Springer-Lehrbuch
Grundkurs Theoretische Physik Band 1 Klassische Mechanik 9. Auflage ISBN: 978-3-642-12947-6 Band 2 Analytische Mechanik 8. Auflage ISBN: 978-3-642-12949-0 Band 3 Elektrodynamik 8. Auflage ISBN: 978-3-540-71251-0 Band 4 Spezielle Relativitätstheorie, Thermodynamik 7., aktualisierte Auflage ISBN: 978-3-642-01603-5
Band 5/1 Quantenmechanik – Grundlagen 7. Auflage ISBN: 978-3-540-68868-6 Band 5/2 Quantenmechanik – Methoden und Anwendungen 6., überarbeitete Auflage ISBN: 978-3-540-26035-6 Band 6 Statistische Physik 6. Auflage ISBN: 978-3-540-68870-9 Band 7 Viel-Teilchen-Theorie 7., aktualisierte Auflage ISBN: 978-3-642-01605-9
Wolfgang Nolting
Grundkurs Theoretische Physik 2 Analytische Mechanik 8., aktualisierte Auflage
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Professor Wolfgang Nolting Humboldt-Universität zu Berlin Institut für Physik Newtonstraße 15 12489 Berlin Deutschland
[email protected]
Umschlagabbildung: siehe Seite 114
ISSN 0937-7433 ISBN 978-3-642-12949-0 e-ISBN 978-3-642-12950-6 DOI 10.1007/978-3-642-12950-6 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2002, 2004, 2006, 2011 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Satz und Herstellung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.de)
Allgemeines Vorwort Die sieben Bände der Reihe „Grundkurs Theoretische Physik“ sind als direkte Begleiter zum Hochschulstudium Physik gedacht. Sie sollen in kompakter Form das wichtigste theoretisch-physikalische Rüstzeug vermitteln, auf dem aufgebaut werden kann, um anspruchsvollere Themen und Probleme im fortgeschrittenen Studium und in der physikalischen Forschung bewältigen zu können. Die Konzeption ist so angelegt, dass der erste Teil des Kurses, Klassische Mechanik (Band 1) Analytische Mechanik (Band 2) Elektrodynamik (Band 3) Spezielle Relativitätstheorie, Thermodynamik (Band 4), als Theorieteil eines „Integrierten Kurses“ aus Experimentalphysik und Theoretischer Physik, wie er inzwischen an zahlreichen deutschen Universitäten vom ersten Semester an angeboten wird, zu verstehen ist. Die Darstellung ist deshalb bewusst ausführlich, manchmal sicher auf Kosten einer gewissen Eleganz, und in sich abgeschlossen gehalten, sodass der Kurs auch zum Selbststudium ohne Sekundärliteratur geeignet ist. Es wird nichts vorausgesetzt, was nicht an früherer Stelle der Reihe behandelt worden ist. Dies gilt inbesondere auch für die benötigte Mathematik, die vollständig so weit entwickelt wird, dass mit ihr theoretisch-physikalische Probleme bereits vom Studienbeginn an gelöst werden können. Dabei werden die mathematischen Einschübe immer dann eingefügt, wenn sie für das weitere Vorgehen im Programm der Theoretischen Physik unverzichtbar werden. Es versteht sich von selbst, dass in einem solchen Konzept nicht alle mathematischen Theorien mit absoluter Strenge bewiesen und abgeleitet werden können. Da muss bisweilen ein Verweis auf entsprechende mathematische Vorlesungen und vertiefende Lehrbuchliteratur erlaubt sein. Ich habe mich aber trotzdem um eine halbwegs abgerundete Darstellung bemüht, sodass die mathematischen Techniken nicht nur angewendet werden können, sondern dem Leser zumindest auch plausibel erscheinen. Die mathematischen Einschübe werden natürlich vor allem in den ersten Bänden der Reihe notwendig, die den Stoff bis zum Physik-Vordiplom beinhalten. Im zweiten Teil des Kurses, der sich mit den modernen Disziplinen der Theoretischen Physik befasst, Quantenmechanik: Grundlagen (Band 5/1) Quantenmechanik: Methoden und Anwendungen (Band 5/2) Statistische Physik (Band 6) Viel-Teilchen-Theorie (Band 7), sind sie weitgehend überflüssig geworden, insbesondere auch deswegen, weil im Physik-Studium inzwischen die Mathematik-Ausbildung Anschluss gefunden hat. Der frühe Beginn der Theorie-Ausbildung bereits im ersten Semester gestattet es,
die Grundlagen der Quantenmechanik schon vor dem Vordiplom zu behandeln. Der Stoff der letzten drei Bände kann natürlich nicht mehr Bestandteil eines „Integrierten Kurses“ sein, sondern wird wohl überall in reinen Theorie-Vorlesungen vermittelt. Das gilt insbesondere für die „Viel-Teilchen-Theorie“, die bisweilen auch unter anderen Bezeichnungen wie „Höhere Quantenmechanik“ etwa im achten Fachsemester angeboten wird. Hier werden neue, über den Stoff des Grundstudiums hinausgehende Methoden und Konzepte diskutiert, die insbesondere für korrelierte Systeme aus vielen Teilchen entwickelt wurden und für den erfolgreichen Übergang zu wissenschaftlichem Arbeiten (Diplom, Promotion) und für das Lesen von Forschungsliteratur inzwischen unentbehrlich geworden sind. In allen Bänden der Reihe „Grundkurs Theoretische Physik“ sollen zahlreiche Übungsaufgaben dazu dienen, den erlernten Stoff durch konkrete Anwendungen zu vertiefen und richtig einzusetzen. Eigenständige Versuche, abstrakte Konzepte der Theoretischen Physik zur Lösung realer Probleme aufzubereiten, sind absolut unverzichtbar für den Lernenden. Ausführliche Lösungsanleitungen helfen bei größeren Schwierigkeiten und testen eigene Versuche, sollten aber nicht dazu verleiten, „aus Bequemlichkeit“ eigene Anstrengungen zu unterlassen. Nach jedem größeren Kapitel sind Kontrollfragen angefügt, die dem Selbsttest dienen und für Prüfungsvorbereitungen nützlich sein können. Ich möchte nicht vergessen, an dieser Stelle allen denen zu danken, die in irgendeiner Weise zum Gelingen dieser Buchreihe beigetragen haben. Die einzelnen Bände sind letztlich auf der Grundlage von Vorlesungen entstanden, die ich an den Universitäten in Münster, Würzburg, Osnabrück, Valladolid (Spanien), Warangal (Indien) sowie in Berlin gehalten habe. Das Interesse und die konstruktive Kritik der Studenten bedeuteten für mich entscheidende Motivation, die Mühe der Erstellung eines doch recht umfangreichen Manuskripts als sinnvoll anzusehen. In der Folgezeit habe ich von zahlreichen Kollegen wertvolle Verbesserungsvorschläge erhalten, die dazu geführt haben, das Konzept und die Ausführung der Reihe weiter auszubauen und aufzuwerten. Die ersten Auflagen dieser Buchreihe sind im Verlag Zimmermann-Neufang entstanden. Ich kann mich an eine sehr faire und stets erfreuliche Zusammenarbeit erinnern. Danach erschien die Reihe bei Vieweg. Die Übernahme der Reihe durch den Springer-Verlag im Januar 2001 hat dann zu weiteren professionellen Verbesserungen im Erscheinungsbild des „Grundkurs Theoretische Physik“ geführt. Herrn Dr. Kölsch und seinem Team bin ich schon jetzt für viele Vorschläge und Anregungen sehr dankbar. Meine Manuskripte scheinen in guten Händen zu liegen. Berlin, im April 2001
Wolfgang Nolting
Vorwort zu Band 2 Das Anliegen der Klassischen Mechanik besteht in dem Aufstellen und Lösen von Bewegungsgleichungen für Massenpunkte, Systeme von Massenpunkten, Starre Körper auf der Grundlage möglichst weniger Axiome und Prinzipien. Letztere sind mathematisch nicht streng beweisbar, sondern stellen lediglich bislang widerspruchsfreie Erfahrungstatsachen dar. Man könnte natürlich fragen, warum man sich heute noch mit Klassischer Mechanik beschäftigt, obwohl diese doch wohl in den seltensten Fällen noch einen direkten Bezug zur aktuellen Forschung aufweist. Sie bildet jedoch die unerlässliche Basis für die modernen Richtungen der Theoretischen Physik, d. h., diese bauen auf der Klassischen Mechanik auf und sind ohne sie nicht verständlich zu machen. Ferner gestattet sie im Zusammenhang mit relativ vertrauten Fragestellungen eine gewisse „Gewöhnung“ an mathematische Lösungsverfahren. So haben wir im ersten Band dieses „Grundkurs Theoretische Physik“ im Zusammenhang mit der Newton-Mechanik den Einsatz der Vektoralgebra intensiv geübt. Warum befassen wir uns in diesem zweiten Band nun aber noch einmal mit Klassischer Mechanik? Die „Analytische Mechanik“ des vorliegenden zweiten Bandes behandelt die Formulierungen nach Lagrange, Hamilton und Hamilton-Jacobi, die gegenüber der Newton-Mechanik zwar keine „neue Physik“ beinhalten, methodisch jedoch eleganter sind und einen direkteren Bezug zu weiterführenden Disziplinen der Theoretischen Physik, wie der Quantenmechanik, erkennen lassen. Die Zielsetzung des vorliegenden Bandes 2 entspricht der des gesamten Grundkurses: Theoretische Physik. Es soll sich um einen direkten Begleiter des Grundstudiums zum Physik-Diplom bzw. des Bachelor/Master-Studienprogramms handeln, der es ermöglicht, Techniken und Konzepte der Theoretischen Physik zunächst ohne aufwendige Sekundärliteratur verstehen zu lernen. Zum Verständnis des Textes wird lediglich das in Band 1 Erarbeitete vorausgesetzt. Mathematische Einschübe werden immer dann in kompakter und zweckgerichteter Form gebracht und geübt, wenn es für die weitere Entwicklung der Theorie unerlässlich erscheint. Das Manuskript zu diesem Buch ist aus mehreren Vorlesungen entstanden, die ich in der Vergangenheit an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Humboldt-Universität zu Berlin gehalten habe. Nach seinem Erscheinen, zunächst im Verlag Zimmermann-Neufang, dann später und bis heute im Springer-Verlag, haben mir zahlreiche Studierende und Dozenten durch Vorschläge zur Verbesserung einzelner Passagen sehr geholfen. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Die jetzt vorliegende 8. Auflage besitzt gegenüber den früheren Auflagen ein stark
erweitertes Aufgabenangebot. Die Zusammenarbeit mit dem Springer-Verlag, insbesondere mit Herrn Dr. T. Schneider, war stets fair und konstruktiv und deshalb sehr erfreulich. Berlin, im September 2010
Wolfgang Nolting
Inhaltsverzeichnis 1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.5 2 2.1 2.1.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.4
Lagrange-Mechanik Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten . . . . . . . . . . . . Das d’Alembert’sche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lagrange-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verallgemeinerte Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht-holonome Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungen der Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Hamilton’sche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formulierung des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elemente der Variationsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lagrange-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung des Hamilton’schen Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homogenität der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homogenität des Raumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Isotropie des Raumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamilton-Mechanik Legendre-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kanonische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamilton-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modifiziertes Hamilton’sches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzip der kleinsten Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fermat’sches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jacobi-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Poisson-Klammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 12 12 21 31 34 37 40 45 60 61 64 71 74 77 79 81 84 87 90 92
98 101 101 101 105 111 112 112 115 119 120 125
2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6 2.6 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.7 3.8
Darstellungsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fundamentale Poisson-Klammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formale Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrale der Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezug zur Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kanonische Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die erzeugende Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Äquivalente Formen der erzeugenden Funktion . . . . . . . . . Beispiele kanonischer Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriterien für Kanonizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamilton-Jacobi-Theorie Hamilton-Jacobi-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lösungsmethode .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamilton’sche charakteristische Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Separation der Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungs- und Winkelvariable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periodische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungs- und Winkelvariable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Kepler-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bohr-Sommerfeld’sche Atomtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Übergang zur Wellenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wellengleichung der Klassischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . Einschub über Lichtwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ansatz der Wellenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungen der Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125 129 132 134 135 137 140 140 145 148 152 156 158 163
170 173 178 181 187 187 190 194 201 203 204 205 209 211 214 216 219
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325
Kapitel 1 Lagrange-Mechanik
1
1
1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.5
Lagrange-Mechanik Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten . . . . . . . . . . . . Das d’Alembert’sche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lagrange-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verallgemeinerte Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht-holonome Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungen der Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Hamilton’sche Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formulierung des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elemente der Variationsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lagrange-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung des Hamilton’schen Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erhaltungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homogenität der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homogenität des Raumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Isotropie des Raumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 12 12 21 31 34 37 40 45 60 61 64 71 74 77 79 81 84 87 90 92
3
1 Lagrange-Mechanik 1.1 Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten
1.1
Die Newton-Mechanik, die Gegenstand der Überlegungen des ersten Bandes der Reihe Grundkurs: Theoretische Physik war, befasst sich mit Systemen von Teilchen (Massenpunkten), von denen jedes durch eine Bewegungsgleichung der Form mi¨ri = F (ex) + F ij (1.1) i j =/ i
beschrieben wird. F (ex) ist die auf Teilchen i wirkende äußere Kraft, F ij die von Teili chen j auf Teilchen i ausgeübte (innere) Kraft. Bei N Teilchen ergibt sich aus (1.1) ein gekoppeltes System von 3N Differentialgleichungen 2. Ordnung, dessen Lösung die Kenntnis hinreichend vieler Anfangsbedingungen erfordert. Die typischen physikalischen Systeme unserer Umgebung sind jedoch häufig keine typischen Teilchensysteme. Betrachten wir einmal als Beispiel das Modell einer Kolbenmaschine. Die Maschine selbst besteht aus praktisch unendlich vielen Teilchen. Der Zustand der Maschine ist aber im Allgemeinen bereits durch Angabe des Winkels ϕ vollständig charakterisiert. Kräfte und Spannungen, zum Beispiel in der Pleuelstange, interessieren in der Regel nicht. Sie sorgen für gewisse geometrische Bindungen der Teilchen miteinander. Durch diese sind die Bewegungen der Teilchen eines makroskopischen mechanischen Systems im Allgemeinen nicht völlig frei. Man sagt, sie seien eingeschränkt durch gewisse Zwangskräfte. Diese über die Kräfte F ij in (1.1) zu berücksichtigen, stellt praktisch immer ein hoffnungsloses Unterfangen dar.
ϕ
Abb. 1.1. Modell einer Kolbenmaschine
Wir führen zwei für das Folgende wichtige Begriffe ein: Definition 1.1.1 1. Zwangsbedingungen sind Bedingungen, die die freie Bewegung der Systemteilchen einschränken (geometrische Bindungen). 2. Zwangskräfte sind Kräfte, die die Zwangsbedingungen bewirken, also die freie Teilchenbewegung behindern (z. B. Auflagekräfte, Fadenspannungen).
W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik 2. DOI 10.1007/978-3-642-12950-6 © Springer 2011
1.1.1
4
1. Lagrange-Mechanik
Bei der Beschreibung eines mechanischen Systems ergeben sich zwei schwerwiegende Probleme: a) Zwangskräfte sind im Allgemeinen unbekannt. Bekannt sind nur ihre Auswirkungen. Das System (1.1) der gekoppelten Bewegungsgleichungen lässt sich also erst gar nicht formulieren, geschweige denn lösen. Wir versuchen deshalb, die Mechanik so umzuformulieren, dass die Zwangskräfte herausfallen. Genau dies führt zur Lagrange-Formulierung der Klassischen Mechanik. b) Die Teilchenkoordinaten ri = xi , yi , zi ,
i = 1, 2, . . . , N
sind wegen der Zwangsbedingungen nicht unabhängig voneinander. Wir werden sie deshalb später durch linear unabhängige, verallgemeinerte Koordinaten zu ersetzen versuchen. Diese werden dann in der Regel unanschaulicher, dafür aber mathematisch einfacher zu handhaben sein. Es leuchtet unmittelbar ein, dass Zwangsbedingungen für die konkrete Lösung eines mechanischen Problems eine wichtige Rolle spielen. Eine Klassifikation der mechanischen Systeme nach Art und Typ ihrer Zwangsbedingungen ist deshalb sicher sinnvoll. A) Holonome Zwangsbedingungen Darunter versteht man Verknüpfungen der Teilchenkoordinaten und eventuell der Zeit in der folgenden Form:
fν r 1 , r 2 , . . . , r N , t = 0 ,
ν = 1, 2, . . . , p .
(1.2)
A,1) Holonom-skleronome Zwangsbedingungen Das sind holonome Zwangsbedingungen, die nicht explizit zeitabhängig sind, also Bedingungen der Form (1.2), für die zusätzlich
∂fν =0, ∂t
ν = 1, . . . , p
(1.3)
gilt. Beispiele 1) Hantel l
m2 Abb. 1.2. Schematische Darstellung einer Hantel aus zwei durch eine
m1
masselose Stange auf konstanten Abstand gehaltene Massen m1 und m2
1.1
Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten
5
Die Zwangsbedingung betrifft den konstanten Abstand der beiden Massenpunkte m1 und m2 : 2 2 2 x1 − x2 + y1 − y2 + z1 − z2 = l2 . (1.4) 2) Starrer Körper Dieser ist durch konstante Teilchenabstände ((4.1), Bd. 1) ausgezeichnet. Das entspricht den Zwangsbedingungen:
(r i − rj )2 − cij2 = 0 ,
i, j = 1, 2, . . . , N ,
cij = const .
(1.5)
3) Teilchen auf Kugeloberfläche m
R′ Abb. 1.3. Teilchen der Masse m auf einer Kugeloberfläche
Die Masse m ist an die Kugeloberfläche durch die Zwangsbedingung x2 + y2 + z2 − R2 = 0
(1.6)
gebunden.
A,2) Holonom-rheonome Zwangsbedingungen Dies sind holonome Zwangsbedingungen mit expliziter Zeitabhängigkeit:
∂fν =/ 0 . ∂t
(1.7)
Wir wollen auch diesen Begriff durch Beispiele erläutern: Beispiele 1) Teilchen im Aufzug z
v0 = const
m
Abb. 1.4. Teilchen der Masse m auf einer mit
der Geschwindigkeit v0 sich in z-Richtung
x
bewegenden Ebene
6
1. Lagrange-Mechanik
Das Teilchen kann sich nur in der xy-Ebene frei bewegen. Für die z-Koordinate gilt die Zwangsbedingung, z(t) = v0 (t − t0 ) + z0 ,
(1.8)
hervorgerufen durch den mit konstanter Geschwindigkeit v0 sich nach oben bewegenden Aufzug. 2) Masse auf schiefer Ebene mit veränderlicher Neigung z m
ϕ (t )
Abb. 1.5. Eine Masse m auf einer schiefen Ebene mit zeitlich
x
veränderlichem Neigungswinkel
Die zeitlich veränderliche Neigung der Ebene sorgt für eine holonom-rheonome Zwangsbedingung z − tan ϕ(t) = 0 . x
(1.9)
Holonome Zwangsbedingungen reduzieren die Zahl der Freiheitsgrade. Ein NTeilchensystem hat ohne Zwang 3N Freiheitsgrade, bei p holonomen Zwangsbedingungen dann nur noch S = 3N − p .
(1.10)
Ein mögliches Lösungsverfahren kann nun darin bestehen, mit Hilfe der Zwangsbedingungen (1.2) p der 3N kartesischen Koordinaten zu eliminieren und für den Rest die Newton’schen Bewegungssgleichungen zu integrieren. Eleganter und wirkungsvoller ist jedoch die Einführung von generalisierten Koordinaten q1 , q2 , . . . , qS , die zwei Bedingungen erfüllen müssen: 1. Die momentane Konfiguration des physikalischen Systems ist eindeutig durch q1 , . . . , qS festgelegt. Insbesondere gelten Transformationsformeln i = 1, 2, . . . , N , (1.11) ri = r i q1 , . . . , qS , t , 2.
die die Zwangsbedingungen implizit enthalten. Die qj sind unabhängig voneinander, d. h., es gibt keine Beziehung der Form F(q1 , . . . , qS , t) = 0.
1.1
Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten
7
Das Konzept der generalisierten Koordinaten wird im Folgenden noch eine wichtige Rolle spielen. Wir schließen an die obige Definition noch einige Bemerkungen an: a) Unter dem Konfigurationsraum versteht man den S-dimensionalen Raum, der durch die generalisierten Koordinaten q1 , . . . , qS aufgespannt wird. Jeder Punkt des Konfigurationsraums (Konfigurationsvektor) (1.12) q = q1 , q2 , . . . , qS entspricht einem möglichen Zustand des Systems. b) Man nennt q˙ 1 , q˙ 2 , . . . , q˙ S
generalisierte Geschwindigkeiten .
c) Bei bekannten Anfangsbedingungen q0 = q(t0 ) ≡ q1 (t0 ), . . . , qS (t0 ) , q˙ 0 = q˙ (t0 ) ≡ q˙ 1 (t0 ), . . . , q˙ S (t0 ) ist der Zustand des Systems im Konfigurationsraum für alle Zeiten über noch festzulegende Bewegungsgleichungen berechenbar. d) Die Wahl der Größen q1 , . . . , qS ist nicht eindeutig, wohl aber ihre Zahl S. Man legt sie nach Zweckmäßigkeit fest, die in der Regel durch die physikalische Problemstellung eindeutig vorgegeben ist. e) Die Größen qj sind beliebig. Es handelt sich dabei nicht notwendig um Längen. Sie charakterisieren in ihrer Gesamtheit das System und beschreiben nicht mehr unbedingt Einzelteilchen. Als Nachteil kann die Tatsache gewertet werden, dass das Problem dadurch unanschaulicher werden kann. Beispiele 1) Teilchen auf Kugeloberfläche
ϑ m R
ϕ Abb. 1.6. Generalisierte Koordinaten für ein an eine
Kugeloberfläche gebundenes Teilchen der Masse m
8
1. Lagrange-Mechanik
Es gibt eine holonom-skleronome Zwangsbedingung: x 2 + y 2 + z 2 − R2 = 0 . Dies bedeutet für die Zahl der Freiheitsgrade: S=3−1=2. Als generalisierte Koordinaten bieten sich zwei Winkel an: q1 = ϑ ;
q2 = ϕ .
Die Transformationsformeln x = R sin q1 cos q2 , y = R sin q1 sin q2 , z = R cos q1 enthalten implizit die Zwangsbedingungen. q1 , q2 legen den Zustand des Systems eindeutig fest. 2) Ebenes Doppelpendel y
ϑ1
l1
m1
x l2
ϑ2
m2 Abb. 1.7. Generalisierte Koordinaten für das ebene Doppelpendel
Es gibt insgesamt vier holonom-skleronome Zwangsbedingungen: z1 = z2 = const , x12 + y12 − l12 = 0 , 2 2 x2 − x1 + y2 − y1 − l22 = 0 . Die Zahl der Freiheitsgrade beträgt deshalb: S=6−4=2.
1.1
Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten
9
„Günstige“ generalisierte Koordinaten sind in diesem Fall offenbar: q1 = ϑ1 ;
q2 = ϑ2 .
Die Transformationsformeln x1 = l1 cos q1 ;
y1 = l1 sin q1 ;
x2 = l1 cos q1 + l2 cos q2 ;
z1 = 0 ,
y2 = l1 sin q1 − l2 sin q2 ;
z2 = 0
enthalten wiederum implizit die Zwangsbedingungen. 3) Teilchen im Zentralfeld In diesem Fall gibt es keine Zwangsbedingungen. Trotzdem ist die Einführung von generalisierten Koordinaten sinnvoll:
S=3−0=3. „Günstige“ generalisierte Koordinaten sind in diesem Fall q1 = r ;
q2 = ϑ ;
q3 = ϕ .
Die Transformationsformeln ((1.261), Bd. 1) x = q1 sin q2 cos q3 , y = q1 sin q2 sin q3 , z = q1 cos q2 sind uns aus vielen Anwendungen (s. Bd. 1) bereits bekannt und dokumentieren, dass die Verwendung von generalisierten Koordinaten auch in Systemen ohne Zwang sinnvoll sein kann, nämlich dann, wenn infolge gewisser Symmetrien durch eine Punkttransformation auf krummlinige Koordinaten die Integration der Bewegungsgleichungen vereinfacht wird.
B) Nicht-holonome Zwangsbedingungen Darunter versteht man Verknüpfungen der Teilchenkoordinaten und eventuell der Zeit, die sich nicht wie in (1.2) darstellen lassen, sodass durch sie kein Eliminieren von überflüssigen Koordinaten möglich ist. Für Systeme mit nicht-holonomen Zwangsbedingungen gibt es kein allgemeines Lösungsverfahren. Spezielle Methoden werden später diskutiert. B,1) Zwangsbedingungen als Ungleichungen Liegen die Zwangsbedingungen in Form von Ungleichungen vor, so kann man offenbar durch diese die Zahl der Variablen nicht reduzieren.
10
1. Lagrange-Mechanik
Beispiele 1) Perlen eines Rechenbretts Die Perlen (Massenpunkte) können nur eindimensionale Bewegungen zwischen zwei festen Grenzen ausführen. Die Zwangsbedingungen sind dann zum Teil holonom,
zi = const ;
yi = const ,
i = 1, 2, . . . , N ,
zum Teil aber auch nicht-holonom: a ≤ xi ≤ b ,
i = 1, 2, . . . , N .
2) Teilchen auf Kugel im Schwerefeld z m R y x
Abb. 1.8. Teilchen der Masse m auf einer Kugeloberfläche im Schwerefeld
der Erde als Beispiel für nicht-holonome Zwangsbedingungen
Die Zwangsbedingung 2 x + y2 + z2 − R2 ≥ 0 schränkt die freie Bewegung der Masse m ein, kann aber nicht dazu benutzt werden, „überflüssige“ Koordinaten zu eliminieren.
B,2) Zwangsbedingungen in differentieller, nicht integrierbarer Form Dies sind insbesondere Zwangsbedingungen, die Teilchengeschwindigkeiten enthalten. Sie haben die allgemeine Form: 3N
fim dxm + fit dt = 0 ,
i = 1, . . . , p ,
(1.13)
m=1
wobei sich die linke Seite nicht integrieren lässt. Sie stellt kein totales Differential dar. Es gibt also keine Funktion Fi mit fim =
∂Fi ∀m ; ∂xm
∂Fi = fit . ∂t
Gäbe es eine solche Funktion Fi , dann würde aus (1.13) Fi xi , . . . , x3N , t = const folgen und die entsprechende Zwangsbedingung wäre doch holonom.
1.1
Zwangsbedingungen, generalisierte Koordinaten
11
Beispiel: „Rollen“ eines Rades auf rauer Unterfläche z
ϑ
ϕ
y
Abb. 1.9. Koordinaten zur Beschreibung
x
( x , y)
eines rollenden Rades auf einer rauen Unterfläche
v
Die Bewegung der Radscheibe erfolge so, dass die Scheibenebene stets vertikal steht. Die Bewegung ist vollständig beschrieben durch 1. den momentanen Auflagepunkt (x, y), 2. die Winkel ϕ, ϑ. Das Problem ist also gelöst, falls diese Größen als Funktionen der Zeit bekannt sind. Die Zwangsbedingung „Rollen“ betrifft Richtung und Betrag der Geschwindigkeit des Auflagepunktes:
˙ , Betrag: |v| = Rϕ Richtung: v senkrecht zur Radachse , π x˙ = vx = v sin − ϑ = v cos ϑ , 2 π − ϑ = v sin ϑ . ˙y = vy = v cos 2 Die Kombination der Zwangsbedingungen ergibt
˙ cos ϑ = 0 ; x˙ − R ϕ
˙ sin ϑ = 0 y˙ − R ϕ
oder dx − R cos ϑ dϕ = 0 ;
dy − R sin ϑ dϕ = 0 .
(1.14)
Diese Bedingungen sind nicht integrabel, da dazu die Kenntnis von ϑ = ϑ(t) notwendig wäre, die aber erst nach vollständiger Lösung des Problems vorliegt. Die Zwangsbedingung „Rollen“ führt also nicht zu einer Verringerung der Koordinatenzahl. Sie schränkt gewissermaßen die Freiheitsgrade des Rades mikroskopisch ein, makroskopisch bleibt ihre Anzahl jedoch erhalten. Erfahrungsgemäß lässt sich ja durch geeignete Wendemanöver des Rades jeder Punkt der Ebene erreichen.
12
1.2
1. Lagrange-Mechanik
1.2 Das d’Alembert’sche Prinzip 1.2.1 Lagrange-Gleichungen Nach den Überlegungen des letzten Abschnittes muss unsere vordringlichste Aufgabe darin bestehen, die im Allgemeinen nicht explizit bekannten Zwangskräfte aus den Bewegungsgleichungen zu elimieren. Genau das ist der neue Aspekt der LagrangeMechanik. Wir beginnen mit der Einführung eines wichtigen Begriffes.
1.2.1
Definition 1.2.1
Virtuelle Verrückung δri . Dies ist die willkürliche (virtuelle), infinitesimale Koordinatenänderung, die mit den Zwangsbedingungen verträglich ist und momentan durchgeführt wird. Letzteres bedeutet:
δt = 0 .
(1.15)
Die Größen δr i müssen nichts mit dem tatsächlichen Ablauf der Bewegung zu tun haben. Sie sind deshalb von den tatsächlichen Verschiebungen dr i im Zeitraum dt, in dem sich Kräfte und Zwangsbedingungen ändern können, zu unterscheiden:
δ ←→ virtuell ; d ←→ tatsächlich . Mathematisch gehen wir mit dem Symbol δ wie mit dem Differential d um. Wir erläutern den Sachverhalt an einem Beispiel: Beispiel: Teilchen im Aufzug dr = (d x, d z)
z dz
m
dx
v0
x
Abb. 1.10. Zur Unterscheidung von tatsächlichen und virtuellen Verrückungen am Beispiel eines Teilchens auf einer sich mit der Geschwindigkeit v0 in z-Richtung bewegenden Fläche
Die Zwangsbedingung (holonom-rheonom) haben wir bereits in (1.8) formuliert. Eine passende generalisierte Koordinate ist q = x. Dann gilt aber wegen δt = 0: tatsächliche Verrückung: dr = (dx, dz) = (dq, v0 dt) , virtuelle Verrückung:
δr = (δx, δz) = (δq, 0) .
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
13
Definition 1.2.2
1.2.2
Virtuelle Arbeit
δWi = −F i · δr i .
(1.16)
F i ist die auf Teilchen i wirkende Kraft: F i = K i + Z i = mi¨r i .
(1.17)
K i ist die auf den in seiner Bewegungsfreiheit durch Zwangsbedingungen eingeschränkten Massenpunkt wirkende treibende Kraft. Z i ist die Zwangskraft. Offensichtlich gilt: K i − mi¨r i · δri + Z i · δr i = 0 . (1.18) i
i
Das fundamentale Prinzip der virtuellen Arbeit
Z i · δr i = 0
(1.19)
i
wird nicht mathematisch abgeleitet, sondern durch Übereinstimmung mit der Erfahrung als bewiesen angesehen. Es besagt, dass bei jeder gedachten Bewegung, die mit den Zwangsbedingungen verträglich ist, die Zwangskräfte keine Arbeit leisten. Man beachte, dass in (1.19) nur die Summe, nicht notwendig jeder Summand, gleich Null sein muss. Beispiele 1) Teilchen auf „glatter“ Kurve Z m
δr Abb. 1.11. Zwangskraft für ein Teilchen auf einer glatten Kurve
„Glatt“ bedeutet, dass es keine Komponente der Zwangskraft Z längs der Bahn gibt. Ohne Z explizit zu kennen, wissen wir damit, dass Z senkrecht zur Bahn gerichtet sein wird und damit auch senkrecht zur virtuellen Verrückung δr: Z · δr = 0 .
14
1. Lagrange-Mechanik
2) Hantel m2 Z1
Z2
m1
Abb. 1.12. Zwangskräfte einer aus zwei Massen m1 und m2
bestehenden Hantel
Es gilt: Z 1 = −Z 2 . Die virtuellen Verrückungen der beiden Massen lassen sich als Translation δs der Masse m1 plus zusätzliche Rotation δxR der Masse m2 um die bereits verschobene Masse m1 formulieren:
δr 1 = δs ; δr 2 = δs + δx R . Eingesetzt in (1.19) ergibt sich:
δW = −Z 1 · δr1 − Z 2 · δr2 = −(Z 1 + Z 2 ) · δs − Z 2 · δxR = 0 , da δxR senkrecht zu Z 2 gerichtet und (Z 1 + Z 2 ) gleich Null sind. Wir erkennen an diesem Beispiel, das sich unmittelbar auf den gesamten starren Körper übertragen lässt, dass nur die Summe der Beiträge in (1.19) Null sein muss, nicht schon jeder einzelne Summand. 3) Atwood’sche Fallmaschine Für die Fadenspannungen Z 1 , Z 2 wird
Z1 = Z2
Z1
m1
Z2
x m2
Abb. 1.13. Zwangskräfte bei der Atwood’schen Fallmaschine
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
15
gelten. Für die virtuelle Arbeit δW folgt dann:
δW = −Z 1 · δx1 − Z 2 · δx2 = = Z1 (δx1 + δx2 ) = = Z1 δ (x1 + x2 ) = 0 .
const
4) Reibungskräfte
δr
R
Abb. 1.14. Zur Demonstration der virtuellen Arbeit gegen die Reibungskraft
Diese zählen nicht zu den Zwangskräften, da sie das Prinzip der virtuellen Arbeit verletzen:
δW = −R · δr = R δr =/ 0 . Reibungskräfte werden deshalb später eine Sonderbehandlung erfahren müssen. Das Prinzip der virtuellen Arbeit (1.19) lässt sich mit (1.18) umschreiben und heißt dann: d’Alembert’sches Prinzip N K i − p˙ i · δri = 0 .
(1.20)
i=1
Die virtuelle Arbeit der verlorenen Kräfte ist also Null. Damit ist ein erstes, vorläufiges Ziel erreicht. Die Zwangskräfte tauchen nicht mehr auf. In der Tat lassen sich mit (1.20) bereits einfache mechanische Probleme lösen. Es bleibt jedoch noch ein Nachteil. Die virtuellen Verrückungen δri sind wegen der Zwangsbedingungen nicht unabhängig voneinander. Gleichung (1.20) ist deshalb so noch nicht geeignet, um daraus verwertbare Bewegungsgleichungen abzuleiten. Wir werden deshalb die Größen δr i auf generalisierte Koordinaten transformieren. Aus ri = r i q1 , q2 , . . . , qS , t , i = 1, 2, . . . , N (1.21) folgt:
˙ri =
S ∂r i ∂r i q˙ + = ˙ri q1 , . . . , qS , q˙ 1 , . . . , q˙ S , t . ∂qj j ∂t j=1
(1.22)
16
1. Lagrange-Mechanik
Dies bedeutet insbesondere:
∂˙ri ∂r i = . ∂q˙ j ∂qj
(1.23)
Für die virtuellen Verrückungen lesen wir wegen δt = 0 an (1.22) ab:
δr i =
S ∂r i δq . ∂qj j
(1.24)
j=1
Damit ergibt sich für den ersten Summanden in (1.20): −δWK =
K i · δr i =
i
1.2.3
N S
Ki
i=1 j=1
S ∂ri δqj ≡ Qj δqj . ∂qj j=1
(1.25)
Definition 1.2.3
Generalisierte Kraftkomponenten Qj =
N i=1
Ki ·
∂ri . ∂qj
(1.26)
Da die Größen qj nicht notwendig Längen sind, müssen auch die Größen Qj nicht unbedingt die Dimension Kraft besitzen. Es gilt aber stets: Qj qj = Energie . Einen wichtigen Spezialfall stellen konservative Systeme dar, für die ein Potential exisiert ((2.234), Bd. 1), V = V r1 , . . . , rN ,
(1.27)
das insbesondere nicht von den Geschwindigkeiten ˙r i abhängt und über K i = −∇i V
(1.28)
die Kräfte festlegt. In einem solchen Fall gilt für die generalisierten Kraftkomponenten: Qj = −
∂V , ∂qj
j = 1, 2, . . . , S .
(1.29)
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
17
Wir werten nun den zweiten Summanden in (1.20) aus. Dabei benutzen wir: d ∂r i ∂2 r i ∂2 ri = q˙ l + = dt ∂qj ∂ql ∂qj ∂t ∂qj S
l=1
S ∂ ∂ri ∂r i ∂˙ri = = q˙ l + . ∂qj l = 1 ∂ql ∂t ∂qj
(1.30)
Vorausgesetzt wurde hier, dass die Transformationsformeln (1.21) stetige partielle Ableitungen bis mindestens zur zweiten Ordnung besitzen ((1.129), Bd. 1):
p˙ i · δr i =
i
mi¨r i · δri =
i
=
N S
=
mi mi
i=1 j=1
=
N S i=1 j=1
mi¨ri
i=1 j=1
i=1 j=1 N S
N S
mi
∂ri δq = ∂qj j
d dt
∂r i d ∂ri ˙r i · δqj = − ˙r i ∂qj dt ∂qj
d dt
∂˙ri ∂˙ri ˙r i · − ˙r i · δqj = ∂q˙ j ∂qj
d dt
∂ 1 2 ˙r ∂q˙ j 2 i
∂ 1 2 − ˙r ∂qj 2 i
S ∂T d ∂T = − δqj . dt ∂q˙ j ∂qj
δqj =
(1.31)
j=1
Wir setzen (1.31) und (1.25) in (1.20) ein: d’Alembert’sches Prinzip S ∂T d ∂T − − Qj δqj = 0 . dt ∂q˙ j ∂qj
(1.32)
j=1
Dies gilt in dieser Form noch ganz allgemein. Wichtig sind die folgenden Spezialisierungen: 1) Holonome Zwangsbedingungen In diesem Fall sind die Koordinaten qj unabhängig voneinander, die Größen δqj also frei wählbar. Wir können z. B. alle δqj bis auf eine gleich Null setzen. Dies
18
1. Lagrange-Mechanik
bedeutet aber, dass in (1.32) nicht nur die Summe, sondern bereits jeder Summand verschwindet: d ∂T ∂T − = Qj , j = 1, 2, . . . , S . (1.33) dt ∂q˙ j ∂qj 2) Konservatives System In diesem Fall ist (1.29) gültig. Da außerdem V nicht von den generalisierten Geschwindigkeiten q˙ j abhängt, können wir anstelle von (1.32) schreiben:
d ∂ ∂ (T − V ) − (T − V ) δqj = 0 . dt ∂q˙ j ∂qj j=1
Mit der für die weiteren Überlegungen wichtigen Definition: Lagrange-Funktion L q1 , . . . , qS , q˙ 1 , . . . , q˙ S , t = T q1 , . . . , qS , q˙ 1 , . . . , q˙ S , t − V q1 , . . . , qS (1.34) folgt dann: S d ∂L ∂L − δqj = 0 . dt ∂q˙ j ∂qj
(1.35)
j=1
3) Konservatives System mit holonomen Zwangsbedingungen Das ist der Fall, den wir später in der Regel diskutieren werden:
Lagrange-Gleichungen (2. Art) d ∂L ∂L − =0, dt ∂q˙ j ∂qj
j = 1, 2, . . . , S .
(1.36)
In der Newton-Mechanik sind Impuls und Kraft, also Vektoren, die dominierenden Größen. In der Lagrange-Mechanik sind es Energie und Arbeit, also Skalare. Darin mag man einen gewissen Vorteil erkennen. Die Lagrange-Gleichungen (1.36) ersetzen die Newton’schen Bewegungsgleichungen (1.1). Es handelt sich um S Differentialgleichungen zweiter Ordnung, deren vollständige Lösung die Kenntnis von 2S Anfangsbedingungen erfordert. Die Zwangskräfte sind eliminiert, sie tauchen in den Bewegungsgleichungen nicht mehr auf.
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
19
Wir untersuchen die Lagrange-Funktion in beliebigen Koordinaten. Mit (1.22) schreibt sich die kinetische Energie, T=
N S S 1 1 mi ˙r 2i = μjl q˙ j q˙ l + αj q˙ j + α , 2 i=1 2
(1.37)
j=1
j, l = 1
mit den folgenden Abkürzungen:
α= αj =
1 mi 2 i=1 N
N
mi
i=1
μjl =
N
mi
∂r i ∂t
2
∂ri ∂r i · ∂t ∂qj
i=1
(1.38)
,
∂ri ∂ri · ∂qj ∂ql
,
(1.39)
(1.40)
verallgemeinerte Massen . Die Lagrange-Funktion hat also die folgende allgemeine Gestalt: (1.41)
L = T − V = L2 + L 1 + L 0 , L2 =
S 1 μjl q˙ j q˙ l , 2
(1.42)
j, l = 1
L1 =
S
αj q˙ j ,
(1.43)
j=1
L0 = α − V q1 , . . . , qS , t .
(1.44)
Die Größen Ln sind homogene Funktionen der generalisierten Geschwindigkeiten vom Grad n = 2, 1, 0. Homogene Funktionen sind allgemein wie folgt definiert: Definition 1.2.4 f x1 , . . . , xm homogen vom Grad n, falls f ax1 , . . . , axm = an f x1 , . . . , xm
∀a ∈ R.
1.2.4
(1.45)
Wir hatten früher behauptet, dass die Wahl der generalisierten Koordinaten willkürlich ist, dass nur ihre Gesamtzahl S festliegt. Wir zeigen nun, dass die
20
1. Lagrange-Mechanik
Lagrange-Gleichungen forminvariant gegenüber Punkttransformationen q1 , . . . , qS q¯1 , . . . , q¯S differenzierbar
sind. Es gelte: ⎫ q¯ j = q¯ j q1 , . . . , qS , t ⎬ ql = ql q¯1 , . . . , q¯ S , t ⎭
j, l = 1, . . . , S .
Unter der Voraussetzung d ∂L ∂L − =0 dt ∂q˙ j ∂qj
für j = 1, 2, . . . , S
folgt dann für L q¯ , q˙¯ , t = L q q¯ , t , q˙ q¯ , q˙¯ , t , t die Behauptung: d ∂ L ∂ L − =0, ˙ dt ∂q¯ l ∂q¯ l
(1.46)
l = 1, 2, . . . , S .
Beweis
q˙ j =
∂qj l
∂q¯l
q¯˙l +
∂qj ∂q˙ j ∂qj = , ⇒ ∂t ∂q¯˙l ∂q¯l
∂ L ∂L ∂qj ∂L ∂q˙ j = + ∂q¯l j ∂qj ∂q¯ l ∂q˙ j ∂q¯l
,
L ∂L ∂q˙ j ∂L ∂qj ∂ = = ∂q˙ j ∂q¯l ∂q¯˙l j ∂q˙ j ∂q¯˙l j L d ∂ ⇒ = dt ∂q¯˙l j
=
d ∂L dt ∂q˙ j
∂qj ∂L + ∂q¯l ∂q˙ j
d ∂qj dt ∂q¯ l
d ∂L ∂qj ∂L ∂q˙ j + dt ∂q˙ j ∂q¯ l ∂q˙ j ∂q¯ l j
⇒
d ∂ ∂L ∂qj L ∂ L d ∂L − = − =0. dt ∂q¯˙l ∂q¯ l dt ∂q˙ j ∂qj ∂q¯ l j
=
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
21
Für den Begriff der Forminvarianz ist eigentlich nicht entscheidend, dass L aus L schlicht durch Einsetzen der Transformationsformeln hervorgeht. Wichtig ist nur, dass es überhaupt zu L(q, q˙ , t) ein eindeutiges L(¯q, q˙¯ , t) gibt, sodass die Gleichungen erhalten bleiben. 1.2.2 Einfache Anwendungen Wir wollen in diesem Abschnitt ausführlich den Algorithmus demonstrieren und üben, den man üblicherweise zur Lösung von Problemen mit Hilfe der LagrangeGleichungen benutzt. Wir setzen durchweg
holonome Zwangsbedingungen, konservative Kräfte voraus. Die Lösungsmethode setzt sich dann aus fünf Teilschritten zusammen: 1. Zwangsbedingungen formulieren. 2. Generalisierte Koordinaten q festlegen. 3. Transformationsformeln bilden. 4. Lagrange-Funktion L = T − V = L(q, q˙ , t) aufstellen. 5. Lagrange-Gleichungen (1.36) ableiten und lösen. 6. Rücktransformation auf „anschauliche“ Koordinaten. Wir wollen dieses Verfahren an einigen Anwendungsbeispielen üben. 1) Atwood’sche Fallmaschine Es handelt sich um ein konservatives System mit fünf holonom-skleronomen Zwangsbedingungen:
x1 + x2 = l = const , y1 = y2 = z1 = z2 = 0 . Es bleiben also S=6−5=1
x1
Z1
x2 m1 Z2
m2
Abb. 1.15. Atwood’sche Fallmaschine
22
1. Lagrange-Mechanik
Freiheitsgrade. Eine passende generalisierte Koordinate wäre dann: q = x1
(⇒ x2 = l − q) .
Damit sind die Transformationsformeln bekannt. Mit der kinetischen Energie T=
1 1 m1 x˙ 12 + m2 x˙ 22 = m1 + m2 q˙ 2 2 2
und der potentiellen Energie V = −m1 g x1 − m2 g x2 = −m1 g q − m2 g(l − q) folgt die Lagrange-Funktion L=
1 m1 + m2 q˙ 2 + m1 − m2 g q + m2 g l . 2
(1.47)
Mit d ∂L = m1 + m2 ¨q ; dt ∂q˙
∂L = m1 − m2 g ∂q
ergibt sich über (1.36) die einfache Bewegungsgleichung:
¨q =
m1 − m 2 g. m1 + m2
(1.48)
Das ist der „verzögerte“ freie Fall. Gleichung (1.48) lässt sich bei Vorgabe von zwei Anfangsbedingungen einfach integrieren. Damit ist das Problem gelöst. Wir haben nun die Möglichkeit, über die Newton’schen Bewegungsgleichungen m1¨x1 = m1 g + Z1 ;
m2¨x2 = m2 g + Z2
die Zwangskräfte (Fadenspannungen) explizit zu bestimmen. Wegen
¨x1 = −¨x2 = ¨q gilt: m1¨x1 − m2¨x2 = m1 − m2 g + Z1 − Z2 = m1 + m2 ¨q = m1 − m2 g . Dies bedeutet: Z1 = Z2 = Z .
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
23
Damit folgt weiter: m1¨x1 + m2¨x2 = m1 + m2 g + 2Z = m1 − m2 ¨q . Die Fadenspannung Z lautet damit: Z = −2g
m1 m2 . m1 + m2
(1.49)
2) Gleitende Perle auf gleichförmig rotierendem Draht Das konservative System besitzt zwei holonome Zwangsbedingungen; davon ist eine skleronom, die andere rheonom:
z=0, y = x tan ωt .
y
r
m
ωt x
Abb. 1.16. Gleitende Perle auf einem mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω rotierenden Draht
Als generalisierte Koordinate bietet sich der Abstand q=r der Perle vom Drehpunkt an. Mit den Transformationsformeln x = q cos ωt ;
y = q sin ωt ;
z=0
berechnen wir die kinetische Energie T=
m 2 m 2 x˙ + y˙ 2 = q˙ + q2 ω2 , 2 2
die wegen V ≡ 0 mit der Lagrange-Funktion identisch ist: m 2 q˙ + q2 ω2 = L2 + L0 . L=T−V = 2
(1.50)
Die Funktion L1 taucht trotz rheonomer Zwangsbedingung nicht auf. Dies ist jedoch rein zufällig. Normalerweise erscheint die Funktion L1 (1.43) in einem solchen Fall explizit. Die Funktion L0 ist hier jedoch eine Folge der rheonomen Zwangsbedingung.
24
1. Lagrange-Mechanik
Mit der Bewegungsgleichung d ∂L ∂L = m ¨q = = m q ω2 dt ∂q˙ ∂q folgt:
¨q = ω2 q . Die allgemeine Lösung lautet: q(t) = A eωt + B e−ωt . Mit den Anfangsbedingungen q(t = 0) = r0 > 0 ;
q˙ (t = 0) = 0
folgt z. B. A = B = r0 |2 und damit 1 q(t) = r0 eωt + e−ωt . 2
r(t ) y
dr
Z m
δr
ωt x
Abb. 1.17. Zur Demonstration des Unterschieds von tatsächlicher und virtueller Arbeit der Zwangskräfte am Beispiel der gleitenden Perle auf einem rotierenden Draht
Die Perle bewegt sich also mit wachsender Beschleunigung für t → ∞ nach außen. Dabei nimmt die Energie der Perle zu, da die Zwangskraft an der Perle Arbeit leistet. Das sieht nach einem Widerspruch zum Prinzip der virtuellen Arbeit (1.19) aus. Ist es aber nicht. Die tatsächliche Verschiebung der Masse m im Zeitraum dt ist nicht mit der virtuellen Verrückung δr identisch, die ja bei festgehaltener Zeit durchgeführt wird. Es ist deshalb die von der Zwangskraft tatsächlich geleistete Arbeit dWZ = Z · dr =/ 0 von der virtuellen Arbeit
δWZ = Z · δr = 0 , da Z ⊥ δr , zu unterscheiden.
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
25
3) Schwingende Hantel Die Masse m1 einer Hantel der Länge l kann sich reibungslos entlang einer horizontalen Geraden bewegen. Wir fragen uns, welche Kurven die Massen m1 und m2 unter dem Einfluss der Schwerkraft beschreiben. m1 x
ϕ
l
g m2
y
Abb. 1.18. Im Schwerefeld der Erde schwingende Hantel mit einer Masse m1 , die sich in x-Richtung reibungslos bewegen kann
Es liegen vier holonom-skleronome Zwangsbedingungen vor: 2 z1 = z2 = 0 ; y1 = 0 ; x1 − x2 + y22 − l2 = 0 . Es bleiben damit S=6−4=2 Freiheitsgrade. Günstige generalisierte Koordinaten dürften q1 = x1 ;
q2 = ϕ
sein. Dies ergibt die Transformationsformeln: x1 = q1 ;
y1 = z 1 = 0 ,
x2 = q1 + l sin q2 ;
y2 = l cos q2 ;
z2 = 0 .
Damit berechnen wir die kinetische Energie: 1 1 T = m1 x˙ 12 + m2 x˙ 22 + ˙y22 = 2 2 =
1 1 m1 + m2 q˙ 21 + m2 l2 q˙ 22 + 2l q˙ 1 q˙ 2 cos q2 . 2 2
Für die potentielle Energie finden wir: V1 ≡ 0 ;
V2 = −m2 g l cos ϕ ;
V = −m2 g l cos q2 .
Dies ergibt die folgende Lagrange-Funktion: L=
1 1 m1 + m2 q˙ 21 + m2 l2 q˙ 22 + 2 l q˙ 1 q˙ 2 cos q2 + m2 g l cos q2 . 2 2
(1.51)
Bevor wir den konkreten Lösungsweg weiter diskutieren, wollen wir zwei für das Folgende eminent wichtige Begriffe einführen.
26
1.2.5
1. Lagrange-Mechanik
Definition 1.2.5
Verallgemeinerter Impuls pi =
1.2.6
∂L . ∂q˙ i
(1.52)
Definition 1.2.6
Zyklische Koordinate qj zyklisch ⇐⇒
∂L ∂L = 0 ⇐⇒ pj = = const . ∂qj ∂q˙ j
(1.53)
Jede zyklische Koordinate führt automatisch auf einen Erhaltungssatz. Deswegen sollte man generalisierte Koordinaten stets so wählen, dass möglichst viele zyklisch sind. In unserem Beispiel ist q1 zyklisch. Dies bedeutet: p1 =
∂L = m1 + m2 q˙ 1 + m2 l q˙ 2 cos q2 = const . ∂q˙ 1
Wir lösen nach q˙ 1 auf: q˙ 1 = c −
m2 l q˙ 2 cos q2 m1 + m2
und integrieren: q1 (t) = c t −
m2 l sin q2 (t) + a . m1 + m2
Wir benötigen vier Anfangsbedingungen: q1 (t = 0) = 0 ; q˙ 1 (t = 0) = −
q2 (t = 0) = 0 ;
m2 l ω0 ; m1 + m2
q˙ 2 (t = 0) = ω0 .
Daraus folgt zunächst: a=0,
c=0.
(1.54)
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
27
Wir haben damit die Zwischenlösung: q1 (t) = −
m2 l sin q2 (t) . m1 + m2
Für die Bewegung der Masse m1 gilt also: x1 (t) = −
m2 l sin ϕ(t) ; m1 + m2
y1 (t) = z1 (t) = 0 .
(1.55)
Mit den Transformationsformeln folgt für die Masse m2 : x2 (t) =
m1 l sin ϕ(t) ; m1 + m2
y2 (t) = l cos ϕ(t) ;
z2 (t) = 0 .
(1.56)
Zusammengefasst ergibt dies die Mittelpunktsgleichung einer Ellipse:
x22 m1 l m1 + m2
2 +
y22 =1. l2
(1.57)
Die Masse m2 durchläuft also einen Teil einer Ellipse mit der horizontalen Halbachse m1 l |(m1 + m2 ) und der vertikalen Halbachse l. In der Grenze m1 → ∞ ergibt sich das gewöhnliche mathematische Pendel (Abschn. 2.3.4, Bd. 1). Mit (1.55) und (1.56) ist das Problem noch nicht vollständig gelöst, da ϕ(t) noch unbekannt ist. Wir haben aber noch eine weitere Lagrange-Gleichung zur Verfügung: ∂L = m2 l2 q˙ 2 + l q˙ 1 cos q2 , ∂q˙ 2 d ∂L = m2 l2 ¨q2 + l ¨q1 cos q2 − l q˙ 1 q˙ 2 sin q2 , dt ∂q˙ 2 ∂L = m2 −l q˙ 1 q˙ 2 sin q2 − g l sin q2 . ∂q2 Dies ergibt in (1.36) eingesetzt die folgende Bewegungsgleichung: l2 ¨q2 + l ¨q1 cos q2 + g l sin q2 = 0 . Für „kleine“ Werte von q2 = ϕ können wir cos q2 ≈ 1 ;
sin q2 ≈ q2
annehmen, wodurch sich (1.58) zu l ¨q2 + ¨q1 + g q2 ≈ 0 vereinfacht. An (1.55) lesen wir ab: q1 ≈ −
m2 m2 l l q2 ⇒ ¨q1 ≈ − ¨q2 . m1 + m2 m1 + m2
(1.58)
28
1. Lagrange-Mechanik
Dies ergibt für q2 die folgende Bewegungsgleichung:
¨q2 +
g m1 + m2 q2 ≈ 0 . l m1
Es empfiehlt sich der Lösungsansatz: q2 = A cos ωt + B sin ωt . Die gewählten Anfangsbedingungen (1.54) führen zu A = 0 und Bω = ω0 . Damit folgt schließlich: ω0 g m1 + m2 ϕ(t) = sin ωt ; ω = . (1.59) ω l m1 4) Zykloidenpendel Ein Teilchen der Masse m bewege sich im Schwerefeld auf einer Zykloide. Diese wird durch Abrollen eines Rades (Radius R) auf einer ebenen Fläche realisiert. Sie besitzt die folgende Parameterdarstellung:
x = R ϕ + R sin ϕ = R(ϕ + sin ϕ) , y = 2 R − R(1 − cos ϕ) = R(1 + cos ϕ) .
(1.60)
Rπ R y
m m
x m
ϕ
ϕ
Abb. 1.19. Realisierung einer Zykloide durch Abrollen eines Rades auf einer Ebene
Der erste Term für x ist die Abrollbedingung, der zweite resultiert aus der Raddrehung. Wir können die Gleichung für y nach ϕ auflösen und in die Gleichung für x einsetzen. Gleichung (1.60) liefert damit eine Zwangsbedingung. Eine weitere ist z ≡ 0. Es bleiben für den Massenpunkt m somit S = 3 − 2 = 1 Freiheitsgrade. Als generalisierte Koordinate q empfiehlt sich der Winkel ϕ. Mit x˙ = R q˙ (1 + cos q) ;
y˙ = −R q˙ sin q
berechnen wir die kinetische Energie: m 2 T= x˙ + y˙ 2 = m R2 q˙ 2 (1 + cos q) . 2 Für die potentielle Energie gilt: V = −m g y = −m g R(1 + cos q) .
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
29
Dies ergibt für die Lagrange-Funktion: L = T − V = m R (1 + cos q) R q˙ 2 + g .
(1.61)
Daraus folgt:
∂L = 2 m R2 (1 + cos q)q˙ , ∂q˙ d ∂L = 2 m R2 ¨q(1 + cos q) − q˙ 2 sin q , dt ∂q˙ ∂L = −m R sin q R q˙ 2 + g . ∂q Mit (1 + cos q) = 2 cos2 (q|2) und sin q = 2 sin(q|2) cos(q|2) finden wir die zu lösende Bewegungsgleichung: 2 ¨q cos
q q q g − q˙ 2 sin + sin = 0 . 2 2 R 2
Dies kann weiter zusammengefasst werden: d2 g q q sin = 0 . sin + dt 2 2 4R 2
(1.62)
Das Zykloidenpendel befolgt also für sin(q|2) = sin(ϕ|2) eine Schwingungsgleichung mit der Frequenz
ω=
1 2
g . R
(1.63)
Die allgemeine Lösung lautet:
ϕ(t) = 2 arcsin A eiωt + B e−iωt ,
(1.64)
wobei A, B durch die Anfangsbedingungen festgelegt sind. Beim Fadenpendel ist die Schwingungsfrequenz von der Amplitude der Schwingung abhängig. Die übliche Annahme sin ϕ ≈ ϕ, die zur Schwingungsgleichung führt, ist ja nur für kleine Ausschläge erlaubt. Hier haben wir eine geometrische Führung des Massenpunktes kennen gelernt, bei welcher die Schwingungsdauer unabhängig von der Amplitude wird. 5) N Teilchen ohne Zwangsbedingungen Wir erwarten, dass in diesem speziellen Fall die Lagrange’schen mit den Newton’schen Bewegungsgleichungen identisch sind. Wegen fehlender Zwangsbedingungen gibt es
30
1. Lagrange-Mechanik
S = 3N Freiheitsgrade, und als generalisierte Koordinaten kommen zum Beispiel die kartesischen Koordinaten in Frage. Aus der Lagrange-Funktion L=T−V =
N mi 2 x˙ i + y˙ i2 + ˙zi2 − V x1 , . . . , zN , t 2 i=1
(1.65)
folgt: d ∂L = mi ¨xi ; dt ∂x˙ i
∂L ∂V =− = Fxi . ∂xi ∂xi
Die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen,
∂L d ∂L = ⇐⇒ mi¨xi = Fxi , dt ∂x˙ i ∂xi führen damit in der Tat direkt auf die Newton’schen Bewegungsgleichungen. Nehmen wir die in (1.46) bewiesene Forminvarianz gegenüber Punkttransformationen hinzu, so gilt die Äquivalenz auch in beliebigen krummlinigen Koordinaten. 6) Kepler-Problem Wir betrachten die Bewegung eines Teilchens der Masse m im Zentralfeld (s. Beispiel 3 in Abschn. 1.1) mit der potentiellen Energie (s. (2.262), Bd. 1):
−α V(x, y, z) = 2 x + y2 + z2
(z. B. α = γ m M) .
In kartesischen Koordinaten ergeben sich recht komplizierte Bewegungsgleichungen. Wir haben im Beispiel 3 des Abschn. 1.1 bereits die Verwendung von Kugelkoordinaten als generalisierte Koordinaten als zweckmäßig erkannt. In diesen lautet die LagrangeFunktion: ˙ , ϕ˙ = m ˙r2 + r2 ϑ ˙ 2 + r2 sin2 ϑ ϕ˙ 2 + α . (1.66) L r, ϑ, ϕ, ˙r, ϑ 2 r Allein aus der unmittelbaren Beobachtung, dass die Koordinate ϕ zyklisch ist, ergeben sich wichtige physikalische Folgerungen: pϕ =
∂L ˙ = Lz = const . = m r2 sin2 ϑ ϕ ∂ϕ˙
(1.67)
Die z-Komponente des Bahndrehimpulses L = r ×p ist eine Konstante der Bewegung. Da die z-Richtung durch nichts ausgezeichnet ist, muss sogar der volle Drehimpuls konstant sein: L = m r × ˙r = const .
(1.68)
(Man unterscheide den Vektor L (Drehimpuls) vom Skalar L (Lagrange-Funktion).) Ohne Beschränkung der Allgemeinheit können wir die z-Achse unseres Koordinaten-
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
31
systems parallel zum Drehimpuls L legen, womit automatisch Lx = Ly ≡ 0 folgt. Die durch [r × ˙r ] aufgespannte Bahnebene ist dann die xy-Ebene. Dies bedeutet ϑ ≡ π|2 ˙ ≡ 0, sodass sich die Lagrange-Funktion zu und damit ϑ L=
m 2 2 2 α ˙r + r ϕ˙ + 2 r
(1.69)
vereinfacht. Es bleibt dann noch die Bewegungsgleichung d ∂L α ! ∂L ˙2− 2 = m ¨r = = mrϕ dt ∂˙r ∂r r
(1.70)
zu diskutieren. 1.2.3 Verallgemeinerte Potentiale Die einfachen Anwendungsbeispiele des letzten Abschnitts setzen die Gültigkeit der Lagrange-Gleichungen in der Form (1.36) voraus. Sie gelten für konservative Systeme mit holonomen Zwangsbedingungen. Bei einem nicht-konservativen System, aber holonomen Zwangsbedingungen gilt stattdessen (1.33):
d ∂T ∂T − = Qj , dt ∂q˙ j ∂qj
j = 1, 2, . . . , S .
Wir kommen jedoch zu formal unveränderten Lagrange-Gleichungen für so genannte verallgemeinerte Potentiale U = U q1 , . . . , qS , q˙ 1 , . . . , q˙ S , t , falls sich aus diesen die generalisierten Kräfte Qj wie folgt ableiten lassen: Qj =
d ∂U ∂U − , dt ∂q˙ j ∂qj
j = 1, 2, . . . , S .
(1.71)
Der erste Summand ist hier gegenüber dem Fall des konservativen Systems neu. Für die verallgemeinerte Lagrange-Funktion L=T−U
(1.72)
gelten dann mit (1.71) offenbar die Bewegungsgleichungen formal in der unveränderten Form (1.36). Nun sieht allerdings die Forderung (1.71) auch sehr speziell aus. Es gibt jedoch ein sehr wichtiges Anwendungsbeispiel: Geladenes Teilchen im elektromagnetischen Feld!
32
1. Lagrange-Mechanik
Im Band 3 werden wir erfahren, dass auf ein Teilchen mit der Ladung q¯ , das sich mit der Geschwindigkeit v in einem elektromagnetischen Feld (elektrisches Feld E, magnetische Induktion B) bewegt, die so genannte „Lorentz-Kraft“ F = q¯ [E + (v × B)]
(1.73)
wirkt. Diese ist nicht konservativ. Sie besitzt allerdings ein verallgemeinertes Potential U im Sinne von (1.71). Um dies zu zeigen, schreiben wir F zunächst auf die elektromagnetischen Potentiale,
ϕ(r, t) : skalares Potential ; A(r, t) = Vektorpotential , um. Diese sind so gewählt, dass in den Maxwell-Gleichungen, die in der Elektrodynamik die Rolle übernehmen, die die Newton’schen Axiome in der Mechanik spielen,
∂ B=0; ∂t ∂ rot H − D=j; ∂t rot E +
div B = 0 ;
(1.74)
div D = ρ ,
(1.75)
die beiden homogenen Gleichungen (1.74) automatisch erfüllt sind: B = rot A ;
E = −∇ ϕ −
∂ A. ∂t
(1.76)
In den inhomogenen Gleichungen (1.75), die wir im Folgenden nicht weiter benötigen, bezeichnen H das magnetische Feld, D die dielektrische Verschiebung, j die Stromdichte und ρ die Ladungsdichte. Weitere Einzelheiten werden in Band 3 diskutiert. Mit (1.76) schreibt sich die Lorentz-Kraft ∂ F = q¯ −∇ ϕ − A + (v × rot A) . (1.77) ∂t Wir versuchen, dazu ein verallgemeinertes Potential U = U x, y, z, x˙ , y˙ , ˙z, t abzuleiten, nehmen als generalisierte also die kartesischen Koordinaten des geladenen Teilchens: (v × rot A)x = = y˙ (rot A)z − ˙z(rot A)y = ∂ ∂ ∂ ∂ = y˙ Ay − Ax − ˙z Ax − Az = ∂x ∂y ∂z ∂x
∂ ∂ ∂ ∂ ∂ ∂ A + ˙z A + x˙ A − x˙ A − ˙y A − ˙z A = ∂x y ∂x z ∂x x ∂x x ∂y x ∂z x ∂ ∂ d (v · A) − Ax − Ax . = ∂x dt ∂t = y˙
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
33
Damit lautet die x-Komponente der Lorentz-Kraft: ∂ϕ d ∂ Fx = q¯ − − A + (v · A) . ∂x dt x ∂x Wir benutzen noch d d Ax = dt dt
∂ (A · v) ; ∂x˙
d ∂ ϕ=0 dt ∂x˙
und können dann schreiben: ∂ d ∂ (ϕ − v · A) . Fx = q¯ − (ϕ − v · A) + ∂x dt ∂x˙ Wir definieren ein verallgemeinertes Potential der Lorentz-Kraft U = q¯ (ϕ − v · A) ,
(1.78)
das für die x-Komponente die gewünschte Beziehung (1.71) erfüllt: Fx =
d ∂U ∂U − . dt ∂x˙ ∂x
Dies lässt sich natürlich ganz analog für die beiden anderen Komponenten Fy , Fz ebenso zeigen. Damit haben wir als wichtiges Ergebnis die Lagrange-Funktion eines Teilchens der Masse m und der Ladung q¯ im elektromagnetischen Feld abgeleitet: m L r, ˙r , t = ˙r2 + q¯ ˙r · A − q¯ ϕ . 2
(1.79)
Obwohl wir als generalisierte Koordinaten die kartesischen Ortskoordinaten des Teilchens gewählt haben, sind die generalisierten Impulse p nicht mit den mechanischen Impulsen m v identisch. Nach (1.52) gilt vielmehr: px =
∂L ∂L ∂L = m x˙ + q¯ Ax ; py = = m ˙y + q¯ Ay ; pz = = m ˙z + q¯ Az . ∂x˙ ∂y˙ ∂˙z
(1.80)
Die eigentlichen experimentellen Messgrößen sind die elektromagnetischen Felder E und B. Die Potentiale ϕ, A sind dagegen nur Hilfsgrößen. Eichtransformationen der Form A −→ A + ∇ χ ;
ϕ −→ ϕ −
∂ χ, ∂t
(1.81)
wobei χ eine beliebige skalare Funktion sein darf, sind deshalb erlaubt, da nach (1.76) dadurch die Felder E und B nicht geändert werden. Da die Lagrange-Funktion (1.79)
34
1. Lagrange-Mechanik
aber direkt von den Potentialen ϕ, A abhängt, ist sie nicht eichinvariant. Die Lagrange’sche Bewegungsgleichung m ¨r = q¯ E + ˙r × B
(1.82)
ist dagegen eichinvariant, da in diese nur die Felder E und B eingehen. Die LagrangeFunktion ändert sich gemäß d ∂ L −→ L + q¯ ˙r ∇ χ + χ = L + q¯ χ(r, t) . (1.83) ∂t dt Nun kann man ganz allgemein zeigen, dass sich bei einer mechanischen Eichtransformation L −→ L + L0 ;
L0 (q, q˙ , t) =
d f (q, t) dt
(1.84)
die Bewegungsgleichungen nicht ändern, wenn f eine praktisch beliebige, hinreichend oft differenzierbare, nur von q und t abhängende Funktion ist. Es gilt nämlich:
∂L0 ∂ df ∂2 f ∂2 f = q˙ , = + ∂qj ∂qj dt ∂qj ∂t ∂qj ∂ql l l d ∂L0 d ∂ df d = = dt ∂q˙ j dt ∂q˙ j dt dt =
∂ ∂f ∂f q˙ + ∂q˙ j ∂t ∂ql l l
=
d ∂f ∂2 f ∂2 f = + q˙ . dt ∂qj ∂t ∂qj ∂ql ∂qj l l
Daraus folgt mit d ∂L0 ∂L0 − =0 dt ∂q˙ j ∂qj
∀j
(1.85)
die Behauptung. Umeichungen der Lagrange-Funktion gemäß (1.84) lassen die Bewegungsgleichung und damit die Bahnen q(t) im Konfigurationsraum invariant. Nur diese sind aber empirisch beobachtbare Phänomene. Auch die elektromagnetische Eichtransformation (1.81) ist in diesem Sinne irrelevant. 1.2.4 Reibung Reibungskräfte lassen sich nicht wie in (1.71) aus einem verallgemeinerten Potential U ableiten. Sie müssen daher in besonderer Weise in den Bewegungsgleichungen berücksichtigt werden. Es sind auch keine Zwangskräfte im eigentlichen Sinn. Sie erfüllen nicht das d’Alembert’sche Prinzip.
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
35
Nach (1.33) gilt bei holonomen Zwangsbedingungen: ∂ri d ∂T ∂T ) − = Qj ≡ Ki · = Q(V + Qj(R) . j dt ∂q˙ j ∂qj ∂ q j i=1 N
(1.86)
) ) Der Anteil Q(V sei dabei aus einem Potential ableitbar K (V ≡ −∇i V , während i j
Qj(R) den Einfluss der Reibungskraft angibt. Die Lagrange-Funktion ) L=T−V V aus Q(V j befolgt dann die Bewegungsgleichungen: d ∂L ∂L − = Qj(R) , dt ∂q˙ j ∂qj
j = 1, 2, . . . , S .
(1.87)
Einen brauchbaren phänomenologischen Ansatz für die Reibungskräfte stellt der Ausdruck Qj(R) = −
S
βjl q˙ l
βjl = βlj
(1.88)
l=1
dar (vgl. (2.59), Bd. 1). Kräfte dieser Art werden durch die Rayleigh’sche Dissipationsfunktion D=
S 1 βlm q˙ l q˙ m 2
(1.89)
l, m = 1
beschrieben. Dies ergibt modifizierte Lagrange-Gleichungen: d ∂L ∂L ∂D − + =0, dt ∂q˙ j ∂qj ∂q˙ j
j = 1, 2, . . . , S .
