reduzierung der arabischen Herrschaftsgebiete hinaus. Joseph. AJ 14,3,2 (39). M. GELZER, Pompeius2, 1959, S. 103, F. ALTHEIM-R. STIEHL,
aaO. S. 314ff.; 360 (beide sprechen von einer Tributpflicht der arabischen Könige), H. BUCHHEIM, Die Orientpolitik des Triumvirn M. Antonius, 1960, S. 17. Eine direkte Nachricht fehlt; vgl. F. ALTHEIM-R. STIEHL, aaO. S. 359, F. HEICHELHEIM, Roman Syria, in: T.FRANK,
ESAR IV, 1938, S. 231, J. CARCOPINO, aaO.
S. 115 Anm. 1. Sie alle lesen die Tributpflicht des Sampsigeramos aus einem Brief Ciceros (ad Att. 2,16,2), in dem dieser die Verteilung des ager Campanus durch das caesarische Agrargesetz und die Zustimmung des Pompeius beklagt: nunc vero, Sampsi-
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hatte, der Erbe der Seleukiden in Syrien und Palästina zu werden, beugte sich 62 dem gegen ihn entsandten Scaurus und zahlte für die Erlangung des Friedens 300 Talente 179 . Gleichgültig, ob man in diesen Zahlungsverpflich tungen Bestechungssummen, Kriegskostenentschädigungen oder Leistun gen im Rahmen der Bundesverpflichtungen sehen will - vielfach ist das eine vom anderen gar nicht zu trennen - , ihr gemeinsamer Nenner ist ihr ephemerer Charakter und eine Zweckbestimmung, die mit dauernder Tributpflicht als Zeichen der Untertänigkeit nicht das Geringste zu tun hat. Dasselbe Bild vermittelt die Neuordnung der kleinasiatischen Provin zjen und Königreiche. Appian sagt als Kronzeuge der Tätigkeit des Pompeius im Osten aus, daß die Römer ,,die Bithynier, Kappadoker und sämtliche angrenzenden Völker um das Schwarze Meer in ihre Abhängig keit gebracht hätten (ύττήκοα είναι), außerdem den ihnen noch nicht unterworfenen Teil von Kilikien, Syrien, Phönikien, Koilesyrien, Palästina und das Gebiet tiefer im Lande bis zum Euphrat, das dem Mithpadates nie gehört hatte, bei der Vervollständigung des Sieges unterwarfen (ττροσέλαβον) und einen Teil davon sogleich, den anderen später zins pflichtig machten (φόρους TOIS μεν αύτίκα, τοις δέ ύστερον έταξαν). Außerdem nahmen sie Paphlagonien, Galatien, Phrygien, das an dies angrenzende Mysien, überdies Lydien, KarTen", Ionien, die übrigen um Pergamon gelegenen Teile Asiens, Griechenland und Makedonien, das alles Mithradates an sich gerissen hatte, und machten viele dieser Länder, die bisher noch keinen Tribut entrichtet hatten, zinsbar" 180 . jAppian unterscheidet deutlich -zwischen tributfreien-und-tributpflichtigen Staaten und trennt innerhalb~3er Tetzten Kategorie die sofort TributpflichtigerTvon denen, die es erst später wurden. Es steht außer Frage, daß die neu hinzugewonnenen wie die reorganisierten Provinzen und Judäa zu den
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cerame, quid dicas? vectigal te nobis in monte Antilibano constituisse, agri Campani abstulisse? quid? hoc quem ad modum obtinebis? Die fiktive Rechtfertigung des Pompeius, der Verlust der Einkünfte in Kampanien werde durch solche aus dem Antilibanon aufgewogen, erhält ihren Zuschnitt auf dieses Beispiel durch den stadt bekannten Spitznamen des Pompeius, dessen exotische Bezeichnung mit dem Namen des emesischen Phylarchen Cicero des öfteren Vergnügen bereitete (ad Att. 2,14,1; 17,1 f.; 23,2). Bewiesen wird damit nur, daß Pompeius allenfalls auf die Vermehrung der Staatseinkünfte durch seine Siege im Osten hingewiesen hatte - falls er überhaupt an dergleichen dachte, und Cicero dies des aktuellen Aper9us wegen auf Sampsigeramos einengte. Joseph. AJ 14,5,1 (81). bj 1,8,1 (159); vgl. Diod. 40,4. E. BABELON, Monnaies de la republique romaine I, 1885, S. 120f. Die weitere Geschichte des Nabatäerstaates bei F. ALTHEIM-R. STIEHL, aaO.
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S. 306f.
App. Mithr. 118,579-582. Zu der Kleinasien gegebenen Ordnung s. D. MAGIE, RRAM I, S. 360ff., J. VÄN OOTEGHEM, aaO. S. 244ff., E. WILL, Histoire II, S. 420f.
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Tributpflichtigen zu rechnen sind. Der naheliegende Schluß, daß alle anderen genannten Territorien zu denen gehören, die erst später oder gar nicht tributpflichtig wurden, bedarf der näheren Betrachtung. Zunächst die unbestrittenen Fakten: Pompeius restituierte oder be stätigte Armenien unter Tigranes 181 , das Bosporanische Reich unter Pharnakes 182 , Kappadokien zusammen mit Gordyne unter Ariobarzanes 1 8 3 , Kommagene unter Antiochos 184 , die galatischen Stämme unter dem Fürsten Deiotaros, der zu seiner Herrschaft über die Tolistobogier die pontische Gazelonitis und die Gebiete von Pharnakeia und Trapezes samt deren Hinterland erhielt, Brogitaros, dem neben dem Gebiet der Trokmer auch Kleinarmenien zugestanden wurde, und Tarkondarios 185 , Paphlagonien unter Attalos und Pylaemenes 186 , das amarische Grenzgebiet zwischen Kilikien und Syrien unter Tarcondimotos 187 , Kolchis unter Aristarchos 188 , Osroene unter dem Araber Abgarll. 1 8 9 , das pontische Comana unter Archelaus (Sohn des Generals unter Mithradates) 190 und die Priester von Olba 191 . Neu an dieser Politik ist, sieht man von ihrer Ausweitung ab, nichts. Seit Apameia hatte sich der-Senat daran gewöhnt, die Politik der klein asiatischen Monarchien mit mehr oder minder sanftem Druck auf eine Beachtung der römischen Interessen, die sich bis zur pergamenischen Erbschaft auf eine ungestörte Bewahrung des Status quo beschränkten, auszurichten. Nach der Provinzialisierung des Attalidenreiches kam als Aufgabe der Schutz der Provinz hinzu, was wiederum, da es jetzt den Erhalt des römischen ^Besitzstandes- in- diesem Raum zu sichern galt*- eine 181
182 183 184
App. Mithr. 104f., 489ff. Plut. Pomp. 33ff. Cass. Dio 36, 51 ff. 31,1 ff. Vell. 2,37. E. WILL, aaO. S. 421 ff., M. L. CHAUMONT, Recherches sur Thistoire d'Armenie, 1969, S. 1. Sophene fiel wahrscheinlich an Armenien: TH. LIEBMANN-FRANKFORT, Latomus 22 (1963) S. 186ff. Cass. Dio 37,14. App. Mithr. 113f., 552ff. App. Mithr. 114,558. Val. Max. 5,7,2. OGIS 354. H. BUCHHEIM, aaO. S. 54f. Strab. 16,2,3. App. Mithr. 114,558; vgl. 106,497ff. 117,576. H. BUCHHEIM, aaO. S. 79f.
185
P. C. SANDS, aaO.
186
RÜGE, RE 18 (1949) Sp. 2525f. s. v. Paphlagonia. Strab. 14,5,18. Cic. ad fam. 15,1,2: fidelissimus socius trans Taurum amicissimusque
187
S. 212ff., H. BUCHHEIM, aaO.
S. 56f.,
J. CARCOPINO, aaO. S.
112.
p. R. 188 189
190 191
App. Mithr. 114,556; 560. Eutrop. 6,14. Cass. Dio 40,20,1. Plut. Crass. 21. A. VON GUTSCHMID, Untersuchungen über die Geschichte des Königreichs Osroene, Mem. de l'Acad. imper. des Scienc. de Petersbourg35,l, 1887, S. 20f. Strab. 12,3,34. App. Mithr. 114,560. Strab. 14,5,10.
270
Herrschaft und Freiheit
wesentlich aufmerksamere Kontrolle sämtlicher Vorgänge in den benach barten Staaten bedingte. Die Folge war die Einengung der außenpoli tischen Souveränität dieser Staaten auf die Verfolgung von Zielen, die ohne das römische Einverständnis nicht formuliert werden konnten 192 . Rechts grundlage der Beziehungen zu Rom war zunächst die amicitia, deren Zustandekommen eines Beweises der Loyalität 193 und deren Erhalt der ständigen Bereitschaft zur Unterstützung der römischen Politik bedurfte. Caesars Auftrag an die nach Pharsalos zu ihm geeilten Fürsten und Könige, provinciae tuendae ac defendendae 194 , umschreibt kury i^H hfstimmt den Kern der hergestellten Beziehungen, aus dem sich alles weitere, der römische Kontrollanspruch wie die Richtlinien der von den Randstaaten zu befolgenden Politik ableitet. Pompeius hat dem kein neues Elem^XJn_FoiTiL_de.r Tributpflicht„d.er abhängigen Könige hinzugefügt. Was sich änderte ist die Konsequenz, mit der man seit Pompeius in die Kassen der Randstaaten griff bzw. diese selbst ihr Geld (und ihre Waffenhilfe) den römischen Generälen feilboten. Dahinter stehen jedoch einzig und allein die unerschöpflichen Bedürfnisse der Bürgerkriegsarmeen, deren Unterhalt ihre Führer als bundesgenössiscneHilfe für das römische Volk forderten, sowie die begründete Furcht der Könige, den römischen Großen bei den Loyalitätsbezeugungen ver gessen zu können, der als neuer Pompeius oder Caesar das zukünftige Schicksal des Landes in der Hand halten könnte. So zahlte Tigranes für seine Bestätigung als König an/lJompeius76000 Talente und ein großzügiges Donativ an die römischen Truppen 1 9 ^ Ptolemaios -XI. unterstützte Gabinius mit großen Summen 196 , fCrassus7forderte 54 von den asiatischen Königen Truppen und Geld 1 9 ^ jCaesar) ließ sich von Deiotaros finan zieren, der als Anhänger des Pompeiusseine Krone erst wieder verdienen mußte 1 9 8 , (Brutus, Cassms^imdRnt^niu^erpreßten in Asien von ,,Köni192
193
194 195 196 197 198
Es ist hier nicht der Ort, das Ausmaß des verbleibenden außenpolitischen Spielraumes der Randstaaten auszuloten. Es wäre jedoch falsch, ihn ohne weiteres gleich null zu setzen. Die geographische Entfernung, die militärische Stärke sowie die Intention und die Fähigkeit der römischen Politik, sich in diesem Raum zu engagieren, ließen durchaus Konstellationen zu, in denen diese Staaten sehr viel mehr Bewegungsfreiheit besaßen, als man das allgemein hin annimmt. Dieser Beweis konnte schon nach Apameia in der Zahlung einer größeren Summe bestehen; so wurde Ariarathes IV. von Manlius Vulso erst nach der Zahlung von 300 Talenten in die amicitia aufgenommen: Polyb. 21,45,1. Liv. 38,39,6. Bell. Alex. 65,3. App. Mithr. 104,490. Strab. 11,14,10. Cic. pro Rab. 34. Plut. Cras. 17. Bell. Alex. 34: ad explicandos sumptus rei militaris. Cic. Deiot. 14,24,25.
Grenze zwischen Herrschaft und Freiheit
271
gen, Dynasten und freien Städten" gigantische Summen199, und Herodes zahlte an (Äugustusf für seine Inthronisation 800 Talente 200 . Diese Liste ließe sich mühelos verlängern 201 , entscheidend ist dies: Beide Seiten ver standen derartige Leistungen nicht als vectigalia202. Ein kurzer Blick in den Westen des Imperiums bestätigt auch hier diesen Sachverhalt. Die Agrargesetzesvorlage des Servilius Rullus nahm das numidische Königreich ausdrücklich von den außeritalischen Lände reien aus, über die das geplante Kollegium der Dezemvirn Beschlüsse fassen durfte. Sie garantierte damit dem Kronprinzen Juba die Unantast barkeit seines Erbes, nicht ohne daß eivnön"minus1bene nummatus quam bene capillatus, wie Cicero spöttisch bemerkt, dafür tief in die Tasche greifen mußte 2 0 3 . Es zeigt sich zusammenfassend, daß die Nachrichten von nahezu ständigen Zahlungen abhängiger Könige, Fürsten und Städte nicht von ihrem Bezugspunkt isoliert betrachtet oder in eine unvollständige Kombi nation gebracht werden können, wodurch das jeweils entscheidende Korrektiv ausfällt. Schematisiert man nach einer differenzierenden Be trachtung der Einzelfälle, so^ ergeben sich fünf Formen, in denen finan zielle Leistungen in Rom vorausgesetzt wurden, deren Unterlassung schwerwiegendejConsequenzen nach sich ziehen konnte und die somit ein Ausfluß der außenpolitischen Abhängigkeit nicht aber des römischen Herrschaftsanspruches sind: erstens als Preis für die Aufnahme in die römische _amigitia, was die Erhaltung als völkerrechtliches Subjekt be deutete, zweitens.als.Hilfejm Rahmen der auch der amiricia^inhärenten Bundesgenossenschaft (darunter fallen die Zahlungen an die Bürgerkriegs generäle), drittens als Ersatz der Kriegskosten, viertens als Bestechung römischer Großer, deren Einfluß im Senat und vor dem Volk wichtig
199 200 201
202
203
App. b. c. 5,6,75. Joseph. AJ 15,6,7 (200). 16,4,5 (128). Vgl. R. O. JOLLIFFE, Phases of Corruption in Roman Administration in the last Half-Century of the Roman Republic, Diss. Chicago 1919, S. 62 ff. So ist auch das in bereits aussichtslos gewordener Lage an Pompeius gerichtete Angebot des Mithradates zu deuten, für die Bestätigung als König in seinem Stammreich ,,Tribut" zahlen zu wollen (App. Mithr. 107,506). Die Bereitschaft des Mithradates, „für sein väterliches Herrschaftsgebiet" bezahlen zu wollen, wie die Forderung des Pompeius, wenn er das wolle, so habe er sich wie Tigranes zu verhalten, lassen allein die Identifizierung der angebotenen Phoroi als einmalige Zahlung zu. Cic. de leg. agr. 2,58. Caes. b. c. 1,6 zur Bestätigung des Juba als socius et amicus pT k. Vgl. J. BURIAN, m: F. ALTHEIM-R. STIEHL, Die Araber in der Alten Welt 1,
ΊΓΨδ*4, S. 447f.
272
Herrschaft und Freihei
werden konnte 204 , und fünftens in Form von goldenen JCränzen, die man anläßlich eines römischen Sieges spendete 205 . Es liegt in der Natur der Sache, daß alle diese Leistungen nur vom Staat als solchen ausgehen konnten. Die Klientelstaaten des Ostens sind nach dem Abschluß der Bürger kriege samt und sonders re^na reddita, d. h. aus der römischen durch den Krieg begründeten Verfügungsgewalt entlassene Königreiche 206 . In dieser Form figurieren sie als ein Teil der römischen Herrschaftsordnung, für die von der Struktur des Systems her die hegemoniale Kontrolle der besiegten Staaten im Grunde immer selbstverständlicher gewesen war als die Provinzialisierung, die die Notwendigkeiten der Machtentialtung ständig mit ihren begrenzten Möglichkeiten konfrontierte. Das äußere Zeichen der besonderen Stellung dieser Staatenkategorie ist flgben der Abwesenheit der direkten staatlichen Autorität Roms djg^ Steuerfreiheit207. Während die Provinzen und ihre Bewohner den materiellen Besitz des römischen Volkes ausmachen, der die belli adiumenta et pacis ornamenta in der Form der vectigalia stellt 208 , sind die monarchisch geordneten Klientelstaaten dem römischen Willen in der Form unterworfen, daß sie ihre außen politische Souveränität an Rom abgetreten haben, Hilfejnjeder erdenk lichen Form bei den verschiedensten Anlässen leisten mußten und ihre innere_Ordnung ohne römische Zustimmung nicht verändern .jtonnten. Die Stellung dieser Staaten seit Pompeius ist damit mit der der helle nistischen Staaten im 2.Jhdt. allenfalls unter formalen Gesichtspunkten vergleichbar. Die durch Pompeius-entfaltete Präsenz der römischen Herr schaft im östlichen Mittelmeer, ihre lange Dauer und ihre Unabwendbarkeit und schließlich und vor allem ein neuer imperialer Herrschafts anspruch, der sich an die Person des_großen Einzelnen knüpfte; unjjnit 204
205
206
207
208
Dazu Sali. Jug. 8,2. 31,9: superioribus annis taciti indignabamini . . . reges et populos liberos paucis nobilibus vectigal pendere. Vgl. R. O. JOLLIFFE, aaO. pass. und die bei P. C. SANDS, aaO. S. 229f. zusammengestellten Quellen. So ζ. Β. Machares an Lucullus (Plut. Luc. 24), Pharnakes u. a. an Caesar (Bell. Alex. 70. Cass. Dio 42,49,3) und Kleopatra an Augustus (Cass. Dio 51,6,5). Vgl. Joseph. AJ 14,3,1 (34f.), App. Syr. 47,243. Tac. Ann. 2,57,5. Zur hellenistischen Praxis, wo sich die Kranzspende zu einer regelrechten Verpflichtung entwickelt hatte, A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 111. Cic. pro Sest. 57: populus Romanus qui etiam bello victis regibus regna reddere consuevit. So kann Cic. imp. Pomp. 5 über das Reich des Ariobazanes sagen: finitimum (sc. regnum) est vestris vectigalibus (womit die Provinz Asia gemeint ist). Cic. Verr. 5,124. 2,7, leg. agr. 3,15. H. D. MEYER, Cicero und das Reich, Diss. Köln 1957, S. 227ff.
Grenze zwischen Herrschaft und Freiheit
273
seinem Auftreten untrennbar verbunden ist (s. S. 154 ff.), ließen diese Staaten zu einem Teil des Herrschaftsbereiches werden. Allein die besondere innere Organisationsstruktur dieser Königreiche und die fehlende Notwendigkeit, diese durch die provinziale Herrschaft zu ersetzen, begründete ihre Sonderstellung. ERNST KORNEMANN hat dies, ausgehend von dem Unterschied der Herrschaftsformen, zu der erhellenden Vorstellung von den unsichtbaren Grenzen des Imperiums geführt. Sie endeten erst dort, wo das Schwert des Legionärs nicht ständig eine Ordnung garantieren konnte, die dem Willen des Senates und später des Princeps entsprach209. Die Begründung dieser Quasi-Untertanenverhältnisse an den Rändern des provinzialen Herrschaftsbereiches wird am deutlichsten in den ideolo gischen Widerspiegelungen der imperialen Politik der großen Einzelnen faßbar. Das neue Bewußtsein von der beherrschten Welt und das Ausmaß der außenpolitischen Leistungen, die die Konsequenz des weltweit geführ ten Ringens der Aristokratie um Macht und Prestige war, verbot die Vorstellung von außerhalb des römischen Herrschaftsbereiches existieren den Staaten selbst dort, wo die politische Realität von einem weit behut sameren Vorgehen gekennzeichnet war. Der Imperator, der als neuer Alexander auftrat und seinen persönlichen Machtanspruch damit in die geeignete Form goß, produzierte zugleich ein Verständnis der römischen Herrschaft, das die Klientelkönige dem ius und dem Imperium Roms unterstellte: ille populus est dominus regnum, victor atque imperator omnium gentium210. b) Die freien Städte Nach dem bisher Festgestellten kann es kaum noch zweifelhaft sein, daß Pompeius, auch was die Behandlung und Einrichtung der civitates 209
210
Der auch hier verwandte Terminus „Klientelstaat" als Bezeichnung der abhängigen Stellung dieser Königreiche ist nicht ungefährlich, da die damit verbundene Assoziation an die fides des römischen Volkes (vgl. R. HEINZE, in: Vom Geist des Römertums3, 1960, S. 69 f.) allzuleicht vergessen läßt, daß Rom diese Staaten als politisch-militärische Institutionen verstand, deren Daseinsberechtigung allein von der Erfüllung der ihnen vindizierten Aufgaben abhing. Die Funktion des Schutzes, die für die Klientel immer konstitutiv war, entfällt im außenpolitischen Bereich völlig, bzw. artikuliert sich nur in der Weise, daß Übergriffe anderer Staaten beendet wurden, sobald sie den römischen Interessen zuwiderliefen. Im Grunde zwingt die begriffliche Armut, unter der jede Behandlung von Herrschaftsformen zu leiden hat, zum Gebrauch solcher Termini, die wenigstens einen wichtigen Aspekt (hier den der Abhängigkeit) hervortreten lassen. Cic. dorn. 90. H. D. MEYER, S. 237. Wie weit gerade Sallust diesen Vorstellungen Raum gegeben hat, zeigte D. TIMPE, Herrschaftsidee und Klientelstaatenpolitik in Sallusts Bellum Jugurthinum, Hermes 90 (1962) S. 334ff.
274
Herrschaft und Freiheil
liberae angeht, die traditionellen Pfade der römischen Politik nicht ver lassen hat. Obwohl hier die Immunität in keinem einzigen Fall direkt bezeugt ist - was bei der Dürftigkeit der Quellenlage nichts besagen will -, ist in den wenigen rekonstruierbaren Beispielen einer Freilassung oder Freiheitsbestätigung evident nachweisbar, daß sie nach wie vor als Korrelat der Freiheit verstanden wurde. Seleuka Pieria war bereits im Jahre 109 durch AntiochosVIII. mit der Freiheit ausgezeichnet worden, was der seleukidische König Ptolemaios XI. und dem Senat in Rom zusammen mit der Absicht mitteilte, die Stadt in sämtliche von ihm geschlossenen Ver träge als Signatarmacht aufzunehmen211. Der Abschluß eines Vertrages oder die Aufnahme in einen solchen als Vertragssubjekt galt als internatio naler Rechtsakt, der zur Voraussetzung die völkerrechtliche Souveränität des Kontrahenten und zur selbstverständlichen Folge die Anerkennung eben dieser Souveränität hat. Rom hat also bereits 109 die Souveränität Seleukeias auf diesem Wege diplomatisch zur Kenntnis genommen und, dahin ging die Intention der Mitteilung des Seleukiden, akzeptiert. Seleukeia bewahrte diese Rechts stellung auch in den Jahren des Vorstoßes des Tigranes nach Nordsyrien (83 v. Chr.), verhielt sich während des syrischen Unternehmens des Pompeius abwartend und erreichte schließlich die Bestätigung ihres Rechtsstatus, der bei der Lage der Dinge nur der einer freien und immunen Stadt gewesen sein kann 212 . Der gleiche Vorgang wiederholt sich bei Tyros, das seit 125 völlige Autonomie genoß213,, von deren Verleihung man wohl auch in diesem Fall Rom unterrichtet haben wird. Strabon bezeugt ausdrücklich, daß Pom peius die seleukidische Freiheitserklärung lediglich bestätigte und sich dabei, wie seine hellenistischen Vorgänger, eine finanzielle Loyalitäts bezeugung gerne gefallen ließ 214 . 211
212
213
214
C. B. WELLES, RC, 71 u. 72, S. 288ff. E. BIKERMAN, Institutions des Seleukides, 1938, S. 235 mit Verweis auf die eigene Münzprägung der Stadt. Strab. 16,2,8: Ιρυμα 5έ εστίν αξιόλογου καΐ κρείττων βίας ή πόλις. διόπερ καΐ έλευθέραν αυτήν έκρινε Πομπήιος, άττοκλείσας Τιγράνην. Eutrop. 16,4,2: et cum venisset (sc. Pompeius) in Syriam, Seleuciam vicinam Antiochiae civitatem libertate donavit, quod regem Tigranem non recepisset. Vgl. dazu G. DOWNEY, Α History of Antioch in Syria from Seleucus to the Arab Conquest, 1961, S. 137 mit Anm. 87. SEG II, 1925, 330. M. ROSTOVTZEFF, WGHW III, S. 1308 Anm. 126. Zur Münz prägung B. V. HEAD, H N 2 , 1912, S. 799ff., Dura Report VII/VIII, 1938, S. 443ff. Strab. 16,2,23. Analog zu Tyros muß auch im Falle von Askalon und Sidon verfahren worden sein; A. H. M. JONES, Cities, S. 260, J. MARQUARDT, RStV I2, S. 395. In dei Folgezeit unterstützte Tyros Cassius gegen Dolabella mit Schiffen (App. b. c. 4,61,262), wurde zusammen mit Sidon bei der Schenkung der phoinikischen Küste an Kleopatra von
Grenze zwischen Herrschaft und Freiheit
275
Antiocheia, die alte seleukidische Hauptstadt, erhält die Freiheit, nachdem Pompeius das Ansinnen des letzten Seleukiden, ihm Thron und Reich noch einmal zu restaurieren, abgelehnt hat215. Porphyrios von Tyros, der allein die Freiheitserklärung berichtet216, fügt hinzu, daß die Bürger der Stadt dafür ihre Schätze dem Pompeius gegeben hätten - eine bei den hinlänglich erörterten Methoden des Pompeius nicht verwunder liche Nachricht 217 . Caesar bestätigte die Rechtsstellung der Stadt218, die jetzt auf ihren Münzen den Titel ΑΝΤΙΟΧΕΩΝ ΤΗΣ ΜΗΤΡΟΠΟΛΕΩΣ ΙΕΡΑΣ ΚΑΙ ΑΥΤΟΝΟΜΟΥ führte219. Schließlich besteht an der uneingeschränkten Freiheit des bosporanischen Phanagoreia kein begründeter Zweife^. Die Stadt blieb von der Herrschaft" des Pharnakes verschont und erhielt die Freiheit, da ihre Bürger, wie Pompeius seine Entscheidung Appian zufolge begründet, die ersten waren, die Mithradates bereits zu einem Zeitpunkt angegriffen hatten, als er noch ungeschlagen war, und mit diesem Entschluß die
215
216 217
218
Antonius ausdrücklich ausgenommen (Joseph. AJ 15,4,1 (95); bj 1,18,5 (361); V. FADINGER, Die Begründung des Prinzipats, 1969, S. 156f. Anm. 1) und verlor wiederum mit Sidon vorübergehend die alte Rechtstellung durch Augustus 20 v. Chr. (Cass. Dio 54,7,6. Suet. Aug. 47). Justin. 40,2,3-5. App. Syr. 70,367. Cass. Dio 37,7a. A. R. BELLINGER, The End of the Seleucids, Transactions of the Connecticut Academy of Arts and Sciences 38 (1949) S. 84f. FGrHist. 260 F 32,27. vgl. App". Mithr. 106,500. Keinen Glauben verdient dagegen die kausale Verknüpfung der Zahlung mit dem Fallen lassen-des letzten Seleukiden durch Pompeius. Diese politisch-eminent bedeutsame Entscheidung, die von dem Entschluß zur Provinzialisierung Syriens nicht zu trennen ist, war gewiß nicht von einigen tausend Talenten mehr oder weniger abhängig, zumal als Grund für ihre Zahlung die Bestätigung Antiocheias als freie Stadt völlig ausreicht. Tatsächlich fiel Antiochos XIII. drei Überlegungen des Pompeius zum Opfer: Erstens war er von Lucullus in seinem Amt bestätigt worden (App. Syr. 49,250), was in den Augen des Pompeius, der nicht gewillt war, die acta seines Vor gängers anzuerkennen, eher ein Handikap denn ein Vorteil war (Plut. Pomp. 31,2. H . SEYRIG, Syria 27 (1950) S. 11). Zweitens hatte die Entwicklung der vorangegangenen Jahrzehnte die Lebensunfähigkeit der seleukidischen Monarchie augenfällig genug ge macht, so daß Pompeius von der Rechtmäßigkeit des armenischen Anspruches auf Syrien weit eher zu überzeugen gewesen wäre, was tatsächlich allerdings nie ernsthaft zu erwägen war Q. DOBIAS, Archiv Orientalny 3 (1931) S. 240, A. HEUSS, RG, S. 261). Drittens dürfte Pompeius richtig erkannt haben, daß ein römischer Rückzug zu diesem Zeitpunkt nach der Zerschlagung sämtlicher Machtfaktoren in diesem Raum das syrische Tor für die Parther weit aufgestoßen hätte (Lit. bei E. WILL, Histoire II, S. 429). Malal. 216,15-17: Έν Άντιοχεία τη μητροττόλει Ιερφ καΐ άσύλω καΐ αύτονόμφ καΐ άρχούση καΐ προκαθημένη της ανατολής Ιούλιος Γαίος Καίσαρ καΐ τα λοιπά. Vgl. G. DOWNEY, aaO. S. 152f."
