Springer-Lehrbuch
Grundkurs Theoretische Physik Band 1 Klassische Mechanik 8. Auflage ISBN: 978-3-540-34832-0 Band 2 Analytische Mechanik 7. Auflage ISBN: 978-3-540-30660-3 Band 3 Elektrodynamik 8. Auflage ISBN: 978-3-540-71251-0 Band 4 Spezielle Relativitätstheorie, Thermodynamik 7., aktualisierte Auflage ISBN: 978-3-642-01603-5
Band 5/1 Quantenmechanik – Grundlagen 7. Auflage ISBN: 978-3-540-68868-6 Band 5/2 Quantenmechanik – Methoden und Anwendungen 6., überarbeitete Auflage ISBN: 978-3-540-26035-6 Band 6 Statistische Physik 6. Auflage ISBN: 978-3-540-68870-9 Band 7 Viel-Teilchen-Theorie 7., aktualisierte Auflage ISBN: 978-3-642-01605-9
Wolfgang Nolting
Grundkurs Theoretische Physik 4 Spezielle Relativitätstheorie Thermodynamik 7., aktualisierte Auflage Mit 95 Abbildungen und 117 Aufgaben mit vollständigen Lösungen
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Professor Wolfgang Nolting Humboldt-Universität zu Berlin Institut für Physik Newtonstraße 15 12489 Berlin Deutschland
[email protected]
Umschlagabbildung: siehe Seite 274
ISSN 0937-7433 ISBN 978-3-642-01603-5 e-ISBN 978-3-642-01604-2 DOI 10.1007/978-3-642-01604-2 Springer Dordrecht Heidelberg London New York ISBN 978-3-540-24119-1 6. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2002, 2005, 2010 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandgestaltung: WMXDesign GmbH, Heidelberg Satz und Herstellung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.de)
Allgemeines Vorwort Die sieben Bände der Reihe „Grundkurs Theoretische Physik“ sind als direkte Begleiter zum Hochschulstudium Physik gedacht. Sie sollen in kompakter Form das wichtigste theoretisch-physikalische Rüstzeug vermitteln, auf dem aufgebaut werden kann, um anspruchsvollere Themen und Probleme im fortgeschrittenen Studium und in der physikalischen Forschung bewältigen zu können. Die Konzeption ist so angelegt, dass der erste Teil des Kurses, Klassische Mechanik (Band 1) Analytische Mechanik (Band 2) Elektrodynamik (Band 3) Spezielle Relativitätstheorie, Thermodynamik (Band 4), als Theorieteil eines „Integrierten Kurses“ aus Experimentalphysik und Theoretischer Physik, wie er inzwischen an zahlreichen deutschen Universitäten vom ersten Semester an angeboten wird, zu verstehen ist. Die Darstellung ist deshalb bewusst ausführlich, manchmal sicher auf Kosten einer gewissen Eleganz, und in sich abgeschlossen gehalten, sodass der Kurs auch zum Selbststudium ohne Sekundärliteratur geeignet ist. Es wird nichts vorausgesetzt, was nicht an früherer Stelle der Reihe behandelt worden ist. Dies gilt inbesondere auch für die benötigte Mathematik, die vollständig so weit entwickelt wird, dass mit ihr theoretisch-physikalische Probleme bereits vom Studienbeginn an gelöst werden können. Dabei werden die mathematischen Einschübe immer dann eingefügt, wenn sie für das weitere Vorgehen im Programm der Theoretischen Physik unverzichtbar werden. Es versteht sich von selbst, dass in einem solchen Konzept nicht alle mathematischen Theorien mit absoluter Strenge bewiesen und abgeleitet werden können. Da muss bisweilen ein Verweis auf entsprechende mathematische Vorlesungen und vertiefende Lehrbuchliteratur erlaubt sein. Ich habe mich aber trotzdem um eine halbwegs abgerundete Darstellung bemüht, sodass die mathematischen Techniken nicht nur angewendet werden können, sondern dem Leser zumindest auch plausibel erscheinen. Die mathematischen Einschübe werden natürlich vor allem in den ersten Bänden der Reihe notwendig, die den Stoff bis zum Physik-Vordiplom beinhalten. Im zweiten Teil des Kurses, der sich mit den modernen Disziplinen der Theoretischen Physik befasst, Quantenmechanik: Grundlagen (Band 5/1) Quantenmechanik: Methoden und Anwendungen (Band 5/2) Statistische Physik (Band 6) Viel-Teilchen-Theorie (Band 7), sind sie weitgehend überflüssig geworden, insbesondere auch deswegen, weil im Physik-Studium inzwischen die Mathematik-Ausbildung Anschluss gefunden hat. Der frühe Beginn der Theorie-Ausbildung bereits im ersten Semester gestattet es,
die Grundlagen der Quantenmechanik schon vor dem Vordiplom zu behandeln. Der Stoff der letzten drei Bände kann natürlich nicht mehr Bestandteil eines „Integrierten Kurses“ sein, sondern wird wohl überall in reinen Theorie-Vorlesungen vermittelt. Das gilt insbesondere für die „Viel-Teilchen-Theorie“, die bisweilen auch unter anderen Bezeichnungen wie „Höhere Quantenmechanik“ etwa im achten Fachsemester angeboten wird. Hier werden neue, über den Stoff des Grundstudiums hinausgehende Methoden und Konzepte diskutiert, die insbesondere für korrelierte Systeme aus vielen Teilchen entwickelt wurden und für den erfolgreichen Übergang zu wissenschaftlichem Arbeiten (Diplom, Promotion) und für das Lesen von Forschungsliteratur inzwischen unentbehrlich geworden sind. In allen Bänden der Reihe „Grundkurs Theoretische Physik“ sollen zahlreiche Übungsaufgaben dazu dienen, den erlernten Stoff durch konkrete Anwendungen zu vertiefen und richtig einzusetzen. Eigenständige Versuche, abstrakte Konzepte der Theoretischen Physik zur Lösung realer Probleme aufzubereiten, sind absolut unverzichtbar für den Lernenden. Ausführliche Lösungsanleitungen helfen bei größeren Schwierigkeiten und testen eigene Versuche, sollten aber nicht dazu verleiten, „aus Bequemlichkeit“ eigene Anstrengungen zu unterlassen. Nach jedem größeren Kapitel sind Kontrollfragen angefügt, die dem Selbsttest dienen und für Prüfungsvorbereitungen nützlich sein können. Ich möchte nicht vergessen, an dieser Stelle allen denen zu danken, die in irgendeiner Weise zum Gelingen dieser Buchreihe beigetragen haben. Die einzelnen Bände sind letztlich auf der Grundlage von Vorlesungen entstanden, die ich an den Universitäten in Münster, Würzburg, Osnabrück, Valladolid (Spanien), Warangal (Indien) sowie in Berlin gehalten habe. Das Interesse und die konstruktive Kritik der Studenten bedeuteten für mich entscheidende Motivation, die Mühe der Erstellung eines doch recht umfangreichen Manuskripts als sinnvoll anzusehen. In der Folgezeit habe ich von zahlreichen Kollegen wertvolle Verbesserungsvorschläge erhalten, die dazu geführt haben, das Konzept und die Ausführung der Reihe weiter auszubauen und aufzuwerten. Die ersten Auflagen dieser Buchreihe sind im Verlag Zimmermann-Neufang entstanden. Ich kann mich an eine sehr faire und stets erfreuliche Zusammenarbeit erinnern. Danach erschien die Reihe bei Vieweg. Die Übernahme der Reihe durch den Springer-Verlag im Januar 2001 hat dann zu weiteren professionellen Verbesserungen im Erscheinungsbild des „Grundkurs Theoretische Physik“ geführt. Herrn Dr. Kölsch und seinem Team bin ich schon jetzt für viele Vorschläge und Anregungen sehr dankbar. Meine Manuskripte scheinen in guten Händen zu liegen. Berlin, im April 2001
Wolfgang Nolting
Vorwort zu Band 4 Das Anliegen der Reihe „Grundkurs Theoretische Physik“ wurde bereits in den Vorworten zu den ersten drei Bänden definiert und gilt natürlich unverändert auch für den vorliegenden vierten Band, der die Spezielle Relativitätstheorie und die Thermodynamik zum Thema hat. Der Grundkurs ist als unmittelbarer Begleiter des Grund- und Hauptstudiums für das Diplom Physik beziehungsweise der neuen Bachelor/Master-Studiengänge in Physik gedacht und richtet sich nach Auswahl und Reihenfolge der Themen nach den Anforderungen der jeweiligen Studienordnungen. Gedacht ist dabei an einen Studiengang wie in einem „Integrierten Kurs“ aus Experimentalphysik und Theoretischer Physik, der bereits im ersten Semester mit der Theoretischen Physik beginnt. Deshalb musste in den ersten drei Bänden dem für den Aufbau der Theoretischen Physik unbedingt notwendigen, elementaren mathematischen Rüstzeug ein relativ breiter Raum zugestanden werden, wobei es insbesondere um das Erlernen von Rechentechniken ging. Die mathematischen Einschübe werden von diesem vierten Band an nun etwas weniger häufig. Mit dem vorliegenden Band wird die so genannte klassische Theoretische Physik abgeschlossen, die in der Regel den Vorlesungsstoff bis zum Vordiplom beziehungsweise den der ersten drei bis vier Semester des Bachelor-Programms darstellt. Die Zusammenstellung von Spezieller Relativitätstheorie und Thermodynamik mag zunächst etwas verwundern. Sie erfolgt natürlich nicht aufgrund einer engen thematischen Beziehung zwischen diesen beiden Disziplinen, sondern wegen der erklärten Zielsetzung des Grundkurses, ein direkter Begleiter des Physik-Studiums sein zu wollen. Die Relativitätstheorie zählt zu den klassischen Theorien und wird als solche zweckmäßig im Anschluss an die Klassische Mechanik und Elektrodynamik besprochen, d.h. zu Ende des dritten oder zu Beginn des vierten Semesters. Deswegen beginnt auch der vierte Band des Grundkurses mit dem relativistischen Ausbau der Mechanik (Bände 1 und 2) sowie der Elektrodynamik (Band 3). Thematisch wäre die Thermodynamik natürlich besser bei der Statistischen Mechanik aufgehoben, die ihrerseits jedoch als moderne, nicht-klassische Theorie (Quantenstatistik) nicht vor dem sechsten Semester angeboten werden kann, nachdem im vierten/fünften Semester die Quantenmechanik behandelt wurde. Die klassische, phänomenologische Thermodynamik bezieht ihre Begriffsbildung direkt aus dem Experiment, benötigt deshalb im Gegensatz zur Quantenstatistik noch keine quantenmechanischen Elemente. Sie ist in der Regel Prüfungsstoff des Vordiploms beziehungsweise ein Modul des Bachelor-Programms und muss deshalb an dieser Stelle in den Grundkurs eingebaut werden. Die Spezielle Relativitätstheorie befasst sich mit der Abhängigkeit physikalischer Aussagen vom Bezugssystem des Beobachters. Wichtig sind dabei die Inertialsysteme, in denen das Newtonsche Trägheitsgesetz ohne Mitwirkung von Scheinkräften Gültigkeit hat. Nach dem Einstein’schen Äquivalenzpostulat sind Inertialsysteme grundsätzlich physikalisch gleichberechtigt. Sie werden jedoch nicht durch die
Galilei-Transformation der nicht-relativistischen Mechanik, sondern durch LorentzTransformationen ineinander überführt. Deren wichtigste Konsequenz besteht in einer Verknüpfung von Raum- und Zeitkoordinaten, aus der sich eine Reihe von zum Teil recht spektakulären Phänomene ableiten lässt, die auf einen ersten oberflächlichen Blick sogar dem gesunden Menschenverstand zu widersprechen scheinen. Begriffe wie Raum, Zeit und Gleichzeitigkeit müssen neu überdacht werden. Aus dem zweiten Einsteinschen Postulat, dass die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum zu allen Zeiten und allen Orten konstant und zudem vom Bewegungszustand der Quelle unabhängig ist, lässt sich die spezielle Form der Lorentz-Transformationsmatrix ableiten. Das Hauptanliegen der Speziellen Relativitätstheorie besteht darin, die physikalischen Gesetze und Schlussfolgerungen der Mechanik und Elektrodynamik auf ihre Kompatibilität gegenüber Lorentz-Transformationen zwischen Inertialsystemen zu überprüfen. Abweichungen der relativistisch korrekten Mechanik von der ,,vertrauten“ Newton-Mechanik werden vor allem dann deutlich, wenn die Relativgeschwindigkeiten physikalischer Systeme mit der Lichtgeschwindigkeit vergleichbar werden. Die Spezielle Relativitätstheorie führt somit zu einer übergeordneten Klassischen Mechanik, die die nicht-relativistische Formulierung als Grenzfall kleiner Relativgeschwindigkeiten enthält. Die Thermodynamik ist als Wärmelehre eine klassische, phänomenologische Theorie, zu deren Verständnis Begriffe wie Temperatur und Wärme eingeführt werden müssen. Sinnvoll definierbar sind sie nur für makroskopische Viel-Teilchen-Systeme, bleiben dagegen völlig sinnlos für das Einzelteilchen. Die gesamte Thermodynamik basiert auf einigen fundamentalen Hauptsätzen, die als nicht-beweisbare, experimentell unwiderlegte Erfahrungstatsachen aufgefasst werden müssen. Bei diesen, wie auch bei den Begriffen Temperatur und Wärme, werden wir uns im Rahmen der Thermodynamik in gewisser Weise mit einem gefühlsmäßigen Selbstverständnis zufrieden geben müssen. Eine systematische Begründung gelingt erst der Statistischen Mechanik (Band 6), die deswegen als zur Thermodynamik komplementär angesehen werden muss. Sie unterwirft sich, zumindest in ihrer Version als Quantenstatistik, den Gesetzmäßigkeiten der Quantenmechanik, die in den Bänden 5/1 und 5/2 besprochen wird. Das vorliegende Buch ist aus Manuskripten zu Vorlesungen entstanden, die ich an den Universitäten in Würzburg, Münster, Warangal (Indien), Valladolid (Spanien) und Berlin gehalten habe. Die konstruktive Kritik der Studenten, meiner Übungsleiter und einiger Kollegen, mit Druckfehlerhinweisen und interessanten Verbesserungsvorschlägen für den Text- und den Aufgabenteil war dabei wichtig und hat mir sehr geholfen. Gegenüber der Erstauflage, damals erschienen beim Verlag ZimmermannNeufang, sind im Zuge der diversen Neuauflagen, seit einiger Zeit beim SpringerVerlag, einige gravierende Änderungen insbesondere in der Darstellung der Speziellen Relativitätstheorie vorgenommen und eine Reihe zusätzlicher Übungsaufgaben aufgenommen worden. Die Zusammenarbeit mit dem Springer-Verlag hat m. E. zu
deutlichen Verbesserungen im Erscheinungsbild des Buches geführt. Für das bisher vermittelte Verständnis des Verlags im Hinblick auf das Konzept der Buchreihe und die faire und deshalb erfreuliche Zusammenarbeit, insbesondere mit Herrn Dr. T. Schneider, bin ich sehr dankbar. Berlin, im August 2009
Wolfgang Nolting
Inhaltsverzeichnis Spezielle Relativitätstheorie 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.5 1.6 1.7 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.4 2.5 2.6
Physikalische Grundlagen Inertialsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michelson-Morley-Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsteins Postulate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lorentz-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transformationsmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Relativität der Gleichzeitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitdilatation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längenkontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Additionstheorem für Geschwindigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lichtkegel, Minkowski-Diagramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kovariante vierdimensionale Formulierungen Ko- und kontravariante Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differentialoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kovariante Formulierung der Klassischen Mechanik . . . . . . . . . Eigenzeit, Welt-Geschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kraft, Impuls, Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der elastische Stoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kovariante Formulierung der Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontinuitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektromagnetische Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feldstärke-Tensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maxwell-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transformation der elektromagnetischen Felder . . . . . . . . Lorentz-Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formeln der relativistischen Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . Kovariante Lagrange-Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungen der Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 9 13 14 14 19 21 22 23 26 30 34
39 39 43 46 47 47 49 55 65 66 67 69 71 75 81 84 86 93 98 101
Thermodynamik 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.5 1.6 1.7 2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.3
Grundbegriffe Thermodynamische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustand, Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Temperaturbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustandsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ideales Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Van der Waals-Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Idealer Paramagnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiß’scher Ferromagnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptsätze Erster Hauptsatz, innere Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärmekapazitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adiabaten, Isothermen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiter Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carnot-Kreisprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absolute, thermodynamische Temperaturskala . . . . . . . . . . . . . . . . Entropie als Zustandsgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Folgerungen aus den Hauptsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thermodynamische Potentiale „Natürliche“ Zustandsvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Legendre-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homogenitätsrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die thermodynamischen Potentiale des idealen Gases . . . . . Mischungsentropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joule-Thomson-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Isolierte Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschlossenes System im Wärmebad ohne Arbeitsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschlossenes System im Wärmebad bei konstanten Kräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
135 136 139 140 140 142 146 148 150 154 159
163 166 169 172 174 178 181 188 194 207
211 213 216 218 221 225 228 229 231 232
3.7.4 3.8 3.9 3.10 4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.3 4.4
Extremaleigenschaften von U und H . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Dritte Hauptsatz (Nernst’scher Wärmesatz) . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phasen, Phasenübergänge Phasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gibb’sche Phasenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dampfdruckkurve (Clausius-Clapeyron) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maxwell-Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phasenübergänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geometrische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehrenfest-Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritische Exponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exponenten-Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skalenhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lösungen der Übungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
233 234 239 247
251 251 256 258 261 261 265 270 277 283 289 293 295
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
Kapitel 1 Physikalische Grundlagen
1
1
1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.5 1.6 1.7
Physikalische Grundlagen Inertialsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michelson-Morley-Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einsteins Postulate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lorentz-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transformationsmatrix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Relativität der Gleichzeitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitdilatation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Längenkontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Additionstheorem für Geschwindigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lichtkegel, Minkowski-Diagramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 9 13 14 14 19 21 22 23 26 30 34
5
1 Physikalische Grundlagen Wir beginnen mit einer Definition. Welche Vorstellung verbindet man mit dem Begriff Relativitätstheorie? Es geht dabei um die Lehre von der Abhängigkeit bzw. von der Invarianz physikalischer Aussagen vom Bezugssystem des Beobachters. Insbesondere handelt die Spezielle Relativitätstheorie von der Gleichberechtigung aller Inertialsysteme, wobei die Übergänge zwischen den verschiedenen Inertialsystemen allerdings nicht durch Galilei-, sondern durch Lorentz-Transformationen bewirkt werden. Dies bedeutet, wie wir sehen werden, eine Verknüpfung von Raumund Zeitkoordinaten. Als die entscheidenden Ausgangspunkte der Theorie werden wir zwei Postulate kennen lernen, nämlich das so genannte Äquivalenzpostulat und das Prinzip der konstanten Lichtgeschwindigkeit. Die wichtigsten Resultate werden zu einer Revision der Begriffe:
Raum, Zeit, Gleichzeitigkeit
führen, die Lichtgeschwindigkeit als absolute Grenzgeschwindigkeit erklären und von der Äquivalenz von Energie und Masse zeugen. Die Lorentz-Transformation bezieht sich nur auf geradlinig gleichförmig gegeneinander bewegte Systeme, sagt aber nichts aus über relativ zueinander beschleunigte Systeme. Die Allgemeine Relativitätstheorie W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik 4 ISBN 978-3-642-01603-5 © Springer 2010
6
1. Physikalische Grundlagen
kann als die Theorie der grundsätzlichen Gleichberechtigung aller raumzeitlichen Systeme charakterisiert werden. Ausgangspunkt ist hier das Postulat der Proportionalität von schwerer und träger Masse (s. Abschn. 2.2.1 und 2.2.2, Bd. 1!). Ein sehr wichtiges Resultat entlarvt die Annahme als Vorurteil, dass das Raum-Zeit-Schema euklidisch zu wählen sei. Durch passende Festlegung der Metrik lässt sich eine übersichtlichere Darstellung des Kosmos gewinnen. Die Raumstruktur erweist sich als von der Materieverteilung abhängig. Die Grundgesetze der Mechanik ergeben sich in der Allgemeinen Relativitätstheorie aus dem Prinzip, dass ein Massenpunkt, auf den keine elektromagnetischen Kräfte wirken, im Raum-Zeit-Kontinuum einen kürzesten Weg beschreibt. Probleme wie die Lichtablenkung im Gravitationsfeld der Sonne oder die Rotverschiebung der Spektrallinien von Atomen in starken Gravitationsfeldern finden in der Allgemeinen Relativitätstheorie eindeutige Erklärungen. – Die mathematischen Verfahren zum Auffinden des oben erwähnten kürzesten Weges in einer nicht euklidischen Metrik sind in der Regel nicht ganz einfach. Die Allgemeine Relativitätstheorie ist allerdings auch nicht Gegenstand dieses Grundkurses. Der Leser muss auf die Spezialliteratur verwiesen werden. Warum und wann wird die Spezielle Relativitätstheorie notwendig? Die experimentelle Erfahrung lehrt, dass die Postulate und Definitionen der Klassischen Mechanik in der bislang diskutierten Form ungültig werden, sobald die Relativgeschwindigkeiten v in den Bereich der Lichtgeschwindigkeit c gelangen: vºc . Dann sind relativistische Korrekturen unumgänglich, die für kleine v unbedeutend bleiben. In diesem Sinne stellt die Relativitätstheorie gewissermaßen die Vollendung der klassischen Physik dar. Aus ihr folgt eine neue klassische Physik, in der die alte als Grenzfall v << c enthalten ist. Obwohl die Quantenmechanik eine ähnliche Funktion als übergeordnete Theorie erfüllt, besteht kein direkter Zusammenhang zwischen Relativitätstheorie und Quantenmechanik. Es gibt Bereiche, in denen Quanteneffekte wichtig werden, relativistische Korrekturen aber vernachlässigbar sind und umgekehrt. Die Relativistische Quantenmechanik befasst sich mit Situationen, für die beide Korrekturen unvermeidbar sind.
1.1
1.1 Inertialsysteme In der so genannten Newton-Mechanik, die im ersten Band dieses Grundkurs: Theoretische Physik besprochen wurde, setzen fundamentale Begriffe wie die Bahn r(t) oder die Geschwindigkeit v = ˙r (t) eines Massenpunktes die Existenz von Bezugssystemen (Koordinatensystemen) sowie von Zeitmessvorrichtungen (Uhren) voraus. Zum Aufbau von Koordinatensystemen können Zimmerwände, Himmelsrichtungen oder Ähnliches dienen, während als Uhren mechanische Systeme mit Feder, Unruh
1.1
Inertialsysteme
7
und Zahnrädern oder periodische Bewegungen wie die Rotation der Erde, Molekülschwingungen usw. herangezogen werden können. Die experimentelle Beobachtung geht nun dahin, dass nicht in allen Bezugssystemen die Newton-Mechanik gültig ist. In rotierenden Koordinatensystemen zum Beispiel wird sie erst dann wieder korrekt, wenn man zu den eingeprägten Kräften noch gewisse, durch die Rotation bedingte Scheinkräfte (Trägheitskräfte, Zentrifugalkräfte) hinzuaddiert (Abschn. 2.2.4 und 2.2.5, Bd. 1). Das führt zu der Vorstellung, die man als Newton’sche Fiktion bezeichnet. Sie lässt sich in zwei Punkten zusammenfassen: 1. Es gibt den absoluten Raum (Weltäther). Dieser ist unveränderlich und unbeweglich und setzt den Bewegungen materieller Körper keinen Widerstand entgegen. Die Bewegung des relativen Raums (Teilraums) gegenüber dem absoluten kann dazu führen, dass die Grundgesetze der Mechanik nicht mehr gelten. Nur im absoluten Raum ruhende oder gegen diesen geradlinig gleichförmig bewegte relative Räume lassen die Grundgesetze invariant. 2. Es gibt eine absolute Zeit, d. h. eine irgendwo im Weltäther existierende Normaluhr. Beide Postulate erweisen sich schlussendlich als unhaltbar. Punkt 1. lässt sich zunächst dahingehend verallgemeinern, dass wir nicht den absoluten Raum postulieren, sondern von der unbestreitbaren Tatsache ausgehen, dass es tatsächlich Systeme gibt, in denen die Newton-Mechanik gültig ist. Für diese wiederholen wir einige Überlegungen aus Abschn. 2.2.3, Bd. 1, um uns noch einmal detailliert klarzumachen, welche Voraussetzungen benutzt wurden. Definition 1.1.1 Wir bezeichnen als Inertialsystem ein Bezugssystem, in dem das Newton’sche Trägheitsgesetz
1.1.1
F = m¨r ohne Mitwirkung künstlich eingeführter Scheinkräfte gilt. Ein System, das relativ zu einem Inertialsystem rotiert, kann deshalb kein Inertialsystem sein. Wir haben in den Abschn. 2.2.4 und 2.2.5, Bd. 1 gelernt, dass dann zur Kraftgleichung Terme addiert werden müssen, die die Drehung beschreiben (Zentrifugal-, Coriolis-Kräfte). Satz 1.1.1 Σ sei ein Inertialsystem; das System Σ bewege sich relativ zu Σ geradlinig gleichförmig und möge zur Zeit t = 0 mit Σ zusammenfallen. Dann ist Σ ebenfalls ein Inertialsystem.
1.1.1
8
1. Physikalische Grundlagen
Beweis r sei der Ortsvektor für den Punkt P in Σ, r der für P in Σ . Σ bewegt sich relativ zu Σ mit der konstanten Geschwindigkeit v. Dann gilt offenbar:
r = r + vt ⇒ ˙r = ˙r + v ⇒ ¨r = ¨r .
Σ′
P
Σ
r′
r
v. t Abb. 1.1. Zwei zueinander geradlinig gleichförmig
bewegte Inertialsysteme. Demonstration der Galilei-Transformation
Es ist also: F = m¨r = m¨r = F
q. e. d.
Dieser Beweis benutzt als wichtige Voraussetzung, dass das Zeitmaß in beiden Systemen gleich ist. Wir haben nämlich wie selbstverständlich beim Differenzieren t = t angenommen. Diese Voraussetzung wird zu überprüfen sein. Wir können ohne Einschränkung der Allgemeinheit annehmen, dass die konstante Relativgeschwindigkeit v parallel zur z-Achse liegt. Dann geschieht der Übergang Σ ←→ Σ durch eine Galilei-Transformation x = x ,
y = y ,
z = z + vt ,
t = t .
(1.1)
Die letzte Beziehung wird in der Regel weggelassen, da sie selbstverständlich zu sein scheint. Bei Gültigkeit der Galilei-Transformation können wir also durch mechanische Versuche eine geradlinig gleichförmige Bewegung (z. B. in grober Näherung die Bahn der Erde) relativ zum Weltäther nicht nachweisen. Vielleicht gelingt dieses jedoch mit optischen Experimenten, wenn man z. B. die Lichtgeschwindigkeit in verschiedenen Inertialsystemen untersucht: Eine Lichtquelle im Ursprung von Σ sendet sphärische Wellen aus, die sich mit der Lichtgeschwindigkeit c fortpflanzen. Für den Ortsvektor r eines bestimmten Punktes auf der Wellenfront gilt somit in Σ:
˙r = cer ;
er =
r . r
1.2
Michelson-Morley-Experiment
9
Für die von Σ aus gesehene Wellengeschwindigkeit sollte dann bei Gültigkeit der Galilei-Transformation aber
˙r = cer − v gelten. Sie wäre damit richtungsabhängig mit |˙r | =/ c. In Σ würde es sich dann nicht um sphärische Wellen handeln! Wenn das aber richtig ist, dann gäbe es tatsächlich eine Möglichkeit, den absoluten Raum zu definieren. Es wäre gerade jenes Bezugssystem Σ0 , in dem
˙r = cer
(sphärische Wellen)
beobachtet würde. Alle anderen Inertialsysteme zeigen die obige Richtungsabhängigkeit der Lichtwellengeschwindigkeit. Dies lässt sich aber relativ einfach experimentell überprüfen!
1.2 Michelson-Morley-Experiment A. A. Michelson (Nobelpreis 1907) entwarf eine Versuchsanordnung, die mit extremer Genauigkeit die soeben diskutierte Richtungsabhängigkeit der Lichtwellengeschwindigkeit, wenn sie denn überhaupt existiert, messen können sollte. Das Prinzip ist in der Abbildung dargestellt. S2 v
l2 x
S0
L
B
l1
S1 Abb. 1.2. Schematischer Aufbau des Michelson-Morley-Experiments
Ausgehend von einer Lichtquelle L fällt ein Lichtstrahl auf einen Spiegel S0 , der auf der Vorderseite mit einer Metallschicht überzogen und damit halbdurchlässig ist. Ein Teilstrahl wird an S0 reflektiert, fällt dann auf den Spiegel S2 , wird dort wiederum reflektiert, durchsetzt S0 und gelangt in das Beobachtungsgerät B (Teleskop). – Der andere Teilstrahl durchsetzt S0 , fällt auf den Spiegel S1 , wird dort und anschließend an S0 reflektiert, um am Beobachtungsort B mit dem ersten Teilstrahl zu interferieren. – In den Strahlengang S0 S2 wird in der Regel noch eine Kompensationsplatte eingesetzt, damit dieser Teilstrahl insgesamt dieselbe Glasdicke zu durchlaufen hat wie der andere. Benutzt man monochromatisches Licht, so beobachtet man in B konstruktive Interferenz der beiden Teilstrahlen, wenn die jeweiligen
1.2
10
1. Physikalische Grundlagen
optischen Weglängen sich um ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge λ unterscheiden:
!
δ = L02 + L20 − L01 + L10 = m λ ; m ∈ Z . Lij sind die optischen Weglängen der einzelnen Teilstücke: t
Sj Lij =
c dt = c tSj − tSi ;
i, j = 0, 1, 2 .
tSi
Die Laufzeiten
Δji = tSj − tSi sind ganz offensichtlich von der Äthergeschwindigkeit abhängig, wenn es den absoluten Raum tatsächlich gibt und das Licht dort die richtungsunabhängige Geschwindigkeit c besitzt. Betrachten wir nun einmal im Einzelnen die Laufzeiten der beiden Teilstrahlen: 1. S0 → S1 : Auf diesem Weg haben wir die Erdgeschwindigkeit v zu berücksichtigen. Die Gültigkeit der Galilei-Transformation voraussetzend können wir von der Additivität der Geschwindigkeiten ausgehen. Die Lichtgeschwindigkeit relativ zur Apparatur ist deshalb c − v. Wir erhalten als Laufzeit Δ10 für den Weg S0 → S1 :
Δ10 =
l1 . c−v
S1 → S0 : Auf dem Rückweg beträgt die Relativgeschwindigkeit des Lichtes dann c + v. Das Licht läuft nun gegen den Ätherwind. Das ergibt als Laufzeit:
Δ01 =
l1 . c+v
Die gesamte Laufzeit des ersten Teilstrahls auf dem Weg S0 → S1 → S0 beträgt somit:
Δ1 = 2.
l1 l1 l1 1 + =2 . c−v c+v c 1 − v2 |c 2
(1.2)
Die Laufzeiten für Hin-und Rückweg sind natürlich gleich, Δ20 = Δ02 . Wir müssen nun aber die Mitbewegung des Spiegels S0 beachten. Die Lichtgeschwindigkeit ist c, da sich der Strahl jeweils senkrecht zum Ätherwind bewegt. Für die Laufstrecke gilt dann: xy = c Δ20 = l22 + v2 Δ220 = yz .
1.2
Michelson-Morley-Experiment
y
11
S2
l2 x
S0
z v(Δ 02 + Δ20)
S0
Abb. 1.3. Berechnung der Laufzeit des Lichtes im Michelson-Morley-Experiment
Dies ergibt für die Laufzeit Δ2 des zweiten Teilstrahls:
Δ2 = Δ20 + Δ02 =
2l2 1 . c 1 − v2 |c 2
(1.3)
Die beiden Teilstrahlen besitzen somit die folgende Differenz in den optischen Weglängen:
l1 δ = c(Δ2 − Δ1 ) = 2 − 1 − v2 |c 2 1 − v2 |c 2 l2
!
= mλ .
(1.4)
Nun wird die Apparatur um 90◦ gedreht, sodass sich die Lichtwege l1 und l2 relativ zum Äther gerade vertauschen. Es ergibt sich nun eine andere Weglängendifferenz:
l1 l2 ! δ = c Δ2 − Δ1 = 2 − = m λ . (1.5) 1 − v2 |c 2 1 − v2 |c 2 Interessant ist der Unterschied in den Weglängendifferenzen: S = δ − δ = 2 l1 + l2
1 1 − 2 2 1 − v |c 1 − v2 |c 2
=
v2 1 v2 = 2 l1 + l2 1 + 2 + . . . − 1 − + ... . c 2 c2 Dies bedeutet: S −→
v2 << c2
v2 l1 + l2 2 . c
(1.6)
12
1. Physikalische Grundlagen
S bewirkt eine Verschiebung des Interferenzmusters um r Interferenzstreifen, wobei sich r aus l1 + l2 v2 S r= = (1.7) λ λ c2 berechnet. Bei Drehung der Apparatur um π|2 in dem beschriebenen Sinne sollte also eine S entsprechende Verschiebung der Interferenzstreifen auftreten. Dies wollen wir einmal über konkrete Zahlenwerte abschätzen: Nach dem Konzept des Experiments ist natürlich nicht ganz eindeutig, was man für die Ätherwindgeschwindigkeit v einzusetzen hat. Es liegt jedoch nahe, die Bahngeschwindigkeit der Erde v = 3 · 104
m s
als ein gutes Maß für die Bewegung relativ zum Äther anzusehen. Nehmen wir noch die Wellenlänge des Lichts zu λ = 5000 Å = 5 · 10−7 m an, so erreicht man S = λ, also eine Verschiebung des Interferenzmusters um eine volle Streifenbreite, falls 1 = l1 + l2
9 · 108 ⇐⇒ l1 + l2 = 50 m −7 · 5 · 10 m
9 · 1016
ist. Michelson stand in seinem ersten Versuch eine Strecke von l1 = l2 = 1, 2 m zur Verfügung. Dies entspricht einer Verschiebung von etwa 0,05 Interferenzstreifen und wäre durchaus messbar gewesen. In der späteren, zusammen mit Morley aufgebauten Versuchsanordnung wurde durch Vielfach-Reflexionen die optische Weglänge noch um einen Faktor 10 erhöht. Resultat: Es wird keine Interferenzverschiebung beobachtet! Die Lichtgeschwindigkeit ist offensichtlich in allen Richtungen gleich und unabhängig von den relativen, gleichförmig geradlinigen Bewegungen des Beobachters, des übertragenden Mediums und der Lichtquelle.
Fazit: Die Galilei-Transformation kann nicht richtig sein! Sie muss durch eine Transformation ersetzt werden, die konstante Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen gewährleistet. Man beachte: Es wird nicht die physikalische Äquivalenz von Inertialsystemen bezweifelt, sondern lediglich die Art der Transformation zwischen solchen Systemen.
1.3
Einsteins Postulate
13
1.3
1.3 Einsteins Postulate Einsteins Deutung des nicht erwarteten Ausgangs des Michelson-Morley-Experiments war ebenso einfach wie genial. Das Interpretationsproblem des Experiments ist letztlich eine Konsequenz der Gewöhnung an eigentlich plausibel erscheinende Annahmen von allerdings nicht streng bewiesenen Tatsachen. So erweist sich die Annahme einer absoluten Zeit, die für die Gültigkeit der Galilei-Transformation unerlässlich ist, als ebenso unhaltbar wie die Annahme eines absoluten Raums. Wie misst man überhaupt Zeiten? Jede Zeitmessung läuft genau genommen über die Feststellung einer Gleichzeitigkeit. So werden z. B. die Zeigerstellung einer Uhr und das Eintreffen eines Zuges miteinander verglichen. Problematisch könnte es werden, wenn man die zeitlichen Beziehungen zwischen zwei Ereignissen zu messen hat, die an verschiedenen Orten stattfinden. In der Mechanik versuchen wir die Bewegung eines Körpers dadurch zu beschreiben, dass wir seine Ortskoordinaten als Funktionen der Zeit angeben. Dazu benötigen wir eben die zeitlichen Beziehungen zwischen Ereignissen an verschiedenen Orten. Das ist sogar bei jeder Geschwindigkeitsmessung notwendig, da v=
ra − rb ta − tb
eine Zeitmessung ta in r a und eine Zeitmessung tb am Ort r b erfordert. Wie hängt nun aber die Gleichzeitigkeit bei r a mit der bei r b zusammen? Die a-Uhr und die b-Uhr müssen synchronisiert werden. Das wäre überhaupt kein Problem, wenn sich Information von a nach b mit unendlich hoher Geschwindigkeit übertragen ließe. Das geht aber nicht, da auch elektromagnetische Signale sich zwar mit hoher, letztlich aber doch endlicher Geschwindigkeit fortpflanzen. Die Synchronisation der Uhren könnte aber nach dem folgenden Rezept realisiert werden. Man sendet ein Lichtsignal von a nach b und lässt dieses an einem Spiegel in b reflektieren. Die Zeit für die Wegstrecke a → b → a ist dann mit der a-Uhr messbar. Sinn macht dieses Verfahren jedoch nur unter der ganz entscheidenden Voraussetzung, dass die Lichtgeschwindigkeit von a nach b dieselbe ist wie die von b nach a. Dann gilt nämlich ta → b =
1 ta → b → a = tb → a , 2
und eine Synchronisation der a- und b-Uhren wäre ohne weiteres möglich.
14
1. Physikalische Grundlagen
Einstein hat diese Voraussetzung als Postulat in seine neue Physik, die Spezielle Relativitätstheorie genannt wird, eingebaut. Die gesamte Theorie basiert auf zwei Postulaten: 1.3.1
Postulat 1.3.1: (Äquivalenzpostulat) Alle physikalischen Gesetze und Resultate aller Experimente sind in allen gleichförmig geradlinig gegeneinander bewegten Systemen gleich.
1.3.2
Postulat 1.3.2 Die Lichtgeschwindigkeit hat im Vakuum zu allen Zeiten und an allen Orten den konstanten Wert c und ist insbesondere von der Bewegung der Quelle unabhängig.
Aus Postulat 1.3.1 folgt, dass nur relative Bewegungen zweier Systeme messbar sind. Dies bedeutet eigentlich nichts Neues gegenüber der Newton-Mechanik, nur sind Inertialsysteme jetzt genauer zu definieren. Das eigentlich Neue ist Postulat 1.3.2. Heute ist es eindeutig experimentell bestätigt, nicht jedoch zu der Zeit, als Einstein es formulierte. Es bedingt, wie wir sehen werden, ein radikales Umdenken bezüglich vertrauter Begriffe wie Raum, Zeit und Gleichzeitigkeit. Es bleiben für uns die folgenden Programmpunkte: 1. Wir suchen nach der korrekten Transformation zwischen Inertialsystemen, die die Lichtgeschwindigkeit erhält. Diese sollte für v << c in die Galilei-Transformation übergehen. 2. Wir überprüfen die physikalischen Gesetze bezüglich ihrer Transformationseigenschaften gegenüber einer solchen korrekten Transformation.
1.4
1.4 Lorentz-Transformation 1.4.1 Transformationsmatrix Es seien Σ und Σ gleichförmig gegeneinander bewegte Inertialsysteme, wobei wir z. B. Σ als ruhend und Σ als bewegt annehmen können. Die beiden Koordinatensysteme sollen zur Zeit t = 0 identisch sein:
t=0:
Σ ≡ Σ .
Zu diesem Zeitpunkt t = 0 sende eine Lichtquelle im Ursprung von Σ, der dann gerade mit dem von Σ zusammenfällt, ein Signal aus. Das ergibt im ruhenden System Σ eine sich mit Lichtgeschwindigkeit c ausbreitende Kugelwelle: c 2 t 2 = x2 + y2 + z 2 .
(1.8)
1.4
Lorentz-Transformation
15
Nach Postulat 1.3.2 muss diese Beziehung für die Lichtausbreitung in jedem Inertialsystem, also auch in Σ , erfüllt sein! c2¯t2 = x¯ 2 + y¯2 + z¯2 .
(1.9)
Die Forderung, dass sich das Signal in beiden Systemen als Kugelwelle fortpflanzt, ist offenbar nur bei Mittransformation der Zeit (t ⇐⇒ ¯t) zu befriedigen. Dadurch ergibt sich eine Verknüpfung von Raum- und Zeitkoordinaten. Wie hat nun die Transformation auszusehen, die Σ in Σ überführt? Aus Gründen, die später klar werden, werden die kartesischen Koordinaten durch hochgestellte Indizes unterschieden: r = x1 , x2 , x3 = (x, y, z) . Üblich ist die Einführung einer vierten (bzw. „nullten“) Koordinate: x0 = c t .
(1.10)
Das Resultat des Michelson-Morley-Experiments lässt sich als Invarianzbedingung 3 3 0 2 μ 2 ! 0 2 μ 2 x − x x¯ = x¯ −
μ=1
(1.11) (1.12)
μ=1
formulieren. Wir werden später (s. Abschn. 1.5) die beiden Seiten dieser Gleichung als das Längenquadrat eines Vierer-Vektors im abstrakten vierdimensionalen Minkowski-Raum (Weltraum) interpretieren. Dann stellt die gesuchte Transformation, die wir schon jetzt Lorentz-Transformation nennen wollen, offenbar eine Drehung im Minkowski-Raum dar, wobei sich die Länge des gedrehten Vierer-Vektors nicht ändert. Dazu zählen natürlich auch die normalen Drehungen im realen dreidimensionalen Anschauungsraum zwischen Systemen, deren Ursprünge relativ zueinander in Ruhe sind. Man kann zeigen: Die Allgemeine Lorentz-Transformation ist gleich der Speziellen Lorentz-Transformation multipliziert mit der Raumdrehung. Unter der Speziellen Lorentz-Transformation
16
1. Physikalische Grundlagen
versteht man die Transformation zwischen gleichförmig geradlinig gegeneinander bewegten Systemen mit parallelen Achsen. Die folgenden Betrachtungen beschränken sich auf diese speziellen Lorentz-Transformationen. Wir können dann aber auch ohne weiteres annehmen, dass die Relativgeschwindigkeit v zwischen Σ und Σ parallel zur x3 = z-Achse gerichtet ist. Der Zusammenhang zwischen den Koordinaten in Σ und denen in Σ muss notwendig linear sein, da sonst z. B. eine gleichförmige Bewegung in Σ keine solche in Σ wäre, was dem Äquivalenzpostulat widerspräche. Dies führt zu dem folgenden Ansatz: x¯ μ =
3
λ=0
Lμλ x λ .
(1.13)
Wegen der speziellen Richtung von v werden die 1- und 2-Komponenten in beiden Systemen gleich sein: x¯ 1 = x1 ;
x¯ 2 = x2 .
(1.14)
Die Komponenten x¯ 3 , x¯ 0 müssen von x1 und x2 unabhängig sein, da kein Punkt der x1 , x2 -Ebene in irgendeiner Weise ausgezeichnet ist. Eine Verschiebung in dieser Ebene darf keine Auswirkungen haben. Damit kennen wir aber bereits die Struktur der Transformationsmatrix L : ⎛ ⎞ L00 0 0 L03 ⎜ ⎟ ⎜ 0 1 0 0 ⎟ ⎜ ⎟ . (1.15) L≡⎜ ⎟ ⎝ 0 0 1 0 ⎠ L30 0 0 L33 Wir nutzen nun die Invarianzbedingung (1.12) aus: 0 2 3 2 ! 0 2 3 2 x¯ − x¯ = x − x . Dies bedeutet: 0 2 3 2 2 2 x¯ − x¯ = L00 x0 + L03 x3 − L30 x0 + L33 x3 = 2 2 = L200 − L230 x0 + L203 − L233 x3 + + 2 L00 L03 − L30 L33 x0 x3 . Der Koeffizientenvergleich liefert: L200 − L230 = 1 , L233 − L203 = 1 , L00 L03 − L30 L33 = 0 .
1.4
Lorentz-Transformation
17
Dieses Gleichungssystem wird gelöst durch den folgenden Ansatz: L33 = L00 = cosh χ , L30 = L03 = − sinh χ . Die Vorzeichenwillkür in der letzten Zeile wird später durch die Forderung aufgehoben, dass für v << c die Lorentz- in die Galilei-Transformation übergehen muss! Wir haben damit als Zwischenergebnis: ⎛ ⎞ cosh χ 0 0 − sinh χ ⎜ ⎟ ⎜ 0 1 0 0 ⎟ ⎟ . L≡⎜ ⎜ ⎟ 0 1 0 ⎠ ⎝ 0 − sinh χ 0 0 cosh χ Um schließlich auch χ festzulegen, betrachten wir die Bewegung des Ursprungs von Σ . Von Σ aus gesehen gilt für diese: v x3 = v t = x0 . c Dies ergibt den folgenden Zusammenhang: v cosh χ − sinh χ 0 = x¯ 3 = cosh χ x3 − sinh χ x0 = x0 c v ⇒ tanh χ = . c Mit 1 1 cosh χ = = 1 − v2 |c 2 1 − tanh2 χ und v|c sinh χ = cosh χ tanh χ = 1 − v2 |c 2 sowie den üblichen Abkürzungen,
β=
v ; c
1
γ = γ (v) =
1 − v2 |c 2
,
(1.16)
lautet schließlich die Matrix der Speziellen Lorentz-Transformation ⎛
γ
⎜ ⎜ 0 L≡⎜ ⎜ ⎝ 0 −βγ
−βγ
⎞
0
0
1
0
0
1
⎟ 0 ⎟ ⎟ . ⎟ 0 ⎠
0
0
γ
(1.17)
18
1. Physikalische Grundlagen
Die Determinante erfüllt det L = γ 2 − β2 γ 2 = 1 .
(1.18)
L lässt sich also als Drehung interpretieren (s. Abschn. 1.4.6.5, Bd. 1). Allerdings sind Zeilen und Spalten der Matrix L nicht orthonormal. Wegen ihrer Bedeutung wollen wir die Gleichungen der Speziellen Lorentz-Transformation noch einmal explizit in der ursprünglichen, kartesischen Form aufschreiben: x¯ = x ,
(1.19)
y¯ = y ,
(1.20)
z −vt z¯ = = γ (z − βc t) , 1 − v2 |c 2
(1.21)
t − v|c 2 z β ¯t = =γ t− z . c 1 − v2 |c 2
(1.22)
Wir schließen noch einige Diskussionsbemerkungen an: 1. Für kleine Relativgeschwindigkeiten v << c wird aus der Lorentz-Transformation (1.19) bis (1.22) die Galilei-Transformation (1.1). 2. c ist offensichtlich die maximale Relativgeschwindigkeit, da für v > c die Koordinate z¯ nicht mehr reell wäre. 3. Die inverse Transformationsmatrix ⎛ −1
L
γ
⎜ ⎜0 ≡⎜ ⎜ ⎝0
0
0
1
0
0
1
βγ 0 0
4.
βγ
⎞
⎟ 0⎟ ⎟ ⎟ 0⎠
(1.23)
γ
ergibt sich offenbar aus (1.17) einfach durch Substitution v → −v, d. h. β → −β. Das ist auch nicht anders zu erwarten, da sich Σ von Σ aus gesehen mit der Geschwindigkeit −v bewegt. Man bezeichnet den Ortsvektor ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ct x0 ⎜ 1⎟ ⎜ ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ ⎟ x ⎟ ⎜x⎟ xμ ≡ ⎜ ⎜ 2⎟ ≡ ⎜ ⎟ ⎝x ⎠ ⎝ y ⎠ z x3
(1.24)
1.4
Lorentz-Transformation
19
des Minkowski-Raumes als Vierer-Vektor. Jedes System von Zahlen ⎛ ⎞ a0 ⎜ 1⎟ 0
⎜a ⎟ a ⎟ , aμ ≡ ⎜ ⎜ 2⎟ ≡ a a ⎝ ⎠ a3
(1.25)
das sich bei einer Lorentz-Transformation in derselben Weise transformiert wie der Ortsvektor (1.24), wird dann ebenfalls Vierer-Vektor genannt. In Analogie zum Ortsvektor wird die 0-Komponente als „Zeitkomponente“ bezeichnet und die (1, 2, 3)-Komponenten als „Raumkomponenten“. Insbesondere muss gemäß (1.12) das 3 μ 2 0 2 2 a = a − a2 Längenquadrat von a μ : a0 −
μ=1
5.
eine Lorentz-Invariante sein. Diese Definition wird später durch die Einführung eines entsprechenden Skalarproduktes klar. – Wir werden in Abschn. 2.1 kontraund kovariante Vierer-Vektoren unterscheiden und diese durch verschiedene Stellungen des Index μ kennzeichnen (aμ , a μ ). Wir treffen einige Vereinbarungen zur Schreibweise. Mit griechischen Buchstaben μ, λ, ρ, . . . indizieren wir die Komponenten von Vierer-Vektoren, wobei der gesamte Vierer-Vektor durch eine typische Komponente, z. B. x μ , gekennzeichnet ist. Die normalen Dreiervektoren werden fett dargestellt, und die lateinischen Buchstaben k, l, m, . . . bezeichnen die Komponentenindizes. Über gleiche griechische Indizes nebeneinander stehender Größen wird summiert (Einsteins Summenkonvention), das Summenzeichen dabei häufig weggelassen, z. B.: x¯ μ =
3
λ=0
Lμλ x λ ⇐⇒ x¯ μ = Lμλ x λ .
(1.26)
Wir wollen nun einige Folgerungen der Lorentz-Transformation diskutieren. 1.4.2 Relativität der Gleichzeitigkeit Die dem gesunden Menschenverstand wohl am meisten widerstrebende Folgerung der Lorentz-Transformation betrifft die Definition der Gleichzeitigkeit. Jedes Inertialsystem hat sein eigenes Gleichzeitigkeitskriterium. Die absolute Zeit gibt es nicht! Sie ist eine Funktion des verwendeten Bezugssystems und wird mit dem Ablesen einer Uhr definiert. Letzteres stellt kein Problem dar, wenn alle Zeitmessungen in demselben Inertialsystem durchgeführt würden. Wir könnten die Uhren, wie früher beschrieben, durch ein Lichtsignal synchronisieren. Aber wie synchronisieren wir
20
1. Physikalische Grundlagen
Uhren, die sich in verschiedenen, relativ zueinander bewegten Inertialsystemen befinden? Das erweist sich als problematisch, da der Begriff der Gleichzeitigkeit relativ ist, d. h. unterschiedlich in relativ zueinander bewegten Inertialsystemen Σ und Σ , wie man sich leicht wie folgt klarmacht: Σ: Durch zwei synchronisierte Uhren bei z1 und z2 sei festgestellt, dass zwei Ereignisse gleichzeitig an diesen Orten stattfinden: t1 = t2 ⇐⇒ Δt = 0 .
Σ : Dieselben beiden Ereignisse erscheinen von diesem Inertialsystem aus nicht als gleichzeitig: t1 − (v|c2 )z1 ; t1 = 1 − v2 |c 2
t1 − (v|c2 )z2 t2 = 1 − v2 |c 2
⇒ Δt = t1 − t2 = γ
v z2 − z1 =/ 0 . 2 c
(1.27)
Man fragt sich nun natürlich, ob vielleicht sogar die Reihenfolge zweier Ereignisse vom Bewegungszustand des Beobachters abhängen kann. Lassen sich womöglich Ursache und Wirkung eines kausalen Zusammenhangs zweier Ereignisse miteinander vertauschen? Dazu die folgende Überlegung: In Σ sei t2 > t1 , dann bleibt in Σ die Reihenfolge der Ereignisse sicher erhalten, falls gilt: v 0 < t2 − t1 = γ t2 − t1 − 2 z2 − z1 . c Es muss also t2 − t1 >
v z2 − z1 c c
sein. Wegen v < c bleibt die Reihenfolge auf jeden Fall für t2 − t1 ≥
z2 − z1 c
bestehen. Wenn die beiden Ereignisse in Σ kausal miteinander verknüpft sind, so erfolgt der Informationsvorgang, der Ursache und Wirkung miteinander verbindet, mit endlicher Geschwindigkeit v¯ ≤ c. Dies bedeutet: t2 − t1 =
z2 − z1 z2 − z1 ≥ . v¯ c
Ursache und Wirkung lassen sich also nicht vertauschen. Die Reihenfolge von nicht kausal zusammenhängenden Ereignissen kann dagegen sehr wohl, von Σ aus gesehen, umgekehrt sein.
1.4
Lorentz-Transformation
21
1.4.3 Zeitdilatation Im Inertialsystem Σ sende eine Uhr am Ort z zwei Lichtsignale im zeitlichen Abstand
Δt = t1 − t2 aus. Im bewegten System Σ werden diese Lichtsignale zu den Zeiten vz vz t1 = γ t1 − 2 ; t2 = γ t2 − 2 c c beobachtet, also im Abstand:
Δt = t1 − t2 = γ Δt =
Δt
1 − (v2 |c2 )
> Δt .
(1.28)
Das Zeitintervall Δt erscheint dem bewegten Beobachter in Σ gedehnt. Er wird sagen: Die stationäre Uhr geht nach! Dasselbe wird im Übrigen auch eine Bezugsperson in Σ behaupten, die eine Uhr in Σ beobachtet. Dieses paradox erscheinende Phänomen wirkt etwas weniger mysteriös, wenn man sich den Messprozess genauer anschaut. In Σ (ruhend) werden zwei Ereignisse (z, t1 ) und (z, t2 ) mit einer Uhr bei z gemessen. In Σ (bewegt) benötigt die Messung dagegen zwei Uhren, nämlich eine bei z1 = γ z − v t1 , die andere bei z2 = γ z − v t2 , d. h. im Abstand z1 − z2 = γ v(t2 − t1 ) =/ 0 . Die Messprozesse sind also in den beiden Inertialsystemen gar nicht äquivalent, die Ergebnisse können deshalb auch nicht paradox sein. In Σ müssen wir die beiden, an verschiedenen Orten angebrachten Uhren synchronisieren. Diese Synchronisation führt letztlich zu dem Zeitdilatationseffekt. Die Zeitspanne, die von ein und derselben Uhr am gleichen Ort festgestellt wird, nennt man die Eigenzeit Δτ. Sie ist stets geringer als die Differenz der zwei Zeitablesungen im bewegten System Σ . Das Phänomen der Zeitdilatation ist heute in fast alltäglichen Experimenten beobachtbar. Man kann den radioaktiven Zerfall instabiler Teilchen für recht exakte Zeitmessungen ausnutzen. Das Zerfallsgesetz liefert eine genaue Vorhersage, wie viele der zur Zeit t = 0 vorhandenen Teilchen zur Zeit t > 0 noch nicht zerfallen sind. Die Zahl der noch nicht zerfallenen Teilchen ist somit ein Maß für die abgelaufene Zeit. Dieser Effekt wird zum Beispiel zur Altersbestimmung prähistorischer Funde
22
1. Physikalische Grundlagen
mit Hilfe instabiler C14 -Isotope herangezogen. Nach B. Rossi und D. B. Hall (Phys. Rev. 59, 223 (1941)) lässt sich die Zeitdilatation sehr eindrucksvoll experimentell wie folgt nachweisen: 1. μ-Mesonen entstehen beim Eindringen der kosmischen Strahlung in die Erdatmosphäre, sind positiv oder negativ geladen und instabil.
μ± −→ e± + ν1 + ν2 , e± : ν1 : ν2 : 2.
3. 4.
5. 6.
Elektron (Positron) , Neutrino , Antineutrino .
μ± fällt auf den Detektor, kommt dort zur Ruhe und zerfällt nach einer bestimmten Zeit gemäß 1. Beide Ereignisse, das Auftreffen des μ± sowie das Aussenden
des e± , sind nachweisbar. Damit ist das Zerfallsgesetz bekannt. Zwei Detektoren, einer auf einem Berg der Höhe L, ein anderer auf Meereshöhe, messen die jeweils pro Zeiteinheit einfallenden μ-Mesonen. Die Geschwindigkeit der Mesonen ist nahezu c: v μ± ≈ 0,994 c .
Damit ist die Wegzeit tW für die Strecke zwischen den beiden Detektoren berechenbar und über das Zerfallsgesetz dann die Zahl der am zweiten Detektor zu erwartenden, noch nicht zerfallenen Teilchen. Beobachtung: Viel mehr μ-Mesonen als erwartet erreichen den zweiten Detektor. Erklärung: Die Zahl der tatsächlich ankommenden Teilchen ist nicht durch tW , sondern durch die Eigenzeit τW bestimmt. Das Zerfallsgesetz entspricht der mitbewegten Uhr:
τW =
tW
γ
≈
1 tW 9
(= 0,109 tW ) .
Die relativ zu unseren Detektoren sich mit v ≈ 0,994 c bewegenden Mesonen stellen eine um den Faktor 1|9 zu langsame Uhr dar. 1.4.4 Längenkontraktion Wie führt man eine Längenmessung durch? Man legt einen Maßstab auf die zu messende Strecke und liest gleichzeitig die Positionen der Endpunkte ab. Das erscheint trivial, falls Strecke und Bezugssystem Σ in relativer Ruhe zueinander sind:
l = z1 − z2 . Bei der Längenmessung im mit der Geschwindigkeit v relativ zu Σ bewegten Inertialsystem Σ gilt zunächst für die Positionen der Endpunkte: z1 = γ z1 − v t1 ; z2 = γ z2 − v t2 .
1.4
Lorentz-Transformation
23
Was ist für t1 , t2 einzusetzen? Die Ablesung hat auch in Σ gleichzeitig zu erfolgen, d. h., es muss t1 = t2 , nicht etwa t1 = t2 , gelten. Dies bedeutet nach (1.22): v v ! t1 − 2 z1 = t2 − 2 z2 . c c Es ist also v t1 − t2 = 2 z1 − z2 c und damit v2 l = z1 − z2 = γ z1 − z2 − 2 z1 − z2 . c Dies bedeutet schließlich:
l = l 1 −
v2 . c2
(1.29)
Ein in Σ ruhender Stab der Länge l erscheint in Σ um den Faktor (1 − β2 )1|2 < 1 verkürzt. Entscheidend ist, dass die Längenmessung vorschreibt, die Positionen der Enden gleichzeitig abzulesen. Das Gleichzeitigkeitskriterium ist aber für verschiedene Inertialsysteme verschieden. Das überträgt sich auf die Ergebnisse von Längenmessungen. 1.4.5 Additionstheorem für Geschwindigkeiten Kann man durch eine Folge von Lorentz-Transformationen nicht auch Relativgeschwindigkeiten erreichen, die größer als die Lichtgeschwindigkeit c sind?
Σ1 −→ Σ2 −→ Σ3 ; v v
1
2
v3 −→
vi = vi ez ,
i = 1, 2, 3 .
Wenn einfach v3 = v1 + v2 zu setzen wäre, so würde z. B. aus v1 > c|2 und v2 > c|2 auch v3 > c folgen müssen. Dies würde den Einstein’schen Postulaten widersprechen. Nehmen wir einmal an, dass die Relativgeschwindigkeiten v1 , v2 , v3 sämtlich in z-Richtung erfolgen: v γi = 1 − β2i −(1|2) ; βi = i ; i = 1, 2, 3 . (1.30) c Dann gilt zunächst für den direkten Übergang:
Σ1 → Σ3 : μ
μ
L3 x(1) , x(3) = ⎛
γ3
⎜ ⎜ 0 L3 = ⎜ ⎜ ⎝ 0 −β3 γ3
−β3 γ3
⎞
0
0
1
0
0
1
⎟ 0 ⎟ ⎟ . ⎟ 0 ⎠
0
0
γ3
(1.31)
24
1. Physikalische Grundlagen
Äquivalente Resultate müssen sich ergeben, wenn wir von Σ1 nach Σ3 über Σ2 wechseln:
Σ1 → Σ2 → Σ3 : μ μ L2 L1 x(1) , x(3) = ⎛
γ2
⎜ ⎜ 0 L2 L1 = ⎜ ⎜ ⎝ 0 −β2 γ2 ⎛
0
0
1
0
0
1
0
0
−β2 γ2
⎞⎛
γ1
⎟⎜ ⎜ 0 ⎟ ⎟⎜ 0 ⎟⎜ 0 ⎠⎝ 0 −β1 γ1 γ2
−β1 γ1
⎞
0
0
1
0
0
1
⎟ 0 ⎟ ⎟= ⎟ 0 ⎠
0
0
γ1 ⎞
γ1 γ2 (1 + β1 β2 ) 0 0 −γ1 γ2 (β1 + β2 )
⎜ ⎜ 0 =⎜ ⎜ 0 ⎝ −γ1 γ2 (β1 + β2 )
1
0
0
0
1
0
0
0
γ1 γ2 (1 + β1 β2 )
⎟ ⎟ ⎟ . ⎟ ⎠
(1.32)
Der Vergleich von (1.31) und (1.32) führt zu γ3 = γ1 γ2 1 + β1 β2 , β3 γ3 = γ1 γ2 β1 + β2 . Daraus folgt das Additionstheorem für die Relativgeschwindigkeiten :
β3 =
β1 + β2 . 1 + β1 β2
(1.33)
Damit ist auf jeden Fall β3 = (v3 |c) < 1, falls β1 , β2 < 1 sind. Dies liest man direkt an (1.33) ab: 1 − β1 1 − β2 >0. (1.34) 1 − β3 = 1 + β1 β2 c bleibt also auf jeden Fall Grenzgeschwindigkeit! Wir diskutieren noch zwei Spezialfälle: 1. v1 = v2 = 1|2 c: In diesem Fall ist β1 = β2 = 1|2 und damit β3 = 4|5: v3 = 2.
4 c =/ v1 + v2 . 5
v1 = c ; v2 ≤ c beliebig: Es ist nun β1 = 1, sodass nach (1.33) β3 von v2 unabhängig wird:
β3 =
1 + β2 =1. 1 + β2
1.4
Lorentz-Transformation
25
Dies entspricht dem Postulat 1.3.2 aus Abschn. 1.3. Von einer Lichtquelle emittiertes Licht bereitet sich im Vakuum mit der Geschwindigkeit c aus, und zwar unabhängig von der Geschwindigkeit v der Lichtquelle. Wir wollen die Überlegungen dieses Abschnitts zum Abschluss noch etwas verallgemeinern. Σ und Σ seien zwei Inertialsysteme, für die die Formeln (1.19) bis (1.22) der Lorentz-Transformation gelten. Ein Objekt habe in Σ die Geschwindigkeit dx dy dz , , . (1.35) u ≡ ux , uy , uz = dt dt dt Welche Geschwindigkeit hat es dann in Σ ? dx dy dz . , , u ≡ ux , uy , uz = dt dt dt
(1.36)
Aus der Lorentz-Transformation folgt: dx = dx , dy = dy , dz = γ (dz − v dt) , v v uz dt = γ dt − 2 dz = γ 1 − 2 dt . c c Damit erhalten wir für die Komponenten der Geschwindigkeit in Σ : dx 1 ux = , dt γ 1 − v uz 2 c u dy 1 y , uy = = dt γ 1 − v uz c2 dz uz − v uz = = v uz . dt 1− 2 c Analog gilt für ein Objekt in Σ, wenn es in Σ die Geschwindigkeit u besitzt: ux =
ux , v u γ 1 + 2z c u 1 y uy = , v uz γ 1+ 2 c
ux =
1
uz =
uz + v . v u 1 + 2z c
(1.37)
(1.38)
(1.39)
(1.40)
(1.41)
(1.42)
26
1. Physikalische Grundlagen
Wir überprüfen noch die Lorentz-Invarianz der Lichtgeschwindigkeit, d. h., wir kontrollieren, ob aus u2 = c2 auch u2 = c2 folgt, wie von der Speziellen Relativitätstheorie gefordert: Sei u2 = c2 : 2 uz − v 1 1 2 2 u + u2 = 2 + u = v uz 2 γ 1 − v uz 2 x y 1 − c2 c2 v2 2 v uz −2 2 2 2 1− 2 ux + uy + uz + v − 2v uz = = 1− 2 c c v uz −2 2 v2 2 2 2 c − 2 c − uz + v − 2v uz = = 1− 2 c c v2 u2z c2 v uz 1 + 4 − 2 2 = c2 ; = v uz 2 c c 1− 2 c
1.5
q. e. d.
1.5 Lichtkegel, Minkowski-Diagramme Wir gehen noch einmal zu den allgemeinen Resultaten des Abschn. 1.4.1 zurück und leiten eine bisweilen recht nützliche geometrische Veranschaulichung der Speziellen Relativitätstheorie ab. Wir haben mit Gleichung (1.24) bereits den Ortsvektor des Minkowski-Raumes kennen gelernt: ⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ct x0 ⎜ 1⎟ ⎜ ⎟ ⎟ ⎜ ⎜ ⎟ x ⎟ ⎜x⎟ (1.43) xμ ≡ ⎜ ⎜ 2 ⎟ ≡ ⎜ ⎟ ≡ (c t, x) . ⎝x ⎠ ⎝ y ⎠ z x3 Das Längenquadrat s2 = c2 t 2 − x2 = c2 t 2 −
3
μ 2 x
(1.44)
μ=1
ist gemäß Postulat 1.3.2 der Speziellen Relativitätstheorie eine Lorentz-Invariante, d. h. eine physikalische Größe, die sich bei einer Lorentz-Transformation nicht ändert. Wir können den Ortsvektor (1.43) in einem Raum-Zeit-Diagramm, dem so genannten Minkowski-Diagramm,
1.5
Lichtkegel, Minkowski-Diagramme
27
darstellen, dessen Achsen durch x, y, z und c t gegeben sind. Für die Zeitachse verwendet man c t, damit alle Achsen die Dimension einer Strecke haben. Jeder Punkt P des Minkowski-Raumes stellt ein bestimmtes Ereignis dar. Seine Koordinaten sind die Achsenabschnitte, die sich ergeben, wenn man zu den Achsen parallele Geraden durch den Punkt P legt. Als Lichtsignal bezeichnet man die durch s2 = 0 definierte Gerade durch den Ursprung. Bei gleicher Skalierung der Raum- und Zeitachse handelt es sich um die Winkelhalbierende. c .t
ct P
c .t′
×
P
Lichtsignal (s 2 = 0) Eichhyperbel
ct′P
×
z P′
1′ × × zP 1
z′ Abb. 1.4. Aufbau eines Minkowski-Diagramms
z
Die Beschreibung eines Ereignisses im Minkowski-Diagramm kann natürlich, dem jeweiligen Bezugspunkt entsprechend, auf unendlich viele Arten erfolgen. Das Inertialsystem Σ, in dem die Raum- und Zeitachsen senkrecht aufeinander stehen, ist an sich physikalisch durch nichts gegenüber Σ ausgezeichnet, dessen Achsenrichtungen man wie folgt bestimmen kann: Nehmen wir an, dass die Koordinatenursprünge von Σ und Σ zur Zeit t = t = 0 übereinstimmen. Dann ist die
Σ -Zeitachse durch z ≡ 0 ≡ γ (z − v t) definiert. Das bedeutet z = v t oder ct =
1
β
z.
(1.45)
Die Σ -Zeitachse ist also in Σ eine Gerade mit der Steigung (1|β) > 1. Sie liegt demnach stets zwischen der Σ-Zeitachse und dem Lichtsignal. Die
Σ -Raumachse
ist durch t ≡ 0 ≡ γ t − (v|c2 )z definiert. Das bedeutet in diesem Fall: ct = βz .
(1.46)
Sie stellt damit in Σ eine Gerade mit der Steigung β < 1 dar, liegt also stets zwischen der Σ-Raumachse und dem Lichtsignal. Bei der Lorentz-Transformation Σ → Σ ändert sich natürlich auch die Skalierung der Achsen. Die Eichung der Achsen
28
1. Physikalische Grundlagen
geschieht nach dem folgenden Rezept: Da s2 eine Lorentz-Invariante ist und x und y sich bei der Transformation nicht ändern, ist auch s2 = (c t)2 − z2 eine Lorentz-Invariante. Der geometrische Ort aller Punkte mit s2 = −1 ⇐⇒ z2 = (c t)2 + 1 stellt in Σ eine gleichseitige Hyperbel dar, die die z-Achse (t = 0) in z = 1 schneidet. Dadurch ist die Maßeinheit in Σ festgelegt. – Alle Punkte der Hyperbel entsprechen Ortsvektoren der Länge ¯s2 = −1. Da diese aber lorentzinvariant ist, haben diese Ortsvektoren auch in Σ die Länge −1. Sie erfüllen also die Beziehung 2 z2 = c t + 1 . Damit legt der Schnittpunkt der Eichhyperbel mit der z -Achse die Maßeinheit z = 1 fest (s. Abb. 1.4). Ganz analog liefert der Schnittpunkt der aus s2 = +1 ⇐⇒ (c t)2 = z2 + 1 folgenden Hyperbel mit der t-Achse (z = 0) die Zeiteinheit in Σ, der Schnittpunkt mit der t -Achse (z = 0) die Zeiteinheit in Σ . – Damit ist die Eichung der Achsen vollzogen. Das Längenquadrat eines Vierer-Vektors ist, wie bereits mehrfach ausgenutzt, nicht notwendig positiv. Man unterscheidet deshalb: ⎧ ⎪ ⎪ > 0 : zeitartiger Vierer-Vektor , ⎪ ⎨ 2 2 2 (1.47) s = (c t) − x = 0 : lichtartiger Vierer-Vektor , ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ < 0 : raumartiger Vierer-Vektor . Der Minkowski-Raum lässt sich entsprechend zerlegen. Alle zeitartigen ViererVektoren liegen innerhalb des so genannten Lichtkegels, dessen Oberfläche durch s2 = 0 definiert ist. Wegen v ≤ c liegen die Bahnen materieller Teilchen im Minkowski-Raum, die man Weltlinien nennt, samt und sonders im Innern des Lichtkegels, falls sie bei t = 0 im Ursprung gestartet sind. Die Weltlinien der Photonen liegen auf dem Lichtkegel. Alle raumartigen Vierer-Vektoren liegen außerhalb des Lichtkegels. Da s2 eine Lorentz-Invariante
1.5
Lichtkegel, Minkowski-Diagramme
29
ist, behält jeder Vierer-Vektor in allen Inertialsystemen den Charakter bei, raumartig bzw. zeitartig zu sein. ct zeitartig (Zukunft) Lichtkegel raumartig Weltlinie
raumartig
zeitartig (Vergangenheit)
z
Abb. 1.5. Lichtkegel und Weltlinie im
Minkowski-Raum
Betrachten wir zum Schluss einmal den Abstand zweier Weltereignisse P1 (c t1 , x1 ) und P2 (c t2 , x2 ) etwas genauer: 2 (1.48) s212 = c2 t1 − t2 − |x1 − x2 |2 . μ
μ
Mit den Vierer-Vektoren x(1) = (c t1 , x1 ), x(2) = (c t2 , x2 ) ist natürlich auch der μ μ Differenzenvektor x(1) − x(2) ein Vierer-Vektor, das Längenquadrat s212 (Raum-ZeitIntervall) somit eine Lorentz-Invariante. Ohne Beschränkung der Allgemeingültigkeit der folgenden Aussagen können wir annehmen, dass (x1 − x2 ) die Richtung der z-Achse hat. Es ist deshalb |x1 − x2 | = z1 − z2 , falls z1 > z2 ist. 1. Raumartiger Abstand (s212 < 0) Aus s212 < 0 folgt z1 − z2 > c (t1 − t2 ). Dies bedeutet, dass die beiden Ereignisse P1 und P2 nicht durch ein Lichtsignal verbindbar sind. Es kann zwischen ihnen deshalb keine kausale Korrelation bestehen! Es lässt sich stets eine Lorentz-Transformation in ein Inertialsystem Σ finden, in dem die beiden Ereignisse P1 und P2 gleichzeitig erscheinen: ! c t1 − t2 = γ c t1 − t2 − β z1 − z2 = 0 . Wegen z1 − z2 > c(t1 − t2 ) gibt es natürlich immer ein β < 1 mit ! β z1 − z2 = c t1 − t2 ,
2.
sodass t1 = t2 wird. – Die Reihenfolge von Weltereignissen mit raumartigen Abständen lässt sich stets durch passende Lorentz-Transformationen vertauschen. Zeitartiger Abstand (s212 > 0) s212 > 0 bedeutet c(t1 − t2 ) > z1 − z2 . Damit sind die Weltereignisse P1 und P2 durch ein Lichtsignal überbrückbar. Eine kausale Korrelation ist möglich!
30
1. Physikalische Grundlagen
Wegen c(t1 − t2 ) > z1 − z2 und damit erst recht c t1 − t2 > β z1 − z2 ist allerdings durch keine Lorentz-Transformation Gleichzeitigkeit erreichbar. Ursache und Wirkung lassen sich also nicht miteinander vertauschen. Wegen " # z1 − z2 = γ z1 − z2 − v t1 − t2 kann man allerdings in ein Inertialsystem transformieren, in dem z1 = z2 wird, die Ereignisse also an demselben Ort stattfinden. Den Spezialfall s212 = 0 bezeichnet man als lichtartigen Abstand.
1.6
1.6 Aufgaben
1.6.1
Aufgabe 1.6.1 Ein Raumschiff bewegt sich mit der Geschwindigkeit v = 0,8 c. Sobald dieses einen Abstand von d = 6,66 · 108 km von der Erde hat, wird von der Erdstation ein Radiosignal zum Schiff gesendet. Wie lange benötigt das Signal 1. gemäß einer Uhr auf der Erdstation, 2. gemäß einer Uhr im Raumschiff.
1.6.2
Aufgabe 1.6.2 Σ und Σ seien zwei Inertialsysteme. Σ bewege sich relativ zu Σ mit der Geschwindigkeit v = (3|5) c in z-Richtung. Zur Zeit t = t = 0 sei Σ = Σ . Ein Ereignis habe in Σ die Koordinaten:
x = 10 m ;
y = 15 m ;
z = 20 m ;
t = 4 · 10−8 s .
Bestimmen Sie die Koordinaten des Ereignisses in Σ!
1.6.3
Aufgabe 1.6.3 Σ und Σ seien zwei Inertialsysteme. Σ bewege sich relativ zu Σ mit der Geschwindigkeit v in z-Richtung. Zwei Ereignisse finden in Σ zu den Zeiten t1 = z0 |c und t2 = z0 |2c an den Orten (x1 = 0, y1 = 0, z1 = z0 ) und (x2 = 0, y2 = y0 , z2 = 2z0 ) statt. Wie groß muss die Relativgeschwindigkeit v sein, damit die Ereignisse in Σ gleichzeitig stattfinden? Zu welcher Zeit t werden die Ereignisse dann in Σ beobachtet?
1.6
Aufgaben
31
Aufgabe 1.6.4 In einem Inertialsystem Σ finden zwei Ereignisse am gleichen Ort im zeitlichen Abstand von 4 s statt. Berechnen Sie den räumlichen Abstand der beiden Ereignisse in einem Inertialsystem Σ , in dem die Ereignisse in einem zeitlichen Abstand von 5 s erfolgen!
1.6.4
Aufgabe 1.6.5 In einem Inertialsystem Σ haben zwei gleichzeitige Ereignisse einen Abstand von 3 km auf der z-Achse. Dieser Abstand beträgt in Σ 5 km. Berechnen Sie die konstante Geschwindigkeit v, mit der sich Σ relativ zu Σ in z-Richtung bewegt. Welchen zeitlichen Abstand haben die Ereignisse in Σ ?
1.6.5
Aufgabe 1.6.6 Σ und Σ seien zwei Inertialsysteme. Σ bewege sich relativ zu Σ mit der Geschwindigkeit v, wobei die Richtung von v beliebig, also nicht notwendig parallel zur z-Achse von Σ orientiert sein soll. Geben Sie die Formeln der Lorentz-Transformation an! Wie lautet die Transformationsmatrix L? Geben Sie L für den Spezialfall v = v ex an!
1.6.6
Aufgabe 1.6.7 Σ und Σ seien zwei mit v = v ez = const relativ zueinander bewegte Inertialsysteme. 1. Ein in Σ ruhender Stab schließt mit der z-Achse einen Winkel von 45◦ ein. Unter welchem Winkel erscheint er in Σ ? 2. Ein Teilchen habe in Σ die Geschwindigkeit u = (v, 0, 2 v). Welche Winkel bildet seine Bahn mit den z-Achsen in Σ und Σ ? 3. Ein Photon verlässt den Ursprung von Σ zur Zeit t = 0 in einer Richtung, die mit der z-Achse einen Winkel von 45◦ bildet. Welcher Winkel ergibt sich in Σ ?
1.6.7
Aufgabe 1.6.8 Eine Rakete der Eigenlänge L0 fliegt mit konstanter Geschwindigkeit v relativ zu einem Bezugssystem Σ in z-Richtung. Zur Zeit t = t = 0 passiert die Spitze der Rakete den Punkt P0 in Σ. In diesem Moment wird ein Lichtsignal von der Raketenspitze zum Raketenende gesendet. 1. Nach welcher Zeit erreicht im Ruhesystem der Rakete der Lichtblitz das Ende der Rakete? 2. Zu welchem Zeitpunkt erreicht das Signal das Raketenende im Ruhesystem Σ des Beobachters? 3. Wann registriert der Beobachter, dass das Raketenende den Punkt P0 passiert?
1.6.8
32
1.6.9
1. Physikalische Grundlagen
Aufgabe 1.6.9 Σ, Σ seien zwei Inertialsysteme, die sich mit der Geschwindigkeit v = v ez relativ zueinander bewegen. Ein Teilchen habe in Σ die Geschwindigkeit dx dy dz . u = ux , uy , uz = , , dt dt dt
a) Es gelte u = (0, c, 0) . Berechnen Sie u ! b) Es gelte u2 = c2 . Berechnen Sie u2 ! 1.6.10
Aufgabe 1.6.10 1. Kann es zwischen den folgenden Ereignissen
a) b)
2.
x1 = 1 m ;
y1 = 2 m ;
z1 = 3 m ;
t1 = 3 · 10−8 s ,
x2 = 4 m ;
y2 = 2 m ;
z2 = 7 m ;
t2 = 6 · 10−8 s ,
x1 = 7 m ;
y1 = 0 ;
z1 = −2 m ;
t1 = 1,1 · 10−7 s ,
x2 = 4 m ;
y2 = 5 m ;
z2 = +3 m ;
t2 = 0,9 · 10−7 s
einen kausalen Zusammenhang geben? Ist es möglich, ein Inertialsystem zu finden, in dem diese Ereignisse gleichzeitig erscheinen? Mit welcher Geschwindigkeit und in welcher Richtung würde sich dieses relativ zu dem in Teil 1. bewegen?
1.6
Aufgaben
33
Aufgabe 1.6.11 μ-Mesonen entstehen beim Eindringen der kosmischen Strahlung in die Erdatmosphäre in der Höhe
1.6.11
H ≈ 3 · 104 m . In ihrem Ruhesystem haben die Myonen eine Lebensdauer (Eigenzeit) τ ≈ 2 · 10−6 s. Dies bedeutet cτ ≈ 600 m. Trotzdem erreichen fast alle Myonen die Erdoberfläche. Dies versteht nan nur, wenn die Geschwindigkeit der Myonen der Lichtgeschwindigkeit c sehr ähnlich ist. 1. Wie stark darf die Abweichung der Myonengeschwindigkeit von c sein,
ε= 2.
c−v , c
damit die Myonen die Erdoberfläche erreichen? Welche Höhe H empfindet ein mit dem Myon mitbewegter Beobachter?
Aufgabe 1.6.12
Licht falle von einer Quelle L kommend auf einen halbdurchlässiH2O gen Spiegel S0 , wird dort teilweise nach S3 reflektiert, geht aber v S3 S2 auch teilweise nach S durch. S 1 1 und S2 sind total reflektierende v Spiegel. Man erhält also schließlich zwei kohärente Teilstrahlen, L S0 S1 l die im Teleskop B interferieren. B Die Lichtstrahlen durchlaufen insgesamt die Strecke 2l in einem Abb. 1.6. Rohr, in dem Wasser mit der Strömungsgeschwindigkeit v fließt, der eine Teilstrahl parallel, der andere antiparallel zum Wasserfluss. In B wird experimentell ein Interferenzmuster beobachtet, das einem Unterschied in der optischen Weglänge cΔt entspricht mit 1 1 . Δt = 2l c − c n − fv n + fv n ist der Brechungsindex des Wassers. Berechnen Sie den Fresnel’schen Mitführungskoeffizienten f und zeigen Sie, dass dieser mit Einsteins Postulaten verträglich ist und nicht notwendig Newtons Fiktion vom Weltäther erfordert. (Fizeau-Versuch).
1.6.12
34
1.7
1. Physikalische Grundlagen
1.7 Kontrollfragen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.
19. 20.
21. 22. 23.
24. 25. 26.