(1.90)
Zur Festlegung der Bewegungsgleichungen müssen nun also zwei skalare Funktionen L und D bekannt sein. Wir wollen uns noch die physikalische Bedeutung der Dissipationsfunktion klar machen. In Systemen mit Reibung ist die Summe aus kinetischer und potentieller Energie keine Erhaltungsgröße, da das System gegen die Reibung Arbeit leisten muss: (R) Qj dqj = βjl q˙ l dqj . dW (R) = − j
j,l
Es ist also: dW (R) = 2D (Energiedissipation) . dt
(1.91)
36
1. Lagrange-Mechanik
Die Energiedissipation entspricht der zeitlichen Änderung der Gesamtenergie (T + V ): S ∂T ∂T dV d (T + V ) = , q˙ + ¨q + dt ∂qj j ∂q˙ j j dt j=1
⎛ ⎞ S S S ∂T d ∂T d ⎝ ∂T ⎠ ¨qj = q˙ j − q˙ j . ∂q˙ j dt ∂q˙ j dt ∂q˙ j j=1
j=1
j=1
Wir setzen skleronome Zwangsbedingungen voraus. Dann ist nach (1.37) die kinetische Energie T eine homogene Funktion der generalisierten Geschwindigkeiten vom Grad 2. Ferner sei das System, abgesehen von den Reibungskräften, konservativ: S S ∂T d ∂L d ¨qj = (2T) − q˙ j . ∂q˙ j dt dt ∂q˙ j j=1
j=1
Daraus folgt mit (1.90): ∂T d d dV q˙ j + (2T) + q˙ j (T + V ) = − dt ∂qj dt dt =
S
S
j=1
j=1
S ∂V j=1
∂qj
q˙ j +
∂L ∂D = − ∂qj ∂q˙ j
d (2T + V ) + 2D . dt
Dies bedeutet: d (T + V ) = −2D . dt
(1.92)
Beispiel Ein Teilchen der Masse m falle vertikal unter dem Einfluss der Schwere, wobei Reibungskräfte gemäß einer Dissipationsfunktion
D=
1 2 αv 2
auftreten mögen (Stokes’sche Reibung; s. (2.60), Bd. 1). Mit v = −˙z (eindimensionale Bewegung!) folgt die Lagrange-Funktion: L=T−V =
m 2 ˙z − m g z . 2
Dies gibt nach (1.90) die folgende modifizierte Lagrange-Gleichung: m ¨z + m g + α ˙z = 0 .
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
37
Es ist also:
α d dv v = g − v ⇒ dt = α . dt m g− v m Dies lässt sich leicht integrieren: t − t0 = −
m
α
ln
αv − mg . α v0 − m g
Wir wählen als Anfangsbedingungen t0 = 0 ;
v0 = 0
und haben dann das bekannte Resultat ((2.120), Bd. 1): α $ mg # 1 − exp − t v= . α m Wegen der Reibung bleibt v auch für t → ∞ endlich!
1.2.5 Nicht-holonome Systeme Holonome Zwangsbedingungen lassen sich in der Form (1.2) angeben. Durch Einführung von S = 3N − p (p = Zahl der holonomen Zwangsbedingungen) voneinander unabhängigen generalisierten Koordinaten q1 , . . . , qS , die die Konfiguration des Systems eindeutig festlegen, wird u. a. der Tatsache Rechnung getragen, dass sich durch die holonomen Zwangsbedingungen die Zahl der Freiheitsgrade von 3N auf S = 3N − p verringert hat. Bei nicht-holonomen Zwangsbedingungen lässt sich nicht mehr eine der Zahl der Freiheitsgrade entsprechenden Menge von unabhängigen generalisierten Koordinaten angeben. Insbesondere sind die Lagrange-Gleichungen nicht mehr in der Form (1.36) verwendbar. Nach den Überlegungen in Abschn. 1.1 können nichtholonome Zwangsbedingungen als Ungleichungen oder in differentieller, nichtintegrabler Form vorliegen. Für den zweiten Fall gibt es ein Lösungsverfahren, nämlich die
Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren, die wir nun einführen wollen. Dazu betrachten wir ein System, dem p¯ Zwangsbedingungen auferlegt seien. Von diesen mögen p ≤ p¯ in der folgenden, nicht-holonomen Form vorliegen: 3N m=1
fim x1 , . . . , x3N , t dxm + fit x1 , . . . , x3N , t dt = 0 ,
i = 1, . . . , p .
(1.93)
38
1. Lagrange-Mechanik
Wir wollen das Lösungsrezept schrittweise entwickeln: 1. Im Allgemeinen wird das System sowohl holonome als auch nicht-holonome Zwangsbedingungen aufweisen. Die holonomen Zwangsbedingungen verwenden wir zur partiellen Verringerung der Koordinatenzahl von 3N auf j = 3N − p¯ − p . Wir drücken also die Teilchenorte ri durch j generalisierte Koordinaten q1 , . . . , qj aus: r i = r i q1 , . . . , qj , t .
2.
(1.94)
Die Koordinaten qj können natürlich nicht alle voneinander unabhängig sein. Die Bedingungen (1.93) werden auf q1 , . . . , qj umgeschrieben: j
aim dqm + bit dt = 0 ,
i = 1, . . . , p .
(1.95)
m=1
3.
Die Zwangsbedingungen werden für virtuelle Verrückungen formuliert (δt = 0): j
aim δqm = 0 ,
i = 1, . . . , p .
(1.96)
m=1
4.
Wir führen nun so genannte Lagrange’sche Multiplikatoren λi ein, die unabhängig von q sein sollen, aber möglicherweise von t abhängen. Aus (1.96) folgt trivialerweise: p
λi
i=1
5.
j
aim δqm = 0 .
(1.97)
m=1
Das System sei konservativ. Dann lässt sich eine Lagrange-Funktion definieren, für die die Bewegungsgleichungen die Form (1.35) haben: j ∂L d ∂L − δqm = 0 . ∂qm dt ∂q˙ m m=1
(1.98)
Dies kombinieren wir mit (1.97): j m=1
∂L d ∂L − + λa δqm = 0 . ∂qm dt ∂q˙ m i = 1 i im p
(1.99)
Die δqm sind nicht unabhängig voneinander, d. h., wir können nicht jeden Summanden gleich Null setzen.
1.2
6.
Das d’Alembert’sche Prinzip
39
Wegen der Zwangsbedingungen sind nur j−p = 3N − p¯ Koordinaten frei wählbar. Wir legen fest: unabhängig ,
qm : m = 1, . . . , j − p :
qm : m = j − p + 1, . . . , j : abhängig . Nun sind die p Lagrange’schen Multiplikatoren λi noch unbestimmt. Wir wählen sie so, dass gilt:
∂L d ∂L ! − + λ a = 0, ∂qm dt ∂q˙ m i = 1 i im p
m = j − p + 1, . . . , j .
(1.100)
Das sind p Gleichungen für p unbekannte λi , die durch (1.100) festgelegt sind. Einsetzen in (1.99) führt dann zu j−p m=1
∂L d ∂L − + λa δqm = 0 . ∂qm dt ∂q˙ m i = 1 i im p
Diese qm sind nun aber unabhängig voneinander, sodass bereits jeder Summand für sich gleich Null sein muss:
∂L d ∂L − + λ a =0, ∂qm dt ∂q˙ m i = 1 i im p
7.
m = 1, 2, . . . , j − p .
(1.101)
Wir kombinieren (1.101) und (1.100) und erhalten die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen (1. Art)
∂L d ∂L − = λi aim , dt ∂q˙ m ∂qm i = 1 p
m = 1, . . . , j .
(1.102)
Das sind j Gleichungen für j + p Unbekannte, nämlich j Koordinaten qm und p Multiplikatoren λi . Die fehlenden Bestimmungsgleichungen sind die p Zwangsbedingungen (1.95): j
aim q˙ m + bit = 0 ,
i = 1, . . . , p .
(1.103)
m=1
Diese Zwangsbedingungen lassen sich zwar nicht direkt integrieren, möglicherweise aber im Zusammenhang mit den obigen Bewegungsgleichungen. Wir werden dies an Beispielen demonstrieren. Bei diesem Verfahren erhalten wir also eigentlich mehr als ursprünglich beabsichtigt, nämlich neben den qm noch die λi .
40
1. Lagrange-Mechanik
Was ist die physikalische Bedeutung der λi ? Vergleicht man (1.102) mit (1.33), so wird klar, dass Qm =
p
λi aim
(1.104)
i=1
als Komponente einer generalisierten Zwangskraft zu interpretieren ist, die die nichtholonomen Zwangsbedingungen realisiert. Man kann dann (1.97) auch wie folgt schreiben: j
Qm δqm = 0 .
(1.105)
m=1
Das ist gewissermaßen das d’Alembert’sche Prinzip für die generalisierte Zwangskraft. Man kann die Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren auch auf Systeme mit ausschließlich holonomen Zwangsbedingungen anwenden. Dazu schreiben wir die p holonomen Zwangsbedingungen (von insgesamt p¯ ≥ p), fi (r 1 , . . . , r N , t) = 0 , auf generalisierte Koordinaten q1 , . . . , qj um: f¯i q1 , . . . , qj , t = 0 ,
i = 1, . . . , p ,
i = 1, . . . , p .
Damit gilt dann auch die Beziehung df¯i =
j ∂f¯i ∂f¯i dt = 0 , dqm + ∂qm ∂t m=1
die mit (1.95) bzw. (1.103) formal identisch ist, falls aim =
∂f¯i ∂f¯i und bit = ∂qm ∂t
gesetzt werden. Damit sind dann (1.102) und (1.103) zu lösen. Das Verfahren liefert nun auch Informationen über Zwangskräfte, ist aber auch komplizierter, da statt j − p nun j + p Gleichungen zu lösen sind. – Die Anwendungsbeispiele des nächsten Abschnitts sollen mit dem abstrakten Formalismus vertraut machen. 1.2.6 Anwendungen der Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren Wir diskutieren drei einfache physikalische Probleme. 1) Atwood’sche Fallmaschine Als eigentlich holonomes System haben wir die Fallmaschine bereits als Anwendungsbeispiel 1) in Abschn. 1.2.2 diskutiert. Sie dient hier der Illustration der Methode.
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
41
x1
x2 m1
m2
Abb. 1.20. Atwood’sche Fallmaschine
Von den fünf Zwangsbedingungen y1 = y2 = z1 = z2 = 0 , x1 + x2 − l = 0 verwenden wir nur die ersten vier zur Verringerung der Koordinatenzahl: j=6−4=2. Als generalisierte Koordinaten wählen wir: q1 = x1 ;
q2 = x2 .
Die verbleibende Zwangsbedingung lautet dann: f q1 , q2 , t = q1 + q2 − l = 0
( p = 1)
⇒ df = dq1 + dq2 = 0 . Der Vergleich mit (1.95) liefert a11 = a12 = 1 . Wegen p = 1 ist nur ein Lagrange’scher Multiplikator λ vonnöten (1.104): Q1 = Q2 = λ
Fadenspannung .
Mit der Lagrange-Funktion L=
1 m1 q˙ 21 + m2 q˙ 22 + g m1 q1 + m2 q2 2
ergeben sich gemäß (1.102) die Bewegungsgleichungen: m1¨q1 − m1 g = λ ;
m2¨q2 − m2 g = λ .
42
1. Lagrange-Mechanik
Ferner folgt aus der Zwangsbedingung nach (1.103): q˙ 1 + q˙ 2 = 0 . Das sind jetzt drei zu lösende Gleichungen statt wie früher eine, als die Fallmaschine noch als holonomes System behandelt wurde. Dafür erhalten wir nun auch zusätzliche Information über die Zwangskraft. Als Lösung des obigen Gleichungssystems ergeben sich die früheren Resultate (1.48) und (1.49):
¨q1 = −¨q2 =
m1 − m2 g; m1 + m2
λ = −2g
m1 m2 . m1 + m2
2) Rollendes Fass auf schiefer Ebene Das „Fass“ ist ein Hohlzylinder der Masse M, dessen Trägheitsmoment J sich zu % J = ρ(r)r2 d3 r = M R2 (1.106)
berechnet (s. Abschn. 4.3, Bd. 1). ρ(r) ist die Massendichte des Hohlzylinders. Verifizieren Sie (1.106) zur Übung. – Es handelt sich hier wiederum um ein holonomes Problem. Wir betrachten als generalisierte Koordinaten q1 = x ;
q2 = ϑ
( j = 2)
mit der Abrollbedingung R dϑ = dx als Zwangsbedingung. Diese ist natürlich integrabel und dann holonom. Dies soll hier jedoch bewusst nicht gemacht werden. Aus R dq2 − dq1 = 0 ( p = 1) folgt: a11 = −1 ;
a12 = R .
Das rollende Fass besitzt die Lagrange-Funktion: L=
M 2 1 2 q˙ + J q˙ − M g (l − q1 ) sin ϕ . 2 1 2 2
R
x
ϑ ϕ
Abb. 1.21. Rollender Hohlzylinder auf einer schiefen Ebene
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
43
Wegen p = 1 benötigen wir einen Lagrange’schen Multiplikator λ. Nach (1.102) gilt dann:
∂L d ∂L − = M ¨q1 − M g sin ϕ = λ a11 = −λ , dt ∂q˙ 1 ∂q1 d ∂L ∂L − = J ¨q2 = λ a12 = R λ . dt ∂q˙ 2 ∂q2 Die Koordinate q2 scheint zyklisch zu sein. Dies führt hier aber nicht zu einem Erhaltungssatz, da q1 und q2 ja nicht unabhängig voneinander sind. Die Zwangsbedingung liefert noch, (1.103) entsprechend, eine dritte Bestimmungsgleichung: −q˙ 1 + R q˙ 2 = 0 . Man findet leicht als vorläufige Lösung: 1 g sin ϕ , 2
¨q1 = ¨x = ¨q2 = ¨ ϑ=
λ=
1 g sin ϕ , 2R
M g sin ϕ . 2
Die Linearbeschleunigung des abrollenden Zylinders ist also nur halb so groß wie die eines Körpers, der auf der Ebene reibungslos gleitet (vgl. (4.36), Bd. 1). Für die generalisierten Zwangskräfte finden wir Q1 = λ a11 = −
M g sin ϕ ; 2
Q2 = λ a12 =
1 M g R sin ϕ . 2
Q1 kann mit der x-Komponente der Zwangskraft identifiziert werden, die aus der „Rauigkeit“ der Unterlage resultiert, die das Fass zum „Rollen“ bringt. Sie vermindert die tatsächlich wirkende Schwerkraft von Mg sin ϕ auf (1|2)Mg sin ϕ. – Q2 entspricht dem durch die „Rauigkeit“ der Unterlage dem Zylinder aufgezwungenen Drehmoment. 3) Rollen eines Rades auf rauer Unterfläche Dieses System haben wir bereits in Abschn. 1.1 als Anwendungsbeispiel für nichtholonome Zwangsbedingungen diskutiert. Wir übernehmen die Notation des Beispiels (B,2) aus Abschn. 1.1 und wählen als „generalisierte“ Koordinaten:
q1 = x ;
q2 = y ;
q3 = ϕ ;
q4 = ϑ .
Die Zwangsbedingung „Rollen“ wird nach (1.14) durch
˙ =0; x˙ − R cos ϑ ϕ
˙ =0 y˙ − R sin ϑ ϕ
44
1. Lagrange-Mechanik
wiedergegeben. Dies bedeutet nach (1.95) ( p = 2): a11 = 1 ; a21 = 0 ;
a12 = 0 ; a22 = 1 ;
a13 = −R cos ϑ ; a23 = −R sin ϑ ;
a14 = 0 ; a24 = 0 .
Wir benötigen zwei Lagrange’sche Multiplikatoren λ1 und λ2 . Nach (1.104) lauten dann die generalisierten Zwangskräfte: Q1 = λ1 ;
Q2 = λ2 ;
Q3 = −R cos ϑ λ1 − R sin ϑ λ2 ;
Q4 = 0 .
Die Radscheibe möge sich im kräftefreien Raum bewegen, besitze also nur kinetische Energie: L=T=
1 M 2 1 ˙2 ˙ 2 + J2 ϑ x˙ + y˙ 2 + J1 ϕ . 2 2 2
J1 ist das Trägheitsmoment um die Radachse und J2 das Trägheitsmoment um die durch Scheibenmittelpunkt und Auflagepunkt verlaufende Achse. Die LagrangeGleichungen (1.102) liefern nun: M ¨x = λ1 ;
M ¨y = λ2 ;
J1 ¨ ϕ = −R λ1 cos ϑ − R λ2 sin ϑ ;
J2 ¨ ϑ=0.
Mit den obigen Zwangsbedingungen haben wir damit sechs Gleichungen für sechs Unbekannte. Aus ¨ ϑ = 0 folgt:
ϑ = ωt (ω = const) . Wir differenzieren die Zwangsbedingungen noch einmal nach der Zeit:
¨x = −R ωϕ˙ sin ωt + R ¨ ϕ cos ωt , ¨y = R ω ϕ˙ cos ωt + R ¨ ϕ sin ωt . Damit liegen auch die Multiplikatoren λ1 und λ2 fest:
λ1 = −M R ω sin ωt ϕ˙ + M R cos ωt ¨ϕ , λ2 = M R ω cos ωt ϕ˙ + M R sin ωt ¨ϕ . Die letzte, noch nicht benutzte Lagrange-Gleichung ergibt dann nach Einsetzen von λ1 und λ2 :
ϕ = M R2 ω sin ωt cos ωt ϕ˙ − M R2 cos2 ωt ¨ϕ − J1 ¨ ˙ − M R2 sin2 ωt ¨ϕ = −M R2 ω cos ωt sin ωt ϕ
ϕ. = −M R2 ¨ Diese Gleichung kann aber nur die Lösung
¨ ϕ ≡ 0 ⇐⇒ ϕ˙ = ϕ˙ 0 = const
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
45
haben. Damit sind die Zwangskräfte vollständig bestimmt:
˙ 0 sin ωt ; Q1 = −M R ω ϕ
˙ 0 cos ωt ; Q2 = M R ω ϕ
Q3 = Q4 = 0 .
(1.107)
Sie sorgen dafür, dass die Scheibe senkrecht auf der xy-Ebene rollt. Falls sich das Rad lediglich geradeaus bewegt, ist ω gleich Null, sodass alle Zwangskräfte verschwinden. 1.2.7 Aufgaben Aufgabe 1.2.1 Diskutieren Sie die Bewegung einer auf einem gleichförmig rotierenden Draht reibungslos gleitenden Perle. r sei der Abstand vom Drehpunkt. Es sollen die Anfangsbedingungen
r(t = 0) = r0 ;
1.2.1
˙r(t = 0) = −r0 ω
gelten (ω : konstante Winkelgeschwindigkeit des Drahtes).
Aufgabe 1.2.2 Betrachten Sie eine auf einem mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω rotierenden Draht reibungslos gleitende Perle der Masse m. Sie befinde sich, anders als in Aufgabe 1.2.1 zudem im Schwerefeld der Erde. y m • r
ωt 1. 2. 3. 4.
g x
Abb. 1.22. Perle auf rotierendem Draht im
Schwerefeld der Erde
Welche Zwangsbedingungen liegen vor? Formulieren Sie die Lagrange-Funktion der Perle! Stellen Sie die Lagrangesche Bewegungsgleichung auf und finden Sie deren allgemeine Lösung! Benutzen Sie die Anfangsbedingungen r(t = 0) = r0 ; ˙r(t = 0) = 0 .
5.
Wie groß muss ω mindestens sein, damit die Perle sich auch für t → ∞ nach außen bewegt? Wie würde das Problem in der Newton-Mechanik zu bearbeiten sein?
1.2.2
46
1.2.3
1. Lagrange-Mechanik
Aufgabe 1.2.3 Ein parabelförmig gebogener Draht drehe sich mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω um die z-Achse. Auf diesem Draht bewege sich reibungslos eine Perle der Masse m im Schwerefeld der Erde (g = −gez ). Befindet sich der Draht in der yz-Ebene, dann gilt für die Position der Masse
z = αy 2
(α > 0) .
z
ω m g
×
y
x
1. 2. 3.
Abb. 1.23. Perle auf rotierendem, parabelförmigen Draht im Schwerefeld der Erde
Formulieren Sie die Zwangsbedingungen! Wie viele Freiheitsgrade bleiben? Benutzen Sie Zylinderkoordinaten (ρ, ϕ, z) zur Darstellung der LagrangeFunktion! Berechnen Sie für den Spezialfall ω = 2αg die Lagrange-Bewegungsgleichung 2. Art und zeigen Sie, dass 1 + 4α2 ρ2 ρ˙ 2 ein Integral der Bewegung darstellt!
1.2.4
Aufgabe 1.2.4 Die Position eines Teilchens werde durch Zylinderkoordinaten (ρ, ϕ, z) beschrieben. Die potentielle Energie des Teilchens sei
V(ρ) = V0 ln 1. 2. 3.
ρ , ρ0
V0 = const , ρ0 = const .
Wie lautet die Lagrange-Funktion? Stellen Sie die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen auf. Finden und interpretieren Sie mindestens zwei Erhaltungssätze.
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
Aufgabe 1.2.5 Auf der Innnenfläche eines Zylindermantels (Radius R) rolle ein Zylinder (Radius r, Massendichte ρ = const).
47
1.2.5
ϕ ϑR r
Abb. 1.24. Auf der Innenfläche eines Zylindermantels
rollender Zylinder
1. 2. 3.
Wie lautet die Lagrange-Funktion des Systems? Formulieren Sie die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen. Integrieren Sie die Bewegungsgleichung für kleine „Ausschläge“ ϕ.
Aufgabe 1.2.6 Eine Punktmasse m rollt reibungsfrei auf der Innenseite eines Kreiskegels (Öffnungswinkel α) im Schwerefeld der Erde. z
g
α
m
y x
1. 2. 3.
Abb. 1.25. Punktmasse m auf der Innenseite eines
Kreiskegels im Schwerefeld der Erde
Formulieren Sie die Zwangsbedingung und wählen Sie passende generalisierte Koordinaten. Geben Sie die Lagrange-Funktion an und stellen Sie die Bewegungsgleichungen (2. Art) auf. Welche Koordinate ist zyklisch? Geben Sie den zugehörigen Erhaltungssatz an!
1.2.6
48
1.2.7
1. Lagrange-Mechanik
Aufgabe 1.2.7 Zwei Kugeln gleicher Masse m sind durch eine (masselose) Stange der Länge l miteinander verbunden. Wie in der Skizze angedeutet, bewegen sich die Massen reibungsfrei in vorgegebenen Schächten unter dem Einfluss der Schwerkraft.
1 y
m
g l
ϕ 2
x
1. 2.
1.2.8
m
Abb. 1.26. Unter dem Einfluss der Schwerkraft in vorgegebenen Schächten gleitende Kugeln
Führen Sie passende generalisierte Koordinaten ein und geben Sie die Lagrange-Funktion an. Lösen Sie die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen.
Aufgabe 1.2.8 Eine Perle der Masse m gleite reibungslos auf einem Drahtring vom Radius R. Der Ring rotiere mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω um seinen Durchmesser im Schwerefeld g.
g
ϑ
R m
ω 1. 2. 3.
Abb. 1.27. Perle auf einem rotierenden Drahtring unter dem Einfluss der Schwerkraft
Formulieren und klassifizieren Sie die Zwangsbedingungen. Wie lautet die Lagrange’sche Bewegungsgleichung? Integrieren Sie die Bewegungsgleichung für ϑ << 1.
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
49
Aufgabe 1.2.9 Eine Masse m rotiere reibungslos auf einer Tischplatte. Über einen Faden der Länge l (l = r + s) sei durch ein Loch in der Platte m mit einer anderen Masse M verbunden. Wie bewegt sich M unter dem Einfluss der Schwerkraft?
1.2.9
z
ω
y r
ϕ x
s M
1. 2. 3. 4.
m
Abb. 1.28. Eine auf einem Tisch reibungslos rotierende Masse m, die durch einen Faden mit einer der Schwerkraft unterliegenden Masse M verbunden ist
Formulieren und klassifizieren Sie die Zwangsbedingungen. Stellen Sie die Lagrange-Funktion und ihre Bewegungsgleichungen auf. Unter welchen Bedingungen rutscht die Masse M nach oben, wann nach unten? Diskutieren Sie den Spezialfall ω = 0.
Aufgabe 1.2.10 Betrachten Sie ein ebenes Fadenpendel der Fadenlänge l im homogenen Schwerefeld. Es sollen nur kleine Ausschläge des Pendels diskutiert werden. P
ϕ
l
m
Abb. 1.29. Ebenes Fadenpendel der Länge l im Schwerefeld der
Erde
1.
2.
Stellen Sie die Lagrange-Funktion und ihre Bewegungsgleichung auf. Wählen Sie die Anfangsbedingungen so, dass zur Zeit t = 0 das Pendel durch seine Ruhelage schwingt. Wie groß ist die Frequenz ω0 der Pendelschwingung? Berechnen Sie die Fadenspannung.
1.2.10
50
1.2.11
1. Lagrange-Mechanik
Aufgabe 1.2.11 Ein Teilchen der Masse m schwinge an einem masselosen Faden der Länge l im Schwerefeld der Erde in der x-y-Ebene (s. Skizze).
y g
ϕ r m x
1. 2.
3.
4.
Abb. 1.30. Schwingende Masse im Schwerefeld der
Erde
Formulieren Sie die Zwangsbedingungen. Benutzen Sie die Zwangsbedingungen nicht vollständig zur Eliminierung von Variablen, sondern wählen Sie ϕ und r als generalisierte Koordinaten. Geben Sie die Lagrange-Funktion ˙ L = L r, ϕ, ˙r, ϕ an. Führen Sie einen passenden Lagrange’schen Multiplikator ein und leiten Sie für ϕ und r die Lagrange’schen Gleichungen erster Art ab. Benutzen Sie die Bewegungsgleichung für r zur Bestimmung der „Fadenspannung“ Qr . Lösen Sie die Bewegungsgleichung für ϕ mit den Anfangsbedingungen g ϕ(0) = 0 ϕ˙ (0) = ϕ0 ϕ0 << 1 l unter der Voraussetzung kleiner Pendelausschläge (ϕ << 1).
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
51
Aufgabe 1.2.12 Ein Block der Masse M gleite reibungsfrei unter dem Einfluss der Schwerkraft auf einer schiefen Ebene mit Neigungswinkel α gegen die Horizontale. An seinem Schwerpunkt sei die Masse m über einen masselosen Faden der Länge l befestigt.
1.2.12
y M s
α x
ϕ l
Abb. 1.31. Masse auf einer schiefen Ebene mit angekoppeltem Fadenpendel
m
1. 2. 3.
˙ , ˙s)? Wie lautet die Lagrange-Funktion L(ϕ, s, ϕ Zeigen Sie, dass eine Lösung ϕ(t) = ϕ0 = const existiert. Geben Sie eine geschlossene Differentialgleichung für ϕ an. Lösen Sie diese für M >> m und kleine Winkelausschläge (ϕ ≈ α).
Aufgabe 1.2.13 Zwei Massen m1 und m2 bewegen sich unter dem Einfluss der Schwerkraft reibungslos auf einem Keil. Sie seien durch einen masselosen Faden der Länge l = l1 + l2 miteinander verbunden. y g
r1
r2 x
m1
m2
α 1. 2. 3. 4.
β
Abb. 1.32. Zwei miteinander durch einen Faden verbundene Massen auf einem Keil im Schwerefeld der Erde
Formulieren Sie die Zwangsbedingungen. Von welchem Typ sind diese? Wie viele Freiheitsgrade s besitzt das System? Wählen Sie passende generalisierte Koordinaten. Geben Sie die Transformationsformeln an. Formulieren Sie die Lagrange-Funktion. Stellen Sie die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen auf und lösen Sie diese. Bestimmen Sie r1 (t) mit den Anfangsbedingungen: r1 (t = 0) = r0 ;
˙r1 (t = 0) = 0 .
Stellen Sie die Gleichgewichtsbedingungen auf.
1.2.13
52
1. Lagrange-Mechanik
5.
1.2.14
Benutzen Sie die Zwangsbedingung der „konstanten Fadenlänge“ nicht als holonome Zwangsbedingung zur Eliminierung von Variablen. Benutzen Sie stattdessen einen Lagrange’schen Multiplikator λ zur Festlegung der „Fadenspannung“. Wie groß ist diese im Gleichgewicht?
Aufgabe 1.2.14 Zwei homogene Zylinder mit Massen M1 ,M2 und Radien R1 ,R2 sind mit einem Faden umwickelt und dadurch miteinander verbunden. Die Achse des ersten Zylinders ist fest horizontal gelagert. Er lässt sich aber reibungslos drehen. Der zweite Zylinder fällt im Schwerefeld der Erde in xRichtung, wobei sich auf beiden Zylindern der Faden abwickelt. R1 y
F2
ϕ1 g
F1
x2
R2
ϕ2 Abb. 1.33. Durch Faden gekoppelte, reibungsfrei drehbare Zylinder
1.
2. 3.
Stellen Sie mit Hilfe des Drehimpulssatzes die Bewegungsgleichung auf und bestimmen Sie insbesondere die Fadenspannungen F 1 und F 2 ! (Dieses Problem wurde als Aufgabe 4.6.4 in Band 1 gerechnet) Formulieren Sie die Lagrange-Funktion! Benutzen Sie dazu ϕ1 und ϕ2 (s. Skizze) als generalisierte Koordinaten. Bestimmen Sie x2 (t) mit den Anfangsbedingungen: x2 (0) = 0 ; x˙ 2 = 0 .
4.
Verifizieren Sie das Ergebnis für die Fadenspannung aus Teil 1.!
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
53
Aufgabe 1.2.15 Ein homogener Hohlzylinder (Masse M, Radius R) sei im Schwerefeld g = −gez um eine horizontale Achse durch den Mittelpunkt P drehbar gelagert. In diesem Hohlzylinder rollt ein homogener Vollzylinder (Masse m, Radius r) ohne zu gleiten. Die beiden Zylinderachses seien parallel. O und P raumfeste Punkte, A, B, C und S körperfest (d. h. auf den Zylindern), sodass im Gleichgewicht: C auf O, B auf O, S auf PO
R g P
ψ
ϕ B
χ
ψ: Auslenkung des Hohlzylinders aus
r S
der Gleichgewichtslage
A
χ: Auslenkung des Vollzylinders aus der Gleichgewichtslage
C O
ϕ: Winkellage des Schwerpunktes des Vollzylinders
Abb. 1.34. Ein auf der Innenseite eines Hohlzylinders rollender Vollzylinder im Schwerefeld
der Erde
1. 2. 3. 4.
Formulieren Sie die Zwangsbedingungen und legen Sie die generalisierten Koordinaten fest. Bestimmen Sie die Lagrange-Funktion. Wie lauten die Bewegungsgleichungen? Bestimmen Sie die Eigenfrequenz im Fall kleiner Auslenkungen.
1.2.15
54
1.2.16
1. Lagrange-Mechanik
Aufgabe 1.2.16 Zwei Punktmassen m1 = m2 = m sind durch eine masselose Stange der Länge l zu einer Hantel verbunden. Sie bewegen sich in der xyEbene und unterliegen dabei einer Reibungskraft, die proportional zu ihrer Geschwindigkeit ist. (F i = α · ˙r i , i = 1, 2) y m2 (x, y)
ϕ x
m1
1. 2. 3. 4.
1.2.17
Abb. 1.35. Bewegung einer Hantel unter dem Einfluss einer Reibungskraft
Formulieren Sie die Zwangsbedingungen und wählen Sie passende generalisierte Koordinaten. Reibungskräfte sind nicht konservativ. Stellen Sie die entsprechenden generalisierten Kräfte Qj auf! Welche Bewegungsgleichungen sind zu lösen? Lösen Sie diese unter den Anfangsbedingungen: Schwerpunkt: x(0) = y(0) = 0 ; x˙ (0) = vx ; y˙ (0) = vy ˙ (0) = ω Winkel: ϕ(0) = 0 ; ϕ
Aufgabe 1.2.17 Ein Massenpunkt m gleitet im Schwerefeld der Erde reibungslos auf einer schiefen Ebene. Diese bewegt sich bei konstanter Neigung α in x-Richtung, wobei ihr Schnittpunkt mit der x-Achse durch
1 a(t) = ct 2 2
(c > 0)
gegeben ist. y
g m
α a(t)
1.
x
Abb. 1.36. Massenpunkt auf schiefer Ebene im Schwerefeld der Erde
Formulieren Sie die Zwangsbedingungen und stellen Sie die LagrangeFunktion L auf. Benutzen Sie dabei die Zwangsbedingung für die Bewegung der schiefen Ebene nicht zur Verringerung der Koordinatenzahl.
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
2. 3.
55
Stellen Sie die Lagrange’schen Gleichungen 1. Art auf und berechnen Sie aus diesen die verallgemeinerten Zwangskräfte Qx , Qy . Lösen Sie die Bewegungsgleichungen mit den Anfangsbedingungen x˙ (0) = 0 ;
x(0) = x0 .
Aufgabe 1.2.18 Ein Massenpunkt m befinde sich unter Einfluss des homogenen Schwerefeldes der Erde auf einer Kugelfläche vom Radius R. 1. Geben Sie die Zwangsbedingungen an und formulieren Sie die LagrangeFunktion. 2. Geben Sie die Lagrange-Gleichung 2. Art an und finden Sie ein Integral der Bewegung. 3. In welcher Höhe z0 springt der Massenpunkt von der Kugel ab, wenn er sich anfangs im höchsten Punkt der Kugel im labilen Gleichgewicht befand und dann eine infinitisimale Anfangsgeschwindigkeit erhielt?
1.2.18
Aufgabe 1.2.19 Ein Teilchen der Masse m bewege sich in einer Ebene unter dem Einfluss einer Kraft, die in Richtung auf ein Kraftzentrum wirkt. Für den Betrag F der Kraft gelte, wenn r der Abstand vom Kraftzentrum ist: 1 ˙r2 − 2r¨r . F = 2 1− r c2
1.2.19
Bestimmen Sie das verallgemeinerte Potential U = U r, ˙r und damit die Lagrange-Funktion für die Bewegung in einer Ebene.
56
1.2.20
1. Lagrange-Mechanik
Aufgabe 1.2.20 Eine homogene Kreisscheibe (Radius R, Masse M), auf deren Rand eine punktförmige Masse
m=
1 M 2
y
yM ym
ϕ
R m xm
xM
Z g x
Abb. 1.37. Homogene Kreisscheibe mit Massenpunkt m auf ihrem dem Rand
fest angebracht ist, rollt reibungsfrei ohne zu gleiten unter dem Einfluss der Schwerkraft auf einer horizontalen Geraden: 1. Berechnen Sie die Koordinaten xM , yM des Scheibenmittelpunktes in Abhängigkeit vom Rollwinkel ϕ. Normieren Sie so, dass ϕ = 0 für xM = 0 gilt. 2. Berechnen Sie die Koordinaten xm , ym des Massenpunktes sowie die Koordinaten xS , yS des gemeinsamen Schwerpunktes von Kreisscheibe und Massenpunkt als Funktionen von ϕ. Von welchem Typ sind die Bahnkurven? ˙ ) und die potentielle Energie 3. Berechnen Sie die kinetische Energie T(ϕ, ϕ V(ϕ) des Gesamtsystems. ˙ ) und die zugehörige Bewegungs4. Bilden Sie die Lagrange-Funktion L(ϕ, ϕ gleichung für ϕ. Wie groß ist die Frequenz kleiner Schwingungen um die Ruhelage ϕ = 0? 5. Berechnen Sie die von der horizontalen Geraden auf die Scheibe ausgeübte ˙ ,¨ Zwangskraft Z(ϕ, ϕ ϕ)! 6. Bei hinreichend großer Anfangsgeschwindigkeit v = x˙ M , bezogen auf den Auflagepunkt bei ϕ = 0, kann die Scheibe wegen der Zusatzmasse m von der horizontalen Geraden „abheben“. Wie groß muss v sein, damit das „Abheben“ bei ϕ = 2π|3 beginnt? 7. Demonstrieren Sie zum Schluss die Äquivalenz von Newton- und LagrangeMechanik. Ganz allgemein beschreiben wir die Bewegung eines starren Körpers durch α) die Translation des Schwerpunktes und β) die Rotation ˙ ,¨ um den Schwerpunkt. Stellen Sie mit Hilfe der Zwangskraft Z(ϕ, ϕ ϕ) aus Teil 5) die Bewegungsgleichung zu β) auf. Sie sollte mit der aus Teil 4) identisch sein.
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
57
Aufgabe 1.2.21 Der Massenpunkt P wird durch einen Faden auf einer Kreisbahn mit dem anfänglichen Radius R0 gehalten (kein Schwerefeld). Der Faden werde dann verkürzt, z. B. indem man den Faden durch ein im Kreismittelpunkt senkrecht zur Kreisebene angebrachtes Rohr legt und an dem Faden zieht. Zunächst erfolge die Fadenverkürzung so langsam, dass die entsprechende radiale kinetische Energie vernachlässigt werden kann. y
eϕ er
ey
P ex
x
Abb. 1.38. Massenpunkt auf einer Kreisbahn
1. 2. 3.
Bestimmen Sie ein Integral der Bewegung. Welche Arbeit W wird am System geleistet bei Änderung des Bahnradius von R0 auf R < R0 ? Der Faden werde nun mit einer endlichen Geschwindigkeit verkürzt, beginnend mit der Fadenlänge R0 bei t = 0 gemäß
˙r(t) = −b t , 4. 5. 6.
(b > 0) .
Hat das Integral der Bewegung aus 1) weiter Bestand? Wie sieht die Zwangskraft Z aus, die die Nebenbedingung ˙r(t) = −b t erzeugt? Wie groß ist nun die am System bei Verkürzung der Fadenlänge von R0 auf R < R0 geleistete Arbeit?
1.2.21
58
1.2.22
1. Lagrange-Mechanik
Aufgabe 1.2.22 Ein Faden der Gesamtlänge l sei auf einem zur Kreisebene senkrecht stehenden Zylinder vom Radius R0 befestigt. Bei dem Umlauf des Massenpunktes P um den festgehaltenen Zylinder wickelt sich der Faden auf und verkürzt so die freie Fadenlänge r = P O . P y
r R0
0
ϕ
O' x Abb. 1.39. Massenpunkt P an einem Faden, der auf
einer Zylindermantelfläche befestigt ist
1. 2.
Bestimmen Sie ein Integral der Bewegung. Vergleichen Sie mit Teil 1) der vorherigen Aufgabe (kein Schwerefeld). Stellen Sie die Bewegungsgleichung für den Winkel ϕ auf und lösen Sie diese mit den Anfangsbedingungen
ϕ(t = 0) = 0 ;
3.
˙ (t = 0) = v0 lϕ
(ϕ = 0 bedeutet völlig unaufgewickelten Faden). Nach welcher Zeit ist der Faden voll aufgewickelt? Zeigen Sie, dass der zu ϕ gehörige generalisierte Impuls pϕ gleich dem Drehimpulsbetrag des Massenpunktes bezüglich O ist.
1.2
Das d’Alembert’sche Prinzip
59
Aufgabe 1.2.23 Auf einer zylindrischen, um eine horizontale Achse drehbaren Walze (Radius R, Masse M) ist ein Faden der Länge l >> R aufgewickelt. Das eine Ende des Fadens ist an der Walze befestigt, am freien Ende hängt die Masse m. Die Massendichte der Walze steige von der Achse nach außen, mit Null beginnend, linear mit dem Radius an. Die Koordinate z der Masse m werde von der Walzenachse aus nach unten gezählt. M
1.2.23
A
ϕ
R
z Abb. 1.40. Masse m an einem Faden, der an einer um ihre horizontale Achse drehbaren Walze befestigt ist
m
1.
2.
3.
Finden Sie die Bewegungsgleichung des Systems für 0 ≤ z ≤ l und integrieren Sie diese mit der Anfangsbedingung, dass die Masse m zur Zeit t = 0 in Höhe der Walzenachse losgelassen wird. Was lässt sich über den Bewegungsablauf im Bereich l ≤ z ≤ R + l sagen, falls M >> m angenommen werden kann? Wie geht die Bewegung nach Erreichen des Tiefstpunktes weiter? Wie groß ist die Fadenspannung in den Bereichen 0 ≤ z ≤ l und l ≤ z ≤ R+l?
Aufgabe 1.2.24 Betrachten Sie die ebene Bewegung einer Hantel im Gravitationsfeld, das durch die potentielle Energie m (γ > 0) V = −γ r
definiert ist, die eine Punktmasse m im Abstand r vom Feldzentrum P besitzt. Die Hantel besteht aus zwei Massenpunkten der gleichen Masse m, die durch eine masselose Stange der Länge 2a miteinander verbunden sind. S m
m a
r
P
Abb. 1.41. Hantel aus zwei gleichen Massen in konstantem Abstand 2a im Schwerefeld der Erde
1.2.24
60
1. Lagrange-Mechanik
1.
2. 3.
4.
1.2.25
Führen Sie neben r zwei geeignete Winkel als generalisierte Koordinaten ein, stellen Sie die Lagrange-Funktion auf und leiten Sie daraus die Bewegungsgleichungen der Hantel ab. Finden Sie den Erhaltungssatz für den Gesamtdrehimpuls der Hantel. Definieren Sie Bahndrehimpuls und Eigendrehimpuls. Entwickeln Sie die Lagrange-Gleichungen nach Potenzen von (a|r) bis zur Ordnung (a|r)2 . Zeigen Sie, dass für (a|r) << 1 die Bahnbewegung von der Eigendrehbewegung näherungsweise entkoppelt. Zeigen Sie, dass die Bewegungen, bei denen der Schwerpunkt S gleichförmig auf einem Kreis mit Radius R um P umläuft und die Hantelstange stets in Richtung auf P zeigt bzw. tangential an diesem Kreis anliegt, mögliche spezielle Lösungen der Lagrange-Gleichungen sind. Wie groß sind dabei die Winkelgeschwindigkeiten ω1 bzw. ω2 der Bewegungen von S ? (Genauigkeit bis zur (a|r)2 sei ausreichend!) Ist der Unterschied zwischen ω1 und ω2 ein Widerspruch zu dem allgemeinen Satz, nach dem sich der Schwerpunkt eines Systems so bewegt, als ob die Gesamtmasse in ihm konzentriert ist und alle äußeren Kräfte an ihm angreifen?
Aufgabe 1.2.25 Welche der beiden Lagrange-Funktionen
m 2 ˙r + qE · r 2 m L2 = ˙r2 − qE · ˙r t 2 L1 =
beschreibt ein geladenes Teilchen (Masse m, Ladung q) im konstanten, homogenen Feld E?
1.3
1.3 Das Hamilton’sche Prinzip Wir lernen in diesem Abschnitt ein neues Prinzip der Klassischen Mechanik kennen, das sich den bisher diskutierten Prinzipien (Newton, d’Alembert) als zumindest äquivalent erweist. Die Gesetze der Klassischen Mechanik lassen sich aus zwei unterschiedlichen Typen von Variationsprinzipien ableiten. Beim 1) Differentialprinzip (d’Alembert)
1.3
Das Hamilton’sche Prinzip
61
wird ein momentaner Zustand des Systems mit kleinen (virtuellen) Verrückungen aus diesem Zustand verglichen. Das Resultat sind dann Bewegungsgleichungen. – Beim 2) Integralprinzip (Hamilton) wird ein endliches Bahnelement zwischen festen Zeiten t1 und t2 mit kleinen (virtuellen) Abweichungen der gesamten Bahn von der tatsächlich durchlaufenen Bahn verglichen. Das Ergebnis sind auch hier Bewegungsgleichungen. 1.3.1 Formulierung des Prinzips Zum besseren Verständnis des Integralprinzips rufen wir uns zunächst noch einmal zwei frühere Definitionen in Erinnerung. Unter dem
Konfigurationsraum verstehen wir den S-dimensionalen Raum, dessen Achsen durch die generalisierten Koordinaten q1 , . . . , qS gebildet werden. Jeder Punkt des Konfigurationsraums entspricht einem möglichen Zustand des gesamten Systems. Zwischen dem Konfigurationsraum und dem dreidimensionalen physikalischen Raum, in dem sich die Systemteilchen bewegen, besteht natürlich kein zwingender Zusammenhang. – Die Kurve im Konfigurationsraum, der der Zustand des Systems im Laufe der Zeit folgt, heißt Konfigurationsbahn q(t) = q1 (t), . . . , qs (t) . Auf ihr bewegt sich das System als Ganzes. Die Konfigurationsbahn braucht deshalb nicht die geringste Ähnlichkeit mit den tatsächlichen Teilchenbahnen zu haben. Wir beschränken die folgenden Betrachtungen zunächst auf holonome, konservative Systeme. Verallgemeinerungen werden später diskutiert. – Setzt man in die Lagrange-Funktion die Konfigurationsbahn q(t) und deren Zeitableitung q˙ (t) ein, so wird aus L eine reine Zeitfunktion: L(t) . (1.108) L q(t), q˙ (t), t ≡ Wir definieren: & ' S q(t) =
%t2
L(t) dt .
(1.109)
t1
S hat die Dimension „Wirkung“ und ist von den Zeiten t1 , t2 sowie der Bahn q(t) abhängig. Bei festen t1 , t2 wird jeder Bahn q(t) eine Zahl S{q(t)} zugeordnet. Dies nennt
62
1. Lagrange-Mechanik
man ein Funktional. Zu jedem Punkt der Systembahn gibt es eine Mannigfaltigkeit von virtuellen Verrückungen δq, die längs der Bahn ein gewisses Kontinuum bilden. Man kann sich nun virtuelle Verrückungen so zusammengesetzt denken, dass sie ihrerseits eine stetig differenzierbare, „variierte“ Bahn darstellen. Das kann auf die unterschiedlichsten Weisen geschehen, sodass sich eine ganze Mannigfaltigkeit von „variierten“ Bahnen wird bilden lassen. 1.3.1
Definition 1.3.1
& M ≡ q(t) : q(t1 ) = qa ;
q(t2 ) = qe
'
(1.110)
ist die Menge von Konfigurationsbahnen (Konkurrenzschar) mit folgenden Eigenschaften: 1. Gleiche Endpunktzeiten t1 , t2 , d. h. gleiche „Durchlaufzeiten“ für das System. 2. Jede Bahn ist durch virtuelle Verrückungen aus der tatsächlichen Bahn entstanden. 3. Die virtuellen Verrückungen der Endpunkte qa , qe sind für alle Bahnen Null:
δqa = δqe = 0 .
(1.111)
Bild 1.42 zeigt eine eindimensionale Veranschaulichung der Konkurrenzschar M. Die durchgezogene Kurve stellt die „tatsächliche“ Bahn dar. q
δq3
qe qa
δq1
δq2
t1
t
t2
Abb. 1.42. Eindimensionale Veranschaulichung der in Definition 1.3.1 eingeführten Konkurrenzschar von Konfigurationsbahnen
Wir definieren als Wirkungsfunktional & ' S q(t) =
%t2
L q(t), q˙ (t), t dt ,
t1
mit dessen Hilfe das Hamilton’sche Prinzip formuliert wird: Hamilton’sches Prinzip
(1.112)
1.3
Das Hamilton’sche Prinzip
63
A) Die Systembewegung erfolgt so, dass S{q(t)} auf der in (1.110) definierten Konkurrenzschar M für die tatsächliche Bahn extremal („stationär“) wird. B) Die Systembewegung erfolgt so, dass die Variation von S auf M bezüglich der tatsächlichen Bahn q(t) verschwindet:
δS = δ
%t2
! L q(t), q˙ (t), t dt = 0 .
(1.113)
t1
A) und B) sind natürlich äquivalente Aussagen. Wie man die Variation in (1.113) explizit ausführt, werden wir im nächsten Abschnitt kennen lernen. Das Ergebnis werden die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen in der Form (1.36) sein. Das Hamilton’sche Prinzip besitzt einige bemerkenswerte Vorzüge: 1. Es handelt sich um eine sehr „elegante“ Formulierung, die in knappster Form die gesamte Klassische Mechanik konservativer, holonomer Systeme enthält. 2. Das Prinzip ist auch auf nicht typisch mechanische Systeme anwendbar, ist damit eigentlich ein der Mechanik übergeordnetes Prinzip. 3. Es ist unabhängig vom Koordinatensystem, in dem L ausgedrückt wird. Wir zeigen als Nächstes die Äquivalenz zum d’Alembert’schen Prinzip. Letzteres haben wir in (1.20) formuliert: N mi¨ri − K i · δri = 0 .
(1.114)
i=1
Die virtuellen Verrückungen δri sind differenzierbare Zeitfunktionen: 1 d d ¨r i · δr i = ˙r i · δr i − ˙ri · δ˙ri = ˙r i · δri − δ ˙r2i . dt dt 2 Wir erinnern uns, dass wir „rechentechnisch“ mit dem Symbol „δ“ genauso umzugehen haben wie mit dem totalen Differential „d“. Wir integrieren nun (1.114) zwischen zwei festen Zeiten t1 und t2 : %t2 N mi¨ri − K i · δri dt =
=
%t2 N i=1
t1
t1
i=1
mi 2 d mi ˙ri · δri − δ ˙r i − K i · δri dt 2
dt = 0 .
Der erste Summand lässt sich direkt integrieren: (t2 %t2 N N ( d ( mi ˙ri · δri ( = 0 . mi ˙r i · δr i dt = ( dt i=1 i=1
t1
t1
64
1. Lagrange-Mechanik
Dieser Ausdruck verschwindet, da wir nur solche Bahnen zur Variation zulassen, die an den Endpunkten mit der tatsächlichen Bahn übereinstimmen: ( ( S ∂r i (( δr i |t = t1 , t2 = δqj ( =0. (1.115) ∂qj ( j=1 t = t1 , t2
Es bleibt also vom d’Alembert’schen Prinzip: %t2 N # $ m δ i ˙r 2i + K i · δri dt = 0 . 2 i=1
(1.116)
t1
Mit Hilfe der Transformationsformeln r i = r i q1 , . . . , qS , t ,
i = 1, 2, . . . , N
können wir diesen Ausdruck auf generalisierte Koordinaten umschreiben. Nach (1.26) und (1.29) gilt für ein konservatives System: N i=1
K i · δr i =
S
Qj δqj = −
j=1
S ∂V j=1
∂qj
δqj = −δV .
Damit lautet (1.116): %t2 t1
%t2
%t2
t1
t1
δ(T − V ) dt = δ (T − V ) dt = δ
L dt = 0 .
(1.117)
Für die letzten beiden Beziehungen haben wir ausgenutzt, dass die Zeiten nicht mitvariiert werden (δt = 0), sodass wir z. B. die Variation δ vor das Integral ziehen konnten. Gleichung (1.117) ist das Hamilton’sche Prinzip. Für alle in der Natur ablaufenden Prozesse nimmt das Zeitintegral der Lagrange-Funktion einen Extremwert gegenüber allen virtuellen Nachbarbahnen an, die zwischen denselben Zeitpunkten t1 und t2 und denselben Endkonfigurationen qa , qe durchlaufen werden. Das Hamilton’sche Prinzip lässt sich nach den Methoden der Variationsrechnung in ein System von Differentialgleichungen überführen. Wir wollen uns deshalb im nächsten Abschnitt etwas mit der Variationsrechnung beschäftigen. 1.3.2 Elemente der Variationsrechnung Wie können wir das Hamilton’sche Prinzip konkret ausnutzen, d. h., wie können wir vom Wirkungsfunktional S{q(t)} auf die „stationäre“ Bahn schließen? Die Aufgabe, die Kurve zu finden, für die ein bestimmtes Linienintegral extremal wird, stellt ein typisches Variationsproblem
dar. Wir wollen die Grundzüge zunächst an einem eindimensionalen Problem erläutern.
1.3
Das Hamilton’sche Prinzip
65
y y2
yα (x)
y0 (x)
y1
x2
x1
Abb. 1.43. Eindimensionale Veranschaulichung der zum Variationsproblem zugelassenen Schar von Bahnen
x
Wir definieren als Konkurrenzschar, & M ≡ y(x) ; mindestens zweimal differenzierbar ' mit y x1 = y1 und y(x2 ) = y2 , und auf dieser das Funktional: & ' J y(x) =
%x2
%x2 f (x, y, y ) dx = f (x) dx ,
x1
(1.118)
x1
wobei y = dy|dx sein soll und f (u, v, w) eine differenzierbare Funktion mit stetigen partiellen Ableitungen darstellt. Das Problem besteht darin, herauszufinden, für welches y(x) das Funktional J{ y(x)} extremal, d. h. „stationär“ wird. Diese Fragestellung erinnert an eine elementare Extremwertaufgabe und wird auch entsprechend behandelt. Wir charakterisieren die in Frage kommenden Kurven y(x) aus M durch einen Scharparameter α, der so gewählt sein möge, dass yα = 0 (x) = y0 (x) die gesuchte extremale Bahn ist. Dies gelingt z. B. durch die folgende Parameterdarstellung: yα (x) = y0 (x) + γα (x) .
(1.119)
γα (x) ist dabei eine „fast beliebige“ Funktion, die hinreichend oft differenzierbar sein soll und γα x1 = γα x2 ≡ 0 ∀ α , (1.120) γα = 0 (x) ≡ 0 ∀x erfüllen muss. Eine mögliche, sehr einfache Wahl für γα (x) wäre z. B. γα (x) = α η(x) mit η x1 = η x2 = 0 .
66
1. Lagrange-Mechanik
Für festes x ist γα (x) und damit auch yα (x) eine ganz normale Funktion von α, die man in eine Taylor-Reihe entwickeln kann: ∂γα (x) α2 ∂2 γα (x) γα (x) = α + + ··· , ∂α α = 0 2 ∂α2 α = 0 ∂γα (x) + ··· . yα (x) = y0 (x) + α
∂α
α=0
Wir bezeichnen als Variation der Bahn yα (x) die Verschiebung δy der Bahn, die bei einer Veränderung des Parameters α von α = 0 auf dα einsetzt: ∂γα (x) δy = ydα (x) − y0 (x) = dα . (1.121)
∂α
α=0
Diese Verschiebung wird bei festgehaltenem x durchgeführt, erinnert deshalb an eine virtuelle Verrückung, die bei festgehaltener Zeit stattfindet. Ganz analog definieren wir die & ' Variation des Funktionals J y(x) &
'
&
'
δJ = J ydα (x) − J y0 (x) = %x2 =
dJ(α) dα = dα α = 0
dx f x, ydα , yd α − f x, y0 , y0 .
(1.122)
x1
Wenn es gelingt, ein y0 (x) so zu bestimmen, dass J(α) an der Stelle α = 0 für alle γα (x) extremal wird, dann ist y0 (x) offensichtlich die gesuchte stationäre Bahn. Die Extremwertbedingung lautet also: Wähle y0 (x) so, dass
dJ(α) = 0 für beliebige γα (x) dα α = 0
gilt. Dies bedeutet nach (1.122): !
„stationäre“ Bahn ⇐⇒ δJ = 0 .
(1.123)
Diese Vorschrift können wir nun weiter auswerten: d J(α) = dα
%x2 dx x1
∂f ∂y ∂f ∂y + ∂y ∂α ∂y ∂α
.
1.3
Das Hamilton’sche Prinzip
67
Die Endpunkte x1 , x2 , sowie überhaupt die Variable x, werden nicht mitvariiert. Die α-Differentiationen können also in den Integranden hineingezogen werden: %x2 x1
∂f ∂y dx = ∂y ∂α
%x2 x1
(
∂f d ∂y ∂f ∂y ((x2 dx − = ∂y dx ∂α ∂y ∂α (x1
%x2 dx x1
d ∂f dx ∂y
∂y . ∂α
Wegen (1.120) verschwindet der erste Summand. Es bleibt: d J(α) = dα
%x2 dx
∂f d ∂f − ∂y dx ∂y
x1
∂y , ∂α
oder wegen (1.121) und (1.122):
δJ =
%x2 x1
∂f d ∂f − dx δy . ∂y dx ∂y
Die Variation δy ist bis auf das Verschwinden an den Integralgrenzen beliebig. Deshalb ist die Forderung (1.123) nur dann erfüllbar, wenn die Euler’sche Gleichung
∂f d ∂f =0 − ∂y dx ∂y
(1.124)
erfüllt ist. – Wir schließen einige Bemerkungen an: 1. Die Forderung δJ = 0 ist durch Minima, Maxima oder Wendepunkte realisierbar. Die Entscheidung, was wirklich vorliegt, liefert die zweite Variation δ2 J. Dies ist für uns hier jedoch uninteressant, da das Hamilton’sche Prinzip nur δS = 0 fordert. S ist dabei meistens minimal, in einigen Fällen jedoch auch maximal. 2. Die Euler’sche Gleichung ist eine Differentialgleichung 2. Ordnung, die ausgeschrieben
∂f ∂2 f ∂2 f ∂2 f − − y − 2 y = 0 ∂y ∂x ∂y ∂y ∂y ∂y 3.
(1.125)
lautet. y(x) muss also mindestens zweimal differenzierbar sein. Man könnte natürlich fragen, ob nicht auch eine nur einmal differenzierbare Funktion y(x) das Funktional J{ y(x)} extremal werden lassen kann. Diese Frage kann verneint werden, was jedoch als nicht-triviales Problem der Funktionalanalysis nicht einfach zu beweisen ist.
Wir üben den Formalismus mit drei typischen Anwendungsbeispielen:
68
1. Lagrange-Mechanik
1) Kürzeste Verbindung zweier Punkte in der Ebene Für das Element der Bogenlänge in der xy-Ebene gilt: ) ) ds = dx2 + dy2 = 1 + y2 dx . (x1 , y1)
ds
(x2 , y2 )
Abb. 1.44. Zur Berechnung der kürzesten Verbindung zwischen zwei Punkten in der Ebene mit Hilfe der Variationstechnik
Die gesamte Bahnlänge ergibt sich dann zu: %2 J=
%x2 ) ds = 1 + y2 dx .
(1.126)
x1
1
Wir suchen die kürzeste Verbindung und damit das Minimum von J, für das δJ = 0 als notwendige Bedingung erfüllt werden muss. Dies entspricht der obigen Aufgabenstellung. Die Euler’sche Gleichung (1.124) muss für ) f (x, y, y ) = 1 + y2 aufgestellt werden. Wegen
∂f ≡0; ∂y
∂f y = ∂y 1 + y2
ist d y y = 0 ⇐⇒ = const dx 1 + y2 1 + y2 zu fordern. Dies bedeutet y = a = const. Also ist die kürzeste Verbindung eine Gerade: y(x) = a x + b .
(1.127)
Die Konstanten a, b sind durch die Forderung festgelegt, dass y(x) durch die Punkte x1 , y1 , x2 , y2 geht. 2) Minimale Rotationsfläche Wir fragen uns, wie die Verbindungslinie zwischen den Punkten (x1 , y1 ) und (x2 , y2 ) beschaffen sein muss, damit die bei Rotation um die y-Achse entstehende Fläche minimal wird. Die Streifenfläche der Breite ds beträgt ) 2πx ds = 2πx 1 + y2 dx .
1.3
Das Hamilton’sche Prinzip
69
y (x2 , y2 )
ds (x1 , y1) Abb. 1.45. Zur Berechnung der Verbindungslinie zwischen zwei Punkten der Ebene, die bei Rotation um die y-Achse zu einer minimalen Mantelfläche des entstehenden Hohlkörpers führt
x z
Dies führt zu der Gesamtfläche J = 2π
%x2 ) x 1 + y2 dx .
(1.128)
x1
Wir fordern δJ = 0, sodass die Funktion ) f x, y, y = x 1 + y2 die Euler’sche Gleichung (1.124) erfüllen muss. Wegen
∂f ≡0; ∂y
∂f xy = ∂y 1 + y2
bedeutet dies: a xy = a = const ⇐⇒ y = √ . 1 + y2 x2 − a2 Bei minimaler Rotationsfläche gilt demnach: x y−b y(x) = a arccosh + b ⇐⇒ x = a cosh . a a
(1.129)
Die Konstanten a und b sind durch die Endpunkte eindeutig festgelegt. 3) Brachystochronenproblem Auf welchem Weg y(x) gelangt ein reibungslos gleitender Massenpunkt m unter dem Einfluss der Schwerkraft am schnellsten von (x1 , 0) nach (x2 , y2 )? Die Anfangsgeschwindigkeit sei Null:
%t2 J=
%2 dt =
t1
1
ds ! ! = Minimum ⇐⇒ δJ = 0 . v
70
1. Lagrange-Mechanik
x
(x1 ,0) g
(x2 , y2 ) y
Abb. 1.46. Geometrie zum Brachystochronenproblem
Die Geschwindigkeit v entnehmen wir dem Energiesatz: m 2 m v − m g y = const = v12 − m g y1 = 0 . 2 2 Daraus folgt: v = 2g y . Mit ds = dx2 + dy2 = 1 + y2 dx bleibt zu berechnen: % * 1 + y2 ! dx = 0 . δ y Die Funktion f x, y, y =
*
1 + y2 y
muss also die Euler’sche Gleichung (1.124) erfüllen: ∂f y = fˆ y, y , =) ∂y y 1 + y2 d ∂f ∂fˆ ∂fˆ ∂fˆ = + y + y = dx ∂y ∂x ∂y ∂y =−
y2 y y2 y +) − 3|2 √ , 2y3|2 1 + y2 y 1 + y2 y 1 + y2
∂f 1 + y2 . =− ∂y 2y3|2 Einsetzen in die Euler’sche Gleichung führt zu: 2y y2 y . 1 + y2 = −2y y + y2 + 1 + y2 Dies ist gleichbedeutend mit: 1 + y2 + 2y y = 0 ⇐⇒
d y 1 + y2 = 0 . dx
(1.130)
1.3
Das Hamilton’sche Prinzip
71
Es folgt mit der später festzulegenden Konstanten a: a−y ; y = y 2
dx =
y dy . a−y
Wir substituieren y = a sin2 ϕ ⇒ dy = 2a sin ϕ cos ϕ dϕ und integrieren damit die obige Gleichung: %y x − x1 =
*
y¯ d¯y = 2a a − y¯
0
%ϕ
dϕ sin ϕ cos ϕ
0
sin ϕ = cos ϕ
1 = 2a (ϕ − sin ϕ cos ϕ) . 2 Wir haben also gefunden: 1 x = a ϕ − sin 2ϕ + x1 , 2
y = a sin2 ϕ =
a (1 − cos 2ϕ) . 2
Wir setzen noch R=
a ; 2
x1 = R π ;
ψ = 2ϕ + π .
(1.131)
y = R (1 + cos ψ) .
(1.132)
Damit folgt: x = R (ψ + sin ψ) ;
Der Vergleich mit (1.60) zeigt, dass die gesuchte Kurve eine Zykloide darstellt, die am Anfangspunkt (x1 , 0) eine Spitze hat. 1.3.3 Lagrange-Gleichungen Wir haben zunächst die Variationstheorie des letzten Abschnitts auf mehrere Variablen zu verallgemeinern. Aus der Forderung
δJ = δ
%x2
! dx f x, y1 (x), . . . , yS (x), y1 (x), . . . , yS (x) = 0
(1.133)
x1
ist die extremale Bahn y(x) = ( y1 (x), . . . , yS (x)) abzuleiten. Für jede einzelne Komponente definieren wir eine Konkurrenzschar Mi :
72
1. Lagrange-Mechanik
& Mi = yi (x) ; mindestens zweimal differenzierbar ' mit yi (x1 ) = yi1 und yi (x2 ) = yi2 . Wir benutzen auch jetzt eine Parameterdarstellung für die Komponentenfunktion yi (x): yiα (x) = yi0 (x) + γiα (x) ,
(1.134)
i = 1, 2, . . . , S .
Dabei sind yi0 (x) die Lösungen des Extremwertproblems und γiα (x) „fast beliebige“, hinreichend oft differenzierbare Funktionen mit γiα x1 = γiα x2 = 0 ∀ α, i , (1.135) γiα = 0 (x) = 0 ∀ x, i . Die Variationen δyi der Bahn-Komponenten, ∂yiα δyi =
∂α
x, α = 0
dα ,
(1.136)
und die Variation δJ des Funktionals,
δJ =
%x2 S ∂f ∂yi ∂f ∂yi dJ(α) dα = dx + dα , dα α = 0 ∂yi ∂α ∂yi ∂α α = 0 i=1 x
(1.137)
1
sind analog zu den Spezialfällen (S = 1) (1.121) bzw. (1.122) definiert. Eine partielle Integration des zweiten Terms in (1.137) ergibt: %x2 dx x1
∂f ∂yi = ∂yi ∂α
(
%x2 dx x1
∂f d ∂yi ∂f ∂yi ((x2 = − ∂yi dx ∂α ∂yi ∂α (x1
%x2 dx x1
d ∂f dx ∂yi
∂yi . ∂α
Der erste Summand verschwindet wegen (1.135), sodass für (1.137) bleibt:
δJ =
%x2 dx x1
S ∂f i=1
d ∂f − ∂yi dx ∂yi
!
δyi = 0 .
(1.138)
Nach Voraussetzung sollen die δyi bis auf das Verschwinden an den Integrationsgrenzen beliebig wählbar sein. Gleichung (1.133) ist also genau dann erfüllt, wenn die Euler-Lagrange-Differentialgleichungen d ∂f ∂f − =0, dx ∂yi ∂yi
i = 1, 2, . . . , S
(1.139)
1.3
Das Hamilton’sche Prinzip
73
gelten. Wir kommen nun zu unserer eigentlichen Aufgabe zurück, nämlich der Auswertung des Hamilton’schen Prinzips (1.113). Wir substituieren dazu in (1.139) x ⇒ t ; yi ⇒ qi ; yi ⇒ q˙ i ; f (x, y, y ) ⇒ L t, q, q˙ und erhalten dann unmittelbar aus dem Hamilton’schen Prinzip die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen 2. Art
∂L d ∂L − =0, dt ∂q˙ i ∂qi
i = 1, 2, . . . , S .
(1.140)
Wir erinnern uns noch einmal an die Voraussetzungen, die zur Ableitung dieser Gleichungen notwendig waren. Sie gelten für konservative Systeme, damit die Lagrange-Funktion L = T − V definierbar ist, mit holonomen Zwangsbedingungen, sodass die δqi voneinander unabhängig sind. Unter diesen Voraussetzungen sind also d’Alembert’sches und Hamilton’sches Prinzip äquivalent! Wir wollen diese Voraussetzungen etwas lockern. Was folgt aus dem Hamilton’schen Prinzip für konservative Systeme mit nicht-holonomen Zwangsbedingungen in differentieller Form j
aim q˙ m + bit = 0 ,
i = 1, . . . , p
(1.141)
m=1
Die Lagrange-Funktion L = T −V ist in einem solchen Fall zwar definierbar, jedoch ist der Schluss von (1.138) auf (1.139) wegen der nicht-holonomen Zwangsbedingungen nicht erlaubt. Das Hamilton’sche Prinzip (1.113) hat zunächst nur %t2 t1
j ∂L d ∂L dt − δqm = 0 ∂qm dt ∂q˙ m m=1
(1.142)
zur Folge (1.138). Wir schreiben die Zwangsbedingungen (1.141) auf virtuelle Verrückungen (δt = 0) um (vgl. (1.96)) j
aim δqm = 0 ,
i = 1, 2, . . . , p
m=1
und koppeln sie über Lagrange’sche Multiplikatoren λi , ⎞ ⎛ %t2 j p dt ⎝ λi aim δqm ⎠ = 0 , t1
i=1
m=1
74
1. Lagrange-Mechanik
an die Gleichung (1.142) an: %t2 dt t1
j m=1
∂L d ∂L − + λ a δqm = 0 . ∂qm dt ∂q˙ m i = 1 i im p
(1.143)
Mit exakt denselben Überlegungen wie im Anschluss an (1.99) können wir die Multiplikatoren λi so wählen, dass jeder Summand für sich in (1.143) bereits Null ist. Wegen der Zwangsbedingungen (1.141) sind nur j − p Koordinaten frei wählbar. Deswegen legen wir fest: qm :
m = 1, . . . , j − p
unabhängig ,
qm :
m = j − p + 1, . . . , j
abhängig .
Die p Multiplikatoren λi werden dann so gewählt, dass die Klammer in der Summe von (1.143) gleich Null ist. Dies bedeutet dann insgesamt: Lagrange’schen Bewegungsgleichungen 1. Art
∂L d ∂L − = λi aim dt ∂q˙ m ∂qm i = 1 p
(1.144)
Zusammen mit (1.141) sind das ( j + p) Gleichungen zur Bestimmung von j Koordinaten qm und p Multiplikatoren λi . Auch für konservative Systeme mit nicht-holonomen Zwangsbedingungen erweisen sich damit d’Alembert’sches und Hamilton’sches Prinzip als äquivalent. 1.3.4 Erweiterung des Hamilton’schen Prinzips Wir wollen die bisherigen Voraussetzungen,
konservative Systeme mit holonomen Zwangsbedingungen, weiter abschwächen und das Hamilton’sche Prinzip so modifizieren, dass es auch für nicht-konservative Systeme anwendbar wird. Wir lassen jetzt also zu, dass die treibenden Kräfte K i nicht von einem skalaren Potential ableitbar sind. Das erweiterte Prinzip sollte natürlich so formuliert sein, dass es im Spezialfall konservativer Systeme mit (1.113) übereinstimmt. Wir definieren dazu als
1.3
Das Hamilton’sche Prinzip
75
Wirkungsfunktional & ' S q(t) =
%t2 (1.145)
(T − W ) dt , t1
W =−
N
K i · ri .
(1.146)
i=1
Das erweiterte Hamilton’sche Prinzip besagt, dass die „tatsächliche“ Bahn aus der Forderung !
δ S = 0
(1.147)
auf der Konkurrenzschar & M = q(t) :
q t1 = qa ,
' q t2 = qe
(1.148)
abgeleitet werden kann. Die Menge M der zur Variation zugelassenen Bahnen ist genau wie in (1.110) definiert. Da die Zeit nicht mitvariiert wird, können wir statt (1.147) auch %t2
!
δ(T − W ) dt = 0
(1.149)
t1
schreiben. Das erweiterte Hamilton’sche Prinzip besagt also, dass die Variation des Zeitintegrals über die Summe aus kinetischer Energie und der bei der Variation der Bahn anfallenden virtuellen Arbeit Null sein muss. Wir führen wie in (1.26) generalisierte Kraftkomponenten Qj ein: Qj =
N
Ki ·
i=1
∂ri . ∂qj
(1.150)
Wegen r i = r i (q, t) ⇒ dr i = ⇒ δr i =
S ∂r i j=1
∂qj
S ∂r i
∂r i dt ∂t
∂qj j=1
dqj +
δqj
(δt = 0)
folgt für die virtuelle Arbeit: −δW =
N i=1
K i · δr i =
N S i=1 j=1
Ki ·
S ∂ri δqj = Qj δqj . ∂qj j=1
(1.151)
76
1. Lagrange-Mechanik
Für den Beitrag der kinetischen Energie T finden wir: %t2
δT dt =
t1 j = 1
t1
%t2 t1
∂T δq˙ dt = ∂q˙ j j
%t2 S
%t2 t1
∂T ∂T δq + δq˙ dt , ∂qj j ∂q˙ j j
%t2
∂T d ∂T ((t2 δqj dt = δq − ∂q˙ j dt ∂q˙ j j t 1 t
d ∂T dt ∂q˙ j
δqj dt .