219
Η . SEYRIG, Sur les eres de quelques villes de Syrie, Syria 27 (1950) S. 5ff.; 13. G. DOWNEY, aaO.
S.
153.
276
Herrschaft und Freiheu
Nachbarstädte ebenfalls zum Abfall gebracht hatten220. Motiv und Ausführung dieser Freiheitserklärung tragen unverkennbar typische Züge und lassen, nimmt man die geographische Lage der Stadt außerhalb der römischen Provinzgrenzen hinzu, bis zum stringenten Beweis des Ge genteils nur den Schluß auf Gewährung von Freiheit und Immunität zu. Die römische Politik im Westen vermittelt dasselbe Bild. Die seit ihrer deditio 149 freien Städte Afrikas (Utica, Thapsus, Leptis, Acylla oder Acholla, Asala oder Usilla und Teudalis221) haben ihre Freiheit und Immunität über die Kriege gegen die Marianer retten können und auch nach Caesars afrikanischem Krieg und der folgenden Vergrößerung und Neuverteilung des Provinzialgebietes bewahrt222. Das gleiche gilt für die civitates liberae, die ihren freien Status nach 111 erhielten und deren Zahl Plinius mit 23 angibt223. Caesars Politik zielte in bewußter Abkehr von der Taktik der Pompeianer, die mit ihren einheimischen Verbündeten schonungslos. _gegen die^afrikanischen Städte vorgegangen waren, auf Schonung undJErhaltung der Städte224. Dem entsprach die Bestätigung der alten Privilegien der freien Gemeinden, die er durch eine großmütige 220
App. Mithr. 108,510f. 113,555: Ιδωκεν αύτω (sc. Pharnakes) Βοσπόρου χωρίς Φαναγορέων, ους ελευθέρους καΐ αυτόνομους άφήκεν. 114,560. 221 Lex agraria von 111, CIL I 2 585, Ζ. 74ff.; vgl. dazu ST. GSELL, Histoire ancienne de l'Afrique du Nord VII, 1926, S. 38 ff. Zur Organisation der Provinz 146 s. P. ROMANELLI, Storia delle province romane dell' Africa, 1959, S. 43 ff. 222 Acylla und Leptis werden nach (Caes.) Bell. Afr. 7,1 und 33,1 als ,,civitas libera et immunis" bestätigt. Strab 17,3,12 erwähnt Acylla zusammen mit Zella als ελεύθερα πόλις. Teudalis war nach Plin. n . h . 5,3,23 (eine Stelle, die nach D. DETLEFSEN, Die Geographie Afrikas bei Plinius und Mela, in: Quellen u. Forsch, z. alt. Gesch. XIV, 1908 (hg. W. SIEGLIN), S. 22 auf einen vor 27 v. Chr. geschriebenen Paraplus zurück geht) immune oppidum, woraus nun, wie bereits T H . MOMMSEN, RStR. III, S. 684 Anm. 4 gesehen hat, keineswegs gefolgert werden darf, daß alle Städte, die Plinius nicht ausdrücklich als immunes ausweist, deshalb tributpflichtig waren; vgl. L. TEUTSCH, Das Städtewesen in Nordafrika in der Zeit von C. Gracchus bis zum Tode des Kaisers Augustus, 1962, S. 35. 223 Plin. n. h. 5,4,30. Grundlegend dazu L. TEUTSCH, aaO. S. 79f.; pass. (dort auch die einschlägige Lit.). TEUTSCH wies nach, daß der diesbezügliche Bericht des Plinius „nicht auf einen Verwaltungsbericht des Augustus oder auf eine zur Zeit des Augustus entstandene Städteliste" zurückgeht, ,,sondern auf einen Unbekannten, der über die schon vor Caesars Krieg in Afrika bestehenden Städte des römischen Afrika schrieb". (S. 93). Das heißt also auf die Geschichte der civitates liberae bezogen, daß die römische Politik in Afrika von, dem Leitgedanken ausging, praktisch jede Gemeinde, die den Schritt von der dörflichen Siedlung zur städtischen Selbstverwaltung schaffte, mit der Freiheit zu belohnen - ein bemerkenswertes Mittel, um die Verstädterung dieser anfangs weitgehend dörflich und nach Stammes verbänden gegliederten Provinz voran zutreiben. 224 Ygj e t w a B e ll. Afr. 92,2: ibi bonis venditis eorum qui sub Juba Petreioque ordines duxerant, Thapsitanis . . . civitates bonaque eorum ab omni iniuria rapinisque defendit.
Grenze zwischen Herrschaft und Freiheit
277
Behandlung weit enger an die Provinz zu binden gedachte, als er es mit der gewaltsamen Beseitigung ihrer Rechtsstellung vermocht hätte 225 . Ein Risiko ging er bei diesem Verfahren nicht ein, da der ί$ηgeschrittene Romanisierungspjozeß in diesen Städten und die .. Durchsetzung ihrer Oberschicht mit Römern sowiegojkeinen Gedanken anleine nicht jin den Erfordernissen der Provinz orientierten Poljtikjaufkommen
HeßT c) Die Untertanen Die Bauelemente, die die Ordnung des Pompeius und seiner Vorgänger im Osten trugen, skizziert bündig^Agpian^,,Von den besiegten Völkern erhielten die einen die Autonomie wegen ihrer militärischen Unter stützung der Römer, die anderen wurden sofort der römischen Ver fügungsgewalt unterstellt, während man die übrigen in Königreiche aufteilte" 226 . Die Begründung der unterschiedlichen Behandlung ist seit der Provinzialisierung unverändert geblieben: Freiheit versteht sich ihrem Zustandekommen nach als Belohnung geleisteter Dienste; fehlen diese oder erscheinen sie als nicht ausreichend, steht einer Provinzialisierung der in die römische dicio Geratenen nichts im Wege. Rechtlich werden klar gegeneinander abgegrenzt die autonomen Städte und die Königreiche auf der einen und die Untertänigen auf der anderen Seite, wobei das Zu geständnis eines monarchischen Regiments eo ipso die Untertänigkeit ausschließt. Die Ausprägung des Untertanenstatus erscheint keineswegs als einheit licher Vorgang, sondern ist im Einzelfall der vorgegebenen Rechts-, Sozial- und Bevölkerungsstruktur angepaßt. Eine Reihe von Verfassungs änderungen bei der EinrjcJhning^er_Provinzen, die tributpflichtige und freie Städte gleichermaßen trafen, suchten die Stabilität und Kontinuität innerhalb der städtischen Selbstverwaltung zu sichern. DieXximierung Judäas aus der syrischen Provinz beweist ferner, daß die spezifische Eigen art eines Unterworfenen hinsichtlich seines territorialrechtlichen Status und seines historischen Werdeganges dazu führen konnten, auf die Pro vinzialisierung als Organisationsform zu verzichten. Untertänigkeit war also nicht allein im Rahmen der Provinz realisierbar. Die spätere_Einrichtung prokuratorischer Provinzen weist auf denselben Tatbestand. Die 225
226
Nicht anders verfuhr er im Osten, s. u. und Ν. Α. MASCHKIN, Zwischen Republik und Kaiserreich, 1954, S. 94. " ~ ~ App. Mithr. 114,558.
278
Herrschaft und Freiheit
innere Struktur dieser in der Regel kaum zivilisierten Länder (ζ. Β. Alpes Cottiae, Noricum) blieb weitgehenSTunverändert und die ritterlichen Beamten des Kaisers (Prokuratoren oder Praefekte) übernahmen nur die wichtigsten Funktionen der einheimischen Könige 227 . Dem römischen Interesse an der Befriedung auch dieser in jeder Hinsicht an den Rand zonen des Imperiums angesiedelten Völker war damit Genüge getan. Zusammengenommen zeigt dies, wie wenig man davon ausgehen kann, in den Provinzialstatuten ein festumrissenes Herrschaftssystem zu finden. Der ungestörte Fluß der vectigalia und die militärische Beruhigung war auf die verschiedenste Weise zu erreichen. Solange sich das Herrschaftsinteresse auf diese Punkte nahezu ausschließlich konzentrierte,· ließ das Provinzialsystem Abstufungen zu oder konnte als Ganzes überhaupt in Frage gestellt werden. Der Rückgriff des Marcus Antonius auf die hellepistische Praxis der monarchisch-dynastischen Herrschaft, womit unter dem Szepter eines übergeordneten universalen Kaisers wenigstens Teile des griechischen Ostens in Königreiche zurückverwandelt werden sollten, war nur möglich angesichts des ganz unausgeprägten Mittels der Provinzialisie_rung und angesichts der geringen Neigung, über die Organisationsstruktux des Imperiums außer bei ad hoc gegebenen Anlässen nachzudenken, Antonius, dessen Pläne im Kontext der Auseinandersetzung mit Octavian gelesen werden müssen, scheiterte, da der General Caesars der politischen Meisterschaft des Erben Caesars nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hatte. Damit erst hatte sich die provinziale Form der Untertänigkeit durchgesetzt und seitdem erst kam der Prozeß der Homogenisierung des Herr^chaftsraumes in Gang, der in der Republik von nicht im staatlich offiziellen Bereich liegenden AntriebsTcraften bereits; yojjSereitet worden war. Als unverrückbarer Ausgangspunkt stand bis dahin fest, daß inner halb der Provinzgrenzen die Stadt und die mit ihr gegebene Fähigkeit zur Selbstverwaltung der Orientierungspunkt der Herrschaftsausübung war 228 . Es wäre eine schwerwiegende Fehleinschätzung dieses Sachverhaltes, wollte man ihn dahingehend charakterisieren, daß Rom die Selbstverwal tung der Städte als willkommene Erleichterung des eigenen Verwaltungs apparates nur geduldet habe. Tatsächlich war der Ersatz der städtischen Autonomie der Untertanen durch ein auf die eigene Verwaltung aufger bautes Regierungssystem in Rom weder theoretisch vorstellbar noch auf Grund der Verfassungsstruktur der Republik ohne tiefgreifende Ver227
228
H. G. STEVENSON, CAH X, 1934, S. 215f., H. G. PFLAUM, Les Procurateurs equestres sous le Haut-Empire Romain, 1950, S. HOff. Dazu D. NÖRR, Imperium und Polis, S. 9f. mit der zu berücksichtigenden Literatur.
Grenze zwischen Herrschaft und Freiheit
279
änderung der römischen Magistratur durchzuführen, so daß die Erhaltung der Städte als funktionsfähige Selbstverwaltungseinheiten für die römische Herrschaft ein existentieller Vorgang ist, ohne den sie schlechterdings nicht möglich war. Dies blieb nicht ohne Konsequenzen, was das Selbstverständnis der Städte und den ihnen verbliebenen Spielraum innerhalb des Regimentes der Statthalter angeht. Das zu jeder Stadt gehörende Territorium umfaßte vielfach abhängige Gebiete und Dörfer, über die die Stadt Hoheitsrechte ausübte - ein seit altersher geübtes Recht, das die römische Regierung wesentlich gefördert hat, um die eigene Herrschaft überschaubar zu machen 229 . Zweifellos kann hier von einer echten Arche der Städte im wirklichen Sinne des Wortes nicht gesprochen werden, da die römische Verfügungsgewalt auch hier Platz griff; wesentlich daran ist aber, daß auf diesem Sektor die Städte nach wie vor selbst politische Funktionen aus übten. Damit trifft zusammen, daß sie ihre Selbstverwaltung durchaus richtig als ein Relikt vergangener völkerrechtlicher Unabhängigkeit ver standen und daraus die Überzeugung nährten, nicht nur verwaltungs rechtliche Objekte der römischen Territorialherrschaft, sondern zu politi schen Entscheidungen fähige Staaten zu sein. Erst die durch die Faktizität und die jan^e Dauerndes Imperiums bewirkte staatsrechtliche und soziale Verwandlung der Städte und ihrer Führ^ngsschich^konrite diesesL Bewußt sein vo_n_dem eigenen Wert als politische Größe zerstören. Als diese Ent wicklung in der,späte,η Prinzipatszeit abgeschlossen war, benötigte die römische Herrschaft die autonome Stadt als Bauelement nicht mehr. Pompeius hat sehr_klar „die Bedeutung der, Stadt für das Funktioniereil· der in ihrer Substanz noch unschöpferischen Herrschaft erkannt und die daraus abgeleitete Lösung, städtische Zivilisation als Mittel der politischen Befriedung anzuwenden 230 , konsequent wie vor ihm keiner in die Tat 229
D . NÖRR, aaO. S. 50 ff. Zur Attribution (im technischen Sinne) im Westen des Im periums, wo sie nur für römische und latinische, nicht aber für peregrine Städte bezeugt ist, s. U. LAFFI, Adtributio e contributio. Problemi del sistema politicoammistrativo dello Stato Romano, 1966. 230 Ni c hts anderes tat Agricola in Britannien, von dem Tacitus berichtet, daß er „um die Menschen, die über viele Orte zerstreut lebten und ungebildet und darum für Kriege leicht zu haben waren, auf dem Wege des Genusses an Ruhe und Frieden zu ge wöhnen", städtische Lebensformen nach Kräften förderte. Den Zweck des Ganzen fügt Tacitus gleich hinzu: „Das hieß dann bei den Unerfahrenen humanitas, während es doch nur ein Teil der Herrschaft (servitus) war." (Agr. 21,1 f.). Mit diesem Gesichtspunkt ist natürlich nur ein Aspekt der römischen Städtepolitik ausgesprochen; es kommt hinzu die mit ihr ebenso gegebene Auflösung alter Stammesorganisationen, der daran orientierten gesellschaftlichen Bindungen, die Verwandlung des alten Landadels in eine
Herrschaft und Freiheit
280
umgesetzt. Bereits bei der Reorganisation Kilikiens nach Beendigung des Seeräuberkrieges verzichtete er darauf, 20000 gefangene Seeräuber dem Henker auszuliefern, und siedelte sie, deren Loyalität er durch diesen Schritt sicher sein konnte, in neu gegründeten Städten an 231 . Die vor der Einrichtung der bithynisch-pontischen Provinz bestehende Einteilung des Gebietes in Landkreise 232 wurde von ihm beseitigt und die Provinz in elf große Stadtbezirke gegliedert, wobei er den fünf vorhan denen Städten Herakleia, Amastris, Sinope, Amisos und Amaseia die be nachbarten kleineren Orte attribuierte und sechs neue Städte gründete 233 . Dasselbe Prinzip verfolgte er bei der Beseitigung und Einschränkung der kleinen Territorialherrschaften in Syrien, die unter Tyrannen, einheimi schen oder fremden Dynasten ständig bestrebt gewesen waren, ihren Machtbereich auf Kosten der und über die Städte auszudehnen 234 . Ebenso hat Caesar in Afrika den dort mit Beginn des ersten Jahrhunderts ein geleiteten Urbanisierungsprozeß nachdrücklich gefördert. Alle von Pompeius im Osten restaurierten Städte erhielten nach der übereinstimmenden Aussage der Quellen die Autonomie ebenso wie sie dem in die Provinz nicht inkorporierten Judäa zugestanden wurde 235 . Rechtliches und tatsächliches Kriterium der Untertänigkeit war hier wie dort die Steuerpflicht (wobei es von der juristischen Seite her gesehen keinen Unterschied macht, ob die Abgaben direkt oder durch die publicani erhoben wurden, da Rom in jedem Fall als Subjekt der Steuerstädtische Aristokratie und die Schaffung neuer sozialer Klassen und auf sie" aus gerichtet neuer Wirtschaftsformen. Vgl. F. VITTINGHOFF, Römische Kolonisation und Bürgerrechtspolitik unter Caesar und Augustus, Abh. Ak. Wiss. Mainz. Geistes- und Sozialwiss. Kl. 14, 1952, S. 19f. 231
M. GELZER, Pompeius 2 , 1959, S. 76f., A. HEUSS, RG, S. 262.
232
Strab. 12,3,37. H. BENGTSON, Die Strategie in der hellenistischen Zeit II, 1944, S. 264.
233
234
235
D . MAGIE,
RRAM I,
S. 369ff.,
M. GELZER,
aaO. S. 98, A. J. MARSHALL, JRS 58
(1968) S. 103 ff. (mitLit.). Diese in einem Zuge nicht zu bewältigende Restauration der syrischen Städte ist von Gabinius (seit 57) konsequent fortgesetzt worden. Nach der Niederwerfung des jüdischen Aufstandes unter Alexandros, ausgelöst durch die römische Politik, den Stand der Dinge in Palästina so wiederherzustellen, wie er vor den Eroberungen des Jannäus (104-78 v. Chr.) gewesen war, baute Gabinius die in den Jahrzehnten der jüdischen Expansion zerstörten Griechenstädte Samaria, Raphia, Gaza, Apollonia, Jannia, Anthedon und viele andere wieder auf und führte ihre ursprünglichen Bewohner wieder zurück bzw. siedelte neue an ihrer Stelle an; Joseph. AJ 14,5,2-3 (84-88). bj 1,8,3-4 (162-166). A. SCHALIT, aaO. S. 30ff. Die wichtigsten Zeugnisse dazu sind die von den Städten geprägten Münzen. Grund legend dazu H. SEYRIG, Sur les eres de quelques villes de Syrie, Syria 27 (1950) S. 5ff., £res pompeiennes des villes de Phenicie, Syria 31 (1954) S. 73ff. Vgl. E. SCHÜRER, aaO. S. 101 f.; 104f.
Grenze zwischen Herrschaft und Freiheit
281
erhebung gilt) und das immer gegenwärtige Eingriffsrecht des Statthalters, dessen alleinigem Gutdünken die Art und Weise der Ausübung ipso iure vorbehalten blieb. Dei^Begriff Autonomie, überlagert von diesen beiden Fakten, kann nicht mehr als Bezeichnung beschränkter Souveränität verstanden werden, sondern erweist sich__seiner rechtlichen Qualität nach als ejn_jiegriff des innerstädtischen Verwaltungsrechtes und signalisiert, was seine historische Ableitung angeht, die römische Herrschaftsent faltung auf der Basis der Selbstverwaltung der Beherrschten. Nichts anderes besagen die Nachrichten, die bereits bei der Einrich tung der Provinz Sizilien davon sprechen, daß Marcellus Syrakus die libertas und die eigenen Gesetze (suae leges) zurückgegeben habe 236 . Die Stadt besaß wie jede andere Provinzstadt ihre eigene Verfassung nach der sie lebte, doch war sie nichtsdestoweniger zur Entrichtung der decuma verpflichtet und dem Eingriffsrecht des Statthalters offen237. Die Bewah rung der eigenen Gesetze ist nicht das selbstverständliche Korrelat der eigenstaatlichen Existenz, sondern das praktische Ergebnis des Verzichtes des Herrschenden, eigene Gesetze an die Stelle der restaurierten zu setzen. Demgegenüber sind die mannigfaltigen Verpflichtungen der civitates überae in der außenpolitischen Konstellation begründet, die es dem Mächtigen erlaubte, praktisch unbegrenzt Forderungen an den Abhängigen zu stellen, deren Erfüllung jedoch dessen Eigenschaft als sich selbst regierender Staatskörper auch in der Theorie nicht zerstörten. Der Unterschied liegt hier bereits im Verständnis dieser Verpflichtungen, die nicht als Lasten 236
237
Liv. 24,33,6: libertas legesque suae Syracusanis restituantur. 25,23,4; 28,3. 31,31,8. Plut. Marc. 23,10. Cic. 2 Verr. 2,2,13: Siculi hoc iure sunt, ut, quod civis cum cive agat, domi certet suis legibus. Dieselbe Formulierung gebraucht Livius (27,21,8) für die Restitution Tarents, das daraufhin als socius zum Vertrag mit Rom zugelassen wurde, wie überhaupt der durch die Restitution herbeigeführte Zustand in der Regel mit suis legibus uti (oder vivere) bezeichnet wird, ohne daß daraus notwendig die Wieder herstellung als populus sui generis abgeleitet werden kann. Auch die Selbstverwaltung der Municipia, gleichgültig ob ihre Angehörigen römische Halb- oder Vollbürger waren (zur Sache s. A. N . SHERVIN-WHITE, RC, S. 36ff., E. SCHÖNBAUER, Jura 1 (1950) S. 127ff.), wird terminologisch nicht anders kenntlich gemacht, vgl. Gell. Noct. Att. 16,13,6: Municipes ergo sunt cives Romani ex municipiis legibus suis et suo iure utentes. Diese vom Blickpunkt der modernen staatsrechtlichen Systematik her unhaltbare terminologische Gleichsetzung grundsätzlich verschiedener Rechtsverhältnisse wird erst dann verständlich, wenn man davon ausgeht, daß sich der realiter bestehende Unter schied zwischen frei und unfrei nicht in der Selbstverwaltung niederschlägt, so daß eine Darstellung, der es nicht um die juristische Fixierung der einen oder der anderen Kategorie geht, in diesem Punkt durchaus richtig schreiben kann, daß alle Städte gleicherweise ihre eigenen Angelegenheiten in eigener Regie verwalten. Ebenso wie für Syrakus ist für Thermae (Cic. 2 Verr. 2,2,90) und für Herbita (2,5,114) die Rückgabe der leges suae und die Abgabenpflicht überliefert.
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Herrschaft und Freiheit
galten, die dem Untertanen als selbstverständliche Folge seines Status auf gebürdet wurden, sondern als Beitrag zu einer gemeinsamen Sache, so ein seitig deren tatsächlicher Inhalt auch konzipiert wurde. Der Gegenstand läßt sich am Beispiel der Tributpflicht der Untertänigen anschaulich verdeutlichen. Die Rechtsfolge der Untertänigkeit besteht in dem Verlust des Verfügungsrechtes über die Abgaben der unter tänigen Gemeinde in ihrer Gesamtheit. Dies kommt konkret am klarsten darin zum Ausdruck, daß_die Gemeinde nicht mehr das Recht ^besitzt einemihrer Bürger die Immunität zu verleihen, o ^ j ^ dafür die Erlaubnis o!es_Statthalters (als Subjekt der Steuererhebung) einzuholen. Die Ent scheidung des Statthalters ist hier also der einzige unmittelbar rechtswirk same Akt. Ganz anders die Situation der freien Städte, die zu finanziellen Leistun gen im Rahmen der Bundesverpflichtungen herangezogen wurden. Auch für sie ist die Erfüllung der römischen Forderung eine Existenzfrage und daher unvermeidlich 238 . Doch ist hier die Rechtsgrundlage der de iure unbeeinflußbare Entschluß der Gemeinde, der gegenüber Rom nur die Rolle des Bittstellers spielen kann. Dieser rechtlich elementare Unterschied ist gegenüber der konsolidierten Weltmachtstellung Roms keine politisch effektive Größe, doch ist hier anzusetzen, um den Ausgangspunkt zu be greifen, von dem aus der Unterschied zwischen Freiheit und Herrschaft das römische Bewußtsein bestimmte.
238
Die Situation ist der eines foederierten socius genau gleich, den Rom um die Er füllung der vertraglich festgelegten Waffenhilfe angeht. Wird diese verweigert, so gilt der Vertrag als gebrochen, was natürlich je nach der Stärke des Bündners unterschied liche Folgen für ihn hatte.