Welche Vorstellung verbindet man mit dem Begriff Relativitätstheorie? Was bezeichnet man als die Newton’sche Fiktion? Was ist ein Inertialsystem? Definieren Sie die Galilei-Transformation. Was besagt diese über die Zeiten t und t in den Inertialsystemen Σ und Σ ? Beschreiben Sie das Michelson-Morley-Experiment. Was ist das Resultat des Michelson-Morley-Experimentes? Formulieren Sie die Einstein’schen Postulate. Wie lautet die Matrix L der speziellen Lorentz-Transformation? Skizzieren Sie ihre Ableitung. Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Zeiten t und t in gleichförmig geradlinig gegeneinander bewegten Inertialsystemen Σ und Σ ? Wie erkennt man an der Transformationsmatrix, dass c die maximale Relativgeschwindigkeit von Inertialsystemen ist? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Lorentz- und der Galilei-Transformation? Erläutern Sie die Relativität der Gleichzeitigkeit. Lassen sich durch Wechsel des Inertialsystems Ursache und Wirkung eines kausalen Zusammenhanges vertauschen? Beschreiben Sie das Phänomen der Zeitdilatation. Was bezeichnet man als Eigenzeit? Wie kann man die Zeitdilatation experimentell nachweisen? Wie führt man eine Längenmessung durch? Ein in Σ ruhender Stab habe dort die Länge l. Was ergibt eine entsprechende Längenmessung im Inertialsystem Σ , das sich gegenüber Σ mit v = const bewegt? Wie lautet das Additionstheorem für Relativgeschwindigkeiten? Σ1 , Σ2 , Σ3 seien Inertialsysteme. Σ2 bewege sich relativ zu Σ1 in z-Richtung mit der Geschwindigkeit v1 = c, Σ3 relativ zu Σ2 mit v2 = c|2. Mit welcher Geschwindigkeit v3 bewegt sich Σ3 relativ zu Σ1 ? Was versteht man unter einem Minkowski-Diagramm? Wodurch ist das Lichtsignal definiert? Σ und Σ seien zwei sich mit v = const in z-Richtung bewegende Inertialsysteme, deren Koordinatenursprünge zur Zeit t = t = 0 zusammenfallen. Raum- und Zeitachse von Σ mögen senkrecht aufeinanderstehen. Wie bestimmt man die Raum- und Zeitachsen in Σ ? Wie werden die Achsen des Minkowski-Diagramms skaliert? Was sind zeitartige, lichtartige, raumartige Vierer-Vektoren? Definieren Sie den Lichtkegel.
1.7
Kontrollfragen
35
27. Kann man durch Wechsel des Inertialsystems einen zeitartigen in einen raumartigen Vierer-Vektor verwandeln? 28. Was versteht man unter einem raumartigen (zeitartigen) Abstand zweier Weltereignisse? 29. Warum kann zwischen Weltereignissen mit raumartigem Abstand keine kausale Korrelation bestehen? 30. Wann kann durch eine passende Lorentz-Transformation die Reihenfolge zweier Weltereignisse vertauscht werden, bei raum- oder bei zeitartigem Abstand?
Kapitel 2 Kovariante vierdimensionale Formulierungen
2
2
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.4 2.5 2.6
Kovariante vierdimensionale Formulierungen Ko- und kontravariante Tensoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechenregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differentialoperatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kovariante Formulierung der Klassischen Mechanik . . . . . . . . . Eigenzeit, Welt-Geschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kraft, Impuls, Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der elastische Stoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kovariante Formulierung der Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontinuitätsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektromagnetische Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feldstärke-Tensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maxwell-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transformation der elektromagnetischen Felder . . . . . . . . Lorentz-Kraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formeln der relativistischen Elektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . . Kovariante Lagrange-Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 39 43 46 47 47 49 55 65 66 67 69 71 75 81 84 86 93 98
39
2 Kovariante vierdimensionale Formulierungen 2.1
2.1 Ko- und kontravariante Tensoren 2.1.1 Definitionen Wir haben in Abschn. 1.4 die korrekte Transformation zwischen Inertialsystemen kennen gelernt, die Postulat 1.3.2 aus Abschn. 1.3 erfüllt. Es muss nun darum gehen, sämtliche physikalischen Gesetze in
kovarianter Form aufzuschreiben, d. h. so zu formulieren, dass sie bei Lorentz-Transformationen forminvariant bleiben. Das entspricht der Äquivalenz aller Inertialsysteme gemäß Postulat 1.3.1. Die Newton’schen Gesetze der Klassischen Mechanik sind lediglich forminvariant gegenüber Galilei-Transformationen, die, wie wir nun wissen, nur in der Grenze v << c korrekt sind. Folglich werden die Grundgesetze der Mechanik und auch der Elektrodynamik im relativistischen Bereich nicht mehr die vertrauten Formen haben. Unsere nächste Aufgabe muss also darin bestehen, die Forminvarianz der physikalischen Gesetze gegenüber Lorentz-Transformationen zu überprüfen. Diese Kontrolle findet zweckmäßig im vierdimensionalen Minkowski-Raum statt. Dort stellt die Lorentz-Transformation eine Drehung der Vierer-Vektoren dar, die deren Längenquadrate (1.12) invariant lässt. Forminvarianz der physikalischen Gesetze gegenüber normalen räumlichen Drehungen im dreidimensionalen Raum musste bereits für die nicht relativistische Physik gefordert werden, ist dort in der Regel jedoch trivialerweise erfüllt. Ein physikalisches Gesetz ist eine mathematische Gleichung. Ein skalares Gesetz : a = b ist natürlich invariant gegenüber Drehungen, da sich weder a noch b dabei ändern. Ein vektorielles Gesetz :
a = b ⇐⇒ aj = bj ;
j = 1, 2, 3
ist kovariant gegenüber Drehungen, d. h., die Komponenten ändern sich zwar, aber so, dass aj = bj für alle j gilt und damit a = b . Analoge Aussagen gelten für Tensoren beliebiger Stufe. Damit ist das Rezept klar: Forminvarianz gegenüber Lorentz-Transformationen ist für ein physikalisches Gesetz genau dann gegeben, wenn das Gesetz in kovarianter vierdimensionaler Form vorliegt, d. h., wenn alle Terme der Gleichung W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik 4 ISBN 978-3-642-01603-5 © Springer 2010
40
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Vierer-Tensoren gleicher Stufe sind. Unter diesem Gesichtspunkt werden wir in Abschn. 2.2 die Grundgesetze der Mechanik und in Abschn. 2.3 die der Elektrodynamik aufarbeiten. Zunächst müssen wir aber das obige Rezept noch etwas genauer erläutern. Dazu stellen wir einige formale Betrachtungen über das Rechnen im vierdimensionalen Minkowski-Raum an, wobei wir uns insbesondere den in Abschn. 4.4.3, Bd. 1 eingeführten Tensorbegriff in Erinnerung rufen müssen. Es handelt sich dabei eigentlich um nichts anderes als eine Erweiterung des Vektorbegriffs. Ein nk -Tupel von Zahlen in einem n-dimensionalen Raum stellt einen Tensor k-ter Stufe dar, falls sich diese Zahlen beim Wechsel des Koordinatensystems (Σ → Σ ) nach bestimmten Gesetzen transformieren. Der hier interessierende Raum ist der Minkowski-Raum mit n = 4. Der Koordinatenwechsel erfolgt durch eine Lorentz-Transformation, die wir letztlich aus der Invarianz des Längenquadrats 2 s2 = x0 − x2 = c2 t 2 − x2 − y2 − z2 des Vierer-Vektors (1.43), x μ ≡ (c t, x) , abgeleitet haben. Die Transformation ist linear x¯ μ = Lμ λ x λ , wobei die Matrixelemente Lμ λ durch (1.17) definiert sind. Man beachte die Summenkonvention (1.26). – Ein mit dem Raum-Zeit-Punkt x μ verknüpfter Tensor k-ter Stufe wird nun durch sein Transformationsverhalten beim Übergang x μ → x¯ μ definiert. Für den Minkowski-Raum handelt es sich also um ein 4k -Tupel von Zahlen, die sich bei der Koordinatentransformation x μ → x¯ μ = Lμ λ x λ nach bestimmten Gesetzen transformieren. Die Zahlen heißen Komponenten des Tensors. Sie haben k Indizes, von denen jeder von n = 0 bis n = 3 läuft. Für uns sind k = 0, 1 und 2 interessant. 1) Tensor nullter Stufe = Vierer-Skalar Dieser Tensor hat 40 = 1 Komponente (Welt-Skalar). Es handelt sich um eine einzelne Größe, die bei einer Lorentz-Transformation invariant bleibt. Ein Beispiel dafür ist das Längenquadrat s2 .
2.1
Ko- und kontravariante Tensoren
41
2) Tensor erster Stufe = Vierer-Vektor Dieser Tensor besitzt 41 = 4 Komponenten. Man unterscheidet zwei Typen von Vektoren (Welt-Vektoren): 2a) Kontravarianter Vierer-Vektor Wir kennzeichnen diesen Typ durch hoch-gestellte Indizes: a μ ≡ a0 , a1 , a2 , a3 .
(2.1)
Die Komponenten transformieren sich beim Wechsel des Inertialsystems (x μ → x¯ μ ) wie folgt: a¯ μ =
∂x¯ μ λ a . ∂x λ
(2.2)
Da der Koordinatenwechsel durch eine Lorentz-Transformation bewirkt werden soll, gilt insbesondere: a¯ μ = Lμ λ a λ .
(2.3)
Beispiele sind: α) der Ortsvektor x μ ≡ (c t, x, y, z), β) das Differential dx μ ; denn für dieses gilt nach der Kettenregel: d¯x μ =
3 ∂x¯ μ λ dx . ∂x λ
λ=0
2b) Kovarianter Vierer-Vektor Dieser Typ Vierer-Vektor ist durch tief-gestellte Indizes gekennzeichnet: bμ = b0 , b1 , b2 , b3 .
(2.4)
Die Komponenten transformieren sich wie folgt:
∂x λ b¯ μ = b . ∂x¯ μ λ Dies bedeutet im Spezialfall der Lorentz-Transformation: b¯ μ = L−1 λμ bλ . Ein wichtiges Beispiel ist der Gradient einer skalaren Funktion ϕ: ∂ϕ ∂ϕ , , . . . , bμ = ∂x0 x3 ∂ϕ ∂ϕ , b¯ μ = , . . . , ∂x¯ 0 ∂x¯ 3 xν = xν x¯ μ .
(2.5)
(2.6)
(2.7)
42
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Es gilt offenbar:
∂ϕ ∂ϕ ∂xν ∂xν b¯ μ = = ν = b . μ ∂x¯ ∂x ∂x¯ μ ∂x¯ μ ν Dies entspricht der Definitionsgleichung (2.5). 3) Tensor zweiter Stufe Dieser Tensortyp besitzt 42 = 16 Komponenten. Man unterscheidet nun drei Arten von so genannten Welt-Tensoren: 3a) Kontravarianter Tensor Die Komponenten F αβ ändern sich bei einer Lorentz-Transformation wie folgt:
F
μν
F
=
μν
∂x¯ μ ∂x¯ ν αβ F , ∂xα ∂xβ
= Lμα Lνβ F αβ .
(2.8) (2.9)
„Zeilen“ und „Spalten“ transformieren sich also wie kontravariante Vektoren. Ein Beispiel ist das Tensorprodukt aus zwei kontravarianten Vierer-Vektoren a μ und b μ , das aus insgesamt 16 Zahlen (Komponenten) besteht: F μν = a μ bν ;
μ, ν = 0, . . . , 3 .
(2.10)
Für dieses gilt nämlich: F
μν
= a¯ μ b¯ ν =
∂x¯ μ ∂x¯ ν α β a b = Lμα Lνβ F αβ . ∂xα ∂xβ
3b) Kovarianter Tensor Das ist nun ein System von 16 Komponenten Fαβ , die sich gemäß
F μν =
∂xα ∂xβ F , ∂x¯ μ ∂x¯ ν αβ
F μν = L−1 αμ L−1 βν Fαβ
(2.11) (2.12)
transformieren. „Zeilen“ und „Spalten“ transformieren sich in diesem Fall wie kovariante Vektoren. Das Tensorprodukt aus zwei kovarianten Vierer-Vektoren wäre ein nahe liegendes Beispiel. 3c) Gemischter Tensor β Die 16 Komponenten Fα transformieren sich in diesem Fall wie ν
Fμ =
∂xα ∂x¯ ν β F , ∂x¯ μ ∂xβ α
ν β F μ = L−1 αμ Lνβ Fα .
(2.13) (2.14)
2.1
Ko- und kontravariante Tensoren
43
Man beachte, dass sich Tensoren zweiter Stufe stets in Matrizenform schreiben lassen. Allerdings transformieren sich die Elemente einer normalen Matrix nicht notwendig wie die Komponenten eines Tensors. Die Formel (2.14) entspricht dagegen der Relation F = S−1 F S der linearen Algebra, die angibt, wie sich eine Abbildungsmatrix F bei einer Koordinatentransformation S zu einer Matrix F ändert. Der gemischte Tensor zweiter Stufe ist deshalb wirklich in strengem Sinne eine Matrix, die kovarianten und kontravarianten Tensoren dagegen nicht. Ein Beispiel für einen gemischten Tensor zweiter Stufe stellt das Tensorprodukt aus einem ko- und einem kontravarianten Vierer-Vektor dar: Fμν = aν bμ . Ganz analog werden Tensoren noch höherer Stufe definiert. So ist z. B. durch μ
F νρσ =
∂x¯ μ ∂xβ ∂xγ ∂xδ α F ∂xα ∂x¯ ν ∂x¯ ρ ∂x¯ σ βγδ
das Transformationsverhalten eines gemischten Tensors vierter Stufe festgelegt. Hier sind allerdings nur k = 0, 1, 2-Tensoren relevant. 2.1.2 Rechenregeln Welchen mathematischen Gesetzmäßigkeiten unterliegen die soeben eingeführten Tensoren? 1. Man multipliziert einen Tensor mit einer Zahl, indem man jede Komponente mit dieser Zahl multipliziert. 2. Tensoren werden komponentenweise addiert! 3. Unter der
Verjüngung eines Tensors versteht man das Gleichsetzen eines oberen und eines unteren Index, womit automatisch eine Summation verknüpft ist. Die Tensorstufe nimmt dabei von k auf k − 2 ab. Beispiele a) Wir setzen in dem obigen gemischten Tensor vierter Stufe ν = μ: ν
F νρσ = =
∂x¯ ν ∂xβ ∂xγ ∂xδ α ∂xβ ∂xγ ∂xδ α F = F = βγδ ∂xα ∂x¯ ν ∂x¯ ρ ∂x¯ σ ∂xα ∂x¯ ρ ∂x¯ σ βγδ ∂xγ ∂xδ α F . ∂x¯ ρ ∂x¯ σ αγδ
44
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Dieser Ausdruck transformiert sich wie ein kovarianter Tensor zweiter Stufe, wie der Vergleich mit (2.11) zeigt. μ b) Die Spur einer Matrix Fν ist definiert als die Summe ihrer Diagonalelemente: μ
Fν −→ Fνν . Das Resultat ist ein Tensor nullter Stufe, also ein Skalar. Die Spur einer Matrix ist somit invariant gegenüber Koordinatentransformationen. c) Die Verjüngung eines Tensorprodukts
a μ bν −→ aν bν ergibt natürlich einen Skalar (k = 2 → k = 0). Sie ist dem Skalarprodukt in rechtwinkligen Koordinaten äquivalent. Man definiert deshalb für Vierer-Vektoren: Skalarprodukt (b, a) ≡ bα aα .
(2.15)
Als Skalar ist diese Größe lorentzinvariant. Das lässt sich leicht überprüfen: λ α λ ¯ a¯ = b¯ α a¯ α = ∂x ∂x¯ bλ aρ = ∂x bλ aρ = bλ a λ = (b, a) . b, ρ ρ α ∂x¯ ∂x ∂x
d) Als Beispiel β) unter 2a) hatten wir das Differential dx μ des Ortsvektors im Minkowski-Raum als speziellen kontravarianten Vierer-Vektor kennen gelernt:
dx μ ≡ dx0 , dx1 , dx2 , dx3 = (c dt, dx, dy, dz) .
(2.16)
Damit bilden wir das lorentzinvariante Längenquadrat, 2 2 2 2 (ds)2 = dx0 − dx1 − dx2 − dx3 = = (c dt)2 − dx2 − dy2 − dz2 ,
(2.17)
und schreiben: (ds)2 = μαβ dxα dxβ .
(2.18)
Die Koeffizienten μαβ sind die Komponenten des metrischen Tensors (s. (2.86), Bd. 2), der in der Speziellen Relativitätstheorie symmetrisch (μαβ = μβα ) und diagonal ist:
2.1
Ko- und kontravariante Tensoren
Kovarianter metrischer Tensor ⎛ +1 ⎜ ⎜ μαβ ≡ ⎜ ⎜ ⎝ 0
45
0
−1 −1
⎞
⎟ ⎟ ⎟ . ⎟ ⎠ −1
(2.19)
Will man das invariante Längenquadrat (ds)2 als Skalarprodukt schreiben, (ds)2 = (dx, dx) = dxα dxα ,
(2.20)
so muss offensichtlich gelten: dxα = μαβ dxβ .
(2.21)
Der kontravariante metrische Tensor ist dann durch den folgenden Ansatz definiert: dxα = μαβ dxβ .
(2.22)
Dies bedeutet: dxγ = μγα dxα = μγα μαβ dxβ . Dieses kann nur richtig sein, wenn ⎧ ⎨ μγα μαβ = δγβ = 1, falls γ = β , ⎩0 sonst .
(2.23)
gilt. An (2.19) lesen wir ab, dass in der Speziellen Relativitätstheorie kovarianter und kontravarianter metrischer Tensor offenbar identisch sind:
μαβ = μβα = μαβ .
(2.24)
4. Ohne Beweis verallgemeinern wir (2.21) bzw. (2.22) zu einer Übersetzungsvorschrift, um kovariante in kontravariante Tensoren zu transformieren und umgekehrt. Man spricht vom Herauf- bzw. Herunterziehen eines Index α... = μαβ D... , D... ... ...β...
(2.25)
...β... . D... ...α... = μαβ D...
(2.26)
46
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Auf diese Weise kann man mit den Positionen der Indizes ziemlich beliebig spielen. Wir machen die Probe: ...β... = μαβ μβγ D... D... ...α... = μαβ D... ...γ ... =
γ
... = δα D... ...γ ... = D...α... .
Insbesondere können wir mit der obigen Übersetzungsvorschrift nun jeden kontravarianten Vierer-Vektor (2.27) a μ ≡ a0 , a1 , a2 , a3 = a0 , a in den entsprechenden kovarianten Vierer-Vektor umwandeln: aμ ≡ a0 , a1 , a2 , a3 = a0 , −a .
(2.28)
Dies bedeutet für das Skalarprodukt (2.15): (b, a) = bα aα = μαβ bβ aα = b0 a0 − b · a .
(2.29)
Der letzte Summand stellt das normale dreidimensionale Skalarprodukt zwischen den Raumkomponenten dar. Man beachte, dass das skalare Produkt nur dann als Summe der Produkte der entsprechenden Komponenten geschrieben werden kann, wenn man die kovarianten Komponenten des einen und die kontravarianten Komponenten des anderen Vierer-Vektors miteinander kombiniert. Beispiele
s2 = (x, x) = c2 t 2 − r 2 , (ds)2 = (dx, dx) = (c dt)2 − (dr)2 .
2.1.3 Differentialoperatoren Die Transformationseigenschaft der für die Theoretische Physik so wichtigen Differentialoperatoren erhalten wir durch direktes Anwenden der Kettenregel:
∂xα ∂ = ; ∂x¯ μ ∂x¯ μ ∂xα ∂
xα = xα x¯ μ .
Die Differentiation nach der Komponente eines kontravarianten Vektors transformiert sich also so wie die Komponenten eines kovarianten Vierer-Vektors. Das überträgt sich direkt auf den Nabla-Operator: Gradient:
∂μ ≡
∂
∂x μ
≡
1 ∂ ,∇ c ∂t
.
(2.30)
2.2
Kovariante Formulierung der Klassischen Mechanik
47
∇ ist der normale, dreidimensionale Gradient (s. (1.140), Bd. 1). Mit Hilfe der allgemeinen Übersetzungsvorschrift (2.26) finden wir für die Ableitung nach einer kovarianten Komponente ∂ 1 ∂ μ ∂ ≡ ≡ , −∇ . (2.31) ∂xμ c ∂t Die Divergenz (s. (1.150), Bd. 1) ist als Skalarprodukt aus einem kovarianten Gradienten und einem kontravarianten Vierer-Vektor bzw. einem kontravarianten Gradienten und einem kovarianten Vierer-Vektor natürlich lorentzinvariant: Divergenz:
∂μ a μ ≡ ∂ μ aμ =
1 ∂ 0 a +∇ ·a. c ∂t
(2.32)
Insbesondere für die Elektrodynamik ist schließlich noch der d’Alembert-Operator wichtig (s. (4.30), Bd. 3): − ≡ ∂μ ∂ μ ≡ ∂ μ ∂μ =
1 ∂2 −Δ. c2 ∂t 2
(2.33)
Δ = ∇ 2 ist der Laplace-Operator (s. (1.154), Bd. 1). Als Skalarprodukt ist auch der d’Alembert-Operator lorentzinvariant.
2.2 Kovariante Formulierung der Klassischen Mechanik Wir wollen nun die Grundgesetze der Klassischen Mechanik so umschreiben, dass sie forminvariant gegenüber Lorentz-Transformationen werden. Dazu müssen wir sie in kovarianter vierdimensionaler Form angeben, d. h., alle Terme in einer solchen Gleichung müssen Vierer-Tensoren gleicher Stufe sein. In der Grenze v << c sollten sich die „bekannten“ Gesetzmäßigkeiten reproduzieren. 2.2.1 Eigenzeit, Welt-Geschwindigkeit Als Weltlinie haben wir in Abschn. 1.5 die Bahn eines materiellen Teilchens im Minkowski-Raum bezeichnet. Es handelt sich also um die Menge aller Ereignisse
x μ = (c t, x, y, z) , die das Objekt in diesem Raum im Laufe der Zeit durchläuft. Dann ist dx μ die differentielle Änderung längs der Weltlinie. Das differentielle Längenquadrat (ds)2 = dx μ dxμ = c2 (dt)2 − (dr)2
(2.34)
2.2
48
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
ist, wie bereits festgestellt, als Skalarprodukt ein Welt-Skalar, d. h. eine LorentzInvariante. Das gilt dann aber auch für die Zeit-Größe 1 1 (2.35) (dτ)2 = 2 (ds)2 = (dt)2 − 2 (dr)2 , c c da die Lichtgeschwindigkeit c nach dem grundlegenden Postulat 1.3.2 aus Abschn. 1.3 in allen Inertialsystemen denselben Wert hat. Die physikalische Bedeutung von dτ machen wir uns wie folgt klar. Da (dτ)2 invariant ist, können wir zur Interpretation ein besonders zweckmäßiges Bezugssystem wählen. Das wäre z. B. das mitbewegte Inertialsystem, in dem das Teilchen im Koordinatenursprung ruht: dx μ ≡ c dt , 0, 0, 0 . (2.36) Dann folgt für dτ:
1 μ 2 dx dxμ = dt . (2.37) c2 dτ entspricht also einem Zeitintervall auf einer mitgeführten Uhr, d. h. dem Intervall der in Abschn. 1.4.3 besprochenen Eigenzeit. Da dτ als Welt-Skalar lorentzinvariant ist, ändert sich das Eigenzeitintervall natürlich auch nicht, wenn wir es auf ein gegenüber dem Teilchen bewegtes System Σ transformieren: (dτ)2 =
c2 (dτ)2 = dx μ dxμ = c2 (dt)2 − (dx)2 − (dy)2 − (dz)2 = v2 2 2 = c (dt) 1 − 2 . c Das Resultat entspricht der Feststellung aus Abschn. 1.4.3, dass die Eigenzeit stets nachgeht: dτ dt = = γ dτ > dτ . 1 − v2 |c 2
(2.38)
v ist die Relativgeschwindigkeit des Teilchens im System Σ. Wir kommen nun zum Begriff der Welt-Geschwindigkeit u μ , die man sinnvollerweise über die Verschiebung dx μ des Teilchens im MinkowskiRaum innerhalb der Eigenzeit dτ definiert: dx μ . (2.39) dτ Es handelt sich um einen kontravarianten Vierer-Vektor, für den wir auch schreiben können: dx μ dt 1 dx μ dx μ = =γ uμ = dt dτ dt 1 − v2 |c2 dt 1 c, vx , vy , vz = γ (v) (c, v) . (2.40) ⇒ uμ = 1 − β2 uμ ≡
2.2
Kovariante Formulierung der Klassischen Mechanik
49
Die Norm von u μ ist als Skalarprodukt lorentzinvariant und besitzt eine einfache physikalische Bedeutung: u μ uμ = γ 2 c2 − v2 = c2 . (2.41) 2.2.2 Kraft, Impuls, Energie Das Newton’sche Trägheitsgesetz (s. (2.42), Bd. 1),
Fi = m
d vi ; dt
i = x, y, z ,
(2.42)
behält bei einem Wechsel des Inertialsystems, wie wir jetzt wissen, nur dann seine Gültigkeit, wenn für die Relativgeschwindigkeit v << c gilt. Es ist damit forminvariant gegenüber einer Galilei-Transformation. Wir suchen nun die relativistische Verallgemeinerung dieses Gesetzes für den vierdimensionalen Minkowski-Raum. Dabei haben wir natürlich als Randbedingung zu fordern, dass sich für v << c die Beziehungen für die Raumkomponenten auf die Form (2.42) reduzieren. Nun können aber die Raumkomponenten der zu suchenden Vierer-Kraft nicht einfach mit den Fi identifiziert werden. Diese haben nicht das richtige Transformationsverhalten. So sind ja auch die Raumkomponenten der Vierer-Geschwindigkeit u μ in (2.40) nicht die vi , die vielmehr mit dem Faktor γ (v) zu multiplizieren sind. Allerdings ist zu fordern, dass sich die Raumkomponenten eines jeden Vierer-Vektors bei gewöhnlichen dreidimensionalen Drehungen wie übliche Raumvektoren transformieren. Nun wissen wir, dass sich das Transformationsverhalten eines gewöhnlichen dreidimensionalen Raumvektors bezüglich Drehungen nicht ändert, wenn man den Vektor mit einem Skalar multipliziert. Die Raumkomponenten der gesuchten ViererKraft werden deshalb Produkte aus den Fi mit passenden skalaren Funktionen von β = v|c sein, die sich für v << c auf 1 reduzieren. Um nun zu der relativistischen Verallgemeinerung des Newton-Gesetzes (2.42) zu kommen, werden wir zunächst die Geschwindigkeit v durch die Vierer-Geschwindigkeit u μ ersetzen, v −→ u μ , da nur die Raumkomponenten von u μ für β << 1 in die vi übergehen. Ferner werden wir auf der rechten Seite von (2.42) die Zeit t durch die Eigenzeit τ ersetzen, t −→ τ , da nur die Eigenzeit lorentzinvariant ist. Damit hat d μ u dτ die Dimension einer Beschleunigung und ist ein kontravarianter Vierer-Vektor, der sich wie x μ transformiert (s. Aufg. 2.5.1). Wir betrachten schließlich noch die träge
50
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Masse m des Teilchens als Lorentz-Invariante, da nur „Raum und Zeit“ in der Speziellen Relativitätstheorie einer kritischen Revision unterworfen werden, nicht dagegen „Materie“. Damit kommen wir zu dem folgenden Ansatz für die relativistische Verallgemeinerung der Kraftgleichung (2.42): m
d μ u = Kμ . dτ
(2.43)
Der kontravariante Vierer-Vektor K μ heißt Minkowski-Kraft. Beide Seiten der Kraftgleichung sind Welt-Tensoren erster Stufe, sodass die Kovarianz bezüglich Lorentz-Transformationen gewährleistet ist. Wir müssen allerdings die Komponenten der Minkowski-Kraft K μ erst noch bestimmen. Zu deren Festlegung erinnern wir uns an die andere Form des nicht relativistischen Trägheitsgesetzes: Fi =
d pi ; dt
i = x, y, z .
(2.44)
Dieses fordert Impulserhaltung, falls keine äußeren Kräfte auf das Teilchen wirken. Diese Newton’sche Form der Impulserhaltung ist nicht lorentzinvariant. Wir können den Raumanteil des relativistischen Impulses deshalb durch die Forderung nach einer lorentzinvarianten Impulserhaltung für ein kräftefreies Teilchen festlegen. Dazu bringen wir die Kraftgleichung für die Raumkomponenten in eine Form, die äußerlich dem Trägheitsgesetz (2.44) besonders ähnlich ist: Ki = m
d d ui = m γ γ vi ; dτ dt
i = x, y, z .
(2.45)
Der Impulserhaltungssatz ist sicher dann lorentzinvariant, wenn wir durch Vergleich Impulse und Kräfte wie folgt festlegen: m vi = γ mvi , pri = 1 − β2
(2.46)
Fi = γ Fi , Ki = 1 − β2
(2.47)
i = x, y, z . d pri . Fi sind nun, anders als in (2.44), die relativistischen Kraftkomponenten Fi = dt Wie gefordert reduzieren sich die Ausdrücke für v << c auf die bekannten, nicht relativistischen Terme. Durch Diskussion von Stoßprozessen werden wir in Abschn. 2.2.3 einsehen, dass (2.46) wohl die einzige schlüssige, relativistische Verallgemeinerung des mechanischen Impulses ist.
2.2
Kovariante Formulierung der Klassischen Mechanik
51
Es fehlt noch die Zeit-Komponente der Minkowski-Kraft. Dazu berechnen wir d d K μ uμ = K 0 u0 − K · u = m u0 u0 − m u · u = dτ dτ =
1 1 1 d 0 0 d d 2 u u − u · u = m (u μ uμ ) = m c . m 2 dτ 2 dτ 2 dτ
Hier haben wir (2.29) und (2.41) ausgenutzt. Es ist also K μ uμ = 0 .
(2.48)
Andererseits gilt aber auch mit (2.40) und (2.47): K μ uμ = γ K 0 c − γ 2 F · v .
(2.49)
Der Vergleich mit (2.48) liefert die nullte Kraftkomponente: K0 = γ
F·v . c
(2.50)
Gleichungen (2.47) und (2.50) ergeben die vollständige Minkowski-Kraft Kμ = γ
F·v , Fx , Fy , Fz c
.
(2.51)
Damit ist das Newton’sche Trägheitsgesetz in der Form (2.43) vollständig relativistisch verallgemeinert. Als Nächstes untersuchen wir die physikalische Bedeutung der Zeitkomponente der Minkowski-Kraft:
γ
F·v d d 0 u = m γ (γ c) =m c dτ dt ⇒F·v =
d m c2 . dt 1 − β2
(2.52)
Das Skalarprodukt F · v entspricht der Arbeit, die die Kraft F pro Zeiteinheit an dem Teilchen der Masse m leistet. In der nicht relativistischen Mechanik ist diese mit der zeitlichen Änderung der kinetischen Energie T identisch (s. (2.227), Bd. 1). Wir machen deshalb den Ansatz F·v =
d Tr , dt
(2.53)
wobei der Index „r“ für relativistisch steht, und erhalten durch Vergleich mit (2.52) die
52
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
relativistische kinetische Energie m c2 Tr = = mγ c2 . 1 − v2 |c 2
(2.54)
Auch für diese Größe erwarten wir, dass sie in der Grenze kleiner Geschwindigkeiten (v << c) in den bekannten nicht relativistischen Ausdruck T = m2 v2 übergeht. Nun gilt aber: −1|2 v2 1 3 v4 = m c 2 + m v2 + m 2 + . . . . Tr = m c2 1 − 2 c 2 8 c Für kleine v reduziert sich also Tr in dieser Weise noch nicht auf die nicht relativistische kinetische Energie: 1 Tr −→ m c2 + m v2 . 2 v|c << 1
(2.55)
Der störende Zusatzterm m c2 ist eine Konstante, die für die Kinematik des Massenpunktes eigentlich unbedeutend ist. Man könnte sie z. B. in der Definitionsgleichung (2.54) für Tr auf der rechten Seite abziehen, da der Analogieschluss von (2.53) auf (2.54) ohnehin nur bis auf eine additive Konstante bestimmt sein kann. Wir werden jedoch später sehen, dass dieser additiven Konstanten eine tiefergehende physikalische Bedeutung zukommt: m c2 ⇐⇒ Ruheenergie des Massenpunktes . Wir behalten sie deshalb bei. Durch Multiplikation der Vierer-Geschwindigkeit u μ (2.40) mit der Masse m des Teilchens können wir einen neuen kontravarianten Vierer-Vektor definieren, der als Vierer-Impuls (Welt-Impuls) p μ = m u μ = mγ (c, v) zu interpretieren sein wird. Setzen wir (2.40) ein, so folgt: Tr Tr μ p = , γ m vx , γ m vy , γ m vz ≡ , pr . c c
(2.56)
(2.57)
Die Raumkomponenten entsprechen also der relativistischen Verallgemeinerung (2.46) des mechanischen Impulsvektors p = m v, m pr = γ p = v, 1 − v2 |c 2
(2.58)
2.2
Kovariante Formulierung der Klassischen Mechanik
53
während die Zeitkomponente im wesentlichen mit der kinetischen Energie identisch ist. In der bisherigen Schlussfolge ist die Masse m eine skalare, invariante Teilcheneigenschaft. In den wichtigen Formeln taucht m aber stets in der Kombination m m(v) = γ (v) m = 1 − v2 |c 2
(2.59)
auf, die man deshalb bisweilen auch als geschwindigkeitsabhängige „relativistische Masse“ definiert. Die Raumkomponenten des Welt-Impulses, pr = m(v) v ,
(2.60)
haben dann formal dieselbe Gestalt wie in der nicht relativistischen Mechanik. An sich ist das der einzige Grund für die Einführung von m(v). Das Symbol m ohne Argument steht dann für m(0) und meint die Ruhemasse des Teilchens. Die relativistische kinetische Energie Tr (2.54) schreibt sich mit m(v) einfacher: Tr = m(v) c2 .
(2.61)
Da m(v) lediglich eine abkürzende Schreibweise darstellt, werden wir von der Definition (2.59) keinen Gebrauch machen. Sie muss auch als eher unglücklich betrachtet werden, da sie die Tatsache verschleiert, dass „Masse“ als direktes Maß für „Menge an Materie“ vom Koordinatensystem unabhängig sein muss. Die Norm des Vierer-Impulses, p μ pμ =
Tr2 − p2r = m2 u μ uμ = m2 c2 , c2
(2.62)
ist als Skalarprodukt natürlich lorentzinvariant. Damit haben wir für die relativistische Energie eines freien Teilchens eine zu (2.54) alternative Darstellung gefunden: Tr = E = c2 p2r + m2 c4 .
(2.63)
Aus dem Äquivalenzpostulat (Abschn. 1.3) müssen wir folgern, dass die Impulserhaltung :
pr = γ m v = const
(2.64)
bei kräftefreier Bewegung in allen Inertialsystemen Gültigkeit hat, d. h. nicht von der Wahl des Bezugssystems abhängt. pr besteht aber aus den drei Raumkomponenten des Vierer-Impulses p μ . Daraus müssen wir schließen: pr = const ⇒ Tr = const .
(2.65)
54
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Wenn man nämlich den kontravarianten Vierer-Vektor p μ gemäß (2.2) auf ein anderes Inertialsystem Σ transformiert, so ergeben sich neue Raumkomponenten pr , die auch von Tr abhängen. Wäre Tr =/ const, so würde demnach die Impulserhaltung in Σ nicht mehr gelten: Impulserhaltung ⇐⇒ Energieerhaltung. In der Speziellen Relativitätstheorie besteht über den Welt-Impuls p μ eine sehr enge Verknüpfung dieser beiden Erhaltungssätze. Wir ziehen hieraus eine sehr wichtige Schlussfolgerung. Nichtrelativistisch ist ja bekanntlich p = const auch bei T =/ const möglich. Man denke an eine explodierende Granate. Die Impulse der Bruchstücke addieren sich vektoriell zu der Konstanten, die den Impuls vor der Explosion ausmachte, wohingegen sich die kinetische Energie, wie man weiß, verheerend geändert hat. – Die relativististische kinetische Energie kann sich dagegen nicht geändert haben. Das ist aber wegen Tr ≈ m c2 + T (s. (2.55)) nur dann möglich, wenn die Änderung der Ruheenergie m c2 bei dem Prozess die Änderung von T kompensiert. Da die Lichtgeschwindigkeit c eine universelle Konstante ist, führt dies zu Einsteins Äquivalenz von Masse und Energie:
ΔE = Δm c2 .
(2.66)
Die Bedeutung dieser Beziehung wollen wir an einigen Beispielen illustrieren: 1. Massenzuwachs, wenn man 100 kg um 1 km in die Höhe hebt:
Δm = 10−11 kg . 2.
Paarerzeugung: Der Zerfall eines masselosen Photons ν in ein Elektron (e− ) und ein Positron (e+ ) ist möglich, falls Eν ≥ 2 me c2 = 1,022 MeV . Die Energiedifferenz, Eν − 2 me c2 = T e− + T e+ , erscheint als Summe der kinetischen Energien von Elektron und Positron. Die Umkehrung (Paarvernichtung), e+ + e− → ν ,
3.
ist natürlich ebenfalls möglich. Masseverlust der Sonne durch Energieabstrahlung:
Δm kg ≈ 4 · 1012 . Δt s
2.2
4.
5.
Kovariante Formulierung der Klassischen Mechanik
55
Atombombe: Der Gesamtimpuls bleibt nach der Explosion unverändert. Es ergibt sich aber eine grausam hohe kinetische Energie der Bruchstücke durch einen Masseverlust von etwa 0,1%. Kernspaltung, Kernfusion.
2.2.3 Der elastische Stoß Im letzten Abschnitt wurde die relativistische Form pr des mechanischen Impulses mehr oder weniger über Analogiebetrachtungen eingeführt. Das galt auch für die relativistische kinetische Energie Tr . Wir versuchen jetzt eine direktere Ableitung dieser Größen unter der Annahme von
Impuls- und Energieerhaltung in abgeschlossenen Inertialsystemen! Gemeint sind hier natürlich die noch zu findenden relativistischen Energien und Impulse. Der vertraute nicht relativistische Impulssatz zum Beispiel ist ja nicht lorentzinvariant. Wir starten mit den folgenden Ansätzen, pr = m(v)v ;
Tr = ε(v) ,
(2.67)
wobei m(v), wie zu (2.61) erläutert, als Abkürzung zu verstehen ist. Dasselbe gilt für ε(v). Sowohl ε(v) als auch m(v) sind zunächst als Unbekannte anzusehen, die die Randbedingungen m(0) = m ;
dε m (0) = 2 dv 2
(2.68)
erfüllen müssen. Sie sollen über den elastischen Stoß zweier identischer Teilchen abgeleitet werden. Wir können sicher davon ausgehen, dass ε eine monotone Funktion von v ist. Wir betrachten den Stoß zunächst im Schwerpunktsystem Σ der beiden Teilchen. Es seien va , vb : Geschwindigkeiten vor dem Stoß , vc , vd : Geschwindigkeiten nach dem Stoß . Dabei muss in dem Schwerpunktsystem natürlich va = u ;
vb = −u
gelten, wobei wir ohne Beschränkung der Allgemeingültigkeit annehmen können, dass u die Richtung der z-Achse in Σ definiert. Aus dem Energiesatz in Σ , 2 ε(u) = ε vc + ε vd ,
56
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
muss ε(vc ) = ε(vd ) folgen, da es sich um identische Teilchen handelt. Wegen der Monotonie von ε(v) bedeutet dies aber auch vc = vd = u. Alle vier Geschwindigkeiten haben also dieselben Beträge. An dem Impulssatz in Σ , m(u)u − m(u)u = m(u) vc + vd , lesen wir noch vc = −vd ab. Dies ergibt mit den in der Abbildung benutzten Bezeichnungen: x′
vc′ va′
α
α z′
vb′
vd′
Abb. 2.1. Geschwindigkeiten
beim elastischen Stoß
va = (0, 0, u) ; vc = (u sin α, 0, u cos α) ;
vb = (0, 0, −u) , vd = (−u sin α, 0, −u cos α) .
Der Winkel α bleibt unbestimmt. Wir stellen jetzt die analogen Überlegungen für das Inertialsystem Σ an, das sich gegenüber Σ mit der Geschwindigkeit (−u) bewegt. Für die Teilchengeschwindigkeiten in Σ benutzen wir die Transformationsformeln (1.40) bis (1.42): 2u va = 0, 0, , 2 1 + uc2 vb = (0, 0, 0) , vc = vd =
1
u sin α
γ 1 + u22 cos α c 1
−u sin α
γ 1 − u22 cos α c
γ = 1−
, 0,
, 0,
u2 c2
u(1 + cos α) 1+
u2 c2
u(1 − cos α) 1−
u2 c2
−(1|2) .
,
cos α
cos α
,
2.2
Kovariante Formulierung der Klassischen Mechanik
57
Der Impulssatz, den wir für Σ bereits ausgenutzt haben und der ja nach Voraussetzung in allen Inertialsystemen gültig ist, m va va + m vb vb = m vc vc + m vd vd , muss für jede Komponente erfüllt sein, also insbesondere für die x-Komponente: u sin α sin α m vc . − m vd 0= 2 2 γ 1 + uc2 cos α 1 − uc2 cos α Daraus folgt: 1+ m vc = 1−
u2 c2 u2 c2
cos α cos α
m vd .
(2.69)
Diese Formel muss für alle Streuwinkel α richtig sein, also auch für α → 0. In diesem Spezialfall sind aber vc ≈ va
und vd ≈ 0 ,
sodass aus (2.69) 2
1 + uc2 m va = 2 m(0) 1 − uc2
(2.70)
wird. Den Vorfaktor formen wir noch etwas um: 2 2 2 2 2 1 + uc2 − 4 uc2 1 − uc2 1 4 u2 = =1− 2 = 2 2 2 2 2 c 1 + uc2 1 + uc2 1 + uc2 =1−
1 va2 = 2 . 2 c γa
Dies ergibt in (2.70) m(va ) = γa m(0). Wir können nun den Index a weglassen und m(0) = m setzen, der Randbedingung (2.68) entsprechend: m m(v) = . 1 − v2 |c 2
(2.71)
Das ist exakt das frühere Ergebnis (2.59). Durch Einsetzen dieser Beziehung in den Ansatz (2.67) erhalten wir den gesuchten relativistischen Impuls eines Teilchens der Masse m und der Geschwindigkeit v: m pr = v. 1 − v2 |c 2
(2.72)
Das ist in der Tat der vorher durch Analogieschlüsse gewonnene Ausdruck (2.58).
58
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Wir wollen nun noch über die Theorie des elastischen Stoßes der beiden identischen Teilchen die kinetische Energie Tr = ε(v) bestimmen. Im Inertialsystem Σ gilt, da das Teilchen b vor dem Stoß ruht:
ε va + ε(0) = ε vc + ε vd . Wir untersuchen wiederum den Fall α → 0 und entwickeln deshalb den Energiesatz nach Potenzen von α2 : 2 v d ε dv c c ε va + ε(0) = ε vc α = 0 + α2 + dvc2 dα2 + ε vd α = 0 + α2
α=0
dε vd dvd2 dvd2 dα2
α=0
+ 0 α4 .
Wegen v2c (α = 0) = v2a ;
v2d (α = 0) = v2b = 0
bleibt zu analysieren: !
0=
dε vc dvc2 dvc2 dα2
α=0
+
dε vd dvd2 dvd2 dα2
.
α=0
Wir können schließlich noch die Randbedingung (2.68) ausnutzen: 2 dε va m dvd2 dvc + . 0= dva2 dα2 α = 0 2 dα2
(2.73)
α=0
Um weiter zu kommen, müssen wir nun die Geschwindigkeitsquadrate vc2 und vd2 nach Potenzen von α2 entwickeln: −2 2 u2 u 2 2 2 2 vd = 1 − 2 cos α sin α + u (1 − cos α) = c γ2 4 −2 u2 2 4 u2 1 u2 2 = 1− 2 + = α + 0 α α + 0 α c 2 c2 γ2 4 −2 u2 2 4 1 u2 2 2 = γ4 1 + = α γ + 0 α α + 0 α 2 c2 γ2 2 4 u2 u 2 = α + 0 α = γ 4 1 − 2 α2 γ 2 + 0 α4 c γ2 = γ 2 u2 α2 + 0 α4 .
2.2
Kovariante Formulierung der Klassischen Mechanik
59
Daraus folgt:
dvd2 dα2
α=0
= γ 2 u2 =
u2 1−
u2 c2
(2.74)
.
Wir haben für die obige Entwicklung (1 + x)n|m = 1 +
n x + 0 x2 m
(2.75)
benutzt. Diese Formel hilft uns auch bei der Entwicklung von vc2 : vc2
−2 2 u2 u 2 2 2 = 1 + 2 cos α sin α + u (1 + cos α) = c γ2 4 −2 u2 2 4 u2 1 u2 2 1 2 2 2 = 1+ 2 − α +0 α α +u 2− α +0 α = c 2 c2 γ2 2 −2 −2 4 u2 1 u2 α2 = 1+ 2 1− +0 α · c 2 c2 1 + u22 c ·
u2
γ
α2 + 4u2 − 2α2 u2 + 0 α4 2
=
4 u2 α2 va 1 + 0 α4 1+ 2 4u2 + u2 α2 = − 2 + 0 α c 2u γ2
=
va2 4u2
=
3 4 va2 1 2 2 2u 2 4u . + α v + u − 2 + 0 α a 4u2 c2 γ2
Dies führt zu:
u2 4 c2 1 2 2u 1 1 2 u2 dvc2 = v va + 2 − 2 = va = 2 − 2 −1 dα2 α = 0 4 a c2 γ 4 c 1 + uc2 1−
1 = − va2 4 1+
u2 c2
2
u2 c2
1− u2 1 2 = − va 1 + 2 4 c 1+
u2 c2 u2 c2
2 .
Den letzten Faktor haben wir bereits im Zusammenhang mit (2.70) ausgewertet:
u2 dvc2 1 va2 1 + . = − dα2 α = 0 4 γa2 c2
(2.76)
60
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Wir setzen (2.76) und (2.74) in (2.73) ein: 1+ dε va m u2 m 4γ 2 a 2 = γa2 = 2 2 dva 2 1 − u2 v2 1 + u 2 1− c a c2 =
m 3 d γa = m c2 2 2 dva
u2 c2 u2 c2
=
−1|2 v2 1 − 2a . c
Wenn wir diesen Ausdruck integrieren und fortan den Index a weglassen, so bleibt: m c2 +d. Tr = ε(v) = 1 − v2 |c 2
(2.77)
d = ε(0) − m c2 ,
(2.78)
Bis auf die Konstante d,
haben wir durch die Analyse des elastischen Stoßes zweier identischer Teilchen die im letzten Abschnitt mehr oder weniger durch Analogieschlüsse gewonnene relativistische Energie des freien Teilchens (2.54) reproduzieren können. Wir werden am Ende dieses Abschnitts explizit beweisen, dass d = 0 ist, so dass
ε(0) = m c2 (Ruheenergie)
(2.79)
sein muss. Um unnötige Schreibarbeit zu sparen, wollen wir aber bereits jetzt für die folgenden Betrachtungen d = 0 setzen. Gemäß der Beweisführung in diesem Abschnitt wissen wir an dieser Stelle noch nichts von einem Vierer-Vektor p μ . Es ist also die Frage interessant: Wie verhalten sich Energie Tr und Impuls pr bei einer Lorentz-Transformation? v
Σ→Σ ;
−1|2 v2 γv = 1 − 2 . c
In Σ habe das Teilchen die Geschwindigkeit u = ux , uy , uz , den relativistischen Impuls pr = prx , pry , prz = m γu ux , uy , uz , und die relativistische Energie: Tr = m c2 γu .
−1|2 u2 γu = 1 − 2 c
2.2
Kovariante Formulierung der Klassischen Mechanik
61
Die entsprechenden gestrichenen Größen u , pr , Tr kennzeichnen die Eigenschaften des Teilchens im System Σ . Für den Übergang u → u , pr → pr und Tr → Tr benutzen wir wieder die Transformationsformeln (1.40) bis (1.42): ux, y =
ux, y ; γv 1 − v uz c2 1
uz =
uz − v v uz . 1− 2 c
Damit berechnen wir zunächst γu : 2 v uz −2 1 2 2 2 u + u + uz − v = u = 1− 2 c γv2 x y v2 v uz −2 1 − 2 u2 − u2z + u2z + v2 − 2v uz = = 1− 2 c c c2 v2 u2 v2 u2z 2 2 u = − + + v − 2v u z = v uz 2 c2 c2 c− c 2 2 c v uz 2 c2 u = + c− − 2 = v uz 2 γv2 c γv c− c 1 1 2 2 = c2 + (u − c ) . v uz 2 γv2 1− 2 c Daraus folgt über 1−
1 u2 1 1 = 2 2 2 2 v u z c γv γu 1− 2 c
der gewünschte Ausdruck für γu :
γu = γu γv 1 −
v uz . c2
Damit sind nun die transformierten Impulse leicht bestimmbar: v uz 1 ux, y prx, y = m γu ux, y = m γu γv 1 − 2 = c γv 1 − v uz c2 = m γu ux, y = prx, y , v uz uz − v prz = m γu uz = m γu γv 1 − 2 v uz = c 1− 2 c Tr = γv m γu uz − m γu v = γv prz − v 2 . c
(2.80)
62
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Ebenso leicht finden wir mit (2.80) die transformierte Energie: v uz Tr = m c2 γu = m c2 γu γv 1 − 2 = c 2 = γv m c γu − m γu uz v = γv Tr − v prz . Wir stellen die Ergebnisse zusammen: Tr = γv c
Tr − β prz c
prx = prx , pry = pry , Tr . prz = γv prz − β c
(2.81)
Fassen wir diese vier Größen als Komponenten des Vektors p μ auf, so erkennen wir, dass sie sich wie die Komponenten eines kontravarianten Vierer-Vektors transformieren: Tr p μ = p0 , p1 , p2 , p3 = , prx , pry , prz = c = γu m c, ux , uy , uz = m u μ . (2.82) Für die Komponenten des transformierten Vierer-Vektors p μ gilt nämlich mit (2.16) und (2.81): p μ = Lμ λ p λ .
(2.83)
Dies ist aber die Definitionsgleichung (2.3) für einen kontravarianten Vierer-Vektor. – Wir haben damit den Vierer-Vektor Welt-Impuls, den wir bereits in (2.57) über Analogieschlüsse eingeführt hatten, nun explizit abgeleitet. Der nächste Programmpunkt betrifft die Transformation der Kräfte. Für die Raumkomponenten benötigen wir die zeitliche Ableitung der relativistischen Impulse: F=
d pr ; dt
F =
d p . dt r
u und u seien weiterhin die Teilchengeschwindigkeiten in Σ bzw. Σ , wobei sich Σ relativ zu Σ mit der Geschwindigkeit v parallel zur z-Achse bewegt. Die Zeit transformiert sich gemäß (1.22): v t = γv t − 2 z . c Dies bedeutet für das Zeitdifferential dt , wenn wir noch (2.80) ausnutzen: v uz γu dt . dt = γv dt 1 − 2 = c γu
2.2
Kovariante Formulierung der Klassischen Mechanik
63
Daran lesen wir d γu d ≡ dt γu dt
(2.84)
ab, was uns unmittelbar auf die transformierten Kräfte führt: Fx =
d γu d γu p = F . prx = dt rx γu dt γu x
Dabei haben wir aus (2.81) prx = prx übernommen. Ganz analog ergibt sich die y-Komponente der Kraft:
γu Fx = γu Fx ; γu Fy = γu Fy .
(2.85)
Für die z-Komponente gilt: Fz =
d γu d Tr . p p = γ − β v rz dt rz γu dt c
Daraus folgt mit (2.53):
F·u c
γu Fz = γv γu Fz − β γu
(2.86)
.
Schließlich bleibt noch: d Tr γu d Tr F·u . = γ = − β prz c dt c γu dt v c Daran lesen wir ab:
γu
F·u c
= γv γu
F·u c
− β γu Fz
.
(2.87)
Wenn wir nun definieren, K 0 = γu
F·u , c
K 1 = γu Fx , K 2 = γu Fy , K 3 = γu Fz ,
(2.88)
dann gilt nach (2.85) bis (2.87): K 0 = γv K 0 − β K 3 ;
K1 = K1 ;
K 3 = γv K 3 − β K 0 .
K2 = K2 ; (2.89)
64
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Das sind aber wieder die Transformationsformeln, K μ = Lμ λ K λ ,
(2.90)
eines kontravarianten Vierer-Vektors: Minkowski-Kraft : K μ ≡ K 0 , K 1 , K 2 , K 3 .
(2.91)
Mit (2.38), d d = γu dτ dt
(τ = Eigenzeit) ,
(2.92)
folgt unmittelbar die Kraftgleichung (2.43): Kμ ≡
d μ d μ p =m u . dτ dτ
(2.93)
Damit sind sämtliche Beziehungen des Abschn. 2.2.2 durch Diskussion des Stoßprozesses explizit verifiziert. Ein letzter Programmpunkt bleibt noch abzuarbeiten. Wir haben noch zu beweisen, dass die Integrationskonstante d in (2.77) tatsächlich, wie in (2.78) behauptet, verschwindet. In allen anschließend abgeleiteten Beziehungen ist nämlich eigentlich Tr durch Tr − d zu ersetzen. Wir definieren über den Stoßprozess einen neuen Vierer-Vektor (2.94) Δp μ = Δp0 , Δpr , wobei
Δpr =
p(i) r −
i
(f)
pr
(2.95)
f
die Differenz der Summe der relativistischen Anfangsimpulse (i für initial) und der Summe der Endimpulse ( f für final) darstellt. Δp0 ist der entsprechende Ausdruck für die Zeitkomponenten: (i) ( f ) p0 − p0 Δp0 = . (2.96) i
f
Δp μ ist deshalb ein kontravarianter Vierer-Vektor, weil alle beteiligten p μ kontravariante Vierer-Vektoren sind. (2.95) nimmt als in allen Inertialsystemen gültiger Impulssatz eine sehr einfache Gestalt an:
Δpr = 0 .
(2.97)
Δp0 = 0
(2.98)
Das hat unmittelbar auch
2.3
Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
65
für alle Inertialsysteme zur Folge. Aus Δp3 = γ (Δp3 − β Δp0 ) ergibt sich wegen (2.97) 0 = −γ β Δp0 und damit (2.98). – Δp μ ist also der Vierer-Nullvektor: (i) ( f ) ! Tr − Tr 0 = c Δp0 = − ε(0) − m c2 (i) + i
+
i
f
ε(0) − m c
2 (f)
.
f
Die ersten beiden Summanden heben sich auf, da auch der Energiesatz nach Voraussetzung in allen Inertialsystemen gültig sein soll. Es bleibt damit: ! ε(0) − m c2 ( f ) = ε(0) − m c2 (i) . (2.99) f
i
Diese Beziehung sollte für beliebige Stoßprozesse, z. B. mit unterschiedlichen Teilchenzahlen und Teilchentypen (Teilchenumwandlung) vorher und nachher, erfüllt sein. Das ist aber nur möglich, wenn generell
ε(0) = m c2 angenommen wird. Dies bedeutet, dass die Konstante d wirklich Null ist. Die relativistische kinetische Energie Tr hat also in der Tat die Gestalt (2.54).
2.3 Kovariante Formulierung der Elektrodynamik Wir haben im vorigen Abschnitt erkennen können, dass die Abweichungen der relativistischen Mechanik von der vertrauten Newton-Mechanik besonders drastisch werden, wenn die Geschwindigkeiten mit der Lichtgeschwindigkeit vergleichbar werden. Es ist deshalb durchaus als Überraschung zu werten, dass die Maxwell-Gleichungen der Elektrodynamik auch bei hohen Geschwindigkeiten unverändert gültig bleiben! Sie sind nämlich bereits forminvariant gegenüber Lorentz-Transformationen, was wir in diesem Abschnitt durch Umschreiben auf Vierer-Tensoren explizit demonstrieren werden. Für die Newton-Mechanik war dieses Umschreiben nur durch Neudefinieren einiger physikalischer Begriffe wie Impuls, Energie und Kraft möglich, die lediglich in der Grenze v << c die aus Band 1 bekannten nicht relativistischen Gestalten annehmen. Ein solches Neudefinieren ist in der Elektrodynamik nicht notwendig. In der vierdimensionalen Formulierung sind die Maxwell-Gleichungen besonders einfach und symmetrisch. Sie zeigen dann insbesondere die enge Korrelation zwischen elektrischen und magnetischen Feldern, die für ein vertieftes Verständnis elektromagnetischer Vorgänge von besonderer Bedeutung ist. Was in dem einen Inertialsystem als Magnetfeld erscheint, manifestiert sich in einem anderen Inertialsystem als elektrisches Feld und umgekehrt.
2.3
66
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
2.3.1 Kontinuitätsgleichung Die experimentelle Beobachtung lehrt uns, dass die
elektrische Ladung q eine Lorentz-Invariante ist. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die Ladung eines Teilchens von dessen Geschwindigkeit abhängt. Dies gilt jedoch nicht für Größen wie die Ladungsdichte ρ oder die Stromdichte j = ρ v. Der Grund ist einleuchtend und hängt letztlich mit der Längenkontraktion zusammen. Σ0 sei ein (mitbewegtes) Inertialsystem, in dem die betrachtete Ladung ruht: dq = ρ0 dV0 .
ρ0 ist also die mitbewegte Ladungsdichte. Σ sei ein anderes Inertialsystem, das sich relativ zu Σ0 mit der Geschwindigkeit v parallel zur z-Achse bewegt. Da sich die Ladungsmenge im vorgegebenen Volumenelement nicht geändert haben kann, können wir ansetzen: dq = ρ dV . Für das Volumenelement dV gilt mit der Längenkontraktion (1.29): 1 dV = dx dy dz = dx0 dy0 dz0 1 − v2 |c2 = dV0 .
γ
Aus ρ dV = ρ0 dV0 folgt dann für die Ladungsdichte, wie sie von Σ aus gesehen wird:
ρ = ρ0 γ .
(2.100)
In ihrer Bedeutung als Ruheladungsdichte ist ρ0 eine Lorentz-Invariante. Die Ladungsdichte ρ bewirkt in Σ eine Stromdichte j: j = γ ρ0 v .
(2.101)
An den Gleichungen (2.100) und (2.101) erkennt man einen kontravarianten ViererVektor, die so genannte Vierer-Stromdichte j μ = cρ, jx , jy , jz ≡ (cρ, j) = γ ρ0 (c, v) = ρ0 u μ .
(2.102)
2.3
Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
67
Dass es sich um einen kontravarianten Vierer-Vektor handelt, folgt aus der Tatsache, dass ρ0 ein Vierer-Skalar ist. j μ transformiert sich also wie die Welt-Geschwindigkeit u μ , von der wir bereits wissen, dass sie ein solcher kontravarianter Vierer-Vektor ist. Wir machen trotzdem die Probe. Im Ruhesystem Σ0 der Ladung gilt: j0 = ρ0 v0 = 0 ;
j00 = c ρ0
−→
μ j0 = cρ0 , 0, 0, 0 .
Die Lorentz-Transformation (1.17) liefert dann für die Komponenten der ViererStromdichte in Σ: j 0 = cρ = γ j00 − βγ j03 = c γρ0 , j1 = jx = j0x = 0 , j2 = jy = j0y = 0 , j3 = jz = −βγ j00 + γ j03 = −γ ρ0 v = −ρv . Das ist offensichtlich das korrekte Ergebnis, wenn man bedenkt, dass v = (0, 0, −v) die Geschwingigkeit der Ladung in Σ ist. Wir betrachten nun die Kontinuitätsgleichung (s. (2.10), Bd. 3):
∂ρ + div j = 0 . ∂t Wir erkennen in der linken Seite die Divergenz des Vierer-Vektors. Nach (2.32) gilt nämlich:
∂μ j μ =
1 ∂ 0 ∂ j + div j = div j + ρ . c ∂t ∂t
Die Kontinuitätsgleichung schreibt sich also kurz:
∂μ j μ = 0 .
(2.103)
Beide Seiten der Gleichung sind Vierer-Skalare. Die Kontinuitätsgleichung ist demnach lorentzinvariant. 2.3.2 Elektromagnetische Potentiale Wir diskutieren nun die Wellengleichungen der elektromagnetischen Potentiale,
ϕ(r, t) : skalares Potential ; A(r, t) : Vektorpotential , und wiederholen dazu einige Überlegungen aus Abschn. 4.1.3, Bd. 3. Wir wollen auch hier das Maßsystem SI verwenden, obwohl das Gauß’sche System der Speziellen Relativitätstheorie eigentlich besser angepasst ist. Die Maxwell-Gleichungen lassen
68
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
sich bekanntlich in zwei homogene und zwei inhomogene Differentialgleichungen gruppieren: homogen :
div B
=0,
˙ =0, rot E + B inhomogen :
=ρ,
div D
˙ =j. rot H − D Wir beschränken unsere Betrachtungen auf das Vakuum, in dem D = ε0 E ;
B = μ0 H
gesetzt werden muss. Das Vektorpotential ist durch den Ansatz ((3.34), Bd. 3), B = rot A , definiert. Aus der zweiten homogenen Maxwell-Gleichung folgt dann ˙ =0, rot E + A was zu dem folgenden Ansatz für das elektrische Feld E führt:
˙ E = − grad ϕ − A
((4.21), Bd. 3) .
ϕ und A sind dadurch nicht eindeutig bestimmt. Man hat noch eine Funktion χ(r, t) frei, falls diese so gewählt wird, dass
ϕ → ϕ − χ˙ ; A → A + grad χ gewährleistet ist ((4.22) und (4.23), Bd. 3). Wegen rot grad χ = 0 ändert diese Eichtransformation die Felder E und B nicht. Man kann sie also nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten festlegen. Durch Einführung der elektromagnetischen Potentiale ϕ und A sind die homogenen Maxwell-Gleichungen automatisch erfüllt. Die beiden inhomogenen Gleichungen werden zu Differentialgleichungen zweiter Ordnung für die Potentiale ϕ und A. Diese wiederum nehmen eine besonders symmetrische Gestalt an, wenn man die Eichfunktion χ(r, t) so wählt, dass die Lorentz-Bedingung div A +
1 ∂ 1 ϕ˙ = div A + c2 c ∂t
1 ϕ =0 c
(2.104)
erfüllt ist (s. (4.37), Bd. 3). Mit c = (μ0 ε0 )−1|2 bestimmen sich ϕ und A aus den folgenden
2.3
Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
Wellengleichungen
69
1 ∂2 A ≡ Δ − 2 2 A = −μ0 j , c ∂t 1ρ 1 ∂2 1 1 ϕ = Δ− 2 2 ϕ =− = −μ0 (c ρ) c c ∂t c c ε0
(2.105) (2.106)
(s. (4.38) und (4.39), Bd. 3). Auf den rechten Seiten dieser Wellengleichungen erkennen wir die Raum- und Zeitkomponenten der Vierer-Stromdichte j μ . Da der d’AlembertOperator (2.33) ein skalarer Operator ist, legen die Gleichungen (2.105) und (2.106) die Einführung eines weiteren Vierer-Vektors nahe: Vierer-Potential Aμ ≡
1 ϕ, Ax , Ay , Az c
≡
1 ϕ, A . c
(2.107)
Damit lassen sich die Wellengleichungen für ϕ und A zu der Vierer-Wellengleichung
A μ = −μ0 j μ
(2.108)
zusammenfassen, die kovariant ist, da beide Seiten Vierer-Tensoren derselben, nämlich der ersten Stufe sind. Die Lorentz-Bedingung (2.104) lässt sich schließlich noch als Vierer-Divergenz (2.32) des Potentials A μ schreiben. Die Beziehung 1 ∂ 0 A + div A c ∂t ist offenbar mit der linken Seite von (2.104) identisch. Die
∂μ A μ =
Lorentz-Eichung
∂μ A μ ≡ 0
(2.109)
ist als Welt-Skalar lorentzinvariant. 2.3.3 Feldstärke-Tensor Die Feldstärken E und B lassen sich in der relativistischen Elektrodynamik nicht als Vierer-Vektoren schreiben. Wir werden stattdessen für sie einen Vierer-Tensor zweiter Stufe einführen, der die Felder E und B gleichermaßen erfasst. Ausgangspunkt sind wiederum die Zusammenhänge zwischen Feldern und Potentialen:
B = rot A ;
˙ . E = − grad ϕ − A
70
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Den Vierer-Gradienten haben wir in Abschn. 2.1.3 eingeführt:
∂μ = ∂μ =
1 ∂ ,∇ c ∂t
1 ∂ , −∇ c ∂t
= ∂0 , ∂1 , ∂2 , ∂3 ,
(2.110)
= ∂0 , ∂1 , ∂2 , ∂3 .
(2.111)
Es gilt offensichtlich:
∂0 = ∂0 ; ∂1, 2, 3 = −∂1, 2, 3 .
(2.112)
Damit schreiben wir zunächst das B-Feld um: Bx =
∂ ∂ Az − Ay = ∂2 A3 − ∂3 A2 = − ∂2 A3 − ∂3 A2 . ∂y ∂z
Analog ergibt sich für die anderen beiden kartesischen Komponenten: By = − ∂3 A1 − ∂1 A3 ;
Bz = − ∂1 A2 − ∂2 A1 .
Das E-Feld lässt sich ganz ähnlich schreiben:
1 ∂ ∂ ∂ ∂ 1 Ex = − ϕ − Ax = −c ϕ + Ax = ∂x ∂t ∂x c c ∂t = c ∂1 A0 − ∂0 A1 . Entsprechende Ausdrücke ergeben sich für Ey und Ez : Ey = c ∂2 A0 − ∂0 A2 ;
Ez = c ∂3 A0 − ∂0 A3 .
Wir führen durch F μν ≡ ∂ μ Aν − ∂ν A μ
(2.113)
einen neuen Vierer-Tensor zweiter Stufe ein. Er ist als Tensorprodukt zweier kontravarianter Vierer-Vektoren ebenfalls kontravariant und offensichtlich antisymmetrisch: F μν = −F νμ .
(2.114)
Man kann diesen Tensor als vierdimensionale Verallgemeinerung der Rotation (des Vektors A μ ) auffassen:
2.3
Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
Feldstärke-Tensor
⎛ ⎜ ⎜1
0
⎜ c Ex F μν ≡ ⎜ ⎜1 ⎜ c Ey ⎝
1 c Ez
− 1c Ex
− 1c Ey
0
−Bz
Bz
0
−By
Bx
71
− 1c Ez
⎞
⎟ ⎟ By ⎟ ⎟ . ⎟ −Bx ⎟ ⎠ 0
(2.115)
Das elektromagnetische Feld wird im Minkowski-Raum also nicht mehr durch zwei Felder, sondern durch einen Tensor zweiter Stufe beschrieben. Wir werden im nächsten Abschnitt den Feldstärke-Tensor zur kovarianten Formulierung der MaxwellGleichungen benutzen. Der kovariante Feldstärke-Tensor ergibt sich leicht mit Hilfe der allgemeinen Übersetzungsvorschrift (2.26) aus Abschn. 2.1.2: Fμν = μμα μνβ F αβ .
(2.116)
Da der metrische Tensor μαβ in der Speziellen Relativitätstheorie diagonal ist (2.19), folgt einfach: F0ν = −F 0ν ;
Fν0 = −F ν0 ;
Fμν = F μν ;
μν ∈ {1, 2, 3} .
(2.117)
Wir haben in (2.115) also lediglich E durch −E zu ersetzen, um von F μν zu Fμν zu kommen. Wir erkennen an (2.115) eine wichtige Invariante des elektromagnetischen Feldes 1 Fμν F μν = 2 B2 − 2 E2 , c
(2.118)
die als Vierer-Skalar von Lorentz-Transformationen unbeeinflusst bleibt. Man kann offensichtlich nie ein reines B-Feld auf ein reines E-Feld transformieren. Wir werden auf diese Tatsache später noch einmal zurückkommen. 2.3.4 Maxwell-Gleichungen Wir wollen jetzt mit Hilfe des Feldstärke-Tensors (2.115) die Maxwell-Gleichungen in explizit kovarianter Form ableiten. Beginnen werden wir mit den inhomogenen Gleichungen, die mit c = (ε0 μ0 )−(1|2) wie folgt geschrieben werden können: 1 (2.119) div E = μ0 cρ = μ0 j 0 , c 1 ∂ 1 (2.120) rot B − E = μ0 j . c ∂t c
72
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Auf der rechten Seite dieser Gleichungen erkennen wir die Komponenten des ViererStroms j μ (2.102). Die linken Seiten sollten deshalb ebenfalls Komponenten eines Vierer-Vektors sein, wenn, wie eingangs behauptet, das System der MaxwellGleichungen tatsächlich kovariant ist. Wir versuchen, die linken Seiten durch den Feldstärke-Tensor auszudrücken:
μ=0 μ0 j 0 = div
∂ ∂ 1 ∂ 1 E = Ex + Ey + Ez = c c ∂x ∂y ∂z
= ∂1 F 10 + ∂2 F 20 + ∂3 F 30 = ∂α F α0 .
μ=1
1 1 ∂ ∂ ∂ − Ex = μ0 j = μ0 jx = Bz − By + ∂y ∂z c ∂t c 1
= ∂2 F 21 + ∂3 F 31 + ∂0 F 01 = ∂α F α1 .
μ=2
1 1 ∂ ∂ ∂ − Ey = μ0 j = μ0 jy = Bx − Bz + ∂z ∂x c ∂t c 2
= ∂3 F 32 + ∂1 F 12 + ∂0 F 02 = ∂α F α2 .
μ=3 μ0 j3 = μ0 jz =
1 1 ∂ ∂ ∂ − Ez = By − Bx + ∂x ∂y c ∂t c
= ∂1 F 13 + ∂2 F 23 + ∂0 F 03 = ∂α F α3 . Diese Beziehungen lassen sich zu einem kompakten Ausdruck zusammenfassen: inhomogene Maxwell-Gleichungen
∂α F αβ = μ0 j β ; β = 0, 1, 2, 3 .
(2.121)
Links steht ein verjüngter Tensor dritter Stufe, demnach ein Vierer-Vektor wie auf der rechten Seite. Kovarianz ist damit gewährleistet. In dieser Form gelten die inhomogenen Maxwell-Gleichungen in allen Inertialsystemen. Wir kommen nun zu den homogenen Maxwell-Gleichungen: div B = 0 , 1 ∂ 1 rot E + B=0. c c ∂t
(2.122) (2.123)
2.3
Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
73
Für (2.122) können wir auch schreiben: 0 = div B =
∂ ∂ ∂ B + B + B = ∂ F 32 + ∂2 F 13 + ∂3 F 21 ∂x x ∂y y ∂z z 1
= ∂1 F 23 + ∂2 F 31 + ∂3 F 12 .
Die drei Komponenten der Vektorgleichung (2.123) lassen sich wie folgt umformen: 1 ∂ 1 1 ∂ ∂ 1 ∂ 1 0 = rot E + Bx = E − E + Bx = c x c ∂t ∂y c z ∂z c y c ∂t = ∂2 F 30 + ∂3 F 02 − ∂0 F 23 = − ∂2 F 30 + ∂3 F 02 + ∂0 F 23 , 1 1 ∂ 1 ∂ ∂ 1 ∂ 1 0 = rot E + By = Ex − Ez + By = c y c ∂t ∂z c ∂x c c ∂t = ∂3 F 10 + ∂1 F 03 − ∂0 F 31 = − ∂3 F 10 + ∂1 F 03 + ∂0 F 31 , 1 1 ∂ 1 ∂ ∂ 1 ∂ 1 0 = rot E + Bz = Ey − Ex + Bz = c z c ∂t ∂x c ∂y c c ∂t = ∂1 F 20 + ∂2 F 01 − ∂0 F 12 = − ∂1 F 20 + ∂2 F 01 + ∂0 F 12 . Auch diese Gleichungen lassen sich in einem kompakten Ausdruck zusammenfassen, wobei wir noch (2.112) ausnutzen: homogene Maxwell-Gleichungen
∂α F βγ + ∂β F γα + ∂γ F αβ = 0 , α, β, γ beliebig aus (0, 1, 2, 3) .
(2.124)
Alle additiven Terme dieses Ausdrucks, die sich durch zyklische Vertauschung der Indizes α, β, γ voneinander unterscheiden, sind Vierer-Tensoren gleicher Stufe. Die Kovarianz ist somit evident. Sind zwei Indizes in (2.124) gleich, so wird die linke Seite identisch Null. Es folgt zum Beispiel aus α = β (2.114): ∂α F αγ + ∂α F γα + ∂γ F αα = ∂α F αγ − F αγ = 0 . Interessant sind also nur die Kombinationen (0, 2, 3), (0, 1, 3), (0, 1, 2), (1, 2, 3). Dies sind aber gerade die oben diskutierten vier homogenen Maxwell-Gleichungen. Das System der Maxwell-Gleichungen lässt sich also in Form von (2.121) und (2.124) durch Vierer-Tensoren sehr knapp und symmetrisch ausdrücken, wobei die Kovarianz bezüglich Lorentz-Transformationen unmittelbar deutlich wird. Eine noch kompaktere Darstellung der homogenen Maxwell-Gleichungen als (2.124) erreicht man durch Einführung des so genannten dualen Feldstärke-Tensors: F
μν
1 = ε μνρσ Fρσ . 2
(2.125)
74
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Dabei ist
⎧ ⎪ ⎪ ⎪+1 , falls (μ, ν, ρ, σ ) gerade Permutation von (0, 1, 2, 3) , ⎨
ε μνρσ = −1 , falls ungerade Permutation , ⎪ ⎪ ⎪ ⎩ 0,
(2.126)
falls zwei oder mehrere Indizes gleich ,
der total antisymmetrische Einheitstensor vierter Stufe. Die Elemente Fμν des kovarianten Feldstärke-Tensors sind über (2.117) mit denen des kontravarianten Tensors (2.115) verknüpft. – An der Definition (2.125) liest man zunächst unmittelbar F
μν
= −F
νμ
(2.127)
ab. Die Diagonalelemente sind also null. Wir berechnen als Beispiel unter Beachtung von (2.117): 1 1 1230 12 F = ε12ρσ Fρσ = ε F30 + ε1203 F03 = 2 2 1 1 = −F30 + F03 = F 30 = Ez . 2 c Ganz analog findet man (s. Aufg. 2.5.3, nur die Elemente mit μ < ν brauchen berechnet zu werden): F
13
= F 02 ;
F 04 = F 23 ;
F
23
= F 10 ;
F 02 = F 31 ;
F 03 = F 12 .
Man erhält demnach die Komponenten des dualen Feldstärke-Tensors F des kovarianten Tensors Fμν durch die Ersetzung: 1 B ←→ − E . c
μν
aus denen
(2.128)
Dies ergibt mit (2.115): ⎛ F
μν
0
⎜ ⎜Bx =⎜ ⎜ ⎝By Bz
−Bx
−By
0
1 c Ez
− 1c Ez
0
1 c Ey
− 1c Ex
−Bz
⎞
⎟ − 1c Ey ⎟ ⎟ . ⎟ 1 c Ex ⎠ 0
Man rechnet nun leicht die folgenden Beziehungen nach:
∂α F α0 = ∂0 F 00 + ∂1 F10 + ∂2 F 20 + ∂3 F30 = = ∂1 F 32 + ∂2 F 13 + ∂3 F 21 = ∂1 F 23 + ∂2 F 31 + ∂3 F 12 ,
∂α F α1 = ∂0 F23 + ∂2 F 03 + ∂3 F20 = ∂0 F23 + ∂2 F30 + ∂3 F 02 , ∂α F α2 = ∂0 F31 + ∂1 F 03 + ∂3 F10 , ∂α F α3 = ∂0 F12 + ∂1 F20 + ∂2 F 01 .
(2.129)
2.3
Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
75
Wir können anstelle von (2.124) also auch schreiben: homogene Maxwell-Gleichungen
∂α F αβ = 0 ; β = 0, 1, 2, 3 .
(2.130)
Man erkennt schließlich noch an (2.115) und (2.129) eine weitere Invariante des elektromagnetischen Feldes 4 Fαβ F αβ = − E · B . c
(2.131)
Links steht ein Vierer-Tensor nullter Stufe, also ein Welt-Skalar. Das Skalarprodukt aus elektrischem und magnetischem Feld E · B ändert sich bei einer LorentzTransformation demnach nicht, ist somit in allen Inertialsystemen gleich. 2.3.5 Transformation der elektromagnetischen Felder Mit den im letzten Abschnitt abgeleiteten Beziehungen können wir nun leicht berechnen, wie sich die elektrischen und magnetischen Felder bei einer LorentzTransformation im Einzelnen verhalten. Das Transformationsverhalten eines kontravarianten Tensors zweiter Stufe kennen wir aus Abschn. 2.1. Die Gleichungen (2.8) und (2.9),
μν ∂xμ ∂xν αβ = α F = Lμα Lνβ F αβ , F ∂x ∂xβ führen mit (1.17) zu dem transformierten Feldstärke-Tensor. Wegen F αβ = −F βα folgt unmittelbar auch μν = − F νμ . F Dies bedeutet insbesondere, dass die Diagonalelemente des transformierten Tensors verschwinden. Es bleiben deshalb sechs Elemente explizit zu berechnen: 01 1 1 ! F = L11 L00 F 01 + L03 F 31 = γ − Ex + βBy = − Ex , c c 02 1 1 ! F = L22 L00 F 02 + L03 F 32 = γ − Ey − βBx = − Ey , c c 03 00 03 30 33 F + L03 L30 F + L33 F = = L00 L30 F + L33 F 1 1 ! 1 = γ 2 1 − β2 − Ez = − Ez = Ez , c c c 12 ! 12 F = L11 L22 F = −Bz = −Bz , 13 β ! F = L11 L30 F 10 + L33 F 13 = γ By − Ex = By , c 23 β ! 20 23 F = L22 L30 F + L33 F = γ − Ey − Bx = −Bx . c
76
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Damit transformieren sich die Komponenten des magnetischen Feldes nach den folgenden Formeln: β (2.132) Bx = γ Bx + Ey , c β (2.133) By = γ By − Ex , c Bz = Bz .
(2.134)
Für die Komponenten des elektrischen Feldes gilt: Ex = γ Ex − β c By , Ey = γ Ey + β c Bx ,
(2.136)
Ez = Ez .
(2.137)
(2.135)
Diese Formeln machen die enge Verknüpfung zwischen elektrischen und magnetischen Feldern deutlich. Was in einem System als reines E- oder B-Feld erscheint, ist in einem anderen Inertialsystem eine Mischung aus beiden. Bei allen LorentzTransformationen bleiben jedoch die Invarianten des elektromagnetischen Feldes 1 und E · B B2 − 2 E2 c unverändert. Daraus folgt, wie bereits früher festgestellt, dass man ein reines B-Feld nie auf ein reines E-Feld transformieren kann und umgekehrt. Für manche Zwecke erscheint es sinnvoll, die Felder auf Komponenten parallel und senkrecht zur Relativgeschwindigkeit v der beiden Inertialsysteme Σ und Σ umzuschreiben. Die Parallelkomponente des elektrischen Feldes ist natürlich mit der z-Komponente identisch: E = Ez ez = Ez ez = E .
(2.138)
Die orthogonale Komponente bestimmt sich etwas komplizierter: E⊥ = Ex ex + Ey ey = γ Ex ex + Ey ey + β c Bx ey − By ex . Mit
β=
v v ≡ 0, 0, c c
(2.139)
2.3
Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
77
lässt sich der letzte Summand als Vektorprodukt schreiben: E⊥ = γ [E⊥ + c(β × B)] . Analog findet man für die magnetische Induktion: 1 B = B ; B⊥ = γ B⊥ − (β × E) . c
(2.140)
(2.141)
Diese Ergebnisse lassen sich für die elektromagnetischen Felder wie folgt zusammenfassen: E = γ [E + c(β × B)] −
γ2
γ +1
β (β · E) ,
1 γ2 β (β · B) . B = γ B − (β × E) − c γ +1
(2.142)
(2.143)
In dieser Form gelten die Transformationsformeln für beliebige Geschwindigkeiten v. Es muss also nicht notwendig v parallel zur z-Achse gerichtet sein. Wir machen die Probe: β β β γ2 2 E · = 2 γ E·β− β (β · E) = E ≡ β β β γ +1 γ2 2 γ 2 + γ − γ 2 β2 = E γ − β = E = E , γ +1 γ +1 β β E · = E − E = E⊥ = E −
β
β
γ2 2 β − 1 = γ [E⊥ + c(β × B)] . = γ [E⊥ + c(β × B)] + E γ − γ +1 Dies sind für das E-Feld die korrekten Ausdrücke (2.138) und (2.140). Die Probe für das B-Feld gelingt auf die gleiche Weise. Wir diskutieren als Anwendungsbeispiel die Felder einer bewegten Punktladung q. Wir nehmen an, dass sich die Ladung q im Ursprung von Σ befindet. Σ sei das Ruhesystem der Ladung. Σ sei dagegen das Ruhesystem eines Beobachters P, wobei wir o. B. d. A. annehmen können, dass sich dessen Position auf der y-Achse in Σ befindet. Σ bewege sich relativ zu Σ mit der konstanten Geschwindigkeit v in z-Richtung, wobei für t = t = 0 die beiden Koordinatenursprünge zusammenfallen sollen. Die Position von P ist in Σ durch r P = 0, yP , 0
78
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Σ′:
z′ q y′
x′ v r′
Σ:
z
ϕ yP
×
P y
Abb. 2.2. Zur Berechnung der Felder einer bewegten Punktladung in zwei relativ zueinander bewegten Inertialsystemen
x
gegeben und in Σ durch r = 0, yP , −v t .
(2.144)
Der Abstand des Beobachters von der Punktladung r = yP2 + v2 t 2 beträgt wegen v t = γ t − 2 zP = γ t c in Σ-Koordinaten: r =
yP2 + v2 γ 2 t 2 .