1
=0
Dies bedeutet: %t2
δT dt =
t1
%t2 S j=1
t1
∂T d ∂T − δqj dt . ∂qj dt ∂q˙ j
(1.152)
Dies setzen wir zusammen mit (1.151) in (1.149) ein: S %t2 ∂T d ∂T − + Qj δqj dt = 0 . ∂qj dt ∂q˙ j j = 1 t1
Wegen der holonomen Zwangsbedingungen sind die δqj unabhängig voneinander. Also folgt mit d ∂T ∂T − = Qj , dt ∂q˙ j ∂qj
j = 1, 2, . . . , S
(1.153)
exakt dasselbe Ergebnis wie (1.33), das wir mit Hilfe des d’Alembert’schen Prinzips gefunden hatten. Wir untersuchen zum Schluss noch den Spezialfall des konservativen Systems: K i = −∇i V ⇒ Qj = −
N
∇i V ·
i=1
∂ri ∂V =− . ∂qj ∂qj
Für die virtuelle Arbeit δW ergibt sich damit:
δW = −
S
Qj δqj =
j=1
S ∂V j=1
∂qj
δqj = δV .
Die Forderung (1.149) lautet somit:
δ S=
%t2 t1
δ(T − V ) dt =
%t2
!
δL dt = δS = 0 .
t1
Das erweiterte Hamilton’sche Prinzip (1.147) ist also für konservative Systeme mit dem ursprünglichen Prinzip (1.113) identisch.
1.3
Das Hamilton’sche Prinzip
77
Wir haben damit gezeigt, dass alle Aussagen des d’Alembert’schen Prinzips in gleicher Weise auch aus dem Hamilton’schen Integralprinzip folgen. Die beiden Prinzipien sind also völlig äquivalent. 1.3.5 Aufgaben Aufgabe 1.3.1 Bestimmen Sie mit Hilfe der Variationsrechnung die kürzeste Verbindung zwischen einem gegebenen Punkt A der xy-Ebene und einer nicht durch A laufenden Geraden g.
1.3.1
y B
A
Abb. 1.47. Anordnung zur Bestimmung des
xA
1. 2.
x
g
kürzesten Abstands zwischen dem Punkt A der xy-Ebene und einer Geraden g
Zeigen Sie, dass die kürzeste Verbindung zwischen A und einem festen Punkt B der Geraden g die Strecke AB ist. Untersuchen Sie dann alle Strecken von A zu irgendwelchen Punkten auf g.
Aufgabe 1.3.2 Bestimmen Sie die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten P1 und P2 auf einem Zylindermantel!
1.3.2
Aufgabe 1.3.3 Es wird die Auslenkung y(x, t) einer schwingenden Saite mit der Massenverteilung m(x) gesucht.
1.3.3
y
l
1. 2. 3.
x
Abb. 1.48. Auslenkung einer schwingenden Saite
Wie lautet die kinetische Energie T ? Finden Sie einen Ausdruck für die potentielle Energie V, wenn diese proportional zur Verlängerung der Saite ist. Leiten Sie für kleine Auslenkungen der Saite mit Hilfe des Hamilton’schen Prinzips eine Differentialgleichung für y(x, t) ab.
78
1.3.4
1. Lagrange-Mechanik
Aufgabe 1.3.4 Ein Teilchen der Masse m bewege sich im Schwerefeld der Erde (g = −gez ). Es führt dabei eine eindimensionale Bewegung z = z(t) aus. Berechnen Sie das Wirkungsfunktional
%t2 S=
L z, ˙z dt
t1
für die Bahn 1 z(t) = − gt 2 + f (t) . 2 Dabei sei f (t) eine an sich beliebige, stetig differenzierbare Funktion mit f (t1 ) = f (t2 ) = 0. Zeigen Sie, dass S für f (t) ≡ 0 minimal wird!
1.3.5
Aufgabe 1.3.5 Gesucht sei die Funktion y(x), für die das Funktional
%x2 J{y(x)} =
f (x, y, y ) dx
x1
extremal wird. Zeigen Sie, dass für den Fall, dass f nicht explizit von x abhängt (f = f (y, y )), die Lösung f − y
∂f = const ∂y
befolgt.
1.3.6
Aufgabe 1.3.6 Ein Seil der Länge l liege in der xy-Ebene und sei bei P1 = (−d, 0) und P2 = (d, 0) befestigt. Für welche Lage des Seils wird die Fläche F zwischen Seil und der x-Achse maximal?
Hinweis: Koppeln Sie die Zwangsbedingung mit einem Lagrange’schen Multiplikator λ an die Variationsaufgabe, d. h. untersuchen Sie !
δ(F − λl) = 0 . Das Resultat von Aufgabe 1.3.5 könnte hilfreich sein!
1.4
Erhaltungssätze
79
1.4
1.4 Erhaltungssätze Bei der Bewegung eines mechanischen Systems ändern sich die 2S Größen qj , q˙ j ( j = 1, 2, . . . , S) im Allgemeinen mit der Zeit. Man findet jedoch bisweilen gewisse Funktionen Fr der qj , q˙ j , die bei der Bewegung konstant bleiben und nur von den Anfangsbedingungen des Systems bestimmt sind. Unter diesen Funktionen Fr gibt es einige, deren Konstanz mit den Grundeigenschaften von Zeit und Raum (Homogenität, Isotropie) zusammenhängen. Man nennt Fr : Integrale der Bewegung,
r = 1, 2, . . . ,
falls es sich um Funktionen der qj , q˙ j (nicht der ¨qj ) handelt, die für die gesamte Systembahn einen konstanten Wert cr haben: Fr = Fr q1 , . . . , qS , q˙ 1 , . . . , q˙ S , t = cr , r = 1, 2, . . . . (1.154) Ein System mit S Freiheitsgraden wird durch S Differentialgleichungen zweiter Ordnung beschrieben, deren Lösung die Kenntnis von 2S Anfangsbedingungen erfordert. Sollten 2S Integrale der Bewegung bekannt sein, so wäre demnach das Problem bereits gelöst: j = 1, 2, . . . , S . qj = qj c1 , c2 , . . . , c2S , t , In der Regel werden nicht alle 2S der cr vorliegen. Jedoch kann bereits die Kenntnis einiger dieser cr viel über die physikalischen Eigenschaften des Systems erfahren lassen und die Integration der Bewegungsgleichungen sehr stark vereinfachen. Es empfiehlt sich deshalb stets, vor der expliziten Auswertung eines physikalischen Problems so viele Integrale der Bewegung wie möglich aufzuspüren. Gewisse Integrale der Bewegung ergeben sich unmittelbar im Zusammenhang mit den in (1.53) eingeführten zyklischen Koordinaten. Die zyklischen Koordinaten qj zugeordneten generalisierten Impulse pj sind erste Integrale der Bewegung. Man sollte die Koordinatenwahl deshalb stets so treffen, dass möglichst viele qj zyklisch sind. Wir erläutern das an einem Beispiel: Zweikörperproblem Bei einer nur vom Abstand abhängigen Paarwechselwirkung V r 1 , r 2 = V |r1 − r 2 | m1 r1
r = r1 − r2 R r2
m2
Abb. 1.49. Schwerpunkt- und Relativkoordinaten beim Zweikörperproblem
80
1. Lagrange-Mechanik
empfiehlt sich die Aufspaltung in eine Relativ- und Schwerpunktbewegung (s. Abschn. 3.2, Bd. 1): Gesamtmasse:
M = m1 + m2 , m m μ= 1 2 , reduzierte Masse: m1 + m2 1 Schwerpunkt: R= m1 r1 + m2 r2 ≡ (X, Y, Z) , M Relativkoordinaten: r = r1 − r 2 = r(sin ϑ cos ϕ, sin ϑ sin ϕ, cos ϑ) . Die Relativbewegung erfolgt so, als ob sich die reduzierte Masse μ im Zentralfeld V(r) = V(r) bewegt (s. Abschn. 3.2.1, Bd. 1). Mit den generalisierten Koordinaten q1 = X , q2 = Y , q3 = Z , q4 = r , q5 = ϑ , q6 = ϕ
(1.155)
lautet deshalb die Lagrange-Funktion: L=
μ 2 M 2 q˙ + q˙ 22 + q˙ 23 + q˙ + q24 q˙ 25 + q24 sin2 q5 q˙ 26 − V q4 . 2 1 2 4
(1.156)
Man erkennt sofort, dass q1 , q2 , q3 , q6 zyklisch sind. Dies ergibt unmittelbar vier Integrale der Bewegung. Die ersten drei, p1 =
∂L ˙ = const , = M q˙ 1 = M X ∂q˙ 1
p2 =
∂L = M q˙ 2 = M Y˙ = const , ∂q˙ 2
p3 =
∂L = M q˙ 3 = M Z˙ = const , ∂q˙ 3
ergeben zusammengefasst den Schwerpunktsatz für abgeschlossene Systeme ((3.48), Bd. 1):
˙ = const . P =MR
(1.157)
Das vierte Integral der Bewegung: p6 =
∂L = μ q24 sin2 q5 q˙ 6 = μr2 sin2 ϑ ϕ ˙ = L(z) r = const ∂q˙ 6
betrifft die z-Komponente des Relativ-Drehimpulses. Da keine Raumrichtung besonders ausgezeichnet ist, können wir sogar folgern: Lr = const .
(1.158)
1.4
Erhaltungssätze
81
Hätten wir das Problem in kartesischen Koordinaten formuliert, # m2 2 2 2 2 $ m1 2 L= , x˙ 1 + y˙ 12 + ˙z12 + x˙ 2 + ˙y22 + ˙z22 − V x1 − x2 + y1 − y2 + z1 − z2 2 2 so wäre keine Koordinate zyklisch, obwohl sich natürlich an dem System nichts geändert hat. Die Erhaltungssätze (1.157) und (1.158) gelten selbstverständlich weiterhin, allerdings ist das nun wesentlich schwieriger zu erkennen. Im Rahmen der Newton-Formulierung der Klassischen Mechanik (s. Band 1) haben wir eine Reihe von physikalisch fundamentalen Erhaltungssätzen (für Energie, für Impuls, für Drehimpuls usw.) kennen gelernt. Diese finden sich natürlich auch in der Lagrange’schen Formulierung wieder. Sie haben dann jedoch bisweilen eine etwas andere Gestalt, und es ergeben sich neue Gesichtspunkte bei ihrer Interpretation. Wir werden sie in den folgenden Abschnitten als unmittelbare Konsequenzen fundamentaler Symmetrien des mechanischen Systems deuten können (Noether’sche Theoreme). Dabei setzen wir, ohne es jeweils explizit noch einmal zu erwähnen, konservative, holonome Systeme voraus. 1.4.1 Homogenität der Zeit Wir nennen ein System zeitlich homogen, wenn sich seine Eigenschaften als invariant gegenüber Zeittranslationen erweisen. Die Ergebnisse von unter gleichen Randbedingungen durchgeführten Messungen sind unabhängig vom Zeitpunkt der Messung. Die Gesamtheit aller möglichen Bahnen des Systems, die zu einer bestimmten Zeit beginnen, ist nicht von der Wahl dieser Anfangszeit abhängig, sondern nur von der Anfangskonfiguration qa . Ist q(t) die Konfigurationsbahn, die das System zwischen den Zeiten ta und te durchläuft, mit den Anfangs- und Endkonfigurationen q ta = qa und q te = qe ,
so erfasst die „zeitlich verschobene“ Konfigurationsbahn zwischen ta + Δt und te + Δt bei zeitlicher Homogenität exakt dieselben Punkte des Konfigurationsraums, wenn nur die Anfangs- und Endkonfigurationen dieselben sind: q ta + Δt = qa ; q te + Δt = qe . Dies bedeutet aber, dass die Lagrange-Funktion L des Systems, aus der wir die Bahn desselben ableiten, nicht explizit von der Zeit abhängen kann: zeitliche Homogenität ⇐⇒
∂L =0. ∂t
(1.159)
Das wollen wir nun etwas genauer analysieren. Es folgt zunächst für das totale Zeitdifferential S S S d ∂L ∂L ∂L d ∂L d ∂L q˙ j + ¨qj = q˙ j + ¨qj = q˙ , L= dt ∂qj ∂q˙ j dt ∂q˙ j ∂q˙ j dt ∂q˙ j j j=1
j=1
j=1
82
1. Lagrange-Mechanik
wobei wir im zweiten Schritt die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen (1.36) ausgenutzt haben: ⎛ ⎞ S ∂L ⎠ d ⎝ q˙ = 0 . L− (1.160) dt ∂q˙ j j j=1
∂L|∂q˙ j ist nach (1.52) der generalisierte Impuls pj . Wir definieren an dieser Stelle bereits die so genannte Hamilton-Funktion H=
S
(1.161)
pj q˙ j − L ,
j=1
die uns im nächsten Abschnitt noch ausführlich beschäftigen wird. Sie stellt offensichtlich nach (1.160) bei zeitlicher Homogenität des Systems ein Integral der Bewegung dar: Homogenität der Zeit ⇐⇒
∂L =0, ∂t
„Systembewegung so, dass H = const“ .
(1.162)
Wie lässt sich dieser Erhaltungssatz interpretieren? Setzen wir skleronome Zwangsbedingungen voraus, oder genauer, Transformationsformeln r i (q, t) der Teilchenkoordinaten, die nicht explizit von der Zeit abhängen,
∂r i ≡0, ∂t
i = 1, 2, . . . , N ,
so ist nach (1.37) und (1.39) die kinetische Energie T eine homogen quadratische Funktion der generalisierten Geschwindigkeiten q˙ j , d. h. T aq˙ 1 , . . . , aq˙ S ≡ a2 T q˙ 1 , . . . , q˙ S . Dies bedeutet für beliebige reelle a: S ∂T ∂T q˙ = 2a T = ∂a j = 1 ∂ aq˙ j j
oder speziell für a = 1: S ∂T q˙ = 2T . ∂q˙ j j
(1.163)
j=1
Da das betrachtete System nach Voraussetzung auch konservativ ist, gilt zusätzlich
∂V =0, ∂q˙ j
j = 1, . . . , S .
(1.164)
1.4
Erhaltungssätze
83
Es folgt somit 2T =
∂T ∂L q˙ j = q˙ j = pj q˙ j . ∂q˙ j ∂q˙ j j
j
j
In diesem Fall gilt also für die Hamilton-Funktion: H =T+V =E
Gesamtenergie .
Gleichung (1.162) besagt dann, dass aus der Homogenität der Zeit der Energiesatz für holonom-skleronome, konservative Systeme folgt. Warum mussten hier skleronome Zwangsbedingungen vorausgesetzt werden? Wir erinnern uns an den charakteristischen Unterschied zwischen der Newton’schen und der Lagrange’schen Formulierung der Mechanik. In der Newton-Mechanik erscheinen alle Kräfte, einschließlich der Zwangskräfte, in den Bewegungsgleichungen, während in der Lagrange-Mechanik die Zwangskräfte eliminiert sind. Nach dem d’Alembert’schen Prinzip leisten Zwangskräfte bei virtuellen Verrückungen keine Arbeit. Virtuelle unterscheiden sich von tatsächlichen Verrückungen durch die Zusatzforderung δt = 0. Bei skleronomen Zwangsbedingungen ist deshalb virtuell = tatsächlich, nicht aber bei rheonomen Zwangsbedingungen. Im letzteren Fall können Zwangskräfte tatsächlich Arbeit leisten, die dann aber nicht in H erscheint, da die Zwangskräfte im Lagrange-Formalismus eliminiert sind. Der Erhaltungssatz gilt dann nur in der Form (1.162) H = const, wobei H aber nicht als Gesamtenergie interpretiert werden darf. Wir demonstrieren den Sachverhalt am Beispiel 2) aus Abschn. 1.2.2, der gleitenden Perle auf einem rotierenden Draht. Es liegt neben der holonom-skleronomen Zwangsbedingung z=0 auch eine holonom-rheonome Bedingung vor: y = x tan ωt . Trotzdem ist die Lagrange-Funktion (1.50) m 2 q˙ + q2 ω2 L=T= 2 y
q
m
ωt x
Abb. 1.50. Gleitende Perle auf rotierendem Draht
84
1. Lagrange-Mechanik
nicht explizit zeitabhängig. Es gilt also:
∂L =0 ∂t und damit der Erhaltungssatz: H = p q˙ − L = const . Es ist aber: H=
1 1 ∂L q˙ − L = m q˙ 2 − m q˙ 2 + q2 ω2 = m q˙ 2 − q2 ω2 ∂q˙ 2 2
=/ T = T + V = E . Der Erhaltungssatz ist also nicht mit dem Energiesatz identisch! 1.4.2 Homogenität des Raumes Ein System heißt räumlich homogen, wenn seine Eigenschaften unabhängig vom Ort sind, d. h., wenn eine Verschiebung des gesamten Systems die Messergebnisse nicht ändert. Das ist z. B. dann der Fall, wenn das betrachtete System nur von Teilchenabständen abhängigen Kräften unterliegt. Die generalisierte Koordinate qj sei so gewählt, dass Δqj einer Translation des gesamten Systems entspricht. Das können z. B. die kartesischen Komponenten des Massenzentrums sein. Dann folgt als hinreichende Bedingung für räumliche Homogenität:
∂L =0. ∂qj
(1.165)
qj ist also zyklisch. Dies ergibt den Erhaltungssatz: pj =
∂L = const . ∂q˙ j
(1.166)
Was ist nun aber pj ? Da das System konservativ sein soll, gilt:
∂V =0 ∂q˙ j und damit auch: pj =
N N ∂L ∂T ∂˙r i ∂ri = = mi ˙ri = m ˙r . ∂q˙ j ∂q˙ j i = 1 ∂q˙ j i = 1 i i ∂qj
(1.167)
Δq j
System
qj 0
Abb. 1.51. Zur Illustration der aus der Homogenität des Raumes folgenden zyklischen Koordinate
1.4
Erhaltungssätze
85
Im letzten Schritt haben wir (1.23) ausgenutzt. nj sei der Einheitsvektor in Translationsrichtung. Alle Teilchenkoordinaten ändern sich um den gleichen konstanten Vektor:
Δqj = Δqj nj . Δq j ri (q j )
ri (q j + Δq j ) Abb. 1.52. Änderung der Teilchenkoordinaten bei einer Verschiebung des Gesamtsystems um Δqj in Richtung nj
nj
Daraus folgt:
r i qj + Δqj − r i qj Δqj nj ∂ri = lim = lim = nj . Δqj → 0 Δqj ∂qj Δqj → 0 Δqj
(1.168)
pj ist also die zu qj gehörige Komponente des Gesamtimpulses in Translationsrichtung nj : pj = nj
N
mi ˙ri = nj · P .
(1.169)
i=1
Da nj beliebig gewählt werden kann, gilt der folgende Erhaltungssatz: Homogenität des Raumes ⇐⇒ Impulserhaltungssatz P=
N
mi ˙r i = const .
(1.170)
i=1
Wir schließen eine kurze Diskussion an: 1. Der Koordinate qj ist die generalisierte Kraftkomponente Qj zugeordnet: Qj =
N i=1
Fi ·
N ∂r i = nj · F i = nj · F . ∂qj i=1
(1.171)
Wegen „actio = reactio“ heben sich die inneren Kräfte (Teilchenwechselwirkungen) auf, sodass F die gesamte äußere Kraft darstellt. In einem konservativen System gilt (1.29): Qj = −
∂V . ∂qj
Ferner folgt mit (1.168):
∂˙ri d ∂r i d = = n =0. ∂qj dt ∂qj dt j
86
1. Lagrange-Mechanik
Dies bedeutet:
∂T =0 ∂qj
und damit: Qj =
∂L . ∂qj
Wegen (1.165) ist dann: Qj = nj · F = p˙ j = 0 .
(1.172)
Diese Beziehung ist erfüllt, falls F≡0 2.
oder
F ⊥ nj
gilt. Bei äußeren Feldern mit gewissen Symmetrien kann qj für Translationen in bestimmten Raumrichtungen zyklisch sein, nämlich dann, wenn nj orthogonal zu F ist (s. (1.172)). Wir erkennen damit einen wichtigen Zusammenhang: Impulserhaltung für Symmetrierichtungen.
Beispiele 1) Feld einer unendlichen, homogenen Ebene Von jedem Punkt der Ebene geht ein kugelsymmetrisches Feld aus, sodass durch Superposition nur eine resultierende z-Komponente bleibt. Die Kraft auf Teilchen i, ausgeübt von allen Punkten der unendlichen (xy)-Ebene, hat also nur eine nichtverschwindende z-Komponente. Das gilt dann natürlich auch für die Gesamtkraft:
F=
N
F i ≡ (0, 0, F) .
(1.173)
i=1
Für nj = ex , ey ist damit (1.172) erfüllt. Dies ergibt als Integrale der Bewegung: Px = const ;
(1.174)
Py = const .
2) Feld eines unendlichen, homogenen Kreiszylinders Die Rotationssymmetrie um die Zylinderachse legt die Verwendung von Zylinderkoordinaten nahe (s. Abschn. 1.5.3, Bd. 1):
ρ, ϕ, z :
x = ρ cos ϕ ;
y = ρ sin ϕ ;
eρ = (cos ϕ, sin ϕ, 0) , eϕ = (− sin ϕ, cos ϕ, 0) , ez = (0, 0, 1) .
z=z,
1.4
Erhaltungssätze
87
Da der Kreiszylinder unendlich lang und homogen sein soll, wird das Feld ϕ- und z-unabhängig sein: F i = Fi eρi ⇒ F = F i = Fx , Fy , 0 . (1.175) i
Dies bedeutet nach (1.169): Pz = const .
(1.176)
1.4.3 Isotropie des Raumes Man nennt ein System räumlich isotrop, wenn sich die Eigenschaften des Systems bei beliebigen Drehungen nicht ändern. Wir wählen nun die generalisierte Koordinate qj so, dass Δqj einer Drehung des Systems um den Winkel Δϕ um die Achsenrichtung nj entspricht:
|Δri | = Δqj ri sin ϑi .
Δri ist orthogonal zu ri und zu nj . Es gilt also: Δr i = Δqj nj × ri .
(1.177)
Es folgt als hinreichende Bedingung für räumliche Isotropie:
∂L =0. ∂qj
(1.178)
Die so definierte Koordinate qj ist also zyklisch und führt zu dem Erhaltungssatz: pj =
∂L = const . ∂q˙ j
(1.179)
Welche Bedeutung hat pj ? Da das System wiederum konservativ sein soll, gilt auch jetzt (1.167). Mit
∂ri Δri = lim = nj × r i ∂qj Δqj → 0 Δqj nj
Δϕ = Δq j Δri
ϑι
ri (q j + Δq j ( ri (q j )
Abb. 1.53. Zur Illustration der durch die Isotropie des Raumes bedingten zyklischen Koordinate
(1.180)
88
1. Lagrange-Mechanik
folgt deshalb: pj =
N
N ri × mi ˙ri . mi ˙ri · nj × r i = nj ·
i=1
i=1
pj ist also die Komponente des Gesamtdrehimpulses L in nj -Richtung: pj = nj ·
N
Li = nj · L .
(1.181)
i=1
Da die Achsenrichtung nj beliebig gewählt werden kann, lautet unsere Schlussfolgerung: Isotropie des Raumes ⇐⇒ Drehimpulserhaltungssatz
L=
N
mi r i × ˙r i = const .
(1.182)
i=1
Auch dieses Ergebnis wollen wir noch kurz kommentieren: 1. Der Koordinate qj ist die Kraftkomponente Qj zugeordnet, für die mit (1.180) F i · nj × r i = nj · M i = nj · M (1.183) r i × F i = nj · Qj = i
i
i
gefunden wird. Es handelt sich also um die Komponente des Gesamtdrehmoments in Drehrichtung nj . Wegen ∂T ∂˙r i d ∂ri = = mi ˙ri · = mi ˙ri mi ˙r i · nj × ˙r i = 0 ∂qj ∂ q dt ∂ q j j i i i folgt aus (1.178): Qj = −
2.
∂V ∂L = =0. ∂qj ∂qj
(1.184)
Räumliche Isotropie ist nach (1.183) und (1.184) also damit gleichbedeutend, dass das gesamte, auf das System wirkende Drehmoment M verschwindet. Bei nicht vollständiger räumlicher Isotropie kann (1.184) trotzdem erfüllt werden, wenn die äußeren Felder gewisse Symmetrien aufweisen, sodass M orthogonal zu bestimmten Raumrichtungen nj ist. Das erläutern wir an einigen Beispielen:
a) Feld einer unendlichen, homogenen Ebene Wie in (1.173) gilt für die Kraft auf Teilchen i:
F i ≡ (0, 0, Fi ) .
1.4
Erhaltungssätze
89
Dies bedeutet: M i = r i × F i ⊥ ez und ergibt den Erhaltungssatz: Lz = const .
(1.185)
b) Feld eines unendlichen, homogenen Kreiszylinders Wie in (1.175) benutzen wir zur Darstellung der Kraft F i auf Teilchen i Zylinderkoordinaten: r i = ρi cos ϕi , ρi sin ϕi , zi , (1.186) (1.187) F i = Fiρ eρ = Fiρ cos ϕi , sin ϕi , 0 .
Das Drehmoment M ist zwar ungleich Null, ri × F i = M= zi Fiρ − sin ϕi , cos ϕi , 0 , i
i
hat aber eine verschwindende z-Komponente: ez · M = 0 .
(1.188)
Lz = const .
(1.189)
Dies ergibt den Erhaltungssatz:
c) Feld eines homogenen Kreisringes Wir wählen die Ringachse als z-Achse. Dann muss das Feld rotationssymmetrisch zur z-Achse sein, sodass sich zur Beschreibung wieder Zylinderkoordinaten empfehlen. Die Kraft F i auf Teilchen i kann dann keine ϕ-Komponente haben: (1.190) F i = Fiρ eρ + Fiz ez = Fiρ cos ϕi , Fiρ sin ϕi , Fiz .
Mit (1.186) folgt für das Drehmoment: M= ri × F i ≡ Mx , My , 0 , i
sodass auch in diesem Fall (1.188) und (1.189) Gültigkeit haben.
(1.191)
90
1. Lagrange-Mechanik
1.4.4 Aufgaben 1.4.1
Aufgabe 1.4.1 Gegeben sei ein konservatives System mit holonomen Zwangsbedingungen. Zudem existiere eine eineindeutige Koordinatentransformation:
q −→ q = q (q, t, α) q −→ q = q(q , t, α) . Dabei sei α ein kontinuierlicher Parameter, die Transformationsformeln seien nach diesem stetig differenzierbar. Für α = 0 handele es sich um die identische Transformation q (q, t, α = 0) = q. Aus der Lagrange-Funktion wird durch Einsetzen der Transformationsformeln: L q, q˙ , t = L q(q , t, α), q˙ (q , q˙ , t, α), t ≡ L q , q˙ , t, α . Die Transformation sei nun so, dass die Lagrange-Funktion invariant bleibt, d. h. L q , q˙ , t, α = L q , q˙ , t . Zeigen Sie, dass dann ( S ∂L ∂qj q , t, α (( I q, q˙ , t = ( ( ∂q˙ j ∂α j=1
α=0
ein Integral der Bewegung darstellt (Noether-Theorem)!
1.4.2
Aufgabe 1.4.2 Ein Teilchen der Masse m werde durch die Lagrange-Funktion
m 2 L q, q˙ = x˙ + ˙y2 + ˙z2 − V x2 + y2 , z 2 beschrieben. Zeigen Sie, dass L bei einer Rotation um die z-Achse (Drehwinkel α) invariant bleibt. Finden Sie dann mit der Aussage aus Aufgabe 1.4.1 ein Integral der Bewegung!
1.4
Erhaltungssätze
91
Aufgabe 1.4.3 Gegeben sei wie in Aufgabe 1.4.1 ein konservatives System mit holonomen Zwangsbedingungen. Es existiere wieder eine eineindeutige Koordinatentransformation
q −→ q = q (q, t, α) q −→ q = q(q , t, α) mit einem kontinuierlicher Parameter α. Die Transformationsformeln seien stetig nach α differenzierbar. Für α = 0 handele es sich um die identische Transformation. Aus der Lagrange-Funktion wird durch Einsetzen der Transformationsformeln: L q, q˙ , t = L q q , t, α , q˙ q , q˙ , t, α , t ≡ L q , q˙ , t, α . 1.
Die Transformation sei nun so, dass sich die Lagrange-Funktion wie folgt ändert d f q , t, α . L q , q˙ , t, α = L q , q˙ , t + dt Dabei kann f (q , t, α) eine beliebige, hinreichend oft differenzierbare Funktion sein („mechanische Eichtransformation“ (1.84)). Zeigen Sie, dass dann ( ( S ( ∂L ∂qj q , t, α (( ∂ + I q, q˙ , t = − f q , t, α (( ( ( ∂q˙ j ∂α ∂α α=0 j=1
2.
α=0
ein Integral der Bewegung darstellt! Betrachten Sie als Anwendungsbeispiel den freien Fall der Masse m im homogenen Schwerefeld der Erde: L(x, x˙ ) = m2 x˙ 2 − mgx. Zeigen Sie, dass die Galilei-Transformation x −→ x = x + αt die Voraussetzungen von Teil 1. erfüllt und geben Sie die zugehörige Erhaltungsgröße an!
1.4.3
92
1.5
1. Lagrange-Mechanik
1.5 Kontrollfragen Zu Abschn. 1.1 1. Was versteht man unter Zwangsbedingungen, was unter Zwangskräften? 2. Welche Schwierigkeiten ergeben sich bei der Behandlung eines mechanischen Problems, wenn Zwangsbedingungen vorliegen? 3. Was sind holonome, holonom-skleronome, holonom-rheonome, nicht-holonome Zwangsbedingungen? 4. Welche Bedingungen müssen generalisierte Koordinaten erfüllen? 5. Wie ist der Konfigurationsraum definiert? Zu Abschn. 1.2 1. Was versteht man unter einer virtuellen Verrückung, was unter virtueller Arbeit? 2. Formulieren Sie das Prinzip der virtuellen Arbeit. 3. Warum werden Reibungskräfte nicht zu den Zwangskräften gezählt? 4. Was sind generalisierte Kraftkomponenten? 5. Was besagt das d’Alembert’sche Prinzip? 6. Unten welchen Bedingungen folgen aus dem d’Alembert’schen Prinzip die Lagrange-Gleichungen 2. Art? 7. Wie verhalten sich die Lagrange-Gleichungen unter Punkttransformationen? 8. Wie sind verallgemeinerte Impulse definiert? 9. Was ist eine zyklische Koordinate? 10. Wie lautet die Parameterdarstellung der Zykloide? 11. Welche Form haben die aus dem d’Alembert’schen Prinzip folgenden Bewegungsgleichungen für nicht-konservative Systeme mit holonomen Zwangsbedingungen? 12. Welche Bedingungen müssen „verallgemeinerte Potentiale“ erfüllen? Können sie auch von den generalisierten Geschwindigkeiten abhängen? 13. Welcher Lagrange-Funktion unterliegt ein geladenes Teilchen im elektromagnetischen Feld? Wie lauten seine generalisierten Impulse? 14. Wie verhält sich die Lagrange-Funktion eines geladenen Teilchen bei einer Eichtransformation ϕ → ϕ − (∂|∂t)χ ; A → A + ∇ χ ? Was passiert dabei mit den Bewegungsgleichungen? 15. Was versteht man unter einer mechanischen Eichtransformation? 16. Wie beschreibt man Systeme, die Reibungskräften unterliegen? 17. Welche physikalische Bedeutung besitzt die Dissipationsfunktion? 18. Erläutern Sie die Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren. 19. Wie lauten die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen 1. Art? 20. Welche physikalische Bedeutung kann den Lagrange’schen Multiplikatoren zugeschrieben werden?
1.5
Kontrollfragen
93
Zu Abschn. 1.3 1. Erläutern Sie den Unterschied zwischen Differential- und Integralprinzipien. 2. Was versteht man unter einer Konfigurationsbahn? 3. Formulieren Sie das Hamilton’sche Prinzip. Welche Bedingungen müssen die zur Variation zugelassenen Bahnen erfüllen? 4. Was ist ein Wirkungsfunktional? 5. Erläutern Sie den Begriff der Variation des Funktionals J{ y(x)}. 6. Geben Sie die Euler’sche Gleichung an und skizzieren Sie ihre Herleitung. 7. Was versteht man unter dem Brachystochronenproblem? 8. Wie leitet man aus dem Hamilton’schen Prinzip für konservative Systeme mit nicht-holonomen Zwangsbedingungen die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen 1. Art ab? 9. Wie lautet das Hamilton’sche Prinzip für nicht-konservative Systeme? Welches Wirkungsfunktional ist dann zu variieren? 10. Von welcher Art sind die Bewegungsgleichungen, die aus dem „erweiterten“ Hamilton’schen Prinzip folgen? Zu Abschn. 1.4 1. Was ist ein Integral der Bewegung? 2. Warum ist es günstig, in der Lagrange-Formulierung eines physikalischen Problems möglichst viele generalisierte Koordinaten zyklisch zu wählen? 3. Wann nennt man ein System zeitlich homogen? Was gilt dann für die LagrangeFunktion? 4. Wie ist die Hamilton-Funktion definiert? 5. Welcher Erhaltungssatz folgt aus der zeitlichen Homogenität eines physikalischen Systems? 6. Unter welchen Bedingungen ist die Hamilton-Funktion mit der Gesamtenergie identisch? 7. Wann ist ein System als räumlich homogen zu bezeichnen? Was gilt dann für die Lagrange-Funktion? 8. Welcher Erhaltungssatz folgt aus der Homogenität des Raumes? 9. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Impulserhaltung und Symmetrierichtungen? 10. Wie manifestiert sich räumliche Isotropie in der Lagrange-Funktion eines physikalischen Systems? 11. Welcher Erhaltungssatz folgt aus räumlicher Isotropie? Was gilt für das Gesamtdrehmoment? 12. Welche Symmetriebedingung muss an die auf das i-te Teilchen wirkende Kraft gestellt werden, damit die x-Komponente des Drehimpulses ein Integral der Bewegung ist?
Kapitel 2 Hamilton-Mechanik
2
2
2 2.1 2.1.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6 2.6
Hamilton-Mechanik Legendre-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kanonische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamilton-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modifiziertes Hamilton’sches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzip der kleinsten Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fermat’sches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jacobi-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Poisson-Klammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellungsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fundamentale Poisson-Klammern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formale Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integrale der Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezug zur Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kanonische Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die erzeugende Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Äquivalente Formen der erzeugenden Funktion . . . . . . . . . Beispiele kanonischer Transformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriterien für Kanonizität .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98 101 101 101 105 111 112 112 115 119 120 125 125 129 132 134 135 137 140 140 145 148 152 156 158 163
97
2 Hamilton-Mechanik Dieses Kapitel beschäftigt sich mit einer formalen Weiterentwicklung der Theorie der Klassischen Mechanik. Dabei geht es eigentlich nicht so sehr um die Konstruktion neuer Rechenhilfsmittel. Auch bringt die Hamilton-Formulierung der Klassischen Mechanik keine neue Physik. Ihr Gültigkeits- und Anwendungsbereich entspricht nämlich ziemlich genau dem der Lagrange-Formulierung. Es geht vielmehr darum, eine tiefere Einsicht in die formale mathematische Struktur der physikalischen Theorie zu gewinnen, und dies durch Untersuchung aller denkbaren Umformulierungen der fundamentalen Prinzipien. Hinzu kommt, dass die Klassische Mechanik wie jede physikalische Theorie nur einen beschränkten Gültigkeitsbereich besitzt. Es ist jedoch nicht „a priori“ klar, welche Darstellung für spätere Verallgemeinerungen besonders günstig ist. Begriffsbildungen und mathematische Zusammenhänge des Hamilton-Formalismus werden sich als hilfreich für einen Anschluss an die Gesetzmäßigkeiten der Quantenmechanik erweisen. Das ist letztlich das entscheidende Motiv für die Beschäftigung mit der Hamilton-Mechanik. Wir wollen einmal in einer gewissen „Bestandsaufnahme“ die bisher kennen gelernten Konzepte gegenüberstellen. Die Newton-Mechanik stellt ein sehr allgemeines Konzept dar. Es sind alle Typen von Kräften zugelassen. Die Lösungen der Bewegungsgleichungen manifestieren sich sehr anschaulich als Teilchenbahnen. Die Newton-Mechanik ist allerdings nur in Inertialsystemen gültig. In nicht-inertialen Systemen müssen passende Scheinkräfte eingeführt werden. Die „unhandlichen“ Zwangskräfte müssen explizit in den Bewegungsgleichungen berücksichtigt werden. Ferner stellen sich die Newton-Gleichungen als nicht forminvariant gegenüber Koordinatentransformationen heraus. Die Lagrange-Mechanik ist dagegen in allen Koordinatensystemen gültig. Ihr besonderer Vorteil liegt darin, dass die „unhandlichen“ Zwangskräfte eliminiert sind. Die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen erweisen sich als forminvariant unter Punkttransformationen. Sie werden aus fundamentalen Prinzipien, dem Differentialprinzip von d’Alembert oder dem Integralprinzip von Hamilton, abgeleitet, die die Newton’schen Axiome ersetzen. In holonomen, konservativen Systemen handelt es sich dabei um S Differentialgleichungen 2. Ordnung für S generalisierte Koordinaten q1 , . . . , qS , zu deren Lösung 2S Anfangsbedingungen vonnöten sind. Da es sich bei den generalisierten Koordinaten um beliebige physikalische Größen handeln kann, also nicht notwendig um Längen, werden die Lösungen der Bewegungsgleichungen entsprechend unanschaulich. Sie ergeben erst nach Rücktransformation auf die Teilchenkoordinaten r1 , . . . , rN die klassischen Teilchenbahnen. Darin kann man einen gewissen Nachteil sehen, ebenso wie in der Tatsache, dass es kein einheitliches Konzept für die Behandlung aller denkbaren Typen von Zwangsbedingungen gibt.
W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik 2. DOI 10.1007/978-3-642-12950-6 © Springer 2011
98
2. Hamilton-Mechanik
Die nun zu besprechende Hamilton-Mechanik soll eine Brücke zwischen den klassischen und den nichtklassischen Theorien (Quantenmechanik, Statistische Mechanik) schlagen. Das wichtigste Ergebnis wird die Erkenntnis sein, dass Klassische Mechanik und Quantenmechanik als verschiedene Realisierungen ein und derselben übergeordneten, abstrakten mathematischen Struktur aufgefasst werden können. – Beim Übergang von der Lagrange- zur Hamilton-Formulierung werden generalisierte Geschwindigkeiten durch generalisierte Impulse ersetzt: q, q˙ , t ⇒ (q, p, t) . q und p werden als voneinander unabhängige Variable aufgefasst. Das Resultat dieser Transformationen werden 2S Differentialgleichungen erster Ordung für S generalisierte Koordinaten q1 , . . . , qS und S generalisierte Impulse p1 , . . . , pS sein. Die Zahl der zur Lösung benötigten Anfangsbedingungen bleibt damit bei 2S. – Als Methode für den Koordinatenwechsel wird eine so genannte Legendre-Transformation gewählt, deren Technik im nächsten Abschnitt vorgestellt werden soll.
2.1
2.1 Legendre-Transformation Wir diskutieren als Einschub ein für die Theoretische Physik wichtiges mathematisches Verfahren zur Variablentransformation: Gegeben sei eine Funktion f = f (x) mit dem Differential df =
df dx = u dx . dx
Gesucht sei eine Funktion g = g(u), für die dg = ±x du gilt. Diese findet man leicht wie folgt: df = u dx = d(ux) − x du ⇒ d(f − ux) = −x du ⇒
d (f − ux) = −x . du
Man definiert deshalb: Legendre-Transformierte von f (x) g(u) = f (x) − ux = f (x) − x
df . dx
(2.1)
2.1
Legendre-Transformation
99
Warum vollzieht man die Variablentransformation nicht einfach „durch Einsetzen“? An dem folgenden Beispiel kann man sich klar machen, dass diese nicht reversibel wäre. Die Transformation df = u(x) ⇒ x = x(u) ⇒ f (u) = f [u(x)] dx würde zum Beispiel bedeuten, dass die Funktionen f (x) = α x2
f¯(x) = α(x + c)2
und
dasselbe f (u) haben: df = 2αx u= dx
⎫ ⎪ ⎪ ⎪ ⎬
⎪ ⎪ df¯ ⎭ u¯ = = 2 α(x + c)⎪ dx
⎫ ⎪ ⎪ ⎬
x=
u 2α
x=
⎪ u¯ ⎪ − c⎭ 2α
⇒
⇒
u2 f (u) = 4α u¯ 2 f (¯u) = 4α
.
Die Rücktransformation kann also nicht eindeutig sein. Eine Legendre-Transformation ist dagegen eindeutig, wie das folgende Schema verdeutlicht:
x = x(u)
u=
g (u) − u
=
f (x)
df dx
f (x) − x
df dx
−x=
=
dg du
dg du
g (u)
u = u(x) .
(2.2)
Offensichtlich ist dieses Schema nur anwendbar, wenn noch d2 f =/ 0 dx2
(2.3)
gilt. Nur dann kann u wirklich eine Variable sein. Aus d2 f / dx2 = 0 würde nämlich (df )|(dx) = u = const folgen. In dem obigen Schema (2.2) gibt es keinen ausgezeichneten Punkt. Die Rücktransformation ist deshalb eindeutig. Wir wollen die Theorie auf Funktionen zweier Variabler ausdehnen. Gegeben sei f = f (x, y) ⇒ df = u(x, y) dx + v(x, y) dy ,
100
2. Hamilton-Mechanik
wobei gilt:
u(x, y) =
∂f ∂x
,
v(x, y) =
y
∂f ∂y
(2.4)
. x
Gesucht wird g = g(x, v) ⇒ dg = u dx − y dv mit u x, y(x, v) =
∂g ∂x
v
∂g , y(x, v) = − ∂v
(2.5)
. x
Man bezeichnet x als die passive, y als die aktive Variable. Die gesuchte Funktion g(x, v) findet man wie folgt: df = u dx + v dy = u dx + d(vy) − y dv ⇒
⇒ d(f − vy) = u dx − y dv
∂(f − vy) ∂(f − vy) =u, = −y . ∂x ∂v v x
Man definiert nun: g(x, v) = f (x, y) − vy = f (x, y) − y
∂f ∂y
(2.6)
. x
Legendre-Transformierte von f (x, y) bezüglich y. Das Transformationsschema (2.2) ist nur leicht abzuändern:
.
(2.7)
Die Verallgemeinerung des Verfahrens auf mehr als zwei Variable liegt auf der Hand.
2.2
Kanonische Gleichungen
101
2.1.1 Aufgaben Aufgabe 2.1.1 Bestimmen Sie die Legendre-Transformierte 1. g(u) der Funktion f (x) = α x2 , 2. g(x, v) der Funktion f (x, y) = α x2 y3 .
2.1.1
Aufgabe 2.1.2 Bestimmen Sie die Legendre-Transformierte 1. g(u) der Funktion f (x) = α(x + β)2 (α, β : Konstante) 2. g(x, v) der Funktion
2.1.2
f (x, y) = αx3 y5 . Führen Sie zur Kontrolle die Rücktransformation durch.
2.2
2.2 Kanonische Gleichungen 2.2.1 Hamilton-Funktion Wir transformieren die Lagrange-Funktion, L = L q1 , . . . , qS , q˙ 1 , . . . , q˙ S , t ,
mit den q˙ 1 , . . . , q˙ S als aktive Variable, die durch die generalisierten Impulse pi =
∂L , ∂q˙ i
i = 1, . . . , S
ersetzt werden sollen. Die negative Legendre-Transformierte ist nichts anderes als die bereits in (1.161) kennen gelernte Hamilton-Funktion S H q1 , . . . , qS , p1 , . . . , pS , t = pi q˙ i − L q1 , . . . , qS , q˙ 1 , . . . , q˙ S , t .
(2.8)
i=1
Wir haben in Abschn. 1.4.1 gesehen, dass sie in enger Beziehung zur Energie des Systems steht. Wir wollen zunächst die aus der Hamilton-Funktion H folgenden Bewegungsgleichungen ableiten. Dazu bilden wir das totale Differential
S S ∂L ∂L ∂L dpi q˙ i + pi dq˙ i − dH = dqi + dq˙ i − dt = ∂ q ∂ q ˙ ∂t i i i=1 i=1
S ∂L ∂L q˙ i dpi − dqi − dt . = ∂qi ∂t i=1
102
2. Hamilton-Mechanik
Wir nutzen noch die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen aus: dH =
S ∂L q˙ i dpi − p˙ i dqi − dt . ∂t i=1
(2.9)
Andererseits gilt natürlich auch: dH =
S ∂H
∂pi
i=1
dpi +
∂H ∂H dq + dt . ∂qi i ∂t
(2.10)
Da qi , pi , t unabhängige Koordinaten sind, folgt aus dem direkten Vergleich von (2.9) und (2.10): q˙ i =
∂H , ∂pi
p˙ i = − −
∂H , ∂qi
i = 1, . . . , S ,
(2.11)
i = 1, . . . , S ,
(2.12)
∂L ∂H = . ∂t ∂t
(2.13)
Dies sind die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen, die man auch die Kanonischen Gleichungen nennt. Das sind 2S Bewegungsgleichungen, von 1. Ordnung in der Zeit, die an die Stelle der S Lagrange-Gleichungen treten, die von 2. Ordnung sind. Man beachte die hohe Symmetrie der Gleichungen bezüglich der qi und der pi . Sie beschreiben die Bewegung des Systems im abstrakten 2S-dimensionalen Phasenraum, der durch die Variablen qi und pi aufgespannt wird. Wir sollten uns noch etwas mit der physikalischen Bedeutung der HamiltonFunktion beschäftigen. Dazu erinnern wir uns an die allgemeine Gestalt (1.41) der Lagrange-Funktion L: L = T − V = L2 + L1 + L0 . Die Li sind dabei homogene Funktionen der generalisierten Geschwindigkeiten q˙ j vom Grad i (1.45). Dies bedeutet (s. (1.163)): S ∂L q˙ = 2L2 + L1 . ∂q˙ j j j=1
(2.14)
2.2
Kanonische Gleichungen
103
Aus (2.8) folgt dann für die Hamilton-Funktion: (2.15)
H = L2 − L 0 .
Sie enthält also nicht den Term L1 . Bei skleronomen Zwangsbedingungen (genauer bei ∂r i |∂t ≡ 0) sind noch (1.38) und (1.39) α = αj = 0. Dies bedeutet: L0 = −V ,
L1 = 0 ,
L2 = T .
(2.16)
H ist dann mit der Gesamtenergie identisch: H =T+V =E .
(2.17)
Wegen des fehlenden Terms L1 gilt das nicht mehr bei rheonomen Zwangsbedingungen, die zu ∂ri |∂t =/ 0 führen. Für das totale Zeitdifferential von H finden wir:
S S ∂H ∂H ∂H ∂H ∂H ∂H ∂H dH ∂H q˙ j + p˙ j + − = = . + dt ∂qj ∂pj ∂t ∂qj ∂pj ∂pj ∂qj ∂t j=1
j=1
Totale und partielle Ableitungen von H nach der Zeit sind also identisch: dH ∂H ∂L = =− . dt ∂t ∂t
(2.18)
H ist demnach ein Integral der Bewegung, falls keine explizite Zeitabhängigkeit vorliegt: H = const ⇐⇒
∂H =0. ∂t
(2.19)
Nach (2.17) ist dies der Energiesatz, falls keine rheonomen Zwangsbedingungen vorliegen. Ist dies doch der Fall, so ist L1 =/ 0 und damit H nicht die Gesamtenergie. Der Hamilton-Formalismus wird insbesondere dann vorteilhaft, wenn zyklische Koordinaten vorliegen. Wir erinnern uns: qj
zyklisch ⇐⇒
∂L = 0 ⇐⇒ pj = const = cj . ∂qj
(2.20)
Dies bedeutet aber auch p˙ j = 0 = −
∂H , ∂qj
(2.21)
sodass eine zyklische Koordinate qj auch in H nicht erscheint. Der zugehörige Impuls pj = cj ist keine echte Variable, sondern durch Anfangsbedingungen festgelegt. H enthält nur noch (2S − 2) Variable, die Zahl der Freiheitsgrade hat praktisch von S auf (S − 1) abgenommen: H = H q1 , . . . , qj − 1 , qj + 1 , . . . , qS , p1 , . . . , pj − 1 , pj + 1 , . . . , pS , t|cj . (2.22)
104
2. Hamilton-Mechanik
Dagegen enthält die Lagrange-Funktion L noch alle q˙ j , die Zahl der Freiheitsgrade bleibt unverändert: L = L q1 , . . . , qj − 1 , qj + 1 , . . . , qS , q˙ 1 , . . . , q˙ S , t . (2.23) Was den rechentechnischen Aspekt angeht, so kann man sagen, dass der Hamiltongegenüber dem Lagrange-Formalismus eigentlich nur bei zyklischen Koordinaten einen wirklichen Vorteil bietet. Im so genannten Routh-Formalismus, der eine Zwischenstellung zwischen Lagrange- und Hamilton-Formalismus einnimmt, wird die Legendre-Transformation {q, q˙ , t} → {q, p, t} deshalb nur für zyklische Koordinaten durchgeführt, da nur dann ein Vorteil erkennbar ist. Seien q1 , q2 , . . . , qn
zyklische Koordinaten ,
dann sind q˙ 1 , . . . , q˙ n die aktiven und q1 , . . . , qS , q˙ n + 1 , . . . , q˙ S , t die passiven Transformationsvariablen. Dies ergibt die Routh-Funktion R q1 , . . . , qS , p1 , . . . , pn , q˙ n + 1 , . . . , q˙ S , t =
n n S ∂L q˙ i − L = pi q˙ i − L = H − pi q˙ i . = ∂q˙ i i=1 i=1 i=n+1
(2.24)
Für n = S ist natürlich R = H und für n = 0 ist R = −L. Die Bewegungsgleichungen bestimmen wir über das totale Differential der Routh-Funktion:
S n S ∂R ∂R ∂R ∂R dR = dt = dqi + dpi + dq˙ i + ∂qi ∂pi ∂q˙ i ∂t i=1 i=1 i=n+1 =
=
n S S ∂L ∂L ∂L dqi − dq˙ i − pi dq˙ i + q˙ i dpi − dt = ∂qi ∂q˙ i ∂t i=1 i=1 i=1 n i=1
q˙ i dpi −
S ∂L i=1
∂qi
dqi −
S ∂L ∂L dt . dq˙ i − ∂q˙ i ∂t i=n+1
Der Koeffizientenvergleich ergibt:
∂R = q˙ i , ∂pi ∂R ∂L =− = −p˙ i , ∂qi ∂qi ∂R ∂L =− . ∂t ∂t
i = 1, . . . , n ,
(2.25)
i = 1, . . . , n ,
(2.26) (2.27)
2.2
Kanonische Gleichungen
105
Dies entspricht den Hamilton’schen Bewegungsgleichungen für die zyklischen Koordinaten. ∂R ∂L =− = −p˙ i , i = n + 1, . . . , S , (2.28) ∂qi ∂qi
∂R ∂L =− = −pi , ∂q˙ i ∂q˙ i
i = n + 1, . . . , S .
(2.29)
Diese beiden letzten Gleichungen lassen sich zu d ∂R ∂R − =0, dt ∂q˙ i ∂qi
i = n + 1, . . . , S
(2.30)
zusammenfassen. Für die nicht-zyklischen Koordinaten ergeben sich also die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen. Da ∂L|∂qi = 0 für i = 1, . . . , n gilt, ist auch
∂R = −p˙ i = 0 ⇐⇒ pi = consti = ci . ∂qi
(2.31)
Zyklische Koordinaten erscheinen also weder in L oder H noch in R. Die zugehörigen Impulse treten nur als durch Anfangsbedingungen festgelegte Parameter auf: (2.32) R = R qn + 1 , . . . , qS , q˙ n + 1 , . . . , q˙ S , t|c1 , . . . , cn . Der Routh-Formalismus bringt gegenüber der Hamilton-Formulierung keine entscheidenden rechentechnischen Vorteile. Er hat sich deshalb nicht durchsetzen können. Wir werden im Rahmen unserer Darstellung hier nicht weiter auf ihn eingehen. 2.2.2 Einfache Beispiele Die Theorie des letzten Kapitels zur Lösung mechanischer Probleme im Rahmen des Hamilton-Formalismus lässt sich in dem folgenden Schema zusammenfassen: 1. Generalisierte Koordinaten festlegen: q ≡ q1 , q2 , . . . , qS .
2.
Transformationsgleichungen aufstellen: ri = r i q1 , . . . , qS , t , ˙r i = ˙r i q, q˙ , t .
i = 1, 2, . . . , N .
3.
Kinetische und potentielle Energie in den Teilchenkoordinaten formulieren, dann 2. einsetzen: (konservatives System) . L q, q˙ , t = T q, q˙ , t − V(q, t)
4.
Generalisierte Impulse berechnen: pj =
∂L ⇒ pj = pj (q, q˙ , t) , ∂q˙ j
j = 1, 2, . . . , S .
106
5.
2. Hamilton-Mechanik
Auflösen nach q˙ j : q˙ j = q˙ j (q, p, t) ,
6.
Lagrange-Funktion:
7.
Legendre-Transformation:
j = 1, 2, . . . , S .
L(q, p, t) . L q, q˙ (q, p, t), t =
H(q, p, t) =
S
pj q˙ j (q, p, t) − L(q, p, t) .
j=1
8.
Kanonische Gleichungen aufstellen und integrieren.
Wir wollen zur Übung nach diesem Schema die Hamilton-Funktionen und die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen für ein paar sehr einfache Beispiele ableiten. 1) Pendelschwingung Der Massenpunkt m unterliegt den Zwangsbedingungen
z = const = 0 , x2 + y2 = l2 = const , hat also genau einen Freiheitsgrad (S = 1). Mit der generalisierten Koordinate q=ϕ folgen die Transformationsformeln: x = l sin q ;
y = l cos q ,
x˙ = l q˙ cos q ,
y˙ = −l q˙ sin q .
Kinetische und potentielle Energie lauten dann: 1 1 T = m x˙ 2 + y˙ 2 = m l2 q˙ 2 , 2 2 V = −m g y = −m g l cos q ⇒ L=T−V =
1 2 2 m l q˙ + m g l cos q . 2
x
ϕ y
l m
Abb. 2.1. Pendelschwingung der Masse m als
eindimensionales Bewegungsproblem
2.2
Kanonische Gleichungen
107
Daraus leiten wir den generalisierten Impuls p ab: p=
∂L p = m l2 q˙ ⇒ q˙ = . ∂q˙ m l2
Dies setzen wir in L(q, q˙ ) ein, p2 + m g l cos q , 2m l2 und führen damit die Legendre-Transformationen durch: L(q, p) =
H = p q˙ − L =
p2 − L(q, p) m l2
p2 − m g l cos q . 2m l2 Die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen ⇒ H=
q˙ =
(2.33)
p ∂H = ⇒ p˙ = m l2¨q , ∂p m l2
p˙ = −
∂H = −m g l sin q ∂q
ergeben zusammengesetzt die bekannte Schwingungsgleichung: g ¨q + sin q = 0 . l
(2.34)
2) Harmonischer Oszillator Wir denken an eine Feder mit der Federkonstanten k, die dem Hooke’schen Gesetz
F = −k x folgt, wenn x die Auslenkung aus der Ruhelage darstellt. Die Zwangsbedingungen y=z≡0 sorgen für eine eindimensionale Bewegung der Masse m. Mit der generalisierten Koordinate q=x
k
m Abb. 2.2. Feder im Gültigkeitsbereich des Hooke’schen Gesetzes als
x
Realisierung des harmonischen Oszillators
108
2. Hamilton-Mechanik
folgt unmittelbar: 1 T = m q˙ 2 , 2
1 V = k q2 , 2
1 1 L = m q˙ 2 − k q2 . 2 2
Wir ersetzen in der letzten Gleichung q˙ durch den generalisierten Impuls p=
∂L = m q˙ . ∂q˙
Mit L(q, p) =
1 p2 − k q2 2m 2
finden wir die Hamilton-Funktionen H = p q˙ − L des harmonischen Oszillators: H=
1 p2 + m ω20 q2 , 2m 2
ω20 =
k . m
(2.35)
Es handelt sich um ein konservatives System mit skleronomen Zwangsbedingungen. Wegen
∂H = 0 ⇐⇒ H = E = const ∂t ist H mit der konstanten Gesamtenergie E identisch. Formt man dann (2.35) noch etwas um, q2 p2 =1, + 2 E 2mE m ω20
(2.36)
so ergibt sich die Mittelpunktsgleichung einer Ellipse. Die Bahn des Systems im (q, p)-Phasenraum ist also eine Ellipse mit den Halbachsen √ 2E a = 2mE und b= . m ω20 Die kanonischen Gleichungen p˙ = − q˙ =
∂H = −m ω20 q , ∂q
∂H p = ⇒ p˙ = m ¨q ∂p m
führen direkt zur Schwingungsgleichung:
¨q + ω20 q = 0 .
(2.37)
2.2
Kanonische Gleichungen
109
3) Teilchen im elektromagnetischen Feld Die Bewegung eines Teilchens der Masse m und der Ladung q¯ im elektromagnetischen Feld haben wir bereits in Abschn. 1.2.3 untersucht. Das Teilchen unterliegt der nichtkonservativen Lorentz-Kraft
F = q¯ (E + v × B) , wenn v seine Geschwindigkeit ist. Wir hatten mit (1.78) das verallgemeinerte Potential U = q¯(ϕ − v · A) der Lorentz-Kraft abgeleitet, für das Qj = F ·
∂r d ∂U ∂U = Fj = − ∂qj dt ∂q˙ j ∂qj
gilt, wenn man als generalisierte die kartesischen Koordinaten wählt. Für die Lagrange-Funktion ergab sich (1.79): 1 L = m ˙r 2 + q¯ (˙r · A) − q¯ ϕ = T − U . 2 Als generalisierten Impuls, der vom mechanischen Impuls zu unterscheiden ist, haben wir dann p = m ˙r + q¯ A(r, t) . Dies führt über H = p · ˙r − L = m ˙r2 + q¯ A · ˙r −
(2.38)
1 m ˙r2 − q¯ ˙r · A + q¯ ϕ 2
zur Hamilton-Funktion
2 1 (2.39) p − q¯ A(r, t) + q¯ ϕ(r, t) , 2m die sich als mit der Gesamtenergie identisch erweist, was bei verallgemeinerten Potentialen durchaus nicht selbstverständlich ist. Der Ausdruck (2.39) wird uns in der Quantenmechanik, dann als Hamilton-Operator, noch ausführlich beschäftigen. H=
4) Teilchen ohne Zwang Selbst wenn das Teilchen keinen Zwangsbedingungen unterliegt, kann die Symmetrie des Problems die Verwendung spezieller krummliniger Koordinaten nahelegen, zum Beispiel, um möglichst viele Koordinaten zyklisch werden zu lassen. Wir wollen deshalb für ein konservatives System die Hamilton-Funktion in den drei gebräuchlichsten Koordinatensystemen formulieren. a) Kartesische Koordinaten (x, y, z) Da keine Zwangsbedingungen vorliegen sollen, gilt natürlich H = T + V bzw. L = T − V: 1 2 H= (2.40) px + p2y + p2z + V(x, y, z) . 2m
110
2. Hamilton-Mechanik
Die generalisierten Impulse sind in diesem Fall mit den mechanischen Linearimpulsen identisch: ∂L ∂L ∂L (2.41) = m x˙ ; py = = m y˙ , pz = = m ˙z . px = ∂x˙ ∂˙y ∂˙z b) Zylinderkoordinaten (ρ, ϕ, z) Nach (1.253), Bd. 1 gelten die Transformationsformeln:
x = ρ cos ϕ ;
y = ρ sin ϕ ;
z=z.
Daraus ergeben sich die Geschwindigkeiten:
˙ sin ϕ ; x˙ = ρ˙ cos ϕ − ρ ϕ
˙y = ρ˙ sin ϕ + ρ ϕ˙ cos ϕ ;
˙z = ˙z .
Kinetische und potentielle Energie, 1 1 ˙ 2 + ˙z2 , T = m x˙ 2 + y˙ 2 + ˙z2 = m ρ˙ 2 + ρ2 ϕ 2 2 V = V(ρ, ϕ, z) , führen über die Lagrange-Funktion L = T − V zu den generalisierten Impulsen: pρ =
∂L ∂L ∂L = m ρ˙ ; pϕ = = m ρ2 ϕ ˙ ; pz = = m ˙z . ∂ρ˙ ∂ϕ˙ ∂˙z
(2.42)
Mit H = pρ ρ˙ + pϕ ϕ ˙ + pz ˙z − L folgt für die Hamilton-Funktion: p2ϕ 1 2 2 H= + pz + V(ρ, ϕ, z) . p + 2 m ρ ρ2
(2.43)
c) Kugelkoordinaten (r, ϑ, ϕ) Nach (1.261), Bd. 1 lauten nun die Transformationsformeln:
x = r sin ϑ cos ϕ ;
y = r sin ϑ sin ϕ ;
z = r cos ϑ .
Damit berechnet man leicht: 1 ˙ 2 + r2 sin2 ϑ ϕ˙ 2 ; V = V(r, ϑ, ϕ) . T = m ˙r2 + r2 ϑ 2 Dies ergibt mit L = T − V die generalisierten Impulse: pr =
∂L ∂L ˙ ; pϕ = ∂L = m r2 sin2 ϑ ϕ˙ . = m ˙r ; pϑ = = m r2 ϑ ∂˙r ∂ϕ˙ ∂ϑ˙
Die Hamilton-Funktion lautet dann: p2ϕ p2ϑ 1 2 + V(r, ϑ, ϕ) . + p + H= 2 m r r2 r2 sin2 ϑ
(2.44)
(2.45)
2.2
Kanonische Gleichungen
111
2.2.3 Aufgaben Aufgabe 2.2.1 Bestimmen Sie die Routh-Funktion und die Routh’schen Bewegungsgleichungen für das in Abschn. 1.4 behandelte Zweikörperproblem (Massen m1 , m2 mit abstandsabhängiger Paarwechselwirkung im ansonsten kräftefreien Raum).
2.2.1
Aufgabe 2.2.2 Die potentielle Energie eines Teilchens der Masse m sei in Zyklinderkoordinaten (ρ, ϕ, z) formuliert:
2.2.2
V(ρ) = V0 ln 1. 2. 3.
ρ ; V0 = const , ρ0 = const . ρ0
Wie lautet die Hamilton-Funktion? Stellen Sie die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen auf. Finden Sie drei Erhaltungssätze.
Aufgabe 2.2.3 Ein Kasten gleite reibungslos längs der x-Achse mit konstanter Geschwindigkeit v0 . Auf dem Kastenboden schwingt ebenfalls in x-Richtung und reibungslos eine Masse m, die durch eine Feder (Federkonstante: k) an der hinteren Kastenwand befestigt ist. 1. Geben Sie die Hamilton-Funktion im ruhenden Koordinatensystem Σ an. Ist H eine Erhaltungsgröße? Ist H gleich der Gesamtenergie E? Formulieren Sie die Hamiltonischen Bewegungsgleichungen! 2. Untersuchen Sie dasselbe Bewegungsproblem im mitbewegten Koordinatensystem Σ ! y x v0 t
x′ k
m
v0 Abb. 2.3. Schwingende Masse im mit konstanter
x
Geschwindigkeit reibungslos gleitenden Kasten
2.2.3
112
2.2.4
2. Hamilton-Mechanik
Aufgabe 2.2.4 Gegeben sei ein dreiatomiges Molekül. Dieses führe eindimensionale Schwingungen mit gleicher Federkonstanten k aus. x1 , x2 , x3 seien die Auslenkungen aus der Ruhelage. Die beiden Außenatome haben dieselbe Masse m1 . Formulieren Sie die Hamilton-Funktion, stellen Sie die Bewegungsgleichungen auf und lösen Sie diese! m1
m1
m2 k
k
Abb. 2.4. Schwingungen
x1
2.2.5
2.3
x2
x3
eines dreiatomigen Moleküls
Aufgabe 2.2.5 Ein Massenpunkt m bewegt sich in einem zylindersymmetrischen Potential V(ρ). Bestimmen Sie die Hamilton-Funktion und die kanonischen Bewegungsgleichungen bezüglich eines Koordinatensystems, das mit konstanter Winkelgeschwindigkeit ω um die Symmetrieachse rotiert, 1. in kartesischen Koordinaten 2. in Zylinderkoordinaten.
2.3 Wirkungsprinzipien Wir haben in Abschn. 1.3.3 das Integralprinzip von Hamilton kennen gelernt, aus dem wir die fundamentalen Lagrange-Gleichungen ableiten konnten. Typisch für Integralprinzipien ist der Vergleich von endlichen Bahnstücken, die das System in einer endlichen Zeitspanne durchläuft, mit ihren zugeordneten gedachten (virtuellen) Nachbar-Bahnstücken. Nach Art dieser Zuordnung unterscheidet man nun verschiedene Integralprinzipien, von denen wir die wichtigsten in diesem Abschnitt diskutieren und gegenüberstellen wollen. 2.3.1 Modifiziertes Hamilton’sches Prinzip Wir wollen das in Abschn. 1.3 besprochene Hamilton’sche Prinzip, dessen Vorteil unter anderem auch darin besteht, dass es auch auf Systeme anwendbar ist, die nicht typisch mechanischer Natur sind, nun so umformulieren, dass die Äquivalenz zu den Hamilton’schen Bewegungsgleichungen klar ist. Dazu erinnern wir uns noch einmal kurz an die wesentlichen Elemente dieses Prinzips. Es besagt, dass die Systembewegung so erfolgt, dass das Wirkungsfunktional
S q(t) =
t2 t1
L q(t), q˙ (t), t dt
(2.46)
2.3
Wirkungsprinzipien
113
q qe
δq
qa
Abb. 2.5. Eindimensionale Illustration der im
dq t1
t2
t
Hamilton’schen Prinzip zur Variation zugelassenen Konfigurationsbahnen
auf der Menge M der Konfigurationsbahnen q(t), M ≡ q(t) : q t1 = qa , q t2 = qe ,
(2.47)
für die tatsächliche Bahn extremal wird: !
(δS)M = 0 .
(2.48)
Von entscheidender Bedeutung für die Auswertung des Prinzips ist die Variationsvorschrift: Die Variation des Wirkungsfunktionals S erfolgt durch Variation des Bahnstücks zwischen den festen Endkonfigurationen qa = q t1 und qe = q t2 . Die Bahnpunkte gehen durch virtuelle Verrückungen δq auseinander hervor, die stets bei festgehaltener Zeit (δt = 0) durchgeführt werden und deshalb nicht mit tatsächlichen Verrückungen dq identisch zu sein brauchen. Die Auswertung des Hamilton’schen Prinzips erfolgt über eine Parameterdarstellung der Konkurrenzbahnen: qjα (t) = qj (t) + γjα (t) ,
j = 1, 2, . . . , S .
(2.49)
qj (t) ist die tatsächliche Bahn und γjα (t) eine hinreichend oft differenzierbare Funktion mit γjα t1 = γjα t2 = 0 ∀α , (2.50)
γjα = 0 (t) ≡ 0 . Damit ist dann zu berechnen:
dS(α) δS = S qdα (t) − S q0 (t) = dα , dα α = 0
∂qα δq = ∂α
α=0
dα .
(2.51)
(2.52)
(2.53)
Damit ist die δ-Variation durch gewöhnliches Differenzieren darstellbar:
δ ⇐⇒ dα
∂ . ∂α
(2.54)
Auf diese Weise haben wir aus dem Hamilton’schen Prinzip die Lagrange’schen Gleichungen abgeleitet. Wir ersetzen nun formal im Wirkungsfunktional S die Lagrange-Funktion mit Hilfe des Ausdrucks (2.8) durch die Hamilton-Funktion:
114
2. Hamilton-Mechanik
Modifiziertes Hamilton’sches Prinzip ⎛ ⎞ t2 S ! δS = δ dt ⎝ pj q˙ j − H(p, q, t)⎠ = 0 .
(2.55)
j=1
t1
Neu ist nun, dass die Impulse pj neben den qj unabhängige, gleichberechtigte Variable sind. Die Bahnvariation hat deshalb im Phasenraum zu erfolgen, der durch die qj und die pj aufgespannt wird: S = S q(t), p(t) .
(2.56)
Bezüglich der Koordinaten qj gelten dieselben Bedingungen wie in der alten Version (2.47). Analog zu (2.49) führen wir nun auch für die Impulse eine Parameterdarstellung ein:
γjα (t) , pjα (t) = pj (t) +
(2.57)
j = 1, 2, . . . , S .
Die Projektion der zugelassenen Phasenraumbahnen auf die (q, t)-Ebene müssen für t1 und t2 übereinstimmen. Dagegen muss nicht notwendig γjα (t1 ) = γjα (t2 ) = 0 sein; lediglich
γjα = 0 (t) ≡ 0
(2.58)
ist zu fordern. Mit (2.54) und (2.55) haben wir nun auszuwerten: ⎧ ⎛ ⎞⎫ S ⎨ ∂ t2 ⎬ δS = d α dt ⎝ pjα q˙ jα − H pα , qα , t ⎠ ⎩ ∂α ⎭ t1
j=1
!
= 0.
(2.59)
α=0
p
t1
t2
t qe qa
q
Abb. 2.6. Eindimensionale Illustration der im Modifizierten Hamilton’schen Prinzip zur Variation zugelassenen Konfigurationsbahnen
2.3
Wirkungsprinzipien
115
Die Zeiten werden nicht mitvariiert, sodass sich die Ableitung nach α in den Integranden ziehen lässt: 0 = δS = d α
t2 dt t1
−
S ∂pjα
∂α
j=1
q˙ jα + pjα
∂H ∂qjα ∂H ∂pjα − ∂qjα ∂α ∂pjα ∂α
∂q˙ jα − ∂α
α=0
(2.60)
.
Wir nutzen
∂q˙ jα d ∂qjα = ∂α dt ∂α aus und führen eine partielle Integration durch: ⎧ t ⎫ t2
⎨ 2 ∂q˙ jα ⎬ ∂qjα − dt pjα = dα pjα dα ⎩ ∂α ⎭ ∂α α = 0 t 1
α=0
t1
⎧ t ⎨ 2
⎫
∂qjα ⎬ − dα dt p˙ jα ⎩ ∂α ⎭
.
α=0
t1
Da die virtuellen Verrückungen δqj an den Endpunkten nach Voraussetzung Null sind, verschwindet der erste Term. Mit (2.53) und dem analogen Ausdruck für die Impulse
∂pjα δ pj = dα (2.61)
∂α
α=0
folgt dann aus (2.59): !
0 = δS =
t2 dt t1
S
δpj q˙ j −
j=1
∂H ∂H − δqj p˙ j + ∂pj ∂qj
.