VI. Die Kapazität der Herrschaft 1. Die Grenzen einer Objektivierung
der Herrschaftsausübung
Die Objektivierung der Herrschaftsausübung hängt prinzipiell von zwei Faktoren ab: Erstens von den Notwendigkeiten des beherrschtgn Raumes, die jedoch erst dann von dem herrschenden System als solche er kannt werden müssen, wenn eine Fehleinschätzung dieses Sachverhaltes den Bestand der Herrschaft überhaupt in Frage stellt. Zweitens von dem dem Herrschaftssystem immanenten Spielraum der Herrschaftsausübung, der generaliter dort seine Grenzen hat, wo ihre Ausweitung oder ihre Verfeinerung die Stabilität der inneren Herrschaftsordnung gefährden würden. Übertragen auf die Ebene des Bewußtseins heißt dies, daß die Einsicht, die Ausübung der Gewalt durch Normen ur^Insmutionen kanalisieren und versachll^en"zu~mussen, nicht notwendig und direkt aus der SacTie erwäcHst^^sondern provoziert werden muß in der Konfrontation mit Problemen, die^anders nicht gelöst werden könnenv-WldefSpricht gär der Aufgabenkatalog, der sich aus der gewaltsam begründeten Herrschaft ergibt, der Fähigkeit des Systems, sich darauf einzustellen, so erwachsen die Lösungen der gestellten Probleme überhaupt nicht aus dem prognosti zierenden Verständnis, sondern allein aus dem Aufeinanderprallen der Notwendigkeiten der Herrschaft und der Unfähigkeit, ihnen Rechnung zu tragen. In dieser Auseinandersetzung sind die Sachzwänge der Herrschaft auf die Dauer stärker als das Herrschaftssystem, d. h. es wird seine Struktur ändern^Zu welchem Zeitpunkt und in welcher Größenordnung dies geschieht, hängt ab von seiner Fähigkeit, die Konsequenzen der Ent faltung der reinen Macht auf die Widerstandskräfte des beherrschten Raumes und auf die Stabilität der eigenen politischen und sozialen Struktur zu ertragen. Innerhalb des verfassungsrechtlichen Gefüges wurden die Möglich keiten der römischen Republik, ihre Herrschaft über die Provinzen zu versachlichen, wesentlich bestimmt von dem Verhältnis der aristokrati-
284
Die Kapazität der Herrschaft
sehen Gesellschaft (Senat) zu den Inhabern der Exekutive (Magistrat)1. Die Ausdehnung des Herrschaftsraumes stellte die in der Verfassungsstruktur verankerte Frage neu, wo die Grenzen der Freiheit der Imperiumträger lagen, ihre Gewalt nach eigenem Ermessen zu gebrauchen. Die Ge schlossenheit der Aristokratie als Klasse und damit die Funktionsfähigkeit der politischen Elite hing von der Beantwortung dieser Frage ab, die zur existentiellen wurde, als die Einrichtung von Provinzialstatthalterschaften Teile der militärischen Befehlsgewalt auf Dauer der unmittelbaren Kon trolle des Senates entzog und gegen sie im Konfliktfali selbst die ein fachsten Kontrollmechanismen nicht griffen (vgl. S. 65 ff.). Die römische Staatsordnung ruhte nicht auf einer geschriebenen Ver fassung, sondern sie lebte im wesentlichen im Rahmen tradierter Gewohn heiten (exempla), die nur dann, wenn ein konkreter Anlaß dazu gegeben war, gesetzlich normiert wurden, im übrigen jedoch als verbindlich von allen politisch relevanten Gruppierungen anerkannt wurden und mit den jeweiligen Aufgaben wuchsen 2 . Dem Senat^kam die Rolle des eigentlichen Regierungsorgans zu 3 , das namentlich c\\? Außenpolitik als seine eigenrliche Domäne betrachtete. Die hier andrängenden Probleme forderten von 1
Die Verwendung des Begriffes Exekutive ist sicherlich problematisch, da er die Vor stellung der Gewaltenteilung suggeriert, die es als solche in Rom nicht gegeben hat. Senat, Magistrat und Volk sind hinsichtlich ihrer Kompetenzen mit dieser Begrifflich keit keinesfalls ausreichend definierbar. „Exekutive" kann also nur als Umschreibung eines Aufgabenfeldes verwandt werden, in dem den Magistraten verfassungsrechtlich die wichtigsten Funktionen- übertragen -sind.- ■--......-.. .... 2 Vgl. W. KUNKEL, Kl. Schrift., 1974, S. 367ff., F. SCHULZ, Prinzipien des römischen Rechts2, 1954, S. 4ff. 3 Die Tatsache an sich ist in der Forschung unbestritten. DieJFragejst nur, ob es sich dabei um einen falais_chen oder um einen rechtserheblichen Zustand handelt. Im Rahmen der Mommsenschen Rechtssystematik waren allein der Magistrat~uncndie Komitien die Träger der rechtlichen Gewalt, die der Senat nur faktisch auf Grund seines politisch materiellen Gewichtes mit dem Instrument der Empfehlung (Senatus consultum) steuern konnte. Die Reaktion auf diese für eine lange Dauer geradezu kanonische Lehre war die Betonung der auch juristisch begründeten Abhängigkeit der magistratischen Gewalt von den Beschlüssen des Senates; vgl. vor allem G. WESENBERG, Z. Sav. Stift. R. A. 70 (1953) S. 58ff., M. J. HENDERSON, JRS 47 (1957) S. 85f., W. KUNKEL, in: ANRW I 2, 1972, S. 3 ff. Demgegenüber betonte bereits F. DE MARTTNO, Storia della costituzione romana I, 1958, S. 410ff. II, 1960, S. 161 ff., der im übrigen die juristische Basis der Argumentation gegen die Grundthese Mommsens beibehielt, den sozialgeschichtlichen Unterbau, der dem ganzen Problem erst seine eigentliche Bedeutung verleihe (die Verfassungsstruktur wird hier weitgehend als Produkt des Klassenkampfes verstanden). (»Einen neuen und überzeugenden Weg schlug T. BLEICKENT lex publica. 1975T S, 294ff.: pass. ein, der die juristische Frage nach der Rechtserheblichkeit der Senatsentscheidun gen der historischen Frage nach^der Durchsetzbarkeit des WflIelis^"deT~Trn~Senat || re präsentierten "Klasse unterordnet.
mzen der objektivierten Herrschaft
285
der Sache her ohnehin die politische Führung eines permanenten Gre miums, das allein die Komplexität der zu fällenden Entscheidungen über schauen konnte. Da der Senat als Institution die Fähigkeit zum Handeln nicht besaß und ihm auch jegliche Initiative zur Beschlußfassung fehlte, figurierte der Magistrat als sein exekutiver Arm, der die Entscheidung des Gremiums herbeiführte und in die Tat umsetzte 4 . Die Bindung des Magistrats an den Willen des Senats war so von der historischen Entstehung wie von der Funktion der Magistratur her ein konstitutives Element der römischen Verfassungswirklichkeit. Das Aus maß der Selbstverständlichkeit, mit der dies praktiziert wurde, zeigt der alle Bereiche des politischen Lebens umfassende Katalog der Entscheidun gen, zu denen der Magistrat den Senat aufrief5. Die Herrschaft der im Senat repräsentierten patrizisch-plebeischen Geschlechter funktionierte damit in der sehr einfachen Form, daß auf jeweils ein Jahr beschränkt einige Aristokraten aus dem Senat heraus- und ihm gegenübertraten, um die militärsiche, politische und Jurisdiktionelle Gewalt im Staate nach den Vorstellungen des ganzen Standes ausüben zu können 6 . Das Volk als politisches Organ entbehrte der Initiative und diente als das Instrument, das die Übereinstimmung aller sozialen Schichten mit dem Willen der Aristokratie in allen zentralen Fragen des politischen und sozialen Lebens herstellte und die gesetzliche Normierung der verfassungs- und verwal tungsrechtlichen Bereiche ermöglichte, die ohne staatliche Satzung nicht denkbar waren. In dieser den Verhältnissen eines Stadtstaates durchaus „angemessenen Staatsordnung war die Notwendigkeit der Kontrolle der allein handlungs fähigen magistratischen Gewalt kein vorrangiges Problem. Die soziale Bin dung des Imperiumträgers an seinen Stand, in den er nach Ablauf seiner Amtszeit zurücktrat, reichte in der Regel bereits aus, um eigene politische Ambitionen der Amtsträger gar nicht erst aufkommen zu lassen. Vor einem Mißbrauch der Amtsgewalt schützten die Annuität und die Kolle gialität des Amtes, die Möglichkeiten der kollegialen oder tribunizischen Intercession, die Begrenzbarkeit magistratischer Aktionen durch das Sakralrecht, die Hierarchie der Magistratur (maior und minor potestas) 4
5 6
Vgl. A. WATSON, Law making in the later Roman Republic, 1974, S. 21 ff. (zur Rolle der SCC im Privatrecht). T H . MOMMSEN, RStR. III, S. 1037-1239. Auct. ad Herenn. 4,35,47: Senatus est officium consilio civitatem iuvare: magistratus est officium opera et diligentia consequi senatus voluntatem. Als dies geschrieben wurde, klang es schon wie die Beschwörung einer zerfallenen Ordnung.
286
Die Kapazität der Herrsch
und die Verweigerung von Senatsbeschlüssen, was jede trotzdem erfolgte Initiative des Magistrats mit den exempla maiorum in Konflikt brachte7. Solange die Interessen der einzelnen Magistrate mit denen der herrschen den Klasse identisch waren, war ein Streit mit dem Senat gar nicht denkbar und daher kein Gegenstand besonderer Vorsorge. Die politische Entscheidungsbildung konzentrierte sich also in der Weise auf den Senat, daß die hier gefaßten Beschlüsse alle irgendwo sonst im System möglichen Entscheidungen maßgebend beeinflussen oder ver hindern konnten. Trotzdem war potentiell die Magistratur auf Grund der verfassungsrechtlichen Konstruktion genügend autonom, um alle im Senat getroffenen Entscheidungen zu modifizieren oder sich darüber hinweg zusetzen. Daß sie es tat oder nicht tat, hing davon ab, wie weit die histo rische Entwicklung die soziale Bindung der Amtsträger an ihre Klasse lockerte und wie weit die Magistratur als Institution auf neue Augabengebiete ausgeweitet werden mußte, in denen die traditionellen Bremsen gegen magistratische Willkür nicht griffen. Ebenso konfrontierte die histo rische Entwicklung die Entscheidungskonzentration im Senat ständig neu mit dem Problem der Leistungsfähigkeit des Gremiums, das mangels eigener Initiative und ohne exekutive Befugnisse ohnehin nur durch die Magistratur regieren konnte. Die Fähigkeit des gesamten politischen Ent scheidungssystems, für gewandelte historische Gegebenheiten neue Ver fahrensweisen zu entwickeln und durchzuführen, war bereits durch dieses strukturelle Spannungsverhältnis zwischen Senat und Magistrat wenig aus geprägt. -. . Die Begründung der Herrschaft über Italien stellte die Funktionsfähig keit des Systems, was die Ausbildung von Herrschaftsformen anging, auf keine ernsthafte Probe. Die Inkorporierung oder die vertragliche Bindung der Besiegten machten die politische Landschaft komplizierter, veränder ten sie aber nicht grundsätzlich. Erst die mit dem Ersten Punischen Krieg beginnende Durchdringung weiter Räume, in denen Herrschaft mehr und mehr nur durch die Begründung dauernder Untertänigkeit aufzurichten war, öffnete die Schere zwischen Herrschaftsaufgaben und Herrschaftsmitteln^die" nur (durch eine Veränderung des Systems selbst zu schließen gewesen wäre. Da dazj£_vor allem die Größe^und die Beständigkeit des Erfolges beharrlich den Weg versperrte, erwachte die strukturell verankerteSpännung zwischen Senat und Magistrat zum Leben. Das Amt des Provinzialstatthalters löste Teile der Magistratur aus den Fesseln, die den 7
Vgl. J. BLEICKEN, aaO. S. 294ff.; 444ff.
Grenzen der objektivierten Herrschaft
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Mißbrauch der Amtsgewalt verhindern sollten, und die langen Kriege weit ab von Italien erzwangen geradezu die Selbständigkeit magistratischen Handelns. Die persönliche Kommunikationsform der Entscheidungsfindung zerbrach an den Notwendigkeiten normativer Satzungen, und die märchenhaften Aussichten der Bereicherung und der Gewinnung großer Klientelen verzerrten die wirtschaftlichen und sozialen Voraussetzungen, auf denen der Führungsanspruch der Aristokratie und die Geschlossenheit der Klasse immer geruht hatten. Die zerstörende Kraft der Expansion auf das innere Organisationsgefüge des Staates war für die Zeitgenossen nur in bestimmten Erschei nungsformen erkennbar, die auch zusammengenommen keinen Rück schluß auf die eigentliche Wurzel des Übels zuließen. Dem standen nicht nur der Erfolg entgegen, sondern auch die Notwendigkeiten, ihn zu be haupten. Jede Schwächung der Magistratur verbot sich von selbst angesichts der Ausweitung der Kriegsschauplätze im 2. und 1. Jahrhundert und angesichts der wachsenden Herrschaftsaufgaben, die vorrangig immer auf die militärische Sicherung des Erworbenen ausgerichtet waren. Der Senat selbst hat die Zahl der ständigen Präturen 227/5 und 198 auf ins gesamt sechs erhöht, da die Aufrechtefhaltung des Herrschaftsanspruches in Sizilien, Sardinien und Spanien durch die Entsendung eines Imperium trägers die der Situation angemessene Lösung schien8. Vermutlich war die erste dieser Verfügungen zunächst nur für den kurzen Zeitpunkt gedacht, in dem man die Konzentration von Truppen angesichts der keltischen Bedrohung in .Sizilien und Sardinien für unumgänglich hielt9. Da dadurch jedoch eine Ordnung geschaffen wurde, die einem dauernden Bedürfnis entsprach, bestand kein Grund, daran etwas zu ändern10. Erst nach 197 (181 ?) wurde zum ersten Mal eine gesetzliche Regelung des Verfahrens ver sucht: eine lex Baebia schrieb die abwechselnde Wahl von jeweils 4 bzw. 6 Prätoren vor, nachdem sich vermutlich der jährliche Wechsel in den 8
9 10
Livius Oper. 19f., 32,27,6) überliefert jedenfalls keine Volksbeschlüsse, so daß der Schluß auf eine alleinige Entscheidung des Senates wahrscheinlich ist: J. BLEICKEN, Lex publica, S. 399, W. KUNKEL, Kl. Schrift. S. 373 f. Zur Ausweitung der Magistratur durch Senatsbeschluß in der älteren Republik s. A. MAGDELAIN, Recherches sur l'imperium, 1968, S. 5ff.; pass. s. S. 52f.; 86f. Dasselbe gilt für die Verlegung des Anfangstages des konsularischen Amtsjahres vom 15. März auf den ersten Januar im Jahre 153. Die schweren kriegerischen Verwicklungen in Spanien machten ein Eintreffen der neuen Konsuln auf dem Kriegsschauplatz bereits im Frühjahr notwendig. Als sich dieses Verfahren praktisch bewährt hatte, behielt man es bei.
288
Die Kapazität der Herrst
beiden spanischen Provinzen nicht bewährt hatte 11 . Erst eine im Senat offenbar strittige Auffassung über die weitere Handhabung der Provinzialprätur, die in Spanien deutlich an Effektivität eingebüßt hatte, setzte die gesetzliche Normierung des Verfahrens in Gang. Die Einrichtung der untertänigen Gebiete als ständige Amtssprengel eines Imperiumträgers entsprach anfangs durchaus den begrenzten Zielen der römischen Herrschaft und den Interessen der Senatsaristokratie, die auf diese Weise die Kontrolle und die Ausbeutung der Provinzen unter sich aufteilte. Erst die mit den Erfolgen der Expansion wachsenden Pflichten der Herrschaftsausübung, die durch eine ständige Steigerung der Macht befugnisse der Magistrate beantwortet werden mußte, machten deutlich, daß die im Amtsbereich militiae fast absolute Machtvollkommenheit der Amtsträger nicht durch den einfachen Kontrollmechanismus der Annuität zu binden war. Die erste erkennbare Reaktion des Senates war der Ver zicht auf die direkte Übernahme der Herrschaft und damit auf die ständige Etablierung neuer Magistrate. Dieser sicher aus der instinktiven Angst und nicht aus der bewußten Erkenntnis der Bedeutung des Problems erwach sene Entschluß verlieh der römischen Außenpolitik jenen für die hellenistische Welt unberechenbaren und perfiden Zug, der zusammen mit dem bnerschöpflichen Machtpotential Italiens die ganze östliche Staatenwelt zum Einsturz brachte. Die Feldherren, die die Notwendigkeiten der Kriegführung jahrelang an ihr Kommando banden, und die Statthalter der Provinzen, deren Imperium auf Grund des Mißverhältnisses zwischen der Zahl der Provinzen und der bestehenden Magistraturen häufig prolongiert werden mußte, wurden so zu weitgehend selbständig regierenden Teilen des Systems. Macht und Gesetz leiteten sich bei ihnen aus dem gleichen Ursprung her. Es fehlte eine immer gegenwärtige Autoritätsquelle jenseits der Ent scheidungsgewalt des Statthalters, die als staatliche Institution oder als moralische Kategorie Normen des Regiments gesetzt hätte. Nur die Furcht vor einer übergeordneten staatlichen Autorität hätte verhindern können, daß die Provinzialprätoren, den absoluten Monarchen gleich, zu ausbeutenden Subjekten hinabsanken, denen ihre Provinzen meist als Mittel zur privaten Bereicherung und zur Stillung ihres politischen Ehrgeizes dienten. 11
Liv. 40,44,2. J. BLEICKEN, S. 399. Das Gesetz ist allerdings nur einmal praktiziert worden. Das Experimentierstadium, in dem sich das Instrument der Provinzialstatthalterschaften damals noch befand, wird so ganz deutlich.
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Die zunehmende Entschlossenheit des Senates, vor allem mit gesetz lichen Regelungen seine Kontrollmöglichkeiten auszuweiten, hatte ihre Grenzen dort, wo der Bestand der Herrschaft von der Macht der Im periumträger abhing, und dort, wo das spezifisch im sozialen Bereich verankerte Beziehungsverhältnis der Klasse zu den exekutiven Trägern ihres Willens etwa durch eine grundsätzliche gesetzliche Veränderung zer stört worden wäre. Die gesetzliche Bindung der Magistratur an die Ent scheidungen des Senates ist denn auch niemals ausgesprochen worden. Sie hätte dem Senat die Funktion eines Parlaments verliehen, was dem Um sturz der Verfassung gleichgekommen wäre. Sullas Reformversuche liefern den nötigen Anschauungsunterricht über die Grenzen der Veränderbarkeit des überkommenen Beziehungsverhält nisses zwischen Senat und Magistrat. Nach seiner Regelung übernahmen die Magistrate^erst in einem zweiten Amtsjahr die Verwaltung der Provin zen, nachdem die Zahl der Imperiumträger der Zahl der Provinzen ange paßt worden war. Das Verlassen der Provinz und die Führung eines Krieges ohne die Zustimmung des Senates wurden unter Strafe gestellt12. Dieser Versuch, die Magistratur durch eine Aufsplitterung und Isolie rung der militärischen Gewalt dem Willen des Senates wieder gefügig zu machen, führte zu einer ernsten Schwächung der militärischen Macht, die letztlich nur durch die Übertragung außerordentlicher Kommandogewal ten ausgeglichen werden konnte. Mit der Systematisierung einer seit langem geübten Praxis hatte Sulla zwar eine weitgehende Entmilitarisierung Italiens erreicht und damit die direkte Bedrohung Roms durch einen ungehorsamen Konsul oder Prätor, wie sie das Jahr 88 gesehen hatte, unmöglich gemacht. Für die Provinzen, den Bestand der Herrschaft und für die Reichsverwaltung^ jiatte sich die Lage jedoch erheblich verschlechtert. Der in seiner Amtszeit auf ein Jahr beschränkte und_anjiie Grenzen seiner Provinz gebundene Statthalter mußte seine Ausbeutungsmethoden während der^ihm verbliebenen kurzen Zeit intensivieren, so_daß der Verelendungsprozeß der Provinzen noch schneller als bisher schon fortschritt. Darüber hinaus war die Führung eines Krieges innerhalb der Provinzgrenzen und mit ständig wechselnden Kommandeuren per se ein Ding der Unmöglichkeit. Die Kriege gegen Mithradates VI. lehrten denn auch sehr schnell und gründlich, daß auf diese Weise das Instrument der Provinzialstatthalterschaften zur Lösung außenpolitischer Krisen unbrauch bar geworden war. Entgegen der Intention Sullas, der mit dieser Regelung 12
F. DE MARTINO, Storia III, S. 83f. Cic. in Pis. 50.
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und der gesetzlichen Bindung der tribunizischen Initiative an den Willen des Senates dessen Position festigen wollte, öffneten die auf diese Weise nicht mehr zu lösenden Aufgaben des Herrschaftsraumes den aufierorTentlic&en^Kömmanden Tür und Tor13. Die Träger dieser Gewalten be saßen in der außenpolitischen Notlage der Republik nun die Legitimation und die Basis, um ihren persönlichen Machtanspruch gegen den Führungs anspruch des Senates zu stellen und durchzusetzen. Der hier erkennbare Konstruktionsfehler des sullanischen Restaura tionsversuches enthüllt im Grunde nur die Unmöglichkeit, im Rahmen der bestehenden Staatsordnung den Herrschaftsapparat so zu versachlichen, daß die magistratische Gewalt die ihr nicht zu nehmenden Aufgaben voll erfüllte und gleichzeitig dem Willen des Senates unterstellt wurde. Das Beziehungsverhältnis zwischen Senat und M a g* strat w a r _jjgj n e s v o n Instir tutionenj_deren_Kompetenzen es nur richtig zu hierarchisieren galt. Es fand seinen elementaren Sinn imTECöntext der Machtentfaltung einer poli tischen Elite, die als Klasse nur in der Form tätig werden konnte, daß sie die Exekution ihrer Wünsche einzelnen ihrer Standes genossen überließ. Als die Ausdehnung der Herrschaftsaufgaben den inneren Zusammenhalt der Klasse sprengte, war der Ausbau der magistratischen Kontrolle ein dem System selbst widersprechendes Unterfangen, das den Ausbruch des Einzelnen aus der Ordnung eher förderte als hinderte, indem die gesetz liche Normierung einzelner Bereiche der magistratischen Amtsgewalt die Ausuferung der nicht normierbaren militärischen Gewalt bedingte. Die. Einrichtung der Repetundjenverfahren - gegen Magistrate^ deren Ausbeutungspraktiken die Aufrechterhaltun^der Herrschaft erschwerten, bestätigt die grundsätzliche Inflexibilität des Systems. Die zunächst ad hoc durch die Initiative des; Senates zustandegekommenen Prozesse gegen mehr^^S^thalter der spanischen Provinzen erhielten durch dle^ lex Calpurnia des Jahres 149 eine eigene Rechtsgrundlage und eine präzise Verfahrensregelung14. Nur permanente Gerichte (quaestiones perpetuae), deren Geschworenenbänke nicht erst im konkreten Fall besetzt wurden und die von sich aus tätig werden konnten, boten eine ausreichende 13
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A. HEUSS, RG, S. 180, J. BLEICKEN, Lex publica, S. 419. Die Einrichtung von nicht weniger als vier neuen Provinzen in den folgenden beiden Jahrzehnten (Cyrenaica, Kreta, Bithynien-Pontos und Syrien) durchlöcherte sowieso die sinngemäße Anwendung der Regelung; E. BADIAN, Sulla, 1970, S. 28. W. KUNKEL, Unters, zur Entwicklung des römischen Kriminalverfahrens in vorsullanischer Zeit, 1962, S. 12f., Kl. Schrift. S. 46ff., E. S. GRUEN, Roman Politics and the Criminal Courts, 149-78 B. C., 1968. »
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Gewähr dafür, daß das ganze Verfahren nicht zu einem besonderen Forum der Entfaltung inneraristokratischer Händel und Freundschaften denatu rierte. Mit dieser aus der praktischen Erfahrung geborenen gesetzlichen Normierung von Disziplinarmaßnahmen gegen Mitglieder der Senats aristokratie, die die herkömmlichen Regeln der politischen Moral verletzt hatten, war nun erst eigentlich das Instrument geschmiedet, das den Machtkämpfen zunächst innerhalb der Aristokratie, dann aber auch zwischen Aristokratie und Ritterstand eine neue Brisanz verlieh. Die Objektivierung der^Ahnduji^vo^J^st^ßen im_ Herrschaftsbereich er^ möglichte gleichzeitig die definitive Ausschaltung des innenpolitischen Gegners. Als Gaius Gracchus die Geschworenenbänke der Repetundengerichtshöfe mit~Rittern ^elelzleT^af~er"~diessicherlich in der richtigen Erkenntnis, daß der Senat mit den verbrecherischen Praktiken seiner Mit glieder in den Provinzen nicht mehr selbst fertig werden konnte und daher in diesem Punkte der Kontrolle eines vom Senat weitgehend unabhängigen Standes unterstellt werden mußte15. Gleichzeitig warf er, wie er selbst formulierte, mit dieser Regelung die Dolche aufs Forum, mit denen sich die Bürger auch ohne sein Zutun zerfleischen konnten16. Die Sache der Provinzialen blieb dabei auf der Strecke. Der zweifellos bei den Anfängen dieser Prozeßverfahren und bei Gaius Gracchus vor handene Wille, die Verwaltung des beherrschten Raumes den Erforder nissen anzupassen, fand in der Erweiterung der Strafjustiz nur ein Mittel, das von der innenpolitischen Konfrontation absorbiert wurde. Das prin zipiell gleiche Interesse der Senatsaristokratie und des Ritterstandes an der Ausbeutung der Provinzen wurde durch die Einbindung der Ritter in die Kontrollmechanismen des Senates erst allen Beteiligten richtig bewußFund fünfte alsbald zu einem Ausgleich zwischen Senat und Rittern, dessen Kosten die Provinzialen trugen17. Auch dieser Versuch, die realen Mög15
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CHR. MEIER, Res publica amissa, S. 71 ff. In diesem Kontext muß die Bestimmung der lex Acilia gelesen werden, wonach der Kläger den Anspruch auf das Doppelte der erpreßten Summe erheben konnte, nachdem bis dahin die einfache Erstattung üblich war (W. KUNKEL, Unters. S. 13). Der ursprüngliche Zivilprozeß erhält so mehr und mehr den Charakter eines politischen Kriminalprozesses. Cic. de leg. 3,20. H. STRASBURGER, Homer und die Geschichtsschreibung, 1972, S. 11 f. erinnert mit Recht an die irrationalen Beweggründe von Haß und gekränkter Würde, die die römischen Aristokraten auch bei solchen fundamentalen Entscheidungen leiten konnten. C H . MEIER, aaO. S. 79. Über die ganz ungenügenden Versuche des Senates und der Magistrate, die Geschäftspraktiken der Publikanen an vertretbare Normen zu binden, informiert ausgezeichnet T H . DREV-BEAR, BCH 96 (1972) S. 443 ff. (mit einem neuen inschriftlichen Fund über einen einschlägigen Beschluß des asiatischen Koinon aus der Zeit Sullas). Erst in den 50er Jahren unternahm die staatliche Administration die ersten
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lichkeiten des Herrschaftssystems den Herrschaftsaufgaben anzupassen, endete in einer gefährlichen Lockerung des Beziehungsgeflechts innerhalb der Aristokratie und zwischen den Ständen und verschärfte den Druck der ungelösten Herrschaftsprobleme. Der ganze Vorgang lehrt darüber hinaus, daß die Versuche einer Steuerung der Herrschaftsprobleme nicht auf den konservativen Teil der Senatsaristokratie beschränkt blieben, sondern auch von den Minderheiten im Senat unternommen wurden, die ihre politischen Ziele auf dem Wege der Volksgesetzgebung betrieben. Diese Aristokraten dachten nicht an eine Umwälzung der Herrschafts Verhältnisse, sondern sie machten mit den Mitteln Politik, die überhaupt noch blieben, wenn man die Mehrheit des Senates gegen sich sah. Am Führungsanspruch des Senates hat selbst Gaius Gracchus nicht rütteln wollen, d. h. auch sein mit dem Repetundengesetz vorgenommener tiefer Eingriff in die Staatsordnung sollte diese in einer neuen Form am Leben erhalten. Dies wird besonders deutlich an der von ihm eingebrachten gesetz lichen Regelung über die konsularischen Provinzen 18 , die künftig bereits vor den Wahlen vom Senat bestimmt werden mußten 19 . Mit diesem Ver fahren war zum einen die Kompetenz des Senates zur Verteilung der Pro vinzen bestätigt, zum andern die Magistratur nicht dem Senat als übergeordnete Rechtsinstanz unterstellt worden. Seine Effektivität entfal tete das Gesetz ausschließlich durch eine Modifikation des Geschäfts ganges, was zwar genügte, um die Vergabe der Provinzen aus den Wahl kämpfen um das Konsulat -in- etwa-heraus zuhaken,- was jedoch -für- die Provinzen keine fühlbare Erleichterung brachte. Es zeigt sich, daß alle Angehörigen der aristokratischen Führungs schicht ungeachtet ihrer unterschiedlichen politischen Zielsetzungen die
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Versuche, die Publikanen ganz aus der Steuereintreibung auszuschalten: E. BADIAN, Publicans and Sinners, 1972, S. 108ff. Die direkt dem Monarchen unterstellte ritterliche Finanzverwaltung setzte den Schlußpunkt unter diese Entwicklung, die das der Republik durchaus gemäße System der Steurpacht beseitigte, als seine Ausdehnung mit dem Wachsen des Imperiums die Kontrollmöglichkeiten des Staates überstieg. Dies waren nicht nur die wichtigsten, sondern in ihnen waren auch die stärksten Truppenverbände stationiert, vgl. E. S. GRUEN, The last Generation of the Roman Republic, 1974, S. 121 ff. Sali. Jug. 27,3. Cic. de dorn. 9,24. Die tribunizische Intercession gegen diese SCC wurde untersagt (höchstwahrscheinlich nicht von Gracchus, der als Vorkämpfer für die Rechte des Volkstribunats diese nicht selbst an einem so wichtigen Punkt beschneiden konnte): Cic. de prov. cons. 7,17. F. DE MARTINO, Storia II, S. 449f. Die Modifikation des Gesetzes durch Pompeius im Jahre 52 steht bereits unter dem Zeichen der Kon frontation mit Caesar; vgl. E. S. GRUEN, aaO. S. 457ff.