(2.145)
Welche Felder sieht nun der Beobachter P, wenn sich die Punktladung q mit v = const längs der z-Achse bewegt? Die Felder in Σ sind die einer ruhenden Ladung, damit also aus der nicht relativistischen Elektrodynamik (s. Bd. 3) bekannt: B ≡ 0 , E (t ) =
q r 0, yP , −v t . = 3 3 4πε0 r 4πε0 r q
(2.146) (2.147)
Das E-Feld ist zeitabhängig, da sich die Beobachterposition P in Σ zeitlich ändert, d. h., es wird zu verschiedenen Zeiten t an verschiedenen Orten r in Σ das Feld gemessen.
2.3
Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
79
Zur Berechnung des E-Feldes in Σ benutzen wir die Transformationsformeln (2.135) bis (2.137), wobei zu beachten ist, dass sich Σ relativ zu Σ mit der Geschwindigkeit −v bewegt: Ex = γ Ex + β c By = 0 , Ey = γ Ey − β c Bx = γ Ey =
γ yP , 4πε0 y2 + γ 2 v2 t 2 3|2 P q
q −γ v t . 4πε0 y2 + γ 2 v2 t 2 3|2 P
Ez = Ez =
qγ
(2.148) (2.149)
(2.150)
Ey
β ≤1
4πε0 y 2P
β << 1 ×
× vt1 2
Abb. 2.3. Zeitabhängigkeit der transversalen Kom-
ponente Ey des elektrischen Feldes einer relativ zum Beobachter in z-Richtung bewegten Punktladung gesehen vom Ruhsystem des Beobachters
vt
Die transversale Komponente Ey ist offensichtlich nur im Zeitintervall −t1|2 ≤ t ≤ +t1|2 merklich von Null verschieden, wobei die Halbwertsbreite t1|2 durch Ey t = t1|2 ! 1 = Ey (t = 0) 2 definiert ist. Sie bestimmt sich damit über yP3 1 ! = 3|2 2 yP2 + γ 2 v2 t12|2 zu t1|2 =
1|2 yP 2|3 2 −1 . γv
Das Maximum der Ey -Spitze liegt bei t = 0, also im Moment des kürzesten Abstandes der Ladung q von P. Im relativistischen Bereich v c wird die Spitze sehr scharf, da t1|2 sehr klein wird.
80
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Ez
Abb. 2.4. Zeitabhängigkeit der
q (6 3πε 0 y 2P )
t0
β<<1
−t0
vt
β ≤1
longitudinalen Komponente Ez des elektrischen Feldes einer relativ zum Beobachter in z-Richtung bewegten Punktladung gesehen vom Ruhsystem des Beobachters
Die longitudinale Komponente Ez des elektrischen Feldes (2.150) wechselt bei t = 0 das Vorzeichen und besitzt Extrema bei ±t0 =
yP 1 √ , γv 2
wie man leicht nachrechnet, wenn man die erste zeitliche Ableitung gleich Null setzt. Die Extremwerte q Ez t = ±t0 = ∓ √ 6 3πε0 yP2 sind dabei v-unabhängig. Wie sieht nun im Beobachtersystem Σ für eine feste Zeit t die räumliche Verteilung des elektrischen Feldes E relativ zur Punktladung aus? Abb. 2.2 verdeutlicht yP = r sin ϕ ;
v t = r cos ϕ ,
wobei r der Abstand zwischen Ladung und Beobachter in Σ ist. Mit 2 3|2 3|2 yP + γ 2 v2 t 2 = r3 sin2 ϕ + γ 2 cos2 ϕ = 3| 2 = r3 γ 3 1 − β2 sin2 ϕ folgt für die Feldverteilung in Σ um die Punktladung q: E=
4πε0
r3 γ 2
qr 3|2 . 1 − β2 sin2 ϕ
(2.151)
r ist der Ortsvektor von der Punktladung zum Beobachter. Das E-Feld ist zwar wie bei einer ruhenden Ladung radial, aber für β =/ 0 nicht mehr isotrop. In Bewegungsrichtung (ϕ = 0 oder π) gilt: E(β) 1 , = E(0) γ 2 dagegen senkrecht zur Bewegungsrichtung (ϕ = π|2): E(β) =γ. E(0)
2.3
Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
81
Wir müssen schließlich noch das B-Feld der bewegten Punktladung diskutieren. Mit den Transformationsformeln (2.132) bis (2.134) finden wir für die kartesischen Komponenten in Σ: β β β Bx = γ Bx − Ey = −γ Ey = − Ey , (2.152) c c c β By = γ By + Ex = 0 , (2.153) c Bz = Bz = 0 .
(2.154)
Bei dieser Auswertung haben wir (2.146) und (2.147) ausgenutzt. – Die bewegte Punktladung ruft also in x-Richtung eine magnetische Induktion hervor. Deren Zeitabhängigkeit entspricht der von Ey , die wir ausführlich diskutiert haben. – Etwas allgemeiner gilt nach (2.143) mit B ≡ 0 für die magnetische Induktion: μ qγ γ (2.155) B= β × E = 0 3 v × r . c 4π r Für γ = 1 ist dies das Biot-Savart’sche Gesetz (s. (3.20), Bd. 3) für das durch eine bewegte Ladung hervorgerufene Magnetfeld. – In unserem speziellen Fall (v = v ez ) ist v × r = −v yP ex .
(2.156)
2.3.6 Lorentz-Kraft Wir wollen schließlich noch die Lorentz-Kraft
F = q(E + v × B) ((4.40), Bd. 3) in unseren vierdimensionalen Formalismus einbauen. Zunächst interpretieren wir F als die zeitliche Ableitung der Raumkomponenten (pr , (2.58)) des Vierer-Impulses (2.57): Tr pμ = , pr = m u μ = mγ (c, v) . c (d|dt)pr sind dann aber ihrerseits noch nicht die Raumkomponenten eines ViererVektors, da sich die Zeit t nicht entsprechend transformiert. Wir führen deshalb wieder die Eigenzeit τ (t = γ τ) ein und versuchen, die Lorentz-Kraft so zu verallgemeinern, dass wie in der Mechanik ein kovariantes Kraftgesetz der Form d μ d p ≡ m uμ dτ dτ gilt. Auf der linken Seite sollte natürlich die Kμ ≡
Minkowski-Kraft (2.51) Kμ ≡ γ
F·v , Fx , Fy , Fz c
≡ K0, K
(2.157)
(2.158)
82
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
stehen, die wir in Abschn. 2.2.2 für die Klassische Mechanik diskutiert haben. Mit (2.92) folgt zunächst für die Raumkomponenten K≡
d pr = γ F = q(γ E + γ v × B) . dτ
Auf der rechten Seite führen wir die kontravariante Vierer-Geschwindigkeit u μ (2.39) ein: u μ ≡ γ (c, v) ≡ u0 , u . Dann gilt:
1 E +u×B . K = q u0 c
Wir drücken die rechte Seite durch den kontravarianten Feldstärke-Tensor (2.115) aus: 1 Ex + uy Bz − uz By = q u0 F 10 + u2 F 21 + u3 F 31 = K 1 , Kx = q u0 c 1 Ky = q u0 Ey + uz Bx − ux Bz = q u0 F 20 + u3 F 32 + u1 F 12 = K 2 , c 0 1 Kz = q u Ez + ux By − uy Bx = q u0 F 30 + u1 F 13 + u2 F 23 = K 3 . c Ersetzen wir nach (2.114) in diesen Ausdrücken die Terme F αβ mit β =/ 0 durch −F βα und die kontravariante durch die kovariante Vierer-Geschwindigkeit (u0 → u0 ; u → −u), dann gilt offenbar, da F μμ = 0: K 1 = Kx = q F 1α uα ,
(2.159)
K 2 = Ky = q F 2α uα ,
(2.160)
K 3 = Kz = q F 3α uα .
(2.161)
Die rechten Seiten transformieren sich sicher wie die Raumkomponenten eines kontravarianten Vierer-Vektors. Es liegt deshalb nahe, das System durch eine entsprechende Zeitkomponente zu ergänzen: K 0 = q F 0α uα = 1 1 1 − Ex −ux + − Ey −uy + − Ez −uz = c c c 1 =q E · (γ v) . c
=q
2.3
Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
83
Dieser Ausdruck ist wegen q v·E =v·F leicht interpretierbar. Mit (2.53) gilt nämlich: d d 1 F·v =γ K0 = γ Tr = p0 . c dt c dτ
(2.162)
Dieses Ergebnis passt zu (2.157) und (2.158). Wir haben damit die kovariante Formulierung der Lorentz-Kraft gefunden: Kμ ≡
d μ p = q F μα uα = γ dτ
1 F · v, F c
(2.163)
.
K μ ist die in Abschn. 2.2.2 zur kovarianten Darstellung der Klassischen Mechanik eingeführte Minkowski-Kraft. (2.163) dokumentiert noch einmal die Schlüssigkeit der Überlegungen aus Abschn. 2.2.2. Untersuchen wir zum Schluss, ähnlich wie in Abschn. 2.2.3, noch einmal das explizite Transformationsverhalten der Lorentz-Kraft F. Wie üblich betrachten wir dazu zwei Inertialsysteme Σ und Σ , von denen sich Σ relativ zu Σ mit der Geschwindigkeit v parallel zur z-Achse bewegen soll. Ein Teilchen der Ladung q mit der Geschwindigkeit u in Σ erfährt die Lorentz-Kraft: F = q(E + u × B) in Σ .
(2.164)
Unter welcher Kraft F bewegt es sich für einen Beobachter aus Σ ? Wir bestimmen F aus dem Transformationsverhalten der Raumkomponenten der kontravarianten Minkowski-Kraft (2.158):
K1 = K1 ;
K2 = K2 ,
K 3 = γv −β K 0 + K 3 ;
β=
v ; c
γv = 1 − β2
−1|2
.
Wenn u die Teilchengeschwindigkeit in Σ bedeutet, dann folgt aus diesen Gleichungen:
γu Fx = γu Fx ; γu Fy = γu Fy ; γu Fz
= γv
F·u γu Fz − β γu c
.
Mit denselben Überlegungen, die in Abschn. 2.2.3 zu Gleichung (2.80) führten, findet man auch hier: vu γu = γu γv 1 − 2z . c
84
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Damit lauten die Komponenten der Lorentz-Kraft in Σ : Fx =
1
Fx
γv 1 − v uz 2
,
(2.165)
,
(2.166)
c
Fy =
Fy
1
γv 1 − v uz 2
c v Fz − 2 (F · u) c Fz = . v uz 1− 2 c
(2.167)
Identische Formeln hatten wir in Abschn. 2.2.3 für die mechanischen Kräfte gefunden, was wegen (2.163) nicht weiter verwundert. 2.3.7 Formeln der relativistischen Elektrodynamik Wir haben mit dem letzten Abschnitt die kovariante Formulierung der Elektrodynamik abgeschlossen. Zur besseren Übersicht wollen wir die wichtigsten Formeln noch einmal zusammenstellen:
Elektrische Ladung: q : Lorentz-Invariante Vierer-Stromdichte: j μ = (cρ, j) = γ ρ0 (c, v) = ρ0 u μ
ρ0 : Ruheladungsdichte , u μ ≡ γ (c, v) : Welt-Geschwindigkeit . Kontinuitätsgleichung:
∂μ j μ = 0 ; ∂μ ≡ Vierer-Potential: Aμ ≡
1 ∂ ,∇ c ∂t
.
1 ϕ, A . c
Vierer-Wellengleichung:
A μ = −μ0 j μ ;
=Δ−
Lorentz-Eichung:
∂μ A μ = 0 .
1 ∂2 . c2 ∂t 2
2.3
Kovariante Formulierung der Elektrodynamik
85
Kontravarianter Feldstärke-Tensor: F μν ≡
∂ μ Aν − ∂ν A μ ; ⎛
0 ⎜1 ⎜ c Ex F μν ≡ ⎜ ⎜1 ⎝ c Ey 1 c Ez
∂μ ≡
− 1c Ex
− 1c Ey
0
−Bz
Bz
0
−By
Bx
1 ∂ , −∇ c ∂t ⎞ − 1c Ez ⎟ By ⎟ ⎟. ⎟ −Bx ⎠ 0
,
Kovarianter Feldstärke-Tensor: Fμν = μμα μνβ F αβ . Dualer Feldstärke-Tensor: μν
1 μνρσ ε Fρσ 2 aus Fμν durch Substitution: B ←→ −(1|c)E. F
=
Maxwell-Gleichungen: Homogen:
∂α F αβ = 0 ; β = 0, 1, 2, 3 oder
∂α F βγ + ∂β F γα + ∂γ F αβ = 0 , α, β, γ beliebig aus (0, 1, 2, 3). Inhomogen:
∂α F αβ = μ0 j β ; β = 0, 1, 2, 3 . Transformation der Felder: v β= : c E = γ [E + c ( β × B)] −
γ2
β(β · E) , γ +1 1 γ2 B = γ B − ( β × E) − β (β · E) . c γ +1
Speziell für v = v ez :
β = γ Bx + Ey ; c β By = γ By − Ex ; c Bz = Bz ; Bx
Ex = γ Ex − β c By , Ey = γ Ey + β c Bx , Ez = Ez .
86
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Invariante des elektromagnetischen Feldes: 1 und E · B . B2 − 2 E2 c Minkowski-Kraft: Kμ ≡
γ
F·v , Fx , Fy , Fz c
,
F = q(E + v × B) : Lorentz-Kraft , v : Teilchengeschwindigkeit . Kovariante Kraftgleichung: Kμ = m
2.4
d μ u = q F μα uα . dτ
2.4 Kovariante Lagrange-Formulierung Nachdem wir in Abschn. 2.2 die relativistische Verallgemeinerung der NewtonMechanik vollzogen haben, soll nun noch, zumindest in Ansätzen, eine relativistische Lagrange-Mechanik (s. Kap. 1, Bd. 2) diskutiert werden. Insbesondere geht es darum, Lagrange-Funktionen zu finden, mit denen sich die Bewegungsgleichungen in einer korrekten kovarianten Form angeben lassen. Der einfachste Zugang gelingt mit Hilfe des Hamilton’schen Prinzips (Abschn. 1.3, Bd. 2): Das Wirkungsfunktional ((1.112), Bd. 2) t2
S=
L q(t), q˙ (t), t dt
t1
über die Lagrange-Funktion L(q, q˙ , t) nimmt auf der Menge M der zugelassenen Bahnen ((1.110), Bd. 2) " ! M = q(t) : q t1 = qa , q t2 = qe für die tatsächliche Bahn ein Extremum an:
δS = 0 . Zu M gehören alle Bahnen mit gleichen Anfangs- und Endkonfigurationen qa und qe , die jeweils zu bestimmten Zeiten t1 und t2 angenommen werden, wobei die einzelnen Bahnen durch virtuelle Verrückungen auseinander hervorgehen. Eine Konsequenz dieses Hamilton’schen Prinzips sind die Lagrange’schen Bewegungsgleichungen:
2.4
Kovariante Lagrange-Formulierung
d ∂L ∂L − =0; dt ∂q˙ j ∂qj
87
j = 1, . . . , s .
Das Äquivalenzpostulat (Abschn. 1.3) kann nun dahingehend interpretiert werden, dass das Wirkungsfunktional S, aus dem die fundamentalen Bewegungsgleichungen folgen, lorentzinvariant sein sollte. Ferner sollte insbesondere auch die LagrangeFunktion L ein Vierer-Skalar sein und anstelle von q, q˙ und t von den kontravarianten Vierer-Vektoren x μ und u μ sowie dem Vierer-Skalar τ abhängen. Wir formulieren deshalb über die Substitution (2.168) L −→ L x μ , u μ , τ ein kovariantes Hamilton’sches Prinzip τ2
dτ L(x μ , u μ , τ) = 0 , !
δS = δ
(2.169)
τ1
aus dem kovariante Lagrange’sche Bewegungsgleichungen,
∂L d ∂L − μ =0, μ dτ ∂u ∂x
(2.170)
folgen. Die Frage ist nur: Wie findet man die relativistische Lagrange-Funktion L? In der Regel wird man Analogiebetrachtungen zur nicht relativistischen Mechanik ausnutzen müssen. So sollten zum Beispiel für v << c die vertrauten Relationen reproduziert werden. Das Hauptproblem liegt darin, dass wegen L = T − V Aussagen über das Potential V und damit über Kräfte in kovarianter Vierer-Darstellung möglich sein müssen. Elektromagnetische Kräfte sind, wie wir im letzten Abschnitt gesehen haben, unproblematisch, wohingegen über Kernkräfte zum Beispiel kaum nennenswerte Theorien vorliegen. Wir wollen uns hier mit zwei wichtigen Beispielen zufrieden geben, die sich wie auch (2.168) bis (2.170) auf ein einzelnes Teilchen beziehen. 1) Kräftefreies Teilchen Wir suchen eine Lagrange-Funktion L0 , aus der die Bewegungsgleichung
m
d μ u =0 dτ
folgt. Nichtrelativistisch würde man dazu t2
S= t1
L0 x(t), v(t), t dt
(2.171)
88
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
untersuchen, wobei dann für den Teilchenimpuls pi =
∂L0 ; ∂vi
i = x, y, z
gelten muss. Wenn wir in dieser Beziehung unter pi gleich den relativistisch korrekten Ausdruck verstehen, m vi ∂L0 = pri = , ∂vi 1 − v2 |c 2 so folgt durch Integration:
L0 = −m c2 1 − v2 |c2 .
(2.172)
Dies ist die relativistisch korrekte Form. Man beachte jedoch, dass L0 nicht mehr mit der kinetischen Energie identisch ist, sich also von Tr aus (2.54) unterscheidet. Für die zugehörige Hamilton-Funktion gilt allerdings ((2.8), Bd. 2): m v2 pri vi − L0 = + m c 2 1 − v2 |c 2 = γ m c 2 H0 = 2 i 1 − vc2 m c2 ⇒ H0 = = Tr . 1 − v2 |c 2
(2.173)
Wir substituieren schließlich noch im Wirkungsfunktional S die Zeit t durch die Eigenzeit τ: τ2
dτ γ L0 .
S= τ1
Der Vergleich mit (2.169) ergibt: L0 = γ L0 = −m c2 .
(2.174)
Nun gilt nach (2.41) c2 = u μ uμ , sodass die korrekte funktionale Abhängigkeit der Lagrange-Funktion L0 von u μ durch L0 = L0 u μ = −mu μ uμ (2.175) gegeben sein könnte. Wir wollen diesen Ansatz, der aus Analogiebetrachtungen entstanden ist, überprüfen. Da u μ kontravariant ist, uμ =
∂xμ α u = Lμα uα , ∂xα
2.4
Kovariante Lagrange-Formulierung
89
transformiert sich der Geschwindigkeitsgradient
∂
∂uμ
=
∂xα ∂ ∂ = L−1 αμ μ α ∂x ∂u ∂uα
(2.176)
wie ein kovarianter Vierer-Vektor. Wir definieren den kovarianten kanonischen Impuls pμ = −
∂L = p0 , −p μ ∂u
(2.177)
mit einem Minuszeichen, damit die Raumkomponenten mit der nicht relativistischen Definition für v << c übereinstimmen. Für den kontravarianten Impuls gilt dann mit (2.25), (2.24) und (2.19): p μ = μ μα pα = p0 , p .
(2.178)
Schließlich folgt für das hier diskutierte freie Teilchen:
∂L0 = −muμ . ∂u μ Dies bedeutet: μ
μ p(0) μ = muμ ⇐⇒ p(0) = m u .
(2.179)
Mit der Lagrange’schen Bewegungsgleichung (2.170) folgt also:
∂L0 =0 ∂x μ
−→
d (0) d p = m uμ = 0 , dτ μ dτ
(2.180)
d μ d p = m uμ = 0 . dτ (0) dτ
(2.181)
Der Ansatz (2.175) für L0 ist offensichtlich korrekt. 2) Geladenes Teilchen im elektromagnetischen Feld Wir suchen in diesem Beispiel, das in Abschn. 1.2.3, Bd. 2 unter dem Stichwort verallgemeinerte Potentiale ausführlich besprochen wurde, nach der kovarianten LagrangeFunktion L, aus der sich die Lorentz-Kraftgleichung,
F = q(E + v × B) , ableitet. Nichtrelativistisch gilt (s. (1.79), Bd. 2): L(x, v, t) =
m 2 v + q(v · A) − q ϕ . 2
(2.182)
ϕ(x, t) ist das skalare Potential und A(x, t) das Vektorpotential. Der kinetische Anteil sollte mit L0 aus Beispiel 1) identisch sein, während sich die beiden elektromagne-
90
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
tischen Anteile vermutlich bereits relativistisch korrekt verhalten. Mit (2.172) für L0 verwenden wir im Wirkungsfunktional L = L0 + q(v · A) − q ϕ und ersetzen wie in Beispiel 1) die Zeit t durch die Eigenzeit τ. Der Vergleich mit (2.169) führt dann zu dem folgenden Ansatz: L = γ L = γ L0 + q(γ v · A) − q γ ϕ = 1 = L0 + q γ v · A − (γ c) ϕ . c Mit (2.29), (2.40) und (2.129) erkennen wir auf der rechten Seite das Skalarprodukt aus Vierer-Geschwindigkeit u μ und Vierer-Potential A μ : L x μ , u μ , τ = L0 u μ − q u μ Aμ = −mu μ uμ − q u μ Aμ . (2.183) Wir überprüfen, ob aus diesem mehr oder weniger erratenen Ansatz für L die bekannte Bewegungsgleichung folgt. Dazu setzen wir L in die kovariante LagrangeGleichung (2.170) ein: d d ∂ d ∂L ! ∂L = −m uμ − q Aμ = = −q μ u μ Aμ . μ μ dτ ∂u dτ dτ ∂x ∂x Es sollte also gelten: μ d d ! m uμ = q ∂μ u Aμ − Aμ = Kμ . dτ dτ
(2.184)
Wenn unser Ansatz (2.183) sich tatsächlich als richtig erweist, dann haben wir, gewissermaßen als Nebenprodukt, mit (2.184) eine neue Darstellung für die MinkowskiKraft eines geladenen Teilchens im elektromagnetischen Feld gefunden. Wir kontrollieren zunächst die Raumkomponenten, von denen wir annehmen, dass sie auf die bekannte Lorentz-Kraft führen. Wie üblich wollen wir die kontravariante Version des Vierer-Vektors (2.184), d (2.185) K μ = q ∂ μ u μ Aμ − A μ , dτ diskutieren. Mit (2.31) und (2.38) gilt dann ∂ d Ki = q − (−γ v · A + γ ϕ) − γ Ai , ∂xi dt
i ∈ (x, y, z) .
Nach (2.158) sollte somit für die kartesischen Komponenten der Lorentz-Kraft 1 ∂ ∂ϕ d (v · A) − − A Fi = Ki = q γ ∂xi ∂xi dt i
2.4
Kovariante Lagrange-Formulierung
91
folgen. Benutzt man d ∂Ai Ai = v · ∇Ai + , dt ∂t so kann man folgende Umformung vornehmen: (v × rot A)x = vy (rot A)z − vz (rot A)y = ∂ ∂ ∂ ∂ = vy Ay − Ax − vz Ax − Az = ∂x ∂y ∂z ∂x =
∂ ∂ ∂ ∂ (v · A) − vx Ax − vy Ax − vz Ax = ∂x ∂x ∂y ∂z
∂ (v · A) − v · ∇ Ax = ∂x ∂ ∂ d = (v · A) − Ax + Ax . ∂x dt ∂t
=
Ganz analog berechnen sich die beiden anderen Komponenten: d ∂ ∂ (v · A) − Ai = (v × rot A)i − Ai . ∂xi dt ∂t Dies ergibt für die Kraftkomponenten Fi : ∂ϕ ∂Ai − Fi = q − + (v × rot A)i . ∂xi ∂t Die ersten beiden Summanden stellen gerade die i-te Komponente des elektrischen Feldes E dar ((4.21), Bd. 3), sodass die Raumkomponenten der Vierer-Kraft (2.185) in der Tat auf die korrekte Lorentz-Kraft, ˙ + v × rot A = q(E + v × B) , F = q −∇ ϕ − A führen. – Zu überprüfen bleibt noch die Zeitkomponente: d 1 1 ∂ (−γ A · v + γ ϕ) − γ ϕ . K0 = q c ∂t dt c Wir setzen d ∂ ϕ = ∇ϕ · v + ϕ dt ∂t ein und erhalten:
1 1 ∂A K = q γ −v · − ∇ ϕ · v = q γ (E · v) . c ∂t c 0
(2.186)
92
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Dies lässt sich mit (2.186) als K0 = γ
F·v c
(2.187)
schreiben. Wir haben damit aus unserem Ansatz (2.183) für L die nach (2.157) und (2.158) korrekte Bewegungsgleichung abgeleitet: d F·v (2.188) K μ = m uμ = γ , Fx , Fy , Fz . dτ c Unser Ansatz ist damit gerechtfertigt. – Wir können deshalb weiter folgern: Kanonischer Impuls pμ = −
∂L = m uμ + q Aμ . ∂u μ
(2.189)
Dies ist die kovariante Version; die kontravariante ergibt sich einfach durch Umstellen der Indizes: pμ = m uμ + q Aμ .
(2.190)
Die Raumkomponenten (i ∈ (x, y, z)), pi = mγ vi + q Ai ,
(2.191)
enthalten neben dem relativistischen, mechanischen Impuls p(i) r = m γ vi noch einen Zusatzterm q Ai , der allerdings keinen relativistischen Effekt darstellt, sondern bereits in dem entsprechenden nicht relativistischen Ausdruck ((1.80), Bd. 2) erscheint. Man hat also auch hier den kanonischen von dem mechanischen Impuls zu unterscheiden. – Betrachten wir schließlich noch die Zeitkomponente des kanonischen Impulses: 1 1 mγ c2 + q ϕ . p0 = mγ c + q ϕ = c c Der erste Summand auf der rechten Seite ist gerade die relativistische kinetische Energie Tr , die wir in (2.54) eingeführt haben. Die Klammer stellt also die Gesamtenergie des Teilchens dar: E = Tr + q ϕ = mγ c2 + q ϕ . Für den kanonischen Impuls gilt somit: 1 μ E, mγ v + qA ≡ p = c 1 E, p . ≡ c
(2.192)
(2.193) (2.194)
2.5
Aufgaben
93
Davon zu unterscheiden ist der mechanische Impuls, 1 Tr Tr μ ,mγ v = , pr = (E − q ϕ), p − q A , pm = c c c
(2.195)
wie wir ihn in (2.57) eingeführt haben. Nun bleibt noch (2.62), μ
pm pmμ = m2 c2 , auszunutzen, m2 c2 = −(p − q A)2 +
1 (E − q ϕ)2 , c2
um wie folgt die relativistische Energie eines geladenen Teilchens im elektromagnetischen Feld darzustellen: E=
(p − q A)2 c2 + m2 c4 + q ϕ .
(2.196)
Dieser Ausdruck ist mit (2.63) zu vergleichen.
2.5
2.5 Aufgaben Aufgabe 2.5.1 Führen Sie über
bμ =
d μ u , dτ
u μ : Vierer-Geschwindigkeit ,
2.5.1
τ : Eigenzeit
die Vierer-Beschleunigung ein. 1. Zeigen Sie, dass die Beschleunigung im Minkowski-Raum stets orthogonal zur Geschwindigkeit ist. 2. Drücken Sie die Komponenten von b μ explizit durch die der Systemgeschwindigkeit v = (vx , vy , vz ) aus!
94
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
2.5.2
Aufgabe 2.5.2 Damit der Astronaut sich bei seinem Flug durchs All in seiner Rakete stets wie „zu Hause“ fühlt, wird dafür gesorgt, dass die Beschleunigung der Rakete in dem System Σ , indem sie „momentan ruht“, konstant gleich der Erdbeschleunigung g ist. Die Anfangsgeschwindigkeit der Rakete zur Zeit t = 0 sei v = 0. Diskutieren Sie im Folgenden den Flug im „erdfesten“ System Σ, wenn die Beschleunigung in z-Richtung wirkt. 1. Welche Geschwindigkeit v(t) besitzt die Rakete im Erdsystem Σ für t > 0? 2. Schätzen Sie ab, nach welcher Zeit in einer nicht relativistischen Rechnung die Raketengeschwindigkeit die Lichtgeschwindigkeit überschreiten würde. 3. Berechnen Sie die zeitabhängige Position der Rakete im Erdsystem Σ. 4. Wie ändert sich die Energie der Rakete mit der Zeit? 5. Stellen Sie einen expliziten Zusammenhang zwischen der Eigenzeit τ („Alter“) des Astronauten und der auf der Erde vergangenen Zeit t her!
2.5.3
Aufgabe 2.5.3 Ein Teilchen mit der Ladung q bewege sich in einem Inertialsystem Σ mit der Geschwindigkeit
u = (a, a, a) in einem homogenen Magnetfeld B = (B, 0, 0). Σ sei ein Inertialsystem, das sich relativ zu Σ mit der Geschwindigkeit v = v ez = const bewegt. Welche Kräfte wirken auf das Teilchen in Σ und Σ ?
2.5.4
Aufgabe 2.5.4 Zeigen Sie mit Hilfe der Transformationsformeln des elektromagnetischen Feldes, dass i 2 B+ E c
eine Lorentz-Invariante ist.
2.5.5
Aufgabe 2.5.5 Zeigen Sie durch explizite Berechnung, dass sich die Kompoμν nenten des dualen Feldstärketensors F aus denen des kovarianten Tensors Fμν durch die Substitution
1 B ←→ − E c ergeben.
2.5
Aufgaben
95
Aufgabe 2.5.6 1. Ein magnetischer Dipol (ruhend in Σ) sei parallel zur z-Achse ausgerichtet (magnetisches Moment m = m ez , m > 0). Wie lauten die kartesischen Komponenten des B-Feldes? 2. Berechnen Sie nun das E- und B-Feld eines gleichförmig in z-Richtung bewegten magnetischen Dipols, dessen Moment parallel zur z-Richtung orientiert ist. Zur Zeit t = 0 soll sich der Dipol im Nullpunkt von Σ befinden. 3. Schreiben Sie die Felder des bewegten magnetischen Dipols auf Zylinderkoordinaten um. 4. Welche Gestalt haben die elektrischen Feldlinien in der xy-Ebene? Wie ändert sich das elektrische Feld mit der Zeit? 5. Die E-Linien beginnen oder enden nicht an elektrischen Ladungen. Unter welchen Bedingungen kann es solche elektrischen Felder geben?
2.5.6
Aufgabe 2.5.7 Σ und Σ seien zwei Inertialsysteme, die sich relativ zueinander mit v = const bewegen. Geben Sie qualitative Argumente, warum in Σ ein elektrisches Feld erscheint, wenn in Σ nur ein B -Feld vorhanden ist, bzw. warum in Σ ein magnetisches Feld erscheint, wenn in Σ nur ein elektrisches Feld vorhanden ist.
2.5.7
Aufgabe 2.5.8 Ein Teilchen der Masse m und der Ladung q bewege sich in einem homogenen Magnetfeld
2.5.8
B = (0, 0, B) . 1. 2. 3.
Zeigen Sie, dass seine relativistische Energie zeitlich konstant ist. Berechnen Sie die Zeitabhängigkeit des relativistischen Impulses mit der Anfangsbedingung v0 = (v0 , 0, 0). Berechnen Sie die Bahn r(t) des Teilchens mit r(t = 0) = (0, y0 , 0), wobei y0 = γ mq Bv0 gelten soll.
96
2.5.9
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Aufgabe 2.5.9 Ein geladenes Teilchen (Ladung q, Ruhemasse m) bewege sich in einem homogenen elektrischen Feld
E = (E, 0, 0) mit den Anfangsbedingungen r(t = 0) = (0, 0, z0 ) ; 1. 2. 3.
v(t = 0) = (0, v0 , 0) .
Berechnen Sie die Zeitabhängigkeit der relativistischen kinetischen Energie Tr = Tr (t). Bestimmen Sie die Teilchengeschwindigkeit v = v(t). Wie sieht die Bahn r(t) des Teilchens aus?
2.5.10
Aufgabe 2.5.10 Die Ruhemasse m(0) eines Elektrons, ausgedrückt in MeV, beträgt 0,511 MeV. Das Elektron werde durch eine Potentialdifferenz von 200 kV beschleunigt. 1. Berechnen Sie die Massenzunahme m(v)|m(0). 2. Drücken Sie die Geschwindigkeit v in Einheiten von c aus. 3. Berechnen Sie den prozentualen Fehler, der sich bei der Berechnung von v ergibt, wenn man für die kinetische Energie den nicht relativistischen Ausdruck T = 12 m(0)v2 verwendet.
2.5.11
Aufgabe 2.5.11 Betrachten Sie den elastischen Stoß zweier Teilchen gleicher Masse m im Inertialsystem Σ, in dem eines der beiden Teilchen vor dem Stoß ruht. Das andere habe vor dem Stoß die Energie Tr und den Impuls pr . Nach dem Stoß besitzen die beiden Teilchen die Energien Tr1 und Tr2 und die Impulse pr1 und pr2 . 1. Berechnen Sie den Winkel ϑ zwischen den Impulsen pr1 und pr2 nach dem Stoß als Funktion von Tr und Tr1 ! 2. Diskutieren Sie die Grenzfälle v << c und v ≈ c, wobei v die Geschwindigkeit des (bewegten) Teilchens vor dem Stoß im System Σ ist.
2.5.12
Aufgabe 2.5.12 Ein ruhendes π+ -Meson zerfällt innerhalb 2,5 · 10−8 s in ein μ+ -Meson und ein Neutrino. Das π+ -Meson habe eine kinetische Energie, die gleich seiner Ruheenergie ist. 1. Was ist die Geschwindigkeit des π+ -Mesons? 2. Welche Strecke legt das Meson vor seinem Zerfall zurück, gemessen von einem ruhenden Beobachter?
2.5
Aufgaben
97
Aufgabe 2.5.13
2.5.13 m
m
m v
ϕ
v1
ϑ
m
v2
Abb. 2.5. Relativistischer Stoß zweier Teilchen gleicher Masse m, von denen eines vor dem Stoß ruht
Bei einem nicht relativistischen Stoß zweier Teilchen gleicher Masse bilden die Bahnen nach dem Stoß einen Winkel π|2. Zeigen Sie, dass für den relativistischen Stoß tan ϕ tan ϑ =
2 γ +1
−1|2 . Demonstrieren Sie ϑ + ϕ ≤ π|2, wobei das Gleichgilt γ = 1 − v2 |c2 heitszeichen in der nicht relativistischen Grenze (γ → 1) gültig wird.
Aufgabe 2.5.14 Ein Photon (Ruhemasse m = 0) habe denselben Impuls wie ein 1 MeV-Elektron. Welche Energie hat das Photon?
2.5.14
98
2.6
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
2.6 Kontrollfragen Zu Abschn. 2.1 1. Was versteht man unter der kovarianten Formulierung eines physikalischen Gesetzes? 2. Sind die Newton’schen Gesetze forminvariant gegenüber Lorentz-Transformationen? 3. Wie viele Komponenten besitzt ein Tensor nullter (erster, zweiter) Stufe? 4. Wie verhält sich ein kontravarianter (kovarianter) Vierer-Vektor bei einer Lorentz-Transformation? 5. Definieren Sie die drei verschiedenen Typen von Tensoren zweiter Stufe. 6. Welcher Tensortyp zweiter Stufe stellt im strengen Sinne eine Matrix dar? 7. Was bedeutet die Verjüngung eines Tensors? Wie ändert sich die Tensorstufe bei einer Verjüngung? 8. Wie ist das Skalarprodukt für Vierer-Vektoren definiert? 9. Wie übersetzt man einen kovarianten in einen kontravarianten Tensor? 10. Wie werden Gradient, Divergenz und d’Alembert-Operator in vierdimensionaler Formulierung geschrieben? Zu Abschn. 2.2 1. Wie hängt das Differential (dτ)2 der Eigenzeit mit dem differentiellen Längenquadrat (ds)2 zusammen? 2. Wie ist die Welt-(Vierer-)Geschwindigkeit u μ definiert? 3. Welche Bedeutung hat die Norm der Welt-Geschwindigkeit? 4. Welche Überlegungen führen zu welchem Ansatz für die relativistische Verallgemeinerung des Newton’schen Trägheitsgesetzes? 5. Durch welche Analogiebetrachtung legt man die Raumkomponenten des ViererImpulses und der Minkowski-Kraft fest? 6. Wie lautet die Minkowski-Kraft K μ ? 7. Berechnen Sie das Skalarprodukt K μ u μ von Minkowski-Kraft und Welt-Geschwindigkeit. 8. Welche physikalische Bedeutung besitzt die Zeitkomponente der MinkowskiKraft? 9. Erläutern Sie den relativistischen Ausdruck für die kinetische Energie Tr . Wie sieht dieser für v << c aus? 10. Was versteht man unter der Ruheenergie des Massenpunktes? 11. Welche Bedeutung hat die Zeitkomponente des Vierer-Impulses? 12. Welche einfache Beziehung besteht zwischen der Ruheenergie eines Teilchens und der Norm p μ pμ des Vierer-Impulses? 13. Welcher Zusammenhang besteht in der Speziellen Relatvitätstheorie zwischen Impuls- und Energieerhaltungssatz?
2.6
Kontrollfragen
99
14. Erläutern Sie die Äquivalenz von Masse und Energie. 15. Welcher physikalische Prozess gestattet eine direkte Ableitung des relativistischen Impulses pr und der relativistischen kinetischen Energie Tr ? 16. Wie verhalten sich pr und Tr bei einer Lorentz-Transformation? Zu Abschn. 2.3 1. Was ist der Grund, warum Ladungsdichte ρ und Stromdichte j im Gegensatz zur Ladung q selbst keine Lorentz-Invarianten sind? 2. Wie ändern sich Ladungs- und Stromdichte beim Wechsel des Inertialsystems v Σ0 → Σ? 3. Wie ist die Vierer-Stromdichte j μ definiert? 4. Welche Bedeutung hat die Divergenz ∂μ j μ der Vierer-Stromdichte? 5. Wie lautet die Kontinuitätsgleichung in kovarianter, vierdimensionaler Formulierung? 6. Aus welchen Komponenten besteht das elektromagnetische Vierer-Potential A μ ? 7. Formulieren Sie die kovariante Wellengleichung für die elektromagnetischen Potentiale. Welcher Bezug besteht zu den Maxwell-Gleichungen? 8. Wie schreibt sich die Lorentz-Eichung in kovarianter Form? 9. Welche Beziehung besteht im Minkowski-Raum zwischen dem elektrischen Feld E und der magnetischen Induktion B? 10. Warum kann man den Feldstärketensor als vierdimensionale Verallgemeinerung der Rotation von A μ auffassen? 11. Wie unterscheiden sich kovarianter und kontravarianter Feldstärketensor? 12. Nennen Sie eine Lorentz-Invariante des elektromagnetischen Feldes. 13. Ist es mit Hilfe einer Lorentz-Transformation möglich, ein reines B-Feld in ein reines E-Feld zu überführen? 14. Wie lassen sich die Maxwell-Gleichungen durch den Feldstärketensor ausdrücken? Demonstrieren Sie die Kovarianz. 15. Was versteht man unter dem dualen Feldstärketensor? 16. Durch welche Substitution der Felder erhält man aus dem kovarianten den dualen Feldstärketensor? 17. Wie kann man die homogenen Maxwell-Gleichungen durch den dualen Feldstärketensor darstellen? 18. Wie ändert sich das Skalarprodukt aus E und B beim Wechsel des Inertialsystems? 19. Ist das elektrische Feld einer bewegten Punktladung im Ruhesystem des Beobachters radial? Ist es auch isotrop? 20. Was gilt für die Amplitude E(β)|E(0) des elektrischen Feldes einer Punktladung in Bewegungsrichtung (ϕ = 0, π) und senkrecht dazu (ϕ = π|2)? 21. Wie gelingt mit Hilfe des Feldstärke-Tensors die kovariante Formulierung der Lorentz-Kraft?
100
2. Kovariante vierdimensionale Formulierungen
Zu Abschn. 2.4 1. Was besagt das Äquivalenzpostulat bezüglich des Wirkungsfunktionals S? 2. Formulieren Sie das kovariante Hamilton’sche Prinzip. 3. Wie lauten die kovarianten Lagrange’schen Bewegungsgleichungen? 4. Wie lautet die relativistisch korrekte Form der Lagrange-Funktion L0 eines kräftefreien Teilchens? 5. Wie berechnet sich der kanonische Impuls aus der relativistischen LagrangeFunktion? 6. Begründen Sie die kovariante Lagrange-Funktion L eines Teilchens im elektromagnetischen Feld. 7. Drücken Sie die Minkowski-Kraft K μ eines Teilchens im elektromagnetischen Feld durch die Welt-Geschwindigkeit u μ und das Vierer-Potential A μ aus. 8. Wie lautet die Zeitkomponente der auf ein Teilchen im elektromagnetischen Feld wirkenden Minkowski-Kraft? 9. Diskutieren Sie den Unterschied zwischen dem kanonischen und dem mechanischen Impuls eines Teilchens im elektromagnetischen Feld. 10. Wie hängt die Zeitkomponente des kanonischen Impulses eines Teilchens im elektromagnetischen Feld mit dessen Gesamtenergie Eg zusammen? 11. Formulieren Sie die relativistische Gesamtenergie eines geladenen Teilchens im elektromagnetischen Feld.
Lösungen der Übungsaufgaben
101
Lösungen der Übungsaufgaben Abschnitt 1.6 Lösung zu Aufgabe 1.6.1 Σ und Σ seien zwei Inertialsysteme, die sich mit der Geschwindigkeit v = 0,8 c in z-Richtung relativ zueinander bewegen. Σ sei das Ruhesystem der Erde, Σ das des Raumschiffs: v
Σ −→ Σ . Die Koordinatenursprünge sollen genau dann zusammenfallen, wenn das Raumschiff den Abstand d von der Erde hat. (Das Raumschiff befinde sich im Ursprung von Σ .) Nach (1.21) und (1.22) gilt: v z = γ (z − v t) ; t = γ t − 2 z . c In Σ wird das Signal im Raum-Zeit-Punkt z0 = −d ;
t0 = 0
ausgesendet, in Σ dagegen bei: z0 = −γ d ;
t0 = γ
v d. c2
Das Signal hat in Σ die Geschwindigkeit c und erreicht das Schiff nach der Zeitspanne:
Δt =
γd c
(Lösung für 2.).
Die Signalankunft hat in Σ die Koordinaten: z1 = Schiffsposition zur Zeit t1 , z1 = v t1 . Wir suchen t1 . In Σ gilt für den Punkt (z1 , t1 ): z1 = γ (z1 − v t1 ) = 0 , v2 t1 v t1 = γ t1 − 2 z1 = γ t1 1 − 2 = . c c γ Die Laufzeit beträgt also vom Schiff aus gesehen:
Δt = t1 − t0 =
t1
γ
−
γd c2
v.
1.6.1
102
Lösungen der Übungsaufgaben
Wir setzen die beiden Ausdrücke für Δt gleich und lösen nach t1 auf: d γ2d v 1+ = . t1 = c c c−v Da t0 = 0 ist, folgt für die Laufzeit, gemessen auf der Erdstation:
Δt = t1 − t0 = Zahlenwerte:
d c−v
γ = 1 − (0,8)2
(Lösung für 1.) .
−1|2
=
5 = 1,667 3
⇒ Δt = 3700 s ,
Δt = 11 100 s . Von Σ aus gesehen erreicht das Signal das Raumschiff in einem Erdabstand von
Δz = d + v Δt = = 6,66 · 108 + 26,64 · 108 km = = 3,33 · 109 km .
1.6.2
Lösung zu Aufgabe 1.6.2
v=
3 5 c ⇒ γ= , 5 4
x = x = 10 m ; y = y = 15 m , 5 9 20 + 4 m = 34 m , z = γ z +vt = 4 5 1 5 v 4 + 20 10−8 s = 1 · 10−7 s . t = γ t + 2 z = c 4 5 1.6.3
Lösung zu Aufgabe 1.6.3
v v t1 = t2 ⇐⇒ γ t1 − 2 z1 = γ t2 − 2 z2 c c v ⇐⇒ 2 (z2 − z1 ) = t2 − t1 c ⇐⇒ v = c2
− 1 z0 t2 − t1 = c2 2 c z2 − z1 z0
1 ⇐⇒ v = − c . 2
Lösungen der Übungsaufgaben
103
Die Zeit in Σ bestimmt sich aus: 1 v t = γ t1 − 2 z1 = c 1− ⇒ t =
1 4
z0 1 z0 + c 2 c
√ z0 3 . c
Lösung zu Aufgabe 1.6.4 In Σ gilt:
1.6.4
z1 = z2 ;
t2 − t1 = 4 s .
Σ bewegt sich mit der Geschwindigkeit v gegenüber Σ. v bestimmen wir aus: # $ v ! t2 − t1 = γ t2 − t1 − 2 z2 − z1 = γ 4 s = 5 s c v2 5 16 −2 ⇒ γ = = 1− 2 ⇒ γ= 4 25 c 3 ⇒ v= c. 5 Dies ergibt den räumlichen Abstand in Σ : z2 − z1 = γ z2 − z1 − v t2 − t1 = 5 4 m = γ v t1 − t2 = (−4 s) 3 · 108 = 4 5 s = − 0,9 · 109 m .
Lösung zu Aufgabe 1.6.5 In Σ wird gemessen:
1.6.5
t1 = t2 ;
z2 − z1 = 3 km .
In Σ gilt dagegen: z2 − z1 = 5 km . Dies bedeutet: 5 km = z2 − z1 − v t2 − t1 γ = γ 3 km ⇒ γ=
4 5 ⇒ v= c. 3 5
104
Lösungen der Übungsaufgaben
Für den zeitlichen Abstand ergibt sich damit: t2 − t1 = −γ =−
1.6.6
v z2 − z1 = c2
5 4 1 s 4 · 10−5 3 km = − · 10−5 s . 3 5 3 km 3
Lösung zu Aufgabe 1.6.6 Relativgeschwindigkeit v zwischen Inertialsystemen richtung
r:
Σ und Σ in beliebiger Raum-
Ortsvektor in Σ .
Zerlegung: r =
1 (r · v)v : v2
r⊥ = r − r :
Komponente parallel zu v , Komponente senkrecht zu v .
Analoge Zerlegung in Σ : r = r + r ⊥ ;
r =
1 r ·v v . v2
Die senkrechte Komponente bleibt bei der Transformation ungeändert: r ⊥ = r ⊥ = r −
1 (r · v)v . v2
Wir nutzen die Isotropie des Raumes aus, die uns gestattet, die z-Achse in Richtung von v zu drehen. Die anschließende Argumentation entspricht der des Spezialfalls v = v ez , mit der (1.17) abgeleitet wurde: 1 1 r ·v =γ r = (r · v) − vt v v β1 t =γ t− (r · v) . c %v &' ( r
Damit bleibt insgesamt: r = r − γ v t +
γ−1 v2
(r · v)v
β1 (r · v) . t =γ t− cv
Lösungen der Übungsaufgaben
105
Transformationsmatrix: vx, y, z , v
ux, y, z = ⎛
γ
− βγ ux
v c
β=
− βγ uy
− βγ uz
⎞
⎜ ⎟ ⎜ vx ⎟ ⎜−γ c 1 + (γ − 1)u2x (γ − 1)ux uy (γ − 1)ux uz ⎟ ⎟ . ) L≡⎜ ⎜ vy ⎟ ⎜−γ c (γ − 1)uy ux 1 + (γ − 1)u2y (γ − 1)uy uz ⎟ ⎝ ⎠ −γ vcz (γ − 1)uz ux (γ − 1)uz uy 1 + (γ − 1)u2z Spezialfall:
v = v ex
⇒
ux = 1 ,
uy = uz = 0 ⎞
⎛
γ −βγ 0 0 ⎟ ⎜ ⎜−βγ γ 0 0 ⎟ ⎟ . ⎜ ) L≡⎜ ⎟ ⎝ 0 0
0
1
0⎠
0
0
1
Lösung zu Aufgabe 1.6.7 1. In Σ tritt in z-Richtung die Längenkontraktion (1.29) auf:
Σ : l0 = Σ
:
l0
=
1 1 √ l0 , √ l0 2 2
1.6.7
,
1 1 1 √ l0 , √ l0 γ 2 2
.
x
l0
l0
2
α l0
2
z Abb. A.1.
Dies bedeutet: tan α =
√1 l0 l0x 2 = =γ 1 √1 l0z γ 2 l0
⇒ α = arctan γ ;
γ = 1−
v2 c2
−(1|2) .
106
2.
Lösungen der Übungsaufgaben
u =/ u(t) ⇒ tan α =
ux v 1 1 = = ⇒ α = arctan . uz 2v 2 2
In Σ gilt: ux =
1
ux ; γ 1 − vcu2z
⇒ tan α =
uz =
1 v 1 ux 1 ux = = = uz γ uz − v γ 2v − v γ
⇒ α = arctan 3.
uz − v 1 − vcu2z
1
γ
.
Das Photon bewegt sich mit Lichtgeschwindigkeit: 1 1 ⇒ ux = √ c ; uz = √ c 2 2 1 u c x ⇒ tan α = = √ γ uz − v γ c − 2v ⎤ ⎡ 2 c 1 − vc2 ⇒ α = arctan ⎣ √ ⎦ . c − 2v
1.6.8
Lösung zu Aufgabe 1.6.8
Σ : Ruhesystem des Beobachters Σ : Ruhesystem der Rakete . Koordinatensystem so wählen, dass die beiden Ursprünge zur Zeit t = t = 0 mit P0 zusammenfallen. 1. ta = 0 ; te = Lc0 . 2. Σ bewegt sich relativ zu Σ mit (−v): v z = γ z + v t ; t = γ t + 2 z , c ta = 0 , v v L0 te = γ te + 2 ze = γ + 2 −L0 = c c c . L0 (1 − β)2 L0 = γ (1 − β) = c c 1 − β2 . L0 1 − β ⇒ te = . c 1+β
Lösungen der Übungsaufgaben
3.
107
z0 = 0 ⇒ z0 + v t0 = 0 z0 : Position des Raketenendes in Σ , d. h.: z0 = −L0 ⇒ t0 =
L0 . v
Gesucht ist t0 : v L0 L0 t0 = γ t0 + 2 z0 = γ (1 − β2 ) = . c v γv
Lösung zu Aufgabe 1.6.9 Aus der Lorentz-Transformation folgen für die Geschwindigkeitskomponenten die Formeln (1.37) bis (1.39). Diese sind für die angegebenen Spezialfälle auszuwerten: a)
ux = 0 ,
uy = c ,
uz = 0
⇒ ux = 0 , . ⇒ |u | =
uy = c2
γ2
1
γ
c,
+ v2 =
uz = −v
√ c2 = c
1 1 u = 0, c, −v = c 0, , −β .
γ
γ
b) 2 2 u2 = u2 x + uy + uz
= 1− = 1− = 1−
1 vuz c2
2
2 1 2 2 u + u + u − v z x y 2
γ
2 v2 2 2 2 1 − c + u − u − 2u v + v 2 z z z c2 vuz
1
c2
v2 u2z 2 2 2 2 2 c − u − v + + u − 2u v + v 2 z z z c2 vuz
1
c2
v2 u2z vuz 2 2 1 + 4 − 2 2 = c . c c vuz
c2
= 1−
c2
Dies ist die Lorentz-Invarianz der Lichtgeschwindigkeit.
1.6.9
108
1.6.10
Lösungen der Übungsaufgaben
Lösung zu Aufgabe 1.6.10 a) x1 − x2 = (−3 m, 0, −4 m)
⇒ |x1 − x2 |2 = 25 m2 , 2 m2 c2 t1 − t2 = 9 · 1016 2 9 · 10−16 s2 = 81 m2 s ⇒ Das Raum-Zeit-Intervall 2 s212 = c2 t1 − t2 − |x1 − x2 |2 = 56 m2 > 0 ist zeitartig. Es ist damit eine kausale Korrelation möglich! Allerdings ist durch keine Lorentz-Transformation Gleichzeitigkeit erreichbar. b) x1 − x2 = (3 m, −5 m, −5 m) ⇒ |x1 − x2 |2 = 59 m2 , 2 m2 c2 t1 − t2 = 9 · 10−16 2 4 · 1016 s2 = 36 m2 . s Das Raum-Zeit-Intervall s212 = 36 m2 − 59 m2 = −23 m2 < 0 ist raumartig. Es ist also keine kausale Korrelation möglich. Dafür ist Gleichzeitigkeit erreichbar. 2 c2 t1 − t2 36 2 β = = = 0,61 . 2 59 |x1 − x2 | Das Inertialsystem Σ muss sich mit der Geschwindigkeit v = 0,781 c = 2,343 · 108
m s
in Richtung (x1 − x2 ) bewegen, um die Ereignisse in Σ gleichzeitig erscheinen zu lassen.
1.6.11
Lösung zu Aufgabe 1.6.11 1. Zeitspanne, vom Erdboden aus gesehen:
Δt =
Δt
1−
v2 c2
.
Lösungen der Übungsaufgaben
109
Die Lebensdauer τ des Myons in seinem eigenen Ruhesystem bedeutet im Erdsystem:
Δtτ =
τ
1−
v2 c2
.
Damit das Myon am Erdboden ankommt, muss gelten: !
Δtτ ≥
H . v
Dabei ist v die Myonengeschwindigkeit.
ε=
c−v c
v =1−ε c
v2 = 1 − 2ε + ε2 ≈ 1 − 2ε c2
1−
v2 ≈ 2ε . c2
Bleibt zu fordern:
τ ! H Δtτ ≈ √ ≥ v 2ε 1 τv 2 1 τc 2 ε≤ ≤ 2 H
2 H
1 2 · 10−6 s · 3 · 1010 = 2 30 · 105 cm
cm s
2
2 104 1 2· 6 = = 2 · 10−4 . 2 10
Damit folgt v ≥ c(1 − ε) = 0. 9998 c . 2.
Vom Myon aus gesehen beträgt der Abstand zur Erde wegen der Längenkontraktion: / √ v2 H = H 1 − 2 ≈ H 2ε c √ = 30 · 103 m · 2 · 10−4 = 2 · 300 m ≤ 600 m . Die Strecke ist also kürzer als die 600 m, die das Myon in etwa innerhalb seiner Lebensdauer zurücklegen kann!
Lösung zu Aufgabe 1.6.12 Die Strahlen durchlaufen vor der Interferenz ein Rechteck, aber in entgegengesetzter Richtung. Das erlaubt eine sehr genaue Messung der Lichtgeschwindigkeit in einem mit der Geschwindigkeit v bewegten Medium.
1.6.12
110
Lösungen der Übungsaufgaben
v1 = ±v: Geschwindigkeit der strömenden Flüssigkeit relativ zum „ruhenden“ Laborsystem. v2 = ± nc : Lichtgeschwindigkeit im Medium, also relativ zur strömenden Flüssigkeit. v3 : gesuchte Geschwindigkeit des Lichtes relativ zum Laborsystem. Paralleler Strahlengang: c
v
n Σ1 −→ Σ2 −→ Σ3 .
oben:
Additionstheorem für Geschwindigkeiten: v + nc v c c v p 1− ≈v+ − 2 . v3 = v ≈ v+ 1 + nc n nc n n Dabei wurde v << c ausgenutzt. Es gilt also im oberen Rohr: p v ≈ c + v 1 − 1 . 3 n n2 Für das untere Rohr gilt: −c
−v
n Σ1 −→ Σ2 −→ Σ3 .
unten:
Das führt mit dem Additionstheorem für Geschwindigkeiten auf: −v − nc v c c v p 1− ≈ −v − + 2 . v3 = v ≈− v+ 1 + nc n nc n n Das ergibt denselben Geschwindigkeitsbetrag: p v ≈ c + v 1 − 1 . 3 n n2 Die benötigte Zeit bei parallelem Strahlengang in den beiden Rohrteilen beträgt also: tp =
c n
2l +v 1−
1 n2
.
antiparalleler Strahlengang: oben:
v
−c
n Σ1 −→ Σ2 −→ Σ3 .
Additionstheorem für Geschwindigkeiten: v − nc v c v 1 c c ap 1+ ≈v− − 2 = −v 1− 2 . ≈ v− v3 = 1 − ncv n nc n n n n
Lösungen der Übungsaufgaben
111
Dabei wurde wieder v << c ausgenutzt. Es gilt also im oberen Rohr bei antiparallelem Strahlengang: ap v ≈ c − v 1 − 1 . 3 n n2 Für das untere Rohr gilt jetzt: c
−v
n Σ1 −→ Σ2 −→ Σ3 .
unten:
Das führt mit dem Additionstheorem für Geschwindigkeiten auf: −v + nc v c c c v 1 ap 1 + ≈ −v + . v3 = ≈ −v + = 1 − + − v 1 − ncv n nc n n2 n n2 Das ergibt denselben Geschwindigkeitsbetrag wie im oberen Teil: ap v ≈ c − v 1 − 1 . 3 n n2 Die benötigte Zeit bei antiparallelem Strahlengang in den beiden Rohrteilen beträgt also: tap =
c n
2l −v 1−
1 n2
.
Es ergibt sich eine Laufzeitdifferenz von
Δt = tap − tp = 2l
c n
1 − − fv
c n
1 + fv
.
Der Fresnel’sche Mitführungskoeffizient berechnet sich damit zu: f =1−
1 . n2
Bei einem n = 1,33 für Wasser ergibt sich ein durchaus messbarer Effekt. Die Übereinstimmung von Theorie und Experiment beweist die Korrektheit der LorentzTransformation, hier demonstriert am Additionstheorem für Geschwindigkeiten!
Abschnitt 2.5 Lösung zu Aufgabe 2.5.1 Nach (2.40) gilt für die Vierer-Geschwindigkeit:
uμ = γ (v)(c, v) .
2.5.1
112
Lösungen der Übungsaufgaben
Die Eigenzeit τ ist lorentzinvariant. Damit ist bμ =
d μ u dτ
ein kontravarianter Vierer-Vektor. a) uμ uμ = γ 2 c2 − v2 = c2 . Daraus folgt: d ν μ d u u . uμ uμ = 0 = μμν dτ dτ
μμν ist der metrische Tensor. Man beachte die Summenkonvention. Es gilt somit: 0 = 2 μμν uν
d μ d u = 2 uμ uμ = 2 uμ bμ . dτ dτ
Dies ist die Behauptung: (u, b) = uμ bμ = 0 . b) bμ =
d μ duμ dt u = . dτ dt dτ
Es gilt nach (2.38): dτ dt = 1−
v2 c2
= γ dτ ,
und damit bμ = γ
duμ . dt
Wir benutzen d 2 dv v + vy2 + vz2 = = dt dt x =
v dv 1 vx v˙ x + vy v˙ y + vz v˙ z = · v v dt
zur Berechnung von −3|2 3 1 dv v2 v dv d . γ (v) = 1 − 2 = γ (v) 2 v · dt c c2 dt c dt
Lösungen der Übungsaufgaben
113
Durch Einsetzen ergeben sich die Beschleunigungskomponenten: b0 = γ
−2 v2 dv 1 d 1− 2 , v· (γ c) = dt c c dt
b1 = γ
dvx v d γ vx = dt v2 + 2x dt c 1 − c2
b2 = γ
y v d γ vy = dt v2 + 2y dt c 1 − c2
dv
dvz v d b =γ γ vz = dt v2 + 2z dt c 1 − c2 3
Lösung zu Aufgabe 2.5.2 a) Momentanes Ruhesystem der Rakete vz = 0; dvz |dt = g):
−2 v2 dv , 1− 2 v· c dt −2 v2 dv 1− 2 v· , c dt −2 v2 dv . 1− 2 v· c dt
Σ (s. Lösung zu Aufg. 2.5.1 für vx = vy =
⎛ ⎞ 0 ⎜ ⎟ ⎜ 0⎟ ⎟ bμ = ⎜ ⎜ ⎟ ⎝0⎠ g
Σ → Σ durch Lorentz-Transformation des kontravarianten Vierer-Vektors bμ = Lμλ bλ
⇒
g bz = b3 = γ g = 1 − v2 |c 2
momentane Raketengeschwindigkeit ∼ ez .
v = v(t) : Es gilt auch
b3 = vz = v
d d uz = γ γ vz dτ dt
d ⇒ γg = γ γ v dt
⇒
d g= dt
Nach Integration folgt: v(t) gt = . 2 1 − v c(t) 2
v
1 − v2 |c 2
.
2.5.2
114
Lösungen der Übungsaufgaben
Auflösen nach v(t): gt |c v(t) = c 2 1 + gt |c
⇒
v −→ c . t→∞
v nicht relativistisch c
t
Abb. A.2.
b) Etwa nach einem Jahr. Nichtrelativistisch gilt: v = gt 9,8
m m . · 86 400 s · 365 ≈ 3 · 108 s2 s
c) v(t) =
dz dt
z(t) =
c2 g
mit
z(t = 0) = 0 ,
2 1 + gt |c − 1 .
gt << c :
1 z(t) ≈ gt 2 , 2
gt >> c :
z(t) ≈ ct .
d) mc2 , Tr = 1 − v2 |c 2 1 1 − v2 |c 2 = 2 1 + gt |c
⇒
2 Tr = mc2 1 + gt |c .
e) Eigenzeitintervall dτ: dτ =
1 − v2 |c2 dt ;
1 1 − v2 |c 2 = 2 . 1 + gt |c
Lösungen der Übungsaufgaben
115
Integration:
c g
τ = ln Umkehrung:
t=
gt + c
2 . 1 + gt |c
g τ c sinh . g c
Zahlenbeispiel:
τ (Jahre)
t (Jahre)
4
30
8
1855,6
40
3,98 · 1017
100
2,95 · 1044
Lösung zu Aufgabe 2.5.3 In Σ gilt:
2.5.3
F = q u × B = q(0, a B, −a B) = q a B(0, 1, −1) . In Σ
gilt: Fx = Fy =
1
Fx =0, γ 1 − vcu2z 1
Fy
γ 1 − vcu2z
=
γ = 1−
1 qaB
γ 1 − vc2a
v2 c2
−1|2 ,
.
F · u = q a2 B(1 − 1) = 0 : v (F · u) c2 1 − vcu2z
Fz −
−q a B 1 − vc2a 1 qaB 0, , −1 . ⇒ F = 1 − vc2a γ Fz =
=
Lösung zu Aufgabe 2.5.4 Σ und Σ seien zwei beliebige Inertialsysteme mit v Σ −→ Σ v = v ez .
Wir zeigen, dass
i 2 ! i 2 B + E = B + E c c
2.5.4
116
Lösungen der Übungsaufgaben
gilt. Die Transformationsformeln (2.132) bis (2.137) ergeben: i i i Bx + Ex = γ Bx + Ex − i γ β By + Ey , c c c i i i By + Ey = γ By + Ey + i γβ Bx + Ex , c c c i i Bz + Ez = Bz + Ez . c c Daraus folgt: i 2 i 2 B + E = Bx + Ex γ 2 (1 − β2 ) + c c i 2 i 2 + By + Ey γ 2 (1 − β2 ) + Bz + Ez = c c i 2 = B+ E . c 2.5.5
Lösung zu Aufgabe 2.5.5 μν νμ Wegen F = −F sind die Diagonalelemente Null, μμ F = F μμ = 0 , μ = 0, 1, 2, 3
und wir brauchen nur die Elemente F F
12
= =
F
13
= =
F
01
= =
F
23
= =
F
02
= =
F
03
= =
μν
mit μ < ν zu berechnen:
1 12ρσ 1 ε Fρσ = ε1230 F30 + ε1203 F03 = 2 2 1 1 −F30 + F03 = F 30 = Ez , 2 c 1 13ρσ 1 1320 ε Fρσ = ε F20 + ε1302 F02 = 2 2 1 1 F20 − F02 = F 02 = − Ey , 2 c 1 01ρσ 1 0123 ε Fρσ = ε F23 + ε0132 F32 = 2 2 1 F23 − F32 = F 23 = −Bx , 2 1 23ρσ 1 ε Fρσ = ε2310 F10 + ε2301 F01 = 2 2 1 1 −F10 + F01 = F 10 = Ex , 2 c 1 02ρσ 1 0213 ε Fρσ = ε F13 + ε0231 F31 = 2 2 1 −F13 + F31 = F 31 = −By , 2 1 03ρσ 1 ε Fρσ = ε0312 F12 + ε0321 F21 = 2 2 1 F12 − F21 = F 12 = −Bz . 2
Die Richtigkeit der Behauptung ist evident.
Lösungen der Übungsaufgaben
117
Lösung zu Aufgabe 2.5.6 1. Nach Gleichung (3.45), Bd. 3 gilt: μ0 3(r · m)r m − 3 , B= 4π r5 r
Bx =
μ0 3 m z x
μ0 3 m z y
; By = r5 4π μ0 m 2 2 2 2z − x − y . Bz = 4π r5
2.
2.5.6
4π
r5
,
Σ sei das Ruhesystem des Dipols. Nach Teil 1. herrschen dort die Felder: μ0 3 m z x μ0 3 m z y ; By = , 5 4π r 4π r5 μ0 m 2 2 2 2z − x − y , Bz = 4π r5
Bx =
E ≡ 0 ;
r =
x2 + y2 + z2 .
In Σ gilt nach (2.132) bis (2.137): Bx = γ Bx = γ
μ0 z x 3m 5 , 4π r x = x ; y = y ; z = γ (z − v t) ⇒ r = x2 + y2 + γ 2 (z − v t)2
⇒ Bx = γ 2
x(z − v t) μ0 3m , 2 2 4π [x + y + γ 2 (z − v t)2 ]5|2
By = γ By = γ 2 Bz = Bz =
μ0
4π
3m
y(z − v t)
[x2
+ y2
+ γ 2 (z − v t)2 ]5|2
,
2γ 2 (z − v t)2 − x2 − y2 μ0 m , 4π [x2 + y2 + γ 2 (z − v t)2 ]5|2
Ex = +γ β c By = v By , Ey = −γ β c Bx = −v Bx , Ez = Ez = 0 . 3. eρ = (cos ϕ, sin ϕ, 0) ;
eϕ = (− sin ϕ, cos ϕ, 0) ;
ez = (0, 0, 1) .
118
Lösungen der Übungsaufgaben
Elektrisches Feld: Eρ = E · eρ = Ex cos ϕ + Ey sin ϕ = v By cos ϕ − Bx sin ϕ = = . . . (y cos ϕ − x sin ϕ) = . . . (ρ sin ϕ cos ϕ − ρ cos ϕ sin ϕ) = 0 , Eϕ = E · eϕ = −Ex sin ϕ + Ey cos ϕ = −v By sin ϕ + Bx cos ϕ = = γ2
μ0
4π
(z − v t) 3m 5|2 (−v y sin ϕ − v x cos ϕ) = 2 2 x + y + γ 2 (z − v t)2
−v(z − v t)ρ μ0 = . . . − v ρ sin2 ϕ + cos2 ϕ = γ 2 3m , 2 4π [ρ + γ 2 (z − v t)2 ]5|2 Ez = 0 , Bρ = Bx cos ϕ + By sin ϕ =
1 1 Ex sin ϕ − Ey cos ϕ = − Eϕ , v v
Bϕ = −Bx sin ϕ + By cos ϕ = Bz = 4.
1 1 Ey sin ϕ + Ex cos ϕ = Eρ = 0 , v v
2γ 2 (z − v t)2 − ρ2 μ0 m . 4π [ρ2 + γ 2 (z − v t)2 ]5|2
Die E-Linien sind in der xy-Ebene Kreise mit Mittelpunkt im Koordinatenursprung: E = Eϕ (t) eϕ , Eϕ (t; z = 0) = γ 2
v2 t μ0 3m 2 . 4π (ρ + γ 2 v2 t 2 )5|2
Ey
t Abb. A.3.
5.
˙ dann auftreten, wenn ein Geschlossene E-Linien können wegen rot E = −B zeitlich veränderliches Magnetfeld vorliegt.
Lösungen der Übungsaufgaben
119
Lösung zu Aufgabe 2.5.7 1. Eine in Σ zunächst ruhende Ladung erfährt in Σ als dort bewegte Ladung von dem reinen B -Feld eine Beschleunigung. In Σ muss diese Beschleunigung aber von einem E-Feld stammen, da die Ladung ja anfänglich ruht. 2. Das E -Feld in Σ werde von in Σ ruhenden Ladungen erzeugt, z. B. auf Kondensatorplatten. In Σ bewegen sich diese Ladungen und erzeugen damit ein B-Feld.
2.5.7
Lösung zu Aufgabe 2.5.8 1. Für die Raumkomponenten der Minkowski-Kraft gilt:
2.5.8
d d pr = γ pr = γ F = γ q(v × B), dτ dt pr = γ m v d 1 d 2 pr = γ m q v · (v × B) = 0 = p dt 2 dt r −1|2 v2 ⇒ p2r = const ⇒ v2 = const ⇐⇒ γ (v) = 1 − 2 = const . c ⇒ pr ·
Für die relativistische Energie gilt (2.63): Tr = 2.
c2 p2r + m2 c4 = const .
Anfangsbedingung: pr (t = 0) = m γ v0 (1, 0, 0) p˙ r = q(v × B) = q vy B, −vx B, 0 = =
1 qB pry , −prx , 0 . γ m
Erstes Teilergebnis: prz = const
ω≡
qB 1 1 ≡ ω0 m γ γ
(γ = const) .
d prx + i pry = ω pry − i prx = −i ω prx + i pry dt ⇒ prx + i pry (t) = (prx + i pry )(0) e−iωt ⇒ prx (t) = prx (0) cos ωt + pry (0) sin ωt , pry (t) = −prx (0) sin ωt + pry (0) cos ωt .
120
Lösungen der Übungsaufgaben
Anfangsbedingungen: pr (0) = m γ v0 , 0, 0 . Dies ergibt: pr (t) = m γ v0 (cos ωt, − sin ωt, 0) . 3.
p2r (t) = const ist offensichtlich gewährleistet. Die Bahn erhalten wir aus 1 r(t) − r(t = 0) = mγ
t
dt pr (t ) = 0
t v0 sin ωt , cos ωt , 0 =
ω
0
m v0 {(sin ωt, cos ωt, 0) − (0, 1, 0)} ⇒ r(t) = x0 , 0, 0 + γ qB m v0 ⇒ r(t) = γ (sin ωt, cos ωt, 0) . qB
2.5.9
Lösung zu Aufgabe 2.5.9 1. Raumkomponenten des relativistischen Impulses: −1|2 v2 γ (v) = 1 − 2 , pr = γ (v)m v ; c
p˙ r = q E ⇒ p˙ rx = q E ;
p˙ ry = p˙ rz = 0 .
Mit den gegebenen Anfangsbedingungen folgt nach Integration: −1|2 v2 pr (t) = q E t, γ0 m v0 , 0 ; γ0 = 1 − 20 . c Für die relativistische kinetische Energie gilt dann nach (2.63): Tr (t) = m2 c4 + c2 p2r (t) = m2 c4 + c2 (q2 E2 t 2 + γ02 m2 v02 ) . 2.
Man beachte, dass anders als im homogenen Magnetfeld (Aufg. 2.5.6) im homogenen elektrischen Feld v2 = v2 (t). γ (v) ist also keine Konstante. Nach (2.61) ist aber: Tr = m γ (v)c2 ⇒ pr =
Tr c2 v ⇐⇒ v = pr . 2 c Tr
Lösungen der Übungsaufgaben
121
Dies bedeutet im Einzelnen: c2 q E t 1 d Tr (t) , x˙ (t) = = q E dt m2 c4 + c2 q2 E2 t 2 + γ02 m2 v02 c2 γ0 m v0 y˙ (t) = = m2 c4 + c2 q2 E2 t 2 + γ02 m2 v02 c γ0 m v0 d ln [c q E t + Tr (t)] = q E dt c γ0 m v0 d cqEt , = arcsinh q E dt Tr (0)
=
˙z(t) = 0 . 3.
Man beachte die Anfangsbedingungen: z(t) ≡ z0 ,
c γ0 m v0 cqEt , arcsinh qE Tr (0) 1 x(t) = Tr (t) − Tr (0) , qE Tr (0) = m2 c4 + c2 γ02 m2 v02 .
y(t) =
Das Teilchen durchläuft die Raumkurve x = x(y): yqE , c q E t = Tr (0) sinh c γ0 m v0 . 2 2 2 2 2 2 Tr (t) = Tr (0) + c q E t = Tr (0) 1 + sinh
qE y = Tr (0) cosh c γ0 m v0 Daraus folgt:
qE y = c γ0 m v0
.
Tr (0) qE cosh y − 1 = x(y) . x= qE c γ0 m v0
Lösung zu Aufgabe 2.5.10 1. Es gilt nach (2.59) und (2.54):
0,711 m(v) Tr (v) = = γ (v) = = 1,391 m(0) Tr (0) 0,511 ⇒ m(v) = 1,391 m(0) .
2.5.10
122
Lösungen der Übungsaufgaben
2. γ = 1 − β2 −(1|2) ⇐⇒ β =
.
γ2 − 1 = 0,695 γ2
⇒ v = 0,695 c . 3. 2 vnr =
2T 2T 0,4 v2 = = ⇒ nr m(0) c2 m c2 0,511 ⇒ vnr = 0,885 c .
Relativer Fehler:
ε=
2.5.11
vnr − v 100 = 27,30% . v
Lösung zu Aufgabe 2.5.11
m : 0Masse : Lorentz-Invariante , E0 = mc2 : Ruheenergie , mc2 Tr = : kinetische Energie , 1 − v2 |c 2 Tr = c2 p2r + m2 c4 . Elastischer Stoß zweier gleicher Massen E0
Tr
Tr1
pr1
ϑ pr
m
m
pr2 Tr2
Vorher
Nachher
Abb. A.4.
Ziel: Berechnung des Streuwinkels ϑ als Funktion von Tr und Tr1 (nichtrelativistisch: ϑ = 90◦ ). Impulssatz: pr + 0 = pr1 + pr2 .
Lösungen der Übungsaufgaben
123
Energiesatz: Tr + E0 = Tr1 + Tr2 , Tr2 = c2 p2r + E02
⇒
pr =
1 Tr2 − E02 , c
p2r = p2r1 + p2r2 + 2 pr1 pr2 cos ϑ , 1 2 E02 1 2 2 2 T = T − 2 − E + T + 2 pr1 pr2 cos ϑ 0 r2 c2 r c2 r1 c2 ⇒
cos ϑ =
2 − T2 Tr2 + E02 − Tr1 r2 . 2 pr1 pr2 c2
Tr2 , pr2 mit Erhaltungssätzen eliminieren: Tr2 = Tr + E0 − Tr1 , 2 2 = Tr2 + E02 + Tr1 + 2 Tr E0 − 2 Tr Tr1 − 2 E0 Tr1 Tr2
⇒
2 2 2 Tr2 + E02 − Tr1 − Tr2 = −2 Tr1 − 2 Tr E0 + 2 Tr Tr1 + 2 E0 Tr1 =
= 2 Tr − Tr1 Tr1 − E0 . 1 2 − E2 = 1 Tr2 + E0 Tr2 − E0 = Tr2 0 c c 1 Tr − Tr1 Tr + 2E0 − Tr1 = c 1 Tr1 + E0 Tr1 − E0 pr1 = c Tr − Tr1 Tr1 − E0 cos ϑ = , Tr1 + E0 Tr1 − E0 Tr − Tr1 Tr + 2 E0 − Tr1 pr2 =
⇒
cos ϑ = / 1+ Tr1,2 ≥ E0 :
1 2 E0 1+ Tr1 −E0
Tr ≥ Tr1
⇒
2 E0 Tr −Tr1
.
cos ϑ < 1 ⇒ ϑmin < ϑ ≤ 90◦ .
a) v≈c
⇒
cos ϑmin → 1 ;
Tr >> E0 ,
ϑmin → 0◦ .
124
Lösungen der Übungsaufgaben
b) v << c
⇒
2 E0 >> 1 ; Tr1 − E0
⇒
cos ϑ → 0 ;
2 E0 >> 1 Tr − Tr1
ϑ → 90◦ .
Es ergibt sich also das nicht-relativistische Resultat! 2.5.12
Lösung zu Aufgabe 2.5.12 1.
Tr = T + Tr (0) = 2 Tr (0) = γ Tr (0) ⇒ γ = 2 . Dies bedeutet:
/
γ 2 − 1 1| 2 3 = 0,866 . β= = 2 γ 4 Die Geschwindigkeit des π+ -Mesons beträgt somit:
2.
m v π+ = 0,866 c = 2,598 · 108 . s Zerfallszeit im Ruhesystem des Mesons:
τ = 2,5 · 10−8 s . Zerfallszeit im Ruhesystem des Beobachters:
τ = γ τ = 5 · 10−8 s . Zerfallsstrecke: d = v τ = 12,990 m .
2.5.13
Lösung zu Aufgabe 2.5.13 Energiesatz:
Tr (v) + Tr (0) = Tr v1 + Tr v2 ⇒ γ (v) + 1 = γ v1 + γ v2 . Impulssatz: m γ v = m γ v1 v1 + m γ v2 v2 ⇒ γ (v)β = γ v1 β1 + γ v2 β2 .
Lösungen der Übungsaufgaben
125
Die letzte Gleichung in Komponenten zerlegt: γ (v)β = γ v1 β1 cos ϑ + γ v2 β2 cos ϕ , 0 = γ v1 β1 sin ϑ − γ v2 β2 sin ϕ ,
γ 2 v2 β22 cos2 ϕ + sin2 ϕ = γ 2 v1 β21 sin2 ϑ + γ (v)β − γ v1 β1 cos ϑ
2
⇒ γ 2 v2 β22 = γ 2 v1 β21 + γ 2 (v)β2 − 2γ (v)γ v1 ββ1 cos ϑ . Die β’s eliminieren wir durch die Beziehung: γ vi βi = γ 2 vi − 1 ⇒ γ 2 v2 − 1 = γ 2 v1 − 1 + γ 2 (v) − 1 − 2 γ 2 (v) − 1 γ 2 v1 − 1 cos ϑ . Diese Gleichung kombinieren wir mit dem Energiesatz, um γ (v2 ) zu eliminieren: γ v2 = γ (v) + 1 − γ v1 ⇒ γ 2 v2 = γ 2 (v) + 1 + γ 2 v1 + 2γ (v) − 2γ v1 − 2γ (v)γ v1 . Dies setzen wir oben ein: 2γ (v) − 2γ v1 − 2γ (v)γ v1 = −2 − 2 γ 2 (v) − 1 γ 2 v1 − 1 cos ϑ ⇒ −2 γ v1 − 1 γ (v) + 1 = −2 γ 2 (v) − 1 γ 2 v1 − 1 cos ϑ ⇒
γ v1 − 1 γ (v) + 1 = γ (v) − 1 γ v1 + 1 cos2 ϑ .
Das können wir nach γ (v1 ) auflösen: γ (v) + 1 + γ (v) − 1 cos2 ϑ γ v1 = . γ (v) + 1 − γ (v) − 1 cos2 ϑ Mit der Abkürzung
α2 =
γ (v) − 1 γ (v) + 1
bleibt dann zu lösen:
γ v1 =
1 + α2 cos2 ϑ . 1 − α2 cos2 ϑ
Wir gehen nun zurück zum Impulssatz und dividieren die beiden Komponentengleichungen durcheinander: γ v1 β1 sin ϑ tan ϕ = . γ (v)β(v) − γ v1 β1 cos ϑ
126
Lösungen der Übungsaufgaben
Nun ist
0 1 1 1 + α2 cos2 ϑ 2 2 2 γ v1 β1 = γ v1 − 1 = = 2 1 − α2 cos2 ϑ − 1 =
2α cos ϑ . 1 − α2 cos2 ϑ
Andererseits gilt:
γ (v)β = γ 2 (v) − 1 =
Dies setzen wir in den Ausdruck für tan ϕ ein: tan ϕ =
α
γ (v) + 1 (γ (v) − 1) = α γ (v) + 1 .
2α cos ϑ sin ϑ 1−α2 cos2 ϑ 2 γ (v) + 1 − 1−2αα2coscos2ϑϑ
=
2 cos ϑ sin ϑ = γ (v) + 1 − γ (v) + 1 α2 cos2 ϑ − 2 cos2 ϑ
= =
2 cos ϑ sin ϑ = γ (v) 1 − cos2 ϑ + 1 − cos2 ϑ
=
2 cos ϑ sin ϑ . γ (v) + 1 1 − cos2 ϑ
Daraus folgt schließlich die Behauptung: tan ϕ tan ϑ =
2 . γ (v) + 1
Im nicht-relativistischen Grenzfall γ → 1 gilt: tan ϕ tan ϑ → 1 . Wegen tan(ϕ + ϑ) =
tan ϑ + tan ϕ 1 − tan ϕ tan ϑ
bedeutet dies tan(ϕ + ϑ) → ∞ und damit:
ϕ+ϑ →
π 2
.
Lösungen der Übungsaufgaben
127
Lösung zu Aufgabe 2.5.14 Energie des Elektrons:
2.5.14
Tr2 = c2 p2r + m2 c4 = c2 p2r + Tr2 (0) . Andererseits: Tr = T + Tr (0) . Kombiniert man diese beiden Gleichungen, so folgt: T 2 + 2 T Tr (0) = c2 p2r , T ←→ 1 MeV , Tr (0) ←→ 0,511 MeV ⇒ c2 p2r = 2,022 (MeV)2 ⇒ c pr = 1,422 MeV . Das Photon hat keine Ruhemasse: Tr (γ ) = c pr = 1,422 MeV .