δqj , δpj sind beliebig wählbar. Deswegen folgen aus diesem Ausdruck die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen (2.11) und (2.12): q˙ j =
∂H ∂H ; p˙ j = − , ∂pj ∂qj
j = 1, 2, . . . , S .
(2.62)
2.3.2 Prinzip der kleinsten Wirkung Ein weiteres Prinzip geht auf Maupertuis (1747) zurück, das von derselben Aussagekraft wie das Hamilton’sche Prinzip ist. Wir werden es hier formulieren und seine Äquivalenz zum Hamilton’schen Prinzip beweisen. Wir definieren:
116
2.3.1
2. Hamilton-Mechanik
Definition 2.3.1:
Wirkung t2 S
A=
t1
pj q˙ j dt .
(2.63)
j=1
A hat die Dimension Energie · Zeit. Wir formulieren das Prinzip der kleinsten Wirkung als 2.3.1
Satz 2.3.1 Für konservative Systeme mit
H = T + V = E = const
(2.64)
gilt:
ΔA = Δ
t2 dt t1
S
pj q˙ j = 0
(2.65)
j=1
für die vom System tatsächlich durchlaufene Phasenbahn. Um den Satz überhaupt verstehen zu können, muss die neue Bahnvariation Δ sehr sorgfältig definiert werden. Die im Hamilton’schen Prinzip (1.113) und (2.55) zur
δ-Variation zugelassenen Bahnen gehen durch virtuelle Verrückungen δq, die bei festgehaltener Zeit durchgeführt werden, auseinander hervor. Alle Bahnen nehmen für t1 , t2 dieselben Endkonfigurationen qa , qe an. Gemeinsames Merkmal aller Bahnen ist also dieselbe Durchlaufzeit! Auch bei der
Δ-Variation sollen die Endkonfigurationen fest sein:
Δqa = Δqe = 0 .
(2.66)
Das gemeinsame Merkmal aller zur Variation zugelassenen Bahnen ist nun dieselbe Hamilton-Funktion:
ΔH = 0 ⇐⇒ ΔT = −ΔV .
(2.67)
Die Durchlaufzeiten für die verschiedenen Bahnstrecken brauchen dagegen nicht dieselben zu sein. Es kann durchaus sein, dass gewisse Bahnen für beide Variationsverfahren (δ, Δ) zugelassen sind, wobei das System diese aber mit unterschiedlichen Geschwindig-
2.3
Wirkungsprinzipien
117
keiten durchläuft, einmal um eine vorgegebene Durchlaufzeit zu realisieren (δ), zum anderen um H = const zu gewährleisten (Δ). Da bei der Δ-Variation die Durchlaufzeiten nicht mehr gleich sein müssen, muss die Zeit nun mitvariiert werden. Wir benutzen auch diesmal eine Parameterdarstellung der zur Variation zugelassenen Bahnen: qα tα :
t1α ≤ tα ≤ t2α ,
q(t) :
tatsächliche Bahn .
Die Bahnen erfüllen die Randbedingungen: qα t1α = q t1 = qa qα t2α = q t2 = qe
(2.68)
∀α , ∀α .
(2.69)
Über die Parameterdarstellung lassen sich die Bahnvariationen explizit formulieren:
∂qα δ-Verfahren : δq = dα , (2.70)
Δ-Verfahren : Δq = dα
∂α
α=0
∂qα dtα dqα = dα + q˙ α . dα α = 0 ∂α dα α = 0
Dies kann man wie folgt zusammenfassen:
Δq = δq + q˙ Δt
mit
Δt = dα
dtα . d α α = 0
(2.71)
(2.72)
Wir haben früher oft ausgenutzt, dass die δ-Variation und Zeitdifferentiationen miteinander vertauscht werden können:
δ
d d δ. ≡ dt dt
(2.73)
Dies war erlaubt, da die Zeit nicht mitvariiert wurde. Dies trifft nun aber für die Δ-Variation nicht mehr zu. Im Allgemeinen wird
Δ
d d Δ =/ dt dt
(2.74)
q qe
H = const Abb. 2.7. Eindimensionale Illustration der im
qa
t
Prinzip der kleinsten Wirkung zur Variation zugelassenen Bahnen
118
2. Hamilton-Mechanik
sein. Darauf ist sorgfältig zu achten. Ansonsten wird auch das Symbol Δ wie ein ganz normales Differential behandelt: S ∂f ∂f f = f (q, t) ⇒ Δf = Δqj + Δt = ∂qj ∂t j=1 ⎛ ⎞ S S ∂f ∂ f ∂ f δq + ⎝ q˙ + ⎠ Δt . = ∂qj j ∂qj j ∂t j=1
j=1
Daran liest man ab:
Δf = δf + ˙f Δt .
(2.75)
Mit diesen Vorbereitungen können wir nun das Prinzip der kleinsten Wirkung (2.65) beweisen, wenn wir das Hamilton’sche Prinzip als bekannt voraussetzen. Zunächst gilt: t2 A=
dt t1
S
t2 pj q˙ j =
j=1
t2 (L + H) dt =
t1
L dt + H t2 − t1 .
(2.76)
t1
Man beachte, dass für verschiedene Bahnen auch die Endzeiten t1 und t2 verschieden sind. Wir beweisen nun, dass A auf der tatsächlichen Bahn extremal wird. Für die Beweisführung ist dabei die tatsächliche Bahn die Bahn, für die das Hamilton’sche Prinzip erfüllt ist:
ΔA = Δ
t2
L dt + H Δt2 − Δt1 .
(2.77)
t1
Δ kann im ersten Term nicht einfach unter das Integral gezogen werden, da t1 , t2 mitvariiert werden müssen. H ist dagegen für alle Bahnen der Konkurrenzschar gleich. Wir setzen: t2
L dt = I q, t2 − I q, t1 .
t1
Für eine gegebene Bahn handelt es sich bei I um eine reine Zeitfunktion. Mit (2.75) folgt nun:
Δ
t2 t1
L dt = ΔI q, t2 − ΔI q, t1 = = δI q, t2 − δI q, t1 + ˙I q, t2 Δt2 − ˙I q, t1 Δt1 = =δ
t2 t1
L dt + [L(t)Δt ]tt21 .
(2.78)
2.3
Wirkungsprinzipien
119
Der erste Term ist nicht etwa Null, wie vielleicht fälschlicherweise aus dem Hamilton’schen Prinzip gefolgert werden könnte. Letzteres fordert für die Endpunkte δqa, e = 0, während hier Δqa, e = 0 gilt. Es ist vielmehr:
δ
t2
t2 L dt =
t1
δL dt =
t2 S t1 j = 1
t1
∂L ∂L δqj + δq˙ j dt = ∂qj ∂q˙ j
S t2 ∂L d d ∂L δqj + δq dt = = dt ∂q˙ j ∂q˙ j dt j j = 1 t1
S t2 S d ∂L ∂L t2 = δqj dt = δqj = dt ∂q˙ j ∂q˙ j t1 j = 1 t1
=
j=1
S ∂L j=1
∂q˙ j
Δqj −
t2 ∂L q˙ j Δt . ∂q˙ j t1
t Mit Δqj t2 = 0 folgt also: 1
t2
δ
L dt = −
j=1
t1
Dies setzen wir in (2.78) ein:
Δ
t2 t1
t2 S ∂L q˙ j Δt . ∂q˙ j t1
⎞ t2 S ∂ L ⎠ ⎝ L dt = L − q˙ j Δt . ∂q˙ j j=1
Mit (2.77) ergibt sich schließlich: ⎛
⎛
t1
t2 ⎝ ⎠ ΔA = L − pj q˙ j + H Δt . j=1 S
⎞
(2.79)
t1
Setzen wir noch die Definition (2.8) für die Hamilton-Funktion H ein, so ist die Behauptung ΔA = 0 bewiesen. Unter der Voraussetzung, dass die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen gelten, die wir weiter oben ausgenutzt haben, legt also das Prinzip der kleinsten Wirkung (2.65) die tatsächliche Systembahn fest. Es besitzt damit dieselbe Aussagekraft wie das Hamilton’sche Prinzip. 2.3.3 Fermat’sches Prinzip Wir wollen das eben diskutierte Prinzip der kleinsten Wirkung noch auf einen Spezialfall, nämlich auf die
kräftefreie Bewegung ⇐⇒ V = const ,
120
2. Hamilton-Mechanik
anwenden. Da H = T + V = const vorausgesetzt war, gilt nun sogar: S
pj q˙ j = H + L = 2 T = const .
(2.80)
j=1
Auf allen zugelassenen Bahnen ist demnach die kinetische Energie eine Konstante der Bewegung. Das Prinzip (2.65) vereinfacht sich dann zu der Aussage:
Δ
t2
! dt = Δ t2 − t1 = 0 .
(2.81)
t1
Bei einer kräftefreien Bewegung sucht das System stets die Bahn, auf der die Laufzeit extremal (minimal) wird. Dies ist das zuerst von Fermat formulierte Prinzip der kürzesten Ankunft, das in der geometrischen Optik als Fermat’sches Prinzip bekannt ist. Es besagt dort, dass sich der Lichtstrahl zwischen zwei Raumpunkten so bewegt, dass die Laufzeit minimal wird. Es lässt sich zum Beispiel auf die Lichtbrechung (Reflexionsgesetz) anwenden. Spezialisieren wir uns weiter auf einen kräftefreien Massenpunkt, dann gilt wegen T = const auch v = const und aus (2.81) wird:
Δ
t2
dt = Δ
t1
t2
vdt = Δ
t1
2
!
ds = 0 .
(2.82)
1
Dies ist das Prinzip des kürzesten Weges. Es bestimmt die kräftefreie Bewegung eines Massenpunktes auf einer krummen Fläche längs einer so genannten geodätischen Linie. Allgemein versteht man darunter die kürzeste Verbindungslinie zwischen zwei Punkten auf einer gegebenen Fläche. 2.3.4 Jacobi-Prinzip Manchmal erscheint es sinnvoll, die Zeit aus dem Prinzip der kleinsten Wirkung vollständig zu eliminieren, sodass sich die Variation nur noch auf die räumliche Beschaffenheit der Systembahn bezieht. Nach (2.65) gilt zunächst:
Δ
t2 dt t1
S j=1
pj q˙ j = Δ
t2
!
2 T dt = 0 . t1
(2.83)
2.3
Wirkungsprinzipien
121
Für ein N-Teilchensystem lautet die kinetische Energie: 1 mi 2 i=1 N
T=
dr i dt
2
2 1 ⇒ dt = √ mi dr i . 2T i
Mit T = E − V folgt dann aus (2.83): 2 ! 2 ! Δ 2(E − V) mi dr i = 0 .
(2.84)
i
1
In dieser Form betrifft die Variation dann tatsächlich nur noch den räumlichen Verlauf der Bahn; Durchlaufzeiten spielen keine Rolle mehr. Δ-Variation und δVariation sind dann identisch. Wir suchen eine noch etwas allgemeinere Darstellung. Wegen H = E = const, was insbesondere auch skleronome Zwangsbedingungen bedeutet, gilt nach (1.38) bis (1.42) für die kinetische Energie T: T=
1 μjl q˙ j q˙ l . 2
(2.85)
j, l
μjl sind die verallgemeinerten Massen (1.40). Wir definieren: (dρ)2 =
μjl dqj dql .
(2.86)
j, l
dρ ist die allgemeinste Form des Linienelements im S-dimensionalen Konfigurationsraum, dessen Koordinatenachsen die generalisierten Koordinatenachsen q1 , . . . , qS bilden. In diesem Sinne sind die μjl die Elemente des so genannten metrischen Tensors. Darunter versteht man in der Differentialgeometrie die Transformationsmatrix zwischen dem Quadrat (dρ)2 des Linienelements im S-dimensionalen Raum und den infinitesimalen Koordinatenänderungen. Wir erläutern dies an bekannten Beispielen des dreidimensionalen Anschauungsraums: (dρ)2 = (dr)2 ⇒ μjl =
∂r ∂r · . ∂qj ∂ql
(2.87)
1) Kartesisch: q1 = x ;
q2 = y ;
⇒ μjl = δjl .
q3 = z ;
r = (x, y, z) (2.88)
122
2. Hamilton-Mechanik
2) Zylindrisch: q1 = ρ ; ⇒
q2 = ϕ ;
q3 = z ;
r ≡ (ρ cos ϕ, ρ sin ϕ, z)
∂r = (cos ϕ, sin ϕ, 0) , ∂ρ ∂r = ρ (− sin ϕ, cos ϕ, 0) , ∂ϕ ∂r = (0, 0, 1) . ∂z
Die Nicht-Diagonalelemente des metrischen Tensors verschwinden offenbar. Das Koordinatensystem ist krummlinig-orthogonal:
μρρ = 1 ; μϕϕ = ρ2 ; μzz = 1 .
(2.89)
(dr)2 = (dρ)2 + ρ2 (d ϕ)2 + (dz)2 .
(2.90)
Dies bedeutet:
3) Sphärisch: q1 = r ;
q2 = ϑ ;
q3 = ϕ ,
r ≡ r(sin ϑ cos ϕ, sin ϑ sin ϕ, cos ϑ) ⇒
∂r = (sin ϑ cos ϕ, sin ϑ sin ϕ, cos ϑ) , ∂r ∂r = r(cos ϑ cos ϕ, cos ϑ sin ϕ, − sin ϑ) , ∂ϑ ∂r = r(− sin ϑ sin ϕ, sin ϑ cos ϕ, 0) . ∂ϕ
Auch die Kugelkoordinaten stellen ein krummlinig-orthogonales Koordinatensystem dar. Die Nicht-Diagonalelemente des metrischen Tensors sind also Null:
μrr = 1 ; μϑϑ = r2 ; μϕϕ = r2 sin2 ϑ .
(2.91)
Das Quadrat des Linienelements lautet damit: (dr)2 = (dr)2 + r2 (dϑ)2 + r2 sin2 ϑ(dϕ)2 .
(2.92)
Die Metrik des Konfigurationsraums ist in der Regel nicht-kartesisch, sondern krummlinig mit im Allgemeinen nicht-verschwindenden Nicht-Diagonalelementen. Nach (2.85) und (2.86) gilt: T=
1 (dρ)2 dρ ⇐⇒ dt = √ . 2 (dt)2 2T
(2.93)
2.3
Wirkungsprinzipien
123
Damit wird aus (2.83) das Jacobi-Prinzip 2 ! ! Δ E − V(q) dρ = 0 .
(2.94)
1
Für den Spezialfall der kräftefreien Bewegung gilt:
Δ
2
!
dρ = 0 .
(2.95)
1
Das System sucht die kürzeste Konfigurationsbahn, bewegt sich längs einer geodätischen Linie im Konfigurationsraum. Das muss in diesem abstrakten Raum nicht notwendig geradlinig heißen. Anwendungsbeispiele 1) Bahn eines kräftefreien Teilchens im dreidimensionalen Anschauungsraum Da im Jacobi-Prinzip die Zeit nicht mehr vorkommt, sind die Δ- und δ-Variationsverfahren identisch: 2 2 ! Δ dρ = δ d ρ = 0 . (2.96) 1
1
Wir haben somit zu berechnen: 2 " ! δ m(dx2 + dy2 + dz2 ) = 0 . 1
Dies ist gleichbedeutend mit x2 " ! δ 1 + y2 + z2 dx = 0 . x1
Die Variation führen wir über die Euler-Lagrange’schen Differentialgleichungen (1.139) aus: " f x, y, z, y , z ≡ 1 + y2 + z2 ⇒
y ∂f d ∂f ! d − = 0=− ! , ∂y dx ∂y dx 1 + y2 + z2 d ∂f d ∂f ! z ! = 0 = − . − ∂z dx ∂z dx 1 + y2 + z2
124
2. Hamilton-Mechanik
Daran liest man ab:
y2 = c1 1 + z2 ;
z 2 = c2 1 + y2
⇒ y2 = const1 ;
z2 = const2 .
Die Teilchenbahn ist also – nicht überraschend – eine Gerade: y(x) = c x + ¯c , z(x) = d x + d¯ .
c, d, ¯c, d¯ = const
(2.97)
2) Elektronenoptisches Brechungsgesetz Die x-Achse sei der Ort eines Potentialsprungs von V1 = const nach V2 = const. In beiden Halbebenen führt das Elektron eine kräftefreie Bewegung aus, die nach Beispiel 1) geradlinig verläuft. Wir fragen uns: Wie müssen C und x gewählt werden, damit das Elektron von A nach B gelangt? Ausgangspunkt ist (2.94):
B √ " Δ 2m T dx2 + dy2 = A
=Δ
C " B " 2 m E − V1 ds + Δ 2 m E − V2 ds = A
" =
C
" 2 m E − V1 Δ x2 + yA2 +
" +
"
2 2 2 m E − V2 Δ xB − x + yB =
" d" 2 m E − V1 x2 + yA2 Δx + dx "
" d 2 ! xB − x + yB2 Δx = + 2 m E − V2 dx
=
!
= 0. y A
V = V1 = const
α
α x
x
C
β
V = V2 = const B
Abb. 2.8. Kräftefreie Bewegung eines Elektrons in
zwei aneinander grenzenden Ebenen konstanten, aber unterschiedlichen Potentials (elektronenoptischen Brechungsgesetz)
2.4
Poisson-Klammer
125
Mit Δx =/ 0 folgt dann: √ √ x xB − x 0 = E − V1 " − E − V2 " = 2 2 2 x + yA xB − x + yB2 =
√ √ E − V1 sin α − E − V2 sin β .
Damit ergibt sich schließlich: sin α = sin β
E − V2 = E − V1
T2 v2 = . T1 v1
(2.98)
2.4
2.4 Poisson-Klammer 2.4.1 Darstellungsräume Wir wollen in diesem Abschnitt einige abstrakte Begriffe diskutieren, die für die weiteren Überlegungen nützlich sein werden. Ein paar von ihnen haben wir bereits wiederholt benutzt. Wir beginnen mit einer Klassifikation der Darstellungsräume. 1) Konfigurationsraum Dieser uns schon bekannte Darstellungsraum hat die
Dimension: S und als
Achsen: q = q1 , q2 , . . . , qS .
Beispiel: Linearer, harmonischer Oszillator (s. Beispiel 2) in Abschn. 2.2.2)
-A
+A
Abb. 2.9. Bahn des linearen, harmonischen Oszillators im
Konfigurationsraum
Der Konfigurationsraum ist hier die x-Achse. Die Konfigurationsbahn wird von allen x gebildet, für die |x| ≤ A gilt. Durch Angabe der Konfigurationsbahn ist ein mechanisches Problem noch nicht gelöst, da unbekannt bleibt, wo sich das System zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet.
126
2. Hamilton-Mechanik
2) Ereignisraum
Dimension : Achsen :
S+1, q = q1 , q2 , . . . , qS
und t .
Die Ereignisbahn (q, t) ist konkret bestimmbar bei Vorgabe von 2S Anfangsbedingungen. Das können die Konfigurationen zu zwei verschiedenen Zeitpunkten sein, q(t1 ), q(t2 ) , oder aber S generalisierte Koordinaten und die zugehörigen S genera lisierten Geschwindigkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt t0 , q(t0 ), q˙ (t0 ) : Lagrange-Formalismus ⇐⇒ Ereignisraum. Beispiel: Linearer, harmonischer Oszillator q
t Abb. 2.10. Bahn des linearen, harmonischen Oszillators im Ereignisraum
Wegen S = 1 sind zwei Anfangsbedingungen vonnöten, um die Ereignisbahn eindeutig festzulegen.
3) Phasenraum
Dimension : Achsen :
2S ,
q = q1 , q2 , . . . , qS ;
p = p1 , p2 , . . . , pS .
Da die Koordinaten qj und die Impulse pj als gleichberechtigte Variable aufzufassen sind, fasst man sie bisweilen auch zu einer Phase bzw. zu einem Phasenvektor zusammen: π = π1 , π2 , . . . , π2S ≡ q1 , . . . , qS , p1 , . . . , pS . (2.99) Als Phasenbahn oder Phasentrajektorie bezeichnet man die Menge aller Phasen π, die das physikalische System im Laufe der Zeit annehmen kann. Beispiel: Linearer, harmonischer Oszillator Nach (2.36) sind die Phasenbahnen nun Ellipsen
q2 p2 =1 + 2E 2mE m ω20
2.4
Poisson-Klammer
p B
127
E2 > E1 E1 q Abb. 2.11. Bahn des linearen, harmonischen Oszillators im Phasenraum für zwei unterschiedliche Energien
A
mit energieabhängigen Halbachsen: 2E ; A= m ω20
B=
√ 2mE .
4) Zustandsraum
Dimension :
2S + 1 , q = q1 , . . . , qS ;
Achsen :
p = p1 , . . . , pS
und t .
Dies ist der allgemeinste Darstellungsraum (Phasenraum mit Zeitbelegung). Alle anderen Räume sind Spezialfälle, d. h. Projektionen des Zustandsraums auf bestimmte Ebenen oder Achsen. Beispiel: Linearer, harmonischer Oszillator t
p q
Abb. 2.12. Bahn des linearen, harmonischen Oszillators im Zustandsraum
Die Bahn π(t) ist nun eine Spirallinie, die bei Vorgabe einer Anfangsphase (0) = π(t0 ) π0 = q(0) 1 , . . . , pS für alle Zeiten eindeutig festgelegt ist.
128
2. Hamilton-Mechanik
Da die Phasentrajektorie π(t) durch Lösung der Hamilton’schen Bewegungsgleichungen gewonnen wird, also aus Differentialgleichungen erster Ordung abgeleitet wird, genügt die Kenntnis des Phasenpunktes des mechanischen Systems zu einem einzigen Zeitpunkt, um die Phase π(t) für alle Zeiten festzulegen: Hamilton-Formalismus ⇐⇒ Zustandsraum. Bei der Besprechung des Zustandsraums sind wir auf einen Begriff gestoßen, der für die gesamte Physik von Bedeutung ist: 2.4.1
Definition 2.4.1: Zustand ψ: Minimaler, aber vollständiger Satz von Bestimmungsstücken, der ausreicht, um alle Eigenschaften des Systems daraus ableiten zu können.
Dies ist eine sehr abstrakte Definition, die für jede physikalische Theorie konkretisiert und interpretiert werden muss, da für jede Disziplin die tatsächlich interessierenden Eigenschaften andere sein können. Welche Minimalinformation legt die mechanischen Eigenschaften des Massenpunktes fest? Interessant wären Aussagen über Ort, Impuls, Drehimpuls, Energie u.s.w. Sie brauchen aber nicht alle gleichzeitig gemessen zu werden. Ort und Impuls reichen aus, um die anderen Größen festzulegen. Allerdings müssen auch wirklich beide gemessen werden, eine Größe allein ist nicht genug: Jede mechanische Eigenschaft des Massenpunktes
⇐⇒
f (r, p) .
In gleicher Weise sind die mechanischen Eigenschaften eines allgemeinen N-Teilchen-Systems durch generalisierte Koordinaten und generalisierte Impulse festgelegt: Jede mechanische Eigenschaft eines physikalischen Systems
⇐⇒
f (q, p) = f (π) .
Dies bedeutet: Zustand ψ eines mechanischen Systems
⇐⇒
Punkt π im Zustandsraum .
Nach unserer Definition des Begriffs Zustand muss auch dessen Zeitentwicklung durch Vorgabe eines minimalen Satzes von Bestimmungsstücken zu irgendeinem Zeitpunkt t0 ψ0 = ψ(t0 ) bereits eindeutig festgelegt sein: (2.100) ψ(t) = ψ t; ψ0 . Mathematisch muss ψ(t) deshalb aus einer Differentialgleichung 1. Ordnung in der Zeit folgen: ψ˙ (t) = f ψ(t) . (2.101)
2.4
Poisson-Klammer
129
Dies bedeutet für die Mechanik:
π˙ (t) = f π(t) .
(2.102)
Die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen sind in der Tat von dieser Art. Damit ist auch klar, dass die Konfiguration q(t) selbst noch kein Zustand sein kann, denn die Differentialgleichungen, nach denen sich ihre zeitliche Entwicklung gestaltet, sind von 2. Ordnung in der Zeit (Lagrange’sche Bewegungsgleichungen). 2.4.2 Fundamentale Poisson-Klammern Wir wollen nun das Konzept der Poisson-Klammern einführen. Dieses erlaubt eine besonders prägnante Formulierung der klassischen Bewegungsgleichungen und der Erhaltungssätze, die wir nun ableiten wollen. Nach den Vorüberlegungen des letzten Abschnitts wissen wir, dass jede beliebige mechanische Observable als Phasenfunktion
f (π, t) = f (q, p, t) darstellbar ist. Wir wollen ihre Bewegungsgleichung untersuchen:
S df ∂f ∂f ∂f ˙ = q˙ + p + dt ∂qj j ∂pj j ∂t j=1
=
S ∂f ∂H ∂f ∂H ∂f + − . ∂qj ∂pj ∂pj ∂qj ∂t
(2.103)
j=1
Definition 2.4.2
2.4.2
f = f (q, p, t) , g = g(q, p, t) :
skalare Funktionen
der Vektorpaare q = q1 , . . . , qS , p = p1 , . . . , pS . { f , g}q, p
S ∂f ∂g ∂f ∂g ≡ − . ∂qj ∂pj ∂pj ∂qj
(2.104)
j=1
Poisson-Klammer von f mit g .
An dem Klammersymbol auf der linken Seite ist auf die Variablen Bezug genommen, nach denen differenziert wird. Wir werden später zeigen, dass dieses unnötig ist. Die Poisson-Klammer wird sich als unabhängig von der Wahl der kanonischen Variablen herausstellen, in denen sie berechnet wird.
130
2. Hamilton-Mechanik
Aus der Bewegungsgleichung (2.103) wird damit: ∂f df = f , H q, p + . (2.105) dt ∂t Dies ist zunächst nur eine abkürzende Schreibweise. Von Bedeutung wird dieses Ergebnis erst, wenn wir gezeigt haben, dass die Poisson-Klammer von der (q, p)Wahl unabhängig ist. An (2.104) und (2.105) liest man leicht die folgenden Spezialfälle ab: q˙ j = qj , H q, p , (2.106) p˙ j = pj , H q, p .
(2.107)
Die nächsten drei Beziehungen bezeichnet man als fundamentale Poisson-Klammer: qi , qj q, p = 0 ,
(2.108)
pi , pj q, p = 0 ,
(2.109)
qi , pj q, p = δij .
(2.110)
Wir begründen nur (2.110). Dazu setzen wir in die Definition (2.104) f = qi und g = pj ein:
S ∂qi ∂pj ∂qi ∂pj = − qi , pj q, p = ∂qk ∂pk ∂pk ∂qk k=1
=
S
δik δjk − 0 = δij q.e.d.
k=1
Im nächsten Schritt zeigen wir nun, dass die fundamentalen Klammern von der speziellen Wahl der kanonischen Variablen unabhängig sind. 2.4.1
Satz 2.4.1 Seien (q, p) und (Q, P) zwei kanonisch konjugierte Variablensätze, für die jeweils die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen gelten mit:
(Q, P) . H(q, p) = H (Q, P) aus H(q, p) durch Einsetzen von q = q(Q, P) und p = p(Q, P) Dabei soll sich H ergeben. Dann gilt: Qi , Qj q, p = 0 ; Pi , Pj q, p = 0 , (2.111) Qi , Pj q, p = δij .
(2.112)
2.4
Poisson-Klammer
131
Beweis
S S ∂Qi ∂Qi ∂Qi ∂H ∂Qi ∂H ˙ i = d Qi (q, p) = Q q˙ k + p˙ k = − = dt ∂qk ∂pk ∂qk ∂pk ∂pk ∂qk k=1
k=1
∂Qi ∂H ∂Ql ∂H ∂Pl ∂Ql ∂H ∂Pl ∂Qi ∂H − = + + = ∂qk ∂Ql ∂pk ∂Pl ∂pk ∂pk ∂Ql ∂qk ∂Pl ∂qk k, l
=
∂H ∂Qi ∂Ql ∂Qi ∂Ql ∂H˜ ∂Qi ∂Pl ∂Qi ∂Pl − − + = ∂Ql ∂qk ∂pk ∂pk ∂qk ∂Pl ∂qk ∂pk ∂pk ∂qk k, l
˙ l {Qi , Pl }q, p . −P˙ l {Qi , Ql }q, p + Q = l
Der Vergleich liefert: {Qi , Ql }q, p = 0 ;
{Qi , Pl }q, p = δil .
Über P˙ i findet man ganz analog die dritte Klammer.
Satz 2.4.2 Der Wert einer Poisson-Klammer ist unabhängig von dem Satz kanonischer Koordinaten, der als Basis verwendet wurde.
Beweis F und G seien beliebige Phasenfunktionen und (q, p), (Q, P) zwei Sätze kanonischer Variabler, für die
q = q(Q, P) ;
p = p(Q, P) ,
Q = Q(q, p) ;
P = P(q, p)
gilt. {F, G}q, p =
S ∂F ∂G ∂F ∂G − = ∂qj ∂pj ∂pj ∂qj j=1
∂F ∂G ∂Ql ∂G ∂Pl
− = + ∂qj ∂Ql ∂pj ∂Pl ∂pj j, l
∂F − ∂pj =
∂G ∂Ql ∂G ∂Pl + ∂Ql ∂qj ∂Pl ∂qj
∂G l
=
∂G {F, Ql }q, p + {F, Pl }q, p . ∂Ql ∂Pl
2.4.2
132
2. Hamilton-Mechanik
An diesem Ausdruck können wir zwei nützliche Zwischenergebnisse ablesen. Setzen wir speziell F = Qk und nutzen (2.111) und (2.112) aus, so folgt: {G, Qk }q, p = −
∂G . ∂Pk
(2.113)
Setzen wir dagegen F = Pk , so ergibt sich: {G, Pk }q, p =
∂G . ∂Qk
(2.114)
Diese beiden Zwischenergebnisse werden oben eingesetzt: ∂G ∂F ∂G ∂F
− + = {F, G}Q, P . {F, G}q, p = ∂Ql ∂Pl ∂Pl ∂Ql l
Dies war zu beweisen. Wir können somit ab jetzt die Indizes am Klammersymbol weglassen. Die Basis kann aus irgendwelchen kanonisch konjugierten Variablen bestehen.
2.4.3 Formale Eigenschaften Bis jetzt bedeutete die Einführung der Poisson-Klammer lediglich eine Vereinfachung der Schreibweise, die uns der Lösung eines praktischen Problems zunächst keinen Schritt näher bringt. Wichtig sind jedoch einige algebraische Eigenschaften der Klammer, die eine über die Klassische Mechanik hinausgehende Verallgemeinerung zulassen. Wir listen diese jetzt auf und bringen den Beweis, falls nicht offensichtlich, anschließend:
Antisymmetrie: { f , g} = −{g, f } ;
{f, f} = 0
Linearität: c1 f1 + c2 f2 , g = c1 { f1 , g} + c2 { f2 , g} ,
∀f .
(2.115)
c1 , c2 : Konstante .
(2.116)
c : Konstante .
(2.117)
Nullelement: {c, g} = 0
∀g = g(q, p) ,
Produktregel: { f , g h} = g { f , h} + { f , g} h .
(2.118)
Jacobi-Identität:
f , {g, h} + g, {h, f } + h, { f , g} = 0 .
(2.119)
2.4
Poisson-Klammer
133
Gleichungen (2.115) bis (2.117) folgen unmittelbar aus der Definition (2.104) der Klammer. Dasselbe gilt auch für (2.118), wenn man die Produktregel für Differentiationen beachtet. Gleichung (2.119) beweist man etwas langwierig durch Einsetzen oder eleganter wie folgt: Wir drücken zunächst die Poisson-Klammer durch einen Differentialoperator aus: {g, h} = Dg h , wobei
S 2S ∂g ∂ ∂g ∂ ∂ ≡ Dg = − αi (g) . ∂qj ∂pj ∂pj ∂qj ∂πi i=1 j=1
Damit können wir schreiben: f , {g, h} + g, {h, f } = f , {g, h} − g, { f , h} = Df (Dg h) − Dg (Df h) =
∂ ∂h ∂ ∂h − αj (g) = = βi (f ) αj (g) βi (f )
∂πi
i,j
=
# j
i
∂πj
∂πj
∂πi
$ ∂ ∂ ∂h βi (f ) αj (g) − αi (g) βj (f ) .
∂πi
∂πi
∂πj
Der Ausdruck in der eckigen Klammer hängt von f und g, nicht aber von h ab:
S ∂h ∂h f , {g, h} + g, {h, f } = Aj . + Bj ∂qj ∂pj j=1
Aj , Bj sind unabhängig von h. Sie lassen sich deshalb über eine spezielle Wahl von h berechnen: h = qi :
∂g ∂f ∂ Ai = f , {g, qi } + g, {qi , f } = − f , + g, = − { f , g} . ∂pi ∂pi ∂pi
Hier haben wir (2.113) ausgenutzt, im nächsten Schritt verwenden wir (2.114): h = pi :
∂g ∂f ∂ Bi = f , {g, pi } + g, {pi , f } = f , − g, = { f , g} . ∂qi ∂qi ∂qi
Dies setzen wir oben ein:
S ∂ ∂h ∂ ∂h + { f , g} f , {g, h} + g, {h, f } = − { f , g} = ∂pj ∂qj ∂qj ∂pj j=1
= { f , g}, h . Das war zu beweisen.
134
2. Hamilton-Mechanik
2.4.4 Integrale der Bewegung Nach (2.105) ist die zeitliche Änderung einer Zustandsgröße im Wesentlichen durch die Poisson-Klammer dieser Größe mit der Hamilton-Funktion H gegeben. Dies macht noch einmal die Bedeutung von H klar. Die Hamilton-Funktion bestimmt die zeitliche Entwicklung mechanischer Observabler. Es sei
F = F(q, p, t) eine physikalische Größe, die für alle Zeiten denselben Wert hat: dF = 0 ⇐⇒ F : Integral der Bewegung . dt
(2.120)
Nach (2.105) ist dies genau dann erfüllt, wenn !
{H, F} =
∂F ∂t
(2.121)
gilt. Die Konstante der Bewegung kann also durchaus selbst noch explizit von der Zeit abhängen. Ist dies nicht der Fall, so verschwindet die Poisson-Klammer von H mit F. Wir haben damit ein kompaktes Kriterium für die Entscheidung, ob ein Integral der Bewegung vorliegt oder nicht. Man vergleiche dies mit der ursprünglichen Definition (1.154) für die Bewegung im Ereignisraum. Für H gilt: dH ∂H ∂H = {H, H} + = . dt ∂t ∂t
(2.122)
Dies entspricht dem früheren Ergebnis (2.18). Hängt H nicht explizit von der Zeit ab, so handelt es sich um ein Integral der Bewegung, das, wie wir wissen, bei skleronomen Zwangsbedingungen mit dem Energiesatz identisch ist. 2.4.3
Satz 2.4.3: Poisson’scher Satz: Die Poisson-Klammer zweier Integrale der Bewegung ist selbst wieder ein Integral der Bewegung.
Beweis f , g seien Integrale der Bewegung. Das heißt nach (2.121):
{H, f } =
∂f ∂g ; {H, g} = . ∂t ∂t
Wir nutzen die Jacobi-Identität (2.119) aus: 0 = f , {g, H} + g, {H, f } + H, { f , g} =
∂g ∂f = − f, + g, + H, { f , g} . ∂t ∂t
2.4
Poisson-Klammer
135
Dies bedeutet: ∂ H, { f , g} = { f , g} , ∂t sodass mit (2.121) die Behauptung folgt. { f , g} ist ebenfalls ein Integral der Bewegung. Mitunter ist es möglich, durch Anwendung des Poisson’schen Theorems eine ganze Folge von Integralen der Bewegung zu konstruieren. Dies bedeutet dann natürlich einen wichtigen Schritt in Richtung Lösung des Bewegungsproblems. Bisweilen führt die Poisson-Klammer zweier Bewegungsintegrale aber auch nur auf eine triviale Konstante oder einfach auf eine Funktion der Ausgangsintegrale. Das stellt dann natürlich kein neues Bewegungsintegral dar. 2.4.5 Bezug zur Quantenmechanik Wir wollen für den Moment die konkrete Definition der klassischen Poisson-Klammer vergessen und die
abstrakte Klammer: {. . . , . . . } mit den Eigenschaften (2.115) bis (2.119) zum Axiomensystem einer abstrakten mathematischen Struktur erklären. Eine mögliche konkrete Realisierung wäre dann die klassische PoissonKlammer (2.104). Es gibt aber auch andere denkbare Realisierungen. Eine weitere wichtige betrifft die linearen Operatoren A, B, C, . . . , dargestellt durch quadratische Matrizen. Man definiert für diese den so genannten Kommutator % & A, B− ≡ A B − B A.
(2.123)
Da die Reihenfolge von Operatoren nicht beliebig ist, ist der Kommutator in der Regel von Null verschieden und selbst wieder ein Operator. Versteht man unter konstantem A ein Vielfaches der Einheitsmatrix und achtet in (2.118) streng auf die Reihenfolge der Operatoren, dann erfüllt der Kommutator die Axiome (2.115) bis (2.119). Die Realisierung der abstrakten Klammer durch den Kommutator (2.123) bestimmt entscheidend die so genannte Quantenmechanik.
136
2. Hamilton-Mechanik
Klassische Mechanik und Quantenmechanik werden in diesem Sinne von derselben übergeordneten, abstrakten mathematischen Struktur regiert. Es handelt sich lediglich um unterschiedliche Realisierungen der abstrakten Klammer. Die Realisierung Quantenmechanik lässt sich in dem folgenden Korrespondenzprinzip konkretisieren: 1. Messbare, physikalische Größe A (Observable) ⇐⇒ hermitescher, linearer Operator A, dargestellt durch eine quadratische Matrix in einem speziellen Vektorraum (Hilbert-Raum). 2. Messwerte ⇐⇒ Eigenwerte oder Erwartungswerte dieser Operatoren. & 1 % A, B−, 3. {. . . , . . . } ⇐⇒ ih¯ h wobei h¯ = und h = 6,626 · 10−34 Js: Planck’sches Wirkungsquantum. 2π 4. Fundamentalklammern: & % (2.124) qˆi , pˆ j − = i h¯ δij , & & % % (2.125) qˆ i , qˆ j − = pˆ i , pˆ j − = 0 . 5. 6.
(ˆq, pˆ , t). Hamilton-Funktion H(q, p, t) ⇐⇒ Hamilton-Operator H & 1 % d ∂ + A= A. A, H Bewegungsgleichung ⇐⇒ − dt ih¯ ∂t
(2.126)
Wir wollen zum Schluss an einem einfachen Beispiel demonstrieren, wie sich mit Hilfe der abstrakten Klammer physikalische Probleme lösen lassen, ohne auf eine spezielle Realisierung der Klammer Bezug zu nehmen. Wir suchen die Bewegungsgleichung des harmonischen Oszillators, nach (2.35) definiert durch H=
p2 1 + m ω20 q2 . 2m 2
Wegen ∂H |∂t = 0 gilt zunächst: 1 2 1 p, p + m ω20 p, q2 = 2m 2 1 1 = p {p, p} + {p, p} p + m ω20 q{p, q} + {p, q} q = 2m 2
p˙ = {p, H} =
= −m ω20 q . Ganz analog findet man q˙ = {q, H} =
p . m
2.4
Poisson-Klammer
137
Dies sind aber genau die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen, p˙ = −
∂H ; ∂q
q˙ =
∂H , ∂p
ohne dass wir an irgendeiner Stelle die spezielle Definition der abstrakten Klammern als klassische Poisson-Klammer verwendet hätten. Folgerichtig müssen p˙ˆ = −m ω20 qˆ ,
(2.127)
1 q˙ˆ = pˆ . (2.128) m auch in der Quantenmechanik die Bewegungsgleichungen des harmonischen Oszillators sein, wenn man qˆ , pˆ nach den Vorschriften der Quantenmechanik als Operatoren interpretiert. 2.4.6 Aufgaben Aufgabe 2.4.1 1. Bestimmen Sie die Poisson-Klammern, die aus den kartesischen Komponenten des Impulses p und des Drehimpulses L = r×p eines Massenpunktes gebildet sind. 2. Bestimmen Sie die Poisson-Klammern, die aus den Komponenten von L bestehen.
2.4.1
Aufgabe 2.4.2 Gegeben sei der Drehimpuls L = r × p eines Massepunktes m. 1. Es sei:
2.4.2
L2 = L2x + L2y + L2z . Berechnen Sie: 2 L , Lx,y,z . 2.
Zeigen Sie, dass wenn zwei Komponenten von L Integrale der Bewegung sind, dieses auch für die dritte gilt. Lx , Ly , Lz sollen nicht explizit zeitabhängig sein!
Aufgabe 2.4.3 Ein Teilchen der Masse m bewege sich in einem Zentralfeld. 1. Wie lautet die Hamilton-Funktion? Welche generalisierten Koordinaten sind günstig? 2. Zeigen Sie mit Hilfe der Poisson-Klammer, dass die z-Komponente Lz des Drehimpulses ein Integral der Bewegung ist!
2.4.3
138
2.4.4
2. Hamilton-Mechanik
Aufgabe 2.4.4 Zeigen Sie, dass für die Funktionen
f = f (q, p, t) ;
g = g(q, p, t) ;
die folgenden Beziehungen gelten:
h = h(q, p, t)
1)
∂ ∂f ∂g { f , g} = ,g + f, ∂t ∂t ∂t
2)
d { f , g} = dt
3)
{ f , g · h} = g{ f , h} + { f , g}h .
,
df dg ,g + f, , dt dt
2.4.5
Aufgabe 2.4.5 1. Man gebe einen Ausdruck für die Poisson-Klammer des Drehimpulses L mit einem beliebigen, von r und p abhängigen Vektor A an. 2. Berechnen Sie damit speziell {Li , xj }, 3. {Li , pj }, 4. {Li , Lj } und 5. {A2 , pj }.
2.4.6
Aufgabe 2.4.6 Zwei Teilchen der Massen m1 und m2 bewegen sich in einem beliebigen Kraftfeld ohne Zwangsbedingungen. Sie besitzen dabei die Drehimpulse L1 und L2 1. Warum muss für die Poisson-Klammer zwischen diesen beiden Observablen gelten:
{L1 , L2 } = 0 . 2.
Bestätigen Sie die folgende Beziehung: {L1 , L1 · L2 } = − L1 × L2 .
3.
Verifizieren Sie mit Teil 2. n n−1 L1 , L1 · L2 = −n L1 · L2 L1 × L2
n = 1, 2, 3. . .
2.4
Poisson-Klammer
139
Aufgabe 2.4.7 1. Die mechanische Observable f (q, p, t) sei wie die Hamilton-Funktion H ein Integral der Bewegung. Zeigen Sie, dass dann auch ∂f |∂t ein Integral der Bewegung ist. 2. Betrachten Sie die lineare, kräftefreie Bewegung eines Teilchens der Masse m. Zeigen Sie, dass H ein Integral der Bewegung ist, und verifizieren Sie für die Observable pt f (q, p, t) = q − m
2.4.7
die Aussage von Teil 1. Zeigen Sie also, dass sowohl f als auch ∂f |∂t Integrale der Bewegung sind.
Aufgabe 2.4.8 1. f = f (q, p, t) sei eine mechanische Observable (Phasenraumfunktion). Wie kann man mit Hilfe der Poisson-Klammer überprüfen, ob es sich um ein Integral der Bewegung handelt? 2. Die mechanischen Observablen
f (q, p, t)
und
g(q, p, t)
seien Integrale der Bewegung. Zeigen Sie, dass dann auch die PoissonKlammer {f , g} 3.
ein Integral der Bewegung ist. Kontrollieren Sie, ob für den linearen Oszillator die mechanische Observable f (q, p, t) = p sin ωt − mωq cos ωt ein Integral der Bewegung ist.
2.4.8
140
2.4.9
2. Hamilton-Mechanik
Aufgabe 2.4.9
A = A q(t), p(t) sei eine nicht explizit zeitabhängige Phasenraumfunktion:
∂A =0. ∂t Die Hamilton-Funktion H des Systems sei ebenfalls nicht explizit zeitabhängig:
∂H =0. ∂t Drücken Sie die Zeitabhängigkeit von A durch H und A(0) = A(q(0), p(0)) aus!
2.5
2.5 Kanonische Transformationen 2.5.1 Motivation Die Klassische Mechanik kennt vier äquivalente Formulierungen:
1. 2. 3. 4.
Newton (Bd. 1), Lagrange (Kap. 1), Hamilton (Kap. 2), Hamilton-Jacobi (Kap. 3).
Der Übergang vom Lagrange- zum Hamilton-Formalismus wurde mathematisch mit Hilfe einer Legendre-Transformation vollzogen. Die Hamilton-Jacobi-Theorie werden wir im nächsten Abschnitt mit Hilfe einer so genannten kanonischen Transformation auf der in diesem Kapitel diskutierten Hamilton-Mechanik aufbauen. Dazu sind einige Vorüberlegungen angebracht. Wir haben früher gezeigt, dass im Lagrange-Formalismus die Wahl der generalisierten Koordinaten q1 , . . . , qS an sich beliebig ist, nur ihre Gesamtzahl S liegt fest. Die Lagrange-Gleichungen, d ∂L ∂L − =0, dt ∂q˙ j ∂qj
j = 1, 2, . . . , S ,
sind im Konfigurationsraum nämlich forminvariant gegenüber Punkttransformationen. Das haben wir in Abschn. 1.2.1 bewiesen. Für die Transformation q1 , . . . , qS ⇐⇒ q¯ 1 , . . . , q¯ S
2.5
Kanonische Transformationen
141
mit q¯j = q¯ j (q, t) ;
qj = qj q¯ , t ,
j = 1, 2, . . . , S
folgen formal unveränderte Lagrange-Gleichungen, d ∂L ∂L − =0, dt ∂q˙¯ j ∂q¯ j
j = 1, 2, . . . , S ,
wobei die neue Lagrange-Funktion L aus der alten einfach durch Einsetzen der Transformationsformeln hervorgeht: L = L q q¯ , t , q˙ q¯ , q˙¯ , t t = L q¯ , q˙¯ , t . Die Lagrange-Gleichungen sind außerdem invariant gegenüber so genannten mechanischen Eichtransformationen (1.84): d f (q, t) . dt f darf dabei eine fast beliebige Funktion von q und t sein. Die eigentliche Ursache für diese Invarianzen liegt im Wirkungsfunktional S{q(t)} (1.112), das stets für dieselbe Bahn aus M (1.110) extremal wird, unabhängig von der speziellen Koordinatenwahl. Andererseits folgen aber aus der Forderung δS = 0 die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen. Nun haben wir mit dem modifizierten Hamilton’schen Prinzip (2.48) eine solche Formulierung kennen gelernt, aus der die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen ableitbar sind, wenn man nur die Koordinaten q und die Impulse p als selbständige Variable behandelt und unabhängig voneinander variiert. Folgerichtig sind auch die kanonischen Gleichungen gegenüber Punkttransformationen forminvariant, wenn man die Impulse gemäß ihrer Definition L ⇒ L + L0 ;
pj =
L0 =
∂L ∂q˙ j
passend mittransformiert. Auch von der mechanischen Eichtransformation (1.84) kann man zeigen, dass sie nicht nur eine äquivalente Lagrange-, sondern auch eine äquivalente HamiltonFunktion liefert. Äquivalent soll dabei heißen, dass die kanonischen Gleichungen, die die Dynamik des Systems bestimmen, ebenso wie die Lagrange-Gleichungen unter dieser Eichtransformation forminvariant bleiben. Das sieht man wie folgt ein: Wegen p¯ j =
∂L ∂L ∂ d = + f (q, t) = ∂q˙ j ∂q˙ j ∂q˙ j dt
S ∂L ∂ ∂ ∂f f (q, t) + + q˙ l = ∂q˙ j ∂q˙ j ∂t ∂ ql l=1
142
2. Hamilton-Mechanik
ergeben sich aus der mechanischen Eichtransformation die folgenden neuen Variablen: p¯ j = pj +
q¯ j = qj ;
∂f . ∂qj
(2.129)
Damit konstruieren wir die neue Hamilton-Funktion:
∂f d ˙ pj + H= q˙ − L − p¯ j q¯j − L = f = ∂qj j dt j
j
=H+
∂f ∂f ∂f q˙ j − q˙ l − . ∂qj ∂ql ∂t j
l
Mit der so transformierten Hamilton-Funktion, ∂f (q, t) H = H q, p p¯ , q, t , t − , ∂t
(2.130)
überprüfen wir die kanonischen Gleichungen:
∂H ∂H ∂H ∂H ∂pl ∂2f = = + − = ∂q¯j ∂qj ∂qj ∂pl ∂qj ∂qj ∂t l = −p˙ j −
l
= −p˙ j −
q˙ l
∂2f ∂2f − = ∂qj ∂ql ∂qj ∂t
d ∂ f (q, t) . dt ∂qj
Mit (2.129) bleibt:
∂H = −p˙¯ j . ∂q¯j
(2.131)
Analog findet man: S S ∂H ∂H ∂pl ∂H = = δ = q˙ , ∂p¯j l = 1 ∂pl ∂p¯ j l = 1 ∂pl jl j
∂H ˙ = q¯ j . ∂p¯j
(2.132)
Gleichungen (2.131) und (2.132) zeigen die Forminvarianz der kanonischen Gleichungen. Die obige Ableitung enthält ein sehr wichtiges Detail. Wir haben nämlich zeigen können, dass neben dem Variablensatz qj , pj ,
j = 1, 2, . . . , S
2.5
Kanonische Transformationen
auch qj , pj +
143
∂ f (q, t) , ∂qj
j = 1, 2, . . . , S
mit beliebigem f (q, t) ein kanonisch konjugiertes Variablenpaar ist. Vorgabe von q legt also die dazu kanonisch konjugierten Impulse nicht eindeutig fest. Dies ist typisch für die Hamilton’sche Formulierung der Klassischen Mechanik, für die die Impulse pj neben den Koordinaten qj gleichberechtigte Variable sind. Die Klasse der erlaubten Transformationen, bei denen Lagrange’sche und Hamilton’sche Bewegungsgleichungen invariant bleiben, ist deshalb wesentlich größer als in der Lagrange-Mechanik. Darin liegt ein Vorteil der Hamilton-Mechanik, den wir im Folgenden genauer untersuchen und ausnutzen wollen. Unter einer Phasentransformation q¯ j = q¯ j (q, p, t) ;
p¯ j = p¯ j (q, p, t) ,
j = 1, 2, . . . , S
(2.133)
versteht man eine Punkttransformation im Phasenraum. Während alle Punkttransformationen im Konfigurationsraum zu einer äquivalenten Lagrange-Funktion führen, bleiben nicht bei jeder Phasentransformation die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen forminvariant. Andererseits sind aber nur solche Transformationen der Hamilton’schen Mechanik interessant, die die Form der Bewegungsgleichungen nicht verändern. Man bezeichnet sie als kanonische Transformationen. Definition 2.5.1 Die Phasentransformation
2.5.1
(q, p) −→ q¯ , p¯
heißt kanonisch, falls es eine Funktion
H = H q¯ , p¯ , t
(2.134)
gibt, für die q˙¯ j =
∂H ∂H ; p˙¯ j = − , ∂p¯ j ∂q¯j
j = 1, 2, . . . , S
(2.135)
gelten. Wie dabei H aus H hervorgeht, ist eigentlich unwesentlich. Bei dem Invarianzbeweis der Lagrange’schen Gleichungen hatte sich L aus L einfach durch Einsetzen ergeben. Ist das bei H auch der Fall, gilt also H = H q q¯ , p¯ , t , p q¯ , p¯ , t , t , (2.136) so nennt man die Transformation kanonisch im engeren Sinne.
144
2. Hamilton-Mechanik
Bevor wir uns praktische Kriterien für kanonische Transformationen erarbeiten, sollen zwei spezielle Beispiele zeigen, was kanonische Transformationen leisten können. 1) Die Phasentransformation
q¯ j = q¯ j (q, p, t) = −pj ,
(2.137)
p¯ j = p¯ j (q, p, t) = qj
(2.138)
ist kanonisch im engeren Sinne, denn mit H = H(q, p, t) , H = H q¯ , p¯ , t = H p¯ , −¯q, t
(2.139)
folgt:
∂H ∂H p¯ , −¯q, t ∂H(q, p, t) = = = −p˙ j = q˙¯ j , ∂p¯ j ∂p¯ j ∂qj ∂H ∂H p¯ , −¯q, t ∂H(q, p, t) = =− = −q˙ j = −p˙¯ j . ∂q¯j ∂q¯j ∂pj Die kanonischen Gleichungen bleiben also bei der Transformation (2.137) und (2.138) forminvariant. Diese Phasentransformation vertauscht Orte und Impulse und macht damit eindrucksvoll klar, dass die begriffliche Zuordnung q ⇐⇒ Ort und p ⇐⇒ Impuls im Rahmen der Hamilton’schen Mechanik ziemlich wertlos geworden ist. Man sollte q und p als abstrakte, völlig gleichberechtigte, unabhängige Variable ansehen. 2) Zyklische Koordinaten Wir haben bereits mehrfach erkennen können, dass die richtige Wahl der generalisierten Koordinaten qj ganz entscheidend wichtig für die praktische Lösbarkeit eines mechanischen Problems sein kann. Falls es uns gelänge, die Wahl so zu treffen, dass
alle qj zyklisch sind, dann ließe sich das Problem trivial lösen, wenn auch noch
∂H =0 ∂t
(H: Konstante der Bewegung)
angenommen werden darf. „Alle qj zyklisch“ bedeutet:
∂H =0 ∂qj
∀j ⇐⇒ H = H(p) .
(2.140)
2.5
Kanonische Transformationen
145
Es gilt dann: ∀j ⇐⇒ pj = const = cj .
p˙ j = 0
(2.141)
Aus der anderen kanonischen Gleichung ergibt sich demnach: q˙ j =
∂H = q˙ j p1 , . . . , pS = q˙ j c1 , . . . , cS . ∂pj
Dies bedeutet aber q˙ j = const = αj
∀j ,
(2.142)
j = 1, 2, . . . , S .
(2.143)
was sich leicht integrieren lässt: qj = αj t + dj ,
Die αj sind nach (2.142) und die cj , dj sind über die Anfangsbedingungen bekannt. Durch (2.141) und (2.143) ist das Problem somit elementar gelöst. Die Frage ist natürlich, ob sich die obige Annahme „alle qj zyklisch“ wirklich realisieren lässt. Das ist in der Tat im Prinzip möglich und wird in der HamiltonJacobi-Theorie (Kap. 3) zur Lösungsmethode ausgebaut. Es ist allerdings zu erwarten, dass die physikalisch plausiblen, d. h. nahe liegenden Koordinaten diese Bedingung nicht erfüllen, sondern zunächst passend kanonisch transformiert werden müssen. Die eingehende Untersuchung kanonischer Transformationen dürfte damit ausreichend motiviert sein. 2.5.2 Die erzeugende Funktion Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen ist das modifizierte Hamilton’sche Prinzip (2.55). Dieses besagt, dass die Systembewegung so erfolgt, dass das Wirkungsfunktional ⎛ ⎞ t2 S S{q(t), p(t)} = dt ⎝ pj q˙ j − H(p, q, t)⎠ (2.144) t1
j=1
auf der Menge der Phasenbahnen, M = q(t), p(t) : q(t1 ) = qa , q(t2 ) = qe ; p(t1 ), p(t2 ) beliebig ,
(2.145)
für die tatsächliche Bahn extremal wird. Was ist nun bezüglich dieses Prinzips zu beachten, wenn wir eine Phasentransformation (q, p) −→ q¯ , p¯ durchführen?
146
1.
2.
2. Hamilton-Mechanik
Die Randbedingungen können sich ändern! Nach der Transformation haben die Bahnen, die zu M gehören, nicht notwendig alle dieselben Anfangs- und Endkonfigurationen, da (2.146) q¯ t1 = q¯ qa , p(t1 ), t1 , q¯ t2 = q¯ qe , p(t2 ), t2 (2.147) von p(t1 ) bzw. p(t2 ) abhängen und damit verschieden sein können. Wenn die Transformation zudem kanonisch sein soll, so muss auch für die neuen Variablen ein modifiziertes Hamilton’sches Prinzip gelten: ⎛ ⎞ t2 S ! δ dt ⎝ p¯ j q˙¯j − H q¯ , p¯ , t ⎠ = 0 . (2.148) j=1
t1
Dabei trifft die Variation unter Umständen andere Bahnen als die der ursprünglichen Konkurrenzschar (2.145), nämlich solche, die feste Anfangs- und Endkonfigurationen q¯ a und q¯ e gemeinsam haben. Dazu beweisen wir folgenden Satz: 2.5.1
Satz 2.5.1 Die Phasentransformation (q, p) −→ (¯q, p¯ ) ist
kanonisch, falls S
pj q˙ j − H =
j=1
S
p¯ j q˙¯ j − H +
j=1
dF1 dt
(2.149)
gilt. Dabei ist F1 = F1 q, q¯ , t
(2.150)
eine beliebige, hinreichend oft differenzierbare Funktion der „alten“ und der „neuen“ Koordinaten.
Beweis Wir zeigen zunächst, dass F1 die Transformation und auch H vollständig festlegt, sodass die Bezeichnung F1 = F1 q, q¯ , t ⇐⇒ Erzeugende der Transformation
gerechtfertigt erscheinen wird. – Wir beginnen mit:
S ∂F1 ∂F1 ∂F1 dF1 = dqj + d¯qj + dt . ∂qj ∂q¯j ∂t j=1
2.5
Kanonische Transformationen
147
Zum Vergleich schreiben wir (2.149) um: dF1 =
S pj dqj − p¯ j d¯qj + H − H dt . j=1
Bezüglich F1 sind q, q¯ und t als unabhängige Variable aufzufassen; deshalb folgt durch Koeffizientenvergleich: pj =
∂F1 ∂F1 ∂F1 ; p¯ j = − ; H=H+ . ∂qj ∂q¯j ∂t
(2.151)
Dadurch ist die Transformation bereits vollständig bestimmt. Sind nämlich q, p und F1 vorgegeben, so löst man pj =
∂F1 = pj q, q¯ , t ∂qj
nach q¯ auf und erhält damit die erste Hälfte der Transformationsgleichungen: q¯ j = q¯j (q, p, t) . Das setzen wir in p¯ j = −
∂F1 = p¯ j (q, q¯ , t) ∂q¯j
ein und erhalten dann: p¯ j = p¯ j (q, p, t) . Diese Überlegung setzt wie üblich voraus, dass die Funktion F1 (q, q¯ , t) alle notwendigen Voraussetzungen bezüglich der Differenzierbarkeit und Invertierbarkeit erfüllt. Auch die neue Hamilton-Funktion ist durch F1 (q, q¯ , t) vollständig festgelegt: ∂ H q¯ , p¯ , t = H q q¯ , p¯ , t , p q¯ , p¯ , t , t + F1 q q¯ , p¯ , t , q¯ , t . ∂t
(2.152)
Wir zeigen nun im zweiten Schritt, dass die von F1 (q, q¯ , t) erzeugte Phasentransformation in der Tat kanonisch ist. Dazu betrachten wir das Wirkungsfunktional: ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ t2 t2 S S dF1 ⎠= S = dt ⎝ pj q˙ j − H(q, p, t)⎠ = dt ⎝ p¯ j q˙¯ j − H q¯ , p¯ , t + dt t1
t2 = t1
j=1
t1
j=1
⎛ ⎞ S dt ⎝ p¯ j q˙¯ j − H q¯ , p¯ , t ⎠ + F1 qe , q¯ (t2 ), t2 − F1 qa , q¯ t1 , t1 . j=1
148
2. Hamilton-Mechanik
S muss nun statt nach q und p nach q¯ und p¯ variiert werden, wobei das oben unter Punkt 1) Gesagte zu beachten ist: ! 0 = δS = δ F1 qe , q¯ (t2 ), t2 − F1 qa , q¯ (t1 ), t1 + ⎤ ⎡
t2 S ∂ H ∂ H δp¯j q˙¯j + p¯ j δq˙¯j − δq¯ − δp¯ ⎦ . + dt ⎣ ∂q¯j j ∂p¯j j j=1
t1
Da qa , qe für die Variation fest sind, gilt: S ∂F1 t2 δ F1 qe , q¯ (t2 ), t2 − F1 qa , q¯ (t1 ), t1 = δq¯ . ∂q¯j j t1 j=1
Wenn wir dann noch umformen, t2
t dt p¯ j δq˙¯ j = p¯ j δq¯ j t2 −
t2
1
t1
so bleibt:
dt p˙¯ j δq¯ j ,
t1
t2
S ∂F1 p¯ j + 0 = δS = δq¯j + ∂q¯j t1 !
j=1
t2 +
dt t1
S j=1
∂H ∂H ˙ ˙ − δq¯ j p¯ j + . δp¯ j q¯j − ∂p¯ j ∂q¯j
(2.153)
Nach unseren Vorüberlegungen können wir für den ersten Summanden nicht schließen, dass δq¯ j bei t1 oder bei t2 verschwindet. Wegen (2.151) ist aber bereits die Klammer Null. Wegen der Unabhängigkeit der neuen Variablen q¯j , p¯ j folgen dann aus (2.153) die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen: q˙¯ j =
∂H ; ∂p¯j
p˙¯ j = −
∂H . ∂q¯j
(2.154)
Die durch F1 (q, q¯ , t) erzeugte Transformation ist also in der Tat kanonisch. 2.5.3 Äquivalente Formen der erzeugenden Funktion Die (q, q¯ )-Abhängigkeit der Erzeugenden F1 ist eigentlich durch nichts ausgezeichnet. Mit Hilfe von Legendre-Transformationen lassen sich drei weitere Typen von Erzeugenden finden: (2.155) F2 = F2 q, p¯ , t , F3 = F3 p, q¯ , t , (2.156) (2.157) F4 = F4 p, p¯ , t .
2.5
Kanonische Transformationen
149
Die Erzeugenden verknüpfen jeweils eine neue und eine alte Koordinate. Die aktuelle Problemstellung entscheidet, welche Form am günstigsten ist. Für alle drei Funktionen gilt ein Satz wie der für F1 in (2.149) und (2.150), den wir im letzten Abschnitt bewiesen haben. Das wollen wir im Folgenden noch etwas genauer untersuchen. F2 = F2 q, p¯ , t F2 erhält man aus F1 durch eine Legendre-Transformation bezüglich q¯ : S S ∂F1 F2 q, p¯ , t = F1 q, q¯ , t − q¯ j = F1 q, q¯ , t + p¯ j q¯ j . ∂q¯j j=1
(2.158)
j=1
Mit der (2.151) entsprechenden Beziehung dF1 =
S pj dqj − p¯ j d¯qj + H − H dt
(2.159)
j=1
ergibt sich für F2 : dF2 = dF1 +
S S pj dqj + q¯j dp¯ j + H − H dt . p¯ j d¯qj + q¯j dp¯ j = j=1
(2.160)
j=1
Dies bedeutet: pj =
∂F2 ∂F2 ∂F2 . ; q¯ j = ; H=H+ ∂qj ∂p¯ j ∂t
(2.161)
Durch Invertieren und Auflösen zeigt man, wie für F1 im letzten Abschnitt explizit vorgeführt, dass aus (2.161) die Transformationsgleichungen (q, p) −→ (¯q, p¯ ) folgen. Um zu demonstrieren, dass auch F2 eine kanonische Phasentransformation vermittelt, haben wir zunächst den Ausdruck (2.149) mit (2.160) umzuformen: S
pj q˙ j − H =
j=1
S
p¯ j q˙¯j − H +
dF1 = dt
p¯ j q˙¯j − H +
dF2 − p¯ j q˙¯ j + q¯ j p˙¯ j . dt
j=1
=
S
S
j=1
j=1
Setzt man nun statt (2.149) S j=1
pj q˙ j − H = −
S j=1
q¯ j p˙¯ j − H +
dF2 dt
(2.162)
in das modifizierte Hamilton’sche Prinzip ein und variiert nach q¯ und p¯ , so erkennt man, dass auch F2 eine kanonische Phasentransformation erzeugt.
150
2. Hamilton-Mechanik
F3 = F3 p, q¯ , t F3 erhält man aus F1 durch eine Legendre-Transformation bezüglich q: S S ∂F1 F3 p, q¯ , t = F1 q, q¯ , t − qj = F1 q, q¯ , t − pj qj . ∂qj j=1
(2.163)
j=1
Wir bilden wieder das totale Differential: dF3 = dF1 −
S dpj qj + pj dqj . j=1
Mit (2.159) für dF1 folgt weiter: dF3 = −
S qj dpj + p¯ j d¯qj + H − H dt .
(2.164)
j=1
Daran liest man ab: qj = −
∂F3 ∂F3 ∂F3 ; p¯ j = − ; H=H+ . ∂pj ∂q¯j ∂t
(2.165)
Wenn wir diese Ausdrücke invertieren und nach q¯ , p¯ auflösen, so erhalten wir die expliziten, durch F3 vermittelten Transformationsformeln. Wir formen den Ausdruck (2.149) mit Hilfe von (2.164) um: S
pj q˙ j − H =
j=1
S
p¯ j q˙¯ j − H +
dF1 = dt
p¯ j q˙¯ j − H +
dF3 p˙ j qj + pj q˙ j . + dt
j=1
=
S
S
j=1
j=1
Setzt man in diesem Fall nun S j=1
pj q˙ j − H =
S dF3 p¯ j q˙¯ j + p˙ j qj + pj q˙ j − H + dt
(2.166)
j=1
anstelle von (2.149) in das modifizierte Hamilton’sche Prinzip ein und variiert das Wirkungsfunktional nach q¯ , p¯ , so ergeben sich wieder die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen in der Form (2.154). F4 = F4 p, p¯ , t F4 folgt aus F1 durch eine doppelte Legendre-Transformation bezüglich der beiden Variablen q und q¯ :
2.5
Kanonische Transformationen
151
S ∂F1 ∂F1 F4 p, p¯ , t = F1 q, q¯ , t − qj + q¯ j = ∂qj ∂q¯j j=1
S = F1 q, q¯ , t + p¯ j q¯ j − pj qj .
(2.167)
j=1
Am totalen Differential dF4 = dF1 +
dp¯ j q¯ j + p¯ j d¯qj − dpj qj − pj dqj = j
=
S pj dqj − p¯ j d¯qj + H − H dt + j=1
+
dp¯ j q¯j + p¯ j d¯qj − dpj qj − pj dqj = j
=
S q¯j dp¯ j − qj dpj + H − H dt
(2.168)
j=1
können wir wieder die partiellen Ableitungen ablesen:
∂F4 ∂F4 ∂F4 ; qj = − ; H=H+ . ∂p¯ j ∂pj ∂t
q¯j =
(2.169)
Daraus folgen dann wieder durch Invertieren und Auflösen nach q¯ , p¯ die expliziten, durch F4 vermittelten Transformationsformeln. Zum Beweis der Kanonizität der Phasentransformation setzen wir nun dF1 pj q˙ j − H = p¯ j q˙¯ j − H + = dt j
j
=
p¯ j q˙¯ j − H +
j
dF4 ˙ − p¯ j q¯ j + p¯ j q˙¯ j − p˙ j qj − pj q˙ j dt j
und damit S j=1
pj q˙ j − H =
S dF4 p˙ j qj + pj q˙ j − p˙¯ j q¯ j − H + dt
(2.170)
j=1
in das modifizierte Hamilton’sche Prinzip ein, variieren nach q¯ , p¯ und verifizieren damit die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen. (Dies wird explizit als Aufgabe 2.5.1 durchgeführt!) Zur besseren Übersicht stellen wir die abgeleiteten Transformationsformeln noch einmal in Tabelle 2.1 zusammen:
152
2. Hamilton-Mechanik
Tabelle 2.1. Die vier möglichen Erzeugenden Funktionen für Kanonische Transformationen und
ihre Transformationsformeln
p¯
q¯ q
F2 (q, p¯ , t)
F1 (q, q¯ , t) pj =
∂F1 ∂F1 ; p¯ j = − ∂qj ∂q¯j
p
pj =
∂F2 ∂F2 ; q¯j = ∂qj ∂p¯ j F4 (p, p¯ , t)
F3 (p, q¯ , t) qj = −
∂F3 ∂F3 ; p¯ j = − ∂pj ∂q¯j
qj = −
∂F4 ∂F4 ; q¯j = ∂pj ∂p¯ j
Die Zeitabhängigkeit ist in allen vier Fällen gleich: H=H+
∂Fi , ∂t
i = 1, 2, 3, 4 .
(2.171)
2.5.4 Beispiele kanonischer Transformationen Wir wollen ein paar charakteristische Anwendungen des bislang noch abstrakten Formalismus diskutieren. 1) Vertauschung von Impulsen und Orten Wir wählen S F1 q, q¯ , t = − qj q¯ j
(2.172)
j=1
und haben dann mit pj =
∂F1 = −¯qj ; ∂qj
p¯ j = −
∂F1 = qj ∂q¯j
(2.173)
eine Vertauschung von Impulsen und Orten erzeugt: (q, p)
F1
p¯ , −¯q .
(2.174)
Diese Transformation haben wir bereits als vorbereitendes Beispiel mit (2.137) und (2.138) kennen gelernt. Derselbe Effekt lässt sich offenbar auch mit S F4 p, p¯ , t = − pj p¯ j j=1
erzielen.
(2.175)
2.5
Kanonische Transformationen
153
2) Identische Transformation Wir wählen S F2 q, p¯ , t = qj p¯ j
(2.176)
j=1
und finden dann mit (2.161): pj =
∂F2 ∂F2 = p¯ j ; q¯ j = = qj . ∂qj ∂p¯j
(2.177)
Es handelt sich also offensichtlich um die identische Transformation, die man auch durch S F3 p, q¯ , t = − pj q¯ j
(2.178)
j=1
hätte erzeugen können. 3) Punkttransformation Wählen wir S F2 q, p¯ , t = fj (q, t)p¯ j ,
(2.179)
j=1
so folgt: q¯j =
∂F2 = f (q, t) , ∂p¯j j
(2.180)
was einer Punkttransformation im Konfigurationsraum entspricht, von der wir bereits in Abschn. 2.5.1 behauptet haben, dass sie kanonisch ist. Als kanonisch konjugierte Variable sind natürlich auch die Impulse von der Punkttransformation betroffen: pj =
S ∂F2 ∂fl = p¯ . ∂qj l = 1 ∂qj l
(2.181)
Diese Beziehungen sind nach den p¯ l aufzulösen! 4) Harmonischer Oszillator Wir demonstrieren mit diesem Beispiel, dass eine geeignet gewählte kanonische Transformation tatsächlich die Integration der Bewegungsgleichungen stark vereinfachen, bisweilen sogar überflüssig machen kann.