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Zerreißprobe sehr wohl sahen, der das Beziehungsverhältnis zwischen Senat und Magistratur durch die Notwendigkeiten des Herrschaftsraumes ausgesetzt war. Trotzdem begnügten sie sich mit gutem Grund, die Aus wüchse der Gewalt der Magistrate zu beschneiden, da jede Veränderung der Magistratur als Institution die Schwächung der Machtausübung im Herrschaftsbereich bedingt hätte, die alle außenpolitischen Erfolge in Frage stellen konnte. Die rein gesellschaftliche Bindung der Beamten an den Willen der gesamten politischen Elite war juristisch nur dort normier bar, wo nach der allgemeinen Übereinstimmung der Führungsschicht der von allen ihren Mitgliedern vertretene Anspruch auf die Verfügungsgewalt über das Gewonnene von Einzelnen so überzogen wurde, daß die Stabili tät der Herrschaft litt oder das Maß an politischem Einfluß^ das derEinzelne als Imperiumträger erringen konnte, die soziale und politische GleicliEeit der Klasse sprengte^0. ~—~ Auch in diesen Überlegungen tauchen die Provinzen nicht als eigen ständige Größe auf. Die Begründung provinzialer Administration und ihre Kontrolle war so auch kein Vorgang, den gesetzlich verankerte Maßstäbe materiell und formell geregelt hätten. Der siegreiche Feldherr oder Statt halter setzte die Friedensregelung oder die Verwaltungsordnung der Pro vinz durch eine lex data fest, die im Einvernehmen mit einer senatorischen Zehnmännerkommission formuliert wurden21. Dieses lange Zeit ganz selbstverständliche Zusammenwirken zwischen Senat und Magistrat im Kernbereich der Außenpolitik war der überzeugendste Ausdruck der Regierungspraxis, die -den—Beamten nur -die Funktion-zuerkannte, den Willen des Senates in die Wirklichkeit umzusetzen. Als nachJJuila der gesamte Herrschaftsraum zum Turnierfeld der um Macht und Ansehen kämpfenden Aristokraten wurde, zerbrach dieser Mechanismus. Die Ausübung der Herrschaft und die außenpolitischen Entscheidungen wurden zunehmend Gegenstand von Volksbeschlüssen, mit Plenen einzeihe Aristokraten, Minderheiten im Senat oder der Senat selbst ihre jeweils divergierenden Vorstellungen durchzusetzen ver-
Generelle Regelungen wie die der Repetundenverfahren oder der Verteilung der Pro vinzen waren dazu ebenso geeignet wie am konkreten Fall orientierte einmalige gesetz geberische Maßnahmen. So regelte bereits im Jahre 201 eine lex Acilia Minucia die Modalitäten der Beendigung des Krieges gegen Karthago (Liv. 30,40,14f.; 43,2f.), nachdem der Senat keine andere Möglichkeit mehr sah, den amtierenden Konsul Cn. Cornelius Lentulus daran zu hindern, selbst den Krieg zu beenden und Scipio die Lorbeeren des Sieges streitig zu machen; vgl. J. BLEICKEN, aaO. S. 124 f. J. MARQUARDT, F<W.
I, S. 500f., J. BLEICKEN, S.
167.
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suchten 22 . Es spiegelt sich in diesen Gesetzen nur zu einem geringen TeiHie Notwendigkeit, das Chaos~3es Herrschaftsraumes durch verbindliche Ordnungen einzudämmen. Vorrangig rangieren sie als Kampfmittel in_der inneraristokratischen Auseinandersetzung, in der der Zugriff auf die Magistratur allein die zur Steigerung von Macht und Ansehen notwendi gen Mittel verfügbar machen konnte. Die vorangehenden Überlegungen führten immer wieder zu der Er kenntnis, daß das Imperium den Konflikt zwischen Senat und Magistratur erst bedingte. Die für die Bewältigung der sehr schnell wachsenden Auf gaben des Herrschaftsgebietes gestärkte magistratische Gewalt kehrte sich nach innen, als die Solidarität und Geschlossenheit der Senatsaristokratie an den ungeheuren Möglichkeiten, die das Imperium dem Einzelnen bot, zerbrach. Die starre Struktur der stadtstaatlich organisierten Republik ließ nur die Konzentration der Herrschaftsaufgaben auf die Aristokratie zu, die ihre Fähigkeit zum Handeln allein in der Magistratur besaß. Der sich mit dem Fortgang der Expansion verschärfende Widerspruch zwischen den Herrschaftsaufgaben und der unausgeprägten Verwaltung lieferte den großen Einzelnen schließlich die Möglichkeit und die Legitimation, die exekutive Gewalt so zu steigern, daß mit ihr der Herrschaftsanspruch des gesamten Standes in Frage gestellt werden konnte.
2. Die Senatsaristokratie und das Imperium Es kann gewiß nicht ausreichen, die an paradoxen Zügen ohnehin reiche Entwicklungsgeschichte des Imperiums als Ergebnis einer falsch programmierten Politik zu erklären. Das Unvermögen^ der Aristokratie^ die P r o b l e m e d e r Herrschaftsausdehnung zu antizipieren, und daraus Schlüsse auf die von der Sache her sich aufdrängende Form der Herrschaft zu ziehen, anders ausgedrückt: ihr Mangejhjin Phantasie, was die Ausbildung von Herrschaftsstrukturen an geh t, gibt für eine kurze Phase des Weges zur Weltherrschaft Rätsel genug auf, scheint aber für die feststell bare Dauer von rund anderthalb Jahrhunderten schier unbegreiflich. Dies um so mehr, als die entscheidenden Stationen des Wachstums des Im periums immer wieder zur Übernahme der direkten Herrschaft zwangen und jedesmal von neuem eindringlich demonstrierten, daß es anders im Grunde nicht ging. 22
Im einzelnen genannt bei BLEICKEN, S. 126.
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Es gilt also nach den Gründen zu fragen, die beharrlich innerhalb der Aristokratie den an sich so selbstverständlich erscheinenden Lernprozeß verhinderten, obwohl spätestens seit 146 alle Signale aus der politischen Umwelt und die Summe der gesammelten Erfahrungen darauf drängen mußten, das bisher praktizierte System zu ändern. Die Antwort hat von den sozialen Bedingungen, von der Fewnftr^inslage Her NohHität und der ihr spezifisch eigenen Vorstellungswelt auszugehen 23 . "~ 7Es ist wesentlich, bei der Formulierung eines Urteils sich von Anfang an darüber klarzuwerden, daß damit keine Wertung der politischen Potenz der römischen Adelsgeschlechter in dem Sinne angestrebt werden darf, daß man ihnen Fehler, Versäumnisse, überhaupt schuldhaftes Ver sagen und Blindheit für die Realitäten unterstellt 24 . Dies kann im einzel nen von Fall zu Fall natürlich konstatiert und begründet werden, doch wäre es unsinnig, auf Grund der Tatsache, daß die Republik am Imperium zerbrach, a priori davon auszugehen, daß dies nur möglich war, weil ihre Führungsschicht versagte. Die Kausalzusammenhänge, die zwischen der Funktion der Nobilität innerhalb des römischen Gemeinwesens und der Herrschaft über das Imperium bestehen, werden vielmehr erst durch die Frage greifbar, inwiefern die politische Kapazität der Nobilität überhaupt durch den äußeren Herrschaftsbereich gefordert wurde und welche Mög lichkeiten ihr als Führungsschicht eines Stadtstaates offen waren, um andere als die tatsächlich gehandhabten Steuerungsmechanismen theore tisch auszubilden und unter Umständen auch anzuwenden. - Als Polybios- als Ziel seines-Geschichtswerkes. die X>arlegung_des römi schen Aufstiegs zur Weltmacht nannte, hatte Rom bereits jene Schwelle überschritten, hinter der seine Herrschaft ernsthaft hätte gefährdet werden können. Damit war das Problem der Versachlichung der Herrschafts ausübung keine Sache geworden, die allein schon deswegen behandelt 23
24
Die zu diesem Problemkreis angestellten Überlegungen versuchen die sozialen Ursachen der Kapazitätsgrenzen des imperialen Herrschaftssystems zu verfolgen. Dabei ist nicht beabsichtigt, alle Aspekte der sozialen Bedingungen aristokratischer Herrschaft zu ver folgen. Innerhalb des hier gesteckten Rahmens gilt es vielmehr verständlich zu machen, daß die Fähigkeit einer erfolgreichen Aristokratie, die Krise des Staates als die Krise seiner aristokratischen Struktur zu verstehen, praktisch nicht vorhanden sein konnte. Nach M. GELZER, Die Nobilität der römischen Republik, 1912 und H. STRASBURGER, RE 18 (1939) Sp. 772ff. s. v. optimates, sind es die Untersuchungen von C H . MEIER, Res publica amissa, 1966, J. BLEICHEN, Staadiche Ordnung und Freiheit in der römi schen Republik, 1972, Lex publica, 1975 und E. BADIAN, Foreign Clientelae, 1958, die die Diskussion bestimmen. Dazu J. BLEICKEN, Z. Sav. Stift. R. A. 85 (1968) S. 456f., CHR. MEIER, Entstehung des Begriffes „Demokratie", 1970, S. 142ff.
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werden mußte, weil der Bestand der Herrschaft daran geknüpft war. Die fast grenzenlose Macht der Aristokratie, mit den Unterworfenen nach Belieben schalten und walten zu können, ließ den Willen, mit anderen Mitteln als denen des Terrors der eroberten Welt zu begegnen25, gar nicht erst auf kommen. Die Notwendigkeit der Anpassung an die veränderte politische Welt wurde so fast ausschließlich bestimmt von der Frage nach dem Nutzen der aristokratischen Klasse, die nicht durch neue in die politische Führung drängende Schichten, sondern von innen heraus gefährdet wurde, alsdie Expansion die Stärkung der magistratischen Gewalt unvermeidbar machte26. Der Herrschaftsraum, der sich auf diesem Wege dem Verlangen der Aristokraten nach Ruhm, Ansehen und Reichtum öffnete, rächte sich paradoxerweise - gerade durch die Hilflosigkeit, mit der er dem Treiben ausgeliefert war: Die grenzenlosen Möglichkeiten, sich zu bereichern, dem eigenen Herrschaftstrieb die Zügel schießen zu lassen, wie Könige zu leben und wie solche geliebt und gehaßt zu werden, die Verlockungen exotischer Religionen und fremder geistiger Traditionen, dies alles spaltete die Solidarität der Senatsaristokratie mit langsamer, aber erschreckender Gründlichkeit. Die traditionellen Verhaltensweisen in der Politik lösten sich ebenso auf wie die allgemeinen Staats- und Lebensanschauungen, die die sittliche Ordnung der Gesellschaft ausmachten. Die Symptome dieses Prozesses wurden, wie der Fall des Manlius Vulso zeigt, sehr schnell erkannt. Die Senatsaristokratie hat diesen Auf lösungstendenzen durch eine Reihe von Gesetzen, die das politische und private Verhalten der Nobilität- regulierten, zu- steuern versuchtr"„Das Gesetz wird zu dem Regulator der politischen und sittlichen Verhaltens weise der Gesellschaft und insbesondere der Nobilität27." Genützt hat dies aufs Ganze besehenjwenig. Überhaupt nicht steuerbar war zudem die Militarisierung der gesamten Führungsschichten als die 25
26
27
Die Wirkung, die die römische Brutalität schon immer auf den rückblickenden Historiker gehabt hat, vgl. man etwa bei S. WEIL, £crits historiques et politiques, 1960, S. 24ff. Wohin dies führen konnte, demonstrierte bereits Cn. Manlius Vulso 189 seinen ent setzten Standes genossen, als er ohne die Zustimmung von Senat und Volk über die in Kleinasien siedelnden keltischen Stämme herfiel und einen regelrechten Beutezug durch die reichen Landschaften Kleinasiens veranstaltete (Polyb. 21,34ff., Liv. 38,45,5ff.). Die zum Friedensschluß mit Antiochos III. angereiste senatorische Kommission verurteilte diesen Krieg zwar als privatum latrocinium, konnte jedoch nicht verhindern, daß der Senat 187 dem Manlius den Triumph gewährte. Damit war bereits zu Beginn der Weltreichsbildung jeder Imperiumträger moralisch freigesprochen, der seine Legionen zur persönlichen Bereicherung einsetzte und im Senat Freunde genug fand, die ihn traditionsgemäß stützten oder selbst nur auf diese Chance warteten. J. BLEICKEN, Lex publica, S. 392, der zu den einzelnen leges sumptuariae und annales heranzuziehen ist (S. 169 ff.).
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wichtigste gesellschaftliche Konsequenz der Expansion. Alle Tugenden und Überzeugungen, für die man sein Leben aufs Spiel zu setzen bereit war, wurden von den militärischen Codes umfaßt oder absorbierten Teile davon. Die Bewährung im Krieg war bereits für den jungen Aristokraten das herausragende Ereignis seines ersten Lebensabschnittes und die Idole, die man ihm vorstellte, waren die großen Krieger, die Hannibal ge schlagen, den Osten unterworfen oder in grauer Vorzeit ihre Heimat gegen Gallier und Samniten verteidigt hatten. Die militärische Ausbildung, der häufige Dienst in den Legionen an allen Fronten des Mittelmeeres und die ständige Beschäftigung mit militärischen Nachrichten gehörten zum selbstverständlichen Alltag eines Aristokraten. Die Kriege selbst und die Niederhaltung der Provinzen produzierten einen nicht abreißenden Nach schub an hervorragenden Offizieren und profilierten und effektiven Füh rungspersönlichkeiten, die in jeder Institution und Organisation zu domi nieren gewohnt waren. Geboren wurde diese Militarisierung der Aristokraten aus den Not wendigkeiten des Hannibalischen Krieges, der nur mit einer weitgehend berufsmäßig agierenden und denkenden Armee zu gewinnen war. Sie wurde kräftig genährt von den großen Siegen des Ostens seit Kynoskephalai und zum selbstverständlichen Teil des Lebens während der jahrzehnte langen Kriege in Spanien. Die schließlich hingebungsvolle Konzentration der aufsteigenden militärischen Führer der auseinanderbrechenden Republik auf ihre tatsächlichen oder vorgegaukelten Aufgaben als Schützer und Mehrer des Imperiums, das sie bis an die Grenzen der Erde ausweiten wollten, wird von der römischen und italischen Öffentlichkeit bereits als die einzige Form hingenommen, in der sicFder~Ä^s^uclräuFMacht und Prestige artikulieren kann. In einem Volk, das schon immer während seiner Geschichte militärische Tugenden achten mußte, wurden am Ende seines Weges zur Herrschaft über den orbis terrarum die großen Militär führer jeder Kritik entzogen und ihre fast übermenschlichen Taten die ideologische Legitimation der Monarchie. Gegen die A^tarisierung der römischen Gesellschaft konnte und wollte niemand etwas tun. Im Bereich der Außenpolitik war dement sprechend ein Gegensteuern gegen die Auflösungstendenzen der Aristo kratie nur in der Weise möglich, daß auf die Provinzialisierung verzichtet wurde, wojrnmer dies möglich wflrr Die Folge war der hinsichtlich seiner Konsequenzen gar nicht zu übersehende Versuch, die besiegte Welt des heHejmstischenjDstens^ allein durchTschikanöse Kontrollen dem römischen Willen dienstba*· ^u machen, da die direkte Übernahme der Herrschaft die
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Freisetzung der militärischen Gewalt und damit das Heraustreten weiterer Aristokraten aus der direkten Kontrolle des Standes unvermeidbar machte. Das seltsam zögernde, meist nur auf spektakuläre Ereignisse reagie rende Verhalten der römischen Ostpolitik bis Sulla ist vielfach mit der römischen Furcht vor gefährlichen außenpolitischen Konstellationen er klärt worden, die eine Reihe von Präventivkriegen ausgelöst hätten. Richtig daran ist, daß die römische Aristokratie seit dem Ende des Hannibalischen Krieges das Risiko fürchtete, das jede Niederlage und jeder Sieg für den Bestand der Machtstellung im eigenen Hause bedeutete. Im römi schen Gesellschaftsgefüge, in dem die Verzahnung von politischer und ökonomischer Macht so selbstverständlich war und der einmal errungene Führungsanspruch jedesmal neu legitimiert werden mußte, war das Risiko im außenpolitischen Bereich immer unmittelbar auch als eine Gefährdung der gesellschaftlichen Stellung empfunden worden. Politische Niederlagen bedrohten mit dem Anspruch auf das Monopol der Führung auch die Substanz der sozialen Stellung, die (ζ. Β. durch die Klientel) von der politischen Macht nicht gelöst werden konnte. Politische Siege, die in der Phase der Expansion dem Einzelnen ungeheure Reichtümer, Freunde und Klienten zuführten 28 , rüttelten an den Fundamenten der Herrschaft der Klasse selbst, deren Zusammenhalt nur durch die soziale Gleichheit und durch das Festhalten an den tradierten Formen politischer und gesell schaftlicher Moral gesichert war. Als Scipio Aemilianus das Gebet des Censors bei der Lustration, ut populi Romani -res meliores amplioregqu&- facprgntT in ^lie Formel abänderte, satis bonae et magnae sunt: itaque precor, ut eas perpetuo incolumis servent 29 , brach sich die instinktive Angst vor dem Fortschreiten der Expansion Bahn, die den aristokratischen Zauberlehrling mit Problemen überhäufte, deren Ursachengeflecht er ebensowenig durchschaute wie die Möglichkeiten ihrer Lösung. Die Beschwörung des Status quo war nichts weiter als der Ausdruck der dumpfen Ahnung, daß die außenpolitischen Erfolge der Aristokratie die Voraussetzungen ihrer Herrschaft zerstörten. Dabei war die Notwendigkeit, den Verwaltungsapparat auszuweiten, 28
Die Reichtümer, die die auswärtigen Kriege und die Provinzen einbrachten, s. bei W. V. HARRIS, On War and Greed in the Second Century B. C , Am. Hist. Rev. 76 (1971) S. 1371 ff., B. SCHNEIDER, Wirtschaft und Politik, Unters, z. Gesch. der späten röm. Rep., 1974, S. 93ff., I. SHATZMAN, Senatorial Wealth and Roman Politics, 1975,
29
Val. Max. 4,1,10. Die Historizität des Vorganges ist umstritten, vgl. Α. Ε. ASTIN, Scipio Aemilianus, 1967, S. 325ff. Ich folge hier R. WERNER, Cicero und P. Cornelius Scipio Aemilianus, Diss. München 1950, S. 66ff.
S. 53ff.
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ebenso gefährlich wie die Verschiebungen im gesellschaftlichen Gefüge. Das eine drohte die Führungsschicht in eine Vielzahl von Exekutiv beamten aufzulösen, deren Zusammenhalt durch die personalen Kommu nikationsformen, die konstitutiv für diese Aristokratie waren, gerade nicht mehr gewährleistet werden konnte, sondern die Institutionalisierung einer Kontrollinstanz gefordert hätte (ζ. Β. den Senat in der Funktion eines Parlaments). Das andere veränderte die ökonomische Gleichheit und die ungefähr gleiche- Größe und Uberschaubarkeit der Klientel, die jeder Aristokrat auf dem politischen Schachbrett aufstellen konnte. Die Expansion gehorchte seit den ersten Siegen im Osten bereits einer eigenen Dynamik, die von Rom nur dann zu sprengen gewesen wäre, wenn man dem Rat des Karneades gefolgt und in die Bauernkaten der Vorväter zurückgekehrt wäre. Statt dessen brach seit den Gracchen der offene Konflikt innerhalb der Aristokratie aus, so daß die aus dem Herr schaftsbereich nicht zu erwartenden Impulse zu einer Organisation des Imperiums innerhalb der römischen Führung nur als Reflex der Kämpfe um Macht und Prestige auftauchten. Die für den Sieger von Karthago und Numantia noch wichtige Frage nach der Fortsetzung der Expansion trat wie alle aus dem Herrschaftsbereich andrängenden Fragen in den Hinter grund des Bewußtseins 30 . Dazu trug wesentlich bei, daß die auf die traditionelle Weise ausgeübte Herrschaft mit ihrem Minimum an Auf wand, Beamten und Institutionen von jedem Römer nur als erfolgreich empfunden wurde. Fast jeder genoß, wenn auch abgestuft, die materiellen Güter, die aus den Provinzen Italien überschwemmten. Die desolate Lage der Unterworfenen bedrückte niemanden. Der Erfolg der Außenpolitik ist denn auch der entscheidende Grund warum in Rom alle Entscheidungen, die das Imperium und die Außen politik betrafen, ausschließlich der führenden Nobilität oblagen und keine andere Schicht über die darriit aufgeworfenen Probleme nachdachte oder gar von der offiziellen Politik abweichende Konzeptionen entwickelte. Dies lag auch gar nicht im Interesse der im Senat repräsentierten Füh rungsschicht, in der man sich, gleichgültig ob Patrizier oder assimilierter Plebejer, darin einig war, daß es nicht Aufgabe der demokratischen Ent30
Dazu bietet Cicero ein beredtes Beispiel, wenn er im Prozeß gegen Verres argumentiert: „Mag Verres (wenn er denn Senator bleibt) für den Krieg gegen die Kreter stimmen, für die Freiheit von Byzanz oder die Anerkennung des Ptolemaios als König. Das ist von verhältnismäßig geringer Bedeutung für uns, für die künftige Gestaltung unseres Lebens, für die Aussichten auf unsere materielle Existenz" (Verr. 2,2,76; CH. MEIER, Res publica amissa, S. 1*"*).
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Scheidungsgremien des Volkes sein konnte, eigene Initiative - in welche Richtung auch immer - zu entwickeln oder als unabhängiger politischer Willensträger zu figurieren 31 . Die Kette der außenpolitischen Erfolge ließ in den unteren Schichten gar nicht erst die Vorstellung aufkommen, daß die Dinge besser geregelt werden könnten als sie tatsächlich vom Senat geregelt wurden. In ihren Augen war die Steigerung der Macht der Aristo kratie durch nichts getrübt und die Entfaltung ihres außerordentlichen Reichtums ganz selbstverständlicher Ausdruck der wahrgenommenen Herrschaftsfunktionen. Dies blieb im außenpolitischen Bereich auch dann so, als im Inneren der Kampf um die Agrarreform und die seit und mit Gaius Gracchus spürbare Politisierung des Ritterstandes die Geschlossenheit der Nobilität für alle erkennbar sprengte. Seit 133 versuchte eine Minorität im Senat, die virulenten Probleme des Gesellschaftskörpers mit Hilfe des Volkes zu lösen, wodurch dieses zwar nicht zur Entwicklung eigener politischer Aktivität angehalten wurde, aber als Instrument der politischen Willens bildung an Bedeutung gewann. Die Ziele dieser Nobiles konzentrierten sich im inneren Machtkampf auf sozialpolitische Gesetzesvorlagen (Agrar-, Getreide- und Bürger rechtsgesetze) und jm_außenpoLtischen Bereich auf die Bindung der all umfassenden Kompetenzen des Senates an den Willen des Gesetzgebers. In der^ropagandistischenAusschmückung der Zeit hieß dies, es solle ein Ende gemacht werden mit der paucorum dominatio, qui per militare nomen aerarium, exercitus^regna, provincias occupavere et arcem habent ex spoliis vostris 32 . In die praktische Politik umgesetzt kam dabei nur heraus, daß die populären Führer sich vom Volke die einträglichen Kommanden übertragen ließen, die früher allein der Senat nach GutFunken verteiltThatte33. Das persönliche Interesse der Aristokraten hatte also nur einen neuen, am Senat vorbeiführenden Weg gefunden, um Zugang zu den Amtsgewalten zu erhalten, von denen allein Größe und Ansehen herzuleiten waren. Trotzdem ergaben sich aus dieser populären Interessenpolitik, die sich in der Auseinandersetzung mit dem Senat nur dort vor den Komitien 31
32 33
Vgl. C H . MEIER, aaO. S. 46ff,; 152ff. und A. HEUSS, RG, S. 33ff. Eigenständige Aktivität hat das römische Volk nur einmal in seiner Geschichte, und zwar in den Ständekämpfen, entfaltet, als die Bauernschichten (ebenso wie in Griechenland) eine demokratische VerfassungsOrdnung erzwangen. Sali. Hist. 6. Cic. pro Sest. 56: appellati reges a populo qui id numquam ne a senatu quidem postulassent.