Kapitel 1 Grundbegriffe
1
1
1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.5 1.6 1.7
Grundbegriffe Thermodynamische Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustand, Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Temperaturbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustandsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ideales Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Van der Waals-Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Idealer Paramagnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiß’scher Ferromagnet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
135 136 139 140 140 142 146 148 150 154 159
135
1 Grundbegriffe 1.1 Thermodynamische Systeme Als thermodynamisches System bezeichnen wir jedes makroskopische System, das aus sehr vielen Elementargebilden (Atomen, Elektronen, Photonen, Feldmoden, . . . ) aufgebaut ist. Thermodynamische Systeme sind also Systeme mit sehr vielen Freiheitsgraden, deren Mikrozustände uns jedoch hier nicht interessieren. Beispiele: Ein Liter Hörsaalluft, galvanisches Element, Dampfmaschine, ferromagnetisches Eisen, strahlungserfüllter Hohlraum, Kasten mit Inhalt, . . . Ein wichtiger Aspekt der thermodynamischen Systeme besteht in der Möglichkeit ihrer Abgrenzung gegen die Umgebung durch Wände, wodurch Wechselwirkungen zwischen System und Umgebung ganz oder teilweise ausgeschlossen werden. Um diesen Aspekt genauer zu verstehen, müssen wir im Folgenden bereits einige Begriffe verwenden, die zwar aus dem täglichen Sprachgebrauch vertraut sind, genau genommen aber erst in späteren Abschnitten für die Thermodynamik definiert werden: Isoliertes (abgeschlossenes) System Keinerlei Austausch von Eigenschaften und Inhalten mit der Umgebung; d. h. kein Teilchen- oder Energieaustausch, keine Wechselwirkung mit äußeren Feldern usw.
Geschlossenes System Kein Materie- (Teilchen-) Austausch mit der Umgebung. Ein solches System kann durchaus noch Kontakt mit der Umgebung haben. Beispiele 1) Wärmeaustauschkontakt (thermischer Kontakt) Dieser führt zum Temperaturausgleich zwischen System und Umgebung durch Austausch von Energie in Form von Wärme. Kann man die Umgebung als sehr großes System auffassen, dessen Temperatur sich bei Entnahme einer endlichen Wärmemenge praktisch nicht ändert, so sagt man, das System befinde sich in einem
Wärmebad. W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik 4 ISBN 978-3-642-01603-5 © Springer 2010
1.1
136
1. Grundbegriffe
Ein System ohne den Kontakt 1) heißt thermisch isoliert. 2) Arbeitsaustauschkontakt Durch Arbeitsleistung vom System an der Umgebung oder umgekehrt werden gewisse Systemeigenschaften geändert. Es kann sich dabei um mechanische, elektromagnetische, chemische oder eventuell andere Formen von Arbeit handeln:
Gas
Abb. 1.1. Kompression eines Gases durch Kolbenbewegung als Beispiel
für einen Arbeitsaustauschkontakt
Offenes System Keinerlei Einschränkungen, d. h. auch Teilchen- (Stoffmengen-) Austausch mit der Umgebung.
1.2
1.2 Zustand, Gleichgewicht Zur Beschreibung eines thermodynamischen Systems benutzen wir die Resultate von repräsentativen Messungen an charakteristischen makroskopischen Observablen, den so genannten Zustandsgrößen (Zustandsvariablen). Welche Größen letztlich in Betracht kommen, ist nicht eindeutig vorgegeben, sondern richtet sich weitgehend nach Interesse und Zweckmäßigkeit. Gesichtspunkte bei der Auswahl können dabei sein: einfache Messungen, unabhängige Observable, ausreichend detaillierte (vollständige) Beschreibung, . . . Von einem vollständigen Satz unabhängiger Zustandsgrößen spricht man genau dann, wenn sich alle anderen thermodynamischen Größen des Systems als Funktionen dieser Variablen darstellen lassen. Typisch für die Thermodynamik ist, dass bereits wenige Zustandsgrößen trotz vieler Freiheitsgrade zur Beschreibung ausreichen, weil der atomare (mikroskopische) Aufbau des Systems nicht interessiert. Beispiele Gas-Flüssigkeit: Druck p, Volumen V, Temperatur T, Teilchenzahl N, Entropie S, innere Energie U . . . ,
1.2
Zustand, Gleichgewicht
137
Magnet: Magnetfeld H, magnetisches Moment m, Magnetisierung M(r), Temperatur T, . . .
Nicht alle Zustandsgrößen sind unabhängig; es gibt Relationen zwischen ihnen. Man unterscheidet deshalb zwischen abhängigen und unabhängigen Zustandsvariablen. Die abhängigen nennt man Zustandsfunktionen. Man unterscheidet: 1) Extensive Zustandsgrößen (Quantitätsgrößen) Diese sind mengenproportional, d. h., sie verhalten sich additiv bei der Zusammensetzung von Systemen, z. B. V, m, Masse M, U, . . . 2) Intensive Zustandsgrößen (Qualitätsgrößen) Diese sind mengenunabhängig, z. B. T, p, M, ρ = N |V, . . . In der Thermodynamik hat man es praktisch ausschließlich mit extensiven oder mit intensiven Zustandsgrößen zu tun. Wir listen weitere wichtige Begriffe auf:
Zustandsraum: Raum, der von einem vollständigen Satz unabhängiger Zustandsgrößen aufgespannt wird.
Zustand: Werte eines vollständigen Satzes von unabhängigen Zustandsgrößen; Punkt im Zustandsraum.
Gleichgewicht: Zustand, in dem sich die Werte der Basis-Zustandsgrößen zeitlich nicht mehr ändern.
Erfahrungsgemäß geht jedes isolierte System von allein in einen Zustand, der sich mit der Zeit nicht mehr ändert. Dieses ist dann der Gleichgewichtszustand. Die Zeit, die das System benötigt, um diesen zu erreichen, wird Relaxationszeit genannt. Diese kann von System zu System um Größenordungen variieren. In der Thermodynamik versteht man unter einem Zustand, wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, stets einen Gleichgewichtszustand.
138
1. Grundbegriffe
Zustandsänderung, Prozess: Folge von Zuständen, die das System durchläuft. War der Ausgangszustand ein Gleichgewichtszustand, so kann eine Zustandsänderung nur durch Änderung der äußeren Bedingungen veranlasst werden.
Die Zustandsänderung wird quasistatisch genannt, wenn sie so langsam gegenüber den Relaxationszeiten verläuft, dass sie praktisch aus einer Folge von Gleichgewichtszuständen besteht. Sie beschreibt eine Kurve im Zustandsraum. Die Zustandsänderung wird reversibel genannt, wenn es sich um eine umkehrbare Folge von Gleichgewichtszuständen handelt, d. h., wenn einer zeitlichen Umkehr der Änderung der äußeren Bedingungen eine zeitliche Umkehr der vom System durchlaufenen Zustände entspricht. Eine irreversible Zustandsänderung ist demzufolge nicht umkehrbar. Paradebeispiel ist die Durchmischung zweier Gase. (S. Abb. 1.2.)
• • • • • • A • • • • •
•
• • × • × × × • • × A∪ B • × • × • ×
× × × ×B ×× × × × ××
Abb. 1.2. Durchmischung zweier Gase als Beispiel für eine irreversible Zustandsänderung
Das Hineinschieben der Trennwand nach der Durchmischung führt nicht wieder zum Ausgangszustand. Reale Prozesse sind in der Regel weder quasistatisch noch reversibel. Eine wichtige Rolle wird im Folgenden der Kreisprozess spielen, dass alle Zustandsgrößen, nicht nur die unabhängigen, zu denselben Werten zurückkehren. Dieser Band des Grundkurs: Theoretische Physik beschäftigt sich ausschließlich mit der Gleichgewichts-Thermodynamik (besser eigentlich: „Thermostatik“). Die Nicht-Gleichgewichts-Thermodynamik ist außerordentlich kompliziert.
1.3
Der Temperaturbegriff
139
1.3
1.3 Der Temperaturbegriff Wenn wir nun beginnen, thermodynamische Zustände und ihre Prozesse zu diskutieren, so können wir Bedeutung und Messvorschrift der meisten Observablen von anderen Disziplinen der Physik, wie z. B. der Mechanik (p, V, ρ, . . . ) oder der Elektrodynamik (H, M, . . . ), übernehmen. Begriff und Messvorschrift der Temperatur müssen wir jedoch neu einführen. Dieses soll in mehreren, immer präziser werdenden Schritten erfolgen. Der Temperaturbegriff ist uns natürlich im Zusammenhang mit gefühlsmäßigen Wahrnehmungen von warm und kalt gewissermaßen seit unserer Geburt vertraut. Es handelt sich also einerseits um einen recht elementaren Begriff. Andererseits wissen wir aber auch, dass Empfindungen von warm und kalt höchst subjektiv und damit nicht reproduzierbar sind. Es ist deshalb keinesfalls selbstverständlich, dass die Temperatur auch als eine physikalische Messgröße aufgefasst werden kann. Wir postulieren ihre Existenz! Definition 1.3.1: Nullter Hauptsatz 1. Jedes makroskopische System besitzt eine
1.3.1
Temperatur T.
2. 3.
Es handelt sich dabei um eine intensive Zustandsgröße, die in einem sich selbst überlassenen, isolierten System überall denselben Wert annimmt, d. h. einem homogenen Gleichgewichtswert zustrebt. T ist durch eine Zahl gekennzeichnet, ist also eine skalare Messgröße. Von zwei, sich in ihrem Gleichgewicht befindlichen Systemen A und B kann stets gesagt werden: TA > TB
4.
oder TA < TB
oder TA = TB
A, B, C seien thermodynamische Systeme. Dann folgt aus TA > TB und TB > TC stets TA > TC
5.
(Anordnungsaxiom) .
(Transitivität) .
Systeme A und B seien in thermischem Kontakt, das Gesamtsystem A ∪ B sei isoliert, dann gilt im Gleichgewicht: TA = TB = TA ∪ B .
6.
Sei für zwei zunächst getrennte Systeme TA(a) < TB(a) , dann gilt nach Herstellung des thermischen Kontakts im Gleichgewicht: TA(a) < TA∪B < TB(a) .
140
1. Grundbegriffe
Als vorläufige Messvorschrift benutzt man die Auswirkung der Temperatur auf andere Observable. Jede physikalische Eigenschaft, die sich monoton und eindeutig mit T ändert, kann zur Konstruktion eines Thermometers verwendet werden: Quecksilberthermometer
(Volumen) ,
Gasthermometer
(Druck) ,
Widerstandsthermometer (elektrischer Widerstand) . Einzelheiten zur Wirkungsweise entnehme man Büchern zur Experimentalphysik. Man beachte, dass jede Temperaturmessung ganz entscheidend die Eigenschaft 5. des thermischen Gleichgewichts benutzt. Jedes Thermometer misst ja eigentlich seine eigene Temperatur, die erst im thermischen Gleichgewicht mit der des zu untersuchenden Systems übereinstimmt. Bei unterschiedlichen Ausgangstemperaturen tritt wegen 6. stets eine gewisse Verfälschung der Systemtemperatur ein.
1.4
1.4 Zustandsgleichungen Unter Zustandsgleichungen verstehen wir Relationen zwischen gewissen extensiven und intensiven Zustandsvariablen Zi des Systems: f Z1 , Z2 , . . . , Zn = 0 .
(1.1)
Sie müssen eindeutig umkehrbar, d. h. nach allen Variablen Zi auflösbar sein. Man kann mit ihrer Hilfe abhängige in unabhängige Zustandsvariable verwandeln und umgekehrt. Die in der Thermodynamik verwendeten Zustandsgleichungen werden ohne Ableitung als experimentell verifizierte Tatsachen hingenommen. Sie folgen in der Regel aus einfachen theoretischen Modellvorstellungen über das zugrunde liegende physikalische System. Die vier wichtigsten Beispiele wollen wir kurz andiskutieren: 1.4.1 Ideales Gas Wir beginnen mit dem einfachsten System, einem Gas aus N Molekülen, das die folgenden zwei idealisierenden Annahmen erfüllen möge: 1. keine Eigenvolumina der Moleküle (Massenpunkte), 2. keine Wechselwirkungen der Teilchen untereinander.
Diese Voraussetzungen sind in einem realen Gas streng genommen nur bei unendlicher Verdünnung erfüllt.
1.4
Zustandsgleichungen
141
Eine Menge Gas aus N Teilchen sei in einem Volumen V eingeschlossen. Es befinde sich in thermischem Kontakt mit einem Wärmebad einer bestimmten Temperatur. Nach dem Nullten Hauptsatz nimmt das Gas im Gleichgewicht dieselbe Temperatur an. Im Gas herrscht ein homogener Druck p. Bei Änderung des Volumens V ändert sich auch der Druck p. Experimentelle Beobachtung: Bei hinreichender Verdünnung ρ = N |V → 0 verhalten sich alle Gase gleich und befolgen das Boyle–Mariotte’sche Gesetz pV = K = const . N
(1.2)
Man kann (1.2) als Definitionsgleichung für das ideale Gas auffassen. Die Konstante K nimmt für Wärmebäder unterschiedlicher Temperatur verschiedene Werte an und kann deshalb benutzt werden, eine Messvorschrift für die Temperatur festzulegen. Ansatz: K(ϑ) = K0 (1 + α ϑ) .
(1.3)
Celsius-Skala:
ϑ = 0 ◦ C : Gefrierpunkt des Wassers , ϑ = 100 ◦ C : Siedepunkt des Wassers bei p = 1 atm . Aus den Messwerten für K0 = K(0◦ ) und K(100◦ ) folgt:
α=
1 K(100◦ ) − K(0◦ ) = . ◦ ◦ 100 K(0 ) 273,2
(1.4)
Dieses Ergebnis ist unabhängig von der Art des Gases, falls nur (1.2) gilt. Mit (1.2) bis (1.4) lässt sich die Temperatur eines jeden Wärmebades bzw. Gases bestimmen. Kelvin-Skala (absolute Temperatur): T = α−1 + ϑ = 273,2 ◦ + ϑ .
(1.5)
Die Konstante kB = K0 α ist universell, heißt Boltzmann-Konstante und hat den Wert kB = 1,3805 · 10−23 J | K .
(1.6)
142
1. Grundbegriffe
Damit lautet die Zustandsgleichung des idealen Gases p V = N kB T .
(1.7)
Dies kann man noch etwas anders formulieren, wenn man NA = 6,02252 · 1023 mol−1 ,
(1.8)
die Avogadro-Konstante (früher: Loschmidt-Zahl) oder R = kB NA = 8,3166
J , mol K
(1.9)
die allgemeine Gaskonstante benutzt. Bezeichnet man mit n = N |NA die Zahl der Mole, dann gilt auch pV = nRT .
(1.10)
Die so definierte Temperaturskala hat einen universellen Charakter, da (1.2) unabhängig von der Art des idealen Gases ist. p, V, N sind positive Größen, somit auch die absolute Temperatur T. Ein Nachteil dieser Temperaturdefinition besteht darin, dass sie an Gase gebunden ist, die die ideale Gasgleichung erfüllen, benötigt also die beiden Voraussetzungen 1. und 2. Sie wird sicher für T → 0 und|oder große p wegen der dann einsetzenden Verflüssigung unbrauchbar. Dieses Manko wird im Zusammenhang mit dem Zweiten Hauptsatz durch Einführung einer universellen (thermodynamischen) Temperatur behoben. Der in diesem Abschnitt formulierte Temperaturbegriff wird also nur einen vorläufigen Charakter haben. 1.4.2 Van der Waals-Gas Die Zustandsgleichung des idealen Gases (1.7) kann wegen der beiden Einschränkungen 1. und 2. nur in der Grenze sehr kleiner Teilchendichte für reale Gase verwendbar sein. Insbesondere ist sie nicht in der Lage, den Phasenübergang „Gas ↔ Flüssigkeit“ zu beschreiben. Durch den folgenden Ansatz
peff Veff = n R T
(1.11)
wollen wir die ideale Gasgleichung (1.10) so verallgemeinern, dass die beiden Bedingungen 1. und 2. wegfallen, andererseits aber in der Grenze starker Verdünnung wieder (1.10) resultiert: Zu 1.: Für p → ∞ gilt bei T = const in der idealen Gasgleichung V → 0 unter Missachtung der Eigenvolumina der Gasmoleküle. Für das reale Gas werden wir ein minimales Volumen zu berücksichtigen haben:
1.4
Zustandsgleichungen
143
Vmin ≈ N Teilchenvolumen ≡
b N NA
⇒ Veff = V − Vmin = V − n b .
(1.12)
Eigenvolumen
Zu 2.: d Abb. 1.3. Zur Begründung des Binnendrucks in der van der
Waals-Zustandsgleichung
Die Teilchen des realen Gases wechselwirken miteinander. Wegen der homogenen Verteilung heben sich die Wechselwirkungskräfte auf ein Teilchen im Gefäßinnern im Mittel heraus. Für ein Teilchen am Rand bleibt allerdings eine resultierende Kraftkomponente nach innen. Das vermindert den Druck des Gases auf die Gefäßwände, wo er andererseits gemessen wird: peff > „Wanddruck“ p . Der Differenzdruck ist proportional zur Zahl der Teilchen-Wechselwirkungen in der Randschicht, deren Dicke d etwa durch die mittlere Reichweite dieser Wechselwirkungen gegeben ist: Zahl der Wechselwirkungen in der Randschicht: 2 2 N N ∼ . N N − 1 ∼ (d · S)2 V V (S: Gefäßoberfläche.) Dem entspricht: peff = p + a
n2 . V2
(1.13)
Binnendruck Gleichungen (1.12) und (1.13) in (1.11) eingesetzt ergibt die van der Waals-Zustandsgleichung n2 p + a 2 (V − n b) = n R T . V
(1.14)
144
1. Grundbegriffe
a und b sind phänomenologische Materialkonstanten, wobei a sehr stark, b weniger stark von Substanz zu Substanz varriiert. – Wir wollen die Zustandsgleichung (1.14) noch etwas genauer untersuchen: 1) Kritischer Punkt Man kann (1.14) auf die folgende Gestalt bringen: a n2 nRT n3 +V V3 − V2 n b + − ab =0. p p p
(1.15)
p
T2 > Tc pc
T = Tc
B
p1
T1 < Tc
A
V1
Vc
V2
V
Abb. 1.4. Isothermen des van der Waals-Gases
Dies ist eine Gleichung dritten Grades für das Volumen V, die bei gegebenem p, T für p < pc , T < Tc drei reelle Lösungen, sonst eine reelle und zwei komplexe Lösungen aufweist. Es gibt also einen kritischen Punkt pc , Vc , Tc , bei dem die drei Lösungen gerade zusammenfallen. In diesem speziellen Punkt muss demnach gelten: 3 ! 0 = V − Vc = V 3 − 3V 2 Vc + 3V Vc2 − Vc3 . Der Koeffizientenvergleich mit (1.15) liefert die kritischen Daten des realen Gases, die sämtlich durch die beiden phänomenologischen Parameter a, b bestimmt sind: Vc = 3 b n ;
pc =
a ; 27 b2
R Tc =
8a . 27 b
(1.16)
Man kann aus diesen Gleichungen natürlich a und b eliminieren und erhält dann: Zc =
pc Vc 3 = . n R Tc 8
(1.17)
Experimentell findet man für praktisch alle realen Gase Zc < 3|8, während für das ideale Gas nach (1.10) Zc = 1 ist. In dieser Hinsicht liefert das van der Waals-Modell eine deutliche Verbesserung.
1.4
Zustandsgleichungen
145
2) Gesetz von den korrespondierenden Zuständen Führt man die reduzierten Größen
π=
p ; pc
v=
V ; Vc
t=
T Tc
(1.18)
ein, so lässt sich die van der Waals-Gleichung (1.14) in eine Form bringen, die keine Materialkonstanten mehr enthält, deshalb für alle Substanzen Gültigkeit haben sollte: 3 (1.19) π + 2 (3 v − 1) = 8 t . v Man sagt, dass zwei Substanzen mit denselben (π, v, t)-Werten sich in korrespondierenden Zuständen befinden. Diese universelle Gleichung ist im Allgemeinen weit besser erfüllt als die ursprüngliche van der Waals-Gleichung (1.14), aus der sie abgeleitet wurde. 3) Maxwell-Konstruktion Die pV-Isothermen zeigen für T < Tc eine unphysikalische Besonderheit. Es gibt einen Bereich, in dem ∂p >0 ∂V T
ist. Dieses kann nicht realistisch sein, da eine Volumenabnahme dV < 0 dann auch eine Druckabnahme dp < 0 zur Folge hätte. Das System würde kollabieren. Die Ursache dieser unphysikalischen Besonderheit liegt darin, dass wir implizit bei der Ableitung der van der Waals-Zustandsgleichung davon ausgegangen sind, dass das System aus genau einer homogenen Phase besteht. Wir bezeichnen eine Phase als homogen, wenn in ihr die intensiven Zustandsgrößen, wie z. B. ρ, T, p, . . . , überall denselben Wert haben. Diese Annahme ist für T < Tc falsch. In dem blau schraffierten Bereich in Abb. 1.4 liegt vielmehr ein Zwei-Phasen-Gebiet vor. Flüssigkeit und Gas stehen miteinander im Gleichgewicht. Man hat hier die van der Waals-Isotherme durch eine Parallele zur V-Achse zu ersetzen, und zwar so, dass die in der Skizze angedeuteten Flächen A und B gleich sind. Man nennt dies die Maxwell-Konstruktion, deren physikalische Rechtfertigung wir später nachliefern werden. Bei der Temperatur T1 , dem Druck p1 und dem Volumen V1 besteht das System aus einer homogenen Phase Flüssigkeit. Wird bei konstanter Temperatur das Volumen vergrößert, so bleibt der Druck konstant. Ein Teil der Flüssigkeit verdampft zu Gas. Bei V2 ist das gesamte System gasförmig, weitere Volumenvergrößerung führt dann zu einer Druckabnahme. 4) Virialentwicklung Phasenübergänge sind offensichtlich von unstetiger Natur, wie wir am Übergang Flüssigkeit ⇐⇒ Gas gerade gesehen haben. Man kann deshalb nicht erwarten, dass
146
1. Grundbegriffe
exakte Zustandsgleichungen realer Gase einfache analytische Ausdrücke darstellen. Wir mussten ja für eine erste angenäherte Beschreibung zu der van der WaalsGleichung bereits die Maxwell-Konstruktion hinzuziehen. Man benutzt deshalb bisweilen Reihenentwicklungen nach der Teilchendichte: 2 N kB T N N 1 + B1 + B2 + ... . (1.20) p= V V V Die so genannten Virialkoeffizienten Bi drücken die Abweichung vom Verhalten des idealen Gases aus. Sie werden in der Statistischen Mechanik theoretisch begründet. Für das van der Waals-Gas findet man: b a b ν ; Bν = − , für ν ≥ 2 . (1.21) B1 = NA NA2 kB T NA 1.4.3 Idealer Paramagnet Wir betrachten einen Festkörper, dessen streng periodisch angeordnete Ionen ein permanentes magnetisches Moment mi aufweisen. Der Index i (i = 1, 2, . . . , N) nummeriert die einzelnen Momente durch. Abb. 1.5. Modell eines Paramagneten, aufgebaut aus
mg
mh
mi
mj
mk
an „Gitterplätzen“ lokalisierten magnetischen Momenten mi
Ein Ion besteht aus einem positiv geladenen Kern und einigen, um diesen kreisenden, negativ geladenen Elektronen. Diese stellen Mikro-Kreisströme dar, mit denen nach ((3.43), Bd. 3) ein magnetisches Moment verknüpft ist. Da es sich hierbei um Vektoren mit unterschiedlichen Richtungen handelt, kompensieren sie sich in den meisten Fällen in ihren Wirkungen. In einigen Festkörpern bleibt jedoch pro Ion ein resultierendes Moment, das in der obigen Abbildung durch einen Vektorpfeil angedeutet ist. Eine mögliche Wechselwirkung zwischen den lokalisierten Momenten wird durch kleine Federn symbolisiert. – Physikalische Einzelheiten über magnetische Festkörper entnehme man Abschn. 3.4, Bd. 3. – Wir werden in der Thermodynamik sehr einfache Modelle des Para- und des Ferromagneten benutzen. Beim idealen Paramagneten geht man wie beim idealen Gas davon aus, dass zwischen den Momenten keine Wechselwirkung vorliegt. Die Richtungen der einzelnen Momente sind dann statistisch verteilt, sodass das resultierende Gesamtmoment Null ist. Schaltet man nun ein homogenes Magnetfeld, H = H ez , auf, so versuchen die elementaren Dipole sich wegen ((3.52), Bd. 3) parallel zum Feld einzustellen. Durch diesen Ausrichtungseffekt entsteht ein makroskopisches Gesamtmoment, das noch von der Temperatur abhängen wird. Wir werden später
1.4
Zustandsgleichungen
147
sehen, dass die mit T anwachsende thermische Energie der Elementarmagnete dem Ausrichtungseffekt entgegengerichtet ist. Wir kommen zur Zustandsgleichung des idealen Paramagneten über die Definitionen: Gesamtmoment : mtot = mi ; |mi | = m ∀i , i
1 mtot = M(T, H) ez . V
Magnetisierung : M =
Da H und M im Allgemeinen parallel sein werden, können wir die Vektornotation unterdrücken. Die Zustandsgleichung des idealen Paramagneten lautet dann: B0 , (1.22) M = M0 L m kB T L(x) = coth x − M0 =
1 : Langevin-Funktion , x
N m : Sättigungsmagnetisierung , V
(1.23) (1.24)
B0 = μ0 H . Gleichung (1.22) lässt sich in der Statistischen Mechanik einfach ableiten. Wir begnügen uns hier mit dem Resultat. M M0
T1
Abb. 1.6. Magnetisierung eines Para-
T2
T3 > T2 > T1
T3
B0
magneten als Funktion einer äußeren magnetischen Induktion für drei verschiedene Temperaturen. M 0 : Sättigungsmagnetisierung
Die Sättigung ist erreicht, sobald alle Momente parallel ausgerichtet sind. Dann bringt eine weitere Feldsteigerung keinen Zugewinn an Magnetisierung. Typisch für den Paramagneten ist M(H, T) −→ 0 . H →0
Für hohe Temperaturen wird das Argument der Langevin-Funktion sehr klein. Dann können wir wegen L(x) −→ x|3 (1.22) weiter vereinfachen: x→0
M=
C H T
Curie-Gesetz .
(1.25)
N m2 . V 3 kB
(1.26)
C ist die so genannte Curie-Konstante, C = μ0
148
1. Grundbegriffe
In der Regel benutzt man die Zustandsgleichung des idealen Paramagneten in der vereinfachten Form (1.25). 1.4.4 Weiß’scher Ferromagnet Das magnetische Analogon zum realen Gas ist der Ferromagnet. Eine so genannte Austauschwechselwirkung zwischen den lokalisierten Momenten sorgt für die Existenz einer kritischen Temperatur Tc , die man Curie-Temperatur nennt:
T ≤ Tc :
spontane Magnetisierung M(T, H) −→ MS (T) =/ 0 , H →0
T > Tc : Eigenschaften wie beim Paramagneten . Die immer noch weitgehend unverstandene Austauschwechselwirkung kann man in guter Näherung in ihren Auswirkungen durch ein effektives magnetisches Feld simulieren, Beff = μ0 λ M ,
(1.27)
das man als proportional zur Magnetisierung ansetzt. λ ist die so genannte Austauschkonstante. Man ersetzt also die wechselwirkenden Momente durch nichtwechselwirkende in einem effektiven Feld der Form Beff . Dieses addiert sich zum äußeren Feld B0 . Ansonsten haben wir in diesem Modell dieselbe Situation wie beim Paramagneten, können also (1.22) in passend modifizierter Form übernehmen:
B0 + Beff . (1.28) M T, B0 = M0 L m kB T Das ist die Zustandsgleichung des Ferromagneten, die eine implizite Bestimmungsgleichung für die Magnetisierung darstellt. Die spontane Magnetisierung MS (T) ergibt sich aus (1.28) für B0 = 0:
λ MS (T) . (1.29) MS (T) = M0 L μ0 m kB T M=M
M M0
× Ms
⎛ λM ⎞⎟ M = M0 L ⎜⎜μ0 m ⎟ k BT ⎠ ⎝ M
Abb. 1.7. Graphische Bestimmung der spontanen Magnetisierung des Weiß’schen Ferromagneten
Man erkennt, dass MS (T) ≡ 0 (Paramagnetismus!) stets Lösung ist. Unter gewissen Umständen gibt es jedoch noch weitere Lösungen. Da L(x) in (1.29) als Funktion
1.4
Zustandsgleichungen
149
von M für große M bei 1 sättigt, gibt es genau dann eine Lösung MS =/ 0, wenn die rechte Seite von (1.29) eine Anfangssteigung größer als 1 hat:
! d λ M(T) M0 L μ0 m = 1 ≤ dM kB T M =0 d N λ M λ λC M0 μ0 m = = μ0 m2 = . dM 3 kB T M = 0 V 3kB T T Damit ist die Curie-Temperatur Tc festgelegt: Tc = λ C . T < Tc ⇐⇒
T > Tc ⇐⇒
λC T
λC T
(1.30)
> 1 ⇐⇒ MS =/ 0 existiert ⇐⇒ Ferromagnetismus , < 1 ⇐⇒ nur MS = 0 ist Lösung ⇐⇒ Paramagnetismus .
Existiert eine Lösung MS > 0, dann ist auch −MS Lösung, wie man sich wegen tanh (−x) = −tanh x leicht an (1.29) klarmacht. Die genauere Analyse von (1.28) liefert qualitativ das in Abb. 1.8 dargestellte Verhalten: M
T = Tc
M
T < Tc
M0
M0
×
B0 = 0
T > Tc
× Tc
B0 ×
− M0
− M0
B0 ≠ 0
T
Abb. 1.8. Links: Feldabhängigkeit der Magnetisierung des Ferromagneten für Temperaturen
oberhalb, unterhalb und gleich der Curie-Temperatur. Rechts: Temperaturabhängigkeit der Magnetisierung mit und ohne äußeres Feld
Weitere Einzelheiten zum Para- und Ferromagnetismus entnehme man der Spezialliteratur. Man kann die Zustandsgleichung (1.28) wie beim Paramagneten noch weiter vereinfachen, wenn man sich auf hohe Temperaturen und kleine Felder beschränkt: M ≈ M0 m Daraus folgt das
Tc B0 + Beff C C = (H + λ M) = H + M . 3 kB T T T T
150
1. Grundbegriffe
Curie-Weiß-Gesetz M(H, T) ≈
C H. T − Tc
(1.31)
Für die Thermodynamik werden wir uns in der Regel mit dieser vereinfachten Version der Zustandsgleichung eines Ferromagneten zufrieden geben. Diskutiert man magnetische Systeme, so werden im Allgemeinen Druck- und Volumeneffekte außer Acht gelassen.
1.5
1.5 Arbeit Zustandsänderungen eines thermodynamischen Systems sind im Allgemeinen mit Energieänderungen verknüpft. In der Thermodynamik unterscheidet man nun typischerweise Energieänderungen, die durch am oder vom System geleistete Arbeit (ΔW) hervorgerufen werden, und solche, bei denen sich der Wärmeinhalt (ΔQ) des Systems ändert. Vorzeichenkonvention:
ΔW > 0 , wenn am (vom) System Arbeit geleistet wird , (<)
ΔQ > 0 , wenn Wärme in das (aus dem) System (<)
hinein(heraus)gepumpt wird .
Der Begriff der Arbeit wird der Klassischen Mechanik bzw. der Elektrodynamik entnommen: q1 , . . . , qm :
generalisierte Koordinaten ,
Q1 , . . . , Qm : (zugeordnete) generalisierte Kraftkomponenten . Die qi müssen nicht notwendig die Dimension Länge haben, und die Kräfte Fi müssen nicht unbedingt Kräfte im eigentlichen Sinne sein. Das Produkt q F hat aber in jedem Fall die Dimension einer Energie. (differentielle, quasistatische) Arbeit
δW =
m i=1
Qi dqi .
(1.32)
1.5
Arbeit
151
Beispiele Qi
dqi
δW
Druck
−p
dV
−p dV
Oberflächenspannung
σ
dS
σ dS
Magnetfeld
B0
dm
B0 · dm
elektrisches Feld
E
dP
E · dP
chemisches Potential
μ
dN
μ dN
Wir haben für die differentielle Arbeitsleistung bewusst den Buchstaben „δ“ statt des üblichen „d“ gewählt, um anzudeuten, dass es sich bei δW nicht um ein tota les Differential handelt. Das bedeutet, dass Linienintegrale C δW im Allgemeinen wegabhängig sind. Zwischenbemerkung: Eine Differentialform
δA =
m
aj x1 , x2 , . . . , xm dxj
j=1
ist genau dann ein totales Differential (integrabel), wenn die folgenden Integrabilitätsbedingungen erfüllt sind (vgl. (2.235), Bd. 1): ∂aj ∂ai = ∀i, j . (1.33) ∂xi xm, m =/ i ∂xj xm, m =/ j Dann gilt für jeden geschlossenen Weg:
δA = dA = 0 . Sei m = 2, wie häufig in der Thermodynamik, und
δA = a1 dx1 + a2 dx2 kein totales Differential, dann gibt es immer einen integrierenden Faktor μ(x1 , x2 ), sodass df = μ δA = μ a1 dx1 + μ a2 dx2 ein totales Differential wird. Dazu muss μ so festgelegt werden, dass ∂ μ a1 ∂ μ a2 = ∂x2 ∂x1 x1
x2
(1.34)
152
1. Grundbegriffe
gilt. Die Wahl von μ = μ(x1 , x2 ) ist nicht eindeutig. (Man betrachte dazu Abschn. 2.4.2, Bd. 1.) Die Zustandsgrößen (Zustandsfunktionen) der Thermodynamik müssen eindeutig sein. Durchläuft das System im Zustandsraum einen geschlossenen Weg, so müssen alle abhängigen wie unabhängigen Zustandsgrößen wieder ihre Ausgangswerte angenommen haben. Von einer Zustandsgröße η fordern wir also, dass
dη = 0 für alle geschlossenen Wege im Zustandsraum gilt. Dies bedeutet aber, dass dη ein totales Differential darstellt. In diesem Sinne ist die Energieform Arbeit keine Zustandsgröße. Die generalisierten Kräfte Qi hängen im Allgemeinen auch von der Zustandsvariablen Temperatur ab. Das gilt dann auch für δW, sodass wir statt (1.32) eigentlich schreiben sollten:
δW =
m
Qi q1 , . . . , qm , T dqi + 0 dT .
i=1
Die Integrabilitätsbedingungen (1.33) lassen sich dann nicht erfüllen: ∂Qi ∂0 =/ =0. ∂T ... ∂qi ... Wir wollen die wichtigsten Typen von Arbeiten noch etwas genauer untersuchen. 1) Volumenarbeit In einem zylindrischen Gefäß vom Querschnitt F befinde sich ein Gas. Nach oben sei das Gefäß durch einen reibungslos laufenden Kolben begrenzt, auf dem sich ein Gewicht der Masse M befindet. Gleichgewicht liegt dann vor, wenn der Gasdruck p das Gewicht in der Schwebe hält:
pF = Mg . Durch eine infinitesimale Verschiebung des Gewichtes nach oben erhöht sich dessen potentielle Energie um dEpot = M g dx = p F dx = p dV . Die vom Gas am Gewicht geleistete, also nach außen abgegebene Arbeit ist demnach:
δW = −p dV . M p Gas
F
x Abb. 1.9. Zum Begriff der Volumenarbeit am Gas
(1.35)
1.5
Arbeit
153
Für eine endliche Volumenänderung V1 → V2 > V1 gilt dann:
ΔW12 = −
V2 p(V) dV .
(1.36)
V1
p
(a) ΔW12 × × V1 V2
Abb. 1.10. Praktische Durchführung der Messung der Volumenarbeit
V
über den Kolbendruck aus Abb. 1.9
Wie würde man ein entsprechendes Experiment durchführen? Der Druck p wird über die Masse M auf dem Kolben gemessen. Damit das Gas aber überhaupt expandieren kann (V2 > V1 ), muss der Kolbendruck etwas kleiner sein als der Gasdruck. Im Experiment bewegt sich das System also längs der Kurve a) in Abb. 1.10. Ist der Differenzdruck groß, so erfolgt eine rasche Expansion des Gases; dieses gewinnt Strömungsenergie, die sich letztlich in die noch zu besprechende Wärmeenergie umwandelt. Die Volumenarbeitsleistung ist dann kleiner als das Integral in (1.36). Nur wenn man einen hinreichend langsamen Verlauf der Volumenänderung in Kauf nimmt, den Versuch also quasistatisch durchführt, kann der Differenzdruck beliebig klein gemacht werden, sodass a) mit der tatsächlichen p(V)-Kurve zusammenfällt. Das entspricht dann offensichtlich einer maximalen Arbeitsleistung. 2) Magnetisierungsarbeit Wir wollen den Ausdruck
δW = B0 · dm
(1.37)
begründen. m ist das magnetische Gesamtmoment des Systems, das hier als Zustandsvariable angesehen wird. Das erscheint nicht unproblematisch, da zur Herstellung eines endlichen Moments, z. B. in einem Paramagneten, ein äußeres Magnetfeld vonnöten ist, durch das selbst im Vakuum eine Feldenergie ins Spiel kommt. Dieser Energiebeitrag soll nicht mitgezählt werden, da H ja nur Hilfsmittel zur Erzeugung des Moments m ist. Es geht uns nur um den Beitrag, der allein von der Magnetisierung bewirkt wird. Das wollen wir an einem Beispiel erläutern: l F I
Abb. 1.11. Magnetisches System im Innern einer
stromdurchflossenen Spule. Erläuterung des Begriffs der Magnetisierungsarbeit
154
1. Grundbegriffe
Das System befinde sich im Innern einer langen, dünnen, stromdurchflossenen Spule aus N Windungen (Abb. 1.11). H, B, M, m sind in diesem Fall in Achsenrichtung orientiert, wobei für die Felder nach ((4.68), Bd. 3) gilt: B = μr μ0
N I; l
H=
N I. l
Der magnetische Fluss durch den Querschnitt F beträgt Φ = B F. Nach dem Induktionsgesetz wird in der Spule die Spannung
˙ = −N F B˙ U = −N Φ induziert. Die an den durch die Spulenwindungen transportierten Ladungen bewirkte Leistung ist dann:
˙ = −l H F B˙ = −V H B˙ P = U I = −N F I B ˙ + M) ˙ = −V H μ0 (H =−
μ0 2
V
d d 2 H − μ0 V H M. dt dt
In der Zeit dt verrichtet also das System an den Ladungsträgern die Arbeit: −δW ∗ = −
μ0 2
V dH 2 − V B0 dM .
(1.38)
Der erste Term stellt die erwähnte magnetische Feldenergie im Vakuum dar, die uns nicht interessiert. In einem Gedankenexperiment klemmen wir die durch H partiell ausgerichteten Elementarmagnete fest, sodass die Magnetisierung sich nicht mehr ändert, wenn wir anschließend das Hilfsfeld H ausschalten. Dabei gewinnen wir die Feldenergie des Vakuums zurück. Als reine Magnetisierungsarbeit bleibt:
δW = δW ∗ −
μ0 2
V dH 2 = V B0 dM = B0 dm .
Das erklärt (1.37). Man beachte, dass in diesen Ausdruck die magnetische Induktion des Vakuums B0 = μ0 H eingeht und nicht die der Materie (B = μr μ0 H)!
1.6
1.6.1
1.6 Aufgaben Aufgabe 1.6.1 Untersuchen Sie, ob df ein totales Differential darstellt: 1. df = cos x sin y dx − sin x cos y dy . 2. df = sin x cos y dx + cos x sin y dy . 3. df = x3 y2 dx − y3 x2 dy .
1.6
Aufgaben
155
Aufgabe 1.6.2 x, y, z seien Größen, die eine Funktionalrelation der Form
1.6.2
f (x, y, z) = 0 erfüllen. Verifizieren Sie die folgenden Beziehungen: 1 ∂x 1. = . ∂y ∂y z 2.
∂x ∂y
z
∂x z
∂y ∂z
x
∂z ∂x
= −1 . y
Aufgabe 1.6.3 Die Zustandsgleichung eines Gases,
1.6.3
p = p(V, T) , sei vorgegeben. Drücken Sie die isobare, thermische Volumenausdehnung, 1 ∂V β= , V ∂T p und die isotherme Kompressibilität, 1 κT = − V
∂V ∂p
, T
durch die partiellen Ableitungen von p nach V und T aus.
Aufgabe 1.6.4 Für eine homogene Substanz mit der Molzahl n seien folgende Beziehungen gefunden worden:
β=
nR ; pV
κT =
1 a + . p V
β und κT sind wie in Aufg. 1.6.3 definiert, R ist die allgemeine Gaskonstante und a eine Konstante. Wie lautet die Zustandsgleichung f (T, p, V) = 0 ?
1.6.4
156
1.6.5
1. Grundbegriffe
Aufgabe 1.6.5 Die van der Waals-Gleichung beschreibt qualitativ den Übergang Gas → Flüssigkeit. 1. Drücken Sie die Konstanten a und b in der van der Waals-Gleichung durch Vc und Tc aus. 2. Formulieren Sie die van der Waals-Gleichung in den reduzierten Größen:
π= 3.
4.
p V T ; v= ; t= . pc Vc Tc
Berechnen Sie die isotherme Kompressibilität 1 ∂V κT = − V ∂p T für V = Vc . Welches Verhalten zeigt κT , wenn die Temperatur von oben her gegen Tc geht? Wie lässt sich dieses Verhalten physikalisch deuten? Untersuchen Sie wie unter 3. den isobaren Volumenausdehnungskoeffizienten 1 ∂V β= . V ∂T p
1.6
Aufgaben
157
Aufgabe 1.6.6 Die thermische Zustandsgleichung eines realen Gases sei gegeben durch na
p = n R T(V − n b)−1 e− R T V . n = N |NA sei die Zahl der Mole, R die allgemeine Gaskonstante, und a, b seien Materialkonstanten (Dieterici-Gas). 1. Bestimmen Sie aus der Virialentwicklung nach der Teilchendichte ρ = N |V, ∞ ν , Bν ρ p = kB T ρ 1 + ν=1
2.
3.
4.
5.
den ersten Koeffizienten B1 . Drücken Sie die Boyle-Temperatur TB , für die B1 = 0 gilt, durch die Konstanten a und b aus. Vergleichen Sie den Ausdruck für B1 mit dem entsprechenden Virialkoeffizienten der van der Waals-Gleichung. Welche Bedeutung haben die Größen a und b? ∂p mit der isothermen Kompressibilität κT zuWie hängt die Größe ∂ρ T sammen? Welches Vorzeichen muss aufgrund physikalischer Argumente ∂p für ∂ρ erwartet werden? T ∂p Berechnen Sie ∂ρ für das Dieterici-Gas und bestimmen Sie die TemT peratur T0 (ρ), für die dieser Differentialquotient Null wird. Skizzieren Sie T0 (ρ). Ermitteln Sie die kritische Temperatur Tc als das Maximum von T0 (ρ). Drücken Sie die Größen a und b durch Tc und die kritische Dichte ρc aus. Welcher Zusammenhang besteht zwischen Tc und TB ? Zeichnen Sie qualitativ die durch die Dieterici-Gleichung bestimmten Isothermen im p-ρ-Diagramm. In welchem Bereich sind die Kurven unphysikalisch? Für welche Temperaturen kann das Gas durch Druckerhöhung verflüssigt werden?
1.6.6
158
1.6.7
1. Grundbegriffe
Aufgabe 1.6.7 Die Abweichungen im Verhalten realer Gase von dem eines idealen Gases berücksichtigt man näherungsweise z. B. durch folgende Zustandsgleichungen: 1. Berücksichtigung des Eigenvolumens:
p (V − n b) = n R T . 2.
3.
Virialentwicklung nach dem Druck: p V = n R T 1 + A1 p ; Virialentwicklung nach dem Volumen: B1 ; pV = nRT 1 + V
A1 = A1 (T) .
B1 = B1 (T) .
Berechnen Sie in den drei Fällen die isotherme Kompressibilität κT und die isobare thermische Volumenausdehnung β (s. Aufgabe 1.6.3) und vergleichen Sie mit den Resultaten für das ideale Gas.
1.6.8
Aufgabe 1.6.8 Berechnen Sie die an einem idealen Paramagneten geleistete Arbeit, wenn das Magnetfeld H isotherm (T = const) von H1 auf H2 gesteigert wird.
1.6.9
Aufgabe 1.6.9 Die Platten eines Plattenkondensators der Kapazität C tragen die Ladungen Q und −Q. Wenn man die Platten einander etwas annähert, wächst die Kapazität um dC an. 1. Welche mechanische Arbeit muss dabei geleistet werden? 2. Wie ändert sich die Feldenergie im Kondensator? 3. Ist die Zustandsänderung reversibel?
1.7
Kontrollfragen
159
1.7 Kontrollfragen Zu Abschn. 1.1 1. Was versteht man unter einem thermodynamischen System? 2. Wann nennt man ein System isoliert, geschlossen oder offen? 3. Erläutern Sie die Begriffe Wärmeaustauschkontakt, Arbeitsaustauschkontakt und Wärmebad. Zu Abschn. 1.2 1. Wann spricht man von einem vollständigen Satz unabhängiger Zustandsgrößen? 2. Was versteht man unter extensiven, was unter intensiven Zustandsgrößen? 3. Wann befindet sich ein thermodynamisches System im Gleichgewicht? 4. Wie ist der Begriff Zustand in der phänomenologischen Thermodynamik gemeint? 5. Was ist ein Prozess? Wann ist dieser quasistatisch, reversibel, irreversibel? 6. Was versteht man unter einem Kreisprozess? Zu Abschn. 1.3 1. Was besagt der Nullte Hauptsatz? 2. Charakterisieren Sie die Zustandsgröße Temperatur. 3. Was versteht man unter der Transitivität der Temperatur? 4. Welche Eigenschaft der Temperatur ist für die Wirkungsweise des Thermometers entscheidend? Zu Abschn. 1.4 1. Was versteht man unter einer Zustandsgleichung? 2. Welche Annahmen definieren das ideale Gas? 3. Wie kann man über das Boyle–Mariotte’sche Gesetz eine Messvorschrift für die Temperatur festlegen? 4. Wie sind Celsius- und Kelvin-Skalen definiert? 5. Wie lautet die Zustandsgleichung des idealen Gases? 6. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Boltzmann- und der allgemeinen Gas-Konstanten? 7. Mit welchem Ansatz versucht man die ideale Gasgleichung auf reale Gase zu verallgemeinern? 8. Was versteht man im Zusammenhang mit dem realen Gas unter den Begriffen Eigenvolumen und Binnendruck? 9. Begründen Sie die van der Waals-Zustandsgleichung. 10. Wie kann man die Daten pc , Vc , Tc des kritischen Punktes durch die van der Waals-Konstanten a und b festlegen?
1.7
160
1. Grundbegriffe
11. Wann befinden sich zwei verschiedene reale Gase in korrespondierenden Zuständen? 12. Welches unphysikalische Resultat des van der Waals-Modells wird durch die Maxwell-Konstruktion korrigiert? 13. Was versteht man unter Virialentwicklungen? 14. Beschreiben Sie den idealen Paramagneten. 15. Wie lautet die Zustandsgleichung des idealen Paramagneten? 16. Welchen Zusammenhang zwischen M, T und H liefert das Curie-Gesetz? 17. Wie lautet die Zustandsgleichung des Weiß’schen Ferromagneten? 18. Formulieren Sie das Curie-Weiß-Gesetz. Zu Abschn. 1.5 1. Nennen Sie mögliche Formen von Energieänderungen in einem thermodynamischen System. 2. Nennen Sie Beispiele für die differentielle Arbeit δW. 3. Wann ist eine Differentialform δA ein totales Differential? 4. Was versteht man unter einem integrierenden Faktor? 5. Warum ist die Energieform Arbeit keine Zustandsgröße? 6. Begründen Sie die Ausdrücke δW = −p dV und δW = B0 · dm. 7. Was versteht man unter Magnetisierungsarbeit?
Kapitel 2 Hauptsätze
2
2
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10
Hauptsätze Erster Hauptsatz, innere Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wärmekapazitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adiabaten, Isothermen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiter Hauptsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carnot-Kreisprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absolute, thermodynamische Temperaturskala . . . . . . . . . . . . . . . . Entropie als Zustandsgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einfache Folgerungen aus den Hauptsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
163 166 169 172 174 178 181 188 194 207
163
2 Hauptsätze 2.1 Erster Hauptsatz, innere Energie Es ist ungeheuer schwierig, den Begriff der Wärme im Rahmen der phänomenologischen Thermodynamik mit einem hinreichenden Maß an logischer Exaktheit einzuführen. Das wird uns in der Statistischen Mechanik wesentlich glatter gelingen. In der Thermodynamik bleibt es gewissermaßen bei einem gefühlsmäßigen Selbstverständnis dieses Begriffs. Der Erste Hauptsatz, den wir in diesem Abschnitt formulieren wollen, macht eine Aussage über das Wesen der Wärme. Die Erfahrung zeigt, dass man die Temperatur eines Systems ändern kann, ohne an diesem im oben definierten Sinn Arbeit zu leisten. Ein wesentlicher Bestandteil des Ersten Hauptsatzes ist deshalb die Aussage: „Wärme“ = Energieform. Diese Energieform nimmt das System auf bzw. gibt es ab, wenn es seine Temperatur ändert, ohne dass an ihm oder von ihm Arbeit geleistet wird. Die kinetische Gastheorie interpretiert Wärme als Bewegungsenergie der Gasmoleküle, wobei der Unterschied zur kinetischen Energie makroskopischer Körper in der Unordnung besteht. Ein Beispiel möge dies erläutern. Bewegt sich ein gasgefüllter Luftballon, so interpretieren wir die Bewegungsenergie des Schwerpunktes als kinetische Energie des makroskopischen Systems. Hinzu kommt dann aber noch die ungeordnete Bewegung der Gasmoleküle innerhalb des Ballons, die als Wärme gedeutet wird. Ein Wesensmerkmal dieser Energieform ist also die Unordnung. Sie ist deshalb sinnvoll auch nur für Viel-Teilchen-Systeme definierbar. Wenn wir also, ausgehend von Erfahrungstatsachen, postulieren, dass es eine unabhängige Energieform Wärme gibt, und weiter annehmen, dass diese wie jede andere Energieform eine extensive Variable ist, dann können wir ansetzen: dEW = T dS . T ist eine intensive und S eine extensive Größe. EW sei die Wärmeenergie. Die Mengenvariable S werden wir später Entropie nennen. Sie definiert letztlich die Energieform Wärme. Wir betrachten ein isoliertes System, das aus zwei Teilsystemen besteht, zwischen denen ein Austausch von S und EW möglich ist. Die Gesamtentropie S = S1 + S2 verteilt sich dann so auf die beiden Systeme, dass die Energie des Gesamtsystems
S1
S2
Abb. 2.1. Isoliertes System aus zwei Teilsystemen, zwischen denen
Wärme bzw. Entropie ausgetauscht werden kann
W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik 4 ISBN 978-3-642-01603-5 © Springer 2010
2.1
164
2. Hauptsätze
(1) (2) minimal wird (Erfahrungstatsache!). Im Gleichgewicht ist EW = EW + EW minimal bei S = S1 + S2 = const: !
0=
(1) dE(2) dE(1) dE(2) dS2 dEW dEW = + W = W + W = dS1 dS1 dS1 dS1 dS2 dS1
=
(1) dE(2) dEW − W = T1 − T2 . dS1 dS2
Im Gleichgewicht haben dann die beiden Systeme dasselbe T. Der Vorfaktor im obigen Ansatz hat also genau die Eigenschaft, die wir nach dem Nullten Hauptsatz dem Temperaturbegriff zuordnen. Der Erste Hauptsatz, der also Wärme als Energieform postuliert, muss nun noch in eine mathematische Form gebracht werden. Zu diesem Zweck führen wir eine neue Zustandsvariable, U : innere Energie, ein, die den gesamten Energieinhalt des Systems darstellt. Es muss sich dabei um eine eindeutige Funktion der unabhängigen Zustandsvariablen, z. B. T und V, handeln. Könnte man nämlich auf zwei Wegen vom Zustand A in den Zustand B gelangen, (1) (2) (1) (2) , ΔUAB unterschiedlich sind, z. B. ΔUAB < ΔUAB , wobei die Energieänderungen ΔUAB (1) so würde man auf dem Weg (1) von A nach B unter Aufwendung von ΔUAB gehen und auf dem Rückweg (2) mehr Energie zurückgewinnen, als man auf dem Hinweg hineingesteckt hat. Man hätte damit Energie aus dem Nichts geschaffen (perpetuum mobile erster Art). – Für einen Kreisprozess muss vielmehr gelten: dU = 0 . (2.1) dU ist also ein totales Differential! (1)
(1) : ΔU AB B A (2)
(2) : ΔU AB
Abb. 2.2. Zur Begründung der inneren Energie U als Zustandsgröße
Nach diesen Vorbereitungen können wir nun den Ersten Hauptsatz mathematisch formulieren. Es ist nichts anderes als der Energiesatz: 2.1.1
Satz 2.1.1: Erster Hauptsatz 1) Isolierte Systeme
dU = 0 .
(2.2)
2.1
Erster Hauptsatz, innere Energie
165
2) Geschlossene Systeme dU = δQ + δW .
(2.3)
Wir benutzen für die Wärme den üblichen Buchstaben Q. δQ ist wie δW kein totales Differential.
δQ : Wärmeaustauschkontakt , δW : Arbeitsaustauschkontakt . 3) Offene Systeme dU = δQ + δW + δEC .
(2.4)
Dabei gilt:
δEC =
α
μi dNi ,
(2.5)
i=1
δEC : Teilchenaustauschkontakt, Ni, i = 1, ... , α : Zahl der Teilchen der Sorte i,
μi : chemisches Potential.
Das ist die Energie, die bei δW = δQ = 0 benötigt wird, um dem System ein zusätzliches Teilchen der Sorte i hinzuzufügen.
Wir können die Zustandsgröße U als unabhängige Variable auffassen oder aber als Zustandsfunktion anderer unabhängiger Variabler, z. B.: U = U(T, V, N)
kalorische Zustandsgleichung
oder U = U(T, p, N) ,
U = U(V, p, N) ,
...
Man nennt die Relation p = p(T, V, N) zum Unterschied zu U = U(T, V, N) die thermische Zustandsgleichung. Es ist nicht die Aufgabe der Thermodynamik, für spezielle physikalische Systeme die konkrete Form der inneren Energie abzuleiten. Wir übernehmen deshalb die entsprechenden Ausdrücke jeweils ohne Beweis. Drei Beispiele seien hier aufgelistet:
166
2. Hauptsätze
1) Ideales Gas
unabhängig von V .
U = U(T) ,
(2.6)
Dies ist das Ergebnis des Versuchs von Gay-Lussac. U= U=
3 2 5 2
N kB T : ein-atomige Gasmoleküle , N kB T : zwei-atomige Gasmoleküle ,
U = 3 N kB T : räumliche Gasmoleküle .
2) Festkörper Bei sehr hohen Temperaturen reicht für viele Zwecke der folgende, stark vereinfachte Ausdruck:
U = UV (T) + Uel (V) , (2.7)
UV (T) = 3 N kB T , Uel (V) =
1 (V − V0 )2 . 2κ V0
κ ist die Kompressibilität. 3) Schwarzer Strahler (Photonengas)
U = V ε(T) ;
p=
1 ε(T) . 3
(2.8)
Die Energiedichte ε(T) ist lediglich eine Funktion der Temperatur.
2.2
2.2 Wärmekapazitäten Wärmekapazitäten geben an, mit welcher Temperaturänderung dT das System auf eine differentielle Wärmezufuhr δQ reagiert. Da es neben der Temperatur T noch andere unabhängige Zustandsvariable gibt, müssen wir zusätzlich angeben, wie sich diese bei der Zustandsänderung verhalten sollen.
2.2.1
Definition 2.2.1:
Wärmekapazität Cx =
δQ dT
.
(2.9)
x
x: Eine oder mehrere Zustandsgrößen, die bei der Wärmezufuhr δQ konstant gehalten werden.
2.2
Wärmekapazitäten
Definition 2.2.2:
167
Spezifische Wärme ¯cx =
Definition 2.2.3:
2.2.2
δQ
M : Masse des Systems .
;
M dT
(2.10)
x
Molwärme (auch Molare Wärmekapazität) Cxmol =
δQ n dT
2.2.3
n : Zahl der Mole .
;
(2.11)
x
Wir setzen ein geschlossenes System (Ni = const) voraus, dessen innere Energie U im Allgemeinen von der Temperatur T und den generalisierten Koordinaten qi abhängen wird: U = U T, q1 , . . . , qm . Wir lösen den Ersten Hauptsatz in der Form (2.3) nach δQ auf:
δQ = dU −
m
Fi dqi =
i=1
∂U = ∂T
q
m ∂U dT + − F dqi . ∂qi T, q j, j =/ i i i=1
Daran lesen wir die folgenden Spezialfälle ab: 1. {qi } = q = const Es sind dann alle dqi gleich Null, sodass bleibt: δQ ∂U Cq = = . dT q ∂T q 2.
(2.13)
{Fi } = F = const Es müssen zunächst die Zustandsgleichungen Fj = Fj q1 , . . . , qm , T ;
j = 1, . . . , m
nach qi aufgelöst werden: qi = qi F1 , . . . , Fm , T ⇒ dqi =
m ∂qi j=1
∂Fj
T, Fk, k =/ j
dFj +
∂qi ∂T
(2.12)
dT . F
168
2. Hauptsätze
Dies ergibt die Wärmekapazität: m δQ ∂U ∂U ∂qi = + −F . CF = dT F ∂T q i = 1 ∂qi T, q j, j =/ i i ∂T F
(2.14)
Wir diskutieren einige wichtige Beispiele: 1) Gas
q=V ; Nach (2.13) gilt dann:
CV =
δQ
F = −p .
dT
V
∂U = ∂T
(2.15)
. V
Gleichung (2.14) hingegen liefert:
δQ ∂U ∂U ∂V Cp = = + +p . dT p ∂T V ∂V T ∂T p Dies ergibt:
Cp − CV =
∂U ∂V
T
∂V +p . ∂T p
(2.16)
(2.17)
Spezialfall: ideales Gas
∂U ∂V
(2.6)
= 0;
T
∂V ∂T
nR p
= p
⇒ Cp − CV = n R = N kB .
(2.18)
Es muss also Cp > CV sein. 2) Magnet
q=m; Gleichung (2.13) ergibt dann:
∂U Cm = = dT m ∂T Aus (2.14) leiten wir ab: CH − Cm =
δQ
F = B0 = μ0 H .
∂U ∂m
T
− μ0 H
(2.19)
. m
∂m ∂T
. H
(2.20)
2.3
Adiabaten, Isothermen
169
2.3
2.3 Adiabaten, Isothermen Wir wollen spezielle Arten von Zustandsänderungen mit Hilfe des Ersten Hauptsatzes diskutieren. Diese sind dadurch charakterisiert, dass bei ihrer Durchführung gewisse unabhängige oder abhängige Zustandsgrößen konstant gehalten werden. Adiabatische Zustandsänderungen sind definiert durch
δQ = 0 . Wir kennzeichnen sie durch den Index „ad“. Die Zustandsfunktion, die bei diesen Prozessen konstant bleibt, ist die Entropie S, die wir später kennen lernen werden. Ausgangspunkt ist der Erste Hauptsatz in der Form (2.12): m ∂U ∂U Fi − dqi ad . (dT)ad = (2.21) ∂T q ∂qi T, q j, j =/ i i=1 Dies untersuchen wir genauer an einigen Standardbeispielen: 1) Gas
⇒
∂U ∂T
q = V , F = −p
∂U (dV)ad . (dT) ad = − p + ∂V T
V
Dies ergibt:
dT dV
=−
p + ∂∂U V
T
CV
ad
(2.22)
.
Spezialfall: ideales Gas p nR T ∂U dT . =0 ⇒ =− =− ∂V T dV ad CV CV V
Mit (2.18) folgt weiter:
dT T
=− ad
Cp − CV CV
dV V
. ad
Man definiert:
γ=
Cp CV
und erhält damit: (d ln T)ad = −(γ − 1) (d ln V)ad ⇒ d ln T V γ −1 ad = 0 .
(2.23)
170
2. Hauptsätze
Dies bedeutet schließlich: T V γ −1 = const1 .
(2.24)
Durch Einsetzen der Zustandsgleichung des idealen Gases erhalten wir auch zwei weitere Adiabatengleichungen: p V γ = const2 ;
T γ p1−γ = const3 .
(2.25)
2) Schwarzer Strahler Unter einem Schwarzen Strahler versteht man das elektromagnetische Strahlungsfeld, das sich im thermischen Gleichgewicht in einem Hohlraum des Volumens V einstellt, der von einem Wärmebad der Temperatur T eingeschlossen ist. Die elektromagnetische Strahlung wird dabei von den Hohlraumwänden emittiert (Wärmestrahlung). Man kann zeigen, dass ihre Energiedichte ε(T) lediglich eine Funktion der Temperatur ist, sodass für die innere Energie U (2.8) gilt:
U(T, V) = V ε(T) .
T V
T T
T Abb. 2.3. Schema eines Schwarzen Strahlers
Der Zusammenhang zwischen Strahlungsdruck p und Energiedichte ε(T) im isotropen Strahlungsfeld, p=
1 ε(T) , 3
lässt sich im Rahmen der klassischen Elektrodynamik zeigen (s. Aufg. 4.3.2, Bd. 3). Die Atomphysik lehrt, dass Strahlung bestimmter Frequenz ν nur in diskreten Energien
εν = h ν auftritt. Das führt zum Begriff des Photons, das man sich anschaulich als Quasiteilchen mit der Energie h ν, dem Impuls (h ν)|c, der Geschwindigkeit c und der Masse m = 0 vorstellen kann. Das Strahlungsfeld in V lässt sich deshalb auch als Photonengas interpretieren, das den Gesetzmäßigkeiten der kinetischen Gastheorie genügt. So ist die obige Beziehung für den Strahlungsdruck leicht ableitbar als Impulsübertrag der Photonen auf die Hohlraumwände. (Man führe dies durch!)
2.3
Adiabaten, Isothermen
171
Für die Wärmekapazität des Photonengases gilt: dε ∂U . (2.26) =V CV = ∂T V dT Für Cp hätten wir nach (2.17) unter anderem ∂∂VT zu berechnen. Da p = const p
automatisch T = const nach sich zieht, ist dieser Ausdruck nicht definiert. Das Photonengas hat also kein Cp . Die Adiabatengleichung (2.22) liefert für den Schwarzen Strahler: 1 ε(T) + ε(T) dT =−3 dε dV ad V dT ⇒ −
dε
=
ε
4 dV ⇐⇒ d ln V 4|3 ε = 0 . 3 V
Das ergibt schließlich:
ε V 4 | 3 = const4 ; p V 4 | 3 = const5 .
(2.27)
Isotherme Zustandsänderungen sind definiert durch dT = 0 . Der Erste Hauptsatz in der Form (2.12) liefert dafür: m ∂U (δQ)T = − Fi dqi T . ∂ q i T, q j, j =/ i i=1 Dies bedeutet für ein Gas mit q = V und F = −p: δQ ∂U = +p. dV T ∂V T
(2.28)
(2.29)
1) Ideales Gas
∂U ∂V
= 0 ⇒ (δQ)T = (p dV)T .
(2.30)
T
2) Photonengas
δQ dV
= T
4 ε(T) = const . 3
(2.31)
Adiabatische und isotherme Zustandsänderungen zeigen im pV-Diagramm qualitativ den in Abb. 2.4 skizzierten Verlauf:
172
2. Hauptsätze
p
p
δQ = 0
δQ = 0
dT = 0
dT = 0 V Ideales Gas
V Schwarzer Strahler
Abb. 2.4. Isothermen und Adiabaten des idealen Gases (links) und des Schwarzen Strahlers (rechts)
Wegen γ > 1 ist beim idealen Gas die Adiabate steiler als die Isotherme. 2.4
2.4 Zweiter Hauptsatz Der Erste Hauptsatz reicht zur Beschreibung von thermodynamischen Systemen ganz offensichtlich noch nicht aus. Man kann sich leicht physikalische Vorgänge überlegen, die nach dem Energiesatz durchaus erlaubt sind, in der Natur jedoch nie beobachtet werden: 1. Warum wird nie beobachtet, dass ein am Erdboden liegender Stein unter Abkühlung aufs Hausdach springt? 2. Warum fährt ein Ozeandampfer nicht ohne Antrieb, allein durch Verwandlung von Wärme aus dem riesigen Wasserreservoir in Arbeit, die dann in Form von Reibungswärme sogar teilweise wieder an den Ozean zurückgegeben würde? Die Erfahrung lehrt, dass eine Reihe von Energieumwandlungen, bei denen Wärme mit im Spiel ist, nicht umkehrbar sind. Wir wissen, dass Arbeit z. B. durch Reibung vollständig in Wärme verwandelt werden kann. Man denke z. B. an einen durch einen Anfangsimpuls in Bewegung gesetzten makroskopischen Körper, der auf einer rauen, ebenen Unterlage gleitet. Er kommt nach endlicher Zeit zur Ruhe. Mechanische Arbeit ist durch Reibung in Wärme verwandelt worden. Die Umkehrung, dass der ruhende Körper sich unter Abkühlung wieder in Bewegung setzt, ist nach dem Ersten Hauptsatz durchaus denkbar, findet aber nicht statt. Gäbe es diesen inversen Prozess, so hätten wir ein perpetuum mobile zweiter Art: Das ist eine periodisch (zyklisch) arbeitende thermodynamische Maschine, die nichts anderes bewirkt, als dass bei einem Umlauf Arbeit verrichtet wird, wobei nur einem einzigen Wärmereservoir eine Wärmemenge ΔQ entnommen wird.
2.4.1
Satz 2.4.1:
Zweiter Hauptsatz
Ein perpetuum mobile zweiter Art gibt es nicht!
2.4
Zweiter Hauptsatz
173
In der Thermodynamik wird dieser Satz ohne strenge Begründung als nie widerlegte Erfahrungstatsache hingenommen. Die obige Formulierung des Zweiten Hauptsatzes nennt man die Kelvin’sche Aussage. Sie besagt also, dass es keine Zustandsänderung geben kann, deren einzige Wirkung darin besteht, eine Wärmemenge einem Wärmereservoir entzogen und vollständig in Arbeit verwandelt zu haben. Es gibt eine äquivalente Formulierung: Clausius’sche Aussage Es gibt keine periodisch arbeitende Maschine, die lediglich einem kälteren Wärmebad Wärme entzieht und diese einem heißeren Wärmebad zuführt. Die Schlüsselworte dieser Aussage sind streng zu beachten: periodisch ⇐⇒ Kreisprozess, lediglich
⇐⇒ sonst passiert nichts, auch nicht in der Umgebung.
In diesem Zusammenhang führen wir einen neuen Begriff ein. Definition 2.4.1: Wärmekraftmaschine Das ist ein thermodynamisches System, das einen Kreisprozess zwischen zwei Wärmebädern WB(T1 ) und WB(T2 ) mit T1 > T2 durchläuft, wobei genau das Folgende passiert:
1. 2. 3.
2.4.1
ΔQ1 > 0 durch Kontakt mit WB(T1 ), ΔW < 0, ΔQ2 < 0 durch Kontakt mit WB(T2 ).
Solche Maschinen verletzen nicht den Zweiten Hauptsatz, da sie in Kontakt mit zwei Wärmebädern stehen, wobei die dem ersten Wärmebad entzogene Wärme nicht vollständig in Arbeit verwandelt wird. Es ist |ΔQ2 | < |ΔQ1 |, da auch der Erste Hauptsatz erfüllt sein muss. Man ordnet einer solchen Maschine einen Wirkungsgrad zu: Definition 2.4.2:
Wirkungsgrad η
η=
vom System geleistete Arbeit −ΔW . = zugeführte Wärmemenge ΔQ1
2.4.2
(2.32)
Wir beweisen schließlich noch die Äquivalenz der beiden Formulierungen des Zweiten Hauptsatzes.
174
2. Hauptsätze
1. Behauptung:
Wenn die Clausius-Aussage falsch ist, dann ist auch die Kelvin-Aussage falsch. a) Mit einer periodisch arbeitenden Maschine entnehmen wir ΔQ1 > 0 aus dem Wärmebad WB(T2 ) und führen es dem Wärmebad WB(T1 ) zu, wobei T1 > T2 ist. Das geht, da die Clausius-Aussage ja falsch sein soll. b) Wir betreiben eine Wärmekraftmaschine so, dass ΔQ1 WB(T1 ) entnommen und ΔQ2 < 0 (|ΔQ2 | < ΔQ1 ) bei Arbeitsleistung ΔW < 0 an WB(T2 ) zurückgegeben wird. Insgesamt wurde also ΔQ = ΔQ1 + ΔQ2 > 0 aus WB(T2 ) vollständig in Arbeit verwandelt. Sonst ist nichts passiert, da sowohl a) als auch b) Kreisprozesse sind. Damit ist auch die Kelvin-Aussage falsch! 2. Behauptung:
Wenn die Kelvin-Aussage falsch ist, dann ist auch die Clausius-Aussage falsch. a) Wir entnehmen ΔQ > 0 dem Wärmebad WB(T2 ) und verwandeln es vollständig mit einer periodisch arbeitenden Maschine in Arbeit. Das geht, weil die KelvinAussage falsch sein soll. b) Wir verwandeln die Arbeit aus a) vollständig in Wärme. Das geht immer, nur die umgekehrte Richtung nicht. Die so gewonnene Wärme übertragen wir auf WB(T1 ) mit T1 > T2 . Insgesamt wurde lediglich ΔQ > 0 von WB(T2 ) auf WB(T1 ) trotz T1 > T2 übertragen. Damit ist die Clausius-Aussage falsch! Die beiden Behauptungen ergeben kombiniert die Äquivalenz der Clausius’schen und der Kelvin’schen Formulierungen.
2.5
2.5 Carnot-Kreisprozess Bei einem Kreisprozess durchläuft das thermodynamische System verschiedene (Wärme-, Arbeits- und Teilchen-)Austauschkontakte und kehrt schließlich in seinen Ausgangszustand zurück. Wohlgemerkt, nur das thermodynamische System kehrt in seinen Ausgangszustand zurück, die Umgebung kann sich durchaus geändert haben, da z. B. Energie in Form von Arbeit und Wärme zwischen verschiedenen Reservoiren ausgetauscht worden sein kann. Zwar gilt nach dem Ersten Hauptsatz δQ + δW , 0= dU = die beiden Terme auf der rechten Seite können jedoch von Null verschieden sein! Wir wollen nun einen ganz speziellen Kreisprozess, eine ganz spezielle Wärmekraftmaschine diskutieren.
2.5
Carnot-Kreisprozess
175
Carnot-Prozess: Reversibler Kreisprozess aus zwei Adiabaten und zwei Isothermen zwischen zwei Wärmebädern WB(T1 ) und WB(T2 ) mit T1 > T2 . Er besteht aus den folgenden Teilstücken: p
T1
ΔQ1 > 0
b
c a
T2
ΔQ2 > 0
× × Vb Va
d
× Vc
× Vd
V
Abb. 2.5. Adiabaten und Isothermen des Carnot-Kreisprozesses im pV-Diagramm
a→b Adiabatische Kompression mit
ΔT = T1 − T2 > 0 . b→c Isotherme Expansion, dabei Wärmeaufnahme ΔQ1 > 0 aus WB(T1 ). c→d Adiabatische Expansion mit ΔT = T2 − T1 < 0. d→a Isotherme Kompression unter Wärmeabgabe ΔQ2 < 0 an WB(T2 ). Die bei einem Umlauf geleistete Arbeit entspricht gerade der vom Weg a → b → c → d umschlossenen Fläche. T1
ΔQ1 C
T2
ΔW ΔQ 2
Abb. 2.6. Symbolische Darstellung des Carnot-Prozesses als
Wärmekraftmaschine
Wir symbolisieren den Carnot-Prozess durch das Diagramm in Abb. 2.6. Der Erste Hauptsatz fordert zunächst: 0= dU = ΔQ1 + ΔQ2 + ΔW .
176
2. Hauptsätze
Damit lautet der Wirkungsgrad dieser Wärmekraftmaschine:
η=
−ΔW ΔQ1 + ΔQ2 ΔQ2 = =1+ . ΔQ1 ΔQ1 ΔQ1
(2.33)
Wegen ΔQ2 |ΔQ1 < 0 ist stets η < 1. Da der Carnot-Prozess reversibel sein soll, lässt sich der Durchlaufsinn umkehren: T1
ΔQ1 C
T2
ΔW ΔQ 2
Abb. 2.7. Symbolische Darstellung des Carnot-Prozesses als
Wärmepumpe
ΔQ2 > 0 ; ΔQ1 < 0 ; ΔW > 0 |ΔQ1 | > ΔQ2 . Die Maschine arbeitet dann als Wärmepumpe. Die Arbeitssubstanz der Carnot-Maschine sei das ideale Gas. Damit wollen wir nun den Wirkungsgrad explizit ausrechnen. a→b Adiabate Daraus folgt: ΔQ = 0 ⇐⇒ ΔW = ΔU ⇒ ΔWab = CV T1 − T2 = −ΔWcd . b→c Isotherme
ΔWbc = −
c
Vc p(V) dV = −n R T1
b
Vb
= −n R T1 ln c→d Adiabate s. (a → b)
dV = V Vc . Vb
(2.34)
2.5
Carnot-Kreisprozess
177
d→a Isotherme
ΔWda = −n R T2 ln
Va . Vd
(2.35)
Auf den Adiabaten gilt nach (2.24): γ −1
γ −1
T2 Va
= T1 Vb
γ −1
,
γ −1
T2 Vd
⇒
= T1 Vc
Va Vb = . Vd Vc
Damit ergibt sich für die gesamte Arbeitsleistung:
ΔW = ΔWab + ΔWbc + ΔWcd + ΔWda = = ΔWbc + ΔWda Vd ⇒ ΔW = −n R T1 − T2 ln <0. Va
(2.36)
Auf der Isothermen b → c ist ΔU = 0 und damit
ΔQ1 = −ΔWbc = n R T1 ln
Vc Vd = n R T1 ln >0. Vb Va
Dies ergibt nach (2.32) als Wirkungsgrad ηC der Carnot-Maschine:
ηC = 1 −
T2 . T1
(2.37)
Als direkte Folge des Zweiten Hauptsatzes leiten wir nun die folgenden beiden Behauptungen ab: 1. Der Carnot-Prozess hat den höchsten Wirkungsgrad von allen periodisch zwischen zwei Wärmebädern arbeitenden Maschinen. 2. ηC wird von allen reversibel arbeitenden Maschinen erreicht. Beweis T1
ΔWb
T2
ΔQb1
Cb∗
ΔQa1
Ca ΔQb2
(T1 > T2 )
ΔQa2
ΔWa
Abb. 2.8. Schematische Anordnung einer Carnot-
Maschine und einer Wärmekraftmaschine zur Untersuchung des Wirkungsgrades des CarnotProzesses. Ca : Carnot-Maschine als Wärmepumpe geschaltet. C∗b : Wärmekraftmaschine, nicht notwendig reversibel
178
2. Hauptsätze
Die Maschinen seien so dimensioniert, dass ΔQb2 = −ΔQa2 < 0 ist, d. h., das Wärmebad WB(T2 ) bleibt unbeeinflusst. WB(T1 ) tauscht dagegen mit dem Gesamtsystem Ca ∪ C∗b die Wärme
ΔQ = ΔQb1 + ΔQa1 aus. Nach dem Zweiten Hauptsatz muss
ΔQ ≤ 0 sein, da sonst vom System Ca ∪ Cb∗ nichts anderes bewirkt würde, als Wärme dem Bad WB(T1 ) zu entnehmen und vollständig in Arbeit zu verwandeln.
ηC = 1 + ηC∗b = 1 +
−ΔQa2 1 , ⇐⇒ ΔQa1 = ΔQa2 −ΔQa1 ηC − 1
ΔQb2 ΔQa2 1 . =1− ⇐⇒ ΔQb1 = −ΔQa2 ∗ ΔQb1 ΔQb1 ηCb − 1
Nach Einsetzen ergibt sich:
0 ≥ ΔQb1 + ΔQa1 = ΔQa2
1 1 − ∗ ηC − 1 ηCb − 1
.
Da ΔQa2 positiv ist, folgt die Behauptung 1.:
ηC∗b ≤ ηC .
(2.38)
Handelt es sich bei Cb∗ um eine reversible Maschine, so lässt sich der Umlaufsinn in der skizzierten Anordnung auch umkehren. Alle obigen Ausdrücke behalten ihre Gültigkeit, bis auf die Aussage ΔQa2 > 0, die nun ΔQa2 < 0 lauten muss. Für Maschinen, die zwischen den beiden Wärmebädern reversibel arbeiten, gilt dann neben (2.38) auch ηC∗b ≥ ηC . Es kann also nur das Gleichheitszeichen richtig sein. Damit ist auch die Behauptung 2. bewiesen. Der Wirkungsgrad ηC reversibler Kreisprozesse ist also universell!
2.6
2.6 Absolute, thermodynamische Temperaturskala Wir haben gesehen, dass der universelle Wirkungsgrad ηC der Carnot-Maschine nur von den Temperaturen der beteiligten Wärmebäder WB(T1 ) und WB(T2 ) abhängt, wenn wir als Arbeitssubstanz ein ideales Gas verwenden. Dabei erinnern wir uns, dass wir die Temperatur T selbst in (1.3) bzw. (1.5) über die Zustandsgleichung des idealen Gases eingeführt haben. Es ist natürlich eine etwas unschöne Sache, dass wir ein im strengen Sinne gar nicht existierendes System zur Definitionsgrundlage eines so wichtigen Begriffes wie Temperatur haben machen müssen und außerdem damit
2.6
Absolute, thermodynamische Temperaturskala
179
eine Maschine betreiben, über die wir noch eine Fülle weit reichender Folgerungen ableiten wollen. Es stellt sich aber heraus, dass wir auch umgekehrt den universellen Wirkungsgrad ηC der Carnot-Maschine ausnutzen können, um die Temperaturen ϑ1 , ϑ2 der beteiligten Wärmebäder erst zu definieren. Das geht deshalb, weil der Beweis der Universalität des Wirkungsgrades reversibler Kreisprozesse, so wie wir ihn im letzten Abschnitt geführt haben, die Voraussetzung ideales Gas gar nicht benötigte, sondern ganz allgemein aus dem Zweiten Hauptsatz resultierte. – Da andererseits ηC als Verhältnis zweier Energiebeträge direkt und bequem messbar ist, wollen wir über ηC jetzt eine universelle, substanzunabhängige, thermodynamische Temperaturskala einführen. ϑ : Willkürliche Temperaturskala, so eingerichtet, dass gilt: wärmer ⇐⇒ größeres ϑ. Wir betrachten drei Wärmebäder WB(ϑ1 ), WB(ϑ2 ) und WB(ϑ3 ) mit ϑ1 > ϑ2 > ϑ3 :
ϑ1 ΔWa
ΔQ a1
Ca ΔQa2
ϑ2 ΔWb
ϑ3
ΔQb2
Cb ΔQb3
Abb. 2.9. Schematische Kombination von Carnot-Maschinen zur Fest-
legung einer absoluten, substanzunabhängigen Temperaturskala
Ca , Cb seien irgendwelche, zwischen WB(ϑ1 ) und WB(ϑ2 ) bzw. zwischen WB(ϑ2 ) und WB(ϑ3 ) reversibel arbeitende Wärmekraftmaschinen. Die Maschine Cb sei dabei so dimensioniert, dass
ΔQb2 = −ΔQa2 . Mit WB(ϑ2 ) geschieht also insgesamt nichts. Die Wirkungsgrade der beiden Maschinen
ηCa = 1 +
ΔQa2 , ΔQa1
ηCb = 1 +
ΔQb3 ΔQb2
180
2. Hauptsätze
sind universell, d. h., jede andere reversible Maschine würde denselben Wirkungsgrad liefern. Die Wirkungsgrade sind ferner unabhängig von der Arbeitssubstanz. Wenn aber die Art der Maschine keine Rolle spielt, so können die Wirkungsgrade nur von den Temperaturen ϑi der Wärmebäder abhängen. Andere unterscheidende Merkmale gibt es in dem obigen System nicht. Deshalb sind die folgenden Ansätze sinnvoll: ηCa = 1 − f ϑ1 , ϑ2 , ηCb = 1 − f ϑ2 , ϑ3 . Da die Maschinen so dimensioniert sind, dass WB(ϑ2 ) letztlich inaktiv bleibt, können wir das Gesamtsystem auch als eine einzige zwischen WB(ϑ1 ) und WB(ϑ3 ) reversibel laufende Maschine auffassen: ηCab = 1 − f ϑ1 , ϑ3 . Für die Arbeitsleistungen gilt damit: −ΔWa = ΔQa1 1 − f −ΔWb = ΔQb2 1 − f −ΔWab = ΔQa1 1 − f
ϑ1 , ϑ2
ϑ2 , ϑ3 ϑ1 , ϑ3
, , .