154
2. Hamilton-Mechanik
Nach (2.35) lautet die Hamilton-Funktion des harmonischen Oszillators: H=
1 p2 + m ω20 q2 . 2m 2
Wir wählen die folgende Erzeugende: 1 F1 q, q¯ = m ω0 q2 cot q¯ . 2
(2.182)
Die Transformationsformeln (2.151) ergeben dann: p=
∂F1 = m ω0 q cot q¯ , ∂q
p¯ = −
∂F1 1 1 = m ω0 q2 2 . ∂q¯ 2 sin q¯
(2.183)
(2.184)
Die eigentlichen Transformationsgleichungen erhalten wir durch Auflösen nach q und p: 2p¯ q= sin q¯ , (2.185) m ω0 p=
! 2p¯ m ω0 cos q¯ .
(2.186)
Wegen ∂F1 |∂t = 0 gilt für die neue Hamilton-Funktion: H q¯ , p¯ = H q q¯ , p¯ , p q¯ , p¯ = =
2p¯ 1 1 sin2 q¯ . 2p¯ m ω0 cos2 q¯ + m ω20 2m 2 m ω0
Sie nimmt damit eine besonders einfache Gestalt an: H q¯ , p¯ = ω0 p¯ .
(2.187)
Die Koordinate q¯ ist nun zyklisch. Dies bedeutet: p¯ (t) = p¯ 0 = const .
(2.188)
Außerdem gilt: q˙¯ =
∂H = ω0 , ∂p¯
q¯ (t) = ω0 t + q¯ 0 .
(2.189)
2.5
Kanonische Transformationen
155
Die Lösung ist vollständig, wenn wir noch (2.188) und (2.189) in die Transformationsformeln (2.185) und (2.186) einsetzen: 2p¯ 0 q(t) = (2.190) sin ω0 t + q¯ 0 , m ω0 p(t) =
! 2p¯ 0 m ω0 cos ω0 t + q¯ 0 .
(2.191)
Das ist die bekannte Lösung des harmonischen Oszillators. q¯ 0 und p¯ 0 sind durch die Anfangsbedingungen festgelegt. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass man ein physikalisches Problem durch eine passende kanonische Transformation entscheidend vereinfachen kann, wenn diese z. B. alle Koordinaten zyklisch macht. Die neuen Impulse sind dann sämtlich Integrale der Bewegung. Das alles andere als triviale Problem besteht natürlich darin, die richtige Erzeugende (2.182) zu finden. Dies ist im übrigen die zentrale Problemstellung der Hamilton-Jacobi-Theorie (s. Kap. 3). 5) Mechanische Eichtransformation Von dieser haben wir bereits in Abschn. 2.5.1 gezeigt, dass sie kanonisch ist. Sie führt mit (2.129) auf die folgenden Transformationsformeln:
q¯ j = qj ;
p¯ j = pj +
∂f ∂f . ; H=H− ∂qj ∂t
(2.192)
Dabei ist f = f (q, t) eine beliebige Funktion der Koordinaten und der Zeit. Die Transformation (2.192) entspricht der bereits mehrfach diskutierten Umeichung der Lagrange-Funktion, L −→ L = L +
df , dt
die die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen invariant lässt. Sie wird erzeugt durch: S qj p¯ j − f (q, t) . F2 q, p¯ = j=1
Mit (2.161) folgt nämlich: q¯ j =
∂F2 ∂F2 ∂f = qj ; p j = = p¯ j − , ∂p¯j ∂qj ∂qj H=H+
Dies entspricht exakt (2.192).
∂F2 ∂f =H− . ∂t ∂t
(2.193)
156
2. Hamilton-Mechanik
2.5.5 Kriterien für Kanonizität Wie erkennt man nun, ob eine Phasentransformation
p¯ j = p¯ j (q, p, t) ,
q¯ j = q¯j (q, p, t) ;
j = 1, 2, . . . , S
(2.194)
kanonisch ist, wenn die zugehörige erzeugende Funktion nicht explizit bekannt ist? Wir diskutieren dazu zwei Verfahren. 1) Wir lösen (2.194) nach p und p¯ auf: pj = pj q, q¯ , t ;
p¯ j = p¯ j q, q¯ , t .
(2.195)
Falls die Transformation kanonisch ist, muss es eine erzeugende Funktion F1 (q, q¯ , t) geben mit pj =
∂F1 ∂F1 ; p¯ j = − , ∂qj ∂q¯j
j = 1, 2, . . . , S .
Dies bedeutet aber auch:
∂pj ∂2 F1 ∂2 F1 ∂p¯m = = =− . ∂q¯m ∂q¯m ∂qj ∂qj ∂q¯m ∂qj Wir untersuchen also, ob
∂pj ∂q¯ m
!
q¯ , t q¯ l, l =/ m
= −
∂p¯m ∂qj
q¯ , t q¯ l, l =/ j
für alle Indexpaare (j, m) gilt. Analog dazu muss natürlich auch gelten:
∂pj ∂pm ! = , ∂qm q¯, t ∂qj q¯, t q¯ l, l =/ m
∂p¯j ∂q¯ m
!
q¯ , t q¯ l, l =/ m
=
∂p¯ m ∂q¯j
(2.196)
(2.197)
q¯ l, l =/ j
q¯ , t q¯ l, l =/ j
.
(2.198)
Es leuchtet unmittelbar ein, dass trotz des einfachen Konzepts die praktische Handhabung dieser Formeln recht mühsam sein wird. Das anschließend zu besprechende zweite Verfahren wird sich als wesentlich bequemer herausstellen. Die Auflösung der Transformationsformeln (2.194) nach p und p¯ wie in (2.195) ist natürlich nicht zwingend. Wichtig bei der Auflösung ist nur, dass sie nach einer alten und einer neuen Koordinate erfolgt. Möglich sind deshalb auch: qj = qj p, p¯ , t ; q¯j = q¯ j p, p¯ , t ⇐⇒ F4 p, p¯ , t , (2.199) (2.200) qj = qj p, q¯ , t ; p¯ j = p¯ j p, q¯ , t ⇐⇒ F3 p, q¯ , t , (2.201) pj = pj q, p¯ , t ; q¯ j = q¯ j q, p¯ , t ⇐⇒ F2 q, p¯ , t .
2.5
Kanonische Transformationen
157
2) Das zweite Verfahren zur Überprüfung der Kanonizität einer Phasentransformation führen wir mit einem Satz ein: Satz 2.5.2 Die Phasentransformation (2.194) ist genau dann kanonisch, wenn die fundamentalen Poisson-Klammern in den neuen Variabeln, q¯ i , p¯ j = δij , (2.202) q¯i , q¯ j = p¯ i , p¯ j = 0 , (2.203)
erfüllt sind.
Beweis Wir führen den Beweis für nicht explizit zeitabhängige Phasentransformationen,
∂F = 0 ⇐⇒ H q¯ , p¯ , t = H q q¯ , p¯ , p q¯ , p¯ , t , ∂t die wir also auf Kanonizität im engeren Sinne untersuchen. Nach dem in Abschn. 2.4.2 bewiesenen Satz ist die Poisson-Klammer unabhängig von dem Satz kanonischer Variabler, der als Basis verwendet wird. Wir nehmen hier die alten Variablen q und p. Nach (2.105), der allgemeinen Bewegungsgleichung, gilt zunächst:
S ∂q¯j ∂H ∂q¯j ∂H q˙¯ j = q¯ j , H q, p = − , ∂ql ∂pl ∂pl ∂ql l=1
S ∂p¯ j ∂H ∂p¯ j ∂H p˙¯ j = p¯ j , H q, p = . − ∂ql ∂pl ∂pl ∂ql l=1
Die partiellen Ableitungen der Hamilton-Funktion H lassen sich wie folgt schreiben:
S ∂H ∂H ∂q¯k ∂H ∂p¯ k , = + ∂pl ∂q¯k ∂pl ∂p¯ k ∂pl k=1
S ∂H ∂H ∂q¯k ∂H ∂p¯ k = + ∂ql k = 1 ∂q¯k ∂ql ∂p¯ k ∂ql
.
Das setzen wir oben ein: ∂q¯ j ∂H ∂q¯ k ∂H ∂p¯ k ∂q¯ j ∂H ∂q¯ k ∂H ∂p¯ k
˙q¯j = − . + + ∂ql ∂q¯k ∂pl ∂p¯ k ∂pl ∂pl ∂q¯k ∂ql ∂p¯ k ∂ql l, k
Dies lässt sich wie folgt zusammenfassen: ∂H ∂H ˙q¯j = q¯ j , q¯ k q, p + q¯ j , p¯ k q, p ¯ ∂q¯k ∂pk k
.
(2.204)
2.5.2
158
2. Hamilton-Mechanik
Auf die gleiche Weise findet man: ∂H ∂H q¯ k , p¯ j q, p + p¯ j , p¯ k q, p p˙¯ j = − ∂q¯ k ∂p¯k
.
(2.205)
k
Die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen, q˙¯ j =
∂H ∂H ; p˙¯ j = − , ∂p¯ j ∂q¯j
(2.206)
gelten also genau dann, wenn (2.202) und (2.203) erfüllt sind. Genau dies aber war zu beweisen. Der Satz (2.202), (2.203) stellt ein recht handliches Kriterium für die Kanonizität der betreffenden Phasentransformation dar. 2.5.6 Aufgaben 2.5.1
Aufgabe 2.5.1 (q, p) −→ (¯q, p¯ ) sei eine Phasentransformation, für die S j=1
pj q˙ j − H =
S dF4 p˙ j qj + pj q˙ j − p˙¯ j q¯ j − H + dt j=1
gilt, wobei F4 = F4 (p, p¯ , t) eine beliebige Funktion der alten und der neuen Impulse ist. Zeigen Sie: 1. H und die Phasentransformation q¯j = q¯ j (q, p, t) ; 2.
p¯ j = p¯ j (q, p, t)
sind vollständig durch die Erzeugende F4 festgelegt. Die durch F4 vermittelte Transformation ist kanonisch.
2.5.2
Aufgabe 2.5.2 Können zwei Komponenten des Drehimpulses (z. B. Lx , Ly ) gleichzeitig als kanonische Impulse auftreten?
2.5.3
Aufgabe 2.5.3 Untersuchen Sie, ob die folgende Transformation kanonisch ist:
sin p ; p¯ = q cot p . q¯ = ln q
2.5
Kanonische Transformationen
159
Aufgabe 2.5.4 q, p seien kanonisch konjugierte Variable. Durch die Transformation √ q¯ = ln 1 + q cos p ,
2.5.4
√ √ q sin p p¯ = 2 1 + q cos p werden neue Koordinaten q¯ , p¯ definiert. 1. Zeigen Sie, dass die Transformation kanonisch ist. 2. Zeigen Sie, dass die Transformation durch 2 F3 p, q¯ , t = − eq¯ − 1 tan p erzeugt wird.
Aufgabe 2.5.5 1. p und q seien kanonisch konjugierte Variable. Ist die folgende Transformation kanonisch? q qˆ = qˆ p, q = arcsin + p2 q2 + 2
α
p2
1 αq2 + pˆ = pˆ p, q = 2 α 2.
α ist eine reelle Konstante. Welche Transformation vermittelt die folgende Erzeugende? 1 F1 q, qˆ = αq2 cot qˆ 2
2.5.5
160
2.5.6
2. Hamilton-Mechanik
Aufgabe 2.5.6 Gegeben seien ein mechanisches System mit der HamiltonFunktion
H=
k 1 2 4 p q + 2 2m 2q
und die Erzeugende einer kanonischen Transformation: √ q¯ F1 q, q¯ = − m k . q
2.5.7
1.
Wie lauten die Transformationsformeln p = p q¯ , p¯ ; q = q q¯ , p¯ ?
2.
Wie lautet die neue Hamilton-Funktion H = H q¯ , p¯ ?
3.
Geben Sie die Lösung des Problems in den Variablen q¯ , p¯ an.
Aufgabe 2.5.7 Ein System werde durch die Hamilton-Funktion
3 H q, p = βqp 2
β∈R
beschrieben, wobei q und p konjugierte Variable seien. 1. Welche Phasentransformation (q, p) → (ˆq, pˆ ) wird von der Erzeugenden F2 q, pˆ = αq2 pˆ 3 α∈R 2. 3.
4.
2.5.8
vermittelt? Zeigen Sie, dass die Transformation in der Tat kanonisch ist. Geben Sie ˆ qˆ , pˆ H an. Wie lauten die Bewegungsgleichungen der „neuen“ Variablen qˆ und pˆ ?
Aufgabe 2.5.8 Für welche Werte α und β ist die Phasentransformation q¯ = qα cos β p ; p¯ = qα sin β p
kanonisch?
2.5
Kanonische Transformationen
161
Aufgabe 2.5.9 Ein Elektron (Masse m, Ladung −e) befinde sich in einem homogenen Magnetfeld
B = (0, 0, B) = rot A . Für das Vektorpotential A gelte die Coulomb-Eichung: div A = 0 . 1.
Zeigen Sie, dass
2.
1 B(−y, x, 0) 2 eine denkbare Darstellung des mehrdeutigen Vektorpotentials ist. Setzen Sie A(r) =
q1 = x ,
q2 = y ,
q3 = z .
Verifizieren Sie die folgende Form der Hamilton-Funktion: p23 + H0 2m
2
2 1 1 1 1 H0 = p1 − mωc q2 + p2 + mωc q1 2m 2 2m 2 H=
mit eB . m Betrachten Sie ab jetzt ausschließlich H0 (= H(p3 ≡ 0)). Eine Phasentransformation q, p −→ qˆ , pˆ
ωc =
3.
werde durch die Erzeugende
1 F1 q, qˆ = mωc q1 qˆ 1 + q2 qˆ 2 − qˆ1 qˆ 2 − q1 q2 2
bewirkt. Berechnen sie die Transformationsformeln q = q qˆ , pˆ , p = p qˆ , pˆ , qˆ = qˆ q, p , pˆ = pˆ q, p . 4.
Wie sieht die transformierte Hamilton-Funktion ˆ =H ˆ qˆ , pˆ H aus? Welches Bewegungsproblem bleibt zu lösen?
2.5.9
162
5.
2. Hamilton-Mechanik
Versuchen Sie die Transformationsformeln aus Teil 3. auf eine Erzeugende vom Typ F2 = F2 q, pˆ zurückzuführen.
2.6
Kontrollfragen
163
2.6 Kontrollfragen Zu Abschn. 2.1 1. Worin besteht die Zielsetzung der Hamilton-Mechanik? 2. Stellen Sie die Vor- und Nachteile der Newton’schen und der Lagrange’schen Formulierung der Klassischen Mechanik gegenüber. 3. Welche Variablentransformation findet beim Übergang von der Lagrange- zur Hamilton-Mechanik statt? 4. Wie ist die Legendre-Transformierte der Funktion f (x, y) bezüglich der Variablen y definiert? Zu Abschn. 2.2 1. Was sind die aktiven, was die passiven Variablen bei der Transformation von der Lagrange- auf die Hamilton-Funktion? 2. Formulieren Sie die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen. 3. Unter welchen Voraussetzungen ist H mit der Gesamtenergie des Systems identisch? 4. Zeigen Sie, dass totales und partielles Zeitdifferential von H identisch sind. 5. Welchen Vorteil bringen zyklische Koordinaten im Hamilton-Formalismus? 6. Was ist die Idee des Routh-Formalismus? Wie hängt die Routh- mit der HamiltonFunktion zusammen? 7. Wie findet man die Hamilton-Funktion eines physikalischen Systems? 8. Wie lautet die Hamilton-Funktion des harmonischen Oszillators? 9. Welcher Hamilton-Funktion unterliegt die Bewegung eines Teilchens der Masse m und der Ladung q¯ im elektromagnetischen Feld? 10. Formulieren Sie die Hamilton-Funktionen in Zylinder- und in Kugelkoordinaten für ein Teilchen der Masse m, das einer konservativen Kraft, aber keinen Zwangsbedingungen unterliegt. Zu Abschn. 2.3 1. Nennen und kommentieren Sie die wichtigsten Integralprinzipien der Klassischen Mechanik. 2. Was versteht man unter dem modifizierten Hamilton’schen Prinzip? 3. Formulieren Sie präzise die Variationsvorschrift für das modifizierte Hamilton’sche Prinzip. 4. Worin sehen Sie charakteristische Unterschiede zwischen dem ursprünglichen und dem modifizierten Hamilton’schen Prinzip? 5. Wie ist die Wirkung A definiert? 6. Was besagt das Prinzip der kleinsten Wirkung? 7. Wodurch unterscheiden sich die Variationsvorschriften für das Hamilton’sche Prinzip und das Prinzip der kleinsten Wirkung?
2.6
164
2. Hamilton-Mechanik
8. 9.
Welchen Spezialfall betrifft das Fermat’sche Prinzip? Was versteht man unter dem Prinzip der kürzesten Ankunft, was unter dem Prinzip des kürzesten Weges? 10. Wie unterscheidet sich das Jacobi-Prinzip vom Prinzip der kleinsten Wirkung? 11. Was versteht man unter dem metrischen Tensor? 12. Formulieren Sie das Jacobi-Prinzip für die kräftefreie Bewegung.
Zu Abschn. 2.4 1. Ist durch Angabe der Konfigurationsbahn ein mechanisches Problem gelöst? Begründen Sie Ihre Antwort. 2. Was versteht man unter dem Ereignisraum? 3. In welchen Darstellungsräumen spielen sich Lagrange- und Hamilton-Formalismus ab? 4. Wie sieht die Ereignisbahn des linearen, harmonischen Oszillators aus, wie seine Phasenbahn? 5. Definieren Sie den Zustandsraum. 6. Was bedeutet der Begriff Zustand ψ? 7. Welche Minimalinformation wird benötigt, um sämtliche mechanischen Eigenschaften eines allgemeinen N-Teilchensystems festzulegen? 8. Warum muss die Zeitentwicklung eines Zustands ψ aus einer Differentialgleichung erster Ordnung folgen? 9. Warum ist die Konfiguration q(t) eines mechanischen Systems noch kein Zustand? 10. Wie ist die Poisson-Klammer definiert? 11. Formulieren Sie die Bewegungsgleichung einer beliebigen Phasenfunktion f (q, p, t) mit Hilfe der Poisson-Klammer. 12. In welcher Weise hängt die Poisson-Klammer von der Wahl der kanonischen Variablen (q, p) ab? 13. Wie lauten die fundamentalen Poisson-Klammern? 14. Zählen Sie einige formale Eigenschaften der Poisson-Klammer auf. 15. Wie lautet die Jacobi-Identität? 16. Wie kann man die Poisson-Klammer benutzen, um zu sehen, dass F(q, p, t) ein Integral der Bewegung darstellt? 17. Was besagt der Poisson’sche Satz? 18. Erläutern Sie, warum man die Klassische Mechanik und die Quantenmechanik als verschiedene Realisierungen derselben mathematischen Struktur auffassen kann.
2.6
Kontrollfragen
165
Zu Abschn. 2.5 1. Was ist die tiefere Ursache für die Invarianz der Lagrange’schen Bewegungsgleichungen gegenüber Punkttransformationen im Konfigurationsraum und gegenüber mechanischen Eichtransformationen? 2. Wie ändert sich die Hamilton-Funktion bei einer mechanischen Eichtransformation? Was passiert dabei mit den kanonischen Bewegungsgleichungen? 3. Sind durch die generalisierten Koordinaten q1 , . . . , qs die generalisierten Impulse pj eindeutig festgelegt? 4. Was versteht man unter einer Phasentransformation? 5. Welche Bedeutung haben kanonische Transformationen? Wann nennt man sie kanonisch im engeren Sinne? 6. Nennen Sie im Zusammenhang mit dem modifizierten Hamilton’schen Prinzip ein erstes Kriterium dafür, dass eine Phasentransformation (q, p) −→ (¯q, p¯ ) kanonisch ist. 7. Was versteht man unter der Erzeugenden einer kanonischen Transformation? 8. Welche Typen von erzeugenden Funktionen für kanonische Transformationen kennen Sie? Was ist deren gemeinsames Merkmal? 9. Nennen Sie mindestens zwei erzeugende Funktionen für eine Phasentransformation, die Impulse und Orte miteinander vertauscht. 10. Welche Erzeugende vermittelt eine identische Transformation? 11. Wie sieht die Erzeugende für eine Punkttransformation im Konfigurationsraum aus? Was passiert dabei mit den kanonischen Impulsen? 12. Nennen Sie mindestens zwei Kriterien für die Kanonizität einer Phasentransformation.
Kapitel 3 Hamilton-Jacobi-Theorie
3
3
3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.7 3.8
Hamilton-Jacobi-Theorie Hamilton-Jacobi-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Lösungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hamilton’sche charakteristische Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Separation der Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungs- und Winkelvariable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Periodische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungs- und Winkelvariable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Kepler-Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bohr-Sommerfeld’sche Atomtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Übergang zur Wellenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wellengleichung der Klassischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . Einschub über Lichtwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ansatz der Wellenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
170 173 178 181 187 187 190 194 201 203 204 205 209 211 214 216
169
3 Hamilton-Jacobi-Theorie Die Überlegungen des letzten Abschnitts zu den kanonischen Transformationen lassen eine solche Mannigfaltigkeit an Transformationsmöglichkeiten erkennen, dass sich daraus eigentlich auch ergiebige allgemeine Lösungsverfahren für mechanische Probleme konstruieren lassen sollten. Wir untersuchen deshalb nun, auf welche Weise eine Hamilton-Funktion H transformiert werden muss, damit die Lösung des physikalischen Problems möglichst einfach, vielleicht sogar trivial wird. Die folgenden Methoden böten sich zum Beispiel an: 1. Man wähle die Transformation so, dass in den neuen Variablen q¯ , p¯ die transformierte Hamilton-Funktion H ein bekanntes, bereits gelöstes Problem formuliert (z. B. harmonischer Oszillator, s. Aufgabe 2.5.6!). 2. Man wähle die Transformation so, dass alle neuen Koordinaten q¯ j zyklisch sind. In Abschn. 2.5.1 hatten wir bereits gezeigt, dass dann die Integration der Bewegungsgleichungen trivial wird, wenn wir noch
∂H =0 ∂t annehmen dürfen. Es bleibt dann lediglich: p¯ j = αj = const , H = H(α) ; q¯ j = ωj t + βj ,
3.
j = 1, . . . , S ,
ωj =
∂H , ∂αj
j = 1, 2, . . . , S .
Die 2S Konstanten αj , βj sind schließlich durch die Anfangsbedingungen festgelegt. Man wähle die Transformation so, dass q¯ j = βj = const ;
p¯ j = αj = const ,
j = 1, 2, . . . , S .
Die Lösung ergibt sich dann einfach durch Umkehrung der Transformation, q = q( β, α, t) ;
p = p( β, α, t) ,
wobei die βj , αj erneut durch Anfangsbedingungen bestimmt sind. Das Problem ist nur, wie findet man die zu 1. bis 3. passenden kanonischen Transformationen?
W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik 2. DOI 10.1007/978-3-642-12950-6 © Springer 2011
170
3.1
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
3.1 Hamilton-Jacobi-Gleichung Das Verfahren 1. ist natürlich sehr speziell und nur im Einzelfall durchführbar. Die Verfahren 2. und 3. sind allgemeiner, wobei 3. gegenüber 2. den Vorteil besitzt, auch für Systeme mit expliziter Zeitabhängigkeit der Hamilton-Funktion anwendbar zu sein. Wir wollen uns deshalb hier auf das Verfahren 3. konzentrieren: Gesucht ist also eine kanonische Transformation, durch die die neuen Variablen q¯ und p¯ zeitlich konstant werden. Das gilt sicher, wenn die Transformation für die neue Hamilton-Funktion H=H+
∂F ≡0 ∂t
(3.1)
erreicht. Das würde nämlich trivialerweise q˙¯ j =
∂H = 0 ⇒ q¯ j = βj = const , ∂p¯j
p˙¯ j = −
∂H = 0 ⇒ p¯ j = αj = const , ∂q¯j
j = 1, 2, . . . , S ,
j = 1, 2, . . . , S
bedeuten. Es ist zweckmäßig, aber keinesfalls notwendig, die Erzeugende F vom Typ F2 , F2 = F2 q, p¯ , t , zu wählen. Dann gilt nach (2.161): pj =
∂F2 ∂F2 ; q¯ j = . ∂qj ∂p¯ j
Setzen wir dies in (3.1) ein, so ergibt sich die Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung ∂F2 ∂F2 ∂F2 =0. H q1 , . . . , qS , ,..., ,t + ∂q1 ∂qS ∂t
(3.2)
Aus dieser Gleichung muss die Erzeugende F2 bestimmt werden. Wir wollen diese Gleichung ein wenig diskutieren, um dann ein praktikables Lösungsverfahren formulieren zu können. 1. Die Lösung heißt aus Gründen, die später klar werden: Hamilton’sche Wirkungsfunktion F2 = S. 2.
Die Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung (HJD) stellt eine nicht-lineare, partielle Differentialgleichung 1. Ordnung für F2 in (S + 1) Variablen q1 , . . . , qS , t
3.1
3.
Hamilton-Jacobi-Gleichung
171
dar und ist damit im Allgemeinen mathematisch nicht ganz einfach zu behandeln. Nicht-linear ist sie, da H quadratisch von den Impulsen und damit von ∂F2 |∂qj abhängt. Es treten nur partielle Ableitungen 1. Ordnung nach den qj und nach t auf. Die HJD enthält (S + 1) verschiedene Ableitungen der gesuchten Funktion F2 . Es treten nach der Integration demnach (S + 1) Integrationskonstanten auf. Da die HJD F2 aber nur in der Form ∂F2 |∂qj oder ∂F2 |∂t enthält, ist mit F2 auch stets F2 + C Lösung. Von den Integrationskonstanten ist also eine trivial additiv: Lösung: F2 q1 , . . . , qS , t | α1 , α2 , . . . , αS + αS + 1 .
(3.3)
αS + 1 ist unwichtig, da in die Transformationsformeln (2.161) nur die Ableitungen 4.
von F2 eingehen. Man nennt (3.3) eine vollständige Lösung der HJD. Die HJD bestimmt nur die q- und t-Abhängigkeiten der Lösung F2 = F2 (q, p¯ , t) und macht damit keine Aussage über die Impulse p¯ j . Wir wollen aber, dass die p¯ j = const sind, haben deshalb die Freiheit, die Integrationskonstanten mit den neuen Impulsen zu identifizieren: p¯ j = αj ,
(3.4)
j = 1, 2, . . . , S .
Mit diesen Überlegungen konstruieren wir nun das folgende Lösungsverfahren: a) Man formuliere H = H(q, p, t), setze pj = (∂F2 |∂qj ) ein und stelle die HJD auf. b) Man löse die HJD für F2 , F2 = S q1 , . . . , qS , t | α1 , . . . , αS ,
(3.5)
und identifiziere die Integrationskonstanten mit den neuen Impulsen: p¯ j = αj ,
(3.6)
j = 1, . . . , S .
c) Man setze:
∂S q, t | α = q¯ j q, t | α = βj , q¯ j = ∂αj
j = 1, . . . , S .
(3.7)
Das sind S Gleichungen, die nach den Koordinaten q1 , . . . , qS aufzulösen sind: qj = qj t | β1 , . . . , βS , α1 , . . . , αS = qj t | β, α ,
j = 1, . . . , S .
(3.8)
d) Man berechne die Impulse aus pj =
∂S(q, t | α) = pj (q, t | α) , ∂qj
j = 1, . . . , S
(3.9)
172
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
und setze die Koordinaten aus (3.8) darin ein: pj = pj t | β1 , . . . , βS , α1 , . . . , αS = pj (t | β, α) ,
j = 1, . . . , S .
(3.10)
e) Die Anfangsbedingungen q(0) j = qj t = t0 ;
p(0) j = pj t = t0 ,
j = 1, . . . , S
liefern mit (3.9):
α = α t0 ; p(0) , q(0) .
(3.11)
Über (3.8) ist dann auch β bestimmt: β = β t0 ; p(0) , q(0) .
(3.12)
f) Die so bestimmten α und β werden in (3.8) und (3.10) eingesetzt, womit das mechanische Problem gelöst ist.
Wir wollen zum Schluss noch die physikalische Bedeutung der HJD-Lösung diskutieren. Bisher war F2 = S(q, p¯ , t) lediglich die Erzeugende einer speziellen kanonischen Transformation, die für H ≡ 0 sorgt, oder gleichbedeutend damit für
π ≡ (q, p)
S
π ≡ ( β, α) = const .
(3.13)
Die totale zeitliche Ableitung von S macht die physikalische Bedeutung klarer: S ∂F2 ˙ ∂F2 dF2 ∂F2 q˙ j + p¯ j + = . ¯ dt ∂qj ∂pj ∂t j=1
Für F2 = S gilt speziell:
∂F2 = pj ; p˙¯ j ≡ 0 ; ∂qj
∂F2 = H − H = −H . ∂t
Damit bleibt: dS pj q˙ j − H = L . = dt S
(3.14)
j=1
S ist also gerade die vom Hamilton’schen Prinzip her bekannte Wirkungsfunktion S = L dt + const (3.15)
3.2
Die Lösungsmethode
173
für ein System, das zur Zeit t = t0 die Anfangsbedingungen q = q(0) , p = p(0) erfüllt. Gleichung (3.15) dient hier natürlich nur der physikalischen Interpretation der HJD-Lösung, kann nicht etwa zur Bestimmung von S verwendet werden. Dazu müssten q(t) und q˙ (t) für die tatsächliche Systembewegung bekannt sein, um in L eingesetzt werden zu können. Dann wäre das Problem aber bereits vollständig gelöst. Es ist interessant festzustellen, dass wir früher aus dem Hamilton’schen Prinzip mit Hilfe des bestimmten Wirkungsintegrals t2 L dt t1
die Lagrange’schen und die Hamilton’schen Bewegungsgleichungen ableiten konnten. Diese legen dann über eine Anfangsphase π(0) die gesamte Phasenbahn π(t) fest:
t2 t1 L dt π(0) ≡ q(0) , p(0) π(t) ≡ q(t), p(t) , (3.16) Die Lösung der HJD ist dagegen das unbestimmte Wirkungsintegral (3.15), das nun praktisch als Erzeugende für die Umkehrtransformation zu (3.16) interpretiert werden kann:
L dt + const π(t) ≡ q(t), p(t) π ≡ ( β, α) . (3.17)
3.2
3.2 Die Lösungsmethode Wir wollen am einfachen Beispiel des linearen harmonischen Oszillators das im letzten Abschnitt entwickelte Hamilton-Jacobi-Verfahren illustrieren. Das soll zur besonderen Verdeutlichung streng nach dem dort dargestellten Muster erfolgen. Zu a): Die Hamilton-Funktion des harmonischen Oszillators lautet nach (2.35):
H=
p2 1 + m ω20 q2 . 2m 2
(3.18)
Gesucht wird die kanonische Transformation, aus der sich H = 0 ergibt. Die zugehörige Erzeugende sei von der Form (3.19) F2 = F2 q, p¯ , t = S q, p¯ , t mit p=
∂S . ∂q
(3.20)
174
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
Nach (3.2) lautet dann die Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung: ∂S 1 ∂S 2 1 + m ω20 q2 + =0. 2m ∂q 2 ∂t
(3.21)
Zu b): Wir wählen den folgenden Lösungsansatz:
S q, p¯ , t = W q | p¯ + V t | p¯ .
(3.22)
Einsetzen in die HJD liefert: 1 2m
∂W ∂q
2
∂V 1 + m ω20 q2 = − . 2 ∂t
Der Ansatz (3.22), den man auch einen Separationsansatz nennt, führt also dazu, dass wir die HJD in einen nur von q abhängigen Anteil (linke Seite) und einen nur von t abhängigen Anteil (rechte Seite) zerlegen können. Beide Seiten der Gleichung müssen dann aber notwendig für sich bereits konstant sein. Die ursprüngliche, partielle Differentialgleichung zerfällt damit in zwei gewöhnliche Differentialgleichungen: 1 2m
dW dq
2
1 + m ω20 q2 = α , 2
(3.23)
dV = −α . dt
(3.24)
Gleichung (3.24) liefert unmittelbar V(t) = −α t + V0 ,
(3.25)
wobei die additive Konstante V0 unbedeutend ist. Aus (3.23) folgt:
dW dq
2
= m2 ω20
2α − q2 m ω20
.
(3.26)
Die gesuchte Erzeugende lautet damit: S(q, α, t) = m ω0
dq
2α − q2 − α t . m ω20
(3.27)
Das unbestimmte Integral liefert die unwesentliche Konstante αS + 1 . Es handelt sich um ein Standardintegral, sodass die Integration ohne Schwierigkeiten ausgeführt werden kann:
3.2
Die Lösungsmethode
175
⎡ 1 S(q, α, t) = m ω0 ⎣ q 2
2α − q2 + m ω20 ⎛
⎞⎤
m ω20 α ⎠⎦ − α t + C . arcsin ⎝ q + 2 2|α| m ω0
(3.28)
Das ist an dieser Stelle aber unnötig, da uns später nur die partiellen Ableitungen von S interessieren werden. Wir identifizieren die Konstante α mit dem neuen Impuls: p¯ = α .
(3.29)
Zu c): Wir setzen:
∂S ! = const = β . ∂α
q¯ =
(3.30)
Dies bedeutet nach (3.27):
β=
1
ω0
dq
2α − q2 m ω20
−1|2 −t .
Es handelt sich wiederum um ein Standard-Integral: 1 m . β+t = arcsin q ω0 ω0 2α
(3.31)
Die Auflösung nach q ergibt: q=
1
ω0
2α sin ω0 (t + β) = q(t | β, α) . m
(3.32)
Die neue Koordinate q¯ = β hat offensichtlich die Dimension Zeit. Zu d): Wir benutzen nun (3.9) und (3.26),
∂S dW 2α p= − q2 , = = m ω0 ∂q dq m ω20
(3.33)
und setzen darin (3.32) ein: p=
√ 2 α m cos ω0 (t + β) = p(t | β, α) .
(3.34)
176
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
Zu e): Um konkret sein zu können, wählen wir die folgenden Anfangsbedingungen:
p(0) = 0 ;
t = t0 = 0 :
q(0) = q0 =/ 0 .
(3.35)
Damit können wir über (3.33) α festlegen: 1 2
α = m ω20 q20 .
(3.36)
Da das System am Umkehrpunkt q0 nur potentielle Energie besitzt (p(0) = 0), ist
α = E = Gesamtenergie . Wir setzen nun (3.35) und (3.36) in (3.31) ein:
β=
1
ω0
arcsin(1) =
π
2 ω0
.
(3.37)
Die Wirkungsfunktion S erzeugt also in diesem Bereich eine kanonische Transformation, die auf einen generalisierten Impuls p¯ = α führt, der mit der Gesamtenergie E identisch ist, und auf eine generalisierte Koordinate q¯ = β, die eine (konstante) Zeit darstellt. Energie und Zeit sind also offenbar kanonisch konjugierte Variable! Zu f): Die vollständige Lösung erhalten wir schließlich, indem wir α und und (3.34) einsetzen: √ 2E q(t) = cos ω0 t ; p(t) = − 2 E m sin ω0 t . 2 m ω0
β in (3.32) (3.38)
Das ist die bekannte Lösung des harmonischen Oszillators. Wir wollen an diese Diskussion noch zwei Zusatzüberlegungen anschließen: 1. Die Lösung der HJD ist eine Erzeugende vom Typ F2 (q, p¯ , t). Wir wollen einmal mit Hilfe der obigen Resultate die Aufstellung eines anderen Typs von Erzeugender demonstrieren. Es handele sich um F1 = F1 (q, q¯ , t). Zunächst gilt mit (3.29) und (3.32): p¯ = α =
! ∂F1 1 m ω20 q2 sin−2 ω0 t + q¯ = − . 2 ∂q¯
(3.39)
Dies setzen wir in (3.34) ein: ! ∂F1 p = m ω0 q cot ω0 t + q¯ = . ∂q
(3.40)
Eine erste Integration von (3.40) liefert: 1 F1 q, q¯ , t = m ω0 q2 cot ω0 t + q¯ + f1 q¯ , t . 2
(3.41)
3.2
Die Lösungsmethode
177
Diesen Ausdruck leiten wir partiell nach q¯ ab und vergleichen ihn mit (3.39). Dann folgt notwendig:
∂f1 =0. ∂q¯ F1 muss außerdem die HJD (3.2) erfüllen: ∂F1 1 ∂F1 2 1 + m ω20 q2 . − = ∂t 2m ∂q 2 Dies bedeutet mit (3.40) und (3.41), −
1 2 q2 ∂f1 1 2 m ω 0 = m ω20 q2 cot2 ω0 t + q¯ + 1 , + ∂t sin2 ω0 t + q¯ 2
was sich wiederum nur durch
∂f1 =0 ∂t erfüllen lässt. Bis auf eine unwesentliche additive Konstante bleibt also als Erzeugende: 1 F1 q, q¯ , t = m ω0 q2 cot ω0 t + q¯ . 2
2.
(3.42)
Bis auf die Zeitabhängigkeit haben wir diesen Ausdruck bereits in (2.182) als Erzeugende einer kanonischen Transformation für den harmonischen Oszillator kennen gelernt. Wir hatten in (3.15) festgestellt, dass die Lösung der HJD mit dem unbestimmten Wirkungsintegral identisch ist. Dies wollen wir einmal am harmonischen Oszillator überprüfen. Mit (3.33) in (3.27) gilt zunächst: S(q, α, t) = dq p − αt . Wir setzen (3.38) ein: S(q, α, t) = 2E
dt sin2 ω0 t − E t ,
(α = E) .
(3.43)
Andererseits gilt für die Oszillatorbahn nach (3.38): L=T−V =
p2 1 − m ω20 q2 = E sin2 ω0 t − cos2 ω0 t = 2E sin2 ω0 t − E . 2m 2
Damit folgt aus (3.43) das erwartete Ergebnis: S = L dt + C .
178
3.3
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
3.3 Hamilton’sche charakteristische Funktion Die Integration der Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung des harmonischen Oszillators im letzten Abschnitt wurde vor allem durch den Separationsansatz (3.22) möglich, der q- und t-Abhängigkeiten additiv voneinander trennt. Eine solche Separation ist immer dann sinnvoll, wenn die alte Hamilton-Funktion die Zeit nicht explizit enthält:
∂H = 0 ⇐⇒ H : Integral der Bewegung . ∂t Dann lautet die HJD (3.2): ∂S ∂S ∂S ,..., H q, =0. + ∂q1 ∂qS ∂t
(3.44)
Die gesamte Zeitabhängigkeit steckt nun im zweiten Summanden, sodass der Ansatz S(q, p¯ , t) = W q | p¯ − E t
(3.45)
naheliegt, durch den die Zeitabhängigkeit vollständig aus der HJD (3.44) eliminiert wird: ∂W ∂W ,..., H q, =E. (3.46) ∂q1 ∂qS Die Konstante E ist in der Regel, bei skleronomen Zwangsbedingungen nämlich, die Gesamtenergie des Systems. Die Funktion W(q | p¯ ) wird Hamilton’sche charakteristische Funktion genannt. E ist natürlich von den neuen Impulsen p¯ j = αj abhängig: E = E(α1 , . . . , αS ) .
(3.47)
Die durch die Funktion S aus (3.45) erzeugte kanonische Transformation ist dann durch q¯ j =
∂W ∂E ∂W − t ; pj = ∂αj ∂αj ∂qj
(3.48)
gegeben. Man kann aber W(q | p¯ ) auch als eigenständige Erzeugende einer kanonischen Transformation (im engeren Sinne) auffassen, d. h. nicht mehr nur als Teil von S(q, p¯ , t). W ist vom Typ F2 , erzeugt damit die Transformation pj =
∂W ∂W ; q¯ j = ; H=H, ∂qj ∂p¯ j
(3.49)
3.3
Hamilton’sche charakteristische Funktion
179
wobei wir
∂H = 0 ⇐⇒ H = E = const ∂t
(3.50)
voraussetzen. Wir fordern von der Erzeugenden W, dass durch sie alle q¯ j zyklisch ⇐⇒ alle p¯ j = αj = const
(3.51)
werden. Das entspricht nun dem zu Beginn des Kap. 3 vorgestellten Lösungsverfahren 2. Aus (3.50) folgt dann einfach durch Einsetzen: ∂W ∂W H q1 , . . . , qS , = E α1 , . . . , αS , (3.52) ,..., ∂q1 ∂qS also trotz der nun etwas anderen Zielsetzung (3.51) dieselbe Differentialgleichung wie in (3.46). Da nach Konstruktion H = H = E p¯ = H p¯
(3.53)
gilt, lassen sich die kanonischen Bewegungsgleichungen trivial integrieren: q˙¯ j =
∂H ∂E = = ωj , ∂p¯ j ∂αj
q¯j (t) = ωj t + βj =
∂W . ∂p¯ j
(3.54) (3.55)
Wir wollen auch hier zur Verdeutlichung die Lösungsmethode noch einmal skizzieren: a) Wir stellen die HJD in der Form (3.52) auf! b) Wir suchen die vollständige Lösung für W mit Parametern α1 , . . . , αS : (3.56) W = W q1 , . . . , qS , α1 , . . . , αS . c) Wir identifizieren: p¯ j = αj ,
j = 1, 2, . . . , S .
(3.57)
∂W = pj q, α1 , . . . , αS ∂qj
(3.58)
d) Wir lösen die HJD (3.52) nach pj =
auf oder differenzieren die Lösung W entsprechend. e) Wir setzen E = E(α)
(3.59)
180
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
und bilden:
ωj =
∂E , ∂αj
j = 1, 2, . . . , S .
(3.60)
Gleichung (3.59) wird nach reinen Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten angesetzt. Wir nennen zwei plausible Beispiele: e,1) Mit dem Ansatz E(α) =
S α2 j
(3.61)
2m
j=1
führt die gesuchte Transformation wegen H=H=
S p ¯ 2j j=1
2m
(3.62)
auf die Hamilton-Funktion H eines Systems von freien Massenpunkten. Die in H vorhandene Wechselwirkung wird also wegtransformiert, und die Lösungen des Problems haben dann nach (3.55) die bekannte Gestalt der kräftefreien Bewegung von Massenpunkten: q¯j (t) =
αj m
t + βj .
(3.63)
Dies entspricht im Übrigen dem Verfahren 1., wie wir es zu Beginn von Kap. 3 bereits angedeutet hatten. e,2) Man könnte auch daran denken, E α1 , . . . , αS = α1
(3.64)
zu setzen. Man identifiziert dann den neuen Impuls p¯ 1 mit α1 und die anderen S − 1 Impulse p¯ j mit den S − 1 wesentlichen Integrationskonstanten der vollständigen Lösung W der HJD (3.52). Dann wird
ωj = δj1
(3.65)
und für die neuen Koordinaten gilt: q¯ 1 = t + β1 ;
q¯ j = βj ,
j = 2, . . . , S .
(3.66)
f) Wir lösen q¯ j = ωj ( α) t + βj =
∂W (q, α) ∂αj
(3.67)
3.4
Separation der Variablen
181
nach qj = qj (t, α, β)
(3.68)
auf und setzen die Lösung dann in (3.58) ein: pj = pj (t, α, β) .
(3.69)
g) Mit den Anfangsbedingungen q(0) j = qj (t = t0 ) ; folgt aus (3.58):
p(0) j = pj (t = t0 )
α = α p(0) , q(0) .
(3.70)
Mit (3.68) und (3.69) ergibt sich dann noch: β = β p(0) , q(0) .
(3.71)
Durch Einsetzen von α und β in (3.68) und (3.69) ist dann das Problem vollständig gelöst. Denken wir zum Schluss noch etwas über die physikalische Bedeutung der Hamilton’schen charakteristischen Funktion W nach. Wir hatten in (3.15) gesehen, dass
die Lösung der vollen HJD (3.2) mit dem unbestimmten Wirkungsintegral L dt identisch ist. Wir können auch W eine ähnliche Interpretation zuschreiben. S S dW ∂W ∂W ˙ ¯ ¯ = W = W q, p ⇒ q˙ + pj q˙ j . p = dt ∂qj j ∂p¯ j j j=1
(3.72)
j=1
W entspricht also der Wirkung A, die in (2.65) zur Formulierung des Prinzips der kleinsten Wirkung verwendet wurde: W=
S
pj q˙ j dt =
j=1
S
pj dqj .
(3.73)
j=1
A ist das bestimmte, W das unbestimmte Integral.
3.4 Separation der Variablen Ist das Hamilton-Jacobi-Verfahren in der bislang besprochenen Form überhaupt hilfreich? Man ersetzt schließlich 2S gewöhnliche (Hamilton’sche) Differentialgleichungen durch eine partielle Differentialgleichung. Letztere sind aber im Allgemeinen wesentlich schwieriger zu lösen. Die Methode stellt deshalb auch nur dann ein wirk-
3.4
182
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
lich mächtiges, den anderen Verfahren überlegenes Hilfsmittel dar, wenn sich die HJD separieren lässt. Was das bedeutet, wollen wir uns in diesem Abschnitt klar machen. Wir setzen voraus, dass H nicht explizit von der Zeit abhängt, also ein Integral der Bewegung darstellt. Die kanonische Transformation erfolgt durch die charakteristische Funktion W(q, p¯ ) des letzten Abschnitts. Wir können dann die HamiltonJacobi-Differentialgleichung in der Form (3.52) verwenden: ∂W ∂W ,..., H q1 , . . . , qS , =E. (3.74) ∂q1 ∂qS Wir nehmen einmal an, q1 und ∂W |∂q1 erscheinen in H nur in der Form ∂W f q1 , , ∂q1 die keine anderen qj , ∂W |∂qj , j > 1, enthält, sodass sich (3.74) wie folgt schreiben lässt: ∂W ∂W ∂W H q2 , . . . , qS , =E. (3.75) ,..., , f q1 , ∂q2 ∂qS ∂q1 Dann empfiehlt sich der folgende Ansatz: W(q, p¯ ) = W q2 , . . . , qS , p¯ + W1 q1 , p¯ . Einsetzen in (3.75) liefert: ∂W ∂W ∂W1 =E. ,..., , f q1 , H q2 , . . . , qS , ∂q2 ∂qS ∂q1
(3.76)
(3.77)
Nehmen wir einmal an, wir hätten die Lösung für W bereits gefunden. Dann muss (3.77) nach Einsetzen von (3.76) zur Identität werden, d. h., für alle q1 erfüllt sein. Eine Änderung der Koordinate q1 darf sich bezüglich H nicht bemerkbar machen. Da q1 aber nur in f eingeht, muss f selbst konstant sein: dW1 (3.78) f q1 , = C1 , dq1 ∂W ∂W H q2 , . . . , qS , (3.79) ,..., ;C = E . ∂q2 ∂qS 1 Da die neuen Impulse p¯ j nach Konstruktion sämtlich konstant sind, ist W1 nur von q1 abhängig. Wir können deshalb in (3.78) die partielle durch die entsprechende totale Ableitung ersetzen. Was haben wir mit (3.78) und (3.79) erreicht? (3.78) ist eine gewöhnliche Differentialgleichung für W1 , (3.79) nach wie vor eine partielle Differentialgleichung, allerdings mit einer um eins kleineren Zahl unabhängiger Variabler.
3.4
Separation der Variablen
183
In gewissen Fällen lassen sich so sukzessive alle Koordinaten abtrennen und die vollständige Lösung der HJD in Verallgemeinerung von (3.76) wie folgt ansetzen: W=
S
Wj qj ; α1 , . . . , αS .
(3.80)
j=1
Dadurch wird die HJD dann in S gewöhnliche Differentialgleichungen der Form dWj , α1 , . . . , αS = αj (3.81) Hj qj , dqj zerlegt. Man sagt in einem solchen Fall, die HJD sei in den Koordinaten qj separabel. Jede Gleichung in (3.81) enthält nur eine Koordinate qj , und die entsprechende Ableitung von Wj nach qj , sollte sich deshalb in der Regel einfach nach dWj |dqj auflösen und integrieren lassen. Ob eine Separation der Form (3.80) wirklich möglich ist, hängt allerdings sehr stark von der Wahl der generalisierten Koordinaten qi ab. Für den Spezialfall, dass nur eine Koordinate nicht zyklisch ist, ist eine Separation immer möglich: ∂W q1 nicht-zyklisch = αj = const , j > 1 . (3.82) ⇒ pj = ∂qj qj, j > 1 zyklisch Welcher Ansatz ist nun in einem solchen Fall zweckmäßig? Nach Konstruktion erzeugt W eine Transformation auf ausnahmslos zyklische Koordinaten. q2 , . . . , qS sind aber bereits zyklisch. Für diese sollte W die identische Transformation (2.176) sein: S F2 q, p¯ = qj p¯ j .
(3.83)
j=2
Mit p¯ j = αj bietet sich dann der folgende Ansatz für W an: W = W1 (q1 ) +
S
αj qj .
(3.84)
j=2
Die HJD (3.74) wird damit zu einer gewöhnlichen Differentialgleichung 1. Ordnung für W1 : dW1 (3.85) , α2 , . . . , αS = E . H q1 , dq1 Gleichung (3.84) lässt sich natürlich dahingehend verallgemeinern, dass man nicht nur für den Fall, dass alle qj bis auf eines zyklisch sind, einen solchen Ansatz verwendet, sondern dass man ganz generell jede zyklische Koordinate qi durch einen Ansatz der Form W = W qj, j =/ i , p¯ + αi qi (3.86) absepariert.
184
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
Für nicht-zyklische Koordinaten gibt es kein allgemeines Verfahren zur Separation. Trotzdem dürfte die Hamilton-Jacobi-Methode wohl das erfolgreichste Hilfsmittel zum Auffinden allgemeiner Lösungen von Bewegungsgleichungen sein. Das soll zum Schluss an zwei Beispielen demonstriert werden: 1) Ebene Bewegung eines Teilchens im Zentralfeld Zentralfeld bedeutet V(r) = V(r). Als generalisierte Koordinaten bieten sich Kugelkoordinaten an, wobei die ebene Bewegung für ϑ = const sorgt. Es bleiben also
q1 = r ;
q2 = ϕ .
Damit lautet die Hamilton-Funktion (2.45): p2ϕ 1 2 p + + V(r) . H= 2m r r2
(3.87)
(3.88)
ϕ ist offensichtlich zyklisch und damit pϕ = αϕ = const
(Bahndrehimpuls) .
(3.89)
Nach (3.86) empfiehlt sich dann für die charakteristische Funktion W der Ansatz: W = W1 (r) + αϕ ϕ .
(3.90)
Da für dieses Beispiel ∂H |∂t = 0 ist und ferner die Zwangsbedingung (Bewegung in der Ebene) skleronom ist, lautet die zu lösende HJD: 2 1 ∂W 2 1 ∂W 2 dW1 2 αϕ 1 + V(r) = + 2 + 2 + V(r) = 2m ∂r r ∂ϕ 2m dr r =E.
(3.91)
Daraus folgt unmittelbar: dW1 = dr
α2ϕ 2m E − V(r) − 2 . r
Die charakteristische Funktion W ist dann: α2ϕ W = dr 2m E − V(r) − 2 + αϕ ϕ . r
(3.92)
(3.93)
Dabei ist im ersten Summanden natürlich das unbestimmte Integral gemeint. Wir wählen nun wie in (3.65), E = α1 ⇐⇒ ωj = δj1 ,
(3.94)
3.4
Separation der Variablen
185
und bekommen dann aus den Transformationsgleichungen (3.66) und (3.67): ∂W ∂W m = . (3.95) t + β1 = q¯ 1 = = dr ∂α1 ∂E α2ϕ 2m E − V(r) − 2 r Die Umkehrung liefert dann r = r(t; α, β).
∂W ∂W β2 = q¯ 2 = = =− ∂α2 ∂αϕ
αϕ
dr
r2
1 , r
αϕ = L
α2ϕ 2m E − V(r) − 2 r
+ϕ .
(3.96)
Wir setzen noch
β2 = ϕ0 , x = und haben dann mit
ϕ = ϕ0 −
dx 2m (E − V) − x2 L2
(3.97)
die bekannte Bahngleichung r = r(ϕ) des Zentralkraftproblems gefunden. L ist mit dem Bahndrehimpuls identisch. Die Ergebnisse (3.95) und (3.97) haben in der Newton-Mechanik wesentlich mehr Rechenaufwand erfordert. Anfangsbedingungen legen β1 , ϕ0 , E, L fest. 2) Teilchen im Schwerefeld Die Hamilton-Funktion H = T + V = E ist klar: 1 2 H= px + p2y + p2z + m g z . 2m
(3.98)
x und y sind zyklisch und damit die zugehörigen Impulse konstant: px = αx = const ;
py = αy = const .
(3.99)
Der passende Ansatz für die charakteristische Funktion W ist dann: W = W1 (z) + αx x + αy y . Damit lautet die HJD: 1 2m
dW1 dz
2
+ α2x
+ α2y
+ mg z = E .
(3.100)
186
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
Es folgt dann unmittelbar: W1 (z) = dz 2m(E − m g z) − α2x − α2y = =−
3|2 1 2m(E − m g z) − α2x − α2y +C . 2 3m g
Für die charakteristische Funktion gilt also: W =−
3|2 1 2 2 α − α + αx x + αy y . 2m(E − m g z) − x y 3m2 g
(3.101)
Wir setzen wieder E = α1 und haben dann gemäß (3.66): q¯1 = t + β1 =
1|2 1 ∂W =− 2m(E − m g z) − α2x − α2y , ∂E mg
q¯2 = β2 =
1|2 ∂W αx = x + 2 2m(E − m g z) − α2x − α2y , ∂αx m g
q¯3 = β3 =
1|2 αy ∂W = y + 2 2m(E − m g z) − α2x − α2y . ∂αy m g
Aus der ersten Zeile folgt: 2 2 2 2mE − αx + αy 1 . z(t) = − g t + β1 + 2 2m2 g
(3.102)
Setzen wir die erste Zeile in die beiden anderen ein, so ergibt sich weiter: x(t) = β2 + y(t) = β3 +
αx
t + β1 ,
(3.103)
t + β1 .
(3.104)
m
αy m
Der Rest wird durch Anfangsbedingungen geregelt. Wir wählen t=0: x(0) = y(0) = z(0) = 0 ; px (0) = p0 ;
py (0) = pz (0) = 0 .
(3.105)
3.5
Wirkungs- und Winkelvariable
187
Daraus leiten wir ab: px =
∂W = αx = const = p0 , ∂x
py =
∂W = αy = const = 0 , ∂y
pz =
1|2 ∂W = = 2m(E − m g z) − α2x − α2y ∂z
1 | 2 , = 2m(E − m g z) − p20 pz (0) = 0 ⇒ E =
1 2 p . 2m 0
Mit (3.102) bis (3.105) folgt noch:
β1 = β2 = β3 = 0 . Dies ergibt dann die bekannte Lösung: 1 z(t) = − g t 2 ; 2
x(t) =
p0 t; m
y(t) ≡ 0 .
(3.106)
3.5 Wirkungs- und Winkelvariable 3.5.1 Periodische Systeme Wir diskutieren nun eine wichtige Modifikation des Hamilton-Jacobi-Verfahrens, das auf
periodische Systeme zugeschnitten ist, bei denen man sich häufig mehr für die Frequenzen der Bewegung als z. B. für die konkrete Gestalt der Bahn interessiert. Was heißt periodisch? Bei einem Freiheitsgrad (S = 1) ist das unmittelbar evident. Nach einer gewissen Zeit τ, der Periode des Systems, wird der Ausgangszustand wieder erreicht. Der Phasenraum ist die zweidimensionale (p, q)-Ebene. Man unterscheidet dabei zwei Typen von Periodizitäten:
3.5
188
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
1) Libration Die Phasenbahn ist eine geschlossene Kurve:
q(t + τ) = q(t) , p(t + τ) = p(t) .
(3.107)
q und p sind periodisch mit gleicher Frequenz. Das ist typisch für schwingende Systeme wie Pendel, Feder usw., die sich zwischen zwei Zuständen verschwindender kinetischer Energie bewegen. p
q
Abb. 3.1. Einfaches Beispiel für eine Libration
Beispiel: Linearer harmonischer Oszillator Die Phasenbahn ist eine Ellipse, wie wir als Beispiel zu (2.99) diskutiert haben:
1=
p2 + 2m E
q2 , 2E m ω20
H=E.
k = ω02 m
m
q = x − x0
Abb. 3.2. Der lineare, harmonische Oszillator als Beispiel für ein
periodisches System (Libration)
2) Rotation p ist auch in diesem Fall periodisch,
p(t + τ) = p(t) ,
(3.108)
q dagegen nicht mehr. Die Koordinate ändert sich vielmehr in der Periode τ um einen konstanten Wert q0 : q(t + τ) = q(t) + q0 .
(3.109)
3.5
Wirkungs- und Winkelvariable
189
p
q
q0
Abb. 3.3. Einfaches Beispiel für eine Rotation
Die Phasenbahn ist nun offen, wobei p jedoch eine periodische Funktion von q ist. Beispiel Achsendrehung eines starren Körpers:
q=ϕ;
q 0 = 2π .
Bisweilen lassen sich beide Bewegungstypen an ein- und demselben System beobachten, z. B. beim Pendel.
mg
ϕ
l Abb. 3.4. Das Pendel als Beispiel für ein periodisches System
m
(Rotation)
Die Hamilton-Funktion des Pendels haben wir in Abschn. 2.2.2 abgeleitet (2.33): H=
p2ϕ 2ml2
− m g l cos ϕ = E .
Für den generalisierten Impuls hatten wir gefunden:
˙ = pϕ = m l 2 ϕ
2m l2 (E + m g l cos ϕ) .
pϕ ist der Drehimpuls des Pendels und als solcher reell. Der Radikand muss also positiv sein: cos ϕ ≥ −
E . mg l
a) E > m g l: Alle Winkel ϕ sind möglich. Das Pendel überschlägt sich. Es handelt sich um eine Rotation.
190
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
b) −m g l < E < m g l: Nur ein begrenzter Winkelbereich [−ϕ0 , ϕ0 ] mit cos ϕ0 = −(E|m g l) ist möglich. Es handelt sich also um eine Libration.
Für Systeme mit S > 1 Freiheitsgraden heißt die Bewegung periodisch, falls die Projektion der Phasenbahn auf jede (qj , pj )-Ebene periodisch im obigen Sinne ist. Dabei brauchen nicht alle (qj , pj )-Sätze periodisch mit derselben Frequenz zu sein, sodass die Bahn im 2S-dimensionalen Phasenraum dann nicht notwendig einfach periodisch ist. Wenn die Frequenzen der projizierten Bahnen nicht in einem rationalen Verhältnis zueinander stehen, so ergibt sich eine offene Phasenraumbahn. Man nennt die Bewegung dann bedingt periodisch. Bei Systemen, für die sich die Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung vollständig separieren lässt, für die also (3.80) und (3.81) gelten, lässt sich die Perdiodizität einfach überprüfen. W=
S
Wj qj ; α ,
j=1
pj =
∂W dWj = = pj qj ; α . ∂qj dqj
(3.110)
Die projizierten Bahnen sind in einem solchen Fall unabhängig voneinander. Falls pj (qj ) für alle j = 1, . . . , S eine geschlossene Kurve oder eine periodische Funktion im Sinne von (3.107) bzw. (3.108) und (3.109) ist, dann ist die Systembewegung insgesamt periodisch. 3.5.2 Wirkungs- und Winkelvariable Die Betrachtungen dieses Abschnitts betreffen ausschließlich periodische Systeme. Wir fassen noch einmal das Wesentliche des Hamilton-Jacobi-Verfahrens zusammen:
Gesucht wird eine kanonische Transformation (q, p) −→
q¯ , p¯
so, dass gilt: p¯ j = const ∀j , ⎧ ⎨const ∀j q¯j = ⎩zyklisch ∀j
⇐⇒ ⇐⇒
S q, p¯ , t , W q, p¯ .
3.5
Wirkungs- und Winkelvariable
191
Die Erzeugenden S und W sind dabei Lösungen der HJD mit Integrationskonstanten α1 , . . . , αS , die man mit den neuen Impulsen identifiziert: p¯ j = αj
∀j .
Man hätte natürlich genauso gut irgendwelche Funktionen der αj mit den p¯ j gleichsetzen können. Die Wirkungsvariablen Jj sind ganz spezielle Funktionen der αj : # Jj = pj dqj ,
(3.111)
j = 1, 2, . . . , S .
Integriert wird über eine volle Periode der Libration bzw. der Rotation. pj
pj
Jj Jj qj
qj
Abb. 3.5. Zur Festlegung der Wirkungsvariablen einer Libration (links) bzw. einer Rotation (rechts)
Wir setzen wie in (3.110) ein separables System voraus und können dann für (3.111) schreiben: # dWj qj ; α dqj = Jj (α) . (3.112) Jj = dqj Jj stellt also den Zuwachs der Erzeugenden W dar, den diese pro qj -Umlauf erfährt. In (3.112) ist qj lediglich eine Integrationsvariable, sodass die Wirkungsvariable Jj also in der Tat nur von den Konstanten α1 , α2 , . . . , αS abhängt und damit als neuer Impuls p¯ j brauchbar ist. Da die Variablenpaare (qj , pj ) unabhängig voneinander sind, sind es natürlich auch die Jj . Die Umkehrung von (3.112) liefert: j = 1, 2, . . . , S . (3.113) αj = αj J1 , . . . , JS , Damit wird die Hamilton’sche charakteristische Funktion W von den J1 , . . . , JS abhängig: W = W q1 , . . . , qS ; J1 , . . . , JS . (3.114) Wegen (3.64) H = H = α1 (J)
(3.115)
192
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
pj
Abb. 3.6. Wirkungsvariable für den Spezialfall einer
qj
q j0
zyklischen Koordinate
ist dann auch die neue Hamilton-Funktion ausschließlich eine Funktion der Jj : H = H J1 , . . . , JS .
(3.116)
Einen Spezialfall stellt zyklisch
qj
⇐⇒
pj = const
dar, da dann die Phasenbahn parallel zur qj -Achse verläuft. Diesem Grenzfall einer periodischen Bewegung kann eine willkürliche Periode qj0 zugeordnet werden. Da qj bei Rotationen meistens einen Winkel darstellt, vereinbart man qj0 = 2π. Dies bedeutet für die zugehörige Wirkungsvariable: J j = 2π pj ,
falls qj zyklisch .
(3.117)
Wir kommen nun zur Winkelvariablen ωj , die man als die zu Jj konjugierte Variable einführt: p¯ j = Jj ⇐⇒ q¯ j = ωj ,
j = 1, 2, . . . , S .
Nach Konstruktion (s. (3.116)) sind alle q¯ j zyklisch. Die ωj lassen sich aus W ableiten:
ωj =
∂W , ∂Jj
j = 1, 2, . . . , S .
(3.118)
Mit der Hamilton’schen Bewegungsgleichung für q˙¯ j folgt:
ω˙ j =
∂ H(J) = νj J1 , . . . , JS = const . ∂Jj
(3.119)
Die Integration ist dann trivial:
ωj = νj t + βj ,
j = 1, 2, . . . , S .
(3.120)
Dies entspricht dem in Abschn. 3.3 erläuterten Verfahren. Darin besteht aber nicht der besondere Vorteil dieser Methode. Dieser wird klar, wenn man sich einmal die
3.5
Wirkungs- und Winkelvariable
193
physikalische Bedeutung der Wirkungs- und Winkelvariablen anschaut. Wir berechnen zu diesem Zweck die Änderung von ωi bei einer Änderung der Koordinaten qj über einen vollen Zyklus:
Δj ωi =
#
dωi =
#
j
=
∂ ∂Ji
#
∂ωi dq = ∂qj j
#
∂2 W dq = ∂qj ∂Ji j
∂W ∂ dq = J . ∂qj j ∂Ji j
ωi ändert sich also nur, wenn qj = qi ist, und dann gerade um 1: Δj ωi = δij .
(3.121)
Dies bedeutet mit (3.120), wenn τi die Periode von qi ist:
Δi ωi = νi τi = 1 .
(3.122)
Es ist also: νi =
1
τi
:
Frequenz der zu qi gehörenden periodischen Bewegung .
Hierin liegt die eigentliche Bedeutung der Methode der Wirkungs- und Winkelvariablen, die eine Bestimmung der Frequenzen periodischer Bewegungen gestattet, ohne die vollständige Lösung für die Systembewegung präparieren zu müssen. Man kann die Frequenzen ν direkt berechnen, ohne zurück auf die eigentlichen Koordinaten transformieren zu müssen. Unser Standardbeispiel linearer harmonischer Oszillator soll erneut dazu dienen, das Verfahren zu demonstrieren. Die Phasenbahn ist eine Ellipse, das System also periodisch. Aus H=H=
1 2 1 p + m ω20 q2 = α1 2m 2
folgt: p = ±m ω0
dW 2α1 − q2 = . 2 dq m ω0
Die Nullstellen des Radikanden definieren die Umkehrpunkte: 2α1 . q± = ± m ω20
194
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
Auf dem Weg q− −→ q+ ist p > 0, auf dem Rückweg q+ −→ q− dagegen p < 0. Damit können wir die Wirkungsvariable berechnen: # q+ q+ 2α1 J = p dq = 2 p dq = 2m ω0 − q2 dq = m ω20 q−
q−
⎤$q+ $ $ 2 α α 1 q 1 1 2 $ = 2π α1 . ⎣ ⎦ −q + arcsin = 2m ω0 q $ 2 2 2 α 1 2 ω0 m ω0 m ω0 $ 2 ⎡
m ω0
q−
Die neue Hamilton-Funktion des linearen harmonischen Oszillators hat damit die einfache Gestalt: H = α1 =
ω0 J. 2π
(3.123)
Für die Frequenz ν der periodischen Bewegung folgt dann das erwartete Ergebnis: ν=
∂H 1 = ω . ∂J 2π 0
(3.124)
3.5.3 Das Kepler-Problem Das Beispiel des harmonischen Oszillators diente nur der Illustration. Der volle Nutzen der Methode zeigt sich erst bei anspruchsvolleren Problemen der Planetenund Atommechanik. Das Kepler-Problem ist durch das Potential
V(r) = −
k r
(k > 0)
(3.125)
charakterisiert. Konkrete Realisierungen sind zum Beispiel: k = γ m M ⇐⇒ Gravitation q1 q2 ⇐⇒ Coulomb k= 4 π ε0
((2.56), Bd. 1) , ((2.11), Bd. 3)
(3.126)
Die Hamilton-Funktion lautet in den wegen (3.125) angemessenen Kugelkoordinaten, wenn man (2.45) benutzt: 1 1 1 k H= (3.127) p2r + 2 p2ϑ + 2 2 p2ϕ − . 2m r r sin ϑ r Für die verallgemeinerten Impulse hatten wir bereits in (2.44) gefunden: pr = m ˙r ,
(3.128)
˙ , pϑ = m r2 ϑ
(3.129)
˙ = Lz = const . pϕ = m r2 sin2 ϑ ϕ
(3.130)
3.5
Wirkungs- und Winkelvariable
195
ϕ ist zyklisch. Deswegen ist die z-Komponente des Drehimpulses pϕ = Lz eine Konstante der Bewegung. Damit lautet die HJD: % & 1 1 k ∂W 2 1 ∂W 2 ∂W 2 + 2 + 2 2 − = α1 = E . 2m ∂r r ∂ϑ r sin ϑ ∂ϕ r
(3.131)
Das Problem ist separierbar: W = Wr (r) + Wϑ (ϑ) + Wϕ (ϕ) .
(3.132)
Da ϕ zyklisch ist, wählen wir für Wϕ die identische Transformation: Wϕ = αϕ ϕ ,
(3.133)
αϕ = pϕ = Lz = const .
(3.134)
Wir sortieren die HJD (3.131) passend um: 1 2 r 2m
dWr dr
2
1 −kr − Er = − 2m
%
2
dWϑ dϑ
2 +
α2ϕ
&
sin2 ϑ
.
Die linke Seite ist nur von r, die rechte nur von ϑ abhängig. Jede Seite muss also für sich bereits konstant sein: α2ϕ dWϑ 2 + = α2ϑ = const (3.135) dϑ sin2 ϑ k dWr 2 α2ϑ (3.136) + 2 = 2m E + dr r r
α1 , αϑ , αϕ sind die drei gesuchten Integrationskonstanten. Man überzeugt sich leicht, dass es sich bei α2ϑ um das Quadrat des Gesamtdrehimpulses handelt: ˙ + sin ϑ cos ϑ cos ϕ ϕ˙ , Lx = y pz − z py = −m r2 sin ϕ ϑ ˙ − sin ϑ cos ϑ sin ϕ ϕ˙ , Ly = z px − x pz = m r2 cos ϕ ϑ
˙ . Lz = x py − y px = m r2 sin2 ϑ ϕ Damit gilt: ˙ 2 + sin2 ϑ ϕ˙ 2 = p2 + |L|2 = L2x + L2y + L2z = m2 r4 ϑ ϑ
p2ϕ
sin2 ϑ
.
(3.137)
Der Vergleich mit (3.135) zeigt:
α2ϑ = |L|2 .
(3.138)
196
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
α1 (3.131), αϕ (3.134) und αϑ (3.138) sind also Integrationskonstanten mit elementarer physikalischer Bedeutung. Wir können nun daran denken, die Wirkungsvariablen zu berechnen: # # # dWϕ dϕ = αϕ dϕ , Jϕ = pϕ dϕ = dϕ # # # α2 dWϑ Jϑ = pϑ dϑ = dϑ = α2ϑ − 2ϕ dϑ , dϑ sin ϑ # # # α2 dWr k 2m E + dr = − 2ϑ dr . Jr = pr dr = dr r r
(3.139)
(3.140)
(3.141)
Wir wollen diese Ausdrücke nacheinander detailliert auswerten. Jϕ ist sehr einfach: Jϕ = 2π αϕ .
(3.142)
Bei der Berechnung von Jϑ ist zu beachten, dass pϑ als Impuls reell sein muss. pϑ = αϕ a2 − a2 =
1 , sin2 ϑ
α2ϑ ≥1. α2ϕ
Es gibt also Umkehrpunkte mit sin ϑ1,2 = |a|−1 ≤ 1 . In (3.140) haben wir deshalb einmal die positive, einmal die negative Wurzel zu nehmen: 1 2˙ ϑ1 −→ ϑ2 : pϑ = m r ϑ > 0 : + a2 − 2 , sin ϑ
ϑ2 −→ ϑ1 :
pϑ < 0 :
−
a2 −
1 . sin2 ϑ
sin ϑ 1
a
−1
ϑ1
π 2
ϑ2 π
ϑ
Abb. 3.7. Zur Festlegung der Integrationsgrenzen bei der Berechnung der Wirkungsvariablen Jϑ des Kepler-Problems
3.5
Wirkungs- und Winkelvariable
197
Es bleibt dann zu berechnen: ϑ2 Jϑ = 2αϕ + a2 − ϑ1
1 dϑ = 2i αϕ sin2 ϑ
√ Δ = 1 − a2 sin2 ϑ .