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durchsetzen konnte, wo sie sich auf offenkundige Mißstände im Herr schaftsbereich bezog (ζ. Β. Seeräuberplage), erste Ansätze einer neuen politischen Ordnüngsvorstellung. Im Visier der populären Agitation gegen die Optimaten lagen die Verquickung zwischen privaten und staatlichen Interessen bei der Verwaltung der Provinzen und die mangelnde Fähigkeit, auswärtige Krisenherde mit der nötigen Entschlossenheit zu bekämpfen. Beide Vorwürfe trafen objektive Tatbestände. Sie entfalteten damit eine Wirksamkeit, die weniger an dem tatsächlichen Verhalten der großen um ihre dignitas kämpfenden populären Führer meßbar wird, als an einem Umschwung der öffentlichen Meinung, in der zunächst das Interesse der res publica als nicht notwendig identisch mit dem privaten Nutzen der politischen Elite erscheint und das Imperium an die Vorstellung von sach gerechter Verwaltung, die die Ausbeutung nicht ausschloß, geknüpft wird 34 . Es zeigt sich jedoch auch dies: Jede Veränderung der Organisation des Herrschaftsgebietes war nur aus dem Kreis des Senatsadels und im Rahmen der von ihm aufgestellten politischen Maximen zu erwarten, da hier allein Herrschaftspflichten als solche überhaupt begriffen und aus geübt wurden. Die Frage nach dem Stellenwert des Imperiums innerhalb des römischen Staates ist nach wie vor mit der Frage identisch, wie die führenden Nobilitätsgeschlechter die Expansion des äußeren Macht bereiches in ihre Vorstellungswelt von Staat und Herrschaftsbereich ein ordneten, wie sie sich untereinander über den Weg verständigten, der ein zusehlagen war, umdie-Dinge in den Grift zu hekommen, und welche Grenzen ihnen dabei als Führungsschicht eines städtisch organisierten Gemeinwesens gesetzt waren. Es gab keine Alternative zur spätrepublika nischen Reichspolitik in dem Sinne, daß neben der Nobilität andere Schichten des populus Romanus auf sie hätten Einfluß nehmen können. Als dies durch die großen Einzelnen, die sich über ihre Standesgenossen erhoben, geschah, bedeutete dies gleichzeitig und notwendig die Ent34
D . TIMPE, Hermes 90 (1962) S. 370ff. hat die Bedeutung Sallusts unter diesem Aspekt untersucht. Bereits Gaius Gracchus konnte der ungeteilten Aufmerksamkeit seiner Zu hörer sicher sein, wenn er seine eigene Tätigkeit in der Provinz von der anderer Nobiles abhob: ,,Ιη der Provinz habe ich mich so verhalten, daß niemand wahrheits gemäß sagen kann, ich hätte auch nur einen Groschen oder gar mehr bei meiner Amtsführung angenommen oder sei für irgendwelchen Aufwand eines anderen mitver antwortlich . . . . Als ich von Rom abreiste, waren meine Börsen gespickt voll Geld; die habe ich leer wieder mit heimgebracht; andere nahmen Krüge voll Wein mit hinaus, und sie brachten sie zurück angefüllt mit Silberstücken" (Redefrg. aus dem Jahre 124; übers, nach O. SEEL, Römertum und Latinität, 1964, S. 236).
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machtung und Paralyse der bis dahin Herrschenden, die auf die Solidarität untereinander immer angewiesen waren. Es sei versucht, das Problem weiter durch die Frage auszuschöpfen, warum sich nicht, ähnlich dem Verlauf der innenpolitischen Kontroversen seit den Gracchen, Gruppen im Senat fanden, die die Sache des Imperium zu der ihrigen machten und neue Vorstellungen zu seiner Organisation entwickelten. Gewiß fehlte dazu - es wurde bereits gesagt - der Zwang von außen; es gab von seiten der in Ohnmacht und Apathie verharrenden Provinzialen keinen nennenswerten Widerstand, der zwangsläufig die römischen Herrschaftspraktiken vor die Frage ihrer Effektivität gestellt, um nicht zu sagen, die römische Herrschaft überhaupt in Frage gestellt hätte. Gewiß war es so der Nobilität ein leichtes, die Unterworfenen als Ausbeutungsbesitz zu betrachten, den man bis zu einer gewissen Grenze mit den Rittern und den unteren Schichten zu teilen gewillt war. Be schränkungen waren hier bei der unermeßlichen Fülle des Gebotenen nicht nötig. Trotzdem reicht dies zur Erklärung nicht aus, jlaj)g[ aller Habgier lind bei aller Auflösung der überkommenen Werte auch die Nobilität der späten Republik wenigstens den Rudimenten ihrer vererbten Adelsethik verpflichtet blieb, die neben den Tugenden der Unbestechlichkeit und der Unterwerfung unter das Wohl des Gemeinwesens auch die Sorge um^as Wohlergehen der Beherrschten beinhaltete. Auf das Engagement des Senates zugunsten der spanischen Provinzen wurde in anderem Zusammenhang bereits verwiesen (s. S. 94f.); die Beispiele lassen sich für-das zweite Jahrhundert häufen. Im ersten Jahr hundert sind es vor allem die Versuche des princeps senatus M. Aemilius Scaurus und des Q. Mucius Scaevpla (ms 95), die den Publicanen in der Provinz Asia das Handwerk zu legen versuchten35, das Repetundengesetz Caesars3"6 u n d
die Provin^jalpnlitik
dpg tyf P o r c i u s
Cato37T die
davon
zeugen, daß auch jetzt noch Teile des Senatesdie Verpflichtung fühlten, die Untertanen als Objekte der Fürsorge un Jnicht allein der Ausbeutung zu begreifen. Auf^derselbenLin^liegt der Kampf des Livius Drusus und der ihn stiituendenJSenatore^umclT^ anjlie italischen und latinischen Bundesgenossen, den man gewUTnicht allein deswegen geführt hat, um mit Hilfe der Italiker den Einfluß der Ritter auszuschalten38. 35
E. BADIAN, Athenaeum 34 (1956) S. 104ff., C H . MEIER, aaO. S. 212f.
36
M. GELZER, Caesar 6 , 1960, S. 84f. C H . MEIER, aaO. S. 276f.
37 38
C H . MEIER, aaO.
S.
212.
Die Führungsschichten der Unterworfenen
303
Kurz, es gibt Anzeichen genug, um davon ausgehen zu können, daß es im Senat Männer gab, die die Zustände in den Provinzen als unhaltbar und reformbedürftig empfanden und an der mehr instinktmäßig erfaßten als logisch deduzierten Einsicht litten, bei der Lösung der mit der Aus dehnung des Herrschaftsbereiches auf sie zukommenden Probleme versagt zu haben. Doch reichte dies zu einer grundsätzlichen Infragestellung der Herrschaftspraktiken nicht aus, sondern auch diese Senatoren bemühten sich, die Auswüchse des Systems so weit einzudämmen wie eben möglich. Es bleibt damit auch und gerade für die politische Elite Roms die Erkenntnis, daß der von ihr geführte Gemeindestaat als solcher unfähig war, auf die Dauer einen Machtbereich von der geschaffenen Größe zu regieren, ohne sich selbst aufzugeben. Das entwickelte System der Herr schaftsausübung besaß nicht die zu seinem Erhalt notwendige Fähigkeit, sich mit seinem Herrschaftsbereich effektiv auseinanderzusetzen. Seine Kräfte reichten aus, jede mit dem Imperium gegebene Herausforderung für einen bestimmten dem rückblickenden Beobachter erstaunlich lange erscheinenden Zeitraum zu neutralisieren, da die Möglichkeiten des Widerstandes gering waren und jeder Druck von außen fehlte. Das Imperium zerstörte die Republik und den Führungsanspruch des Senats adels kraft des ihm eigenen Schwergewichtes, dessen Last die kleine römische Stadtaristokratie nur eine begrenzte Wegstrecke tragen konnte.
3. Die Einbindung der Führungsschichten der Unterworfenen a) Die römische Bürgerrechtspolitik: Die Verbreiterung der Machtbasis Das Imperium ist das Werk eines aristokratisch geführten Stadtstaates, der die militärischen Kräfte ganz Italiens mobilisieren konnte und seit 168 die militärisch besiegte Welt durch Terror und die ständige Mobilmachung der Legionen beherrschte. Nichts an diesem System sprach für seine Dauer, auch wenn die außergewöhnlichen Umstände des Mittelmeer raumes politische Machtkonstellationen verhinderten, die Rom hätten Paroli bieten können. Auf lange Sicht mußte sich die Beziehung zwischen Rom und seinen Provinzen entweder zur Integration in eine einzige Gemeinschaft oder zur Trennung in zwei verschiedene, wie auchJmrner voneinander abhängige Kollektive entwickeln. Da die Wiederherstellung
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Die Kapazität der Herrsche
seit 225 kassiert hätte39, blieb die Erweiterung des imperialen Bürgerrechts die einzige Möglichkeit, um das Ausmaß an Zustimmung der Beherrschten zu erreichen, das die faktisch nicht auf Dauer zu neutralisierende militä rische Ungleichheit zwischen Eroberer und Eroberten auslöschen konnte. Das Mißverhältnis der Zahl zwischen Römern und den besiegten Fremd völkern, die Weite des beherrschten Raumes, die Heterogenität der Be herrschten und die Unausgeprägtheit des Herrschaftssystems ließen eine andere Lösung als die Integration und Assimilation der Führungsschichten der Provinzialen ftar nicht zu. Das Angebot des römischen Bürgerrechtes an die Eliten der Besiegten war in dem Jahrhundert der Unterwerfung Italiens erfolgreich gewesen. Dabei war deutlich geworden, daß diese Politik nur dort Früchte tragen konnte, wo das angebotene Bürgerrecht von den Besiegten als Vorrecht begehrt wurde und ihnen mehr Möglichkeiten zu einer neuen politischen und sozialen Existenz öffnet als schließt. Der Zugang in die höchsten Stellungen der neuen Gesellschaft, in die der Besiegte eintrat, mußte in Konkurrenz mit den bereits vorhandenen Führungsschichten prinzipiell möglich sein und gegenüber der gehabten Rolle meßbare Vorteile bringen. Als Teile der aufständischen Italiker 90/89 das ihnen offerierte Bürgerrecht ablehnten, taten sie es, weil sie die vermeintlich nahe eigene staatliche Souveränität höher bewerteten als die Segnungen des römischen Bürger rechts, das sie zunächst doch nur zum Kampf um Macht und Ansehen mit den römischen Bürgern verurteilte40. Die imperiale" Integrationspolitik der römischen Republik in den Pro vinzen durchläuft verschiedene Stationen, die - in ihrer linearen Entwick lung gelesen - die Schwierigkeiten erkennen lassen, die an die Hand habung des Instruments der Bürgerrechtsverleihung geknüpft waren. Am Beispiel Mytilenes ist dieser Prozeß gut zu verdeutlichen. Die hier nicht im einzelnen zu verfolgenden diplomatischen Bemühun gen der freien Stadt um die Bestätigung ihrer Rechtsstellung nach dem 39
40
Insofern ist der in diese Richtung zielende Versuch des Marcus Antonius (A. HEUSS, RG, S. 266ff.) für den weiteren Gang der Weltreichspolitik Episode geblieben. Der Satz, daß die Verleihung des Bürgerrechts nur dort ein Herrschaftsinstrument sein kann, wo die Unterworfenen in diesem Recht eine Auszeichnung und konkrete Vorteile erblicken, darf prinzipielle Gültigkeit für alle Weltreichsbildungen bean spruchen. Als Frankreich kurz vor dem Zusammenbruch seiner algerischen Herrschaft den Einheimischen das Bürgerrecht anbot, war es zu spät, da die algerischen Eliten die Vorteile der Unabhängigkeit höher schätzen als die Ehre, mit den Kolonialfranzosen um den Platz an der Sonne konkurrieren zu müssen; vgl. R. ARON, Krieg und Frieden, 1962, S. 268f.
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Tode des Pompeius endeten mit der Erneuerung der amicitia et societas durch ein SC im Jahre 47 41 . Wenig später sah sich Caesar auf mytilenäische Bitten hin veranlaßt, durch ein Edikt festzusetzen, daß niemand in Mytilene Befreiung von den städtischen Abgaben beanspruchen könne, sondern daß es im Gegenteil im Sinne des hergestellten Rechtsverhältnisses liege, wenn jeder in der Stadt Ansässige zur Steuerleistung verpflichtet sei 42 . Die sofort sich aufdrängende Frage nach dem inneren sachlichen Zu sammenhang, der zwischen einem derartigen Edikt und der Entwicklung der römischen Herrschaftselemente bestehen muß, weist die Bürgerrechtspolitik als einen der wichtigsten Pfeiler des Imperiums aus. Die Römer selbst haben dies als ein Ärcanum ihrer Herrschaft verstanden und daher im Gegensatz etwa zur Propagierung des Friedensgedankens43 - auch nie ideologisiert. Die römische Haltung gegenüber den politisch und sozial führenden Schichten in den untertamgen und treien Städten fand in der Bürgerrechtspolitik Ihren sinnfälligsten Ausdruck, und ihre Anwendung ist untrennbar mit der Stabilisierung der römischen Macht verknüpft. Die nähere Klärung dieses Sachverhaltes läßt auch die Art und Weise er kennen, in der die civitates liberae in eine immer straffer werdende Herr schaftsorganisation unter Beibehaltung ihres Status ohne größere Kompli kationen eingeordnet werden konnten. Hier hatte der um die Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. erreichte Stand der Dinge, das macht das Er suchen der Mytilenäer um die römische Intervention ganz deutlich, den kritischen Punkt erreicht, der eifie Pörtfuhrung der bisher ünreilektiert geübten Praxis der Förderung der in den Städten herrschenden Schichten ohne genauere Überprüfung der damit verbundenen Folgen und des an gestrebten Zieles fraglich erscheinen ließ. Bei der Auswertung der caesarischen Verfügung ist der Gesichtspunkt, daß sie einen de iure nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die innerstädti schen Angelegenheiten des freien Mytilene darstellt, als bedeutungslos auszuscheiden. Der wichtige Anstoß der Überlegung liegt vielmehr in dem aus der Tatsache des Erlasses resultierenden Schluß, daß die Stadt von sich 41
42 43
Das Monument zu Ehren des Potamon enthält folgende Inschriften, die über die Ereignisse bis zum foedus-Abschluß unterrichten: (1) Zwei Briefe Caesars aus den Jahren 47 und 46/5, (2) drei SCC, eines aus dem Jahre 47, zwei aus dem Jahre 25 und (3) den Vertragstext aus dem Jahre 25; IG XII 2,35, IGRR IV, 33 EHRENBERGJONES, Documents 2 , 307, R. K. SHERK, Roman Documents, S. 146ff. Col. b, Z. 26ff. Cic. a d Q . fr. 1,11,34.
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aus nicht in der Lage war, das ihr gestellte Problem zu meistern, sondern nur auf die römische Intervention hoffen konnte44. Dies wiederum setzt voraus, daß der durch das Edikt gemaßregelte Teil der Einwohnerschaft mit der politisch und wirtschaftlich führenden Schicht identisch sein muß, gegen die vorzugehen, den städtischen Organen die Macht und der Wille fehlte. Die konkret die caesarische Reaktion herausfordernde Weigerung, die städtischen munera im angemessenen Umfang mitzutragen, ergibt schließlich, daß j i e führenden Familien entweder das römische Bürger recht besaßen und daraus den Anspruch auf eine privilegierte Ausnahme stellung ableiteten45, oder von Rom mit der Immunität, die auch j i e Befreiung von den städtischen Leistungen einschloß, beschenkt worden waren 46 . ~~ "^ΊΕίη solcher Fall ist natürlich nicht singulär, sondern in anders gelagerten Situationen mit anderen Voraussetzungen häufiger zu beobachten. Cicero ζ. Β. weist auf die Neu ordnung der Verfassung des föderierten Gades hin, die Caesar auf Bitten der heillos in Parteienkämpfe verstrickten Gaditaner als Proprätor 61 vornahm (pro Balb. 19,43: Caesar . . . controversias sedavit, iura ipsorum permissu statuerit; nichts anderes tat Lucullus 86 in Kyrene, s. S. 211 f.). Im Jahre 58 versuchte Rom durch ein Gesetz (höchstwahrscheinlich die Bestätigung der bereits von Pompeius erlassenen Verfügungen) die im Verlauf der Seeräuberkriege praktisch ausgelöschte Gemeinde von Delos wieder herzustellen, obwohl die Insel unter der athenischen Oberhoheit stand. Die nur fragmentarisch erhaltenen Bestimmungen des Gesetzes lassen immerhin erkennen, daß das Gemeinwesen neu geordnet wird, Schadenersatz für die erlittene Unbill erhält und von den vectigalia, die als Folge der Seeräuberkriege auch hier eingetrieben wurden, befreit wird; SEG I, 1923, 335 = CIL I 2 2500, F. DÜRRBACH, Choix d'Inscriptions de Delos, 1921/22, nr. 163, S. ACCAME, II dominio, S. 183ff., L. WENGER, Die Quellen des römischen Rechts, 1953, S. 374 (zum Präskript), CH. NICOLET, L'ordre equestre ä Pepoque republicaine I, 1966, S. 354f. Allen diesen "Fällen ist~gemeinsäm,~daß Von Rom mit dem Einverständnis der betroffenen Städte Entscheidungen gefällt und durch geführt werden, 'zu denen die Städte aus eigener Kraft nicht in der Lage waren. Überflüssig zu betonen, daß es daneben genügend Beispiele gibt, in denen weder die Notwendigkeit noch die Zustimmung zu einer römischen Intervention erkennbar sind. 45 Für die aus Italien eingewanderten Römer steht das ohnehin außerhalb der Diskussion, s. dazu T. R. S. BROUGHTON, Roman Asia Minor, in: T. FRANK, ESAR IV, S. 543ff., A. J. N. WILSON, Emigration from Italy in the Republican Age of Rome, 1966, S. 127ff., J. HATZFELD, Les trafiquants Italiens dans lOrient hellenique, 1919, pass. Der Erwerb von Landbesitz in Kleinasien durch Nationalrömer ist überliefert für Kolophon (Cic. ad fam. 13,69), Parium (ad fam. 13,53), Kyme (pro Flacc. 46), Apollonis (pro Flacc. 71 ff.), Chios (App. Mithr. 46,180f.) und Kos (IGRR IV, 1087). Die Bedeu tung dieser zumeist aus Geschäftsleuten bestehenden Einwanderer auch für die freien Städte zeigt sich am augenfälligsten in ihrem Eindringen in die griechischen Magistratu ren, ein Sachverhalt, den bereits Cicero (pro Balb. 12,29) für das freie Athen hervorhebt. Vgl. dazu J. TOULOUMAKOS, Der Einfluß Roms auf die Staatsform der griechischen Stadtstaaten, Diss. Göttingen 1967, S. 153 f. und allgemein L. MITTEIS, Reichsrecht und Volksrecht, 1891, S. 150f. ». 46 Dies war für Bürger einercivitates libera oder foederata nicht möglich, da es die Finanzhoheit dieser Städte de iure beseitigt hätte, und erklärt sich im vorliegenden Fall unschwer aus der Tatsache, daß Mytilene lange Jahre civitas stipen^ria gewesen war.
Die Führungsschichten der Unterworfenen
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Die Verleihung dieser totalen Immunität erfolgte wie die des Bürger rechtes nach dem auch für die Gewährung der Freiheit gültigen Prinzip, daß persönliche zumeist im Krieg für Rom geleistete Taten nur in dieser Form adäquat belohnt werden konnten47. In der Sache enthielt das Bürgerrecht im wesentlichen dieselben Rechte wie die Immunität und die unter^hiedliche^Anwendung ist^historisch darin begründet, daß die Auf nahme in die römische Bürgerschaft vor dem Bundesgenossenkrieg als ein besonderes Privileg galt, über dessen exklusive Handhabung die Volks versammlung, der zu dieser Zeit die Verleihung des Bürgerrechtes aus schließlich oblag, eifersüchtig zu wachen gewohnt war 48 . fjsr Hie mir SujJa anhebenden Tage der Bürgerkriege sahen deren Generäle weit großzügiger mit dieser Belohnungspraxis umgehen, wozu sie zumeist durch Gesetze ermächtigt wurden49 oder wozu sie sich selbst das Recht nahmen und - wie Marius - erklärten, im Lärm der Waffen die Stimme des Gesetzes nicht gehört zu haben50. Die Entwicklung von der reinen Immunitäts- bis hin zur Bürgerrechtsverleihung als praktisch allein akzeptierte Form der Belohnung wird sehr klar angesichts des SC aus dem Jahre 78, das die Kapitäne Asklepiades aus Klazomenai, Poly^tratosjius Karyste und Meniskos aus Milet m immunen amici des römischen Volkes erklärte51, und des Briefes Oktavians an den Nauarchen Seleukos aus
47
48
ILS 8888 (z. Jahre 86): virtutis causa equites Hispanos ceives Romanos fecit in castreis apud Asculum .-. . ex lege Iulia. Cic. pro Baibr 3;6: ab 4neunte~aetate relictis rebus suis omnibus in nostris bellis nostris cum imperatoribus esse versatum . . . 9,23. 10,26. 17,38. Zur Begründung einer Immunitätsverleihung s. FIRA I 2 , 35. Vgl. F. VITTINGHOFF, Römische Kolonisation und Bürgerrechtspolitik unter Caesar und Augustus, Abh. Mainz. Ak. Wiss., Geistes- u. Sozialwiss. Kl. 1951, 14, S. llff., H. D. MEYER, Cicero und das Reich, Diss. Köln 1957, S. 73ff. Die Verkündigung des römischen Ruhms konnte in derselben Weise honoriert werden; vgl. Cic. pro Archia 19 zu Archias, der die Taten von Marius und Sulla, und pro Archia 24 zu Theopomp, der die Feldzüge des Pompeius verherrlicht hatte. E. MEYER, Römischer Staat und Staatsgedanke3, 1964, S. 185. Zu den ersten Bürger rechtsverleihungen s. G. H. STEVENSON, Roman Provincial Administration, S. 91 f., J. COUSIN, in: Discours (Ciceron) XV (Coli. Bude), 1962, S. 214f. Bereits Philipp V. hatte die Vergabe des römischen Bürgerrechts als vorbildlich empfunden, s. Syll.3 543,
Z. 31 ff. 49
So legalisierte 72 die lex Gellia Cornelia die Bürgerrechtsverleihungen, die Pompeius in Spanien ausgesprochen hatte; vgl. E. BADIAN, FC, S. 259ff., J. COUSIN, aaO. S. 216f. 50 Plut. Mar. 28,3 (zur Vergabe des Bürgerrechtes an 1000 Soldaten aus dem umbrischen Camerinum, die Marius damit noch auf dem Schlachtfeld ausgezeichnet haue). 51 J]FIRA I 2 , 35, Ζ. 12ίί.:δπω$ ούτοι . . . έν ταϊς εαυτών πατρίσιν άλητούργητοι 1\ π ά ν τ ω ν των πραγμάτων καΐ, άνείσφοροι ώσιν.
Die Kapazität der Herrschaft
308
Rhosos 52 , der für dieselben Taten dieselben Privilegien und jetzt auch das Bürgerrecht erhielt53. Der damit in den Provinzen eingeleitete Prozeß der Absorbierung der politisch führenden Schichten wirft eine Reihe von Fragen auf: (1) Welches theoretische Verständnis von dem eigenen Staat ermöglichte den Römern eine Politik der unbegrenzten Ausdehnung der Bürgergemeinschaft, die, das zeigt der Sachverhalt, an den aus den modernen Staatstheorien nicht wegzudenkenden Begriffen wie Territorium und Nation nicht orientiert war? (2) Welche Ziele verfolgte Rom mit dieser Politik und wie sah der Erfolg im Hinblick auf die Stabilisierung der Herrschaft aus? (3) Welche Konsgquenziei^ waren damit fik die_betroffenen untertänigen und freien Gemeinden verbunden, deren Führungsschichten in den sie befierrschenden StaatTTnkorporiert wurden? (4) Welche Rückwirkungen hatte dies wiederum auf die zukünftige Handhabung der Bürgerrechtspolitik54? Die elementaren Voraussetzungen sind bekannt und bereits angedeutet Staat nicht einfach dasselbe. Daraus folgt, daß es „theoretisch gleichgültig ist, wer zu diesem Volk gehört und wie groß dieses Volk ist"55. Auf die faktische Verwirklichung dieses Selbstverständnisses hin befragt heißt das, daß die Aufnahme immer neuer Bevölkerungsgruppen unbegrenzt möglich war, ohne eine radikale Umstrukturierung des Staatskörpers zu erzwin gen, der unbeschadet von jeder Ausweitung politische Betätigung (Senat, Volk, Magistratur) nur in der Stadt Rom oder von ihr ausgehend kannte. Politisch hing die Realisierung -dieser Vorstellungen-natürlich-von den verschiedensten Faktoren ab, die die einzelnen Phasen der römischen VordenjCs^S. 70tr.). Nach der römischen Staatsauffassung sind Volk und. 52 53
54
FIRA I 2 , 55, Z. 20ff. Näheres bei R. K. SHERK, Roman Documents, S. 294ff. Inschriftlich erhalten sind ferner die Immunitätsverleihungen an den isthmischen und ionischen Verband der dionysischen Künsder gegen Ende des zweiten Jhdts. v. Chr. (G. KLAFFENBACH, Symbolae ad historiam collegiorum artificum Bacchiarum, Diss. Berlin 1914, S; 24ff., S. ACCAME, II dominio, S. 2f.) und an die kleinasiatischen Techniten durch Sulla (C. GARTON, Phoinix 18 (1964) S. 144ff., R. K. SHERK, Roman Documents, S. 263 f. B). Der wesentliche Inhalt dieser Immunitätsverleihungen ist hier festgehalten: Be freiung von allen lokalen Leistungen und allen römischen Steuerforderungen sowie ad hoc eingetriebenen Sonderabgaben und nicht zuletzt von römischen Truppeneinquartierungen. Weiteres Material s. bei M. ROSTOVTZEFF, JRS 7 (1917) S. 27ff.; 38 und CH. E. GOODFELLOW, Roman Citizenship, 1935, S. 41 ff.; 90ff. Die Beantwortung dieser Fragen erhebt nicht den Anspruch auf Klärung sämtlicher mit der Bürgerrechtspolitik gestellten Probleme. Vgl. dazu vor allem Α. Ν. SHERWINWHITE, The Roman Citizenship, 1939 (19732), Ders. in: ANRW I 2, 1972, S. 23ff., E. BADIAN, FC, S. 259ff., F. VITTINGHOFF, aaO.,
S. 55 ff. 55
E. MEYER, aaO. S.
251.