Ferner gilt:
ΔQb2 = −ΔQa2 = −ΔQa1 ηCa − 1 = ΔQa1 f ϑ1 , ϑ2 . Nutzt man dann noch
ΔWab = ΔWa + ΔWb aus, so bleibt: 1 − f ϑ1 , ϑ3 = 1 − f ϑ1 , ϑ2 + f ϑ1 , ϑ2 1 − f ϑ2 , ϑ3 . Dies liefert die folgende Bestimmungsgleichung: f ϑ1 , ϑ3 = f ϑ1 , ϑ2 f ϑ2 , ϑ3 . Wegen ln f ϑ1 , ϑ3 = ln f ϑ1 , ϑ2 + ln f ϑ2 , ϑ3 folgt dann auch ∂ ∂ ln f ϑ1 , ϑ3 = ln f ϑ1 , ϑ2 . ∂ϑ1 ∂ϑ1
(2.39)
2.7
Entropie als Zustandsgröße
181
Dieses kann wiederum nur dann richtig sein, wenn sich f wie folgt schreiben lässt: f ϑ1 , ϑ2 = α ϑ1 β(ϑ2 ) . Dies wird in (2.39) eingesetzt:
α ϑ1 β ϑ3 = α ϑ1 β ϑ2 α ϑ2 β ϑ3
⇐⇒ 1 = α ϑ2 β(ϑ2 ) ⇐⇒ α ϑ = β−1 ϑ . Das bedeutet für f
β ϑ2 f ϑ1 , ϑ2 = β ϑ1
und damit für den Wirkungsgrad:
β ϑ2 ηCa = 1 − . β ϑ1
(2.40)
β(ϑ) ist dabei eine zunächst noch völlig willkürliche Funktion. Dieser Ausdruck ist formal identisch mit dem ηC , das wir in (2.37) mit dem idealen Gas als Arbeitssubstanz gefunden hatten. β(ϑ) ist bestimmt, falls wir einem einzigen Wärmebad einen Wert T ∗ = β ϑ∗ zuordnen. Dann liefert jede reversible Maschine eindeutig die Temperaturverhältnisse T |T ∗ . Man vereinbart: T ∗ = 273,16 K :
Tripelpunkt des Wassers.
(2.41)
Damit definiert T = β(ϑ) eine absolute, substanzunabhängige Temperatur T = T ∗ 1 − ηC T ∗ , T ,
(2.42)
die mit der bisher verwendeten idealen Gastemperatur identisch ist.
2.7 Entropie als Zustandsgröße Die bisherigen Schlussweisen, die sämtlich auf dem Zweiten Hauptsatz basierten, erlauben uns nun, die für die Thermodynamik wohl wichtigste Größe einzuführen, nämlich die Entropie. Wir hatten für den Wirkungsgrad der Carnot-Maschine gefunden:
ηC = 1 −
T2 ΔQ2 =1+ . T1 ΔQ1
2.7
182
2. Hauptsätze
Dies bedeutet:
ΔQ1 T1
+
ΔQ2 T2
(2.43)
=0.
Dieses Ergebnis wollen wir nun weiter verallgemeinern.
K
δQ1
δQ2 T1
δQ n Tn
T2
Abb. 2.10. Kreisprozess in Kontakt mit n Wärmebädern verschiedener Temperaturen
Ein thermodynamisches System durchlaufe quasistatisch einen (nicht notwendig reversiblen) Kreisprozess K. Zur Beschreibung der Temperaturänderung zerlegen wir den Zyklus in n Schritte (Abb. 2.10), während derer die Temperatur des Systems durch dessen Kontakt mit einem Wärmebad WB Ti ; i = 1, 2, . . . , n konstant ist. Dabei findet ein Wärmeaustausch δQi statt, der positiv wie negativ sein kann. Nach dem Ersten Hauptsatz gilt dann für die gesamte Arbeitsleistung auf K:
ΔWK = −
n
δQi .
i=1
Wir koppeln nun an jedes WB(Ti ) eine Carnot-Maschine Ci , die zwischen diesem WB(Ti ) und einem Wärmebad WB(T0 ) arbeitet, wobei ∀i
T0 > Ti
K
δQ1 T1
δW1 T0
δQ n
δQ 2 T2
δQC1 C1 δW2 δQ(C01)
δQ C2 C2
Tn
δWn
δQ(C02)
δQ Cn Cn
δQ(C0n)
Abb. 2.11. Kreisprozess in Kontakt mit n Wärmebädern unterschiedlicher Temperaturen Ti , wobei
an jedes Wärmebad eine Carnot-Maschine angekoppelt ist, die zwischen Ti und der festen Temperatur T0 arbeitet. (Beweis der Clausius’schen Ungleichung)
2.7
Entropie als Zustandsgröße
183
gelten soll. Jedes Ci kann sowohl als Wärmekraftmaschine als auch als Wärmepumpe arbeiten. Wir dimensionieren die Ci so, dass sie gerade die Wärmemenge von WB(Ti ) aufnehmen, die von dem System an WB(Ti ) abgegeben wurde (bzw. umgekehrt):
δQCi = −δQi
∀i .
Für jede Carnot-Maschine gilt:
δQ(0) Ci = −
T0 T δQCi = 0 δQi . Ti Ti
Das System der Carnot-Maschinen leistet dann insgesamt die Arbeit:
ΔWC =
n
δWi = −
i=1
=−
n
ηCi δQ(0) Ci =
i=1
n
1−
i=1
Ti T0
n T0 T0 1− δQi = δQi . Ti Ti i=1
Bei dem gesamten Zyklus K + {C1 + C2 + . . . + Cn }
(Kreisprozess)
wird die Wärmemenge
ΔQ(0) =
n
δQ(0) Ci = T0
i=1
n δQi i=1
Ti
(2.44)
mit WB(T0 ) ausgetauscht und dabei die Arbeit
ΔW = ΔWK + ΔWC = −T0
n δQi Ti i=1
(2.45)
geleistet. Sonst ist nichts passiert. Der Erste Hauptsatz ist offensichtlich erfüllt:
ΔW = −ΔQ(0) . Der Zweite Hauptsatz fordert nun aber, dass
ΔW ≥ 0
(2.46)
ist. Im umgekehrten Fall wäre nämlich nichts anderes passiert, als dass das thermodynamische Gesamtsystem Wärme ΔQ(0) aus WB(T0 ) aufgenommen und vollständig in Arbeit ΔW ≤ 0 verwandelt hätte. Das ist aber unmöglich. Damit folgt aus (2.45) und (2.46) das wichtige Ergebnis n δQi ≤0, Ti i=1
(2.47)
184
2. Hauptsätze
das nur noch Daten des ursprünglichen Zyklus K enthält. Ist dieser sogar reversibel, dann lässt sich der Durchlaufsinn von K umkehren. An den obigen Überlegungen ändert sich überhaupt nichts. Die Größen δQi in (2.47) haben jedoch ihr Vorzeichen geändert. Da (2.47) aber für beide Durchlaufrichtungen gleichermaßen richtig ist, führt nur das Gleichheitszeichen nicht zum Widerspruch: n δQi = 0 ⇐⇒ K reversibel . Ti i=1
(2.48)
Durch Verallgemeinerung auf n → ∞ Teilschritte ergibt sich aus (2.47) und (2.48) die fundamentale Clausius’sche Ungleichung
δQ T
≤0.
(2.49)
Für reversible Prozesse gilt:
δQrev T
(2.50)
=0.
Diese letzte Beziehung definiert eine Zustandsgröße. Sei A0 : fester Punkt des Zustandsraums, dann ist das Integral A
δQrev T
A0
unabhängig vom Weg, auf dem wir im Zustandsraum vom Zustand A0 zum Zustand A gelangen, und bei festem A0 eine eindeutige Funktion des Zustands A. Die so genannte Entropie S, A S(A) =
δQrev T
,
(2.51)
A0
ist also eine bis auf eine additive Konstante festgelegte Zustandsgröße mit dem totalen Differential dS =
δQrev T
.
(2.52)
1|T ist somit der integrierende Faktor (1.34), der aus der nicht integrablen Differentialform δQ ein totales Differential macht (s. Aufg. 2.9.1).
2.7
Entropie als Zustandsgröße
185
Man beachte, dass die Entropie stets über einen reversiblen Weg von A0 nach A zu berechnen ist. Dabei ist es unerheblich, wie das System den Zustand A tatsächlich erreicht hat, ob reversibel oder irreversibel. Man benötigt zur Bestimmung von S(A) also stets einen reversiblen Ersatzprozess. Für eine beliebige Zustandsänderung Z gilt: S A2 − S A1 ≥
A2
δQ T
(2.53)
.
A1 (Z)
Beweis R: reversibler Ersatzprozess. Auf diesem gilt:
S A2 − S A1 =
A2
δQ T
.
A1 (R)
Z
A2 A1
Abb. 2.12. Weg einer nicht notwendig reversiblen Zustands-
R
änderung Z, gekoppelt mit einem reversiblen Ersatzprozess R
Da der Weg R reversibel ist, lässt er sich auch umkehren und mit Z zu einem Kreisprozess kombinieren, für den dann nach der Clausius’schen Ungleichung (2.49) gelten muss: A2
δQ T
A1 (Z)
A1 +
δQ T
A1 ≤ 0 ⇐⇒ −
A2 (−R)
δQ T
A2 ≥
A2 (−R)
A2
⇐⇒ S A2 − S A1 ≥
δQ T
δQ T
A1 (Z)
q. e. d.
A1 (Z)
Zur Ableitung der Ergebnisse (2.49) bis (2.53) haben wir lediglich die Gültigkeit des Zweiten Hauptsatzes voraussetzen müssen. Wir gewinnen deshalb umgekehrt aus diesen Resultaten eine mathematische Formulierung des Zweiten Hauptsatzes dS ≥
δQ T
.
(Gleichheitszeichen für reversible Prozesse!)
(2.54)
186
2. Hauptsätze
Kombiniert man den Ersten und den Zweiten Hauptsatz, so ergibt sich die Grundrelation der Thermodynamik T dS ≥ dU − δW − δEC .
(2.55)
Mit dieser Grundrelation, mit der Definition der Entropie als neuer Zustandsgröße (2.51) sowie der Einführung der thermodynamischen Temperatur (2.42) sind die zentralen Begriffe der phänomenologischen Thermodynamik begründet. Die folgenden Überlegungen stellen deshalb mehr oder weniger Schlussfolgerungen aus diesem Grundkonzept dar. Betrachten wir als ersten Spezialfall ein isoliertes System:
dS ≥ 0 .
(2.56)
Das isolierte System kann per def. keine Wärme mit der Umgebung austauschen. Solange in einem solchen System noch (irreversible) Prozesse ablaufen können, kann die Entropie nur zunehmen. Sie ist deshalb maximal im Gleichgewichtszustand. Der Übergang ins Gleichgewicht ist irreversibel. Entropie-Zuwachs ohne Austausch kennzeichnet irreversible Prozesse. Wir wollen die physikalische Bedeutung der Entropie an einem einfachen Beispiel illustrieren: isotherme Expansion des idealen Gases. 1) Reversibel Das Gas verschiebe einen Kolben, der mit einer Feder an einer Wand befestigt ist. Die Arbeit, die das Gas beim Verschieben des Kolbens leistet, ist in der Feder gespeichert und kann im Prinzip dazu dienen, die Verschiebung wieder rückgängig zu machen. Die Expansion des Gases ist damit reversibel. – Das Gas befinde sich in einem Wärmebad WB(T), sämtliche Zustandsänderungen verlaufen damit isotherm:
U = U(T) ⇒ ΔU = 0 . Nach dem Ersten Hauptsatz gilt dann:
ΔQ = −ΔW =
V2 p dV = n R T ln V1
V2 . V1
ideales Gas
WB(T )
Abb. 2.13. Schematische Anordnung für eine reversible Expansion des idealen Gases
2.7
Entropie als Zustandsgröße
187
Bei dieser reversiblen Zustandsänderung ändert sich gemäß (2.54) die Entropie: (ΔS)Gas =
ΔQ T
= n R ln
V2 . V1
Die zur Arbeitsleistung benötigte Wärmemenge ΔQ wurde dem Wärmebad entnommen und kann durch Kompression des Gases beim Entspannen der Feder an dieses wieder zurückgegeben werden. Auch die Vorgänge im Wärmebad sind deshalb reversibel: (ΔS)WB =
−ΔQ = −(ΔS)Gas . T
Die Entropie des Gesamtsystems hat sich also nicht geändert. 2) Irreversibel Der analoge irreversible Prozess wäre die freie Expansion des idealen Gases: Bei der freien Expansion leistet das Gas keine Arbeit. Es wird deshalb dem Wärmespeicher keine Wärme entzogen. Den Zeitablauf dieses irreversiblen Prozesses können wir nicht beschreiben. Anfangs- und Endzustand sind jedoch Gleichgewichtszustände. Sie entsprechen denen des Vorgangs 1). 1) ist also der reversible Ersatzprozess für 2). Die Entropieänderung des Gases ist deshalb dieselbe wie unter 1):
(ΔS)Gas = n R ln
V2 . V1
× × ×× × × × × × × × × × × ×
× × × × × × × ×× ×× × ×× ×
WB(T )
Abb. 2.14. Freie Expansion des idealen
Gases als Beispiel eines irreversiblen Prozesses
Wegen ΔQ = 0 ist jedoch (ΔS)WB = 0 . Die Entropie des Gesamtsystems hat sich demnach erhöht. T(ΔS)tot ist gerade der Energiebetrag, der im reversiblen Fall 1) in verwertbare Arbeit (−ΔW) umgewandelt wurde. Das bedeutet: Irreversibilität verschenkt verwertbare Energie.
188
2.8
2. Hauptsätze
2.8 Einfache Folgerungen aus den Hauptsätzen Wir betrachten reversible Prozesse in geschlossenen Systemen. Dafür liest sich die Grundrelation (2.55) wie folgt: T dS = dU − δW .
(2.57)
Eine Reihe von wichtigen Schlussfolgerungen ergeben sich bereits aus der Tatsache, dass dS und dU totale Differentiale sind. Wir denken zunächst an T und V als unabhängige Zustandsvariable (Gas!): S = S(T, V) ; U = U(T, V) 1 ∂S ∂S p ⇒ dS = dT + dV = dU + dV , ∂T V ∂V T T T ∂U ∂U dT + dV . dU = ∂T V ∂V T Einsetzen ergibt: dS =
1 T
∂U ∂T
dT + V
1 T
∂U ∂V
+ p dV .
(2.58)
T
Da dS ein totales Differential ist, sind die Integrabilitätsbedingungen erfüllt:
1 ∂ ∂U 1 ∂U =− 2 +p + T ∂V ∂T V T T ∂V T
1 ∂ ∂U ∂p . + + T ∂T ∂V T V ∂T V Da auch dU ein totales Differential ist, vereinfacht sich dieser Ausdruck zu: ∂U ∂p =T −p. ∂V T ∂T V
(2.59)
Die rechte Seite ist allein durch die Zustandsgleichung bestimmt. Bei bekannter Wärmekapazität CV lässt sich somit die innere Energie U(T, V) allein aus der Zustandsgleichung herleiten. Beispiele 1) Ideales Gas
∂U ∂V
=T T
nR −p=0. V
(2.60)
Die Aussage des Gay-Lussac-Versuchs, dass die innere Energie des idealen Gases nicht vom Volumen abhängt, ist also eine unmittelbare Folge der Grundrelation: U = U(T) = CV T + const .
(2.61)
2.8
Einfache Folgerungen aus den Hauptsätzen
189
2) Van der Waals-Gas Mit der Zustandsgleichung (1.14) in (2.59) findet man (s. Aufg. 2.9.8):
∂U ∂V
=a T
n2 . V2
(2.62)
Aufgrund der Teilchenwechselwirkungen ist die innere Energie nun volumenabhängig: U = U(T, V) = CV T − a
n2 + const V
(2.63)
(CV = const vorausgesetzt!) 3) Photonengas Setzen wir (2.8) in (2.59) ein, so folgt:
1 3
ε(T) = T
dε dε 1 − ε(T) ⇐⇒ 4ε(T) = T . dT 3 dT
Die Lösung ist das Stefan-Boltzmann-Gesetz:
ε(T) = const T 4 .
(2.64)
Als Folge des Ersten Hauptsatzes hatten wir für die Differenz der Wärmekapazitäten Cp und CV bereits in (2.17)
∂U ∂V Cp − CV = +p ∂V T ∂T p gefunden. Daraus wird mit (2.59): Cp − CV = T
∂p ∂T
V
∂V ∂T
.
(2.65)
p
Diese Differenz ist also allein durch die thermische Zustandsgleichung bestimmt. Die rechte Seite lässt sich durch relativ leicht messbare Response-Funktionen ausdrücken. Definition 2.8.1 1.
2.8.1
β=
1 V
∂V ∂T
, p
isobarer, thermischer Ausdehnungskoeffizient.
(2.66)
190
2. Hauptsätze
2.
1 =− V
κT(S)
∂V ∂p
,
(2.67)
T(S)
isotherme (adiabatische) Kompressibilität.
Mit der Kettenregel (Aufg. 1.6.2) ∂p ∂T ∂V = −1 ∂T V ∂V p ∂p T sowie
∂T ∂V
= p
1
=
∂V ∂T p
(2.68)
1 Vβ
folgt:
∂p ∂T
= V
β . κT
(2.69)
Eingesetzt in (2.65) ergibt dies: Cp − CV =
T V β2
κT
.
(2.70)
Die mechanische Stabilität des Systems erfordert
κT ≥ 0 .
(2.71)
Diese plausible Relation lässt sich in der Statistischen Mechanik auch explizit beweisen. Sie hat zur Folge: Cp > CV .
(2.72)
Diese Relation ist anschaulich klar, da bei konstantem Druck p für die gleiche Temperaturerhöhung dT „mehr δQ“ notwendig ist als bei konstantem Volumen, da im ersten Fall auch Volumenarbeit zu leisten ist, die bei CV wegen V = const, d. h. dV = 0, wegfällt. Wir haben bisher T und V als unabhängige Zustandsvariable vorausgesetzt. Experimentelle Randbedingungen könnten jedoch T und p bzw. V und p als bequemer messbar erscheinen lassen. Man hat dann die relevanten Zustandsfunktionen in dem betreffenden Variablensatz zu formulieren. Das wollen wir zum Schluss am Beispiel der Entropie demonstrieren. Wir leiten die so genannten T dS-Gleichungen ab.
2.8
Einfache Folgerungen aus den Hauptsätzen
191
1. S = S(T, V) Das ist der Fall, den wir schon diskutiert haben. Setzt man (2.59) in (2.58) ein und nutzt (2.69) aus, so bleibt:
β dV . κT
T dS = CV dT + T
(2.73)
Auch die Berechnung der Entropie erfordert neben der thermischen Zustandsgleichung (⇒ β, κT ) nur die Kenntnis von CV . 2. S = S(T, p) V = V(T, p) ⇒ dV =
∂V ∂T
dT +
p
∂V ∂p
dp . T
Das wird in (2.58) eingesetzt:
∂U ∂U ∂V T dS = dT + +p dT + ∂T V ∂V T ∂T p
+
∂U ∂V
∂V +p dp = ∂p T
T
∂p = Cp dT + T ∂T
(2.16)
β = Cp dT + T κT
(2.69)
V
∂V ∂p
dp = T
−V κT dp .
Damit lautet die T dS-Gleichung in den Variablen (T, p): T dS = Cp dT − T V β dp .
(2.74)
3. S = S(V, p) T = T(p, V) ⇒ dT =
∂T ∂p
Einsetzen in
V
T dS = CV dT + T
dp +
∂T ∂V
dV . p
∂p ∂T
dV V
ergibt als Zwischenergebnis: T dS = CV
∂T ∂p
dp + CV
V
∂T ∂V
∂p +T ∂T p
dV . V
(2.75)
192
2. Hauptsätze
Mit (2.69) folgt: CV CV
∂T ∂V
∂T ∂p
∂p +T ∂T p
= CV V
V
κT , β
∂T = ∂V
(2.65)
=
∂p ∂V CV + T = ∂T V ∂T p p
Cp
∂T ∂V
(2.66)
=
p
Cp . Vβ
Damit haben wir die dritte T dS-Gleichung gefunden: T dS = CV
Cp κT dp + dV . β Vβ
(2.76)
Wertet man diese T dS-Gleichungen speziell für adiabatisch-reversible Prozesse (S = const) aus, so ergeben sich einige weitere nützliche Relationen: CV κT ∂V (2. 73) ⇒ =− , ∂T S Tβ Cp ∂p = (2. 74) ⇒ ∂T S T V β Cp 1 ∂p ∂T ∂p ⇒ =− =− = . V CV κT ∂T S ∂V S ∂V S V κS Dies ergibt: Cp κT = . CV κS
(2.77)
Wegen (2.72) ist also stets κT > κS . Wenn wir diese Gleichung mit (2.70) kombinieren, so können wir noch explizit nach Cp und CV auflösen: Cp − CV = ⇒ Cp = CV =
T V β2
κT
= Cp −
κS C κT p
T V β2 , κT − κS
(2.78)
T V β2 κS . κT κT − κS
(2.79)
Analoge Beziehungen, wie wir sie hier für das fluide System (Gas-Flüssigkeit) abgeleitet haben, gelten auch für magnetische Systeme, wenn man die entsprechenden Response-Funktionen einsetzt. Die Kompressibilität wird durch die
2.8
Einfache Folgerungen aus den Hauptsätzen
193
isotherme (adiabatische) Suszeptiblität 1 ∂m ∂M χT (S) = = ∂H T (S) V ∂H T (S)
(2.80)
ersetzt. Man beachte jedoch, dass Suszeptibilitäten im Gegensatz zu den Kompressibilitäten auch negativ werden können. (Diamagnetismus!, vgl. Abschn. 3.4.2, Band. 3.) Der Ausdehnungskoeffizient hat sein Analogon in der Größe 1 ∂m ∂M βH = = , (2.81) ∂T H V ∂T H die im Bereich des Magnetismus keinen speziellen Namen trägt. – Das Volumen V ist für die magnetischen Systeme als konstanter Parameter anzusehen, also keine Zustandsvariable wie im fluiden System. Beachtet man die Zuordnungen: Magnet
←→
Gas
μ0 H
p
m
−V
μ0 χT (S)
V κT (S)
CH,m
Cp,V
V βH
−V β ,
V
dann findet man mit (2.70), (2.77) und (2.78):
χT = μ0 V
T β2H , CH − Cm
(2.82)
Cp = μ0 V
T β2H , χT − χS
(2.83)
χ CH = T . Cm χS
(2.84)
194
2.9
2. Hauptsätze
2.9 Aufgaben
2.9.1
Aufgabe 2.9.1 1. Zeigen Sie, dass δQ kein totales Differential ist. Benutzt werden darf der Erste Hauptsatz und die Tatsache, dass dU dagegen ein solches totales Differential darstellt. 2. Suchen Sie am Beispiel des idealen Gases einen integrierenden Faktor μ(T, V), der aus δQ ein totales Differential dy = μ(T, V) δQ macht und a) nur von T (μ = μ(T)), b) nur von V (μ = μ(V)) abhängt.
2.9.2
Aufgabe 2.9.2 Zeigen Sie, dass längs der Kurve
p V n = const
(n = const)
für ein ideales Gas das Verhältnis von zugeführter Wärme und geleisteter Arbeit konstant ist.
2.9.3
Aufgabe 2.9.3 Für nicht zu tiefe Temperaturen stellt das Curie-Gesetz die Zustandsgleichung des idealen Paramagneten dar. 1. Zeigen Sie, dass für die Wärmekapazitäten ∂U ∂U V ; CH = + μ0 M 2 Cm = ∂T m ∂T H C
2.
gilt (C = Curie-Konstante). Leiten Sie für adiabatische Zustandsänderungen die folgende Beziehung ab: ∂U μ m − 0 ∂H Cm ∂m T . = ∂H ad CH μ0 H − ∂U ∂m T
2.9
Aufgaben
195
Aufgabe 2.9.4 Ein thermisch isolierter Zylinder enthält in der Mitte eine reibungslos verschiebbare, thermisch isolierende Wand. In den beiden Kammern befinden sich zwei ideale Gase mit den in der Abbildung angegebenen Anfangsdaten. In der linken Kammer wird das Gas so lange erwärmt, bis das Gas in der rechten Kammer den Druck pr = 3p0 angenommen hat.
1. 2. 3.
p0 ,V0
p0 ,V0
T0 , N
T0 , N
2.9.4
Abb. 2.15. Zwei ideale Gase in einem thermisch
isolierten Zylinder, getrennt durch eine reibungslos verschiebbare, thermisch isolierende Wand
Welche Wärme hat das Gas rechts aufgenommen? Welche Arbeit wird vom rechten Gas geleistet? Wie hoch sind die Endtemperaturen links und rechts? Wie viel Wärme hat das Gas links aufgenommen?
Aufgabe 2.9.5 Ein Mol eines idealen zweiatomigen Gases wird bei konstanter Temperatur von 293 K quasistatisch von einem Anfangsdruck von 2 · 106 N|m2 auf den Enddruck 1 · 105 N|m2 entspannt. Über einen verschiebbaren Kolben wird dabei Arbeit geleistet. 1. Wie groß ist die geleistete Arbeit? 2. Welche Wärmemenge muss dem Gas zugeführt werden? 3. Wie groß ist die geleistete Arbeit, wenn die Expansion anstatt isotherm adiabatisch erfolgt? 4. Wie ändert sich dabei die Temperatur?
2.9.5
196
2.9.6
2. Hauptsätze
Aufgabe 2.9.6 Ein großes Gefäß endet in einer vertikalen, glattwandigen Röhre, die mit einer leicht beweglichen, aber dicht schließenden Kugel versehen ist. Das Gefäß sei mit einem idealen Gas gefüllt. Z
ideales Gas Abb. 2.16. Schematische Anordnung zum Rüchhardt-Versuch
Die Kugel wird ein wenig aus der Ruhelage entfernt und dann losgelassen. Sie führt harmonische Schwingungen um die Ruhelage aus (Dämpfung vernachlässigt!). Die dabei stattfindenden Zustandsänderungen können in guter Näherung als adiabatisch angenommen werden. Berechnen Sie γ = Cp |CV als Funktion der Periode τ der harmonischen Schwingung (Rüchhardt-Versuch).
2.9.7
Aufgabe 2.9.7 Zwei Systeme A und B, deren innere Energien nur von T abhängen, sollen den Zustandsgleichungen
p V2 = α N T
(A) ,
p2 V = β N T
(B)
genügen, wobei α, β Konstanten mit passender Dimension sind. Untersuchen Sie, ob sich für diese Systeme eine Entropie definieren lässt.
2.9
Aufgaben
197
Aufgabe 2.9.8 1. Für ein reales Gas sei der Druck p eine lineare Funktion der Temperatur T:
2.9.8
p = α(V) T + β(V) .
2. 3.
4.
Zeigen Sie, dass dann die Wärmekapazität CV nicht vom Volumen V abhängen kann. Berechnen Sie für das van der Waals-Gas die Entropie S = S(T, V) unter der Voraussetzung, dass CV nicht von T abhängt. Berechnen Sie die Temperaturänderung ΔT = T2 −T1 , die bei der freien Expansion eines van der Waals-Gases auftritt (CV =/ CV (T)). Dabei bedeutet freie Expansion: U(T1 , V1 ) = U(T2 , V2 ). Berechnen Sie für eine reversible adiabatische Zustandsänderung die Adiabatengleichungen des van der Waals-Gases.
Aufgabe 2.9.9 Gegeben sei ein kalorisch ideales Gas (pV = n R T, CV = const, U = U(T)). 1. Berechnen Sie seine Entropie S = S(T, V). 2. Berechnen Sie die innere Energie U als Funktion von S und V. 3. Berechnen Sie die Entropieänderung, die bei einer freien Expansion des Gases von V1 auf V2 eintritt.
2.9.9
Aufgabe 2.9.10 Die Zustandsgleichung eines realen Gases sei durch den Ausdruck N p V = N kB T 1 + f (T) V
2.9.10
gegeben, wobei f (T) eine experimentell ermittelte Funktion ist. Unter der Voraussetzung, dass 3 N d 2 df T CV = N kB − N kB 2 V dt dT gilt, berechnen Sie die innere Energie und die Entropie des Gases.
198
2. Hauptsätze
2.9.11
Aufgabe 2.9.11 Ein ideales Gas (n Mole, CV bekannt) dehne sich reversibel 1. unter konstantem Druck p0 (p0 bekannt!), 2. bei konstanter Temperatur T0 (T0 bekannt!), 3. adiabatisch (Anfangsdruck p1 bekannt!) vom Volumen V1 auf das Volumen V2 aus. Berechnen Sie die Arbeitsleistung ΔW, die ausgetauschte Wärme ΔQ und die Entropieänderung ΔS als Funktionen von V1 und V2 .
2.9.12
Aufgabe 2.9.12 In einem idealen Gas wird reversibel und ohne Volumenänderung der Druck erhöht. Berechnen Sie ΔQ, ΔW und ΔS.
2.9.13
Aufgabe 2.9.13 Die Zustandsgleichung eines thermodynamischen Systems (Photonengas!) sei
p = α ε(T) ;
α = const .
ε(T) ist dabei die innere Energie pro Volumeneinheit. 1. 2.
2.9.14
Bestimmen Sie die Temperaturabhängigkeit der inneren Energie. Berechnen Sie die Entropie.
Aufgabe 2.9.14 Zwei verschiedene ideale Gase mit den Molzahlen n1 und n2 seien in einem Behälter vom Volumen V = V1 + V2 zunächst durch eine wärmeundurchlässige Wand voneinander getrennt. Der Druck p auf beiden Seiten sei gleich, die Temperaturen seien T1 und T2 . Die Wärmekapazitäten der beiden Gase seien gleich. – Nun werde die Trennwand entfernt. p n1 ,V1 ,T1
1. 2. 3.
p n2 ,V2 ,T2
Abb. 2.17. Zwei verschiedene ideale Gase mit unterschied-
lichen Temperaturen, zunächst getrennt durch eine wärmeundurchlässige Wand
Welche Mischungstemperatur stellt sich ein? Wie groß ist die Entropieänderung? Zeigen Sie, dass das Ergebnis von 2. nicht richtig sein kann, wenn die Gase in den beiden Kammern gleich sind und aus nicht unterscheidbaren Teilchen bestehen (Gibb’sches Paradoxon).
2.9
Aufgaben
199
Aufgabe 2.9.15 Ein Carnot-Kreisprozess verlaufe zwischen den Temperaturen T1 und T2 :
T1 = 360 K ;
2.9.15
T2 = 300 K .
Dem ersten Wärmebad wird die Wärme
ΔQ1 = 1 kJ entzogen. Berechnen Sie die bei einem Umlauf geleistete Arbeit.
Aufgabe 2.9.16 Ein ideales Gas mit der Wärmekapazität CV durchlaufe reversibel den skizzierten Kreisprozess. pa , Va , Ta sowie pb seien bekannt. Berechnen Sie 1. Volumen V und Temperatur T in den Zuständen b und c, 2. ausgetauschte Wärmemengen, Energie- und Entropieänderungen bei jedem Teilprozess, 3. den Wirkungsgrad des Kreisprozesses. p
2.9.16
b
pa
c
a
Abb. 2.18. Spezieller reversibler Kreisprozess für das
V
Va
ideale Gas
Aufgabe 2.9.17 Mit einem idealen Gas wird der skizzierte Kreisprozess reversibel durchgeführt. Berechnen Sie den Wirkungsgrad als Funktion von p1 und p2 .
δQ = 0
p
p2
p1
c
b
a
δQ = 0 d V
Abb. 2.19. Reversibler Kreisprozess für das ideale Gas aus Adiabaten und Isobaren
2.9.17
200
2.9.18
2. Hauptsätze
Aufgabe 2.9.18 Betrachten Sie in der T-S-Ebene den skizzierten reversiblen Kreisprozess eines idealen Gases. T T2 ×
T1 ×
1. 2. 3.
2.9.19
4
1
2
× S1
3 × S2 S
Abb. 2.20. Spezielle Darstellung des Carnot-Prozesses
Berechnen Sie die Wärmemengen, die das System auf den vier Teilstücken austauscht, als Funktion von T1 , T2 und S1 , S2 . Bestimmen Sie die pro Umlauf geleistete Arbeit und geben Sie den Wirkungsgrad η an. Wie sieht das pV-Diagramm dieses Prozesses aus?
Aufgabe 2.9.19 Betrachten Sie den skizzierten reversiblen Kreisprozess für ein ideales Gas (Diesel- Prozess). (1 → 2) und (3 → 4) sind Adiabaten. Wie groß ist die während eines Umlaufs vom System geleistete Arbeit? Welche Wärme muss zugeführt, welche muss abgeführt werden? p 2
3 4 1
Abb. 2.21. Der Diesel-Prozess als spezieller reversibler
V
Kreisprozess für das ideale Gas
2.9
Aufgaben
201
Aufgabe 2.9.20 Der gezeichnete, aus zwei adiabatischen und zwei isochoren Ästen bestehende Kreisprozess werde mit einem idealen Gas als Arbeitssubstanz ausgeführt. p
δQ = 0
3
δQ = 0
2 0
V2
1. 2. 3. 4.
4 1
V1
Abb. 2.22. Der Verbrennungsprozess im Otto-Motor als
V
idealisierter Kreisprozess mit zwei Adiabaten und zwei Isochoren
Das Diagramm beschreibe einen idealisierten Viertakt-Verbrennungsmotor („Otto-Motor“). Welchen Takten entsprechen die einzelnen Prozesse? Berechnen Sie die im Kreisprozess geleistete Arbeit. Wie würden Sie den Wirkungsgrad der Maschine definieren? Wie verhält sich dieser Wirkungsgrad zu dem einer Carnot-Maschine, die zwischen der höchsten und der niedrigsten Temperatur arbeitet?
2.9.20
202
2.9.21
2. Hauptsätze
Aufgabe 2.9.21 Betrachten Sie den folgenden reversiblen Kreisprozess (Carnot). p
p + Δp p
1
T
2
4 T − ΔΤ
3 Abb. 2.23. Spezieller reversibler Kreisprozess zur
V
Ableitung der Clausius-Clapeyron-Gleichung
1 → 2 Die bei 1. inAbb. 2.23 vorliegende Flüssigkeit mit dem Volumen V1 wird bei konstanter Temperatur T und konstantem Druck p + Δp verdampft. Ein Teil der Verdampfungswärme wird zur Überwindung der Kohäsionskräfte verbraucht und später beim Kondensieren zurückgewonnen. Der zweite Anteil dient der Expansion des Dampfes (V1 → V2 ). 2 → 3 Adiabatische Expansion mit Abkühlung um ΔT. 3 → 4 Isotherme Kompression, wobei der Dampf wieder vollständig kondensiert. 4 → 1 Adiabatische Kompression mit Erwärmung um ΔT. Leiten Sie unter der Voraussetzung, dass die Volumenänderungen auf den Adiabaten vernachlässigbar klein sind, mithilfe des Wirkungsgrades η des CarnotKreisprozesses die Clausius-Clapeyron-Gleichung ab, QD Δp , = ΔT T V2 − V1 die die Koexistenzkurve von Gas und Flüssigkeit beschreibt.
2.9.22
Aufgabe 2.9.22 Eine bestimmte Wassermenge werde einem Carnot-Prozess zwischen den Temperaturen 2 ◦ C und 6 ◦ C unterworfen. Wegen der Anomalie des Wassers muss auf beiden Isothermen Wärme zugeführt werden. Handelt es sich hier um einen Widerspruch zur Kelvin’schen Formulierung des Zweiten Hauptsatzes?
2.9
Aufgaben
203
Aufgabe 2.9.23 Kreisprozess:
Ein ideales Gas durchlaufe den skizzierten Stirling’schen
2.9.23
p 1
T2
4
T1
2 3
V1
V2
Abb. 2.24. Der Stirling’sche Kreisprozess aus zwei
V
Isothermen und zwei Isochoren
1 → 2; 3 → 4 : isotherm, 2 → 3; 4 → 1 : isochor. Berechnen Sie den Wirkungsgrad.
Aufgabe 2.9.24 Mit einem idealen Gas wird ein Kreisprozess ausgeführt, der aus den folgenden Zustandsänderungen besteht:
(1) {p1 , V1 } → (2) {p1 , V2 } → (3) {p2 , V2 } → (4) {p2 , V1 } → (1) {p1 , V1 } . Dabei gelte: p1 V2 = p2 V1 . 1. 2. 3.
Stellen Sie den Prozess in der pV-Ebene dar und zeichnen Sie Isothermen ein. Stellen Sie den Prozess in der TV-Ebene dar und zeichnen Sie Isobaren ein. Stellen Sie den Prozess in der pT-Ebene dar und zeichnen Sie Isochoren ein.
2.9.24
204
2.9.25
2. Hauptsätze
Aufgabe 2.9.25 Bei einem Gummifaden wird folgender Zusammenhang zwischen der Länge L, der Zugkraft Z und der Temperatur T festgestellt:
L = L0 +
αZ T
L0 , α : Konstante .
Die Zugkraft Z = m g werde durch ein angehängtes Gewicht der Masse m realisiert. Zum Erwärmen des Fadens um die Temperaturdifferenz 1 K bei fester Länge L = L0 benötigt man, unabhängig von der Ausgangstemperatur, die konstante Wärmemenge C > 0. 1. Zeigen Sie, dass die Wärmekapazität des Fadens bei konstanter Länge L weder von der Temperatur T noch von L abhängt. 2. Berechnen Sie die innere Energie U(T, L) und die Entropie S(T, L). Wie lauten die Adiabatengleichungen T = T(L) und Z = Z(L)? 3. Skizzieren Sie die Isothermen und Adiabaten in einem Z-L-Diagramm. 4. Berechnen Sie die Wärmekapazität CZ bei konstanter Belastung Z. 5. Bei konstanter Belastung Z verkürzt sich der Faden bei Erwärmung von T1 auf T2 > T1 . Welcher Bruchteil β der zugeführten Wärme wird dabei durch Heben des Gewichtes in mechanische Arbeit umgewandelt? 6. Der Faden wird wärmeisoliert von L1 auf L2 > L1 gedehnt. Steigt oder sinkt dabei seine Temperatur?
2.9.26
Aufgabe 2.9.26 Betrachten Sie noch einmal das System aus Aufg. 2.9.25: Benutzen Sie die Teilergebnisse 1. bis 3. 1. Skizzieren Sie im Z-L-Diagramm einen Carnot’schen Kreisprozess. In welcher Richtung muss er durchlaufen werden, damit er als Wärmekraftmaschine wirkt? 2. Die beiden bei dem Carnot-Prozess durchlaufenen Isothermen mögen zu den Temperaturen T1 und T2 > T1 gehören. ΔQ1 und ΔQ2 seien die auf diesen Isothermen ausgetauschten Wärmemengen. Berechnen Sie ΔQ1 , ΔQ2 sowie den Wirkungsgrad des Carnot-Prozesses. 3. Diskutieren Sie einen Kreisprozess, der nur aus einem Isothermen- und einem Adiabatenstück besteht und dessen eine Ecke bei L = L0 liegt.
2.9
Aufgaben
205
Aufgabe 2.9.27 Für einen Gummifaden gelte wie in Aufg. 2.9.25 der folgende Zusammenhang zwischen Länge L, Zugkraft Z und Temperatur T:
L = L0 +
αZ T
.
Der zunächst mit Z belastete Faden werde schlagartig entlastet (Z = 0). Die anschließende Kontraktion des Fadens erfolge so schnell, dass dabei kein Wärmeaustausch mit der Umgebung möglich ist. Berechnen Sie die Entropiezunahme ΔS bei diesem irreversiblen Prozess als Funktion von Z und T. Wie kann man den gleichen Endzustand durch einen reversiblen Prozess erreichen und ΔS durch Integration von δQ | T berechnen?
2.9.27
206
2.9.28
2. Hauptsätze
Aufgabe 2.9.28 Ein Kristallgitter enthalte an bestimmten Gitterplätzen permanente magnetische Momente. Dieses Momentensystem sei durch eine Magnetisierung
H (Curie-Gesetz, C : Curie-Konstante) T und eine Wärmekapazität bei konstantem H, M = C
H 2 + Hr2 V, Hr : Konstante , 2 T charakterisiert. Das Kristallgitter habe eine Wärmekapazität CK , deren Temperaturabhängigkeit wegen CK >> C(m) H im Folgenden nicht berücksichtigt zu werden braucht. Der gesamte Kristall sei nach außen thermisch isoliert. 1. Zeigen Sie, dass die von dem Momentensystem bei einem quasistatischen Prozess aufgenommene Wärmemenge durch ∂M (m) (m) δQ = CH dT − μ0 V H dH ∂H T C(m) H = C μ0 V
2.
3.
4.
5.
beschrieben wird. (Das Volumen V ist hier eine unbedeutende Konstante, keine thermodynamische Variable!) Leiten Sie eine Bestimmungsgleichung für die Temperatur T(H) des magnetischen Systems ab, a) falls kein Wärmeaustausch zwischen magnetischem System und Kristallgitter stattfindet; b) falls sich die beiden Teilsysteme dauernd im thermischen Gleichgewicht befinden! Das Gesamtsystem habe eine Anfangstemperatur T ∗ und befinde sich in einem Feld H = H ∗ . a) Das Feld werde so schnell abgeschaltet, dass kein Wärmeaustausch zwischen Momentensystem und Kristallgitter stattfindet, andererseits aber auch so langsam, dass der Prozess als quasistatisch behandelt werden kann. Welche Temperatur T0 hat das Momentensystem nach Abschalten des Feldes? b) Durch den anschließenden Wärmeaustausch zwischen den Teilsystemen stellt sich ein thermisches Gleichgewicht mit der Temperatur Tg ein. Berechnen Sie Tg . Ausgehend von dem gleichen Anfangszustand wie unter (3a) werde das Feld so langsam abgeschaltet, dass die beiden Teilsysteme immer im thermischen Gleichgewicht sind. Welche Endtemperatur Tg wird nun erreicht? Diskutieren Sie die Ergebnisse aus 3. und 4. a) Sind die Prozesse reversibel? Tg nicht gleich? Welche Temb) Warum sind die Endtemperaturen Tg und peratur ist höher?
2.10 Kontrollfragen
207
2.10 Kontrollfragen Zu Abschn. 2.1 1. Was ist die wesentliche Aussage des Ersten Hauptsatzes? 2. Wie ist die innere Energie U definiert? Wie ändert sie sich bei einem Kreisprozess? 3. Was versteht man unter dem chemischen Potential μ? 4. Welche Relation bezeichnet man als kalorische, welche als thermische Zustandsgleichung? 5. Formulieren Sie den Ersten Hauptsatz für isolierte, geschlossene und offene Systeme. Zu Abschn. 2.2 1. Wie sind Wärmekapazitäten definiert? Welche physikalischen Aussagen machen sie? 2. Wodurch unterscheiden sich Wärmekapazität, spezifische Wärme und Molwärme? 3. Erklären Sie, warum beim idealen Gas Cp > CV ist. Zu Abschn. 2.3 1. Was versteht man unter einer adiabatischen Zustandsänderung? 2. Wie lauten die drei Adiabatengleichungen des idealen Gases? 3. Was kann man über die Wärmekapazitäten CV und Cp des Schwarzen Strahlers aussagen? 4. Formulieren Sie Adiabatengleichungen des Schwarzen Strahlers. 5. Was ist eine Isotherme? 6. Zeichnen Sie qualitativ für ein ideales Gas im pV-Diagramm eine Isochore, Isobare, Isotherme und Adiabate. Dabei sollen alle Kurven einen gemeinsamen Punkt (p0 , V0 ) haben. Zu Abschn. 2.4 1. Warum reicht der Erste Hauptsatz zur Beschreibung von thermodynamischen Systemen nicht aus? 2. Was versteht man unter einem perpetuum mobile zweiter Art? 3. Was besagt der Zweite Hauptsatz? Geben Sie die Kelvin’sche und die Clausius’sche Aussage an. 4. Wie ist eine Wärmekraftmaschine definiert? 5. Was bedeutet ihr Wirkungsgrad η? Zu Abschn. 2.5 1. Definieren Sie den Carnot-Prozess. 2. Was ist eine Wärmepumpe? 3. Wie lautet der Wirkungsgrad der Carnot-Maschine?
2.10
208
4.
2. Hauptsätze
Was kann über den Wirkungsgrad einer beliebigen reversibel und periodisch arbeitenden Maschine gesagt werden?
Zu Abschn. 2.6 1. Welche universelle Eigenschaft der Carnot-Maschine wird zur Festlegung der absoluten thermodynamischen Temperaturskala ausgenutzt? 2. In welcher Weise wird beim Beweis der Universalität des Wirkungsgrades reversibler Kreisprozesse davon Gebrauch gemacht, dass die Arbeitssubstanz ein ideales Gas ist? 3. Skizzieren Sie, wie man mit Hilfe von reversiblen Kreisprozessen eine absolute, substanzunabhängige Temperatur festlegen kann. Zu Abschn. 2.7 1. Was besagt die Clausius’sche Ungleichung? 2. Wie ist die Entropie S definiert? Ist dieselbe eindeutig? 3. Welcher integrierende Faktor macht aus der Differentialform δQ das totale Differential dS? 4. Wie berechnet man die Entropie, wenn Zustandsänderungen irreversibel verlaufen? 5. Wie formuliert man mathematisch den Zweiten Hauptsatz? 6. Was versteht man unter der Grundrelation der Thermodynamik? 7. Was würden Sie als die zentralen Begriffe der phänomenologischen Thermodynamik bezeichnen? 8. Wie verhält sich die Entropie eines isolierten Systems, in dem noch Prozesse ablaufen? Was kann über die Entropie nach Erreichen des Gleichgewichts gesagt werden? 9. Wodurch sind irreversible Prozesse gekennzeichnet? 10. Beschreiben Sie eine reversible und eine irreversible Möglichkeit, das ideale Gas isotherm zu expandieren. Zu Abschn. 2.8 1. Nennen Sie einige wichtige Schlussfolgerungen, die sich aus der Tatsache ergeben, dass dS und dU totale Differentiale sind. 2. Zeigen Sie, dass sich bei bekannter Wärmekapazität CV die innere Energie U(T, V) allein aus der Zustandsgleichung ableiten lässt. 3. Begründen Sie die Ungleichung Cp > CV . 4. Zeigen Sie, dass die Aussage des Gay-Lussac-Versuchs eine direkte Folge der Grundrelation der Thermodynamik ist. 5. Verifizieren Sie mit eben dieser Grundrelation für das Photonengas das StefanBoltzmann-Gesetz. 6. Was bezeichnet man als T dS-Gleichungen? 7. WelcheAnalogienbestehenzwischendemfluidenunddemmagnetischenSystem?
Kapitel 3 Thermodynamische Potentiale
3
3
3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.3 3.7.4 3.8 3.9 3.10
Thermodynamische Potentiale „Natürliche“ Zustandsvariablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Legendre-Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Homogenitätsrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die thermodynamischen Potentiale des idealen Gases . . . . . Mischungsentropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joule-Thomson-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichgewichtsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Isolierte Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschlossenes System im Wärmebad ohne Arbeitsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschlossenes System im Wärmebad bei konstanten Kräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Extremaleigenschaften von U und H . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Dritte Hauptsatz (Nernst’scher Wärmesatz) . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
211 213 216 218 221 225 228 229 231 232 233 234 239 247
211
3 Thermodynamische Potentiale 3.1
3.1 „Natürliche“ Zustandsvariablen Für reversible Zustandsänderungen, die, wie wir nun wissen, faktisch quasistatisch als Prozesse zwischen Gleichgewichtszuständen ablaufen müssen (Übergang ins Gleichgewicht ist irreversibel!), lautet die Grundrelation der Thermodynamik in allgemeinster Form: dU = T dS +
m
Fi dqi +
i=1
α
μj dNj .
(3.1)
j=1
Hier ist also offensichtlich (3.2)
U = U(S, q, N) . Speziell für Gase gilt mit {F, q} → {−p, V}: dU = T dS − p dV +
α
μj dNj ,
(3.3)
j=1
(3.4)
U = U(S, V, N) .
Da dU ein totales Differential ist, kann man die innere Energie U in gleicher Form auch als die Erzeugende der abhängigen Variablen auffassen. An (3.3) liest man z. B. für das Gas direkt ab: ∂U ∂U ∂U ; −p = ; μj = . (3.5) T= ∂S V, N ∂V S, N ∂Nj S, V, Ni, i =/ j Die experimentell wichtigen Response-Funktionen ergeben sich aus den zweiten Ableitungen:
∂2 U ∂S2
V, N
∂T = ∂S
⇒ CV = T
= V, N
∂2 U ∂S2
W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik 4 ISBN 978-3-642-01603-5 © Springer 2010
∂S ∂T
rev
=
V, N
T CV
−1 .
V, N
−1
(3.6)
212
3. Thermodynamische Potentiale
Die zweite Ableitung der inneren Energie nach dem Volumen führt auf die adiabatische Kompressibilität: 2 1 ∂U ∂p = − = 2 ∂V S, N ∂V S, N V κS 1 ⇒ κS = V
∂2 U ∂V 2
−1 .
(3.7)
S, N
Weitere nützliche Relationen ergeben sich schließlich aus der Tatsache, dass dU ein totales Differential ist, d. h. aus den entsprechenden Integrabilitätsbedingungen: ∂T ∂p ∂T ∂μi =− ; = . (3.8) ∂V S, N ∂S V, N ∂Ni V, S, Nj, j =/ i ∂S V, N Diese Beziehungen werden Maxwell-Relationen genannt. Die Gleichungen (3.5) bis (3.7) machen klar, dass das gesamte Gleichgewichtsverhalten des Systems eindeutig festgelegt ist, z. B. auch die Zustandsgleichungen, sobald U = U(S, q, N) bekannt ist. Eine Größe, die so etwas leistet, nennt man ein thermodynamisches Potential. Dessen unabhängige Zustandsvariablen heißen natürliche Variablen. Die natürlichen Variablen der inneren Energie sind also {S, q, N}, und damit speziell für das Gas: {S, V, N} . Die Bezeichnung Potential rührt von einer formalen Analogie mit dem Potential der Klassischen Mechanik her. Dort erhält man die Komponenten der Kräfte direkt als erste Ableitungen des Potentials nach den Koordinaten. – Von natürlichen Variablen eines thermodynamischen Potentials spricht man deshalb genau dann, wenn sich die entsprechenden abhängigen Variablen direkt durch Ableiten der Potentiale ergeben. Das ist nach (3.5) bei der inneren Energie U genau dann der Fall, wenn wir sie für ein Gas als Funktion von S, V und N darstellen. Das sind die Variablen, in denen die differentiellen Eigenschaften von U besonders einfach und vollständig sind. Es ist daher die kalorische Zustandsgleichung U = U(T, V, N) kein geeignetes thermodynamisches Potential. Wegen
3.2
Legendre-Transformation
∂U ∂T
213
= CV ;
V
∂U ∂V
=T
T
∂p ∂T
−p V
folgen die abhängigen Zustandsvariablen S und p nicht unmittelbar aus den ersten Ableitungen von U. Es gibt weitere Gesichtspunkte, die die natürlichen Variablen auszeichnen. So werden wir später Gleichgewichtsbedingungen für thermodynamische Systeme formulieren, und zwar in dem Sinne, dass in Systemen, in denen die natürlichen Variablen konstant gehalten werden, alle irreversiblen Prozesse so ablaufen, dass das thermodynamische Potential im Gleichgewicht extremal wird. Die Einführung anderer thermodynamischer Potentiale, wie wir sie im nächsten Abschnitt durchführen, erfüllt dann lediglich den Zweck, andere Energiefunktionen zu finden, die in anderen Variablensätzen ähnlich einfach sind wie U als Funktion von {S, q, N}. Löst man die Grundrelation (3.1) nach dS auf, dS =
m α 1 1 1 Fi dqi − μj dNj , dU − T T i=1 T
(3.9)
j=1
so erkennt man, dass auch S = S(U, q, N) ein thermodynamisches Potential darstellt.
3.2 Legendre-Transformation Ein Nachteil beim Gebrauch der inneren Energie U als thermodynamisches Potential ist offensichtlich. Die natürlichen Variablen sind sehr unbequem, da z. B. die Entropie S nicht leicht zu kontrollieren ist. Man führt deshalb, je nach experimentellen Randbedingungen, andere thermodynamische Potentiale ein, die als natürliche Variablen gerade solche Größen verwenden, die dem Experiment direkter zugänglich sind. Der Übergang von einem Variablensatz zum anderen erfolgt mithilfe der in Abschn. 2.1, Band 2 dieses Grundkurs: Theoretische Physik eingeführten Legendre-Transformation. Diese wenden wir auf die innere Energie U an, wobei wir parallel stets das Gas als spezielle Anwendung diskutieren wollen. 1.
Freie Energie: F = F(T, q, N) , Gas: F = F(T, V, N) .
Die ursprünglich, d. h. in Bezug auf U, unabhängige Variable S soll durch die Temperatur T ersetzt werden: ∂U =U −TS. (3.10) F =U −S ∂S q, N
3.2
214
3. Thermodynamische Potentiale
Das totale Differential dF ergibt sich mit (3.1) zu: dF = dU − d(T S) = dU − S dT − T dS , dF = −S dT +
m
Fi dqi +
i=1
α
μj dNj .
(3.11)
j=1
Dies bedeutet speziell für das Gas: dF = −S dT − p dV +
α
μj d Nj .
(3.12)
j=1
Die natürlichen Variablen der freien Energie sind demnach {T, q, N} ;
Gas: {T, V, N} .
Die abhängigen Zustandsgrößen ergeben sich unmittelbar aus den ersten partiellen Ableitungen: ∂F ∂F −S = ; Fj = . (3.13) ∂T q, N ∂qj T, N, qi, i =/ j Dies bedeutet wiederum speziell für das Gas: ∂F ∂F ; p=− . S=− ∂T V, N ∂V T, N Ferner gilt z. B. die Maxwell-Relation: ∂S ∂p = ∂V T, N ∂T V, N
2.
(Gas) .
(3.14)
(3.15)
Enthalpie: H = H(S, F, N) , Gas: H = H(S, p, N) .
Ausgehend von U sollen nun die generalisierten Koordinaten q mit den generalisierten Kräften F vertauscht werden: m m ∂U qi =U− qi Fi . (3.16) H=U− ∂qi S, N, qj =/ i i=1 i=1 Dies bedeutet speziell für das Gas: H = U + pV .
(3.17)
3.2
Legendre-Transformation
215
Zur Berechnung des totalen Differentials dH benutzen wir auch hier (3.1): dH = dU −
m dqi Fi + qi dFi ⇒ i=1
dH = T dS −
m
qi dFi +
i=1
α
μj dNj .
(3.18)
j=1
Im Spezialfall des Gases wird daraus: dH = T dS + V dp +
α
μj dNj .
(3.19)
j=1
Die natürlichen Variablen der Enthalpie sind also: {S, F, N} ;
Gas: {S, p, N} .
Da auch H ein thermodynamisches Potential darstellt, ergeben sich die abhängigen Zustandsvariablen direkt aus den ersten partiellen Ableitungen: ∂H ∂H ; qi = − . (3.20) T= ∂S F, N ∂Fi S, N, Fj =/ i Die zweite Gleichung lautet im Fall des Gases: ∂H . V= ∂p S, N Aus (3.19) folgt auch unmittelbar die folgende Maxwell-Relation: ∂T ∂V = (Gas) . ∂p S, N ∂S p, N 3.
(3.21)
(3.22)
Gibb’sche (freie) Enthalpie: G = G(T, F, N) , Gas: G = G(T, p, N) .
Ausgehend von U sollen nun S und q gegen T und F mithilfe einer LegendreTransformation ausgetauscht werden: m ∂U ∂U − qi , G=U −S ∂S q, N i = 1 ∂qi S, N, qj =/ i G=U −TS−
m
qi Fi .
(3.23)
i=1
Für das Gas gilt: G = U − T S + pV .
(3.24)
216
3. Thermodynamische Potentiale
Das totale Differential ist wiederum leicht ableitbar: dG = dU − T dS − S dT −
m qi dFi + Fi dqi . i=1
Setzen wir (3.1) ein, dG = −S dT −
m
qi dFi +
i=1
α
μj dNj ,
(3.25)
j=1
so erkennen wir, dass {T, F, N} ;
Gas: {T, p, N}
die natürlichen Variablen der freien Enthalpie sind. Für das Gas nimmt (3.25) die Gestalt dG = −S dT + V dp +
α
μj dNj
(3.26)
j=1
an. Die ersten partiellen Ableitungen von G nach den natürlichen Variablen führen auf die abhängigen Zustandsvariablen: ∂G ∂G ; qi = − . (3.27) S=− ∂T F, N ∂Fi T, N,Fj =/ i Für das Gas schreibt sich die zweite Gleichung: ∂G . V= ∂p T, N Nützlich ist noch die aus (3.26) folgende Maxwell-Relation: ∂S ∂V = . − ∂p T, N ∂T p, N
(3.28)
(3.29)
U, F, G und H sind die vier wichtigsten thermodynamischen Potentiale. Eine Fülle von aussagekräftigen Beziehungen resultieren allein aus der Tatsache, dass dU, dF, dH und dG totale Differentiale sind.
3.3
3.3 Homogenitätsrelationen Es muss als Erfahrungstatsache gelten, dass die innere Energie U eine extensive Zustandsgröße darstellt. Dies besagt, dass bei einer Vervielfachung der homogenen Phasen eines thermodynamischen Systems, in denen die intensiven Zustandsvariablen überall denselben Wert haben, sich auch U vervielfacht:
3.3
Homogenitätsrelationen
217
V → λV
⇒ U → λU .
Nj → λ Nj
(3.30)
Dieses ist streng natürlich nur dann richtig, wenn wir Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Teilsystemen vernachlässigen können und auf Oberflächeneffekte keine Rücksicht nehmen müssen. (In der Statistischen Mechanik werden wir dazu den thermodynamischen Limes einführen!) Wir wollen nun zeigen, dass auch die anderen thermodynamischen Potentiale extensive Zustandsgrößen sind. Da dU = T dS +
m i=1
Fi dqi +
α
μj dNj
j=1
extensiv ist, die Temperatur T nach Definition in Abschn. 1.3 intensiv, muss notwendig
m
S, dS
extensiv,
μj
intensiv,
Fi dqi
extensiv
i=1
folgen. Falls die verallgemeinerten Koordinaten qi extensiv gewählt werden, müssen die zugehörigen verallgemeinerten Kräfte Fi intensiv sein und umgekehrt. An (3.10), (3.11), (3.16), (3.18), (3.23) und (3.25) liest man dann unmittelbar die Behauptung ab: dF, dG, dH
bzw. F, G, H sind
extensive Zustandsgrößen! Nehmen wir einmal an, die Koordinaten qi seien sämtlich extensiv, wie z. B. das Volumen V beim Gas, dann gelten die Homogenitätsrelationen: F(T, λ q, λ N) = λ F(T, q, N) ,
(3.31)
H(λ S, F, λ N) = λ H(S, F, N) ,
(3.32)
G(T, F, λ N) = λ G(T, F, N) .
(3.33)
Aus der Extensivität von G ziehen wir eine wichtige Folgerung. Wir differenzieren beide Seiten der Gleichung (3.33) nach λ und setzen dann λ = 1: d G(T, F, λ N)|λ = 1 = dλ ⎛
α ∂ G =⎝ ∂ λ Nj j=1
G(T, F, N) =
T, F, Ni =/ j
⎞ Nj ⎠ λ=1
.
218
3. Thermodynamische Potentiale
Dies ergibt die Gibbs-Duhem-Relation G(T, F, N) =
α
μj Nj ,
(3.34)
j=1
die bei einer einzigen Teilchensorte (α = 1) besonders einfach aussieht: G(T, F, N) = μ N .
(3.35)
Das chemische Potential μ kann demnach als freie Enthalpie pro Teilchen interpretiert werden. Gleichung (3.34) kann natürlich auch wie folgt geschrieben werden: U −TS−
m
Fi dqi −
i=1
3.4
α
μj Nj = 0 .
(3.36)
j=1
3.4 Die thermodynamischen Potentiale des idealen Gases Bevor wir weitere, allgemein gültige Eigenschaften der thermodynamischen Potentiale ableiten, wollen wir einige spezielle Anwendungen diskutieren. Zunächst berechnen wir in diesem Abschnitt einmal explizit die Potentiale des idealen Gases, wobei wir annehmen wollen, dass das Gas aus nur einer Teilchensorte besteht: {q, F, N} → {V, −p, N} . Mit C bezeichnen wir die Wärmekapazität pro Teilchen: (3.37)
C = const
Dann gilt zunächst nach (2.58) und (2.59), falls die Teilchenzahl N konstant ist: dT ∂p dS = N CV dV = N CV d ln T + N kB d ln V . + T ∂T V Dies lässt sich formal leicht integrieren: T V S(T, V, N) = S T0 , V0 , N + N CV ln + N kB ln . T0 V0
(3.38)
Die Entropie S ist extensiv und muss deshalb homogen in den Variablen V und N sein: !
S(T, λ V, λ N) = λ S(T, V, N)
(λ reell) .
(3.39)
Das wird offensichtlich von dem Zwischenergebnis (3.38) nicht unmittelbar gewährleistet, insbesondere wegen des (ln V)-Terms auf der rechten Seite. Wir werden deshalb spezielle Forderungen an S(T0 , V0 , N) zu stellen haben:
3.4
Die thermodynamischen Potentiale des idealen Gases
219
T λV ! S T0 , V0 , λ N + λ N CV ln + λ N kB ln = T0 V0 T V ! = λ S T0 , V0 , N + λ N CV ln + λ N kB ln . T0 V0 Das ist gleichbedeutend mit λ S T0 , V0 , N = S T0 , V0 , λ N + λ N kB ln λ . Da λ beliebig gewählt werden kann, dürfen wir speziell λ = N0 |N setzen: N N0 S T0 , V0 , N = S T0 , V0 , N0 + N kB ln . N0 N Dies setzen wir in (3.38) ein:
S(T, V, N) = N
σ + CV ln
T V |N + kB ln T0 V0 | N0
.
Dabei ist σ nun eine wirkliche Konstante: 1 σ = S T0 , V0 , N0 . N0
(3.40)
(3.41)
In der Klammer erscheinen jetzt neben der Konstanten σ nur noch intensive Variable. S ist damit homogen in V und N. Wir haben mit (3.40) die Entropie eigentlich nicht in ihren natürlichen Variablen dargestellt. Das sind nach (3.9) U, V und N. Mithilfe der kalorischen Zustandsgleichung des idealen Gases, U(T) = N CV T + const , können wir jedoch leicht T durch U in (3.40) ersetzen: U |N V |N . + kB ln S(U, V, N) = N σ + CV ln U0 | N0 V0 | N0
(3.42)
(3.43)
Durch Auflösen nach U erhalten wir die innere Energie des idealen Gases als Funktion ihrer natürlichen Variablen S, V und N: U0 V |N 1 1 U=N . exp S − σ − kB ln N0 V0 | N0 CV N Mit kB | CV = γ − 1 können wir U in der Form σ N0 V 1 − γ S exp − U(S, V, N) = N CV T0 N V0 N CV CV
(3.44)
darstellen. Die innere Energie U des idealen Gases ist in ihren natürlichen Variablen ersichtlich auch volumenabhängig. Das ist kein Widerspruch zum Resultat des GayLussac-Versuchs, der sich auf die kalorische Zustandsgleichung (3.42) bezieht, also auf U in den Variablen T, V und N.
220
3. Thermodynamische Potentiale
Wir berechnen als nächstes die freie Enthalpie, und zwar mithilfe der GibbsDuhem-Relation (3.34). Dazu benötigen wir das chemische Potential μ, für das nach (3.9) gilt: μ ∂S − = . (3.45) T ∂N U, V Das können wir mit (3.43) explizit berechnen: −
μ
U |N V |N + kB ln + U0 | N0 V0 | N0 1 1 . + N CV N − 2 + kB N − 2 N N
= σ + CV ln
T
Daraus folgt mit (3.42), wenn man die Konstante gleich Null setzt:
μ(T, V, N) = kB + CV − σ T − CV T ln
T N0 V − kB T ln . T0 N V0
(3.46)
Man erkennt unmittelbar, dass μ eine intensive Variable ist: V . μ(T, V, N) → μ T, N Entsprechend ist
μ(T, p, N) = μ(T, p) , wobei wir letzteres aus (3.46) mithilfe der Zustandsgleichung und wegen Cp = CV +kB ableiten können:
μ(T, p) = Cp − σ T − Cp − kB T ln
T p|T + kB T ln . T0 p0 | T0
(3.47)
Mit (3.34) ergibt sich dann direkt die freie Enthalpie: G(T, p, N) = N μ(T, p) .
(3.48)
Für die freie Energie F benutzen wir: F = G − p V = N μ(T, V, N) − N kB T . Dies führt mit (3.46) zu: T V |N − N kB T ln . F(T, V, N) = N CV − σ T − N CV T ln T0 V0 | N0 Zur Berechnung der Enthalpie H geht man zweckmäßig von H = U + p V = N CV + kB T = N Cp T
(3.49)
(3.50)
3.5
Mischungsentropie
221
aus. Zur Darstellung von H in den natürlichen Variablen haben wir T als Funktion von S, p und N zu finden. Das gelingt mithilfe von (3.43) und der Zustandsgleichung des idealen Gases: T p T = N CV ln S − N σ − N kB ln − ln . T0 p0 T0 Mit Cp = CV + kB folgt weiter: S−Nσ
Cp − CV
p T = ln , p0 T0 (γ − 1) | γ p S−Nσ . T = T(S, p) = T0 exp p0 N Cp N Cp
+
Cp
ln
(3.51)
Damit sind die thermodynamischen Potentiale des idealen Gases vollständig bestimmt.
3.5
3.5 Mischungsentropie Die Überlegungen des letzten Abschnitts betrafen die Potentiale eines idealen Gases, das aus einer einzigen Teilchensorte besteht. Bei mehrkomponentigen Gasen sind noch einige Zusatzüberlegungen vonnöten. Wir betrachten zwei ideale Gase, bestehend aus unterschiedlichen Teilchentypen: a) Die beiden Gase seien durch eine Wand getrennt. In jeder Kammer herrsche gleicher Druck p und gleiche Temperatur T. Es gelten dann die Zustandsgleichungen: p V1 = N1 kB T , p V2 = N2 kB T .
V1 , N1
× × × V2 , N 2 ×××× × × ××
Abb. 3.1. Gedankenexperiment zur Definition der
Mischungsentropie
Thermodynamische Potentiale sind extensiv, deshalb gilt für die innere Energie U: U1 T, N1 + U2 T, N2 = U(T) = CV N1 + N2 T . Beide Teilchensorten sollen dasselbe CV haben. b) Wir nehmen nun die Trennungswand heraus. Es setzt eine irreversible Durchmischung
222
3. Thermodynamische Potentiale
der beiden Gase bis zur homogenen Zusammensetzung des Gesamtsystems ein. Sonst passiert nichts! ×
× ×
×
× × V = V1 + V2 × × N = N1 + N 2 × × × × × ×
Abb. 3.2. Durchmischung zweier verschiedener idealer Gase
Es findet keine Arbeitsleistung und kein Wärmeaustausch statt. Nach dem Ersten Hauptsatz ist dann U = const = U(T) = CV N1 + N2 T . Insbesondere bleibt die Temperatur konstant. Dies bedeutet für die Zustandsgleichung p V1 + V2 = N1 + N2 kB T . (p, T, U) ändern sich also nicht, möglicherweise aber die Entropie S. Über diese können wir nach (2.53) die folgende Aussage machen:
ΔS = S(b) − S(a) ≥
b a
δQ T
=0.
(3.52)
Explizit können wir ΔS nur mithilfe eines reversiblen Ersatzprozesses berechnen: (b1 ) = (b) Das Gasgemisch befinde sich in zwei ineinandergeschobenen Behältern, die zu jeweils einer Seite durch eine semipermeable Wand abgeschlossen sind. Die linke Seite ist für die Teilchensorte 2 undurchlässig, während die Teilchen vom Typ 1 ungehindert hindurchdiffundieren können. An der rechten Seite ist es umgekehrt. × ×
× ×
durchlässig nur für ( )
× V = V1 + V2 × N = N1 + N 2 × × durchlässig nur für (×××× )
Abb. 3.3. Reversibler Ersatzprozess für die Durchmischung zweier verschiedener idealer Gase (Ausgangszustand mit semipermeabler Wand)
Wir ziehen nun die beiden Behälter quasistatisch auseinander: (b2 ) Dadurch werden die Gase reversibel entmischt, wobei jede Gassorte stets das konstante Volumen V beibehält. Die semipermeablen Wände bewegen sich widerstandslos durch das Gas. Die Entmischung bedarf also keiner Arbeitsleistung
ΔW = 0 .
3.5
Mischungsentropie
223
Abb. 3.4. Reversibler Ersatzprozess für
× × × × × N 2 , p2 ,V × × × × × × × × ×
N1 , p1 ,V
×
die Durchmischung zweier verschiedener idealer Gase. Entmischung erreicht durch semipermeable Wand
Die Temperatur T ändert sich nicht, d. h., ΔU = 0, sodass auch ΔQ = 0 ist. Der Prozess verläuft reversibel, deshalb gilt:
ΔSb1 → b2 = 0 . Die Drucke haben sich geändert: (a)
p1 V = N1 kB T = p V1 (a)
⇒
p2 V = N2 kB T = p V2
Vi ; i = 1, 2 V (Dalton-Gesetz) .
pi = p
(b3 ) = (a) Durch eine isotherme, reversible Kompression, wie in Abschn. 2.7 beschrieben, führen wir das System schließlich in den Zustand (a) zurück. Dazu bringen wir das Gesamtsystem in Kontakt mit einem Wärmebad WB(T).
V1 , N1 , p
× × × × V2 , N 2 × × × ×p × × ×
WB(T )
Abb. 3.5. Reversibler Ersatzprozess für die Durchmischung
zweier verschiedener idealer Gase. Nach Entmischung durch semipermeable Wand (Abb. 3.4) Rückführung in den Anfangszustand durch isotherme Kompression
Da der Prozess isotherm verläuft, ist
ΔU = 0 . Es muss jedoch Arbeit an den beiden Teilsystemen geleistet werden:
ΔW = −
V1
p1 V dV −
V
V2
p2 V dV =
V
V1 = −N1 kB T V
dV − N2 kB T V
V2 V
dV = V
V1 V2 ! = −ΔQrev . = −kB T N1 ln + N2 ln V V
224
3. Thermodynamische Potentiale
Dies entspricht einer Entropieänderung: 1 ΔQrev . T Die gesamte Entropieänderung von (b, 3) = (a) nach (b, 1) = (b) beträgt dann: V V . (3.53) ΔS = S(b) − S(a) = kB N1 ln + N2 ln V1 V2
ΔSb2 → b3 =
Die Entropie hat also zugenommen! Die Verallgemeinerung von den hier diskutierten zwei auf α verschiedene Gassorten liegt auf der Hand: Mischungsentropie: ΔS = kB
α
Nj ln
j=1
V . Vj
(3.54)
Man beachte, dass die Ableitung dieses Ausdrucks voraussetzt, dass es sich bei den α idealen Gasen um solche aus paarweise unterscheidbaren Teilchen handelt, da sonst der reversible Ersatzprozess nicht funktioniert. Da die Entropie eine extensive Größe ist, können wir sie für den Zustand der Gase vor der Durchmischung direkt angeben: Sv =
α S T, Vj , Nj .
(3.55)
j=1
Es bleibt dann nur noch (3.38) einzusetzen. Die Gesamtentropie nach der Durchmischung berechnet sich schließlich wie folgt: Sn = ΔS + Sv = = kB
α
Nj ln
j=1
=
α j=1
⇒
Sn =
α Vj | Nj V T = + Nj σ + CV ln + kB ln Vj T0 V0 | N0 j=1
V | Nj T Nj σ + CV ln + kB ln T0 V0 | N0
α S T, V, Nj .
(3.56)
j=1
Die Entropien vorher und nachher unterscheiden sich also nur durch die Volumina, die den Gassorten zur Verfügung stehen. Vorher sind es die Teilvolumina Vj , nachher ist es für alle Sorten das Gesamtvolumen V. Zur Berechnung der Mischungsentropie
ΔS =
α S T, V, Nj − S T, Vj , Nj j=1
(3.57)
3.6
Joule-Thomson-Prozess
225
hätten wir also gleich die Formel (3.38) verwenden können, die für alle Gleichgewichtszustände gültig ist, die von dem ausgewählten Bezugspunkt (Index „0“, Konstante σ (3.41)) zumindest im Prinzip über einen reversiblen Prozess erreichbar sind. Für gleichartige Gase scheint die Formel (3.54) für die Mischungsentropie zu einem Widerspruch zu führen. Man betrachte z. B. zwei gleiche Gase mit N1 = N2 =
N ; 2
V1 = V2 =
V . 2
Dann ergibt (3.54) für die Durchmischung der beiden gleichen Gase
ΔS = N kB ln 2 ,
(3.58)
obwohl natürlich die Entropie sich nicht geändert haben kann (Gibb’sches Paradoxon). Dieser Widerspruch ist aber in Wirklichkeit keiner, da (3.54) für gleiche Gase nicht gilt. Für solche muss man vielmehr wie folgt argumentieren: ⎫ V N ⎪ ⎪ , Sv = 2 S T, , ⎬ 2 2 ⇒ ΔS = 0 . V N ⎪ ⎪ ⎭ Sn = S(T, V, N) = 2 S T, , 2 2 Man muss also auch nach der Durchmischung von einer einzigen Gassorte ausgehen. Für gleiche Gassorten gibt es keine semipermeablen Wände, sodass der oben skizzierte Ersatzprozess zur Entmischung nicht durchführbar ist.
3.6 Joule-Thomson-Prozess Wir wollen als weiteres Beispiel für die Anwendung thermodynamischer Potentiale die gedrosselte adiabatische Entspannung eines Gases beschreiben.
δQ = 0 V1 , p1 , T1
δQ = 0
V2 , p2 , T2 Abb. 3.6. Schematische Anordnung für den
Joule-Thomson-Drosselversuch
Der Joule-Thomson-Drosselversuch lässt sich so durchführen, dass man eine bestimmte Gasmenge mit dem Anfangsvolumen V1 , der Anfangstemperatur T1 bei konstantem Druck p1 durch eine poröse Wand in einen Raum mit konstant gehaltenem Druck p2 presst. Das Endvolumen sei V2 . Man interessiert sich für die Änderung der Gastemperatur von T1 auf T2 . Die poröse Drosselzone soll das Entstehen von ki-
3.6
226
3. Thermodynamische Potentiale
netischer Energie verhindern. Das gesamte System ist thermisch isoliert. Nach dem Ersten Hauptsatz gilt zunächst:
ΔU = U2 − U1 = ΔW = −
0
V2 p1 dV −
p2 dV = p1 V1 − p2 V2 . 0
V1
Dies bedeutet:
ΔH = U2 + p2 V2 − U1 + p1 V1 = 0 .
(3.59)
Der Joule-Thomson-Prozess ist also dadurch gekennzeichnet, dass die Enthalpie H konstant bleibt: H = const ⇐⇒ dH = T dS + V dp = 0 (N = const) .
(3.60)
Interessant ist der differentielle Joule-Thomson-Koeffizient ∂T δ= . ∂p H
(3.61)
Da beim Drosseln dp < 0 (p2 < p1 ) ist, bedeutet
δ>0:
Temperaturerniedrigung,
δ<0:
Temperaturerhöhung.
Wir bringen zunächst δ in eine Form, die sich allein mithilfe der Zustandsgleichung des Gases auswerten lässt: ∂S ∂S dp + dT . S = S(T, p) ⇒ dS = ∂p T ∂T p Dies setzen wir in (3.19) für dH ein (N = const ⇐⇒ dN = 0): ∂S ∂S dp . dH = T dT + V + T ∂T p ∂p T Mit der Maxwell-Relation für die freie Enthalpie G, ∂S ∂V =− , ∂p T ∂T p folgt weiter:
∂V dH = Cp dT + V − T ∂T
(3.62)
(3.63)
dp . p
(3.64)
3.6
Joule-Thomson-Prozess
227
Damit erhält man für den Joule-Thomson-Koeffizienten: 1 ∂T ∂V T δ= = −V . ∂p H Cp ∂T p
(3.65)
Wir wollen δ für zwei Modellsysteme explizit ausrechnen: 1) Ideales Gas Mithilfe der Zustandsgleichung erhält man unmittelbar: nRT ∂V ∂ nRT =V . =T = T ∂T p ∂T p p p
Beim idealen Gas lässt sich wegen
δ=0
(3.66)
demnach kein Kühleffekt erzielen. 2) Van der Waals-Gas Wir fassen in der Zustandsgleichung n2 p + a 2 (V − n b) = n R T V
die linke Seite als implizite Funktion von T und p auf (V = V(T, p)) und leiten bei festgehaltenem Druck p nach T ab: n2 n2 ∂V ∂V −2 a 3 (V − n b) + p+a 2 = nR . V ∂T p V ∂T p Daraus folgt:
∂V ∂T
n2 n3 −a 2 + p + 2 a b 3 = n R . V V p
Für den Joule-Thomson-Koeffizienten δ benötigen wir: nRT ∂V −V = T 2 3 −V . ∂T p p − a Vn 2 + 2 a b Vn 3
(3.67)
Wir interessieren uns für die so genannte Inversionskurve. Damit ist die Kurve im pV-Diagramm gemeint, für die δ = 0 gilt. Nach (3.67) muss dazu nRT = pV − a
n3 n2 + 2ab 2 V V
228
3. Thermodynamische Potentiale
erfüllt sein. Mit der van der Waals-Zustandsgleichung ist dies für pi =
n2 2a n − 3a 2 b V V
(3.68)
der Fall. Die Inversionskurve pi (V) hat offensichtlich bei V0 =
3 bn 2
eine Nullstelle und bei Vmax = 3 n b ein Maximum der Höhe pmax = 13 a | b2 . i Unterhalb der Inversionskurve ist δ > 0, d. h., die adiabatische Entspannung führt zu einer Kühlung des van der Waals-Gases. pv
δ <0
a 3b2
δ >0 × (3 2)nb 3nb
Abb. 3.7. Inversionskurve des van der Waals-Gases beim Joule-Thomson-Prozess
V
Der Joule-Thomson-Prozess verläuft irreversibel und ist deshalb mit einer Entropieproduktion verbunden. Es gilt: dS =
1 V dH − dp . T T
Wegen dH = 0 und dp < 0 nimmt die Entropie also zu: dS = −
3.7
V dp > 0 . T
3.7 Gleichgewichtsbedingungen Die thermodynamischen Potentiale sind als Funktionen ihrer natürlichen Variablen insbesondere dadurch ausgezeichnet, dass man durch Konstanthalten gewisser Variabler und Verändern der anderen sehr leicht erkennen kann, auf welche Weise Energieaustausch mit der Umgebung erfolgt. Nehmen wir als Beispiel die innere Energie U eines Gases: dU = T dS − p dV
⇒
1. S = const : dU = −p dV Arbeit 2. V = const : dU = T dS Wärme.
3.7
Gleichgewichtsbedingungen
229
Die Grundrelation der Thermodynamik T dS ≥ δQ = dU −
m
Fi dqi −
i=1
α
μj dNj
j=1
lässt sich mithilfe der thermodynamischen Potentiale für die verschiedenen Kontakte von System und Umgebung in besonders einfache Formen bringen. Die Potentiale geben uns die Möglichkeit, die Entwicklung eines thermodynamischen Systems zum Gleichgewicht hin und das Gleichgewicht selbst zu beschreiben. Die verschiedenen Potentiale sind dabei verschiedenen experimentellen Situationen angepasst. Wir betrachten die wichtigsten Spezialfälle. 3.7.1 Isolierte Systeme Diese Situation haben wir bereits im Zusammenhang mit dem Zweiten Hauptsatz (Abschn. 2.7) diskutiert. Isolierte Systeme sind definiert durch:
dU = 0 (δQ = 0) ;
dqi = 0 ;
dNj = 0 .
(3.69)
Dies bedeutet: dS ≥ 0 , dS = 0 im Gleichgewicht.
(3.70)
Solange in einem isolierten System noch reale, irreversible Prozesse ablaufen, geschehen diese stets so, dass die Entropie dabei zunimmt. Die Entropie ist maximal im stationären Gleichgewicht! Solange wir nur den Gleichgewichtswert der Entropie S = S(U, q, N) zugrundelegen, können wir über (3.70) hinaus keine weiteren Schlussfolgerungen ziehen, da ja nach Voraussetzung U, q und N konstant sind. Wir erzeugen uns deshalb nun in einem Gedankenexperiment eine einfache Nicht-Gleichgewichtssituation, aus der sich weitere Informationen ableiten lassen. Das nach außen isolierte System (U = const, V = const, Nj = const) werde durch eine Wand in zwei Teile zerlegt. Der Einfachheit halber nehmen wir an, dass das Gas in den Kammern aus nur einer Teilchensorte besteht (α = 1). Die Verallgemeinerung auf mehrere Sorten wird problemlos sein. 1
2 U1 ,V1 , N1 U 2 ,V2 , N 2
Abb. 3.8. Ein nach außen isoliertes System mit einer für Teilchen und
Energie durchlässigen Zwischenwand
Die Wand sei beweglich und für Energie und Teilchen durchlässig!
230
3. Thermodynamische Potentiale
V1 , V2 sowie U1 , U2 und N1 , N2 sind also noch variabel, allerdings unter den Randbedingungen: U = U1 + U2 = const ;
V = V1 + V2 = const ;
N = N1 + N2 = const .