ϑ2 ϑ1
Δ dϑ , sin ϑ
Einer guten Integraltafel entnimmt man: ϑ2 ϑ1
' ($ϑ2 $ 1 Δ + cos ϑ dϑ = − ln + a ln(a cos ϑ + Δ) $$ . sin ϑ 2 Δ − cos ϑ ϑ1
Δ
Mit
ϑ2 = π − ϑ1 ; cos ϑ1 = − cos ϑ2 ; Δ ϑ1 = Δ ϑ2 = 0 folgt weiter: ϑ2 ϑ1
Δ
sin ϑ
dϑ = (1 − a) ln(−1) = ±i π(a − 1) .
Jϑ muss insgesamt positiv sein, deswegen gilt hier das untere Vorzeichen: Jϑ = 2π αϑ − αϕ .
(3.143)
Man beachte, dass die beiden Winkelanteile Jϕ , Jϑ noch völlig unabhängig vom Typ des Zentralfeldes sind. Die Form (3.125) ging noch an keiner Stelle in die Rechnung ein. Das geschieht erst bei der noch verbleibenden Bestimmung des Jr -Integrals. Bevor wir dies tun, wollen wir jedoch das Ergebnis (3.143) noch einmal auf andere, etwas elegantere Art ableiten. Wir nutzen aus, dass die Bewegung in einer festen Bahnebene erfolgt, da Lz = const und die z-Richtung durch nichts ausgezeichnet ist, sodass sogar L = const sein muss. Dann können wir aber den Zuwachs dW der Erzeugenden in zwei verschiedenen Koordinatensätzen berechnen: 1. Kugelkoordinaten (r, ϑ, ϕ): pϕ = Lz = αϕ = const . 2.
Ebene Polarkoordinaten der Bahnebene (ρ, ϕ): pϕ = Lz = |L| = αϑ = const .
Im letzten Schritt haben wir noch (3.138) benutzt: ⎛ ⎞ ∂W ˙ ⎟ dW ⎜ ∂W q˙ j + pj q˙ . p¯ j ⎠ = = ⎝ dt ∂qj ∂p¯j *+,j j =0
198
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
Mit dieser Beziehung können wir für dW schreiben: dW = pr dr + pϕ dϕ + pϑ dϑ = pρ dρ + pϕ dϕ . Da die Radialanteile natürlich in beiden Koordinatensystemen dieselben sind, gilt weiter: pϑ dϑ = pϕ dϕ − pϕ dϕ = αϑ dϕ − αϕ dϕ . Damit berechnet sich die Wirkungsvariable Jϑ wie in (3.143) zu # # # Jϑ = pϑ dϑ = αϑ d ϕ − αϕ d ϕ = 2π(αϑ − αϕ ) . Es bleibt schließlich noch das Jr -Integral zu berechnen. Für dieses gilt nach (3.141) bis (3.143): 2 # Jϕ + Jϑ k Jr = 2m E + dr = − r 4 π2 r 2 # = 2m E − Veff (r) dr , (3.144) 2 Jϕ + Jϑ k . Veff (r) = − + r 8 π2 m r 2
(3.145)
Veff
( J ϕ + J ϑ )2 8π 2mr 2
r1
r2
r
E
Veff
Im r
−
k r r Re r
Abb. 3.8. Illustration des Integrationsweges für die Berechnung der Wirkungsvariablen Jr des Kepler-Problems
3.5
Wirkungs- und Winkelvariable
199
Für gebundene Zustände, die wir hier voraussetzen wollen (periodische Bewegung), muss E<0 sein. Die Umkehrpunkte r1,2 ergeben sich als Nullstellen des Radikanden in (3.144): 0 < r1 ≤ r ≤ r2 < ∞ . Wir haben hier erneut zu beachten, dass ⎧ ⎨> 0 für r −→ r , 1 2 pr = m˙r ⎩ < 0 für r2 −→ r1 .
(3.146)
Man hat also in (3.144) einmal die positive, einmal die negative Wurzel zu nehmen. Die direkte Integration ist ziemlich umständlich. Es ist deshalb empfehlenswert, eine komplexe Integration durchzuführen. Die entsprechende Technik werden wir in Abschn. 4.4 von Band 3 dieser Reihe im Detail vorstellen. Wir müssen hier also etwas vorgreifen. Der Leser, dem die komplexe Integration nicht vertraut ist, möge die nächsten Zeilen bis Gleichung (3.150) überspringen. Wir wählen den in Abb. 3.8 angedeuteten Integrationsweg in der komplexen r-Ebene. Da die Funktionswerte auf dem Hinweg (r1 → r2 ) positiv sind und auf dem Rückweg (r2 → r1 ) negativ, enthält die Integration beide Zweige der zweideutigen Wurzelfunktion. In dem beim Umfahren des Integrationsweges zur linken Hand liegenden Gebiet ist die Funktion jedoch eindeutig. Lediglich an der Schnittkante zwischen den beiden Verzweigungspunkten r1 , r2 haben die Funktionswerte eine Unstetigkeit. Wenn wir den skizzierten Integrationsweg auf die Strecke r1 r2 zusammenziehen, erhalten wir mit Hilfe des Residuensatzes ((4.321), Bd. 3): Jr = 2π i · (Residuen der zur linken Hand liegenden Pole) . Der Integrand in (3.144) hat in dem interessierenden Gebiet Pole bei r = 0 und r = ∞: Jr = 2π i a−1 (0) + a−1 (∞)
(3.147)
(a−1 : Symbol für das Residuum). / Betrachten wir zunächst den 0 Pol bei r = 0. Dort verhält sich der Integrand wie (1 + x)−1|2 = 1 − (1|2)x + 0(x2 ) : & % 2m i 1 m α ϑ 2 2 2 −αϑ 1 − 2 (E r2 + k r) = 1 − 2 (E r + k r) + 0(r ) . r r αϑ αϑ Das Residuum lautet also: a−1 (0) = i αϑ .
(3.148)
200
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
Um die Stelle r = ∞ zu diskutieren, transformieren wir: r=
1 1 ⇒ dr = − 2 du . u u
r → ∞ bedeutet also u → 0. Der Integrand in (3.144) schreibt sich nun: 1√ − 2 2mE u
α2ϑ u2 α2ϑ u2 k k 1√ 2 1+ u− = − 2 2mE 1 + u − + 0(u ) . E 2mE u 2E 4mE
Das Residuum ist der Koeffizient zum (1|u)-Term: √ i 1 k =− k a−1 (∞) = − 2m E 2 E 2
2m . −E
Wir setzen (3.148) und (3.149) in (3.147) ein und haben dann: 2m Jr = −2π αϑ + π k . −E
(3.149)
(3.150)
Wegen αϑ = (1|2π)(Jϑ + Jϕ ) können wir auch schreiben: Jr = −(Jϑ + Jϕ ) + π k
2m . −E
(3.151)
Da H = E = α1 gilt, können wir nun die neue Hamilton-Funktion durch die Wirkungsvariablen ausdrücken: 2π 2 m k 2 H Jr , Jϑ , Jϕ = − 2 . Jr + Jϑ + Jϕ
(3.152)
Die drei Frequenzen, νj =
∂H , ∂Jj
j = r, ϑ, ϕ ,
der periodischen Bewegung sind offensichtlich alle gleich: 4π2 m k2 ν= 3 . Jr + Jϑ + Jϕ
(3.153)
Man sagt, die Bewegung sei vollständig entartet. Sie ist einfach periodisch. Für ein Potential der Form (3.125) ist die Bahn bei negativer Gesamtenergie E geschlossen. Nach einer Periode nehmen die Winkel ϑ, ϕ und der Radius r wieder ihre Ausgangswerte an. Man beachte, dass die Entartung bezüglich der Winkel ϑ und ϕ bereits eine Eigenschaft aller Zentralfelder ist. Das erkennt man an (3.144), wo E mit Jϕ , Jϑ in der
3.5
Wirkungs- und Winkelvariable
201
Form (Jϕ + Jϑ ) verknüpft ist, ohne dass wir V(r) = V(r) hätten spezifizieren müssen. Wir können mit (3.151) und (3.153) noch ein interessantes Nebenergebnis ableiten: 3 (2m)3|2 , Jr + Jϑ + Jϕ = π3 k3 −E3|2 m 1 τ = = πk . ν −2E3
(3.154)
Die Periode der Bewegung hängt also mit der großen Halbachse, a=−
k , 2E
auf die folgende Art zusammen:
τ2 ∼ a3 .
(3.155)
Diese Beziehung kennen wir als drittes Kepler’sches Gesetz ((2.279), Bd. 1). 3.5.4 Entartung Wir haben in Abschn. 3.5.1 die Bewegung eines Systems im 2S-dimensionalen Phasenraum periodisch genannt, wenn die Projektion der Bahn auf jede der S (qj , pj )-Ebenen periodisch im Sinne einer Libration oder Rotation ist, wobei die Frequenzen
νj =
1
τj
,
(3.156)
j = 1, 2, . . . , S
durchaus verschieden sein können. Einfach periodisch heißt die Phasenbahn, wenn nach einer hinreichend langen Zeit die Phase wieder ihren Ausgangswert annimmt. Dazu müssen allerdings die Frequenzen νj rationale Vielfache voneinander sein. Andernfalls heißt die Phasenbahn bedingt periodisch. Wenn die Frequenzen νj in rationalen Verhältnissen zueinander stehen, dann gibt es (S − 1) unabhängige Beziehungen der Art: S
n(l) j νj = 0 ,
l = 1, 2, . . . , S − 1 ,
n(l) j ∈Z.
(3.157)
j=1
Man sagt, das System sei m-fach entartet, wenn es m ≤ (S − 1) Beziehungen dieser Art gibt. Vollständig entartet ist die Bewegung bei m = S − 1. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn wie beim Kepler-Problem alle νj gleich sind. Eine einfach periodische, d. h. geschlossene Phasenbahn ist also stets vollständig entartet. Bei m-facher Entartung können die m Entartungsbedingungen benutzt werden, um die periodische Bewegung statt durch S nur durch (S − m) Frequenzen zu beschreiben. Das lässt sich wie folgt bewerkstelligen: Man führt eine kanonische Transformation (3.158) (ω, J) −→ ω, J
202
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
mit der Erzeugenden S m S F2 ω, J = J l n(l) ω + J l ωl . j j l=1 j=1
(3.159)
l=m+1
durch. Der zweite Summand entspricht der identischen Transformation (2.176): ⎧ 1 ∂F2 ⎨ Sj= 1 n(l) j ωj für l = 1, . . . , m , (3.160) ωl = = ∂J l ⎩ωl für l = m + 1, . . . , S . Für die neuen Frequenzen haben wir dann: ⎧ ⎨1S n(l) ν = 0 für l = 1, . . . , m , j j=1 j ˙ νl = ωl = ⎩ für l = m + 1, . . . , S . νl
(3.161)
Nach der Transformation gibt es also nur noch S − m unabhängige, von Null verschiedene Frequenzen. In der ersten Zeile in (3.161) stehen gerade die m Entartungsbedingungen. Da andererseits stets
∂H ∂J j
νj =
gelten muss, kann die Hamilton-Funktion immer so geschrieben werden, dass sie nur von S − m Wirkungsvariablen abhängt: H = H J m+1 , . . . , J S . (3.162) Für die im letzten Kapitel untersuchte Kepler-Bewegung ist S = 3, und es liegen zwei Entartungsbedingungen vor: νϕ − νϑ = 0 ;
νϑ − νr = 0 .
Dies führt gemäß (3.159) zu der folgenden Erzeugenden: F2 = ωϕ − ωϑ J 1 + ωϑ − ωr J 2 + ωr J 3 .
(3.163)
(3.164)
Mit (3.160) folgt weiter:
ω1 = ωϕ − ωϑ ; ω2 = ωϑ − ωr ; ω3 = ωr .
(3.165)
Dies bedeutet wegen (3.163) für die Frequenzen: ν1 = ν2 = 0 ;
ν 3 = νr .
Die Erzeugende F2 legt auch die neuen Wirkungsvariablen fest; denn Jj =
∂F2 ∂ωj
(3.166)
3.5
Wirkungs- und Winkelvariable
203
führt mit (3.164) zu: Jϕ = J 1 ;
Jϑ = −J 1 + J 2 ;
Jr = −J 2 + J 3 .
Aufgelöst nach den J j ergibt dies: J 1 = Jϕ ;
J 2 = Jϕ + J ϑ ;
J 3 = Jϕ + Jϑ + Jr .
(3.167)
Die transformierte Hamilton-Funktion H hängt damit nur noch von einer Wirkungsvariablen ab (3.152): H=−
ν=
2π2 m k2 2 J3
= H J3 ,
(3.168)
∂H 4π2 m k2 = . 3 ∂J 3 J3
(3.169)
3.5.5 Bohr-Sommerfeld’sche Atomtheorie Den vielleicht spektakulärsten Erfolg der Methode der Wirkungs- und Winkelvariablen stellt die Bohr’sche Atomtheorie dar, deren Quantenhypothese sich am einfachsten über Wirkungsvariable formulieren lässt. Definition 3.5.1 J heißt Eigenwirkungsvariable, falls die zugehörige Frequenz ungleich Null und nicht entartet ist.
Im Beispiel des letzten Abschnitts ist J 3 eine solche Eigenwirkungsvariable. In der Klassischen Mechanik gibt es keine Beschränkung bezüglich des Wertebereichs von J. Experimentelle Beobachtungen im Rahmen der Atomphysik erfordern dagegen das Aufstellen der klassisch nicht beweisbaren Quantenhypothese. Wenn J eine Eigenwirkungsvariable ist, dann ist die Systembewegung nur auf solchen Bahnen zugelassen, für die gilt: (3.170)
J = nh , n ∈ N, h = 6,626176 · 10−34 Js (Planck’sches Wirkungsquantum). Wir betrachten als Beispiel das Wasserstoff-Atom ⇐⇒ Kepler-Problem mit k =
e2 4π ε0
.
Die Energie des Hüllenelektrons ist nach (3.168): 2 π2 m e4 E = − 2 2 . 4π ε0 J 3
(3.171)
3.5.1
204
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
Sie ist gequantelt, da J 3 eine Eigenwirkungsvariable darstellt. En = −
ER , n2
(3.172)
n = 1, 2, . . . ,
2 π2 m e4 ER = = 13,61 eV , 2 4π ε0 h2
Rydberg-Energie .
(3.173)
n ist die so genannte Hauptquantenzahl. Gleichung (3.172) entspricht exakt dem korrekten quantenmechanischen Resultat.
3.6
3.6 Der Übergang zur Wellenmechanik Die Anwendung der Klassischen Mechanik auf atomistische Probleme hat in der Bohr-Sommerfeld’schen Atomtheorie zu spektakulären Erfolgen geführt, hinterlässt jedoch auch gravierende Diskrepanzen zwischen Theorie und Experiment, ist insbesondere auf willkürlich erscheinende Hypothesen aufgebaut. Wir brauchen so etwas wie eine Verallgemeinerung der makroskopisch korrekten Klassischen Mechanik, um auch mikroskopische (atomare) Systeme beschreiben zu können. Dies wurde bereits in Abschn. 2.4.5 andeutungsweise versucht, als wir über die klassische Poisson-Klammer auf eine übergeordnete mathematische Struktur geschlossen haben, die neben der Klassischen Mechanik weitere Realisierungen zulässt, zum Beispiel die Quantenmechanik in Form der so genannten Matrizenmechanik. Wir werden jetzt eine Analogiebetrachtung zur Optik benutzen, um die Klassische Mechanik als Grenzfall der Quantenmechanik in Form der so genannten Wellenmechanik zu interpretieren: Klassische Mechanik
Poisson-Klammer abstraktes Klammerverhältnis {…, …}
Hamilton-JacobiTheorie, Analogie zur Optik
Matrizenmechanik (Heisenberg)
Wellenmechanik (Schrödinger) Quantenmechanik
3.6
Der Übergang zur Wellenmechanik
205
3.6.1 Wellengleichung der Klassischen Mechanik Die folgenden Betrachtungen gelten für Systeme mit
H = T + V = E = const ,
(3.174)
d. h., die Hamilton-Funktion ist nicht explizit zeitabhängig, und es liegen auch keine rheonomen Zwangsbedingungen vor. Nach (3.45) können wir dann die Zeitabhängigkeit der Wirkungsfunktion abseparieren: S q, p¯ , t = W q, p¯ − E t .
(3.175)
Zur Erinnerung: S ist eine Erzeugende vom Typ F2 , die zu H = 0 und damit zu p¯ = const, q¯ = const führt. Die charakteristische Funktion W(q, p¯ ) ist zeitunabhängig, und wegen p¯ = α = const gilt somit: W = const ⇐⇒ feste Fläche im Konfigurationsraum . Die Flächen S = const bewegen sich dagegen im Konfigurationsraum, sie schieben sich mit der Zeit t über die festliegenden W-Flächen hinweg. Sie bilden im Konfigurationsraum fortschreitende Wellenfronten der so genannten Wirkungswellen.
S (t1 )
S (t2 )
S (t3 )
S (t4 )
Abb. 3.9. Wirkungswellenfronten im
W = const
1. 2.
Konfigurationsraum
Wir fragen uns: Mit welcher Geschwindigkeit bewegen sich die S-Flächen? Welche physikalische Bedeutung hat die Bewegung der Wirkungswellen?
Zur Vereinfachung nehmen wir an, dass das betrachtete System aus einem einzigen Teilchen besteht, q = (x, y, z) ,
(3.176)
206
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
sodass der Konfigurationsraum mit dem dreidimensionalen Anschauungsraum übereinstimmt. Die Wellengeschwindigkeit u ist die Fortpflanzungsgeschwindigkeit eines bestimmten Punktes der Front der Wirkungswelle. Da die Flächenkonstanten S mit der Zeit ihre Gestalt ändern werden, ist auch die Wellengeschwindigkeit nicht für alle Punkte der Wellenfront gleich. Man betrachte zwei benachbarte Punkte im Konfigurationsraum bzw. im Ereignisraum: A = (x, y, z)
zur Zeit t ,
B = (x + dx, y + dy, z + dz)
zur Zeit t + dt .
Von A nach B ändert sich die Wirkungsfunktion um dS: dS =
∂S ∂S ∂S ∂S dt + dx + dy + dz = ∂t ∂x ∂y ∂z
= −E dt + ∇W · dr .
(3.177)
Wie schnell müssen wir uns von A nach B bewegen, damit sich die Wirkung S nicht ändert, um also mit der Wirkungswelle mitzuwandern? Aus der Forderung !
dS = 0 = −E dt + (∇W · u) dt folgt mit (3.177): ∇W · u = E .
(3.178)
u ist senkrecht zur Wellenfront orientiert. ∇W steht senkrecht auf der Fläche W = const, ist somit parallel oder antiparallel zu u gerichtet: |u| =
|E| . |∇W|
(3.179)
W ist eine Erzeugende vom Typ F2 . Nach den allgemeinen Transformationsformeln (2.161) gilt deshalb in unserem Fall hier für den Teilchenimpuls p: p = ∇W .
(3.180)
Der Teilchenimpuls und damit die gesamte Teilchenbahn verlaufen also ebenfalls senkrecht zur Wellenfront S = const, bzw. W = const Wirkungswellen- und Teilchengeschwindigkeit sind also (anti-)parallel! Für die Beträge gilt u=
|E| |E| |E| = = |∇W| p mv
3.6
Der Übergang zur Wellenmechanik
207
und damit: uv =
|E| = const . m
(3.181)
Teilchen- und Wirkungswellengeschwindigkeit sind also (anti-)parallel orientiert, wobei ihre Beträge umgekehrt proportional zueinander sind. Grenzfälle: E=T ⇒ u=
v , 2
(3.182)
E = V ⇒ u = ∞, da v = 0 .
(3.183)
Wir ziehen ein erstes Fazit: Es gibt offensichtlich zwei Arten von Bewegungen, die für die Beschreibung des Systems vollkommen äquivalent sind: 1) Eigentliche Teilchenbewegung, 2) Wirkungswellen. Hier deutet sich ein Teilchen-Welle-Dualismus an, der für die Quantenmechanik grundlegend wichtig werden wird. Um diesen Aspekt weiter zu vertiefen, formen wir die vertraute Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung der Teilchenbewegung in eine Wellengleichung für die Wirkungswellen um: u= Die HJD lautet 1 2m
%
|E| |E| |E| =√ =√ . p 2m(E − V) 2m T
∂W ∂x
2
∂W + ∂y
2
∂W + ∂z
(3.184)
2 & +V =E
(3.185)
oder kürzer: |∇W|2 = 2m(E − V) .
(3.186)
Der Vergleich mit (3.184) liefert |∇W|2 =
E2 . u2
(3.187)
Dies stimmt natürlich mit (3.179) überein. Wirkungswellen und Teilchenbewegung sind also beides Lösungen der HJD. Wegen ∇W = ∇S und erhalten wir aus (3.187) die
−E=
∂S ∂t
208
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
Wellengleichung der Klassischen Mechanik 1 ∂S 2 . (∇S)2 = 2 u ∂t
(3.188)
Was haben wir erreicht? Die Wellengleichung (3.188) ist sicher die angemessenste Formulierung der Klassischen Mechanik, wenn es um die Beschreibung atomarer Systeme geht. Sie ist allerdings nicht exakt! Wir suchen deshalb eine neue Theorie, die die Klassische Mechanik als einen gewissen Grenzfall enthält, selbst aber einen größeren Gültigkeitsbereich als diese besitzt. Eine solche Theorie kann natürlich nicht aus unseren bisherigen Kenntnissen der Klassischen Mechanik abgeleitet werden. Wir sind vielmehr gezwungen, einen möglichst plausiblen Ansatz zu konstruieren, dessen Rechtfertigung dann letztlich aus einem Vergleich mit dem experimentellen Befund gefolgert werden muss. Dabei hilft uns nun die obige Formulierung der Klassischen Mechanik in Form einer Wellengleichung. Ein ganz analoges Problem wurde nämlich in der Optik bewältigt. Idee: Ist die Klassische Mechanik im Rahmen der zu suchenden übergeordneten Theorie vielleicht so etwas wie die geometrische Optik in der allgemeinen Lichtwellentheorie? Bei sehr vielen optischen Problemen braucht man nicht die vollständige Lichtwellentheorie anzuwenden. Es reichen Hilfsvorstellungen wie „Lichtstrahlen“ 2 = Bahnen von „Lichtteilchen“ aus, um mit quasigeometrischen Überlegungen vernünftige Resultate zu erzielen. Dieser Vorstellung sind allerdings Grenzen gesetzt, wenn Beugungsphänomene relevant werden. Dann muss Licht als Wellenbewegung aufgefasst werden, bei der Flächen konstanter Phase mit der Geschwindigkeit u durch den Raum wandern. Die angedeutete Analogie wollen wir im Folgenden noch etwas genauer untersuchen.
3.6
Der Übergang zur Wellenmechanik
209
3.6.2 Einschub über Lichtwellen Heute weiß man, dass „Licht“ ein elektromagnetischer Vorgang ist, der durch die
skalare Wellengleichung der Optik ∇ 2ϕ −
n2 ∂2 ϕ =0 c2 ∂t 2
(3.189)
beschrieben wird. Hierin sind:
ϕ :
skalares elektromagnetisches Potential ,
c = 3 · 1010 cm s−1 :
Lichtgeschwindigkeit des Vakuums ,
n :
Brechzahl, i. a. n = n(r) ,
u = c|n :
Lichtgeschwindigkeit im Medium .
Wir suchen nach einfachen Lösungen der Wellengleichung. Dazu setzen wir zunächst n = const voraus. Dann löst der folgende Ansatz (ebene Welle)
ϕ = ϕ0 ei(k · r − ωt)
(3.190)
offenbar die Gleichung, falls noch n 2π ν 2 π = = c u λ
(3.191)
ω = 2π ν ; u = ν λ
(3.192)
k=ω gilt. Dabei haben wir
ausgenutzt. Die Richtung von k (Wellenvektor) definiere die z-Achse. k0 sei der Wellenvektor im Vakuum (n = 1): k = n k0 ;
ω = c k0 .
(3.193)
Wir können damit die Lösung (3.190) auch wie folgt schreiben:
ϕ = ϕ0 ei k0 (nz − ct) .
(3.194)
Es sei nun n = n(r) =/ const . Die Ortsabhängigkeit der Brechzahl verursacht Störungen (Beugungen) der Lichtwelle; die ebene Welle (3.194) ist nicht mehr Lösung von (3.189). Wir nehmen an, dass
210
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
n nur schwach räumlich veränderlich ist, sodass n ≈ const über Gebiete der Ausdehnung λ angenommen werden darf. Dann sollte ϕ noch angenähert die Gestalt (3.194) haben. Man macht deshalb den Ansatz: (3.195) ϕ = exp A(r) + i k0 L(r) − c t . Der erste Term legt die Amplitude fest, ist somit natürlich konstant für n = const. Man nennt L(r) :
„Lichtweg“, „Eikonal“
mit L(r) = nz, falls n = const. Wir setzen den Ansatz (3.195) nun in die Wellengleichung (3.189) ein: 3 4 ∇ ϕ = ϕ ∇ A(r) + i k0 L(r) , / 2 0 ∇ 2 ϕ = ϕ ∇ A(r) + i k0 L(r) + ∇ 2 A(r) + i k0 L(r) = =ϕ
/ 2 2 ∇ A(r) − k02 ∇ L(r) + 2i k0 ∇ A(r) · ∇ L(r) +
0 +∇ 2 A(r) + i k0 ∇ 2 L(r) . Die Wellengleichung (3.189) liefert somit: 3 4 0 = i k0 ∇ 2 L(r) + 2 ∇ A(r) · ∇ L(r) + / 0 2 2 + ∇ 2 A(r) + ∇ A(r) − k02 ∇ L(r) + n2 k02 . Real- und Imaginärteil dieser Beziehung müssen für sich genommen bereits verschwinden: (3.196) ∇ 2 L(r) + 2 ∇ A(r) · ∇ L(r) = 0 , 2 2 =0. (3.197) ∇ 2 A(r) + ∇ A(r) + k02 n2 − ∇ L(r) Noch ist alles exakt. Die Annahmen der geometrischen Optik lassen sich nun wie folgt formulieren: A(r) : schwach r-abhängig ,
λ0 << Änderungen im Medium .
3.6
Der Übergang zur Wellenmechanik
211
λ0 ist die Lichtwellenlänge im Vakuum. Wegen k02 = 4π2 |λ20 dominiert dann der letzte Term in (3.197). Das ergibt in guter Näherung die so genannte Eikonalgleichung der geometrischen Optik 2 c2 ∇ L(r) = n2 = 2 . u
(3.198)
Die Lösungen definieren Flächen konstanter Phase (L = const), d. h. Wellenfronten. Die Strahlentrajektorien (Lichtstrahlen) verlaufen senkrecht zu diesen Wellenfronten. Die Eikonalgleichung (3.198) ist formal identisch mit der Wellengleichung (3.188) der Klassischen Mechanik. Zwischen der Klassischen Mechanik und der geometrischen Optik besteht insofern eine Analogie, als die Klassische Mechanik über die Wirkungsfunktion S (bzw. W) dieselben Aussagen macht wie die geometrische Optik über das Eikonal L. 3.6.3 Der Ansatz der Wellenmechanik Die Überlegungen des letzten Abschnitts legen den folgenden Versuch einer Verallgemeinerung der Klassischen Mechanik nahe:
Klassische Mechanik ⇐⇒ geometrisch-optischer Grenzfall einer Wellenmechanik. Wir erweitern die bisherige Theorie in dem Sinne, dass wir nun die Teilchenbewegung als Wellenbewegung interpretieren. Die endgültige Rechtfertigung für diese Vorstellung können wir natürlich nur aus einem späteren Vergleich zwischen Theorie und Experiment ableiten. Wir benutzen, zunächst versuchsweise, die folgenden Zuordnungen: (∇W)2 =
E2 ⇐⇒ (∇L)2 = n2 u2
(3.199)
W ⇐⇒ L
(3.200)
c |E| 5 = 2m(E − V) ⇐⇒ n = . u u
(3.201)
Dies soll nicht etwa bedeuten, dass die einzelnen Terme exakt gleich wären. Sie sollen einander nur entsprechen. Sie könnten zum Beispiel proportional zueinander sein. Falls das Teilchen wirklich als Welle interpretierbar ist, so sollten wir ihm auch eine Wellenlänge λ und eine Frequenz ν zuordnen können. Nach (3.200) ist W zu L analog. Dann dürfte aber S = W −Et
212
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
der gesamten Phase k0 (L − c t) in (3.195) entsprechen. Das bedeutet E ∼ c k0 und damit E∼ν. Der Proportionalitätsfaktor muss die Dimension einer Wirkung haben: E = hν .
(3.202)
Dies ist das Energiespektrum der Teilchenwelle. Weiter gilt: u = λν ⇒ λ =
u E|p = . ν E|h
Die Wellenlänge des Teilchens kann also als
λ=
h p
(3.203)
festgelegt werden. Das Experiment bestätigt diese Relationen, falls nur h: Planck’sches Wirkungsquantum (3.170). Wir sehen, dass Energie und Impuls des Teilchens Frequenz und Wellenlänge der Teilchenwelle festlegen. Damit lässt sich also die Teilchenbewegung als Wellenbewegung interpretieren. Wir wollen nun die Klassische Mechanik genauso zu einer Wellenmechanik ausbauen, wie man die geometrische Optik zur Wellenoptik ergänzt hat. Zur Wellenoptik gelangt man durch exaktes Lösen der Wellengleichung (3.189). Mit
ϕ ≈ e−iωt
(3.204)
wird daraus eine zeitunabhängige Wellengleichung ∇2ϕ +
ω2 u
ϕ = ∇ 2ϕ + 2
4π2
λ2
ϕ=0.
(3.205)
ϕ beschreibt gewissermaßen den Zustand der Lichtwelle. Analog möge der Zustand des Teilchens durch die Wellenfunktion ψ = ψ(r, t) beschrieben sein, wobei eine genauere physikalische Interpretation der Disziplin Quantenmechanik vorbehalten sei. Dann folgt mit 4π2
λ2
=
4π2 2 1 p = 2 2m(E − V) ; 2 h h¯
h¯ =
h 2π
3.6
Der Übergang zur Wellenmechanik
213
durch Analogie aus der Wellengleichung (3.205) 2m (E − V)ψ = 0 . h¯2 Dies ist die berühmte zeitunabhängige
Δψ +
(3.206)
Schrödinger-Gleichung, die die gesamte Quantenmechanik regiert. Wir multiplizieren schließlich noch (3.206) mit h¯2 |2m: 2 h¯ − Δ + V(r) ψ(r, t) = E ψ(r, t) . 2m
(3.207)
dies ist eine Eigenwertgleichung für den so genannten Hamilton-Operator h¯2 Δ + V(r) , 2m
(3.208)
H ψ(r, t) = E ψ(r, t) .
(3.209)
H=−
Dieser ergibt sich aus der klassischen Hamilton-Funktion H(q, p), indem man die dynamischen Variablen q, p durch entsprechende Operatoren ersetzt. Offensichtlich gilt die folgende Zuordnung (Ortsdarstellung): qˆ ⇒ r ;
pˆ ⇒
h¯ ∇. i
(3.210)
Wir beschließen dieses Kapitel mit einer schematischen Zusammenfassung unserer Schlussfolgerungen:
allgemeine Lichtwellentheorie
∂2ϕ ∇ ϕ= 2 2 c ∂t 2
n2
Wellenmechanik postuliert!
Spezialfall
h E = hν p Schrödinger-Gleichung
λ= ;
Spezialfall postuliert!
gezeigt!
geometrische Optik (∇ L) = n 2
2
Analogie gezeigt!
Klassische Mechanik 1 ∂S 2 (∇ S)2 = 2 u ∂t
( )
214
3.7
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
3.7 Aufgaben
3.7.1
Aufgabe 3.7.1 Formulieren Sie die Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung für ein kräftefreies Teilchen und lösen Sie diese für die charakteristische Funktion W.
3.7.2
Aufgabe 3.7.2 Stellen Sie die Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung für die eindimensionale Bewegung eines Teilchens der Masse m im Potential
V(x) = −b x auf und lösen Sie das Bewegungsproblem mit den Anfangsbedingungen x(t = 0) = x0 ;
3.7.3
x˙ (t = 0) = v0 .
Aufgabe 3.7.3 Ein Teilchen der Masse m führe eine eindimensionale Bewegung im Potential
V(q) = c eγ q
c, γ ∈ R
durch. Berechnen Sie q(t) und p(t) nach der Hamilton-Jacobi-Methode. Benutzen Sie als charakteristische Funktion W(q, pˆ ) eine Erzeugende vom Typ F2 (q, pˆ ).
3.7.4
Aufgabe 3.7.4 Ein Teilchen der Masse m führe eine zweidimensionale Bewegung in der x-y-Ebene im Potential
V(x, y) = c(x − y) (c = const) durch. Lösen Sie die Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung für die charakteristische Funktion W(x, y, pˆ x , pˆ y ). Benutzen Sie die Anfangbedingungen: x(t = 0) = y(t = 0) = 0 x˙ (t = 0) = v0x > 0 y˙ (t = 0) = 0 .
3.7.5
Aufgabe 3.7.5 Stellen Sie für den zweidimensionalen harmonischen Oszillator in kartesischen Koordinaten die Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung auf und lösen Sie diese. Finden Sie x(t) und y(t).
3.7
Aufgaben
215
Aufgabe 3.7.6 Gegeben sei der lineare harmonische Oszillator:
H=
3.7.6
1 p2 + mω20 q2 2m 2
Führen Sie im Rahmen der Hamilton-Jacobi-Theorie eine kanonische Transformation der Gestalt durch, dass die „neue“ Koordinate qˆ und der „neue“ Impuls pˆ Konstante der Bewegung sind: S
(q, p) −→ (α, β) . Die Erzeugende S sei vom Typ F3 = F3 (p, qˆ , t). Berechnen Sie q(t) und p(t) mit den Anfangsbedingungen: t = 0 : p0 = 0 ,
q0 > 0 .
In welchem Zusammenhang steht die Erzeugende S mit dem Wirkungsfunktional des Hamiltonschen Prinzips?
Aufgabe 3.7.7 Bestimmen Sie mit Hilfe der Methode der Wirkungs- und Winkelvariablen die Frequenzen eines dreidimensionalen harmonischen Oszillators mit paarweise verschiedenen Kraftkonstanten.
3.7.7
Aufgabe 3.7.8 Betrachten Sie den dreidimensionalen harmonischen Oszillator der letzten Aufgabe für den Fall, dass alle Kraftkonstanten gleich sind. Transformieren Sie das Ergebnis der letzten Aufgabe auf Eigenwirkungsvariable.
3.7.8
216
3.8
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
3.8 Kontrollfragen Zu Abschn. 3.1 1. Welche kanonischen Transformationen kennen Sie, durch die die Integrationen der Hamilton’schen Bewegungsgleichungen quasi-trivial werden können? 2. Wie lautet die Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung? Skizzieren Sie ihre Motivation und ihre Ableitung. 3. Welchen Typ Differentialgleichung stellt die HJD dar? Welche Funktion soll mit ihr bestimmt werden? 4. Wie nennt man die Lösung der HJD? Begründen Sie diese Bezeichnung. 5. Skizzieren Sie das Lösungsverfahren, mit dem sich über die HJD Probleme der Klassischen Mechanik berechnen lassen. Zu Abschn. 3.2 1. Wie lautet die Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung des linearen harmonischen Oszillators? 2. Was versteht man unter einem Separationsansatz? Nennen Sie einen passenden für die Lösung der HJD des linearen harmonischen Oszillators. 3. Von welchem Typ muss die Erzeugende sein, die die HJD erfüllt? Zu Abschn. 3.3 1. Wann ist ein Separationsansatz für die HJD-Lösung, der q- und t-Abhängigkeiten voneinander trennt, sinnvoll? 2. Wie ist die Hamilton’sche charakteristische Funktion definiert? 3. Man kann die Hamilton’sche charakteristische Funktion als Erzeugende einer kanonischen Transformation auffassen. Von welchem Typ ist diese Transformation? Was soll sie bewirken? 4. Wann führt die durch die Hamilton’sche charakteristische Funktion bewirkte Transformation auf die Hamilton-Funktion eines Systems von freien Massenpunkten? 5. Beschreiben Sie die physikalische Bedeutung der Hamilton’schen charakteristischen Funktion. Zu Abschn. 3.4 1. Wann ist die Hamilton-Jacobi-Methode überhaupt von Nutzen? 2. Unter welchen Voraussetzungen empfiehlt sich ein Separationsansatz für die Lösung der HJD? 3. Wann nennt man die HJD separabel in den Koordinaten qj ? 4. Welche Gestalt hat die Hamilton’sche charakteristische Funktion im Fall von zyklischen Koordinaten?
3.8
Kontrollfragen
217
Zu Abschn. 3.5 1. Was versteht man unter eine Libration, was unter einer Rotation? 2. Wann ist die Bewegung eines Pendels eine Libration, wann eine Rotation? 3. Wann ist eine mehrdimensionale (S > 1) Bewegung periodisch? Wann nennt man sie bedingt periodisch? 4. Wie überprüft man leicht bei vollständig separablen Systemen die Periodizität? 5. Wie sind Wirkungs- und Winkelvariable definiert? 6. Erläutern Sie den Vorteil der Methode der Wirkungs- und Winkelvariablen. Für welche Systeme ist die Methode anwendbar? 7. Wie ändert sich die Winkelvariable ωi , wenn die Koordinate qj ihre volle Periode durchläuft? 8. Wie lautet die Hamilton-Funktion H des linearen harmonischen Oszillators nach Transformation auf Wirkungsvariable? 9. Wie berechnet man die Frequenz νi der periodischen qi -Bewegung? 10. Wie lautet die HJD für das Kepler-Problem? 11. Zeigen Sie, dass das Kepler-Problem in Kugelkoordinaten vollständig separierbar ist. 12. Hängen die Wirkungsvariablen Jϕ , Jϑ beim Kepler-Problem in irgendeiner Form vom Typ des Zentralfeldes ab? 13. Wie hängt die transformierte Hamilton-Funktion H des Kepler-Problems von den Wirkungsvariablen Jr , Jϑ , Jϕ ab? 14. Wann nennt man die Kepler-Bewegung vollständig entartet? 15. Wann heißt eine Bewegung einfach periodisch, wann bedingt periodisch? 16. Wann nennt man ein System m-fach entartet? 17. Wann ist eine einfach periodische Phasenbahn vollständig entartet? 18. Wie viele unabhängige Frequenzen sind zur Beschreibung einer m-fach entarteten, S-dimensionalen Bahn vonnöten? 19. Wie lauten die Entartungsbedingungen für die Kepler-Bewegung? 20. Was ist eine Eigenwirkungsvariable? 21. Formulieren Sie die Quantenhypothese. 22. Wenden Sie die Quantenhypothese auf die Bewegung des Elektrons im Wasserstoffatom an. Zu Abschn. 3.6 1. Erläutern Sie den Begriff der Wirkungswelle. 2. Was versteht man unter der Geschwindigkeit u der Wirkungswelle? 3. Welche Richtung hat u? 4. Was können Sie für ein System, das nur aus einem einzigen Teilchen besteht, bezüglich Richtung und Betrag von Teilchen- und Wirkungswellengeschwindigkeit aussagen? Was gilt konkret, wenn die Gesamtenergie nur aus kinetischer Energie besteht?
218
5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.
3. Hamilton-Jacobi-Theorie
Erläutern Sie den Begriff Teilchen-Welle-Dualismus für die Klassische Mechanik. Was versteht man unter der Wellengleichung der Klassischen Mechanik? Wie lautet die skalare Wellengleichung der Optik? Was ist ihre Lösung bei konstanter Brechzahl? Definieren Sie den Begriff Eikonal. Formulieren Sie die Annahmen der geometrischen Optik. Wie lautet die Eikonalgleichung der geometrischen Optik? Erläutern Sie die Analogie zwischen der Eikonalgleichung der geometrischen Optik und der Wellengleichung der Klassischen Mechanik. Auf welche Weise lassen sich einem mechanischen Teilchen Frequenz und Wellenlänge zuordnen? Durch welche Analogiebetrachtung wird die Wellenfunktion eines Teilchens eingeführt? Wie lautet die Schrödinger-Gleichung des Teilchens? Welcher Zusammenhang besteht zwischen Hamilton-Funktion und HamiltonOperator?
Lösungen der Übungsaufgaben
219
Lösungen der Übungsaufgaben Abschnitt 1.2.7 Lösung zu Aufgabe 1.2.1 Wir schließen an Beispiel 2) in Abschn. 1.2.2 an. Wir hatten dort als allgemeine Lösung
1.2.1
r(t) = A eωt + B e−ωt abgeleitet. Die Anfangsbedingungen liefern für A und B die Bestimmungsgleichungen: r0 = A + B ;
−r0 ω = (A − B)ω .
Dies bedeutet A = 0 und B = r0 . Die Lösung lautet dann: r(t) = r0 e−ωt . In diesem Spezialfall bewegt sich die Perle mit abnehmender Geschwindigkeit auf den Drehpunkt zu, um dort dann zur Ruhe zu kommen. Lösung zu Aufgabe 1.2.2 1. Zwangsbedingungen:
2.
1.2.2
z=0
(skleronom)
y − x tan ωt = 0
(rheonom) .
Beide Zwangsbedingungen sind holonom, damit die Zahl der Freiheitsgrade S = 3 − 2 = 1. Eine passende generalisierte Koordinate ist natürlich der Abstand q = r der Perle vom Drehpunkt. Transformationsformeln: x = q cos ωt ; y = q sin ωt damit folgt x˙ = q˙ cos ωt − qω sin ωt
˙y = q˙ sin ωt + qω cos ωt kinetische Energie: T=
m 2 m 2 x˙ + y˙ 2 = q˙ + q2 ω2 = T(q, q˙ ) 2 2
220
Lösungen der Übungsaufgaben
potentielle Energie: V = m g y = mgq sin ωt = V(q, t) Lagrange-Funktion L=T−V = 3.
m 2 q˙ + q2 ω2 − mgq sin ωt 2
Bewegungsgleichung:
∂L d ∂L = m¨q ; = mqω2 − mg sin ωt dt ∂q˙ ∂q zu lösen:
¨q − qω2 + g sin ωt = 0 wir starten mit der zugehörigen homogenen Gleichung:
¨q − qω2 = 0 allgemeine Lösung q0 (t) = αeωt + βe−ωt . Ansatz für eine spezielle Lösung der inhomogenen Gleichung: qs (t) = γ sin ωt
(ω =/ 0) .
Einsetzen in die Bewegungsgleichung: −γω2 sin ωt − ω2 γ sin ωt + g sin ωt = 0 g . 2ω2 Damit lautet die allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung: g q(t) = αeωt + βe−ωt + sin ωt . 2ω2 Wir benutzen die gegebenen Anfangsbedingungen: −2γω2 + g = 0 γ =
4.
q(t = 0) = r0 r0 = α + β q˙ (t = 0) = 0 ω(α − β) +
g =0 2ω
g 2ω2 g g r0 r0 + α= − ; β= 2 4ω2 2 4ω2 Das ergibt die vollständige Lösung: r0 ωt g ωt g q(t) = e − e−ωt + sin ωt . e + e−ωt − 2 2 4ω 2ω2
2α = r0 −
Lösungen der Übungsaufgaben
221
Wir bilden die erste zeitliche Ableitung g ωt g r0 ω ωt e − e−ωt − e + e−ωt + q˙ (t) = cos ωt . 2 4ω 2ω Für große Zeiten gilt: 1 g t→∞ eωt . q˙ (t) −→ r0 ω − 2 4ω Die Perle bewegt sich nach außen, falls q˙ (t → ∞) > 0 ist, d. h. g ω2 > . 2r0 5.
Die Zwangskraft ist an sich schwer formulierbar. Es handelt sich aber im mitrotierenden Koordinatensystem um ein effektiv eindimensionales Problem: m¨r = −Fg + Fz . Fg ist die in Drahtrichtung wirkende Komponente der Schwerkraft: Fg = mg sin ωt . Fz ist die Zentrifugalkraft, für die allgemein gilt: F z = −m ω × (ω × r) = −m ω(ω · r) − rω2 = mr ω2 . Der letzte Schritt gilt, da ω und r orthogonal zueinander sind. Setzen wir Fz = mω2 r in die obige Bewegungsgleichung ein, so ergibt sich nach Herauskürzen der Masse m:
¨r − ω2 r + g sin ωt = 0 . Das ist identisch mit der Lagrange-Gleichung aus Teil 3.
Lösung zu Aufgabe 1.2.3 1. Zwangsbedingungen:
1.2.3
ϕ − ωt = 0 ; z − αρ2 = 0 S = 3 − 2 = 1 2.
Freiheitsgrade .
Transformationsformeln: x = ρ cos ϕ
˙ sin ϕ x˙ = ρ˙ cos ϕ − ρϕ
y = ρ sin ϕ
y˙ = ρ˙ sin ϕ + ρϕ ˙ cos ϕ
z = αρ2
˙z = 2αρρ˙ .
222
Lösungen der Übungsaufgaben
Kinetische und potentielle Energie: 1 2 m x˙ + y˙ 2 + ˙z2 2 1 ˙ 2 cos2 ϕ + sin2 ϕ + 4α2 ρ2 ρ˙ 2 = m ρ˙ 2 cos2 ϕ + sin2 ϕ + ρ2 ϕ 2 1 1 = m 1 + 4α2 ρ2 ρ˙ 2 + mρ2 ω2 2 2
T=
V = mgz = mg αρ2 . Lagrange-Funktion: 1 1 L = T − V = m 1 + 4α2 ρ2 ρ˙ 2 + m ω2 − 2αg ρ2 . 2 2 3.
Spezialfall:
ω = 2αg . Die Lagrange-Funktion vereinfacht sich zu: L=
1 m 1 + 4α2 ρ2 ρ˙ 2 . 2
Damit gilt: ∂L = m 1 + 4α2 ρ2 ρ˙ ∂ρ˙ d ∂L = m 1 + 4α2 ρ2 ¨ρ + 8α2 ρρ˙ 2 dt ∂ρ˙
∂L = 4mα2 ρρ˙ 2 . ∂ρ Bewegungsgleichung ( 1 + 4α2 ρ2 ¨ρ + 4α2 ρρ˙ 2 = 0 . Multiplizieren mit ρ˙ ergibt: d ! 1 + 4α2 ρ2 ρ˙ 2 = 0 . (( 1 + 4α2 ρ2 ρ˙ ¨ρ + 4α2 ρρ˙ 3 = dt Das bedeutet, dass (1 + 4α2 ρ2 )ρ˙ 2 ein Integral der Bewegung darstellt.
Lösungen der Übungsaufgaben
223
Lösung zu Aufgabe 1.2.4 1.
1.2.4
x = ρ cos ϕ ;
y = ρ sin ϕ ;
˙ sin ϕ ; x˙ = ρ˙ cos ϕ − ρ ϕ
z=z,
˙y = ρ˙ sin ϕ + ρ ϕ˙ cos ϕ
˙2 . ⇒ x˙ 2 + y˙ 2 = ρ˙ 2 + ρ2 ϕ Lagrange-Funktion: L=T−V =
m 2 ρ ρ˙ + ρ2 ϕ˙ 2 + ˙z2 − V0 ln . 2 ρ0
2. d ∂L ∂L V0 − = 0 = m ¨ρ − m ρ ϕ ˙2+ , dt ∂ρ˙ ∂ρ ρ d ∂L ∂L − = 0 = m ρ2 ¨ ϕ + 2m ρ ρ˙ ϕ˙ , ˙ ∂ϕ dt ∂ϕ d ∂L ∂L − = 0 = m ¨z . dt ∂˙z ∂z 3.
ϕ und z sind zyklisch ⇒ ∂L ˙ = const : z-Komponente des Drehimpulses , = m ρ2 ϕ ∂ϕ˙ ∂L z-Komponente des Impulses . = m ˙z = const : pz = ∂˙z
pϕ =
Lösung zu Aufgabe 1.2.5 1. Die kinetische Energie:
1.2.5
T = Ttrans + Trot , setzt sich zusammen aus einem Translationsanteil Ttrans = und einem Rotationsanteil
1 ˙2 , m(R − r)2 ϕ 2
2 1 ˙ Trot = J ϕ ˙ +ϑ , 2
224
Lösungen der Übungsaufgaben
wobei J=
1 2 mr 2
das Trägheitsmoment des Zylinders ist. Die Abrollbedingung lautet: R dϕ = r dϑ
˙ = − R ϕ˙ . ⇒ ϑ r Die potentielle Energie ist: V = m g(R − r) (1 − cos ϕ) . Daraus folgt die Lagrange-Funktion: L=T−V = 2 1 1 ˙ − m g(R − r)(1 − cos ϕ) = ˙ 2 + mr2 ϕ˙ + ϑ = m(R − r)2 ϕ 2 4
1 R 2 1 2 2 = m (R − r) + r 1 − ϕ˙ 2 − m g(R − r)(1 − cos ϕ) = 2 2 r =
3 ˙ 2 + m g(R − r) cos ϕ − m g(R − r) . m(R − r)2 ϕ 4
2. Mit
∂L = −m g(R − r) sin ϕ ∂ϕ und d ∂L 3 = m(R − R)2 ¨ ϕ dt ∂ϕ ˙ 2 folgt die Bewegungsgleichung für ϕ: 2 g sin ϕ . 3 R−r 3. Für kleine Ausschläge ϕ << 1 kann man nähern:
¨ϕ = −
sin ϕ ≈ ϕ ⇒
¨ ϕ= −
Mit
ω=
2 g ϕ. 3 R−r
2 g 3R−r
Lösungen der Übungsaufgaben
225
ist die allgemeine Lösung dann
ϕ(t) = a cos ωt + b sin ωt , wobei a und b sind durch Anfangsbedingungen festgelegt sind.
Lösung zu Aufgabe 1.2.6 1. Zylinderkoordinaten (r, ϕ, z) erscheinen zunächst günstig.
Zwangsbedingung: tan α =
r z
⇐⇒ z = r cot α Freiheitsgrade: S=3−1=2 generalisierte Koordinaten: q1 = r ;
q2 = ϕ
Transformationsformeln: x = r cos ϕ y = r sin ϕ z = r cot α
z
g
m
α
ϕ x
y r Abb. A.1.
1.2.6
226
2.
Lösungen der Übungsaufgaben
Lagrange-Funktion:
˙ sin ϕ x˙ = ˙r cos ϕ − rϕ ˙y = ˙r sin ϕ + rϕ˙ cos ϕ ˙z = ˙r cot α x˙ 2 + y˙ 2 + ˙z2 = ˙r2 cos2 ϕ + r2 ϕ ˙ 2 sin2 ϕ − 2˙rrϕ˙ cos ϕ sin ϕ +
⇒
˙ 2 cos2 ϕ + 2˙rrϕ˙ sin ϕ cos ϕ + + ˙r2 sin2 ϕ + r2 ϕ + ˙r2 cot2 α ⇒
T=
m ˙2 1 + cot2 α ˙r2 + r2 ϕ 2
V = mgz = mgr cot α ⇒
L=T−V =
m ˙ 2 − mgr cot α 1 + cot2 α ˙r2 + r2 ϕ 2
Bewegungsgleichungen: d ∂L = m 1 + cot2 α ¨r dt ∂˙r 2 ∂L ˙ − g cot α = m rϕ ∂r d ∂L = m r2 ¨ ϕ + 2r˙rϕ˙ dt ∂ϕ ˙
∂L =0 ∂ϕ ⇒ 3.
˙ 2 + g cot α = 0 1 + cot2 α ¨r − rϕ
ϕ + 2˙rϕ˙ = 0 r¨
ϕ ist zyklisch ⇒ Drehimpulserhaltung!
pϕ =
∂L = mr2 ϕ ˙ = const ∂ϕ˙
(r =/ 0)
Lösungen der Übungsaufgaben
227
Lösung zu Aufgabe 1.2.7 1. Die Zwangsbedingungen sind:
1.2.7
z1 = z 2 = 0 x1 = y2 = 0 x22 + y12 = l2 Das System hat demnach einen Freiheitsgrad. Mit ϕ als generalisierter Koordinate ergeben sich die Transformationsformeln: x2 = l cos ϕ y1 = l sin ϕ Damit ist die kinetische Energie T=
1 m 2 m 2 m 2 2 2 ˙ sin ϕ + cos2 ϕ = ml2 ϕ˙ 2 x˙ + y˙ = l ϕ 2 2 2 1 2 2
und die potentielle Energie: V = mgy1 + 0 = mgl sin ϕ Die Lagrange-Funktion ist dann: 1 ˙ 2 − mgl sin ϕ L = T − V = ml2 ϕ 2 2.
Die Lagrange’sche Bewegungsgleichung für ϕ ist: 0= ⇒
d ∂L ∂L − = ml2 ¨ ϕ + mgl cos ϕ ˙ ∂ϕ dt ∂ϕ
0=¨ ϕ+
g cos ϕ l
˙ und integriere: Man multipliziere mit ϕ ¨ϕϕ˙ +
g ˙ =0 cos ϕϕ l
1 2 g ϕ˙ + sin ϕ = c = const 2 l g ˙ = 2 c − sin ϕ ⇒ ϕ l
⇒
228
Lösungen der Übungsaufgaben
Dies lässt sich dann mittels Variablentrennung weiter integrieren: dϕ dt = g 2 c − sin ϕ l ϕ
⇒
t − t0 =
dϕ g 2 c − sin ϕ ϕ0 l
Die Integrationskonstanten ϕ0 = ϕ(t0 ) und c ergeben sich aus den Anfangsbedingungen. Für „kleine Winkel“ vereinfacht sich die Lösung zu: l g g . t − t0 = − 2 c − ϕ − 2 c − ϕ0 g l l
1.2.8
Lösung zu Aufgabe 1.2.8 1. Zwangsbedingungen:
2.
x2 + y2 + z2 − R2 = 0 :
holonom-skleronom ,
y − tan ωt = 0 : x
holonom-rheonom .
q=ϑ x = R sin ϑ cos ωt , y = R sin ϑ sin ωt , z = R cos ϑ . T=
m 2 2 m 2 ˙2 . x˙ + y˙ 2 + ˙z2 = R sin ϑ ω2 + R2 ϑ 2 2
Der erste Summand resultiert aus der Rotation des Ringes, der zweite aus der Bewegung auf dem Ring. V = m g R(1 − cos ϑ) . Lagrange-Funktion: L=
m 2 2 2 ˙ 2 − m g R(1 − cos ϑ) . R ω sin ϑ + ϑ 2
Lösungen der Übungsaufgaben
229
Bewegungsgleichung: d ∂L = m R2 ¨ ϑ, ˙ dt ∂ϑ ∂L = m R2 ω2 sin ϑ cos ϑ − m g R sin ϑ ∂ϑ g − ω2 cos ϑ sin ϑ = 0 . ⇒ ¨ ϑ+ R 3.
ϑ << 1 : cos ϑ ≈ 1, sin ϑ ≈ ϑ. Damit vereinfacht sich die Bewegungsgleichung zu
¨ ϑ + ω2 ϑ = 0 ,
ω2 =
g − ω2 R
mit der allgemeinen Lösung:
ϑ(t) = A cos ωt + B sin ωt .
Lösung zu Aufgabe 1.2.9 1. Es gibt vier holonom-skleronome Zwangsbedingungen:
l=r+S,
(Fadenlänge) ,
z(m) = 0 , x(M) = 0 , y(M) = 0 . 2.
Bei vier Zwangsbedingungen bleiben 6 − 4 = 2 Freiheitsgrade. Wir brauchen also zwei generalisierte Koordinaten q1 = ϕ ;
q2 = S .
Wir lesen am Bild die Transformationsformeln ab: x(m) = r cos ϕ = (l − S) cos ϕ , y(m) = r sin ϕ = (l − S) sin ϕ , z(M) = −S
˙ sin ϕ , ⇒ x˙ (m) = −S˙ cos ϕ − (l − S)ϕ ˙ cos ϕ , y˙ (m) = −S˙ sin ϕ + (l − S)ϕ ˙z(M) = −S˙ .
1.2.9
230
Lösungen der Übungsaufgaben
Kinetische Energie: 1 1 1 1 ˙2 . T = m x˙ 2 (m) + y˙ 2 (m) + M ˙z2 (M) = (m + M)S˙ 2 + m(l − S)2 ϕ 2 2 2 2 Potentielle Energie: V = M g z(M) = −M g S . Lagrange-Funktion: 1 1 ˙2 +MgS . L = T − V = (m + M)S˙ 2 + m(l − S)2 ϕ 2 2 Wir erkennen, dass die Koordinate ϕ zyklisch ist. Dies bedeutet:
∂L ˙ = const = J ϕ˙ = L0 . = m(l − S)2 ϕ ∂ϕ˙
Dies ist der Drehimpulserhaltungssatz. Es sind zwar J = J(t)
und
ϕ˙ = ϕ˙ (t)
zeitlich veränderliche Größen. Das Produkt ist aber konstant. Für die zweite Koordinate q2 = S stellen wir die Lagrange’sche Bewegungsgleichung auf: d ∂L = (m + M)¨S , dt ∂S˙ L20 ∂L ˙2 +Mg = − = − m(l − S)ϕ +Mg ∂S m(l − S)3 L20 ⇒ (m + M)¨S + −Mg =0. m(l − S)3 Wir multiplizieren diese Gleichung mit S˙ und integrieren: L20 1 (m + M)S˙ 2 + − M g S = const . 2 2m(l − S)2 Das aber ist der Energiesatz: T + V = E = const . 3.
Gleichgewicht bedeutet:
¨S = 0 . Dann gilt aber auch: L20 = M g ⇒ S = S0 = const , m(l − S)3 L0 Mg ω0 = ϕ˙ 0 = = . m(l − S0 )2 m(l − S0 )
Lösungen der Übungsaufgaben
231
Wir lesen an der Bewegungsgleichung ab:
ϕ˙ > ω0 ⇐⇒ ¨S < 0 ⇐⇒ ¨z(M) > 0 : M rutscht nach oben ! ϕ˙ < ω0 ⇐⇒ ¨S > 0 ⇐⇒ ¨z(M) < 0 : M rutscht nach unten ! 4.
˙ = 0 folgt aus der Bewegungsgleichung: Für den Spezialfall ω = ϕ M g. m+M Dies ist der verzögerte, freie Fall der Masse M.
¨S =
Lösung zu Aufgabe 1.2.10 1. Lagrange-Funktion:
1.2.10
L=T−V = d ∂L = m l2 ¨ ϕ; dt ∂ϕ ˙
1 2 2 ˙ − m g(1 − cos ϕ)l , ml ϕ 2
∂L = −m g l sin ϕ ∂ϕ
−m g l ϕ
≈ kleine Ausschläge
⇒ Schwingungsgleichung: g ¨ ϕ+ ϕ=0. l Allgemeine Lösung:
ϕ(t) = A cos ω0 t + B sin ω0 t ; ω0 =
g . l
Spezielle Randbedingung ϕ(0) = 0:
ϕ(t) = ϕ0 sin ω0 t . 2.
Die Fadenspannung ist die Zwangskraft, die die konstante Fadenlänge l realisiert. m ¨r(t) : r(t) =
x(t)
Kraft, die an der Masse m angreift.
cos ϕ(t)
=l sin ϕ(t) y(t)
− sin ϕ(t) ˙ (t) ⇒ ˙r (t) = l ϕ cos ϕ(t)
− sin ϕ(t) − cos ϕ (t) + mlϕ = ϕ(t) ˙ 2 (t) ⇒ m¨r(t) = m l ¨ cos ϕ(t) − sin ϕ(t) = m g ex − Z e r .
232
Lösungen der Übungsaufgaben
Daraus bestimmen wir die Fadenspannung: Z = Z er , Z = m g(ex · er ) − m ¨r(t) · er , ex =
1 0
;
er =
cos ϕ(t) sin ϕ(t)
⇒ ex · er = cos ϕ(t)
˙ 2 (t) . ⇒ Z = m g cos ϕ(t) + m l ϕ Kleine Pendelausschläge cos ϕ(t) ≈ 1 − 12 ϕ2 (t): 1 ⇒ Z = m g 1 − ϕ02 sin2 ω0 t + m l ω20 ϕ02 cos2 ω0 t = 2 1 2 1 2 2 2 2 = m g 1 − ϕ0 + ϕ0 cos ω0 t + ϕ0 cos ω0 t 2 2 1 3 ⇒ Z = m g 1 − ϕ02 + ϕ02 cos2 ω0 t . 2 2
1.2.11
Lösung zu Aufgabe 1.2.11 1. Die Zwangsbedingungen sind:
z=0 x 2 + y2 + z 2 − l2 = 0
2.
⇒ s = 3 − 2 = 1 Freiheitsgrad Transformationsformeln:
⇒
x = r cos ϕ
y = r sin ϕ
˙ r sin ϕ x˙ = ˙r cos ϕ − ϕ
˙ r cos ϕ y˙ = ˙r sin ϕ + ϕ
kinetische Energie: T=
m 2 2 2 m 2 x˙ + ˙y2 = ˙r + r ϕ˙ 2 2
potentielle Energie: V = −mgx = −mgr cos ϕ Lagrange-Funktion: m 2 2 2 ˙ =T−V = L r, ϕ, ˙r, ϕ ˙r + r ϕ˙ + mgr cos ϕ 2
Lösungen der Übungsaufgaben
3.
233
Seien: q1 := ϕ ,
q2 := r .
Allgemein gilt für m Variable und p holonome Zwangsbedingungen: m
aij dqj + bit dt = 0
i = 1, . . . , p
j=1
hier m = 2 Variable (q1 = ϕ, q2 = r) und p = 1 Zwangsbedingung: q2 = r = l = const ⇒
dq2 = 0
⇒
a11 = 0 ,
a12 = 1 ,
b1t = 0
Allgemein gilt für die Zwangskräfte: Qj =
p
λi aij
i=1
wobei die λi Lagrange’sche Multiplikatoren sind. Hier: Q1 = Qϕ = 0 ,
Q2 = Qr = λ
Damit sind die Bewegungsgleichungen: 0 = Qϕ = =
d ∂L ∂L − = dt ∂ϕ ˙ ∂ϕ d 2 ˙ + mgr sin ϕ = mr ϕ dt
ϕ + 2mr˙rϕ˙ + mgr sin ϕ = mr2 ¨ λ = Qr = =
d ∂L ∂L − = dt ∂˙r ∂r d ˙ 2 − mg cos ϕ = m˙r − mrϕ dt
˙ 2 − mg cos ϕ = m¨r − mrϕ ⇒
0=¨ ϕ+
2˙r g ϕ˙ + sin ϕ r r
Qr ˙ 2 − g cos ϕ = ¨r − rϕ m Mit r = l und ¨r = 0 folgt aus der Bewegungsgleichung für r für die Fadenspannung Qr : 2 ˙ + g cos ϕ Qr = −m lϕ
234
4.
Lösungen der Übungsaufgaben
(vgl. Lösung zu Aufgabe 1.2.10, Teil 1) Mit ˙r = 0, der Kleinwinkelnäherung
ϕ << 1 ⇒ sin ϕ ≈ ϕ und der Definition
ω0 :=
g l
folgt die Bewegungsgleichung:
¨ϕ + ω20 ϕ = 0 Die allgemeine Lösung ist:
ϕ(t) = α sin ω0 t + β cos ω0 t Mit den Anfangsbedingungen
ϕ(0) = 0 ϕ˙ (0) = αω0 =
g ϕ0 l
⇒
β=0
⇒
α = ϕ0
ist die Lösung:
ϕ(t) = ϕ0 sin ω0 t 1.2.12
Lösung zu Aufgabe 1.2.12 1. Mit den kartesischen Koordinaten des Blockes der Masse M
X = s cos α ,
Y = s sin α
und den Koordinaten der Masse m x = s cos α + l sin ϕ ,
y = s sin α − l cos ϕ
lässt sich die kinetische Energie in s und ϕ ausdrücken als: M 2 ˙ + Y˙ 2 + m x˙ 2 + ˙y2 = T= X 2 2 M 2 ˙s cos2 α + ˙s2 sin2 α + = 2 m 2 ˙s cos2 α + 2l˙sϕ˙ cos α cos ϕ + l2 ϕ˙ 2 cos2 ϕ + + 2 ˙ sin α sin ϕ + l2 ϕ˙ 2 sin2 ϕ + ˙s2 sin2 α + 2l˙sϕ Mit dem Additionstheorem cos (α − β) = cos α cos β + sin α sin β
Lösungen der Übungsaufgaben
235
vereinfacht sich dies zu: 1 m 2 ˙ + ml˙sϕ˙ cos (α − ϕ) . T = (M + m)˙s2 + l2 ϕ 2 2 Mit der potentiellen Energie V = Mgs sin α + mg s sin α − l cos ϕ . ergibt sich dann für die Lagrange-Funktion: L=T−V = 1 1 ˙ 2 + ml˙sϕ˙ cos (α − ϕ) − = (M + m)˙s2 + ml2 ϕ 2 2 − (M + m)gs sin α + mgl cos ϕ 2.
Lagrange-Bewegungsgleichung bezüglich s: 0 = (M + m)¨s + ml ¨ ϕ cos (α − ϕ) + ϕ˙ 2 sin (α − ϕ) + (M + m)g sin α ml ¨ ϕ cos (α − ϕ) + ϕ˙ 2 sin (α − ϕ) M+m Lagrange-Bewegungsgleichung bezüglich ϕ: ⇒
¨s = −g sin α −
0 = ml2 ¨ ϕ + ml˙sϕ˙ sin (α − ϕ) + ˙ sin (α − ϕ) + mgl sin ϕ + ml¨s cos α − ϕ − ml˙sϕ ⇒
¨s g ¨ ϕ = − sin ϕ − cos (α − ϕ) l l
spezielle Lösung:
ϕ = ϕ0 = const ⇒ ⇒
¨s = −g sin α = −g
sin ϕ0 cos (α − ϕ0 )
g s(t) = s0 + v0 t − t 2 sin α 2
ϕ(t) = α 3.
(s0 und v0 aus Anfangsbedingungen) ϕ ergibt: Einsetzen der Dgl. für ¨s in Dgl. für ¨ g ¨ ϕ = sin α cos (α − ϕ) − sin ϕ + l m ¨ ϕ cos (α − ϕ) + ϕ˙ 2 sin (α − ϕ) cos (α − ϕ) = + M+m g = cos α sin (α − ϕ) + l m ¨ ϕ cos2 (α − ϕ) + ϕ˙ 2 sin (α − ϕ) cos (α − ϕ) + M+m
236
Lösungen der Übungsaufgaben
Dabei wurde das Additionstheorem sin α − ϕ = sin α cos ϕ − cos α sin ϕ ausgenutzt. Für M >> m lässt sich nähern: m ≈0 M+m ⇒
g ¨ϕ ≈ − cos α sin (ϕ − α) l
Mit der Abkürzung
g cos α l und der Näherung für kleine Winkelausschläge (ϕ ≈ α)
ω=
sin (ϕ − α) ≈ ϕ − α ergibt sich die Schwingungsgleichung:
¨ ϕ = −ω2 (ϕ − α) ⇒
ϕ(t) = α + ϕˆ sin (ωt + δ)
(ϕˆ und δ aus Anfangsbedingungen)
1.2.13
Lösung zu Aufgabe 1.2.13 1. Es gibt fünf holonom-skleronome Zwangsbedingungen:
1. z1 = 0 2. z2 = 0 3. −y1 | −x1 = tan α 4. −y2 | x2 = tan β 5. r1 + r2 = l 2.
Damit besitzt das System s = 2 · 3 − 5 = 1 Freiheitsgrade. s = 1 ⇒ 1 generalisierte Koordinate, z. B.: q = r1 Transformationsformeln:
x1 = −q cos α y1 = −q sin α z1 = 0 x2 = (l − q) cos β y2 = −(l − q) sin β z2 = 0
Lösungen der Übungsaufgaben
3.
237
kinetische Energie: m2 2 m1 2 T= x˙ 1 + ˙y12 + x˙ 2 + y˙ 22 = 2 2 m2 2 2 m1 2 2 q˙ cos α + sin2 α + q˙ cos β + sin2 β = = 2 2 1 m1 + m2 q˙ 2 = 2 potentielle Energie: V = m1 gy1 + m2 gy2 = = −m1 gq sin α − m2 g(l − q) sin β ⇒ Lagrange-Funktion: L=T−V = 1 m1 + m2 q˙ 2 + m1 gq sin α + m2 g(l − q) sin β 2 Lagrange’sche Bewegungsgleichung: =
4.
d ∂L ! ∂L = (m1 + m2 )¨q = = (m1 sin α − m2 sin β)g dt ∂q˙ ∂q ⇒
¨q =
m1 sin α − m2 sin β g m1 + m2
„verzögerter“ freier Fall
Integration der Bewegungsgleichung unter Verwendung der Anfangsbedingungen liefert: q(t) = r1 (t) =
1 m1 sin α − m2 sin β 2 gt + r0 2 m1 + m2
System im Gleichgewicht heißt: q(t) = const ⇒ ⇒ 5.
0 = m1 sin α − m2 sin β m1 sin β = m2 sin α
Jetzt wird die 5. Zwangsbedingung nicht zur Eliminierung der Variablen benutzt. Damit werden zwei generalisierte Koordinaten benötigt: q 1 = r1 ;
q2 = r2
238
Lösungen der Übungsaufgaben
Aus r1 + r2 = l = const folgt dann: dq1 + dq2 = 0 ⇒
a11 = a12 = 1
⇒ für die generalisierten Zwangskräfte: Q1 = Q2 = λ Lagrange-Funktion: L=
1 m1 q˙ 21 + m2 q˙ 22 + m1 gq1 sin α + m2 q2 sin β 2
⇒ Bewegungsgleichung: d ∂L ∂L − = Qi = λ i = 1, 2 dt ∂q˙ i ∂qi ⇒
m1¨q1 − m1 g sin α = λ m2¨q2 − m2 g sin β = λ
Aus der 5. Zwangsbedingung folgt: ⇒
q˙ 1 + q˙ 2 = 0 ⇒
¨q1 − g sin α = −¨q1 − g sin β =
⇒
¨q1 = −¨q2
λ m1
λ m2
−g sin α + sin β = λ
1 1 + m1 m2
Damit ist die Zwangskraft „Fadenspannung“: m1 m2 Q = λ = −g sin α + sin β m1 + m2 Im Gleichgewicht gilt (s. letzte Teilaufgabe):
⇒
m1 sin β = m2 sin α m1 sin α sin α + sin β = 1 + m2 =
m1 + m2 sin α m2
Lösungen der Übungsaufgaben
239
Damit ist die Fadenspannung im Gleichgewicht: Q0 = −m1 g sin α = −m2 g sin β
Lösung zu Aufgabe 1.2.14 1. Ausgangspunkt seien zwei körperfeste kartesische Koordinatensysteme mit parallelen Achsen, wie in der Skizze angedeutet. Koordinatenursprünge auf der Mitte der jeweiligen Zylinderachse. Drehachsen:
n1 = n2 = −ez . r1 , r 2 seien die Auflagepunkte des Fadens, also die Angriffspunkte der Fadenspannung: r 1 = 0, R1 , z1 ; r 2 = 0, −R2 , z2 . Fadenspannungen: F 1 = (F, 0, 0) = −F 2 . Drehmomente: M (1) ex = 0, R1 , z1 × (F, 0, 0) = 0, z1 F, −R1 F M (2) ex = 0, −R2 , z2 × (−F, 0, 0) = 0, −z2 F, −R2 F . Achsenparallele Komponenten: (2) M (1) ex · n1 = R1 F ; M ex · n2 = R2 F .