D. NÖRR, Imperium und Polis,
Die Führungsschichten der Unterworfenen
309
Machtausdehnung über Italien und den Mittelmeerraum jeweils ad hoc neu setzten; hier ist allein das Ergebnis bis zum Ausbruch des Bundesgenos senkrieges zur Skizzierung der Bedeutung des Vorganges relevant und dahingehend zu charakterisieren, daß die Verleihung des Bürgerrechtes an ganze Gemeinden (Munizipien) und an die herrschende Schicht in den bundesgenössischen Städten (socii nomenque Latinum) seit 338 als feste Klammer der Wehrgemeinschaft erkannt und gebraucht wurde und seit dem Ende des Bundesger^ssed^ Dieses Ereignis leitete gleichzeitig das Ende des Widerstandes gegen eine^großzügige Vergabe des Bürgerrechtes ein, der sich aus hier nicht zu erörternden Gründen seit den Gracchen merklich versteift hatte56. Die Aufnahme der Italiker in den Bürgerverband räumte endgültig die Vor stellung von der Exklusivität der stadtrömischen Massen beiseite und reduzierte diesen Anspruch auf das Recht auf staatlich geförderten Unter halt. Zudem zogen jetzt die Inhaber der großen Heereskommanden das Recht auf Verleihung an sich und übten es nach den für sie relevanten (bei Caesar wohl bereits auf das Imperium bezogenen) Gesichtspunkten aus57. Schließlich bestand, was die Ausdehnung auf den provinzialen Bereich angeht, weder rechtlich noch politisch ein Unterschied zwischen der Aus zeichnung eines samnitischen Fürsten oder etwa eines kleinasiatischen Aristokraten mit dem römischen Bürgerrecht. Für beide ausschlaggebend war ihre Leistung für Rom und die daran orientierte Überzeugung der römischen Politiker, durch ihre Aufnahme in den Bürgerverband die Macht derüberfieferungsmäßig führenden Klassen irr-den Roman- oder eingegliederten Städten der römischen Herrschaft so am besten nutzbar machen zu können. Ein Unterschied zwischen Italien und den flufieritalischen Gebieten, wie er im völkerrechtlichen Bereich im dritten und zweiten Jahrhundert zweifellos durch die Beschränkung der Wehrgemein schaft auf italischen Boden bestand, ist hier nicht konstruierbar, so daß sich nach 89 im Grunde in den Provinzen derselbe Prozeß bis hin zur constitutio Antoniniana wiederholt, der in Italien zur Eingliederung der Bundesgenossen in den römischen Personalverband geführt hat.
56
Dazu C H . MEIER, Res publica amissa, S. 207ff., G. TIBILETTI, La politica delle Colonie e cittä latine nella guerra sociale, Rend. Ist. Lomb. 86 (1953) S. 45ff. 57 J. BLEICKEN, Lex Publica, S. 112f., Τ. Ρ. WISEMAN, New Men in the Roman Senate, . 139 B. C.-14 A . D . , 1971 S. 13ff.
310
Die Kapazität der Herrschai
Rechtliche Schranken standen bei den untertänigen civitates stipendiariae den Bürgerrechtsverleihungen eo ipso nicht im Wege58. Anders lagen die Dinge bei den civitates liberae und foederatae, die - das macht der Baibusprozeß 56 klar - ihr ausdrückliches Einverständnis zu einem derartigen römischen Rechtsakt offiziell bekunden mußten, da ihre Hoheitsrechte tangiert waren. Von weitreichender Bedeutung war auch dies nicht, da, wie Cicero in seiner Verteidigung des Baibus dem Ankläger vorrechnen kann, erstens eine ganze Reihe römischer Feldherrn vor Pompeius das Bürgerrecht an Angehörige fremder verbündeter Staaten ver liehen haben, ohne deswegen von der einen oder der anderen Seite getadelt worden zu sein 59 , zweitens die freien Gemeinden selbst darauf drängten, hier nicht nach dem Buchstaben des bestehenden Rechts zu verfahren60, drittens der Ausschluß der um Rom verdienten und von ihm mit der 58
Zeitlich begrenzte Hindernisse ergaben sich allein aus der in der römischen Führungs schicht herrschenden Auffassung von der Imkompatibilität der Bürgerrechte (Cic. pro Balb. 11,28), die dazu führte - wie im Fall des SC de Asclepiade - , die Immunitäts verleihung als zunächst allein' denkbare Belohnung verdienter Provinzialer in den Fällen anzuwenden, in denen die Ausgezeichneten ihren Wohnsitz und ihre Tätigkeit in ihrer alten Heimatstadt behielten und an eine Übersiedlung nach Rom nicht dachten. Spätestens in den 50er Jahren des ersten Jahrhunderts ist diese wohl nie unbestrittene Lehre beiseite geräumt, da Oktavian dem Seleukos aus Rhosos das Bürgerrecht verleihen kann (s. o.) und das zitierte Edikt Caesars, demzufolge niemand in Mytilene die Immunität von den städtischen Leistungen beanspruchen darf, voraussetzt, daß die betroffenen römischen Bürger dieser Stadt ihre frühere Bürgerstellung nicht verloren haben. Grundlegend zu dieser Frage F. DE VISSCHER, Les edits d'Auguste decouverts ä Cyrene, 1940, S. 108ff., Nouvelles etudes de -droit romain public et prive, 1949, S. 51 ff., E. SCWÖNBAUER, Jura 1 (1950) S. 124ff., ebda. 4 (1953) S. 377ff., L. WENGER, Z. Sav. Stift. R. A. 62 (1942) S. 434f., die die Theorie TH. MOMMSENS, RStR. III, S. 47; pass. von der grundsätzlichen Unvereinbarkeit des römischen mit einem peregrinen Bürgerrecht bündig widerlegen konnten. Es ist jetzt davon auszugehen, daß das Verbot des Doppelbürgerrechts nur für Römer die ein peregrines, nicht aber für Peregrine, die das römische Bürgerrecht erwerben wollten, galt; vgl. D. NÖRR, Origo, Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 31 (1963) S. 525ff.; 561 ff. 59 Cic. pro Balb. 22,50f. Cicero weist völlig zu Recht auf die Latiner (d. h. auf die nach . 338 selbständig gebliebenen Bundesstädte' und die latinischen Kolonien), die vor allem und zuerst von der römischen Bürgerrechtspolitik profitiert hatten (24,54: Latini, id est foederati). Auch ihnen stand de iuri als populi sui generis das Recht auf Zustimmung oder Ablehnung einer römischen lex zu; anders Α. Ν. SHERWIN-WHITE, RC, S. 92 (,,rhetorical malpractice"), E. BADIAN, FC, S. 292, H. BRAUNERT, Der altspr. Unter richt, Reihe 9 (1966) S. 66f. 60 Es muß für Cicero eine einmalige Trumpfkarte gewesen sein, daß die Gaditaner selbst ihrem Neubürger Baibus das hospitium publicum verliehen und seiner Aufnahme in das Bürgerrecht (wenn auch zu spät) ausdrücklich zustimmten und dies durch eine Gesandtschaft, die zum Prozeß erschien, auch zum Ausdruck brachten. Zu den Motiven der freien Städte s. u. Zur Interpretation von pro Balbo siehe die wesentlichen Gesichts punkte bei H. D. MEYER, aaO.
S. 73 ff. und H. BRAUNERT, aaO.
S. 51
ri
.
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Freiheit ausgezeichneten Gemeinden widersinnig ist, wenn man das Bürgerrecht als beneficium begreift61 und viertens die Nichteinbeziehung der freien und foederierten Städte gegen die Herrschaftsinteressen des römischen Volkes gerichtet sein mußte62. Ohne Zweifel trifft diese Argumentation den Kern des Problems und legt die Grenzen der bestehenden rechtlichen Dämme gegen die extensive Bürgerrechtspolitik bloß, die bei der gleichzeitigen und gleichgewichtigen Interessenlage des Gebenden und des Empfangenden mit Leichtigkeit hin weggespült wurden63. Das Ergebnis sah denn auch die Führungsschichten der untertänigen wie der freien Städte gleichermaßen das Bürgerrecht mit offenen Armen annehmen64. 61
9,24: Nam et stipendiarios ex Africa Sicilia Sardinia ceteris provinciis mukös civitate donatos videmus, et qui hostes ad nostros imperatores perfugissent et magno usu rei publicae nostrae fuissent, scimus civitate esse donatos; servos denique quorum ius fortuna condicio infima est, bene de re publica meritos persaepe libertate, id est civitate, publice donari videmus. Ebenso 18,41.
62
9,25.
53
Dies wird bestätigt durch die Verträge mit den gallischen Stämmen der Insubrer, Cenomanen, Iapyden, Helvetier u. anderer, in die die Bestimmung aufgenommen wurde, daß kein Angehöriger dieser civitates römischer Bürger werden könne; Cic. pro Balb. 14,32: Etenim quaedam foedera exstant, ut Cenomanorum Insubrium Helvetiorum Iapydum nonnullorum item ex Gallia barbarorum, quorum in foederibus exceptum est, nequis eorum a nobis civis recipiatur. Die Notwendigkeit, eine derartige Stipulation formulieren zu müssen, weist auf die Selbstverständlichkeit hin, mit der ohne dieses Verbot foederierte Gemeinden Zugang zum Bürgerrecht fanden1. Was die historische Ableitung angeht, so ist davon auszugehen, daß die Verträge mit den Cenomanen und Insubrern. Anfang des zweiten Jhdts. und die mit dejijinderenjgallischen Stämmen nach 129 geschlossen wurden, d. h. die zuerst zustandegekommenen gaben das Vorbild für die späteren ab. Demnach muß der Grund für diese Vertragspolitik in der römischen Einstellung zu den cisalpinen Stämmen gesucht werden, die sich dann auf die transalpinen civitates übertrug. Ihre Aufnahme in die Wehrgemeinschaft erschien den römischen Politikern zwar als konsequente Fortsetzung der bisherigen Italienpolitik (s. S. 56ff.), doch verbot der barbarische Charakter dieser wilden Stämme, der an gesichts der bis zu diesem Zeitpunkt eingetretenen Romanisierung Italiens besonders augenfällig sein mußte, eine Zulassung zum Bürgerverband, wie sie den übrigen italischen socii durch einfachen Zuzug in die Hauptstadt offenstand (Liv. 41,8,9). Vgl. H. HÖRN, Foederati, 1930, S. 54f. (gegen TH. MOMMSEN), dessen Hinweis auf die ,,stammfremden Barbaren" allerdings nichts besagen will, da dieses Faktum bei allen socii mit Ausnahme der Latiner gegeben ist. Das hier angewandte Prinzip, die Vergabe des Vollbürgerrechtes von einem fortschreitenden Romanisierungsprozeß abhängig zu machen, ist bereits um die Mitte des vierten Jhdts. bei der Einrichtung der civitates sine suffragio erkennbar (Vf., Struktur, S. 114f.), die erst nach einigen Jahrzehnten der Anpassung das volle Bürgerrecht erhielten. Dafür bietet die Entwicklung in der freien Stadt Pergamon ein sprechendes Beispiel, s. C H . HABICHT, Die Inschriften des Asklepieions, in: Altertümer von Pergamon VIII 3, 1969, S. 163f. Während in der Mitte der 40er Jahre des ersten Jhdts. v. Chr. noch alle neun Honoratioren der Stadt, die sich an den Prokonsul P. Servilius
64
H. D. MEYER, aaO.
S.
80.
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Das römischerseits angestrebte und auch erreichte Ziel der Bürger rechtspolitik ist in den Zeiten der italischen Wehrgemeinschaft und des Imperium Romanum gleichgeblieben. Es galt ausgehend von der in der Regel unbestrittenen aristokratisch-plutokratischen Gesellschaftsordnung der Besiegten die Männer unauflöslich an die römische Sache zu binden, die ausschließlich die Macht und den Reichtum in Händen hielten und damit politisch allein zählten65. Der Mythos schrieb diese Maxime bereits dem sagenhaften Gründer Roms zu, der ,,mit dem sabinischen Vertrag lehrte, man müsse sogar durch Aufnahme von Feinden dieses Bürgertum vergrößern"66. Den Wert dieser in die Tat umgesetzten Erkenntnis für die Erhaltung der Herrschaft vgrdeuthchtej&aiser Claudius nach Tacitus so: ,,Was hat wohl trotz aller Waffenerfolge den Untergang der Spartaner und Athener mehr herbeigeführt als ihre Politik, die Besiegten wie Fremde vom Staate fernzuhalten"67. Nach Aelius Aristides hat Rom mit der Auf nahme des ,,besseren und tüchtigeren Teiles der Menschheit" in die Bürgerschaft die Grenzen der Polis Rom mit den Grenzen der Welt gleich gesetzt68 und damit auf doppelte Weise seine Herrschaft gesichert: einmal durch die von Rom ausgehende Macht, zum anderen durch die römischen Neubürger in den Städten, die die Präsenz der nackten militärischen Gewalt weitgehend überflüssig machten69. Dies setzt wiederum voraus, daß die mit dem Bürgerrecht Ausgezeich neten wie vor ihnen die Aristokratie der italischen socü die ihnen zugedachte Rolle bereitwillig aufnahmen und sich von der Einsicht leiten ließen, daß sie nur so das Tor zu einer großen politischen Zukunft passieren konnten, die in der Teilhabe an der Regierung des Imperium
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Isauricus wegen der Asylie des Asklepieions gewandt haben, noch Peregrine sind ( C H . HABICHT, aaO. S. 21 ff.), tragen unter Hadrian von den 38 Hymnoden des Augustus und der Roma 34 römische Namen und sind mithin römische Bürger (L. ROBERT, REA 62 (1960) S. 342). D . h. zwischen Augustus und Hadrian hat sich die vollständige Romanisierung der pergamenischen Oberschicht vollzogen. So rät nach Cassius Dio 52,19,1 Maecenas dem Augustus, in den Senat Männer aufzunehmen, ,,die sich durch Geburt, Verdienst und Reichtum auszeichnen, nicht bloß aus Italien, sondern aus der Mitte der Bundesgenossen und aus den Provinzen". Die Folge sei die Sicherung der Herrschaft: „Die Völker werden sich nicht empören, da sich keia angesehener Mann an ihre Spitze stellt, und ihre Großen werden Dich lieben, weil du sie an der Regierung teilnehmen läßt." Cic. pro Balb. 13,31. Dion. Hai. 1,9,4. Liv. 8,13,16 (zum Ende des Latinerkrieges): vultis exemplo maiorum augere rem Romanam victos in civitatem accipiendo? Or. 26,59rf^ K; J. BLEICHEN, Der Preis des Aelius Aristides auf das römische Weltreich, Nachr. Gott. Ak. Wiss., phil.-hist. Kl., 1966,7, S. 242f. Ael. Aristid. or. 26,64 K.
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bestand. Demgegenüber besaß die Führungsrolle in den beherrschten Städten, wo man nicht viel mehr als der Befehlsempfänger des Statthalters sein konnte, nur zweitrangige Bedeutung70. b) Der Verlust des eigenstaatlichen Bewußtseins Doch ist mit dieser Einordnung der römischen Ziele und des tatsäch lich Erreichten nur die eine Seite des Problems beleuchtet. Es bleibt die Frage nach -den Konsequenzen, die die Bürgerrechtspolitik in den Städten selbst haben mußte. Und hier sollte sich sehr schnell herausstellen, daß die Herauslösung der Neubürger aus ihren Städten_deren_politische und soziale Struktur zu zerstören droht&_Rom hat diese Konsequenz seiner Bürgerrechtspolitik sirfipr nirh* vorausgesehen, auch wenn durchaus nicht auszuschließen ist, daß die Spaltung der städtischen Bürgerschaften von Anfang an bei dieser Politik mitbedacht worden ist. Kein Mittel konnte geeigneter sein, jeden zählbaren Widerstand gegen, die römische Herrschaft von vornherein auszuschalten. Auch das Stufengefüge von verbündeten, freien und untertänigen Städten in den Provinzen hatte Interessengegen sätze innerhalb der Unterworfenen geschaffen, deren Auswirkungen ihre Brauchbarkeit als Herrschaftsmittel unter Beweis gestellt haben mußten; Wie auch immer: Die Strapazierung der Infrastruktur der untertänigen Städte durch die Spaltung ihrer Bürgerschaften, die zudem die soziale TfrennungsUnie zwischen arm und reich noch schärfer zog, brachte Gefahrerimit sich, die_ wesentliche und ständige Modifikationen der MrgerTechtspöli^ "notwehdig; "machten. Die Schwierigkeiten tauchten in der italischen Wehrgemeinschaft be reits nach dem Zweiten Makedonischen Krieg in der Form des verstärkten Zuzuges in die urbs auf. Unter dem Druck der Krise des Bauernstandes nahm die Abwanderung in die Hauptstadt derartige Ausmaße an, daß die bundesgenössischen Städte, die die Erhaltung ihrer eigenstaatlichen Existenz zunächst noch als selbstverständliche Verpflichtung empfanden, in Rom mehrmals die Ausweisung der zugewanderten Italiker erbitten mußten 71 . Derartige Maßnahmen waren allerdings nicht geeignet, diesen 70
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Der Strukturwandel der städtischen Oberschicht bedingte notwendig auch die Assimila tion römischer Kultur und Religion. Man vgl. etwa, wie sich der einheimische Götter dienst in den afrikanischen civitates liberae allmählich nach dem Muster römischer Religionsgebräuche entwickelte: G. CHARLES-PICARD, Les religions dePAfrique anrique, 1954, S. 103 f. 187 kam es auf Antrag der latinischen socii zur Ausweisung von 12000 Latinern (Liv. 39,3,4). 177 mußte der Senat auf erneute Vorhaltungen der Latiner, denen sich die Paeligner und Samniten angeschlossen hatten, das Gesetz, nach dem der Erwerb des
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von der Entwicklung der Wehrgemeinschaft her besehen natürlichen und unvermeidbaren Prozeß aufzuhalten. Rom, im dritten Jahrhundert zwar die bedeutendste, aber eben doch italische Stadt, war im zweiten Jahr hundert zur Weltstadt gewachsen, in der politisch und wirtschaftlich Fortune in bisher ungeahnten Ausmaßen zu machen war. Was Wunder, daß alle Schichten der italischen und vorab der stammesverwandten latini schen Städte, von der außeritalischen Welt ohnehin seit langem von den Römern nicht mehr geschieden, mehr und mehr danach drängten, als Römer an den Gütern teilzuhaben, für die sie denselben Blutzoll gezahlt hatten wie Rom selbst. Die Anziehungskraft der Weltstadt paralysierte allmählich das Bewußtsein der Eigenstaatlichkeit und absorbierte die poli tischen Energien, von denen die Lebensfähigkeit der italischen Landstädte als souveräne Gemeinden abhing. Als im Jahre 91 die Italiker für das Angebot des römischen Bürger rechtes zu den Waffen griffen, taten sie es in der Mehrzahl in dem vollen Bewußtsein, nicht um die Teilung der politischen Macht mit den Römern zu kämpfen. Nicht der Senat, die Magistraturen und die Komitien waren ihr Ziel, da die stadtstaatliche Ordnung Roms ohnehin keine auch wirklich zu praktizierende politische Rechte dem Gros der Italiker einräumen konnte. Die Repräsentatiwerfassung, die dies allein hätte bewerkstelligen können, gab es nicht. Gekämpft wurde um die Teilhabe am Imperium, um den Zugang zu den Verwaltungsaufgaben, zu den Legionen, um Reichtum und Ansehen, die der Titel civis Romanus in den Provinzen verschaffte, und um die ideelle Anerkennung der in den Eroberungskriegen vollbrach ten Taten72. Der Sieg bescherte denn auch genau dies und öffnete die
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Bürgerrechtes durch Einwanderung nur möglich war, wenn die Nachkommenschaft in der Heimat verblieb, nachdrücklich einschärfen (Liv. 41,8,6-12), und 173 wurde eine Nachuntersuchung der 177 eingeleiteten Ausweisungsverfahren nötig (Liv. 42,10,3). Als Begründung gaben die Latiner 177 an, cives suos Romae censos plerosque Romam commigrasse; quod si permittatur, perpaucis lustris futurum, ut deserta oppida, deserti agri nulluni militem dare possint. Vgl. im einzelnen J. GÖHLER, Rom und Italien, 1939, S. 61 ff., A. H. MCDONALD, The History of Rome and Italy in the Second Century B. C , CHJ 6 (1939) S. 124ff., E. BADIAN, FC, S. 146f., Ρ. Α. BRUNT, JRS 59 (1965) S. 90; 101 ff. Vgl. App. b. c. 1,34,152 ff. Als Sulla den Senat auf 600 Mitglieder erweiterte, war den italischen Magnaten (domi nobiles) der Eintritt deutlich leichter geworden. Sie führten hier jedoch in der Regel nur das Dasein von Hinterbänklern ohne Namen und ohne Einfluß (parvus Senator). Nach wie vor galt es für die römischen Nobiles als Skandal, wenn ein homo novus in die höchsten Staatsämter gelangte: quasi pollui consulatum credebant si eum quamvis egregius homo novus adeptus foret (Sali. Cat. 23,6). Was Wunder, daß sich die Italiker nicht auf die hohe Politik warfen, wo die Konkurrenz zu den allmächtigen konsularischen Familien zu groß war, sondern die grenzenlosen Chancen, die das Imperium bot, nutzten.
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sozialen und wirtschaftlichen PrivilegieiL des_populus Romanus für jlle Städte Italiens73. Gerade in diesem Punkt ist die Entwicklung in Italien für die provin zialen Eliten vorbildlich geworden. Die soziale Sicherheit, die das römische Bürgerrecht gerade in einer Welt bot, in der die soziale Ver elendung seit langem fortschritt, die wirtschaftlichen Möglichkeiten des römischen Mittelmeeres und die Teilhabe an der Verwaltung des Imperium setzten die Maßstäbe, nach denen sich die provinzialen Aristokratien ihr Leben einrichteten. Ihre Heimatstädte hatten dabei das Nachsehen, da sie ohne die soziale und politische Bindung ihrer Führungsschichten nicht be stehen konnten. Die römische Bürgerrechtspolitik geriet so bereits zur Zeit Caesars erneut in die Krise, die man in Italien gerade überwun den hatte. Vor allem die freien Städrp wnrHpn so (\er 7prrpißprobe ausgesetzt, da sie als von der römischen Herrschaft ausgenommene Enklaven ihre inneren Angelegenheiten kraft ihrer Rechtsstellung selbst regelten, dies aber angesichts ihrer privilegierten Oberschicht kaum konnten, die sich in der neuen Rolle als Mitglied des weltumspannenden Imperiums weit mehr zu Hause fühlte als auf dem eng gewordenen Betätigungsfeld der Heimat. Die erste Konsequenz des schwindenden Bewußtseins von dem eigen staatlichen Wert der heimatlichen Polis war die volle Ausnutzung der den führenden Familien mit dem Bürgerrecht oder durch die Immunitäts verleihung gewährten Steuerprivilegien, so daß die finanziellen Lasten mehr und mehr auf den Mittelstand und die ärmeren Schichten abgewälzt wurden. Jede weitere Bürgerrechtsverleihung wurde von ihnen jetzt mit unverhohlener Verbitterung quittiert, bedeutete es doch für sie nur eine weitere Vermehrung ihrer drückenden Verpflichtungen, die ihnen zudem bei der Identität von „reich" und „politisch führend" von denen diktiert wurden, die sich gerade davon befreit sahen. Damit war eine Kluft in den Städten aufgerissen, die den latent immer schwelenden^ Gegensatz zwischen arm und reich mit politischer Brisanz füllen und die Lebensfähigkeit und Stabilität der Städte in Frage stellen mußte. Hier war der Punkt erreicht, wo sich die von Rom als herrschaftsstabilisierend gedachte Bürgerrechtspolitik gegen ihren Erfinder zu kehren begann^ Die Basis selbst, auf der römische Herrschaft überhaupt prakti kabel war, zeigte gefährliche Risse, da an die Stelle des reibungslosen 73
Angesprochen ist natürlich nur ein Ausschnitt des Bundesgenossenproblems; vgl. C H . MEIER, Res publica amissa, S. 208ff., E. GABBA, in: ANRW I 1, 1972, S. 785ff. (Forschungsüberblick).