Die Gesamtentropie ist additiv: S = S U1 , V1 , N1 + S U2 , V2 , N2 = S1 + S2 . Es gilt somit, da U, V, N konstant sind: dU1 = −dU2 , dV1 = −dV2 , dN1 = −dN2 . Die beiden Teilsysteme werden so lange reagieren, bis die Gleichgewichtsbedingung (3.70) erfüllt ist: 0 = dS = dS1 + dS2 = =
∂S1 ∂U1
+ +
∂S2 − ∂U2 V1 , N1
∂S1 ∂V1
∂S1 ∂N1
1 1 − = T1 T2
dU1 + V2 , N2
∂S2 − ∂V2 U1 , N1
∂S2 − ∂ N2 U1 , V1
dU1 +
dV1 + U2 , N2
dN1 = U2 , V2
p1 p2 − T1 T2
dV1 +
μ1 μ2 dN1 . + − + T1 T2
(3.71)
U1 , V1 und N1 sind unabhängige Zustandsvariable. Die Klammern müssen deshalb jede für sich verschwinden. Das Gleichgewicht ist also durch T1 = T2 = T ;
p1 = p2 = p ;
μ1 = μ2 = μ
(3.72)
gekennzeichnet. – Wir können in dem Gedankenexperiment die Unterteilung weiter fortsetzen, um schließlich asymptotisch zu der Aussage zu kommen, dass in einem isolierten System im Gleichgewicht an allen Orten gleiche Temperatur, gleicher Druck und gleiches chemisches Potential vorliegen!
3.7
Gleichgewichtsbedingungen
231
3.7.2 Geschlossenes System im Wärmebad ohne Arbeitsaustausch Damit ist im einzelnen gemeint:
geschlossen
⇒
Nj = const
⇐⇒
dNj = 0 ,
im Wärmebad
⇒
T = const
⇐⇒
dT = 0 ,
ohne Arbeitsaustausch
⇒
qi ≡ const
⇐⇒
dqi = 0 .
Die Grundrelation lautet dann: T dS ≥ dU , T = const
⇒
T dS = d(T S)
⇒
d(U − T S) ≤ 0 .
Dies bedeutet: dF ≤ 0 , dF = 0 im Gleichgewicht.
(3.73)
Bei allen irreversiblen Prozessen, die unter den angegebenen Randbedingungen, T = const ,
q = const ,
N = const ,
noch ablaufen können, nimmt die freie Energie stets ab. F ist minimal im Gleichgewicht. Um weitere Aussage zu bekommen, machen wir ein ähnliches Gedankenexperiment wie im letzten Abschnitt mit dem isolierten System, und zwar wieder als Beispiel mit einem Gas. Das System wird unterteilt durch eine Wand, die frei verschiebbar und für Teilchen durchlässig sein möge. Das Wärmebad sorgt in beiden Kammern für konstante Temperatur. V1 , N1 , T
V2 , N 2 , T Abb. 3.9. System im Wärmebad mit einer für Teilchen
WB(T )
durchlässigen Zwischenwand
V = V1 + V2 = const
⇒
dV1 = −dV2 ,
N = N1 + N2 = const ⇒ dN1 = −dN2 , F = F T, V1 , N1 + F T, V2 , N2 = F1 + F2 .
232
3. Thermodynamische Potentiale
Im Gleichgewicht gilt: 0 = dF =dF1 + dF2 = ∂F1 ∂F2 dV1 + = − ∂V1 N1 , T ∂V2 N2 , T ∂F1 ∂F2 dN1 = − + ∂N1 V1 , T ∂N2 V2 , T = −p1 + p2 dV1 + μ1 − μ2 dN1 . Da V1 und N1 unabhängige Variable sind, folgt: p1 = p2 = p ;
μ1 = μ2 = μ .
(3.74)
Wir können aus diesem Gedankenexperiment folgern, dass sich in einem geschlossenen System (Gas), das sich mit konstantem Volumen V in einem Wärmebad befindet, überall gleicher Druck und gleiches chemisches Potential im Gleichgewicht einstellt.
3.7.3 Geschlossenes System im Wärmebad bei konstanten Kräften Damit sind die folgenden Voraussetzungen gemeint:
dT = 0 ,
dNj = 0 ,
(Gas: T = const, N = const, p = const). Die Grundrelation lautet jetzt: T dS = d(T S) ≥ dU − ⇒ d U−
m i=1 m
(3.75)
dFi = 0
Fi dqi = dU − d
m
Fi qi
i=1
Fi qi − T S ≤ 0 .
i=1
Dies bedeutet: dG ≤ 0 , dG = 0 im Gleichgewicht.
(3.76)
Die freie Enthalpie (Gibb’sches Potential) G nimmt bei irreversiblen Prozessen, die unter den obigen Randbedingungen ablaufen, stets ab. Im Gleichgewicht ist G minimal!
3.7
Gleichgewichtsbedingungen
N (1) p,T
N (2) p,T
233
Abb. 3.10. System im Wärmebad der Temperatur T mit einer für Teilchen durchlässigen Zwischenwand; rechts und links durch verschiebbare Kolben begrenzt, die in den Kammern für konstanten Druck p sorgen
WB(T )
Dasselbe Gedankenexperiment wie im letzten Abschnitt mit der Zusatzbedingung p = const in jeder Kammer soll nun mit mehreren Teilchensorten durchgeführt werden. Die Nebenbedingungen Nj(1) + Nj(2) = Nj = const ∀ j führen mit
dNj(1) = −dNj(2)
⇐⇒
G = G T, p, N (1) + G T, p, N (2) = G1 + G2
auf den folgenden Ausdruck: ⎡⎛ ⎞ α ⎢ ∂G1 dG = ⎣⎝ (1) ⎠ ∂Nj j=1
⎛ −⎝
T, F, Ni,(1) i =/ j
=
α $
%
⎞
∂G2 ⎠ ∂Nj(2)
⎤ ⎥ (1) ⎦ dNj =
T, F, Ni,(2) i =/ j
!
(2) dNj(1) = 0 . μ(1) j − μj
j=1
Dies bedeutet, dass das chemische Potential (2) μ(1) j = μj = μj
(3.77)
im Gleichgewicht im ganzen System denselben Wert annimmt. 3.7.4 Extremaleigenschaften von U und H Die bisher abgeleiteten Gleichgewichtsbedingungen sind die praktisch wichtigen. Formal lassen sich natürlich auch Bedingungen für U und H ableiten, die jedoch wegen der Forderung, S konstant zu halten, ziemlich unhandlich sind. 1) Geschlossenes System konstanter Entropie ohne Arbeitsleistung Dies bedeutet:
dNj = 0 ,
dS = 0 ,
dqi = 0 (δW = 0) .
(3.78)
Die Grundrelation liefert in diesem Fall: dU ≤ 0, dU = 0 im Gleichgewicht.
(3.79)
234
3. Thermodynamische Potentiale
Für alle Prozesse, die unter den Bedingungen (3.78) noch ablaufen können, nimmt die innere Energie U ab. Sie ist minimal im Gleichgewicht. 2) Geschlossenes System konstanter Entropie mit konstanten Kräften Unter den Randbedingungen
dNj = 0 , lautet die Grundrelation: 0 ≥ dU −
m
dS = 0 ,
Fi dqi = d U −
i=1
(3.80)
dFi = 0
m
Fi qi
.
i=1
Dies bedeutet: dH ≤ 0 , dH = 0 im Gleichgewicht.
(3.81)
H nimmt unter den Randbedingungen (3.80) für alle Prozesse, die dann noch ablaufen können, ab und ist minimal im Gleichgewicht!
3.8
3.8 Der Dritte Hauptsatz (Nernst’scher Wärmesatz) Mithilfe des Zweiten Hauptsatzes haben wir in Abschn. 2.7 die für die Thermodynamik zentrale Zustandsgröße Entropie eingeführt, konnten diese allerdings nur bis auf eine additive Konstante definieren. Eindeutig sind deshalb nur Entropiedifferenzen zwischen zwei Punkten des Zustandsraums, vorausgesetzt, sie lassen sich durch eine reversible Zustandsänderung miteinander verbinden. Das ist jedoch nicht selbstverständlich. Die Zustandsgleichung des Systems, z. B. f (T, p, V) = 0 für ein Gas, definiert eine Zustandsfläche im (p, V, T)-Raum. Befinden sich die beiden Zustände A und B auf demselben zusammenhängenden Blatt der Zustandsfläche, so lassen sie sich stets durch einen reversiblen Weg miteinander verbinden. Besteht die Zustandsfläche aus zwei oder mehreren nichtzusammenhängenden Blättern (metastabile Phasen eines Systems, Gemisch verschiedener Substanzen o. Ä.), dann kann es sein, dass ein T B
p
A
V
Abb. 3.11. Weg vom Zustand A zum Zustand B auf einem
zusammenhängenden Blatt der Zustandsfläche f (T, p, V) = 0
3.8
Der Dritte Hauptsatz (Nernst’scher Wärmesatz)
235
solcher reversibler Weg nicht existiert. Die unbestimmte Konstante verhindert dann den direkten Vergleich der Entropien in den Zuständen A und B. Der Satz von Nernst macht eine Aussage über das Verhalten der Entropie für T → 0 und hebt damit teilweise die Unbestimmtheit auf. Es handelt sich um eine Erfahrungstatsache, die erst im Rahmen der Statistischen Mechanik theoretisch begründet werden kann. Satz 3.8.1: Dritter Hauptsatz Die Entropie eines thermodynamischen Systems bei T = 0 ist eine universelle Konstante, die man zu Null wählen kann. Das gilt unabhängig von den Werten der anderen Zustandsvariablen:
lim S(T, q, N) = 0 ,
(3.82)
lim S(T, F, N) = 0 .
(3.83)
T →0 T →0
Dieser Satz gilt für jedes System und macht die Entropie eines jeden Zustands eindeutig. Wir wollen einige experimentell nachprüfbare Folgerungen aus diesem Satz ziehen. 1) Wärmekapazitäten Behauptung:
lim Cq = lim T
T →0
T →0
lim CF = lim T
T →0
T →0
∂S ∂T ∂S ∂T
=0,
(3.84)
=0.
(3.85)
q
F
Die Wärmekapazitäten aller Substanzen verschwinden am absoluten Nullpunkt. Das wird experimentell eindeutig bestätigt. Das Modellsystem ideales Gas liefert jedoch einen Widerspruch, da CV = const, Cp = const sind, ist aber natürlich für T → 0 auch kein realistisches physikalisches System (Kondensation!). Beweis Wärmekapazitäten sind nicht negativ. Deshalb gilt:
∂S T ∂T
=
...
∂S
∂ ln T
≥0. ...
Man setze: x = ln T. Dann bedeutet T → 0 nichts anderes als x → −∞. Wäre nun ∂S lim =α>0, x → −∞ ∂x ...
3.8.1
236
3. Thermodynamische Potentiale
dann gäbe es, da S als Zustandsgröße stetig ist, ein x0 mit ∂S α ≥ >0. −∞ < x ≤ x0 und ∂x 2 Dies ist gleichbedeutend mit: x0 S(x0 ) − S(x) = x
∂S α x0 − x . dx ≥ ∂x 2
Das hieße S(x) ≤
α 2
x + const
und würde dann wegen lim S(x) = −∞
x → −∞
dem Nernst’schen Satz widersprechen. Die Annahme α > 0 muss also falsch sein. Es gilt vielmehr α = 0, womit die Behauptung bewiesen ist. Für die Wärmekapazitäten des Gases Cp , CV kann man zeigen, dass ihre Differenz sogar stärker als T gegen Null geht: Behauptung:
lim
T →0
Cp − CV =0. T
(3.86)
Beweis Nach (2.65) gilt:
Cp − CV = T
∂p ∂T
V
∂V ∂T
. p
Wir benutzen die Maxwell-Relation der freien Energie: ∂p ∂S = . ∂T V ∂V T Bei T = 0 ist S unabhängig von anderen Variablen, deshalb muss ∂S =0 lim T → 0 ∂V T sein, womit die Behauptung bewiesen ist. 2) Ausdehnungskoeffizient Es gibt noch einige andere Response-Funktionen, für die wir aus dem Dritten Hauptsatz Aussagen über ihr T → 0–Verhalten ableiten können.
3.8
Der Dritte Hauptsatz (Nernst’scher Wärmesatz)
237
Behauptung:
β=
1 V
∂V ∂T
p
− −→ 0 . T →0
(3.87)
Beweis Wir benutzen die Maxwell-Relation der freien Enthalpie: ∂V ∂S =− . ∂T p ∂p T
Mit derselben Begründung wie oben gilt: ∂S lim =0, T → 0 ∂p T woraus unmittelbar die Behauptung folgt. Die wohl wichtigste Folgerung aus dem Dritten Hauptsatz dürfte die 3) Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunkts sein. Tiefe Temperaturen erhält man durch Hintereinanderschalten adiabatischer und isothermer Prozesse mit einer geeigneten Arbeitssubstanz, z. B. mit einem Gas (Linde-Verfahren) oder mit einem Paramagneten (adiabatisches Entmagnetisieren). Wir erläutern kurz das Prinzip: Die Entropie muss außer von der Temperatur noch von einem anderen Parameter x abhängig sein, z. B. für ein Gas vom Druck p (p2 > p1 ) oder für einen Paramagneten vom Feld H (H2 > H1 ). Man führt dann den folgenden Prozess durch:
A → B Entropie-Verminderung durch isotherme Änderung des Parameters x von x1 nach x2 . Dabei muss eine bestimmte Wärmemenge abgeführt werden, die im reversiblen Fall gleich Ta ΔS ist. B → C Das System wird thermisch isoliert und der Parameter x längs einer Isentrope auf den ursprünglichen Wert x1 zurückgebracht. Dabei sinkt die Temperatur von Ta auf Te . Würden für T → 0 die Entropiekurven, wie in Abb. 3.12 skizziert, für verschiedene Werte des Parameters x gegen verschiedene Grenzwerte streben, so ließe sich S
x1
A C
Te
x2 B
Ta
T
Abb. 3.12. Entropie als Funktion der Temperatur für zwei verschiedene Parameter (V, p, . . .) mit unterschiedlichen Grenzwerten für T = 0
238
3. Thermodynamische Potentiale
S
x1
A
x2 C
B T
S
x1
Abb. 3.13. Entropie als Funktion der Temperatur für zwei ver-
x2
T
schiedene Parameter (V, p, . . .) mit unterschiedlichen Grenzwerten für T = 0 (oben), wodurch der absolute Nullpunkt erreichbar wäre. Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunkts bei gleichen Grenzwerten (unten), dem dritten Hauptsatz entsprechend
der absolute Nullpunkt ohne Schwierigkeiten erreichen. Ein solches S-Verhalten widerspräche allerdings dem Dritten Hauptsatz, demzufolge alle Entropiekurven für T → 0 in den Ursprung münden. Man macht sich an der Abbildung unmittelbar klar, dass der Punkt T = 0 nur durch unendlich viele Teilschritte asymptotisch erreichbar ist. Man kann ihm beliebig nahe kommen, ihn aber nie erreichen. Formaler ergibt sich dieser Sachverhalt durch die folgende Überlegung: Wir betrachten einen adiabatischen Prozess, δQ = 0 S T1 , x1 −−−→ S T2 , x2 , für den nach dem Zweiten Hauptsatz (T dS ≥ δQ = 0) S T2 , x2 ≥ S T1 , x1 gelten muss, wobei das Gleichheitszeichen für einen reversiblen Übergang gilt. Aus dem Dritten Hauptsatz folgt nun: S T1 , x1 =
T1
Cx x1 , T dT , T
0
S T2 , x2 =
T2
Cx x2 , T dT . T
0
Wäre T2 = 0, so hieße das S(T2 = 0, x2 ) = 0 und damit T1 Cx x1 , T dT ≤ 0 . T 0
Dies ist aber wegen T1 > 0 und Cx (x1 , T =/ 0) > 0 unmöglich. T2 kann also nicht Null sein, womit die Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunkts bewiesen ist.
3.9
Aufgaben
239
3.9
3.9 Aufgaben Aufgabe 3.9.1 Ein System habe die folgenden Eigenschaften: a. Die von ihm durch Expansion von V0 auf V bei konstanter Temperatur T0 geleistete Arbeit ist
ΔWT0 = R T0 ln
3.9.1
V . V0
b. Seine Entropie beträgt S=R
V0 V
T T0
a ,
wobei V0 , T0 und a (a =/ −1) gegebene Konstanten sind. Bestimmen Sie 1. die freie Energie, 2. die Zustandsgleichung, 3. die bei einer beliebigen konstanten Temperatur T durch Expansion von V0 auf V geleistete Arbeit.
Aufgabe 3.9.2 Für das Photonengas (Schwarzer Strahler) gilt:
U(T, V) = V ε (T) ;
p=
3.9.2
1 ε (T) . 3
Berechnen Sie damit die thermodynamischen Potentiale als Funktion ihrer natürlichen Variablen.
Aufgabe 3.9.3 Eine Spiralfeder erfülle das Hooke’sche Gesetz, d. h., die Ausdehnung x ist proportional zur Kraft Fk = −k x. Der Koeffizient k möge gemäß
k(T) =
a ; T
a>0
von der Temperatur abhängen. Wie ändert sich die innere Energie U des Systems, wenn die Spiralfeder bis zur Ausdehnung x bei konstanter Temperatur gedehnt wird?
3.9.3
240
3.9.4
3. Thermodynamische Potentiale
Aufgabe 3.9.4 Ein Gummiband wird durch eine äußere Kraft bis zur Länge L gedehnt. Es habe dann die Spannung σ und die Temperatur T. Bei festgehaltener Länge L misst man:
σ = αT ; α > 0 . 1. 2. 3.
Zeigen Sie, dass die innere Energie nur von der Temperatur abhängt. Wie ändert sich die Entropie bei isothermer Dehnung des Bandes? Wie ändert sich die Temperatur, wenn das Band adiabatisch gedehnt wird?
3.9.5
Aufgabe 3.9.5 Eine paramagnetische Substanz (Wärmekapazität CH bekannt!) erfülle das Curie-Gesetz. Berechnen Sie für eine reversible, adiabatische Zustandsänderung ∂T . ∂H S
3.9.6
Aufgabe 3.9.6 Die freie Energie F eines Systems von N gleichen Teilchen im Volumen V sei:
F(T, V) = −N kB T ln C0 V − N kB T ln C1 (kB T)α , C0 , C1 : gegebene Konstanten > 0; α : gegebene Konstante > 1. Berechnen Sie 1. die Entropie S = S(T, V), 2. den Druck p, 3. die kalorische Zustandsgleichung U = U(T, V), 4. die Wärmekapazität CV , 5. die isotherme Kompressiblität κT .
3.9.7
Aufgabe 3.9.7 Eine paramagnetische Substanz habe die isotherme magnetische Suszeptiblität χT . 1. Berechnen Sie die Magnetisierungsabhängigkeit der freien Energie. 2. Leiten Sie daraus die entsprechenden Abhängigkeiten der inneren Energie und der Entropie ab.
3.9
Aufgaben
241
Aufgabe 3.9.8 Berechnen Sie die freie Energie und die freie Enthalpie für eine magnetische Substanz, die das Curie-Weiß-Gesetz erfüllt. Zeigen Sie zunächst, dass die Wärmekapazität Cm nur von der Temperatur abhängt, und setzen Sie Cm (T) dann als bekannt voraus.
3.9.8
Aufgabe 3.9.9 Das Volumen eines Systems sei als Funktion von Temperatur und Entropie, V = V(T, S), gegeben. Berechnen Sie die partielle Ableitung der Enthalpie H nach dem Druck p bei konstantem Volumen.
3.9.9
Aufgabe 3.9.10 Betrachten Sie einen gespannten Draht aus piezoelektrischem Material. Piezoelektrizität bedeutet, dass bei isothermer oder adiabatischer Änderung der (mechanischen) Spannung τ eine Änderung der elektrischen Polarisation P beobachtet wird oder bei Änderung der elektrischen Feldstärke E eine Änderung der Länge L bzw. der Spannung σ . 1. Verifizieren Sie: ∂P ∂L V = ∂τ T, E ∂E T, τ
3.9.10
2. 3.
(V: Volumen, wird als konstant angesehen). Wie viele verschiedene thermodynamische Potentiale gibt es für ein solches System? Wie viele Integrabilitätsbedingungen gibt es?
Aufgabe 3.9.11 Für ein System mit der Teilchenzahl N, der inneren Energie U, der Temperatur T, dem Volumen V und dem chemischen Potential μ ist zu zeigen, dass die folgenden Beziehungen gelten: ∂U ∂μ − μ = −T , 1. ∂N T, V ∂T V, N 1 ∂N ∂N ∂U 2. = , ∂T V, μ | T T ∂μ T, V ∂N T, V 1 ∂N ∂U ∂U ∂U 2 3. − = . ∂T V, μ | T ∂T V, N T ∂μ T, V ∂N T, V
3.9.11
242
3.9.12
3. Thermodynamische Potentiale
Aufgabe 3.9.12 Eine paramagnetische Substanz habe die isotherme Suszeptiblität χT : ∂M μ0 ∂m χT = = ; (V = const , B0 = μ0 H) . ∂H T V ∂B0 T
Die freie Energie F, die innere Energie U und die Entropie S wurden bereits in Aufg. 3.9.7 als Funktionen von T und m berechnet. 1. Wie lauten diese Ergebnisse für magnetische Systeme mit Curie-WeißVerhalten, m C H M= ; C : Curie-Konstante (1.26) , M= T − Tc V 2.
d. h. für Ferromagnete bei T > Tc ? Für die Substanz aus 1. gelte außerdem: Cm (T, m = 0) = γ T
3. 4.
3.9.13
(γ > 0) .
Berechnen Sie damit F(T, m), S(T, m), S(T, H) sowie U(T, m). Berechnen Sie die Wärmekapazitäten Cm und CH sowie die adiabatische Suszeptibilität χS . Diskutieren Sie mit den obigen Teilergebnissen, ob das Curie-Verhalten des idealen Paramagneten (Tc = 0) mit dem Dritten Hauptsatz verträglich ist.
Aufgabe 3.9.13 Für den idealen Paramagneten (Tc = 0) diskutiere man mit den Ergebnissen aus Aufg. 3.9.12 das
adiabatische Entmagnetisieren. 1.
2.
Der Paramagnet befinde sich in einem Wärmebad WB(T1 ). Welche Wärme ΔQ wird abgeführt, wenn das Magnetfeld von Null auf H =/ 0 gesteigert wird? Das System werde vom Wärmebad entkoppelt und das Feld adiabatisch reversibel abgeschaltet. Berechnen Sie die Endtemperatur.
3.9
Aufgaben
243
Aufgabe 3.9.14 Die freie Energie F eines kompressiblen Festkörpers (Modell: elastisch gekoppelte Einstein-Oszillatoren) habe als Funktion von Temperatur T und Volumen V folgende Gestalt: F(T, V) = F0 (V) + A T ln 1 − e−E(V) | kB T .
Für den temperaturunabhängigen Anteil gelte der Ansatz: F0 (V) =
B (V − V0 )2 . 2 V0
Ferner gestatte E(V) die Entwicklung: E(V) = E0 − E1
V − V0 . V0
Die Größen A, B, E0 , E1 sind positive Konstanten. 1. Berechnen Sie den Druck p, die Entropie S und die innere Energie U als Funktion von T und V. Drücken Sie die Ergebnisse so weit wie möglich durch die Bose-Funktion −1 n(T, V) = eE(V) | kB T − 1
2.
3.
aus. Welches Volumen nimmt der Körper bei verschwindendem Druck ein? Wie groß ist der thermische Ausdehnungskoeffizient β? Diskutieren Sie insbesondere die Grenzfälle T = 0 und kB T >> E(V). Dabei beschränke man sich auf Beiträge der niedrigsten nicht verschwindenden Ordnung in E1 . Schätzen Sie in derselben Näherung wie unter 2. die Differenz Cp − CV der Wärmekapazitäten ab.
3.9.14
244
3.9.15
3. Thermodynamische Potentiale
Aufgabe 3.9.15 Die Arbeit, die notwendig ist, um die Oberfläche A einer Flüssigkeit bei konstantem Volumen um dA zu vergrößern, sei gegeben durch σ dA mit T T < Tc ; α > 0 . σ = σ(T) = α 1 − Tc
Es sei CV, A die Wärmekapazität für gleichzeitig konstantes Volumen und konstante Oberfläche. 1. Wie lautet das Differential dU der inneren Energie U = U(S, V, A)? 2. Beweisen Sie die Relation T dσ ∂T = . ∂A S, V CV,A dT 3.
Berechnen Sie für einen adiabatisch-isochoren, reversiblen Prozess die Temperatur als Funktion der Oberfläche, wenn die Anfangswerte T = T0 , A = A0 vorgegeben sind und CV, A konstant ist. 4. Wie lautet das Differential dF der freien Energie F = F(T, V, A)? 5. Zeigen Sie, dass F in einen Volumenanteil FV (T, V) und einen Oberflächenanteil FA (T, A) zerfällt. 6. Wie groß ist bei einem isotherm-isochoren Prozess die Änderung dS der Entropie bei einer Änderung dA der Oberfläche? 7. Wie ändert sich U bei einem isotherm-isochoren Prozess mit der Oberfläche? 8. Wie lautet der Oberflächenanteil SA (T, A) der Entropie? Welche Wärmemenge ist nötig, um die Oberfläche in einem reversiblen isotherm-isochoren Prozess von A1 auf A2 zu ändern? 9. Wie lautet das Differential der freien Enthalpie? 10. Berechnen Sie den Oberflächenanteil der freien Enthalpie. Wie erhält man aus GV das Volumen des Systems?
3.9
Aufgaben
245
Aufgabe 3.9.16 1. Ein Flüssigkeitstropfen (Radius r, Masse M1 , Dichte ρ1 ) befinde sich im Dampf (Masse M2 ) derselben Substanz. Wie in Aufg. 3.9.15 zerlege man die freie Enthalpie in einen Volumen- und einen Oberflächenanteil. Der Volumenanteil pro Masseneinheit für die Flüssigkeit sei g1 , die freie Enthalpie pro Masseneinheit des Dampfes sei g2 . Temperatur und Druck seien in beiden Phasen gleich. Wie lautet die freie Enthalpie für das Gesamtsystem? (Benutzen Sie, falls nötig, Teilergebnisse aus Aufg. 3.9.15.) 2. Bei gegebenem Druck p und gegebener Temperatur T ist im thermischen Gleichgewicht die gesamte freie Enthalpie minimal. Leiten Sie aus diesem Prinzip die Relation
g2 − g1 =
3.
2 σ (T) r ρ1
(σ (T) wie in Aufg. 3.9.15, ρ1 = const) ab. Die Dichte des Dampfes ρ2 sei sehr viel kleiner als ρ1 . Er verhalte sich wie ein ideales Gas. Leiten Sie unter diesen Voraussetzungen den Dampfdruck p = p(r, T) des Tropfens ab.
3.9.16
246
3.9.17
3. Thermodynamische Potentiale
Aufgabe 3.9.17 Man betrachte ein magnetisches Momentensystem mit den thermodynamischen Variablen Temperatur T, Magnetfeld H und Magnetisierung M (Druck p und Volumen V seien konstant und für das Folgende irrelevant). 1. Die innere Energie U = U(T, M) sei bekannt, ferner die Zustandsgleichung in der Form M = f (T, H) gegeben. Formulieren Sie mit diesen Angaben die Differenz der Wärmekapazitäten CM − CH . 2. Was ergibt sich speziell für den idealen Paramagneten C ∂U = 0 ; M = H ; C : Curie-Konstante ? ∂M T T
3.
Beweisen Sie die folgenden Relationen: ∂S ∂H = −μ0 V , a) ∂M T ∂T M ∂S ∂M = μ0 V , b) ∂H T ∂T H 1 ∂S ∂U = −μ VH . c) ∂M T T ∂M T 0
4.
Verifizieren Sie mit 1. und 3. die Behauptung: ∂H ∂M . CM − CH = μ0 V T ∂T M ∂T H
5.
Benutzen Sie zur Berechnung von CM −CH die folgende Zustandsgleichung: H=
6. 7. 8.
9.
1 (T − Tc ) M + b M 3 . C
C, Tc , b sind positive Konstanten. Zeigen Sie, dass bei einer solchen Zustandsgleichung die Wärmekapazität CM nicht von M abhängen kann. Berechnen Sie mit der Zustandsgleichung aus 5. F = F(T, M) und S = S(T, M). Zeigen Sie, dass die Zustandsgleichung 5. in einem bestimmten Temperaturbereich für H → 0 neben der selbstverständlichen Lösung M = 0 auch eine nicht-triviale Lösung M = MS =/ 0 besitzt. Diskutieren Sie die Stabilität der beiden Lösungen durch Vergleich der freien Energien. Wie hängen die magnetische Suszeptiblität χT und die Differenz CM − CH im Limes H → 0 von der Temperatur ab?
3.10 Kontrollfragen
247
3.10 Kontrollfragen Zu Abschn. 3.1 1. Durch welche partiellen Ableitungen von U = U(S, V, N) sind die ResponseFunktionen CV und κS eines Gases bestimmt? 2. Was versteht man unter Maxwell-Relationen? 3. Wann nennt man eine Zustandsfunktion ein thermodynamisches Potential? 4. Stellt die innere Energie U in der Form der kalorischen Zustandsgleichung U = U(T, V, N) ein thermodynamisches Potential dar? 5. Wann spricht man von natürlichen Variablen eines thermodynamischen Potentials? 6. Was sind die natürlichen Variablen der inneren Energie U eines Gases? Zu Abschn. 3.2 1. Warum werden neben der inneren Energie U weitere thermodynamische Potentiale eingeführt? 2. Wodurch unterscheiden sich freie und innere Energie? 3. Wie lautet das totale Differential dF der freien Energie eines Gases mit fester Teilchenzahl? 4. Durch welche partielle Ableitung von F ist die Entropie S festgelegt? 5. Formulieren Sie die Legendre-Transformation von der freien Energie F auf die Enthalpie H. 6. Was sind die natürlichen Variablen der Gibb’schen Enthalpie G? 7. Wie lautet dG für ein magnetisches System? Zu Abschn. 3.3 1. Wie lautet die Gibbs-Duhem-Relation? 2. Aus welcher allgemeinen Eigenschaft thermodynamischer Potentiale resultiert die Gibbs-Duhem-Relation? 3. Welche physikalische Bedeutung kann dem chemischen Potential μ mithilfe der Gibbs-Duhem-Relation zugeschrieben werden? 4. Was bezeichnet man als Homogenitätsrelationen der thermodynamischen Potentiale? Zu Abschn. 3.4 1. Die innere Energie U = U(S, V, N) des idealen Gases ist volumenabhängig. Ist dies ein Widerspruch zum Gay-Lussac-Versuch? 2. Skizzieren Sie den Weg zur Berechnung des chemischen Potentials μ(T, V, N) des idealen Gases. Zu Abschn. 3.5 1. Beschreiben Sie einen reversiblen Ersatzprozess für die irreversible Durchmischung zweier Gase aus nicht-identischen Teilchensorten.
3.10
248
2. 3. 4.
3. Thermodynamische Potentiale
Wie lautet die Mischungsentropie ΔS, die bei der Durchmischung von α Gasen mit paarweise unterschiedlichen Teilchensorten auftritt? Welches Problem tritt bei der Durchmischung von Gasen gleicher Teilchensorte auf? Was versteht man unter dem Gibb’schen Paradoxon?
Zu Abschn. 3.6 1. Beschreiben Sie den Joule-Thomson-Prozess. 2. Welches thermodynamische Potential bleibt beim Joule-Thomson-Prozess konstant? 3. Wie ist der differentielle Joule-Thomson-Koeffizient definiert? Welche physikalische Bedeutung besitzt er? 4. Warum lässt sich mit dem idealen Gas bei der gedrosselten adiabatischen Entspannung kein Kühleffekt erzielen? 5. Was versteht man unter der Inversionskurve? 6. Wie verhält sich die Entropie beim Joule-Thomson-Prozess? Zu Abschn. 3.7 1. Durch welches thermodynamische Potential wird der Übergang ins Gleichgewicht in einem isolierten System zweckmäßig beschrieben? 2. Wie lautet die Gleichgewichtsbedingung für ein isoliertes System? Was kann über Temperatur, Druck und chemisches Potential im Gleichgewicht ausgesagt werden? 3. Was sind die Gleichgewichtsbedingungen für ein geschlossenes System im Wärmebad ohne Arbeitsaustausch? Welches thermodynamische Potential ist zuständig? 4. Wie verhält sich die freie Enthalpie in einem geschlossenen System im Wärmebad bei konstanten Kräften? Was sind die Gleichgewichtsbedingungen? 5. Welchen Situationen sind die Extremaleigenschaften von U und H angepasst? Zu Abschn. 3.8 1. Welche Aussage macht der Dritte Hauptsatz? 2. Ist der T → 0-Grenzwert der Entropie von den Werten der anderen Variablen abhängig? 3. Was folgt für die Wärmekapazitäten aus dem Dritten Hauptsatz? 4. Inwiefern verletzt das Verhalten des idealen Gases den Dritten Hauptsatz? 5. Was kann über den isobaren Ausdehnungskoeffizienten β in der Grenze T → 0 gesagt werden? 6. Begründen Sie die Unerreichbarkeit des absoluten Temperatur-Nullpunkts.
Kapitel 4 Phasen, Phasenübergänge
4
4
4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.3 4.4
Phasen, Phasenübergänge Phasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gibb’sche Phasenregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dampfdruckkurve (Clausius-Clapeyron) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maxwell-Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phasenübergänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geometrische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehrenfest-Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kritische Exponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exponenten-Ungleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Skalenhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrollfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
251 251 256 258 261 261 265 270 277 283 289 293
251
4 Phasen, Phasenübergänge 4.1
4.1 Phasen 4.1.1 Gibb’sche Phasenregel Wir haben in Abschn. 3.7 Gleichgewichtsbedingungen für thermodynamische Systeme abgeleitet. Diese Betrachtungen lassen sich noch weiter verallgemeinern. Im Rahmen eines Gedankenexperiments hatten wir das Gesamtsystem in zwei fiktive Teilsysteme zerlegt und damit eine einfache Nichtgleichgewichtssituation geschaffen. Auf diese reagiert das System in gesetzmäßiger Weise und liefert dadurch Informationen über das Verhalten bestimmter Zustandsgrößen im Gleichgewicht. Eine solche Aufteilung des Systems realisieren wir nun unter Vermeidung von Trennwänden durch verschiedene, nebeneinander existierende
Phasen ein und desselben thermodynamischen Systems. Als Phasen bezeichnet man die möglichen, unterschiedlichen Zustandsformen einer makroskopischen Substanz, z. B. die verschiedenen Aggregatzustände: fest, flüssig, gasförmig. In den einzelnen Phasen können gewisse makroskopische Observable, wie z. B. die Teilchendichte, ganz unterschiedliche Werte annehmen. – Wir machen für die folgende Diskussion eine Fallunterscheidung: A) Isoliertes System Dieses möge aus π Phasen bestehen (ν = 1, 2, . . . , π), wobei sich jede aus α Komponenten ( j = 1, 2, . . . , α), d. h. aus α Teilchensorten, zusammensetzt. Dabei gelte: π
Vν = V = const ,
ν=1
π
Uν = U = const ,
ν=1
π
Njν = Nj = constj ;
j = 1, 2, . . . , α .
ν=1
Die Entropie ist eine extensive Zustandsgröße, für die deshalb gilt: S(U, V, N) =
π ν=1
W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik 4 ISBN 978-3-642-01603-5 © Springer 2010
Sν Uν , Vν , N ν .
(4.1)
252
4. Phasen, Phasenübergänge
Wir suchen den Gleichgewichtszustand, für den nach (3.70) dS = 0 gelten muss, d. h., die Entropie muss unter Beachtung der obigen Randbedingungen extremal werden. Wir benutzen zur Herleitung die in Abschn. 1.2.5, Bd. 2, vorgestellte Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren. Wir haben zu fordern:
π ∂Sν ∂Sν dUν + dV + dS = ∂Uν Vν , N ν ∂Vν Uν , N ν ν ν=1 ⎫ α ⎬ ∂Sν ! + dNjν = 0 . ⎭ ∂Njν Vν , Uν , Niν, i =/ j
(4.2)
j=1
Da nicht alle Uν , Vν , Njν unabhängig voneinander sind, können wir nicht einfach folgern, dass alle Koeffizienten der dUν , dVν , dNjν bereits verschwinden. Es gilt aber wegen der Randbedingungen: dUν = 0 ⇒ λU dUν = 0 , ν
ν
dVν = 0
⇒
λV
ν
dVν = 0 ,
ν
dNjν = 0
ν
⇒
λj
dNjν = 0 .
ν
λU , λV , λj sind zunächst nicht weiter festgelegte reelle Zahlen, die man die Lagrange’schen Parameter (Multiplikatoren) nennt. Wir können nun die Extremalbedingungen für S mit den Randbedingungen in folgender Form kombinieren: π ∂Sν ! dUν + 0= −λ ∂Uν Vν , N ν U ν=1 π ∂Sν dVν + + −λ ∂Vν Uν , N ν V ν=1
π α ∂Sν + − λ dNjν . ∂Njν Uν , Vν ,Niν, i =/ j j ν=1
(4.3)
j=1
λU , λV und λj sind noch frei wählbar. Wegen der Randbedingungen sind die Uν , Vν , Njν nicht unabhängig voneinander. Für die Energien Uν , die Volumina Vν und die Teilchenzahlen Njν gibt es jeweils eine Nebenbedingung. Wir können sie deshalb in eine abhängige und (π − 1) unabhängige Variable aufteilen, z. B.
4.1
Phasen
253
U1
abhängig;
U2 , . . . , Uπ
unabhängig,
V1
abhängig;
V2 , . . . , Vπ
unabhängig,
Nj1
abhängig;
Nj2 , . . . , Njπ
unabhängig.
Wir legen nun die Lagrange-Parameter λU , λV , λj so fest, dass ∂S1 ∂S1 ∂S1 = λU ; = λV ; =λ ∂U1 ... ∂V1 ... ∂Nj1 ... j gilt. Dadurch erreichen wir, dass die ν = 1-Summanden in (4.3) verschwinden. Die restlichen Summanden enthalten dann aber nur noch unabhängige Variable, sodass bereits jede Klammer für sich Null werden muss. Durch die Multiplikatoren haben wir also erreicht, dass für alle ν gilt: 1 ! ∂Sν = = λU ⇒ Tν = T ∀ν , (4.4) ∂Uν ... Tν pν ! ∂Sν = = λV ⇒ pν = p ∀ν , (4.5) ∂Vν ... Tν μjν ! ∂Sν =− = λj ⇒ μjν = μj ∀ν . (4.6) ∂Njν ... Tν Die Parameter λU , λV , λj sind sämtlich von ν unabhängig und damit für alle Phasen gleich. Es ergibt sich die wichtige Schlussfolgerung: In einem isolierten System haben im Gleichgewicht alle Phasen 1. dieselbe Temperatur T, 2. denselben Druck p, 3. dasselbe chemische Potential μj . Wir wollen nun dasselbe Verfahren auf eine andere experimentell wichtige Situation anwenden: B) Geschlossenes System mit p = const, T = const Druck und Temperatur seien von außen vorgegeben. Das ist die in Abschn. 3.7.3 diskutierte Situation. Wegen (3.76) gilt:
Gleichgewicht
⇐⇒
dG = 0 ;
G minimal!
Die freie Enthalpie ist eine extensive Zustandsgröße: G=
π ν=1
Gν T, p, N ν .
(4.7)
254
4. Phasen, Phasenübergänge
Wir nehmen eine freie Austauschbarkeit von Teilchen zwischen den einzelnen Phasen an, wobei sich die Gesamtteilchenzahl allerdings nicht ändert: Nj =
π
λj
⇒
Njν
ν=1
π
dNjν = 0 .
(4.8)
ν=1
Wir koppeln diese Randbedingung mit dem Lagrange’schen Parameter λj an die Extremalbedingung für G an: !
0=
π α ∂Gν ν=1 j=1
∂Njν
T, p
− λj dNjν .
(4.9)
Niν, i =/ j
Dieselbe Schlussfolgerung wie in Teil A) führt nun auf: ∂Gν = μjν = λj . ∂Njν Niν,T, ip=/ j
(4.10)
Da λj von ν unabhängig ist, haben wir das wichtige Resultat: In einem geschlossenen System mit p = const und T = const hat im Gleichgewicht in allen Phasen das chemische Potential der Teilchensorte j denselben Wert:
μjν ≡ μj ∀ν .
(4.11)
Dieses Ergebnis wollen wir noch etwas weiter auswerten. Formal gilt ja: ∂Gν = μjν = μjν T, p; N11 , . . . , Nαπ . T, p ∂Njν Niν, i =/ j Da μjν eine intensive Größe ist, kann keine direkte Abhängigkeit von den extensiven Variablen Njν vorliegen. Die chemischen Potentiale μjν werden in Wirklichkeit von den Konzentrationen cjν , cjν =
Njν ; Nν
α
cjν = 1 ,
(4.12)
j=1
abhängen, die natürlich intensiv sind:
μjν = μjν T, p; c11 , . . . , cαπ .
(4.13)
Im Argument stehen ZV Variable, ZV = 2 + α π ,
(4.14)
4.1
Phasen
255
die aber nicht unabhängig voneinander sind, da eine Reihe von Nebenbedingungen erfüllt sein müssen. Die Beziehung (4.12) liefert wegen ν = 1, 2, . . . , π (1) ZN =π
Nebenbedingungen. Die Gleichgewichtsbedingung (4.11) ergibt für jedes j jeweils (π − 1) Gleichungen zwischen den μjν . Dies führt zu weiteren (2) = α (π − 1) ZN
Nebenbedingungen. Sei f = Zahl der Freiheitsgrade, = Zahl der unabhängig wählbaren Variablen. Dafür gilt offenbar: (1) (2) f = ZV − ZN − ZN = 2 + α π − π − α (π − 1) .
Dies ergibt die wichtige Gibb’sche Phasenregel f =2+α−π,
(4.15)
wobei
α = Zahl der Komponenten, π = Zahl der Phasen sind. Wir erläutern diese Phasenregel an einem bekannten Beispiel: H2 O-Phasendiagramm.
p
Schmelzkurve
pc
p0
flüssig Verdampfungskurve
fest gasförmig
T0 Sublimationskurve
Tc
T Abb. 4.1. Phasendiagramm des Wassers
256
4. Phasen, Phasenübergänge
T0 = 0,0075 ◦ C Tripelpunkt, Tc = 374,2 ◦ C
kritischer Punkt.
Es handelt sich um ein Einkomponentensystem, d. h., es ist α = 1. 1) π = 1 In den Einphasengebieten (fest, flüssig, gasförmig) ist f =2, d. h., p und T können noch unabhängig gewählt werden. 2) π = 2 Auf den Koexistenzkurven ist f =1, sodass nur noch eine Variable, z. B. T, frei gewählt werden kann, die andere ist dann festgelegt, z. B. p = p(T). 3) π = 3 Im Tripelpunkt (T0 , p0 ) stehen drei Phasen miteinander im Gleichgewicht. Es gibt keinen frei wählbaren Parameter mehr: f =0. Aus der Phasenregel (4.15) folgt auch, dass es eine obere Grenze für die Zahl π der möglichen Phasen gibt,
π≤2+α,
(4.16)
da f natürlich nicht negativ sein kann. 4.1.2 Dampfdruckkurve (Clausius-Clapeyron) Wir wollen als Anwendungsbeispiel zu den Gleichgewichtsbedingungen des vorigen Abschnitts einen einfachen, aber wichtigen Spezialfall diskutieren (s. auch Aufg. 2.9.21). Es handelt sich um das Gleichgewicht zwischen Flüssigkeit (f) und Dampf (g) eines einkomponentigen Systems wie z. B. H2 O. Wählt man p und T als Variable, dann gilt nach (4.13) im Gleichgewicht:
μf (T, p) = μg (T, p) .
(4.17)
Aus dieser Beziehung muss sich (im Prinzip) eine Relation p = p(T) für die Zustände herleiten lassen, in denen Flüssigkeit und Dampf im Gleichgewicht stehen. Gilt (4.17) dagegen nicht, so folgt aus der Gibbs-Duhem-Relation (3.34), G (T, p, N) = N μ (T, p) ,
4.1
μ
Phasen
257
p = p1
μg μf
Abb. 4.2. Chemisches Potential als Funktion der Temperatur für
T1
T
die gasförmige und die flüssige Phase des Wassers (schematisch)
dass sich das Gleichgewicht vollständig zu der Phase mit dem kleineren μ verlagert. Stabil ist jeweils die Phase mit minimaler freier Enthalpie! Bei fester Teilchenzahl gilt nach (3.26): dG = −S dT + V dp = N dμ (T, p) . Wir betrachten eine Verschiebung (dp, dT) längs der Koexistenzlinie (Dampfdruckkurve). Dort ist wegen (4.17) dμf (T, p) = dμg (T, p) und damit −Sf dT + Vf dp = −Sg dT + Vg dp . Damit erhalten wir die Steigung dp|dT der Dampfdruckkurve: Sg − Sf dp . = dT Vg − Vf
(4.18)
Üblicherweise bezieht man sich auf 1 Mol: vg,f : Molvolumina für Gas bzw. Flüssigkeit, sg,f : Entropien pro Mol. Man definiert schließlich noch: QM = T(sg − sf ) :
molare Verdampfungswärme.
Diese wird zur Überwindung der Kohäsionskräfte zwischen den Teilchen benötigt. Aus (4.18) wird dann die Clausius-Clapeyron-Gleichung QM dp . = dT T vg − vf
(4.19)
258
4. Phasen, Phasenübergänge
Bei der Ableitung von (4.19) bzw. (4.18) mussten wir implizit Sg =/ Sf und Vg =/ Vf voraussetzen. Dies bedeutet: !
∂μf ∂T
=/
p
μf (T, p) = μg (T, p) , ∂μg ∂T
; p
∂μf ∂p
T
=/
∂μg ∂p
.
(4.20)
T
Einen solchen Übergang Gas ⇐⇒ Flüssigkeit nennt man einen Phasenübergang erster Ordnung. Nur für einen solchen Übergang gilt die Clausius-Clapeyron-Gleichung. 4.1.3 Maxwell-Konstruktion Wir haben bereits in Abschn. 1.4.2 bei der Diskussion der Zustandsgleichung n2 p + a 2 (V − n b) = n R T V
des van der Waals-Gases beobachtet, dass die Isothermen für T < Tc einen unphysikalischen Verlauf zeigen. Es gibt nämlich einen Bereich, in dem 1 ∂V κT = − <0 V ∂p T ist. Dort wäre das System mechanisch instabil. Die Ursache liegt in der impliziten Annahme einer einzigen homogenen Phase. In Wirklichkeit handelt es sich dort aber um ein Zwei-Phasen-Gebiet. Flüssigkeit und Dampf stehen miteinander im Gleichgewicht. Die van der Waals-Isothermen verlieren im Zwei-Phasen-Gebiet ihre Gültigkeit. Die Betrachtungen des letzten Abschnitts haben gezeigt, dass im Koexistenzgebiet von Gas und Flüssigkeit der Druck nur eine Funktion der Temperatur sein kann (4.17), dass er also insbesondere nicht vom Volumen abhängt. Dies bedeutet: Im pV-Diagramm verlaufen alle Isothermen (T < Tc ) im Zwei-Phasen-Gebiet horizontal!
p
T > Tc
pc
pαβ
(α)
B (β)
A
Vα
Vc
T = Tc T < Tc
Vβ
V
Abb. 4.3. Isothermen des realen Gases im pV-Diagramm mit „Maxwell-Konstruktion“ für T < Tc
4.1
Phasen
259
Am Ende (α) (s. Abb. 4.3) dieses horizontalen Isothermenstücks liegt nur Flüssigkeit, am Ende (β) nur Gas vor. Links von (α) und rechts von (β) können wir wieder die van der Waals-Gleichung benutzen. Im Koexistenzgebiet muss die Gleichgewichtsbedingung (4.21) μf T, pαβ = μg T, pαβ = const erfüllt sein. An den Enden (α) bzw. (β) sind alle N Teilchen in der flüssigen bzw. in der gasförmigen Phase. Mit der Gibbs-Duhem-Relation (3.34) folgt dann aus (4.21): Gα T, pαβ = Gβ T, pαβ , Uα − T Sα + pαβ Vα = Uβ − T Sβ + pαβ Vβ .
(4.22)
Für den Unterschied in den freien Energien ergibt sich daraus: Fα − Fβ = pαβ Vβ − Vα .
(4.23)
Bildet man dagegen mit dem ursprünglichen van der Waals-Druck p = p(T, V) das Integral von Vα bis Vβ , so folgt wegen dF = −p dV
bei
Vα
Vβ
T = const
für die freie Energie: Fα − Fβ = −
p dV =
Vβ
p dV
(T = const) .
(4.24)
Vα
Die Kombination (4.23) und (4.24) Vβ
(T = const) p dV = pαβ (T) Vβ − Vα
(4.25)
Vα
hat eine einfache geometrische Bedeutung. In der obigen Abbildung müssen die Flächen A und B gleich sein: !
A=B:
Maxwell-Konstruktion.
Wir haben damit aus den allgemeinen Gleichgewichtsbedingungen eine Vorschrift ableiten können, wie man aus den van der Waals-Isothermen die physikalischen Isothermen ableitet. Wir können uns zum Schluss noch leicht davon überzeugen, dass das in Gas und Flüssigkeit zerfallende Zwei-Phasen-Gebiet gegenüber dem ursprünglichen van der Waals-Ein-Phasen-Gebiet stabil ist. Wir vergleichen dazu zwei Zustände mit gleichem T und V, aber unterschiedlichen Drucken, pαβ für das Zwei-Phasen-System und p(T, V) der van der Waals-Gleichung ensprechend. Da T und V vorgegeben sind, muss im Gleichgewicht die freie Energie F minimal sein!
260
4. Phasen, Phasenübergänge
p T fest
pαβ
β
α × Vα
F
V
× ×
α δ × Vα
γ
V
Vβ T fest
β
× × V Vβ
V
Abb. 4.4. Deutung des Zwei-Phasen-Gebietes und der zugehörigen Maxwell-Konstruktion über die MinimumForderung an die freie Energie F
Im Ein-Phasen-Gebiet gilt: FvdW (T, V) − Fα = Fγ − Fα = V =−
p T, V dV .
(4.26)
Vα
Gemäß der Maxwell-Konstruktion setzt sich im Zwei-Phasen-Gebiet die freie Energie additiv aus den Anteilen der Flüssigkeit (α) und des Gases (β) zusammen: F(T, V) = Fδ = cf Fα T, Vα + cg Fβ (T, Vβ ) . Dabei muss gelten: cf =
Nf ; N
cg =
Ng N
⇒
cf + cg = 1 .
Nf , Ng sind die Teilchenzahlen der Flüssigkeits- bzw. der Gasphase. Beide Phasen zusammen müssen natürlich das Volumen V einnehmen: V = cf Vα + cg Vβ . Die beiden letzten Beziehungen führen zu der so genannten Hebelbeziehung (s. Abb. 4.4): cf =
Vβ − V ; Vβ − Vα
cg =
V − Vα . Vβ − Vα
(4.27)
Dies bedeutet für die freie Energie im Zwei-Phasen-Gebiet: Fδ − Fα = cg Fβ − Fα
(4.23)
Fδ − Fα = pαβ (Vα − V) .
=
cg −pαβ Vβ − Vα , (4.28)
4.2
Phasenübergänge
261
Kombiniert man (4.28) mit (4.26), so folgt: Fγ − Fδ = pαβ V − Vα −
V
p T, V dV ≥ 0 .
(4.29)
Vα
Das Zwei-Phasen-Gebiet ist also stabil: Fδ ≤ Fγ .
(4.30)
Das Gleichheitszeichen gilt nur für V = Vα oder V = Vβ . 4.2
4.2 Phasenübergänge 4.2.1 Geometrische Interpretation Wir betrachten noch einmal das Flüssigkeits-Gas-Gemisch längs der Koexistenzlinie. Wir hatten gesehen, dass sich der Übergang bei konstanter Temperatur und konstantem Druck vollzieht:
pαβ (T) :
Dampfdruck.
p
pαβ (T )
(α) Vα
( β) V
Vβ
Abb. 4.5. Tatsächliche Isotherme des realen Gases zur Erklärung der „Hebelbeziehung“
Im Übergangsgebiet liegt ein Gemisch aus Flüssigkeit im Zustand (α) und Gas im Zustand (β) vor. Die relativen Anteile bestimmen sich aus der Hebelbeziehung (4.27). Im Zwei-Phasen-Gebiet führt eine Wärmezufuhr zu einer Umwandlung einer gewissen Flüssigkeitsmenge in Dampf. Der Vorgang verläuft isotherm, da die Wärmeenergie ausschließlich dazu verwendet wird, die Teilchenbindungen zu überwinden. Erst wenn bei (β) die gesamte Flüssigkeit in Dampf verwandelt ist, sorgt eine weitere Wärmezufuhr für eine Temperaturerhöhung. Einen solchen Phasenübergang, der eine Umwandlungswärme erfordert, nennt man einen Phasenübergang erster Ordnung.
262
4. Phasen, Phasenübergänge
Für diesen gilt die Clausius-Clapeyron-Gleichung der Form (4.18), die offensichtlich nur dann sinnvoll ist, wenn die Entropien und Volumina für Gas (Sg , Vg ) und Flüssigkeit (Sf , Vf ) auf der Koexistenzlinie unterschiedlich sind. Nun erinnern wir uns, dass S und V erste partielle Ableitungen der freien Enthalpie G(T, p) nach T bzw. p sind: ∂G ∂G ; V= . S=− ∂T p ∂p T Typisch für Phasenübergänge erster Ordnung (PÜ1) ist also, dass die ersten Ableitungen von G(T, p) beim Überschreiten der Koexistenzlinie unstetig sind. Wir wollen versuchen, den Sachverhalt geometrisch zu veranschaulichen. Dazu müssen wir jedoch noch einige Vorbereitungen treffen. 4.2.1
Definition 4.2.1 Man nennt f (x) eine
konvexe Funktion von x, falls für beliebige λ mit 0 ≤ λ ≤ 1 gilt: f λx1 + (1 − λ)x2 ≤ λ f x1 + (1 − λ)f x2 .
(4.31)
f (x)
x1
x2
x
Abb. 4.6. Beispiel einer konvexen Funktion
Skizziert ist als Beispiel die konvexe Funktion f (x) = x2 . – Die Sehne, die die Punkte f (x1 ) und f (x2 ) einer konvexen Funktion f (x) miteinander verbindet, liegt im Bereich x1 ≤ x ≤ x2 stets oberhalb oder auf der Kurve f (x). Jede Tangente an f (x) liegt dann vollständig unterhalb f (x). – Die Definition setzt nicht die Differenzierbarkeit der Funktion voraus. Falls aber f (x) zweimal differenzierbar ist, dann gilt auch: f (x) konvex
⇐⇒
f (x) ≥ 0 ∀x .
(4.32)
Ganz analog definiert man: 4.2.2
Definition 4.2.2 f˜(x) ist genau dann eine
konkave Funktion von x, wenn −f˜(x) konvex ist. Mithilfe dieser Definitionen können wir nun Aussagen über das geometrische Verhalten von freier Enthalpie und freier Energie machen:
4.2
Phasenübergänge
263
Satz 4.2.1 1. Die freie Enthalpie G(T, p) ist in beiden Variablen T und p konkav! 2. Die freie Energie F(T, V) ist als Funktion von T konkav und als Funktion von V konvex!
Der Beweis dieses Satzes benutzt die so genannten Stabilitätsbedingungen: thermisch: Cx ≥ 0 ; mechanisch:
x = V, p ,
(4.33)
κy ≥ 0 ; y = S, T ,
(4.34)
die erst in der Statistischen Mechanik streng bewiesen werden, anschaulich aber völlig klar sind. Cx < 0 hätte bei einer Wärmezufuhr eine Temperaturerniedrigung zur Folge. κy < 0 würde ∂V |∂p y > 0 bedeuten. Mit abnehmendem Volumen würde dann auch der Druck eines thermodynamischen Systems kleiner. Letzteres wäre somit mechanisch instabil, würde in sich zusammenfallen. Zu 1): G(T, p) ist bis auf Phasenübergangspunkte differenzierbar: 2 Cp ∂G ∂S = − =− ≤0. 2 ∂T p ∂T p T
G(T, p) ist als Funktion von T konkav! 2 ∂G ∂V = = −V κT ≤ 0 . ∂p2 T ∂p T G(T, p) ist auch als Funktion von p konkav! Zu 2):
∂2 F ∂T 2
=−
V
∂S ∂T
=− V
G
F
T > Tc
p0V0 V = (∂G ∂p)T
CV ≤0. T
p0
p
T > Tc
V0 p0
T > Tc
p0V0 p = −(∂F ∂V )T
V0
V
p0 p
V0
V
Abb. 4.7. Geometrische Konstruktion der freien Energie und ihrer Volumenableitung aus der freien
Enthalpie und ihrer Druckableitung im Fall fehlender Phasenübergänge
4.2.1
264
4. Phasen, Phasenübergänge
F(T, V) ist als Funktion von T konkav! 2 1 ∂F ∂p = − =+ ≥0. 2 ∂V T ∂V T V κT F(T, V) ist als Funktion von V konvex! Bei der Übertragung des obigen Satzes auf magnetische Systeme hat man etwas aufzupassen, da die Suszeptiblität χ als Analogon zur Kompressibilität κ im Gegensatz zu dieser auch negativ werden kann (Diamagnetismus!). Mithilfe dieser allgemeinen Eigenschaften von G und F sowie der Verknüpfung G = F + pV lassen sich die Abhängigkeiten der Potentiale von T und p bzw. T und V qualitativ bereits skizzieren. Besonders interessant sind natürlich die Phasenübergangspunkte: F T < Tc
G(T , p) T < Tc
×
pαβ
×
p
Vα
×
Vβ
V
p
V (T , p) Vβ
T < Tc
T < Tc
Vα
pαβ
× pαβ
p
Vα
Vβ
V
Abb. 4.8. Dasselbe wie in Abb. 4.7, nun aber mit einem Phasenübergang 1. Ordnung
Die Koexistenz der beiden Phasen bei (T < Tc , p = pαβ ) hat zur Folge, dass Gf (T, pαβ ) = Gg (T, pαβ ). Demnach ist die freie Energie F zwischen Vα und Vβ eine lineare Funktion von V. Der Phasenübergang erster Ordnung manifestiert sich in einer Unstetigkeit in der ersten Ableitung von G nach p, also im Volumen V, und in einem horizontalen Teilstück für die erste Ableitung von F nach V, also für den Druck p. Als Funktionen von T verhalten sich F und G qualitativ sehr ähnlich. Bei einem Phasenübergang erster Ordnung zeigen beide Funktionen wegen ∂G ∂F =− (4.35) S=− ∂T p ∂T V
4.2
Phasenübergänge
265
einen endlichen Sprung in der ersten partiellen Ableitung, also in der Entropie:
ΔS = Sβ − Sα . Typisch für den Phasenübergang erster Ordnung ist deshalb das Auftreten einer Umwandlungswärme
ΔQ = Tαβ ΔS
(4.36)
(Verdampfungswärme).
G (T , p) p fest
T
Tαβ S (T , p) Sβ
p fest
Sα
Tαβ
T
Abb. 4.9. Verhalten der Entropie beim Phasenübergang
erster Ordnung
ΔQ ist jedoch keine Materialkonstante. Man beobachtet vielmehr, z. B. für das GasFlüssigkeits-System, dass sich bei einer Änderung der System-Parameter, z. B. des konstant gehaltenen Druckes p, auch der Unstetigkeitssprung in den ersten Ableitungen des thermodynamischen Potentials G(T, p) verändert. Nähert man sich auf der Koexistenzlinie (Verdampfungskurve, s. H2 O-Phasendiagramm in Abschn. 4.1.1) dem kritischen Punkt, so wird die Diskontinuität immer kleiner, um schließlich bei (Tc , pc ) ganz zu verschwinden. Es gibt also auch Phasenübergänge mit Sα = Sβ und Vα = Vβ , für die die Clausius-Clapeyron-Gleichung (4.19) ihre Bedeutung verliert. Wir müssen deshalb offensichtlich den Begriff Phasenübergang über das bisher Gesagte hinaus noch erweitern. 4.2.2 Ehrenfest-Klassifikation Die auf der Koexistenzkurve im Gleichgewicht stehenden Phasen seien wiederum durch die Indizes α und β gekennzeichnet. Nach Ehrenfest (1933) definiert man als
Ordnung des Phasenübergangs die Ordnung des niedrigsten Differentialquotienten von G, der beim Überschreiten der Koexistenzlinie eine Diskontinuität aufweist. Explizit heißt das:
266
4.2.3
4. Phasen, Phasenübergänge
Definition 4.2.3
Phasenübergang n-ter Ordnung 1) 2)
∂m Gα ∂T m ∂m Gα ∂pm ∂n Gα ∂T n ∂n Gα ∂pn
∂m Gβ = ∂T m p
=
T
=/
p
T
=/
∂m Gβ ∂pm
für m = 1, 2, . . . , n − 1 ,
(4.37)
für m = 1, 2, . . . , n − 1 ,
(4.38)
p
T
∂n Gβ ∂T n
(4.39)
, p
∂n Gβ ∂pn
(4.40)
. T
Von praktischem Interesse sind eigentlich nur die Phasenübergänge erster und zweiter Ordnung. Die von erster Ordnung haben wir bereits genauer analysiert. Für Phasenübergang zweiter Ordnung gilt: 1. G(T, p) stetig! 2. S(T, p); V(T, p) stetig! 3. Response-Funktionen: 2 ∂G ; Cp = −T ∂T 2 p
κT = −
1 V
∂2 G ∂p2
; T
β=
1 V
∂2 G ∂p ∂T
unstetig! Es leuchtet unmittelbar ein, dass mit wachsender Ordnung des Phasenübergangs die Unterschiede der koexistierenden Phasen physikalisch immer unbedeutender werden. Es ist in der Tat zu fragen, bis zu welcher Ordnung man wirklich noch von zwei verschiedenen Phasen reden kann. cp
Tc
T
Abb. 4.10. Phasenübergang zweiter Ordnung im Ehrenfest’schen Sinn, festgestellt an der Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität
Beispiele für einen Phasenübergang zweiter Ordnung im Ehrenfest’schen Sinn, charakterisiert durch einen endlichen Sprung in der spezifischen Wärme, sind nicht sehr zahlreich:
4.2
Phasenübergänge
267
1) Modelle: a) Weiß’scher Ferromagnet, b) Bragg-Williams-Modell (für den Ordnungs-Unordnungs-Übergang in sing), c) van der Waals-Gas.
β-Mes-
2) Supraleiter im Nullfeld: Wir wollen schließlich noch das Analogon zur Clausius-Clapeyron-Gleichung für Phasenübergänge zweiter Ordnung im Ehrenfest’schen Sinn ableiten: Auf der Koexistenzlinie, falls es so eine in diesem Fall überhaupt gibt, gilt nun:
Sα (T, p) = Sβ (T, p) ;
Vα (T, p) = Vβ (T, p) .
Wir betrachten eine Zustandsänderung (dp, dT) längs der Koexistenzlinie: Hc
cH = 0
normal supra ×
Tc
T
Phasenübergang zweiter Ordnung
Tc
T
Abb. 4.11. Das kritische Feld eines Supraleiters (links) als Funktion der Temperatur und der endliche
Nullfeld-Sprung der Wärmekapazität (rechts) beim Ehrenfest’schen Phasenübergang zweiter Ordnung
dSα = dSβ ; dVα = dVβ ∂Sβ ∂Sβ ∂Sα ∂Sα ⇒ dT + dp = dT + dp , ∂T p ∂p T ∂T p ∂p T ∂Vβ ∂Vβ ∂Vα ∂Vα dT + dp = dT + dp . ∂T p ∂p T ∂T p ∂p T
Dies lässt sich wie folgt auflösen: ∂Sβ ∂Vβ ∂Sα ∂Vα − − ∂T p ∂T p ∂T p ∂T p dp = − . = − ∂Sβ ∂Vβ ∂Sα ∂Vα dT − − ∂p T ∂p T ∂p T ∂p T Wir setzen noch die folgenden Maxwell-Relationen ein: ∂S ∂V =− = −V β , ∂p T ∂T p Cp ∂S ∂V ; = = −V κT . ∂T p T ∂p T
268
4. Phasen, Phasenübergänge
Das ergibt dann die so genannten Ehrenfest-Gleichungen (β)
(α) β(α) − β(β) 1 Cp − Cp dp = (α) . = ( β ) ( α ) dT T V β − β κT − κT(β)
(4.41)
Man sagt, ein System zeige einen Phasenübergang zweiter Ordnung im reinen Ehrenfest’schen Sinn, wenn Sα = Sβ und Vα = Vβ gilt und die Gleichungen (4.41) erfüllt sind. Die heutige Kritik an der Ehrenfest-Klassifikation von Phasenübergängen resultiert zum einen aus der experimentellen Beobachtung, dass in vielen Systemen mit Übergängen, die nicht von erster Ordnung sind, die kritischen thermodynamischen Größen eher Singularitäten als endliche Sprünge aufweisen. Zum anderen erscheint die Aufteilung in Phasenübergänge beliebig hoher Ordnung sinnlos! (1) (2)
S
ΔS Abb. 4.12. Kontinuierliche und diskontinuierliche
T
T0
Phasenübergänge im Temperaturverhalten der Entropie
Man unterscheidet deshalb etwas grob eigentlich nur noch zwei Arten von Phasenübergängen, die man am einfachsten durch das Verhalten der Entropie gegeneinander abgrenzt. S kann sich am Umwandlungspunkt kontinuierlich (2) oder diskontinuierlich (1) als Funktion der intensiven Variablen T verhalten. 1) Diskontinuierlicher Phasenübergang Dies ist der bereits besprochene
Phasenübergang erster Ordnung, der durch Unstetigkeiten in den ersten partiellen Ableitungen der freien Enthalpie G gekennzeichnet ist. 1. ΔS =/ 0 ⇐⇒Umwandlungswärme: ΔQ = T0 ΔS. 2 2. Cp = −T ∂∂TG2 : endlich für T =/ T0 , nicht erklärt für T = T0 . p
4.2
Phasenübergänge
269
M
ρ =N V V = (∂G ∂p)T0
Δρ
MS H V ⋅ M = − (∂G ∂B0 )T0
p Fluides System
Magnet
Abb. 4.13. Diskontinuierlicher Phasenübergang (1. Ordnung) für das fluide System (links) und den
Magneten (rechts)
Die Umwandlungstemperatur T0 ist keine Konstante, sondern von p bzw. V oder B0 = μ0 H bzw. M abhängig. Nun beobachtet man bei den meisten Systemen ein Abnehmen der Unstetigkeiten ΔS, Δρ und 2 MS mit zunehmendem T0 . Dadurch wird eine kritische Temperatur Tc definiert, bei der die ersten Ableitungen wieder stetig werden: MS
Δρ
× Tc
× Tc
T0
T0
Abb. 4.14. Übergang vom Phasenübergang erster zu zweiter Ordnung für das fluide System (links)
und für den Magneten (rechts)
Dies führt zu dem anderen Typ Phasenübergang! 2) Kontinuierlicher Phasenübergang In diesem Fall spricht man auch von einem
Phasenübergang zweiter Ordnung mit den folgenden typischen Merkmalen: 1. S stetig⇒ ΔQ = 0. 2. T0 → Tc : kritischer Punkt. 3. Singularitäten in CV , κT , χT , also in Zustandsgrößen, die zweiten Ableitungen der thermodynamischen Potentiale entsprechen. Den kontinuierlichen Phasenübergang wollen wir in den nächsten Abschnitten weiter analysieren.
270
4. Phasen, Phasenübergänge
4.2.3 Kritische Exponenten Die im vorigen Abschnitt definierten kontinuierlichen Phasenübergänge oder Phasenübergänge zweiter Ordnung sind von besonderem physikalischen Interesse. Grund dafür ist eine verblüffende Universalität physikalischer Eigenschaften in der Nähe kritischer Punkte. Ganz verschiedene Eigenschaften ganz verschiedener Systeme zeigen in der Nähe von Tc ein ganz ähnliches Potenzgesetz-Verhalten. Das wollen wir in diesem Abschnitt etwas genauer untersuchen. Eine vertiefte Darstellung wird allerdings der Statistischen Mechanik in Band 6 vorbehalten sein müssen. Im Bereich der so genannten kritischen Fluktuationen, die man etwa im Temperaturbereich T − Tc < 10−2 (4.42) |ε| = T c
zu erwarten hat, beobachtet man das erwähnte universelle Verhalten der verschiedenartigsten physikalischen Größen, das sich durch einen Satz von wenigen Zahlenwerten beschreiben lässt, die man kritische Exponenten nennt. Sehr häufig beobachtet man, dass eine physikalische Eigenschaft f (ε) sich im kritischen Bereich (4.42) wie f (ε) = a εϕ 1 + b εψ + . . . ;
ψ>0
(4.43)
verhält. Man benutzt dazu die Kurzschrift f (ε) εϕ
(4.44)
und liest: „f (ε) verhält sich für ε → 0 wie εϕ “. ϕ ist dann der kritische Exponent. Man hat jedoch in der Zwischenzeit erkannt, dass das Potenzgesetz-Verhalten zu einschränkend ist. Die Defintion des kritischen Exponenten wird deshalb wie folgt verallgemeinert. 4.2.4
Definition 4.2.4
Kritischer Exponent
ϕ = lim
ln |f (ε)|
ε→0 ln |ε|
.
(4.45)
Das Verhalten (4.43) ist damit natürlich auch erfasst. Es gibt selbstverständlich nicht nur einen einzigen kritischen Exponenten für alle physikalischen Eigenschaften, sondern einen ganzen Satz, den wir noch detailliert vorstellen werden.
4.2
Phasenübergänge
271
Die so eingeführten kritischen Exponenten sind fast universell, d. h., sie hängen nur von folgenden Komponenten ab: 1. Dimension d des Systems, 2. Reichweite der Teilchenwechselwirkungen, 3. Spindimensionalität n. Das ist die so genannte Universalitätshypothese (R. B. Griffiths, Phys. Rev. Lett. 24, 1479 (1970)), die wir sinnvoll erst später im Rahmen der Statistischen Mechanik kommentieren können. Die Reichweiten der Teilchenwechselwirkungen gruppiert man in drei Klassen. Man nennt sie kurzreichweitig, wenn der Abfall der Wechselwirkungsstärke mit dem Abstand r der Partner gemäß r−(d + 2 + α) ;
α>0
erfolgt. Details der Teilchen-Wechselwirkungen spielen dann keine Rolle. Man registriert ein wirklich universelles Verhalten. – Die Wechselwirkungen heißen langreichweitig, falls d −2 (4.46) 2 gilt. In diesem Fall werden die so genannten klassischen Theorien gültig (LandauTheorie, van der Waals-Modell, Weiß’scher Ferromagnet). Diese setzen Punkt 1. außer Kraft, d. h., die Exponenten sind unabhängig von der Dimension d des Systems. Relativ kompliziert ist der Zwischenbereich. Für
α<
d −2<α<0 2
(4.47)
heißt die Wechselwirkung mittelreichweitig. Die Exponenten hängen dann von α ab. Magnetische Materialien werden modellmäßig häufig als wechselwirkende Spinsysteme diskutiert. Unter der Spindimensionalität versteht man die Zahl der relevanten Komponenten der Spinvektoren. Bei n = 1 (Ising-Modell) handelt es sich um eindimensionale, bei n = 2 (XY-Modell) um zweidimensionale und bei n = 3 (Heisenberg-Modell) um dreidimensionale Vektoren. Die kritischen Exponenten erweisen sich als deutlich n-abhängig. Weitere Einzelheiten zu den Spinsystemen werden im Rahmen der Statistischen Mechanik besprochen.
272
4. Phasen, Phasenübergänge
Bei den kritischen Exponenten hat man streng genommen noch zu unterscheiden, von welcher Seite man sich dem kritischen Punkt Tc nähert: > ϕ ←→ ε > 0 T → Tc , < ϕ ←→ ε < 0 T → Tc . Es muss nicht notwendig ϕ = ϕ sein. Die später zu besprechende Skalenhypothese wird allerdings gerade dieses postulieren. Wir diskutieren einige typische Beispiele: 1. ϕ < 0 f (ε) divergiert für ε → 0, und zwar umso schärfer, je kleiner |ϕ| (|ϕ2 | > |ϕ1 |). Man bedenke, dass in dem interessierenden Bereich |ε| < 1 gilt. f (ε )
ϕ2 ϕ1 1
Abb. 4.15. Kritisches Verhalten einer Funktion f bei
2
3
ε (⋅104 )
4
negativem kritischen Exponenten als Funktion der reduzierten Temperatur (T − Tc ) | Tc
2. ϕ > 0 f (ε) geht gegen Null für ε → 0. In dem skizzierten Beispiel ist ϕ1 > ϕ2 .
ϕ2
f (ε )
ϕ1 1
2
3
4
ε (⋅104 )
Abb. 4.16. Kritisches Verhalten einer Funktion f bei positivem kritischen Exponenten als Funktion der reduzierten Temperatur (T − Tc ) | Tc
3. ϕ = 0 In diesem Fall ist das Verhalten von f (ε) nicht eindeutig. Man hat drei Situationen zu unterscheiden: 3.1. Logarithmisches Divergieren Sei z. B. f (ε) = a ln |ε| + b , dann folgt mit (4.45): ln |a ln |ε| + b| ϕ = lim ε→0 ln |ε|
1 ln | ln |ε|| 1 | ln |ε|| = lim = lim =0. 1 ε→0 ln |ε| ε→0 |ε| |ε|
4.2
Phasenübergänge
273
f (ε ) a<0 b 1
2
3
Abb. 4.17. Logarithmisches Divergieren als eine Möglichkeit für einen kritischen Exponenten ϕ = 0
ε (⋅104 )
4
3.2. Divergente j-te Ableitung f (ε) selbst kann für ε → 0 endlich bleiben, während die j-te Ableitung divergiert, z. B. f (ε) = a − b εx
mit x =
3 1 , . 2 2
f (ε ) a x =1 2
x=3 2 Abb. 4.18. Kritisches Verhalten als Divergenz der
ε (⋅102 )
0,1 0,2 0,3 0,4
j-ten Ableitung
In den skizzierten Beispielen divergiert für x = 3 | 2 die zweite und für x = 1 | 2 die erste Ableitung von f für ε → 0. Der kritische Exponent ϕ ist jedoch Null:
ϕ = lim
ε→0
ln |a − b εx | 1 = ln |a| lim =0. ε→0 ln |ε| ln |ε|
Zur Untersuchung der Fälle 3.1. und 3.2. führt man manchmal einen neuen Typ von kritischem Exponent ein. Wenn j die kleinste ganze Zahl ist, für die
∂j f ≡ f ( j) (ε) − → ∞, ε→0 ∂ εj
(4.48)
ln |f ( j) (ε)| . ln |ε|
(4.49)
dann soll gelten:
ϕS = j + lim
ε→0
In den obigen Beispielen ist neben ϕ = 0:
ϕS = j −
1 1 1 =1− = 2 2 2
für x =
1 , 2
ϕS = j −
1 1 3 =2− = 2 2 2
für x =
3 . 2
Eine logarithmisch divergierende Funktion hat natürlich j = 0 und damit ϕS = 0.
274
4. Phasen, Phasenübergänge
3.3. Diskontinuitäten Die Funktion verhalte sich für T =/ Tc analytisch mit einem endlichen Sprung bei Tc wie bei einem Phasenübergang zweiter Ordnung im Ehrenfest’schen Sinn. Auch in diesem Fall ist ϕ = 0! Wir wollen nun die wichtigsten kritischen Exponenten einführen. Dazu ist die genaue Angabe des Weges notwendig, auf dem die Zustandsänderung durchgeführt wird: p
<
T Tc I
T < Tc
III II
ρG ρc
H
II Abb. 4.19. Isothermen des realen Gases im Druck-
ρF
<
pc
T = Tc
T Tc
ρ =N V
Dichte-Diagramm zur Festlegung der Wege, für die die kritischen Exponenten definiert sind
T = Tc T < Tc T =0
M Abb. 4.20. Isothermen des Ferromagneten. zur
Festlegung der Wege, für die die kritischen Exponenten definiert sind (TC : Curie-Temperatur)
1. α, α : Wärmekapazitäten Für das reale Gas definiert man: ⎧ ⎪ ⎨A (−ε)−α CV ∼ ⎪ ⎩A ε−α
< Weg II, T → Tc , ρ = ρG, F , > Weg I, T → Tc , ρ = ρc .
Die analoge Definition für den Magneten lautet: ⎧ < ⎪ ⎨A (−ε)−α T → Tc , H = 0 , CH ∼ > ⎪ ⎩A ε−α T → Tc , H = 0 .
(4.50)
(4.51)
Das Experiment liefert α, α ≈ 0. Die exakte Lösung des zweidimensionalen IsingModells führt auf ein logarithmisches Divergieren der Wärmekapazität CV , also auf α = αS = 0. Die so genannten klassischen Theorien (Weiß’scher Ferromagnet,
4.2
Phasenübergänge
275
van der Waals-Gas, Landau-Theorie, . . . , s. Aufg. 4.3.8) ergeben Diskontinuitäten, also α = 0. 2. β : Ordnungsparameter Unter dem Ordnungsparameter versteht man eine Variable, die nur in einer der beiden am Übergang beteiligten Phasen einen Sinn hat bzw. nur in einer der beiden Phasen ungleich Null ist. Das Auftreten des Ordnungsparameters kündigt also den Phasenübergang an. Der Ordnungsparameter des Magneten ist die spontane Magnetisierung MS (T), die nur unterhalb Tc auftritt. Beim realen Gas ist es die Dichtedifferenz Δρ = ρF − ρG bzw. ρF,G − ρc im Zwei-Phasen-Gebiet. Das kritische Verhalten des Ordnungsparameters wird durch den Exponenten β beschrieben:
Δρ(T) ∼ B(−ε)β 2 ρc
(Weg II) ,
(4.52)
MS (T) ∼ B(−ε)β MS (0)
(H = 0) .
(4.53)
Die Normierungsfaktoren 2 ρc bzw. MS (0) sorgen dafür, dass die so genannte kritische Amplitude B von der Größenordnung 1 ist und nur wenig von System zu System variiert. – Eigentlich müssten wir statt β β schreiben, da der Exponent zur Tieftemperaturphase gehört. Da der Ordnungsparameter per definitionem jedoch nur in einer der beiden Phasen einen Sinn hat, ist die Unterscheidung zwischen β und β überflüssig. Typische experimentelle Werte für β sind 0,35 ± 0,02. Die klassischen Theorien liefern sämtlich β = 1|2. Für das d = 2-Ising-Modell gilt exakt β = 1|8. Für das d = 3-Ising-Modell (n = 1) findet man β = 0,325 ± 0,001, für das d = 3-XY-Modell (n = 2) β = 0,345 ± 0,002 und für das d = 3-Heisenberg-Modell β = 0,365 ± 0,002. 3. γ , γ : Kompressibilitäten, Suszeptibilitäten Wegen
κT = − χT =
1 V
∂M ∂H
∂V ∂p
= T
∂ρ ρ ∂p 1
, T
(4.54) T
entsprechen κT−1 und χ−1 T den Steigungen der Isothermen im pρ- bzw. HM-Diagramm. κT und χT werden deshalb für T → Tc divergieren. Vereinbarungsgemäß wählt man die kritischen Exponenten jedoch stets positiv: ⎧ ⎪ (−ε)−γ ⎨ Weg II, T < , C T , ρ = ρ c G, F κT −→ (4.55) ∼ (0) κTc ⎪ ⎩C ε−γ Weg I, T > Tc , ρ = ρc . −→
276
4. Phasen, Phasenübergänge
κT(0)c ist die Kompressibilität des idealen Gases für T = Tc : κT(0) =
1 V = . p nRT
Analog hierzu benutzt man für das magnetische System zur Normierung die Suszeptiblität des idealen Paramagneten, für die nach (1.25)
χ(0) T =
C∗ T
gilt, wobei C∗ die in (1.26) definierte Curie-Konstante ist: ⎧ < ⎪ χT ⎨C (−ε)−γ T → Tc , H = 0 , ∼ > ⎪ χ(0) ⎩C ε−γ T → Tc , H = 0 . Tc
(4.56)
Die experimentellen Werte für γ und γ schwanken etwas. Die verschiedenen Messmethoden liefern noch etwas unterschiedliche Werte um 1,3 herum mit γ ≈ γ . Die Modellrechnungen zeigen sämtlich γ = γ , wobei die klassischen Theorien γ = 1 ergeben. Das d = 2-Ising-Modell führt zu γ = 7|4, das d = 3-Ising-Modell zu γ ≈ 1,24, das d = 3-XY-Modell zu γ ≈ 1,32 und das d = 3-Heisenberg-Modell zu γ ≈ 1,39. Die aus den Modellrechnungen resultierenden Zahlenwerte zeigen, wie auch schon bei α und β, sehr schön die Abhängigkeit des kritischen Exponenten von der Spinund Gitterdimension. 4. δ : Kritische Isotherme Wenn p(0) c = kB Tc ρc den Druck des idealen Gases bei ρ = ρc und T = Tc meint, dann soll für das reale Gas gelten: δ ρ (p − pc ) − 1 sign (ρ − ρc ) [Weg III , T = Tc ] . ∼ D (4.57) ρ (0) c pc sign (ρ − ρc ) bezeichnet das Vorzeichen von (ρ − ρc ): sign (ρ − ρc ) =
ρ − ρc . |ρ − ρc |
δ entspricht also in etwa dem Grad der Funktion (Polynom) der kritischen Isotherme. Je größer δ, desto flacher ist die Isotherme. Setzt man HC(0) =
kB Tc μ0 m
(m = magnetisches Moment pro Teilchen) ,
so lautet die (4.57) entsprechende Beziehung für den Magneten: M(T = Tc , H) δ H ∼ D M(T = 0, H = 0) sign (M) . H (0) C
(4.58)
4.2
Phasenübergänge
277
Experimentelle Werte für δ liegen zwischen 4 und 5. Das d = 2-Ising-Modell fällt mit δ = 15 deutlich aus dem Rahmen. Für die klassischen Theorien ist δ = 3. Dem d = 3-Ising-Modell, dem d = 3-XY-Modell und auch dem d = 3-Heisenberg-Modell werden δ ≈ 4,8 zugeschrieben. δ scheint also vor allem von der Gitterdimension und weniger von der Spindimension beeinflusst zu sein. Neben den in 1. bis 4. eingeführten kritischen Exponenten sind insbesondere noch ν, ν und η wichtig. Diese werden im Zusammenhang mit der Paarkorrelationsfunktion definiert. Da wir letztere erst in der Statistischen Mechanik kennen lernen werden, wollen wir an dieser Stelle auch die Exponenten ν, ν und η noch aussparen. (0) (0) Es ist klar, dass die Normierungsfaktoren κT(0)c , χ(0) Tc , pc , HC in den obigen Definitionsgleichungen keine besondere Bedeutung haben. Sie werden deshalb häufig auch weggelassen. Sie sorgen lediglich dafür, dass die einzelnen Größen dimensionslos werden und dass die Amplituden von der Größenordnung 1 sind. Obwohl z. B. die kritische Temperatur Tc von Material zu Material sehr stark variiert, erkennen wir dennoch eine verblüffende Ähnlichkeit der numerischen Werte für die kritischen Exponenten. 4.2.4 Exponenten-Ungleichungen Die Theorie der kritischen Exponenten beruht zunächst auf reinen Hypothesen, die allerdings vom Experiment starke Unterstützung erfahren. Da andererseits nur wenige wirklich exakte Auswertungen realistischer Modelle vorliegen, sind natürlich solche Überlegungen von großem Interesse, die auf irgendeine Weise zu Testmöglichkeiten für die Theorie führen. In diesem Sinne haben einige thermodynamisch exakte Exponenten-Ungleichungen große Bedeutung erlangt. Die wichtigsten wollen wir in diesem Abschnitt am Beispiel des magnetischen Systems besprechen. Für die folgenden Beweise werden wir häufig das fast selbstverständliche Lemma benutzen: Falls f (x) ∼ xϕ und g(x) ∼ xψ und außerdem für hinreichend kleine |x| |f (x)| ≤ |g(x)| gilt, dann muss
ϕ≥ψ
(4.59)
sein. Aus |f (x)| ≤ |g(x)| folgt nämlich ln |f (x)| ≤ ln |g(x)| und damit für |x| < 1, d. h. ln |x| < 0: ln |g(x)| ln |f (x)| ≥ . ln |x| ln |x| Nach (4.45) ist dies gleichbedeutend mit der Behauptung (4.59). – Wir beweisen mit diesem Lemma zunächst die
278
4. Phasen, Phasenübergänge
Rushbrooke-Ungleichung
α + 2β + γ ≥ 2 für H = 0 , T → Tc(−) .