Drehimpulssatz (4.17): J1 ¨ ϕ1 = R1 F ; J2 ¨ϕ2 = R2 F . Trägheitsmomente der Zylinder mit homogener Massendichte nach (4.13): J1 =
1 1 M1 R21 ; J2 = M2 R22 . 2 2
Abrollbedingung: x2 = const +R1 ϕ1 + R2 ϕ2
¨x2 = R1 ¨ ϕ1 + R2 ¨ϕ2 . Translation von Zylinder 2 nach Schwerpunktsatz: M2¨x2 = M2 g − F .
1.2.14
240
Lösungen der Übungsaufgaben
Damit folgt durch Einsetzen: M 2 R1 ¨ ϕ1 + M2 R2 ¨ϕ2 = M2 g − F R1 F R2 F + M2 R2 = M2 g − F J1 J2 R21 M2 R22 M2 = M2 g F 1+ + J1 J2 M2 F 1+2 + 2 = M2 g . M1
M2 R1
Damit gilt für die Fadenspannung: F= 2.
M1 M2 g. 3M1 + 2M2
Generalisierte Koordinaten: ϕ1 , ϕ2 Zwangsbedingung: Abwickeln des Fadens: x2 = const +R1 ϕ1 + R2 ϕ2
x˙ 2 = R1 ϕ˙ 1 + R2 ϕ˙ 2 ¨x2 = R1 ¨ ϕ1 + R2 ¨ϕ2 . Kinetische und potentielle Energie: 1 2 1 2 1 T = J1 ϕ ˙ + J2 ϕ˙ + M2 x˙ 22 2 1 2 2 2 V = −M2 g(x2 − const) .
3.
Lagrange-Funktion: 1 2 1 2 1 ˙ + J2 ϕ˙ + M2 R1 ϕ˙ 1 + R2 ϕ˙ 2 + M2 g R1 ϕ1 + R2 ϕ2 . L = J1 ϕ 2 1 2 2 2 Bewegungsgleichungen: d ∂L ∂L − =0 dt ∂ϕ ˙ i ∂ϕi
i = 1, 2 .
Wir berechnen die i = 1-Gleichung: ∂L ˙ 1 + M2 R1 R1 ϕ˙ 1 + R2 ϕ˙ 2 = J1 ϕ ∂ϕ˙ 1
d ∂L = J1 ¨ ϕ1 + M2 R1 R1 ¨ϕ1 + R2 ¨ϕ2 ˙1 dt ∂ϕ 1 M1 + M2 R21¨ ϕ1 + M2 R1 R2 ¨ϕ2 = 2
∂L = M2 gR1 . ∂ϕ1
Lösungen der Übungsaufgaben
241
Damit ergibt sich als erste Bewegungsgleichung: 1 M1 + M2 R1 ¨ ϕ1 + M2 R2 ¨ϕ2 = M2 g . 2
(A.1)
Wir berechnen die i = 2-Gleichung: ∂L ˙ 2 + M2 R2 R1 ϕ˙ 1 + R2 ϕ˙ 2 = J2 ϕ ∂ϕ˙ 2 d ∂L = J2¨ ϕ2 + M2 R2 R1 ¨ϕ1 + R2¨ϕ2 dt ∂ϕ ˙2
=
3 M2 R22 ¨ ϕ2 + M2 R2 R1 ¨ϕ1 2
∂L = M2 gR2 . ∂ϕ2 Damit ergibt sich als zweite Bewegungsgleichung: 3 ϕ2 + R1 ¨ϕ1 = g . R2 ¨ 2
(A.2)
Wir setzen R22 ¨ ϕ2 aus (A.2) in (A.1) ein: 1 ϕ1 + 23 M2 g − 23 M2 R1 ¨ϕ1 = M2 g 2 M1 + M2 R1 ¨ 12 M1 + 13 M2 R1 ¨ ϕ1 = 13 M2 g . Das ist die Bewegungsgleichung für ϕ1 :
ϕ1 = R1 ¨
2M2 g. 3M1 + 2M2
(A.3)
Die für ϕ2 folgt unmittelbar: 2 2 3M1 + 2M2 − 2M2 2 2M2 R2 ¨ ϕ2 = g − g= g 3 3 3M1 + 2M2 3 3M1 + 2M2
R2 ¨ ϕ2 =
2M1 g. 3M1 + 2M2
Bei gegebenen Anfangsbedingungen trivial integrierbar:
¨x2 = R1 ¨ ϕ1 + R2 ¨ϕ2 = 2g
M1 + M2 . 3M1 + 2M2
Das entspricht dem „verzögerten“ freien Fall. Mit den Anfangsbedingungen ergibt sich leicht: x2 (t) =
M1 + M2 gt 2 . 3M1 + 2M2
242
4.
Lösungen der Übungsaufgaben
Die Newton-Mechanik liefert nach Teil 1. für die Fadenspannung: 2M1 + 2M2 M2¨x2 = M2 g − F . F = M2 g 1 − 3M1 + 2M2 Das ist das „alte“ Ergebnis der Newton-Mechanik aus Teil 1. F=
1.2.15
M1 M2 g. 3M1 + 2M1
Lösung zu Aufgabe 1.2.15 1. Die Zwangsbedingung ist das Abrollen des Vollzylinders im Hohlzylinder, d. h.:
B = Kreisbogen A Kreisbogen A C ⇐⇒
R(ψ + ϕ) = rχ
Als generalisierte Koordinaten eignen sich: q1 := ϕ 2.
q2 := ψ
Der Hohlzylinder pendelt auf fester Achse um seinen Schwerpunkt. Damit ist dessen potentielle Energie konstant (= 0). Die potentielle Energie des Vollzylinders ist: VV = −mg(R − r) cos ϕ Die kinetische Energie der Zylinder setzt sich zusammen aus der Translation des Schwerpunkts S des Vollzylinders 1 ˙2 Tt = m(R − r)2 ϕ 2 und der Rotation der beiden Zylinder 2 1 1 ˙ 2 + JV χ˙ − ϕ˙ . Tr = JH ψ 2 2 Dabei sind 1 JV = mr2 2 das Trägheitsmoment des Hohl- bzw. Vollzylinders (Nachrechnen!). Mit der Abrollbedingung JH = MR2
und
R r
χ = (ψ + ϕ )
Lösungen der Übungsaufgaben
243
ergibt sich: 1 1 Tr = MR2 ψ ˙ 2 + mr2 2 4
R ψ˙ + ϕ˙ − ϕ˙ r
2 =
1 R 1 2 R2 2 2 2 2 2 2 ˙ + mr = MR ψ ψ˙ + 2ψ˙ ϕ˙ + ϕ˙ − 2 ψ˙ ϕ˙ + ϕ˙ + ϕ˙ = 2 4 r2 r 1 1 1 1 ˙ 2 + mR(R − r)ϕ˙ ψ ˙ + m(R − r)2 ϕ˙ 2 = R2 M + m ψ 2 2 2 4
Damit ist die Lagrange-Funktion: L = T − V = Tr + Tt − VV = 1 1 1 2 ˙ 2 + mR(R − r)ϕ˙ ψ ˙ + = R M+ m ψ 2 2 2 3 ˙ 2 + mg(R − r) cos ϕ + m(R − r)2 ϕ 4 3.
ψ ist zyklisch: ∂L =0 ∂ψ 1 1 ∂L = R2 M + m ψ ˙ + mR(R − r)ϕ˙ = const ⇒ pψ = ∂ψ˙ 2 2 ⇒
1 1 ¨ + mR(R − r)¨ 0=R M+ m ψ ϕ 2 2
⇒
¨ =− ψ
2
m(R − r) ¨ ϕ 1 2R M + m 2
Mit
∂L = −mg(R − r) sin ϕ ∂ϕ 1 ∂L 3 ˙ + mR(R − r)ψ ˙ = m(R − r)2 ϕ ∂ϕ˙ 2 2 d ∂L 3 1 ¨ = m(R − r)2 ¨ ϕ + mR(R − r)ψ dt ∂ϕ ˙ 2 2 folgt:
⇒
3 1 0 = m(R − r)2 ¨ ϕ + mR(R − r)ψ ¨ + mg(R − r) sin ϕ 2 2 3 1 ¨ + g sin ϕ 0 = (R − r)¨ ϕ + Rψ 2 2
244
Lösungen der Übungsaufgaben
Nach Ersetzen von ψ ¨ ergibt sich: ⎡
⎤ ⎥ mR ⎥ ϕ + g sin ϕ = ⎦¨ 1 2R M + m 2
⎢ 1 0 = (R − r) ⎢ ⎣3 − 2
3M + m 1 ¨ = (R − r) ϕ + g sin ϕ 1 2 M+ m 2 Damit ist die Bewegungsgleichung für ϕ: 0=¨ ϕ+ 4.
2M + m g sin ϕ 3M + m R − r
Die übliche Näherung sin ϕ ≈ ϕ für kleine Auslenkungen führt auf die Schwingungsgleichung
¨ ϕ + ω2ϕ ϕ = 0 mit der Eigenfrequenz
ωϕ =
2M + m g 3M + m R − r
und bekannter Lösung ϕ(t). Weiterhin ergibt sich ψ(t) aus 2M + m g m(R − r) ϕ(t) = 1 3M + m R − r 2R M + m 2 mg = ϕ(t) R(3M + m)
¨ = ψ
durch Integration mit entsprechenden Anfangsbedingungen.
1.2.16
Lösung zu Aufgabe 1.2.16 1. Zwangsbedingungen:
z1 = z2 = 0 2 2 x1 − x2 + y1 − y2 = l2 ⇒
S = 6 − 3 = 3 Freiheitsgrade
generalisierte Koordinaten: x, y: Schwerpunktkoordinaten
ϕ: Winkel der Hantel gegen x-Achse
Lösungen der Übungsaufgaben
245
Transformationsformeln: l cos ϕ ; 2 l x2 = x + cos ϕ ; 2
x1 = x −
2.
Reibungskräfte:
l sin ϕ 2 l y2 = y + sin ϕ 2 y1 = y −
l ˙ sin ϕ Fx1 = −αx˙ 1 = −α x˙ + ϕ 2 l ˙ cos ϕ Fy1 = −αy˙ 1 = −α ˙y − ϕ 2 l Fx2 = −αx˙ 2 = −α x˙ − ϕ ˙ sin ϕ 2 l = − α y ˙ = − α y ˙ + ϕ ˙ cos ϕ Fy2 2 2
generalisierte Kräfte: Qj = Fx1
∂x1 ∂x ∂x 2 ∂x ∂y1 ∂x ∂y2 ∂x
∂x1 ∂x2 ∂y1 ∂y2 + Fx2 + F y1 + Fy2 ∂qj ∂qj ∂qj ∂qj
=1; =1; =0; =0;
∂x1 ∂y ∂x2 ∂y ∂y1 ∂y ∂y2 ∂y
=0; =0; =1; =1;
∂x1 ∂ϕ ∂x2 ∂ϕ ∂y1 ∂ϕ ∂y2 ∂ϕ
=
l sin ϕ 2
l = − sin ϕ 2 l = − cos ϕ 2 =
l cos ϕ 2
Qx = Fx1 + Fx2 = −2αx˙ Qy = Fy1 + Fy2 = −2α˙y l Fx1 sin ϕ − Fx2 sin ϕ − Fy1 cos ϕ + Fy2 cos ϕ = 2 l l = sin ϕ Fx1 − Fx2 − cos ϕ Fy1 − Fy2 = 2 2
Qϕ =
˙ sin ϕ −αlϕ
1 ˙ = − αl2 ϕ 2
˙ cos ϕ +αlϕ
246
3.
Lösungen der Übungsaufgaben
Bewegungsgleichungen: holonome Zwangsbedingungen; nicht-konservative Kräfte d ∂T ∂T − = Qj dt ∂q˙ j ∂qj l ˙ sin ϕ ; x˙ 1 = x˙ + ϕ 2 l x˙ 2 = x˙ − ϕ ˙ sin ϕ ; 2 ⇒
j = x, y, ϕ l ˙ cos ϕ y˙ 1 = ˙y − ϕ 2 l y˙ 2 = ˙y + ϕ ˙ cos ϕ 2
1 2 m x˙ 1 + x˙ 22 + y˙ 12 + y˙ 22 = 2 l2 2 ˙ = m x˙ 2 + y˙ 2 + m ϕ 4
T=
⇒
m¨x = −αx˙ m¨y = −α˙y m¨ ϕ = −αϕ˙
4.
allgemeine Lösungen:
αt qi (t) = αi + βi exp − m
αi , βi aus Anfangsbedingungen: x(0) = y(0) = 0 ; ⇒ ⇒
ϕ(0) = 0
αi = −βi
αt qi (t) = αi 1 − exp − m q˙ i (0) = ⇒
αi α m
αx = vx
m
αy = vy
m
αϕ = ω
m
α α α
Lösungen der Übungsaufgaben
247
Lösung zu Aufgabe 1.2.17 1. Zwangsbedingungen:
1.2.17
z = const = 0 y = (a(t) − x) tan α Zwangsbedingung für y soll nicht zur Verringerung der Koordinatenzahl benutzt werden! q1 = x ;
q2 = y
Lagrange-Funktion: L=T−V = 2.
m 2 x˙ + y˙ 2 − mgy 2
Zwangsbedingung in differentieller Form: 0 = a˙ (t) dt − dx sin α − dy cos α Mit der Notation nach (1.95): a11 = − sin α ;
a12 = − cos α
verallgemeinerte Zwangskräfte: Qx = −λ sin α ;
Qy = −λ cos α
λ: Langrange’scher Multiplikator Lagrange-Gleichungen 1. Art: d ∂L ∂L − = Qα ; ˙ ∂α dt ∂α
α = x, y
m¨x = −λ sin α m¨y + mg = −λ cos α Zusätzliche Bestimmungsgleichung aus Zwangsbedingung 1. durch zweimalige Zeitdifferentiation:
¨y = (c − ¨x) tan α
248
Lösungen der Übungsaufgaben
¨x , ¨y einsetzen:
λ cos α = c + sin α tan α m m λ −g cos α − cos2 α + sin2 α = c sin α m
λ
−g −
λ = −mg cos α − cm sin α
⇒
Qx = m sin α g cos α + c sin α Qy = m cos α g cos α + c sin α 3.
Bewegungsgleichung für x(t): m¨x = Qx ⇒
¨x = sin α g cos α + c cos α = const
mit Anfangsbedingungen: x(t) =
1 sin α g cos α + c sin α t 2 + x0 2
y(t) durch Integration der Bewegungsgleichung oder direkt aus der Zwangsbedingung: 1 2 ct − x(t) tan α y(t) = 2
1.2.18
Lösung zu Aufgabe 1.2.18 1. Solange sich der Massenpunkt auf der Kugeloberfläche befindet, lautet die Zwangsbedingung:
R ≥ z ≥ z0 :
x 2 + y 2 + z 2 − R2 = 0 .
Unterhalb der „Absprunghöhe“ z0 ist die Zwangsbedingung aber: z0 ≥ z :
x 2 + y 2 + z 2 − R2 > 0 .
Im allgemeinen Fall sind die Zwangsbedingungen also nicht geeignet, um die Zahl der Variablen zu verringern.
Lösungen der Übungsaufgaben
249
Mit Kugelkoordinaten (r, ϕ, ϑ) als verallgemeinerte Koordinaten und den Transformationsformeln x = r sin ϑ cos ϕ y = r sin ϑ sin ϕ z = r cos ϑ ist die kinetische Energie: m 2 x˙ + ˙y2 + ˙z2 2 m 2 2 ˙ 2 2 2 2 = ˙r + r ϑ + r sin ϑϕ˙ 2 und die potentielle Energie: T=
V = mgz = mgr cos ϑ .
2.
Damit ist die Lagrange-Funktion allgemein: m 2 2 ˙ 2 2 2 2 ˙r + r ϑ + r sin ϑϕ˙ − mgr cos ϑ . L=T−V = 2 Auf der Kugeloberfläche, d. h. im Bereich R ≥ z ≥ z0 , sind die Zwangsbedingungen holonom: r = R = const Es bleibt:
m 2˙ 2 ˙ 2 − mgR cos ϑ . R ϑ + R2 sin2 ϑϕ 2 Die Bewegungsgleichungen für ϑ und ϕ lauten dann: L = L(ϑ, ϕ) =
∂L d ∂L ˙ 2 + mgR sin ϑ = mR2 ¨ ϑ= = mR2 sin ϑ cos ϑϕ ˙ dt ∂ϑ ∂ϑ d 2 2 ∂L d ∂L = ˙ = =0. mR sin ϑϕ ˙ dt ∂ϕ dt ∂ϕ Die Koordinate ϕ ist zyklisch. Damit ist: pϕ =
3.
∂L ˙ = const . = mR2 sin2 ϑϕ ∂ϕ˙
Die z-Komponente des Drehimpulses bzgl. des Ursprungs ist Integral der Bewegung, denn die Schwerkraft wirkt in z-Richtung und damit wirkt kein Drehmoment in z-Richtung. Zwangsbedingung für R ≥ z ≥ z0 : r−R=0 ⇒
dr = 0 ,
˙r = 0 .
250
Lösungen der Übungsaufgaben
Lagrange-Gleichung 1. Art für r mit der Zwangskraft Qr : d ∂L ∂L − = Qr dt ∂˙r ∂r ˙ 2 + sin2 ϑϕ˙ 2 + mg cos ϑ = Qr . m¨r − mr ϑ Mit
˙r = 0
r = R = const , und der Geschwindigkeit
˙ 2 + sin2 ϑϕ˙ 2 v2 = R2 ϑ bleibt: Qr = mg cos ϑ −
mv2 R
Der Absprungpunkt z0 = R cos ϑ0 ist gekennzeichnet durch: Qr (z0 ) = 0 ⇒
mgz0 mv02 = R R ⇒
z0 =
v02 g
wobei v0 aus dem Energieerhaltungssatz bestimmt werden kann: m 2 v + mgz0 = mgR 2 0 ⇒ v02 = 2g R − z0 . Damit ist die Bestimmungsgleichung für z0 : z0 = 2 R − z0 ⇒
z0 =
2 R. 3
Danach bewegt sich der Massepunkt im freien Fall mit den Anfangsbedingungen: 2 z = z0 = R 3 2 v = v0 = gR . 3
Lösungen der Übungsaufgaben
251
Lösung zu Aufgabe 1.2.19 F hat nur eine Radialkomponente:
1.2.19
1 Fr = 2 r Wir setzen
˙r2 − 2r¨r 1− c2
˙r2 1 1+ 2 U(r, ˙r) = r c
und verifizieren durch Einsetzen, dass d ∂U ∂U − dt ∂˙r ∂r
Qr = Fr = gilt.
∂ 1 ˙r2 1+ 2 ∂r r c ∂ 1 ˙r2 1+ 2 ∂˙r r c
d ∂ 1 1+ dt ∂˙r r ∂ d ∂ 1 − 1+ dt ∂˙r ∂r r
˙r2 c2 ˙r2 c2
1 =− 2 r =2
=
˙r2 1+ 2 , c
˙r , r c2 2
r2 c2
(r¨r − ˙r2 ) ,
˙r2 2r¨r 2˙r2 − + 1 + = c2 c2 c2 1 1 = 2 1 − 2 (˙r2 − 2r¨r) = Fr . r c =
1 r2
Das obige U(r, ˙r) ist also in der Tat das verallgemeinerte Potential der Kraft F. Da die Bewegung in der Ebene erfolgen soll, x = r cos ϕ ;
y = r sin ϕ ,
gilt für die kinetische Energie: 1 1 ˙ 2) . T = m(x˙ 2 + y˙ 2 ) = m(˙r2 + r2 ϕ 2 2 Die Lagrange-Funktion lautet demnach: 1 1 ˙r2 ˙ 2) − L = m(˙r2 + r2 ϕ 1+ 2 . 2 r c Die Kraft lautet: F = Fer
mit
1 F= 2 r
˙r2 − 2r¨r 1− . c2
252
Lösungen der Übungsaufgaben
Wir geben eine alternative Lösung an, die etwas systematischer erscheint: Für das verallgemeinerte Potential U(r, ˙r) muss gelten: F = Qr =
d ∂U ∂U − dt ∂˙r ∂r
Die Lösung lässt sich nur erraten. Wegen der zweiten Ableitung wird folgender Ansatz gewählt: U(r, ˙r) = f (r) + g(r)˙r2 Einsetzen von F und diesem Ansatz für U in obige Gleichung und Sortieren nach Zeitableitungen von r: F= ⇒
1 r2
d ∂U ∂U − dt ∂˙r ∂r
d ˙r2 − 2r¨r 1− = 2g˙r − f + g ˙r2 = 2 c dt = 2g¨r + 2g ˙r2 − f + g ˙r2
2 1 1 ¨r − 2 2 ˙r2 + 2 = 2g¨r + g ˙r2 − f . c2 r c r r Vergleich der Koeffizienten von ¨r liefert: g(r) =
1 . c2 r
g (r) = −
⇒
1 c2 r2
,
was konsistent mit dem Koeffizienten von ˙r2 ist. Der Vergleich der restlichen Terme liefert: f (r) = −
1 r2
⇒
f (r) =
1 + const . r
Die Integrationskonstante ist frei wählbar und wird der Einfachheit halber Null gesetzt. Damit ist das verallgemeinerte Potential: 1 2 1 ˙r2 1 1+ 2 . U(r, ˙r) = + 2 ˙r = r c r r c 1.2.20
Lösung zu Aufgabe 1.2.20 1. xM = R ϕ (Rollbedingung!) ; 2. Massenpunkt:
yM = R .
xm = xM − R sin ϕ = R(ϕ − sin ϕ) , ym = yM − R cos ϕ = R(1 − cos ϕ) . Dies ist die gewöhnliche Zykloide (s. Beispiel 4) in Abschn. 1.2.3).
Lösungen der Übungsaufgaben
253
Schwerpunkt: 1 M rM + M r m 2 1 2 RS = = rM + rm 1 3 3 M+ M 2 1 1 ⇒ xS = xM − R sin ϕ = R ϕ − sin ϕ , 3 3 1 1 yS = yM − R cos ϕ = R 1 − cos ϕ . 3 3 3.
Dies ist die so genannte verkürzte Zykloide. Tm : kinetische Energie des Massenpunktes 1 2 2 , + ˙ym Tm = m x˙ m 2
˙ (1 − cos ϕ) ; x˙ m = R ϕ
˙ym = Rϕ˙ sin ϕ
⇒ Tm = m R2 ϕ ˙ 2 (1 − cos ϕ) (TM : Kinetische Energie der Scheibe). TM setzt sich aus einem Rotations- und einem Translationsanteil zusammen: rot tr + TM , TM = TM
1 1 2 tr 2 ˙2 . = M R2 ϕ = M x˙ M + y˙ M TM 2 2 Für den Rotationsanteil benötigen wir das Trägheitsmoment J der Scheibe bezüglich einer Achse durch den Scheibenmittelpunkt (D = Dicke der Scheibe): M dz r3 dr dϕ = J = r2 dm = ρ0 r2 d3 r = π R2 D M = D 2π π R2 D
R
1 r3 dr = M R2 . 2
0
Damit gilt: 1 2 1 rot ˙ = M R2 ϕ˙ 2 TM = Jϕ 2 4 3 ˙2 . ⇒ TM = M R2 ϕ 4 Die gesamte kinetische Energie ist dann: 1 2 2 3 ˙ ) = M R ϕ˙ + (1 − cos ϕ) . T(ϕ, ϕ 2 2
254
Lösungen der Übungsaufgaben
Die potentielle Energie V lässt sich ebenfalls in Beträge des Massenpunktes und der Scheibe zerlegen: V(ϕ) = Vm + VM = m g ym + Cm + VM = 1 1 = − M g R cos ϕ + M g R + Cm + VM . 2 2 Der Beitrag der Scheibe ist konstant. Die Wahl des Nullpunktes ist frei. Wir können die Konstante Cm dann natürlich so wählen, dass 1 V(ϕ) = − M g R cos ϕ 2 bleibt. 4.
5 1 ˙ ) − U(ϕ) = M R2 ϕ˙ 2 L = T(ϕ, ϕ − cos ϕ + g R cos ϕ . 2 2 Bewegungsgleichung:
∂L 5 = M R2 ϕ ˙ − cos ϕ , ∂ϕ˙ 2
5 d ∂L 2 =MR ¨ ϕ − cos ϕ + M R2 ϕ˙ 2 sin ϕ , ˙ dt ∂ϕ 2 ∂L 1 2 2 = M R ϕ ˙ sin ϕ − g R sin ϕ ∂ϕ 2
g ϕ(5 − 2 cos ϕ) + ϕ˙ 2 + sin ϕ = 0 . ⇒¨ R Vereinfachung für kleine Schwingungen:
ϕ << 1 :
cos ϕ ≈ 1 ,
⇐⇒ ¨ ϕ+ 5.
sin ϕ ≈ ϕ ,
ϕ˙ 2 ≈ 0
g g . ϕ ≈ 0 ⇒ ω2 ≈ 3R 3R
Die Bewegung der im Schwerpunkt vereinigten Gesamtmasse 3 Mtot = M + m = M 2 wird durch die Gesamtkraft 3 F = Z − M g ey 2 bewirkt. Die Newton’schen Bewegungsgleichungen lauten deshalb: 3 3 M ¨xS , ¨yS = zx , zy − M g . 2 2
Lösungen der Übungsaufgaben
255
xS , yS haben wir bereits in 2. berechnet. 1 ˙ 1 − cos ϕ , x˙ S = R ϕ 3
1 ˙ sin ϕ y˙ S = R ϕ 3
1 ϕ(3 − cos ϕ) + ϕ˙ 2 sin ϕ , R ¨ 3 1 ¨yS = R ¨ ϕ sin ϕ + ϕ˙ 2 cos ϕ . 3
⇒ ¨xS =
Die Zwangskraft hat also die Komponenten: 1 MR ¨ ϕ(3 − cos ϕ) + ϕ˙ 2 sin ϕ , 2 1 3g . ϕ sin ϕ + ϕ˙ 2 cos ϕ + Zy = M R ¨ 2 R
Zx =
6.
!
Bedingung für Abheben: Zy = 0 Wegen ∂L|∂t = 0 und skleronomer Zwangsbedingungen gilt der Energiesatz: 1 2 2 5 ˙ − cos ϕ − g R cos ϕ = const . E =T+V = M R ϕ 2 2 Wir drücken E durch die Anfangsgeschwindigkeit v aus: 1 2 5 ˙ ϕ = 0 = x˙ M (ϕ = 0) . E= M v −1 −gR , v = Rϕ 2 2 Es gilt also für beliebige ϕ: 3 2 ˙2 v − g R = R2 ϕ 2
5 − cos ϕ − g R cos ϕ . 2
Wir bestimmen v aus der Bedingung Zy = 0 bei ϕ = 2π|3, benötigen nach Teil 5. ˙,¨ ϕ an der Stelle ϕ = 2π|3: also ϕ
ϕ=
2π 1√ 1 ⇒ sin ϕ = 3 ; cos ϕ = − , 3 2 2 2 1 v 2π g = . ϕ˙ 2 ϕ = − 3 2 R2 R
Nach Teil 4. gilt: 1 √ 1 v2 1 g 2π 6¨ + =0 ϕ ϕ= 3 + 3 2 2 R2 2 R √ 2 2π g 3 v ⇒ ¨ ϕ ϕ= + =− . 3 24 R2 R
256
Lösungen der Übungsaufgaben
Bestimmungsgleichung für v: 2π ! = 0 = Zy ϕ = 3 1√ 1 2 3g 1 2π 2π ˙ ϕ= − ϕ + = MR 3¨ ϕ ϕ= 2 2 3 2 3 R 2 2 1 v 1 v 3g g g ⇐⇒ 0 = − − + + − 2 2 16 R R 4 R R R ⇒ v2 =
51 gR. 5
7.
Trägheitsmoment: JS = JmS + JMS , M
S a Abb. A.2.
Z
JS :
Trägheitsmoment des gesamten Systems bezüglich Schwerpunkt S, JmS : Beitrag der Zusatzmasse, JMS : Beitrag der Scheibe.
Nach dem Steiner’schen Satz (Abschn. 4.3.4, Bd. 1) gilt: ! 2 2 " JMS = J + M xM − xS + yM − yS . J ist das in 3. berechnete Trägheitsmoment der Scheibe bezüglich einer Achse durch den Scheibenmittelpunkt. 11 1 1 2 2 1 2 2 2 R sin ϕ + R cos ϕ = M R2 , JMS = M R + M 2 9 9 18 2 2 " 1 ! = JmS = M xm − xS + ym − yS 2 1 4 2 4 2 2 4 2 = M R sin ϕ + R cos ϕ = M R2 2 9 9 18 5 ⇒ JS = M R2 . 6 Die Zwangskraft Z greift am Auflagepunkt an. Sie bewirkt ein Drehmoment um S und damit die Rotation der Scheibe: M = a × Z = ax Zy − ay Zx ez . Da die Rotationsbewegung ausschließlich durch die Zwangskraft Z bewirkt wird, lautet die Bewegungsgleichung:
ϕ = ax Zy − ay Zx . JS ¨
Lösungen der Übungsaufgaben
257
Für den Vektor a gilt: 1 1 a = − xM − xS , yS , 0 = − R sin ϕ , R 1 − cos ϕ , 0 3 3 1 1 3g ϕ = − R sin ϕ M R ¨ϕ sin ϕ + ϕ˙ 2 cos ϕ + ⇒ JS ¨ − 3 2 R 1 1 MR ¨ − R 1 − cos ϕ ϕ(3 − cos ϕ) + ϕ˙ 2 sin ϕ 3 2 ⇒
ϕ = −¨ϕ sin2 ϕ − ϕ˙ 2 sin ϕ cos ϕ − 5¨
3g sin ϕ − R
−¨ ϕ 9 − 6 cos ϕ + cos2 ϕ − ϕ˙ 2 (3 sin ϕ − cos ϕ sin ϕ)
ϕ(15 − 6 cos ϕ) + 3 ϕ˙ 2 sin ϕ + ⇒ ¨
3g sin ϕ = 0 , R
g ϕ(5 − 2 cos ϕ) + ϕ˙ 2 + sin ϕ = 0 . ⇒ ¨ R Dies stimmt mit der Bewegungsgleichung in Teil 4. überein!
Lösung zu Aufgabe 1.2.21 1. Lagrange-Funktion:
1.2.21
L=T−V =T =
1 2 2 2 ˙ . m ˙r + r ϕ 2
Die Koordinate ϕ ist zyklisch: pϕ =
2.
∂L = m r2 ϕ ˙ = Lz = const . ∂ϕ˙
Der Drehimpuls ist ein Integral der Bewegung. Wegen Vernachlässigung der kinetischen Energie in radialer Richtung gilt ˙r2 ≈ 0: 1 L2z ˙2 = T = m r2 ϕ . 2 2m r2 Die geleistete Arbeit W entspricht der Änderung der kinetischen Energie (Energiesatz!): L2 1 1 − . W = T(r = R) − T(r = R0 ) = z 2m R2 R20
3. 4.
Ja! Die Lagrange-Funktion ist dieselbe wie unter 1., ϕ nach wie vor zyklisch. Aus ˙r(t) = −b t folgt die Zwangsbedingung: 1 r(t) = − b t 2 + R0 2
(holonom-rheonom) .
258
Lösungen der Übungsaufgaben
Die diese Zeitabhängigkeit hervorrufende Zwangskraft Z ist die einzige wirkende Kraft. Deswegen gilt: m ¨r = Z . In ebenen Polarkoordinaten ist (s. (2.13), Bd. 1): ¨r = ¨r − r ϕ˙ 2 er + r ¨ ϕ + 2˙r ϕ˙ eϕ . Aus der Drehimpulserhaltung folgt: 1 d 2 1 d ˙ = r ϕ Lz = 0 r¨ ϕ + 2˙r ϕ˙ = r dt r m dt
2 2 ˙ er = −m b + r ϕ˙ er = − m b + ⇒ Z = m ¨r − r ϕ
L2z m r3 (t)
er .
5. L2 1 2 2 2 1 L2 ˙ = m b2 t 2 + z 2 = −m b r − R0 + z 2 m ˙r + r ϕ 2 2 2m r 2m r L2 1 1 . ⇒ W = −m b R − R0 + z − 2m R2 R20 T=
1.2.22
Lösung zu Aufgabe 1.2.22 1. Zwangsbedingung:
r = l − R0 ϕ
(holonom-skleronom) .
Ortsvektor des Massenpunktes: r(P) = R0 + r¯ , wobei R0 = R0 (cos ϕ, sin ϕ) und r¯ = r eϕ = r(− sin ϕ, cos ϕ) ist. ⇒ r(P) = R0 cos ϕ − l − R0 ϕ sin ϕ, R0 sin ϕ + l − R0 ϕ cos ϕ , ˙r (P) = −R0 ϕ˙ sin ϕ + R0 ϕ˙ sin ϕ − l − R0 ϕ ϕ˙ cos ϕ, ˙ cos ϕ − R0 ϕ˙ cos ϕ − l − R0 ϕ ϕ˙ sin ϕ = R0 ϕ ˙ er . = − l − R0 ϕ ϕ Lagrange-Funktion: 2 2 1 1 ˙ . L = T − V = T = m˙r2 (P) = m l − R0 ϕ ϕ 2 2 Die Koordinate ϕ ist nicht zyklisch wie in der vorigen Aufgabe.
Lösungen der Übungsaufgaben
259
Wegen der holonom-skleronomen Zwangsbedingung und wegen ∂L|∂t = 0 gilt jedoch der Energiesatz: E = const = T . 2.
Der Energiesatz erspart bereits eine Integration: 2E 2E l 2E m m ϕ˙ = ; t = 0 : v0 = = l − R0 ϕ l m
˙ = ⇒ ϕ
v0 . l − R0 ϕ
Dies lässt sich umschreiben: 1 ˙ − R0 ϕ ϕ˙ ⇒ v0 t = l ϕ − R0 ϕ2 + C . v0 = l ϕ 2 Aus den Anfangsbedingungen folgt unmittelbar C = 0. Wir lösen nach ϕ auf: l2 l 2 ϕ = ± 2 − v0 t . R0 R0 R0 Wegen ϕ(0) = 0 kann nur das Minuszeichen richtig sein:
l 2R0 1 − 1 − 2 v0 t . ϕ(t) = R0 l Nach der Zeit t0 ist der Faden voll aufgewickelt, d. h.: R0 ϕ t = t0 = l . Dies bedeutet: t0 =
1 l2 . 2 R0 v0
3. pϕ =
2 ∂L ˙ . = m l − R0 ϕ ϕ ∂ϕ˙
Drehimpuls bezüglich 0: L = m r(P) × ˙r (P) = m x(P)y˙ (P) − y(P) x˙ (P) ez = ˙ sin ϕ − = m ez R0 cos ϕ − l − R0 ϕ sin ϕ − l − R0 ϕ ϕ ˙ cos ϕ = − R0 sin ϕ + l − R0 ϕ cos ϕ − l − R0 ϕ ϕ ! 2 2 " ˙ sin ϕ + cos2 ϕ = = m ez l − R0 ϕ ϕ 2 ˙ ez = m l − R0 ϕ ϕ
q. e. d.
260
1.2.23
Lösungen der Übungsaufgaben
Lösung zu Aufgabe 1.2.23 1. Wir berechnen zunächst das Trägheitsmoment der Walze. Dazu verwenden wir Zylinderkoordinaten r, ϕ, z¯. Die z¯-Richtung falle mit der Zylinderachse zusammen. Für die Massendichte gilt nach Voraussetzung:
ρ(r, ϕ, z¯) = α r . Wie groß ist α? Wir drücken α durch die Masse M der Walze aus:
d r ρ(r) = 2π h α
R
1 r2 dr = 2π h α R3 3
3
M=
0
Walze
3M ⇒ α= . 2π h R3 Trägheitsmoment bezüglich z¯-Achse:
2
J=
r dm = Walze
r ρ(r) d r = 2π h α 2
R
3
r4 dr =
3M 1 5 3 R = M R2 . R3 5 5
0
Walze
Im Bereich 0 ≤ z ≤ l führt die Masse m eine eindimensionale Bewegung aus, d. h. ohne Seitenbewegung: generalisierte Koordinate: z , Zwangsbedingung: z = R ϕ . Kinetische Energie: 1 2 1 2 1 ˙ + m ˙z = T = Jϕ 2 2 2
3 M + m ˙z2 . 5
Potentielle Energie: V = m g(l + R − z) (Minimum bei vollständig abgewickeltem Faden) . Lagrange-Funktion: 1 3 M + m ˙z2 − m g(l + R − z) . L z, ˙z = 2 5 Bewegungsgleichung:
3 ! ∂L M + m ¨z = = mg 5 ∂z m g. ⇒ ¨z = 3 m+ M 5 Die Masse m führt eine gleichförmig beschleunigte Bewegung aus (verzögerter Fall!). d ∂L = dt ∂˙z
Lösungen der Übungsaufgaben
261
Mit den Anfangsbedingungen z(t = 0) = 0 ;
˙z(t = 0) = 0
folgt: z(t) =
2.
1 2
m g t2 . 3 m+ M 5
Für z > l kommt die Seitenbewegung hinzu. An dem Bild liest man für den Ortsvektor r m der Masse m ab: r m = (R cos ϕ l + R sin ϕ)
˙ (− sin ϕ, cos ϕ) . ⇒ ˙r m = R ϕ ˙ ist natürlich nun nicht mehr gleich ˙z ! Rϕ
ϕ A l
m
Abb. A.3.
Kinetische Energie:
3 1 1 2 1 2 2 ˙ + J ϕ˙ = ˙2 . m + M R2 ϕ T = mR ϕ 2 2 2 5
Potentielle Energie: V = m g R(1 − sin ϕ) . Lagrange-Funktion:
˙) = L(ϕ, ϕ Bewegungsgleichung:
1 3 ˙ 2 − m g R(1 − sin ϕ) . m + M R2 ϕ 2 5
d ∂L ∂L 3 ! − = m + M R2 ¨ ϕ − m g R cos ϕ = 0 dt ∂ϕ ˙ ∂ϕ 5 1 m ⇒ ¨ g cos ϕ . ϕ= 3 R m+ M 5
262
Lösungen der Übungsaufgaben
Man vergleiche mit dem entsprechenden Ergebnis aus Teil 1. Von z = l (ϕ = 0) ϕ monoton auf Null ab. Wenn dann noch M >> m bis z = l + R ϕ = π|2 nimmt ¨ angenommen werden darf, so ist ¨ ϕ ≈ 0. Dies bedeutet:
ϕ˙ ≈ ϕ˙ l = const
˙ l aus 1. bekannt !) (ϕ
Dies bedeutet:
˙ l t − tl , z = l + R sin ϕ ≈ l + R sin ϕ ˙z = R ϕ˙ cos ϕ ≈ R ϕ˙ l cos ϕ˙ l t − tl , ¨z = R ¨ϕ cos ϕ − R ϕ˙ 2 sin ϕ ≈ −R ϕ˙ l2 sin ϕ˙ l t − tl .
tl ist die Zeit, nach der der Faden auf seine volle Länge abgewickelt ist. Sie lässt sich mit dem Ergebnis aus Teil 1. berechnen: # $ 3 $ $ 2l m + M % m 1 5 . l= g tl2 ⇒ tl = 3 2 mg m+ M 5 Im Bereich l ≤ z ≤ l + R ist 0 ≤ ϕ ≤ π|2 und damit ¨z < 0. Es findet also eine Bremsung statt. Wir müssen noch die Seitenbewegung diskutieren: ˙ l t − tl , x = R cos ϕ ≈ R cos ϕ ˙ sin ϕ ≈ −R ϕ˙ l sin ϕl t − tl , x˙ = −R ϕ
¨x = −R ¨ ϕ sin ϕ − R ϕ˙ 2 cos ϕ ≈ −R ϕ˙ l2 cos ϕl t − tl .
3.
m¨z = m g − Z ⇒ Z = m g − ¨z . 0≤z≤l:
⎛
⎞
⎜ Z = m g ⎝1 −
m ⎟ 3M g = const ≈ m g . =m 3 ⎠ 3M + 5m m+ M 5
l≤z ≤l+R:
¨z ≈ −R ϕ˙ l2 sin ϕ . Nach Teil 1. gilt: 1 R
ϕ˙ l = ˙z t = tl =
1 R
m 3 m+ M 5
# $ 3 $ $ 2l m + M % 5 g mg
Lösungen der Übungsaufgaben
263
1 R
m g 2l 3 m+ M 5 5m 2 ⇒ ¨z ≈ − g l sin ϕ R 3M 10l m ⇒ Z ≈ mg 1 + sin ϕ . 3M R
⇒ Rϕ ˙ l2 =
Lösung zu Aufgabe 1.2.24 1. Zwangsbedingungen:
1.2.24
(ebene Bewegung) , z1 = z2 = 0 2 2 x2 − x1 + y2 − y1 = (2a)2 (konstanter Abstand) .
1
α2
y 2
ϑ
m
ϑ
m
α1
S r1
r r2
ϕ x
Abb. A.4.
p = 3 : Zahl der Zwangsbedingungen ⇒ Zahl der Freiheitsgrade: S = 3N − p = 6 − 3 = 3 . Wir brauchen also drei generalisierte Koordinaten: q1 = r ;
q2 = ϕ ;
q3 = ϑ .
Kinetische Energie: T = TS + TE , TS : Schwerpunktbewegung, Bahnbewegung; TE : Eigendrehung um S. Schwerpunkt:
R=
2 1 1 mi ri = (r 1 + r2 ) , M i=1 2
Gesamtmasse: M = m1 + m2 = 2m ,
264
Lösungen der Übungsaufgaben
1 ˙2 ˙ 2x + R ˙ 2y , MR =m R 2 ˙ x = ˙r cos ϕ − r ϕ˙ sin ϕ , Rx = r cos ϕ ⇒ R TS =
˙ y = ˙r sin ϕ + r ϕ˙ cos ϕ Ry = r sin ϕ ⇒ R ˙2 . ⇒ TS = m ˙r2 + r2 ϕ Eigendrehung: TE =
1 1 ˙ 21 + m2 a2 α ˙ 22 ; m 1 a2 α 2 2
α1 = ϕ − ϑ ; α2 = π + α1 = π + ϕ − ϑ
2 ˙ ⇒ TE = m a2 ϕ ˙ −ϑ . Potentielle Energie: V = −m γ
1 1 + r1 r2
,
√ r2 + a2 − 2r a cos(π − ϑ) = r2 + a2 + 2r a cos ϑ , √ r2 = r2 + a2 − 2r a cos ϑ . r1 =
Lagrange-Funktion: 2 ˙ + ˙ 2 + m a2 ϕ˙ − ϑ L = TS + TE − V = m ˙r2 + r2 ϕ ! −1|2 2 −1|2 " + r + a2 − 2r a cos ϑ + m γ r2 + a2 + 2r a cos ϑ . Bewegungsgleichungen: q1 = r : d ∂L = 2m ¨r , dt ∂˙r
,
r + a cos ϑ ∂L ˙ 2 − mγ = 2m r ϕ 3|2 + ∂r 2 r + a2 + 2r a cos ϑ r − a cos ϑ
+ 3|2 r2 + a2 − 2r a cos ϑ
, r + a cos ϑ 1 ˙ =− γ ⇒ ¨r − r ϕ 3|2 + 2 r2 + a2 + 2r a cos ϑ r − a cos ϑ + 3|2 . r2 + a2 − 2r a cos ϑ 2
-
Lösungen der Übungsaufgaben
265
q2 = ϕ : ϕ ist zyklisch! pϕ = q3 = ϑ :
2.
∂L ˙ = const . = 2m r2 ϕ ˙ + 2m a2 ϕ˙ − ϑ ∂ϕ˙
d ∂L , = −2m a2 ¨ ϕ −¨ ϑ ˙ dt ∂ϑ , ∂L sin ϑ = mγ ra 3|2 − ∂ϑ 2 2 r + a + 2r a cos ϑ sin ϑ − 3|2 r2 + a2 − 2r a cos ϑ , 1 γ r ¨− ϕ=ϑ ⇒ ¨ sin ϑ 3|2 − 2a 2 2 r + a + 2r a cos ϑ 1 − 3|2 . r2 + a2 − 2r a cos ϑ
Bahndrehimpuls . = Drehimpuls des Schwerpunktes:
r cos ϕ ˙r cos ϕ − r ϕ˙ sin ϕ ×M = LB = R × P = r sin ϕ ˙r sin ϕ + r ϕ˙ cos ϕ ˙ ez . = 2m r2 ϕ Eigendrehimpuls . = Drehimpuls bezüglich S:
2 − sin αi 2 cos αi ˙i LE = ×α = mi a sin αi cos αi i=1 =
2
˙ ez . ˙ i cos2 αi + sin2 αi ez = 2m a2 ϕ˙ − ϑ mi a2 α
i=1
Gesamtdrehimpuls der Hantel:
" ! ˙ + a2 ϕ˙ − ϑ˙ ez = pϕ ez L = LB + LE = 2m r2 ϕ ⇒ L = const ,
da ϕ zyklisch ist .
3. 15 3 35 (1 + x)−3|2 = 1 − x + x2 − x3 + . . . 2 8 16
266
Lösungen der Übungsaufgaben
⇒
1 3 r1,2
=
2 −3|2 1 a a ± 2 ϑ = cos 1 + r3 r2 r
=
1 3 a2 a cos 1 − + ± 2 ϑ r3 2 r2 r
⇒
+
15 8
−
35 16
a2 a3 a4 2 − + 4 cos ϑ ± 4 cos ϑ r4 r2 r3
a5 a4 a3 a6 2 3 + . . . ≈ ± 6 cos ϑ + 12 cos ϑ ± 8 cos ϑ r6 r5 r4 r3
≈
3 a2 1 a 1 ∓ 3 cos ϑ + 2 (5 cos2 ϑ − 1) ± 3 r r 2r
±
5 a3 2 3 − 7 cos cos ϑ ϑ 2 r3
r + a cos ϑ r − a cos ϑ + ≈ r13 r23 ≈
1 a2 5 cos2 ϑ − 1 − 2r + 3 3 r r
−6
=
a2 a4 cos2 ϑ + 5 3 cos2 ϑ 3 − 7 cos2 ϑ = r r
a2 a4 1 2 2 2 3 cos 3 − 7 cos . 2 + 3 ϑ − 1 + 5 cos ϑ ϑ r2 r2 r4
Damit schreiben wir die Bewegungsgleichungen aus Teil 1. um: q1 = r : 3 a2 γ 2 3 cos ¨r − r ϕ˙ 2 = − 2 1 + ϑ − 1 + . . . . r 2 r2 q2 = ϕ (unverändert): " d !2 ˙) =0. ˙ + a2 (ϕ˙ − ϑ r ϕ dt q3 = ϑ :
¨ϕ = ¨ ϑ+
3γ 5 γ a 2 sin 2ϑ − 3 sin 2ϑ(3 − 7 cos ϑ) + . . . 3 2r 4r r
(unter Berücksichtigung von sin 2ϑ = 2 sin ϑ cos ϑ).
Lösungen der Übungsaufgaben
267
Für a|r −→ 0 vereinfachen sich diese Gleichungen weiter zu:
¨r − r ϕ˙ 2 +
γ
r2
≈0,
d 2 ˙ ≈0, r ϕ dt 3γ sin 2ϑ ≈ 0 . 2 r3 Die ersten beiden Gleichungen enthalten keine ϑ-Anteile. Die Bahnbewegung r = r(ϕ) ist damit von der Eigenbewegung, gekennzeichnet durch ϑ, entkoppelt. Fall 1:
¨ ϕ − ¨ϑ −
4.
P
R Abb. A.5.
Die Hantelstange sei stets auf P gerichtet
˙ =0. ⇒ ϑ = 0 = const ⇒ ϑ Gleichförmige Kreisbewegung: r = R = const ;
ϕ˙ = ω1 = const .
Lagrange-Gleichungen: a2 1 + 3 + . . . , R2 R2 d 2 R ω1 + a2 ω1 = 0 , dt
−R ω21 = −
q1 = r : q2 = ϕ : q3 = ϑ :
γ
0=0.
Die beiden letzten Gleichungen sind identisch erfüllt, die erste liefert: a 2 γ 2 . ω1 = 3 1 + 3 R R Fall 2:
P R Abb. A.6.
Die Hantelstange liege stets tangential zum Kreis:
ϑ=
π 2
˙ =0. = const ⇒ ϑ
268
Lösungen der Übungsaufgaben
Gleichförmige Kreisbewegung: r = R = const ;
ϕ˙ = ω2 = const .
Lagrange-Gleichungen: q1 = r : q2 = ϕ : q3 = ϑ :
3 a2 =− 2 1− + ... , R 2 R2 d 2 R ω2 + a2 ω2 = 0 , dt
γ
−R ω22
0=0.
Die beiden letzten Gleichungen sind wieder identisch erfüllt, die erste liefert:
ω22
3 a2 . = 3 1− R 2 R2
γ
Der zitierte Satz gilt natürlich auch für die Hantelbewegung. Nur ist wegen der Inhomogenität des Gravitationsfeldes in den beiden obigen Fällen die Gesamtkraft unterschiedlich!
1.2.25
Lösung zu Aufgabe 1.2.25 Bewegungsgleichungen zu L1 :
d ∂L1 ∂L1 − =0 dt ∂x˙ i ∂xi
m¨xi = qEi
(i = 1, 2, 3) .
m¨xi = qEi
(i = 1, 2, 3) .
Bewegungsgleichungen zu L2 : d ∂L2 ∂L2 − =0 dt ∂x˙ i ∂xi
Beide Lagrange-Funktionen führen zu denselben Bewegungsgleichungen, sind also äquivalent, beschreiben gleichermaßen die Bewegung des geladenen Teilchens im konstanten, homogenen elektrischen Feld E. Das Ergebnis wird verständlich, wenn man bedenkt, dass gilt: d (qE · rt) = qE · ˙r t + qE · r . dt Damit hängen die beiden Funktionen durch eine mechanische Eichtransformation (1.84) miteinander zusammen: L1 = L2 + Das erklärt die Äquivalenz!
d d (qE · rt) ≡ L2 + f (r, t) . dt dt
Lösungen der Übungsaufgaben
269
Abschnitt 1.3.5 Lösung zu Aufgabe 1.3.1 Mit der Notation aus Abschn. 1.3.2 gilt: / / ds = dx2 + dy2 = 1 + y2 dx .
1.3.1
Zu variieren ist also das Funktional B J=
xB / ds = 1 + y2 dx . xA
A
Wir setzen f (x, y, y ) = f (y ) = ⇒
∂f =0; ∂y
/ 1 + y2
y ∂f = . ∂y 1 + y2
Für die Variation δJ hatten wir im Anschluss an (1.123) abgeleitet:
∂f B δJ = δy + ∂y A
B A
∂f d ∂f − δy dx . ∂y dx ∂y
Dies bedeutet hier:
δJ =
y
1 + y2
1.
B
δy − A
B A
y d dx 1 + y2
δy dx .
Zunächst sind A und B fest für alle Kurven der Konkurrenzschar. Es gilt deshalb:
δy(A) = δy(B) = 0 . Der erste Summand im obigen Ausdruck für δJ verschwindet also. Die Forderung δJ = 0 führt bei sonst beliebigem δy auf y y d = 0 ⇐⇒ = const ⇐⇒ y = m = const . dx 1 + y2 1 + y2
2.
Die kürzeste Verbindung zwischen A und B ist also die Strecke AB (s. Beispiel 1) in Abschn. 1.3.2). Jetzt besteht die Konkurrenzschar aus allen Strecken von A zu beliebigen Punkten B auf der Geraden g. Für jede zur Variation zugelassenen Kurve gilt also
270
Lösungen der Übungsaufgaben
y = const, sodass nun der zweite Summand im obigen δJ-Ausdruck verschwindet. Der erste Summand ist dagegen ungleich Null, da nun nur A fest ist:
δy(A) = 0 ; δy(B) =/ 0 . Dies bedeutet: y (B) ! 0 = δJ = δy(B) 1 + y2 (B) ⇒ y (B) = 0 . Die stationäre Bahn hat also die Steigung Null. Es handelt sich deshalb um das Lot von A auf die Gerade g.
1.3.2
Lösung zu Aufgabe 1.3.2 Linienelement in Zylinderkoordinaten:
dr = dρ eρ + ρ dϕ eϕ + dz ez . Hier gilt dρ = 0, da ρ ≡ R = const. Bogenlänge: / √ √ ds = dr · dr = R2 dϕ2 + dz 2 = R2 + z2 dϕ ; z = z(ϕ) . z
R
P2
·
·
P1
Abb. A.7.
Lösungen der Übungsaufgaben
271
Die Länge der Verbindungsstrecke berechnet sich aus: ϕ2 √ 2 √ ds = R2 + z2 dϕ f ϕ, z, z = R2 + z2 . S= 1
ϕ1
Die Forderung, dass S minimal ist, führt auf die Euler-Gleichung:
∂f d ∂f ! =0. − ∂z dϕ ∂z
!
δS = 0 ⇐⇒ Wegen
∂f =0 ∂z ist
∂f z = const = c = √ ∂z R2 + z2 und damit cR = d = const . 1 − c2 Die kürzeste Verbindung ist also eine Schraubenlinie: z =
z(ϕ) = d ϕ + dˆ .
Lösung zu Aufgabe 1.3.3 1. Unter Massenverteilung ist Masse pro Länge zu verstehen:
m(x) =
dm . dx
Für die kinetische Energie T gilt dann 1 T= 2
l m(x) y˙ 2 dx 0
mit y˙ = 2.
∂y = ˙y(x, t) . ∂t
Ansatz: ⎛ l ⎞ V = α ⎝ ds − l⎠ ; 0
ds =
/ dx2 + dy2 .
1.3.3
272
Lösungen der Übungsaufgaben
Mit y = dy|dx folgt: ⎛ l ⎞ / V = α⎝ 1 + y2 dx − l⎠ . 0
3.
Kleine Auslenkung bedeutet auch kleines y , / 1 1 + y2 ≈ 1 + y2 2 ⇒ V≈
α
l
2
y2 dx .
0
Wirkungsfunktional: t2 S= t1
⎤ ⎡ t2 l ⎣ m(x)˙y2 − α y2 dx⎦ dt .
1 L dt = 2
t1
0
Die Konkurrenzschar besteht aus Kurven, deren Auslenkungen an den Stellen x = 0 und x = l Null sind (Zwangsbedingungen!) und zu den Zeiten t1 und t2 fest vorgegeben sind (Hamilton’sches Prinzip!). !
0 = δS =
t2 l
m(x)˙y δy˙ − αy δy dx dt =
t1 0
l =
m(x) [y˙ δy]
t2 t1
dx − α
t2
[y δy]
l 0
t2 l dt −
t1
0
m(x)¨y − αy δy dx dt .
t1 0
Da δy an den Grenzen verschwindet, bleibt: t2 l 0=−
m(x)¨y − αy δy dx dt .
t1 0
δy ist ansonsten frei wählbar, sodass bereits m(x)
∂2 y ∂2 y = α ∂t 2 ∂x2
gelten muss. Dies ist die gesuchte Differentialgleichung. Für den Spezialfall einer homogenen Massenverteilung m(x) = m|l ergibt sich die einfache Wellengleichung.
Lösungen der Übungsaufgaben
273
Lösung zu Aufgabe 1.3.4 Lagrange-Funktion:
1.3.4
L=T−V =
m 2 ˙z − mgz 2
Es gilt für die angegebene Bahn:
˙z(t) = −gt + ˙f Wirkungsfunktional:
t2 S=
dt t1
t2 dt
= t1
t2 = mg
2
2 m 1 −gt + ˙f − mg − gt 2 + f = 2 2 m 1 m 22 g t − mgt ˙f + ˙f 2 + mg 2 t 2 − mgf 2 2 2
m dt t + 2
t2
t1
t2 dt ˙f (t)2 − mg
2
t1
=
dt t ˙f + f
t1
Partielle Integration: t2 t1
t2
t2
dt t ˙f =
tf t 1
−
= 0 , wegen f (t1 ) = f (t2 ) = 0
dt f . t1
Es bleibt: 1 3 3 m S = mg · t −t + 3 2 1 2
t2 dt ˙f (t)2 .
2
t1
Der erste Summand ist unabhängig von f (t). Der zweite ist minimal für
˙f (t) = 0
⇒
f (t) = const .
Wegen f (t1 ) = f (t2 ) = 0 muss dann also f (t) ≡ 0 sein.
274
1.3.5
Lösungen der Übungsaufgaben
Lösung zu Aufgabe 1.3.5 Setze:
g(y, y ) ≡ f − y Damit:
∂f ; f = f (y, y ) ∂y
dg ∂ ∂ ∂f = f− y + dx ∂x ∂x ∂y =0
=0
∂f ∂2 f y + y −y ∂y ∂y∂y ∂f ∂f ∂2 f + y − y − y 2 y = ∂y ∂y ∂y 2 ∂ f ∂2 f ∂f y − 2 y = =y − ∂y ∂y∂y ∂y d ∂ f ∂ f = y − = ∂y dx ∂y +
=0 Nach der Eulerschen Gleichung (1.124) ist die Klammer null. Damit ist: g(y, y ) = f − y
1.3.6
∂f = const . ∂y
Lösung zu Aufgabe 1.3.6
Lage des Seils in der xy-Ebene
y(x) : + d F=
dx y(x) :
Fläche zwischen Seil und x-Achse
−d
2
2 / dS =
l= 1
2 dx2
+
dy2
1
=
dx
/ 1 + y2 :
1
Variationsaufgabe: δ F − λl =
+ d −d
/ 2 dx y(x) − λ 1 + y f = f (y,y )
Seillänge !
Lösungen der Übungsaufgaben
275
Voraussetzungen von Aufgabe 1.3.5 sind erfüllt: f − y ⇒
∂f = const ∂y
y2 ! = a = const y − λ 1 + y2 + λ 1 + y2
λ
=a y− 1 + y2
⇐⇒ nach y2 auflösen: (y − a)2 = ⇒ y2 =
λ2
1 + y2
λ2 − a)2
(y
1 + y2 =
⇒
λ2 (y − a)2
λ2 − (y − a)2
−1=
(y − a)2
λ2 − (y − a)2
⇒
dx = dy
⇒
dx =
y−a y−a
λ2 − (y − a)2
/ d − λ2 − (y − a)2 dy dy
dy =
/ ⇒ x − b = − λ2 − (y − a)2 ;
b = const .
Bedeutet: (x − b)2 + (y − a)2 = λ2
Kreis mit Radius λ und Mittelpunkt bei (b, a)
⇒
a, b und λ aus Randpunkten und Nebenbedingung. P1 : (−d − b)2 + (−a)2 = λ2 P2 : (d − b)2 + (−a)2 = λ2 Subtraktion: (d + b)2 − (d − b)2 = 0 ⇒
⇐⇒ a=
4db = 0
√
λ2 − d2
Seillänge: + d dx
l= −d
/ 1 + y2
⇒
b=0
276
Lösungen der Übungsaufgaben
s. o.
y−a=
√
λ2 − x2
⇒ 1 + y2 = 1 +
⇒
y = √
λ2 x2 = λ2 − x2 λ2 − x2
−x
λ2 − x2
/ λ 1 + y2 = √ 2 λ − x2
⇒ damit gilt: + d
dx √
l=
λ2 − x2
−d
⇒
λ
= 2λ arcsin
d
λ
λ durch l und d festgelegt ⇒ a bestimmt!
Abschnitt 1.4.4 1.4.1
Lösung zu Aufgabe 1.4.1 L = L q , q˙ , t, α = L q q , t, α , q˙ q , q˙ , t, α , t .
Damit berechnen wir:
S ∂L ∂L ∂qj ∂L ∂q˙ j = · + · ∂α j = 1 ∂qj ∂α ∂q˙ j ∂α
=
S d ∂L ∂qj ∂L d ∂qj + dt ∂q˙ j ∂α ∂q˙ j dt ∂α j=1
⎛ ⎞ ∂ q d ⎝ ∂L j ⎠ . · = dt ∂q˙ j ∂α j
Im zweiten Schritt haben wir die Lagrangeschen Bewegungsgleichungen und die stetige Differenzierbarkeit der qj ausgenutzt. Dieser Ausdruck gilt so für beliebige α, also auch für α = 0: ⎛ ⎞ d ∂L ∂qj ∂L ⎝ ⎠ = · . ∂α α = 0 dt ∂q˙ j ∂α j
α=0
Nach Voraussetzung soll nun aber die Lagrange-Funktion bei der Koordinatentransformation invariant bleiben. L kann deshalb nicht explizit von α abhängen:
∂L ∂α
α=0
=0.
Lösungen der Übungsaufgaben
277
Damit ergibt sich unmittelbar das Noether-Theorem: S ∂L ∂qj q , t, α I q, q˙ , t = ∂q˙ j ∂α
= const .
α=0
j=1
Jede Transformation, die L invariant lässt, führt demnach auf eine Erhaltungsgröße. Lösung zu Aufgabe 1.4.2 Rotation um z-Achse: ⎛ ⎞ ⎛ cos α x ⎜ ⎟ ⎜ ⎝ y ⎠ = ⎝ − sin α z 0
1.4.2
sin α cos α 0
⎞ ⎛ ⎞ ⎞⎛ x cos α + y sin α 0 x ⎟ ⎜ ⎟ ⎟⎜ 0 ⎠ ⎝ y ⎠ = ⎝ −x sin α + y cos α ⎠ . 1 z z
α = 0 bedeutet die identische Abbildung. Es folgt weiter: x˙ = x˙ cos α + ˙y sin α
˙y = −x˙ sin α + ˙y cos α ˙z = ˙z . Damit ergibt sich: x˙ 2 + y˙ 2 + ˙z2 = x˙ 2 + y˙ 2 + ˙z2 . Ganz analog findet man: x2 + y2 = x2 + y2 z = z . Die Lagrange-Funktion ist also invariant gegenüber der hier vollzogenen Koordinatentransformation: L q, q˙ = L q , q˙ . Damit sind die Voraussetzungen des Noether-Theorems aus Aufgabe 1.4.1 erfüllt. Zur Berechnung des Integrals der Bewegung benötigen wir nach Aufgabe 1.4.1: ∂x q , α = −x sin α + y cos α = y
∂α
∂y q , α
∂α
= −x cos α − y sin α = −x
∂z =0. ∂α Damit finden wir die folgende Erhaltungsgröße: ∂L ∂L I= ·y+ · (−x) = mx˙ y − my˙ x = px · y − py · x = Lz = const . ∂x˙ ∂y˙ Die z-Komponente des Drehimpulses ist also ein Integral der Bewegung!
278
1.4.3
Lösungen der Übungsaufgaben
Lösung zu Aufgabe 1.4.3 1. Es gilt natürlich auch jetzt wie in der Lösung zu Aufgabe 1.4.1: ⎞ ⎛ ∂L d ⎝ ∂L ∂qj ⎠ . = · ∂α dt ∂q˙ j ∂α j
Allerdings ist nun: d ∂ ∂L ∂ d = f q , t, α . f q , t, α = ∂α ∂α dt dt ∂α Das Integral der Bewegung lautet deshalb: S ∂L ∂qj q , t, α ∂ . − f q , t, α = const . I q, q˙ , t = ∂ q˙ j ∂α ∂α α=0 j=1 α=0 2. L(x, x˙ ) =
m 2 x˙ − mgx . 2
Die Galilei-Transformation x −→ x = x + αt erfüllt die Voraussetzungen, die wir an die Transformation stellen müssen. Mit x˙ = x˙ − α folgt für die „neue“ Lagrange-Funktion: m 2 d f x , t, α . L x , x˙ , t, α = x˙ − α − mg x − αt = L x , x˙ + 2 dt Dabei haben wir definiert: m d f x , t, α = −αmx˙ + α2 + mg αt dt 2 m 1 f x , t, α = −αmx + α2 t + mg αt 2 2 2
∂f ∂α
α=0
1 = −mx + mgt 2 . 2
Mit
∂L ∂x · ∂x˙ ∂α folgt nach Teil 1.:
α=0
= −mx˙ t
1 1 2 2 . I x, x˙ , t = −mx˙ t + mx − mgt = m x − x˙ t − gt . 2 2
Lösungen der Übungsaufgaben
279
Das ist das bekannte Ergebnis für den freien Fall. Mit 1 x(t) = x0 + v0 t − gt 2 2 x˙ (t) = v0 − gt ist . I = mx0 mit Sicherheit eine Erhaltungsgröße, wenn auch eine triviale!
Abschnitt 2.1.1 Lösung zu Aufgabe 2.1.1 1.
2.1.1
df u = 2α x ⇒ x = dx 2α df ⇒ f (x) − x = −α x2 dx u2 ⇒ g(u) = − . 4α
f (x) = α x2 ⇒ u =
2. f (x, y) = α x2 y3 ⇒ v = 2
⇒ y =
∂f ∂y
= 3α x 2 y 2
x
v
3α2 x2 ∂f v3|2 ⇒ f (x, y) − y = −2α x2 y3 = −2α x2 ∂y x (3α x2 )3|2 ⇒ g(x, v) = −
2 v 3 |2 . 3 (3α x2 )1|2
Lösung zu Aufgabe 2.1.2 1.
2.1.2
2 f (x) = α x + β ⇒
u=
df = 2α x + β dx
⇒
x=
u −β 2α
280
Lösungen der Übungsaufgaben
⇒
f (x) − x
u u 2 df −u −β =α dx 2α 2α u2 = βu − 4α = g(u)
Rücktransformation: g(u) = βu − ⇒ ⇒
u2 4α
dg u ⇒ u = β + x 2α =β− du 2α dg u2 u2 g(u) − u − βu + = = βu − du 4α 2α 2 u2 = =α β+x = 4α −x =
= f (x) 2.
⇒
f (x, y) = αx3 y5 v ∂f ⇒ v= = 5αx3 y4 ⇒ y4 = ∂y x 5αx3 ∂f f (x, y) − y = αx3 y5 − 5αx3 y5 = ∂y x = −4αx3 y5 v 5 |4 g(x, v) = −4αx3 5|4 5αx3
⇒ Rücktransformation:
∂g y=− ∂v
g(x, v) − v
∂g ∂v
x
v 1| 4 = +5αx3 5|4 5αx3
5|4 v5|4 = y5 5αx3
⇒ ⇒
x
v5|4 v5|4 3 = −4αx3 5|4 + 5αx 5|4 = 5αx3 5αx3 v5|4 = αx 3 5|4 = 5αx3 = αx3 y5 = f (x, y)
Lösungen der Übungsaufgaben
281
Abschnitt 2.2.3 Lösung zu Aufgabe 2.2.1
2.2.1
Gesamtmasse:
M = m1 + m 2 , μ = m1 m2 |M ,
reduzierte Masse: Relativkoordinate: Massenmittelpunkt: generalisierte Koordinaten:
r = r1 − r 2 , 1 R= m1 r1 + m2 r 2 = (X, Y, Z) , M X, Y, Z, r, ϑ, ϕ .
m1 r r1
m2
R r2 Abb. A.8.
Lagrange-Funktion nach (1.156): 1 ˙ 2 + r2 sin2 ϑ ϕ˙ 2 ) − V(r) . ˙ 2 + Y˙ 2 + Z˙ 2 ) + 1 μ(˙r2 + r2 ϑ L = M(X 2 2 X, Y, Z, ϕ sind zyklisch. Daraus folgt:
˙ = const = Cx , Px = M X Py = M Y˙ = const = Cy , Pz = M Z˙ = const = Cz ,
˙ = const = Cϕ . Pϕ = μ r2 sin2 ϑ ϕ ˙ Y, ˙ Z, ˙ ϕ˙ : Legendre-Transformation bezüglich X, ˙ , Px , Py , Pz , pϕ = R X, Y, Z, r, ϑ, ϕ, ˙r, ϑ Cϕ2 1 2 1 ˙ 2 + V(r) = Cx + Cy2 + Cz2 + − μ ˙r2 + r2 ϑ 2 2 2M 2μ r sin ϑ 2 ˙ Cx , Cy , Cz , Cϕ . = R r, ϑ, ˙r, ϑ =
282
Lösungen der Übungsaufgaben
Bewegungsgleichungen: r, ϑ nicht-zyklisch:
∂R d ∂R = dt ∂q˙ j ∂qj qj = r : −μ ¨r = −
Cϕ2
μ r3 sin2 ϑ
ϑ=− qj = ϑ : −μ r2 ¨
˙ 2 + ∂V , − μrϑ ∂r Cϕ2 cos ϑ
μ r2 sin3 ϑ
X, Y, Z, ϕ zyklisch:
∂R ∂ R Cx = = , ∂Px ∂Cx M ∂R ∂R Cy Y˙ = = = , ∂Py ∂Cy M
˙ = X
∂R ∂R Cz = = , ∂Pz ∂Cz M Cϕ ∂R ∂R ϕ˙ = = = , 2 ∂pϕ ∂Cϕ μ r sin2 ϑ
Z˙ =
∂R ∂R ∂R = 0 ; P˙ y = − = 0 ; P˙ z = − =0, ∂X ∂Y ∂Z ∂R p˙ ϕ = − =0. ∂ϕ P˙ x = −
2.2.2
Lösung zu Aufgabe 2.2.2 1. Wir haben in Aufgabe 1.2.4 die Lagrange-Funktion berechnet:
L=
1 2 ρ ˙ 2 + ˙z2 − V0 ln . m ρ˙ + ρ2 ϕ 2 ρ0
Die generalisierten Impulse lauten dann: pρ =
∂L ∂L ∂L = m ρ˙ ; pϕ = = m ρ2 ϕ ˙ ; pz = = m ˙z ∂ρ˙ ∂ϕ˙ ∂z
ρ 1 ˙ + pz ˙z − L = m(ρ˙ 2 + ρ2 ϕ˙ 2 + ˙z2 ) + V0 ln ⇒ H = pρ ρ˙ + pϕ ϕ . 2 ρ0 Dies ergibt die Hamilton-Funktion:
p2ϕ 1 ρ 2 2 H= . pρ + 2 + pz + V0 ln 2m ρ ρ0
Lösungen der Übungsaufgaben
2.
283
Hamilton’sche Bewegungsgleichungen: p˙ ρ = −
p2ϕ ∂H V0 = − , ∂ρ m ρ3 ρ
p˙ ϕ = −
∂H ∂H = 0 ; p˙ z = − , ∂ϕ ∂z
ρ˙ =
pϕ ∂H pρ ∂H ∂H pz ˙ = ; ϕ , = = ; ˙z = = ∂pρ m ∂pϕ m ρ2 ∂pz m
∂H =0. ∂t 3.