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Funktionierens der lokalen Selbstverwaltung in den Städten nichts als die Vernichtung des gestörten Organismus gesetzt werden konnte. Außerhalb der dünnen, sozial führenden Oberschicht gab es in den Städten - dies gilt :ür Rom ebenso wie für jeden antiken Staat - keine Klassen, die eigene Maßstäbe für eine neue Form des staatlichen Zusammenlebens hätten konzipieren können, so daß die Stadt mit der Funktionsfähigkeit ihrer traditionellen Führungsschicht stand und fiel74. So wenig wie die skizzierte Entwicklung als einheitlicher in allen Städten oder Provinzen gleichzeitiger und gleichgewichtiger Prozeß ver standen werden darf, so wenig scheint ein sofortiges Erkennen der Gefahr und des Durchdenkens von Gegenmaßnahmen in Rom logisch. Auch hier hat die politische Führung das Problem erst langsam erfaßt und in den Griff bekommen und war dabei auf die Alarmsignale aus den Städten selbst, wie im Falle Mytilenes, angewiesen. Cicero bietet ein beredtes Zeugnis für das allmähliche Bewußtwerden der unerwünschten NebenwirkungHer BürgerrecTitipraxis. In dem Brief an seinen Bruder Quintus, Prokonsul in Asien 61-59, steht das bezeichnende Lob, daß ,,die Aus gaben der Städte und die Steuern, die ihnen auferlegt sind, jetzt gleich mäßig von jedermann getragen werden, der auf ihrem Territorium lebt"75. Quintus Cicero sah sich also bereits Anfang der 50er Jahre genötigt, die durch Immunitäts- oder Bürgerrechtsverleihungen privilegierten und ihren Heimatstädten entfremdeten Schichten zur Wiederaufnahme ihrer städti schen Pflichten zu zwingen. Das Problem muß -also als solches begriffen worden sein. Trotzdem spielte es im Balbusprozeß^ 56, der die Grundlagen der Bürgerrechtspolitik tangierte, weder für die Anklage noch für die Verteidigung eine Rolle. Cicero erörterte die Praxis der Bürgerrechtsverleihung einzig im Hinblick auf die uneingeschränkt positiven Auswirkungen auf den Staat und die Untermauerung der römischen Herrschaft76, was von ihm als Verteidiger auch nicht anders zu erwarten war. Er tat dies ungestört jedoch nur deswegen, weil der Ankläger die Gefahr, daß die unbeschränkte Anwen dung der bisherigen Bürgerrechtspolitik die politischen Strukturen der freien und untertänigen Städte auflösen konnte, nicht sah. Er mußte damit auf das Argument verzichten, das die ganz auf die Herausstellung der Vorteile der Bürgerrechtspolitik abzielende Argumentation des großen 74 75
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Vgl. C H . MEIER, Entstehung des Begriffs „Demokratie", 1970, S. 142ff. acTQ. fr. 1,1,125: sumptus et tributa civitatum ab omniBus, qui earum civitatum fines incolant, tolerari aequaliter. Im einzelnen ausgeführt bei H. D. MEYER, aaO. S. 85ff.
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Advokaten schwer erschütten hätte, zumal dieser mit seiner Beweis führung immer in -Gefahr war, den stets wachen Argwohn der Bürger der urbs auf sich zu ziehen, die mit jeder Erweiterung des Bürgerverbandes eine Schwächung ihrer bevorzugten Stellung befürchteten. Erst Caesar, dessen ausgedehnte Bürgerrechtspolitik der emphatischen Federung Ciceros^ „könnten doch - überall~3ie Vorkämpfer dieses ^periumsι römische. Büxger wer^n"^ 7 , weitgeEencT entgegenkam,"mußte bei der zentralen Bedeutung, die er dieser Politik beimaß, die gleichsam seismographischen Aufnahmen der Erschütterung beobachten, die an der Basis der Herrschaft durch die mit den Bürgerrechtsverleihungen ver knüpften Folgen ausgelöst wurden. Deren stärkere Äußerungen hatten hie und da bereits aufhorchen lassen, wie das Eingreifen des Quintus Cicero in der asiatischen Provinz beweist: Allmählich erlangten die Fakten im römischen Bewußtsein jenen Grad von Deutlichkeit, der eine kritische Einstellung dazu erst möglich machte. Caesar stellte denn auch die Weichen, die eine gefahrlose Fortführung der Erweiterung der staatstragenden Schicht gewährleisten sollte, ohne die bisherige Funktion dieser Politik aufzugeben, die Bevölkerung des Imperiums personenrechtlich abgestuft zu gliedern. Sein Bescheid an Mytilene über die Abgabenpflicht aller Bürger der freien Stadt verankerte das Prinzip, nach dem in Zukunft verfahren wurde: Die Verleihung des Bürgerrechtes wird von der Verleihung der Immunität getrennt und diese nur noch in Ausnahmefällen gewährt78. Augustus hat hier die Politik Caesars fortgesetzt und im dritten -Kyreneedikt ^ gewiß seiner auch im übrigen angewandten Praxis entsprechend - folgende grundsätzliche Ent scheidung getroffen: (1) Alle mit dem Bürgerrecht ausgezeichneten Bewohner der kyrenäischen Provinz haben in ihrer Reihe der Körperschaft der Hellenen munera zu leisten. (2) Davon ausgenommen sind nur die Bürger, denen durch Gesetz, SC oder Dekret mit dem Bürgerrecht zugleich die Abgabenfreiheit eigens gewährt wurde. (3) Die Immunität gilt auch dann nur hinsichtlich des Besitzstandes, den die Betroffenen im 77 78
pro Balb. 22,51; vgl. F. VITTINGHOFF, aaO. S. 60ff. Es liegt auf der Hand, daß eine auf den Erhalt der städtischen Selbstverwaltung abzielende Politik auch die aus Italien eingewanderten Römer früher oder später in Mitleidenschaft ziehen mußte. Vgl bereits die empfindlich hohen Abgaben, die Caesar den römischen Privatleuten in Afrika auferlegte, die als Angehörige eines conventus als Ausländer eine Sonderstellung in den Städten beanspruchten und gegen die die ein heimischen Kauf- und Handelsleute nicht konkurrenzfähig waren; L. TEUTSCH, Das Städtewesen in Nordafrika in der Zeit von C. Gracchus bis zum Tode des Kaisers Augustus,,1962, S. 58ff.; °<>f.
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Augenblick der Bürgerrechtsverleihung besaßen; für alles später Hinzu erworbene ist das jeweils Zukommende zu leisten79. Überblickt man die skizzierte Entwicklung im Ganzen so zeigt sich, bezogen auf die Stabilisierung der römischen Herrschaft, daß die Ver leihung der Immunität oder des Bürgerrechts in den freien und unter tänigen Städten einen Grad der Abhängigkeit von Rom schuf, der durch die Allmacht der äußeren römischen Machtmittel nie zu erreichen gewesen wäre. Die als Folge dieser Politik auftretende Gefährdung der Städte als funktionsfähige Einheiten konnte als solche aufgehdteri werden. Trotzdem wurden sie ungeachtet ihrer Gruppenzugehörigkeit einem tiefgreifenden Wandlungsprozeß unterworfen, da sich das Verständnis der Führungs schichten von dem Wert und der Zielvorstellung ihrer politischen Betäti gung änderte. Die mit der Bürgerrechtspolitik gegebene Aufhebung des ethnischen Begriffes ,,Römer zugunsten eines rein personenstandsrechtlichen Faktums vermochte zwar das_bittere Problem der römischen Fremd herrschaft zu überspielenTTeitete aber gleichzeitig und direkt zu der Entwicklung über, an deren Ende die Stadt, praktisch von ihrer führenden Schicht im Stich gelassen, ihre politische Funktion verHeren mußte und das städtische Bürgerrecht vorrangig zum Kennzeichen der lokalen Zugehörig keit und damit zu einem verwaltungsrechtlichen Status degradiert wurde. Die Abgrenzung der Städte als verdichtete politische, religiöse und kulturelle Räume hatte zu dem typischen städtischen Selbstbewußtsein geführt, das die Führungsschicht zu intensiver politischer Betätigung in den städtischen Grenzen anregte un44>efähigtejundxdas~ gegen den-Himergrund einer politisch heterogenen Umwelt stand. In dem Maße, in dem diese Umwelt ein einheitliches Profil durch die bei wachsender Konso lidierung immer engmaschiger werdenden römischen Herrschaftspraktiken erhielt und die städtischen Führungsschichten im Rahmen des neuen politischen Gebildes die Chance des Mitwirkens erhielten, fand sich keine Bürgerschaft mehr, die sich ihrer Stadt mit dem Blick auf die Zukunft angenommen hätte. Statt dessen kam man zwar noch seinen behördlichen Verpflichtungen nach, deren Vorteile nach wie vor vorhanden waren und deren Ausübung als sichere Voraussetzung für die Gewährung des römischen Bürgerrechtes galt, richtete im übrigen aber sein Augenmerk auf die neue politische Landschaft des Imperium, die noch Raum für 78
FIRA I 2 68, 2 . 56ff. Vgl. A. VON PREMERSTEIN, Z. Sav. Stift. R. A. 48 (1928) S. 427; 466ff., F. DE VISSCHER, Les edits d'Auguste decouverts ä Cyrene, 1940, S. 103ff., Κ. Μ. Τ. ATKINSON, The Third Cyrene Edict of Augustus, in: Studies pres. to V. Ehrenberg, 1966, S. 21 ff.
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politische Entscheidungen im Sinne des Begriffes bot. Die römische Regierung war, wie sich gezeigt hatte, zwar in der Lage, die durch ihre Politik in Gang gebrachte verhängnisvolle Verknüpfung alter Vorurteile und alter institutionalisierter Privilegien mit den neuen Vorrechten der Immunität und des Bürgerrechtes, die den latent schwelenden Gegensatz zwischen arm und reich in den Städten mit politischer Brisanz auflud, auf dem Verwaltungswege zu lösen. Die Änderung des politischen Bewußt seins von dem politischen Stellenwert der freien und untertänigen Städte hätte sie aber nur um den Preis ihrer Bürgerrechtspolitik verhindern können.
c) Die soziale Veränderung des beherrschten Raumes Die Summe aller über die Entstehung und die Funktionsfähigkeit des römischen Herrschaftssystems angestellten Überlegungen ergab die Er kenntnis, daß Dauer und Stabilität der römischen Herrschaft nicht vor rangig das Ergebnis dieses Systems waren, das seine historische Rolle bereits mit der Aufrichtung der Weltherrschaft gespielt hatte. Der un ermeßlichen Möglichkeiten wegen, die die Provinzen und die kontrol lierten Königreiche boten, war die Regierung des Imperiums der höchste Preis für alle Aristokraten, die nach Macht, Prestige und Reichtum strebten. Die Teilhabe an diesem Regiment hieß zugleich, die Macht zu besitzen, die eigene SteHunginnerhalb tles führenden -Standes ^weiter zu steigern. Der Herrschaftsraum und die dem militärischen Zugriff noch offenen Territorien waren Gegenstand und Turnierfeld des Kampfes der Aristokraten, dessen Siegespreis die Erhöhung der persönlichen Macht und die Erringung märchenhafter Reichtümer war. Neben dem Grund besitz stellte jetzt der Zugang zu den Ämtern mit Imperium die sicherste Einkommensquelle dar. Nichts an dem an diesen Interessen orientierten Herrschaftssystem, so perfekt es sich im einzelnen vorstellte, war geeignet, die Zustimmung der Beherrschten zu gewinnen, die allein schon deswegen unverzichtbar war, weil das militärische Ungleichgewicht zwischen Sieger und Besiegten nicht auf Dauer durch die ständige Mobilmachung der Legionen ausgeglichen werden konnte. Die Macht der Waffen und der staatlichen Autorität, die mehr als das Regulativ von Ausbeutung und Terror sein mußte, bedurfte der Legitimität, diejillein durch die Steigerung des materiellen und ideellen Wohlergehens der Up*°rworfenen zu erreichen war.
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Die römische Bürgerrechtspolitik begründete einen wichtigen Teil dieser Legitimität, da sie den regierenden Klassen der untertänigen Städte durch den Zugang zum Bürgerrecht weiterhin das Recht garantierte, ihren sozialen Status zu erhalten, am wirtschaftlichen Gewinn, den die Bauern massen und die handwerklichen Schichten in den Städten produzierten, weiter zu partizipieren und neue Aufstiegs- und Bereicherungschancen in der Teilhabe am Reichsregiment zu erhalten. Es war dies der Lohn dafür, daß die Angehörigen dieser Klassen jeden Widerstand gegen Rom aufgaben, die Aufrechterhaltung der Autorität des römischen Herrschaftssystems wesent lich mittrugen und seinen Wünschen die nötige Geltung verschafften. Das zweite nicht minder wichtige Element der Legitimität ergab sich aus der ohne staatliche Lenkung vollzogenen sozialen und wirtschaftlichen Durchdringung des Herrschaftsraumes80. Man ist versucht, von einer sozialen Revolution zu sprechen, da die dadurch bewirkte Veränderung der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen weit tiefgreifender waren als die Modifikationen der politischen Strukturen, die der römische Herr schaftsapparat bewirkte. Der römische und italische Privatmann, den die verschiedensten Geschäfte in die Provinzen führten und dort hielten, er scheint als der eigentliche Garant der Stabilität der Herrschaft. Zunächst waren es die großen Handelsgesellschaften der Ritter^ die den Legionen unmittelbar folgten und die wichtigsten Wirtschaftszweige der Besiegten ihrer Initiative erschlossen. Die Konzentration des Warenaustausches im östlichen Mittelmeer nach 166 in Delos und damit in den Händen der dort dominierenden italischen Kaufleute-- mag die Größenordnung greifbar machen, in der dieser Vorgang gedacht werden muß. Es folgten die großen Pachtgesellschaften, die neben den Steuern der Provinzen alle sonstigen staatlichen Einnahmequellen (Zölle, Bergwerke u. a.) ebenso pachten konnten wie die Ausführung der öffentlichen Bauten und die Nachschub lieferungen für die Armeen81. Beide Gesellschaften rekrutierten ihr riesiges Personal vor allem aus Italien und boten zudem Anreize genug, um in ihrem Windschatten eine Reihe von Einzelunternehmern, Spekulanten und Abenteurern groß werden zu lassen, die sich als Angehörige der Eroberer80
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Dazu zusammenfassend M. ROSTOVTZEFF, Gesellschaft und Wirtschaft im römischen Kaiserreich I, S. 13 ff. und H. STRASBURGER, Caesar im Urteil seiner Zeitgenossen2, 1968, S. 76ff. Die einschlägige Spezialuntersuchung legte A. J. N . WILSON, Emigration from Italy in the Republican Age of Rome, 1966 vor; Ρ. Α. BRUNT, It. Manpower, 1971, S. 159ff. hat inzwischen das Problem weiter vertieft. Im übrigen sei auf die einschlägigen Bände der ES AR verwiesen. Polyb. 6,17,1 ff. Cic. Verr. 2,2,165 ff. (Zur Organisation der Pachtgesellschaften). Zusammenfassend E. BADIAN, Publicans and Sinners, 1972.
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Schicht in den Provinzen viel schneller eine neue Existenz aufbauen konnten als in ihrer Heimat. Dies gilt in nicht minder großem Ausmaße für entlassene Legionäre und Aussiedler, denen die Verelendung der Landwirtschaft keine Chance mehr gelassen hatte, in Italien wirtschaftlich zu bestehen oder wieder Fuß zu fassen. Der Strom der Aussiedler erfaßte zunächst die Poebene und konzentrierte sich jdann auf die Gallia Narbonensis (s. S. 143f.), um schließlich mit dem Einsetzen der außeritalischen Kolonisation das ge samte westliche Mittelmeer einzubeziehen. Beide Vorgänge, die wirt schaftliche Durchdringung der Provinzen und die Emigration, gewannen deutlich an Dynamik, als die Bürgerrechtsverleihung an alle Italiker die mneritafischen Spannungen im politischen Raum beseitigte. Die Energien vor "allem der wohlhabendeiT^Schichteri konzentrierten sich nun noch stärker auf die Sicherung des sozialen Status, was in den Provinzen und mit weitgespannten Geschäftsverbindungen besser zu erreichen war als in Italien, wo die Wunden des Bundesgenossenkrieges noch nicht geheilt waren, als die Bürgerkriege mit Sulla anhoben. In den Provinzen bewirkte der Zustrom der neuen, wirtschaftlich ton angebenden Klasse der Eroberer zunächst dasselbe wie die Bürgerrechts politik. JDieJ^esjjtzenckn^ ^ wurden dort, wo sie ihren_Rgichtum bewahren konnten, in ihrer sozialen Position gestärkt. Die Verschlechterung der allgemeinen Lebensverhältnisse unter der römischen Vorherrschaft führte diejdteingessenen Reicherijnjias Bündnis mit den neu sich etablierenden italischenJ^pitalistenimd Skdlem.X)ieeinenkonnten auf die Sicherung ihrer mderf Zeiten der sozialen Not schwankenden Position durch den Sieger nicht verzichten, die anderen waren mit den traditionellen Maximen der römischen Politik groß geworden, die immer den besitzenden Schichten (vor allem im Osten) den Rücken gestärkt hatte. Die sozialen Kontakte dieser Klassen bei ihrer Arbeit, der Verteilung des Eigentums und der Einnahmen sowie bei der Entwicklung der Modalitäten des Austausches von Gütern und Diensten fügten in der späten Republik die gesellschaftlichen Schichten fest zusammen, die vor dem Hintergrund eines wachsenden sozialen Druckes in der Aufrecht erhaltung der römischen Herrschaft die beste Garantie ihres Lebens ohne wirtschaftliche Sorgen und soziale Umbrüche sahen. Die soziale Stabilität und das wirtschafdiche Laisser-faire werden die feste Klammer des Imperiums. Seit Augustus erhält es schließlich auch die Organisationsform, die es nach außen wirksam schützen und im Inneren die Konstanz der sozialen Struktur wahren konnte.
Literatur- und Abkürzungsverzeichnis (aufgeführt sind nur die häufiger benutzten Werke, die anderen Titel sind in den Fußnoten zitiert) F. F. ABBOTT-A. C H . JOHNSON: Municipal Administration in the Roman Empire, 1926 (Municipial Administration) S. ACCAME: Il dominio romano in Grecia dalla guerra acaica ad Augusto, 1946 (Il dominio) A. E. ASTIN: Scipio Aemilianus, 1967 E. BADIAN: Foreign Clientelae (264-70 B.C.), 1958 (FC) E. BADIAN: Roman Imperialism2, 1968 (RI) E. BADIAN: Publicans and Sinners. Private Enterprise in the Service of the Roman Republic, 1972 H. BERVE: König Hieron IL, Abh. Bayr. Ak. Wiss., phil.-hist. Kl. N . F . 47, 1959 J. BLEICKEN: Staatliche Ordnung und Freiheit in der römischen Republik, 1972 J. BLEICKEN: In provinciali solo dominium populi Romani est vel Caesaris, Chiron 4 (1974) S. 359 ff. J. BLEICKEN: Lex publica. Gesetz und Recht in der römischen Republik, 1975 (Lex publica) P. A. BRUNT: Italian Manpower 2 2 5 B . C . - A . D . 14, 1971 (It. Manpower) " ~ ' " " " J. CARCOPINO: La loi de Hiéron et les Romains, 1914 V. CHAPOT: La province romaine proconsulaire d'Asie dépuis des origines jusqu'à la fin du Haut-Empire, 1904 (La province d'Asie) W. DAHLHEIM: Struktur und Entwicklung des römischen Völkerrechts im dritten und zweiten Jhdt. v. Chr., Vestigia 8, 1968 (Vf., Struktur) J. DEININGER: Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit von Augustus bis zum Ende des dritten Jahrhunderts n. Chr., Vestigia 6, 1965 J. DEININGER: Der politische Widerstand gegen Rom in Griechenland 217-86 v. Chr., 1971 (Widerstand) A. DONATI: I Romani nell'Egeo, Epigraphica 27 (1965) S. 9ff. R. M. ERRINGTON: The Dawn of Empire, 1971 H. GALSTERER: Untersuchungen zum römischen Städtewesen auf der iberischen Halb insel, 1971 J. GÖHLER: Rom und Italien. Die römische Bundesgenossenpolitik von den Anfängen bis zum Bundesgenossenkrieg, 1939 K. GÖTZFRIED: Annalen der Römischen Provinzen beider Spanien von der ersten Besetzung durch die Römer bis zum letzten großen Freiheitskampf, Diss. Erlangen 1907 E. S. GRUEN: The Last Generation of the Roman Republic, 1974
Literatur- und Abkürzungsverzeichnis
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Literatur- und Abkürzungsverzeich.^
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Abkürzungsverzeichnis (Die Abkürzungen für die Zeitschriften sind die üblichen) ARS Anatol. Stud. Degrassi, Inscr. Lat. lib. reip. Diz. Ep. ESAR
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A. Degrassi, Inscriptiones Latinae liberae rei publicae, 2 Bde. E. de Ruggiero, Dizionario Epigrafico di Antichità Romane T.Frank u.a., An Economie Survey of Ancient Rome, 4Bde., 1933-1944 FGrHist F. Jacoby, Die Fragmente der griechischen Historiker FIRA I 2 Fontes Iuris Romani Antiqui I2, ed. S. Riccobono Inscriptiones Graecae IG Inscriptiones Graecae ad res Romanas pertinentes, ed- R. Cagnat u. a. IGR ILS Inscriptiones Latinae Selectae, ed. H. Dessau Insc. Cret. Inscriptiones Creticae, ed. M. Guarducci IPEI2 Inscriptiones Antiquae Orae Septentrionalis Ponti Euxeni Graecae et Latinae I 2 , 1916, ed. B. Latyschev Insc. Ital. Inscriptiones Italiae I. von Priene Inschriften von Priene, ed. F. Hiller von Gaertringen IvP Die Inschriften von Pergamon, ed. M. Fränkel Milet I 3 Milet. Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899 I 3: G. Kawerau-A. Rehm, Das Delphinion in Milet, 1914 F. G. MAIER Griechische 'Mauerbauinschriften, '2 Bde.", T959 MRR The Magistrates of the Roman Republic, 2 Bde., besorgt von T. R. S. Broughton, 1951/52 OGIS Orientis Graeci Inscriptiones Selectae, ed. W. Dittenberger ORF 2 H. Malcovati, Oratorum Romanorum Fragmenta2, 1955 Rend. Ist. Lomb. Rendiconti dell'Istituto Lombardo SEG Supplementum Epigraphicum Graecarum SGDI H. Collitz-F. Bechtel, Sammlung der griechischen Dialektinschriften, 4 Bde. Syll. 3 Sylloge Inscriptionum Graecarum, ed. W. Dittenberger TAM Tituli Asiae Minoris C. B. WELLES, RC Royal Correspondence in the Hellenistic Period, 1934
Personen- und Sachregister Abdera, thrakisch 205, 221(24), 229, 230(50) Abtretung, vertragliche 20 Achäer, Achäischer Bund 115,123ff., 128ff., 251(129) Achaia 128 ff., 149(33), 174(2) Aegatische Inseln 20 f. Aelius Aristides 135(177), 312 AemiliusPaullus, L. (cos. 168) 121,122,257f. Aemilius Scaurus, M. (pr. 56) 265, 268 Aeneaslegende 18(6) Afrika (Provinz Africa) 135ff., 170, 174(2), 215f.,276f., 280, 317(78) ager Gallicus 50 ager peregrinus 72, 216(4) ager publicus (in den Provinzen) 72, 126, 216(4), 147f., 239f. Agrarkrise, röm. 313f., 321 Agrarverfassung (Spaniens) 104 f. Aitoler, aitolischer Bund 60, 112ff. Akklamation, imperatorische 80(20) Akragas 16 f. Alexander, Alexanderideologie 134, 153f., 156, 165, 263, 273 Algerienpolitik Frankreichs 38, 304(40) Ambrakia (Freilassung 187 v. Chr.) 221 amicitia, Amicitiaverhältnisse 27, 29, 54f., 66, 78(11), 83, 111, 191f., 200f., 201(77), 218, 227, 255, 270, 271 Amisos (Neuordnung durch Lucullus u. Pompeius) 236, 280 Amphipolis, Proklamation 167 v. Chr. 257ff. Amtsjahr der Konsuln 287(10) Andriskos-Auf stand 120 Antiocheia (Freilassung durch Pompeius) 275 Antiochos III., seleukid. Kg. 110, 113, 114f., 178, 194ff., 200, 202 Antiochos XIII., seleukid. Kg. 275(217) M. Antonius (cos. 99) 146f. M. Antonius (Mark Anton) 154, 165, 180, 262f., 270f., 278, 304(39) Antonius Creticus, M. (pr. 74) 148, 149(33)