(4.60)
Beweis Ausgangspunkt ist die Beziehung (2.82)
χT (CH − Cm ) = μ0 V
T β2H
= μ0 V T
∂M ∂T
2 . H
Wegen Cm ≥ 0 folgt daraus die Ungleichung: 2
∂M CH ≥ μ0 T V χ−1 T . ∂T H
(4.61)
Beim Grenzübergang ε → 0 ist der Vorfaktor μ0 T V ein unwesentlicher Faktor, da er endlich bleibt. Wegen CH ∼ (−ε)−α ;
χT ∼ (−ε)−γ ; M ∼ (−ε)β
folgt mit dem Lemma (4.59): −α ≤ 2(β − 1) + γ . Dies ist die Behauptung (4.60). Es spricht einiges dafür, dass die Rushbrooke-Ungleichung (4.60) sogar als Gleichung gelesen werden kann. Experimentelle Resultate deuten daraufhin, für die klassischen Theorien (α = 0, β = 1|2, γ = 1) gilt das Gleichheitszeichen sogar streng. Letzteres trifft auch für das d = 2-Ising-Modell (α = 0, β = 1|8, γ ≈ 7|4) zu und wird vom d = 3-Ising-Modell approximativ, aber sehr glaubwürdig bestätigt. Die Skalenhypothese macht ebenfalls aus (4.60) eine Gleichung. Man kann sich leicht klar machen, dass das Gleichheitszeichen in (4.60) genau dann gilt, wenn R = lim
Cm
ε→0 CH
<1
(4.62)
ist. Man beachte, dass R ≤ 1 wegen Cm ≤ CH stets gelten muss. Wir beweisen die Behauptung: 1. R = 1 Im kritischen Bereich sollte dann gelten: Cm ∼ 1 − (−ε)x (1 + . . . ) . CH
4.2
Phasenübergänge
279
Es muss dabei x > 0 sein. Das Minuszeichen garantiert Cm ≤ CH . Wir benutzen wiederum (2.82): 1−
Cm −1 = μ0 V T β2H χ−1 T CH . CH
(4.63)
Im kritischen Bereich liest sich diese Gleichung wie folgt: (−ε)x (1 + . . . ) ∼ (−ε)2(β−1)+γ +α (1 + . . . ) .
Das hat x = 2(β − 1) + γ + α zur Folge, sodass wegen x > 0
α + 2β + γ = 2 + x > 2 gefolgert werden muss. Die Rushbrooke-Beziehung ist deshalb für R = 1 eine echte Ungleichung. 2. R = 1 − y < 1 (y > 0) Der allgemeinste Ansatz für den kritischen Bereich ist nun: Cm = 1 − y(1 + εx + . . . ) ; CH
x>0.
Dies setzen wir in (4.63) ein: 1 − [1 − y(1 + εx + . . . )] ∼ (−ε)2(β−1)+γ +α .
Die linke Seite bleibt endlich und ungleich Null für ε → 0. Das ist nur dann denkbar, wenn der Exponent rechts gleich Null ist: 2 = 2β + γ + α . Das ist aber gerade die Rushbrooke-Beziehung (4.60) mit dem Gleichheitszeichen. Wir leiten als nächstes die Coopersmith-Ungleichung
ϕ + 2ψ −
1
δ
≥1
für
T = Tc ,
H → 0+
(4.64)
ab. Man beachte die Voraussetzung H → 0+ . Die Variable ist hier also nicht ε, sondern H. Die kritischen Exponenten ϕ und ψ kennen wir noch nicht: CH ∼ H −ϕ ;
S(Tc , H) ∼ −H ψ
[T = Tc ] .
(4.65)
280
4. Phasen, Phasenübergänge
Zum Beweis benutzen wir (4.58): H ∼ |M|δ sign M
⇒
M+ ∼ H 1|δ .
Das wird zusammen mit der Maxwell-Relation 1 ∂S ∂M = → ∼ −H ψ−1 V ∂T B0 μ0 ∂H T T=Tc in (4.61) eingesetzt. Dazu benötigen wir auch noch die isotherme Suszeptiblität χT , die wir nicht durch die Exponenten γ und γ beschreiben können, da diese auf einem anderen Weg der Zustandsänderung definiert sind: 1 ∂M χTc = ∼ H δ −1 . ∂H Tc Für T = Tc und H → 0+ lässt sich (4.61) also wie folgt schreiben: H −ϕ (1 + . . . ) ≥
1 1 Tc H 2ψ−2 H 1− δ (1 + . . . ) . μ0 V
Mit dem oben bewiesenen Lemma (4.59) können wir auf −ϕ ≤ 2ψ − 2 + 1 −
1
δ
schließen, woraus sich die Behauptung (4.64) ergibt. Wir wollen eine dritte wichtige Exponenten-Ungleichung ableiten, nämlich die so genannte Griffiths-Ungleichung
α + β(1 + δ) ≥ 2 für H = 0 , T → Tc(−) .
(4.66)
Nach Voraussetzung befindet sich das System im Nullfeld. Für T = T1 ≤ Tc bezeichnen wir mit M1 = M1 (T1 ) deshalb die spontane Magnetisierung. M0 sei die Sättigungsmagnetisierung. Für die freie Energie gilt in der ferromagnetischen Phase: F(T1 , M) = F(T1 , 0) , falls M < M1 (T1 ). Dies bedeutet für die erste Ableitung nach M: ∂F = μ0 V H = 0 , ∂M T1 falls M < M1 (T1 ). Mithilfe der Maxwell-Relation ∂S ∂H (T , M) = −μ0 V (T , M) = 0 , ∂M T 1 ∂T M 1
(4.67)
4.2
Phasenübergänge
281
F
− M0
×
− M1
M1
×
M0 M T1 fest
H
− M0
− M1
M1
M0
M
Abb. 4.21. Freie Energie eines Ferromagneten als
Funktion der Magnetisierung M (oben; M1 : spontane Magnetisierung). Zustandsgleichung H–M für den Ferromagneten (unten)
falls M < M1 (T1 ), ergibt sich für die Entropie die Aussage: falls M < M1 (T1 ) .
S(T1 , M) = S(T1 , 0) ,
Wir definieren zwei neue Funktionen: f (T, M) = F(T, M) − F(Tc , 0) + (T − Tc )S(Tc , 0) ,
S=−
gilt offenbar auch:
s=−
∂F ∂T
∂f ∂T
(4.69) (4.70)
s(T, M) = S(T, M) − S(Tc , 0) . Wegen
(4.68)
M
. M
Nach Abschn. 4.2.1 ist F(T, M) als Funktion von T konkav. Da die zweiten Ableitungen von F und f nach T gleich sind, ist auch f (T, M) konkav. Dies nutzen wir nun aus. Die Gleichung der Tangente an die f (T, M1 )- Kurve in T1 lautet: ∂f T1 , M1 = fˆ T, M1 = f T1 , M1 + T − T1 ∂T M = f T1 , M1 − T − T1 s T1 , M1 . Da f als Funktion von T konkav ist, können wir weiter schließen: ∀T . f T, M1 ≤ fˆ T, M1
282
4. Phasen, Phasenübergänge
Dies bedeutet speziell für T = Tc : f Tc , M1 ≤ f T1 , M1 − Tc − T1 s T1 , M1 . In diese Ungleichung setzen wir nun (4.67) und (4.68) ein: f Tc , M1 ≤ f T1 , 0 − Tc − T1 s T1 , 0 . Wir zeigen im nächsten Schritt, dass f (T1 , 0) ≤ 0 ist. Nach der Definition (4.70) ist s(Tc , 0) = 0, sodass f (T, 0) in T = Tc eine horizontale Tangente hat. Das bedeutet, da f konkav ist: f T1 , 0 ≤ f Tc , 0 = 0 . Die obige Ungleichung gilt also erst recht in der Form: f Tc , M1 ≤ − Tc − T1 s T1 , 0 .
(4.71)
Das ist nun endgültig die Ungleichung, die wir zur Abschätzung der Exponenten benutzen wollen. Wir beginnen mit der linken Seite. Fassen wir M1 als Variable auf, so gilt auf der kritischen Isotherme: H M1 , T = Tc ∼ M1δ . Wegen H=
1 μ0 V
∂F ∂M
= Tc
1 μ0 V
∂f ∂M
Tc
folgt weiter: f Tc , M1 ∼ M1δ+1 . M1 ist andererseits als spontane Magnetisierung auch Ordnungsparameter, sodass wir noch β M1 ∼ Tc − T1 ausnutzen können: β(δ+1) . f Tc , M1 ∼ Tc − T1
(4.72)
Wir schätzen nun die rechte Seite von (4.71) ab, wobei wir mit dem kritischen Verhalten der spezifischen Wärme CH starten: −α ∂S H = 0 ; T → Tc(−) . CH = T ∼ Tc − T ∂T H
4.2
Phasenübergänge
283
Da sich T selbst unkritisch verhält, gilt auch: −α ∂S ∼ Tc − T ∂T H=0
T → Tc(−) .
Wir benötigen Aussagen über S = S(T, M) für M = 0: ∂S ∂S dS = dT + dM ∂T M ∂M T ∂S ∂S ∂S ∂M = + . ⇒ ∂T H ∂T M ∂M T ∂T H Nach (4.68) ist
sodass folgt:
∂S ∂T
∂S ∂M
T1 , M = 0 ,
falls M < M1 (T1 ) ,
T
∂S = ∂ T M=0
−α ∼ Tc − T
H=0
T → Tc(−) .
Es ist deshalb: −α +1 −s T1 , 0 = S Tc , 0 − S T1 , 0 ∼ Tc − T1 . Dies bedeutet schließlich für die rechte Seite von (4.71): 2−α − Tc − T1 s T1 , 0 ∼ Tc − T1 .
(4.73)
(4.71) bis (4.73) ergeben nach Ausnutzen des Lemmas (4.59):
β(δ + 1) ≥ 2 − α . Damit ist die Griffiths-Ungleichung (4.66) bewiesen! Die klassischen Theorien (α = 0, β = 1|2, δ = 3) als auch das exakt lösbare d = 2Ising-Modell (α = 0, β = 1|8, δ = 15) lassen in (4.66) sogar das Gleichheitszeichen erwarten. 4.2.5 Skalenhypothese Der letzte Abschnitt ließ insbesondere die Frage offen, ob die exakten Exponenten-Ungleichungen vielleicht doch als Gleichungen zu lesen sind. Eine Reihe von Hinweisen darauf hatten wir bereits angeben können. Eine sehr starke Unterstützung findet diese Annahme von der nun zu besprechenden Skalenhypothese. Diese besteht in einem sehr einfachen Ansatz für die Struktur eines bestimmten thermodynamischen Potentials. Dieser Ansatz kann bislang noch nicht mathematisch streng begründet werden, erscheint jedoch in vieler Hinsicht plausibel. Es handelt sich aber nach wie vor um eine Hypothese.
284
4. Phasen, Phasenübergänge
Zur Formulierung der Skalenhypothese erinnern wir uns zunächst an den Begriff der homogenen Funktion, wie wir ihn in Abschn. 1.2, Bd. 2 kennen gelernt haben: f (x) ist homogen vom Grad m, falls für jedes λ ∈ R f (λ x) = λm f (x)
(4.74)
gilt. Ist eine solche Funktion in einem Punkt x0 =/ 0 bekannt, so ist f (x) überall bestimmt. Für jedes x gibt es nämlich ein eindeutiges λx mit x = λx x0 , sodass f (x) = λmx f (x0 ) gilt. Man sagt, dass f (x) mit f (x0 ) über eine einfache Skalentransformation zusammenhängt. Den Begriff der Homogenität erweitern wir nun für Funktionen mehrerer Variabler: 4.2.5
Definition 4.2.5 Man nennt f (x, y) eine
verallgemeinert homogene Funktion, falls für jedes λ ∈ R
f λa x, λb y = λ f (x, y)
(4.75)
gilt, wobei a und b beliebige reelle Zahlen sein dürfen. So ist zum Beispiel f (x, y) = x2 + 3y5 eine verallgemeinert homogene Funktion mit a = 1 | 2 und b = 1 | 5. Wir wollen nun am Beispiel der freien Enthalpie G(T, B0 ) eines magnetischen Systems (B0 = μ0 H) die Skalenhypothese formulieren. Wir interessieren uns hier nur für die bei Tc nicht-analytischen Anteile von G(T, B0 ). Alle anderen, unkritischen Terme seien abgetrennt: G(T, B0 )
−→
G(ε, B0 ) ;
ε=
T − Tc . Tc
Skalenhypothese (Homogenitätspostulat) G(ε, B0 ) ist eine verallgemeinert homogene Funktion, d. h. für jedes λ ∈ R gilt: G λaε ε, λaB B0 = λ G(ε, B0 ) . (4.76) Die Zahlen aε und aB werden nicht spezifiziert, sodass die Skalenhypothese keine konkreten numerischen Werte für die kritischen Exponenten wird liefern können. Sie führt allerdings zu verschiedenen Relationen zwischen den Exponenten. Wie bereits erwähnt, lässt sich (4.76) nicht mathematisch exakt beweisen. Sie wird allerdings durch die so genannte Kadanoff-Konstruktion am Beispiel des Ising-Spin-Systems
4.2
Phasenübergänge
285
sehr plausibel gemacht. Auf diese können wir jedoch an dieser Stelle nicht näher eingehen. – Die Skalenhypothese wurde hier für die freie Enthalpie formuliert. Sie überträgt sich natürlich in gesetzmäßiger Weise auf die anderen thermodynamischen Potentiale. Wir werden nun zeigen, dass sich alle kritischen Exponenten durch aε und aB ausdrücken lassen. Das wird bedeuten, dass durch die Festlegung von zwei Exponenten alle anderen bereits bestimmt sind. Wir differenzieren (4.76) partiell nach B0 : ∂ ∂ λaB aB G λaε ε, λaB B0 = λ G(ε, B0 ) . ∂B0 ∂ λ B0 Nun gilt:
∂G = −m = −V M . ∂B0 Damit ergibt sich:
λaB M λaε ε, λaB B0 = λ M(ε, B0 ) .
(4.77)
Aus dieser Beziehung werden wir sehr weit reichende Schlussfolgerungen ziehen. 1. Exponent β Wir setzen in (4.77) B0 = 0: M λaε ε, 0 = λ1−aB M(ε, 0) . Das ist für jedes λ richtig, also auch für
λ = (−ε)−1|aε . Damit folgt: M(ε, 0) = (−ε)
1−aB aε
M(−1, 0) .
M(−1, 0) ist eine konstante Zahl. Für ε → 0− können wir also schreiben: M(ε, 0) ∼ (−ε)
1−aB aε
.
Der Vergleich mit (4.53) liefert:
β=
1 − aB . aε
(4.78)
(Wegen B0 = μ0 H bedeutet B0 = 0 natürlich auch H = 0.) Der kritische Exponent β ist also vollständig durch die Konstanten aB und aε festgelegt.
286
4. Phasen, Phasenübergänge
2. Exponent δ Wir setzen nun in (4.77) ε = 0 : M 0, B0 = λaB −1 M 0, λaB B0 und wählen speziell: |aB λ = B−1 . 0
Dies ergibt 1−aB a M 0, B0 = B0 B M(0, 1)
mit einer unbedeutenden Konstanten M(0, 1). Für ε = 0 und B0 → 0+ können wir demnach schreiben: 1−aB a M 0, B0 ∼ B0 B
aB B0 ∼ M 0, B0 1−aB .
⇐⇒
Der Vergleich mit (4.58) führt zu:
δ=
aB . 1 − aB
(4.79)
Über (4.78) und (4.79) sind aε und aB vollständig durch β und δ festgelegt: aB =
δ
1+δ
aε =
;
1
1
(4.80)
.
β 1+δ
Gelingt es uns, weitere Exponenten durch aε und aB auszudrücken, so wird das letztlich zu Relationen zwischen den kritischen Exponenten führen. 3. Exponenten γ , γ Für die Suszeptibilität χT muss
∂M χT = ∂H
= μ0
T
∂M ∂B0
T
ausgewertet werden. Im kritischen Bereich können wir dazu wieder (4.77) verwenden, indem wir nach dem Feld B0 partiell differenzieren:
λ2aB
∂
∂(λaB
∂ M(ε, B0 ) . M λaε ε, λaB B0 = λ B0 ) ∂B0
Dies ergibt:
λ2aB χT λaε ε, λaB B0 = λ χT ε, B0 . Wir setzen B0 = 0 und wählen:
λ = (±ε)−1|aε .
4.2
Phasenübergänge
287
Dies ergibt: 2aB −1 aε
χT (ε, 0) = (±ε)−
χT (±1, 0) .
Die Konstante χT (±1, 0) ist im kritischen Bereich wiederum unbedeutend, aber eventuell unterschiedlich für T → Tc(−) und T → Tc(+) (kritische Amplitude). Der Vergleich mit (4.56) führt nun zu:
γ = γ =
2aB − 1 . aε
(4.81)
4. Exponenten α, α Die Wärmekapazität CH = CB0 benötigt die zweite Ableitung der freien Enthalpie nach der Temperatur: 2 T ∂2 G ∂G =− 2 . CH = CB0 = −T ∂T 2 B0 Tc ∂ε2 B0 Die Skalenhypothese (4.76) wird zweimal nach ε differenziert: ∂2 ∂2 λ2aε 2 G λaε ε, λaB B0 = λ 2 G(ε, B0 ) . ∂ε ∂ λaε ε Dies bedeutet:
λ2aε CH λaε ε, λaB B0 = λ CH (ε, B0 ) . Wir wählen nun B0 = 0 und λ = (±ε)−1|aε und erhalten damit: CH (ε, 0) = (±ε)−
2aε −1 aε
CH (±1, 0) .
Der Vergleich mit (4.51) legt die kritischen Exponenten α und α fest:
α = α =
2aε − 1 . aε
(4.82)
Ein typisches Resultat der Skalenhypothese besteht darin, dass sich für T → Tc(−) und für T → Tc(+) dieselben kritischen Exponenten ergeben. Gestrichene und ungestrichene Exponenten sind stets gleich (α = α ,γ = γ ). Ein zweites wichtiges Resultat der Skalenhypothese macht aus den thermodynamisch exakten Ungleichungen des letzten Abschnitts echte Gleichungen, die man dann Skalengesetze
288
4. Phasen, Phasenübergänge
nennt. Ein paar typische Beispiele wollen wir zum Schluss noch etwas genauer analysieren. Wir kombinieren (4.80) mit (4.82):
α = 2 − ⇒
1 = 2 − β(1 + δ) aε
α + β(1 + δ) = 2.
(4.83) (4.84)
Dies entspricht der Griffiths-Beziehung (4.66). Wenn wir die Gleichungen (4.80) und (4.81) zusammenfassen, so erhalten wir einen Zusammenhang zwischen β, γ und δ:
γ = 2 ⇒
aB 1 − = 2 β δ − β(1 + δ) = β δ − β aε aε
γ = β(δ − 1) .
(4.85)
Die zugehörige thermodynamisch exakte Ungleichung heißt: Widom-Ungleichung
γ ≥ β(δ − 1) .
(4.86)
Wenn wir dann noch (4.84) und (4.85) kombinieren, so folgt ein Zusammenhang zwischen α, β und γ :
α + 2 β + γ = 2 .
(4.87)
Diese Beziehung haben wir als thermodynamisch exakte Rushbrooke-Ungleichung (4.60) kennen gelernt. Es gibt noch eine Reihe weiterer thermodynamisch exakter Ungleichungen, die in der Konsequenz der Skalenhypothese zu echten Gleichungen werden. Dazu sei an dieser Stelle auf die Spezialliteratur verwiesen!
4.3
Aufgaben
289
4.3
4.3 Aufgaben Aufgabe 4.3.1 Bringt man einen Supraleiter 1. Art in ein Magnetfeld H, so zeigt dieser den so genannten Meißner-Ochsenfeld-Effekt, d. h., abgesehen von einer zu vernachlässigenden Randschicht ist in seinem Innern
4.3.1
B0 = μ0 (H + M) = 0 . Überschreitet H eine von der Temperatur abhängige kritische Feldstärke, dann findet ein Phasenübergang in den normalleitenden Zustand statt. In guter Näherung gilt: 4 2 T T HC (T) = H0 1 − (1 − α) −α Tc Tc (Tc = Sprungtemperatur). 1. Berechnen Sie die Umwandlungswärme beim Phasenübergang mithilfe der Clausius-Clapeyron-Gleichung. Dabei kann die Magnetisierung der normalleitenden Phase (Mn ) gegenüber der der supraleitenden Phase (Ms ) vernachlässigt werden. 2. Berechnen Sie die Stabilisierungsenergie ΔG des Supraleiters:
ΔG = Gs (T, H = 0) − Gn (T, H = 0) 3.
(n: normalleitend, s: supraleitend). Benutzen Sie erneut Mn << Ms . Berechnen Sie die Entropiedifferenz
ΔS = Ss (T) − Sn (T) 4.
5. 6.
mithilfe von 2. Vergleichen Sie das Ergebnis mit dem aus Teil 1. Was folgt aus dem Dritten Hauptsatz für dHC ? dT T=0 Berechnen Sie die Differenz ΔC = Cs − Cn der Wärmekapazitäten. Klassifizieren Sie den Phasenübergang.
Aufgabe 4.3.2 Eine physikalische Größe f verhalte sich im kritischen Bereich wie
f (T) = a T ln |T − Tc | + b T 2 . Wie lautet der zugehörige kritische Exponent?
4.3.2
290
4. Phasen, Phasenübergänge
4.3.3
Aufgabe 4.3.3 Zeigen Sie, dass für Phasenübergänge zweiter Ordnung im Ehrenfest’schen Sinn nur kritische Exponenten ϕ = 0 möglich sind.
4.3.4
Aufgabe 4.3.4 Bestimmen Sie den kritischen Exponenten von
1. f (T) = a T 5 | 2 − b , 2. f (T) = a T 2 + c (T − Tc )−1 , 3. f (T) = a |T − Tc | + d , a, b, c, d: Konstanten.
4.3.5
Aufgabe 4.3.5 Das Verhältnis der Wärmekapazitäten
R=
Cm CH
sei temperaturunabhängig. Zeigen Sie, dass das Gleichheitszeichen in der Rushbrooke-Beziehung
α + 2β + γ ≥ 2 genau dann gilt, wenn R =/ 1 ist.
4.3.6
Aufgabe 4.3.6 Leiten Sie für ein magnetisches System aus der Skalenhypothese die folgende Beziehung für die Magnetisierung M ab: M(ε, H) = M ±1, (±ε)−βδ H . β (±ε)
Sehen Sie eine Möglichkeit, über diese Gleichung die Skalenhypothese experimentell zu überprüfen?
4.3.7
Aufgabe 4.3.7 Beweisen Sie mithilfe der Skalenhypothese die folgenden Exponenten-Gleichungen:
1. γ (δ + 1) = (2 − α) (δ − 1) , 2. δ =
2−α+γ . 2−α−γ
4.3
Aufgaben
291
Aufgabe 4.3.8 Berechnen Sie die kritischen Exponenten β, γ , γ und δ des van der Waals-Gases: 1. Zeigen Sie zunächst, dass sich die van der Waals-Zustandsgleichung in den reduzierten Größen
pr =
p − 1; pc
Vr =
V −1; Vc
ε=
4.3.8
T −1 Tc
wie folgt schreiben lässt: pr 2 + 7Vr + 8Vr2 + 3Vr3 = −3Vr3 + 8ε 1 + 2Vr + Vr2 . 2. 3. 4.
5. 6.
<
>
Wie verhält sich das reduzierte Volumen Vr für T → Tc und T → Tc ? Bestimmen Sie den kritischen Exponenten β. Zeigen Sie, dass auf der kritischen Isothermen 7 3 pr = − Vr3 1 − Vr + . . . 2 2 gilt. Bestimmen Sie den kritischen Exponenten δ. Leiten Sie über die Kompressibilität κT die Werte für die kritischen Exponenten γ und γ ab. Was kann über die kritischen Amplituden C und C ausgesagt werden?
Aufgabe 4.3.9 Untersuchen Sie das kritische Verhalten des isobaren thermischen Ausdehnungskoeffizienten 1 ∂V β= V ∂T p
für das van der Waals-Gas.
4.3.9
292
4.3.10
4. Phasen, Phasenübergänge
Aufgabe 4.3.10 Diskutieren Sie das kritische Verhalten des Weiß’schen Ferromagneten (Abschn. 1.4.4). 1. Zeigen Sie, dass sich mit den reduzierten Größen
= M
M ; M0
b=
m B0 ; kB T
ε=
T − Tc Tc
(m: magnetisches Moment; M0 = N V m: Sättigungsmagnetisierung) die Zustandsgleichung wie folgt schreiben lässt: 3M =L b+ M ε+1 2. 3. 4.
(L(x) = coth x − 1x : Langevin-Funktion). Berechnen Sie den kritischen Exponenten β. Welchen Wert hat der kritische Exponent δ? Leiten Sie die kritischen Exponenten γ , γ ab und bestimmen Sie das Verhältnis C|C der kritischen Amplituden.
4.4
Kontrollfragen
293
4.4 Kontrollfragen Zu Abschn. 4.1 1. Wie würden Sie den Begriff Phase definieren? 2. Erläutern Sie die Methode der Lagrange’schen Multiplikatoren. 3. Was gilt im thermodynamischen Gleichgewicht eines isolierten Systems aus π Phasen und α verschiedenen Komponenten für Temperatur T, Druck p und die chemischen Potentiale μ? 4. Wie lautet die allgemeine Gleichgewichtsbedingung für ein geschlossenes System mit p = const und T = const? 5. Wenn das geschlossene System aus mehreren Phasen und verschiedenen Komponenten besteht, und das bei T = const und p = const, was kann dann über die chemischen Potentiale im Gleichgewicht gesagt werden? 6. Nennen und erläutern Sie am Beispiel des H2 O die Gibb’sche Phasenregel. 7. Wie viele Phasen kann es maximal in einem System aus α Komponenten geben? 8. Skizzieren Sie die Ableitung der Clausius-Clapeyron-Gleichung. 9. Was gilt für einen Phasenübergang erster Ordnung? 10. Was versteht man unter der Maxwell-Konstruktion? 11. Worin besteht das unphysikalische Verhalten der van der Waals-Isothermen für T < Tc ? 12. Wie verlaufen die Isothermen des pV-Diagramms im Koexistenzgebiet von Dampf und Flüssigkeit? 13. Begründen Sie die Maxwell-Konstruktion. 14. Was versteht man unter der Hebelbeziehung? Zu Abschn. 4.2 1. Wozu wird die Umwandlungswärme beim Phasenübergang im Gas-FlüssigkeitsSystem benötigt? 2. Definieren und charakterisieren Sie einen Phasenübergang erster Ordnung. 3. Unter welchen Voraussetzungen gilt die Clausius-Clapeyron-Gleichung? 4. Wann nennt man eine Funktion f (x) konvex bzw. konkav? 5. Was versteht man unter den Stabilitätsbedingungen? 6. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Stabilität eines thermodynamischen Systems und den Konvexitätseigenschaften seiner Potentiale G(T, p) bzw. F(T, V)? 7. Wie manifestiert sich ein Phasenübergang erster Ordnung in der ersten partiellen Ableitung der freien Energie nach dem Volumen V? 8. Wie verändert sich die Umwandlungswärme ΔQ, wenn man längs der Koexistenzlinie auf den kritischen Punkt (Tc , pc ) zugeht? 9. Wie ist nach Ehrenfest die Ordnung eines Phasenübergangs festgelegt? 10. Welche Bedingungen erfüllt im Ehrenfest’schen Sinn ein Phasenübergang zweiter Ordnung? Nennen Sie Beispiele für einen solchen Übergang.
4.4
294
4. Phasen, Phasenübergänge
11. Was versteht man unter den Ehrenfest-Gleichungen? 12. Welche Kritik an der Ehrenfest-Klassifikation von Phasenübergängen drängt sich auf? 13. Wie verhält sich die spezifische Wärme Cp bei einem Phasenübergang erster Ordnung? 14. Was sind die typischen Merkmale eines kontinuierlichen Phasenübergangs? 15. Warum sind Phasenübergänge zweiter Ordnung von besonderem physikalischen Interesse? 16. Wie lautet die allgemeine Definition eines kritischen Exponenten? 17. Mit welchen Einschränkungen sind kritische Exponenten universell? 18. Welches kritische Verhalten einer physikalischen Größe entspricht dem Exponenten ϕ = 0? 19. Welcher kritische Exponent beschreibt das Verhalten der Wärmekapazität? Welchen Wert nimmt er an bei einem Phasenübergang im Ehrenfest’schen Sinn (Diskontinuität bei T = Tc )? 20. Was ist der Ordnungsparameter eines Magneten? Welcher Exponent beschreibt sein kritisches Verhalten? 21. Nennen Sie typische Zahlenwerte für die kritischen Exponenten α, β, γ , δ. 22. Skizzieren Sie für das reale Gas und für den Magneten die kritische Isotherme. 23. Welches Verhalten beschreibt der kritische Exponent δ? 24. Welche kritischen Exponenten verknüpft die Rushbrooke-Ungleichung? 25. Was spricht dafür, dass die Rushbrooke-Ungleichung sogar als Gleichung gilt? 26. Wie lautet die Coopersmith-Ungleichung? 27. Was besagt die Griffiths-Ungleichung? 28. Was versteht man unter einer verallgemeinert homogenen Funktion? 29. Formulieren Sie für ein magnetisches System die Skalenhypothese. 30. Zu welchen physikalischen Aussagen führt die Skalenhypothese? 31. Kann man mit der Skalenhypothese konkrete numerische Werte für die kritischen Exponenten ableiten? 32. Welche Relationen werden als Skalengesetze bezeichnet? 33. Was sagt die Skalenhypothese über die kritischen Exponenten für die Übergänge T → Tc(−) und T → Tc(+) , z. B. über γ und γ , aus?
Lösungen der Übungsaufgaben
295
Lösungen der Übungsaufgaben Abschnitt 1.6 Lösung zu Aufgabe 1.6.1 1.
1.6.1
⇒
B(x, y) = − sin x cos y ⇒
df kein totales Differential .
2.
⇒
B(x, y) = cos x sin y
∂A ∂y
=
x
∂B ∂x
⇒
totales Differential .
y
3.
3 2
A(x, y) = x y
B(x, y) = −y3 x2 ⇒
∂A ∂y
x
=/
∂B ∂x
∂A = − sin x sin y , ∂y x ∂B = − sin x sin y ∂x y
⇒
A(x, y) = sin x cos y
⇒
∂A = cos x cos y , ∂y x ∂B = − cos x cos y ∂x y
⇒
A(x, y) = cos x sin y
⇒ ⇒
⇒
∂A = 2x3 y , ∂y x ∂B = −2y3 x ∂x y
kein totales Differential .
y
Lösung zu Aufgabe 1.6.2 Eine Lösungsmethode benutzt die Funktionaldeterminante (s. Aufg. 1.5.1, Bd. 1). Wir wählen hier einen alternativen Weg. Wir lösen die Funktionalrelation nach x bzw. y auf:
⇒
x = x(y, z) ; y = y(x, z) ∂x ∂x dx = dy + dz , ∂y z ∂z y ∂y ∂y dy = dx + dz . ∂x z ∂z x
1.6.2
296
Lösungen der Übungsaufgaben
Zusammenfassen: ∂x ∂y ∂y ∂x dx = dx + dz + dz ∂y z ∂x z ∂z x ∂z y ∂x ∂y ∂x ∂y ∂x = dz . + ⇒ dx 1 − ∂y z ∂x z ∂y z ∂z x ∂z y Zwei Variable sind frei wählbar ⇒ dx, dz beliebig ⇒ Koeffizienten müssen verschwinden: ∂x ∂y 1− =0, ∂y z ∂x z ∂x ∂y ∂x + =0. ∂y z ∂z x ∂z y Daraus folgt: 1.
2.
∂x ∂y
z
⇒
1.6.3
∂y ∂z
∂x ∂y
∂x ∂y
1 = . ∂y ∂x z
z
∂x =− ∂z x
z
∂y ∂z
x
1 1. = −
∂z ∂x y
y
∂z ∂x
= −1 . y
Lösung zu Aufgabe 1.6.3 Mit obiger Lösung zu Aufg. 1.6.2:
κT = −
1 V
1 β= V
∂V ∂p
∂V ∂T
∂p
=− T
=− p
∂p ∂V
−1 , T
1 1 = ∂p ∂ T V
1 ∂T = − V = κT V ∂p ∂V T
1 V
∂p V
∂p ∂T
∂V T
. V
Lösungen der Übungsaufgaben
297
Lösung zu Aufgabe 1.6.4
∂T ∂p
1.6.4
= − V
∂p ∂V
T
∂V ∂T
−1
= − p
∂V ∂p T V κT = ∂V Vβ ∂T p
Kettenregel ⇒
∂T ∂p
⇒
V ap + nR nR
= V
T = T(V, p) =
Vp a + p2 + G(V) . nR 2nR
Zusätzlich muss noch gelten: p 1 p ∂T = + 0 + G (V) = = ∂V p V β n R n R ⇒
G (V) = 0
⇐⇒
G(V) = const = T0 .
Damit lautet die Zustandsgleichung: pV +
1 2 a p = n R T − T0 . 2
Lösung zu Aufgabe 1.6.5 1. Die Isotherme der van der Waals-Zustandsgleichung n2 p + a 2 (V − n b) = n R T V
hat am kritischen Punkt einen Wendepunkt: 2 ∂p ∂p ! = = 0; ∂V Tc ∂V 2 Tc p=
∂p ∂V
∂2 p ∂V 2
nRT n2 −a 2 , V − nb V
=− T
= T
nRT n2 + 2a 3 , 2 (V − n b) V
2nRT n2 − 6a 4 . 3 (V − n b) V
1.6.5
298
Lösungen der Übungsaufgaben
Dies bedeutet: 2a
2.
n2 n R Tc = ; 3 Vc (Vc − n b)2
6a
n2 2 n R Tc = . 4 Vc (Vc − n b)3
Division der linken durch die rechte Gleichung: 1 1 Vc = (Vc − n b) ⇒ Vc = 3 n b , 3 2 n2 8a 4 n2 b2 ⇒ R Tc = n R Tc = 2 a . 27 n3 b3 27 b pc folgt dann direkt aus der van der Waals-Gleichung: a 8an 1 a − pc = ⇒ pc = . 27 b 2 n b 9 b2 27 b2 Damit folgt für die Konstanten: 9R Vc Tc Vc ; b = . a= 8n 3n Aus 1. folgt: 3 pc Vc = n R Tc . 8 Division der van der Waals-Gleichung durch diesen Ausdruck: nb 8 a n2 v− = t, π+ pc V 2 Vc 3 a n2 27 n2 b2 3 = = 2 V 2 pc V2 v 8 1 3 = t : v− π+ 2 v 3 3
⇒
Gesetz von den korrespondierenden Zuständen. 3.
κT = − Nach 1. gilt:
Bei V = Vc :
∂p ∂V
⇒
∂p ∂V
1 V
∂p ∂V
−1 . T
nRT 9 R n2 = − + V . T c c 2 4 n V3 V − 13 Vc
T
=− T,V=Vc
9 n R T 9 n R Tc + 4 Vc2 4 Vc2
4 Vc 1 κT V = Vc = 9 n R T − Tc
> T → Tc .
Lösungen der Übungsaufgaben
299
>
Der Zusatz T → Tc ist wichtig, weil sich nur dann die Voraussetzung V = Vc realisieren lässt. κT divergiert wie (T − Tc )−1 . Am kritischen Punkt genügt eip
Vc
4.
V
Abb. A.1.
ne beliebig kleine Druckänderung, um ein endliches Volumen von Gas nach Flüssigkeit zu überführen (Kondensation!). Stichworte: Phasenübergang zweiter Ordnung, Universalitätshypothese, kritischer Exponent γ = 1. Nach Aufg. 1.6.3 gilt: ∂p β = κT , ∂T V nR 3nR ∂p ∂p ⇒ = = . ∂T V V − n b ∂T V=Vc 2 Vc Damit zeigt β dasselbe kritische Verhalten wie κT : 2 1 β = β T, V = Vc = . 3 T − Tc
Lösung zu Aufgabe 1.6.6 1. Man setze
1.6.6
b b¯ = ; NA Dann gilt:
a¯ =
a . kB T NA2
−1 −¯aρ p = kB T ρ 1 − ρ b¯ e = ⎞ ∞ ⎛∞ 1 b¯ ν ρν ⎝ = kB T ρ (−¯a)μ ρμ ⎠ = μ ! ν=0 μ=0 ∞ = kB T ρ 1 + Bn ρn , n=1
Bn = ⇒
n
1 ¯ n−μ (−¯a)μ b
μ! μ=0
B1 = b¯ − a¯ =
a 1 . b− NA RT
300
Lösungen der Übungsaufgaben
Boyle-Temperatur TB : ! B1 TB = 0 2.
⇒
TB =
a . Rb
Van der Waals: p = N kB T(V − n b)−1 − a
n2 = V2
−1 − kB T a¯ ρ2 = = ρ kB T 1 − b¯ ρ ∞ n = ρ kB T 1 + Bn ρ n=1
⇒
a 1 ; B1 = b¯ − a¯ = b− NA RT
Bn =
b NA
n für n ≥ 2 .
Dieterici: B1 wie beim van der Waals-Modell. Abweichungen treten ab B2 auf: μ n a 1 b n−μ − . Bn = μ! NA kB T NA2 μ=0 Bei hohen Temperaturen bleibt nur der μ = 0-Term. Dann ergibt sich dasselbe Resultat wie im van der Waals-Modell. Bedeutung der Parameter: Van der Waals: a ρ2 ∼ Binnendruck, b N ∼ Eigenvolumen. Dieterici: vij : Wechselwirkungspotential, r : Abstand. a. b ist wie im van der Waals-Modell ein Maß für das Eigenvolumen der Moleküle, die beim idealen Gas als mathematische Punkte angesehen werden. Die Teilchenabstoßung sorgt für ein hard core-Potential. b. Bei größerem Abstand setzt eine Anziehung der Teilchen durch gegenseitige elektrische Polarisation der Atomhüllen ein, mit der eine Tendenz zum gebundenen Zustand verbunden ist, der dann keine Gefäßwand mehr benötigen würde. Das bedeutet auf jeden Fall eine Druckabnahme. Diese Tendenz wird im Dieterici-Modell näherungsweise durch die Exponentialfunktion beschrieben: a ρ ∼ mittlere Wechselwirkungsenergie (Aktivierungsenergie).
Lösungen der Übungsaufgaben
301
vij
(α)
(β)
r
„hard core“
3.
Abb. A.2.
Die Zustandsgleichung p = kB T ρ 1 − ρ b¯ e−¯a ρ wird natürlich dann physikalisch unsinning, wenn eine Teilchen-Verdichtung (⇐⇒ Anwachsen von ρ) wegen der Exponentialfunktion auf eine Druckerniedrigung führt. Vorzeichen-Erwartung: ∂p ≥0. Wegen κT = − V1
∂p ∂ρ
=
T
∂V ∂p T gilt:
T
∂ρ
∂p ∂V
T
∂V ∂ρ
T
−1 = V κT
∂ρ ∂V
−1 T
N −1 −1 − 2 = V κT V
N = const ⇒
∂p ∂ρ
= T
1
ρ κT
.
Es ist zu fordern (Stabilitätskriterium):
κT ≥ 0 , ansonsten würde das System kollabieren, wäre also mechanisch instabil. 4. ⇒ ⇒
∂p ∂ρ
∂p ∂ρ
T
b¯ = + p − a¯ p = p ρ 1 − ρ b¯ p
!
=0
⇒
1 − a¯ ρ 1 − ρ b¯
kB T0 (ρ) = a∗ ρ 1 − ρ b¯
a∗ =
T0
kB T0 (ρ) : Parabel mit Nullstellen bei ρ = 0 und ρ =
1 . b¯
a NA2
302
Lösungen der Übungsaufgaben
Als unphysikalisch muss man das Gebiet 1
ρ> ¯ b
¯ bezeichnen, da dann T0 < 0 bzw. ∂p | ∂ρ T < 0 ist. In etwa bedeutet ρ > 1 | b, dass das Eigenvolumen der Moleküle größer als das Gasvolumen ist. kBT0
× 1b
× 1 2b
0
ρ
Abb. A.3.
Maximum: kB kB
! dT0 = a∗ 1 − ρ b¯ − a∗ b¯ ρ = a∗ 1 − 2 ρ b¯ = 0 dρ
d2 T0 = −2 a∗ b¯ < 0 dρ2 ρ = ρc
⇒
⇒
1
ρC = ¯ , 2b
Maximum,
a∗ . kB Tc = kB T0 ρC = 4 b¯ Der Vergleich mit 1. ergibt: TB = 4 Tc . Die Materialkonstanten a, b sind aus den kritischen Daten bestimmbar! a∗ =
a 2 kB Tc = , 2 ρC NA
b 1 b¯ = = . NA 2 ρC 5.
Unphysikalisch ist das Gebiet ρ > 2 ρC
⇐⇒
p<0
T > Tc
∂p ∂ρ
=p T
a∗ 1 − ρ 1 − ρ b¯ kB T
>0
auf jeden Fall für kleine ρ realisierbar. ⇒ p in 0 ≤ ρ ≤ 2 ρC monoton steigende Funktion von ρ mit p(ρ = 0) = 0.
Lösungen der Übungsaufgaben
303
T < Tc ∂p | ∂ρ T hat zwei Nullstellen bei
ρ1, 2
$ 1 T . = 1± 1− Tc 2 b¯
Für kleine ρ ist p(ρ) monoton wachsend. Die erste Nullstelle entspricht also einem Maximum, die zweite einem Minimum von p(ρ). Dazwischen ergibt sich ein unphysikalisches Gebiet, da ∂p | ∂ρ T < 0 ist. T = Tc
∂p ∂ρ
ρ = ρC = 0 ,
Tc
∂2 p ∂ρ2 ∂2 p ∂ρ2
=p
T
a∗ 1 − ¯ ρ(1 − ρ b) kB T
ρ = ρC = 0 .
2 −p
1 − 2 ρ b¯ , ρ2 1 − ρ b¯ 2
Wendepunkt
Tc
Für T < Tc ergibt sich ein Phasenübergang ⇒ Gasverflüssigung! Das unphysikalische Gebiet wird durch dieselbe Maxwell-Konstruktion (A = B!) wie beim van der Waals-Gas korrigiert. p
T > Tc T = Tc pc
>
T Tc
B A
×
ρc Gas
T0
2 ρc
ρ
Flüssigkeit
Abb. A.4.
Lösung zu Aufgabe 1.6.7
κT = −
1.6.7
1 V
∂V ∂p
; T
β=
1 V
∂V ∂T
, p
304
Lösungen der Übungsaufgaben
ideales Gas: p V = n R T ⇒
∂V ∂p
∂V ∂T
=− T
= p
κTid =
⇒
nRT V =− , p2 p
nR V = p T 1 ; p
β id =
1 . T
1. p (V − n b) = n R T nRT 1 ∂V ⇒ = − 2 = − (V − n b) , ∂p T p p nR ∂V 1 = = (V − n b) ∂T p p T nb nb 1 id 1− = κT 1 − , ⇒ κT = p V V nb nb 1 id 1− =β . 1− β= T V V 2.
⇒
p V = n R T 1 + A1 (T) p nRT V n R T A1 (T) ∂V =− 2 =− + ∂p T p p p n R T A1 (T) , ⇒ κT = κTid 1 − V nR dA1 V ∂V dA1 = + n R A1 + n R T = + nRT ∂T p p dT T dT
⇒ 3.
β = β id 1 +
n R T 2 dA1 V dT
.
B1 (T) pV = nRT 1 + , V n R T B1 ∂V ∂(p V) ∂V =V +p =− ∂p T ∂p T V2 ∂p T
Lösungen der Übungsaufgaben
305
n R T B1 −1 V 1+ p p V2 T n R T B1 (T) −1 ⇒ κT = κTid 1 + , p V2 n R T dB1 n R T B1 ∂V B1 ∂V + − = nR 1 + p ∂T p V V dT V2 ∂T p n R T B1 p V n R T dB1 ∂V p+ = ⇒ + ∂T p V2 T V dT
⇒
∂V ∂p
=−
β=β
⇒
id
n R T 2 dB1 p V 2 dT 1 + np RVT2 B1
1+
.
Lösung zu Aufgabe 1.6.8
⇒ Curie-Gesetz: M =
δW = B0 dm :
m :
magnetisches Moment,
dm = V dM :
M :
Magnetisierung, V = const
δW = μ0 V H dM . C TH
(δW)T = μ0 ⇒
1.6.8
ΔW12 =
CV H dH T
H2 μ0 C V 1 2 VT 2 H2 − H12 = μ0 M2 − M12 . (δW)T = T 2 2C H1
Lösung zu Aufgabe 1.6.9 Nach (2.51), Bd. 3 gilt für das Feld im Innern des Kondensators
E=
Q e , ε0 F0 x
F0 : Plattenfläche.
Kapazität ((2.55), Bd. 3): C = ε0
F0 . 2a
Energie im Kondensator (2.58), Bd. 3: W=
1 Q2 Q2 2 a . = 2 C 2 ε0 F0
1.6.9
306
Lösungen der Übungsaufgaben
z
+Q
−Q x
E x − = −a
x+ = + a Abb. A.5.
Kraft auf Kondensatorplatten (Abschn. 2.2.1, Bd. 3): F(+Q) = Q E(x− ) =
Q2 ex , 2 ε0 F0
F(−Q) = −Q E(x+ ) = −
Q2 ex . 2 ε0 F0
Änderung der Kapazität: C=
ε0 F0 . x+ − x−
x− sei variabel: dC C ε0 F0 = = dx− (x+ − x− )2 x+ − x−
⇒
dx− =
dC (x+ − x− ) C
dx− > 0 bedeutet Abstandsverringerung und hat dC > 0 zur Folge. Analog ergibt sich dx+ . dx± = ∓ 1.
dC (x+ − x− ) . C
Mechanische Arbeit bei Abstandsverringerung:
δW = −F(+Q) dx− = −F(+Q) ex dx = =−
1 Q2 Q2 (x+ − x− ) dC = − dC , 2 ε0 F0 C 2 C2
δA = −δW = 2.
1 Q2 dC . 2 C2
Das ist die von außen am System geleistete Arbeit. Änderung der Feldenergie: vorher: Wv =
1 Q2 , 2 C
Lösungen der Übungsaufgaben
307
nachher: Wn =
1 Q2 , 2 C + dC
dW = W n − W v =
Q2 2
1 1 − C + dC C
=−
1 Q2 dC . 2 C2
Die Änderung der Feldenergie entspricht also der von außen am System verrichteten Arbeit:
δA + δW = 0 . 3.
Die letzte Beziehung gilt immer, d. h. sowohl für dC > 0 als auch für dC < 0. Die Zustandsänderung ist damit reversibel!
Abschnitt 2.9 Lösung zu Aufgabe 2.9.1 1. Erster Hauptsatz (Gase!):
2.9.1
dU = δQ + δW = δQ − p dV , ∂U ∂U dT + dV U = U(T, V) ⇒ dU = ∂T V ∂V T
∂U ∂U δQ = dT + + p dV . ∂T V ∂V T
⇒
Integrabilitätsbedingung:
⇒
dU total, also !
0=
2.
∂ ∂U ∂ ∂U ! = +p ∂V ∂T V T ∂T ∂V T V
∂ ∂U ∂ ∂U ∂p ! = + . ∂V ∂T V T ∂T ∂V T V ∂T V
∂p ∂T
. V
Das ist ein Widerspruch, also ist δQ kein totales Differential! Ideales Gas: ∂U =0 (Gay-Lussac), ∂V T ∂U = CV = const ∂T V ⇒
δQ = CV dT + p dV .
308
Lösungen der Übungsaufgaben
a) μ = μ(T) so wählen, dass dy = μ δQ totales Differential
⇐⇒
∂ ∂ ! CV μ = (μ p) ∂V ∂T T V
∂ (μ p) 0= ∂T
⇐⇒
V
dμ p+μ = dT
∂p ∂T
V
n R T dμ nR =− V V dT
⇐⇒
μ
⇐⇒
μ+T
dμ = d(μ T) = 0 dT
⇐⇒
μ T = const .
Konstante willkürlich gleich 1 gesetzt ⇒ integrierender Faktor: μ(T) = 1 | T. Damit ist dy =
δQ T
= dS ein totales Differential.
Entropie des idealen Gases: S(T, V) − S T0 , V0 = CV
T
dT + T
= CV ln
∂S ∂T
= V
CV ; T
∂S ∂V
p dV = T
V0
T0
Probe:
V
T V + n R ln . T0 V0
= T
nR p = . V T
b) μ = μ(V) so wählen, dass dy = μ δQ = μ CV dT + (μ p) dV ein totales Differential wird. Integrabilitätsbedingung: CV ⇐⇒
dμ ∂p nR =μ =μ dV ∂T V V
CV dμ dV . = nR μ V
Lösungen der Übungsaufgaben
309
Ideales Gas: n R = Cp − CV = CV (γ − 1) ;
γ=
Cp CV
d ln μ = (γ − 1) d ln V = d ln V γ − 1 ⇐⇒ d ln μ V 1 − γ = 0 ⇐⇒ μ V 1 − γ = const , ⇒
μ(V) = V γ − 1
⇒
z. B. = 1
dy = V γ − 1 δQ ; T dy = CV V γ − 1 dT + (γ − 1) dV . V
⇒
Lösung zu Aufgabe 2.9.2
2.9.2
ΔW = −
2
2 p(V) dV = − const
1
= const
dV , Vn
(n =/ 1)
1
1 V2n−1
−
1
V1n−1
1 , n−1
const = p1 V1n = p2 V2n ⇒
ΔW =
1 (p2 V2 − p1 V2 ) . n−1
Ideales Gas:
ΔU = CV T2 − T1 = ⇒
CV p2 V2 − p1 V1 N kB
CV ΔQ ΔU − ΔW ΔU = =1− = 1 + (1 − n) = const . −ΔW −ΔW ΔW n kB
Spezialfall n = 1: p V = const ⇒
⇐⇒
ΔU = 0 ⇒
Lösung zu Aufgabe 2.9.3 1.
Isotherme des idealen Gases
ΔQ =1. −ΔW 2.9.3
∂U Cm = ∂T
m
folgt direkt aus dem Ersten Hauptsatz, s. (2.19).
310
Lösungen der Übungsaufgaben
Wir nutzen noch (2.20) aus:
CH = Cm +
∂U ∂m
− μ0 H
T
∂m ∂T
. H
Curie-Gesetz: m=VM=V ⇒
∂m ∂T
= −V H
C H T
C M2 H = −V . T2 CH
Dies ergibt, oben eingesetzt: ∂U ∂U ∂m V + + μ0 M 2 , CH = ∂T m ∂m T ∂T H C ∂U ∂U U = U(T, m) ⇒ dU = dT + dm . ∂T m ∂m T Dies bedeutet:
∂U ∂T
∂U = ∂T
H
Also bleibt die Behauptung:
CH = 2.
Es gilt:
∂m ∂H
∂U + ∂m m
∂U ∂T
+ μ0
H
∂m = ∂T ad
∂m ∂T
T
. H
V 2 M . C
ad
∂T ∂H
. ad
Wir bestimmen die beiden Faktoren separat: a) Erster Hauptsatz: dU = δQ + μ0 H dm = ∂U ∂U = dT + dm , ∂T m ∂m T
δQ = 0, da Zustandsänderung adiabatisch!
⇒ Dies bedeutet:
∂U ∂T
dT m
∂m ∂T
= ad
= ad
μ0 H −
∂U ∂m
Cm . μ0 H − ∂∂Um T
T
dm ad
.
Lösungen der Übungsaufgaben
311
b) Erster Hauptsatz: 0 = δQ = dU − μ0 H dm , jetzt: U = U(T, H); m = m (T, H). Damit folgt: ∂U ∂m ∂U ∂m dT + dH . 0= − μ0 H − μ0 H ∂T H ∂T H ∂H T ∂H T Nach Teil 1. ist die erste Klammer gerade gleich CH : ∂M ∂U dH = − CH dT = μ0 H V ∂H T ∂H T ∂U = μ0 V M(T, H) − dH . ∂H T Daran liest man ab:
dT dH
=
μ0 m (T, H) − CH
ad
∂U ∂H T .
a) und b) kombiniert ergibt die Behauptung:
∂m ∂H
=
ad
∂m ∂T
ad
∂U Cm μ0 m − ∂H T ∂T . = ∂H ad CH μ0 H − ∂U ∂m
T
Lösung zu Aufgabe 2.9.4 1. Die Wand ist thermisch isolierend, deswegen läuft rechts ein adiabatischer Prozess. Mit den Adiabaten-Gleichungen des idealen Gases (2.24), (2.25) folgt dann (γ = Cp | CV bekannt!):
ΔWr = −
Vr
Vr p dV = −const 1
V0
V0
γ
const1 1 − γ dV 1−γ Vr , =− − V0 γ V 1−γ γ
const 1 = p0 V0 = pr Vr ⇒
ΔWr = −
−N kB 1 pr Vr − p0 V0 = Tr − T0 . 1−γ 1−γ
2.9.4
312
Lösungen der Übungsaufgaben
Jetzt noch Tr durch Anfangsdaten festlegen: γ 1−γ
γ 1−γ
Tr pr
⇒
Tr = T0
(1 − γ ) | γ
= T0 p0
⇒
Nk T ΔWr = − B 0 1−γ
⇒
ΔWr =
p0 pr
p0 (1 − γ ) | γ pr
−1
N kB T0 (γ − 1) | γ 3 −1 > 0. γ −1 da γ > 1 !
Es wird also am rechten System Arbeit geleistet! Trivialerweise ist ΔQr = 0. 2. γ 1−γ
Tr pr
γ 1−γ
= T0 p0
;
pr = 3 p0
⇒
Tr = T0 3(γ − 1) | γ > T0 .
Zustandsgleichung: Tl =
pl Vl pl = (2 V0 − Vr ) . N kB N kB
Gleichgewicht: pl = pr = 3 p0 ⇒ ⇒
3p0 2V0 − Tr = 6 T0 − Tr N kB Tl = T0 6 − 3(γ − 1) | γ .
Tl =
3. Erster Hauptsatz: ΔQl = ΔUl − ΔWl , ideales Gas: ΔUl = CV Tl − T0 .
ΔWl sorgt für die Energieänderung rechts, d. h.: ΔWl = −ΔWr = −ΔUr rechts adiabatisch ⇒
ΔWl = −CV (Tr − T0 )
⇒
ΔQl = CV (Tl − T0 + Tr − T0 ) = CV (Tl + Tr − 2 T0 ) ,
Tl + Tr = 6 T0
⇒
ΔQl = 4 CV T0 .
Lösungen der Übungsaufgaben
313
Lösung zu Aufgabe 2.9.5 1.
2.9.5
δW = −p dV, V = ⇒
ΔW = R T
p1 p0
RT , p
dV = −
RT dp p2
p1 dp = R T ln = −R T ln 20 < 0 . p p0
Das System leistet also Arbeit: R = 8,315
J grad · mol
ΔW = −7,298 · 103 J .
⇒
2.
δQ = −δW
⇒ 3.
⇒
ideales Gas
T = const ,
⇒
dU = 0
ΔQ = |ΔW| .
Zustandsänderung jetzt adiabatisch: p Vγ = C
⇒
ΔW =
⇒ p1
C1 | γ
γ
p0
1 dV = − C1 | γ
γ
1 dp p1 | γ +1
C1 | γ dp 1−1|γ 1−1|γ p1 . = − p0 1 | γ p γ 1 − γ1
Nun ist −1 | γ
C1 | γ p1, 0 = V1, 0 ⇒
p1 V1 − p0 V0 , γ −1
p0 1 | γ p1 R T0 V0 p0 1 | γ − 1 p0 1 | γ p ΔW = − p0 = −1 , γ − 1 1 p1 γ − 1 p1 γ
⇒
ΔW = γ
p1 V1 = p0 V0
⇒
5 R 2
γ=
CV =
⇒
T0 = 293 K ; ⇒
V1 = V0
Cp R =1+ = 1,4 , CV CV p0 = 20 p1
ΔW = −3,503 · 103 J .
314
4.
Lösungen der Übungsaufgaben
Adiabatischer Prozess:
ΔW = ΔU = CV T1 − T0 ⇒
2.9.6
T1 = T0 +
ΔW
= 124,5 K .
CV
Lösung zu Aufgabe 2.9.6 Eine Auslenkung um die Strecke z bedeutet eine Volumenänderung um
ΔV = z F
(F = Querschnitt. )
Dadurch entsteht eine Differenz Δp zwischen Außen- und Innendruck, der für eine rücktreibende Kraft in z-Richtung sorgt: K = F Δp . Die Zustandsänderung des idealen Gases verläuft adiabatisch: p V γ = const . Daraus berechnen wir Δp: d p V γ = 0 = dp V γ + γ p V γ − 1 dV Dies bedeutet
Δp = −
γp
und damit
V
ΔV = −
⇒
γp V
dp = −
γp V
dV .
zF
γp
F 2 z = −k z . V Wenn m die Masse der Kugel ist, so lautet die Schwingungsdauer: $ % 4π2 m V m mV τ = 2π ⇒ γ = . = 2π k γ p F2 p F 2 τ2 K=−
2.9.7
Lösung zu Aufgabe 2.9.7 Wir bestimmen zunächst
1 δQrev T für beide Systeme als Funktion von T und V. Wir benutzen dazu zunächst den Ersten Hauptsatz,
δQ = dU + p dV ,
Lösungen der Übungsaufgaben
315
und die Voraussetzung, ⇒
U = U(T)
dU = CV (T) dT ,
für eine reversible Zustandsänderung: dT p 1 δQrev = CV (T) + dV , T T T 1 | 2 NT N p(A) = α 2 ; p(B) = β T V V ⇒
1 dT dV + αN 2 , δQrev (A) = CV (T) T T V dT 1 N 1|2 δQrev (B) = CV (T) dV . + β T T TV
Damit die Entropie eine Zustandsgröße ist, muss dS =
1 δQrev T
ein totales Differential sein. Man überprüfe die Integrabilitätsbedingungen: (A) ∂ CV (T) ! ∂ α N ; offenbar erfüllt! = ∂V T ∂T V 2 ⇒
Entropie als Zustandsgröße definierbar!
(B)
⇐⇒
0=−
∂ CV (T) ! ∂ N = β ∂V T ∂T V T 1 2T
βN TV
1 | 2
1 | 2 .
Das ist ein Widerspruch. Eine Entropie ist für System B deshalb nicht definierbar. System B kann also nicht existieren! Lösung zu Aufgabe 2.9.8 1. Nach (2.59) gilt:
2.9.8
∂U ∂V
T
∂p +p =T . ∂T V
316
Lösungen der Übungsaufgaben
Dies bedeutet nach (2.58): CV (T, V) dT + T
dS =
∂p ∂T
dV . V
Integrabilitätsbedingung für dS: 2 ∂ ∂p ∂α(V) 1 ! = = =0 CV (T, V) T ∂V ∂T 2 V ∂T V T ⇐⇒
CV (T, V) = CV (T) .
2. dS =
CV (T) dT + T
∂p ∂T
dV . V
Das van der Waals-Gas erfüllt die Voraussetzungen von Teil 1.: n2 p + a 2 (V − n b) = n R T V nR n2 p=T −a 2 V − nb V
⇒ ⇒
dS =
⇒
∂p ∂T
= V
nR V − nb
nR CV dT + dV T V − nb CV nach Voraussetzung T-unabhängig
ΔS = S(T, V) − S(T0 , V0 ) =
⇒
= CV ln 3.
T V − nb + n R ln . T0 V0 − n b
U = U(T, V)
∂U dU = ∂T
∂U dT + ∂V
V
dV , T
s. 1.
∂U ∂V
=T
T 2.
∂p ∂T
=p+a
−p= V
n2 n2 −p=a 2 2 V V
(= 0 beim idealen Gas, Gay-Lussac)
Lösungen der Übungsaufgaben
⇒ ⇒
317
dU = CV dT + a n2
dV V2
U = U(T, V) = CV T − a
n2 + const . V
Die Wechselwirkung der Gasteilchen sorgt also für eine Volumenabhängigkeit der inneren Energie, die letztlich für die Temperaturänderung bei der Expansion verantwortlich sein wird: 1 1 ! − =0 U T2 , V2 − U T1 , V1 = CV T2 − T1 − a n2 V2 V1 a n2 1 1 . − ⇒ ΔT = CV V2 V1 4.
Nach 2. gilt für reversible adiabatische Zustandsänderungen des van der WaalsGases (ΔS = 0): CV ln T + n R ln(V − n b) = const 1 nR ⇐⇒ ln T (V − n b) CV = const 2 ⇒
nR
T (V − n b) CV = const 3 .
Man vergleiche diese Adiabaten-Gleichung mit T V γ − 1 = const des idealen Gases. Einsetzen der Zustandsgleichung: n R + CV n2 p + a 2 (V − n b) CV = const 4 . V Beim idealen Gas lautet diese Adiabaten-Gleichung: p V γ = const. – Schließlich liefert die Zustandsgleichung noch: T
n R + CV CV
− Cn R V n2 p+a 2 = const 5 . V
Dies ist mit T γ p1 − γ = const beim idealen Gas zu vergleichen!
Lösung zu Aufgabe 2.9.9 1. Grundrelation der Thermodynamik:
dS = ⇒
1 dT p dV dU + dV = CV + nR T T T V
S = S0 + CV ln T + n R ln V .
2.9.9
318
2.
Lösungen der Übungsaufgaben
Wir bestimmen aus 1. die Temperatur als Funktion von S und V: nR 1 S − S0 − ln V CV CV exp C1V S − S0
ln T =
⇒
T=
⇒
nR
CV
U=
nR
V CV
V CV
1 exp (S − S0 ) + U0 = U(S, V) . CV
In den Variablen S und V ist U auch beim idealen Gas vom Volumen V abhängig (kein Widerspruch zu Gay-Lussac). 3. U T2 , V2 = U T1 , V1 ,
Freie Expansion:
⇒
ideales Gas: U = U(T) nach 1.: ΔS = n R ln
⇒
2.9.10
ΔT = 0
V2 . V1
Lösung zu Aufgabe 2.9.10 Innere Energie:
T U(T, V) = ⇒
∂U ∂V
= T
Nach (2.59) gilt:
3 N dT CV (T ) + ϕ(V) = N kB T − N kB 2 V
df T2 + ϕ(V) dT
N 2 kB T 2 df + ϕ (V) . V2 dT
⇒
∂U ∂V ∂p ∂T ∂U ∂V
T
∂p =T ∂T
V
N kB = V
= T
−p, V
N N 2 kB T df 1 + f (T) + V V 2 dT
N 2 kB T 2 df . V2 dT
Vergleich mit dem obigen Ausdruck:
ϕ (V) = 0 ⇒
⇐⇒
ϕ(V) = const = U0
3 N U = N kB T − N kB 2 V
2 df T + U0 . dT
Lösungen der Übungsaufgaben
319
Bleibt noch die Entropie zu bestimmen! ⇒
(2. 58) + (2. 59) Es gilt also:
∂S ∂T
V
T ⇒
CV = ; T
S(T, V) =
dT
dS =
∂S ∂V
T
CV dT + T
∂p = ∂T
∂p ∂T
dV . V
V
CV (T ) + ψ(V) , T
CV N 1 d df 3 N kB T2 = = − N kB T 2 T V T dT dT 3 N kB df N d = − N kB f +T 2 T V dT dT 2 3 df N kB ⇒ S(T, V) = N kB ln T − f (T) + T + ψ(V) 2 V dT df N 2 kB ∂S + ψ (V) . f (T) + T ⇒ = ∂V T V2 dT Andererseits gilt auch: N N kB ∂S ∂p N 2 kB T df 1 + f (T) + = = . ∂V T ∂T V V V V 2 dT Der Vergleich ergibt:
ψ (V) =
N kB V
⇒
ψ(V) = N kB ln V + S0 .
Dies bedeutet schließlich: df 3 N 2 kB f (T) + T + S0 . S(T, V) = N kB ln T + N kB ln V − 2 V dT Lösung zu Aufgabe 2.9.11 1. p = const = p0
2.9.11
V2
ΔW = −
p dV = −p0 V2 − V1 ,
V1
δQ = CV dT + p dV ; dT =
γ CV + 1 p0 dV = p dV δQ = nR γ −1 0 γ ΔQ = p0 V2 − V1 . γ −1
⇒ ⇒
p0 dV nR
320
Lösungen der Übungsaufgaben
Reversible Zustandsänderung: dS = CV
2.
dT p + dV ; T T
⇒
dV dV = Cp dS = CV + n R V V
⇒
ΔS = Cp ln
V2 . V1
T = const = T0
ΔW = −n R T0
V2 V1
3.
V2 dV = −n R T0 ln V V1
ΔU = 0 , da isotherm
⇒
ΔQ = −ΔW ,
reversibel mit T = const
⇒
ΔS =
1 V ΔQ = n R ln 2 . T0 V1
Adiabatisch: ⇒
außerdem reversibel
ΔW = −
V2
V2 p dV = −C
V1
⇒
2.9.12
dT dV = T V
V1
ΔS = ΔQ = 0 ,
1 dV = Vγ γ −1
1 p V − p V ; p2 = p1 = γ−1 2 2 1 1
γ p1 V1 V ΔW = − V1 . γ − 1 2 V2
C
γ −1 −
V2
V1 γ V2
Lösung zu Aufgabe 2.9.12
ΔW = 0 , da ΔV = 0 , δQ = CV dT + p dV = CV dT = ⇒
ΔQ =
CV V0 dp nR
1 V0 p2 − p1 , γ−1
CV dS = dT T
⇒
ΔS =
p2 CV p1
p2 dp = CV ln . p p1
C
γ −1
V1
=
Lösungen der Übungsaufgaben
321
Lösung zu Aufgabe 2.9.13 1. Es gilt die allgemeine Beziehung (2.59): ∂U ∂p =T −p, ∂V T ∂T V
2.9.13
U(T, V) = V ε(T) dε (T) ⇒ ε(T) = α T − ε (T) dT (1 + α) ε (T) = α T
⇐⇒ ⇐⇒
1 + α dT dε = α T ε
⇒ 2.
dε dT ⇒
ln T (1 + α) | α = ln ε + C0
U(T, V) = A V T (1 + α) | α .
1 ∂U 1 ∂U 1 (dU + p dV) = p+ dV dT + T T ∂T V T ∂V T 1 ∂U 1+α ∂S ⇒ = = A V T (1 | α) − 1 ∂T V T ∂T V α dS =
⇒
S(T, V) = (1 + α) A V T 1 | α + f (V) ,
1 1 ∂S ∂U p+ = (α + 1) A T 1 | α = α ε (T) + A T (1 + α) | α = ∂V T T ∂V T T = (1 + α) A T 1 | α + f (V) !
⇒
⇒ f (V) = const
S(T, V) = S0 + (1 + α) A V T 1 | α .
Lösung zu Aufgabe 2.9.14 1. Mischungstemperatur Tm : Der Druck ändert sich nicht, wenn man die Trennwand herauszieht. Deshalb gelten die Zustandsgleichungen:
vorher:
p V1, 2 = n1, 2 R T1, 2 ,
nachher:
p V = n R Tm V = V1 + V2 , ⇒
n R Tm = R(n1 T1 + n2 T2 ) , Tm =
Tm ist damit bekannt.
n = n1 + n2
n1 n2 n1 T1 + n2 T2 . T1 + T2 = n n n1 + n2
2.9.14
322
2.
Lösungen der Übungsaufgaben
Die Durchmischung ist irreversibel. Wir müssen die Entropie deshalb über einen reversiblen Ersatzprozess berechnen. a) Isotherme Expansion (reversibel, s. Abschn. 2.7) eines jeden Teilgases: V1, 2
−→
V,
ΔU1, 2 = 0 , da isotherm,
ΔW1, 2 = −n1, 2 R T1, 2
V
V1, 2
ΔS1,(a)2 =
V dV = −n1, 2 R T1, 2 ln , V V1, 2
−ΔW1, 2 V = n1, 2 R ln . T1, 2 V1, 2
Der Druck der beiden Teilgase wird sich geändert haben. b) Isochore Temperaturänderung (reversibel): T1, 2
−→
Tm ,
ΔU = ΔQ , da isochor, ΔS(b) 1, 2
Tm = n1, 2 CV T1, 2
Tm dT . = n1, 2 CV ln T T1, 2
c) Gesamtbilanz: Mischungsentropie (b) ΔS = ΔS1(a) + ΔS2(a) + ΔS(b) 1 + ΔS2 ,
ΔS = R n1 ln 3.
V V Tm Tm + CV n1 ln . + n2 ln + n2 ln V1 V2 T1 T2
Man setze T1 = T2 . Dann darf sich bei identischen Gasen der Zustand des Gesamtsystems wegen des gleichen Drucks und der gleichen Temperatur in den beiden Kammern nicht ändern. ΔS = 0 ist zu erwarten. Unsere Rechnung ergibt aber: V V . ΔS T1 = T2 = Tm = R n1 ln + n2 ln V1 V2 Das ist paradox, weil ich dann durch Einsetzen beliebig vieler Trennwände in ein Gas die Entropie desselben beliebig klein machen könnte. Die Entropie wäre dann eine Funktion der Vorgeschichte und keine Zustandsgröße! Sei CV die Wärmekapazität pro Teilchen. Dann gilt allgemein für die Entropie des idealen Gases: S=N CV ln T + kB ln V + C . Die Konstante C ist unabhängig von T und V, muss aber offensichtlich N-abhängig sein. Dann können wir aber durch die Definition
Lösungen der Übungsaufgaben
323
V S=N CV ln T + kB ln + C N das Paradoxon vermeiden. Die Mischungsentropie ' & ΔS = S(N, V, T) − S N1 , V1 , T1 + S N2 , V2 , T2 ist widerspruchsfrei.
Lösung zu Aufgabe 2.9.15
ηC =
2.9.15
T1 − T2 1 = T1 6
⇒
1 kJ 6
−ΔW = ηC ΔQ1 =
Lösung zu Aufgabe 2.9.16 1. Wegstück a → b :
p∼V
2.9.16
⇒
p=
pa V Va
⇒
Vb =
ideales Gas: p V = n R T ⇒
Va pb , pa
pa Va Ta p2a = = pb Vb Tb p2b
⇒
Tb = Ta
pb pa
2 .
Wegstück b → c : ⇒
V = const
Vc = Vb = ⇒
pc Vc = n R Tc = pa Vb ⇒ 2.
Tc = Ta
Va pb , pa
Tc = pa Vb
Tb pb Vb
pb . pa
Arbeitsleistungen:
ΔWab = −
b a
⇒
ΔWab
pa p dV = − Va
1 = − pa Va 2
pb pa
2
ΔWbc = 0 , da dV = 0,
b V dV = − a
pa 2 Vb − Va2 2 Va
−1 <0,
pb >0. ΔWca = −pa (Va − Vc ) = −pa Va 1 − pa
324
Lösungen der Übungsaufgaben
Innere Energien: Die innere Energie des idealen Gases hängt nur von der Temperatur ab. Daraus folgt: pb 2 ΔUab = CV (Tb − Ta ) = CV Ta −1 , pa pb pb 1− , pa pa p ΔUca = CV (Ta − Tc ) = CV Ta 1 − b . pa
ΔUbc = CV (Tc − Tb ) = CV Ta
Wärmemengen:
ΔQab = ΔUab − ΔWab
2 1 pb = CV Ta + pa Va −1 , 2 pa
pb 1− , pa pb , ΔQca = ΔUca − ΔWca = (CV Ta + pa Va ) 1 − pa
p ΔQbc = ΔUbc − ΔWbc = CV Ta b pa
ΔQab > 0 , ΔQbc < 0 ; ΔQca < 0 . Entropieänderungen:
ΔSb → c =
c
δQ T
b
ΔSc → a = S Zustandsgröße: ⇒
(
b
a c
c = CV
δQ T
= Cp ln
Tc pa dT = CV ln , = CV ln T Tb pb Ta pa = Cp ln , Tc pb
dS = 0
pa Va Ta pa pa Va ln = − 2 CV + . Ta pb
Cp = CV + n R = CV + ⇒
ΔSa → b = − ΔSb → c + ΔSc → a = −(CV + Cp ) ln
ΔSa → b
pa , pb
Lösungen der Übungsaufgaben
325
3. gesamte Arbeitsleistung −ΔW , = aufgenommene Wärme ΔQab 1 pb pb 2 = ΔW = − pa Va −1+2−2 2 pa pa
η=
1 = − pa Va 2 ⇒
η=
2 pb −1 <0 pa
1 2 pa Va CV Ta + 12 pa Va
pb pa pb pa
−1 +1
=
pa Va pb − pa . 2 CV Ta + pa Va pb + pa
Lösung zu Aufgabe 2.9.17 1. Temperaturen: Auf den Adiabaten gilt: T p(1 − γ ) | γ = const
2.
(1 − γ ) | γ
⇒
Tc p2
⇒
Ta − Td = Tb − Tc
(1 − γ ) | γ
= Td p1
p2 p1
;
2.9.17
(1 − γ ) | γ
Tb p2
(1 − γ ) | γ
= Ta p1
(1 − γ ) | γ .
Wärmemengen:
ΔQab = ΔQcd = 0 ,
ΔQbc = Cp Tc − Tb > 0
Tc > Tb folgt aus der Zustandsgleichung! ,
ΔQda = Cp Ta − Td < 0 . 3.
Wirkungsgrad:
η=
−ΔW Ta − Td ΔQda =1+ =1− =1− ΔQbc ΔQbc Tb − Tc
p1 p2
(γ − 1) | γ .
Lösung zu Aufgabe 2.9.18 1. δQ = T dS
1 → 2 : T = const = T2
2.9.18
⇒
2 → 3 : adiabatisch, isentrop 3 → 4 : T = const = T1
⇒
4 → 1 : adiabatisch, isentrop
ΔQ12 = T2 S2 − S1 > 0 , ⇒ ΔQ23 = 0 , ΔQ34 = T1 S1 − S2 < 0 , ⇒ ΔQ41 = 0 .
326
2.
3.
2.9.19
Lösungen der Übungsaufgaben
0=
(
dU, da Kreisprozess ⇒
−ΔW =
⇒
η=
)
δQ = T1 − T2 S2 − S1
−ΔW T1 =1− = ηc . ΔQ12 T2
Der Kreisprozess ist nichts anderes als der Carnot-Prozess!
Lösung zu Aufgabe 2.9.19 Wegstück 1 → 2 : Adiabatische Verdichtung des Gases ⇒ Temperaturerhöhung (über die Entzündungstemperatur des Brennstoffgemisches!):
ΔW12 = −
V2
V2 p dV = −
V1
=
V1
1
γ−1
C1 1 − γ C1 1−γ V = dV = − V 1 Vγ γ −1 2
p2 V2 − p1 V1 ,
ΔQ12 = 0 . Wegstück 2 → 3 : Einspritzen des Brennstoffes (isobar):
ΔW23 = −p2 V3 − V2 ,
ΔQ23 = Cp T3 − T2 , p2 V2 = n R T2 , p2 V3 = n R T3 ⇒
p2 V3 − V2 , nR Cp ΔQ23 = p2 V3 − V2 = nR γ = p2 V3 − V2 > 0 . γ −1 T3 − T2 =
Wegstück 3 → 4 : Expansion längs einer Adiabaten (Arbeitsleistung): 1 C p4 V1 − p2 V3 , ΔW34 = 2 V41 − γ − V31 − γ = γ −1 γ −1
ΔQ34 = 0 .
Lösungen der Übungsaufgaben
327
Wegstück 4 → 1 : Ausstoß des Restgases:
ΔW41 = 0 ,
ΔQ41 = CV T1 − T4 , p4 V1 = n R T4 , p1 V1 = n R T1 V1 p1 − p4 , nR C ΔQ41 = V V1 p1 − p4 = nR 1 V1 p1 − p4 < 0 . = γ −1
⇒
Gesamtbilanz: ) ΔW = δW =
1
γ −1
T1 − T4 =
p2 V2 − p1 V1 + p4 V1 − p2 V3 − p2 V3 − V2 =
= p2 V3 − V2 =
1
γ −1
γ
1−γ
+
V1 p4 − p1 = γ −1
& ' V1 p4 − p1 + γ p2 V3 − V2 .
Lösung zu Aufgabe 2.9.20 1.
2.
2.9.20
0→1:
Ansaugen, Kolben wird verschoben, Volumenexpansion bei gleichbleibendem Druck,
1→2:
Verdichten, adiabatische Kompression, dabei Druckerhöhung,
2→3:
Zünden, Druckerhöhung bei konstantem Volumen,
3→4:
adiabatische Expansion, dabei Arbeitsleistung,
4→1:
Öffnung der Auslassventile, Abnahme des Drucks bei gleichbleibendem Volumen,
1→0:
Ausstoß des Restgases.
(0 → 1, 1 → 0 gehören nicht zum thermodynamischen Kreisprozess!) ΔU = ΔQ + ΔW = 0, da Kreisprozess ⇒
ΔW = −ΔQ ,
ΔQ = CV T3 − T2 + CV T1 − T4 = ΔQ23 + ΔQ41 .
328
Lösungen der Übungsaufgaben
Zustandsgleichung: p2 V2 = n R T2 ;
p3 V2 = n R T3
⇒
da p3 > p2 ,
T3 > T2 ,
p1 V1 = n R T1 ; ⇒
p4 V1 = n R T4
da p4 > p1 ⇒ ΔQ23 = CV T3 − T2 > 0 , ΔQ41 = CV T1 − T4 < 0 . T4 > T1 ,
Adiabaten-Gleichungen: γ −1
T1 V1
γ −1
T3 V2
γ −1
= T2 V2
γ −1
= T4 V1
⇒
T1 < T2 ,
⇒
T4 < T3 .
T3 ist also die höchste, T1 die niedrigste Temperatur des Kreisprozesses! γ −1 γ −1 T1 − T4 V1 = T2 − T3 V2 γ − 1 V2 . ⇒ ΔQ = −ΔW = CV T3 − T2 1 − V1 3.
Auf dem Teilstück 2 → 3 nimmt das System Wärme auf, deshalb: γ − 1 −ΔW T1 V2 η= =1− =1− . ΔQ23 V1 T2
4.
Carnot-Maschine zwischen den Wärmebädern WB(T1 ) und WB(T3 ) hat den Wirkungsgrad
ηC = 1 −
T1 T3
⇒ ηotto < ηC . T2 → T3 geht nicht beim Otto-Motor, da dann das Zünden wegfiele.
2.9.21
Lösung zu Aufgabe 2.9.21
1→2 :
(2) Wärme QD = Q(1) D + QD wird dem Wärmebad WB(T) entnommen und (2) zur Überwindung der Kohäsionskräfte (Q(1) D ) und zur Expansion (QD ) verwendet: ΔW12 = −(p + Δp) V2 − V1 .