Erhaltungssätze ϕ, z sind zyklisch. Daraus folgt: pϕ = m ρ2 ϕ ˙ = const :
Drehimpulssatz ,
pz = m ˙z = const :
Impulssatz .
∂H = 0 und ∂ r(q, t) = 0. Daraus folgt: ∂t ∂t
Energiesatz .
H = E = const :
Lösung zu Aufgabe 2.2.3 1. Σ: ruhendes Koordinatensystem
2.2.3
Zwangsbedingungen: 1-dim. Bewegung
⇒
z=y=0 q=x
Feder „entspannt“ für x = d kinetische Energie: T=
m 2 x˙ 2
potentielle Energie: V=
2 k 2 k x −d = x − v0 t − d 2 2
Lagrange-Funktion: L=T−V =
2 m 2 k x˙ − x − v0 t − d 2 2
284
Lösungen der Übungsaufgaben
verallgemeinerter Impuls: px =
∂L = mx˙ ∂x˙
L∗ (x, px , t) =
⇒
⇒
x˙ =
px m
2 k p2x − x − v0 t − d 2m 2
⇒ Hamilton-Funktion: H = px x˙ − L =
p2x − L∗ m
2 k p2x + x − v0 t − d 2m 2
= offensichtlich:
H =T+V =E aber:
∂L =/ 0 ; ∂t
∂H =/ 0 ∂t
⇒ H keine Erhaltungsgröße Bewegungsgleichungen: x˙ =
∂H px = ∂px m
p˙ x = −
⇒
p˙ x = m¨x
∂H = −k x − v0 t − d ∂x
⇒ m¨x + kx = k v0 t + d 2.
Σ : mitbewegtes Koordinatensystem x = x − v0 t ⇒
⇒
x˙ = x˙ − v0
m 2 k 2 x −d L x , x˙ = x˙ + v0 − 2 2 ⇒ ⇒
∂L = m x˙ + v0 ∂x˙
p2 k 2 x , px = x − x −d 2m 2
∗
L
px =
Lösungen der Übungsaufgaben
⇒
⇒
285
∗ H = px x˙ − L x , px 2 px p2 k − v0 − x + x −d = px m 2m 2 H=
2 p2 k x − px v0 + x −d 2m 2
Umgekehrte Situation wie unter 1.: H =/ E =
2 k p2 x + x −d 2m 2
H ist nicht die Gesamtenergie. aber:
∂H =0 ∂t
⇒
H :
x˙ =
∂H px −v = ∂px m 0
Integral der Bewegung
Bewegungsgleichungen:
⇒
p˙ x = m x˙ + v0 p˙ x = −
⇒
p˙ x = m¨x
∂H = −k x − d ∂x
Kombination: m¨x + kx = kd ungedämpfter harmonischer Oszillator mit zeitunabhängiger äußerer Kraft!
Lösung zu Aufgabe 2.2.4 Das System besitzt holonom-skleronome Zwangsbedingungen und ist konservativ. Die Hamilton-Funktion ist damit mit der Gesamtenergie identisch und ein Integral der Bewegung:
H = T + V = E = const . Die Kräfte sind konservativ: F 1 = +k x2 − x1 ex = −∇1 V F 2 = +k x3 − x2 ex − k x2 − x1 ex = −∇2 V F 3 = −k x3 − x2 ex = −∇3 V .
2.2.4
286
Lösungen der Übungsaufgaben
Das führt zu der potentiellen Energie: 2 2 1 V = k x1 − x2 + x3 − x2 . 2 Kinetische Energie: 1 1 T = m1 x˙ 12 + x˙ 32 + m2 x˙ 22 . 2 2 Lagrange-Funktion: 1 2 2 1 1 L = T − V = m1 x˙ 12 + x˙ 32 + m2 x˙ 22 − k x1 − x2 + x3 − x2 . 2 2 2 Generalisierte Impulse:
∂L = m1 x˙ 1 ∂x˙ 1 ∂L p2 = = m2 x˙ 2 ∂x˙ 2 ∂L p3 = = m1 x˙ 3 ∂x˙ 3
p1 =
x˙ 1 =
p1 m1
x˙ 2 =
p2 m2
x˙ 3 =
p3 . m1
Impulse in die Lagrange-Funktion einsetzen: 2 2 1 2 1 2 1 L∗ x1 , x2 , x3 , p1 , p2 , p3 = p1 + p23 + . p2 − k x1 − x2 + x3 − x2 2m1 2m2 2 Hamilton-Funktion: H=
3
pj x˙ j − L∗ x1 , x2 , x3 , p1 , p2 , p3
j=1
=
2 2 1 2 1 1 2 p1 + p23 + . p2 + k x1 − x2 + x3 − x2 2m1 2m2 2
Bewegungsgleichungen: x˙ 1 =
∂H p1 = ∂p1 m1
p˙ 1 = −
¨x1 =
∂H = −k x1 − x2 ∂x1
1 k x1 − x2 p˙ 1 = − m1 m1
⇒
¨x1 +
k x1 − x2 = 0 . m1
(A.4)
Lösungen der Übungsaufgaben
287
∂H p2 = ∂p2 m2
x˙ 2 =
p˙ 2 = −
∂H = k x1 − x2 + k x3 − x2 ∂x2
1 k x1 − 2x2 + x3 p˙ 2 = m2 m2
¨x2 = ⇒
¨x2 +
k −x1 + 2x2 − x3 = 0 . m2
x˙ 3 =
∂H p3 = ∂p3 m1
p˙ 3 = −
¨x3 = ⇒
¨x3 +
(A.5)
∂H = −k x3 − x2 ∂x3
1 k x3 − x2 p˙ 3 = − m1 m1 k x3 − x2 = 0 . m1
(A.6)
Lösungsansatz: xi (t) = αi eiωt
i = 1, 2, 3 .
Eingesetzt in (A.4), (A.5) und (A.6) ergibt sich ein homogenes Gleichungssystem für die Koeffizienten αi : k α1 − α2 = 0 −α1 ω2 + m1 −α2 ω2 +
k 2α2 − α1 − α3 = 0 m2
k α3 − α2 = 0 . m1 Eine nicht-triviale Lösung erfordert das Verschwinden der Säkulardeterminante: −α3 ω2 +
−ω2 + −
k m1
−
k m1
k m2
−ω2 + 2
0
−
k m1
0 k m2
−
k m2
−ω2 +
k m1
!
= 0.
288
Lösungen der Übungsaufgaben
Das ist gleichbedeutend mit k 2 k k 2k2 ! −ω2 + =0. −ω2 + 2 − −ω2 + m1 m2 m1 m2 m1 Die erste Lösung (Eigenfrequenz) kann direkt abgelesen werden: k ω1 = . m1
(A.7)
Die beiden anderen Lösungen ergeben sich aus 2k2 ! k k 2 2 − − ω +2 =0, −ω + m1 m2 m1 m2 d. h.
ω4 − ω2
k k +2 m1 m2
!
= 0.
Die beiden anderen Eigenfrequenzen lauten damit:
ω2 = 0 ω3 = k m11 +
(A.8) 2 m2
.
(A.9)
Um die Amplituden αi zu bekommen, setzen wir die Lösungen (A.7), (A.8), (A.9) in das homogene Gleichungssystem ein. ω = ω1 Man findet unmittelbar:
α2 = 0
;
α1 = −α3 .
Das mittlere Atom ist in Ruhe, die beiden äußeren schwingen mit gleicher Amplitude gegenphasig. ω = ω2 Auch hier ist die Lösung einfach:
α1 = α2 = α3 . Das entspricht einer einfachen Translation ohne Relativbewegung der drei Atome.
ω = ω3 Es gilt
−α1 k
2 1 + m1 m2
+
k 1m α1 − α2 = 0 α1 = − 2 α2 . m1 2 m1
Die zweite Gleichung des homogenen Gleichungssystems lautet für ω = ω3 : 1 2 k 2α2 − α1 − α3 = 0 α1 = α3 . + + −α2 k m1 m2 m2
Lösungen der Übungsaufgaben
289
Die beiden äußeren Atome schwingen mit gleicher Amplitude gleichphasig, das mittlere mit modifizierter Amplitude dazu gegenphasig. Die allgemeine Schwingung ist dann eine Überlagerung der drei diskutierten Fundamentalschwingungen. Lösung zu Aufgabe 2.2.5 Σ : Inertialsystem; Achsen: x , y , z Σ : beschleunigtes (rotierendes) Nicht-Inertialsystem; Achsen: x, y, z Rotation um z = z -Achse mit ω = ωez
Bewegungsgleichung: m¨r = F − m(ω × (ω × r)) − 2m(ω × r˙ ) Zentrifugalkraft
Corioliskraft
außerdem F = −∇V Gibt es Vtot , aus dem auch die Scheinkräfte folgen? Wenn ja, wie sieht dies aus? 1. Zentrifugalkraft
F (z) = −m(ω × (ω × r)) = −m ω(ω · r) − r ω2 =
= −m ω2 zez − ω2 r = = mω2 xex + yey ⇒ Kontrolle:
2.
V (z) = −
mω2 2 x + y2 2
∂ ∂ F (z) = − ex + ey V (z) = mω2 xex + yey ∂x ∂y
Corioliskraft F (c) = −2m ω × r˙ = 2m r˙ × ω vergleiche Lorentz-Kraft: 2m ←→ qˆ Ladung
ω ←→ B = rot A
2.2.5
290
Lösungen der Übungsaufgaben
⇒ verallgemeinertes Potential gemäß (1.78): V (c) = −2mr˙ · A mit:
1 ω −y, x, 0 = (ω × r) ⇒ A= 2 2 (c) r, r˙ , t = −m r˙ · (ω × r) = V = −mω −x˙ y + y˙ x = = −mω x˙y − yx˙
rot A = ω ⇒
⇒ verallgemeinerte Lagrange-Funktion: m 2 L= x˙ + y˙ 2 + ˙z2 − V(ρ) − V (z) − V (c) = 2 / mω2 2 x + y2 + =T−V x2 + y 2 + 2 + mω x˙y − yx˙ 1.
kartesisch generalisierte Impulse:
∂L = mx˙ − mωy ∂x˙ ∂L py = = m˙y + mωx ∂y˙ ∂L pz = = m˙z ∂˙z
px =
L∗ =
=
⇒ ⇒ ⇒
px + ωy m py y˙ = − ωx m x˙ =
˙z =
pz m
2 m p 2 p2 m px y + ωy + − ωx + z + 2 m 2 m 2m 2 py x mω 2 px y − ωx2 − − ωy2 − x + y2 + mω + 2 m m / x2 + y 2 = −V 1 2 px + p2y + p2z + px ωy − py ωx + 2m m m + ω2 x2 + y2 + ω2 x2 + y2 − 2 2 − mω2 x2 + y2 + ω py x − px y − / −V x2 + y 2
Lösungen der Übungsaufgaben
291
1 2 px + p2y + p2z − V 2m
L∗ = Mit
x˙ px + ˙ypy + ˙zpz =
/
x2 + y 2
1 2 px + p2y + p2z + ωypx − ωxpy m
ergibt sich dann für die Hamilton-Funktion: / 1 2 px + p2y + p2z − ω xpy − ypx + V H= x 2 + y2 2m Bewegungsgleichungen:
∂H px ∂H ∂V + ωy ; p˙ x = − = ωpy − = ∂px m ∂x ∂x ∂H py ∂H ∂V − ωx ; p˙ y = − = −ωpx − ˙y = = ∂py m ∂y ∂y ∂H pz ∂H ; p˙ z = − =0 ˙z = = ∂pz m ∂z
x˙ =
2.
z ist zyklisch, pz damit eine Erhaltungsgröße! zylindrisch x = ρ cos ϕ ;
y = ρ sin ϕ ;
x˙ = ρ˙ cos ϕ − ρϕ ˙ sin ϕ ;
⇒ ⇒
z=z
˙y = ρ˙ sin ϕ + ρϕ˙ cos ϕ
xy˙ − yx˙ = ρρ˙ cos ϕ sin ϕ + ρ2 ϕ ˙ cos2 ϕ − − ρρ˙ cos ϕ sin ϕ + ρ2 ϕ ˙ sin2 ϕ =
˙ = ρ2 ϕ ⇒ Lagrange-Funktion: L=
m 2 1 ρ˙ + ρ2 ϕ˙ 2 + ˙z2 − V(ρ) + mω2 ρ2 + 2 2
˙ + mωρ2 ϕ generalisierte Impulse: pρ ∂L = mρ˙ ⇒ ρ˙ = ∂ρ˙ m ∂L ˙ + mωρ2 ⇒ pϕ = = mρ 2 ϕ ∂ϕ˙ pz ∂L pz = = m˙z ⇒ ˙z = ∂˙z m pρ =
ρ˙ =
pρ −ω mρ2
292
Lösungen der Übungsaufgaben
damit:
2 pϕ p2z +ρ −ω + 2 − m2 m ρ2 m pϕ 1 − V ρ + mω2 ρ2 + mωρ2 − ω = 2 mρ2
p2ϕ pϕ ω 1 2 2 p + = + pz − ρ 2 2 + 2m ρ ρ2 ρ
m L = 2 ∗
p2ρ
2
m 2 2 1 ρ ω + mω2 ρ2 + ωpϕ − mω2 ρ2 − V(ρ) = 2 2
2 p 1 ϕ p2 + = + p2z − V(ρ) 2m ρ ρ2 +
außerdem: pρ ρ˙ + pϕ φ˙ + pz ˙z = ⇒
p2ϕ 1 2 2 p + + pz − p ϕ ω m ρ ρ2
p2ϕ 1 2 2 p + + pz − ωpϕ + V(ρ) H= 2m ρ ρ2
Bewegungsgleichungen: p2ϕ ∂H pρ ∂H ∂V = = − ; p˙ ρ = − 3 ∂pρ m ∂ρ mρ ∂ρ pϕ ∂H ∂H ϕ˙ = = − ω ; p˙ ϕ = − =0 ∂pϕ mρ2 ∂ϕ ∂H pz ∂H ˙z = = ; p˙ z = − =0 ∂pz m ∂z
ρ˙ =
⇒ z und ϕ zyklisch ⇒ 2 Erhaltungssätze:
˙ + mωρ2 = const ; pϕ = mρ2 ϕ
pz = m˙z = const .
Lösungen der Übungsaufgaben
293
Abschnitt 2.4.6 Lösung zu Aufgabe 2.4.1 1. Für beliebige Phasenfunktionen f (q, p, t) gilt nach (2.114):
∂f f , pj = . ∂qj Dies bedeutet:
∂ Lx , px = y p − z py = 0 , ∂x z
∂ Lx , py = y pz − z py = pz , ∂y
∂ Lx , pz = y pz − z py = −py . ∂z Analog findet man die anderen Klammern:
Li , pj = εijl pl , wobei (i, j, l) = (x, y, z) und zyklisch, εijl : total antisymmetrischer Einheitstensor. 2.
{Lx , Lx } = Ly , Ly = {Lz , Lz } = 0 ,
Lx , Ly = y pz − z py , z px − x pz =
= y pz , z px − z py , z px − y pz , x pz + z py , x pz = =0
=0
= y pz , z px + x z, pz py = −y px + x py = = Lz . Ganz analog ergeben sich die anderen Klammern:
Li , Lj = εijl Ll , wobei (i, j, l) = (x, y, z) und zyklisch.
2.4.1
294
2.4.2
Lösungen der Übungsaufgaben
Lösung zu Aufgabe 2.4.2 1. Benutze Aufgabe 2.4.1, Teil 2: 1 0 1 2 0 2 L , Lx = Lx + L2y + L2z , Lx = L2y + L2z , Lx =
= Ly {Ly , Lx } + {Ly , Lx }Ly + Lz {Lz , Lx } + {Lz , Lx }Lz = = −Ly Lz − Lz Ly + Lz Ly + Ly Lz = =0 analog: 2 2 L , Ly = L , Lz = 0 2.
Die Aussage folgt direkt aus dem Poisson’schen Satz. Als Beispiel sei der Fall untersucht, dass Lx und Ly Integrale der Bewegung sind. Wegen
∂Lx ∂Ly = =0 ∂t ∂t sind Lx und Ly Integrale der Bewegung, falls gilt: {H, Lx } = {H, Ly } = 0 Jacobi-Identität: 0 = {Lx , {Ly , H}} + {H, {Lx , Ly }} + {Ly , {H, Lx }} = = 0 + {H, {Lx , Ly }} + 0 = = {H, Lz } Mit
∂Lz =0 ∂t folgt, dass Lz auch Integral der Bewegung ist.
2.4.3
Lösung zu Aufgabe 2.4.3 1. Teilchen ohne Zwang im Zentralfeld:
V(r) = V(r) .
Lösungen der Übungsaufgaben
295
Kugelkoordinaten sind offensichtlich günstig. Die Hamilton-Funktion wurde bereits in (2.45) abgeleitet:
p2ϕ p2ϑ 1 2 + H= p + + V(r) . 2m r r2 r2 sin2 ϑ Für die Impulse gilt dabei:
∂L = m˙r ∂˙r ∂L ˙ pϑ = = mr2 ϑ ∂ϑ˙ ∂L ˙ . pϕ = = mr2 sin2 ϑ ϕ ∂ϕ˙ pr =
2.
Man erkennt natürlich bereits hier, dass ϕ zyklisch ist, der zugehörige generalisierte Impuls also ein Integral der Bewegung. Wegen Lz = xpy − ypx = m(xy˙ − yx˙ ) ˙ cos ϑ sin ϕ + r sin ϑϕ˙ cos ϕ = m r sin ϑ cos ϕ ˙r sin ϑ sin ϕ + rϑ ˙ cos ϑ cos ϕ − r sin ϑϕ˙ sin ϕ − r sin ϑ sin ϕ ˙r sin ϑ cos ϕ + rϑ ˙ cos2 ϕ + r2 sin2 ϑϕ˙ sin2 ϕ = m r2 sin2 ϑϕ
˙ = mr2 sin2 ϑ ϕ ist pϕ = Lz . Poisson-Klammer:
∂H =0 H, Lz = H, pϕ =
∂ϕ
Lz ist nicht explizit zeitabhängig: ∂Lz |∂t = 0. Gemäß (2.121) ist Lz damit ein Integral der Bewegung!
296
2.4.4
Lösungen der Übungsaufgaben
Lösung zu Aufgabe 2.4.4 1. S ∂ ∂ ∂f ∂g ∂f {f , g} = − ∂t ∂t ∂qj ∂pj ∂pj j=1
=
∂g = ∂qj
S 2 ∂ f ∂g ∂f ∂2 g ∂2 f ∂g ∂f ∂2 g = + − − ∂t ∂qj ∂pj ∂qj ∂t ∂pj ∂t ∂pj ∂qj ∂pj ∂t ∂qj j=1
S ∂ ∂f ∂g ∂ ∂f ∂g ∂f ∂ ∂g ∂f ∂ ∂g − + − = = ∂qj ∂t ∂pj ∂pj ∂t ∂qj ∂qj ∂pj ∂t ∂pj ∂qj ∂t j=1 3 2 3 2 ∂f ∂g , g + f, . = ∂t ∂t 2.
Bewegungsgleichung:
∂ d {f , g} = {f , g}, H + {f , g} = −{{g, H, }, f } − {{H, f }, g} + dt ∂t 2 3 2 3 ∂f ∂g + ,g + f, = (Jacobi-Identität) ∂t ∂t 3 3 2 2 ∂g ∂f + {f , H} + , g = = f , {g, H} + ∂t ∂t 3 3 2 2 df dg ,g . + = f, dt dt
3. {f , g h} =
S ∂f j=1
=
∂ ∂f ∂ (g h) − (g h) = ∂qj ∂pj ∂pj ∂qj
S ∂f ∂g ∂f ∂h ∂f ∂h ∂f ∂g +g −g −h h = ∂qj ∂pj ∂qj ∂pj ∂pj ∂qj ∂pj ∂qj j=1
S S ∂f ∂g ∂f ∂g ∂f ∂h ∂f ∂h − − +g = =h ∂qj ∂pj ∂pj ∂qj ∂qj ∂pj ∂pj ∂qj j=1
= h {f , g} + g {f , h} .
j=1
Lösungen der Übungsaufgaben
297
Lösung zu Aufgabe 2.4.5 1. Für eine beliebige Phasenfunktion f (q, p, t) gilt:
2.4.5
∂f ∂qj ∂f {f , qj } = − ∂pj
{f , pj } =
Mit A = A(r, p) und L = r × p ist dann: εijk xj pk Li = jk
{Li , Am } =
εijk {xj pk , Am } =
jk
=
jk
=
εijk
jk
2.
εijk xj {pk , Am } + {xj , Am }pk = ∂Am ∂Am pk − x j ∂pj ∂xk
Speziell für xm ist dann: ∂xm ∂xm {Li , xm } = εijk pk − xj εijk −xj δmk = = ∂pj ∂xk jk
=
jk
εimj xj
j
3.
Analog: {Li , pm } =
εijk δmj pk =
jk
=
εimk pk
k
4.
Für die Drehimpulskomponenten ist nach der Formel aus Teil 1.: ∂Lj ∂Lj {Li , Lj } = εikl pl − xk ∂pk ∂xl kl
Mit Einsetzen von Lj =
εjmn xm pn
mn
∂Lj = εjmn xm δnk = εjmk xm = − εjkm xm ∂pk mn m m
298
Lösungen der Übungsaufgaben
∂Lj = εjmn δml pn = εjlm pm ∂xl mn m ergibt sich: {Li , Lj } = −
εikl εjkm xm pl + εjlm xk pm
klm
Mit
εikl εjkm = δij δlm − δim δlj
k
εikl εjlm = −δij δkm + δim δkj
l
ergibt sich: {Li , Lj } = −δij
xl pl + xi pj + δij
l
xk pk − xj pi =
k
= xi pj − xj pi = εijk Lk = k
5.
Mit A2 =
A2m
m
ist: {Li , A2 } = 2
jkm
2.4.6
εijk Am
∂Am ∂Am p −x ∂pj k j ∂xk
Lösung zu Aufgabe 2.4.6 1. Das Zwei-Teilchensystem besitzt sechs Freiheitsgrade und wird deshalb durch sechs kartesische Koordinaten (xα1 , xα2 , xα3 ; α = 1, 2) und die sechs zugehörigen Impulse (pα1 , pα2 , pα3 ; α = 1, 2) beschrieben. Für die Drehimpulse gilt: Lα = Lα xα , pα α = 1, 2 .
Dann lautet die Poisson-Klammer:
3 2 ∂L1 x1 , p1 ∂L2 x2 , p2 ∂L1 x1 , p1 ∂L2 x2 , p2 {L1 , L2 } = . − ∂xαj ∂pαj ∂pαj ∂xαj α=1 j=1
Lösungen der Übungsaufgaben
2.
299
Für jedes α = 1, 2 ist in den beiden Produkten innerhalb der Klammer ein Faktor gleich null, da nach den falschen Koordinaten abgeleitet wird. Daraus folgt die Behauptung! Wir benutzen das Ergebnis aus Aufgabe 2.4.1 und das aus Teil 1.:
L11 , L1 · L2 = L11 , L1j L2j = L11 , L1j L2j j
=
j
ε1jk L1k L2j =
jk
ε1jk L2j L1k
jk
= L2 × L1 1 = − L1 × L2 1 . Das gilt so analog für die beiden anderen Komponenten. Damit folgt die Behauptung:
L1 , L1 · L2 = − L1 × L2 . 3.
Beweis durch vollständige Induktion mit dem Ergebnis aus Teil 2. als Induktionsanfang. Die Behauptung sei richtig für n = k. Wir schließen auf k + 1: 0 k+1 1 0 k 1 L1 , L1 · L2 = L1 , L1 · L2 (L1 · L2 ) k + L1 · L2 L1 , L1 · L2 k−1 L 1 × L 2 L 1 · L2 = −k L1 · L2 k − L1 · L2 L1 × L2 k = −(k + 1) L1 · L2 L1 × L2 . Das beweist die Behauptung!
Lösung zu Aufgabe 2.4.7 1. Die Bewegungsgleichung für die Observable f ist:
2.4.7
df ∂f = {f , H} + dt ∂t Mit f Integral der Bewegung
⇐⇒
{f , H} = −
∂f ∂t
300
Lösungen der Übungsaufgaben
und ⇐⇒
H Integral der Bewegung ist dann:
2
{H, H} = −
3
2
∂H ∂t
⇐⇒
∂H =0 ∂t
3
∂f ∂ ∂H , H = {f , H} − f , = ∂t ∂t ∂t ∂ ∂f =− ∂t ∂t ∂f ⇒ Integral der Bewegung ∂t
2. H=
p2 2m
⇒
∂H =0 ∂t
⇒
H
Integral der Bewegung
2 3 2 3 2 3 pt p2 p2 pt p2 {f , H} = q − , , = q, − = m 2m 2m m 2m 1 2 t 2 q, p − = p, p = 2m 2m2 1 t p q, p + q, p p − p p, p + p, p p = = 2m 2m2 =1
=
=1
=0
=0
∂f p =− m ∂t
f ist also Integral der Bewegung (obwohl explizit zeitabhängig). Also sollte auch
∂f |∂t Integral der Bewegung sein: 2
3
2
3
∂f ∂2 f p p2 1 ,H = − , = − 2 p, p2 = 0 = − 2 ∂t m 2m 2m ∂t =0
Damit ist ∂f |∂t Integral der Bewegung.
2.4.8
Lösung zu Aufgabe 2.4.8 1. f (q, p, t): Integral der Bewegung
⇒
df =0 dt
Bewegungsgleichung:
∂f df = {f , H} + dt ∂t
Lösungen der Übungsaufgaben
⇒
301
f : Integral der Bewegung, falls {H, f } =
2.
∂f ∂t
f , g: Integrale der Bewegung {H, f } =
∂f ∂g ; {H, g} = ∂t ∂t
Jacobi-Identität (2.119)
0 = f , g, H + g, H, f + H, f , g = 3 2 3 2
∂g ∂f + g, + H, f , g = − f, ∂t ∂t ⇒ ⇒
∂ H, f , g = {f , g} ∂t
{f , g}: Integral der Bewegung
3. H=
p2 1 + mω2 q2 2m 2
2
3 p2 1 + mω2 q2 , p sin ωt − mωq cos ωt = 2m 2 2 2 3 2 2 3 p p , p sin ωt − , mωq cos ωt + . . . = 2m 2m 3 2 3 2 1 1 ···+ mω2 q2 , p sin ωt − mω2 q2 , mωq cos ωt = 2 2
mω cos ωt 2 1 = sin ωt p2 , p − p ,q + ... 2m 2m
1
1 · · · + mω2 sin ωt q2 , p − m2 ω3 cos ωt q2 , q 2 2 Fundamentalklammern: 2 p , p = p p, p + p, p p = 0 {H, f } =
0
0
−1
−1
+1
+1
2 p , q = p p, q + p, q p = −2p 2 q , p = q q, p + q, p q = 2q
302
Lösungen der Übungsaufgaben
2 q , q = q q, q + q, q q = 0 0
⇒
0
H, f = +ω cos ωt · p + mω2 sin ωt · q
andererseits
∂f = ωp cos ωt + mω2 q sin ωt ∂t
∂f H, f = ∂t
⇒ ⇒
2.4.9
Integral der Bewegung .
f (q, p, t) :
Lösung zu Aufgabe 2.4.9 Taylor-Entwicklung:
A(t) = A(0) +
1 1 ˙ (0) t + ¨ A A(0) t 2 + . . . 1! 2!
Wegen
∂A =0 ∂t gilt:
˙ (0) = {A(0), H} . A Wegen
∂H =0 ∂t ist zudem
∂ {A(0), H} = 0 . ∂t Dies bedeutet
¨ A(0) = {{A(0), H} , H} . Das lässt sich so fortsetzen und führt zu: A(t) = A(0) +
1 1 {A(0), H} t + {{A(0), H} , H} t 2 + . . . 1! 2!
Lösungen der Übungsaufgaben
303
Abschnitt 2.5.6 Lösung zu Aufgabe 2.5.1 1.
2.5.1
S dF4 = H − H dt + pj dqj − dpj qj − pj dqj + dp¯ j q¯ j . j=1
Daran liest man ab:
∂F4 =H−H ; ∂t
∂F4 = −qj ; ∂pj
Man löst nun qj = −
∂F4 = q¯j . ∂p¯j
∂F4 = qj p, p¯ , t ∂pj
nach p¯ j auf und erhält damit den ersten Teil der Transformation: p¯ j = p¯ j (q, p, t) . In die zweite Beziehung q¯ j =
∂F4 = q¯ j p, p¯ , t ∂p¯ j
setzen wir das so gewonnene p¯ ein: q¯ j = q¯ j (q, p, t) .
2.
Für die neue Hamilton-Funktion finden wir: ∂ H q¯ , p¯ , t = H q(¯q, p¯ , t), p(¯q, p¯ , t), t + F4 p q¯ , p¯ , t , p¯ , t . ∂t Im modifizierten Hamilton’schen Prinzip ⎛ ⎞ t2 ! pj q˙ j − H ⎠ = 0 = δS = δ dt ⎝ t1
=δ
t2 t1
j
⎡ ⎤ dt ⎣ p˙ j qj + pj q˙ j − p˙¯ j q¯ j − H ⎦ + j
+ δ F4 p¯ t2 , p t2 , t2 − F4 p¯ t1 , p t1 , t1 , ist zu beachten, dass p¯ (t1,2 ) und p(t1,2 ) nicht fest sind. Es gilt vielmehr: S ∂F4 ∂F δ F4 p¯ t2 , p t2 , t2 − F4 p¯ t1 , p t1 , t1 = δpj + 4 δp¯j ∂pj ∂p¯ j j=1
t2
. t1
304
Lösungen der Übungsaufgaben
Damit bleibt: !
0 =
S ∂F4
∂pj
j=1
t2 dt
+
δ pj +
S
∂F4 δp¯ ∂p¯ j j
t2
+ t1
δp˙ j qj + p˙ j δqj + δpj q˙ j + pj δq˙ j −
j=1
t1
∂H ∂H − δp˙¯ j q¯ j − p˙¯ j δq¯ j − δq¯ − δp¯ ∂q¯j j ∂p¯j j
.
Wir führen einige partielle Integrationen durch: t2
dt qj δp˙ j =
t2
t q j δ p j t2 1
−
t1
dt q˙ j δpj ,
t1
t2
dt pj δq˙ j =
t1
pj δqj |tt21
t2 − t1
=0
t2
dt q¯ j δp˙¯ j =
dt p˙ j δqj ,
t q¯ j δp¯ j t21
t2 −
t1
dt q˙¯ j δp¯ j .
t1
Dies ergibt: !
0 =
S ∂F4 j=1
+ qj δpj ∂pj
t2 t1
+
=0
t2 dt
+ t1
∂F4 − q¯ δp¯ j ∂p¯ j j
t2 t1
=0
S −q˙ j + q˙ j δpj + p˙ j − p˙ j δqj + j=1
∂H ∂H ˙ ˙ + q¯ j − δp¯ j − p¯ j + δq¯j . ∂p¯ j ∂q¯j Da δp¯ j , δq¯ j unabhängig sind, folgt schließlich: q˙¯ j =
∂H ∂H ; p˙¯ j = − . ∂p¯ j ∂q¯j
+
Lösungen der Übungsaufgaben
305
Lösung zu Aufgabe 2.5.2 Nach (2.203) müsste dann
2.5.2
L i , Lj = 0 gelten. In Aufgabe 2.4.1, Teil 2) haben wir aber gezeigt:
Li , Lj = εijl Ll . Dies bedeutet speziell:
L x , Ly = L z . Lx und Ly können also nicht gleichzeitig als kanonische Impulse auftreten. Lösung zu Aufgabe 2.5.3 Trivialerweise sind {¯q, q¯ } = {p¯ , p¯ } = 0. Wir haben also noch q¯, p¯ q, p = 1
nachzuweisen.
2.5.3
1 ∂q¯ q sin p =− , = − 2 ∂q sin p q q
q cos p ∂q¯ = = cot p , ∂p sin p q
∂p¯ = cot p , ∂q q ∂p¯ =− 2 . ∂p sin p Damit folgt: ∂q¯ ∂p¯ ∂q¯ ∂p¯ 1 − cos2 p 1 2 p = q¯ , p¯ = − = − cot =1. ∂q ∂p ∂p ∂q sin2 p sin2 p Lösung zu Aufgabe 2.5.4 1. Wir zeigen
2.5.4
q¯ , p¯ = 1 .
306
Lösungen der Übungsaufgaben
Dazu benötigen wir: 1
−1|2
" ∂q¯ ∂p¯ 2 q cos p ! 1 |2 1|2 1|2 1| 2 cos p q cos p − 2q sin p q sin p = 2 1 + q = ∂q ∂p 1 + q1|2 cos p 1 −1|2 q cos p ! " = 2 1| 2 2q1|2 cos p + 2q(cos2 p − sin2 p) = 1 + q cos p q1|2 cos p , 1 + q1|2 cos p " −q1|2 sin p ! ∂q¯ ∂p¯ 1| 2 −1|2 −1|2 1|2 cos p q sin p + q cos p q sin p = 1 + q = ∂p ∂q 1 + q1|2 cos p = cos2 p − sin2 p
= − sin2 p − sin2 p
q1|2 cos p . 1 + q1|2 cos p
Daraus folgt:
∂q¯ ∂p¯ ∂q¯ ∂p¯ − = cos2 p + sin2 p = 1 . ∂q ∂p ∂p ∂q 2.
Die Transformation ist also kanonisch! Wenn F3 (p, q¯ ) die Erzeugende ist, dann muss q=−
∂F3 ∂F3 ; p¯ = − ∂p ∂q¯
gelten. Das überprüfen wir: 2 1 ∂F3 ! = − eq¯ − 1 = −q ∂p cos2 p
⇐⇒ eq¯ = 1 + q1|2 cos p ⇐⇒ q¯ = ln 1 + q1|2 cos p
q. e. d.
∂F3 = −2 eq¯ − 1 eq¯ tan p = −2 1 + q1|2 cos p − 1 1 + q1|2 cos p tan p = ∂q¯ ! = −2q1|2 sin p 1 + q1|2 cos p = −p¯ q. e. d. ⇐⇒ p¯ = 2q1|2 sin p 1 + q1|2 cos p 2.5.5
Lösung zu Aufgabe 2.5.5 1. Wir überprüfen die fundamentalen Poisson-Klammern. Die Klammern qˆ, qˆ q,p = pˆ , pˆ q,p = 0
sind trivial. Mit 1 d arcsin x = √ dx 1 − x2
für
|x| < 1
Lösungen der Übungsaufgaben
307
folgt:
⎛
∂qˆ = # ∂q $ $
1 q2
$1 − %
=
⎞ 1 ⎜ q · 2q ⎟ 1 ⎜ ⎟ − 2 ⎜ ⎟= 2 2 3|2 ⎠ ⎝ p p 2 q + 2 q2 + 2
α
p2 q2 + 2 α ⎛
⎞
α2
⎜ ⎜1 − 2 p ⎝
q2 q2
+
⎟ ⎟= 2 p ⎠
α
p2
α2 p2
α2
α2 q2
+
p2
=
α2
p2
α2
=
q2 +
p2
α2
∂qˆ =# ∂p $ $
1 q2
$1 − %
=−
q2 +
p2
1 2p − q 2 2 α 3|2 = p2 2 q + 2
α
α2
α2
qp p2 α2 q2 + p2
∂pˆ = αq ∂q ∂pˆ p = . ∂p α Damit ist die Poisson-Klammer: ∂qˆ ∂pˆ ∂qˆ ∂pˆ qˆ , pˆ q,p = − = ∂q ∂p ∂p ∂q =
1 q2 +
2.
p2
p2
α2
p2
q2 + 2 α 2 p + q2 = 1 . 2
α2
+
α
pq αq = p α2 q2 + p2
α
Es gilt:
∂F = αq cot qˆ ∂q ∂F 1 2 1 pˆ = − = αq . ∂qˆ 2 sin2 qˆ
p=
308
Lösungen der Übungsaufgaben
Daraus folgt: 1 1 2 1 αq 2 = αq2 1 + cot2 qˆ = 2 sin qˆ 2 p2 1 = αq2 1 + 2 2 2 αq
pˆ =
beziehungsweise: 1 1 sin2 qˆ = αq2 = 2 pˆ ⇒
αq2 p2
α2 q2 +
q2
=
q2 +
α
qˆ = qˆ (p, q) = arcsin q2
q +
p2
p2
α2
.
α2
Die Transformation ist genau die aus Teil 1.
2.5.6
Lösung zu Aufgabe 2.5.6 1.
p=
∂F1 √ q¯ = mk 2 , ∂q q
∂F1 p¯ = − = ∂q¯ p= 2.
√ √ mk mk ⇒ q= , q p¯
√ 1 p¯ 2 =√ m k q¯ q¯ p¯ 2 . mk mk
Wegen ∂F1 |∂t = 0 gilt: 1 1 2 4 (m k)2 1 p¯ 2 H q¯ , p¯ = H q q¯ , p¯ , p q¯ , p¯ = + k q¯ p¯ 2m m k 2 mk p¯ 4 p¯ 2 1 ⇒ H q¯ , p¯ = + m ω2 q¯ 2 , 2m 2
3.
2.5.7
ω2 =
k . m
H ist nach 2. die Hamilton-Funktion des harmonischen Oszillators. Die Lösung ist deshalb bekannt.
Lösung zu Aufgabe 2.5.7 1. Transformationsformeln:
p=
∂F2 = 2αqpˆ 3 ∂q
Lösungen der Übungsaufgaben
309
qˆ =
∂F2 = 3αq2 pˆ 2 ∂pˆ
⇒
2.
pˆ =
p
1|3
2 αq 1 4 2 1|3 qˆ = 3 αq p . 4
Die fundamentalen Poisson-Klammern sind zu überprüfen. Die Klammern pˆ , pˆ q,p = 0 qˆ , qˆ q,p = 0 , sind trivial erfüllt. Es bleibt zu zeigen: qˆ , pˆ q,p = 1 . Mit
1 2 ∂qˆ =4 αp ∂q 4
1|3 q
1|3
1|3
1 4 ∂qˆ =2 αq ∂p 4
1|3
1 p 1|3 −4|3 ∂pˆ =− q ∂q 3 2α
∂pˆ 1 1 = ∂p 3 2αq
p−1|3 p−2|3
folgt 2 1|3 ∂qˆ ∂pˆ ∂qˆ ∂pˆ αp 1 1 1|3 −2|3 1 | 3 qˆ , pˆ q,p = q p + − =4 ∂q ∂p ∂p ∂q 4 3 2 αq 4 1|3 αq 1 p 1|3 −4|3 2 1 +2 p−1|3 q = + =1 4 3 2α 3 3 3.
und damit die Kanonizität der Transformation. Die neue Hamiltonfunktion ergibt sich aus der alten durch: ∂F2 q qˆ , pˆ , pˆ , t . . H qˆ , pˆ = H q qˆ , pˆ , p qˆ , pˆ + . ∂t Mit
∂F2 =0 ∂t und
qˆ pˆ = 3
1 4 2 αq p 4
1|3
p 2αq
1|3
3 = qp 2
folgt: 3 . qˆ , pˆ = βq qˆ , pˆ p qˆ , pˆ = βqˆ pˆ . H 2
310
4.
Lösungen der Übungsaufgaben
Damit sind die neuen Bewegungsgleichungen:
∂Hˆ = βqˆ q˙ˆ = ∂pˆ
2.5.8
p˙ˆ = −
∂Hˆ = −βpˆ . ∂qˆ
Lösung zu Aufgabe 2.5.8
∂q¯ ∂p¯ = αqα−1 cos(βp) βqα cos(βp) = αβq2α−1 cos2 (βp) , ∂q ∂p ∂q¯ ∂p¯ = −βqα sin(βp) αqα−1 sin(βp) = −αβq2α−1 sin2 (βp) , ∂p ∂q Damit folgt: ! q¯ , p¯ = αβq2α−1 = 1 . Die Transformation ist nur für α = 1|2 und β = 2 kanonisch. 2.5.9
Lösung zu Aufgabe 2.5.9 1. Mit
div A =
∂Ax ∂Ay ∂Az + + =0 ∂x ∂y ∂z
genügt A der Coulomb-Eichung. Ferner ergibt sich aus A das korrekte Magnetfeld:
1 rot A = B 2
2.
ex
ey
ez
∂ ∂x
∂ ∂y
∂ ∂z
−y
x
0
=
1 B ez + ez = (0, 0, B) . 2
Allgemein lautet die Lagrange-Funktion für ein Teilchen der Ladung qˆ im elektromagnetischen Feld mit elektrischem Potential ϕ(q) und Vektorpotential A(q): m L q, q˙ = q˙ 2 + qˆ q˙ · A(q) − ϕ(q) . 2 Damit unterscheiden sich die generalisierten Impulse pj =
∂L = mq˙ j + qˆ Aj (q) ∂q˙ j
von den Komponenten des mechanischen Impulses: pmech = mq˙ = p − qˆ A(q) .
Lösungen der Übungsaufgaben
311
Mit q˙ =
1 pmech = p − qˆ A(q) m m
ergibt sich für die Hamilton-Funktion im allgemeinen Fall: H p, q = p q˙ (p, q) − L q, q˙ (p, q) = = p q˙ −
m 2 q˙ − qˆ A · q˙ + qˆ ϕ = 2
=
2 1 1 1 p p − qˆ A − p − qˆ A − qˆ A · p − qˆ A + qˆ ϕ = m 2m m
=
2 1 p − qˆ A(q) + qˆϕ(q) . 2m
Hier gilt speziell: qˆ = −e
ϕ(q) ≡ 0 A(q) = −q2 , q1 , 0 Damit ist die Hamilton-Funktion: 2 1 p + eA = H q, p = 2m , 2 2 1 1 1 2 p1 − eBq2 + p2 + eBq1 + p3 = = 2m 2 2 p2 1 = 3 + 2m 2m = 3.
, 2 2 1 1 = p1 − mωc q2 + p2 + mωc q1 2 2
p23 + H0 . 2m
Allgemein gilt pj =
∂F1 ∂qj
Hier ergibt sich:
pˆ j = −
und
∂F1 . ∂qˆj
p1 =
∂F1 1 = mωc qˆ 1 − q2 ∂q1 2
p2 =
1 ∂F1 = mωc qˆ 2 − q1 ∂q2 2
312
Lösungen der Übungsaufgaben
∂F1 = −mωc q1 − qˆ 2 ∂qˆ1 ∂F1 pˆ 2 = − = −mωc q2 − qˆ 1 . ∂qˆ2
pˆ 1 = −
4.
Damit erhält man den ersten Satz von Transformationsformeln: 1 1 qˆ1 q, p = p1 + q2 mωc 2 1 1 qˆ 2 q, p = p2 + q1 mωc 2 1 pˆ 1 q, p = p2 − mωc q1 2 1 pˆ 2 q, p = p1 − mωc q2 . 2 Durch Umkehrung ergibt sich: 1 pˆ 1 q1 qˆ , pˆ = qˆ2 − mωc 1 pˆ 2 q2 qˆ , pˆ = qˆ1 − mωc 1 1 p1 qˆ , pˆ = mωc qˆ 1 + pˆ 2 2 2 1 1 p2 qˆ , pˆ = mωc qˆ 2 + pˆ 1 . 2 2 Mit obigen Transformationsformeln ergibt sich: 1 p1 − mωc q2 = pˆ 2 2 und 1 p2 + mωc q1 = mωc qˆ2 . 2 Damit ist die tranformierte Hamilton-Funktion ˆ 0 pˆ , qˆ = H0 q pˆ , qˆ , p pˆ , qˆ = H =
1 2 pˆ 2 + m2 ω2c qˆ 22 = 2m
pˆ 22 1 + mω2c qˆ 22 2m 2 formal identisch mit der des harmonischen Oszillators, dessen Bewegungsgleichungen bekannt sind: =
qˆ 2 (t) ,
pˆ 2 (t) .
Lösungen der Übungsaufgaben
313
Ferner sind qˆ 1 und pˆ 1 zyklisch und damit beide Konstanten der Bewegung:
∂H0 q˙ˆ 1 = =0 ∂pˆ1 p˙ˆ 1 = −
5.
⇒
∂H0 =0 ∂qˆ1
⇒
qˆ 1 = const pˆ 1 = const .
Mittels der Transformationsformeln aus 3. folgen dann mit den entsprechenden Anfangsbedingungen die Bewegungsgleichungen für die „alten“ Variablen. Es gilt: pj =
∂F2 (q, pˆ ) ∂F2 (q, pˆ ) qˆ j = . ∂qj ∂pˆj
Mittels der Transformationsformeln aus 3. können die pj und qˆ als Funktionen der qj und pˆ j ausgedrückt werden: 1 p1 = mωc q2 + pˆ 2 2 1 p2 = mωc q1 + pˆ 1 2 1 qˆ 1 = pˆ 2 + q2 mωc qˆ 2 =
1 pˆ 1 + q1 . mωc
Durch Intergration und Differentiation erhält man: p1 =
∂F2 1 = mω q + pˆ ∂q1 2 c 2 2
1 mωc q2 q1 + pˆ 2 q1 + f (q2 , pˆ 1 , pˆ 2 ) 2 ∂F2 1 ∂f 1 = mω q + = mω q + pˆ p2 = ∂q2 2 c 1 ∂q2 2 c 1 1
⇒
F2 =
⇒
F2 =
⇒
F2 =
1 1 pˆ 1 pˆ 2 + h(pˆ 2 ) mωc q2 q1 + pˆ 2 q1 + pˆ 1 q2 + 2 mωc
qˆ2 =
∂F2 1 dh 1 = q1 + = pˆ 1 + pˆ 1 + q1 ∂pˆ2 mωc dpˆ 2 mωc
F2 =
1 1 mωc q2 q1 + pˆ 2 q1 + pˆ 1 q2 + pˆ 1 pˆ 2 + const . 2 mωc
⇒
1 mωc q2 q1 + pˆ 2 q1 + pˆ 1 q2 + g(pˆ 1 , pˆ 2 ) 2 ∂F2 ∂g 1 qˆ1 = = q2 + = pˆ + q ∂pˆ1 ∂pˆ 1 mωc 2 2
314
Lösungen der Übungsaufgaben
Damit ist F2 bis auf eine willkürliche Konstante bestimmt: 1 1 F2 = mωc q2 q1 + pˆ 2 q1 + pˆ 1 q2 + pˆ 1 pˆ 2 . 2 mωc
Abschnitt 3.7 3.7.1
Lösung zu Aufgabe 3.7.1
H=
∂H 1 2 =0; px + p2y + p2z ⇒ 2m ∂t
Damit lautet die HJD: 1 2m
,
∂W ∂x
2
∂W + ∂y
2
∂W + ∂z
H=E.
2 =E.
Da x, y, z zyklisch sind, ist die HJD trivial separierbar: α = p = p¯ . W = αx x + αy y + αz z ; Bei W handelt es sich also um die identische Transformation. 3.7.2
Lösung zu Aufgabe 3.7.2
H=
∂H p2 − bx ⇒ =0; 2m ∂t
H=E.
Damit ergibt sich die HJD: 1 ∂W 2 dW − bx = E ⇒ = ± 2m(E + bx) . 2m ∂x dx Bis auf die triviale additive Konstante folgt somit: W(x) = ±
1 [2m(E + bx)]3|2 . 3mb
Wir setzen E = α und erhalten dann aus (3.66):
∂W 1 = ± [2m(α + bx)]1|2 ∂α b b α ⇒ x(t) = (t + β)2 − . t+β=
2m
b
Mit den Anfangsbedingungen lautet die Lösung: x(t) =
b m v0 2 1 m 2 v + x0 . − t+ 2m b 2 b 0
Lösungen der Übungsaufgaben
315
Lösung zu Aufgabe 3.7.3 Hamilton-Funktion:
3.7.3
p2 + c eγ q . 2m
H= Wegen
∂H =0 ∂t ist H = E = const . Die Transformation (q, p)
⇒
(ˆq, pˆ )
⇒
H
. H
sei so, dass qˆ zyklisch ist. Erzeugende: W = F2 (q, pˆ ) = W(q, pˆ ) . Wegen
∂W =0 ∂t
.=H=H .(pˆ ) . H
folgt
Da qˆ zyklisch ist, ist der neue Impuls pˆ = α = const. Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung: 1 ∂W 2 + c eγ q = E = E(α) . 2m ∂q Auflösen nach W führt zu: W(q, pˆ ) =
√ √ 2m dq E − c eγ q .
Wähle E = E(α) = α
∂E =1. ∂α
Das ergibt für die neue Koordinate das triviale Resultat: qˆ (t) = t + β Andererseits muss auch gelten: qˆ =
∂W 1 √ = 2m ∂α 2
β = const . dq √
1
α − c eγ q
.
316
Lösungen der Übungsaufgaben
Substitution: x=
√ 1 γq dx 1 2 dx = γ x dq = . c e2 dq 2 γ x
Damit berechnen wir:
√ qˆ =
2m
√
γ
1
α − x2
√ 2m 1 = √ ln √
γ
α
1 dx x
x √
α + α − x2
√ 2m 1 α α √ ln + −1 =− γ x2 x2 α √ √ 2m 1 α . √ arccosh =− γ x α Dass lässt sich nach x auflösen: √ α α α − 12 γ q = cosh −γ (t + β) = e x 2m c 1 1 α / e 2 γq = c cosh γ α (t + β) 2m (cosh x = cosh(−x)). Damit ist die generalisierte Koordinate bereits bestimmt: ⎫ ⎧ ⎬ ⎨ 2 1 α / . q(t) = ln γ ⎩ c cosh γ α (t + β) ⎭ 2m
Der generalisierte Impuls bestimmt sich aus (s. o.): 1 α / p2 = 2m α − c eγ q = 2mα − 2mc c cosh2 γ α (t + β) 2m ⎛ ⎞ 1 / ⎠ = 2mα ⎝1 − α (t + β) cosh2 γ 2m = 2mα tanh
2
γ
α 2m
(t + β) .
Damit haben wir das Ergebnis:
√ α p(t) = 2mα tanh γ (t + β) . 2m
Die Lösung ist nun vollständig. α und β folgen aus Anfangsbedingungen.
Lösungen der Übungsaufgaben
317
Lösung zu Aufgabe 3.7.4 Die Hamilton-Funktion ist:
3.7.4
py ∂H p2x + + c(x − y) , =0. 2m 2m ∂t Die Erzeugende W(x, y, pˆ x , pˆ y ) für die Transformation W x, y, px , py −→ xˆ , yˆ, pˆ x , pˆ y 2
H=
soll so beschaffen sein, dass die neuen Koordinaten sämtlich zykisch sind. Die Erzeugende W ist vom Typ F2 : px =
∂W ∂W ∂W ∂W , yˆ = . , py = , xˆ = ∂x ∂y ∂pˆ x ∂pˆ y
Damit ist die HJD: 1 2m
∂W ∂x
2
∂W + ∂y
2
+ c(x − y) = E .
Zur Lösung empfiehlt sich ein Separationsansatz: W(x, y, pˆ x , pˆ y ) = Wx (x, pˆ x , pˆ y ) + Wy (y, pˆ x , pˆ y ) . Damit folgt aus der HJD: dWy 2 1 1 dWx 2 + cx = E − + cy 2m dx 2m dy nur von x abhängig
⇒ E−
1 2m 1 2m
dWx dx dWy dy
2 2
⇒
nur von y abhängig
+ cx = α1 + cy = α1
/ dWx = ± 2m α1 − cx dx / dWy = ± 2m E − α1 + cy dy
3|2 1 2m(α1 − cx) 3mc 3|2 1 2m(E − α1 + cy) Wy = ± . 3mc Somit ist die gesamte charakteristische Funktion: 0 1 1 (2m)3|2 (α1 − cx)3|2 − (E − α1 + cy)3|2 . W =∓ 3mc ⇒
Wx = ∓
318
Lösungen der Übungsaufgaben
Identifiziere die neuen Impulse mit den Konstanten: pˆ j = αj = const wobei α2 noch unbestimmt bleibt. Damit ist: ∂W px = = ± 2m(α1 − cx) ∂x ∂W py = = ∓ 2m(E − α1 + cy) . ∂y Wähle weiterhin (aus Zweckmäßigkeit): E = E(α1 , α2 ) = α2 . Damit ist:
∂Hˆ ∂E x˙ˆ = = =0 ∂α1 ∂α1 ∂Hˆ ∂E y˙ˆ = = =1 ∂α2 ∂α2
⇒
xˆ = β1
⇒
yˆ = t + β2 .
Auflösen von
∂W 1 =∓ 2m(α1 − cx) + 2m(α2 − α1 + cy) ∂α1 c 1 ∂W =± 2m(α2 − α1 + cy) t + β2 = ∂α2 c
β1 =
ergibt:
c α2 − α1 (t + β2 )2 − 2m c c α1 2 x(t) = − (t + β1 + β2 ) + 2m c / px = ± c2 (t + β1 + β2 )2 = ±c(t + β1 + β2 ) / py = ∓ c2 (t + β2 )2 = ∓c(t + β2 ) . y(t) =
Bewegungsgleichungen:
∂H px = ∂px m ∂H = −c p˙ x = − ∂x ∂H py ˙y = = ∂py m ∂H =c p˙ y = − ∂y x˙ =
⇒
px (t) = −c(t + β1 + β2 )
⇒
py (t) = c(t + β2 ) .
Lösungen der Übungsaufgaben
319
Die Anfangsbedingungen ergeben: py (0) = 0
⇒
β2 = 0
px (0) = mv0x
⇒
β1 = −
y(0) = 0
⇒
α1 = α2
x(0) = 0
⇒
α1 =
Damit ist die Lösung:
mv0x c
c2 mv0x 2 1 2 = mv0x = E . − 2m c 2
mv0x 2 m 2 c + v0x t− 2m c 2c c 2 y(t) = t . 2m
x(t) = −
Lösung zu Aufgabe 3.7.5
3.7.5
1 ∂H 1 2 H= =0; px + p2y + m ω2x x2 + ω2y y2 ⇒ 2m 2 ∂t Die HJD lautet: 1 2m
,
∂W ∂x
2
∂W + ∂y
2 -
H=E.
1 + m ω2x x2 + ω2y y2 = E . 2
Separationsansatz: W = W(x, y; α) = Wx (x; α) + Wy (y; α) . Dies wird in die HJD eingesetzt: 1 dWy 2 1 1 dWx 2 1 + mω2x x2 = E − − mω2y y2 . 2m dx 2 2m dy 2 Beide Seiten müssen für sich genommen bereits konstant sein. Wir setzen E = α1 : 1 dWx 2 1 + mω2x x2 = α2 = const 2m dx 2 2 1 1 dWy + mω2y y2 = α1 − α2 = const 2m dy 2 2α2 dWx ⇒ − x2 , = mωx dx mω2x dWy 2(α1 − α2 ) = mωy − y2 . dy mω2y
320
Lösungen der Übungsaufgaben
Für die charakteristische Funktion erhalten wir schließlich: ⎡ ⎞⎤ ⎛ 2 x 2 α α m ω 2 2 x ⎠⎦ + W(x, y, α) = mωx ⎣ − x2 + arcsin ⎝x 2 mω2x mω2x 2α2 ⎡ ⎛ ⎞⎤ mω2y 2( α − α ) α − α y 1 2 1 2 ⎠⎦ . + mωy ⎣ − y2 + arcsin ⎝y 2 mω2y mω2y 2(α1 − α2 ) Es gilt weiter:
β1 + t =
,
∂W 1 = ∂α1 ωy
dy
⇒ y(t) =
2(α1 − α2 ) − y2 mω2y
⎡
-−1|2 =
1
ωy
arcsin ⎣y
mω2y
2(α1 − α2 )
⎤ ⎦
2(α1 − α2 ) sin ωy (β1 + t) , 2 mωy
-−1|2 , −1|2 1 2α2 2(α1 − α2 ) 2 2 −x − −y = dx dy mω2x ωy mω2y ⎛ ⎞ 2 1 m ω x⎠ arcsin ⎝x = − β1 − t ωx 2α2
∂W 1 β2 = = ∂α2 ωx
⇒ x(t) =
2α2 sin [ωx (β1 + β2 + t)] . mω2x
β1 , β2 , α1 , α2 sind durch Anfangsbedingungen festzulegen! 3.7.6
Lösung zu Aufgabe 3.7.6 Mit der Erzeugenden F3 = F3 (p, qˆ , t),
q=−
∂F3 , ∂p
pˆ = −
∂F3 ∂qˆ
soll die Transformation so erfolgen, dass die „neue“ Koordinate und der „neue“ Impuls konstant sind: F3 q, p −→ qˆ = α = const, pˆ = β = const . ˆ ≡ 0 wird: Dies gelingt mit einer Erzeugenden S(p, qˆ , t) = F3 (p, qˆ , t), durch die H ∂S ∂S ∂S ! .(ˆq, pˆ , t) = H(p, q, t) + = H p, − , t + (HJD) . 0=H ∂t ∂p ∂t Diese Differentialgleichung für S ist hier explizit: 2 1 2 1 ∂S 2 ∂S p + mω0 =0. + 2m 2 ∂p ∂t
Lösungen der Übungsaufgaben
321
Zur Lösung wird ein Separationsansatz gewählt: S(p, qˆ , t) = W(p, qˆ ) + V(t, qˆ ) . Die HJD macht keine Aussage über die qˆ -Abhängigkeit von S. Allerdings muss qˆ = β = const gelten, was z. B. durch Gleichsetzen mit einer Integrationskonstanten erreicht wird. Damit wird die HJD: dV dW 2 1 2 1 =− p + mω20 2m 2 dp dt Die linke Seite hängt nur von p, die rechte nur von t ab. Damit muss bereits jede Seite für sich konstant sein. Setze deshalb: dV β=− ⇒ V(t) = −βt dt bis auf eine unbedeutende additive Konstante. Somit folgt aus der linken Seite für W: dW 2 1 2 p2 = 2 2 2mβ − p2 . = β − 2 dp 2m mω0 m ω0 Damit ist die Lösung der HJD: 1 S(β, p, t) = ± mω0 Setze nun:
α = pˆ = −
1 ∂S =t∓ ∂β mω0
Damit ist der „alte“ Impuls:
/ dp 2mβ − p2 − βt .
1 p m =t∓ arcsin dp 2 ω0 2mβ 2mβ − p
p = ± 2mβ sin ω0 (t − α)
Und für die „alte“ Koordinate erhält man: / 1 ∂S ∂W =− =∓ 2mβ − p2 = q=− ∂p ∂p mω0 2mβ =∓ cos ω0 (t − α) . mω0 Aus den Anfangsbedingungen p0 = p(t = 0) = 0
⇒
α=0
q0 = q(t = 0) > 0 folgt dann:
2β cos ω0 t 2 mω0 p(t) = − 2mβ sin ω0 t . q(t) =
322
Lösungen der Übungsaufgaben
In den vorangegangenen Gleichungen gilt jeweils das untere Vorzeichen. Mit
q0 =
2β mω20
⇒
1 2
β = mω20 q20 = E
folgt nach Einsetzen von q0 : q(t) = q0 cos ω0 t p(t) = −mω0 q0 sin ω0 t . Zur physikalischen Bedeutung:
2mβ 1 − sin2 ω0 t dp − βt . S(β, p, t) = − mω0
Mit dp = −mω20 q0 cos ω0 t dt folgt dann:
2mβ 2β 2 mω0 cos2 ω0 t dt − βt = S(β, p, t) = mω0 mω20 = 2β cos2 (ω0 t) dt − βt .
Andererseits ist 1 2 2 2 2 1 m ω0 q0 sin ω0 t − mω20 q20 cos2 ω0 t = 2m 2 2 2 = β sin ω0 t − cos ω0 t =
L=T−V =
= −2β cos2 (ω0 t) + β Also ist die Erzeugende das negative unbestimmte Wirkungsfunktional: S(β, p, t) = − L dt
3.7.7
Lösung zu Aufgabe 3.7.7 Aus 1 1 2 H=H= px + p2y + p2z + m ω2x x2 + ω2y y2 + ω2z z2 = α1 2m 2
folgt durch Umsortieren: 1 1 2 1 1 2 p − mω2z z2 . px + p2y + m ω2x x2 + ω2y y2 = α1 − 2m 2 2m z 2
Lösungen der Übungsaufgaben
323
Separationsansatz: W = Wx (x, α) + Wy (y, α) + Wz (z, α) dWy dWx dWz ; py = ; pz = . dx dy dz Einsetzen in die obige Gleichung bedeutet, dass die rechte Seite nur von z abhängt, die linke nur von x und y. Also muss gelten: 1 dWz 2 1 α1 − − mω2z z2 = const = αz 2m dz 2 2(α1 − αz ) dWz ⇒ pz = − z2 . = mωz dz mω2z ⇒ px =
Umkehrpunkte:
z± = ±
: Jz =
pz dz = 2mωz
z+ z−
⎡
2(α1 − αz ) . mω2z
2(α1 − αz ) − z2 dz = mω2z ⎤
⎢ ⎥ ⎢ 1 2(α1 − αz ) ⎥ α1 − αz z 2 ⎢ ⎥ = 2mωz ⎢ z −z + arcsin ⎥ 2 2 2 m ω m ω z z ⎣ 2(α1 − αz ) ⎦ mω2z
α1 − αz π = 2mωz mω2z 2π ⇒ Jz = (α − α ) . ωz 1 z Weiterhin gilt: 1 2m
dWx dx
2
1 1 dWy 2 1 2 2 + mωx x = αz − − mω2y y2 2 2m dy 2 2αx dWx ⇒ px = − x2 . = mωx dx mω2x
Umkehrpunkte:
x± = ±
Dies bedeutet: Jx = 2mωx
x+ x−
2αx . mω2x
2αx − x2 dx . mω2x
z+
= z−
324
Lösungen der Übungsaufgaben
Dieselbe Rechnung wie oben ergibt: Jx = Schließlich bleibt noch: 1 2m
dWy dy
2
2π α . ωx x
1 + mω2y = αz − αx . 2
Dieselben Überlegungen wie oben ergeben jetzt: 2π αz − αx . Jy =
ωy
Schließlich folgt: H = α1 = ⇒ H(J) =
ωy ωz ωz J z + αz = Jz + J y + αx 2π 2π 2π
1 ωx Jx + ωy Jy + ωz Jz . 2π
Frequenzen: να =
3.7.8
∂H 1 = ω ; α = x, y, z . ∂Jα 2π α
Lösung zu Aufgabe 3.7.8 Entartungsbedingungen:
νx − νy = 0 ;
νy − νz = 0 .
Dies ergibt gemäß (3.159) die Erzeugende: F2 = ωx − ωy J 1 + ωy − ωz J 2 + ωz J 3 ¯1 = ⇒ ω
∂F2 ∂F2 ∂F2 ¯2 = ¯3 = = ωx − ωy ; ω = ωy − ωz ; ω = ωz . ∂J 1 ∂J 2 ∂J 3
Dies bedeutet: ν¯1 = ν¯2 = 0 ;
ν¯3 = νz .
Aus F2 folgt auch: Jx =
∂F2 ∂F2 ∂F2 = J ; Jy = = −J 1 + J 2 ; Jz = = −J 2 + J 3 ∂ωx 1 ∂ωy ∂ωz
⇒ Jx + Jy + Jz = J 3 = J . Dies bedeutet: H=
ω
2π
J.
Sachverzeichnis
325
Sachverzeichnis d’Alembert’sches Prinzip, 12, 15, 17 Arbeit, virtuelle, 13 Atwood’sche Fallmaschine, 14, 21, 40 Bahn, stationäre, 66 Bahndrehimpuls, 184 Bindung, geometrische, 3 Bohr-Sommerfeld’sche Atomtheorie, 203 Brachystochronenproblem, 69 Brechungsgesetz, elektronenoptisches, 124
δ-Variation, 116 Δ-Variation, 116 Darstellungsräume, 125 Differentialprinzip, 60 Doppelpendel, 8 Drehimpulserhaltungssatz, 88 Eichtransformation, 33, 155 − mechanische, 34, 141 Eigenwirkungsvariable, 203 Eikonal, 210 Eikonalgleichung, 211 Energiedissipation, 36 Energiesatz, 83 Energiespektrum der Teilchenwelle, 212 entartet − m-fach, 201 − vollständig, 200, 201 Entartung, 201 Entartungsbedingungen, 201 Ereignisbahn, 126 Ereignisraum, 126 Euler-Lagrange-Differentialgleichungen, 72 Euler’sche Gleichung, 67 Fadenspannung, 14, 22, 41 Fall, „verzögerter“ freier, 22 Fass, rollendes, 42 Federkonstante, 107 Fermat’sches Prinzip, 119 Forminvarianz, 21 Freiheitsgrad, 6 Fundamentalklammer, 136
Funktion − erzeugende, 145, 148 − Hamilton’sche charakteristische, 178 − homogene, 19 Funktional, 62 Geschwindigkeit, generalisierte, 7 Gleichungen, kanonische, 102 Gravitation, 194 Hamilton’sche charakteristische Funktion, 178 Hamilton’sche Wirkungsfunktion, 170 Hamilton-Funktion, 82, 101 Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung, 170, 207 Hamilton-Jacobi-Theorie, 169 Hamilton-Mechanik, 97 Hamilton-Operator, 136 Hamilton’sche Bewegungsgleichungen, 102, 115 Hamilton’sches Prinzip, 60, 62 − erweitertes, 75 − modifiziertes, 112, 114, 145 Hantel, 14 − schwingende, 25 Hauptquantenzahl, 204 Hilbert-Raum, 136 Homogenität − der Zeit, 81 − des Raumes, 84 − zeitliche, 81 Hooke’sches Gesetz, 107 Impuls, verallgemeinerter, 26 Impulserhaltung für Symmetrierichtungen, 86 Impulssatz, 85 Integral der Bewegung, 103, 134, 178 Integralprinzip, 61 Integration − komplexe, 199 Isotropie des Raumes, 88
326
Sachverzeichnis
Jacobi-Identität, 132 Jacobi-Prinzip, 120, 123 Kanonizität im engeren Sinne, 143, 157 Kepler’sches Gesetz, 201 Kepler-Bewegung, 202 Kepler-Problem, 30, 194, 203 Klammer − abstrakte, 135 Kommutator, 135 Konfigurationsbahn, 61, 125 Konfigurationsraum, 7, 61, 125 Konfigurationsvektor, 7 Konkurrenzschar, 62, 65 Koordinate − generalisierte, 6 − kartesische, 109 − zyklische, 26, 79, 103, 144 Korrespondenzprinzip, 136 Kräfte − generalisierte, 31 − verlorene, 15 Kraftkomponente, generalisierte, 16 Kriterien für Kanonizität, 156 krummlinig-orthogonal, 122 Kugelkoordinaten, 110 Lagrange’sche Bewegungsgleichungen − 1. Art, 39, 74 − 2. Art, 73 Lagrange’sche Multiplikatoren, 38 − Methode der, 37 Lagrange-Funktion, 18, 21 − verallgemeinerte, 31 Lagrange-Gleichungen, 12, 71 − 2. Art, 18 − modifizierte, 35 Lagrange-Mechanik, 3 Legendre-Transformation, 98 Legendre-Transformierte, 98, 100 Libration, 188, 201 Lichtstrahlen, 208, 211 Lichtweg, 210 Lichtwellen, 209 Linie, geodätische, 120 Lorentz-Kraft, 32, 109
Masse, verallgemeinerte, 19, 121 Matrizenmechanik, 204 Maxwell-Gleichungen, 32 Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren, 37 Minimalinformation, 128 Noether’sches Theorem, 81 Observable, 136 Optik, geometrische, 210 Oszillator − harmonischer, 107, 136, 153, 188 − linearer, harmonischer, 125 Parameterdarstellung, 65, 72 Pendelschwingung, 106 periodisch − bedingt, 190, 201 − einfach, 200, 201 Perle, gleitende, 23 Phase, 126 Phasenbahn, 126 Phasenraum, 102, 114, 126 Phasentrajektorie, 126 Phasentransformation, 143 Phasenvektor, 126 Planck’sches Wirkungsquantum, 136, 203, 212 Poisson’scher Satz, 134 Poisson-Klammer, 125, 129 − fundamentale, 129, 130 Potential − der Lorentz-Kraft, verallgemeinertes, 33 − elektromagnetisches, 32 − skalares, 32 − verallgemeinertes, 31, 109 Prinzip − der kürzesten Ankunft, 120 − der kleinsten Wirkung, 115, 181 − der virtuellen Arbeit, 13 − des kürzesten Weges, 120 Punkttransformation, 9, 153 Quantenhypothese, 203 Quantenmechanik, 204
Sachverzeichnis
räumlich isotrop, 87 Rayleigh’sche Dissipationsfunktion, 35 Reibungskraft, 34 Residuensatz, 199 Residuum, 199 Rollen eines Rades, 11, 43 Rotation, 188, 201 Routh-Formalismus, 104 Routh-Funktion, 104 Rydberg-Energie, 204 Scharparameter, 65 Schrödinger-Gleichung, 213 Schwerefeld, 185 Schwerpunktsatz, 80 Schwingungsgleichung, 108 separabel, 183 Separation der Variablen, 181 Separationsansatz, 174 Stokes’sche Reibung, 36 System − konservatives, 16 − nicht-holonomes, 37 − periodisches, 187 Teilchen ohne Zwang, 109 Teilchen-Welle-Dualismus, 207 Teilchenwelle, 212 − Energiespektrum, 212 Tensor, metrischer, 121 Transformation − identische, 153, 183, 195 − kanonische, 140, 143 − kanonische im engeren Sinne, 143 Variation − der Bahn, 66 − des Funktionals, 66 Variationsprinzipien, 60
327
Variationsproblem, 64 Vektorpotential, 32 Verrückung, virtuelle, 12, 62 Wasserstoff-Atom, 203 Wellenfunktion, 212 Wellengeschwindigkeit, 206 Wellengleichung − der Klassischen Mechanik, 205, 208 − der Optik, skalare, 209 − zeitunabhängige, 212 Wellenlänge eines Teilchens, 212 Wellenmechanik, 204 Wellenvektor, 209 Winkelvariable, 192 Wirkung, 61, 116, 181 Wirkungsfunktion, 172, 205 Wirkungsfunktional, 62, 75, 112 Wirkungsprinzipien, 112 Wirkungsvariable, 191, 196 Wirkungswellen, 205 Zentralfeld, 184 Zustand, 128, 212 Zustandsraum, 127 Zwangsbedingung, 3 − als Ungleichung, 9 − holonom-rheonome, 5 − holonom-skleronome, 4 − holonome, 4 − in differentieller Form, 10 − nicht-holonome, 9 − „Rollen“, 11 Zwangskraft, 3 − generalisierte, 40 Zweikörperproblem, 79 Zykloide, 28, 71 Zykloidenpendel, 28 Zylinderkoordinaten, 110