Apameia, Neuordnung von, 194ff., 198, 199(67), 234, 251(129), 269 Aphrodisias u. Plarasa (unter M. Antonius) 180f., 256 Apollonia, illyrisch (167 v. Chr.) 259(155) Apollonis (Streit mit einem röm. Negotiator) 240, 245(106) Appuleius Decianus, Negotiator 240, 245(106) Appuleius, L. Saturnius (tr. pl. 99) 142, 149f. M.' Aquillius (cos. 129) 209, 218 Arabien (seit Pompeius) 267f., 269 Aretas III., Nabatäerfürst 267f. Ariovist 161, 163(73) Aristokratie (Herrschaftsvermögen) 2, 5, 36f.(61), 65ff., 107, 117, 120, 132ff., 138f., 143, 155ff., 165f., 171, 172, 285ff., 294-303, 319, s. auch Senat Aristonikos-Aufstand 139f., 179, 202(78), 207,209,217,225" Armenien (seit Pompeius) 269, 270 Asia (Provinz) 174(2), 207ff., 217ff., 269f. Assimilation, s. Führungsschichten Asylie, Asylieverträge 36, 178, 246(111), 247 Atilius Regulus, M. (cos. 256) 47, 51 f. Attaliden, Attalidenreich 138(1 u. 2), 139f., 194, 196f., 207ff., 217f. Attalos III., Kg. von Pergamon 139f., 170, 207f. Attisch-Delischer Seebund 9, 71(149), 133 Augustus 3, 68, 143, 165, 168, 172f., 182(26), 183, 278, 312(65), 317f., 321 Ausbeutung 30, 37, 62f., 84(37), 88f.(55), 91 f., 104f., 167, 174, 234, 288, 289, 296, 297f., 302 Auslieferungsbestimmungen 219(18) Auswanderung (aus Italien) 143f., 220f., 231, 240, 306(44), 317(78), 320ff., s. auch Soziale Veränderungen
Personen- und Sachregister Autonomie (völkerrechtliche) 176f., 180, 182f., 187, 192, 198, 242, 264 Autonomie (der Unterworfenen) 36, 46, 63, 64f., 72, 128, 133, 134f., 264, 278ff. Baibusprozeß, 56 v. Chr. 183f., 310f., 316f. Balkanpolitik, röm. 112, 122f., 233, 258 Befestigungsverbot 96, 205f., 219 Begriffe (Verwendung moderner) 10f. Besitzrecht 250 f. Bewußtsein, Bewußtseinsänderung 9, 108f., 131ff., 185, 313-319,320 Bithynien 140, 280 Bürgerrecht, Bürgerrechtspolitik 70f., 144, 182(25), 183(28), 302, 303-319, 320 Bocchus, mauretan. Kg. 137 Bodenrecht 72 Brogitaros, Trokmerfürst 269 Bundesgenossenkrieg 314 f. Caecilius Metellus, Q. (cos. 143) 120f.(130) Caesar (Gaius Julius C.) 143, 151(38), 154, 155(49), 156, 158, 160ff., 173, 180, 181, 243, 245f., 262f., 270, 275, 276f., 280, 305f., 317 Calpurnius Piso, L. (cos. 58) 232f., 235(78), 262 Carteia (latin. Kolonie) 94 f. Cato d. Ä. (M. Porcius C.) 88ff., 134(172), 258 Cato d. J. Uticensis 155(49), 162f., 166(82), 302 " - ."-Cenomanen (Oberitalien) 50, 55, 311(63) Chios (Freilassung) 230f., 233 Cicero (M. Tullius C.) 132, 144, 156, 165, 166, 183f., 232(60), 299(30), 310f., 316f. civitates foederatae 174 ff., 178 ff., 233, 253f.,310f. civitates liberae 8, 175(3), 178f., 183, 186ff., 190f., 198f., 200ff., 213ff., 217ff., 226ff., 235f., 236ff., 243ff., 248, 252ff., 256, 273ff., 281 f., 305,310f.,315 civitates stipendiariae 187, 198, 215, 243, 245, 246f., 310 Claudius, Kaiser (Bürgerrechtspolitik) 312 Claudius Marcellus, M. (cos. 214) 59ff., 174f., 176, 281 Claudius Marcellus, M. (cos. 152) 98(84), 99 Claudius Pulcher, C. (cos. 92) 211 coloniae foederatae 184 commune Siciliae 218(17), 223 conventus Romanorum 222'"17), 317(78)
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Cornelius Marcellinus, Cn. (cos. 56) 148 Crassus (M. Licinius C.) 154, 155(49), 163, 165, 270 Culchas (iberischer Fürst) 90(57) Curtius Lupus (Quästor 24 n. Chr.) 33 f. Cypern (Annektion 58 v. Chr.) 162f. Cyrenaica 145ff., 210ff., 317f. Dämon (aus Patrai) 128 f. Dedikationen 134, 203, 246 Dedition 9, 21(14), 43f., 45f., 72, 81, 136, 209, 224, 250f., 257 (Rechtswirkung) Deiotaros, Kg. der Galater 243, 269, 270 Delos 145, 306(44), 320 Dereliktion 22 f. dignitas der großen Einzelnen 66, 166, 301 Diodoros Pasparos, Pergamener 225(35) Dominus Ahenobarbus, Cn. (cos. 122) 128 Doppelbürgerrecht 310(58) Dyme (Sozialrevolte) 124(146), 125, 127f., 130, 131 Ebro (als Grenze) 51 Edekon, Edetanerfürst 78(11) Effektivität, Grundsatz der 22. 66, 173, 303 Einflußsphären, maritime 12, 15 Einquartierungen röm. Truppen 202, 240, 241 f., 243, 256(139) Einzelpersönlichkeit, große 142f., 156f., 165f., 235f., 254, 270, 272L, 297, 300f., 307, 309 Elaia (Grenzstreit mit Pergamon) 246 Elateia, ^>hokisch 206 Ephesos (Freilassung durch Sulla) 233 f. Epikratie, karthagische 25ff., 42ff., 64, s. auch Sizilien Eroberung (Rechtswirkung) 9, 28(35), 44f., 72, 250 f. Eryx (im 3. Jhdt. v. Chr.) 18(6), 20(13), 42(75), 43(80) Eumenes IL, Kg. von Pergamon 194(55), 195, 196f., 206(91) exempla maiorum 284, 286, s. auch Staats verständnis C. Flaminius (cos. 223) 50(101), 52(111) Flamininus (Titus Quinctius F.) 111 ff., 122, 124(145), 131, 138, 193,258 Flottenpolitik, röm. 13, 32, 47, 52(109) foedus 174ff., 182, s. auch Vertrag u. civi tates foederatae foedus Cassianum 182(26) formula amicorum 201
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Personen- und Sachregister
Freiheit (Begriff) 7ff., 133 Freiheit (als Erfahrungswert) 7ff., 193, 242, 253 Freiheitserklärungen 112f., 129, 131, 133, 178, 181, 182f., 185f., 190ff., 193ff., 207f., 210f., 257 Freilassungsakte (Restitution) 188f., 191, 205f., 226f., 228f., 230, 233f., 237ff., 249ff., 256ff. Friedensgedanke 305 Friedensvertrag mit Antiochos III. 188 v. Chr. 21(14), 23, 145, 194f., 202, 261 Friedensvertrag mit Hieron II. 263 v. Chr. 13, 15, 16(5), 21(14), 63(139), 64(141) Friedensvertrag mit den Ilergeten 81 f. Friedensvertrag mit Karthago 241 v. Chr. 19-28, 46f., 59(124) Friedensvertrag mit Karthago 238/37 v. Chr. 46f., 59(124) Friedensvertrag mit Karthago 201 v. Chr. 21(14), 28(35), 78(13), 85(40), 99(88), 255, 261 Friedensvertrag mit Mithradates VI. 85 v. Chr. 21(14), 131(167) Friedensvertrag mit Nabis 195 v. Chr. 21, 115(122) Friedensvertrag mit Philipp V. 197 ν. Chr. 21, 112ff. Friedensvertrag mit Teuta 228 v. Chr. 21(14), 54f., 260f.(157) Friedensverträge mit ital. Gemeinden 23 Friedensvertrag" zwischen Dionysios I. u. Karthago 43 Führungsschichten der Unterworfenen 168, 185, 304ff.,313ff., 320 Fürsorge Roms für die Unterworfenen 94f., 171, 173, 218, 302 fundus fieri 183(28) Furius Purpureo, L. (cos. 196) 60 A. Gabinus (cos. 58) 266, 270, 280(234) Gades 79, 82, 84, 88, 89, 183f., 306(44) Gallia Cisalpina (Norditalien) 32f., 34, 55ff., 66, 144, 162,311(63) Gallia Comata 167(90), 168 Gallia Narbonensis 128f., 141 ff., 162, 167(90), 168, 321 Gallien, Gallier (in Frankreich) 144, 156, 158, 160ff., 167f., 172, 262f. Gauda, numid. Kg. 137, 140 Gebietshoheit, Territorialhoheit 71(149), 188f., 216, 224
Geiseln 20(9), 56(117), 81,255 Genthios, illyr. Kg. 259f. Gerichtsbarkeit, s. Rechtssprechung Gerichtshoheit 181(22), 214, 216, 222, 230ff. Gerichtsorte in den Provinzen 221 ff. Getreideversorgung 33, 37, 61(132), 62, 84(38), 153(41), 188(40) Gewalt als Teil der Herrschaft 5ff., 107, 109, 168ff.,283, 312 Gaius Gracchus (C. Sempronius G.) 141, 220(23), 290f., 300, 301(34) Tiberius Gracchus (Ti. Sempronius G.) 142, 208(98) · Grenzregulierungen 246 Haeduer 161, 163(73), 167 Hafenzölle 37, 188(40), 220f., 237(83), 241 Haliärtos, böotisch 205 f. Hamilkar Barkas 19ff., 47(90), 51 Hannibal61, 103f., 111, 169 Hasdrubal 51 Hasta, spanisch 251(129f.) Heeresfolge der civitates liberae 202, 205, 271 Heeresfolge der Provinzialen 24(23), 188(40) Helvetier 161, 163(73) Herakleia am Latmos 194(54) Herakleia, pontisch 236f., 244, 280 Herodes 271 Herrschaft (Begriff) 4ff., 8ff. Herrschaftsideologie 72(150), 107, 132(170), 134(172), 135(177), 154f., 171, 172f., 204, 263, 273, 297 Herrschaftsrechte über untertänige Gebiete 234 Herrscherkult 204 Hierapytna, kretisch 201(76) Hieron IL, Kg. von Syrakus 14f., 17, 21(14), 24ff., 37, 41(69), 42, 61, 63ff. Hoheitsrechte der Provinzialen 279, 280 Homonoia 219(18) Hyrkanos, Hohepriester 265 f. Ilipa, Schlacht von 79, 80(19) Illyrien 24(23), 47(90), 53f., 66, 83, 191, 204f. (229/28 v. Chr.); 122f., 216(4), 257ff. (168-146 v. Chr.) Immunität 181(22), 182, 187, 188, 200, 214, 216, 225, 234, 242, 255-261, 262, 272, 274, 276, 306ff., 315ff. Imperium 49(96), 75f,, 147 ' '9
Personen- und Sachregister Imperium Romanum 1, 5, 71(148), 152 ff., 172f., 183f., 185, 297, 301, 314f., 318f., 320 ff. Indibilis, Ilergetenfürst 78, 81 Inkompatibilität der Bürgerrechte 310(58) Inkorporation 70 f. Insubrer 311(63) Isopolitieverträge 199(69) Italica (am Baetis) 79(18), 84 Italien (als polit. Begriff) 57f. Italien, Italiker 168f., 170f., 313ff., 321, s. auch Wehrgemeinschaft, Italische Iunonia (Kolonie) 141 Juba, numid. Kg. 271 Judäa (seit Pompeius) 265ff., 268f., 277, 280 Jugurtha, numid. Kg. 137, 140 Kallikrates, Achäer 118 Kapitalanleihen der Provinzialen 232(60), 239 Kappadokien 140f., 269 Karer, Karien 199 Karneades, Philosoph 134(172), 299 Karthago 12-19 (1. Krieg mit Rom); 19-28 (Friedensschluß); 46ff., 51 f. (241-220 v. Chr.); 77ff., 83ff., 189 (2. Krieg mit Rom); 101 f., 135ff., 170, 219(18) (im 2. Jhdt.) Kelten (in Oberitalien) 12, 19, 37, 50ff., 55 ff. Keltiberer 90, 91(61), 95(75), 99 Kilikien (Provinz Cilicia) 146f., 166, 280 Kimbernkrieg 144, 172 Kleinasien seit 188 v. Chr. 140f., 159, 176(7), 191, 194ff., 198ff., 207ff., 217ff., 226ff.,261f.,268ff. Klientel 19(8), 141 ff., 166, 168(90), 287, 298, 299 Klientelstaaten 261-273 Knidos (foedus mit Rom) 177, 182(26), 183, 231(54), 243 Koina, heilenist. 39f. Koinon, asiatisches 223 Kolchis 269 Kolonisation 70 (griechische K.); 13, 38, 57, 70 (römische K.); 168 (in Italien); 141 ff. (außerhalb Italiens) Kommagene 269 Kommanden, große 149, 152f., 156ff., 162, 163, 270, 289f., 294, 300
329
Konfliktsteuerung 107 Korinth (146 v. Chr.) 123, 125, 126 Korkyra 53f., 110, 204f., 259(155) Koroneia, böotisch 205 f. Korsika 46 ff. Kos (Asylieabkommen) 36 Kreta (im 1. Jhdt. v. Chr.) 146f., 148f., 152 Kriegsbeute 89(55) Kriegskosten 91, 255, 260f., 264(165), 268, 271 Kriegsrecht 29, 46 Kulturgefälle 132 f. Kyrene (nach 96 v. Chr.) 210(104), 211 Kyreneedikt, drittes 317f. Lampsakos (amicitia) 201 Lentulus Marcellinus, P. (quaest. 74) 147f. lex (als Instrument innenpolit. Auseinander setzung) 151, 157, 158, 160, 293f. lex data 174(2), 293 lex provinciae 293 lex Acilia Minucia 201 v. Chr. 293(20) lex agraria von 111 v. Chr. 215f., 276 lex Antonia, 70 v. Chr. 220f., 231(55), 236ff., 252(130), 256(139) lex Baebia, 181(?) v. Chr. 287f. lex Calpurnia 149 v. Chr. 290f. lex Claudia 218 v. Chr. 36f., 62 lex Clodia de provinciis consularibus, 58 v. Chr. 232, 235(78) lex Cornelia de maiestate, 81 v. Chr. 151, 161,289 lex Gabinia Calpurnia, 58 v. Chr. 155 lex Gabinia de imperio Cn. Pompeii, 67 v. Chr. 150, 157, 265(171) lex Gellia Cornelia, 72 v. Chr. 307(49) lex Hieronica 37f.(64), 61ff., 65, 72f., 175(4), 187, 188f., 214 lex Julia, 90 ν. Chr. 57, 184(31) lex Julia repetundarum, 59 v. Chr. 232f. lex de piratis, 100 v. Chr. 149ff. lex Porcia, vor 72 v. Chr. 240f. lex Rupilia, 132 v. Chr. 174f., 188(40) lex Sempronia de provinciis consularibus 292 f. Lilybäum 30-35 Licinius Crassus, L. (cos. 95) 141 Liparische Inseln 20 f. Lucullus (L. Licinius L.) 159, 160, 211 f., 236, 275(217) Lusitaner 79(18), 90, 95(75), 96f. Lutatius Catulus, C. (cos. 242) 19ff.
330
Personen- und Sachregister
Lutatius Cerco, Q. (cos. 241) 20 Lykier, Lykien 176(7), 199(67), 251(129), 252
234,
Macht (Begriff) 4 Magistratur 48f., 52f., 65, 66f., 143, 151, 169 (Funktionen im Herrschaftsbereich); 284-294 (Verhältnis zum Senat) Makedonien HOff., 117ff., 129f., 136* 145, 257f. (215-148 v. Chr.) 120ff., 138f., 174(2) (Provinzialisierung) Makedonischer Krieg, Erster 42 Makedonischer Krieg, Zweiter 60(128), 86(44), 110-114, 193 Makedonischer Krieg, Dritter 205f., 219(18) Mamertiner 14ff., 42 Mandonius, Ilergetenfürst 81 Manlius Vulso, Cn. (cos. 189) 270(193), 296 C. Marius 142f., 149(35), 307 Massilia 51, 82f., 141, 217(12) Massinissa, numid. Kg. 95(75), 135(178), 136f., 250 Meer (Bedeutung des) 12f., 47f. Messana 14ff., 24f., 27, 28, 39, 175f. Messene 130(166) Metellus (Q. Caecilius M., cos. 69) 148f., 152, 160 Milet (Festkalender) 204(83) Militärhilfe 24(23), 41, 80, 128f., s. auch Heeresfolge Militärpakt ,78 Militarisierung (der Gesellschaft) 142 f., 296 ff. Mithradates VI. Eupator, Kg. von Pontos 69, 140, 146, 153, 157f„ 159, 245, 271(202), 275 Mithradates aus Pergamon 245 Mithradatischer Krieg 204, 216(8), 227ff., 238 Morgantina 59(126) mos maiorum 155f., 171(91), 302, s. auch Staatsverständnis Mucius Scaevola, Q. (cos. 95) 199(69), 223, 302 munera, städtische 306f., 317f. municipia foederata 184 Munizipien 70(145), 281(236), 309 Münzhoheit 36, 199f., 280(235) L. Mummius (cos. 146) 120f.(130), 123f. Mytilene (Verhältnis zu Rom) 177, 181 f., 182(26), 201(77), 243f., 304ff., 316, 317 Myttones 61
Narbo Martius (latin. Kolonie) 141 ff. Nero (Griechenlandpolitik) 262 Neton, sizilisch 175f., 176(6) Nikomedes II., bithynischer Kg. 140 nostrum mare 153 Numantia 98, 99 f. Numidien 136f., 140, 250, 271 Okkupation 22f., 27f., 45 orbis terrarum 155 Oropos 126(157) Ostia 32 ff. Ostpolitik, römische 21, 191 f., 214f., 298 Paphlagonien 140, 146, 269 Parteigänger Roms 116 f., 205 f. Partherreich 163, 165, 172, 275(217) Pergamon 110f., 179, 194ff. (200-113 v. Chr.); 139ff., 207ff., 217f., 225(35), 231(56), 245ff., 311(64) (133-Kaiserzeit) Perseus, Kg. von Makedonien 117, 257 Phanagoreia, bosporanisch 275 Pharos, illyrisch 259(154) Philipp V., Kg. von Makedonien 42, 11 Off., 122, 193, 197(64) Polybios u. die röm. Expansion 2, 134, 201(76), 295 Pontos 159, 269, 280 Populären, populäre Politik 300ff. Q. Pompeius (cos. 141) 98 Cn. Pompeius Magnus 148, 149, 152ff., 157ff., 161, 165, "168, 170, 173, 243, 244, 245, 262-282 Poseidonios 2 Prohibitivbestimmungen 19ff., 24(23) Postumius Albinus, L. (cos. 229) 24(23) Potamon aus Mytilene 243, 305(41) Präliminarvertrag mit Karthago 241 v. Chr., 19ff. Prätor, s. Statthalter Prätor peregrinus 49(96) Prätur (Einrichtung) 49(96) Prekarität 247-254 Prokuratoren 277f. Prorogation 84(36), 288 Provinziallandtage 223 Prusias II., Kg. v. Bithynien 89f.(57), 201(76) Ptolemäerreich 145 f., 147, 162 f. Ptolemaios Apion, Kg. der Cyrenaica 147, 210f. Ptolemaios Euergetes II ypt. Kg. 147
Personen- und Sachregister publicani 126(157), 129, 146, 211(106), 218(17), 220, 224, 225(35), 235(78), 236f., 241, 243, 244f., 291f.(17), 302, 320f. Punischer Krieg, Erster 12-28, 30, 41 ff., 49(96), 186(38) Punischer Krieg, Zweiter 25, 37, 41(71), 59ff., 61(133), 77ff., 297 Punischer Krieg, Dritter 85(39), 95(75), 135ff. Pyrrhos, Kg. 14, 31 f., 195(56) quaestiones perpetuae 290 f. Quästor 30-35 Quästor extra ordinem 148 quaestores classici 31 ff. Rechtsfrage, außenpolit. 163 f. Rechtsprechung (in den Provinzen) 188(40), 222f., 224, 231 f. regna reddita 272 f. Reich (Begriff) 9f. Reichsdenken 153f., 163ff., 272f. Reichseinheit 153f., 156f., 170, 172f., 190, 215, 278 Repetundenprozesse 76, 94, 290f., 292, 293(20), 302 Requisitionen 240 f. Rheingrenze 164 Rhodos HOff., 176(7), 177, 197, 199(67), 252 (200-164 v. Chr.); 145, 150f., 228(45) {164-30 v.Chr.) '..,. _ _ Ritterstand 291 f., 300 Roma (Kulte, Tempel) 203 f. Romanisierung 109f., 143f., 220, 227, 311(63), 319ff. Rückzugsverpflichtung, vertragliche 21 Sampsigeramos, Phylarch in Emesa 267 Sardinien 27, 46ff., 53f. (264-225 v. Chr.), 52f., 55, 59(124) (Provinzialisierung) SC über Aphrodisias, ca. 30 v. Chr. 232 SC de agro Pergameno 133 v. Chr. 208f., 218(17), 225(35), 246f. SC de Asclepiade, 78 v. Chr. 201(77), 216f., 307f. 310(58) SC über Chios, 80 v. Chr. 230f. SC über Oropos 73 v. Chr. 126f.(157) SC über Stratonikeia, 83/82 v. Chr. 228 f. SC über Tabai, nach 84 v. Chr. 229(47) SC über Thasos, nach 84 v. Chr. 229(49) SC für Thisbe, 171 v. Chr 305f., 251(129)
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Schiedsrichter (Rom als) 202f. Schutzbestimmung 22f., 25f. Scipio d. Ä. (P. Cornelius Sc. Africanus) 78ff., 84ff., 89(56), 132(168), 188(40), 293(20) Scipio d. J. (P. Cornelius Sc. Aemilianus)/ 99ff., 137(183), 298f. Scipio Nasica (P. Cornelius Sc. Corculum) 135(178), 209 Seeräuber 145 ff., 152 ff., 162, 170, 188(40), 306(44) Seeräubergesetz, 100 v. Chr. 149ff. Segeda-Krise, 154 v. Chr. 95 f. Seleukeia Pieria 178, 274 Seleukidenreich 145, 159, 194ff., 267, 275 Seleukos (aus Rhosos) 217, 307f., 310(58) Sempronius Gracchus, Ti. (cos. 177) 74(1), 90ff., 98, 219(18) Senat 67, 90, 95, 143, 151, 155, 157, 158, 160, 171, 197, 218, 240, 242, 249, 300 (Institution u. Herrschaftsfunktion); 284294 (Verhältnis zur Magistratur) Sertorius 33 Servilius Isauricus, P. (cos. 48) 232 f.(61), 246 f. Siegerrecht 45, 64, 72f., 250f. Silphium (Cyrenaica) 210 f. Sinope, pontisch 280 Sizilien 12-43, 186(38) (im 1. Pun. Krieg); 43-51 (241-225 v. Chr.); 52f., 55, 59(124), 61 ff., 69, 71, 75 (Provinzialisierung); 118, 174 ff., 186 ffrr-213l»..'281 .(Provinz Si zilien); 61 ff. (Wirtschaftsordnung) Sklavenhandel 146 Sklavenkriege 174 Smyrna 246, 247(117) socius (Begriff) 59 f. Söldnerkrieg, karthagischer 26 f., 47 Souveränität 60(127), 180, 183 f., 190 ff., 199, 205f., 219, 224, 231, 254, 255, 270, 274 Soziale Veränderungen durch die röm. Herr schaft 124f., 134, 143f., 178f., 207f., 220, 279f., 314f., 319-321 Spanien 40, 51 (unter den Barkiden); 77110, 136(180), 219(18) (Provinzialisierung) Staat (Begriff) 10(23) Staatsverständnis, röm. 71 f., 133,134, 284f., 294ff., 308f. Stadt, Stadtstaat 8ff., 39ff., 65, 68, 70ff., 91 f., 101, 109, 143, 159,206, 278 ff., 303, 315 ff. (als Subjekt und Objekt der Herr schaft)
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Personen- und Sachregister
Statthalter 38(64), 48f., 52f., 63, 65, 66f., 72, 75f., 86f., 90, 102, 105, 108f., 118, 130, 143, 151, 187, 218, 221 ff., 232, 247, 266, 281 f., 286ff. Straßenbau 122 f., 141,220 Steuerpflicht der Provinzialen 60ff., 72f., 87, 88f.(55), 94f., 121,126,129,130(166), 167, 175(4), 181 f., 188,195(55), 255,262,280f., 282, 305ff. Stratonikeia, karisch 228f., 235(76) Sulla (L. Cornelius S.) 127(157), 131(167), 142, 151, 154, 164, 165, 181(23), 211 f., 226ff., 234ff., 245, 262, 289f„ 293 Sulpicius Galba, Ser. (cos. 144) 97(82) Symmachie 26(28), 43(82), 64, 83 Syphax, numid. Kg. 77 Syrakus, Rechtsstellung seit 212 v. Chr. 59f., 189(45), 281 Syrien (seit Pompeius) 263ff., 273ff., 280ff. Syrischer Krieg 191/188 v. Chr. 114f., 194f. Tabai, karisch 219(18), 229 Tauromenion 175 f. Teos (Asylie) 178, 193(53), 196(59) Termessos, pisidisch (Rechtsstellung) 220f., 231(55), 236 ff. Territorialherrschaft 39ff., 65-73, 169, 171, 260 Terror 5, 296, 303 Testamente hellenist. Kge. 207 ff. Teuta, illyr. Kg.in 53 f. Thasos 201(77), 229, 230(50), 234 Theophanes aus Mytilene 243 f. Theopomp 307(47); Thisbe, böotisch 205 f. Tigranes I., Kg. von Armenien 269, 270, 274 Tribut s. Steuerpflicht Tribute (als ephemere Zahlungen) 225, 255, 259ff., 264ff., 27öff. Triumvirat 60 v. Chr. 158 Tullius Cicero, Q. (pr. 62) 132, 316 Tyros (Rechtsstellung) 274 Überseehandel 36 f. Untertänigkeit 45f., 60ff., 71 f., 108, 121, 127, 130, 186, 255, 262, 266f., 277-282, 288 Urbanisierung 106, 109, 159, 276(223), 279f. Utica 135f., 215f., 276 Valerius Laevinus, M. (cos. 210) 61 ff., 174 Veneter 50, 55
Venus von Eryx 18(6) Verfassung Roms 284 ff. Verfassungsänderungen in den unter worfenen Staaten 121, 124f., 127f., 129, 211f., 237f., 245, 246f., 259(151), 277^ 306(44) Verres 188(40) Vertrag s. auch Friedensvertrag Vertrag mit Amisos (seit Augustus) 185(37) Vertrag mit Gades 205 v. Chr. 82, 84, 88 Vertrag mit Hasdrubal 226 v. Chr. 51 Vertrag mit Indibilis, 208 v. Chr. 78 Vertrag mit Karthago, Erster 14 Vertrag mit Karthago, Zweiter 43 Vertrag mit Karthago, Dritter 14 Verträge mit den Kelten Oberitaliens seit 225 v. Chr. 56f., 311(63) Vertrag mit Knidos, nach 100 v. Chr. 177, 182(26) Vertrag mit Massilia 228/6 v. Chr. 51 Vertrag mit Messana 263 v. Chr. 24f., 39, 44, 175 f. Vertrag mit My tilene, nach 100 v. Chr. 177, 182 Vertrag mit Neton, nach 218 v. Chr. 175 f. Vertrag mit Rhodos 164/3 v. Chr. 177 Vertrag zwischen Sardes und Ephesos 98/97 v. Chr. 219(19) Vertrag mit Tauromenion, nach 218 v. Chr. 175 f. Vertrag mit Viriathus, 140 v. Chr. 99 Vertragspolitik, röm. 177 f. Verträge, Publikation der 179f., 181, 201 f. Vertragsrecht 199f., 219 Vertragsrecht, griechisches 22(17) Verwaltung 37, 42f., 49f., 63f., 67,109, 159, 187, 213, 220, 278f., 298f., 315f. Vespasian (Provinzialpolitik) 264 f. (166) Veteranen Versorgung 142 f. via Domitia 141 via Egnatia 122 f. Viriathus 97(83), 99 Volk (als Entscheidungsträger) 285, 299f., 301 f., 307, s. auch lex Völkerrecht, Normen des 154f.(49), 156f., 163 f. Wehrgemeinschaft, Italische 14, 16, 18, 25(26), 26f., 31 f., 36, 38, 39-44, 45, 54, 55ff., 66, 92, 106, 168f., 311(63), 313f. Weltherrschaft (Gedanke der) 2f., 154f., 164f., 172f., 273
Personen- und Sachregister Widerstand 6ff., 13, 168f., 171, 283, 302, 303, 313, 320 (allgemein); 167 (Widerstand der Gallier); 42, 111, 113, 125(147), 126, 129 (Widerstand der Griechen); 82, 89, 91, 103, 105f., 108, 169 (Widerstand der Spanier); 48 (Widerstand der Sarden) Wirtschaftsordnung des Mittelmeeres 144, 146,195(57), 218,220ff., 234f., 315, 320ff.
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Wirtschaftsordnung Siziliens, s. lex Hieronica Zehnmännerkommission, senatorische 20, 29, 100f., 120f.(130), 123f., 124(146), 137(183), 174, 193f., 209, 293 Zustimmung (der Beherrschten) 6, 108, 115, 134, 168f., 170, 171, 189, 304ff., 319ff.