Lösungen der Übungsaufgaben
2→3 :
329
Kaum Arbeitsleistung, da vernachlässigbare Volumenänderung:
ΔW23 ≈ 0 . 3→4 :
Isotherme Kondensation:
ΔW34 = −p V1 − V2 . Q(1) D geht durch Kondensation ins Wärmebad WB(T − ΔT). 4→1 :
ΔW41 ≈ 0, da nur unbedeutende Volumenänderung. ⇒
Wirkungsgrad:
ΔW =
)
δW = −Δp V2 − V1 < 0 .
T − ΔT ΔT ! −ΔW Δp V2 − V1 = η = 1− = = T T QD QD Carnot
⇒
Δp QD = q. e. d. ΔT T (V2 − V1 )
Lösung zu Aufgabe 2.9.22 Nach (2.73) gilt für adiabatische Zustandsänderungen: β(T) (dT)ad = −T (dV)ad . CV κT Wegen β(T = 4 ◦ C) = 0 ist die adiabatische Abkühlung von Wasser von 6 ◦ C auf 4 ◦ C nicht möglich. Der beschriebene Carnot-Prozess ist also gar nicht realisierbar. Deswegen handelt es sich auch nicht um einen Widerspruch.
2.9.22
Lösung zu Aufgabe 2.9.23 Arbeitsleistungen:
2.9.23
ΔW12 = −
V2 p(V) dV = −n R T2 ln V1
V2 <0, V1
ΔW23 = 0 , da dV = 0 , ΔW34 = −
V1 p(V) dV = −n R T1 ln V2
ΔW41 = 0 ⇒
ΔW = −n R T2 − T1 ln
V2 . V1
V1 >0, V2
330
Lösungen der Übungsaufgaben
Zustandsgleichung: p4 V1 = n R T1 p1 V1 = n R T2
⇒
T2 > T1
⇒
ΔW < 0 .
Wärmemengen:
ΔQ12 = −ΔW12 :
bei isothermen Zustandsänderungen bleibt die innere Energie des idealen Gases konstant!
ΔQ23 = CV T1 − T2 < 0 , ΔQ34 = −ΔW34 ,
ΔQ41 = CV T2 − T1 > 0 . Wirkungsgrad:
η=
−ΔW . ΔQ
ΔQ ist die dem System zugeführte Wärmemenge: ΔQ = ΔQ12 + ΔQ41 =/ ΔQ12 , ΔQ = n R T2 ln ⇒
η=
V2 + CV T2 − T1 V1
T2 − T1 T2 +
CV (T2 −T1 ) n R ln V2 | V1
< ηC .
Ist das ein Widerspruch zu dem in Abschn. 2.5 bewiesenen Satz, dass ηC von allen reversibel und periodisch zwischen zwei Wärmebädern arbeitenden Maschinen erreicht wird? 2.9.24
Lösung zu Aufgabe 2.9.24 1. Isothermen: p ∼ 1 | V (Zustandsgleichung!)
a) p1 V1 = n R T1 , b) p1 V2 = n R T2 , c) p2 V2 = n R T3 , d) p2 V1 = n R T4 . Wegen p1 V2 = p2 V1 ist T2 = T4 . Es gibt also nur drei verschiedene Temperaturen T1 , T2 , T3 . Wir brauchen zur Darstellung drei Isothermen.
Lösungen der Übungsaufgaben
331
p 4
p2
p1
3
2
1
T2 T1
V2
V1
2.
T3
V
Abb. A.6.
Isobaren: T ∼ V p(1) = p(2) = p1 ;
p(3) = p(4) = p2 ,
V(1) = V(4) = V1 ;
T
V(2) = V(3) = V2 .
p2 3 2
4
T2
1 V1
3.
V2
V
Abb. A.7.
Isochoren: p ∼ T
p
V1
4
p2
p1
p1
3
V2
1 2
T2
T
Abb. A.8.
Lösung zu Aufgabe 2.9.25 1. Verlängerung des Fadens bedeutet Arbeitsleistung am System, die also positiv zu zählen ist. Es ergibt sich damit die folgende Analogie zum Gas:
Z dL
⇐⇒
−p dV ,
Z
⇐⇒
−p ,
L
⇐⇒
V.
2.9.25
332
Lösungen der Übungsaufgaben
Erster Hauptsatz: dU = δQ + Z dL , dU Z − dL , T T
Z 1 ∂U 1 ∂U dL . dT + − dS = T ∂T L T ∂L T T dS =
U = U(T, L)
⇒
dS ist ein totales Differential. Daraus folgt:
1 ∂ ∂U Z ∂ 1 ∂U ! = − T ∂L ∂T L T ∂T T ∂L T T L Integrabilitätsbedingungen 1 ∂U ∂ Z ⇒ =− , T 2 ∂L T ∂T T L
∂ Z ∂ L − L0 = =0 ∂T T L ∂T α L ∂U = 0 ⇐⇒ U(T, L) ≡ U(T) . ⇒ ∂L T
Wärmekapazität: CL (T, L) =
δQ dT
=
L
∂U ∂T
≡ CL (T) . L
Nach Aufgabenstellung gilt speziell für L = L0 : CL0 (T) = CL0 = C > 0 . Wegen CL (T) = CL0 (T) für beliebige L folgt dann die Behauptung: CL (T) ≡ C > 0 . 2.
Aus Teil 1. folgt bereits: U(T) = C T + U0 , dS = ⇒
dU Z dT L − L0 dL − dL = C − T T T α
Entropie: S(T, L) = C ln T −
2 1 L − L0 + S0 . 2α
Lösungen der Übungsaufgaben
333
Adiabaten-Gleichungen: dS = 0 ⇐⇒ ⇐⇒
⇒
C
dT L − L0 = dL T α
L − L0 dL αC 2 L − L0 , T(L) = D exp 2αC
d ln T =
Die Konstante D nimmt auf verschiedenen Adiabaten & ' verschiedene Werte an: D = exp S − S0 | C = D(S) . D L − L0 exp Z(L) =
α
2 L − L0 . 2αC
3.
Z
S Adiabaten T
Isothermen: Z =
T
(L − L0 )
α
L
L0 Abb. A.9.
4. CZ = T
∂S ∂T
. Z
Wir benötigen also S = S(T, Z): dS =
Z C dT − dL , T T
L = L(T, Z) = L0 + α
Z2 C +α 3 T T
⇒
dS =
⇒
CZ = C + α
Z2 . T2
Z T
dT −
⇒
αZ T2
dZ
dL = −
αZ T2
dT +
α T
dZ
334
Lösungen der Übungsaufgaben
5.
ΔL = α Z
1 1 − T2 T1
<0,
−ΔW ΔU =1− <1, ΔQ ΔQ ΔU = C T2 − T1 ,
β=
ΔQ =
T2
6.
β=
da sich beim Erwärmen auch die innere Energie ändert,
CZ dT = C T2 − T1 − α Z 2
T1
⇒
falls α > 0 ,
1 1+
C α Z2
T1 T2
1 1 − T2 T1
<1.
Die zugeführte Wärmemenge wird also nicht ausschließlich für mechanische Arbeit verwendet! Wärmeisoliert ⇒ Adiabaten-Gleichung verwendbar (s. 2.). 2 L1, 2 − L0 , T L1, 2 = D exp 2αC L2 > L1 ⇒ T L2 > T L1 . Der Faden erwärmt sich also.
2.9.26
Lösung zu Aufgabe 2.9.26 1. Der Carnot-Prozess besteht aus zwei Isothermen und zwei Adiabaten. Als Wärmekraftmaschine arbeitet er genau dann, wenn er einem Wärmereservoir Wärme entzieht und einen Teil davon für eine Arbeitsleistung verbraucht: ) ) ! δW < 0 ; δQ > 0 .
Wegen δW = Z dL ist der Umlaufsinn deswegen wie skizziert. Z
a b c
T2 > T1 T1
d L
Abb. A.10.
Lösungen der Übungsaufgaben
2.
335
Erster Hauptsatz:
δQ = dU − Z dL ; dU = C dT , ΔQ2 =
b
δQ = −
a
=−
b Z(T, L) dL =
(Isotherme!)
a
T2
α
Lb La
2 2 T2 L − L0 dL = − Lb − L0 − La − L0 , 2α
La > Lb > L0
⇒
ΔQ2 > 0 .
Das System nimmt auf dem Teilstück a → b Wärme auf. Analog findet man: T ΔQ1 = − 1 Ld − L0 2 − Lc − L0 2 , 2α L0 < Lc < Ld
⇒
ΔQ1 < 0 .
Das System gibt auf dem Teilstück c → d Wärme an das Wärmebad WB(T1 ) ab. Nach Teil 2. aus Aufg. 2.9.25 gilt: 2 & ' La, b, c, d − L0 = 2 α C ln Ta, b, c, d − Sa, b, c, d − S0 . Auf den Adiabaten ist:
⇒
Sa = Sd ; Sb = Sc 2 2 Lb − L0 − La − L0 = 2 α [Sa − Sb ] , 2 2 Ld − L0 − Lc − L0 = 2 α [Sc − Sd ] = 2 α [Sb − Sa ] .
Wirkungsgrad:
η= 3.
T1 ΔQ1 + ΔQ2 =1− = ηc . ΔQ2 T2
Der Punkt bei L0 ist sowohl auf der Isothermen als auch auf der Adiabaten mehrdeutig. Auf der Isothermen gilt sonst T = T1 und auf der Adiabaten nach Teil 2. aus Aufg. 2.9.25: 2 L − L0 = T(L) T = D(S) exp 2αC ⇒ T2 = T L0 ad = D , 2 L1 − L0 = T1 = T L1 ad = D exp 2αC 2 L1 − L0 > T2 . = T2 exp 2αC
336
Lösungen der Übungsaufgaben
Z
T1
Isotherme
Adiabate
T2 L1
L0
L
Abb. A.11.
Bei L = L0 muss also von T1 auf T2 abgekühlt werden. Dieser Prozess ist irreversibel, wenn dazu das Wärmebad WB(T2 ) benutzt wird. Wir erwarten deshalb T2 . T1
η < ηc = 1 − Arbeitsleistung:
ΔW =
Z dL +
is
=
T1
α
Z dL = ad
L0
D L − L0 dL +
α
L1
L1
(L−L0 )2 L − L0 e 2αC dL =
L0
2 T2 T1 =− L1 − L0 + α C 2α α
L1 dL
d (L−L0 )2 e 2αC , dL
L0
T ΔW = − 1 L1 − L0 2 + C T2 exp 2α
2 L1 − L0 −1 . 2αC
Wärmemenge:
ΔQ = (ΔQ)is =
(dU − Z dL) = − is
⇒
ΔQ =
2 T1 L1 − L0 > 0 , 2α
T1
α
L0
L − L0 dL
L1
wird vom System aufgenommen!
Wirkungsgrad: −ΔW T2 e η= =1− ΔQ T1
(L1 −L0 )2 2αC
−1
(L1 −L0 )2 2αC
1 1 x e −1 =1+ x>1, x 2!
,
(x > 0) .
Lösungen der Übungsaufgaben
337
Es ist also wie erwartet:
η < ηC = 1 −
T2 . T1
Lösung zu Aufgabe 2.9.27 ΔW = 0, da die Längenänderung gegen Z = 0 erfolgt, ΔQ = 0, da kein Wärmeaustausch mit der Umgebung stattfindet. Ein passender reversibler Ersatzprozess würde die folgende Entropieänderung bringen: Teil 2. aus Aufg. 2.9.25 hatte ergeben:
2 1 L − L0 + S0 2α
S(T, L) = C ln T −
ΔS = S T, L0 − S(T, L) =
⇒
2.9.27
2 1 Z 2 1 L − L0 = α 2 . 2α 2 T
Reversibler Ersatzprozess: Isotherme Zustandsänderung durch Kontakt mit Wärmebad WB(T), quasistatischer Ablauf. Dabei Z = 0, d. h. L → L0 : dU = 0 ⇒
δQ = −δW = −Z dL = T dS
⇒
1 ΔS = − T
L0
Z dL = − L
1
α
L0 (L − L0 ) dL = L
2 L − L0 1 Z2 = α 2 = 2α 2 T
q. e. d.
Lösung zu Aufgabe 2.9.28 1.
2.9.28
δQ(m) = dU (m) − δW (m) , δW (m) = μ0 V H dM ⇒
(m) CM
=
δQ(m) dT
M
(m) CH
=
(m) CM
+
∂U (m) = ∂T
∂U (m) ∂M
, M
− μ0 H V T
∂M ∂T
. H
338
Lösungen der Übungsaufgaben
Damit gilt für die Wärmemenge:
∂M ∂M (m) (m) dT − μ0 V H δQ = CM − μ0 V H dH . ∂T H ∂H T Nun gilt andererseits für das paramagnetische Momentensystem: 1 ∂U (m) ∂U (m) 1 (m) − μ0 V H dM . dS = dT + T ∂T T ∂M T
Die Integrabilitätsbedingungen für dS(m) liefern dann: ∂U (m) ∂H = μ0 V H − μ0 V T =0. ∂M ∂T M T
Es bleibt damit die Behauptung:
δQ(m) = CH(m) dT − μ0 V H
∂M ∂H
dH . T
2a.
δQ(m) = 0
∂M ∂H T = (m)
⇒
dT = μ0 V H dH CH
⇒
dT TH . = dH H 2 + Hr2
C T1 2
2
H +H C T2 r
Dies lässt sich leicht integrieren: d ln T =
dT 1 d H dH = = 2 ln H 2 + Hr2 dH . 2 T H + Hr 2 dH
Mit T0 = T(H = 0) folgt: T 1 H 2 + Hr2 = ln T0 2 Hr2 $ H 2 + Hr2 T(H) = T0 . Hr2
ln
⇒
2b. Thermisches Gleichgewicht bedeutet:
δQ(m) = −δQK = −CK dT ,
Lösungen der Übungsaufgaben
CK gilt als bekannt, ⇒ ⇒
339
∂M (m) dT = −μ0 V H dH − CK + CH ∂H T CH dT C H T ≈ μ0 V = μ0 V . (m) dH CK T CK + CH (m) da CK >> CH
Das lässt sich wiederum leicht integrieren: C 1 2 1 2 T − T02 = μ0 V H 2 CK 2 $ C 2 ⇒ T(H) = μ0 V H + T02 . CK 3a. Das ist die Situation von 2a.: $ T0 = T ∗
Hr2 < T∗ + Hr2
(Abkühlung!).
H ∗2
3b. Tg −
(m) !
δQ
Tg
=
δQK (H = const = 0)
T∗
T0
Tg ⇐⇒
−
(m) CH (H
Tg = 0) dT =
T0
⇐⇒
− C μ0 V Hr2
Tg
dT = CK Tg − T ∗ T2
T0
⇐⇒
C μ0 V Hr2
CK dT T∗
1 1 − Tg T0
= CK Tg − T ∗ .
Die Gittertemperatur wird sich wegen der hohen Wärmekapazität beim obigen Wärmeaustausch nur wenig ändern. Wir können also auf der linken Seite näherungsweise Tg durch T ∗ ersetzen: C μ0 V 2 1 1 = Tg − T ∗ = Hr − CK T ∗ T0 Hr2 + H ∗2 C μ0 V Hr2 = 1− <0. CK T ∗ Hr
340
Lösungen der Übungsaufgaben
(m) 4. Das ist nun die Situation von 2b., für die wegen CK >> CH zu lösen bleibt:
C H dT ≈ μ0 V dH CK T ⇒ ⇐⇒
C ∗2 Tg2 − T ∗2 = −μ0 V H CK C ∗2 Tg + T ∗ = −μ0 V Tg − T ∗ H . CK
Aus denselben Gründen wie unter 3b. können wir Tg + T ∗ ≈ 2 T ∗ setzen: C H∗2 Tg − T ∗ ≈ −μ0 V <0. 2 CK T ∗
⇒
Auch jetzt ergibt sich eine Abkühlung! 5a. Der Prozess 3. ist irreversibel, und zwar der Wärmeaustausch zwischen Momentensystem und Kristall (Teil 2.). Der Prozess 4. ist reversibel. Das Gesamtsystem ist thermisch isoliert:
ΔQ = ΔQ(m) + ΔQK = 0 . Allgemein gilt in einem solchen Fall: dS ≥
δQ T
=0,
„=“ für reversibel; „>“ für irreversibel ⇒ Prozess 3.: ΔS > 0; Prozess 4.: ΔS = 0 ⇒
Sg . Sg >
5b. Durch Auflösen von S = S(T, H) nach T, T = T(S, H) , gilt in den Endzuständen: Tg = T( Sg , 0) . Tg = T Sg , 0 =/ Wir behaupten, dass Tg ≥ Tg ist. Das ist richtig, falls gilt: * 1 ∗2 C 1 2 2 ∗2 − H − Hr + Hr Hr + H 0 ≥ μ0 V CK T ∗ 2
Lösungen der Übungsaufgaben
341
⇐⇒
* H ∗2 ≥ 2 Hr Hr2 + H ∗2 − Hr2
⇐⇒
* H ∗2 + 2 Hr2 ≥ 2 Hr Hr2 + H ∗2
⇐⇒
H ∗4 + 4 H ∗2 Hr2 + 4 Hr4 ≥ 4 Hr4 + 4 Hr2 H ∗2
⇐⇒
H ∗4 ≥ 0 q. e. d.
Das Gleichheitszeichen ( Tg = Tg ) gilt nur bei H ∗ = 0.
Abschnitt 3.9 Lösung zu Aufgabe 3.9.1 1. Freie Energie: F = F(T, V) ∂F = −S(T, V) ; ∂T V
3.9.1
∂F ∂V
= −p(T, V) . T
Wir integrieren die erste Gleichung: T F(T, V) = − T0 (a =/ −1)
=
R V0 1 dT S(T , V) + f (V) = − V T0a
−
T
dT T a + f (V) =
T0
R V0 1 a + 1 T − T0a + 1 + f (V) . a V T0 a + 1
Zwischenergebnis: F(T, V) = −
R V0 T V a+1
T T0
a +
R V0 T0 + f (V) . V a+1
Wegen dF = −S dT − p dV = −S dT + δW gilt für isotherme Zustandsänderungen: (dF)T = (δW)T . Das nutzen wir für T = T0 aus: R T0 ∂F δW = = = ∂V T0 ∂V T0 V a R T0 V0 T R V0 T + f = − (V) = f (V) V 2 a + 1 T0 V 2 (a + 1) T = T0 ⇒
f (V) = R T0 ln
V + f (V0 ) . V0
342
Lösungen der Übungsaufgaben
Das legt schließlich die freie Energie fest: a + 1 V V0 T0 T 1− + R T0 ln + F T0 , V0 . F(T, V) = R V a+1 T0 V0 2.
Zustandsgleichung: a + 1 R T0 V0 T0 ∂F T p=− 1− . − =R 2 ∂V T V a+1 T0 V
3.
Arbeitsleistung:
ΔWT = −
V
p(T, V ) dV =
V0
⇒
3.9.2
a + 1 V T0 T 1 1 1− + R T0 ln = R V0 − a+1 T0 V V0 V0 a + 1 R T0 V T V0 − V 1− ΔWT = = + R T0 ln a+1 T0 V V0 = F(T, V) − F T, V0 .
Lösung zu Aufgabe 3.9.2
(2.59)
⇒
∂U ∂V
T
Das bedeutet für das Photonengas: dε 1 T ε (T) = −ε 3 dT ⇒
∂p =T ∂T
⇐⇒
−p. V
4 ε (T) = T
ε (T) = σ T 4 .
Damit folgt die kalorische Zustandsgleichung: U(T, V) = σ V T 4 . Die Entropie berechnen wir wie folgt: ∂S ∂U T = = 4 σ V T3 ∂T V ∂T V ∂S ⇒ = 4 σ V T2 . ∂T V
dε dT
Lösungen der Übungsaufgaben
343
Eine erste Integration liefert: 4 σ V T 3 + f (V) . 3
S(T, V) =
Wir benutzen nun die folgende Maxwell-Relation für die freie Energie: 1 d 4 4 ∂S ∂p = = σ T = σ T3 = ∂V T ∂T V 3 dT 3 = ⇒
4 σ T 3 + f (V) 3
f (V) = const .
Wir kennen damit die Entropie als Funktion von T und V: S(T, V) =
4 σ T 3 V + const . 3
Der Dritte Hauptsatz besagt, dass die Konstante Null sein muss. Wir lösen nach T auf T=
3 4σ
1 | 3
S1 | 3 V −1 | 3
und setzen das Ergebnis in die kalorische Zustandsgleichung ein: 3 3 1|3 V −1 | 3 S4 | 3 . U(S, V) = 4 4σ Das ist die innere Energie des Photonengases in ihren natürlichen Variablen S und V. Die freie Energie ist einfacher zu berechnen: 1 F(T, V) = U(T, V) − T S(T, V) = − σ V T 4 . 3 Für die freie Enthalpie ergibt sich ein besonders einfacher Ausdruck: 1 1 G = F + pV = − σ V T 4 + σ V T 4 = 0 . 3 3 Aus der Gibbs-Duhem-Relation G = μ N folgt damit für das chemische Potential des Photonengases:
μ≡0. Es bleibt noch die Enthalpie H übrig: H = U + pV
⇒
H=
4 σ V T4 = S T . 3
344
Lösungen der Übungsaufgaben
Mit T =
1 | 4 3p σ
folgt: H(S, p) =
3.9.3
1 | 4 3
σ
p1 | 4 S .
Lösung zu Aufgabe 3.9.3 Arbeit:
δW = −Fk dx = +k(T) x dx . Analogie zum Gas:
δW = −p dV
⇒
p
⇐⇒
−(k x) ,
V
⇐⇒
x.
Für eine durch x und T charakterisierte Zustandsänderung ist die freie Energie F das passende thermodynamische Potential: dF = −S dT + k x dx . Bei isothermer Dehnung der Feder gilt: x F(x, T = const) =
kx dx + F x0 , T =
x0
1 2 k x − x02 + F x0 , T , 2 1 ΔF(x, T = const) = k x2 − x02 . 2 =
Die Entropieänderung ergibt sich aus der Maxwell-Relation für F:
∂S ∂ ∂k =− (kx) = −x ∂x T ∂T ∂T x x ⇒
(ΔS)T=const = −
x x0
x
1 dk 2 dk dx = − x − x02 . dT 2 dT
Damit berechnen wir die Änderung der inneren Energie: (ΔU)T = (ΔF)T + T(ΔS)T = 1 2 dk 2 x − x0 k − T = k x2 − x02 . = 2 dT
Lösungen der Übungsaufgaben
345
Lösung zu Aufgabe 3.9.4 1. Arbeit:
3.9.4
δW = σ dL . Bei Dehnung des Bandes wird am System Arbeit geleistet (Vorzeichenkonvention!). Frei Energie: F(T, L) = −S dT + σ dL . Maxwell-Relation:
−
∂S ∂L
=
T
∂σ ∂T
=α.
L
Innere Energie: U(T, L) = F(T, L) + T S(T, L) . Wir zeigen, dass U nur von T, nicht von L abhängt: ∂U ∂F ∂S = +T = σ − αT = 0 . ∂L T ∂L T ∂L T 2.
3.
∂S ∂L
= −α < 0 .
T
Die Entropie des Bandes nimmt bei Dehnung ab! Gesucht: ∂T | ∂L S . Kettenregel: ∂T ∂L ∂S = −1 , ∂L S ∂S T ∂T L ∂S : Wärmekapazität bei konstanter Länge; stets positiv CL = T ∂T L ∂T α = T>0. ⇒ ∂L S CL Die Temperatur des Bandes steigt bei adiabatischer Dehnung!
Lösung zu Aufgabe 3.9.5 Entropie:
S = S(T H)
3.9.5
⇒
∂S dS = ∂T
⇒
H
∂S dT + ∂H
!
dH = 0 T
∂S ∂H T T ∂T ∂S = − = − . ∂S ∂H S CH ∂H T ∂T H
346
Lösungen der Übungsaufgaben
Freie Enthalpie: dG = −S dT − m dB0
⇒ ⇒
⇒
3.9.6
B0 = μ0 H ; m = M V ; V = const , ∂S ∂m = ∂B0 T ∂T B0 C ∂S ∂M = μ0 V = −μ0 V 2 H ∂H T ∂T H T
keine Variable
C : Curie-Konstante CH ∂T =μ V . ∂H S 0 CH T
Lösung zu Aufgabe 3.9.6 1. ∂F = N kB (α + ln C0 V) + N kB ln C1 (kB T)α . S(T, V) = − ∂T V
2.
p=−
∂F ∂V
= T
N kB T . V
3. U = F(T, V) + T S(T, V) = N kB T α . 4.
CV =
∂U ∂T
=T
V
∂S ∂T
= N kB α .
V
5. 1 κT = − V
3.9.7
∂V ∂p
T
1 =− V
∂p ∂V
−1 = T
V 1 = . N kB T p
Lösung zu Aufgabe 3.9.7 1.
dF = −S dT + B0 dm = −S dT + μ0 V H dM ∂F ⇒ = μ0 V H . ∂M T
Lösungen der Übungsaufgaben
347
Suszeptiblität:
χT =
∂M ∂H
=
T
∂H ∂M
−1
=
T
μ0 V
.
∂2 F ∂M 2 T
Freie Energie: 2 ∂F μ0 V = ∂M 2 T χT ⇒
⇒
∂F ∂M
= μ0 V
T
M
χ−1 (T, M ) dM + f (T) T
0
F(T, M) = F(T, 0) + μ0 V
M
dM
0
M
dM χ−1 (T, M ) + f (T) M . T
0
Dies ist die allgemeinste Lösung! Spezialfall:
χT (T, M) ≡ χT (T) (z. B. Curie-Gesetz) χT =
⇒
M . H
Dann folgt:
∂F ∂M ⇒
2.
T
= μ0 V
M
χT
⇒
+ f (T)
f (T) ≡ 0
F(T, M) = F(T, 0) + μ0 V
1 M2 . 2 χT
Entropie:
∂F S=− ∂T
= M
df (T) − μ0 V = S(T, 0) − M dT
M dM 0
M dM 0
Obiger Spezialfall: 1 S(T, M) = S(T, 0) − μ0 V M 2 2
∂ −1 χ (T, M ) ∂T T
d −1 χ (T) . dT T
M
.
348
Lösungen der Übungsaufgaben
Innere Energie: U =F+TS, df + U(T, M) = U(T, 0) + M f (T) − T dT M
+ μ0 V
dM
0
M 0
∂ −1 dM χ−1 (T, M ) − T χ (T, M ) . T ∂T T
Spezialfall: ∂χ−1 1 2 −1 T . U(T, M) = U(T, 0) + μ0 V M χT − T 2 ∂T Dabei ist: U(T, 0) = F(T, 0) + T S(T, 0) .
3.9.8
Lösung zu Aufgabe 3.9.8 Aus dF = −S dT + B0 dm folgt als Integrabilitätsbedingung: ∂S ∂B0 ∂H =− = −μ0 . ∂m T ∂T m ∂T m
Curie-Weiß-Gesetz: M= Wärmekapazität:
∂Cm ∂m
C H = V m (V = const) . T − Tc
=T
T
= −μ0 T ⇒
∂ ∂S ∂m ∂T
∂2 H ∂T 2
=T
m T
=0 m
Cm (T, M) ≡ Cm (T) .
Innere Energie: ⇒
dU = T dS + μ0 V H dM ∂U ∂S =T = CM = Cm , ∂T M ∂T M
∂ ∂S ∂T ∂m
= T m
Lösungen der Übungsaufgaben
∂U ∂M
349
=T
T
∂S ∂M
∂S ∂m
=TV
= −μ0 T V
∂U ∂T
∂H ∂T
+ μ0 V H =
m
M M + μ0 V (T − Tc ) = C C
U(T, M) = −μ0 V Tc
+ μ0 V H =
T
M Tc C
= −μ0 V
Wegen
= −μ0 T V
⇒
+ μ0 V H =
T
M2 + G(T) . 2C
= G (T) = Cm
M
gilt insgesamt: T U(T, M) =
Cm (T ) dT − μ0 V Tc
M2 + U0 . 2C
0
Entropie: T S(T, M) =
⇒
∂S ∂m
0
= T
1 V
!
f (M) = −
S(T, M) = S0 +
∂S ∂M
μ0 V
T ⇒
Cm (T ) dT + f (M) , T
C
T
= −μ0
∂H ∂T
=− m
μ0 C
M
Cm (T ) μ0 V 2 dT − M . T 2C
0
Freie Energie: F(T, M) = U(T, M) − T S(T, M) = T = F0 + 0
T μ0 V 2 Cm (T ) 1 − dT + M T − Tc . T 2C
M
350
Lösungen der Übungsaufgaben
Freie Enthalpie: G = F − m B0 = F − μ0 V M H = F − T = F0 +
μ0 V
T − Tc M 2 =
C
T μ0 V 2 M T − Tc Cm (T ) 1 − dT − T 2C
0
T ⇒
G(T, B0 ) = F0 + 0
3.9.9
T VC 2 1 Cm (T ) 1 − dT − B . T 2 μ0 0 T − Tc
Lösung zu Aufgabe 3.9.9
H = U + p V = H(S, p) ; dH = T dS + V dp , ∂H ∂S =T +V . ∂p V ∂p V Maxwell-Relation für U:
⇒
dU = T dS − p dV ⇒
3.9.10
∂p ∂S
=−
V
∂H ∂V =V −T ∂p ∂T
∂T ∂V
S
. S
Lösung zu Aufgabe 3.9.10 1. Erster Hauptsatz:
dU = δQ + δW . Die Arbeit setzt sich aus einem elektrischen und einem mechanischen Anteil zusammen:
δWe = V E dP
(das Volumen V ist wieder als konstant anzusehen, gehört nicht zu den thermodynamischen Variablen),
δWm = τ dL . Für reversible Zustandsänderungen gilt somit: dU = T dS + V E dP + τ dL . Das Differential der freien Enthalpie, G = U − T S − V EP − τL ,
Lösungen der Übungsaufgaben
351
lautet: dG = −S dT − V P dE − L dτ . Es ist total, sodass die Maxwell-Relation ∂P ∂L V = ∂τ T, E ∂E T, τ 2.
gilt. Es gibt so viele thermodynamische Potentiale, wie man durch Legendre-Transformation aus U erzeugen kann: U; U −TS;
U − Lτ
U − V PE ;
U − T S − V PE ;
U − T S − Lτ ;
⇐⇒ U − V PE − Lτ
⇐⇒
U − T S − V PE − Lτ
3.
Transformation in einer Variablen, Transformation in zwei Variablen, Transformation in drei Variablen.
⇐⇒
Es gibt also insgesamt acht verschiedene thermodynamische Potentiale. Jedes Potential hängt von drei Variablen ab. Das bedeutet jeweils drei Integrabilitätsbedingungen. Insgesamt sind es dann vierundzwanzig!
Lösung zu Aufgabe 3.9.11 1.
3.9.11
U(T, V, N) = F + TS = F − T ⇒
∂U ∂N
T, V
∂F = ∂N
∂F ∂T
V, N
∂ ∂F −T ∂N ∂T T, V
.
V, N T, V
Man beachte, dass die Ableitung nach der Teilchenzahl nur dann das chemische Potential μ ergibt, wenn es sich bei der abgeleiteten Größe um ein thermodynamisches Potential handelt: ∂U ∂U =/ μ ; aber: = μ(S, V, N) , ∂N T, V ∂N S, V ∂F = μ(T, V, N) . ∂N T, V
352
Lösungen der Übungsaufgaben
Dies bedeutet für die obige Beziehung:
∂U ∂N
T, V
⇒
∂U ∂N
− μ(T, V, N) = −T
T, V V, N
∂μ ∂T
T, V
∂ ∂F = μ(T, V, N) − T ∂T ∂N
. V, N
2. N = N(T, V, μ)
⇒
∂N dN = ∂T
V, μ
∂N dT + ∂V
T, μ
∂N dV + ∂μ
dμ .
T, V
Man setze: x= ⇒
∂N ∂T
∂μ ∂T
μ T
∂N = ∂T V, x
=
V, x
∂N +0+ ∂μ V, μ
∂ (T x) ∂T
=x= V, x
T, V
μ
∂μ ∂T
, V, x
.
T
Damit haben wir als Zwischenergebnis: ∂N ∂N ∂N ∂μ μ . = + ∂T V, x ∂μ T, V ∂T V, μ ∂N T, V T Kettenregel:
∂N ∂T
∂T ∂μ
μ, V
⇒
∂N ∂T
N, V
∂μ ∂N
∂N = ∂μ V, x 1 = T 1.
= −1 T, V
T, V
∂N ∂μ
μ
∂μ − T ∂T
T, V
∂U ∂N
= N, V
q. e. d T, V
3.
⇒
U = U(T, V, N) ∂U ∂U ∂U dU = dT + dV + dN . ∂T V, N ∂V T, N ∂N T, V
Lösungen der Übungsaufgaben
353
Daran lesen wir ab: ∂U ∂U ∂U ∂N = +0+ . ∂T V, x ∂T V, N ∂N T, V ∂T V, x Nach Einsetzen des Resultats von Teil 2. ergibt sich die Behauptung!
Lösung zu Aufgabe 3.9.12 1. Freie Energie: Nach Aufg. 3.9.7 gilt:
3.9.12
μ0 m2 . 2 V χT
F(T, m) = F(T, 0) + Dies bedeutet: F(T, m) = F(T, 0) + μ0
T − Tc 2 m . 2V C
Innere Energie: Nach Aufg. 3.9.7 gilt: U(T, m) = U(T, 0) +
χ−1 T −T
μ0
χ−1 T
2
2V
m
∂χ−1 −T T ∂T
T ∂χ−1 1 Tc T T − Tc − = − = . ∂T C C C
Dies bedeutet:
μ0 Tc
U(T, m) = U(T, 0) −
2V C
Entropie: Nach Aufg. 3.9.7 gilt: S(T, m) = S(T, 0) −
μ0 2V
2
m
m2 .
d −1 χ dt T
.
Das bedeutet hier: S(T, m) = S(T, 0) − 2.
Entropie:
Cm (T, m = 0) = T T ⇒
S(T, 0) = 0
∂S ∂T
μ0 2V C
m2 .
m=0
Cm (T , 0) dT = γ T . T
,
354
Lösungen der Übungsaufgaben
Mit dem Teilergebnis aus 1. bleibt: S(T, m) = γ T −
μ0 2V C
m2
(Beachte Teil 4.!)
Wegen m=
CV H T − Tc
folgt unmittelbar: 1 H2 S(T, H) = γ T − μ0 C V 2 . 2 T − Tc Freie Energie:
∂F ∂T
= −S(T, m) m
T ⇒
F(T, 0) = F0 −
1 2
γ T dT = F0 − γ T 2 .
0
Mit dem Resultat von Teil 1. folgt dann: 1 T − Tc 2 m . F(T, m) = F0 − γ T 2 + μ0 2 2V C Innere Energie: Cm=0 = ⇐⇒
∂U ∂T
m=0
1 U(T, m = 0) = γ T 2 + U0 . 2
Mit dem Resultat aus Teil 1. ergibt sich: 1 μ0 Tc 2 U(T, m) = U0 + γ T 2 − m . 2 2V C 3.
Wärmekapazitäten: Cm = T
∂S ∂T
∂S CH = T ∂T Wegen T > Tc folgt: CH ≥ Cm .
= γ T = Cm (T, m = 0) ,
m
H
T H2 = γ T + μ0 C V 3 . T − Tc
Lösungen der Übungsaufgaben
355
Adiabatische Suszeptiblität: Nach (2.84) gilt:
χS = χT
Cm . CH
Einsetzen der obigen Ergebnisse liefert:
χS (T, H) =
C γT T − Tc γ T + μ0 C V T H 2 3 (T−T ) c
χS (T, H) =
⇒ 4.
Tc = 0
C
. μ C V H2 T − Tc + 0 γ (T−T 2 c)
⇒ nach Teil 2.: 1 H2 S(T, H) = γ T − μ0 C V 2 . 2 Tc
Der Dritte Hauptsatz fordert: lim S(T, H) = 0 .
T →0
Unser obiges Ergebnis liefert für H =/ 0 einen Widerspruch. Das Curie-Gesetz kann also nicht für beliebig tiefe Temperaturen korrekt sein! Wir hatten in Aufg. 3.9.7 gefunden: μ0 2 d −1 χT . m S(T, m) = S(T, 0) − 2V dt Falls χT (T, m) ≡ χT (T), d. h., m = V χT H gilt, folgt: S(T, m) = S(T, 0) +
μ0 2V
m2
1 dχT χ2 dT T
dχ 1 ⇒ S(T, H) = S(T, 0) + μ0 V H 2 T . 2 dT Um den Dritten Hauptsatz zu erfüllen, müssen wir also dχT =0 T→0 dT lim
⇐⇒
χT = const +0(T 2 )
fordern, d. h. χT bleibt endlich für T → 0!
Lösung zu Aufgabe 3.9.13 Wegen Tc = 0 ist:
1 U(T, m) = U0 + γ T 2 ≡ U(T) 2 (vgl. Gay-Lussac-Versuch für das ideale Gas).
3.9.13
356
1.
Lösungen der Übungsaufgaben
Isotherm: 0 → H Dies bedeutet:
⇒
dU = 0
ΔQ = −ΔW = −μ0
H H dm , 0
dm =
CV dH T1
ΔQ = −
⇒
μ0 C V 2 T1
H2 < 0 .
Wärme wird abgeführt! 2.
Adiabatisch-reversibel ⇐⇒
dS = 0 S T1 , H = S Te , 0 .
⇐⇒ Wir benutzen das Ergebnis
1 H2 S(T, H) = γ T − μ0 C V 2 2 T aus Teil 2. der vorangehenden Aufgabe. 1 2
γ T1 − μ0 C V ⇐⇒
Te = T1 −
H2 ! = γ Te T12
μ0 C V H 2 < T1 . 2 γ T12
+
,-
.
>0
Man erzielt also einen Kühleffekt! Man vergleiche das Resultat mit Teil 3. aus Aufg. 2.9.28!
3.9.14
Lösung zu Aufgabe 3.9.14 1. Druck:
p=−
⇒
p=−
∂F ∂V
=− T
d F0 − AT dV
1 dE(V) kB T dV
1− e
− E(V) kB T
B A E1 (V − V0 ) + n(T, V) . V0 kB V0
e
− E(V) k T B
Lösungen der Übungsaufgaben
357
Entropie:
∂F S=− ∂T
− E(V) = −A ln 1 − e kB T + A T
V
E(V) kB T 2
e
− E(V) k T B
− E(V) k T
1− e
=
B
E(V) − E(V) k T B +A = −A ln 1 − e n(T, V) . kB T Man verifiziert leicht: E(V)
e kB T = − E(V) k T
1− e
B
n+1 , n
=1−
n 1 = , n+1 n+1
E(V) = ln(n + 1) − ln n . kB T Damit lautet die Entropie: S = A {(n + 1) ln(n + 1) − n ln n} . Innere Energie:
− E(V) k T B U = F + T S =F0 (V) + A T ln 1 − e − E(V) − E(V) k T +A − A T ln 1 − e B n(T, V) kB ⇒
2.
U =F0 (V) + A
E(V) n(T, V) . kB
Aus 1. folgt für p = 0: ! A E1 B Vm − V0 = n T, Vm V0 kB V0 ⇒
Vm = V(p = 0) =
A E1 n T, Vm + V0 . kB B
Das ist eine implizite Bestimmungsgleichung für Vm , die sich z. B. iterieren lässt: −1
Vm − V0 1 E0 − E1 −1 . n T, Vm = exp kB T V0 Das muss nach Potenzen von E1 um E1 = 0 entwickelt werden. Da E1 auch als Faktor auftritt, reicht für n(T, Vm ) die nullte Ordnung: Vm ≈ V0 +
A E1 n T, V0 . kB B
358
Lösungen der Übungsaufgaben
Ausdehnungskoeffizient: 1 β= V
∂V ∂T
. p
Abschätzung: 1 = Vm V0 +
1 1 ≈ A E1 V n T, V 0 m kB B E(V)
A E1 1− , n T, V0 kB B V0
E(V)
∂Vm A E1 ∂n A E1 kB T 2 e kB T = = E(V) 2 = ∂T kB B ∂T kB B k T e
= ⇒
β≈
B
−1
A E1 1 n+1 n(n + 1) ln kB B T n n0 + 1 1 A E1 , n0 n0 + 1 ln V0 B kB T n0 E −1 0 n0 = n T, V0 = e kB T − 1 .
T→0 E0 BT
−k
n0 ≈ e n0 + 1 → 1 ;
ln
→0,
n0 + 1 E0 ≈ − ln n0 ≈ n0 kB T
⇒
E n0 + 1 E0 1 − k 0T B ≈ e −→ 0 n0 n0 + 1 ln T→0 kB T n0 (kB T)2
⇒
β(T = 0) = 0 ; Vm = V0 .
kB T >> E(V) n(T, V) ≈ ⇒ 3.
β≈
kB T ; E(V) 1 A E1 ; V0 B E0
∂n kB kB + 0(E1 ) ≈ = ∂T E(V) E0 Vm ≈ V0 +
A E1 T. B E0
Ein günstiger Startpunkt ist Gleichung (2.65): ∂p ∂V . Cp − CV = T ∂T V ∂T p
Lösungen der Übungsaufgaben
359
Der Druck lässt sich in unseren Gleichungen schwer konstant halten: ∂p ∂T −1 ∂V = = − V . ∂p ∂p ∂T ∂T p ∂p V
∂V T
∂V T
Dies bedeutet:
2 ∂p ∂T Cp − CV = −T V , ∂p ∂V T
∂p ∂T
⇒ ⇒
∂n ∂V
T
A E1 kB V0
∂n ∂T
A E1 kB V0 V V B A E1 ∂p ∂n =− + , ∂V T V0 kB V0 ∂V T =
≈
∂n0 ∂T
, V
E(V)
e kB T ∂E(V) , = 2 E(V) ∂V k T e B −1 1 kB T
E1 ∂E(V) =− ∂V V0
∂p ∂V
=− T
B + 0(E12 ) V0
A2 E2 Cp − CV ≈ T 2 1 kB B V0
∂n0 ∂T
Lösung zu Aufgabe 3.9.15 1.
2 . V
3.9.15
U = U(S, V, A) , dU = δQ + δW ,
δW = δWV + δWA , δWV = −p dV , δWA = σ dA .
360
Lösungen der Übungsaufgaben
Wenn die Oberfläche A um dA vergrößert wird, wird Arbeit am System geleistet: dU = T dS − p dV + σ dA . 2.
Maxwell-Relation für dU: ∂T ∂σ ∂σ ∂T = = = ∂A S, V ∂S V, A ∂T V, A ∂S V, A =
3.
dσ dT ∂S ∂T V, A
=
Sei
T CV, A
α
γ=
dσ dT
q. e. d. .
,
Tc CV, A
dann ist zu integrieren: dT = −γ dA T
⇒
ln T = −γ A + β .
Anfangswerte:
β = γ A0 + ln T0 ⇒
ln
T = −γ A − A0 T0
T = T0 e−γ (A − A0 ) .
⇒
Die Temperatur nimmt bei adiabatisch-isochorer Vergrößerung der Oberfläche ab! 4. dF = d(U − T S) = dU − T dS − S dT dF = −S dT − p dV + σ dA .
⇒ 5.
Unabhängige Variable: T, V, A: ∂F = σ (T) , ∂A T, V ⇒ Außerdem gilt:
F(T, V, A) = σ (T) A + FV (T, V) .
∂ ∂F ∂A ∂V
⇒
∂F ∂V
= T, A
∂ ∂F ∂V ∂A
= f (T, V) ,
= T, V
∂ σ(T) = 0 ∂V
unabhängig von A
T, A
V ⇒
unabhängig von V
F(T, V, A) =
f (T, V ) dV + FA (T, A) .
Lösungen der Übungsaufgaben
361
Ganz offensichtlich gilt: F(T, V, A) = FV (T, V) + FA (T, A) . FA kann explizit angegeben werden: FA (T, A) = σ (T) A . 6.
Maxwell-Relation für F:
∂S ∂A
7.
=−
T, V
∂σ ∂T
= V, A
α Tc
>0.
Die Entropie S nimmt bei Vergrößerung der Oberfläche zu! dU = T dS + σ dA, falls isochor T ∂U ∂S T 6. =α>0. ⇒ =T +σ = α +α 1− ∂A T, V ∂A T, V Tc Tc
8.
S=−
∂F ∂T
= SV (T, V) + SA (T, A) V,A
∂FA ⇒ SA (T, A) = − ∂T A1 → A2 : isotherm-isochor ⇐⇒
5.
= −A V, A
dσ α = +A . dT Tc
SV = const
ΔQ = T SA T, A2 − SA T, A1 = α
T A2 − A1 , Tc
ΔQ > 0, falls A2 > A1 . 9. dG = d(F + p V) = −S dT + V dp + σ dA . 10.
∂G ∂A
⇒
∂G ∂p
= σ (T) ,
unabhängig von p
T, p
∂ ∂G ∂p ∂A
⇒
∂ ∂G =0= ∂A ∂p T, p = V(T, p) ,
T, A
unabhängig von A.
T, A
Dies bedeutet: G(T, p, A) = GV (T, p) + GA (T, A) .
362
Lösungen der Übungsaufgaben
Oberflächenanteil: GA (T, A) = σ (T) A ,
∂G V= ∂p
3.9.16
∂GV = ∂p T, A
Lösung zu Aufgabe 3.9.16 1.
2 G(1) A (T, A) = σ (T) A1 = σ (T) 4π r ,
⎭ ⎫ ⎬
G(2) (T, p) = M2 g2 (T, p)
2.
. T, A
⎫ ⎬
G(1) V (T, p) = M1 g1 (T, p) ,
⇒
⎭
- Tropfen
- Dampf; hat keine Oberfläche
G(T, p, A) = M1 g1 (T, p) + σ (T) 4π r2 + M2 g2 (T, p) .
Gleichgewicht bedeutet: dG = 0 Da T und p fest sind, bleiben nur M1 , M2 und r veränderbar: ⇒
M1 + M2 = M = const
dM1 = −dM2 .
Teil 1. liefert dann: 0 = dG = dM1 g1 − g2 + σ 8π r dr ⇒
g2 − g1 = σ 8π r
dr . dM1
Die Massendichte ρ1 ,
ρ1 =
M1 4π 3 3 r
,
des Flüssigkeitstropfens ist als konstant anzusehen: ⇒
M1 = ρ1
4π 3 r 3
⇒
dM1 = ρ1 4π r2 dr . dr
Es ist damit die Behauptung g2 − g1 = bewiesen.
2σ r ρ1
Lösungen der Übungsaufgaben
3.
363
Aus der allgemeinen Relation
∂G ∂p
=V T
folgt hier: V = V1 + V2 = M1
∂g1 ∂p
Dies bedeutet offensichtlich: Vi ∂gi = ; ∂p T Mi
+ 0 + M2
T
∂g2 ∂p
. T
i = 1, 2
V1 1 1 V2 ∂ g2 − g1 − = − = = M2 M1 ρ2 ρ1 ∂p T
⇒
=−
2σ (T) dr . r2 ρ1 dp
ρ1 >> ρ2 : 1
ρ2
≈−
2 σ (T) dr . r2 ρ1 dp
Dampf = ideales Gas:
ρ2 =
M2 M2 mp = = , 1 V2 kB T N kB T p m : Masse eines Moleküls,
⇒
2 σ dr kB T ≈− 2 mp r ρ1 dp ⇒
ln p =
⇒
dp 2σm = p ρ1 kB T
2σm 1 +α. ρ1 kB T r
p∞ (T) : Dampfdruck bei unendlichem Tröpfchenradius: ⇒
α = ln p∞
⇒
ln
p 2σm 1 . = p∞ ρ1 kB T r
Dampfdruck des Tröpfchens:
2 m σ (T) 1 p(r, T) = p∞ (T) exp ρ1 kB T r
.
dr − 2 r
364
3.9.17
Lösungen der Übungsaufgaben
Lösung zu Aufgabe 3.9.17 1. Erster Hauptsatz: dU = δQ + μ0 V H dM
∂U CM = ∂T
⇒
δQ = CM dT + ⇒
CH =
δQ
∂U ∂M
H
CM − CH = μ0 V H −
⇒
∂M ∂T
=− H
− μ0 V H dM
= CM +
dT
2.
, M
T
⇒
∂U ∂M
∂U ∂M
− μ0 V H
T
T
∂M ∂T
C H T2
CM − CH = −
μ0 V C
M2 .
3a. Maxwell-Relation der freien Energie: ⇒
dF = −S dT + μ0 V H dM ∂S ∂H = −μ0 V . ∂M T ∂T M
3b. Maxwell-Relation der freien Enthalpie: dG = −S dT − μ0 V M dH ∂S ∂M = μ0 V . ∂H T ∂T H
⇒
3c. Die Behauptung folgt unmittelbar aus 1. für δQ = T dS. 4. ∂S ∂M = CM − CH = −T ∂M T ∂T H ∂H ∂M . = μ0 V T ∂T M ∂T H 5.
∂H ∂T
= M
M , C
. H
∂M ∂T
H
Lösungen der Übungsaufgaben
dH = ⇒ ⇒ ⇒ 6.
365
1 M dT + T − Tc dM + 3 b M 2 dM C C M 1 ∂M 2 T − Tc = − 3bM + ∂T H C C −M ∂M = ∂T H 3 b M 2 C + T − Tc −μ0 V T M 2 . 3 b M 2 C2 + C T − Tc
CM − CH =
∂ ∂ ∂S T C = ∂M M ∂M ∂T
M
T
∂ ∂S =T ∂T ∂M
= T M
∂2 H = T −μ0 V =0. ∂T 2 M
(3a.)
7.
∂U ∂T
= CM (T) . M
Nach Teil 3. gilt auch: ∂U ∂S ∂H =T + μ0 V H = −μ0 V T +μ VH = ∂M T ∂M T ∂T M 0 M 1 T − Tc M + μ0 V b M 3 = + μ0 V C C Tc = μ0 V b M 3 − M . C
= −μ0 V T
Daraus folgt durch Integration: U(T, M) = μ0 V
⇒
∂U ∂T
Tc 2 1 4 bM − M + f (T) , 4 2C
= CM (T) = f (T)
M
U(T, M) = μ0 V
T Tc 2 1 4 bM − M + CM (T ) dT . 4 2C 0
366
Lösungen der Übungsaufgaben
Analog findet man die Entropie: 1 ∂S = C (T) ; ∂T M T M ⇒
M2 S(T, M) = −μ0 V + 2C
∂S ∂M
T
T
∂H = −μ0 V ∂T
= −μ0 V
M
M C
CM (T ) dT . T
0
Das bedeutet schließlich für die freie Energie: F = U − T S =F0 + μ0 V T +
1 1 T − Tc M 2 + μ0 V b M 4 + 2C 4
T CM (T ) 1 − dT . T
0
8.
H=M
1 T − Tc + b M 2 C
.
H = 0 besitzt also die Lösungen: a) M = 0 , % b) MS = ±
1 (Tc − T) . bC
Für die freie Energie gilt nach Teil 7.: F = f (T) + ⇒
μ0 V 2C
1 T − Tc M 2 + μ0 V b M 4 4
F(T, M = 0) =f (T) ,
Tc − T μ0 V T − Tc F T, M = ±MS =f (T) + + 2C bC 2 1 1 Tc − T = + μ0 V b 2 4 (b C) =f (T) −
2 1 μ0 V Tc − T . 4 b C2
Es ist also: F T, M = ±MS < F(T, M = 0) . Die ferromagnetische Lösung MS =/ 0 ist demnach stabil. Sie existiert als reelle Lösung nur für T ≤ Tc .
Lösungen der Übungsaufgaben
367
9. Magnetische Suszeptibilität:
∂M χT = ∂H ⇒
lim χT =
H→0
1 C
=
T
∂H ∂M
−1 = T
1 C
1 T − Tc + 3 b M 2
1 C . = 2 2(Tc − T) T − Tc + 3 b MS
χT divergiert im Nullfeld für T → Tc ! Für die Differenz der Wärmekapazitäten benutzen wir das Resultat von Teil 5.: lim CM − CH =
H→0
−μ0 V T MS2 = 3 b MS2 C2 + C T − Tc
−μ0 V T b1C Tc − T μ0 V =− T. = 1 2 2 b C2 3 b C b C Tc − T + C T − Tc
Abschnitt 4.3 Lösung zu Aufgabe 4.3.1 1. Es gilt die Zuordnung:
4.3.1
p
⇐⇒
B0 = μ0 H ,
V
⇐⇒
−m = −V M .
Clausius-Clapeyron-Gleichung (4.19): dp ΔQ = . dT T0 ΔV Dies bedeutet für den Supraleiter: dB0C (−Δm) , dT Δm = V Mn − Ms ≈ −V Ms = V HC .
ΔQ = T0
B0c
n S
× Tc
T0
Abb. A.12.
368
Lösungen der Übungsaufgaben
Der letzte Schritt ist ein Ausdruck des Meißner-Ochsenfeld-Effekts: dB0C dHC = μ0 dT dT
ΔQ = −T0 V μ0 HC
⇒
dHC dT
. T = T0
2. G(T, H) = U − T S − μ0 V H M , sehr klein
Mn
⇒
Gn (T, H) ≈ Gn (T, 0) ,
dG = −S dT − μ0 V M dH . Meißner-Ochsenfeld-Effekt: dGs = −Ss dT + μ0 V H dH . Wir interessieren uns für den isothermen Prozess: dGs T = μ0 V H dH ⇒
1 Gs (T, H) = Gs (T, 0) + μ0 V H 2 . 2
Phasengleichgewicht: ! Gn T, HC = Gs T, HC ≈ Gn (T, 0) . Daraus erhalten wir die Stabilisierungsenergie:
ΔG = Gs (T, 0) − Gn (T, 0) ≈ Gs (T, 0) − Gs (T, HC ) ⇒
1 2
ΔG = − μ0 V HC2 (T) .
3. Sn = − Ss = − ⇒
Ss − Sn = −
∂ G (T, H) ∂T n
∂ G (T, H) ∂T s
≈−
H
= − H
d Gs (T, 0) dT
d dH (T) ΔG = μ0 V HC (T) C . dT dT
Dies ist in Übereinstimmung mit Teil 1. !
∂ G (T, H = 0) ∂T n
, H=0
Lösungen der Übungsaufgaben
369
Wegen (dHC | dT) < 0 ist: Sn (T) > Ss (T) . Der Supraleiter hat also den höheren Ordnungszustand. Wegen HC (Tc ) = 0 gilt am kritischen Punkt: Sn Tc = Ss Tc . 4.
Unabhängig von den Werten anderer Parameter gilt nach dem Dritten Hauptsatz: Ss (T)
−→
0;
T →0
Sn (T)
−→
T →0
0.
Da andererseits HC (T)
H0 =/ 0
−→
T →0
sein soll, muss nach Teil 3. lim
T →0
dHC =0 dT
erfüllt sein, was von unserem Ansatz für HC in der Tat gewährleistet wird. 5.
Cs − Cn = T
∂ Ss − Sn = ∂T
= μ0 V T
dHC dT
2
d2 HC (T) + HC (T) dT 2
,
T T3 dHC = −2 H0 (1 − α) 2 − 4 α H0 4 = dT Tc Tc T T2 = −2 H0 2 1 − α + 2 α 2 , Tc Tc
⇒
2
2 T2 1 − α + 2α 2 = , Tc H0 T2 d2 HC 1 − = −2 α + 6 α dT 2 Tc2 Tc2
H2 T2 Cs − Cn = μ0 V T 2 20 α − 1 + 3 2 1 − 4 α + α2 + Tc Tc 6 T4 2T + 15 α(1 − α) 4 + 14 α 6 . Tc Tc dHC dT
T2 4 H02 4 Tc
370
Lösungen der Übungsaufgaben
Interessant ist der kritische Punkt T = Tc : H2 Cs − Cn T = T = 4 μ0 V 0 (1 + α)2 . c Tc 6.
T < Tc Sn (T) =/ Ss (T) ⇒ T = Tc
Sn Tc = Ss Tc , (endlicher Sprung) Cn Tc =/ Cs Tc ⇒
4.3.2
Phasenübergang erster Ordnung.
Phasenübergang zweiter Ordnung.
Lösung zu Aufgabe 4.3.2
T = Tc (ε + 1) . f (T) lässt sich als Funktion von ε wie folgt schreiben: f (ε) = a Tc (ε + 1) ln |Tc ε| + b Tc2 (ε + 1)2 . Der kritische Exponent bestimmt sich dann wie folgt:
ϕ = lim
ε→0
ln |f (ε)| ln |a Tc (ε + 1) ln |Tc ε|| = lim = ε→0 ln |ε| ln |ε|
= lim
ln |a Tc ε ln |Tc ε| + a Tc ln |Tc ε|| ln |a Tc ln |Tc ε|| = lim = ε→0 ln |ε| ln |ε|
= lim
ln |a Tc | + ln | ln |Tc ε|| ln | ln Tc + ln |ε|| = lim = ε → 0 ln |ε| ln |ε|
ε→0 ε→0
ln | ln |ε|| = lim = lim ε → 0 ln |ε| ε→0 4.3.3
1 1 | ln |ε|| |ε| 1 |ε|
= lim
1
ε→0 | ln |ε||
=0.
Lösung zu Aufgabe 4.3.3 Phasenübergänge zweiter Ordnung nach der Ehrenfest-Klassifikation sind durch endliche Sprünge in den zweiten Ableitungen der freien Enthalpie oder freien Energie definiert:
f (ε) −−−−→ A± ; (±)
T → Tc
⇒
A+ =/ A−
ln f (ε) ln |A± | ϕ = lim = lim =0. ε → 0 ln |ε| ε → 0 ln |ε|
Lösungen der Übungsaufgaben
371
Lösung zu Aufgabe 4.3.4 1.
4.3.4
T = Tc (ε + 1) ⇒
ϕ = lim
ε→0
5|2
f (ε) = a Tc
⇒
(ε + 1)5 | 2 − b
ln |f (ε)| =0. ln |ε|
2. f (ε) = a Tc2 (ε + 1)2 + ⇒
ϕ = lim
ε→0
3.
ln | TCc ε | ln |ε|
C 1 Tc ε
= − lim
ln |ε|
ε → 0 ln |ε|
= −1 .
f (ε) = a Tc |ε| + d ⇒
ϕ = lim
ε→0
ln |d| =0. ln |ε|
Lösung zu Aufgabe 4.3.5 Wir benutzen (2.82):
4.3.5
χT CH − Cm = μ0 V T β2H ; βH = ⇒
∂M ∂T
H
−1 1 − R = μ0 V T β2H χ−1 CH . T
Kritisches Verhalten T → Tc(−) : M ∼ (−ε)β ;
−1 β2H ∼ (−ε)2β − 2 ; χ−1 ∼ (−ε)γ ; CH ∼ (−ε)α T
⇒ 1 − R ∼ (−ε)2β − 2 + γ + α .
Daran lesen wir ab: 1. R =/ 1 : Die voranstehende Gleichung ist nur erfüllbar, falls gilt: 2 β − 2 + γ + α = 0 2.
⇐⇒
α + 2 β + γ = 2 .
R=1: Dann ist in der obigen Beziehung die linke Seite Null und kann deswegen nur durch 2 β − 2 + γ + α > 0 erfüllt werden.
⇐⇒
α + 2 β + γ > 2
372
4.3.6
Lösungen der Übungsaufgaben
Lösung zu Aufgabe 4.3.6 Skalenhypothese (4.76) hat (4.77) zur Folge. Dort setzen wir
λ = (±ε)−(1 | aε ) und erhalten mit H anstelle von B0 = μ0 H:
M(ε, H) = (±ε)(1 − aB ) | aε M ±1, (±ε)−(aB | aε ) H .
Wir benutzen (4.78) und (4.80): 1 − aB =β; aε
aB = βδ . aε
Damit folgt unmittelbar die Behauptung: M(ε, H) = M ±1, (±ε)−βδ H . β (±ε) Man misst die Magnetisierung M für eine Vielzahl von äußeren Feldern H als Funktion der Temperatur (bzw. ε). Trägt man dann M(ε, H) |ε|β
gegen
H |ε|βδ
auf, so reduziert sich diese Vielzahl auf zwei Kurven, je eine für T < Tc und T > Tc , falls die Skalenhypothese gültig ist. 4.3.7
Lösung zu Aufgabe 4.3.7 Wir benutzen:
1.
(4. 78) : β =
1 − aB , aε
(4. 79) : δ =
aB , 1 − aB
(4. 81) : γ = γ =
2aB − 1 , aε
(4. 82) : α = α =
2αε − 1 . aε
γ (δ + 1) = (2 − α) (δ − 1) gilt genau dann, wenn 2aB − 1 1 ! 1 2aB − 1 = aε 1 − aB aε 1 − aB erfüllt ist. Das ist offensichtlich der Fall!
Lösungen der Übungsaufgaben
2.
373
δ = (2 − α + γ ) | (2 − α − γ ) gilt, falls aB ! 2 − = 1 − aB 2 −
2aε −1 aε 2aε −1 aε
+ −
2aB −1 aε 2aB −1 aε
erfüllt ist: aB ! 2aε − 2aε + 1 + 2aB − 1 = 1 − aB 2aε − 2aε + 1 − 2aB + 1 ⇐⇒
aB ! 2aB = 1 − aB 2 − 2aB
q. e. d.
Lösung zu Aufgabe 4.3.8 1. Wir können vom Gesetz der korrespondierenden Zustände (1.19) ausgehen: 3 π + 2 (3 v − 1) = 8 t , v
pr = π − 1 ; Vr = v − 1 ; ε = t − 1 −2 & ' 3 Vr + 1 − 1 = 8(1 + ε) ⇒ 1 + pr + 3 1 + Vr ⇒
' & 3 Vr + 2 = 4 + 2 Vr + Vr2 + pr 1 + 2 Vr + Vr2 = 8(1 + ε) 1 + 2 Vr + Vr2 .
Sortieren dieser Gleichung führt auf: pr 2 + 7 Vr + 8 Vr2 + 3 Vr3 = −3 Vr3 + 8 ε 1 + 2 Vr + Vr2 . 2.
Im kritischen Bereich werden alle drei Größen pr , Vr und ε sehr klein. In erster Näherung können wir deshalb die Zustandsgleichung aus 1. linearisieren: pr ≈ 4 ε . In einem nächsten Näherungsschritt setzen wir dieses wieder in die Zustandsgleichung ein: 4 ε 2 + 7 Vr + 8 Vr2 + 3 Vr3 = −3 Vr3 + 8 ε 1 + 2 Vr + Vr2 ⇒
0 ≈ Vr 3 Vr2 + 12 ε + 24 Vr ε + 12 ε Vr2
⇒
0 ≈ Vr Vr2 + 8 Vr ε + 4 ε .
4.3.8
374
Lösungen der Übungsaufgaben
Diese Gleichung hat die Lösungen: Vr(0) = 0 ; >
T → Tc
⇐⇒
√ √ Vr(±) = −4 ε ± 2 −ε 1 − 4 ε .
>
ε→0:
Nur Vr = 0 kann Lösung sein, da Vr(±) komplex sind. <
T → Tc
⇐⇒
<
ε→0:
Wir wissen, dass die Lösung Vr = 0 instabil ist. Für das reduzierte Volumen des van der Waals-Gases gilt deshalb: √ √ √ Vr(±) = −4 ε ± 2 −ε 1 − 4 ε ∼ ±2 −ε . 3.
β bestimmt das Verhalten des Ordnungsparameters (4.52): Δρ 1 ρ− − ρ+ Vc V + − V − = = = 2 ρC 2 ρC 2 V− V+ 1 = 2
Vc Vc − V− V+
1 = 2
1
1
≈ − Vr(−) + 1 Vr(+) + 1 1 1 1 − Vr(−) − 1 − Vr(+) = Vr(+) − Vr(−) ≈ 2 2 √ Δρ ∼ 2 −ε ⇒ 2 ρC ⇒ 4.
β=
1 ; 2
kritische Amplitude B = 2 .
T = Tc heißt ε = 0. Dann lautet die Zustandsgleichung aus Teil 1.: −1 pr = −3 Vr3 2 + 7 Vr + 8 Vr2 + 3 Vr3 . Entwicklung für kleine Vr : 7 3 pr = − Vr3 1 − Vr + 0 Vr2 . 2 2
5.
Der kritische Exponent δ ist durch (4.57) definiert: p(0) c =n
R Tc 8 = pc . Vc 3
Dabei haben wir (1.17) ausgenutzt. Es ist also: 3 p − pc 3 p = − 1 = pr . (0) 8 p 8 c pc
Lösungen der Übungsaufgaben
375
Weiter gilt: Vc ρ 1 −Vr −1= −1= −1= = ρC V Vr + 1 Vr + 1 = −Vr 1 − Vr + 0 Vr2 .
Auf der kritischen Isothermen gilt also, wenn wir Teil 4. ausnutzen und für p → pc Vr → 0 anwenden: 3 9 ρ p − pc . ∼ − 1 (0) 16 ρC pc Der Vergleich mit (4.57) liefert:
δ=3; D= 6.
Kompressiblität:
9 . 16
1 ∂V 1 ∂Vr κT = − = − Vc , V ∂p T V ∂p T 1 p −1 = dp , dpr = d pc pc 1 Vc ∂Vr κT = − . V pc ∂pr T
Normierungsfaktor:
κT(0)c =
1 p(0) c
=
Vc 3 = . n R Tc 8 pc
Im letzten Schritt haben wir wieder (1.17) ausgenutzt: 8 1 κT ∂Vr = − . 3 Vr + 1 ∂pr T κ(0) Tc
Nach Teil 1. gilt: −9 Vr2 + 16 ε 1 + Vr ∂pr = − ∂Vr T 2 + 7 Vr + 8 Vr2 + 3 Vr3 & ' −3 Vr3 + 8 ε 1 + 2 Vr + Vr2 7 + 16 Vr + 9 Vr2 − . 2 2 + 7 Vr + 8 Vr2 + 3 Vr3 a) T > Tc →
ρ = ρC , d. h. Vr = 0
⇒
∂pr ∂Vr
T Vr = 0
= 8 ε − 14 ε = −6 ε
⇒
κT 4 −1 = ε . κT(0)c 9
376
Lösungen der Übungsaufgaben
Das gilt sogar überall auf der kritischen Isochoren (Vr = 0), nicht nur für T > Tc . →
4 . 9
γ=1; C=
⇒ b) T < Tc →
Im kritischen Bereich gilt jetzt nach Teil 2.: Vr2 ≈ −4 ε . Dies bedeutet:
∂pr ∂Vr
ε→0
1 1 ≈ (36 ε + 16 ε) − 56 ε = 12 ε , 2 4 1 −→ 1 . Vr + 1 ε→0
Es bleibt somit: 8 1 2 κT ∼− = (−ε)−1 . (0) 3 12 ε 9 κTc Durch Vergleich mit (4.55) folgt:
γ = 1; C =
4.3.9
Lösung zu Aufgabe 4.3.9 Kettenregel
⇐⇒
∂V ∂T
(V β) ⇒
p
∂T ∂p
2 1 = C. 9 2
V
∂p ∂V
= −1 T
1 − = −1 V κT V ∂p β = κT . ∂T V
∂T ∂p
Für das van der Waals-Gas gilt speziell: nR . β = κT V − nb Der Klammerausdruck verhält sich analytisch für T → Tc , sodass das kritische Verhalten von β dem der Kompressiblität κT entspricht.
Lösungen der Übungsaufgaben
377
Lösung zu Aufgabe 4.3.10 1. Nach (1.28) lautet die Zustandsgleichung des Weiß’schen Ferromagneten: B0 + λ μ0 M , M = M0 L m kB T
m λ μ0 M M = kB T M0
N 2 V m λ μ0 (1.26)
=
kB T
M
3 kB C λ kB T
(1.30)
=
M
3 Tc . T
Damit folgt unmittelbar: 3M =L b+ . M ε+1 2.
L(x) = (1 | 3)x − (1 | 45)x3 + 0(x5 ) B0 = 0
⇒
b=0,
T < Tc
⇒
sehr klein. M
→
Dann gilt: ≈ M ⇒
ε
ε+1
3 M 3 M − ε + 1 5 (ε + 1)3
≈−
2 3 M 5 (ε + 1)3
⇒
5 2 ≈ − ε (ε + 1)2 . M 3
Da (ε + 1)2 → 1 für T → Tc gilt, folgt: % 5 ∼ M (−ε)1 | 2 . 3 Wie beim van der Waals-Gas ist somit:
β= 3.
Kritische Isotherme: T = Tc ; ⇒
1 . 2
B0 → 0
und b sehr klein. ε=0; M
Dies bedeutet:
⇒
1 1 3 − b + 3M b+M 3 45 3 ≈ (15 b)1 | 3 15 b ≈ b + 3 M ⇐⇒ b + 3 M
⇒
≈ (15 b)1 | 3 − b ≈ (15 b)1 | 3 , 3M
≈ M
da b → 0 .
4.3.10
378
Lösungen der Übungsaufgaben
Dies ergibt 3 3 b∼ M 5 und führt auf den kritischen Exponenten
δ=3. 4.
∂M χT = ∂H
T
M0 μ0 m = kB T
∂M ∂b
T, b = 0
3 = λ(ε + 1)
∂M ∂b
. T, b = 0
sehr klein: Im kritischen Bereich ist M ∂L ∂x 1 1 2 − x = + ... ∂b b = 0 ∂b 3 15 b = 0 2 3 ∂M ∂M 1 9M 1 + ... = 1 + − ∂b b = 0 ε + 1 ∂b b = 0 3 15 (ε + 1)2 2 2 9 M 1 1 ∂M 9 M ⇒ 1− = . · 1− + ∂b b = 0 ε + 1 5 (ε + 1)3 3 5 (ε + 1)2 → 0: T → Tc bedeutet M
∂M ∂b
≈ T, b = 0
1 1 . 2 ε 9 M 3 ε+1 + 5 (ε+1)2
a) T > Tc : →
≡ 0, sodass mit (ε + 1) −−−→ 1 folgt: Oberhalb Tc ist M T → Tc
1 ∂M ∼ ε−1 . ∂b 3
Dies bedeutet für die Suszeptiblität: 1
χT ∼ ε−1 λ
⇒
γ=1.
b) T < Tc : →
2 ∼ 5 | 3(−ε) einzusetzen: Nach Teil 2. haben wir nun M
χT ∼
1 (−ε)−1 2λ
⇒
γ = 1 .
Für die kritischen Amplituden ergibt sich wie beim van der Waals-Gas: 1 C = C . 2
Sachverzeichnis
379
Sachverzeichnis Abstand − lichtartiger, 30 − raumartiger, 29 − zeitartiger, 29 Additionstheorem − für die Relativgeschwindigkeiten, 24 − für Geschwindigkeiten, 23 Adiabaten, 169 Adiabatengleichung, 170 d’Alembert-Operator, 47, 69 Amplitude − kritische, 275, 287 Äquivalenz von Masse und Energie, 54 Äquivalenzpostulat, 14, 87 Arbeit, 150 − differentielle, quasistatische, 150 Arbeitsaustauschkontakt, 136 Ätherwind, 10 Ausdehnungskoeffizient, 236 − isobarer, thermischer, 190 Austauschkonstante, 148 Avogadro-Konstante, 142 Binnendruck, 143 Biot-Savart’sches Gesetz, 81 Boltzmann-Konstante, 141 Boyle–Mariotte’sches Gesetz, 141 Bragg-Williams-Modell, 267 Carnot-Kreisprozess, 174 Celsius-Skala, 141 Clausius’sche Aussage, 173 Clausius’sche Ungleichung, 184 Clausius-Clapeyron-Gleichung, 257 Coopersmith-Ungleichung, 279 Coriolis-Kraft, 7 Curie-Gesetz, 147 Curie-Temperatur, 149 Curie-Weiß-Gesetz, 150 Dampfdruck, 261 Dampfdruckkurve, 257 Dieterici-Gas, 157 Differential
− totales, 151 Divergenz, 47 Drosselversuch, 225 Durchmischung − irreversible, 221 Ehrenfest-Gleichungen, 268 Ehrenfest-Klassifikation, 265 Eichtransformation, 68 Eigenvolumen, 143 Eigenzeit, 21, 48 Einheitstensor vierter Stufe − antisymmetrischer, 74 Einstein-Oszillatoren, 243 Einsteins Summenkonvention, 19 Energie − freie, 213, 231, 259 − innere, 164, 212 − relativistische kinetische, 52 Energie des freien Teilchens − relativistische, 53, 60 Enthalpie, 214 − freie, 232 Entmagnetisieren − adiabatisches, 237, 242 Entropie, 163, 181, 184, 229, 234 Ereignis, 27, 47 Ersatzprozess − reversibler, 185, 222 Erzeugende, 211 Expansion des idealen Gases − isotherme, 186 Exponent − kritischer, 270 Exponenten-Ungleichungen, 277 Faktor − integrierenden, 151 Feldstärke-Tensor, 71 − dualer, 73, 85 − kontravarianter, 85 − kovarianter, 85 Ferromagnetismus, 149 Fluktuationen
380
Sachverzeichnis
− kritische, 270 Funktion − konkave, 262 − konvexe, 262 − verallgemeinerte homogene, 284 Galilei-Transformation, 8 Gas − ideales, 141, 166, 188, 227 Gaskonstante − allgemeine, 142 Gesetz von den korrespondierenden Zuständen, 145 Gibb’sche (freie) Enthalpie, 215 Gibb’sche Phasenregel, 255 Gibb’sches Paradoxon, 225 Gibb’sches Potential, 232 Gibbs-Duhem-Relation, 218, 256 Gleichgewicht, 136, 253 Gleichzeitigkeitskriterium, 19 Gradient, 47 Griffiths-Ungleichung, 280 Grundrelation der Thermodynamik, 186, 211, 229 Hamilton’sches Prinzip, 86 − kovariantes, 87 Hauptsatz − Dritter, 131, 235 − Erster, 131 − Nullter, 131, 139 − Zweiter, 131, 173, 185 Hebelbeziehung, 260 Heraufziehen eines Index, 46 Herunterziehen eines Index, 46 Homogenitätsrelationen, 216, 217 Impuls − kanonischer, 89, 92 Inertialsystem, 5, 7 Integrabilitätsbedingungen, 151 Invariante des elektromagnetischen Feldes, 71, 75, 76, 86 Inversionskurve, 227 irreversibel, 187 Isotherme
− des Ferromagneten, 274 − des realen Gases, 274 − kritische, 276 Isothermen, 169 Joule-Thomson-Koeffizient − differentieller, 226 Joule-Thomson-Prozess, 225 Kadanoff-Konstruktion, 284 Kelvin’sche Aussage, 173 Kelvin-Skala, 141 Koexistenzgebiet, 259 Koexistenzkurven, 256 Koexistenzlinie, 257 Kompressibilität, 275 − isotherme (adiabatische), 190 Kontinuitätsgleichung, 66, 67, 84 Konzentrationen, 254 Kraftgleichung − kovariante, 86 Kreisprozess, 138, 183 − reversibler, 175 Längenkontraktion, 22 Ladung − elektrische, 84 Ladungsdichte, 66 Lagrange’sche Bewegungsgleichung, 86 − kovariante, 87 Lagrange’sche Multiplikatoren, 252 Lagrange’sche Parameter, 252, 254 Lagrange-Funktion, 86 Langevin-Funktion, 147 Legendre-Transformation, 213 Lichtkegel, 26, 28 Lichtsignal, 27 Lorentz-Bedingung, 68 Lorentz-Eichung, 69, 84 Lorentz-Invariante, 26 Lorentz-Kraft, 81, 83 Lorentz-Transformation, 15 − Spezielle, 16 Magnetisierung, 147 − spontane, 148
Sachverzeichnis
Magnetisierungsarbeit, 153, 154 Masse − relativistische, 53 − schwere, 6 − träge, 6 Matrix der Speziellen Lorentz-Transformation, 17 Maxwell-Gleichungen, 65, 67, 85 − homogene, 75 − inhomogene, 72 Maxwell-Konstruktion, 145, 258, 259 Maxwell-Relationen, 212 Michelson-Morley-Experiment, 9 Minkowski-Diagramm, 27 Minkowski-Kraft, 50, 51, 64, 82, 86, 90 Minkowski-Raum, 15, 26 Mischungsentropie, 221, 224 Molwärme, 167 Nernst’scher Wärmesatz, 234 Newton’sche Fiktion, 7 Newton-Mechanik, 6 Ordnungsparameter, 275 Paarerzeugung, 54 Paarvernichtung, 54 Paramagnet, 146 Paramagnetismus, 149 perpetuum mobile − erster Art, 164 − zweiter Art, 172 Phase − homogene, 145 Phasen, 251 Phasenübergänge − zweiter Ordnung, 266 Phasenübergang, 261 − diskontinuierlicher, 268 − erster Ordnung, 258, 262, 268 − kontinuierlicher, 269 − nter Ordnung, 266 − zweiter Ordnung, 269 Phasendiagramm, 255 Photon, 170 Photonengas, 170, 189
381
Potential − chemisches, 165 − skalares, 67 − thermodynamisches, 212 Potentiale des idealen Gases − thermodynamische, 218 Potenzgesetz-Verhalten, 270 Prozess, 138 Punkt − kritischer, 144, 256 Punktladung − bewegte, 77 quasistatisch, 138, 153 Quasiteilchen, 170 Raum − absoluter, 7, 13 − relativer, 7 Raumachse, 27 Relativität der Gleichzeitigkeit, 19 Relativitätstheorie − Allgemeine, 6 − Spezielle, 6, 14 Relaxationszeit, 137 Response-Funktionen, 189, 266 reversibel, 186 Ruheenergie, 52, 60 Ruheladungsdichte, 66 Ruhemasse, 53 Rushbrooke-Ungleichung, 278 Sättigungsmagnetisierung, 147 Scheinkraft, 7 Schmelzkurve, 255 Skalarprodukt, 44 Skalengesetze, 288 Skalenhypothese, 283, 284 Skalentransformation, 284 Spindimensionalität, 271 Spur einer Matrix, 44 Stabilitätsbedingungen, 263 Stefan-Boltzmann-Gesetz, 189 Stoß − elastische, 55 Strahler
382
Sachverzeichnis
− schwarzer, 166, 170 Stromdichte, 66 Sublimationskurve, 255 Supraleiter, 267 Suszeptibilitäten, 275 Suszeptiblität − isotherme (adiabatische), 193 System − geschlossenes, 135, 165, 253 − isoliertes, 164, 229, 251, 253 − isoliertes (abgeschlossenes), 135 − offenes, 165 − thermodynamisches, 135 Teilchen − kräftefreies, 87 Teilchen im elektromagnetischen Feld − geladenes, 89 Temperatur, 131, 139 − absolute, 141 Temperaturskala − absolute, thermodynamische, 178 Tensor − erster Stufe, 41 − gemischter, 42 − k-ter Stufe, 40 − kontravarianter, 42 − kontravarianter metrischer, 45 − kovarianter, 42 − kovarianter metrischer, 45 − metrischer, 44 − nullter Stufe, 40 − zweiter Stufe, 42 Tensorprodukt, 44 Theorien − klassische, 274 thermisch isoliert, 136 Thermometer, 140 Trägheitsgesetz, 7, 49 Trägheitskraft, 7 Tripelpunkt, 256 Umgebung, 174 Umwandlungswärme, 261, 265 Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunkts, 237
Universalitätshypothese, 271 van der Waals-Gas, 142, 189, 227, 267 van der Waals-Isothermen, 258 van der Waals-Zustandsgleichung, 144 Variablen − natürliche, 212, 214–216 Vektorpotential, 68 Verdampfungskurve, 255 Verdampfungswärme, 265 − molare, 257 Verjüngung, 43 Vierer-Divergenz, 69 Vierer-Gradient, 70 Vierer-Impuls, 52 Vierer-Potential, 69, 84, 90 Vierer-Stromdichte, 67, 84 Vierer-Vektor, 15, 19 − kontravarianter, 41 − kovarianter, 41 − lichtartiger, 28 − raumartiger, 28 − zeitartiger, 28 Vierer-Wellengleichung, 69, 84 Virialentwicklung, 145 Virialkoeffizienten, 146 Volumenarbeit, 152 Vorzeichenkonvention, 150 Wärme, 131, 163 − spezifische, 167 Wärmeaustauschkontakt, 135 Wärmebad, 136 Wärmekapazität, 166, 171, 235 − molare, 167 Wärmekapazitäten, 189, 274 Wärmekraftmaschine, 173 Wärmepumpe, 176 Weiß’scher Ferromagnet, 148, 267 Wellengleichungen, 69 Welt-Geschwindigkeit, 47, 48 Welt-Impuls, 52, 62 Welt-Skalar, 40 Welt-Tensor, 42 Welt-Vektoren, 41 Weltäther, 7
Sachverzeichnis
Weltlinie, 28, 47 Widom-Ungleichung, 288 Wirkungsgrad, 173 − Carnot-Maschine, 177 Zeit − absolute, 7, 13 Zeitachse, 27 Zeitdilatation, 21 Zentrifugalkraft, 7 Zustand, 137 Zustandsänderung, 138 − adiabatische, 169 − irreversible, 138
383
− isotherme, 171 − reversible, 138 Zustandsfunktionen, 137 Zustandsgleichung, 140 − des Ferromagneten, 148 − des idealen Gases, 142 − kalorische, 165 − thermische, 165 Zustandsgröße, 136 − extensive, 137, 216 − intensive, 137 Zustandsraum, 137 Zustandsvariablen, 136 − natürliche, 211